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ibitgo (äörmcj.
JntjaU:
•Qrtmbnrgirrije Dramaturgie. — Dramaturg! fd)e (Pntrottrfe-
itnfc ^Fragmente.
gf uf f gart.
J. <£. (totta'idu' ©ebrü6er It reit er,
Burf^auMung. PerlagsfyanMinuj.
PT
AI
Bd. il
Xvud von ©ebrübet Ströner in Stuttgart.
cSinfcifuuö.
£ie 2(bf)anblung uon öen Pantomimen ber 2Uten
fällt mafyrfdieinlid) in baö %at)v 1748. Sie frriipft an bie unrid)=
tigen SSorftelfungen an, bie eine ^ergteidjung ber alten Pantomimen
mit ben ^cicolinifdjen Minberbatfetten 5ulief$en. 3>en gufammenfjang
biefer 2luffaffuug erfennt man aus einigen SBorten einer (Schrift
„Siteranfdjer 53riefroed)fel ober aufgefangene curieuje Briefe", in
luetdjer es nad) Säbels 9Diiitei(ung fyeifjt: „Uebrigens ift $I)nen
ja befannt, baf* bie fomifajen Wdmi ober Sßantomimt, meldte Söorre
fonft aus bem Örtedjtfdjen fjerfommen, fotaje Seute waren, bie juerft
in $omöbien, nadigetyenbs aber aua) befonbers für ftdf) il;re ©efd;ich
lidjfeiten barinnen fefjen tiefen, bafj fie mit itjren -DJiienen, ©ebärben
unb SeiBeSftettungen atferfjanb ©efdjtdjte fo nadjbrüdlid) oorfteltten,
bafj jebermann, fürnefymltd) ber, fo etioa bie ©efd)id)te raupte, mit
größtem Vergnügen einen gufdjauer abgeben fonnte. ©ie fagten
and) sumeiten Sßerfe unb ©prüdje f)er, fo besroegen aud) felbften
ÜUftmi fyeifjen; bergletajen man nod) oon Snrus aufbehalten fjat.
DJtauius ^errarius, ein Italiener unb guter greunb 00m befannten
«'pamburgifdjen ^ofjann ^abricius, ber beffen Keine (Schriften $11--
fammen bruden (äffen, I;at eine befonbere atabemifdje 2tbfjanbtung
jjieroon gefdjrieben." Seffing f)at bie 2lbf)anbhmg nid)t ooltenbet,
bie altem 2(nfa)eine nad) als afabemifd)e Siffertation bienen fottte.
Giue 2tbf)anb(ung „uon Pantomimen", bie 1749 in Hamburg erfcbien,
ftefjt in feinem 3ufammen§ang mit Seffings Unterfud)ung.
£ie streite 2Ibtjanbtung „£)er <Sd;aufpieter" gehört berfelben
3eit an wie bie erfte. Gfjarafteriftifd) für feine Stubien ift feine 23e=
mer!ung in ber ,,3:beatraliftf)en Sibliotljef" (1754), baf; er ein Heines
3Berl „Heber bie förperlidje 53erebfamf eit" fdjreiben merbe.
©r oerftef)t barunter „matenbe unb bebeutenbe ©ebärben unb ©eften,
bie allgemein ober bod) in geroiffen ©egenben allgemein oerftänblid;
finb." Sßenn eö and) nidjt 3U ber 2lusfüfjrung feineä planes» tarn,
4 (iinteitnng.
fo bemaljrte er bod; ftetö bao ^utereffe an äf)nlid)en ©tubten. 3Äandj)e
feine 23eobad)tnng. firtbet ftcf) in feinen Äotteftaneen. ©o (jetft e§
unter ber Sftubrif „Pantomime" : „§ier milt td) bie »erabrebeten
©ebärben unb 3e^en fantmein, burd) meldte bei ben 2llten bte Ättnft
ber Pantomime fetjr erleichtert mürbe. Unter ^tautu3 ftefje ein
©gentpel, burd) bte Ringer grofje gafjlen anzugeben." 2)iefe 9lm
beutung ergäbt Sefftng burd) eine Sßotig über ^lautuö' ©pibicug, SB. 5:
„$ft ein gute3 (Stempel , 31t erläutern, mie nietet bie 2Ilten burd)
Blofje 3eitf)en auSjubrüden oerftanben, mett bergleidien ßeid&en DCl
iljnen burdjauS hefannt waren, welajeg fie Bei un3 ntcfjt finb unb
wefctjeS mir baljer muffen bleiben laffen. %t)e$pvio er§äf)lt beut
©pibtcu§, bafs inr £>err ein SMbcljen aus> ben (befangenen gekauft,
unb Gpibicu<3 mill mtffen, mie teuer. Ep.: Quot minis? Th.: Tot.
Ep.: Quadraginta minis? £f)e§prto mufste ifjm atfo mit ben blofsen
^y'mgern bte 3at)l 40 meifen tonnen, unb bag> 3e^en baoon muffte
allgemein begannt fein. %bt tonnten unfre 2lcteur3 burd) Sluftjebung
ifycev Ringer feine fjötyere 3a§*/ °*e a^en oerftänblidj wäre, meifen
als> bt§ auf get)n." 3)ie<o erlTärt ©fdjenburg: „2)afi man hex bei-
legten ©teile an bie ^ingerjä^ung ber Corner benfen muffe, i)ahen
fefton mehrere 2lus>Ieger bemerft, unb e3 fommen mehrere bal)in ge=
porige ©teilen beim $lautu3 oor, §. 93.: Mil. Glor., Act. II. Sc. 2,
v. 49. Heber bte SBerfafjrungSart bei biefer 3aI)lnng fe*)e luan
Jo. Nicolai Tr. de Signis Veterum (L. B. 1703, 4.) p. 90 sqq.,
wo auä) mehrere alte unb neue ©cfjriftfteller barüber nadjgennefen
merben. Sie $ax)l oterjig mürbe baburcl) au§gebrüd't, baft man
bie innere ©eite bes> ^Daumens" an bie äußere be3 3e^9efin9erö k&
linfen Jpanb legte." Sie anbere 9fott3 Seffingä tautet: „Digiti
crepitu poscebatur matula. Mart. 82." lieber baǤ Fragment
felbft beritfjtet $arl £efftng: „@3 ift attcrj eine feiner erften ©djriften.
Tlit ber ©djaufpielfunft gab er fief) in feiner erften $ugenb feljr ah
unb Ijat mief) oft oerftdjert, er fei nietjt abgeneigt geroefen, mo nid)t
felbft aufzutreten, bod) memgftenö einen ganj Keinen £rupp 51t über;
nehmen, ben er gmölf oon tfjm felbft oerfertigte ©tüde gang nad)
feinem ©inne einftubieren laffen unb bamit in Seutfdjlanb von
einem Orte jum anbern sieben mallen. 2Bal)rfct)einlid) Ijätte e3 tönt
met)r ©elb gebradjt aB alleo anbere, wa3 er barum ju übernehmen
angemahnt mürbe. £>a§ ©djlimmfte aber mar nur, bafj er fidEj'ö nie
abgeminnen tonnte, ein paar S^e blof> für fein $ntereffe j« arbeiten.
©elb hatte er gmar gern, aber nie ocrmod)te e§ fo oiel über ilm,
co je jum ^aupt^wed' feineö ©tttbieren^ ju machen. Unb mie mürbe
e§ and) um fünfte unb SGßiffenfd^aften auofeben, menn biefer '^locd
allen übrigen oovginge? $d; mufj eö aufrichtig gefielen, ber^lan
(Einleitung. 5
felbft oerrät nod) nidit uiel beti burdjbringenben ©eift, ben er bot
reifem Rubren in feinen fritiidien Söerfen gezeigt f)at. Unb hätte er
ihn eben bamalä gleidj aufgearbeitet, [o wäre baS 5B3er! oermutlid)
nicbt fo ganj grünblitt), aber für unfre ©tfjaufpiefer IdjrreictKT ge
roorben. Senn baö ©rünbltdj)fte unterrichtet ben Anfänger niclit,
fonbern fcnrecft Um oft ab; unb ber Beifall, Den [eine natürlichen
Aiibigfciten oft oon nod) umoiffenben ^ufrimuem einernten, tarnt
ibn leidu Oabin bringen , es für ©riUenfängereien ober für ©pi^
fmbtgfeiten, bie ^ar nicbt in fein ^-ad) gehören, 511 balten."
5>ie :)luciwige auö Cr 10 an nnb 2öud)erleu Rängen mit
Seffingä bramattfdien itfad)btibungeu beiber Tiditer jufammen: bao
Fragment „iHIetbiaOeo" (Söanb Y, 3eite 266 ff. unf. SÜuög.) ift einem
©tütfe oon Ctmay, „Ter ßeidjtgläu&ige" röanb V, 3eite 12 ff. unf.
3fa§g.) einem -Drama oon &hjd)erlei) nadjgebübet. iTJefjrfacf) gefyt
aus SBemerftmgen Seffingo (jeruor, bat? er beibe Siebter mit ^ttterejfe
ftnbierte. Heber ben erfteren jagte er in ber ,,I(jeatralifd)en 43ibIto=
tbet": „SfjomaS Dtroan, geboren 1651. @r ftubierte gu Crforb,
ging oon ba nad) Sonbon unb marb ein 3d;aufpteter, 10031t er aber
bie größten ©oben rtidjt Fjatte. ©r btente hierauf ats> Solbat iu
^taubem, Eatn aber in fdjtedjten ilmftänben mieber prücl unb fing
an, für bie 33üljne 51t fd)reiben. Seine Suftfpiete finb aüju mitb unb
ungüdjtig. $n feinen £rauerfpielen aber ift er fo rüljrenb unb geigt
fid) als einen fo großen SJietfter über bas §erj unb bie £eibenfd)aften
feiner gubjörer, baf? er unter ben alten unb neuen bramatifeben
2)tdjtern nur febr wenige feinesgteidjen ijai. ©r ftarb 1685 im brei=
unbbrcijjigften Sat)re feines 2Uters, in bem atferäujjerften ©tenbe;
unb ber äSerfaffer beS ,söef reiten SenebicjS' mufjte in bem grojjs
mutigen unb reichen ©ngfanbe oor feinem ©nbe noch betteln." lieber
ben anbem Tidjter fagt er ebenba: „William Sfönajerieu ; biefer
grojje i'omifdje 2)ict)ter mar geboren lö40. ©r tarn fefjr jung nad)
3-ranfretci), 100 er bie fatr)olifd;e Religion annafjm, ber er aber
mieber nad} feiner ßurücrlunft in ©nglanb entfagte. ©r mar auf
bem fünfte, bei Marl bem ^weiten, ber üjn febr fdjätjte, ein grofjes
©lücl 311 madjen, alo bie Xiebe auf einmal feine fdjönften Hoffnungen
jerjiörte. ©r ftarb 1715. ©ein erfree Süftfptel, ,Love in a wood',
ift oon 1 * i T 2 . 3ein ,Plain-dealer\ loeldjen Voltaire fefjr tüotji 31t
brauchen gerauft f)at, roirb für fein befteo ©tuet gehalten."
Sic oier flehten Fragmente unter 9ir. 4 fyaben matjrfdjeinlid)
g(eid)en gmeef unb eine gemeinfame (Sntfteljimg^eit.
Sao letzte #ra3ment, n>eld)e€ Sojberg er auo ben Sreöfauer
papieren oerbffentlia)t Ijat, bient ioa[)rfd)ein[id; sur (irgänumg beö
53. 3tütfeo ber Dramaturgie.
6 Einleitung.
Die Heine ©djlufjöemetfung nntrbe ebenfalls juerft non 95o£s
berger auS benfelben aftanuffripten SeffingS herausgegeben.
2H3 9?ad)trag 51t ben litterarif djen ^otijen über SeffingS
Dramaturgie fei bemerkt, bafj üortrefflidje 2(nalt)fen berfelben
and) in %o§. 2Bi tte3 Söerf „Die ^Uofopfyte unferer Dichter--
fjeroen" (I. 23anb, $onn, @. 2ßeber, 1880), unb in ©ibeon
©pttferS 33anbe „SefftngS $f)itofopl)ie" (2eip3ig, Dtto äßiganb,
1884) enthalten finb.
$höo Döring.
amlmrgtfdje f&ramaturgw*
HxDtxtzx ß a n b,
1767.
IJrriun&funfjtgJtes gtürii.
Xcn 3. \Uooembcr itc.t.
£)en etnunboterjigften iHbeub ('freitags, ben 10. gultug)
rtmrben Genie unb ber 9)iann nad) ber U()r loieberljolt. * )
„Genie ," fagt Gljcm'ier gerabe beraus , ** ') „fütjrt ben
■Kamen ber grau von ©raffigni, ift aber ein 2Öerf be§ xHbts
oon SBotfeium. Gs voax anfangs in SBerfen; roetl aber bic
grau oon ©rafftgni, ber es erft in ifjvent oicrunbfunf^igften
Saljre einfiel, bie ScfjriftfteKerin 31t fpielen, in iljrem Seben
feinen 3Ser3 gemadit liatte, fo warb Genie in ^kofa gebraut.
Mais l'Auteur, fügt er btnm, y a laisse 81 vers qui y
existent dans leur entier." Ü)aS ift oljne Steife! oon ein-
zelnen, bin unb roieber jerftreuten feilen §u oerfteljen, bie
ben Sieim oerloren, aber bie ©tlbengaljl beibehalten fjaben.
£odj roenn Gljeorier feinen anbern Öeroeis fjatte, bafe bas
3türf in Werfen geroefeu, fo ift es fein* ertaubt, baran 51t
gtueifeln. -Die fran$öftfd;en üßetfe fommeu übertjaupt ber
Sßrofa fo nafye, bafj es Üftülje foften foll, nur in einem etwas
gefliesteren ©tue 311 fctjretben, oljne baj$ fiel) nidjt oon felbft
gange SSevfe gufammenfiuben, benen nidjts mie ber 9ieim
mangelt. Unb gerabe beujenigen, bie gar feine SBerfe machen,
fönnen bergletdjen SSerfe am erfteu entmifdjen; eben weil fie
gar fein Cljr für bas Metrum fjaben unb eS alfo eben fo
wenig 311 oermeiben als 311 beobachten oerfteljen.
sIöa§ bat Genie fonft für iWerfmale , bafj fie nidjt au§
ber %ebex eines Frauenzimmers fönne gefloffen fein? „£>a§
grauen^immer überhaupt/' fagt 9xouffeau,***) „liebt feine
einzige Munft, oerfteljt ftdj auf feine einzige, unb an Gtenie
feljtt es> il)m gang unb gar. G3 faun in Keinen 3Berfen
glüdlid) fein, bie nidjt§ als letditen 2ßi£, niebts als G5efcbmad',
niebtg als 3lnmut, bödjftens ©rünblidjteit unb Sßljilofop^ie
') 8. ben 23. unb 29. <ttbenb. Seite 180 unb 190.
**) Observateur des Spectacles, Tome I. p. 211.
**) A d'Alembert, p. 193.
10 ^mn&urgifdje ^Dramaturgie.
verlangen. Go fann ftdj SBiffenfdjaft, ©eleljrfantFeit unb ade
Talente emierben, bie ftd; burdj TOilje unb StrSeit erwerben
[äffen. 2(ber jenes Ijtmmlifdje Jener, metdjeS bie ©eete erf)ii^et
unb entflammet, jenes um ftd) greif enbe ner^eljrenbe ©enie,
jene brennenbe 33erebfamfeit, jene erhabene ©c|wünge, bie tfjr
©ntgücfenbeS bent Qnnerften unfereS §ergenS mitteilen, werben
ben ©ebriften beS grauengimmerS attejett fehlen."
Sttfo fehlen fie wot)l aud) ber Genie? Ober wenn fie ifjr
mdjt fehlen, fo muß Genie notwenbtg baS 3Berf eines 9JianneS
fein*? 9touffeau felbft würbe fo nid)t fdjließen. @r faßt ptels
meljr, maS er bem grauengimmer überhaupt abfpredjen 31t
muffen glaube, motte er bartun feiner %xaxx inSbefonbere
ftreitig ntadjen. (Ce n'est pas ä une femme, mais aux
femmes que je refuse les talens des kommes. *) Unb
biefeS fagt er eben auf 33eranlaffung ber (Seme, eben ba, mo
er bie ©rafftgni als bie 33erfafferin berfelben anführt. £>abet
merfe man wot)l, baß (SJraffignt feine greunbin ntd)t mar,
baß fie Hebels wem if)tn gefprodjen Ijatte, baß er fid) au eben
ber ©teile über fie betlagt. 3)em olmgeadjtet ertlärt er fie
lieber für eine 2utSnal)me feines ©ai^eS, als ba| er im ge=
ringften auf baS Vorgeben beS (Stjeorier anfpielen fottte,
weldjeS er 51t tl)ttn ol)ne 3wetfel Sretmütigfeit genug ge=
rjabt ^ätte, roenn er ntd^t uon bem (Gegenteile überzeugt ge-
meiert märe.
Grjeurier tjat meljr foldje oerfteinerlidje geheime %lafy
rtdjten. @ben biefer 2lbt, une Gfumrier wiffen toill, Ijat für
bie gaoart gearbeitet. ®x Ijat bie fomtfdje Dper „Annette
unb Subin" gemalt, unb ntdjt fie, bie 3lctrice, uon ber er
fagt, baß fie faunt lefen !önne. ©ein ^Beweis ift ein ©affem
imuer, ber in s^ariS barüber herumgegangen ; unb eS ift aller;
bingS maf)r, baß bie ©afjenbjauer in ber frangöfifdjen ©efdjidjte
überhaupt unter bie glaubwürbigften SDofumente gehören.
SBarum ein ©etfttidjer ein fefjr uerliebteS ©ingfpiel unter
frembem tarnen in bie SBelt fdjide, ließe fid) enblid) nodj
begreifen. 5lber warum er fid) gtt einer (Seme nid)t betennen
motte, ber id) titelt niete s$rebigten oorgtetjen möd)te, ift
fd)toerlid) abntfeljen. tiefer 2lbt tjat ja fonft meljr als ein ©tütf
aufführen unb bruden laffeu, uon meld)en iljn jebermantt als
ben SSerfaffer fennet unb bie ber Genie bei wetten nid)t gleid)
f'ommcn. Sßenn er einer grau uon uterttnbfuufjig Saljren
') Ibid., p. 78.
TiviimbfunfngfteC) Stint 1 1
eine Ojatanterie machen roottte, ift c3 roaljrfdjemüd), bau er
cö gcrabe mit feinem beften 2öer?e mürbe getrau haben7
Sen gmeiunbuicrgigften 3lbenb ( sD?ontag<5, ben 13. Julius)
marb bie grauenfdjule oon foltere aufgeführt.
Poliere f)atte bereits feine $)tännerfdmle gemacht, als er
im ^aljxe 1662 biefe grauen jdjule barauf folgen tiefe. $Ber
beibe Stücfe nidjt rennet, mürbe fid; fel)r irren, wenn er
glaubte, bafe r)ier ben grauen, rote bort ben Männern, iF»rc
Sd)itibigfeit geprebigt mürbe. G§ finb beibes roitjige koffern
fpiele, in meldten ein Sßaar junge "Mbdjen, roooon baS eine
in attcr Strenge erlogen unb bao anbere in affer (rinfatt
aufgemad)fen, ein Sßaat alte Waffen bintergerjen, unb bie beibe
bie ^lännerfdjule fjeifeen müßten, menn ÜJJoliere metter nid)t§
barin hätte lehren motten, ale bafe ba3 bümmfte 9Jtäbd)en
uod) immer SSerftanb genug f)abe, 31t betrügen, unb baf$ 3rt)an9
unb 2Iuffid)t meit meniger frudjte unb mtfce at§ Stadfrfidjt
unb greiijeit. 2öirtTidj tft für ba§ metblidje G>efd)(ed;t in ber
grauenfdjulc ntdit otel gu lernen ; eS märe benn, bafj 9Jioliere
mit biefem ^Titel auf bte ©IjeftanbSregeln in ber jmeiteti
S^ene be§ brüten 2(ft£> gefefjen rjättc, mit meldien aber bie
^flidjten ber 2$eiber eljer lädjerltd) gemadjt werben.
„Sie gmet glüd'lidjften Stoffe gur ^ragöbie unb $omöbie,"
fagt Grüblet,*) „finb ber Gib unb bte grauenfd)u(e. 9(6er
Beibe finb 00m (Eorneitte unb Poliere bearbeitet morben, af3
biefe Sidjter ifjre oötttge Stärfe nod) nicht Ratten. Siefe
SInmerfung," fügt er bingu, „habe id) oon bem #rn. oon
gontenette."
3Benn bod) Grüblet ben @ra. oon gontenette gefragt
|ätte, mie er biefe§ meine. Ober, fatt§ e§ ifjm fo fdion oer=
ftänblidj genug mar, menn er e§ bod) aud) feinen Sefern mit
ein paar SÖBorten tjätte oerftänbtid) madjen motten. 3er)
menigfteng befenne, baft idj gar ntdjt abfege, roo gontenette
mit biefem Sftätfel fjingemottt. Qd) glaube, er l)at fid) oer;
fprodjen, ober Grüblet Ijat fid) oerljört.
2Benn inbeö nad) ber Meinung biefer üDtänner ber «Stoff
ber grauenfdjule fo befonber3 gludlid) ift unb Poliere in
ber 9tu3füf)rung bcofelben nur ut furg gefatten : fo Ijätte fid)
biefer auf baS gange Stüd eben ntd)t otel eingubitben gehabt.
Senn ber Stoff ift nid)t oon ifjm, fonbern teils auö einer
fpanifdjen ©rgäljhtng, bte man bei bem Scarron, unter bem
*) Essais de Litt, et de Morale, T. IV. p. 295.
12 .<oant(Jurgtfü)e ©ratmtturgte.
SJtel „Tic oergeblidje Tsorfid;!'', finbet, teils am ben foaf^
tjaften S-Mäd)ten bes ©traoarofte genommen, wo ein Siebjjaber
einem feiner greunbe aÄe £age oertrauet, wie weit er mit
feiner (beliebten aefommen, ofjne %\\ wiffen, baf^ biefer greunb
fein vJiebenbut)ler ift.
„£)ie grauenfdmle," fagt ber .Sperr von Voltaire, „mar
ein <Stüd oon einer gan^ neuen ©attung, worin gwar alles
nur Gsrgäfytung , aber bod) fo funftlidje (Srgäfjtuna, ift, bafe
alles §anbtung ^u fein fdjetnet."
äßenn baS ")teue Ijierin beftanb, fo ift es febr gut, baft
man bie neue ©attung eingeben laffen. Wltfyx über weniger
iunftlid), @rgä$lung bleibt immer (^äblung, unb mir wollen
auf bem ^Fjeater wirftidje §anbhmgen feljen. — 3lber ift eS
benn aud) rvafyv, baft alles barin er^iljlt wirb? bafe alles
nur §anbtung ju fein fcfyeint? Voltaire l)ätte biefeu alten
Giuwurf nid)t uneber aufwärmen fotfen; ober anftatt tt)n in
ein anfdjeinenbeS £ob 51t oerfebren, t)ätte er wenigftenS bie
Antwort beifügen folten, bie Poliere felbft barauf erteilte
unb bie fel)r paffenb ift. ;£)ie @r$äf)hmgen nämtid) fiub in
biefem 6tüde oermoge ber innern SSerfaffung beSfelben xoixb
Iid)e §anblung; fie baben altes, was gu einer tomifcben §anb=
lung erforberlidj ift, unb eS ift btofce SBortf lauberei, ilmen
biefeu -Kamen Ijier ftreitig 51t madjjeu. *) 3)enn eS fömmt
ja weit meniger auf bie Vorfälle an, weldje ergäfjlt werben,
als auf ben (Sinbrud, melden biefe Vorfälle auf ben be=
trognen 2llten madjeu, menn er fie erfährt. S)aS £äd;ertid)e
biefeS Sitten wollte 9Jioliere oorne^mlid) fdjilbern; xi)n muffen
mir atfo oornetnnlid) feljen, mie er ftd) bei bem Unfälle, ber
itnn brofjet, gebärbet ; unb biefeS Ratten mir fo gut nidjt ge=
feljen, menn ber ^Dict)ter baS, was er ergäben läftt, vox unfern
2(ugen v)atti oorgeljen laffen unb baS, was er oorgefyeu
läßt, bafür t)ätte er§ät)Ien laffen. £)er s$erbruf3, ben Slrnolpt)
empfinbet; ber 3raail9/ Den er fid) antlnit, biefeu ^erbruft 311
oerbergen; ber t)öt)nifcf)e ^on, ben er annimmt, menn er ben
weitem ^ßrogreffen beS §ora^ nun oorgebauet $u bflben glaubet;
baS (Srftaunen, bie fülle 2Öut, in ber mir il)n fe^en, menn
er oernimmt, bafs ©orag bem olmgeadjtet fein 3iet gtüd'lid)
verfolgt : baS finb ^anblungen , unb meit fomifd)ere §anb=
hingen als alles, was aufter ber 3;$ene oorgebt. Setbft in
*) Sn bev Sh'itif ber 3frauenfdjulej in bei Sperfon beS SDorante; T.es nicits
eux-memes y sunt des actions Buivant la Constitution du sujet.
Simtnbfimfäigfteä 3tmt 1:;
ber (Sr^ä^tung bet Slgnefe oon ihrer mit bem §ora$ ge
madncn Sefanntfdjafi ifi moliv §anblung , alo mir ftnben
mürben, roenn mir biefc Wanutfchaft auf bei 93üf)ne mutlidi
niacficn iahen.
9Ufo, anftatt oon ber A-rauenfcbulc $u [agen, bafe alleä
barin §anblung fdieiuc, öbgteidj ai(co mir ©rgäljlung fei,
glaubte idi mit mehrerem ERcd^te fagen ut tonnen, baft alles
§anblnng bartn fei, öbgteidj alles nur (i'näljluna, ]\\ fein fd[>eine.
ituTunöfunfnöfiCit £ttürh.
Xiti (.;. Sftoüembet iTtiT.
3)en bteiunboiergiaften 9lbenb (©ienStagö, ben 14. ^nluio )
roarb bie 9ftütterfdmle be§ Sa (iliaufiee unb ben oierunb
menicuten Stbenb ('als "Don 15.) ber ©raf Don (rffer
roieberrjolt. ::; i
£)a bie Gsnglänber oon jerjer fo gern domestica facta
auf ihre SBürjne gebraut rjaben, fo tann mau (eidit oermuten,
bafe co ihnen auch an Srauerfpielen über biefen ©egenftanb
nicht fehlen roirb. £)a3 altefte ifi baä oon Jot); ü8anf§,
unter bem X'xtd: 3)er unglücflidje Siebling ober ®raf oon
(Sifer. (i's taut 1682 aufs Theater unb erhielt allgemeinen
Seifaß. 2)amal3 aber hatten btegrangofen jdion brei li'jiere :
bes Ciatprenebc oon 1638, bes SSoner oon 1678 unb be§
Jungem (iorneille oon eben biefem ^aijre. Voltten inbe§ bie
(Snglänber, bafc ihnen bie Arainofen aud) hierin nicht möchten
^uoorgefommen fein, fo mürben fie fiel) iüelleiri)t auf Taniels
^rjilotas beliehen tonnen, ein Srauerfpiel oon 1611, in metchem
man 'Die Okidiicbte unb ben (5f)arafter bes Örafen unter
fremben tarnen ;u finben glau6te. **)
SBanfä jdjetnet feinen oon feinen frainbfifdien Vorgängern
gelannt ut haben. @r ifi aber einer Sonette gefolgt, bie ben
iitel: (Geheime ©efdjidjte ber Königin (rlifabetb unb beä
©rafen oon Giier, fürjret,***) roo er ben ganzen Stoff fich fo
in bie §änbe gearbeitet fanb, bafc er ihn blon ui btalogieren,
ihm b L o f 5 Die äufjere bramatifebe Jorm ju erteilen brauchte.
