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Johann Heinrich Jung's,
genannt Stilling,
Doktor der Arzneikunde und der Weltweisheit, Großherzogfich » Badifcher
geheimer Hofrath,
fammtlihe Schriften.
3 um
erftenmale vollftandig gefammelt und herausgegeben
von
Verwandten, Freunden und Verehrern des Verewigten.
23 70 —
Bd
———
/)E 35 Dritter Band.
Bd ; > Enthält:
Siegsgefchichte der chriſtlichen Religion fammt
Nachtrag,
|
nr anne nn ET BR TEE EEE EEE EN EEE,
Stuttgart.
J. Scheible's Buhhandlung.
—X ce wi,
1835.
Siegsgeſchicht
der
BER Die
.
chriſtlichen Religion
in einer
‚gemeinnügigen Erklärung der Offenba—
rung Johannis.
— De —
— —— — — ——— —
Stuttgart.
I Scheibleis Buchhandlung.
1835.
Unmerfung.
Menn meine Leer Nutzen und Erbauung von biefem Bud)
haben wollen, fo müffen fie ja nid;t hin und wieder Stüde her-
auslefen, fo wie es ihnen die Neugierde eingibt, fondern fie
müflen vorne an der Einleitung anfangen, und mit unpartheii:
ſchem Gemüth dad Ganze ruhig und mit Gott ergebenem Her:
zen durchitudieren, und im Licht der Wahrheit prüfen;
theile und. vorgefaßte- Meinungen trüben. das. Bern. ia
ben, und die Neugierde ſchwächt das ruhige Koran en ha
wahren Sinn des Geiſtes der Weilfagung.
Einleitung.
— — — —
RR will den Wahrheit fuchenden Lefer nicht mit einer weit:
laͤuftigen Vorrede aufhalten, fondern nur einige wichtige
Punkte, die zum Verftand und zur Berichtigung des ganzen
Werks durchaus noͤthig find, und daher vorher gelejen wer:
den muͤſſen, erörtern,
Bei. der Menge wohl oder übel gerathener Auslegungen
der Apocalypſe könnte wohl Jemand gleich Anfangs bei Er-
‚blidung ‚diefes Buchs mit Unmuth ausrufen, oder denken:
Abermals eine vergeblihe Mühe! — wenn doc. die guten
Leute aufhoͤrten, eine Weiffagung zu erklären, die, nicht er—
Hlärt werden kanu! — Oder ein anderer glaubt: Bengel umd
‚feine Nachfolger hätten dieſe Materie erfchöpft, wozu alfo noch)
‚eine wiederholte Erklärung ?
Diefen und Allen, welche gleich) Anfangs, ohne mein, Werk
‚gelefen zu haben, darüber ſchon aburtheilen, lege ich folgen:
des zur, Beherzigung ‚vor, und überlajje ihnen dann zu chun,
was ihnen ihr Herz ſagt.
Weder Ruhmſucht noch Geldſucht kounte mich zur Aus:
arbeitung diefes Werks beftimmen; denn die Apocalppfe iſt
„heut zu Tage, kein Gegenſtand dieſer Art; dann hätte ich, eut-
„weder etwas aus der Kantifchen Philofophie, oder einen Mode-
‚Roman. vor die Hand nehmen müfjen; . bloß allein. die Be—
merkung, daß es jetzt ſehr viele gute und rechtichaffene Chris
ſten gibt, die die wichtigen Vorfälle unferer Zeit mit Brucı-
ſtuͤcken aus der Offenbarung Zohannis vergleichen, wo. fie
dann einige Aehnlichkeit finden, alfofort urtheilen und glau:
‚ben, fie, hätten, die Erfüllung der Weiffagung getroffen; hat
6 Ginleitung.
hat mich bewogen, diefe fchwere und mühfame Arbeit zu uns
ternehmen. Es ift unglaublich, wie häufig jet die erhabes
nen Hieroglyphen diefer heiligen Urkunde auf die gegenwärs
tige Zeit angewendet werden; — im Ganzen trifft der
allgemeine Forfchungsgeift der wahren Chriften ganz genau
den rechten Punkt, und dieſes war zu wichtigen Zeitpunkten
immer der Fall, folglicdy thut diefe göttliche Schrift ihre ge—
hörige Wirkung; aber weil der menfchlihe Vorwitz die Um⸗
fände der Zukunft zu genau wiffen will, fo geht er dann
leicht zu weit, er wähnt, raͤth und vermuthet, läßt auch wohl
feinen Wahn, Errathung und Vermuthung befannt werden,
oder gar drucden, und wenns dann hernach anders geht, fo
grämt ſich der Rechtfchaffene, der Spötter fpottet laut, der
Schwachglaͤubige fcheitert vollends, und der Urheber der 2%
pothefe wird zu Schanden.
Die Apocalypfe ift ein großes, fehönes und in allen Thei⸗
len zuſammenhaͤngendes Ganze; kein einzelner Theil laͤßt ſich
fuͤr ſich allein und außer dem Zuſammenhange ſicher erklaͤren,
man muß erſt den Zweck des ganzen Buchs wiſſen, und die—
fer ift: Eine bildliche Vorherfagung der ganzen Gefchichte des
Kampfs zwifchen dem Erldfer und dem Verderber de
Menfchen = Gefchlechts, von Johannes an, bis in die Fünf:
tige Ewigfeit hinein; jedes Bild hat da feine angewiefene
Stelle, die ihm die Ordnung des Geſichts und deffen Erzaͤh—⸗
lung anweifet — dahin gehört ed, dahin muß auch feine
Erfüllung gedeutet werden, und nirgends anders, und wenns
auch noch fo wahrfcheinlich fchien.
Diefes ift ein unumftdßlicher Grundfaß, den die Erklärung
der Offenbarung Johannis in jeder Zeile beobachten muß,
und wo das geichieht, da wird wenigftens in der Haupt:
ſache nicht gefehlt; befolgt man aber diefe Negel nicht, fo
geräth man auf Abwege, man verirrt fi, man mag aud)
übrigens fo vorfichtig feyn, wie man will. Sch habe alfo
rein und fo unparteiifch ald mir möglich) war, jenen Grund⸗
faß ins Auge gefaßt, und der chriftliche Lefer mag urtheilen,
ob und in wieferne ich ihn befolgt habe.
Die erfte Urfache alfo, warum ich diefes Buch gefchrieben:
Einleitung, 7
habe, ift: Die wahren Verehrer Jefu für die voreiligen
und unreifen Anwendungen der einzelnen Bilder der Apocas
Inpfe auf gewiffe Vorfälle unferer Zeit zu warnen, und ihnen
die wahre Methode zu zeigen, wie diefes heilige Buch ges
braucht werden fol.
Hiezu fommt aber nun noch ein wichtiger Umftand: Der
felige Prälat Bengel hat in den vierziger Fahren dieſes
Jahrhunderts die Apocalypfe fo bearbeitet, erklärt und ins
Licht gefegt, daß feit Johannis Zeiten bis auf den heutigen
Tag Feiner unter allen Auslegern ihm an die Seite gefegt
werden kann. Seine propherifche Zeitrechnung ift ein fo
bewundernswürdiges Syſtem, daß ed Erftaunen erregt, ſo⸗
bald es deutlich erfannt wird; durch diefes Syſtem wird die
Zeitrechnung der Welt nicht nur, fondern fogar das Zweifels
hafte in gewiffen aftronomifchen Berechnungen berichtigt.
Goͤttliche Offenbarung ift diefes Syſtem wohl nicht, aber,
gewiß eine unter Leitung der Vorfehung entftandene höchft:
wichtige Erfindung, wodurch nicht allein die geheimen Zeiten
in der Apocalypfe, fondern auch in andern prophetifchen
Schriften richtig entwickelt und beſtimmt werden koͤnnen.
Wem die Bengelfchen Schriften zu weitläuftig und zu Fofts
bar find, der findet alles diefes in folgendem Buch vortreffs
lic) ausgeführt und berechnet: „Einleitung zu näherer und
‚deutlicher Aufklärung der Offenbarung Jeſu Ehrifti, oder
St. Johannis, nad Chronologie und Gefchichte, als Beis
trag zum Beweis, daß Bengels apocalyptifches Syftem das
Wahre fey. Karlsruhe 1785. bei Michael Madlot.“
Was aber nun diefem Syftem das größte Gewicht und
‚den höchften Grad der Wahrfcheinlichkeit gibt, das ift: Daß
es jo außerordentlich pünktlich eintrifft, und nad) Bengels
Tod befonders, in unfern Tagen dergeftalt eingetroffen ift,
daß gar Fein Zweifel mehr über deffen Wahrheit entftehen
kann; aber eben diefer hohe Grad der Gewißheit in dem
Dengelfchen Zeitrechnungsſyſtem, gibt nun feiner Apocalypfe
‚überhaupt eine folche Autorität, daß man ihr nun in allen
übrigen Stuͤcken blindlings glaubt; das ſollte man nicht thun,
"weil der felige Mann in einigen Stüden das rechte Ziel
‘8 Ginleitung.
gewiß nicht getroffen hatz denn er hält die Erde für Afien,
das Meer für Europa, die Ströme und Bäume fr Egyp⸗
ten, u. |. w. Daraus folgt alfo nun: Daß das Thier aus
der Erden aus Afien entftehen muß. Da wir nun noch nichts
von einem folchen Thier in Afien wiffen, fo ift e8 nad) Benz .
gel noch nicht aufgeftiegen, und hat doch ſchon fo lange ſei⸗
nen Unfug getrieben, welches auch nach Apoc. 15. nicht an⸗
ders ſeyn kann. Erde, Meer und Ströme, wie auch die
Baume, haben in der hohen Offenbarung verfchiedene, aber
fehr regelmäßige Bedentungen, die man nicht verfehlen Fann,
wenn man nur jedes Drts die Beziehung dazu nimmt, in
welchen fie mit den übrigen Bildern ftehen, wie der Leſer in
meiner Erklärung bald bemerfen wird.
Dergleichen menſchliche Fehler, die im des vortrefflichen
und frommen Mannes erflärten Dffendarung mit
eiugeſchlichen ſind, machen nun, daß man noch vieles erwar⸗
tet, das ſchon unvermerkt voruͤbergegangen iſt, oder das ganz
anders geſchehen wird, als man ſichs vorgeſtellt hat: woher
es denn kommen kann, daß mans gar nicht bemerkt, und dar⸗
über die Termine verfehlt, u. ſ. w. Die Haupturſache von
dieſer ſehr verzeihlichen Schwaͤche des großen Mannes lag
wohl in ſeiner aͤußerſt gewiſſenhaften Aengſtlichkeit, ja bei
dem trockenen Buchſtaben der Apocalypſe zu bleiben, weil er
auch dieſen fuͤr goͤttlich halten mochte, welches doch gewiß der
Fall nicht iſt: Nur da, wo ihm Chriſtus oder ein Engel et:
was Ddictirt, wie 5. E. die fieben Briefe, da ift alles, auch
der Buchſtabe goͤttlich; aber wo Johannes beſchreibt, was
er geſehen und gehoͤrt hat, da bedient er ſich ſeiner ihm na⸗
türlichen Red: und Schreibarten, da müffen wir alfo auf bie
Sachen und nicht auf die Worte feben, wenn wir ihn erklaͤ⸗
ren wollen.
Dieſe buchſtaͤbliche Aengſtlichkeit merkt man in Bengels
apocalyptiſchen Erklaͤrungen allenthalben, und beſonders auch
in feiner Ueberfegung des Textes der Offenbarung. Hiezu
kommt aber noch eins: Bengel ſowohl als feine Nachfolger,
auch der ungenannte Verfaſſer des oben angeführten Carls⸗
ruher Buchs, Tegen den Theil der Offenbatung/ der entweder
Einleitung. 9
wirklich, oder nach ihrer Meinung noch zufünftig ift, wie ich
ſehr fürchte, zu buchftäblic) und wenn ichs jagen darf, zu
fraß aus; wenn das nun-in der nahen Zukunft nicht fo eins
trifft; ſo fällt dann der Verdacht der Unrichtigkeit auf das
ganze Bengelfche Syftem, oder gar auf die hohe Offenbarung
felbft, welches ein unerfeglicher Schade für den Liebhaber
des göttlichen Worts feyn wiirde, weil er dadurch gerade zu
der Zeit, wo er diefed Wort der Geduld und der Hoffnung
am nöthigften braucht, mißleitet und irve gemacht wird,
Bengel felbft war noch am behutfamften, viele feiner Nachs
folger aber find fo freimäthig, Tag und Stunden und Vors
fälle fo genau zu beftimmen, ald wenn gar feine Frage mehr
von. der Nichtigkeit der Beugelſchen Vermuthungen wäre,
und das ift fehr mißlich und gefährlich.
Die zweite Haupturfache, warum ich diefe Arbeit unters
uahm, war aljo: Nach befiem Wifjen und Gewiſſen des jelis
gen portrefflihen, und id mag wohl fagen, heiligen Mans
nes Ehre, und fein herrliches Syftem für Mißverftand und
Mißbrauch zu retten, und dadurch zugleich auch den Ehriften
unferer Zeit den Weg zu beſſerer Einficht in die erhabene
Meiffagung des neuen Bundes, zur Stärkung des Glaubens,
zu bahnen, deren er in anfern Tagen fo fehr bedarf.
Uebrigens find mir zwei Dinge in der Bengelihen Ers
klaͤrung noch immer dunkel; Einmal ann ich nicht begreis
feu, warumser die Briefe an die fieben Gemeinden für nicht
prophetiſch erklärt, da fie doch, wenn fie das nicht find, fo
ganz zwedlos da ſtehen? — und dann aud), warum er zweis
mal taujend Jahre zum herrlichen Reiche Chriſti anfest, da
doch dad Alles fein Syſtem fo wenig als die Offenbarung
ſelbſt nothwendig macht? — Seine Gründe dazu find nicht
überzeugend; der Leſer wird an den gehörigen Orten finden,
warum ich Darin von ihm abgegangen bin,
Dieſe zween Hauptgruͤnde mögen zu meiner Rechtfertigung,
warum ich die Menge der Schriften über die Apocalypfe
‚ Durch, die meinige noch vermehrt habe? genug ſeyn. Sch
wende mic) aljo noch zum zweiten Theil diefer. Einleitung.
Damit die-Lefer diefes Buchs, welches ſich auch, wie es
10 Ginleitung.
nicht anders feyn Tonnte, auf Bengels Zeitrechnungsfyften
gründet, weil das höchft wahrfcheinlic) das Einzige Wahre
ift, nicht nöthig haben mögen, des feligen Mannes, oder
auch feiner Nachfolger Schriften zu kaufen, um die meinige
zu verftehen, fo will ich diefes Syftem hier in der Kürze,
aber doch hinlänglich vollftändig darftellen.
Es gibt in der Apocalypfe zweierlei Zeiten: 1) Geheime
prophetifche, und 2) natürliche Zeiten, fo wie wir
fie im gemeinen Leben beftimmen.
Die prophetifchen Zeiten werden entweder mit dem nemlis
chen Namen benennt, den wir auch den natürlichen beilegen,
ob fie gleich weit länger find, wie 3. B. die 42 Monate der
Waͤhrung des Thiers; oder fie haben unbeftimmte Benens
nungen, aber doch eine beftimmte Dauer, wie 3. B. die eine
Zeit, zwo Zeiten und eine halbe Zeit des Weibes in der Wuͤ⸗
fien, und der Zeitlauf, welchen die Seelen unter dem Altar
noch ruhen mußten, welchen Bengel den Chronus nennt.
Die natürlichen Zeiten, welche in der Offenbarung vorkom⸗
men, find die 666 Fahre der Währung des Thiers, Kap. 13,
DB. 18. und dann die 1000 Fahre des Reichs Chriſti auf
Erden; beide werden im Text entweder ausprädlich, oder
durch die Umftände ihrer Währung als folche beftimmt. -
Da wir die natürlichen Zeiten Fennen, und wiffen, wie
groß fie find, fo koͤnnen wir auch die geheimen prophetifchen
Zeiten nad) ihnen beftimmen, fobald ein Schlüffel gegeben wird,
welcher anzeigt, wie fich die leteren zu den erftern verhalten.
Diefer Schläffel muß in der Offenbarung gegeben werden,
fonft wären fie ganz zwecklos; denn fobald die apocalyptis
fhen Zeiten, wenigſtens nicht ungefähr, beſtimmt werden
fonnen, fo kann fie ald Weiffagung gar nichts nuͤtzen.
Da es aber auch bei Weiffagungen nothwendig ift, daß
fie bis auf einen gewiffen Grad dunfel bleiben, damit der
Widerfacher den Plan Gottes nicht errathe, und auch aus
eben dem Grunde die Zeitpunkfte, wo die apocalyptifchen Zeis
ten anfangen, für den Glaubigen zwar hinlänglicy gewiß,
für den Zweifler aber nicht deutlich genug beftimmt find, fo
wurde auch jeder Schlüffel gleichfam ins Ganze verſteckt. Wer
nun Weisheit hat, der mag ihn fuchen,
Einleitung. 11
Das 15te Kapitel enthält ihn; nirgend anders ift er zw
finden. Dort heißt e8 im 5ten Vers: Und ed wurd ihm
(dem Thier aus dem Meer) Gewalt gegeben, zwei und
vierzig Monate lang zu wirken. Nach dem natürlichen
Zeitmaaß wären dad drei und ein halb Jahr; da aber alles
dad, was diefed Thier, der Weiffagung zufolge, ausrichten
fol oder wird, unmöglich im einer fo kurzen Zeit gefchehen
Tann, fo müffen diefe 42 Monate eine prophetifche Zeit feyn.
Am Schluß diefes dreizehnten Kapiteld im 18ten Vers
beißt es nach meiner gewiß richtigen Ueberfegung: Hier ift
die Weisheit — wer Beurtheilungsfraft hat, der bes
rechne die Zahl des Thiers; denn es ift eine Menfchenzahl,
und die Zahl defjfelben ift fechs hundert ſechs und fechzig. —
Bengel, der ungenannte Verfaſſer ded Garlsruher Buchs,
und ich, haben bei diefer Stelle bewiefen, daß diefe 666 die
Anzahl der Regierungsjahre des Thierd aus dem Meer nach)
menfchlicher Nechnungsart beftimmen; die übrigen Anwens
dungen der Zahl 666 auf gewifje Namen oder Sachen wers
den deswegen dadurch nicht ausgefchloffen. Da nun bier
dem, der Beurtheilungsfraft genug hat, dad Rechnen anges
rathen wird, und da es ausdrüdlich heißt: Hier ift Die Weis:
heit — und über das Alles, da die Gefchichte des laufenden
1789ften Jahrs die vollfommenfte Wahrheit diefes Syftems
der 666 Regierungs- oder Gewaltjahre befiegelt ; fo liegt der
Schlüffel ganz zuverläßig in diefer Stelle.
- Da in den Morgenländern Mondenjahre gebräuchlich waren,
fo lauter diefer Schlüffel ſo:
42 prophetiihe Monate geben 666 Mondenjahre, wie
viel gibt 1 prophetifcher Monat? — fo läßt fih auch nun
berechnen, wie groß eine prophetifche Sekunde, Minute,
Stunde, Tag, Woche und Jahr fey?
Zu einer beiläufigen Zeitbeftimmung wäre dieß wohl ges
nug; da aber durch die Berechnung der prophetifchen Zeiten,
welche eine unbeflimmte Benennung haben, nemlich der
viertehalb Weibszeiten, der wenigen Zeit des Drachen, und
des Chronus der Blutzeugen unter dem Altar, jene 666 noch
genauer beftimme werden, und dadurch dann erſt das voll.
12 —Einleitung.
kommene Bengliſch⸗Apocalyptiſche Rechnungsſyſtem, wel⸗
ches zur Beſtimmung aller prophetiſchen Zeiten in der Bibel,
umd fogar zur Berichtigung aftronomifcher Berechnungen, und.
der gefammten: Weltdauer fo vortrefflich iſt, vollendet, die
apocalyptiiche Progreffion dargeftellt wird; fo muß man num
auch noch zuerſt diefe Zeiten von unbeftimmter Benennung
ausfindig machen: dann erft kaun jene Berechnung der erften,
propherifhen Zeiten aufs genaufte zu Stande gebracht. werden.
Das Wort Zeit ift an fich ein unbeftimmter Ausdruck,
und kann anders nicht ald durch Vergleihung mit beſtimm⸗
ten Zeiten oder Zeitmaaßen verfiändlich gemacht werden.
Bengel, und der ungenannte Verfaſſer des Carlsruher
Buchs gehen einen aͤußerſt ſchweren und muͤhſamen Rechnungs⸗
weg, auf welchen ihnen wenige meiner Leſer werden folgen
koͤnnen, dagegen ift er aber dann auch ficher und in hohem
Grad überzeugend. Sch fuchte daher einen andern, jedem
meiner Lejer verftändlichen Auffchluß über diefe geheime uns
beftimmte Zeiten, und fand zu meiner Bewunderung den
Schlüfjel dazu ebenfalld in der Zahl 666 —! auc) Diefer
Aufſchluß ift fiher und vollfommen überzeugend.
Die Zahl 666 befteht aus drei Gliedern, nämlich 600, 60.
und 6; jedes diefer Glieder ift nun zwar eine Zeit, aber bie
- zweite ift zehnmal länger ald die dritte, und die erſte zehn
mal länger ald die zweite; indefjen ftehen einmal dreimal 6
da, und jede diefer 6 bezeichnet eine Zeit; die Zahl 666 bes
ſtimmt alfo Feine zwei, Feine vier, fondern genau drei Zeiten.
Wenn ich alfo mit 3 in 666 dividire, fo befame ic) 222
Jahre zu einer Zeit, folglich 111 zur halben Zeitz diefe 111
find auch darum merkwürdig, weil nach einer alten Zradis
sion 111 Päbfte feyn werden, und man fchon lang 6 Jahre,
als das mittlere Verhältniß der Regierungsiahre eines Pab⸗
fies, angenommen hat. Man fehe meine Erklärung über den
18ten Vers des 15ten Kapitels; wenn ich 111 Päpfte mit
6 Regierungsjahren innleiplieite,, fo kommt wieder Die Zahl
666 heraus,
Diefer Sat ift nun zwar a priori angenommen und nichts
weiter als eine Hypotheſe; nimmt man aber nun den Bes
Einleitung 15
weis a BEER“ der Gefchichte hinzu, fo wird er ges
wiß und überzeugend. (Man lefe hier meine Erklärung des
fo eben angeführten 18, Verſes des 15. Kapitels.) Sm Jahr
1059 begonn der gte Flug des Sonnenweibes in die Wüfte,
Kap. 12. V. 14. und im eben diefem Jahr begann auch die
erfte entfernte Anftalt zum Auffteigen des Thiers aus dem
Meer; von hier an laufen nun die viertehalb bene
mit den Thiereszeiten nebeneinander fort.
: Das 1725fte Jahr iſt fo wichtig in den viertehalb Zeiten
des Sonnenweibes, daß es mothwendig eine Hauptepoche
ausmachen muß. S. meine Erflärung des 14ten Verſes
des 21. Kapiteld, Da nun im Fahr 1059 die viertehalb
Zeiten anfangen, und von da an bis 1725 genau 666 Jahr
verfloffen find, fo muͤſſen diefe 666 Jahr eim merfwürdiger
und beftimmter Theil der viertehalb Zeiten feyn.
_NB. Bei der Anwendung der Apocalytifchen Zeitrechnung
auf die Gefchichte, um der Erfüllung der Weiffagung nachzu⸗
fpüren, braucht man Auf den Heinen Unterfchied zwifchen
Mond : und Sonnenjahren nicht Nücficht zu nehmen, denn
die alte Gefchichte erzähle die Umftände nie fo genau, daß
man die Erfüllung auf Tage und Stunden beftimmen koͤnnte.
Wenn diefe 666 eih beftimmter Theil der viertehalb Zei⸗
ten find, fo muͤſſen fie entweder eine halbe oder eine ganze,
oder zwei, oder drei Zeiten ſeyn. Mären 666 Jahre eine
halbe Zeit, fo Beträgen die viertehalb Zeiten 4662 Jahre;
wären fie eine ganze Zeit, fo betrügen fie 2551 Jahre, und
wollte man fie als zwei Zeiten, folglic 355 für eine Zeit
anchmen, fo machten die MWeibszeiten 11654 Jahr aus;
alle drei Summen aber find viel zu groß, und paffen gar
nicht zum Ganzen der Apocalypfe.
1 Es bleibt alſo nichts anders übrig, als die 666 Jahre
muͤſſen entweder drei oder gar viertehalb Zeiten felbft feyn;
im legern Fall muͤßte im Jahr 1725 das Schickſal des Sons
nesweibes entfchieden worden feyn, das ift aber nicht der
‚Bil; ; denn fie lebt noch immer in der Wüfte fort, folglich
eibt nichts anders übrig, als daß die 666 Jahre dreien
— und daß 222 Jahre eine Zeit ausmachen.
1% Einleitung.
> Die viertehalb Zeiten werden alfo beftimmt: Wenn ich eine
Zeit 222, zwei Zeiten 444, und eine halbe Zeit 111 zuſam—⸗
men addire; gefchieht diefes, fo befomme ich 777 Jahre für
die viertehalb Zeiten des Sonnenweibes in der Wüften.
Hier entdecken fi) nun fchon die Bruchftüde der berühms
ten apocalyptifhen Progreffion, welche der felige Prälat
Bengel erfunden, und wodurd) er fo viel geleiftet hat. Die
falſch berühmte Auffläsung fucht aber dieß Licht mit Gewalt
unter den Scheffel zu verſtecken, welches auch Fein Wunder
iſt; denn man möchte zu viel dabei fehen.
Nach den, was wir nun gefunden haben, wäre eine halbe
Zeit von 111 Jahren der Maaßſtab oder das mefjende Glied
diefer Progreffion, und müßte folgendergeftalt geordnet werden:
411 — 222 — 355 — 444 — 555 — 666 — 777 —
833 — 999 — 1111 u. f. w.
Sp ſchoͤn und regelmäßig aber nun auch) diefe ö
iſt, und ſo genau ſie auch in jeder Erfuͤllung zutrifft, indem
alle apocalytiſche Zeiten in ihren Gliedern gefunden werden,
fo fand doch Bengel, daß noch eine Hauptzahl der Offen:
barung Sohannis, nemlidy die taufend Sahre fehlten — die
999 Fahre kommen zwar der Dauer des taufendjährigen Reichs
Ehrifti ſehr nahe, aber fie find doch Feine taufend Jahre; er ges
zieth alfo aufden Einfall, fie durch einen Bruch auszudrücken,
und diefen dann auch) durch die ganze Progreffion, nach dem
nemlichen Maaßſtab fortgehen zu laffen, er verwandelte alfo
die taufend Fahre in 9992, und Damit war die Sache berichtigt.
Durch diefen Bruch) befommt nun die apocalyptifche
Progreffion folgende Geſtalt: 1) 111 3 — 2) 222 3 —
5) 3555 8 — A) 444 5 — 5) 5 — 6) 6 —
7) 777% — 8) 888 & — 9) 999 2 — 10) 1115 —
jeßt ift diefes bewundernswürdige Syſtem vollftändig, und
man wird in meiner folgenden Erklärung der Apocalypfe fes
hen, wie genau ed zutrifft; und was ed in aftronomifchen
Berechnungen leiftet, das findet man in oftgedachtem Carls⸗
suher Buch ausführlich, fo daß mans ohne —** nicht
leſen kann.
Ein Haupteinwurf, den vernünftige Dinner gegen diefe
4
|
-
Einleitung. 15
- Berechnung gemacht haben, und der ſich auch mir anfänglich
aufdrängte, als ich Bengeln las, ift folgenders Bei der heis
ligen Einfalt, die man durchgehends in der Bibel findet,
und wodurch fie fo ehrwärdig und gemeinnüßig wird, kommt
einem eine folche tieffinnige, Fünftliche, mathematifche Ope⸗
ration ganz widerfinnig vor; man Fann fi) des Gedankens
nicht erwehren, daß der fromme Johannes, der wohl fchwers
lich in feinem Leben rechnen gelernt hatte, gewiß an Ben
geld apocalyptifche Progreffion nicht dachte — allein diefer
fo fcheinbare Einwurf ſchwindet im Augenblid, fobald man
fih die Sache nur aus dem rechten Geſichtspunkt vorftellt.
Gewiß ahndete Zohannes von diefer Progreffion nichts —
aber der Geift der Weiffagung legte fie gewiß deswegen hin—
ein, damit fie Bengel im achtzehnten Jahrhundert zur Glaus
bensftärfung feiner Zeitgenofjen finden möchte. Man wird
mir doch zugeben, daß der heilige Geift rechnen, und alfo
auch den Propheten Geheimniffe dictiren oder vorftellen kann,
die fie wohl fchreiben, aber deswegen noch nicht verftehen
koͤnnen! — Man lefe nur, was der Engel zu Daniel fagt:
Es würden in den leiten Zeiten viele in feiner verfiegelten
Schrift großen Verſtand Pens und dieß gilt auch hier.
Dan. 12. V. 4.
Bei dem allen aber muß man denn doch immer noch in
Anwendung des Bengelſchen Regierungsſyſtems auf die zus
fünftigen noch nicht erfüllten Weiffagungen fehr vorfichtig
feyn; man darf wohl nach feiner Anleitung glauben und
hoffen, aber nicht gewiß wiffen; denn jede Weiffagung muß
bis zur Erfüllung einen Grad von Ungewißheit behalten,
damit ihre Erfüllung nicht gehindert werde.
Jetzt will ich nun auch die apocalyptifche Progreffion auf
die Weiffagung felbft anwenden :
E
1) 111 5 Fahr find die halbe Zeit des Sonnenweibes.
2) 222 3 machen eine ganze Zeit aus.
5) 555 3 findet in der Apocalypfe Feine ausgefuchte Stelfe,
fie machen anderthalb Zeit aus, und jeigen die Dauer
der Herrfchaft des Heidenthums über das Chriftenthum,
bis zur Einweihung der Stadt Conftantinopel an, die
im 354ften Jahr nach Ehrifti Geburt geſchah.
16 Ginleitung.
4) 444 8 find die zwo Zeiten des Meibes.
5) 555 :&: haben auch in der Apocalyfe noch Feine Stelle
gefunden, aber nad) Bengeld vortrefflichen Beweis,
beftimmen fie Daniels 70 Zahrwochen fehr genau.
6) :666 £ ift die Schlüffelzahl, die Zahl der Regierungs—
jahre des Thiers, gleich 42 prophetifchen Monaten.
7) 777 3 machen die gefammten viertehalb Weib. zeiten aus.
8) 888 & beftimmen die wenigen Zeiten, die der Drache
nach feinem Sturz aus dem Himmel auf die Erde, hier
‚zu wüthen noch Zeit hat; fie fangen vor den Weibszei⸗
ten an, und hören mit denfelben auf, folglich müffen
fie länger feyn.
9) 999 2 find taufend Sabre des herrlichen Reichs Ehrifti
auf Erden; und
10) 1111 # machen den Chronus oder den Zeitlauf aus,
den die ‚Seelen unter dem Altar noch ruhen follten, und
der. der Thyatirifchen Sefabel zum a vergoͤnnt
wurde.
Der: Nicht» Chronus des re Engels Rap. 10.
V. 6. fällt zwifchen die Glieder 999 % und 1111 3
Aus .diefer anasalaptiichen Progreffion, und zwar —* der
Schluͤſſelzahl 666 $ laffen ſich nun auch die prophetiſchen
Zahlen beftimmen, "toelche gewöhnliche Benennungen haben,
Wenn aljo 42,prophetifhe Monate 666 5 gewöhnlichen Jah⸗
„zen ‚gleich. find, ſo beträgt
v3 Stunde, Off. Joh. 8, B. 1. 4 Tage, 2 Stunden 10 Minuten.
„2 Stunde, Kap. 9.8: 15. 8 Tage, 2 Stunden 20 Minuten,
4 Tag, ebendaſelbſt . . +.196 Zage,und fall 8 Stunden,
4260 Tage des Weibes in der
Wüſten, Kap. 12. ©. 6. 677 Sahre, 97 Tage.
Jahrwoche Daniels. 73.542 T. 1St. 15 Min. 36 Sec.
4 Monat, Off. Soh. 9. V. 15. 15 Fahr und 318 Tage.
5. Monat, Kap. 9. V. 15. 79 Jahr, 19 Wochen, 1 Tag.
4 Jahr, Kap. 9. V. 15. 196 Fahr, 147 Tage, 15 Stunden.
4 St. 1 Tag, 1 Mon. 1 Jahr, ae, 6;
ebendafeldft, zufammen . . 212. Saht, 275 Tage, 12 Stunden.
Sest wären nun alle apocalyptifche Zeiten, fo viel ihrer
Re — find, bekannt und aufgelöst.
. Einleitung. 17
Die Zeitene Progreffion und diefe beftimmten prophetifchen
Zeiten treffen im’ den Monaten ohne Bruch zuſammen. Denn
111% gemeine Zahre,. oder eine halbe Zeit ift 7 propheti⸗
ſchen Monaten gleich 5 folglich kann auch die Progreffion nach
lesterer Benennung won 7 zu 7 Monaten fortgehen; als
1114 glei 7,'222% glei) 14, 5353 glei) 21, 444% gleich
98, 5555 gleic) 35, 4666% gleich 42, 7775 gleidy 49, 8888
gleich 56, 9998 gleich 65, und A111} ee 70 prophetifchen
Monaten. - r
Wollte nun einer — Warum doch die * ſonderbar⸗
Zahl von 2292 gewöhnlichen Jahren als ein allgemeines bes
ſtimmtes Zeitmaaß — als eine Zeit — in der Apocalypfe
angenommen würde? — fo dient ihm hierauf zur Antwort:
Darum, weil 222% unferer irdifchen Jahre gerade den Maaß—⸗
ftab ausmachen, durch welchen der Lauf aller himmlifchen
Körper ohne Bruch und ganz regelmäßig: beftinme,'wird.
Menn einer unfterblich wäre , und das ganze All des Sons
nenſyſtems bewohnte, ſo konnte er feine Dauer und die Ges
ſchichte nicht anders abmeffen, als nach allgemeinen, in der
ganzen Schhpfung „gültigen Zeiten, und jede —
enthielte dann 2225 unſerer irdiſchen Jahre.
Be die Mühe geben, und. das wichtige Buch: ‚Bens
—— 8, oder fonderbare Betrachtung des großen: Welt—
jahrs, oder auch nur das oft angeführte Carlsruher Buch,
aufmerkſam lefen und ftudiren will, der kann unmöglich mehr
an der Wahrheit und Nichtigkeit der apocalpptifchen Progrefs
fion, aber auch dann eben fo wenig an der Göttlichfeit und
ganz vorzüglichen Sufpiration der Offenbarung Zohannis
zweifeln. Denn kein Johannes in der Welt war im Stand,
vor 1700 Sahren einen Schlüffel: zu. einem aftronomifchen
Syſtem zu erfinden, zu dichten, oder zu phantafiren, das
man nur erſt nach langfamen und muͤhſamem Fortfchritt in
diefem Jahrhundert jo ziemlich ind Reine gebracht hat, und
das fogar durch jenen Schlüffel vollender wird! —
Wen das nicht rührt, dem ift nicht zu helfen — ich Fenne
feinen Aıkern Beweis für die Göttlichfeit der Apocalypfe als
dieſen. — Wehe dem, der diefe erhabene ans ver⸗
Stillingk mmti. Schriften. itt. Band.
18 Einleitung.
wärft, ‚oder nur geringſchaͤtzt, beſonders jeßt, nachdem die
Vorfehung auch noch diefen Grund des Glaubens hinzu ge=
than hat.
Jetzt gebe ich num in Gottes Namen mein Buch der Lefes
welt in die Hände. Die Gelehrten von der. falfchen Aufklaͤ⸗
rungsparthei, alle Neologen und Philoſophen mögen nun las
chen: oder weinen, ‚fpotten oder ſchimpfen, das Alles thut
mir nicht einmal an der Singerfpige wehe, gefchweige am
Herzen. Wenn aber ein wahrer Freund Gottes, Ehrifti und
der Bibel etwas findet, das ihm nicht recht ift, fo widerlege
er mich nur nicht. dffentlih: Denn dieß macht die redlichen
Lefer irre; fondern er fehreibe nur feine Gedanken oder Eins
wendungen an den Derleger diefes Buchs, diefer foll fie mir
zuſchicken, und ich will fie dann in meinen apocalyptifchen
Nachträgen, die ich nad) und nad) Heftweife herauszugeben
gedente, abdruden laffen, und dann aufrichtig beantworten;
auch wenn ich Fehler an meinem Werk bemerfe, oder neue
Entdefungen made, fo foll das Alles in jenen Nachträgen
berichtiget und mitgetheilt werden.
Zu meiner Veberfegung der Apocalypfe habe ich mid) des
Bengelichen griechiſchen neuen Teſtaments bedient, weil fols
ches von den bewährten Theologen als eins der genaueften
und correcten angefehen wird. — Der Geift Sefu Chriſti werde
Fuͤhrer und Regierer aller derer, die dieß Werk leſen Amen!
— ———— — rn
Das erſte Kapitel.
1. Die Offenbarung Jeſu Chriſti,
welche ihm Gott gegeben hat, feinen Knechten zu zeis
gen, was fchnell nacheinander gefhehen muß; und bat
es in Sinnbildern
9, vorgeftellt, da er es durch feinen Engel feinem Knecht
Johannes fandte, welcher das Wort Gottes und das
Zeugniß Jeſu Chrifti, info ferne er Augenzeuge
gewefen,
5. auch bezeugt hat. Selig find Lefer und Zuhörer der
Worte diefer Weiffagung, wenn fie denn auch bewahs
ren, was darin gefchrieben iftz Denn die Zeit ift nahe.
So lautet der feierliche Titel diefes Buchs, das an Erhas
benheit der Bilder und an Wichtigkeit des Ausdrucks in der
ganzen Bibel feines gleichen nicht hat. Wenn auch die Gots
tesgelehrten Feine äußere und die ftrengfte Kritifaushaltende
Beweife für die kanoniſche Gültigkeit defjelben: aufgefunden
‚hätten, fo würde es doch der wahre und unpartheiifche Bis
belfreund und Bibelfenner bald an der Sprache erfennen,
So dichtet weder ein alter noch ein neuer Dichter, und man
füplt alfofort, daß ein höherer Geift im ganzen Buch weht,
als in irgend einem Werk des menfchlichen Genies. . Indeſ⸗
fen find doch nun auch wieder gelehrte Theologen darum eins
ſtimmig, daß. dieß Buch kanoniſch, bibelwärdig und wirklich
von dem Evangeliften Johannes gefchrieben worden fey.
Die Aufihrift Heißt: Die Offenbarung Jeſu Ehrifti,
oder: Die Offenbarung der göttlichen Rathfchlüffe über: die
riftliche Religion und ihre Verehrer, von dem dermaligen
Zeitpunft an, bis zu feiner herrlichen Wiederfunft, an Jeſum
Chriſtum ſelbſt. Diefer unfer Herr und Heiland wußte wäh:
vend feinem Pilgerleben hienieden, felbft diefe Rathſchluͤſſe nur
2 *
20 Erklärung der Offenbarung Johaunis.
gleichſam im dunfeln Blicke, wie foldhes aus Matth. 24.
V. 56. Marc. 15. V. 52. und Ap. Geſch. 1. V. 7. Klar
erhellet; nachdem aber das Lamm gefihlachtet war, feinen
Sit zur Rechten des Vaters genommen, und nun bie fieben
Siegel, womit dad große Dokument des göttlichen Regie: -
rungsplans zugefiegelt worden, eröffnet hatte, jeßt wußte Er
feibft diefen Plan,’ nach welchen Er von da an die Regierung
feiner Chriftenheit einzurichten.hatte. Eben diefe Entdedung,
die der zum Meltregenten erhobene Erlöfer in Anfehung der
‚göttlichen Rathſchluͤſſe gemacht hatte, wollte Er nun aud) ſei⸗
nen Dienern. mittheilen, aber ſo, ‚daß nur geübte und dazu
auögerüftete Chriften zu jeder Zeit das, was fie anginge, darz
aus erkennen, und ihren Zeitgenofjen erklären Fonnten. Des—⸗
wegen wurde Alles in magjeftätifche, geheimnißvolle Bilder,
gleichfam in Hieroglyphen verhüllt, die alfo nur. der verſte—
hen fonn, der ſich mit dem Geift der Weiffagung befannt und
vertraut gemacht hate ©. 25
Es ift ganz natürlich, daß Weiffagungen diefer At nie
ganz deutlich ſeyn dürfen; denn wenn fie jedermann verſtaͤnd⸗
lich wären, fo fünnen fie nicht erfüllt werden, weil die Feinde
ſich wohl hüten würden, das Ihrige zur Erfüllung beizutra⸗
gen; indefjen würden fie doch auch ganz ohne Nugen feyn,
wenn fie Niemand verftünde, daher fanden ſich in jedem Zeit-
punkt Männer, die ihre Auffchläffe über die Propheten, und
befonders auch über die hohe. Offenbarung, die: wir jetzt vor
uns haben, ihten Zeitgenoffem mittheilen; wäre. es nur immer
mit der gehörigen Vorficht gefchehen! — aber das war: felten
der Fall, .man wagte: fich weiter, ald man. hätte thun follen,
und fchadete dadurch mehr, als man nüßte. Der Herr ſchenke
mir die Gnade, daß ich dieſe Klippe vermeide! fi
Alfo, Gott gab dieſe hohe Offenbarung feinem Sohn Sefu
Chriſto, und nachdem fie Diefer empfangen, fo fandte Er fie
auch feinem Kieblingsjünger, dem Apoftel Johannes; Damit
er fie ferner ausbreiten und den Dienern unfers Herrn zeigen
möchte, wie es mit der chriftlichen Religion fernerhin gehen,
und was für Schiefale die Anhänger Jeſu bis zu feiner Mies
derkunft haben würden, | Der Apoftel Johannes, welcher die
j Kap. 1. V. 1. 2. 3 21
ganze Geſchichte dieſer Offenbarung in Form eines Briefs
abfaßt, macht ſich denen Freunden, an die er damals dieſen
Brief ſchrieb, durch eine Beſchreibung ſeiner Perſon kenntlich,
damit ſie nicht etwa einen audern Johannes, als ihn, fuͤr
den Verfaſſer auſehen möchten; darum ſagt ers Er.fey ber
Sohaunes, der das Wort Gottes gelehrt, und ald Augenzeuge
das Zeugniß von Jeſu Chrifto bezeugt habe.
Es iſt aber in dieſem Titel dieſes wichtigen Buchs ein
Ausdruck, über den ich mich erklaͤren muß. Es heißt nem⸗
lich: feinen Anechten zu zeigen, was ſchnell nacheinan—
der geſchehen muß; Luther hats überfegt: Was in der
Kürze gefhehen foll; dies ift aber nicht ganz richtig,
denn das griechifche Wort bedeutet — in Gefhwindigfeit —
daher muß mans fo verſtehen: Alles, was hier geweiffagt
wird, foll fehr fchnell auf einander fölgen, alles foll in ges
drängter Geſchwindigkeit gefchehen, wenn au das Ganze
viele Jahrhunderte ausfüllen folffe; man kann es ganz deutz
Lich machen, ‚wenn mans fo umfchreibts „Seinen Knechten
„die Menge von wichtigen Gefchichten zu zeigen, die in achts
ehenhundert und mehreren Fahren im Neich Gotted auf
„Erden, in gedrängter Geſchwindigkeit auf einander folgen,
„ſich gleihfam unter einander ablöfen, und nun in Kurzem
„anfangen. follen,
‚Endlich enthält diefer Titel noch etwas, das ſehr merk⸗
1— wiirdig ift, nemlich e8 heißt; Gott habe Ehrifto diefe Dffens
barung gegeben, und dann fey fie durch einen Engel an Jo⸗
Dannes gefandt worden. Hiedurch werden wir gelehrt, wie
der Apoftel zu den erhabenen Gefichtern gefommen ſey: Nems
lich ein Engel fegte ihn in einen Zuftand der Entzuͤckung, und
fellte ihm nun, wie in einem Tebhaften Traum, alle die
- Bilder und merfwürdigen Dinge vor, die er und befchreibt
und Hinterlaffen hat. Ob nun der frohe und erhabene Scher
‚wirklich während dem Geficht alles aufjchrieb, wie aus. dem
»10ten Kap. V. 4. zu vermuthen ift, oder obs * ger |
ſchehen ſey? das kann und gleichgültig ſeyn.
Die letzten Worte: Selig, oder auch gluͤcklich ſind
Leſer und Zuhoͤrer der Worte dieſer Weiſſagung, wenn fie
22 Erklärung der Offenbarung Johannis.
auch dann bewahren, behalten und bewachen, was barinnen
gefchrieben fteht, denn die Zeit ift nahe! — wollen fo viel
ſagen: Ihr, und alle, denen diefe Weiffagung zu Gefiht und
Gehör kommt, feyd fehr glückliche Menfchen, wenn ihr euch
dadurch warnen, unterrichten und zur wahren Befehrung leis
ten laffetz denn der Anfang der göttlichen Gerichte ift nahe
vor der Thuͤr; umd wirklich, es dauerte auch nicht lange, fo
fingen die furchtbaren Gerichtöreiter ihre Erefution an, wie
im Verfolg erhellen wird.
Liebe Lefer! während der ganzen Zeit, von der Publika⸗
tion diefer Offenbarung Johannis an, welches jet gerad
1700 Sahr find, war immer dieſe Ermahnung, oder viels
mehr diefer Segenswunſch über alle, die den rechten Gebraud)
davon machen, gültig und wichtig; aber doch nie wichtiger,
als jeßt, da fi) num die ganze Weiffagung dem Schluß naht,
und die ganzliche Enthällung des Geheimniffes Gottes vor
ber Thür ift: Selig find, die jeßt diefe Weiffagung recht
benutzen, denn wahrlich! die Zeit iſt nahe.
Nun folgt der große merkwuͤrdige Brief des Apoſtels Jo⸗
hannis felbft, und zwar zuerft der Gruß und RER
nach morgenländifcher Art, folgender Geftalt:
4. Johannes an die fieben Gemeinden im
AUfien! Gnade euch! — und Friede, von dem
der ift — war — und kommt — und von den fies
ben ©eiftern, die vor feinem Thron find,
5. Und von Jeſu Chrifto, dem treuen Zeugen, dem
Erftgebornen der Todten, und dem Fürften der Erdens
Könige, der ung geliebt, und in feinem Blut von unfern
6. Sünden gewafchen, auch ung zum Königreich, zu Pries
ftern feines Gottes und Vaters gemacht hatz Ihm ‚iey
Herrlichkeit und Gewalt in die Ewigkeiten. Amen!
Welch ein Gruß! — liebe Leſer! und von wen? — Ach,
wenn und doch der Ewiglebende, der Jehovah, der fieben-
flammigte Geift, und Jeſus Chriftus, der Regent aller Res
genten, auch fo grüßen ließe! — Sa wirkli! diefer Gruß
gilt aud) uns: Denn wie fünnte er die fieben afiatifche Ge⸗
Kap. 1. V. 4. 5. 6. 95
meinden allein angehen, da der Inhalt des Briefs bis’ and
Ende der Welt dauert — alfo auch für alle und an alle ges
fchrieben feyn muß? — Diefe Offenbarung Jeſu Ehrifti iſt
ein Manifeft des Königs aller Könige an alle feine Unterthas
nen und Diener, von der damaligen Zeit an, bis and Ende
der Tage. Warum aber hier nur die fieben Gemeinden ges
nannt werden, was es damit für eine Bewandtniß habe,
und wie fie gleichfam Stämme oder Vorbilder aller Chriften
bis an die Vollendung des Geheimniſſes Gottes find, dar⸗
über werde ich mich im Verfolg erklären.
Die Apoftel gruͤßen immer mit Gnade und Friede, dem bes
ften geiftlihen Gütern, die der Ehrift nur wünfchen kann;
der Befi der Gnade Gottes, und der Genuß des innern Gots
tes = Friedens, der über alle Vernunft geht, diefe beide find
Schon Seligkeit auf Erden. Aber ganz anderd, old in allen
andern apoftolifchen Briefen, iſt hier die Befchreibung defs
fen, der grüßen läßt: Paulus, Petrus und die übrigen Apos
fiel grüßten gewöhnlich von Gott dem Vater und feinem
- Sohn Jeſu Chriſto; aber hier Flingt es in einem erhabenern
Ton: Gnade euh —! — und Friede von dem Seyens
den, der jeßt da ift — von dem, der immer war, und
von demin Zufunft Kommenden, von den fieben Geis
ſtern vor feinem Thron, und von Jeſu Chrifto u, f. w.
Hier find nun folgende Punkte zu bemerken:
1) Johannes hat wenigftend den Eingang in diefen Brief
vom Iften bis zum Sten Vers nachher gefchrieben, als er
mit den Gefichtern fertig war; denn in diefem Gruß zielt er
. auf dad, was er hernuach fahe, ald er im Geifte hinaufftei:
gen mußte, um den Thron mit aller feiner Herrlichkeit zu
ſehen. ©. Kap. 4. Da wurde er erft die fieben Geifter Gots
tes gewahr; und im Verfolg entdeckt ſich ihm erft Der, der
‚it, war und fommt. MWahrfcheinlich fehrieb alfo der Apo⸗
ftel während dem Geficht alles auf, und nachher feßte er dies
fen Gruß daran.
2) Es it merkwürdig, daß hier gerade der Name Gottes:
Der ift, war und fommt, oder feyn wird, vorfommt, mit
welchem fi) Gott dem Mofe auf dem Berge Horeb nach
‚RN
—
24 Erklärung der Offenbarung Johannis.
2 Moſ. 5. V. 14. bekannt machte, welches alles auch der
Name Jehovah ausdruͤckt. Hierauf laͤßt dann der Apoſtel
auch die ſieben Geiſter folgen, die vor dem Thron des Jeho—⸗
vah ſind, weil dieſe auch noch zum alten Bund mit gehoͤren,
und durch dem ſiebenflammigten Leuchter vor dem Allerheilig—
ften in der Stiftshätte und hernach im. Tempel abgebildet
wurden. Man koͤnnte alſo dieſen majeſtaͤtiſchen Gruß fo ums
ſchreiben, und deutlich machen: „Gnade euch! und Friede
„von dem Jehovah, der die Erzvaͤter leitete, Egypten bes
„kämpfte, richtete und ſiegte, der Iſrael mit mächtiger
„Hand nach Cangan fuͤhrte, dort auf Moriah Teuer und
„Heerd hatte, hernach Babel bekaͤmpfte, richtete und ſiegte,
„die Juden wieder in ihr Land brachte, aber endlich auch
„dieſe wegen ihrer Suͤnden bekaͤmpfte, richtete und beſiegte,
„und nun jetzt noch immer auf dem Thron ſitzt, und in Zu⸗
„kunft auch alle ſeine und ſeines Volks Feinde bekaͤmpfen,
„richten, beſiegen, und zudem Ende von nun an am Koms -
„men bleiben wird, bis alles vollendet iſt.“ |
„Und von den fieben Geiftern vor feinem Thron, welche
„der fiebenarmigte. Leuchter vorbildete, deren ſich der Herr
„wie feiner Augen bedient, um alle Länder damit zu durchs
„ſchauen, nah Zachar. 3.8, 9, und. 4. V. 10. und deren
„er ſich fernerhin in allen fieben Siegen, fieben Pofaunen
„und fieben Zornfchaalen zum Beobachten und Wirken bebdies
„nen wird u. f. m.’
5) Hierauf folgt nun der Held des neuen Bundes, Jeſus
Chriſtus, der in den neuteftamentifchen Kämpfen Deffen, der
ift, war und fommt, auch ift, war und kommen, flreiten,
sichten und fiegen wird, an feines Vaters ſtatt. Sonſt pflegt
Ehriftus zwifchen dem Vater und dem heiligen Geift zu fliehen.
Man fagt Vater, Sohn und Geift — hier heißt ed aber
Vater, fieben Geifter und dann der Sohn. Die Urfache ift
wahrfcheinlich folgende: Eben darum, weil die ganze Offen:
barung eine finnbildliche Gefchichts= Erzählung des Kampfs
und Siegs Chriſti gegen alle feine Feinde iſt, ſo nimmt der
Apoftel den Vater und den Geift zufammen, um hernad) in
einem fort den Helden der Gefchichte im Auge zu behalten,
N
Raps 4. B8. 4,5: 6. | 35
Vielleicht will man auch zwiſchen dem heiligen Geiſt und
dieſen ſieben Geiſtern einen Unterſchied machen, dazu aber
finde ich keinen Grund. Ich glaube fo lange, bis man mir
das en. —77 daß der ſiebenfache Geiſt, der nach
Jeſaiaͤ 11. B. 1. u. f. auf dem wahren Sproͤßling Iſai
ruhen fol, eben 4 die ſieben Geiſter Gottes ſind; und
daß dieſe ſieben Re enbogenfarben in Eins vereinigt, auch
das Kicht Gottes, en eigentlichen heiligen Geift,, fo wie
wir Ehriften ihn glauben, ausmachen, Endlich
4) wird nun diefer große Held, Jeſus Ehriftus, auch nad)
feiner Erhabenheit und höchften Liebenswuͤrdigkeit gefchildert;
Er ift der treue Zeuge,' denn er ftarb auf die Wahrheit feiner
Rehre, Er ift den Erfigeborne der Todten; denn er erwachte
am allererften im verflärter Geftalt aus dem Grabe und vom
Todesfchlaf zum ewigen Leben, Er iſt der Fürft der Erdens
koͤnige; denn Ihm iſt alle Macht gegeben, im Himmel und
auf Erden, und er wird ſich auch als Befehlähaber, als
Kaifer aller Könige im Verfolg zeigen, Er liebte die Mens
ſchen, ja wahrlich! Er ward felber Menfh, und liebte ſich
zu todt an den Menfchen, Er hat uns in feinem Blut von
unferm Sünden gewaſchen. O du unaudfprechlich lieber Blut⸗
bürge — in taufend Martern von Sethfemane an bis zum
Seitenftich am Kreuze, vergofjeft du dein Foftbares unfchuldiges
Blut, um fuͤr uns zu bezahlen, um und aus unferm ewigen
Concurs zu befreien! — Es ift entfeglich und Höchft traurig,
daß man ſich heut zu Tage fchämt, vom Blur Chriſti und
vom Abwafchen der Sünden in diefem Blut zu reden! Man
ſchaͤmt fich des Verföhnungsblutes ? — Wahrhaftig! fo wahr
der Herr lebt! — das wird fürchterliche Folgen haben. Er
hat aus uns, feinen wahren Verehrern, ein Königreich errichtet,
in welchem fromme Erdenkdnige Vafallen find: noch zur Zeit
iſt dies Königreich blos geiftlich , es wird bald aber auch ein
wirkliches Königreich werden. Er hat und endlih auch zu
Prieſtern feines und unfers Gottes und Vaters gemacht, zu
Prieſtern nach der Drbuung Melchifedehs, Ihm im Geift
uund in der Wahrheit, in feinem innern Heiligthum, wohls
—* * zu Bean: Ihm unferm großen Siegesfürs
—X
96 Erklärung der Offenbarung Johannis.
ſten, fey Herrlichkeit und Gewalt in die Ewigfeiten. Amen!
Diefem Gruß fett nun der Apoſtel noch ein paar wichtige
Bemerkungen hinzu: indem Er fagt:
7. Siehe! — Cr kommt. mit den Wolken, un jedes
Auge wird Ihn fehen, auch diejenigen, die Ihn durchs
ftochen haben; und alle Volkerſtämme der Erden mers
den über Ihn wehklagen. Ga! Amen!
8. Ich bin das U und das große O, fpricht der — —
Gott — der iſt — der war und der da kommt,
der Allbeherrſcher.
Das Aufmunterungswort: Siehe! ſoll aufmerkſam machen
auf das, was die Engel bei der Himmelfahrt Chriſti geſagt
hatten: Er wuͤrde ſo wiederkommen, wie Er aufgefahren ſey.
Apoftel:Sefhichte 1. V. 11. Auch hat der Herr ſelbſt feis
nen Juͤngern oft verfichert: Er würde zum Vater gehen, aber
auch wiederfommen, und die Seinigen zu ſich nehmen; das
her will hier Johannes fo viel fagenz/ Seht! Er wird wies
derfommen, aber dann wirds mehr Auffehen machen, als da
Er gen Himmel fuhr — dann werden Ihn nicht etwa einige
Sreunde, fondern alle Menfchen fehen; aber auch die,
die JIhn durchſtochen haben, und eben diefe mit allen
Nationen der Erden, welche feine Erlöfung nicht gewollt has
ben, werden num jammern und wehklagen, denn nun ift die
Reihe an ihnenz daß diefem allem fo fey, das habe ich in
dem Geficht erfahren, das ich euch jest erzählen will. Ja!
Mahrlich, es verhält fich fo, wie ich euch fage.
Der achte Vers enthält eine neue Benennung, die fi) Chri⸗
ſtus felbft gibt: Er nennt fi) dad A und das große DO. In
- der griechifchen Sprache, in welcher hier Johannes ſchreibt,
ift das große D oder Omega der legte Buchftabe, fo wie
‚bei uns das 3, daher es fo viel heißt ala: Ich bin das A
und das 3, das wahre ewige Wort Gottes, das alles in fich
enthält, alle Kenntniffe in fic) begreift, die nur immer durch
Buchſtaben ausgedrüct werden Finnen; ja ich bin das Aund
dad 3, der Anfang und das Ende, ich hab das Werk der
Erlöfung angefangen und werde es auch endigen, alle Hin-
derniffe überwinden, und dann wiederfommen, um euch auch
0 Ray 1: V. 7. 8. 27
zu mir zunehmen, damit ihr dann auch feyn möget, woich bin.
Diefem Titel A und D fügt der Apoftel die Verficherung
noch hinzu, daß dieß der Herr felbft ıgefagt habe, der Gott,
der daift, war und kommt der Allesbeherrfcher.
Es ift bemerfenswerth, daß Johannes feinen Unterfchied
zwifchen dem Vater und dem Sohn macht, fondern ihnen beis
ben den nemlichen Titel beilegt: Denn im Aten Ders find
diefe Worte: ift, war und fommt, augenfcheinlich dem Vater
beigelegt worden, weil im 5ten Jeſus Chriftus befonders ans
geführt wird. Daß aber der Erlöfer hier unter dem A und O
verftanden werde, ift aus dem Verfolg klar, wo er fich felbft
dad Aund O nennt, fiehe ®. 11. bis 18. Es ift alfo ges
wiß, daß Johannes Ehriftum mit dem Vater in gleiche Würde
ſetzt, und’ daß er alfo mit ihm gleich ewiger Gott fey, der
auch ift, war und fommen wird. Man fonnte wohl mit
. Grund behaupten, daß der Tte und Ste Vers gleichfam einen
furzen Inhalt ded ganzen Buchs ausmachten; denn die ganze
Meifagung ift ein Beweis des Satzes, daß Erift, war
und kommt, und daß Er in der That das A und große D,
der Beherricher aller Dinge ift.
Hier hört nun die Einleitung zur Offenbarung auf, und
die Erzählung derfelben geht folgender Geftalt an:
9.55, Johannes euer Bruder und Theilnehmer
an der Zrübfal, am Königreich und an der Aushars
rung bei Jeſu Chrifto, war wegen dem Wort Gots
tes und dem Zeugniß von Je ſu auf der Inſel, weldye
Patmos genannt wird,
10. An dem Tage des Herrn war ich entzückt, und ich
hörte hinter mir eine große Stimme, als einer Pofanne,
11. welche ſprach: Was Du fieheft, das fchreib in ein
Bud, und fende es den fieben Gemeinden, zu Ephe⸗
ſus, zu Smyrna, zu Pergamo, zu Thyatira,
au Sardes, zu Philadelphia, und zu Laos
icea.
Der heilige Seher, der fanfte, liebe und fromme Apoftel
Johannes, bezeugt den Gemeinden überall durch die Befchreis
bung feiner Perfon, daß er es fey, den fie wohl Fenneten:
28 Erklärung. der Offenbarung. Johannis.
Dein er fey ihr Bruder in Ehrifto, er habe: mit ihnen Vers
folgung erlitten, fey ihr Miterbe am Reiche Gottes, und habe
auch mit ihnen bei dem Herrn Zefa in allen Prüfungen ause
gehalten. Hierauf fängt er nun an zu erzählen, er ſey auf
ber Inſel Patmos gewefen, und an einem, dem Dienfte des
Herrn gewidmeten Tage in eine Entzuͤckung gerathen.
Die Inſel Patmos liegt im türfifchen Meer ‚welches ges
wöhnlich der Archipel genannt wird; fie'befteht aus einem
Selfengebirge, und ift zu feierlichen, erhabenen Betrachtungen
fehr geſchickt; übrigens ift fie Hein, unfruchtbar und wenig
bewohnt. Wie der edle vortreffliche Apoftel dahin gefommen,
das erzählen uns alte, ziemlich zuverlaͤſſige an fols
gender Geftalt:
Sm I5ften Fahr nach Chriſti Geburt —— * roͤmi⸗
ſche Kaiſer Domitian eine heftige Verfolgung gegen. die Chris
fen. Nun hielt fich Johannes damals zu Epheſus auf, wo
ſich ein roͤmiſcher Stadthalter befand; dieſer ließ alſo dem
Apoſtel den kaiſerlichen Befehl vorleſen, und ihn zugleich
ermahnen, er möchte Chriſtum ˖ verlaͤugnen und das Predigen
ſeiner Lehre unterlaſſen. Hierauf antwortete Johannes maͤnn⸗
lich und apoſtoliſch: Man muß Gott mehr gehorchen als den
Menſchen, darum will ich auch weder Chriftum meinen
Gott verläugnen, noch aufhören, feinen Namen zu verfündis.
gen, bis ich den Lauf meines Dienjles, den ich von on
erhalten, vollendet habe.
Auf diefe Antwort befahl der Stadthalter, ihn als einen
Rebellen in einem Keffel vol Eochenden Oels zu werfen; das
gefchah auch, allein ohne Wirkung, und man nahm ihn une
befchädigt wieder heraus. Dieß machte den Stabthalter bes
ftürzt, und er hätte den ehrwürdigen Mann frei gelaffen, als
Jein er durfte es des Kaiſers wegen nicht thun, daher erdachte
er eine glimpfere Strafe, und fchickte ihn auf die wüfte In—
fel Patmos, welche von der Stadt-Ephefus etwa 15 Meilen
entfernt ift. Ephefus liegt am weftlichen Ufer von Klein:
afien, und Patmos liege auch diefer Stadt gegen Abend.
Hier war nun der Apoftel bis Anno 97 im Winter, als
der Kaifer den Herbft vorher war ums Leben gekommen; da
BEE Cyan EED ER u 1 Kari 29
nun der Senat zu Rom alle Defrete des Kaiferd vernichtete,
fo wurde auch das Verfolgungsdekret aufgeboben, und os
hannes Fam im often" Jahr feines: Alters nach Epheſus,
wo er noch fieben Jahr ruhig lebte, und dann Anno 104
farb Er war alſo fieben Jahr jünger als Chriſtus, folge
lich im 25ften Jahr feines Alters vom Herrn in die Zahl feis
ner Juͤnger aufgenommen worden.
Auf der Sufel Patmos war: er ungefähr anderthalb Jahr,
im sgften und g9oſten Fahr feines Alters; im 8oſten hat er
vermuthlich Die Offenbarung gehabt und gefchrieben. Hier
hatte er nun, befonders, wenn er auf einen. Berg flieg, eine
weite Ausfichts Gegen Morgen Kleinafien, wo die jieben Ges
meinden lagen; zwifchen Morgen und Mittag, aber. weiter
entlegen, ohne dahin ſehen zu koͤnnen, das gelobte Land;
gegen Mittag Egypten; gegen Abend das Meer; weiter hin
ganz Griechenland, noch weiter Stalien, und fonft nichts als
Meer; zwifchen Abend und Mitternacht hatte er Macedonien,
Griechenland, oder die europäifche Türkei, weiterhin Ungarn,
und noch weiterhin: Deutfchland und alle nordifchen Länder,
Gegen Mitternacht aber Tag ihm die: Gegend, wo jetzt Con⸗
ſtantinopel fteht, mit allen umliegenden Ländern. Es ift
gut, wenn wir und das Alles deutlich vorftellen, denn es
dient dazu, um meine Erklärung beffer verftehen zu können.
Hier war num der goͤttliche Seher, um des Wortd Gottes
und um des Zeugnifjes Jeſu willen, als er gewürdigt wurde,
den hohen Rathſchluß der Zukunft zu erfahren. Vermuth—
lich Hat er mir Traurigkeit uͤber die betrübten Schickſale der
EhHriften, unter ver Herifchaft des Heidenthums nachgedacht,
ſich uns die Zukunft bekuͤmmert, und für feine: Bruͤder gebe-
tet; er hatte gewiß an dem Tage, au welchen überall die
S Chriften ihre Erbauungsftunden hielten, auch ſich mit erbaus
liden Gedanken befchäftigt, und war alſo gerade in einem
3 Gemuͤthszuſtand, der Wi zum re der —*
zung fähig machte.
N N Diheafen Ehsifennänäten wi Offertag eigentlich des Det
Tag, doch wurden auch ihre Erbauungstage wohl fo'genannt.:
Wahrſcheinlich war es der Oſtertag, an welchem Johaunes
50 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Den fabe, Der todt war, und nun ewigleber, wie Er ſich
felbft im Verfolg ausdrüdt. An einem foldhen Tage nun,
erzählt der Apoftel weiter, fey er, im Geift gewefen. Diefe
Redensart will anders nichts fagen, als er fey in Eutzuͤckung
gerathen, in einen überfinnlichen -Zuftand: verfegt worden;
daß diefed durch einen Engel bewirkt — iſt nach dem
erſten Vers gewiß.
In dieſem Zuſtand nun hoͤrte er hinter ſich eine große Slimme,
ſo als wenn ein Streithorn geblaſen wird. Dieſer ſtark durch⸗
dringende Ton war alſo der Anfang der Erfcheinung. Sch
habe das Wort Pofaune beibehalten, weil man es aus unferer
deutfchen Ueberfegung gewohnt, auch der Ausdruck feierlicher
und erhabener ift, ald Trompete. Eigentlich gab es nur zwei
Blasinſtrumente, vondenen eins hier verftanden werden muß:
Das erſte war das große Widderhorn, und diefes ift ed, was
Luther durch Pofaune überfegt hatz fein Ton war durchdrin⸗
gend, ſtark tönend, nicht Enarrend oder ſchmetternd, wie die
Trompete, fondern. ungefähr fo, wie der Ton unferer heutis
gen Pofaune, nur viel ftärfer, fo daß man ihn fehr weit hoͤ⸗
‚ven Fonnte, befonders wenn das Blafen auf einem Berg ges
ſchah. Die Schaafe waren dort fehr groß, und die, um die
Dhren fi) herummindende Widderhörner befonders gefchict,
einen ftarfen feierlichen Ton zu geben. Der Pofaunenton
auf Sinai 2 Mof. 19. V. 16. war dem Ton diefes Horns
gleich, und eben diefe Hörner wurden.auc) bei Jericho gebraucht,
um die Mauern 'darnieder zu blafen. Das andere Blasin-
firument war die filberne Trompete, 4 Mof. 10.8.2. u. folg.,
welche zur Zufammenberufung des Volks gebraucht wurde. _
Melches Inſtrument von beiden hier gemeint wird, das kann
man eigentlich nicht wiffen, ich vermuthe aber das erfte, weil
der Ton feierlicher und erhabener ib und weil er auch auf
Sinai gehört wurde.
Diefer Pofaunenton war aber fein einfaches Getbne: fons
dern eine Sprache, ed war Jemand hinter dem Apoftel, der
in diefem Ton ſprach, und fagte: Was du fieheft, das fchreib
in ein Buch, und ſchicke es dann an die fieben Gemeinden
zu Ephefus, Smyrna, Pergamos, Thyatira, Sardes, Phis
Iadelphia und zu Laodicea.
|
i
809.:14:8.'9; 10. 11 51
Warum wohl au diefe fieben Gemeinden ausfchlieglih? —
Warum nicht an eine, oder an Mehrere? Diefe Frage ift,
wahrlich, nicht vergebliy. Um diefes wichtige Buch für die
Nachwelt aufzubewahren, bedurfte es nur einer einzigen nam⸗
haften Gemeine; etwa der zu Ephefus, als welche der Juſel
Patmos am nächften war; denn verfchiedene apoftolifche Briefe
find am einzelne Gemeinden gefchrieben worden, und wir has
ben fie richtig erhalten, das würde alfo auch der Fall mit dem
gegenwärtigen gewefen ſeyn; oder wollte man aunehmen, die
fieben Gemeinden hätten eben ded Troftes und der Warnung,
welche ihnen im Verfolg gegeben werden, am mehreften bes
durft, fo kann man erftlich darauf antworten, daß man zu
diefer Vermuthung ganz und gar feinen Grund habe; denn’
in den übrigen Gemeinden ‚ging ed theild nicht beffer und
theild noch fchlimmer zu; und fürs zweite würde ja eine
folhe Warnung, Ermahnung und Tröftung etlicher Gemeins
den in gar, feinem Zuſammenhang mit der hohen Offenbas
rung ftehen — diefe ging ja die fieben Gemeinden nicht mehr
an, ald alle andre — fo zwedlos handelt der heilige Geift
nie, und es ift ganz gewiß und ausgemadt, daß diefe fies
ben Gemeinden, fo wie man auch von jeher geglaubt hat,
eine finnbildliche Bedeutung ‚und wichtige Beziehung auf die
MWeiffagung felbft hatten, und ed wundert mich, wie dieß dem
erleuchteten, gründlich gelehrten und gotteöfürchtigen Praͤla⸗
ten Bengel entgehen Fonnte!
Haben die fieben Gemeinden hier Feine geheime prophetifche
ie ſo fommt mir died Buch gerad fo vor, ald wenn ein
großer Herr eine wichtige, auf Sahrhunderte fich hin erſtre—
ende, und fein ganzes Königreich aufs höchfte intereffirende
- Verordnung an alle feine Unterthanen ergehen ließ, und im
Eingang derfelben im erfien Kapitel, einigen Dörfern theils
Tadel, theild Lobfprüche beilegte , die übrigens , außer dem
k allgemeinen moralifhen Nutzen, Eeinen Menfchen weiter etwas
angingen; fehen wir aber jene fieben Gemeinden ald Repräs
ſentauten der ganzen Chriftenheit durch alle Jahrhunderte
au, fo paßt alles vortrefflih, dann koͤnnen wir begreifen,
warum der Herr gerade diefe fieben und Feine andre wählte;
>
52 Erklärung der Offenbarung Johanuis.
denn ihre innere Verfaſſung paßte gerade ſo in der Ordnung,
wie ſie hier aufeinander folgen, auch ganz genau auf die von
Zeit zu Zeit ſich veraͤndernde Verfaſſung der Kirche Gottes,
von der Zeit an, bis daher, wie ich im Werfolg unwider—
ſprechlich beweiſen werde; und dann koͤnnen wir uns auch
troͤſten, Daß und der Herr Jeſus Chriſtus a u ch Habe: gruͤßen
laſſen/ und ſeinem Sekretarius, dem Apoſtel Johannes
auch einen beſondern Brief an uns in die Feder dic—
tirt habe. Welcher unter den ſieben es ſey, das werde ih
unten klar und deutlich zeigen. Daß alſo die fieben Ge:
meinden aus geheimen: prophetiſchen Urſachen hier gewaͤhlt
worden, iſt gewiß, und wird im Mh noch * gewiſ⸗
ſer werden. ————
Mit den ſieben Staͤdten, worin ſich dieſe Gemeinden *
fanden, verhaͤlt es ſich folgender Geſtalt:
Epheſus, auf deutſch Wuͤuſchenswerth, liegt Me Sufel
Patmos gegen Morgen, und'15 Meilen von ihr entfernt;
jetzt iſt der Ort ein armes Dorf — wo etwa 50 bis #0 gries
hifche Familien wohnen, und heißt Ajaſaluk ua un sun
Smyrna, auf teutſch Myrrhen, iſt noch ———— große |
Handelsſtadt, "in’welcher über 90,000 Menſchen wohnen.
Die Türken nennen fie Ißmir, fie .. 15 ee von Ephe⸗
ſus gegen Mitternacht, © © Tnnngnhis
Pergamos liegt 17 Meilen von I — * weiter ge⸗
gen Norden, folglich 52 Meilen von Epheſus, auf deutſch
heißt e8 eine 'erhabene Burg, oder Hohenbürg; ehemals war
diefer Ort der Sit des Königreichs Pergamos, jetzt ift er
ar, halb wüfteiund halb bewohnt, es wohnen ungefähr 5000
Türken, und etwa 15 griechifch schriftliche Familien daſelbſt.
Thyatira, auf teutfch die Schlachtopfer verzehrend, liegt
95 Meilen’ von Epheſus, auch gegen Norden, doch etwas -
tiefer im Lande, mehr'gegen Morgen, und 10 Meilen’ von
Smyrnen. Jetzt ift der Drt garftig, unfauber und von lau⸗
ter: Tuͤrken bewohnt, Die eine gute Handlung mit Seide und
Baumwolle treiben, er heißt jetzt Ackiſar. BEL
Sardes, auf deutſch die Leberbleibfel, war in tee Zei⸗
ten die Reſidenz eines reichen Koͤniges; ſie liegt 16 Meilen
*
Kap. 108: 12: 13. 14. 15.16. 55
von Ephefus, einige Meilen von Thyatira, noch mehr gegen
Morgen, und heißt jet Sardo; jetzt ift der Ort ganz wuͤſte
und bettelarm, es wohnen nur etliche Griechen da.
Philadelphia , auf teutfch Brupderliebe, liegt 24 Meilen
von Ephefus, noc) etwas weiter gegen Morgen, ald Garden,
und von diefem Ort ungefehr 8 Meilen entfernt. Die Gries
chen haben den Namen noch beibehalten, die Türken aber
nennen diefen Ort Allachfcheir, die Stadt Gottes. Er ift
noch immer groß, aber nicht ftarf bewohnt.
Laodicea, auf teutſch Volkögericht, liegt ungefähr 24 Mei:
len von Ephefus, gerad gegen Morgen, gegen zehn Meilen
von Philadelphia entfernt, und ift jegt ein wuͤſter Steinhaufen.
Warum ich alle diefe Bemerkungen über diefe Städte hier
gemacht habe, das wird fich im Verfolg aufflären. Sie las
gen in der Nähe von Patmos herum, und eine Gemeinde
fonnte der andern den Brief zufchiden, oder der Bote, den
Sohannes zuerft damit nach Ephefus ſchickte, reiste nach allen
diefen Städten der Ordnung nach herum, und las ihn in jes
der Gemeinde vor. |
Nun heißt es ferner:
12. Und ic) wandte mich um, um nady der Stimme zu
ſehen, die mit mir redete; und als ich mich umfehrte,
fo fahe ich fieben goldne Leuchter.
13. Und in der Mitte der fieben Leuchter einen, der dem
Menfchens Sohn ähnlich war; er war befleidet mit
einem langen Rod, und begürtet um die Bruft mit
einem goldenen Gürtel,
14. Sein Haupt aber und feine Haare waren weiß, wie
weiße Wolle, wie der Schnee, und feine Augen, wie
Fenerflammen.
15. Und feine Füße gleich dem lauterften Erze, das tm
Ofen glüht und feine Stimme wie das Rauſchen vies
les Gewäſſers.
16. Und er hatte in feiner rechten Hand ſieben Sterne;
aus ſeinem Mund aber ging ein zweiſchneidiges ſpitzi⸗
ges Schwert hervor, und ſein Angeſicht ſtrahlte n wie
die Sonne in ihrer Macht.
Stillinas ammit. Schrifteu. I. Band. Ki I
1534 ar
34 Erklärung der Offenbarung: Johannis.
Sohannes wurde in feiner Entzüdung durch den Pofaunen-
ton, den er hinter fich hörte, und durch die Anrede, die da=
durch an ihn gefchahe, aufmerkſam gemacht; er drehte fh
alfo um, um zu fehen, was das für eine Stimme fey, und
da fielen ihm alfofort fieben goldene Leuchter in die Augen.
Es waren nicht fieben Arme an einem Stamm, wie der fie-
benarmichte Leuchter im Tempel, fondern fieben einfache Leuch=-
ter, die vermuthlich im halben Zirkel herum ftunden, und
alle angezündet waren. Man muß aber hier nicht an Wachs⸗
oder Unfchlittlichter denken, fondern e8 waren Dellampen auf
goldenen Geftellen.
Ferner erblickte er mitten im Kreis, den die fi eben Leuch⸗
ter machten, eine furchtbare majeſtaͤtiſche Perſon. Wenu man
die Beſchreibung des Apoſtels lieſet, und ſich dann die Er—
ſcheinung lebhaft vorſtellt, fo durchdringt einen ein heiliger
Schauer. Das Erſte, was er bemerkte, war, daß dieſe er—
habene Figur Fein Engel, fondern einem Menfchen ahnlic)
fey; und es fcheint eine Ahnung in ihm. aufgeftiegen zw feyn,
ob fie nicht etwa der Herr Chriftus feyn koͤnnte? — Dieß,
deucht mir, liege in den Worten: Er habe einen, dem Men
fhenfohn ähnlichen gefehen; denn Ehriftus pflegte ſich vorzuͤg⸗
lich den Menfchenfohn zu nennen, weil die Juden ſich unter
diefer Benennung ihren Meffias dachten, wozu fie im Pro—
pheten Daniel Kap. 7. ®. 15. und 14. den Grund fanden:
Denn da fommt der Menfchenfohn, Bar Enasch, in des Him-
meld Wolfen, und empfängt von dem Alten auf dem Thron
alle Gewalt. Diefer Bar Enaſch war. den Juden eine gar
erwänfchte Perfon, den fie herbei zu flehen fuchten; um alfo
“bei ihnen defto eher Eingang zu finden, fo nannte fid) Chri—
ftus fo, und Johannes, der das oft von Ihm gehört Bat,
bedient fich hier des nämlichen Ausdrucks.
Es dauchte alfo dem Apoftel, es koͤnne wohl Ehriftus feyn.
Er betrachtete ihn daher vom Haupt bis zu Fuß, um ihn
genau befchreiben zu koͤnnen: Die ganze Perfon war mit ei-
nem langen weißen Priefterroc? bekleidet, und auch eben fo,
oben unter den Brüften her, mit einem goldenen Gürtel ums
gürtet. Der erfte Anblick ſtellte alſo einen juͤdiſchen Prieſter
vor in ſeinem Schmuck.
Kap. 1.8. 1% 15. 1% 15. 16. 55
Ob das Haupt auch einen Priefterhut oder Krone trug,
das fagt Fohannes nicht, wahrfcheinlic war es aber mit fo
etwas bedeckt, weil es zum ganzen Priefterrod gehörte.
Das Haupthaar aber war" blendend fchneeweiß und lodigt.
Die Tradition fagt uns, Chriftus habe blonde Haare gehabt;
wahrlich! hier waren fie blond! — Die Augen waren wie
Feuerflammen; ich ftelle fie mir fo vor, wie zween Morgens
fterne neben einander, fie funfelten, und kamen dem Apoftel
alfo wie Flammen vor. Die Füße. waren Chalfolibanon,
das im Dfen glühet. Das Wort Chalkolibanon kann Fein
Menfc richtig uͤberſetzen; denn es bedeutet ein Metall, das
wir nicht mehr kennen. Mir deucht, es ließe fi ch am beſten
mit unferem Similor oder Compoſition vergleichen, doch mußte
es wohl koſtbarer ſeyn, denn man ſchaͤtzte es höher als Gold.
Die Stimme aber kam dem Apoſtel vor, wie das Donnern
eines fehr ftarken Wafjerfalls.
Großer Gott! welche furchtbare Majeftät! — wen fällt
da nicht der Löwe aus Juda ein? — wenn der brüllt, wer
follte fih da nicht fürchten.
In der Hand hielt der Surchtbare fieben Sterne, und wer
wird fie da heraus reißen? — Preiß und Danf und Anbes
tung Dir, Du Held aus Jeſchurun! unfer Stern, unfer Stell⸗
vertreter ift noch im deiner Hand — aus feinem Mund ging
. ein zweifchneidiges fpigiges Schwert hervor, das einem
Schlachtſchwert gli. Dieß muß man fi fo vorftellen:
Wenn er fprach, fo fuhr ein bligender Strahl aus feinem
Munde, der die Geftalt hatte, wie ein großes zweifchneidiges,
vorn ſpitziges Schlachtſchwert. Diefes Schwert feines Mun⸗
des iſt aͤußerſt wichtig, wie ſich im Verfolg zeigen wird.
Endlich ſtrahlte dann auch fein Angeficht wie die Sonne in
ihre Macht, das ‚beißt ; Wie die Sonne im hohen Sommer
des Mittags.
Dieſe ganze Beſchreibung zeigt uns deutlich, daß hier der
Chriſtus (denn der war es felbſt) nicht in ſeiner gewoͤhn⸗
lichen Geſtalt, die Er jetzt in feiner Herrlichkeit im Himmel
'w dem Zohannes erſchien; wiewohl es Ihm da gewiß auch
an himmlifcher Majeftär nicht fehlen wird; rau die ganze
56 Erklärang der Offenbarung Gohannis.
Figur war bedeutend und finnbildlih. Er tritt hier in feiner
himmlischen Kriegsräftung auf, und ftellt fich dar, ' als ver
Allbeherrfcher, der num gegen alle Mächte der Finſterniß zu
Feld ziehen will; daher ift alles’ furchtbar: friegeriih; Die
Stimme donnert im Kriegshörnerton: die Augen bligen und
funfeln; das Angeficht glüher. Wehe dem, der fih Ihm
widerfegt!
Lieben Brüder! lieben Schweftern! die ihr die leſet; die
fieben Sterne. in der Hand diefes Starfen, und die fieben
Leuchter um Ihn her! — wie tröftlich! wie Er fie mit feinen
Flammenaugen bewacht! — Bedenfe doc), unfer Leuchter
fteht au) da, unfer Stern ift auch in feiner Hand; wem
Kann da bange werden! Unmdglich kbunen diefe fieben Sterne
und diefe fieben Leuchter jene fieben Gemeinden allein bedeutet
haben — follten ihn andere Gemeinden zu Rom, zu Jeruſa⸗
lem, zu Corinth, zu Theffalonich, und jeßt das Heer feiner
Frommen in der ganzen Chriftenheit weniger lieb ſeyn? Ge⸗
wiß nicht! |
Nach dieſer Beſchreibung erzaͤhlt Johannes fort und ſagt:
17. Und als ich Ihn ſahe, fiel ich wie todt zu ſeinen Fü⸗
ßen nieder; und Er legte ſeine rechte Hand auf mich
und foradh: Fürchte dic) nicht! Ich bin der Erite
und der Letzte, |
18, Und der Lebendige, und ich war todt, und fiehe!
lebendig bin ich, von Ewigkeiten zu Ewigkeiten, und
ih habe die Schlüffel des Zudes und des Toden⸗
behälters.
19. Schreibe, denn die Dinge, die du gefehen haft, und
die da find, und die Fünftig nach diefen gefchehen werden.
20. Das Geheimniß der ſieben Sterne, welde du in
meiner rechten Hand gefehen haft, und die fieben
goldene Leuchter: Die fieben Sterne find Engel der
fieben Gemeinden, und die fieben Leuchter find ſi eben
Gemeinden.
Johannes, der Buſenfreund des Herrn Jeſu, fand doch
die furchtbare Majeſtaͤt dieſer erhabenen Perſon ſo ſchrecklich
—
Kap. 1.08.17. 18.19, 20. 57
und fir feine fterbliche Natur fo erfchütternd, daß er in Ohn⸗
macht zu den Füßen derfelben darnieder fank, wie mehrmals
den alten: Propheten: gefchehen war, wenn fie Fuͤrſten der
Geifterwelt zu fehen gewürdigt wurden. Um num den ſchwa⸗
chen Sterblihen zum gegenwärtigen Zweck hinlänglicdy zu
ftärfen, legte der Erhabene den Rüden feiner rechten Hand
auf ihn; denn in der Höhlung der Hand hielt er die ſieben
Sterne, und sprache Sey nicht bange, meine furchtbare Ruͤ—
ftung zum Kampf geht dich nicht an, du Fennft mich ja —
ich bin der Erfte und der Letzte — du fiehft, daß ich lebe,
und du haft mich fterben fehen, nun lebe ich durch alle —*
feiten durch, u. ſ. w. |
Die Worte: Jh bin — der Erfte und der san
druͤcken wieder den Titel des Herrn aus: Ich bin — war
und werde ſeyn; auch kommen ſie mit dem A und großen
O uͤberein; Er bezeugt alſo hierdurch feine goͤttliche Natur,
vermög welcher Er war, Joh. 17. V. 5. gegenwärtig iſt,
und in alle Ewigkeit ſeyn wird; dann aber ſagt er auch:
ich bin der Lebendige, der todt war, nun aber in alle Ewig—⸗
feiten fort lebt! Hiemit zielt Er auch auf feine menfchliche
Natur; nur die kann fterben, und durch die Allmacht wieder
ins Leben ‚gerufen werden. Mir einem Wort: Ich bin Jeſus
Chriſtus, der geftorbene, wiederauferftandene und nun ewig
lebende Gottmenfh. Dann fügt aber: der Herr noch die
wichtigen Morte hinzu: Und ich habe die Schlüffel zum Tod
und zum Todenbehälter; ich mag das griechifche Wort Hades
nicht durch Hölle überfegen: Denn dadurch verſtehen wir den
Ort der Verdammten, der aber hier nicht gemeint iſt; fondern
der Wortverftand ift folgender: Ich war todt, und lebe nun
in alle Ewigkeit; aber das nicht allein; ich habe noch die
Schlüffel zu den feften Behältern der geftorbenen Menfchen,
ſowohl ihrer Leiber als ihrer Geiſter; ich Fann fie alfo auch
wieder lebendig machen, wenn ihre Zeit da iftz denn ich bin
jaa die Auferftehung und das Leben — der Weg, die Wahr:
beit unddas Lebenu. ſ. w. Der Gebraud) diefer Schlüffel
fieht im 26ſten Kapitel diefer hohen Offenbarung, im I5ten
Vers, bei deſſen Erklärung ich meine Gedanken über bie
58 Erklärung der Offenbarung Johannis.
geheimnißvollen Worte Thanatos Tod, und Hades Todten:
behälter näher entwickeln werde; hier ift es noch zu frühe.
Jetzt befommt nun der Apoftel den Befehl zu ſchreiben.
Die Alten führten ihr. Schreibzeug immer bei fi) ‚und der
Herr ſelbſt wollte ihm indie Feder dietiven. Schreibe! ſprach
der Hochwuͤrdigſte, alles, was hier vngwangen er jetzt vor⸗
geht, und was noch vorgehen wird,
Hier follte eigentlich das 2te Kapitel anfangen‘; denn hie
faͤngt der Herr an zu dictiren, indem er ſagt: Schreibe das
Geheimniß der ſieben Sterne, die du in meiner Hand geſehen
haſt, und noch ſieheſt, und ‚die ſieben goldne Leuchter! —
Die ſieben Sterne ſind Engel der ſieben ——— Jun die
fieben. Leuchter find fieben Gemeinden,
Man hat von: jeher dafür gehalten, daß hier unter den
Gugeln der: Gemeinden die Vorfteher, Lehrer oder Biſchoͤffe
derſelben verſtanden wuͤrden. Freilich iſt es etwas Hohes,
Erhabenes und Wuͤrdiges, ein Stern in der Hand des Herrn,
und ein Engel einer chriſtlichen Gemeinde zu ſeyn! So viel
iſt gewiß, daß in der prophetiſchen Bilderſprache die Sonne
Licht und Wahrheit, oder auch die herrſchende Religion, zu
Zeiten wohl auch die Urquelle der Religion, der Mond den
Grad der) Aufklärung unter dem Menfchen, und Die Sterne
dann die, Lehrer bedeuten, Sc) gebe auch gerne zu, daß hier
unter den Engeln der. Gemeinden auch die damaligen: Lehrer
mit verftanden: werden; aber ich gebe doch auch zu bedenken,
daß hier der Herr doch eigentlicdy den Zuftand der Gemeinden
ſelbſt fehildert, indem: Er ihren Engel anredet; nun wäre es
doc) fonderbar, wenn in allen fieben Gemeinden der Charak⸗
ter der Biſchoͤffe mit. be Charakter der Gemeinden genau
einerlei gewefen wäre! — Daher dünft mich, es wäre beffer,
wenn man unter Dem Code der Gemeinde den herrſchenden
Geift derſelben verftindes Wenn man z. B. den fittlichen
Zuftand einer Stadt oder eined Drts forfchen wollte, und man
fragte dann: Was herrfcht für ein Geift daſelbſt? — fo
würde man in der Antwort den ſittlichen nn des Orts
ſchildern.
Alſo die ſieben Sterne in * rechten Hand beö *
Eee u
Kap. 1. V. 17. 18: 19% 20, 39
find die fieben regierenden Kräfte der ehemaligen fieben, und
nachher aller chriftlihen Gemeinden aller Zeiten, bis and
Ende, oder bis zu feiner Wiederfunft. Diefe Kräfte mögen
nun durch Engel oder Menfchen befeflen oder verwaltet wers
den, das ift im Grund einerlei.
‚Die fieben Leuchter find dann die ehemaligen fieben, und
nach ihnen, alle chriſtliche Gemeinden ſelbſt. Dieſe Leuchter
ſtehen unter des Herrn Aufſicht; Er wandelt zwiſchen ihnen;
ſie ſollen ihr Licht leuchten laſſen vor den Leuten, daß dieſe
ihre gute Handlungen ſehen, und dadurch bewogen werden,
Gott zu preifenz fie follen nicht unter irgend etwas verdeckt,
fondern in der Höhe ftehen, damit fie recht weit glänzen koͤn⸗
nen, und wenn fie dunkel brennen, fo foll ihr Stern mehr
Licht hinein ftrahlen,
Nach diefer Erklärung werden nun die Briefe an die, Ges
meinden dem Apoftel vom Herrn felbjt von Wort au Wort
im die — * dictirt, wie Anh
Bar ri
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40 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
Das zweite Kapitel,
1. Dem Engel der Gemeinde zu Epheſus ſchreibe:
Das ſagt der, welcher mitten zwifchen den fieben gol⸗
denen Leuchtern umher wandelt.
2. Ich weiß deine Werke und deine Mühfeligkeit, und
deine Ausharrung, und daß du die Bösartigen nicht ers
tragen Fannft, und haft die geprüft, welche fich felbft
für Apoftel ausgegeben, aber es nicht find, und haft
fie falſch gefunden. |
5. Und haft Geduld, und haft um "meines Namens wils
len ertragen, und bift nicht müde geworden,
Ehe ich zur Erklärung der fieben Epifteln übergehe, muß
ich noch einige nöthige Anmerkungen vorausfchiden:
Bei jedem Brief bedient fich der Herr Chriftus eines Theils
feines Titels, und Fündigt fi) durch denfelben der Gemeinde
an, an die gefchrieben wird; diefer Titel hat daun auch zus
gleidy einen paffenden Bezug auf ihren Zufland.
Jeder Brief enthält ein Lob, eine Ermahnung und eine.
Beſtrafung oder Drohung, wo dann auch die Urſachen von
allen dreien angegeben werden.
Jeder Brief hat die merkwuͤrdige
Wer ein Ohr zu hoͤren hat, der hoͤre, was der Geiſt den
Gemeinden ſagt; — und eben dieſe Formel iſt ein Beweis
mehr, daß unter den ſieben Gemeinden alle Chriſten bis ans
Ende verſtanden werden. Alles was Ohren hat fuͤr meine
Religion und fuͤr meine Lehre, das horche auf! denn das, was
hier der Geiſt der Gemeinden ſagt, das geht Alle an.
Jeder Brief enthaͤlt am Ende eine praͤchtige und uͤber alles
erhabene Beſchreibung des Lohns, den in jeder Gemeinde
und in jedem Zeitlauf die Ueberwinder empfangen ſollen.
Wen das nicht ruͤhrt, und im Kampf ſtaͤrkt, der —* aͤußerſt
gefuͤhllos ſeyn.
N Kap. 3, V. 1. 2. 6* 41
Endlich muß ich auch noch bemerken, daß die ſieben Briefe
an die geſammten Unterthanen des Reichs Gottes und Chriſti
gleichſam den Eingang und die Vorbereitung zur Offenbarung
ſelbſt machen; der Herr will erſt ſeinen Unterthanen ſagen,
was Er ihnen zu fagen hat, fie auf ihre Pflichten aufmerk⸗
fam machen, und ihnen zeigen, was fie zu fürchten und zu
hoffen haben, und hernach macht er ihnen dann auch bekannt,
wie Er feine Feinde befämpfen und befiegen werde, damit
fie ihre Maasregeln darnach nehmen und auch das beobachten
koͤnnen, was fie dabei zu thun haben.
Noch ein wichtiges Hauptftüd darf ich nicht vergeffen :
Chriftus fchreibt hier nicht an die herrfchenden Kirchen aller
hriftlichen Religions= Partheien: Denn die gehören nicht fels
ten. zu. feinen Feinden, „fondern an feine wahren Verehrer,
an die unfichtbare Gemeinde, welche in der Zerftreuung unter
allen Volksklaſſen ihre Mitglieder hat.
Nach diefen vorläufigen Erinnerungen gehe ih nun zur
Goflärung felbft über. |
+ Su diefem Brief an die Gemeinde zu. Ephefus nennt fi
Chriftus: Den, der.die fieben Sterne in feiner rechten Hand
hält, und mitten zwifchen den fieben goldenen Leuchtern ums
herwandelt. Epheſus heißt wünfchenswerth, liebenswürdig,
und die Gemeinde. daſelbſt ftellt den wünfchenswerthen liebens⸗
würdigen Zeitlauf der apoftolifchen Kirche vor; daher will ich
ihn auch den apoſtoliſchen Zeitlauf nennen; zu der Zeit als
Sohannes fchrieb, gings fchon ziemlich mit ihm gr die Neige, und
man koͤnnte wohl ſeinen Ablauf ungefähr in die Zeit des Todes
unſeres Apoſtels, in den Aufang des zweiten Jahrhunderts
ſetzen. Judeſſen verſteht ſichs ja von ſelbſt, daß ſich fo et=
was eben nicht auf ein Jahr beſtimmen laͤßt, weil der Verfall
— hier fruͤher und dort ſpaͤter eintritt.
Der Gemeinde zu Epheſus und dem apoſtoliſchen Zeitlauf
kuͤndigte ſich der Allerheiligſte als den an, der die ſieben
Sterne in ſeiner rechten Hand haͤlt, der folglich alle Lehr⸗
und Erleuchtuugskraͤfte in ſeiner Bewahrung hat, und der
mitten zwiſchen den fieben goldenen Leuchtern umberwandelt;
der alfo der wahre Hüter und Wächter feiner Gemeinden ift,
42 Erklärung der Offenbarung Johannis.
genau auf fie acht hat, und nie fchläft oder fchlummert,
oder über Feld geht, oder fonft Gefchäfte hat, über denen er
‚die Seinigen vergeffen follte. Liebe Zeitgenoffen! beherziget
das Alles doch recht wohl! fühlt ed doch tief, daß unfer
Leuchter auch da fteht, den Er für dem Ausblafen oder Ums
fioßen won! bewahren wird, wenn wird nur nicht felbft thun! '.
Sch weiß deine Werke, fagt der Hochwürdigfte ferner;
deine Muͤhſeligkeit, deine Ausharrung, und daß du die Uebel⸗
Hefinnten nicht ausftehen Fannft u. f. w. Man braucht nur
die Apoftelgefchichte, ıumd die Briefe der Apoftel, dann aber
auch die Nachrichten der alten Kirchenvaͤter zu leſen, ſo wird
man von Staunen und Ehrfurcht uͤber die reine Liebe gegen
Gott und die Menfchen, über die großen Thaten der Apoſtel
amd apoftolifhen Männer, über die unbefchreiblichen Be:
fhwerlichkeiten, mit denen fie zu Fämpfen hatten, und über
die nie zu ermüdende Geduld, mit welcher fie allen Wider:
fand ertrugen und endlich befiegten, durchdrungen, hingeriffen
und emporgehoben. Man leſe Gottfried Arnolds Abbildung
der erften Chriften, feine Kirchen» und Keßer - Hiftorie, und
Schmids Abriß der Gefcpichte der chriftlichen Religion und
Kirche für Volk und Jugend (ein herrliches Buch, welches
ic) allen meinen Leſern fehr empfehle), aber auch nur die Ge⸗
ſchichte des erſten nn: ſo wird man das alles
ſo ——————
Merkwuͤrdig ſind die hinzugefuͤgten Worte: Und daß du
die Bösartigen nicht ertragen kannſt. Dieß zielt auf die
ſtreuge Kirchenzucht der erſten Chriſten: Man duldete nie⸗
and in der chriſtlichen Gemeinde, der nicht vom Herzen fromm
war, und feinen richtigen Glauben in feinen Werfen zeigte.
Eben fo vorfichtig und noch behutfamer war man in der Wahl
der Lehrer, Aelteften und Auffeher der Gemeinden; daher
fagt auch der Herr ferner: Und haft die geprüft, welche ſich
ſelbſt für Apoſtel ausgeben, aber es nicht find, und haft fie
falſch befunden, |
) Schon damals fing der Geift des Widerchrifts an, fich zu
segen; 2 Thefal. e.V.’ 8. und 1 Joh. LAW 18. Der
Geift des Widerchriſts befteht in dem herrfchenden Gedanfen,
„hs Kap. 2. BU Bei 43
daß die Vernunft nicht bloß Werkzeug, fondern Quelle
der Wahrheit ſey. Dieſen Gedanken müfjen wir, befonders
jest, als einem hoͤchſtwichtigen und unumftößlichen Grundfaß
anſehen. Wenn wiridie Vernunft in geiftlicen überfinnlis
chen: Dingen, die wir nicht anders ald durch Offenbarung
und Gefchichte willen können, blos ald Werkzeug zum Prüfen
brauchen, um die Gewißheit der Gefchichte der Offenbarung,
die Richtigkeit «ders durch Erfahrung erkanuten Tharfachen,
und die Zweckmaͤßigkeit und Heiligkeit der und aufgelegten
Pflichten ins Reine zu bringen , fo ift diefer Gebrauch der
Vernunft heilige undounnachläßige Pflicht ; aber, ſobald wir
blos aus der. Natur und aus den Eigenfchaften der menfch-
lichen Seele, nach anerfchaffenen Grundfägen, eine Religion
fehmieden wollen, das ift: Sobald wir die Vernunft als die
einzige’ Quelle der Wahrheit anfehen, ſo führen uns fogar
die richtigften Schlüffe zur Naturreligion, die aber nur für
von Narur heilige, nicht gefallene Menfchen paßt; wird diefe
nun fuͤr fo tief gefallene; und im ſittlichen Verderben fo ganz
verfunfene Menfchen zur einzigen Religion: gemacht, ſo wird
dadurch „die verdorbene menſchliche Natur ald unverdorben
erklärt, die Vernunft Anftatt des Erldfers. auf den Thron
efeßt, und da diefe nun durch die Herrfchaft der finnlichen
üffe partheiifch, und unfähig geworden, das reine Licht der
- Wahrheit zu ertragen, ſo macht fie die Selbftfucht, den Egois⸗
mus zur Triebfeder aller Handlungen. Da nun. Chriftus
und feine Religion der Selbftfucht, als der Zerftdrerin aller
irdiſchen und himmliſchen Glückfeligkeit, gerade und mit Macht
entgegen wirken, und an deren Stelle uneigennüßige. Gottes⸗
und Menfchenliebe, auch mit einer Aufopferung die Befor:
derung des allgemeinen Beſten, als die vollkommenſte Pflicht
des Menſchen forderaz; fo entfteht daher die grimmigfte Feinde
ſchaft der felbftfüchtigen Vernunft gegen den Erlöfer, und
alle die an ihn glauben, und das iſt dann der wahre
— Antichriſt: Dieß muͤſſen wir wohl bedenken, ſonſt koͤnnen
wir uns an unſerm Nebenmenſchen, der anders denkt als
wvirx aſehr ſchwer verſuͤndigen. Dieſen Begriff mußte ich erſt
fefbjeßen, ehe ich weiter gehen Fonnte: RE ER TE 04a 129,
3
\ “ \
u Erklärung der ‚Offenbarung Johannis.
Waͤhrend dem erften apoftolifchen Zeitlauf wurden auch
manchmal gelehrte Männer und Philofophen unter Juden und
Heiden zu Ehrifto befehrt, diefe brachten daun oft ihre herr=
{chende Vernunftsbegriffe mit ins Chriftenthum, die fie gerne
beibehalten, und mit der einfachen Lehre der Apoftel vereinis
gen wollten, woher es denn Fam, daß alfofort allerhand Sek⸗
ten entftandenz; denn ſolche Männer gaben fid) auch für Apo⸗
ftel und Volkslehrer aus, die alfo Unkraut unter den reinen
Waizen freuten: allein man war wachfam dagegen, fo lange
die Apoftel und apoftolifhe Männer lebten; man prüfte fie
firenge, und warnte Dagegen, und dieß lobt hier Chriftus.
In der Gemeinde zu Ephefus hielt fich eben ein folder Mann,
Namens Cerinthus, auf, der einen großen Anhang hatte.
Bermuthlich hat diefen der Herr unter andern mit ihm im Auge.
Nun. wiederholt Chriftus im dritten Vers das Lob der
Geduld, des Ertragend und des unermüdeten Eiferd, und
zeigt dann auch, die Gefahr, in welcher ſich die Ephefinifche
Gemeinde, und ihr Nachbild, der —* Zeitlauf, er
Det indem Er ſagf:
4. Aber ich haͤbe gegen sie, daß du deine erſte Liebe
verlaſſen haſt.
5. Denke alfo nad, von wannen du gefallen bift! und
‚ändere deine Gefinnung, und wirke wieder die erften
Werke. Wo aber nicht, fo komm ich dir ſchnell, und
rücke deinen Leuchter ang deiner Stelle, wenn du deine
an nicht änderft,
6. Aber das. haft du, daß du die Werke der Nikolaiten
.bafeft, welche ich auch haffe. —8
Liebe! Liebe! bruͤnſtige Gottes⸗ und Dirt iſt
die Seele des Chriſtenthums; ohne Liebe iſt alles blos Ge⸗
maͤlde; die groͤßte und erhabenſte Tugend nichts als ein
ſchoͤnes Portrait, ohne Leben und Thaͤtigkeit. Die Liebe
iſt die Sonnenwaͤrme des Reichs Gottes; ohne fie iſt Fein
Keim. von Fruchtbarkeit möglid — Gottes und Menfchen-
liebe. bewirkt Thärigfeit zum allgemeinen ‚Beften, und die
felbftfüchtige Eigenliebe fucht nur eigenen Genuß: auf Unko⸗
— —
1 *
Kap. 2. V. 4. 5. 6. | 45
ften des allgemeinen Beten. Der Satan und fein ganzes
Reich herrſcht durch Selbſtſucht; fie ift die Lebenskraft des
Drachen, von dem ich im Verfolg noch genug zu veden haz
ben werde.
Chriftus und feine Apoſtel koͤnnen daher auch die währe
Liebe nicht genug empfehlen, alle ihre Worte und Werke ath—
men Liebe, und diefe felige himmlifche Tugend war auch fo
herrfchend bei den erften Chriften, daß mans ohne Rührung
nicht leſen kann; nach und nach aber, fo wie fich die Apos
fiel und ihre Schüler verloren, und überhaupt der Chriften
viel wurden, fo erkaltete die Liebe allmaplig, und jet da
diefer Brief gefchrieben wurde, war es ſchon weit Damit ger
kommen; deswegen fagt auch der Herr: Denke nur einmal
nach, wie weit du ſchon verfallen bift — erinnere dich, wie
du im Anfang warft, und wie du jege bift! — Schleunig
fehre um! wieder auf deinen erften Poſten; und übe die edlen
Handlungen der Liebe und Wohlchärigkeit wieder aus, die
du ehemals auch ausübteft. — Wenn du das aber nicht thuft,
fo fomme ich, ehe du dirs verfiehft, und ruͤcke deinen Leuch—
ter von deinem Ort weg; er geht mich dann nichts mehr
. an, und er flieht dann wicht mehr unter meiner. befonbern
Aufficht. *
Großer Gott! wie wahr iſt dad geworden! — Die
den, welche jeßt Ajaſaluck, das ehemalige Ephefus, befuchen,
finden dort gegen vierzig arme griechifche Bauernfamilien,
‚welche zwar Chriften heißen, aber fchwerlih nur fo viel
Licht und Erkeuntniß von Chrifto und feiner Religion haben,
als der unwiſſende Bauernfnabe in irgend einem deutſchen
Dorf. — Ja wohl ift der Leuchter weggerüdt — da ift fein
Licht der Erkenntniß mehr; und fo verhält ſichs durchgehende
am allen Orten des apoftolifchen Zeitlaufs — id) wüßte doch
- Seinen Einzigen, wo noch irgend ein Leuchter leuchter, noch
irgend wahres Licht der Erfenntniß Jeſu Chrifti zu finden
wäre, ob ich gleich damit nicht fagen will, daß es auch
dort im. Verborgenen Feine einzelne wahre Chriften mehr gebe;
aber fie mögen dünne gejaet feyn.
Diefes wurde im Jahr 96 gefchrieben, wo noch Fein Denfch
46 Erklärung der Offenbarung Johannis.
wiffen und errathen Fonnte, was nad) 1700 Fahren gefchehen
würde, und doc) ift pünftlich eingetroffen, was hier ftehr —
dadurch werden die Beweife ver Goͤttlichkeit diefes —* —*
verſtaͤrkt.
Bei Allem dem, ſagt der Herr ferner, daß “ deine aſte
Liebe verlaſſen haſt, biſt du doch noch ſo weit nicht verfallen,
daß du Behagen an den Werken der Nikolaiten faͤndeſt; von
der reinen heiligen Liebe bis zu den Nikolaitiſchen Pfuͤtzen der
unreinen Liebe, die mir fo ſehr zuwider find, verſunken waͤ—
reſt — im Gegentheil, du haſſeſt fie, und das gefällt mit
noch an dir.
Wer die Nikolaiten in jenen Zeiten: eigentlich, waren, das
fann man nicht genau wiffen, fo viel fcheint aber richtig
zu: feyn, daß fie eine Art gnoftifcher Philofophen gewefen,
die Chriſtum und finnlichen Genuß mit einander vereinigen
wollten, und darin zu weit gingen; fie vernünftelten, ſchwatz⸗
ten viel von Weisheit und Tugend, und dachten dabei: Es
fäme ja aufs Aeußere eben nicht an, man koͤnne ja wohl
auch den Heiden etwas zu gefallen thun, und von ihren Goͤ⸗
Benopfern miteffen, man müßte gegen Alle vertraͤglich und
liebreich ſeyn; und in Anfehung des weiblichen Geſchlechts
feyen die Ehriften auch zu ftrenge, die Näturtriebe feyen da:
für da, daß man ihre Früchte genieße, fo lang die Gefund-
heit nicht darunter leide? u. f. w.
O wie gefährlich, wie fhlangenartig, wie glatteinfehläpfend
find diefe Grundfäge! wirklich, man follte faft denfen, fie
feyen auch fo übel nicht; aber eben defto gefährlicher: Denn
fie find die Pforte zum breiten Wege, weh dem, der da hin⸗
ein geräty! — Wer ein wahrer Chriſt werden will, der muß
fi) manches, das an fidy wohl erlaubt wäre, verfagen, blos
um feine Lüfte unter den Gehorfam zu — * und —* uͤber
ſein Fleiſch und Blut zu werden.
Ob es heut zu Tage wohl noch Mikolaiten gebe? —
dad mag jeder ſelbſt unterfuchen, und ſich auch dann prüfen,
ob er nicht ihre Werke, aber ja nicht ihre Perfonen, haffe?
Dan findet die Befchreibung diefer Leute 2 Petri * und im
Brief Judaͤ.
Endlich fügt der Herr zum Schluß des Briefe wo die
Kap. Br2. 2
u fmunseuuahlermed and dann die Verheißung hinzu, ‚ins
dem er ſagt: PEN
7. Wer Ohren hat, der höre, was der Geift den Gemeinden |
fügt! Dem Ueberwindenden, dem werde icy zu effen
‚geben vom Holz des Lebens, welchesi im Paradies mei⸗
ies Gottes iſt.
Nicht allein, ihr Epheſer, ſondern jeder Zeitgenoſſe der
apoffolifchen Periode, der nur ein Ohr für die Erlöfungswahrs
heiten hat, ber höre, was der. heilige Geift, der Tröfter, den
ich euc) ehemals fenden wollte, und nun gefandt habe, den
Gemeinden ſagt; denn ed ift wichtig und hörenswerth. Wer
jegt allen den VBerfuchungen und Vefolgungen widerfteht, wer
fi) wieder zur erhabenen Stufe der erften Liebe hinauf ſchwingt,
der foll Früchte vom Baum des Lebens aus dem Paradies meis
nes Gottes befommen, und alſo ewig leben.
Diefe Worte find merfwürdig, und enthalten, wie das bei
dem Mort Gottes immer der Fall ift, mehr in fih, als man
dem erften Anblic nach vermuthen follte. Der Hauptbegriff,
der darin liegt, ift folgender :
Diefer Brief ift an die Gemeinde zu Ephefus, und im ties
fern Sinn, wie ich ſchon oben erinnert habe, an die apoftos
liſche Kirche gerichtet. Sie war als die erfte Frucht des
Erldfungswerk3, fie enthielt die erfigebornen Kinder des neuen
Bundes. Go wie nun durch den Fall Adams das Paradies
verfchloffen, und ein Cherub mit einem beftändig hin und her
Freifenden Schwert vor feinen Eingang geftellt wurde, fo
dffnete es nun der Herr wieder. durch fein Leiden, Sterben
und Auferftehung; denn Er verfprah ja. dem Schaͤcher:
Wahrlich! ‚noch heute, gleich nach meinem Tod, follft du
mit mir im Paradies feyn. Dann ſchickte Er auch den Cherub
mit dem Schwert wieder fort, fo daß nun jedermann, der
VA den rechten Weg einfchlägt, dahin kommen, wieder vom
Baum des Lebens Früchte effen, und alſo ewig leben Faun.
Die Auferftehung Ehrifti hat uns eigentlich den Genuß diefer
Lebensfruͤchte erworben.
Es iſt alfo paflend, zweckmaͤßig, weife und veigend, —*
48 Erklärung der Offenbarung Johannis.
der Herr feinen erjten Erlösten auch den erften Segen des
num wieder eröffneten Weges zum Paradies und Baum des
Lebens verfpriht.
Er grüßt feine erften Reichögenoffen mit feinem erften und
wichtigen Zitel — mit dem Charakter ald Schuß = und
Schirmherr, ald Selbfterhalter aller feiner Verehrer, bis zu
feiner Wiederfunft, und entlaßt fie auch mit dem Verfpres
chen des erften Genuffes der nun wieder erworbenen Früchte
vom Baum des Lebens. |
. Nun folgt der zweite Brief:
8. Und dem Engel der Gemeinde in Smyrna ſchreibe:
Das ſagt der Erfte und der Letzte, welcher todt war
und ift lebendig worden:
9. Ich weiß deine Trübfal und Armuth, aber reich
bift du! — und. die Läfterung von denen, die ſich
für Suden ausgeben, und e8 nicht find, fondern eine
Synagoge ded Satans,
10. Fürchte Dich nicht, für dem, was du zukünftig leiden.
wirft! — Siehe! der Teufel wird mehrere von euch
ins Öefängniß werfen, auf’ daß ihr geprüft werden
möget, und ihr werdet zehn Tage Drangfale haben,
Sey getreu bis zum Tod, fo will id) dir Die Krone
des Lebens geben!
11. Wer Ohren hat, der höre, was der Geift den Gemein
den fagt! Der Ueberwindende foll vom zweiten Tod
nicht beleidigt werden.
Der Engel der Gemeinde zu Smyrna befommt feinen Tas
del, Feine Beftrafung,, fondern nichts als Lob, Troſt und
Verheißung, und das ift viel: es muß alfo wohl wenig
ſchlechte Ehriften in Smyrna gegeben haben ; Polycarpus, ein
Schüler des Apofteld Johannis, der hier fchreibt, war Bis
ſchof in Smyrna, und litte auch dort in feinem hohen Alter
einen glorreichen Martertod; ob der nun jeßt fchon dort war,
oder erft nachher dahin Fam, das weiß ich nicht, es Fommt
aber auch hier nicht darauf an, das zu willen.
Die Gemeinde zu Smyrna ftellt aber auch hier den zweiten.
A Kap. 2. BD, 8. 9. 10. 11. 49
oder Martyrers Zeitlauf heißen kann; der aber-auch die wahre
Gemeinde des Herrn gegen Faͤulniß fügte, und ihre Wuns
den und: Gefchwäre heilen Fonnte. Ich muß aber nochmals
bemerken, daß Feiner dieſer fieben Briefe die gefammteEhri-
fienheit des Zeitlaufs, an den er gerichtet ift, angehe, fon=
dern nur diejenigen, welche ausſchließlich als wahre Ehriften
betrachtet werden wollen und follen; an diefe fchreibt: alfo
der Herr, und unterrichtet fie.von dem, was ſi ie in ihrer Enge
zu wiffen und zu thun nöthig haben.
Der Martyrer=Zeitlauf fängt bald nach Cheifti Himmel:
fahrt, mit Stephanus an, und endigt fich ungefähr in der
Mitte des vierten Jahrhunderts, zwijchen dem Jahr 500 und
550. So daß alfo der vorhergehende Ephefinifche oder Apos
ftolifche Zeitlauf einen Theil des Smyrnifchen oder Martyrers
Zeitlaufd ausmacht, beide laufen alfo nebeneinander, nur
daß der letztere dreimal fo lang ift, wie der erfte.
Der erfte Brief ift alfo an die erſten wahren Ehriften des
erften Sahrhunderts überhaupt und der zweite, unter dem paſ—
ſenden Vorbild der Gemeine zu Smyrnen, an alle, die unter
der Herrichaft des heidnifchen Roms um der Wahrheit willen
würden Verfolgung leiden, oder gar fterben muͤſſen, gerichtet,
Die ganze Chriftenheit, welche zu der Zeit wuchs und zunahm,
kann hier nicht gemeint ſeyn; denn da hätte es genug zu wars
nen, zu drohen und zu firafen gegeben, weildamals ſchon das
Verderben mit Macht einbrach und uͤberhand nahm. Eben
fo ifts auch wahrſcheinlich, daß nicht jeder Chriſt in Smprna
diefen Brief auf fich deuten Fonnte,
Su dem Titel Eündigt fih der Herr an, als den Sefen
und Letzten, ald den Geftorbenen, und’wieder Leben:
DE a u Te *
diggewordenen. Auf diejenigen, die ihr Leben fuͤr die
chriſtliche Religion aufopfern muͤſſen, kann keine Eigenſchaft
des Erloͤſers tiefern Eindruck machen als dieſe: — Der, für
den fie fterben, ftarb zuerft für. fie, was ift alfo billiger,
als daß fie auch für Ihn fterben, wenns erforderlich iſt? —
Der, „der. für fie ftarb, iſt wieder lebendig worden — und
wird alſo auch die wieder ins Leben zufeny die: — *
Ihu ſterben.
Stillina's ſammtl. Schriften. III. Baud. 4
50 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Hierauf bezeugt nun der Herr ferner im Brief felbft: Ich
weiß deine Zrübfal und Armuth, aber reich bift du. — O
welch. ein tröftliches Zeugniß! — wer wird nicht alles dran
wagen, um auch fo Eines zu befommen! Wenn man von
Außen in die Klemme kommt, fo gefellt fib gewöhnlich auch
von Innen die Geiftesarmuth dazu! das ift aber auch ganz
natürlich: Denn wenn Kreuz, Truͤbſal und Verfolgung den
Chriſten beftürmen, fo rügt ihn die züchtigende Gnade; es
fommt zum fcharfen Prüfen, in wie ferne man fih wohl
diefe Ruthe felbft gebunden, oder auch in wie fern man folche
Züchtigungen verdient habe? — da finder man danu gewöhns
lich eine fo jammerliche Armuth an Allem, was uns vor Gott
angenehm machen Fann, daß man int Gefühl diefer Armuth
auch Fein Auge vor Gott auffchlagen niag, und dieß ift dann
eben die rechte Seelenftimmung, um reich zu werden am gus
ten Werken; wen nichts mangelt, der wird auch nichts zu
erwerben fuchen, went aber für der Armuth bange ift, der
fucht fo viel vor fi) zu bringen, als er kann.
Deswegen fagt auch der Herr gar recht: Selig find die
Armen im Geift, denn das Himmelreich ift ihr — eben
darum, weil fie ſich arm fühlen, fo ringen fie nach dem wahs
ven Reichthum, und fo leider dann das Himmelreich Gewalt,
und. die ihm Gewalt thun, die reißen ed an fih. Hieher
gehören nun vornemlich die Achten Kämpfer für die Wahrheit
Jeſu Chriſti; die wahren Martirer und Belenner: die bis
in den Tod getreuen Bürger des lieblichen und geiftlichen
Smyrna’s, auf deutfch Myrrhenheims.
Ich weiß auch, fagt der Herr ferner: Was diejenigen von
euch läftern, die ſich für Zuden ausgeben, es aber nicht find,
fondern des Satans Synagoge. Aus der Gefchichte ift be-
Tannt, mit weldem bittern Haß die Zuden die Chriften bei
ihren heidnifchen Obrigfeiten verflagten, und fie aller nur
möglichen Lafter befchuldigten; dieß gefhah nun befonders.
auch zu Smyrna, und überhaupt allenthalben, fo lange als
das Heidenthum die Herrfchaft hatte. Sie konnten die Ehri-
ften felbft nicht martern und hinrichten, denn fie hatten Feine
Gewalt mehr, aber läftern, verlaumden und anklagen, das
Kap. 2. B. 8. 9. 10. 11, 51
fonnten fie, und triebens aud) bis aufs boͤchſte. Darum ſagt
auch der Herr: Dieſe ſeyen keine Juden, ſondern eine Gemeinde
des Satans! — Wie ganz wahr iſt dad? — Das Wort
Satan bedeutet ein Gegner oder Anfläger im Gericht, und
das waren hier auch die Juden, Polizeidiener des Satans
felbft, aber Feine Bekenner und Verehrer Gottes und feiner
Wahrheit, welches fonft der Name Zude eigentlich fagen will,
Das Alles aber foll den Smyrnern und Martirern nichts
ſchaden; darum heißt ed: Fürchte dich nicht für dem, was
du Fünftig leiden wirft: denn du wirft auch dafür gefrönet
werden. Allerdings wird ed was zu leiden geben: Der Zeus
fel wird einen und andern ind Gefängniß werfen — alfo
ber Teufel wirft ind Gefängniß, und Satan Flagt an. Das
Wort Teufel Heiße im griechifchen und lateinifchen Diabolus,
ein Läfterer, Verläumder, Ankläger, und ift alfo mit dem
Wort Satan ganz eins; nur daß Satan hebräifch, Diabos
Ius aber griechifch und Iateinifch ft; gleich ald ob der Herr
fagen wollte: Der hebräifche Teufel (die Zuden) werden den
Ankläger gegen ‘euch machen, und der griechifche und römifche
Teufel wird dann euer Richter feyn. Alles diefes wurde in
Smyrna und im ganzen Martirer » Zeitlauf aufs genauefte
erfuͤllet.
Die Urſache dieſer Leiden iſt, um die Chriſten zu prüfen,
wie weit ihre Liebe zu Gott und dem Erlöfer gehe? — Der
Herr braucht vielleicht in feinem uns noch unbekannten
‚Reich, in jener Welt, Geifter, deren Glaube und Heiligkeit
dieſe Probe ausgehalten haben muß, um durch fie große Dinge
auszurichten.
Die Verfolgung, Prüfung und Martirzeit foll zehn Tage
währen. — Daß diefe Zeitbeftimmung im geheimen prophes
tifchen Sinn verftanden werden müffe, ift darum gewiß, "weil
aus der Gefchichte befannt ift, daß die Verfolgung in Smyraa
ſelbſt oft wiederholt worden , und jedesmal gewiß. länger als
etwa zehn natürliche Tage gewährt hat. Der natürlichfte,
ungezwungenfte, und gewiß der Meinung des Herrn am naͤch⸗
ſten fommende Verftand diefer Worte ift folgender:
Wer einigermaßen mit den Ausdruͤcken der Bibel bekannt
1 ®
—⸗
52 Erklärung der Offenbarung Johannis.
iſt, der wird ſich erinnern, daß gar oft die Zeit, in welcher
ein gewiſſes Geſchaͤft angefangen und vollendet wird, ein
Tag, oder auch Tagwerk genannt wird. Die Worte, ihr wer⸗
det zehn Tage Drangſal haben, haben alſo keinen andern
Sinn, als: Es werden zehn Hauptverfolgungen über euch
ergehen! — In diefem Sinn verftand mans auch von jeher,
allein in den neuern Zeiten will man das nicht mehr gelten
lafien; bald fagt man, es feyen mehr als zehn Verfolgungen
über die Chriften ergangen; bald will man diefe fieben Briefe
nicht für prophetifch gelten laffen, und bald will man gar
nichtö mit der ganzen Sache zu thun haben. Indeſſen geht
die erhabene Wahrheit des göttlichen Worts ihren einfachen,
jedermann faßlichen Pfad fort; man rechnete von jeher zehn
Hauptverfolgungen: 1) Unter dem Kaifer Nero, 2) unter
Domitian, 5) unter Trajan, 4) unter Hadrian, 5) unter
Mark Aurel, 6) unter Eever, 7) unter Marimin, 8) unter
Decind, 9) unter Valerian, und 10) unter Diocletian. Die
achte und die zehnte waren die heftigften. Die Hauptver-
folgungen laͤugnet Fein Gefchichtforfcher; vielleicht will er
aber noch eine oder andere hinzufügen, um die Zahl zehn
zweifelhaft zu machen; indefjen läßt es ſich doch außer allen
Zweifel fegen, daß, wenn nod) eine oder andere ftatt finden
follte‘, ſolche weder fo heftig noch fo allgemein gewefen jey.
Menn mans dody nur immer redlich mit der Bibel meinte! —
man darf nichts hinein, aber auch nichts heraus tragen. In
den Augen des MWeltregenten, ver alles überfchaut und im
rechten Licht anfieht, ift manches, das uns gar wichtig fcheint,
fehr unbedeutend ; hingegen fehen wir vieles als eine Klei⸗
nigfeit an, das in den Augen Gottes von Außerfter Wichtig:
keit ift. Dieß muß den Ausleger der Weiffagungen fehr vors
fihtig, aber auch den Kritiker fehr behutfam machen, nicht
fogleich dictatorifch zu entfcheiden.
Wie fchonend ift übrigens: hier der Ewigliebende! — Er
will feine Getreuen nicht mit Borausverfündigung der ſchreck⸗
lichen Martern betrüben, die auf fie warten, fondern er fagt:
Fuͤrchtet euch nicht! Gefaͤngniß und Drangfal von zehn Tagen
warten euer; feyd ihr nur getreu bis zum Tode, fo’ werde
Kap. 2. V. 8. 9 110. 14. 53
ich euch die Lebenskrone, oder beffer, die Siegesfrone
des Lebend auflegen.
So ganz ohne einen verborgenen Wink zu geben, was auf
die Bürger zu Myrrhenheim ‚warte, gehts doch nicht ab.
Der Herr will fo viel fagens Zum Sterben um meinetwillen
koͤnnte es doch wohl fommen, aber Fämpft euch mit uners
fchütterlicher Treue nur ritterlich durch, ſo foll euch die Gies
gerfrone des Lebens nicht fehlen. ’
Im neuen Teftament, und befonders auch in der hohen
Dffenbarung ‚ kommen zweierlei Kronen vor, Köuigsfronen
und Siegeskronen; dieſe legtern find hier gemeint; und dieß
Bild kommt von dem Gebrauch der Alten her, welche Kampfs
fpiele anftellten, um die jungen Leute zum Krieg geſchickt zu
machen, wo dann dem Sieger gewöhnlid) ein Kranz auf das
Haupt gefetzt wurde, den man die Siegesfrone nannte. Wen
in aller Welt Fonnte num die Giegesfrone mit mehrerem
Recht zufommen, ald den Kampfern, die um der Wahrheit
willen den Staͤrkſten aller Starken, den fürchterlihen Mars
tertod befiegten?
Merkwürdig ift aber auch der Zuſatz: Die Siegeöfrone
bed Lebens — denn was hülfe einem Todten die Sies
gesfrone ohne Leben? — Daher Fünnte man die ganze Vers
heißung fo ausdrüden: Seyd getreu bis zum Tod! denu der,
der, für mich ſtirbt, ſoll die erfte Auferfiehung,, ein ewiges,
feliges und glorreiches Leben zur Siegeskrone aus meiner Hand
empfangen. Dr herrliche Berheißung! — Wer wollte nun
nicht alles wagen, wenn aud) die Reihe an und fommen
follte 2. Denn die Krone des Lebens empfängt Jeder, der
die Anfechtung erduldet, und dadurch bewährt wird, Jak. 1.
B. 12, folglich in dem Fall auch wir.
Eudlich schließt der Erhabene, Erſte und Legte den Brief
mit den merkwürdigen Worten: Alles, was Ohren hat, das
höre, was, meines Vaters und mein Geift den Gemeinden
ſagt: Der Veberwinder foll vom zweiten Tod
nicht beleidigt werden. Eigentlich Heißt es: Dem Yeberwine
der foll der zweite Tod Feine Schmaͤhungen, Feine Schmach
zufügen.
54 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Oben wurde dem bis in den Tod getreuen Ueberwinder
die Siegeskrone des Lebens verfprochen und hier wird ihm
dann auch. zugefichert: Daß der zweite Tod fich nicht gegen
ihn muffen, ihm nichts anhaben fol. Da in der hohen Of⸗
fenbarung mehrmals des zweiten Tods gedacht wird, ſo muß
ich doch wohl den rechten Begriff davon entwideln.
Kap. 40. V. 14: und Kap. 21. V. 8, wird das Werfen
in den Feuer » und Schwefelfee der andere Tod genannt:
folglich ift die eigentliche Hölle, oder die eigentliche Berdamms
niß darunter zw verftehen. So wie nun der. erfte Tod
‚eine Folge des Falls Adams ift, den Chriſtus hernach durch
fein Leiden und Auferftehung befiegte, fo ift nun diefer weit
fchredlichere zweite Tod die Folge des zweiten Falld:
Denn was verdient der Menfch nicht, dem fich die Gnade
Gottes in Chrifto in aller ihrer Herrlichkeit geoffenbaret,
und ihm die Früchte vom Baum des Lebens angeboten hat, und
der dann doc) diefe Früchte verwirft, und noch immer vom
“ verbotenen Baum ift, ungeachtet er alle fchredliche Folgen
dieſes Genuffes erfahren Hat? — Sch werde noch verfchiedes
nes vom zweiten Tod zu fagen haben, wenn mic) einmal die
Ordnung des Vortrags dahin leiten wird.
Der Ephefinifchen Gemeinde und dem Apoftolifchen Zeits
lauf wurde die Frucht vom Baum des Lebens verheißen,
und der Smyrnifchen Gemeinde mit dem Marterzeitlauf wird
Sicherheit gegen alle Folgen des Genuffes der verbotenen
Frucht, Sicherheit gegen den erften und zweiten Tod vers
fprochen ; fie follen nicht nur vom Holz des Lebens efjen,
fondern auch gegen alle — der verbotenen Frucht ewig
ſicher ſeyn.
Man ſollte aber denken, das waͤre ja wohl bei allen Se⸗
ligen der Fall? — dieſe Frage ſoll, wie geſagt, unten naͤher
beleuchtet werden.
Endlich kommts mir doch auch merkwuͤrdig vor, daß
Smyrna unter allen ſieben Städten die Einzige iſt, die bluͤhend
und volfreich geblieben; es fcheint, als hätte. das Blut der
Märtyrer auch Segen für die Nachwelt im Irdiſchen gebracht.
So wie ed überhaupt der Religion zum Gegen gewefen ift.
*
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Kap 2. B. AI 1ER‘ 55
- Nun folgt der dritte Brief: dodcaafmını nn
12. Und dem Engel der Gemeinde zu Pergamos fihreibe:
Das fagt der, ber das zweifchneidige fpisige Schwert
at;?
15 9 weiß, wo du wohneſt, da, wo des Satans Thron
ift, und hältft dich an meinen Namen, und haft meis
nen Glauben in den Tagen, ald Antipas mein
treuer Zeuge war, nicht verläugnet, welcher bei euch,
da, wo der Satan wohnet, ‚getödtet worden iſt.
Pergamos, zu teutfch Hohenburg, war einft die Haupts
fiadt von ganz Kleinafien; diefe Stadt liegt in der Provinz
Troas oder Myfien, und auf ihrem hohen Schloß vefidirten
die Könige, Zu der Zeitiaber, als diefer Brief gefchrieben
wurde, war fie, fo wie alle benachtbarte Völker, Länder und
Städte in der Gewalt der Römer. |
In dem Sendfchreiben an den Vorfteher der Kirche zu Per
gamos nennt fich der Herr den Beſitzer des zweifchneidigen
fpigigen Schwertö, welches er auch brauchen wird, nad) der
ausdrüdlichen Drohung des folgenden 16ten Verſes; dann
ſagt Er ferner: Ich weiß, daß du an einem Dre wohneft, wo
der Satan mein und meiner Lehre größter Feind, der allges
meine Ankläger und Widerfacher alles Guten und aller guten
Menfchen , fo recht feinen Thron aufgefchlagen hat; denn in
Pergamos war ded Gökendienftes Feim Ende; die" ganze
Stadt war mit Bildern der heidnifchen Götter, mit Tempeln
und Priefterniangefüllt, der: Satan hatte da eine rechte Hof⸗
"Und doc) hatte fich die dafige Gemeinde mit ihrem Vor⸗
fieher unter allen diefen feindfeligen Verhaͤltniſſen treu an
Chriſto und an dem Öffentlichen Bekenntniß feiner Lehre ges
halten, auch fogar in der neulichen Verfolgung unter dem
Kaifer Domitian, als ein frommer Ehrift, Namens Antipas,
um der Religion willen im: Dianentempel zu Pergamos in
einen glühenden ehernen Ofen geworfen und verbrannt wurde,
wie und Tertulliaw erzählt, war fie treu und ſtandhaft ges
blieben, und hatte ihren Glauben an ihren Herrn und Heiz
land nicht verläugnet; dieſes wird ihr hier vom Herrn als
56 Erflärung der Offenbarung Gohannis.
ein großes Lob angerechnet; Er fagt: Dieß Alles weiß ich,
* das iſt genug.
Im geiſtlichen Verſtande bezielt dieſer Brief die *
Ghriften in dem Zeitraum von Conftantin dem Großen bis
anı Karlven Großen; alſo von Anno 324 bis 800: Denn
der Zeitlauf der Martyrer hörte auf, als der Erftere die chrifts
liche Religion annahın, diefe alfo nunmehr herrfchend wurde.
Don nun an aber gerieth fie in ein ſolches Verderben, daß
der Satan’ von neuem mitten in diefem Tempel Gottes und
Ehrifti, feinen: Thron aufrichten Fonnte, folglich die wahre
Gemeinde. des Herrn abermals.da wohnte, wo des Satans
Thron war. Man braucht nur die Gefchichte zu leſen, um
ſich von der; vollfommenften Wahrheit diefes Satzes zu übers
zeugen. Gibbons Gefchichte der Abnahme und des Falls des
römifchen Reichs, ift in dieſer Beziehung fehr lehrreich: Denn
ob er gleich Fein fonderlicher Freund des Chriftenthumsd war,
fo bleibe er doch als Gefchichtfchreiber der Wahrheit getreu.
» Sobald Conſtantin die chriftliche Reliaion angenommen
hatte, fo wurden allenthalben prächtige Kirchen, mit der Zeit
auch Klöfter, und Eonftantinopel eine wahre Hofe und Res
fidenzfladt des Satans, lauter Pergama, durchs ganze rdmifche
Reich gebaut. Wer nun ein wahrer Chrift feyn wollte, der
war jest: eben: fo fehr wieder ein Antipas (jedermann entges
gen, oder jedermann gegenüber) ald ehemals unter den Heis
den. Man braucht nur die Keßergefchichte mit: unpartheits
[hen Gemuͤth zu lefen, fo wird man gar oft finden,‘ daß
die Keßer weit beſſere Chriften waren, als die fogenannten
Rechtglaubigen. Den: ftillen ruhigen: Chriften ließ man uns
geftört ‚feinem Gott: dienen; der Chriſt als Chrift wurde nicht
mehr, verfolgt, aberumer fich der Biſchoffsherrſchaft und
den Mißbraͤuchen im chriſtlichen Heidenthum eutgegenſtemmte,
der war ein Antipas, und hatte dann auch alle auf dem
Halſe. Man findet Beiſpiele genug in der Geſchichte der das
maligen Zeit, wie ſehr der, Antipas verfolgt und der wahre
Geiſt des — eier treue Zeuge, aumatug getoͤdtet
worden iſt.
Bei allem dem haite 4 der Herr noch allenthalben ſeine
” Kap. 2, 8. 13, 1381 57
treuen Bekenner, die diefer Brief denn auch befonderd angeht.
Unter den Einſiedlern, die um diefe Zeit anfingen häufig zu
werden , und den Grund. zum Mönchsleben zu legen, waren
bei allem Mißverftand, und bei allem einfchleichenden' Fas
kirismus (rafende, unnuͤtze Werkpeiligfeit) doch noch viele fehr
rechtfchaffene Ehriften, derem Lehre und Elias : Zeugniß durch
wahre ungeheuchelte Frömmigkeit beſeelt, als das Salz der
Erden in der ee re Ben) erst wers
den mußte und‘ fonnte. :
Nun heißt es ferner:
14. Aber ich habe einiges foider dich: Weil du dort ſolche
haft, die Bileams Lehre halten, welcher dem Bas
Tat zu gefallen Yehrte, wie man den Kindern Iſrael
durchs Eſſen der Gbtzenopfer und durch Hurerei ein
Aergerniß anrichten konnte.
15. Folglich haft du auch ſolche, die die Lehre der Nifos
laiten halten, welches ich haſſe.
16. Deswegen ändere deine Geſinnung! Thuſt du dag
aber nicht, fo werde ich dir fchnell kommen und mit
ihnen kriegen mit dem Schwert meines Mundes.
Der 12! und 15. Vers enthielten das Lob, hier folgt nun
auch der Tadel der Gemeinde zu Pergamos. Vorerſt muͤſſen
wir wohl bemerken/ daß es Feine eigentliche Sekte der Bilias
miten gab, wie einige Ausleger vermuthet haben, ſondern nach
meiner Einſicht iſt der Sinn folgender:
Nur das habe ich an dir auszuſetzen, daß es dort geht,
wie zw Balacks und Biliams Zeiten, je'zuweilen nachzugeben,
und eine Goͤtzenopfermahlzeit mitzuhalten, und ſich allenfalls
auch wohl mit liederlihen Weibsleuten abzugeben, wodurd)
dann der reine Geift des Chriftenthums gedämpft, und meine
Gläubigen mit Lift allmäplig, fo wie ehemals die Sfraeliten,
vom Wege der Wahrheit wieder abgelenkt werden; : daraus
machen fich einige unter euch eben nicht viel, auf diefe Weife
bangen fie alſo an der‘ —* der Nikolaiten, und das iſt mir
ſehr zuwider.
Mich duͤnkt, man muͤſſe hen 15ten Vers als. bie: Sdiuß.
58 Erflärung der Offenbarung Johannis.
folge des 14ten anfehen, und alfo fo überfeßen, wie ich ge⸗
than habe: Denn Bileams Lehre und die Lehre der Nifolais
ten, kamen im Wefentlichen überein; da nun alfo einige Pers
gamener Bileams ‚Lehre folgten, fo waren fie Nifolaiten,
oder diejenigen, welche fich zum Nikolaus befannten, die übten
eben dadurch Bileams Lehre aus,
Nun folge Warnung und Drohungs Nendere deine Gefin-
nung, hinke dich nicht mehr anf beiden Seiten, fondern kehre
wieder zur Neinigfeit des Glaubens und der Liebe zuräd!
Thuft du das aber nicht; fo komme ich plößlich, wie ein
Dieb in der Nacht, und befampfe fie mit dem zweifchneidi=
gen Schwert, dad aus meinem Munde geht.
Er will niht den Engel und feine Gemeinde befämpfen,
fondern die Nifolaiten, und da follte ed dann auch mit ihnen
nicht leer abgehen, wenn fie fich nicht befehrten.
Das Kriegen mit dem Schwert feines Mundes ift eine
fehr dunkle Redensart, die ohne Uebung in den prophetifchen
Schriften nicht wohl erflärt werden Fann, WBermuthlich zielt
hier der Herr Chriftus auf den 2ten Vers des 49ſten Kapi⸗
teld Sefaja, wo es heißt; Und er hat meinen Mund gemacht
als ein fcharf Schwert, unter dem Schatten feiner Hand hat
er mich. bedeckt, und Er hat mich zu einem: gefchidten Pfeil
gemacht, ‚und mich in, feinen Köcher verborgen. Schwert
und Pfeil ſind hier eins, beide find fer; die Feinde
zu. befriegen.
Das Schwert des Mundes if unftreitig das Wort Gottes;
(Hebr; 4 12.) denn das Wort Gottes iſt lebendig und kraͤftig,
und (chätfer als eimzweifchneidiges Schwert, und
durchdringet (demm es ift auch fehr fpigig), bis daß es
ſcheidet Seel und Geift, auch Mark und Bein, und ift ein
Richter der Gedanken und Sinnen des Herzens.
Die Wirkungen diefes Schwertd find zweierlei, vielleicht
ift es auch darum zweifchneidig ; Erftlich wirkt e3 Durd) Bes
Iehrung und Ueberzeugung; wenn es den» Sünder fo) recht
trifft, ſo dringt es ifreilich durch Mark und Bein, und vers
wundet Geift und Seele. Davon fehen wir ein. Beifpiel’am
König David, als Nathan zu ihm Fam, und ihn wegen Urias
und Bathfeba ruͤgte; andere Beiſpiele von der Wirkung dies
fe8 Schwerts ald Belehrung finden wir bei den Emaus:Füns
gern: Brannte nicht unſer Herz im uns, ſagten fie," da
Er mit und redete auf dem Wege, und Er uns die Schrift
dffnete, und Ap. Gef. 5. V. 57: da fie aber dad höreten,
gings ihnen durchs Herz u. ſ. w.
Daß aber alle dieſe Wirkungen nicht zum Kriegfuͤhren
mit dem Schwert des Mundes gehoͤren, verſteht ſich von
ſelbſt; denn jene ſind alle wohlthaͤtig und heilſam, hier aber
ſoll fuͤrs zweite auch die andere Schneide gebraucht werden.
Das Kriegfuͤhren mit dieſem Schwert bedeutet wohl nichts
anders als Gericht und Strafe; wie dieß nun durch das Wort
Gottes geſchehe, das iſt ſo leicht nicht zu erklaͤren. Gott
bat in der heiligen Schrift gedroht, daß auf gewiſſe herrfchende
Suͤnden und Laſter auch gewiſſe Gerichte und Strafen folgen
ſollen; wenn dieß nun wirklich geſchieht, fo kann man aller⸗
diugs ſagen, das Wort Gottes habe fie getroffen, mit ihnen
Krieg geführt,
Die Vorſehung fowohl im Kleinen über Einzelne, als
im Großen über Völker and Staaten, und ihre ganze Regie⸗
rung, iſt immer fortdauerndes, ſprechendes Wort Gottes.
Wenn nun durch ihre Fuͤgung ein Volk über das andere her⸗
fällt, ein Volk dem andern zum Gericht und zur Strafe wird,
fo.ift das Krieg Gottes gegen die Sünder durch fein Wort.
Vornehmlich aber find die Kriege mir dem Schwert aus
dem Munde des Herrn die, welche zwifchen der felbjtfüchtigen
Vernunft und der Offenbarung oder dem Wort Gottes geführs
werden, wo dann allemal: die Wahrheit die Lügen: befiegt;
dieß geht fo zus Weun die, Verehrer. der wahren Religion
anfangen, lau und träge zu werden, und Wohlſtand, Ruhe
und Sicherheit den Lurus herrfchend machen, fo fucht die Vers
nuuft durch die falfhberähmte Kunft Zweifel gegen das Wort
der Wahrheit in Gang zu bringen, da nun die mehreften
Menfchen partheiifch finds fo gelingts ihr; die Zweifelfucht
gebiert die Freigeifterei uud Ausgelaſſenheiten aller Art, da⸗
durch folgen nun, nach den ewigen Gefegen der finnlichen und
ſittlichen Natur, Gerichte und ‚Strafen, in welche fih dann
60 Erklärung der Offenbarung Johannis.
die hohe Vorſehung wieder fichtbar einmiſcht, um die Wahr:
heit zu retten, und im jedem folcher Kämpfe werden fehr viele
Rechtſchaffene bewährt, und die Wahrheit geht aus jedem
ſolcher Kriege fiegend, und gereinigter hervor: Die Menfchen
lernen dann aus Erfahrung, daß außer Chrifto Fein Heil fey.
Endlich find doch wohl die allereigentlichften und unftreitig
hieher gehdrigen Kriege mit dem Schwert aus dem Munde
des Herrn die Religionskriege; auc) in diefen fiegt das Wort
Gottes immer, und gewohnlidy eben dadurch, daß feine Bes
kenner gedrückt werden,‘ weil die Leiden den Sieg der praftis
chem Religion befoͤrdern; Kin beweist die Kirchengefchichte
aller: Zeiten.
In Pergamos war der Krieg mit dem Schwert des Herrn
am noͤthigſten, weilda das Heidenthum fo vorzüglich thätig war.
Bis zur Höchften Ueberzeugung, daß Pergamos den Zeitlauf
von Eonflantin dem Großen: bis zu Earl dem Großen bedeute,
bringt uns nun die Anwendung der Vorwürfe, die, der Herr
den Pergamenern macht, auf gedachte Zeiten: So fehr ſich
auch unter Conſtantin, und nachher die hriftliche, nunmehro
herrfchende Religion ausbreitete, ſo blieben doc) allenthalben
noch viele Heiden übrig, denen man ihren Gottesdienft und
Neligionsübung erlaubte, ja es gab noch viele Städte und
Dirfer, die ihre Goͤtzentempel und: Priefter hatten.
Um nun die Heiden anzuloden, und auch zugleich dem ges
meinen Volk, das theild um Gewinns willen, theild auch wohl
durch Swang zum Chriſtenthum uͤbergegangen war, feine neue
Religionsangenehm zu machen, fo wählte man Bileams,
Balaks und Nifolaus Politik, man verwandelte die heidnifche
Zempel:imchriftliche, die Gößenbilder in Heiligenbilvder, betete
Diefe au wie jene, Opferpriefter wurden nun Meßpriefter, ftatt
der heidnifchen Drafel gabs nun dhriftliche, und der wunders
ıhätigen Bilder war Fein Ende; dieß rügt hier Ehriftus und
droht im Fall des Nichtbußerhuns mit dem Krieg, mit dem
Schwert feines Mundes, und da nun jenes nicht geſchahe,
fo. erfolgte: dieſer auf die ſchrecklichſte Weiſe: denn welcher
Krieg war je ein eigentlicher Religionskrieg, als der, den
Mahomed und feine Nachfolgerigegen Ehriften, Juden und
Kap. 2. ©. 17. 61
Heiden fuͤhrten: — Und eben diefer ward, der der ganz Nifos
laitifch gewordenen griechifchen Kirche ihren Leuchter wegftieß.
Wie pünktlich ift diefe Weiffagung erfüllt worden! Dieß kann
den Glauben ftärfen.
Für die getreuen Yeberwinder folgt nun auch eine Verheißung :
17. Wer Ohren hat zu hören, ber höre, mas der Geift
den Gemeinden fagt! — dem Ueberwindenden —
dem werde ich geben von dem verborgenen Dianna ;
und ich werde ihn ein weißes Wahlzeichen geben, und
auf diefes Wahlzeichen einen neuen Namen gefchrieben,
den niemand weiß, als der ihn empfüngt.
Ueber die Formel, wer Ohren hat u. f. w., habe ich mich
oben hinlänglich erflärtz; es fol fo heißen: Alles, was zu
Pergamos und im griechifchschriftlichen Zeitlauf Ohren für
die chriftliche Religion hat, der höre, was der Geift Jeſu
Ehrifti den Gemeinden fagt! wer in diefen Bileams-Balaks
and Nikolaitifchen Zeiten, die fo fcheinbare, für die finnliche
Vernunft fo verführerifche und für die finnlichen Lüfte fo hoͤchſt
reizbare Verfuchungen zum Gößenopfereffen, und dabei vors
- ‚fallenden Genuß der Wolluft männlich befämpft und über:
'windet, dem will ich ein anderes, weit erhabeners Traftament
vorfeßen, das auch in den Tempel gehört, nemlic) das Manna,
das im Krügelchen neben der Bundeslade im Allerheiligften
verborgen ift, 2:8. Mof. 16. V. 32. und wenn es einmal
zur Wahl fommt, wer verdammt und wer lo&gefprochen, oder
. wer zum Rathöheren gemacht werden foll, fo befommt ein
‚folcher Heberwinder eine weiße Kugel, den weißen Wahlftein,
und darauf foll fein neuer Name fiehen, den niemand weiß,
als der ihn empfängt.
Unter diefen Anfpiegelungen aufs Manna neben der Bunz
deslade, und auf das weiße Wahlzeichen oder Stein, find
‚ehr erhabene und wichtige Dinge verborgen: Was das Eſſen
‚des verborgenen Manna's bedeute, das finden wir Ev. Joh. 6.
V. 27. bis zu Ende des Kapitele. Chriftus ift das verbor-
gene Manna. Die Bundeslade nebft dem Gnadenftupl ftellre
‚den Throm Gottes vor; der Krug mit dem Manna an ihrer
62 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
Seite iſt ein Symbol des in feiner verklaͤrten Menſchheit vers
borgenen ewigen Worcs, fiend zur rechten Gottes, fo wie
Aarons blühender Stab, der aud) bei der Bundeslade lag,
fein ewiges Prieſterthum nach der Weife Melchiſedecks vorftellte.
In unferm Nachtmahl wird aud) dad Eſſen des verborgenen
Manna's vorgeſtellt.
Selig iſt der, der dieſes Manna zu Zeiten koſtet! — wahr:
lich es ift nicht Speife für Jedermann! fondern nur für die
Ueberwinder! es ift ein hoher geiftiger Genuß, der alles über:
trifft, was nur genannt werden kann. Befchreiben läßt fich
das nicht, man muß es erfahren.
Bei den Alten pflegte man wohl zu flimmen, ob ein Be:
Hlagter fehuldig oder unfchuldig fey; wenn num dem Volk
alle Akten befannt gemacht waren, fo befam jeder, der dabei
eine Stimme zu geben hatte, ein fchwarzes und ein weißes
Steinchen; wer nun den Beklagten für ſchuldig hielte, ver
warf den fhwarzen Stein in ein, zu dem Ende hingeftelltes
Gefäß, und wer ihn für unſchuldig hielt, der warf das weiße
Steinchen hinein; waren nun am Ende der weißen Steine
mehr ald der ſchwarzen, fo wurde der Beklagte freigefpros
chen, und waren der ſchwarzen meht, ſo wurde er verdammt.
In dieſem Sinne will alſo der Erloͤſer dem Ueberwinder ſeine
Stimme zur Freiſprechung von aller Schuld geben, und dieſe
Stimme gilt. Hiemit kann man auch folgende Bedeutung
verbinden: Wenn geſtimmt werden ſoll, wer Ueberwinder iſt,
ſo ſoll derjenige, der in dieſem Fall ſiegt, den weißen Stein
haben; oder wenn einer zu Geſchaͤften im Reiche Gottes ge⸗
wählt werden foll, fo befommt der Pergamenifche Sieger den
weißen Stein von mir.
Aber auf dem weißen Wahlzeichen ſoll auch ein neuer Name
ſtehen. — Die Bedeutung iſt folgende: Die Namen Gottes
und Chriſti beziehen ſich auf Ihre Eigenſchaften; und wir
finden auch in der heiligen Schrift, daß allemal die Namen,
die Gott den Menfchen gab, Beziehung auf ihre Beſtimmung
hatten; im Reiche Gottes find alfo die Namen nicht will:
kuͤhrlich, fondern jeder wird genannt, wie es fein in diefem
Leben erworbener fittlicher Charakter mit fich bringt, folglich
Kap. 2. DB. 18, 19 65
befommt jeder, der felig wird, im jener Welt einen neuen Nas
men, fogar der Herr Ehriftus wird nad) vollendetent Sieg
einen neuen Namen und Titel befommen. Dffenb. Joh. 5
D. 12. Kap. 19. V. 12. und 16. Eben fo werden aud) die
Ueberwinder von Pergamos ganz vorzüglich neue Namen bes,
fommen, die etwas mehr bedeuten, als fonft wohl gewöhns
li ift. Bei den Römern ward in den damaligen Zeiten
- wohl gebräuchlich, daß ein großer. Kriegsheld einen Zunamen
befam, der auf feine Siege Bezug hatte.
Der vierte Brief lautet folgendergeftalt :
18. Und dem Engel der Gemeinde zu Thyatira fehreibe:
Das fagt der Sohn Gottes, der Augen hat wie Feuer⸗
flammen, und deffen Füße dem lauterftien Erz
gleich find,
19. Sch weiß deine Liebe und deinen Glauben, deine
Dienftbefliffenheit und Geduld, und daß deiner legs
ten Werke mehr find, als der. erften,
Hier fangen nun eigentlich die Briefe an, die für uns
vorzüglich wichtig find, weil fie fi auf die abendländifche
Kirche beziehen. Die Zeitläufte der Apoftel, der Martirer
und der griechifchen Kirche find verfloffen.
In der Kirchengefchichte findet man Feine Nachricht, daß
eine Gemeinde zu Thyatira gewefen; vermuthlich war fie
Hein und unbedeutend, woher fie dann auc) fehr gut zum
Vorbild des Zeitlaufs gebraucht werden fonnte, den fie vor⸗
ſtellen follte. Thyatira heist die Schlachtopfer verzehrend;
aber mir dünft, es koͤnne noch eigentlicher überfeßt werden:
- Die durch Schlachtopfer geplagte. Da wir ‚von diefer Ge:
‚meinde weiter nichts willen, als daß nad) Ap. Gefh. 16.
V. 14. eine Handelöfrau aus diefer Stadt, Namens Lydia,
{ eine Ehriftin geworden, fo kann ich auch diefes Sendfchreiben
nur auf den Zeitlauf anwenden, den Thyatira vorbildet;
dieſer beginnt mit Karl dem Großen, und dauert gewiffer:
maßen noͤch fort, wie ich bald zeigen werde.
Wir müffen und immer wohl erinnern, daß die fieben _
Briefe des Herrn nicht am die herrſchende äußere oder Staatss
64 Erklärung der Offenbarung Johanuis.
firche,, fondern nur an die wahre Gemeinde, die unter der
berrfchenden lebt, gerichtet find. Die Stadt Thyatira bedeu⸗
tet alfo hier die Fatholifche Kirche, von Karl dem Großen an,
unter der Herrfchaft der Pabfte, bis. auf fpätere Zeiten; daß
‚fie die Schlachtopfer verzehrend, und durch Schlachtopfer
drücdend gewefen, das ift eine befaunte Sade, die jeder⸗
mann weiß.
Im achten Jahrhundert, um die Zeit Karls des Großen,
als in den Morgenländern theild durch die erftaunliche Aus⸗
breitung der Mahomedanifchen Religion, theils auch durch
die unbefchreibliche Verdorbenheit der griechifchen Kirche, ein
Gemeinde =Leuhter nad) dem andern weggerüct wurde, oder
auslöfchte, entdedte man in den füdlichen Alpenthälern der
Schweiz eine zahlreiche Gefellfehaft wahrer Chriften, die
man die Vallenfer oder Thalleute nannte; fie kamen in allem
Betracht den erften Ehriften in ihrem Leben und Wandel fehr
nahe, und ihre Symbolen waren mit unfern proteftantifchen
beinahe die nemlichen. Nachher gefellten fich die Waldenfer
und Albigenfer noch zu ihnen. Im folgenden neunten Jahr—
hundert brachten zween griehifche Mönche, Methodius und
Eyrillus, das Chriſtenthum nad) Böhmen und Mähren, da—⸗
durch entftand dann. die mährifche, Brüderfirche, Die in der
Herrnhuter Bruͤdergemeinde noch fortdauert. Die. Vallenfer,
Waldenſer, Albigenfer und die, mährifchen Brüder machen
alfo die Gemeinde zu Thyatira aus, und in der Mährifchen,
nunmehro Herinhuter Brüdergemeinde dauert fie noch) immer
fort, und wird auch bleiben: bis zur Zufunft des Herin. Dar⸗
am heißt es auch im 25ſten Bers: Was ihr habt, das haltet
feft, bis ih Eomme! — Dieß wurde Feiner der vorigen
Gemeinden geſagt, weil Feine bis zu feiner Anfunft währen
würde. Die Vallenfer, Waldenfer und Albigenfer, und was
im füdlichen Frankreich zu ihnen gehörte, wurde theils durch
die ſchrecklichſten Verfolgungen vertilgt, und die Uebrigen
vereinigten ſich hernach größtentheils mit den — und
Maͤhren.
Ich will dieſe Periode den Zeitlauf der Mährifehen: Kirche
nennen, weil diefe vorzüglich ihre Eriftenz behauptete, und
Kap 2. BTIB bis 20. 65
noch immer auf eine ſehr merkwuͤrdige Art behauptet. Ich
werde im Verfolg Gelegenheit — nd: — * dar⸗
uͤber zu ſagen. or
An diefe Gemeinde zu Khyatira * ſich der Herr Chri⸗
ſtus und ſagt: So ſpricht der Sohn Gottes, den ihr vorzuͤg—
lich.befennet, und euch von dem, was fein angeblicher Stadt⸗
halter vorgibt, nicht hinreißen läßt, fondern nur dem glaubt,
was Er felbft redet. So fpricht der, der Augen hat wie
Senerflammen, die über alle die Greuel der herrfchenden Kirche
für Zorn funfeln; und fo fpricht der, deffen Füße dem lauters
ften glühenden Erz gleich find, auf welchen Er nicht allein
felbjt unerſchuͤtterlich feft fteht, fefter, als das Monarchienbild,
deffen Füße von Eifen und Thon gemifcht find, und das Er
nun bald ftürzen will, .fondern mit denen Er auch, wenn Er
einmal in ſeinem Gericht einherfchreitet, alles, was ihm wis
derfteht, zermalmen und in Aſche verwandeln wird...
Sch weiß deine Werke, die nicht im Kirchengehen, Meß
hören, den Prieftern Gefchenfe machen, Wallfahrten und ders
gleichen, fondern in wahrer Gottes: und Menfchenliebe der
fiehen. Du biſt dienfifertig'gegen jedermann, und.in deinen
gottesdienſtlichen Verrichtungen apoftolifh gefinnt 5. dein
Blaube ift rein, du glaubft nur an Chriftum, und nicht an
den Papft und feine Bullen; in den ſchweren Prüfungen duls
deſt du und harreſt treulich aus, und anſtatt, daß die morgen⸗
laͤndiſchen Kirchen von Tag zu Tag abnahmen, ann du
von Tag zu Tag zu. | nd
Dieſe legten merfwirdigen Wortes: Daß der Testen Werte
mehr feyn follen, als der eriten, gilt vorzüglich von der Briis
dergemeinde. Man brauche nür- ihre m a aan oh x
leſen, um davon überzeugt zu werden.
Bei allem dieſem Lob gehts dennoch ohne Tadel nicht ,
denn es heißt ferner? |
\ 20. Aber ich habe —8 aih, daß du das Weib Jefa—
bel, die ſich ſelbſt eine Prophetin nennt, meine
Knechte lehren und verführen läſſeſt, daß he e —*
treiben und Götzenopfer eſſen.
a Sıifinga ſämmtl. Scheiften. Ni. Band. 5
66 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
241. Und ich habe ihr eine beftimmte Zeit geaeben, um
ihre Öefinnung zu ändern, aber fie will ſich von ihrer
Hurerei nicht bekehren.
22, Siehe! ich werfe ſie in ein Bette, und die mit ih die
Ehe brechen in. große Trübfal, wenn fie für ihre Werke
nicht Buße thun wollen,
23. Und ihre Kinder werde ic} durch den Tod biuwichten
und alle Gemeinden werden erkennen, daß ich der Er:
forfcher der. Nieren und des Herzens bin, und id)
werde Jedem unter euch geben nach, euern Werken.
Es iſt wohl zu bemerken „ wie der Herr in diefen Briefen
auf eine fonderbare Art die Gefchichte des Volks Iſraels,
oder vielmehr des ganzen alten Teftaments, vom Paradies
an, benutzt: Bei der ephefinifchen oder apoftolifchen Ge:
meinde, wo das Chriſtenthum begann, da ijt vom Baum des
Lebens im Paradies die Rede,
Bei den Smyrnern fpricht der Herr vom andern Tode, der
mit dem erſten, welcher aufs Eſſen der verboteuen Frucht
folgt⸗ in Verbindung ſteht.
Bei den Pergamenern kommt Bileam, Balad und das
Manne ‚wor; lauter Sachen, die auf das Volk Iſrael in
der. Waͤſten, auf ſeiner Reiſe nach dem gelobten Land Be⸗
zug haben.
Und hier gedenkt nun Chriſtus der Jeſabel, des Weibes
Ahabs, und braucht ſie zum Bild einer Verfaſſung, die mit
der zu Elias Zeiten eine große Aehnlichkeit hat. Daß alſo
der Herr ſein neuteſtamentiſches Volk hier gleichſam als ein
zweites Iſrael auffuͤhrt, das iſt unläugbar. Ob zu Thyatira
wirklich eine Sefabel war, oder ob Ahabs Gemahlin blos
als Sinnbild hier gebraucht werde, das laßt ſich nicht aus⸗
machen, es iſt aber auch nicht noͤthig; ich glaube eben fo
wenig, daß zu Thyatira eine Sefabel war, ald zu Pergamos
ein Bileam, das find lauter bildliche Ausſpruͤche, ein pro⸗
phetiſcher Styl.
So wie nun der iſraelitiſche Koͤnig Ahab die heidniſche Jeſabel
heirathete, die dann den Goͤtzendienſt des Baals neben dem
Dienft des Jehovah einführtes gerade fo machte es aud) die roͤ⸗
Kap. EM E 67
mifche Kirche, fie borgte den Heiden beinahe alles ab, und
bildete ein chriftliches Heidenthum oder heidnifches Ehriftens
thum daraus, wie id) bei dem vorhergehenden Zeitlauf ſchou
bemerkt habe. Vorzuͤglich aber paßte diefes Bild auf die Zei⸗
ten der Waldenfer und der Mährifchen Kirche, der Verfall
in der herrfchenden Kirche war ſo unausſprechlich groß, und
der wahren Verehrer Jeſu fo wenig, daß auch wohl die
Eliaffe zu der Zeit fagen kounten, ſie harten? geglaubt, fie
wären allein übrig geblieben.
Die Vorftellung der falſchen Kirche unter dem Bild einer
Gemahlin, die ihrem rechten Manne untreu wird, ift den
Propheten fehr geläufig, und in der hohen Dffenbarung
kommt ja eine Hauptperfon, die babylonifche Hure, in eben
diefem Sinne vor; es iſt alfo nicht zu zweifeln, daß aud)
hier die Zefabel eben jene babyloniſche Hure, folglich die aus:
geartete römifche Kirche zu jenem Zeiten habe vorftellen ſollen;
es konnte aber auch Fein paſſenderes Bild gewählt werden:
Denn fo wie Sefabel die wahren Gottesverehrer verfolgte und
umbringen ließ, fo auch die römifche Kirche die Waldenſer
— und o wie viel Naboths Weinberge hat dieſe ——
gerechter Weiſe an ſich geriſſen!
- Der Vorwurf, den der Herr den Waldenſern, —
Höhmen und Mähren macht, ift immer der nämliches Die er⸗
ſten Gemeinden bequemen fich zu fehr nach dem Heidenthum,
und. diefe mochten auch wohl nicht immer wachfam' genug
ſeyn, daß nicht die falſche Propherin je zuweilen dem einen
- oder andern verführte, und zum geifilichen Ehebruch des heids
niſchen Chriftenthums verleitete. Judeſſen droht denn doch
Ehriftus der Gemeinde nicht mit Strafe, fondern nur der
Jeſabel felbft, und dann auch denen, die ſich von ihr verfüh:
ren laffen. |
Ich habe ihr. einen Zeitraum , eine " pefkiitumte Zeit feftge:
ſetzt, fagt der mir den funfeluden Augen, wenn fie fich in
demſelben nicht beſſert, fo werde ich ihr vergelten,, wie ſie's
verdient; aber fie wird fich nicht beffern, darum will ic) fie
in ein anderes Bert werfen, als worinnen fie bisher ihre
Greuel getrieben bat. Die eigentliche Jeſabel wurde zum
5 *
68 Erklärung: der Offenbarung Johannis,
Benfter heraus auf die Straße geworfen, wo fie.die Hunde
auffraßen, das war alfo ihr. Todtbette; auch die roͤmiſche
Sefabel findet ihr Sterbebette ganz anders, als. fie jerges
ahnet hat. — D wie wahr find die Ausfprüche des aus gen
worden! —
Aber auch die Gauuſtlinge dieſer Jeſabel ſollen, wenn fie ie
nicht Buße thun, in große Zrübfal gerathen! — id) meyne,
daß fie gekommen ift, und dereinft noch erft Fommen wird!
Shriftus fagte immer: Wer Ohren hat, der hoͤre und ich
möchte fagens Wer Augen hat, der fehe!
Aber auch die Kinder der Jeſabel follen durch den Tod hinges
richtet werden, fo wie dad aud) bei dem Ahab und feiner Gemahe
lin der Fall war. Die Kinder der römischen Sefabel follen auch
‚ nicht gedeihen, fondern durch den Tod von der Erde vertilgt wers
den. Ich erinnere hier, daß ich nie unter der römifchen Jeſabel
die katholiſche Kirche, fondern blos die römifche Hierarchie,
den päbftlichen Thron verftehe; jene ift mir ehrwuͤrdig. Aber
auch diefe Gerichte über die Kinder der Jeſabel, fo wie über
fie ſelbſt und ihre Günftlinge, werden alle Gemeinden für
heilig und gerecht erfennen ; fie werden mit Staunen und Vers
wunderung fehen, wie — das Schwert aus dem Munde
des Herrn immer den Rechten trifft, und wie richtig der, der
es führt, alles beurtheilt. Das ift aber auch Fein Wunder,
denn Er ift ja der Herzen» und Nierenprüfer, und fo vergilt
Er jedem genau, fo wie ers verdient hat, Wer Augen hat,
der fehe, was der Geift den Gemeinden vorhergefagt hat!
und jetzt zum Theil ſchon in Erfuͤllung geht.
Auf die Drohung folgt nun auch die Verheißung:
34. Euch aber, den Uebrigen zu Thy atir a, ſage ich:
So viel eurer dieſe Lehre nicht haben, welche, ſo wie
ſie ſagen, die Tiefen des Satans nicht erkannt haben,
ich will Eeine andre Laft auf euch werfen.
25. Doc) was ihr habt, das haltet feft, bis daß ich kom⸗
men werde,
26. Und dem Ueberwindenden, und dem, der da meine
|
ö
|
;
f
|
Kap. 2. V. 24 bis 29, 69
Werke bis ans Ende bewahrt, dem werde ich Macht
geben über die Völker.
27. Und er foll fie mit einem eifernen Scepter hüten, fo
mie die irdenen Gefäße zerfchmettert werben, nie
auch ich von meinem Vater empfangen habe,
38. Und ich werde ihm den Morgenftern geben.
29. Wer Ohren hat, der böre,. was der Geift den Ges
meinden füge!
Der Herr Chriſtus will es mit den —* zu TIhyatira,
geſetzt auch, fie Hätten fich zu Zeiten einmal von den fubtilen
Ssefabeld = Striden unvermerft fangen laffen, fo genau nicht
nehmen; in jenen dunfeln Zeiten erkannten fie die Tiefen des
Satans in der Jeſabels-Lehre nicht, und das geftehen fie
aufrichtig,, fie hatten Fein Arges darin, darum will ihnen
der Herr auch nicht noch eine Laft zu der ihrigen aufbürden,
die ohnehin unter Ahabs und Jeſabels Despotismus fchwer
genug iſt; aber fie muͤſſen dann auch bei der einmal erkanu⸗
ten Wahrheit feft bleiben, und ſich 2 nehmen ne * |
der Herr fommen wird!
Dieſe Gemeinde foll alfo dauern bis der Herr — * Der
epheſiniſchen Gemeinde, und hernach der pergameniſchen droht
Chriſtus: Ich werde dir bald kommen, wenn du nicht Buße
thuſt, deinen Leuchter wegſtoßen und mit dir kriegen mit
dem Schwert meines Mundes. Man ſieht alſo mit der groͤß⸗
ten Ueberzeugung, daß in dieſen beiden Drohungen von einer
Zukunft des Herrn zu einem befondern Gericht die Rede ift;
Denn es heißt, ich komme, dir deinen Leuchter wegzuftoßen,
und dieß iſt num auch ſchon längft erfüllt; oder ich Fomme dir,
um mir ihnen zu kriegen mit dem Schwert meines Mundes,
auch das iſt ſchon längft gefchehen, hier aber heißt es: Halte
i was du haft, bis ich Fomme; es ift jegt nicht vom Strafen,
ſondern vom Belohnen die Rede, und dieß ift das Gefchäft
der legten Zukunft des Herrn. Doch dieß ift fo klar und
fo gewiß, daß e8 Feines Beweifes bedarf; aber eben fo ge:
wiß iſt es denn auch, daß die Sendfchreiben an die fieben
Gemeinden in Kleinafien zugleich propherifch find, und Bes
70 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
zug auf die ganze Ehriftenheit bis and Ende haben! und daß
die vorgebildere Gemeinde zu Thyatira noch immer fortdauere,
und bis zur Zukunft des Herrn fortdauern werde. Da nun
die Waldenfer, Albigenfer und die böhmifche und mährifche
Brüder diefer Gemeinde, und bie erften alle endlich in den
legtern, namlich der Herrnhuter Brüdergemeinde zufammenges
ftoßen find, fo geht diefe leere eigentlich die Ermahnung
des Herin vom zdften bis 2sften Vers an: Gie foll feft
halten, was fie hat, bis er kommt; der Meberwinder aus
diefer Gemeinde, und der, der die Werfe Jeſu Chriſti
zur Erlöfung der Menfchen bis and Ende des großen und leß-
ten Kampfs bewahrt, ver foll Made befommen aber ui
Heiden.
Ich finde hier nöthig, zu erinnern, daß ich gar nicht zur
Herinhuter s Brüdergemeinde gehöre, und ganz und gar uns
partheiifch bin; ich wünfche nur, daß man fie Fennen lerne,
ehe man über fie urtheilt.
Daß diefe Gemeinde, oder diejenigen aus ihr, die in als
len noch nöthigen Sichtungen treu bleiben, in allen Kämpfen
überwinden, Macht über die Heiden befommen follen, iſt
merkwuͤrdig: Denn welche Religionsgefellfchaft in aller Welt
und zu allen Zeiten hat fich verdienter um die Nationen ges
macht, als eben diefe Brüdergemeinde?
Aber dieſe Verheißung geht noch weiter:
Der erhabenfte Verfaſſer diefes Briefs zielt mit den Wor⸗
ten: Und er foll fie weiden mit eifernem Scepter, fo wie
die irdenen Gefäße zerfchmettert werden, wie auch ich von
meinem Vater empfangen habe, fichtbar auf die Stelle Pf. 2.
DB. 9. Heifche von mir, fo will ich dir die Heiden zum Erbe ges
ben, und der Welt Ende zum Eigenthbum, du follft fie mit
einem eifernen Scepter zerfchlagen, wie Töpfe follft du fie zers
fhmeißen. Wo alfo Gott der Vater feinem Sohn Jeſu Ehrifto,
den Er von Ewigkeit her gezeuget, und der nun hier einen
Brief an diefe geiftliche thyatirifche Gemeinde diktirt, die Herrz
ſchaft und die Macht über die Heiden, bis an die *
der bewohnten Erde gibt.
Eben dieſe Verheißung wird auch Kap. 12. 3 bi *
Kinde gegeben, welches das Weib im Sonnenfleid gebiert;
und endlich kommt auch Kap. 19. V. 15. bei der Vollendung
des legten Kampfs das nämliche wieder vor, Aus dem allen
ift nun klar, daß dem Herrn Ehrifto_felbft die Herrſchaft
über die Heiden, und dad Bändigen der Widerfpenftigen un:
ter ihnen durch eiferne Scepter, von feinem Vater übertragen
‚worden, und da Er felbft in eigener Perfon diefed nicht aus⸗
‚führen will, fo bedient er fich feiner Diener dazu, und be:
lehnt nun wieder diejenige Gemeinde mit diefem Regal, die
fih um die Heiden am verdienteften gemadt hat.
Das Mehrere wird in der Erklärung oben angeführter
Stellen vorfommen,
Dabei foll es aber nicht bleiben ; Sie follen auch) den Mors
genftern befommen; das muß auch etwas wichtiges ſeyn! —
Der Harr nennt fich felbft einen helleuchtenden Morgenftern,
Kap. 22: V. 16. und Petrus verweifer in feinem 2. Brief
Kap. 1. V. 19. fo lang aufs fefte prophetifche Wort, bis
der Morgenftern, der Lichtträger, im Herzen aufgehe. Dies
ſes Spradhbild will alfo fo vielfagenz Bei euch, thyatirifchen
Ueberwindern, foll der Tag meines Reichs zuerft anbrechen;
ihr follt zuerft den Morgenftern fehen, ihn aus der erften Hand
+ befommen. Die Erfüllung der Weiffagungen fängt fich bei
euch an zu fchließen, ihr werdet das fefte prophetifche Wort
am erjten nicht mehr bedürfen, weil euch der Morgenftern
ſelbſt das Nähere zeigen wird, Wer Ohren hat, der höre,
was der Geift den Gemeinden fagt!
Diefe Formel ftand in den drei vorhergehenden Briefen
immer vor der Giegeöverheißung, und in den vier leiten
fteht fie nachher, und macht den Schluß; — dieß gefchieht
nicht ohne Urfaches Die drei erften Zeitläufte hörten mit dem
Sturz der griehifchen Kirche auf; zum Lob, zum Zabel,
zur Drohung und zur Ermahnung bedurfte es da diefer Aufs
munterungsformel, diefes Nota bene nicht, denn das Alles
ſtand damals den Zeitgenpffen vor Augen, alles das ligitimirte
ſich an jedem wahrheitliebenden Herzen; was aber den Ueber:
windern nach ihrem Tod in der Ewigkeit bevorftund, das
wußten fie noch wicht, und darum fagt der Herr jedesmal:
72 Erklärung der ffenbarung Johannis.
Gebt wohl Acht, was auf den wartet, der treu Kent und
aushält; wer Ohren hat, der horche auf!
Die vier Ießten Zeitläufte aber waren damals noch ganz
zufünftig, ihre Anfänge waren noch weit hin,. gefehweige ihr
Ende; daher will der Hochwuͤrdigſte Verfaffer auf jeden gans
zen Brief. aufmerffam machen, und hängt daher jedem dieß
Nota benesan: Das Alles, was in dem Brief fteht, behals
tet! wer nur Ohren hat, der. höre, was da der Geift den
Gemeinden gefagt hat. Befonders aber .ift auch hier das
Ganze jedes Briefs außerordentlich merkwürdig, weil die
Zeitläufte alle vier, ‚bis zur Vollendung der Enthuͤllung deö
Geheimniffes Gottes und Chrifti fortlaufen, und alſo auch
alle vier an fie. gerichtete Briefe außerordentlich wichtige Le=
benöregeln für alle ihre Zeitgenoffen enthalten, wie. dieß fchon
aus dem nächftvorhergehenden Sendfchreiben an die Gemeinde
zu Thyatira erhellet, und aus beiden folgenden noch weiter
erhellen wird.
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Kaps BEN bis Fall '73
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Das sritte Kapitet.
1. Ulm m: Enger der Gemeinde zu Sardes eöreibe: ı
Das fagt, der die fieben Geifter Gottes und die fieben
"Sterne hat? Ich weiß deine Werke, daß du den Nas
men haſt, als lebteſt du, und bift doch todt.
2. Werde wacker, und färfe das Uebrige, das fterben
wills Denn ich habe deine Werke nicht vollendet ges
funden vor deinem Gott.
5. Grinnere did, deßwegen, wie du empfingft und hor⸗
‚tet, behalte es und ändere deine Geft Inmung. Wenn
du aber nicht wacheft, fo werde ich wie ein Dieb
‘ Tommen, und du wirft nicht wiffen, nn Stunde ich
über dich kommen werde.
Die Gemeinde zu Sardes, an welche diefer Brief gerichtet
ift, war, wie man aus demfelben ſieht, nicht fo wichtig und
vorzüglich, daß fie e8 vor vielen andern verdient hätte, eine
Mitbewahrerin der Offenbarung Jeſu Chrifti zu werden,
und doch wird fie es, weil fie genau die chriftliche Gemeinde
in der Fatholifchen Kirche, von Karl dem Großen an bis
ans Ende vorftellt, und ihr getreues Vorbild if. .
Dieſer Gemeinde nun Fündigt fich der Herr, ald den Inn⸗
\ haber der fieben Geifter Gottes, und der damit in Verbindung
ſtehenden fieben Sterne an. Dieß gefhieht darum, weil die
‚Katholifchen, auch die Froͤmmſten, ihre Kirche für die allein
ſeligmachende halten, und nicht glauben, daß außer ihr in
‚einer ‚andern. dad Seligwerden möglich fey; bilde dir das
nicht ein, will der Herr gleichſam fagen, daß ed nur einen
Steru gebe, und daß du eben der Einzige-feyft, nein! es
gibt deren fieben, fo wie ſich auch der einige Geift Gottes
im fiebenfachen Lichte äußert. — Ich, der Befiger diefer Geis
ſter und diefer Sterne, fage dir nun geradezu, daß ich deine
7A Grelärung: der Offenbarung Johannis.
MWerfe weiß und daß du dir viel auf dein Leben einbildeft,
und bift doch todt. Du haft ven Namen, daß du lebeft, allein
auch weiter nichts. |
Da Ehriftus und Johannes beide Hebraer waren, fo ift
es wahrfcheinlid, daß der Herr mit den Worten: Du haft
den Namen, als lebteft du, auf ven Namen der Stadt zielt;
welches -Urfprungs. das Wort Sardes auch ſeyn mag, fo
laßt es fic) doch aus dem Hebräifchen Sarad, übrig geblieben
feyn, oder, ‚er ift übrig geblieben, wohl herleiten, wenigftens
läßt es fich darauf aufpielen, gleich) ald wenn Ehriftus fagen
wollte: Du meineft, du wäreft im großen Kampf des Heiden:
thums und Chriftenthums allein noch am Leben, noch allein
übrig; du wäreft die wahre Frucht des Bluts der Märtirer,
aber das bilde dir nur nicht ein, du bift eben fo todt, wie
deine griechiſche Schwefter, darum halte dich beffer als diefe,
fey wachend! Mas noch in dir übrig ift (hier wird wieder
auf den Namen der Stadt gedeutet), das ift fehr Fränklich,
Darum brauche ihm die gehdrigen Stärfungsmittel, damit
es nicht auch fterbe, und am Ende nichts mehr übrig feyn
möchte: Denn ich habe alle deine gottesdienftliche Werke ges
prüft, und fie nicht vollendet, nicht erfüllt gefunden.
Und woran liegt ed denn bei diefen Werfen, daß fie nicht
für voll gelten Fonnen? — Eben daran, weil fie der Fathos
lifche Chriſt für verdienftlich hält, und dann gehört bei dem
Gott unfers Herrn Jeſu Chrifti viel dazu, bis fie als vollens
det, als Pflichtgemäß angefehen werden; fobald wir mit Gott
rechnen wollen, fo wird vollkommene Erfüllung des ganzen
Eittengefeßes von der Geburt an bis in den Tod gefordert,
und wenn dann aud) einer das Alles geleifter hätte, fo hätte
er dann doch dadurd) noch nichts verdient, fondera nur blos
feine Schuldigfeit gethan, Der Herr Ehriftus will alfo fas
gen; Wenn du auf deine Werke troßen willft, ſo muß ich
Dir verfichern, daß du damit lange nicht zureicheft, Du fcheinft
vergeffen zu haben, waraufes hier ankomme; darum erinnere
Dich der Lehre, die du empfangen und gehört haft, bewahre
fie und thue Buße! —
Diefe Erinnerung ift deu Chriſten i in der oki Kirche
Kap. 5 B. 4. 5. 6 75
fehr uothwendig: Weil man ihnen ehemald-die Bibel vor:
enthielt, und fie noch immer nicht genug braucht, fo war
amd ift ihnen die Lehre von der Erlöfung durch Chriftum,
vom wahren Glauben und von den guten Werfen, als Wir:
Zungen jenes Glaubens und der Liebe gegen Gott, nicht ges
läufig genug, folglich erinnert fie der Herr daran, und fagt?
Gedenfe was du empfangen und gehört haft, und behalte es}
Muun folgt aber auch die Drohung: Wenn du aber nicht
wachejt, fo werde ich dich plöglich im Schlaf wie ein Dieb
überfallen, und du wirft nicht wiffen, weldye Stunde es ges
fhieht. Solcher unerwarteter Ueberraſchungen, ald Vorfpiele
des legten großen Gerichts über fie, und des MWegftoßens
ihres Leuchters hat fie nun fchon zwo erfahren, eine zur Zeit
der Reformation, und die andere jet durch Frankreich. Die
Redlichen in der Fatholifchen Kirche mögen fich alfo jene Ers
iunnerung, treu zu wachen, und fich an die Bibel zu halten,
wohl zu nuß machen, und ihr treulic) folgen, damit fie, wenn
ſie nun der legte Schlag übereilt, errettet werden mögen.
4. Über du haft wenige Namen in Sardes, welche ihre
Kleider nicht beſchmutzt haben, und ſie werden in wei⸗
ßen Kleidern mit mir wandeln, denn ſie ſinds würdig.
5. Der Ueberwindende, dieſer ſoll mit weißen Kleidern
bekleidet werden, und ich werde ſeinen Namen aus
dem Buche des Lebens nicht BD und ich werde
m Namen bekennen vor meinem Vater und vor
einen Engeln.
6. Wer Ohren hat, der höre, was der Geiſt den Gemein⸗
den fagt!
Alles Verderbens und Abweichend ungeachtet, find doch
immer noch einige namhafte Chriften hin und wieder und
zu allen Zeiten in den Fatholifchen Kirchen gefunden worden;
hierunter werden Feine Waldenfer, oder fonft irgend eine Parz
thie, die von diefer Kirche ausgegangen war, verftandenz
denn ſolche gehörten nicht mehr zu ihr, fondern wirkliche
katholiſche Chriften, die den Lehren ihrer Kirche treu folgten,
und zugleich wahre Nachfolger Zefu waren. Man erinnere
76 Erklärung der Offenbarung Johanuis.
fi) nur folgender weniger Namens Franz von Affife, Catha⸗
rina von Siena, Gatharine von Genua: Gregorius Kopez,
Johannes a cruce, Nusberich, Gerhard Peterfen, Thomas
von Kempen, Taulerus, der Kardinal und Erzbifhof Carl
Borromäus, die Madame Gujon, der Erzbifchof von Saglinacs
Fenelon u. f. w., welcher rechtfchaffene Chriſt wird fich weis
gern, fobald er die authentifche Gefchichte jener Fatholifchen
Seelen gelefen hat, ſich im Augenblic® mit ihnen zu verbrüs
dern? Dergleichen hats von jeher immer gegeben, deren Nas
men zwar den Menfchen nicht befannt worden, die aber der
Herr gewiß nicht vergeffen wird. *
Von dieſen wird nun bezeugt, daß ſie ihre Kleider nicht
beſchmutzt haͤtten. Chriſtus behauptet ſeinen Charakter, den
er in den Tagen feines Fleiſches aͤußerte, auch in feiner Herr⸗
lichfeit immer fort: Zu allen Stüden bezog Er ſich auf die
Schriften des alten Teftaments, um es zu erfüllen, und hier
geichieht das nemliche in allen Briefen, Die prophetifche
Stelle, die er bier im Auge hat, fteht Jeſajaͤ 64. ®. 6.
- Aber nun find wir allefamt wie die Unreinen, und alle unfere
Gerechtigkeit ift wie ein unflätig Kleid. Bon Feiner chriftli-
hen Keligionsparthei in der Welt kann dieß mit größerem
Necht gefagt werden, als von der Fatholifchen, im welcher
alles auf Werk: Gerechtigkeit, und zwar auf eine fehr unreine
hinauslauft; wie Fann 3. B. das bloße Meßhoͤren, Beichten,
Abendmahlgehen, Wallfahrten, jo oder fo viel Vaterunfer
beten, u. dgl.. bei Gott etwas gelten? — Das ift eine fehr
unfläthige Gerechtigkeit, ein beſchmutztes Kleid, wenn nicht
auch die wahren Eigenfchaften des Chriften damit verbunden
werden; da num die wenigen Namen in Gardes mit jenen
Gerimonien e Werken auch zugleich die wahre Gerechtigkeit
Chriſti vereinigten, fo lobt fie hier der Herr und fagt von
ihnen, daß fie ihre Kleider nicht befudelt Hätten, und darum
follten fie audy mit ihm in weißen Kleidern wandeln, denn
fie feyen es werth.
Auc) mit diefen weißen Kleidern wird auf die Prieſter und
Leviten des alten Teſtaments gedeutet, als welche auch in
Weiß gekleidet waren, und beſonders durch weiße Kleider zu
Kap. 3. B. 7. 8. 77
ihrem Dienſt eingeweihet wurden. Die Worte Chriſti alſo,
nach unferm Sprachgebrauch umgebilvet, würden fo lauten:
Sch will ſie zu Kandidaten, zu Leviten im Tempel des neuen
Bundes einweihen, dazu haben fie fich fähig gemacht.
‚Diefe Einkleidung zum neuteftamentlichen Priefterthum wird
nun, auch den. Ueberwindern in der Fatholifchen Kirche, die
ſich ritterlich durch alle Hinderniffe hindurch kaͤmpfen, zuges
ſagt, und zugleich verſprochen, daß bei dem großen Gericht
uͤber Babylon, wo ihres Namens Gedaͤchtniß aus dem Buch
des Lebens weggetilgt werden foll, ‚die Namen dieſer edlen
Bekenner der Wahrheit nicht ausgeldfcht werden follen, ſon—
dern Chriſtus will fie fo gar Öffentlich vor feinem Vater und
dem ganzen bimmlifchen Hof laut aldi feine Freunde und
Priefterthumd = Kandidaten anfündigen. Wer nun Ohren für
dergleichen Dinge hat, der höre, was hier der Geift Jeſu
Chrifti feinen Getreuen in der Fatholifchen Kirche gefagt hat,
und laffe fich dann aber auch dadurch warnen, damit er nicht
im großen Gericht über. die Kirche verloren gehen möge.
Nun ‚folgt der, Brief an die Gemeinde zu Philadelphia.
7, Und dem Engel der Gemeinde zu Philadelphia
fehreibes Das fagt der Heilige, der Wahrhaftige,
der deu Schlüffel Davids hat, der aufmacht, und
niemand fchließt zu, und der zufchleußt, und niemand
macht auf.
* Ich weiß deine Werke. Siehe! ich habe bir die Aus—
fiht in eine offene Thür gegeben, „die niemand zus
N kann; weil du eine Eleine Kraft baft, und
aft Doch mein Wor bewahrt, und meinen Namen
* nicht verlängnet,
we
Hier haben wir nun auch das Sendfchreiben des Herrn an
die wahren Chriften unter allen Partheien in den beiden pros
teſtantiſchen Kirchen, von der Reformation an bis zu feiner
Zukunft; im Philadelphia, in der Bruderliebe, werden alle
Chriſten, aus dem geiftlichen Thyatira oder der Brüderges
meinde,, aus den Menoniten, Separatiften, Pietiften aller
Art, Merhodiften, Quadern u, ſ. w. in ein Buͤndelein gebuns
—
78 Erklärung. der Offenbarung Johannis.
den, und zur Gemeinde in Philadelphia gemacht. Ich bitte
aber wohl zu bemerken, daß nur wahre Chriften aus dieſen
Partheien felbfiz denn da im ganzen Brief weder Warnung,
noch irgend ein Vorwurf oder Drohung fteht, fo kann er fid)
auch nur auf wahre Chriften beziehen. Die Namchriften aller
Partheien befommen im folgenden Brief an Laodicea auch
ihren Theil.
Wie unausfprechlich tröftlich it dev Gedanke, diefer Brief
ift an mid) gerichter, hier hat auch der über alles Geliebte,
der König aller Könige an mich gefchrieben ! — aber theurer,
lieber Lefer! wenn diefer Gedanke in dir auffteige, fo prüfe
dich wohl, ob du auch ein Bürger in Philadelphia bift? —
bier kommts wahrlich nicht darauf an, daß du ein Herrnhuter
oder Pietift von irgend einer Art heißeft ! — die Parthei macht
es nicht aus, fondern unterfuche redlich, ob du en Ei⸗
genſchaften an dir habeſt.
1) Bift du in deiner Seele überzeugt, und faͤhlſt du tief,
daß du in deinem natuͤrlichen Zuſtande unter der Herrſchaft
der finnlichen Lüfte ſteheſt? — oder mit einem Wort: Fuͤhlſt
du bein firtliches Verderben mit Leidweſen?
2) Iſt dein Wille unwiderruflich und beftimmt befeftiget,
fhlechterdings nichtö anders zu wollen, als was dem allein
guten Willen Gottes gemäß ift?
5) Machen dir edle und chriftliche Handlungen mehr, Freude,
ald auch erlaubte finnliche Luftbarkeiten; fo. daß du auch das
liebſte finnliche Vergnügen einer Fleinen edlen Handlung aufs
opfern Fönnteft, wenn Eins von beiden unterbleiben müßte?
4) Empfindeft du auch mit Leidwefen, daß alle veine Hand»
lungen, aud) die beften, noch von Selbftgefälligfeit, Eigen:
nuß oder geiftlicher Anmaßung nicht frei find ?
5) Fuͤhlſt du, mit der lebhafteften Ueberzeugung, daß dich
alles dein Thun und Laffen, alle deine beften MWerfe, der
Bürgerfchaft Philadelphia’s und der Seligfeit nicht würdig
machen, fondern daß bloß und allein die Gnade: Gottes in
der Erlöfung durch) Chriſtum das Mittel dazu fey?
6) Spürft du auch. die, Gegenwart des heiligen Geiftes in
deiner Seele? das iſt: Spürft du einen Trieb in dir zu Ge⸗
Kap. 3. V. 7. 8. 79
bet, haſt du freudige Zuverſicht im Beten? und fuͤhlſt du
jeden Augenblick ſehr lebhaft, wenn du etwas thuſt, das
nicht recht iſt? — je feiner diefes Gefühl ift, defto beffer.
7) Haft du endlich kein Vorurtheil gegen irgend eine hrift-
liche Parthei? fondern find dir alle Glieder aus allen. Par—
theien lieb, fo bald fie fi) ald wahre Chriften legitimiren?
— Hätteft du alle vorige ſechs Kennzeichen, und dieß letztere
fehlte dir, fo waͤrſt du fein Bürger in Philadelphia; denn
dir hätteft die allererſte Tugend des Chriften, die Bruderliebe,
nicht, und wärft alfo ein tönend Erz und eine Flingende
Schelle.
Wer num unter euch bei redlicher Prüfung findet, daß er
noch jene Eigenfchaften nicht hat, der nahe fich herzlich und
Findlich zum Geber allen guten und vollfommenen Gaben,
und höre nicht auf, zu flehen, zu ringen, und zu kämpfen,
bis ev das Ziel errungen hat.
Diejenigen aber, die in Demuth und in der Wahrheit in
diefer Prüfung beftanden find, die follen num hören, was
ihnen der Herr zu fagen hat.
Hier kuͤndigt fich Chriftus ald den Heiligen und Wahrhaf⸗
tigen an: Seine Gerechtigkeit ift rein und heilig, daran iff
Fein Flecken; dahingegen die Thätelei unferes Zeitalters ein
Bettlersmantel voller Ungeziefer ift; und ob es gleich fcheint,
ald wenn es mit den Verheißungen des Herrn aus waͤre, und
fie nicht erfülle würden, fo können wir und. doch darauf ver=
laſſen, daß Fein Jota umerfüllt bleiben wird, denn Er ift der
MWahrhaftige, dieß gehört ja zw feinem Siegeltitel oder neuen
Namen. Kap 19. V, 11.
Dicie folgenden Ausdrücde: der den Schlüffel Davids hat,
der aufichließer, ohne daß fonff jemand ald Er wieder zus
ſchließen Fann, und der zufchließt, ohne daß ein Anderer aufs
machen Fan, beweifen wieder, was ich oben fagte, daß
Chriſtus immer die Ausfprüche der Propheren auf fich ans
wende; dieß foll uns deßwegen das alte Teſtament fehr
wichtig machen.) Die Stelle, deren ſich hier der Herr bes
dient, ſteht Jeſaiaͤ 22. V. 22. und die Anfpielung ift fehr
lehrreich: Der König Hiskia hatte zween Minifter au feinem
80 Erklärung der Offenbarung Johannis. .
Hof, der Eine hieß Eltafim, der Sohn Hiökia, welcher ei⸗
gentlich auch Hofmarfchall war, und der andere hieß Sebna,
der das Zuftizwefen zu beforgen hatte, Als nun der König
Hiskia geftorben war, und fein gottlofer Sohn Manaffe an
die Regierung Fam, fo ift vermuthlich der rechtfchaffene Elias
fim geftürgt, und Sebna des Königs Liebling. geworden;
woher ed dann auch gekommen feyn mag, daß eben diefer
Sebna in Davidsburg, und uͤberhaupt zu Jeruſalem und im
ganzen jüdifhen Lande, fo recht den Meifter fpielte, als ver
König nach Affyrien in die Gefangenfhaft weggeführt. wor—⸗
den war; er ließ fih8 recht wohl feyn auf Davidsburg z ſo⸗
gar bauete er fich ein prächtiged Grabmal dahin, um auch nach.
feinem Tod noch im Anfehen und Andenken zw bleiben, Dies
fes.rügt num der Prophet Jeſajas in oben’angeführter Stelle:
Das ganze Kapitel ift eine geheimnißvolle Weiffagung von
der Eroberung Serufalems durdy die Affyrer, wo dann eben
diefer Sebna ein ganz anderes Grab finden, der rechtichaffne
Eliafim aber die wahre Zuflucht der Elenden werden follte,
Da aber Ehriftus hier fi) eben diefer Stelle bedient, und ſie
auf ſich anwendet, ſo wird dadurch auch die ganze Weiſſa⸗
gung noch weit merkwuͤrdiger und bedeutender: Denn nun
ſtellt Jeruſalem mit dem Lande Juda die europaͤiſche Chriftens
heit vor, und zwar in den gegenwärtigen Zeiten, wo fie auch
von den Affyrern gedrängt wird; und Sebna bildet den roͤmi⸗
{hen Pabſt ab, ver fich fo recht der Davidsfchlüffel nach-
Gefallen bediente; dieſer Sebna foll auch geftürzt werden,
und dann fpricht der Herr, will ich der rechte Eliakim feyn,
und die Schlüffel zur Davidsburg beffer brauden; wie der
Verfolg zeigen wird.
Sch weiß eure Werke, Philadelphier! fagt der Herr ferö
ner, und bin mit euch zufrieden; ihr habt nur eine Kleine
Kraft, denn ihr lebt in Zeiten, wo der Lurus, die Vers
ſchwendung und die Ueppigfeit aller Art den Geift des Chris
ſtenthums dampft, und wo die Vernunftweisheit recht dars
über aus ift, um euch vollends jede Duelle des Glaubens
zu trüben, und doch halter ihr feft am Evangeliv, und vers
laͤugnet aud) fogar meinen Namen nicht in einer Zeit, wo
Je Er u 2 Ze
Kap. 3. V. 9 10, 11. 81
es fo weit gefommen ift, daß man fich ſchaͤmt, in einer ho:
netten Öefellfehaft meiner zu gedenken. Darum hab ich euch auch
die Thür zur wahren Feſtung Davids gedfinet, die auch Fein
Menſch zufchließen kann, dahin koͤnnt ihr fliehen, wenn nun
bald der: allgemieine Sammer angeht, da follt ihr ficher feyu.
Dieſe tröftliche Verheißung wird im folgenden 10ten Vers
noch mehr. erweitert und befräftiget.
- Nun heißt es ferners
2 Eiche! ich gebe dir etliche aus des Satans Syna⸗
goge, die da fagen, fie feyen Juden, und finds doch
nicht, fondern fie lügen; fiehe! ich will machen, daß
fie Eommen, dich fußfällig ehren, und erkennen fols
j
"Ten, daß id dich geliebt habe,
10, Dieweil du das Wort meiner Geduld bewahrt haft,
fo will ich dich aud) bewahren für der Verfuchungss
ftunde, welche Fünftig über die ganze bewohnte Erde
kommen wird, um diejenigen, die auf ihr wohnen,
zu prüfen
11. Ich komme fehnell, ‚halt was du haft, damit dir nies
mand deine Ciegeskrone rauben möge.
Auch in Pbiladelphia gabs Juden, deren Eynagoge eine
Gemeinde ded Satans war, grad ſo wie in Smyrna; die
alfo den allgemeinen Öffentlichen Anklaͤger der Chriften bei der
romifchen Obrigkeit machten. Durch diefe rühmten fi) wahre
Juden, Bekenner und Verehrer Gottes und ſeiner Wahrheit
zu ſeyn, waren * Bekenner und Verehrer des Teufels und
feiner Luͤgen.
NMun ſollten der Engel taub die ‚Gimeinde zu Philadelphia
die Freude haben, daß wenigſtens einige diefer grimmigen
Berfolger zur Erfenntniß kommen, und ihnen fußfällig Abs
bitte thun müßten; denn es follte ihnen hell in die Augen
ſtrahlen, daß die Philadelphier nicht allein von den Brüdern,
fondern auch vom Herrn ſelbſt geliebt würden. Für den ftols
sen, halsſtarrigen, und gegen. die Chriſten fo feindfeligen: Zus
den war. das eine harte Nuß, und es muß dieß Einige ers
ſtaunliche Kämpfe gefoftet haben, bis fie ſich * fußfältigen
Stillings ſämmtl. Schriften. II. Band.
842 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
Abbitte vor denen, die fie am meiften haßten, bequemen
fonnten.
Haben wir in unferm Philadelphia denn aud) folche Juden?
— ſolche feindfelige dffentliche Anklaͤger des alten aͤcht—
evangeliſchen Chriſtenthums? — gibts auch bei uns Ber:
ſammlungen, Collegien des oberſten und gehaͤſſigſten oͤffent⸗
lichen Anklaͤgers? — find auch dieſe ſtolz, voller eigenen Anz
maßung, ald alleinige Befiger aller wahren Erkenutuiß? —
Leſet nur die mehreften Zeitſchriften und Nezenfionen geiftlicher
Bücher, fo koͤnnt ihr diefe Frage leicht beantworten. Auch
von dieſen follen etliche zur Erfenntniß Fommen, und dem
verachteren, für fchwärmerifch erklärten Philadelphia fußfäls
lige Abbitte thun, aber mit Demuth und tiefer Beugung
foll man fie dann auch brüderlicy umarmen; denn fie haben
einen ſchweren Kampf gekämpft und einen ftarfen Feind übers
wunden,
Der zehnte Vers enthält drei merfwürdige Punkte: 1) Iſt
die Frage: Woher es fomme, daß hier fo viel vorzüglichen
Werths auf die Bewahrung des Worts der Geduld, alfo auf
die nertrauensvolle Ausharrung gelegt wird? 2) Was unter
der Verfuhnng verftanden werde, die über die ganze bee
wohnte Erde fommen fol? 3) Was das Prüfen durch dieſe
Berfuchung bedeute? Für uns ift die richtige Beantwortung
diefer Fragen Außerft merkwuͤrdig, denn fie treffen dem Ans
fang nad) das Philadelphia unferer Zeit.
Wenn jemals Geduld und Gelaffenheit in der Ausharrung
bis zur Vollendung des Geheimnifjes Gottes nöthig war, fo
ift das jet der Fall. Die Vernunftmänner triumphiren,
pochen und troßgen auf allen Seiten; es ift ja lächerlich,
noch) an folde Schimären, wie die Bibel enthält, zu glaus
ben; und den übrigens guten einfältigen Chriftum für eine
göttliche Perfon halten zu wollen, das ift ja vollends Uns
finn 2 — die Aufklärung geht ihren Gang unaufhaltbar fort,
ohne das wahre Chriftenthum auch nur im Wege anzufehen:
Denn darüber ift abgeurtheilt, entfchievden, davon ift gar
feine Rede mehr. ı Während der Zeit gehen wir arme Philas
delphier, wie ehmals die Emaus- Jünger, traurig unfern
Kay 58.9. bis .. 8
einfammen»dornigten Felfenpfad fort, und fagen gegen eins
ander: Es ift doch unbegreifllid) , daß uns unfer Herr fo im
Stich, und doch auch nicht das Geringfie von fich hören umd
ſehen läßı ! — Er koͤnnte uns ja doch wohl einmal ein Zei⸗
chen geben, daß er noch lebe, noch da fey! — Und über das
Alles finds nun fchon faft 1800 Jahr, daß er —
hat, und das iſt lange,
| O meine Brüder, laßt uns ausharren! fo muß ed gehen —
‚gibt ed denn einen glänzendern Sieg ald den, der in diefem
fo ganz von aller Unterftägung entblößten Glaubensfampf
ausharrt, und die er des Herrn zur Geduld *
bewahrt?
Eben in dem oben — Fortſchritt und Triumph der
falfchen Aufklärung beftept nun auch ſchon ein Theil der
Verſuchung, die über die ganze bewohnte Erde kommen foll;
vorzüglich aber gehört hieher, der durch den langwierigen
Rurus und Erkaltung alles wahren Religions = Gefühlarent:
ftandene falfche Freiheitsſinn, und die lechzende Begierde,
‚alle Feffelm der bürgerlichen Zucht und Ordnung abzufchitteln,
mit einem Wort: Die Nevolutionsfucht; diefe fchredlichfte
Verſuchung unter allen ifts eben, welche Amerika zerrüttet,
Europa geiffelt und in Afien gähre — fo weit die eultivirte
Menſchheit geht, alfo über die ganze bewohnte Erde fängt
diefe Verfuchung an zu walten. Diefer Geift ift nun eben ver
wahre Geift der Prüfung, ein Satan in Lichtengelögeftalt,
der dem Thier aus dem Abgrund fo recht fihön den Weg
. bereitet. O es iſt ein ſchrecklich, gefährliches Gift! Erft
kommt die falfche Aufklärung, und fpricht aufferordentlich
" vernünftig über Religion und Eyriftenthum, fie will beides von
Schwaͤrmerei und Aberglauben reinigen, und das ift billig
und vernuͤnftig; wer ſich num mis ihr einläßt, den führe fie
allmaͤhlig weiter, und wenn er nun unvermerft auf den rech⸗
ten Fleck gerathen iſt, ſo erſcheint daun jeder Satan ih
Richt gehuͤllt, und erläutert ihm die Menfchenrechte ; was ift
nun billiger, als daß er ſich derfelben vinzirt, und fie, ſo
bald er kann, denen raubt, die fie ihm nach feinen Wahn fo
widerrechslich entzogen haben? — Seht! das ift die ſchreck⸗
5 6 *
84 Erklärung der Offenbarung: Johannis,
liche, Verſuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen
ſollte, und nun gekommen iſt. Noch nie, ſo lang die Welt
ſteht, gabs eine ſo allgemeine und ſo gefaͤhrliche Verſuchung,
und hier haben wir auch wiederum einen Beweis mehr, daß
dieſer Brief jenes alte Philadelphia nur als Vorbild anging;
denn damals ift fo nichts in der Welt vorgegangen, das zu
diefer Weiffagung völlig paſſend wäre, unfere gegenwärtige
Verfuchungsftunde wurde durch jene heidniſche Verfolgune
gen ‚und nachher durch die —*— Verwuͤſtung nur
vorbedeutet.
Das iſt nun anch die letzte große Průfung ; ſelig iſt, wer
darinnen aushaͤlt! — Wer weiß aber, wie lang ſie noch
waͤhren, und wie hoch ſie noch ſteigen wird? — Darum
halte feſt, was du haſt! laß dich in keinem Fall durch die
laodiceiſche Aufklärung in deinen Grundſaͤtzen der Anhänge
lichkeit an Chriftum und feine Religion wanfend machen,
damit dir niemand deine Giegesfrone, die zuverläßig deiner
wartet, wenn Du aushälft, rauben möge.
Es wird bier einer Stunde der Verfuhung gedacht;
nach der Prophetifchen Zeitbeftimmung des fel. Bengels bes
trägt eine folde Stunde S Tage, 2 Stunden und 20 Minus
ten. Mit einer fo Furzen Zeit kann ſich aber die Vorftellung
einer Verſuchung, die über die ganze bewohnte Erde kom—
men foll, nicht wohl verbinden laſſen: folglich geht man am
fiherften, wenn man einen gewiffen abgemeffenen Theil der
Zeit darunter verſteht, der mit einer beftimmten Handlung
ausgefüllt werden fol. Als Maria ehmald fagte: Sohn!
fie haben: feinen Wein mehr! — fo gab Chriftus zur Ant
worts Meine Stunde ift noch nicht fommen; das ift, der
Zeitpunkt, den die Vorfehung durch die Umftände beftimmt,
daß ich helfen kann und fol, ift noch) nicht gefommen. Die
Stunde der Verfuchung bedeutet alfo einen Theil der Zeit,
der, durch die große Verfuchung ausgefüllt werden fol. ©
Für -diefer Verfuhungsftunde fol nun der Philadelphier
dergeftalt bewahrt werden, daß er durch ihre Plagen nicht
zu Grund gerichtet werden möge, er foll erhalten werden, -
dafür ift ihm zur Davidöburg die Thuͤr gebffnet worden,
nr * x .
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Er nee er Fe
—
Kap. 2 AR FE N EURE 35
aber ohne Pruͤfung gehts deswegen noch nicht ab — den
philadelphiſchen Ueberwinder wird viel verſprochen: Wie
kaun man uͤberwinden, wenn kein Kampf vorhergeht? —
aber es ſoll keiner zu Grund gerichtet werden, der nur das
Geduld-Wort bewahrt. Dieß kann dem wahren Chriſten in
* Zeiten zum großen Troſt gereichen.
Das iſt dann die legte große Prüfung, ſelig, wer das
rinnen aushältz Denn nun femme der Herr fchleunig. —
Diefe Worte find merkwürdig, und beweifen wiederum, daß
diefe Briefe weiter gehen, als an die fieben Gemeinden in
Afien. Die allgemeine große Zukunft, auf welche der Herr
hier zielt, war damals, als Johannes diefes fchrieb, noch
nicht nahe, aber jeßt ift fie ed; wir fönnen diefe Worte ganz
eigentlich auf unfere Zeiten ziehen, darum laßt uns treu
ausharren, feſt halten, was wir haben, fo wird uns der
Kohn der Ueberwinder nicht fehlen. Diefer ift nun wichtig,
denn es heißt;
9, Den Ueberwindenden — den werde ich im Tempel
meines Gottes zum Pfeiler machen, und er wird
nicht mehr herausgeben, und ich werde den Namen
meines Oottes, und den Namen der Stadt meines
Gottes, des NeusGerufalems, melde von meis
nem Gott aus dem Himmel herabfteigt, und TE
neuen Namen auf ihn ſchreiben.
15. Wer Ohren hat, der höre, was der Geiſt ben Ges
meinden fagt!
Mas bier den philadelphifchen Weberivinbern verheißen
wird, iſt weit größer und herrlicher, als alles vorhergehende;
Die Ephefiner follen von der Frucht des Lebensbaums efjenz
die Smyrner vom andern Tod frei feyn; die Pergamener fols
len das verborgene Manna genießen; die Ihyatirer befoms
men Macht über die Heiden, diefe vereinigten ſich aber in
der. philadelphifchen: Gemeinde mit den Frommen aller übs
rigen Partheien, und nehmen alfo Theil am Lohn der philas
delphiſchen Ueberwinder; ja man Fann wohl mit Grund ans
nehmen, daß die thyatirifche Gemeinde Stod und Stamm
86 Erklärung der Offenbarung Johannis.
der Philadelphiſchen iſt, und vermuthlich noch mehr werden
wird; die Sarder erhalten weiße Kleider, und werben Les
viten im neuen Zempel, aber num gehts ins Große: Der
philadelphifche Ueberwinder foll ein Pfeiler diefes herrlichen
Tempels werden, er wird SPriefter feyn unter dem Hohens
priefter nach der Ordnung Melchiſedecks. — Gott, welche
große Beftimmung! — Ach! laft uns doch treu aushalten —
was unferer wartet, ift unbefchreiblih , und geht über alle
Vorftellung. Dafür, daß wir hier um Chrifti Hohenpries
ſterthums und feines großen Opfers willen verhöhnt worden,
und. diefe feine Wurde behauptershaben, dafür follen wir
dann auch in feinem Reich Arons Stamm und Gefchlecht
erſetzen. |
Was wird aber wohl dad Gefchäfte des philadelphifchen
Driefterthums ſeyn? Das fagt uns hier der Herr mit wenigen
Morten: Er bedient fich des Bildes der Säulen in einem
Tempel; fo wie diefe das ganze Gebäude tragen und unters
fügen, fo follen diefe Priefter dem ganzen Gottesdienft und
der Kirchenpolizei vorftehen; worinnen nun das Alles be—
ftehen wird, das wird und dann die Zeit lehren, Merk:
würdig ift aber noch ein Zweck diefes Prieſterthums, auf
diefe Säulen folfen dreierlei Namen gefchrieben werden, der
Name Gottes, der Name des neuen Jeruſalems, und der
neue Name Chrifti. Hiemit wird auf einen Gebrauch ges
deutet, den man von jeher hatte, und noch hat, daß man
nämlih Wappen und Siegeszeichen an den Pfeilern in den
Zempeln und Kirchen aufhing, auch wohl die Thaten großer
Männer mit großen Buchftaben auf Zafeln, die an den
Dfeilern aufgehängt wurden, oder auch auf die Pfeiler felbft
ſchrieb. Dieß ganze Bild will alſo fo viel fagenz Die
Philadelphiſchen Priefter follen in ihrem aͤuſſern Anfehen
und Schmud, auch wohl durd dffentlichen Vortrag und
Geremonien, die großen Thaten Gottes und feine weife Fuͤh—
sung des menfchlichen Gefchlechts, die Kampfe und Siege
Chriſti und feiner treuen Verehrer über alle feine Feinde,
und die herrliche Einrichtung der bürgerlichen Gefellfchaft
des neuen Jeruſalems und des Reichs Gottes verkündigen,
.
Kap. 5. B. 14. bis 18? 87
und die Menfchen darüber belehren, um fie zu immer größe-
ver Liebe zu Gott, und zum innigften Dank gegen Ihn zu
erwecken; dann auch, um fie immer mit ihren Pflichten bes
kanut zu machen : Denn diefes herrliche Reich wird eine Theo:
cratie im eigentlichften Verſtande, ein Priefterliched König:
reich ſeyn.
Ach! alles was nur Ohren hat, der höre, was hier der
Geift Jeſu Chriſti der philadelphifchen Gemeinde verfündis
get! — das ift für und ein Wort zu feiner Zeit.
Aber nun folgen harte Worte; hätte doch die ganze pros
| teſtantiſche Gemeinde auch Ohren dafuͤr!
14. Und dem Engel der Gemeinde zu Loadicea fchreiber:
Das fagt der Amen, der getreue und wahrhaftige
Zeuge, der Urfprung der Schöpfung Gottes.
15. Sch weiß deine Werke, daß du weder Falt noch warm
biſt — möchteft du doch kalt oder warm feyn!
16. Da du aber nur laulicht, weder kalt noch warm biſt,
ſo werde ich dich aus meinem Munde ausſpeien.
So wie ſich das geiſtliche Thyatira zum geiſtlichen Gars
des verhaͤlt, ſo verhaͤlt ſich nun hier auch Philadelphia zu
Laodicaͤa. Laodicaͤa heißt ein Volksgericht, oder ein Volk,
das da richtet, aber dann auch gerichtet wird; eine demos
kratiſche Verfaffung. Thyatira und Philadelphia fließen ges
gen das Ende in Eins zufammen, und machen die philadels
phiſche Gemeinde aus: eben fo vereinigt ſich auch Sarden
und Laodicaͤa, und bilden die laodicaifche Gemeinde. Die
ſardiſche oder Fatholifche Kirche ift eine Hierarchie, die pros
teftantifche aber eine Art von Republif, an den mehrften
Drten nach) der Form der Ariftofratie eingerichtet, an vielen -
iſt fie aber ein eigentliches Laodicaͤg, oder eine Democratie;
doch will jener Name mehr fagen, wie im Verfolg erhellen
wird,
Die Gemeinde zu Laodicaa ftellt alfo die beiden proteſtan—
tifchen Kirchen, und zwar diejenigen in denfelben vor, die -
ſich noch zu Ehrifto befennen, und noch Feine fürmliche Dei⸗
fien geworden find. Diefen Tündigt fih nun der Herr mit
83 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis,
‚dreien Benennungen an: 1) Ald den Amen; 2) als den
treuen und wahrhaftigen Zeugen; und 5) als den Anfang
oder Urfprung der Schöpfung Gottes.
Sch hab fchon bemerft, daß Chriſtus in feinen Neben gar
oft auf Stellen im alten Teftament anfpieltz; er hatte bis ing
dreißigfie Jahr feines Lebens auf Erden fi) in häuslicher
Stille auf feinen großen Beruf vorbereitet, und: diefer bes
ftund darinnen, daß Er die heiligen Dokumente feines Volks
mit außerftiem Fleiß durchftudierte; da Er nun feine hohe
Beftimmung fühlte, fo zog Er nicht nur die Weiffagungen
der alten Propheten. vom Meffias auf fich, fondern Er folgt
auch diefen Vorfchriften , richtete feine Berufsgefchäfte dar=
nach ein und fo wurde dann erfüllt, was erfült werden
follte.
Mit dem erften Ausdruck: Das fagt der Amen! zielt der
erhabene Verfaffer vermuthlich auf eine prophetifche Stelle,
welche ef. 65. V. 16. flieht, wo ed in unferer Ueberfegung
heißt: Denn welcher ſich fegnen wird auf Erden, der wird
fih in dem rechten Gott fegnen, und welcher ſchwoͤren
wird auf Erden, der wird bei vem rechten Gott ſchwoͤ⸗
ven. Das Mort, welches Lurher durch rechten Gott übers
fegt hat, heißt im Hebräifchen Eloheei Amen, der Gott
Amen; dem zufolge bedeutet diefe Redensart ſo viel: Dieß
fagt der Amen, in welchem alle Völker follen gefegnet wers
den, und bei dem man dereinft ſchwoͤren wird. Die holläne
difche Staatenbibel überfeit jene Worte: Der Gott der Wahrs
heit — vielleicht läßt es fi) auch nicht beffer ohne Umfchreis
bung ausdrücken, allein das Wort Amen will doch immer
noch mehr fagen, ald Wahrheit. Chriftus braucht dieß
Wort als Berheuerungformel fehr oft, denn wo im Teut⸗
fchen ſteht: Wahrlich! Wahrlich ! ic) fage euch), da bedient
Er fih der Worte: Amen! Amen! ich fage euch! Mir
deucht alſo, man müßte fich hier alles denken, was ſich von
Amen, nad) den hebräifchen Wurzelwort, Aman, er hat
ernährt, nur immer mit Grund denfen Läßt: Aus jenem
Wurzelwort entftehen Anleitungen, die ſich auf Wort hal⸗
sen, auf einen vertrauen, ſich feR auf einen verlaſſen,
EEE U -
A —93—
8 u ——
Kaps B, 14. bis 1 89
beziehen. Daher fchließt das Wort Amen folgenden Begriff
in fih: Vollgenuß der Erfüllung deffen, wovon die Rede ift.
Nun Fomme aber noch eine feierliche Sanction diefes Worts
hinzu, fie findet fih 5. B. Mof. 26., wo das ganze Volf
Sirael auf jeden Fluch, der vom Berge Ebal von den Levis
ten herab gerufen werden follte, Amen antworten mußte,
Dadurch wurde num dieß Wort allmählig zu einer feierlichen
Berheuerung, die folgendergeftalt ausgedrüct werden kann:
Dieß Gefagte erfülle Gott wahrhaftig auf die vollenderfte
eife.
Menden wir num diefen entwickelten Begriff auf die Worte
an, dieß fagt der Amen, fo heißt das: Dieß fagt Derjenige,
der alle Verheißungen Gottes erfüllet hat, und bis zum
Vollgenuß vollwichtig erfüllen wird.
Die folgende zweite Benennung, der treue und wahrs
baftige Zeuge, vder der glaubwürdige wahrhaftige Zeuge,
ſcheint auch aus dem prophetifchen Wort genommen zu ſeyn:
, Denn eö heißt Jefaja 55. V. 4. Siehe! ich habe ibn den Lea
viten zum Zeugen geftelle, zum Fürften und Gebieter den
- Völkern. Auf diefe Vermuthung bringt mich der 5te Vers
des erften Kapiteld diefer Offenbarung, wo es heißt: Und
von Jeſu Ehrifto, dem treuen Zeugen, dem Erftgebornen
der Todten, und dem Fürften der Erdfönige — hier ift es
faſt fihtbar, daß auf jenen Spruch gezielt wird. Uebri⸗
gend hat auch diefer Ausdrud viel ähnliches mit dem vors
hergehenden: Denn die Worte glaubwürdig und wahrhaftig
fiehen mit Amen in naher Verbindung Er ift der Zeuge der
Wahrheit ohne Gleihen, niemand hat fich jo bezeugt, wie
Er, niemand wußte fie fo, wie Er: Denn Er war ed, der
ſie von Anfang am vom Himmel herab brachte, und dem
Menſchen —* als das ewige unerſchaffene Wort des
Vaters. KT
Enndlich feßt Er nun noch hinzu: Der Urſprung, der An⸗
i fin der Grund der Schöpfung Gottes. Die Weisheit fagte -
Spr. Sal. 8. V. 22. Jehovah hat mich im Anfang feis
ned Weges, vor feinen Werfen von Ewigkeit her befeffenz
und V. 25. ich bin von Ewigfeit her, von Anfang, vor
90 Erklärung der Offenbarung Gohannis.
den Urſpruͤngen der Erde, geſalbet worden. Auf dieſes Als
les bezieht fi) nun Johannes in feinem Evangelium Kap. 1.
V. 1. bis 3. und hier legt fi Chriftus felbft diefen großen
und erhabenen Titel bei.
Nimmt man nun dieß Alles zufammen, fo Fann man die:
fen Titel fo umfchreiben: Dieß fagt, der wahrhaftige Sohn
Gottes, der vor Grundlegung der Welt im göttlichen Wefen
verborgen war, hernach fi der. Menfchheit, als ein treuer,
glaubwürdiger und wahrhaftiger Zeuge in der Offenbarung
des Willens Gottes bewiefen hat, und als der Gott der
feierlichften Wahrheit bis zur Vollendung aller Geheimniffe
Gottes auch beweifen wird.
Diefe Benennung paßt eben fo genau auf Laodicaͤa, als
jeder der vorigen Titel auf die Gemeinde paßte, an welche
gefchrieben wurde; denn den Laodicaͤern aller Zeiten fehlt es
am rechten Glaubensgrund, fie haben unrichtige Begriffe von
der Perfon und Sendung Ehrifti, fie gründen ſich auf bloße
Moral, ohne fih um die wichtigften Glaubenslehren von der
Erlöfung des Menfchengefchlehts zu befümmern, daher ents
fteht denn die Kraftlofigkeit, Lauigkeit und der Eigendünkel,
durch welche die laodicäifche Gemeinde charakterifirt wird:
Man prüfe jest einmal den herrfchenden Geift der beiden
proteftantifchen Kirchen, ob er Chriftum für den Amen, für
den glaubwürdigen und wahrhaftigen Zeugen, für den Anz
fang der Kreatur Gottes halte? und man wird leider! lei⸗—
der! finden, daß Er für einen bloßen Menfchen gehalten
- wird, den aber die Vorfehung zubereitet habe, um reine
Moral zu lehren; daß Er der Amen, der Erfüller aller alten
MWeiffagungen fey, läugnet man, denn es gibt Feine eigent⸗
liche Borherfagungen; feine Zeugniffe, aus dem alten Bund
hergenommen, galten höchftens nur. den Juden; und daß
Er der Grund der ganzen Schöpfung ſey, das iſt eine oriens
taliſche Hyperbel. Deswegen bezeugt hier der Herr felbit
und Laodicaͤern: Ya, Er ſe⸗ dem ungeachtet das alle in
der That!
Ich weiß deine Werke, fagt der frembgeworbene König der
Menſchen: Za, ich weiß fiel — Du bift weder kalt noch
Zi rn See ee ehe een ai
Kopnan) Bi 1 Zn Bmım! tr 91
warm; weder ein Unchrift,, Widerchrift, noch auch ein Chriſt.
— Märeft du nur eind von beiden, jo wüßte man doc,
wie man mit dir dram wäre; aber fo bift du ein ungeſchmack⸗
tes laues Mittelding, fo edelhaft, daß das Erbrechen erregt
(das Wort in. der Grundſprache, welches gewöhnlich durch
Ausfpeien Üüberfegt wird, heißt wirklich nichs anders als
vomiren, erbrechen), darum kann ich did auch ſchlechter—
dings nicht genießen; ſondern ich werde dich) aus meinem
Munde wegfpeien.
Kann der gegenwärtige Zuftand des praftifchen Shriftens
thums unter den gewöhnlichen Lutheranern und Reformirten
treffender gefchildert werden? — Aber es kommt noch beffer;z
denn es heißt nun ferner:
17. Weil du fagft: Ich bin reich, und habe überflüßig,
‚und bedarf weiter nichts, und nicht weißt, daß du
bift der Elende und der Bedaueruswürdige, arm,
blind und nackend;
18. So gebe Kl dir den Rath, Gold von mir zu kaufen,
das im Feuer durchläutert iſt, damit du reich wer⸗
deft, und weiße Kleider, auf daß du dich bekleiden
Fonnteft, und die Schande deiner Nackheit nicht of
fenbar werde; und Angenfalbe, deine Augen zu De>
ftreichen, damit du ſehen mögeft.
Meint man nicht, man höre unfre heutigen Modetheolo-
gem fprechen ! Der Menfch ift nicht arm, nicht Fraftlos, es
fehle ihm an Kraͤften nicht, um beffer zu werden — wie
hoc) iſt nicht die Kultur und Aufklärung geftiegen! im allen
Kenutniſſen find wir fortgerücdt, was haben wir in diefen
Jahrhundert und feir der Reformation her nicht in den Forts
ſchritten des menfchlichen Wiffens gewonnen! der Aberglaube
iſſt doch gänzlich geſtuͤtzt — und der Schwärmerei der Fläs
gel gelaͤhmt; — man hört, Gottlob! von der Blut- und
Wundentheologie nichts mehr auf unfern Kanzeln, und: das
Baulbertchen des Glaubens an Ehriftum ift verfchiwunden. —
Mein! wir wollen nicht blos geglaubt, wir wollen gethan,
gewirkt Haben; darum predige man nur von den: Pflichten,
92 Erklärung der Offenbarung Johannis.
und halte die Leute an, daß fie fie erfüllen, fo brauchts Feis
ner weitern Glaubens: Lehre mehr, Gottlob! wir haben
doch nun einmal eine vernünftige Bibeleregefe befommen,
feit Semmler das Eis brach! Wir Fennen nun den Schwung
der orientalifch = hebräifchen Poefie in den Propheten, und
wiffen, daß uns das alte Teftament weiter nichts angeht.
Auch verfiehen wir nun, das neue zu behandeln, was wir
darin auf Rechnung des Drientaliums zu fchreiben haben,
und was nichts Denn alles, was nicht zu unferer Aufklärung
und Philofophie paßt, das ift morgenländifcher Geniefhwung ;
wir müffen das in unferem philofophifchen Jahrhundert ja
befjer verftehen, als Ehriftus und feine Apoftel, die redeten
und fchrieben für ihre Zeitgenoffen , und wir für die unſrigen.
Dieß ift der wahre Kommentar über die Worte: Zch bin
reich, habe überflüßig und bedarf weiter nichts.
: Die wahre Antwort darauf iſt: O ihr elende, ich möchte
faſt lieber fagen, miferable, bedauernswüärdige, arme, nas
ende, blinde Leiter der Blinden! — Ihr rühmt euch eurer
Aufklärung und habt doch alle Viertelhundert Jahr eine
ganz nagelneue Philofophie! — In diefem Jahrhundert has
ben wir fchon die dritte Schulweisheit, und wie lang wird
diefe dritte währen? — und jedesmal, fo oft eine neue ers
funden ift, ftügt man fi) darauf, macht fie zur Richterin
über die Bibel, modelt die Exegeſe nach ihr, und prahlt
dann, man habe nun die höchfte Stufe der Metaphyſik ers
fliegen. — Seht ihr denn nicht ein, daß euch euer Morals
predigen gar nichts hilfe? — Ich will an jenem Tage ges
‚gen euch auftreten, und zeugen; wenn ihr mir eine eine
zige Menfchenfeele zeigen fonnt, die ihr durch euer Syſtem
gebejjert habt, fo will ich euch vor dem Richterſtuhl Zefu
Ehrifti, vor Gott und feinen Engeln öffentlich Abbitte thun.
Lehrt euch denn nicht die allgemeine Erfahrung aller Völker
und aller Zeiten, daß das menfchliche Gefchlecht radical ver:
dorben ift? — und daß es, wenn es nicht durch die Gnas
denmittel der Religion gebefjert wird, zu immer größerem
firtlichen Verderben fortjchreite? — Wäret ihr nicht. blind,
Jo würdet ihr ed. ſehen? — Kant — der. große Stifter der
Kapr 5. B. 17. 18. 93
Philofophie des Tages, fagt ed euch in feiner Abhandlung
vom radicalen Boͤſen auf eine unwiderlegbare Weiſe; aber
fo etwas übergeht ihr mir Stilfchweigen , da müßte man ja
wieder zu den fchwärmerijchen Ideen der —— —
ſeine Zuflucht nehmen.
Aber was hilft das Alles? es ‚geht. ihnen genau wie den
Pharifäern zu Ehrifti Zeiten, fie find viel zu ftolz, um fich
belehren zu laffen, lieber mag die Welt zu Grund gehen, als
daß fie geftehen follten, daß fie irrten; man fpottet und durch»
haut mit Aleranderd Schwert, anftatt zu prüfen und zu uns
terfuchen, Dieß ift nun auch der CEommentar zu den Worten:
Und nicht weißt, daß du bift der Elende, der Bedauernswuͤr⸗
dige, arm, blind und blos.
Mrun gibt die ewige Liebe aber aud) einen guten Rath, wie
noch geholfen werden fünne. — Die laodicäifche Gemeinde
hat drei große Mängel: Sie ift arm; denn fie hat felber
nichts, und verwirft aud) den, der fich reich machen koͤnnte:
Eie ift blind , glaubt aber, fie fähe beffer als alle Menfchen,
folglich fucht fie auch Feine Hilfe, und fie ift nackend, aber
fie ift überzeugt, daß ihre narürliche Bedeckung, nemlich
die blofe Haut, hinlänglich fey, um fo gut ein Thier zu feym,
wie auch die andern. Deswegen nun eben, weil fie ihren
unbefchreiblichen Sammer nicht erfenut, zu ftolz dazu ift, ihn zn
erkennen, deswegen iſt ihr auch ſchwer zn helfen, und des
wegen ift fie elend und. bedauernswürdig.
Wenn uns alfo noch geholfen werden foll, fo bedürfen. wir
— Mittel: 1) Aechtes, reines, vollkommen gelaͤutertes,
das iſt 24 karatiges Gold; 2) weiße reine Kleider, und 5)
eine gute Fleckenſalbe, um die Aufklaͤrungsflecken von den
Augen weg zu tilgen. Dieſe drei Stuͤcke heben Armuth,
Nacktheit und Blindheit, vorausgeſetzt, daß man —*
man ſey arm, nackt und blind.
Was der Herr hier unter dem reinen, geläuterten Gold
— — dad wird aus dem Gegenſatz der Armuth klar; die
geiſtliche Armuth, die hier verftanden werden muß, iſt der
Mangel an wahrer Erkenntniß, und der eingebildete Reichs
thum, der Wahn, man wife alles, was zur Vervollkomm⸗
9% Erklärung der Offenbarung Johannis.
nung des Menfchen gehöre; folglich ift jenes reine Gold
nichtd anders, als die wahre Weisheit, die nicht anders er—
halten werden fann, als durd) das Wort Gottes, und die
Mittheilung der Gnadenwirkungen des heiligen Geifted. Die
Meisheit, welche Salomo in feinen Sprüchen Kap. 8. res
dend eingeführt, fagt im 15ten und 19ten Verfe: Reiche
thum und Ehre ift bei mir, ein dauerhaftes Gut und Ges
vechtigfeit. Meine Frucht ift beffer, ald ausgegrabe:
nes gediegenes Gold, und mein Einkommen befjer,
als auserlefenes Silber. Hier wird alfo die Frucht der
Meisheit, das ift, die wahre Erfenntniß des Weges zur
Vollkommenheit, ‚mit reinem guten Gold in Vergleichung
geſetzt; folglich) Fann aud) das nämliche darunter verftans
den werden. R
Dieß Gold der Weisheit follen wir num kaufen — aber
was haben wir dagegen zu geben? — nichts als uns felbft:
Gib dich felbft Hin mit allen deinen Kräften und deinem ganz
zen Willen, das ift alles, was du geben Fannft, und diefe
Webergabe wird dem Herrn fehr angenehm ſeyn; dafür wirft
du dann auc) die weißen Kleider und die Augenfalbe befoms
men. Kleider bedeuten die Gerechtigkeit, die Wirkſamkeit des
Menfchen, wie oben fchon erwiefen worden. Die lavdiceifche
Thätigkeit ift ein unreiner zerriffener Bettlersmantel, der
nichts taugt: daher müffen wir die weißen Kleider der Glau—
bensgerechtigfeit vom Herrn erhalten. Endlich ift dann die
Augenfalbe die wahre Selbftprüfungs wir müffen unfer grunds
lofes Verderben erkennen lernen, dann erſt werden wir recht
aufgeklärt, und dann erft fehen wir alles im wahren *
ſo wie es iſt.
Wer aber nun das Alles nicht kauft und nicht haben will,
was wird deſſen Schickſal ſeyn? — er wird in der aͤußerſten
Armuth darben, und in aller ſeiner Bloͤße vor den Buͤrgern
des Reichs Gottes an den NEUER es an den gr
geftelle werden.
Herr Jeſus Chriftus! nimm Du und ganz hin — und
gib uns dann Weisheitögold, das Kleid des wahren Glaus
bens, und die Önade des heiligen Geiftes zur Augenfplbe,
Kap. -3 2. 19. 20. 95
fo werden wir aus Laodiceern in Theodiceern ‚verwandelt
werden; wir — dann den Vater und dic) on
und verherrlichen.
19, Was mid) betrifft, diejenigen, die ich Yiebe, die über:
zeuge und erziehe fie; darum fey auch eifrig,
und ändre deine Geſinnung.
20. Siehe! ich habe mic) vor die Thür hingeftellt, and
Elopfe an: Wer nun-etwa meine Stimme hören, und
mir die Thür dffuen wird, bei dem werde ich eins
ehren, und das Abendmahl mit ihm halten und er
mit mir,
Hier will der Herr fo viel fagen: Steigt ihr Laodiceer in
eurer Aufklärung, und verfteigt euch fo weit ihr wollt und
koͤnnt, ich meines Orts bleibe bei meiner alten Methode:
Menn ich einen finde, aus dem fich etwas machen läßt, fo
hab ich ihn lieb, deßwegen überzeuge und belehre ich ihn
erft in dem, was er wiffen muß, und dann erziehe ich ihm,
wie man Kinder erziehtz dann muß aber auch ein folcher das
feinige thun, eifrig und fleißig feyn, und feine Gefinnuns
gen ändern.
In Laodicea ift das Belehren umd Weberzeugen aber auch
die Hauptfache! denn da glaubt man nicht fo leicht.
Sn Philadelphia heißt ed, ich komme bald; hier aber:
Eiche! ich ftehe fhon vor dem Thore, es kommt nun auf
dich an, ob du mir aufmachen willt? Wenn du es thuft,
fd kehre ich bei dir ein, und fpeife mit dir zu — her⸗
nach du aber auch mit mir,
Ich hab ſchon bemerkt, daß Thyatira und Philadelphia
bis zur Ankunft des Herrn zu feinem herrlichen Reich fort=
dauern, und endlich ganz zufammen fließen werden. Im
Brief an die erftere Gemeinde heißt ed: Doch was ihr habr,
das halter feft, bis daß ih fommen werde; und der
letzteren fchrieb der Har: Ih Fomme ſchnell, halt was
du haſt, u. ſ. w. Die Aehnlichkeit diefer zwo Schwefterge-
meinden ift auffallend. Gerade fo verhält es fih nun auch
auf der andern Seite mit Sardes und Laodicen, auch dieſe
96. Erklärung der Offenbarung Johannis.
währen fort, und vereinigen fich gegen dad Ende; im Brief
an die zu Garden heißt es: wenn du aber nicht wachelt, fo
werde ich wie ein Dieb Fommen, und du wirft nicht wiffen,
welche Stunde ich über dich Fommen werde. Zu den Laodis
ceern hingegen wird gefagt: Wer fich aber auch fagen läßt,
das ift, wer wachſam ift, der wird erfahren, daß ich vor der
Thür ftehe und Elopfe, wenn er mir dann aufmacht, fü werde
ich ihm nicht wie ein Dieb fommen, ſondern als ein Freund.
Alle vier Gemeinden dauern in ihren Zeitläuften fort, bis
der Herr kommt, dieß ift unftreitig, gegen das Ende aber
vereinigen fich zwo und zwo, fo daß es alddann im Grund
nur zwo chriftliche Hauptpartheien geben wird.
Theure liebe Lefer! die Zeit nähert fich, wir fehen das an
allen Anftalten; laßt und wachen, damit wir das Anklopfen
des Herrn hören und Ihm aufmachen mögen; — wenn wir
jet während der Zeit des Kampfs feinen Geift, und feine
armen leidenden Glieder aufnehmen, wie Ihn felbft, uns
von Erfterm regieren und erleuchten laffen, die leßtern aber
erquiden, fpeifen, Heiden und beherbergen; jo wird himmlis
ſcher Friede in unferm Herzen wohnen, und wenn Er fommt,
fo werden wir dann auch feine Säfte feyn, und das will viel
fagen. ©. Kap. 19. V. 9. meine Gedanken vom Abends
mahl des Lammes.
91. Dem Ueberwindenden — dem werde ich ‚geben, bei
mit zu ſitzen auf meinem Thron , fo wie auch id
überwunden und mich bei meinem Vater auf Ka
Thron gefest habe.
22. Wer Ohren hat, der höre, was der Geiſt den Ges
meinden fagt! |
Wenn man die Sache ſo oberflächlich anfieht, fo kommts
einem fonderbar vor, daß dem lavdiceifchen Ueberwinder unter
allen die höchfte Ehre erzeigt wird — er ſoll mit dem König
aller Könige und Herin aller Herren auf einem und demfels
ben Thron fißen, das iſt: Ihm regieren helfen — die lavdis
ceifchen Weberwinder follen. feine Minifter werden. Was
Tann dann aber aus Laodicea Gutes Fommen? — So wie
Zu EEE
2 a Zu Zu Tr a ee Ben a er ee N te un De) ah Düne
Rap BE MARN 97
aus Galilda, fehriviel! man muß fi nur die Sache recht
vorftellen, fo ift nichts watärlicher und nichts vernünftiger.
‘Ein laodiceifcher Weberwinder iſt ein Menfch, der erft vom
Geift der gegenwärtigen Zeit beherrfcht wurde; dem alſo das
Chriſtenthum Aberglaube; die Naturreligion aber die wahre
Religion war, der vom Demofratidmus und dem Egoismus,
den wahren laodiceifchen Charakterzügen unferer Zeit, einge:
nommen wurde, und alfo auf dem Wege war, ein Kämpfer
des Antichrifis: gegen Chriftum zu werden — der aber nun
dem allen ungeachtet andern Sinnes wird, und ſich von Hers
zen befehrt, und unter ChHrifti Fahne für Ihn Fampft ; wer
unter allen Siegern außer Ehrifto ift größer, ald er — Wer
aber auch nur in lagdiceifchen Gefinnungen erzogen worden,
und hernad) noch ein wahrer Ehrift wird, der: gehört ſchon
hieher — das heißt recht, die Letzten follen die Erften feyn.
Ich fagte fo eben, die Ichheit und die, daraus entjpringende
Volksherrſchſucht ſeyen laodiceiſche Charakterzügez: diefe bes
währen unwiderlegbar, daß wir jegt im Zeitlauf dieſer Ges
meinde leben. Schon das Wort Laodicen zielt dahin, und
kann durch Volköherrfchung , ohne dem Wortverftand Zwang
anzuthun, gar wohl überfegt werden. «Mer num in’ diefe
Zeiten dem Trieb felbft zu herrſchen, freiwillig »verläugnet,
und lieber gehorchen will, als befehlen, dem wirds im Neiche
des Herrn erſetzt werden, dort wird er dann im Kabinet des
Königs aller Menfchen genug zu thun befommen. |
Wir wiſſen alſo nun ſchon, wer die erften Stellen im kuͤnf⸗
tigem Reich des Herrn bekleiden wird: Die laodiceifchen Ueber—
winder kommen and Minifterium der inländischen. Sachen,
die Philadelphier verwalten Gottesdienft und Religionspolizey,
außer dieſen haben die Thyatirer noch die auswärtigen Gas
hen zu beforgenz; überall, am Hof und im Tempel, (gehen
dann die Sarderian die Hand; gerade jo wie im alten *
| ment der Stamm Leni.
So wie der Vater dem Sohn das Melttegiment überträgt,
* uͤbertraͤgt es nun der Sohn auch ſeinen Getreuen aus den
vier letzten Gemeinden: Denn die Erſten ſollen die Letzten,
und die Letzten die Erſten ſeyn. Warum dieß rn ſoll,
Stilling's ſaͤmmtl. Schriften. II. Band.
98 Erklärung der Offenbarung Johannis.
das ift nicht fo fchwer zu begreifen: Den erften Chriſten wurde
das Glauben weit leichter, ald den Letzten; denn fie hatten
die Beweisguellen näher, und die Kräfte, die die Wahrheit
beftreiten ‚ waren viel fchwäcer; wer aber in unfern und»
fpätern Zeiten ‚alle Hinderniffe überwindet, und treu bleibt,
der leiftet weit mehr als fies
Wer nun hierin Laodicen noch Ohren zu * hat, der
höre, was der’ Geiſt Jeſu Chriſti den Gemeinden fagt! —
Der Ohren find aber wenig; man verfpottet lieber alle Worte
der Wahrheit, als daß man fie hören follte. Wer aber nod)
hören; fann, der höre, denn die Sache ift Außerft wichtig,
und. bald wird Feine Gnadenftimme mehr gehört: werden,
dann iſts auf ewig vorbei, wi
Dieß ift nun der erfte Theil der Offenbarung Jeſu Chrifti,
in welchem er allen feinen Getreuen, von feinem Hingang zum
Vater an bis zu feiner glorreichen Wiederfunft, die für ihre
Zeit, Lage und Umftände nöthige Anweifung giebt, um fie zu
unterrichten, was fie vorzüglich zu thun, zu laffen und zu
erwarten haben. Darauf folgt dann das große und erhabene
Schauſpiel ſelbſt, in welchem durdy Engel in prachtvollen und
majeftätifchen Vorftellungen und Bildern, doc) auf eine ges
heimnißvolle Art gezeigt wird, wie Chriftus feinen Haupts
feind, die alte Schlange, welche die erften Menfchen verführte,
in dreien Hauptlämpfen, erftlich gegen das Heidenthum,
zweitens gegen das Pabthum, und drittens gegen den Antis
chrift beſtreitet, zulegt mächtig befiegt, dann den ganzen Erd⸗
freis einnimmt, den Feind gefangen fett, und nun das in
ben Propheten hin und wieder verheißene Neich des Fries
dens errichtet. Dieſe Nachricht theilt der Herr den: fieben
Gemeinden in Aften im Vorbild, und allen Ehriften der fols
genden Zeiten im Nachbild mit, damit fie jederzeit bei den
großen Weltereigniffen einen Singerzeig hätten, 'wornach fie
fich richten Fönnten. Zu Feiner Zeit aber war diefer Fingers
zeig nöthiger, als jeßt, da der dritte und legte große Kampf
beginnt, und das Irren und Abfallen fo Leicht ift. Möchte
ed mir doch gelingen, zum leichteren Gebrauch und größerer
Gemeinnuͤtzigkeit diefer hochheiligen Urkunde etwas beizutragen!
Jen
BEHAART 699
Doch ehe ich, weiter gehe, will ich noch veinige Bemerkun⸗
gen den vorhergehenden Briefen beifuͤgen: Daß die Namen
der fieben Städte paſſend find, | das haben wir ſchon gefunden;
man hat: in der Bibel Beifpiele genug, daß die Namen be⸗
deutend find, und die Vorfehung bei dem Geben: eines: Nas
mens wirffam geweſen iſt. Artig ift auch die Lage jener fies
ben Städte — Ephefus liegt am weitften gegen. Abend 5 von
hier aus. liegen num die folgenden ſechs in der nämlichen
Drdnung, wie hier die Briefe auf einander: folgen, in ‚einem
halben Zirkel gegen Mitternacht bis gegen Morgen herum, fo
daß Philadelphia und Laddicen von Epheſus aus gerade ges
gen Sonnenaufgang liegen. Eben ſo warı auch der Gang
des Chriſtenthums von dem Apofteln: an bis ‚daher; won ihrer
Zeit-an gings immer gegen Norden, es wurde immer kaͤlter
und dunkler, in Xhyatira aber nahm er feine Richtung ofts
wärtd, bis er in Philadelphia und Laodicen den Ausgang aus
der Höhe erwarten ä
Auffallend merkwuͤrdig iſts endlich dei daf den Märtis
rern, die ihr Blut für den Herrn Ehriftum und. feine, Relis
gion vergoffen haben, fo wenig verheißen wird — die Smyr⸗
ner follen frei ſeyn für der Gefahr des andern: Todes, und
die Krone des Lebend empfangen; das ift num“ freilich viel,
aber es kommt doch dem Lohn der folgenden‘ Ueberwinder in
den vier legten Gemeinden nicht bei. Im Verfolg finden
wir bei der Eröffnung des fuͤnften Siegels, daß die Blutzeus
gen in dem Behälter unter dem Brandopferaltar verwahrt
werden, wo fie eben noch nicht ganz volllommen zufrieden
find. Wenn wir aber diefer fonderbar fcheinenden Sache
nur etwas nachdenken, fo fünnen wir bald den Grund von
dem allen finden: Für Chriftum-und feine Religion fterben
koͤnnen, wenns noth thut, ift eines jeden Ehriften erfte und
unabläßige Pflicht; fo fchwer das auch fcheint, fo ift es doch
nicht mehr und nicht weniger, ald was jeder rechtfchaffene
‚Soldat für fein Vaterland und für feinen Fürften thut; fo
gar fterben viele blos um falfcher Ehre willen, wie z. B. im
Duell; und wieder andere laffen fich aus Kaprice und Eigens
finn, um nichtö und wieder nichts, auch wohl für eine falfche
7 *
100 Erklärung der Offenbarung Gohannis,
Religion Hinrichten, fogar bringen ſich viele aus Lebensuͤber⸗
druß ſelbſt ums Wenn alfo ein Menfch weiter Fein Verdienft
hat, als daß er für Chriſtum ftirbt, fo wird ihm das aller⸗
dings durch ein ewiges feliges Leben, und durch die Sieges⸗
krone der’ Blurzeugen‘ vergolten werden; aber er made ſich
doch dadurch nicht fähigen zu Reichögefchäften, dazu wird
ein weit gefdrderter Grad der Erleuchtung und Heiligung ers
fordert, ſo wie ihn der nothwendig erringen muß, der fi)
in Thyatira/ Sardes, Philadelphia und Laodicea durch alle
Verſuchungen und Hinderniſſe durchfämpft und alle überwindet.
Endlich ift auch noch nörhig zu erinnern, daß alle prophe⸗
tiſche Bilder im der hohen Offenbarung, das Abgebilvete erft
gegen das: Ende, wenn es'in feiner höchften Vollfommenpeit
und Volendungifteht, recht deutlich vorftellen: Z. B. die
Befchreibung der Gemeinden zu Ephefus, zu Smyrna us ſ. w.
zu Thyatira, Philadelphia:und Laodicea paßt am beften,
oder trifft am vollftändigften zu, wann es mit einer Gemeinde
aufs höchfte oder gegen das Ende gekommen; daher verfteht
man: aud) die Weiffagung immer: befjer, je weiter man: in
der Geſchichte fortruͤckt. Eben fo verhält es ſich nun auch mit
allen folgenden: prophetifchen: Vorſtellungen und Bildern, wie
ſich nun im Verfolg zeigen wird.
Jetzt wollen wir und in der Furcht des Herrn, die aller
Weisheit Anfang iſt, an das große Schauſpiel ſelbſt wagen,
und es zu enthuͤllen ſuchen.
DI Ze a a ZH rn a ne
0—
Kap DB, 1. bis 535. 10601
Dad vierte Kapitel, |
1, Nach diefem fahe ih, und, fiehe! eine Thür ward im
‚Himmel geöffnet, und die erfte Stimme, welche ich
wie eine Pofaune hatte mit mir reden hören, ſprach:
Steige hieher, und ich werde dir zeigen, was nach die⸗
ſem geſchehen wird.
2. Und alsbald wurde F entzückt; und fiehe! ein Thron
war in dem Himmel geftellt, und auf dem Thron
ſaß Einer,
5. Und der da faß, war im Anfehen dem Yafpiss und
Sardisftein ähnlich; und ein Regenbogen, gleich dem
Smaragd, umfreifete den Thron.
Diefes ganze Kapitel enthält nichts weiter, als die Bes
ſchreibung des Throns der Majeftät in der Höhe, des Throns
des Alten der Tage, des Vaters der Ewigkeit, aller Welten
und aller Wefen, und deffen, was zunächft um ihn her ift.
Nachdem nun Johannes die fieben Briefe vollender hatte,
fo verfchwand die Vorftellung der glorwärdigen Perfon Ehrifti,
nebft den fieben Sternen und fieben Leuchtern, und bald dars
auf fahe er ein gebffnetes Thor am Himmel. Vermuthlich
war der heilige Seher bisher in einem Thal am Fuß eines
Berges gewefen, wo er über den traurigen Zuftand des Reichs
| Gottes nachdachte; vielleicht hatte er dem Berg. den Rüden
zugewendet, als er die erfte Pofaunenftimme hinter fich hörte;
er kehrte ſich alfo um, und in diefer Stellung fahe er vor
fih am Berge Chriftum zwifchen den Leuchtern, fo fchrieb
er die Briefe, die ihm dietirt wurden; denn die Alten führten
ihr Schreibzeug immer bei ſich. Jetzt verfhwand dieß erfte
Geſicht, und er fahe vor fih hinauf oben auf der Spitze des
Berges am Horizont ein Thor, welches fich in den Himmel
dffnete, und nun rief die erfte Stimme im Pofaunenton :
Steige hieher; denn ich will dir zeigen, was in ber Zufunft
102 Erklärung der Offenbarung Johannis.
gefchehen fol. Diefe Worte: fteige hieher! fcheinen mir zu
beweifen, daß er einen Berg hinauf, bis auf die Spiße ges.
hen follte; denn durch die Luft fich empor zu fchwingen, war
natürlicher Weiſe nicht moͤglich, und es ift auch nicht nöthig,
daß mans annimmt. Er folgte alfo der Stimme, und ging
hinauf, bis durch diefe Pforte des Himmels. hat
Hier fahe er nun einen Thron, einen Foniglichen Regentens
ſtuhl, in einiger Entfernung vor ſich, dann zwifchen ihm und
dem Thron war noch das gläferne Meer, doch) war es nicht
fo weit, daß er nicht alles deutlich erkennen fonnte. Auf
dem Thron faß eine menfchliche Geftalt, die ihm dem aͤußern
Anfehen, der Farbe nach, fo vorfam, wie die Edelfteine Jaſpis
und Sardis; beide Steine find blaß, oder fleifchfarbig röthe
lich, der Jaſpis aber hat rothe Aederchen, und dann find
beide, wenigſtens der Sardis, halb durchfichtig; folglich war
diefe menfchliche Geftalt nicht grob fleifhicht, fondern durche
fhimmernd verflärt und herrlich. Das Ganze aber ftand nicht
auf der, Erden, fondern es war in dem Himmel, in die Luft
bingeftellt, . Dieß beweist ferner, daß der Seher jeßt auf
dem Gipfel eines Berges fand. Endlich umfreifete ein Smas
ragdener, ein grünlicht fchimmernder Regenbogen, rund ume
her, der Höhe und Tiefe nach, den ganzen Thron. Der Bogen
des Bundes Gottes mir den Menfchen umfreifete den Sit
des Weltenregenten, zum Beweis, das auch die fchredlichften
Gerichte und Kämpfe diefen Friedensfchluß, der mit. dem
Stammvater, Noah gefchloffen worden, nicht aufheben follten.
4. Und rings um deu Thron her waren hier und zwanzig
Thronen, und auf diefen Thronen faßen bier und zmans -
zig Uelteften, mit weißem Gewand bekleidet, und auf
ven Häuptern hatten fie goldene Siegesfronen.
5, Und von dem Thron aingen Blitze, Stimmen und
Donner hervor, und fieben Feuerflammen brannten
vor dem Thron; welde die fieben Geifter Gottes find.
6, Und vor dem Thron war e8 wie ein gläfern Meer, dem
Kriftall aͤhnlich. Und mitten iin Thron, und um den
Thron ber, waren vier lebendige Wefen, vornen und
binten voller Augen.
nl nn 7 Da ne
—
Kap. 4. V. 4. bis 6. 105
Auf den Thron felbft folge nun auch die Befchreibung defs
fen, was ihn zunächft umgab; und da fielen dem Apoftel zu
allererft noch vier und zwanzig Thronen in die Augen, die im
Kreis um den Urthrom vermuthlich fo herftunden, daß fie ſich
im Hintergrund an beiden Seiten an denfelben anfchloffen,
und dann um das gläferne Meer her den Kreis bildeten. Auf
diefen Thronen faßen nun. auch vier und zwanzig Männer,
die Johannes Xelteften, Rathöherren, Volfsvorfteher nennt. —
Diefe hatten weiße Amtskleider an; fie find priefterlich ges
Heidet, aber ihre Kronen find Feine Diademe, Königsbinden,
fondern Stephanen, Siegeöfränze, fie find Ueberwinder.
Dei diefen vier und zwanzig Welteften dürfen wir weder
an die zwölf Patriarchen, noch an die zwölf Apojtel denken:
Denn die Erften waren der Erzählung Mofe nach, eben nicht
durchgehende folche Männer, daß fie diefe hohe Stelle be:
‚Heiden konnten; und die Apoftel Fonnten hier auch nicht mit
ſitzen: Denn einer von ihnen wenigftens, nemlich der Seher
felbft, lebte ja noch, folglich hätte alfo auch ein Stuhl leer
ftehen muͤſſen; doch Kap. 5. V. 9. und 10. erklären fie ſich
felbft: Daß fie mir dem Blur des Lammes aus allerlei
Geſchlecht und Sprachen, Völkern und Nationen
erfauft, und im Fünftigen herrlichen Reich auf Erden zu
Königen und Prieftern beftimmt feyen. Die Apoftel follen den
zwölf Stämmen Iſraels vorftehen und ihre Richter feyn,
Matth. 19.8. 28, folglich nicht ihre Stammpäter, die zwölf
Patriarchen.
Es Scheint, als wenn hier auf die Hier und zwanzig Stands
männer oder Deputirten gezielt würde, welche dad Volf Sfrael
im Tempel zu Jeruſalem beftändig unterhielt, wo fie das
ganze Volk vorftelen, und in feinem Namen den täglichen
Opfern beimohnen, aud wohl die Angelegenheiten ihrer
Stämme am Hof und bei den Prieftern, oder auch bei dem
- Sanhedrin (dem hohen Rath, Parlament) beforgen mußten.
Auf eine ähnliche Weife fchienen alfo auch hier die vier und
zwanzig Aelteften, die Repräfentanten der ganzen Menfchheit
zu ſeyn; die nach Kap. 5. V. 8. Lobgefänge und die Gebete der
Heiligen vor Gott bringen; im Verfolg wird noch mehres
104 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
res zur Erlaͤuterung fen — und ihrer Beſtimmung
vorkommen.
Aus dem Thron züden-i immer Blitze in die weite Luft hin,
es tönen Stimmen, und es bruͤllen Donner in die Ferne ums
ber. Diefe Bilder drüden die raftlofe Thätigkeit der Nature
frafte aus, welche immer zum. Strafen und Belohnen, zum
Fluchen und zum Segnen bereit, und in der weiten Schoͤ⸗
pfung immer in dem Allen gefchäftig und thätig feyn müffen.
Vor dem Thron entdechte Johannes ferner einen großen
weiten: Mafferbehälter, in welchem aber diefes Element fo
ruhig und fo Elar ftand, ald wenn es ein Glas oder Kriftall
wäre, es wallte und bewegte fih im Geringften nit. Dieß
ift num im eigentlichen Sinn, Gottes Brünnlein, das Wafs
ſers die Fülle hat, die Quelle aller Lebenswaffer, das ewige
» Element, aus welchem ſich in alle Theile der firtlichen Welt
Ströme und Bäche ergießen; die Quelle des Stroms des Les
bens, an. defjen Ufern Bäume des Lebens und Palmen fürdie
Ueberwinder wachjen. ‚Hier fpiegelt fi) im eigentlichen Sinn
des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angefiht; und jeder
Menſch hat auch im verborgenen tiefen Grund feiner Seele
eine Quelle, die aus diefem Meer urfländer, er braucht fie
nur zu Öffnen, oder durch den Geift des Herrn in fich eröffe
nen zu laffen, fo entfteht da auch ein nie verfiegender Brunn,
aus dem fi) Ströme lebendigen Waſſers auf alle die ergies
Ben, die Erquidung bedürfen. Zu diefem Kriftallmeer keh⸗
ven dann auch alle Ströme in den Gebeten und guten Glaus
benöwerfen der Heiligen wieder zuruͤck.
Diefes Meer ift ftille, es wird von feinem Lüftchen RER
denn es feiert feit der Schöpfung feinen ewigen Sabbath,
hievon wäre noch) vieles zu jagen, aber es gehoͤrt an einen
andern Ort. Nach Kap. 15: V. 2. ift Feuer hinein gemengt,
das hat aber auch feine Urfachen, bon denen ich auch zu ſei⸗
ner Zeit veden werde.
Aber über diefem gläfernen Meer, zunächft vor dem Thron,
brannten auch fieben Fadeln, oder befjer, fieben ruhige ftille
Flammen, ſo wie eine Lampe brennt; von Leuchteru ſteht
nichts da.
HE ee DT ⏑
RIED, A bi 405
" Der Regenbogen hat vier Haupt» und drei Mittelfarben,
alfo fieben, die alle im eins concentrirt das Licht ausmacheny
fo wird auch hier das Urlicht in fieben befondere Flammen
oder Lichtquellen getheilt, Jeſaias benennt fie alle fieben K. 11.
DB. 2, 1) der Geift des‘ Herrn; 2) der Weisheit; 5) des
Verftandes; A) des Raths; 5) der Stärke; 6) der Erfennts
niß, und 7) der Furcht des Herrn. Diefer fiebenfache Geift
foll auf vem Sprößling aus dem Stamm Iſai ruhen, wels
cher au) das Lamm ift, das deswegen eben fieben Augen
hat: Hievon ließ fich noch vieles jagen, aber es gehört
nicht hieher.
Nun folgen noch die merfwürdigen vier Urwefen, welde
Luther und der felige Bengel Thiere nennen. Das Wort in
der Grundfprache bedeuter etwas, das lebt; da wir Teutſche
aber mit dem Wort Thier einem niedrigen Begriff verbinden,
der durchaus nicht hieher paßt, fo kann ich mich auch nicht
überwinden, e8 zu gebrauchen. Das griechifche Wort Zoon
heißt freilich auch ein Thier; aber es wird auch von allem
gebraucht , das Leben hat; und bier ift mehr als ein Thier.
Das Wort lebendiges Wefen fchickt fich am allerbeften. Diefe
vier befanden ſich zunächft am Thron, und zwar, fo daß fie
ihn umgaben; das vorderfte fiand gerade vor dem Thron,
fo daß ed dem Seher ſchien, als wäre ed in der Mitten; die
zwei folgenden fianden auf beiden Seiten, und das vierte
hinten, doch fo, daß es gefehen werden Fonnte. Auch bes
merkt Johannes, daß fie alle vier über und über mit Augen
befäet waren. |
Der Prophet Ezechiel fahe den Thron der Herrlichkeit des
Herrn beinahe auf die nämliche Weife Kap. 1. allein gleichs
ſam auf der Reife, wo die vier Wefen den Thron trugen
und auf feinen Rädern fortbewegten,, hier aber ift der Sit
des Herrn feft und in feiner Ruhe. Auch Zefaias fahe etz
was Ähnliches Kap. 6, er nannte diefe Weſen Seraphint,
und auf der Bundeslade machten zween Cherubim den Sit
des Jehovah aus: Weil jene Cherubim bei dem Jeſaias das
‚ Heilig Heilig ausrufen, fo wie hier die vier Weſen, fo will
ich mich auch viefes Worts hier bedienen, und fie Seraphim
nennen.
106 Erklärung der Offenbarung Johannis.
So wie die vier und zwanzig Alteften die Repräfentanten
der Menfchheit find, fo fielen.die vier Seraphim die vier
geiftigen Kraftelemente der gefammten Schöpfung vor; in
ihnen concentriren fi alle Wefen, und in ihnen verherrlicht
die ganze Natur ihren Schöpfer; fie find die vier Prinzipien
aller Dinge, die gefchaffen find; fie find die Drgane, wos
durch der Schöpfer in der Natur und zu der Natur fpricht,
und. wodurd die Natur auch wieder zu ihrem allgemeinen
Vater redet; mit einem Wort, fie find der vierfache Geift
der Natur felbft, der metaphyfifche Gott, auf den man end»
lich geräth, wenn man Zhn durch die Vernunft allein fins
den will, aber Ihn dann doch nicht erkennt, wie er ift, fons
dern blos eine verhüllte Zfis fieht, deren Schleier Fein Sterbs
licher aufdeden kann.
Diefe Seraphim find über und über voller Augen; aller
vier Hauptgefchäft ift, Sehen; die immer wachtfame rafts
lofe Natur verfäumt unter allen Myriaden Wefen auch nicht
dad geringfte Wirmchen ; jedes individuelle Grashälmchen,
fo wie der größte Monarch und der Erzengel, ftehen in der
genauften Aufficht,, und zwar vom erften Entftehen an, bis zu
feiner Vollendung ; dazu gehören Augen,
Mit einem Wort: Die vier Seraphim find die unmittels
baren Werkzeuge der Vorſehung, fie verwalten die göttliche
Polizei in allen Welten, und überall, im Kleinften wie im
Größten, mit größter Treue; da wird auch nicht das Ges
ringfte, das Haarzaͤhlen nicht einmal, vergeffen,
Die fieben Geifter flößen Kicht und Erfenntniß ein, die
vier Urwefen aber geben Kraft; jene beziehen ſich allein auf
Bervollfommnung aller moraliſchen Weſen dieſe aber auf
alles Erfchaffene,
7. Und das erfte Yebendige Wefen war einem Löwen
ähnlich: das andere lebendige Wefen gleich einem
Kalb; das dritte lebendige Wefen hatte ein Ange⸗
fiht wie ein Menſch; und das vierte lebendige Wer
fen war einem fliegenden Adler gleich,
8. Und die vier lebendigen Wefen hatten, jedes von
a A mn Pe ne”
Kap. Ik B. 7. 8. su’ — 107
ihnen, ſechs Flügel beſonders, ringsum und inwen⸗
dig waren. fie mit Augen angefült, und. ſie haben
weder Tag noch Nacht Nuhe, indem fie fagen: Hei⸗
lig! Heilig! Heilig! ift der Herr, Gott, der Als
berrfcher! der war, ift, und kommt!
Setzt werden nun die vier Seraphim genauer befchrieben : Der
Erfte war einem Löwen ähnlich; diefer ift der wahre Ariel,
der Löwe Gottes; fein Charakter ift unüberwindlicher Muth
und Kraft, daher ift er das Bild der Urkraft, die aber noc)
ohne Beftimmung ift — die Fülle der Kraft, bereit zu ſchuͤtzen
und zu ftrafen, wo es der Allberrfcher gebeut. Der Erzengel
Michael ift mit ihm übereinftimmend: Denn Michael ift ein
Schlagender oder Kämpfender Gottes, oder auch ein
fehlagender, frafender Gott, andere überfegen dieß Wort:
Mer ift wie Gott?
Der zweite Seraph hat die Geftalt eines Kalbes; von ihm
haben wohl die Egyptier ihren Gögen Apis hergenommen,
den fie in einem lebendigen Ochfen verehrten, und woher
dann auch das goldene Kalb in der Wüften entftund. Ju
dieſem Seraph nimmt die erfte, große, uneingefchränfte, zu
allem gefaßte Löwenfraft ihre Richtung zum allgemeinen
Beten; fie wirkt zum Wohl aller Wefen, und dient auch)
dem Herrn zum wohlgefälligen Opfer: Denn alle diefe Eis
genfchaften finder man bei den wohlthätigen Ochfen = und
Kuhheerden; die Hindus verehren noch immer diefe Thiere
göttlich. Mit diefem Seraph Forrenfpondirt der Erzengel
Raphael, welcher den Menfchen auch wohlthätig ift, denn
das Wort bedeutet: Gott hat geheilt, oder Gott hat geholfen.
‚Der dritte Seraph hat ein menfchliches Angeficht ; in ihm
wird num jene Urfraft, die im zweiten lebendigen Wefen ihre
Richtung zum Wohl der ganzen Schöpfung genommen, nad)
Vernunft geleitet, und der Weisheit zur Erreichung des gros
Ben Zwecks des allgemeinen Beften untergeordnet. Auf dies
fen hat der Erzengel Gabriel Beziehung; alle Weisheit und
Vernunft ift Kraft; alle Weisheit und Vernunft kommt von
Gott, daher find aud) beide, Kraft Gottes, Stärke Gottes,
und Gadriel Heißt: meine Kraft iſt Gott.
108 Erklärung der Offenbarung Johannis.
© Der vierte Seraph endlich ift einem fliegenden Adler aͤhn⸗
lich ; fo wie num diefer Vogel mit unverwandtem Blick in die
Sonne ſchaut, und fih ihr im Emporfhwung zu nähern
fucht, fo nimmt nun auch endlich jene Urfraft, nachdem fie
nunmehr mit Weisheit und in Gottes Kraft zum allgemeinen
Beften wirkt, ihren Flug und ihre Richtung dem ewigen Urs
licht, dem Mittelpunft alles Strebens aller Wefen, der Sonne
der Geifterwelt entgegen, der fie ſich ewig nähert, fie aber
nie erreicht, Mit diefem Seraph fteht der Erzengel Uriel im
Berhältniß; denn Uriel heißt; Gott iſt mein Licht.
Was alle die Augen, womit die vier Seraphim angefüllt
find, bedeuten, ift eben fchon erinnert worden.
So wie dieſe Iebendigen Wefen, fobald fich die Gottheit
außer ſich offenbart, zu ihrer Natur gehören, fo finden wir
auch in der menfchlihen Natur, fobald fie außer fih wirks
fam ift, dad nemliche; und zwar 1) bei dem einzelnen Mens
fhen; 2) bei jedem Volk, und 5) bei der gefammten
Menfchheit,
Bei jedem einzelnen Menfchen ift eine Grundfraft zur
Thätigfeit, die fih befonders in der Zugend wild, unbändig
und löwenartig äußert; nach und nad) wird fie milder, zah⸗
mer, und fängt nun im Sünglingsalter an, nad) Zwecken zu
wirken und nüßlich zu werden, im Mannsalter gefellt fich
Vernunft, Erfahrung und Weisheit dazu, und hernach im
hohen Alter beginnt der Adlersflug zur Vollendung. Dieß
alles findet befonders bei folhen Menfchen ftatt, welche durch
die Religion Jeſu geleitet und geheiligt werden,
Dei einem Volk geht die Natur den nemlichen Gang;
Sm erften Beginnen ift es wild, löwenartig; im zweiten
Zuftand kommt es zu Viehzucht und Aderbau, und wird
landwirthſchaftlich; im dritten entftehen Fabriken, Handlung
und Funftmäßige Politif; im vierten nemlich nimmt es feine
Richtung zur höchften finnlihen Verfeinerung durch den Zus
xus, und dann geht es mit ihm zum Ende; fein Adlersflug
hat nicht das wahre Licht im Auge.
Dei der gefammten Menſchheit ift diefer Gang ebenfalls
fehe kenntlich und merkwürdig; befonders wenn man. ihre
— Du —
ku 5 Ze Ze ne Ze Br
Kap. 4.8, 7.8 vu 409
Geſchichte nach ber Fuͤhrung der Borfehung betrachtet, fo
wie fie uns die Bibel an die Hand gibt. Von der Schöpfung
bis auf, Mofe währte die Herrſchaft der Löwenfraft; von
Mofe bis auf Ehriftum fand das Volk: Gottes. unter dem
Jod, unter dem Dienft des Ceremoniengejeßes, und mitihm
alle kultivirte Völker unter dem Opferdienſt. Unter der. Herre
fchaft der chriftlichen Religion kommt fie zum Verftand und
zum männlichen Alter, und derjenige Theil, welcher in allen
Proben bewährt gefunden wird, nimmt dann im nahen herr⸗
lichen Reich Chriſti feine Richtung im Adlersflug dem Urlicht
und der hohen Beftimmung der Menfchheit entgegen.
In diefen vier Urkräften liegen noch tiefe Geheimniffe vers
borgen, die auf den auf dem Thron Senden, auf das Lamm,
und auf den fieben flammigten Geift merkwürdige Beziehung
haben, allein. das find Sachen, die nicht für jedermann gehören.
Daß die. vier anführende Stämme Iſraels, Zuda, Ruben,
Ephraim und Dan, die vier Thiere in den Fahnen geführt
haben folen, und daß man fie auch den vier Mnopaelißrn
zugeeiguet, hat bier Feinen Einfluß.
Die, vier, lebendigen Wefen ‚hatten jedes ſechs Sldgel, um
ſich defto gefhwinder durch alle Welträume bewegen und die
Befehle des Allerhöchften ausrichten. zu fonnen, Es ſteht
Jeſ. 6. V. 2. fie hätten mit zween Flügeln ihr Autlitz be⸗
deckt, mit zween die Fuͤße, und mit dem dritten Paar härten
fie geflogen; dieß alles geſchieht, je nachdem ihre Verrichtung
ift, fie kͤnnen auch alle ſechs zum Fliegen gebraucht werden.
Aber nun ihre Befchäftigung! — Sie haben weder Tag
noch Nacht Ruhe — dieſer bedürfen fie aber audy nicht, denn
fie ermuͤden nicht, und ihre QTaufende von Augen finfen nie
in einen Schlummer. Mit diefen fehen fie in der göttlichen,
geiftigen und materiellen Natur unaufhörlich fo viele Wunder
der Weisheit und Herrlichkeit Gottes, daß fie der Heiligung
ſeines Namens nie müde werden fönnen, und darinuen rg
Augenblick ihre höchfte Seligkeit finden.
Ja: Du Allherrſcher! Der Du warft, bift und ka,
gebeiligt werde dein Name von und bienieden, und von dei
Seraphim um deinen Thron!
110 Erklärung ber Offenbarung Johaunis.
Sie rufen das Heilig dreimal aus: Daß dieß auf Pater,
Sohn und Geift Beziehung habe, ift fichtbar. Aber warum
gerad Heilig? — warum nicht auch Allmächtig, Gütig, Ges
recht u. f. w. Das Wort hagios, bei dem Jeſaias kadosch,
bedeutet eine Abfonderung von allen Dingen, und Beftimmung
zu einem gottesdienftlichen Zweck; wird ed aber von Gott
gebraucht, fo ſtellt es eine unerreichbare Hoheit in allen Zus
genden, eine folche Vollkommenheit vor, der fich endliche We—
fen zwar nähern, aber fie nicht erreichen Fünnen. ' Dahun
die vier Seraphim mit ihren Taufenden von Augen im Uns
grund der göttlichen Volllommenheiten nichts anders als
folhe Höhen fehen, die auch dem höchften Aufſchwung des
fechsflügelichten Seraphs ewig unerreichbar find, fo Tonnen
fie auch nichts anders als heilig! heilig! Heilig! rufen.
Daß anſtatt des Namens: Der ift, der war, und feyn
wird, die Worte, der ift, der war, und der fommt, ges
braucht werden, das bezieht fich auf den Zweck diefed Buchs,
welches eine Weiffagung auf die Zufunft des Herrn iſt — Sein
Kommen ift der Text der ganzen Offenbarung Johannis.
Der Here — Gott — der Allherrfcher, oder Allesregierer,
oder Alleserhalter, find die Namen deffen, der von jeher war,
jest ift, und nun bis zur Vollendung am Kommen BIENDE,
9, Und wenn die lebendigen Weſen Herrlichkeit, Chre
und Dank Dem geben, der auf dem Thron ſizt⸗ und
der von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt:
10. So fallen die vier und zwanzig Aelteſten vor ben.
der auf dem. ‚Thron fist, nieder, und.beten. den von
Ewigkeit zu Ewigkeit Lebenden an, und. legen dann
ihre Siegeskronen vor dem Thron hin und fagen:
14. Würdig bift du, Herr unſer Gott! Herrlichkeit, Ehre
‚and Macht anzunehmen: Denn Du haft alle Dinge
gefchaffen, und durch Deinen Willen waren fie, und
fie find geſchaffen worden.
Die vier Seraphim fi find die Anführer bei den hiumliſchen
Gottesverehrungen, weil fie die Repraͤſentanten des ganzen
Alls ſind; wenn ſie nun in ihrem Jubel ſo hoch ſteigen, daß
u a ————
ee ——— ———
Rap a. DB 9b 1. 111
fie vom dreimal heilig, fih im Triumph zum Herrlichkeits
Ehre: und Danfgeben emporfhwingen, fo ſtimme auch) die
Standmänner der Menſchheit mit ein; fie finfen von ihren
Thronen auf die Knie nieder, legen ihre Kronen ab, und im
tiefften Gefühl der Heiligkeit, Herrlichkeit, Ehre und Macht
Gottes des ewiglebenden Weltbenerrfchers, ſtimmen fie mit
den Serahim in den Jubel ein, und bekennen, daß Er allein
des Preißes, der Herrlichkeit, der Ehre und der Macht werth
fey: Denn Er habe ja alle die Wunder der Unermeßlichkeit
geihaffen, und blos fein Wille habe fie hervorgebracht. ..
Es bedarf nur einer ftillen, ruhigen Betrachtung und Vor:
ftellung diefes erhabenen Gefihts, um von einem - Gefühl,
von einer Empfindung durchdrungen zu werden, die alles bei
weitem hinter fi) laͤßt, was irgend die Phantafie der größten
Dichter hervorbringen kann! — Und wie paſſend, wie über:
einftimmend ift diefes Alles mit dem ganzen Mort Gottes! —
Mer da noch an der göttlichen Eingebung zweifeln Fann, dem
ift nicht zu helfen.
112 Grflärung: der Offenbarung Johannis.
"pas Hänfke Kapitel. — os
4. ff if ra in der rechten Hand des auf ein Thron
Sitzenden ein inwendig und auswendig beſchriebenes
mit ſieben Siegeln verfiegeltes Bad),
2. Und ich fahe einen ſtarken Engel, der mit “großer
„Stimme rief: Wer ift würdig das Buch zu Offen,
"und feine Siegel zu loſen?
— Und niemand, weder. im, Himmel och auf Erden, mod)
“unter der. ‚Erden, konnte weder das AAN DRRAT, ud
8 befehen... ä u
„Nachdem und. der erhabene Sehen * — herr⸗
—* Schauplatz der hohen Offenbarung beſchrieben und
uns die Hauptperſonen auf demſelben gezeigt hat, ſo faͤhrt
er nun fort, und beſchreibt auch die Handlungen, die er da
ſahe. Hier fängt alſo die eigentliche Offenbarung der Ges
heimniffe Gottes an.
Er bemerkte nun zuerfi, daß Jehovah eine inwendig und
auswendig befchriebene Papierrolle in der rechten Hand hielt,
die aber mit fieben Siegelu.verfiegelt war.
BIST
Zu Johannis Zeiten bediente man ſich des egyptifchen Pas
piers, welches aus dem Baft des Papierrohrs eben in foldye
Platten geformt wurde, wie auch unfere Bogen Papier ges
formt werden. Man hatte aber vermuthlich auch ſchon Pers
gament; aus einem von beiden wurden die viereckigten Stüde
der Länge nach aneinander geleimt, befchrieben, und dann
zufammen gerollt. Diefe Einrihtung hatte nun auch das
merfwärdige Buch, von dem hier die Nede iſt; das Ende
aber war der Länge der Rolle nach mit fieben Siegen vers
fhloffen, fo daß man fie alle fieben öffnen mußte, ehe man
es lefen koönnte; es enthielt die ganze Gefihichte der chriftli=
chen Religion, von ihrer Stiftung an, bie zu ihrem endlichen
u ee Er ee * —
u u u
Kap. 8. Bl. bis 30 115
Triumph am) Ziel; oder vielmehr: Es enthielt den vorher
beftimmten Rathſchluß Gottes, den Entwurf zu dem dreien
Hauptlämpfen zwifchen dem Licht und der Finſterniß, durch)
deffen Ausführung danıı erft die Geſchichte der chriſtlichen
Religion entſtehen folltes |
"Daß dieſe Rolle auswendig und inwendig vollgefchrieben
war, zeigt an, daß auch der ganze Zeitlauf des nenen Tes
ſtaments mir merkwürdigen Borpilleii ganzangefüllt feyn wird;
dad Papier der Zeit wird: * N und een: *
—** ſeyn.
Daß die ſieben Siegel alle PRPETIREN dur der Rolle, längs
das Ende hinauf aufgedruckt find, und nicht durch die ganze
Rolle gehen, fo daß man fehon ein Stück leſen Fann, wenn
eins gedffner ift, ift daraus Klar, weil die erſten ſechs Siegel
einen Fleinen Zeitraum, von diefer Offenbarung at nur noch
etwas über 206 Jahr einnehmen, und das fiebente Siegel
alsdann über 1600 Jahre, folglich 5* die ganze Rolle
enthält:
Will man aber auch annehmen, die große Rolle des fiebens
ten Siegels fey zuinnerſt und verfiegelt gewefen: Diefe habe
die fechöte umgeben, und diefe die fünfte, u. f. w. fo daß
jedes Siegel ein eigenes Stuͤck Papier ausmachte, das um
bier Rolle gewickelt war, fo hab ich "auch nichts dagegen eins
zuwenden, denn es kommt nichts darauf anz indeſſen ift es
nicht wahrfcheinlich, weil alsddaun Johannes vor dem Eröffs
new die fieben Siegel nicht fehen konnte.
Da alle Offenbarungen Gottes an die Menfchen durch den
heiligen Geift expedirt werden, fo läßt fich auch leicht begrei-
fen, woher die fieben Siegel fommen? dent jeder von den
fieben Geifern Gottes hat das Seinige aufgedrudt:
Mun erſcheint der Herold des Himmels’ — ein ftarfer En:
gel ruft durch die ganze Schöpfung aus: Wer ift kuͤhn genug,
wer hat das Herz und das Vernidgen, das Buch zu öffnen
und zu eutſiegelu! — wer iſt dazu würdig? — Daß diefer
Engel ftark ſeyn mußte, wenn feine Stimme die ganze Schdz
pfung durchtönen, und er von allen Weſen gehört werden
ſollte, das verfteht ſich doch von ſelbſt. Allein allenthalben
Stillings ſammtl. Schriften. III. Banp; 8
114 Grflärung der Offenbarung Johaunnis.
war. tiefe Stille — Fein Himmelöbürger, ‚ein Erdebewohner,
Feiner im. Hades, Fein; Abseſchiedener — Niemand! Niemand
meldete fich.
Man muß ſich ja nicht heran, daß dieſer Engel und
fein Ausruf ein bloßes leeres Bild geweſen ſey — mein!
feine Stimme ertonte gegen das Ende diefes erften Jahrhun⸗
dertö fehr laut; die erſten Chriften ſtunden in den Gedanfen,
es würde, num ‚mit der. chriftlichen‘ Religion immer vorwärts
gehen, und die Aelteſten unter, ihnen würden die Zufunft des
Herrn zu feinem herrlichen Reich nod) erleben: Als nun aber;
das erfte Jahrhundert auf die Neige ging, und ſich zu allen
diefen Erwartungen nicht der. geringfte Anfchein zeigte, ob
fih gleich die chriftliche Religion erſtaunlich gefhwind und
bis in die eutlegenften Laͤnder au£breitete, fondern ihre Ans
hänger gedrüct, verfolgt und auf die graufamfte Weiſe hins
gerichtet wurden, ſo entftand natürlicher Weiſe unter allen
Chriften ein allgemeines Sehnen, Aengften und Ringen nad)
Licht und nach Aufſchluß uͤber dieß Geheimniß; man fonnte
nicht begreifen⸗ wie das in allen Laſtern verſunkene Heiden⸗
thum herrſchen, fiegen, und über. das Chriſtenthum den Meis
fter fpielen könne. ‚Das ſchien der Gerechtigkeit und Wahrheit
Gottes zuwider zu feyn. Hier tritt alfo nun ein jtarfer Engel
als Herold und Sachwalter der Menfchheit auf, und ruft:
Iſt denn Fein Wefen in der ganzen Natur, welches das Ge:
heimniß des göttlichen Rathſchluſſes uͤber Chriſtum und fein
Reich enthüllen, und feinen, wahren Verehrerm zeigen Tonne,
was denn endlich aus der- Sache werden follıe ?
Dieſes Gefchrei der gefammten Chriftenheit wurde: immer
ftärfer,, und war, vermuthlich jegt aufs hoͤchſte geftiegen; da⸗
her fand auch der Herr für gut, feinem Liebling, dem Johan⸗
nes, den Inhalt des verfiegelten Buchs in diefer Offenbarung
fund zu machen, Damit er, als noch lebender Apoftel, der
überall den größten Kredit-hatte, die Gemüther defto eher
beruhigen möchte. :«Diefer Zweck wurde auch vollkommen er:
reicht: ‚Denn fo dunkel auch dieje Weiffagung ift, fo leuchter
doch der Satz, daß die hriftliche Religion noch lange Zeit
manche Sichtungen und Laͤuterungen durchgehen muͤßte, doch
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ne Due en en ze U. = —
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aber am Eude herrlich fiegen würde, "aus allen dieſen majes
ſtaͤtiſchen Bildern, den Chriften aller Zeit fo lebhaft in die
Augen, daß jedermann, der nur Vertrauen auf Gott und ſei⸗
nen Erloͤſer harte, ſich volllommen dabei beruhigen konnte.
Vermuthlich erkundigte man ſich auch damals allgemein bei
lebenden erleuchteten Männern, in den Schriften der Verſtor⸗
benen, und wendete ſich haͤufig im Geber zu Gott, un Aus:
Funft über dieſe dunkeln Umftände zu finden, und man fand
Feine ; weder im Himmel noch auf Erden, noch inter der Er:
den zeigte fi) jemand, der das Bud) —* OEM
entfiegeln konnte.
4, Und ich weinte fehr, daß niemand wirdig gefunden
wurde, das Bud) zu Öffnen und es zu ſehen.
5. Und. einer. aus den Melteften ſprach zu mic; Weine
nicht! Siebe! der Lowe aus. dem Stamme Juda,
die Wurzel, Davids, hat überwunden, um dag Re
and feine fieben Eiegel zu eröffuen.
6. Und ich fahe in der Mitte des Throns, und der. vier
lebendigen Wefen, und in der Mitte der Aelteſten, ein
Lamm ftehen, als wenn es gefchlachtet wire; „welches
ſieben Hörner und fieben Augen hätte: diefe find die
‚Über die ganze Erde gefandte fieben Geiſter Gottes.
7. Und es kam und nahm das. Buch aus der Rechten deffen,
„ber. auf dem Thron ſaß.
Bei dem heiligen Seher machte es tiefen Eindruck, daß
ſich niemand fand, der das Buch öffnen und leſen konute; er
weinte ſehr — hieraus erhellet, wie groß damals das allges
meine Sehnen nad Licht in dieſer Dunfelyeit war; ſelbſt
Sohannes, der. den Herrn fo wohl gekaunt, und feine Reden
gehöre und fo wohl bepalten parte, wurde vom Geift der Zeit
tief gebeugt, und wußte nicht mehr, wo es hinaus wollte? —
er ſaß im Elend auf der Inſel Parmos, und Domitiaus
Verfolgung wuͤthete graufam unter feinen Glaubensgenoſſen.
Hier jahe er nun das Mitrel, wie man Troft und Erkenntniß
über: die Schieffale der Religion würde befommen koͤnnen,
und ſiehe da — Fein Wen in der ganzen Natur fonute das
s *
116 Erklärung ber Offenbarung Sohannis.
Räthfel, enthuͤllen, darum, weinte er fehr. Wenn ‚aber die
Noth am, größten ift, fo ift Gottes Hülfe am naͤchſten.
Einer von den Nelteften redete den Apoftel an, und: erins
nerte ihn an: die alte Weiffagungen Mofis und Sefajä, gleich
als ‚wenn. er, fagen wollte: Denkſt du denn nicht daran, was
Jehovah durch die heiligen Erzväter und; Propheten: vers
fprochen, hat, ‚daß Zuda ein Low feyn und ſiegen würde?
L: Br Moſ. 49. Br 9. und daß ein Wurzelzweig Davids aus
den Stamm Iſai aufgehen und Frucht bringen, und daß auf
ihm. der, fiebenfache Geift des Heren ruhen würde? Jeſ. 11.
V. 1. u. f. — Diefer hat nun überwunden. Er hat wie ein
Low den Tod und die Hölle befiegt, und hat das Gefängniß
gefaugen gefuͤhrt, dieſer vermag die Siegel zu brechen und
das Buch zu leſen, darum weine nicht!
Dieß beruhigte den Seher, und nun entwickelte ſt ch auch
das Raͤthſel: Denn mitten im Thron, im Mittelpunkte der
Spttheit, erfchien ein Lamm, welches zwar lebte, aber doc)
noch die Wunde vom Schlachten an fid) hatte. Dies Lamm
hatte fieben Hörner und fieben Augen. Es ift befannt, daß
das Horn in der heiligen Schrift im finnbildlihen Verftand
eine Macht, eine Stärke, und bei den Propheten bald einen
König, bald auch ein Königreich bedeutete; man lefe nur deu
Propheten Daniel, fo wird man davon überzeugt werden;
auch David ald Dichter gedenkt des Horns feines Heils, als
der göttlichen Macht, die ihm beiftand. Dieß Lamm hat
alfo fieben Mächte; daß damit auf die fieben Gemeinden des
neuen Zeflaments gezielt wird, ift unlaugbar : wenn man
meine Erklärung der fieben Briefe im vorhergehenden gelefen
hat, fo wird man dieſe fieben Mächte leicht erfennen; fie find
aber ‚alle lammsartig, fie Fampfen und fiegen, durch Dulden
und Schweigen, ‚Leiden und Meiden. Aber durch nichts in
der Welt kann auch die Macht der Hölle befier gebandigt
werden, ald durch diefen himmlifchen Lammscharakter, der
macht alle Waffen ftumpf, und die ewige Glut der Hölle
zum fühlen Thau. Auch der, Löwe aus dem Stamm Juda
kaͤmpft nicht durch Menfchenmord, fondern er läßt feine Feinde
ihre eigene Wege gehen, und vertheidigt nur die Seinigen;
Kap, 5 V. 4 bis guurbli . 117
zugleich’ aber weiß er jene fo zu führen, daß fie immer in die
Grube fallen, die fie andern gegraben haben, und fich felbft
untereinander aufreiben. Auf diefe Weiſe müfjen fie ſich herz
nach felbft die Schuld geben, und * van Sort und ac
Gerechtigkeit verherrlichen..
Was die fieben Augen des Lammes bedeuten, das ſagt uns
der Seher felbft; denn er weist und auf den Propheten Zacha⸗
ria, Kap. 5. V. 9. und Kap. 4. ®. 10. Sn der erſten Stelle
wird eines Steins gedacht, der fieben Augen hat, und in der
legteren heißen fie die Augen ded Jehovah, die dad ganze
Land durchziehen. Die fieben Geifter Gortes find alſo die
Augen des Lammes! — Das will viel jagen! — Wer kann
da mehr an der Göttlichkeit der Perfon zweifeln, die das
Lamm vorftelle? — Warum zeigt ſich aber wohl hier der
große Entfiegler der göttlichen Geheimniffe nicht ald Löwe,
fondern ald Lamm? — befonderd da ihn auch der Xeltefte
ald den Sieger aus dem Stamm Juda ankündige? — Ants
wort; Er befommt feine Wiürdigkeit, das Buch zu eröffnen
und feine Siegel zu löfen, nicht ald Sieger über den Drachen,
die alte Schlange, über Tod, und Hölle, fondern als Verſoͤh⸗
ner der Menfchen mit Gott. Er, der die Menfchheit aus
der Gewalt des Drachen mit feinem Blut erfauft hat, befam
auc dadurch) allein das Recht, den Kriegsplan gegen diefen
Hauptfeind einzufehen, um ſich in der Ausführung, die ihm
ja deswegen auch allein zufommt, ald Löwe aus dem Stamm
Juda darnach richten zu koͤnnen. Er zeigt fih alſo hier fehr-
ſchicklich und paſſend als Verſoͤhnopfer. Daß ihn aber der
Aeltefte als Sieger oder als Löwe anfündigt, gefchieht um
den Johannes zu tröften: Weine nicht, will er fagen, Er
wurde als Lamm igefchlachtet, aber in feiner Auferftehung
uͤberwaud Er als Loͤwe. Er wird euch auch jeßt nicht ſtecken
laffen, fondern euch retten; denn Er hat bishef überwunden,
und wird auch ferner überwinden, “
Daß Er fich unter dem Bild des Oſterlamms zeigte, durch
defien Blut die Sfraeliten in der legten und fchredlichiten
Plage der Egypter gereitet wurden, iſt and) tröftlichs wir
baben auch ein Oſterlamm weldpes der für, und geopferte
118 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Chriſtus iſt; fein Blut wird. ung auch gegen alle Gerichte
Gottes uͤber feine und unſere Feinde ſchuͤtzen. — Aber wer
nur dieß Blur gering ſchaͤtzt, und nichts von Verföhnung *
ſen will, deſſen erbarme ſich Gott!
Dieſes merkwuͤrdige ſiebenaugichte Lamm fuͤhlt ſeine Wuͤrde⸗
es darf fich wem „u. der auf dem Thron ſitzt, nahen, thut es
auch wirklich, und nimmt die Rolle aus der Hand des Alle
herrſchers zu fi,
8. Und als es das Bud) nahm, fielen die vier Tebendigen
"Wefen, und die bier und zwanzig Nelteften vor dem
Lamm hieder; jeder hatte eine Harfe, und fie hatten
"goldene Schäafen, mit Rauchwerk argefüllt, welche
die Gebete der Heiligen find.
9, Und fie ſungen ein neues Lied, und fprahen: Wür—
Dig biſt Du, das Buch zu nehmen, und feine Eiegel
zu eröffuän: Weil du dich haft fchlachten laffen, und
uns mit dem Blut aus allen Stämmen, Sprachen,
Vbolkern und Heiden erkauft haft,
10, Und haft fie unferm Gott zu Königen und Prieftern
gemacht, und fie werden auf der Erde regieren,
Hier kann man fehen, wie vielen Antheil die ganze Schds
pfung au der Eröffnung der göttlichen Rathſchluͤſſe über den
allgemeinen Feind aller MWefen nimmt — die ganze Kreatur
feufzte unter dem Dienft: der Eitelkeit, und ſehnt fih nad)
der Sreiheit der Kinder Gottes ; durd) die Eröffnung des Buchs
aber ſoll fie. nun Hoffnung und Gewißheit befommen, daß
endlich alle Feinde befiegt werden, ‚und die Heiligen die Welt
regieren. follen: darum fielen. auch erft die vier Seraphim als
Repräfentanten der ganzen Natur, hernach auch die Staud⸗
maͤuner der Meuſchheit vor dem Lamm nieper es anzubeten
und ihm zu danken.
Hier kann man ſehen, ob Chriſtus muͤſſe angebetet werden
oder nicht.
Das Wort, welches hier durch Harfe uͤberſetzt iſt, bedeu⸗
tet ein Saiteninſtrument, welches mit den Fingeru gefpielt:
wird, und dient zu Jubel⸗ und Lobgefängen; was die Schaa⸗
’
— —
An nn une Zn
ae re Kr er
REBEL 0119
„ Ten mit dem Rauchpulver bedeuten, das fagt uns der Apoftel
felbft, fie ſtellen die Gebete der Heiligen vor; dieſe Nepräs
fentanten der. Menſchheit bringen alfo der Frommen Gebete
vor Gott. Hier ſieht man, daß im jenen bedsängten Zeiten
brünftige Seufzer um Hilfe, Rettung und Aufſchluß über die
dunkle Zukunft zu Gott empor geftiegen feyn muͤſſen.
Nun wurden auch die Harfen gebraucht; alle zufammen
fungen ein neues, noch nie gefungenes Lied, das Lied des
Lamms. Kap. 15. ®. 3. Cie hatten Aber auch noch mehr
Urfache dazu, als ehemals David Pf. 40. V. 4. und Pf. 96.
2. 1, ferner Pf. 98. B. 1. Jeſaias verfündigt dies neue
Lied vorher. Kap. 42. V. 10. Dieß ganze Kapitel gehört
hieher, und muß hier gelefen werden.
Sch erinnerte fchon oben, daß ſich Ehriftus hier um feines
großen Opfers willen ald Ofterlamm zeigt, und daß Er um
eben dieſes Opfers und um des Erlöfungswerf willen allein
wirdig fey, das Buch der görelihen Rathſchluͤſſe zu enthuͤllen,
und fie auszuführen, hier wird das außer allen Zweifel ges
ſetzt: Deun die hoben Vorfänger, die vier Seraphim und
dad ganze Ehor der Aelteften Tagen es ausdruͤcklich. — Der
Inhalt ihres ganzen Lieds ift: Du Lamm Gottes, das der
Melt Sünde trug, biſt deßwegen würdig, weil du un verjühnt
und mit deinem Blur erfauft haft, u. ſ. w.
Dann finden wir auch'hier den Beweis, daß die vier und
zwanzig Aelteften nicht erwa das Volk Iſrael oder fonft irgend
eine Nation, fondern.die Chriften und gortesfürchtigen Mens
[hen aus allen Gefchlechrern der ganzen Erde vorftellen.
Du haft uns aus allen Stämmen, Sprachen, Völkern und
Nationen mir deinem Blur erfauftz; und Dir und. unferm
Gott ein Königreich und Priejtertyum daraus bereitet, das —
man merke dieß wohl! — hier auf Erden herrfchen fol —
und man kann noch an dem herrlichen Reich Chriſti auf Erz
den zweifeln? —
Hierzu gefellen fich nun aud) die Here des Himmels:
1. Und ich fahe und hörte die Etimme vieler Engel um
den Thron, die vier Nahen Wefen und die Aelte⸗
120 Erklärung der Offenbarung Johannis.
ften her, und ihre Zahl war viel zehn tauſendmal
zehn taufend, und viel tauſendmal tauſend.
412. Die fprachen mit großer Stimme: Würdig iſt das
gefhlachtete Lamın, Macht, Reichthum, Weisheit,
Gtärfe, Ehre, Herrlichkeit und Lob zu nehmen,
Der Prophet Daniel erzäplt Kap. 7. V. 10, feiner Weifs
fagung, daß er den Nichter der Welten auf feinem Slammenz
thron gejehen habe, und daß ihm taufendmal Taufende gedient,
und zehntaufendmal zehn Taufend vor Ihm geftanden hätten,
Auf diefe Stelle zielt hier auch der heilige Seher, und fagts
Diefe Zebaoth — diefe Heere hätten in die Verherrlichung
des Lammes mit eingeftimmt,
Hier. ift aber wohl zu merken, daß dieſe Engel nicht —3
Du haſt uns erkauft, — ſondern nur, Du biſt aller der Herr⸗
lichkeit würdig — daraus folgt, daß die Engel nicht vollen⸗
dete ſelige Menſchen, ſondern von uns verſchiedene Weſen
ſind. Ich fuͤhre dieß deswegen an, weil mehrere erleuchtete
Maͤnner dafuͤr halten, es gebe Feine andere Engel, als vol⸗
lendete Gerechte, ob dieſe gleich auch eine beſondere Klaſſe
von Engeln ausmachen werden. Er nimmt nicht irgend die
Engel an ſich, ſondern nur den geiſt + und welcuchen Saa⸗
men Abrahams.
Dieſe Heere verherrlichen das Lamm mit einem ——
Lobſpruch: Du biſt wuͤrdig zu nehmen: 1) Macht, 2) Reiche
thum, 3) Weisheit, 4) Staͤrke, 5) Ehre, 6) Herrlichkeit, und
7) ob, Dieſes paßt auf die fieben Augen des Lamm, das
ift, auf die fieben Geifter Gottes: Der Geiſt des ‚Herrn ift
maͤchtig, an Weisheit reich, am DVerftand weife, an Rath⸗
ſchluͤſſen ſtark, an Stärke ehrenvoll, an Erfenntniß herrlich,
und in der Furcht des Herrn lobenswuͤrdig. Erſt preißt die
Menfchheit ihren Erloſer, diefe hat auch vor allen Kreaturen
am mehreften Urſach dazu; dann folgen alle BG
und uun endlich alle Geſchoͤpfe.
15. Und jedes Geſchoͤpf, das im Himmel, auf der Erden,
unter der Erden, im Meer, und was in ihnen iſt,
alles hörte ich fagen: Dem, der auf dem Thron ſitzt,
und dem Lamm, fey der Dank, die Ehre, die
Herrlichkeit, und die Gewalt in bie Ewigkeit
der Ewigkeiten.
1/41. Und die vier lebendigen Wefen ſprachen: Amen! und
die Welteften fielen nieder und beteten an,
Man beherzige hier, was ich oben über den Sten Vers ges
fagt habe! Die ganze Kreatur nimmt den größten Antheil
an der Erlöfung und der Erlöfungsfchicialen der Menfchen;
denn das Alles, was Beziehung auf den Menfchen hat, hatte
auch Beziehung auf fie.
Die Schöpfung hat vier Repräfentanten am Thron Gottes,
die vier Seraphim, und bier ift aud) eine vierfache Derchs
rung: — 1) Danf, 2) Ehre, 5) Herrlichkeit, und 4) Gewalt.
Der kraftvolle Löwe bringt Gewalt, das gemeinnügige Opfers
thier Ehre, der Menfchenähnliche Seraph Herrlichkeit, und
der vollendete Adler Danf, bis in die ewigen Ewigkeiten hinein,
Die. vier lebendigen Weſen fprechen. zur Gottesverehrung
Amen! fie fangen fie an, und endigen. fie — dieß kommt
ihnen aber auch zu, weil fie alled vorftellen, was außer. Gott
und nicht, Gott ift; das gefallene Engelreich hat hier Feinen
Stellverwefer, es bedarf aber auch Feinen und will feinen.
An die vier Seraphim ſchließen fih. dann die vier, und zwanzig
Aelteſten wieder betend an... Auf diefe Weife wurde das Bud)
der göttlichen Rathſchluͤſſe über die chriftliche Religion dem
‚ Stifter derfelben feierlich übertragen; mit diefem Uebergang
befam Er aber auch den Auftrag, fie auszuführen, wie nun
in den folgenden Bildern. und Vorſtellungen gezeigt wird.
122 Erklärung der Offenbarung Johannis.
\
Das fehdte Kapitel.
1. Und ich fabe, daß das Lamm eins. von den fieben Sie⸗
geln eröffnete, und. ic) hörte eins son. den vier lebendis
gen Weſen, wie mit der Stimme des Donners ſagen:
up; — ſiehe! —
9, Und ich ſahe, und fiehe! ein weißes Pferd, und der,
Aral auf ihm faß, hatte einen Bogen, und es wurde
ihm eine Siegeskrone aegeben, und er zog als Uebers
winder aus, um zu überwinden.
Da nun hier die eigentliche Entwicklung des Geheimniffes
Gottes und Chrifti anfängt, fo müffen wir gewiffe Punkte
feftfegen, und ung in der ganzen Erklärung darnach richten.
1) Diefe ganze Weiffagung enthält nichts anders, als die.
bevorftehenden Schicfale der hriftlichen Religion, ihres Stifs
terd und ibrer Anhänger; denn hier foll den Kinechten Gottes
gezeigt werden, was 5* in Beziehung auf fie geſche⸗
ben foll.
2) Alle, auch noch fo wichtigen Vorfaͤlle in der Welt, ge—
hoͤren alſo nicht in dieſe Weiſſagung, wenn ſie keinen wich—
tigen Einfluß in die Religionsgeſchichte haben.
3) Die ganze Religionsgeſchichte beſteht aus nichts anders,
ald aus Kämpfen zwifchen dem Reich des Lichts und dem
Reich der Finfterniß, und den Siegen des Erften über das
Letzte. Aufenthalt, Prüfung und Fortfchritt der Verehrer
Jeſu hängt von diefen Kampfen und Siegen ab.
4) Befonders ift folgender Geſichtspunkt, in den wir ung
ftellen muͤſſen, wenn wir diefe hohe Offenbarung beurtheilen
und verftehen wollen, merkwürdig: Zur Zeit diefer Offenba—
rung war noch alles verfiegelt; das Zudenthum, die bisherige
einzige wahre Religion, war wider Vermuthen des Volks
Iſraels geftärze, und doch war ihm in feinen heiligen Urkuns
nen Kap. 6. V. 2 8. sh % 23
den fo vieles verheißen worden. Das Chriftenrbummwor und
wurde aufgebreitet, und man hoffte in demfelben und durch
daſſelbe Sieg und Triumph über, dad Heidenthum, und die
Errichtung eines‘ herrlichen Reichs Chriſti, das über die
ganze Erde verbreitet und herrfchend werden follte,, und fiehe
da! es ließ ſich allenthalben zum Gegentheil an, allenthalben
win ven die Chriften’fchredlich verfolgt und das Heidenthum
mit allen feinen Graͤueln fiegte. Dieß mahre die Chriften
in ihren Hoffnungen und Wuͤnſchen irre; die ganze Zukunft
war ihnen ein verfiegelted Buch, das nun niemand dffnen
konnte. Die große Frage: Iſt Jehovah der wahre Gott, der
Himmel und Erden erfchaffen hat, und ift Ehriftus der Gott:
menſch und Welterlöfer, wofür Er ſich ausgab, over it alles
lauter Täufchung ;' find alle Wunder, felbft feine Auferftes
bung, bloße Aeußerungen gewiffer, den Menſchen noch unbe:
kaunnten Naturfräfte gewefen? — Bleibt die ganze Beſchaf—
fenheit der Kraftsund Geifterwelt für ben Meufchen, dieſſeits
des Grabes wenigftens, ein verfiegelised Buch, und ift die
Menfchheit dazu beftimmt, fih mir Traum und Phaurajie,
mit Srrfal und Mythologie durchzuaı beiten, oder gibts nod)
einen Meg zur Wahrheit? — Der ganze Auſchein gab's,
daß es mit allem, was die Bibel jagt, fo ficher nicht jtehe —
dieß fegte nun alles; was Chriftum befannte, in die ſchreck—
lichfte Verlegenpeit, und den Juden irı Wuth und Verzweiflung.
5) Aus dem allen folgt, daß nur allein der große Punfr:
Ob das Ehriftenthum, oder das Hoeidenthum ſiegen werde ?
verfiegelt war; daher wird dieſe Frage durch die Eröffnung
der ſieben Siegel beantwortet; in den fechd erften wird der
vollendete Sieg des Chriſtenthums über das Heidenthum ges
offenbart, und daB Siebente zeigjt dann die Schicjale der
- Ehriftenheit felbft, nachdem das Hıridenthum geftürze und gez
richtet worden, Nach diefer Borberreitung koͤnnen wir nun zur
Erklärung fortgehen.
Das Lamm begann die Erbrechung der Siegel, und ſo—
bald es dad Erfie erdffnete, rief einer der vier Seraphim,
oder vielmehr der Erſte, nemlich der mit der Löwengeftalt,
im Ton eines brüllenden Donners::. Komm? fiehe! Johannes
12% Erklärung ‚der Offenbarung Johannis.
trat näher, und fahe ein weißes Pferd, auf diefem faß Einer,
der. einen Bogen in der Hand hatte. Der verklaͤrte Bengel
haͤlt den roͤmiſchen Kaiſer Trajan für diefen Reiter; allein er
ſowohl ale feine. Nachfolger mögen mir verzeihen, daß ic)
ihnen. hier "widerfprechen muß. — Diefer' Reiter auf dem
weißen Pferd ift niemand ald der Herr Chriftus ſelbſt; hier
zieht Er zun großen Kampf aus, als der wahre Löwe von
Juda, und Kap. 19. V. 11. bid 16. kommt Er im Triumph
wieder; es iſt gar nicht daran zu zweifeln, daß beide. eine
und die nämliche Perfon vorftellen. Daß Trajan nicht dars
„unter verfianden werden koͤnne, beweißt: I) Weil alle. Siege
dieſes Kaiferd gar feinen Bezug auf die Chriftenheit nicht
einmal einen merklichen Einfluß auf fie hatt:n, und eben fo
wenig trugen feine Siege zum Sturz des Heidenthums ets
was bei: 2) waren auch diefe Siege fo vorübergehend , wie
ein Strohfeuer, fie find Feineswegs fo wichtig, daß fie würdig
wären, mit einem. befondern Siegel im Buch der göttlichen
Rathſchluͤſſe verfiegelt zu werden; 3) mußte nothwendig durd)
die wirkliche Erdffuung eines ſolchen Siegels in der Natur,
jeder wahre Chrift die Enthuͤllung eines bisher verborgenen
wichtigen Geheimniffes erfahren, und darüber belehrt werden ;
— das war aber bei Zirajan Feineswegs der Fall — feine
Siege machten. den‘ Chriften die Sache noch dunkler; und
endlich 4) wie Fann der |heidnifche ‚Eroberer, deſſen Kriege
und Siege weiter feinen Grund hatten, als fein Reich zu
erweitern und feinen Ruhm zu verewigen, und der zu dem
Ende viele Tauſend Menfchenfeelen für nichts und wieder
' nichts in die Ewigkeit ſchickte/ im Himmel mit einer Gies
geöfrone belohnt werden? —- Der Gedanke ift ja empüdrend —
dad hieß ja dergleichen Krivge billigen! Uebrigens war Tra⸗
jan ein guter Regent, und überhaupt ein edler Mann.
Chriſtus ifts, der hier zum Kampf auszieht, und auf einem
weißen Pferd fit. Das weiße Pferd ift das Bild des Siegs,
es mußte alfo gleich bei deirı erften Anblick den Seher tröften.
Es ift bemerkeuswerth, daß hier-und bei den drei folgenden
Siegeln immer des Pferds zuerfb gedacht wird — ic) fahe
ein weiß, voth, ſchwarz, fahl Pferd, und der, der darauf
| hr
If are Bier. urn! 125
faß 10. — dieß gefchieht deswegen, weil das Pferd bezeichnet,
wer ber ift, ber darauf fit. Das weiße Pferd iſt das Bild
des Siege, folglich der darauf fit ein Sieger. Dieſer ins
Feld ruͤckende Held hatte einen Bogen! — Warum? Er Fämpft
ja mit denn Schwert feines’ Mundes, wie kommt er denn hier
zum Bogen ? — Das finden wir Jeſ. 49. V. wo es heißt:
Und er hat meinen’ Mund zum ſcharfen Schwert gemacht —
waher! das "Schwert feines Mundes) und er hat mich zu eis
nem ſauberen Pfeil geordnet, und mich in feinem Köcher vers
borgen: > Der Bogen, der dieſe Pfeile abdruͤckt, mid die Pfeile
feldft bedeuten in diefer Beziehung Eins und das Nämliche z
fie ſind Waffen zum Vortheil der Religion; das Schwert
wirkt in der Naͤhe, Bogen und: Pfeile in ver Ferne; das
Schwert verwundet auf der Auffenfeite wenn es zum Hieb
gebraucht wird, u Pfeil faͤhrt aber in dei Ferue ha durchs
bohrt das Herz.
Beſonders aber el hier der Bogen mit den pfeifen die
Ausbreitung der chriftlichen Religion in der Ferue vor; denn
- im der fo eben angeführten Stelle des Jeſajas bedeuten fie
die Predigt von der Wahrheit der Religion, eben fo, wie hier:
Chriſtus zieht hier aus, um mit den Pfeilen des Glaubens
den’ Aberglauben des Heidenthums zu bekämpfen, “es ift ein
Kampf deriBernunft gegen die Unvernunftz man kann ihm
die Worte des Föniglichen Dichters Pi 45. V. 4 5! 6. zus
rufen: Gürte dein Schwert an. deine Hüfte, o Held! deine
Majeftät und deine Herrlichkeit. Und teite mit Vortheil auf
dem Mort der Wahrheit, und auf der rechtfertigen Eanftz
muth, fo wird dich deine rechte Hand erftaunliche Dinge lehren.
Deine Pfeile find ſcharf, Völker folfen vor dir 'niederfallen ;
fl ie treffen ind Herz der Feinde des Koͤnigs.
Dann wurde diefem Helden, wie er ins Feld ruͤckt, -eine
Siegeskrone gegeben; dieß gefchieht deöwegen, weil er jeßt
bei denn Auszug: ſchou Heberwinder des Judenthums ift, folgs
lich ‚eine Siegeskrone verdient hat, ‚die Er auch den ganzen
Krieg durch) trägt, bis noch mehrere Kronen dazu kom⸗
men, Kap. 19. V. 12. Man kann auch annehmen, dag Er
ſich dieſe Krone durch feine Ueberwindung des. Todes ers
126 Erklärung der Offenbarung Johannis.
zungen habe; indeffen ift doch der: erfte Sddante ra
paflender. ı «
‚Er zieht als Ueberwinder aus, um: zu 9 — am
Sieg iſt nicht zu zweifeln; — Er zieht mehr hin, zu uͤber⸗
winden, als zu kaͤmpfen. Jetzt will Er die Pfeile brauchen
zur Bekehrung der Voͤlker; zur Beſtrafung ſeiner Feinde *
braucht Er dann das Schwert ſeines Mundes. er
Ob nun diefes erſte Siegel erfüllt: worden, und sin: wie —4
hem Grad das geſchehen ſey? — das laſſe man ſich nur den
beruͤhmten Gibbon in ſeiner Geſchichte der Abnahme und des
Falls des roͤmiſchen Reichs erzaͤhlen, und dieſem Manu kann
man gewiß glauben, wenn er etwas zum Vortheil der chriſt⸗
lichen Religion ſagt. Der Fortſchritt der Bekehrung war er⸗
ſtaunlich und unbegreiflich. Gottfried Aruold hat im ſeiner
Kirchen = und Ketzerhiſtorie die Zeugniſſe daruͤber geſammelt.
Sa wahrlich! Er zog aus zu uͤberwinden, und, uͤberwand:
Erſt ſtuͤrzte Er den Aberglauben, und endlich alleheidnifche
Gottheiten vom Olymph herab. Er felbft kaͤmpft nicht dur)
ſchwere Zorngerichte, das uͤberlaͤßt Er feinen drei Adjutanten,
die ‚nun, auf Ihu folgen. — Er iſt uicht gekommen, jemand
unglücklich. zu machen, felbiti feine ſchrecklichſten und grimmig⸗
fen Feinde nicht, das überläßt Er-denen;, die dem Auftrag
dazu ‚haben, das Schwert feines Mundes ſpricht das Urtheil,
und dann gibts Ausführen diefer Urtheile; daran fehlts nicht.
3. Und da es das zweite Siegel eröffnete : hörte ich das
zweite lebendige Weſen ſagen: Komm! Ay
4. Und es ging ein anderes feuerrothes Pferd beraus,
und dem, der darauf ſaß, wurde gegeben, den Frie—
den von "der Erde zu nehmen, damit fie fi ch unters
einander fihlachteten, und es wurde ihm ein ‚großes
Schwert gegeben. | ua
So wie der erfte Reiter weg genieen war, um nun ſein Ge⸗
ſchat zu beginnen, ſo eroͤffnete das Lamm auch das zweite
Siegel; ſo wie das geſchehen war, fo rief der zweite Ges:
raph, der die Geſtalt des Kalbes hatte: Komm! — Man
hat keinen Grund, zu beftimmen, gegen welche Weltgegend
'
2 GE nn a nen nn can desee
—
Er Be Mer
jedes lebendige Weſen feinen Stand hatte; 8 iſt aber auch
nicht ndthig weil es zur Erklaͤrung und zum befiern Ver⸗
ſtand nichts beitraͤgt. Johaumes war alſo auf die Seite ge⸗
gamgen, wo wer Loͤweuſeraph fand, und harte den Reiter auf
dein weißen. Pferd gejehen 5" jege rief ihm nun der Opferfes
raph zu welchem er auch hinging, und nun fahe er aus
der geheimnißvollen, nunmehro entjiegelten ea ein
feuerrorhes Pferd hervorſchreiten.
Pferde bedeuten in der biblifchen A atleg; ; das
weiße Pferd zielte auf den Kampf des Lichts mir der Zins
fterniß ; dieſes rothe aber bringt wirklichen Krieg; dieſer
Adjutant des großen Siegesfuͤrſten unterſtuͤtzt ihn nun mit
dem Schwert, er iſt der Eugel des Kriegs; — aber er
kaͤrupft nicht ſelbſt, ſondern er, leitet uun den Kampf der
Monſchen zum Beſten des Reichs Gottes; deun es heißt:
Ihm fey gegeben worden, den Frieden vonder, Erden zu
nehmen, aber keineswegs, die Menjchen aneinander zu beßen;
das Fönnen fie. felbft, wenn diefer himmlische, Held feine
Hard abzieht, und ihren Fürften Feine Gedanken des Fries
den? mehr ind Ohr lifpelt. Sein Schwert braucht er, nur
zum: fommanvdiren und vertheidigen ; die Meuſchen ſchlachten
ſich felbit.
Dieſer Kriegsengel hat aber noch einen andern Zweck,
— befonders der Opferſeraph zielt; es ſollte im Umſturz
des Heidenthums, oder des heidniſchen Roms, noch eine
Menge Blutzeugen augeworben werden, deren Seelen wir
im 9ten Vers unter dem Braudopferaltat wieder finden
feurige Berfolgungen m... die —* Ban und Kant
RER
Die, Erfüllung dieſes — Bildes ift belannt;
man leſe nur Gibbous oben angefuͤhrtes Werk, ſo bleibt
kein Zweifel. mehr uͤbrig. Bald nach dem Schreiben dieſer
bohen Offenbarung, noch bei Lebzeiten Johannis, Fam Tra⸗
jan auf den Kaiferrhronz er eroberte ‚vieles in. den Morgens
laͤndern, aber bald nach ihm ging auch alles wieder verlo⸗
ven. Unter Trajans Regierung machte der Reiter auf dem
weißen Pferd noch weit größere Eroberuugen, ſeine Pfeile
128 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
fliegen in alle bekannte Laͤnder, uͤberall ſiegte die chriſtliche
Religion; das, was das erſte Siegel verdeckt hatte, das
konnte num jedermann leſen: Nun kam aber auch der rothe
Reiter dazu; denn von nun an gabs keinen dauerhaften Fries
den mehr, er wurde von der Erde wegenommen, und innere
Buͤrgerkriege wechſelten mit den auslaͤndiſchen immer: ab; nft
wuͤtheten auch beide zugleich, und das ſo lange, bis endlich
das Heidenthum auf immer beſiegt unterlag, und die chriſt⸗
liche Religion unter Conſtantin und ſeinen Nachfolgern herr⸗
ſchend wurde. Zacharias ſahe auch einmal einen ſolchen ro⸗
— * —* der kanun wohl der —* ie ar sr
\)
5. und F— er das dritte Segel helfe, ‚ hörte i Bas
"dritte lebendige Weſen ſagen: Komm! — und ich ſahe,
und ſiehe! ein ſchwarz Pferd, und der auf ihm ſaß,
— Ba eine Wage in dev Hand.
6. Und ich hörte eine Stimme ans der Mitte der bier: les
beudigen Weſen ber, die ſprach: Ein Mäßchen Wais
zen um einen Zehner, und drei Mäßchen Gerfte um
9J— „einen zehnten, und Del und Wein verletze nicht.
uf den Kriegsengel folgt nun der zweite Adjutant: des
großen Siegers, er reitet: auf dem ſchwarzen Hunger, — aber
auch dieſer ift Fein Dienfchenverderber, das kann Fein Engel,
der, für Chriſtum kaͤmpft; er. hat: eine Wage, womit er jedem
ſo viel zuwiegt,. als en für. den: Tag braucht. Es verftehr ſich
aber auch von ſelbſt, daß man ſich an dieſen Joſeph wenden
maß, wenn man Brod haben, und nicht Hungers ſterben will.
Johannes mußte alfo noch ein Viertel des Zirkels, in dem
die: Helteften faßen, umgehen, als ihm der Menfchenferaph
zurief: Komm! — ser ging, und fahe nun aus dem ewigen
Dunkel auch. dieſen Sammerboten hervortraben Warum ihn
der Serapb mit dem Menfchengeficht hieher ruft, dad fcheint
deßwegen zu gefchehew, weil Dienfchenverftand zum Darwäs
gen des Brodes gehört, am. die Vertheilung täglich zu mas
chen, daß es denen, die Gott vertrauen, auch in der fchredfs
lichften Theurung und Hungersnoth nie mangeln Fan,
- Kay. 6. V. 5.6. 9. 189
Es ift artig, daß hier gleichfam eine ordentliche Brodfare
von der göttlichen Polizei publizirt wird: Alle vier Serappim,
die Repräfentanten der ganzen Natur, üben diefe Polizei aussi —
Beherzigt dieß, liebe Lefer! es ift außerordentlich merkwuͤrdig;
— Alles, Alles, die ganze Schöpfung trägt zur Führung
der Vorfehung mit bei, wer ihr nur feft vertraut, und ſich
immer an fie wendet, ber findet auch in der fchrecklichften
Theurung und Hungersnoth täglich fein Mäßchen Waizen,
oder feine drei Mäßchen Gerfte, je nachdem es noth thut,
Diefe Brodtare ift fo eingerichtet, daß jeder Taglöhner fiir
das, was er des Tages über verdient, fo viel Brod befoms
men Fanı, als er braucht. Aus Matth. 20. erhellet, daß
die Münze, welche ich hier Zehner überfegte, und in der
Grundfprache denation heißt, den gewöhnlichen Tagelohn
eines Arbeiters ausmachte, und eben fo ift der choinix Wai:
' zen, oder drei choinix Gerfte, ein Maß, womit man einen
Tag ordentlich ausfommen Fanın.
Diefe Stelle hat den Auslegern viel zu fchaffen gemacht,
weil fie eben Feine fonderliche Theurung darinnen finden; und
doch foll das Bild eine foihe Hungersnoth bedeuten, die das
heidnifcherömifche Reich zu Grund richten half, Das ganze
Berfehen liegt eben darinnen, daß man den Engel felbft für
den Bewirfer ded Hunger anfieht, welches doch nicht der
Fall ift, die Pferde find hier die Hauptbilder, denn es heiße‘
immer, ich fahe ein weiß, roth, fchwarz Pferd. Der Reis
ter felbft [hist die Frommen für dem Hunger durch feine
Wage, wie fein Borfahrer durch das Echwert vor dem Krieg.
Auch die Worte, Del und Wein verlege nicht, werden miß⸗
verſtanden; fie follen fo viel heißen: Gib acht, daß den Del-
bäumen und Weinftöcen fein Schaden zugefügt werde, damit
man doc) das Alles, was fie in der langen Theurung nur
tragen fünnen, erhalten möge.
Die Erfüllung diefes prophetifchen Bildes ift erftaunlich —
und bis zur höchften Evidenz überzeugend: Nachdem der
Krieg in der heidnifch = römischen Monarchie bei anderthalb
hundert Jahren abwechfelnd gewüthet hatte, und ed mit dem.
Lurxus und der Verfchwendung der Römer bis aufs höchfte
Stillings ſämmtl. Schriften. IH. Band. 9
150 Erklärung der Offenbarung Sohannis,
gekommen war; fo fanden fich auch die barbarifchen Völker:
horden, befouders die Gothen aus dem Norden ein, und über:
zogen das römifche Reich mit Krieg. Zu dem unaufhörlichen
Blutvergießen,, und der unglaublichen DVerfhwendung der
Vornehmen und Reichen, die mit den ſchrecklichſten Blutſau—
gereien und Unterdruͤckungen des Volks verpaart gingen, ge—
felfte fich num die graufamfte und allgemeinfte Hungersnoth,
die durch dad ganze Reich wüthete, und feine Macht außer:
ordentlich ſchwaͤchte. Ueberſchwemmungen, Erdbeben, unge:
gewöhnliche Luftzeichen, unnatürliche Finfterniffe, und eine
Menge erdichteter oder vergrößerter Wunder, fagte Gibbon,
hatten Die Gefchichte, diefer dunkeln Periode verziert; dieſe
find aber allemal die Symptome der vor den nahen Geriche
ten fchaudernden Natur, oder auch die Urfachen derfelben.
Der weiße Reiter Fam alfo zuerft, nur um zu fiegen, fein
Bogen fehlte nie. Das Licht überwand die Finfterniß allent:
halben. Ihm folgte bald der rothe Neiter; des Kriegens,
DBlutvergießens, und mitunter des Hinrichtens und Marterns
der Ehriften war Fein Ziel und Fein Ende, Nun gefellte ſich
Anno 248 der fchwarze Reiter noch dazu, durchs ganze Reich,
und die angrängenden Länder ftarben Tauſende für Hunger,
und es fehlte zur Vollendung der göttlichen Gerichte über das
Heidenthum weiter nichts, als die Peſt; diefe blieb aber auch
nicht aus, wie num die Erklärung der folgenden zween Verfe
eigen wird.
7. Und als er das vierte Siegel eröffnete, hörte ich das
vierte Thier fagen: Komm!
8. Und ich fabe, und fiehe, ein fahles Pferd, und der anf
ihm faß, dem Fam der Name Tod zu, und der Toden⸗
behälter folgte mit ihm. Und es wurde ihın Macht
gegeben, über den vierten Theil der Erden, mit Schwert,
Hunger und Tod, und durch die Thiere der Erden
zu todten.
Nun war der Adlerferaph noch übrig; diefer macht überall
den Schluß — er eilt zum Ziel, es mag zum guten oder zum
fhlimmen Ende gehen. Als daher das Lamm das vierte
. Kap. 6, V. yP 8. 13 1
Siegel geöffnet hatte, fo rief auch diefer, fomm! und Johau⸗
ne3 dDurchwanderte das letzte Viertel des Kreifes um den Thron
ber, fo daß er num wieder an. dem Drt fiand, wo er ge
ftanden hatte, als ihm der erfte Seraph rief.
Hier fahe er nun aus dem ewigen Dunkel ein fahles, ei:
gentlich ein bleichgrines, grün und gelbes Pferd. hervorfchreis
ten, diefes bedeutet Peft und anfterfende Seuchen aller Art,
und fein Reiter heißt Tod — diefer ift der Engel des Todes,
der auch dereinft feine. Unterthanen hergeben muß. Kap. 20.
V. 15. Er ift der Nachrichter des gefallenen menfchlichen
Geſchlechts, und weil er mit feinem Gefängniß, dem Hades,
in den Feuerfee geworfen wird, Kap. 20. V. 14. fo muß
er auch dort wohl noch fein Amt fortfeßen; er gehört alfo zu
den böfen Wefen. Es kann aber aud) einen guten Zodesen-
gel geben; wiewohl wir Feinen Grund haben, dieß um des
Reiters willen anzunehmen 5; denn der Drache war ja noch ſelbſt
im Himmel; nah Kap. 12. V. 7. 8. 9.
Diefer Reiter hat feinem Kerker bei fih. Sc verftehe unter
diefem Todenbehälter, Hades, nicht das Grab; denn dieß
ift eigentlich nur die Ruheſtaͤtte des Körpers, fondern den
Drt des Schweigens, die dde Geifterwüfte, wo die Seelen,
welche noch nicht fo bald ihr Urtheil empfangen Fönnen, aufs
bewahrt werden bis fie zu ihrer Beftimmung reif find, Dies
fer Hades ift die Vorburg des Himmels und der Höfe. Unter
welcher Geftalt Johannes diefen Traumort gefehen, das
fagt er nicht, daher koͤnnen wir es aud nicht wiffen, es ift
aber auch nicht nöthig, weil es zur Einficht in die Weiffagung
gar nichts beiträgt.
Diefer Thanatos — ein furchtbarer Keiter, befommt Ge:
walt über den vierten Theil der Erden; vermuthlich geht dieß
auf die Menfchenzahl im römifhen Reich; er: fol alle in
feinen Hades fammeln, die durchs Schwert, Hunger und
wilde Thiere umfommen, ausgenommen die Blutzeugen, die
um Chrifti willen, ſterben, dieſe fommen unter den Brand:
opferaltar im. Himmel; nad, V. 9. dann aber hat er auch
noch dem befondern Auftrag felbft, durch Seuchen diejenigen
zu toͤdten, die ihm angewiefen werden, und fie in feinem Kerker
9 *
153 Erklärung der Offenbarung Johannis.
bis zum Gericht aufzubewahren. Diefer Neiter macht alfo
den Befchluß in den Gerichten über das Heidenthum in dies
fer fichtbaren oder finnlichen Welt; was ferner in der Geis:
fterwelt vorgeht, das fagt und die Eröffnung der folgenden
zwei Siegel,
Auch diefes Bild ift fo genam erfüllt worden, daß gar Fein
Zweifel gegen meine Erklärung auffteigen kann: Gibbon ers
zählt, daß fich zu der im Jahr 248 entftandenen Hungers:
noth zwei Jahre fpäter, nemlich Anno 250, eine wüthende
Peſt gefellet Habe; diefe währte bis 265, und rafete in jeder
Provinz, jeder Stadt und in jeder Familie des römifchen
Reichs ununterbrochen fort; ed gab Zeiten, wo nad) dem
‚mittlern Durchfchnitt täglich nur allein in der Stadt Rom
fünf taufend Menfchen ftarben. Wenn wir nun auch mit
diefem aͤußerſt glaubwirdigen Schriftfteller eben nicht anneh—
‚men wollen, daß ungefähr die Hälfte des menfchlichen Ges
ſchlechts im römifchen Gebiet durch Schwert, Pet, Hunger
und wilde Thiere umgefommen, ſo beweißt dieß doch alles
fo viel, daß es hier in der hohen Offenbarung Feine poetifche
Floskel ift, wenn es heißt, dem Todesreiter fey über den vier:
ten Theil der Erden, das ift, des römifchen Reichs, Gewalt
gegeben worden, Der vierte Theil der Unterthanen deffelben
* alſo gewiß aufgerieben worden.
Dieſe vier Reiter wirkten nun fort, bis zwiſchen dem Jahr
524 und 800 das Chriſtenthum über das Heidenthum nad)
und nach den Sieg erhielt.
Diefe Erklärung der vier Reiter duͤnkt mir fo richtig und k
fo ungeswungen zu feyn, daß nichts dagegen eingewendet
werden koͤnne; die Nachfolger des würdigen Bengels mögen
wohl wegen dem Chronus eine Schwierigkeit dabei finden,
allein aud) diefe läßt ſich leicht heben, ohne dem vortrefflis
hen Syſtem der prophetifhen Zeitbeftimmung des verflärten
Pralaten nahe zu trete,
Man muß nur nicht zu pedantiſch am Buchſtabem u und
an den Ausfuͤllungswoͤrtern hangen, ſondern nur immer dem
F
4
gefunden Menſchenverſtand und den Parallelſtellen Gehör ge
ben, wenn man die Schriften der Heiligen, vom Geift Got:
$
—
Le;
Kap. 6. V. 9. 10. 135
tes erleuchteten, aber: keinesweges gelehrten —** erklaͤ⸗
ren will;
9, Und als er das fünfte Siegel dffuete, ſehe ich unter
dem Brandopfersaltar die Seelen derer, welche um
des Worts Gottes, und um des Zengniffes willen,
welches fie gehabt hatten, waren hingeopfert worden.
10. Und fie ſchrien mit großer Stimme und. fprachen:
Wie lange, Herr! Du Heiliger und Wahrhaftiger!
richteſt und rächeft Du nicht unfer Blut an denen,
die auf Erden wohnen? |
Sch habe ſchon erinnert, daß die vier erften Siegel, wo
die vier Seraphim und die vier Reiter wirffam waren, fich
auf das Gericht Gottes über dad Heidenthum, oder auf den
erften Kampf des Lichts gegen die Finfterniß, und zwar in
fo fern, als die Ausführung auf der Erden in die Sinnen
fiel, beziehen. Jeder aufmerkffame Beobachter der Wege Gots
tes Fonnte nun fchon fehen, wo es hinaus wollte, und daß
die chriftliche Meligion fiegen würde; allein die Siege in
diefer Welt bewiefen noch nicht, daß darum die Partie auch
immer fliegen, und endlich auf immer das Feld behalten werde.
Darüber follten nun die zwei folgenden Siegel den Aufſchluß
geben. Daß fünfte follte dad Schickſal der Märtirer entfcheis
den, und das fechöte das jüngfte Gericht über die Heiden bes
kannt machen. Denn weil: diefe beiden fürchterlichen Aktus
in der Geifterwelt ausgeführt wurden, fo follten fie den treuen
Verehrern Jeſu durch diefes Manifeft befannt gemacht wers
den, um ihnen Dadurch zu verfüchern, daß fie vom Heidens
thum in Ewigkeit nichts mehr zu befürchten haben würden;
dann aber auch, um ihre Begriffe über den Zuftand der Bluts
zeugen nach dieſem Leben zu berichtigen.
Das Lamm ſetzte die angefangene Enthällung der göttlis
chen Geheimniffe durch Erbrechung des fünften Siegelö fort;
and nun fhwand die Wolkenhuͤlle, die bieher den Brands
opferaltar vor dem himmlifchen Tempel verdecdt hatte, bins
weg: Daß ich hier nicht den goldenen Rauchaltar vor dem
Thron Kap. 8. V. 5., ſonderne den Brandopfersalter untere
#
154 _ Erklärung der Offenbarung Johannis.
ftelle, hat einen doppelten Grund: Denn erftlich dient jener
zum Räuchern, das ift, die Gebete der Heiligen vor den
Herrn zu bringen. Diefer VBrandopfersaltar aber wurde ges
braucht, um die gefchlachteten Thiere darauf zu verbrennen ;
bier im Himmel iſt er nur dazu beftimmt, das Kreuz und
die Leiden der Chriften dem aufzuopfern, der auch für fie
gelitten hat, und geftorben ift; hieher gehört alfo auch das
große Opfer derer, die ihr Leben fuͤr Chriſtum hingegeben
haben. Und zweitens hatte auch der juͤdiſche Braudopfersals
tar, 2. B. Mof. 27. der nad) dem Mufter diefes himmlis
fhen gemacht worden, Kap. 25. V. 40. und Kap. 27. V.
5. unten herum ein Gitterwerk, das ihn weirläuftig umgab,
innerhalb. welchen alfo der heilige Seher die Märtiver fahe,
der Rauchaltar aber hatte feinen Raum dazı.
Bei Dem Seelen unter dem Altar muß man fich Feine ans
dere denken, als ſolche, die weiter nichts im Reich. Gottes
geleiftet, .ald daß fie den Martertod gelitten hatten; denn
wären fie außerdem auch vorzügliche Menfchen gewefen, fo
würden fie fchon zu andern Zwecken gebraucht worden feyn,
da das aber nicht der Fall war, fo wurden fie hier im’ eis
nem ruhigen fichern Zuftand aufbewahrt, und nady und nach
auf die Zukunft zubereitet. Ihr endliches Schickfal finden
wir Kap. 20. V. 4
Dieſe Seelen nun hoͤrte Johannes mit großer Stimme
rufen: Wie lange ſoll's denn währen, Herr! Du Heilis
ger! — Der du Fein Unrecht dulden kannſt! — Du Wahre
haftiger! Der du und den Sieg verheißen und zugefagt haft,
daß wir mit dir regieren follen — wie lange ſoll's währen,
bis du diefe Verheißung erfülleft, und das große allgemeine
Gericht über die ſuͤndhafte Welt ergehen laͤſſeſt? — Du richteft
fort und fort, und es wird doc) Fein Ende, wenn ein Feind
befiege ift, fo fleht wieder ein anderer auf, und for wird
dann noch durch einen allgemeinen Sieg deiner Wahrheit
und deines Lichts über Aberglauben, Lügen und Finfterniß,
unfer Blut, das wir doch für dich und deine Wahrheit vers
goffen haben, nicht gerochen, ja es ſcheint, * wenn wir
umjonft gelitten hätten? —
Fa en CD
Kap. 6. ®. 9. 10. | 155
Obgleich diefe Scene in der unfichtbaren Welt vorging, fo
mußte fie doch ihren Grund auf der Erden in der ſichtbaren
Kirche Chrifti haben, fonft wäre ja die Erdffuung diefed
fünften Siegels fruchtlos gewefen, niemand wäre Dadurd)
belehrt worden. Die Sache verhält fid) folgendergeftalt :
Als nun Conftantin der Große die chriftliche Religion ans
nahm, diefe aljo herrfchend wurde, fo wurde zwar. dem
Heidenthum dadurdy der Todesftoß gegeben, aber feine Zu: .
Aungen dauerten doch noch lange, und in diefem wurde noch
mancher Chrift erdrüdt und aufgeopfert. Dazu kamen aber
noch andere: Umftände, die dem wahren Chriften das Ziel
verrichten. Man glaubte nun allgemein, jest würde das
verfprochene herrliche Reich Ehrifti angehen, die glücfeligen
taufend Fahre würden num eintreten, und alles Ein Hirt und
Eine Heerde werden, allein weit gefehle! — Im Gegens
theil: Das Chriſtenthum fing allmählig an, ein neues Hei⸗
denthum zu werden; gar oft wurden die Nechtichaffenen vers
feßert und graufam verfolgt; die arianifchen Greuel begans
nen, und ihre Anhänger marterten die rechtglaubigen Ehriften
troß den Heiden. Dazu kamen nun die Einfälle graufamer,
barbarifcher und heidnifcher Völker , die den abendländifchen,
und die Sarazenen, welche den morgenländifchen Theil des
römifchen Reichs verheerten. Nom ſelbſt wurde endlich er=
obert, und es wurden ganze neue Königreiche gegründet, und
ob gleich verfchiedene diefer Völker und ihre Regenten die
chriſtliche Religion annahmen, fo war das doch nur blos
eine Veränderung des Namens; der Aberglauben, die Bars
barei und der rohe Sinn blieben, und verfchiedene fchlugen
ſich noch außerdem zur arianifchen Parthei, fo daß eö das Anz
fehen hatte, als wenn der legte Betrug noch ärger werden
würde, als der erfte, befonders als man fahe, daß fich zu
Nom eine neue, dem wahren Chriftenthum und der politis
ſchen Staatenverfaffung hoͤchſt gefährliche geiftliche Macht
. gründete. Daher fhienen nun alle Erwartungen der wahren
Anhänger Zefu abermals getäufcht zu werden; allgemeines
Flehen und Seufzen der Gläubigen ftieg zu Gott empor, und
wen Fonnte diefe ftarfe Stimme beffer in den Mund gelegt,
4156 Erklärung der Offenbarung Johannis,
wer konnte beffer zu Boten diefer Stimme gebraucht werden,
als dieſe Blutzeugen? Die Antwort und Entwicklung diefes
Seheimnifjes folgt in dem folgenden Vers:
11. Und es wurde einem jeden von ihnen ein weißer
Rock gegeben, und es wurde ihnen gefagt, daß fie
noch eine beftimmte Zeit ruhen, möchten, bis aud)
ihre Mitfnechte und Brüder vollendet würden, Die
eben fo wie fie zukünftig hingerichtet werden follten»
In dieſem Vers liegt der ganze Auffchluß der fo dunfeln
Klage der Blutzeugen; die Antwort, die ihnen gegeben wird,
beweißt,. daß fie fich darüber gramten, daß es mit dem Ans
brud) des Reichs Gottes, in welchem fie belohnt werden folls
ten, fo lang dauerte — und diefe Klage war Stimme aller
wahren Verehrer Jeſu. Hier wird ihnen nun der Knoten
gelöst ; Erſt bekommt jeder eine weiße Stola, ein Kleid, das
zum Priefterfiand gehört; fie werden alfo einen Grad höher
gefordert, und von nun an gebraucht, vermuthlich auch, um
Gebete, der Heiligen vor Gott zu bringen. Wahrfcheinlich
liegt die Bedeutung diefer weißen Kleider darinnen, daß man
den Märtirern zu Ehren Gedaͤchtnißfeſte fliftete, fie zu Kirs
chenpatronen machte, ihre erbauliche Lebensgefhichten aufs
fohrieb, mit. Nutzen las, und Betrachtungen darüber anſtellte.
Nichts muntert mehr zum heiligen chriftlichen Wandel auf,
als die Beiſpiele gottesfürchtiger. Menfchen.
Die Gemeinde des Herin auf Erden machte alfo die Märs
tirer zu Kandidaten des himmlifchen Priefterthyums, und dieß
wurde aud) genehmigt; hätte fi nur nicht wieder heidnifche
Verehrung und Gdgendienft, Aberglauben und Unſinn, und
bejonders abſcheuliche Simonie der Hierarchie mit dazu ges
miſcht; fo. hätten ale jene Denkmale unferer vollendeten vers
Härten Brüder fehr nüßlich werden koͤnnen.
Wenn ich zum Beiſpiel auf meinem Spaziergang in einer
angenehmen Eindde eine Kapelle fände, in welcher das Bild
des feligen Policarp oder fonft eines großen Blutzeugen ftünde,
koͤnnte mir, das. nicht erbaulicher feyn, als ein vaticanifcher
Apoll, ein, Herkules Farneſianus, oder fonft ein Phantom
Kap, 6. V. 11. 137
dieſes Schlages? — aber der Mißbrauch diefes fo edlen Ers
bauungsmitteld hat ed nun mit dem Bann belegt.
Hernach wird ihnen gefagt: ES würden ſich in den Kirs
chen Chrifti felbft noch Mächte, noch Gewaltthiere, gegen
das Reich des Lichts erheben, und feinen Anbruch aufhalten;
diefe würden noch weit mehrere ihrer Brüder nach der geift-
lichen Geburt, und ihre Mitkuechte im Weinberg des Herrn,
um. der Wahrheit willen hinrichten; und diefe hätten eben⸗
‚falls. Anfpruch an die nemlichen Vorzüge und Beförderungen
im Reich Gottes, wie fie; ‚ehe und bevor num diefe neuen
Feinde befämpft und überwunden wären, Tonne das Reich
des Herrn auf Erden nicht ftatt finden, daher müßten fie
noch eine beſtimmte Zeitruben, bis ihre Zahl voll wäre.
Diefe beſtimmte Zeit heißt im griechifchen Grundtert
Chronus und hier fommen wir an eine Stelle, wo wir zuerft
Anlaß finden, von der aͤußerſt merfwärdigen prophetifchen
Zeitrechnung des feligen Bengels Gebrauch zu machen. Diefe
Zeitrechnung legitimirt und bewahrheitet fich immer mehr,
und fie. hat mehr Gründe der Wahrheit für fich, als je eine
prophetifche Auflöfung gehabt hat, folglich koͤnnen wir ihr
einftweilen, aber ja in Abhängigkeit von dem Herrn und
feinem Wort, Glauben zuftellen; da fie aber doch immer noch
irren, wenigftens in einigen Stüden nicht: zutreffen Fonnte,
fo. müffen wir, und nicht zu feft daran halten, damit:wir, wenn
irgend etwas anders Fäme, am. Ölauben nicht-Schiffbruch lei⸗
den mögen,
Das Wort ‚Chronos ‚bedeutet einen gewiffen beftimmten
‚Zeitraum; der aber nicht durch Zahlen, fondern durch That⸗
ſachen der Gefhichte beſtimmt iſt: 3. B. Der Zeitraum
vom Anfang eines Reichs bis zu feinem Ende madt feinen
Chronos aus; das franzöfifche Königthum fing mit Klodwig
dem Erſten an, und hörte mit Ludwig dem fechzehnten auf.
Diefer Chronus ift alfo 1800 Jahre lang, dahingegen der
Ehronus der Schweizer, und Holländifchen Republifen, wenn
fie ſich nicht wieder vom franzdfifchen Zoch losmachen, nur
wenige Sahrhunderte lang if. Hiemit will ich nur fo viel
fagen, daß die Griechen mir dem Wort Chronus nie den Bes
t
158 Erklärung der Offenbarung Johannis.
griff einer beſtimmten Zahl verbanden, ſondern nur einen Zeitz
rauın darunter verftanden, in welchem gewiffe Dinge gefche=
ben und vollendet werden follen. Wenn man einem riechen
gefagt hätte: Dieß oder jenes wird einen Chronus lang wäh
ven, fo würde er nichts dabei haben denken koͤnnen; fagte man
ihn abers Der Chronus Ddiefes oder jenes Kriegs dauerte
fo und fo viele Fahre, fo verfiand er, was man fagte.
Hierans ift nun Far, daß die Länge des apofalyptifchen
Chronos nicht im Begriff des Worts felbft gefucht werden
mußte, fondern in andern, durch Zahlen beftimmten Zeiten,
die mit ihm parallel laufen. Aber eben hieraus erhellet auch,
daß die Bengelfche Länge eines ſolchen Chronus bloße Vermu⸗
thung fey, die aber Doc) den größten Grad der Wahrfcheins
lichkeit hat. Sie beträgt 1115 ordentliche gemeine Sabre.
Siehe die Einleitung.
Merkwuͤrdig ift e8, was der Herr an die Gemeinde zu
Thyatira ſchreibt (j. oben Kap. 2. V. 21.). Sch habe ihr
(der. Sefabel eine beftimmte Zeit (Chronon) gegeben, um
ihre Gefinnung zu andern. Da nun Bengel die fieben Briefe
nicht für prophetifch, fondern blos für Ermahnungen hält, die
nur jene afiatifihe Gemeinden angingen, .fo befommt aud) nach
ihm der Ehronus, welcher der Jeſabel gegeben wird, Feine
weitere Bedeutung, ald daß er eine gewiffe Gnadenfrift vors
fiellt, die zur Bekehrung der wirklichen Perfon geftatter wird,
und alfo nur wenige Fahre enthalten Fann: Nehmen wir aber
meine Erflärung an, fo bedeutet die Gemeinde zu Thyatira
die Waldenfer, Albigenfer, boͤhmiſche und mährifche Brüder;
folglich) ift dann diefe Jeſabel die ausartende rdmifche Kirche
und Hierarchie, die eigentliche babylonifche Hure; Kap. 17.
auf diefe paßt dann auch der Chronus, der ihr zur Bekeh—
zung angewiefen wird, fehr genau, wie ich nun ferner ner
fen werde. .
Der apofalyptifche Chronus enthält nach Bengel, wie ges
fagt, 1111 Fahre und etwas drüber. Nun werden wir zu
feiner Zeit finden, daß alle apokalyptiſche Zahlen und Zeitz
Yaufte zwifchen 1800 und 1836 ablaufen; diefe legtere Fahr:
zahl enthält alfo nach dem Bengelfchen Syſtem den weitften
Kap. 6. V. 11. | 159
Termin, wo ber große letzte Kampf ausgekaͤmpft und das
herrliche Reich Chrifti auf Erden im Anbruch iſt; dann find
erft die Blutzeugen gerächt, Kap. 18. V. 20. 24. Kap.
19. Kap. B. 2. und 20. ®. 4. und dann erft Fann man fas
gen, daß ihre Mitknechte und Brüder vollender feyen, die auc)
noch hingerichtet werden follten, wie fie.
Der verflärte Bengel und feine Nachfolger fegen die Fahre
1208 und 1209 als merfwärdig an, weil im denfelben die
Berfolgungen der Chriften durch die Päbfte und ihre neu ges
ftiftere Bertelorden aufs neue angefangen hätten: Allein das
dürfen wir doch nicht annehmen; denn es folgen zwo Unrichs
tigfeiten daraus: Erftlich kann man ja nicht fagen, daß die
Mitknechte und Brüder der Blutzeugen alle vollendet und
hingerichtet feyen, wenn diefe Hinrichtung erft
anfängt — fondern diefe Vollendung finder erft ftatt, wenn
der Feind völlig befiegt, und das Reich Gottes auf Erden
im Anbruch iftz; folglich muß der Zeitraum von 1800 bis 1856
angenommen werden; und zweitens follen die Blutzeugen
fd lange ruhen, bis ihre Micbrüder noch hinzugefommen und
vollendet find, und dann erft follen fie alle zufammen mit
Chriſto taufend Jahre leben und regieren, Kap. 20. V. 4. —
eher nicht; alſo nicht fehon 1208 oder 1209. Hiezu kommt
aber noch eine Unbequemlicht>' t: Nimmt man diefe legtern
Jahre als den Zeitpunft der Bouendung des Chronus an, der
den Märtivern zur Ruhe angewiefen wurde, fo fällt die Zeit
ihres Nufens in die Jahre 97 und 98, das ift, in die Fahre,
wo Johannes die Offenbarung fchrieb; da aber nun die allges
meine Sehnfucht der Chriften zu Ende des erften Jahrhun⸗
derts durch die Schwierigkeit, daß niemand die fieben Siegel
brechen Fonnte, und durch das Weinen des Johannes fchon
vorgeftellt worden, befonders aber, da fchon die vier erften Sies
gel geöffnet find, folglich ſchon ein ziemlicher Theil der Erz
füllung diefer Weiffagung vergangen feyn muß, ehe der Zeitz
punft des Rufens der Seelen unter dem Altar angenommen
werden kann und muß, fo Fann diefer Zeitpunkt nirgends an—
ders als in die folgenden Jahrhunderte verfegt werden.
Es ift ja aber auch nichts natürlicher, ald daß mon die
140 Grklärung der Offenbarung Johannis.
Vollendung des großen Kampfö, oder den Anbruch des Reichs
Gottes zum: Ziel annimmt, weil dann alle Blutzeugen vol-
lendet find, folglich den Zeitraum von 1300 bis 1856: Hier
von zieht man dann die 1111 Jahre ab, fo fallt die Zeit des
Rufens der Seelen unter dem Altar in die Jahre zwifchen 689
und 725 und nun lefe man nur die geifts und weltliche Ge⸗
fchichte diefer Zeit, fo wird man finden, daß es weder vorher
noch nachher einen Zeitpunkt gegeben habe, in welchem, nad)
meinen obigen ‚gegründeten Vorausfegungen, diefes Rufen
treffender angenommen werden fünnte; denn damals fing in
Nom. das Weib Zefabel an recht Fenntlich. zu werden, das
Chriſtenthum wurde gleichfam ein neues Heidenthum, und
die Sarazenen drohten alles zu verfchlingen; da rief gewiß
jeder Chrift aus der Tiefe zu Gott empor: Herr wie lange
rihteft Du? — will denn der Sammer gar Fein Ende neh:
men? — u. f. w. Hier fängt alfo der Chronus der Jeſabel,
der ihr zum Bußethun gegeben wird, an, und eben fo beginnt
auch hier der Ruhechronus der Seelen unter dem Altar; denn
beide find im Grund eins, und fünnen nicht getrennt werden,
Dieſes fünfte Siegel gab alfo den Ehriften im Anfang des
achten Jahrhunderts einen Wink zur Beruhigung : ſie follten
nur, Gedult haben; wenn die Zahl der Blutzeugen vollendet
wäre, der Kampf ansgefämpft fey, fo werde es beffer werden,
dieſes feste das fechäte Siegel nun vollends außer allen Zweifel.
12. Und ich fahe, wie e8 das fechste Siegel eröffnete;
und es entftand ein großes Erdbeben, und die Sonne
ward fehwarz, wie ein härener Sad, und der Mond
ward wie ein Blut.
15. Und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde,
fo wie ein. Feigenbaum feine unveife Feige abwirft,
wenn er von einem ſtarken Wind erfchüttert wird.
44, Und der Himmel wurde weggefchafft, wie ein zufams
mengerolltes Bud, und jeder Berg und Inſel wurde
aus feinem Drt bewegt.
Hier fehen wir, eine ber heiligen Schrift ganz geläufig,
finnbildliche WBorftelung eines legten vollendenden, oder
Kap. 6. V. 1% bis 1%. 141
Schlußgerichts Über ein Volk, Königreich oder Nation; nach
diefem Gericht ift in Ewigkeit Fein MWicderauffommen mehr
zu erwarten. Man muß fich bei diefem fechsten Siegel ja
das große allgemeine oder jüngfte Gericht nicht denken, wel-
ches doch fo leicht gefchieht, erftlich weil ChHriftus fich bet
der Befchreibung des Endes der Welt ähnlicher Bilder bes
dient, und zweitend, weil man diefe Bilder zu wörtlich
nimmt, und fich eine wirkliche Zerrüttung des Himmels und
Aufhoͤrens der Sonne, des Monds und der Sterne dabei
denkt; fondern diefe prophetifche, fehr lebhafte Schilderung
ift lauter Bibelfprache, deren fih die Propheten des alten
Teftaments, auch bei Partifulargerichten über einzelne Völker
und Staaten, und fo auch Ehriftus in feiner Weiffagung und
Ankuͤndigung des legten allgemeinen Gerichts bedienten, daher
kann hier Fein anderes jüngftes Gericht verftanden und anges
nommen werden, ald dasjenige, welches über das heiduifche
Nom und überhaupt über das ganze Fultivirte und die Welt
beherrfchende Heidenthum aus der unfichtbaren Welt her vers
hängt wurde; in der fichtbaren fing dieß Gericht unter Kon—
ftantin dem Großen ſchon au, aber gänzlich vollendet und
ausgeführt wurde ed im achten und neunten Jahrhundert
durch Karl den Großen und die Sarazenen ; diefe legtern haben
dem Heidenthum, im öftlichen Afien befonders, den Herzens
ftoß gegeben. Seitdem hat es fich nur noch in den Außers
ſten Winkeln der Erde, in China und Japan, bei einzelnen
Voͤlkerſtaͤmmen und unter den wilden Nationen, wiewohl
nur in’ halber Ohnmacht erhalten, bis es endlich mir den
andern Feinden der Wahrheit gänzlich von der Erde verfchiwins
den wird.
Das Erfte, was Johannes nach Eröffnung des fechöten
Siegeld fahe, war ein Erdbeben, die Sonne ward ſchwarz⸗
braun, oder ganz verfinftert,, und der Mond verdunfelte fich
auch, und wurde wie Blut. Eines’ ähnlichen Bildes bedient
fi Jeſaias, wenn er das legte Gericht über das ehemalige
Babel verfündigt. Im 15tem Kap. V. 15. fagt er: Darum
will ich den Himmel berühren, und die Erde foll von ihrer
Stelle bewegt’werden! Und vorher im 1oten Vers: Denn
142 Erklärung der Offenbarung Johannis.
die Sterne des Himmels und fein Orion follen. ihr Licht
nicht ſchimmern laffen, die Sonne fol verfinftert; werden
im Aufgehen, und der Mond wird fein Licht nicht. fcheinen
laffen. Daß bier. der, Prophet» au's jüngfte Gericht nicht
denfe, fondern nur vom Gericht über Babel weiffagt, das
. zeigt der ganze Zuhalt des Kapiteld. Joel bedient fich eben
fo ftarfer Ausprüde bei einem befondern Gericht über das
jüdifche Voll, Kap. 2. V. 10. und wenn Ezeciel den Uns
tergang Pharaons verfündigt, fo drüdt er fih Kap. 32. V.
7. 3. alfo aus: Und wenn ic) dich auslöfche, ſo werde ic)
den Himmel bedecken, uud ſeine Sterne ſchwarz machen.
Sch werde die Sonne mit Wolfen bedecken, und der Mond
fol fein Liche nicht leuchten laſſen. ‚Alle glänzende Lichter
am Himmel werde ih um teinetwillen ſchwaͤrzen, und ich
werde eine Finſterniß über dein Land bringen, ſpricht der
Herr Zebaoth.
Hieraus fieht man nun deutlich, daß diefe Redensarten. in
der heiligen Schrift Feineswegs das jüngfte Gericht ausſchließ—
lich, fondern überhaupt jedes legte Volksgericht ‚bedeuten,
und daß dabei eben fo wenig an eine wirkliche phyſiſche Vers
dunfelung oder Zerſtoͤrung jener glänzenden ——
gedacht werden duͤrfe.
Die Bedeutung dieſer majeſtaͤtiſchen Bilderſprache iſt zwei⸗
fach: Im erſten gemeinen und leicht verſtaͤndlichen Sinn
will ſie ſo viel ſagen: Ich will dich von der Erde vertilgen,
Sonne, Mond und Stern ſollen fuͤr dich gar nicht mehr da
ſeyn. In einem zweiten hoͤhern und wirklichen Bibelſinn
aber, ſtellt die Erde das Land, die dfonomifhe Verfaſſung
eines Volkes, ſeine buͤrgerliche geſellſchaftliche Einrichtung,
Vermoͤgens und die Art es zu benutzen vor; Erdbeben bedeu⸗
tet. alſo Unſicherheit der Heimath, des Wohnens: und des
Vermoͤgens, Unruhe allenthalben; die Menſchen finden. Feis
nen ſichern Aufenthalt mehr, fie wiffen nicht, wohin fie
fliehen follen. Die Sonne, bedeutet die Religion ,. oder auch
die Quelle derfelben, die Gottheit, ihre Lehre, Offenbarung
und ihre Mythologie; wenn alſo von dem Gericht einer. heid:
nifchen Nation, geredet wird, fo, felt die Verdunklung der
*
Kap. 6. 8. 1%. bis 1% 143
Sonne eine gänzliche Zerftörung ihrer Religion und der Quelle
derfelben, den Umſturz ihrer Gottheite vor. Der Mond ift
das Bild der Vernunftweisheit, der Philofophie und geiftigen
Kultur eines Volks, daher bedeutet feine Verdunklung ein
gänzliches Verfinken in die Außerfte Barbarei, und die Sterne
find alsdann Bilder der Lehrer und Vorſteher in Kirchen:
und, Religionsfachen ; die Vorfteher der fieben Gemeinden in
Kleinafien waren ja Sterne in der Hand des Herin, und
die viele zur Gerechtigkeit gebracht haben, die Bekehrer zur
wahren Religion, follen leuchten wie Sterne immer und
ewiglic), Dan. 12. V. 48. Diefe Sterne nun follen vom
Himmel auf die Erde fallen, das ift, ihre Neligionsverfafs
fung und. Hierarchie, welche durch den Himmel vorgeftellt
wird, foll den Lehrern feinen Unterhalt, Feinen Beftand mehr
geben, daher gerathen ſie nun herab auf die Erde, unter den
Poͤbel, fie verlieren allen Glanz, allen Werth und alles An
fehen; dazu kommt nun noch, daß fie wie unreife Feigen,
denen. die Lebenskraft entgangen ift, oder wie wurmftichiges
Obſt, herabfallen, fo daß fie zu nichts, nicht einmal zum
Biehfutter, zu brauchen find. Wären fie reif und vollfaftig
füß, fo würde der große Hausvater ernten, aber fo find fie
gar nicht zu brauchen.
Der Himmel endlich wird weggefchafft, zufammengerolit,
wie eine Rolle, die lange ausgedehnt und gebraucht wurde,
die man aber nun nicht mehr nöthig hat. Die ganze Reli⸗
giousverfaſſung und Hierarchie wird aufgehoben und wegge⸗
räumt, und auf der Erde im Politifhen und Oekonomiſchen
wird alles anders, Fein Berg und Feine Inſel ift mehr wie
vorher. Will man von diefen Bildern allen eine fehr voll
ſtaͤndige Erfüllung fehen, und fich von der Wahrheit meiner
Erklärung überzeugen, fo werfe man nur einen Blick auf
das, was feit zehn Jahren in Frankreich geſchehen ift. Uebriz
gend aber pafjen die Bilder auf jede Hauptrevolution.
15. Und die Könige der Erden, und die großen Herren,
und die Hauptleute, und die Neichen, und die Stars
fen, und jeder Knecht und Freier, alle verbargen
ſich feldft in die Höhlen und in die Felfen der Berge,
144 Erklärung der Offenbarung Sohannis,
16. Und fprachen zu den Bergen und Felfens Fallet auf
und und verbergt und vor dem Angeficht deffen, der
auf dem Thron fist, und vor dem Zorn des Lamms.
17. Denn der große Tag feines Zorns iſt kommen, und
wer Fann beftehen?
Da haben wir num auch die unausbleibliche allgemeine
Wirkung folcher endlichen Gerichte auf die Menfchen, die fie
treffen, wenn fie alle Gnadenmittel verachtet, und ſich Got⸗
tes Güte und Langmuth nicht haben wollen zur Befferung
leiten laffen; alle Stände, von Könige bis zum Sklaven,
finfen in den allgemeinen Stand der Gleichheit herab, fie find
nun alle gleich -elend, alle haben Feine Heimath, feinen Stand,
Feine: Ehre, Feinen Gott, Feine Religion, Feinen Ort, wo fie
bleiben können, Fein Vermögen und Fein Brod mehr, wie
dieß alles jeßt bei vielen franzofifchen Emigranten beinahe
der Hall iſt. Innere Beruhigung, Vertrauen auf den Vater
der Menfchen, Hoffnung auf eine felige Zufunft vor oder nach
dem Tode, das alles fehlt ihnen ganz; im Gegentheil, der
firenge Richter, der auf dem Thron fißt, fpiegelt fich in ihrem
Gewiffen, und fein zweifchneidiges Schwert droht fürdhter-
lich; fie koͤnnen diefen Anblick nicht ertragen, denn fie fühlen
tief, daß fie das alles verdient haben, daher möchten fie fich
vernichtigen, diefem fchredlichen Anblick entziehen, und dieß
wird dann durch die Bilder des Bedeckens mit Bergen und
Felſen angedeutet, welche abermals ven Propheten des alten’
Teſtaments in ähnlichen Fallen abgeborgt werden. So fagt
z. B. der Prophet Jeſaias Kap. 2. V. 19. bis 21. Dann
werden fie in die: Felfenklüfte und in die Höhlen der Erde ges
hen, wegen dem Schreden vor dem Jehovah, und wegen
der, Herrlichkeit feiner Majeftät, wenn Er fih aufmachen
wird, um die Erde zu erſchrecken. Diefe Weiffagung zielt
auf eben dad Gericht über die Heiden, von welchen —* hier
in der Offenbarung die Rede iſt.