§ier ifi Der gange Spian, rote er oon bem Sßerfaffer Der unten
angeführten 3dirift jum Xtil ausgesogen roorben. Vielleicht,
• l. ben 26. im? 30. 9H>enb, Seite 184 unb I
"") Gibber's Lives of tlae Engl. Poets, Vol. 1. p. 1 i7.
***) The Companion tu the Theativ, Vol. II. p. 99.
14 ^amBurgifd^e ^Dramatitvgie.
bajj es meinen £efern nicfyt unangenehm ift, iljn gegen bas
©tue! bes (Corneille galten 51t fönnen.
,,11)11 unfer ÜJUtleib gegen ben unglüdlidjen ©rafen befto
lebhafter gu machen unb bie §eftige Zuneigung gu entfd)itl=
btgen, welche bie Königin für Ujtt äußert, merben it)in alle
bie erfyabenften (Sigenfdjaften eines Reiben beigelegt; unb es
feljlt üjm 51t einem uollfommenen (Sljarafter meiier uid)tS, als
baft er feine 2eibenfd)aften nid)t beffer in feiner ©emalt Ijat.
^Burleigl), ber erfte 9Jftnifter ber Königin, ber auf ifyre (Sljre
feljr eiferfüdjtig ift unb ben ©rafen wegen ber ©unftbe^eigungen
beneibet, mit meldjen fie ilm überl)äuft, bemüljt fid) unab=
läffig, iljn uerbädjttg gu madjen. §ierin ftel)t i£)m Sir 2öalter
Üialeigl), meldjer nidjt minber beS ©rafen tymb ift, treulid)
bei; unb beibe merben non ber boshaften ©räftn non 9lottingl)am
nod) meljr uerljeijt, bie ben ©rafen fonft geliebt l)atte, nun
aber, meil fie leine ©egenliebe von iljm erhalten fönnen, mag
fie nidjt befugen fann, gu Derberben fud)t. SDie ungeftüme
©emütsart bes ©rafen madfjt iljuen nur alt§u gutes Spiel,
unb fie erreichen iljre Slbfidjt auf folgenbe 2Beife.
„SDie Königin Ijatte ben ©rafen als iljren ©eneralifftmnS
mit einer feljr anfel)nlid)en Slrmee gegen ben %nrone gefdjidt,
meldjer in Urlaub einen gefährlichen 2lufftanb erregt Ijatte.
9iad) einigen nidjt niel bebeutenben Sdjarmüi^eln falje fid) ber
©raf genötiget, mit bem geinbe in Unterljanblung ju treten,
meil feine Gruppen burdj Strapazen unb Slranfljeiten feljr
abgemattet maren, Snrone aber mit feinen Seuten feljr nor=
teilljaft poftieret ftanb. 8)a biefe Unterljanblung gnnfdjen ben
silufül)reru müublid) betrieben marb unb lein SDcenfdj babei
zugegen fein burfte, fo mürbe fie ber Königin als ifyrer @§re
l)öd)ft nadjteilig unb als ein gar nicfjt gmeibeutiger SSeroetö
ucrgeftellet, bafc (Sffer, mit ben Nebelten in einem Ijeimlidjen
Sßerftänbntffe fteljen muffe. Surleiglj unb 9Meigl) mit einigen
anbern ^arlamentSgliebem treten fie bal)er um ©rlattbniS
an, il)tt beS §odjnerratS auflagen gu bürfen, meldjeS fie aber
fo menig gu nerftatten geneigt ift, baft fie fid) üielmeljr über
ein bergleidjen Unternehmen feljr aufgebradjt bezeiget. Sie
roieberljolt bie norigen 2)ienfte, meldte ber ©raf ber Nation
ermiefen, unb erflärt, ba£ fie bie Unbanfbarfeit unb ben boS=
Ijaften sJteib feiner Slnfläger nerabfdjeue. £)er ©raf von
Soutfyampton, ein aufvidjtiger greuub bes ©ffej, nimmt fid)
jugleid) feiner auf bas lebljaftefte an ; er ergebt bie ©ered^tigfeit
ber Königin, einen joldjen sDiaun nidjt unterbrüdeu 51t
SBterunbfunfatgfteS ©rütf. 15
laffen; unb feine geinbe muffen oor biefeS 9ftal fdjroeigen.
( Grftcr mt.)
„5"be§ ift bie Königin mit bei- Sfuffü^ruirg beo ©rafen
nid)ts roeniger alg jufrieben, fonbem [#£t tljm befehlen, feine
%d)kx roieber gut 31t machen unb Qrlattb nidjt eljer 31t ocrs
laffen, alö bis er bie 9iebellen nöllig 31t paaren getrieben unb
al(e§ roteber beruhiget Ijabe. £od) Sffej, bem bie Vefdjul;
bigungcn uidjt unbet'annt geblieben, mit roeldjen tfjn feine
g-einbe bei il)r angufdjroärgen fudjen, ift r>ie( 31t ungebulbig,
fid) 31t rechtfertigen, unb fömmt, nadjbem er ben ^nrone 31t
-Jiieoerlegung ber SÖaffen oermodjt, beö ausbrücflidjen Verbots
ber Königin ungeadjtet nad) (inglanb über, tiefer unbebadjt^
fame ©qjrttt mad)t feinen geinben eben fo nie! Vergnügen
als feinen Jyreunbcn Unrulje; befonberö gittert bie ©räfiu von
"Kutlanb, mit roefdjer er inegeljeim oerljeiratet ift, uor ben
folgen. 9lm meifteu aber betrübt fid) bie Königin, ba fte
fteljt, bafj if)r burd) biefe§ rafdje ^Betragen alter Vorroanb be-
nommen ift, ifm 3U nertreten, roenn fie nid)t eine gWid^feit
Betraten roill, bie fie gern uor ber gangen 28elt nerbergen
mödjte. 2)ie Grroägung ifyrer Stürbe, 311 meiner ifjr natür=
lidjer <Btobö fömmt, unb bie (jeimlidje Siebe, bie fie 31t iljm
trägt, erregen in ifroer Vruft ben graufamften ßampf. Sie
ftreitet lange mit fid) felbft, ob fie ben oerroeguen 9J?ann
nad) bem äoroer fd)id'en ober ben geliebten ^Serbrectjer oor
fid) laffen unb tljm erlauben foll, fid) gegen fie felbft 31t redb>
fertigen. Gnblid) entfdjliejjt fie ftd) 3U bem lefctern, bod) nid)t
ol)ne alle (Sinfdjränfung ; fie roill if)tt fernen, aber fie roill il)n
auf eine 3(rt empfangen, baf$ er bie Hoffnung rooi)I oerlieren
folt, für feine Vergebungen fo balb Vergebung 31t erhalten.
£3urleiglj, ^Kaleigrj unb 9iottingl)am finb bei biefer 3ufammen=
fünft gegenroärtig. £)ie Königin ift auf bie letztere geleistet
unb fdjeinet tief im Q5efpräcr)e 31t fein, ol)ne ben ©rafen nur
ein eingiges 9Jial an3iifel)en. sJ?ad)bem fie ifjn eine Söeile
oor fid) fitieeit laffen, oerläfet fie auf eintnal ba3 3immer
unb gebietet allen, bie es reblid) mit iijx meinen, Üjr 31t folgen
unb ben Verräter allein 3U laffen. 9^iemanb barf es> roagen,
il)r ungel)orjam 3U fein, felbft Soutl)amr>ton ger}et mit irjr ab,
fömmt aber balb mit ber troftlofen Entlaub roieber, ir)ren
greunb bei feinem Unfälle 31t beftagen. ©leid) barauf f dürfet bie
Königin ben Vurleigl) unb ^taleigl) 31t bem ©rafen, if)in ben
^ommanboftab ab3ttnel)men; er roeigert fid) aber, if)n in anbere
als in ber Königin eigene §änbe gurücfguliefern, unb beiben
lti ^amburgtfdje Dramaturgie.
Diiniftern wirb foiool)l oon tfjm als »on bem Söutjjampton
fel;r oeräd;tlid; begegnet, (^weiter Slft.)
„3Me Königin, ber biefeö fein betragen fogleid; f)intei=
bradjt nürb, ift äufterft geretgt, aber bod) in iljren ©ebanfen
nod) immer uneinig. Sie fauu meber bie Verunglimpfungen,
bereu fid; bie Diotttngfjam gegen if)n erfüllt, nod) bie &ob-
fprüd;e »ertragen, bie tfjm bie unbebad;tfame Entlaub ax\8 ber
Julie il;res §er$en3 erteilet ; ja, biefe finb U;r nod; mefjr ^u=
miber als jene, weit fie baraus entbedt, ba£ bie SRutlanb il;n
liebet, ^uleijt befiehlt fie bem ol;ngead;tet, baj$ er »or fie
gcbrad;t werben folT. @r fömmt unb oerfuclrt e£, feine Stuf'
füljrung gu oerteibigen. £)od) bie ©rünbe, bie er beSfallö
beibringt, fd;einen il)r niel §u fd;mad;, aU baf} fie il;reu 33er*
ftanb »on feiner Unjd;ulb überzeugen fottten. (Sie oerjeiljet
itmt, um ber geheimen Neigung, bie fie für ifm r)egt, ein ©e=
nüge 31t tl)un ; aber 3ugleid; entfetjt fie ifm aller feiner ©l;reu=
[teilen, in Betrachtung beffen, mag fie fid) felbft als Königin
fd;ulbig 511 fein glaubt. Unb nun ift ber ©raf nid;t länger
uermögenb, fid; 51t mäßigen: feine Ungeftümfjeit brid;t los>;
er mirft reu Stab $u t£)ren Jüfeen unb bebient fid) uer=
fd)iebner 2(uöbrüde, bie ^u fel)r mie Vorwürfe flingen, als
bafj fie ben ßorn ber Königin nidtjt aufs l;öd)fte treiben feilten.
2lud; antwortet fie il;m barauf, rote e§ dornigen M* natürltd;
ift, ol)ne fid; um Slnftanb unb Sßürbe, orme fid) um bie
folgen %u befümmern: nämlid) anftatt ber Antwort gibt fie
iljm eine D|rfeige. £)er ©raf greift nadj bem SDegen; unb
nur ber einzige ©ebanfe, bafc e3 feine Königin, baf; es nid;t
fein ^önig ift, ber iljn gefdjlagen, mit einem sIÖorte, baß es
eine grau ift, oon ber er bie Ohrfeige l)at, F)ält Hjn ^urürf,
fiel) tl;ätlid; an iljr 511 oergel;en. Souti)ampton befcfywört ifjn,
fid; 311 f äffen ; aber er wiebeti;olt feine iljr unb bem Staate
geleifteten SMenfte nod;mals unb mirft bem Sßurleigl) unb
"Jtaleigl; ifjren nieberträd;tigen ^eib, fomie ber Königin il;re
Ungered;tigfeit oor. Sie oerläfjt irm in ber äujjerften 2Öut,
unb niemanb als Soutl)ampton bleibt bei ifjm, ber greunb=
Jdjaft genug t)at, fid; i^t eben am menigften oon ifjm trennen
31t laffen. (©rittet 2tft.)
„2)er ©raf gerät über fein Unglüd in SSergweiftung ; er
läuft mie unfinnig in ber Statut l;erum, }d;reiet über bas il;m
angetane Unred;t unb fdwrärjet auf bie Regierung. Dilles bas
loirb ber Königin mit oielen llebertreibungen mieber gefagt,
unb fie gibt Befefyl, fid; ber beiben ©rafen 31t oerfid;ern. @s
gfünftmbfunfotgfteS Stiicf. 17
rotrb •JJc'annfcbaft gegen fie auögefc^icf t ; fte merben gefangen
genommen unb in ben Corner in feer^aft gefe$t, t-io bafj djnen
ber $rogeft fann gemacht merben. SDod) tnbes Ijat fiel; ber
gorn ber Königin gelegt nnb günftigeru ©ebanfen für ben
(5'jier miebemm Scannt gemalt. 8ie null Um alfo, er)e er
3um SBerljöre geljt, allem, mag man iljr barmiber fagt, unge=
ad)M, nodnnalg feljen; nnb ba fte beforgt, feine SBerbredjen
mödjten 511 ftrafbar befunben merben, fo gibt fte iljm, um fein
£eben menigfteng in Sidjerljeit 31t fetten, einen Dting, mit bem
SSerfpredjen, tlmi gegen biefen 9iing, fobalb er \fy\ il)r ^ufdjid'e,
alles, mag er oerlangen mürbe, 31t gemäljren. gaft aber bereuet
fie eg mieber, bafe fte fo gütig gegen Üjn gemefen, alg fte
gleid; baranf erfährt, baft er mit ber 9httlanb oermäf)lt ift,
unb eg oon ber -Hutlanb felbft erfährt, bie für il)n um ©nabe
311 bitten fömmt." (Vierter 2ßt.)
fünfnuMunftutiies £tüdu
2)en 10. lotternder 1767.
„2öag bie Königin gefürchtet fjatte, gefdjieljt : (Sffer, mirb
nad) ben ©efe^en fdjulbig befunben unb ueruvteilet, ben föopf
311 oerlieren; fein grettnb (Sotttljampton beggleidjen. 9iun roetjj
jrcar ©lifabetf), bafj fie alg Königin ben s$erbred)er begnabigeu
fann; aber fte glaubt aud), baf$ eine foldje freimütige Se=
gnabigung auf iljrer (Seite eine (Sdnnäcfje nerraten mürbe, bie
feiner Königin ge3ieme; unb alfo mitl fie fo lange märten,
big er il)r ben Diing fenben unb felbft um fein Seben bitten
mirb. Voller Ungebulb inbeg, baft eg je efjer je lieber ge=
fd;er)en möge, fd)icft fie bie 9cottingljam 31t tljm unb läfet Um
erinnern, an feine Rettung 31t beuten. -Jcottingljam ftellt fta),
bag gärtlicfjfte 9JUtIetb für ifjn 311 füljlen, unb er oertrauet tfjr
bag foftbare Unterpfanb feines Sebeng mit ber bemütigften
33ttte an bie Königin, eg if)m 3U fdjent'en. %lun (jat 9tot=
tingljam alleg, mag fte münjd)t; nun ftefjt eg bei üjr, fiel)
megen ifjvev oeradjteten Siebe an bem ©rafen 3U rächen. 2Tn=
ftaft alfo bag at^uricrjten, mag er ibr aufgetragen, oerleumbet
fie if)n auf bag bogfyaftefte unb malt tfm fo ftolj, fo trotiig,
fo feft eutfdjloffen ah, uidjt um ©nabe 31t bitten, fonbern eg
auf bag Sleufeerfte anlommen 3U laffen, bafj bie Königin bem
Sßeridjte faum glauben fann, nad; mieberf)olter 23erftdjerung
aber notier 2ßut unb SSei^meiflung ben SBefel)! erteilet, bag
Ceiiing, SD3erTe. XII. 2
18 ^atnfiurgtfcJje Dramaturgie.
Urteil olme Stuftaub an iljm 51t uotf&ieljen. SDabet gibt tf)r
bte 6os()afte Sflottingljam ein, ben ©rafen oou ^outfjampton
51t begnabigen, nid/t tuetC tfjr baö Unglud beäfelben wirflid)
nälje geljt, fonbern weil fie fid) einbitbet, baf$ ©ffer. bie S3itter=
leit feiner ©träfe um fo tuel meljr empftnben werbe, wenn
er fiel)t, bag bie ©nabe, bie man iljm oerweigert, feinem mtt=
fdjulbigen greunbe mdjt entftefje. 3« eben biefer 9I6ficl)t rät
fte ber Königin auclj, feiner ©emarjlin, ber ©räffrt non fRut=
lanb, 31t erlauben, il)n nodj cor feiner $mridjtung §u fel)en.
SDie Königin williget in beibe§, aber %um Unglüd'e für bie
graufame Ratgeberin; beim ber ©raf gibt feiner ©emal)lin
einen 33rief an bie Königin, bie fid) eben in bem ^oroer
beftnbet unb iljn lutg barauf, al§ man ben (trafen abgefüljret,
erhält. 2tu3 biefem Briefe erfteljt fte, baft ber ©raf ber
^otting^am ben SRing gegeben unb fte burd) biefe Verräterin
um fein Seben bitten laffen. ©ogletd) fcfjidt fie unb lägt bie
Votlftredung be§ Urteile unterfagen; ooä) ^Burletgl) unb Dia=
leigl), bem fie aufgetragen mar, Ratten fo ferjr bamit geeilet,
baj$ bte Votfcrjaft &u fpät fömmt. &er ©raf ift bereits tot.
3Me Königin gerät cor ©crmter^ auger ftd), nerbannt bie ab-
fcbeulidje Göttin gljam auf einig au3 ir)ren Slugen unb gibt
allen, bie fiel) al§ geinbe be§ ©rafen erroiefen Ratten, ifjren
bitterften Unmiflen $u erlernten."
2lu3 biefem $lane ift genugfam abgune^men, bafc ber
Gffer. beö 33cmf§ ein ©tue! oon weit meljr Sftatur, 2öa§rF)ett
unb Uebereinftimmung ift, als fidj in bem (Sffer. be3 (Sorneitle
finbet. 33anf§ r)at ftcfj ^tem(idr) genau an bie ©efd)icl)te ge=
galten, nur bag er t>erfdjtebene Gegebenheiten närjer ^ufammen=
gerüdt unb iljnen einen unmittelbarem ©infhtfj auf ba§ enb=
iidje ©djidfal feines §elben gegeben l)at. £)er Vorfall mit
ber Dljrfeige ift eben fo wenig erbidjtet al§ ber mit bem 9ftnge;
beibe finben fid), wie id) fdjon angemerlt, in ber §iftorie, nur
jeuer weit früher unb bei einer gang anbern Gelegenheit,
fowie e§ audj von biefem §u oermuten. 3)emt eg ift begreife
lidjer, bafe bie Königin bem ©rafen ben SKing gu einer £eit
gegeben, ba fte mit iljm oollfontmen aufrieben war, als baft
fie irjnt biefeS Unterpfanb ir)rer ©nabe i§t erft fottte gefdjenft
l)aben, ba er fic§ iljrer eben am meiften oerluftig gemadjt
rjatte, unb ber gall, fid) beffen ^u gebrauten, fcfpn wirflid)
ba war. tiefer Dttng foCCte fte erinnern, wie teuer ifjr ber
©raf bantalS gewefen, aU er iljn oon iljr erhalten ; unb biefe
Erinnerung fottte ilmt alöbanu alle ba§ Verbienft wiebergeben,
AÜnfiinMuimuifteo 2tücF. 19
meldjcs er unglücflidjerroeife in ihren Stugen etma tonnte per
loren baben. sJC6er mao braud)t e§ biefe$ ^eidjeno, biefet
©rhtnerung oon beute bis auf morgen? ©lauBt fte tfjrer
günftigen ©efinnungen auch auf fo roenige Stunbcn nidjt
mädjttg 511 fein, bag fie fid) mit 7v f c i f ^ auf eine foldie 2(rt
feffeln miß? 2Benn fte ifjm in (irnfte oergebeu bat, wenn ihr
mirflid) an feinem Seben gelegen ift : moju baS ganje Spiegel
gefcdjte? 2öarum tonnte fie e3 bei ben mimbltdjen SBetftc^e-
rungen ntebt bemenben [äffen? ©ab fie ben "Kino,, blofj um
ben (trafen ju beruhigen, fo oerbinbet er fie, iljtn tf)i SBort
51t galten, er mag roteber in ifjre §änbe fommett, ober nidjt.
(&ab fie um aber, um burd) bie 28iebererf)attung besfelben oon
ber fortbauernben Reue unb Unterwerfung bes ©rafen oer=
ftdjert ju fein: roie fann fie in einer fo micfitigen Sadje feiner
töblidjften geinbin glauben? Hub [jatte fid) bie 9cottiugf)am
nid)t tuv§ 5itoor gegen fie felbft als eine foldje bemiefen?
3o mie S3anf§ alfo ben Ring gebraudjt Ijat, tfjut er nid)t
bie befte SBirfung. sDcid) bünft, er mürbe eine meit beffere
tfjun, raenn i(jn bie Königin gan§ oergejfen hätte unb er ihr
plo^lid), aber aud) $u fpät, eingeljänbiget mürbe, inbem fie
eben oon ber Unfdjulb ober roenigftenS geringern <2dmlb bes
(trafen nod) au§ anbern ©rünben überzeugt mürbe. Die
Sdjenfung bes Ringet tjatte cor ber §anblung be3 2tücf§
lange muffen uorfyergegangen fein, unb blof$ ber ©raf fjä'tte
barauf rechnen muffen, aber aus ßbelmut nidjt efyer ©ebraud)
baoon machen motten, als big er gefefjen, baft man auf feine
Rechtfertigung nidjt ac^te, baft bie Königin ju fefjr miber
if)n eingenommen fei, ale> baft er fie §u überzeugen tjoffen tonne,
bafe er fie alfo §u bewegen fudjen muffe. Unb inbem fie fo
bemegt mürbe, müfcte bie Uebergeugung bagu fommen; bie
(rrfennung feiner Unfdjulb unb bie Erinnerung ifjreö S5er=
fpredjeneS, il)n aud) bann, menn er fdjulbig fein follte, für
unfdjulbig gelten $u (äffen, müßten fie auf einmal überrafdjen,
aber nidjt efyer überrafdjen, als big e£ nidjt metjr in üjrem
Vermögen fteljet, gerecht unb erfenntlidj 311 fein. '
üBtel glüdlidjer tjat 33anf§ bie Ohrfeige in fein Stücf
eingeflößten. — 5lber eine Ohrfeige in einem ^rauerfntele !
2Öie engltfd), mie unanftänbig! — @fje meine feinern Sefer
ju fefjr barüber fpotten, bitte iß fte, fid) ber Dljrfeige im
(Eib ut erinnern. 5Die Slnmerfung, bie ber §r. oon üBoltatre
barüber gemadjt Ijat, ift in oietertet Q3etrad)ung merfmürbig.
„^eutjutage," fagt er, „bürfte man e3 nidjt magen, einem
20 .<£>am6urgifdf»e Dramaturgie.
Reiben eine Dbrfetge geben $u laffen. SDie ©djaufpieler felbft
miffen nirf;tr tüte fie fid) babei aufteilen foffen; fie ttntn nur,
als ob fie eine gäben. yiifyt einmal in ber ^omöbie tft fo
etwas mel)r erlaubt; unb biefes tft bas einzige (Stempel,
meldjes man auf ber tragifdjen SBürjne baoon Ijat. @s ift
glaublirf), baft man unter anbern mit beswegen ben (Sib eine
äragilomöbie betitelte; unb bamals waren faft alle «Stücfe
bes (Scuberi unb bes 23oisrobert Stragifomöbien. 5Utan mar
in $ranfreid) lange ber Sfteinung gewefen, bafe fid) bas un=
unterbrodjne STragtfdje oljne alle Sßermifdnmg mit gemeinen
Sitgen gar nidjt aushalten laffe. üDas Söort ^ragifomöbie
felbft ift fefyr alt; ^ßlautus braudjt es, feinen 2Impl)itruo ba^
mit gu begetcr}neu, weil bas Abenteuer bes" (Sofias $war fomifd),
9Xmpl)itruo felbft aber in allem ©rnfte betrübt ift." — 2öas
ber §err non Voltaire nidjt alles fcljreibt! 2öie gern er immer
ein wenig ©elel)rfamfeit geigen will, unb wie feljr er metften=
teils bamit nerunglüdt!
@s tft nidjt waljr, bafe bie Ohrfeige im Gib bie einige
auf ber tragtfdjen 33ül)ne ift. Voltaire l)at ben @ffej bes
SBanfs entweber nid)t gefannt, ober oorausgefetjt, baf$ bie
tragifcbe 33üfjne feiner Nation allein biefen tarnen uerbiene.
Unwiffenrjeit oerrät beibes, unb nur bas letztere nocr) mcl)r
©itelfeit als Unwiffenljeit. 2öas er non bem tarnen ber
^ragtfomöbie rjü^ufügt, ift ebenfo unridjtig. SCragifomöbie
Ijteft bie SSorftetlung einer wichtigen §anblung unter r>or=
nehmen $erfonen, bie einen nergnügten Ausgang l)at; bas tft
ber Gib, ynb bie Ohrfeige lam babei gar nict)t in 23etrad)tung;
benn biefer Ohrfeige ungeachtet nannte Corneille Ijernad) fein
Stücf eine £ragöbie, fobalb er bas Vorurteil abgelegt Ijatte,
baf$ eine STragöbte notwenbig eine unglüdlidje iRataftroplje
baben muffe, ^lautus braud)t gwar bas 2Bort Tragico-
comoedia; aber er braucht es blof$ im ©djer^e, unb gar nicr)t,
um eine befonbere ©attung bamit gu begeidmen. Slucr) Ijat
es ifjm in biefem SSerftanbe fein Genfer) abgeborgt, bis es in
bem fed^erjnten 3<*Wunberte ben fpantfcfjen unb italienifcrjen
©intern einfiel, gewiffe non iljren bramatifdjen Mißgeburten
fo $u nennen.*) 2ßenn aber audj ^lautus feinen Slmprjitruo
*) 3d) \x*i\ü jtoar nidfjt , leer biefen tarnen etejentttd) jjuerft a.ebraud)t f»at;
aber bo§ tnei§ id) Qeunfe, *>«& f§ ©atnier nidjt ift. §ebelin facjte : Je ne scai si
Garnier fut le premier qui s'en servit, mais il a fait porter ce titre ä sa
Bradamante, ce que depuis plusieurs ont imite. (Prat. du Th. liv. II. eh.
10.) Unb babei Rotten e§ bie ©ejdjidjtfdjreiber be§ franjöfifdjen 2^eater§ aud) nur
foITen bemenben Iaffen. %bn fie matten bie leidjte SSermutunfl bei £ebelin§ 3ur
SeajSunbfunfotgfteS Stücf. 21
im Crrnfte fo genannt Ijätte, fo märe es bodj nidjt ans ber
llrfadje gejdjcljen, bie iijm Voltaire anbidjtet. Widji luetC bev
Anteil, ben Sofias an bev ©anblung nimmt, t'omija) unb ber,
ben 2tmpf)itruo baran nimmt, tragi|a) ift: nidjt barum Ijätte
SßlautuS (ein Stüd lieber eine ^ragtfomöbie nennen motten.