Noch deutlicher und zum Beweis meiner Erklaͤrung dien⸗
licher, iſt das, was der Prophet Hofen Kap. 10. fpridt.
Hier klagt er über die Verwuͤſtung des Königreichs Iſrael,
Kap. 6: B.: 15. bid 17. 145
und bricht dann endlih ®. 8. in die Worte aus: Und die
Höhen von Aven, Iſraels Sünde, follen vertilgt werden:
Dornen und Difteln follen auf ihren Altärem wachfen, und
fie werden zu den Bergen fagen,ıbedednuns! und
zuden Hügeln, fallet auf uns! |
Und endlich bedient fi) Ehriftus felbft diefer —
wenn er fie auf die Zerfidrung Jeruſalems und auf das das
mals nahe Gericht über den jüdischen Staat auwendet,
Luc. 25, V. 50. aus welchem allen, dann unwiderfprechlich
folgt, daß hier nicht das jüngfte Gericht, fondern nur das
Schlußgericht über das Heidenthum zu verfiehen fey ; Chris
ſtus hat nun diefe erfte Macht der Finflernip total und ents
fcheidend überwunden.
Noch ein fonderbarer Ausdrud muß hier erklärt werden,
es heißt nemlich — und vor dem Zorn des Lamms — wer
wird denn den Zorm des Lamms fürchten? fogar feine; fieben
Hörner beleidigen nicht; fir dem Zorn des Löwen aus Juda,
das lautet natürlicher; was ift alfo der Zorn des Lamms ? —
Antw. Nichts anders, als die Entziehung des Antheils an
dem großen Opfer — an den Vortheilen der Ehjnug tun
bay diefer Lamms⸗ Zorn iſt ſchrecklich.
Endlich folgt dann auch das Bekenntniß: Es iſt nun aus
mit uns, denn Der große Zorntag ift eingetreten, und nies
mand kann beſtehen, unfere Herrlichkeit hat nun auf ewig
ein Ende.
Hiemit ift alfo nun das große —·· das durch
ſecht Siegel allen vernünftigen Weſen verborgen war, ent—
huͤllet. — Nun weiß man, weldye unter den zweien Haupt⸗
teligionen, die von den Menfchen‘ bekannt wurden, fiegen
wuͤrde; anfänglich fchien es, als wenn das mächtige, alles
beherrfchende Heidenthum, das Kleine Häufchen der Chriften
verfchlingen würde; allein es Fam anders, der Löwe aus dem
Stamm Juda — das große Opferlamm — Jeſus Chriftus
— der Gekreuzigte, fiegte auch hier, fo wie er über dad Zus
denthum gefiege hatte, und die folge Macht der Finfternif
fihmiegte fih nun ſchon zum zweitenmal zu feinen Füßen.
Nun war aber noch ein Siegel zu erbrechen übrig, und der
Stillina's fämmel. Schriften. IH. Band. 10
146 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Theil der Rolle,’ der noch dadurch verborgen war, war bei
weitem der größtes Nach dem Sturz des Heidenthums ents
fanden in der Ehriftenheit zwo Hauptparteien, die griechifche
und die lateinifche Kirche; und eben fo theilte ſich auch das
römifche Reich in zwei große Reiche, deren das erſte oder
orientalifche zu: Konftantinopel feinen Sit hatte, und die
griechifche' Kirche, Hingegen das zweite oder oecidentalifche,
welches’ fich in Deutfchland feft feste, und die lateinifche oder
roͤmiſche Kirche in Schuß nahm. Beide Kirchen feindeten. fid)
an, und verfolgten fi) aufs bitterfte, Feine hielt die andere
für eine Kirche ChHrifti, und beide waren vielleicht gleichweit
vom “wahren Ziel entfernt; heidnifche Greuel und LKafter,
heidnifcher Aberglaube und Götendienft, und heidnifche Nies
rarchie herrfchten in der einen Kirche fo gut, wie in der ans
dern; wahre rechtglaubige Ehriften wurden von der einen
fo ſehr wie von der andern verkegert und verfolgt, und fo
war es doch dem Hauptfeind Gottes, Ehrifti und der Mens
fhen abermals gelungen, eine Macht gegen Chriftum zu fams
meln, und Ihm in feinem eigenen Reiche die Spige zu bietem.
Setzt entftund alfo wiederum aufs Neue Sorge der treuen Ans
hänger Jeſu für die gute Sache der wahren Religion, und
ängftlicher Kummer über den ungewiffen Ausgang ihrer Schick⸗
fale. © Diefen Kummer nun zu heben, mußte das Lamm aud)
noch das fiebente Siegel oͤffnen, und. durch den Geift der
Meiffagung feiner Getreuen die Hoffnung und die Zuverficht
ftärfen, daß am Ende nody alles herrlich ausgehen, und die
Wahrheit von Jeſu Chrifto über alle ihre Feinde einen großen,
vollftändigen. und’ ewigen Sieg erkaͤmpfen würde.
Hier ift aber nun ein Hauprpunft wohl zu bemerken: Vor,
in und. nach jedem göttlichen Gerichte geht immer: eine Ver—⸗
fiegelung aller derjenigen vor, die vor dem Herrn treu erfuns
deniwerden, die den Glauben an feine Vaterliebe bewahrt,
und fich indem allgemeinen fittlichen Verderben rein erhalten
haben. Dieſe Verfieglung befhügt fie dann in allen Gefahr °
ven, und gibt ihnen die Gewißheit des feligen Ausgangs
der Sache, fowohl für ni Perfouen, als —* je das
Reich Ehrifti.
Es wird aber für allen Dingen nöthig feyn, daß ich näher
beſtimme, was eigentlich unter dem Wort Verfiegelung ver:
ftanden werde? An und für fich felbft ift es ein bildlicher
Ausdruck, der von einem orientalifchen Gebrauch hergenome
men ift. Wenn man Sklaven oder auch) Thiere aus einer Menge
ausfucht, um fie zu faufen, fo pflegt man ihnen ein Giegel an die
Stirne zu drüden, damit fie nicht vertaufcht oder verwechfelt
werden Fönnen; wenn ein Herr einmal einem Knecht fein Sies
gel aufgedrüdt hat, fo ift er fein Eigenthum und in feinem
Schuß. Daher beventet nun das Wort Verfiegelung in der
Bibel zweierleis 1) Stellt es die zuverläffige Verſicherung
vor, baß man, fobald man einmal verfiegelt worden, gewiß
ein Kind Gottes fey, und daß einen nichts mehr aus der Hand
des Herrn werde reißen koͤnnen; in diefem Sinn wird ed hin
und wieder in den apoftolifhen Briefen gebraucht; und 2) ift
die Verfiegelung an der Stirne auch ein Zeichen, wodurch
allen Werkzeugen der göttlichen Strafgerichte angedeutet wird,
einem ſolchen Berfiegelten ja fein Haar zu kruͤmmen; eine
ſolche Verfiegelung muß bier in der Offenbarung, wo die Rede
davon ift, verftanden werden.
Damit aber der gottliebende Lefer nun auch wiffen möge,
was die Verfiegelung eigentlich fey? und wie fie in der Seele
den Menfchen vorgehe; fo muß ich mich näher darüber ers
Hären: Wenn fich der Menfch griindlich zu Gott befehrt hat,
und allmählig fo weit gefommen ift, daß ihm der Wandel in
der Gegenwart Gotted und das Wirken der chriftlichen Glaus
benöwerfe gleichfam natürlich geworden ift, fo entwickelt fich
im tiefften Grund feiner Seele ein Gefühl der Zufriedenheit
und Gelaſſenheit, eine ruhige und vollkommene Ergebung in
Gotted Willen, wodurch zugleich eine alle Zweifel überwies
gende Verficherung entjteht, man. fey auf ewig des Herrn
Eigenthum, und alles, was geſchehe, das diene zum Beften,
auch Fünne einem ohne Gottes Willen fein Haar gekruͤmmt
werden. Dieß alles: ift eine Wirkung des heiligen Geiftes,
der nun bei einem jchon fo weit geförderten Grad des Glaus
beus und der Liebe die Oberherrfchaft in den Geelen belom⸗
men, das iſt, ſie verſiegelt hat.
10 *
148 Erklärung der Offenbarung Tohannis,
Durch diefe Sefinnung aber entfteht nun auch eine fehr wich»
tige Folge für den Ehrijten, die ihn in allen göttlichen Ges
richten fhüßt, und das eigentliche Siegel Gotted an feiner
Stirne ift. Jene vollftändige Ergebung in alle Fügungen des
Willens Gottes macht, daß man der Vorfehung nicht vorläuft;
fondern ruhig: ihre Winfe abwartet, und ihnen dann auch mit
äufferfter Treue und Gehorfam folgt, ohne zu vernuͤnfteln und
zu überlegen, ob man auch wohl dabei fahren werde? — Wird
dieß num immer pünftlicher befolgt, fo ift man mitten im
Sturm und Ungewitter eben fo vollfommen fiher, als im
allerbeften Hafen, und im wüthendften Krieg eben fo beſchuͤtzt,
ald im tiefften Frieden. Alles, was einem dann gefchieht,
iſt nur Laͤuterung und Glaubensprüfung, welche immer fo
viele Kraft begleitet, ald zum Ertragen nöthig iſt: fobald
man aber der Vorfehung nicht traut, und fich durd) feine eigene
Bernunft und Ueberlegung gegen’ Gefahren fichern will, fo
fommt man viel zu kurz, und rennt aus einem Unglüd
ind andere,
Man muß mic) wohl verftehen — id) fchließe den Gebraud)
der Vernunft und die Anwendung menfchlicher Vorficht ja
nicht aus, nur muß fie den Winken der Vorfehung nicht
vorlaufen, fondern nachfolgen. Der Geübte wird mich wohl
verftehen,
Ich fagte oben, daß vor, in und nach den göttlichen Ge:
richten eine ſolche ſchuͤtzende Verfieglung vorzüglich veranftals
tet werde; dieß finden wir in der heiligen Schrift in allen
Fällen bewahrheitet: Vor dem Gericht der Sündfluth wurde
Noah mit feiner Familie verfiegelt; im Gericht über Sodom
bekam Loth mit feinen Töchtern dad Schußzeichen an Die
Stirne; vorzüglich) aber, und worauf befonders hier in der
Offenbarung gezielt wird, wurden die Kinder Iſrael in den
göttlichen Strafgerihten über Aegypten durch das Blut des
Oſterlamms verfiegelt, 2 Mof. 12. damit mußten die Thuͤr⸗
pfoften beftrichen werden, auf daß der Mürgengel jvorüber
gehen möchte; in dem leiten Gericht über den jüdifchen Staat
wurden die Chriften verfiegelt und nad) Pella gerettet; und
im Gericht über das Heidenthum wohnten viele ficher in den
Kay. 6: B. 15. bis 17, 149
MWifteneien, Felfenhöhlen und gemeinen Dertern, wo fie die
Wuth der Verfolgung, ded Kriegs und anderer Landplagen
nicht treffen Fonnte.
Ueberhaupt koͤnnen wir verfichert feyn, daß wir auch in den
gegenwärtigen und bevorftiehenden Gerichten bewahrt bleiben
werden, wenn wir dafür forgen, daß uns die Verfieglung
nicht fehlt.
Endlich muß ich aud) noch bemerken, daß diefe Verfieglung
in ihrer Wirkung zum Schuß dreifach ift:
1) Werden viele Getreuen vor den nahe bevorftehenden Ges
richten durch den Tod weggerafft, folglich zum feligen Heims
gang verfiegelt; wenn man alfo wahrnimmt, daß ein großer
wirdiger Mann nach dem andern flirbt, fo mag man aufpaffen.
2) Macht auch wohl die Vorfehung Gelegenheit zum Wegs
ziehen, fo daß fie denen, die den Herrn fürchten und Ihm
treu find, Winfe gibt, von Babel auszugehen; dieß ift dann
die Verfieglung zur Abfonderung, und
5) Werden au viele Getreuen, die im Kampf felbft ges
braucht werden, ald Werkzeuge des Herrn zu großen Zweden
dienen follen, zum Dulden und Ausharren, Kämpfen und
Leiden verfiegelt.
Jet, da nun bei Eröffnung des fiebenten Giegeld durch
die erften fechd Pofaunen wieder ein neues Gericht über ein
ausgeartetes Volk ergehen foll, jetzt geht wieder eine folche
Verfieglung derer vorher, die in diefem Gericht erhalten und
bewährt werden follen, wie und folcyes das folgende Kapitel
nun zeigen wird,
150 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Das fiebente Kapitel,
1. Und nach diefem fahe ich vier Engel anf den vier Ecken
ber Erden ftehen, welche die vier Winde der Erden
beherrfchten, damit Fein Wind über die Erde wehte,
weder über das Meer, noch irgend einen Baum.
2. Und ich fahe einen andern Engel, welder von der
Sonnenaufgang ber emporftieg, und das Siegel des
lebendigen Gottes hatte; und er rief den vier Engeln,
welchen gegeben ift, Die Erde und das Meer zu be
fhädigen, mit großer Stimme zu.
3. Und ſprach: Befchädiat weder die Erde, noch das
Meer, noch die Bäume, bis wir die Knechte unfers
Gottes an ihren Stirnen verfiegeln,
Nahdem nun das Heidenthum geftürzt iſt, fo fchreitet
das prophetifche Geficht des Johannes weiter, und bereitet
die Erbrechung des fiebenten GSiegeldö vor: Der verhabene
Geber fieht in Often und Weften, Süden und Norden, an je:
dem dieſer Drte einen: Engel ftehen , der den von diefem Ort
her wehenben Hauptwind zuͤgelt und einhält, oder beherrfcht.
Sm 104ten Palm V. 4. heißt ed: Du machſt deine Engel
zu Winden; im Grund iftd einerlei,. die Engel find dienſt⸗
bare Geifter, die des Herrn Befehle ausführen, ‚hier find
viere, welche Windebändiger genannt werden koͤnnen, fie
halten die Sturmwinde in ihren Schranfen, daß fie weder
die Erde noch das Meer befchädigen Tonnen, bis ed ber
Herr der Natur gebeut.
Warum wird aber wohl hier der vier Winde und ihrer
Engel gedacht? — Warum werden Feine andere Werkzeuge
der göttlichen Strafgerichte in diefem prophetifchen Gefichte
vorgeftelt? — Die Antwort hierauf fteht Pfalm 107. im
Iften, 2ten und Sten Verſe: Lobet den Herrn! denn Erift
gut, und feine Güte währet in Ewigkeit, damit folches die
Kap, 7» V. % bis 34 7 j €) 151
Befreiten des Herrn fagen, die Er von der Hand ber Wider-
facher befreit hat, und die Er aus den Ländern von
Dften und Welten, von Morden und vom Meer
ber verfammelt hat, u f. w. und Math. 24. V. 81.
fagt Chriſtus: Und Er wird feine Engel mit hellen Pofaunen
fenden, und fie werden feine Auserwählten fammeln aus
den vier Winden, von einem Ende desHimmels
zum andern. Wenn alſo die Knechte des Herrn aus allen
vier Winden verfiegelt werden ſollen, fo müffen diefe vier
Winde gezigelt und in den Schranken gehalten werden, damit
‚fie feinen Unfug anrichten mögen, bis die Verfi veglung vor:
bei ift, —
Die Winde, und beſonders die Sturmwinde, ſind *
ſchwerer und allgemeiner Strafgerichte uͤber Laͤnder und Voͤl⸗
fer‘, wenn: man alſo dem erſten Vers dieſes Kapitels vom
Bilderſchmuck entkleidet, ſo will er nichts anders ſagen, als:
Der Herr hielt uͤber die ganze Erde ſeine halb een
Strafgerichte zurüd.
Auf diefe erfte Vorftelung der Windebandiger. folgt. num
die. zweite: Es zeigt fich im DOften ein anderer Engel, ver
fo über das Gebirge Kleinafiens emporfteigt, wie die Sonne
aufgeht. Diefer Engel hat das Siegel des lebendigen: Got:
tes in feiner Hand, und ruft num den vier Windebändigern
zu, fie follten ja nicht zugeben, daß Erde, Meer und
‚Bäume befchädige würden, bis er und feine Mitgefandten
salle Knechte Gottes an ihren Stirnen verfiegelt hätten.
Das Muſter und Vorbild zu diefer prächtigen Vorftellung
finden wir Ezechiel 9. wo der Prophet eine folche Verfieges
lung oder Stirnzeichnung der Bürger Jeruſalems anzieht
und befchreibt; hier aber gehts ins Ganze, in alle vier
Winde,
Der große Engelherold fommt von Often, weil dorther auch
‚die Strafgerichte einbrachen, wie ich im Verfolg' zeigen
‚werde, folglich auch die Verfieglung von Morgen her ihren
Anfang nehmen mußte. Er hat das Siegel des lebendigen
‚Gottes; denn er fol ed ja den Knechten Gottes an die
Stirne drüden, und wenn jemand wiffen will, was auf
q
152 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
diejem Siegel fteht, der findet e8 2. Zim. 2.0. 19. Dennod)
ſteht das-feite Fundament Gottes, und hat diefes Siegel:
Der Herrkennet diejenigen, die fein find: Und,
ein jeder der Dem Namen des Herrn nennt, der
fiehbe ab von der Ungerechtigfeit. Ja wohl kenut
der. Herriidie Seinigen, Er verfieht fih an feinem, und
weiß jehr wohl, wem fein Siegel aufgedrüct werden muß.
Daß Died Siegel ein Siegel des lebendigen Gotted
genannt wird, hat folgende Bedeutung. Vor den Gtrafges
gerichten geht gemeiniglicdy eine allgemeine Ruhe und Sicher,
beit her, alles geht ſo natürlich zu, und wer nicht ganz
vorzüglich aufmerkffam auf die Wege Gottes ift, der merkt
‚fo wenig von göttliher Regierung und Dazwifchenfunft, daß
der blos finnlihe Naturmenſch leicht auf die Gedanken geräth,
Gott befümmere ſich gar nicht um die Welt, oder es gäbe
feinen andern Gott, als die allgemeine alles belebende Natur;
die vier Windebändiger halten alle Strafwerfzeuge im Zaum,
und müffen fie auch fo lange zügeln, bis die Verfieglung vols
lendet iſt. Um aber doc) zu bezeugen, daß bei aller diefer
Ruhe und Sicherheit der Alte der Tage, der Allmächtige und
Allwirkſame noch lebe, braucht der erhabene Herold diefen
Ausdrud: Das Siegel des lebendigen Gotted, des Got—⸗
tes, der fich bald als lebend und wirkſam genug zeigen wird.
Der göttlie Befehl, den der Engel von Dften den vier
Windebändigern zuruft, heißt: Beſchaͤdiget weder die Erde,
noh das Meer, nohdie Baume, bis wir die Kuechte
unferes Gottes an ihren Stirnen verfiegeln.
Große Sturmwinde find gemeiniglich Begleiter der Erds
beben, und in den unterivdifchen Höhlen und Schlünden ein-
gefchloffene Winde, wenn fie von Waffer oder Feuer in Bes
wegung gefegt worden, find gewöhnliche Urfachen derfelben.
Auf dam Meere find die Minde unter allen Naturkraͤften die
gewaltehätigften und ſchaͤdlichſten, und die Bäume werden von
den Orkanen beſchaͤdigt und oͤfters ausgewurzelt. Es iſt
natuͤrlich, daß ein Befehl an die Winde auch zu ihren Wirs
fangen paſſen muß; daher liegt Feine andere Bedentung in
die ſem Bild, als: Die allgemeine Ruhe und Sicherheit fol
⸗
Kap. 7. V. 4. bis 8. 453
fortdauern, alle Werkzeuge, die auf jedem Wink bereit find,
die göttlichen Strafgerichte auszuführen, follen noch fo lange
einhalten, bis diejenigen Knechte unferd Gottes, die zum
feligen Heimgang bereit find, zu ihren Vätern gefammelt wers
den; bis diejenigen getreuen Anhänger des Herrn, denen Er
durch feine Vorfehung im irgend einem Lande des Friedens
einen Ort der Sicherheit beftimmt hat, weggezugen find, und
bis diejenigen, die der Herr im Kampf und in den Gerichten
‘ald Zeugen der Wahrheit und als Werkzeuge zum Erretten
brauchen will, dazu vorbereitet find.
D wie unausfprechlich tröftlich ift auch uns diefe prophes
tifche Vorftellung, dieſe Profopopdie, in unfern bedenflichen
"Zeiten! Ewig gewiß ifts, daß vor allen göttlichen Strafges
richten eine folche Verfieglung vorher geht.
Unwiderlegbar gewiß ifts ferner, daß alle wahre Knechte
und Mägde Gottes verfiegelt werden.
Unwiderlegbar gewiß ift jeder ein Knecht oder Magd Gots
tes, der ſich bewußt ift, daß fein Wille ohne Vorbehalt dem
Willen des Herru unterworfen if. Und
Eben fo gewiß ift auch, daß jeder zu dem Zweck verfiegelt
wird, zudem er, feinem Charafter nah, am gefchickteften ift.
Theure Brüder! Schweftern ! Freunde! was haben wir
nun zu fürchten?
4. Und ich hörte die Zahl der Derfiegelten; hundert
_ vier und vierzig taufend DBerfiegelte aus allen
Stämmen der Kinder Jfrael.
5. Aus dem Stamm Ju da zwölf taufend Verfiegelte.
Aus dem Stamm Ruben zwölf taufend Verſiegelte.
Aus dem Stamm Gad zwmdlf taufend Derfiegelte.
6 Aus dem Stamm. Afer zwölf taufend Verſi egelte.
Aus dem Stamm Naphthalim zwölf tanfend Vers
fiegelte, Aus dem Stamm Manaffe zwölf taufend
Berfiegelte.
ri Aus dem © Stamm Si imeon zwolf taufend Verſi egelte.
Aus dem Stamm Levi zwölf taufend Verſiegelte.
Aus den Stamm’ Sfafchar zwölf taufend Derfiegelte,
454 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Uns dem Stamm Zabulon zwölf tauſend Verſie—
gelte, Aus dem Stamm’ Gof eph zwölf tauſend Ver⸗
ſiegelte. Aus dem Stamm Benjamin zwolf tauſend
Derfiegelte.
Es ift aͤußerſt merkwuͤrdig, daß vor dieſem Gericht, welches
nach der Eroͤffnung des ſiebenten Siegels, durch die ſechs erſten
Poſaunen, uͤber das morgenlaͤndiſche Kaiſerthum, und die
damit verbundene griechiſche Kirche ergehen ſoll, eine Verſieg⸗
lung aus den zwölf Stämmen Iſraels hergeht.
Vor dem Gericht über das Judenthum hatten - Chriftus
und feine Apoftel fchon eine ziemliche Menge aus den Stäms
men Juda und Benjamin, als welche vorzüglich.im gelobten
Lande wohnten, verfiegelt, und zum Himmelreich augewors
ben. Nachher wurden diefe beiden Stämme in alle vier Winde
zerftreut; und fo lange das Heidenthum herrfchte, waren fie
die gewöhnlichen Ankläger der Ehriften, wie ich ſchon oben
in der Erklärung des Briefs des Herrn an die Gemeinde zu
Smyrna bemerkt habe. Don der Zerfidrung Serufalemd an,
bis auf den heutigen Zag, find aber nach Verhaltniß wenig
Juden mehr eruftlich zu Chrifto gefommen; alles, was wir
Suden nennen, ftammt aus den Stämmen Juda und DBens
jamin her, von den übrigen zehn Stämmen kennen wir feinen
einzigen Menfchen, und wir wiffen audy nicht eigentlich, wo
fie geblieben find; nur fo viel ift gewiß, daß fie von Sal⸗
manafjer, dem König von Affyrien, nach Halah und Habor,
am Waller Gofan, und in die Städte der Meder verpflanzt
worden; 1. Kön. 17. ®. 6. und 18. V. 11. in den noͤrd⸗
lihen Gegenden Perſiens alfo haben fih die Sfraeliten
niedergelaffen.
Das vierte Buch Eſra, welches bei unfern heutigen Theos
logen wenig Kredit findet, auch von Luther nicht fonderlich
gefhätt worden, ob es gleich au) am Ambrofius, Frenäus,
Klemens von Alerandrien und Chryfoftomus fehr wichtige
Bertheidiger hat, beweißt doch fo viel, daß zu den Zeiten
des Verfaſſers diefes Buchs, der, wenn er auch nicht. Efra
‚felbft gewefen, doch nicht fpater als im zweiten Jahrhundert
Bia. bis Po: 1:15
gelebt Haben kann, geglaubt worden, die 10 Stämme feyen nicht
‚in jenen Gegenden geblieben, fondern fehr weit nad) Norden,
Mordoften und Nordweften, in unbewohnte Gegenden gezos
gen, um da ihrem Gott auf ihre, Weife ruhig dienen zu koͤn⸗
nen. Efra 15. V. 59—46. Diefer Meinung pflichten auch
viele gelehrte Juden und chriftliche Gelehrten bei, und es
Tann auch in der That nichts dagegen eingewendet werben,
denn fie. ift hoͤchſt wahrfcheinlich; und mir, nachdem ich Pelz:
Ioutieres Gefchichte: der Celten und Gibbons vortreffliche Ges
danfen über die Völferwanderungen gelefen habe, faft gewiß,
daß die gegenwärtigen europäifchen chriftlichen Nationen
großentheild von 'den zehen Stämmen Iſraels abftammen;
denn die Völker, von denen jene entfprungen find, Fommen
genau: aus den Gegenden her, wohin die leßtere der Tradis
‚tion nach gezogen find. Wahrfcheinlich ift Stod und Stamm
diefes Saamen Abrahams jegt noch in Thibet unter der Bots
mäßigfeit des Dalai Lama.
Dem zufolge kam alfo ein großer Theil der zehn Stämme
nad) Polen, Böhmen, Ungarn, Griechenland, Deutſchland,
die nordifchen Reiche, Großbrittannien, Frankreich, Spanien,
Portugal und Stalien, vorzüglich aber ließen ſich diefe nordafias
‚tifchen Völker bei ihren Wanderungen in die dftlichen Ländern
‚Europend, Polen, Böhmen, ganz Deutfchland, Schweiz,
Stalien, Ungarn, Moldau, Wallachei und dem nördlichen
Griechenland nieder; aus Deutfchland breiteten fie ſich dann
nah Frankreich und England aus. Was aber diefe Hypo⸗
thefe vollends zur Gewißheit erhebt, das find folgende Saͤtze:
Die Dffenbarung Johannis iſt eine göttliche, zur Bibel
gehörige, vom Gott der Wahrheit durch einen Engel dem
Apoftel Johannis mitgerheilte Schrift. Wenn dieß unftreitig
iſt, wie es denn unmöglich von jemand beftritten werden
kann, der dieß Buch mit Aufmerkſamkeit ftudirt Hat, fo folgt:
Daß die Verfieglung aus den zwölf Stämmen, von denen
‚hier. die Rede ift, Fein leeres Gedicht, fondern Wahrheit feyn
muͤſſe: und wenn man auch einen myftifchen Verftand darin=
nen fuchen wollte, fo würde er immer ungewiß und ungezwuns
‚gen herausfommen.
156 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Gewiß ift alfo, daß zwifchen der Vollendung des Gerichts
über das Heidenthum und dem Anfang des Gerichtd über
das morgenländifche Kaiferthum, im Verborgenen, aus jedem
der zwölf Stämme Iſraels zwoͤlf tauſend Menſchen verſie e⸗
gelt worden.
Daß niemand als ein vorzuͤglich weit gefoͤrderter Ehriſt
verſiegelt werden koͤnne, verſteht ſich von ſelbſt, und daß dieſe
zwoͤlfmal zwoͤlf tauſend Iſraeliten wirklich ſehr weit gefoͤr⸗
derte Chriſten waren, iſt aus Offenb. Joh. 17. V. 1- 6.
unwiderſprechlich.
Aber eben ſo ausgemacht iſts auch, daß in den Rändern,
wohin die zehen Stamme Iſraels ehemals verfegt worden,
und wo fie heruach auch fo lange gewohnt haben, nemlidy im
udrdlichen Afien, die chriftliche Religion niemals fo befannt
geworden, daß da nur zwolf taufend, gefchweige hundert vier
und vierzig taufend gute, erleuchtete und weitgeförderte Chris
fien Hätten zufammen gebracht und verfiegelt werden koͤnnen.
Dieß war alfo nur in der Chriftenheit möglich; folglich)
mußte ein großer Theil der zehn Stämme Iſraels mit den
chriftlichen Nationen vermifcht feyn.
Aus diefer wichtigen Wahrheit folgen noch fehr wichtige
Schluͤſſe: Wir find nun alfo aud) wahre Sfraeliten nah dem
Fleiſch, folglich gehen und auch die großen und tröftlichen
Berheißungen an, die in den Propheten des alten Bundes
dem Volk Sfrael verfprochen worden.
Die Zuden find nun auch) nach dem Fleiſch unfere Brüder,
und wir find Daher doppelt verpflichtet, uns ihrer anzunehmen.
Wir Haben eben fo viel Anfpruch an die Erbgerechtigkeit
Kanaans wie fie; und follten einmal die Juden befehrt wers
den, und nad) Ferufalem ziehen, "fo haben wir das Recht
mitzuziehen: Denn Abraham war ſo gut unfer Vater wie
der ihrige.
Doch ich wende mich num wieder zur Erklärung ber Be
Dffenbarung, und da wir hier einen aufferftwichtigen Gegen⸗
fand vor uns haben, fo bitte ich meine Leſer, folgendes mit
angeftrengter Aufmerkſamkeit zu beherzigen: Er
In diefem ganzen Buch bezieht ſich alles auf folgenden Sas:
en u en U u ET in.
Kap. 7. B. 4. bis 8. 157
Die ganze Menfchheit. liegt im Verderben, Jeſus Chrifius
bat fie durch fein Leben auf Erden, und durch fein Leiden und
Sterben erlöst, um ſie der Herrfchaft der alten Schlange,
welche unfre erften Eltern im Paradies verführte und. unter
ihre Bormäßigkeit brachte, zu entziehen; zu dem Ende hat
Er ſich durch alle Anftalten, und durdy feine Gefandten unter
den Menfchen ein Reich gegründet, welches bis zu feiner
Zufunft, wo Er auf Erden ein herrliches Reich des: Friedens
errichten wird, dem alle Völker unterworfen ſeyn werden, die
fireitende Kirche genannt wird. Die Zufunft des
Herrn alfo, nebf der Erribtung feines herrlis
ben Reihe, und dern Kampf zwifchen der jireis
tenden Kirche und der Macht des Drachen, macht
den ganzen Inhalt diefes unbefchreiblich wich—
tigen Buchs aus, und auf diefe sap. nenn be:
zieht fich alles.
Die beiden Heerführer, die alfo hier ai Salbe Tiegen, fi find
Chriſtus und der Satan, das Lamm und der Drache. Die
erfte Macht, die fih Satan gegen Gott errichtete, war die
Vielgoͤtterrei, oder das Heidenthum; dieſem feste Jehovah
die ifraelitifchen Anftaltenı entgegen; Jirael wich: allmählig
ab, und in: diefenn Volk erfchien: der, Sohn Gottes, und ers
richtete durch alle feine Erlöfungsanftelten das Chriſteuthum,
und in demfelben die fireitende Kirche, als Grundlage zu
feinem Fünftigen herrlichen Reich; nachdem dieß gefchehen
war, ſo fingen die Wirkungen des großen Kampfs vor feiner
Zukunft damit an, daß das falfche Judenthum gerichtet und
auf immer geftürzt wurde. Durch viele Prüfungen und Läus
terungen wuchs nun das Ehriftenthyum, und in. demfelben die
flreitende Kirche, und etwas über zwei hundert: Jahr nach
der Zerftdrung)des jüdifchen Staats fiel auch das Heidenthum
auf immer, und wurde gänzlich überwunden.
Auf diefen Standpunkt bin ih num mit meiner Erflärung
gekommen; hier aber fangen nun andere Aufferft wichtige Ana
falten zu einem neuen Kampf an, die nun aud) nach einans
der entwidelt werden muͤſſen.
Es ift bekannt, das fid) Jehovah im alten Teftament oͤfters
/
158 Erklärung der Offenbarung Johannis.
des Bildes zwifhen Mann und Weib, oder des Eheftandes
bedient, wenn Er vom der Beziehung, oder dem Verhaͤltniß
zwifchen fich und feinem Volk Iſrael redet; befonders finden
wir diefes Bild fehr ausführlich Ezech. 25. Des nemlichen
Gleichniſſes bedient fih auch zw Zeiten Chriftus, wenn Er vom
Braͤutigam und der Braut fprichtz vorzüglich aber: gefchieht
diefed hier in der Dffenbarung Johannis, wo die’ getreue
Heerde der wahren Verehrer Jeſu und Befenner der Wahr:
heit die Braut des Lamms genannt wird. Der Gegenfag
diefer Braut des Lamms ift die falfche abgewichene chriftliche
Kirche , oder babylonifhe Hure, die ihren Hauptfig in der
ehemaligen Hauptftadt des Heidenthums, in Rom hatz das
her wird auch wie Stadt Rom felbft die babylonifche Hure ge⸗
nannt, in weldyer dad Thier aus dem Meer feinen Sig hat,
Off. Joh. 17: V. 18. und gegen’ über fteht dann das Heer
der Heiligen, die wahre Kirche, oder die Braut des Lamms,
welche ebenfalls eine Stadt und Bürgerfchaft, nemlich das
neue Jeruſalem ausmacht. Kap 21. V. 9.
Alsıder Feind Gottes und der Menfchen, der Drache, fahe,
daß feines erfte Macht, das Heidenthum ‚ überwunden war,
fo ſchlich er fi) fogar ins Chriſtenthum ein, und verwandelte
ed im Drient und Occident in ein neues Heidenthum, in wels
chem er fih abermals eine neue Macht gegen Chriſtum und
fein Reich bildete; im Orient oder in der griechifchen Kirche
fand er nicht Kraft genug, die Menſchen waren zu weichlich
und zu ſchwach im Lurus und in’ der: Ueppigkeit geworden,
daher überließ er fie ihrem Schicffal und. nahen Gericht, aber
im, Dceident, in der 'abendländifchen Kirche, "waren: lauter
Kraftmenfchen, die er brauchen Fonnte, hier legte er — * vom
Heerlager_ an, und befeftigte ed aufs befte.
Daher finden wir auch ‚gleich nady dem Fallı'des Heiden:
thums unter dem Karolingifchen Kaiſern das Weib Jeſabel
in Rom;) man lefe mit Sleiß, was ich oben in meiner Er:
klaͤrung des Brief an die Gemeinde zu Thyatira Kap. 2.
V. 20— 23. über diefe Materie gefagt 'habe. Jetzt war
die babylonifche Hure noch jung, daher gab ihr der Herr noch
einen ganzen Chronus, von 1111 Sahren,. Zeit zur Buße,
Me Kehren in na 4 —
Kap, 7.8. 4, bis 8, 159
damit fie hernach im Gericht. über fie Feine Entfchuldigung
haben möchte. Aber da Er, der Allwiffende, wohl voraus
fahe, daß aus dem Bußerhun nichtd werden würde, fo warb
Er ſich num die eigentliche Braut ded Lamms an, und dazu
waren die hundert vier und vierzig taufend verfiegelte Iſrae⸗
liten die Erſtlinge; Er fliftete nun eine neue Gemeinde, Lie
in Thyatira und Philadelphia noch fortblüht, und zu wels
cher die wenigen aus Garden und die Laodiceiſchen Ueber:
winder noch hinzufommen werden. - ©, oben meine Erklärung
der Briefe an diefe vier legten Gemeinden.
Dad alte Teſtament ift Grund und Fundament des neuen;
Iſrael Stod und Stamm’ der wahren Kirche Gottes; Chris
ftus felbft war ein Sfraelit nah dem Fleiſch, und die erften
Chriſten Abrahams Saame; eben fo follten audy die hundert
vier und vierzig taufend verfiegelte Iſraeliten die erften Aktiv⸗
Bürger: und die Meiftbeerbten: des neuen Jeruſalems feyn.
Jedes Zerufalem ift immer. die Hauptitadt Iſraels, das
neue, fowohl als das alte, und wenn wir die Befchreibung
des neuen Serufalems Kap. 12. B. 10. aufmerkfam betrach⸗
ten, :fo finden: wir, daß es fich ganz genau zu feinen ‚hundert
vier und vierzig taufend. Aktivbuͤrgern ſchickt: Denn diefe
Stadt ift viereckigt, und jede Seite zwoͤlf taufend Stadien
lang, folglich enthält fie hundert und vierzig Millionen Stas
bien; wenn wir diefe unter die 144,000 Bürger vertheilen;
ſo befommt jeder taufend Quadrat Stadien, welche 10,000
Morgen: Landes nach unferm Maaße, den Morgen zu 140
Ruthen gerechnet, ausmachen; ein Hausplaß ; auf welchem
eine hübfche Stadt: gebaut: werden koͤnute — wie viele Bei⸗
ſaßen kann nun ein folcher Bürger aufnehmen ? — DO Freunde!
es ift noch Raum dal — im meines Vaters Haus find viele
Wohnungen, wietröftlich ift das? —
Die zwölf Stämme Sfraels find der Hauptftoff des gans
zen alten Teftaments, und die zwölf Apoftel des neuen —
das alte Teſtament mit dem neuen multiplizirt, 12mal 12
macht 1445 12 ift die Wurzelzahl des neuen Serufalems,
und 144 fein Quadratinhalt, der Segen der Vermehrung
geht dann in die Tauſende. Die Stadt hat zwoͤlf Thore,
160 Erklaͤrung ber Offenbarung Johannis.
auf jeder Seiten drei, und zwölf Gründe, nad) der Zahl der
zwölf Apoſtel des Lamms, und über den Thoren ftehen die
Namen der zwölf Stämme Sfraels, u. f. wi Offenb. Joh. 21.
Mer fiehet nun aus dem Allem nicht, daß die 144,000
BVerfiegelte den Grund der Bürgerfchaft des neuen Zerufalems,
folglich die Braut des Lamms in ihrer Jugend ausmachen?
Die Verfieglung felbft gefchahe bald nach dem Sturz des
Heidenthums; und da wir num einmal gefunden haben, daß
fi) ein großer Theil der zehn Stämme Sfraeld in der Euro»
päijchen Chriftenheit, und zwar in den füdlichen Theilen
derfelben, befindet, fo ift nichts gewiffer, als daß unter den
Dorfahren der’ Gemeine zu Thyatira ein Theil der 144,000
Verfiegelten, für welche der weftliche Engel feinen Wind zuͤ⸗
gelte, gefucht und gefunden werden koͤnnen. Der ndrölihe
Engel zahmte feinen Sturmwind für die Wallachei, Moldau
und: Zrazien, bis auch! hier ein anderer Theil der Erftlingss
bürger des Serufalems, das droben ift, angeworben worden;
der oͤſtliche Windebändiger forgte für das nördliche Perfien,
fo weit. fich die Chriſtenheit erſtreckte, Affyrien, ‚Mefopodas
mien, Syrien, Palaͤſtina und Kleinaſien, bis aud) da die
BVerfiegelung vollendet war; und der füdliche Engel hielt die
Strafgerichte aus Arabien, Egypten und Afrika zuruͤck; denn
dort befanden fich allenthalben Juden, die nun —R und
der hohen Verſieglung fähig waren.
"Damit warınum der Grund zum Fünftigen — Keich
gelegt; die Braut des. Lanıms angeworben; im 12ten Kapi⸗
tel finden wir fie in einer ganz andern Geftalt wieder, wo
denn auch ihr ferneres Schickſal näher beftimmt wird.
Bei der Verfieglung aus den zwölf Stämmen * Pi
nun nod) folgende Stüde zu bemerken: |
1) Es ift merfwüärdig, daß hier der Stamm Juda voran⸗
geht, und Benjamin den Beſchluß macht, da ſonſt Ruben
der aͤlteſte Sohn Jakobs war; dieß kommt daher, weil Juda
der Stamm iſt, der die Geſchlechtslinie des Erldfers enthält,
und alfo mit Recht ald die Familie Chrifti den erſten Rang
hat. Benjamin macht den Befchluß, weil er unter den zwölf
Patriarchen der jüngfte ift, indeffen da Zuda und Benjamin
Kap, 7. V. 4. bis 8, a ;
fo mit einander vermifcht find, daß Fein Zude mehr wird
fagen Fünnen, ob er von Juda oder Benjamin herftanıme, fo
daß, wen Zuda den Anfang und Benjamin dus Ende von
einem Umkreis macht, beide in einander übergehen. Dann
verdient auch Juda den Rang vor allen andern, weil er mit
feinem Bruder Benjamin, feit der Zerftdrung Jerufalems,
Zleichſam der Repräfentant des ganzen Volks Iſraels ift, und
ganz allein den Jammer der göttlichen Ungnade trägt, wähe
rend dem feine zehn Brüder mit den andern Nationen vers
mifcht find, und nichts leiden. - Auch das ift ehrwürdig an
ihm, daß er mit’ unbefchreiblicher Treue am väterlichen Ge—
fe und der Religion feiner Vorfahren hängt, während dem
feine zehen Brüder die Erfenntniß des wahren Gottes lang
- verloren haben, auffer den verlornen Schaafen, die Chriftus,
beſonders auch in diefer Verfieglung, zu feiner Heerde ges
bracht hat.
Aber wenn auch Juda und Benjamin einmal zu einander
fagen werden : Das alles haben wir an unferm Bruder Chris
fius verfchulders komm, wir wollen zu Ihm gehen, und
Ihn um’ Gnade’ bitten — dann wird Er fie mit göttlichen
Erbarmen aufnehmen, und fagen: Jetzt foll nun mein Blut
in einem andern’ Verftand über euch und eure Kinder foms
men, und daun wird Juda —* unſer erſtgeborner Brus
der werden.
0) In der politiſchen Ordnung der zwölf Staͤmme Iſraels
wurde Levi immer ausgelaſſen, weil dieſer Stamm dem Prie⸗
fterthum gewidniet war, und Feine dfonomifche Eriftenz im
Lande Kanaan hatte; damit aber doc) die Zahl zwölf immer
voll bleiben möchte, fo theilte man den Stamm Joſeph in
zween, Ephraim’ und Manaffe, Hier aber, wo vom levitiz-
ſchen Gottesdienft und Priefertyum gar Feine Rede mehr
feyn kann, hier hat Levi gleichen Rang und Antheil am dem’
Bürgerrecht des neuen Serufalems mir feinen Brüdern.
5) Ephraims Name ift ganz ausgelaffen, und der Name
Joſeph an die Stelle gefeßt worden ;' vermuthfich deswegen,
weil fi) Ephraim, als der Hauptſtamm des Königreichs
Iſrael, fehr Schlecht auffuͤhrte, und daher ſein Name vor dem
Stillings ſaͤmmtl. Schriften. III. Band. 11
162 Erklärung ber Offenbarung Johannis,
Herrn ftinfend geworden war; immer macht der Name Joſeph
einen beſſern Eindruck, als der Name Ephraim. Und |
4) Der Stamm Dan ift ganz auögelaffen; — Levi füllt
bier feinen Plaß aus; vielleicht auch der halbe Stamm Manaffe,
der dieffeitd dem Sordan, im Lande Kanaan wohnte. Das
ift hartd — der Stamm Ephraim ift doch da, er hat nur
Joſephs Namen angenommen; aber der ganze Staium Dan
iſt verſchwunden. Die wahre Urfache liegt gewiß: in feiner
Aufführung, welche der Erzvater Jakob auf feinen Todbette
ſchon ahnete. Er fügte 1 Mof: 46. im 17ten Verfe: Dan
wird eine Schlange am Wege feyn, eine Dtterfchlänge neben
dern Fußpfad, die das Pferd in die Zerfe fticht, ſo daß fein
Reiter herunterfaͤllt. Ein fchredliches aber fehr treffendes
Gemälde eines verrätherifchen Böfewichts! Schon 5: Moſ. 24.
V. 10/ und 11 zeigt fich die Bosheit eined Daniten, aber
Nicht: 18: finden wir den wahren Grund des gänzlichen Aus⸗
ſchluſſes dieſes Stammes von der Bürgerfchaft des neuen
Serufalems; Die Daniten hatten noch immer ihr Erbtheil
nicht in Befiß genommen, als die übrigen Stämme ſchon
ziemlich in Ruhe waren; endlich field ihnen ein, doch num
auc) zuzugreifen! auf diefen Zug Plünderten ‚fie die Hauss
gottheit Micha, des Eyhraimiten, und fingen ſchon mit der
Beſitzuehmung ihres Erbtheild die Abgötterei an, welche
unter Jerobeam noch mehr zunahm, deffen egpptifcher Ochſe
oder Apis in der Hauptftadt Dan verehrt wurde, und auch
nicht eher dufhörte, bis diefer Stamm unter den zehn Stäms
men mit weggeführt wurde, Indeſſen gibt doch Ezechiel im
48ſten Kapitel feiner Weiffagung dem Stamm Dan ein Erbe
theil, folglich) wird er auch von der Bürgerfchaftdes neuen:
Jeruſalems nicht ganz ausgefchloffen, fonderm ‚feine: geringe
Zahl, die Feine zwölf taufend Verfiegelte ausmacht, iſt unter
den andern Stämmen verſteckt. Aber ald Stamm ift er ganz
ausgeſchloſſen.
9. Nach dieſem ſahe ich, und ſiehe! eine große Schaar,
die niemand zählen konnte, aus allen Nationen,
Stämmen, Völkern und Sprachen, welche vor dem,
Kap BI bi. 163
Thron und vor dem Lamm ſtund, mit weißen Nds
cken bekleidet war, und Palmen in den Händen hatte.
10. Und fie. fehrien mit großer Stimme, und ſprachen:
Das Heil ſey unferm Gott, der auf dem Thron fist,
und dem Lamin! |
11. Und alle Engel ftunden rings um den Thron, um
die Aelteften und um die vier lebendigen Weſen;
und fie fielen vor dem Thron auf ihr. Angefi hhte nie⸗
der, beteten Gott an, |
12. Und fprah: Amen! Die Lobpreifung und die Herrs
lichkeit, und die Weisheit, und die Dankffagung, und
die Ehre, und die Macht und die Stärke fey unferm
Gott, in die ewige Ewigkeiten, Amen!
Nachdem nun alles vorgeftellt ift, was zu den ſechs Sie⸗
geln, zum Sieg uͤber das Heidenthum gehoͤrt, und auch fuͤr
den Schutz der Erſtgebornen, durch die Verſiegelung, gegen
die Gerichte des ſiebenten Siegels geſorgt iſt, ſo macht nun
der Triumph der Auserwaͤhlten wegen jenes Sieges, wie im:
mer den Schluß.
Die große, unzählbare Schaar, aus allen Nationen, Stäms
men, Völfern und Sprachen, befteht aus allen Erlösten des
Herrn, die vom Antritt feines Lehramts an durch Ihn, feine
Apoftel und alle treue Sefandte zu feinem Reich angeworben
worden. Die Blutzeugen aber find nicht dabeiz denn diefe
befinden fich unter dem Altare, Kap. 6. V. 9. Diefe Schaar
fteht nun vor dem Thron und vor dem Lammz ſie iſt zum
großen Ziel ihrer mühfeligen Laufbahn gefommen, fie. hat
überwunden; darum tragen fie auch num die weißen Kleider,
die Uniform des himmlifchen Hofs; fie haben das hochzeit—
lihe Kleid an; die Palmen in den Händen find Die Zeichen
ihres Siegs und hohen Zriumphs.
Dabei bleibts aber nicht, fondern das ganze Heer legt auch
nun das einmüthige Bekenntniß ab, daß feinem unter ihnen
die Ehre ihrer Ueberwindung zufomme, fondern fie alle hätten
ihre Errettung, ihr Heil ganz allein ihrem Gott, dem auf
dem Thron figenden Jehovah und dem Lamm zu verdanken,
11 *
164 Grflärung der Offenbarung Johannis.
Diefe Gefinnung iſt der Geift des Reichs Gottes, ohne wel:
chen niemand. vor dem Thron des Allherrfchers erfcheinen
kann; ſo wie Selbftfucht-der Geift der, Hölle ift. Gott und
Chriſto allein die Ehre! iſt die Lofung des Himmels; wer die
uicht von Herzen fagen kann, der gehört nicht dahin.
Die Engel find dienftbare Geifter, ausgefandt zum Dienft,
um derer willen, die die Geligfeit ererben follen. Hebr. 1.
V. 14. Hier ift nun eine unzählbare Schaar, welcher auch
eine unzählbare Menge Engel zum Schuß und zu Führern
in ihren mannigfaltigen Leiden gedient hat! folglich ift auch
billig, daß fie hier, Bei der erften großen Bewillfommnungse
audienz, zugegen find, und über den wohlgelungenen Ausgang
der Sache, Dem, der auf dem Thron fit, und dem Lamm
ihre Ehrfurcht bezeigen; fie fallen nieder auf ihr Angeficht
und beten Gott an. mc
Bei diefer Anbetung iſt das Erfte, Voß fie jenes allgemeine
Bekenntniß ber feligen Menfchenfchaar, daß alles Heil Gott
und. dem Lamm zuzufchreiben fey, durch ein feierliches Amen
verfiegeln, dieß koͤnnen fie aus Erfahrung thun; denn fie was
ven ja Begleiter diefer Menjchen in ihrem Leben, und fie
wiſſen alſo, wie wenig der Menfh vermag. "Darauf folgt
dann: wieder der fiebenfache Preisruf, den auch das Lamm
empfing, als es die Entfieglung des Buchs übernahm. Kap. 5.
V. 12. Man fieht alfo hieraus, daß die Himmelsbewohner
Gott und Chrifto: gleiche Ehre erzeigen, und daß der fiebene
flammigte Geiſt überall mit thätig ift. Auch dieß wird mit
einem Amen verfiegelt.
25. Und einer aus den Melteften antwortete und ac
zu mir: Diefe, die mit den weißen Rocken bekleidet
find, wer find fie? und woher find fie Eommen?
14. Und ich fagte zu ihm: Mein Herr! du weißt es.
Und er ſprach zu mir: Dieß ſind diejenigen, die aus
der großen Trübſal gekommen ſind, und ihre Rocke
im Blut des Lamms gewaſchen und gebleicht haben.
Der erhabene Seher Johannis wünfchte vermuthlich 4
wiſſen, aus was für Leuten dieſe ſelige Menſchenſchaar be⸗
Kap. 7.8, 13. bis 17. 165.
fiinde? — Einer aus den Aelteften, bie ihm nahe waren,
. abemerfte das, und beantwortete ſeine Sehnſucht mit der
Frage: Weißt du auch, wer diefe felige Menſchen find, und
woher fie fommen? — Er verfegte darauf mir Ehrfurcht:
Nein, mein Herr! aber du weißt es vielleicht, und kannſt
‚mich darüber belehren. Dieß gefchah denn auch’ Dieß find
‚diejenigen, ſprach der Neltefte, die in dem großen Kampf des
Chriſtenthums gegen: das Heidenthum treulicy vausgehalten
haben, und bewährt erfunden worden; daß ihre Roͤcke ſo weiß,
ſo reinlich find, das formt daher, fie haben fie mit dem Blut
des Lamms gewafchen und ‚gebleicht.
Es iſt überaus merkwürdig, daß diefe hohe Offenbarung,
bei allem hohen Schwung der Begeifterung,, doch ſo ganz
genau die chriſtliche evangelifche Heilölehre lehrt und beobach⸗
‚tet, ſie uͤbertreibt nichts), läßt nichts aus, und>bringt aud)
nichts Fremides hinein; die Erlöfung durchs Leiden und Ster⸗
ben Chrifti ift hier; wie überall‘ im neuen Teftament, der
Grund aller Seligfeit.
Im Blute ded Lammes feine Kleider wafchen und bleichen,
iſt ein bildlicher Ausdrud, welder nichts mehr und nichts
weniger, bedeutet, ald daß der durch Leiden und Sterben
vollkommen gemachte Geift Jeſu Chrifti alles in und wirken
muͤſſe, was vor Gott gelten foll; dieſen müffen wir uns durch
Glauben, Lieben, Wachen und Beten erwerben, Daß: unfere
ganze. Wirkfamkeit,; die ja dem geiftigen Menfchen feine
ganze Geſtalt gibt, unter dem Bild eines Kleides vosgefielt
wird, iſt ſehr treffend und bedeutend.
15, Um deswillen find fie vor dem Thron Gottes, und
"dienen Ihm Tag und Nacht in feinen Tempel, und
der auf dem Thron ſitzt, wird fein Zelt über ihnen
& auffhlagen,
16. ‚Sie werden fernerhin weder ‚Hunger noch Dürft leiden,
weder Sonne noch irgend eine Hitze wird fie, drücken.
47. Denn das Lamm über der Mitten des Throns wird
ſie weiden, and zu. dem lebendigen Wafferquellen leiten,
‚and Öott wird jede Thräne aus ihren Augen wiſchen.
166 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Darum, weil fie, fpricht der Aeltefte ferner, fich die Er:
loͤſuug Jeſu Chriſti recht zu nuße gemacht haben, und nicht -
mit ihrem. eigenen befudelten und befchmußten Gerechtigfeits:
rock gefommen find, fondern fi) vom Geifte der Erldfung
haben bewirken und heiligen laffen, darum find fie nun vor
dem: Throne Gottes, Freunde der nähern Zulaffung; mit
dieſem Kleide find fie nun Kandidaten des ewigen Priefters
thums geworden; von nun an dienen fie Zag und Nacht
Gott.in feinem Tempel, Worin diefer Dienft. beftehe, das
werden wir zu feiner Zeit erfahren — Gott helfe und dazu)!
Die übrigen Bilder im L6ten und 17ten Vers: find alle
aus dem alten Zeftament genommen: Daß der Herr ein
Zelt uͤber ſie auffchlagen wird, finden wir Pſ. 91. B. 1. und
Jeſe 4. V. 55 6. Daß fie: weder hungern noch dürften, we⸗
der, Hige noch Sonne drücken foll, ift genommen aus Pſ. 121.
B. 6:0 und vorzüglich aus Jeſ. 49. V. 10. Das ‚Weiden
und Leiten zu: lebendigen Wafjerquellen fteht Pi. 25. V. 1. 2.
und ef. 49. V. 10. und das Abwifchen der Thränen vers
ſpricht auch Jeſaias Kap. 25. V. 8. Man fieht überall,
daß Jeſus Chriſtus in diefem legten Buch der Heiligen Schrift
das alte Zeftament, Mofen und die Propheten noch einmal
recht: befraftigen, vollends ganz erfüllen, und feinem’ ganzen
Evangelio zum Grund legen will; darum laßt es uns ja
nicht: gering ſchaͤtzen, fondern ebenfalls die erften Quellen
aller Erkenntniß Gottes, Chrifti und unfrer ganzen Heilds
lehre darinnen auffuchen. Suchet in den Schriften des al⸗
ten Bundes; denn fie finds, die von mir zeugen, fagt Chris
ftus Joh. 5. V. 39
Alle dieſe Bilder haben nun den Zweck, der ſeligen Schaar,
die aus großen Truͤbſalen kommt, und alle Leiden erduldet
hat, vollkommene Sicherheit und die allervollſtaͤndigſte Er⸗
quickung zu gewähren; von nun an haben dieſe Erlösten
des Herrn ganz und gar nichts mehr zu fürchten, fondern
die ewige Seligkeit macht fie alles Leid vergeffen.
Set find wir nun mit den ſechs erften Siegeln ganz fer⸗
tig; aber das allerwichtigfte fiebente Siegel ift noch übrig.
Da achte Kapitel,
4 Und als 4 das fiebeute Siegel eröffnete, entflund ein.
Stillfchweigen im Himmel, etwa einer halben Stunde
lang.
2. Und ich ſahe die ſieben Engel, welche vor Gott —
und es wurden ihnen fieben Pofaunen gegeben.
Das fiebente Siegel enthält die Kämpfe, Gerichte und
Siegel unfers Herrn Jeſu Chrifti über die beiden ausgeartes
ten Kirchen, die morgenländifche Griechifche und die abends
laͤndiſche Römifche, die Proteftantifche nicht ausgefchloffen,
in fo fern fie zum Laodicen geworden ift. Diefe Kämpfe
werden durch Kriegähdrner ,. Arietinen, oder Widderhdrner,
welche Kriegs⸗ und Siegswerkzeuge find, angekündigt. Die
fechs erften Pofaunen fündigen die verfchiedenen Kämpfe ges
gen die morgenländifche griechifhe Kirche, und ihren endlis
den Umfturz an, wobei doch noch Hoffnung einer endlichen
Rettung übrig bleibt; die fiebente Pofaune aber macht durch
ihre fieben Sornfchälen der abendländifchen Chriftenheit und
allem MWiderftand ein Ende ; darauf folgt das herrliche Reich
Chrifti, und endlich die ewige Seligkeit, wodurch dann die
Periode des gefallenen Sefchlechts Adams ein Ende hat.
Dur) die Verfieglung der 144,000 Ssfraeliten war num
für die Saamen- und Pflanzfchule des Reichs Gottes geforgt;
an diefe fchloßen fi) nun immer, bis auf unfre Zeiten die
Getreuen des Herrn an; und dieß Anfchließen aller From⸗
men wird fortdauern bis zur Vollendung.
Der Anfang des neuen großen Schaufpield begann mit der
‚Erbrechung des fiebenten Siegels durch das Lamm; fo wie
dieß gefchah, bemerkte Fohannes ein allgemeines Stillfchweis
gen im Himmel: Bisher hatte das Heilig, Heilig, Heilig,
der vier lebendigen Wefen und das Lobgetöne aller Hims
melsbewohner gar nicht aufgehört, aber jeßt fchwieg alles;
alles harrte und wartete, was nun zum Vorfchein Pair
168 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
würde; denn jedermann vermuthete mit Recht, daß dieſes
allerwichtigfte fiebente Siegel über alles den Auffchluß ge-
ben würde. Es kam dem erhabenen Seher fo vor, als wenn
dieſes Schweigen)erwa eine halbe Stunde gewährt hätte.
Nach der Benglifchen Zeitrechnung. beträgt eine halbe Stunde
vier Tage, zwo Stunden und zehn Minuten, Es kaun
wohl ſeyn daß hernach in der Ausführung ein wirkliches
Schweigen im Himmel vorgegangen iſt, und auch ſo lange
gedauert hat; allein daruͤber laͤßt ſich aus der Geſchichte kein
Beweis fuͤhren. Dieß iſt aber auch nicht noͤthig; fuͤr uns
iſt es hinlaͤnglich, wenn wir nur bemerken, daß die Erbre⸗
chung des ſiebenten Siegels wegen ſeiner großen Wichtig⸗
Feit, ein, ‚allgemeines Erwarten im, Himmel erregt, , und ‚alle
feine, ‚Bewohner, fo damit erfüllt habe, daß fie eine kurze
‚Zeit, lange .alle ihre Befchäftigungen vergaßen.
Das erſte, was auf die Eroͤffnung des ſiebenten Siegels
‚erfolgte, war, daß die fieben Engel, welche vor Gott fieben,
ſieben Poſaunen empfingen; ſie wurden vermuthlich aus dem
‚Zempel geholt, und ihnen überreicht. |
Die alten Hebraͤer glaubten, daß beſtaͤndig fieben. Engel vos
‚nem Herrn ſtuͤnden, welche als Boten gebraucht würden, | um
feine Befehle, ‚auszurichten ; man nannte ſi ſie ‚Erzengel, Zob.
12. V. 16. Daß dieſer Glaube, gegruͤndet war, wird hier
bewieſen, denn es heißt ausdruͤcklich: Und ich ſahe die ſieben
Engel, welche vor Gott ſtehen, und es wurden ihnen ſieben
Poſaunen gegeben. Dann. erzählte Johannes weiter. |
3. Und ein, anderer Engel ‚welcher eine goldene Rauch⸗
vfaune.batte, kam, und ſtellte ſich an den Rauchal⸗
tar. Und es wurde ihm viel Rauchpulver ‚gegeben,
damit er es bei den Gebeten aller Heiligen auf dem
goldenen, Altar vor dem Thron Gottes opfern mbchte.
4. Und. der Dampf des Rauchwerks ſtieg mit den Gebeten
des Heiligen, aus der. Hand des Engels zu Gott hinauf,
5. Und der. ‚Engel nahm die Nauchpfanne und füllete ſie
mit dem Feuer vom Altar. und. warf es auf die
Erde. Und es entftunden- MORE und. ee v np
zung, und Erdbeben, | “
9 =
7 %
Aimud Kap. 8. V— 5. bis —öII 469
Ich habe oben, vor der Erbrechung der ſieben Siegel der
bangen Erwartungen aller Frommen gedacht „. wie ſie ſich
nach dem, Aufſchluß des Geheimniſſes, ob denn das Chriſten⸗
thum nicht endlich, uͤber das Heidenthum ſiegen wuͤrde ? ge⸗
ſehnt hätten, Hier, finden, wir, etwas ähnliches is. Alle Heis
ligen, ‚Am, Himmel, und. auf, Erden, bemerften abermal das
fonredliche,, Steigen, der. Macht der. Finfterniß ‚in der Chri—
ſtenheit ſelbſt; Daher entſtand nun ein allgemeines Flehen
zu Gott, um Hilfe; aber der Herr erhoͤret, ehe fie ſchreien,
and Er antwortet, ehe fie, rufen; denn die ſieben Engel
ſtehen ſchon da, und ruͤſten ſich zum Poſaunen.
Das Naucbopfer des Engels iſt hier ſehr merlwuͤrdig da⸗
sum befchreibt ‚es; Johaunes auch fo ausführlichs) Denn dieſe
prieſterliche Funktion ſoll vorſtellen, was geſchehen muͤſſe,
weun die Gebete der Heiligen Gott angenehm ſeyn, und er⸗
hoͤrt werden ſollen. Das Beten, auch das Beten der Heis
digen „., iſt noch bei weitem zur Erhoͤrung nicht genug —
neiu! das himmliſche Rauchpulver muß noch dazu kommen,
durchs Feuer in Dampf verwandelt werden, und dann muß
dieſer angenehme Geruch zu, Gott hinauf ſteigen· v-
Aber, was iſt denn nun dieß. himmliſche Rauchpulver 2, und
worqus heſteht es Die Antwort „hierauf koͤnnen wir
leicht finden, wenn wir, ung. erinneun „e was eigentlich, zu ei⸗
nem ‚Gebet gehoͤre, das yon, Gott erhört,, werden, fol; dazu
wird erfordert: Eine gaͤmuche Ergebung in Gottes Willen;
eine innere Auregung des, heiligen. Geiſtes zu einem: Findlis
ben, zutiauenövollen und ernſtlichen Gebet um die verlangte
Sache; ein reiner und vollkommener Glaube an die Allmacht
und Vaterliebe Gottes in; Jeſu Chriſto; das Zeugniß der
Kindſchaft, und, daß man. mit dem Vater durch Chriſtum
verſoͤhnt ſey; und endlich, Fruͤchte der Gerechtigkeit, des
Glaubens durch die Wirkungen der Gottes: und Menſchen⸗
liebe; wenn dieß alles unſer Gebet begleitet, ſo nimmt es
‚ein, Prieſtereugel als ein wohlriechendes Rauchwerk, bringt
es guf den goldenen, Rauchaltar und zuͤndet es im heiligen
Feuer der, göttlichen Liebe - ‚des. Erlöfers an, und. ‚fo ſteigt
Data ·dieſer angenehme Geruch zu Gott empor; — Ihm
4170 Erklärung der Offenbarung Johannis.
gefänt dieß Opfer, und Er erfüllt dann gerne, was wir von
ihm begehren.
Etwas beſonders geſchieht aber noch mit bieſenn Ya
opfer: Johannes fieht ferner, daß der Prieſterengel die
Rauhpfanne nimmt, fie mit dem Feuer vom Altar anfällt,
und ed dann auf die Erde hinwirft, wodurch metkwuͤrdige
Naturerſcheinungen, Donner, Blitze, Toͤne und Erdbeben
erzeugt werden. | —
Aus der Geſchichte iſt bekannt, daß vor großen und merk⸗
wuͤrdigen Gerichten gemeiniglich ungewoͤhnliche Naturer⸗
ſcheinungen, als Vorboten ſolcher Gerichte, vorhergehen.
Freilich darf man ſo etwas heut zu Tage vor der Welt
nicht laut ſagen, wenn man nicht ausgehoͤhut werden will;
aber es iſt nichts defto weniger doch wahr, man lefe nur alte
und neue Gefchichtfchreiber, ſowohl heidniſche als jüdische
und- chriftliche, fo wird man diefe Behauptung wahr finden,
Indeſſen wurde von jeher viel Aberglaube mit diefer Vor⸗
ſtellung verbunden, und man legte ungewöhnlichen Naturers
ſcheinungen Zu viel Bedeutendes bei, daher muß man auch
hier den Mittelweg gehen, und auf Fein Extrem verfallen.
Wenn man alfo hier annimmt, daß durch ſolche ungewoͤhn⸗
liche Naturwirfungen damals, als die "göttlichen Gerichte
über das griechiſche Reich vorbereitet wurden, den betenden
Heiligen auf Erden ein Winf gegeben worden, daß ihr Ges
bet erhört fey, fo irrt man nicht; immer Ehnnen ſolche Vor⸗
boten denen, die den Herin fürchten, und feiner Huͤlfe hars
ren, Winfe geben, daß etwas Merfwürdiges zum Beften
des Reichs Gottes gefchehen werde, damit fie fi) darnach
richten, ſich mit Beten und Wachen naher zu Gott halten,
und ſich auch untereinander naͤher aneinander anſchließen koͤnnen.
6. Und die ſieben Engel mit den ſieben Poſaunen hatten
fich zu blaſen gerüftet.
7. Und der erfte blies die Pofaune, und es entftund Hagel
und Feuer in Blut gemifcht, welche auf die Erde geworfen
wurden, und das dritte Theil der Erde, das dritte
heil der Bäume und alles grüne Gras verbrannte,
" Kap. 8. V. 6697. ) m
Zum Anbrucy. der Gerichte Gottes uͤber den Orient war
nun alles bereit,.
Den vier Windebändigern war befohlen worden, ſie ſollten
die Stürme einhalten, bis die Knechte Gottes verſiegelt Waͤ⸗
ven, damit fie nicht während der Zeit die Erde, das Meer
und die Bäume beſchaͤdigen, und alfo jene Verſieglung ftds
ven möchten; fie hatten gehorcht. Nun aber, als dieß Ges
ſchaͤft geendigt war, umd ihnen mir der erſten Poſaune dad
Zeichen gegeben wurde, fo ließ ſchon einer feinen Sturm⸗
wind loß, unddiefer führte ein Hagelwerter, welches mit
‚Feuers und Blurregen vermifcht war, über die Erde, wos
durch dann ein Drittel’ diefer Erde, ein Drittel der Bäume
und alles grüne Gras verbrannt wurde.
Wenn wir die Bedeutung diefes'prophetifchen Bildes der
erften Pofaune genau treffen wollen, fo müffen wir die Res
gel wohl beobachten, die ich’ oben ſchon bemerkt habe, nem⸗
lich: Keine, auch die merfwärdigfte, und übrigens auf dieß
Bild paſſende Geſchichte darf darunter. verflanden werden,
wenn: fie, nicht dem morgenläudifchen Kaiferthum zu Kons
fantinopel und damit verbundenen griechifchen Kirche. einen
folchen Abbruch thut, wodurdy fie ihrem Umſturz näher kommt;
folglich dürfen wir weder an ein Gericht über die Juden
(denn die waren gerichtet, ehe Johannes die Offenbarung
empfing) noch über die Heiden denken , weil ja das fechöte
Siegel unwiderruflich über fie entfchieden hatz und da es
jegt noch Feine Muhamedaner gab, fo kann auch fie diefe
erfte Pofaune nichts angehen, Pe fie: muß allein die
Ehriften treffen.
Ich habe oben den Anfang des Falls des Heidenthums
unter Konſtantin den Großen geſetzt, und zwar mit Recht,
weil dieſer Kaiſer die chriſtliche Religion annahm, und fie
dadurch herrfchend wurde; das Ende der Vielgötterei aber
fchrieb ich Karl dem Großen zu, weil diefer auch im Occi⸗
dent derfelben den legten Stoß gab; indeſſen laßt ſich doch
ein mittlerer Termin feftfegen, in welchem das Heidenthum
geiegmäßig verboten wurde, und diefes gefchahe unter Theos
dofius dem Großen, gerade am Ende des vierten und im
173 Erklärung. ders Offenbarung Johannis.
Anfang des: fünften Jahrhunderts. Von Rouſtantin dem
Großen, das ift, vom Anfang des vierten Jahrhunderts am,
bis an die Zeit, wo Karl der. Große Kaifer in den Abend⸗
Jändern wurde, nemlich im Anfang des neunten" Jahrhun⸗
derts, nimmt alfo die Vertilgung des Heidenthumssin den
‚gegenwärtigen Provinzen des ehemaligen roͤmiſchen Reichs
beinahe 500 Jahre sein; in dieſe Zeit: fällt, num auch die
erſte Pofaune, und da wir auch die Zeit wiſſen, in welcher
Theodoſius der Große das Heidenthum geſetzmäßig verbot,
nemlich im Anfang deso fünften Jahrhuuderts, ſo koͤnnen
wir auch fuͤr gewiß feſtſetzen, daß die Gerichte,/ welche die
erſte Poſaune ankuͤndigte, nemlich das große —
um dieſe Zeit feinem Aufang genommen habe
Keine Weiſſagung kann genauer zutreffen, als dieſe, und
Hein Bild; pafjender und nachdruͤcklicher ſeyn, als eben jenes
Hagelwetter; denn gerad um die Zeit uͤberfielen die Gothen,
Hunnen und andere Scythiſche und Nordiſche Voͤlkerhorden
das roͤmiſche Reich, und zwar vorzuͤglich die gegen Abend
liegende: Provinzen deſſelben; ihr Anfall; ihre: allgemeine
Derheerung, beſonders unter dem Hunnenfonig Attila, konnte
nicht treffender: worgeftellt werden, :ald durch ein mit Feuers.
und Blutregen gemifchtes Hagelwetter, welches Bäume und
Garn und ſogar den ‚Boden zu Grund» richtete. 7 ı
Man leſe nur bei Gibbon:die- ausführliche, Befchreibung
Biefer. ſchrecklichen Zeiten, fo wird. man vollkommen übers
zeugt «werden, daß jene Ueberfaͤlle die. Gerichte find, *
durch die, erſte Poſaune angekuͤndigt worden.
Dieſe barbariſchen Voͤller nun entriſſen nach und *
dem Kaiſerthum alle Abendlaͤnder, und die Gothen und Lon⸗
gobarden richteten ſogar einige Koͤnigreiche in Italien auf;
kurz der dritte Theil der ganzen roͤmiſchen Monarchie, alle
occidentaliſchen Laͤnder gingen fuͤr die griechiſchen Kaiſer zu
Konſtantinopel und ihre — eng u —
auf immer verloren.
I Unter‘ der Erde verſteht man am: füglichften: die Händen,
welche zum roͤmiſchen Reich‘ gehören; die Bäume find die
Bilder der Nahrung für die Menfchen, fo wie das Gras
4
Kap. 8. V. 8. 9. 173
für das Vieh. ! Doch bedeuten die Bäume aud) zu Zeiten
im ‚prophetifchen Sinn die vornehmern Stände, und Grad
und Kräuter das gemeine Volk u. f. w. welche Bedeutung
nun jedesmal gewählt werden müffe, das muß und kann
der Zuſammenhaug zeigen. Hier kaun jede dieſer — ur
gen ſtatt findenz alle paſſen hieher.
Dieß war alſo der erſte Schlag, der die ausartende Chri⸗
ſtenheit traf, und die Macht der in Ueppigkeit ſchwelgenden
orientaliſchen Kaiſer ſchwaͤchte; er kam aus Norden her,
der losgelaſſene Sturmwind fuͤhrte dieß Gewitter aus den
mitternaͤchtigen Laͤudern gegen Abend, wo es jene verheerende
Wirkungen ausrichtete.
8. Und der zweite Engel bließ die Pofanne, und e8 wurde
etwas, glei einem großen, im. Feuer brennenden
Berg, ins Meer geworfen, und, der dritte Theil des
Meers ward Blut.
9. Und der dritte Theil der Geſchopfe, die im Meer dag
‚Leben haben, ftarb, und der. dritte Theil der Schiffe
wurde zu Grund gerichtet.
Zur rdmiſchen Monarchie gehoͤrte auch der geöfte Theil
der afrikanischen Kuͤſte, Egypten und die heutige Barbarei;
Karthago war eine beträchtliche Handelsitadt, und von Afs
rika aus beherrfchten die Kaifer das mittelländifche Meer
und» die Handlung auf demjelben. Die Scytiſchen Voͤlker—
horden hatten das europäifche Drittel des römifchen: Reichs‘
verheertz und fo wie ein Hagelwerter fruchtbare Staaten
verderbt, fo wurden auch jene Staaten zertreten; hier kuͤn⸗
digt num auch. der; zweite ‚Engel mit feiner Pojaune das.
Gericht Gottes. über das afrikaniſche Drittel an, und der:
erhabene Seher fieht es unter dem Bild einer ‚großen feu—
rigen Maffe, einem in Feuer und Flammen fiehenden Berg
ähnlich, der ins Meer geworfen wird, wodurc dann der
dritte Theil des Meers blutig, der dritte Theil der lebendi—
gen Gefhöpfe in demfelben getoͤdet, und der dritte Theil
der Schiffe zertruͤmmert wird.
Keine Weiffagung kann abermal genauer erfuut en
4174 Erklärung der Offenbarung Sohannis.
als dieſe: Dem Apoftel Johannes war auf der Juſel Pat⸗
mos Afrika gegen Südweften, jenfeits dem Meer; wenn
nun der brennende Berg Afrika treffen follte, fo konnte es
ihm nicht anders vorfommen, :ald wenn er, ind Meer ges
worfen würde; dazu Fam noch, daß die Wirkungen diefer
Revolution vorzüglid die Schifffahrt des; römifchen Reichs
und feine Herrfchaft über das Meer zerrütteten, wodurch
dann dies Bild noch treffender wird.
Der Kaifer Thevdofius zu Konftantinopel hatte das Neich
unter feine Söhne getheilt, fo daß Arkadius im Drient, und
Honorius im Occident herrfchen follte; er ftarb im Fahr
595, gerad zu der Zeit, als der Völferhagel in Deutfchland
recht am Toben war, und fich gegen Stalien hinzog. Hono:
rius refidirte in Stalien zu Ravenna, und ftarb Anno 4235
ein gewiffer Johann maßte fi) zwar der abendländifchen
Kaiferfrone an, allein e8 gelang ihm nicht, fondern Valentin
der Dritte wurde Kaifer im Occident; indeffen regierte. er
nicht, fondern das überließ er feiner Mutter Placida, und
genoß was er genießen Fonnte. Nun hatte er zween nam⸗
hafte Männer, große Kriegshelden in feinem Dienft, der
eine hieß Aetius, und der andere Bonifazius; diefer letztere
war im Anfang der Regierung Valentinianus in Afrika, wo
alles wegen der Donatiften und innern Unruhe in Unordnung
war; Aetius, der unterdeffen am Hof war, und von Neid
gegen den Bonifazius brannte, bediente ſich aller hoͤlliſchen
Kunftgriffe, theils um den Bonifazius in die Falle zu locken,
theild ihn bei der Kaiferin Placida verhaßt zu madenz
beides gelang ihm zum unerfeglichen Schaden des Reichs:
denn er führte den Bonifazius fo irre, daß diefer den Koͤ—
nig der Vandalen Genferich, der ‚gerade damals in Spanien
gegen die Sueven Fämpfte, zu Hilfe rief. Diefer ließ fich
das nicht zweimal fagen, er Fam mit feiner Armee von mehr
ald 80,000 Mann, und fiel wie ein brennender Berg mit
voller Kriegswuth in Afrifa ein, und das nicht ald Helfer
und Netter der Römer, fondern als Würherich und barbaris
fher Eroberer; er und feine Armee brannte im lichterloher
Kriegöflamme, und fo Famen fie Anno 429 in Afrika an;
„Kap 8. V. 10, 11. 175
Genferih war ein ſchrecklicher Tyrann, und feine Truppen
wilde Barbaren; des Ranbens, Mordens und Verheerens
war. fein Ende; innerhalb zehn bis zwölf Jahren hatten fie
das afrifanifche Drittel des römifchen Reichs erobert, und
dafelbft. das Neich der. Vandalen geftifter. Nach hundert
Jahren wurde zwar dieß Reich durch den berühmten Feld-
heren Belifarius, des. Kaifers Juſtinians General, wieder
zernichtet, und die Vandalen vertrieben, allein: nie kamen
doc) die griechifchen Kaifer wieder in den ruhigen Beſitz
diefer Provinzen, denn Empdrungen und Unruhen aller Art
zerrütteten fie, bis fie endlich die Sarazenen eroberten, die
fie noch bid auf den heutigen Tag in Beſitz haben.
. Der Vandalen König Genferich mit feiner Armee war
alfo. der brennende Berg, den der Sturmwind von MWeften
‚her über das afrifanifche Drittel des römischen Reich hins
wehte, wodurd dann Blut genug vergoffen wurde, um das
Meer zu färben, auc die Menfchen, die auf der See in
den Schiffen Nahrung trieben, getödtet und mit ihren Schifs
fen zerträmmert wurden, Jetzt war alfo nur noch das oriens
talifche Drittel des römifchen Reich übrig; diefes war aber
auch bei weitem das beträchtlichfte, und es waren noch vier
Hauptftöße nöthig, um es ganz zu flürzen.
10. Und der dritte Engel bließ die Poſaune und ein
großer Stern, der wie eine Fackel brannte, fiel aus
dem Himmel, und er fiel auf das dritte Theil der
Ströme und auf die Wafferquellen.
11. Und der Name des Sterns wird Abſinthus ges
nannt, und der dritte Theil des Waffers wurde zu
Wermuth, und viele Menfchen fturben von dem Wafs
fer, weil es bitter worden war.
Die Religionseinigkeit hält die Völker in einem brüders
lichen Bande zufammenz; fo lange diefe dauert, koͤnnen auch
politifche Trennungen ihre Verfaffungen nicht ganz zerruͤt⸗
ten; bis daher hatten zwar manche fogenannte Keßereien,
vorzüglich aber der Arianismus, der Donatismus u. dgl.
viel Unheil in der herrſchenden chriftlichen. Kirche geſtiftet,
176 Erklaͤrung ber Offenbarung Johannis.
auch mögen fie wohl zur Schmaͤhung des Reichs Vortberei⸗
tungsmittel geweſen ſeyn, allein ſie ie hatten doch weder der
Kirche noch dem Staat Hauptftöße verfegt, daher ich auch
den Arius ſo wenig als irgend einen Ketzer unter dem Fa—
ckelſtern der dritten Pofaune verſteben kann. Die Trennung
der Iateinifchen -Abendländifchen Kirche von der griechiſchen
oder Morgenlaͤndiſchen aber, war ein toͤdtlicher Schlag fuͤr
das griechiſche Kaiſerthum; dein dadurch wurden auch die
abendländifchen Chriſten, die nun "zwar Feine Mitbürger
mehr waren, "aber doch noch immer als chriſtliche Mitbrüs
der betrachtet wurden, —* —— —*
der Griechen.
Die Haupturſache von bieſer ungluͤcklichen Trennung de
fund eigentlich in dem Empordrang des römifchen Bifchofs,
der nicht allein allgemeiner geiftlicher Regent, fondern auch
Gebieter aller weltlichen Fürften zu werden trachtete. Da
nun unter den Sternen, im prophetifchen Sinn, die Vorſte⸗
her der Religion, oder die vornehmften Beiftlichen verftans
den werden, fo bedeutet auch hier der größe glänzende Fa
elftern den römifchen Bifchof, der ſich vom griechifchen,'
bisher allgemeinen Kirchenhimmel fosriß, auf die Erde fiel,
das ift, die weltlichen Staaten in Befig nahm, und dann
dadurch) im abendlandifchen Drittel alle, Stroͤme und Quels
len, worunter. die chriftlide Glaubenslehre Yerfiannen, wird,
verbitterte.
Daß die Sterne jene — haben iſt ſchon oben
bemerkt worden, und daß die Waſſer des Lebens die, evau⸗
gelifhe Wahrheit von Jeſu Chriſto vorftellen, bedarf feines
Beweiſes: denn der Erlöfer bedient ‘fi. mehrmals, dieſes
Bildes in dem Sinn; auch ſelbſt in dieſer Offenbarung kommt
es weiter unten in dem nemlichen Verſtand vor.
Jener Empordrang des roͤmiſchen Biſchofs begann ſchon
fruͤhe, und wurde durch den Rangſtreit mit den Patriarchen
zu Konftantinopel immer mehr angefacht und erhitzt. Der
eigentliche Anfang des Falls dieſes Fackelſterns aber begann
Anno 607 Als Bonifazius der Dritte vom griechiſchen Kaiz
fer Phofas, der auch Rom beherrfcjte, gefegmäßig den Titel‘
Kap. 8 D 1 r 177
und die Macht eines allgemeinen Biſchofs bekam. Bon
nun an nahm die Anmaßung zu, fo daß fich, ſchon hundert
Jahr fpäter, Pabft Konftantin der Erfte vom griechifcyen
Kaifer Zuftinian dem Zweiten die Füße Eüßen ließ, bis
endlich gegen dad Ende des achten Jahrhunderts die Päbite
fhon große weltliche Fürften in Stalien waren, und alfo
der große Stern num ganz auf der Erde lag.
Der Name des Sterns hieß Abfinthus, fagt Johannes;
dieß Wort bedeuter etwas fehr bitteres, und wird daher auch
dem Wermuthfraut beigelegt; wie wahr wurde dad? Die
Anmaßung der römischen Hierarchie machte die Waller des
Lebens fo ungenießbar, fo bitter, daß mehrere Menfchen
davon ftarben ; viele Getreuen des Herrn wurden durch die
Bitterkeit des Pabftthums hingerichtet, und viele flarben
auc) des ewigen Todes an der Birterfeit des Waſſers felbit.
Sm folgenden neunten Kapitel, wo diefer gefallene Stern
— dad Gericht der fünften Pofaune verurfacht, werden
wir weiter von ihm reden.
12. Und der britte Engel bließ die ine, und dag
Drittel der Sonne, und das Drittel des Monds,
und das Drittel der Sterne wurde geſchlagen, ſo
daß ein Drittel von ihnen verfinftert wurde, und
alfo auch der Tag fein Drittel nicht ſchien, R. pie
hen auch die Nacht nicht,
Sch habe fchon oben bei dem ſechsten Siegel erinnert,
was unter Sonne, Mond und Sternen verflanden werden
muͤſſe, und zugleich mehrere Stellen angeführt, welche meine
Erklärung beweifen. Dem zu folge bedeutet alfo bier die
Sonne die hriftlihe Religion, der Moud ftellt die Aufkläs
rung oder die Vernunftweisheit vor, welche unter einen
Volk wechfelt, d.i. ab⸗ oder zunimmt; und die Sterne bes
deuten dann die Gelehrten, bejonders die Lehrer und Vor⸗
ſteher der Religion.
Dieß ganze Bild bezeichnet die Wirkung der muhameda=
niihen Religion auf die morgenläudifche Chriſtenheit. Der
Stifter derfelben Muhamed, ein Araber, war fein in dffentz
Stilling’s fämmtl. Schriften. Ill. Baud. 12
1738 Erklärung der Offenbarung Johannis.
lichem Amt fkehender Lehrer, fondern ein Privatmann, da=
ber kommt er hier auch nicht unter dem Bild eines Sterns
vor; aber er warf fich felbft zum Religionsſtifter auf, und
befehrte durch Feuer und Schwert. Er wurde im Fahr 596
geboren, im Jahr 609 fing er in Mekka an zu predigen,
im Jahr 692 Fündigte er denen, die. nicht feine Kehre Freie
willig annahmen, den Krieg an, hatte unglaubliches *
und ſtarb im Jahr 652.
Obgleich die Revensart, das Drittel der Sonne, des Monde
und der Sterne wurde gefchlagen, ein hebräifcher Ausdruck
ift, der eine Sonnen = oder Mondsfinfterniß bedeutet, fo
trifft er doch auch hier. buchftäblih zu; denn Muhamed
ſchlug und befämpfte die Religion und Aufklärung ; und
das mit folhem Gluͤck, dag nicht allein eim Drittel der
morgenländifhen Chriftenheit dadurch verfinftert, und ein
Drittel ihrer Lehrer außer Amt gefegt wurde, fonderit ganze
heidnifche Nationen nahmen feine Lehre an.
Es ift aber wohl zu bemerken, daß bier nicht die Kriege
und Eroberungen der Türken gemeint find, wodurd) endlid)
das griechifche chriftliche Reich ganz geftürzt wurde; denn
dieß endliche Gericht gehört unter die fechste Pofaunez; fon:
dern bier ift nur die Nede von der Wirfung der muhames
danifchen Religion durch das Schwert der Sarazenen auf
die morgenländifche Chriftenheit, welche die letztere dergeftalt
ſchwaͤchte, daß dadurch der Umfturz des römifchen Reichs in
Aſien um vieles erleichtert wurde.
Diefe Erklärung des Gerichts der vierten Pofaune ift fo
deutlich, fo treffend, und fo wenig einem Zweifel unterwors
fen, daß ich nichts mehr hinzu zu feßen weiß.
Diefen giftigen, tödtenden, Sonne, Mond und Sterne
verdunfelnden Dampf, trieb der fünlihe Sturm über gang
Afien, Afrika, und fogar auch nad) Spanien in Europa.
15. Und ich fahe und hörte einen in der Mitte des Him⸗
mels fliegenden Adler, der mit großer Stimme ſprach:
Weh! — Weh! — Beh! — denen die auf Erden
wohnen, wegen der noch übrigen Pofaunentöne der
drei Engel, die zukünftig noch Dlafen werden.
Kap. 8 2. 15. 179
Bor der Erbrechung der Siegel war ein großes Sehnen
und Aengiten unter den Ehriften, nach Licht und Auffchluß
des Geheimmniffes Gottes und Ehrifti. Siehe oben Kap. 5.
DB. 4. Als dieß Geheimniß, ob das Chriftentyum oder das
Heidenthum fiegen wiirde? durch die Eroͤffnung der vier erften
Siegel nun entfchieden war, fo eutſtand wegen der neuen
Macht der Finfterniß in der Ehriftenheit felbjt wieder neue
Beforgniß, Kap. 6. V. 10. diefe wurde abermals beruhigt:
Durchs fehste Siegel wurde das Heidenthum auf immer
gerichtet, und beider Eröffnung des fiebenten Siegels wurde
das Flehen aller Heiligen um Sieg und Errettung auf dem
goldnen Raucyaltarıvor den Herrn gebracht und erhört, K. 8.
V. 3. 4. Der Erfolg diefer Erhörung war, daß durch die
vier erften Pofaunen die erfchredlich ausgeartete und tief ges
ſunkene griechifche Kirche aufs aͤußerſte gefhwächt wurde,
Aber nun entflunden dagegen zwo Mächte der Finfterniß,
die beide der wahren Religion gleich gefährlich waren: Näms
lid) im Orient der Muhamedismus, und im Dccident das
Pabſtthum — jetzt ging aljo das Flehen und Jammern der
Ehriften wieder an, und ihre traurige Ahnung wird hier durch
den himmliſchen Ausrufer bekraͤftigt. |
Db diefer Ausrufer ein Engel oder ein Adler gewefen, ift
— aber auch einerlei. Einige Handſchriften haben
bie erſte Leſeart, andere die letzte; ich folge dem ſel. Bengel,
deffen Eritifche Kenntniffe allgemein auerfannt werden.
Diefer Adler rief nun ein dreifaches Weh aus, welches
diejenigen, die auf Erden wohnen, das ift, die Unterthanen
des rbmifchen Reichs, in den Morgen: und Abendländern,
treffen würde; das erfte füllte durch die fünfte Pofaune verur:
facht werden, und aus dem Abgrund entjtehen; das zweite
durch die fechste Pofaune vom Euphrat herfommen, und das
dritte unter der fiebenten Poſaune, als das legte langwierigfte
und ſchrecklichſte, follte dann vorzüglicy durch die fieben Zorns
ſchaalen allem Weh und Sammer auf Erden auf ewig ein
Ende machen.
Daß es bei allem fittlichen Verderben in der Chriftenheir,
zu allen, alſo aud zu Muhameds Zeiten, noch immer eine
2: KU
180 Erklärung der Offenbarung Johannis.
auserwählte, zerftreute und unter dem großen Haufen ver
borgene Schaar wahrer Befenner Ehrifti gab, daran ift Fein
Zweifel, und dafür bürgt uns aud) die Verfieglung, Kap. 7.
D.3. 0. fe Daher gab ed aud) jet, ald Muhameds Lehre
fo fehr überhand nahm, und alles zu verfchlingen drohte,
gewiß Ohren für die Warnungsftimme des Adlers. Unger
achtet aller Nachrichten, welche uns die Kirchenväter jener
Zeiten von Drthodoren und Ketzern hinterlafien haben, iſt
doch die Gefchichte zu arm, um alle, oder auch nur die wich»
tigften Regungen und Bewegungen unter den Rechtichaffenen
des Morgenlandes, die der Muhamedismus veranlaßte, und
der Adlersruf wecte, darinnen wahrnehmen zu koͤnnen. Der
einige Bibbon hat in feinem unfterblichen Werk, im 54. Kas
pitel, die für und äußerft merfwärdige Gefchichte der Paus
lizianer gefammelt, welche im Jahr 660, alfo gerad zu der
Zeit entſtunden, ald die Muhamedanifche Macht recht am
Steigen war. Diefe Paulizianer find die maͤhriſchen
Brüder, zugleich aber auch die Huffiten des Drients,
und gewiß ein Theil der hundert vier und vierzig taufend
Verfiegelten. Wir werden fie unten bei der Erklärung des zwoͤlf⸗
ten Kapitels auf eine aͤußerſt merkwuͤrdige Art wieder finden
Gibbon ift und immer ein gültiger Zeuge, als viele andre,
gerade deswegen, weil er Fein Freund der. chriftlichen Relis
gion iſt — wenn er alfo etwas zu ihrem Vortheil fagt, fo
iſts gewiß zuverläßig. Es gab alfo damals eine fehr be:
trächtliche und wichtige Heerde, die Ohren für den Adlersruf
hatte, und ihn zur Rettung vieler ausbreitete,.
fo 9 V. 1. bis 5. 181
Dur N A
w' 5
Das neunte Kapitel.
1, Und der fünfte Engel blies die Pofaune, und ich ſahe
einen Stern, der aus dem Himmel auf die Erde ges
„fallen war, und ihm wurde der Schlüffel zum Schlund
des Abgrunds gegeben, RR
9 Und er Öffnete den Schlund des. Abgrunds, und es
ſtieg ein Dampf: aus dem Schlund empor, wie ber
Dampf eines. großen Rauchfangs, amd die Sonne und
die. Luft wurden durch deu. Dampf. des Schlundes vers
.finftert., | — X
3. Und es gingen Heuſchrecken aus dem Dampf hervor
auf die Erde, und es wurde ihnen Macht gegeben,
ſo wie die Scorpionen der Erde Macht haben,
Der hohe Gang der göttlichen Gerichte über die griechiſche
Kirche und das morgenländifche roͤmiſche Kaiferthum geht
nun unaufhaltbar fort, zwei Wehe find dazu beftimmt, beide
in den Staub zu ſtuͤrzen; die fünfte Pofaune Fündigte das
erfte an, und nachdem der Engel geblafen, fo fieht Johan⸗
nes, daß dem Stern, welder nad) dem 10ten Vers des
vorigen Sten Kapitels vom Himmel auf die Erde gefallen war,
ein Schlüffel gegeben wird; dann bemerkte er auch den obern,
jest noch verfchloffenen Schlund des Abgrunds, und fieht
nun, daß der Stern mit dem Schlüffel diefe Mündung
auffchließt. |
> 9 Daß diefer Stern den römifchen Bifchof bedeute, haben
wir oben ſchon gefünden; und wie er dem griechifchen Reich
den erſten Herzensftoß durch die Kreuzzuͤge, vornehmlich aber
durch die Eroberung Konftantinopeld und des orientalifchen
Kaiferthums durch die Franzofen und ihre Bundesgenoffen,
die Venerianer, fo recht hinterliftig und Scorpionenartig
gibt, davon überzeugt und die Gefchichte jener Kriege fo
vollſtaͤndig, daß darüber Fein Zweifel mehr entſtehen Tann.
1893 Erklärung der Offenbarung Johannis
Die roͤmiſchen Pähfte hatten num feit dem fiebenten Jahr⸗
hundert her durch taufend liftige, oft abgrundsmäßige Kunfte
griffe ihre Macht und Herrfchaft über die abendländifche
oder lateinifche Kirche zu gründen und zu befeftigen geſucht;
durch die umeingefhränfte Gewalt über die Gemürher der
Menfchen war eö ihnen dam aud) leicht, ihr weltliches Ge:
biet immer zu vergrößern, und der allgemeinen MWeltmonarchie
immer näher zu kommen; denn diefe war eigentlich der
Hauptzweck, den ſie beengten. Nun hatte ſich aber die
griechiſche Kirche mit ihrem Kaiſer von ihrem Zwang losge⸗
feſſelt — die Morgenländer befümmerten fih um den römis
ſchen Pabft nichts, und das war ihm ein Dorn im Herzen,
aber mit Gewalt Fonnte er nichts ausrichten, daher mußte
er zur Lift feine Zuflucht nehmen, und jedes Mittel ergreiz
fen, wodurd er die Griechen ſchwaͤchen und demüthigen
fonnte,
Auch die abendländifchen Regenten, befonders die teut⸗
fhen Kaifer, fperrten ſich oft gegen den fchredlichen De—
ſpotismus des römifchen Hofs, aber da fie einmal durchaus
feine geiftliche Gewalt anerfannten, fo Fonnte es nicht fehr
len, fie mußten in der zeitlichen nachgeben; folglich kam es
dann endlich dahin, daß Pabſt Gregor der GSiebente im
eilften Jahrhundert die wunderbare hierarhifche Monarchie
gründete, die noch nie in der Welt etwas ähnliches gehabt
hat. Indeſſen waren denn doch die teutfchen Kaifer dem
geiftlihen Monarchen immer noch gefährlihe Nachbarn,
und nicht allezeit fo ganz gehorfam, Da nun der-Pabft wes
gen der Eingeſchraͤnktheit feiner Staaten Feine: hinlängliche
Armee halten oder aufbringen Fonnte, um die ungehorfas
men, aber mächtigen Söhne zu Paaren zu treiben, fo mußte
er zur Lift feine Zuflucht nehmen, und dazu bot ſich gegen
das Ende des eilften Jahrhunderts eine erwänfchte ren
beit dar.
Die Muhamedaner, welche man die Saracenen M
machten allenthalben erſtaunliche Fortſchritte, ohne daß die
weichlichen griechiſchen Kaiſer etwas Erſprießliches gegen ſie
ausrichten konnten; jene nahmen alſo dieſen eine Provinz
Kap. % Bu bis 3. 185
nach der andern weg, ohne daß fich die abendländifchen Für:
ften viel darum befümmerten; nun kamen aber auch die
Zürfen aus dem norddftlichen Afien dazu. Diefe Eriegerifche
ration ſetzte fi im Kleinafien feit, nahm die muhamedas
nifche Religion an, und befam endlicdy auch die Herrfchaft
über die Saracenen. Diefe Türken nun eroberten in. den
Sahren von 1076 bis 1096 unter andern auch Jeruſalem
und das gelobte Land; und da fie viel wilder und graufas
mer ald die Araber oder Saracenen waren, fo wurden das
durch die chriftlichen Pilger, welche aus allen Provinzen der
Ehriftenheit, vorzüglich auch aus den Abendländern dahin
reisten, um nach damaliger Weife an jenen heiligen Dertern
ihre Andacht zu verrichten, erfchredlich mißhandelt und geftört.
Einer von diefen Pilgern, ein Eremit, Namens Peter
von Aniiend, aus der Picardie in Frankreich gebürtig, mochte
wohl von den Türfen vorzüglich übel behandelt worden ſeyn,
wozu dann auch noch fromme Schwarmerei und erhißte
Einbildungskraft Fam; diefer machte vorzüglich viel Laͤr—
mens über diefe Bedruͤckung, und über den himmelfchreiens
den Gräuel, daß ſolche unglänbige Barbaren im Beſitz des
Landes feyen, welches der Heiland der Welt durch fein
Erlöfungswerf geheilige hätte, Bei feiner Ruͤckreiſe aus dem
Morgenländern wandte er fih nah Rom, wo Pabft Urban
der Zweite vor kurzem dem berühmten Gregor dem Giebens
tem in der Regierung nachgefolgt war, und von ganzem Herzen
den großen Plan der allgemeinen Weltmonardie, den fein
BVorfahrer entworfen hatte, ferner auszuführen fuchte, Dies
fen fchlauen Kopf Fam der Einfiedler Peter recht erwünfcht ;
denn in feiner Seele flieg der abgrundsmäßige Gedanfe auf:
Wenn er die Eroberungen des heiligen Landes den abend:
ländifchen Fürften zum Himmel verdienenden Werk, und
zum Mittel machte, wodurd) man auch die größten Gräuels
thaten und Blutfehulden abbüßen fünnte, fo erreichte er da=
durch folgende, dem römischen Stuhl höchft ermünfchte Zwecke:
2) Lenfteer dadurch die Politik der abendländifchenFürften von
fi) ab, und richtete ihre Aufmerkfamfeit nach den Morgenläns
dern, wodurch er dann defto beffer im Duukeln fortwirfen konnte.
184 Erklärung der Offenbarung Johannis,
2) Singen die Fühnften Krieger aus. den abendländifchen
Provinzen mit ganzen Schaaren von vielen Taufenden nach dem
Drientz daß ein großer Theil’ nie wiederfommen: würde,
war gewiß, folglich wurden die Fürften geſchwaͤcht, und
konnten alſo um fo viel weniger etwas gegen ihn unternehmen,
5) Konnte man die Güter der Edlen, die in diefen Krieg
zogen, huͤbſch au die Kirche bringen, folglich fie dadurch
reicher und mächtiger machen; und
4) Mußte auch dadurch nothwendig das griechifche eich
gefchiwächt werden; und wer: weiß, ob nicht der fchlaue
Pabft ſchon darauf rechnere, daß feine abendländifchen Kries
ger mit der Zeit Meifter von jenem Reich werden, und es
feinem Stuhl auch unterwerfen würden ? Su folgen Umftäns
den ließ fid) fo etwas leicht ahnen.
Dieß war ein höllifches Feuer in Urbans Eee, deſſen
Dampf nun bald hernady Sonne und Luft verfinftern konnte.
Er berief Konzilien nach Piazenza und nad) Clermont; der
Eifer des Pabftes für diefe Sache, und der Fanatismus
Perers des Einfiedlers flammten die abendländifchen Völker
an.» Hier ſchloß der gefallene Fadelftern, der Pabft, den
Schlund des Abgrunds auf; der Dampf des Aberglaubeng,
der irrenden Ritterfchaft und der würhenden Schwärmerei flieg
empor, und verfinfterte Sonne und Luft, Wahrheit und
‚vernünftige Denfart, und mit diefem Dampf trieb‘ der weft:
liche Sturmwind ganze Heere, wie alles —*—— a
ſchrecken, gegen den Drient him,
"Das Bild ift wahr und treffend: Gegemiy 200: Jahr *
zogen nach und nach ſieben Heere von vielen Tauſenden aus
Europa nach Aſien; viele Hunderttauſende kamen um, und
durch das Alles wurde nichts gewonnen, als daß der roͤmiſche
Hof im Truͤben fiſchen und ſeine Macht vergroͤßern konnte.
Dieſe Heuſchrecken- Echwärme aber druͤckten das griechi⸗
ſche Reich gewaltig, und einer unter ihnen ſchwaͤchte es
auf das Aeußerſte, wie wir nun ſehen werden.
Und es wurde ihnen geſagt, daß ſie * das Gras
der Erden, noch etwas Grünes, noch irgend einen
Baum beſchädigen ſollten, ſondern nur die Menſchen,
welche Gottes Siegel nicht an ihren Stirnen haben,
EEE Be) 28
Bi Und es wurde ihnen gegeben, daß fie fie nicht tödtes
ten, fondern daß fie fünf Monden lang gequält würs
den, und ihre Qual war wie die Qual von: einem
EScorpion, wenn er einen Menſchen hauet.
6. Und in dieſen Tagen werden die Menſchen den Tod
fuchen, nnd ihn nicht finden. "Und fie werden zu fters
pen wünſchen, "aber der Tod wird vor ihnen fliehen.’
—M
Der erhabene Seher ber Offenbarung Jeſu Chriſti, welche
die Dinge enthaͤlt, die ſchnell nach einander bis aus Ende
der Tage geſchehen ſollten, ſieht die Kreuzſoldaten in der
Geſtalt von wandernden Heuſchrecken, deren Sache es ſonſt
iſt, alles Gras, alles Grüne und ‚alle Blätter von den Baͤu⸗
men zu. verzehren; diefe apofalyptifche Heuſchrecken aber find
von ganz anderer Gattung , fie. haben etwas Ecorpionenars
tiges — gerad ſolche Schwänze, wie dieß Infekt hatz eben fo
betragen ſie fih auch : Denn fie haben den Befehl, nicht Heus
ſchreckenartig die Länder zu verheeren, nicht zu erobern , und
im griechiſchen Reich den Meifter zu fpielen, fondern wie
die Scorpionen von hinten her zu, ftechen. Können fie die
Griechen auf eine Art, zu Grund, richten, ‚die nicht in die
Augen. fällt, ihnen ſo von hinten eins verfegen, ja! dad moͤ⸗
gen ſie thun, aber oͤffentlich dürfen fie fi) nicht ald Feinde
zeigen „.da haben fie es nur mit den. Zürfen und Sarazenen
zu thun. wen
Dieß Quälen, welches fünf Monden dauern, und nur
die Menfchen treffemfoll, die das Siegel Gottes nicht an ihren
Stirnen haben, muß aber ja nicht von den Kriegen der
Kreuzfoldaten gegen die Türken und Sarazenen verftanden
werden; denn hieher gehört durchaus nichts. als was Bes
zug auf den Umfturz des. griechifchen Reichs hat; fondern
die Menſchen, die jenes Siegel nicht haben ; find vie in
aller Wolluft und Ueppigkeit verfunfene griechiſche Kaiferfas
milien, mit allen Großen ihres Reichs, ihrem Hof und Res
fidenzftadt Konftantinopel, Damit will icy aber nicht bes
haupten, daß unter allen. diefen Menfchenklaffen Feine eins
zelne fromme, oder von Gott verfiegelte Seele gewefen —
*
186 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
fondern es iſt hier vom Ganzen die Rede. Jene Stände
waren fo unbefchreiblich unwürdig,, daß einen sein Edel ans
wandelt, fo oft man ihre Gefchichte liest, diefe waren nicht
verfiegelt, fondern zum Gericht verurtheilt, und diefe wurs
den vom den Heufchrecfen mit: Scorpionenfhwänzen fünf
Monate lang gequält und nicht getbdtet.
Die Erfüllung diefes prophetifchen Bildes ift ſehr Harı.
Hundert Jahre lang wanderten diefe abendländifchen Heu:
ſchreckenheere, in ihren fanatifchen Dampf gehällt, durch
die griechifchen Reichsprovinzen; ohne ihnen gerade zu und
von vornen her zu. fehaden: man kann aber auch nicht laͤug⸗
nen, daß auch die unverfiegelten Griechen Fein gutes Herz
zu ihnen trugen; fondern fie oft aufs Eis zu führen fuchten.
Zu Anfang des dreizehnten Zahrhunderts aber fam man eiz
nem Hauptziel näher. Der griechifche Kaifer Iſaak Angelius,
ein Menfch von dem allerfchlechteften und umwürdigften Chas
rafter, wurde von feinen nicht viel beffern Brüdern des Throns
und der Augen beraubt; und dann in einen Thurm gefangen
geſetzt; fein Sohn Aleris, ein Prinz von zwölf Jahren,
floh durch Italien und fuchte in Deutfchland Schuß; dieß
gab nun zu dem vierten Heufchredenzug der Kreuzfahrer,
welche für dießmal Franzofen waren, eine treffliche Gelegen⸗
heit, ihre Scorpionenfhwänze zur Züdhtigung der Griechen
zu gebrauchen. Sie verbanden fih mit den Venetiauern,
und ergriffen den Vorwand, um den abgefeßten blinden Kais
fer Iſaak zum Beften des jungen Prinzen Alexis, den fie in
ihrem Schuß hatten, feinen Thron wieder zu fhaffen, das
griechifhe Reich zu erobern; gelang ihnen diefes, fo wurde
die griechifche Kirche mit der päbftlichen vereinigt, "und fols
chergeftalt das orientalifche Reich dem römifchen unterworfen,
weldyes mehr zu bedeuten hatte, als der Befig Jeruſalems,
welchen fie 87 Jahre behauptet, und vor Kurzem wieder vers
loren hatten,
Die Franzofen, mit ihren unbAnyerm Benetianern, zogen
alfo im Jahr 1203 vor Konftantinopel, eroberten es, und
fegten den verächtlichen blinden Iſaak wieder auf den Thron;
hier geht alfo dad fünfmonatliche Qualen an. Die Gries
utig, Kap. 9. V. 4. GIB 187
‘hen kounten die. Herrſchaft der Franzoſen unmöglich ertragen 5
ein gewiſſer Murzuphlus regte fie auf, Iſaak und fein Sohn
Alexis wurden abgefeßt, die Frauzoſen eroberten Konftanti=
nopel von neuem, und behielten das Kaiſerthum nun felbft,
fünf abendländifche Kaifer aus den Häufern Flandern und
Gourtenay regierten nacheinander mit lauter Scorpionenqual,
und im Jahr 1291 wurden fie von den Griechen, wieder
vertrieben.
Wenn man die Gefchichte liest, fo muß man erftaunen,
wie genau daß Bild, das Fohannes fahe, hier eintrifft. Mor:
den und Blutvergießen, außer was der Krieg mit fich brachte,
gefchahe nicht; denn diefe Heufchrecden follten nicht tödten,
fondern nur — 7 dieß Quaͤlen aber geſchah recht Scor⸗
pionenmaͤßig; Raub und Pluͤnderung, Spott und Verachtung,
Mißbrauch des weiblichen Geſchlechts, und was von Muths
willen der Franzofen der damaligen Zeit nur möglich war,
das übten fie die ganze Zeit ihrer Regierung durch an dem
Griechen aus, Wie gern hätten die Griechen ihr Leben daran
gewagt, um ſich zu retten; aber fie konnten nicht dazu Fonts
men, fie fuchten den Tod, um ber Dual zu entfommen, aber
fie fanden ihn nicht,
Auch die Dauer diefer Qual von fünf prophetifchen Mon⸗
den trifft Doppelt zus Denn die ganze franzdfifche Regierung
des griechifchen Reichs beftand aus fünf Kaifern nacheinau⸗
der, deren Neichöverwaltung aber ein beftäudiger Monds—
wechfel,; ein immerwährenudes Abs und Zunehmen der Macht
war. Auch die Bengeljche propherifche Zeitbeftimmung kann.
hier angewendet werdem: Denn diefer zufolge betragen: die
fünf Monate 79 Jahre 19 Wochen und 1 Tag; nun hat
zwar die franzdfifche Regierung im griechifchen Reich eigents
lich nur 55: Jahr gewaͤhrt, aber ihr Einfluß, ihre Gewalt
und Scorpionenqual dauerte doch beinah fo lang als die Kreuz⸗
zuͤge ſelbſt, und dieſe endigten 1291 mit dem Verluft von
Are und dem ganzen gelobten Lande; wüßte man die Ges
ſchichte diefer Zeiten genau, fo würde fich ven un *
Rn Rechuuug eintraͤfe.
188 Grflärung der Offenbarung Johannis.
7. Und die Heuſchrecken waren den Roſſen, die zum
Krieg gerhftet find, fehr ähnlich; und anf ihren Kö—
pfen war es, als wenwfie dem Gold ähnliche Sieges⸗
kronen hätten; und ihre Angeft ichter —* Base Mens
ſchen⸗Angeſichte. andas Ni
8. Und fie hatten Haare, wie Beiberhünte, und ie
Zahne waren, wie die der Lowen.
9, Und fie hatten Bruſtharniſche (Küraffe) als wenns
eiſerne Bruſtharniſche waͤren, und das Schnurren ih—⸗
rer Flügel war, wie das Raſſelu vieler Wagen mit
Pferden, die im Streit laufen.
Nun folgt die nähere Befchreibung diefer Heufchredten, fo
wie fie dem heiligen Seher im Geficht erfcheinen; er bedient,
fich dabei einiger Ausdrüde, die im Propheten Zoel Kap. 2.
DB. 4. und 5. vorfommen, wo es heißt: Das Anfehen. ders
felben ift wie das Anfehen der Pferde, und fie rennen wie
die Reiter, Sie fprengen dahin, wie im Wagengeraffel auf
den Höhen der Berge u, fo w. und Kap. 1. ®. 6. Denn e8
iſt ein Volk über mein Land gefommen, mächtig und unzaͤhl⸗
barz — feine Zähne find Lömwenzähne, und die Backzaͤhne
eines alten Lowens. Wenn man ſich hiebei einen Kreuzfahs
rer vorſtellt, wie er mit feinem Pferde: vom Haupt bis zu
Fuße faft mir Eifen bedeckt war, und fidy dann die manchers
lei Zierrathen, Wappen und Waffen dabei denkt, fo fommt
die Figur ziemlich Heufchredfenartig heraus. Indeſſen find
doc) jene prophetifchen Bilder durchgehende allegorifh. Die
Heuſchrecken bedeuten ein ftarfes, wohlgerüftetes Kriegsheer;
die goldähnlichen Siegeskronen ſtellen vor, daß dieß Heer
ſchon mehr gefämpft und gefiegt hat; daß diefe Krieger Mens
fhenangefichter haben, zeigt, daß ihre Abfichren menfchlicy
und gut gemeint find, fie werden aber durch‘ eine abgrundss
mäßige Macht Fommandirt und gemißbraucht. Die Kreuze
fahrer hatten ſehr gute Meinungen, fie glaubten Wunder,
mit welchen Aufopferungen fie Gott dienten." Ihre lange
lodigte Haare bezeichnen fie ald Abendländer, die fih von
den Morgenländern dadurch unterſchieden; die Löwenzähne
find Bilder des Raubs, der Stärke im Kampf und der Ver-
wuͤſtung; eiferne Bruftharnifche hatten fie wirklich, auch war
ihre Bruft eiſern, nicht zum Mitleidven oder Erbarmen ges
neigt; dad Getbferiprer Flügel, welches dem Raffeln der
vennenden Streitwagen ähnlid war, mag das fürchterliche
Gerücht vorftellen, welches vor den Kreuzheeren herflog, und
alles. in banges Erwarten ſetzte.
10. Und fie haben Schwänze gleich den Ecorpionen, und
Stacheln an ihren Shmwänzen; ihre Macht ift, die
Menfchen fünf Monate lang zu beleidigen.
11. Und fie haben einen König über ſich, den Engel des
Abgrunds, fein Name ift auf bebräifh Abbadon,
im griechiſchen aber hat er den Namen Apollyon.
12. Das erfte Weh ift vorüber gegangen; fiehe, es kom⸗
men nod) zwei Web nach diefem,
Der Juhalt des 10ten Verſes ift aus dem —
klar: der I1te aber ſetzt noch etwas Merkwuͤrdiges hinzu:
Die Heufchrecken werden durch eine unfihrbare Macht, durch
einen geiftlichen König beherrſcht, und diefer König ift —
nicht ein — ſondern der Engel des Abgrunds; der Erzen—
gel, der fein Fürftentyum verwirkt hat, und dafür nun König
des Abgrunds ift.
‚Hier. erfcheint er nicht unter feinen gewöhnlichen Nauen
Satan — Diabolus — Teufel — fondern ald Kriegsobers
fer, und als folcher heißt er auf hebräifch ftatt Satan —
Abbadon — Verwüfter, und auf griechifch, ftatt Diabolus —
Ypoliyon, Verderber.
Es iſt merkwuͤrdig, daß dieſer Fuͤrſt der Finſterniß und des
ewigen Abgrunds fo oft unter feinem hebraͤiſchen und gries
chiſchen Namen vorfommt. Kap. 12. V. 9. und Kap. 50.
B.2. Die Urfacherliegt wohl darinnen, weil Johannes das
mals mehrentheils hebraͤiſche und griechifche Leſer hatte.
Das hebräifche Wort Abbadon kommt verfchiedenemal im
alten Teſtament vor, aber nie als. der Name eines lebendi—
gen Wefens, fondern als Sache; 3. B. Hiob 28. VB. 22.
heißt. eö: Abbadomund Maveih ſagen: Wir haben ihr
190 Erklärung der Offenbarung Sohannis.
Gerücht mit unfern Ohren gehdrt. — Die fiebenzig Dollmet-
fcher überfegen dad fo: Apoleia und Thanatosfagen
u. f. w. und wir Deutfche überfegen: "Das Verderben und
der Tod fprechen ve. Und Sp. Sal. 15. ®. 11. heißt es:
Scheol und Abbadon find offenbar vor dem Herrn; die
fiebenzig Dolfmerfcher geben die: Hades und Apoleia
find u. f. w. und wir Deutfche überfegen: die Halte und
das Verderben ic
Das Wort Apollyon kommt aber in der Bibel meines Wiſ⸗
ſens nirgends anders als hier vor; ſo viel iſt alſo ausge⸗
macht, daß die Namen Abbadon und Apollyon hier dem
Satan zum erſtenmal beigelegt werden, weil er ſich gegen die
letzten Zeiten hin immer mehr als Verwuͤſter und Verderber
zeigen wird. Sein erhabener Beſieger und Ueberwinder Je⸗
ſus Chriſtus bekommt ja auch durch dieſen Kampf aller Kämpfe
neue Namen. Kay. 19. V. 16.
Diefer Abbadon Apollyon war alſo der geiftliche König und
Beherrfcher der franzöfifchen Kreuzkrieger, die daB griechifche
Kaiferthum unterjochten und quälten; ach möchte doch diefe
in manchem Betracht fo vorzügliche Nation ſchon damals dies
ſem König des Verderbens entfagt, oder ihn nun noch in
diefen legten Fahren ftatt Ludwigs des Sechzehnten entthront
haben! — aber wir Deutfche find blutweinende Zeugen, daß
der Engel des Abgrunds noch immer fort Bien Macht und
Gewalt durch ihre Armeen ausuͤbt.
Von den dreien Wehen des Adlerrufs iſt nun eins vorüber,
“aber das zweite ift vor der Thür,
15. Und der feste Engel bließ die Poſauue, und ich
hörte nur eine Stimme aus den vier Hörnern des gol⸗
denen Altars, der vor Gott ift,
14, Diefe ſprach zum ſechsten Engel, der die Poſaune
hatte: Mache die vier Engel (08, die am großen
Strom Euphrat gebunden fi nd. |
15. Und die vier Engel, welche auf Stunde, Tag, Mos
nat und Jahr, das dritte Theil der Menſchen zu tod⸗
ten, gerüftet waren, wurden Iosgebunden,
Kap. 9. V. 13. bis 1. 191
Hier erfchallt num die legte Pofaune für das griechifche
Reich; und fobald fie nachlaßt, hört Johannes eine Stimme
aus den vier Hörnerm des Altars, auf welchem, nach dem
3ten und Atem Vers des vorhergehenden Sten Kapitels, der
Priefterengel die Gebete der Heiligen geopfert hatte. Diefe
Stimme ift alfo Folge der Erhörung jenes Gebets; und ihr
Inhalt ift ein Befehl an den Engel der fehöten Pofaune,
daß er die vier Engel am großen Strom Euphras losbins
den foll.
Dieſe vier Engel fi ud feindfelige Kriegsgeifter — Jagdhunde,
die an der Kette liegen, wo fie zu jeder Zeit bereit find, fo
bald man fie nur losläßt. Ihrer find vier, weil fie auch vier
Krieganationen beherrfchen und beleben. nr
+ Der. erfte ift der Furt der Saracenen; der zweite belebt
‚den Dſchingis Chan mit feinen Moguln und Tartaren; der
dritte war der Geiſt QTamerlans, und der vierte fommandirte
die Türken, Am Euphrat lags eben, daß diefe vier Engel
nicht wüthen fonnten, wie fie wollten. bis die Bande, die
fie da fefjelten, gelost wurden; hier kaͤmpften Saracenen und
Türken, und beide vereinigten fich zu einer Macht, ihre beis
den Engel wurden durch den Euphrat nicht mehr gehalten,
daher rückten fie Konftantinopel immer näher.
Dibingis Chans Nachfolger verfchlungen das ganze nörds
liche Afien, bis nach Polen und an die Donau, und mit ges
nauer North entging damals Konftantinopel und das griechifche
Reich ihrer Wuth.
Timur oder Tamerlan ſchwung ſich auf den tartariſch⸗
moguliſchen Thron von Zagatai, und zog nun aus, die
Welt zu erobern; er kam bis an die Graͤnze von Aſien, Kon—
ftantinopel und Griechenland gegenüber; die Türken, die
damals noch in Kleinafien waren, hatte er bezwungen, und
‚ihren Sultan gefangen genommen; aber bier fühnten fich
Türken, Chriſten, Araber, und Egyptier mit ihm aus, er
empfing Huldigung und Tribut von ihnen, und zog wieder
nad) Haus, um andere weitfchichtige Plane auszuführen.
“Er wurde Didingis Chans Engel Meifter, und diefer
vereinigte fich mit dem feinigen gegen die Verbündeten beide,
19% Erklärung der Offenbarung Johannis.
der Sarazenen und der Türken; da aber num auch die Friede
machten , fo waren alle vier Engel mit den Türken: am Eu-
phrat vereiniget, und fo vierfach begeiftert fielen fie über
das griechifche Reich her.
Mer die Gefhichte gründlich und mit Nachdenken: ſtudirt,
ber wird unwiderſprechlich überzeugt werden, daß der Dſchin⸗
giö:Chanen, Tamerlans und Sarazenen Dafeyn, entfernte
mittelbare Wirkungen, dann auch unmittelbare Kämpfe,
Siege und wechfelfeitige Niederlagen, die ottomannifchen
Türken zu der furchtbaren Macht gebildet haben, die fie
nach und nach geworden find. Die vier feindfeligen Engel
wurden alfo endlich Schußgeifter der Tuͤrken, und fo lang
vom göttlichen Verhängniß gezügelt, bis fie wie eine Slurh
Daher brechen durften.
Die vier Engel, welde die Winde bändigten, 2
den Anfang der göttlichen Gerichte über das orientaliſche
Kaiſerthum, und die vier Kriegsengel vom Euphrat her mas
chen den Befchluß. Der dftlihe Windebändiger läßt diefen
Sturmwind los, der nun bie hriftliche Kaiferfrone in den
Staub wirft.
‘ Die Worte, daß jene vier Kriegegeifter auf die Stunde,
Tag, Monat und Fahr das dritte Theil der Menfchen
zu tödten bereit feyen, treffen im doppelten Verftand zu;
denn erftlich kann man diefe Worte fo verftehen, daß fie zu
jeder Stunde, auf jede Zeitbeftimmung, das Gericht Gotz
tes auszuführen bereit feyen; aber weit merfwürdiger und
den Glauben an den Geift der Weiffagung ftärfender treffen
fie zu, wenn’eine Stunde, Zag, Monat und Jahr nach
Bengels prophetijcher Zeitrechnung berechnet werden. Zu
dieſem Sinn beträgt eine Stunde 8 Tage, 4 Stunden, 20
Minuten; ein Tag 196 Tage, 3 Stunden; ein Monat 15
Sahre und 518 Tage; ein Jahr 196 Fahre, 117 Tage und
15 Stunden; addirt man nun diefe Zahlen ordentlich zus
ſammen, fo betragen die Stunde, der Zag, der Monat und
das Jahr nach prophetifcher Deutung 212 Zahre, 2754 *
oder 2123 Jahre beilaͤufig.
Es iſt zum Erſtaunen, wie genau auch hier wieder dieſe
Rap I) 9
Rechnung utriffes Im Jahr 1240 gingen die sttomannifchen
Tuͤrken zuerft über den Euphrat und fielen Syrien und das
-gelobte Land an; hier wurden alfo die vier Engel loß; zu
1240 addire man 212% Jahre, fo fällt die Summe ins
Sahr 1455, in welchem der Sultan diefer Ottomannen,
Mahomet der Zweite, Konftantinopel eroberte, und den,urs
alten Thron der römifch= griechifchen Kaifer einahm, nach⸗
dem der legte und feit Jahrhunderten bei weitem der befte
‚Kaifer und befte Menſch, Konftantin der Zwdlfte, der Pas
laͤologe, wie ed ihm geziemte, im Helvenfampf' für feine
Familie und fein Reich das Leben aufgeopfert hatte.
Will man aud) die vier Engel auf die vier Zeiten, einen
auf die Stunde, den andern auf den Tag, den dritten auf
den Monat und den vierten aufs Jahr beziehen, fo hab ich
nichts dagegen; denn aud da werden fich Webereinftim:
‚mungen zeigen, wie das überall bei den wahren Weiffaguns
gen der Fall ift, fi ie werden in mannigfaltigen Verhaͤltaiſſen
erfüllt,
Bon dem Todten des dritten Theils der Menfchen weiter
unten.
16. Und die Zahl der Kriegsheere zu Pferd war zmweis
mal zehntaufendmal zehntaufend, Ich habe ihre
Zahl gehoͤrt.
17. Und ich ſahe die Pferde, und die darauf ſaßen fol⸗
.. gendergeftalt im Gefihts Sie hatten feuerfarbene,
violette und ſchwefelgelbe Bruftharnifhe, und bie
Köpfe der Pferde waren wie Lowenkopfe, und aus
ihren Mäulern ging Feuer, Dampf und Schwefel
hervor.
18. Durch diefe drei Plagen, Feuer, Dampf und Schwe⸗
fel, die ans ihren Mäulern ſtrömten, wurde ber
dritte Theil der Menfchen getödtet.
. Hohannes hörte die Zahl diefer Heere, daß fie zwei hun⸗
dert Millionen betrage, dieß Fam ihm erftaunlich vor, und
damit ihn feine Leſer nicht des Webertriebenen befchuldigen
. möchten, fo bezeugt er, jene Zahl fey ihm genannt worden,
Stillinas fämmtl. Schriften. III. Band. 13
4194 | Erklärung der Offenbarung Johannis.
Mill man fie als eine unbeftimmte große Zahl annehmen,
wie man davon mehrere Beifpiele in. der heiligen, Schrift
hat, fo hab ich nichtö dagegen; indeffen koͤnnen die Kriegs
heere der vier Engel in ein paar hundert Fahren auch wohl
fo viel Köpfe enthalten haben.
Die folgende Befchreibung diefer Armeen ift völlig ſinn⸗
bildlich und prophetifch ; alles zielt auf Grauſamkeit, Kriegs⸗
wuth, Verheerung und Tod; ed wurde überflüffig ſeyn,
wenn man fich in die Deutung diefer Bilder einlaffen wollte.
Es ift fonderbar, daß in diefem Gericht über das grie= E
chifche Kaifertyum immer auf Drittel gerechnet wird. Der
Reiter auf dem fahlen Pferd, Kap. 6. V. 8. hatte Macht, das
vierte Theil der Menfchen zu tödten; folglich blieben noch
drei Viertel von den Unterthanen des römifchen Reichs übe
tig.» Diefe machen nun das Ganze aus, umd find alfo drei
Drittel; aus diefen werden erft die Verfiegelten ausgeſon—
dert, und dann geht es über die drei Drittel her; Die erfte
Pofaune reißt das abendländifche Drittel ab; durch die zweite
geht das afrifanifche verloren; unter der dritten macht fid)
—
das abendlaͤndiſche Drittel vom Religionsverband los; unter
‚der vierten nimmt Muhamed ein Drittel von der ganzen Chris
ftenheit weg; unter der fünften wird das morgenländifche
Drittel nur gequält, aber durch die fechöte wird es gänzlich
unterjocht und zur Kmechtfchaft verurtpeilt.
Mer unter diefen Dritteln noch tiefere Geheimniſſe fieht,
‘dem wollen wir feine Erkenntniß von Herzen goͤnnen: die -
Tiefen des prophetifhen Wortd find unergründlid — zu
unferm Zweck mag obiges genug feyn.
19. Denn die Macht der Pferde iſt in ihren Mäulern
und Schwänzen. Und ihre Echwänze find den
Schlangen ähnlich, fie haben Köpfe und damit be:
ſchaͤdigen #e.
20. Und die übrig gebliebenen Menfhen, die in diefen
Plagen nicht getödtet worden, bereuten Feineswegs |
bie Werke ihrer Hände, daß fie die Geifter, und die
goldene, filberne, eherne, fteinerne und hölzerne Bil;
Kap. 9. B. 19. bis 2ı. 195
der, bie weder fehen, noch hören, noch wandeln konnen,
nicht follten angebetet haben.
21. Auch bereuten fie weder ihre Todtfchläge, noch ihre
Zaubereien, noch ihre Hurerei, noth ihre Diebereien,
Die Pferde find. im prophetifchen Wort Bilder des Kriegs; :
- bier zeigen alfo die Löwenfopfe, der Pferde mit ihren Mäus
lern ein ſchreckliches Wuͤrgen und Morden anz die fchlangens
ähnlichen Schwänze aber, die auch Köpfe haben, bedeuten,
daß fie das, was fie übrig laffen, falſch und ſatauiſch, das
ift, fhlangenmäßig behandeln, Maͤn lefe die Geſchichte der
tärkifchen Eroberungen, und urtheile dann, ob diefe Weiſſa⸗
gung. eingetroffen fey.
So wuide alſo das mörgenläudifche griechifcherdmifche Reich
durch die Türken im Jahr 1455 unterjocht; fo lange fie er:
oberten, wuͤtheten die Löwenföpfe erſchrecklich, und. wo fie
Herren wurden, da quälten die Schlangenſchwaͤnze fürchters
lich, wie ſolches die arnıen Griechen noch heütiges Tages
zur Gnüge erfahren.
Man follte freilich denken, ein fo fchredliches und lang⸗
wieriges Gericht muͤßte bei den uͤbriggebliebenen Griechen
wahre Buße und Beſſerung bewirkt haben — aber nichts
weniger ald dieſes. Ale Reifende kommen darinnen übers
ein, daß ihr Charakter durchgehends ſchlecht, und ihre Nelis
gion nichts als ein Gemiſche von abergläubifchen Gebräuchen
fen; von wahrer Herzensteligion, vom praftifchen Chriſten—
thum wiffen fie nichts; fie verehren ihre Heiligen mehr als
Gott und Chriftum, und gewiß find viele darunter, die nichts
weniger ald heilig waren; eben fo erpicht find fie auf den
Bilderdienft, fo daß fie von ihren heidnifhen Vorfahren in
nichts verfchieden find, als daß ihre Gögen audere Namen
haben. Ob nod Mord, Giftmifcherei und Zauberei, Hurerei,
Berrug und Diebftahl unter ihnen herrſche, Das koͤnnen alle
diejenigen beantworten, die eine Zeitlaug unter ihnen gelebt has
ben. Keine Weiffagung kaun alfo wörtlicher eintreffen, als diefe.
Die Redensarten, dereu ſich der heilige Sehet bier —*
finden wir Pf. 114. V. 5—7.
—
13*
196 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Es ift merkwuͤrdig, daß wir hier bei dem Gericht über da6
morgenländifch = römifche Neich Feine- ſolche große Naturbils
der antreffen, als bei dem Gericht über das heidnifche Rom
und über dad Heidenthum überhaupt. Kap. 64 V. 12 bis 17.—
Dieß kommt daher: Unter dem fechsten Siegel wurde das
Heidenthum auf ewig gerichtet, und fein jüngfter Tag ges
fohildert, hier aber ift an ein foldyes Schlußgeriht gar nicht
zu denfen; das orientalifche Kaiferthum dauert noch fort,
nichts ift geändert, als daß ein fremdes Volk von anderer
Religion und Sprache die alte griehifche Nation beherrfcht,
und ihre Religion blos duldet. Diefe Nation und Religion
ift alfo noch immer da, und fie Faun getroft auf eine glüc
liche Aenderung hoffen, wenn der Zürfen Zeit einmal erfüllt
feyn wird; fo wie auch ganz Iſrael felig werden fol, wenn
die Fülle des Heidenthums vollendet ift.
Run ift noch die fiebente Poſaune übrig, die aber bei weis
tem die wichtigfien Dinge der ganzen Apofalypfe enthält:
Denn fie betrifft das abendlänvdifche römische Reich — den
legten Kriegsichauplag des größten und alles entfcheidenden
Kampfs zwifhen Ehrifto und dem Draden — dem Lamm ‘
und dem. großen Thier in dreifacher Geftalt, als auffteigend
aus dem Meer, aus der Erden und aus dem Abgrund, über:
haupt zwifchen Licht und Finfterniß, Wahrheit und Lügen,
Es ift wahr, das Land Kanaan war von jeher als der
Schauplatz der Offenbarung Gottes wichtig, aber doch bei
weitem fo wichtig nicht, als die europaifchen chriftlichen Länz
der, wo der letzte Kampf gekämpft, das Geheimniß Gottes
völlig entfiegelt und vollendet, und die Summe der noch übri-
gen Weiffagungen vollends erfüllt werden fol. Jetzt find
und nun im Verfolg folgende Länder, naͤmlich Deutfchland,
das ift, fo weit man hoc) = und niederdeutfch fpricht, Frank:
reich und Stalien vorzüglic) merkwürdig.
Ehe ich aber den Stab meiner Unterfuhungen in diefem
heiligen Dunkel weiter ſetze, muß ich meine Lefer auf eine
Sadje aufmerkfam machen, die fo manchem Ausleger ein
unauflößliher Knoten gewefen ift, und gar viele irre geführt
bat; ich bitte mir daher die: gefpanntefte Aumerffamkeir.
—
a Skat ee ee ee N X
Kap. 9. V. 19. bis 19. 197
Bis daher geht das Geficht der ſechs Siegel, dann des
ſiebenten, und in demfelben der ſechs Pofvunen, in feiner
Erfüllung mit der Gefchichte gleichfürmig fort; hier aber
fommt etwas dazwifchen: Johannes wird durch einen bes
fonders”mageftätifhen Engel in feinem bisherigen Geficht
unterbrochen; diefer Engel bereitet ihn auf die allerwichtigfte
fiebente Pofaune vor, und weiffagt große Geheimniffe, die
aber in die legten Zeiten gehören; nachdem diefer Engel feis
nen Auftrag an den Johannes, der im zehnten und eilften
Kapitel bis zum 1äten Vers enthalten ift, ausgerichtet hat,
ſo verſchwindet er, und der Seher knuͤpft nun im 14ten Vers
den Fortgang des vorigen Gefichts dadurch wieder an, daß
er fagt: Das zweite Wehe (der fechsten Pofaune oder des
Gerichts über das morgenländifche Kaiſerthum) ift vorüber,
fiehe! das dritte Weh kommt nun fchnell; und darauf erzäplt
er dann, daß der fiebente Engel die Pofaune geblafen habe.
Menn man alfo den prophetifchen Inhalt des zehnten und
eilften Kapitels hier zwifchen die fechöte und fiebente Pofaune
einſchalten, und da feine Erfüllung fuchen wollte, fo irrte
man fehr, und doch ift diefer Irrthum von jeher oft begans
gen, und dadurch die hohe Offenbarung, ald Feiner Erklärung _
fähig, bei Seite gelegt worden.
Dieß Alles wird nun vollends Flar werden, wenn wir biefe
Epifode in dem großen und göttlichen Gefichte näher beleuchs
tet, und ihre richtige Erklärung gehörig entwickelt haben?
198 Grkfärung der Offenbarung - Johannis,
Das zehnte Kapitel,
1. Und ich fabe einen andern ſtarken Engel aus dem Him⸗
mel herabſteigen; er war mit einer Wolke umbhüllet,
den Regenbogen auf ſeinem Haupt; und ſein Angeſicht
wie die Sonne; und feine Füße wie Senerpfeiler.
2. Und er hatte ein kleines gedffnetes Büchlein in feiner
- Hands und er feste feinen rechten Fuß auf das Meer,
den Linken aber auf die Erde, |
5. Und er fihrie mit großer Stimme, wie ein Löwe brüls
let; und als er fchrie, fo. vedeten die fieben Donner
ihre eigenen Etimmen, |
Hier unterbricht ein neuer Auftritt die bisherige Folge des
Geſichts: der ſechste Engel hatte durch ſeinen Poſaunenruf
das Gericht über die griechifche Kirche angefündigt, und die
Bilder diefes Gerichts waren vorübergegangen ; ; jeßt war nun
die Reihe am fiebenten Pofaunenengel, Aber fo, wie vor der
Sröffnung der Siegel überhaupt ı ein himmlifcher Ausrufer auf:
trat, Kap. 5. V. 2. u. f. und wieder ein anderer vor der
Eröffnung des fiebenten Siegeld, Kap. 2.8. 2. u. f. fo ers
ſcheiut hier abermals einer vor dem ſiebenten Poſauneuſchall, J
doch mit dem Unterſchied: die Verrichtung des Erſten, fein
Abruf aller lebendigen Weſen zum Erbrechen der Siegel, und
der Befehl des Andern, zur Aufhaltung aller Gerichte, bis
die Knechte Gottes verſiegelt ſeyen, gehoͤren ſo in die Reihe
der Geſchichte, wie ſie auch hier in der Reihe des Geſichts
porfommen; bei dieſem majeſtaͤtiſchen Geſandten aber verhaͤlt
ſichs ganz auders: Er bereitet die ſiebente Poſaune durch eine
hoͤchſtwichtige Weiſſagung vor, Die er dem Johanues zu ver⸗
Fündigen aufträgt, und die die Gemüther während dem Lauf
der Geſchichte unter der fiebenten Pofaune aufrecht erhalten
foll, deren Erfüllung aber gegen das Ende erft erwartet oder
Kap. 10. B. 1. bis 3. 199
erfannt werden kaun. Die Urfache von dem Allen wird ſich
zeigen, wenns Zeit ift.
Der Engel, der hier erfcheint, ift ein anderer, als die ſechs
Pofaunenengel; überhaupt Feiner von den bisher gefehenen,
fondern vorzüglich groß und ftark, und fein Cerimonienhabit
ift erhaben und majeftärifh: Hier ift nicht von weißen Kleis
dern und goldnen Gürteln die Rede, fondern er erfcheint fo,
daß er wenigftensd den Sohn Gottes vorftellt, wenn Er es
nicht jelbft iſt; daß Leßte follte man beinahe aus dem Sten
Vers des folgenden eilften Kapitels ſchließen, wo diefer Ens
gel ſagt: Und ich werde meinen zween Zeugen geben u. ſ. w.
Uns kanns indeffen einerlei feyn, er ift Gefandter Gottes,
und wir nehmen alfo das, was er fagt, an, als wenns Gott
gefagt hätte; denn er kam vom Himmel herab.
Sein Angeficht glänzt wie die Sonne, denn er lebt im Lichte,
und klaͤrt alles auf, wohin er ſieht; von feiner Erſcheinung
an bis daher iſts auch immer heller und heller geworden,
Um fein Haupt glänzt der Negenbogen ; denn er ift ein Bote
des Bundes, der die Enthüllung des Geheimniffes Gottes,
in welchem der Bund Gottes mit Noah und alle feine Vers
heißungen erfüllt werden follen, ausrufen fol. Er ift mit
einer Wolfe befleidet, die der Wagen und das Reifekleid defs
fen ift, der da fommen wird in den Wolken. Kap: 1.8.7.
und Dan. 7. V. 15. Und feine Füße find wie Feuerpfeiler;
denn wo er fieht, da fteht er feft, die Pforten der Hollen
Fonnen ihn nicht von der Stelle bewegen, und wer ihn wegs |
kaͤmpfen will, der verbrennt fich die Finger, Dieß alles ift
uns Bürge für die Gültigkeit feiner Borfchaft, für die Wahrs
heit des Büchleind, das er in der Hand hat, und das uns
Johannes nun noch mittheilt.
Dieß Büchlein ift num noch der Reft der Rolle mit den
ſieben Siegeln, die das Lamm erbrah; darum ift es nun
auch offen und aufgerollt; und fo gedffnet hält es der Engel
in feiner linken Hand; denn auf diefer Seite ftand Johannes,
weil jener mit dem rechten Fuß auf dem Meer ftund,
Diefe Stellung des Engels mit dem rechten Fuß auf dem
Meer, und mir dem linfen auf der Erden, bedeutet, daß die
200 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
hriftfiche Religion, deren Nepräfentant er ift, mit ihrem Feuer⸗
fäulichten Füßen, See und Land einnehmen, feft darauf ftehen,
und weder durch Sturm noch durch Erdbeben wegbewegt wer:
den fell; aber auch Europa , welches unter dem Meer, und
Afien, welches unter der. Erde verftanden werden kann, fols
leu die Wohnftätten ded Herrn und feiner Kirchen bleiben,
und da follen nun auch noch) die IDPS REN Gerichte und Kämpfe
ausgeführt werden,
Er fchreit mit großer Stimme, wie ein Chi brülft: Der
Low hat gebrülft, wer follte nicht fhaudern, der Herr Herr
hat geredet, wer follte wicht weiffagen? Amos 3. V. 8. Aber
warum bruͤllt wohl der Eugel fo löwenartig? — Darum,
weil der Zorn des Allmächtigen zum legten Kampf waͤchſt. —
Es ift ja erfchreflih, — der Vater der Meufchen hat fo
viele Jahrtauſende an feinen Kindern erzogen, und alle Mits
tel angewendet, fie zu rerten, allein was hilft? — wenn
eine Macht der Finfterniß überwunden iſt, fo wirft fi eine
andere noc) ftärfere auf, und hier, gerade jeßt, hat Er es
mit der legten und fihredlichften zu thun — da mag ber
Low aus Zuda oder fein Gefandter wohl brüllen, daß ed
von einem Pol zum andern gehört wird; koͤnnte der Engel
weinen über die Menfchen, er hätte es wohl Urfachel
Diefer Löwenftimme halfen die fieben Donner wie ein Echo
nach); dieſes find ohne Zweifel die nemlichen, deren Kap. 4.
D, 5. und Kap. 8. V. 5. gedacht wird, fie find Gerichtör
werfzeuge des Herrn, und verkündigen feine Macht und
Herrlichkeit; der 29ſte Pfalm benennt fie alle fieben, dieſes
wird deutlich, wenn man ihn im Hebräifchen liest "
Der Erfte ift der Donner Öottes der Ehren, der auf großen
Waſſern tönt.
Der Zweite iſt der Donner der Kraft.
Der Dritte ift der: Donner. der Herrlichkeit,
Der Vierte ift der Cedernbrecher, der die Bergehüpfen mad,
Der Fünfte iſt der Bliggebährer, der mit Feuerflammen
peitſcht. |
Der Sechste ift das Kol Koree in der Wüften,
Der Siebente der. Bändiger der rohen und wilden Natur.
Kap. 10, V. 4. 201
‚Die fieben Gerichsdonner fangen alfo an, deutliche und
verftändliche Reden über Berg und Thal hin zu grollen, fo
bald der Löw aus Zuda ausgebrült hat. Welch eine a
bare Majeſtaͤt —
4. Und als die fieben Donner geredet hatten, wollte ic)
ſchreiben; und ich hörte eine Stimme aus dem Hinis
mel fagen: Berfiegle, was die fieben Donner geredet
haben, und diefes ſchreibe nicht.
Johannes verftund wohl, was die fieben Donner ſprachen;
dem Befehl zu Folge, den er Kap. 1.2. 19. erhalten hatte,
wollte er alfo fchreiben, was er hörte; allein eine Stimme
aus dem Himmel verbot es ihm, und befahl ihm, an deſſen
Stelle das Gehoͤrte zu verſiegeln.
Dieſe prophetiſche Verſieglung iſt oft mißverſtanden, und
daher auch unrichtig ausgelegt worden; denn man glaubte
immer, Johanues habe die Reden der ſieben Donner gar nicht
aufgefchrieben, und das Verſiegeln bedeute nichts anders,
als;: Behalte du für dich, was fie gefagt haben, und fage
es niemand, allein das ift gewiß irrig: Denn etwas verfiegeln
heißt, es bis auf gewiffe Zeit, fo aufbewahren, daß bis das
hin niemand weiß, was es ift. ‚Aber eben dadurch, weil es
verfiegelt wird, bezeugt man den höchften Grad. der Wichtige
keit defjelben, und daß eine folhe Sache, wenn fie.die Vor⸗
febung einft durch die Hand der Zeit entfiegelt, große Wirs
fung haben werde.
Ein Beifpiel davon, auf welches fich hier gewiß ftillfchweis
gend bezogen wird, finden wir bei dem Propheten Daniel:
Und du Daniel (heißt es da) fchleuß diefe Worte zu, und
- verfiegle dieß Buch, bis zur Zeit des Endes; viele wer⸗
den ibm nabhfpüren, und die Erfenntnifß wird
vervielfältigt werden, Kap. 12.2.4. Hier fieht man
ja deutlich, daß diefe Verfieglung eine folche Aufbewahs
tung einer Weiffagung bedeute, wodurch ihre Erklärung fo
lang unmöglich wird, bis die Vorfehung folde Data und
Schlüfel dazu an die Hand gegeben hat, die fähig find, den
redlichen Forfcher der Geheimniffe Gottes auf die Spur zu
2032 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
leiten, und das Siegel zu loͤſen. Dieß ift der nemliche Fall
bei dem Befehl an den Johannes; Er foll die Reden der fies
ben Donner fo nicht auffchreiben, wie er fie gehört hat, fons
dern man wird fie in ſolche myftifche Bilder einkfeiden, daß
fie nicht eher verftanden werden koͤnnen, bis es Zeit if;
und dieß ift dann die wahre Verfieglung, die au) bei Da⸗
niel ftatt fand. Während der Zeit einer ſolchen Verfieglung
fpannen fie denn doch die Erwartung, ftärfen Glauben und
Hoffnung, und geben Troft im Leiden; denn man weiß, daß
der Vater noch etwas für und arme, fchwache, aber aud)
vorwißige Kinder aufgehoben hat, das wir aber leicht mißs
brauchen fönnten, wenn wirs früher wißten,
Merkt wohl, liebe Lefer! das Buch mit den fieben Sie⸗
geln ift nichts anders, als die verfiegelte Rolle der Weiſſa⸗
gungen der Propheten des alten Teftaments, die num hier
in der hohen Offenbarung, je nad) den Zeitbediirfniffen,
entſi egelt wird. Das, was die ſieben Donner ſprachen, war
der völlige Aufſchluß des Geheimniſſes Gottes unter der fiebens
ten Pofaune; diefen Aufſchluß aber fo ganz offen mitzutheis
len, dazu war es noch zu früh, daher hüffte ihn der Engel in
myſtiſche, dunfele Bilder ein, und trägt dieſe im eilften Kas
pitel dem heiligen Seher vor, und fo ſchreibt nun diefer
Das, was die fieben Donner fagten, unter diefer Verſieglung
nieder; auch Dadurch werden zur rechten Zeit die Erfenntniffe
vervielfältige werden. Daß dieß Alles Wahrheit fey, das
wird fi im Verfolg immer deutlicher zeigen. _
5, Und der Engel, den ich auf der Erde und anf dem
Meer ftehen fah, erhob feine rechte Hand im den
Himmel.
6. Und ſchwur bei dem, der, in die ewige Ewigfeiten
lebt, der den Himmel, und was darinnen ift, bie
Erde und was darinnen ift, und dag Meer, nnd was
darinnen ijt, aefchaffen hat, daß es nicht erh einen
beftimmten Zeitlauf währen wird,
7. Sondern in den Taxen der Stimme des fiebenten
Engeld, wenn er die Pofaune blafen wird, dauu wird
Kap. 10. ©. 5. bis 7. 205
das Geheimnif Gottes vollendet werden, fo wie er es
feinen eigenen Kuechten den Propheten, verkündi⸗
get hat.
Ehe der Engel dem Johannes die ſieben Donnerſtimmen
zur Verſieglung uͤberliefert, entledigt er ſich ſeines Haupt⸗
auftrags, er donnert mit feiner Loͤwenſtimme den erhabenen
und unwandelbaren Schwur in die endlpfe Weite bin, daß ed
nun mit dem Kämpfen bald zu Ende gehe.
N De Sormel, deren fich der Engel bedient, und feine ganze
Attituͤde, find aͤußerſt merkwuͤrdig: Er ſchwoͤrt bei dem Ewig⸗
lebenden, der den Himmel, in den er feine Hand hinauf⸗
hebt, die Erde, die feinen linfen Fuß, und das Meer, dad
feinen rechten Fuß trägt, mit allem, was in allen dreien if,
gefchaffen hat. Und was ſchwoͤrt er denn? — |
Die eigentlichen Worte lauten fo :
Daß ein Chronus nicht ferner feyn werde!
Die merkwuͤrdigen Entdeckungen, die der felige Bengel in
Anfehung des Chronus gemacht hat, unterftelle ich als bes
kannt; nach feiner Zeitrechnung enthält der Chronus 1111%
Jahre, und er wird durch das geduldige Ausharren der
Blutzeugen f. oben Kap. 6. V. 11. befiimmt ; wenn man
nun das nachliest, was ich dort über den Chronus der es
fabel und der Blutzeugen gefagt habe, fo wird man finden,
daß diefer Zeitlauf gegen dad Ende des fiebenten Jahrhuns
dert feinen Anfang nimmt, dieß wird auch noch durch den
Fall des Fackelſterns beftärkt. Kap. 8. V. 10. Hier fängt
alfo der merkwürdige Chronus der Blutzeugen und der der
Sefabel an, beide laufen mit einander fort, und hören auch
beide zwiſchen 1800 und 1856 zu gleicher Zeit auf,
Da nun bier der Engel ſchwoͤrt — es würde Feinen
Chronus mehr waͤhren, bis das Geheimniß Gottes vollen⸗
det ſey; das iſt, von ſeinem Schwur an, bis zwiſchen 1800
und 1856 würden feine 1111 Jahre mehr feyn ; zur Zeit feis
ned Schwurs aber doc) die fiebente Pofaune noch nicht ges
blafen worden war, welches nicht fpäter ald im Jahr 800
angenommen werden kann, fo fällt die Zeit, in welcher der
204 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
Engel hier ſchwoͤrt, in die Mitte des achten Jahrhunderts,
etwa von 725 an bis 775, und die Zeit, welche er hier ans
zeigt, oder der Nichtchronus, ift etwas mehr ald taufend
aber doc) Feine 1111, fondern ungefähr 1050 Sahre.
Die merfwürdigften Dinge, welche in jener Zeit, das ıft
“in der Mitte des achten Zahıhunderts vorgingen, waren
Karls des Großen gewaltthätige Bekehrungen der teutfchen
Voͤlker zu Chrifto, und die Bemühungen des heiligen Bonis
faozius, das Reich des Pabſtes zu vergrößern; befonders
aber wurden damals die Waldenfer bekannt, der Zeitlauf der
Gemeinde zu Thyatira fing an; und eben bdiefes ift hier
werth, beherziget und der Brief des Herrn an die Gemeinde
zu Thyatira hiemit verglichen zu werden; Dort kuͤndigt
ſich Ehriftus an ald Einen, der Augen hat wie Feuerflam:
men, und deffen Füße dem Tauterften glühenden Erze gleich
find, und hier hat fein Gefandter eben ſolche Füße; dort
wird der romifchen Gefabel ein Chronus zur Buße gegeben,
und hier, da ed die Sjefabel gleich anfangs gar zu hißig
treibt, fo fchwört der große Gefandte, es foll feinen Chronus
mehr währen; und endlich wird dort das Gericht über die
Sefabel verfündigt, wenn der Ehronus abgelaufen ift, und
bier befehwort der Engel die Vollendung des Geheimniffes Gots
ted auf die nämliche Zeit, folglich fteht der Brief an die
Thyatirer mit diefer Botfchaft des Engeld in genauer Vers
bindung, und eben diefes beftärft denn auch noch immer
mehr Bengels Zeitrehnung und meine Erklärung,
Nun beftimmt auch der Engel genauer, was den eigent=
lid) gefchehen fol, wenn der Nichtchronus abgelaufen iſt;
er ſagt: In den Tagen der Pofaune des fiebenten Engels
foll das Geheimmiß Gottes, fo wie es durch. die Propheten
verfündigt worden, vollendet werden; das ift, die große
Srage: Wird denn endlich Chriftus durch feine Religion noch
fiegen, und feine Wahrheit herrfchen bis an die Außerften
Gränzen der Erden? — Wird das Reich der Finfterniß auf
ewig unter die Füße gebracht werden? — Mit einem Wort:
Sind die großen Erwartungen des Chriften, nicht des neus
‚modifchen, fondern des altevangelifchen fo wie fie die Pro=
AA
‘ 1}
EUREN EL EVEN EEE ar ET En RT EEE TE
ur ——
Kap. 10. V. 8. bis 11. 205
pheten und Apoftel im ihm gewedt haben, wahr oder Taͤu⸗
ſchung? — diefe große Fragen follen in den Tagen der fies
benten Poſaune, und befonders am Ende derjelben, völlig
und zur Genüge beantwortet werden,
Liebe Lefer! diefe völlige und genügende Beantwortung ift
nahe — fehr nahe! — Wer die Morgenröthe noch nicht fehen _
kann, der Faufe fic) Augenfalbe, Kap. 5. V. 18. denn er
hat fie fehr nöthigz; und. wer etwas fchwachglaubig ift, der
ſtaͤrke feinen Fleinen Funken, damit der glimmende Docht nicht
gar verlöfchen möge. Wir muͤſſen die Lampen brennend ers
halten, denn der Herr iſt nahe; jeßt gilts! — jetzt iſts Kunft,
auszuhalten, da ed zur ewigen Entfcheidung fommen fol,
und die Ölaubensgründe fo ſchwach find. Halte was du haft,
- damit dir niemand deine Krone nehmen möge | |
8. Und die Stimme, welche ich aus dem Himmel gehört
hatte, redete wiederum mit mir, und ſprach: Gebe,
nimm das eröffnete Büchlein in der Hand des Engels,
der auf dem Meer und auf der Erden fteht!
9. Und ich ging bin zum Engel, und ſprach zu ihm:
Gib mir das Büchlein! und er fagte zu mir: Nimm
und iß es auf! Und es wird dir bitter. im Leibe, aber
im Mund fo füß feyn, wie Honig.
10. Und ich nahm das Büchlein aus der Hand des Enz
| gels und aß es auf; und es war im meinem Munde
fo füß, wie Honig, und indem id) ed aß, fpürte ich
die Bitterfeit im Leibe.
11. Und er fagte mir: Du mußt abermal über Nölfer,
Nationen, Eprachen und viele Könige weiſſagen.
Die nämliche Stimme, welche vorhin dem Sohannes bes
fahl die Worte der fieben Donner nicht zu fchreiben, trägt
ihm jegt etwas ganz anders auf: Er fol die geöffnete Role
aus der Hand des Engeld uehmen, und fie effen.
Dieß prophetifche Bild ift ebenfalls aus dern alten Tee
ſtament genommen; denn als Ezechiel zum Lehramt angeord:
net wurde, fo mußte er-auch einen Brief effen, der in feis
nem Munde honigfüß war, aber Klage, Ach und Weh ents
]
206 Erklärung der Offenbarung Johannis.
hielt; folglich —* auch Bauchgrimmen verurſachen mußte.
Ezechiel 2. V. 8 — 10. und Kap. 5. V. — 5. Johan⸗
nes befolgte * Befehl, der Engel gab ihm die geoͤffnete
Holle, der Scher aß fie, im Munve ſchmeckte fie honigfüß,
aber hintennach empfand er Bitterfeit im Keibe.
Sieß ganze Bild ſtellt vor, daß jedes Wort des Herrn,
denen Die himmliſcher Natur find, allen begnadigten Seelen,
eine füße Speife, ein wahres Matina ſey; find aber foldye
Worte Verkündigung ſchwerer Gerichte über die Menfchen,
fo bringt diefer Genuß, ob er gleich gefünd und heilfam ift,
Nachwehen: Denn welcher geheiligte Menfch, der alle Adams
finder, feine Brüder, liebt, empfindet nicht Schmerzen,
werin er weiß, daß ihnen großer Jammer bevorfteht? Sn:
er
- WE
DE
deſſen, felig ift der, welcher mit dem Wort ded Herrn ger
fpeißt wird I — es ift Nahrung vom Baum des Lebens;
fommt aud) zuweilen eine Bitteifeit hintennach, fo ift auch
diefe heilfani.
Nun erklärt auch dei Engel dem Johannes, was dieß Eſ—⸗
fen bedeute? — er foll die Gerichte der fiebenten Poſaune
Völkern, Nationen, Sprachen und vielen Königen verfündigen.
Die Zeit, in welcher der Engel hier ſchwort, und auf welche
ber Auftrag zu diefer neuen Weiſſagung hinzielt, fällt, wie
vorhin fchon bemerft worden, in die Mitte ded achten Fahr:
hunderts; damals waren alle die gegenwärtigen chriftlichen
Nationen, Völker, Sprachen und die vielen Könige noch zus
kuͤnftig; diefe entſtunden allmäplig nach der Gründung des
abendländifchen roͤmiſchen Reichs, wie ich im Verfolg zeigen
werde. Für diefe aberivländifchen Völfer, Nationen, Spra⸗
chen und viele Könige gehört alfo nun nöd) der Reſt von
dem Buch mit den fieben Siegeln, die das Kamni erbrad) —
der Reſt, den der Engel in der Hand hatte, und den Fohans
nes effen mußte: Wenn er nun im Geift all den Jammer
vorausſahe, den die römische Jeſabel unter den treuen Ans
hängern Ehrifti, von den Waldenfern an, bis auf die Hu:
genotten, anrichten, und all das Elend ahnete, welches der
legte Abfall und das Thier aus dem Abgrund ftiften würde —
Kap. 10. V. 8. Bid 11. 0. 207
wahrlich Fa! fo Fonnte der menfchenliebende Mann wohl
Bauchweh befommten.
Hier folgen nun die hoöchſtmerkwuͤrdigen Res
ben der fieben Donner, fo wie der Engel dem
Johannes prophertifch verfiegelt übergibt.
208. Erklärung der Offenbarung Johannis.
Das eilfte Kapitel
4. Und e8 wurde mir ein Rohr, einer Ruthe ähnlich, ae-
geben; und der. Engel ſtund und ſprach: Mache dich)
auf, und miß den Tempel Gottes und den Altar, uud
die in demfelben anbeten.
2, Und den Vorhof außer dem Tempel ſchleiß aus, und
miß ihn nicht: Denn er iſt den Nationen gegeben; und
fie werden die heilige Stadt zwei und vierzig Monate
lang zertreten,
Serie beherzige hier, was ich oben ii den 4ten Vers des
origen Kapitels gefagt habe, und lefe dann weiter!
— muß ich bemerken, daß ich im erſten Vers die Leſe—
art: Und der Engel ſtund und ſprach — der gewoͤhnlichen —
und ſprach — deswegen vorziehe, weil die letztere keinen
Sinn hat.
Johannes empfing ein langes ſtarkes Schilfrohr, wie eine
Ruthe; dieſes Gewaͤchs brauchte man in den Morgenlaͤndern
zum Meſſen, weil es ſehr leicht, dabei aber gerade und ſehr
lang war; in den warmen Laͤndern werden dieſe Pflan⸗
zen groͤßer und ſtaͤrker als bei uns. Darauf befahl ihm der
nemliche Engel, der auf dem Meer und der Erden ſtund, und
ihm das Buͤchlein zu eſſen gegeben hatte: Er ſolle nun hin⸗
gehen, und den Tempel, den Altar, und diejenigen, die da
. anbeten, meffen, u. f. w.
Dieß Meffen ift mit demjenigen, welches Ezechiel fieht,
Kap. 40. V. 5. 5. u. f. vermuthlich nahe verwandt; was
es aber eigentlich bedeuten foll, das muß und wird die Vor:
fehung zu feiner Zeit entfiegeln; fo viel läßt fi) wohl dar:
über fagen, daß es eine neue Befignehmung diefes Tempels
bedeuten koͤnne; und da der Vorhof außer dem Tempel, alfo
der innere und der äußere, den Nationen 42 Monate lang
Preis gegeben werden fol, fo fcheint es faft, ald wenn dieß
en
Rap. ur BB. NE ur) 209
Zertreten der Vorhöfe und der heiligen Stadt mit den 42
Gewaltmonaten des Thiers eine gleichlaufende und gleich
lang dauernde Zeit ſeyn »folltess Diefe Vermurhung wird
noch wahrfcheinlicher , wenn man dieß myſtiſche Geficht auf
das irdifche Jeruſalem anwendet: denn dieß fing: gerad in
der Zeit an zertreten zu werben, alsı fi der Pabft zur welt⸗
lichen Machr erhob; folglich wirde dann auch dieß Zertreten
aufhören, wenn die Gewaltmonate des Thiers zu ‚Ende WA:
ren, — Die Zeit wird num bald lehren, ob diefe Vermu—
thung zutrifft?
Eine zweite Erklärung , die ebenfalld Gründe und Wahre
ſcheinlichkeit fir fi har, ift folgende: Man fegt' die Erfüls
lung diefes Mefiens ſowohl ald des Zertretens and Ende,
und nimmt dann die 42 Monate nicht im prophetifchen, fonz
dern im gewöhnlichen Sinn. Dazu glaubt man den hinlänglis
chen Beweis in folgenden 7ten Vers zu finden, wo das Thier
aus dem Abgrund, welches zuverläflig ans Ende, nahe vor die
Zukunft des Herrn gehört, die ziween Zeugen überwinden umd
tödten wird; die zween Zeugen aber werden aus Meſſen uud
Zertreten —
Was mir am wahrſcheinlichſten vorkommt, das will ich
am Schluß diejer erhabeuen Hieroglyphe fagen.
Das Meffen derer, die im Tempel anbeten, ‘geht ——
lich auf ihre Anzahl; vielleicht auch auf die Prüfung und
Beftimmung ihrer Grade des Fortſchritts in der Heiligung.
3. Und ich werde meinen zween Zeugen geben, und fie
werden in Säcke gehüllt tauſend zweihundert und ſech⸗
zig Tage weiſſagen.
4. Diefe find die zween Oelbäune und die zween Leuchter,
welche vor dem Herrn der Erde ſtehen.
8. Und wenn fie jemand beleidigen will, fo geht Feuer
aus ihrem Munde, und verzehrt ihre Feinde. Und
wenn fie jemand umbringen will, der wird eben fo
umkommen.
| Wenn diefer Engel nicht felbft Chriftus ift, fo fpricht er
doch in feinem Namen, indem er ſagt: Und ich. will meine
Stiflings ſammti. Schriften. II. Band. 14
310 Erklärung der Offenbarung Johannis.
zween Zeugen beordern, daß fie in Saͤcke gehüllt 1260 Tage
weiffagen follen. Das Bild diefer zween Zeugen ift erftlich
von Mofe und Aarom, zweitens von Elia und Elifa, und drits
tens vorzüglich von Serubabel und Zofua entlehnt; alle drei
Paare hattens mir böfen, das Volk Gottes drüdenden Maͤch—
ten, und’ zwar gerade in dem Zeitpunkt zu thun, wo es bies
gen oder brechen mußte.
"Die Zeit der Weiffagung fol 1260 Tage währen, den ı Mos
nat zu 50 Tagen gerechnet, macht das 353 Jahr, und wenn
die Zeugen natürliche Menfchen find, fo muß auch diefe Zahl
nicht im prophetifchen, fondern im gewöhnlichen Sinn verz
ftanden werden. Indeſſen ift ed doch merkwuͤrdig, daß ges
rade die Formel 1260 Tage, und nicht 35 Jahr oder 42
Monate: gebraucht werden; denn alle drei Zeiten find gleich,
fobald. man 50 Tage auf einen Monat rechnet; es fcheint
alſo doc), als wenn zwifchen den 1260 Tagen des Weibes in
der Wüften und diefen eine geheime Beziehung wäre! Ja
wer: weiß, ob nicht gar eine geheime Verbindung mit den 1290
und: 1355 Zagen Danieldö Kap. 12: V. 11. 12. ſtatt finder,
Dieß find die zween Delbaume und die zween Leuchter,
fagt der Engel ferner, die vor dem Herrn der Erde ſtehen;
Zacharias fahe fie, Kap. 4. befonders V. 14. und ihm wurde
auch gefagt, wer fie ſeyen, nemlich Zofua, der Hohepriefter,
und: Fuͤrſt Serubabel, die beiden Männer, auf denen damals
die Hoffnung zur Erlöfung Iſraels beruhte.
Oelbaͤume geben das Del zu den Leuchtern, aber. aud) die
Delzweige des Friedens; das erfte Sinnbild ift hier am ſchick⸗
lichften, weil die Zeugen auch zugleich Leuchter find, die des
Oels bedürfen; fie müffen fehr heil leuchten: Denn zu ihrer
Zeit iſts ſchrecklich finfter. Wer hier unter dem Herrn der
Erde verftanden werden fol, das fallt nicht fo gleich im die
Yugen; denn. man koͤnnte auch wohl die Macht der Finſter—
niß Darunter verfiehen, als welde zu ihrer Zeit leider! Herr
auf Erden feyn wird; es jcheint aber doch, ald wenn Gott
felbjt gemeint wäre; die Ausdruͤcke in den Parallelftellen des
Propheten 5 geben Winke. |
Daß Feuer aus dem Munde der zween Zeugen gehen und
Kap. 11. ®. 6 7. 211
ihre Feinde verzehren fol, ftellt fie in DVergleichiing mit dem
Propheten Elias, 2 Kdn. 1. ®. 10. 12. Niemand Fan fie
ungeftraft beleidigen, fo lang als ihr Strafamt währer; fie
gehen in Trauerfleidern wegen der herrfcheideit Sünden der
Völker, und wegen der Bedruͤckung derer, die den Herrn fürchten.
6, Diefe haben Macht, den Himmel zu verſchließen, daß
es nicht regne die Tage ihrer Weiffagung. Und fie
haben Macht über das Waffer, um es in Blut zu vers
wandeln, und die Erde mit allerhand Plagen zu fchlas
gen, fo oft fie nur wollen.
7. Und wenn fie ihr Zeugniß vollendet haben, fo wird
das Thier, das aus dem Abgrund auffteigt, Krieg mit
ihnen führen, uud fie überwinden und tödten.
Die Macht, den Himmel zu verfchließen, hatte Elias auch,
I Kön. 17. V. J. und die Verwandlung des Waffers in Blut,
nebſt den übrigen Plagen, übten Mofe und Aaron aus, 2 Mof. 7.
B. 20. 21: Es ift alfo augenfcheinlich, daß diefe zween
Zeugen alle die Geſandtſchaftsauftraͤge ausüben follen, welche
Serubabel und Joſua, Elias und Elifa, und Mofe und Aaron
ausgeibt haben; fie machen den Beſchluß der Strafgefandts
ſchaften an die fündige Welt, fie find die legten Werkzeuge,
welche Brände aus dem Feuer retten follen, und empfangen
auch den Lohn, den alle treuen Blutzeugen, von dem Zacha⸗
rias, Badachias Sohn, bis auf fie hin, empfangen haben,
fie find die legten Martyrer :
Denn das Thier aus dem Abgrund wird erft einen Krieg
mit ihnen anfangen; fie muͤſſen alfo wohl einen großen Ans
bang haben, Vorfteher großer Gemeinden ſeyn; man wird fie
zu ſchuͤtzen ſuchen, aber die Macht der Finfterniß wird fie
überwinden und toͤdten.
Im Verfolg wird unwiderfprechlich bewiefen werden, daß
dad Thier aus dem Abgrund die legte und fchredlichfte Mache
fey, die Chriftus zu bekämpfen und zu überwinden habe; da
nun die zween Zeugen von diefem Thier befriegt und getdd-
tet werden follen, fo ift daraus klar, daß fie noch zufünfs
tig find. m
14 *#
212 Erklärung der Offenbarung Johannis,
Zugleich aber erhellet auch hieraus, daß der Engel hier
von den legten Zeiten höchft merfiwärdige und zwar foldye
Dinge weiffagt, die in die Gefchichtsreihe des folgenden Ges
fihrö nicht eingefchalter werden durften, weil fie da durch die
Verbindung zu deutlich würden geworden feyn, und zu viel
vom Kriegsplan gegen den Feind würden offenbart haben.
Das war eben der Fall bei den Stimmen der fieben Donner,
darum durfte fie auch Johannes nicht fchreiben, aber verfies
gelt mußten fie auf die Zukunft gebracht werden, und das
geſchieht nun hier.
8. Und ihre Leichname werden auf der Gaſſe der großen.
Stadt liegen, welche geiftlih Sodom und Aegyp⸗
ten genannt wird, wo auch ihr Herr gefrenzigt wors
den iſt.
9. Und etliche aus den Völkern, Stämmen, Spraden
und Nationen feben ihre Leichname drei Tage und
einen halben, und fie werden nicht zulaffen, daß ihre
Leichname ins Grab gelegt werden,
10. Und diejenigen, die auf Erden wohnen, freuten ſich,
werden fröhlich feyn über fie, und ſich untereinander
Geſchenke ficken; denn eben diefe zween Propheten
quälten die Bewohner ber Erden.
, Die zween Zeugen werden auf den Gaffen einer großen
Stadt getbdtet werden; ihre Leichname wird man da zum
Schauſpiel des Volks liegen laffen, damit es fi) an dem
Anblick diefer ermordeten Menfchquäler weiden koͤnne. Diefe
große Stadt aber wird der prophetifchen Verfieglung wegen
nicht. mit ihrem wahren Namen genannt; ‚doch gibt ihr der
Engel der Aehnlichkeit wegen drei Merkmale: Er nennt fie
im geiftlichen, verblämten oder propherifdhen Sinn, Sodom;
denn ihre Bewohner führen fie eben fo, wie die Bürger zu
Sodom auf, fie ift aber aud) ein geiftliches Aegypten, weil
das geiftliche Sfrael eben fo von ihr in der Kuechtfchaft gehal⸗
ten wird, und es die zween Zeugen eben fo, wie ehemals
Mofe und Aaron retten wollten; und endlich fette der erhabene
Kap, 11. B. 8. bis 10. 215
Weiffager Hinzur Es ift die Stadt, wo aud) ihr Herr ges
freuzigt worden ift.
Diefe Worte haben viele Ausleger bewogen, das irdifche
Jeruſalem für die große Stadt, für das geiftliche Sodom und
Aegypten zu halten; allein ich habe, wie mir deucht, gegrüns
dete Bedenklichfeiten dabei.
1) Man fieht deutlich, daß hier der Engel verfiegelt fpricht
— er will die Stadt nicht kenntlich machen, aber fie doc) fo
beſchreiben, daß fie zur Zeit, wenns gilt, nicht verfannt wers
- den kann; wenn man aber nun die Worte — da, wo ihr Herr
gefreuzigt worden — umverfiegelt verfteht, fo ift Das ja eben
fo gut, ald wenn er gefagt hätte: Mit einem Wort, es ift
Serufalem!
2) Man kann das jegige Jeruſalem unmdglich mit Sodom
und Aegypten vergleichen; indeffen wilf ich nicht läugnen,
daß ed bald beides werden fünnte; auch war diefe Stadt nie
fd groß, daß fie vorzugsweife Die große Stadt genannt
‚werden Fonnte; und
3) Das Kreuzigen ihres und unferd Herrn kann ja auch
geiftlich verftanden werden, und über dad noch einmal auf
eine folche Art, und fo gefchehen, daß es zu feiner Zeit
die Stadt Fenntlih genug macht. Freilich Fann Chriſtus
nicht noch einmal Förperlich gefreuzigt werden, aber doch
. wohl geiftlid — und wer weiß, was das Thier aud dem
Abgrund noch für Uebermuth treiben wird, wodurd) es dann
endlich zu feinem fchredlichen Gericht vollends heranreift.
Die große ungenannte Stadt wird permuthlich zu der Zeit
der Hauptſitz, entweder der Aufklärung oder der Handlung,
‚oder irgend einer nahmhaften Regierung, oder vielleicht aller
dreien zugleich ſeyn; denn es find Leute aus vielen fremden
Nationen da zugegen, wenn die verachteten, verhaßten Chris
ftenvorfteher endlich einnral aus dem Wege geräumt werden.
Jene werden fich freuen, vecht luftig machen, und glauben:
Nun fey denn doch der legte Keim des chriftlichen Aberglaus
bens, der fo lang den Emporſchwung des menfchlichen Geis
ſtes gedrückt, und alle Aufklärung gehindert habe, mit der
Wurzel auögerotter; da wird es an Bällen, Komdbien, Sl:
21% Erklärung der Offenbarung Johannis.
luminationen, und dergl. nicht fehlen, aber ed geht Ben
anders. ald fie denken,
11. Und nach den dreien und einem halben Tag Fam er
Geift des Yebens aus Gott in fie, nnd fie ftunden
auf ihren Süßen, und alle, bie fi ie fahen, überfiel
eine große Furcht.
13. Und fie höreten eine große Stimme aus dem Him⸗
mel, die zu ihnen ſprach: Steigt hieher! und fie
al feiegen { fu den Wolfen gen Himmel, und ihre Feinde
fahen fie,
15. Und in der nämlichen Stunde entftand ein großes
Erdbeben; und der zehnte Theil der Stadt fiel; und
in dem Erdbeben wurden fieben taufend Menfcheitz
namen getödtet; und die übrigen wurden boll Schres
cken und gaben Herrlichkeit dem Gott des Himmels.
Mitten in dem Zubel über den großen Sieg wendet ſich
das Blatt auf einmal und auf ewig; ganz unerwarter flehen
die todten Männer wieder lebendig da auf ihren Füßen jetzt
hat die Freude ein Ende, und Angſt tritt an die Stelle;
denn an ein ferneres Morden ift nicht mehr zu denken. Das
zu fommt nun auch der Aufruf vom Himmel, daß fie hin⸗
auf fteigen folen, zu dem, der fie gefandt hat, und fie
folgen dem Ruf; denn eine Wolke umhuͤllt fie und führt fie
aufwärts,
Einen Tag, zween Tag und einen halben Tag waren
die zween Zeugen todt; auch diefe Zahl ift bedeutend, fie
fcheint wieder mit der einen Zeit, zwo Zeiten, und einer hals
ben Zeit des Weibes in der Wüften im Verhältmiß zu ftehen.
Eo wie die zween Zeugen gen Himmel gefahren find ent:
ſteht ein ſchreckliches Erdbeben, in welchem der zehnte Theil
der großen Stadt zerftdre wird, fieben taufend Menſchenna⸗
men umfommen, und die Mebrigen dann endlich die wei:
Feit Gottes erfennen und preifen.
Eo weit geht die Weiffagung ded Engeld, oder die vers
fiegelte Erimme der fieben Donner; was fie aber nun bes
deute,, das kann noch nicht beſtimmt werden, denn das,
—— — ir u 3 Ah u 2
—— — u — ee e 4
a 2 — —
Kap. 11. DB. 11. bis 15. 215
was zur Entfieglung gehört, das hat die hohe Vorfehung
noch nicht an die Hand gegeben. Und hier, meine lieben
Leſer! deucht mir eine Erinnerung, die mir fchon lange am
Herzen gelegen hat, am rechten Ort zu ſtehen: Es ift übers
haupt mißlich, wenn man bei Auwendung der noch unerfülls
ten Weiffagungen auf die Zufunft zu viel wagt — gewöhns
lich trifft nicht ein, und wenn nun dieß der Fall ift, fo wird
Auslegung und Weiffagung beides mit einander proftituirt;
wenn man doch nur bedächte , daß man das, was zukünftig
ift, nicht vorher wiffen ſollz denn darum ift es eben in pros
phetifche Bilder eingekleidet, und nicht deutlich gefagt wors
den. Die Weiffagungen follen blos Winfe geben, wo es
hinaus will, und wenn die Morgenroͤthe der Erfüllung eins
tritt, dann erft iftö Zeit, daß fich die Männer, ‚die Kraft und
Drang dazu fühlen, aufmachen und den Uebrigen nad) Anleis
tung der Weiffagungen den rechten Weg zeigen, wo es hinaus
will. Diefe Regel foll auch mich in diefem Werk leiten ;; der
berühmte Newton fagt irgendwo folgende goldene Worte: Die
Dffenbarung und jede Weiffagung ift nicht dars
um gegeben, um die Allwiffenheit der Ausleger,
fondern die Allwiffenpeit Gottes der Welt fund
zu machen.
Mas alfo wohl von den verfi iegelten Morten der fi eben
Donner gefagt werden fönnte, dad wäre etwa folgendes :
Die ganze Weiffagung des Propheten Ezechiels, vom Ans
fang des zoften Kapitels an, bis zum Ende des 4sften, ift
noch unerfüllt,, folglich zufüuftig : das Meffen, welches hier
dem Zohannes aufgetragen wird, iſt eine Anfpielung auf
jenes, und es ſcheint, ald wenn es mit den hundert vier
und vierzig taufend Verfiegelten in Verbindung ſtuͤnde; für
diefe wird wohl der Tempel, vie geiftliche Kirche des Herrn
hier gemeffen, und ihnen ihr Theil angewiefen: folglich ges
ſchah dieß Meffen, nach der Verfiegelung jener zwölf mal
zwölf taufend Siraeliten, f. oben Kap. 7. aber auch nach
dem Schwur des Engeld; kurz, es gefchahe in der Zeit, als
die Türken und Sarazenen Jeruſalem anfingen zu zertreten,
und dad Pabſtthum die Vorhöfe des Herrn an ſich riß; aber
216 Erklärung der Offenbarung Sohannis.
nie. den innern wahren Tempel einehmen Fonnte, der blieb
den Vorfiegelren bis daher, und fie werden ihn auch im Bes
fig behalten, bis in det Zukunft des Herrn am feinem herr:
lichen Reich, wo dann aud die erhabene Weiffagung Eze—
chiels ganz erfüllt werden wird; während den 42 Gewaltmo⸗
naten des Thiers, und 42 Monaten des Zertretend, zwo
Zeiten, ‚die mit einander fortlaufen,, ohngefähr zugleid) ans
fangen, und ungefähr zugleid) endigen, bleiben die Verfiegelten
in ihrem fürrfie abgemeffenen Theil des innern Tempels am
Anbeten, bis der Herr kommt; und nun auch einmal die Reihe
an ihnen ift, hervortreten und ‚die Haupter empor zu heben.
Wenn aber die Gewaltinonate abgelaufen find, und das
Thier aus dem Abgrund recht am Wuͤthen iſt, ſo werden
dann die zween Zeugen auftreten.
Ich habe oben bei der Erklaͤrung der vier letzten Briefe
des Herrn an. die Gemeinde zu Thyatira, Sardes, Phila—
delphia und Laodicen, bemerkt, daß diefe vier Gemeinde
bis ans Ende fortwähren, und die übrig gebliebenen oder
wenigen Namen in Garden, deögleichen die laodiceiſchen
Meberwinder ſich mit Thyatira und Philadelphia vereinigen
würden; es ift alfo wahrfcheinlid), daß die zween Zeugen die
Engel oder Vorfteher diefer Gemeinde feyn werden.
Eben diefe beiden Gemeinden find die naͤmliche Kirche,
Die mit den 144000 Verfiegelten anfingz fie find das Weib
mit der Sonne befleider, Kap. 12. die Braut oder das Weib
des Lamms, Kap. 19. V. 7. 8. welches der babylonifchen
Hure gegenüber ſteht. Diefes Weib, diefe Gemeinde, dieſes
Stanımhaus aller Auserwählten, ift taufend zwei hundert
und fechzig prophetifche Tage, an einem ſichern Ort in der
Müften, und ihre legten Vorfteher zeugen 1260 natürliche
Tage für die Gerechtfame ihrer Kirche und für die Wahrheit
von Jeſu Chriſto; daun wird auch die fernere Flucht des
Sonnenweibes durch eine Zeit, zwo Zeiten und eine halbe
Zeit beftimmt, und hier liegen die Leichname der zween Zeu—
gen einen Tag, zween Tage und einen halben Tag todt auf
der Gaſſen,, dann aber ſtehen fie auf zum ewigen Leben,
und fahren gen Himmel.
Kap. 11.8, 11. bie 13. 217
Sc gebe diefes alles bloß für Winfe und Vermuthungen
aus, die aber doch zu feiner Zeit unfern Blicken eine Riche
tung geben Fonnen, die der Wahrheit wenigftend nicht nach—
theilig feyn wird. Uebrigens muß das Geficht und die Weiſ—
- fagung von den zween Zeugen Außerft wichtig feyn, weil es
ein fo anfehnlicher Engel hier fo feierlich anfündigt — auch
daß es hier zwifchen ver fechsten und fiebenten Pofaune eins
gefchalter wird, und gleichfam eine Vorbereitung zur leiten
ift, muß etwas fehr Merkwürdiges zum Zwed haben. So
viel ift gewiß: Das Gefiht von den zween Zeugen enthält
die eigentliche und beftimmte Entiwiclung des Geheimniffes
Gottes, und den ganz genauen Ausgang des legten Kampfs
Ehrifti gegen das Thier aus dem Abgrund — wenn es alfo
einmal mir diefem aufs höchfte gefommen iſt; fo werden Die
zween Zeugen wohl Fenntlich werden, fie mögen dann moras
liſche oder phyſiſche Perſonen; und der Ort ihres Zeugniffes
mag Serufalem oder eine andere Stadt ſeyn; guug! dann
wird diefe prophetifch = verfiegelte Weiffagung entfiegelt, und
dem glaubigen Chriſten verftändlich gnug werden, Jetzt laßt
und nur ja nicht vorwigig grübeln, fondern die Zeit erwars
ten, die ohnehin nicht fern mehr ift — aber wir wollen in
der Furcht des Herrn aufmerfen, damit uns in dem Ges
dränge der großen Vorfälle, womit unjre Zeit und die nahe
Zukunft ſchwanger geht, eine fo wichtige Erfüllung nicht
unbemerkt entgehen möge; denn die Erfüllungen der Weiſſa⸗
gungen find die Fräfrigften Herzftäarfungen der Glaubens
ſchwaͤche; und vorzüglich find auch ſolche Weiffagungen zu
diefem Zweck für uns aufbewahrt worden. Es ift ſchrecklich,
und ein Kunftgriff des Thiers, daß man fie ung rauben will!
14, Das zweite Weh ift vorüber gegangen, fiehe! das
| dritte Weh kommt fchnell.
Dei dieſem Vers ift wohl zu bemerken, daß er keineswegs
mit den vorhergehenden zufanımenhängt; denn wenn er dieß
‚thäte, fo würde man das Gericht über die große Stadt, deſ—
fen im 15ten Vers gedacht wird, für das zweite Weh halten
muͤſſen — das wäre aber widerfinnig, weil jenes Gericht in
218 Crklärung der Offenbarung Fohannis,
die Zeit des Thierd aus dem Abgrund fält, und das allers
legte vor der Zufunft Chrifti, oder doch eins von den letzten
ſeyn wird. Dem zufolge würde alddann das dritte Weh vr
dem zweiten hergeben, welches ja unvernünftig und ein wahs
ver Widerſpruch waͤre. Derowegen muß man dieſe Sache
ſo anſehen: Dieſer 14te Vers ſchließt ſich an den 21ten des
Hten Kapitels anz dort hört die Weiffagung der festen Pos
faune oder des Gerichts über das orientalifch » griechifch » chrifts
liche Kaiferthum auf, und eben dieß Gericht war das zweite
Wehe — darauf madht nun die Erfeheinung des ſchwoͤrenden
Engelö, und feine Weiffagung vom völligen Aufichluß des
Geheimniffes Gottes, zur Zeit des Thiers aus dem Abgrund
furz vor der Zufunft des Herrn, ein Epifode oder Einfchals
tung; nachdem diefe mit dem vorhergehenden 18ten Vers ges
endigt worden, und der Engel wieder verfchwunden ift, fo
geht nun das Hauptgeficht wieder fort, und Johannes knuͤpft
den Faden feiner Erzählung damit wieder an, daß er fagt:
Das zweite Wehe war alfo unter der festen Pofaune vor⸗
über gegangen, fiehe! lieber Lefer! jeßt folgt nun auch das
dritte Wehe unter der fiebenten Pofaune fchleunig nach, Diefe
ganze Sache ift fo natuͤrlich und fo Flar, daß ich nicht begreis
fen kann, wie fo viele Augleger fie haben_überfehen koͤnnen.
‚15. Und der fiebente Engel blies die Pofaune, und es
entftunden große Stimmen im Himmel, die fpras
hen: Die Königreiche der Welt find unferm Herrn
und feinem Gefalbten geworden, und fie werden in
die ewigen Ewigkeiten regieren,
16. Und die vier und zwanzig Nelteften, die vor Gott
auf ihren Thronen figen, fielen auf ihre Angefichter
nieder, und beteten Gott an,
‚Die fiebente Pofaune ift bei weiten die wichtigfte, befons
ders für ung; und dieß nicht allein deswegen, weil fie uns
trifft, fondern weil fie aud) den legten Kampf und Sieg und
die ewige Entſcheidung des Schickſals der Menfchen enthält.
Sobald fie tönt, ſtimmt der ganze Himml ein großes Jubel:
gefchrei an: Der Herr ift König — das Koͤnigreich der Welt,
> ur — —
—— —
— ——
er u
Kap 1a V. 15, 16 219
oder ihre Königreiche gehören nun ihm und feinem Gefalbten,
dem Ueberwinder der Hölle, ded Todes und aller feiner Feinde;
und fein Königreich wird in alle Ewigkeit währen.
Dieß war vermuthlich Folge des Schwurs ded Engel! —
er hatte mit feiner Löwenftimme durch alle Himmel gefchrien,
daß in den Tagen der fiebenten Pofaune das Geheimniß Got:
tes vollendet werden ſollte: vielleicht war es aber auch ſchon
den Himmelsbürgern auf einem andern Weg befaunt gemacht
worden. Auf diefes Zubelgefchrei, worauf die vier und zwans
zig Stellvertreter des Menfchengefchlehrs geharrt hatten,
weil es ihnen Winf zur Feier war, fielen fie auch nieder auf
ihre Angefichter, und beteten Gott, den ewigen König, an.
Das Blafen der fiebenten Pofaune fällt in den Anfang des
neunten Fahrhunderts, als unter Karl dem Großen das abends
laͤndiſche chriftliche Kaiferthum, diefer große Schauplaß des
letztern großen Kampfs und Siegs Chrifti gegen und über
feine Feinde, geftiftet wurde; bier eutſtunden nach und nach
die feindfeligen Mächte, die den letzten Verfuch gegen den
menfchgewordenen Erlöfer wagen dürfen, über diefem Wagen
aber auc) erfahren werden, wie Er iſt. Hier gründet er
aber auch fein Feuer und Heerd, und feine Braut, feine Ges
meinde, fteht hier der babylonifhen Hure gegem über, und
wird endlid) gewiß üßer fie triumphiren.
Die Worte, die Königreiche der Welt find unſers Gottes
und feines Chriſtus geworden, werden im doppelten Sinn
erfüllt: Denn ald Karl der Große Frankreich beherrfchte, fo
richtete er nicht allein das abendlandifche Kaiferthum wieder
auf, fondern er fuchte auch die chriftliche Religion: auf alle
Weiſe auszubreiten, fo jehr es ihm nur möglich war; freis
lic) gefhah das nicht fo hriftlih, als es hätte gefchehen
follen, allein der Weg wurde denn doch dem Sonnenweibe
gebahnt, und ihm in der Wuͤſte ein Ort bereitet. Nah und
nach wurden alle europälfche Negenten und "Könige Chriften,
das mächrige Nußland nicht ausgefchloffen; folglic waren
ſchon einmal viele Reiche der Welt, wenigftens die kultivir⸗
teften, am mehreften vermögenden, Gottes und feines Chris
fius geworden; und da die Muhamedaner doch Verehrer des
220 Erklärung der Offenbarung Johannis
wahren Gottes find, wer wollte fie hier ausfchließen? alle
muhamedanifchen Reiche find einmal Gotres, und fonnen Daher
auch feines Ehriftus werden, fobald der Zug des Vaters zum
Sohn bei ihnen einft beginnen wird,
Die Haupterfüllung fteht aber noch bevor, nad) der Ueber:
windung des Thiers aus dem Abgrund werden erft in vol-
lem Sinn alle Reihe der Welt unferm Herrn und feinem
Geſalbten zugehören.
Daß die pier und zwanzig Aelteſten niederfallen und ans
beten, das iſt ganz in der Ordnung ; denn fie geht die Sache
der Menfchen vorziglid an, und wenns aufs Beten und
Danfen anfommt, fo müffen fie den Anfang machen. Sie
fielen alſo auf ihre Angeſichte.
17. Und ſprachen: Wir danken bir, Herr Gott, Allherr—
ſcher! der iſt und der da war, und der kommt, daß
du deine große Macht ergriffen, und das konigliche
Regiment angetreten haft.
18. Und die Nationen find zornig worden, und dein Zorn
ift gekommen, und die Zeit der Zodten, Gericht zu
halten, und deinen Kuechten, den Propheten und Hei:
ligen, und denen, die deinen Namen fürchten, beides
Kleinen und Großen, ihren Kohn zu geben, und die
zu verderben, die die Erde verderbt haben.
Hier beziehen fi) die vier und zwanzig Anbeter in ihrer
neuen Huldigungsrede auf alle Verheißungen Gottes, von
Adam an bis auf Ehriftum. Sie reden den Herrn mit der
Umfchreibung des Namens Sehopah an, erkennen ihn für den
Pantokrator, für den Alleserhalter und Allesregierer, und
Danfen Ihm dann, daß Er nun auch einmal mit dem Schlans
gentreten den Anfang macht, fich feiner Macht bediene, und
ald König zu regieren anfange; dann fpielen fie ferner auf
den 2ten Pfalm und auf den goften an, und fagen: Darum
find au) die Heiden am Zoben, und zornig geworden; aber
dein Zorn ift auch gefonmen, und du wirft nun aud) Todten
und Lebendigen, jedem feinen Lohn geben, fo wie er es vers
dient hat.
Bde >
Kay. 11108. 17. bis 1. v2
Dies alles ift Zeugniß, daß unter der fiebenten Pofaune,
die nun bald ihrem Ende nahe ift, alles vollendet werden fol,
fo wie der Engel gefhworen hatte: Laßt und wachen! der
Herr kommt bald! jeßt gilts vorzüglich,
Ä
19. Und der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet:
und die Lade feines Bundes wurde gefehen in feinem
nel; und es entftunden Blige, Stimmen, Don:
ner, Gröbeben und großer Hagel.
Daß Gott im Himmel auch einen Tempel babe, der mehr
fagen will, als die Peteröfirche zu Nom, und auch eher die
Mutterfirche aller Kirchen der Welt genannt zu werden Vers
dient, das fehen wir: aus vielen Stellen dieſes erhabenen
Buchs; und da die Stiftöhütte, und hernach auch der Tem—
pel zu Serufalem nach diefem Arhitypus, nach diefem Erz=
muſter, gebaut worden, fo fünnen wir von jenem auf diefes
fchließen ; ed gibt alfo auch im bimmlifchen Tempel eine
Bundeslade.
“ Hier finden wir num den Auffchluß, warum das Allerheis
ligfte,. mit der darinnen enthaltenen Bundeslade, für jeden,
auch den frömmften Sfraeliten, auf immer unzugänglich war —
nur der vorbildende Hohepriefter durfte an einem Tage des -
Jahrs, nemlihd am Verföhnungsfeft, etlichemal hineingehen,
aber dann mußte er doch feinen Bli zur Erde richten, er
durfte die Bundeslade nicht anfehen. Im zweiten Tempel
war fie nun gar nicht, folglich konnte fie auch nicht gejehen
werden! aber bier wird fie nie geraubt und nie entweiht.
Dieß geheimnißvolle Heiligthum ift nichts anders, als der
verborgene Behälter — das Archiv der göttlihen Weisheit
und feiner Ratbfchlüffe über das gefallene Menfchengefchlecht;
dieß war nie einem Sterblichen zugänglich, nur der ewige
Hohepriefter Jeſus Chriftus erfaufte fich den freien Zutritt
durch fein Leiden und Sterben; das Buch mit den fieben
Siegelu wurde aus diefer Lade genommen, und vom Laim
erbrochen ; hier nun, wo es unter der fiebenten Pofaune zur
endlichen Entwicklung und Erfüllung der göttlichen Geheim—
niſſe kommt, bier hört die Verbergung der Bundeslade vor
=
222 Erklärung der Offenbarung Sohannis,
den Augen der Menfchen auf — nun kann und darf fie jeder:
mann fehen. Wofür fol man einen leeren Kaften geheim
halten, wenn er nichts Geheimes mehr enthalt °— —
Das Vorfpiel dazu wurde fchon bei dem Tod Chrifti ges
geben: Denn weil diefer Tod ein Hauptftüc der Enthüllung
jenes Geheimniffes war, fo riß auch der Vorhang im Tem: a
pel entzwei, und der Zutritt zum Allerheiligften wurde geöffnet.
Als das fiebente Siegel erbrochen, und die Gebete aller
Heiligen auf dem Altar mit himmliſchem Nauchwerf geopfert
wurden, fo bezeichnete der Ewige die Erhdrung jener Gebete
mit Stimmen, Donner, Bligen und Erdbeben. Kap. 8.8.5.
Hier dffnet fich nach dem Danfgebet der 24 Aelteften der
Tempel Gottes im Himmel, und die himmlifche Bundeslade
wird enthält — dieß ift die Antwort des Herrn für die,
welche gewohnt find, mit Adleraugen in den Himmel zu fehen,
fie Heißt: Seht hier! der Bund Gorted mir den Menfchen
ift erfüllt, und das Allerheiligfte nicht mehr ein unzugänglis
ches Dunkel;
Fuͤr irdifche Augen und Ohren aber fpricht dann auch die
Natur; es gefchehen Zeichen im Himmel und auf Erden;
Donner, Blige, Stimmen, Erdbeben, Hagel und dergleichen
fündigen wohl oft göttliche Gerichte an, befonderd wenn fie
auf ungewöhnliche Weife in Wirkfamkeit gefet werden. Da
fpricht denn der Unglaube: Das find Feine Wunder, es geht
ganz natürlich zu — Gut! — bie göttlichen Gerichte: find
auch —
Kap 12. V. 122. 225
Das zwölfte Kapitel,
: 4. Und e8 wurde ein großes Zeichen im Himmel geſehen:
Cin Weib mit der Sonne bekleidet, und deu Mond
unter ihren Füßen, und auf dem Haupt eine Giegess
krone von zwölf Sternen.
2. Und fie war fhwanger, und ſchrye für Geburtsſchmer⸗
zen, und aͤngſtete ſich zum Gebären.
Bis dahin iſt num alles zu den großen Begebenheiten uns
ter der fiebenten Pofaune verbreitet worden; jeßt fangen fie
an; und da die wahre Kirche, Oder. die Braut des Lammes,
und die falfche Kirche, nämlich die babylonifhe Hure, nun—
mehr als zwo Hauptperfonen auftreten und thätig feyn wer—
den, fo wird bier zuerft die Erfte unter dem Bild eines ges
bährenden Weibes vorgeftellt. |
Vielleicht Hätte ich fchon früher bemerken ſollen daß in
dieſer hohen Offenbarung, bei jedem neuen Auftritt, in der
Geſchichte wieder zuruͤckgegangen wird, um das, was zum
Zweck dient, nachzuholen; ſo ging das Gericht uͤber das
Heidenthum unter den ſechs Siegeln bei Konſtantin dem Gros
Ben an, und hörte unter Karl dem Großen auf; hernach
fing das Gericht über die morgeniändifche Kirche ſchon unter
Konftantin von Ferne an, und hörte erſt im fünfzehnten Jahr:
hundert auf; jet muͤſſen wir wieder ins fiebente, achte und
neunte Jahrhundert zuräcgehen, weil dort fchon die Anftals
ten zur fiebenten Pofaune begonnen.
Daß dieß gebähremde Weib die Gemeinde der 144,000
Verfiegelten fey, das hab ich fehon oben erinnert; auch die
Wurzelzahl der zwölf Sterne um ihr Haupt, fcheint ed ans
zudeuten; denn 12 mal 12 ift 144. Das Bild eines gebaͤh⸗
renden Weibes iſt im Gegenfag der babyloniſchen Hure ſehr
ſchicklich; und ſo wie dieſe eine große Stadt vorſtellt, Kap.
17. V. 18. ſo bildet auch jene eine große Stadt, naͤmlich
234 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
das neue Serufalem ab: Kapı 21. V. 9. 10. Die babnlo:
nifche Hure regiert zuerſt; während der Zeit wird das Meib
im Eril, in der Wüften, ernährt, und ihr männlicher Sohn
vor Gott und feinem Stuhl erzogen; wenn diefer dann mas
joren geworden, fo wird die Hure geſtuͤrzt, und er tritt dad
Reich an, wie fich im Verfolg zeigen wird.
Die Belchreibung diefes Weibes ift fehr majefkätifeh: Sie
ift mit der Sonne, mit der ebangelifchen Mahrheit von Ges
ſu Ehrifto bekleidet. Er ift eigentlich die wahre Sonne der
Seifterwelt, und fein Licht. ift feine feligmachende Lehre.
Der Mond ift die immer abwechfelnde Vernunftweigheir, die
Philoſohhie, die aber doch ihr Kicht von der Geifterfonne ers
halten muß: Diefen Mond hat das Sonnenweib unter den
Süßen; denn die Vernunft fol, unter dem Gehorfam des
Glaubens ftehen, aber der Glaube muß doch aud) auf fie ge:
gründet, er foll vernünftig feyn. Endlicy trägt die hohe Ges
baͤhrerin eine Krone von zwoͤlf Sternen; daß die Sterne Leh—
rer vorſtellen, iſt ſchon mehrmals bemerkt worden, und da
auh Kap. 21. DB. 14. wo dieß Meib unter den Bilde einer
Stadt. vorgeftellt wird, die zwölf Apoſtel als Grunpdfteine
der Mauern angefehen werden, fo kann man wohl:behaups
ten, daß feine Krone von zwölf FSternen ebenfalls die Apo⸗
ſtel bedeute.
Dieß Sonnenweib war ſchwanger und in Kindsnoͤthen, aber
die Geburt war ſchwer und die Angft groß, darum ſchrie fie.
Die babylonifche Hure gebiert zwar auch Kinder, Kap. 2.
D. 23. aber fie find nicht legitim, fie fonnen das Reich nicht
ererben,. dieß kommt dem Erbfürften zu, ‚der hier geboren
werden ſoll.
Dieß wichtige prophetiſche Bild verdient vorzüglich. ‚eine
gründliche Erörterung: Wer ift alfo die Gebährerin? und
wer ift ihr männlicher Sohn, den fie mit fo großen Yengften
gebähren muß ?
Die griechifche Kirche fan das Weib mit der Sonnen bes
Hleidet, nicht ſeyn; denn fie wich ſchndde, wie ehmals Zfrael,
ab, und wurde unter den ſechs Poſaunen gerichtet. Noch
weniger aber kann die römifche Kirche darunter verftanden
Kap 1. BE 2. 225
werden, weil fie fogar die babylonifche Hure, als die Erz⸗
feindin des Sonnenweibes, zur Beherrſcherin hatz folglich
muͤſſen wir diefe merfwürdige Perfon unter der Menge der
hriftlichen Religionspartheien fuchen, ob fie gleich alle von
den zwo herrfchenden Hauptlirchen verfegert worden. Daß
aber dieß Sonnenweib eine NReligionsparthei bedeute, bedarf
feines Beweifes, denn dieß ift theils aus ähnlichen prophes
tifchen Bildern, theils auch aus dem Gegenfaß der babylos
nifchen Hure Flar.
Man kann aber auch die wahre Kirche Gottes, fo wie fie
aus Mitgliedern befteht, die unter allen chriſtlichen Nelis
gionspartheien zerftreut leben, nicht darunter verſtehen; denn
diefe fängt mir Chrifti und feiner Apoftel Lehramt an, ‚und
dauert fort, bis er fomme, alle ihre mannigfaltigen Ab:
wechfelungen und Schickſale paſſen nicht zu den Merkwürs
digkeiten, die hier dem Eonnenweibe und ihrem Kinde zuges
fchrieben werden; folglid muͤſſen wir eine chriftliche Ges
meinde aufjuchen, die vorzüglid) den Charakter der Braut des
Lamms hat, und deren Eigenschaften allen Zügen der erhabes
nen Hieroglyphe diefer apofalyptifchen Gebaprerin entfprechen,
Der felige Bengel verfannte in der böhmifch- und maͤhri—
ſchen Brüderfirye das Sonnenweib nicht, fondern er hielt
mit Grund dafür, daß Feine audre Religionsgefellfchaft dar:
‚unter verftanden werden muͤſſe; da aber zu feiner Zeit der
‚felige Zinzendorf im gedachter Brüderfirche erft zu wirken an:
fing, und fein Werk mancherlei gute und böfe Gerüchte durch:
gehen-mußte, auch wirflicy manches mit unterlief, das die
Probe nicht aushalten Fonnte, fo war Bengel damals od)
nicht im Stande, die Anwendung des erhabenen Bildes auf
die erneuerte mährifche Brüdergemeinde, die man nunmehr
‚die Herruhutifche nennt, fortzufegen; aber ich kann ed nun
deſto beffer: Einmal, weil ich nicht zu diefer Gemeine ge:
höre und unpartheiiich urtheile, und dann auch, weil id)
‚Gelegenheit gehabt, und noch habe, alles das Große und
Denfwürdige, was fie zur Belehrung der wilden Nationen
‚gethan hat, und noch thut, nebſt ihrer innern bewunderns—
‚würdigen Polizei und Anlage zur Gründung des Fünftigen
Stilting’s ſammti. Schriften. 111. Band. 15
‚226 Crklärung der Offenbarung Johannis.
Reichs des Herren zu beobachten und zu erfahren. Ich bin
gründlich und mit Gewißheit überzeugt, daß diefe enangelifche
Brüderunität, wie fie fich gern nennt, noch immer das Eons
nenweib und die Pflanzfchule des nun bald einbrechenden herrs
lichen Reichs Ehrifti auf Erden ſey; hierinnen ftimmen viele
gelehrte und aufgeflärte Proteftanten geift und weltlichen
Standes mit mir überein, und die Zeit wird unfre Erwars
tung rechferfigen.
Um aber die Wahrheit diefer Deutung meinen Lefern faßs
licher zu miachen , ift es nöthig, daß ich ihnen die Hauptmos
mente der mährifchen Brüdergefchichte erzähle, und dann im
Verfolg meiner Erflärung , die Anwendung der prophetifchen
Bilder auf fie, Elar vor die Augen legen, und die Richtigs
Feit meiner obigen Behauptung beweifen zu koͤnnen.
Im neunten Jahrhundert, verimuthlich um die Hälfte defs
felben, kamen zween fromme griehifhe Mönche, Namens
Eyrillus und Methodius nad) Böhmen und Mähren, und
predigten dort das Evangelium von Jeſu Ehrifto mit fo gus
tem Erfolg, daß eine bleibende und zahlreiche Gemeinde da:
ſelbſt entſtund. Der römifche Hof wurde auf diefe neue Kirche,
welche fich in vielen Stüden, vorzüglich aber in der Reinigs
feit der Lehre und Heiligkeit des Lebens, beträchtlich von
der. fo fehr vwerdorbenen römifchen Kirche unterfchied, aufe
merkſam: Der Pabft wollte fie daher zum Gehorfam bringen,
und fie zur Annahme feiner Lehrfäze zwingen; allein es ges
lung ihm nicht , fondern die böhmifch : mährifche Kirche wi:
derfegte fich, blieb der erfannten Wahrheit getreu, und ers
duldete alle Verfolgungen, die manchmal heftig über fie ers
gingen, bis fie endlich zu unfern Zeiten (fo lang es Rt)
zur Ruhe gekommen ift.
Hundert‘ Jahre früher, ald Cyrillus und Methedius nad)
Böhmen kamen, entdeckte man in den füdlichen Alpenthälern
Staliens die Ihalleute oder Vallenfer , welche zahlreiche Ges
meinden ausmachten, und in Lehre und Leben mit der böhs
miſchen Kirche übereinftimmten.
Im zehnten Jahrhundert eroberte Kaifer Otto dad Herzogs
thum Böhmen, jet wurde allenthalben die Fatholifche Relis
2 une
ie. En
ne *
*
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Kap. 12. V. 1. 3 337
gion eingeführt, und die alte böhmifche und mährtfche Kirche
follte nun zur lateinifchen Meſſe, mit einem Wort, zur rds
mifchen Religion gezwungen werden; alleiit fie weigerte fich
ſtandhaft, ſchickte im Jahr 577 zween Deputirte, Boldorft
und Myslibor nad) Nom, und verlangte freie Religions
Übung; in etwas wurde zwar ihrem Auſuchen gewillfahrt,
im Ganzen aber war und blieb fie gedruͤckt; beſonders bes
diente man fich der gewoͤhnlichen Künftgriffe der Verführung,
wodurch dann viele Vornehme nach und nach gewonnen wurs
den, und eine Trennung eutſtund. Indeſſen blieb denn doc)
das Ganze der Kirche, unveraͤndert getreu, und man bes
firebte fih nun, noch genauer und vorfichtiger zu wandeln,
und fich für den Irrthuͤmern der herrſcheuden Kirche noch
forgfältiger in Acht zu nehmen: Won nun an mußte fich diefe
der Wahrheit getrene Gemeinde des Herrn zurücdziehen, und
fi) mit dem Privargottesdienft begnügen, welchen Pabft Ale:
zander zwar auch verbot, allein ohne —* deun ihr
Herzog Wratislaus ſchuͤtzte ſie dabei:
Allein dieſer Schutz hoͤrte gegen das Ende des eilften Jahr⸗
hunderts auf; dein Pabſt Gregor der Siebente verbot dieſen
Privatgottesdienſt, und ſetzte auch dieß Verbot mit Gewalt
durch. Von nun an mußte ſich die Bruͤderkirche ganz ins
Verborgene zuruͤckziehen, und ſich mit dem geheimen Gottes⸗
dieuſt begnügen; dieſer traurige Zuſtand dauerte uͤber hundert
Jahre; gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts aber ents
flunden nun auch die Waldenfer und Albigenfer , die fich mit
den Vallenfern oder Thalleuten vereinigfen, und unter dem alls
gemeinen Namen der Waldenfer bekannt find; diefe kamen im
Sahr 1176 nad) Böhnien, bauten ſich dort au, und vers
einigten fich mit der alten maͤhriſchen Bruͤderkirche, als mit
welcher fie in Lehre und Leben übereinftinimten; Jetzt richs
teten fie ihren geheimen Gottesdienft ördentlich ein, hielten
unter fich auf gute Zucht und Ordnung, und hatten, je nache
dem es anging, heimliche oder öffentliche DVerfarimldtigen:
Shrer überall zerftreuten Brüder nahmen fie ſich eruſtlich au,
und fandten zu dem Ende Gehülfen nach England, Ungarn,
Polen, Brandenburg, Pommern u; f. w. .
15
338 Erklärung‘ der Offenbarung. Johannis
An Ende des vierzehnten Jahrhunderts aber, nämlich im
Jahr 1592, wurden fie durch die Unvorfichtigfeit zweier Pre—
diger entdect, darauf hart verfolgt, und zum Theil in die
benachbarten Länder zerſtreut; doch blieb noch immer der ver—
borgene Stamm der mährifchen Kirche an Ort und Stelle.
Nunmehr trat aber der befannte Blutzeuge der Wahrheit,
Sohannes Huß, aufz diefer zeugte dffentlich gegen die Irr—
thuͤmer und Lafter der römifchen Kirche, er befam faft allges
meinen Beifall, und die alte böhmifch= und mährifche Kirche
fchloß fi) an ihn an, und fo entftand dann die zahlreiche
neuere böhmifche Kirche, die unter dem Namen Huſſiten bes
kannt ift.
Dieß alles brachte den römifchen Hof — auf, daß
er nicht ruhte, bis Huß den bten Juli 1415 und bald hier⸗
auf ſein Freund Hieronymus von Prag zu Konſtanz am
Bodenſee lebendig verbrannt wurde.
Durch dieſes ſchreckliche Verfahren wurden die Boͤhmen er⸗
bittert, ſie griffen zu den Waffen, und kaͤmpften fuͤr ihre
Religionsfreiheit, wobei aber ſelten der Geiſt Chriſti der
herrſchende war; waͤhrend dieſer Zeit bleiben dann doch die
Rechtſchaffenen immer bei der reinen Quelle, bis endlich,
theils durch Niederlagen, theils durch Verträge die Sache
ein Ende nahm und die böhmifche Kirche immer imeDrud
blieb. Sm Jahr 1455 befamen verfchiedene ıhrer treuften
Anhänger vom König Georg Podiebrad am der fchlefifchen
Gränze einen Diſtrikt Landes gefchenft, wo fich viele hin-
zogen und ganze Dörfer anbauten. Hier fingen fie an, fi)
den Namen Brüder, oder die vereinigten Brüder, beizules
gen; aber auch hier waren fie nicht lang ruhig, fie wurden
aufs neue heftig verfolgt, der gemeinen bürgerlichen Rechte
unfähig erklärt, und von Haus und Hof vertrieben, fie hiel-
ten fi in wüften Eindden und Höhlen auf, wurden aber das
durch nur treuer in ihrem Chriſtenthum, machten Anordnun—
gen zu guter Disziplin, wählten Nelteften, hielten Syuoden,
forgten für die Succeffion der Biſchoͤffe, und hielten ai
ihre Verfaſſung aufrecht.
Im Jahr 1471 hörte einftweilen die Verfolgung auf, weil
— a — *
Kap. 12, V. % 2. 2239
der König Georg, der dem Pabſt die Vertilgung der Brüder
verfprochen hatte, farb, und MWiadislaus von Polen auch
Böhmen befam. Unter diefem Regenten hatte diefe Gemeinde
des Herrn Ruhe, und ums Jahr 1500 zählte man beinahe
zweihundert Kirchen und Gemeinden in Böhmen und Mähs
ven, bie ſich zu den Brüdern befannten.
Im Zahr 1508 erregte die roͤmiſche Geiftlichkeit eine aber:
mals heftige Verfolgung, uud da ed dad Aufehen hatte, daß
die Brüder wohl koͤnnten aus ihrem Vaterland vertrieben were
den, fo ſchickten fie vier Männer, Lucas von Prag, Maus
rus Kokowez, Martin Kapatuif und Kafpar aus der Mark
in fremde Länder, um ein Volk aufzufuchen, das Ehrifto laus
terlich diente, und an welches fie ſich dann anfchließen woll-
ten. Der Erfte ging nach Griechenland, der Zweite nad)
Rußland, der Dritte nah Thrazien und der Bulgarei, und
der Vierte nach Paläftina und Aegypten; allein fie funden
nirgends wahres Chriftenthum, fondern überall herrfchende
> Rafter, Irrthum und gänzliche Erftorbenheit in allem Guten,
Dieß veranlaßte die Bruͤderkirche, noch einmal eine Sys
node zu halten, und zu befchließen, was etwa zu thun ſeyn
möchte? Der Entfchluß fiel dahin aus, den Lukas von Prag
und Thomas den Teutſchen nach Jtalien zu ſchicken, um. zu
fehen, ob noch Waldenfer dort feyen, allein fie fanden wenige:
jetzt befchloffen fie, für fich fortzumandeln, und dad Evange—
lium fo gut auszubreiten,, als fie koͤnnten.
Hierauf trat nun 1517 Luther auf, die Reformation bes
gann, und nun befam die böhmifchmährifche Kirche Gefell-
fchaft genug, man ſchickte Deputirte an Luthern ab, man
freute fih, und fuchte ſich an die proteftantifchen Kirchen ans
zujchließen, allein ed fam mit diefen nie ſo weit, daß ſich
jene mit ihnen haͤtten vereinigen koͤnnen; denn die genaue Kir⸗
cheuzucht der Böhmen und die Reinigkeit ihres Wandels hat
noch nie eine Gemeinde, unter den Lutheranern ſo wenig als
unter den Reformirten, erfteigen fönnen; Luther und Mes
K lanchthon erkannten das wohl, allein es ließ fich nichts er—
zwingen indeſſen liebten und verehrten ſie die vr
Bruͤder in hohem Grade.
250 Erklärung der Offenbarung Johannis
So Fämpfte fich die boͤhmiſch- mährifche Kirche bis zum
Anfang des dreißigjahrigen Kriegs im vorigen Jahrhundert
durch, im welchem fie entfeglich gedrüct und verfolgt, aber
feineswegs vertilgt wurde; viele wendeten fich in andern Läns
dern zu den Proteftanten, allein der uralte Stamnı blieb im—
mer in Mähren und der genauen Konftitution der Vorfahren
getren, bis endlicy im Anfang des gegenwärtigen Jahrhuu—
bertö Graf Zinzendorf diefen Stanım aushob, und auf feine
Güter in der Laufiß verpflanzte, wo fie Dann in den Fahren
1722 bis 1737 den berühmten Ort Herruhut aulegten; von
da an hat uun die Bürgergemeinde immer zugenommen, fic)
immer mehr veredelt und gereinigt, und mehr zum Beften
des Reichs Gottes gethan, als vom Anfang ihres Entftehens
an gefchehen ift. Man lefe hierüber: Loretz, Grund der Vers
foffung der evangelifchen Brüderunität, und befonders alle
ihre Miffionsgefhichten, fo wird man finden, daß ich die
Wahrheit gefagt habe. Darum fehrieb auch Chriftus unter
dem mpftiichen Namen Thyatirg an diefe Gemeine; Sch weiß
deine Liebe und deinen Glauben, und deine Dienftbefliffenheit
und Geduld, und daß deiner legten Werke mehr
find, als der erften. Kap. 2. V. 19.
Um aber auch dem erften Entfiehen diefes Sonnenweibes,
der mahrifchen Brüderfirche, auf die Spur zu fommen, muß
ich noch eine hiftorifche Hypothefe ausführen, die bei mir
faft zur Gewißheit geworden iſt; es iſt naͤmlich die Frage;
Woher Eyrillus und Methodius, und woher die Thalfeute in
den Alpenthalern die Reinigfeit ihrer Religion und die flrenge
Disziplin befommen haben? — Man kann mir freilicy ante
worten, aus der achten Quelle, aus dem Evangelio — ale
fein dazu wurde denn doc) eine befondere Erweckung erfors
dert, denn die ganze Chriftenheit hatte die nämliche Quelle,
und dod war fie durchaus fo heidnifch in ihren Kirchenges
bräuchen und fo in allen Laftern erfoffen, daß ſolche Männer,
wie jene Miffionare und die VBallenfer nicht wie die Shwämme
aus diefem Wuſt hervorwachfen konnten; folgende Brei i
diefer Sache dünft mir glaubwürdig zu feyn.
Im fiebenten Jahrhundert entftand im Drient eine Sehe,
Kap. 12. V. 1. 2 231
welche fich die Paulizianer nannten; man zählte fie von Ans
fang an zu den Manichdern, und man hat ihre verächtliche‘
Schilderungen bis auf unfre Zeiten immer den griechijchen
Kirchenlehrern abgeborgt, und daher eben fo wenig ihren wah⸗
ren und vortrefflichen Charakter kennen gelernt, als man den
der boͤhmiſch⸗ mährifchen Bruͤderkirche aus den roͤmiſch-ka⸗
tholifchen Geſchichtſchreibern kennen lernen würde.
Der einzige unpartheiifche Gibbon har mir hier ein Licht
aufgeftect, und was ich dabei gefehen habe, das will ich
bier in der Kürze mittheilen, |
Nachdem man in den erften Jahrhunderten die Gnoſtiker
und Manichder alfenthalben verdrängt und verfolgt hatte,
fo flüchteren fie fi in die Dörfer und Gebirge an den Ufern
des Euphrats, wo ihr ruflofer Weberreft im Anfang des fies
benten Jahrhunderts wohnte, Ju der Mitte deffelben zwis
ſchen 650 und 660 lebte ein gemeiner Mann, Namens Kons
ftantin, zu Manalis, unweit Somofata, in eben diefen Ges
genden, Diefer beherbergte einen aus fprifcher Gefangens
ſchaft zuruͤckkommenden Geiftlichen,, der ihm das neue Zeftas
ment ſchenkte. Konftautin las diefes köftlihe Buch, und es
wurde von dem Augenblid an Richtſchnur feines Glaubens
und Lebens; doch gab er den Schriften des Apoftels Paulus
für allen den Vorzug. Nun wurde er Reformator, und die
Parthei, die er führte, und deren Vorfteher er war, nanns
ten ſich Paulizianer, weil der Apoſtel Paulus naͤchſt Ehrifto
> ihr vorzüglicher Lehrer war. Vorher waren fie, Gnoftifer und
Manichaͤer geweſen, daher kams denn, daß fie noch immer
mit diefen Namen gebrandmarkt, gehaßt und verfolgt wurden.
Es ift wahr, die Paulizianer mochten noch viele Nebens
griffe aus der gnoftifch= manichäifhen Schule in ihre eigene
mir hinüber bringen, aber in der Hauptfache des Chriftens
thums waren fie vollfommen rechtgläubig; was fie aber bes
ſouders auszeichnete, dad war ihr vortrefflicher chriftlicher
Mandel, und ihr ftrenges Zeugniß, das fie überall gegen die
Mängel und Gebrechen der herrfchenden griechifchen Kirche
ablegten; ſie verdammten und verabſcheuten aufrichtig die
Jrrthuͤmer der Manichaͤer, und bezeugten, daß fie nicht mehr
— — —
252 Erklärung der Offenbarung Johannis.
zu ihnen gehörten, allein das Half nicht, fie wurden verab⸗
ſcheut und verfolgt.
Die apoſtoliſchen Arbeiten dieſes Konftanting, der mit
dem Zunamen Sylvanus hieß, waren aufjferordentlid) gefegs
netz; die Weberrefte der gnoftifchen Sekten, und befonders
die armenifchen Manichaer, vereinigten fich unter feine Fahne;
und viele griechiſche Chriften gingen ebenfalls zu ihm über.
Wenn man diefer Leute Gefinnungen, Denkart und Hands
lungsweife betrachtet, ſo findet man eine auffallende Aehn—
lichfeit zwifchen ihnen und der böhmifch = mährifhen Kirche!
Dieſe neue Religionsparthei verbreitete ſich durch die Pros
vinzen Kleinafiens, vom Archipel bis an den Euphratz Kon:
ftantin fliftete viele Fromme Gemeinden, und nachdem er 37
Fahre ald Apoftel gearbeitet hatte, fo ftarb er auch ald Apo⸗
ftel; denn er fiel als Schladhtopfer der Wahrheit unter der
verfolgenden Hand der herrfchenden Kirche. Nach feinem
Tode nahm die Anzahl ver Paunlizianer immer zu; aber aud)
die Verfolgung. Unter der Turzen Regierung der Kaiferin
Theodora follen hunderttaufend Paulizianer. hingerichtet wor⸗
den feyn; allein das half nicht, ihre Anzahl nahm defto
mehr, zu, und gewiß * ihr genauer Wandel und ihre
Frömmigkeit.
Aber auch darinnen waren fie der böhmifchen Kirche ähne
lich , daß fie endlich Macht mit Macht zu vertreiben und fich
zu fchügen fuchten. Durch die fchredlichften Verfolgungen
aufgereizt, ergriffen fie die Waffen, fuchten ſich zu verthei-
digen, und verbanden fidy mit den muhamedanifcdhen Kali—⸗
fen. Freilich war dad Alles gegen den Geift der Religion
Sefu, allein es läßt fih doch auch vieles zu ihrer Entfchule
digung fagen: Denn wer vertheidigt nicht gern fein Leben und
feine Familie, wenn er fo ungerechter Weife verfolgt wird? —
Diefer Kampf der Paulizianer begann in dem Jahren 845
und 848. |
Es ift begreiflich, daß die armen Paulizianer mit allen
ihren Zaufenden gegen die Macht der griechifchen Kaifer nichts
vermochten, aber diefen war es aud) eben fo wenig möglich,
fie zu vertilgen, im Gegentheil, fie nahmen unter der Hand
an DE ——
—* u
— 5 ur %
Soap. 1.9.12 255
dergeftalt zu, daß man zu politifhen Mitteln feine Zuflucht,
nehmen mußte; man vertrieb fie nämlich aus ihrem Vaters
land, und verpflamzte fie in die Länder an den Ufern der
Donan bis nady Thrazien hin; auch hier wurden fie wieder
zahlreich und mächtig, fie breiteten fich weiter gegen Abend
aus, Famen nach Stalien und Franfreich, vereinigten ſich
dort mit den Vallenfern, Waldenfern und Albigenfern, und
zuverläßig haben fie auch die ihnen viel näher gelegene Ges
meinden in Böhmen und Mähren befucht, mit denen fie fo
viel Aehnlichkeit hatten.
Ich Kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß Eyrils
lus und Methodius Paulizianer gewefen, weil die von ihnen
geftiftete Kirche fo viel Aehnliches mit diefen hat, und übers
haupt war damals die griechifche Kirche ſchon fo verdorben,
und mit ſo viel Ceremonien = Schnörfeln verbramt, daß auch
felbit die frömmften Geiftlichen dergleichen in folche von ihnen
geftiftete neue Gemeinden würden mitgebracht haben, aber das
war in Böhmen nie der Fall; eben diefe Gründe laffen mic)
auch ein Gleiches von den Vallenfern vermuthen. Auf diefe
Meile wäre alfo die mährifche Brüderfirche im Sahre 660
in Eyrien am Euphrat entjtanden.
Geſetzt aber auch, ich irrte in diefer Hypothefe, weldes
doch wohl der Fall nicht ift, fo ift das doch gewiß, daß fi)
die Paulizianer mit den Waldenfern,, und diefe mit den boͤh⸗
ifchen Brüdern vereinigt haben, und fo finder denn doch
obige Succeffion ftatt. Dieß ift alfo die Furze Skizze der Ges
fhichte des fchwangern und gebährenden Sonnenweibes.
Um aber meinen Beweis, daß die mährifche Brüderfirche
diefes Sonnenweib fey, noch überzeugender zu machen, bitte
ich folgende Säge wohl zu beherzigen.
Daß dieß glänzende Bild eine bürgerliche religiofe Gefells
{haft bedeute, ift gewiß: denn da fie den Grund zum Reich
Chriſti auf Erden legen foll, fo muß fie fhon den Keim das
zu erhalten; das ift, fie muß eine vortreffliche Polizei und
Kirchenzucht ausüben; dazu wird aber eine Firchlich = bärgers
liche Verfafjung erfordert, welche die gefammte unter allen
chriſtlichen Religiouspartheien zerjtreute, jogenannte fireis
2534 Erklärung der Offenbarung Gohannis.
tende Kirche Ehrifti nicht hat, folglich Fann fie auch das ges
bahrende Sonnenweib nicht feyn.
Diefe chriftliche Religionsparthei muß aber aud) eine ſolche
Polizei und Kirchenzucht ausüben, daß jeder DVernünftige
und redlich denfende Menſch, fobald man ihm fagt: Wenns
überall fo wäre, fo hätte man den Himmel auf Erden, volls
kommen davon überzeugt ift. |
Vornämlich aber, und worauf ich mit Außerfter Aufmerk⸗
famfeit zu achten bittes Diefe chriftliche Religionsparthei
muß von ihrem erften Entftehen an, in der Reinigkeit der
Lehre, des Wandels, der Polizei und der Kirchenzucht nicht
zurücd, fondern immer vorwärts gehen — fie Fann zu
Zeiten ftille ftehen: aber bei der nächften Epoche muß fie
wieder wachfen, und dad nicht etwa blos an philofophifcher
Aufklärung, fondern an Gerechtigkeit, Heiligkeit, Wahrheit;
Glauben und Liebe. Nun — alle, die ihr euch Chriften
nennt, gebt Gott die. Ehre, und legt ein hriftliches Zeugs
niß ab; Wißt ihr in der Welt eine foldye religiofe Gefells
fhaft, außer der paulizianifch + böhmifch » mährifch-waldens
ſiſch-herrnhutiſchen Brüdergemeine!!}
Bei dem allen hat denn doc) diefe Kirche oder Gemeinde
feine Urfache, fi) etwas darauf einzubilden, oder zu glaus
ben, ihre Glieder feyen deswegen fröommer als andere Chri—
ften, oder fie gelte mehr bei dem Herrn als andere! — fie
mag wohl auf ihrer Hut ſtehen; Denn von ihr wird weit
mehr. gefordert, ald von und andern allen — und worauf
Fonnte fie fih auc) etwas einbilden, denn was hat ee das
fie nicht empfangen hätte? —
Der Segen ded Herrn und fein Geift ruhe auf dieſer ver⸗
fiegelten Gemeinde, auf diefem geiftlichen Iſrael Gottes, auf
diefen Hundert vier und vierzigtaufend Aftiobürgern Neujes
rufalems, bis der Herr komme! — die Zeit ift nahe!!!
Dieß ift nun meine Antwort auf die erfte Frage, wer Das
gebährende Sonnenweib fey? — Was ihr männlicher Sohn
vorftelt, das wird bald am gehdrigen Drt folgen.
3. Und es wurde ein anderes Zeichen im Himmel ges
ſehen: und fiehe! ein feuerrother Drache hatte fieben
Kap, 1, V. 3. 4. 255
Hänpter und zehn Hörner, und auf feinen Häuptern
fieben Königskronen,
4. Und fein Echweif zog den dritten Theil der Sterne
des Himmels, und warf fie auf die Erde. Und der
Drache ftellte fich vor das Weib, welches gebähren
wollte, auf daß er, wenn fie geboren hätte, ihr
Kindlein auffreffen möchte,
Hier erfchien num endlich der Hauptfeind Gottes und der
Menfchen in eigener Perfon, und zwar in der Geftalt einer
großen, feurigen, fliegenden Schlange, mit fieben Köpfen
und zehn Hörnern, er ift, feitdem er im Paradies Adam
und Eva verführte, trefflich gewachfen; denn damals war er
nur eine fimple Schlange mit einem Kopf, bier aber hat er
deren fieben, und auf jedem- eine Königsfrone, ‚Er hat es
leider, mit feiner Herrfchaft Über die Menfchheit weit ges
bracht; feine feurige Geftalt zeigt den Grimm an, mir dem
er herrfcht und alles zu verderben droht, und feine zehn Hörs
° ner find Mächte, die ihm zu Gebote ftehen,
Das Lamm hat nun einen Kopf, weil im Reid) Gottes
alles durch einen einzigen Verftand und einen Willen regiert,
und durch die fieben Geifter ausgeführt wird; hier aber find
fieden Köpfe; folglih auch fieben individuelle Urtheilsträfte
und fieben Willen, derensfeder immer gegen jeden im Res
volutionszuftand ſteht, weil gerne jeder allein herrfchen möchte;
wenns aber Gott, Ehriftum und die Menfchheit betrifft, dann
find fie alle fieben einig.
Bis dahin war der Drache in diefem großen apofalyptis
[hen Schaufpiel noch nicht erfchienen; deun der Gegenftand,
um den es ihm eigentlich zu thun ift — der Nationals
hirte war noch nicht da. — Diefer Eliafim, Friedrid von
Langenau, oder Eugenius, ift eigentlich Kern und Stern der
Apofalypfe; um ihn dreht fih das Ganze, wie um einen
Angel herum, feine Erfcheinung, die völlige Beftegung des
Drachen und unfer großes Maranarha (der Herr fommt) find
Eins. Darum war auch die alte Schlange zeitig bei der
Hand, um das Kuäblein, fo wie es das Licht der Welt ers
bliden würde, auf der Stelle zu verfchlingen.
256 Erklärung. der Offenbarung Johannis
Dann wird auch noch von dem Drachen gefagt, daß fein
fchlangenformiges Hintertheil den dritten Theil der Sterne des
Himmels gefchleppt und auf die Erde geworfen habe. Dieß
bedeutet, daß ihm die Beiftlichfeit des abendlandifchen Drit—
tels, die Priefter und Lehrer der römifchen Kirche, ſchon zu
Gebot ftunden, ihr allgemeiner Bifchof war, nach dem 10ten
Ders des achten Kapiteld, vom Himmel auf die Erde gefal:
len (fiehe oben die Erklärung) ; hier aber warf der Drachen
ſchweif auch alle feine Untergebene zu ihm auf die Erde; fie
fangen nun alle an, jeder in feinem Theil nad) irdifchen Guͤ—
tern, Gewalt und Ehre zu fireben, und Drachenartig zu
wirken. Der Fadelftern, oder der Bifchof zu Rom, fiel im
fiebenten Jahrhundert, wo er aufing, irdifche Gewalt zu bes
fommen, und ein Herr der Erde zu werden; in den folgen:
den nächften Jahrhunderten folgte ihm allmaͤhlig die ihm un⸗
tergebene Sternſchaar nach.
5. Und ſie gebar einen männlichen Sohn, der dereinſt
alle Nationen mit dem eiſernen Scepter hüten wird.
Und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und feinem Thron.
6. Und das Weib floh in die Wüfte, wo fie einen von
Gott zubereiteten Ort hat, auf daß man fie daſelbſt
eintaufend, zweihundert und ſechzig Tage ernähren
möchte, ala
Hier muß num erörtert werben, wer der männliche Sohn,
der Fünftige Nationenhirte fey? und wann er geboren worden?
Da das gebährende Weib eine befondere Gemeinde des
Herrn, alfo eine moralifche Perfon ift, fo kann auch ihre Ges
burt nicht eigentlich verftanden werden, fondern der maͤnn⸗
lihe Sohn muß ebenfalls eine moralifche Perfon ſeyn? Im
2. Pfalm wird diefer geiftliche König zuerft angefündigt, und
Offenb. Joh. 2. V. 26. 27. wird dieß Königreidy aud) den
thyatirifchen Ueberwindern verfprochen (f. oben meine Er:
Härung), eigentlich ift Chriftus diefer Nationenhirte, und von
Ihm gilt auch vorzüglich jene Weiffagung , allein Er regiert
duch Werkzeuge, und diefe fol das geiftliche Thyatira oder
die Brüdergemeine gebahren; folglich werden wir den Sinn
ap, B. 5 6; x 257
diefed prophetifchen Bildes am beften treffen, wenn wir uns
dieje myftiiche Geburt fo vorftellen: Jene Gemeinde hat im
neunten Jahrhundert einen Gemeingeift, einen geiftlichen Chris:
ſtus erzeugt, der einen Keim enthält, wenn er die Zeit über,
die das Sonnenweib in der Wüfte durchlebt, vor Gott und
feinem Thron vollends erzogen und ausgebildet worden, voll:
fommen zum NRegieren des Volks Gottes und aller Nationen
gefchickt ift. Gott zwingt feinen Menſchen zum Gehorfam
gegen die Gebote Ehrifti, fondern fein Volf muß Ihm freie
willig dienen; wenn nun diefes Volk auch noch eine äußere
göttliche Regierungsform, eine dem Geift Ehrifti gemaͤße
Staatöverfaffung, mit einem Wort, eine fürmliche Theo—
fratie auf Erden fiften foll, fo wird mehr als ein chriftlis
her Sinn und Wandel dazu erfordert — dann ift auch eine
hoͤchſt weiſe, durch viele Erfahrung bewährte, in der Gegen
wart Gottes allmäblig ausgebildere Politik unentbehrlich,
und diefe muß bei dem Volk des Herrn, welches den Grund
zum Reich Ehrifti auf Erden legen foll, allgemein herrfchene
der Gemeingeift feyn, und diefer ift dann der nunmehro ma=
joren gewordene männliche Sohn. Hiemit will ich aber nicht
behaupten, daß nicht auch zu feiner. Zeit ein Mann auftres
ten koͤnne, der ganz mit dieſem Geiſt angethan und bes
lebt, als Stellvertreter Ehrifti, als Fürft im Haufe Gottes
das Reich verwalten werde — oder daß nicht auch Chriftus
felbft auf eine finnliche Weife diefem Volk näher feyn koͤnne,
wie bisher — die Weiffagungen zeigen die Zufunft nie fo
deutlich, daß man jie genau beftimmen koͤnne und dürfe, wir
müffen das alles ruhig und gerne abwarten.
Daß der Nationenpirte eine geiftliche moralifche Perſon fey,
iſt auch daraus Flar, weil feine Gegner, das Thier aus dem
Abgrund, desgleichen auch das Thier aus der Erden, ders
gleihen geiftige Wefen find,
Mit diefem Gemeingeift, der dereinft zu einem fo großen
Zweck heranreifen follte, ging im achten Jahrhundert die Ge—
meine der Paulizianer fchwanger, als fie fo ernft gegen die
bierarchifchen Gräuel und Lafter zeugte; denn was einem
rechtichaffenen Gemüth fo außerft zuwider ift, das ſucht es
258 Grklärung der Offenbarung Johannis.
zu vermeiden. Daher die hohe Tugend der Paulizianer; und
nun diefe durchgehends bei allen ihren Glievern in Thaͤtig—
feit zu feßen, wurde eine firenge Kirchenzucht eingeführt,
welche ‚dann eigentlich den Keim enthielt, aus dem durch
mehrere Ausbildung jener Gemeingeift erjeugt wurde. Se
mehr ſich nun diefer fiärfte, defto mehr eiferte die griechifche
Kirche gegen ihn; defto mehr wuchs die Verfolgung, und
diefe war dann eben das höchfte und vollfüommenfte Geburts:
mittel jenes Geiftes 5 denn je mehr man jene Gemeinde der
Paulizianer zu zerftoreu füchte, defto mehr Fleiß, Mühe
und Weisheit wendeten fie an, um fich eine dauerhaftere und
feftere Konftitution zu geben, durch welche alle Gemeinglies
der gegen Abfall und Irrthum gefichert und fo das Ganze
der Gemeinde erhalten werden möchte;
Dieſe Verfolgung ; in welchem das gebährende Weib für
Schmerzen fhrye, waren ihre Wehen zur Geburt;
Der Drache hat nun eine Hauptleidenſchaft, welcher alle übs
tigen zu Gebote ftehen, und diefe ft: Univerfalmonardie.
Man behalte diefen Sat wühl,- denn wir haben ihn im
Verfolg nörhig; tun iſt er gefcheid genug, einzuſehen, wo
irgend etwas diefem feinem Hauptzwec entgegen kam; fobald
er alſo den Gaug jener Gemeinde bemerkte, fo erregte er den
in Gräueln und Laftern erirunfenen und ihm ganz ergebenen
Hriechifch = Faiferlihen Hof zur Verfolgung, um diefe ihnen
beiden gefährliche Konftirution gleich in der Geburt zu erfti-
deu; allein eben dadurch wurde jener Gemeingeift vollends
zur Geburt gebracht: Denn in den Jahren 845 und 846 gas -
ben fie ſich ihre eigene Konftitution, bildeten eine Staatövers
faffung und ergriffen die Waffen:
Diefe find alfo die eigentlihen Geburtsjahre des männli-
chen Sohns, oder des Nationalhirtens; wiewohl es hier auch
äuf einige Fahre früher oder fpater nicht ankommt. Hier
find die Gefbichtichteiber, aus leicht zu errathenden Urfas
chen, nicht genau und ausführlic genug gewefen:
Die Entruͤckung dieſes neugebornen Kindes zu Gott und
feinem Thron —9 Daß die muͤtterliche Vorſehung den
zarten Keim der vortrefflichen Konſtitution und Kirchenzucht
gap. 1. DB 5 6 239
der Paulizianer in ihre befondere Pflege nahm, die Rechts
ſchaffenen unter ihnen von allen irdifchen Zwecken abzog, und
ihnen blos auf wahre Gottfeligfeit und reines Ehriftenthum
die befte Richtung gab: Denn hierauf Fam es an; und es
gehörte noch unendlich viel dazu, um eine irdifche Theofratie
bilden und errichten zu koͤnnen; der männliche Sohn mußte
nun erft noch bei taufend Zahre lang erzogen und ausgebil—
det werden,
Jetzt flohe nun das Weib in die Wifte, an den Ort, den
ihr die Vorfehung bereitet hatte, das ift: Eyrillus und Mes
thodius brachten die reine Lehre ihrer Kirche nach Böhmen
und Mähren, wo die Gemeinde des Herrn neuen Fuß faßte,
und fich aufs befte gründete; und wo fich dann auch in fpä=
teren Zeiten die Rechtichaffenen unter den Paulizianern, als
ihre Gemeinde nah Thrazien und au die Ufer der Donau vers
pflanzt wurden „ und noch fpäter, die Gemeinde der Wals
denfer an fie anfchloß.
Das Fliehen in die Wifte hat einen doppelten Sinn, erfts
lid) wird darunter das damals in Verhälmiß gegen die Mor:
genländer noch wuͤſte Böhmen verftanden, und zweitens bes
deutet ed auch, daß diefe Gemeinde ihren Gottesdienſt nicht
mit bürgerlicher Freiheit, fondern in wüften und entlegenen
Dertern, in Höhlen und Felfenkläften ausüben mußte, wie
fi im Verfolg näher zeigen wird; er
Hier follte nun das Sonnenweib 1260 Tage ernährt wer:
den; daß diefe Zeit prophetiſch ſey, verfteht ſich von felbft;
nach dem Benglifchen Syſtem betragen die 1260 Tage 677
gemeine Jahre, welche mir der Flucht des Weibes in der
Wuͤſte, das ift, mit der Stiftung der böhmifch = mährifchen
Kirche, in der Mitte des neunten Jahrhunderts anfangen,
und fich alfo in die Zeit der Reformation, namlich in den
Zwanziger Jahren des fechszehnten Jahrhunderts endigen.
Diefe Erklärung und Erfüllung ift äußerft ungezwungen
und treffend: Denn diefe 1260 prophetifche Tage over 677
gemeine Jahre hindurch war fie im eigentlichften Sinn in
der Wüften, fie hatte feine Gefellichaft, fie lebte im finfters
fien Pabſtthum, unter Drud und Knechtſchaft, und außer
\
240 + Erklärung der Offenbarung Gohannis.
ihr, nachdem fich die Waldenfer mir ihr vereinigt hatten,
fand fich in der ganzen Welt, und am wenigften in den Abend=
ländern, nirgends eine wahre Gemeinde Ehrifti — das hieß
recht in der Wüften leben, und fi) von dem nähren, was
man ihr gab.
Auch die drei Epochen taufend — zweihundert — fechzig,
find fehr merfwürdig : 1000 prophetifche Tage find 557 ge:
meine Jahre, addirt man diefe zu 850, fo fommt das Fahr
1387 heraus. Bis an diefe Zeit hatte fich die böhmifch = mäh:
rifhe Kirche unter vielen Drangfalen und Abwechslungen,
befonders auch) dur) Aufnahme und Berbindung mit den Wals
denfern, völlig ausgebildet, und eben in dem Jahr 1587 ſchrieb
der berühmte Wiklef in feinem letzten Lebensjahre noch einen
Troſt und Ermahnungsbrief an fie.
Die 200 prophetifchen Tagen betragen 107 gemeine Jahre,
zählt man dieſe zu 1587, fo erhält man 14945 dieſer Zeit:
raum begreift nun den langwierigen und fchrecklichen Huffi-
tenfrieg in fih; denn im Jahr 1400 trat Johannes Huß als
Zeuge der Wahrheit auf, im Sahr 1415 den 6ten Zulius
wurde er verbraunt, und bald nachher griffen die Böhmen
zu den Waffen. Daß diefer blutige Krieg nichts half, fons
nur erbitterte, iſt bekannt; die Fämpfende Kirche unterlag,
die Verfolgungen wurden ſtaͤrker, bis endlich gegen das Ende
diefer Periode eine Ruhe erfolgte, und die Gemeinde des Herrn
fehr wuchs und zunahm.
Der letzte Zeitraum von 60 Tagen oder 32 Fahren reicht
nun bis in die Reformation hinein. Dieſer zeichnere ſich
beſonders durch eine merkwürdige Sehnfucht nach Gefellfchaft
aus, die Brüderfirche fandte Boten, um chriftliche Gemein:
den zu fuchen, und fand fie nicht; dieß gefchah 1508, fiehe
oben die Gefchichte der böhmifch = mährifchen Gemeinde; doch
wurde ihre Sehnſucht noch weit herrlicher geftiltz Denn 1517
brach die Reformation aus, welche jener Kirche ungemeine
Freude verurfachte; allein in der Mitte diefes Jahrhunderts,
nämlich 1548, wurde die ganze Gemeinde ded Landes ver:
wiefen; bei weitem der groͤßte Theil wanderte nach Volen,
Preußen und andern Ländern, aber das Weib felbft, der
Kay, 12. 8.7. bis 9: rm
Stamm, blieb noch immer in Böhmen und Mähren, wiewohl
ganz unbekannt, im firengften Iufognito, in der verborgen:
ſten Wuͤſten.
Der Zeitraum von 1260 Tagen bezieht ſich alſo auf das
äußere Verhälmiß des Sonnenweibes oder der boͤhmiſch⸗- mähs
rifchen Kirche gegen andere bürgerliche und Firchliche Gefells
ſchaften; hingegen die viertehalb Zeiten, die fie ebenfalls
in der Wüfte zubringt, ſ. V. 14. enthalten ihren innern Ges
meindegang, ihr inneres Verhaͤltniß zu fich felbft, bis zum
Anbruch des Reichs Chrifti, wie ich das bei Erklärung jenes
Verſes deutlich zeigen werde;
7, Und es entfiund ein Streit im Himmel: Michael
und feine Engel hatten mit dem Drachen au kriegen,
und dert Drache und feine Engel hatten auch gekriegt.
8, Und fie vermochten nichts, und e8 wurde and) ferner—
hin im Himmel fein Plas mehr für ihn gefunden,
9, Und der große Drache, die alte Schlange, die man
Teufel und Satan nennt, wurde hinausgewors
fen: der Berführer der ganzen Welt wurde binaug
auf die Erde geworfen, und auch feine Engel warf
man mitihm hinaus,
Menn Sonne, Mond und Sterne, Religion, Philofophie
und die Lehrer der Religion bedeuten, ſo fann unter dem
"Himmel im prophetifhen-Sinn nichts anderd verftanden wers
den, ale die Kirche, ift nun von der wahren chriftlichen Kirche
die Rede, fo ift auch diefer Himmel der wahre, in welchem
Gott in feinem Tempel thront, wohin der männliche Sohn
euntruͤckt wurde, und wo ſich auch den Beifte nach die 144,000
WVerſiegelten befinden. Um Verwirrung der Begriffe zu vers
- meiden, muß ich hier eine wichtige Erläuterung einſchalten.
Die wahre eigentliche auserwählte Mutterfirche aller üb:
tigen, das Sonnenweib oder die Braut des Lamms, ift auch
zugleich die Gemeinde der 144,000 Verſiegelten, diefe mas
hen ihr Fundament aus. Jetzt müffen wir alfo zwei Stuͤcke
wohl bemerken: Erftlich wird diefe Kirche, die ich im naͤchſt⸗
vorhergehenden weitläufig befchrieben habe, als eine religidſe Ge⸗
Stilling’s ſammtl. Schriften. DL. Band. 16
3
an ° Erklärung der Offenbarung Johannis.
ſellſchaft im Gegenſatz der falſchen Kirche vorgeſtellt — als
ſolche lebt ſie 1260 Tage, und in anderer Beziehung viertehalb
Zeiten in der Wuͤſten. Zweitens iſt aber auch dieſe naͤmliche
Gemeinde die Gemeinde der Erſtgebornen, die im Allerheis
ligften vor Gott anbetet und mit dem Lamm auf dem
Berge Zion fteht. Kap. 14. Vi ’1. Folglich ift fie in Bes
ziehung auf die Erde, auf die Meifchheit und auf den gros
Ben Kampf, das Sonuenweibs Sn der Geifterwelt aber, oder
in ihrem geiftigen Verhältniß zu Gott und allen andern We:
fen ift fie das geiftliche Priefterthum , der Himmel im’ eigent:
lichten Einn, in weldem Jeſus Chriftus und fein Geift
herrſcht und lebt.
Dieſe zwo Seiten des Scunenweibes, oder der Stammges
meinde des Herrn, muß man immer im Auge behalten; im
legtern geiftigen Verhältniß gehören alle Heiligen aus allen
Nationen zu ihr; im eiften aber nur diejenigen, die zu ihrer
religiöfen Gefellfhaft verpflichtet find.
Daß in diefem Himmel, in das geiftige Element der wah⸗
ven Kirche, der Drache nie kommen koͤnne, iſt daraus klar,
weil das Kind des Sonnenweibes für ihn dahin in Sicher:
heit gebracht wurde; dagegen ift er allerdings in deu Him=
meln der falfehen Kirchen, leider! gegenwärtig genug.
Wenn nun die wahre Kirche unter der falfchen zerftreut
ift, wie dieß vor der Flucht des Eonnenweibes der Fall war,
fo treibt die alte Schlange beftändig ihr Spiel, da ift des Lä-
ſterns und Verläumdens Fein Ende; immer hängt fie die
Frommen über einander her; der Eine fplitterrichtet den An:
dern, bei den weltförmigen Menfchen fucht fie den Verdacht -
des Heuchelus und geheimer Gräuel zu unterhalten, um nur
der Religion Abbruch zu thun; und Fann fie es dahin brin-
gen, daß die treuen Verehrer Fefu verfolgt werden, fo ruht
fie nicht. Auf diefe Art ift der Drade im Himmel, und
fo übt er da fein Anklagegefhäft unabläßig aus; dadurch
that er der Gemeinde des Herrn mehr Schaden, "als *
offenbare Fehde.
Hier wird nun eines Kriegs gegen den Drachen gedacht:
dieſes Bild bezieht ſich auf Dan. 10. V. 13. und Kap. 12.
Kap. 12, V. 7. bi 9, 245
V. 1. wo der Erzengel Michael als ein großer himmliſcher
Held vorkommt: auch herrfchte die Meinung unter den Zus
den, daß diefer Erzengel mit dem Satan um den Leichnam
Moſis geftrirten habe, wie folches im Brief Judaͤ behauptet
wird. Ueberhaupt aber wird auch auf den erflen Kampf bei
dem Abfall des Fuͤrſtens der Finfterniß gezielt, als er eben:
falls mit feinem-ganzen Heer aus dem Himmel geftürgt wurde.
Die Bedeutung diefer prophetifchen WVorftellung ift klar:
Sobald fi) eine treue und wahre Gemeinde des Herrn ab:
fonderte, allmählig bildete ünd reinigte, fo hörte in ihr jenes
Läfterungsgefchäfte des Teufels und Satans auf, diefer wurde
durch die Macht des Herrn aus diefem Himmel ausgeftoßen.
Er und alle feine Helfershelfer werden durch die Wachfamfeit
und genaue Kirchenzucht diefer Gemeinde, wie durch einen
unüberfteigbareh Mall aufgehalten, da hält Michael mit ſei⸗
ner Heerſchaar Wache.
Es fcheint mir, ald wenn das Meffen des Tempels dur)
Sohannes, dad Ausfondern des Vorhofd und das Zertres
ten deffelben durch die Natiotten, Beziehung auf diefen Streit
zwifchen Michael und dem Drachen hätte — das Meffen
des Tempels und derer, die darinnen anbeten, ftellt viels
leicht -die erfte Bildung der Martergemeinde — des Eone'
nenweibes vor; das Hinauswerfen des Vorhofs, welcher
ben Heiden gegeben ift, bedeutet dann die genaue Abfons
derung jener Gemeinde von allen, die nicht rechter Art find,
die Reinhaltung und Heiligung ihrer Kirche; bei welcher
- Gelegenheit dann auch der Läfterer und Lügner vom Anz
- fang allerdings mit hinaus promovirt wird. In dem Zer:
treten des Vorhofs und der Stadt läge dann auch eine
Aehnlichkeit mit dem Begriff des Wohnens in der Wuͤſte;
das eigentliche Zertreten läuft mit der Zeit des Thiers und
mit diefem Wohnen ziemlich parallel, nur daß diejes früher
- anfängt und fpäater aufhört, wie ſolches auch die Sicher⸗
heit des Sonnenweibes erfordert.
Die Erfuͤllung dieſer Weiſſagung finden wir bei der boͤh⸗
miſch⸗ maͤhriſchen Kirche; denn als fie nun durch Cyrillum
und‘ Methodium gegründet worden, folglich an dem von
16 *
944 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
Gott für fie zubereiteten Ort genährt wurde, fo wurde der
alte Käfterer durd) die Macht des Herrn aus ihrem Him—
mel verbannt, ihre genaue Disciplin, oder ihre brüderliche
Viebreiche Aufficht auf den täglichen Wandel eines jeden ein:
zelnen Gliedes, welche die Paulizianer fchon fehr ftreng
ausübten,, ließ Feinen Läfterer mehr Raum, und ihr reiner
einfältiger Sottesdienft im Geift und in der Wahrheit ver-
urfachte die Aunaͤhrung des Geiftes des Herrn in ſolchem
Maaß, daß ſich weder der griechiſche Diabolus (Teufel),
noch der hebraͤiſche Satan, welche beide ein und die naͤm—
liche Perſon find, nur von weitem blicken laſſen durfte:
Bon dem geheimen Einfluß, den diefer boͤſe Geift, durch
unbewachte Herzen, und durch die Unvorfichtigkeit des einen
oder andern Mitglieds, doch noch immer haben kann, davon
ift hier nicht die Rede; das hat auch keinen merklichen
Einfluß aufs Ganze, |
Die Schwangerjcaft der Haulizianifchen Kirche mit einer
vortrefflicben Polizei und Kirchenzuht, und dann auch ihre
firenge Rüge der Laſter der herrfchenden griechifchen Kirche,
brachte diefe fo auf, daß fie, wie oben gemeldet, die bit—
terften Verfolgungen über jene verhängte — dadurch grünz
dete fich aber die vortreffliche Konftitution der Gemeine des
Herin noch mehr, und zwar fo lang, bis im Jahr 845
der männlide Sohn geboren wurde, und die gedrückte
Heerde zu den Vertheidigungswaffen griff. Hier fing nun
auch der Kampf Michaels mit dem Draden an; im Geifters .
reich wurde leßterer hinausgefämpft, und im Aeuffern Fampfte
der Drache, dad Weib in die Wuͤſte; dieſer Streit dauerte
vollfommen hundert Jahr; denn in der Mitte des zehnten
Jahrhunderts, zwifchen 940 und 950 wurden die Paulizia—
ner allmählig überwunden, und aus dem Drient an die
Ufer der, Donau verpflanztz dagegen aber Fämpfte dann auch
die Gemeinde des Herrin den Drachen aus ihrem Himmel
hinaus.
Der Satan wird aber nicht blos aus dem Himmel ges
worfen, vom der Gemeine des Herrn entfernt, fondern es
wird hier auch gefagt, wohin er mit feinen Engeln ges
Kap. 12. V. 10. bis 12. 245
- worfen worden — nämlich auf die Erde; welcher Ort dats
unter verftanden werde, dad zeigt fich im folgenden Kapitel,
wo gefagt wird, daß der Drache dem Thier aus dem Meer
‘ feine Kraft, feinen Stuhl und große Macht gegeben habe.
Zunächft bedeutet die Erde das politifche oder aͤuſſere Staats⸗
verhältniß der Menfchen, im Gegenfaß des Himmels, wels
cher die Firchliche Verfaffung vorftellt; dann aber zeigt fich
auch hier aus dem Verfolg, daß das abendländifche Kaifers
thum der beftimmte Dit fey, an dem nun der Drache, der
Braut des Lamms gegenüber, ein formliches Königreich ers
richtet. Demungeachtet aber weiß er doch aud) von hier aus
noch auf die ganze Menfchheit zu wirken, bis ihm endlich das
Hauptwerk ganz gelegt wird; er ift ein Lügner und Verführer
vom Anfang, und die erfte Urfache alles Jammers.
10. Und ich hörte eine große Stimme im Himmel fpres
chen: Gebt ift das Heil, und die Macht, und dag
Königreich unferm Gott, und die Gewalt feinem
Chriftus geworden: ‚weil der Ankläger unferer
Brüder, der fie Tag und Nacht in Gegenwart unfers
Gottes verklagt, ausgeſtoßen worden,
11, Und fie haben ihn durch, das Blut des Lamms, und
das Wort ihres Zeugniſſes überwunden, und haben
ihr Leben nicht bis zum Tode geliebet.
2, Derowegen heitert euch auf ihr Himmel; und die, fo
fie bewohnen! Wehe der Erde und dem "Peer! denn
der Teufel ift zu euch hinab gefommen, und hat einen
großen Grimm, daer weiß, daß er wenig Zeit hat,
’ Hier äußert fi) nun die frohe Empfindung der Sicherheit
‚bei den Himmelsbewohnern; man faun die große Stimme,
die Johannes im Himmel fprechen hört, den vollendeten Ges
‚rechten, aber auch der Gemeine des Herrn hier auf Erden,
‚aber auch beiden zugleich zufchreiben, man wird in feinem
Fall irren; die Erlösten des Herrn jauchzen nun laut, und
fagen: Jetzt fünnen Gott und fein Sohn Jeſus Chriftus uns
fer Erldſer, frei und ungehindert und unter den Gliedern der
Gemeine herrſchen; jest kann fih die Macht der Erlöfung
246 Erklaͤrung ber ffenbarung Sohannis,
unaufhaltbar thätig erzeigen, der Geift Jeſu Ehrifti mit vol: '
ler Kraft zur Heiligung-wirfen, und der Keim zur Anlage
des Fünftigen herrlihen Reichs Chrifti auf Erden kann ſich
nun ungehindert entfalten und wachfen, denn der allgemeine
Anfläger, der vor dem Angeficht Gottes beftändig die Schwach⸗
heiten der wahren Chriften rügte, und weder Zag noch Nacht
ruhte, um Schaden anzurichten, ift des Landes verwieeun er
darf nie wiederkommen.
Die große Stimme im Himmel ade fi des Ausdrucks:
Der Aufläger unferer Brüder, vielleicht wird Damit auf Hiob 1.
V. 6. u. fs und Kap. 2. V. 1. u. fr gezielt. Unter diejeu
Brüdern werden befonders die Blutzeugen, und vermurhlich
diejenigen verftanden, die von der falfchen Kirche, vornemlich
durch Veranftaltung der Kaijerin Theodora, wie oben gemel⸗
det worden, noch kurz vor dem Sturz des Drachen, waͤhrend
der Schwangerſchaft des Sonnenweibes, gemartert und hin⸗
gerichtet worden. Diefe Blutzeugen find die eigentlichen Ueber—
winder des Drachen; denn es heißt von ihnen: Sie hätten
MN überwunden durch das Blut des Lamms — und dad
Wort ihres Zeugniffes; und fie hätten ihr Leben nicht fo lieb
gehabt, als den Tod um diefes Zeugniffes willen,
. Der wahre Sinn diefer Worte ift folgender; Diefe Blut:
zeugen gründen ihren Werth gar nicht auf die fittlihe Tugen⸗
den; denn da würde der dffentlihe Anfläger auch bei den
Allerheiligften bald. fo viele Mängel und Gebrechen' finden,
daß fie ſich ihm zu Gefangenen ergeben, und vor daß ernfte
Gericht des ferengen Richters fchleppen laffen müßten; fonz
dern fie appelliren alfofort an die Barmherzigkeit Gottes, an
die unendliche Liebe, die fich im Werk der Erlöfung geoffen⸗
bart hat; ‚dagegen kann dann der Drache Fein Wort fagen:
Denn bei diefem DOberappellationsgericht gilt er mit allen fei=
nen Schergen und Henkersfnechten ganz und gar nichts.
Sollte ev aber aud) einwenden wollen, fie müßten erft bes
weifen, daß fie mit Grund Anſpruch an die Wohlthat der
Erlöfung machen koͤnnten, und daß ihr. Glaube und ihre Liebe
nicht leeres Gefhwäß, fondern beide rechter Art feyen, fo
dient darauf zur Antwort: Die Brüder haben beides bezeugt,
Kap. 12. V. 15. 10 247
und mit ihrem Tod verſiegelt, einen — Beweis gibts
nicht.
So fehr ſich aber auch der Himmel auf Erben, die Gemeine
des Herrn, und alle die zu ihr gehören, Urfache zu freuen
haben, fo ſchrecklich wird ed denen gehen, die nicht zu ihr
gehören,’ fondern blos Bürger der Erden find; denn ber
- Drache ift fehr mißlaunigt; bei den Himmelsbürgern ift es
übel für ihn abgelaufen, dort darf er fich nicht mehr fehen
laffen, und auf der Erde foll er auch nicht lange verweilen,
: denn er weiß, daß auch da feine Zeit beſtimmt, und nicht
fehr lang ift; er wird alfo zu guter Letzte noch einmal alle
feine Kräfte anftrengen, und fein Beftes thun, um zu fliegen,
darumz Wehe denen, die auf Erden wohnen! — Diefes Wehe
iſt alſo das dritte. Siehe Kap. 8. V. 15. Kap. 9. V. 12.
und Kap. 11. V. 14.
Becengel hat die wenige Zeit, die der Drache Zeit hat, auf
der Erde zu würhen, durch Vergleich mir den übrigen gleiche
laufenden Perioden fehr genau und glaubwürdig beftimmt;
Er fegt fie auf 888% Jahre; da nun alle übrigen Perioden
fpäteftens im Jahr 1856 auslaufen, fo finden wir den Sturz
des Drachen auf die Erde im Jahr 948, alfo etwa hundert
Sahre nach der Flucht des Sonnenweibes in die Wüften,
um diefe Zeit hörte der Krieg gegen die Paulizianer durch
ihre Verpflanzung an die Donau, auf, und während der
Zeit mochte fi) auch die böhmifche Kirche in ihrer Eonftitus
tion befefligt haben. Der Drache hingegen arbeitere nun
mit aller Macht an der Gründung feines neuen Reichs, wel⸗
ches er durch das Thier aus dem Meer verwalten laffen
wollte; etwas über hundert Jahr fpäter Fam er auch damit
zu Stande, wie das folgende Kapitel zeigen wird.
13. Als nun der Drache fabe, daß er auf die Erde ge:
worfen war, verfolgte er das Weib, welche den Kna—
ben geboren hatte.
2 Und dem Weibe wurden die zween Flügel des großen |
Adlers gegeben, damit fie in die Wüſten an ihren
Ort fliegen Fönnte, dahin, wo fie eine Zeit, und zwo
248 Erklärung der Offenbarung Kohamnis.
Zeiten und eine halbe Zeit vom Anblick der Schlange
* ernähret würde.
Der Drache hatte ſchon manche Verfolgung gegen das
ſchwangere Sonnenweib angezettelt; jetzt aber, als er nun
gar aus ihrem geiſtlichen Aufenthalt verbaunt war, griff er
die Gemeinde des Herrn aufs neue an. Man braucht nur
die Geſchichte der boͤhmiſch⸗ maͤhriſchen Kirche zu leſen, um
ſich lebhaft und mit Wehmuth zu uͤberzeugen, wie ſehr Paͤbſte
und Kaiſer ſich in die Wette bemuͤht haben, dieſe Weiſſa—
gung in Erfüllung zu bringen: Vom Jahr 670 an bis 1725
bat der Drache durch feine Werkzeuge beftändig das Eon:
nenweib verfolgt,. und fie hatte nur dann und wann Zwis
fhenräume der Ruhe, die aber immer ziemlich. kurz waren;
er mußte wohl merfen, daß ihm diefe Gemeinde befonders
gefährlich fey; befonders aber gingen die Verfolgungen nad)
den. 940ger Jahren an, als Otto der Große Böhmen erobert,
und die Paͤbſte nun auch.da freie Hand zum wirken hatten,
und in eben diefen Jahren wurde auch der Drache auf die
Erde geworfen, | *
Die eigentliche Verfolgung aber, wovon hier die Rede iſt,
faͤngt im eilften Jahrhundert, und zwar um die Mitte defe
felben an; wir müfjen hier wohl bemerken, daß num von ihr
sem innern Gemeindegang die Nede ift; oben bei den 1260
Tagen wurde ihr Aufferes Verhältniß gegen die bürgerlichen
Geſellſchaften um fie her vorgeftellt, hier aber bei den bier:
tehalb Zeiten fucht der Drache ihre innere geiflige Verfaſ—
fung zu hindern und zu ſtoͤren; zwiſchen 1050 bis 1060
"wurde ihr nicht nur ihr vffentlicher, fondern foger auch der
Privatgottesdienft verboten; ihr Herzog ſchuͤtzte fie zwar noch)
dabei, aber es währte nicht lang, denn im Jahr 1075 kam
Hildebrand unter dem Namen Gregord des Siebenten auf
den päbjtlichen Thron. Diefer Stifter des Thiers aus dem
Meer ſetzte nun jenes Verbot ganzlich durc), fo daß das Weib
num auch der innern Verfaſſung nach in die Wüfte fliehen,
und in Höhlen und Felsklüften den Gottesdienft halten mußte;
von 1058/an war dieß fhon gefchehen, doc) nicht fo ununs
KUNST 949
terbrochen, wie von nun an, wo der Drache die entfeßlichfte
Verfolgung über diefe Gemeinde verurfachte,
Nun heißt ed, dem Weide feyen die zween Flügel des
großen Adlerd gegeben worden, um damit in die Wüfte an
ihren beftimmten Ort zu. fliegen. — Unter diefem großen
Adler hat man den römifchen Neichsadler oder die römifchen
Kaifer verftehen wollen. Allein man mag diefe Flucht des
Weibes auslegen wie man will, fo hat doch diefer Adler
dem Weibe nie feine Flügel geliehen; im Gegentheil er hat
fie verfolgt, wo und wie er nur Fonnte,
Der große Adler ift entweder das vierte lebendige Weſen
am Thron Gottes, oder die mütterlichleitende Vorfehung felbft.
Beide Bedeutungen finden hier ftatt; im Anfehung der erften
lefe man aufmerffam, was ich oben in der Erklärung des 7.
Verfes des 4. Kapiteld von dem fliegenden Adler, als der
vierten Grundkraft der gefammten moralifhen Natur, gejagt
habe, und wende es dann auf die Muttergemeinde, das Sons
nenweib, an: Dem zufolge nahm fie nun, mit diefen Adlers—
flügeln verfehen, ihren Flug in die Einſamkeit, und richtete
ihren Blic® mit unverwandtem Auge zum Urlicht, ter Sonne
der Geifterwelt entgegen; diefen Flug Fonnte der Drache mit
allen feinen Helfershelfern nicht hindern, und ihr auch in
diefer Wüften, im ihrem Adlersneſt nicht beifommen,. "Zus
gleich aber waltete auch die Vorfehung über fie, und in dies
fem Sinn iſt das, was dort Mofe in feinem Lied vom Volk
Iſrael fagt, 5. Mof. 52. V. 10. 11. 12. auf fie anwendbar,
und wer weiß, ob nicht der erhabene Seher diefe Stelle im
Sinn gehabt hat; bier” heißt es: Er (Jehovah) fand ihn
.. (den Sfrael) im Lande der Eindde, und in einer wüften
heulenden Wildniß; Er führte ihn umher, und unterwies
ihn, Er bewahrte ihn wie einen Augapfel. Gleichwie ein
Adler fein Neft aufweckt, über feine Jungen fchwebt, feine
Fluͤgel ausbreitet, fie aufnimmt, und auf feinem Fittig trägt,
ſo füpre ihn Jehovah allein, und Fein anderer Gott war mit
Ihm. Mir deucht, man Fünne dem Adlerflug des Weibes
in die Wüfte Feine fchönere Deutung geben. Da kommt fie
recht am ihren Ort, wo fie den Gottesdienft im Geift und
250 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
in der Wahrheit ruhig abwarten kann, und wo fie. recht mit.
dem Brod des Lebens ernährt wird, ohne daß ed der Drache
und feine Thiere hindern fonnen. Den äuffern Gottesdienft -
fonnte man der Gemeine des Herrn verbieten, aber den innern,
in der abgefchiedenen Wüfte, nie, In diefem Zuftand heißt
ed von ihr: Aber die auf den Herrn harren, werden die
Kraft erneuern; fie werden auffahren mit Slügeln, gleich den
» Adlern, fie werden laufen und nicht müde werden; fie ſollen
wandeln, ohne zu ermatten. Jeſ. 40. V. Sl.
In der Verfaffung des innern Gottesdienſtes, in welcher
der aͤuſſere entweder ganz verboten, oder nur blos geduldet
wird, ſoll die Bruͤdergemeine eine Zeit, Zeiten, das iſt, zwo
Zeiten, und eine halbe Zeit — naͤmlich bis dahin verharren,
wenn der Sieg uͤber den Hauptfeind, das Thier aus dem
Abgrund, erkaͤmpft, und das Reich des Herrn nun im vols
len Anbruch — der Natipnenhirte mündig geworden ift,
Kap. 19: 8, 1-3, |
* Bengels Syſtem betraͤgt eine Zeit 2222, zwo Zeiten
4445 und eine halbe Zeit 1115, folglich alle viertehalb Zeis
ten PROER 7773 Jahre; addiren wir diefe nun zu 1048,
fo fällt ver Termin ins 185ſte Jahr, in welchem alle apocas
lyptiſche Perioden auslaufen, und ganz gewiß auslaufen
würden, wenn man immer genau ihren Anfang traͤfe; indefz
fen ift doch fo viel zuverläffig, daß das Jahr 1856 der längfte
Termin feyn muß, wenn anders Bengels Syſtem richtig iſt,
und daß es hoͤchſt wahrſcheinlich ſey, das haben die großen
Begebenheiten des 1798ſten Jahrs bewieſen, wie ich weiter
unten zeigen werde. Laßt es uns in der Anbängigleit vom
Herrn erwarten! |
Es ift aber auch merkwuͤrdig, daß Johannes nicht ſagt,
drei und eine halbe, ſondern eine Zeit, zwo Zeiten und eine
halbe Zeit. Dieſe Redensart zielt auf zwo Parallelſtellen
im Propheten Daniel Kap. 7. V. 25. und Kap. 12. V. 7.
welche beide durch die apofalyptifche vortrefflich erklärt und
beftätigt werden: Denn der geiftige Aufenthalt des Son:
nenweibes in der innern myſtiſchen Wuͤſte fängt wenige
Jahre vor dem Auffteigen des Thiers aus dem Meer an,
Kap, 12: V. 15, bis 17. 251
und hört mit dem Sturz des Thiers aus dem Abgrund auf;
jeßt Iefe man oben angeführte zwei prophetifche Zeuguiſſe,
ſo wird man Verſtand darinnen finden; doch hat aud) die
gedachte Abtheilung der viertehalb Zeiten noch einen andern
Grund, und zwar darinnen, daß drei Perioden dadurch be⸗
ſtimmt werden; deren jede von der andern merklich verfchies
den ift; denn
Im Fahr 1058 fingen fie anz wenn man nun eine Zeit,
als die erfte Periode, dazu addirt, fo kommt das Jahr 1280
heraus; in diefem Zeitraum bildete ſich die boͤhmiſche Kirche
vollig aus, fie fam aus dem Wochenbette; hundert Jahre
fruͤher, nemlich 1179, waren die Waldenfer nad Böhmen
gezogen, und von da ab an, wurde ihre Kirchenzucht immer
beſſer, geordneter, genauer und vollftändiger.
5 LEE >
—
Zu 1280 addirt man num ihre zwo Zeiten, nemlich 444%,
fo fält das Eude der zweiten Periode ind Jahr 1725, wo
Herruhut völlig im Werder war, und Zinzendorf den Stamm
der mährifchen Kirche in der Lauſiz verpflanzte. Man braucht
nur die Gefchichte der erneyerten mährifchen Brüdergemeine
zu leſen, ſo wird man ſehen, wie ſehr ſie ſich allmaͤhlig zu
dem bildet, was ſie werden muß, um die Pflanzſchule des
herrlichen Reichs Chriſti auf Erden zu ſeyn. Die halbe Zeit
111 zu 1725 gezaͤhlt, gibt dann wieder 1856.
15, Und die Schlange fpie ein Waffer, gleich einem Strom,
hinter den Weibe her aus ihrem Maul, um fie weg⸗
zuſchwemmen.
| 16. Und die ‚Erde Fam dem Weibe zu Hülfe; und die
Erde öffnete ihren Mund und verfchlang den Strom,
den der Drache aus feinem Maul gefpieen hatte.
17. Und der Drache erzürnte fi fi ch über das Weib, und
ging hin, Krieg zu führen mit den übrigen ihres Caas
mens, Die da die Gebote Gottes DRADFEN,. und. das
Zeugniß Jeſu haben,
Das Ausſpeien eines Stroms ift ein Bild, das aus der
Natur entlehnt iſt; denn die große Riefenfchlange geußt eis
nen Strom von Geifer über ihren Raub her, wenn fie ihn
352 Grklärung der Offenbarung Johannis.
getddtet hat: Hier jagt der Schlangenfünig dem in die Wüfte
fliependen Sonnenweibe einen ſolchen Geiferftrom nach, um fie
Damit zu erfäufen, und von der Erde wegzufpülen. Daß
ein Wafferftrom in der prophetiichen Sprache Völferfchaaren
bedeuten Fünnte, und wirklich bedeute, hat feine Richtigkeit;
hier aber geht diefe Auslegung nicht an, fondern die natürs
lichfte ift, wenn man unter diefem Strom die falfche Lehre
des Drachen verfieht; denn da unter dem Maffer des Lebens
die Heilölehre des Evangelii abgebildet wird, fo bedeutet
ganz natürlich und ungezwungen der Geiferftrom, den der
Drache aus feinem Maul geußt, die abfcheuliche Lehre des
sömifhen Stuhls, welche Pabft Hildebrand gleich nach der
myftifchen Flucht des Weibes in die Müfte, ihr gleichfam
auf dem Fuß nachſchickte; hierüber fagte Loretz in feiner
ratione Diseiplinae unitatis fratrum ©. 34. folgendes: -
„Gegen dad Eude des eilften Jahrhunderts ließ Pabft
„Gregor der Siebente, genannt Hildebrand, ein neues
„ſcharfes Verbot dagegen (gegen den Privatgoftesdienft der
„‚böhmifchen Kirche) ausgehen, welches mit gewaltfamer
„Hand durchgeſetzt wurde. Hier fingen fich alfo die har—
ten Berfolgungen der roͤmiſchen Kirche gegen die Vorfahs
„ren der Brüder in Mähren und Böhmen an, welche end:
„lich in die. fchredlichften Graufamfeiten ausbracdhen. Je
„mehr aber die Irrlehren bei der römifchen Kirche und
„die Lafter bei der Geiftlichfeit zunahmen, defto weniger
„konnte diefe, weder durch Lift noch Gewalt vermocht
„werden, fich unter dad Zoch des Pabftthums zu bringen.
„Der Bilderdienft, die Kehre von der Verwandlung des
„Brods im Abendmahl, die Einführung defjelben unter
„einer Geſtalt, das Fegfeuer und fo mehrers, war ihnen
„unerträglich; fie blieben daher bei ihren Sitten, und
„hielten fi fo viel möglich im verborgenen.“
Dieß war eigentlich der Schlangenfirom, der das Weib
erfäufen follte; da fich diefe immer mehr ins innere Heilig:
thum zurüczog, wohin weder der Drache noch fein Geifer
fommen fonnte, fo wurde fie Feineswegs weggefpielt, fondern
der Strom verlor. ſich in der politifchen Verfaffung , diefe
un u u Fe ah ee Du u nen ml nm un u DU,
Kay. 15.8. 15. bis 17% 255
öffnete ihren Mund: und verfchlang ihn; denn die Päbfte bes
famen nun die Ausführung ihrer weitausfehenden Abfichten
durch die Kreuzzüge fo viel zu thun, daß zuweilen auf eine
Zeitlang das böhmifche Häuflein Keger vergeffen wurde.
Daß hier diefes Alles noch immer dem Drachen und nicht
dem Thier aus dem Meer, dem Pabftthum, zugefchrieben
wird, kommt daher, weil jenes Thier noch nicht aufgeftiegen
war, und weil der Drache diefem noch nicht feine Macht
übertragen hatte. Kap. 15. V. 2:
Da nun der Drade ſahe, daß er dem Gonnenweibe in
Böhmen nichts anhaben fonnte, fo wurde er zornig, und
fuchte fi) an den Übrigen ihres Saamens zu rächen; dieſe
waren die Waldenfer und Albigenfer im füdlichen Franfreic)
und ndrdlidhen Italien, gegen welche die Päbfte, im Verfolg
der Zeit, ordentliche Kriege führten; gegen diefe wurden im
Anfang des dreizehnten Jahrhunderts die DBettelorden, der
Sranzisfaner und Dominikaner, und die fürchrerliche Inqui⸗
fition geftifteer — das hieß doch wohl ſchon Krieg führen
gegen die Uebrigen von dem Saamen des Sonnenweibes;
denn der Kern der MWaldenfer hatten fich ſchon früher nach
Böhmen gezogen: Aber nachher Friegre man aud) im eigents
lichen Sinn gegen jene Uebrigen; denn es wurden fürmliche
Kreuzzüge gegen fie veranftaltet, durch welche fie auf dad
ſchrecklichſte mißhandelt und mit den graufamften Martern
getbdtet worden. Diefe Erklärung des 17ten Verfes ift fü
Har und richtig, daß auch zugleich die Deutung der vorher:
gehenden dadurch beftätiget wird.
Hier endigt fih nun wieder eine große und wichtige Pes
viode der hohen Offenbarung — das Heidenthum ift gerichs
tet — die Grundlage des herrlichen Reichs Chriſti auf Er:
den durch das Sonnenweib, oder die Brüderfirche ift feit und
“ umerfchütrerlich gegründet, und der Drache ind abendländifche
Kaiferthbum gebannt. Jetzt ift nun noch der legte und aller:
wichrtigfte Auftritt übrigs Der Drache ftrenger feine legten
Kräfte aufs aͤußerſte am, indem er ein Reich errichtet; das
die allgemeine Alleinherrfchaft für ihn durch Aberglauben ers
ringen will; und da diefes mißlingt, fo gründet er eine neue
354 Erklärung der Offenbarung Gohannis.
Macht, die das nemliche dur Unglauben erfämpfen will,
und beide werden durch eine geheime große Kraft der Fin:
fterniß unterftügt. "Alles ift aber vergebens; denn der Sie⸗
ger mit den vielen Kronen erfcheint, macht allem Kampf ein
Eude, und richter nun fein ewiges Königreich auf. In der
Mitte zwifchen allen erhabenen Bildern ſteht dann noch die
hohe Hieroglyphe der fieben Donner, die das Tempelmeffen,
und das Geheimniß der zween Zeugen enthält? das Erſte
ſcheint ſchon in der bisherigen Gefchichte des Sonnenweibes
zu liegen, das leßte aber ift noch ganz unenrfiegelt,
Edhe ich aber meinen dunkeln Pfad in dieſem geheimnißvols
len Heiligthum fortfege, fcheint mir eine Erinnerung noͤthig
zu ſeyn, die ih alfo hier einfchalten will! Miele Partheien
und viele einzelne wohlmeinende Seelen unter euch, meine
lieben Brüder! und theure Lefer! find entweder von der Ber
fhaffenheit der Brüderfirche nicht genug unterrichtet, oder
fie haben auch noch wohl Vorurteile von Alters her gegen
fie — mit denen, die fie beneiden, habe ich Fein Wort zu res
den — dem Erften empfehle ich des Herrn Paſtor Frohe
Ye ers Briefe über Herrnhut, Zoregensratio Diseiplinae
unitatis fratrum, oder Grund der Verfaffung der evangelis
ſchen Bruderunitaͤt, und Cranzens, Loskiels und Oldendorps
Schriften über die Miffionen der Bruͤdergemeine; Spangen:
bergs Lebensgefbichte Fann auch dem wahrheitsliebenden
Lefer vieled aufklären, was ihm bisher nod) dunfel war;
und den Letztern rathe ich nur, fo lang ihre Vorurtheile abs
zulegen, bis fie fi) auch durch jene Schriften unterrichtet
haben, und wenn fie folche dann ferner noch behalten, ſo
hab ich ihnen nichts mehr zu ſagen.
Sobald man ſich alſo von der Wichtigkeit und Richtigkeit
der Bruͤderkirche vollkommen uͤberzeugt, alle Vorurtheile ab⸗
gelegt, und dem Sonnenweib recht ins Angeſicht geſchaut
hat, ſo muß man voͤllig uͤberzeugt ſeyn, daß meine Erklaͤrung,
welche ſich ohnehin ſchon auf die Bengelſche ſtuͤtzt, unſtreitig
die richtige ſey. Ich bezeuge nochmals feierlich, daß ich nie
zur Bruͤdergemeine gehoͤrt habe, zu keiner Parthie auſſer der
proteftantifchen Kirche, gehöre — aber die Wahrheit ift mir
ftärfer, als jedes Verhältniß, und will fie redlich bezeugen.
Ihr müßt euch aber deswegen, daß diefe Kirche die Pflanz:
fchule des Neichs Gottes ift, Feine zu hohe dee von ihr
machen; ihr hoher Werth beruht nicht auf der größeren Hei⸗
ligfeit ihrer Glieder, fondern auf ihrer intern Einrichtung
und dem felfenfeften Anhatigen am einzigen Grund des Glaus
bens, an der Lehre bon der Erlöfung der gefallenen Menſch—
heit durch Chriftum. Auf diefen Punkt müßt ihr euern
Blick heften, wenn ihr fie beobachten wollt, und dann werdet
ihr nicht mehr zweifeln.
Endlich Fönnte diefe meind —— Erklaͤrung, nach⸗
dem ſie bei frommen, gutwilligen Seelen Ueberzeugung be—
wirkt haͤtte, wohl einen Trieb erwecken, ſich mit der Bruͤder—
kirche zu vereinigen — Liebe Seelen! — dazu rathe ich nicht,
es iſt nicht eher noͤthig, als bis euch die Vorſehung dazu
führt, und euch den Weg dazu bahnt, im Eigenwillen muß
fo etwas nicht gefchehen. Wenn ihr es redlih meint, fo
werdet ihr gewiß nicht zurücbleiben: Denn, folltet ihr etwa
- die Zeit des Aubruchs des Reichs Chriſti erleben, welches
gar leicht bei den Juͤngern unter euch der Fall feyn koͤnnte,
fo feyd nur getroft und aufmerkſam auf die Winfe des Herrn,
Er wird gewiß dafür forgen, daß Feine Klaue zurüc bleibt.
Ihr gehoͤrt alle zur philadelphiſchen Gemeinde, ihr moͤgt
nun ans Sarden oder Laodicea ſeyn, und Philadelphia wer:
den wir und alle mit der thyatirifchen Brüdergemeine vereiz
nigen; laßt uns alle nur halten was wir haben, damit ung
Niemand unfere Kron? rauben möge,
18. Und ich wurde auf dem Sand des Meers geftellt.
Sohannes hatte biöher in feinem Geficht einen Standpunft
gehabt, aus dem er fehen Fonnte, was im Himmel vorging,:
jeßt aber weißt man ihm einen Platz am Ufer des Meers
an, wo er den fchredlichen Auftritt des Auffteigens des Thiers
aus dem Meer in der Nähe beobachten kann; was er num
da gefehen hat, das erzählt er im folgenden Kapitel.
256 Erklärung der Offenbarung Johannis,
Das dreizehnte Kapitel
4. Und ich fahe ein aus dem Meer empotfteigendes Thier,
welches zehn Hörner und fieben Köpfe, und auf feinen
Hörnern zehn Königskronen, und auf feinen Köpfen
Namen der Sottesläfterung hatte.
2. Und das Thier, welches ich fahe, glich einem Pardel,
und feine Füße den Bärenfüßen, und fein Maul einem
Pöwenmanl. Und der Drache gab ihm feine Macht,
and feinen Thron, und große Gewalt:
Su den prophetifchen Gefichten Danield werden diejeniz
gen Königreiche, welche vorzuͤglich Einfluß auf dad Volk
Gottes gehabt haben, unter ungeheuern, aus mehrern Thierz
gefchlechtern zufammen geſetzten Beſtien vorgeftellt. Im 7. Kap.
V. Atem erfcheint die affyriichebabylonifhe Monarchie wie
ein fliegender Lowe; im Sten die perfiiche gleich einem Baͤ⸗
ren mit drei großen eiſernen Zaͤhnen; im 6ten die griechifche
gleich einem Pardel mit vier. Fluͤgeln und vier Köpfen, und
endlich im 7ten und 8ten die Fomifche gleich einem greulis
hen und fchrecflichen Ungeheter, das aber weiter nicht befchrie:
ben wird, auffer daß es zehn Hörner hatte; und aus diefen
Hörnern entfteht nun ein Fleines Horn, mit welchem es der
Prophet hauptfählich zu thun hatz darauf folgt daum die
Zufunft des Herrn.
Dieſes greuliche und fehredliche vierte Thier wird nun Gier
in der hohen Offenbarung ausführlicher abgehandelt, und fie
fhließt fi) hier ordentlic) an Daniels Weiffagung an, Die:
fer Prophet fahe alle vier TIhiere aus dem Meer auffteigen,
folglich darf man nicht fo beftimmt unter dem Meer Die
Abendländer verſtehen; denn die drei erſten regierten ja in
Afien, fondern das Meer bedeutet auch allerhand Völker und
Nationen, aus denen fic) jedes Thier bildete. Dennoch aber
EB end 2
flieg dieſes vierte Thier in jeder Ruͤckſicht aus dem Meer auf:
1) € eutftund ı aus bielen Nationen, 2) in den Abendlaͤndern,
in Europa, und 3) im Gegenſatz eines andern, der aus der
Erden fein Haupt erhebt.
Im allgemeinen Sinn kaun dies vierte Thier wohl die ganze
römifche Monarchie von dem Anfang ihrer Ausbreitung an,
bis an die Errichtung des Reichs Chrifti auf Erden bedeuten;
hier aber wird nur die letztere feindfelige Macht darunter
verſtanden, welche in jener Monarchie errichtet’ wird, und
welcher der Drache Deswegen feinen Thron und feine Gewalt
gibt, um Chrifto und den Anftalten entgegen zu wirken, und
es, wo möglich, ganz zu hindern,
Ehe ich aber zur Erflärung des Tertes weiter fortgehe,
muß ich noch eine nothwendige Erinnerung vorangehen laſſen.
Die bewährteften Nusleger, und namentlich auch Bengel,
verſtehen umter dieſem apocalyptifchen Thier aus dem Meer
ausschließlich das tomijche Pabſtthum, vder eigentlich den
rdmiſchen Hof unter den Paͤbſten; fo wahr und richtig num
das and ift, fo müffen wir uns doc) fehr in Acht nehmen,
daß wir die farholifche Kirche immer von diefer Idee abfons
dern — der Pabft Fönnte fogar allgemeiner Bischof feyn, ohne
daß er deswegen zu diefem Thier gehörte. Das Ningen nad),
der Univerfaloberherrfehaft über die gefammte Chriftenheit,
oder gar-über die gefammte Menfchher, und ihre ordentliche
Obrigkeiten, und das nicht blos in religidfen, foudern auch
in polirifchen Sachen — mir einem Wort? An Gottes
Statt die Welt regieren wollen, dies ift der Geift
des Drachen und das Wefen des Thiers. Da wir num bei
dem römifchen Hof diefen Charakter von langer Zeit her dauer:
haft gegründer finden, fo iſt Die Folge der Paͤbſte, nicht in
Anfehung des allgemeinen Bisthums, ſondern iin Rücficht
auf jenen Charakter, dieß Thier aus dem Meer; wuͤrde alſo
eine andere Macht diefen Charakter annehmen, fo würde fi ie
auch immer das naͤmliche Thier ſeyn, auſſer daß dann fein
Auffteigen aus einem andern Ort entflürde. Kap. 11. B. 7. .
wird von dem Thiet geredet, das aus dem Abgrund auffteigt,
und Kap 17 Vs. fagt der Engel zum Johannes, eben
Stillings fammil. Schriften. IH. Band. 17
258 Erklaͤrung der Offenbarung Sohannis,
das nämliche Thier, das aus dem Meer aufgeftiegen ſey,
werde fich eine. fleine Zeit. verlieren, und dann wieder. aus
dem Abgrund aufſteigen. Dieß alles fagerich nur deswegen,
Daß man dieß feindfelige Thier nicht fo ganz unbedingt, an den
roͤmiſchen Hof feſſeln foll, weil es fi) auch hoch auderswo
zeigen kann; indeſſen iſt es doch hoͤchſt wahrſcheinlich daß
Kom in. jedem, Fall auch bei dem Thier aus dem Abgrund
eine ‚große Rolle fielen wird,
Endlich muß man. auch forgfältig, einen ‚Sebler oetsheiden;
den verfchiedene, übrigens fehr einſichtsvolle Ausleger beganz
gen haben, daß fie die vollendete Geftalt des Thiers, fo wie
fie der heilige Seher bier befchreibt, fo gleich im Anfang der
päbftlichen Univerfalmonarchie ausfindig ‚machen wollten; da
doch dieß Thier allmaͤhlig wächst, und erſt nad) und *
ſeine Figur bekommt. Johaunes ſieht es hier ſo, wie es kurz
vor ſeinem Sturz in den Feuerſee, nachdem es ſchon aus dem
Abgrund aufgeſtiegen ift, ausſehen wird; Wollte man mir
einwenden, er hätte es doch, fo sollendet. aus, dem Meer aufs
fieigen fehen, fo bevenfe man, daß auch. Daniel die griechi⸗
{ce Monarchie in Geftalt eines Thiers mit vier Köpfen aus
dem Meer. auffteigen fah, ungeachtet die vier: Koͤpfe erſt eine
Zeitlang nad) dem Auffteigen entſtunden. Das Thier fteige
aus dem Meer auf, und zeigt fich dem Seher in feiner ‚volls
fommenen Geſtalt, weil der. Zweck nicht erforderte, J er
ſich vor ſeinen Augen bildete;
Hierauf wollen wir nun zur Erklärung. übergehen,
Die feindſelige Macht gegen Chriſtum und fein Reich ent—⸗
fieht aus dem Meer; was das bedeute, iſt oben fchon gefagt
worden; Rom, Stalien, mit einem Wort das ganze abend:
ländiihe Reich, war durd) die Völferwanderungen ein Ges
mifche von allerhand Nationen ‚geworden, als Pabſt Gregor
der Siebente, genannt Hildebrand, -diefe feindfelige Macht
fiftere, Daß unter dem Meer auch Stalien verftanden werz
den koͤnne, weil es im Meer. liegt, ift gewiß, |
Die zehn Hörner, die Johannes num bemerkt, fi nd sehn
Könige. Kap. 17: V. 12. Es ift zwar allerdings merkwürdig,
daß. das veeidentalifcye Kaiſerthum, Re die- Eongerhen
— —
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BT EWR SW ET
Kay. 15. 8, 4,234 259
überhaupt, feit Gregors Zeiten aus ungefähr zehn Königreichen,
bald mehrern, bald wenigern beftanden ; allein im genauen Sinn
dürfen doch diefe zehn Hörner wicht dahin gedeutet werden,
fondern erft am Ende des Thiers werden fic) die zehn Mächte
in ihrer wollen Kraft zeigen, danı wann es mit Daniels
Monarchenbild Dan. 2. einft zu den zehn Zähnen gefommen
iſt. Jedes Horn hatte: eine föniglihe Krone, zum Beweis,
daß jedes einen König vorſtelle. Ob. fie alle zehn auf einem,
etywa dem mittlern Kopf flunden, oder ob jie anf alle fieben
Kdopfe vertheilt waren, das fagt Johannes fo wenig als Das
niel, man kann es alfo auch nicht. wiffen,.
Die fieben Köpfe des Thiers bedeuten, die, fi eben Berge
ber Stadt Rom. Daß diefe Stadt auf: fiebew Hügeln oder
Bergen liegt, ift eine befannte Sache, und bei der Erklärung
des 17ten Kapitels werde ic) ausführlicher vonm ihnen reden.
Vor Alters: waren folgende Berge bebaut und bewohnt: 1) Der
Aventinus, wo jeßt die Kirche zu St; Sabina: ſteht; 2).der
Gapitelinug, ‚wo: das. Capitolium ift,; und wo fich der. Senat
verfammelt 5.5) der Coelus, oder das Lateran, wo die Kirche
des heiligen Johannes iſt; 4) der Exqu lilnus mit der Kirche
Maria Maggiore; 5) der Palatinus, welcher von langer Zeit
wüfte und mit Weinbergen bepflanzt iftz am. defien Stelle
kommt nun der Vatikanus, ‚welcyer die berühmte St. Peters⸗
Firche und den paͤbſtlichen Pallaft enthaͤlt; 6) der Quirinalis,
wo die Kirche St: Markus ſteht, und wo fich die Sommers
vefidenz der Pabfte befinderz und 7) der VBiminalis; Ju was
für einer; Beziehung dieſe ſieben Berge mit den Köpfen des
Thiers ſtehen, das wird eſenenbei der Erklaͤrung des 17ten
| Rapinil gefagt werden.
Auf diefen Köpfen bemerkte Sohannes Namen der Läftes
rung.; Gottesläfterung ift, wenn man entweder Gott menfchs
liche Schwächen oder gar Lafter zufchreibt, oder wenn man
fündigeMenfchen Sort gleich ſetzt; auf beiderlei Weije iſt auf
jenen Bergen Gott geläftert: worden; man machte Gott zu
einem-lafterhaften Wefen, indem: man die Menfchen beredete,
Vergebung der Sünden oder Rettung aus dem Fegfeuer ließe
ſich durch zeitliche Guͤter erkaufen; und man erhob lafterhafte
17 *
| Mr
360 Erklärung der Öffenbarung Johannis
Menfchen zur Würde der Gottheit, indem man den Pabft
einen Vicegott nannte, oder zweideutigen Heiligen größere
Kraͤfte zufchrieb, als Chriſto; daß dieß gefchehen fey, darüber
hat man unverwerfliche Zeugniffe genug:
Nun wird auch der eigentliche Körper des Thiers befchries
ben: Sein Rumpf gli einem Pardel oder Panther; er hatte
namlich eine buntgefledte ſchͤne Haut. Die buntfchedigte
Aufpugung des päbftliheh Hofs ift bekannt; dann ift auch
der Pardel ein fehr grimmigeg reißendes Thier, das nichts
fhont, und diefen Grimm haben alle diejenigen erfahren,
die fich der römifchen Politik widerfegten. Es hatte ferner
Bärenfüße und eim Löwenmaul; oder vielmehr Löwenmäuler.
Mir ven Füßen zerdruͤckt, zerreißt und zertritt der Bär alles
das, worüber er ergrimmt iſt; er kann aber auch damit auf
die Bäume klettern; und der Lbwe brüllt fürchterlich mit feis
nem Maul, aud) zerreißt und frißt er mit Maul und Zähnen
gierig feinen Raub, Dieß Alles find Bilder, deren Deutung
auf den römifchpabftlichen Hof fo ungezwungen und fo leicht
ift, daß ich mich gar nicht dabei aufhalten mag.
Diefer Beftie gab nun der Drache, nachdem er auf die
Erde geworfen worden, feine Machtz er machte ed zu feinem
Adjutanten, um dadurch den Plan feiner Univerfalmonarchie,
Gott der gefammten Menfchheit oder Erden zu werden, außs
zuführen, da er als ein geiftiges Wefen dieß unmittelbar nicht
faun. Diefe Drachen- oder Satansmadıt. beftand in der
Gewalt über die Gewiffen; daher Heißt es ferner: Er gab
. dem Thier auch feine große Gewalt. — Es ift allerdings,
nach natürlichen Urfachen gefchloffen, unbegreiflich, wie es
möglid) war, daß ein Fleiner geiftliher Fürft in Stalien im
Stand war, Kaifer und Könige, mit einem Wort, vom Thron
ins Elend zu verftoffen, und andere auf denfelben zu erheben,
ohne daß fie ihre Armeen und alle ihre Macht dagegen ſchuͤ⸗
ten kounte. Allein die ganze Ehriftenheit lag ohne Erkenntniß
“im tiefften Aberglauben verfunfen — die Sefabel oder babyloni=
fhe Hure hatte die Sache trefflich dazu eingeleitet, und dem
Thier den Weg gebahnt. Durch diefen Aberglauben wirkte
nun der Drache durch fein Thier auf den Willen der Mens
A u Den
=
Kap, 18. V. 5. 4. 261
fhen, und fie gehorchten ohne Widerſpruch, und wer dieſen
wagte, der wurde gefreſſen.
Der Aberglaube war das Element des Thiers aus dem
Meer; der Unglaube iſt das Element des Thiers aus dem
Abgrund; und der wahre Glaube das Element des Sonnens
weibes, und aller, die Chrifto und feinem Adjutanten, dent
Nationenhirten, angehören. Wer unumfchränfte Gewalt über
die Gewiffen der Menfchen erlangt hat, dem gehorchen fie
ohne Zwang aus freiem Willen,
Endlicy übergab auch der Drache dem Thier fpinen Thron,
ben er während der Herrſchaft des Heidenthums in Rom bes
ſeſſen hatte, aber nach dem Gericht über dafjelde verlaffen
mußte,
Hier follte ich nun auch die Zeit anzeigen, in welcher das
Thier aufgeftiegen ift, allein da uns der 18te Vers diefes
Kapiteld eine noch bequemere Gelegenheit dazu an die Hand
gibt, fo wollen wir es auch dahin verfparen,
3. Und eins von feinen Häuptern war, als wenn es tobt
gehauen, und die tödtlihe Wunde wieder heil gewors
den wäre; umd bie ganze Erde ftaunte dem Thier nach.
4, Und fie beteten den Drachen an, weil er dem Thier
die Gewalt gegeben hatte, und fie beteten auch dag
Thier an, und ſprachen: Wer ift dem Thier gleich?
und wer kaun mit ihn Eriegen ?
Der Heilige Seher ſahe eins von den fieben Häuptern, als
wenn es einen tddtlichen Hieb mit einem Schwert befommen
hätte; ®. 14. und doch war diefe Wunde wie der heil. Ben
gel glaubte, diefe Kopfwunde fey fchon dem erſten Stifter
des Thiers dem Pabſt Hildebrand verfegt worden, als er
vom Kaijer und von vielen Bifchöfen abgeſetzt wurde, einen
Gegenpabit befam, und im Exil ftarb; allein die ift mehrern
Paͤbſten wiederfahren, das waren Feine tödtliche Wunden,
die einem ganzen Kopf, welcher eine ganze Reihe Päbfte ents
/ hält, gefährlich werden Fonnten, Mir duͤnkt vielmehr, man
treffe den Sinn am ficherfien, wenn man unter dem Schwert,
das die Wunde fchlägt, das verſteht, was in der Offenbarung
262 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
darunter verſtanden werden muß, nämlich das Wort Gotted;
dieß iſt das Schwert, welches aus dem Munde des Herrn
geht, Kap. 2. V. 16. (fr meine Erflärung dieſes Verſes),
womit er auch gegen ſeine Feinde ſtreitet.
Daß nun die Reformation ein Hieb war, der dem —*
regierenden Kopf leicht hätte toͤdtlich werden koͤnnen, das
wird kein Menſch läugnen, der der Sache nur reiflich nachdenft.
Wenn wir die Regierung der Köpfe, fo wie fie der Ges
fhichte nach aufeinander gefolgt find, und wie fie Bengel in
feiner erklärten Offenbarung Seite 899. u. f. aufuͤhrt; der
ungenannte Verfaſſer des vortrefflichen Buchs: Einleitung
zu naͤherer und deutlicher Aufklaͤrung der Offenbarung Jeſu
Chriſti, Karlsruhe bei Maklot, 1784, aber in Anfehung des
— Quirinalis noch beſtimmter entwickelt, naͤher betrach⸗
fo finden wir, daß der Edlius der erfte, der Vatican
ie zweite, der Aventinus der britte, der Quirinalis der vierte,
und der Exquilinus der fünfte iſt; bis dahin ſind wir nun jetzt
gekommen, der Capitolinus und der Viminalis, oder Pala⸗
tinus (wenn diefer wieder angebaut würde), find num noch
uͤbrig. Von dieſem allen aber werde ich im 17ten Kapitel
ausführlicher reden; ich führe dies nur deswegen an, damit
id) den Kopf beſtimmen Fönne, der die toͤdtliche Wunde bes
Fam. Diefer war nun der Quirinalis mit feiner Marfuss
kirche; denn da fing Pabſt Paulus der zweite im Jahr 1464
an zu regieren, und Leo ber Eilfte hörte im Fahr 1605 da
auf, in diefen Zeitraum fallt nun die ganze Reformations—
geſchichte/ folglich auch die tbdtliche Wunde, die diefer Kopf
durchs Schwert befam, aber fie ward auch an eben diefem
Kopf wieder heil; denn das Tridentinifche Concilium wurde
bon diefem Berge aus dirigirt, und während diefer Zeit wurde
auch der Jeſuiterorden geſtiftet und eben dieſe beiden Salben
waren es, wodurch der Kopf ſeine Genefung‘ erhielt.
Unter den fieben Köpfen ift der vierte auch der mittelfte;
vom erften an bis auf diefen flieg die Macht des Thiers,
und vom vierten an nahm fie bis auf unfre Zeiten wieder
ab, fo daß in dem Be. Kopf das rin des er
beginnt.
> nn en
muss u ne SE u.
Dieſem wunderbaren Thier ftaunte wun die ganze Erde
nad); eigentlich heißt ed: Sie erftaunte hinter ihm her: dieß
zeigt an, daß alle ‚Staaten der abendländifchen Ehriftenheit
ihm folgten, und ſich von ihm leiten ließen; jedermann bes
wunderte die große Macht und die erftaunlichen Wirkungen,
die das Thier hervorbrachte: und dies bewog fie dann, es
fuͤr eine überirdifche Macht zu halten; deswegen hielt : man
auch dafür, daß der Geift, der es belebte, die Gottheit fey,
die man in ihm anbeten müffe; daran dachte man aber nicht,
daß man durch diefe Anbetung den Drachen verehrte,
Aber auch fogar dad Thier felbft betete man an; Denn ift
das Wort;: heiligfter Vater! Feine Anbetung? — So kann
ic) nur allein Gott aureden; Chriſtus bediente fich diefer
Formel an feinen und unfern Vater, Job. 17. V. 11. Er
fagte: Heiliger Vater! — und eineu armen Erdenwurm nennt
man fogar heiligfter Bater!? — Fuͤrſten knieten vor ihm und
kuͤßten ſeine Fuͤße, ſie erwieſen ihm alſo eine Ehre, die nur
ſolche Fürften annehmen, die Heiden find, und ſich ſelbſt für
Götter halten, oder von ihren Unterthanen dafür gehalten
werden.
Aber das Alles laͤßt fi & noch mit Geremoniel, Hofmaris
men und dergleichen entfchuldigen ; man braucht ſolche Worte,
ohne etwas dabei zu denfen. Hingegen, wenn man vom
Pabſt Ablaf, Vergebung der Sünden, Erlöfung aus dem Feg⸗
feuer, Difpenfationen von Pflichten und Erlaubniß, Greuels
thaten zu verüben, begehrt und erhält, das ift weit mehr
Erzeigung der goͤttlichen Ehre, als jenes.
Man hatte ganz recht, wenn man ausrief: Wer if dem
Thier gleich? Wer kann mit ihm kriegen? — Wer es Fann
das wiſſen wir — Der, dem ein Schwert aus feinem Munde
ſtrahlt.
5. Und es wurde ihm ein Mund — große Dinge
> amd Gottesläſterung zu veden. Und es wurde ihm
Gewalt gegeben, ‚zwei und vierzig Monate lang zu
wirken.
6, Und es oͤffnete ſeinen Mund zur Läfterung gegen Gott,
264 Erklärung der Offenbarung Gohannis,
und feinen Namens und feine Wohnung⸗ und die im
Himmel wohnen zu läftern,
7. Und es ward ihm gegeben, Krieg zu führen mit den
Heiligen, und fie zu überwinden, Und es wurde ihm
Gewalt gegeben über alle Geſchlechte, und Völker, und
Sprachen, und Nationen,
8, Und alle, die auf Erden wohnen, deren Namen nicht
im Lebensbuche des Lamms, das von Grundlegung
der Welt an a ifi, angefchrieben find, bete⸗
ten es an.
Johannes kann nicht aufhoͤren, zu bezeugen, wie ſehr das
Thier laͤſtert und große Dinge ſpricht — groß thut und prahlt;
dazu hat es ein Maul, das ihm der Drache gibt, und Gott
zulaͤßt, damit ed dad Maaß ſeiner Greuel voll machen moͤge.
Don der Zeit der 43 Monate, welche dem Thier in feiner
Regierung beftimmt find, werde ich beim 18ten Bers dieſes
Kapitels das Nöthige fagen.
Es läftert Gott, feinen Namen, den es fi) felbft beilegt,
auch die göttlichen Eigenfchaften zu menfchlichen Leidenfchafe
ten herabwürdigt; feine Wohnung, indem es feine Tempel
zu Häufern Gottes macht, und fie doch den größten Bofewich-
tern und Banditen zu. Freiftätten beftimmt; es läftert die
Heiligen im Himmel, indem es felige Menfchen verdammt,
und verdammungswäürdige felig fpricht,
Es führt Krieg mit den Heiligen; es befriegt fie von den
MWaldenfern an bis auf die Hugenotten, und überwindet fie
dein Sleifche nah; es herrfcht von China bis nach Mexiko,
fo weit es Chriften feiner Kirche gibt.
Endlich werden dann auch diejenigen, welche dem Thier
Anbetung wiedmen, und ihm als Unterthanen huldigen, näher
ausgezeichnet: Diejenigen naͤmlich ſind es, die ſich in der
Chriſtenheit befinden, aber von der Vorſehung nicht in das
Buch des Lebens eingetragen worden, weil ſie ihre Seligkeit,
ihre Beguadigung und Heiligung, nicht im verdienſtvollen
Leiden und Sterben Chrifti, des großen Dpferlamms, dad
fchon im Rathſchluß Gottes, vor Grundlegung der Welt als
Kapı 15. V. 9. 10 f HN: 265
gefchlachret betrachtet wurde, und worinnen alle Heiligen der
Vorwelt ihr Heil fanden, fuchen, fondern durd) ihre eigne Werk⸗
heiligkeit ſelig werden wollen.
Es iſt ſehr merkwuͤrdig, daß in dem Sinn, durch Werkhei⸗
ligkeit ſelig zu werden, der Aberglaube, und der Unglaube,
die ſich gerade entgegen ſind, uͤbereinſtimmen; ehedem ſuchte
man ſein Heil in kirchlichen Ceremonien, und jetzt in der
Sittenlehre; in beiden Faͤllen geht man ſtolz und vermeſſen
den einzigen Gruud der Seligkeit, die Erlöfung durch Chris
ſtum, vorbei. . Das ift die Marime des großen fi ebeulbpfig⸗
ten Thiers,
9. Wenn jemand, Ohren hat, fo höre er!
10. Wenn jemand in die Gefangenfhaft zufammenführt,
! jo wird er auch in die Gefangenſchaft geführt, Wenn
einer mit dem Schwert tödtet, fo muß er aud) durchs
Schwert getddtetwerden. Hier ift die Geduld und
der Glaube der Heiligen,
Nachdem der heilige Seher das Thier aus dem Meer hins
länglich befchrieben hat, fo fühlt er an feinem eigenen Hers_
zen, welche traurige Empfindungen dieß ſchreckenvolle Bild
bei den gläubigen Lefern diefes Buchs erwecken werde — ehe
er alfo zur Schilderung des Thiers aus der Erden fortgeht,
hält er für rathfam, eine Erinnerung einzufchalten,; die den
‘ wahren VBerehrern Jeſu zum unerfchütterlichen Troſt nothwen⸗
dig gereichen muß; und damit ja niemand diefen Beruhigungs⸗
grund nur flüchtig überlefen möge, ohne recht auf den Inhalt
- zu achten, ſo bedient er fich der Aufmerkungsformel Chriſti;
fo wie diefer fein lieber Herr und-Meifter oft fagte: Wer
Ohren hat zu hören, der höre! fo fagt der Lieblingsjünger
auch hier; dieß ift alfo auch ein Nota bene für ung, Dar—
auf führt er Dann Dad ewige Jus Talionis, das MWiedervers
geltungsrecht an? Denkt deswegen nicht, liebe Chriften! will
er jagen, daß dieß fchredliche Ungeheuer die gute Sache ver=
nichten, und die Errichtung des herrlichen Reichs Chriſti von
einem Ende der Erden zum andern verhindern werde; —
nein, keineswegs; erinnert euch nur an dad ewige unveräns
266 Erklarung der — Johannis.
derliche Geſetz der Gerechtigkeit Gottes! — Hat dieß Thier
mit ſeinen Helfershelfern Millionen ins Gefaͤngniß zuſammen
geſchleppt, ſo wird es endlich, wenn ſein Maaß voll iſt, auch
hineingefuͤhrt werden; und hat es Millioren hingerichtet, ſo
wird es am Ende auch hingerichtet werden ; darum bekuͤmmert
euch nicht, und zweifelt nicht an der Vatertreue Gottes, und
an dem Worthalten des Erlöfers, . r wieder zu kom:
men verſprach. —
Aber freilich wird manchem während‘ den 42 Monaten die
Zeit lang werden; ‚manchem wird die Geduld-ausgehen; man⸗
chem feine Glaubenslampe verlöfchen, aber dafuͤr huͤtet euch! —
Wer heilig werden und Theil an der, erften Auferfiehung und
am Reich des Herrn haben will, der muß ausharren und
glauben. — War das je nöthig, ‚P iſt dieß jetzt in un⸗
fern Zeiten beſonders der Fall.
11, Und ich fahe ein ander Thier aus der Erde auffteigen,
und es hatte ziwei Hörner, gleich’ einem Lamm, aber
es ſprach wie der Drache.
12. Und es übt alle Gewalt des erften Thiers vor, ihm
aus; und.ed machte, daß die Erde, und die, welche
auf derfelben mohnen, das erfte Thier, defjen zeni
Wunde heil worden war, anbeteten.
"Ehe ich beſtimme, wer und was dieß andere Thier aus der
Erden fey, will ich erft alle feine Eigenfchaften unterſuchen;
aus welchem fich dann mit defto größerer er he —
meine Vermuthung ergeben wird,
Dieß Thier hat zwei Hörner, fo wie ein Lamm; unter die:
fem wird aber niht das Lamm mit den ſieben Augen: und
fieben Hoͤrnern verftanden, fondern es hat überhaupt zwei
Lammshoͤrner; zwo Kräfte, mit denen es Fämpft, oder die
ihm zur Gegenwehr gegeben find; diefe fahen nun Lamms⸗
artig ans, das ift, feine Religion und feine Philoſophie
ſcheinen wirklich die Sache Chriſti und fein Reich zu bezwe—
cken, und dafür zu kaͤmpfen, allein das Maul! das Maul!
fuͤhrt keine Sprache, die ſich zum Lamm ſchickt! — die Al⸗
leinherrſchaft des Thiers aus dem Meer iſt ſeine Hauptſache;
Kap. 13. V. 11. AR“ 2367
fein Zweck, welchen zu erreichen es fich alle Mittel erlaubt,
und dann doch dabei im geheimften Dunfel feines Herzens
den verborgenen Plan ‚hat, im Namen des Thiers aus, dem
Meer feldft zu herrfchen, und eben dieß Alles ift dann wahre
und unbezweifelte Drachenſprache. An Gottes ſtatt zu. herr—
(hen — ift. daß Prinzip alles Redens und Handelns.
Dieß Afterlamm fommt nicht aus dem Meer, fondern aus
der Erden; es entfteht in den Staaten der römifchen Chris
ftenheit, auf wohlgepflügtem und gedüngtem Boden, wo es
‚ Nahrung und Waide im vollen Ueberfluß findet, und fett wird.
Nach feinem Auffteigen merkt man nun bald, daß es alle
Funktionen und Verrichtungen des Thiers aus dem Meer
ausübt, und fie auch eben mit der Macht und Gewalt, und
durch die nämlichen Mittel zu Stand bringt. Befonders aber
fiebt man, daß es dem Thier aus dem Meer in die Hände
aubeitet, ihm treue Verehrer und Unterthanen anwirbt, wobei
es dann auch nicht leer ausgeht; denn ed macht, daß bie
Erde, die ganze Staatöverfaffung, und die Bürger derfelben,
das erfte Thier anbeten, deſſen tödtliche Wunde heil gewor⸗
den war.
Dieſe letzten Worte ſind hoͤchſt merkwuͤrdig; ſie geben Auf⸗
ſchluß in dieſem prophetiſchen Geheimniß, und zeigen an,
daß dieß Thier nach der nalen Kopfwunde des erſten aufs
geftiegen ſey.
Schrecklich, fchauerlich und abſcheulich ift das Bild, wels
ches jeßt da vor meiner Seele vorüber geht — das Bild der
Satanifchen Dreieinigkeit — Der Drache ift fo gefcheid, daß
er wohl einfieht,, die Regierungsmarime Gottes müßte doch
wohl die weifefte feyn, darum will’er fie nachäffen. Er
ſtellt fich hin, und will den Vater präfentiren — durd) das
Heidenthum und Pabſtthum gaukelt er die Regierung Gottes
im alten. Bund nach, wo dann das Thier aus der Erden
feinen allwaltenden und alles regierenden Geift vorftellen foll.
Wenn aber nun einmal das fiebenföpfige und zehnhdrnichte
Ungeheuer in den Abgrund und aus demfelben wieder herauf
geftiegen, der Satan nun Menfch geworden ift, dann
208 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
wird dieſe gotteslaͤſterliche Dreieinigkeit im vollen Glanze
der ewigen Glut erſcheinen. Herr erbarme dich unſer!!!
15. Und es thut große Wunder, ſo daß es auch Feuer
aus dem Himmel auf die Erde vor der Menſchen
Augen fallen macht.
14. Und es verführt durch die Wunder, die ihm in Ge⸗
genwart des Thiers zu thun gegeben find, diejenigen,
die auf Erden wohnen; indem es ihnen fagt, fie fol-
len dem Thier, welches die Wunde vom Schwert
gehabt, und das Lamm behalten hätte, ein Bild machen.
Die Wunder des Thiers aus der Erden find, wie fi) ‚das
von felbft verfteht, faljche und luͤgenhafte Kräfte, Zeichen
und Wunder. 3 Theſſ. 2. B. 9. Man lefe nur die alten und
neuen Legenden der pabftlihen Heiligen, fo kann man ſich
von der Erfüllung diefer Weiffagung überzeugen; fogar laßt
dieß hier vor den Augen der Menfchen, fo daß es niemand
läugnen fan, Feyer vom Himmel fallen, — Ad ja! oft,
fehr oft hat es gemacht, daß der roͤmiſche Himmel im Bul⸗
Iendonner brüffte und mit Bannftrahlen auf die Erde hinbligte,
und wo er traf, da zündete er und richtete Jamnier an. Dieß
war auch ein Wunder,
Alle diefe Zeichen gefchehen in Gegenwart des erften Thiers,
das ift, mit feinem größten Beifall, es weiß fie, wuͤnſcht
und begünftigt fie; denn fie find eben die Mittel, wodurch
ihm die armen abergläubifchen Menfchen zu Unterthanen ans
geworben werden,
Dieß Afterlamm geht noch weiters Um bie Unterthanen
des erften Thiers immer mit der Verehrung und dem Dienft
defjelben zu befchäftigen; und auch um prüfen zu Eönnen,
wer ihm mit unverbrüchlicher Treue anhange, oder nur blos
heuchle, fo bedient es fich der Politif Nebufadnezars, Dan. 5.
und beredet die Leute, daß fie fi) von dem Thier aus dem
Meer, deſſen Kopfwunde wieder geheilt ſey, ein Bild mas
chen follten.
Wenn wir und vom Bild des Thiers einen richtigen Begriff
- machen wollen, ſo müffen wir ihn erft vom Thier felbft
Kap. 13. V. 13 1 ih | , | 269
haben. Der Pabſt ift das Thier nicht, fondern bloß feine
‚Hierarchie, in fo ferm fie die Weltherrſchaft zum Zweck hat,
auf unerfättliche Eroberung ausgeht; folglich ift das Thier
nicht3 anders als die Propaganda mit allen ihren geheimen
und ‚dffentlichen Miffionsanftalten. Jede kleine oder große
Geſellſchaft, in welcher Leute erzogen und zubereiter werden,
um unter dem Vorwand der Ausbreitung der chriftlichen Nee
ligion dem Pabft und dem römifchen Hof Unterthanen anzu:
werben, ift ein Bild des Thierd im Kleinen. Und man fage
mir aufrichtig, ob nicht det Geift eines jeden Moͤnchsordens
ein folches Thier in Miniatur fey? Alle die Marianifche und
andere Brüderfchaften gehören nicht hieher, fondern nur die,
welche zur Allperrfchaft des Pabſtes und Ausbreitung feines
Reiche gefhäftig find, und dieß zum Zweck haben. Unter
der Herrfchaft des Thierd aus dem Abgrund werden alle
prophetifchen Bilder der hohen Offenbarung immer lebhafter
und deutlicher werden, und hier bitte ich folgenden Sag, der
bei Erklärung und Erfüllung der Weiffagungen Außerft wich-
tig ift, ja wohl zu behalten und nie aus den Augen zu
verlieren. \
Alle wahre Weiffagungen haben ein Schema, einen Grund
riß — in welchem ſich alle ihre mannigfaltigen Bilder auf:
loſen; dieß Schema war im alten Teftament E hriftus
und fein Reich überhaupt, von feiner Zufunft ins Fleiſch an,
bis zu feiner Zukunft zu feinem herrlichen Reich 5 bier in der
Apofalypfe aber ift es bloß diefe feine legte Zukunft» nebjt
den vorhergehenden Kämpfen und Siegen des Kichts über die
Finfterniß. Nun bitte ich wohl zu bemerken :
Ä Alle Erfüllungen der weiffagenden Bilder und Hieroglyphen
- fangen’ im tief verborgenen Geiftigen an, und werden von
Zeit zu Zeit immer deutlicher, bis fie endlich nahe vor der
vollfommenften Deutlichkeit und Klarheit vor jedermanns Aus
gen da ftehen, und dann die größten unwiderlegbarften Bes
weife find, daß die Bibel mir ihren Weiffagungen Gottes
Wort, und daß die Bibelreligion die einzige wahre fey.
Dem zufolge werden alfo auch die apokalyptiſchen Thiere,
nebft dem Bild des erfien, und allen noch dunkeln Hiero⸗
«
270 Erklärung ı der Offenbarung Johannis.
glyphen, im Verfolg der Zeit immer Fenntlicher werden und
eö kann wohl ſeyn, daß bald noch fehr vieles wörtlich erfüllt
wird, was ich jetzt nur — geiſtigen Erfuͤllung Ing *
anzeigen darf.
Daß man in ünfeen Zeiten ein koft fehr —
Weibsbild als Goͤttin der Vernuunft in Prozeſſion herum—
fuͤhrte, und in: den Kirchen zur Verehrung auf den Altar
feßte, war.eine Spielerei,die wohl dereinft etwas. mehr nach
fih ziehen; und. zur Verehrung des Bildes des Thiers aus
dem Abgrund verleiten koͤnnte: Denn im Gtund ift das Wer
fen: des Thiers nichts anders, als eine Vernunft, die fich
ſelbſt anbetet, und au Gottes ftatt regieren will,
15, Und es wurde ihm gegeben, ; daß es dem Bild des
Thiers einen Geiſt gab, daß das Bild des Thiers
redete, und daß alle diejenigen, die das Bild des
Thiers nicht anbeteten, getbdtet warden
16, Und es macht, daß man allen, Kleinen und Großen,
Reichen und Armen, Freien und Kuechten, ein Zei⸗
chen auf ihre rechte Hand, oder auf ihre Stirne gibt.
| Das Thier aͤus der Erden. ift der belebende Geiſt aller
Bilder des erſten Thiers, deſſen toͤdtliche Kopfwunde heil ge—
worden war; dieſe Bilder fangen alſo an zu reden und zu
haudeln, das ft, zu befehren und Profelyten zu machen ;
wer num Diefe Miffionairen, die wahre Ebeubilder des Zeiten
Thiers find, nicht ald -Gefandten ‚Gottes reſpektirt, ihnen
nicht die Ehre erweifet, deren fie fi) anmaßen, der laͤuft
Gefahr, fein Leben zu verlieren, wie es davon an häufigen
blutigen Beweifen leider! nicht fehle.
Alle nun, «die fi) zum Thier befehren,, fie mögen, Hein
Aber groß, veich oder arın) Freie oder Knechte, adelicd oder
bürgerlich feyn, die erhalten ein: Zeichen, ‚entweder auf. ihre
rechte Hand, oder auf ihre Stirn, welches ihnen das Recht
der Bürgerfchaft und der freien Gewerbe gibt. Dieß Zeichen
liegt noch) im Dunkeln, ‚in der geiftigen Quelle aller-Weif:
fagungen verborgen. Diejenigen, welche das Bezeichnen mit
dem Kreuz dafuͤr anfehen, irren gewiß; denn darnech erklaͤrt
I m 1 a
Kap. 18. V. 16. bis 17. 274
man ſich keineswegs für einen Anbeter und. Unterthanen des
Thiers; es gibt ja auch andere chriſtliche Religionspartheien,
die mit Rom und feinem Hof nichts zu ſchaffen baben⸗ und
doch das Kreuz machen.
Im geiſtigen Sinn liegt das ———— — fhon
in der Huldigung, ‚die jeder mit Hand: und Mund dem Thier
leiften muß; dagegen befomme er dann da, wo das — |
zu herrfchen hat, alle bürgerliche Freiheiten,
Es wird aber unters der Herrſchaft des Thiers aus **
Abgrund noch beſſer kommen. Nur bitte. ich ſehr, ſich in
acht zunehmen, daß man nicht etwas; für. das. Zeichen des
Thierd halte, das es nicht iſt. Sp lang das Zeichen, wel«
ches durch ded Thierd Gewalt zu tragen befohlen wird, fein
Zeichen der Verläuguung Jeſu CHrüfti und feiner Religion
iſt, und wird; ſo laug ift ed auch das Zeichen des
Thiers nicht, ſobald aber ein ſolches, oder ein anderes
Zeichen durch geſetzliche Verordnung ein Beweis des BRAUN
von Chrifto wird, dann huͤte man fi.
17. Sp daß niemand Kaufen oder verkaufen kann, wenn
er nicht dag Zeichen des Thiers oder die Zahl feines
Namens ‚hat.
Wer nicht dem, Pabſt gehuldigt hat, wer nicht sömifchs
Fatholifch heißt, der kann weder leibliche noch geiſtliche Waa—
ven bekommen, noch an andere überlaffen; unter der Herrs
fchaft des Thiers aus dem Abgrund aber wird es vermurhlic
ein Zeichen geben, wodurch derjenige, der: es am Kopf oder
an der, Hand trägt, oder der fich nad) dem Thier beneunt,
oder die Zahl; wodurch der Name des Ihiers charakterifirt
wird, ſich zum Unterfcheidungszeichen macht, oͤffentlich und
vor jedermann fi) als ein Gegner unſers Herin Jeſu Chriſti
und wahren Unterehan des Antichrifts erflärtysund ein fols
cher wird dann allein bürgerliche Rechte und Freiheit genies
Ben, alle andere nicht. Vorboten von dem Allen bemerkt der
nüchterne Beobachter der Zeichen unfrer Zeit gar wohl: von
Gerne, aber man beobachte auch nur in der Stille, und warne
dann. erft, wann es Zeit zu warnen iſt, damit man nicht
272 Erklärung der Offenbarung Johannis.
unnoͤthiger Weiſe die Geiviffen befchwere, es wird ohnehin
genug zu kaͤmpfen geben, Wem die Verfuchtingen nahe kom⸗
men, der wache und bete, fo wird ihn der ME des Bun:
in alle Wahrheit leiten.
Hier ift nun der Ort, wo ich das Thier aus der’ Erde
Fenntlic) machen Tann, fo wie bei folgendem Vers das erfte
Thier vollends, ir weit wir fehen koͤnnen, — * wers
den foll; '
Das Thier aus der Ede ift eine Macht, die fi in *
Staaten der abendlaͤndiſchen Chriſtenheit gebildet hat.
Dieſe Macht hat zwo Kraͤfte, wodurch ſie wirkt, Religion
(aber nicht die wahre) und * — biefe find — *—
hörner:
Sie iſt ein keheſtanp, Denn fie 5* auch Kap. 19. 8: 20,
der. falfche Propher genannt, fie ift folglich keine weltliche
Macht, Königreich oder Republik.
Sie lehrt und unterrichtet die Menſchen, abeinlht in der
wahren, fondern während der Herrfchaft. des Aberglaubens,
durch diefen in der päbftlichen Religion, wodurd die All:
herrſchaft des romiſchen Hofs bezielt wird, und in Zukunft
unter der Herrfchaft des Unglaubens durch diefen im
Naturalismus, Fatalismus, oder beffer, in der Nichtreligion
des Antichrifts, zur Allherrſchaft des Menfchen der Sünden,
oder des Kindes: des Verderbens, welches im eigentlichen
Sinn das Thier aus dem — —— —* Dan —2
ſeyn wird:
Wenn wir uns nun nach ſolch einer Macht im Bere
gegenwärtigen und zufünftigen umfehen, fo entdeden wir alfoe
fort einen großen, mächtigen, durch die ganze Chriftenheit
und fo weit diefe nur Gefchäfte hat, thätig wirkenden Or-
densgeift — diefer iſt unftreitig das Thier aus der Erden;
ein Geift, "der fih immer mehr als die dritte Perfon der
fatanifchen Dreieinigfeit legitimiren wird, Die Moͤnchsor—
den haben überhaupt von jeher viel zur Unterftüßung und
Bewirfung der Allherrſchaft des römifchen Hofs beigetragen,
aber im eigentlichen Sinn war doch der Fefuitismus nicht
die Zefuiten (denn es waren viele große und wärdige Männer
—
Kap. 15 >. 17. ur? 275
unter ihnen) fondern * rei der allgewaltig für-die
Politif des Pabſtthums geſchaͤftig war, Dad Afterlamm,
welches waͤhrend der Herrſchaft des Aberglaubens zu ſeinem
und des erſten Thiers großen Vortheil im Truͤben fiſchte.
Dieſes Thier ſtieg aus der Erden auf, denn es bildete ſich
in den roͤmiſch-katholiſchen Staaten der abendländifchen Chris
ftenheit; es erfcheint Auf dem Schauplaß, nachdem die toͤdt⸗
liche Wunde des Thiers aus dem Meer wieder zu. heilen anz
fing; denn der ZJefuiterorden wurds im Jahr 1540 vom Pabit
Paulus tem Dritten geſtiftet, zugleich beganıı auch 1545
das Tridentinifche Coneilium, und diefe beiden heilten eigentz
lich die Wunde wieder fa zu, daß nichts als die Narbe, aber
doc) in diefem. Kopf eine folhe Schwäche übrig. blieb, daß
es nie wieder feine vorige Kraft erhielt, ſondern allmäplig
dad Nichtfeyn des Thiers aus dem Meer bewirkt hat, fo
daß es num in den Abgrund hinabſteigt, um ſich neue Kräfte
zu holen.
Nun halte man nur alle oben befchriebene Eigenfchaften
des Thiers aus der Erden gegen die. Kraftthaten des Jeſui—
tismus, fo wird. man ander Richigkeit meiner Erklärung nicht
mehr zweifeln koͤnnen.
Nach und nach wuchs die Aufklaͤrung; das Element des
Thiers aus dem Meer, worinnen es lebte, und wodurch es
alles bezwang, der Aberglaube, wurde allmaͤhlig immer ſchwaͤ—
cher, man konnte ihn nicht mehr brauchen, folglich war dem
falſchen Propheten auch der Jeſuitismus nicht mehr nuͤtze;
er ſchuf ſich alſo eine neue Maſchine, den Jakobinismus;
ſo wie alſo das Thier aus dem Meer, das Pabſtthum, durch
den Aberglauben beſtand, ſo mußte es auch fallen, ſo wie
dieſer fiel; es ſteigt daher in den Abgrund, um ſich mit den
ſtaͤrkſten hoͤlliſchen Kraͤften auszuruͤſten, und dann wieder zu
kommen; um nun die Menſchen auf dieſe Wiederfunft vor—
und ‚zuzubereiten, ſo verändert oder verwechfelt auch das
| Thier aus der Erden, der faljche Prophet, feine Werkzeuge;
er ‚gründete zu dem Ende eine neue Macht, die der nämliche
Drvenögeift, das ift: Er felbft, eben fo belebt, wie vormals
den Jejuitismus, die Grundfäge — der Zweck heilige. die
Stillings ſammtt. Schriften. Ul. Band. 18
2764 Erklaͤrung der ‚Offenbarung Johannis.
Mittel — die Allherrſchaft des Thiers u. ſ. w. — find im⸗
mer die naͤmlichen, nur daß jetzt nicht mehr das Thier aus
dem Meer, ſondern das aus dem Abgrund der Zweit, nicht
mehr der Aberglaube, fondern der Unglaube dad Element
ift, wodurd gewirkt wird. Dieß alles wird nun noch Flarer
werden, wenn ich nach Anleitung. des 18ten Verſes den
Charakter des großen erſten Thiers vollends ausgezeichnet
haben werde.
418, Hier ift die Weisheit, wer Beurtheilungskraft bat,
der berechne die Zahl des Thiers; denn es ift eine
“ Menfchenzahl, und die Zahl deffeiben ift 198 hun⸗
dert ſechs und ſechzig. |
Diefer hoͤchſt merkwuͤrdige Vers enthält den Schlüfel zur
ganzen Offenbarung; und der große und fromme Bengel
war der Erfte, der ihn fand. Hier ift Weisheir!. fagt To:
hannes; wer Kopf hat‘, der gebe fih ans Rechnen; denn
die Zahl des Thiers ift eine gewöhnliche, im. menfchlichen
Leben gebräuchliche Zahl, fie ift 666. |
Diefe Zayl nun, heißt die Zahl des großen Thiers, dann
auch die Zahl feines Namens; zudem ift fie nicht prophetifch,
fondern bürgerlich; folglich Fann fie nichts anders bedeuten,
als die Anzahl der Päbfte oder Regenten, multiplizire mit
den Regierungsjahren derfelben ; oder die Dauer der Gewalt
des Thiers, von feinem Auffteigen an bis zu feinem Sturz,
nad) gewöhnlichen Jahren berechnet; denn wenn einer fragte:
Welches iſt die Zahl des chriſtlich-griechiſchen Kaiſerthums?
ſo wuͤrde ja nothwendig geantwortet werden muͤſſen: Von
der Gründung der Stadt Konftantinopel an, bis zu ihrer
Einnahme durch Mahomet den Zweiten fi find etwas über 1100
Fahre, Oder went man fragte: Welches ift die Zahl des
Namens diefer Monarchie? — das ift: Wie lang hieß dieß
Keich dad griechiſche? — denn vorher nannte man ed das
sömifche, und jet heißt ed das tuͤrkiſche — fo würde man
eben fo antworten. Die ungewöhnliche Art, To zu fragen,
muß man fich nicht irre machen laffen; denn die Grundfprache
ift orientalifh — fie hat für uns ungewöhnliche Redensarten;
VPE DB. AB. 975
und noch dazu ſpricht ſie raͤthſelhaft, myſtiſch, wie ſolches
in prophetiſchen Schriften noͤthig iſt.
Hieraus folgt num unſtreitig, daß die Monarchie des fi ies
benköpfigten Thiers in jedem Betracht 666 Jahre währen
fol; nun wurde aber noch im 5ten Vers dieſes Kapitels ges
ſagt, feine Gewalt follte 42 Monate daueru ; folglich müffen
diefe 42 Monate gerade 666 Jahre glei, und alſo prophes
tiſch zu verftehen ſeyn; fegt mar nun mad) der Regel Detri
42 Monate find 666 Jahr, wie viel ein Monat; eine Woche,
ein Zag, eine Stunde, ein Jahr im prophetiſchen Verfland,
fo erhält man die Beſtimmung der prophetifchen Zeiten, des
ren Kenneniß nicht allein in den Weiſſagungen der heiligen
Schrift, fondern fogar in den. aſtroudmiſchen Berechnungen
von erftannlicher Po ift. ©; die Einleitung zu diefer
meiner Erklärung ! |
Die Geſchichte des jetzt laufenden 1798 ften Jahrs hat das
Bengelſche prophetiſche Rechnuugsſyſtem gerechtfertigt, wie
ſich nun zeigen wird.
Daß mit Pabjt Gregor dein Gichenten; genannt Hildes
brand, das Auffteigen des Ihierd aus dem Meer begann,
wird heut zu Tage vom den mehreften und beften Auslegern
für erwiefen gehalten, und Fein vernünftiger fachfundiger
Mann fann auch etwas dagegen einwenden. Diefer Hil—
debraud brachte es ſchön, noch ehe er Pabft und nur noch
Kardinal war, im Jahr 1059 dahin, daß weder der Kaiſer
noch die Stadt Rom bei der Wahl des Pabftes etwas mehr
zu fagen hatte, fondern alles blos von den Kardinälen abhing,
dies war der erſte Begiun des Auffteigens; zu 1059 addire
man 666, fo kommt die Jahrzahl 1725 berans, diefe Zahl
bitte ich nun wehl zu behalten und zu bemerken.
Sm Jahr 1075 winde Hildebrand unter dem Namen Gre:
gors des Siebenten Pabſt, und 1085 ftarb er; zu 1075 addire
mau 666, fo erhält man 1759, und eben diefe 666 aud) zu
1085, jo entfteht die Zahl 1751; diefen Zeitraum von 1759
bis 1751 bitte ih ebenfalls wohl zu behalten.
Unter Kaifer Heinrich dem Fuͤnften und Lotharius dem
Zweiten und den beiden Päbften Galixtus dem Zweiten und
18 *
m
x
276 Erklärung der Offenbarung Sohannis,
Honorius dem Zweiten, wurde Anno 1123 das erfte abendländis
fche, allgemeine große Eoneilium zu Rom im Lateran gehalten,
wo beinahe taufend Prälaten gegenwärtig waren. Auf dies
ſem Coneilium wurde die Allgewalt des Pabſtes dekretirt,
feftgefegt und der Verglich, den er mit Heinrich dem Fuͤnf⸗
ten auf dem Reichsſtag zu Worms geſchloſſen, und wodurch
dem Pabſt verwilligt wurde, was er verlangte, beftätigt.
Diefes erfte lateraniſche Koncilium ift num der Zeitpunft,
wo die Gewalt des Thiers rechtskräftig gemacht wird, wo
ed alfo aus dem Meer herauskriecht. Merkwärdig ift auch
zugleich, daß auf diefem Concilium die Priefterehe verworfen
wird. Zu diefer höchftwichrigen Jahrzahl 1125 Zahle man
wieder 666, fo Fonımt das höchftwichtige Revolutionsjahr
1789 heraus; diefes zu behalten brauche id) wohl nicht zu
- erinnern,
Don nun au nimmt die Gewalt der Paͤbſte uͤber die Kai⸗
fer mit Macht zu, und im Jahr 1152 war es ſchon fo weit
gelonmen, daß Sinnocentius der Zweite den Kaifer Lotharius
den Zweiten einen Pabftmenfchen, einen Leibeigenen des.
Pabftes nannte, und nennen Fonnte. Dieß 1132fte Jahr
mit 666 zufammen gezogen, macht 1798!!! Wie heilig und
hehr! — Mie wahr iſt dieſe Weiſſagung!!!
Hier faͤngt nun das Nichtſeyn des Thiers aus dem Meer
an — die Zeit beginnt, wo die Hure auf ihm reitet; Kap. 17.
V. 3. und DB. 3; aber deswegen hört feine Gewalt noch nicht
auf — es hoͤrt nur auf, das Thier aus dem Meer zu feyn;
jetzt ift’eö nun in den Abgrund hinabgeftiegen, und bald wird
es mit neuen, aber abgrundsmäßigen Kräften wiederfommen,
‚ und dann wird erft das rechte MWürhen angehen. Bahn
wird ihm genug gemacht, und die Menfchheit durch den fals
ſchen Propheten trefflich zu feinem Empfang vorbereitet.
‘Auch bier ift Geduld und Glauben der Heiligen nöthig.
Ungeachtet des mit Kaifer Heinrich gefchloffenen Vergleichs
fonnten und wollten ſich die folgenden Kaifer noch nicht fo |
‚ganz in den päbftlichen Gehorfam ſchicken ; eben fo wenig
hatten fie ſich des Einfluffes in die Pabftwahlen begeben, ob
man fie gleich feit 1059 fo wie die Stadt Rom davon auss
#
sap 138. nn ag7
gefchloffen hatte. Auch diefe hatte bisher noch, * prote⸗
ſtirt; aber im Jahr 1145 wurde Pabſt Coͤleſtin der Zweite
ganz allein und ohne Widerſpruch von den Kardinaͤlen ge⸗
waͤhlt; die Stadt Rom war nun auch unterjocht. 666 zu
1143 macht 1809, was dann geſchieht, RR die Zeit
lehren.
Das Jahr 1152 ift fehr merfwirdig, weil: in demfelben
der Pabft Eugenius der Dritte das Fanonifche Recht einführte,
folglich die Regierung des Thiers nun auf gefchriebene Ges
fetze gegründet wurde. Auch wurde jet das Recht der Päbite,
Menfchen heilig zu fprechen, erfunden und feftgefegt. 666 zu
1152 beträgt 1818.
Nun folge der legte Kampf der Kaifer mit den Paͤbſten
um die Obergewalt, unter Kaiſer Friedrich Barbaroſſa; wos
bei aber diefer unterliegt, und im Jahr 1170 für Die deut⸗
fchen Kaifer alles verloren ift; hiezu 666 addirt, kommt der
allgemein große und merfwürdige Zermin 1856 heraus, in
welchem hoͤchſt wahrfcheinlich der leste große Kampf aus-
‚ gelämpft, und das herrliche Reich Chriſti auf Erden anfans
gen wird.
Die Epochen und Perioden;, ‚welche ich im vorhergehenden
bemerkt habe, find die Jahre 1725, 1739 bis 1751, 1789,
1798, 1809, 1818 und 1856. 2
Das Jahr 1725 iſt befonderd merkwürdig, weil da auch
die letzte halbe Zeit des Aufenthalts des Sonnenweibes in
der Wuͤſten angeht; ſiehe oben meine Erklaͤrung des 14. Vers
ſes des 12. Kapitels; mit diefer halben Zeit, in welcher fich
die Stammgemeinde ded Herrn zu dem ftärft, was fie werden
fol, läuft nun die Zeit der Abnahme des Thiers aus dem
Meer fein Nichtfeyn, oder Abfteigen in. den Abgrund, fein
\
Miederfommen aus demfelben, feine legte Wurh und endli—
cher Sturz in den Feuerſee mit gleichen Schritten fort. Daß
von dieſer Zeit an der Fall des Pabſtthums vorbereitet wor—
den, iſt keinem Zweifel unterworfen; man leſe die Geſchichte
der Paͤbſte, fo wird man es finden. <
Der Zeitraum von 1759 bis 1751 ift äußerft merkwürdig :
Men wir die eigentliche wahre Urfache aufjuchen, vos
a n
/
%
278 Grflärung ber Öffenbarung. Sohannis
durch der Pabft und die gefammte Hierarchie geftürzt: wird,
fo finden wir fie ohue Widerfpruch in dem herrfchenden Geift
des Unglaubens — Denn da die ganze römifche Hierarchie
nichts anders, als ein höchft abergläubifcher Mißbrauch der
riftlihen Religion ift, fo muß diefer Aberglaube mit feiner
ganzen Hierarchie notbwendig fallen, fobald die chriftliche
Religion überhaupt für Nberglauben und Unfinn erklärt wird;
der Unglau be hat alfo das Thier aus dem Meer geftürgt,
aber auch zugleich deffen Abfteigen in den Abgrund und Wie⸗
deraufſteigen vorbereitt.
Wer nur "einigermaßen mit der Geſchichte der ——
unſers Jahrhunderts bekannt iſt, der weiß, daß Voltaire mit
ſeinen Freunden die großen und ſchrecklichen Werzeuge allein
und ausſchließlich geweſen, die dieſen Geiſt geweckt und durch
die ganze Chriſtenheit verbreitet haben; und dieſe bluͤhten
und ſchrieben eben in den Jahren von 1739 bis 1751, in
dieſer Zeit gaben fie dem Thier aus dem Meer deu toͤdtlichen
Stoß, welches 666 Fahre vorher, in eben fo viel Fahren
durch Gregor dem Siebenten den Grund zu feiner Monarchie
gelegt hatte. | Bar |
666 Fahre vor 1789 hatte das Concilium i im Sateran die
Gründung der Macht des Thiers vollendet, und 1789 fing
die furchtbare Macht an, fih zu bilden, die neun Jahre
fpäter dies Thier kürzt, fein Nichtfeyn bewirkt, und die Hure
auf daffelbe hinaufhebt, um auf ihm zu reiten. Kap 17.8. 3
Das gegenwärtige 1798fte Fahr bedarf Feiner Erläuterung ;
wir wiffen alle, daß in demfelben das Auffteigen der Hure
auf das Thier gefchehen, und das Nichtfeyn des letztern im
Beginn iſt.
Bei den uͤbrigen drei — kann und darf ich nur fols
gendes bemerken: Sch halte es durchaus für unerlaubt, aus
Meiffogungen beftimmt vorherzufagen, was in der Zufunft
gefhehen wird: wer nicht felbft als Prophet gewiffen Aufs
trag von dem hat, der allein die Zufunft weiß, der foll
das bleiben laffen, denn alle Weiffagungen follen und müffen
nur verdedte Winfe geben; diefe Winfe bemerfli zu mas
hen, um die Zeitgenoffen zu tröften und zu ſtaͤrken, und ihren
Kap SB, 18. . 279
Glauben zu befeftigen, das ift alles, was man thun darf.
Die Weiffagungen find nicht dafür da, daß wir daraus bie
Zukunft genau erfahren, fondern dann, wann fie erfüllt wors
den, die Allwiffenheit Gottes und die Görtlichfeit der heilie
gen Schrift dadurch erkennen und verherrlichen follen. Das
mit müffen wir und auch nun für jetzt berupigen, und in deu
nahen und wichtigen Vorfällen die Erfüllung. des noch übris
gen Theild der hohen Offenbarung erwarten; trifft Bengels
und nun auch meine Erklärung fernerhin nicht ein, , fo liegt
die Schuld avi unferer Schwachheit, und nicht an der Apo—
kalypſe, die der, der fie gegeben hat, auch wohl legitimiren
wird. Bisher hat alles eingetroffen, und es ift wahrfchein-
lich, daß es auch ferner gefchehen werde.
Sn Demuth und Abhängigkeit vom Herrn glaube ich fo
viel fagen zu dürfen:
1) Von nun am über 38 Zahre * odchſt vermuthlich
der Herr erſcheinen — wie? und auf welche Art? — das
wollen wir in Geduld erwarten, und dann wird fein herrlis
ches Reich auf Erden anfangen; es Fann aber auch noch eher
geichehen, ſchwerlich fpäter.
2) Das fiebenköpfigte Thier ift noch nicht aus dem Abs
grund aufgeftiegen; aber dieß Auffteigen ift nahe, ‚und es
wird mächtig vorbereitet; wo, wer und wie e8 erfcheinen;
wie es aud heißen werde, das fünnen wir noch nichr willen,
5) Dann wird dad, was in diefem Kapitel noch -dunfel
ift, nämlich dad Bild, das Zeichen und die. Namenszapl
diefes Thiers, aber auch die Wunder des falſchen Propheten,
erft dem frommen Forfcher recht deutlich werden, fo lang
müffen wir warten: Denn Johannes fahe das Thier in
feiner ganzen Vollendung , und fo weit find wir noch nicht
gekommen.
Schließlich muß ih noch eine Merfwürdigkeit anführen,
die fehr wichtig ift: Man hatte eine alte Tradition des Erz—
bifhofs Malachias, welche in der Fatholifchen Kirche allges
mein befannt ift, daß ed nämlicy 111 Päbfte geben würde;
ſ. Bengels erklärte Offenbarung hinten im Beſchluß; nun ift
der gegenwärtige Pabft Pius der Sechste unter den ordent:
Ä
a
280 Erklaͤrung der Dffenbarung Johannis.
lichen Paͤbſten der 96ſte; folglich fehlen an ber Zahl 111
noch 15; num hat es aber bis dahin 17 Gegenpäbfte gegeben,
bie ah thitgerechnet werden müffen; weil fie als Paͤbſte
anerfannt worden, und als ſolche gewirft haben, es ift aber:
doc) leicht moͤglich, daß zwei darunter find, die eigentlich
nichts gethan haben, und alfo nicht mirgezählt werden dürfen;
zoͤgen wir diefe ab, fo wäre jeßt fchon die Zahl voll; im
einzigen 1102ten Jahr gab es zween Gegenpabfte, Theodoris
cus und Sylveſter den DVierten, einer von ihnen fünnte ſchon
anggeftrichen werden; aud) regierte ein Innocentius nur im
Jahr 1177, Vielleicht hat auch diefer nichts gethan.” Die
Zukunft wird nun lehren, ob die. Regenten des Thiers nod)
ferner Päbfte heißen werden oder nicht, im erften Fall Fonnten
vielleicht noch ar Gegenpäbfte wegfallen.
Ferner hat man ſchon lange berechnet und bemerkt, daß
nach dem mittlern Dürchfchnitt eine päbftliche Regierung nur
ſechs Fahre beträgt; nimmt man alfo nad) beiden alten Tra=
ditionen die Anzahl der Päbfte auf 111 an, und multipliziert
mir den ſechs Regierungsjahren eines Pabftes, fo kommt die
Zahl des Thiers und feines Namens 666 wieder heraus.
Diele haben’ diefe Zahl auch in den Namen : Nom, Lateinos,
Ludovicus u. ſ. f. gefunden — dieß laßt man beiher gelten,
aber die Hauptfache ift ed nicht. Ob ſich in Zukunſt noch
ein Name finden wird, der PIE in biefem Fall Genüge lei⸗
ftet, das muß die Zeit lehren
Laßt und wachen und beten, daß wir nicht in Anfechtung
fallen, ‘der Geift ift willig, aber das Fleiſch ift ſchwach.
*—
RE af
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-
S
| Das vierzehnte Kapitel,
1. Und ich ſahe, und ſiehe! das Lamm ſtund auf dem
Berge Zion, und mit ihm hundert vier und vierzig
taufende, die feinen Namen und den Namen feines
Daters an ihren Stirnen gefhrieben hatten.
2. Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel wie eine
Stimme vieler Waffer, und eine Stimme. eines gros
Ben Donners, und die Stimme, die ich hörte, war
wie von Harfenfängern, die auf ihren Harfen fpielen,
5, Und fie fungen ein neues Lied vor dem Thron und
vor den vier. lebendigen Wefen, und den Uelteftenz
und niemand Fonnte das Lied lernen, als nur bie
hundert vier und vierzig tanfende, die von der Erden
erfauft find.
" Nachdem der heilige Seher die leiste Macht der Finfter:
niß, die der Drache dem Kicht entgegenfegt, umftändlicd) bes
fehrieben hat, fo wird nun wieder die Scene verändert, und
das ehrwürdige Gegenbild jener Macht erſcheint auf dem
Schauplatz. | |
So wechſeln die Gegenftände in diefer hohen Offenbarung
immer ab; bald erfcheinen ſchreckliche Auftritte, dann aber
auch wieder tröftliche, bis endlich das Ganze herrlich auss
geht, es wurde einem bei den Darftellungen der fchredlichften
Thiere im vorhergehenden Kapitel: wehe ums Herz, und
bange um Zroft, aber hier ift er, und man athmet nun wieder.
Johannes fahe den Berg Zion im Geift, und auf demfels
ben das Lamm — nicht ein Lamm — fondern gerade dass
jenige,, welches fieben Augen und fieben Hörner, und das
Buch mit den fieben Stegeln erbrochen hat. Es war alfo
jegt nicht im Thron Gottes, fondern da, wo feine irdifche
Heimath, die Burg feines Vaters Davids war; ed hat für
!
282 Erklaͤrung ber Offenbarung Yobannis 7
jet feinen Siß zur rechten Gottes verlaffen, und fich mit
feiner Armee auf dem vaterländifchen Berge, auf Serufalems
Feſtung gelagert, wo es mit feinen fieben Augen feinen
Feind beobachten, und die weifeften Maasregeln zu feiner
gänzlichen Niederlage nimmt und nehmen wird. Aber hier
wird auch dereinft das neue Jeruſalem prangen, und auf
diefem Berge wird dann das Lamm fliehen, und der Sonne
Stelle vertreten. Kap. 21. ®. 33... Hier find auch ſchon
die 144,000 Aftiobärger gegenwärtig, und es fteht ihnen an
der Stirne gefchrieben, wer fie find, und wen fie angehören?
Naͤmlich Gott und Chriſto! fie find Chriften — feine
Deiften und Moralfrämer,
Aus Allem, was ich biöher von der verfiegelten Gemeine _
gefagt habe, wird der chriftliche Lefer nun wiffen, wer diefe
144,000 find? fie find die zwei Hauptgemeinden Thyatira und
_ Philadelphia, mit welchen ſich die Uebrigen aus Sarden und
die laodiceiſchen Heberwinder vereinigt haben und vereinigen
werden; fie ftehen den Thierdanbetern gerade gegenüber ; ; diefe.
tragen das Mahlzeichen des Thiers, und jene den Namen
Gottes und des Lamms an ihren Stirnen,'
Dieſes geiſtliche Juda und Iſrael ſteht dem Geiſte nach
auf dem Berge Zion, unter dem Kommando des Lamms ges
lagert; fein Streiten befteht nur in Kämpfen gegen feine
eigene verdorbene Natur, im Wachen gegen alle liſtige Uebers
fälle des Thiers und feiner Rotte, und im Beten um Geduld
und Glauben; wir Fämpfen nicht beleidigend, fondern nur
vertheidigend, nicht mit fleffchlichen, fondern mit den Waffen,
die Paulus Ephef. 6. befhreibt.
Die Stimme, welche Johannes aus dem Himmel fchallen
hört, Eommt nicht vom Berge Zion; die 144,000 fingen
nod) nicht, fondern e8 find die himmlifchen Schaaren, die
um den Thron des Unendlichen und Erhabenen her ſtehen;
diefe fingen in Gegenwart der vier lebenden Wefen, und der
vier und zwanzig Welteften in ihrem Harfendonner ein neues -
Lied; der Stimmen find Diyriaden, viele taufendmal taufend;
Gott — die Repräfentanten der ganzen moralifhen Natur _
und der Menfchheit, find die Zuhdrer diefes feraphinifchen
N
Kapı 414. V. 1. bis 3. 283
Koncerts — 4 der Himmel feiert ein Feſt, ſo wie es
noch nie gefeiert wurde die Ueberwindung des Lamms und
feiner erftgebornen Gemeine; — den nahen, legten und
vollenderen Sieg über das Reich der Finfterniß und die nahe .
‚Gründung des herrlichen Reichs Gottes auf Erden. Daran
nimmt alles Theil, was nur denfen kann, und dem Herrn
angebdrt: fogar die ganze Kreatur, die bisher unter dem
Dienft der Eirelfeit feufzte, und fih nach der Freiheit der
Kinder Gottes fehnte, nimmt in den vier lebendigen Wefen,
den bier ArAten, Theil an dieſem Jubel.
Dieß Lied jſt nun freulich neu — denn es iſt ein Hochges
fang des wohlgelungenen Ausgangs des Raths Gottes über
die Menſchen, der alfo biß daher noch nie gefungen werden
konnte. Daß ihn niemand fernen fonnte, als die Gemeinde
des Lamms, iſt natürlich; — Fein Thiersanbeter kann und
mag die Sprache des Himmelsbürger lernen, und eben fo
wenig feine eigene Schande befiegen,
Endlich heißt ed von den 144.000den, fie feyen von ber
Erden, das ift aus der ganzen Chriſtenheit erkauft worden;
ſie ſind nicht durch ihre Tugend und eigene Gerechtigkeit zu
der Ehre gekommen, fondern Chriſtus hat fie mit ſeinem
theuern Loͤſegeld losgekauft, fie jelbit haben Fein Verdienft
dabei.
Test muͤſſen wir aber auch unterſuchen, zu — Zeit
dieſer Triumph im Himmel gefeiert worden.
Da im folgenden I5ten Kapitel das Lied Mofis, und im
g9ten endlich der hohe und letzte allgemeine Zubelgefang,
das große Hallelujah gefungen wird, fo Fanin diefe gegens
wärtige Triumphfeier Feine andere, als die Feier der geſegne—
ten Reformation durch Luther, Zwingli und Kalvin ſeyn;
diefe ift wirklich der Anfang der großen Siege Ehrifti und
der Wahrheit über das Thier aus dem Meer und den Abers
glauben; und fie erweckt eine frohe Ahnung, daß es Ihm
auch) gegen das Thier aus dem Abgrund und den Unglauben
gelingen werde; die im Verfolg vorfommende englifche Aus»
tufer beftätigen diefe meine Erklärung.
28% Erklaruug der Offenbarung Johannis
4, Dieſe finds, die ſich mit Weibern nicht befleckt haben,
denn fie find Junggeſellen; dieſe finds, die dem Lamm
nachfolgen, wo es hingebet. Diefe find von den Mens
fehen Gott und den Lamm zum Erfiling erkauft.
5, Und in ihrem Munde tft nichts Falſches gefunden wor⸗
den; fie find ohne Tadel,
Es fheint, ald wenn diefe zwei Verſe Theile, oder viel-
mehr der Inhalt des neuen Liedes feyen, welches die himme
lichen Harfenfpieler fingen, die 144,000 ftellen immer und
zu allen Zeiten die Gemeinde des Herrn vor, alfo auch die
wahren frommen Chriften, die durch die Reformation aus
den Menfchen durch das Blut des Lamms erfauft worden;
dieſe werden alfo auch befungen; diefe finds, heißt e8, welche
fih mit MWeibern nicht befleckt haben, fie find Junggeſellen.
Hiebei müffen wir nicht an ein ehelofes Keben denken, fon=
dern der Sinn geht zuverläaßig auf ihre geiftliche Treue gegen
Ehriftum im Gegenfaß der babylonifchen Hure, welche Ihm
untreu und abtrünnig geworden iftz daher wird auch ferner”
geſagt, ſie folgten dem Lamm nach, wo es hinleitet, denn
darinnen befteht eigentlich die geiftliche Jungfrauſchaft, welche
hier verſtanden werden muß.
Dieſe ſind auch die Erſtlinge, die ſich Chriſtus durch ſeinen
abermaligen Sieg mit ſeinem Blut erkauft hat; denn die
Reformation ſtellte den evangelifchen Glaubensgrund, das
Seligwerden durch das Verdienſt Chriſti wieder her, ſie find
Bott. und dem Lamm aus der Menfchenmaffe ald ein Erfts
ling erfauft worden. Sie haben dem Thier nicht geheuchelt,
Bott nichtö vorgelogen, fondern fie hielten fich an die reine
Wahrheit des Evangeliums, darin find fie auch nun une
tadelih,, und der Himmelsbürgerfchaft werth. ı |
6. Und ich fahe einen andern in der Mitte des Himmels
fliegenden Engel, welcher ein ewiges Coangelium hatte '
zu verkfündiaen denen, die auf der Erde fisen, und
jeder Nation, und Gefchlecht, und Sprade und Volk.
7. Zudem er mit großer Stimme ſprach: Fürchtet Gott
und gebt Ihm Ehre! denn die Stunde feines Gerichts
—
\ Kap. 1 V. 6. 7.8 er x 285 >
ift gefommenz und betet Den an, der ben Himmel
und.die Erde, und das Dieer, und Pre Wafferquellen
gemacht hats -
Mir müffen ki dieß prophetiſche Geſt cht ſo vorſtellen:
Johannes ſahe den Berg Zion, auf dieſem das Lamm mit
der Stammgemeine, aus dem Himmel herab hoͤrte er nun das
Jubelgetoͤne mit dem neuen Lied; und jetzt ſieht er auch einen
andern, noch nie geſehenen —*5 mitten unter dem Him—
mel her fleigen. Den Himmelsbewohnern war der Rath
ſchluß Gottes zur Ausführuug der Reformation bekaunt wors
den, darum jubeln fie und fingen ein neues Lied.
Hier folgt nun die Ausfuͤhrung: Ein Engel fliegt mitten
durch den Himmel, damit er auf der ganzen Breite der Er—
den gefehen werden koͤnne; oder will man die. chriftliche Nes
ligionsverfaffung darunter verfteben, fo ift Deutfchland in
der Mitte diefes Himmels; bier flog aljo diefer Neformas
tionsengel, unter welchen man ohne Anftand den feligen
Doktor Luther verfiehen kann. Denn diefer große Mann
war nicht allein der Urheber ver Religionsverbefferung; fon=
dern er war ed auch im eigentlichen Sinn, der daS ewige
Evangelium hatte, und verfündigte. — Faft niemand war
mehr mit der Bibel befannt; die Laien durften fie nicht les
fen, und die Geiſtlichkeit mochten nichts damit zu fchaffen
haben; dieß ewige Evangelium war faft vergeffen, aber Lu—
ther überfegte die Bibel in die teutiche Sprache, und fo kam
fie nun in jedermanns Hände — Ja wohl! brachte er allen
Völkern, Zungen, Geſchlechtern und Nationen das ewige,
weder durch Aberglauben, noch durch Unglauben zu befiegeude
Evangelium; denn von nun an wurde die Bibel in alle Spra=
chen überfegt. -Die auf der Erde figen, -find diejenigen in
der Chriftenheit, die mit Sehnſucht auf die Reformation
harrten. |
Dieſer Engel —— * Lehre mit großer Etimme;
man braucht nur Luthers Schriften zu lefen, um zu erfahren,
wie ftark feine "Stimme war. Er ruft: Fürchter Gott und
nicht den Pabſt! Ihm gebt die Ehre, und nicht dem Thier;
286 Erklärung der Offenbarung Johannis.
das Pabſtthum wird gerichtet, und der Aubruch diefes Ges
sichts ift nun da! — Den allmächtigen Schoͤpfer Himmels
und der Erden betet an, und nicht das Thier, oder die
Heiligen ‚oder gar ihre Bilder "— Der den Himmel gemadıt
bat, kann ihn auch allein aus Gnaden geben, der die Erde
mit ihrer ganzen Einrichtung fchuf, kann auch allein austheis
len an wen Er'will; der Pabft verfchenfte fie au), aber mit
Unrecht. Gott ift vi Beherrſcher aller Meere, und aller
‚Quellen; Er ift Herr über Alles, und fonft niemand,
Es ift bemerkenswerth, daß bier nur der heil der Lehre
der Reformatoren angeführt wird, dei Bezug auf das Thier
aus dem Meer hat; denn mit diefen hat es hier eigentlich)
die Offenbarung nur zu thun, die evaugelifche Glaubenslehre
liegt auch ſchon im Begriff des ewigen Evangeliums.