2)enn fein Stücf ift ganj fomijdj, unb mir beluftigen uns an
bet Verlegenheit bei ämp^itruo eben fo fef>r all an bes> «Sofias
feiner, ©onbern barum, metl biefe fomifdje §anblung größten-
teils unter t)öf;ern Sßerfonen nörgelet, all man in ber kombbie
31t fef;en gemofjnt ift. SßlautuS fclbft erllärt ftdj barüber
beutlidj genug :
Faciam ut cornrnixta sit Tragico-comoedia:
Nam me perpetuo facere ut sit Comoedia
Reges quo veniant et di, non par arbitror.
Quid igitur? quoniam hie servus quoque partes habet,
Faciam hanc, proinde ut dixi, Tragico-comoediam.*)
£i£ify$uimfunftigjt£s Stüiiu
Ten 13. "Jumember 1707.
ilber mieberum auf bie Ohrfeige 31t fommen. — Einmal
ift e§ bodj nun fo, baft eine Dljrfeige, bie ein i)iann non
Ci'bre non feinesgleidjen ober non einem §öljern befömmt, für
eine fo fdjimpflidje Öeleibigung gehalten rairb, baß alle ©e;
nugtrniung, bie ijjm bie Ok'fe^e bafür oerjdjaffen fönnen, oer^
gebeng ift. Sie miß nidjt non einem dritten beftraft, fie null
non bem Söeleibigten felbft gerädjet, unb auf eine eben fo eigen-
mädjtige 5lrt gerädjet fein, als fie ermiefen morben. £b es
bie mal)re ober bie faljdje (Srjre ift, bie biefeg gebietet, baoon
ift fjier bie Siebe nidjt. 2ßte gejagt, e3 ift nun einmal fo.
Unb roenn es nun einmal in ber SÖelt fo ift, marum
©ctuiBfjeit unb gratulieren itjrem 2anb§manne 3U einer jo jdjüncn Grfinbung. Voici
la prerrnere Tragi-Comedie, ou, pour mieux dire, le premier poeme du
Theätre qui a porte ce titre — Garnier ne connoissoit pas assez les üuesses
de l'art qu'il professoit; tenons-lui cependant compte d'avoir le premier,
et sans le secours des Anciens, ni de ses contemporains, fait entrevoir
une idee, qui n'a pas ete inutile ä beaueoup d'Auteurs du demier siecle.
@amier§ Srabamante ift üon 1682, unb id) fenne eine üftenge roeit frühere fpanifdje
unb italienijdje -stiitfe, t>ie biefen %'üei fütjrcu
*) [3d) roitl eine 9Jci)d)ung, eine Sragifomübie niadjcu; beim e§ foriunif)reut>
\o eingntit&ten, t>a% eine Stomöbie entftefyc, voo Könige auftreten unb ©ötter, fjalte
id) uid)t für angcmefjen SBte alfo ? SBeit fjiet aud) ein Stlaue mitfpiett, tuiU idj
biefe — fo roie id) gejagt l;abe — SLragifomöbie macfjeu. 3immevman»-]
22 ftmubuvatfclic Dramaturgie.
foll co nid)t aud) auf bem Sfjeater fo fein? ÜEBenn bie £)l)r-
f eigen bort im ©äuge finb, warum uidjt aud) f»ier ?
„Sie ©djaufpieler," fagt ber §err oon Voltaire, „mtffen
nid)t, wie fte fiel) babei aufteilen f ollen." ©te wüßten e§ tooljl;
aber mau miß eine Ohrfeige aud) nid)t einmal geru im fremben
tarnen Ijaben. SDer ©d)lag fe$t fte in geuer; bie vßerfon
erljätt il)it, aber fte füllen il)n; ba§ ©efüfyl liebt bie *Ber=
ftellung auf; fte geraten au3 tf>rer gaffung; ©d)am unb 2Ser=
wirrung äußert ftd) mtber 3Btllen auf iljrem ©eftdjte; fte follten
5ormg au§fel)en, unb fie ferjen albent auö ; unb jeber ©cl)au=
fpieler, beffen eigne (Smpftnbungen mit feiner Atolle in #toHi=
fion fommen, madjt ung gu lachen.
@g tft btefe§ uidjt ber einzige galt, in welchem man bie
xHbfcrjaffung ber tasten bebauern möchte. 2)er ©d)aufpieler
fann otjnftreittg unter ber 9Jca3fe me$r (Sontenance galten,
feine Sßerfon ftnbet meniger (Gelegenheit, auszubrechen; unb
menn fie ja ausbricht, fo toerben mir biefen Slusbrud) meniger
getoaljr.
3)odj ber ©djaufpieler oerljalte ftd) bei ber Ohrfeige, mie
er will : ber bramatifdje SMdjter arbeitet $max für ben ©djau=
fpieler, aber er muß ftd) barunt nid)t afle3 nerfagen. maö
biefem weniger tljulid) unb bequem ift. $ein ©djaufpieler
lann rot toerben, menn er will: aber gleidjwoljl barf e§ i§m
ber 2)id)ter twrfdwetben; gleidjworjl barf er ben einen fagen
laffen, baß er eg ben anbern merben fielet, ©er ©djaufpieler
miß ftd) md)t in§ ©efid)te fernlagen laffen ; er glaubt, e3 mad)e
tjjn oerädjtlid) ; e3 oerwirrt Um; e3 fdjmerät tl>n: red)t gut!
Söenn er e§ in fetner $unft fo weit nod) ntdr)t gebraut fyat,
baß tl)n fo etwas1 ntdjt oermirret; menn er feine äunft fo feljv
ntdjt liebet, baß er ftd) tfjr gum heften eine flehte ^ränt'ung
loill gefallen laffen: fo fudje er über bie ©teile fo gut roeg=
guf ommen, als er fann ; er meid)e bem ©d)lage au§ ; er l)alte
bie §anb oor; nur uerlange er ntcl)t, baß fid) ber iDtdjter
fetnetwegen ntefyr $ebenl'lid)feiten mad)en foll, al§ er fid) ber
Sßerfon megen mad)t, bie er il)tt oorftellen läßt. Söenn ber
roaljre £)iego, menn ber waljre @ffer. eine Dtjrfeige I)innel)inen
muß, wa§> malten irjre SReoräfentanten baroiber emgutoenben
baben?
2tbet ber 3uf$quer will incllcicbt feine Ohrfeige geben
feljeuV Cbcr l)öd)ftenö nur einem Gebleuten, ben fie uidjt 6e=
fonbers fd)impft, für ben fie eine feinem ©tanbe angemeffene
3üd)tigung tft? Gsinem gelben hingegen, einem Reiben eine
SedjSunbfunfotgfteä ©tüdf. 23
Dbrfeige ! wie Hein, wie unanftcmbig! - Unb wenn fie baä
nun eben fein foll? Sßemt eben biefe Unanftänbigfeit bie
Duelle ber gewattfamften @ntfd>liefcungen, ber blutigften Nadyi
werben foll unb wirb? 2Benn jebe geringere löeleibtgung biefe
fdjve etliche 2Birfungen nidjt ()ätte Ijaben tonnen V 2ÖBa§ in feinen
folgen fo tragifdj) werben f'ann, was unter geroiflen 5ßerfonen
notwenbig fo tragifd) werben mufj, foll bennod) aus ber %xa*
cjöbie ausgefdjlofjen fein, weil e§ aud; in ber Kombbie, roeil
e§ audj in bem -^offenfpiele SßlaJ finbet? äiöorüber mir ein;
mal ladjen, Jollen mir ein anbermal nidjt erfdjretf'eu tonnen?
äöenn idj bie Dfjrfeigen au3 einer ©attung bes S)rama
oerbannt miffen mödjte, fo märe eg quo ber ^omöbte. 5)enn
was für folgen fann fie ba Ijaben? traurige? bie finb über
ifjrer ©pjjfäre. Sädjjerlicfye? bie finb unter iljr unb gehören
bem ^offenfpiele. ©ar feine? fo oerloljnte e3 nidjt ber 2ttüfje,
fie geben git laffen. 2öer fie gibt, wirb nidjts als pöbelhafte
§it$e, unb mer fie beiömmt, nidjts als f'uecr)ttfcr)e Kleinmut
«erraten. Sie oerbleibt alfo ben beiben (Sr.trem.is, ber £ragöbie
unb bem ^offenfpicle, bie mehrere bergleidjen Singe gemein
Ijaben, über bie mir entmeber fpotten ober gittern wollen.
Unb id) frage jeben, ber ben Gib oorftetten feljen ober
iljn mit einiger 2lufmerffamfeit and; nur gelefen, ob Um nicfjt
ein ©Räuber überlaufen, wenn ber grofsfpredjerifdje ©ormas
ben alten würbigen SDiego gu fdjlagen fidj erbreiftet? Db er
nidjt baö empfinblidjfte 9Jhtleib für biefen unb ben bitterften
Unwillen gegen jenen empfunben? Cb ifjm nidjt auf einmal
alle bie blutigen unb traurigen folgen, bie biefe fdjimpftidjc
Begegnung nad) fidj gieljen muffe, in bie ©ebanfen gefetjoffen
unb ihn mit Erwartung unb gurcljt erfüllet? ©teidjmoljl foll ein
Vorfall, ber alle biefe SBirfung auf iljn Ijat, nidjt tragifd) fein?
SBenn jemals bei biefer Ohrfeige geladjt morben, fo mar
e3 fidjerlid) oon einem auf ber ©alerte, ber mit ben Drjrfeigen
\u befannt mar unb eben it5t eine oon feinem -Jiadjbar uer-
bient tjätte. Sßen aber bie ungefdjirfte 2trt, mit ber fidj ber
Sdjaufpieler etma babei betrug, mtber Tillen 51t ladieln machte,
ber bifc fid) gefdjwinb in bie Sippe unb eilte, fidj wieber in
bie ^äufdjitng 31t uerfetjen, aus ber faft jebe gemaltfamere
§anblung ben ^ufdjauer meljr ober weniger 31t bringen pflegt.
Sludj frage idj, metdje anbere SBeleibigung moljl bie Stelle
ber Ofjrfeige oertreten tonnte? gür jebe anbere mürbe es in
ber sD?adjt beö &önig§ fteljen, bem SBeleibigten ©enugtljuung
gu fct)affeti ; für jebe anbere mürbe fid; ber Sofjn weigern
24 $amöiirgifd)e Sramüturgte.
bürfen, feinem Sßater ben Vater feiner beliebten aufzuopfern.
Aür biefe einige läßt ba3 Pundonor meber Gmtjdjulbigung
üocr) abbitte gelten, unb alle güttidt)e Söege, bie felbft ber
IKonard) babei einleiten miß, fiub frud;tlog. (Sorneille ließ nad)
biefer ©entungsart ben ®orma§, raenn il)in ber &öntg anbeuten
läßt, ben 3)iego aufrieben ju ftelten, fef»v morjl antworten:
Ces satisfactions n'apaisent point une ame :
Qui les recoit na rien, qui les fait se diffame.
Et de tous ces accords l'effet le plus comraun,
C'est de deshonorer deux hommes au lieu d'un.
damals war in granfreid) ba§ @btft miber bie Quelle nidjt
lange ergangen, bem bergleidjen 9Diarjmen fdjnurftradfö %w-
mibertiefen. Corneille erljiett alfo ^mar SSefet)(, bie ganzen
3eilen raeg^uiaffen, unb fie mürben aus! bem 3)tunbe ber
@d)aufpieler oerbannt; aber jeber 3ufct)auer ergänzte fie aus
bem ©ebädjtniffe unb a\\% feiner (Smpftnbung.
gn bem @ffe£ mirb bie Drjrfeige baburd) nod) frittfdjer,
baß fie eine ^erfon gibt, meldje bie ©efe|e ber @l)re nid)t
oerbinben. (Sie ift grau unb Königin: waä fann ber S3e=
leibigte mit iljr anfangen? Heber bie Ijanbfertige merjrfjafte
grau mürbe er fpotten; beim eine grau fann raeber fdjimpfen,
nodj fdjlagen. Slber biefe grau ift gugteid) ber ©ouoerän,
beffen 33efd)impfungen unauglöfdjlid) finb, ba fie r>on feiner
Sürbe eine Slrt oon ©efeijmäßigf'eit erhalten. 2öa§ fann
alfo natürlicher fdjeinen, ab baß (Effeg fid) miber biefe Söürbe
felbft auflehnet unb gegen bie §örje tobet, bie ben Veleibiger
feiner 9t ad) e entjie^t? 3d) muffte menigftenS nidjt, xvaä feine
legten Vergebungen fonft mal)rfd)einlid) Ijätte mad)en löunen.
SDte bloße Ungnabe, bie bloße @ntfe|ung feiner ©Ijrenftellen
tonnte unb burfte irju fo meit nid)t treiben. SIber burd) eine
fo rnedjtijdje 33el)anblung außer fid; gebradjt, feljen mir it)n
alfe§, rva% irjm bie Vergiftung eingibt, ^mar nid)t mit
Billigung, bodj mit @ntfd)ulbigung unternehmen. 2)ie Königin
felbft muß if)n au§> biefem &efid;tgpunfte il)rer Ver^ei^ung
mürbig erfennen; unb mir tjaben fo ungteidj meljr 9Jütleib
mit irjm., als er un§ in ber ©efdjidjte $u oerbienen fdjeinet, mo
ba§, was er t)ier in bei* erften |)it$e ber gefränften @r)re tfntt,
auZ @igennur3 unb anbern niebrigen 2lbfid)ten gefct)ter)t.
©er Streit, fagt bie ©efd)id)te, bei meldjem .(Sffer, bie
Drjrfeige errjtett, mar über bie 2Bal)l eines! Königs oou 3*5
(anb. 2(13 er falje, baß bie Königin auf Üjrer Meinung hz-
©ie&enunbfimfotgfteg Stücf. 25
darrte, roanbte er tfjr mit einer fefjr uerädjtltcben ©ebärbe ben
dürfen. 3n ^em Slugenblicfe füllte er i|re A>anb, unb [eine
fuljr nad) bem ©egen. @r fdjmur, bafe er biefen 3d)impf
roeber [eiben fönnc nod) motte, baft er ifm felOft oon iljrem
SBater §eitmdj nid)t mürbe erbulbct (jaben; unb fo begab er
fiefo com Mofe. &er ©rief, ben er an ben Stanztet (Sgertoit
über biefen SSorfaff fd)rieb, ift mit bem mürbigften Stolpe
abgefaßt, unb er fdjten feft entfd)loffen, fidj ber Königin nie
triebet ju nähern. (551etcf)U)or)t ftnben mir if)n balb barauf
triebet in iljrer oölligen ©nabe unb in ber oölTigen 9Birffams
feit eines ehrgeizigen Sieblings. 3)iefe 2}erfÖl)nlid)feit, menn
fte ernftlid) mar, mad)t un§ eine feljr fd)led)te Sbee uon ibm,
tmb feine riel beffere, menn fie SBetftellung mar. Qu biefem
gatte mar er mirfiid) ein Verräter, ber fidj afle§ gefallen lieft,
biö er ben redeten geitpunft gefommen 31t fein glaubte, ©in
elenber SBeinpadjt, ben iljm bie Königin nafmt, brachte iljn
am Gnbe meit meljr auf al§ bie Oljrfeige; unb ber 3orn über
biefe SBerfdmtäferung feiner (Sinfünfte oerblenbete ilm fo, baft
er oljne ade Ueberlegung loöbrad). So finben mir iljn in
ber ©efd)tdjte unb neradjten iljn. 316er nidjt fo bei bem
SBanfg, ber feinen 3Iufftanb 51t ber unmittelbaren golge ber
Ohrfeige mad)t unb ibm weiter feine treulofeu 3lbfid)ten gegen
feine Königin beifegt. Sein gefyler ift ber geiler einer ebeln
§i|e, ben er bereuet, ber il)tn oergeben mirb unb ber btofc
burdj bie 33o§Ijeit feiner geinbe ber Strafe ttidjt entgeht, bie
irjm gefdjenft mar.
^tfbmunltfnnfjt0|!r$ §tiitk»
Qm 17. 9lotoembet 1767.
33anf§ fjat bie nämlidjen Üöorte beibehalten, bie ©ffer. über
bie Dljrfeige ausftief}. 9fatr bafe er Um bem einen §einridje
nod) alle §einrtdje in ber 2Selt, mit famt 3(leranbern, bei=
fügen täfct.*) Sein Güffer. ift überhaupt ju riel ^rafyler; unb
es> fehlet menig, baft er nid)t ein eben fo großer ©avouier ift
als ber Gffej be3 ©a3conier3 ßalprenebe. SDabei erträgt er
*) Act. III.
By all
The Subtilty, and Wuman in your Sex,
I swear, that liad you beert a Man, you durst not,
Nay, your bold Father Harry durst not this
Have done — Why say I bim? Not all the Harrys.
26 .v>am[ntri]ifd)e ^Dramaturgie.
fein Unglücf viel gu fleinmütig unb ift balb gegen bie Königin
eben fo friedjenb, als er oorfjer oermeffen gegen fie mar.
23anfs> fyat ifm gu fefyr nad) bem Seben gefdjitbert. (l'in
(Sljarafter, ber fid) fo leidet vergißt, ift fein Gljarafter unb
eben baljer ber bramatifdjen Sftadjaljmung unmürbtg. Qu ber
(SJefdjidjte fann man bergletdjen 2öiberfprüd)e mit fid) felbft
für Herstellung galten, meil mir in ber (55efct)id;te bod) feiten
baS Qnnerfte beS §ergen3 fennen lernen ; aber in bem SDrama
werben mir mit bem §elben alTgu uertrant, als baß mir nidjt
gleich miffen follten, ob feine ©eftnnungen röirfticr) mit ben
§anblungen, bie mir üjm nidjt ^ugetrauet Ratten, überein=
ftimmen, ober nidjt. 3a, fie mögen eS, ober fie mögen eS
nid)t: ber tragtfdje SDidjter fann ifni in beiben fallen nidjt
redjt nuijen. Dfyne SSerftellung fällt ber ßljarafter meg, bei
ber üBerfteffung bie üöürbe beSfelben.
3Jlit ber (Sftfabetr) Ijat er in biefen getjler nid)t fallen
fönnen. 2)iefe grau bleibt fid) in ber ©efdjidjte immer fo
oollfommen gleid), als eS menige 3Jiänner bleiben. Qljre
3ärtlid)feit felbft, it)re Ijetmlid&e Siebe gu bem ©fjeg, l)at er
mit vieler Sinftänbigfeit berjanbelt; fie ift aud) bei il)m ge=
miffermaßen noct) ein ©eljeimniS. ©eine ßlifabetl) flagt nidjt,
mie bie ©lifabetl) beS (Eorneille, über ßälte unb Skradjtung,
über ©lut unb ©djidfal; fie fpricfjt oon feinem ©ifte, baS
fie oergeljre; fie jammert nidt)t, baß iljr ber Unbanfbare eine
©uffolf norgielje, nadjbem fie iljm bodj bentlid) genug gu oer=
fteljen gegeben, baß er um fie allein feufgen fotle, u. f. m.
^eine non biefen Slrmfeligfeiten fömmt über iljre Sippen, ©ie
fpridjt nie als eine Verliebte; aber fie rjanbelt fo. Wlan Ijört
es nie, aber man fierjt eS, mie teuer iljr (Sffej eljebem ge=
mefen unb nodj ift. ©inige gunfen @iferfudjt verraten fie;
fonft mürbe man fie fcfjledjterbingS für ntdjts als für feine
greunbin galten fönnen.
Wxt melier $unft aber SBanfS iljre ©efinnungen gegen
ben ©rafen in Slltion 51t fe|en gemußt, baS fönnen folgenbe
©genen beS brüten 2lufgugeS geigen. — £>ie Königin glaubt
Nor Alexander seif, were he alive,
Should boast of such a deed on Essex done
Without revenge". — — —
[S3ei aü. ber Spitjfinbtgfeit unb bei bem älkib in (Surem ©cfif)tcd)tc fdjlubvc id):
märt 3f)r ein Wann nennen, Sfyr tyättet nidjt, nein, @uer fütynev 93ater ,§einrid)
Ijätte bie§ uid)t ttyuu büvfen. — SDarum nenn' irf) ifin? 9M)t ade Speinridje, aud)
jelbft nierjt '•Kleranbcv , n>cnu et um Seien toäre, foflten mit einer jotdjen an ©ffer.
beganflenen Sljat otjnc Starfje pxatytn biirfen. gimtnetmonn.]
<2ief>emmbfunf;iqfteo StücF. 27
fidj allein uub überlegt beti ungtüdlidjen Sw^ i()vco BtanbeS,
ber ibr nid)t erlaube, nad) ber roaFjren Steigung iljreg fteqeno
ut banbeln. Qnbem nrirb fie bie 9^ottingt)ant geroafo bie i()v
iiad^gelomtnen. —
3)te Monigtn. 3)u hier, SRotting^am? 3>d) glaubte,
itf) fei allein.
9totttngIjatn. SSer^ei^e, Äbttigtn, bafs id) fo tul)u bin!
Unb bod) befiehlt mir meine $flid)t, nod) fuljner ju fein. —
Did) befümmert etwas. 3$ mx[b fragen, — aber erft auf
meinen iinieen bidj um SSerjjei^ung bitten, bafe idj e§ frage —
2öas iffe, baö bid) befümmert? 9Ba§ ift- e§, ba§ biefe er--
fjabene Seele fo tief rjerabbeuget? — Ober ift bir nidr)t iuol)l?
2)ie Königin, Stelj auf; idj bitte bidt). — W\x ift
gan$ roof)I. — 34) banfe bir für beine Siebe. — 9htr uu=
rul)ig, ein wenig unruhig bin id), — meinet 3Solfes wegen.
34 fabe lange regiert, unb tdj fürdjte, i()m nur 31t lange.
@3 fangt an, metner überbrüfftg 311 werben. — -fteue fronen
finb wie neue ^ränje; bie friferjeften fiub bie lieblidjften.
'Weine «Sonne neiget ftd); fie Ijat in irjrem Mittage ju fefjr
gemärmet; man füllet fidfj 311 fjeij}; man wünfdjt, fie märe
fdjon untergegangen. — ©rgäfjle mir bod), wa§ fagt man oon
ber Ueberfunft be§ Gffer? ^
;ftottingrjam. — $on feiner Ueberfunft — fagt man —
nidjt ba§ 33efte. Slber oon il)m — er ift für einen fo tapfern
3ftanti befannt —
3)ie Königin. 2Sie? tapfer? ba er mirfobienet? —
SDer Verräter!
9i ottin gl) am. ©emtjj, e§ mar nic^t gut —
©ie Königin. «ftidjt gut! ntd;t gut? — Sßetter nid)tö?
dl 0 1 1 i n g F) a m. @3 mar eine nerwegene, freoelljafte %E>at.
SDte Königin. 9?id)t mdfyx, üRottingijam? — -Deeinen
SBefeljl fo gering 31t fdjätjen! @r Ijätte ben ^ob bafür öer=
bient. - - 2Beit geringere Skrbreajen Ijaben bunbert roeit ge;
liebtern Sieblingen ben $opf gefoftet. —
Göttin gl) am. 3a mofy. — Unb bodj follte ©ffex. bei
f 0 Diel größerer Sd)ulb mit geringerer Strafe baoonfommen V
(i'r follte nicf)t fterben9
2)ie Königin. @rfoft! — ©r fott fterben, unb in ben
empftnblidjften Martern foll er fterben ! — Seine $ein fei,
wie feine Verrätern, bie größte oon allen! — Unb bann
mill id) feinen ilopf unb feine ©lieber nid)t unter ben finftern
^fjoren, nidjt auf ben niebrigen Brüden, auf ben Fjö'djften
28 vvimtutrgiftfie SDrajnaiutßie.
Rinnen ir>tlt \d) fie aufgeftedt miffen, bamit jeher, ber worüber^
gel)t, fie erblide unb auerufe: Stelje ba beu ftolgen unbanf=
baren ©fjerj liefen (Sffeg, melier ber ©ered)tigfeit feiner
Königin trotte! — SÖof)t getrau! 9lidjt mejr, als er oer=
biente! — 2Sas fagft bu, Stottingljam? SKeinft bu nidjt
audj? — 2)u fdnnetgft? Sßarum fdjweigft bu? slöillft bu
it)n nod) oertreten?
Göttin gl) am. Sßeil bu es benn befieljtft, Königin, fo
will id> bir alles fagen, was bie 2öe(t oon biefem ftolgen,
unbaufbaren 3Dtxanne fpridjt. —
3)ie Königin. %fyu bas! — Safe E)ören: roa§ fagt
bie 3öelt r>on il)m unb mir?
■ftottingljam. SSon bir, Königin? — 3Ber tft es, ber
üou bir nid)t mit (Entlüden unb s5ewunberung fpräcfje? SDer
■iftadjrufjm eines uerftorbenen ^eiligen tft nid)t lauterer als bein
Sob, uon bem aller 3un9en ertönen, tflux biefes einige
wünfdjet man, unb wünfdjet es mit ben Ijetfeeften ^ijränen, bie
aus ber reinften Siebe gegen bid) entspringen, — biejeS
einzige, baß bu gerufen mödjteft, tfyren 23efd) werben gegen
biefen @ffej abhelfen, einen folgen Verräter nidjt länger
311 fdjti^en, il)n nidjt länger ber ©eredjtigfeit unb ber ©djanbe
üorgttentljalten, tr)n enblidj ber Sftadje §u überliefern —
3)ie Königin. 2Öer Ijat mir worauf ^reiben?
■iftotttngfjam. £)ir oor^ufdjreiben ! — Sdjreibt man
bem §immel oor, wenn man iljn in tiefefter Unterwerfung an=
flehet? — Unb fo fleljet bid) alles roiber ben 3Jtann an, befielt
©emütsart fo fcfyledjt, fo boshaft tft, baf$ er es aud) ittdr)t ber
•JJlüfje wert adjtet, ben §eud)ler 31t fpielen. — 2ßie ftolj!
wie aufgeblafen! Unb wie unartig, pöbelhaft ftolj! uid)t
anbers als ein elenber Safai auf feinen bunten uerbrämten
9tod! — 3)ajj er tapfer ift, räumt man iljm ein; aber fo,
wie es ber 2öoIf ober ber 33är ift, blinb $u, olmejpian unb
üßorfidjt. £>ie wafyre ^apferleit, meldte eine eble ©eele über
©lud unb Unglüd ergebt, ift fern uon i()m. £)ie geringfte
SBeteibigüng bringt ilm auf; er tobt unb rafet über ein 9?id)ts;
alles foll fidj nor iljm fdjmiegen; überall will er allein glänzen,
allein Ijeroorragen. Sucifer felbft, ber ben erften ©amen bes
Safters in bem §immel ausftreuete, mar nidjt ehrgeiziger unb
Ijerrfdjfüdjtiger als er. Slber fo, wie biefer aus bem §immel
ftürgte
35 ie Königin, ©emad), ^ottingfjam, gemad)! — 2)u
eiferft bid) ja gan^ aus bem 5ltem. — 3$ ro^ nidjts mein;
©ie&enunbfimfäigfteä ©tücf. 29
Ijövcn — (beiseite) ©ift unb 93tattcvn auf if»ve 3lin9e • — ®e;
njifj, üftottingljam, bu folltejt btcf; fdjämen, fo etmaö auc() nur
nac^ufagen, bergleidjen Ütieberträd;tigfeiten bes boshafte«
Hobels 3u nüeberljolen. Unb eS ift nidjt einmal umljr, bafj
bei* ^öbel baö fagt. ©t fcenft es aud) nid)t. 316er il)i\ il;r
nuinfd)t, bafe er e3 jagen modjte.