8. Und ein anderer zweiter Engel folgte; ber ſprach:
Sie iſt gefallen! Sie ift gefallen! Babylon die
Große! mit dem Wein ihrer — hat ſie alle
Nationen getränft:
Diefer zweite Engel mit feinem Ausruf zielt auf das, was
im alften Kapitel Jeſaiaͤ im Iten Vers ſteht, wo es heißt:
Und fiehe nun, da fommt ein Wagen mit Männern, und ein
paar Reuter, da antwortete er, und ſprach: Babel iſt ges
fallen, fie ift gefallen, ünd alle gefchnigte Bilder ihrer Goͤt⸗
ter liegen zerbrocihen auf der Erden. Diefe Anwendung auf
" daß neue Babel ift fehr paſſend. Wer aber nun dieſer Engel
geweſen ſey, daruͤber ſind die Ausleger nicht einig; mir deucht
aber, er ſey leicht ausfindig zu machen; ich werde freilich
bei.diefeni meinen Fingerzeig vielen Widerfprud) finden, als
lein das darf ich nicht achten, ich muß der Wahrheit treu
feyn: Der verachtere, verfannte, und für einen Erzſchwaͤrmer
erklaͤrte Jakob Boͤhm iſt dieſer Engel; keiner vor und keiner
nach ihm bat’ fo laut den Fall des geiſtlichen Babylons bes
zeugt, und fo laut von der Lilienzeit (wie er ſich ausdruͤckt)
geweifjagt. Hätte diefer hocherleuchtere Mann feine Sprace
mehr in feiner Gewalt gehabt; um feine erhabenen Begriffe
deutlich vortragen zu koͤnnen; fo würden feine Schriften ge=
Rap, 148.9. bis 11. 387
meinnüßiger gewefen feyn, und durch Mißverftand nicht fo
viel gefhadet habenz dieß thut aber nichts zur Sache; es
gibt viele, die fie mit großem Nugen lefen, und wird eine
Zeit fommen, wo er theuer und werth geachtet werden wird.
Seine Philofophie föhnt die reine ünbefangene Vernunft ganz
mit dem ewigen Edangelio dus, und er folgt als der andere
Engel mit Recht auf Luthern. Ale Kapitel feiner Schriften
rufen: Babel ift gefallen! ihre Hurerei if — die
Zeit der Lilien iſt vorhauden.
‚9. Und ein anderer dritter Engel folgte ihnen, der
ſprach mit großer Stimme: So jemand das Thier
und fein Bild anbetet, und nimmt das Mahlzeichen
an feine Stirn oder an feine Hand. |
10. So wird er auch trinfen von dem Wein des Zorng
Gottes, der unvermifcht eingefhenkt ift in den Bes
cher feines Grimms, und gequälet werden mit Feuer
und.Schwefel vor den heiligen Engeln und vor dem
Lamm, |
11. Und der Rauch ihrer Qual wird in bie * Ewig⸗
—keiten aufſteigen; und diejenigen, die das Thier
und fein Bild angebetet, und das Mahlzeichen feis
nes Namens angenommen aha werden weder Tag
noch Nacht ruhen.
Dieſer dritte Engel warnt vorzuͤglich fuͤr der Anbetung
des Thiers und feines Bildes, und für der Annahme feines
Maplzeichens an Stirn oder Hand. Die Drohungen, die er
darauf feßt, find die fchre@lichften in der gauzen Bibel; aber
das aud) mit, Recht, denn wer nun noch, nach allem, was
der Herr an den Menfchen gethan hat, den Weg Belials
wandelt, der'verdient ſolchen Jammer.
Diefer Engel bedient ſich des fürchterlichen Bildes’, wels
ches ſchon Jeſaias und Jeremias, Zei. 51. V. 17. 22. 25,
und Ser. 25. V. 15. bei ähnlichen Gelegenheiten brauchten,
aämlich des Taumielfelch8 des Zorns Gottes, wodurch ders
jenige, welcher aus ihm trinkt, fernerhin alle Fähigkeit vers
liert, fich eines Beſſern zu befinnen; er taumelt feinen Weg
288 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
zum Verderben fort, und ſtuͤrzt ſich endlich uͤber Hals und
Kopf von ſelbſt hinein. Dieſes Bild paßt ganz eigentlich
auf die Verehrer des Thiers, dann, wann es einmal aus
dem Abgrund wird aufgeſtiegen ſeyn. — Und fagt mir nur
einmal aufrichtig, liebe Leſer! haben nicht auch diejenigen
aus dem QTaumelbecher ded Zorns getrunken, und ihre Be—
fonnenheit verloren, die durch ihre Aufklärung fo beraufcht
find, daß fie von Ehrifto und feiner herrlichen Erlöfung
nichts mehr fehen oder hbren mögen? — das find Vorboren
einer nahen fchredlichen Zufunft.
Das Qualen mit Feuer und Schwefel ift zu unfern Zeiten
fo oft verfpotter worden, daß einem ein Edel anwandelt,
wenn man fi) nur daran erinnert; jeder Vernuͤuftige fieht
wohl ein, daß dieß ein Bild ift, unter welchem die entfeks
lihfte Pein der Gottlofen vorgeftellt wird, und daß von nas
tuͤrlichem Feuer und Schwefel nicht die Rede ift. Aber Muth—
willensvoll wollen fie e8 nicht wiffen; fie träumen fich einen
fo liebreihen Gott, der auch. die Menfchen nicht ftraft, die
ihrer Nebenmenfchen Zeufel gewefen find, und fih in allen
Laſtern gewälzt haben. — Gott erbarme ſich ihrer! damit fie
es nicht an Ni felbft erfahren mögen, was REP Feuer, diefer
- Schwefel ift.
Der Rauch diefes Qualfeuers wird von einer Ewigkeit zur
andern aufiteigen, fie werden weder Tag noch Nacht Ruhe
haben, diefe Thiersanbeter! — Wir wollen hier nicht unter=
ſuchen, ob denn dieß fchredliche Feuer nie wieder auslöjchen
werde ? — fondern wir wollen und Lieber fir dem Taumelbecher
hüten, damit wir nicht auch hinein taumeln mögen.
Wer nun diefer fürchterlich warnende Engel jey das wird
ſich leicht ausfindig machen laſſen.
Durch die Reformation war das ewige Evangelium wies
der in jedermannd Hände gefommen; die vaͤterliche Vor—
fehung Gottes hatte die proteſtantiſchen Kirchen von dem
ſchweren Zoch des Thiers und der babylonifchen Hure befreit,
aber fie fingen beide bald wieder au, deu Weg des Thiers
zu wandeln; die Geiftlihen, und befonders foldhe, die an
der. Spige des Kirchenregiments ſtunden, wurden num ſelbſt
Kap. 14. B. 9. bis 1 289
eben fo viel Paͤbſte; des Verfolgens zwiſchen Lutheranern
und Reformirten, und des Verketzerns derer, die anders uns
ter ihnen dachten, war fein Ende; man betete zwar das roͤ⸗
mifche Thier und fein Mahlzeichen nicht mehr an, allein man
machte fich. felbft wieder zum Thier, und beftimmte die -
Mahlzeichen, die jeder annehmen müßte, wenn er Ruhe haben
wollte; — daher war eine neue Reformation nörhig, und
diefe bewirkten Arndt, Spener, Frauke, Graf Zinzendorf
und Andere mehr. Die drei erfte find eigentlich die Etifter
der Gemeine zu Philadelphia, fo wie Zinzendorf der Engel
der Gemeinde zu Thyatira war. Diefer verfannte, aber
theure Mann Gottes Fann diefer dritte Engel deßwegen nicht
ſeyn, weil er blos auf die Bruͤdergemeine wirkte, die erjten
- drei aber koͤnnen Anſpruch Auf die Ehre machen, und id)
wuͤrde am liebften den feligen Auguft Hermann Franke daft
anfehen; denn von ihm rühren eigentlich alle wahre und
große Erweckungen diefes Jahrhunderts her; ihm hat man
die ernfte Warnung für allem falfben Chriſtenthum, und die
Ermahnung zum innern wahren Wandel.vor Gott zuzuſchrei—⸗
ben; er bildete als Profefjor der Gottesgelehrtheit eine Menge
frommer Prediger, die allenthalben Funken färten, deren
Teuer noch überall in der zerftreuten philadelphiſchen Ges
meinde unter den wahren Pieriften glimmt, und nicht aus⸗
loſchen wird, bis der Herr kommt.
Das erſte Ringen nach der Guade Gottes in Chriſto, und
die lebhafte Vorftellung der fchredlichen Folgen, die auf eis
nen unwidergebornen Geift nad) dem Tode warten, find die
Hauptprinzipien des wahren Pietismus, und auch der Geift
des Buchſtabens, dem hier der dritte Engel ausruft.
Wer mit der Erweckungsgeſchichte diefes Jahrhunderts Bes
kannt ift, der weiß, wie maͤchtig Franfens Gefinnung in
Holland, England, Teutſchland und in den nordifchen Reichen
wirkte; und allenthalben ahnte man den nahen Fall et:
und die darauf folgende Zufunft des Herrn.
12. Hier ift die Ausharrung der Heiligen, welche die
Gebote Gottes und den Glauben an Zefum bewahren.
Stillina's ſämmtl. Schriften. Ill. Band. 19
290 Erklarung der Offenbarung Johannis.
15. Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel zu mir
fagen: Schreibe! — Glücklich find, die im Herrn
—— Todten von jetzt an! — Sa! ſpricht der
Geift: Damit fie ausruhen von ihren Muhſeligkei⸗
ten; darum folgen ihre Werke mit ihnen.
Diefe zwei Verfe find fehr nierfwirdig. Der 12te gehört
noch zum Ausruf des dritten Engels: bier gilt es Aushars
rens, die Bosheit wächft zufehends, und der Herr verzeucht
mit feiner Zufunft: aber diejenigen, welche die Gebote Got:
tes halten, und von Herzen an Chrijtum glauben, die find
heilig, und diefe werden in der Geduld bewährt erfunden
werden; befonders da nun jeßt die leiten göttlichen Gerichte
über die verdorbene Chriftenheit im Anzug find, und auss
harrende Geduld nöthiger und wichtiger feyn wird, als jemals.
Mit dem Isten Vers geht aber nun ein neuer Abfchnitt
an: Denn von hier au richtet die erhabene Offenbarung ihren
Seherblid auf den Beſchluß, namlid auf das Gericht über
das Thier und die babylonifche, Hure, und dann auf den.
herzerhebenden Gegenftand der Erwartung aller Srommen,
auf die Zufunft des Siegers mit den vielen Kronen, und
auf die Gründung feines Reichs; ein Blick, der und troͤſten
kann uͤber allen Jammer, den, wir erleben und noch erleben
werden, |
Johannes hört eine Stimme aus dem Himmel, die ihm
das Schreiben der Worte anbefiehlt, die fie ihm zu fagen
hat. Er hatte zwar bisher alled aufgefchrieben, was er ges
fehen und gehöret hatte, aber diefe Worte follten ja nicht
vergeffen, fondern gleichfam als ein Nota bene eingeſchaltet
werden. Der Sinn diefes Nota bene it folgender:
Von num an werden die göttlichen Gerichte mit Gewalt einz
brechen; forthin wirds in der Chriftenheit wenig Ruheftun:
den mehr geben, Sammer wird auf Sammer folgen, bis der
Herr kommt; darum ift niemand glückfeliger, als diejenigen,
die im Herrn flerben, und fo vor dem Unglück weggerafft
werden; denn weil fie richtig gewandelt haben, fo folgen
ihnen auch ihre Werke nach, darum Fommen fie zum Frieden
— WE -
Kap. 1 Bi. bis 16. 291
und ruhen in ihren Kammern. Jeſ. 57. V. 1. 2. Dies fpricht
der Beift des Herrn und bekräftigt ed mit der Beiiepmug!:
Sa! Sürmahr!l
Der felige Bengel hat in ER Schriften biefe hinmlifche
Stimme nachgehallt, er war ihr Echo — darum ruht er nun
auch ſauft in feiner Kammer bis zur erften Auferftchung.
14. Und ich ſahe, und ſiehe! eine weiße Wolke, und
auf der Wolke einen ſitzen, der einem Menſchenſohn
ähnlich war; auf feinem Hanpte hatte er eine gol—⸗
dene Sieerkrone, und in feiner — eine ſcharfe
Sichel. |
15. Und ein anderer Engel Fam aus kom Tempel, und
tief mit großer Stimme dem, der auf der Wolfe
faß: Lang zu mit deiner Sichel und ernte! denn
die Stunde zu ernten ift gekommen, weil die Ernte
der Erde dürre geworden iſt.
16. Und der auf der Wolke Sitzende ſchwung feine Sir
chel über die Erde, ‚und erntete die Erde.
- Hier werden nun die feligen Todten, die im Herrn fterben,
geerntetz fie. haben mit. Thraͤnen gefäet, fie gingen hin und
weinten, und trugen edlen Saamen, hier fommen fie num
mit Freuden und bringen ihre Garben.
Der Engel, welcher auf der weißen Molke figt, iſt der
| ‚frohe Todesbote, der Heimführer aller feligen Geifter, der
Todesengel der Frommen; er ruht auf einer weißen Wolke,
die weder mit Donner noch mir Blig ſchwanger ift, fondern
zum Triumphwagen, zur feligen Heimfahrt dient; er ruht
auf derfelben mit feiner fcharfen Sichel, bis ihm befohlen
wird, daß er diefen oder jenen ernten foll; feine Siegesfrone
trägt er deßwegen, weil er lauter Kämpfer abholt, die ges
‚ fiegt Haben. Sein Ernten mag ſich wohl vorzuͤglich auf
Blutzeugen beziehen, wiewohl auch die, welche eines natüre
lichen Todes im Herrn —— nicht von ſeiner Sichel ause
a find. Ei
Er ruht und harrt auf Befehl, diefer kommt nun; Der:
jenige, bei im Tempel im Allerheiligften thront, findet eis
19 *
292 Erklärung ber Dffenbarung Johannis.
nen Tempelengel, einen Engel der innern Zulaffung, einen
himmliſchen Leviten, diefer ruft mit großer Stimme, er folle
nun ernten; es fey hohe Zeitz denn bie Ernte ſey duͤrre
geworden:
Auch diefer ruft mit großer Stimme; called treibt und
drängt fi) nun zum Ziel, überall große Etimmen , Drang
und Thätigfeit.
Das Bild von der Ernte ift dem Geift der Weiſſagung
ſehr gelaͤufig, auch Chriſtus bedient ſich oft deſſelben. Hier
wird die Getreidernte verſtanden, welche auch am gewoͤhu⸗
lichſten die Hieroglyphe derer, die im Herrn ſterben, iſt.
©. Matth. 13. V. 30. Der folgende Engel aber herbſtet den
Wein, folglich Fann diefe Ernte nicht auch auf die Weit:
trauben gehen, fondern auf die Saarfelder des großen
Hausherru.
Dieſer Ernteengel hat ſchon feit der Reformation her man⸗
che wichtige Garbe in des Herrn Scheuer geliefert: aber die
Aufforderung, von der hier die Rede iſt, geht auf unſere
Zeiten. In Frankreich war die Ernte duͤrre, und es war
Zeit, daß der Engel mit der Sichel kam. Hier ſchwung er
ſie vom Thron an bis in die aͤrmſten Huͤtten, und bis zu
den Saͤuglingen in der Wiegen.
Koͤnig Ludwig der Sechzehnte wurde in ſeinem *—
gen Gefaͤngniß uͤberreif, und zur vollwichtigen Garbe; er
blickte zu den Sternen hinauf, als er auf dem Blutgeruͤſte
ſtand, und ſprach wie ſein Erldſer: Herr verzeihe meinem
Volk! — Sagt, liebe Leſer! ob ein Menſch fo ſprechen kann,
der nicht vom Geift Jeſu Chrifti durchdrungen ift? — Von
ihm an wurden Millionen unfhuldiger Menfchen durch die
erſchrecklichſten Anftalten geerntet, und in die Scheuern ge:
fammelt; auf Frankreichs Acer ift die volfe Ernte angeganz
gen, und ed wird aud an die übrigen Zelder des Herrn in
der Ehriftenheit fommen, darum haltet euch bereit, Brüder !
mit Beten und Wachen.
17. Und ein anderer Engel aina aus dem Tempel, der
im Himmel ift, auch diefer hatte ein ſcharfes, krum⸗
mes Meſſer.
Kap. 14. B. 17. bis 20, Y 295
18. Und ein anderer Engel ging aus dem Altar heraus,
er hatte Gewalt über das Feuer, und er rief mit eie
nem großen Schrei dein, der das fcharfe Frumme Meſ—⸗
fer hatte, und ſprach: Lang zu mit deinem feharfen
Meffer, und lies die Trauben des Weinbergs ber
Erden, weil feine Beeren reif find,
19. Und der Engel ſchwung fein krummes Meffer auf bie
Erde, und las den Weinberg der Erden, und warf
es in die Kelter des großen Zorns Gottes.
30. Und die Kelter wurde aufferhalb der Stadt getreten,
und das Blut ging aus der Kelter bis zu deu Pfers
dezäumen, durch taufend ſechs hundert Stadien.
Der vorige Engel erntete die Frommen, dieſer aber mun
die Gottloſen: denn es heißt im 19ten Vers, er habe die
gelefenen Trauben in die Kelter, in die Mofterbätte des
großen Zornd Gottes geworfen — dieß kann nur von ben
böfen Menfchen verftanden werden.
Im Tempel, der im Himmel ift, gehen die Priefierengel
- aus und ein, fie warten des Vottesdienftes, und richten die
Befehle des Herrn ausz hier fommt nun wieder, einer mit
einem Ffrummen, fichelförmigen Rebenmeffer zum Vorſchein,
und erwartet den Winf zum Herbften ; diefer wird ihm bald
gegeben; denn der Engel, welcher die Aufficht über das
Feuer auf dem Altar hat, damit ed nicht verlöfche, kommt
vom Altar ber, und fehreit auch mit großer Stimme, weil fein
Auftrag. eilig und dringend iſt, er ſolle fih geichwind aus
Traubeunleſen geben, weil auch fie reif, der Weinberg der
Erden zeitig fey. Die Seelen der Blutzeugen unter dem
Altar follen einen Zeitlauf warten, bis ihre Brüder, welche
auch noch jo wie fie geopfert werden würden, hinzukaͤmen.
Kap. 6. V. 9. bis 11, Diefer Engel aus dem Altar weiß
das — er. weiß, daß nun diefer Zeitlauf anfängt, ein Ende
zu nehmen, und da er Antheil am Scicfal der Seelen
unter dem Altar nimmt, ihren Zuftand gern verbefjert ſieht,
fo. fchreit er mit großer Stimme; er verlangt dieß höchfts
gerechte Opfer, und hat dazu das Zeuer unterhalten.
294 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Das Bild von der Zornkelter ift aus dem Propheten es
faias genommen; in feinem 65ften Kapitel kommt ein. Ge:
ſpraͤch zwifchen dem großen Kekrertreter und ‘einem andern
vor, der ihn fragt, warum feine Kleider fo roth ſeyen
Dieß Gemaͤlde iſt fuͤrchterlich, aber treffend. — Den Ans
fang auch davon haben- wir ebenfals in Franfreicy erlebt.
Diefes Land oder dieſe Nation: war. bisher in allem die
Erfte in. Europa; daher ift fie aud) in jedem Sinn am ers
ften reif geworden, Beide Eruteengel machen da den Au—
fang; wenn fie durch die gauze Chriftenheit fertig geworden,
fo wird der. Herr. felbft erfcheinen, und dem Ernten und
Keltertreten ein Ende machen. Kap. 19. V. 15. Hatte der
vorige Engel in Frankreich die Frommen geerntet und in
des Herrn Scheune gefamnielt, fo. wirft num diefer Die
Gottloſen und zum Gericht reifen Sünder im die. Kelter des
Zorns Gottes,
Ber die Greuel alle, die in Lyon, in der Vendee, im
Paris, und an fo vielen Orten in Frankreich, feit ſechs
Jahren vorgegangen find, gelefen hat, der wird das Bild
von der Zornfelter Gottes nicht übertrieben, fondern ſehr
paffend finden; nimmt man nun noch alle die mörderifchen
Schlachten Diefes einzigen Krieges in feiner Art dazu, fo
kann man nicht mehr zweifeln, daß diefe Weinlefe angefans
gen habe. — Wann fie aber in Frankreich endigen? wo fie
num zuerft wieder anfangen? und welche Weingärten nad):
einander vorgenommen werden follen? das muß die Zeit
lehren, Jeder hüre fich, daß er Diefem Engel nicht unter
fein krummes Rebenmeffer falle!
Der heilige Seher mahlt dies fchredliche Bild noch ftär-
fer aus; Es fam ihm vor, ald wenn der Blutſtrom, der
aus der großen Kelter quoll, gleich vor derfelben den Pfer-
den bis an die Zäume, bis and Gebiß gegangen fey —
dieß überzeugt uns von zwei wichtigen Stuͤcken:
1) Daß dieß fchredliche Gericht durch Krieg — denn nur
dazu brauchten die Morgenländer die Pferde — und nicht
durch Krankheiten oder Hungersnoth ausgeführt werden foll;
und
.
Kap. 14. V. 17. bis 20. 295
2) daß dieß Blutbad ungeheuer, unglaublid und ohne
Beiſpiel feyn werde. Ja wahrlich! ſchon der Anfang hat
in der ganzen Gefchichte feines gleichen nicht.
Endlich Fommt es ihm dem Augenmaaß nad) fo vor, als
wenn der Blutſtrom 1600. Stadien weit geflofien wäre;
dad macht ungefähr vierzig deutfche Meilen aus. Schreds
lih! Scredlih! Herr erhalte und und unfre Kinder und
Freunde! — und das du gewiß, wenn wir nur frem
bleiben!
Diefe beiden Ernteengel feßen nun ihr Herbftgefchäfte fo
fort, wie fie ed angefangen haben, bis der Herr kommt.
Da gibt es zwar zuweilen Pauſen, aber fie währen nicht
lang. Häufer und Kirchen und Palläfte auf Jahrhunderte
hin zu bauen — große Plane zum Gläc feiner Kinder und
Kindesfinder zu machen — und große Güter zu erwerben,
dazu haben wir Feine Zeit mehr; jeßt Fann man nichts beis
ſers thun, als ſich ehrlich mir den Seinigen ernähren, ruhig
und geduldig ausharren, und mit großem Erxuſt, mit Furcht
und Zittern, feiner Seelen Seligfeit zu fchaffen; wer dieß
thut, dem wirds in jedem Fall wohl gehen, und er darf
fih in der nahen Zukunft eine Glüdfeligkeit verfprechen,
die er fich in fo hohem Grad jegt nicht vorftellen kann.
296 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis,
Das fünfzehnte Kapitel,
4, Und ich fahe ein anderes. großes und wunderbares Zeiz
chen im Himmel: Eieben Engel, welche die fieben lets
ten Plagen hatten: denn durch fie wird der Zorn Got⸗
tes vollendet, | Ä
9, Und ich fabe etwas, wie ein gläfernes, mit euer ges
mifchtes Meer; und diejenigen, welche über das Thier
uud über fein Bild, und über die Zahl feines Namens
geſiegt ‚hatten, an diefem gläfernen Meer ee und
Harfen Gottes haben.
Su dem fo eben abgehandelten 14ten Kapitel fi find die
leiblihen Gerichte der legten Zeit geſchildert worden, hier
folgen nun auch die geiftlichen; diefes I5te enthält die Vor:
bereitung dazu, und das folgende I6te die Ausführung,
Daß die fieben Zornfchaalen wirklich auf die moralifchen Vers
haltmiffe gehen, das wird fich in der Erklärung jelbft deut:
lic) zeigen.
Johannes nennt den Auftritt, den er jetzt zu fehen ger
würdigt wird, groß und wunderbar. — Die Majeftät der
Anftalten, und das Geheimnißvolle, das er darinnen bes
merkt, bringt ihn zu diefem Ausdrud. Er ſieht fieben Enz
gel, welche dazu beftimmt find, in fieben fchweren Plagen
den Zorn Gottes und feine legten Gerichte über dad Reich
der Finfterniß auszuführen und zu vollenden. Ehe aber
dieſe Engel in Thatigfeit gefeßt werden, geht wieder eine
Subelfeier vorher. Dieß haben wir immer in-der Apofas
Inpfe bemerkt, fo oft ein erhabener Plan gegen die Feinde
des Herrn ausgeführt werden follte, fo oft feierte der Himmel,
Der heilige Seher bemerkt nun wieder das gläferne Meer,
. Kap. 4. ®. 6. aber er findet jeßt etwas Neues darinnen,
eö Fam ihm vor, als wenn es mit Feuer vermifcht wäre.
)
Rap 15 DB, 1. 297
Man tefe, was ich an eben gedachter Stelle Über diefes
Meer gefagt habe; dieß Feuer bedeutet die Eigenfchaft,
welche num diefe Waffer des Lebens angenommen haben:
Bei den Gottloſen und Thiersanbetern erregt ed Grimm
und Wuth gegen alles, was heilig iſt; es erdffner in ihnen
den Zornquell zum ewigen Verderben, und macht fie ents
zuͤndbar für den Pfuhl, der mir Feuer und Schwefel brenntz
bei den Frommen aber wärmen diefe Feuerwaffer, machen
fruchtbar im guten Werken, ftärfen die Liebe und den Eruft
zum Kampf durdy Beten und Wachen, Wie diefes ſtarke
Getränke, diefer Spiritus den menſchlichen Geiſt findet, fo
wirft es in ihm — den einen beraufcht es bis zur Wurh,
den audern ftärft e8 zum ewigen Leben.
An dieſem Meer ftunden num neue Harfenfpielers Diejes
nigen, welche der erfte Engel mit der Sichel nach) dem vo»
rigen Kapitel, geernder hatte, bringen hier ihre Lob s uud
Danfopfer für die Gnade der Ueberwindung; fie haben
weder das Thier, noch fein Bild, noch die Zahl feines Nas
mens angebetet, fondern alle Verfuchungen dazu beſi iegt,
deswegen ſind ſie nun hier in ſtolzer Ruhe und in ewiger
Sicherheit, dieß bewegt ſie, dem Herrn, der ſie ſo maͤchtig
errertet, fo väterlich geleitet, und nun zu überfchwenglicher
Herrlichkeit geführt hat, herrlichen und innigen Dank zu
fingen; dazu hat man ihnen auch himmlifche Suftrumente,
Gortesharfen gegeben, welche beffer Elingen, als die vers
fimmten, zerbrechlichen Werkzeuge, die fie hienieden fo oft
an die Trauerweiden aufhängen und weinen mußten. |
5. Und fie fungen das Lied Mofe, des Knechts Gottes,
und das Lied des Lamms, und fpracdhen: Greg und
wunderbar find deine Werke, Herr, Gott, Allherrz
fcher! gerecht und wahrhaftig find deine Wege, König
der Nationen !
4, er follte dih, o Herr nicht fürchten, und deinen“
- Namen nicht verherrlihen? — denn du bift einzig
‚beilig! denn alle Nationen werden Eommen und vor
dir anbeten, denn deine gerichtliche Ge find
bekannt gemacht worden,
298 Erklärung der Offenbarung Johannis,
° Hier folge nun der ſummariſche Inhalt deſſen, was die
Harferifpieler fungen. Das Lied Mofe, deffen hier gedacht
wird, iſt nicht dasjenige, welches 5, Mof, 32. fteht, fondern
das, welches gefungen wurde, ald die Kinder Sfrael gluͤck—
lich und durch) ein Wunder durchs rohe Meer gegangen
und den Egpptern entronnen waren, es ſteht 2 Mof. 15:
Diefer Geſang ſchickt fih eben fo für die Sänger am glaͤ—
fernen Feuermeer, wie für jene am rothen Meer, Die übris
gen Kobfprüche in diefem sten Vers kommen auch Pf. 111.
®. 2. 159. DB. 14. und 145. B. 17. von
Daß die Werke des Herrn groß und wunderbar End, daß
koͤnnen die mit vollem Recht fagen, die den legten großen
Kampf durchgefämpft haben; daß er der Allberrfcher, wer
Alleserhalter fey, das koͤnnen fie aus Erfahrung fingen. —
Er ift der König der Nationen, das beweifer er in feinem
Sieg über die legten ungeheuern Mächte des Unglanbens
und der Finfternißz gerecht find die Wege, die Er Die Men:
ſchen führe, denn Er belohnt feine Gerreuen, und feinen
MWiderfachern vergilt Er, fo wie fie es verdient haben; ‚aber
feine Führungen find auch wahrhaftig, Er bleibt immer dem
Plan getreu, den Er vom Anfang der Welt an entworfen,
und von jeher ausgeführt bat.
Die Worte des vierten Verſes finden fih auch Ser. 10.
V. 7. wo es heißt; Wer follte dich nicht fürchten, du König
der Heiden? — denn es kommt dir zu; weil doch unter
allen Arten der Heiden, und in ihrem ganzen Königreich
dir niemand gleich ift. Und Pf. 86. V. 8— 10, fagt der
fonigliche Dichter: Unter dew Göttern ift Dir, o Herr! nie:
mand glei, da ift nichts, das Deinen Werfen ähnlich ift;
alle Heiden, Herr! die Du gemacht haft, follen fommen,
und follen fi vor Deinem Antlitz niederbeugen, und Dei:
nen Namen ehren; denn Du bift groß, und thuft Wunder:
werfe, Du allein bift Gott! und der Prophet Jeſaias weiſ—
fagt endlich auh Kap. 66. V. 25. Und ed foll gefchehen,
daß von einem Neumond zum andern, und von einem Sab-
bath zum andern, alles Fleiſch Fommen fol, um anzubeten
vor meinem Angeficht, fpricht der Herr!
Kap. 15. B. 8. 6. 299
Ich habe mehrmals bemerkt, daß die höhe Offenbarung
die MWeiffagungen des alten Teſtaments gleichfam in einen
Geſichtspunkt dringt and. bekräftigt; fie.ift die Summe aller
Meiffagungen der heiligen Echrift, in fo fern fie auf die
legten Zeiten gehen.
Wer follte dich nicht fürchten, fagen die Harfenfpieler,
Du Alleinheiliger! der Du fo maͤchtig bit? — Wer follte
Did nicht preifen, da Du alles fo herrlich ausführfi? —
Dein Neich ift nahe; nun iſt es an dem, was die alten
Propheten fo: lange geweiffagt haben, daß alle Nationen
Did) erkennen, und Dich anbeten werden,
5. Und nad) dtefem fahe ih, und der Tempel der Hütte
des Zeugniffes im Himmel wurde eröffnet,
6. Und die fließen Engel, welche die fieben Plagen hatten,
gingen aus dem Tempel heraus; fie waren mit reinem
glänzenden. -Leinmand bekleidet, und ihre Bruſt mit
goldenen Gürteln umgürtet.
Hier fängt num die große Scene an: Erft wird der Tem⸗
Rn der Hütten des Zeugniffes, der im Himmel ift, geöffnet;
diefe ift das Urbild, nah welchem Mofe arbeiten laffen.
mußte. 2. Moſ. 25. V. 40, Der Tempel, den Sohannes
im Himmel ſahe, war alfo mehr der Stiftshuͤtte ähnlich,
ald den Tempel zu Jeruſalem; das ift aber auch natürs
li), denn noch pilgert das Heerlager des Herrn hienieden
im der Wüften; wenn einmal das Neich Gottes angegangen,
oder gar das neue Jeruſalem hernieder gefahren, ift, daun
gibt. ed einen andern Tempel, oder au gar feinen mehr,
Kar. 21. V. 22.
Aus der geöffneten Stifts huͤtte treten nun fieben Engel
im prächtigen Prieſterſchmuck hervor; denn fie jollen eine
fehr wichtige und feierliche Verrichtung überneymen; fie fols
len ‚das geiftlihe Bann- und Fluchwaſſer über diejenigen
ausgießen, die ſich durch eine beinahe fechstaufendjährige .
Belehrung nicht haben. unterweifen laſſen wollen, fondern
dem Geift der Wahrpeit immer entgegen firebten; dieje
Engel follen nun das fihredliche Gericht der Verſtockung,
500 Erklärung der Offenbarung Johannis.
der göttlichen Verlaffung und der Einweihung zul‘ ewigen
Sammer ausführen.
Schrecklich! ſchrecklich find dieſe Gerichte! aber dem un⸗
geachtet gerecht: Denn wer doch auch alle Mittel zu feiner
Seligfeit fennt, und fie doch muthwillig von fi ſtoͤßt —
oder fogar finnlicy geworden: ift, daß ihn alles anekelt,
was nur zu Gott uud Ehrifto führt — fagt! was bleibt
für einen foihen übrig — Wenn Gott alle Mittel anges
wender hat, den fündigen Menfchen zu retten, wenn er ihm
Zeit genug gab, ſich zu befinnen und zu befehren, was foll
er denn noch mehr thun? Endli muß er denn doch eins
mal fühlen, was es heiße, die Gnade Gottes auf Muthwils
len ziehen, damit er durch die ſchweren Läuterungsfeuer der
troftlofen dunfeln Ewigkeit, vielleicht — Gott und ſich
ſelber Feunen lernen möge,
7. Und eins von den vier Tebendigen Weſen gab betr ſie⸗
ben Engeln ſieben ‚goldene Trinkſchaalen, angefüllt
mit dem Zorn des in die ewige Ewigkeiten lebenden
Gottes,
8, Und der Zempel wurde mit dem Dampf der Herrlichz
Feit Gottes und feiner Macht angefüllet, und niemand
konute in den Tempel hineingehen, bis die fieben Plas
gen der ſieben Engel ausgeführt waren,
Daß die vier lebendigen Wefen die vier Urfräfte der ges
fammten moralifhen Natur feyen, hab ich oben in der Ers
klaͤrung des vierten Kapiteld weitläufrig ausgeführt, Da
nun bier ein ſchweres Gericht über einen Theil der Menſch—⸗
heit, der in der moralifchen oder fittlihen Berfhlimmerung —
nach unferem Sprachgebraud müßte ich Verfeinerung oder
Aufklärung fagen — bis and Ziel des vierten Grades ges
funfen ift, ergehen, diefen verworfenen und unverbefferlichen
Menfchen den Stab gebrochen werden foll, fo ift es auch
ſchicklich, daß der vollendende, fliegende Adlerferaph Kap. 4.
D. 7. die fieben Schaalen gibt, und fie mit dem Zorn
Gottes anfällt; denn daß diefes vierte Lebendige Wefen hier
gemeint fey, duͤnkt mir fehr wahrfcheinlich zu ſeyn.
7 0
Kap. 16. V. 7. 8. 301
Das Wort Phiala, welches gewöhnlihd durch Schaale
überfegt wird, bedeutet eigentlich einen flachen Trinkbecher,
deffen Rand rüdwärtd gebogen ift, ungefähr fo, wie eine
umgefehrte Glode: diefe Schaalen find golden, denn fie ger
hören zum Zempelgeräthe, welches nicht verroften darf, fon-
dern immerwährend und beftäudig feyn muß.
Diefe Schaalen füllt der Adlerferaph mir dem Zorn des
Gottes an, der in die Unendlichkeit nie jtirbt, fondern in
die ewige Ewigfeiten lebt, wo alfo feine Hoffnung ift, daß
diefer Zorn je anfpbren werde, fo lang die Urfache währt,
die ihn erregt.
Ich werde hoffentlich doch wohl nicht ndrhig haben, meine
Lefer zu erinnern, daß alle diefe Vorſtellungen vom Zorn
Gottes uneigentlich verftanden werden muͤſſen; Gott ift un⸗
veränderlic” und die ewige Liebe, aber eben diefe görrliche
Natur wird zur Qual, und in dem Grad zum Zornfeder,
in welchem ſich ein Weien in eine entgegengefegte Natur
verwandelt; was den Engeln und Heiligen Element der
Seligfeit ift, das memliche ift den böjen Wefen Element
der Qual und ded Jammers. Alle bibliihe Bilder und
Ausdruͤcke richten fi) nach der Vorjtellungsart der Menfchen.
Der achte Vers enthält eine fehr fonderbare Bemerkung:
Der ganze Tempel ift vol Dampf von der Herrlichkeit und
von der Gewalt des Herrn; denn jeßt zeigen fich dieſe bel—
den Eigenfchaften in ihrer furchtbaren Größe; fo wie Glanz,
Glut und Dampf eines im böchften Grad verzehrenden
Feuers den Zutritt, die Annäherung eines Wefens, das nicht
fenerbeftändig ift, ohne es zu zerfiören, nicht Zulaffen, fo
darf ſich auch hier Fein endliches Weſen der erzürnten und
über die Menfchen höchft ungnädigen Gottheit fo lange nd:
bern, bis durch die Ausführung der fieben Plagen dieſer
Zorn geftilt, der Gerechtigkeit Gottes ein Genüge geiches
ben iſt.
Wir leben in der Zeit der fieben Zornfchaalen — jet
ift der Tempel voll Dampf — Herr erbarm Dich unfer!
©
ts
0 - Erklärung” ber Offenbarung Johannis.
-
\
Das ſechzehnte Kapitel
L Und ich. hörte eine aroße Stimme aus dem ne au
den fieben, Engeln ſprechen: Geht bin! gießt die fies
ben Schaalen des Zurns Gottes, auf die Erde aus.
2. Und der erfie ging bin und goß ſeine Schaale auf die
Erde aus; und es entſtund ein ſchlimmes bösartiges
Geſchwür an den Menſchen, welche das Zeichen des
Thiers hatten und ſein Bild aubeteten.
3. Und der zweite goß feine Schaale ins Meer aus, und
es war. Blut wie, eines Todten, und jede Iebmnpige
Seele im Meer farb,
Nun beginnt. das große und Teßte fiebenfahe Gericht
über die grundverdorbene Chriftenheitz nach Vollendung
deffelben ift dann Feind mehr übrig, ald dasjenige, welches
die. babylonifche Hure, und. dann endlich das! Thier uud
den falihen Propheten wegtilgt; dieß trifft aber mit der
Bollendung der Plage aus der fiebenten Schaale zufammen,
Eigentlich fängt die Wirfang der Schaalen mit dem
Sinten des Thiers aus dem: Meer, und dem Beginn des
großen Kampfs au, läuft mit diefem gleichzeitig fort, und
hört: auch mit ihm auf.
Sohannes hörte eine große Stimme aus dem Tempel, es
war der ewiglebende erzürnte Gott felbft, ‚der da rief; denn
nad) dem achten oder „legten Vers des vorigen Kapitels
fonnte ja niemand in den Tempel gehen , folglich war aud)
niemand darinnen, als der Herr felbft. Diefe Stimme gab den
Befehl zur Ausführung der görtlichen Strafgerichte; dem zu:
folge goß alfo. der erste Engel feine Schaale auf die Erde aus,
Nach dem, was ich ſchon Hin und wiedersangemerft habe,
bedeutet die Erde im propherifchen Wort einen Staat, der
- feine geiftliche, regelmäßige, buͤrgerliche Verfaſſung bar;
in diefem kann nun das Bild entweder die Menfchen felbit,
za! Kap. 16. V. 1: bis 33 5053
oder auch andere Gegenftände vorſtellen, welches dann aus
der beſtimmteren Auszeihuung des Bildes, oder deffen Ans
wendung gefolgert werden muß. Hier fteht num aus druͤck⸗
lich, daß. die Menſchen, welche das Zeichen des Thiers
Hätten, und fein Bild anbeteten, von dem Ausgießen der
erften Schaale böfe Geſchwuͤre befommen hätten, folglich
trifft diefe Schaale audy allerdings die Menfchen, und es
kommt nur darauf an, zu wiſſen, was dieſe bösartigen
Geſchwuͤre find? fo ift bie Hieroglyphe der erften Schaale
enthüllt, |
Die fieben Abmikhelen bedeuten unftreitig die legen Ger
richte Gottes über die abendländifche, over auch über vie
ganze Chriſtenheit überhaupt ; da nun aus dem vorbergehens
den und aus dem ganzen Zuſammenhang der hohen Offen»
barung erhelfet, daß diefe Gerichte fon ihren Anfang ges
nommen haben, fo ift Har, daß die Schaale des erften
Engeld den Geift der Revolution enthalte, und Daß dieſer
fie in die bürgerlihe Verfaffung der europäifchen Chriſten—
beit im Jahr 1786 ausgegoffen habe!!! — Diejes Bild
wird ganz vorzüglich treffend, fobald man einen folchen
vevolutionsfüchtigen Menfchen näher beleuchtet. Das eigents
liche Thier ift Selbſtherrſchſucht: zu Rom, oder nach. dent
- Auffteigen aus dem Meer, bediente ed ſich des Aberglaus
bens zum Mittel, und bei dem Auffteigen aus dem Abe
grund dient ihm der Unglaube. Die Thiersanbeter find
alfo entweder wirkliche Glieder der römifchen Kirche, und
als ſolche allgemein herrſchſuͤchtig, oder fie find ungläubige
u, Yroteftanten, die ihr Stolz und Eigendünfel nach unges
bundener Freiheit lechzend, und im ihren eigenen Augen zu
herrſchen würdig gemacht hatz dieſe find alfo Anbeter des
nahen Thiers aus dem Abgrund, und fein geiftlihes Mahle
zeichen, die falfche Aufklärung, tragen fie an Stirn und
Hand, durch Denken, Reden und Schreiben. Jene Anbeter
aus der römifchen Kirche find nichtö weniger als Fatholifche
Chriften,, fondern eben fo gut aufgeflärte Ungläubige wie
diefe, im Grund alle dazu geeignet, um getreue Anbänger
des RER aus dem Abgrund zu werden.
504 Erklärung der Offenbarnug Johannis.
Es ift erflaunlih, wie mächtig dieſe erfte Zornſchaale
gewürftshats Da, wo fie die Herzen zum. Empfung des
Revolutionsgeiſtes vorbereitet fand, da erregte ſich alfofort
das böfe, eiternde, unheilbare Geſchwuͤr der Revolutions—
und Empoͤrungsſucht; durch ale die fchredlichen Folgen
derfelden, die wir erlebt haben, find diefe bedauernswär:
digſten Menfchen nicht geheile würden, fondern ihr. Gejchwür
in Herzen eitert beftändig fort, und diefer Eiter vergifter
dergeftalt alle Säfte des fittlichen Lebens, daß auch fonft
gute gefittete Menfchen wuͤthend und graufam geworden find,
und in ihrer Raferei Thaten ausgeübt haben, für denen.
die Meufchheit zuruͤckbebt.
Mer kann all den Jammer uͤberſehen, den dieſe
ſchaale noch bewirken wird.
Der zweite Engel goß ſeine Schaale ins Meer; — wenn
man dieſes in Gegenſatz des prophetiſchen Sinnes des Bil«
des der Erde annimiit, fo muß es ein unsrdentliches Ges
wirre von mancherlei Nationen, Völkern und Sprachen bes
deuten. Kap. 17. V. 15. Diefe Auslegung kann man hier
ſchon gelten laſſen; doc) wird die Hierogiyphe noch deuts
licher und treffender, wenn man unter dem Bild des Meere
die Länder in und an dem Meer, welche befonders vom
Sechandel leben, und deren politifche Verfaſſung auch dar⸗
auf vorzuͤglich eingerichtet iſt, mit einem Wort, die See:
maͤchte verfieht; Stalien wird auch oft durch das Meer
porgeftellt, weil ed im Meer liegt, daher kann auch diefes
Dazu. genommen werden,
Ueber diefe Seemaͤchte und Meeröbewohner goß alfo der
zweite. Engel feine Zornjchaale aus.
Ehe ich weiter gehe, muß. ich nod) eine notwendige Er:
läuterung einſchalten: Allen ſieben Eugeln werden ihre
Schaalen mir, dem‘ Zorn Gottes angefuͤllt — dieß müffen
wir fo verfiehens Sie befonmen den Auftrag, unbeding-
ten Gehorfam gegen Gott, gegen Chriſtum, gegen die
ordentliche Obrigkeiten, gegen görtliche und menfchliche Ge:
fege, und Fügung in jede bürgerliche Ordnung und Ber:
foffung, unter Androhung ſchwerer Strafen, durch die
Kap. 16. B. 1. bis 3. 505
cabbhulichen Wege der goͤttlichen Regierung von den Mens
fhen zu fordern; dieſe Forderung wird hier der Zorn Got—
tes genannt, und das mit. recht; denn wenn ein erzürnter
Monarch feinen untreuen und ungehorfamen Unterthanen
geſchaͤrfte Maudate befannt macht, und ihnen im Zall der
Beharrung in ihrer Widerſetzlichkeit mit ſchweren Strafen
droht, ſo kann man ja ſagen, er gieße ſeine Zornſchaale
uͤber das rebelliſche Volk aus; — beſonders wenn dann
auch die angedrohte Strafe zugleich mit ausgeführt wird.
So wie nun die fieben Engel diefen Befehl ausrichten , jo bes
wirken ihre Schaalen bei den gerreuen Anhängern der Religion
Gottesfurcht und Anwendung mehreren Ernftes in. dem
Schaffen ihrer Seligkeit; bei den Aubetern des Thiers aber ents
ſteht Muth und Empörung; denn ihr ganzer Geift ftrebt
sach Abſchuͤttelung aller Banden des Gehorſams gegen irgend
ein Wefen, und jet wird ihnen nun noch gar das Gewiſſen
mit. firengen Forderungen eines genauen Gehorfams gegen
Bott und Ehriftum ‚gefhärft — das ift ihnen unerträglid),
und fo entfteht dann die Revolutionsſucht. Jetzt ijt bes
greiflich, wie heilige Priefterengel Gottes durdy Ausgießung
ihrer Schaalen den Gräuel der Revolution unter den Mens
ſchen weden koͤnnen, ohne ‘daß weder ‚dem. heiligen und
liebevollen Gott, noch auch feinen Engeln, etwas unan⸗
ftändiges zugefchrieben wird.
Es erhellet aber auch zugleich aus diefer Erläuterung,
daß die Zornſchaalen um fo viel. heftigere und bittere Wirs
fung thun müfjen, je firenger, defpotifcher und ungerechter
die Obrigkeiten herrſchen; diefen find daher dann auch jene
Schaalen ein fohredliher Kelch des Zorns Gottes, den fie
bis auf die Hefen austrinfen muͤſſen. Der Ehrijt gehorcht
immer, fo lang man ihm nichts befieplt, das der Lehre feis
ner Religion, das ift, den Geboten Gottes und Chrifti
zuwider läuft, und auch dann greift er nicht zu den Wafs
fen, fondern leidet, was ihm aufgelegt wird, aber er ger
horcht nicht, ſondern ftirbt lieber; hingegen der Anbeter des
Thiers iſt ſchon daruͤber aufgebracht, daß es höhere Stände
unter den Menfchen gibt, als der feinige, denen er Ehrer⸗
Stiumg's fammel. Schriften. IN. Band 20
506 Erklärung der Offenbarung Johannuis.
bietung erzeigen und ihnen gehorchen follz daher erklärt
er alle Menfchen für gleich, aber denen, die unter ihm find,
ift er ein firenger Defpote. Daß e8 einen Gott gibt, das
mag feinetwegen feyn, der hindert ihn nicht; aber Ehri-
fius, ein Menfch wie er, der will die ganze Meufchheit
beherrſchen, will gar Gott feyn — nein! das kaun er nicht
ertragen, das empdrt fein Herz — und da er wohl fühlt,
daß Chriftus denn doch wohl recht haben, auch wohl Bott
feyn Fonne, und daß es niemand beffer zu feyn verdiene
als Er, fo möchte er rafend werden, fyeit Gift und Galle
gegen Chriftum und feine Religion, und wehe denen, die
fih zu Ihm bekennen, wenn er Gewalt über fie bekommt.
Dieß ift von jeher der Geift des Drachen, der verbot:
gene Karakfter des Thiers aus dem Meer, und der offene
bare Karafter des Ihiers aus dem Abgrund, und derer die
ihm angehören; fordert nun Gott endlich beſtimmt: Ger
horfam oder ewige Strafe, fo entftcher nothwendig
eine Scheidung; dieß Ausfchütten der Zornfchaale verur⸗
fahrt und befchleunigt fie, von nun an ruft der Thiersane
beter zum Feuerfee, und der Ehrift zum Reith Gottes.
Kap. 12. B. 11.
Die ſieben Zoruſchaalen enthalten alfo alle einerlef Ma—
terie, nämlich) den, unbedingten Gehorfam fordernden Zorn
Gottes; daher thun fie auch bei Guten und Boſen überall
einerlei Wirkung; in der bürgerlichen Verfaffung auf ver
Erde erregt die erfte Schaale daB böfe Herzensgefchwür
der Revolutionsſucht; die zweite, welche nun ins Meer ges
Hoffen wird, verwandelt dieß Element: in Blut eines Tode
ten — alles Leben und Bewegen hört anf dem Meer auf,
das Kommercium zur See, die große Handlung fiodt, die.
Seemaͤchte Fämpfen auf dem Meer, und färben ed mit
ihrem Blut, jede fucht die Ulleinherrfchaft des großen Dcer
ans, und in Oft: und Weftindien, und um die Erde herum,
wuͤthet der Krieg. Ueberall, auch im Spunern der Seeſtaa⸗—
ten, würhet die Revolution, und fo erftirbt nad) und nad
jeder Geift wahrer und müßlicher ee zu —
und zu Land.
Dieß alles Hat ſchon wirklich feinen Anfang genommen,
die zweite Schaale iſt ausgegoffen, und Gott weiß allein,
wie weit ed noch gehen wird!
4. Und ber dritte goß feine Echaale aus in die Fluͤſſe
und in die Waflerquellen, und es ward Blut.
5. Und ich hörte den Engel der Gemwäffer ſagen: Du
bift gerecht! der ift, und der war, der Heilige! daß
du dieſes geurtheilt haft.
6. Denn fie haben das Blut der Heiligen und der Pros
pheten vergoffen, und Blut haft du ihnen zu trinken
gegeben, fie finds werth!
7. Und ich hörte aus dem Altar fagen: Ja! Herr Gott!
Alherrfher! wahrhaftig und gerecht find deine Gerichte,
Mafferquellen, Bäche und Flüffe wäfern Fluren und
Auen, und machen die Erde fruchtbar, auch löfchen fie
Menfben und Thieren den Durft. Wenn nun die Erde
die bürgerliche und politifhe Verfaffung bedeutet, fo müffen
Bäche und Ströme den Geift der Denkungsart einer Nation
vorſtellen; denn die Erfenntniffe, wiffenfchaftliche und tech—⸗
nologifche, oder mit einem Wort, die gefammte Aufklärung,
bildet, ändert und modifizirt jede Staatsverfaffung, und
gibt ihre ihre Richtung; die Brunnen und Wafferquellen
find daher alle Lehr- und Aufflärungsanftalten eines Volks,
oder feine gefammte Litteratur, mit allem was dazı gehört.
Auf diefe gießt der dritte Engel feine Schaale aus, und
ihre furchtbare Wirfung fing an, ald Robespierre das
Schreckens⸗ oder Terroriſtenſyſtem gründete: die ganze Dens
kungsart der republifanifchen Herrfcher und ihrer Millionen
ward Blut, alle Grundfäße, nach denen fie handelten, und
alle Quellen, woraus fie fhöpften, wurden zu Blut, und
die Zornfelter des Allmächtigen, die Guillotine war allen=
thalben in Thätigkeit.
Jetzt herrfchen gemäßigtere Gefinnungen,, aber wie lange?
das weiß Gott; die dritte Schaale ift ausgegoffen, und
je nachdem es die Politik erfordert, kann man ja wieder
dazu feine Zuflucht nehmen; mit diefem Schredensfpftem
f —
508 Erklärung der Offenbarung Johannis,
zwingt das Thier aus der Erde, der falfche Prophet, alles,
und die in Blur verwandelte Auffläruhg rechtfertigt alles;
wie weit diefe Verwandlung fi fchon erfirede, oder noch)
erftrecken werde, das wird die Zeit lehren.
Aeußerſt merfwärdig ift die. Rechtfertigung der göttlichen
Gerichte, die hier ein Engel ausfpricht, und eine Stimme
aus dem Altar befräftiget. Der Engel des Gewäffers preißt
Gott, und fagt: Gerecht bift Du, der Du bift und warft,
Du Heiliger, daß Du fo verfährft! — — und warum;
Sie haben das Blut der Heiligen und Propheten vergofjen,
jeßt wird wieder das ihrige vergoffen, gerad ſo, wie ſie es
vxerdient haben.
Die morgenlaͤndiſchen Voͤlker glaubten, daß jedes Ele⸗
‘ment einen Engel zum Vorfteher habe; diefes Volksbegriffs
bedient ſich hier die. hohe Offenbarung: Der Engel ver
Waſſer, in deffen Gebiet diefe Zornfchaale ausgegoffen wor:
den, rechtfertigt ihre Wirkung, die Verwandlung in Blut;
fo wie aber die Waſſer felbft finnbildlicy oder prophetifch
zu verfiehen find, fo auch ihr Engel. — Diefer bedeutet hier
die jedem wahren Chriften ſich aufdringende Weberzeugung:
Die Nation, welche von der Zeit der Reformation an, bis
daher, fo manches Hugenotten Blur vergoffen, fo manchen
Blutzeugen Jeſu unter den Altar, oder ans gläferne Meer
gefchickt, und noch vor hundert Jahren viele Taufende aus
ihrem Vaterland gejagt hat — diefe nämliche Nation trinkt
jegt Blut wie MWaffer!! und viele Taufende pilgern jeßt im
Elend, ohne daß man im Stande ift, es fo zu lindern,
wie vor hundert Jahren. Diefe Schaale wird befonders Die
roͤmiſchgeſinnten Staaten mit ihrer fürchterlichen Inquiſition
und alle diejenigen Länder vorzüglich treffen, die durch Vers
folgung wahrer Chriften, Blutſchulden auf fich geladen haben.
3a, Herr! — Du Ewiger! Du lebft noch jegt, das ſieht
man vor Augen, eben fo wie ehmals, — Du Heiligfter!
der Du Fein Unrecht unvergolten Yäffeft, ja! — Du bift
gerecht! — und die Seelen unter dem Altar hallen es wie
ein Echo nah: — Ja, Herr Sort! Allperrfcher! Ja! Deine
‚Gerichte find wahrhaftig — fie find gerecht.
Kap. 16. V. 8. 9. 309
8. Und der vierte goß ſeine Schaale auf die Sonne aus,
und es wurde ihr gegeben, die Menſchen mit Feuer
auszudorren;
9. Und die Menſchen wurden * die große Hitze aus⸗
gedbrrt, und fie läſterten den Namen Gottes, welcher
Macht hatte über dieſe Plagen, und fie änderten ihre
Geſi innungen nicht Ihm bie Ehre zu geben.
Wir haben bei andern Gelegenheiten gefunden, daß die
Sonne die Religionsquelle eines Volks bedeute; ſiehe meine
Erklärung des 12. und der folgenden Verſe des 6bten Kapi—
telö; das nämliche bedeutet fie auch hier. Ju der roͤmi—
fhen — nicht in der Eatholifchen Kirche überhaupt — find
die Traditionen und die Befchlüffe der Hierarchie die Reli—
gionsquelle, und in der proteftanrifchen beginnt es nun die
Moral, Sitten und Tugendlehre, ohne den Einfluß der
Verföhnungstehre und der Wirkungen des heiligen Geiftes
zu werden. Ueber diefe Lichtöquellen gießt-nun der vierte
Engel feine Zornfchaale aus. Das ift: Durch alle die er:
ſtaunlichen Vorfälle diefer Zeit verbittert und erzürnt, machen
die augenfcheinlichiten Beweife der Gerechtigkeit Gottes Feis
nen Eindruck auf die römische Geiftlichkeit; fie follte ja
billig nüchtern werden und einfehen, daß fie alle diefe Stra—
fen an ihren Brüdern, die fie fo blutartig verfolgt hat, vers
dient hatte; allein Feineswegs! — fie beftarft ſie noch mehr
in ihrem Syſtem; anftatt daß fie ihre Sonne erwärmen,
erweichen,, und zur Sruchtbarfeit fähig machen follte, doͤrrt
fie fie aus; denn der Zorn Gottes ift auf fie gegoffen. Wie
koͤnnte das aber auch möglich feyn, da es allenthalben an
Lebenswaffern fehlt, alö welche ja alle in Blur verwandelt
find; — ohne Feuchtigkeit dörrt die Sonne aus, macht
unfruchtbar und tödtet das Leben, anftatt es anzufachen.
Die neuen Lehrer nach der Mode in der. proteftantifchen
Kirche werden "mit der Zeit auch die Wirkung der Zorns
ſchaale an ihrer Sonne fehr tief und ſchmerzlich empfinden, -
wenn auch einmal die boͤſen Gefchwüre unter ihren Glaus
bensgenoſſen Herrfchend, und ihre Waſſer in Blut verwans
510 Erklärung der Offenbarung Johannis.
delt werden follten; — da werden fie dann fehen, daß auch
‚ihre Sonne ausdoͤrrt, und die Menfchen wuüthend für
Hige made.
Das Läftern des Namens Gottes, der Macht über alle diefe
Plagen hat, ift jeßt fchon bei den Thiersanbetern allgemein: .
Man fchreibt alle die fchredlichen Schickſale, die die Chriftenheit
betreffen, nicht der Vorfehung Gottes zu; man glaubt nicht,
daß fie wohlverdiente Gerichte feyen, fondern man hält fie
für natürliche Uebel, weldhe fo von felbft aus der einges
ſchraͤnkten menſchlichen Natur nothwendig und undermeid:
lich entfpringen müßten; wodurch denn mit der Zeit ein
größeres Gluͤck für die Menfchheit hervorgebracht würde,
Ja wohl, das glaub ich auch! — aber auf eine ganz anz
dere Weiſe, als fie fich vorftellen. Sie ändern alfo ihre
. Sefinnungen nicht — fie thun nicht Buße, und geben Gott
nicht die Ehre, daß Er in dem Allem feine allwaltende
Hand habe,
.10. Und der Fünfte goß feine Schaale auf den Thron
des Thiers aus, und fein Königreich wurbe verfin⸗
ftert, und fie zerbiffen fic) ihre Zungen für Sammer;
11, Und fie läfterten den Gott des Himmels wegen ihrer
Leiden und wegen ihrer Geſchwüre, aber fie änderten
ihre Gefinnungen nicht über ihre Werke.
Auch dieſe Zornfchaale haben wir noch vor wenigen Monas
ten ‚erlebt; der Zorn Gottes ift über den römifchen Thron
‚ auögegoffen, fein Königreich ift verfinftert, und alle die von
ihm abhängen, mögen ſich wohl für Sammer in die Zungen
beißen, und dürfen doc) nichts fagen. Aber Gott läftern ! —
das dürfen fie — fie fluchen über die Revolution und über
ihre Gefhwüre der Revolutionsfucht, aber anftatt, daß fie
in fi gehen und nachdenken follten, daß fie das alles durch
ihre Greuelthaten verdient hätten; anftatt daß fie fih zu
dem Gott, der die Himmel beherrſcht, und zu Ehrifto, dem
Könige der Menfchen, reumüthig wenden, und um Gnade
flehen follten; ftatt deffen läftern fie beide, Das alles gehet
ja natürlich zu, und Chriſtus mag ein guter frommer
Kap. 16. B. 12. bis a Sl
Schwärmer gewefen feyn, aber mit dem allem hat. Er nichts
zu fchaffen. Gott erbarme ſich diefed Jammers!
Hier ftehen wir jegt, meine lieben Lefer! was nun
folgt, das liegt noch in der nahen Zukunft verborgen; das
große Thier iſt eben jegt in den Abgrund geftiegen,. bald
wird es wieder zum Vorfchein fommen, uud dann alles
wohl vorbereitet finden.
12, Und der fechste goß feine Schaale auf den großen
Strom Cuphrat aus, und fein Waffer vertrock—
nete, damit den Königen vom Anfang der Sonnen
her der Weg bereitet würde.
15. Und ich fahe aus dem Maul des Draden, nnd aus
dem Maul des Thiers, und aus dem Maul des fals
fhen Propheten, drei unreine Geifter wie Fröfche
he geben.
14.68 find nämlich Geifter der Dämonen, die Zeichen
— thun, auszugehen zu deu Königen der ganzen bes
wohnten Erde, fie zu verfammeln in den Krieg jenes
großen Tages Gottes, des Allherrſchers.
Der große Strom Euphrat entfpringt in Afien iu den
armenifchen Gebirgen, und fließt gegen Suͤdoſten, bis er fi
‚endlich im den. Perfiichen Meerbuſen ergießt; er iſt in der
aſſyriſchen, perfiichen, griedifchen und den roͤmiſchen Mo—
narchien immer berühmt gewefen, und die heilige Schrift
gedeuft feiner. von 1 Mof. Kap. 2. V. 14, au, bis hieher
in der Offenbarung Johannis, gar oftz jest ſteht er unter
tuͤrkiſcher Gewalt, und feine Ufer find allenthalben mit
Muhamedanern bewohnt,
Es iſt wahrfcheinlih, daß hier unter dem Euphrat fos
wohl jene Gegend felbft, als auch im prophetifchen Siun
die Gefiunungen, Denkungsart und der Grad der ‚Öeiftess
kultur der Völfer verftanden werde, melche die Läuder am
Euphrat bewohnen; wenn alfo der fehste Engel feine Schaale
ausgießt, welches vermuthlich jetzt ſchon geſchieht, oder Doch
naͤchſtens gefchehen wird, fo wird die ganze Türkei mit dem
Revolutionsgeiſt erfült werden, und ebenfalls eine große
312: Erklärung der Offenbarung Johannis,
Zerrüttung und Veränderung in diefem Reich „entftehen.
Das alles, was wir in unfern Tagen von dorther hören
und erleben, ift Aufferft bedenklich.
Daß die beiden Schenkel und Füße an Nebufadnezars
Monarchenbild die beiden römifchen Reiche im Orient und
Occident bedeuten, ift unftreitig; daß die Türfen das oriens
talifche eroberten, macht im Schenkel felbft Feine Veraͤn—
derung, denn dad nämliche Reich dauert doc) -immerfortz
beide Schenkel werden aber zugleih mit dem ganzen Bild
durch den großen Stein zertrümmert werden, der hernach
zum großen Berg, zur Baſi s des herrlichen Reichs Chriſti
wird. Siehe Dan. 2.
Hier finden wir nun die weitere Ausfaͤhrung dieſer Weif«
ſagung Daniels —, wer das lieſet, der merke darauf!
Matth. 24: V. 15. Durch die fechöte Zornfchaale wird das
Lebenswaffer der muhamedanifchen Religion auch ausgetrocs
net, reigeifterei und Revolutionsfucht an deffen Stelle herr:
ſchend werden, und der ſchreckliche Druc der türfifchen, und
überhaupt der morgenlandifchen defpotifchen. Regierung wird
die Gemüther nad) Freiheit lechzend machen. Bielleicht koͤnnte
man einwenden, dort fey denn Doc Lurus und Aufklärung
fo weit noch nicht vorgerüct,, daß die Revolutionsſucht das
ſelbſt Wurzel fchlagen koͤnne; — allein dazu bedarfs eben
Feiner großen wiffenfchaftlichen Kenntniffe; zur ungebundenen
Freiheit und Herrfchfucht ift auch der rohefte Barbar geneigt;
dieß wird alfo die Wirkung der fechsten Zornfchaale nicht
aufhalten.
Der Erfolg diefer Zornfchaale ift, daß dadurch den Koͤni⸗
gen vom Anfang der Sonne her der Weg bereitet wird,
Wie das nun wird erfüllt werden, das wird die Zeit lehren ;
einige Winfe dazu geben die zwei folgenden Verfe, denn da
heißt ed: Der Drache, das Thier, welches nun aus dem
Abgrund auffteigt, und das Thier der Erden, hätten drei
unreine Geifter, den Froͤſchen ähnlich, ausgefandt, um alle
Könige der bewohnten Erde, das ift, in Aſia, Afrika und
Europa (in. Amerika find Feine Könige, ob es auch Theil
nehmen wird, das wird fich zeigen) im ihr Intereſſe zu
Kap. 16. B. 15. 16°‘ 513
ziehen; und dieſes wird in einem allgemeinen Bündniß der
geſammten Menfchheit, im fofern fie in bürgerlicher Verfaſ—
fung lebt, beftehen, um alles zu einer allgemeinen Weltres
publif zu bilden, in welder dann der Drache, das Thier
und der falfche Prophet freie Hand haben würden. Daß
man dann unter der Hand das Chriftenthum, und nad) und
nach jede Verehrung ded wahren Gottes von der Erden vers
tilgen würde, das verfteht fich von felbit, und fo hätte dann
der alte Drache fein erfted großes Ziel, das er fchon im
Paradies begonnen, doch erreicht — aber es wird ihm ges
waltig fehl fchlagen, wie nun der Verfolg zeigen wird.
Die Frofchgeifter find Wefen, die auf der Erde und im
Waſſer leben konnen, und dabei gewaltig viel am Maul
haben, um durdy ihre Koaren die Welt zu verkehren; fie
fönnen ſich mit Lehren und Aufklären abgeben, denn fie leben
im Waller: aber fie verftehen ſich auch auf die Politif, und
koͤnnen Staatöverfaffungen republifanifiren. Unter welcher Ges
ftalt fie erfcheinen werden, das wird man dann fehen. ie
find auch Geifter der Dämonen, Weſen aus dem Geifters
reich, die aber vermutlich durch Menfchen wirken, und
Thaten ausrichten koͤnnen, die jedermann in Erftaunen feßen
und ihnen Kredit verfchaffen ; dadurch werden ſich dann Die
Könige der Erden bewegen laffen, in ein allgemeines Bünds
niß zu treten, umd fih mit ihren Armeen zu verfammeln;
wo, und zu welchem Zwed? das wird die Zeit lehren; fo
viel aber fehen wir, daß ihre allgemeine Niederlage am
großen und fchredlichen Tage Gottes, des wahren Allherr⸗
fbers, geichehen werde, und diefe Niederlage wird total
und auf ewig enticheidend feyn, wie fi im Verfolg zeigen
wird. Kap. 19. V. 521.
45. Siehe! ich komme wie ein Dieb: felig ift, der da
wacht, und’feine Kleider bewahrt, damit er nicht
nacdend umher wandelt, und man feine Schande fehe.
| 16. Und er verfammelte fie an einem Ort, der auf Des
brätfch Armagedon genannt wird,
Da haben wir nun den merkwuͤrdigen Zeitpunkt, wo der
Herr Jeſus Chriſtus, der König aller Könige, endlich eins
\
514 Erklärung der Offenbarung Johannis.
mal erfcheinen, und die Geduld und den Glauben ber Heiz
ligen belohnen und Frönen wird. Das 19te Kapitel befchreibt
diefe Zukunft herrlich und majeftärifch; und bei feiner Erz
lärung werden wir Gelegenheit haben, uns umftändlicher mit
diefer frohen Materie zu unterhalten. |
Diefer 15te Vers ift äußerft wichtig, und wird nicht ohne
Urſach hier am rechten Drt eingefchaltetz Denn wenn man
einmal von: diefer allgemeinen Koalition hören, und das
Berfammeln zu Armagedon gefchehen wird, dann mag man
Aufpaffen, Wachen, Beten und fi mit der himmlischen
Uniform, mit den Kleidern der Gerechtigkeit Jeſu Ehrifti,
ſchmuͤcken; denn die elenden ftinfenden Lampen der Morals
tugend bedecken unfre Schande nicht; dann ift der durch ſo
viele Jahrhunderte erwartete und erflehte Edle, der über Land
zog, vor der Thür, und zwar fo unvermuthet wie ein
Dieb, der in der Nacht einbriht, den ——— Haus va⸗
ter uͤberfaͤllt und ihn feſſelt.
Sort! wie wird einem da zu Muthe fein, und die Zeit
ift fo nahe — fehr wahrfcheinlich find nur noch wenige Fahre
bis dahin, längftens noch acht und dreißig ; vermuthlich währe
e8 auch nicht lang mehr, denn um der Auserwählten. willen
follen ja diefe Tage abgekürzt werden! — welch ein Schreden
wird da die Alliirten zu Armagedon überfallen, und wie mag
dann denen zu Muth feyn, die Chriſtum und feine Verſoͤh—⸗
nungölehre, fein Evangelium und diefe Offenbarung fo
lächerlich fanden? — dann wollen wir fehen, wer *
behaͤlt!!! —
Der 16te Vers iſt in ein heiliges Dunkel BR wer
die Könige der Erden mit ihren Armeen verfammelt, das ift
zweideutig; es kann nach der Meinung bewährter Ausleger
auf den Engel gedeutet werden, der Die fechöte Schaale aus:
gießt; es kann aber auch Gott, der Allperrfcher , feyn, mit
deffen Benennung der 14te Vers ſchließt; im Grund iſts auch
einerleis Die Zornfchaale ift die wirkende Urfache von Dies
fem Allem, und Gott der Urheber diefer Schaale. Aber wo
der Ort fein mag, der hier Armagedon heißt, das follen
und wollen wir nicht errathen. Wenn das Wort Harmageddon.
Rate Bır 1a 515
und der Berg bei Megiddo heißen fol, fo wird wahrſchein⸗
li) auf Zah. 12. V. 11. oder auch auf 2. Chron. 35. V. 23.
gezielt, allein das alles ift ungewiß; wenn einmal die Zeit
kommt, dann wird auch dieß deutlich, und die Ehre Gottes
und diefer Weiffagung legitimirt werden,
17. Und der fiebente goß feine Schaale in die Luft aus;
und es kam eine große Stimme aus dem Tempel des
Himmels, vor dem Thron ber, die ſprach: Es ift
geſchehen!
18. Und es entſtunden Blitze, und Stimmen, und Dons
ner; und es entftund ein Erdbeben, fo gruß als noch
Feind gewefen ift, feitdem Menfhen auf deu, Erden
waren; fold ein Erdbeben, fo groß!
Die Zornfchaalen treffen alle vier Elemente s Der erfte Engel
gießt feine Schaale auf die Erde; der zweite, dritte und fechäte
leeren fie aufs Maffer aus; der vierte erhigt die Sonne, als
den Quell des Elementarfeuerd; und der fiebente trifft end»
lich die Luft. Dem fünften fünnte man auch noch feinen Guß
zur Erde rechnen, auf welcher der Stuhl des Thiers befinds
lich ift. Alle Elemente der moralifhen. Natur werden alfo
dadurch zu Merfzeugen diefes letzten Gerichts über die Chris
ftenheirz die politifche Verfaffung, naͤmlich die Erde, die
- Aufklärung oder das Waffer, die Religion, das ift, die
Sonne, und nun auch noch die Luft, nämlich der aus allen
obigen Elementen gemifchre Nationalgeift, herrſchender Ges
ſchmack, Lurus und Mode, mit einem Wort: Die ganze
Richtung des Denkens, Redens und Handelns; dieß Alles !
Alles wird zu Strafwerkzeugen für die Anbeter des Thiers
und für die grundberdorbene Chriſtenheit, und daher ift aud)
num nichtd mehr übrig, der Allyerrjcher donnert von feinem
Thron ber: Nun ift das Gericht vollendet!
Die ſchrecklichen Wirkungen diefer legten Schaale find
auch nun entfcheidend: Ale Werkzeuge der ftrafenden Ges
vechtigkeit zeigen ihre Dereitwilligfeit, dem großen wahren
Alleinherrfcher zu dienen; Blige, Töne und Donner melden
fih, und fprecyen : Hei wir find bereit! —
316 Erklärung der Offenbarung Zohannis, -
Der erfte Erfolg des Erguff es der ſiebenten Revolutionsſchaale
iſt ein nie erhoͤrtes, von Menſchen nie erfahrnes Erdbeben.
Bei diefer Stelle bitte ich meine Lefer, ſich zu erinnern,
was ich oben in meiner Erklärung des 6ten Kapitels über
den 12ten bis 17ten Vers gefagt habe; jedes Finalgericht
über einen Theil der Menfchheit wird vom Geift der Weiſſa—
gung unter folhen Bildern vorgeftellt, die auch vom legten
allgemeinen großen Meltgericht gebraucht werden; allein da=
ran ift es hier noch lange nicht, dieß allgemeine Gericht,
oder den eigentlichen jüngften Tag, finden wir erft nach den
taufend Fahren des Reichs Chrifti. Kap. 20. V. 11— 15.
Dem zu Folge müffen alfo aud) die Bilder, von denen hier
die Rede ift, abermal nicht wörtlich, fondern prophetiſch vers
ftanden werden; wiewohl ich deswegen auch nicht fagen will,
daß ſich die oukere Natur in dieſen Gerichten gar nicht
melden werde.
Dieß nie erhoͤrte Erdbeben iſt ſo zu verſtehen: Wenn nun
endlich nach Ausgießung der ſiebenten Zornſchaale, die Re—
volutions- und Empoͤrungs-, Freiheits-und Herrſchſuchts⸗
wuth allgemein und allwaltend aufs hoͤchſte geſtiegen iſt, ſo
werden ſich alle Bande der buͤrgerlichen Geſellſchaft aufloͤſen,
Fein Menſch wird für ſich und die Seinigen und für feine
Güter und Eigenthum mehr Sicherheit, und daher Feine
bleibende Stätte mehr finden; und da nirgends die Erde,
die politifhe Verfaffung, ruhig, fondern überall in dem
heftigften Beben ift, fo werden die Menfhen für Augft mit
den Zähnen klappern, und feinen Rath wiſſen, gerad fo,
wie wir jeßt fchon ein Fleines Vorſpiel an den franzdfifchen
Emigrationen erleben ; wie aber, wenn einmal die ganze be=
wohnte Welt in folchen heftigen Erſchuͤtterungen fteht, wo—
bin fol man dann fliehen ? — Wir wilfen es, meine fie:
ben! — der Herr wird feine Getreuen dann erretten; Stil:
lings Heimweh hat die Winke dazu gegeben: Es gibt ein
Solyma, weldes ein Gofen für uns feyu wird, wo
uns feine diefer egyptifchen Plagen treffen kaun.
19. Und. aus der großen Stadt wurden drei Theile, und
die Städte der Nationen fielen, und die große Bas
f l
Rap.’ 16.8. 19. bis 21. 517
bylon wurde in Erinnerung vor Gott aebracht ‚um
ihr den Weinbecher feines grimmigen Zorns zu geben.
20. Und jede Jnſel entflohe, und Feine Berge wurden
‚mehr gefunden.
91. Und ein großer Hagel, fo ſchwer wie ein Talent,
fiel ans dem Himmel auf die Menfchen, und, bie
Menfchen läfterten Gott wegen der Plage des Hims
mels, die fo fehr groß war,
Die ferneren Wirkungen der fiebenten Zornfchaale, die dad
Erdbeben zur nächften Urfache haben, werden in diefen drei
Verſen erzähle: Erft wird die große Stadt durd die Erd:
beben in drei Theile zerträmmertz; die natürlichen Erdbeben
pflegen wohl ſolche Veränderungen auf der Erdoberfläche zus
wege zu bringen,. wie man davon die neueften Beifpiele in
Kalabrien ‚hat.
Daß die große Stadt, von welcher hier geredet wird, daß
fie drei Theile geworden ſey, die große Babylon nicht fey,
. davon bin ich überzeugt, denn diefe wird ja nun auch vor
Gott in Erinnerung gebracht, und hier durch den Vortrag
des heiligen Sehers ausdrüdlich unterfchieden: Jeruſalem
Kann ed aber eben fo wenig ſeyn; denn diefer Ort kann wes
‚gen der Gebirge, die ihn von Morgen, Mittag und Abend
umgeben, nie eine große Stadt werden, wenn man fie mit
andern großen Städten in Bergleihung ſetzt; ich glaube, «6
ift die Stadt, von welder "Kap. 11. V. 8. fo geheimnißvoll
geredet wurde; fie gehört unter das Siegel der fieben Dons
ner, folglich darf man noch nichts darüber beftimmen; wenn
ſich einmal die zween Zeugen zeigen werden, dann ift das
+ Siegel erbrochen, und dann werden wir ſehen, wo die große
re Stadt ift.
Dann heißt es ferner: Die Städte der Heiden fielen, fie
| — vom Erdbeben zuſammen: das iſt, nachdem die alls
gemeine große Hauptfladt der Empörung durch drei Partheien
zerrüttet worden, fo geht es nun allen ihr untergeordneten
Städten der vevolutionifirten Nationen nod) viel, ſchlimmer,
ſie serfallen gan}.
318 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
Daß große Elend, welches durch alle diefe Zornfchaalen,
und befonders durch dieß unerhörte Erdbeben, verurfacht wird,
bringt die Himmelösbewohner, vermuthlich die vier und zwan⸗
zig Aelteften, dahin, daß fie der großen Babylon vor Gott
gedenken, weil fie doch im Grund die erfte Haupturfache
alles dieſes Jammers iſt: Diefe hats verdient, fagen fie,
daß du fie den Becher deines grimmigen Zorns bis auf die
Hefen ausfchlürfen läffeft. Es geſchieht aber auch, wie wir
in den folgenden zweien Kapiteln finden werden.
Die Zufeln find die Erde im Meer, alfo die politifche Vers
afung der Seeftaaten, daß diefe dad Erdbeben ganz weg
jagt ? ift natuͤrlich.
Die Berge bedeuten in der politifchen Verfaffung die höhes
ven Stände, und die Thäler die geringern; daß jenes polis
tifhe Eröbeben die Erde ganz ausebnen, und alle Stände
gleich machen werde, das verfteht fich von felbft. i
Endlich Fommt nun noch der große Hagel dazu, in wels
em jeder Stein oder Hagelfern ein Talent d. i. 125 Pfund
wiegt; wem diefer auf den Kopf fällt, ver ftärzt hin ohne
wieder aufzuftehen. Hagelwetter bedeuten in der prophetiz
fchen Sprache Krieg; wir finden davon ein Beifpiel Kap. 8.
DB. 7. unter der erften Pofaune, Hier wird vermuthlich daß
naͤmliche darunter verftanden ; die nunmehr ganz zerrütteten
Nationen werden fich durch innerliche ‚Kriege felbft ganz aufs
zeiben, und dann, ohne fich zu befehren, oder das Alles
als göttliche Gerichte über ihre Greuel anzufehen, in die Aufs
ferfte und niedrigfte Barbarei wieder zurückfinfen, ed werden
aber wohl nicht viele alle diefe ſchrecklichſten Landplagen
überleben.
Durch diefe Erklärung des Geheimniffes der fieben Zorns
fchaalen wähne ich Feineswegs die ganze Bedeutung erfchöpft
zu haben; es Fann wohl feyn, daß fie im Verfolg ihre Wir-
fungen immer deutliher, und auch wohl ins phoſi ſche uͤber⸗
—— —
Kap. 17. V. 1. bis 3. 519
/
Das fiebenzehnte Kapitel,
1. Und es Fam einer von den ſieben Engeln, welche bie
fieben Schaalen hatten, und er redete mit mir und
fprah: Komm ber! — ich will dir das Gericht über
die große Hure zeigen, welche auf vielen Waffern fist.
2. Mit welcher gehuret haben die Könige der Erden, und
von deren Hurenwein die Erdenbewohner trunken wors
den find.
5. Und er führte mic) in der Entzüclung weg in die Wüſte;
und ich fahe ein Weib auf einem farmofinrothen Thier
figen, welches mit Namen der Läfterung angefüllt ssar,
und fieben Köpfe und zehu Hörner hatte,
- Menn man die Apofalypfe nur fo obenhin und nicht mit
der gehörigen Aufmerffamfeit Tiest, fo kommt fie einem wie
ein verworrened Gemifche von feltfamen, aber doch großen
und majeftärifchen Bildern und Ausdräcen vor; fobald man
fie aber mit dem prophetiſchen Licht, mit Gott ergebenem
Sinn, und feiner Erleuchtung offener Seele betrachter, fo
erfcheint fie in einer ſolchen wohlgewählten Ordnung, daß
man ſchon daraus ihren göttlichen Urfprung erkennen Fann.
Mer diefe meine Erklärung derfelben aufmerffam betrachtet,
der wird das Alles fo finden, und Gott über diefen herrlichen
- Schluß feines heiligen Worts verherrlichen,
Die fieden Schaalen find num ausgegoffen, und damit nun
auch diefes vierte Gericht über die abendländifche Chriften:
heit vollendet; jet find aber nun noch die vier. Hauptfeinde
übrig, namlich? Die babylouifche Hure, das Thier aus dem
Meer und Abgrund, mebft dem Thier aus der Erden oder
dem falfchen Propheten , und endlich dem Drachen felbft.-
Das Gericht über diefe viere Läuft, wenigftend zum Theil
noch, mit den legten Zornfchaalen gleichzeitig fort, allein
J
520 Erklärung: der Offenbarung Johannis,
der heilige Seher kann doch nicht alles zugleich erzählen, da=
her folgt zwar eins regelmäßig aufs andere, fo wie ed nach—
einander in Erfüllung geht, aber bei jeder neuen Erzählung
muß denn doc) der Erzahler oft der Zeit nach wieder zuruͤck—
gehen, und noch einiges nachholen. Dieß ift nun aud) bei
diefem 17ten Kapitel der Fall: Zohannes wird in feinem Ges
ficht jetzt wieder in die fünfte Zornſchaale zurück verfeßt,
wodurch nämlich der Thron des Thiers verfinftert wird, im
diefem Zeitpunkt fieht er das Weib auf dem Thier reiten.
Hier muß ich eine Auferft wichtige Bemerkung machen.
Gerade jeßt, diefes 1798fte Jahr, ift der Zeitpunkt, in
welchem Johannes in feiner Entzuͤckung das Gefiht des 17.
Kapitels ſahe; und es entfteht die höchft merfwärdige Frage:
Warum und jeßt Lebende der hohe und erhabene Geift der
MWeiffagung, für allen Zeitgenoffenen der verfloffenen 1700
Sahre, feit der Publikation diefer Offenbarung, gerade ges
wiürdiget habe, durch einen Engel eine genaue Erklärung
dieſes Gefihtd zu geben? — denn vermdge des Tten und
aller folgenden Verſe dieſes Kapitels, wird dem heiligen
Seher durch einen Engel alles erklaͤrt! —
Die Antwort hierauf iſt nach meiner geringer Einſi cht fol⸗
gende: Es gab während dieſen Jahrhunderten keinen Zeite
punkt, in welchem eine ſolche Erklaͤrung fo nöthig war, wie
eben jet; wir fehen, daß der Unglaube und die bloße Vers
nunftreligion dergeftalt wächlt, daß fie alles zu verfchlingen
droht; die fo Aufferft vernünftige und feſtgegruͤndet fcheinende
Philoſophie vernünftelt uns ‚Chriftum und die Bibel weg,
und man kann fid) Faum des Zweifels erwehren, ob fie wohl
nicht recht haben koͤnnte? fogar die rechrfchaffenften Männer
gehen einen ſolchen Mittehveg zwifchen Neologie und Theo⸗
logie, daß einem dabei angſt und bange wird; denn wenn
auch dieſe recht haben, ſo iſt es mit allen unſern Hoffnungen,
die wir auf die Bibel gründen, Nichts! Das alte wahre
Chriſtenthum wird fo allgemein entfchieden für baare Schwär-
merei erklärt, daß Man von vernünftigen Leuten bedauert,
und von andern für halb wahnfinnig gefcholten wird, wenn
man ſich nur,leife Dazu befennt; — und bei dem allem, bei
Kap. 17.8. 1. bis 3. m.
allem unferm Sehnen nach —— Licht und nach einer
naͤhern Offenbarung unſers ſo ſehnlich erwarteten und innigſt
geliebten Erloͤſers, laͤßt Er ſich weder hoͤren noch ſehen.
Zwar ſollten wir bei dem Allem bedenken, daß uns Chri⸗
ſtus das Alles vorhergeſagt hat: Vor ſeiner Zukunft wuͤrde
bei vielen der Glaube verloͤſchen, Er werde wenig Glauben
mehr finden auf Erden, wenn er einft wieder Fame m. f. w.
Wir follten uns erinnern, daß eben die hohe Glaubensprobe,
in welcher wir und befinden, dann, wenn wir fie muthig
beftehen und treu aushalten, und Letzte zu den Erften in
feinem Neid) machen werde, und bei dem Allem läßt Er fich
doch im Innern durch feinen Geift an und auch nicht unbes
zeugt, und er gibt denn doch jedem unter uns fo viele Geiſtes—
nahrung, als er zum Ausharren bedarf. Indeſſen ift es
denn doch ein fchwerer Stand, in weldhem wir uns befinden —
und die fo genaue und pünftliche Erfüllung diefes und zur
Lehre, zum Troſt und zur freudigen Hoffnung der nahen
Erlöfung gegebenen 17ten Kapiteld Fann uns überfchwenglich
ſtaͤrken. Der verflärte Bengel hat vor mehr als fünfzig Jah
ren durch feine vortreffliche Erklärung diefes Kapiteld uns
den Weg gebahnt, daß wir nun jeßt die Erfüllung dieſes
Kapitels hell und klar fehen und verftehen koͤnnen; befonders
aber leiftet uns fein apofalyptiiches Rechnungsſyſtem bei der
Einſicht in diefe Erfüllung ſolche Dienfte, daß wir und nicht
genug darüber freuen und Gott deswegen verherrlichen koͤn⸗
nen. Gelobet ſey der Herr in feiner Zukunft!!!
Einer von den fieben Engeln, die die Zornfchaalen aus⸗
gegoffen hatten, vermuthlich eben der Fünfte, nahte fi) dem
Johannes und fagte zu ihm: Komm! ich will dir die große
Hure zeigen, die auf vielen Waffern fie! — Der Apoftel
folgte, und ed war ihm in feiner Entzüdung, ald wenn er
weit weg in die Wuͤſte geführt würde, Diefe Wüfte waren’
damals die Abendländer, in welche auch dad Sonnenweib
geflohen war. Der Engel befchrieb ihm das Weib noch
näher, als eine treulofe Ehegattin, die ihren rechten Mann
verlaffen und mit andern zugehalten hätte, und diefe feyen
die Könige der Erden, das iſt, der europaiſchen ai
Stilling's ſammtl. Schriften. IIL. Band. 21
322. Erklärung der Offenbarung Johannis
‚gewefen. Die Verftellung einer falfchen abgewichenen Kirche
unter den Bilde einer treulofen Gattin oder Hure, ift dem
Geiſt der Weiflagung fehr geläufig, befonders werden auch
Ezech. 25. die Konigreihe Juda und Sfrael ſo geſchildert.
Unter diefem Weibe wird alfo eine falfche chriftliche Kirche
verftanden; daß es die griechische nicht feyn Fann, ift daraus Klar,
weil ihr Schickſal durch die ſechs erften Pofaunen fchon ent:
fhieden ift, folglich muß es die romifche feyn; warum fie
auf vielen Waffern fist, das wird im Verfolg vom Engel
felbft erklärt: Daß fich die chriftlihen Könige an fie ge:
bangen, und im geiſtlichen Sinn mit ihr gehuret, das ift, au) -
die wahre Kirche verlaffen haben, ift richtig und pünktlich
erfüllt: worden 5 eben fo find auch alle Bewohner der europäis
ſchen Ehriftenheit von dem Wein ihrer Hurerei, ihres Uber:
glaubens, fo beraufcht gewefen, daß fie nicht mehr wußten,
was fie thaten.
Dieß Weib fieht nun der heilige Seher in einer höchft
merfwärdigen Stellung — er fieht fie auf dem großen Thier
figen, das er im 13ten Kapitel fchon umftändlich befchrieben
hat, auffer daß es da eine fledigte, dem Pardel ähnliche,
Haut hatte; jet aber ift es karmoſinroth; es hat fich feinem.
Urbild, dem großen feuerrothen Drachen, ſchon fehr ges
nähert; das ift, die rdmifche Politik fängt nun au, abgrunds⸗
mäßige Grundfäge anzunehmen, die Larve des Aberglaubens
abzulegen, und drachenmäßig durch den Unglauben zu wirken.
Dieß Sigen oder Reiten auf dem großen Thier hat Bengel
fhon vor fünfzig Fahren fo erflärts Die Stadt Rom werde:
von. der Gewalt des Pabftes befreit werden, Diefer werde
feine Macht verlieren, und das Alles werde und mäffe feiner
Zeitrechnung zufolge am Ende diefes Jahrhunderts gefchehen.
In der Einleitung zu näherer und deutlicherer Aufklärung
der Offenbarung Johannis, Carlsruhe 1784. bei Maklot,
wird hinten im Anhang ©. 25. das Jahr 1130 als der Ans.
fang der 666 Zahrıder Regierung des Thiers beflimmt, wo:
durch) dann das Zahr 1796) der Termin wird, in weldem
das Weib auf das ZThier Br und ah in den BURN,
des — geraͤth. J
*
Kap. 17.3 1. big 3 325
Wie genau alfo diefe Weiffagung eingetroffen, wie wahr
Bengelö und des ungenannten Verfaſſers des legten Buchs
" Erklärung fey, das hat der Ausgang in diefem Jahr bewies
‚fen. Wirklich ift jet das Weib auf das Thier geftiegen, und
dad Thier in den Zuftand des Nichtfeynd verfegt worden;
die fünfte Schaale ift über feinen Thron ausgegoffen worden.
- Liebe Zeitgenoffen alle — wer ihr auch feyn möge! — dieß
Geficht fah Zohannes vor 1700 Jahren, Bengel erflärte es
vor fünfzig, und der Ungenannte vor vierzehn Jahren, und
in allen dreien Zeitpunkten ließe fich doch, wahrlich! aus der
politifhen Verfaffung Europens von allem dem nicht das Ges
ringfte folgern, und alle drei haben die Wahrheit gefagt und
das Ziel getroffen. Sagt nun felbft, ob man nun auch) noch
an der Gdttlichfeit der Apofalypfe zweifeln Fünne? — und
wenn man nun das nicht Fann, wer hat dahn recht? —
- Die Deiften, Illuminaten, Jakobiner, Neologen oder wir
altglaͤubige Ehriften? —
Dieß führt und nun zu dem vernünftigen und richtigen
Schluß: Zft die hohe Offenbarung bis daher pünktlich eine
getroffen — fo daß man dad Gegentheil unmöglich behaups
ten kann, fo ift fie von Gott — dann aber ift auch alles
wahr, was fie fagt; dann ift Chriftus wahrer Gott, und
die altevangelifche Kehre von der Verſoͤhnung, göttliche Wahrs
heit, und alle, die anders lehren, find a einem gefährlis
hen. Srrwege. Fernerz
ae - «
Wenn der fel. Bengel, nad) feinem Grflärungs: und apo⸗
Falyptifchen Zeitrechnungsfpftem, vor fünfzig Jahren: ſchon
ein ganz befonders Faktum beftimmte, das unmöglid aus
der damaligen politifchen Verfaffung herausgefolgert werden
Fonnte, und fogar die Zeit ungefähr feftfegte, in welcher es
gefchehen follte, fo muß jein Erklärungsfoftem in der Haupt⸗
ſache und feine Rechnung wahr feyn. Was bleibt uns ‚nun
anders übrig, als glauben? und wir fünnen nun gewiß feyn,
daß in der nahen Zufunft auch alles Uebrige eintreffen werde,
Darum laßt uns ausharren, dulden und hoffen.
Ueber die Namen der Läfterung , die fieben Köpfe und die
zehn Hörner leſe man meine Erflärung des 15ten Kapitels.
21 *
5% Erklärung ber ‚Offenbarung Johannis.
. 4. Und das Weib war bekleidet mit Purpur und Kar:
mofinfarbe, und überguldet mit Gold, und koſt⸗
baren Steinen und Perlen, und hatte einen goldenen
Becher in ihrer Hand, angefüllt mit — Un⸗
reinigkeiten ihrer Hurerei.
5, Und auf ihrer Stirne hatte fie den geſchriebenen Na=
ment Geheimniß, Babylon die Große, die
Mutter der Huren und der Öreuel der
Erden
6. Und ic) fahe das Weib trunken von dem Blut der
Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jeſu; und
ich erftaunte, als ich fie fahe, mit großer Berwunderung.
Sogar im buchftäblichen Sinn trifft diefe Befchreibung ein: _
Die Purpur= und Karmofinfarbe ift vonsjeher die Leibfarbe
des römischen Hofs gewefen; im prophetifchen Berftand aber,
wo diefe Farbe Verfolgungswuth, Blutfucht und die Drachen:
politik bedeutet, ift fie eben fo paffend. Der übrige Schmud
von Gold, Perlen und Edelfteinen ift ihr Hurenputz, den fie
von den Königen der Erden zum Lohn befommen hatz und
der Becher in ihrer Hand, der mit ihrer gottlofen Lockſpeiſe,
ihrer von Gott und Chrifto ab- und zu ihr hinführenden
Lehre angefüllt ift, wurde von jeher allen angeboten, und
wehe dem, der nicht daraus tranf! — und noch weher dem,
der ihn annahm! Dieß alles ift deutlich, und bedarf feiner
weiteren Erklärung.
Die Aufichrift an ihrer Stirn zeigt, wer fie iſt; fie ift
wohl nicht ſchuld daran, daß fie da ſteht; — aber fo, wie
man einem Lafterhaften gemeiniglich das Lafter ſchon im Ger
fit anfieht, und auch wohl von ihm fagt: Dem ftehtö vor
der Stirn gefchrieben, wes Geiftes Kind er fey, fo aud)
hier. Das Wort Geheimniß bedeutet, daß diefe neuteftas
mentifche Babel, die eben fo die Hauptfeindin ded Volks
Gottes ift, wie das natürliche Babel im alten Bunde war,
ein Geheimniß enthalten, daß fich erft mit der Zeit enthüllen
würde. Dieß Geheimniß gehört in die Zeit, in welcher das
Weib auf dem Thron fit, folglic) in die unfrige; — denn
Kapı 17. V. 4. bis 8, 325
‚eben jeßt fieht ed Johannes an ihrer Stirn! — Wenn wir
nun bedenken, wie ohnmächtig jegt die Stadt Rom iſt, und
daß dem, wahrlich trunfenen Weibe eine fremde Macht auf
den Rüceh des Thiers geholfen hat, fo ift der Verfolg in
der That ein Geheimniß und ein Räthfel, welches wir der
Vorfehung zur Aufldfung überlaffen wollen. Der Name felbft:
Babylon die Große, die Mutter aller falfchen Kirchen in der
Ehriftenbeit, ift für fich felbft Har.
Die Bluttrunfenheit rührt aus den alten und neuen Zeiten
her; fchon zu Thyatira, Kap. 2. DB. 20— 23. fing diefe
Jeſabel ihre Ränfe an auszuäben; von der Zeit an ift fie
auch nicht nüchtern geworden; freilich hat. fie in den leten
Sahren bis daher wenig mehr getrunfen,, aber die Bluttruns
kenheit vergeht fehr fchwer und hält lange an.
Sohannes erfchrad über dieß Gefiht, er war beftürzt für
Derwunderung; denn er fahe wohl ein, daß den wahren
Berehrern Jeſu noch fchwere Zeiten bevorſtunden.
7, Und der Engel ſprach zu mir: Warum munderft du
dich? — Ich will dir das Geheimniß des Weibes
und des Thiers, welches fie trägt, und die fieben Köpfe
amd die zehn Hörner hat, fagen,
8. Das Thier, welches du gefehen haft, war, und ift
nicht, und wird auffteigen aus dem Abgrund, und ins
Verderben hingehen; und diejenigen, die auf Erden
wohnen, deren Namen nidyt von Gründung der Welt
ber ins Buch des Pebens gefchrieben find, werden ſich
verwundern, wenn fie das Thier fehen, daß es Bar,
und nicht ift, und da feyn wird,
N Der Engel fcheint es zu mißbilligen, daß Johannes über
a das Thier und ſeinen Reiter ſo erſtaunt und beſtuͤrzt iſt;
darum ſagt er gleichſam: Warum wunderſt du dich denn ſo? —
das laß du denen uͤber, die nicht von jeher im Lebensbuch
ſtehen: für die wahren Verehrer Jeſu aber ift dieß Fein Ges
genftand des Staunens. Zudem wird dir das Geheimniß
diefes Gefichts nicht mehr fo bewundernswürdig ſeyn, wenn
ich dir es erklärt habe: Denn du follft nun erfahren, wer
526 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
das Meib ift, und was das Thier, das fie trägt, mit feinen
fieben Köpfen und zehn Hörnern bedeute, Hierauf fängt
nun feine Erklärung an.
Diefe Erklärung müffen wir fo anfehen, als wenn fie
jeßt in diefem Jahr von dem Engel zu uns gefprochen würde:
Denn jebt ift das Thier in dem Zuftand, worinnen es hier
Johannes fieht, und wenn wir diefe Nede in diefem Licht
betrachten, fo muͤſſen wir erftaunen, wie genau alles zutrifft.
Hier hat und Bengel, und nad ihm der ungenannte Vers
faffer des vorhin angeführten Garlöruher Buchs fo vorgear⸗
beitet, daß man ihnen nur zu folgen braucht.
Nachdem der Engel dem frommen Seher den leifen Ver:
weis gegeben, und ihm die Erklärung des Geſichts verſpro—
chen hat, fo wendet Johannes feine Augen vom Thier ab,
und fieht den Engel an; dieſer beginnt nun die Belehrung
und ſpricht: Das Thier, das du nun gefehen haft, war,
und ift jegt nicht, aber ed wird aus dem Abgrund auffteis
gen, wieder zum Vorſchein kommen, und paabı ends
lich ins Derderben hingehen.
Daß unter dem Bild diefes FREE ER Thierd das
rdmifche Pabſtthum, in fofern es die Alleinherrfchaft über
die ganze Menfchheit an Gottes ftatt zum Zwed hatte, vers
fianden werde, ift längft ausgemacht. Bon diefem Thier
heißt es nun bier, es war — daß dieß vollfommen richtig
fey , davon find wir alle Zeugen — e8 ift gewefen, es war,
und jetzt iſt es nicht; der Thron ift leer, und der bes
Dauernewürdige Greis, der zulett drauf faß, lebt im Elend;
die Zornfchaale des fünften Engels hat den leeren Thron vers
bunfelt. Jetzt fängt alfo das merfwärdige Nichtfeyn des
Thiere aus dem Meer an; aber dieß namliche Thier wird
nad dem Ablauf der Verfinfterung feines Throns wieder
erfcheinen; dann aber wird ed mit Abgrundsträften geftärkt
feyn , und fohredlicher wüthen als jemals, dieß wird aber.
dann nicht lang währen, denn der Herr wird fommen, und
ed aufewig dahin ſchleudern, woher es zuleßt heraufgeftiegen ift.
Während diefem Nichtfeyn des Thiers, in welchem zwar
feine Larve da ift, fein Lebensgeift aber nicht, weil es nicht:
Rap 17. V. 4. bis 8. 327
regiert, und dieſer in den Abgrund geſtiegen iſt, ſitzt das
Weib auf ihm. Dieß Sitzen ſcheint nicht viel zu bedeuten,
und es wird auch fernerhin nichts mehr von ihr geſagt, als
daß ihr endliches ſcöreckliches Gericht gekommen ſey; man
ſollte alfo daraus ſchließen, daß es jetzt die neue römifche
Republik nicht weit bringen werde, ſondern daß vielmehr
ihre gänzlihe Vertilgung von der Erde nahe fey. Diefer
MWeiffagung zufolge ift ed eben nicht nöthig, daß das Thier
aus dem Abgrund zu Rom feinen Sit habe, die Regierung
der fieben Köpfe auf den fieben Bergen wird während dem
Nichtſeyn des Thiers vollends ausgeführt; es felbft aber wird,
wenn es aus dem Abgrund wieder fommt, der achte feyn.
DB. 11. Der bat dann in-Rom feinen Berg mehr, und kann
daher an einem andern Drtrefidiren, diefe Refidenz ift die große
Sodoma und Egypten, wo auch unfer Herr gefreuziget ift,
wo die zwei Zeugen todt auf der Gaſſen liegen, und nad)
dreien und einem halben Tag wieder aufftehen werden; Kap. 11.
V. 8. u. f. die nämliche große Stadt, die unter der fiebenten
Zorufchaale in drei Theile zerfallen wird. Kap: 16. ®. 19.
Hier ift aber auch nun der Ort, wo ich zeigen muß, was
es mit dem Auffteigen des Thierd aus dem Abgrund für
eine Bewandtniß habe: ES ift einmal ein fefter Grundfag,
daß das Thier eine irdifche Macht ſey, die die Univerfal-
berrfchaft über die gefammte Menfchheit an Gottes ſtatt zu
erringen ſucht; — Rom hatte diefen Zweck, als es noch
heidniſch war, und brachte ihn auch ins Chriftenthum mit;
während diefer Zeit aber herrfchte das Thier aus dem Meer
durch den Aberglauben in diefer Stadt, zu dem nänlichen
; Zweck; — jest hat ſich aber nun eine andere Macht gebil:
det, welche ebenfalld nad) der allgemeinen Herrfchaft ringt,
zu diefem Ende aber den Unglauben braucht, und zugleich
das Chriſtenthum befämpft; diefe Macht nimmt dem Thier
aus dem Meer feine Larve ab, hebt das Weib auf feinen
Nüden, und fucht nun die Univerfalmpnarchie an ſich zu
ziehen; bei allem diefem Anfchein ift aber doc) diefe Macht
das Thier aus dem Abgrund nicht, fondern fie bahnt ihm
den Weg; es ift auch möglich, daß dieß Thier in diefer
528 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
Nation aufſteigt, ſie beherrſcht, und durch ſie ſeine Plane
ausfuͤhrt; aber das eigentliche Thier aus dem KUREN if
fie nicht, und zwar aus folgenden Gruͤnden:
1) Das Thier aus dem Abgrund erfheint erft, wenn das
Thier aus dem Meer eine Zeitlang im Nichtfeyn geftans
den hat; jene Macht aber war fchon in Thätigfeit, als
dad Thier aus dem Meer noch war; und
2) das eigentliche Thier aus dem Abgrund wird ald eine
einzelne Perfon 2. Thef. 2. V. 3. bis 19, vorgeftellt.
(Man lefe diefe merfwürdige Stelle mit Aufmerffamfeit;
denn und geht fie vorzüglich an, weil.viele von der ges
genwärtigen Generation feine Ankunft erleben werden.)
Da heißt dieß Thier der Menfch der Sünden, das Kind
des Verderbens, der MWiderwärtige, der Gefeglofe, u. ſ. w.
Auch) in der Weiffagung Danield wird es als das Drs
ginal, zu welchem Antiohius Epiphanes dad Vorbild
war, vorgeftellt. Kap. 11. und 12.
Tolglih ift das Thier aus dem Abgrund eine einzelne
Perſon, ein großer Regent; — wie er heißen wird, Pabft,
König, Kaifer oder General, das wiffen wir nicht; genug, er
wird der Antichrift, gerade das Gegentheil von Ehrifto ſeyn;
er wird eine Macht fommandiren, die fhon voraus den Geift
des MWiderchriftenthums und abgrundsmaßige Ränfe und
Politik in der Uebung hat: vermittelt diefer Macht wird er
in wenigen Sahren fein Beftes thun, den alten Drachenzwed,
die Univerfalherrfchaft über die ganze Menfchheit zu erringen,
und die. hriftlihe Religion zu vertilgen; plößlich wird aber
alsdann der König aller Könige, der Herr aller Herren er—
foheinen , und ihn mit allem feinem Heer und feinen Verbüns
deten ind Verderben flürzen, wie im Verfolg gezeigt wer⸗
den wird.
Dieſes große Genie werden dann diejenigen bewundern
und verehren, deren Namen nicht von Gruͤndung der Welt
her im Buch des Lebens ſtehen, die folglich die Wahrheit
von Jeſu Chriſto verachtet und wicht — genug ge⸗
funden haben.
— eu ——
— ——
Kap. 17. 89. bis au 329
Man huͤte fich für Verführung, er wird ſehr ſcheinbar
und glänzend auftreten, und große Talente befigen.
9. Hier ift der Verſtaud, der Weisheit hat, Die fies
ben Köpfe find fieben Berge, morauf das Weib fist,
und find auch fieben Könige;
10. Die fünfe find gefallen, der Eine ift, der Andere
ift noch nicht gefommen, aber wenn er fommt, fo
\ muß er eine Eleine Zeit bleiben,
41. Und das Thier, welches war und nicht ift, ift ſelbſt
der Achte, und aus den Sieben, und gebt ins Ders
derben bin,
Diefe drei Verfe geben den Hauptauffhluß in diefem Ges
heimniß; daher: heißt ed auch: Hier bedarfs Verftand, der
mit Weisheit audgeräftet ift, und diefen Verftand hatte
Bengel; er allein hat aus der Gefchichte. die Sache ins hells
fie Licht gebracht, fo daß man mit Erftaunen bemerft, wie
alles fo pünktlich erfüllt if. Siehe feine erklärte Offenbas
rung dritte Auflage Seite 239. u. f. Noch deutlicher entwis
delt fich der ungenannte Verfaffer der Einleitung zu naͤherer
und deutlicher Aufklärung. der Offenbarung Johannis, Karlds
ruhe bei Maklot, im hiftorifchen Theil ©. 146. u. f.
Diefen Schriften zufolge find alfo folgende fünf Berge
von den fieben, auf denen die Stadt Rom liegt, bis in das
gegenwärtige laufende Jahr die pabftlihen Regierungsfige
gewefen, auf denen fie abwechjelnd gewirkt und ihre Krafts
thaten ausgeführt haben.
1) Der Eoelius, auf welchem das Lateran ſteht; hier fing
Hildebraud die 666 Regierungsjahre des Thiers aus
dem Meer an; bier wurden wichtige Bullen ausgefer=
tigt, und die vier lateranenfifche Koncilien gehalten,
wodurch die Unabhängigkeit der Päbfte, ihre Univerfals
monarchie und viele greuliche Irrthuͤmer zu Glaubens»
lehren gemacht wurden,
2) Der Berg Vatican, wo die große Peterskirche ſteht,
and die gewöhnliche Refidenz der Päbfte war; hier
fing Bonifazius der Achte fein Weſen an zu treiben,
550 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
und hier iſt erſtaunlich viel geſchehen, das in der Me:
gierung des Thiers aus dem Meer merfwürdig ift.
3) Der Berg Aventinus mit feiner Kirche zu St. Sabina;
hier hatten die Paͤbſte Honorius der Dritte und der Vierte,
und Klemens der Neunte ihren Sitz; hier fliftete Ho—
norius der Dritte die vielen Orden, gewiß eine Thierss
Fopf= würdige Regierungsanftalt; fonderlic wurden aud)
bier die Dominifaner und Franziskaner beftätigt.
4 Der Berg Quirinalis Fam Anno 1464 unter Paul dem
Zweiten dazu; hier ift die päbftliche Sommersefidenz mit.
der Markuskirche; von hier aus wurde das tridentinifche
Koncilium dirigirt; auch pflegte da die Inquiſition ihre
Berfammlungen zu halten, gewiß auch eine Anjtalt, die
zum Thieröfopf paßt.
5) Der Berg Exquilinus, mit der Kirche Maria Maggiore;
auf diefem Berge ift viel merfwürdiges gefchehen, beſon—
ders ift da auch die wichtige Bulle Unigenitus auögefer:
tiget worden.
Diefe fünf Berge, Feiner mehr und Feiner weniger find die
fünf Köpfe oder fünf Föniglihe Mächte, die jet, da nun das
Weib auf dem Thier figt, gefallen find. Pünktlich ift das
alles eingetroffen!!!
Das Wort König wird Hier bildlich verftahinis es bedeutet
eine Fönigliche Macht, die befonders einen Hauptzwed, je
nach den Bedürfniffen ihrer Zeit im Auge hat, und nad) dies
fer Erflärung find auch die gefallenen fünf Berge und koͤnig—
lichen Mächte merklich von einander verſchieden; denn:
Auf dem Eovelius oder Vatican unterjochte der erſte
Kopf den Kaifer und alle chriftliche Regenten des Occidents.
Auf dem Vatican hatte der zweite Kopf die Tendenz
zur Univerfalmonarchie zur Wirkjamkeit gebracht und
unterhalten.
Auf dem Aventinus find die geiftlichen Streiter, die
Heerfchaaren errichtet worden, womit man fi [hüßen,
und die Monarchie immer mehr erweitern wollte.
Auf dem Duirinalhatte ed der vierte oder mittelfte Kopf
mit feiner tödtlichen Wunde und deren Heilung zu thun,
u zu a cn mn Da in
WE ET ran
u ei en er
weil er den Muthwillen zu weit getrieben hatte: diefer
Kopf rief das Thier aus der Erden herauf:
Auf dem Ex quilin uͤbte der fünfte Kopf bid an feinen
Fall die fünfte Politik aus, um fich zu erhalten, zu ſchuͤtzen,
und das durch Schlauheit zu erreichen, was ie durch
Bannftrahlen erreicht worden war.
Man wiederhole hier, was ich in meiner Erklaͤrung des
15. Kapitels uͤber die ſieben Berge der Stadt Rom geſagt habe.
Jetzt ſind nun noch zwei Berge uͤbrig, der Capitolinus
und der Viminalis, oder auch der Palatinus, wenn er wieder
bebaut werden ſollte. Auf dem Capitolinus oder Capitolium
hat jetzt das Weib wieder wie vor Alters feine Regierung errichs
richtet. Dieß Capitolium ift alfo der fechste Kopf, der fi)
jet zum Herrfchen anſchickt und vorbereitet, daher jagt auch
der Engel:
Sekt, da dad Weib auf dem Thron figt, das ift, von
1798 au, find fünfe gefallen — der Eine (nämlich der
fechöte) ift gegenwärtig — und dieſer ift, wie wir nun in der
Erfüllung fehen, der Gapitolinus. Was nun noch alles aufs
und im diefem Kopf vorgehen wird, das wird fich zeigen; lang
wirds aber nicht mit ihm währen, fo wenig, als mit feinem
Nachfolger. Aeußerſt merkwürdig ift’$, daß die Stadt Rom
fieben Senatoren angefegt hat — warum nicht fünf oder
neun, wenn wegen des Votirens die Zahl ungerad feyn
muß? — fie muß ihr fiebenföpfigtes Thier immer darftellen,
das ift nun einmal nicht anders — während der Zeit befteht
das franzöfifche Direktorium aus fünfen, anftatt der fünf ges
fallenen Köpfe, damit während dem Nichtfeyn des Thiers und
der Verdunflung feines Throns doch die Zahl immer voll
bleibt. Wahrlich! es ift erftaunlih!!!
Bon dem fiebenten Kopf fagt nun der Text ferner: Der
andere (nämlich der Siebente) ift noch nicht gefommen, aber
wenn er auch Fommt, fo ift doch feines Bleibens nicht lange,
er muß auch bald fallen. |
Ob ein neuer Papft auf diefem Kopf, unter. oder über,
oder neben dem Weibe regieren? — oder ob das Weib felbft
auch den fiebenten Kopf brauchen werde? das Finnen wir
nicht ‚wiffen, wir werden es aber bald erfahren.
332 Erklarung der Offenbarung Johannis.
Hierauf Fommt nun das Thier felbft in aller feiner Abs
grundsmacht aus der Tiefe herauf; jet gibt es wichtige
Auftritte, wichtigere, ald ed vom Anfang der Welt her geges
ben hat. Von diefem fagt hier der-Engel: Dieß Thier, wels
des war — und jeßt im Nichtſeyn fteht, ift dann am
Schluß felbft der achte König. — Diefer entſteht au
aus den ſieben; und diefer iſt's, der dann endlich ins
Berderben geftürzt wird.
(Der Ausdrud war — ift nicht — wird wieder kommen,
oder wird ind Verderben hingehen, bedeutet den Gegenfaß
des Hauptfeindesz; gegen den hohen Charakter Ehrifti oder
des Jehovah; er war — ift und wird feyn, — ich
nur im Vorbeigang bemerken wollte).
Sn dieſer Rede des Engels iſt alles deutlich, —— den
Worten: Dieſer achte König iſt oder entfleht aus
den fieben — dieſer Ausdruck iſt geheimnißvoll, und kann
ſchwerlich anders als durch die Erfüllung ſelbſt erklaͤrt wers
den; fo viel ift aber gewiß,. daß er auf den Urfprung des
eigentlichen Thierd aus dem Abgrund, oder des Menfchen
der Sünden zielt. Ob nun diefer zuerft in Nom auf einem
der fieben Berge regieren, ein römifcher Herr, und hernach
der Achte feyn? — oder auf welche Weife diefe Worte erfüllt
werden follen, das wollen wir der Vorfehung überlaffen.
12. Und die zehn Hörner, welche du gefehen haft, find
zehn Könige, welche das Neich nicht empfangen has
ben, aber wie Könige werden fie eine Stunde lang
mit dem Thiere Gewalt befommen,
15. Diefe haben einerlei Gefinnung, und geben ihre Ge⸗
walt und Macht dem Thier.
14. Dieſe werden mit dem Lamm Krieg führen, und
das Lamm wird ſie überwinden, denn es iſt der Herr
der Herren, und der König der Könige, und mit ihm
die Berufenen, die Uuserwählten und die Gläubigen,
Da von diefen Verfen an nun alles noch zukünftig ift,
fo muß. ich mit großer Behutfamfeit verfahren, weil diefe
MWeiffagung , wie dad gewoͤhnlich der Fall ift, auf mehr als
Kap. 17. V. 12. bis 1% "a 353
einerlei Weiſe ganz richtig erfüllt werden kann; ich, bitte
daher auch meine Leſer, nur immer den Zweck aller Weifja:
gungen im Auge zu behalten: Daß fie nämlic) Zeugnifle der
Wahrheit der heiligen Schrift, und der darauf gegründeten
chriftlichen Religion feyn, und und nur Winke auf die Zukunft
geben follen, damit wir wiffen möchten, wo es hinaus will;
wenn wir alfo glauben, einen wichtigen Auffchluß über eine
propherifche Stelle befommen zu haben, jo mäffen wir ihn
ja nicht für zuverläßig ausgeben — hier haben eben fo viele
Ausleger der Apokalypſe gefehlt, und dadurd) den Geift der
MWeiffagung, dem Spott und der Läfterung ausgefegt. Dafür
wollen wir ung nun hüten, und in der Furcht des Herrn nur
wahrfcheinliche und vermuthliche Betrachtungen über das ans
ftellen, was nun von der hohen Offenbarung noch zu erklären:
übrig ift.
Die zehn Könige, welche durch die Hörner des Thiers vors
geftellt werden, brauchen eben nicht Könige zu heißen, gnug,
wenn fie Regenten, VBorfteher, Gewalthaber fouveräner uns
abhängiger Mächte find. Bon diefen heißt es: Sie hätten
dad Reich nicht empfangen. — Dieß bedeutet vermuchlich,
daß fie nicht durch Erbrecht, oder gefegmäßig, fondern durch
die Revolution fih auf diefen Poften gefhwungen haben,
wie wir davon fhon jet mehr als ein Beifpiel an den Mächs
ten fehen, die mit Frankreich eines Sinnes find. Diefer Könige
oder Mächte werden zur Zeit des Thiers aus. dem Abgrund
zehn feyn, und diefe zehn werden eine Stunde lang ald unab=
bängige Regenten mit dem Thier Gewalt befomnien; hier
läßt fi) eine natürliche Stunde nicht denken, fondern fie muß
prophetifch verftanden werden, in diefem Sinn ift alfo eine
Stunde, eine Zeit von acht Tagen.
Wenn aljo die zehn Mächte einen Kongreß, eine Seen
funft veranftalten, auf welchem fie innerhalb acht Tagen dem
großen Genie, welches dann auf dein Schauplatz erjcheint,
die Oberherrfchaft auftrügen, den aufferordentlichen Mann
gleichſam zum Kaiſer machten, ſo waͤre dieſe Weiſſagung puͤnkt⸗
lich erfüllt: Denn während den acht Tagen wirkten fie als
unabhängige Monarchen, und nach denfelben wäre dann ihre
55%. Erklärung der Offenbarung Johannis.
Bewalt und Macht dem Thier aus dem Abgrund übertragen.
Diefe Vermuthung wird durch den folgenden 15ten Vers
noch wahrfcheinlicher, wo der Engel fagt: Die zehn Mächte
oder Gewalthaber vdiefer Mächte wären mit dem Thier eines
Sinnes; fie hätten alle die nämlichen Regierungsgrundfäße,
die nämlichen widerchriftliche Religionsgefinnungen, und den
namlichen Geiſt; daher wird es ihnen dann auch leicht ſeyn,
in acht Tagen auf ihrem Kongreß einig zu werden, und ihre
Macht und Gewalt jenem Kraftgenie zu übertragen,
Dann wird erft recht das Thier in aller feiner Abgrundsfraft
da fiehen, und dem wahren Verehrer Jeſu und des Geiftes
der Weiffagung vollfommen kenntlich ſeyn; jetzt ift ihm. Die
Erringung der Univerfalherrfchaft über die ganze Menfchheit
eine leichte Sache ; es übt Rache an Nom aus; und vertilgt
diefe Stadt und das gefammte Papftthum von der Erde, wie
wir fogleich finden werden; ed macht Plane zur Welteroberung
u. ſ. w. — alles gelingt — alles gehorcht — nur die wah—
ren Chriften, die thytatirifch = philadelphifche Gemeinde nicht,
diefe wollen fich Feine widerchriftlihe Anftalten gefallen laſ—
fen, und immer Gott mehr gehorchen, als den Menfchen, ihre
zwei Sachwalter in der Refidenz des Thiers, die zwei Zeus
gen, Kap. 11. beftehen feft auf der Wahrheit, und dieß Alles
reizt nun das Thier mit feiner Macht auf, diefe widerfpenftige
Ehriften von dem Erdboden zu vertilgen. Was nun da ges
ſchehen, und wie das alles zugehen werde, das fagt und diefe
erhabene Weiffagung am Ende des I1ten, und in den legten
Hälften des 16ten und 19ten Kapiteld. Hier erzählt der
Engel blos ſummariſch: Das Thier und feine Vafallen, bie
zehn Könige, würden gegen das Lamm Friegen, fie würden
Ehriftum in feinen getreuen Anhängern befämpfen wollen, aber
das würde ihnen übel befommen; denn diefer König aller -
Könige, und Herr aller Herren werde fie überwinden, und
alle feine Getreuen, welche mit Ihm zu herrfchen beftimmt
find, würden einen volfommenen Sieg davon tragen,
Sm 10ten Kapitel, wo diefer vollfommene letzte Sieg aus⸗
fünrlich befchrieben wird, werde ich alles über diefen erhabes
Kap. 16.8. 15. bi 18°. 555
nen Gegenftand fagen, was ich meinen ſchwachen Einfichten
nad) fagen kann.
15. Und er fütal zu mir: Die Gemwäffer, welche du ges
fehen haft, wo die Hure fist, find Völker und Volks;
haufen, und Nationen und Spracden.
16. Und die zehn Hörner, melde du gefehen haft, und
das Thier, dieſe werden die Hure haffen, fie verwüften
und blos machen, und ihr vieles Fleifch effen, fie felbft
aber werden fie mit Feuer verbrennen.
17. Denn Gott hat ihnen ins Herz gegeben, fein Urtheil
auszuführen, und nad einmüthigem Sinn zu hans
deln, und ihr Neich dem Thier zu geben, bi$ die
Anfprüche Gottes erfüllet feyn würden,
18, Und das Weib, welches du gefehen haft, ift die große
Stadt, melde das Königreich über die Könige der
Erden hat,
Nachdem der Engel die Gefhichte des Thierd vollendet
hat, fo. wendet.er fi) nun wieder zu dem Weib, das auf
ihm teitet, nun auch deſſen Schickſal vollends zu erzählen.
Der 15te Vers belehrt uns, daß die vielen Waffer, auf '
welchem das Thier mit dem Weib feinen Stand hat, nicht
allein das im Meer liegende Stalien, fondern auch die vielen
- Mationen, das Gewühle von Menfchen, und die Völfer von
mancherlei Sprachen, mit einem Wort, die im Meer liegens
den Abendländer bedeute, über welche das Weib geherrfcht hat.
Daun heißt es ferner: Das Thier und feine Hörner würs
den die Hure haffen — dazu Fann es leicht fommen: Die
Re; Stadt Rom ift von Anfang an bis daher gewohnt, die höchite
Hauptſtadt der Welt zu feyn, und fie. machte den Päbften
gunug zu fchaffen, ehe fie fich unter iher Botmäßigfeit brin-
gen ließ; fie berubigte fich aber doch endlich, weil fie doch
immer noch die Hauptftadt der Welt blieb. Jetzt aber ift fie
‚nun wieder von der päbftlichen Herrfchaft frei, fie reitet auf
dem Thier, und läßt fich theild aus Schwäche, theild aus
. Dankbarkeit, vieles gefallen — wenn es aber einmal dahin,
fommt, daß fie auf immer gehorchen fol, und Ser herabge⸗
336 Erklarung ber Offenbarung Johannis.
wuͤrdiget wird, dann wird fie vielleicht ihre letzten Kräfte ans
ftrengen, und darüber ganz und gar vernichtiget werden; über:
dem find auch die europäifchen Mächte ohnehin über Rom
- aufgebracht, weil es fie fo lange tyrannifirt hat.
Bei diefer Belagerung und Eroberung der Stadt Rom wird
es aber fcharfer hergehen, als es ſich die Belagerer vorjtell-
ten, denn geheime, lang zurüdgehaltene göttliche Gerichte
werden fich. dazu gefellen, und der Ausgang wird vorzüglich)
ſchrecklich ſeyn, wie und das folgende Kapitel zeigen wird;
Rom wird wüfte, und ewig nicht wieder gebaut werden, alle
feine Koftbarfeiten werden weggefchleppt, und die Hure wird
nadend ausgezogen werden; die Eroberer werden ihr Fleiſch
effen, das ift, ihr Vermögen wird rein ausgeplündert, und
dann die Stadt an allen vier Eden angezündet und zu einem
Afchenhaufen verbrannt werden. Ob die unterirdifche Natur
auch hiebei mitwirken werde, das wird die Zeit lehren.
Nun gibt auch der Engel die Quelle an, woher eö eigente
lich komme, daß alles fo gehen müffe, wie es wirklich geht;
er fagt: Gott hats ihnen ind Herz gegeben — hier müffen
wir nicht eine folche göttliche Eingebung verftehen, wie fie
der heilige Geift in dem Herzen der Frommen bewirkt, fons
dern die VBorfehung hat von den fernften, verborgenften Aula:
gen aller Plagen an, den Dingen unvermerft die Richtung ges
geben, daß fie gerade fo und nicht anders gefommen find;
fie hat Mittel gnug,«die Sottlofen ohne ihr Wiffen und Wols
len dahin zu bringen, daß fie ihre Plane ausführen muͤſſen.
Endlich fagt nun der Engel dem Zohannes ausdrücklich,
wer die Hure fey, und welche Stadt darunter verftanden werde;
er redet fo deutlich, ald wenn er das Wort Rom ausgefpro:
chen hätte; denn er fagt: Es ift die große Stadt, die jetzt,
als Johaunes in Patmos war — die Welt beherrfcht. Da
bleibt nun gar Fein Zweifel mehr übrig; und hier kann ich
nun aud) einen Gedanken nicht bergen, der ſich mir gleichfam
aufdringt: Sch Fann nicht begreifen, wie es möglich war,
daß hier viele Ausleger den Sinn der Offenbarung derge⸗
ſtalt verfehlen Fonnten, wenn fie behaupteten, diefe Weilfa-
gung fey ſchon am Judenthum und hernach am heidnifchen
ap 17. B 13. Biss) 337
Rom erfüllt worden — und doch fteht Rom noch, und ift noch
nicht verwüftet! — Weberhaupt ift diefe Erklärung des En
geld und feine deutliche Beftimmung#wer die Hure fey? der,
Leitfaden, an welchem man ſich in dieß heilige Labyrinth der
Apokalypſe Hinein wagen und auch wieder heraus finden kann.
Stifings fämmtl. Schriften. HT. Band, | 22
358 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis,
Das achtzehnte Kapitel.
1. Und nach dieſem ſahe ich einen andern Engel aus dem
Himmel herabſteigen, welcher eine große Gewalt hatte,
und die Erde würde von ſeiner Herrlichkeit erleuchtet.
3. Und er ſchrie kräftig mit großer Stimme und ſprach:
Sie iſt gefallen, die große Babylon! und eine Behau⸗
ſung der Daͤmonen, ein Gefängniß jedes unreinen Gei⸗
ſtes, ein Gefaͤngniß jedes unreinen und feindſeligen Vo⸗
gels geworden. |
5. Denn von dem Zornwein ihrer Hurerei haben alle Nas
tionen getrunken, und die Könige der Erden haben Hu⸗
rerei mit ihr getrieben, und die Kaufleute der Erden find
durch die Macht ihrer Ueppigkeit reich geworden.
Nach der Erklärung, welche ein Engel dem Johannes von
dem Thier und dem Weibe gegeben hatte, wird er nun wies
der in feiner Entzuͤckung an den vorigen Ort geftellt; und jeßt
folgt num die Ausführung der Gerichte Gottes, welche zuerft
das Weib, nämlich die Stadt Rom und die römifhe Kirche,
treffen, die man von der Farholifhen wohl unterfcheiden muß;
zu jener gehört nur derjenige, der das Thier und fein Bild
anbetete und fein Mahlzeichen trug. |
Er fieht einen andern fehr mächtigen Engel vom Himmel
herniederfahren; denn der Gegenftand feiner Sendung ift
auc) fehr wichtig — Augen und Ohren macht er aufmerkfam,
fein Licht glänzt allenthalben, und feine Stimme donnert durch
Mark und Bein. Er ruft ein triumphivendes Klaglied über
das neuteſtamentiſch Babel aus, und bedient fich dabei der
nämlichen Ausdrüde, welche die Propheten des alten Bundes
bei den Gerichten des damaligen Babels und Tyrus gebraucht
hatten, weil beide Städte treffende Vorbilder auf Rom waren.
Die Bedeutung diefed Bildes ift wohl feine andere, als
Eu
folgende: Wenn nun bald das große Geridt über Rom bes
ginnt ausgeführt zu werden, fo wird der Geift des Herrn
durch feine Werkzeuge mündlich und fehriftlic mit großer
Klarheit und ftarfer Stimme, Alle, die Augen und Ohren
zum Sehen und Hören haben, auf die Weiffagungen des alten
und neuen Teftaments hinweiſen, fie ihnen erflären und fie
fo bis zur größten Gewißheit überzeugen, daß fein Wort ewige,
göttliche Wahrheit fey, und fie ſich alfo feſt auf die noch ums
erfüllte Verheißungen verlaffen, und in den nahen Drangfalen
damit trdften koͤnnten.
Zuerft wiederholt der Engel die Worte: Sie ift gefallen !
welche auch fchon beider Reformation einer ausrief. Kap. 14.
V. 8. Damals that fie zwar einen Fall, aber fie wurde wies
der heil; hier aber fällt fie ganz und gar, ohne je wieder auf:
. zuftehen. Sie ift eine Wohnung der Gefpenfter geworden —
es ſpukt in ihren ausgebrannten Ruinen; dahin find nun alle
unreine ‚Geifter gebannt, bis fie nach der Auferftehung mit
dem Leibe vereinigt einen andern Wohnplag befommen wer:
den ; fie ift nun das Wachthaus aller wilden und feindfeligen
Rauboögel geworden, und Schuhu's, Eulen, Raben und
Kraͤhen treiben da ihr Wefen u, fe w. Mit diefer Stelle
vergleiche man Jeſ. 12. V. 19— 22. und Jer. 50. ®. 58.
fo wird man die unverfennbare Uebereinftimmung finden,
Dann zeigt auch der Engel die Urſache des fchredlichen.
Falls diefes geiftlichen Babel an, wenn er fagt: Denn fie
bat mit ihren Gott verhaßten falfchen Lehren alle Nationen
der Chriftenheit verführt, fie von ihrem Haupte ab und zu
fich bingezogen; die Könige der Ehriftenheit haben es mit
ihr gehalten, und nicht mit Ehrifto, und die ganze Geiftlich-
feit mit den Lehrern der Menfchen hat fie zu Kaufleuten ges
macht, mit Ehren, Würden, Aemtern, Himmel und Hölle ges
handelt, ſich und diefe Kaufleute reich gemacht, und diefen
ſchaͤndlichen Gewinn dann in der allerzügellofeften ware |
tet verpraßt.. x }
Ein Vorbild diefer ſchteclichen Verwuͤſtung ſieht man jetzt
ſchon an fo vielen Kirchen und prächtigen Tempeln, Kloͤſtern
und ten wo Jahrhunderte lang der babylonifche Handel
2. *
.
540 Erklärung der Offenbarung Johannuis.
getrieben wurde. Die Kinder’ fangen ſchon an gerichtet zu
Pam es wird auch m am die Mutter fommen. Offen. |
A,Uud — hörte eine andere Stimme aus dem Himmel
ſagen: Geht aus von ihr, mein Volk! damit ihr nicht
Gemeinſchaft haben moget mit ihren Sünden, und anf
daß ihr von ihren Plagen nichts mit bekommt,
5. Denn ihre Sünden haben fich bis an den Himmel an=
einander geküttet, und Gott gedenkt ihrer Ungerech—
tigfeiten,
6. Bergeltet ihr fo, wie fie euch vergolten hat, und ver-
Doppelt es ihr doppelt nad) ihren Werken! in den
Becher, welchen fie eingefchenft hat, ſchenkt ihr dop⸗
pelt ein,
Diefen Klaggefang über Babylon — drei Stimmen
vom Himmel aus; die erſte iſt ein ſtarker glaͤnzender Engel,
vom erſten bis * Vers; vom Aten bis 2oſten redet bloß
eine Stimme aus dem. Himmel, und vom 2ıften bis 2aſten
loͤſet dieſe wieder ein ftarfer Engel’ ab. |
Die andere Stimme aus dem Himmel erinnert die wahren
Ehriften in Rom und in der römifchen oder auch Fatholifchen
Kirche, fie follten bei dem anbrechenden Gericht auswandern;
denn durch laͤngers Bleiben möchten fie ihrer Sünden und
ihrer Plagen theilhaftig und mit ihr unglüclic) werden ; ihre
Sünden hingen wie geleimt aneinander, bis an den Him:
mel hinauf, und Gott muͤſſe nun endlich einmal aller ihrer
Greuel im Zorn gedenken.
Auch diefe Stimme bedient ſich der Redensarten der alten
Propheten; f. Zef. 48. V. 20. Ser. 50. V. 8, vorzüglich
aber Ser. 51. V. 6., wo faft die nämlichen Worte gefunden
werden; fie wird ſich dann auch durch eben die Mittel, wie
bei dem erften Engel, hören laffen, wann es zur Flucht aus
Babel Zeit jeyn wird; wohl dem, der ihr dann gehorcht!
Der Befehl des ſechsten Verfes geht auf diejenigen, welche
old Werkzeuge der Gerechtigkeit Gottes diefer Babel den
Zornbecher einfchenfenz deun das Volk Gottes fol ja fliehen,
Kap 18: B. A. bis 9. 341
wie kann es dann Rache an ihr ausuͤben; — uͤberdem ift
dad ja auch die Sache der Nachfolger des Lamms nicht.
Das Thier mit feinen zehn Hörnern taugt am beften zum
Doppeltsergelten, wenn Strafens und Rachens gilt. -Diefer
Befehl ift alfo nur anzufehen ald eine göttliche Billigung
der Strafe felbft, nicht ald Gerechtfame derer, die fie ausüben.
7.&o fehr fie fich felbft verberrlicht und Ueppigkeit ges
trieben bat, in eben dem Berhältniß gebt ihr Qual und
Trauer; denn fie fpricht in ihrem Herzen: Sch habe
mic als Königin gefegt, und Wittwe bin ich nicht, und
Trauer werde ich nicht ſehen.
8. Deswegen werden ihre Plagen in einem Tag Fommen;
Tod, und Trauer und Hunger, und mit euer wird fie ie
verbrannt werben; denn ftark ift der Herr, der Gott,
der fie richtet,
9, Und die Könige der Erden, die mit ihr Hurerei und
Ueppigkeit getrieben haben, werden weinen und weh:
lagen über fie, wenn fie den Rauch ihrer Feuers;
brunft ſehen.
Die Stimme aus dem Hinmel fegt nun noch den Maaß⸗
ftab der Strafe hinzu: So hoch fie fich felbft erhoben hat,
fo tief fofl fie erniedrigt werden, fo hoch ihr Luxus und ihre
Ueppigfeit geftiegen iſt, fo hoch fol nun auch ihre Qual und,
ihre Traurigfeit fleigen, und ihr genau fo vergolten werden,
wie fies verdient hat, denn fie feßt ſich mit der größten Ver—
mefjenheit auf ihren Thron, troßt. Gott und fagt: Ich bin
die Königin der Welt, ich bin der Statthalter Chrifti, der
Gott auf Erden; in meinem Schoos ift nur Seligkfeit, und
auffer mir Feine; ich bin allein die wahre Kirche, nie fehlt
es mir an einem Bräutigam, bin daher nie Wittwe, fo we—
nig als Chriftus Wittwer werden kann; Trauer werde ic)
‚nie haben, denn Rom ift ewig: wie die Welt u. f. w.
Dieſe Sprache Fennen wir; und das flolze Benehmen,
welches fie gegen alle, die auffer ihr waren, bezeigte, haben
wir erfahren ; aber diefer Trotz wird hier ſchrecklich gede—
muͤthigt; auf einen Tag, zugleich und auf einmal, werden
ei
512 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Tod, Trauer, Hungersnoth und Brand fie überfallen, wie
ein Dieb in der Nacht, und dann wird Stolz und Prahlen
ein Eude haben; der Herr, der Gott, der fie richtet, ift ftärz
ker als fie, und läßt fi) nur fo fang ſpotten, als feine Lange
muth dauert, dann aber ift Er auch fchregflich in feinen Gerichten.
Es wird zu der Zeit noch mehrere Könige geben, als die
zehen, die mit dem Thier verbunden find; dieſe letztere gehoͤ⸗
ren aber auch nicht zu den gewöhnlichen, denn fie haben ihre
Reiche nicht auf rechtmäßige Art empfangen, Kap, 17.8. 12.
Sene alfo, die noch an der römifchen Kirche hangen, werden
über ihren Sturz weinen und jammern, fo wie Kaifer Fries
drich der Dritte und Pabſt Nikolaus der Fünfte auch weinten
und Flagten, als Konftantinopel verloren war, vorher aber
feinen Finger vegten; jegt Fannd aber nicht mehr helfen, fie
hätten das Thier auf den. Kopf fchlagen follen, als es eben
aus dem Ey fchlupfte, jet ift es nun viel zu fpät, und ihnen
allen über den Kopf gewachien, |
10. Und. werden ans Furcht über ihre Qual von ferne
ftehen, und fagen: Weh! meh! die große Stadt!
Babylon die ftarfe Stadt! denn in einer Stunde
iſt dein Bericht gekommen.
‚11. Und die Kaufleute der Erden Elagen und trauren
über fie, weil ibre Waaren niemand mehr Fauft:
2. Goldene und filberne Waaren, und Ehelfteine, und
Derlen, und Baummolle und Purpur, und Seide,
und Karmofin, und allerhand wohltiechende Hölzer,
und allerhand helfenbeinerne Geräthe, und allerhand
Geräthe aus dem Foftbarften Holz, und Erz, uud Eis
fen und Marmor,
Da ſtehen fie nun von ferne; ſich nähern und — koͤn⸗
nen ſie nicht, denn dazu ſind ſie zu ſchwach, auch iſt es zu ſpaͤt
dazu; daher bleibt es bei dem bloßen Klagen — die große
Stadt! die ſtarke Stadt! — gerad, als wenn dem Allmaͤch⸗
tigen irgend eine Stadt zu groß oder zu ſtark waͤre, wenn end⸗
lich einmal ſeine Langmuth ermuͤdet, und ein ſolches Suͤn⸗
denneſt zum Gericht reif iſt. |
Vorzüglich aber lamentiren die Kaufleute, die ganze paͤbſt—
liche Klerifey — denn ihr Handel jeder Art hat num ein Ende:
Für Domperrnfteflen ı und Kanouicate, für Indulgenzen und
Diſpenſationen zahlt niemand einen Heller; Reliquien, Pal
lium, Amulette, Aguus Dei u. dergl. find Feine gangbare
Waare mehr, und alles, was Simonie und geiftlicher Handel
heißt, hat ein Ende: denn man will und braucht überhaupt
ſolche Leute nicht ferner.
Die ganze Elegieifteine Nachahmung der Wehklage Ezechiels
über Tyrus. ©. feine Weiffagung Kap. 27. Alle hier anges
führten Waaren mögen wohl finnbildlicy erklärt werden koͤn⸗
nen, allein diefe Unterfuchungen würden für meinen Zweck zu
weitläuftig ſeyn.
15. und Zimmet und Gewürze, und Rauchpulver und
Salben und Weihrauch, und Wein und Oel, und
Spelzmehl und Waizen, und Rindvieh und Schaafe,
und Pferde und Kutfchen, und Körper und ae
der Menſchen.
14. Und das Obft, deiner Seelen Luft ift en, :
alles Wohlbeleibte und. Prachtpolle hat fih von dir
-verloren, und dergleichen wirft du nie wieder finden.
15. Die Kaufleute diefer Dinge, welche durch fie reich ge-
worden, werden vun ferne ſtehen, aus Furcht für ihrer
Qual, fie weinen und trauern,
Es ift merfwärdig, daß Rom und feine Klerifey auch fo
gar im eigentlichen buchftäblichen Sinn diefe Waaren unges
fahr alle bei ihren religidfen Gebräuchen und Geremonien in
Uebung gehabt, und fo damit gehandelt haben. Rauchpul-
ver, befonders Weihrauch, Wein und Del, Salben (Ehrifam)
md Mehl find im einer römifchz Eatholifchen Kirche unent⸗
behrliche Waaren. Etwas befonders: aber ift es, daß’ hier
eines Fuhrwerfs gedacht wird, von dem man in allen Mor:
genlaͤndern nichts wußte, und für welches auch die griechifche
Sprade fein Wort hatte, audy hier ein lateinifches geborgt
werden mußte; welches abermäl ein deutlicher Beweis ift,
aß Rom hier gemeint wird; denn in allen morgenländifchen
Fo
544 Erklarung ber Offenbarung Johannis.
Provinzen gab es keine Kutſcher, wohl aber in Rom und in
den Abendlaͤndern, beſonders in ſpaͤtern Zeiten.
Der Handel mit Menſchenkoͤrpern iſt auch merkwuͤrdig, denn
welch einen eintraͤglichen Handel hat man nicht von Rom
aus mit Reliquien getrieben? — auch mit Seelen handelte
man, entweder ſie aus dem Fegfeuer zu kaufen, oder auch
eine heilig ſprechen zu laſſen; auch mag wohl hin und. wieder
in Oſt- und Weſtindien der Sklavenhandel mit untergelaufen
ſeyn, daruͤber aber koͤnnen die Proteſtanten niemand etwas
vorwerfen, denn ihre Seemaͤchte find in dieſem Stuͤck grau:
ſamer geweſen, als eine Nation vom Anfang der Welt her.
Ferner heißt e8: Die Foftbaren Deferte nad) deinen Föft-
lichen Mahlzeiten find vorbei; Pfirfiche Aprikofen und Obft
aller Art ift hin — und die Corpulenz deiner Kaufleute, al:
les Splendide ift auf ewig verfhwunden, |
Alle diefe Leute, denen bei diefein Gericht ihr einträglicher
Handel auf ewig ruinirt wird, ftehen auch von ferne. und
wehflagen, weil fie nicht helfen Fünnen, und nun in den
bitterften Mangel unwiderbringlich verfegt find.
16. Und ſagen: Weh! Weh! die große Stadt! die mit
Neffeltuh, Purpur und Karmofin bekleidet, und
Aibergoldet war mit Gold, Edelfteinen und Perlen;
denn in einer Stunde ift ein folcher Reichthum verz
mwüftet worden,
17. Und jeder Steuermann, und alles, mas auf deu
Schiffen Gefchäfte hat, und die Schiffleute und ſo
viel ihrer auf dem Meer arbeiten, ftehen von ferne.
18, Und fchreyen, indem fie den Rauch ihres Brands
ſehen, und ſprechen: Wer ift der großen Stadt gleich ?
Dei diefer Wehklage erinnern fich die Keitragenden an all
die Pracht, in welcher diefe Stadt, und alles, was dazu
gehört, ‚fo lange gelebt und gefchwelgt hat, und erftaunen
uͤber ihren ſchnellen Fall, der gleichſam in einer Stunde ges
fommen ift, -
Auch die Schiffleute, der ganze Seehandel geräth in Als
larm; hier wird. nun wieder-auf Tyrus angefpielt, als welche
*
Po
Kap. 18,8 19. bis an 348
in ben alten Zeiten die Hauptftadt des phönizifchen Geeftaats
war. Rom hat fich mit dem Seehandel wenig beſchaͤftigt,
daher paßt diefe Stelle im buchftäblichen Verftand weder auf
die alte, noch auf die neue Verfaffung diefer Stadt; aber im
geiftlihen Sinn, den die Apofalypfe überall im Auge hat,
ift auch diefer Theil der Klage fehr treffend; denn die pabfts
liche Hierarchie hatte ihr befonderes und ganz vorzügliches
Verkehr mir den Farhelifhen Seeſtaaten; die Gefchichte bes
lehrt uns, was fie durch die Spanier und Portugiefen in
Amerika, und durch die Sefuiten in Oft: und Meftindien,
und befpnders in China und Japan, für große Plane aus:
zuführen gefucht hat; alle diefe Plane find nun bin, und dies
jenigen, die dadurch zu gewinnen fuchten, find nun aller
ihrer Hoffnungen beraubt. Sie fehen den Dampf der großen
Feuersbrunſt Roms, und fchreien, wer ift der großen Stadt
gleich? — und doc) fallt fie fo fchredlich auf einmal!
-19, Und fie wurfen Staub auf ihre Häupter, und fchreyen
mit Weinen und Trauern, und fagten: Weh! Weh!
Die große Stadt! in welcher ſich mit ihren Koftbars
keiten alle diejenigen bereichert haben, die Schiffe auf
der See haben; denn in einer Stunde ift fie verwü>
ftet worden.
20. Heitre dich auf, Himmel und die Heiligen, und bie
Apoftel, und die Propheten! denn Gott hat euer Ges
richt an ihr gerichtet.
21, Und ein ftarker Engel hub einen Stein auf, wie ein
großer Mühlftein, und warf ihn ins Meer, und
fprah: So wird mit Ungeftimm die große Stadt
Babylon bingefhlendert werden, und man wird
fie nicht mehr finden konnen.
Bei dem 19ten Vers hab ich nichts mehr zu erinnern; im
‘ 20ften muntert die Stimme aus dem Himmel den Himmel
und feine Bewohner auf, nunmehr froh zu feyn: Denn Gott.
habe endlich einmal angefangen, feine Gerichte an den Haupt⸗
feinden feines Reichs auszuführen; nun werde ed auch bald
Zr
346 Erklärung der’ Offenbarung Zohannis,
zum großen Sieg und zur endlichen Erldſung ihrer —
ten Bruͤder auf Erden kommen.
Hierauf folgt nun die dritte Stimme, welche das Klage
lied endigt: Ein ſtarker Engel hebt einen großen Müplftein
auf, und wirft ihn mit großer Kraft und Gefchwindigfeit
ins Meer, um damit den fchleunigen und unwiderbringlichen
Untergang der Stadt figürlich vorzuftellen, wie er foldyen
auch durch einen damit verbundenen Ausruf erklärt, —
aͤhnliches findet man Jer. 51, V. 65. 64.
22. Und die Stimme der Harfenſpieler und Muſikanten,
und Flötenbläfer und Poſaunenbläſer wird fernerhin
nicht mehr in dir gehdret werden; und Fein Künftler
jeder Kunft foll ferner in dir gefunden werben, und
die Stimme der Mühlen fol ferner nicht mehr in Dir
gehört werden.
25, Und das Licht der Leute foll nicht mehr in dir fchei-
nen, und Die Stimme des Bräutigams und der Braut
foll in dir ferner nicht gehärt werden ; weil deine Kanfs
leute die vornehmften auf der Erde waren, weil durch
deine Öiftmifcherei alle Nationen verführt worden find.
34, Und in ihr ift das Blut der Propheten; umd der Heiz
ligen, und aller derer, die auf der Erden erwürgt
find, gefunden worden.
Dieſe Fortſetzung der Elegie durch die dritte Stimme geht
nun auf die Luſtbarkeiten der Stadt Rom: Keine Stadt in
der Welt hat groͤßere Virtuoſen in der Muſik gehabt, als
ſie. — Das Wort, welches ich durch Harfenſpieler uͤberſetzt
habe, kann auf allerhand Saitenſpiel, Muſikanten, auf
Saͤnger, und Poſaunenblaͤſer, auf Waldhorniſten gedeutet
werden; denn unfre Waldhoͤrner kommen den Arietinen der
Alten ſehr nahe. Aller dieſer Jubel iſt nun verhallt, uͤberall
herrſcht todte Stille, außer wenn wilde Thiere und Vögel ihre
furhtbaren Stimmen hören laffen. Auch mit den prächtigen
Kunſtwerken, befonderd Mahlerei und Bildhauerfunft, hats
ein Ende; dad Klappern der Mühlen hört auf, weil niemand
mehr da ift, der Mehl braucht. Die Menge ver Leuchten
*
Kap, 18. DB, 22, bis 24, 547
und Fadeln, die man des Nachts auf den Gaffen fahe, ift
ausgelöfcht, Irrwiſche und dde glänzende Dünfte, die aus
dem faulen Sumpfboden auffteigen, mögen wohl ihre Stel:
len erfegen; das Getöne der Hochzeiten ift-erftorben; denn
niemand ift mehr da, der heurathet. Und dieß traurige Schids
fal kommt daher, ‚weil deine Kaufleute, deine Geiftlichkeit
überall die vornehmften waren, und in der Staatsverfaflung ,
den Fürftenrang erfchlichen haben; und weil man anftatt der
heilfamen Glaubenslehren des — glaͤnzende Irrthuͤ⸗
mer, wodurch die Menſchen vom rechten Weg abgeführt wor—
den, untergefchoben hat. Vorzüglich aber hat fie ſich ihr
ſchreckliches Schidfal dadurch zugezogen, daß fie fo viele wahre
Belenner Jeſu um dieſes Bekenutniſſes willen hingerichtet hat.
Dieß ganze Kapitel enthält alfo im poetifchen Styl das
% Gericht über die große Hure; nun folgt im folgenden Kapi—
tel audy der legte große Sieg über das Thier felbft und feis
nen falfchen —— — durch die glorwuͤtdigſte Zukunft
des Herrn.
548 Erklärung ber Offenbarung Johannis,
Dad neunzehnte Kapitel, |
1. Nach diefem hörte ich eine große Stimme einer mans
nigfaltigen Menge im Himmel ſagen: : Hallelus
ah! — Das Heil und die Herrlichkeit und bie Araft
fey unferm Bott! |
2, Denn feine Gerichte find wahrhaftig und FRE, weil
Er die große Hure gerichtet hat, welche mit ihrer Hu⸗
rerey die Erde zerrüttete, und hat das Blut feiner *
von ihrer Hand gerochen.
3. Und fie ſprachen zum zweitenmals Seldkfahi
und ihr Rand) fteigt auf in die ewigen Gwigfeiten.
4. Und die vier und zwanzig Xelteften, und die vier leben-
digen Wefen ftelen nieder, und beteten Gott an, der
auf dem Thron fist, und fprahen: Amen Hallelujah!
Hier haben wir num die Aufheiterung des Himmel und
feine Bewohner, weldye im Loſten Vers des vorigen Kapitels
anempfohlen wurde: Alle Engelfchaaren jauchzen ein hohes
Hallelujah, und fchreiben mit Recht Gott Ehre und Herr:
lichfeit zu; die feligen Menfchen werden erſt im folgenden
sten Vers zum Hallelujah aufgefordert, Alle Engelchöre
jauchzen über das Gericht des geiftlichen Babels, weil es die
Staatöverfaffungen durch feinen verführerifchen Einfluß zer—
rüttete, und die Knechte des Herin gemordet hat. Gie
wiederholen ihr großes Hallelujah! — und fügen die Worte
des Propheten Jeſaiaͤ Kap. 54. V. 10. hinzu: Ihr Raud)
werde ewig auffteigen wie auf dem todten Meer von Sodom
und Gomora, damit fih die Nachwelt immer von ihrem
ſchrecklichen Gericht Überzeugen —— und es beſtaͤndig vor
Augen habe.
Nun geben auch die Standmaͤnner der Menſchheit, die
*
*
4 Bi 349
vier und zwanzig Nelteften und Repräfentanten der ganzen
Natur ihren Beifall; fie befräftigen jenen Jubel mit einem
feierlichen Amen Hallelujah! — Sa, in Wahrheit fey
Gott gelober! — Zugleich beten fie Den an, ‚der auf dem
Thron ſitzt; denn Er ift ja der Allperrfcher, der gerecht regiert,
und dem alfo alle Ehre und unfterblicher Dank allein zukommt.
Set meine lieben Lefer! kommen mir der Morgenröthe
jenes großen Tages immer näher; denn nachdem die gottlofe
Ehebrecherin gerichtet ift, erfcheint die Braut des Lamms.
5. Und eine Stimme ging vom Thron aus, die ſprach:
Lobt unfern Bott alle feine Knechte, und die ihn fürch-
ten, Kleine und Große!
6. Und ich hörte, wie eine Stimme einer großen Menge,
und wie eine Stimme großer Wafler, und mie eine
Stimme ftarfer Donner, die ſprach: Hallelujah! —
denn der Herr, Gott, der Allberrfcher! hat Eöniglich
regiert,
m Laßt ung freuten und frohlocken, und Ihm die Herrlich
feit geben, denn die Hochzeit des Lamms ift kommen,
und fein Weib hat fich bereitet.
8. Und es wurde ihr gegeben, daß fie ſich mit reinem,
glänzendem Neſſeltuch bekleidete: diefes Gewand ift
die Rechtfertigung der Deiligen. |
Die Aufforderung zum Beifall gebenden Loben und Jauch⸗
zen fommt vom Thron ber, und geht an alle vollendete ſelige
Menfchen, vielleicht follen auch die noch nicht vollendeten hie=
nieden mit einflimmen; der Ausdrud: Kleine und Große,
ſcheint mir zu beweifen, daß die Menfchen gemeint find, weil
nur diefe Flein und groß genannt werden fönnen. Im Ihren
gibt es nur dreierlei Stimmen, nämlidy Den, der darauf fit,
dann dad Lamm, und endlich die Stimmen der vier lebens
digen Wefen; von diefen legten Fommt vermuthlich Die Era
mahnung her, weil es heißt: Lobt unfern Gott! fo würde
weder Gott noch das Lamm reden.
Der Aufforderung wird gefolgt, und die Stimme der Lo-
benden ift fo groß und ftark, wie dad Brüllen eines großen
350 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis.
| Waſſerfalls, oder wie das Rollen eines ſtarken Domners: der
Gedanke an diefe große Menge ift mir fo wohlthätig — die
Erldfungsanftalten Jeſu Chrifti haben doch ein großes Heer
meiner Brüder und Schweftern gerettet und telig gemacht.
Hallelujah!
Die Stimme der erlösten Menſchheit iſt merkwuͤrdig; denn
erſtlich bezeugt ſie: Der Herr — Gott — der einzige Allherr⸗
ſcher, habe koͤniglich regiert — Er habe nun bewieſen, daß
er nicht allein noch lebe, ſondern ſich auch wirklich der Ge—
fchäfte annehme, die Menfchen regiere; denn das habe Er
im Gericht der größen Hure bewiefen; 1111 Jahre lang habe
fie allen Muthwillen getrieben, alle Graufamfeiten ausgeübt,
und ed habe oft gefchienen, als wenn fich Gott der Regie—
rungsgefchäfte nicht mehr annehme, aber jetzt habe es fich
recht gezeigt, daß Er doch noch immer ein thätiger, die Menſch⸗
heit regierender König fey.
Hier ift nun der Uebergang zum Jubel- und Hochgefang
fehr wichtig; vor allen Dingen aber, fährt die große Stimme
fort, haben wir Urfache zur Freude und zum Jauchzen, und
dem Herrn Herrlichkeit und Ehre zuzufchreiben: Denn. die
Hochzeit ded Lamms ift nun da — das große Feft, worauf
unfer Heiland mit dem Gleichniß der zehn Fungfrauen zielte,
ift vor der Thür, die Braut hat, ſich geſchmuͤckt, und der
Bräutigam iſt im Anzug u. ſ. w.
Dieſer Ausdruck iſt fuͤr uns unausſprechlich erfreulich: der
Fall unfers Babels ift nahe, und fo bald ihr Gericht vollene
det iſt, ift auch die große Üüberfchwengliche Hochzeitfeier nicht
weit mehr, fie wird unmittelbar darauf folgen; wenn die
Ehebrecherin aus dem Wege ift, dann erfcheint die wahre
Sattin, die thyatirifch: —— Gemeinde in aller ihrer
Herrlichkeit.
Wenn es einmal zum endlichen Fall der rdmiſchen, aus⸗
gearteten Kirche gekommen iſt, dann wird der Herr durch
feine Vorſehung kraͤftige Auſtalten zur Vereinigung aller wah—
ven Chriſten treffen, fie werden ſich in eine Heerde verfam:
meln, aneinander anfchließen, wichtige Verbefferungen an:
ordnen, und danın werden die fünf thörichten Zungfrauen von
Kap. 19. V. 1. bis & 551
den fünf Klugen unterfchieden werden — Gott! das ift ein.
trauriger Gedanke! auch dann noch eine Scheidung! — ins
deffen, ed iſt nicht anders, die Braut muß rein und ohne
Macel feyn, da gilt Fein Herr, Herr fagen mehr. Die Zus
bereitung der Braut erfordert Genauigkeit.
Der verdborbene üppige Geift unferer.Zeit hat das reine und
- heilige Bild einer Hochzeit unertraͤglich herabgewürdigt, bes
eckelt und lächerlich gemacht, und doc) ift es in feinem wah⸗
ren Sinn fo ſchoͤn. — Man denkt fich die Freude, wie den froms
men Duldern in der allgemeinen North zu Muth feyn muß,
‚wenn nun endlich der fo lang erflehte Seelenfreund, fo wie
der Bliß vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang, auf
einmal ganz unerwartet da ift — mitten unter ihnen erfcheint,
und num nicht allein aller Sammer ein Ende hat, fondern
niun auch einmal die Reihe an ihnen ift, dad Haupt empor
zu heben; wie wird Er fie halb anlaͤcheln, fich feiner Erlög-
ten freuen, und ihnen fagen: Jetzt bin ich endlich da, meine
Kieben! — und wir werden uns in Ewigkeit nicht mehr tren=
nen — jeßt ift die Freude, der Jubel an euch, und wir
wollen nun das Reich einehmen, das vom Anfang der Welt
hey auf ung wartet; gibts ein Bild, welches dieß Frohſeyn
beffer ausdrücdt, als die Hochzeit zweier Liebenden Seelen,
die lang getrennt lebten, und nun auf einmal immer vereinigt
werden folen? O— ihr Zeitgenoffen! übt Glauben an Jeſum
CHriftum und, Geduld der Heiligen! die Zeit ift nahe, wo
ihr euch des Glaubens und der Ausharräng unausfprechlich
freuen werdet. Bereitet euch, ihr Srommen, Getreuen! mit
großem Ernft, damit ihr nicht blos erfunden werdet, *
entre Lampen bereit: Denn Er kommt bald.
Die Braut foll fich aber mit ihren eigenen Lumpen ja nicht
pußen, die pafjen nicht zur Hochzeit, fondern fie foll nur
die wahren Mittel gebrauchen, fich von allem Shmud und
Ungeziefer zu reinigen; das hochzeitliche Kleid ſchickt ihr der
Bräutigam voraus, fie wird in den feinften, blendend weißen
Muffelin gekleidet. Das Wort byssus und byssinon, weldjes
bier in der Grundfprache fteht, bedeutet weder Flache, und
noch weniger Seide; fondern es ift Baumwolle; diefes feine
552 Erklärung der Offenbarung Johannis.
reine Gewaͤchs, welches in denMorgenländern häufig gezo:
gen, und anftatt des Leinwands gebraucht wird; Byssinon
heißt alſo ein Baumwollengewand, und hier, wo das Wort
glänzend und rein noch hinzugefeßt wird, bedeutet es das
feinfte Gewebe aus Baumwolle, welches ich nicht beffer als
durch Neffeltuh, Muffelin, auszudrücken wußte, weil diefes
Gewand gerade das ift, was hier gemeint wird, Zu Jo—
bannis Zeiten war. die eigentliche Seide Außerft felten und
foftbar, fie heißt im griechifchen Sericon, und fommt nur
Kap. 18: V. 12. vor; nein! dieß Raupengefpinnft, womit
die große Ehebrecherin handelte, ſchickt fich für die Braut
nicht, das reine, fchneeweiße, baumwollene Gewebe, dad
auch die Priefter ſchmuͤckt, gehört für fie
Diefer einfache reinliche Brautſchmuck wird aber nun auch
erklärt; es heißt, dieß Gewand bedeute die Rechtfertigung —
eigentlich die entfcheidenden Freifprechungsurtheile — der
Heiligenz ihrer Sünden wird nicht mehr gedacht, fie find
ewig davon abfoloirt, und dagegen wird ihnen die durd) daB
Keiden und Sterben Chrifti erworbene Gerechtigkeit zugeeig⸗
net, in diefe Roͤcke der Gerechtigkeit werden fie gefleiderz da
‚wird fich dann aud) der zeigen, der bei diefer Hochzeit kein
hochzeitliches Kleid anhatte.
Es ſcheint, als ob bei der Zukunft Chriſti eine große Feier
ſollte veranſtaltet werden, welche hier unter dem Bilde einer
Hochzeit vorkommt, worin nun aber dieſe Feier beſtehen
wird, das wiſſen wir nicht. — —— wer Gaſt dabei iſt,
und es alſo ſelbſt erfaͤhrt!!! —
9. Und er ſprach zu mir: Selig ſi * die
zum Abendmahl der Hochzeit des Lamms berufen
ſind! Und er ſprach zu mir: Dieſe wahrhaftigen
Worte ſind von Gott!
10. Und ich fiel vor feinen Füßen nieder, ihn anzubeten,
und er ſprach zu mir: Nimm dich in Acht! thue es
nicht; ich bin dein und deiner Brüder Mitfnecht,
welche das Zeugniß Jeſu haben, Gott bete an! —
Das Zeugniß Jefn aber ift der Geift der Weiffagung.
N a EZ
Kap. 19. V. 9. 10% 353
Das große Abendmahl der Hochzeit des Lamms muß aufs
ferordentlicy wichtig feynt Denn der Engel befiehle dem
heiligen Seher das Nota bene ja aufzufchreiben, daß diejenis
gen gluͤckliche, ſelige Menfchen feyen, die zu diefer Feierlich—
feit eingeladen wurden; und damit er diefe Verficherung nicht
‚ etwa als eine bloße Vermuthung irgend eines endlichen Wes
ſens anfehen möchte, fo fügt der Engel hinzu: Diefe wahrhafs
tigen Worte find Worte Gottes, folglich unträgliche Wahrheit;
Meine Vermurhung über die Beichaffenheit der Hochzeit
bed Lamms, die aber auch für nichts mehr als Bermuthung
gelten fol, ift folgende:
Sobald der ‚Herr Chriftus auf der Erden erfcheinen wird,
fo wird Er auf irgend eine Weife alle feine noch lebenden
Getreuen um ſich her fammeln, und ſich ihnen in aller feiner
Herrlichkeit zeigen, und feine Gefellihaft, das Heer feiner
Heiligen, die Er mitgebracht hat, V. 14. wird ſich mit ihnen
unterhalten; alle Borempfindungen der Seligfeit werden in
Fülle dürch den Geift des Herrn ausgefpendet werden, und
wer weiß, welche große Dinge bei diefem Abendmahl vors
gehen und ausgemacht werden, ehe jeder wieder in feinen Bes
ruf hienieden zuruͤcktritt.
' Es fcheint, als wenn dem Seher der Gedanke gefommen
wäre, diefer Engel möchte wohl der Herr felbft feyn, befons
derö weil er feine Worte für Worte Gottes ausgegeben habe —
er wird aber darüber eines andern belehrt, und ihm gefagt,
daß die Engel nicht dürfen angebetet werden, denn fie feyen
Mitknechte wahrer Chriften. Merkwuͤrdig ift hier der Aus:
druck, daß die wahren Ehriften ald folche betrachter werden,
die das Zeugniß Jeſu haben — das Heißt, die die hiftorifche
Gecſchichte von Jeſu Ehrifto glauben, und ihr gemaß wandeln.
Es gab wohl feit der Apoftel Zeiten Feinen Zeitpunkt, in weils
dem das Glauben an Zefum Ehriftum und feine Wahrheit
ein fo fiheres Zeichen des Chriſtenthums war, als von uns
an. bis zu feiner Zukunft — befonders aber wird hier unter
dem Geift der Weiffagung das verftianden, was in der Bis
‘bel von ihm geweiſſagt worden, und vorzüglich gehört die
hohe Offenbarung hieher: Es wird von nun an immer wich:
Stilling's fümmtt. Schriften. UL. Band, 23
354 Erklaärung der Dffenbarung Johannis
tiger, die Weiffagungen von der nahen Zukunft des Herrn
genau zu-betrachten, ihnen zu glauben, und ihren Vorſchrif⸗
ten zu folgen, damit man fich auf diefe Zeit gebührend vor:
bereiten möge. Das Zeugniß Jeſu ift der Geiſt der MWeif-
fagung , wer alſo diefen Geift hat, das ift, wer fich aus
den Weiffagungen, vorzüglich aus der hohen Offenbarung,
über alles belehrt hat, was und bevorfteht, und was wir zu
thun haben, der hat das Zeugniß Jeſu, das ift ein Bruder
der Engel;
11. Und ich fahe den Himmel geöffnet, und ſiehe! ein
weiß Pferd, und der darauf faß, beißt Treu und
Wahrhaftig, errichtet und führt Krieg mit
Gerechtigkeit.
12. Seine Augen find eine Feuerflamme, und auf ſeinem
Haupt viele Koͤnigskronen; er hat einen geſchriebenen
Namen, den niemand weiß, als er feldft.
15. Und er ift befleidet mit einem Gewand, das mit Blut
gefärbt iſt; und fein Name wird genannt das Wort
Gottes,
Da find wir nun endlih an den großen Zeitpunkt ber
Zufunft des Herren, des Königs mit den vielen Kronen, ges
kommen; jetzt ift alles dazu vorbereitet: Die Ehebrecherin
iſt gerichtet, die Braut ift bereit, der Nationenhirte,, Kap.
12.8. 5, ift mindig, und das Thier aus dem Abgrund
‚tobt dergeftalt, daß.es der Gegenwart des Herrn bedarf, um
dem Unfug ein Ende zu machen. Wahrlich, ein Zeitpunkt,
der feines gleichen nicht hatte, fo lang die Welt ſteht. —
Als Chriftus in den Tagen feines Fleifches auf Erden mans
delte, da war auch eine merkwürdige Zeit, aber doch nur für
die wenigen, die glaubten; jeßt werden Ihn alle Augen fehen,
auch die Augen der viel Taufenden, denen Er lächerlich war,
jest aber fehr furchtbar ift — nun hört das Glauben auf,
und das felige und unfelige Schauen geht an; alles Diss
putiren über die Perfon Ehrifti, feine Gottheit, fein Verſoͤh—
nungswerf und feine Wahrheit überhaupt, hört nun auf, und
das Schämen ift nun an denen, ‚die e8 gewiß wußten, daß
Kap 19. V. 11: bis 13. 355
Ehriftus blos ein guter Mann, ein frommer Lehrer der Moral,
aber weiter nichts — daß feine Wunder, feine Auferftehung,
und überhaupt alles Mebernatürliche bei feiner Sendung bloße
und baare Schwärmerei geweſen fey; — ja wahrlich! an
dieſen ift nun dad Schaͤmen, daß fie fo dummſtolz auf ihren
Funken Vernunft waren, und fic) fo fchredlich getäufcht has
ben; hingegen der verachtete und verfpottete Thränenfäer geht
dann muthig und mit aufgeregtem Haupt einher, und bringt
mit Freuden feine Garbe.
Johannes fahe den Himmel gedffnet — es war ihm, als
fähe er eine große weite Deffuung gegen Morgen hin, und
fiehe da! ein weiß Pferd — und der drauf ſaß — der Edle,
ber Kap. 6. V. 2. auszog, kommt hier auf feinem weißen
Pferd wieder; er hat feitdem manchen Sieg erfochten, Darum
trägt er mum auch viele Kronen — Hallelujah! Er fommt
endlich einmal wieder, der fo heiß erfehnte und erflehte Treue
und Wahrhaftige; diefe Titel oder Zunamen befomme Er
jeßt von den Seinigen; denn Er hat ihnen nun Wort ges
halten, Er ift ein Mann von Ehre, der niemand täufcht,
was Er verfpricht, das hält Er gewiß, Er ift der Wahrhaftige!
. Er richtet nach’ Gerechtigkeit, und führt audy Krieg mit
Gerechtigkeit; das Erfte har Er bis daher in feinen Geriche
ten bewiefen, und das Letzte wird Er nun auch jetzt im letzten
großen Kampf. beweifen; niemand foll das geringfte Unrecht
geichehen, fondern jedermann foll fo. behandelt werden, daß
er in feinem Zunerften von der Gerechtigkeit des Richters
und Siegers überzeugt feyn muß.
Seine Augen funfeln wie zween Morgenfterne, Kap. 1.
B. 14, wer da getroft hinein [hauen Fann, der ift gluͤcklich;
wo der hieroglyphiſche Namenszug fand, den niemand lefen
Tann als Er felbft, das fagt der Apoftel nicht ; diefer geheime
Mame ift weder der, von dem der I1te Vers redet, noch der,
deſſen im 15ten Vers gedacht wird, und eben fo wenig ders
jeuige, der. nach dem I6ten auf feinem Kleide und auf feiner
Hüfte geſchrieben ſteht; alle drei Namen und Titel wiffen
wir, folglich Fann Feiner der Name feyn, den niemand weiß
als Er ſelbſt. Diefe Hieroglyphe bezieht fih vermuthlich
23 *
556 Grflärung der Offenbarung Johannis.
auf die Ausfuͤhrung eines großen Plans, von dem wir alle
noch nichts ahnen, und die dann erſt lesbar wird, wenn der
große Plan zur Ausführung reif ift;
Daß fein Kleid mit Blut gefärbt ift, hat eine doppelte
Urſache: Es Fann mit feinem eigenen Blut gefchehen feyn,
als Er fich für und auf Golgatha opferte, und ed kann auch
vom Keltertreten herkommen. Gef. 65. Dieß Kapitel ge:
hört in feiner geheimen Bedeutung ganz hieher. Man wird
am wenigften irren, wenn man beide Vedentuuge mit einan⸗
der vereinigt. |
Herrlich ift endlich fein Name: Der Logos Gottes! —
daran kennen wir Ihn, wer Er ift, und Johannes konnte
Ihn am beften kennen; er, der in feinem Evangelium Kap. 1;
fo viel fhönes von diefem Logos, der Gott ift, durch den
alles gemacht worden, und der dann Menfch ward, um die
Welt mit Gott zu verfühnen, und über ihr ewiges Heil zu
belehren gefagt hat; — er, der während feines Lebens auf
Erden fein vertrautefter Freund war, Tonnte ihn auch hier
am beften kennen.
14, Und die Kiiegsheere, die im Himmel find, folgten
ihni auf weißen Pferden, fie waren mit reinem weiſ⸗
fen Neſſeltuch bekleidet,
15. Und aus feinem Munde ging ein fharfes Schlachts
fchwerdt, daß er damit die Nationen zerfchmettern
möchte, und Er wird fie mit dem eifernen Eteptet
meiden, und Er tritt die Kelter des Eiferweins des
Zorns Gottes des Allberrfchers.
16, Und Er hat auf dem Kleid und auf feiner Hüfte einen
gefhriebenen Namen: König der Könige, und Herr
der Herren,
Die Himmeldkrieger kommen alle auf weißen Pferden,
denn fie haben ſchon gefiegt; hier gibts nichts mehr zu kaͤm⸗
pfen für fie; fie find nur Triumphsgefaͤhrten des Herrn aller
Herren, und kommen blos, um das Reich mit ihm einzunehmen,
Ob nun diefe Begleiter alle, fterblichen Augen fichtbar feyn
werden? das iſt eine Stage, die wir nicht beantworten fon
Kap. 19, B. 114. bis 16, 367
nen; eben ſo wenig laͤßt ſich auch genau beſtimmen, wie der
Herr bei ſeiner Zukunft auf unſre Sinnen wirken werde?
Es iſt möglich, daß dieſe Zukunft ſich in einer gewiſſen Herr⸗
lichkeit aͤußert, die an einem beſtimmten Ort geſehen werden,
und mit der man ſich über wichtige Gegenftände unterreden
kann; es ift ferner moͤglich, das fi) aud die Gegenwart
des Herrn blos in Kraftthaten, fogenannten Wundern und
großen Geiftesfräften,, dußern wird; und endlich kann auch
der Herr perfönlicy wieder auf der Erde leben, wie ehmalß,
nur daß jeßt feine Herrlichkeit, als die Herrlichkeit des ein-
gebornen Sohns vom Vater voller Gnade und Wahrheit, auch
äußerlih um ſich ſtrahlen, und den ganzen Erdkreis erfuͤl—
len wird, |
Genug! Er kommt gewiß: — und bald — wie und auf
welche Art? — das wollen wir nicht erforfchen,, fondern im
Blauben erwarten,
Die Begleiter des Herrn find alle in die Gerechtigkeit der
.. Heiligen gekleidet — fie tragen die himmlische Hofuniform,
welche auch jeder nothwendig tragen muß, der vor,dem
Herrn erfcheinen und in feiner Gegenwart leben will.
Sm 1I5ten Vers wird das wiederholt, was fchon dem
Ueberwinder zu Thyatira Kap. 2. V. 26. 27. und dem Nas
tionenhirten Kap. 12. V. 5. verfprochen worden. Des Schlacht⸗
ſchwerts aus feinem Munde ift auch ſchon gedacht worden,
Kap. 1.8. 16. Kap. 2. V. 16. und an andern Diten mehr;
man lefe, was ich an beiden Drten darüber gefagt habt:
Meder der Chrift, noch Ehriftus felbft, Fämpft mit dem na=
türlichen Schwerdt für die Sache des Reichs Gottes, fons
dern blos mit dem Schwerdt des Geiſtes — fein Sieg ift
Sieg des Glaubens, und Sieg der Wahrheit über Abers
‚ glauben, Unglauben und Lügen oder falicher Lehre, Wenn
anbei wirklicher Krieg, Schlachten und Blutvergießen mit
unterlaufen, wiewohl auch bei dieſer Zukunft gefchehen
wird, fo gefchieht das durch die Widerwärtigfeit der Mens
ſchen, aus den Folgen ihres Verderbens, und ihrer abſcheu⸗
lichen Plane, die fie fi) immer nach der Drachenpolitif ent-
werfen und auszuführen fuchen, und fich dann felbft darüber
558 Erklarung der Offenbarung Johannis.
in die Haare gerathen, wie man davon die haͤufigſten und
ſchrecklichſten Beiſpiele hat.
Eben ſo verhaͤlt es ſich auch mit dem Hüten durchs ölfetäe
Scepter nnd Zerfchmeißen wie Töpfe Pf. 2. V. 89. Ic
habe oben auch darüber fehon meine Meinung gefagts Die
Nationen find fich felbft untereinander eiferne Ruthen, und
auch das Zerfchmeißen ift ihre eigene Sache, aber weil es
unter. der Leitung der Vorfehung gefchieht,- und beſonders
bei diefer zweiten Zukunft auf eine eflarante Art gefchehen
wird, fo fchreibt er hier die Offenbarung dem Herin felbft
zu; und zwar mit Recht, indem ja fein Haar von unferm
Haupt, ohne feinen Willen, auf die Erde fallen kann. Eis
gentlich müffen wir uns diefe Sache fo vorftellen ;- Durd) die
Zukunft des Herrn in feiner Gemeinde, der ſogenannten
Braut des Lammes, wird die Wahrheit der chriſtlichen Res
ligion fo unwiderfprechlich und fo klar jedermann in die Augen
ſtrahlen, daß nur derjenige widerftreben kann, der nun eins
mal nicht glauben will, und diefer mags daun, aller Ge⸗
wißheit ungeachtet, doch noch immer viele geben; diefe vor⸗
feslich Ungläubigen werden bier die Nationen genannt, weil
man deren auch eine große Menge unter allen Nationen des
Erdboden finden wird,
Man Fan fich leicht vorftellen, daß diefe feindfelige Menge
aus allen Nationen, die Chriften, weldye nun unter der Dir
reftion ihres Dberhaupts die allgemeine Weltmonardie be:
Fommen haben, und immer mehr befommen werden, nicht
in Ruhe laffen wärden, wenn jenes eiferne Ecepter nicht
wäre! — aber das höchftgerheilte Intereſſe viefer Völker,
ihre Feindfeligkeit,. und ihre ‚beftändigen Kriege gegen einz
ander, wodurd fie fich fehwächen und aufreibeu, machen
eben dieß eiferne Scepter aus, womit fie ihr eigenes Schick⸗
fal wie irdene Töpfe zerfchmeißt.
Hier ift aber auch nun der Ort, wo ich mich vollends noch
über die eigentliche Befchaffenheit des Nationenhirten, defz
fen Kap. 12%: V. 5. gedacht, und der bis jet vor Gott und
feinem Thron erzogen worden, erflären muß. Ich habe bei
Erklärung gedachter Stelle fchon das Wefentlihe darüber
Kap 19. V. 14. bis 16. 369
geſagt, doch möchte ich gerne vu ein und anderes sur Ers
läuterung hinzufügen.
Die Gemeinde ded Herrn wird durch fo viele Erfahrungen
und Belehrungen, dann auch durch die mannigfaltigen nuͤtz⸗
lichen Erfindungen, und Wachsthum in den Wiffenfchaften,
gegen die Zeit der Zukunft des Herrn, einen Gemeingeift ers
rungen haben, der zur Regierung der geſammten Ehriftenheit
geſchickt iſt; befonders aber wird dieſer Geift auch durch die
Abfonderung der fünf thörichten Zungfrauen (f. meine Ers
Härung über den 5ren bis Sten Vers diefes Kapitels) mehr
concentrirt werden, und einen reinern Brennpunkt auf das
Einzige Nöthige bekommen. Diefer Gemeingeift ift der Kuabe
des Sonnenweibes, der nun majoren geworden, und durch den
der Herr alles ausführen wird; daher es dann auch kommt,
daß beiden eine und die nämliche Verrichtung zugefchrieben wird.
Mir ift wahrfcheinlich, daß die Regierung des Reichs Gots
tes hienieden, als eine reine Theofratie, durch Männer vers
waltet wird, die bei dem nun gegenwärtigen König aller
Könige, und Herrn aller Herren, Freunde der innern Zulafs
fung find, und freien Zutritt zu Ihm haben. Daß jener
Name, König der Könige und Herr der Herren auf feinem
Kleid und auf feiner Hüfte gefchrieben ftebt, hat den Grund,
damit ed da jedermann leſen Fönne, und man alfo willen
möge, wer Er fey.
Auch die Zornkelter, deren hier am Schluß des 15ten Vers
ſes gedacht wird, ift fchon einmal der Gegenftand unferer
Detrachinng geweien. Kap. 14. V. 19. 20: Da arbeitete der
Erntes Engel ſchon vor, hier aber macht der. Keltertreter
ſelbſt den Beſchluß; daß das Bild des Keltertretend aus
dem Propheten Jeſ. 65. genonimen fey, hab ich fchon bes
merkt ; aber der Prophet Zoel weiſſagt ausdruͤcklich Kap. 3.
B. 17. 18. 19, von diefem legten Gericht über die Feinde
; des Herrn, und bedient ſich des naͤmlichen Bildes.
Dieß Keltertreten iſt eben fo zu verſtehen, wie das Toͤdten
mit dem Schwerdt ſeines Mundes, oder auch das Huͤten
mit dem eiſernen Stabe und zerſchmeißen wie Toͤpfe; der
Herr zertritt Fein Wuͤrmchen, geſchweige eine Zornkelter voll
560 Erklärung ber Offenbarung Johaunis.
Menfchen, aber wenn der fanfte Geiſt Jeſu ChHrifti und der
Glanz feiner Herrlichkeit den Ehriftushaffern unerträglich if,
und in den Augen wehe thut, und fie zerfleifchen fidy dann
unter einander für Muth, Dani tritt Chriftus allerdings bie
Zornkelter,
Man denke ſich nur einmal ein n ganzes großes Heer, wels
ches aus lauter aufs höchfte erbitterten CEhriftushaffern bes
ſteht, wie foldhes der Fall zu Armagedon feyn wird; und
nun erfcheint diefer verhaßte, verachtete Chriftus auf eins
mal ald König der Menfchen, als unüberwindlicher Held,
ald unbezwingbarer Sieger — gibtd wohl eine Wurh, die
mit der ihrigen verglichen werden Fann? Wahrlich! die wird
im Stand feyn, die Blutfluth bis an die Zaͤume der Pferde
fleigen zu machen, und dann auch für fi und die ihres
Sinnes find, den Feuer- und Schwefelfee, ihren fünftigen
Aufenthalt, anzuzündenz denn bis dahin brennt er noch nicht.
417, Und ich fahe einen Engel in der Sonne ftehen, und
und er ſchrye mit großer Stimme, und ſprach zu
allen Bögeln, die in der Mitte des Himmels fliegen,
kommt! verfammelt eu) zu dem großen Abendmahl
Gottes,
18. Daß ihr das Fleiſch der Könige, und das Fleiſch
der Hauptleute, und das Fleifch der Etarfen, und
das Fleifch der Pferde, und derer, die drauf ſitzen,
das Fleiſch aller Freien und Knechte, und der Kleiz
nen und der Großen effet.
Diefes fchredliche Bild ift wieder eine Auſpielung auf
ähnliche Vorftellungen in den Propheten; die Stelle aber,
worauf bier gezielt wird, fteht Ezechiel 39. V. 17. Es be
deutet eine große und mörderifche Schlacht, nach welcher die
Reichname wegen ihrer großen Menge unbegraben liegen blies
ben, und alfo den fleifchfreffenden Vögeln zur Speife dienen
follen. Der Himmlifche Ausrufer fteht. deswegen in der.
Sonne, weil er von da aus die ganze Erde und die ganze
Luft überfehen , folglich au allen Vögeln rufen Fann. In
einem höhern Sinn aber bedeuten die Vögel unter dem Him⸗
il Ken ar B. 18. ne 561
mel, die in der Luft fliegen, die Bilder der Jmagination,
der Phantafie, die Dichter = Genie’3; der Engel in der Sonne
aber ftellt ven Geift der Religion vor. Zu diefem Verſtand
will alfo die ganze Hieroglyphe fo viel ſagen: Alle, ihr
Sänger, ſtimmt an den Siegsgeſang, der Herr hat übers
wunden; — feiert dad große Abendmahl Gottes! fingt die
Ueberwindung und den Sieg Über Könige, KHauptleute und
Starke, über die Roſſe und ihre Reuter, über Freie und
Knechte, Kleine und Große.
Eigentlicy bezielt aber doch wohl diefe Stelle die Schlacht
felbft, das große legte Keltertreten bei Armagedon, Kap
16.2. 16., wovon ich nun noch etwas mehreres fagen werde,
19. Und ich fahe das Thier, und die Könige der Erden,
und. ihre Kriegsheere verfammlet, um mit dem, der
auf dem Pferd ſaß und feinen Herrſchaaren Krieg
zu führen.
90. Und das Thier wurde ergriffen, und mit ihm der
falfhe Prophet, der die Zeichen vor ihm thät, mit
denen er die, weldye das Zeichen des Thiers anges,
nommen, und fein Bild angebetet hatten, verführte,
Lebendig wurden beide in den Feuerſee geworfen, der
mit Schwefel brennt,
21. Und die Uebrigen wurden mit dem Schwerdt deffen,
der auf dem Pferd ſaß, und das aus feinem Munde
ging, getddtet, und alle Vögel wurden gefättiget von
ihrem Fleiſch.
Nun bricht der große und fchredfliche Tag der endlichen Ent⸗
ſcheidung, der Tag, der nie feines gleichen hatte, und auch
nie haben wird, der von allen Frommen von den Erzpätern
an, bis daher, fo lang erflehte Tag der Erlöfung an. Hier
kaͤmpft Licht und Finfterniß auf ewig zum legtenmal, und
das Licht fiegt auf ewig; der fhwache Verſuch des Satans
Kap. 20. B. 7—10. hat gegen diefen Kampf wenig zu bedeuten,
Um diefe drei Verfe fo gut zu erflären, als es bei noch
nicht erfüllten Weiffagungen möglich ift, muß ich hier alle
Stellen, die auf diefe letzten entfcheidenden Tage Bezug
haben, unter einen Gefihtspunft bringen,
369 Erklärung der Offenbarung Johannis,
Das Weiden mit dem eifernen Scepter und Zerſchmeißen
wie Töpfe, gehört hieher, Kap. 2.8. 27. und Kap. 10.8. 5.
Denn auch dad, was die fieben Donner fprachen, und
durch den Engel im I1ten Kapitel verfiegelt wurde; namlich,
daß die zwei Zeugen , die legten Gefandten des Herin, die
lesten Propheten Gottes, noch einmal alles anwenden würs
den, um in der Güte die verdorbene Menfchheit vom Thier
ab- und zu Ehrifto zu ziehen, oder doch wenigſtens den
wahren Verehrern Jeſu freie Religionsübung und bürgerliche
Erijtenz zu verfchaffen, fie beweifen die Gerechtfame ihrer
Sade, zeigen ihr Ereditiv, fogar wie Mofe und Aaron,
allein jie werden daß letzte Opfer für die Wahrheit, die legten
Blutzeugen, und mit ihnen läuft die Periode aus, welde
die Seelen unter dem Altar noch ruhen ſollten. Sie werden
in der Refidenz des Thiers aus dem Abgrund hingerichtet,
aber auch die fetten der Märtyrer find die Erften in der ers
ſten Auferfiehung, und fie find auch ganz gewiß nicht die
Geringſten unter den Begleitern des Herrn, die auf weißen
Pferden fommen, und die Uniform des Himmels tragen.
Dieſe Geſchichte mit den zwei Zeugen wird fich Furz vor
der Zufunft des Herrn zutragen, und die Zerrüttung des myſti⸗
fhen Sodoms Kap. 11.2.8. und 13. den Anfang zum gros
Ben Gericht über das Thier und den falfchen Propheten machen.
Befonders muͤſſen die merfwürdigen Stellen Kap. 16. V.
36, und V. 21, hier mit in Betracht gezogen werden; denn
die Erfte zeigt den Ort an, wo die große Schlacht geſchehen
wird „ namlich zu Armageddon oder Harmageddon, und die
andere bezeichnet die mörderifche Gewalt der legten Schlacht,
weldye hier das große Abendmahl der Vögel genannt wird,
mit einem Hagel, der nod) nie feines gleichen gehabt habe.
Sch bitte meine Lefer, das was ich am jedem diefer Derter
über diefe. Stellen gefagt habe, noch einmal nachzulefen und
wohl zu beherzigen, und dann folgendes noch damit in Vers
bindung zu bringen, fo glaube ich, fo viel Licht über diefen
Punkt verbreitet. zu haben, als mir im gegenwärtigen Zeite
punft möglich iſt.
Es kann wohl ſeyn, daß fi die beiden fireitenden Haupts
—A
"Kap. 198, 19. bis 2) 568
niächte des Lichts und der Finfterniß gegen die legte Zeit hin
in die Morgenländern ziehen werden. Vielleicht ſucht die
Gemeinde des Herrn dort einen ſichern Bergungsplag, oder
fie kann auch durch die Leitung des Herrn dahin gebracht
werden; hingegen Fatın die Macht des Thiers dort ihre Pos
litiſche Abſichten zu erreichen fuchen , und ihr dann jene Ges
meine im Wege ſeyn; auf diefe Weiſe fonnte ed wohl worte
lich erfüllt werden, daß die große Niederlage zu Harmageds
don, das ift, im gelobten- Land, auf dem Berge bei Mes
giddo gefchähe; aber es iſt unficher, fo etwas pofitiv zu bes
haupten, weil dad Wort Harmageddon auch die totale Nies
derlage einer Armee bedeutet, und da diefe große Zernichtung
der Macht der Finfterniß fo wichtig. ift, fo kann auch jeder,
Drt, am welchem fie vor fich geht, dadurch diefen Namen
bekommen. Es ift alfo am beſten, man wartet den Erfolg
ab und beftimmt nichts.
Wenn wir alles zufammen nehmen, was auf diefen leiten
Hauptfchlag zielt , fo deucht mir, folgende Erflärung fey die
fiherfte : Wenn endlich das Thier aus dem Abgrund, welches
zu der Zeit wahrfcheinlich ein Höchft feindfeliger Monarch oder _
Heerführer feyn wird, nebft feinem Gehülfen, dem falfchen
Propheten, der alddann auch wohl in eine einzelne Perſon
concentirt feyn kann, mit feiner Macht an irgend einem Drt
im Lager fteht, um die Gemeine des Herrn auf einmal aufs
zureiben: — Wenn alfo diefe tobende Macht durch den leßs
ten Verfuch der zwei Zeugen mehr erbittert ald zur Erfennts
niß gekommen ift, fo wird ſich die Herrlichkeit des Herrn
auf einmal, und auf irgend eine unläugbare Weife zeigen.
Dadurch wird die feindliche Armee geſchreckt, entweder das
Schwerdt gegen fich felber kehren, und fie könnten fich felbft
Unter einander aufreiben, oder eine andere neutrale Macht
Faun fie, wie ein Gentnerfchwerer Hagel, mit einmal darnies
derfchmettern, oder ein fchredliches Gewitter kann fie zu
Grund richten. Genug! diefe Macht wird auf einmal fo zers
nichtet werden, daß an Feine Erholung mehr zu denken if.
Wie aber das Gericht über das Thier und feinen falfchen-
Propheten eigentlich zu erklären fey, das läßt ſich unmoͤglich
En
564 Erklärung der Offenbarung Johannis.
beftimmens Denn in wie fern der Feuerfee, der mit Schwefel
. brennt, woͤrtlich oder bildlich verftanden werden müffe, das
kann Fein Menſch wiffen. So viel ift indeffen gewiß, beide
Perfonen oder Mächte, je nachdem ihre Eriftenz dann feyn
wird, werden, fp wie fie da find, lebendig mit dem naͤm⸗
lichen Bewußtſeyn in eine unaufhörlihe Qual verfet were
den, die der gleich ift, welche einer auszuftehen hätte, wenn
er, ohne fterben zu koͤnnen, in einem ſolchen Zeuerfee ſchwim⸗
men müßte, Die eigentlichen genauen Umftände der Aus—⸗
führung diefes über alle Vorftellung ſchrecklichen Gerichts
muß man der Zeit überloflen, man kann und foll ſi ie ja nicht
vorher wiſſen.
Der mit ſich ſelbſt — aber ſonſt mit niemand — mitleis
dige Geiſt unſerer Zeit, griesgramt ſpoͤttelnd uͤber dieſen
Feuerſee, und ſchilt den Gott der Chriſtenheit deswegen einen
Tyrannen. O ihr Blinden und Tauben! wißt ihr nicht,
und wollt ihr nicht wiſſen, daß nicht unſer Gott — die ewige
Liebe — dieſen Qualort geſchaffen hat? — ſondern ihr
ſelbſt habt durch eure Greuel dieſe Pfuͤtze eingedaͤmmt, euren
Unrath dahin gefloͤßt, und durch eure Wuth gegen Chriſtum
und alles, was heilig iſt, den — angezuͤndet! — wer
* nun dafuͤr? —
Das zwanzigfte Kapitel
1. Und ich fahe einen Engel aus deni Himmel herabſtei—
gen, der den Schlüffel zum Abgriind, und eine große
Kette auf feiner Hand hätte,
2. Und er griff den Drachen, die alte Schlange, melde
der Teufel und der Satan ift, und band ihn tau—
fend Jahr.
5. Und warf ihn in den Abgrund, und fhloß zu, und
verfiegelte über ihm, damit er fernerhin die Nationen
nicht verführen mögte, bis die taufend Jahre verfloffen
wären! nachdem muß er dann einen Eleinen Zeitraum
durch los werden,
Set find nun zwar alle Werkzeuge des Erzfeindes geſtuͤtzt
und auf ewig zu Grund gerichtet, aber er felbft ift nod) ims
mer frei geblieben; doch nun ift auch die Reihe an ihm, er
ift die Quelle alles Jammers; er hat zuerft gefündigt, und
wird zuletzt geſtraft; je größer der Sünder, defto länger
dauert die Langmuth Gottes, und wer weiß, warum? —
die Ewigkeit wird und noch große Wunder enthüllen,
Der gtoße ungeheure fiebenföpfigte Drache, der an Gottes
ftart die Welt beherrfchen, fich felbft zum Gott machen wollte,
-muß fih nun da — nicht etwa vom Herrn felbft, denn das
wäre zu viel Ehre für ihn — fondern von einem Engel, der
nicht einmal als ftarf befchrieben wird, wie fonft wohl ge=
fchieht, wie ein armer Sünder binden und ins Gefängniß
werfen laffenz; von Kämpfen ift gar nicht die Rede mehr,
nuur vom Binden, Feffeln und in den Abgrund flürzen ſpricht
man jet mit ihm, er ift nun ganz überwunden, der Schlans
gentreter hat gefiegt. |
Es ſcheint, ald wenn man diefem großen und merkwuͤrdi⸗
gen Feind, der den Griechen unter dem Namen Diabolos,
5656 Eklärung der Offenbarung Johannis.
und den Juden unter der Benennung Satan bekannt iſt,
noch Raum zur Beſinnung geben wollte, und der Gedanke,
daß die böfen Geifter ſich unmöglich befehren und wieder zu
ihrem erften Urfprung neigen koͤnnten, fcheint mir erfchreds
li, und der Weisheit und Güte Gottes ganz zuwider zu |
feyn : nach meiner Vorftellung von der Sache ift Satan mit
feinen Engeln wegen ihrer Empörung aus dem Himmel ver=
wiefen, alle Kommunifation mit ihnen abgefchnitten wors
den, und die Meufchheit hat ihr Königreic) empfangen;
fechs taufend Fahr lang hat er nun Zeit gehabt, ſich zu be:
finnen, ob er nicht wieder zuräd zum Vater gehen, ſich
demüthigen und feine Sünden geftehen wolle? allein das
hat er nicht allein nicht gethan, fondern aud) noch die Menfchs
heit verführt und zu Fall gebradyt, und bis dahin gegen
Gott gefämpft; jet wird er nun taufend Jahr lang einges
-fchloffen , damit er wicht mehr fhaden und fich noch befinnen
Fonne, wenn aber das auch noch nicht hilft, Dann empfängt
er auch fein ewiges und fchredliches Urtheil. Um zu fehen,
ob er fich wirklich gebeffert habe, wird er nach den tacſend
Jahren eine kleine Zeit losgelaſſen.
Aber wo iſt denn wohl diefer Abgrund? — Wo fabe ihn
Sohannes? — Da wo die Heufchredden herfommen. Kap. 9.
Die Alten dachten fich den Eingang zum Himmel gegen Mor:
gen, und den Eingang zur Hölle gegen Abend; da war ih:
nen alfo die Mündung des Abgrundg,
Wenn nad) unferer gegründeten Vermuthung im Jahr 1856
diefe Gefangennehmung des Satans geſchehen wird, fo gehen
dann auch die gefegneten taufend Sahre-an, und im Fahre
2836 wären fie abgelaufen; währete nun die kleine Zeit der
Roslaffung des Satans 164 Jahr, fo würden 5000 Jahr
des neuen Teftaments voll, und die große Woche der Menfch:
heit von 7000 Jahren wäre. dann regelmäßig abgelaufen.
Schlüffel und Kette, zu fchließen und zu verfiegeln, find
lauter Bilder der Sicherheit; während den taufend Fahren
hat man alfo gar nichtd mehr von ihm. zu befürchten; nad)
Kap. 12. V. 9 wurde er aus dem Himmel geworfen, nun
befreit man auch die Erde von ihm; Kirche und Staatöver-
/
"Kap; 20: Ba bis 6. 7 367
faffung ift während der Zeit * —* Raͤnken und Zeufer
leien ficher.
. Und ich fahe Thronen, und. fie festen fi & —77— und
das Gericht wurde ihnen übergeben; und die Seelen
derer, Die um des Zeugniffes Jeſu und um des Worts
Gottes willen mit dem Beil hingerichtet worden, und
die weder das Thier noch fein Bild angebetet, und
das Zeichen nicht auf ihre Stirn und Hand angenom⸗
men hatten, wurden lebendig, und regierten mit Chris
fo taufend Jahr,
5. Die übrigen Todten wurden nicht Tebendia, bis Die
taufend Sahre vollendet waren. Dieß ift die erſte
' Auferfiehung.
6, Eelig und beilin ift der, der Theil hat an der erften
Anferftehung, über diefen hat der zweite Tod Feine
Gewalt, oe fie werden Priefter Gottes und Chris
fti ſeyn, und tauſend Jahr mit ihm regieren,
Das erſte, was geſchieht, nachdem alle Feinde aus dem
Wege geſchafft worden, iſt die Auswahl derer, die am Reich
des Herrn Jeſu Chriſti hier auf Erden Theil nehmen ſollen.
Zu dem Ende ſieht der Apoſtel Thronen, Regierungsſtuͤhle,
auf welche ſie ſich ſetzen; es wird hier nicht ausdruͤcklich ges
ſagt, wer dieſe ſind; allein es laͤßt ſich leicht aus dem Zu⸗
ſammenhang ſchließen, daß diejenigen darunter verſtanden
werden, die auf weißen Pferden mit dem Herrn gekommen
ſind; dieſes Gericht iſt das juͤngſte Gericht noch nicht, dieß
folgt nach tauſend Jahren, V. 11. bis 15. bier iſt nur von
der Auswahl der tauſendjaͤhrigen Reichsgenoſſen die Rede;
and dieſe Auswahl wird denen anvertraut, die ſchon lange
droben bei dem Herren gewefen find, und die Marimen des
Reichs Gottes gelernt haben.
Die Theilhaber des taufendjährigen Reichs find endlich
‚diejenigen, welche um Ehrifti und feiner Religion willen ihr
. Reben aufgeopfert haben; hier befommen nun auch die Blut-
‚zeugen unter dem Altar, Kap. 6. V. 9. u. f. ihren Gnas
denlohn; ihre Frift von 1111 Jahren ift abgelaufen, und
568 Erklaärung der Offenbarung Johannis.
alle ihre Brüder, die um der Wahrheit willen ihr Blut ver:
goffen haben, bis auf die zwei Zeugen, gehdren unter dieſe
glüdfelige Zahl: |
Es ift Außerft merkwuͤrdig, daß hier ein Wort in der
Brundfpracdhe fteht, welches mit der Art hauen bedeutet, und
welches Luther durch enthaupten überfegt hat — allein es
heißt nicht, mit dem Schwerdt enthaupten, fondern mit der
Axt todthauenz in der ganzen Bibel kommt das Wort fonft
nirgends vor, als hier, und diefe Zodesftrafe war aud) von
jeher nirgend gebräuchlich ald in Nom und in den Abendläns
dern; auf Fein Werkzeug paßt aber der griechifche Ausdruck
pepelekismenon beſſer, als auf die franzoͤſiſche Guillotine;
und ob gleich alle Blutzeugen unter jenem Wort verſtanden
werden, ſo ſcheint doch der Geiſt der Weiſſagung ſeinen Blick
vorzuͤglich auf die letzten in unſern Zeiten zu richten. Wahrs
ich! Wahrlih! uns wirds auch am fauerften, weil; uns ſo
wenig Glaubensfraft übrig geblieben ift. Die festen follen
ja auch die Erften. ſeyn.
Die übrigen Reichsgenoſſen follen dann auch diejenigen feyn,
die das Thier und fein Bild nicht verehrt, und fein Zeichen
nicht an Stirn und Hand getragen haben; So viel Werth
wird auf das treue Anhangen am Herrn in unfern Zeiten ge—
legt; nicht die Millionen entfchlafener frommer Seelen, die
von Ehrifti Zeiten her bis an die Herrfchaft des Thiers hin
gelebt haben, alſo nicht alle Frommen, follen am taufendjähe
rigen Reich Theil haben; diefe ruhen fanft bis an den jüngs
ftien Zag, wo fie dann aud ihren Lohn überfchmwenglich bes
fommen, fondern nur diejenigen, welche für die Sache Chriſti
gefämpft, ihr Leben aufgeopfert, und an der allgemeinen
Weltmonarchie des Thiers Feinen Autheil genommen haben,
diefe follen nun dafür taufend Jahr auf der Erden Theil an
der allgemeinen Weltmonarchie des Herrn Ehrifti haben; der
Drache und feine Thiere rutigen nad) diefer Uniderfalherrfchaft,
und errungen fie nie, aber der Sieger mit den vielen Kronen
erhält fie, und theilt fie dann mit feinen worzüglichften gez
treuen Kampfern und Bekennern. Diejenigen, welche nun
von diefen auserwählten Reichsgenoſſen ſchon vor der Ankunft
Kap. 230 V. 4. bis 6. 369
des Herrn geſtorben ſind, ſollen auferweckt und wieder leben⸗
dig werden, und die tauſend Jahr uͤber auf Erden mit Chriſto
regieren. Es wird alſo bald nach der Ankunft des Herrn
"eine Auferftehung vorgehen, welche bier die Erfte genannt
wird. Alle Blutzeugen, von Stephanus an bis auf die leiten
zween Zeugen, werden dann wieder lebendig werden, und auf
der Erden leben; auf welche Weife dieß nun gefchehen, und
wie das zugehen wird? das muß die Zeit, die nunmehr fo
nahe ift, lehren. Ich vermuthe, daß die Menfchen auf die
nämliche Art mit dieſen Verklärten umgehen werden, als die
alten Heiligen in der Bibel mit den Engeln umgingen, nur
daß hier diefer Umgang häufig, täglich und ſtuͤndlich gefchieht.
Gott, welche herrliche Ausfichten ftellen fich hier dem Gott
ergebenen Geift vor! — Ach! laßt und treu feyn und aus⸗
halten, und wenn ed auch unfer Leben Foften ſollte! An dies
ſem herrlichen Reich werden alle unfre Zeitgenoffen, die fich
vom Thier und feiner Aufklärung nicht verführen laffen, und
ald wahre Ehriften dem Herrn treu bleiben, Theil nehmen;
wir fönnen alfo den heutigen revolutionsfüchtigen, neumodifchen
Aufklärern und Aufgeflärten gar wohl die Freude gönnen,
fih empor zu fehwingen, und über ihre armen Mitbürger zu
despotifiren, wahrlich! wir verlieren nichts dabei,
Vermuthlich werden die Getreuen des Herrn, die des Reichs
würdig erfunden werden, auch noch leben, wenn ber Herr
kommt, verwandelt, verflärt und unfterblich gemacht werden;
denn warum follten fie fierben, und alfo das Gluͤck der taufend
Sabre nicht fo gut genießen, ald ihre verflärten Mitbrüder ?
- Vielleicht fterben fie auch nach den Gefegen der Natur, wer:
den aber alöbald nach dem Zode wieder aufgewedt.
Sch vermuthe, daß viele meiner Lefer fchon oft gedacht ha=
ben, wie es doch wohl ſeyn möchte, daß Chriftus und feine
Apoſtel diefes taufendjährigen Reichs nirgend in ihren Schrif:
‚ten, wenigftens nicht deutlich gedenken, und daher entweder
an der Aechtheit der ganzen Offenbarung Sohannis zweifeln,
oder. doch glauben, daß diefes 29ſte Kapitel ganz anders und
im geheimen Sinn verfianden werden müßte.
- Diefer Zweifel hat fcheinbare Gründe, und ift fehr zu vers
Etiflings ſaͤmmtl. Schriften. III. Band. 24
370 Erklärung der Offenbarung Johannis
zeihen ; indeffen ift er doch Vorzüglich in unfern Zeiten ſchaͤd⸗
lih, und er beraubt den frommen Dulder eines mächtigen
Troſtgrundes; ich finde mich daher gedrungen, diefen —
gruͤndlich zu tilgen.
Chriſtus hatte in den Tagen ſeines irdiſchen Lebens, bei
ſeinen noch ſchwachen und ſehr ſinnlichen Anhaͤngern zwei
wichtige Vorurtheile zu bekaͤmpfen; das erſte war, die Grüne
dung eines irdifchen Reichs, und das zweite die Zeit feiner
Wiederkunft: Vom erfteri mußte Er fie ab⸗ und auf das
wahre wefentliche Chriſtenthum führen, als welches der eigent⸗
liche Zweck feiner Sendung war; hätte Er ihnen nun Hoff:
nung zu einem irdifchen Reich gemacht, fo hätte der Gedanke
ihre ganze Seele erfüllt; Hoheit und Herrfchfucht hätten ihnen
das Ziel verrüdt, und fie wären nie die ſanftmuͤthigen from⸗
men Dulder geworden, die fie in der That wurden, als fie,
ohne Hoffuung irgend: eines irdifchen Vortheild, der Wahr:
heit treu bleiben, und alle Verfolgung ftandhaft aushielten.
Danıt erft Fann ein Vater die wahre Treue und gegründete
Liebe feiner Kinder prüfen, wenn er ihnen jede Ausficht auf-
Belohnung verbirgt, und fie dann doch redlich feine Sachen
beforgen und treulich aushalten. Die allgemeine Hoffnung
‚auf die ewige ERDE mußte und follte den * Chriſten
genug ſeyn.
Nachdem aber die Apoſtel den heiligen Geiſt empfangen
hatten, fo bekamen fie dunkle Blicke in die Zukunft, und ahnes
ten fo etwas von diefem herrlichen Reich, indeffen wareıt fie
nunmehr fo erleuchtet, daß fie wohl einfahen, die Lehre von
diefer Sache fey den Chriſten zur Heiligung unudthig, daher
fhwiegen fie au) davon, Bei dem allen mußte aber doc)
eim Zeugniß davon im Archiv der Kirche aufbewahrt werden,
damit die Chriften der Tegten Zeit, denen die Erfenntniß von
dieſem Reich hoͤchſt nöthig ift, um fich darauf anſchicken zu
koͤnnen, etwas hätten, worauf fie ihre Hoffnung und Erwars
tung gründen koͤnnten; deswegen wurde nun dem Apoftel
Johannes die Offenbarung gegeben, und alles in derfelben
weislich in heilige Hieroglyphen eingehüllt, damit nie mehr
‚davon verſtanden werden fonnte, als in jedem Zeitpunkt nöthig
— —
— —
Kap. 20:8. 4. bi 6. 571
war. Jetzt iſt nun die Zeit vorhanden, wo man mit der Sprache
heraus rücen fann und muß, um Muth zu machen, und den
Glauben zu ftärfen; die Macht der Finfterniß ringt nach der
allgemeinen Weltherrfchaft, und es ſcheint ihr zu gelingen;
dieß fchlägt den Muth und die Hoffuung des Chriften gewal⸗
tig nieder; wenn er aber nun weiß, daß jene Macht durch die
Ankunft des Herrn nun bald ganz und auf ewig bezwungen
und befiegt werden foll, und daß Ehriftus mit den Seinigen
jene Weltmonarchie befommen wird, wer wird denn da nicht
ruhig und muthig zufehen, und alles gehen laffen, wie e8 geht?
Denn er weiß ja, daß das Ende um fo mehr befchleunigt wird,
je fohlimmer e8 die Feinde anfangen.
‚Bei den Zweifeln über die Aechtheit der Offenbarung os
hannis hatte fogar die Vorfehung ihre weiſe Abfichten; fie
dienten ebenfalls zur Prüfung des Glaubens: Aber der Bes
weis ihres göttlichen Urfprungs müßte denn doch bei den
erleuchteten Ehriften immer in dem Verhältniß wachfen und
gewiffer werden, im welchem fie immer mehr in Erfüllung
ging; für uns ift diefe Weiffagung Aufferft wichtig, und je
mehr fie jest unter der Leitung des heiligen Geiftes erläutert
wird, defto nüglicher wird es feyn.
Das zweite Vorurtheil, welches Chriftus und feine Apoſtel
zu beftreiten hatten, war die allgemeine Idee von der Nähe
feiner zweiten Zukunft; die erften Ehriften, und fogar die Apo—
ftel felbft, dachten fich diefe Wiederkunft viel näher, als fie
nun wirklich erfolgt; wie viele von den erften Chriſten würz
den wieder abgefallen feyn, wenn fie gewußt hätten, daß es
» über achtzehn hundert Jahre währen würde, ehe Chriftus
wieder Fame? Die Vorfehung lenkte es daher fo, daß man
allgemein den Tag des Herrn immer näher vermuthete, als
er war, um die Chriften defto wachfamer zu erhalten,
Endlich muß ich auch noch bemerken, daß ich hier une
möglich der Meinung des fel, Bengels darinnen beipflichten
kann, wenn ver 2000 Fahr nad) einander annimmt, oder daß
fie zum Theil neben einander-fortlaufen folten, wie andere
vermuthen., Meiner geringen Einficht nach ift hier die Rede
nur von eintaufend Fahren, in welchen der Satan gefangen
24 *
379% Erklärung der Offenbarung Johannis
ift, und Chriſtus mit feinen Heiligen regiert, oder bie alfge-
meine Weltherrfchaft verwaltet; zu noch eintaufend Jahren
gibt mir wenigſtens der Text deinen Wink,
Wenn alfo die Märtyrer und Bekenner, und alle diejenigen,
welche während der Herrichaft des Thiers und des falfchen
Propheten treu bei dem Herrn ausgehalten haben, im Jahr 1836
(vermuthlich) auferfiehen, und als eine Klaſſe höherer Weſen
auf Erden leben und regieren werden, fo werden hingegen alle
übrigen Todten nicht lebendig, bis die taufend Jahre vollen:
det find, die Frommen tuhen fort in ihren Kammern und Die
Gottloſen Fämpfen in fchweren Träumen dem Gericht entge:
gen. Daß nicht alle Todten zugleich auferfiehen werden, bez
zeugt auch Paulus 1 Kor: 15. V. 22—26. Diefe Stelle ift
mit derjenigen, die ich hier erfläre, vollfommen uͤbereinſtim⸗
mend, Wenn aber Chriftus von der allgemeinen Auferftehung
tedet, fo meint Er die zweite, welche auf die taufend Fahre folgt.
Im Hten Verd wird die Verficherung beigefügt, daß diejes
tigen felig und heilig feyen, welche an der erften Auferftehung
Theil hatten: Denn über diefe wird der andere Tod Feine
Macht haben: Ueber diefen zweiten Tod habe ich ſchon ver⸗
fchiedenes in der Erklärung des 12ten Verfed des 2ten Ka⸗
pitels gefagt, wo den ſmyrniſchen Ueberwindern, namlich den
Blutzeugen, verfprochen wird, daß der andere Tod fie nicht
beleidigen würde, diefes wird nun auch hier befräftigtz denn
jene Blutzeugen gehören ja mit. zu den Theilgenoffen ber
erften Auferſtehung; im 14ten Vers des gegenwärtigen 2often
Kapiteld wird gefagt, was der andere’ Tod fey, nämlich der
Feuerſee; für diefen find alfo die Zheilhaber der Regierung
des taufendjährigen Reichs ſicher; aus dem Gegenfaß folgt
aber etwas. fehr Bedenkliches; nämlih: Daß es dann alle
diejenigen nicht find, die der erſten Auferftehung nicht theile
haftig werden; die Unterthanen des Reich Chriſti Tonnen
dureh Uugehorfam und Widerfpenftigfeit diefes fehredlichen
Gerichts des zweiten Tods noch theilhaftig werden; wer etwa
noch. mehr auch von den Todten diefer Gefahr auögefegt if,
das wird fich zeigen;
Die Ausdruͤcke, daß die Erftauferfiandenen Priefter Got⸗
Kap 20.8. 7.0840, 875
tes uud Chriſti feyen, und taufend Jahr mit Ihm regieren
würden, zeigen an, daß dieß Reich ein priefterliches Königs
reich nad) der Weife Melchifedehs feyn, und daß allein die
Religion, und nicht die Rechtögelehrtheit, die Gefeßgebung
ausüben werde, Der Widerchrift regiert durch die finnliche
Vernunft, daher nichts ald Ichheit und Defpotismus, eine
ewige Anarchie, und Ebbe und Fluth der Revolution; Chris
ſtus und feine Getreuen aber regieren durch die vom heiligen
Beift erleuchtete Vernunft, daher allwaltendes Beftreben
immer aus Gottes s und Menfchenliebe das allgemeine Befte
zu befdrdern, welches dann nothwendig den Himmel auf
Erden bewirken muß, | |
7. Und wenn die taufend Jahre verfloffen find, fo wird
ber Satan aus feinem Gefaͤngniß (osgelaffen werden,
8, Und er wird ausgehen, die Nationen zu verführen,
die in den vier Weltgegenden find; den Gog und
den Magog, um fie in einen Krieg zu verfammeln,
deren Zahl wie der Sand des Meeres feyn wird.
9, Und fie kamen herauf auf die Breite der Erden, und
umgaben das Deerlager der Heiligen und die geliebte
Stadt, und es fiel Feuer von Gott: aus dem Himmel
herab, und verzehrte fie.
10, Und der Teufel, der fie verführte, wurde in den
Feuer s und Schwefelfee geworfen, wo auch das Thier
und der falfihe Prophet ift, und fie werden. Tag
‚und Nacht in die ewigen Ewigkeiten gequält werben.
Die Offenbarung fagt uns nichts über die Gefchichte des
taufendjährigen Reichs — das ift Aber auch Fein Wunder;
- denn ed wird da feine Kämpfe zwifchen Kicht und Finfterniß
mehr geben, fondern es wird dann ein immerwährender Friede
ſeyn; Segen und Gedeipen, Wahsthum in der Heiligung,
und gerader, ungehinderter Fortgang zur großen Beftimmung
der Menfchheit wird das Ziel alles Strebens und Wirkeus
werden. Man lefe nur die herrlichen Weiffagungen der Pros
pheten von diefem Reich, fo Fann man ſich von feiner Bes
ſchaffenheit Hinlänglich unterrichten, befonders aber das 6oſte
574 Erklärung der Offenbarung Gohannis,
Kapitel des Propheten Zefajä, welches ganz hieher gehdrt;
wen das nicht flärfen und erquicen Fann, der muß fein
Gefühl yaben.
Nach den taufend Fahren aber gibt es noch zwei Vorfälle,
welche dem Geift der Weiffagung würdig genug find, um fie
uns zum Voraus befannt zu machen; naͤmlich die gänzliche
Hinrichtung Satans und dann der eigentliche jüngfte Tag.
Satan hat fich alfo während den taufend Fahren noch nicht
eines befjern befonnen , wohl aber darauf gedacht, noch den
letzten Verſuch gegen den Herrn und fein Reich zu wagen;
denn nachdem er aus feinem Gefängniß losgelaffen wird, fo
fchleicht er durch alle vier Welttheile, und macht den Nationen
begreiflich, daß.es ihnen fchimpflich. fey, der hriftlichen
Monarchie gleihfam unterthänig zu feyn und fie zu reſpek⸗
tiren; er erhißt ihre Leidenschaften und bringt eine große all-
gemeine Coalition gegen das Reich des Herrn zu Stande.
Bejonders werden hier zwei Monarchen oder Staaten ges
nannt, bie dann vielleicht vorzüglich mächtig feyn, und die
alliirte Armee Fommandiren werden, nämlic) Gog und Magog.
Hier wird alfo die geheimnißvolle Weiffagung Ezechiels Kap.
38. und 59. bekräftigt, befeftigt und näher angewendet; da nun
das Land Magog gegen Mitternacht liegt, fo muß wohl hier das
ganze nördliche Afien darunter verffanden werden; e8 werden
alfo zu der Zeit zwei Monarchen im Norden feyn, die alle
verbündete Nationen gegen den Sig des Reichs Chrifti,
welcher vermuthlich. Serufalem feyn wird, anführen, aber
auch dajelbft ihr Ziel finden werden; denn Dad Feuer Gottes
vom. Himmel, nämlich ein fchrecliches Gewitter, wird fie
von der Erden vertilgen, Man leſe die oben angeführte
Weiſſagung des Propheten Ezechield, wo die ganze Nieders
Inge ausführlich befchrieben wird,
Daß Jeruſalem und das gelobte Laud der Hauptfiß feyn
werden, fcheint aus vielen Stellen der heiligen Schrift ges
wiß zu ſeyn; dieß werden die Nationen umzingeln, Damit ihnen
niemand entlaufen fünne, aber es wird ihnen übel befommen.
Nachdem nun dem Dradyen, der alten Schlange, aud)
diefer letzte Verfucy mißlungen ift, fo wird er nun auch zum
Kap 2 Bedl Aeiu.,. 375
Seuerfee verdammt, wo dann dad Thier und der falſche Pros
phet ſchon taufend Jahr gequält worden find. .
Diefer Zuftand mag über allen Begriff ſchrecklich feyn, aber
ihr Betragen ift es auch gewefen,. und fie haben fich diefe
Jammerwelt felbft geſchaffen, Gott it nicht Schuld an ep
Plage,
11. Und ich fahe einen * weißen Thron, und den,
der darauf ſaß, vor deſſen Angeſicht Erde und Him⸗
mel floh, und für ſie wurde kein Platz gefunden.
12. Und ich ſahe die Todten groß und klein vor dem
Thron ſtehen, und es wurden Bücher gebffnet, und
ein ander Buch wurde gebffnet, welches iſt des Les
bens. Und die Todten wurden aus den Schriften in
den Büchern nach ihren Werken gerichtet.
Nachdem nun alle Feinde aus dem Weg geräumt worden,
fo wird nun auch) das endliche Schickfal der gefammten Menfchs
heit entſchieden, und der jüngfte Tag bricht an, Der große
weiße Thron ift der Richterftupl der Welt, wo kein Beftechen,
fein Heucheln und Täufchen mehr gilt; derjenige, der auf
dem Thron fißt, iſt Ehriftus. Das Fliehen der Erde und
des Himmels iſt ein bildlicher Ausdruck, und darf nicht
eigentlic) verftanden werden; die alte heilige Sage, daß die
Erde Dur) Feuer gereinigt werden foll, wird bier nicht be=
rührt, indefjen kann fie doc) mit diefer Stelle verbunden werden.
Mir konnen die eigentliche Beſchaffenheit der Verwandlung
der Erde und des Himmels nicht genau beſtimmen, und es iſt im⸗
mer am ſicherſten, wenn man die Erfüllung erwartet, Sm Iſten
Ders des folgenden Kapitels fieht Johannes einen neuen
Himmel und eine neue Erde, und Petrus war auch fchon.
mit diefer Jdee befannt. 2. Petr. 3. V. 15. Ob aber unfre
‚Erde mit ihrem Dunftfreis werde erneuert, verſchoͤnert und
durch Feuer gereinigt werden, oder ob das alles nur einen
prophetifhen Sinn habe, und eine neue Religions und
‚Kirchenverfaffung, und eine gänzliche Veränderung. der bürs
gerlihen Einrichtungen bedeute, das kann man nicht eher
willen, Dis mit der Zeit die Erleuchtung mehr Licht gibt, oder
bis mans erfährt.
s X 5
*x
376 Erklätung ber Offenbarung Johannis.
An dieſem großen Tage erfolgt nun auch die zweite allge⸗
meine Auferftehung ; alle Todten klein und groß werden aufs
geweckt, und erfcheinen hier vor dem allgemeinen Weltgericht,
Die bildlichen Ausdruͤcke von den Büchern oder Protokollen
zeigen, daß hier die ganze Lebensgefchichte eines jeden Mens
fchen geprüft, und ſcharf, aber ganz gerecht beurtheilt wers
den foll. Jeder hat fein eigenes Protokoll in feinem Gewiffen,
amd dieß wird ihm dann aud) fein gerechtes Urtheil fprechen,
das dann der auf dem Thron beftätigen und ausführen wird.
Beſonders ift ader hier wohl zu bemerken, daß zweier Ars
ten von Büchern gedacht wird ; es gibt da Bücher der menfc)s
lichen Handlungen und ein Bud) des Lebens; wer nad) je
‚nem gerichtet wird, der kommt viel zu Furz, und das gefchieht
allen denen, die nicht die Vergebung ihrer Sünden in der
Erlöfung dur Chriſtum gefuht habenz : diejenigen aber,
welche nichts von dieſer Anftalt wußten, oder durch ihre
väterliche Religion davon abgehalten wurden, werden, wenn
fie fonft gutes Willens waren, Barmherzigkeit finden.
Jns Buch des Lebens werden alle diejenigen eingetragen,
bie ernftlich den vechten Weg zur Heiligung fuchten und fans
den; diefe kommen nicht ind Gericht: das heißt, ihre Suns
den werden nicht gerechnet, fondern nur der Grad ihrer
Thätigkeit in der Gottes- und Menfchenliebe, welcher zus
gleich auch den Grad ihres Glaubens beſtimmt, beftimmt
aud) den Grad ihrer Seligkeit. |
15. Und das Meer gab die Todten, bie in ihm maren,
und der Tod und der Todtenbehälter gaben die Tod;
ten, die in ihnen waren, und fie wurden gerichtet,
jeglicher nach feinen Werfen,
44, Und der Tod und der Todtenbehälter wurden in den
Fenerfee geworfen, diefer ift der zweite Tod.
15. Und wenn jemand ind Buch des Lebens nicht einges
fhrieben gefunden wurde, fo murde er in den Feuer⸗
fee geworfen,
Diefe Verſe, befonders der 15te und 14te, geben einigen
Aufihluß über ven Zuftand der abgefchiedenen Seelen, vom
" Kap. 20.8. 13. bis 16. 577
Tode an bis zur Auferftehung; fie find aber ſchwer zu vers
ſtehen, wenn man nicht Einficht in die Befchaffenheit des
Geiſterreichs hat: diefe Einficht aber ift fchwer zu erlangen,
und nur für denjenigen möglich, der den genauen Mittelweg
zu treffen und glaubwürdige Erfahrungen zu benugen weiß;
was mir davon befaunt geworden, das will ich bier treus
lic) mittheilen.
Nach dem oberflächlichen und buchftäblichen Verſtand heis
Ben die Worte des 15ten Verſes fo viel, als; Das Meer
gab die Todten, die im ihm waren; und diejenigen, welche
hingerichtet worden, oder fonft auf eine ſolche Weife umges
fommen find, daß fie nicht begraben worden, vie alfo der
Tod blos in feiner Macht hat, mußte auch der Tod hergeben,
‚und der Hades, das ift, die unterirdifchen Gräber, gaben
auc) die ihrigen her. Allein dadurch wird der tiefe Sinn
dieſer Worte nicht erfhöpfer — ich werde ihn wohl auch
nicht erfchöpfen, aber doch mehr Licht hineinbringen, als
diefe buchftäbliche Erklärung je gewähren kann.
Daß diefer oberflächliche Sinn nicht der wahre, wenigftens
nicht der einzige fey, erhellet aus dem folgenden Vers, wo
es heißt: Der Tod und der Todten oder Seelenbehälter feyen
„ auch in den feurigen Pfuhl geworfen worden; welches doch
wohl von einem folchen Tod wie jener Sinn ausdrädt, und
von den Gräbern nicht verftanden werden kann; ed muß alfo
etwas DVerborgened und Wichtiges hier zum Grund liegen.
Man merke folgende Saͤtze:
Ich theile in .diefer Beziehung die Menfchen in zwei Klaffen:
1) In ſolche, welche ihren Geift mehr oder weniger kul⸗
tiviet haben, und daher in der Smagination, im Dens
fen und Urtheilen, wenigftens einigermaßen geübt find.
Diefe will ich venfende Seelen nennen; und
2) In ſolche, welche blos finnlich find, und blos durch
finnliche Vorftellungen, ohne weiteres Nachdenken ges
leitet werden. Diefe find denn finnliche Seelen. |
Zu der erften Klaffe gehören alle Gelehrten, und überhaupt
alle nur einigermaffer Eultivirte Leute, und sur äweiten der
vornehme und geringe Pöbel,
378 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Diefe beiden Klaffen zerfallen jede wieder in drei Arten:
Es gibt gottlofe und fromme denfende Seelen. und aud)
folhe, die weder vollfonmen gottlo8, noch vollfommen
fromm find, fondern gleihfam zwifchen beiden das Mittel
halten; diefe will ich gemeine denfende Seelen nennen.
Eben fo verhält es ſich nun auch mit. den finnlichen Seelen:
Es gibt gottlofe und fromme, und aud) gemeine finnliche
Seelen.. Da nun. die Seele nad) dem Tod Feine ſinnliche
Werkzeuge mehr hat, folglid von der ganzen Schöpfung, fo
wie fie uns in Die Sinne fällt, nichts mehr empfindet, ſo
iſt ihr ganzer Wirkungskreis blos auf die Summe der Vor⸗
ſtellungen eingeſchraͤnkt, Die. fie im irdischen Leben gefammlet
hat; aufferdem aber’ empfindet fie dann freilich auch ihres
‚gleichen, fie kann mit Geiftern umgehen, und wenn fie-Mens
ſchen antrifft, die ein entwiceltes Ahnungspermdgen haben,
fo kann fie auch mit diefen Umgang pflegen, auffer diefen
aber ift fie ganz von aller Gemeinfhaft mit der Sinnenwelt
abgefondert; fie fündiget auch, wenn fie noch ferner dieſe
Gemeinschaft ſucht, fo wie fih die Menfchen ſchwer vers
fündigen, dieihr entwicdeltes Ahnungsvermögen zum vorwißis
gen Umgang mit Geiftern zu brauchen fuchen,
Man ficht alſo hieraus, wie fehr der Zuftand der Seelen
nach dem Zode von dem biefigen verfchieden feyn müffe; hier
vereinigt gleichfam die gleihfdrmige. finnlihe Empfindung
und die. Einwirkung der Aufferen Welt alle Menfchen, dort
aber lebt jeder in der Welt feiner Phantafie, und zwar fo
lange, bis fein Schieffal vorläufig entfchieden ift. Hier
kommt die Lebhaftigfeit und. der Grad des Selbitbemußtfeyns
auf die Lebhaftigkeit der finnlihen Werfzeuge an, dort aber
auf die Lebhaftigkeit der Jmagination, und auf den Grad
der Uebung im Denfen,
Da alle abgeichiedenen Seelen alfofort nad) dem Tode, und
im erfien Empfinden des Selbftbewußtfeyns im gleichem Zus
ftand, und aller finnlichen Empfindungen beraubt find, fo
fommt ihnen ihr Aufenthalt als eine unendliche, leere, dunkle
Wuͤſte vor, in welcher fie alle Geifter ihres gleichen, oder
auch Gott, nebft guten und böfen Engeln wahrnehmen. . Dies
Kap. 20, B-13. bis 13. 379
ſes iſt nun der eigentliche Hades, der Todtenbehaͤlter,
oder der Ort des Schweigens.
Bei allen abgeſchiedenen Seelen verhaͤlt ſi d der Grad des
Selbſtbewußtſeyns wie die Deutlichkeit der Imagination und
die Uebung im Denken; folglich ſtehen die denkenden
Seelen nach ihrem Tode in einem Zuſtand, der einem ſehr
lebhaften Traum gleich iſt, ſie beſchaͤftigen ſich mit denen
Ideen, die ihnen hier die liebſten waren, und vergeſellſchaf—
ten fi) dadurch auch mit denen Geiftern, die ihnen ähnlich),
mit ihnen gleichgejiunt find; dadurch werden fie dann freis
lich in ihrer Richtung , die fie hier einmal genommen haben,
immer mehr befeftigt, Diejenigen, bei welchen das Lafter
geherrſcht hat, kommen daher in immer größere Verwicke⸗
lungen von lafterhaften Geiftern, und die Frommen eilen von
Engeln umgeben und unterrichtet, dem Urlicht immer näher.
Diefer geiftige Aufenthalt, oder der Hades, ſteht unter
‚einem Fürften der Finfterniß, welcher. mit feinen Helferss
helfern auf die Seelen wirft, um. fie ſich vollends zu eigen
zu machen; die Frommen find für ihm ficher, denn diefe
kommen ſchon im Tode in die Gefellichaft der Engel; die
Gottloſen find ohnehin ſchon in feiner Gewalt, aber die ges
meinen denfenden Seelen, die fi in einem. Mittelzuftand
befinden, find manchmal lange feinen Verfolgungen ausges
fest, bis er fie entweder in feine Gewalt gebracht hat, oder
bis fie vollends gebefjert, durch die Engel gerettet werden.
Diefer böfe Engel ift alfo der Engel des Hades oder Todtens
behaͤlters, der am jüngften Tag auch in den Feuerfee Fommt.
Ganz anders verhält es fich aber mit den finnlichen Seelen,
dieje fiehen im Zuftand des Schlafs und des unzuſammen⸗
bängenven dunfeln Traͤumens; find fie gortlos, fo iſt ihr
Träumen ſchwer; ihre Be Ideen gaufeln ihnen den
ehemaligen fi finnlihen Genuß unvollftändig und dunfel vor,
nichts gelingt ihnen, fie lechzen nach jenem Genuß, und er
zerrinnt ihnen jedesmal unter den Händen; fie befinden ſich
nicht in einem beftändigen Aufenthalt, fondern fie träumen
ſich bald hie, bald dahin, und immer verwirrt und ohne
Zufammenhang fort.
380 Erklärung der Offenbarung Johannis
Die frommen Seelen diefer Art aber genießen eine fanfte
Ruhe, in einem kaum merkbaren Bewußtfeyn; fie träumen
von Engeln, die fi ihnen auch nähern, ihnen Kraft zus
wehen, und fie gegen den böfen Engel des Todes fchügen,
der auch hier mit feinen Gehülfen noch zu ernten fucht.
Diefer Zuftand ift alfo der eigentliche Tod, und jener Engel
ber Thanatos, ber auch am jüngften Tag zum Feuerſee ver⸗
dammt wird,
Die Mittelſeelen dieſer Klaſſe traͤumen von guten und boͤſen
Engeln, und wohin ſich nach und nach ihre Richtung neigt,
dahin gerathen ſie; der tiefſte Seelengrund und der reine
Wille in demfelben beftimmt in jedem Menfchen fein enplis
des Schickſal. |
Alle diefe Dinge find intenfive innere Wirkungen, die blos
in der Imagination der Seelen, aber doch wefentlich vors
gehen ; auf den äußern Stand der Subftanz der Seelen im
finnlihen Weltraum hat das Alles gar Feine Beziehung,
da befindet fich jede abgefchiedene Seele über ihrem Grabe,
oder vielmehr da, wo der Auferftehungsfeim ihres Körpers
iſt; von diefer Eriftenz weiß fie aber gar nichts, A empfins
det nur in der Geifterwelt.
Daß fich jede Seele, dem Drt im finnlichen Raum nach,
bei ihrem Körper befindet, gleichſam durch einen magnetifchen
Zug dahin gezogen wird, ift natürlich: doch gibt es einzelne
Faͤlle, wo fie eine Schlafwandlerin wird; wenn fie naͤmlich
im Sterben eine Sehnfucht nad) etwas hatte, die fie nicht
befriedigen Eonnte, fo nimmt fie diefe Sehnfucht in ihr
Zraumleben mit, wo.fie dann oft fo flarf wird, daß fie die
Seele dahin zieht, wo fich der anziehende Gegenftand befindet,
und wo fie dann oft von denen empfunden wird, Die ein
entwiceltes Ahnungsvermögen haben,
Diefes find meine Abe: Schüler» Fdeen von diefer Sache,
die ich nach und nach aus wahren Factis geſammelt und
abſtrahirt habe; ſollte mic) jemand darüber zu einem Mates
rialiften machen wollen, welches doch eine wahre Schwäde
in der wahren Philofophie verriethe, fo erinnere ich ihn nur
an die Beſchaffenheit des menfchlichen Körpers, in welchem
der unfterbliche Geift an ein fehr feines materielle Weſen
unzertrennlich gebunden ift, und das ihm auch nad dem
Tode zur Bafid und zum Werkzeug des Vorftellend und Dens
kens dient.
Nach diefen Eurzen Bemerkungen wird man nun leicht bes
greifen, wie am jüngfteh Tag der Tod und der Todtenbe—
hälter ihre Todten hergeben fünnen, und wie ihre Verdam⸗
mung zum) Feuerfee möglich fey. |
Ob hier auch das Meer einen geiffigen Sinn unterftelle ?
dad weiß ich nicht — ich vermuthe es aber nicht; denn es
wird nicht verdammt, wie die andern beiden; daher glaube
ich, daß der Ausdruck: Das Meer gab die Todten, die in
ihm waren, eigentlich nur den Zwed habe, uns zu vers
fihern, daß aud alle diejenigen, welche auf den Meer
fterben, und von den Fifchen gefreffen werden, - eben fo gut
auferftehen werden, als diejenigen, ‚welche in die Erde vers
feharrt oder auf dem Trodenen auf irgend eine Weiſe ums
Leben gekommen find.
Schrecklich! ſchrecklich! ift endlich die Ankändigung, daß
von allen Myriaden Menſchen alle diejenigen, welche nicht
im Buch des Lebens ſtehen, ebenfalls in den Feuerſee verwies
fen werden follen. Doch wird es da auch Grade der Qualen
geben, denn jeder foll nach dem Grade geftraft werden, wie
ers verdient hatz hieher gehört Matth. 25. V. 34. bis 46.
582 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Das ein und smanzigfte Kapitel.
1. Und ich fahe einen Kenen Himmel und eine neue Erde,
denn der erſte Himmel und die erſte Erde iſt vergan—
gen, und das Meer ift forthin nicht mehr.
2. Und die heilige Stadt, das neue Jeruſalem, fahe ich
von Gott aus dem Himmel herabfahren, zubereitet
wie eine Braut, die für ihren Dann geſchmückt if.
3. Und id) hörte eine große Stimme aus dem Himmel fa:
gen: Siehe, die Hütte Gottes bei den Menfhen! und Er
wird bei ihnen wohnen, und fie werden fein Volk, und
Gott felbft wird bei ihnen ihr Gott ſeyn.
Nun ift die Kampfperiode verfloffen, der große Gtreit
Zwifchen Licht und Finfterniß ift entfchieden ; alle Feinde Got:
tes und Chriſti haben auf ewig ihr Urtheil empfangen; Boͤſes
und Gutes ift nicht mehr gemifcht,, fondern gänzlich von ein:
- ander, jedes im feine Quelle verwiefen; und nun befchreibt
uns nöch der heilige Seher, in herzerhebenden Bildern, die
Blicke, die er in jene herrliche Welt gethan hat, zu welcher.
das taufendjährige Neich eine'Vorbereitung iſt.
Sch habe oben bei Erklärung des I1ten Verſes des vori—⸗
den Kapitel einige Bedenklichkeiten geäuffert, wie wohl der
neue Himmel und die neue Erde zu verftehen fey. Man kann
mit den Weiffagungen nicht vorfichtig genug ſeyn; denn wir
fehen hier durch ein Glas ins dunfle Wort, indeffen will ichs
denn doc) wagen, und meinen Lefern meine Vermuthungen
mittheilen, fo wie ich fie in der Gegenwart Gottes und in
Abhängigkeit von Ihm niedergefchrieben habe,
Während den taufend Fahren wird die Erfenntnig, wahre
Aufklärung und Erleuchtung zwar immer wachſen, indeffen
wird denn doch die Befchaffenheit der phyſiſchen Natur, fo=
wohl unfers Erdförpers,, als auch der Menfchen felbft, noch
Kap. 21. V. 1. bis 5. a
immer mancherlet Unvollfommenheiten in unfre Gluͤckſeligkeit
einmiſchen; Krankheit und Tod find noch nicht verbannt,
und Verfuchung zur Sünde und Kampf gegen das verdorbene
Fleiſch und Blut wird noch immer ſtatt finden, mit einem
Wort, die Folgen des Falls Adams und der Einwirkung
der Finfterniß find noch nicht ganz gehoben: es gibt ja auch
noch Millionen böfer Menfchen, die mit Gog und Magog
gegen das Reich Ehrifti Fämpfen wollen, folglich hat die
Erlöfungsanftalt noch nicht völlig ihren Zweck erreicht, daher
ift das taufendjährige Reich blos eine Pflauzfchule zur ſeli—
gen Ewigkeit, fo wie es jeßt die Brüdergemeine fürs taufends
jährige Reich ift, und fo wie es ehmals die ifraelitifche Nez
ligion zum Chriſtenthum war.
Wenn alfo die babylonifche Ehebrecherin,, das Thier aus
dem Abgrund mit dem falfchen Propheten, der Drache felbit,
und nun auch Gog und Magog bezwungen find, und auf
ewig ihr Urtheil empfangen haben, fo muß nun auch noch
Sünde und Tod vernichtiget werden, Dieß ift aber nicht
möglich, fo lang die gegenwärtige Befchaffenheit unfers Erd»
förpers mit feiner Atmosphäre, unfers eigenen Körpers, und
überhaupt der gefammten phyſiſchen Natur noch fortdauerr.
Deswegen wird mun nad) Ablauf der großen Weltwoche—
von ſechs taufendjährigen Arbeitstagen, und einem taufends
jährigen Sabbath, eine neue Reformation der Natur, eine
neue Schöpfung vorgenommen, Der ganze Erdball mit feiz
nem Dunftkreis wird durch Feuer sausgebrannt, gereinigt,
geläntert, und befommt eine himmlifche verklärte Geftalt und
Oberfläche; dadurch wird daunn auch der Dunftfreis rein und
ätherifch. So wie der menfchlihe Körper nach der Aufers
ftehung ewig, unvergänglich und herrlich feyn wird, fo wird
e8 auch der Erdförper in feiner Art ſeyn, und alle feine Pros
dufte in allen Naturreichen werden nach eben dem Verhält:
niß auch veredelt erzeugt werden. Dann wird ed auch Feine
Meere und Seen mehr geben, fondern das feine geiftige Ge:
waͤſſer wird in Quellen, Baͤchen und Flüffen, auf eine ans
dere Weife wie jeßt, die paradiefifchen Fluren benetzen. Hier
fehen wir alfo deutlich und unwiderfprechlic), daß wir Mens
+
584 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
ſchen in Ewigfeit auf unferer vaterländifchen Erde. bleiben,
und alfo im vollem Sinn des Worts, den Himmel auf der
Erden befigen werden. So fahe nun Zohannes einen neuen
Himmel und eine neue Erde ohne Meer, alles neu, ohne
Anlagen zu fündlichen Reizen, alles vollfommen und in pas
radiefifcher Schönheit.
Dann fahe er auch das neue Jeruſalem, die ewige Haupt⸗
ftadt des Volks Gottes, vom Himmel herniedergefahrenz
ihre Befchreibung komme hernach V. 8. bis 27. vollftandig
vor. Waͤhrend dem tauſendjaͤhrigen Reich gibts auch ein
neues Jeruſalem, in welchem der Regierungsſitz dieſes Reichs
ſeyn wird, allein es ift bei aller feiner Größe und Herrlich⸗
feit doch noch immer ivdifch und vergänglich; feine 144,000
Aktivbuͤrger, die ehmaligen Verfiegelten aus den zwölf Stäms
men Iſraels, multiplizirt mit den zwölf Apofteln des Lamms,
“Kap. 7. befigen in ihren geiftlihen Nachkommen und rechts
mäßigen Erben diefe Stadt, aber auch diefe Befizer find noch)
fterblihe Menfchen. : Jetzt, da nun der ganze Erdförper
und alle Frommen, alle Bewohner diefer neuen Erde verflärt
und unvergänglidy geworden, fo ift nun auch eine neue und
unvergängliche, zum Ganzen paffende Hauptftadt nöthig; und
diefe ift dad himmlifche Ferufalem — die Stammmutter alles
deffen, was je im finnlichen und geiftigen Verftande Jeruſa⸗
lem geheißen hat.
Johannes fieht diefe Stadt in aller. ihrer Pracht vom
Himmel herabfteigen; denn fo lang noch der Kampf auf der
Erden währte, und fo lang noch Verderben, Stunde und
Tod da waltete, fo lang Fonnte auch diefe himmlifche Reſi—
benz bed Königs aller Könige da nicht Play finden; jetzt
aber iſts nun Zeit, die bisherige Wohnung der feligen Seelen
kommt wie eine gefhmüdte Braut vom Himmel, und vers
fügt fih zu ihrem Brautigam auf die felige Erde, wo fie
num in die unendlichen Ewigfeiten hin, die allgemeine Haupts
ſtadt der Menfchheit, die Refidenz ihres Königes Zefu Chriſti
und Gottes bei den Menſchen ſeyn wird, wie ſolches dem
Apoſtel eine große Stimme aus dem Himmel wirklich ver⸗
ſichert, ſo daß wir uns feſt darauf verlaſſen koͤnnen.
Kap. 21. B. 4. bis 6. 388
4. Und Er wird alle Thränen von ihren Augen abwifchen,
und der Tod wird nicht mehr feyn; weder Trauer noch)
Wehklagen, noch Mühfeligkeit wird mehr feyn, deun
das Erfte iſt hingefhwunden, |
5. Und der auf dem Thron faß, ſprach: Siehe ich —
alles neu! — Und er ſagte zu mir: Schreibe! denn.
diefe Worte find glaubwürdig und wahrhaftig. -
6. Und er ſprach zu mir: Es iſt gefchehen! — Ich bin
das A und das große DO, der Anfang und das Ende!
ic) werde den Dürftenden aus den Quellen des Lebens;
waſſers umfonft geben,
Auf der neuen feligen und ewigen Erde werden nicht allein
alle hier geweinte Thränen der frommen Dulder abgetrocdner
werden, fondern fie werden auch nie wieder Anlaß zum Weis
nen befommen; Feine Trauer irgend einer Art, feine Urfach
zu irgend einer Klage, und Fein Gedränge von Laft und
Mühe ift dann mehr möglich, fondern Friede und Freude
im heiligen Element wird die Seligen durchwehen ; und ihre
. wichtigen Gefchäfte im Reich Gottes werden weder mit Ges
fahr noch mit irgend einer Art des Mißbehagens verpaart
gehen; hier war alles Mühe, Arbeit und Gefahr, aber dieß
Erſte ift dann auf ewig bingefhwunden, und hat Feine Spur
von irgend einem Uebel zurücgelaffen.
Jeſus Chriftus, der auf dem Thron fi igt und alle feine
Feinde nun überwunden hat, durch den alle Dinge ehmals
worden, ift auch num wieder das Werkzeug der neuen Schds
pfung: — Siehe ih made alles neu — Himmel und Erde,
Meuſchheit, und alles, was dahin gehört, ift num erneuert,
Suͤnden und Todesfrei, und das Alles ift mein Werk, fagt
‚Er zu Johannes, und damit wir ja nicht daran zweifeln
follen, fo fegt er wieder ein Nota bene drauf, und befiehle ,
dieſe Worı ja aufzufchreiben, denn fie feyen gewiß und
wahrhaftig.
‚Berner feßt Er hinzu: Es ift gefchehen! alles ift vollbracht,
was im Rathſchluß Gottes zur Rettung der Menfchen befchlof-
fen war — das, was errettet werden konnte, iſt gerettet,
Stillinas ſammti. Schriften. HI. Band. 25
536 Erklärung der Offenbarung Johannis.
und kein Einziger von meinen Auserwaͤhlten zuruͤckgeblieben;
wer num nach uͤberſchwenglicher Erkenntniß Gottes und feines
Reichs Verlangen trägt, und wer nach Liebe und Wahrheit
dürftet, der Fomme nur und trinke fi) an den Lebenswaflern
fatt; jetzt Foften fie ihn Feine Kaͤmpfe und Aufopferungen;
feine Leiden und Kampfthränen mehr, denn ich gebe fie ihm
in aller. Fülle umfonft. Sch bin ja das A und große D,
dad A und das 3, der Inbegriff aler Erkenntniſſe, der
wahre Logos Gottes, der Anfang und das Ende alles defz
fen, was gefchehen ift, und noch gefchieht, und in Ewigs
feit gefchehen wird.
7. Wer überwindet, ber wird diefe Dinge erben; und
ich werde ihm Gott und er wird mir Sohn feyn.
8. Und der Muthlofen, und Unglaubigen, und Abfchens
lichen, und Mörder, und Hurer und Giftmifcher,
und Abgdtter, und aller Lügner Erbtheil wird im
See feyn, der mit Feuer und Schwefel brennt, wel⸗
ches der zweite Tod iſt.
In dieſen zweien Verſen verſetzt der Hochwundigſte auf
dem Thron den Johannes wieder zuruͤck in ſein Zeitalter,
und faͤhrt fort: Wer alſo nun jetzt treulich kaͤmpft und durch
= meines Geiftes Beiftand alle Schwierigfeiten,, alle feine und
meine Feinde durch Glauben ) Liebe und Hoffnung überwin
det, der foll an allen denen Herrlichfeiten, die du gefehen
haft, und noch fehen wirft, an diefem Erbtheil der Heiligen
im Licht, Mitgenoffe und Miterbe feynz hingegen alle Muth⸗
loſe, die ſich durch jede Schwierigkeit von der Gemeinſchaft
. meiner Leiden abwendig machen laffen; alle Ungläubige, die
nichts glauben wollen, als was ihr. Fleiner Vernunftsfunfe
aufklären Tann, die alfo mich und mein Wort nicht annehmen
wollen; alle die in greulichen Laftern und geheimen ftinfenden }
Luͤſten leben; alle Mörder und Feinde der Menſchheit; alle
Hurer, die das weibliche Geſchlecht mißbrauchen; alle Gift:
mifcher, welche durch natürliche Mittel oder durch die Wir:
fungen der Natur ihrem Nebenmenfchen ſchaden; alle Abe
, götter, die irgend etwas in der Welt mehr lieben und ehren,
Kap. 9. bis 1. 387
als mich; alle Luͤgner, die ihre Nebenmenfchen flatt der
Wahrheit mir Erdichtungen täufben — alle diefe werden im
Feuerſee ihr Erbtheil finden, und ohne Aufhoͤren des zweiten
ewigen Todes ſterben muͤſſen.
Dieſer Probierſtein, meine geliebten Leſer! gilt auch fuͤr
uns; der Mund der Wahrheit ſpricht dieß gerechte Urtheil
von ſeinem Thron herab; darnach koͤnnen wir uns nun richten
und pruͤfen. Die Anlagen zu allen. den Greueln find in ung,
ed fommt nur darauf an, ob wir fie befämpft und über:
wunden haben ?
9, Und es Fam einer von den fi —* Engeln, welche die
mit den ſieben letzten Plagen angefüllte Schaalen
hatten, und redete mit mir, und ſprach: Komm her!
ich will dir die Braut, das Weib des Lamms zeigen.
10, Und er führte mich in der Entzückung auf einen gro⸗
Ben Berg, und er zeigte mir die Stadt, das heilige es
rufalem, wie fie von Gott zum Himmel hevabftieg,
‚11. Sie hatte die Herrlichkeit Gottes; ihr Stvahlenglanz
war gleich dem alleredelften Stein; wie ein Jaſpis⸗
flein, der kryſtallenklar iſt.
Nun feßt der Geiſt der Weiſſagung wieder feine große und
erhabene Profopopee fort; einer von den fieben Engeln, die
Zornfchaalen hatten, zeigte dem Seher im 17ten Kap. die
‚ große Ehebrecherin auf dem Thier; vielleicht eben diefer zeigt
ihm num aud) das Gegenſtuͤck dazu, nämlich das Weib oder
die Braut des Lamms, und zwar in Geftalt einer großen,
über alle Vorftellung prächtigen Stadt. Zu dem Ende führt
er ihn in feiner Entzuͤckung auf einen großen und hohen Berg;
denn die Größe der Stadt erforderte eine weite und breite
Ausſicht, die man nirgend anders als auf einem ſolchen
Berge haben kann.
Bis dahin war dieſe Stadt Gottes, dieſes neue Jeruſalem,
diefe Hütte Gottes bei den Menfchen, nur inwendig herrlich, und
von auffen vor der Welt verborgen, unanfehnlich und von
der Sonne verbrannt; fie war (wenn ich mich diefes ſchwachen
Gleichniſes — darf) eine Raupe, deren herrlich ſchoͤner
25 *
588 Erklarung der Offendarung Johannis.
Schmetterling jest ans feiner Puppe herausfchlupfte, Siehe!
Er macht alles nen! — .alfo auch feine Stadt Serufalem.
Die verflärte, unfterbliche Buͤrgerſchaft muß nun auch eine _
verklaͤrte, unvergängliche, zu ihr paffende Etadt haben.
Der erſte Eindruck, den diefe Mutterftadt, diefe Haupt:
ftadt der feligen Menfchheit, auf den Apoſtel macht, wie
er fie fo vom Himmel zur Erde herab finfen fieht,, bringt
ibn zu dem Ausruf — Gie hatte die Herrlichkeit Gottes!
Ihr Strahlenglanz war durchfcheinend bunt und röthlich,
wie ein durchfichtiger Fryftallifcher Zafpis. Johannes weiß
für dieſe prächtige ind mannigfaltig gemifchte Lichtfarben
fein Bild, ald das fchönfte, was wir in der Natur Fennen,
nämlich die in ihrem Farbenfeuer ftrahlende Edelfteine. Der
ganze Glanz alfo, den die Stadt von ſich in die Ferne ftrahlt,
kommt ihm fo vor wie ein durchfichtiger Jaſpis. An ſich
iſt dieſer Stein nicht durchſichtig, ſondern nur roͤthlich, und
auf mancherlei Art mir farbichten Aederchen und Woͤlkchen
geziert. Welch ein Aublick! diefe Königin mag wohl mit
größtem Recht Allerdurchlauchtigſte — und Ew. Majeftät
angeredet werden; fo durchlauchtig und — war
wohl nie eine.
Ueber das Herabfahren derfelben von Gott aus dem need
hab ich oben fon das Nöthige gefagt.
Nach diefer Befchreibung des Ganzen folgt nun auch die
Erzählung, wie die Theile befchaffen waren.
12. Sie hatte eine große und hohe Mauer; fie hatte zwolf
Thore! und auf den Thoren zwölf En gel, und Namen
darüber geſchrieben nämlich die der zwölf Stämme
Sfrael.
15. Bon Morgen drei Thore, und von Mitternacht drei
Thore, und von Mittag drei Thore, und von Abend
drei Thore.
14, Und die Mauer der Stadt hatte zwolf Grundlagen, und
auf ihnen zwdlf Namen der zmölf Apoftel des Lamms.
Die Größe und Höhe der Mauern Fommt unten bei den
Meffen der Stadt vor; fie hat zwölf Thore, auf deren jedem
*
4
Kap. 21. DB. 15, Dis 18. 5839
ein Engel Wacht hält, und diefe Thore haben ihre Namen
von den zwölf Stämmen Sfraeld; da nun die Statt genau
vieredigt ift, und eben fo genau auch gegen die vier Welts
gegenden liegt, fo Fommen au jede Geite drei Thore, die
alle gleich weit von einander entyernt ‚find... So wie nun auch
jedes Gebäude fein Fundament haben muß, fo haben es
aud) die Mauern dieſes Jeruſalems, und zwar folgenderges
falt: diefe Mauern. find vier, und jede Mauer hat drei
Thore, dadurch wird auch jede in drei gleiche Theile getheilt,
fo daß alfo auch jedes Thor auf einem befondern Fundament
ruht; auf jedem Fundament fteht dann auch wieder eine
Sufchrift, und zwar der Name eines Apofteld; da fand alfo
auch der fromme Sohannes feinen eigenen Namen, und das wilf
noch mehr fagen, als im Buch des Lebens angefchrieben ftehen,
Die Lehre Chriſti und feiner Apoftel, die hriftliche Relis
gion ift der Grund, das Fundament des himmlifchen Serus
ſalems; die eigentlichen Aktivbuͤrger und Eigenthümer deffelben
aber find die 144,000 Verfiegelte, Kap. 7. — man lefe, was
ich darüber gefagt habe. — Jeder Stamm gibt zu feinem
Thor 12000 Bürger, unter deren Obdach aber bei der ers
ſtaunlichen Größe der Stadt, noch viele 100,000 Selige
Raum genug finden werden. — Am Raum fehlts nicht, meine
Lieben! Laßt uns nur Ernft anwenden, um hinein zu kom⸗
men — die Herrlichkeit, die unfer wartet, ift unausfprechlich,
18. Und derjenige, der mit mir redete, hatte ein goldenes
Meßrohr, daß er die Stadt und ihre Xhore, und
ihre Mauer mefjen möchte,
16. Und die Stadt liegt viereckigt, und ihre Länge ift fo
N groß, ale bie Breite; und er maß die Stadt mit dem
Meßrohr in zwolftauſend Stadien ; a Breite
und Höhe find nod gleich.
. 47. Und er. maß ihre Mauer hundert vier und vierzig,
Ehlen menfhlichen Maaßes, fo wie fie der Engel hat.
18. Und die Strebepfeiler der Mauer waren Jaſpis,
und die Stadt reines Gold, gleich reinem Glas,
Der Engel, der mit dem Apoftel redete, war derjenige,
der ihm die Stadt zeigte, Vers 9. einer von denen, die die
590 Erklärung ber Offenbarung Johannis,
fieben Schaalen hatten; dieſer hatte nun auch eine lange
goldene Meßruthe, welche fonft gewöhnlich aus Rohr ges
ſchnitten wurden, als welches leicht und gerade-ift; er hatte
den Auftrag, die Stadt zu meffen, um damit anzuzeigen,
daß fie nun in Befig genommen. und unter die Bürger pers
theilt werden foll. - Bei diefer Meffung aber zeigt fih nun
eine ganz befondere Bauart, die in der gegenwärtigen Vers
faſſung der Natur weder ausführbar, noch für und zum
Mohnen gefchicht feyn würde; denn erftlich ift diefe Stadt fo
groß, daß fie auch der reichfte und mächtigfte Monarch nicht
zu bauen im Stand feyn würde, wenn man auch die Gtadien
ſehr Tlein annimmt, wie z. E. Bengel, weldyer 463 auf eine
teutfche Meile rechner, fo beträgt dann doch eine Seite der
Stadt von 12000 Stadien 258% teutfhe Meilen, folglich
würde dad ganze teutfche Reid) zum Bauplatz viel zu Flein feyn.
Zweitens ift auch) die Materie, woraus das neue Serufalem
gebaut ift, fo beichaffen, daß fie aus der ganzen phyſiſchen
Natur unfers Erdkoͤrpers nicht erhalten werden Fünnte, wos
her follte man alle die Edelfteine, und in der Größe, woher
durchfichtiges Gold nehmen? — und wenn mans zu Stand
braͤchte, fo wäre das alles dann doch am Ende vergänglicher
Staub. Und endlich drittens: Auch die Höhe der Stadt
hat 12000 Stadien, das ift, 2573 teutſche Meilen — gegen
diefe Höhen find auch die allerhöchften Berge Eleine Maul—⸗
wurföhligelchen; wer unter und würde im gegenwärtigen
Zuftand die oberfien Stockwerke diefer Häufer bewohnen
koͤnnen? aber dereinft nach der Auferftiehung, wenn unfer
Koͤrper keine Schwerkraft mehr hat, wenn er fi dem Willen
gemäß, mit der Gefhwindigfeit eines Lichtftrahls bewegen
faun, wohin er will, dann ift ihm nichts mehr zu hoch und
zu weit. Der Geift verlieft fich in der Vorſtellung dieſer
Majeftät, fie geht weit über allen Begriff.
Eben darum fieg auch das neue Zerufalem vom Himmel
herab, weil die Erde aud) in ihrer verflärten Geftalt zu arm
zu einem folchen Bau ift,
Diefe Stadt ift nun vollfommen vierecigt; Breite, Laͤnge
und Hoͤhe ſind ſich gleich, und jede betraͤgt 12000 Stadien,
Kap. 21. ®. 15. bis 18. 391
oder 257 teutfche Meilen; demnach ift ber ganze Bau ein
geomerrifcher Kubus oder Würfel, folglich einem einzelnen
Haus oder Pallaſt ähnlich. Stünde diefer unausfprechlich
fhone Bau nun auch im gelobten Land, oder vielmehr auf
dem abendländifchen Afien, fo Fönnte doch defjen oberer Theil
von allen hohen Bergen Teurfchlands gefehen werden.
Der arte Vers ift etwas dunkel, Johaunes fagt: Und er
maß ihre Mauer, 144 Ehlenz eine Lesart, die nicht in allen
Handfchriften gefunden, aber doch von den mehreften Gelehrs
‚ten angenommen wird; andere laffen nämlich das Wort Ehlen
weg; allein: dadurch wird der Verftand weder verändert nod)
deutlicher , e8 kommt alfo im Grund auf Eins heraus, und
wenn man nur einigermaffen in Erklärung fchwerer bilblifchen
Stellen geübt ift, foläßt fich auch diefe leicht deutlich machen,
‚welches durch folgende Umfchreibung gefchehen kann.
Der Engel nahm feine goldene Meßruthe, und maß da=
mit die Höhe und Breite der Mauer an einer Seite der Stadt,
und fand fie 144 Ehlen, oder menfhliche Maaß, wie fie.der
Engel hatz das iſt: Der Engel hat eine menfchliche Geftalt,
aber von erftaunlicher Größe, fo daß feine Ehle, Das iſt,
die Länge vom Ellenbogen bis an die Fingerfpiten ‚oder des
Vorderarmd, nach) welchem Maaßſtab in den Morgenländern
alle Längenmaaßen, folglich auch die Mefruthen, eingetheilt
waren, 144 mal in der Höhe und Breite. abgemeffen wurde.
Nun war aber auch die Höhe und. Breite 12000 Stadien,
welche alfo den 144 Ehlen gleich find, folglich dividire man
mit 144 in 12000, fo kommt auf eine englifche Ehle oder
Länge des Vorderarms 85+ Stadien, oder beinahe zwei
teutſche Meilen; nach menfchlicher Proportion war. alfo Die
Statur des Engeld vollfommen fünf teutſche Meilen Hoch.
Da num Johannes diefen Engel nicht als vorzüglich groß
angibt, fo muß das die gewöhnliche Größe gewefen feyn, in
— ihm die Engel in dieſer Offenbarung erſchienen.
‚Man halte diefe Größe nicht für übertrieben, denn die
himmliſchen Verhältniffe find ja gegen den dunklen Punkt,
den wir Erde nennen, nicht beftimmt. — Eine folche Größe
ſchickt Mr zum neuen Jerufglem ſehr gut, Die Engel mögen
392 Erklarung der Offenbarung Johannis.
alfo.mit Recht ftarke Helden heißen; hierdurch wird num auch
Har, warum ‚zuweilen in der heiligen Schrift, und auch
bier in der Offenbarung, 3. E. Kap. 14. V. 14. eine Er:
fcheinung dadurch ausgezeichnet wird, daß fie einem Men:
ſchenſohn ahnlich gewefen? — Dieß will alfo fo viel fagen:
Sie hatte die gewöhnliche Große eines Menfchen, und zwar
lange nicht fo groß, wie ein Engel. Daß aber auch die
Engel in gewöhnlicher Menſchengroͤße erſcheinen koͤnnen,
wird dadurch gar nicht gelaͤugnet.
Man Fonnte auch die 144 Ehlen als ven Duabratgehaft
einer Mauerfeite annehmen, dann kaͤmen aber taufend Sta:
dien auf eine Ehle. Eben das wäre'auc der Fall, went
man die 144 vom ganzen Umfreis der Mauer verſtuͤnde; in
beiden Fällen würde die Statur der Engel noch weit größer;
die erfte Erflärung ift alfo die wahrſcheinlichſte.
Die gewöhnlichen Ueberfegungen fagen: Der Bau, bie
Struktur der Mauer feye Jaſpis gewefen; allein das Wort
Endomesis heißt doc) eigentlich nie Bau oder Struftur, fons
dern vielmehr eine Befeftigung oder Verftärferung der Mauer;
indeſſen kommt darauf nicht viel an; man fieht überhaupt
wohl, daß der heilige Seher Mühe hatte, um nur Worte
zu finden, wodurch er feinen Leſern die Herrlichkeit und
Majeftät dieſes Baues vorftelbar machen Fonnte.
Das innere der Stadt, welches durch die offenen Thore
gefehen werden Fonnte, fahe wie reines, aber durchfcheinens
des Gold aus; gerad fo, als wenn ein kryſtallhelles Glas zus
gleich die Farbe des reinften Goldes hätte. Es laͤßt ſich
Doch wahrlich! in der ganzen Natur nichts Schöneres deufen!
„49. Und die Grundlagen der Stadtmanern waren mit jes
dem Cdelftein geſchmückt: Die erfte Grundlage war
Safpis, die zweite Saphir, die dritte Chalce
don, bie vierte Smaragd.
20. Die fünfte Sardonir, die fechste Sardi us, die
ſiebente Chryfolithug, die achte Berpliug, die
neunte Lopafion, die zehnte Chryfoprafug,
Die ee Hyacinthus, die zwölfte Amethyftus.
Kap. 21.8. 19. bis 21. ".: 598
2. Und die zwolf Thore waren zwölf Perlen; wiederum
war auch jedes Thor aus einer Perle gemacht, und
die innere Weite der Stadt lauteres Gold, wie ein
durchfcheinendes Glas.
Die zwölf Fundamente der Mauer, auf denen die Namen
der Apoftel ftunden, beftanden aus Edelfteinen, welche hier
der Reihe nad) genannt werden.
Das erfte war ein Zafpis, den ich ſchon oben beſchrieben
habe.
Das zweite ein Saphir; bei den Alten hieß unſer gegens
wärtiger Lapis Lazuli,, oder Lafurftein Saphir; diefer
ift unvergleichlich ſchͤn blau, aber nicht durchfichtig.
Das dritte ein Chalcedon; diefer ift blaͤulicht milchweiß
und, halbdurchfichtig. |
Das vierte ein Smaragd; diefer ift grasgrün und durchſichtig.
Das fünfte ein Sarbonyr; dieſer beſteht aus aufeinander
liegenden dunfelbraunen, fchwarzblauen, milchweißen
und farniolrothen Schichten oder Blättern.
Das fechöte ein Sardius; diefer ift der rothe Stein, den
wir heut zu Tage Karniol heißen, und Petſchafte dars
aus verfertigen.
Das fiebente ein Chryſolitus; diefer ift zeifiggrün , halb
durchſichtig und mit goldnen Puͤnktchen ſchimmernd.
Das achte ein Beryllus; dieſer iſt meergruͤn oder blaͤu⸗
lichgruͤn.
Das neunte ein Topaſion; dieſer iſt citronengelb und
durchſichtig.
Das zehnte ein Chryſopraſus; dieſer iſt hellgruͤn mit gol⸗
nen Puͤnktchen und ſchillernd.
Das eilfte ein Hyazinthus; dieſer iſt der heutige Saphir,
ſchoͤn himmelblau und durchfi ichtig; und
Das zwölfte ein Amethyſtus; diefer ift ſchoͤn violet und
durchſichtig.
Su dem Amtsſchildlein des Hohenprieſters, 2. Moſ. 28.
B. 17. u. f. waren acht Steine, die ſich auch hier finden,
nämlich der Jaſpis, der Sardonyr, der Amethyft, der Hya⸗
zinth, der Saphir, der Smaragd, der Topaſe und der
2
394 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Sarder. Die übrigen pier dieſes Amtsfchildleind waren nach
der holländifchen Staatenbibel der Karfunkel oder hochrother
Rubin, der Diamant, der Agath und der Türkis; ſtatt die:
fer hat das neue Jeruſalem den Chalcedon, den en
den Berpll und den Chryfopras.
Es würde eine fehr vergebliche Mühe ſeyn, wenn man die
zwölf Edelfteine mit den zwölf Apofteln vergleihen, und
da phyſiſche und Farakteriftifche Aehnlichkeiten ausfindig machen
wollte; denn wir wiffen von den Apoſteln viel zu wenig, als
baß bei einer ſolchen Vergleichung. nur einigermaßen erträg:
liche Wahrfcheinlichkeiten herauskommen koͤnnten, wir ftaus
nen vielmehr mit tiefer Ehrfurcht unfere himmliſche Baterftadt
an, und ringen mit allem Ernft darnach, daß wir dort das
Bürgerrecht erlangen mögen; wenn wir Dann dereinft einmal
da find, daun werden wird ja wohl erfahren, was das alles
‚bedeute.
Endlich befchreibt dann der Apoftel auch noch die Thore ;
jedes fcheint aus einer ganzen Perle gemacht zu feyn, das
iſt: Jedes Thor war ein großes, 'filbergraues, halbdurch⸗
fihtiges Stüf mit einem matten Glanz. Da nun alle
Shore offen, und noch dazu fehr hoch und. weit waren, fo
konnte Johannes wohl durch fie in die Stadt fehen, und
über ihre innere Schönheit urtheilen; er wiederholt auch
‚hier noch) einmal, wasser ſchon im 18ten Vers gefagt hatte,
die innere Weite und Breite der Stadt fey ihm vorgefommen
ald hell durchſichtiges, mit Lichtglanz angefülltes Gold. Er
kanns nichts ausfprechen, wie prächtig es ift, und mahlt
Daher mit ‚den erhabenften Farben, die wir READER in
dieſem Leben haben.
Die Höhe und Weite der Thore wird nicht —
aber man kann doch wohl denken, daß, nach Verhaͤltniß der
Hoͤhe und Weite der Mauern, auch die Thore hoch und weit
ſeyn muͤſſen — wenn man auch nur die Statur eines Engels
zum Aus- und Eingehen als Maaßſtab annehmen wollte,
ſo wuͤrde ein ſolches Thor ſchon uͤber fuͤnf teutſche Meilen
hoch, und wenigſtens zwo teutſche Meilen breit ſeyn; und
doch waͤr es dann der Symmetrie nach viel zu klein.
a Zn re Ze
Kap. 21, B. 29, bis 2.. 296
| Die Weiffagung des Propheten Ezechield vom 40ſten bis
. 48ften Kapitel, von dem neuen Serufalem, feinem Tempel,
und der Austheilung des ganzen Landes, zielt. auf. ‚die
Errichtung und Einrichtung des taufendjährigen Reichs; das
ber find auch alle Maaße irdifch und menſchlich; hier aber
ift vom neuen himmlifchen Zerufalem die Rede, welches erſt
auf der verflärten Erde nad) dem taufendjährigen Reich und
juͤngſten Gericht ſtatt finden wird.
Setzt entſteht aber nun die Frage, in wiefern dieſe Bes
ſchreibung buchftäblich oder prophetiſch und im geiftlichen
Sinn zu verftehen fey? — fo viel ift gewiß, daß alle Aus—
druͤcke auch etwas Geiftliches bedeuten, und mit der fittlichen
Defchaffenheit des Reichs Gottes in der genaueften Meber-
einftimmung ftehen; daher. wird oft die Gemeinde des Herrn
für die Stadt ſelbſt, und diefe wird für je genommen;
aber fo viel.ift doch auch gewiß, daß unfere verflärten Körs
per auch einen ihnen angemeffenen, mit ihnen übereinftims
menden Aufenthalt: haben muͤſſen; — derowegen dürfen wir _
fühn den buchftäblichen und geiftlichen Sinn mit einander
verbinden, und feft glauben, das neue Jeruſalem werde fo
wie es Johannes bier befchreibt, auch in unfre verflärten
Sinne fallen, ja, es wird auch buchftäblich fo herrlich
feyn, wie er es hier gefehen hat; aber wir werden uns ders
maleins auch jedes erklären, warum es fo und nicht anders
iſt, wir werden alle große und Fleine Theile diefer herrlichen
Stadt Gottes wie lebendige Worte Gottes leſen und ver⸗
ſtehen koͤnnen.
22. Und ich ſahe keinen Tempel in ihr; denn der 1,
ok der Allherrſcher, .ift ihr Tempel, und das
Lamm, |
25. Und die Stadt bedarf weder der Sonnen noch des
Monde, daß fie ihr ſcheinen; denn die Herrlichkeit
Gottes exleuchtete fie, und ihve Leuchte ift das Lamm.
24. Und die Nationen werden in ihrem Licht umher wan⸗
‚deln, und die Könige der, Erden bringen * Herr⸗
lichkeit in ſie. |
596 Erklärung ber Offenbarung Johannis.
In unferm gegenwärtigen Zuftand bedürfen wir Kirchen,
Tempel und Neligionsanftalten, weil wir immerwährende
Erbauung und Erweckung zur Andacht ndthig haben; dieß
wird auch im taufendjährigen Reich noch der Fall feyn, weil
dann die gegenwärtige Natur noch fortdauert; fobald aber
Suͤude und Tod mit allen ihren Urfachen und Folgen abges
than, und wir zum Anfchauen Gottes und der himmlifchen
Natur gelangt find, fo bevarfs Feiner ſolchen Mittel mehr,
um Gott Fennen zu lernen, das Gemüth zu Ihm zu ers
heben, und ſich zur Andacht zu erwecken.
Er felbft, das hechfte Gut, und fein Sohn Jeſus Chris
ſtus, geben uus dann durch ihre unmittelbare Einwirkung
auf unfere Exiftenz Kraft, Leben und Seligkeit; danu be:
darfs Feiner Tempel, Opfer, Predigten und Saframente
- mehr, weilbuns die Gottheit, Vater und Sopn alles in
Allem find. .
Das neue Serufalem bedarf auch feiner Sonne des Tages,
und Feines Monds des Nachts; denn es gibt da Feine Nacht
mehr, und die Gottheit, die mit ihrer ganzen Fülle im Sohn
Gottes wohnt, ftrahlt viel heller ald die Sonne, aus der Mits
ten, über der Stadt, über diefe und über die ganze verflärte
Erde hin. Der ganze Erdförper ift dann verflärt, und für
fich felbft zur Sonne geworden, er leuchtet in eigener Herr⸗
lichkeit und bedarf Feiner andern mehr.
Die eigentlichen Bürger Serufalems find Sfraeliten und
Ehriften aus den Heiden, die auf diefen Stamm gepropft
find; mit einem Wort, alle diejenigen, die dem Grade der
Heiligung nah), fich zu diefer Bürgerfchaft geſchickt gemacht
haben; die übrigen Frommen aber aus allen Nationen wers
den die verflärte Erde bewohnen, und die Herrlichkeit Gots
tes und Chrifti über dem neuen Serufalem wird die Hälfte
der Erbfugel viel heller erleuchten, als jest durch unfre
Sonne möglich iſt; fo werden fie dann über die ganze Breite
der Erde hin in diefem Licht wandeln, und überall felig feyn.
Die andere Hälfte der Erdfugel aber wird nie diefes Lichts
theilgaftig, weil die Stadt Gottes nur auf der einen Hälfte-
ſteht. Vermuthlich werden die Grade der Seligkeit durch
_
—
"Kap. 21. B. 25: bis 97. 8597
die ee von diefer Stadt beftimmt; die. Menge derer,
welche demnach auf der abgefehrten Hälfte wohnen, find
zwar auch felig, allein fie haben ficy des Auſchaueus Gottes
doch nicht würdig gemacht. Doch das alles find —
thungen; die Zeit wirds lehren.
Dann heißt es ferner: Die Koͤnige der Erden —— ihre
Herrlichkeit in die Stadt bringen, und ihren Glanz vermehren.
Hier fonnen die gegenwärtigen irdifchen Könige nicht gemeint
ſeyn; denn deren größte Herrlichkeit ift Staub und Koth
gegen diefe; haben fie fich aber zur Bürgerfchaft Jeruſalems
befähigt, dann werden fie freilich auch ihren Glanz mit:
bringen, und die Glorie vermehren helfen. Ich glaube aber,
daß hier unter den Königen die Fuͤrſten der Seligen verz
ftanden werden; denm’auch diefe ftehen in einer Standes—
ordnung, fo wie aud) jet alle himmlifchen Heere. -Diefe
Könige, welche dann auf der ganzen feligen Erde vertheilt
wohnen, und die himmlische Polizei beforgen, werden von
Zeit zu Zeit in der Stadt Geſchaͤfte auszurichten haben, und
dann ihre Herrlichkeit mit in fie hineinbringen. |
Alles! Alles! was wir hier fagen koͤnnen, ift bloßes Lal—⸗
len und Stammeln; wer vermag unausfprechliche Dinge durch
unfre todte Sprache begreiflich zu machen? aber wahrlich!
wahrlich! es ift des Kämpfens bis aufs Blut werth; die
Dffenbarung gibt und darüber genugfame Sicherheit.
25. Und ihre Thore werden des’ Tages wicht gefchloffen 5
Nacht wird es dafelbft nicht.
26. Und man wird die Herrlichkeit und die Ehre der
Nation in fie bringen,
27. Und es wird nichts Gemeines, -oder mas Greuel
thut, oder ein Lügner iſt, in dieſelbe hineingehen,
ſondern nur diejenigen, die im Lebensbuch des Lamms
eingeſchrieben ſind.
Um feindlichen Ueberfalls willen brauchen auch Jeruſalems
| Perlenthore nicht gefchloffen zu werden; denn alle Feinde find
beſiegt und gerichtet, und damit fich Feiner hineinfchleichen
Tonne, der nicht dahin gehört, fo fteht ja der Engelwaͤchter
über dem Thor, der die Hineingehenden wohl beobachtet.
398 Grflärung der Offenbarung Johaunis.
Die Redensart, man würde die Herrlichkeit und die Ehre
der Nationen hineinbringen, ift von der Refidenz eines Eros
bererö hergenommen, welcher die Reichthuͤmer und Koftbars
feiten der erfämpften Städte und Länder als Sieges zeichen
in derſelben aufſtellt. Hier iſt aber nun von einer andern
Eroberung die Rede; die Siegeszeichen der Religion Jeſu,
welche die ſich in ihren beſeligenden Kaͤmpfen zum Gluͤck und
ewigen Segen der Nationen errungen hat, ſollen zum Preis
des vielgefrönten Siegers in dieſer Stadt aufbewahrt wer—⸗
den. Mehr vermag ich nicht darüber zu fagenz denn wer
Fann wiffen, wie fich diefe Trophäen unferm verflärten Sinn
darftellen werden ?
Unreine, abfcheuliche und Tügenhafte Menfihen fommen
nicht in diefe Stadt, nicht einmal, um fie zu ſehen; denen
ift ihr trauriger Aufenthalt fehon im sten Vers augewiefen
worden. Dieſe Stadt ift heilig, niemand Fann in fie hinein—
gehen, ald wer ind Lebensbuch des Lammes eingefchrieben
iſt; — ins Lebensbuch des Lamms — folglich diejenigen,
die ſich durch ſein Opferblut von ihren Suͤnden haben reini⸗
gen laſſen.
Lieben Leſer! ich bitte euch um Gottes willen, achtet doch
das Blut der Verſoͤhnung nicht gering! — glaubt doch dem
Herführerifchen, neutheologifchen Geifte nicht, welcher uns
die Verföhnung durchs Blut Ehrifti wegräfonniren will; weil
fie ſich feiner Meinung nach mit der Vernunft nicht reimt. —
O ihr hochweiſe Thoren! koͤnnt ihr erklaͤren, wie ed moͤglich
ift, von unferer Erde die Sterne zu fehen? — wer das
glaubt erflären zu koͤnnen, der täufcht ih. Wie wenn man
einem Blindgebornen fagte, ein Sehender Fönnte mit feinen
Augen Geftalten fühlen, die viel taufend Meilen entfernt
wären, würde er nicht lachen und fagen: Ihr feyd ein
Narr! — Das ift Einbildung und Schwärmerei; und find
wir Menfchen denn nicht in überfinnlichen Dingen alle Blinde
geborne? — Darum war und die Bibel nöthig; daß fie
wahr ift, zeigen ihre erfüllten Weiffagungen — fie ift Got:
tes Wort, und darum glaub ich ihr — fie lehrt die Vers
föhnung durchs Blur Chriſti ausprüdlih, und zwar
Da en nn tn en ze m 2 > a la on U Ann U Zu nn nie
nicht‘ efiva ald einen Nebenartifel unferer Glaubenslehre,
ſondern ald die Hauptz und wirfende Urfache unferer Heilis
gung und Seligfeit, ohne welche aud) der vollfommenfte Stois
zismus, die erhabenfte Tugend nichts gilt; durch welche
auch Geneca, Epictet, Sokrates u. a. m. eben fo gut felig
werden mußten, ald wir, und es gewiß auch nach ihrem
Tode geworden find, als fie dad Geheimniß der Erlöfung
begriffen und ergriffen.
400 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Dad zwei und zwanzigfte Kapitel,
1. Und er zeigte mir einen Strom Lebenswaflers, klar
wie ein Kriftall, welcher aus dem Thron Gottes und
des Lamms heraus Fam.
2. In der Mitte ihres Platzes, und hie und da am Strom
waren Gehölze des Lebens, die zwölferlei Früchte tus
gen, in jedem Monat bringen fie eine Frucht; und
die Blätter diefes Gehölzes find zum Krankendienft
der Nationen.
5. Und es wird fernerhin Fein Bann mehr ſeyn: und der
Thron Gottes und des Lamms wird. in ihr feon ‚und
feine Kuechte werden Ihm dienen.
Das Friftallpelle Meer vor dem Chron Gottes und des
Lamms, Kap. 4. ®. 6. und Kap. 15. ®. 2. war bisher
eingedämmt gewefen; das ewige Element Fonnte fich nicht
mit vollem Strom: über die mit Sünde und Tod befledte
Erde ergießen, aber jeßt ift der Damm weggethan; jetzt
ift ed zur Quelle geworden, aus welcher die ganze felige
Erde gewäffert wird; jede nach) Licht und Krafı, nad) Er-
fenntniß nnd Thaͤtigkeit Dürftende Seele, kann fih nun zur
vollen Genüge ergquicken; wen nun dürfter, der komme; hier
find Lebenswaffer genug und umfonft. Ezechiel fahe diefen
Strom aud) Kap. 47. V. 1—12. ; man lefe mit Bedacht, was
er von ihm fagt, es dient zur Erläuterung dieſer Stelle; f.
auch Zachar. 14. V. 8.
Mitten in der Stadt auf ihren Pläßen, und am Strom
hin und wieder, auf beiden Seiten, flanden Baumgruppen
und Haine, alle Pflanzungen vom Baum des Lebens, ver
im Paradies war; hier ift alfo auch Speife; denn der Menſch
muß: Speid und Zranf haben, wenn er leben foll; diefe
Bäume bringen jeden der zwölf Monate ihre Frucht, damit
es nie an frifhem Obſt mangeln möge; bier ift an feinen
Mißwachs zu denken, und für dem Verfuhbaum der Ers
Fenntniß des Guten und Boͤſen ift man ewig ficher; diefes find
alfo Brodbaume des Lebens, woran man genug hat, um
ewig zu leben und vollfommen gefund zu bleiben. Der Ges
nuß des Fleiſches, der blos zu dieſem unvollfommenen Leben
gehört, wo alles durch den Tod geht, wo die Thiere für
die Menfchen fterben mußten, damit diefe leben Fonnten,
hört nun auf. |
Diejenigen, welche hier nicht zu dem Grad der Heiligung
gelangt find, daß fie Theil an der Bürgerfchaft Serufalems
und dem heiligen Lande um die Stadt her, befommen koͤn⸗
nen; die alfo in der Ferne die Oberflache der Erde bewohnen;
auch wohl fromme, tugendhafte Menfchen aus den Heiden
geweſen find, und die hier unter den Nationen verftanden
werden, find zwar nicht mehr in einem fündhaften Zuftand,
aber fie fünnen noch oft Schwäche empfinden, folglich Stärs
fung bedürfen; diefen dienen nun die Blätter von den Lebende
bäumen zur Arznei.
Alles diefes ift Befeftigung und Belräftigung der Weiſſa—
gung Ezechield in oben angeführter- Stelle; und Chriſtus vers
heißt auch den Ueberwindern aus der apoftolifchen Gemeinde
Offeub. Joh. 2. V. 7. Speife von diefen Lebensbäumen.
Inwiefern nun diefed Alles wiederum ſinnlich und- geiftig
zu verftehen fey, das läßt fih nur erfahren; man geht am
ſicherſten, wenn man beides mit einander verbindet.
Endlich heißt es, ed würde auch in Zukunft niemand mehr
verbannt, oder deö Landes verwiejen werden; wer einmal
der Bürgerfchaft Serufalems, oder des Befißes auf der felis
gen Erden gewürdigt und theilhaftig geworden, der hat in
Ewigkeit Feine Verbannung, Feine Verweifung mehr zu be=
fürchten; denn da nunmehr das fittliche Prinzip in jedem
Seligen über das finnliche herrfcht, welches in gegenwärtigem
Leben gerade der umgekehrte Fall ift, fo wird niemand mehr
fündigen, folglich auch jede Strafe aufhören. In dieſer
Stadt ift nun auch der Thron Gottes und des Lamms; fie
ift die Refidenz des Allperrfchers und der Gottmenſch Chriſtus
Stining’s laͤmmtl. Schriften. 1. Band. | 26
40% Erklärung der Offenbarung Johannis.
wird der Monarch der verflärten Erde feyn,: und im Namen
feines Vaters das Reich verwalten; feine Diener, die ſich
durch feine Gnade dazu geſchickt gemacht haben, werden dann
Theil am den Regierungsgefchäften nehmen. Man lefe auf:
merffam, was ich in der Erflärung der vier leßten Briefe an
die Gemeinden zu Thyatira, Sarded, Philadelphia und Laos
dicea über die Verheißungen, welche der Herr den Ueberwin—
dern zufagt,. bemerft habe; denn das alles gehört hieher, ung
den Dienft der Knechte des Herrn recht zu verfiehen.
4. Und fie werden ſein Angeficht fehen; und fein Name
wird auf ihren Stirnen ſeyn.
5. Nacht wirds dafelbft nicht ſeyn; und fie werden Fei-
ner Leuchte und des Sonnenlichts bedürfen: denn Gott
der Herr wird über ihnen leuchten, he fie werden in
die ewige Ewigkeit vegieren.
7. Und Er fprach zu mir: Diefe Worte find alaubwür:
dig und wahrhaftig; und der Herr, der Gott der Pros "
phetengeifter, hat feinen Engel gefandt, um feinen
Knechten zu zeigen, was fehnell nad) einander geſche⸗
ben fol,
Das Anfchauen Gottes ift der Genuß des höchften Guts ;
der Zweck alles Glaubens, aller. Liebe und das Ziel aller Hoff⸗
nungen. Dazu gelangen alfo nur diejenigen „ die durch die
Kraft des Leidens und Sterbens Ehrifti fi bis auf einen
gewiffen Grad der Heiligung und Vollfommenheit hinaufges
fhwungen haben, Seelen, die lange den Weg des Lebens
gewandelt, und in der Gottfeligfeit eine gewiffe Hebung und
: Fertigkeit erlangt haben, prägen einen Eindrud ins Gefidht,
der auch bei den roheſten Menſchen Ehrfurcht erwedtz alle
Züge bekommen eine janfte, liebevolle, ruhige Richtung; und
dieß ift dann der Name Gottes und Chrifti, der weitgefor:
derten Dienern des Herrn vor der Stirn gefchrieben fteht.
Der heilige Seher kanns nicht müde werden, zu wieders.
holen, daß im neuen SZerufalem feine Nacht feyn werde.
Denn die Herrlichkeit des Herrn erleuchte fie beftändig, und.
da diefe nun ewig über der Stadt ruhen wird, fo kauns da
Kap 22, B. 4. bis 9, 405
freilich nie auf irgend eine Meife Nacht werden. Won der
Megierung der Heiligen hab‘ ich fo eben geredet.
Hier fängt num der Schluß diefer letzten und herrlichſten
Offenbarung an die Menſchen an; der Engel, der dem Jo—
hannes bis dahin Alles gezeigt Kühe‘ bezeugt dem Apoftel,
daß diefe gefammte Offenbarung gewiß oder glaubwürdig und
wahrhaftig fey; denn eben der Gott, der ehmals die Beifter
der alte Propheten mit feinem unfehlbaren Licht erleuchtet
habe, der habe auch jet ihn, den Engel, der da redet, ges
fandt, um durch den Apoftel Johannes feinen übrigen treuen
Knechten zu zeigen, was für Schidfale und Vorfälle die
Kirche Jeſu Ehrifti von jener Zeit an fchnell nad) einander
bis and Ende werde erfahren müffen.
Hier wird alfo bezeugt, daß diefe Apokalypſe Fein erdichte-
tes oder erträumtes menfchliches Hirngefpinnft, fondern eine
durchaus von Gott eingegebene Schrift fey; und wahrlich I
es bedarf in unfern Tagen auch nur eines ruhigen, vorurtheils
freien und ernftlichen Unterfuchens „ fo. muß man überzeugt
werden, daß diefe Weiffagung bis auf die legten wichtigen
Ereigniffe, bisher, durch alle Fahrhunderte durch, pünktlich
erfüllt worden ; daß fie alfo unftreitig nur allein vom Allwiffen:
den hergefommen fey, und daß folglich num auch die über-
ſchwenglich großen Verheißungen, die noch zukünftig find,
ganz zuverläßig werden erfüllt werden.
- 7. Siebe ich komme fchnell! — Selig ift, wer die Worte
der Weiſſagung diefes Buchs bewahrt.
8. Und ih Johannes bins, der das fahe und hörte:
und. als id) es gefehen und gehört hatte, fiel ich vor
den Füßen des Engels, der mir diefe Dinge zeigte,
nieder, um ihn anzubeten.
9 Und er fprach zu mir: Sieh zu! thue es nicht, ich
bin dein Mitknecht, und deiner Brüder, der Prophe⸗
ten, und derer, die Worte diefes Buchs halten, bete
Gott an. |
Das Ende der Offenbarung Johannis ftimmt mit dem An-
fang ton, und faft mit den nämlichen Ausdruͤcken überein.
26 *
404 : Erklärung der Offenbarung Johannis.
Selig oder glücklich tft derjenige, der dieß Buch in die
Hände befommt, und dem es Dann thener und werth ift,
um fein Leben darnach einzurichten. Kap. 1. V. 3. kommt
faft das nämliche vor. Sn den damaligen Zeiten, als die
Buchdruckerkunſt noch nicht erfunden war, war es ein feltener
Fall, daß jemand die Bibel, oder irgend einen Theil derfels
ben hatte; denn ein gefchriebenes Eremplar war fehr theuer ;
folglich kamen aud) die einzelnen Bücher der heiligen Schrift
felten in die Hände gemeiner Leute, und fie mußten-alle Er—
Eenntniß von ihren Lehrern befommen, wobei ed dann oft
armfelig herging; darum preißt hier der Engel den glüdlich,
der eine Abfchrift von diefem Buch bekommt, fie aber dann
auch zur Erbauung anivendet, und fi) auf die Zukunft des
Herin gehörig rüftet und anſchickt: Denn fiehe! ich fomme
fehnell ! ich fange nun bald ſchon an zu kommen, und bleibe
am Kommen, bis ic) vollends da bin, fagt Ehriftus durch
den Engel, oder diefer fpricht es im Namen Chrifti.
Es ift eine fonderbare Erfcheinung, wie man heut zu Tag
mit der Apofalypfe umgeht. — Da fleht fie hinten am
Schluß in jever Bibel, und dad mit Recht, denn fie ift die
Beftätigung, Bekräftigung und Verfieglung des gefammten
Worts Gottes; Fein Artikel des chriftlichen Glaubens fehlt,
jeder ift in den reinften und heiligften Ausdruͤcken, geradezu
oder mittelbar ausgedrädt und empfohlen ; da fteht fie, und
fein Menſch bekuͤmmert ſich um ſie, ſo als wenn ſie nicht
da waͤre. —
Ja, die Offenbarung Johannis — wer verſteht die? —
und doch iſt erſtaunlich viel Schoͤnes darin, das jeder verſteht;
das haͤtte man doch herausleſen und benutzen ſollen, ſo wuͤrde
man allmaͤhlig weiter gekommen ſeyn. Viele Theologen und
Geiſtliche thun, als wenn dieß Buch gar nicht in der Bibel
ftünde — es Fümmert fie gar nicht — und es * doch ſo
wichtig.
Um dieſer Weiſſagung Credit zu verſchaffen, wiederholt
der Apoſtel, was er ſchon im Aufang ein paarmal geſagt
hatte: Ich Johannes habe das geſehen und gehoͤrt.
Wenn uun ein anderer Johannes, als der Apoſtel und Lieb⸗
j
Kap. 22.8.7. bis 8. 405
lingsfünger des Herrn, der Verfaffer diefer Weiffagung wäre,
hätte er dann fo gefprohden? — Gewiß nicht! — Daun
hätte er irgend einen Beinamen dazu gefegt, um fi) vom
Apoftel zu unterfcheiden, aber fo fagt ev; Sch bin Johannes,
nun wußte jedermann, wer der war. Oder wollte man gar
behaupten, der wahre Verfaffer hätte fich diefen Namen ges
geben, um feinem Werk dadurch ein apoftolifches Anfehen zu
verfchaffen,, ſo wäre dieß ein Betrug, deſſen keine goͤttliche
Offenbarung bedarf, und in dem Fall waͤre die Apokalypſe
ein taͤuſchendes Menſchengemaͤchte, und nichts weniger als
Gottes Wort. Leſe und prüfe doch jeder Kenner der heili—
gen Schrift, ob es irgend einem Dichter von Anfang der
Melt an bis daher möglich gewefen, eine folche fehlerfreie
Zufammenfettung der erhabenften Bilder, im prächtigften
Styl, und zugleich in einer fo platten hebräifchegriechifchen
Spradart, fo wie ein gemeiner Jude damals. griechifch
ſprach, vorzutragen? — wenn man nun och die puͤnktliche
Erfüllung diefer Weiffagung dazu nimmt, wer kann da an
ihrer Goͤttlichkeit — aber daun auch — daran zweifeln, daß
ihr Verfaffer der Apoftel Johannes iſt? —
Die Worte des Engelds Siehe, ich komme fchnel! —
brachten den Apoftel wieder auf den Gedanken, daß wohl der
Herr felbft unter der Hülle des Engels mit ihm fprädhe:
denn nad) feiner Meinung Fonnte doch der Engel nicht wohl
fagen: Siehe! ich komme ſchnell! Daher fiel er abermals,
wie Kap. 19. V. 10. nieder, um anzubeten,. wurde aber
auc eben fo, wie dort gewarnt, und zur Anbetung Gottes
verwiefen. Es fcheint, ald wenn der Apoftel in der großen _
Fuͤlle von erhabenen Ideen zuweilen vergeſſen habe, daß
ein Engel diefes prächtige Schaufpiel ihm in der Entzüdung
vormahle, und daß die Figuren nur vorftellende Bilder und
Teine wirkliche Perfonen feyen, deren er Feind, auch dann
nicht einmal, wenn es den Herrn ſelbſt vorſtellte, anbeten
durfte: Denn es war ja nur ein Bild vom Herru, und
nicht der Herr ſelbſt. Man leſe, was ich uͤber die Sache
in der Erklaͤrung des erſten Kapitels geſagt habe.
406 Erklaͤrung der Offenbarung Johannis
10. Und er ſprach / zu mir: VBerfiegle nicht die Worte
der Weiſſagung diefes Buchs ; denn die Zeit ift nahe,
11, Wer Ungerechtigkeit ausübt, der mag ferner Unges
vechtigkeit ausüben ; der Unfläthige mag ferner Un:
fläthigfeit treiben, und der Gerechte übe fernerhin
Gerechtigkeit, und der Heilige heilige fich ferner,
12. Siehe ich komme fehnell! und mein Lohn mit mir,
jeden zu vergelten, fo wie feine Werke feyn werden,
Diefe Offenbarung follte alien Getreuen des Herrn, von
ihrer Befanntmachung an bis and Ende, zum Wegweifer
dienen; dazu mußte fie aber auch nun dienen koͤnnen — fie
mußte zwar fo verbluͤmt und verdeckt gegeben werden, daß
nicht jedermann fogleicy die ganze zufünftige Gefchichte des
Reichs Jeſu hienieden mit aller Gewißheit und Deutlichkeit
daraus erfennen konnte; denn fonft wäre ja der Plan Gottes
verrathen und feine Ausführung vereitelt worden; aber für
erleuchtete Augen mußte fie doch fo verftändlich feyn, daß
fie die Erfüllung des Geſchehenen und die allgemeinen Winfe
zur nahen Zufunft daraus erkennen fonnten; und genau fo
ift auch die ganze Apofalypfe abgefaßt; fo wie fie nun da
war, follte fie den chriftlichen Gemeinden in die Hände geger
ben, und nicht etwa bis auf eine gewiffe Zeit verfiegelt, in
irgend ein Kirchenarchiv zurüc gelegt, oder auch unter nod)
räthfelhaftere Bilder verfteckt werden; denn die Zeit war da⸗
mals fchon nahe, wo man fie brauchen Fonnte,
Der Aete Vers will fo viel ſagen: Der Herr Chriftus und
feine Apoftel haben num den Rath Gottes über die Seligkeit
der Menfchen hinlänglich offenbart; fie haben das Ihrige
vollfommen gethan; — zwingen Fann und will ©ott nie:
mand, denn das wäre der göttlichen und menfchlichen Natur
zuwider; die Sreiheit des Willens erfordert, daß man jeden
wählen laffe — die ganze heilige Schrift ift num mit diefem
wichtigen Buch vollendet, gefchloffen und den Menfchen in
die Hande gegeben worden, fie wiffen die Mittel, wie fie
erlöst und felig werden fönnen, wer nun nicht hören will,
der mag dann fühlen; findet einer bei aller beffern Erkenntniß
Kap. 22. V. 10. bis 16. 407
doch nody immer Verguuͤgen an der ; Ungerechtigkeit, fo thue
er dann, was ihn gut daͤucht; glaubt einer fein Gluͤck in
ftinfenden Lüften zu finden, fo thue er, was er nicht lajjeu
Faun; oder macht es jemand Freude, der Gerechtigkeit nad)s
zuringen, auch das fteht ihm frei, und fucht jemand Heilig-
keit, fo bleibe er dabei — das Ende wird dann überall die
Laſt tragen; der Herr kommt ſchnell und unverſehens, und
bringt jedem mit, was er verdient, und fo wie Er einen
‚trifft, fo bezahlt und belohnt Er ihn.
Diefe Erklärung des Herrn iſt fuͤr jeden ſehr wichtig, und
wohl zu beherzigen.
15. Ih bin das U und das große O, der Erſte und
der Letzte, der Aufang und das Ende,
14. Selig find, die feine Befehle befolgen, damit fie
Gewalt über das Lebensgehölze haben, und durd) die
Thore in die Stadt gehen mögen.
15. Draußen find die Hunde, und die Giftmiſcher, und
die Hurer, und die Mörder, und die Götzendiener,
und jeder, der die Lügen liebt und thut.
Hier am Schluß erklärt fih nun Ehriftus wieder eben fo
zum Anfänger und Vollender aller Dinge, und befonders auch
dieſes Buchs, wie im Anfang Kap. 1. V. 11. Man bemerfe
dort meine Aeußerungen über diefe Titel, damit ich hier
nichts zu wiederholen habe,
Wer die Gebote Gottes und Chrifti hält, befommt Macht
über die Lebensbäume — das ift merfwärdig — diejenigen,
welche die. Gebote Gottes und Chrifti gehalten haben, wers
den Bürger des himmlifchen Jeruſalems, und zugleich auch)
Eigenthuͤmer der Früchte des Paradiefes; fie effen nicht allein
ſelbſt davon, fondern fie koͤnnen dann-auch andere, die es
werth find, darauf zu Gaſte bitten. Befouders werden das
‚Diejenigen koͤnnen, die hier fchon fleißig Lebensfrächte mitges
AVeilt und ausgefpendet haben.
Draußen, nicht nur außer Serufalem, fondern auch außers
Halh der verklärten Erde, draußen im Zeuerfee-find die Hunde;
dieſe * die Greulichen oder Abſcheulichen, Kap. 21. V. 8.
408 Erklärung der Offenbarung Johannis,
und 27. und bedeuten vermuthlich. die fchantlofen Unfläther,
die in widernatärlichen ſtummen Laftern leben; die Webrigen
find aus oben bemerften und erflärten Stellen ſchon befannt.
Es ift bedenflih, daß die Ausfchließung derer, die mit
allen angeführten Laftern befledt find, fo oft wiederholt wird:
dieß ift ein Beweis, daß dem Herrn viel daran gelegen ift,
daß wir es wiffen, damit wir und dafür warnen laſſen; es
mag daher einer fo viel Gutes üben, und fo wohlthätig feyn
als er will, wenn er zugleich ein Sünder aus einer diefer
Klaffen ift, fo Hilft ihm alles nichts! Denn in das neue
bimmlifche Serufalem geht nicht Unreines ein; der wohl«
thätigfte Menfch ijt aber noh unrein, wenn noch eins jener
Laſter in ihm lebt. Dieß firenge Gefeß muß aber deswegen
niemand Fleinmüthig machen; daß wenn jemand fo. unglüd:
lich gewefen wäre, daß er in der Jugend an irgend eines von
jenen Laftern gewöhnt worden, fo läßt ſich hernach eine folche
eingewurzelte Gewohnheit nicht fo leicht wegfämpfen; das
zum, richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! — aber
kaͤmpfen — fämpfen muß man bis aufs Blut — rin:
gen — wachen — und beten — am Ende wird man den
Feind befiegen, und dann wird mehr Freude im Himmel
feyn über fol) einen büßenden Sünder, als über neun und
neunzig Gerechte, die jenes Kampfs nicht nöthig haben.
Sündhafter Bruder diefes Schlags! höre mich und folge
mir! Slehe zu den Füßen deffen, der Maria von Magdala
fo viel vergab, als fie feine Füße mit ihren Thränen negte —
Er wird aud) dir vergeben. Nimm Zuflucht zu feinem Lei:
den und Sterben, und thue dann auch an deiner Seite, was
du kannſt, fo wirft du erretter werden.
16. Ich Jeſus habe meinen Engel gefandt, Euch, den
Gemeinden, Diefe Dinge zu bezeugen. ch bin der
Wurzelzweig und die Öefchlechtsart Davids, der
glänzende Morgenftern,
17. Und der Geift und die Braut ſprechen: Komme! —
und wer es hört, ſoll ſagen: Komme! — und wen
nur Dürftet, der foll kommen; derjenige, welcher
will, ſoll Lebeuswaſſer umfonft nehmen.
Rap. 223. V. 16. bis 19. 409
Der Herr fett hier das Zeugniß fort, daß er felbft der
- Verfaffer diefer Offenbarung fey, und daß Er den Engel
geſchickt habe, um fie durch Johannes den Gemeinden zu
überliefern. Er unterfchreibt fie hier gleihfam, und beſie—
gelt ihre Aechtheit mit feinem Namenszug, ald Wurzelzweig
Davids, und fein unzweifelbarer Nachkomme nad) dem
Sleifh, und ald der glänzende Morgenftern. Ueber alle
diefe Titel und Zunamen des Herrn hab ich in Beige Werk
ſchon das Noͤthige geſagt.
Dieſe ganze Offenbarung iſt ein Zeugniß der — Jeſu
Chriſti zu ſeinem herrlichen Reich; alles ſehnt ſich nach die—
ſem frommen Ziel der ſchweren und vielen Kämpfe. Der
Geift des Herrn, der in allen feinen Gemeinden walter, der
allgemeine Geift des Chriftenthums, fehnte fi von jeher
nad) diefer Zukunft; das einmürhige Flehen aller Ehriften,
vorzüglich aber der Gemeinde der Verfiegelten, de3 Sonnens
weibes, war immer: Komm! Komm! Du Längfterwarteter ! —
Komm und erlöfe uns! — Diefem Sehnen und Flehen ftims
me doch nun auch) jeder bei, der diefe herrliche Weiffagung
liest, oder lefen hört — Alles, was Odem hat, rufe laut;
Komm du vielgefrönter König; wir warten mit Schmerzen
auf dich. Auch der, welcher nach Labung, nach Gewißheit
lechzt — wems um Chriftum wahrhaftig zu thun ift, aber
durch den Geift unferer Zeit beftändig irre gemacht, und mit
Zweifeln beftürmt wird, der fomme zu diefem Zeugniß! hier
kann er ohne Mühe umfonft feinen Durft nach Kenntniß von
Jeſu Chrifto ftillen; die Lehre von der Verſoͤhnung und von
der Gottheit Chrifti werden in diefer Summe der ganzen Bibel
auffer allen Zweifel gefeßt; hier wird das alte Teflament
wichtig! Deun man fieht, wieda neue darauf gebaut wird!
wen alfo dürfter, der fomme an die Quelle.
18. Sch bezeuge einem jeden, der die Worte der Weiffas
gung dieſes Buchs hört, daß, wenn etwa jemand etwas
Dazu fett, Gott ihm auch zu den Plagen, die in diefem
Buch gefchrieben find, noch zufegen werde.
19, Und wenn jemand etwas von den Worten diefes Buchs
diefer Weiffagung wegließe, fo wird auch Gott feinen
440 Erklärung der Offenbarung Johannis.
Antheil am Gehölze des Lebens, und ander heiligen
Stadt, welche in diefem Buch befchrieben worden,
— **
20. Derjenige, der * bezeugt, ſagt: Ja, ich komme
ſchnell! — Amen! Komm Herr Jeſus!
21. Die Gnade des Herrn Jeſus ſey mit Allen!
Noch immer fpricht hier. der Herr felbft bis zum 2often
Ders; und diefes muß ung Reſpekt gegen diefes Buch ein—
flößen; Feiner foll bei den angedrohten fehweren Strafen etz
was zu diefer Weiffagung hinzufegen, und Feiner fol auch
etwas davon auöftreichen oder weglaffen; mit einem Wort, fie
foll gerade fo bleiben, wie fie Johannes erhalten hatte; denn da
fie fo außerordentlich wichtig ift, fo fommt alles darauf an,
daß fie unverfälfcht bleibt, und das ift denn auch bis daher
geſchehen; alle Abfchriften in der ganzen Welt kommen bis
auf wenig unbedeutende Verfchiedenheiten in den Lesarten -
" im Wefentlihen ganz überein, wie dieß auch der Fall bei
allen Fanonifchen Büchern der Bibel if. Ja es ift uns rein
erhalten worden, dieß föftlihe Buch — aber — man hat
ed. auch) nach und nad) fo befpdttelt, fo bezweifelt und. fo
verdächtig gemacht — gerade ſo wie feinen Urheber, den
Herrn ſelbſt.
Ich möchte um aller Welt Güter willen — von den
Kritikern ſeyn, die dieſes wichtige — oder auch irgend ein
kanoniſches Buch der Bibel verdaͤchtig zu machen ſuchten;
aber das gehoͤrt fo recht zum armen, blinden und bloßen lao⸗
diceifchen Geifte, daß er fich auch mit prächtigen Quellen
zur Bibelkvitif brüfter, die Doch wahrlic) fo. oft dur) mans
cherlei Urfachen, und vornemlich durch die philofophifche
bedauernswürdige Denkart unferer Zeit getrübt find. So ver:
dorben und partheiifch auch die chriftlichen Gemeinden in den
erften zwei Jahrhunderten in den Morgenländern nad) und
nach wurden, fo weiß. doch jeder, daß fie fehr gewiffenhaft
zu Werk gingen, wenn von der Aechtheit einer apoftolifchen
Schrift die Rede war; und wär das auch nicht der Fall, fo
hätten gewiß vie fo fehr erbitterten Partheien der. Chriften
Kay, 22. V. 20, 21; 411
fich3 untereinander vorgeworfen, wenn etwa die eine ein Bud)
für Bibelwürdig erklärt hätte, welches es nicht gewefen
wäre, oder wenn fie etwas daran verfälfcht hätten, Do
es lohnt wahrlich der Mühe nicht, ein Wort ferner darüber
zu verlieren, ed würde auch nicht helfen; denn fo Jange einer
den Bibelgeift noch nicht herrfchend in feiner Seele empfins
der, fo lang legisimire ſich auch die Bibel nicht als Wort
Gottes an feinem Herzen, und fo lang helfen auch alle his
ftorifche Beweiſe nichts, So bald uns aber der nämliche
Geift belebt, der die Apokalypſe diktirte, und die gauze heis
fige Sch. ift ihren Verfaffern infpirirte, fo bedarfs Feines
Beweiſes mehr; denn alles ligitimirr fih ald Wahrheit, und
die erleuchtete Vernunft ift eben fo ficher überführt, als
wenns mathematifche Grundfäge wären,
Noch einmal bezeugt der Herr; Ja! ich Fomme fchnell!
verlaßt euch nur feft darauf, daß ich nicht ausbleiben,, fons
dern, wenus einmal Zeit ift, wie ein Dieb in der Nacht
‚plöglich da feyn werde. Der fromme Seher Johannes fegt
nun feinen heißen Wunfch Hinzu, und fagt;z Amen! das
gefchehe!: Komm Herr Jeſu! und erfülle Deine Verheißungen
an ung!
Endlich fihließt er fein wichtiges Buch mit-dem gewöhnlichen
apoftolifchen Wunfh; Die Gnade des Herrn Jeſus fey mit
euch allen! — Und ich, der Verfaſſer dieſer Erklärung,
wünfhe num auch allen meinen Lefern das nämliche von
ganzem Herzen,
Jeſus CHriftus ſey unfer Eins und Alles! und feine nahe
Zukunft das Ziel alles unfers Wollens und Wirkens. Amen!
412 Nacherinnerung.
Nacherinnerung.
Die Auflöfung der apokalyptiſchen Zeitläufte, welche
in diefen Werk angenoinmen, vom feligen Prälaten
Bengel erfunden, und von mir beftätigt und noch mehr
berichtiget worden, gründet fich auf unfre einmal ange:
nommene und vom Dionysius exiguus in Rom im fech8s
ten Jahrhundert erft angefangene und berechnete Jahrzahl
oder Zeitrechnung. Erft zwifchen 550 und 540 fing man
an, die Zahl der Jahre nach Chrifti Geburt zur Zeitbes
flimmung zu gebrauchen. In fpätern Zeiten, als mehr
Licht in die Gefhichte Fam, unterfuchte man die Sache
genauer, und nun fand man, daß ſich Dionysius um
etliche Jahre verechnet hatte, einige fanden 32 Jahr,
andere aber 8 Jahr; der gegenwärtige Pabft, Pius der
fechste, Tieß diefe Rechnung nody einmal genauer prüfen,
and da fand fich nun, daß wir nicht 35 und nicht 8, ſon⸗
dern 6 Jahr weiter fortgerüct find, als unfre Jahrzahl
andeutet, wir müßten demnach alfo jest 1805 ſchreiben;
indeffen ift das auch nicht fo ganz ficher, fo viel ift aber
gewiß, daß wir in der eigentlichen Zeit noch nicht über
1807, und nidyt unter 1808 ſtehen. Ich bemerke die:
fes nur darum, daß man die im vorhergehenden Werk
bemerkte Epochen nicht fp ganz genau nehmen, oder wenn
etwa Eins oder anders um ein paar Sahre früher eintritt,
Deswegen an der ganzen Auflöfung der Zeitläufte nicht
zweifeln müffe; auch hierin liegt göttliche Weisheit, wir
follen die Zeitpunfte nicht jo ganz genau wiffen, damit
wir immer wachend erhalten werden mögen, genug, wenn
wir nur ungefähr wiffen, wann diefes oder jenes eintref-
fen wird.
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Nach welcher Seligkeit die Propheten , welche von ‚der Eud)
beftimmten Gnade weiflagten, aufs begierigfte geforfcht haben :-
Sie forfchten: auf was für Zeiten der Geilt Ehrifti, der
in ihnen war, deute, wenn Er durch fie die Leiden, die der
Meſſias würde erdutden müffen, und feine datauf folgende Herr:
Yichkeit vorher und machen ließ. Ihnen war geoffenbaret, daß
fie nicht fich ferbft, fondern uns mit dem dienten, was eud)
jegt von denjenigen, welche durch den vom Himmel gefandten
Geift das Evangelium predigten, an deflen Erkenntniß fich die
Engel ergötzen, befannt gemacht wird. A Petr. 4. v. 10.41.12.
Nah Brentano’s Ueberfegung.
—
— —— —
— ——
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415
Das erfte Kapitel.
Unterfuchung der Frage: ob man mit züberläßiger und
beſtimmter Gewißheit fagen fünne, daß es des Chriften
N flicht, oder daß es ihm wenigftens erlaubt fey, in den
biblifchen Weiffagungen zu forfchen, ihre Zeitbeftims
mungen zu unterfuchen, und von ihnen auf die Zukunft
zu fchließen?
Seit meiner Herausgabe der Siegegefchichte der chriftlichen
Religion, find mir von verfchiedenen Seiten her, und auf
verfchiedene Art, Einwendungen gegen dieß Unternehmen ges
macht worden , deren die Erfte und Vornehmfte darinnen bes
fteht, daß man nicht befugt ey, in den Weiffagungen zu forfchen,
und aus ihnen auf die Zufunft zu fchließen, und befonders
dürfe man nicht die Dunkeln Zeitbeftimmungen enträthfeln wol⸗
len, weil die heilige Urkunde, im Fall die Enträthfelung nicht
eintrifft, dadurch entehrt, und bei dem gemeinen Mann zweis
felhaft gemacht würde. Daß alfo die oben gleich Anfangs
vorgelegte Frage durchaus vollkommen entfcheidend, und für
jeden hriftlichen Lefer befriedigend beantwortet werden muͤſſe,
ehe ich mich in weitere Unterfuchungen einlaffen fann, das
verfteht fich von felbft: weil diefe Unterfuchungen, ohne jene
Ueberzeugung, ſchlechterdings frucht: und zwecklos ſeyn würden.
Bernünftige Männer unferer Zeit, welche der Bibel die
Wahrheit, daß fie die Offenbarungen Gottes an die Menfchen
enthalte, nicht abiprechen, find dem ungeachtet, in Anfehung
ihrer Weiffagungen fehr bedenklich: entweder laſſen fie fie auf
ihrem Werth oder Unwerth beruhen, entfcheiden gar nicht daruͤ⸗
416 Nachtrag zur Eiegsgefchichte.
ber, oder fie Halten fie, wenigftens größtentheils, für Sagen
der Vorzeit, die im dichterifchen Genieſchwung gefchehene,
oder leicht zu vermuthende Gefchichten, in großen und.erhas
benen Bildern vorgeftelle hätten; allein ich bitte nur, über
diefen Außerft wichtigen Gegenftand ruhig, unpartheiifch und
ohne Vorurtheil nachzudenken, und wohl zu beherzigen: Ob
die Bibel auch nad) Gotted Wort, die einzige Quelle aller
überfinnlichen Wahrheiten und Erfenntniß feyn Fünne, wenn
- Feine Weiffagungen darinnen flatt finden? ‘— will man diefe
Frage mit Sa beantworten, fo fallt das alte Teftament größ-
tentheild weg, und im neuen Zeftament geht uns dann aud)
die Offenbarung Johannis nichts an; folglich bleiben uns
nur die Evangelien und apoftolifchen Briefe als eigentliches
Mort Gottes übrig; nun gründen aber Chriſtus und feine
Apoftel das ganze Erlöfungswerkf, die Zukunft Chrifti ins
Sleifch, fein Leiden, Sterben, Auferfiehung, Himmelfahrt,
und feinen Charakter als ewiger Weltregent, auf die Weiſſa—
gungen des alten Teſtaments — find alfo diefe nicht wahre
Weiffagungen, nicht wahre Ausfprüde des allwiffenden Got⸗
tes, fo ift- der ganze Grund des Chriftenthum falſch, und die
Evangelien und apoftolifhen Briefe eben fo wenig erwiefes
ned Wort Gottes als jene — ic) bitte diefen Folgefchluß genau
und fcharf zu prüfen, fo wird man ihn gewiß richtig finden.
Eben diefes bedenkliche Werwerfen und Zurücjegen der
MWeiffagungen ift eine Haupturfache des allgemeinen Abfalls:
denn wer diefen Sa annimmt, der findet nun aud) die Wahr:
heit der Erlöfung durch Chriftum, nach dem Sinn des Evan:
geliums ſchwankend; Chriftus wird ihm eine zweideutige Pers
fon, weil Er fein Amt und Feine Sendung auf bloße Gedichte
gründet, folglich bleibt von feiner Lehre nichts: weiter übrig,
als was die Vernunft für wahr erkennt, nämlich die bloße
©ittenlehre, welche uns aber ſchon die heidnifchen Weltweifen
ziemlich vollftändig hinterlaffen haben, und die uns nun unfre
eigene Philofophie eben fo gut fagt, fo daß uns in dieſem
Hall Chriſtus immer entbehrlicher wird.
Sobald wir aber folgenden, von allen wahren Ehriften von
jeher als göttlihe, himmelfefte Wahrheit, anerfannien Sat
* a A re u
Nachtrag zur Siegsgefchichte, 417
feftfeßen: Daß nämlich die heilige Schrift alten und neuen
Teftaments, die Gefhichte aller Erlöfungsanftalten Gottes,
zum Beften des gefallenen menfchlichen Geſchlechts durch es
fum Ehriftum, bis zur Vollendung diefer Erlöfung ents
halte, und die Mitrel dazu anweife — fo ift Alles Far, zweck⸗
mäßig und Gottgeziemend; dann aber muß auch die Bibel
mit der Schöpfung und dem Fall des erften Menfchen anfans
gen, und mit dem endlichen Sieg des Erldfers, und feiner
Erldsten aufhören; und genau nad) diefem Plan ift auch) die
heilige Schrift geordnet, und durch Sahrtaufende hin zufams
mengetragen worden. Da nun aber diefe Erlöfungsgefchichte
der Menfchheit nicht eher als gefchehen erzählt werden Fann,
bis Alles vollendet ift, fo mußte fie ja im Anfang faft ganz
aus Weiffagungen beftehen, und diefe mußten fo lang fortges
ſetzt werden, bis die legte Erlöfungsanftalt zu Stand gebracht
war, welches in der Gründung des Chriftenthums geſchahe;
jeßt war nun noch eine Weiffagung erforderlich, welche den
Ehriften bis zum glänzenden Ziel Winke geben, ihnen in dem
dunkelen fchweren Zeiten des legten Kampfs zwifchen Licht
und Finfterniß zum Leitftern dienen, und ihre Hoffnung aufs
recht halten follte, und diefe ift nun die Apocalnpfe. Daß
die Bibel wirklich die Gefchichte aller Erlöfungsanftalten zum
Beſten des gefallenen menfchlichen Gefchlechts, mit allen dahin
gehörigen Weiffagungen enthalte, und daß dieß Alles wahre
göttliche Offenbarung fey, das behauptet fie felbit durchaus,
und beinahe auf allen Blättern. Daß aber dDiefe Behauptung
auch unbeftreitbare Wahrheit fey, das läßt fich durch folche
Erfahrungsfäge beweifen, wogegen Fein gefunder Menfchen:
verſtand aud) das geringſte einwenden kann: denn alle Weiffa-
gungen welche von Abraham an bis auf Ehriftum und
feine Apoftel das Volk Iſrael betreffen, find und werden
Bor unfern Augen fo pünktlich erfüllt, daß jeder Zweifel gegen
die biblifchen Weifjagungen dadurch beinahe unbegreiflich wird,
und was noch nicht erfüllt iſt, kann ja feinen Anlaß zum Zwei⸗
feln geben, Leberhaupt find die Zuden in ihrer gegenwärtiz
gen Lage ſolche unverwerfliche Zeugen der Wahrheit und Gött:
lichkeit der heiligen Schrift und ihrer Veigeraa daß ſich
Stilling's fammti. Schriften. ML. Band.
418 Nachtrag zur Siegsgefchichte.
jeder unbefangene Wahrheitsfreund vollfommen beruhigen fanın.
Ob e8 aber feit dem Schluß der biblifchen Bücher noch
wahre Meiffagungen gebe? — das ift eine Frage, die an
einem andern Ort umterfucht werden muß; ich begehre e8
nicht zu läugnen, nur müfen fie dem Glauben ähnlich feyn.
Röm. 12. v. 7. 9—
Wenn es alſo nun unwiderſprechlich und gewiß iſt, daß
ein großer Theil des goͤttlichen Worts aus wahren Weiſſa—
gungen befteht, die den Propheten vom heiligen Geift einges
geben worden, fo ift auch ebenfo unmwiderfprechlid und ges
wiß, daß diefe Weiffagungen von den Menfchen gelefen wers
den follen; — und wozu kann dieß Lefen anders dienen, als
den verborgenen Sinn zu forfchen, den der Geift der Weifjas
gung in erhabene Bilderfpracdhe eingehüllt hat, und einhüllen
mußte, weil eine umftändliche, ganz deutliche Erzählung der
zufünftigen Schidfale , in gewiffen Zeitpunkten der Ausfühs
rung des göttlichen Regierungspland entgegen feyn würde? —
Wollte man etwa behaupten, der eigentliche Zweck der Weifs
fagungen gehe dahin, daß erft nach ihrer Erfüllung der Glaube
dadurch geftärft werden follte, fo gebe ich zwar gerne zu, daß
fie auch dazu dienen koͤnnen und follen; allein ich bitte dies
jenigen Freunde, welche die Beantwortung diefer Frage vers
anlaßt haben, wohl zu beherzigen :
1) Ob die Zeitgenoffen Noah's nicht auf feine Weiſſagung,
daß die Erde uͤber 120 Jahr im Waſſer untergehen wuͤrde,
und auf feinen damit verbundenen Archenbau Ruͤckſicht neh:
men follten, bis fie die Erfüllung, naͤmlich die Suͤndfluth felbft,
kommen fehen? — Im Gegentheil, daß fie wirklich darauf
hätten Rücficht nehmen follen, bezeugt Chriftus felbft, Matth.
24. v. 37— 39. und Petrus 1 Petr. 3. v. 19. 20. |
2) Db das ungehorfame Vol Iſrael und Juda auf die
Weiffagungen feiner Propheten, von Mofe bis auf Chris
ſtum nicht eher achten follte, bis es in die babylonifce
Gefangenfchaft geführet und durch die Römer in alle vier
Winde zerfireuer wurde? — Daß es wirklich nicht darauf.
achtete, dad wurde eben fo fehr gerügt als beflagt.
3) Ob die Juden nicht auf die Weiffagungen, welche die
Nachtrag zur Siegsgefchichte. 419
Zukunft des Meffias verfündigten, merken, und die vermuth:
liche Zeit feiner Erfheinung, welde Daniel durdy die fies
benzig Wochen, und der Erzvater Jakob durd das Ents
weichen des Scepters von Juda angedeutet hatte, forſchen
ſollten? Diejenigen, die es thaten, wurden wenigftens als
fromme Leute gelobt, Luc. 2. v. 25. u. f. und an andern
Drten mehr.
Mit einem Wort, Chriftus befiehlt ausdruͤcklich, daß die
Lefer des Propheten Daniels genau auf feine Weiffagung vom
Gräuel der Verwüftung an heiliger Stätte, merken follten,
damit fie auf ihre Rettung bedacht feyn koͤnnten, fobald fie
dieß Zeichen fehen. Diefe Stelle ift allein Beweifes genug,
daß man die Weiffagungen nicht bloß nach ihrer Erfüllung,
als Glaubensftärfung brauchen, fondern daß man fie vorzügs
lih vor derfelben forfchen folle, um in der Zukunft gotts
gefällige Maafregeln darnach nehmen zu koͤnuen.
Und nun frage ich endlich noch obengedachte Freunde, und
befonderd auch ſolche, die in öffentlichen Schriften gegen
mich gezeugt haben:
4) Ob wir denn nun die Offenbarung Sohbannis,
die Apocalypfe auch fo lang ungeforfcht laffen follen,
bis die darinnen angebrohten Gerichte unaufhaltbar auf uns
losftürmen? — Dieß wird man doch wohl nicht bejahen
wollen. — Aus diefem Allem folgt nun unwiderfprechlich ;
Daß man mit zuverläßiger und beftimmter
Gewißheit fagen fünne, es fey nicht allein ers
laubt, fondern Pflicht des Chriften, die bibli-
[ben Weiffagunger, und namentlih aud die
Dffenbarung Gohannis zu lefen, und ihren
- Sinn zu erforfhen. Wem dennoch diefe Behauptung
zu unbedingt und zu kuͤhn vorfommt, der wird im Verfolg
auch die Regeln finden, nach welchen, und die Bedingungen,
unter welchen dies Forſchen gefchehen muß.
Gegen diefe meine, gewiß unumftößliche Beantwortung des
erften Theils der gleich Anfangs vorgelegten Frage, macht
man zwei befonderd wichtige Einwendungen, deren Vorftels
lungen auch den rechtfchaffenften Gottesgelehrten und Ehriften
27°
420 Nachtrag zur Siegsgefhichte,
vom Nachforfchen in der Ayocalypfe abſchrecken kͤnnen, and
ähgefchredft habenz man fagts
1) Die Offenbarung Johannis fey dunkel und ſchwer zu
verfichen, daher fey es denn auch gefommen, daß nod) bis
dahin, Alle die fic) daran gewagt, und fie erflärt Hätten, zu »
Schauden geworden fenen, und dadurch dann dem Kredit der
heiligen Urfunde und dem Glauben an fie mehr gefchadet als
genüßt hätten; es fey daher beffer, man laſſe fie als ein Heis
ligehum unberuͤhrt ſtehen, bis die Zeit das Geheimniß ent:
huͤllen würde.
Hierauf dient zur Antwort: Ja es if wahr! die Apocas
Inpfe ift dunfel, und fchwer zu verftehen — allein fie konnte
nicht deutlicher gegeben werden, wenn fie nicht in unfern,
und fpaterhin fo hHocheultivirten und aufgeklärten Zeiten,
dem großen Hauptfeind und feinen Anhängern Geheimniffe
offenbaren follte, die Er ficher hätte mißbrauchen koͤnnen.
Doc) eine Veranftaltung, die die Weisheit des Allherrfchers
zugelaffen hat, daß man nämlich die Bibel, und vorzüglich
ihre MWeiffagungen, voraus aber die Apocalypfe für lächerliche
alte Fabeln erklärt, verurfacht nun, daß die Feinde des Chri⸗
ftenthbums gar nicht darauf achten, ſich dadurch in ihren
Planen nicht ftören laffen, und alfo ungehindert, und von
felbft ins Verderben laufen; da denn im Gegentheil die wahs
ren Chriften defto genauer darauf merken, fich warnen laffen,
und aus dem Verderben gerettet werden.
Bei aller Dunkelheit aber, ftrahlte denn doch in allen Zeitz
läuften fo viel Licht aus der Apocalypfe hervor, als wahre
und aufmerffame Chriften und fromme Schriftforfcher je⸗
desmal brauchten. Dies Licht hätte aber nicht geftrahlt,
wenn der heilige Geift nicht immer Männer aufgeregt, und
zum Forfchen in der Apocalypfe, je nach dem Maaß ihrer
Zeitbedürfniffe erleuchtet hätte.
Mas aber nun den Einwurf betrifft: daß nämlich Alle, die
ſich bis daher an die Apofalypfe gewagt hätten, zu Scans
den geworden wären; fo möchte ich ihn lieber fo ausdrücken :
Ale, die ſich bisher an die Erflärung der Offenbarung os
hannis gewagt haben, haben hin und wieder mehr oder wenis
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 421
ger gröblich geirrt, aber auch mitunter hie und da Geheims
niffe enthält, deren Wahrheit und Wichtigkeit dann von
allen wahren Ehriften als ein Heiligthum aufgenommen,
und in einem feinen guten Herzen aufbewahrt worden fi ind.
Die doppelte Schlußfolge :
1) Daß dadurch dem Kredit der heiligen Urkunde, und
dem Glauben an fie, mehr gefchadet ald genuͤtzt worden,
und daß es 2) eben deswegen beffer fey, wenn man fie als
ein Heiligthum unberührt ftehen ließe, bis die Zeit ihre Ges
heimniſſe enthüllen würde, gebe ich durchaus nicht zus Der
Kredit der heiligen Urkunde, und der Glaube an fie Faun
durch folche unvolllommene und irrende DVerfuche eben fo
wenig vermindert werden, als der JInhalt einer Schrift das
durch zweifelhaft wird, weil ihre Buchftaben, oder ihre
Sprache unbekannt find, und alle Verſuche, fie zu überfeßen,
gewiffe beträchtliche Mängel haben. Der Kredit der Offens
barung Johannis ift vielmehr feit 60 bis SO Jahren unges
mein gewachfens weder die zum Theil mißlungene Deutuns
gen Heinrich Hoachs, des flüchtigen Paters, Johann Chri⸗
ſtian Seitzens u. a. m, noch die Angriffe Semlerd und
feiner Nachfolger, in Anfehung ihrer Bibelwuͤrdigkeit, haben
ihr gefchadet ; fie fteht noch innmer da in ihrem Glanz und in ihrer
heiligen Würde, und mancher wahre Chrift blickt jegt oft
nad) ihrem goldenen Zeiger empor. Daß mancher über dem
Grübeln inder Apocalypfe zum Narren geworden, dafür;fann die
heilige Urkunde eben fo wenig, ald ein vortreffliher Wein,
wenn fein Mißbrauch audy manchen zum Narren macht; und
was nun den andern Theil der Schlußfolge betrifft, daß
man den Sinn der Apocalypfe gar nicht forfchen folle, da⸗
‚mit man’ihrem Kredit und den Glauben an fie nicht fchas
den möge, fo möchte ich wiffen, wozu ihr Kredit und der
Glaube an fie dienen follte, wenn man nicht darin lefen
und ihren Sinn erforfchen follte? — den Einwurf hingegen,
man folle warten, bis fie die Zeit enthüllte, hab ich_oben
ſcchonu beantwortet, und er wird im Verfolg noch mehr ent«
| wickelt werden.
' Die Zweite wichtige Einwendung, die man gegen das Bags
422 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
ſtuͤck, die; Apocalypfe zu erklären, macht, befteht in folgens
den Begriffen: Da alle bisherige Anwendungen der apocas
Inptifchen Bilder auf die Geſchichte von der Apoſtel Zeiten
an bis daher, von einander verſchieden ſind, keiner mit dem
andern uͤbereinſtimmt, und die Vorherſagungen deſſen, was
gefchehen follte, ganz und gar nicht eingetroffen find, fo
folgt daraus, Daß die ganze Erfüllung der erhas
benen apocalyprifhen Weiffagungen noch Zus
tünfrigift, und daß man alfo mit ihrer Erfläs
‚zung fo. lange warten müffe, bis man fieht, daß
‚die Erfüllung beginnt.
So ſcheinbar aud) diefe Einwendung ift, und fo wichtig
fie dem gefunden Menfchenverftand vorfommt, fo unrichtig
und nachtheilig ift fie dem chriftlichen, gottergebenen Bibel-
forſcher, und diefes will ich nun gründlich beweiſen; ich will
unwiderfprechli darthun, daß eben alle jene mißlungene
Verfuche gerade dad Mittel find, dem richtigen Verſtand
der Weiffagung immer näher zu kommen: denn fie Zeis
gen die Klippen an, welde die nachfolgenden
Bibelforfcher zu vermeiden haben — je näher bie
Zeit zum Ziel rüdt, defto heller wird dann aud) das Licht
der Weiffagung. Diefe Behauptung wird durd folgende Bes
merfungen zur unbeftreitbaren Gewißheit.
Alle Weiffagungen, die auf das Große und Ganze der
Erlöfung des menſchlichen Geſchlechts, und auf den endlis
hen vollftändigen Sieg ded Königs des Lichts über den
Fuͤrſten der Finfterniß abzielen, werden mehrmald, auf
mannigfaltige Weife, erft fehr unvollfiändig,
immer vollffändiger und endlich ganz vollfoms
men, und zwar fo erfüllt, daß fein Menfch mehr
daran zweifeln Fann. Beifpiele follen die Wahrheit
dieſes Satzes ins Licht ftellen.
Die erfte Weiffagung in der. Bibel ſteht 1. Moſ. 3. v.
14. 15. Jehovah Elohim ſprach zur Schlange: weil
du ſolches gethan, das Weib verführt haft, fo folft du vers
flucht feyn vor allem Vieh und vor allen Thieren ‚auf dem
Felde. Auf deinem Bauch follft du gehen, und Erde efjen
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 423
dein Lebenlang. Und ich will Feindſchaft feßen
zwifchen dir und dem Weibe, und zwiſchen dei:
nem Samen, und ihrem Samen, derfelbe foll
dir den Kopf zerfnirfchen, und du wirft ihm die
Ferſe zerknirſchen. | '
Diefer Ausſpruch Gottes ift unausfprechlich groß , wichtig,
und weit umfaffend; die ganze heilige Schrift ift ein Comes
mentar darüber, feine Erfüllung fängt im Paradies an, und
hört erft am Ende des taufendjährigen Neichs, nämlich dann
auf, wenn die alte Schlange in den Feuerfee geichleudert
wird. Jeder Menfch fieht die Erfüllung diefes Ausſpruchs,
und empfindet fie tief, fo oft ihm die furchtbare Schlange
begegnet. Sa wohl ift Feindfchaft zwifchen der gefammten
Menfchheit und der Schlange, von der fchredlichen Riefens
fhlange an, bis auf Nipern, Unken und Blindfchleichen
herab! — Inſofern fahe alfo jeder Menfh von Anbeginn
die Erfüllung diefer Weiffagung ein, aber das wechfelfeitige
Kopf- und Ferfenfuirfhen wurde denn Doch bei weiten
nicht dadurch erfchöpft, daß die Schlangen zuweilen die Mens
ſchen in die Beine ftechen,, oder tödtlic) verwunden, und
hingegen zuweilen auch ein Menfch einer Schlange den Kopf |
zertritt; denn Jehovah fagt: der MWeibesfame foll dir
felbft, dir dem Verführer — den Kopf zerfchmettern,
den Garaus machen, du aber wirft Ihm blos die Ferfe zers
knirſchen. Ed muß daher noch eine wichtigere und erhabes
nere Erfüllung gefucht werden, die man auch bald findet, wenn
man tiefer auf den Grund forfcht: denn die Schlange blos -
als Thier betrachtet, war ja Feines, Fluchs fähig; Daher
kaun er nur blos auf den feindfeligen Geift gehen, deſſen
Symbol, oder Hieroglyphe die Schlange von 1. B. Moſ. 5.
v. 1. bis Dffenb. Joh. 20. v. 2. ift, eben fo wie das Lamm,
von Abels Opferlamm, und dem erfien Ofterlamm an, bis
in Neujerufalem hinein, Symbol und Hieroglyphe des
Erlöfers if. Wenn man alfo unter dem Bild der Schlange
den Satan fucht, fo wird die Erfüllung wichtiger: denn
alsdann verfteht man zunächft unter dem Schlangenfamen
die gottlofen Menfchen, unter dem Weibesfamen aber die
424 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Frommen. Daß jene nun immer diefen die Ferfen zerknir⸗
fchen und ihren Wandel auf dem Lebenswege erfchweren, ift
eine alte Erfahrung, und daß auch am Ende noch die gute
Sache der Frommen triumphiven ‘werde, das laßt fi) mit
Grund hoffen, Zu fo weit ift alfo diefe Weiffagung fchon
‚deutlicher und ihre Erfüllung erhabener; allein jet iſt doch
der Begriff vom Weibsfamen noch dunkel — denn die Gott:
lofen find ja dem ’Sleifch nach eben fowohl Weibesfamen,
Evens Kinder als die Frommen, folglich muß in diefem
Ausdruck — MWeibesfamen — noch ein tiefere Geheimniß
‚verborgen liegen, welches erft bei der Geburt Chrifti vollig
enthüllt wurde: indem Chriftus nicht aus Mannes: fondern
blos aus Weibesfamen durd Einwirkung des heiligen Geiftes
gezeugt worden ift. "Aber noch eine glorwürdige Erfüllung
diefer paradiefifchen Weiffagung finden wir, Offenb. Joh. 12.
der männliche Sohn, den das Sonnenweib gebiert, ift wies
derum ein wahrer Weibesfame, und ein wahrer Schlangen
treter, wenn er die Heiden, den eigentlichen Schlangens
famen, mit dem eifernen Scepter zu Paaren treiben wird.
Das endliche Kopfzerfnirfchen der alten Schlange fteht Offenb.
Joh. 20.9, 10. dann erft ift diefe Weiffagung erfüllt. Diefes
Beifpiel zeigt deutlich, nach welcher Methode diefe Weiffas
gungen, die ind Große und Ganze gehen, erfüllt werden.
Ferner gehört auch die merkwürdige Verheißung hieher,
welche dem Abraham, dem Iſaac und dem Jacob zu
verſchiedenen malen gegeben worden, namlichr in dir, oder
in deinem Saamen follen alle Gefchlechte der Erden gefegnet
werden, Dieſe Verheißung ift fehr merkwürdig. Wir koͤn⸗
nen nicht wiffen, was fi) die Erzoäter und ihre Nachkom⸗
men dabei gedacht haben, wenigftens war ihnen die Idee
von einem Meffias oder Fünftigen Erlöfer noch fo dunkel, daß
fie ihnen fchwerlich bei diefer Verheißung eingefallen ift —
doc will ich auch nicht in Abrede ſeyn, daß ihnen fo etwas
geahnet haben Fann. Am wahrfcheinlichften ift, daß fie ſich
die Sache fo vorſtellten: das mächtige Volk, welches von
Abraham herfommen follte, würde durch feine beſſere Res
figion, durch feine Künfte und Wiflenfchaften, mit einem
.
—
Ir
Nachtrag zur Siegsgefchichte 425
Wort, durch feine Eultur, durch feine blühende Gewerbe,
Landwirthſchaft, Fabriken und Handlung, und überhaupt durch
feinen Wohlftand, allen Völfern der —* zu einem ſegens⸗
vollen Muſter dienen.
Daß dieſe Weiſſagung auch auf dieſe Art zum Theil ers
fuͤllet worden, kaun uur der Bibelfeind leugnen, der gerne
das alte iſraelitiſche Volk zum duͤmmſten, abergläubigs
ſten und feindfeligften unter allen Nationen machen möchte,
blo8 um das alte Teftament herabzumwürdigen, und dadurch
unvermerft auch das Neue zu untergraben; und die armen
Nachbeter affectirem Dann auch diefe große Weisheit, um für
große, aufgeflärte Männer angefehen zu werden. Die Jjraes
liten haben unftveitig die Altften Schriftfteller, die Altfte
Schriftſprache, die aͤltſte gebildete Religion, und ihr Staat
hatte ſchon die ganze Sphäre der Künfte und des Lurus durchs
laufen, ald die Griechen erſt anfingen die Kinderfchuhe
der Menfchheit auszuziehen., Im Gegeutheil laßt fich dem
vorurtheildfreien Menfchenfreund leicht bis zum höchften Grad
der Wahrfcheinlichfeir beweifen, daß alle Weisheit, alle Goͤt⸗
rerlehren, alle Sitten und Tugendregeln der morgenländifchen
Völker mehr oder weniger refleftirte und verunftaltete Lichts
ftraplen der Dffenbarungen Gottes an dad Voll Iſrael
find. Sufofern wäre alfo die Weiffagung, in dir, oder in
deinem Samen follen alle Völker auf Erden gefegnet werden —
einigermaßen erfüllt worden. “
Weit nachdruͤcklicher und beftimmter wurde aber diefe Ers
füllung bei der Gründung der chriftlichen Religion: da wurde
Abrahams Saame recht zum Segen für viele Völker, und
zwar auf vielerlei, auch auf irdifche Weiſe: denn wer kann
leugnen, daß wir alle unfere Künfte, Wiffenfchaften, Kultur,
Wohlſtand und gemäßigte Regierungsverfaffungen urfprüngs
lich der chriftlichen Religion zu verdanfen haben? — Keine
Religion in der Welt, außer der chriftlichen, ift fähig, einen
Reibnig, Wolf und Kant zu erzeugen; und weder Fichte noch
Schelling hätten ohne die erhabenfte chriftliche Myſtik ihre
Syſteme nie denfen koͤnnen.
Bei dem Allem ift doch der abrahamitifche Segen noch
426 . Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
lange niht — nicht einmal an uns Chriften — gefchweige
denn an alle Nationen der Erden — erfüllt worden; dieſe
herrliche Zeit fteht der Menfchheit noch bevor; faft alle Pro=
pbeten verfprechen ihren Volk eine glücfelige Wiederkehr,
eine Sammlung aus allen vier Winden, zu ihrer uralten
Heimath , ins Land Canaan, und mit diefem merkwürdigen
Zug fol dann auch eine allgemeine Begluͤckung aller übrigen
Nationen verpaart gehen. Dann erfi wird man im gaus
zen Umfang des Wortverftandes fagen fünnen: Nun ift
Doch wirklich die ganze Meufchheit inAbraham
und feinem Samen überfhwenglih gefegnet
worden. |
Eine der merkwärdigften hieher gehörigen Weiffagungen ift
diejenige, ‚welche 1. Mof. 49. v. 10. ſteht, und nad) dem
Grundtert folgendergeftalt überfezt werden muß: Der Res
gimentöftab (dad Stammrecht) und der Lehrunterricht des Ges
fees, werden von Ju da nicht weichen, bis der Sdilo
(der Friedensfürft) wird gefommen feyn, und
zu Ihm werden fi) die Völker verfammeln.
Alle Einwendungen, welche in neuern Zeiten gegen dieſe
Stelle gemadt worden, find von gar feinem Gewicht; Die
alten Juden deuteten fie einhellig auf ihren Meffiad, den fie
unter dem Schilo verftanden, und alle chriftlichen Gelehrten,
einige wenige der Neueren ausgenommen, find der nämlichen
Meinung. Man lefe auh, was ich über diefe Stelle im
gten Heft des grauen Manns gefagt habe, Setzt bemerfe
man bie fiufenweife, Erfüllung diefer Weiffagung.
Die erfte Idee, welde den Söhnen Jacobs und ihren
naͤchſten Nachkommen über diefen Ausfpruch des Patriarchen
ins Gemuͤth Fommen mußte, war natürlicherweife die, daß
der Stamm Zuda. vor allen andern Stämmen den Vorzug
haben, in Kriegs: und Friedenszeiten dad Regiment führen,
und Kirchen» und Schulpolizei verwalten würden, und das
fo lang, bis der Fame, unter deffen Regierung man eines
ſolchen Scepters und Unterrichts nicht mehr bedürfte. Diefe
Deutung war ihnen fo Elar, und zugleich fo verbindlid, daß
fie den Stamm Juda, oder feinen Stammfürften, ohne Aus
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 427
ſtand als ihren Anfuͤhrer und Geſetzverweſer anſahen. Als
nun Moſe auftrat, und das Volk Iſrael aus ſeinen harten
Bedruͤckungen, aus der egyptiſchen Dienſtbarkeit befreite, ſo
war er ihnen ſchon ein Schilo, der dem Juda dad Scepter
enträcte: denn er war aus dem Stamm Levi, dem er aud)
den Volköunterricht, und das ganze Prieftertyum,- auf Jeho⸗
vah's befondern Befehl, übertragen mußte. Daß ſich die
Sfraeliten zu Mofes Zeiten diefen Ausſpruch in dem Teſta⸗
ment ihres Stammvaterd fo erklärt haben, ift wahrfcheinlich.
Hernach als fie im gelobten Land waren, fo ruhte gleichfam
die Weiffagung, es wurde fein Gebraud davon gemacht, bis
ed mit den Königreichen Juda und Sfrael auf die Neige ging,
die vielen großen und merkwuͤrdigen Propheten aufftanden,
‚welche dem grundverdorbenen großen Haufen die nahen ſchreck⸗
lichen Strafen, und dem befjeren Theil die tröftlichen Vers
heißungen eined Meſſias, und feines herrlichen Reichs vers
kuͤndigten, und man aljo eines Schilo fehr bendthigt war.
Jetzt erinnerte man fih ohne Zweifel wieder an das Teſtament
des Patriarchen Jakobs, und tröftete fi) damit, daß Juda
doch unter allen Stämmen Juda bleiben, und fein Stamms
vecht und Gefeßgebung behalten würde, bis der Friedensfürft
kaͤme, und die Völker unter feine Fahnen fammelte.
Von nun an wurde die Zdee von einem Fünftigen Erlöfer,
und folglich auch feine Erwartung allgemein; — bis daher
hatten allenfalld die gelehrteften und erleuchteten Sfraeliten
dunkle Begriffe vom diefer glorwärdigen Perfon gehabt, viels
leicht fich aud) etwas Erhabeners dabei gedacht, als einen
irdifchen bloßen Fürften; wenigftens ‚hatten David und Gas
lomo in ihren Schriften folche große und bedeutende Weis
fagungen, vom damals noch zukünftigen Meffias und feinem
Keich hinterlaffen, daß man hätte denken follen, fie hätten
Alles, was Chriftum betrifft, ganz genau gewußt; aber man
muß wohl bemerfen, daß die Propheten oft ihre
eigene Weiffagungen entweder nicht ganz vers
fanden, und auch wohl nicht einmal wußten,
daß fie weiffagten, oder auch das, waß fie
wußten und in Bilder verhüllt, vorgetragen
*
428 | Nachtrag zur Siegsgeſchichte
hatten, nicht enthällen durften; fo erzählt z. B.
Srenäus, der als Kind den Apoſtel Johannes noch gekannt
haben kann, ed habe jemand dieſen Apoſtel gefragt, was
doch) die Zahl 666 zu bedeuten habe? Johannes habe aber
feinen Auffchluß darüber gegeben, zum Beweis, daß dies das
mals noch viel zu früh war.
Die Weiffagung vom Schilo knuͤpfte fich Fury vor, ae
während der babylonifchen Gefangenſchaft an die Weiffaguns
gungen der Propheten anz und ald nun auch noch Daniel mit
feiner 70 Wochen langen Zeitbeftimmung hinzukam, fo war
nun Materie genug zum Forfchen da; die glaubigen Juden
zechneten an diefen 70 Wochen, und ER fo viel heraus,
daß um die Zeit, als Chriftus im Fleiſch erfhien, Er au
allgemein erwartet wurde, und fo war aud) die Weiffagung
zweckmaͤßig benußgt worden; aber freilih nur. von der gerins
geren Zahl derer, die im wahren Sinn auf den Troft Iſraels
warteten, und daher den Meffias in feiner armen Geftalt
nicht verfannten. Die vornehmen Sfraeliten, Priefter, Phas
zifaer, Sadduzäer und Gelehrten werden aber vermuthlic)
gefagt haben: hr armen Schwärmer! es ift noch nicht an
vem, Zuda bat nod) einen König, und ein gefeßgebended -
Sanhedrin — auch kann man ja fo genau nicht wiffen, wie
die fiebenzig Wochen Daniels verftanden werden muͤſſen,
und wo fie eigentlich anfangen, und über das Alles Fann ja
der arme Jeſus unmöglich der Meffias feynz denn
diefer fommt aus Bethlehem ber, jener aber von Nas
zareth — der Meffias wird ein glorwärdiger König,
'ein großer Held feyn, wie paßt dad nun auf euern Jefum
aus Salilda? uf. w. Bei allen diefen Einwürfen blies
"ben aber die Gutgefinnten an ihrem gortgefälligen, von "der
‚Führung feines guten Geiftes abhängigen Bibelforfhen, und
wurden dadurch unausſprechlich glüdlich, und zu Grundfteis
nen des neuen geiftlichen Tempels.
Nachdem nun der Schilo Ehriftus gefommen war, und
feinen Lauf auf Erden vollendet hatte, fo wid) der Regie:
rungsſtab und die Gefeßgebung von Juda, diefer Stamm
wurde in alle vier Winde zerftreut, und die Völker die Heiden
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 429
fingen an, fich zu Ehrifto zu verfammeln. Allein dem uns
geachtet ift doch diefe Weiffagung noch nicht erfüllt; Juda
hat noch immer fein Stammverhältniß, noch immer feine
Gefeßgebung und Gefegunterrichtz der Schilo ift noch nicht
als irdifcher allgemeiner Friedensfürft gefommen, und im
Verhältniß gegen die ganze Menfchheit, haben fich noch wer
nig Völker Zr Ihm verfammelt; wenn aber nun bald die
Weiſſagung Jeſaiaͤ 60 in Erfüllung geht, dann erft wird auch
die vom Schild vollfommen erfüller werben.
Zunm Beſchluß muß ich doch noch einer Weiffagung gedens
fen, worüber fo wiel Redens und Schreibens und Zankens
gewefen, daß fie endlich darüber gar in den Verdacht einer
Nichtweiffagung gekommen ift. Dies ift die Stelle Jeſaiaͤ
7,0. 14., mit diefer verhält ſichs folgendergeftalt: der König
Rezin von Syrien, und Pekah, der König von Iſrael, belas
gerten Serufalem; der König Ahas von Juda ängftigte ſich
fehr darüber, er hatte auch wohl Urfach dazu, denn fein
Wandel war nicht rechtfchaffen vor Gott, indeffen war die
Zeit noch nicht gefommen und die beiden verbündeten Könige
waren auch die Werkzeuge nicht, die Jehovah zum Gericht.
über Juda gebrauchen wollte. Um alfo deu gottlofen Koͤnig Ahas
wo möglich noch zur Buße und Rückkehr zum Gott feiner Väter
zu. bewegen, mußte der Prophet zu ihm gehen, und ihm fas
‚gen: Die zween Könige, die dic) belageru, werden dir nicht
Ichaden, fondern der König von Affyrien wird zu feiner Zeit
das Werkzeug feyn, wodurd) der Herr Juda und Serufalem
ftraf’n wird; zum Beweis, daß ich die Wahrheit fage, fors
dre dir ein Zeichen von Jehovah deinem Gott, es fey nun
im Scheol oder in der Höhe! Ahas antwortete dem Prophes
ten: ich will Fein Zeichen fordern, ich will Jehovah nicht
verfuchen. Nun fo hört dann, fuhr Zefaias fort: Shr
Herren vom Haufe Davids! ifts Euch zu wenig, daß Ihr
die Menfchen des Duldens müde macht, müßt Ihr fo gar
auch meinen ©ott der Langmuth müde machen? — Geht,
da habt Ihr nun ein Zeichen: Siehe! das junge Mädchen
iſt ſchwanger geworden, und wird einen Sohn gebären, defs
fen Namen fie Immanu⸗El nennen wird; Butter und
430 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Honig — eigentlih Milchrahm und Honig — ein
fehr nahrhaftes Effen für Kinder — wird er genießen, bis
er die Fahre der Unterfcheidung erreicht hat; und noch ebe
dieß gefchieht, werden die Länder Syrien und Iſrael
feine Könige mehr haben, u. f. w.
Ehe ich meine Gedanken und Vermuthung über biefe merfs
würdige Stelle fagen Fann, muß ich erft die Ueberfegung
berichtigen: weder im hebräifchen Grundtert, noch im griechis
ſchen der fiebenzig Dolmetfcher fteht: eine Sungfrau, fon:
dern die Yungfrau, und dann ift auch dieß Wort Jungfrau
nicht ſchicklich: denn darunter verfteht man eine mannbare
Tedige Weiböperfon ; diefer Sinn liegt aber nicht im Text,
fondern das Wort Almah — eigentlich ngAlmah bedeutet
ein junges, nod) nicht mannbares Mädchen, folgli ha
ngAlmah heißt da8 junge Mädchen. Eine Zungfrau, eine
mannbare Weibsperfon,, wird im Hebräifchen Bethulah ge—
nannt; dies Wort fteht aber hier nicht, fondern jenes.
Ferner heißt ed ausdrüdlih, das junge Mädchen hat
empfangen, nicht, fie wird fchwanger werden; das fols
gende der Weberfegung Luthers leidet Feine Aenderung.
Bei den alten Sfraeliten war die Vielweiberei erlaubt:
wie wenn nun der unordentlihe König Ahas ein junges
noch nicht mannbares Mädchen zum Weib genommen hatte,
von der man Feine Schwangerfchaft erwarten Fonnte, ſo
fonute der Prophet fagen: Siehe! das junge Mädchen —
das du wohl Fennft, von dem du Feine Schwangerfchaft ers
warteft, ift aber doch fchwanger geworden — dieß Fonnte
der Prophet ohne göttliche Offenbarung nicht wiffen, folglich
war das ſchon eine MWeiffagung. — Dazu fam nun nod) die
zweite: Sie wird einen Sohn gebären — dieß war für
einen Menfchen;ein noch undurchdringbarers Geheimniß, und
zeugte noch deutlicher vom göttlichen Vorherwiffen; und nun
fam noch gar etwas Willführliches hinzu, denn der Prophet
fagt ferner: Sie — die Mutter wird feinen Namen
Emanu:El nennen. Wenn diefe dreifache Weiffagung nun
beſtimmt erfüllt wurde — und das Eonnte Ahas in Kurzem
wiffen, fo war er auch gewiß, daß die folgende — naͤmlich:
“
Nachtrag zur Siegsgefchichte, 651
daß Eyrien und Samaria Feine Könige mehr haben würde,
wenn der Knabe majoren wäre — richtig erfüllee werden
würde. Auf diefe Weife hat die ganze Sache einen fehr
pafienden Sinn, und der König verfiunde, was der Prophet
wollte. Ob aber nicht Jeſaias felbft eine erhabenere Ahnung
gehabt, und dabei einen Bli in die Zufunft gethan habe,
das Fünnen wir nicht wiſſen; das aber wiffen wir, daß der
Geiſt der Weiffagung die jungfräuliche Mutter unfers Herrn
unter dem Vorbild diefes jungen Mädchens vorftellen wollte;
denn Maria war auch noch eine Almah, und als foldye ges
bar fie den Erlöfer, ohne Zuthun eines Mannes. An Ihr
wurde alfo diefe Weiffagung vollfommen erfüllt, und bei
der Geburt ChHrifti und nachher immerfort, diente fie zur
Glaubens ſtaͤrkung an die Wahrheit feiner Sendung.
Sch koͤnnte diefer Weiffagungen noch mehrere anführen, allein
wir haben zu meinem gegenwärtigen Zwed an diefen genug.
Es ift alfo eine ausgemachte Sache, daß die Weiffaguns
gen, welde ins Große und Ganze gehen, das ift:
weldhe das große Erldfungswerf, und den
Kampf und Sieg des Reichs des Lichts, gegen
das Reich der Finfterniß betreffen, Anfangs
fehr unvolllommen, oft bloß metaphorifc,
oder myftifh, allmälig und ftufenweife immer
vollftändiger, Elarer, verfiändlicher, und ends
lich ganz vollfommen und buhftäblich erfüllt
werden — Wenn alfo nun die Offenbarung Fohannis die
Weiffagung aller Weiffagung ift, das Refultat von Allen ents
hält, und mehr als irgend Eine ins Große und Ganze geht,
fo gilt auch das vorzüglich von ihr, daß fie von der Zerftds.
sung Jerufalems an, bis daher, mehrmals, Anfangs ſehr
unvollfiändig,.aber allmälig fiufenweis immer voll:
fändiger ift erfüllt worden. Daß aber ihre ganz
vollftändige und eigentlihe Erfüllung noch
zukünftig fey, in welcher fie von Anfang bis zu
Ende, in allen ihren Bildern, Flar und deuts
lich jedem gefunden Menfhenverftand anfchaus
li werden wird. Das glaube ih), und davon bin ich
432 x Nachtrag zur Siegsaefhichte,
feft überzeugt. Allein dieß foll deßwegen niemand von Uns
terfuchung und Prüfung derjenige n Stufe der Erfüllung
abhalten, in welder er I in ner Zeit und a: be:
findet.
Der felige Herder, und 2. der große und — Bibel:
forfcher Storr, haben nicht ohne Gründe der Wahrfcheinliche
feit behauptet, daß die Offenbarung Johaunis
noch vor der Zerftörung Jeruſalems bekannt gemacht,
und gefchrieben fey, und Herder will fogar beweifen, daß
fie durch die Zerfidrung Jeruſalems ganz feye erfüllt worden.
Wenn nıan aber fein Maranatha mit vorurtheilsfreiem Sinn
liest, fo findet man zwar vieles, das ungezwungen auf dieſes
große Gericht angewendet werden kann, aber auch wieder.
vieles, das gar nicht paßt. Auf den Fall finge alfo die uns
vollkommenſte Erfüllung mit der Zerftorung Jerufalems an.
Bleiben wir aber bei der Tradition, daß Johannes feine
Offenbarung nad) der Zerftdrung Serufalems unter dem Kais
fer Domitian empfangen habe, wie folches von jeher won der
Kirche angenommen und geglaubt worden, fo erwarteten die
erften Chriften die ganze Erfüllung der Aypocalypfe in dem
Gericht über das heidnifche Rom, worauf dann das verfpros
chene herrliche Reich des Meffias folgen würde; und wirklich
läßt fi) auc) die Anwendung der apocalyptifchen Bilder auf
die Gefhichte des gäanzlichen Umſturzes des heidnifchen
Roms fchon weit leichter machen, als auf die Zerftdrung
Serufalemö, aber vdemungeachtet ‚blieben doch. noch fehr
viele Bilder und Hieroglyphen unerfült, die man dann, um
ſich zu helfen, myſtiſch erklärte,
Bei der Belehrung Conſtantins des Großen glaubte man
nun gewiß, jet werde das herrlichefriedensreich anbrechen,
allein diefe Erwartung fchlug fehl, und der erleuchtete Bibel:
forfcher Fonnte nun fchon weiter fehen: ‚denn da fi nun
allmälig im Dceident neue Staaten, und fogar ein römifches
* Kaiferthum bildete, und in Rom eine geiftlihe Macht ents
ftund, fo ließ ſich leicht einfehen, daß noch ein Chronus, ein
mit vielen großen Vorfällen angefüllter Zeitlauf, zukünftig
fey, den die wahren Berehrer des Herrn noch würden
Nachtrag zur Siegsgefchichte. 455
ausharren und durchkaͤmpfen muͤſſen; und dies iſt denn auch
bis dahin der Fall geweſen.
Zur Zeit der Reformation, und bald nachher, mochte man
auch wohl das Ende naͤher vermuthen als es wirklich war,
allein niemals, vielleicht ſeit Chriſti Himmelfahrt bis das
her, war die Erwartung fo geſpannt als von 1750 bis 1750.
Die vielen Erweckungen allenthalben, und die vielen Männer,
welche zum Aufivachen aufriefen, vorzüglich Franfe, Zins
zendorf, Friedrih Rod, Joh. Heinrich Haug, Tuchtfeld,
Chriſtian Dippel, Pererfen und feine Frau, Peter Poirer,
Hohmann, Gerhard Ter Stegen u, a. m. verurfachten eine
folche allgemeine Aufregung, daß hin und wider wilde fanas
tiſche Ausfchweifungen daher entftunden, woran aber weder
die Apocalypfe, noch jene Männer, fondern überfpannte hy=
fterifche Weiber, deren Vifionen und Phantafien man für
göttlich hielt, und dann der flüchtige Pater, und Zohann
‚Heinrich Sei fihuld waren, indem die beiden Legtern mit
beftimmter Gewißheit den Termin der Zufunft des Herrn,
der Erfte auf 1806, und der kette auf 1756 feſtſetzten; Seitz
wurde zeitig zu Schanden, und des flüchtigen Paters Vorher—
fagungen find auch nicht eingetroffen, und die Beftimmung
feines Termins auf 1806 wird auch vermuthlich unrichtig
Beer
Gerade in diefer Zeit, nämlich zwifchen 1740 bis 1750,
kamen nun die Schriften des feligen Bengeld heraus; die
zuͤndeten ein neues, noch nie erfchienenes Licht an, und bei
dieſem wird num die — klarer, verſtaͤndlicher und
anwendbarer. —
Jetzt laßt ung, meine Lieben! ganz unpartheiiſch, mit heis
terem und ruhigem Gemüthe diefe meine bisherige Gedanken
uͤber die Weiffagungen, gegen die gleich Anfangs vorgelegte
Frage: ob der Chriſt die bibliſchen Weiſſagun—
gen forſchen duͤrfe, oder gar ſolle? abwaͤgen, ſo
wird der Ausſchlag gewiß Ja ausfallen;
Denn 1) da jene Weiſſagungen als Gottes Wort in der
Bibel fiehen, fo 10 man fie BER wie ich ſchon —* er⸗
wieſen habe.