Üi ottin gl) am. vx\d) erftaune, Königin —
S)ie Königin. 2Borü6et?
Oi ottin gl) am. S)u geboteft mir felbft, ju reben —
2)ie Königin. 3a/ tl3enn w& eö nM)* betnerft fjatte,
iüie geroünfdjt bir biefeS ©ebot fatn ! mie oorbereitet bn barauf
roareft! Stuf einmal glülrte bein ©eftdjt, flammte bein 2tuge ;
bas r>oHe §erg freute fid), über$ufliefjen, unb jebeö SBort,
jebe ©ebärbe batte feinen längft abgebettelt $feü, beren jeber
mid) mit trifft.
■Jtottingfjam. üBerjeilje, Königin, menn id; in bem
Sluoornd'e meine 2d)itlbigfeit gefeljlet f;abe! §d) mirjj ibn
nad) beinern ab.
3)ie Königin. 9iac§ meinem? — JJdj bin feine Königin.
Diir ftefyt e3 frei, bem 2)inge, ba§ id) gefdmffen fjabe, mit--
mfpielen, mie id) roill. — situd; fjat er fid; ber gräfUictjften
U$erbred;en gegen meine $erfon fd;ulbig gemadjt. W\d) t)at
er beteiliget, aber nid;t bid;. — SBomit tonnte biet) ber arme
•Jftann beteiliget f;aben? SDu l;aft feine ©efetje, bie er über=
treten, feine Untertanen, bie er bebrüd'en, feine förone, nad)
ber er ftreben fönnte. 2ßa§ finbeft bu benu alfo für ein
graufameö Vergnügen, einen ßlenben, ber ertrinfen tr>ilT,
lieber nod) auf ben $opf gu fcf;tagen, als> ir)m bie £>anb §u
reid;en ?
Göttin gl) am. 3$ bin 31t tabeln —
2)ie Königin, ©enug baoon! — ©eine Königin, bie
2Belt, bas <Sd;idfat felbft erflärt fid; roiber biefen -Diann, unb
bod) fd;einet er bir fein 2Ritleib, feine ©ntfdjulbigung 31t mx-
bienen? —
Sßottingljam. Qd; befenne es\ Königin, —
3Me Königin, ©et;, es fei bir oergeben! — sJhife
mir gteid; bie 9htt(anb t;er! —
oO §mn&urgifd)e Dramaturgie.
3tdjtunl>funfH3)U$ ^tiirlu
2>en 20. Tonern bei 1767.
§Kotttng$am geljt, unb balb barauf erfd&einct -Hutlanb.
93ian erinnere ftd), baf$ sJUttlanb oljne 2£iffen ber Königin mit
bem Gsfler. t»ermä|lt ift.
SDie Königin, ^ömmft bu, liebe 9xutlanb? gd) fjabe
nad) bir gefdjidt. — 2öie iffs? Qd) ftnbe bid) feit einiger
^eit fo traurig. 2ßo^er biefe trübe SBolfe, bie bein fyolbeS
äuge um^iefytV ©ei munter, liebe 9iutlanb ! id) will bir einen
voadexn wlamx fudjen.
Shttlanb. ©rofjmütige grau! — 3$ nerbiene eS nid)t,
bafe meine Königin fo gnäbig auf mid) l)erabftel)et.
2) ie Königin. Sie fannft bu fo reben? — Qd) liebe
bid); ja mol)l liebe id; bid). — £)u follft e§ barauS fdjon fernen!
— (£ben rjabe id) mit ber 9?ottingfyam, ber miberroärtigeu ! —
einen Streit gehabt, unb gmar — über 9Jft)lorb ©ffej.
Entlaub. §a!
£)ie Königin. ©ie l)at mid) red^t fel)r geärgert. Qdj
fonnte fie nid)t länger oor klugen feigen.
Shttlanb (Mfeite). 3Ste faljre iclj bei biefem tettem
tarnen ^ufammen! 9ttein ©eftdjt wirb mid) oerraten. 3df)
)üt)V eS, id) werbe blafe — unb mieber rot. —
SD ie Königin. SÖaS id) bir fage, madjt bid) erröten? —
^utlanb. £)ein fo überrafcrjenbeS, gütiges Vertrauen,
Königin, —
SDte Königin. Qdf) weifj, bafc bu mein Vertrauen oer=
bieneft. — $omm, 9tutlanb, id) miß bir alles fagen. £)u foHft
mir raten. — Olpe Zweifel, liebe ^utlanb, wirft bu es audj
gehört Ijaben, wie fe|r baS SSolf wiber ben armen, unglüd^
iidjen 9J£ann fdjreiet, xva$ für $erbred)en e§ ifym §ur Saft leget.
silbcr baS ©d)timmfte weifct bu oielleidjt nod) nicfjt? @r ift
fjeute auS Qrlanb angefommen, wiber meinen auäbrüdlid^en
Sefefyl, unb rjat bie bortigen Slngelegenrjeiten in ber größten
Verwirrung gelaffeu.
Sftutlanb. £)arf id) bir, Königin, wofyl fagen, rva$ id)
benfe? — SDaS ©efdjrei beS Sßolfeö ift nid)t immer bie Stimme
ber 2Bal)rl)eit. ©ein §afe ift öfters fo ungegrünbet —
2)ie Königin. 3)u fpridjjft bie wahren ©ebanfen meiner
©eele. — 2lber, liebe 9iutlanb, er ift bem ol)ngead)tet gu
tabeln. — tomm §er, meine Siebe; lafj mid) an beinen
SBufcn midfj lehnen. — 0 gewift, man legt mir e§ gu ualje!
S^tunbfunfoiafteä Stiicf. 31
9Reiu, fo will icb mid) nidjt unter ihr y\od) bringen (äffen.
Sie nergeffen, bafc id) tfjre Königin bin. -— sJli), ßteBe, [o
ein greunb fjat mir tthtgft gefehlt, gegen ben id) fo meinen
Mnnunev auojd)ütten fann! —
Wutlanb. Siebe meine ^bvänen, Königin oid) fo
[eiben &u felien, bic id) fo berounbere! D, bafj mein guter
(S'ngel (Gebauten in meine Seele nnb SÖSorte auf nieine 3ullÖe
legen wollte, ben Sturm in beiner SBruft 311 befcfnuören nnb
93alfam in beute ÜHhtnben ju gießen !
£ie Königin. D, fo märeft bu mein guter (rugel!
mitleibige, befte SRutlanb! — Sage, ift es uidjt fdjabe, ran
fo ein brauer 9Jtorot ein SSerräter fein fott? ba| fo ein @elb,
oev rote ein ©ott nereljret warb, fid) fo emiebrigen fann, mid)
um einen f (einen %t)xon bringen 31t motten?
■Hutlanb. 2>a3 fjätte er gewollt? bao tonnte er wollen?
■Kein, Königin, gewifc mdjt, gewifj nid)t ! SBBie oft fjabe id)
ir)n oon bir fpred)en Ijören! mit meiner Ergebenheit, mit
meiner Söewunberung, mit meiern Entlüden Ijabe id) i()n
oon bir fpredjen I)ören!
£) i e & ö nig in. §aft bu tt)n mirftid) oon mir fpredjen rjören V
Entlaub. Hub immer als einen Segetfterten, aus bem
nid)t falte Ueberlegung, au§ bem ein inneres ©efüljl ipridjt,
beffen er nicr)t mächtig ift. Sie tft, fagte er, bie (Göttin Ujres
©efd)led)t3, fo roeit über alle anbere grauen ergaben, bafe baS,
was mir in biefen am meiften bewunbern, Sd)önljeit unb Steig,
in il)r nur bie Statten ftnb, ein größeres» £idjt bagegen ab-
gufe^en. 5e^e weiblidje SSoflfommenfjeit oerliert ftdj in iljr,
roie ber fcr)ruad^e Sdjimmer eines Sternes in bem alles über-
ftrömenben ©lan^e beS Sonnenlichts. sJ}idjtS überfteigt il)re
©üte; bie §ulb felbft bet)errfcr)et in irjrer ^erfon biefcglücf*
ttdje 3nfel; ibjre ©efe|e ftnb aus bem eraigen ©efe^budje beS
.§immelS gebogen unb werben bort oon Engeln wieber auf-
ge^eid)net. — D, unterbrad) er fid) bann mit einem Seufzer,
ber fein ganges getreues §erg ausbrüdte, 0, bafe fte uid)t un=
fterblid) fein fann! Qd) wünfd)e il)n nidjt 311 erleben, ben
fdjredtid)en Slugeublid, wenn bie ©ottljeit biefen 2lbglanj oon
fid) jurüdruft unb mit eins fid) -JJadjt unb Verwirrung über
Britannien oerbreiten.
3)ie Königin. Sagte er baS, Entlaub?
Entlaub. 3)aS, unb weit mef)r. Smmer fo neu alo
waf)r in beinern Sobe, beffen unoerfiegene Üuetle oon ben
lautcrften ©eftnnungcit gegen bid) übcrftrömte —
32 .^am&urgifrfje ^Dramaturgie.
SDte Königin. D, SRutfcmb, wie gern glaube id) beut
geugniffe, ba3 bu ifjm gibft!
Stutlanb. Unb fatinft if>n nod) für einen Verräter galten V
Sie Königin. -iftein; — aber bod) t)at er bie ©efetje
übertreten. — 3q) mufc m^) Krumen, i()n länger 3U fd)ü£en.
— gd) barf e£ nidjt einmal wagen, ir)n §u feljen.
Shttlaub. $l)u nidjt 311 fetjen, Königin? uidjt 311 feljen?
— 53ei bem SJiitleib, bag feinen Syrern in beiner Seele auf;
gefd)lagen, befdjwöre id) bid), — bu muf3t i(m feijen! Sdjämen?
mefjen? bafe bu mit einem Unglüdlidjen (Erbarmen Ijaft? —
©Ott Jjat Erbarmen; unb (Erbarmen follte Könige fd)impfen?
— 9Rein, Königin ; fei aud) l)ier bir felbft gleid). 3a, bu wirft
es; bu wirft iljn feljen, wenigfteng einmal fefjen —
£)ie Königin. Qljn, ber meinen ausbrüdlidjen 23efel)l
fo geringfd)ät$en fönnen? $fy\, ber fid) fo eigenmädjtig oor
meine Singen orangen barf? SBarum blieb er nid)t, wo id)
il)iu 31t blei6en befahl?
^ftutlanb. 9iledwe iljm biefeS gu feinem SSerbredjen!
©ib bie Sdmlb ber ©ejaljr, in ber er fid; far)e. @r l)örte,
wa§ £)ier vorging, wie feljr mau ilju §u uerfletnern, tt)n bir
oerbäditig $u madjen fudje. ßr tarn alfo, gwar ol)ne ©r=
laubnig, aber in ber beften 2lbfid)t ; in ber 2lbfid)t, fid) 31t red)t=
fertigen unb btcf) nidjt Ijintergeljen 31t laffen.
2)ie Königin. @ut; fo will id) il)n benn fel)en, unb
will ifyn gleid) feljen. — D meine Ütutlanb, wie feljr wünfdje
id) e§, iljn nod) immer eben fo red)tfd)affeu 3U ftnben, als tapfer
id) il)n lernte!
Ütutlanb. D, näljre biefe günftige ©ebanfen! 2)eine
I öniglidje Seele lann leine gerechtere liegen. — 91ed)tfd)affen !
80 wirft bu il)n gewife finben. 34) sollte für il)n fd)wören,
bei aller beiner §errlid)teit für iljn fdpören, baf$ er e§ nie
aufgel)öret 3U fein. Seine Seele ift reiner al3 bie Sonne, bie
Rieden fyat unb irbifdje fünfte an fid) 3iel)et unb ©efdjmeif}
ausbrütet. — £)u fagft, er ift tapfer; unb wer fagt e3 nia)t?
Slber ein tapferer Wlarrn ift leiner ^ieberträdjtigleit fäf)ig.
SBebenfe, wie er bie Gebellen ge3üd)ttget, wie furchtbar er bid)
bem Spanier gemadjt, ber oergebenö bie Sdjäije feiner Snbieu
wiber bid) oerfd)wenbete. Sein Dtame flolj uor beinen glotten
unb Söllern oorfyer, unb el)e biefe nod) eintrafen, l)atte Öfters
fd)on fein 9kme gefiegt.
SDie Königin (imfeite). 2Bie berebt fie ift! — §a!
biefeö geuer, biefe Snnigleit, — ba§ blofee Sücitletb gel>et fo
Srd&ttmbfuitfsigfteä 3tütf. 33
weit nidjt. — 3d) mill e§ gleid) IjÖren! — (3u ü>r.) Unb bann,
SRutlanb, feine ©cftalt —
:)(utlanb. föedjt, Äöntgin: feine ©eftalt. — sJ?ie bat
eine ©eftalt ben innevn ^ollfommenbciten mefjr entfprocf)en !
— 33efenn' e£, bn, bie bu fetbft fo fdjön btft, baf^ man nie
einen fdumern 9Rann gefeljen! So roürbic^, fo ebel, fo fübn
nnb gebieterifd) bie Silbung! 3ebe§ ©lieb, in melcrjer #ar=
inonie mit bem anbern! Unb bod) baS ©ange oon einem fo
fanften, lieblichen ilmriffe! 3)a§ mafyre 9ftobell ber 9?atur,
einen oollfommenen 9ftann gu bilben! $aS feltene -JJhifter
ber $unft, bie au§ Ijunbert ©egenftänben gufammenfudjen
muf$, mag fie f)ier bei einanber finbet!
2)ie Königin (detfette). Qcf) bacfjf e§! — £)a3 ift nict)t
länger aushalten. — (3ui$r.) 2öie ift bir, Sftutlanb? $u
gerätft aufjer bir. (Sin 2Sort, ein 33ilb überjagt bas> anbere.
3Ba§ fpielt fo ben ÜReifter über bidj? 3ft e§ bloß beine
Königin, ift eS ßffer fetbft, mag biefe raabre ober biefe er=
grcungene Seibenfdjaft roirfet? — (SBetfeite.) (Sie fdjmeigt; —
gang geroifj, fie liebt tfm. — 2öa3 f)abe id) getrjan? SBeldjen
neuen Sturm fyahe id) in meinem s23ufen erregt? u. f. m.
§ier erfdjeinen Surleigrj unb ^ftottingljam mieber, ber
Königin gu fagen, bafe @ffer irjren 33efel)l ermarte. @r fotl
r>or fie fommen. „SRuttanb," fagt bie Königin, „mir fpredjen
einanber fd)on meiter; gel) nur! — sJ£ottingl)am, tritt bu
näfjer!" tiefer $ug *>er ßiferfudjt ift o ortreff Itd). ßffer,
fömmt; unb nun erfolgt bie Sgene mit ber Ohrfeige. 3d)
roüfjte nid)t, roie fie oerftänbiger unb gtüdlidjer oorbereitet
fein fönnte. ©fjeg anfangs fdjeinet fid) nöttig unterwerfen gu
motten; aber ba fie iljm befieljlt, ftdt) gu rechtfertigen, mirb
er nad) unb nad) ijifcig ; er praljlt, er poct)t, er trotzt. <35Ieicr)=
rool)t Ijätte alles ba§ bie Königin fo roeit niebt aufbringen
fönnen, roenn ibr £>erg nicr)t fd)on burd) (Siferfudjt erbittert
gemefen märe. @§ ift eigentlich bie eiferfüdjtige Siebljaberin,
roeldje fd)lägt unb bie fid) nur ber §anb ber Königin he-
bienet. (Siferfucbt überhaupt fd)lägt gem. —
Qd) meineSteilS mödjte biefe (Ebenen lieber aucr) nur ge^
badjt, al§ ben gangen ©ffer, be§ Corneille gemacht Ijaben. (Sie
finb fo djarafteriftifd) , fo noller Seben unb Sßaljrljeit, baf$
baS SsBefte beS grangofen eine fer)r armfelige gigur bagegen
mad)t.
Sefiiiifl, aBerte. XII.
34 £amburgifdje Dramaturgie.
$Uumiitöfunf;ui|fr£ gtütk.
2)en 24. 9?oöember 1767.
9htr ben Stil be3 33anfg muf$ man au3 meiner Ueber=
fetjung ntdjt beurteilen. $on feinem 2Ut3brude §abe idj
gän^lid) abgeben mtifjen. @r ift gugleid; fo gemein unb fo
f oftbar, fo friedjenb unb fo Ijodjtrabenb, unb ba3 nid)t oon
^perfon 31t $erfon, fonbern ganj burcf)au3, bafj er gum dufter
biefer ätrt oon $ftif$l)elligfeit bienen lann. $d) l)abe mid)
gmifdjen beibe flippen fo gut al3 möglich burct)3ufd^Ieicr)en
gefudjt; babei aber bod; an ber einen lieber, als> an ber am
bem fc^eitern roollen.
3^ fyabe mid; meljr oor bem <5cj)n)ülftigen gehütet al3
oor bem platten. 2)ie mefyreften Ratten üielleid)t gerabe
ba§ (Gegenteil getrau; benn fdjmülftig unb tragifd) galten
niele fo giemlid) für einerlei. 9tid)t nur tnele ber £efer,
audj oiele ber 2)id)ter felbft. Qljre Reiben foßten mie anbere
•üftenfcrjen fpredjen? 2Ba§ mären baä für gelben? Am-
pullse et sesquipedalia verba, (Sentenzen unb Olafen unb
ellenlange SBorte: baö madfjt ilmen ben magren £on ber
^ragöbie.
„2Bir l)aben e§ an nict)tä fehlen laffen," fagt SDiberot*)
(man merfe, ba$ er oorneljmlid) oon feinen &mb§leuten
fprid)t), „ba3 £)rama au3 bem ©runbe gu oerberben. 2öir
Ijaben oon 'Den eilten bie nolle prädjtige SBerfififation bei-
behalten, bie fid) boct) nur für Sprayen oon feljr abgemeffenen
Quantitäten unb feljr merflidjen Slccenten, nur für weitläufige
33ül)nen; nur für eine in 3^oten gefegte unb mit Sfiftrumenten
begleitete 2)eflamation fo moljl fdjidt; iljre ©infalt aber in
ber $enoidelung unb bem ©efpräcfye unb bie 2öa§r^eit iljrer
©emälbe Ijaben mir fahren laffen."
©tberot fyätte nod) einen ©runb Ijinäufügen fönnen,
marum mir un§ ben 3(u3brucf ber alten ^ragöbien nid)t
burdjgängig 311m dufter nehmen bürfen. 2llle ^ßerfonen
fpred)en unb unterhalten fidf) ba auf einem freien, öffentlichen
$la£e, in ©egentnart einer neugierigen -Jftenge $olfs>. ©ie
muffen alfo faft immer mit $urüdl)altung imD D^üdficfyt auf
iFire Söürbe fpredjen; fie lönnen fid) i^rer ©ebanfen unb
©mpfinbungen nid)t in ben erften, ben beften 2ßorten ent=
laben ; fie muffen fie abmeffen unb mäljlen. 2tber mir feuern,
*) Qwtiit Untervebutiß l;inter bem natürlichen ©ob,ne. 6. b. UeOerf. 247.
SfceummbfimfoigfteS Stütf. 35
bie mir ben (Sljor abgefdjafft, bie mir unfere ^erfonen größten
teils 5«)tfd;en ijjren Dter SEBSnben laffen: mas tonnen mir für
Urfadje l)aben, fie Dem olmgeadjtet immer eine fo gegiemenbe,
fo ausgejudjte, fo rfyetorifdje Spradje führen ju (afjen? Sie
l)ört niemanb, aU bem fie eS erlauben loollcn, fie 51t Ijören;
mit iljnen fpridjt niemanb als Seute, meldje in bie §anbhmg
nurtUcf) mit uermidelt, bie alfo jelbft im 2Iffefte finb unb
meber Suft uod) TOufee Ijaben, 2tobrütfe 5U lontrollieren.
2)as mar nur oon bem (Efmre 5U beforgen, ber, fo genau er
aud) in bas 8türf eingeflodjten mar-, bennod) niemals mit
Rubelte unb ftetS bie fyanbelnben ^erfonen mefjr richtete,
als an iljrem <3dr)i(ffale mirflidjen Anteil nafjm. Ümfonft bz-
ruft man fid) besfallS auf ben (jöfjera 9tang ber sJkrfoneu.
SSorneljme Seute Ijaben fidf> beffer ausbrütfeu gelernt als
ber gemeine 93?ann; aber fie affeftieren nidjt unaufl)örlid),
fid) beffer aus^ubrüden als er. s2lm menigften in ßeiben=
fdjaften, bereu jeber feine eigene SBerebfamfeit Ijat, mit ber
altein bie s3catur begeiftert, bie in feiner Sdjule gelernt mirb
unb auf bie fid; ber Unerjogenfte fo gut oerfteljet als ber
^oliertefte.
Sei einer gefugten, foftbaren, fdjmütftigen Sprache lann
niemals (i'mpfinbung fein. Sie geigt oon feiner Gmpfmbuug
unb fann feine tjeroorbriugen. 2(ber rool)I oerträgt fie fid)
mit ben fimpelften, gemeinften, platteten ©orten unb
Lebensarten.
2Sie id) Sßanfs' ©tifabett) fpredjen laffe, roeifj id) moljl,
t)at nod) feine Königin auf bem fran^öfifd;en Sljeater ge=
f proben. 2)en niebrigen oertrautidjen Son, in bem fie fid;
mit ifjren §raueu unterhält, mürbe man in $ariS faum
einer guten ablidjen Sanbfrau angemeffen finben. „Qft bir
nid)t mot)t? — äftir ift gauj mofjl. Stel) auf, id) bitte
bid). — -iftur unrufjig, ein menig unruhig bin id). — @r=
3Öt)le mir bod). — "Jlidjt matjr, 9cottingf)am? %$u basM
£afj tjören! — ©emad), gemad)! — &u eiferft bid) au§ bem
Sltem. — ©ift unb flattern auf ifjre 3lm9e- 9Jcir ftel)t e3
frei, bem £)inge, bas" id) gefdjaffen fyabe, mitjufpielen, raie
id) null. — Sluf ben Slopf fd)lagen. — 2Bie ift'3? Sei
munter, liebe Lutlanb; id) mid bir einen madern 9)cann
fudjen. — 2Öie fannft bu fo reben? — 2)u follft es fdmn
fefyen. — Sie l)at midj red)t fefjr geärgert, ^d) fonnte fie
nicr)t länger uor Slugen feljen. — $omm l)er, meine Siebe;
laf$ mid; an beinen 33ufen mid) leljnen! — 3$ badjt' es!
36 £mm6urgiftf)e Dramaturgie.
3)a§ ift nidjt länger auSguljalten." — %\ um 1)1 ift eö
nidjt au^uljalten ! mürben bie feinen Kunftrid)ter fagen —
^Serben oielleidjt aud) mandje oon meinen Sefern fagen.
— $)etm leiber gibt e§ ®euifdje, bie nodj weit frangöftfdjer
finb al§ bie gran^ofen. Qljnen $u ©efalten fjabe td) biefe
93roden auf einen §aufen getragen. $<§ f ernte tfyre 5Xrt, §u
fritifteren. 2We bie Keinen Sfatdjläfftgfetiett, bie il)r gärtlicfyeS
Dfjr fo unenblid) beleibigen , bie bent ;Did)ter fo fdjmer 31t
finben maren, bie er mit fo meler Ueberlegung bafjin unb
bortljm ftreuete, um ben ©ialog gefdmteibig 311 madjen unb
ben Sieben einen magrem 2Tnfcfjem ber augenblidltojen ©im
gebung 511 erteilen, reiben fie ferjr mitjig gufammen auf
einen gaben unb mollen ftdj fran? barüber ladjen. (Snbltd)
folgt ein mitleibigeS 2ldjf einliefen: „9)?an ^ört roobX bafe ber
gute 5Rann bie grofee 2öelt ntdr)t lerntet; baf$ er nicfjt »tele
Königinnen reben gehört; Racine oerftanb ba§ beffer; aber
Racine lebte aud) bei §ofe."
SDem olmgeacrjtet mürbe mid) ba§ nid)t irre madjen. 2)efto
fdjlimmer für bie Königinnen, menn fie mirllid) nicr)t fo
fpredjen, ntdjt fo fpredjen bürfen. Qdj l)abe e3 lange fdjon
geglaubt, ba£ ber £>of ber Drt eben nidjt ift, mo ein SDtd)ter
bie -Katar ftubieren fann. 216er menn $omp unb (Stilette au§
üJlenfc^en iftafdjinen mad)t, fo ift e§ ba3 2$erl be§ SMdjterS,
au§ biefen sIftafdjtnen mieber 9ftenfd)en ^u machen. 3)te mabren
Königinnen mögen fo gefud)t unb affeltiert fpredjen, a(§ fie
mollen: feine Königinnen muffen natürlich fpred)en. @r l)öre
ber §efuba be§ GsuripibeS nur fleißig $u unb tröfte fidj immer,
menn er fdjon fonft feine Königinnen gefprodjen rjat.
9Ridjt§ ift aüdjtiger unb anftänbiger als bie ftmple sJJatur.
(Grobheit unb 3Buft ift eben fo meit oon il)r entfernt, als
©djitmlft unb Sßontbaft oon bem @rl)abnen. £)aS nämliche
©efüfjl, meldjeS bie ©ren^fdjeibung bort maljrnimmt, mtrb
fie audj Ijier bemerfen. 2)er fdjmülfttgfte SDtd)ter ift bal)er
unfehlbar audj ber pöbelfyaftefte. 23eibe gebier finb unjer=
trennlid), unb leine (Gattung gibt mehrere (Gelegenheit, in
beibe %\x nerfallen, als bie £ragöbie.
©leidjrooljl fd)einet bie Gmglänber oorneljmlid) nur ber
eine in irjrem SBanlS beleibiget gu Ijaben. ©ie tabelten
meniger feinen (Sdjnntlft als bie pöbelhafte ©pradje, bie er
fo eble ttnb in ber ©efd)idjte ibreS SanbeS fo glän^enbe
Verfemen fübren laffe; unb roünfdjten lange, baft fein <Stüd
oon einem -JKanne, ber ben tragifdjen SluSbrud meljr in
SWeummbftmfjigfteS Stütf. :;?
feiner ©eroolt f)abe, möchte umgearbeitet roerben.*) 2)iefe§
gefdjaf) enbltcr) aud). gaft ju gleicher ,geit machten fid) goneS
unb SÖroof barüber. §einri<$ SoneS, oou ©ebürt ein J$r*
[änber, mar feiner $rofeffion nad) ein IKaurer uttb oer=
taufdjte, roie ber alte S3en JJofmfon, feine Melle mit ber
geber. Üiadjbem er fdjon einen SSanb ©ebid&te auf Sufc
ft'ription bruden laffen, bie il)n afs einen Wlann non großem
©enie befannt madjten, brachte er feinen Gffer, 1753 aufs
Theater. 2U§ biefer 311 ßonbon gejpielt roarb, (jattc man
bereits 'Den oon §emricr) 33root in Dublin gefpielt. 2lber
Sroof liefe feinen erft einige 3al)ve Ijernad) bruden; unb fo
fann e§ mol)l fein, bafe er, rote man ifjm fdmlb gibt, eben
foroofjl ben ©ffej bes ^ones als ben uom üBanfg genutzt fjat.
sJlud} mufj nod) ein (Sffer, uon einem Qameö t)ta(pr) norljanben
fein. 5^ geftef)er ba| id) leinen gelefen fmbe nnb alle Drei
nur aus beu gelehrten Tagebüchern t'enue. 33on bem G'ffer
beö S3roof fagt ein franjöfifdicr Kunftridjter, bafj er Das
geuer unb bas sl>atf)etifcr)e bes 33anfs mit ber fdjönen ^ßoefte
bes Qoneö 31t nerbinben gemußt Ijabe. 2Ä>as er über bie
■"Hoffe ber üftutlanb unb über berfefben äSer^roetflung bei ber
Einrichtung il)reä ®emaf)l3 (jinaufügt,**) ift merrroürbig;
man lernt and) baraus bas Sßartfer parterre auf einer (Seite
fennen, bie Ujm menig ßfjre mad)t.
Sfber einen fpanifajen Gfjer l)abe id) gelefen, ber nief gu
fonberbar ift, alö bafe id) nid)t im Vorbeigehen etraag baoon
fagen foffte. —
*) (Companion to tlie Theatre, Vol. II. p. 105.) — The Diction is
every where very bad, and in some Places so low, that it even becomes
unnatural. — And I think. there cannot be a greater Proof of the little
Encouragement this Age affords to Merit, than that no Gentleman possest
of a true Genius and Spirit of Poetry , thinks it worth his Attention to
adorn so celebrated a Part of History -\vith that Dignity of Expression
befitting Tragedy in general, but more particularly. -\vhere the Characters
are perhaps the greatest the World ever produced. [Ser ^Begleiter ins
3;l)eater. — Ser Slustmid ift überall feljr fd)led)t unb in einigen Stellen fo platt,
baß er fefir unnatürlid) mirb. — Unb id) glaube, bafj e» feineu größeren Söetueis
ber geringen Aufmunterung geben fann, bie ba% äkröienft bei biefem Zeitalter fiubet,
als ben, baß fein feiner SKann, ber mit mabrem ©enius unb bidjtevifdjcm ©eifte
begabt ift, e§ feiner Aufmerffamfeit teert bütt, einen fo berühmten 2eil ber ©ejdjidjtc
mit jener SBürbe be?< Wusbrude» ju fcbmücfen, bie ber 2ragbbie überhaupt, bejonbers
aber ba jufommt, tüo bie Gbaraftere uicfleicftt bie größten finb, bie jemals tion ber
Söett Ijernorgebracbt mürben. 3immcrm(inn ]
**) (Journal Encycl., Mars 1761.) II a aussi fait tomber en demeuce
la Comtesse de Rutland au monient que cet illustre epoux est conduit a
l'echafaud; ce moment oü cette Comtesse est un objet bien digne de pitie,
a produit une tres-grande Sensation, et a ete trouve admirable ä Londres:
en France il eüt paru ridicule, il auroit ete siffle et l'on auroit envoye la
Comtesse avec l'Auteur aux Petites-Maisons.
38 §am&urgtfd}e Dramaturgie.
3>en 27. 9tot>ember 1767.
@r ift oott einem Ungenannten unb führet ben %\td:
gür feine ©ebieterin fterbett.*) 3$ ftnDe ^tt *n e*ner
Sammlung oon $omöbien, bie 8°feP^ ^ctbrino gu ©enitien
gebrucft l)at unb in ber er ba3 üierunbftebgigfte ©tücf ift.
SQBenn er oerfertiget morben, roeifs tdj nicr)t; idfj felje auä)
nid)t§, morau§ e§ ftd^ ungefähr abnehmen liefte. £)a§ ift flar,
baf$ fein 3Serfafjer meber bie fran^öfifc^en unb englifdjen
£)id)ter, meldje bie nämliche ©efdjicfyte bearbeitet Ijaben, ge=
brauet Ijat, nodj oon ifynen gebraust morben. @r ift gang
original. £)od) id) mitl bem Urteile meiner Sefer nid)t nor=
greifen.
@ffer, !ömmt oott feiner @£pebitiott miber bie ©panier
gurüd unb tüilt ber Königin in Sonbon S3eric^t baoon ab=
ftatten. 2öie er anlangt, l)ört er, ba§ fie ftd) gmei teilen
oott ber (Stabt, auf bem Sanbgute einer iljrer §ofbamen,
Samens ^Bianca, befinbe. SDtefe Slanca ift bie ©eliebte be§
©rafen, unb auf biefem Sanbgute §at er nod; bei Sebggeiteit
il)reg 23ater3 üiele l)eimlid)e ^ufammenfünfte mit ifyr gehabt.
(Sogleid) begibt er ftd) ba!)in unb bebient ftd) be§ ScpüffelS,
ben er noc3^ oon ber ©artentfyüre bewahret, burd) bie er elje=
bem gu iljr gefommen. @§ ift natürlid), baft er fid) feiner
(beliebten eljer geigen mill aU ber Königin. 2II-3 er burd)
ben ©arten nad) iljren ^immern fdjleidjet, mirb er an bem
flattierten Ufer eines burd) benfelben geleiteten 2lrme§ ber
%l)emfe ein grauengimmer geraafyr (e§ ift ein fdjmüler <3ommer=
abenb), baö mit ben bloßen gügen in bem Söaffer fttjt unb
fid) abfüljlet. @r bleibt oolter S3erraunberung über ifjre ©d)öm
Ijeit fteljen, ob fie fdjon ba§ ©efidjtmit einer falben -Iftasfe
bebedt fyat, um niett erfannt gu merben. (3)iefe 6c^ön^eit,
rote billig, mirb meitläuftig befd)rieben, unb befonberg merben
über bie allerliebften meinen güfee in bem Ilaren Söaffer fefjr
fpitjfinbtge SDinge gefagt. Sßidjt genug, bafe ber entgüdte
©raf gmei friftallene (Säulen in einem fliegenben ^riftalle
fteljen fiel)t; er meif} nor ©rftaunen tticrjt, ob ba§ -Jöaffer ber
^riftall tfyrer $üfte ift, meldjer in glufj geraten, ober ob ifjre
güfte ber ^riftall be§ SöafferS finb, ber fid; in biefe gorm
*) Dar la vida por su Dama 6 el Conde de Sex; de un Ingenio de esta
Corte. [$>a§ 2eben Innßeben für feine ©ebieterin, ober ber ©reif Don Gffej; tion
einem ©enie biefer ^auptftabt. Simmermann.]
Sedfötgfieä ©tütf. 39
fonbenfiert Ijat.*) -ftod) uerroirrter mad)t i&n bic F;albc
fdjroar^e SflaSfe auf bem raeifeen ©efidjte: er !ann nidjt be-
greifen, in raeldjjer 2I6ft(fjt bie Statur ein fo göttliches Tlon-
ftrum gebilbet unb auf feinem ©eftdjte fo frfjroaqen 33afalt
mit fo glänjenbem §elfenbeine gepaaret (jaBe; ob meljr jux
33enmnberung ober mef)r gur Verspottung.)**) iftaum Ijat
fid) ba§ grauen^immer mieber an gef leibet, at§ unter ber
2lu§rufung: „Stirb, Snrannin!" ein <2duij$ auf fic gcfdjicljt
unb gleid; barauf jraei magerte Männer mit bem 2)egen
auf fie losgehen, meil ber ©dmfc fie nicr)t getroffen 31t fyaben
fdjeinet. @ffer. befinnt fid) nidjt lange, it)r 31t §ilfe 31t eilen.
*) Las dos columnas beilas
Metiö dentro del rio, y como al vellas
Vi un crystal eu el rio desatado,
Y vi crystal en ellas condensado,
No supe si las aguas que se vian
Er an sus pies, que liquidos corrian,
O si sus dos columnas se formaban
De las aguas, que allf se congelaban.
[Sie [feilte bie beiben fdjönen Säulen in ben $tufj, un^ *>a cr D°i tywtlt £n»
blide einen ßriftaH im f^tuffe aufgetöft unb jenen in einen Striftall verbietet fah,
fo mußte er nidjt, ob bie Söelien cor ifym if)re ft-üße maren, bie bnt)infloffen, ob
ifjre beiben Säulen au§ ben bort jufammengefroreucn Söafferu pebitbet toaren.
[3 immer mann.]
£iefe ?Ief)nlid)feit treibt ber 2)id)ter nod) meiter, menn er beidjreiben null, mie
oie 'Dame, ba§ Söaffer $u foften, e§ mit Ujrer Ijotjleu A^anb gefdjöpft unb nad) bem
9Jhinbe geführt (mbe. 2iefe £anb, fagt er, mar bem Haren Söaffcr fo äfjnlid), bafj
ber $Iufj felbft für Sdjreden äufammenfufjr, meil er befürchtete, fie mödjte einen Seil
ifjrer eignen §anb mittrinfen.
Quiso probar ä caso
El agua, y fueron crystalino vaso
Sus manos, acercölas a los labios,
Y entönces el arroyo llorö agravios,
Y" como tanto, en fin, se parecia
A sus manos aquello que bebia,
Temi con sobresalto (y no tue en vano)
Que se bebiera parte de la mano.
[Sic rooHte ba§ Sffiaffer foften, unb il)re £änbe maren ein fviftoflenes ©efäf?.
Sie näherte bie £änbe iljren Sippen ; ba aber meinte ber ©ad) über Unbill, unb meil
ber 2ranf, ben fie jdjlürfte, ifjren £änben fo ätjnlid) faf», fiirdjtete et mit gntfetjen
(unb nidjt olme ©runb), fie möd)te einen Steil ber §anb trinfen. Zimmermann.]
**) Yo, que al prineipio vi, ciego, y turbado
A una parte nevado
Y en otra negro el rostro,
Juzgue, mirando tan divino monstruo,
Que la naturaleza cuidadosa
Desigual uniendo tan hermosa,
Quiso hacer por assombro, o por ultrage,
De azabacbe y marfil un maridage.
[3nbem id) anfangs geblenbct unb üermirrt ba$ f)icr fdmeemeiße, bort idimar,e
Slngefidjt erblidte, ba meinte id) , in ber SBenuinberung eine§ fo göttlichen Un»
getreuere, bie forglidje 9?atur f)abe, Ungleidie» ju foldjer Sdjönbcit luunenb, jum @nt=
fetjen unb jum £of)ne einen Sßunb be§ föagate§ mit bem Glfenbeine ftiften mollen.
Zimmermann.]
40 £>amburgtfcf)e Dramaturgie.
@r greift bie Färber an, unb fie entfliegen. @r rüilt ifynen
nad); aber bie £)ame rnft tl)n gurüd; nnb bittet ilnt, fein
£eben nid)t in ©efa§r ^u fetten, ©ie fieljt, bafc er oermunbet
ift, fnüpft iljre ©d)ärpe log nnb gibt fie il)m, fid) bie Söunbe
bannt 51t uerbinben. „3ugleid)," fagt fie, „joll bie je ©djäroe
bienen, mid) @ud) §n feiner 3eit 3U erlernten £U geben; xi)t
muji id) mid; entfernen, efye über ben ©djnft mefyr Kärnten
entfielt; id) mödjte nid)t gern, ba{$ bie Königin ben $a\ali
erführe, nnb id) befdjraöre @ud) baljer um (Sure SSerfc^roiegen^
Ijeit." (Sie gel)t, nnb @ffe£ bleibt ooller (Srftaunen über biefe
fonberbare Gegebenheit, über bie er mit feinem 33ebienten,
Samens (Sosme, allerlei 53etrad)tungen aufteilt. S)iefer Gosme
ift bie luftige $>erfon be3 <8tüd3; er mar r>or bem ©arten
geblieben, als> fein §err Ijereingegangen, unb tjatte ben Sd)uf$
gmar gel)ört, aber xfyn bod) nid)t 51t §ilfe lommen bürfen.
SDie gurdjt l)ielt an ber %l)üre ©d)ilbroact)e unb nerfperrte
iljm ben ©ingang, §urd)tfam ift Gosme für oiere,*j unb
bag finb bie fpanifdjen Darren gemeiniglich alle, (Sffeg be=
fennt, baft er fid) unfehlbar in bie fd)öne Unbelannte verliebt
Ijaben mürbe, menn ^Bianca nid)t fdjon fo völlig SBefttj von
feinem ©ergen genommen t)ätte, baf3 fie burdjaug feiner anbern
Seibeufdjaft barin 9^aum laffe. ,,sj(ber/' fagt er, „roer mag
fie moi)l gemefen fein? -HBag bünlt bidj, @o3me?" — „2Ber
mirb'g gemefen fein," antroortet (Eo3me, „al§ besl ©ärtners>
grau, bie fid) bie 33eine gemafdjen?"**) — 2Iu3 biefem 3uge
fanu man leid)t auf ba3 übrige fd)lie|en. 6ie gelien enbltct)
beibe roieber fort; e£ ift gu fpät gemorben; ba3 §au§ fönnte
über ben ©d)uf$ in Sßemegung geraten fein; @ffe£ getraut
fid) baljer nid)t, unbemerlt 31t Bianca §u lommen, unb ner=
fdjiebt feinen 53efud) auf ein anbermal.
*) Ruido de armas en la Quinta,
Y dentro el Conde? Que aguardo,
Que no voi a socorrerle?
Que aguardo? Lindo recado:
Aguardo ä que quiera el miedo
Dexarme entrar: — —
Cosme, que ha tenido un miedo
Que puede valer por quatro.
[SBaffenlärm in bem Sanbfjaufe, nnb bcr ©raf bvinnen ? SDßarum warte id),
mavum gcrje id) nid)t t>m, üjtn beijuftcfyen? Sßorauf marte \d)'( Sine fdjöneöage!
id) rcarte, bajj bie $urd)t mid) I;ineinfaffe — — — (So§me, beffen fturdjt für merc
gelten fonnte. giinmermanii.]
**) La muger del hortclano.
Que se lavaba las piernas.
eecfaigfteS ©tütf. 41
9hm tritt ber §er§og do« Stfongon auf mit gfora, ber
Bianca ^ammermäbdjen. (Sic S^ene ift nod) auf beut Santo
gute in einem 3immer Dei' ^Bianca; bie uorigcn Auftritte
waren in bem ©arten. @3 ift be§ folgenben SaaeSO ^cv
.SUmig von granfreidp Ijattc bat (S'(ifabetf) eine Serbinbung
mit feinem jüngften 33ruber uorgefdjlagen. 2)ieje3 ift ber
§ergog oou 2llan$on. Gr ift unter bem SBotwanbe einer
©efanbtfdjjaft nad) ©ngtanb gelommen, um biefe SBerbinbung
§uftanbe 31t bringen. G53 läfjt fid) alles, forooljl oon feiten
be3 Parlaments al§ ber Königin, feljr wol)l baju an; aber
inbe<8 erbtieft er bie Sölanca unb oerliebt ftd) in fie. 81*
lömmt er unb bittet gloren, i()m in feiner Siebe be()ilflid) 51t
fein. glora nerbirgt ifjm nid)t, wie wenig er 51t erwarten
l)abe; bodj oljne il)m baö geringfte oon ber 58ertraulid;feit,
in welcher ber ©raf mit il)r fteljet, ju entbed'en. Sie fagt
blofj, 23lanca fudje ficr) 51t nerfjetraten, unb ba fie hierauf ftd)
mit einem Spanne, beffen Staub fo weit über ben irrigen
ergaben fei, bod) leine Stedjnung madjen tonne, fo bürfte fie
fdjmerlid) feiner Siebe ©eljör geben. — (9Jian ermattet, baf$
ber §er$og auf biefen (Einwurf bie Sauterfeit feiner 2lbfid)ten
beteuern raerbe; aber bauon fein SBort! 3)ie Spanier finb
in biefem fünfte lange fo ftrenge unb belifat mdjt, alö bie
gran^ofen.) @r Ijat einen 25rief an bie SBlanca gefdjrieben,
ben glora übergeben foll. @r münfd)t, e3 fetbft mit an^u;
ferjen, mag biefer SBrief für ßinbrud auf fie madjen roerbe.
(Er fdjenft gloren eine gülbne $ette, unb glora rerftedt if)n
in eine anftofeenbe ©alerie, inbem 95fanca mit ßoSme Vereins
tritt, roeldjer iljr bie Stnhtnft feines §errn melbet.
©ffej lömmt. Wad) ben £ärtlid)ften Seroittfommungen
ber Bianca, nad) ben teuerften SSerftdjerungen beö Gkafen,
wie feljr er itjrer Siebe fid) würbig 31t geigen wünfdie, muffen
fid) glora unb ßosme entfernen, unb Bianca bleibt mit bem
(trafen allein. Sie erinnert iljn, mit weldjem Gifer unb mit
welker Stanbljaftigfeit er fid) um tljre Siebe beworben f)abe.
^Radjbem fie i|m brei Qaljre wiberftanben, f)abe fie enblid)
fid) il)m ergeben unb iljn, unter SSerfidjerung, fie 511 tjeiraten,
gum (Eigentümer iljrer @l)re gemadjt. (Te hice dueno de
mihonor; ber 2lu3brud fagt im Spanifd)en ein wenig viel.)
%lux bie geinbfdjaft, wcld)e unter iljren beiberfeitigen gamilien
obgewaltet, fyabe nid)t erlaubt, il)re ü8erbinbung 311 ooH^ieben.
Gffer ift uid)t3 in 2lbrebe unb fügt $in*uf bafe, nad) bem
£obe it)reö 93ater§ unb 33vuber§, nur bie il)m aufgetragene
42 §auuuirgifd)e Dramaturgie.
@r.pebition miber bie ©panier bagrcifrfjen gekommen fei. 9hm
aber Ijabe er btefe glüdlidj oollenbet; nun wolle er unoer=
gügltd& bie Königin um (Erlaubnis gu iljrer Vermählung an=
treten. — „Unb fo fann id) bir benn," fagt Vlanca, „als
meinem ©eliebten, als meinem Bräutigam, als meinem
greunbe, alle meine ©efjeimmfle fidler anvertrauen/'*) --
<*£imtn&ferlj?t0jies $türk
3)en 1. SDesember 1767.
hierauf beginnt fie eine lange Gsrjäfjlutta, von bem ©djjtcfs
fale ber ^Jiarta oon ©djottlanb. Söir erfahren (benn ©ffer,
felbft muf$ atteS baS oljne 3n>e*fc^ längft miffen), bafe ifyr
Vater unb Vruber biefer unglüd'tidjen Königin fel)r gugetfyan
geroefen; baf$ fie fidi geweigert, an ber Unterbrüdung ber
Unfd)ulb teilzunehmen; baf$ ©lifabetl) fie baljer gefangen
fetten unb in bem ©efängniffe Ijeimlid) l)inrid)ten laffen.
Eeiu Söunber, baj$ Vlanca bie ©lifabetl) f)af$t; baf$ fie feft
entfd)loffen ift, fid) an il)r ju rächen. 3rcar (jat ©ftfabetlj
nadjljer fie unter iljre §ofbamen aufgenommen unb fie iljreS
gangen Vertrauens geraürbiget. 2tber Vlanca ift unt»erföfm=
lid). Umfonft toäljlte bie Königin nur lürglic^ vor allen
anbern baS Sanbgut ber Vlanca, um bie Qaf>reggeit einige
%age bafelbft ruljig gu genießen. — liefen Vorzug felbft
rooüte Bianca ifjr gum Verberben gereichen laffen. <Ste ijatte
an il)ren Dljeim gefdnieben, meldjer aus Surd^t, es möchte
ilmt tvie feinem trüber, i§rem Vater, ergeben, nad) <Btf)otU
lanb geflogen mar, mo er fid) im Verborgnen auffielt. 2)er
Dljeim mar gelommen; unb furg, biefer Dfjeim mar eS ge=
mefen, melier bie Königin in bem ©arten ermorben mollen.
9tun tveift @ffe£, unb mir mit iljm, mer bie ^ßerfon ift, ber
er baS Seben gerettet fjat. 216er Vlanca meif$ nid)t, bafc es
(£ffe£ ift, meldjer ifyren 2lnfd;lag vereiteln muffen, ©ie rennet
vielmehr auf bie unbegrenzte Siebe, bereu fie (Sffer. verfidjert,
unb magt eS, ilm nidjt blofe 311m 9J?itfd)ulbigen madjen gu
mollen, fonbern iljm völlig bie glüdlidjere Vollziehung ir)rer
Viafye zu übertragen. @r foll fogleid) an tfjren Dfjetm, ber
*) Bien podre seguramente
Revelarte intentos mios,
Como a galan, como ä dueiio,
Como a esposo, y como a amigo.
Siiumbfedföigfteä Stücf. 43
tuieber nad) Sdjottlanb geflogen ift, fdjretben unb gemein;
fcfyaftlidje Sad)e mit ilnn machen. 2)ie £t;ranntn mttfje fterben;
iljr 9?ame fei allgemein oerfyafjt; iljr %ob fei eine Sßoljltijat
für ba§ 33aterlanb, unb niemanb nerbiene e§ mel)r als @fjejr,
bem 33aterlanbe bi.efe 2Bol)ltl)at 51t oerfdjaffen.
Gffer. ift ü6er biejen Antrag äufjerft betroffen. Bianca,
feine teure 23lanca, fann ifjm eine folaje SSerräterei gumutenV
2öie fel)r fdjämt er ftd) in biefem Stugenblide feiner Siebe!
2lber mag foll er tfyun? Soll er üjr, wie e3 billig märe,
feinen Unwillen 311 erfennen geben ? 2öirb fie barum meniger
bei ifiren fdjänblidjeu ©efinnungen bleiben? Soll er ber 5lö=
nigin bie <Saa^e hinterbringen? 2)a3 ift unmöglid): 23lanca,
feine ilnn nod; immer teure 33lanca, läuft ©efaljr. <2ott er
fie burd) Sitten unb ^ßorftellungen non ifyrem @ntfd)luffe ab?
^bringen fudjen? @r müfcte nid)t roiffen, mas für ein xady
füdjtigeö ©efdjöpf eine beleibigte grau ift, mie raenig eg jtdj
burd) gießen erroeidjen unb burd) ©efaf)r abfajreden läfjt.
2öie leidet tonnte fie feine Slbratung, fein $orn ^ur $er=
jroeiflung bringen, bog fie fid) einem anbern entbed'te, ber
fo geroiffenljaft nidjt märe unb iljr zuliebe alle§ unter;
näljme?*) — £)iefe<o in ber ©efd)rainbigfett überlegt, faftt
er ben ^orfaij, fid) ju oerftellen, um ben Roberto, fo Ijeiftt
*) Ay tal traicion! vive el Cielo, [D, fotd) einJßerrat! Sßei ©Ott! knie
Que de amarla estoi corrido. empört e§ mid), baß id) fie liebe ! SSfanca,
Bianca, que es mi dulce dueüo, meine fuße ©ebieterin, SBlanca, bie id)
Bianca, a quien qniero, y estimo, liebe unb fdjälje, mutet mir jotd) einen
Me propone tal traicion! 2>errat ju ! 2ßa§ foll id) thun? Senn
Que hare, porque si ofendido, antworte id), tt)ie id) fotttc, au» bem föe-
Bespondiendo, como es justo, füljle ber ßränfung, unb braufe id) gegen
Contra su traicion me irrito, il)ren Sßerrat auf, fo wirb fie if)ren tollen
No por esso ha de evitar 6ntfd)tuf5 besfyalb nidjt aufgeben. 2Me
Su resuelto desatino. Königin bation ju benachrichtigen, ift uiu
Pues darle cuenta a la Beina mögtid); benn mein Sdjidfat rjat gewollt.
Es impossible, pues quiso baß 931anca bei biefem 2>erget)en beteiligt
Mi suerte, que tenga parte ift. ®ud)e id) mit Sitten fie bation abju=
Bianca en aqueste delito. bringen, fo ift bie* ein tfyöndjter SSerfud) ;
Pues si procuro con ruegos benn eine entfd)loffene fyrau ift ein fo rad)=
Disuadifla, es desvario, füd)tige§ 2öefen, bafj fie Sitten nid)t nad)=
Que es una muger resuelta gibt : üielmefyr ift e§ ifjre 51rt , in freoeU
Animal tan vengativo, tjaftem 2)range bie Sdjneibe bes 2öiUen&
Que no se dobla ä los riesgos: nod) 511 fdjärfen; unb t>iefleid)t wirb fte
Antes con afecto impio, in üßerjWeiftung über meinen ffummer
En el mismo rendimiento ober meine Abneigung ftd) einem auberen
Suelen agusar los filos; erflären, ber meniger treu unb meniger
Y quizä desesperada gemiffenljaft ift, ber tiieQcidjt burd) fie
De mi enojo, o mi desvi'o, ba§ ju erreidjen fud)t, ma§ id) nid)t tfjun
Se declarara con otro wollen. 3'mmcrmartn ]
Menos leal, menos fino,
Que quizä por ella intente,
Lo que yo hacer no he querido.
44 ' &mn6itrgifdje Dramaturgie.
ber Dljeim ber SBlanca, mit allen feinen 2lnl)ängern in bte
galfe gu locfen.
Bianca wirb ungebulbig, baf$ ifyr @ffe£ mdfjt fogleidj
antwortet, „©raf," fagt fie, „trenn bu erft lange mit bir
31t Sftate geljft, fo liebft bu ntidj nidjt. 2lud) nur gmetfeln
ift SBerbredjen. Unbanfbarerl"*) — „Sei ruljtg, ^Bianca!"
erwibert (Sffer.: ,,id) bin entfdjloffen." — „Unb wogu?" —
r/©tetcf) will idj bir e§ fd^riftlidt) geben."
©ffer. fetjt fiel; nieber, an i^ren Dljeim 511 fd)reiben, ttnb
inbem tritt ber §ergog au3 ber ©alerie näl)er. @r ift neu=
gierig, gu fetjen, mer fid) mit ber SBIanca fo lange unterhält,
unb erftaunt, ben ©rafen oon ©ffer. gu erbliden. 216er nod)
mefjr erftaunt er über ba§, ma§ er gleicl) barauf gu rjören
befömmt. (5ffe£ Ijat an ben Roberto gefd)rteben unb fagt ber
Slanca ben Snfyalt feines ©djreibettö, ba§ er fofort burdj
ben ßosme abfd)id'en will. Roberto foll mit allen feinen
greunben einzeln nad) Sonbon fommen; ©ffer. will ii)n mit
feinen Seilten unterftütjen ; ©fier. rjat bie ©unft be§ 33olf§;
nichts mirb letzter fein, al§ fid) ber Königin ju bemächtigen ;
fie ift fdwn fo gut al§ tot. — „@rft müßt1 idj fterben!"
ruft auf einmal ber §ergog unb fömmt auf fie loa. Bianca
unb ber ©raf erftaunen über biefe plö^lidje @rfd)etnung, unb
ba§ (Srftaunen be§ letjtern ift nidjt oljne ©iferfudjt. @r glaubt,
baf$ 93lanca ben' §ergog bei fidj oerborgen gehalten. £)er
§ergog rechtfertigt bie ^Bianca unb oerfidjert, bafc fie oon
feiner 2Inwefenf)ett nic^t§ gemußt; er Ijabe bie ©alerie offen
gefunben unb fei oon felbft Ijereingegangen, bie ©emälbe
barin gu betrauten.**)
') Si estäs consultando, Conde,
Alla dentro de ti mismo
Lo que has de hacer, no me quieres,
Ya el dudarlo fue delito.