Stillings ſaͤmmti. Schriften. IL. Band. 28
E}
454 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
2) Daß man den Sinn deſſen, was man liest auch for⸗
ſchen muͤſſe, iſt ja wohl eine ausgemachte Sache.
5) Da der Sinn der Weiſſagungen die Geſchichte der Zus
kunft enthält, aber, in dunkle Bilder verhuͤllt ift, fo verftehts
fih8 von ſelbſt, daß der Forfcher auch diefe berrachten, und
ihre Bedeutung nach der Analogie der ſchon erfüllten Weiſ—
fagungen, und dem Zufammenhang, in dem fie mit dem Vor—
hergehenden und Nachfolgenden ftehen, beftimmen müffe.
Da aber die Zufunft nie ganz deutlich vorher befannt ges
macht werden fol und darf, fo darf auch der Bibelforfcher
nie ganz beftimmt und umftändlich wiffen, fagen und
fehreiben wollen , was von Fahr zu Jahr, von Zeit zu Zeit
gefchehen foll und wird: denn fo oft er das. thuß, fo oft kann
man auch mit der zuverläffigften Gewißheit fagen, daß feine
Erklärung falfch feye, und feine Vorherfagungen nicht ein-
treffen werden. Es kann nicht genug gefagt werden, daß
die Weiffagungen nur zu dem Großen und Gans:
zen der Geſchichte des Reichs Gottes, dem
gottesfürdhtigen und aufmerffamen Forfder
Winke geben follen; aber die befonderen, Particularen
Vorfälle, die Ausführung der Geſchichte, foll er in Abhaͤu⸗
gigkeit von der Vorſehung nicht beftimmen wollen, fons
dern in Geduld erwarten. |
4) Da nun aud) ausgemacht ift, daß die Weiffagungen,
welche ind Große und Ganze des Reichs Gottes gehen, von
ihrem Ausfpruch an, bis zu ihrer Vollendung , fiufenweife
und immer vollfümmener erfüllt werden, fo ift auch eben
fo. gewiß, daß diefe WVeranftaltung in der Weisheit der gött-
lichen Rathfchlüffe ihren Grund haben muͤſſe — und diefer
ift folgender: Wenn der gottgefällige Bibelfors
fiber bemerkt, daß die Gefhichte feiner Zeit
mit der Weiffägung eine Aehnlichkeit Hat, fo
vergleicht er, forfiht weiter, bemerkt gemiffe
Erfüllungen, fohließt weiter mit Behutfam:
feit auf die Zufunft und erwartet nun, was
gefhiceht, und was nicht geſchieht; dadurd
wird alfo näher befiimmt, was die Weiffas
— —
Nachtrag zur Sie gsgeſchichte. 455
gung bedeute, und was fie nicht bedeute;.
wenn nun dies Forfhen und Anwenden der
Weiffagung’auf die Geſchichte, vom Anfang
bis zum Ende des Zeitlaufs, den die Weiffas
gung: bezeichnet, geſchieht, fo wird fie im
Sortfchritt immer deutlicher, und eben dies
wird auh immer ndthiger, je näher man dem
Ziel fommt, weil die Zeitgenoffen vor der
unmittelbaren und endlihen Erfüllung der
deutlihern Winke am Mehreften bedürfen. Ic
bitte diefe meine Bemerkung recht wohl zu beherzigen: denn
wenn fie richtig ift, fo wie fie es gewiß ift, fo folgt daraus:
daß Gott diefe finfenweife Erfüllung eben deßwegen verans
ftaltet habe, damit man einen fichern Llitfaden zur richtis
gen Erforfhung und. Erflärung der Weiffagungen haben
möge, und daß es alfo aub Pflicht des Shriften
fey, fie zu lefen, und in Abhängigfeit-vom
Herrn ihren richtigen Verſtaud zu ergründen
Diefes Alles wird aber noch dadurch zur höchften Evidenz
gebracht, wenn ich nun auch auf Veranlaffung des zweiten
Theils der Anfangs vorgelegten Frage: ob man nämlich auch
die prophetiſchen Zeitbeftimmungen unterfus
hen, und von ihnen auf die Zukunft fchließen dürfen? uns
widerfprechlich werde Dargethan haben, daß dies aller:
dings erlaubt feye.
Wenn in den Weiffagungen von gewöhnlichen Zeiten, ſo
wie fie und Sonne und Mond bezeichnen, die Rede ift, fo
wie z. B. die vier hundert Fahre der Fremdlingfchaft der
Nachkommen Abrahams, oder die fiebenzig Jahre der baby:
lönifchen Sefangenfchaft, oder die taufend Jahre des Reichs
Ehrifti auf Erden, fo bedarf es Feines Forfchens : denn die
Sache ift von felbft klar; wenn aber Daniels Weiffagung
fiebenzig Wochen, die Apocalypfe zwei und vierzig Monate,
eine Zeit, zwei Zeiten, und eine halbe Zeit, taufend zweis
hundert und ſechzig Tage, und dergl. beftimmen, fo zeigt ſich
gleich) in der Anwendung auf die Gefhichte, daß diefe Zeit:
beftimmungen nicht unfre gewöhnlichen Jahre, Monate,
28 *
456 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Wochen, Tage und Zeiten find, fondern daß fie einen uns
unbefannten Maaßftab haben, den der Geift der Weiffagung
eben deßwegen gewählt, damit der Feind den Plan Gottes
nicht errathen und ihn vereitelm, oder die Ausführung er=
fchweren koͤnne; dies zu verhindern, wirft nun auch die
falfche Aufklärung ohne ihr Wiſſen und Wollen fehr Fraftig 4
dadurdy mit, daß fie alle Weiffagungen und ganz vorzüglich
die Apocalypfe verwirft; duͤmmer koͤunte ſie's nicht anfans
gen ; denn eben dadurd) bewirkt fie eigenen Sturz und
fchreckliches Gerichte.
Warum find aber denn diefe Zahien und Zeit:
beftimmungen nicht ganz weggeblieben? — dieß
wäre ja alsdann am allerficherften gewefen? —
Ich antworte, weil fie nun einmal da find, und fie Gott
felbft, der zu Allem, was er thut, feine gegründete Urfachen
hat, durch den Geift der Weiffagung vor jedermanns Augen |
hingeftellt hat, fo ift das ein unwiederfprechlicher Beweis,
daß wir fie auch nach den von Ihm felbfi vorge
fhriebenen Regeln forſchen ſollen.
Daß diefe meine Antwort und Behauptung richtig ſey,
beweißt ferner der Rath, die Billigung, wo nicht gar der
Befehl Chrifti und feiner Apoftel, auf die Zeidyen
der Zeit wohl zu merken, ſogar find hin und wieder in
den Weiffagungen Schlüffel zu den Zahlgeheimniffen verſteckt,
‚welche ganz unftreitig die Wahren find, weildas, was fie
auffchließen, ganz richtig erfüllt wird. Im folgenden Haupts
fiü® werde ich von diefer Sache ausführlic) handeln, und
meine Behauptungen noch mehr befeftigen. /
Der vornehmfte und wichtigfte Einwurf, den man meiner
Behauptung entgegenfegen kann, ift der Ausſpruch Chriſti,
Matth. 24. v. 36. und Marc. 13. v. 52. daß niemand außer
dem Vater im Himmel den Tag und die Stunde der Zukunft
des Herrn wife, fogar daß Ihm, Chriſto felbft, diefe Zeit
verborgen fey; und Ap. Geſch. 1. v. 7. fagt er zu feinen
forſchenden Füngern: Es gebührer Euch nicht Zeit und Stunde
zu wiffen, welche der Vater feiner Macht vorbehalten hat.
Wenn man diefes da fo im Zufammenhang liest, fo
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 437:
feheint e& meinen Behauptungen geradezu zu widerfprechen,
daß dieß aber der Fall Feineswegs fey, das kann ich unwis
derlegbar beweifen.
Daß Ehriftus damals, ald Ihn feine Zünger fragten,
den eigentlichen Zeitpunft feiner Wiederkunft zur Errihtung
feines Reichs nicht wußte, das bezeugt er felbft; folglich
Fonnte Er ihn auch Ihnen Damals nicht fagen; daß Er
aber, nachdem Er ſich zur Rechten feines Vaters geſetzt,
und dad Buch mit dem fieben Siegeln erbrochen hatte, nicht
allein diefen Endtermin, fondern alle Zeitbeftimmungen der
Zufunft genau wußte, das beweißt die ganze Apocalypfe,
welche ja eine Offenbarung Jeſu Chrifti ift, die dem Jo—
hanned gegeben wurde, um den Chriften aller Zeiten zu
‚zeigen, was in der nahen Zukunft gefchehen folle, Folglich
fallt fchon der erfte Theil diefes Einwurfs weg: nämlich, daß
niemand als der Vater im Himmel die Zufunfe wiffe und
wiffen folle — das war nur damals der Fall, ald der Kath
ſchluß Gottes noch unentfiegelt war.
Wenn nun aber auch Chriftus zu feinen Juͤngern fagt,
daß es ihnen nicht gebühre, nicht zukomme, nach der
Zeit und der Stunde feiner Wiederfunft und der Gründung
feines Reihs auf Erden zu forfchen, fo hatte das damals
feine wichtige Urfachen: denn die Zünger hatten noch immer
die jüdifche Zdee im Kopf, Chriſtus oder der Meſſias würde
zu Serufalem ein. irdifches Königreich errichten, und von da
aus alle Nationen beherrfchen — diefe Idee benahm_ihnen
Chriſtus nie ganz, einmal: weil fie etwas Wahres enthielt,
und dann auch weil fie Ihn fonft gänzlich verlaffen haben
würden — hätte Er ihnen nun gefagt, daß es noch über
achtzehenhundert Jahre währen würde, bis Er wieder fäme,
fo würde fie. das erftaunlich niedergefchlagen, und vielleicht
zum gänzlichen Abfall von Ihm bewogen haben. Er ließ
ſie alſo in der ungewiffen Hoffnung feiner baldigen Wieders
Tunft, und fogar nad) der Ausgiefung des heiligen Geiftes
über fie, blieben fie noch immer. in der Erwartung, daß die
Zufunft des Herrn vielleicht noch bei ihren Leben gefchehen
koͤnne. Selbſt die Apocalypfe ließ fie in diefer Ungewißheit,
458 Nachtrag zur Siegsgoſchichte.
obgleich die erleuchteten Leſer derſelben vielleicht merken moch—
ten, daß denn doch die Wiederkunft Chriſti fo gar nahe nicht
fey. Auch hatten die Apoftel fchon gewiffe Auffchlüffe über
die Zeichen, welche vor diefem wichtigen Zeitpunft hergehen
follten. Diefe Ungewißheit und nahe Erwartung hatte die
wichtige Urfache, um dadurch die Chriften zu allen Zeiten
im Wachen und Beten zu erhalten, und auf feine Zufunft
immer gefaßt zu feyn. Jetzt aber, da nun der große und
wichtige Zeitpunkt diefer Zufunft immer näher ruͤckt, und
vielleicht fehr nahe ift, fo daß er von unferen jungen Zeits
genofjen noch erlebt werden Fann, und da zugleich durch die
neue Anfflärung, die ganze Idee yon diefer Wiederfunft,
und von einem Friedensreich Chrifti auf Erden, als eine
ſchwaͤrmeriſche Grille verſpottet, und aus dem Lehrſyſtem
verbannt wird, ſo daß die allgemeine, hoͤchſt gefaͤhrliche
Sicherheit graͤnzenlos ſteigt, und auch leicht wahre Chriſten
dadurch verleitet und eingeſchlaͤfert werden koͤnnen; jetzt iſt
es noͤthig und die hoͤchſte Pflicht, in der alten verachteten
Bibel und Apocalypfe nach den Zeichen der Zeit zu forſcheu,
und wer Auffchlüffe darüber befommt, der fol fie feinen Zeitz
genofjen mittheilen, damit die Getreuen des Herrn nicht uns
bereitet erfunden, und auch in ihren fehweren Leiden durch
die nahen frohen Ausfichten getröfter werden mögen,
Daß wir alfo die Zeichen der Zeit beobachten follen,
ift gewiß, Chriftus und feine Apoftel fordern und dazu auf,
Nun find aber die Zeichen der Zeit nichtd anders als gewiſſe
Thatfachen, Fakta, die in einem gewiffen Zeitpunft dereinft
gefchehen werden, folglich fol der Bibelforfcher dann, wann
er diefe Fakta bemerkt, ihren Zeitpunft ind Auge faflen,
und darauf dann, mit Hülfe der richtigen und wahren Schlüf-
fel, die Aufldfung und Erflärung der prophetifchen Zeitbes
flimmungen gründen. — Man fage mir doc in aller Welt,
wozu das Beobachten der Zeichen der Zeit dienen fol, wenn
ich nicht daraus auf die Nähe und Ferne, das iſt auf den
Zeitpunft der Erfüllung irgend einer Weiffagung ſchließen
fol? — wie forgfältig gab Chriftus feinen Juͤngern, und
durch fie auch uns, die Zeichen der Zeit an, die nahe vor
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 459.
der Zerftdrung Jeruſalems, und auch vor feiner MWiederfunft
bergehen follten ? — wie mannigfaltig und auf maucherlei Weife
beftimmt , wie ausführlich gibt fie Ehriftus in der Dffenbas
rung Johannis? — und wie treulich belehrt Paulus: die
Theſſalonicher, und mit ihnen auch und, auf welche Zeichen
der Zeit ſie ihr Forfchen nach dem Tage der Zukunft des Herrn
gründen follte? So gewiß es nun aber auch ift, daß der
Chriſt die prophetifchen Zeitbeftimmungen forfchen darf, und
forſchen fol, fo gewiß. ift es au) , daß es mit größter Bes
hutſamkeit, Befcheidenheit und immer in Abhängigkeit vom
Herrn und feinen Geift der Weiffagung, nach folgenden
Regeln gefchehen müffe: u |
1) Wer die biblifchen Weiffagungen, und befonders die Apo⸗
calypfe erklären und ihre prophetifche Zeitbeftimmungen ent=
räthfeln will, der muß alle Weiffagungen, die vom Paradies
an, bis zur Offenbarung Johannis hin, Chriftum
und fein Reich, und die Erlöfung des gefallenen menschlichen
Geſchlechts bezielen, inne haben, und ihren Sinn mit einem
hellen Blick durchfchauen konnen, Wen es hier noch fehlt,
der wage fich nicht an eine Erklärung der Apocalvpfe.
2) Man hüte fich ja, daß man nicht Tharfachen für Zeis
chen der Zeit anfieht, die es Feinesweges find — hier haben
die mehreftien Ausleger gefehlt. Nur dann ift ein Fac—
tum ein foldes Zeichen, wenn es nicht allegos
riſch, fondern Elar und deutlich in der Bibel
als ein ſolches angegeben wird, als 3. DB. von
der Zerftörung Zerufalems die Wagenburg, der Greuel der
Verwuͤſtung an heiliger Stätte, allerhand fchredliche Aeuße—⸗
rungen phyfifcher Kräfte, Empdrungen, Kriege und Kriegs: -
geſchrei, und. zu unfern Zeiten ift nun der Abfall ein.
fo beftimmtes Zeichen der Zeit, daß wir Fühn und getroft die
Entwicklung der pfophetifchen Zeiten darauf gründen fünnen.
i 3) Man hüte ſich ja für jedem Syftem, um die Apocas
lypſe darnach zu erklären, und damit ald mit einem Haupt:
ſchluͤſſel alle Geheimniffe und Hieroglyphen auffchließen zu
‚wollen. Hier haben bis daher noch alle Ausleger gefehlt —
ſelbſt der befie und zuverläffigfte unter allen, der felige Beu⸗
440 Nachtrag zur Siegsgefhichte. -
gel, ift nicht ganz frei von diefem Fehler. Die Syſteme
find Regeln für den fhwachen menfchlichen Verftand, aber
der Hoͤchſtvollkommene bedarf ihrer nicht, und alle feine Werke
find nicht nach) unfern Syſtemen geordnet. In der Erklärung
des Worts Gottes muß man lediglid dem keutehe folgen,
den es ſelbſt an die Hand gibt.
4) Man muß niemals aͤngſtlich am. bloßen Buchſtaben
hängen; die Bibel trägt dad Wort Gottes in menſchlicher,
alfo in unvollfommener Sprache vor; daher heißt ed auch:
der Buchftabe tödtet, aber der Geift macht lebendig; aber
man darf auch dem Buchftaben Feinen Sinn andichten, der
gar nicht darinnen liegt, fondern man muß. immer das
Ganze im Auge haben, und dann eine ungezwungene Er—
klaͤrung wählen, die zu diefem Ganzen paßt. Gtellen,
die man nicht verfteht, laffe man unerflärt, und geftehe
lieber feine Unwiffenheit, ald daß man ihnen eine falfche
Deutung gibt.
5) Endlich fol ſich auch der Ausleger bibliſcher Weiſſa⸗
gungen, beſonders der Apocalypſe, ſehr huͤten, daß er,
wenigſtens nicht oͤffentlich in Schriften, Tage
und Stunden, Monate und Zahre, in welchen dies oder
jenes gefchehen fol, oder die Zukunft des Herrn zu erwarten
fey, genau und mit Gewißheit befiimmen wolle. Wir
follen die Zeiten nur ungefähr, etwa auf zehn
bis zwanzig Fahre hin vermuthen: denn Ehriftus
fagt feinen Süngern und mit ihnen auch) und: Er werde
Tommen zu einer Stunde, wo mans nicht meine, wo man
Ihn nicht erwarte; und wie oft wiederholt Er das Gleiche
niß: Er werde kommen wie ein Dieb in der Nacht. ganz
unerwartet. — Mie wäre das aber möglich, wenn die pro⸗
phetifchen Zeitbeftimmungen vorher auf Tag und Stunde bes
ſtimmt werden koͤnnten? —
Man hat mir dagegen eingewendet: Chriftus werde feinen
Feinden, den Unglaubigen, fo unerwartet fommen, aber ſei⸗
nen wahren Derehrern werde der Zeitpunft feiner Wieders
funft befannt feyn. Hierauf antwortete ich: allerdings wer:
den Ihn die Unglaubigen ganz und gar nicht erwarten, bins
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 441
gegen die wahren Chriſten werden wiſſen, daß Er nun
bald kommen und nicht lange mehr ausbleiben werde;
dieſe Gewißheit haben ſie aus der gottgefaͤlligen Beobach⸗
tung der Zeichen der Zeit und behutſamen Berechnung der
prophetiſchen Zeitbeſtimmung erlangt, aber deßwegen wiſſen
ſie denn doch das Jahr nicht genau, vielweniger Tag und
Stunde. Der Bengel'ſche Termin im Jahr 1856 ift nach
feiner Berechnung das weitefte Ziel, indeflen ift denn doch
das Bengel’fche Syſtem nur hoͤchſt wahrfcheinlich, und nur
infofern ganz gewiß, daß nunmehro die Zufunfe des Herrn
nahe ift.
Daß — und inwiefern. man die biblifche Beifagungen,
und befonders die Apocalypfe, nebft den prophetifchen Zeits
beftimmungen forfchen ‚dürfe, ‚glaube ih nun hinlänglich
auseinander gefeßt zu haben. Ich gehe alfo nun zu einer
andern höchftwichtigen Materie über.
412 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Das zweite Kapitel -
Wenn e3 dem Chriften erlaubt, und fogar Pflicht: ift,
die prophetiſchen Zeitbeftimmungen zu forfchen, fo ents
fteht die wichtige Frage, welche Auflbſung unter allen
bisher befannt gewordenen die Nichtigfte und Wahr:
ſcheinlichſte ſey?
Die bekannteſten und wichtigſten Aufloͤſungen der prophes
tiſchen Zeitbeſtimmungen ſind folgende;
1) Nimmt man alles für natürliche Zeiten an, und vers
fhiebt dann die ganze Erfüllung der Apocalypfe in die Zus
Funft, — Freilich! — auf die Weife ift man am gefhwin:
deiten fertig, aber dann entftehen unauflösbare Schwierig:
feiten; denn die 42 Gewaltmonate des Thierd find dann
drei und ein halb Jahr; die eine Zeit, zwo Zeit, und eine
halbe Zeit des Sonnenweibes find abermal drei und ein halb
Fahr, und die 1260 Tage des Sonnenweibes find wiederum
drei und ein halb Jahr, den Monat zu dreißig, und das
Jahr zu dreihundert und fechzig Tagen gerechnet. Wenn man
nun auch alle diefe Zeiten nad) einander folgen lafjen wollte,
fo kaͤmen 10 bis 11 Jahre heraus, in welchen Alles- das
erfüllet werden müßte, was in der Apocalypfe enthalten if,
welches aber ſchlechterdings unmoͤglich iſt; da aber nun nad)
dem Haren Inhalt des Textes diefe Zeiten gewiffermaßen zu:
gleich miteinander Jaufen, fo wird die Zeit noch viel Fürzer,
folglicy kann diefe Auflöfung der prophetifchen Zeiten durch:
aus nicht die Wahre feyn, außer daß gegen das Ende, in
der pünftlichen und buchftäblichen Erfüllung, aud ein und
andere Zeitbeftimmung natürlid) feyn Tann, wie 3. B. Die
viertehalb Jahr der zween Zeugen, die viertehalb Tage ihres
Todſeyns, und dergl. -
k aa
1028
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 445
2) Werden bie prophetifhen Tage für Jahre genommen,
und darnach die aporalyptifchen Zeiten beftimmt; dann find
die 1260 Tage eben fo viele Jahre, und eben fo auch) die
übrige Zeiten; in diefem Fall werden aber die Perioden zu
lang, und alle Anwendungen auf die Gefchichte fallen fo
willführfich aus, daß man ihnen unmdglich beiftimmen Fann,
Da nun diefe Auslegungsart die Allgemeinfte ift, und man
fie immer als die einzig Mögliche betrachtete, fo entitund
eben daher die Vermuthung, daß die Offenbarung Johannis
gar nicht erklaͤrt werden koͤnne und ſolle.
3) Endlich trat in den vierziger Jahren des abgefloffenen
Sahrhunderts der befannte, von Herzen fromme und grunds
gelehrte Würtembergifche Theologe, Johaun Albrecht Bengel,
auf, und zeigte einen Schlüffel zur Auflöfung au, wodurch
nicht allein die Apocalypfe ganz ungezwungen erklärt werden
fann, fondern die auch noch auf andere Weife erftaunliche
Aufjchlüffe gibt, In fpätern Zeiten hat auch noch ein vers
ehrungswuͤrdiger, frommer und gelehrter Mann ein Buch
herausgegeben, welches in Garlöruhe bei Macklot herausges
kommen ift, und folgenden Titel hat; Einleitung zu näherer
und deutlicher Aufklärung der Offenbarung Jeſu Ehrifti,
oder St. Johannis, nah Chronologie md Ges
ſchichte, ald Beitrag zum Beweis, daß Bengeld aporas
Inptifches Syftem das Wahre fey. 1784, in welchen diefes
Syſtem noch bewundernswärdiger dargeftellt,, und angewens
der wird, S. die Vorrede zur Siegögefhichte ©. 7. Ob ich
gleich in diefer Vorrede das Nöthigfte über Bengeld Berech⸗
nung gelagt habe, fo ift es doch der Mühe werth, daß ich
mic) hier noch näher und weitläuftiger darüber erfläre, da⸗
mit meine Lefer einen ganz vollftändigen Begriff davon be—
fommen, und fih in Anfehung ihrer höchften Wahrfcheins
‚lichkeit vollfommen beruhigen fünnen, |
Offenb. Joh. 15. v. 5. heißt es; und es wurbe ihm —
dem Thier aus dem Meer — Gewalt gegeben zwei und
vierzig Monate lang zu wirken! — Daß diefe zwei
und vierzig Monate nicht natürliche bürgerliche Monate feyn
Tonnen, erhellet daraus, weil Alles das, was dem Thier
PR Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
zugeſchrieben wird, unmoͤglich in viertehalb Jahren geſchehen
kann, folglich muß dieſe Zeit in prophetiſchem, noch ver—
borgenen Sinn genommen werden. Wo finder man aber
nun den Maaßſtab dazu? — Wir wollen ihn fuchen :
In dem nämlichen 15. Kapitel fteht v. 17. So daß niemand
Faufen und verkaufen kann, wenn er nicht das Zeichen bed Thiers
und die Zahl feines Namens hat. — Ferner v. 18:
Hier ift die Weisheit (Sophia) wer Verſtand —
Beurtheilungfraft (Noun) hat, der berechne!(pst-
. phisäto) es heißt nicht, der zähle eine Zahl zu der Andern,
wie gefchehen muß, wenn man aus einem Namen die Zahl
herauöbringen will, fondern man foll Rechnen, Cal⸗
euliren, — und was denn? die Zahl des Thiers!
denn es ift eine Menfhenzahl, fo wie fie unter den
Menfchen gebraucdhlich ift, und feine Zahl it Sed%s
hundert, Sechzig, Sechs.
Was iſt aber nun an ſechshundert ſechs und ſechzig zu
rechnen? die bleiben was ſie ſind — wenn nicht noch etwas
hinzukommt. Man ſollte denken, das haͤtte man ſchon laͤngſt
einſehen muͤſſen, allein man kam deßwegen nicht darauf, weil
man die Zahl des Namens des Thiers mit der Zahl
Des Thiers 666 für eine und die namliche Zahl hielt,
und nun glaubte, dad anempfohlene Rechnen fey weiter
nichts, als in irgend einem Namen, den etwa das Thier
haben koͤnnte, die Zahl fehshundert ſechs und fechzig zu fins
ben; und fo fand man dann in dem griechifchen Wort Aureıvog,
in der Juſchrift an der päbftlihen Krone, Vicarius filii Dei,
„ In dem Namen Ludovieus, und in andern mehr, die Zahl
666 ganz richtig — allein dabei Fam nichts heraus, und
die merkwürdigen Worte: Hier ift die Weisheit, wer
Berfiand hat, der berechne — wollen wahrlich mehr
fagen, als addirt die Zahlbuchftaben feines Namens zu:
fammen. |
Sch felbft hielt noch immer die Zahl des Namens des
Thiers, und die Zahl des Thiers für eine und die nämliche
Zahl; aber erft Fürzlich befam ich den Auffchluß, das dieß
aus dem Inhalt des Textes nicht nothwendig folge, es ſcheint
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 446
zwar, ald ob das Wort Hier im Anfang des 18ten Verfes
fi) rücwärts auf die Zahl des Namens des Thierd bezöge,
allein gewiß ifts nicht, fondern es kann cben fo wohl auf
den Verfolg deuten, und dieß ift mir jet wahrfcheinlicher;.
alsdann aber ift uns die Zahl des Namens umbefannt, und
fie kann fowohl Die Anzahl der Regenten eines Namens in
einem Staat, 3. B. Carl der 6te, Ludwig der 16te, Heinric)
der Ate, ald auch die Zahlbuchjtaben im Namen felbit bes
‚zielen; und endlich ift ed auch noch immer möglich, daß die
Zahl des Thiers 666, auch die Zahl feines Namens ift, aber
nothwendig,, fogar wahrfcheinlich, ift es nicht,
Ich bitte diefe Bemerkung ald eine der Allerwichtigften
anzufehens denn wenn wir bei der Idee bleiben,
daß die Zahl des Namens, und die Zahl des
Thiers eine und die namliche Zahl fey, fo kann
der Menfh der Sünden wirklich auftreten, ohne
von und bemerft zu werden, weil wir in feinem
Namen die Zahl 666 nicht finden; nehmen wir
aber an, daß die Zahl des Namens auch eine
Andere feyn koͤnne, fo find wir defto aufmerks
famer auf die anderen fiheren Merfinale, und
fo entgeht er und nid. .
Alfo die Zahl 666 ift ein Gegenftand des Rechnens mit
Weisheit und Verftand — alfo eine ſchwere Rechnungs—
» Aufgabe; fie ift einetunter Menfchen gebräuchliche Zahl —
ald Zahlen find fie das Alle — folglid muß das Object
etwas unter den Menfchen gebräuchliches feyun; es muß ficy
aber auch auf die Zeit des Thiers beziehen, in welder
das, was bisher von ihm erzähle worden, gefchehen fo,
+ folglich eine unter den Menfchen gewöhnliche Zeitbes
ſtimmung, folglih das Jahr feyn, fo daß alfo die Zahl
des Thiers feine Dauer von 666 Jahren bedeutet. RUM,
Jedermann fieht, daß diefer Ideengang nichts weniger
als eine Demonftration, fondern nur eine Vermuthung ift,
mit der man einmal einen Verfuch anftellen kana, ob ſich auch
etwas damit ausrichten laßt? — Daß die Zahl 666 fo viele
Fahre der päbftlihen Macht bedeute, das hat Luther ſchon
geglaubt.
446 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Da fich mit einer einzigen Zahl nicht rechnen läßt, fondern
wenigſtens noch) Eine erfordert wird, mit. der fie in Verhälts
niß gefeßt werden Fan, ſo muß die zweite Zahl aufgeſucht }
werden; da wir aber nun einftweilen die Zahl 666 als fo
viele Jahre der Regierung = Währung des Thiers angenoms
men haben, im dten Vers diefes 15ten Kapitels aber eben
dieſe Währung auf 24 prophetifche Monate angeſetzt wird,
fo find 666 unferer irdifchen Jahre (unferer angenommenen
Hypothefe nach) 42 propherifhen Monaten gleich; ſetzt man
nun nad) der gewöhnlichen Regel der Verhälmiffe (Negel
Detri) 42 pröphetifche Monate find 666 Jahre, wie viel
Ssahre hat dann ein prophetiſches Jahr, 1 Monat, wie
groß ift eine Woche, ein Tag, eine Stunde w’f. w. nad)
unferer gewöhnlichen Zeit? fo. findet fi) , daß
Ein prophetifches Jahr 196 gemeine Jahre, 117 Tage.
15 Stunden,
Ein Monat 15 Jahr und 313 Tage.
Ein Tag 196 Tage und beinahe 8 Stunden.
Eine Stunde 8 Tage 4 Stunden 20 Minuten, und
Eine halbe propherifhe Stunde 4 za 2 —— und
10 Minuten enthaͤlt.
Da dieſes Verhaͤltuiß der prophetiſchen Zeiten zwifchen der
natürlichen Zeit, und dem von jeher angenommenen jährigen
Tag fo ſchoͤn das Mittel hält, fo gibt das (on eine bes
ruhigende Erwartung.
Jndeſſen ift dieß zum Auffchluß der prophetifchen Zeiten
in der Offenbarung Zohannis noch bei weitem nicht genug:
denn mit diefem Schlüffel Fünnen wir die Friſt (Chronus) der
Seelen unter dem ‚Altar, die viertehalb MWeibszeiten, die
wenige Zeit des Drachen, u. f. ws nicht aufichließen; Bengel
füchte daher weiter und geriet nun auf die Zahl der taufend
Jahre des Reihe Ehrijti auf Erden, Off. Joh. 20, welche
ebenfalls natuͤrliche irdifche Fahre find, jetzt fuchte er diefe
1000 Jahre mit jenen 666. Jahren in ein fruchtbares Ders
hältniß zu briagen — allein das ift ſchwer; endlich fiel ihm
"ein, daß ja 9993, taufend gleich feyen, und wenn er nun
der Zahl 666 — 3 zufegte, fo fey dann die Zahl 6665
Rachtrag zur Siegsgefchichte. | 447
zwei Drittel von der Zahl 9992 oder 1000. Beide ſtuͤnden
alſo nun in einem ordentlichen arithmetiſchen Verhältniß ges
geneinander,.
Diefe beiden Zahlen 666% und 9995 brachten ihn nun bald
auf die, Idee einer Progreffion, deren Glied des Fortſchritts
oder Differenz 1115 ift, und aus folgenden Zahlen, 1115,
2222, 355%, 4445, 5558, 666%, 7775, 888%, 9993, und
11114 befteht. Jetzt wendete er diefe Zahlen vermög der Kirz
chengefchichte auf die Apocalypfe au, und fand nun, daB 1115
die halbe Zeit, 222% eine Zeit, 53555 anderthalbe
Zeit, 444% die zwo Zeiten des Weibes, 5555 die 70 Wo⸗
chen Danield, 666% die Zahl des Thiers, 7773 die viertes
halb Zeiten des Weibes, 8835 die wenige Zeit des
Drachen, 9993 das taufendjährige Neih, und 11115 die
Friſt der Eeelen unter dem Altar oder den Chronus bes
zeichneten. Wenn man meine Siegögefhichte liest, fo wird
man finden, daß alle diefe Zahlen ganz ungezwungen auf
die Kirchengefchichte angewendet, die Apocalypfe erklären.
Sp ſchoͤn und wahr dieſes Alles ift, jo bleibt doc immer,
bei der Ungewißheit verſchiedener Aufangstermine, wunon
man daun freilich den wahrſcheinlichſten, und auf die Pros
phetiſche Zahl paſſenden auswaͤhlt, hin und wieder etwas
Willkuͤhrliches uͤbrig, welches die Ueberzeugung der voͤlligen
Gewißheit dieſer apocalyptiſchen Progreſſion, beſonders bei
unſeren zum. Zweifel geneigten Zeitgenoſſen, betraͤchtlich
hiudert. Bengel beruhigt ſich alſo bei dieſer wichtigen Ent⸗
deckung noch nicht, ſondern er ſuchte ſie zur hoͤchſt moͤg⸗
lichen Evidenz zu bringen.
Wenn man findet, daß — nach der einmal angenomme⸗
nen Hypotheſe — 2225 unferer gewöhnlichen Sonnen-Jahre
eine Zeit (xei008) und. 5 diefer Zeiten, nämlich i1114 Fahre,
den beſtimmten Zeitlauf, die Frift, oder einen Chronus aus—
machen follen, fo fallt einem wnatärlicherweife ein, wie denn
der Geiſt der Weiffagung zu diefen fonderbaren Zahlen komme?
— es laſſe fich doch nicht denken, daß er fie fo ganz willfürs
Lich und ohne Grund annehme!!! — Diefer Gedanke hat
vermuthlich Bengeln bewogen, mit feinen gefundenen prophpr
448 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
tiſchen Zahlen, mit ſeiner apocalyptiſchen Progreſſion, auch
aſtronomiſche Verſuche zu wagen, um zu ſehen, wie ſie ſich
gegen den Lauf der Sonne, des Monds und der Planeten,
fogar auch der Firfterne und der Kometen verhalten? — und
fiehe da! — diefe Verfuche fielen unerwartet glädlid aus:
denn nun zeigte fi), daß die Zeit von 2225 irdifchen Jahren,
und der Chronus von 11115 diefer Zahre, und befons
ders eben dieſer Chronus, der aus fünf jener Zeiten
befteht, der einzige Maaßſtab fey, nad weldhem
der Lauf aller Planeten und befannten Welt:
förper, aufs allergenauefte, bis auf Sefun
den hin, berechnet und beftimmt werden koͤnne.
Es würde eine vergeblihe Mühe, und auch hier der un:
rechte Ort dazu feyn, wenn ich meine Leſer mit allen den
Berechnungen unterhalten wollte, wodurd der große Manır,
und nach ihm der würdige DVerfaffer des Carlsruher Buchs,
diefe erftaunliche Entdeckung bis zur mathematifchen Gewiß—
heit dargeftellt haben :z denn die Wenigften würden doc) die
ganze Demonftration verftchen, und fie nachrechnen Fonnen,
oder wollen, Mer dazu Luft hat, ver lefe den Cyelus,
oder das große Weltjahr von Bengel; oder wer der lateinis
fhen Sprache nicht mächtig ift, die vortreffliche teutfche
Meberfegung dieſes merkwürdigen Buchs, von Johann
Gotthold Böhmer, Ardidiafonus bei der Hauptfirche
zu St. Petri in Budißin, in welcher der Bengel'ſche Tert
mit fehr vielen wichtigen Anmerfungen ungemein fchon er—
läutert, und auch eine vortrefflihe Abhandlung über die
Göttlichkeit der Apocalypfe vorangefegt ift. Der Titel heißt:
Dr. Zohann Albrecht Bengels, Herzoglid
Würtembergifhen Conſiſtorialraths und Abt
zu Alpirsbach, Cyclus, oder fonderbare Bes
tradhtung über das große Weltjahr u. f. w.
Leipzig, verlegts Ulrih Chriſtian Saalbadh,
1775. Diefes Buch ift für den gemeinen Menfchenverftand
begreiflicher, ald das oben angeführte Carlsruher Werf, wel:
ches Lefer vorausfeßt, die mit aftronomifhen und algebrais
fhen Berechnungen einigermaßen befannt find.
x
A a
—
2
R
Ze
Nachtrag zur Siegsgefhicte, 449
Ich begmüge mich hier alfo blos damit, meinen Lefern
nur die bewundertswürdigen Nefultate diefer Berechnung,
und fo viel von der Sache mitzutheilen, als zur deutlichen
Einſicht der Wichtigkeit und Richtigkeit der apocalprifchen
Progreffion erforderlich ift.
Die fternfundigen Gelehrten Haben fich Hon jeher alle Mühe
gegeben, den Lauf der Planeten und der Himmelskörper
überhaupt, nach dem Maafftab unferer irdifchen Zeitbeftims
mungen auf das genauefte auszurechnen. Da fih nun alle
diefe Berechnungen auf Beobachtungen gründen, die man
mit Ferngläfern und andern mathematifchen Zuftrumenten
macht, welche aber durch den höchftmdglichen menfchlichen
Fleiß nie fo genau verfertiget werden fünnen, daß man jenen
Lauf der Sterne, bis auf die Fleinften Theilchen, unfehlbar
zu beftimmen vermögend wäre, fo entfteht daher eine Ver:
ſchiedenheit in den Refultaten der Berechnung bei dem-
Einen ift die Zeit ded Umlaufs eines Planeten um die Sonne
um einige Minuten oder Secunden länger, bei dem Andern
um fo viel Fürzer, und es iſt fchon fehr zu bewundern, daß
mand bis zu diefem hohen Grad der Vollfommenheit ge:
bracht hat:
Set nahm nun Bengel feinen Maaßftab zur Haud, um
diefen großen Tempel Gottes zu meifen, und zu fehen, was
dabei heraus Fame? Er brauchte dabei natürlicherweife den
Kairos,die Zeit von 2223 Jahren, nachher fand er, daß
dieſe Meßruche etwas zu Furz fey, folglich wählte er den
Chronus won 11115 Jahren, der fünf diefer Zeiten enthält.
Hiemit Fam er nun vollfommen za feinen Zweck: denn nun
fand er, Daß 252 Chroni, oder 1260 Zeiten, oder
980,000 irdifhe Jahre, die Zahl fey, nah we
her der allmaͤchtige Schöpfer den Lauf aller
uns befanuten Sterne aufs Allergenauefte,
bis auf die allerkleinſten, kaum denkbare Ze i⸗
ten hin, beſtimmt hat.
Man denke dieſer erſtaunlichen Sache nur ruhig, und in
der Gegenwart Gottes nach. — Es kann ja doch unter allen
moͤglichen Zahlen nur eine Einzige geben, welche Gott
Stilling’s ſaͤmmtl. Echriften. IN. Band. 29
450 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
zur Grundlage aller Seitbeftimmungen im ganzen uns be—
fannten Weltall gemacht, und darnach die Kreisläufe aller
Sterne beftimme hat. — Wenn ich eine. Uhr habe, in: wels
cher in 94 Stunden ein Rad einmal, das andere 6mal, das
dritte 12mal, das vierte 24mal m. ſ. w. herumlaͤuft, ſo
ift und bleibt die Zeitzahl,von 24 Stunden der Cyclus, die
Grundzahl, nach welcher alle Räder berechnet find; eben fo
find die 252 Chroni, oder 1260 Zeiten, oder 280,000 irdir
fhe Sahre, der Eyelus, die Örundzahl und das
beffimmte Jahr des Weltall, in deffen Zeit
abtheilungen ſich alle Umläufe aller uns be
fannten Sterne vollfommem bis auf das Blein-
fe Zeittheilhen auflöfen;z fo. wenig man nun bei
obiger Uhr eine andere Zahl, als genau 24 annehmen Faun,
eben fo wenig kann der Cyclus, oder das große Weltjahr,
um eine einzige Zahl größer oder Kleiner fenn. Nun beher⸗
zige man nur einmal folgende Idee:
Kein Aftronom, vom: Anfang der Welt an, bis daher,
konnte durch feine Beobachtung, und wenn. fie aud) die aller:
mühfamfte und genauefte war, dieſen Cyclum, oder diefe
Srundzahl aller Zeiten entdeden, und Feiner hat fie auch
entdeckt. Denn da immer Einer vom Andern in der genauen
Beftimmung der Zeiten des Umlaufd der Sterne unterfchie-
den war, fo fehlten Alle; der Eine hatte ein paar Minuten
oder Secunden zu viel, der Andere zu wenig; und wer
follte und fonnte denfen, daß die h. Schrift,und
namentlich die Apocalypfe, dies allergrößte,
wichtigfte und Alles umfaffende phyſiſche Ge
heimniß in fih verborgen enthielte? — Sa
wohl! Fonnte es „beißen: Hier ift die Weisheit, wer
Berftand bat, der berechne — kann nun dieſe ein-
zige Offenbarung , die von niemand Anders als vom 'allwif-
fenden Gott allein herkommen kann, nicht fchon für fich allein
die Göttlichkeit und Bibelwürdigkeit der Apocalypfe beweifen?
und doc) achtet niemand darauf; Fein einziger Aftronom bes
dient fich, meines Willens, diefes Beugel'ſchen Eyeli zu feis
nen Berechnungen, ungeachtet fie dadurch fo fehr erleichtert
I HZ Er
Nachtrag zur Stegsgefhichte, 451
werden, und aufs allergenauefte ausfallen. — Hätte ein
Aftromom diefe wichtige Eutdeckung gemacht, wahrlich !
er hätte feinen Mamen verewigt — und man würde ſich
ihrer auf allen Sternwarten bedienen, aber — was kann aus
der Apocalypfe Gutes herfommen? |
Um aber nım meinen Lefern einen hinlänglich deutlichen
Begriff von diefem Cyclus und feinem Nuten zu geben, fo
will ich das, was’ für jedermann verfiändlich ift, davon
mittheilen:
Es ift befannt, daß folgende Planeten in einem gewiſſen
Zeitraum ihren Umlauf um die Sonne vollenden.
1) Zunächft bei der Sonne der Mercurius.
2) Meiter entfernt die Venus, nämlich der Morgens und
Abendftern. Darnad)
3) Unfre Erde mit dem Mond, fernerhin
4) Der Mars; noch weiter
5) Der Jupiter mit feinen Monden, und dann
6) Der Saturnus mir feinem Ring und Monden, und
endlich find nun noch, lange nad) Bengels Zeiten, drei Plas
neten entdeckt worden, nämlich der Uranus, die Ceres und
die Pallas Dlberfiana. Der Uranus foll fi) aud) genau nach
dem Bengelfchen Cyclus richten, die beiden Letztern aber find
fo viel ich weiß, noch nicht genau berechnet. |
Wenn alfo das Weltall 280,000 irdifche Jahre, oder 1260
zeiten, oder 252 Chronus — welches alles Eins ift — wäh:
vet, fo wird nach dem genauften Ablauf diefer Zeit jeder
Planet eben fo genau wieder auf dem Standpunkt ftehen,
wo er bei der Schöpfung den erften Augenblic feines Laufs
anfing. In diefem Zeitraum nun vollendet jeder Planet feis
nen Lauf um die Sonne, ohne daß es eine Minute mehr oder
Anger beträgt, folgender. Geftalt:
| Merfuius . . . 1,162,557mal,
Venus . . 468, 112mal.
Die Ede . . . 280,000mal.
Mars. 2. 2. .143,878mal.
— 25,616mal.
Saturnus > + » 9,516mal,
* 29 *
45% Nachtrag zur Giegsgefchichte.
Da die Monden mit ihren Planeten fortlaufen, und auch
ihre Bewegungen um diefelben regelmäßig verrichten, fo voll-
führen fie ebenfalls ihren Lauf nad) obigen Verhältniffen ;
aber auch ihr Umlauf um ihre Planeten richtet fih genau
nach dem Cyclus. Dies. Alles Hier anzuführen, ift zu meis
nem Zweck zu weitläuftig; ich will daher nur noch eine
Methode angeben, nad) welcher man die Zeit des Umlauf
eines Planeten berechnen fann: 3. B. Ich will wiffen, wie
viel Sahre, Tage, Stunden, Minuten u. f. w. der Satur⸗
nus braudt, bis er er einmal um die Sonne gelaufen ift,
fo feße ih: 9,516 Umläufe des Saturnus geſche—
ben in 280,000 Zahren, wie lang braudt er alfo
zu 1ı Umlauf? Antw. 10,746 Zage 22 Stunden 56
Minuten 238 Secunden und 8 TZertien, Mäftlin
hat 3 Minuten 42 Secunden und 46 Tertien weniger, Andere:
haben etwas mehr, fo daß alfo der Eyclus das Mittel hält,
folglich die Wahrheit anzeigt. Ferner:
Jupiter lauft 23,616 mal in 280,000 Sahren um die
Eonne, wie viel! Zeit braucht er alfo zu einem Umlauf?
Antw. 4530 Zage 10 Stunden 47 Minuten 55 Secunden.
Einige haben etwas mehr, Andere wieder etwas weniger.
Mars macht 148,878 Umläufe in 280,000 Fahren, wie
lange braucht er zu einem Umlauf? — Antw. 686 Tage
22 Stunden 10 Minuten 50 Secunden, Der Eine hat bier
3 bis 9 Minuten mehr, der Andere erlihe Minuten der
Secunden weniger,
Da die Erde mit ihren 230,000 Fahren den eigentlichen
Manfftab der andern Umläufe ausmacht, fo kommt es nun
darauf an, daß man bejtimme, wie vief Tage, Stunden,
Minuten, Secunden u. f. w. fie felbft zu ihrem Umlauf um
die Sonne bedürfe? — Am leichteften fommt man dazu,
wenn man nun die Fleinften Zeitzahlen der übrigen Planeten
zum Maafftab nimmt, und dann darnach aud) daß. irdifche
Jahr berechnet; 3. B. man weiß, wie viele Umläufe jeder
Planet in 280,000 Jahren vollendet, und wie viel Tage,
Stunden, Minuten und Secunden jeder Umlauf beträgt; jet
verwandle man dieſe Zage, Stunden und Minuten eines
Umlaufs in Seeunden, multiplizire fie mit der Zahl des Umz
Nachtrag zur Siegegefhihte ASS
lauf3, und fage dan: 280,000 Fahre haben fo und fo viel
Secunden, wie viel ein Jahr? — Man thur wohl, wenn
man diefe Berechnung mit jedem Planeten anftellt, um des
Refultats defto gewiffer zu werden. E8 ift auch hier wieder
erftaunlich , wie genau der Bengelfche Eyclus das Jahr bes
ſtimmt! — denn |
Caſſini, Blanchin und de la Hire berechnen die Jahreslänge
auf 565 Tage, 5 Stunden, 49 Min.
Keppler auf 365 Tage, 5 Stunden, 48 Min. 57 Ger.
Rivin auf 365 Tage, 5 Stunden, 49 Min. 55 Sec.
Ozanam auf 565 Tage, 5 Stunden, 49 Min. 16 Sec.
Garcaͤus auf 365 Tage, 5 Stunden, 49 Min. 17 Ser.
Ricciolus auf 365 Tage, 5 Stunden, 48 Min. 18 Ser.
Tycho de Brahe auf 365: Tage, 5 Stunden, 48 Min. 50 Sec.
Aus diefen Angaben fieht man mit Bewunderung, wie
weit ed doc) die Aftronomen, und zu welcher Genauigkeit fie
ed gebracht haben? und doch kommt Feiner mit dem Andern
vollfommen überein; Ricciolus hat die geringfte Zahl: names
lih 48 Minuten und 48 Secunden, Garcaus aber hat die
größte, nämlich 49 Minuten und 17 Secunden, fo daß alfo
der ganze Unterfchied nur 29 Secunden, folglich nicht einmal
eine halbe Minute — auf ein ganzes Jahr beträgt. Es ift
erftaunlich — die größten Sternfundiger haben ed durch ihre —
immer noch mangelhafte Werkzeuge und fünftliche Berechnuns
gen, doch dahin gebracht, daß fie die Länge eines Jahrs bis
auf eine halbe Minute beftimmen fünnen — aber nod
erftaunlicher ift es doch, daß der Seift der Weif:
fagung, dem der Weisheit und Verftand hat und.
rechnen Ffann, in der geheimnißvollen apocas
lyptiſchen Progreffion, durch den Bengelfhen.
Cyclus, die allergenauefte Jahreslänge ganz
beſtimmt anzeigt; fie beträgt nämlich 565 Tage,
5 Stunden 49 Minuten und 12 Secunden;z kei—
nen Augenblid mehr, und feinen weniger —
folglich hat Ricciolus 24 Secunden zu wenig, und Garcäus
5 Secunden zu viel, alfo geht auch hier wieder unfer Cyclus
den Mittelweg, folglich den Weg der Wahrheit.
454 Nachtrag zur Siegsgefchichte.
Die Venus läuft 455,113 mal in 280,000 Jahren um
die Sonne, folglich braucht fie zu einem Umlauf 224 Tage,
17 Stunden 1 Minute und 24 Sekunden. De la Hire hat
59 Minuten weniger, und Keppler 56 Minuten mehr, fo
daß alfo der Eyclus wieder das Mittel hält.
Der Merfurius macht in 230,000 Jahren 1,162,557 Ums
läufe; ein Umlauf beträgt alfo 87 Zage 25 Stunden 14
Minuten und 1 Sekunde; Keppler hat 25 Sekunden mehr,
. Andere wiederum weniger,
Dieß mag nun zu meinem gegenwärtigen Zweck hinlaͤng⸗
lich und genug ſeyn, um unwiderſprechlich zu beweiſen
1) Daß die Offenbarung Johannis wahrhaftig eine
göttliche Offenbarung fey: denn niemand ald Gott kann a
priori den wahren und richtigen Maaßſtab der Zeiten des
ganzen Weltalls wiffen, und
2) Daß Bengel wirklich dad apocalyptiſche Rechnungs:
Raͤthſel gelößt habe, folglich auch feine prophetifche Zahlen
beftinmung die wahre fey.
Aus diefem Allem fehen wir nun, daß jeber Planet fein
eigenes Zeitmaaß, fein ihm eigenthümliches Jahr hatz denn
dieß wird durch feinen Umlauf um die Sonne beftimmt.
Geſetzt aber nun, es wohnten vernünftige Gefhöpfe in der
Some, alfo im Mittelpunkt unferes Weltfyftems, fo fragt
fih, was di eſe für ein Zeitmaaß haben würden? Ant. Das
große Weltjahr würde der große Maaßftab ihrer Zeiten
feyn; denn nad) Ablauf von 280,000 unferer irdifhen Jahre
würden alle Planeten in einer geraden Linie fo übereinander
ftehen, daß dem Sonnenbewohner, der gerade unter diefer
Linie ſtuͤnde, der Merkurius alle übrigen Planeten verbeden
würde; bie Unterabtheilungen der Zeit beftimmten dann die
Umläufe der Planeten.
Wer nun auch gerne wiffen möchte, wie fich die Bewegung
der Firfterne und der Monden, oder Planeten, Trabanten
zum Bengelfchen Eyclus verhält, der muß die obenangeführ:
ten Bücher lefen, und er wird Wunder finden, flaunen —
und wenn er Gefühl hat, auch anberen. Befonderd muß man
Nachtrag zur Siegsgefhichte. 455
die tieffinnigen und Faum zu ergründenden aftronomifchen
Berechnungen des würdigen Carlsruher Verfaffers bewundern.
Jetzt hoffe ich ven chriftlichen Lefer überzeugt, und der Bengel:
ſchen prophetifchen Zeitrechnung Kredit verfchafft zu haben, es
fommt alfo nur noch darauf an, daß man fie dem Sinn der
MWeiffagung gemäß anwendet. Wie dieß von Bengel felbft,
vom Garlöruher Verfafler, und von mir gefchehen fey, das
zeigen unfre Schriften; — id) meined Orts finde noch im:
mer feinen Grund, irgend etwas von diefer Anwendung in
meiner Siegsgeſchichte zu Ändern, ich hab fie nochmals auf:
merkfam gelefen, und bin immer damit zufrieden.
Die Anwendung der apofalyptifchen Progreffion — fo will
ic) um der Kürze willen dad Bengelfche Syftem nennen —
Faun und darf ſchlechterdings nirgends als in
der Apocalypfe felbft gebraucht werden: denn bie
Zahlen des Thierd, die Zeiten des Weibes, die wenige
Zeit ded Drachen, der Chronus der myftifhen Jeſabel,
und der Seelen unter dem Altar, die taufend Jahre des
Reichs Chriſti, und die 1260 Tage des Sonnenweibes,
füllen die ganze Progreffion aus — denn
1115 Jahre machen die halbe Zeit des Sonnenweibes aus.
222% Jahre find die eine Zeit defjelben.
555% Zahre oder anderthalbe Zeit find zwar in der Apo—
calypfe nicht genannt, aber fie enthalten den Zeitraum der
ſechs erfien Siegel — nämlidy von Ehrifti Geburt bis zum
Sieg der hriftlichen Religion über das Heidenthum. S. ib:
bons Abnahme und Verfall des Römifchen Reiche.
4443 Jahre find die zwo Zeiten des Sonnenweibes.
5553 Jahre find wiederum in der Apocalypfe nicht aus:
drüclich genannt worden, aber fie finden ſich gar leicht,
weun man folgende Beobachtung. wohl beherzigt:
Der Anfang des Auffteigens des Thiers aus dem Meer
gefhahe im Jahr 1059, ©. Siegsgeſchichte S. 275, hier:
zu 666 Jahre addirt, macht 1725, das Jahr, in welchem .
die erfte und entfernte Vorbereitung zum Reiche des Thiers
. aus dem Abgrund, und zum Fall des Thiers aus dem Meer
gemacht wurde, Im Jahr 1170 hatte das Thier aus dem
a
456 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Meer feine volle Gewalt errungen, hiezu wiederum 666 ad: -
Dirt, entfleht die Jahrzahl 1856, wo vermuthilc das Thier
aus dem Abgrund gerichtet wird; der Anfang des Auffteigens
des Thiers aus dem Meer war alfo 1059, das Ende diefes
Auffteigens: oder die Erlangung der vollen Gewalt, eine
halbe Zeit, nämlich 111: Fahr fpäter, und eben fo füllt den
Zeitraum zwifchen 1725 und 1856 wieder eine halbe Zeit,
daß tft 111 Jahre aus, in welden das Thier aus dem
Meer ins Nichtfeyn geräth, dann ins Thier aus dem Ab:
grund verwandelt, fein letztes Würhen und Toben ausübt,
und dann gerichtet wird. Die hoͤch ſte Gewalt diefer
feindfeligen Macht wäre alfo von 1170 bis 1735,
das ift 555 Jahr; folglich iſt dieß das Glied der
Progreffion, weldes bisher inden Erflärungen
der Apocalypfe fehlte, und welches man daher in den
fiedenzig Wochen Daniels ſuchte; ich werde weiter unten
meine. Gedanken darüber fagen, Die ganze Währung des
Thiers, von feinem erften Keim an, wie ed aus dem Schooß
der Sfabel entfpringt, bis. an feinen endlichen Sturz, find
alfo eine halbe Zeit im Auffteigen, zwo ynd eine halbe Zeit
im Genuß der vollen Gewalt, und wieder eine halbe Zeit
im Abnehmen, legten Würhen und Gericht, alfo 777 Jahr,
welche auch die vierthalb Zeiten des Sonnenweibes beftim- |
men, und mit diefen parallel laufen. ©. Siegsgeſchichte
S. 249.
6668 Jahre find die Besen des <hiers, und
die Schlüffel= Zahl des ganzen Geheimniffes.
777% Sahre machen die viertehalb Zeiten des Weibes, und
auch die mit ihnen zugleich laufenden Jahre der Währung
des Thierd aus, wie ich fo eben bemerft habe.
3888 Fahre bezeichnen die wenigen Zeiten des Drachen von
feinem Sturz aus dem Himmel, bis zu feinem Br in
den Abgrund.
999% Jahre find die taufend Jahre des Reichs Ehdrit
auf der gegenwärtigen Erden, und endlich
11114 Jahre beftimmen die Länge des Chronus, oder ber
Zeit, welche der untreuen Jeſabel zur Buße vergonnt wird;
Nachtrag zur Siegsgefhichte, 457
die Dauer des Wartens der Seelen unter dem Altar ift
ebenfalld ein folcher Chronus, und beide Chroni laufen ges
nau und zugleich nebeneinander.
Die Offenbarung Zohannis enthält in erhabenen Sinn
bildern die weiffagende Gefchichte des neuen Bundes vom
Ende des erften Zahrhundertd an bis zum vollen Gieg des
Reichs des: Lichts Über das Neich der Finſterniß; die Zeits
beftimmungen diefer Gefchichte find räthfelhaft und verbors-
gen, und erft in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts,
alfo gerade zu der Zeit, in welder die Kenntniß derfelben
anfing nothwendig zu werden, von Bengel entdeckt worden.
Daß hier der Geift der Weiffagung die Zeitzahlen des Geifterz
reichs mit den irdifchen menfchlichen Zeitmaaßen in Berbins
dung brachte, iſt fehr geziemend: denn beide Geifter:
reihe find während dem ganzen Kampf, von
Anfang bis zu Ende, mit denen zu ihnen geh:
rigen Menfchen, in einer fräftig mitwirkenden
Vereinigung — welches von Anfang der Welt an, bis
auf Ehriftum nie der Fall war; und eben darum paßt aud)
die apocalyptifche Progreffion zu den prophetifchen Zeitbes
flimmungen des alten Teftamentd ganz und gar nicht, und
fie. gehört ganz allein und ausfchließlich zum neuen Zeftas
ment. Bengel hat zwar dad Glied 5555 auf die 70 Wochen
Danield angewendet, und eben fo viel Jahre laffen fich auch
bequem in der Zeit, von Erbauung der, Stadt Gerufalem
nach der babylonifchen Gefangenfchaft an bis auf Chriftum,
und die endliche Zerfidrung durch die Römer ausfindig mas
chen, allein mir kommt doch diefe Erklärung aus zweien Ur:
fachen etwas gezwungen vor : denn,
1) Sagt der. Engel zu Daniel, fiebenzig Wochen find
beſtimmt ur f. w,; wollte man hier die apocalyptifche Woche,
welche ungefähr 33 Jahr beträgt, zum Maafftab nehmen,
fo betrügen jene 70 Wochen noch Feine 300 Jahr — welder
Zeitraum viel zu kurz iſt; will man aber obige 5553 Jahre
durch die Zahl 70 zu Wochen machen, fo fommen auf eine
Woche fait 3 Jahr, acht iſt aber feine Wochenzapl, ſon⸗
dern fieben; und
458 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
9) Mußte ja die prophetifche Zeitbeftimmung dem from-
men Forfcher in jenem Zeitraum zwifchen Daniel’ und Chrifto,
und der legten Zerftörung Serufalems, wenigftens verfiänd-
liche Winke geben, und nach, oder bei der Erfüllung mußte
fie ganz klar und einleuchtend feyn. Dieß alles war aber
der Fall nicht, wenn die wahre Zeit der 70 Wochen erft bei⸗
nahe 2000 Jahre faäter entdeckt werden konnte. |
Ich bleibe alfo ohne Bedenken bei der alten Erklärung,
durch welche eine Woche zu fieben Jahren angenommen wird,
fo daß alfo die 70 Wochen 490 Jahre ausmachen; zuvers
laͤßig haben auch zu jenen Zeiten die frommen Juden fo ge:
rechnet. -E3 ging ihnen aber vermuthlich eben fo, wie 88
und auch jegt mit der Apocalypfe geht: fie wußten den Zeite
punkt, wo die 490 Jahre anfingen, nicht fo genau, und konn⸗
‚ten alfo auch Jahr und Zag der Geburt Chriſti und der
Zerftörung Serufalems nicht fo genau angeben, aber fo viel
wußten fie doch, als fie nöthig hatten, um das rechte Tempo
nicht zu verfehlen.
Alle prophetifche Beisbeftitnmunken des alten Teftaments
find blos irdiſche Zeitmaaße; alle, auch vie räthfelyaften,
löfen fih in menfhliche Fahre und Tage auf. Nur der
Prophet Daniel ahnt von weiten, da, wo er in die entferns
ten leiten Zeiten hineinblickt, apocalyptifche Zeitbeftimmungen,
zu deren Enthüllung vieleicht unfre Progreffion vieles beis
tragen Fan. Uebrigens muß, meines Erachtens, in jedem
Propheten auch der Schlüffel zu TA Geheimniffen gefucht
und gefunden werden.
Die Zeitrechnung, der Gang der Geſchichte der Menſchheit,
und ihre merkwuͤrdigſten Zeitpunkte von der Schöpfung an
bis daher, richten fi) auch im Geringften nicht nad) der
apocalyptifchen Progreffion; weder halbe noch ganze Zeiten,
weder prophetifhe Monate, Wochen, Zage oder. Fahre,
oder Chroni fliehen in irgend einer Verbindung oder
irgend einem Verhältniß mir der Gefchichte der Menſch⸗
heit, und ihres WBaterlandes ver Erde, folglich zweifle
ih auch fehr an der Bengelifchen Behauptung, daß die
Erde fieben Ehroni, bis zu ihrer endlichen Umwand—
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 459
lung, am: jüngften Tage in ihrem: gegenwärtigen Zuftand
dauern, oder daß fie 77777 Jahre fiehen werde, — Wenn
man die Chronem vom 11115 Jahren in die allgemeine Welt:
gefchichte, oder auch in die befondere des Volks Gottes bringt
und fie zum Maaßſtab gebrauchen will, fo paſſen fie nirgends
bin, und die mittleren Glieder der Progreffion 22223, 3555,
44445, 55554, und 66665 machen nirgends merkwürdige
Zeitpunfte aus, wie fommt denn num die Zahl 77777 dazu,
daß fie die Weltdauer beftimmen fol? — Laßt uns mit der
herrlichen apocalyptifchen Progreffion nicht weiter gehen „ als
wozu fie beſtimmt iſt; weder die Apocalypfe noch irgend: eine
Stelle im der ganzen heiligen Schrift gibt auch nur den ents
ferntefien Grund zu diefer Vermuthung an die Hand: denn
dag im 20ften Kapitel der Offenbarung Zohannis von zweir
mal aufeinander folgenden taufend Fahren die Rede fey, das
hat — meines Wiffens — fein Menfh von Johannis an
bis auf Bengel geglaubt und im Text gefunden; und der
ehrwürdige Mann fand es auch wohl allein deöwegen, um
die fieben Chronos der Weltdauer herauszubringen. Laßt.
uns doch unpartheiifch, unbefangen die Stelle betrachten, und
um recht ficher zu gehen, will ich hier Bengels eigene Ueber:
fegung gebrauchen: Dffenb. Joh. 20. 0. 1. Und ich fahe
einen Engel, der aus dem Himmel herabfuhr, der hatte den
‚Schlüffel des Abgrunds, und eine große Kette auf feiner Haud.
v. 2. Und er griff den Drachen, die uralte Schlange,
welche ift der Teufel und Satanas, und band ihn taufend
Sahr. |
v. 5. Und warf ihn im den Abgrund, und fchloß zu, und
verjiegelte über ihm, daß er nicht mehr verführen ſollte die
Nationen, bis vollendet würden die taufend Jahr, dar:
nad) muß er los werden eine Kleine Frift.
09 4 Und ich fahe Thronen, und fie-fagten fich darauf,
. amd ein Gericht ward ihnen gegeben: und die Seelen deren,
die mit dem Beil hingerichtet worden waren, um des Zeug:
niſſes Zefu und um ded Wortes Gottes willen, und die
nicht angebetet hatten das Thier noch) deffen Bild, und nicht
. genommen hatten das Mahlzeichen auf ihre Stirn, und auf
460 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
ihre Hand: und fie wurden lebendig und regierten mit Chris
fio taufend Jahr.
v. 5. Die übrigen von den Todten wurden nicht [ebendig,
bis die taufend Jahre vollendet wurden. Dies ift die
erfte Auferftehung.
v. 6. Selig ift der und heilig, der Theil hat an der er=
ften Auferftehung, über diefe hat der zweite Tod feine Macht,
ja fie werden Priefter Gottes und Ehrifti feyn, und mit Ihm
regieren taufend Jahre.
v. 7. Und wann die taufend Jahr vollendet ſind, wird
der Satanas los werden aus ſeinem Gefaͤngniß u. ſ. w.
Dieſe Stelle erklaͤrt Bengel folgender Geſtalt, er nimmt
an, daß die tauſendjaͤhrige Gefangeuſchaft des Satans,
welche im Iften. 2ten und Sten Vers befchrieben wird, mit
1336 angehen und fi) mit 2856 endigen würde; hierauf
würde der Satan wieder loögelaffen, er verführte dann Gog
und Magog; diefe würden mit Feuer vom Himmel von der
Erden vertilgt, Satan felbft in den Feuerofen geftürzt. ©.
v. 7—10, und nun erfi gingen die taufend Jahre an, in
welchen die Heiligen mit Chrifto nah dem 4. 5. und
sten Vers regieren follten, darauf würde dann endlich nach
dem I1ten bis 15ten Vers — und zwar nad) Ablauf von
77772 Sahren, von der Schöpfung an gerechnet, der jüngfte
Tag kommen.
Jetzt laßt uns, nur einmal ruhig und ohne Vorurtheil dieſe
- fieben Verfe in ihrem natürlichen Zufammenhang betrad):
ten! — Erſt fieht Johannes einen Engel den Satan mit.
einer Kette binden, in den Abgrund flürzen, und ihn da
einfchließen, dabei wird ihm dann gefagt, daß dieſe
Gefangenfchaft taufend Fahre währen, und dann Satan eine
Heine Zeit losgelaffen werden folte. Nachdem der Apoftel
dieß gehört hat, und Satan nun drunten in Abgrund ift,
fo fieht er ferner, daß ein Gericht gehalten wird, in welchen
man den Blutzeugen und treuen Belennern des Herrn das
hohe Glück zuerkennt, daß fie nun taufend Fahr mit Chrifto
auf der Erden regieren, und Könige und Priefter feyn follten.
Die andern Todten aber Alle follten nicht auferftchen, bis die
Nachtrag zur Siegsgefchichte, 461
taufend Fahre vorübergegangen wären — und wenn nun die
taufend Jahre verfloffen wären, fo follte der Satan eine
feine Zrift Tosgelaffen werden, Gog und Magog verfüh:
ven, und dann mit diefen gerichtet werden. Darauf follte
dann das jüngfte Gericht folgen. \
Wer von Bengeld Syftem nie etwas gehört hat, der kann
unmdglidy einen andern Verſtand in diefen Stellen finden. —
Man bedenke doch, wie fonderbar es heraus fommt, wenn
ic) nad) den drei erften Verfen, den 7ten, Sten, 9ten und
10ten, dann wieder den Aten, 5ten und 6ten, und nun ende
lih vom 11ten bis zum 15ten lefen fol — und das muß
ich doch, wenn man Bengels Meinung herausbringen will. —
Mo bleibt da Gewißheit, wenn man die Ordnung des Vors
tragd ändern darf? — was aber endlich der ganzen Sache
den Ausfchlag gibt, und beruhigend beweißt, daß hier nur
von einem taufend, und nicht von zweien die Rede fey, das
ift die unzweifelbare Verbindung des Schluffes des 6ten Ver:
fes mit dem Anfang des fiebenten; — es heißt, fie werden
DPriefter Gottes ‚und Ehrifti feyn, und mit Ihm regie—
rentaufend Fahr. — V. 7. Und wenn die taufend
Jahr vollendet find, dann wird Satan wieder los
werden, u. ſ. w. Gagt, wie ift ed doch möglich, hier zu
glauben, der Anfang des 7ten Verfes müffe mit dem Schluß
des dritten, und der Schluß des fechsten mit dem Anfang
des Akten verbunden werden? — man fucht die Idee, von
zwei faufend auf einander folgenden Jahren, noch durch zwei
Gründe zu beftärfen: der Erfte ift folgender:
Der Prophet Ezechiel befchreibt im 5sften und 3Yften Ka—
pitel feiner Weiffagung den Sieg des Volks Gottes über
Gog und Magog; nun fest aber die Apocalypfe diefen Sieg
nad) den taufend Jahren, ©. Kap. 20; v. 3. 9. Ezechiel
läßt aber auf diefen Sieg noch die Befchreibung des neuen
Tempels, des gelobten Landes, und deffen Austheilung uns
ter die nunmehro wieder verfammelten und befehrten Iſrae—
liten folgen, — daraus fihließt man nun, daß nad) dem Sieg
über Gog und Magog erft die taufend Jahre des Reichs
ChHrifti auf Erden, in welchem die Heiligen mit Ihm regier
462 Nachtrag zur Siegsgefchichte,
ren folfen, folgen werden, und daß die taufendjährige Gefan-
genfchaft des Satans vorhergehen müffe. Das Bindende
dieſes Beweifes berupt alfo blos darauf, daß Ezechiel das
Gefiht vom neuen Tempel und neuen Jeruſalem nach der
Vertilgung Gogs und Magogs befchreibt. —
Wenn wir nun wieder diefe Stellen ruhig und unpartheiifch
prüfen, fo finden wir zween Wege, auf deren jedem diefer
Beweis völlig entkräfter wird:
1) Ezechiel befchreibt im 536ſten und STften Kapitel die
Bekehrung des Volks Iſraels, feine Sammlung aus allen
vier Welttheilen, und ihre Wiederkehr zu ihrem Vaterland ;
diefes Alles geht nun bekanntlich vor, wenn die Fülle der
Heiden eingegangen iſt, und das taufenjährige Reich anfängt;
diefen Zeitraum bejchreibt er nun auch in gemeldeten Kapi-
teln als eine glücfelige Zeit, dann laßt er die Niederlage
Gogs und Magogs darauf folgen Kap. 38. und 59., und
nun fommt dann das Geficht vom neuen Serufalem, Kap. 40.
bis 48. Der natürliche ungezwungene Verftand der Ezechiel:
ſchen Weiffagung, fo wie er auch von jeher angenommen
worden, ift folgenderz der Prophet. befchreibt vom Zoften
bis 3gften Kapitel fummarifch die endliche Erlöfung feis
ned Volks, feine Gluͤckſeligkeit im taufendjährigen Reich, und
dann die endliche totale Niederlage aller Feinde; und nun
geht er ins Einzelne über und befchreibt nun auch die
theokratifhe Polizei und Einrichtung während diefen taufend
Jahren. Daß fich die Weiſſagung nicht an die Zeitfolge in
der Erfüllung Binde, davon haben wir einen deutlichen Bes
weis im Söften und Z7ften Kapitels denn im 36ſten wird
der glückfelige Zuftand des Volks Gottes während den tau—
fend Jahren erzähle, und nun folgt erft im 37ften die Be
tehrung Iſraels und feine Sammlung aus allen Heiden,
weldes Alles doch natürlich vor jener glüdfeli-
gen Zeit hergeben muß. Will man aber
Fürs zweite Ezechiels Befchreibung des neuen Zerufalems
durhaus auf die taufend Zahre folgen laffen, fo kann
man and) die Erfüllung mit Off. Joh. 21. und 22. verbine
den, und fie auf den Zuſtand des Reichs Gottes auf der vers
Nachtrag zur Giegsgefchichte. 465
klaͤrten neuen Erde, unter dem neuen Himmel, und in dem
neuen Serufalem anwenden, welcher auf den jüngften Tag
folgen, und: in die ewige Ewigkeit dauern wird; dann aber
müffen die prophetifchen Bilder ih einem geflicen und
binmlifchen Sinn verftanden werden.
Der zweite Grund, worauf die Meinung von zweien auf⸗
einanderfolgenden Jahrtauſenden beruhen ſoll, findet ſich im
Propheten Habacuc, Kap. 5. v. 2. wo es heißt: Jeho vah,
dein Werk mitten in den Jahren, ſey das Leben deſſen,
den du mitten in den Jahren bekannt machen wirſt —
dieſe Ueberſetzung iſt die richtigſte — und der klare deutliche
Sinn iſt folgender: Jehovah, dein Hauptgeſchaͤfte ſey, oder
laß ſeyn, daß du in der Mitte der Jahren den Welt—
- Erlöfer ins irdiſche Leben rufft, und Ihn in der, Mitte
der Jahren befannt machft, hier fol nun der Hauptbeweis
in den Worten — mitten in den Jahren — oder in der
Mitte der Jahren, liegen: denn wenn die Weltdauer nur
7000 Jahre währt, Ehrifius aber gegen das Ende des vier:
ten Fahrtaufends geboren. worden ift, fo find ja faſt 4000
Jahr vor feiner Geburt, und etwas äber 3000 nach feiner
Geburt verfloffen, und fo fällt das irdifche Leben Chriſti
nicht in die Mitte der Jahren — nimmt man aber 77777
Sahre zur Weltdauer an, fo fommt man der Wahrheit am
nächiten. f
Lieben Freunde! — laßt uns nicht buchſtaͤbein! — wer
wird deun behaupten wollen, daß die Bäume des Lebens und
des Erfenntniffes des Guten und des Böfen, geometrifch ge:
meſſen, und auf Ruthen-und Fuß genau berechnet, mitten
im Paradies geftanden hatten? — oder wenn einer ſagt: dies
oder das fol in der Mitte ver Wochentage gefhehen, und
ich wollte dann behaupten, es müffe gerade Mittwochs Mitz
tags ausgeführt. werden! — der Prophet will zuverläßig
weiter nichts fagen, ald: Jehovah werde in den mittlern
Weltzeiten das Erlöfungswerf ausführen und bekannt ma—
chen, und das ift auch wirklich gefchehen. Was wiirde ans
den Weiffagungen werden, wenn man Rufe buchftäblich mit
ihnen verfahren wollte? r j
464 Nachtrag zur Siegsgefchichte,
sch bleibe alfo feft bei der allgemein bekannten, won jeher
von vielen berühmten und. frommen Männern angenommenen
See, daß Ehriftus nach feinem Sieg über die Macht der
Finfterniß, ein. glücfeliges Reich des Friedens hier auf Er=
den fliften werde, deffen Dauer taufend Jahre feyn wird,
während welcher Zeit der Satan in dem Abgrund eingefchlof:
fen ift, hernach aber eine Kleine Frift losgelaffen wird, wo
er dann das Maaß der Sünden voll macht, und dann auf
ewig in den Schwefelpfuhl geftärzt wird. Hierauf wird dann
das allgemeine jüngfte Gericht folgen, Himmel und Erde
verneuert, und auf diefer verflärten Erde, mit der Hernies
derkunft des neuen Jeruſalems, das ewige Reich des
Herrn errichtet werden.
So einfad und dem buchftäblichen ungezwungenen Der:
fand gemäß, nehme ich die Sache und wende das theure
Geſchenk Gottes, die apocalyptifche Progreffion da an, wo:
hin fie der Geift der Weiffagung angewiefen hat, nämlich
auf die Apocalypfe, und in derfelben auf den ganzen Zeitlauf
des Kampfs zwifchen dem Lamm und dem Drachen mit feis
nen Adjutanten; aufjferdem aber Fann ich fie in den übrigen
MWeiffagungen der heiligen Schrift nicht brauchen,
Wenn alſo nun die Bengelfche Beftimmung der Weltdauer
von 77773 Zahren ungegründet ift, fo entfteht die. Frage:
ob man denn: feine andern prophetifche Winfe habe, aus des
nen man die wahrfcheinliche Vermuthung ziehen Fünne, wie
lang die Welt ſtehen werde? — Ich hab in meinem
Taſchenbuch für Freunde des Chriſtenthums auf das Fahr 1805,
Nürnberg bei Raw, dem Publitum zwei Abhandlungen mits
getheilt, in welchen ich mich über diefen Gegenftand weit:
laͤuftig erklärt habe. Die Erſte fängt S; 82. an, und heißt:
Berichtigung zweier foheinbaren Unrichtigkfeiten in der bibli—
fhen Zeitrehnung, und die Andere finder fih ©. 100. und
hat den Titel: Bemerkungen über die heilige Siebenzahl.
Merkwuͤrdig ift es, daß ein gewiffer Freund, Herr Kelber
zu Haltenbergfterten im Hohenlohifchen, gerade in der Zeit,
als ic) an obengedachtem Zafchenbuch arbeitete, ohne daß
Einer von des Audern Vorftelungen über diefen Gegenftand |
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 466
das Geringſte wußte, ein Tractaͤtchen ſchrieb, welches den
Titel hats „Vernuͤuftige und Schriftmaͤßige Gedanken über
die Schoͤpfung, warum ſie in ſechs Tagen vollendet worden,
und Gott am ſiebenten geruht habe“ — und mir dann dies
Manuſcript zur Prüfung zuſchickte. Ich las dieſe wenige
Bogen mit Aufmerkſamkeit, und fand nun mit Verwunderung,
wie uͤbereinſtimmend dieſer Freund in dieſer Sache, im Gan⸗
zen wie in den Theilen, mit mir denkt, außer daß er in der
bibliſchen Zeitrechnung in etwas von mir abweiche. Ich
hab nun dies Manuſcript an Freund Raw abgeſchickt, der
es bereits zum Druck befoͤrdert hat. Um aber doch hier keine
Luͤcke zu laſſen, will ich unſer Beider Ideen hier mittheilen:
Bott hat durch die ſechs Schoͤpfungstage, und den fiebens
ten Ruhetag, ganz zuverläßig ein Zeitmaaß beftimmen wollen,
und wirklich beſtimmt: denn von Anfang der Welt an hat
man fieben Tage oder eine Woche, dann den Monat von
einem Neumond zum andern, und dann das Jahr von zwölf
ſolcher Monate, zum berechnen der Zeitläufte gebraudht. —
Späterhin wurde‘ diefe- Zeitbeftimmung noch merkwuͤrdiger,
als Gott im Levitifchen Gottesdienft den Sabbath zur feiers
lihen Ruhe und religidfen Uebungen verordnete, immer das
fiebente Jahr ald ein Sabbath Jahr, und nach fiebenmal
fieben Jahren das 5ofteald den großen Sabbath, das große
Jubel- und Erlaß-Jahr feftfegte. Von der Zeit an find auch
Juden, Ehriften und Muhamedaner, auch die heidnifchen
eultivirten Nationen, bei diefer Eintheilung in Wochen,
Monate und Jahre, geblieben, und dadurch ift alfo nun eine
beſtimmte Zeitrechnung, ‚von der Schöpfung an bis auf
uunſre Zeiten möglich geworden, welche dann auch in unferer
- Bibel, und zwar in diefer auch ganz allein richtig enthals
tn ifke: :
Durch die Bemühungen gelehrter Bibelforfcher find wir
nun fo weit gefommen, daß wir wenigftens bis auf zehn oder
zWwanzig Jahre genau beftimmen koͤnnen, wie lang die Welt
geftanden habe — Ehriftus wurde 4000 Jahr nach Erſchaf⸗
fung der Welt geboren, S. meine oben angeführte Abhands
lung im Taſchenbuch — jetzt finds nun 1804 oder vielmehr
Stilling's fimmil. Schriften. II. Band. 50
465 Nachtrag zur Siegsgefchichte.
1807 Jahr — denn unfere Jahrzahl ift um brei Zahr zu
Fein — daß diefe merkwuͤrdige Geburt gefchehen ift, folglich
ift jeßt die Erde und mit ihr die Menfchheit 5804 oder 5807
Sabre alt; da aber in den Gefchlechtsregifter der Erzvaͤter
immer volle Jahre angezeichnet ftehen, da doch gewiß bei der
Geburt des Einen, einige Monate mehr ald das angezeigte
Jahr des Vaters, oder auch einige Monate weniger waren,
fo entfpringt vaher einige Ungewißheit,' die wohl von Adam
an bis dahin, wo man anfing genauer zu rechnen, 10 bis
höchftens 20 Jahr betragen kann — indeffen bleiben wir bei
der nun einmal angenommienen Sahrzahl, aber eben deßwe—
gen müffen wir nun auch fo vorfichtig feyu, daß wir bie
fünftigen Vorfälle nicht mit Gewißheit auf Seht, Tag und
- Stunde beftimmen wollen. ’
Eben darum hat der weife Weltregent diefe Ungewißheit
in die Zeitrechnung verwebt, damit niemand genau die Zeite
punkte, wann dies oder das gefchehen foll, genau wiffen und
beftimmen koͤnne.
Drei wichtige Winfe haben wir, daß auch die fieben
Schöpfungstage ber Maaßſtab find, der die Weltvauer bee
fimm: |
Der erfte ift eine urdlte Sage, die man die Tradition des
Haufes Eliä nennt, und die von den Juden fehon zu den
erſten Chriften übergegangen ift, nämlich: daß die Erde mit
ihren Bewohnern 6000 Jahre im gegenwärtigen Zuftand bleis
ben, und dann das fiebente Jahrtauſend der große Sabbath
ſeyn werde. Diefe Vorftellung ift auch von den Zeiten der
erſten Chriften an, bis daher von fehr frommen und gelehrs
ten Männern für wahrfcheinlich gehalten worden.
Der zweite Winf gibt diefer Idee noch ein großes Gewicht
und einen höhen Grad der Wahrfcheinlichkeit: es ift namlich
ſehr merkwuͤrdig, daß fich dieſe taufendjährigen Wochentage
in der heiligen Geſchichte fehr fharf und be
ffimmt aus zeichnen. — |
Sm erften Jahrtauſend, von Adam an bis nad) Henochs
Aufnahme in den Himmel, war die Menfchheit in zwei Klaſ⸗
fen, in Kinder Gottes, oder in die Familie Seths, und in
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 467
Kinder der Menfchen, das ift in die Familie Cains getheilt,
die Gottfeligkeit der Erften nahm immer mehr ab, uud die
Gottlofigkeit der Zweiten nahm immer mehr zu.
Im ‚Anfang des zweiten Fahrtaufends wurde Noah, der
zweite Stammpvater der Menfchheit, geboren: dieſer ſuchte
Neligion und Gottesfurcht wieder empor zu Bringen, als
aber alles fein Bemühen vergeblich war, fo brach gleich Nach:
mittags an diefem großen Welttage die Suͤndfluth ein; Noah
mit feiner Familie blieb allein übrig, und fliftete auf der
wieder erneuerten Erde ein neues Menfchengefchlecht.
Im Anfang des dritten Jahrtauſends wurde Abraham
geboren, Mir diefem fing nun eine ganz neue Haushaltung
Gottes an: denn Er fonderte diefen Glaubenspelden und
feine gefammte Nahfommenfchaft von der ganzen übrigen
Menfchheit ab, und bildete ſich daraus ein ganz eigenes
Bundesvolf, welches der gefammten Menfchheit zum Mufter
dienen, feine Offenbarungen aufbewahren, und dann den Melts
Exlöfer der Menfchheit geben follte. Diefe Abrahamiten wur:
den hernach Sfraeliten genannt; fie erwuchfen bald zu einem
großen Volk, gelangten durch viele fchwere Wege und Schick—⸗
fale in das ihnen verheißene Land, lebten dort lange in eie
nem theofratifcherepublifanifchen Zuftand, bis fie am Abend
diefes dritten großen Welttages, gegen das Ende des dritten
Sahrtaufends, ein mächtiged Königreich errichteten, welches
unter David und Salomon zur she Stufe des Ruhms
und des Glüds flieg.
Mit dem Anfang des vierten Jahttauſends ſtand der Tem⸗
pel zu Jeruſalem in aller feiner Herrlichkeit da; von nun
an wurde diefe Stadt die Nefidenz des Gottes Iſraels, und
des Königs von Juda. Die Nation verfchlimmerte fich wies
der, gerieth endlich in die babylonifche Gefangenfchaft, ein
Heiner Theil des Volks, vorzüglich die Stämme Juda und _
Benjamin, kamen wieder in ihr Land, bauten Stadt und
Tempel wieder, fämpften viele ſchwere Schickfale durch, bis.
fie endlich von den Römern abhängig wurden.
Der Anfang des fünften Zahrtaufends ift wegen des ntine
ı mehr vollendeten Erlöfungs- Werks durch Jeſum Ehriftum,
30 *
468 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
durch das endliche Gericht uͤber die juͤdiſche Nation, und
den herrlichen Anfang der chriſtlichen Religion aͤußerſt merk⸗
wuͤrdig. Es bildet ſich nun aus Juden und Heiden ein
neues Volk Gottes, welches anfänglich viele Truͤbſale erdul:
det, dann aber in der großen roͤmiſchen Monarchie herrſchend
wird,, und bei allem überhand nehmenden Verderben, doc)
immer eine große Anzahl vortrefflicher Menfchen in fich enthält,
Der Anfang des ſechsten Jahrtauſends ift auch zugleich
der Urfprung des Thierd aus dem Meer, indem der Bis
[hoff zu Rom, vorzüglid Gregsr ver fiebente, der um den
Anfang dieſes Fahrtaufends geboren wurde, eine allge—
meine weltlihe Monardie errichten, diefe fei-
nem Thron und feiner Hierarchie unterwerfen,
und fo an Gottes und Ehrifti ſtatt die ganze
Menfhheitbeherrfchen wollte, Unter diefer Hertz
fehaft wuchs das fittlihe Werderben zu einer ungehenern
Groͤße, bis gerad in der Mitte diefes MWelttages die Res
fermation neues Licht anzuͤndete und bis daher einen gro-
Ben Theil Menfchen auf den Weg zum Leben geleitet hat.
Nun aber fängt der Feind des menfchlichen Geſchlechts an,
durch eine falfhe Vernunft: Weisheit die Ehriftenheit zum
Abfall zu verleiten, und fo dem Thier aus dem Ab-
grumd, das ift, der letzten menfchlichen feindfeligen Macht
‚den Weg zur allgemeinen Herrfchaft zu bahnen, Wenn wir
dies Alles nun ind Kurze ziehen, fo erfcheinen die ſechs
Werktage des MWeltregenten fehr beftimmt und deutlich durch _
die Zeitabfchnitte der Jahrtauſende bezeichnet, ohne daß das
geringſte Willkuͤhrliche dabei Statt findet.
Am erſten großen Welttag: Kindheit der Menſchhei,
Offenbarungen Gottes an fie und Erziehung.
Am zweitens Gerichte Gottes über die verborbene Melt,
Bildung einer neuen Menfchheit.
Am drittens Auswahl und Beftimmung eines Oirndemn |
Volks Gottes, und deffen Bildung zu einer ———
Nation. R
Am vierten: Königreich, Verfall, Gericht und Refitution
diefer Nation, Geburt des MWelterlöfers in derfelben.
Nachtrag sur, Siegsgeſchichte. 469
Am fuͤnftem: Bildung eines neuen Volks Gottes, durch
den zur Rechten Gottes erhobenen Welt-Erldſer.
Am fechsten: Kampf des Welt:Erlöfers und feines Volks
gegen die feindfeligen Mächte der Finfterniß, um den Beſitz
der allgemeinen Weltmonarchie; vollkommener Gieg
Sefu Eprifti und feiner Öetreuen.
- Am fiebenten: Befinehmung der allgemeinen Welt: Mos
narchie', allgemeines glücfeliges Reich des Friedens nnd
der Ruhe auf Erden; großer Sabbath der Menſchheit; am
Abend leiter Verfuch des Satans; fein endliches Gericht;
juͤngſter Tag.
Wie ſchoͤn auch dieſe Zeitbeſtimmung mit der —
tiſchen Progreſſion uͤbereinſtimmt, das wird ſich im folgen⸗
den Kapitel zeigen. Was nun endlich
Den dritten Wink betrifft, fo gibt dieſen der Apoſtel Pes
trus; und diefer bringt diefe Hypothefe beinahe zur Gewißs
heit. — In feinem zweiten Brief im dritten Kapitel, fchreibt
er feinen Zeitgenoffen,<wie ed unmittelbar. vor dem jüngften
Tage, wenn der Satan nun fein Toben unter den Men:
fhen aufs Höchfte treibt, auf der Erden ausfehen und
bergehen werde, fie würden nämlich fagen: wo ift denn
nun feine Zukunft? — Ihr habt fo lang von einer Zukunft.
Chrifti gefprochen, und feht, es wird ja nichts daraus u. ſ. w.
fie denken aber nicht daran, daß es vor der Sündfluth eben
fo herging, und daß damals die Erde durchs Waſſer, dereinft
aber durchs Feuer gerichter werden wird. Hier befommt
nun der Apoftel gleichjam einen prophetifchen Eindrud, ins
‚ dem er fagt: Aber dies Einzige foll Euch nicht
‚ verborgen bleiben: daß ein-Tag beidem Herrn
ift, wie taufend ce und taujend Jahre wie
ein Tag.
Wenn man diefe Stelle fo obenhin anfı eh, fo ſcheint ſie
wuicht mehr ſagen zu wollen, als was auch Moſe im goften
Palm im Aten Vers ſagt: denn taufend Zahr find vor dir
‚wie der Tag, der geftern vergangen ift, und wie eine Nachts
wache — eine Zeit von drei Stunden. — Hier fieht man
glei, daß der Dichter nur die Ewigkeit Gottes im Auge
470 tachtrag zur, Siegsgefchichte.
hat, und daß Feine Zeit, fie fey Furz oder lang, bei Ihm
ſtatt finde — taufend Fahre feyen Ihm wie Nichts, Bes
denft man aber, daß diefe Wahrheit den Gläubigen, an
welche Petrus ſchrieb, unmöglich verborgen feyn Fonnte, ins
dem fie Juden und Heiden langft befannt warz und daß er
doch fagt; Aber dies Einzige folleuh nicht vers
borgen bleiben, daß bei dem Herrn ein Tag
taufend Fahren, und taufend Jahre einem Tag
gleich find, fo ift unmwiderfprechlich, daß ihnen der Apo⸗
fiel etwas Neues, etwas, daß fie noch nicht wußten, fagen
wollte — und dies kann nun nad dem klaren Buchftaben
nichts Anders feyn, als daß taufend Jahr ein großer Welt:
tag, und ein großer Welttag taufend Fahr feyen,
Nimmt man diefe drei, nunmehr ausgeführte Winfe zus
fammen, fo findet man eine beruhigende Glaubensgewißheit,
daß auch diefe vermuthende Zeitbeflimmung, die mit der
Bengelfchen apocalyptifchen Progreffion — wie fih nun zeis
gen wird, — fo fhon zufammentrifft, anzeigt, daß das
Keich des Herrn und feine Zukunft ſehr nahe, vielleicht
näher ift, als wir glauben und ahnen,
)
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 471
Du dritte Kapitel.
Prüfung der Behauptung, daß im Jahr 1836 das Thier
aus dem Abgrund und der falfche Prophet in den Feuers
ofen, der Satan aber auf tanfend Jahr in den Mb:
grund eingekerfert werden follen, Chriftus aber Eommen,
und auf Erden ein taufendjähriges glückfeliges Reich
des Friedens errichten werde, |
—
Es ift wahrlich unendlich viel daran gelegen, daß man
fih nicht mit falfhen und truͤglichen Hoffnungen täufche,
fondern daß man einen fichern Grund, völlige Gewißheit des
Glaubens und Hoffens habe. Da nun die heilige Schrift
Alten und Neuen Teſtaments, die einzige Quelle aller übers
natürlichen , überfinnlichen Wahrheiten ift, welche die Vers
nunft aus ihren phyfifchen Quellen nicht errathen, nicht herause _
arübeln Fann, fo kommt bier Alles darauf an, ob wirklich,
deutlich und beftimmet, in der heiligen Schrift ohne einis
gen Widerfpruch bejahet werden ?
Wir wollen alfo fürs Erfte prüfen, was von dem Termin
1856 zu halten ſey? — Wenn die römifche Hierarchie —
infofern fie nach der weltlichen allgemeinen Herrfchaft firebt —
denn diefe Tendenz allein, nicht Pabftthum,
nicht Katholizismus — beftimmt den Charak—
ter des Thiers aus dem Meer — wirklich dieſes
Thier, diefe Monarchie ift, und wenn die Zahl 666, die An⸗
zahl feiner Regierungsjahre, feine ganze Währung beflimmt,
fo ift es unwiderfprechlicy und gewiß, daß das Jahr 1856 der
fpätfte Termin ift, den man annehmen kann. Da nun aber
Dffenb. Zoh. 17. v. 18. ausdrädlich gefagt wird, daß das
babyloniſche Weib die Stadt Rom fey, und daß auch ihre
472 Nachtrag zur Siegsgeſchichte
fieben Berge Sinnbilder der fieben Köpfe des Thiers ſeyen,
auf dem das Weib reitet — ferner — da unter dem Bilde
eines Weibes, das feinem Manne untrew wird, allemal eine
abgewichene, untreu gewordene Religions: Gefellfchaft verflanz
den wird, Ezechiel 25, und auch diefe Babylonierin augens
fcheinlich ein Gegenbild der Braut des Lamms ift, fo kann
unmoͤglich das alte heidnifche, fondern es muß das neuere
hriftlihe, aber von Chriſto abgewichene, Nom, darunter
verftanden werden. Eigentlich ift die Hure — nicht die
Fatholifche Religion, nicht der Pabft — fondern die
grundverdorbene Hierarchie und das Thier, auf
dem fie reitet, dann die weltliche Herrfchaft über die ganze
Erde. Endlich, da wir laut meiner Siegsgefhichte deutlich
fehen , daß ſich die apocalyptifche Progreffion, durch die ganze
Kirchengeſchichte bis dahin, herrlich legitimirt, und daß fie
nun aud) fogar durch den Lauf aller Himmelskoͤrper, und
das Weltall, fo weit wir ed kennen, fanctionivt worden, fo
wird man von allen Seiten her gedrungen, die Zahl 666,
diefe Grundzahl jener Progreffion, als die Anzahl der Regie-
rungsiahre des Thiers aus dem Meer, und des Thiers aus
dem Abgrund, welches Fein anderes als das Erfte, aber in
veränderter Lage und Geftalt ift, anzuerkennen. — Folg—
lich muß auch das Jahr 1856 der außerfie Tere
min feyn, in welchem Chrifiuß alle feine Feinde.
befiegt bat, und dann muß fpätftens daß glüds
felige Reich des Friedens feinen Anfang neh—⸗
men. | *
Nun wollen wir auch unterſuchen, welchen Termin uns die
ſechstauſendjaͤhrige Werk: oder Wochentage an die Hand geben.
Es kommt einem, dem erſten Aublik nach, ſonderbar vor,
daß es 1 Moſ. 1, bei Endigung jedes Schoͤpfungs-Tage⸗
werks heißt: Es war Abend geweſen, und es war Morgen
geworden, der erſte Tag — u. ſ. f. Wenn es hieße: es ward
Morgen, und es ward Abend, ſo wuͤrde es uns ſo ganz recht
und natuͤrlich vorkommen, aber jene Ausdruͤcke faſſet man
nicht ſo leicht, und doch konnte Moſe nicht anders ſchreiben,
denn es verhielt ſich wirklich ſo — es war ja erſt finſter auf
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 478
ber Tiefe, dieß war der erfte Abend, nun ſchuf Gott das Licht,
dieß war der Morgen, folglich war ed Abend gewefen, und
Morgen geworden, dieß war dann der Anfang des erften
Tags; da num aber der erfte Tag mit dem Abend angefans
gen hatte, .fo blieb nun auch diefe Ordnung bei den folgens
den Tagen; daher Fam es denn auch, daß die Sfraeliten,
und jegt noch die Juden, am Freitag Abend angefangen ihren
Sabbath zu feiern,
Diefe Ordnung, nämlich, daß die Schoͤpfungstage mit dem
Abend anfingen, hat feinen Einfluß auf die großen tauſend⸗
jährigen Welttage : der große Weltregent, der Hüter Iſraels,
bedarf Feiner Nacht zum Schlafen und Schlummern; wir
finden auch in der Geſchichte feine Spur, daß ein Theil der
Sahrtaufende, weder der Anfang noch das Ende, irgend et⸗
was gehabt hätte, dad man auf die Nacht beziehen koͤnnte.
Jedes Zahrtaufend ift alfo ein Tag, den man nad) Gewohns
heit der Zuden in 12 Stunden, oder auch nach unferm Ges
brauch in 24 eintheilen kann; im erſten Fall fommen auf
eine folche große Weltftunde 85 Jahr und 4 Monat, im Ans
dern 41 Jahr und 8 Monat. Da wir nun jeßt fchon weit
im fechsten großen Welttage fortgeräct, alfo im Nachmittag
des Freitags leben, fo fragt fihs: Wie viel Uhr es wohl
jetzt feyn möge? Antw. Sieben Uhr des Abends und
neunzehn Minuten, ungefähr. — Nun fängt aber
der Sabbath Freitags Abends an — und fies
ben Uhr.ift fhon vorbei!!! — — Kinder! es ift die
legte Stunde! — Wachet! Wachet! betet! haltet eure Lam⸗
pen bereits denn die Zufunftdes Herrn ift nahe.
Nach der apocalyptifchen Progreffion, welche viefe Zukunft
längftens auf 1856 beftimmt, ‚würde es dann acht Uhr und
drei bis vier Minuten ſeyn, folglih hätten wir bis
dahin noch etwa dreiviertel Stunden Zeit.
Hieraus fehen wir, daß auch nach der Berechnung der großen
Weltwoche von fechötaufendjährigen Tagen, der Anfang des
großen taufendjährigen Sabbaths fehr nahe if. Diefe Bes
bauptung wird nun noch zur völligen Gewißs
474 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
heit, wenn wir die Stellen, die hieher —
damit in Verbindung bringen.
Wir muͤſſen uns aber vorerſt von der ganzen Rage der
Sachen einen richtigen Begriff machen, und fie aus dem
wahren Geſichtspunkt betrachten;
Aus der ganzen heiligen Schrift erhellet unwiederſprech⸗
lich, daß ſich eine gewiſſe feindſelige Macht aus dem Geiſter—
reich von dem Fall des Menſchen im Paradies an, bis dereinſt
an den juͤngſten Tag, alle nur erſinnliche Muͤhe gegeben
habe, noch jeßt gebe, und geben werde, um die gefammte
Menfchheit unter ihre Gewalt zu bringen; folglich Die allge:
meine Alleinherrfchaft über die ganze Erde an fich zu reißen.
Den erften Verſuch machte fie durch die Vielgoͤtterei, oder
das Heidenthbum, wodurch die Menfchen die Erfenntniß des
wahren Gottes verloren, und durch den Gdgendienft zu Suͤu⸗
den und Laftern hingeriffen wurden.
Diefem ſetzte der Herr ein Bundesvolk entgegen, welches
die Erfeuntniß des wahren Gottes und feine Offenbarungen
aufbewahren, und von welhem Licht und Frömmigkeit aus-
firaplen, und die. übrige Menfchheit erleuchten und befjern
ſollte; allein die feindfelige Macht fand auch bei diefem Volk
. Eingang , fo daß der pöllige Zweck nicht erreicht wurde; in-
deffen wurde Doc) die Erfenntniß des wahren Gottes, und
die Sammlung feiner Offenbarungen an die Menfchen erhal:
gen, und auch fonft noch viel Gutes dadurch geftiftet,
Da nun eben diefes Bundesvolk ganz ins fittliche. Verders
ben verfauf, und das Heidenthum allwaltend herrfchend wurde,
fo wurde der Herr, Menfch, führte das Erlöfungswerk aus,
amd trat num feine Weltregierung an. Der erfte Verfuch,
‚den nun die feindfelige Macht wagte, war, daß fie durch das
mächtige Heidenthum das damals noch kleine Häuflein der
getreuen Verehrer des Herrn zu vertilgen fuchte, allein dies
fer Verfuch mißlang ganz: denn eben dadurch wuchs ihre
Anzahl zu einer fo großen Menge, daß das Heidenthum end=
lich unterdrücdt, uud das Chriſtenthum herrfehend wurde. E&
ift bemerfenswerth, daß der göttliche Charakter der chriftlis -
chen Religion, Liebe, Demuth und Sanftmuth —
Nachtrag zur Siegsgefchihte, 475
Leiden und Dulden, gerade die unüberwindlide Kraft
hat, den Charakter der feindfeligen Macht ded Satans und
der Finfterniß, nämlid Selbfifuht, Stolz und Haß,
ohnmächtig zu machen, und gänzlic) zu befiegen; das Ges
richt über dad Heidenthum befchreibt die Apocalypfe in der
Erbrechuug der fechd Siegel.
Sobald die roͤmiſchen Kaifer die hriftliche Religion anges
nommen hatten, fo fuchte num die Politif der Finfterniß ihren
Thron in der hriftlichen Kirche felbft aufzurichten „ indem
fie ipren Biſchoͤffen, Aelteften und VBorftehern ihren
Charakter der Selbſtſucht, des Stohzes und des
Haſſes einzuhauchen fuchte; dadurch entftand nun Herrſch⸗
ſucht: Einer fuchte fi immer über den Andern zu erheben,
und die allgemeine Herrfchaft über die Ehriftenheit zu errins
gen, und fo verfunf das morgenländifche griechifche Kaifers
thum mit feiner Kirche und Ehriftenthum wieder in eine heids
nifch = hriftlihe Abgdtterei mit allen ihren — für Religion
und Sitten — verderblihen Folgen. Diefem feste nun der
Herr feine 144,000 verfiegelten Getreuen unter dem Bilde
ded Sounenweibeös entgegen, die nun wieder durch Liebe,
Demuth und Sanftmurh zu fiegen, und die wahre
Chriſtus⸗Relig ion zu erhalten und fortzupflanzen fuchten,
Während dem, daß dad morgenländifche Neich mit feis
ner Kirche im Außerften Luxus, Aberglauben und fittlichen
Verderben betäubt, und ohnmächtig darnieder lag, errungen
die römifchen Bifchöffe allmäplig die allgemeine Herrfchaft
- über die gefammte Chriftenheit, und die Politif des Reichs
der Sinfterniß bildete nun das Thier aus dem Meer;
während diefer Zeit ftiftete Karl der Große das abendläns
diſche hriftliche Kaiferthum, und das Thier aus dem Meer
flieg zwei bis dreihundert Fahr nachher auf den Thron, und
riß aller Kämpfe ungeachtet, die Univerfalmonarchie an fich,
die es durch Selbftfucht, Stolz und Haß, gegen alle wahre
Chriſtusverehrer, die ihre Knie nicht vor ihm beugen wolls
ten, und gegen alle Regenten, die feine Oberherrfchaft nicht
anerkannten , ausübte,
Nun erging über das morgenländifche Reich und feine Kirche
6 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
ein fchredlihes Gericht, welded in der Offenbarung Jo⸗
hannis durch die fechs Pofaunen, nach Erbrechung des fi ebens
ten Siegels, , vorgeftellt wird,
Waͤhrend allenı diefem Verderben in der Chriſtenheit, er⸗
hielt der Herr noch immer eine große Anzahl getreuer Ans
haͤnger und Verehrer feines Namens in und aufferhalb der
Zatholifchen Kirhes das Sonnenweib wurde in der Wüften
ernährt und gepflegt, Bis endlich die Reformation entitand,
die dem Thier eine tödtliche Wunde beibrachte, die aber wies
der heil wurde. Nun befam der Herr ein großes Volk, und
das Evangelium breitete ſich in alle Welttheile aus; viele
Negenten nahmen die daher entflandene proteftantifche Res
ligion an, und es hatte nun das Anfehen, ald ob das reine
und alte Evangelium von Zefu Chrifto über Hierarchie und
Mberglauben fiegen würde; allein der Satan fand auch uns
ter den Proteftanten wieder allenthalben Eingang, er fuchte
auch da wieder der Geiftlichkeit Selbftfucht, Stolz und Haß
einzufloͤßen; allein da diefe Feine conftitutionsmäßige Gewalt
hat, fo richtete .er wenig damit aus; befonders weil aud) der
Herr immer Männer erwedte, die dem Strom Einhalt thaten.
: "Bisher hatte der Feind beftändig den Aberglauben gebraucht,
um fowohl im Heidenthum, als auch nachher im Ehriftenthum,
die Menfchheit durch taufenderlei Srrfale und finnliche Spieles
seien am Gängelband zu führen, und uneingefchränft zu beherrs
ſchen; diefe Politif wurde ihm aber, theils durch) die Reformation,
theils durch unaufhaltbar fortfchreitende Eultur in allen mögli=
hen Wiffenfchaften und Kenntniffen gewaltig gelähmt, fo daß er
fie nur noch hie und da, wo Finfterniß das Erdreich, und Duns
kel die Völker bedeckt, “gebrauchen Fann. Was blieb ihm
alfo nun noch übrig? — nichts als der Unglaube;
diefer ift fein lettes Mittel, wenn es ihm auch) damit nit
gelingt, fo ift er auf ewig überwunden, feine Herrfhaft hat
auf der Erden ein Ende, und der Sieger mit den pies
len Kronen muß und wird dann allgemeiner
Weltmonarch werden.
Satan nahm nun die abgrundsmäßige Politik an, durd)
eben die Aufklaͤrung und Vernunftweisheit, denen die Menſch⸗
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 477
heit fo viel zu verdanken hat, und worauf fie fo ſtolz ift,
Ehriftum und feine Religion zu ftürzen: Jetzt trat die alte
Scylange wieder zu der Eva Vernunft, und ftellte ihr ganz
züchtiglich und wahrheitliebend vor: Ja! follte es auch wohl
wahr feyn, daß die Bibel Gotteswort ift? — davon mußt
du Dich erft überzeugen, ehe du glaubeft — du bift nun nicht
unmändig mehr; du haft fernerhin Feinen Vormund. mehr
nöthig, wirf die Feffeln des Aberglaubens ab, die dich hins
dern, die Vergnügen dieſes Lebens zu genießen, du weißt
num felbft wie du fie gebrauchen mußt — glaube doc) nicht,
daß Gott verboten habe, die Früchte dDiefes Baums zu genies
Ben, da Er ja den Baum mit feinen Früchten gefchaffen har! —
Dies ließ ſich nun die Eva Vernunft nit zweimal fas
gen, fie aß begierlih, und gab ihrem Mann, dem Willen,
aud) davon und er aß — diefer andere Fall zieht nun auch
den andern Tod nach fih. Durch diefen Kunftgriff ift nun
der Abfall entftanden, der noch) immer am Steigen ift, und
bald feine höchfte Höhe erreichen wird; diefer Abfall ift eben
das merkwürdige Zeichen der Zeit, das uns befonders ans
geht, und bier Fönnen wir nun fuͤglich die Bibels
ffellen, die hieher gehören, mit unfern obigen
Zeitbeffiimmungen in Anfehbung der Nähe des
großen Sabbath, in Verbindung bringen.
Es hat verfchiedene berüpmte Männer gegeben, die dies
fen Abfall ſchon im römifchen Pabſtthum gefucht haben;
“allein das ift falſch; die roͤmiſch-katholiſche Kirche hat von
Anfang an bi auf den heutigen Tag Chriftum bekannt,
uund nie verläugner; der Pabft gründet feine ganze Gewalt
- auf Ehriftum, und nennt fich feinen Statthalter, und die
. Gottheit und Aubetungswärdigkeit Chrifti ift in diefer Kirche
ein heiliger unumftößlicher Glaubensartife. Durch den
Abfall CApostasia) fann und darf nichts Anders verftans
den werden, als eine Verläugnung Chrifti und feis
mes verfühnenden blutigen Opfertodes; wer Chris
ſtum nicht für den wahren und eingebornen Sohn Gottes,
der Gott und Menfch in einer Perfon, und anbetenswürdig
iſt, erkennt, und feine Erlöfung des gefallenen menfchlichen
478 Nachtrag zur Siegsgefchichte,
Geſchlechts durch feinen blutigen Opfertod, durch feine Aufer-
ſtehung, Himmelfahrt und Weltregierung nicht glaubt, ver
ift ein Apoftat, und fteht auf der Rolle des Abfalls. Daß
diefer Abfall in unfern Tagen in allen dreien chriftlichen
Meligionspartheien mit Gwalt überhand nimmt, und befons
derd im der proteftantifchen Kirche unaufhaltbar einreißt,
ift eine befannte Thatſache: man nennt den Proteftantis-
mus eine fortdauernde Reformation, erklärt Chriftum auf
den Kanzeln für einen bloßen Menfchen, und feine Anbetung
für Abgdtterei; man erfrecht fih, die Geburt des Sohns
Gottes auf eine Läfterliche Art zu erflären, und heißt doch
bei dem allem Evangelifch = Lutherifch, und Evangeliſch-Re
formirt — man hat Luthers Glaubensfyftem laͤugſt aus den
Hörfälen und von den Kanzeln verbannt, aber man baut
ihm in Eisleben ein Monument. — O ja! auch unfre
Zeitgenoffen bauen den Propheten Gräber, — aber, ihre
Grundfäge verachten fie — Wehe Ihnen! — ihr Schiefal
wird noch weit fehreclicher feyn, als das fchredlichfte, das
je eine Nation betroffen hat!!! — Was foll denn die ewige
Liebe noch mehr an und thun, ald was fie gethan hat? —
Sie hat die Quellen der Barmherzigkeit an uns erfchöpft,
fernerhin ift nichts mehr für uns übrig, als
das fhredlichfte aller Gerichte, welches die Of—
fenbarung unter dem Bilde eines Sees, der mit
Heuer und Schwefel brennt, vorftellt.
Bellagenswürdige Zeitgenoffen! hat Euch denn eine acht—
sehnhundertjährige Erfahrung noch nicht belehrt, daß allein
der wahre evangelifche Glaube an Jeſum Chriftum und
an Feine Erlöfungs = Anflalten, gründlich gefittete und wahrs
haft gute Menfchen bildet; und daß bloße Vorſchrif—
ten der Tugend, und Moralpredigten noch nie,
auch nur einen einigen Menſchen gebeffert ba:
—
ben? Ja wahrlich! der gottesfuͤrchtige Menſchenfreund moͤchte |
Blut weinen, befonders wenn man bedenkt, wie die uns
ſchuldige Jugend ſo ſchrecklich irre geführt wird.
Dies iſt nun der Abfall, der in allen Jahrhunderten ſeit
den Zeiten der Apoſtel, ſeines Gleichen nicht hatte — der
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 479
Einzige in feiner Art — die Apoftafle, melde Paulus
2 Theff. 2. fo beftimmt vorher verfündigt hat; man leſe
diefes Kapitel mit Aufmerkfamfeit, ed gebört ausſchließlich
in unfte Zeit. Diefe höchftmerfwärdige Weiffagung Pauli,
die zu unfern Zeiten fo beftimmt und fo genau erfüllt wird,
ift ein unwiderfprechlicher Beweis, daß diefer Apoftel
Worte Gottes gefchrieben habe, und daß nun auch das,
was mit der Weiffagung vom Abfall in Verbindung ftehr,
ganz zuverläßig werde erfüllt werden.
Laßt und das Kapitel aufmerkffam betrachten! — Die
Chriften zu Theffalonich vermutheten, daß die Zufunfr des
Herrn nahe ſey; allerlei Sagen, Gefchwäge und fanatifhe .
Grillen mochten ihnen Anlaß gegeben haben, fich bei dem
Apoftel Paulus nach der Zeit, wenn der Herr kommen
werde, zu erfundigen, Hierauf antwortete Er nun in Dies
fem Kapitel, und verfichert ihnen, daß der Tag des Herm
noch fo nahe nicht fey, zugleich gibt Er ihuen zwei ſichere
Kennzeihen an, an welchen fie erkennen fönnten, wann
der Herr fommen werde, nämlich :
1) Den Abfall von der chriſtlichen Religion
und evangelifhen Glaubenslehre, und
2) Die Erfheinung des Menſchen der Sin
den, des Kindes des Verderbens, dad ift: ded
menfhgewordenen Satans.
Das erfte fichere Kennzeichen, nämlich der Abfall, - ift
nun unverkennbar da — wer das läugnen wollte, der müßte
. ja Feine Augen und Feine Ohren haben. Da nun die Of:
fenbarung des Sohn RER. mit diefem Abfall uns
mittelbar in Verbindung fteht, v. 5. und mit diefer Offen:
barung auch zugleich die Zukunft des Herrn angekündigt
. wird, fo folgt unwiderlegbar, daß die Zeitbeftimmungen der
Nähe diefer Zukunft, fo wie ich fie oben, nad) Anleitung der
apokalyptiſchen Progreffion und der großen Weltwoche angege:
ben habe, gewiffe Wahrheit find; nur das Jahr und
der Tag kann und darf nicht beffiimmt werden,
Jetzt meine liebe Lefer! muß ib Euch fehr
ernftlih bitten, folgendes mit Aufmerffams
480 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Feit zu lefen und zu beherzigen, denn esift für
uns in unfern Tagen von der aͤußerſten Wich—
tigkeit.
Sucht den Menfchen der Sünden, den Sohn Satans,
den eigentlichen Antichrift — noch nicht — unter den jeßt
Vebenden geiftlichen und weltlihen Regenten — denn er
hat fich noch nicht offenbaret, und dies will ich unwider⸗
ſprechlich beweifen. |
Der Character diefes ſchrecklichen Menſchen ift in der
Bibel fo genau befchrieben worden, daß wir und unmöglich
‚an ihm irren fünnen. Die erfte deutliche Weiffagung von
ihm fängt im Propheten Daniel im I1ten Kapitel v. 36
an, und hört mit dem Ende des 12ten Kapitels auf; daß
fie wirklich auf die legten, .das ift auf unfre Zeiten ziele, ,
das ſteht ausdrüdlih Kap. 12. 9. 4. und man fieht aus
der Befchreibung, die der Apoftel Paulus 2. Thefjal. 2. von
ihm macht, daß er fich auf diefe Weiffagung Danielö be-
zieht. Dem zu Folge wird alfo der Menſch der Sünden
ein König, ein großer Regent feyn, welder unumfchränft
regiert: denn er wird thun was er will, Die Religon
feiner Väter, alfo die chriftlihe, wird er verlaffen, fich
dffentlich gegen die Verehrung Gottes und Chrifti wird er
giftige und feindfelige Verordnungen ergehen laffen, die
chriftlichen Gottesverehrungen verbieten, und die wahren
Ehriften grimmig verfolgen; um dies Alles ungehindert aus»
üben zu koͤnnen, wird er au) die höchfte geiftliche Gewalt
an fich ziehen und niit feiner weltlihen Macht verbinden:
denn er wird fi) in den Tempel Gottes feßen, und die.
allgemeine Herrfhaft über die gefammte Menfchheit, theils
durch Gewalt, und theild durch Politik zu erringen fuchen.
Er wird den Umgang mit dem weiblichen Gefchlecht meiden,
vielleicht aber in unnatürlichen Laſtern leben. Er wird gar
feine Religion haben, fondern ein vollfommener Naturalift,
Arheift und Freigeift feyn. Die Vernunft wird er für das
höchfte Wefen erklären, und feine eigene Vernunft
wird fein Gott feyn, den auch Alle in Ihm anbeten
und verehren follen; er wird aber auch eine Art von
l
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 481
äußeren "Kultus oder Gottesdienft einführen, der aber milis
tärifch feyn muß; denn der Gott der Veftungen (Mäufim)
wird der GdKe ſeyn, den er anbetetz denn er wird ein Krieger
von Profeffion feyn, weil er fich durch Gewalt fchüßen,
und durch Gewalt ſich Alles unterwerfen will. Darum wird
in feinen Augen auch nichts einigen Werth haben, als ein
guter Soldat, und dieſen wird er bereichern. Ueberhaupt
wird er überall allein Recht haben wollen, und ein Menfch
feyn, der Gott und Menfchen widerwärtig ift.
Auf eine Hauptfahe müffen wir aber ganz vorzüglich
aufmerffam feyn, nämlich auf die drei unverfennbare
Merkmahle, welche diefen Menfhben der Süns
den, oder das Thier aus dem Abgrund vollfoms
men kennrlich machen, und fo lang diefe Zeichen noch
- fehlen, fo lang ift es gewiß noch nicht aufgefliegen, oder -
offenbar geworden,
Das erfte Kennzeichen ift, das Thier aus der Erden, der
falſche Prophet, der die durch den Abfall vorbereitete,
arme betrogene Menfchen, dem Menfchen der Sünden zu
buldigen beredet, ‚und wegen feiner großen Talente, und
durch feine glänzende und verführerifche Thaten und Politik
einen unbefchreiblih großen Beifall finder, fo daß ganze
Schaaren dem Tenfel= Menfchen huldigen werden. Dahin
werden die beiden Lammshoͤrner Aufklärung und Philiſophie
führen. Daß diefes Thier aus der Erden auch) ein Regent,
und zwar ein geiftlicher feyn werde, ift wahrfcheinlich, weil
er ald ein Propher auftritt. Wer und wo diefer Ads
jutant des Satans feyn werde, dad wird uns
die Zufunftlehren; bisdahbin wollen wir nichts
‚errathben — genug, wir willen, woran wir ihn erken⸗
nen Fünnen.
Das zweite Kennzeichen ift das Mahlzeichen des
Thiers an Stirn und Hand. Um das Chriſten⸗
thum ganz zu vertilgen, ſo daß auch nicht einmal einer
ein heimlicher Chrift feyn Tann, muß jeder, zum Beweis
9 er Chriſtum und ſeine Lehre abgeſchworen hat, ein
aͤußeres Zeichen an ſich tragen, das ihm dann vorgeſchrie⸗
Stilliugs ſämmtl. Schriften. III. Band. si
482 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
ben werden wird; wer nun dieſes Zeichen nicht annimmt,
der verliert ſeine ganze buͤrgerliche Exiſtenz und Freiheit, und
iſt ein Gegenſtand der grimmigſten Verfolgung, wer es
aberannimmt, und wenn ed auch 6108 aus Surdt
wäre, der iſt ſchlechterdings und unsermeidlich
zur ſchrecklichſten Berda mmuiß, zum Feuerſee
verurtheilt. Dies iſt nun der ſchwerſte Zeitpunkt fuͤr
die Menfchheit, vom Anfang der Welt bis an ihr Ende,
wer aber auch da aushält und treu bleibt, der wird auch
den herrlichen Lohn feiner Treue nicht überfehen, fih nicht
groß genug vorftellen koͤnnen.
Das dritte Kennzeichen ift endlich Die Zahl des Thiers,
welche eben das auzeigen foll, was das Mahlzeichen ans
zeigt: dieſe Zahl mag nun im Namen des Menfchen der
Sünden verborgen, oder die Zahl 666 feyn, oder. bie Zahl
feiner Regierungs= Fahre bedeuten, das Alles ift einerlei,
und wird fih dann zeigen; genug, wenn diefe Zahl auf ir⸗
gend eine Weife dem Chriften aufgedrungen. wird, . fo daß
fie ein Beweis feiner Verläugnung Chrifti und der chrifts
lichen Religion feyn fol, fo muß er lieber fein Le
ben aufopfern,. als fich diefer Zahl bedienen. ö
So lang wir dieſe drei Kennzeichen bei einem Regenten
nicht, beifammen finden, fo lang ift auch der Menfch der
Sünden nicht offenbart, und. es ift.eine fehr ſchwere Sünde,
einen Fuͤrſten für, diefen gräulichen Menfchen zu halten,
wenn erd nicht wirklich ift. Wie ‚fein, . wie verſteckt und
wie ſchlangenartig uͤbrigens dieſer Sohn des Verderbens
auftreten, wie er als ein großes Genie erſcheinen, und in
wie fern er Alles oben von ihm geſagt, groͤber oder feiner,
Öffentlicher oder verſteckter ausführen werde, das wird, die,
Erfahrung lehren. Freunde! es find nicht viele Jahre:
mehr bis dahin, wo ihm jeder wahre Chrift, wenn
er fich anders mit dem Geift der Weiſſagung vertraut ge⸗
macht hat, bald genug kennen lernen wird.
Her wenn er nun wirklich offenbar wird, was hat dann.
der Ehrift zu thbun? — Antw. zu geboren, zu leis
den, zu dulden und zu fhweigen, folangeals
Nachtrag zur Siegsgeſchiche. 485
f } J
man ihm nicht etwas zumuthet, das nur im
geriugſten Verlaͤugnung Chriſti bezeichnet, ſo⸗
bald dies der Fall iſt, fo weigert man ſich ſtand—⸗
haft, dulder Alles, und ftirbt, wenn man wine
ausweihen kann
Hier muß ich nun noch eine fehr ernftlihe Warnung beis
fügen: Alle heimliche und dffentlihe Anftalten, welche Men⸗
fchen auf irgend eine Art-treffew werden, und treffen koͤnnen,
um diefem Ungeheuer den Weg zu fperren, oder feinen Lauf
zu hindern, find vergeblich, dem Willen Gottes zuwider,
‘ "und werden immer: mehr. fchaden als nügen: Der Rath:
ſchluß Gottes muß ausgeführt werden, Satan und feine
Diener müffen das Maaß ihrer Suͤudengraͤuel voll‘ machen,
uund die Auserwählten des Herrn muͤſſen durch diefe Prüfungen
bewährt, und zu ihrem neuen Beruf im herrlichen Reich des
Herrn geſchickt gemacht werden. Der Herr wird diefen feinen
. Testen Feind, überwinden mit dem Schwert feines
Mundes, und ihn nebft feinem Gehülfen, dem: talfepen
Propheten, in den Feuerfee ſtuͤrzen.
Uebrigens ſcheint es mir gewiß zu ſeyn, daß es einen
Bergungsplag gibt, wohin der Vater der Barmherzigkeit
‚die Heerde feiner, Getreuen führen, und gegen den ſchreck—
R lichen Sturm fichern wird. Nur bitte ich ernftlich, dieſen
Bergungsplat nicht zu ſuchen, bis ihn der Herr auweißt,
auch nicht von der Stelle zu weichen, bis man hit
mehr bleiben Fann. Wiele werden aber auch bleiben,
und den Kampf aushalten muͤſſen, dafür werden fie
aber dann aud BRRASTUEE NIS und herrlich vo
lohnt werden
IR Dies Alles habe ih nun da fo niedergefchrieben, und
68 gewagt, die nahe Zufunft zu enthüllen. — Diefe Schrift
wird nun gedrudt, und wird, von vielen meiner Zeitgenofs
In, und den folgenden Generationen gelefen werden — wie
wenn ich nun die Weiffagungen und ihre bildliche Vorſtel⸗ |
lungen unrecht verſtanden, und nicht richtig angewendet
‚hätte! — kann es mir nicht gehen, wie fo vielen, einer
31 &*
0
‚ 884 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Vorgänger, welche auch glaubten Licht zu haben, und in
diefem dunkeln Heiligthum forfchen zu Finnen?
Hier find die Gründe, die meine geängftigte und ſchwer
beladene Seele beruhigen; die Freunde der neuen Aufklärung
mögen fie Iefen und beherzigen, und dann dabei denken,
und über mich urtheilen wie fie wollen, was liegt an mir
und meinem Ruhm? — wenn ich Ehre bei, den Menfchen
gefucht hätte, fo würde ich mich anders benommen, und
eine andere Laufbahn gewählt haben! Der Herr erfülle fei-
nen Rath, nnd thue Alles, was Ihm wohlgefällt, hernach
iſt es dann fehr einerlei, was die Welt und
Nachwelt von mir denkt und urtheiltz der Gott,
der mich von der Wiege an, bis daher, fo ausgezeichnet zu
dem. geführet hat, was ich nun bin, und wirft, der wird
mein tägliches heißes Gebet um Licht und: Weisheit, um
Bewahrung für allem Irrthum erhdren, damit ich meine
Zeitgenoffen nicht mit Irrlehren täufchen möge; wenn nur
dies nicht gefhieht, fo mag Dann aus mir wer
den, wad mein Gott uͤber mid beſchoſſen hat.
Nun meine Gründe: |
Die oben angeführte Weiffagung Daniels ift das Fundas _
ment, worauf die ganze Vorftellung vom Menfchen der Sün-
den beruht... Es kommt alfo Allee darauf an, daß da der
Prophet nicht blos vom Antiochus Epiphanes rede, fondern
wirklich den Menfchen der Sünde, der in den leßten Tagen
Diefer gegenwärtigen Erdperiode fommen werde, im. Aug habe.
Man hat in den neuern Zeiten den Propheten Daniel vers
daͤchtig machen wollen; und die gemäßigten unter den Neo:
logen, die feiner Weiffagung die Bibelwürdigkeit nicht ab»
fprechen, behaupten denn doch, daß die letzten Kapitel blos
den Antiohus Epiphanes bezielen; und da fie fo genau
und fo pänftlih die Gefchichte diefes Tyrannen bezeichnen,
fo wähnt man gar, fie feyen fpäter berrüglicher Weiſe als
Prophezeihung hineingeflidt worden — würde dann aber
der Mund der Wahrheit Jeſus Ehriftus diefebes
truͤgliche Schrift zum lefen und beherzigen em:
pfohlen haben, wie Matth. 24.20.15. Marc. 15.20.14.
Nachtrag zur Siegsgefhichte. N 486
gefhieht? — und würde Paulus, diefer vom heiligen
Geiſt erleuchtete Apoftel, deſſen Weiffagung vom großen
Abfall fo genau eintrifft, die Schilderung vom Menfchen ber
Sünden aus dem Propheten Daniel genommen haben, wenn
er nicht kanoniſch wäre? — Und endlih: ift die Weifjas
gung diefes Apofteld vom Abfall fo genau eingetroffen, ſo
wird auch diefe eintreffen. Mit einem Wort:
Iſt die heilige Schrift alten und neuen Teſtaments bie
Dffenbarung Gottes an die Menfchen , ift die hriftliche Res
ligion die einzige wahre, und ift meine Führung von Gott,
fo ift auch das, was ich biöher gefchrieben habe, eine Wahrs
heit, die fich bei der gegenwärtigen und folgenden Generas
tion als folche legitimiren wird. Geſetzt aber auch, ber
Dater der Menfchen erbarmte fich über feine Chrijtenheit,
"und verfchiebe den Tag feiner Gerichte noch weiter hinaus,
um und noch länger Raum zur Buße zu geben, nun fo will
ih mich nicht ärgern, wie weiland der Prophet Jonas,
fondern ich will den Herm für feine Güte preifen, und mit
Freuden zu Schanden werden. — Aber fchwerlich! fchwers
lich! wirds dazu kommen.
Nach diefer Heinen Entfchuldigung und Rechtfertigung meis
ner felbft, wage ich. ed nun, meine Unterfuchungen ferner
fortzufegen: |
Wenn der Menfch der Sünden offenbar wird, nnd fein
Wuͤthen und Toben anfängt, fo foll dies Toben eine Zeit,
ztvo° Zeiten, und eine halbe Zeit währen, Dan. 12. v. 7.
Hier ift nun merfwärdig, daß vom Geift der Weiffagung noch
ein wichtiges Zeichen der Zeit angegeben wird; es heißt
namlich: daß dies Alles, nämlich die Tyranney des Antis
hriften gefchehen würde, wenn die Zerftreuung des heiligen,
das ift des jüdischen Volks ein Ende hätte; fo lang alfo
no die Bekehrung der Zuden, und ihre Sammlung aus
allen vier Winden nicht veranftaltet wird, fo lang ift auch
der Miderchrift noch nicht offenbar; folglich iſt auch diefe
trübfelige Zeit, und die Zukunft des Herrn noch fo gar nahe
nit. Ein anderes Zeichen ‚gibt uns die Bibel an die Hand,
wenn dieſe merkwürdige Bekehrung Iſraels vor fich gehen
486 Nachtrag zur Sieheſchichte
ſoll, nämlich; wenn. bie Hülle der Heiden eingegangen feyn
wird — und davon fehen wir fhon wirklich den
Beginn por Augen: feit 72 Jahren arbeitet die Bruͤ⸗
dergemeine an Belehrung der Heiden; die dänifche Miffion
in Tranquebar in Oftindien, ift noch Alter, und wirket noch
fort, und vor wenigen Jahren haben fic) große Miffionsans
ftalten in England, Holland und Oftfriesiand gebildet, die
alle ſehr thätig an der Fülle der Heiden arbeiten; wenn
nun alles befehrt ift, was befehrt werden kann, fo wird dann
auch der belebende Wind des Herrn über das Sfraelitifche
Knochenfeld wehen, Ezech. 37., alle zwölf Stämme werden
verfammelt werden, fich zum Herrn befehren, und in ihr
Sand ziehen ; um diefe Zeit wird fih dann auch der Menfch
der Sünden einfinden. Wo? — das wollen wir erwarten,
und nicht Alles fo genau beftlimmen, damit wir nicht für
unſern Vorwitz geftraft werden, Wir haben alfo nun zwei
fihere Zeichen, Daß die Entwidlung ber großen Zufunft
nahe ift; nämlich
2) Den großen und allgemeinen Abfall und
9) Ins Große gehende Arbeiten ander Ba
fehrung der Heiden,
Die Regierung des. Antichrifts fol eine Zeit, zwo Zeiten,
und eine halbe Zeit dauern; daß hier Feine propherifchen
oder aporalyptifchen Zeiten verſtanden werden Fünnen, ſon⸗
dern daß dieſe viertehalb Zeiten nur viersehalb Fahre find,
‚erhellet daraus, weil ein einzelner Menfc Feine 777 Fahre
segieren Fann. Diefe rrübfelige Zeit ift aber auch bi ſchon
lang genug.
Wie nun dieſer Wuͤtherich geſtuͤrzt werden ſen, davon
finden wir die erſte Spur Dan, 12. v. 1. Die zweite
2 Theſſal. 2. 9. 8. und die völlige umftändliche Befchrei-
bung, Off. Joh. 19. v. 11—21, Wenn alfo die viertehalb
Sahre um find, fo wird Jeſus Chriftus, welchen Daniel,
Michael und Paulus den Herrn, Sohannes aber den
König aller Könige, und den Herrn aller Hers
ven nennt, auf irgend eine unbefchreiblich majeftätifche
Yır erſcheinen, und den. Widerwärtigen, der Ihn mit einem
1
er
— — U EEE)
Nachtrag zur Siegsgefchichte. 487
großen Heer bekämpfen will, mit den Schwert feines Munz
des tödten, und ihn dann nebft dem falfchen Propheten in
den Feuerſee ſtuͤrzen.
Wie dieſe ganze prophetiſche Befehreibung mit ihren Bils
dern zu verſtehen fey, und erklärt werden müffe, das koͤnnen
wir nicht wiffen; folgende Bermuthung fcheint mir die wahre
fheinlichfte zu feyn; wenn der Menſch der Sünden dad Maaß
voll gemacht hat, fo wird der Herr auf die Art, wie Ihn
Sohannes gefehen hat, feinen getreuen Verehrern — wo? —
ob zu Sjerufalem, oder im Bergungsplag, — dies Leite ift
mir am wahrfcheinlichften — erfcheinen, und dann, nicht
in diefer Olorie, denn einem folchen gläuzenden himmlifchen
Heer würde fi Fein Menſch widerfegen und mit ihm Fäms
pfen wollen, fondern fo wie ein irdifches Kriegsheer vermuthlich
in Begleisung feiner Getreuen, dem Feind entgegenrüden;
diefer wird nun glauben, irgend ein irdifcher Fürft zoͤge ges
gen ihn aus, um mit ihm zu flreiten, kaum aber find ſich
beide Heere im Geficbt, fo offenbart fih der Herr in feiner
furchtbaren Herrlichkeit, aus feinem Munde, dpnnert das
Derdammungsurtheil über die Feinde, und nun vers
ſchlingt fie die Erde, wie ehemals die Rotte
Korah,
Auf diefe oder eine Ähnliche Art laͤßt fich die propherifche
bildliche Befchreibung denken, indeſſen ift dad Alles nichts
weiter ald Vermuthung; aber fo viel ift doch gewiß, daß
bald eine -feindfelige Macht entftehen wird, die nach der
allgemeinen Alleinherrfchaft trachten, die chriftliche Religion
zzu vertilgen fuchen, und die treuen Verehrer Ehrifti auf das
ſchrecklichſte verfolgen wird; und wenn es mit ihr aufs Höchfte
gekommen iſt, fo wird fie auf eine aͤußerſt auffallende Art
"gänzlich vom Erdboden vertilget werden, und es werden
— ſich himmliſche Kräfte äußern, fo wie fie die
Meuſchen nod nie erfahren Haben, und die von
einer vorzüglihen Nähe des Herrn untrüglide
Zeugniff e find, dies ift das Geriugſte, das Sen
was man mit Gewißheit vermuthen kann. |
488 Nachtrag zur Siegsgefhichte.
Auf diefen Sieg Über den Menfchen der Sünden und
feine Gehülfen, folgt nun die Einferferung des Erzfeindes,
ded alten Drachen; diefe wird Off. Joh. 20. umftändlic)
befchrieben. Ueber diefes böfe Weſen ift son jeher fo
viel und fo lang vernünftelt und gedeutelt worden, bis man
ed endlich ganz aus der Reihe der erfchaffenen Dinge hin:
ausgebannet hat. Heut zu Zage foll es alfo gar Feine
böfe Geifter mehr geben. Wenn aber Gott zugelaffen hat,
daß Menfchen boͤs geworden find, wie die täglihe Erfah:
rung lehrt, warum foll ed dann vernunftwidrig feyn, daß
ed auch im Reich der Geifter eine Klaffe Wefen gibt, die
von ihrem Schöpfer abgefallen, und böfe geworden find? —
Genug, die heilige Schrift belehrt und ausdruͤcklich, daß fie
da find, daß ihrer eine große Menge ift, die unter einem
Zürften, unter einem Oberhaupt fteht, und fich bemuͤht, die
Menfchen zu verführen, und fie unter ihre Herrfhaft zu
bringen, und deswegen, durch fie, gegen Chriftum und feine
Erlöfungs-Anftalten zu kaͤmpfen. Daß dies auch noch ge:
genwärtig gefhieht, von jeher gefchehen ift, Ephef. 6.
v. 10. u. f. und Fünftighin, befonderd durch den Menfchen
der Sünden und feinen Anhang gefchehen wird, das ift eine
durchaus unläugbare Sache. An allem Boͤſen, befonderd
an allen feindfeligen Anftalten, die ins Große und
Ganze gehen, hat dab Reich des Satans großen und
wichtigen Antheil. Diefer König der Finfterniß fol nun,
fobald das Thier aus dem Abgrund, mit dem falfchen Pros
pheten und feinem Heer von der Erde vertilgt ift, auf raus
fend Jahre eingeferfert werden; fo lange foll er alfo mit feis
ner ganzen Macht Feinen Einfluß mehr auf die Erde und
ihre Bewohner haben. Die Folgen diefes verhinderten Eins
fluffes werden aufferordeutlich wohlthätig feyn. ik
Paulus ſagt in, der merfwürdigen Stelle Ephef. 6. v. 12.
Mir haben da — nämlic) gegen die Politik des Teufel —
nicht etwa einen Kampf gegen. Sleifch und Blut — das ift:
gegen Menfchen — fondern gegen Fürften und Mächte,
gegen die MWeltbeherrfcher der, Sinfterniß biefer
Erdperioden, gegen die Seiſter der Bosheit, in
—
Nachtrag zur, Siegsgeſchichte. 489
den unteren Euftregionen, fo heißt es eigentlich in
der Grundſprache.
Wenn man nun dem klaren — dem deutli⸗
chen Sinn dieſer Stelle, dem keine Einzige in der ganzen
Bibel widerſpricht, nicht Gewalt anthun will — und wenn
das geſchehen kann und darf, was nuͤtzt ſie uns dann? —
ſo folgt unwiderſprechlich, daß die boͤſen Geiſter in der Luft,
im Dunſtkreis ihr Weſen treiben, und wer weiß, in wie fern
ſie da, auf Zulaſſung Gottes, auch auf die phyſiſche Natur
Einfluß haben, Krankheiten, Schaden und Ungluͤck bewirken
Tonnen? — Daß fie auf die Menſchen wirken, die boͤſen Ges
finnungen in ihnen erhöhen und fatanifiren fünnen, das
behauptet die Bibel durchgehends; und wenn das nicht wäre,
wozu wäre dann der Kampf nörhig, den der Apoftel fo ernfts
li und umftändlich befchreibt und empfiehlt? Er nennt fie
Fuͤrſten, Mächte, Weltherrfcher (Kosmokrätoras) geiftige
Mefen der Bosheit, u. f. w. Daraus folgt, daß fie noch
eine erftaunlich große Macht und großen Einfluß auf unfre
Erde, und die Menfchheit haben muͤſſen; beſonders ift dies
in unfern Zeiten der Fall, weil er nah Off. Joh. 12. v. 12.
jeßt auf der Erden ift, und mit großem Zorn wüthet: denn
er weiß, daß er nicht viel Zeit mehr hat.
‘ Der Menfch ift ein freies Weſen, und Gott regiert die
Menfchheit ihrer Freiheit unbefchadet. Die vielen traurigen
Erfahrungen und Folgen des Abfalls von Chrifto, die Unzus
verläßigfeit der Vernunftreligion, und die fchredliche Regie:
rung des Menfchen der Sünden, wird große Schaaren zur
Sinnesänderung bringen, und wieder zu Chrifto befehrenz
wenn nun endlich der Widerchrift mit feinem ganzen Heer
im Feuerſee, und auf ewig gerichtet ift, fo fallen gewiß bei
weitem die mehrefte Stimmen der Menfchheit — wenn man
fie fammeln wollte, und koͤnnte — für Chriftum und fein
Reich aus; — fo lang aber noch die mehrefte Stimmen für
den Satan find,.fo lange Fann er auch noch nicht eingeferfert
werden: denn, ich wiederhole es, Gott läßt dem Menfchen
feine Freiheit, und darin befteht eben die unendliche Weis—
heit feiner Regierung, daß Er endlich ihren freien Willen
490 Nachtrag zur Siegsgefchichte,
dahin zu leuken weiß, daß fie freiwillig die Herr:
{haft über die ganze Erde, und über ſich felbft
JIhm übergeben, und dann erſt ift das tauſend—
jährige Reich des Friedens auf der —— e in⸗
zufuͤhren mdglid,
Hier kommt ed num auf zwei Hauptftüde an; namlich)
1) Iſt es ganz zuverläßig und gewiß, daß und ein allge:
meines Reich des Friedens bevorfteht, in welhem Je—⸗—⸗
ſus Chriftus und feine Religion —
herrſchend ſeyn werden? und
2) Was kann, uud was darf man ſich für eine Vorſiel⸗
lung von dieſem Reich machen?
In der Apocalypſe wird ſo beſtimmt und fo deutlich ges
fagt, daß Satan taufend Fahr eingeferfert werden folte —
daß unmittelbar hernach ein befonders Gericht gehalten, und
entfchieden werden follte, wer der erſten Auferftehung würdig
fey? — daß alsdann diefe erfte Auferftehung erfolgen, und
Die Yuferweckten mit Ehrifto diefe taufend Fahr über regieren
follten — daß man diefen Ausdruͤcken unmöglid einen ans
dern Sinn beilegen kann, ald den der Buchftabe an die Hand
gibt — Chriſtus wird alfo mit den Seligen der erften Aufers
ſtehung, mit feinen Heiligen auf Erden ein irdifches Reich
errichten, in welchem Sriede und Gerechtigkeit herrs
ſchend ſeyn wird.
Dieſe herzerhebende Erwartung und Hoffnung iſt nicht
etwa blos in der Apocalypſe gegruͤndet, ſondern der Geiſt
der Weiſſagung ſtellt ſchon im alten Bunde dieſe gluͤckſelige
Zeit in den reizendſten Bildern vor; wir wollen einige der
merkwuͤrdigſten beruͤhren;
Der 45ſte Pſalm heißt ein Brautlied, und die Bibel Er⸗
klaͤrer nach dem Geiſt unſerer Zeit wollen uns auch gern
uͤberreden, es ſey ein wirkliches Brautlied irgend eines juͤdi⸗
ſchen Koͤnigs bei ſeiner Heirath; allein wer es nur unbefan⸗
gen und ohne Vorurtheil liest, der wird bald finden, daß
es einen hoͤhern Sinn hat, und das Verhaͤltniß zwiſchen dem
Könige des Friedensreichs und feinen Unterthanen, die unter
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 481
dem Bild ſeiner Gemahlin vorge werden, ſchon und mah⸗
leriſch beſchreibt.
Der 7, 8. 9. und 10te Vers des 47. Pſalms werden erſt
im. taufendjährigen Reich volllommen wahr werden, Auch bey
48ſte Pfalm paßt hieher; vorzüglich aber der 7ofte,
der weder auf David, noch auf Salomo, nod
auf Ehriftum anders bezogen- werden fann,
als in feiner Regierung über die ganze Erde,
im Reich des Friedens. Deögleichen der 87ſte, vors
züglich aber der 9sſte, der 96ſte, und endlich auch der
145fte Palm,
Das Hohe Lied Salomond hat man beinahe zu einem
Gaſſenhauer herabgewürdigt, aber über hundert Jahre wird
man anders daruͤber urtheilen.
Kein Buch in der ganzen heiligen Schrift enthaͤlt aber mehrere
und herrlichere Ausfluͤſſe des Geiſtes der Weiſſagung, uͤber
dieſe legten Zeiten, als der Prophet Jeſaia. Schon
das 2te Kapitel hat Winke, die dahin zielen; aber das Lite
nebjt feinem Anhang dem 12ten, iſt ſo augenfcheinlich eine
Beichreibung des Friedend, der Ruhe und des Gluͤcks in
diefem Reich, daß Feiner daran zweifeln kann, der nur noch
einige Anlage zum Bibelglauben hat. Auch das Zafte gibe
Winke auf dies Reich. Das Säfte gehört ganz hieher, des⸗
gleichen auch das 5ufte; aber das b6oſte nebft den zwei fols
genden Kapiteln, enthalten eine folche ‚prächtige Befchreis
bung dieſes Reichs, daß Herz und Seele dadurch erquickt
werden.
Auch Jeremias weifagt ‚von der legten Bekehrung des
Volks Iſrael, und dem damit verbundenen Reich des Fries
dens, im often Kapitel; vorzüglich aber gefchieht dies im
folgenden 51ſten; desgleichen im Saften vom 57ften Vers
bis zu Ende des Kapitels; und endlich auf eine ausgezeich⸗
8 nete herrliche Weiſe im 55ſten.
Der Prophet Ezechiel gibt von Anfang an, hin und wies
der Winke von der legten Bekehrung und Sammlung feines
Volks aus allen Welttheilen; dann auch vom Reich des
Sriedens in ihrem Land, Im S4ften Kapitel, vom 22ften
a Nachtrag zur Giegsgefchichte,
Werd an bid zum Sıften aber fchildert er den Zuſtand dieſes
Reichs ungemein ſchoͤn und tröftlih; nun folgen dann die
oben ſchon bemerften zwei merkwürdigen Kapitel, das 36fte
und S7fte, welche über das Alles Feine Zweifel
mehr zurädlaffen, und die Hoffnungen des
Chriften ausnehmend ftärfen. Endlich befchreiben
dann die neun legten Kapitel vom 4often bis and Ende, die
gottesdienftlichen Einrichtungen im taufendjährigen Reich und
die Vertheilung des Landes, auf eine erhabene, aber
noch zur Zeit verborgene Beife.
Ich habe oben fchon von der Weiffagung des Propheten
Danielö geredet: er befchreibt vornemlich den Menfchen der
Sünden und das Gericht über ihn, welches unmittelbar vor
dem taufendjährigen Neich hergeben foll, aber er hat auch
eine Stelle, welche deutlih und beſtimmt dies
Reich anfündigt, und zwar im 2tem Sapitel, wo er
Mebucadnezard Zraumbild erklärt: |
Ich finde in der ganzen Bibel Feine Weiffagung, welche
deutlicher und beftimmter ift, ald diefe: das vierte oder roͤ⸗
mifhe Reich, deſſen Macht, Herrfchaft und Herrlichkeit zu
Daniels Zeiten, Fein Menfch errathen, vielweniger voraus:
fehen konnte, daß es in fpätern Zeiten in zwei große Reiche,
in das morgenländifche und abendlandifche, oder aud) in eine
geiftliche und weltliche Monarchie zertheilet werden würde,
wurde durch die zween Füße des Bildes vorgeftellt; — wie
genau ift dies eingetroffen? fogar die zehn Zehen, Die mit den
‚zehn Hörnern des Thiers Eind find, verfehlen ihre Bedeus
tung nicht; und treffender kann die Verfaffung diefer Neiche
nicht gezeichnet werden, als durch’ vie fonderbare Miſchung
der beiden Füße, aus Eifen und Thon — Feſtigkeit und
Zerbrechlichleit — ja wahrlich! das ift ihr wahrer Charaf-
ter! — der Thon fol der Kütt feyn, der die Eifenftüde
miteinander verbindet, aber wie wenig er binde und zuſam⸗
menhalte, das zeigt die Gefhichte. Aber was wird
nun aus diefen beiden Reichen, und dem games
zen Bild? — Ein Stein wird oben auf dem Berge ohne
menfhlidhe Hälfe, von felbft, Los; wälzt fi
— —
————————————
I
Nachtrag zur Siegsgefchichte. 493
herab, fchlägt das Bild an die Füße, rollt über daB ganze
Bild hin, und zermalmer es zu Staub, fo daß ihn der
Wind verweht, und nichts mehr von ihm übrig bleibt. Der
Stein aber bleibt num liegen, und erwädst,
zu einem großen Berg, der die ganze Welten
fülfer. Was nun diefer Stein eigentlich bedeutet, das
fagt uns der 44fte und 45ſte Vers deutlich und majeftätifcht
er bedeutet ein Königreich, das Gott vom Himmel aufrich⸗
ten, das nimmermehr zerſtoͤrt, nie auf ein anderes Volk
kommen, und alle Koͤnigreiche der Welt zermalmen wird.
Aus dieſer Weiſſagung koͤnnen wir noch eine andere nuͤtz⸗
liche Folge ziehen;
Der Stein, der ohne menschliches Zuthun den Berg herz
abrolft, ift der Grundftein, den die Bauleute verworfen has
ben, und der nun jeßt auf fie fällt und fie zermalmt; es
bedeutet die Zufunft des Herrn zum Gericht
des Antihrifts, und des falſchen Propheten,
mit ihrer gefammten Macht, und dann zur Ers
rihtung des taufendjährigen Reihe,
Diefer Stein trifft zuerft die Beine und wälzt fich dann
über das umgeftürzte Bild hin und zermalmt es; dies ftellt
vor, daß der Schlag die beiden Reiche im Orient und Occi⸗
dent zuerft treffen, und dann alle Reihe und Pins
ber, die ehmals zu den vier Monarchien gehört
haben, fih zu dem Herrn wenden, und no
feinem Reich unterwerfen werden.
Der Stein wächst zu einer foldhen Größe, daß er ein
Berg wird, der die ganze Erde ausfüllt; dies bedeutet,
daß fihb nah und nach alle Nationen der Erde
an dDiefen König und fein Reih anſchließen
werdem
Dies mag, in Anfehung der Weiffagungen , die auf das
taufendjährige Reich zielen, genug feyn. Was die zwölf
Heine Propheten davon bemerken, das mag nun der fleißige
Bibelforfcher feldft auffuhen.
Aber es ift auch wohl wahr — kann man ſich feſt da⸗
rauf N: daß alle diefe Weiſſagungen nichts anders
494 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
als das noch zukuͤnftige tauſendjaͤhrige Reich bedeuten? —
koͤnnen ſie nicht auch eine myſtiſche Vorſtellung
des geiſtlichen Reichs Gottes ſeyn —
Liebe Leſer! die Propheten ſagen beſtimmt, daß das ganze
Iſrael, nicht allein Juda und Benjamin, wie nach der ba⸗
bylönifchen Gefangenfchaft — nein! das ganze Sfrael, aus
allen vier Winden gefammelt, werden fich befehren, in fein
"Land ziehen, und dort ein beftändiges glücfeliges und nie
zu befiegendesd Reich aufrichten, und deffen König — Da:
vid — ſeyn foll, zu diefem Reich follen fih dann
auch die Heiden fammeln, und mit Zfrael ein
einziges ewiges Volk Gottes ausmadhen —
Dies ift Das reine, ungezwungene, unverdrehte Wort Got:
tes, fo wie es aus der Propheten Mund gegangen iſt; daß
ünter dem König David Chriſtus verſtanden werde, bedarf
wohl Feiner Erinnerung; er ift ja Davids Sohn.
Wenn aber dieſes Alles fo klar und gewiß iſt, fo. ſolte
man denken, die Lehre vom tauſendjaͤhrigen Reich muͤßte
auch von allen chriſtlichen Religionspartheien als ſymboliſch
angenommen worden ſeyn; welches aber der Fall nicht iſt,
im Gegentheil, man hat fie unter dem Namen Chiliasmus
verkeßert, und ihre Anhänger, die Chiliaften, hicht. für
vechtgläubig angefehen. : Der Grund hievon lag von jeher
in den unrichtigen, und zu finnlichen WVorftellungen „ die
man fich von diefem Reich machte, als ob da alle mögliche
finnliche Vergnügen erlaubt feyen. — Die Folgen. davon
‚ waren , daß man bald bie und da died Neich ſchon anfanz
gen wollte, woher dann argerliche und traurige Folgen ent:
fanden, Indeſſen Fein Mißbrauch und auch BEN. *
ketzerung kann der Wahrheit ſchaden.
Zum Beſchluß dieſes Kapitels will ich noch m Uns
leitung. des prophetifchen Worts, einige Vermuthungen von
der Befchaffenheit diefes Reichs ChHrifti auf Erden mittheilen,
Nach dem Gericht des Antichrifts mir feinen "ganzen
Anhang, und der Einferferung des Satans mit feinen
Engeln, find nun alle Feinde Gottes,“ Chrifti, und der
wahren Ehriften, vollfommen überwunden; jegt ift nun von
Nachtrag zur Siegsgefchichte. 495
der Seite nichtd mehr zu befürchten; allenthalben: ift Friede
und Ruhe! hierauf folgt nun die erfte Auferftehung , an
welcher erftlich die Blutzeugen und dann auch Alle, die
während der letzten großen Verfuchung und heißen Probe,
unter der Herrfchaft des Menfchen der Sünden treu aus⸗
gehalten haben, Theilnehmen, und mit Chrifto re=.
gieren follen. Sn wie fern die lebenden Menfchen etwas
von dieſer Auferſtehung gewahr werden, das koͤnnen wir
nicht wiſſen. Sch vermuthe, daß ihnen die auferſtandenen
Heiligen zu Zeiten erſcheinen und ihnen mit Rath und That
beiſtehen werden, vielleicht beſteht eben darinnen
die Theilnahme ander Regierung. — Der Haupt-
ſitz dieſes Koͤnigreichs wird zu Jeruſalem ſeyn: dieſe Stadt
wird dann wieder herrlich gebaut werden, und das bekehrte
Iſrael wird wieder fein Land.im Segen- bewohnen, doc)
fo, daß auch die Ehriften aus andern. Nationen unter
ihnen, mit, gleichen Rechten wohnen. dürfen; aller Natios
nal = Unterfchied. wird dann aufhören, und alles ein
wirt und eine Heerde feyn.
Daß von da an Jeſus Chriſtus, der. Sohn David, der
ewige unfterbliche König. dieſes Reichs feyn werde, daran
kann man nicht zweifeln; ob Er aber ſinnlich, jedermann
zugänglich, und fichtbar, in Serufalem, in feiner verklärs
ten Menfchheit wohnen, oder. fonft,. ungefähr fo. wie im
alten Teſtament, durch ein ſichtbares Zeichen feiner Gegen
wart, durch eine Schechinnah, den Fragenden Ant⸗
wort geben werde, das koͤnnen wir nicht wiſſen. Zu feinen
Juͤngern ſagte Er am letzten Abend : Er werde hiufort nicht
mehr Wein mit ihnen trinken, bis Dereinft im Reich
ſeines Vaters. Man mag diefe Stelle! nehmen wie
man will, fo ſcheint ſie doch einen ſinnlichen Uyıgang ans
zuzeigen; vielleicht erſcheint Er von Zeit zu Zeit ſeinen
Geliebten perſoͤnlich, und bricht wieder das Brod, und
gibt innen den Kelch der Danukſagung — die oben
angefuͤhrten bedenklichen Worte ſcheinen dahiu zu zielen.
Die Form der Regierungsverfaffung wird eine Theofratie
ſeyn, und und zwar von einer ganz beſondern Art: — denn
496 Nachtrag zus Siegsgeſchichte.
die Religion wird die etwa entſtehenden Streitigkeiten ſchlich⸗
ten, und nicht die Rechtöfunde. In Serufalem wird ein
hoher Rath, ein Collegium angeordnet werden, deſſen Glie—
der vom Herrn felbft gewählt und angeftellt werden; dann
wird es erft recht heißen: von Zion wird das Geſetz aus:
gehen. Bon diefem Ober: Appellationsgericht werden Könige,
Fürften und Regenten ihre Streitigkeiten entfcheiden laſſen,
und fie werden damit zufrieden feyn, und nie MEN?
Krieg führen.
Allenthalben wird das Evangelium wieder rein und lau-
ter geprediget werden, und man wird Feine andere Lehrer
anordnen ald wahre Chriften und wahrhaft apoftolifhe Maͤn⸗
ner; überhaupt wird die Erkenntniß allenthalben fo groß
werden, als fie noch nie gewefen ift; die Erde wird voll
werden vom Licht des Herrn und feiner Klarheit, von ei—
nem Meer zum andern.
Die Hauptfache dieſer theofratifchen Kegierung aber,
wird eine ganz vortreffliche und fehr weislich eingerichtete
Kirhenzucht feyn; diefe ift die wahre Polizei des
Reichs Gottes; jeder Chrift oder Chriftin, vom Kind
an bis zum Greifen, wird unter genauer Auffiht und Lei:
tung fiehen, fo daß niemand einen Schritt unbemerkt thun
Tann, und bier werden vorzüglich die Genoffen der erfien
Auferfiehung, die verflärten Heiligen wirkfam feyn,
Auch) die äußere Natur wird ‚fehr wohlthätig wirken; Die
Luft wird der Gefundheit zuträglicher werden, als fie jeßt
ift, wo noch fo viele ſchaͤdliche Ausduͤnſtungen und böfe
Kräfte in ihr herrſchen; und die Menfchen werden wieder
fehr alt werden. Die Erde wird fehr fruchtbar feyn, von
Mißwachs und Theurung wird man nichts mehr hören.
Es wird Feine Armuth mehr feyn denn man wird Jedem
Mangel alfofort abhelfen.
- Die allenthalben herrſchende Gefinnung wird Feine eitele Mo:
denveränderungen und feinen Lurus mehr dulden, aber ehrbare
Zierlichfeit und Bequemlichkeit wird in allen Familien und Haus⸗
haltungen geliebt und geübt werden. Von raufchenden fihnliz
chen Vergnägungen , die Leidenfchaften und Reize zur Stunde
sege machen, wird man nichts mehr. wiffen. Opern und
Nachtrag zur Siegsgefchichte, 497
Schaufpiele nad) dem gegenwärtigen Gefchmad wird man
gar nicht Fennen, aber es ‚wird an weit erhabenern, die
"Seele zur Andacht flimmenden, und das Herz zu jedem
guten Eindruc fähig machenden Vergnügen gar nicht fehlen,
Mir einem Wort? dieſer taufendjährige große Sabbath,
diefes Reich des Triumphs über alle Feinde
des Herrn und der Menfchen, wird über alle Bes
fihreibung herrlich feyn. }
- Am Abend diefes großen Welttags, diefes Sabbaths ohne
gleichen, alfo zwifchen 2800 und 2856, wird der Satan
wieder loögelaffen werden; nun bat er noch 160 bis 200
Sahr Zeit, fein leßtes Heil zu verfuchen. Set wird er
die entfernteften Nationen befuchen, und fie zum Krieg gegen
dad Neih des Herrn und feine Unterthanen aufregen.
MWahrfcheinlich werden nördliche und nordöftliche Voͤlker una
ter den Namen Gog und Magog verftanden, ich vermuthe,
daß es die nordöftlichen und mongulifchen: Tartaren feyn
werden. — Menfchen, die während einer fo langen glüdfeligen
Zeit nicht zur Erfenntniß gekommen, und Feiner Kultur fähig
geworden find, werden den Einblafungen des Satans Ges
hör geben, und dann wenn bie fiebentaufend Jahre pbllig
abgelaufen find, fo werden fie mit einer ungeheuern Macht
das gelobte Laud überziehen, aber auch da alle ihr Grab
finden; man leſe hierüber Ezechiel 58 und 539., deögleichen
Off. Job. 20.0. 8 9.
Dies ift nun auf ewig der letzte Verfuch des Satan
gegen Chriftum und fein Reich; jet wird er auch auf im⸗
mer zum Feuerfee verdammt. . Hierauf erfolgt nun die Erz
ſcheinung des Weltrichters in den Wolken zum allgemeinen
% jüngften Gericht. Ale Todten werden nun auferwedt, und
- ‚aller. Menfchen ewiges Schiefal wird entfchieden. Auch
mit unferer Erde, vieleicht auch mit dem ganzen Sonnen
yſtem geht eine Veränderung vor; die Erde wird durchs
Feuer geläutert und verflärt werden, und diefe neue Erde
nebſt ihrem neuen Himmel wird dann die ewige Wohnung
der Seligen feyn, f
*
Suning's ſauumti. Schriften. II. Band, 32
498 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
/
Das vierte Kapitel,
Genauere Unterfuhung der Frage, ob und wie die Apo⸗
calypfe in der nahen Zukunft, ganz eigentlidy, umd
gleihfam buchftäblich, werde erfüllt werden?
Sch habe zwar im erfteri Kapitel diefes Nachtrags ſchon
vorläufig und durch Beifpiele gezeigt, daß die Weiſſagun⸗
gen, welche ins Große und Ganze des Reichs Gottes gehen,
oͤfters, immer Elarer, und am Ende ganz vollftändig erfüllt
würden; ich hab auch da fchon diefen Sat auf die Offen:
barung Sohannis angewendet, allein ich finde ed doch nöthig
und nüßlich, hier noch einige nähere und beftimmtere Bes
tradjtungen darüber anzuftellen.
Zwei fehr würdige, gelehrte und fromme Theologen,
welche beide noch leben, behaupten in ihren Schriften, daß
die Erfüllung der apdcalyptifhen Weifagung noch) ganz zus
Fünftig und bis dahin wenig oder gar nichtd davon erfüllt
fey: Wir wollen diefe Behauptung genau prüfen, und da=
bei uüipartheiifch zu Werk gehen; die Wahrheit ift mir theuer
und werth, irre ich, fo geftehe ich es gerne und dffentlih,
und widerrufe meinen Irrthum, damit niemand getaͤuſcht
werden moͤge. Sch bitte, folgende Saͤtze genauzu
prüfen und wohl zu beherzigen.
Es gibt hin und wieder Stellen im prophetifhen Wort,
die auf allerhand Vorfälle angewendet werden koͤnnen, obs
gleich ihre völlige und eigentliche Erfüllung mit jenen Vor-
fällen gar nichts zu thun hat; indeffen da fie auch auf ge:
genwärtigen Fall paflen, fo bedient man fich ihrer ohne
Schaden und zur Befräftigung der Sache; man nennt dies
Tr ———
2 E — — -
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 499
fen Gebrauch biblifcher Sprüche eine Accomodation
derfelben.
- Die biblifhen Schriftfteller des neuen Teftaments, befon-
ders die Eoangeliften, und zu Zeiten auch die Apoftel bes
dienen fich hin-und wieder diefer Accomodation, und zwar
mit Nugen? denn das jüdifche Volk hatte eine ganz vorzügs
liche Ehrfurcht, und das mit Necht, gegen feine heiligen
Schriften; was daralis bewiefen oder damit befräftiget wers
den konnte, dad wurde geglaubt: Ich will einige Beifpiele
einer ſolchen Accomodation anführen: |
Matthäus wendet diefe Stelle Hofes 11. v. 1. Auf Chri—⸗
ftum an; als Joſeph und Maria mit Ihm nach Egypten
flohen, und dann wieder zutüc berufen wurden, Matth. 2.
v. 15 bis 15. und doch hat dort der Prophet hur die Abe
ficht zu äeigen, wie undankbar iind ungehorfam das Wolf
Iſrael fih gegen feinen Bott und Vater betragen habe.
Dies Beifpiel zeigt alfo deutlich den Unterfchied zwiſchen
der eigentlichen Erfüllung einer Weiffagung, und einer Accos
mobation; bei jener paßt das Ganze auf den vor-
liegenden Fall, bei diefer aber nur eih Theil.
Aus allem, was dort Hofen fagt, paßt nichts auf Chris
ſtum, ald nur blos die Worte: Ich rief meinen Sohn aus
Egypten. Chriftus war aber Fein ungehorfamer
Sohn.
Ein anderes DBeifpiel finden wir bei dem Bethlehemitifchen
Kindermord, wo der Evangelift den Spruch aus dem Pros
pheten Jeremia Kap: 51. v. 15. anführt: man hört eine
Fäglihe Stimme, ein bitteres Weinen auf der Höhe, Rahel
beweinet ihre Kinder u. f. w. Daß der Geift der Weif-
ſagung in diefem Kapitel nicht jenen Kindermord, fondern
die derdinflige noch zukünftige Bekehrung und Ruͤckkehr
Iſraels in fein Vaterland im Auge. habe, das zeigt der
ganze Inhalt. Wenn die Noch diefes Volks aufs Höchfte
geſtiegen it, und Rahel dann alle ihre Kinder be
weint, und glaubt, es fey aus mit ihnen, dann
ift eben ihte Rettung Am nächften.
Noch ein Exempel finden wir Matth. 13. v. 34., wo der
Ban,
500 Nachtrag zur Siegsgefchichte,
Eovangelift die Stelle aus dem 78ſten Pfalm v. 1. und 2;
auf Chriftnm anwendet, um damit feine Lehrart in Gleiche
niffen zu befräftigen; Aſſaph fpricht aber da von fi
felbft, daß er feinen Mund wolle aufthun in Sprüchen,
und alte Gefchichten erzählen: - Aus dieſen drei Beifpielen
kann man hinlaͤnglich erfennen, was eine Necomodation tft,
und wie fie fih von der wahren Erfüllung einer Weiffagung
unterfcheidet. Man muß aber daraus ja nicht fehließen, daß
alsdann die Evangeliften geirrt hätten, indem fie die Weif-
fagung unrichtig erklärten oder anwendeten — keinesweges!
die Evangeliften waren erleuchtete und bibel
fundige Männer, fie wußten fehr wohl, daß die Ans -
führung diefer Sprüche ihre volle Bedeutung nicht erfchöpfte,
auch) daß fie im Grund auf etwas Anders zielten, fie wollten
nur mit ihrem — Auf daß erfüllet würde — ſagen: dieſer
Sprud paßt auch hieher, auch hier wird er erfuͤllet; dage—
gen führten fie auch Weiffagungen an, die wirklid) nad) dem
Sinn des Geiftes der Weiffagung durch das erfüllet wurden,
was fie ald erfüllt anzeigten. 3. B. Matth. 1. ©. 22,
und 25: Siehe eine Jungfrau wird ſchwanger werden, und
einen Sohn gebaren, aus Sefaid 7. v. 14. Ferner Matth. 2.
v. 6: Und du Berhlehem im jüdifchen Lande bift mit nichten
die Kleinfte, aus Micha 5. v. 1. desgleichen auch Matth. 5.
v.3: Es’ift eine Stimme eines Predigers’ in der Wuͤſten:
bereitet dem Herrn den’ Weg u. ſ. w. aus Jeſaiaͤ 40. v. 3.
Diefe Stellen wurden wirklich da erfüllt, wohin fie der Vers
faſſer als wirfli erfüllt anweist. Died bemerfe ih nur,
um den Unterfchied‘ zwifchen einer Accomodation, und wah⸗
ren eigentlichen Erfüllung anzuzeigen; wenn man in einer
geiftlichen Rede einen Spruch aus der Bibel citirt, der das
beweist, wad er beweifen foll, aber in dem Zufammenhang,
worinnen er mit dem Vorhergehenden und Nachfolgenden
fteht, eine andere Bedeutung hat, fo ift das auch e eine Art
von Accomodation.
Es gibt aber auch Weiſſagungen, die mehrmals, und auf
verſchiedene Weiſe erfüllt werden; von dieſen habe ich vors
züglih im erften Kapitel diefes Nachtrags gehandelt, und
— 7 N nn Man tn. „ne ge =
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 501
verſchiedene Beiſpiele davon angeführt: Hierher gehoͤren alle
Weiſſagungen von endlichen und entſcheidenden Gerichten über
ein Volk, Staat, oder Königreih; alle Weiffagungen, die
auf die Erldfung des menfchlihen Geſchlechts durch Chris
ftum, und auf die Glüdfeligkeit der Erlösten am Ende der
Tage abzielen; Eur; Alle, die aufs Große und
Ganze gehen.
Diefe mannigfaltige Erfüllung hat aber auch ihren Grund,
ed Fann nicht anders ſeyn; Gott, oder Jeſus Chriftus als
Meltregent, regiert nach unveränderlichen Gefegem, feine
Megierungd» Marimen find fih immer gleid.
Eben fo hat auch das menschliche Verderben immer einerlei
Hauptquele, Selbftfucht und finnliche Luft, Alle Völker:
reiche und Staaten gerathen alfo gegen das Ende in ähnliche
Laſter und in’ einen ähnlichen Verfall, folglih haben auch
alle göttlichen Finalgerichte etwas Aehnliches miteinander,
auffer vem Unterfcheidenden der individuellen
Umftände
Es ift alfo auch ganz natürlich, daß die Weiffagungen,
welche folche Gerichte ankündigen, ſich alle ähnlich find, folg:
lich auch auf alle angewendet werden koͤnnen; fo fand der
felige Herder eine Aehnlichkeit zwifchen den apocalyptifchen
MWeiffagungen und’ der legten Zerftorung Serufalems, und
in feinem Buch Maranatha hat er fie auch darauf angewandt,
Heinrich Horch fuchte das Hauptmoment der Erfüllung im
Mohamedanismus und im türkifchen Reich. Zu meiner Ju⸗
gend hab ich ein Buch gelefen, welches vor etwas mehr als
hundert Jahren herausgefommen ift, in welchem der Verfafz
fer gründlich beweifen wollte, daß Ludwig der 14te König
non Frankreich der Menſch der Sünden, der Antichrift fey
denn im Namen Ludovieus liegt die Zahl 666. Er firebte
nach der allgemeinen Monarchie, er verfolgte die Proteftans _
ten oder Hugenotten, u. f. w., allein an die Hauptkennzeis
hen, an das Mahlzeichen des Thiers, an den falfchen Pros
pheten, der ihm in die Hand arbeitet, und an die gänzliche
Verläugnung der. hriftlihen Religion hatte entweder der
gute Mann nicht gedacht, oder die Weiffagungen unrichtig
So
502 Nachtrag zur Siegsgeſchichte. |
und gezwungen angewendet. Diefes find nun eigentliche,
aber falfche Accomodatipnen, welche fehr gefährliche
Solgen haben fünnen, 3, 3, während dem Anfang
der franzoͤſiſchen Revolution mußte jeder ‚ der nicht Gefahr
laufen wollte, ermordet und mißhandelt zu werden, die rothe
Kappe und die dreifarbige Kogarde tragen. — Diele fahen
dies für das Mahlzeichen des Thiers an, und nun applicirte
und accomodirte man, und machte die franzdfifhe Republik
zum Thier aus dem Abgrund; ich wurde Damals oft gefragt,
und ich hatte genug zu thun, um zu beweifen, daß eine ganze
Republik, Fein einzelner Menfch der Sünde, und daß ein
Zeichen, mit welchem die VBerläugnung Chrifti und feiner
Religion nicht verbunden wäre, unmoͤglich das Mahlzeichen
des Thiers ſeyn koͤnnte. Dieſe ——— waren es
eben, die mich veranlaßten, die Siegsgeſchichte
zu ſchreiben,
Dem allein zufolge gibt es wahre: und falfhe Accomoda⸗
tionen; jene find folche, Die der allwifjende Geift der Weiſ⸗
fagung mit im Auge gehabt hat, Die alfo mit zur Erfüllung
gehören; die ſe aber werden um der einen oder andern Aehn⸗
lichkeit wien, blos von Menfchen erfunden, und find immer
gefährlich ; theils weil dadurch lieblofe Urtheile über Mens
ſchen gefällt werden, theils auch, weil fie den wahren Ge:
ſichtspunkt der Weiffagung verrücen,
Allein wie finden wir nun die wahren, wie
vermeiden wir die falfhen Accomodationen,
und wie treffen wir den eigentlichen a
punkt der Weiffagungen?
Eine wahre Accomodation ift, wenn eine Weiſ⸗
ſagung auf einen Gegenſtand ſo angewendet wird, daß da⸗
durch der Hauptmoment der Erfuͤllung nicht aus den Augen
geruͤckt wird, und ſich in dem Gegenſtand ſelbſt nichts findet,
das der Weiſſagung widerſpricht. So haben von jeher viele
wuͤrdige und erleuchtete Maͤnner das roͤmiſche Pabſtthum fuͤr
das Thier aus dem Meer erklärt; allein fie haben den Bes
griff wicht genau genug ausgezeichnet, und, Alles, was nicht
— — —
J ———
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 805
dahin gehört, nicht rein genug abgeſchieden: Man bemerke
folgendes wohl;
Nicht alle Monarchien werden in den Weiſſagungen durch
reißende und ſchreckliche Thiere vorgeſtellt, ſondern nur die
vier Hauptreiche, welche
1) Nach der allgemeinen Weltregierung ſtrebten, und
2) Die, den wahren Gott verehrende Völker, Sfraeliten
und Ehriften beherrfchten und verfolgten; folglich die baby⸗—
lonifche, perfifhe und römifhe Monarchien.
Das heidnifcherdmifche Reich hatte immer den Plan, die
ganze Welt zu erobern und zu beherrfchen, und Juden und
Ehriften zu druͤcken und zu vertilgen; hingegen die chriftlis
chen römifchen Kaifer Famen weder im Drient noch im Occi⸗
dent dazu, ſich die Ausführung eines folchen Plans einfallen
zu laſſen; fie hatten am Ende genug mit dem Schuß deſſen
zu thun, was fie wirklich befaßen; daß aber die römifchen
Biſchoͤffe erft die allgemeine geiftliche Gewalt errungen, und
vermdg dieſer nun auch die Herrfchaft über die hriftlichen
Regenten ausübten, das ift unläugbare Thatfache; und daß
fie auch) fehr viele wahre Chriften unter dem Ketzernamen
verfolgten und ſchrecklich marterten und martern ließen, das
Tann Fein Menſch, nicht einmal ein rechtfchaffener Katholif
läugnen; wenn man nun alfo die Weiffagungen in:der Apo⸗
calypfe, Kap. 15. und vorzüglich Kap. 17. Dagegen hält,
ſo kann man nicht umhin, man muß eine große und bedeus
tende Aehnlichkeit finden, man fieht augenfcheinlih, daß
der Geift der Weiffagung auf diefe geiftlihs
weltlihde Macht gezielt bat, indefien muß man fol:
gende Hauptpunfte wohl bemerken.
Der Character ald allgemeiner Bifhof, als Pabſt, trägt
‚nichts zur Thiers= Eigenfchaft bei; es hat Päbfte geges
ben, die gewiß nit zum Thier aus dem Meer
gehören — eben ſo wenig ald der rechtfchaffene fromme
Katholik zur babylonifchen Hure, und der wahre Chriſt uns
ter den Proteftanten zum Laodicen unferer Zeit gehört. Nur
allein die Politik des roͤmiſchen Hofs, die allges
meine weltliche Herrſchaft mit der allgemeinen geiftlichen
50% Nachtrag zur Siegsgefhichte
Macht zu vereinigen, und fo an Gottes Statt die Menfchs
heit zu regieren, nur dieſe Tendenz ift dad Thier aus
dem Meer; wer diefe Tendenz nicht hat, fey er Pabft,
Kardinal oder Bifchof, der gehört auch nicht zu diefem hier.
Hieraus folgt nun eine fehr wichtige Bemer—
fung: Wenn in Zukunft eine Macht entfteht, in welcher
ein Monarch bericht, der die allgemeine Weltherrfchaft an
fih reißt, auc die geiftliche Macht zu dem Zweck mit der
weltlichen verbindet, um die chriftliche Religion zu vertils
gen, — dieſer Zweck mag nun mit Lift oder mit Gewalt
ausgeführt werden, — fo ift die ſe Macht das näms
lihe Thier, das ehmals in Rom herrſchte, nur
Daß es nunnicht mehr das Thier aus dem Meer,
fondern das Thier aud dem Abgrund ift, weil
ed dur den Öeift des Abfalls geleitet wird.
Diefe Macht ift aber feinesweges an Rom, oder an den
roͤmiſchen Hof, gebunden, fondern jede Andere, Fatholifche
oder proteflantifche, fobald fie jene Politif annimmt und
ausführt, fobald ift fie das Thier aus dem Abgrund; und
eben fo wenig ift dann die babylonifche Hure die verdorbene
römifche Kirche allein, fondern die ganze, durch den Abfall
abgewichene Ehriftenheit, gehört dann zu diefer Ehebrecherin.
Jetzt kommt e8 nun auf die gründliche Erörterung der
Frage an, ob die Anwendung der MWeiffagung von dem
Thier aus dem Meer auf die roͤmiſche Politik eine ſchrift—
mäffige Accomodation, oder eine vollftändige
Schlußerfüllung ſey? Man kann überhaupt fragen:
find die Anwendungen der apocalyptifchen Weiffagung auf
die Kirchengefchichte, fo wie fie von mir in der Giegöges
ſchichte/ und Bon Andern vor mir gefchehen find, bloße
Accomodationen, fo daß die wahre Erfüllung
noch zukünftig iſt, oder ift diefe ſchon ganz 9* zum
Theil’ vorüber?
Daß die Weiffagungen, welche mit der — der
ſechs Siegel verbunden ſind, durch die goͤttlichen Gerichte
uͤber das Heidenthum, vollſtaͤndig erfuͤllt worden,
das glaube ich mit Zuverlaͤßigkeit, — da aber in jedem end⸗
—*
m
Nachtrag zur Siegsgeſchiche. - 505 |
fichen Gericht über eine Nation, die furchtbaren Reiter des
Kriegs, des Hungerd und, der verheerenden Seuchen, und
nicht weniger auch der Ueberwinder auf dem weißen Pferd
gefchäftigt find, fo wird man ſchon diefe erften apofalyptis
ſchen Weiffagungen in der nahen Zukunft wieder fehr bequem
auf.die Zeitgefchichte appliciven koͤnnen; infofern ift alfo dieſe
MWeiffagung noch immerhin anwendbar.
Eben fo fcheinen mir auch die prophetifchen Bilder, uns
ter den ſechs erften Pofaunen, durch das Gericht über das
morgenländifche Kaiſerthum, und die griechifche Kirche, ganz
vollender erfüllt zu feyn, — man lefe meine Erflär
rung in der Siegögefchichte aufmerffam und ohne Vorurtheil,
ſo wird man mir beiftimmen: denn man findet da nichts
Gezwungenes, mit den Haaren Herbeigezogened, fondern
Alles ſchließt fich ungezwungen und fchriftmäßig an einans
der an, Deswegen fann ich mir.auch nicht wohl vorftellen,
daß alle diefe mannigfaltigen Bilder noch einmal fo pafjend
angewendet werden können. Der Inhalt des 10ten und I1ten
Kapiteld, von der Rede der fieben Donner, vom Tempel⸗
meffen und von den zween Zeugen ift durchaus noch zukünftig,
bald wirdaberauch dies Siegelgebrochen werden.