Vive Dios, que eres ingrato !
*) Por vida del Rey mi hermano,
Y por la que mas estimo,
De la Reina mi p.enora,
Y por — pero yo lo digo,
Que en mi es el mayor empeno
De la verdad del decirlo,
Que no tiene Bianca parte
De estar yo aqui — —
Y estad mui agradeeido
A Bianca, de que yo os de,
No satisl'acion, aviso
De esta verdad, porque a vos,
(rimmbiedHüiftc'o ©tücf. 45
£)er § er 30 g. $3ei bem Sebett meines 33ruberö, bei
bem mir uod) fojtbavevn Beben ber Königin, bei — lUbev
genug, bajj i cb eo [age: Bianca ift unfdjulbtg. Unb nur üjr,
^trjlorb, haben ©te biefe ©rllärung 311 bauten. t)(uf (Sie ift
im geringsten nidjt babei gefeiert. 2)enn mit beuten nue Sie
matten Seilte nue icb —
2) er ©raf. ^rinj, Sie tennen inidj ofyne 3weifel nid)!
-.djt? —
2) er § er 30 g. Jveilid) Ijabe idj 3ie nid;t reetjt gefannt.
216er idj feune Sie nun. Qdj f)telt ©ie für einen gang anbevu
ÜDiann, unb id) finbe, Sie finb ein Verräter.
£)er ©raf. 28er barf baä fagen?
iE e v © e r 3 0 g. Qdt) ! — SRidjt ein SBort metyr ! Qd;
miH fein 2Bort meljr fyören, öraf!
3) er ©raf. SDleine 2lbfid)t mag aud) geroefen fein —
2) er §ergog. 2)enn !urj: id) bin überzeugt, baft ein
SBerräter fein §erg Ijat. 3$ *reffe ®*e a^ einen SSerräter:
Hombres como yo — Cond. Iinagino
Que no me conoeeis bien.
Dttq. No os babia conoeido
Hasta aqui; mas ya os conozco,
Pues ya tan otro os be visto
Que os reconozco traidor.
Cond. Quien dixere — Dnq. Yo lo digo,
No pronuncieis algo, Coude,
Que ya no puedo sufriros.
Cond. Qualquier cosa que yo iuteute —
Dxq. Mirad que estoi persuadido
Que bace la traicion cobarde.-;
Y assi quando os he cogido
En un lance que me da
De que sois cobarde indicios,
No be de aprovecharme de esto,
Y assi os perdona mi brio
Este rato que teneis
El valor desminuido;
Que a estar todo vos entero,
Supiera daros castigo.
Cond. Yo soi el Conde de Sex
Y nadie se me ba atrevido
Sino el bermano del Key
De Francia. Dttq. Yo tengo brio
Para que siu ser quien soi,
Pueda mi valor invicto
Castigar, non digo yo
Solo ä vos, mas a vos mismo,
Siendo leal, que es lo mas
Con que queda encareeido.
Y pues sois tan gran Soldado,
No ecbeis ä perder, os pido.
Tantas beroieas hazanas
Con un beebo tan ir.diguo —
46 ßanunirgtfdje Dramaturgie.
id) mufc ©te für einen 9J?ann obne £er5 galten. 216er um
fo meniger barf id) midj biefeg 33orteil3 über ©ie bebienen.
93^eine fefjre üergeifyt S^nen, rae^ @ie ^r 3^r^9en »erluftig
finb. Söären ©ie fo unbefdfjolten, al3 icf) ©ie fonft geglaubt,
fo mürbe id) ©ie ju äüdjtigen miffen.
SD e r © x'a f. Qu) bin ber ©raf oon @ffe£. ©o r)at mir
nod) niemanb begegnen bürfen al3 ber Sruber be§ ÄömgS
uon ?yranfreid).
£)er §ergog. SBenn id) aud) ber nid)t märe, ber id)
bin; menn nur ©ie ber mären, ber ©ie nidjt finb, ein 9Kann
non (Sljre: fo follten ©ie roobl empftnben, mit mem ©ie 51t
tlnm Ratten. — ©ie ber ©raf von ©ffej? 3öenn ©ie biefer
berufene Krieger finb : mie lönnen ©ie fo niele grofee Zimten
buvd) eine fo unnnirbige %ljat r>ernid)ten motten'? —
2>en 4. ©esember 1767.
£)er $er§og fät)rt I)ierauf fort, i^m fein Unrecht in einem
etroaS gelinbem ;£one nor^alten. @r ermahnt Um, fid)
eines Söeffern $u beftnnen; er mill e§ nergeffen, ma$ er gehört
l)abe; er ift nerfidjert, ba£ Bianca mit bem ©rafen nidrjt
einftimme unb bafe fie felbft iljm eben bas> mürbe gefagt Ijaben,
menn er, ber £>er$og, ty* flidjt guoorgelommen märe. @r
fdjliefet enblid): „-üRodj einmal, ©raf, geljen ©ie in fid)!
©tefjen ©ie r>on einem fo fdjänblidjen 33orrjaben ah ! Sßerben
©ie mieber ©ie felbft ! Sßollen ©ie aber meinem 5iate nidjt
folgen, fo erinnern ©ie fid), ba£ ©ie einen $opf fyaben unb
Sonbon einen genfer!"*) — hiermit entfernt fid) ber £>er^og.
(Sffer. ift in ber äufcerften SSermirrung; e§ fdwter^t irjn, ftdj
für einen Verräter gehalten gu miffen ; gleid)moljl barf er es>
i|t nidjt wagen, fidf) gegen ben. §er$og $u redjtfertigeu ; er
muft fidj gebulben, big es> ber 2lu3gang leljre, bajj er ba
feiner Königin am getreueften gemejen fei, al£ er e3 am
*) Miradlo mejor, dexad
Un intento tan indigno,
Corresponded ä quien soia,
Y sino bastan avisos,
Mirad que ay Verdugo eu Londres,
Y eu vos cabeza, barto os digo.
3it>eiunbfecf)3ig|te!j Stütf. 47
menigften 511 fein gefdjienen. *J So f priest er mit fidj felbft ;
mr Bianca aber fagt er, baß er ben 33rief fogleid) an ifjren
Dljeim fenben ruolle, unb geljt ab. 33lanca beggleidjen ; nadp
bem fie iljren Unftern uermünfdjt, fidj aber nodj bamit ge*
tröftet, baß e§ fein Schlimmerer als ber §erjog fei, meiner
uon bem Snfdjlage beö ©rafen miffe.
©ie Königin erjdjeint mit il)rem ^an^ler, bem fie e§
tiertraut Ijat, mag tfjr in bem ©arten begegnet. (Sie befiehlt,
baß ifjre Seibmadje alle Zugänge mol)l befetje, unb morgen
miß fie nad) Sonbon gurücffeljren. ©er ^an^Ier ift ber 5Diei=
nung, bie Sföeudjelmörber auffliegen $u laffen unb burd; ein
öffentliche^ (Sbift bemjenigen, ber fie anzeigen merbe, eine
anfefynlidje SBeloljnung 311 oerljeißeu, follte er and) felbft ein
9Jtitjd)iilbiger fein. „Senn ba e£ it)rer gmei raaren," fagt
er, „bie ben Zufall traten, fo lann leidjt einer baoon ein
eben fo treulofer greunb fein, al3 er ein treulofer Untertan
ift."**) — Slber bie Königin mißbilliget biefenSftat; fie Ijält
e3 für beffer, ben ganzen Vorfall $u unterbrüden unb eS
gar nicr)t befanut merben $u laffen, baß e3 -IRenfäjen ge=
geben, bie fidj einer foldjen Sljat erfüllten bürfen. „SJian
muß," fagt fie, „bie Sßelt glauben madjen, baß bie Könige
fo mol)l bemadjt merben, baß e3 ber -öerräterei unmöglid) ift,
an fie 51t lommen. 2lußerorbentIid)e ^ßerbredjen werben beffer
uerfdjmiegen, als beftraft. SDenn bciZ 33eifpiel ber Strafe ift
Don bem Seifpiele ber Sünbe unzertrennlich ; unb biefeö lann
oft eben fo fef)r anreihen, al3 jenes abfdjreden."***)
^nbern mirb (Sffer, gemelbet unb oorgelaffen. ©er 33ertdt)t,
•) No he de responder al Duque [3$ merbe bem ^erjoge nidjt anU
Hasta que el sucesso mismo morten, bis ber Grfolg fetber jeigt, tüte
Muestre como fueron falsos faljef) bie 9lnäeid)en meines SSerratesmaren,
De mi traicion los indicios, unb ia% meine Grgebenfjeit um )o größer
Y que soi mas leal, quauto ttmr, je metjr id) ein SSerrütetju fein fd)ien.
Mas traidor he pareeido. 3immetmantt.]
**) Y pues son dos los eulpados
Podrä ser, que alguno de ellos
Entregue al otro; que es llano,
Que serä traidor amigo
Quien fue desleal vassallo.
***) Y es gran materia de estado
Dar a entender, que los Heyes
Estau en si tan guardados
Que aunque la traicion los busque,
Xunca ha de poder hallarlos;
Y assi el seoreto averigue
Enormes delitos, quando
Mas que el castigo, escarmientos
De exemplares el pecado.
48 §amlmrgifd)e Dramaturgie.
ben er üon bem gludlicrjen (Erfolge feiner (Srpebition ab-
ftattet, ift fuq. 2)ie Königin fagt tlmt auf eine fej)r oer=
binblidie 2£eife: „£>a idj @ud) mieber erblide, weiß idj oon
bem Ausgange beg Krieges fdjon genug."*) ©ie mitl oon
feinen nähern Umftänben l)ören, beoor fie feine ©teufte nicr)t
belohnt, unb befiehlt bem $an$ler, bem ©rafen fogleid) bag
patent als Slbmiral oon ©nglanb auszufertigen. 2)er Rangier
gel)t; bie Königin unb @ffe£ finb allein; bag ©efpräd; roirb
oertraulidjer; ©ffej fyat bie ©djärpe um; bie Königin bemerft
fie, unb dffer. mürbe eg aug biefer blofjen SBemerfung fdjjließen,
baß er fie oon i§r fyabe, menn er eg aug ben Sieben ber
Bianca nid)t fcfyon gefcfjloffen rjätte. £)ie Königin Ijat ben
©rafen fdjon längft t)eim(id) geliebt, unb nun ift fie ifjm fogar
baS Seben fdjulbig. **) @S foftet tfyr alle Wlülje, tt)re Neigung
gu oerbergen. ©ie tljut r>erfd)iebne gragen, ir;n auS^uloden
unb 5U rjören, ob fein §erg fd)on eingenommen, unb ob er
es oermute, mem er bag Seben in bem ©arten gerettet. 2)ag
letjte gibt er iljr burd) feine Slntroorten geroiffermaßen $u
oerfteljen, unb gugleidj, baß er für eben biefe $erfon me|r
empfinbe, alg er berfelben gu entbeden fid) erfüllten bürfe.
£)ie Königin ift auf bem fünfte, fidj il)m 31t erfennen ju
geben; bod) fiegt nod) ifyr ©tol$ über ir)re Siebe, ©ben fo
feljr tjat ber ©raf mit feinem ©tol^e $u fämpfen; er laun
fid) beg ©ebanfeng nid)t entmelpn, bafa ilm bie Königin
liebe, ob er fdjon bie ^ermeffenfjeit biefeg ©ebanfeng erfennt.
(2)aß biefe ©^ene größtenteils aug Sieben befielen muffe, bie
jebeg feitab führet, tft leidjt gu eradjten.) ©te Reifet tfjn geljen,
unb Ijeißt tljn Tüteber fo lange warten, big ber $an§ler il)in
bag patent bringe. @r bringt eg; fie überreicht eg tfym; er
bebanft fiel), unb bag (Seitab fängt mit neuem geuer an.
2)ie Königin. $£l)örid)te Siebe! —
@ffe£. ©itler Sßa^nfinn! —
3)ie Königin. Sßie blinb! —
(Sffer.. 2öie oermegen! —
2)ie Königin, ©o tief roillft bu, baß id) midj Ijerab=
feije? —
*) Que ya solo con miraros
Se el sucesso de la guerra.
**) No bastaba, amor tyrano, [SQ3ar e§ nid)t nenuo., tt)nmnifd)er
Una inclinacion tan f'uerte, 2ieue§gott, an einer fo ftarfen WeinunaJ
Sin que te ayas ayudado Wußte bit Dabei nod) bei- Umftunb be=
Del deberle yo la vida? bjtftid) fein, baß id) bit ba§ Se&en bet»
banfte? 3 im m ermann.]
StöetunbfedOjtgfteS 3tütf. 49
©ffer.. So l)od) millft bu, baj3 idj midj oerfteige?
Sie Königin. SBebcnfc, bafs id; Königin bin!
©ffer,. 33ebenfe, bafc id) Untertljan bin!
Sie Königin. 2)u ftüv^cft midj 6i§ in ben 2t&grunb, —
(Tffer. 3)u crfjcbeft mid) bis jur Sonne, —
Sic Königin. Dirne auf meine §o()cit 31t adjteii.
(i'f)e^. Dljne ineine SRiebrtgfeit 31t ermägen.
Sie Königin. 2lber weil bu meines §ergenS bidj
bemeiftert: —
@ffej. 216er weil bu meiner Seele bidj Bemächtiget: —
Sie Königin. So ftirb ba unb f'omm nie auf bie
Suttge!
0 f f e £. So ftirb ba unb fomm nie über bie Sippen!*)
Oft baö nidjt eine fonberbare 2lrt uon Untergattung?
Sie reben mit einanber; unb reben aud; ntdjt mit einanber.
Ter eine l)ört, mag ber anbere nidjt fagt, unb antwortet auf
bas, mag er nidjt gehört Ijat. Sie nehmen einanber bie
SBorte nid)t auä bem sDiunbe, fonbern aug ber Seele. dJlan
fage jebodj uid)t, bafj man ein Spanier fein muj$, um an
folgen unnatürlichen Eünfteleien ©efcjjmaä 311 finben. 9iod)
»or einige breifug 3aljren fanben mir Seutfdje eben fo tuet
Wefdjmarf baran; beim unfere Staats; unb §elbcnattionen
wimmelten bauon, bie in allem nad) ben fpanijdjen -äftuftem
flugefdjnitten maren.)
9?ad)bem bie Königin ben (Sffer. beurlaubt unb il)m be=
foljlcn, iljr balb mieber aufgumarten, gelten beibe auf oer=
fdjiebene Seiten ab unb madjen bem erften Sfufjuge ein (fnbe.
— Sie Stücfe ber Spanier, mie befannt, Ijaben bereu nur
brei, meldje fie Jornadas, ätogeroerfe, nennen. Störe aller;
älteften Stüd'e Ratten oiere: fie froren, fagt Sope be $ega,
auf allen meren mie ftinber; beim es maren aud) wivfiid;
*) Rein. Loco Amor — Cond. Necio impossible —
Rein. Que ciego — Cond. Que temerario —
Sein. Me abates a tal baxeza —
Cond. Me quieres subir tau alto —
Rein. Advierte, que soi la Reina —
Cond. Advierte, que soi vasallo —
Rein. Pues me bumillas ä el abysmo —
Cond. Pues me acercas a los rayos —
Rein. Sin reparar mi graudeza —
Cond. Sin mirar mi humilde estado —
Rein. Ya que te miro aca dentro —
Cond. Ya que en mi te vas entrando —
Rein. Muere entre el pecho, y la voz.
Cond. Muere entre el alma, y los labios.
Seffina, QBcvEe. XII.
50 §atmmrgifd)e ^Dramaturgie.
uocl) ®mber von ^omöbien. ^8troeg mar ber erfte, meldjer
bie nier Slufgüge auf brei braute, unb £ope folgte il)m barin,
ob er fcfjon bie erften ©tüde fetner Qugenb ober üielmeljr
feiner ^inbljeit ebenfalls in oieren gemacht fjatte. 2öir lernen
biefeg aus einer ©teile in be3 letjtern „leiten £unft, $omö=
bien 31t madjen",*) mit ber idj aber eine ©teile be§ Ger=
oantes in Söiberfprud) ftnbe,**) mo fid) biefer ben 9htfjm
anmaßt, bie fpanifdje ^omöbie oon fünf Elften, auS melcljen
fte fonft beftanben, auf brei gebracht gu Ijaben. ©er fpanifdje
Sitterator mag btefen SBBiberfprudt) entfdjeiben; id) miß mid)
babei nidjt aufhalten.
$ reimt* frdTjt0|trs §tüdu
SDen 8. ©ejember 1767.
SDie Königin ift oon bem Sanbgute ^urüdgefommen; unb
@ffe£ gleichfalls, ©obalb er in Sonbon angelangt, eilt er
nad) §ofe, um fid) feinen 2lugenblid oermiffen ju laffen. @r
eröffnet mit feinem (Sosmte ben ^netten 5Ift, ber in bem
fömglidjen <5d)loffe fpielt. (SoSme fjat auf SBefeljl be§ (trafen
fid) mit $tfrolen oerfel)en muffen; ber ©raf F)at Ijeimlidje
geinbe; er beforgt, menn er be§ yiatytö fpät uom ©d)loffe
get)e, überfallen 31t merben. (Ex Reifet ben GoSme, bie Sßiftolen
nur inbeS in ba3 3ltrimer ^er Bianca 511 tragen unb fie non
gloren aufgeben ^u laffen. 3uS^e^ binbet er bie Sd)ärpe
lo§, meil er gur Bianca getjen miH. 53lanca ift eiferfüdjtig;
bie ©d)ärpe lönnte il)r ©ebanfen mad)en ; fie fönnte fie Ijaben
moflen; unb er mürbe fie ifjr abfd)lagen muffen. Qnbem er
*) Arte nuevo de hazer Comedias, bie fid) binter be§ Sope Rimas befinbet.
El Capitan Virves, insigne ingenio,
Puso en tres actos la Comedia que äntes
Andava en quatro, como pies de nino,
Que eran entonces niiias las Comedias,
Y yo las escrivi de onze, y doze anos,
De a quatro actos, y de ä quatro pliegos,
Porque cada acto un pliego contenia.
[2)er Hauptmann S3irt>e§, ein ttorttefftidje§ ©enie, bvadjte bie Romöbie, bie üor=
ber nue ein $iub auf allen üieren ging, in brei Slfte. 2)enn früher toaren bie
ilomöbien binbet, unb icb fdjrieb in meinem elften unb jmölften Sfaljre foldje t>on
tuet Slften unb t>on öier 93ogen; benn jeber 9lft natym einen 33ogen ein.]
**) Sn ber Sßourebe 311 feinen lomöbien: Donde me atrevi a reducir las
Comedias ä tres Jornadas, de cinco que tenian.
[3d) unterfing mid) , bie lomöbien tion iljren früfjern fünf Elften auf brei ju
rebuäieren. 3 immer mann.]
JDreiunbfedjjigfteS Sttidf. 5J
jte bem (Soome %\xx SBermctljnmg übergibt , fommt S3(anca
baju. SoSme null fie gef(§nrittb oerftecfen : a&er eä fonn fo
gej<$romb nicf)t gefd&eljen, bau e§ 33(anca nicht merfcti füllte.
Sölanca nimmt ben ©rofcti mit fiel) jur Königin; imb (*fier
ermahnt im 2tbgeljen ben (Soome, roegett ber Schärpe reinen
SRunb 31t galten unb fie niemanben 31t geigen.
ßoömc Ijat unter feinen nnbern guten ©tgenfdjaften auef)
biefe, baf$ er ein (Srjplauberer ift. (5r f'ann fein ©eljetmmä
eine Stunbe bemafyren; er fürchtet, ein ©efd^toät im Seibe
bapon 311 befommen; unb ba§ Verbot bcö ©rafen l)at üjn
31t red)ter fielt erinnert, ba£ er fid) biefer ©efal)r bereits
fed)3unbbreifug Stunben auSgefe&t t)abc. *) (Sr gibt gtoren
bie $tftolen unb Ijat ben 9)lunb fdjott auf, ilrr aud) bie gan$e
©efdjidjte r>on ber maofierten £>ame unb ber Sd)ärpe 31t er=
3äl)len. £od) eben befinnt er fid), baf; e§ mol)l eine mite
bigere Sßerfott fein muffe, ber er fein (SefyeimniS juerft mit-
teile. G§ mürbe nidjt laffen, menn fid) glora rüfymen formte,
if)n beffen befloriert 311 baben. **) (Qd) muf$ r>on allerlei 3lrt
be§ fpanifdjen 2öif3e3 eine fleine $robe ein^uftec^ten fud)en.)
@o§me barf auf biefe mürbigere ^erfon nid)t lange marten.
23lanca mirb uon tr)ver ^eugierbe fiel $u fefjr gequält, baft
fie fid) nidvt fo balb als möglid) oon bem ©rafen losmadjen
Jollen, um 31t erfahren, mag Goome uorl)in fo rjaftig uor ilvr
31t oerbergen gefugt. Sie fömmt alfo fogleid) %uxüd, unb
nad)bem fie \v)n juerft gefragt, roanun er ntdjt fdjon nad)
Sdjottlanb abgegangen, rao!)in iljn ber ©raf fluiden mollen,
unb er tljr geantmortet, bafc er mit anbredjenbem ^Tage ab-
reifen merbe, oerlangt fie 31t miffen, ma§ er ba oerftedt halte?
Sie bringt in üjtt; bod) GoSme lägt nid)t lange in fid) bringen.
@r fagt itjr alles, mal er oon ber Sd)ärpe meif;, unb 33lanca
nimmt fie tfjm ab. £>ie 3Irt, mit ber er fid) feines ©eljeim;
niffeS entlebiget, ift äu^erft efel. Sein Ziagen mitl e§ nid)t
länger bei fid) behalten; es ftöftt iljm auf; eS fneipt if)n;
•) — Yo no me acordaba [3d) badfite nicfjt baran, e§ ju fagen.
De decirlo, y lo callaba, unb verfdmrieg e§; Jeitbem e§ mit aber cäS
Y como me lo encargo, @e^etmni§ amiertraut, möd)te id) t»or SSct«
Ya por decirlo rebiento. langen ^laljen , e» auSjuplaubern; benn
Que tengo tal propriedad, ba§ ift einmal meine Csigenjdjaft, hak eine
Que en un hora, 6 la mitad, ©e|d)id)te in einer Stunbe über einer tyaU
Se me bace postema im ciiento. ben (Stunbe bei mir 311m (Seidjmiire mirb.
**) Alla va Flora; mas no, [Sa fommt Jtora; aber nein, e§ muß
Sera persona mas grave — eine mürbigere 9ßerjon fein — ^(ora barf
No es bien que Flora se alabe fid) nidjt rübmen, mid) be§ ©e^eimniffeg
Que el cuento me desflorö. befloriert 311 fjaben. 3immcrmann-l
52 §amfatrf|iftf)c Dramaturgie.
er ftedt ben Ringer in ben §al§; er gibt e§ non ftdj; unb
um einen beffern ©efdjmatf roieber in ben 90Junb $u befommen,
läuft er gefdjrotnb ab, eine Outttc ober Dlioe barauf 31t
fanen. *) Bianca !ann au3 feinem oerrotrrten ©efdrruätje groar
nicr)t redjt fing werben ; fie nerfterjt aber bod) fo r>iel barauS,
baf3 bie ©crjärpe ba§ ©efcrjenf einer £)ame ift, in bie ©ffer.
verliebt roerben fönnte, roenn er e§ ntdjt fdjon fei. „£)enn
er ift bocr) nur ein Sttann," fagt fie. „Unb roerje ber, bie
i()re @l)re einem 3Jtotme anoertraut rjat! 2)er befte ift nodj
fo fdjlhnm ! " **) — Um feiner Untreue alfo guüorgufommen,
milt fie üjn je el)er je lieber heiraten.
SDie Königin tritt herein unb ift äufeerft niebergefdjlagen.
^Bianca fragt, ob fie bie übrigen §ofbamen rufen f oBC ; aber
bie Königin roil! lieber allein fein; nur Qrene folt lommen
unb vox bem 3^mmer fingen. SBIanca gel)t auf ber einen
Seite nadj Srenen ab, unb non ber anbern tommt ber ©raf.
(Sffer, liebt bie SBlanca; aber er ift el)rgei§ig genug, and)
ber Siebljaber ber Königin fein gu roollen. fer roirft fid)
biefen ©Ijrgetg felbft nor ; er beftraft ftdj beSroegen ; fein §erg
geljört ber Bianca; eigennützige Slbfidjten muffen e§ il)r nid)t
ent§ier)ert roollen ; unedjte ^onoemeng mufj feinen edjjten Slffeft
befiegen. ***) @r mill ftd) alfo lieber roieber entfernen, al3 er
*) Ya se me vierte a la boca [3a, c§ fommt mir fdjon gonj in ben
La purga — — 93hmb roa§ ift bal für ein «lieber«
O que regueldos tan secos träd)tige§ Wufftofeen! — Wein Wagen
Me vienen! terrible aprieto. — erträgt e§ nid)t; mafyrlid), e§ ift eine er-
Mi estomago no lo lleva; fdjrecflidje Qual, id) ftede ben Ringer t)in=
Protesto que es gran trabajo, ein, ba id) nun meinen ganzen
Meto los dedos. Wageninfyalt ausgebrochen unb ba§ ©e=
Y pues la purga he trocado, t)eimni§ r>on mir gegeben rjabe, t>om 9ln=
Y el secreto he vomitado fang bi§ jum Gnbe, unb ot)ne etmn§
Desde el prineipio hasta el fin, .umidjutaffen , fo fyabe id) einen foldjcu
Y sin dexar cosa alguria, ©fei befommen, bafj irl) fjingeften unb eine
Tal asco me diö al decillo, Quitte tierjerjren ober in eine Dlire beiden
Voi ä probar de un membrillo. miß.]
O a morder de una azeituna. —
'*) Es hombre al fin, y ay ! de aquella
Que a un hombre fiö su honor,
Siendo tan malo el mejor.
"*) Abate, abate las alas, [$ier)e, jiefy« bie ^yliigct ein, fliege
No subas tanto, busquemos mdjt ju I)od), lafj utti ein SBereid) au f=
Mas proporcionada esfera fudjen, voie e§ bcfdjränftcm fttuge jtemt.
A tan limitado vuelo. SSlanca ift eS, bie mid) (iebt, unb SBIanca
Blauca me quiere, y a Bianca ift e§, bie id) anbete; nmrum aber ent*
Adoro yo ya en mi dueno; ferne id) mid) Don einer fo ebetn Siebe
Pues como de amor tan noble um einc§ ehrgeizigen gtuedeS nriUcn i
Por una ambicion me alexo? $einc unedjte ßontienienj möge eine cd)te
No conveniencia bastarda Neigung befiegen. 3'in nur mann .]
Venza un legitimo afecto.
SreiunbfedOjigfteö «Stücf.
50
bic ßönigin gematjr wirb; unb bie Königin; als fie itjn er-
blid't, null iljm gleidjfattS ausweichen. Slbet fie bleiben beibe.
Snbem fängt Srene vox bem 3^mmcv an 3U fingen. 3ie
fingt eine Dtcbonbilla, ein t'teiueS Sieb oon uiev feilen, bejjen
Sintt biefer tft: ,,20111011 meine uevliebten klagen 511 beiner
Kenntnis gelangen, 0, fo laß bas 9Jiitleib, meldjes fie oers
bienen, 'cen Unwillen überwältigen, ben bu barübet empfinbeft,
bajj id) es bin, ber fie füljuet." 2)er Königin gefüllt t>as Sieb,
unb (i'ffer finbet es bequem, iljr burd; basfelbe auf eine »er*
ftedte SQBeife feine Siebe 311 erf'lären. @t fagt, eu Ijabe es
gloffieret, *J unb bittet um Gvlaubnis, ifjr feine ©loffe uor=
*) Sic Spanier fjaben eine 5lrt oon ©ebidjten, weld)e fie Glossas nennen. «Sie
uelnneu eine ober mehrere feilen gteidjfam juni Sterte unb erfüireu ober umfdjreiben
biefen 2crt jo , bajj fie bie 3e^en Klbft in biefe (hftärung ober Umjdjreibung
miebernm eiufledjten. ®en Stert Reißen fie Mote ober Letra unb bie Auslegung
inc-bejonbere Glossa, Weld)e§ benn aber aud) ber Diame bc§ ©cbidjt* überhaupt ift.
Vier lüfjt ber 2>id)ter ben 6ffej ha* Sieb ber Srene jum Mote madjen, ba» aus vier
feilen befteljt, bereu jebe er in einer befonbern itanje umjdjteibt, bie fidj mit ber
umfdmcbcnen Qeik fd)liefct. 3)aS ©anje ftebj jo auc- :
Mote.
Si acaso mis desvarios
Liegaren a tus umbrales,
La lästima de ser inales
Quite el horror de ser mios.
Glossa.
Auuque el dolor me provoca
Decir mis quexas, no puedo,
Que es mi osadia tan poca,
Que entre el respeto y el miedo
Se nie mueren en la boca;
Y assi non llegan tan mios
Mis males a tus orejas.
Porque no hau de ser oidos
Si acaso digo mis quexas,
Si acaso mis desvarios.
El ser tan mal explicados
Sea su mayor indicio,
Que trocando en mis cuidados
El silencio, y vos su oficio,
Quedarän mas ponderados:
Desde oy por estas senales
Sean de ti conoeidos,
Que sin duda son mis males
Si algunos mal repetidos
Liegaren a tus umbrales.
Mas ay Dios! que mis cuidados
De tu crueldad conoeidos,
Aunque mas acreditados,
Seran menos adquiridos,
Que con los otros mezclados:
Porque no sabiendo a quales
Mas tu ingratitud se deba
Viendolos todos iguales
[SRotto.]
[SS e n n e t w a m e i u e $ a f e l e i e n
3 u b e i n e r S d) w e 1 1 e gelangen, j o
möge ba§ 33ebauern i tj r e § Un=
werte» b i d) oon b e m S i) r e et e u
b a r ü b e r befreien, b a jj f i e x> o n m i r
r o m m e n.
© 1 o f i e :
Sßenn auch, ber ednner-) mid) baju
antreibt, bennag id) bod) meine Klagen
nid)t au5juipred)en; benn fo gering ift
meine Kühnheit, baß jene mir jtoifd)en
Ukreljruug unb gurd)t im Dtunbe fterben,
unb fo erreichen meine Seiben nidbt bein
Cbr, wenn id) etwa meine Klagen aus=
fpredje, wenn etwa 311 beiner Schwelle ge=
langen meine fy a{ el eien.
Sie UugeidHtftidjfeit be§ 9lu*brude-:-
möge ben Stielt am fidjerften beglaiu
lugen; benn ia in meinem §arme Sd)mei=
gen unb SReben tljre IRolIeu t>ertaujd)ten,
werben meine Söorte um fo mehr inS
©emid)t fallen. 3>on bleute an mögeft bu
fie baran al§ bie meinigen erfenneit, wenn
einmal fdblecbt auSgebrüdte Seiben 3U
beiner ©djwelle gelangen.
9lber, 0 ©Ott! meine Sorgen, »on
beiner ©raufamfeit erlannt, werben, ob=
wobt beffer beglaubigt, weniger angenom=
nten, fie werben öiehneljt mit anbern t>er=
mengt werben; benn ba bu nid)t Weißt,
wem cor allen beine Uubanfbarfeit biefe
Klagen fdmlbet, fo muß, ba bu üe als
gleid) erfenneft, bid) notwenbig für aüe
Fuerza es que en commun te mueva bewegen b a § 33 e b a u e r n i l; t e ■:• U \\*
La lästima de ser males. Wertes.
fagen 311 bürfen. 3U biefer (Gloffe befdjreibt er fid) at§ ben
gärtlid^ften Siebfyaber, bem eg aber bie ©(jrfurdjt Derbtete, fid)
Dem geliebten (Gegenftanbe gu entbed'en. £)ie Königin lobt
feine $oefie, aber fte mißbilliget feine 2lrt, 51t lieben. „Sine
Siebe/' fagt fte unter anbeut, „bie man nerfdnneigt, fann
nid)t grof$ fein ; benn Siebe roädjft nur burd) (Gegenliebe, unb
ber (Gegenliebe madjt man fid; burd) baö Sdjroeigen mut=
willig uerluftig."
$termtDfedj?tgfte$ *frtüdu
©en 11. SDesember 1767.
SDer (Graf nerfeijt, ba£ bie nolllommenfte Siebe bie fei,
weldje feine SMoijnung erwarte, unb (Gegenliebe fei S3elol)=
nung. Sein ©ttllfdjmeigen felbft ntadje fein (Glüd; benn fo
lange er feine Siebe nerfdjweige, fei fie nod) nnuerworfen,
fönne er fid) nod) uon ber fügen SBorftetfung tättfdjen laffen,
baß fie nietleid)t bürfe genehmiget werben. 2)er Unglücfiidje
fei glüdlidj, fo lange er nodj nidjt wiffe, wie unglüd'lid) er fei. *)
En mi este afecto violento Sn mit bringt bie ©fcröbigfeit beiner
Tu hermoso desden le causa; ©d)öne biefe geroattige SBirfung f)ert)or;
Tuyo, y mio es mi torrnento ; meine dual gehört bir unb mir : bir, roeit
Tuyo, porque eres la causa; bu bie Urfadje bift; mir, loeit id) fie
Y mio, porque yo le siento: empfinbe; Saura, beiue§ärte möge roiffen,
Sepan, Laura, tus desvios ^a% meine dual itjr angehört; unb in
Que mis males son tan suyos, meinen fiitmen $afeleien möge ber 9lnteit,
Y en mis cuerdos desvarios ben bu an benfetben tjaft, fie tion bem
Estos que tienen de tuyos <5d)retfen bar übe r befreien, bafj
Quite el horror de ser mios. fie üon mir fommen.
3 immer mann.]
©§ muffen aber eben nid)t alle (Stoffen fo ftnnmetrifd) fein al§ biefe. 9Jtan twt alle
gretljeit, bie ©tanjen, bie man mit ben Reiten be§ 9Jlote fdjtiefet, fo ungleid) gu
madjen, al§ man null. HKan braudjt aud) nidjt alle feilen einjufledjten; man fann
fid) auf eine einzige einfdn-änten unb biefe metjr al§ einmal mieberbolen. Uebrigen§
gehören biefe ßMoffen unter bie altern (Gattungen ber fnanifdjen Spoefie, bie nad) bem
JöoScan unb ©arcitaffo jiemtid) au§ ber 9Jtobe gekommen.
*) — — El mas verdadero amor
Es el que en si mismo quieto
Descansa, sin atender
A mas paga, o raas intento :
La correspondencia es paga,
Y tener por blanco el precio
Es querer por grangeria.
Dentro esta del silericio, y del respeto
Mi amor, y assi mi dicha esta segura,
Presumiendo tal vez (dulce locura!)
Que es admitido del mayor sugeto.
Dexandome enganar de este coneepto,
Dura mi bien, porque mi engano dura;
Necio serä la lengua, si aventura
33ienmbjecf)3igfte6 ©tücf. 55
2)ie Königin miberlegt biefe «Sopljtfteveien alä eine Sßevfon,
bev felbft bavan gelegen ift, ba& CS'ilcr ntd)t länger bamad)
Ijanble; unb @fier, burdj btefe SBiberlegung erbretftet, ift im
SBegriff, baö 33efenntni3 511 wagen, oon welchem bte Königin
behauptet, bafc es ein SiebljaBer auf alle 2öeife wagen müfje,
al§ ©lanca Ijeveintritt, ben §ei*3og an&umelben. 2)iefe (ir-
fdjeiuung bev SBlanca bewirft einen uon ben Jonberbarften
Xljeaterftrei<$en. 3)enn Sölanca fjat bie Schärpe um, bie fie
bem (Soomc abgenommen, weld&eg $wat bie Königin, aber
nidjt (Sfiag gewaljr wirb.*)
Un bien que esta seguro en el secreto. —
Que es feliz quien no siendo venturoso
Nunca llega ä saber, que es desdiebado.
[2)ie ed)tefte Siebe ift bie, meldje fid) felbft genug ift, obne anbeven 2obn ju
ermatten ober nad) anbeten QieUn ju ftreben; bte (nmibeiimg ift bei Sotm, unb
ben SßteiS 3um 3iele nehmen, beißt: au» bev Siebe einen GsrroerbgjtDeig madben.
Weine Siebe t)ä(t fid) innerhalb beS Sd&toeigenS unb ber (vljrfurdit,
unb baber ift mein föliief gefidjert , toenn id) mir t>icUeid)t einbitbe, baß fie (o jüfce
Sttjorbeit) dou ber bödjftftetjenbeu ^erfönlidjfeit angenommen mirb. Söenn id) mid)
bnrd) biefe Wnnabme tüufdjen laffe, bauert mein ©tiief, rceü meine Säufdjung
banert. 2l)örid)t ift bie gütige, Nenn fie ein ®Iu* auf^ Spiet fetjt, bae im ©e*
beimniffe fidjer ift. 2)enn gtüdüd) ift, toet, wenn er unglüdlid; ift, eö niemals
erfahrt. 3-1
*) Por no morir de mal. quaudo
Puedo morir de remedio,
Digo pues, ea, ossadia,
Ella me alentö, que temo? —
Que sera bien que a tu Alteza —
(Säle Bianca con la vanda puesta.)
Bl. Senora, el duque — Cond. A mal tiempo
Viene Bianca. Bl. Estä aguardando
En la antecamara — Rein. Ay, cielo !
Bl. Para entrar — Rein. Que es lo que miro!
Bl. Licencia. Rein. Decid; — que veo ! —
Decid que espere; estoi local
Decid, andad. Bl. Ya obedezco.
Rein. Venid aeä, volved. Bl. Que manda
Vuestra Alteza? Rein. El dano es cierto. —
Decidle — no ay que dudar —
Entretenedle un momento —
Ay de mi! — mi entras yo salgo —
Y dexadme. Bl. Que es aquesto?
Ya voi. Cond. Ya Bianca se fue,
Quiero pues volver — Rein. Ha zelos !
Cond. A declararme atrevido,
Pues si me atrevo, me atrevo
En fe de sus pretensiones.
Rein. Mi prenda en poder ageno?
Yive dios, pero es vergüenza
Que pueda tanto un afecto
En mi. Cond. Segun lo que dixo
Vuestra Alteza aqui, y supuesto,
Que cuesta cara la dieba,
Que se compra con el miedo,
Quiero morir noblemente.
56 §amburgifd)e Dramaturgie.
©ffeg. ©o fei e§ gemagt! — grijd)! Sie ermuntert
niid) felbft. Sßarum null id) an ber ^rant'fjett fterben, menu
td) an bem Hilfsmittel fterben fanu? 3Sas fürchte id) uodj? —
Königin, ruanu beim alfo, —
SBlanca. 5Der §er$og, S^ro 9ttajeftät, —
ßffej. Bianca formte nidjt ungelegener f'ommen.
531 an ca. SBartet in bem ^or^immer, —
2)ie Königin. 2llj! §immel!
231 an ca. Stuf Erlaubnis, —
£)ie Königin. 2öa§ erblide id)?
Bianca. £ereintreten gu bürfen.
2)ie Königin. <Sag' ifjm — 3öa§ fei)' td)! — Sag1
iljm, er fotl märten. — Qd; f'omme non ©innen! — ©ejj,
fag1 iljm ba3!
Bianca. Qdfj geljordje.
3)ie Königin. Ötetb! $omm rjer! nätjer ! —
Bianca. 2Öa§ befehlen Sfjro Sttajeftät? —
2) ie Königin. D, gan^ gewiß! — Sage iljm — @§
ift fein gmeifel meljr ! — ©efj, unterhalte it)n einen 2lugen=
Mief, — 2öel) mir! — 33ig td) felbft ju iljm Ijerausfomme.
©efj, laß midj!
Bianca. 28a3 ift ba3? — Sdj gel)e.
@ffe£. ^Bianca ift meg. 3d) ^aun mm lieber ]oxU
faljren, —
®ie Königin. §a, (Siferfudjt !
@ffe£. Wii<fy ^u erflären. — 2öa3 ic§ mage, mage id)
auf il)re eigene Ueberrebung.
S)ie äönigin. 9Jiein ©efeljenf in fremben §änben!
93ei ©ott! — Slber id) muß midj fdjämen, baß eine £etbcn=
fdjaft fo niel über mid) vermag!
@f f ej. Söenn benn alfo, — mie $t)xe ^flajeftät gejagt, —
unb mie id) einräumen muß, — ba§ ©lud, meines man
burdj gurdjt erfauft, — fe^r teuer gu ftel)en fömmt ; — menn
man niel ebler ftirbt: — fo miU audj id), —
2)ie Königin. 2öarum fagen ©ie ba£>, ®vnf?
@ffej\ 2öeil id) Ijoffe, baß, mann id) — Söarum füvdjte
Rein. Porque lo deci's? Coiid. Que espero,
Si ä vuestra Alteza (que dudo !)
Le declarasse mi afecto,
Alguu amor — Hein. Que decis?
A mi? como, loco, necio,
Conoceisme? Quien soi yo?
Decid, quien soi? que sospecho,
Que se os huyö la memoria. —
aHeruttbfedjjigfteS <5tütf. 57
idi mid) nodj? — wann idj Qfyro ÜRajcftät meine Seibenfdjaft
befennte, — baj$ einige Siebe —
$)ie ßÖnigitt. 3BaS fagen Sie ba, ©raf? 2tti mid)
virf)tet fiel) baö? 2Öie? £f)or! "Unfinntger! Hennen Sie mid)
audi? SEBifjen ©ie, wer idj bin? Unb mer Sie jinb? 3d)
mufj glauben, bajj (Sie ben SBerficmb ocrlorcn. —
Unb l"o fallen Sfjro Sföajeftät fort, ben armen (trafen
auojufcnfteni, bafe e3 eine %xt bat! Sie fragt üjn, ob er
nid)t roifje, rote weit ber §immel über alle menfdjlidje &x-
fredjungen ergaben fei? Cb er niebt uuffe, baf$ ber ©tunw
winb, ber in ben Dlijmp bringen motte, auf falbem 2öege
^uvütfbraufen muffe? Ob er uidjt miffe, baft bie fünfte,
weldje fid) jur Sonne erl)ü6en, oon iljren ©trollen gerftreuet
mürben? — 2Ber oom §immel gefallen 31t fein glaubt, ift
(iifer. ßr gtefjt fid) befdjämt gurürf unb bittet um SÖerjeifjimg.
£)te Königin befiehlt i^m, il)r 2(ngeftd)t 51t meibeu, nie iljren
\L'a(aft mieber 3U betreten unb fid) glüdlid) 511 fdjarum, baft
fie iljm ben S\opf faffe, in weldjem fid; fo eitle ©ebanfen
erzeugen fötmen.*) Qtx entfernt fid); unb bie Königin gel)t
gtcid)fallö ab, uid)t orjne im§ werfen 511 laffen, wie wenig
ifjr §er,$ mit iljren Sieben übereiuftimme.
Sßlanca unb ber §er^og lommen an iljrer ©tatt, bie
SBüfme 31t füllen. Bianca Ijat bem §ergoge e§ frei geftanben,
auf welchem gufee fie mit bem ©reifen ftelje; ba§ er notwenbig
ibr ©emaf)l werben muffe, ober i f) r e ßrjre fei oertoren. 2>er
.^erjog faftt ben @ntfd)luf$, ben er wol)l faffen mufj: er will
fid) feiner Siebe entfd)lagen ; unb iljr Vertrauen 31t oergelteu,
oerfprid)t er fogar, ficrj bei ber Königin ifjrer an3iinel)men,
wenn fie il)r bie 3ßerbinblidjf'eit, bie ber ©raf gegen fie l)abe,
entbeden molle.
2)ie Königin lommtbalb in tiefen ©ebanfen wieber gurüd.
©ie ift mit fid) felbft im ©freit, ob ber ©raf audj moljl fo
fd)ulbig fei, al3 er fdjeine. $ielleid)t, baf$ e3 eine anbere
Sdjürpe mar, bie ber irrigen nur fo äfmlid) ift. — 2)er
^er^og tritt fie an. (£r fagt, er fomme, fie um eine ©nabe
51t bitten, um meldje fie aud) 3ugleid) 53lanca bitte. ^Bianca
werbe fid) näf)er Darüber erllären; er molle fie jufammen
allein laffen; unb fo lägt er fie.
*) — — No me veais,
Y agradeced el que oa dexo
Cabeza, en que se engendraron
Tan liviauos pensamieiitos.
2>ie Königin roirb neugierig unb 33lanca nerroirrt.
©nblid) entfdjliefct fidj 33lanca, gu reben. Sie roill rüdjt
länget* uon bem ueränberlidjen SßiHen eines 5Ranne§ ah-
fangen; fie null eö feiner !Red;tfd;affenF)eit nidjt länger an;
Ijehnfteuen, roa3 fie burd) ©eroalt erhalten lann. 6ie flel)t
bie ©lifabetl) um 9Jtitleib au, bie (SlifaBetlj, bie grau; nid)t
bie Königin. 2)enn ba fie eine ©d^road^rjett tr)reö ©efd)led()t§
befennen muffe : fo fudje fie in iljr uidjt bie Königin, fonbern
nur bie grau.*)
^ünfunöfjedjjt0|ie5i gtiitlu
2)en 15. SDejember 1767.
3)u? mir eine ©djroadjfjeit? fragt bie Königin.
33 lau ca. ©djmeidjeleien, ©eufger, Sieblofungen unb
befouberg Tratten finb uermögeub, aud) bie reinfte Stugeub
51t untergraben. 2öie teuer lömmt mir biefe @rfafjrung $u
fteljen! 2)er ©raf —
3)ie Königin. £>er ©raf? 2Ba3 für ein ©raf? —
Bianca. 33 on ©ffeg.
2)ie Königin. 2öa§ Ijöre idj?
Bianca. (Seine r>erfül)rerifd)e 3ärtlid)feit —
3)ie Königin. SDer ©raf non @ffe^?
33 lau ca. @r felbft, Königin. —
2)ie Königin (beifeite). Qcfy bin be§ £obeg! — 9hm?
roeiter!
33 lau ca. 5$ gittere. — Wein, id; barf e§ nid)t roagen —
*) Ta estoi resuelta;
No a la voluntad mudable
De un liombre este yo sujeta,
Que aunque no se que me olvide,
Es necedad, que yo quiera
Dexar ä su cortesia
Lo que puede hacer la fuerza.
Gran Isabella, escuchadme,
Y al escucharme tu Alteza,
Ponga aun mas que la atenclon,
La piedad con las orejas.
Isabella os he llamado
En esta ocasion, no Reina,
Que quando vengo a deciros
Del houor una flaqueza,
Que he hecho como muger,
Porque mejor os parezca,
No Reina, muger os busco.
Solo muger os quisiera. —
[3cb bin entfcbloffen. 9Ud)t bem
toanfefmütinen SöiHett eines 9JtanneS man
id) mid) unterwerfen; unb wenn id) aud)
nicht Weife, ob er midi öcrgeffeu Wirb, mit!
id) bod) jeiner ©efätiinfeit nid)t überladen,
was id) burd) ©ewalt erreichen fann.
ßhofee (SUfabetb, bort mid) an unb toer*
binbet mit bem 5Inbören nod) metjr 5)tit=
leib als Slufmcrffamfeit. 3d) habe (Such
bei biefer ©elegenbeit (Süfabetb n<mannt,
nid)t $öninin; beim inbem id) (lud) eine
©d)Wad)beit neftehen Witt, bie id) atS grau
benanneu habe, fud)e id) in (Sud), bamit
Shr mid) milber beurteilt, nid)t bie Stö=
nigin, fonbern bie grau, unb nur bie
grau. 3.]
<yünfunbfed)tfflfte§ ©tücf. 59
3)ie Äötttgtn madjt iljr SDlut unb lotft if>v nad) unb nad)
meljr ab, alo Bianca ut faaeti brauchte; roeit me|r, alo (te
felbft ju boren uuinfdjt. 8ie Ijöret, roo unb mie ber ©raf
glücflidj geroefen;*) unb als fie enblid) aud) Ijöret, baf$ er il)i
bie @lje oerfprodjen unb baf? SSIanca auf bie (Erfüllung biefeä
SBerfpredjenS bringe, fo bridjt ber fo lange jurficfgeljaltene
(Sturm au\ einmal au§. Sie oerlioljnet bao letd)tgläubige
üDtäbdjen auf baS empftnblidjfte unb uerbietet iljr fd)(ed)ter=
bingS, an ben ©rafen roeiter 31t beulen. Bianca errät ol)ne
Wlüfye, bajj biefer @ifer ber Königin (2ifer)ud;t fein muffe,
unb gibt e§ if>r 31t oerfteljen.
feie Königin, ©iferfudjt? — SRein; blofc beine 2Iuf=
ffiljrung entrüftet mid). — Unb gefegt, — ja, gefegt, id) liebte
Den ©rafen. Senn id) — 3d) ^)u liebte, unb eine anbere
märe fo oermeffen, fo tljöridjt, Ujn neben mir 311 lieben, —
ma§ fage id), 31t lieben? — if)it nur ai^ujeljen, — was jage
id), ai^ufefjenV — fidf> nur eine ©ebanle uon ibm in ben ©inn
lommen 311 laffen: baö feilte biefer anbem nidjt bas Seben
f'often? — S)u fieljeft, mie fef>r mid) eine blofj oorau§gefe$te,
erbidjtete Gtfcrfudjt aufbringt; urteile barau§, ma§ id) bei
einer magren tfjun mürbe. $$t ftefle id) mid) nur eifers
füdjtig; l)üte btdj, mid) e3 roirflidj 311 machen!**}
*) Bl. Le llame una noche obscura —
Bein. Y vino a verte? BL Pluguiera
A Dios, que no fuera tanta
Mi desdicha, y su tineza.
Vino mas galan que nunca,
Y yo que dos veces ciega,
Por mi mal, estaba entönces
Del amor, y las tinieblas —
[SSI. 3f$ rief U)n in einer bunfeltt «Ra*t. — $ölt. Unbev!am? — ißt. SBotlte
©Ott, mein Uugtücf unb feine Siebe toaren nidfjt fo a.rofj getoefen. 6t tarn, tiev»
liebter al§ je, unb id), bamals bo^ett blinb au» Siebe, unb bie ©unleHjeit — 3-1
**) Bein. Este es zelo, Blauca. Bl. Zelos,
Anadiendose una letra.
Bein. Que deci's? Bl. Senora, que
Si acaso possible fuera,
A no ser vos la que dice
Essas palabras, dixera,
Que eran zelos. Bein. Que son zelos?
No son zelos, es ofensa
Que me estais haciendo vos.
Supongamos, que quisiera
A el Conde en esta ocasion:
Pues si yo a el Conde quisiera
Y alguna atrevida, loca
Presumida, descompuesta
Le quisiera, que es querer?
Que le mirara, o le viera;
60 §ctmBurgtftf)e Dramaturgie.
9Jftt biefer SDrolnmg geljt bie Königin ab unb läftt bie
53lauca in ber äufeerften Verzweiflung. SDiefeS fehlte nod)
gu ben 23eleibigungen, über bte ftdj ^Bianca bereits nt beflagen
fyatte. 2)ie Königin l)at ifjr Vater unb Vruber unb Ver-
mögen genommen, unb nun mifl fie tljr aud) ben (trafen
nehmen. SDte 9^ad;e mar fdjon befd)loffen; aber marum folt
Vlanca nod) erft raarten, bis fie ein anberer für fie oolljieljt?
Sie roid fie felbft beroerlftelligen , unb nod) biefen Slbenb.
2IlS Kammerfrau ber Königin ntufj fie fie aus! leiben Reifen;
ba ift fie mit iljr allein, unb eS fann tljr an Gelegenheit nicr)t
feljlen. — Sie fteljt bie Königin mit bem Kanter mieber-
i'ommen unb gel)t, fiel) ^u ibrem Vorhaben gefaxt ^u machen.
2)er Kanter l)ält uerfdjiebne Vrieffdjaften, bie il)m bie
Königin nur auf einen £ifd) ^u legen befiehlt; fie roiH fie
oor Schlafengehen nod) burd)fej)en. £)er Kanter ergebt bie
auf$erorbentlid)e Söadjfamfeit, mit ber fie ifyren $etdjsgefd)äften
obliege; bie Königin erfennt eS für il)re $ßflid)t unb beurlaubet
ben Kanter. 9hm ift fie allein unb fetjt fiel) $u ben papieren.
Sie mill fid) iljreS oerliebten Kummers entfc^lagen unb an-
ftänbigem (Sorgen überlaffen. Slber baS erfte Rapier, roaS
fie in bie §änbe nimmt, ift bie Vittfdjrift eines ©rafen $elir.
ßineS ©rafen! „Wu$ es benn eben," fagt fie, „t>on einem
©rafen fein, raaS mir guerft oorfömmt!" tiefer gug ift oor=
trefflid). 2luf einmal ift fie roieber mit teurer ganzen Seele
bei bemjenigen ©rafen, an ben fie itjt uid)t benlen mollte.
Seine Siebe $ur Vlanca ift ein Stapel in iljrem §er$en, ber
if)r baS 2eben ^ur Saft mad)t. Vis fie ber £ob oon biefer
harter befreie, mill fie bei bem Vruber beS SobeS Sinberung
fuc^en, unb fo fällt fie in Sdjlaf.