Die große und erhabene Hieroglyphe vom Sonnenweibe
hab ich in der Siegsgeſchichte auf die maͤhriſche Kirche, und
nunmehrige Bruͤdergemeine angewendet, und ungeachtet alles
Kopfſchuͤttelns daruͤber — welches nicht immer eine reine
Quelle hat, bleibe ich auch vier Jahre nach dieſer
Erklaͤrung in der Siegsgeſchichte, noch immer
bei meinem Bekenntuiß. Wenn auch diefe Deutung
eine Accomodation feyn follte, fo ift fie doch wahr und fchrifts
mäßig. So viel kann ich aber die gute und liebe Matrone
serfihern, daß fie noch einmal in fchwere Geburtöndthen
fommen, und für Angft des Herzens laut fchreien wird.
Die Weiffagung über fie, Off. Joh. 12. wird nun bald
förmlich und ernftlih in allen Ecken und Enden an ihr er⸗
füllt werden; da werden dann auch wohl die Jungs .
frauen, die fein. Del auf ihren Lampen haben,
ihren tranrigen Abſchied befommen,
506 Nachtrag zur Siegsgefchichte,
Nun folgt im 18. Kapitel die Befchreibung de 8 geheim
nißvollen Thiers aus dem Meer, und des ans
dern Thiers aus der Erden; im 17ten lernt man
erft einigermaßen dies furchtbare Bild Fennen und verftehen,
man fieht da, daß das chriftlihe Rom und deffen Reich dadurch
abgebildet wird, allein man fieht auch, daß jet diefe Weif-
fagung nod) lange nicht, erfchdpft iſt; und es ift fehr wahr:
fcheinlich, daß in der nahen Zukunft noch ein Thier aus
dem Meer auffteigen wird, das ind Seyn und Nichtfeyn
geräth, und dann aus dem Abgrund auffteigt; allein ich
bitte, fo fehr ich, bitten Tann, behutfam im Urtheilen zu
ſeyn, dadurch Fann man fic) ſchrecklich verfündigen — wenn .
' man aud) hier oder da die Eine pder die andere Aehnlichkeit
mit den prophetifchen Bildern findet, fo muß man nicht alfoe
fort accomodiren wollen. — Liebe Chriften! feyd ruhig,
wandelt vor Gott, wachet und betet, ſeyd jeher Obrigkeit
gehorſam, und wenn Euch etwas befohlen wird, das
Eurem Gewiſſen zuwider iſt, ſo thut unterthaͤnige und ge⸗
ziemende Vorſtellung, und wenn das nicht hilft, ſo wandert
aus. Der Herr wird mit Euch ſeyn, und koͤnnt Ihr das
nicht, ſo duldet Alles, Gott wird Euch Kraft geben, aber
empdrt Euch in keinem Fall! — Chriſten koͤn—
nen und ſollen nie anders uͤberwinden, als
Durch Lieben und Leiden, Dulden und Hoffen
Auf den Gang der Dinge im der Welt Fonnen und follen
wir anfmerkjam feyn; und wenn wir dann fehen, wie die
Weiſſagungen ſo puͤnktlich und ſo herrlich erfuͤllt werden,
ſo preiſen wir Gott in der Stille, befeſtigen uns im Glau⸗
ben, und freuen uns der nahen Erlöfung; aber wir ſollen
nicht öffentlid) davon reden, und noch pielweniger durch
Schriften das Thier und den Menfchen der Sünden anzeiz
gen wollen; denn man Fann fich irren, Andere in Irrthum
verleiten, und fi ohne Noth aus eigener Schuld in ein
großes Ungluͤck flürzen. Das Kind des Verderbend
wird fih durch feine unverfennbaren Zeichen
ſchon kenntlich madhen, und darauf zu merfen,
if eine Hauptpflicht der Chriſten unfererzeit;
a > Ami ie
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 507
eben darum habe ich biefe zeichen fchon im vorhergehenden
aufs Genauſte beſtimmt, damit man wiſſen moͤge, was in
der Zeit der Noth zu wiſſen noͤthig iſt; und endlich} wird
der Herr dann auch zu rechter Zeit einen Mann, oder
auh Männer erwecken, die feinem getreuen Volk fagen
werden, was fie thun foflen,
Der bei weitem größte Theil deffen, was nun vom 14ten
Kapitel bis zum Beſchluß der Apocalypfe noch geweifjage -
wird, ift jet noch zufüuftig; wie und was ich davon auf
unfre gegenwärtige und die naͤchſt verfloffene Zeit applicirt
und accomodirt habe, das finder man in der Siegögefchichte ;
bei reiferer Weberlegung finde ich aber, daß noch dad Eine
und Andere genauer berichtiget und beftimmt werden muß,
welches dann nun auch in den folgenden Kapiteln unter Got⸗
tes Beiftand gefchehen fol,
Aus diefem Allem folgt nun
1) Daß der bei weitem größte und wichtigfte Theil der
apocalyptifchen Weiffagungen noch nicht erfüllt fey, aber
nunmehr in einem Furzen Zeitraum, und bald
werde erfüllt werden,
2 Daß auch Vieles ſchon dur) wahre und richtige
Accomodationen erfüllet worden, was nun noch
ſchließlich und volftändig erfüllt werden muß, und
3) Daß auch ſchon verfchiedenes ſchließlich und vollftändig
‚ erfüllt worden, weldes demungeachtet in der Zukunft wies
‚der mit Nugen auf die Zeitumftände angewendet und accos
modirt werden Fann,
—
**
608 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Das fünfte Kapitel
Nähere Unterfachung der Frage, wer durch Die drei En⸗
gel vorgebildet werde, von denen Off. Joh. 44. v. 6—
12 geredet wird.
Nachdem der heilige Seher Johannis im 15ten Kapitel
die furchtbare Macht befchrieben hat, welche gegen das Reich
Ehrifti Fampfen würde, fo wird ihm nun auch im 14ten bie
Heerſchaar des Lamms auf dem Berge Zion gezeigt, er fieht
Die 144,000 Berfiegelte, und hört dann den Triumph und
Siegögefang aller himmlifchen Heere. S. Siegsgeſchichte,
die Erflärung diefes Kapitel. Das Lamm hat gefiegt,
fiegt, und wird auch über alle Mächte fiegen,
fie mögen fo furchtbar feyn, wie fie wollen. '
Die zwölfmal zwölftaufend, nämlich die 144,000 Berfiee
gelte, von welchen im 7ten Kapitel geredet wird, machen
bie Stammgemeinde, die Aetivbürgerfhaft des neuen Fer
ruſalems aus, an dieſe ſchließen ſich nun alle wahre Chri—⸗
ſten an, welche durch das ewige Evangelium von Jeſu
Chriſto bis ans Ende der Tage werden genommen werden.
Der Zeitpunkt, in welchem Johannes das Lamm mit ſei⸗
ner Schaar auf dem Berg Zion fieht, ſchickt fich fehr gut
auf die Zeit der Reformation: Die himmlifche Heerfchaar
‚befingt den Sieg, den das Lamm durch) das ewige Evans
gelium davon tragen wird; und nun fieht der Apoftel einen
Engel mitten durch den Himmel fliegen, der ein ewiges
Evangelium hat, vermög welches Er denen, die auf
der Erde fißen, und auf Licht und Hülfe harren, dann als
Ien Nationen, Gefchlechtern, Sprachen und Völkern mit
flarfer Stimme zuruft:
Fuͤrchtet Gott, und gebt Ihm Ehre! denn
— u:
a N 5 hzun 2 are
F
> N
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 509
die Stunde feines Gerichts ift gekommen; und
betet den an, der den Himmel und die Erde,
und das Meer und die Waſſerquellen gemacht
hat.
Ich hab in der Siegsgeſchichte unter diefem Engel den
feligen Doetor Luther verftanden, und ich finde auch noch
feinen Grund, von diefer Accomodation abzugehen; indeſſen
ift mir aber doch während der Zeit ein helleres Licht über
dieſen Gegenftand aufgegangen, vermög deffen ich nun meis
nen Lefern jene Idee näher berichtigen und entwideln will,
So viel ift einmal gewiß, daß dies Geficht des Lammd
auf dem Berge Zion, feiner Heerfchaar, und der drei aufs
einander folgenden Engel, den frommen Schriftforſcher, über
die Gefahren, welche die furchtbaren Thiere drohen, beruhi—
gen foll; nun ift aber merfwüärdig, daß diefer Troft .
auf dem ewigen Evangelio beruht, das ein Engel
bringt — folglih muß in diefem Evangelio die Kraft lie
gen, jene Mächte zu befiegen — und wie wär das möglich,
wenn diefe nicht eben darinnen ihre Feindſeligkeit zeigten,
daß fie die wahre chriftliche Religion befämpften? — Dies
gefchahe num vorzüglich von den Zeiten des Pabſtes Gregors
' des 7ten an, bis auf die Zeit der Reformation, und nachher
noch bis tief ins achtzehnte Jahrhundert hinein. — Nun
entftand die Nichtreligion des Unglaubens , und ihr Gefolge
war, wahre und falfche Aufklärung, Gleichgiltigkeit Cindiffe-
rentismus), wahre und falfche Toleranz, Herrfchaft der
Vernunft über Bibel und Chriftus > Religion, immer fteis
gender Lurus und Sittenverderbniß; und nun aus dem
allem der Abfall. War alfo das ewige Evangelium
eine fiegende Waffe gegen den Aberglauben, fo hat es auch
die nämliche Kraft gegen den Unglauben; auch diefen kaun |
—
und wird es uͤberwinden, und alſo ſeinen Namen ewig, im⸗
merwährend herrlich behaupten.
Luther hat die, beinahe in Vergefienheit gerathene, und
allein das ewige Evangelium enthaltende, Bibel, durch
feine Ueberſetzung wieder allgemein gemacht, er iſt alſo un⸗
verkennbar dieſer erſte Engel; allein nun muͤſſen wir auch
510 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Alle, die in ihren Schriften nichtd Anders ald died ewige
Evangelium, das tft! den wahren Glauben an Zefum Chris
flum und feine Erlöfungss Anftalten lehren, und auf Sins
nesänderung und Belehrung dringen, zur fortfchallenden
Stimme diefes erften Engels erklären — Feiner von ihnen
kann daher dei Zweite, noch vielideniger der dritte feyn, alfo
weder Johann Arndt, noch Spener, noch Franke find der
zweite Engel; fondern nur die noch immerfort ausrufende
Stimme des Erſten: Denn ber zweite Engel muß auf etwas
Neues aufmerffam machen: und dies geſchieht auch, denn
Er ſpricht:
Sie iſt gefallen! Sie iſt gefallen! Babylon
Die größe Stadt; denn fie hat mit dem Bein
ihrer Hurerei getränfet alle Heiden.
Dei dieſem zweiten Engel bitte ” zwei Hauptftüde wohl
zu bemerken:
1) Der Engel ſpricht, ruft Aus, daß es jedermann
hoͤrt, — denn ſonſt waͤr ja ſein Sprechen unnuͤtz — folg⸗
lich muß man in der Geſchichte einen Zeitpunkt angeben koͤn⸗
nen, in welchem diefe Stimme fo allgemein und fo laut er:
fchollen ift, daß fie in.der ganzen Chriſtenheit gehört werden
fonnte ;.und auch wirklich Bon Allen, die Ohren zum Hören
hatten, gehört wurde; kann man einen ſolchen Zeitpunft von
der Reformation an bis daher hicht finden, fo hat der Engel
aud) noch nicht gerufen, Sch glaube aber, daß wir ihn leicht
ausfindig machen koͤnnen, wie ſich jeßt gleich Zeigen wird;
und 2) muß diefe Engelöftimme durchaus, ohne Zwang und
beffimmt, Rom und feine herrfhfüdhtige Politik
in Anſpruch nehmen, und ihren Fall ankündigen. Jede
‘andere, die das nicht ausfchließlidy thut, fid) dad nicht zum ,
Hauptgeihäfte macht, ift die Stimme des zweiten Engels nicht.
Diefe zwei unbeftreitbare Charaktere diefer Weiffagung fol:
len uns nun in Aufſuchung der Erfüllung zu Führern dienen.
Ich habe in der Siegögefchichte den befannten Jakob Böhm, \
für diefen Engel erklaͤrt; aber bei reiferem Nachdenken und
mehreren Licht in diefer Sache, finde ich doch die Accomos
dation nicht volftäntdig genug : Denn fo mächtig aud) Böhm —
Nachtrag zur Siegsgefhichte, 651
vorzüglih in Geheim — gewirkt hat, und jegt noch in
‚ Rußland, Schweden, Dänemark, Zeutfhland, Holland;
England, und befonders in Frankreich fortwirkt, fo
kann ich ihn doc um deöwillen nicht mehr für diefen Engel
halten, weil doch bei allen feinen Ankündigungen des nahen
Falls der großen Babel, diefe Ankündigungen nicht Haupte,
fondern Nebenzwed feiner Schriften find; er lehrt Theo—
fophie — das ift: die Philofophie des Himmeld und des
Geifterreichd, und verbindet fie ganz orthodor mit unferm
ächtevangelifchen Lehrbegriff; dies ift das Thema aller feiner
Schriften, deren Wirkung auch jenem Zweck entfpricht, aber,
die Gemüther nicht ganz befonderd und vorzüglich auf den
Fall Babels aufmerkfam macht, welches durchaus gefchehen
müßte, wenn der zweite Engel, oder fein Repraͤſentant wäre.
Mir wollen alfo nur die Gefchichte des fiebenzehnten und
achtzehnten Jahrhunderts WEDER / und da werden wir
bald finden, was wir fuchen. ’
Gleich nach Jakob Bohms Tod, oder ſchon vor demfelben
fing der dreißigjährige Krieg an, und im legten Viertel des
fiebenzehnten Jahrhunderts Ludwig der 14te in Frankreich ;
während diefem ganzen Zeitraum finde ich feinen Schrifrftels-
ler, der ſich die Ankündigung des Falls der allgemeinen
Oberherrſchaft des tömifchen Hofs zum Hauptgeſchaͤft gemacht
hätte. — Spener, Franke, Gottfried Arnold, die unmittels
bar auf Franke folgende Halliſche Theologen, und fehr viele
andere mehr — befonders auch Zinzendorf und feine Gehüls
fen, hatten Feine andere Abſicht, als das wahre praftifche
Chriſtenthum, welches allenthalben fehr in Verfall geratheri
war, wieder bherzuftellen! denn in der Evaugeliſch-Lutheri⸗
ſchen Kirche blieb man bei dem nakten ind unfruchtbaren
hiftorifchen Glauben, und in der Evangelifch: Reförmirten
Kirche ſpekulirte man über Nebenſachen, predigte den Glaus
. ben, der durch die Liebe thätig ift, und blieb dann unthäs
tig; nebenher gab es dann noch Sekten und Schwärnier aller
Art, die mit dem wahren Chriftentyum allerhand phanta⸗
ſtiſche Vorftelungen verbanden, folgli waren jene Männer
fehr wohlthätige Werkzeuge in der Hand des Herrn, aber
—
512 Nachtrag zur Siegsgefhichte.-
feiner von ihnen wär der Herold, der ben Salt.
Babels anfündigte.
Indeſſen gingen in der erften Hälfte des achtzehnten
Sahrhunderts in Beziehung auf Rom, fehr wichtige Dinge
port. — alle Fatholifche Mächte fingen an, der Allgewalt
des Pabſtes Einhalt zu thun, und fich ihrer von Gott vers
liehenen Rechte zu bedienen; die Bannftrahlen des Vati⸗
fans halfen nicht mehr, fie blieben ohne Wirkung, und
ohne diefe kann der römifche Hof nichts ausrichten; auf
diefe Weife verloren alfo die Päbfte ein angemaßtes Vor—
recht nach dem andern; nun trat Juſtinus Febroniuß
auf, und behauptete in feinen Schriften, daß der Pabft
allerdings das allgemeine geiftlihe Oberhaupt der Fatholie
fhen Kirche, aber auch nichts weiter feye, folglich ſich
auffer feinem eigenen Staat, in die weltlichen Verhältniffe
anderer Regenten nicht mifchen dürfe u. ſ. w. Dies dffnete
nun den Fatholifchen Negenten die Augen noch mehr. End:
ih Fam aud Voltaire mit feinen Helfern hinzu, diefe
machten nun vollends, nicht blos die Fatholifche, fondern
alle chriftliche Religionen zu einem vernunftwidrigen. Aber:
glauben, und legten den Grund zu dem großen Abfall, in .
welchem wir jeßt leben. j
Den Hauptftoß befam aber der rdmifhe Stuhl durch
drei Minifter, welde im Anfang der zweiten Hälfte des
achtzehnten Jahrhunderts in der Fatholifchen Welt gleich
ſam das Ruder führten, felbft aber nichts weniger als Fatholifch
waren, ob fie gleich fo hießen; diefe waren der Marquis
von Pombal in Liffabon, der Herzog von Choifenil in Ver:
failles, und der Fürft von Kaunig in Wien: diefe verur⸗
ſachten die Aufhebung des Jeſuiterordens, und bewirkten
dadurch den Fall der paͤbſtlichen Gewalt, der dann durch
die bekannten raſchen Unternehmungen des Kaiſer Joſephs
des zweiten noch härter und noch mehr beſchleunigt wurde,
Mie weit aber die Demüthigung des römifhen Hofs ges
gangen, und wie tief das allgemeine Oberhaupt der Fathos
liſchen Chriftenheit gefunfen ift, das haben wir während
der franzöfifchen Revolution erfahren,
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 515
Alſo, Babylon iſt gefallen; die Vollendung dieſes
Falls iſt aber noch zukuͤnftig.
Wer hat nun dieſen Fall angefündigt? —
Es iſt aͤußerſt merfwürdig, daß von 1725 bis 1755, alfo
bis zum Anfang des fiebenjährigen Kriegs, allenthalben,
in allen proteftantifchen Provinzen Teutſchlands, nicht wenis
ger auch in Schweden, Dänemark und in Amerika, Erwe⸗
ungen entftanden, durch welche viele taufend Menfchen
zur Sinnesänderung und zum wahren thätigen Chriſtenthum
geleitet wurden. Die Werkzeuge dazu waren nebft dem oben
angeführten Grafen von Zinzendorf, Friedrich Rock, Hoch
mann, die Verfaffer der Berlenburger Bibel, und noch
\ andere mehr. In dem nämlichen Zeitraum kamen aud) Pes-
terfend und feiner Frauen Schriften über die Offenbarung
Sohannis zum Vorfchein. Die Werke der Engländerin Jos
hanna Leade, "und ihres Landsmanns por Dage wurden ins
Deutfche überfeßt, auch „der flüchtige Pater‘ ſchlich von Haus
zu Haus, und wurde allgemein von den Erwecten gelefen;
allein diefen Büchern ging dann die Berlenburger Dibel in
acht Foliobänden mit einem guten Beifpiel vor.
Die Hauptwirkung von diefer Lectüre war freilich pracz
tifches Chriftenthum, allein die Ahnung vom nahen Fall
des geiftlichen Babels, und des Aubruchs des taufendjährigen
Reichs, wurde fo allgemein und fo ſtark, daß hin und
wieder fehädliche und höchfttraurige Folgen daraus entftan-
den. ©. meinen Theobald oder die Schwärmer. Bis dahin
war die Lehre vom taufendjährigen Reich, eben fo wie der
Begriff von der Wiederbringung aller Dinge, eine Keßerei
gewefen; auch hatte fich eben niemand darum befümmert.
N Zinzendorf und die Halliihen Theologen ließen das Alles
auf feinem Werth und Unwerth beruhen; hingegen die My⸗
ftifer, wenigftens zum Theil, und alle, welche die Berlens
burger Bibel lafen, wurden von der Wahrheit jener foges
nannten Ketzereien überzeugt; fie ahneten den nahen Fall
Babels fehr ſtark, und glaubten nun feft an das darauf
folgende Friedensreich Chriſti; mit dem Allem verbanden fie
dann auch den Glauben an die Apofataftafis (Wiederbringung
Stiling’s ſammtl. Schriften, IL Band. 33
514 Nachtrag zur Siegsgefchichte,
aller Dinge). Es ift unglaublich, wie groß, weit und tiefs
wirkend diefe Ahnung und Genfation war. Damals Fam
eine Zeitfchrift, „die geiftliche Sama‘‘, heraus, welche den
Dr. Carl in Büdingen zum Redakteur hatte — dies. hat
man mir in meiner Jugend gefagt, mit Gewißheit kann
ich es aber nicht behaupten. — Wenn, man dies Merk,
welches in drei Dctanbände gefammelt ift, lieöt, ſo wird
man Vieles finden, welches hieher gehoͤt.
Sollte der zweite Engel nicht in dieſem Zeit:
raum von dreißig Jahren den Fall Babels aus—
gerufen haben? Und iſt es nicht erſtaunlich, daß ges
rade in diefem Zeitraum, auch in der großen politifchen Welt,
der Fall des geiftlichen Babels mit Macht bearbeitet wurde,
ohne daß die Klaffe Menfchen, welde ihn nahe glaubten,
jenes politifhe Geheimniß nur von ferne ahneten? — Bios
iene Schriften waren die Veranlaffung dazu, und ihre Vers
foffer hatten ihre Jdeen aus. der. Bibel, Feinesweges aber
aus den Kabinetten der Regenten gefammelt, darum bekuͤm⸗
merte fi) Feiner. - Bei allem diefem Ahnen Fam indeffen
doch nichts . Beftimmtes heraus; man hatte hören lauten,
‚und, wußte nicht wo? — Alle Schriften hatten Wahrheit
zum Grund, aber der Eine erflärte die Apocalypfe fo, der
Andere anderd, und der Dritte Fam wieder mit beiden nicht
überein; jeßt erſchien Bengel mit feiner erklärten Offen:
barung gerade in der Mitte. jenes Zeitraums, in den vierz
ziger Sahren, folglich auch genau in dem Zeitpunft,. wo
alles zu feinem Empfang und zum, Beifall feiner neuen
Theorie vorbereitet war; diefer rief num den Fall Babels
aus, und beftimmte fogar 50 Jahr vorher, wann der große
Kampf beginnen, und der Fall Babylons gefchehen würde.
Diefer Mann Gottes, der felige Bengel, ift
alſo wohl zuverläßig der Herold, den derzwei-
te Engel vorbedeutet hat. !
Aber wo finden wir denn nun den dritten Engel? Ich habe in
der Siegsgeſchichte den ſeligen Auguſt Hermann Franke da—
fuͤr angeſehen, allein wenn wir Alles reiflich pruͤfen ſo wer⸗
den wir doch zwo Bedenklichkeiten dabei finden. — Die
WERE
—
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 515
Erfte verurfaht der Inhalt der Worte — Frels.
Er ſagt:
So jemand das Thier und ſein Bild anbetet, und nimmt
das Mahlzeichen an ſeine Stirn, oder an ſeine Hand, ſo
wird er auch trinken von dem Wein des Zorns Gottes, der
unvermiſcht eingeſchenkt iſt in den Becher Seines Grimms,
und gequaͤlet werden mit Feuer und Schwefel vor den heili—
gen Engeln und vor dem Lamm; und der Rauch ihrer Qual
wird in die ewige Ewigkeiten aufſteigen, und diejenigen, die
das Thier und ſein Bild angebetet, und das Mahlzeichen
ſeines Nameus angenommen haben, werden weder Tag noch
Nacht ruhen, |
Nun ift das doch wohl unwiderſprechlich, daß der Zeuge
der Wahrheit, der diefe ſchreckliche Drohung verkuͤndigen foll,
auch wirklich ‚diefe Sprache müffe geführt haben. — Dies -
finden wir aber weder in Frankens Schriften, noch in feinem
ganzen Wirfungskreis; er und feine frommen Zeitgenofjen
machten die wahre praktifche Gottfeligkeit zu ihrem Haupt:
zweck, wie ich oben fehon bemerkt habe, aber daß fie für der
Anbetung des. Thiers umd feines Bildes, und für feinen
Mahlzeihen-fo warnen follten, oder fo gewarnt hätten, daß
es allgemeine Senfation gemacht hätte, oder daß man es
als einen Hauptzweck diefes Mannes anfehen koͤnne, das
finden wir doch nicht. Hiezu kommt nun noch die zweite
Bedenklichkeit, welche die Sache völlig entfcheidet: Die War:
nung dieſes Engeld kann nicht eher ftatt finden, bis der
Menfhder Sünden offeubar, fein Bild zur Verehrung
aufgeftellt, und fein Mahlzeichen befannt ift: denn wie kann
man für einer Sache warnen, die man noch gar nicht kennt. —
Da num bis dahin weder der Menfch der Sünden, noch fein
Bild, noch fein Mahlzeichen bekannt ift, jo fann auch der
dritte Engel noch nicht erſcheinen, fondern er
muß noch zukünftig feyn. '
Wenn man, den Ausruf diefes Engeld mit ruhigem und
aufmerffamem Gemürh betrachtet, fo überfällt.einen Schauer
und Entjegen — er. ſammelt die fürchterlichiten Bilder des
ganzen prophetifchen Worts, und donnert fie dann über die
55 * j
516 Nachtrag zur Stegsgefchichte,
Erde Hin — fol eine‘ Stimme hat man bis dahin noch
nicht gehört; wenigftend war noch Feine fo allgemein, daß
man fie diefem Engel zufchreiben koͤnnte. Lang kann er
aber auch nicht ausbleiben, denn das Auffteigen des Thiers
aus dem Abgrund ift nahe, folglich auch die Offenbarung
deffen, der vor ihm warnen foll.
Diefe Warnung wird von großer Wirkung feyn: denn man
Fann fich leicht vorftellen, daß nun alle wahre Chriften ihre
Häupter aufheben, dem Menfchen der Sünden recht ins Au⸗
geficht fehauen, und fih nun mit Geduld, fefter Standhaf:
tigkeit und Muth waffnen, und mit Wachen und Beten der
Hülfe ihres Erlöfers harren werden. Zugleich wird aud) eine
große Scheidung, eine große Tennenfegerei vor fi gehen:
Die Abgefallenen werden gar Fein Bedenken tragen, dem
Menfchen der Sünden zu huldigen, aber ed wird auch viele
Furchtſame geben, die fich feft vornehmen, innerlich Ehriften
zu bleiben, ob fie gleich äußerlich dad Thier und fein Bild
verehren, oder zu verehren fcheinen, und fein Mahlzeichen
an Stirn und Hand nehmen; fie werden dadurch bürgerliche
Sreiheit, Gewinn und Gewerbe zu erhalten, und fich gegen -
Verfolgung zu verwahren fuchen, aber das Schidfal
auch diefer armen Menfhen wird fbredlid
ſeynz denn in diefer legten und höchften Probe gilts —
hier heißt es: Entweder ein Heiliger oder ein Teufel,
entweder nun bald, in ein paar Sahren, Bürger im Reich
Gottes, und hernach des neuen Serufalems, oder unaus⸗
fprechliche Qual im Feuer= und Schwefelfee in die ewige
Ewigfeiten.
In diefer, Feuerprobe wird das reinfte Gold, die Blume
der Menfchheit ausgefchieden; denn ungeachtet ihrer Fleinen
Glaubensfraft, und der gegemüberftehenden großen Macht
der aufgeflärten Finfterniß, des Unglaubens und des Abfalls,
haben fie Glauben behalten, und find treu geblieben, darum
follen diefe Letzten nun auch die Erften ſeyn.
Wie weit jegt der Haß gegen Chriftum und bie, die Ihm
angehören, bei denen, die die höchfte Stufe des Abfalld er:
fliegen haben, ſchon gehe, das ift unglaublich, und ich habe
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— = Er
2
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. Fa 517
davon ſchauervolle Erfahrungen; dann aber, wenn ber größte
Shriftushaffer, der Sohn Apollions auf dem Thron fißt,
dann mag der Engel wohl fagen: Hier — in diefem Zeit—
punft—ift bie Ausharrung der Heiligen, welde
die Gebote Gottes, und den Ölauben an Jefum
bewahren — Dff. Joh. 14: v. 12. Denn diefen treuen
Bekennern der Wahrheit von Jeſu Ehrifto wird auch die
kurze Zeit von viertehalb Jahren wie eine Ewigkeit vorfoms
men, darum ift die ausharrende Geduld eben die Hauptfache.
Was in dem engen Bezirk zu Jerufalem und auf Golgatha
dem Haupt widerfuhr, das wird num in der ganzen Ehriftens
‚heit. allen feinen ‚Öliedern widerfahren: des Höhnens, Vers
achtens, Quälens und Verfolgens wird Fein Ende feyn. Eben
darum, im Hinblid auf diefen Jammer, erfchallt nun noch
“eine befondere Stimme aus dem Himmel, welche dem Johan⸗
nes zuruft: Schreibe ja auf folgende Worte: Diejenigen
find glüdfelige Menfchen, welche von nun an fterben, wenns
nur im Herrn geſchieht: denn fie ruhen aus von ihrem
Elend, und ihre edle Handlungen bleiben nicht zurüd,
Kap. 14. v. 15:
Liebe Lefer! ich warne fo hoch. ich warnen Faun, haltet
niemand für den Menfchen der Sünden, nichts für fein Bild,
und nichts für fein Mahlzeichen, bis der dritte Engel fommt,
der wirds Euch fchon jagen, und dann ift ed auch noch früh
genug. — Warum wollen wir uns aus blofem Mißverftand
unndthige. Leiden zuziehen, die vor Gott feinen Werth ha⸗
ben? — Wir wollen unfre Kräfte auf den Zeitpunkt aufbes
wahren, wo es gilt.
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518 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Das feste Koyikei.
Einige Bemerkungen über die Weiffagungen som Weibe
„mit der Sonne bekleidet. Offenb. Joh. 12.
Es iſt befonders merkwuͤrdig, daß man in der Apocalypfe
Feine deutliche und beſtimmte Meiffagung von ver. großen
Sammlung der Sfraeliten aus allen vier MWelttheilen, und
ihrer allgemeinen Bekehrung zu ihrem Könige David oder
Ehrifto findet: denn wenn die Verfieglung der 12mal 12000.
unter dem fechsten Siegel diefe Sanımlung und Bekehrung
vorftellen follte, fo müßte der’ ganze Inhalt des fiebenten
Siegels noch zufünftig feyn, und von den ſieben Poſaunen
waͤre noch nicht eine erfuͤllt; geſetzt auch, es waͤre noch eine
vollſtaͤndige Erfüllung der apocalyptiſchen Weiſſagung zus
kuͤnftig, ſo iſt das doch ausgemacht, daß auch ſchon vieles
peremtoriſch und ſchließlich erfuͤllt iſt. Mir iſt daher ein
Aufſchluß uͤber dieſen Gegenſtand ſehr augenehm, in wel⸗
chem ſich alle Schwierigkeiten leicht heben laſſen.
Da die Apocalypſe gleichſam der Brennpunkt und die
Quinteſſenz aller Weiſſagungen iſt, die auf den Zeitraum
des Neuen Teſtaments und beſonders auf die letzten Zeiten
zielen; und da die Sammlung und Bekehrung des ganzen
Iſraels und Juda, nämlich aller zwölf Stämme, von allen
Propheten oft und vielfältig , nicht zweideutig, fondern be:
ſtimmt und ausdrüdlid im Namen des Jehovah eidlich
verfprochen worden, ſo Fann diefe Weiffagung uns
möglih in der Dffenbarung Johannis ausge:
laffen worden, fondern fie muß irgendwo vers
ftedt feyn. Es ift der Mühe werth, daß wir diefe Sache
veiflich überlegen, und dann auffuchen.
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Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 2,
Ich habe in der Siegögefchichte auf dem Wege der Acco⸗
modation das Sonnenweib in der mährifchen Brüdergemeine
gefunden, und darinnen auch Bengeln zum Vorgänger ges
habt; ich fande ihren erften Urfprung bei den Paulizianern,
Seite 251 u. f. Diefer Sekte gedenkt Johann Friedrich)
Roos im arten Band feiner vortrefflichen Kirchenges
ſchichte, Seite 619 u. f. mit vieler Schonung ; indeſſen ſteht
fie doch da nicht im beſten Licht; ich ſchoͤpfte meine Nach
richten aus Gibbons Werk vom Verfall des römifchen Reichs,
weil diefer Verfaffer ald Nicht-Chriſt, und doch als unpars
theiifcher Freund der Wahrheit, nad) meiner Ueberzeugung
richtiger erzahplt, als die Kirchenväter, welche durchgeheuds
Feinde aller Partheien waren, die nicht mit dem Kanon der Kon:
cilien übereinftimmten ; und daher manchmal bloße Läfterungen
als Wahrheit anfahen und fie ihren Schriften einverleibten.
Melche Gräuel hat man nicht in neuern Zeiten den Pieti—
fien, Sufpirivten, der Brüdergemeine und andern Gefellfchafe
ten angedichtet, an welchen doch Fein Wort wahr war? —
Sch bleibe alfo noch immer bei meiner Erflärung, die ich
in der Siegsgefchichte vom GSonnenweib geäußert habe, nur
mit dem Zufag, daß diefe Weiffagung durch jene —
dation noch bei weitem nicht erſchoͤpft worden iſt.
Ich bin uͤberzeugt, daß der Geiſt der Weiſſagung, bei
dieſem ehrwuͤrdigen Bilde des Weibes mit der Sonnen bes
kleidet, die mährifche Brüderfirche im Aug habe; und daß
alfo meine Accomodation eine wahre und richtige Anwen
"dung fey — aber das ift mir feitdem auch klar geworden,
Daß noch eine eclatante, jedem in die Augen
firaplende Erfüllung diefer erhabenen Weiſ—
fagung zufünftig fey.
Sch bitte mir von meinen Lefern die Erlaubniß aus,
meine Vorftellung von diefer Sache etwas weitläuftig und
ausfuͤhrlich auseinander feren zu dürfen, damit mein Vors
trag defto beftimmter und überzeugender werden möge.
Ich finde jet eigentlich nur drei Klaffen unter allen Pars
theien in der Chriftenheit:
1) Die von Ehrifto Abgefallenen, denen das Evangelium
*
520 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
ein abgeſchmacktes Maͤhrchen, und die hriftliche Religion
bloßer Aberglaube if. — Dad Schickſal dieſer Klaſſe ift
entfchieden. | |
2) Die einen Mittelweg Suchenden, wo Feiner iftz bie
alfo mit Vernunft und Philofophie accordiren, die Bibel
und das Evangelium annehmen, aber beide nicht nad) bib-
lifhen, fondern nach philofophifchen Regeln erklären wol-
len; Jeſum Chriftum über alle Maßen rühmen, erheben
und äfthetifiven, um dadurch ihre innere ‚Weberzeugung zu
decken, daß Er nichts weiter ald ein guter, aber bloßer.
Menfch ſey; fie bedenken aber nicht, daß Er unmöglich) ein
‚guter Menfch feyn kann, wenn Er nicht wahrer Gott ift:
denn was ift der Menfch, der fich für Gott ausgibt, und
ift es niht? — Dad ganze Erlöfungswerk erklären fie
allegorifch, und wenden es dahin an, daß die Befolgung
der chriſtlichen Sittenlehre von der Sünde und von der
Strafe der Sünden erlöfe; fie behaupten, der Menfch habe
die Kräfte, das Sittengefeg zu erfüllen, . und die Gnaden=
wirfungen des heiligen Geiftes feyen weiter nichts, als der
äfthetifche Geift des MWahren, Guten und Schönen in der
riftlihen Moral. So ſchoͤn, fo vernünftig und fo aunehm⸗
lich dies Syſtem auch nun fcheint, fo lehrt doch die Erfah—
rung, daß noch nie ein Menfch dadurch gründlich gebeffert
worden ift — feinere Sitten und ein gewiffes Afthetifches
Gefühl kann wohl bei Menfchen von guter Erziehung da=
durch bewirkt werden, aber bei dem gemeinen Volf haften
dergleichen Sophiftereien ganz und gar nicht; daher nimmt:
auch die Sittenlofigfeit unaufhaltbar zu — es ift ſchrecklich,
daß man dies nicht bemerken, und wieder zur rechten Quelle
umfehren will! — allein, da heißt ed: man muß doch mit
dem Zeitgeift,: mit der Aufklärung und mit der Kiteratur
fortgehen — und man. bedenkt nicht, daß das nur von
menfchlichen Wiffenfchaften, nicht aber von der be-
ffimmten Bedeutung foldher Urkunden gelten
Tann, welche göttlihe Offenbarung find. —
Eben durch ſolche willführliche Erklärungen der Bibel und
Zumiſchung der platonifchen und fcholaftifhen Ppilofoppie,
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* ——— *
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 521
haben Koncilien und Bifchöffe die chriftliche Religion zu
einem abergläubifhen „Heidenthum gemachtz und eben die
nämliche Marime löst nun die Bande der chriftlichen Reli-⸗
gion ganz auf, und führt endlich zum völligen Atheismus.
- Diefe zweite Klaffe bahnt dem Abfall den Weg, und ift
um fo viel gefährlicher, weil das Gift unter
eine angenehme: Speife gemifht wird, ohne
daß mand weiß! — Gott erbarme fi) feiner Chriftens
heit, es ift fchredlih! Und endlich _ |
5) Die in viele Partheien zerfplitterte Gemeine der wahs
ren Chriften — wo jede Parthei viele treue Verehrer Jeſu
Ehrifti, viel. Salz der, Erden, und wahrhaft vortreffliche
Menfchen enthält, die aber bei allem dem doch immer noch
Vorurtheile gegen jede andere Parthei Haben, wodurd) dann
allenthalben die Einigkeit des Geiftes und der Fortſchritt
in der Heiligung gehindert wird: denn wie läßt fih da an
Vervollkommnung denken, wo die beiden Bürgertugenden
des Reichs Gottes, Liebe und Demuth, fehlen? — und wie
kann man den lieben, den man tadelt, und wie fann man
bemüthig feyn, wenn man fich für beffer hält als
Andere? Eben diefe fplitterrichterifche Partheifucht unter
den wahren Chriften macht die große Verfuchungsftunde
nothwendig: — würden wir und Alle in Liebe tragen, Eis
ner den Andern, des Unterfchieds der Meinungen in Neben
fachen ungeachtet, bruͤderlich anfaffen, und innig überzeugt
feyn, daß wir auch irren Fünnten, fo-würde und Alle das
Dand der Volllommenheit umfchlingen, und der. Herr im
unferer Mitte, würde uns zu ſchuͤtzen wiffen: allein, leider!
leider! — dazu fommts nicht, bis nie erhörte Zrübfal den
Eigenfinn und Eigendünfel ausbrennt, und dann aus den
vielen Häuflein endlich eine Heerde wird — Gott weiß, wie
ernftlich ich bisher an diefer Vereinigung gearbeitet habe,
allein es bat wenig geholfen, im Gegentheil, ih muß mich
für meine gute Abficht noch felbft richten und verurtheilen
laffen; denn da ich zu Feiner Parthei gehöre und gehören
will, fo hält mich auch Feine Parthei für ganz richtig im
Glauben. — Dies kuͤmmert mich nun gar nicht, wenn nur
622 Nachtrag zur Siegsgefhichte, -
Einigkeit des Geiftes erreicht, und zu Stand gebracht würde,
allein daran fehlts, es gelingt nicht. Ich will alfo meine
Ahnung von der Zukunft, fo wie fie in meiner —
liegt, meinen Leſern treulich darlegen:
So wie ſich die Aufklaͤrung und der Fortſchriet in der
Kultur immer mehr und mehr verfeinert, und immer ver⸗
nuͤuftiger zu werden ſcheint, fo entfernt ſich die Vernunft
auch immer mehr von dem wahren Sinn des Evangelii:
denn es ift unmöglich, daß fie in fich felbft die Quelle der
Wahrheit folte finden Fönnen, fondern fie muß in götflichen
Dingen auch durch das göttliche Wort mit himmliſchem Licht
durchftrahlet werden; dann erft kann fie von geiftlichen über:
finnliyen Dingen urtheilen; hierzu kann e8 aber im Gans
zen nicht Formen, weil die Vernunft einmal auf dem Thron
figt, und Selbſtherrſcherin feyn will; und feyn foll.
Der Erfolg von diefem Allem kann nun Fein anderer feyn,
als daß fi) der aufgeflärte Theil der Chriftenheit immer
weiter vom wahren inwendigen praftifchen Ehriftenthum ent:
fernt, ungeachtet es fich ihm zu nähern ſcheint — und eben
ſo werden auch die wahren Ehriften in allen Partheien immer
verächtlicher — nach und nad) wird man fie immer uner:
täglicher finden, man wird fie ald unverbefferlihe Men:
fhen mit Ungeduld betrachten, und fie haffen, drüden und
verfolgen.
Sobald nun der Menfch der Sünden offenbar wird, und
als ein großer Monarch erfcheint, der mit heißem Eifer die
Religion der Unvernunft, durch Aberglauben bei dem gemei⸗
nen Volk, und durch Unglauben bei ven aufgeklaͤrten Stäns
den allgemein herrfchend zu machen fücht, fo wird ihm die
ganze Menge der Aufklärung zufallen, und über Alle, die
fi) zum Evangelio von Jeſu Chriſto, und zur wahren Bibel:
religion befennen, wird eine ſchwere Trübfal verhängt wer:
den: denn man wird bei einer — nad) ihrem Sinn — ſo
hartnaͤckigen eigenfinnigen und unverbefferlihen Menfchens
Hafje, endlich alle Geduld verlieren, und fie nicht mehr ſcho—
nen; wer fi) alfo dadurch, daß er dad Bild des Thiers
nicht verehrt, und fein Mahlzeichen nicht an Stirn und.
Nachtrag zur Siegsgefhihte 623
Hand nimmt, als ein wahrer und treuer Verehrer Je ſu Ehrifti
auszeichnet, der wird als ehrlos, feiner bürgerlichen Freiheit
und ded Rechts zu gewinnen und zu erwerben, beraubt, und
gleichfam vogelfrei gemacht werden, In diefer Probe
werden fehr viele Herr Herrfager und Split
terrichter, viele Partheimachher und große Lich—
ter, die man für heilig hielt, nicht befteben,
und ihr ſchreckliches Theil im Feuerfee finden;
dagegen werden viele redliche wahrheitfuchende Zweifler, viele
in der Aufflärung erzogene gute Seelen, zur wahren Erkennt⸗
TE Fr u Sr
niß Jeſu EHrifti Fommen, wie Brände aus dem Feuer ges
rettet, und Theilgenoffen des herrlichen Friedenreichd werden.
Jetzt ift num auch die Reihe am verlornen Sohn Iſrael,
der ſo viele Jahrhunderte des Vaters Zorn getragen, und
ſchreckliche Schickſale erduldet hat; und hier iſt der Stands
punkt, in welchem ſich Ezechiel befand, als er das große
Knochenfeld fahe, Ezech. 57. Dies Geficht ift aufferordent:
lid) merfwärdigs Der Prophet fahe in einer Entzüdung ein
überaus großes Feld, dad voller ausgedorrter Menfchen-
knochen lag — welch ein treffendes Bild von der jüdifchen
Nation !’— denn’ fo vielen Wig und fo vielen Gewerbfleiß
fie auch entwidelt, fo haben die Juden doch gewöhnlich
todte, eisfalte Herzen, wenn von einem Leben aus Gott die
Nede ift, daher ift es auch feltener Fall, daß ein befehrter
Jude Stand hält, und ein wahrer guter Chrift wird. — Ga
wahrlich, in diefem Sinn find fie verdorrte Gebeine, und und
Menfchen kommt es unmdglid) vor, daß diefes hartnädige,
bartfinnige Volk follte Fonnen zu Ehrifto bekehrt werden,
und doc) wirds gefchehens denn der Herr fragt den Prophe-
ten: meineft du auch wohl, daß diefe Knochen wieder koͤnn⸗
ten lebendig werden? der Prophet antwortet: Herr, das
weißt du am Beften! — Nun befam er Befehl, Leben in
dieſe dürren Gebeine zu weiffagen; er weiffagte, und ſiehe!
fie wurden mit Adern, Fleiſch und Haut überzogen, ein bes
lebender Wind durchwehte fie, und nun fiand das ganze uns
® zählbare Heer da, und war bereit, wieder in fein ——
das ſo ne brach gelegen hatte, zu ziehen.
524 Nahtrag zur Siegsgeſchichte.
Indeſſen wird es bei diefer Belebung, bei dieſer neuen
- Geburt fchwer hergeben: : Die jüdifche Nation wird eine
fehwere Probe auszuhalten habenz vielleicht wird fie aud) das
Bild des Thiers verehren, und fein Mahlzeichen an Stirn
und Hand nehmen follen, dies wird dann auch eine große
Scheidung verurfachen; viele werden e8 thun, und die Reli⸗
gion ihrer Väter verläugnen, viele werden es aber nicht thun,
und diefe Gemeine Sfraeld wird fich dann an die wahren
Verehrer Jeſu Chrifti anfchließen wollen, aber nun kommen
die Geburtswehen diefes neuen Sonnenweibes, fie fteht im
Sonnenglanz, im Licht der Wahrheit, "fie hat den Mond der
Dernunft, und der Wandelbarkeit ihrer Schickſale unter den
Füßen; ihre zwölf Stammfterne ſchimmern um ihr Haupt,
aber Joſeph gibt fich noch nicht feinen Brüdern zu erkennen,
fie müffen erfttief empfinden, was ſie an ihrem
Bruder verfhuldet Haben; fie weinen, fie ringen,
fie fehnen fih nach Licht, fie fchreien nach Rettung, nad) ih:
rem Meffias, aber da läßt fi nichts hören und ſehen; die
Angſt ihres Herzens ift groß, und Alles um fie her ift Nacht;
jegt.erft wird die Weiffagung deö Propheten Jeremia, Kap. 31:
v. 15. u. f., welhe Matthäus auf den bethlehemitifchen
Kindermord accomodirte, peremtorifch erfüllt; jetzt
beweint Rahel ihre Kinder, aber ihre Traurigkeit foll nun in
Sreude verwandelt werden. Diefer Sammer wird nun durch
die Geburtöwehen des Sonnenweibes vorgeftellt; fie ängftet
fih zur Geburt. Jetzt offenbart fich ihr. auf einmal und
ganz unerwartet. der Herr: Joſeph gibt ſich feinen
Brüdern zu erfennen — Sch bin Zefus euer
Bruder! — Mein Herr und mein Gott! welche Empfins
dungen werden da entfiehen — ihr gedachtet es böfe mit
mir zu machen, aber Gott gedachte es. gut zu machen;
denn (ich mußte diefen Weg der Leiden gehen, um Euch ver⸗
lorne Schaafe vom. Haufe Sfrael wieder finden zu Fünnen,
wie nun jeßt wirklich gefchieht. — Kommt nun her in die
Arme eures Erbarmers, jetzt hat eure Zrübfal ein Ende,
und nun follen die Verheißungen eurer, alten Propheten
pünftlih in Erfüllung gehen,
a De Zeig Zn ie EEE
En
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 525 |
Lieben Brüder und Schweftern! wollen wir dann auch fcheel
dazu fehen, wenn der Vater den Sohn fo Tiebevoß auf⸗
nimmt? — dafuͤr bewahre uns Gott!!!
Dies iſt nun die Geburt des maͤnnlichen Sohnes, eines
Kindes, das männlichen Gefchlechts, aber nicht mehr Kind,
fondern erwachfen iſt; daß die Sammlung der Jiraeliten das
Zufammenftrömen eines fo großen Heers Auffehen erregen
und das große furchtbare Thier aufmerkſam machen wird,
daran ift nicht zu zweifeln, und da nun vollends diefe ganze
Nation die chriftliche Religion annimmt, deren Vertilgung
befchloffen ift, fo wird man fie mit Macht angreifen wollen,
aber der männliche Sohn zieht ſich in feine verborgene Herrz
lichkeit zuruͤck: denn die Stunde des Gerichts über den Mens
fchen der Sünde ift noch nicht kommen, die theure Gebähres
rin aber, an welde ſich nun die ganze Heerde aus dem
andern Stalle Foh. 10. v. 16., nämlich die aus allen chrifte
lichen Partheien gefammelte, von allem Heu, Stroh und
Stoppeln gereinigte, treue Gemeinde des Herrn anfchließen,
und alles zufammen nun ein Hirt und eine Heerde wird,
befommt zween Adlers⸗Fluͤgel, mit welchen fie in einen ihr
angewiefenen Bergungsort, in ein Solyma fliehen wird, bis
der Zorn’ der großen Verfuhungsftunde und des Gerichts
über den MWiderchriften vorüber gegangen ift; der Aufenthalt
in dem Ort der Ruhe wird fo lange währen, als die Ty—
rannei des Menfchen der Sünden währt. Jetzt fteht erft
Philadelphia in feinem Strahlenglanz, es ift durch die offene
Thür in Davidsburg gegangen, und nur der wahre Sohn
Davids hat den Schlüffel, nur Er Fann da auf- und zus
ſchließen, da ift alfo die Braut des Lamms ficher bis zur
Hochzeit. Bei allen diefen merfwirdigen Vorfällen wird
das Vorbild diefes Sonnenweibes, die Brüdergerheine, fehr
gefchäftig feyns denn fie Hat ſchon die ganze kirch—
lihe und Polizei-Einrihtung, die bei einem
Volk des Herrn, das Fein unreines Glied» mehr
zwifchen fich Hat, nothwendig, und auch danur
vollfommen ausführbar ift: ihr männlicher Sohn
ift num viele Jahrhunderte lang vor dem Thron und dem
526 Nachtrag zur Giegsgefchichte,
Angefiht Gottes erzogen worden, jeßt kann er num feine
Regierung antreten, er beipt — der Wohl
geborne.
Zur Zeit diefer a: Truͤbſal werden bie Erweckten
allenthalben, ſie moͤgen Namen haben, wie ſie wollen, allen
Zwiſt uͤber Nebendinge fahren laſſen, und ſich mit großem
Ernſt an Jeſum Chriſtum ihren Heiland und Erloͤſer wen⸗
den — da wird man keine Zeit mehr haben uͤber Chriſtum
fuͤr uns, und in uns zu zanken, ſondern man wird mit gro⸗
Ber Sehnſucht und mit Thraͤnen im einfaͤltigen Glauben zu
Ihm fliehen, Ihn allein und ganz fuchen, und Er wird
fih dann aud endlich von ihnen finden laffen. Ob die
Wiederbringung aller Dinge wahr fey, und wie es um den
Hades fiehe, dad wird die geringfte Sorge feyn, auch um
die Befchaffenheit des taufendjährigen Reichs wird man ſich
nicht befümmern, nur Shn, nur Ihn, den Edeln, der
über Land gezogen ift und nun fo lang verzeucht, ben will
man haben, ſonſt nichts.
Der Separatift: wird feined Kirchen- und —
Ekels vergeſſen, und ſich mit großer und tiefer Beugung
ſeines Haſſes gegen die Prediger ſchaͤmen: Meilenweit wird
er laufen, um nur einmal wieder eine Predigt hoͤren, und
mit einem verſcheuchten Haͤuflein das Brod brechen zu koͤu⸗
nen. Der Hunger nad) dem Wort Gottes wird feine Nies
ven. Angftigen, und er wird froh feyn, wenn er nur hie und
da dürre Broſamlein ſammeln kann. Mit Ihränen wird
er den Herrn fuchen, und im tiefen Gefühl feines Elends
und feiner Unwürdigkeit von ferne ſtehen, und nun nicht
mehr fagens Ich danke Dir, Gott! daß ich befier bin als
andere Menfchen, fondern: Gott fey mir Sünder gnädig!
und dies Gebet wird erhört werden. ER.
Inſpirirte und Quäder werden nicht mehr über die äuffere
Schaale der bürgerlichen Drdnung die Schulterm zuden,
nicht mehr hinfigen, um auf die innern Regungen des Geis
ſtes zu merken, fondern: das große Maranatha — der
Herr kommt! — wird ihr ganzes Wefen erfüls
ben, fie werden alle Kleinlichfeiten der Schaale vergefien,
‚und nach dem Kern greifen.
>22 u ee Ze ae ie N un
Nachttag zus Giegögefhicte: 897
Die Theofophen werden nicht mehr über Jakob Boͤhms
Schriften fpeculiren, und die ewige Natur der Gottheit ers
grübeln, fondern fie werden mit flarrem Bli in den ewis
gen Oſten fhauen, und fih nach dem Aufgang der fünften
Quellkraft, nah dem ‚Gott des Lichts und der Wahrheit,
nach. der offenen Pforte in dem menfchgewordenen Erldfer
fehnen, Er wird fommen, und fienihtbefhämen.
. Der. Magier und Geifterfeher wird feine mühfeligen Ars
beiten aufgeben, und nur den Umgang mit dem König der
Geifter fuchen, Auch der fromme Alchymiſt wird fein hers
metifched Ei vergeffen, und nun mit Thränen den wahrer
Stein der. Weifen fuchen, den er auch durch nichts anders
als burch Thraͤnen ver Reue und der wahren Sins
nesäanderung finden kann. N
Seht, meine Lieben! ſo werden fih dann alle Yartheien
in dem einzigen Punkt, in dem Einzigen, der in Allen Alles
iſt, vereinigen; Alles: Andere, was bisher trennte, wird
fhwinden, und Alle werden fich brüderlich umarmen.
Ach Gott! wenn wir das nur jetzt ſchon koͤnnten, wie viel
würden. wir Dadurch gewinnen! — wie vielen Sammer und
wie viele Noth würden wir und dadurch erfparen! — Laßt
uns doc ein Beiſpiel an den. Erwecten in England neh—
men! — Bifhöfliche, Presbyterianer, Methodiften , Quäder
und Diffenters aller Art, haben fich zu einem Ziel und Zweck
vereinigt, Jeſus und feine Exlöfung it ihnen Alles; nur
dies wollen, nur dies lehren und beleben fi. Der Herr
ſchenke uns diefe Gefinnung, Amen!
628 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
1}
Da fiebente Kapitel.
Einige Berntnthningeni über die Stimmen der fieben Don
ner Off. Joh. 10. über, das Tempelmeſſen, über das
zwei und vierzig monatliche Zertreten der heiligen Stadt,
und über das Weiffagen der zwei Zeugen, Kap, 1
Diejenigen, welche meine Giegögefchichte befien, ‚Bitte
ic), die oben angezeigten beiden Kapitel zu Iefen, ehe fie
das, was num hier folgt, ihrer Beherzigung würdigen; wer
aber auch jenes Buch nicht hat, der wird doch hier Eins
und Anders finden, das ihm dienen Fann.
Der heilige Seher fieht einen ſtarken Engel, mit Majeftät
befleidet , aus dem Himmel herabfteigen; diefer hat ein Fleis
ned Büchlein in der Hand, welches Zohannes nachher effen
muß; und num fohreit er mit flarfer Stimme, wie ein Löwe
brülft, und indem dies gefchieht, fo grollen auch die
fieben Donner ihre eigene Stimmen,
Weil diefer Engel Kap. 10. v. 11. fagt: Johannes müffe
abermal über Völker, Nationen, Sprachen und viele Könige
weiffagen, das ift: ihnen ihre Schidfale voraus
verfündigen, ſo fann die Erfüllung diefes Ges
fihts nicht wohl noch Fünftig ſeynz denn jegt gibts
nicht viel mehr zu weiffagen, da wir in den Zeiten der Erz
füllung leben. Es bleibt alfo bei der Zeitbeftimmung, die
ich in der. Siegögefchichte angegeben habe, naͤmlich, daß
der Ausruf diefes Engeld ins achte Jahrhundert gehöre;
dann bitte ic) auch diejenigen, welche die ganze Erfüllung
der Apocalypfe noch zukünftig glauben, viefen elften Vers
wohl zu beherzigen;' denn er fegt vom Ausruf des Engels
an, bis zum Sturz des Thiers, noch eine 'geraume Zeit,
feinen vollen Chronus voraus.
i
}
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 529
Zudem der Engel mit einer Löwenftimme redete, fo redes
ten auch die fieben Donner ihre eigene Stimme, doch kanns
auch fo gegeben werden: als der Engel ausgefchrien hatte —
aber es ift merfwürdig, daß es heißt, die fieben Donner haͤt—
ten ihre eigene Stimme geredet, folglid etwas anders ald
der Engel, Diefer nämlich fchrie einen Schwur aus, mit
welchem er feierlich betheuerte, daß nun unter der fiebenten
Poſaune das ganze Geheimniß Gottes, fo wie ed von feinen
Knechten, den Propheten, fchon längft vorher verfündigt wors
den, vollendet werden follte, und daß dies Alles Feinen
Chronus lang dauern werde, Dies war alfo der In—
balt der fieben Donnerfiimmen nicht — aber
welches war der Inhalt, und was fagten fie?
Sch habe in der Siegsgefchichte die Hypothefe angenommen,
daß der Inhalt des I1ten Kapitels bis zum 15ten Vers die
verfiegelten fieben Donnerftimmen enthalte; wir wollen diefe
Hppothefe genauer unterfuchen, und prüfen, ob nicht mit
Grund etwas dagegen eingewendet werden koͤnne?
Daß der Donner und fein Gefährte der Blitz, in der
heiligen Schrift durchgehends als der Ausführer der göttlis
lihen Gerichte, aber auch — fo wie das Schwerdt und
der Scepter in der Hand des Monarchen, als ein Zeichen
feiner Macht und Herrlichkeit betrachtet werde, das Faun
nicht bezweifelt werden. Schon den Heiden war diefe Vor—
ftellung geläufig; denn ihr Zupiter, den fie fich. als den hoͤch⸗
ften Gott dachten, hatte Donner und Blig im feiner Gewalt,
und feine Abbildungen führen Blispfeile in der Hand, Es
ift befonders merkwürdig, daß es in der Grundfprache heißt:
Die fieben Donner — dies. beweißt, daß man zu Zohan: _
nes Zeiten eine gewiffe Vorftellung von fieben Donnern ges
habt habe; vielleicht rührte fie aus dem 29ften Pfalmen her,
welcher eins der’ prächtigften Gedichte in der ganzen Bibel
und ein rechtes Donnerlied ift, ich will es, weil es Furz ift,
nach) meiner eigenen Meberfegung hier einruͤcken: ,
N 4 i
Stillings fänmit. Schriften. im. Band. | 34
550 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Ein Geſang Davids.
Gebet Jehovah, Ihr Söhne der Helden!
Geber Jehovah, Ehre und Stärke!
‚Gebet Jehovah, Herrlichkeit feines Namens!
Werft euch in den Staub vor Jehovah, in der Ma⸗
jeſtaͤt des Heiligthums!
Hier fangen nun die ſieben Donner an:
1) Die Stimme Jehovah's iſt auf dem Waſſer,
Der Gott der Ehre donnert,
Jehovah über vielen Waffern.
2) Die Stimme Jehovah's hat Kraft.
3) Die Stimme Jehovah's hat Majeftät.
4) Die Stimme Gehovah’s zerfplittert die Eedern,
Libanons Cedern zertränmert Jehovah;
Und. Er macht fie huͤpfen gleich einem Kalbe,
Den Libanon, und den Schirjon gleich dem Sohn des
Einhorns,
5) Die Stimme Jehovahs peitſcht mit flammen⸗
dem Feuer.
6) Die Stimme Jehobahs macht daß die Wuͤſte
erbebet.
Jehovah macht zittern die Wuͤſte Kadeſch. |
7) Die Stimme Jehovah's bringt den Hindinnen
Geburtswehen, und entblößet den raufchenden Wald.
So weit die fieben Donner,
Aber: in feinem Tempel verfündigen alle die Seinigen
Ehre,
Jehovah fist auf Wafferfluthen.
Und Jehovah fißt, ein König in Ewigkeit.
Jehov ah wird feinem Volk Stärke geben.
Jeho vah wird fein Volk mit Frieden fegnen.
Wenn man diefe fieben Donner genau unterfucht, fo fine
det man alfofort, daß fie als Fönigliche Macht: und Ehren⸗
zeichen, aber auch als Strafwerkzeuge dargeftellt find. Es ift
der Mühe werth, Daß wir dieſen Pfalm etwas näher betrachten.
David befingt hier eigentlich ein ſchweres Donnerwetter,
— ee a
Nachtrag zur Siegsgefchichte. 651
als das erhabenfte Schaufpiel der Natur, und bedient ſich
dieſes Gegenftands, um dadurdy die Größe und Majeftät
feines Gottes recht anfhaulich zu machen. Zuerſt ruft er
die Mächtigften der Erden auf, und ermahnt fie, ihre Ehre,
ihre Stärke und ihre Herrlichkeit dent aufzuopfern, vor dem
fie wie nichts zu achten find, und ſich nur vor Ihm in feis
nein majeftätifchen Tempel in den Staub zu ſchmiegen. Nun
fangt die Befchreibung des Gewitterd an, wie es vom Abend,
vom mitteländifchen Meer her emporfteigt; der Dichter denkt
fih Gott in das Dunkel der Gewitterwolfe, — Es don
nert! — nun fpriht er: Die Stimme des Herr auf dem
Gewaͤſſer — der hochwuͤrdige Gott donnert — Jehovah
über vielem Gewaͤſſer — David hat hier das Maffer in deu
Gewitterwolfen im Sinn. Der Gott der Ehren done
nert, ſagt der Dichter — Er dounert zu feiner Ehre
Der Erfte ift alfo der Ehrendonner, diefer fol je
dermann zur Ehrfurcht gegen Gott dem Herrfher Himmels
und der Erden erweden, |
. Das Gewitter fomme näher, der Donner grollt fürchters
lid — nun heiße ed: Die Stimme Jehovah's hat Kraft. —
Der zweite ift alfo der Donner der Stärfe,
Jetzt fleigt das Donnerwetter über Jeruſalem heran, es
donnert und blitzt fchredlih, num fagt der Dichters Die
Stimme Jehovah's hat Majeftär!
Derdritteiftalfoder Donnerder Herrlichkeit.
Nun ift das Gewitter vollig da, es donnert, bligt und
fchlägt ein in die Bäume des Waldes, jet fingt ers Die
Stimme Jehovah's zerfplittert die Cedern, Jehovah zer:
truͤmmert die Gedern Libanons, und Er macht fie hüpfen
gleich einem Kalbe: — Dies Bild ift unvergleihlid! —
wenn der Blitz einen Baum aus der Erde heraus fchlägt,
und in taufend Trümmer zerfplittert, fo huͤpft er freilich wie
ein Kalb; ferner
Der. Sibanon und der Schirjon gleich dem Sohn des Ein⸗
hons. Sogar die Berge werden durch den ſtarken Donner
und Blig erſchuͤttert, fo daß fie hüpfen wie das Ba eines
Nashorns,
34%: ©
532 Nachtrag zur Siegsgeſchichte
Der vierte iſt alſo der Gedernbreger,. der
Gebirge erfhättert.
Nun folge Blitz auf Blitz, und Schlag auf Schlag, ‚da:
her fahrt der Dichter fort: Die Stimme Jehovah's peitſcht
oder haͤut mit flammendem Feuer.
Der fünfte ift alfo der Bline-Gebähren
Nun zieht das Gewitter über Zerufalem weg, gegen die
Müfte zu, deswegen heißt es: Die Stimme Jehovah's macht,
daß die Wuͤſte bebt ; Jehovah macht zittern die Wüfte Kadeſch.
Derfehöte ift alfo der Bäandiger der wilden
Natur | u
Den Naturforfchern ift befannt, daß die Hirfchfühe und
Rehe bei fchiveren Gemwittern durch den Donner gefchresft,
zu früh gebähren; indem alfo der fechöte Donner die Wüfte
beben macht, fo macht nun der fiebente, daß die wilden
Thiere in derfelben verwerfen, denn es heißt: Die Stimme
Sehovah’s macht den Hindinmen Geburtöwehen; indem nun
auch der Bli die Bäume anzündet, und ganze Streden des
Maldes verbrennen, wodurch Blößen entftehen, fo druͤckt
dies David mit den Worten aus: und entblößet ben. raus
fihenden Wald.
Der fiebente ift alfo der Berwüfter der wil-
den Natun
Mährend dem Gewitter N die Angehörigen des Herrn,
Priefter und Leviten und treuen Sfraeliten , und verherrlichen
die Ehre des Gottes der Natur und des Donners, dies fagt
David mit den Worten: und in feinem Tempel verfündigen
Alle die Seinigen Ehre. Ä
Bon dem Gewitterregen raufchen Wafferfluthen in allen .
Thälern und in allen Gaffen der Stadt, daher fagt nun der
Dichter: Jehovah figt (in den Wolken) über Wafferfluthen ;
und nun fchließt David, in Betracht der Stärfe und Majeſtaͤt
Gottes, den nie irgend etwas überwinden kann, der Alles
behersfcht, mit den Worten: Jehovah fit, ein König in
Ewigkeit, und in Anfehung feiner Stärke hofft er, Er werde
auch dem Volk Sfrael Stärke verleihen zum Sieg über feine.
Feinde. Und nun endigte David im Anblid des fchonen
* — — — ß 8
Nachtrag zur Siegsgeſchichto. 635
Regenbogens: Jehovah wird fein Wolf mit Srieden fegnen.
Fohannes fagt im 5ten Vers des Aten Kapitel feiner
Offenbarung: und von dem Thron gingen Blige, Stimmen
und Donner hervor, und fieben Feuerflammen brannten vor
dem Thron, welche die fieben Geifter Gottes find — eben
diefe fieben Feuerquellen Fünnten auch wohl die Erzeuger der
fieben Donner ſeyn. Wenn alfo der heilige Seher jagt:
Die fieben Donner — fo Fann man die fieben Stimmen
Jehovahs, die David befingt, mit diefen fieben Donnerges
bährern in eine einzige Vorftelung bringen und mit einans
der verbinden; aber nun kommt ed darauf an, ob wir jeßt
fon die Stimmen der fieben Donner entfiegeln kͤnnen
oder dürfen? — Behutfame Vermuthungen in der Furcht
Gottes dürfen wir wohl wagen, nur dürfen fie nicht fo be:
ſchaffen feyn, daß fie der zufünftigen wahren Entfiegelung
auf irgend eine Art widerfprechen koͤnnen.
Ich habe in der Siegsgeſchichte die Hypotheſe unterftellt,
daß der Inhalt des I1ten Kapiteld der Apocalypfe bis zum
15ten Vers, vielleicht die verfiegelten Donnerftimmen enthals
ten fonne? Wir wollen diefe Sache mit Befcheidenpeit näher
prüfen:
So viel glaube ih mit Grund feftfegen zu Fünnen, daß
die fieben Donner-Verkuͤndiger, Herolde der Ehre und
Herrlihfeit Gottes und feiner- Gerichte, und
auch oft Ausführer der Lestern find. Dies beweißt die
Natur und Schidlichfeit der Sache, und der oben angeführte
29ſte Pfalm,
Eben fo zuverläßig glaube ich auch behaupten zu Fönnen,
daß in der Zeit, im welcher der Engel fpricht, die Ausführ
‘ rung der Verfündigung der fieben Donner noch zukünftig
geweſen feyn müßte — dies beweißt ihre Verſieg—
lung augenſcheinlich.
Auch das daͤucht mir gewiß zu fern, daß die Neben der
fieben Donner die Schiekfale des Reichs Gottes, in Anfes
hung feiner Beziehung auf das Reich des Satans, betreffen.
Da nun die Apocalypfe die Schidfale des Reichs Gottes
nnd feinen Kampf und Sieg mit dem Reich der Finfterniß
in prophetifchen Bildern verfündigt, die Reden der fieben
554 | Nachtrag zur Siegsgeſchichte
Donner aber nicht audgelaffen, fondern verfiegelt worden
find, fo muͤſſen fie irgendwo in der Offenbarung Johannis
anzutreffen ſeyn.
Ueber die Eigenſchaft einer prophetiſchen Verſieglung leſe
man Siegsgeſchichte Seite 201 u. 202. ich füge hier nur
noch. das hinzus Daniel befam Befehl, die Schrift, welche
im 11ten und 12tem Kapitel feiner Weiffagung enthalten ift,
zu verfiegeln; die verfiegelte Schrift ift alfo wirklich da,
man hat fie von Danield Zeiten an bis dahin leſen Fonnen,
und. wirklich gelefen, ‚aber fie war verfiegelt, niemand ver:
ftand fie, bis. Paulus in feiner Epiftel an die: Theffalonicher
den Menfchen der Sünde bekannt machte, und Das Giegel
Daniels abnahm, jeßt verftehen wir fehr wohl, was Daniel —
verſiegelt hatte. Da nun die Apocalypſe das letzte Buch
in der Bibel iſt, fo kann in feiner andern Schrift
ber Yuffchluß, oder die Entfieglung der fieben
Donnerfiimmen gegeben werden, wo aber nun Die
verfiegelten fieben Donnerftimmen ftehen, und wo ſich ihre
Entfieglung befindet, das ift noch die Frage? — Zu dem
Daniel wurde gefagt; Berfiegele diefe Schrift, naͤmlich das
Nächftvorgehende und aud das Nächftfolgende, weil es da⸗
zu gehört, und zu dem Johannes wurde gefagtz Verfiegele
was die fieben Donner geredet haben, und dieſes
fhreibe niht. — Diefe legten Worte koͤnnen uns auf
die Vermuthung bringen, als ob es Johannes gar nicht
aufgefchrieben hätte — allein dann hätte ja auch Feine Vers
fieglung ftatt finden koͤnnen; die Reden der fieben Donner
find alfo ganz gewiß im Verfolg der Apocalypſe irgendwo
verſteckt.
Nach dieſem Befehl der himmliſchen Stimme, ſchwoͤrt nun
der majeſtaͤtiſche Engel, daß es keinen vollen Chronus mehr
dauern werde, ſondern in den Tagen der Stimme des fie:
benten Engelö, wann er die Pofaune blafen werde, dann
folle das Geheimniß Gottes vollendet werden,
fo wie Er es feinen eigenen Knedhten, den Pros
pheten, verfündiget hat. |
Dies Geheimniß Gottes ift wohl zuverläßig Fein Audes
ige 0 Du vi ü
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 535
res, als dasjenige, welches im Verfolg, durch prophetifche
Bilder, nach dem Schall der fiebenten Pofaune, dem heiligen
Seher vorgeftellt wird; und ed enthält den Teßten Kampf
und Sieg Jeſu Ghrifi, gegen und über die legte und größte
Macht der Finfterniß, welche durch den großen feuerrothen
Drachen, das Thier aus dem Meer und dem Abgrund, und
durch den ‚falfchen Propheten, oder das Thier aus der Ers
den, abgebildet wird; vergleicht man nun damit Alles, was
ber Geift der Weiſſagung durch die Propheten des alten und
neuen Teſtaments geredet hat, fo kommt folgende unftreits
bare Enthällung dieſes Geheimniffes heraus:
Der größte Theil der Chriftenheit wird in den letzten Zeis
ten von Chrifto abfallen — dann wird ein vielbedeutender
Monarch entftehen, der fich laut und öffentlich gegen Chris
ſtum, feine Religion und wahren Verehrer erfläs
ren, und fie mit Lift und Gewalt zu vertilgen fuchen wird;
diefer wird nun einen großen und mächtigen Mann
zum Gehülfen haben, der mit der allerfeinften, abgrundss
mäßigen Politik, und mit allen Künften der falfchen Philos
fophie und Aufklärung ausgerüftet, vermittelft feiner Helferds
helfer zu verführen, und jenem Monarchen anzumwerben fuchen
wird, wo und wer ſich nur immer verführen und anwerben
laßt; und wer ſich nicht dazu verfteht, der wird auf die ſchreck⸗
lichfte Weife verfolgt und mißhandelt werden.
Diefem gräulichen Unfug werden nun zween wichtige
Männer, die zween Zeugen, Apoc. 11. v. 3. und
ferner, mit großer Kraft und Macht ausgerüftet, entgegen-
arbeiten, und den wahren Chriften das Wort reden, während
all diefem Jammer werden die Juden befehrt, mit den wah—
ven Chriften vereinigt, und wann die Noth am größten ift,
fo erſcheint der Konig mit den vielen Kronen;
dDiefer haucht nun mit einem Feuerſtrahl aus
feinem Munde die ganze Macht feiner Feinde
inden Feuerſee, und errichtet dannauf der Er
den das Reich des Friedens,
Dies ift meines Erachtens der Furze Begriff der Enthiil-
lung des Geheimniffes Gottes, welches der Engel beſchwoͤrt;
556 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
es faͤngt nicht mit dem Blaſen des ſi ebenten Poſaunen⸗En⸗
gels an, fondern in den Tagen dieſer Pofaune, mit dem
Anfang des Abfall, der im achtzehnten Jahrhun—
dert unverkennbar zu finden ift. |
Wenn wir die Gefhichte der göttlichen Regierung im
alten und neuen Teſtament, und bis daher in der Kirchens
gefhichte betrachten, fo finden wir, daß allemal der Verfall
eines Volks, eine geraume Zeit vor dem peremtorifchen Ges
richt, mit ſchweren göttlichen Strafen, welche an Schärfe
bis zur endlichen Vertilgung immer zunehmen, begleitet werde;
fie find einem Gewitter gleich, welches erft von Ferne droht,
dann immer näher kommt, immer ſchwerer und gefährlicher
wird, bie und da oft als Strafzeug und dann auch vielen
zum Segen und zur Fruchtbarkeit wirkte. Won diefem Allem
gibt der 29ſte Pfalm die fhönfte Befchreibung. Diefe gött-
lichen Gerichte haben den Zweck, die Menfchen zu warnen,
zu ſtrafen, die Zrägen im Guten zu weden, und bie wah:
ren Chriften zu mehrerem Ernft und Eifer in der Heiligung
anzutreiben.
Diefedem peremtorifchen Termin einesDolfs
sorlaufenden göttlihden Gerichte find nun die
Med: und Schredftimmen: der fieben Donner,
fo. wie fie David in fo eben angeführtem Pſalm, in treffens
- den Bildern malerifch fchildert, fie gingen zu den Zeiten Eliä,
. Elifä, Sefais und anderer Propheten, vor der babylonifchen
Gefangenſchaft her; fie waren die Vorläufer vor dem gänzs
lichen Fall des jüdifchen Staats und der Zerftdrung Jeru⸗
falems durch die Roͤmer, und eben fo vor dem. Gericht über
das morgenländifche griechifche Reich und feine Kirche; am
allerfcharfften und firengften werden fie ihre Stimme vor dem
peremtorifchen Gericht über die ganze Chriftenheit, ich möchte
fagen , über die ganze Menfchheit hören laſſen; vielleicht
hat fchon die Eine und die Andere in unfre Ohren gedonnert!
David fordert. die Verehrer Jehovah's auf, im heiligen
Schmuck, oder beffer, in der Majeftät des Heiligthums,
während dem Gewitter Gott zu verherrlichen, Pfalm 29.
v. 2. und eben da finden wir fie auch wieder v. 9. Eben
> Dr ee EU Se m U nn
— — ee nz dr 2)
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 537
fo Echren auch die wahren Chriften ins geiftliche ‚innere
Heiligthum ein, wenn das Strafgewitter von Ferne aufs
fteigt, und ihren Zeitgenoffen droht; bei allen Donnerz und -
Bligfchlägen, die hie und da Hohe oder Niedere treffen,
geben fie Gott die Ehre, sühmen feine Macht und Herrlichs
keit und bleiben vor Ihm, und bei Ihm, in feinem Heilig⸗
thum, bis der Sturm voruͤber gegangen iſt. *
Eben aus dieſem Grunde traͤgt nun auch der Engel, nach⸗
dem er den feierlichen Schwur gethan, und dem Johannes
das Buͤchlein zu eſſen gegeben hat, dieſem ferner auf, den
Tempel Gottes, den Altar, und die da anbeten, zu mefe
‚ fen. Hier kann unmöglich von einem eigentlihen Tempel
zu Serufalem oder anderöwo, die Rede feyn, denn ein
folcher finder fih von Johannes Zeiten an, bis daher auf
der ganzen Welt nichtz- fondern dies Bild bedeutet unftreis
tig eine große Erweckung, durch welche fich viele von der
verdorbenen herrfchenden Kirche abfondern, und nun fürfih
einen eigenen Tempel des Herrn ausmachen; denn die Apos
fiel nennen ja öfters eine Gemeinde Chrifti, einen Tempel
Gottes. Das Tempels, Altars und Anbeter:Meffen durch
den Apoftel ift alfo nichts Anders, als der Anbau, die
Sammlung und Fircliche Einrichtung einer neuen Gemeine,
eines neuen Volks des Herrn, dad Er fi) aus der grunds
verdorbenen Maffe der abgewichenen, heidnifch gewordenen
Kirche gefammelt, herausgemeffen hatz der Vorhof ift dann
das Außere Firchliche Ceremonienwefen, welches zum Dienft
Gottes im Geift und in der Wahrheit nicht gehört; dies
wird den Heiden überlaffen, welche 42 Monden, oder 666
Jahre lang, die Stadt Gottes, das geiftliche Serufalem
zerflörten, fo wie das irdifche Serufalem im eigentlichften
Sinn, während der nämlichen Zeit von Nichtchriſten, *
Tuͤrken und Arabern zertreten wird.
Daß dieſe Erklaͤrung eine ſchriftmaͤßige vorlaͤufige Ycco«
modation fey, das verfteht fich von felbjt; und ich glaube
gern, daß eine peremtorifche Erfüllung dieſes geheimnißvol⸗
len Bildes noch zufünftig ift. Nach jener Accomodas
tion iſt alfo das geiftliche Thyatira die waldenfifche, albis
538 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
genfifche und boͤhmiſch⸗maͤhriſche Kirche, welche fich gerade
um. die Zeit formirte, als das Thier aus dem Meer auf:
flieg; als die, eigentlichen Nichtehriften das irdifche Jeru—
falem, und die geiftliche Heiden, auch das geiftliche Jeru—
falem, nämlich die Chriftenheit zu zertreten anfingen, und
fi blos mit dem Vorhof der Religion, mit der äußern
Geremonienfchaale begnügten, der Tempel, den der Apoftel
mißt, weil auch, nach apoftolifchen Grundfäßen, Gott darins
nen gedient wird. Dies Alles läuft nun mit der
Währung des Thiers und feiner Herrſchaft
parallel; denn es Dauert 666 Jahr, dad. Me 42
prophetiſche Monate.
Ich habe in der Siegsgeſchichte, auf AR Mege der
Nccomodation das im folgenden 12ten Kapitel befchriebene
Sonnenweib ebenfalls in obgedachter böhmifch-mährifchen
Kirche gefunden — demnach wäre alfo der Tempel, den
Sohannes mißt, mit jener erhabenen Gebährerin Eins, und
das Eine. Bild gibt dem Andern Auffchluß, bis endlich
Alesim neuen Sernfalem, PERDIARER bed Lamms,
vbllig entfiegelt wird,
Jetzt wollen wir nun auch einen Blick in bie Zufunft,
auf Die peremtorifhe Erfüllung dieſes Tempel—
meſſens wagen; ich habe oben im 6ten Kapitel diefes Nach:
trags die peremtorifche Erfüllung der Weiffagung vom
Sonnenweibe in der zukünftigen Befehrung des Volks Iſrael
und deſſen Vereinigung mit der wahren chriftlichen Gemeine
gefunden, — Dahin gehört nun auch jenes Tempelmeffen
im eigentlichen Sinn; denn wenn der Sündenmenfc feine
empdrende Regierung beginnt, welche in ihrer höchften Wuth
vierthalb Jahr, oder 42 Monate, oder 1260 Tage, welches
Alles eine Zeitlänge ift, nach) unferer irdifchen Zeitrechnung
währen foll, fo brüllt der erfte der fieben Donner,
der die Ehre Jehovah's verfündigt, über das
große Knochenfeld hin, der Geift des Herrn weht
Leben in das todte Iſrael, und verfammelt ed; die Ehre
Sehovah's erfordert, daß Er Wort halte, und das beftimmt
erfülle, was Er durch alle feine heiligen Propheten feinem
* Eee me ZT ee u oe
=
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 539
Wolf verfprochen hat; dann fagt auch diefer Donner zu
dem Apoftel: mache dich auf, und miß ben Tempel u. f. w.
denn nun wird zu der Firchlichen Ordnung, zu dem Tempel,
der durch das ganze taufendjährige Reich ren m
der Grund gelegt.
Diefer erfte Donner der Ehre des Herrn, foll *
nun auch die ganze Chriſtenheit aufmerkſam auf das aufs
fteigende Gewitter machen, in welchem der Herr kommt;
ich moͤchte dieſen erſten Donner daher auch Maranatha
nennen — Maranzatha — der Herr kommt; aber er grollt
auch dem das Anathema — die Verbannung , den Fluch —
zu, der den Herrn Jeſum nicht lieb hat — und gerade dann
ift ed an der Tagesordnung, Ihn von Herzen zu haffen.
Ferner wird dem Tempelmeſſer geſagt, er folle den Hof,
der auswärts dem Tempel ift — hbinauswerfen —
&xßale 250 — darum weil er den Heiden gegeben ift, und
alfo nicht braucht gemefjen zu werden, weil er nicht unter
die Heiligen, die wahren Verehrer des Herrn vertheilt werden
fol. So wahr und gewiß ift es, daß Religion und Gotted-
dienft vernuͤnftig feyn muͤſſen, fo unftreitig wahr ift ed auch,
daß in diefem Fall auch die Vernunft durch das himmlifche
Licht des Worts Gottes erleuchtet werden muß, fo wie der
Mond von der Sonne erleuchtet wird; gefchieht dies nicht,
fo entfteht daher die folfche Aufklärung, welches zur Nature
Religion, und durch dieſe endlich zum Atheismus führt.
Sp wie nun abergläubifcher Geremoniendienft , wie ich oben
erinnert habe, bei der Accomodation des Tempelmeffens der
Vorhof war, fo ift num jegt die falfche Aufklärung des Uns
glaubens und Ehriftushafles diefer Vorhof.
Hier macht nun der zweite Donner, welder die
Stärke des Herrn verfündigt, eine mächtige Scheis.
dung: der chriftlichen Heiden ihr Theil ift ihre falfche Aufz
Härung; der Donner brüllt das Gericht der Verſtockung
über fie aus, und der Zutritt zum Heiligtum der evangelis
ſchen Wahrheit ift ihnen auf ewig verriegelt; jegt führe der.
Donner der Stärke des Herrn das Anathema wirklich aus;
er verbannt alle TIhiers s Unbeter hinaus in ihren Vorhof,
540 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
und nun fangen fie auch das Zertreten der heiligen Stadt,
des geiftlichen Jerufalems, der gefammten verdorbenen Chris
ftenheit an; die Gemeine des Herrn ift aber nun im Tem:
pel, im innern Heiligthum; fie ift mit der Urquelle des Lichts, .
mit der Sonne der Gerechtigfeit Jeſu Chriſti bekleidet, und
hat ven Mond der falfchen Aufklärung, das Licht des bins
auögeworfenen Vorhofs, unter ihren Füßen; aber fie hat
fhredlihe Geburtöwehen, fie ängfter fih, daß fie überlaut
ſchreit — man leſe, was ich hierüber oben im 6ten Kapitel
gefagt habe — während dem fteht der fiebenföpfige Drache
draußen in feinem Vorhof, und Iauert auf den Knaben, der
geboren werden fol.
Jetzt laͤßt fih nun der dritte Scnueh, der bie Herrs
lichfeit des Herrn verfündigt, majeftätifch hören;
im innern Heiligthum gefchieht die Geburt des männlichen
Sohns, derlang erfehnte Meſſias nimmt fein Volk in Gnaden
an, Er ift mit Angftwehen aufs Neue ausgeboren worden,
aber Er. zieht fih num zurück zu Gott und feinem Stuhl;
der Donner der Herrlichkeit bligt den Drachen aud) aus dem’
Borhof hinaus auf die Erde, und num geht das Zertreten
Serufalems erft recht an. Off. Joh. 12. ©. 7. bis 17. Das
Sonnenweib aber, nämlich die Gemeine des Herrn, befommt
Adlersfluͤgel, durch welche fie in ihren Bergungsplaß gebracht’
wird, wo fie viertehalb Zeiten, oder 1260 Tag lang, wels
ches hier Eins ift, ihren fihern Aufenthalt findet, welder
mit dem Zeitpunkt der größten Wuth des Thiers anfängt,
und mit der Ankunft des Herrn und feinem vollfommenen
Sieg über alle feine Feinde aufhört. |
Gerade in der nämlichen Zeit, der Geburt des männlichen
Sohns, der Flucht des Weibes, und der Ausftoßung des
Drachens aus dem Vorhof auf die Erde treten nun Die
zween Zeugen aufs Kap. 11. v. 3. u. f., auch diefe hat der
Donner der Herrlichkeit hervor gebligt, fie find auch wahre
Benehargem, Donnersöfinder, wie Jakobus und
Sohannes Mare. 5. 9. 17. fie erfcheinen in Trauerkleidern,
und das mit großem Recht: denn jetzt ift die Menfchheit,
und vorzüglich die Ehriftenheit, in einer fo ſchrecklichen Lage,
— ———
*
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 641
in einer ſolchen Kriſe, in welcher ſie noch nie war, ſo lang
die Welt ſteht; ſie haben den Auftrag, das letzte Zeugniß
der Wahrheit von Jeſu Chriſto im Angeficht des regierenden
Menfchen der Sünden, feines falfhen Propheten, und feis
nes ganzen Reichs abzulegen, damit niemand ſich mit der
Unwiffenheit entfchuldigen koͤnne; und um ihrem Zeugniß
Kraft zu geben, und die Menfchen finnlich zu überzeugen,
daß ihre Worte Wahrheit find, find fie mit aufferordentlichen
Kräften verfehen; fie find Mofe und Aaron vor. Pharao,
und Eliad und Elifa zu Ahabs Zeiten ähnlich. Was für
Männer müffen das feyn? — und welcher Muth und Ents
fchloffenheit wird zu ihrem Zeugniß erfordert? Aber dafür
wird auch ihr Lohn unausfprechlich groß feyn — dies fieht
man fchon daraus, daß fie die Erftlinge der erſten Aufers
ſtehung find. Kap. 11. ©. 11. 12
Diefe aufferordentlihen Männer haben nun drei Donner
in ihrer Gewalts fie gebieten dem vierten, dem
Gedernbreber, dem fünften, dem Blitze ge baͤh—
ver, und dem fehsten, dem Bändiger der wil
den Natur. Durch den Gedernbrecher tödten fie ihre
Feinde und Beleidiger, der Blisgebährer ftraplt Feuer aus
ihrem Munde, und der Bandiger der Natur verfchleußt den
Himmel, daß es nicht regnet, verwandelt das Waſſer in
Blut, und fchlägt die Erde mit mancherlei — Kapi⸗
te. 1.05 &
Wenn die zween Zeugen ihr Zeugniß germdigt haben, und
der Zeitpunkt des großen Gerichts über den Menfchen der
Sünden da ift, fo macht diefer nun fein Maaß dadurd)
überfließend voll, daß er die heiligen Männer umbringt.
Es heißt im Tten Verdi: er werde einen Streirmit
ihnen halten — fie müffen alfo wohl einen großen Anz
bang — und viele Brände aus dem Feuer gerettet haben,
aber durh Streiten fiegt der Chrift nie, fondern durch
Lieben, Dulden und Leiden; die zween Zeugen fterben den»
Martprers, den Blutzeugentod und werden nicht begraben,
fondern fie liegen auf der Gaffe der großen Stadt,
welche. geiſtlich Sodoma und Egypten genaunt wird,
542 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
wo auch ihr Herr gekreuzigt worden iſt; über
ihren Tod entfteht ein großer Jubel, es werden Freudens
fefte angeftellt, man glaubt, man habe überwunden, aber.
ploͤtzlich, ganz unerwartet fchläget nun der fiebente.
Donner, der Verwäfter der Natur, in die Stadt,
die zween Zeugen werden lebendig, fahren gen Himmel, die
Erde bebt, der zehnte Theil der Stadt wird verfchlungen,
° fiebentaufend Menfchen werden getoͤdtet, und die übrigen
geben in ihrem Schreden dent Gott ded Himmels Herrs
lichkeit, v. 13. Fett ift nun nichts mehr übrig als die Zus
funft des Herrn, das Gericht über den Menfchen der
Sünden, feinen falfhen Propheten, und dann die Ge
fangennehmung des Satans.
So weit gehen , nach meiner Einficht, die A iegelten
Stimmen der ſieben Donner; ich habe dem wahrheitliebens
den Lefer meine Vermuthungen, oder lieber, meine Ahnung
gen, darüber mitgetheilt, fo wie fie in meiner Seele liegen;
wer eine willführliche Auslegung, oder Accomodation, darin
zu finden glaubt, der möchte fich doch wohl irren: denn je
tiefer man gründet, defto mehr Uebereinftimmung und Zus
fammenpaffung wird man allenthalben finden; indefjen bes
feheide ich mich fehr gerne, daß ich auch hier: durch einen
Spiegel, vder in einem Spiegel, noch ein Raͤthſel fehe,
der große Zeitpunkt wird mich indeffen fo weit rechtfertigen,
daß ih durch diefe Erklärung nicht Er
fondern genügt habe.
Im achten Vers des 11ten Kapitels liegt noch ein ER
würdiges Kaͤthſel verſiegelt: die Leichname der zween Zeus
gen werden. auf der Gaſſen der großen Stadt liegen,
welche geiſtlich Sodom und Egypten genannt wird,
und wo ihr Herr gefreuzgigt worden ift. |
Hier werden vier Charaktere angegeben, an welchen man
die Stadt, oder den Ort erkennen fol, wo die zween Zeus
gen den Martertod leiden: 1) es ift eine große Stadt;
2) fie heißt im geiftlihen Sinn Sodom; weil ſodom i⸗
tiſche Gräuel darin vorgehen; 3) auh Egypten, weil
fie das Volk des Herrn unter tyrannifcher Kuechtfchaft ges
ee —
| Nachtrag zur Giegsgefchichte. 545
halten, und nun auch durch die zween Zeugen egyptifche
Plagen erfahren hat; und 4) ift es auch der Ort, wo der
Herr gefreuzige worden iſt. Diefe legte Bezeichnung deutet
auf Zerufalem, denn da ift ja die Kreuzigung gefchehen;
allein daß diefer Ort dann eine große Stadt, ein Sodom
und Egypten feyn koͤnne, das ift gar nicht wahrſcheinlich;
mir duͤnkt daher, daß auch diefe Stelle geiſtlich rıvevuarızag
erffärt werben müffe, und daß man die Worte, Orov xal
wo auch — fo verftehen Fönne; wo auch eben fo wie in
Serufalem — ihr Herr gefreuzigt worden ift. In diefem
Sinn wird alfo das geiftliche Ferufalem und Zuda, die ab-
gefallene Chriftenheit die große Stadt ſeyn; und die Gaffe
der großen Stadt — (Enri ıns nhereieg — alfo im Singulari,
nicht auf den Gaſſen, oder auf einer Gaffe, fondern auf
der Gaſſe der großen Stade liegen die Leichname der zween
Zeugen), kann man dann die Refidenz des Menfchen der
Sünden verfiehen. Ja wohl ift der Herr, durch den Abfall,
durch den vielfältigen Druck feiner wahren Verehrer, und
nun auch durch die Hinrichtung der zween Zeugen, in diefer
großen Stadt, im der ausgearteten Chriftenheif, a uch ges
freuzigt worden. |
Mo und welches aber num die Gaffe der großen Stadt,
die Nefidenz des Menfchen der Sünden feyn werde — wo
man died Sodom und Egypten fuchen müffe — das dürfen
wir jeßt noch nicht errathen wollen, damit man nicht fein
Augenmerk auf die unrechte Stadt richte, und darüber den
wahren Geſichtspunkt verfehle. | |
Liebe Lefer! ich bitte, ich befchwöre Euch, richter nicht ! —
Urtheile — Verurtheilt nicht — denn mit dem Gericht, wos
mit Ihr richtet, werdet Ihr gerichtet, und nad) Eurer Art
zu urtheilen, werdet Ihr verurtheilt werden. Kein König,
fein Kaifer, Fein Regent, fey Euch der Menfch der Sünden;
fein Ort, Feine Stadt, fey Euch) dies geiftlihe Sodom und
Egypten, bis man Euch Euren Heiland nehmen,
und Euch zum Mahlzeihen an Stirn und Hand
zwingen will. Dann iſts auch noch früh genug.
— ER EN,
544 Nachtrag zur Siegsgeſchichte. |
Das achte Kapitel,
Einige Bemerkungen über die fieben Schaalen, welche
init dem Zorn Gottes angefüllt, und in die ganze Nas
tur ausgegoffen worden; modurd dann das Gericht -
über die verborbene Chriftenbeit vollends qusgeſuh⸗
ret wird.
Die majeſtaͤtiſche Beſchreibung des letzten ſchrecklichen
Gerichts uͤber die abendlaͤndiſche Chriſtenheit, enthalten das
15te und 16te Kapitel der Apocalypſe; man leſe, was ic)
darüber in der Siegsgefchichte gefagt habe, Die Erbffuung
der fechd Siegel enthielt das Gericht über das. heidnifche
Roms; durch das Erbrechen des fiebenten Giegeld Famen
fieben Engel mit Pofaunen zum Vorſchein; ſechs Pofaunen
flürzten das morgenländifche Chriftenthum und feine Mo—
narchie in den Staub; dad Blafen des fiebenten Engels
tönet lange: der Feind Gottes und der Menfhen erfchöpft
num die ganze Politik feines Reichs, um feine Oberherrſchaft
über die Erde und die Menfchheit zu erwerben, zu erhalten
und zu behaupten; dazu wird ihm auch Zeit gelaffen, damit
er nicht fagen Fünne, er ſeye übereilt worden, und damit
auch die armen Menfchen Zeit haben mögen, ſich zu befinnen
und zu befehren. Wenn aber nun die Liebe, Kangmuth und
Geduld Gott Alles verfucht hat, um die Chriftenheit zum
Nachdenken zu bringen, wer fich befehren wollte, bekehrt ift,
und wenn die Politik der Holen erſchoͤpft ift, fo treten nun
in den leßten Tagen der fiebenten Pofaune fieben prächtig
geſchmuͤckte Prieſter-Engelaus der himmliſchen
Stiftshuͤtte oder Tempel hervor; dieſe haben gol—
dene Schaalen, welche fie von einem ber vier Seraphim
—
en ur > Sn A
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 545
empfangen, "und alle fieben find mit dem Zorn des Jehos
vah, des ewiglebenden Gottes angefüllt. Diefe Beichrei-
bung ift überaus majeftätifch und furchtbar.
Um den Lefern, welche die Siegsgeſchichte nicht zur Hand
haben, nicht unverftändlich zu feyn, will ich die dort weit—
läuftig abgehandelte Accomodation der fieben. Zornfchaalen
bier kurz wiederholen, und durch einen oder. andern nähern
Auffchluß noch mehr erläutern.
Das Gericht über das heidnifhe Rom. wurde unter den
ſechs erften Siegeln dur Noffe und Reiter, alſo durch
Bilder des Kriegs vorgeftellt.
Die Bilder, welche den Umſturz des morgenländifchen
Reichs beveuteten, waren Engel mit Pofaunen, mit Streite
hörnern, fo wie fie ebenfalls im Krieg gebraucht werden.
Diefe Engel Fanien nicht aus dem Tempel, fondern fie
traten nur vor den Thron Gottes, und empfingen da ihre
Pofaunen; folglich ift auch hier von Krieg die Rede.
Die Bilder aber, welche dies letzte Gericht vorftellen,
find ganz anders, fie find feierlich, priefterlih „ oder relis
gids — die Engel. find in feinen fchneeweißen Leinwand
gekleidet, und über die Bruft mit einem goldenen Gürtel
umgürtet; died war ganz genau die Kleidung der Aronitenz
fie haben Fein Symbol des Kriegs, fondern der Religion,
namlich Schaalen, fo wie fie im Tempel bei dem Opfers
dienft gebräuchlich waren; und endlich famen fie aus dem
Tempel, aus der Stiftshuͤtte, wo fie freien Zutritt haben,
weil fie Priefter find. Auch das ift merfwärdig, daß die
Schechinnah, die Herrlichkeit Gottes im Tem:
pel iſt; died beweißt, daß fich der Herr jett einmal wies
der befonders feines Volfs annehmen, und fich ausfchließend
mit ihm befchäftigen wolle: denn die Stiftshütte ift
immer, im Himmel wie auf Erden, Symbol
der Neligion des leiblichen und geiftlihen
Siraels.
Aus diefem Allem glaube ich nun mit Grund fchließen
zu fönnen, daß diefe fieben legten peremtorifchen Gerichte in
der chriſt lichen Religions-Verfaſſung ihren Ur-
Stiling’s fämmtt. Schriften. IN. Band, 35
—
546 Nachtrag zur. Siegsgefchichte.
ſprung nehmen, und auc) durch diefelbe ausgeführet werben.
In diefer Vermuthung werde ich auch noch dadurch bes
ftärkt, daß das letzte Gericht darin befteht, daß der Herr
bei feiner Ankunft feinen Feind mit dem Schwert fei«
ned Mundes überwinden wird: theild die Macht des
Worts der Wahrheit, theild auch der feurige Strahl der
Berfluhung aus feinem Munde, wird jenen auf ewig bes
fiegen. Ueber die eigentliche Befchaffenheit der fieben Zorns
fhaalen und der dadurch entfiehenden Plagen will ich mich
nun näher erklären; ich bitte daher, folgendes mit
angefirengter Aufmerffamfeit zu lefen!
Ich habe oben im fechsten Kapitel dreier Klaffen gedacht,
in welche jetzt die europäifche Chriftenheit zertheilt ift: die
erfte enthält die wirklich Abgefallenen; die zweite die jet
herrfchenden fogenannten Neologen; und die dritte die in
viele Partheien vertheilten altgläubigen Chriften. Die zweite
jest herrfchende Gefinnung in der Religion, iſt: durd bie
philofoppifche Aufklärung Menfchenfraft und Menfchenwürde
in jeder Seele zu entwicdeln, um fie dadurch fo zu ſtaͤrken,
daß fie gute moralifche Menſchen werden; zu dem Ende
predigt man auch) nur Moral, und dringt auf das Halten
derſelben, und bedient fi) dabei dann noch der Bibel, theils
um die fehwachen Gemüther nicht zu ärgern, theild um doch
den guten frommen Chriftus nicht fo auf einmal vor den
"Kopf zu ſtoßen, fondern ‚ihn erft nach und nad au die
Seite zu ſchieben.
‚Der Erfolg diefer Methode ift fehr natürlich: wenn der
Menfch nichts mehr von dem grundverborbenen Zuftand
hört, im den er durch den Fall unferer erſten Eltern geras
then ift; nichtd mehr von Fluch » und Verdammnißwuͤrdig⸗
feit weiß, fondern wenn er öffentlich gelehrt wird, er ſey
noch fo, wie er aus der Hand des Schöpfers gefommen fey,
und alle feine Unvollkommenheiten und Unarten feyen nur
Folgen feiner anerfchaffenen Endlichfeit; dabei fey es auch
mit den Höllenftrafen ſo ſtreng nicht gemeint u. ſ. w., fo
muß nothwendig eine innere Beruhigung und Sicherheit,
und zugleich eine ſelbſtgenuͤgliche Zufriedenheit mit ſich
ET
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 547
felbft entftehen: denn man ift wie man feyn foll, wie einen
der liebe Gott haben will, weil Er uns ja fo erſchaffen
hat. Nun. kommt aber noch hinzu, daß man den armen
verführten Menfchen auch noch die ſes Leben zum erften
Zwed ihres Dafeyns macht, und daß auch hier fchon der
finnliche — freilich durch Vernunft geleitete — Genuß nicht
blos erlaubt, fondern Pflicht fey. An eine Vorbereitung
und Veredlung des Charakters zur Himmels» Bürgerfchaft
wird zwar auch gleichfam im Vorbeigang gedacht, aber
man gibt ſchon jene elende todte Moral und die Leitung
der Vernunft ald die hinlänglichen Mittel dazu anz und
was ift nun der Erfolg? — Fein anderer, ald gäanzlicher
Verluſt aller religidöfen Tugenden; Armuth bes
Geiftes, Gottes: und Menfchenliebe, Glaube, Hoffnung,
Geduld, Beftändigkeit im Leiden, und Demuth find gar
nicht mehr zu erwarten, — denn wo follen die Früchte ei—
ned Geiftes herkommen, an deſſen Exiſtenz man gar nicht
mehr glaubt? Dagegen bekommt man höchftens etwas Äfthes
tifches Gefühl, Gefchmeidigkeit im Umgang, fophiftifche
Kenntniffe, einen gewiffen Hang zur weichlihen Wohlthaͤtig—
feit gegen Menfchen, die uns nicht beleidigt haben,
und Räfonnirfucht, oder Neigung zu glänzen, und doc) ift
died nur der Fall bei gebildeten Ständen, die eine feine Er—
ziehung haben; der gemeine Mann, der nur blos durch grelle
Vorftellungen im; Zügel gehalten halten werden Fann, dem
alfo die bildlihe Befchreibung von Belohnungen und Stra—
fen nach diefem Leben, und eine firenge Zügelung des Ges
wiffens, ſchon dazu unumgänglich nöthig find, um. fich
nur als ein ordentlicher Bürger, Ehmann und Vater aufzus
führen, wird durch diefe Lehrmethode zum ausgelaffenften
Böswicht, wo ihn nur die Polizei nicht mehr erreichen kann.
Bei jenen gebildeten Ständen find rafender, unerfättlicher
Luxus, Wolluft aller Art, und der unbändigfte, ſich felbft
alles aufopfernde Egoismus die unvermeidliche
Folge; daher reißt allenthalben eine Sittenlofige
Feit ein, die empdrend und gränzenlos iftz jetzt
iſt die ganze Natur zu arın, ſolche unerfättliche Begierden zu
s5 *
518 Nachtrag zur Siegsgeſchichte
ſtillen — daher ein immerwaͤhrendes Draͤngen, Treiben und
Anſichreißen irdiſcher Guͤter, auf Koſten des Nebenmenſchen,
daher bei den geringern Klaſſen lechzende Rachſucht und
Empoͤrungstrieb gegen die Maͤchtigern, daher alſo endlich
eine Hölle auf Erden,
Diefe ungeheuren Ausartungen alle, wie wir fie in mehr
oder wenigerem Verhältniß heut zu Tage unter uns finden,
find ganz natürliche Folgen der Aufflärung und. (Gott
verzeihe mir den Ausdruck, den fie gebrauchen) gereinig-
ter, oder reiner Chriftus-Religion, die fie nun
in achtzehnten Jahrhundert glauben erfunden zu haben, und
fih fo fehr damit brüften, daß fie den für einen Dummkopf
und verächtlihen Menfchen halten, der noch der altfränfie
fhen Bibel glaubt; daß nun aus diefer Gemüthöftellung
almählig und Häufig Naturalidmus, Determinismus, Fatas
lismus und Atheismus entftehen müffen, das ift —
und häufig erfahrne Wahrheit;
Nur um des Kontraftes willen, will ih nun kurz, *
wahr, das Bild eines altglaͤubigen Bibelchriſten gegenuͤber⸗
ſtellen, und dann, lieber Leſer! — dann urtheile!!!
Der wahre Chriſt weiß und fühlt, daß er von Natur grund⸗
verdorben, und nicht der geringften göttlichen und menfchliz
hen Wohlthat würdig iftz dies macht ihn von Herzen des
muͤthig, fo daß er ſich nichts anmaßt, fondern immer das
unterfte Plätschen fucht, und immer Andere höher 4J
ſchaͤtzt als ſich ſelbſt. N
Der ‚wahre Chrift fühlt fi arm an allem, was ihm zu
feiner Veredlung nöthig iftz er fühlt, daß er von Jugend auf
ſchwerlich gefündigt und den Zorn Gottes verdient hat. —
Demäthig kommt er alfo, ohne zu vernünfteln, im Glauben
zum Erlöfer, ringe und fleht fo lange, bis er in feinem Iu-
nerften Vergebung feiner Sünden, und nun eine gänzliche
Veränderung feiner Gefinnungen empfindet; jegr ift er fo
durchdrungen von der Liebe zu Gottiund zu feis
nem Nebenmenfhen, daß er für beide Alles
aufopfern könnte, wenns gefordert würde,
Der wahre Chrift ift alfo von Herzen demüthig, voller
Nachtrag zur Siegsgefchichte. 549
unverfälfchter uneigennüßiger Liebe gegen Gott und Mens
ſchen, die gerade das Gegentheil des Egoismus iſt; die
weltlichen Güter und den finnlichen Genuß erlaubter Vers
gnügungen gebraucht er nur mäßig und zur norhdürftigen
Erholung, und arbeitet nur immer dahin, um etwas übrig
zu haben, womit er den Armen und Nothleidenden unters
fügen koͤnne.
Der wahre Chrift macht hier in diefem Leben Feine Präs
tenfionen, er duldet, liebt und leidet; er fett alle feine Hoff⸗
nungen auf jenes Leben; und hier findet er im innern Umgang
mit Gott, und in der Empfindung der Nähe des Allgegens
wärtigen ein folch reines und erhabenes Vergnuͤ—
gen, wogegen alle finnlidetuftbarfeiten pure
Kinderei und Puppenfpiele find; in diefer Ge
müthöverfaffung wird ihm die heutige theologifche Auffläs
tung rafende Unvernunft, und das wahre, alte evangelifche
Chriſtenthum die höchfte und weifefte Vernunft, u, ſ. w.
Nun fage mir, lieber Lefer! wer du auch feyn magft,
unter welcher Gattung diefer beiden Menfchenklaffen möchteft
du am liebften leben? — die Antwort fchenfe ich Dir, fie
verfteht fich von felbft. Doc ich wende mich nun wieder
zu meinem Zweck:
Der herrſchende Geiſt unſerer Zeit, fo wie ihn die Phi—⸗
lofophie und Neologie ausgehect haben, iſt: unbändiger
Egoismus, man liebt und fucht nur fich felbft ; unerfättlicher |
Luxus; die zügellofefte, natürliche und-unnatürliche Wolluft,
und ein Empordrang, den nur der firengfte Defpotismus
bandigt, aber num auch dadurch zur teufelifchen Bosheit
hinauf reizt. Das natürliche Refultat von dem Allem iſt: —
der Zorn des ewiglebenden Gottes, womit die
fieben goldene Shaalen der Priefter-Engel an
gefüllt find Wir — dies feurige Geiſtwaſſer etwas
naͤher betrachten: |
Der immer fleigende, ins Unendlich fich ausbreitenbe
— in Verbindung mit der zuͤgelloſeſten Wolluſt, und
der über alles ſich erhebenden Selbſtſucht, bilden den menfch-
lichen Geift zu einem Ungeheuer, das mit lechzendem Hun⸗
—
550 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
ger und Durft alle Güter des Lurus und der Wolluſt an
fi reißt, fo weit fih nur feine Gewalt erfireden Fannz
da mögen Ströme Bluts fließen, Wittwen und Waifen vers
ſchmachten, und die edelften Menfchen in den Koth getreten
werden, dad thut alles nichts, es iſt taats⸗-Raiſon und
daher erlaubt.
Sagt man mir: Ja! dad’ war aber von Anfang ber
Melt an, bei allen Nationen und Staaten immer ſo —
das iſt alfo auch jest nichts fo befondersz; fo antworte ich:
das ift leider! wahr, aber mit dem großen Unterfchied, daß
unfern chriftlichen Nationen und Staaten der ganze Rath
Gottes zur Seligkeit durch Chriftum das von Erfhaffung -
der Welt an verborgene Geheimniß der Erldfung des
gefallenen menſchlichen Geſchlechts, feit Jahr⸗
hunderten befannt gemacht worden, und daß fie es dennoch
verachten, und fogar den Weltheiland und feine
Religion infeinen wahren Verehrern von der
Erde zu vertilgen fuhen. — Dies war nod) bei kei—
ner Nation der Fall, daher ift auch das Gericht der fieben
Zornſchaalen das Schredlichfte, das je Über ein Volk ers
gangen iſt; wir wollen ed num etwas näher betrachten:
Die Begierden und dad Lechzen nad) finnlihem Genuß
geht ind unendliche, aber die Güter, wornad) diefe brens.
nende Sehnfucht ftrebt, find endlich — die Natur und die
Kunft hat ihre Gränzen. Hiezu kommt noch, daß der
Reihe, Mächtige und Klägere Alles um fich her an ſich
reißt, und dem Armen, Schwäcdern und Dümmern auch
die umentbehrlichften Befriedigungsmittel entzieht; da mun
diefer eben fo fehr nach finnlihem Genuß lechzt, fo ents
ſteht in feinem Herzen Wuth und Verzweiflung, ein hoͤl⸗
Lifhes Feuer entzündet fich in feiner Bruſt, er
leider Höllengqual, und wartet mit Sehnfucht auf die.
erfte und befte Gelegenheit, ſich ſchrecklich zu rächen. Gebt,
meine lieben Lefer! dies ift nun der Zorn Gottes! — Er
ift die ewige Liebe, in Ihm geht Feine Veränderung vor;
‚aber der abgefallene Ehrift, dem es befannt ift, daß Naͤch⸗
fiens und fogar Feindesliebe, Verläugnung der Augen⸗ und
I
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 651
Sleifchesluft und des hoffartigen Lebens, Pflichten für ihn
find, die er erfüllen muß, und die nun dad gerade
Gegentheil feiner tobendenfeidenfhaften find,
fühle gar wohl in feinem Junerſten, daß er wohl thun und
glücklich feyn würde, wenn er den Lehren der Religion .
folgte; aber eben died macht ihn nun rafend; er wüthet im
feiner Seelen gegen Gott und Chriftum, und will lieber
ewig verdammt feyn, als feinen Much nicht Fühlen. Diefe
Gefinnungift nun eben das feurige Geiſtwaſ—
fer des Zorns Gottes, mit welchem die fieben
goldene Schaalen angefüllt find; und dad außer
der abendländifchen Ehriftenheit noch Feine Nation Fennen
gelernt hat, weil noch Feine, nach dem eigentlichen Verftand
des Worts, fo wie jene von Chriſto abgefallen ift: denn die
morgenländifche Ehriftenheit, fo fehr fie auch in Lurus und
Laftern verfunfen war, glaubte doch noch immer ganz feft
an Zefum Chriftum, ald den Sohn Gottes und Erldfer
der Welt, | |
Wir haben die Wirkung diefes Zorn: und Fluchwaflers
während der franzdfifchen Revolution fehr deutlich und. leb⸗
haft erfahren; und ich bin noch immer der Meinung, die ich
in der Siegsgeſchichte geäußert habe, daß im Jahr 1789 °
oder auch im Anfang der 90ger Jahre, als die Schredends
‚ zeit. begann, die erfie-Zornfchaale auf die Erde
ausgegoffen worden ſey — man kann diefe Erklärung
wenigftens ald eine Arccomodation gelten laffen: denn daß
es eine peremtorifche Erfüllung ſey, ift mir nunmehro des⸗
wegen zweifelhaft geworden, weil die Wirfung der ausge:
goffenen Schaale in bösartigen Gefhwüren befteht, welche
diejenigen befommen, die das Mahlzeichen des
Thiers haben und fein Bild anbeten; da num
dieſe legteren Kennzeichen noch nicht offenbar find, fo muß
auch die peremtorifche Erfüllung des Ausgießens der erften
Schaale noch zukünftig feyn, Indeſſen, die böfen Geſchwuͤre
find fchen bei den Abgefallenen, den zukünftigen Thierss
Anbetern, völlig in ihrer Entzundungsperiode, zum Falten
Brand wird ed dann auch endlich Fommen; deun die Wir⸗
552 Nachtrag zur Stegsgefhichte, -
fung. diefer Echaale dauert bis and Ende, fo wie dies vr
allen Schaalen der Fall ift.
Der erfte Engel goß feine Schaale auf die Erde —
unter dem Bild der Erde wird die Volksmaſſe verftanden,
welche die eigentlichen Befißer der Erde enthält; fie bedeutet
aber auch ven Schauplaß der göttlichen Gerichte, die Laͤn⸗
der, welche ehmals zum alten heidnifchen römifchen Reich
‚gehört haben; die Menfchen auf diefer Erde, infofern fie
durch den Abfall zukünftige Unterthanen des Thiers gemwors
den find, befommen das Rebellion s und Nevolutionsges
ſchwuͤr, das dann früher oder fpäter aufbricht, und unfäg-
lichen Sammer anrichtet.
Der zweite Engel goß feine Schaale ind Meer aus,
und ed ward Blut wie eined Zodten, und jede lebendige
Seele im Meer ftarb. Daß unter dem Meer ein unordentz
liches oder ordentliches Gemifche von vielen Völkern, Zune
gen und Sprachen verftanden werde, dies fagt uns ein
Engel Apoc. 17. v.15. Damit verträgt fih aber aud) die
Vorftellung fehr gut, wenn man die chriftlichen Seemächte
mit allen ihren Befigungen und Inſeln, in allen Meeren
and Welttheilen darunter verfieht. Daß auch hier al
lenthalben das geiftige Feuerwaffer der erften
Schanle, der zweiten den Weg bahne, daran
ift Fein Zweifel; allein ich trage doc) Bedenken, noch
ferner die Accomodation in der Siegsgeſchichte beizubehal-
ten, vermög welcher ich die Wirfung der erften Schaale auf
die Seeftanten fchon für das Ausgießen der zweiten gehal⸗
ten habe: denn wir mögen die Wirkungen diefer Schaale
erklären wie wir wollen, fo ift noch in feinem nur denfbas
ren Sinn dad Meer zu Blut geworden, und das Streben
jeder lebendigen Seele hat noch in Feiner möglichen Bor
ftellungsart feinen Anfang genommen. Aber laßt uns
ftille, ſchweigend und anbetend aufmerken, das
Ausgießen der zweiten Zornſchaale als vor—
läufige Accomodation, möchte wohl nidt —*
entfernt mehr ſeyn.
Wenn alfo die zweite Schanle noch nicht vorlaͤufig ausge:
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 553
goffen ift, fo koͤnnen es die dritte, vierte und fünfte noch‘
viel weniger ſeyn; ich bitte alfo, diefes in Beziehung auf
die Siegsgefchichte wohl zu bemerken.
Der dritte Engel goß feine Schaale in die Fluͤſſe und
Quellen, und fie wurden zu Blut. Was mögen hier wohl
die Flüffe und Waſſerquellen bedeuten? — Aus dem, was
der Engel der Gewäfler von der Gerechtigkeit der göttlichen
Gerichte im 5. 6. und 7ten Vers fagt, laßt fi) mit Gewißs
beit ſchließen, daß hier nicht etwa ein Ort oder Land unter
dem Bild der Flüffe und Wafferquellen zu verftehen fey, ſon⸗
bern die Waller, die man trinkt, womit man den
Durft fille. Ohne hier der fehließlichen Erfüllung der
MWeiffagung diefer Zornfchaale zu nahe zu treten — denn wir
wiffen nicht, in wie fern auch die äuffere Natur mitwirken
werde — duͤnkt mir doch, man müffe hier unter den Flüfs
fen und MWafferquellen nicht das wirkliche Trinkwaſſer im
den Ländern verftehen, wo die mehreften Ehriftenverfolgungen
ftatt gefunden haben, fondern vielmehr eine Verwandlung
des geiftlichen Trinfwaflers des Lebens, deſſen Quelle mit
Feuer vermifcht ift. Apoc. 15. v. 2. in Blut.
Daß die hriftliche Heildlehre unter dem’ Bild von erquis
enden Lebenswaffern oft in der heiligen Schrift vorgeftellt
werde, ift eine befannte Sache; durch das Auögießen der
zweiten Zornfchaale wird alfo dies Lebenswaſſer in Blut
verwandelt, das ift: es entfieht eine Religonölehre,
welche zu bluten gebeut, wenn man fie nidt
annimmt, und diefes wird befonderd die Länder treffen,
in welchen das mehrefte Chriftenblut vergoffen worden ift —
wahrfcheinlih wird diefe Weiffagung dann erfüllt werden,
wann fich der Menfch der Sünden offenbart, und feine Uns
religion den Völkern aufdringen will. Wie fchredlich ift das
Blut der Hugenotten in Frankreich gerächt worden; und mit
wie vielen blutigen Thränen haben die Emigranten unferer
Zeit die Blutſchulden ihrer Väter, die fie vor mehr als hun⸗
dert Jahren an den Nefügies auf fich geladen haben, *
ßen muͤſſen?
Der vierte Engel goß feine Schaale auf die Sonte
554 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
aus, und es wurde ihr gegeben die Menfchen mit Feuer
auszudoͤrren; auch diefe Dörrfucht koͤnnen wir. ſchon dem
Anfang nach, wenn die Herze, Seel: und Geift erguickenden
Lebenswafler in Blut verwandelt worden find, und der Sons
nenbrand kommt nun dazu, ſo iſt des Verſcam cann
kein Ende.
Die Sonne iſt die Quelle des Lichts und der
das Licht iſt die Mutter der Erkenntniß und die Waͤrme des
Lebens. Chriſtus iſt die Sonne des Geiſterreichs, und ſeine
Religion iſt Licht und Wärme, Wahrheit und Liebe; auf Chris
ftum felbft wird eben fo wenig eine Zornfchaale ausgegoſſen,
ald daß der unveränderliche Gott, die ewige Liebe zornig
werden follte; aber das feurige Zornmwafler, welches die
Menſchen felbft aus der faulenden Maffe ihrer Philofophie
heraus veftillirt haben, macht ihnen Chriſtum und feine
Meligion zum ausdörrenden Feuer; das Licht zeigt ihnen
alle die Pflichten ver Moral, die fie felbft predigen, und
Die der Menfch unbedingt erfüllen müßte, aber die Waffer
bes Lebens fehlen, fie find in Blut verwandelt — daher
weder Kraft noch Saft zum Leben und Wirken; Die wohls
thätige Wärme fehlt: denn man hat die erbarmende
Liebe in dem Berfühnblut des Erlöfers fchon lang durch
das feurige Geiftwafler in den Herzen der Menfchen ges
daͤmpft; daher firaft ihnen nun die Sonne ausddrrende
Zornglut — die ganze Natur fpricht: Verflucht fey num
derjenige, der die Moral nicht vollfommen ausübt, die ihre
predigt, habt Ihr das Blut des Verfühners verhöhnt, und
die wahren Lebenswafler, die Gnadenwirkungen des heiliz
gen Geiftes, abgedämmt, weil ihr glaubt, alles felbft zu
fönnen, fo erfüllt auch nun das Alles bis auf den Kleine
Ben Punkt, oder verfchmachtet in Ewigkeit, in dem Feuers
fee, den ihr euch felbft bereitet und angezündet habt.
Dies ift Die vierte Zornfchaale, die auf die Sonne aus⸗
gegoffen wird, Das Vorfpiel dazu fahen wir ſchon in uns
fern Tagen; erſt untergrub man das Anſehen der Bibel,
indem man den Kanon dieſes und jenes Buchs derſelben
zweifelhaft und die Vernunft zur Richterin dieſer heiligen Ur⸗
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 555
Funden machte; dadurch verlor fie ihr DOberappellationds
Recht in der Religion; und dieſes wurde num der
Philofophie zugefprohen und übertragen, das
mit nun diefe ihre neue Würde mit Anftand möchte bes
haupten koͤnnen, fo nahm man fie Eoram, um fie recht
ins Reine zu bringen: Kants großer Geift wurde ihr Nes
formator, und er fand bald, was ein jeder Schulfnabe
fchon in feinem Katechismus findet, daß die Vernunft in
überfinnlichen Dingen nichts wife — dies ift das Nefultat
feiner Kritik der reinen Vernunft, und die einzige wahre
Philoſophie, Die ich Fenne.
Man follte denken, jetzt wäre man alfo nun aufs Reine
gefommen, und man hätte die Bibel gefchwind wieder auf
den Thron gefeßt, allein man durfte fich ja Fein Dementi
geben; — man fuchte und fand nun in der menfchlichen
Seele eine Sehnfuht nad einem unendlichen
böhften But, nah Unfterblidhfeit, und ein
Pflihtgefühl, das Gute zu lieben und zu thun,
und das Bdfe zu haffen. Diefe Sehnſucht und diefed
Pflichtgefühl fonderte man von allem Materiellen ab, und
die leere Form mit ihrer Tendenz nach Gott, Unfterblichkeit
und Tugend fahe man ald eine wefentliche Eigenfchaft der.
Seele an, und nannte dies nun die praftifhe Vers
nunft, welche aljo ohne die Bibel, und irgend
eine pofitive Offenbarung nöthigzu haben, den
Menfhen zu feinem Ziel leiten koͤnne.
Es ift unbegreiflich, wie man fo furzfichtig feyn und nicht
bemerken Fonnte, daß freilich die leere Form, aber nicht
die Tendenz nad Gott, Unfterblichfeit und Tugend wer
fentlich fen. Gerade ald wenn ich fagen wollte, der Geruch
einer Slafhe, aus welcher ich einen wohlriechenden Spiris
tus gefchüttet, und fie leer gemacht habe, fey dem Glas
der Flaſche wefentlich. |
Diefe ganze Tendenz ift ja Folge einer pofitiven Offenbas
rung Gottes an die Menfhen — denn die Nationen, wels
hen nie. ein Schimmer von diefem göttlichen Licht geleuch⸗
—
556 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
tet hat, haben auch dieſe Tendenz nicht; dies iſt unbeſtreit⸗
bare Thatſache.
Aber was iſt denn nun aus dieſer prakliſchen Vernunft
geworden? — Lieber Himmel! ein Baal, der entweder
ſchlaͤft, oder über Feld gereist iſt, kurz, ein Gott, der keinen
Laut von fi gibt — indeffen hinfen ihre Priefter um ihren
Altar, und rigen — fih nicht felbft — fondern Einer
den Andern mit Pfriemen, bis dad Blut über die Haut
tröpfelt; zuweilen ftellen ſich auch wohldie Ober—
priefter hin und rennen mit den Köpfen gegen:
einander. Wir haben alfo jet Feine Philofophie mehr,
feine Regeln mehr, welche die Vernunft auf dem Pfad der
Wahrheit leiten, fondern jeder ſchmiedet fich felbft fein philo-
fophifches Syftem, fo wie.es ihm am behaglichften iſt. —
Wir haben auh Feine Religion mehr, fondern jeder bildet
fi eine, fo wie fie fi) mit den Gelüften ſeines Herzens
verträgt — jetzt fagt felbft, ob daraus nit ende,
lich ein Sonnenbrand entftehen werde, in wek
bem Leib und Seele verfhmadhten muß? — Bei
dem Allem fällt e5 aber feinem ein, die Schuld und die Urs
ſache von .allem diefem Jammer bei ſich felbft zu fuchen,
fondern fie läftern Gott, und bleiben fo verftodt und fo un:
verbefferlich als fie find; oder fie werden vielmehr immer
fhlimmer, und ſchuͤren das Zornfeuer fo lange, bis der Zeuers
fee fertig ift.
Der fünfte Engel gießt nun feine Schanle auf den
Thron des Thiers aus, fein Königreich wird verfinftert,
und feine Anhänger zerbeißen fich ihre Zungen für Jammer;
aber an Belehrung ift nicht zu denfen; ihre entfegliche Leis
den und ihre Gefchwüre fchreiben fie nicht ihnen felbft, fon:
dern Gott zu, der unfchuldige Menfchen, die ja nicht anders
handeln Fünnen, als es ihre Natur mit fich bringt, nur zu
qualen ſuche; fie Täftern alfo den Gott des Himmels.
Auch died Bild der fünften Schaale mit ihren Wirkungen
ift fehe begreiflih: Da der Menſch der Sünden oder das
Thier aus dem Abgrund lauter Unterthanen beherrſcht, die
alle vom empdrendften Egoismus befeelt find, und deren
—
Nachtrag zur Giegsgefhichte. 657
alfo jeder gern auf dem Thron fizen möchte, bei denen allen
alfo das Rebellions⸗ und Revolutions-Geſchwuͤr eitert, und
die nur deöwegen dem Thier huldigen und es anbeten, weil
ed ihnen an Genie, Macht und Glanz überlegen ift, nicht .
aber aus wahrer Hochachtung und Liebe; und da nun außer:
dem die Qualen der vier erften Schaalen immer fort wäh-
ven, fo wird endlich die ganze innere Verfaffung
diefes Reichs ohne Beifpiel zur wahren Hök
lenqual; Feiner fieht ein Ende, Feiner kann ein Nettungss
mittel entdecken, es ift Alles finfter — nun ringt Alles nach
Empdrüng, und fo wie fich dies Aufichwellen zeigt, fo ſchnuͤrt
der Monarch die Bande immer enger, der Zuftand ift ſchreck⸗
lich, und doch ohne Mittel zur Rettung. Es fcheint,
ald wenn auch große, aber fruchtlofe Verſuche gemacht wer:
den würden, welche den eigentlichen Zeitpunkt diefer Schaale
bezeichnen, in welchem fie auf den. Thron des Thierd aus:
geſchuͤttet wird, wodurd man den Menfchen der Sünden
herunterzuftürzen fuchen wird; allein er wird fich zu erhal-
ten wiſſen, bis feine Zeit da iſt; indeſſen wird denn doc)
fein Königreich verfinftert werden und feinen Glanz verlieren.
Die Schaale des fechstem Engels ift geheimnißvoll, fie
wird über den Euphrat ausgegojfen, um fein
Waſſer auszutrodnen, damit den Königen vom Aufs
gang der Sonne her der Weg bereitet werde. Der Euphrat
wurde von jeher ald eine Schugwehr gegen die morgenläns
difhen Könige, und. ihren Ueberfall angefehen, auch follte er
die weitefte Gränze des Volks Gottes gegen Morgen aus—
machen. Da nun die Wirkung diefer Schaale darin beftehr,
daß fie den morgenländifchen Königen den Weg nad) den
Abendländern eröffnen fol, fo Fann unter dem Bild des
Euphrats nichts anders verftanden werden, als das Hin:
derniß, weldes jenen Königen bisher noh im
Weg ſteht; denn Fein Strom in der Welt ift jegt noch
ein Hinderniß, dafür hat man Pontond in Menge, um
‚ganze Armeen überzufegen; dies Bild muß alſo geiſtlich ers
klaͤrt werden.
Es wird mir immer wahrſcheinlicher, daß hier der Geiſt
558 Nachtrag zur Siegsgefchichte,
der Weiffagung das türfifche Reich und die muhamedanifche
Religion im Auge habe — vielleiht find die Waſ—
fer des Euphrats diefe Religion — auch diefe
Maffer werden nun ausgetrodnet — und dort wirft das
feurige Geiftwaffer, und erzeugt Rebellions- und Revolu—⸗
tions⸗Geſchwuͤre, wozu die dortige Nationen ſchon feit gerau⸗
mer Zeit vorbereitet find; vermuthlic wird das türkifche
Neich, fo weit jemals fein Gebiet ſich erſtreckt hat, in vers
fchiedene Königreiche zertheilt — vermuthlid in fünfe—
denn ein Fuß hat ja fünf Zehen — und dann mag auch
wohl der abendländifche Fuß des Monarchienbildes nur fünf
Zehen haben: denn die nordifchen Mächte gehören nicht dazu,
weil ihre Länder nie zur römifchen- Monarchie‘ gehöret ha⸗
ben. Jetzt ift nun dem höllifchen Kleeblatt, dem Drachen,
feinem Sohn, dem Sündenmenfchen, und feinem Gehülfen,
dem falfchen Propheten, daran gelegen, diefe fünf morgens
ländifche, neugebadene Regenten anzufödern, und mit fich
zu vereinigen, damit die Zehen Hörner des Thiers vollftändig
werden mögen.
Zu dem Ende fenden fie drei Gefandten aus: Johannes
fieht aus dem Munde des Drachen, des Thierd und des
falfchen Propheten, aus jedem einen Frofch herausfriechen;
diefe drei Amphibien nennt der Geift der Dämonen, alfo
böfe Geifter, Satang-Engel, welche die Macht haben, durch
Zeichen und falfche Wunder ihren Worten Kredit zu verfchaf:
fen; dieſe edelhafte Wefen gehen nun nicht allein zu jenen
fünf morgenläundifchen Königen, fondern zu allen Regenten,
an denen ihren Prinzipalen etwas gelegen ift, um fie zum
allgemeinen Bund einzuladen, und wie man aus dem Zus
ſammenhang mit Grund fchließen Fann, fo wirds ihnen da=
mit gelingen; und hieher gehört wohl, was Kap. 17. 9.123,13.
und 14. ſteht, daß ſich nämlicdy gehen Könige, fünf 3e
ben des abendländifchen Fußes, und fünf des morgenlaͤndi⸗
fhen mit dem Menfchen der Sünden vereinigen, und ihm
dann bald die allgemeine Monarchie und das General⸗Com⸗
mando übertragen werden, Jetzt vereinigen fie Alle ihre
Kriegsmacht, um dem Chriftenthum im Orient und Decident
Nachtrag zur Siegsgefchichte. 559 -
den letzten Herzensftoß zu geben; hier ijt num auch wohl der
Zeitpunkt, in welchem der wahre Chrift die legte Feuerprobe
zu beftehen Hat. Wohl dem, deraud da noch aus—⸗
hält, und feinem Herrn, der noch immer nichts
von fih hören und fehen läßt, treu bleibt!
Johannes fagt, fie hätten ihre Macht an einem Ort vers
fammelt, der auf hebräifch Armagedon heiße. Das Wahr:
fcheinlichfte, was wir jetzt noch ber die Bedeutung diejes
Worts fagen koͤnnen, ift, daß es die gänzliche Niederlage
der Starken heißen foll; diefe Heberfegung ift am ungezwuns
genften, zugleich ift ed auch gar wohl möglih, daß hiemit
auch auf die gänzliche Niederlage des Siſſera B. d. Nicht. 4.
angefpielet wird, weldye nach Kap. 5. v. 19. an den Waſ⸗
fern zu Megiddo gefchahe. Hieraus folgt aber nicht, daß
die Verfammlung der Völfer der Aliirten des Thiers aus
dem Abgrund durchaus im gelobten Land auf dem Berge bei
Megiddo, wie ed auch einige erklären, gefchehen müffe; es
kann auch ein anderer Drt feyn, der durch diefe Niederlage
jenen Namen erft befommen wird.
Sm vorhergehenden I5ten Vers jteht aber etwas fehr merfs
würdiges: mitten im der Erzählung, in welcher Sohannes
die Verſammlung der. Könige befchreibt, unterbricht ihn die
‚ Stimme des Herrn felbft; Er fagt, der Längfterfehnte:
Siehe! ich fomme wie ein Dieb; felig ift der da
wacht, und feine Kleider bewahrt, damit er
nicht nadend umherwandele, und man feine
Schande ſehe.
Jetzt alfo, wann das Thier und feine Aliirten ihre ganze
Macht verfammelt Haben, und es nun zum Aufbruch kom⸗
men foll,-fo erfcheint auf einmal ganz unerwartet, wie ein
Dieb in der Nacht, ein ganz anderer Monarch — eben
| der verachtete Chriftus, der ihnen nicht mehr
des Namens werth war, kommt in einem pracht—⸗
vollen Aufzug, Kap. 19. und haucht fiemit flams
mendem Odem vou der Erden weg, allezuſammen
werden hingefchleudert in den Pfupl, der mit Feuer und
560 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Schwefel brennet, und den fi e fi ſelbſt und ange⸗
zuͤndet haben.
Zu gleicher Zeit gießt nun auch der — Engel
feine Schaale in die Luft aus, und eine große Stimme aus
dem Tempel des Himmeld, vom Thron her, ruft: Es ift |
geſchehen! — ja das glaub ich! jetzt ifts allerdings ges
fhehen! —
Die Wirkung diefer fiebenten Schaale ift fchreclich ; Blitze,
Donner, Erdbeben ohne Gleichen, centnerſchwere Hagel⸗
ſteine u. dergl. wuͤthen und toben uͤber die Erde hin; aus
der großen Stadt werden drei Theile, dieſe iſt alſo Nom
nicht? denn Ddiefer wird nun auch unter dem Namen Bas
bylon gedacht und gefagt, daß nun auch) die Reihe an fie
kommen werde; Serufalem ift fie wohl auch nicht, denn fie
Tann fchwerlich in der Zeit fehr groß feyn. Doch ih will
nichts beflimmen; man wirds zeitig genug erfahren, wer
und wo fie ift. |
Sn wie’ fern die fiebente Schaale auch auf bie äuffere
Natur wirken werde, das Fonnen wir nicht wiffen; wenn
wir aber unter Erdbeben die Erſchuͤtterung der Staatsver⸗
faffungen, und unter dem Donner, Blig und Hagel, Krieg
verftehen, fo Fünnen wir am wenigften fehlen: denn durch
die totale Niederlage zu Armagedon, wo alle Könige mit
ihren Armeen von der Erde vertilgt worden find, entfteht
nun eine allgemeine Anarchie — alle Thromen find
erledigt — nun denft man fich die grundverdorbene Men
fhenmaffe! jeder fucht nun im Trüben zu fifchen, und fi)
empor zu fohwingen. Alles wird fich in Partheien bilden,
und Ale werden ſich untereinander aufreiben und vertilgen ;
fo daß wenige mehr übrig bleiben, die dann wie Gefpenfter
zwifchen den Ruinen blühender Städte und prächtiger Tem⸗
pel umberfchleichen, und fühllos im Kummer verſchmachten
werden,
Jetzt bitte ich nun, diefe meine Bemerkungen über die
fieben Zornfchaalen mit dem zu vergleichen, was id) oben
im 7ten Kapitel von den fieben Donnern gefagt habe, ſo
wird man finden, daß diefe Stimmen des Herrn vorzüglich
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 561
auf die Sammlung, Bekehrung und Vereinigung Iſraels mit
der Gemeine der wahren Chriſten, und dann auf ihren Schutz,
Rettung und Vorbereitung zum herrlichen Friedensreich Bes
zug haben. Sie bilden ein fegenvolled Gewitter für das
geiftliche Serufalem, aber die Cedern auf dem Libanon, die
Berge Libanon und Schirjon, die Wüfte Kadefch, und das
Wild in der Wüften erfahren auch ihre Schreden, fie fchlas
gen in die große Reſidenz des Thiers ein, und die fies
bente Schaale madht mit dem fiebenten Donner
gemeinfhaftlihbe Sache. Die Zornfchaalen haben
alfo blos die Gerichte Gottes über die verdorbene Chriftens
heit, das Thier aus dem Abgrund, und den falfchen Pros
pheten zum Zweck.
&
|
Stiuling's ſammti. Schriften. TI. Band. - 56
562 Nachtrag zur Siegsgefchichte,
”
Das neunte Kapitel.
Drei herrlihe Weiffagungen aus den Palmen ‚vom
naͤchſtkünftigen Neid) des Friedens, aus dem Hebräiz
ſchen überfetst und mit Unmerkungen bekleidet.
Zum Beſchluß diefes erſten Nachtrags will ih noch drei
wichtige Pfalmen Davids, naͤmlich den 100ten, den Adften
und den 72ften überfegen, und dann durch Furze Anmerkungen
meine Lefer auf die darinnen enthaltenen Weiſſagungen ei
merkſam Ben
*
“Der 10 Pfalm.
Ein Pfalm Davids.
1) Jehovah ſprach zu meinem Herrn:
See did zu meiner Rechten,
Bis ich Deine Feinde zu deinem Fußſchemel gemacht
habe:
2) Den Scepter deiner Stärke:
"Wird Jehovah aus Zion fenden.
Herrfche mitten unter deinen Feinden !
3) Am Tage deiner Heeresmacht,
Wird dir dein Volk freiwillig opfern,
Sm Schmud der Heiligkeit,
Aus der Gebärmutter des Morgenroths
Kommt der Thau deiner jungen —
4) Jehovah hat gefchworen,
Es wird Ihn nicht gereuen.
Du bift ein Priefter in Ewigkeit,
Nach der Weife Melchiſedecks.
5) Der Herr zu deiner Rechten
Nachtrag zur Siegsgefhichte. 565
Wird am Tage feines Zorns
Die Könige zu Boden fchlagen.
6) Er wird Gericht halten
Ueber mit Leihen erfüllte Nationen.
Er wird darniederſchlagen
Das Oberhaupt vieler Länder.
7) Aus dem Bach im Wege wird Er trinken,
"Darum wird Er fein Haupt empor heben.
Diefer Pfalm ift fo ganz und fo eigentlidy Weiffagung,
daß es auch dem größeften Künftler in der neumodifchen
Bibelerflärung fehr ſchwer fallen muß, ihn nur auf eine er=
träglich halbwahrfcheinlihe Art auf irgend jemand im alten
Teftament anzuwenden: denn geſetzt auch, irgend ein Hof—
fhmeichler hätte ihn auf den König David gemacht, wie |
würde der dann dazu gelommen feyn. zu fagen: er (David) fey
ein immerwährender ewiger Priefter, auf.die Art wie Melchi—
ſedeck. — Doch ich will mit Unfinn nicht die Zeit verderben,
Chriſtus felbft hat diefen Pfalm völlig zur Weiffagung fanc:
tionirt. ©. Matth. 22. v. 44. Marc. 12. v. 80. Luc. 20.
v. 42. Petrus Ap. Geſch. 2. v. 34. und Paulus deögleichen
'ı Eor. 15. v. 25. und Hebr. 1. v. 15
° Daß in diefer dreier Zeugen Munde ale Wahrheit beftehe,
wird wohl Fein gläubiger: Ehrift läugnen.
Aber auch der Pfalm felbft fagt folche geheimnißvolle
Dinge, daß man ihn durchaus als Mort Gottes anfehen
muß. Man hat ihn zwar auf das Leiden, Sterben, Aufs
erftehung und Himmelfahrt Chrifti, und dann auf die Fortz
pflanzung der chriftlichen Religion accomodirt, aber das
geht im Ganzen durhaus nicht an, fondern feine eis
gentliche Erfüllung gefhieht, wann der Herr
mit feinem Gefolge aufweißen Pferden fommt,
den Menfhen der Sünden, und den falfhen
Propheten, und ihre Macht, mitdem Schwert
feines Mundes in den Feuerfee ſtuͤrzt, und fein
Rei einnimmt; wie ich dies nun deutlich zeigen werde.
David fagt: J ſprach zu meinem Herrn
36 *
564 Nachtrag zur Siegsgefchichte.
(L’Adon’i) fee dih zu meiner Rechten, bis id
deine Feinde zu deinem Fußſchemel gemadt
habe — nämlih, bis fie alle befiegt und Dir dienſtbar
find. Die Erfüllung diefes Ausſpruchs nahm bei der Hims
melfahrt Chrifti ihren Anfang, und dauert fort Bis zur.
Ueberwindung aller feiner Feinde am jüngften Tag, wenn
auch Gog und Magog befiegt find, und der Drache auch
in den Feuerſee geworfen wird. Ein Hauptfieg wird aber
auch nun bald Über dad Thier und den falfchen Propheten,
vor den taufend Jahren, erhalten werden. Ferner: |
Den Scepter deiner Stärfe wird Jehovah
aus Zion fenden, herrſche mitten unter deinen
Feinden. Bisher hat Chriftus, im geiftlichen oder himms
lifchen Zion über die Welt, unfichtbarer Weife durch feinen
Geiſt geherrſcht, jetzt da er nun, das Flammenfchwert in.
feinem Munde, zu Feld zieht und das Neid) einnimmt, fo
hit Ihm nun der ewige Vater ſein ſtarkes Scepter, wo—⸗
mit Er 1800 Jahr Tang fo trefflich regiert hat, gleichfam
nach, um es nun hienieden zu brauchen: denn er foll num
mitten unter feinen DER perf aim die —
antreten.
Am Tage deiner Heeresmacht wird dir dein
Volffreiwillig opfern, im Schmuck der Hei⸗
kigkeit aus der Gebährmutter des Morgens
roths, kommt ber Thau deiner jungen Manns
ſchaft. Diefer Tag der Heeresmacht des Herrn kann Fein
andrer feyn, alö der, an dem Er nun bald fommen wird. —
Sa freilich wird: Ihm dann fein hocherfreutes Volk, die
Braut des Lamms, im heiligen Schmuc entgegen eilen,
und Ihm, dem längft Erfehnten , freiwillig und von Her⸗
zen, Dank, ewigen Gehorfam und unausfprechliche Liebe
opfern; ihre ſchoͤnſter Shmud wird das Kleid
der Gerechtigkeit Chriſti ſeyn. Das Morgentoth
des fchönen taufendjahrigen Sabbaths, diefes großen Tages
wird eine Mutter feyn, die Ihm Millionen Kinder gebärt;
wie Thautropfen der Morgenrdthe werben Ihm neue Ver—
ehrer berzueilen, und fich an Ihn anfchließen. Es iſt artig,
name
ER EEE
Nachtrag zur Siegsgefihichte, 565
dag man im Hebräifchen die Worte: im Schmuck der. Hei⸗
ligkeit, zu den vorhergehenden freiwillig opfernden, und
auch zu den folgenden: Kindern des Morgenroths lefen kanut
man fann ſagen: Ammechä& (ngammechä) nedabdth be-
jdm chejl6cha behadrei-kodesch — dies heißt woͤrtlich:
Dein freiwillig opferndes Volk, am Tage deiner Heersmacht,
im Schmud der Heiligkeit; man kann aber auch die Worte
behadrei-kodesch zum folgenden nehmen und fo lefen:
behadrei-kodesch meröchem mischchär lechä tal jal-
düthecha, und dann heißt est im Schmuck der Heiligkeit,
aus der Gebärmutter der Morgenrdthe, wie der Thau deiner
Yugend, oder jungen Leute; diefe letztere Lesart hat der
Ueberfeger in der Berlenburger Bibel gewählt: Sch hab
aber meine obige Ueberfezung fo eingerichtet, daß mans neh⸗
men Fann wie man will. — Dies ift auch der Sin des
Geiftes der Weiffagung, weil beides wahr ift.
Jehovah hat gefhworen, ed wird Ihn nit
‚gerenen, Du bift ein Priefter in Ewigkeit, nad
der Weife Melchiſe decks.
Hier wird num Ehriftus von feinem Vater felbft, durch
einen feierlichen Eidfchwur zu einem immerwährenden ewis
gen Priefter : König, auf die Art wie Melchiſedeck eingeſetzt;
Er fol der Hohepriefter, und auch der König zu Salem,
oder Serufalem ſeyn; der Name Malchi-zedeck — wie ed
eigentlich heißt — wird überfeßgt: König der Gerechtigkeit,
und Melech Schalem, König zu Salem, heißt auch König
des Friedend und des Friedensreichsz dies alles ift Chris
fius im vollfommenften Sinn, und fein Vater ſchwoͤrt,
daß Er es auch ewig bleiben foll. | |
Nach diefer Huldigung und Einfegung ind Königreich
folgt nun der Sieg über feine, fo lang mit Langmuth ges
tragenen Feinde.
Der Herr zu Deiner Rechten wird am Tage
feines Zorns die Könige zu Boden fhlagen.-
Er wird Gericht halten über mit Leichen anges
jüllte Nationen. Er wird darnieder ſchlagen
das Dberhaupt vieler Länder,
566 Nachtrag zur Siegsgeſchichte.
Hier redet der Dichter Gott den Vater an: denn dieſem
figt CHriftus zur Rechten, und jagt: Adonäi ngal jemincha
der Herr zu. deiner Rechten u, f. w. Der Tag feines Zorns
ift der, an weldjem die große Niederlage zu Harmagedon
gefhieht. Dann werden allerdings die zehn Könige zu Bo⸗
den geftredt, Nationen voller Todtenförper gerichtet, und
dann wird aud) endlicd das Oberhaupt vieler Ränder, oder
eines großen Landes Roosch ngal eretz rabbah, der große
Antichrift, der Menſch der Sünden, das Thier aus dem
Abgrund, darnieder gedonnert. |
Jetzt fage mir einer, ob diefe meine Erflärung etwas
gezwungenes habe, und ob fie nicht dem Sinn, der im
Buchflaben liegt, ganz angemefjen fey? wenn das, aber nun
der Fall ift, fo: bekommt meine Hypotheſe dadurch den
hoͤchſten Grad der Wahrfcheinlichkeit, und fie wird zur
Wahrheit: denn die Erklärung, in welder alle
MWeiffagungen ganz ungezwungen übereinftims
men, muß wohl die richtige feyn.
Wenn wir diefen 110ten Pſalm in einen Weberblick brins
gen, fo. finden wir darinnen die fchönfte Ordnung.
+ Sm erften und zweiten Vers fest der ewige Water den
ewigen, menfchgewordenen, durd Leiden und- Sterben vol⸗
lendeten Sohn, auf den Thron der Welten; nun fommt
Er in, Herrlichkeit wieder auf die Erde, und das Sep
wird ihm. aus Zion zugefandt. /
Im dritten Vers folgt die Huldigung: feine Getreuen
empfangen Ihn mit Subel, und von allen Seiten firmen
Ihm neue: Verehrer zu.
Im vierten Ders ſetzt Shn der Water der Ewigkeit zu
einem ewigen Priefter= König über die ganze Erde ein.
Im fünften und fehöten Vers folgt nun der Sieg zu
Harmagedon; und nun kommt noch
Im ſiebenten Vers ein geheimnißvolles Kaͤthſel, es iſt
naͤmlich die Frage: Wie kommt aber dieſer Gottes⸗ und
Davids-Sohn zu dieſer Wuͤrde?
Antw. Aus dem Bach im Wege — Er trin⸗
fen, darum wird Erfein Haupt erheben. Das iſt:
— — —
a ar nn — U. rl — 5 nn 0 0 Me u
u: ’
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 567
. Er wird einen ſauern fhweren Weg gehen, und aus dem
Bad im Wege cbaderech) nicht am Wege trinken muͤſſen.
Ein Ba, der in einem Wege, auf offener. Straße fließt,
enthält Graͤuel von Unreinigfeiten, zertretner Korh und. Uns
flarh aller Welt vermifht fih da mit dem Waffer, und
von. diefens wurde dem Erldfer im Garten Gethſemane dar⸗
gereicht, feiner Seele grauete Dafür bis zum Blutfchweiß —
Bater ! fagte Er, iſts möglich, fo gehe Diefer Kelch vor. mir
vorüber, Doch nicht wie ich will, fondern wie Du willft. —
Er trank ihn, den Kelch des Menfchen : Elends, in Jeru⸗
fälem, und auf Golgatha mit langfamen Zügen, fogar den
Bodenfag aus, und diefer fchauervolle Trank wurde in Ihm
"zur Quelle von Strömen lebendigen himmlifchen Waffers, zur
vollfommenen Genefung der geftorbenen und verdorbenen
menfchlichen Natur,
Nachdem Er in den. Staub hineingebüct, diefen ſchreck⸗
lihen Trunk vollendet hatte, fo erhub Er nun fein Haupt,
bei feiner Auferftehung und Himmelfahrt bis zur rechten Hand
Gottes, auf den Thron feines Vaters,
Auf den Sieg zu Harmagedon folgt der Einzug. in Ges
sufalem und die Hochzeit des Lamms; hieher ges
höre nun der Adfte Pfalm. Es kann feyn, daß er bei Sas
lomo's Bermählung verfertigt worden, aber man merkt bald,
daß der von Gott begeifterte Dichter weiter gefehen hat, er
lautet in meiner Weberfegung folgender Geftalt;
U Dem Meifter auf der Lilienlaute den Korachiten zur
Leitung. Ein Lied an die Vielgeliebte, |
2) Mein Herz wallt auf zu einer fchönen Rede,
Ich trage vor, dem König mein Gedicht,
Und meine Zung- ift Feder fchneller Schreiber,
3) Du bift der Schönfte unter Adams Söhnen,
Ergoffen iſt auf deinen Lippen Gnade.
Und darum fegnet Gott dic) ewiglich.
4) Nun gürte auch Dein Binnen, o Held, an deine
Hüfte!
In Deiner Majeftär, i in- Deiner Pracht!
568 Nachtrag zus Siegsgefchichte.
5) Und veite glüdlich auf dem Wort der Wahrheit,
Auf fanfrem Recht, in deiner Herrlichkeit.
Und deine Rechte zeigt Dir fürchterliche Dinge.
6) Geſchaͤrft find deine Pfeile, Nationen |
Erliegen unter Dir, fie treffen
Das Herz der Gegner des Königs.
7) Dein Thron, o Bott, ift ewig und unendlich !
Ein gerades Scepter ift dad Scepter Deines Reichs,
3) Du liebft Gerechtigkeit, bift Feind dem Böfen,
Drum hat Di Gott — Dein Gott gefalber |
Mit Del der Freuden, mehr, ald Deine Mitgenoffen.
9) Von Myrrhen, Aloe und Caſſia find alle Deine
‚Kleider,
- Aus Deiner Burg von Elfenbein, wo fie Dich freuen,
10) Die Königstöchter find in Deinem Schmud,
Die-Braut zur Rechten ftrahlt von DOphirgold.
11) O Tochter, höre, fieh und neige deine Ohren!
Vergiß dein Volk, und deines Vaters Haus! ’
12) Dann wird der König Luft an deiner Schönheit
- haben, .
Er ift Dein Herr, Du betſt Ihn beugend an.
15) Die Zochter Tyrus fuhrt Dein Antlig mit: *
ſchenken,
Die Reichſten unterm Volke flehn vor Dir. uud
14) Der Koͤnigs-Tochter ganze Schönheit ift im Innern,
Mit goldnen Aeuglein ift ihr Kleid geftict.
15) So führt man fie zum König in ——— Kleidern,
Die Jungfrauen folgen hinter ber,
Die Freundinnen, und gehn mit Ihr hinein,
16) Man führer fie mit Jubel und mit Sreuden,
Sie wallen hin ind Koͤniges Palafl. |
17) Statt deiner Väter wirft du Söhne haben.
Der ganzen Erde fie zu Fürften fegen.
18) Sch will gedenken Deines Namens,
Dom Kind zu Kindes Kind, und Nationen
Lobpreiſen darum dich in alle Ewigfeit.
Nachtrag zur Siegsgefhihte. 569
Aus dem erften Vers diefes fchönen Pfalms fieht man,
daß die Korachiten, die Shhne Korah, welche Tempelfänger
waren, dieſes Gedicht fingen follten; um ihren Gefang zu
dirigiven, wurde dem PVirtuofen auf der Lilienharfe oder
Laute aufgetragen, mit feinem Juſtrument diefe Direktion
zu übernehmen. Ich hab das Wort Schoschanim durd)
Lilienlaute uͤberſetzt; dies Inſtrument foll die Geftalt einer
Lilie gehabt haben, und mit ſechs Darmfaiten bezogen gewes
fen feyn; dann wird dies Lied einer koͤniglichen Braut zuge⸗
eignet. Nun heißt es:
Mein Herz wallt auf zu einer ſchoͤnen Rede,
Ich trage vor dem Koͤnig mein Gedicht |
Und meine Zung ift Feder fchneller Schreiber.
Das Herz, die Seele des Dichters wird voll Begeifterung,
es focht und wallt in feinem Innerſten, er will dem König
fein Gedicht deflamiren, der Fluß der Rede ift fo überfirds
mend, daß es nicht fehnell genug gefchrieben werden Fann,
Du bift der Schönfte unter Adams Söhnen,
Ergoffen ift auf deinen Lippen Gnade,
Und darum fegnet Gott dich ewiglich.
David und fein Sohn Salomo mögen recht ſchoͤne Mäns
ner gewefen ſeyn, aber die Allerfchönften unter allen Adams⸗
fühnen, unter allen Menfchen,, waren fie doch wohl nicht;
aber von Chriſto kaun man's in jeder Ruͤckſicht ſagen; im
moralifchen Sinn ift ed im erhabenften Verftand Wahrheit,
und im phyfifchen glaube ich mit dem feligen Lavater, daß
der Herr auch in feinem Erdenleben ein fchöner Mann ges
wejen ift, aber wenn er mit vielen Kronen gefrönt, auf feis
nem weißen Roß mit der Heerfchaar der Heiligen einherzieht,
dann erft ift Er im volllommenften Sinn der Schönfte
unter allen Adam3:Shhnen.
Gnade fluther auf feinen Lippen; wo Er fich hinwendet
da ſtroͤmt Liebe, Gnade und Leutfeligfeit aus. Auch dieß
paßt nicht auf David und Salomo, fie waren vortreffliche
Regenten aber fireng: Rehabeam, der Sohn Salomo’s, fagte
N
x
*
570 dachtrag zur Siegsgeſchichte.
zum Volk Iſrael: Mein Vater hat Euch mit Peitſchen ge⸗—
zuͤchtigt, u. ſ. w. Das war feine uͤberfließende Gnade; fie
mußten aber auch ſtreng ſeyn: denn ſie hatten ein großes
und hartnaͤckiges Volk zu regieren. Aber der große Sohn
Davids wird, wann Er wieder kommt, Stroͤme der Gnade
auf feine treugebliebenen Verehrer von feinen Lippen flie⸗
Ben laſſen; und eben diefe Huld bringt Ihm goͤttlichen, ewi⸗
gen Segen.
Nun guͤrte auch dein Schwert o Held an deine Hüfte!
In deiner Majeftät, in deiner Pracht!
Sonft war das Slammenfchwert in deinem Munde, jetzt
aber ift Gnade auf deinen Lippen, und das Schwert gehbrt
an deine Seite, da trägft Du ed als. Monarch und Regent n
der Macht, in aller deiner Majeftät und Pracht. |
Nach der Schlacht bei Harmagedon brauhft Du es nun
nicht mehr, von nun an ruht dein Schwert , und dient nur
zum Zeichen deiner Majeftät und Deiner — über die
ganze Erde, |
Und reite glüdlich auf dem Wort der Mabrheit,
Auf ſauftem Recht in Deiner Herrlichkeit,
Und deine Rechte zeigt dir fürchterliche Dinge,
Hier fehen wir, wie das weiße Roß heißt, auf dem der
Herr feinen Einzug haltz es heißt: Wort der "Wahrheit
Debar - Emeth und nganvah - zedek fanfte Gerechtigkeit;
Sa wahrlich! beide Eigenfchaften werden Ihn auf allen feis
nen. Regentenwegen leiten. — Wohl ung des feinen Herrn! —
Er felbft Heißt das Wort Gottes und fein Triumphpferd,
Wort der Wahrheit und fanfte Gerechtigkeit. Er zieht in
Herrlichkeit einher; denn diefer Schmuck ift der ang der
ſich denfen läßt. :
Durch feine Rechte wird hier der große Kampf —
den Er mit ſeiner Rechten erſtritten hat: denn die rechte
Hand iſt cin Bild der Arbeit "und der Staͤrke; der letzte
Schlag: geſchah mit dem Schwert aus feinem Munde, ins
deſſen wird doch: allemal Kampf und Sieg, ald das Werk
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 571
der rechten Haud, oder des rechten Arms betrachtet, und
die Folgen diefes Siegs find fürchterlich und fchredlich, man
braucht nur einen Bli auf den Pfuhl zu werfen, a mit
Feuer und Schwefel brennt.
Gefchärft find deine Pfeile, Nationen
Erliegen unter Dir, fie treffen
Das Herz ber Gegner des Königs.
Auch diefe Zeilen enthalten noch einen Blick auf die Nies
berlage bei Harmagedon, fo wie es in einem Triumphges
fang gewöhnlich iſt; Die Blispfeile, die aus feinem Munde
fuhren, trafen vecht daS Herz der Feinde, und fie warfen
die. Deere der Nationen unter feine Füße.
Jetzt find wir mit den fürchterlichen Dingen fertig, und
der Dichter richtet nun feinen Bli auf ‘die Fönigliche Hochs
zeit ohne Gleichen, auf die Hochzeit des Lamm,
Erft redet er den triumphirenden König aller Könige, Je⸗
ſum Ehriftum, ald wahren Gott an, und fagt;
Dein Thron o Gott ift ewig und unendlich!
Ein gerades Scepter ift, dad Scepter Deines Reiche.
Du liebft Gerechtigkeit, bift Feind dem’ Böfen,
Drum bat dih Gott — Dein Gott gefalbet,
Mit Del der Freuden, mehr, ald Deine Mitgenofien!
Daß hier. der. Dichter den König, den er befingt, für den
wahren Gott erkennt, iſt Klar: ‚denn er redet Ihn ſo an,
und fagt: Dich, den wahren Gott, hat Dein Gott geſal⸗
bet m ſ. w., er fpriche zum Sohn, und fchreibt feinem
himmliſchen Vater die Salbung zu.
Der Thron, den nun der Herr im Friedensreich befteigt,
wird nie mehr wanfen, er befteht ewig; fein Scepter, feine
Regierung wird den Character der geradeften Aufrichtigfeit
haben, Gerechtigkeitsliebe und Haß alles Unrecht hat dich
bisher in. deiner geiftlichen Regierung ausgezeichnet, und
wird Dich ferner auszeichnen, dafür folft Du auch nun
vom Vater der Ewigkeit mit ‚Freuden überfchüttet werden,
mehr als alle Deine Verehrer und Freunde, die mit die
672 | Narhtrag zur Siegsgefchichte,
\)
gekämpft und überwunden haben; dieſen foll ed auch am
Freudendl nicht fehlen; Du aber haft — und zwar mit
Recht — den Vorzug für Allen.
Bei frendigen Feierlichkeiten gehörte das Salben des
Hauptd mit wohlriechenden Delen zum. Ehrenfhmud, dann
war es aud) ein Einweihungszeichen der Könige und Pries
fter. In allen vreien Fällen paßr die Salbung auf die
opferwüärdigfte Perfon, von welcher hier die Rede ift; eigents
lich bat aber hier der heilige Sänger die hochzeitliche Freu:
denfalbung im Auge; nun folgt auch der übrige Schmuck:
Bon Myrrhen, Aloe und Caffia find alle deine Kleider;
Aus Deiner Burg von Elfenbein, wo fie Dich freuen.
Sch habe hier die Drei Gewürze nach der gewöhnlichen
Bedeutung beibehalten, ob aber die drei hebräifchen Wörter
Mor, Ahaloth und K&zingoth, gerade unfre Myrrhen, Aloe
and Coffia find, daran zweifle ich fehr: deun dieſe Specien,
womit die Kleider des Königs parfümirt find, muͤſſen den
edelften Geruch) von ber Welt haben; fie find ganz Wohls
geruch, fie find wie aus Gewürzen gemacht.
Die Kleider find das Bild des Wirkungskreifes, der Zus
„genden und edeln Handlungen; mit einem Wort: der Ge⸗
sehtigfeit eines Menſchen: wer in aller Welt breis
zet mehr Wohlgeruch durch die ganze Schöpfung aus, als
eben Jeſus Chriftus ?— und diefer wuhrhaft Füniglic) = pries
ferlihde Schmuck kommt aus dem fchneeweißen, himmelreis
nen elfenbeineruen Pallaſt, feiner bis zur göttlichen Würde
Hinaufgeadelten Menſchheit, da machen Ihm diefe Kleider
aud) hohe Seligfeitsfreuden. Vom Brautigam kommt auch
sun der Dichter zur Braut, und fingt ferner: |
Die Königstöchter find in Deinem Schmud _
Die Braut zur Rechten firahlt von Ophirgold.
Diefe Königsröchter find wohl die fünf Huge Zungfrauen,
die wachfam waren und ihre Lampen gefchmädt hatten,
ed fommen aber auch wohl noch Mehrere hinzu;
ed ift ſehr merfwärdig, daß es nicht heißt: Die Koͤnigs⸗
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 675
töchter find in ihrem Schmad, fondern in Deinem
Schmud — wir Ehriften wiffen fehr gut, warum? unſre
eigene Kleider find fehr unfläthig und ftinfend, und wer bei
diefer Hochzeit'erfcheinen will, der muß Kleider aus jenem
elfenbeinernen Pallaft haben. Aber die Braut ſelbſt ſtrahlt
von Ophir⸗Gold; das hat fie auch vom Bräutigam 5
ed ift das reinfte fiebenmalgeläuterte Gold, die legte Feuers
probe; die ftärffte unter allen, hat es num zum hoͤchſten
Grad der Reinigkeit gebracht; es ift parvajim Gold mit
glühend röthlidem Schimmer; dieſe Tinctur
hat es vom Blut des Lamms.
O Koͤnigstochter, hoͤre, ſieh, und neige deine Ohren!
Vergiß dein Volk und deines Vaters Haus!
Dann wird der König Luft an deiner Schönheit haben,
Er ift dein Herr, du berft Ihn beugend an.
Brauch’ doch alle deine Sinnen, du Braut des Lamm!
fiehe und höre dich um, damit dir dad Heimweh nach allen’
irdifchen Dingen vergehen möges Denn das, waß bier
Deiner wartet, ift gewiß der Mühe wertb —
denn wenn dein Sinn ganz himmlifch geworden iſt, dann
erft gefällt Du dem Könige vecht, dann liebt Er dich über -
Alles, und dann erft bekommt Er Gefhmad an Dir und
deiner Schönheit — Er hat aber aud) das größte Recht,
zu fordern, daß Du Ihm Alles aufopferft, denn er ift Dein
Her, Er bat Di mit’ feinem Blut aus der Sclaverei
losgefauft, und es ift deine Pflicht, Ihn dafür im Staube
anzubeten, X
Die Tochter Tyrus ſucht Dein Antlitz mit Geſchenken,
Die Reichſten unterm Volke flehn vor Dir.
Zu Davids und Salomons Zeiten war Tyrus in Anſe⸗
bung der Kultur, der Künfte und des Lurus, in Bezug auf
das Land Canaan, was jet Paris oder London für uns
in Teutfchland ift. Wenn alfo der Dichter hier fagt: Die
Pringeffin von Tyrus würde der Töniglichen Braut Gefchenfe
bringen, fo foll das die Hoheit und den Vorzug der Letztern
674 Nachtrag zur Siegsgefchichte.
anzeigen. Db aber unter der Tochter Tyrus nicht auch noch
eine religidfe Gefellichaft, eine Kirche verftanden ‚werde, die
fih nun noch an die wahre Gemeine des Herrn” auſchließt,
das ſteht dahin, mir iſt es wahrſcheinlich.
Die Reichſten unterm Volk, die Dich vorhin nicht im
Wege anſahn — denen die Pietiſten, Herrnhuter, Feinen
u. d. g. ein veraͤchtlich Voͤlkchen waren, die kommen num
und bitten die Königin um Gnade.
De Königstochter ganze Schönheit ift im Innern,
Mit goldnen Aeuglein iſt Ihr Kleid geſtickt.
Ja wohl ift die Schönheit des wahren Chriften und *
ganzen Gemeine des Herrn im Inuern; dies bedarf Feiner
Erläuterung. Ihr Kleid ift das reinfte weiße Byssinon,
Neſſeltuch — dies Brautkleid hat fie vom Herrn, ihrem Braͤu⸗
tigam, auch dad Parvajim Gold aus Ophir zum Stiden;
aber dies Sticken hat fie wohl ſelbſt gethan: denn Die
Onadengaben des heiligen Geiſtes müffen aud)
von und benußt werden. Das ganze’ Kleid ift mit
geftidten Aeuglein überfäer, sun Beweis ihrer Treue im
Wachen.
So führt man fie zum König in "geflichten Kleidern,
Die Jungfraun folgen hinter her
Die Freundinnen, und gehn mit Ihr hinein.
Sie koͤmmt nun mit ihrem Gefolge, die Geliebte des Herrn;
fie gehen zufammen zum Hochzeitsmahl. — O felig ift der,
welcher gewü rdigt wird, in diefer Geſellſchaft zu ſeyn!
Man fuͤhrt ſie mit Jubel und mit Freuden,
Sie wallen hin ins Koͤniges Pallaſt.
Laßt uns kaͤmpfen, Bruͤder und Schweſtern! bis aufs
Blut, es iſt wohl der Muͤhe werth. Nun wendet ſich der
heilige Saͤnger noch einmal an die Braut ſelbſt, und redet
fie an;
Statt deiner Väter wirft Du Söhne haben,
Der ganzen Erde fie zu Fuͤrſten fegen.
Nachtrag zur Siegsgefchichte, 675 °
Vorhin wurde fie erinnert, fie follte num, ihres Volks und
ihres Vaters Haus vergefien, jest wird ihr verheißen, daß
‚ fie dafür Söhne genug haben fol, fie folen ja fommen wie
der Thau aus der Morgenröthe, und diefe Söhue werden
Dann die Fürften der Erden werden. Wohl dem, der unter
einem folchen Regiment fteht! — Nun fchließt det Dichter
mit den Worten :
Sch will gedenken deines Namens
Bon Kind zu Kindeskind, und Nationen
Lobpreifen darum Di) in alle Ewigkeit!
Dadurch, daß der heilige Sänger, in diefem Gedicht den
Ruhm des göttlichen Königs befungen hat, wird allenthal-
ben, wo man diefen Pſalm mit Andacht liedt, der Herr
verherrlicht, und im. Sriedensreich ſelbſt wird man: diefe
herrlichen Gedichte erft recht verftehn.
Nach diefer Hochzeit. geht nun die Regierung des Königs
an; diefe befingt David im. folgenden Pfalm:
Der 72 Pfalm, |
Dem Salome. |
1) Gott.übergibt dem König dein Gericht!
Und deinen Ricpterftuhl dem Königsfohne!
2) Denn mit Gerechtigkeit wird Er dein Volk regieren,
Und deine Elenden mit Recht. *
5) Die Berge bringen Frieden deinem Volk,
Und auch die Hügel mit Gerechtigkeit.
4) Den Elenden des Volks wird Er zum Rechte helfen,
Erldſen wird Er dann des Armen Söhne, | |
Den Unterdrücten niedertreten.
5) ©o lang die Sonne währt, wird man dich TEN
So lang der Mond befteht von Kind zu Kindes Kind,
6) Wie Regen tröpfelt Er auf die gemähte ht
Wie Regenguͤſſe auf die Erde hin.
7) In feinen Tagen blühet der Gerechte,
Und Friedensfüle bis Fein Mond mehr ift.
676 Nachtrag zur Siegsgefchichte,
8) Er Herrfchet dann von einem Meer zum andern,
Und von dem Strom bid an der Erde Gränzen.
9) Die Wilden fommen Ihm die Knie zu beugen,
Und feine Feinde leden Staub vor Ihm.
10): Die Könige von Zarfhifh und den Inſeln bringen
Gaben,
Geſchenke Ihm die Könige von Echeba und von Sebn,
11) Anbeten werden Ihn die Erden: Fürften Alle,
Ihm alle Nationen dienftbar feyn.
12) Den Armen, der da fchreit, den rettet Er,
Den Dürftigen, der feinen Helfer hat.
13) Verſchonen wird er die, bie Mangel leiden,
Erlöfen die verlaß'nen Seelen. |
14) Aus Trug und Macht wird Er fie Iöfen,
Und Toftbar wird ihr Blut in feinen Augen feyn.
15) Er lebt, wird ewig leben,
Man wird Ihm von dem Gold aus Scheba bringen.
Und beten wird man ftetö für Ihn, | |
Sa fegnen alle Zage.
16) Von fparfam auf die Erd gefireuten Saamen
MWallt auf der Berge Gipfeln das Getreide ,
Mie Eedern Libanons im Wind. Ä
Und in den Städten bluͤht's wie Kraut im Felde,
17) Sein Name währt in Ewigkeit;
So lang die Sonne währt, wird fortgepflanzt fein
Ruhm, |
Sn Ihm wird man fih fegnen.
Glücfelig werden Ihn die Völker Alle preifen.
18) Sehovah ſey gelobt, o Gott! Iſraels Gott!
: Der einzig Wunder wirft,
19) Und Lob dem Namen feiner Majeſtaͤt, in n Ewigkeit!
Es werde voll die ganze Welt von feiner Herrlichkeit,
Amen! Amen!
Die Gefänge Davids des Sohns Iſai haben ein Ende.
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. 677 ı
Diefer Pſalm ift durchaus verfiändlich, doch will ich noch
Eins und Anderes zur-Erläuterung und Erbauung hinzufeßen :
Die Ueberfchrift heißt: Lischlomoh, dem Salome. —
An diefen König hat fein Vater David dies fein leßtes Ges
Dicht gerichtet, und ihm es zugeeignet. Er hat es alfo in
feinem hohen Alter verfertigt, nachdem er den Salomo zu
feinem Nachfolger ernannt harte. Man muß aber ja nicht
glauben, daß. David hier nichts weiter als feines Gohns
Salomo's gefegnete und glüdliche Regierung im Aug habe,
in dem Fall hätte ers nicht fonderlich getroffen: denn diefer
fo weife und fromme König verfiel gegen. das Ende fo fehr, .
daß er feinen Weibern zu gefallen den Gögen opferte. Da:
vid ging vielmehr von der großen Idee aus, von welcher
wir. 2. Sam. 7. 9. 18. 19. und 1 Chron. 18. v. 16. 17.
Nachricht finden; nämlich ed werde aus feinen Nachkommen
ein König entftehen, der Gotr und Menfch zugleith,
und von dem fein Sohn Salomo ein Vorbild feyn werde,
diefer werde erft ven rechten Tempel bauen, ewig leben und
ewig regieren. Daß er dem Salomo dies Lied dictirte,
hatte den Zweck, ihm dadurch auch zugleich ein Mufter zu
zeigen, und Winfe auf die große Zufunft zu geben. Sa—
lomo heißt Friedensreih, Friedrich, ein Mann des Friedens;
man kann es aber auch durch Vollender Überfegen; das Erfte
war Salomo, er hatte Frieden bis in fein Alter, wo er
zwar auch nicht Friegte, aber doch MWiderfacher befam; er
war aljo Fein guter Vollender ; aber fein großer Nachfomme,
Jeſus Chriſtus, der iſt der rechte Salomo in jedem Sinn
des Worts, denn Er wird alles herrlich vollenden, und im
rechten wahren Friedensreich ewig vegieren. Der wird
aud den Tempel Ezechiels bauen,
V. 5. heißt e8: Die Berge bringen Frieden dei:
nem Volf, und auch die Hügel, mit Gerechtig—
keit. Das ift: Man hat von den Gebirgen her weder Raͤu—
ber noch Kriegs-Ueberfaͤlle zu befürchten, fondern in den
entlegenften, einfamften Berggegenden wird man fo ficher
ſeyn wie zu Haufe., Die Gerechtigkeit und der Friede werden
Siiling’s ſammtt. Schriften. III. Band. 37
4
all N
Be. Hactrag. zur Siegögefihichte
wie Thau und Nebel * den REDEN und Hügeln
triefen.
V. 6. Wie Kegen troͤpfelt Er auf die gemaͤhte Sur,
Wie Regengüffe auf die Erde hin. Ä
Welch ein Bild! — Wenn der Landmaun ſeine Wieſe ge⸗
maͤht hat, ſo wuͤnſcht er nichts mehr als einen fruchtbaren
Regen, damit das Gras bald wieder wachſen moͤge; ſo
wohlthaͤtig wie ein ſolcher Regen, wird dieſer König ſeyn —
Er wird allen guten und frommen Wuͤnſchen entſprechen.
Das Wort Geez, welches ich durch gemaͤhte Flur über:
fegt habe, heißt auch ein Fell, das von einem Thier abge:
zogen worden ift. Diefe legtere Bedeutung hat Luther ges
wählt, und hat dabei vielleicht Gideons bethautes und nicht
bethautes Fell im Auge gehabt, allein meine Ueberſetzung,
. welche auch. viele Gelehrte vorziehen, gefällt mir beffer.
Wie wohlthätige Regengäffe auf die dürre Erde find. die
Verordnungen diefes Königs. So lang. Sonn und Mond
währt, das ift: Durch alle Aeonen durch, wird Er regieren,
Sein Reich wird fi) von einem Meer zum andern,
‚ Und vom Strom bis aus Ende der Erden erfireden,
David Fannte Fein anderes Meer, als dad mittelländifche,
das rothe Meer, und den perfianifchen Meerbufen; das
ſchwarze und das caspifche Meer konute ihm auch befannt
feyn; überhaupt aber folgt aus dem Ausdrud, bis am die
Grängen, oder ans Ende der Erden, daß er den ganzen
bewohnten Erdkreis darunter verftand, ob er ſich unter dem
Strom den GZordan oder den Euphrat dachte, das weiß
man nicht; ich vwermuthe aber das Lektere, denn Davids
Monarchie erftreckte fich weit über den Jordan hinaus, man
refpectirte ihn -bis an den- Euphrat, und eben fo den Sa:
lomo auch). Der Zriedenskönig fol alfo vom Euphrat an
bis an. dad Ende der Erden regieren, das ift: Ex a
allgemeiner Monarch werden.
V. 9. Die Wilden fommen Ihm die Knie zu Seugen,
Und feine Beinde lecken Staub vor Ihm.
Nachtrag zur Siegsgeſchichte. —6
Die Koͤnige von Tarſchiſch und den Sufeln han
Gaben,
Geſchenke Ihm die Könige von Scheba und von Sa
Das Wort Tzijim hab id durd) Wilde uͤberſetzt; dies
Wort gefiel mir beſſer als: die Bewohner der Wüften; denn
es zielt auf weit entfernte Nationen, die auf Schiffen herz
zufommen. Alfo, die Wilden in entfernten MWelttheilen
werden fommen, um Ihm zu huldigen; dazu legen jeßt die
Miffionsanftalten den Grund — der Herr fegne fie! —
Der König hat Feine Feinde mehr, fie leden den Staub
zu feinen Füßen, und diefe find noch gluͤcklich, denen zu
Harmagedon gehts noch (Hlimmer.
Nach Tarſchiſch handelten die benachbarten Phoͤnizier,
die dies Land Espanna, die Kaninchen-Jnuſul hießen;
weil fie eine ungeheuere Menge diefer Thiere da antrafen;
Spanien war alfo wohl Tarſchiſch, folglich) werden aud)
die Könige von Spanien und Portugal, und die Könige
der Inſeln, von England, Dänemark und Schweden Ges
ſchenke bringen — ich bin überzeugt, daß fie es von Her:
zen gern thun werden, lieber als jedem: Andern.
Scheba oder Seba ift wahrfcheinlih das heutige Königs
reich Demen, oder das glücjelige Arabien, Seba mag
auch ein mittägiged Königreich feyn. Arabien war reich .
an Gold und Gewürze, dies Land foll auch dem Friedens
koͤnig tributbar feyn; überhaupt alle Könige der Erden find
feine Bafallen, !
Der Ausdrud DB, 15, Er lebt, wird ewig leben, ift,
wie mir daͤucht am fchiclichiten für das hebräifche Vichi —
dies Tann heißen: Er hat gelebt, Er lebt, und wird leben.
Dies Tann auf Salomo unmöglich angewendet werden.
Der I6te Vers ift gar ſchoͤn:
Don fparfam auf die Erd geftreuten Saamen,
Wallt auf der Berge Gipfeln das Getreide,
Wie Cedern Libanons im Wind,
Und in den Städten blühts wie Kraut im Felde.
Die Bbeteit wird im Reich des Friedens ſo groß
37*
* N
580 | Nachtrag zur Siegegefhihte.
ſeyn, daß wenn man aud) nur wenig Saamen auf bie
Gipfel der Berge fäet, wo die Natur nur mager produgirt,
fo fol doc) da Getreide wachfen wie ein Wald; die Frucht
ſoll wallen wie der Wald auf dem Libanon; und in den
Städten foll Alles grünen und blühen,
Man verfiehe diefe Stelle phyſi iſch, oder moraliſch, oder
beides zugleich, man wird in keinem Fall irren — Es
wird eine gluͤckſelige Zeit ſeyn.
Doch ich eile fuͤr dießmal zum Schluß; ich hab mich
noch einmal ins dunkle Heiligthum der Apocalypſe gewagt,
um da in Demuth und Einfalt des Herzeus zu forſchen.
So viel ſagt mir wenigſtens mein Gewiſſen, daß meine
Gedanken nirgends Schaden, hin und wieder aber Nutzen
ſtiften koͤnnen, und geſchieht nur dies, ſo iſt mein Zweck
erreicht. |
- Berborgne Zeit! wann wirft du einmal fommen,
Daß ich mit allen auserwählten Frommen
Den Heiland ſeh? — ich mache mich bereit;
Weil ich nicht weiß, obs heute möcht gefchehen, -
Daß ich dem König muß entgegen gehen.
Wann bringfi Du mir die Ewigkeit,
Verborgne Zeit?
Hall. Gef. Bud) No. 1285.
Berborgner Gott! u. ſ. w.
PT Jung Stilling, Johann
2370 Heinrich
J7 Saämmtliche Schriften
1839: :%
Bd.3
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er — ne a m ? BR ——— — — z - — TIER,