Snbem tritt Vlanca l)erein unb l)at eine non ben $iftolen
beS ©rafen, bie fie in ifyrem Seiner gefunben. 0£)er £>id)ter
Ijatte fie ^u anfange biefeS 211'tS nidjt oergebenS bal)in tragen
Que es verle? No se que diga,
No liai cosa que menos sea —
No la quitara la vida?
La sangre no la bebiera? —
Los zelos, aunque fingidos,
Me arrebataron la lengua,
Y dispararon mi enojo —
Mirad que no nie deis zelos,
Que si fingidos se altera
Tanto mi enojo, ved vos,
Si fuera verdad, que hiciera -
Escarmentad eu las burlas,
No me deis zelos de veras.
^ünfunbfedfoigfteä ©tücf. Gl
uiflen.) Sie fmbet bie Monigui allein unb entfdjlafen: roao
\l\x einen bequemem ^ugenftief tonnte fic ftd) roünfdjjen?
xHbcr eben Ijat ber ©vaf bie SManca gefugt unb fic in iljiem
3immer nidjt getroffen. Dljne 3u>ftfcl ä^ät wan, roaS nun
gefd)iel)t. @r fömmt alfo, fic hjer 31t fndjen ; unb tommt eben
iiod) guredjt, ber SBIonca in ben mörberif<$en xHrm &u falten
unb il)r bie Sßiftole, bie fie auf bie Königin fdjon gefpannt
hat, gu entreißen. Snbem er aber mit ttjr ringt, geljt ber
Schüfe to§; bie Königin euroadjt, unb attc3 tömmt auo bem
8d)lofje [)er:mgelaufen.
i)ie Königin (im ettoo^en). §a! 2öa3 ift bas>?
2) er bängter. §erbei, tjerbei! 3öa§ roar baö für ein
Mnall in bem $ immer ber Königin? 3ßa§ gejdjiefjt j)ier?
©ff er (mit ber ^siftoic in ber .spaub). ©raufainer Quiall !
3)ie Königin. 2öa§ ift ba§, ©raf?
effer. 2Öaö foll id) ttjun?
Tic Königin. 33Ianca, roasi ift ba3?
33 tan ca. -mein Sob ift gennfj!
(i'ffeg. 3n meldjer SSermirrung befinbe id) mid)!
2) er Rangier. 2öie? ber ©raf ein Verräter?
Gffer, (Beifeite). SIÖ03U fotl id) mid) entfdjliefjen? Sdjroeige
idi, fo fällt ba§ S>er6redjen auf mid). Sage id) bie 2Ba[)r=
bett, fo merbe id) ber nidjtäroürbige SBerf läger meiner (be-
liebten, meiner ^Bianca, meiner teuerften S3(anca.
2)ie Königin, Sinb Sie ber Verräter, ©raf? 33ift
bu e§, 23lanca? 2ßer oon eud) mar mein fetter? 10er mein
Sttörber? :)Jiid) bünft, id) fjörte im Schlafe eud) beibe rufen:
Sßerräterin! -Verräter! Unb bod) fann nur eines oon eud)
biefen Tanten oerbienen. Sßenn eine§ oon eud) mein 2ebtn
fua)te, fo bin id) es> bem anbern fd)itlbig. SBem bin id) e3
fdntlbig, ©raf? 2Ser fud)te eä, SBIancaV Sfyr fdjroeigt? —
üEßoljl, fdjroeigtnur! 3d) roilt in biefer Ungettrif$eit bleiben;
id) roitt ben Unfd)ulbigen nid)t miffen, um ben Sd)ulbigeu nid)t
§u fennen. 9?ielleid)t bürfte e§ mid) eben fo feljr fdjmergen,
meinen S3efdjü|er 31t erfahren, al§ meinen geinb. 3dj roitt
ber ^Bianca gern if>re SSerräterei oergeben, id) roitt fie iljr
oerbanfen, roenn bafür ber ©raf nur unfd)u(big war.*)
*) Conde, vos traidor? Vos, Bianca?
El juicio estä indiferente,
Qual me libra, quäl me mata.
Conde, Bianca, respondedme!
Tu ä la Beina? tu ä la Beina?
Oid, aunque confusamente:
62 QambuvQi)tye äjramaturgte.
xHber ber bängter fagt: wenn es bie Königin fdjon Ijierbei
wolle bemenben laff ert ; fo bürfc er es bod) nidjt; bas Skr*
brechen fei 511 grog; fein 2lmt erfobere, es §u ergrünben,
befonbers ba aller 2lnfd)ein jidj mtber ben ©rafen erf'läre.
3)ie Königin. £)er Äan^ler fyat Sföedjt; man mufj es
unterfudjen. — ®raf, —
©ffe£. Königin! —
2)ie Königin. Sßefennen Sie bie SSaljrljeit! — (»eijeite.)
216er wie fefjr fürchtet meine Siebe, fie $u l)öreu! — 3ßar
es Bianca?
©ffer,. Sd; Unglüdlidjer!
2)ie Königin. sIöar es SBlanca, bie meinen Xob wollte?
(Sffer,. 9cein, Königin; Bianca mar es nidjt.
2)ie Königin, ©ie maren es alfo?
(Sffer,. ©djred'lidjes ©djidfal! — 3$ lüeife nid)t.
2)ie Königin, ©ie wiffen es nid)t? — Unb mie fömmt
biefes mörberifdje 2Berfgeug in Qfyre §anb? —
£)er ©raf fd)meigt, unb bie Königin befiehlt, ifjn nadj
bem Corner 31t bringen. 23lanca, bis fid; bie &aü)e mel)r
aufhellt, fott in tljrem ^immer bemalt werben, ©ie werben
abgeführt, unb ber groeite Slufeug fdjliefet.
Ha, traidora, dixo el Conde;
Bianca, dixo : Traidor eres.
Estas razones de entrambos
A entrambas cosas convienen:
Udo de los dos me libra,
Otro de los dos me ofende.
Cou de, quäl me daba vida?
Bianca, quäl nie daba muerte?
Decidme ! — no lo digais,
Que neutral mi valor quiere,
Por no saber el traidor,
No saber el iunocente.
Mejor es quedar confusa,
En duda mi juicio quede,
Porque quando mire ä alguno,
Y de la traicion me acuerde,
A pensar, que es el traidor,
Que es el leal tambien piense.
Yo le agradeciera a Bianca,
Que ella la traidora fuesse,
Solo a trueque de que el Conde
Fuera el, que estaba innocente. -
'wi u;viui«.' 1 1 vij vi^ iii v >— '* im •
2)en 18. SDeäembcr i
Der biitte Suifgug fängt fiel) mit einet fangen Monologe
ber Königin an, bie alten Sdjavffinu bei Siebe aufbietet, ben
©rafen unfdfjulbig 311 finben. 2Me ÜBiefleidjit werben nidjt
gefparet, um il)n meber als" tfjren SÖlörber, nod) als ben ^ieb=
fyaber ber Bianca beuten 31t bürfen. Sefonbers t^ef)t fie mit
ben SBorausje^ungen miber bie Bianca ein wenig fetjr meit;
fie beult über biefen $unft überhaupt lange fo ^ärtticl) unb
ftttjam nidjt, als mir es moljt münfeljen möchten, unb als fie
auf unfern Sweatern benfen müfete.*)
@s fommen ber §er$og unb ber .Hanger: Jener, ifjr
feine greube über bie glüdlidje Grljaltung il)rcs Gebens )\x
bezeigen; biefer, il)r einen neuen S8en>ei§, ber fiel) miber ben
Gjjer äujjert, oorjulegen. 2luf ber ^iftole, bie man ü)m aus
ber §anb genommen, [tefjt fein SRame; fie gehört il)m; unb
raem fie gehört, ber f)at fie unftreitig audj braudjen mollen.
i)od) nicf)ts fct)einet ben (Sffer unnubei-|pred)lid)er 31t uer=
Dämmen, als mas nun erfolgt. (Sosme f)at bei anbredjenbem
%age mit bem benmfeten ^Briefe nad) Sdjottlanb abgeben
motten unb ift angehalten morben. Seine "Keife fiel)t einer
gluckt feljr äl)nltd), unb eine foldje ghtdjt läjjt uermuten, bafe
er an bem SSerbredjen feines §erm Anteil tonne gehabt fjaben.
(Sr rcirb alfo oor ben Rangier gebraut, unb bie Königin be-
fieljlt, il)n in il)rer ©egenmart 31t oerl)ören. 2)en %sm, in
meldjem fiel) (Sosme rechtfertiget, fann man leidjt erraten. @r
raeifi oon nichts; unb als er fagen fott, roo er l)ingemoltt,
läfjt er fief) um bie 2Sat)r^ett nidjt lange nötigen. (£r geigt
ben Srief, ben if)m fein ©raf an einen anbern trafen nad)
(Ecf)ottlanb 3U überbringen befohlen, unb man meif$, mas biefer
*) No pudo ser que mintiera
Bianca en lo que me conto
De gozarla el Conde? No,
Que Bianca no lo fingiera:
No pudo haverla gozado,
Sin estar enamorado,
Y quando tierno, y rendido,
Entönces la haya querido,
No puede haverla olvidado ?
No le vieron mis antojos
Entre acogimientos sabios,
Mui callando con los labios,
Mui bachiller con los ojos,
Quando al decir aus enojos
Yo su despecho rem?
[Jionnte nicht üietteiebt SStnnca lügen,
ba fie mir er^ärjtte , baß ber ©raf fid)
ihrer legten ©unft erfreut habe*? 9iein!
SÖtanca ruürbe e§ nicht erfinben. Staun
er nicht gUidtid) bei ihr geroefen fein,
ohne »erhebt ju fein, unb fann er nicht,
loenn er fie aud) in ber gärtüdjfeit be»
©enufjes geliebt hat, fie öergeffen haben1?
Öobe id) ihn nicht, roeun id) ihn empfing,
fehr fdjiueigfam mit ben ÜMppen unb fehr
berebt mit ben klugen gefeiten, menn er
mir feinen Uiecbrufj Uagte unb id) feinen
3orn Malt? 3.]
64 $antburgjfdf)e Dramaturgie.
Srief enthält. Gr wirb gelefen, unb (Eosme erftaunt nidjt
wenig, als er l)ört, moljin es bamit abgefeljen gewefen. 216er
nod) mefjr erftaunt er über ben <2d)lufe besfelben, worin ber
Ueberbringer ein Sertrauter fyeifet, burdj ben Roberto feine
Antwort fid;er beftellen fönne. „2ßas Ijöre id)?" ruft (Sosme.
„gcr) ein Sertrauter? Sei btefem unb jenem! id) bin fein
Sertrauter; id) bin niemals einer geraefen unb will awd) in
meinem Seben feiner fein. — §abe id) mol)l bas 2lnfel)en
^u einem Sertrauten? 3d) möc|te bod) wiffen, was mein
§err an mir gefunben Ijätte, um midj bafür gu nehmen. 3<i)
ein Sertrauter, id), bem bas geringfte ©eljeimnis ^ur Saft
roirb? 3d) weift ^um (Stempel, bafe Slanca unb mein §err
einanber lieben unb baft fie tjetmlid) mit einanber »erheiratet
ftnb; es l)at mir fdjon lange bas ^er^ abbrüd'en motten; unb
nun will id) es nur fagen, bamit ©ie Ijübfd) fel)en, meine
§crreu, was für ein Sertrauter id) bin. ©djabe, bafe es nid)t
etwas oiel 2öid;tigeres ift; id) mürbe es eben fo wol)l fagen." *J
£)iefe 9?adjrid)t fc^mer^t bie Königin nidjt meniger als bie
Ueber^eugung, $u ber fie burd) ben unglüdlidjen Srief oon
ber Serräterei bes ©rafen gelangt. £)er §er§og glaubt, nun
aud) fein ©tillf djw eigen bredjen $u muffen unb ber Königin
nicfjt länger §u nerbergen, mas er in bem Simmer ber Slanca
gufälTigerraeife angehört Ijabe. 3)er ^an^ler bringt auf bie
Seftrafung bes Serräters, unb fobalb bie Königin mieber
allein ift, reiben fie fomoljl beleibigte 9Jkjeftät als gelränlte
Siebe, bes ©rafen %o\> $u Befd)lie|en.
%mnel)r bringt uns ber £)icl)ter gu irjm in bas ©efäng=
nis. SDer Rangier tommt unb eröffnet bem ©rafen, ba& if)n
bas Parlament für fd)ulbig erfannt unb ginn Sobe oerurtetlct
*) Que escucho ? Seiiores mios,
Dos mil demonios me lleven,
Si yo confidente soi.
Si lo he sido, o si lo fixere,
Ni tengo intencion de serlo.
— Tengo yo
Cara de ser confidente?
Yo no se que lia visto en mi
Mi amo para tenerme
En esta opinion; y a f«,
Que me holgara de que fuesse
Cosa de mas importancia
Un secretillo mui leve,
Que rabio ya por decirlo,
Que es que el Conde ä Bianca quiere,
Que estan casados los dos
En secreto
SedjSunbfec^jigfieS Stürf. 65
habe, meines Urteil morgen bes £age§ uolljogen werben fottc.
Ter ©raf beteuert feine Unfdjulb.*)
3) e r >x angl e r. 3 (ire Unfdjulb, SJtytorb, roottte id) gern
glauben; aber fo titele ©eroeife nüber Sie! — §aben Sie
ben ©rief an ben Roberto ntcr)t getrieben ? Qft e3 nicfjt 3bjr
eigenbänbiger 9iame?
Cr ff er. 3Werbmg§ ift er e§.
£er $ analer, öa* ber §er$og oon SUangon Sie in
bem Jammer ber 95lanca nidjt auSbrücflidr) ben ^ob ber
Königin befdjlieften boren?
Cr ff er. 2Ba3 er gebort fjat, bat er freilieb gebort.
2) er bängter. ©ajje bie Königin, aU fte erroadjte, ntcr)t
biepftole in Sbrer ©anb? ©eljörf bie ^tftole, auf ber gfjr
sJlame geftodjen, tttcf)t gljnen?
•) Cond. Solo el descavgo que tengo
Es el estar innocente.
Senescdl. Aunque yo quiera creerlo
No me dexan los indicios,
Y advertid, que ya no es tiempo
De dilacion, que manana
Haveis de morir. Cond. Yo muero
Innocente Sen. Pues deeid
No escribisteis a Roberto
Esta carta? Aquesta firma
No es la vuestra? Cond. No lo nlego.
Sen. El gran duque de Alanzon
No os ovo en el aposento
De Bianca trazar la muerte
De la Reina? Cond. Aquesso es cierto.
Sen. Quando despertö la Reina
No os hallö, Conde, a vos mesmo
Con la pistola en la mano?
Y la pistola que vemos
Vuestro nombre alli gravado
No es vuestro ? Cond. Os lo concedo.
Sen. Luego vos estais eulpado.
Cond. Esso solamente niego.
Sen. Pues como escribisteis, Conde,
La carta al traidor Roberto?
Cond. No lo se. Sen. Pues como el Duque
Que eseuchö vuestros intentos,
Os convence en la traicion?
Cond. Porque assi lo quiso el cielo.
Sen. Como hallando en vuestra mano
Os culpa el vil instrumento?
Cond. Porque tengo poca dicha. —
Sen. Pues sabed, que si es desdieba
Y no culpa, en tanto aprieto
Os pone vuestra fortuna,
Conde amigo, que supuesto
Que no dais otro descargo,
En fe de indicios tan ciertos,
Manana vuestra cabeza
Ha de pagar —
2efjtns, SBcrte. XII.
66 Öamburgifüje ^Dramaturgie.
@ffe£- 8$ fat™ e^ utd)t leugnen.
©er bängter. ©o finb ©ie ja fdjulbig.
@ffe£. ©a3 leugne id).
©er Rangier. ?ftun, tnie famen ©ie benn ba^u, baj$
©ie ben $3rtef an ben Roberto fdjrieben?
@ffe£. 3dj raeifs nicfjt.
©er ^an^Ier. 2öte tarn e§ benn, bafj ber §er§og ben
Derräterifdjen 3Borfat$ au3 3$rem eignen 9ftunbe nerne|men
muffte?
@ffe£. 2öeil e§. ber §immel fo wollte.
©er JR analer. s2ßie lam e§ benn, baf$ fxc^ ba3 mör-
berifdje Sßerlgeug in 8§ren §änben fanb?
@ffe£. 2öeil idj oiel Unglüd Ijabe.
2) er Rangier. 2öenn al(e§ ba§ Unglüd unb nidjt ©djulb
ift : rüat)r(tct)r greunb, fo fpielt 3rjnen 3r)r ©diidfat einen garten
Streif, ©ie werben iljn mit Qfjrem ftopfe begasten muffen.
@ffe£. ©djlimm genug.
„2Btffen ^v)w ©naben nid)t," fragt (Eo§me, ber babei
iftr „ob fie mid) etroa mitsängen werben?" ©er ^an^ler ante
roortet 5^ein, weit ilm fein §err hinlänglich geredjtfertiget l)abe;
unb ber ©raf erfudjt ben ^an^ler, gu oerftatten, bafe er bie
Bianca nod) r>or feinem %obe fprecfyen bürfe. ©er ^an^ler
bebauert, bafe er at§ S^icfjter il)m biefe 93ttte oerfagen muffe;
meil befcfyloffen roorben, feine Einrichtung fo ^etmltd) als» mög=
lid) gefd)efjen gu laffen, au§ %uxd)t vox ben 9Jfttuerfd)roornen,
bie er oielleidjt forool)t unter ben ©rofjen al§ unter bem $öbel
in 9ftenge rjaben möchte. @r ermahnt irm, fid) ftum ^obe gu
bereiten, unb gel)t ab. ©er ©raf roünfdjte blofj be§roegen bie
^Bianca nod) einmal $u fpredjen, um fie ju ermahnen, oon
irjrem Vorhaben ab^ufter^en. ©a er e§ nidjt münblid) tl)un
bürfen, fo roiH er e§ fdjriftlid) tljun. (Sljre unb Siebe oer-
binben il)n, fein 2ebtn für fie rjü^ugeben; bei btefem Dpfer,
bag bie Verliebten alle auf ber 3uuge führen, baö aber nur
bei il)in gur 2öirfltd)feit gelangt, null er fie befdjtoören, e§
nid)t frud)tlo§ bleiben gu laffen. @<o ift sjiadjt; er fetjt ftdj
nieber, $u fdjreiben, unb befiehlt (SoSmen, ben 33rief, ben er
il)m Ijernad) geben merbe, fogleid) nad) feinem %obe ber Bianca
ein^uljänbtgen. (Sogme geljt ab, um inbe§ erft auö^ufc^lafen.
©iebentmbfedjjigfteä Stücf. 67
£tctjenun&jerini«|ie0 §tMu
Tut 22. Sejember 17i;7.
9htn folgt eine ©jene, bie man rooljl fdjroetlidj erwartet
hätte. SWtcä ift ruljig unb ftifte, a(§ auf einmal eben bte
Xante, roeldjer @flej m bem erften 2(fte ba§ Seben rettete,
in eben bem Sfajttge, bte (jalbe 9Jca3fe attf bem ©eftdjte, mit
einem Stdjte in ber §anb, 51t bem (trafen in ba3 ©efängniS
bereintritt. @3 ift bie Königin. „3)er ©raf," fagt fie uor
fid) int §ereintreten, „Ijat mir baö Seben ermatten; id) bin iljm
bafür uerpfltdjtet. 2)er ©raf rjat mir baö Seben nehmen
rocHen ; ba§ fdjreiet um 9iad)e. SDur<$ feine SSerurteUung ift
ber ©ered)tigf'eit ein ©enüge gefdjeljen; nun gefd)er)e e§ aud)
ber 2)anf barfeit unb Siebe!"*) Qnbem f*e nä^er f'ömmt, wirb
fie geroaljr, baf$ ber ©raf f treibt. „Dfjne ^roetfel," fagt fie,
„an feine Bianca! 2öa§ fdjabet ba§? Qdj fomme au§ Siebe,
auo "Der feurigften, uneigennüfctgften Siebe; jefet fdjmeige bie
Giferfud)t! — ©raf!" — Ser ©raf Ijört ftd) rufen, ftefjt
fjinter fid) unb fpringt notier (Srftaunen auf. „28a§ felj1 id)!"
— „deinen %xaum/' fäfjrt bie Königin fort, „fonbern bie
Söatyrrjett. GUen Sie, ftd) baoon 31t überzeugen, unb (äffen
Sie un3 foftbare 31ugenblide rticr)t mit Zweifeln nerlieren! —
Sie erinnern fid) bod) meiner? 3$ mrt bie, ber Sie ba3 Seben
gerettet. Qd) IjÖre, bafe Sie morgen fterben fotfen, unb id)
fomme, 3f)nen meine Sdjulb abzutragen, gbnen Seben für
Seben 31t geben. $d) rjabe ben Sd)lüffel be§ ©efängniffeS $u
befommen genutzt, gragen Sie mid) nidjt, raie? §ier ift er;
nehmen Sie; er roirb 3'^nen bie Pforte in ben $ar? eröffnen;
fliegen Sie, ©raf, unb erhalten Sie ein Seben, baä mir fo
teuer ift!"
@ffe£. Leiter? Sitten, 3Diabame?
3)ie Königin. Söürbe id) fonft fo tuet gemagt baben,
al§ id) raage?
Cr ff er. 2Ste finnreid) ift baö Sd)idfal, bao mid) ver-
folgt! @S finbet einen Sßeg, mid) burd) mein ©lud felbft
*) El Conde me diö la vida
Y assi obligada me reo;
El Conde me daba muerte,
Y assi ofendida me quexo.
Pues ya que con la sentencia
Esta parte he satisfecho,
Pues cumpli con la justicia,
Con el araor cumplir quiero.
68 <öam(ntrqifd)e Dramaturgie.
utißlücflid) 31t machen. $d) fdjeine glüdlid), meil bie midj 31t
befreien f ömmt, bie meinen %ob nnf( ; aber id; bin itm f 0 nie!
unglüd'üdjer, roeil bie meinen S£ob null, bie meine greifyeit
mir anbietet. — *)
£)ie Königin t>erftef)et Ijieraug genugfam, baf$ fte ©ffer.
fennt. @r oerraeigert ftdj ber ©nabe, bie fte it)m angetragen,
gänglid); aber er bittet, fie mit einer anbern gu oertaufdjen.
£)te Königin. Unb mit melier?
(Sffejr. SJtit ber, 50^abame, t>on ber td) roetfj, bafj fte
in Qfjrem Vermögen fteljt, — mit ber ©nabe, mir ba3 2ln=
gefidjt meiner Königin feigen gu (äffen. @§ tft bie einige,
um bie tdj e3 nicf)t gu Hein r)alte, ©ie an ba§ gu erinnern,
raa§ idj für ©ie getrau §dbe. Sei bem 2ehen, bag idj Qfmen
gerettet, befdnnöre td) ©ie, ^abame, mir biefe ©nabe gu
ergeigen.
SDte Königin (w>r jt$). 2öa§ foH idj tfyun? $iel(eid)t,
menn er mid) ftefyt, baft er fid) rechtfertiget ! 2)ag münfd)e id)
ja nur.
@ffej. SBergögern ©ie mein ©lud nidjt, 3Jiabame!
3Me Königin. 2öenn ©ie e§ benn burd)au3 motten,
©raf; raotjl: aber nehmen ©ie erft biefen ©djlüffel; uon ifjm
Ijängt 3^r Seben ah. 3Öa§ idj i|t für ©ie t^un barf, föunte
id) ijernad) t)ietteid)t nid)t bürfen. 9M)men ©ie ; id) miß ©ie
geftdjert tuiffen.**)
(£ff er. (tnbem er ben ©Rüffel nimmt). 3$ erlernte biefe 35or=
ftdjt mit Sani. — Unb nun, 9#abame, — id) brenne, mein
©d)idfal auf bem 21ngeftd)te ber Königin ober bem Qljrigen
ju lefen.
*) Ingeniosa mi fortuna
Hallo en la dicha mas nuevo
Modo de hacerme infeliz,
Pues quando dichoso veo,
Que me libra quien me inata,
Tambien desdichado advierto,
Que me mata quien me libra.
*) Pues si esto ha de ser, primero
Tomad, Conde, aquesta llave,
Que si ha de ser instrumento
De vuestra vida, quiza
Tan otra, quitando el velo,
Sere, que no pueda entönces
Hacer lo que ahora puedo,
Y como a daros la vida
Me empene por lo qixe os debo,
Por si no puedo despues,
De esta suerte me prevengo.
©te&emmbfedjtfflfte§ ©tücf. 69
3>ic Königin, ©raf, ob beibe gleid) eines finb, fo
gehört bod; nur bas>, n)eld;e3 Sie nod; fel;en, mir 131x113 allein;
beim ba3, meldjes" Sie nun erbliden (inbem |U bie SRasfc abnimmt),
ifi ber Königin. Qeneä, mit lueldjcm id) Sie erft fprad;, t f t
nidjt mefyr.
©fjej. 9hm fterbe id; gufrieben I 3nHU' ift e$ ba§ ^or*
red)t bes föniglid^en 2(ntli§e§, bafj es jeben Sdjulbigen be^
gnabigen mttfe, ber es erblidt; unb aud; mir mtifjte biefe
2Bol)ltl)at bes ©efe£es~ $u ftatten fonimen. SDod; id; null
weniger l)iergu als §u mir jelbft meine ^ufludjt nehmen, .^d;
null es tuagen, meine Königin an bie SDienfte 51t erinnern,
bie id; il)r unb bem Staate geleiftet — *)
3) ie &ö tu gilt. 3ln biefe t)abe id; nüd; fdjon felbft er=
innert. 2lber 3^r 23erbred;en, ©raf, ift grö&er als 3l;re
2)ienfte.
Cr 1 f e r. Unb id; fjabe mir nid;ts> uon ber §ulb meiner
Königin gu oerfpredjen?
Sie Königin. 9tid;ts.
@jfer. SBemt bie Königin fo ftreng ift, fo rufe id) bie
2)ame an, ber id) bas £eben gerettet. SDiefe mirb bocrj rooljl
gütiger mit mir uerfafyren?
£)ie Königin. 2)iefe Ijat fd;ou mef;r getrau, als fie
folfte: fie (jat Sfynen ben 9Öeg geöffnet, ber Öered)tigf'eit 31t
entfliegen.
©ffeg. Unb meljr Ijabe id) um ©ie nidjt oerbient, um
Sie, bie mir il;r £eben fdjulbig ift?
SDie Königin. Sie f)aben fd;on gehört, bafc id) biefe
£ame nidjt bin. SIber gefegt, id) märe es: gebe id; Qfjnen
nid;t eh^w fo oiel roieber, al§ id; oon 3l;nen empfangen l;abe?
Gffeg. 2öo bas? 2)aburd) bocr; moljl nidjt, bafj Sie mir
ben Sdjlüffel gegeben?
2)ie Königin. SDaburd; cttterbingö.
*) Morire yo consolado,
Aunque si por privilegio
£n viendo la cara al Rey
Queda perdonado el reo;
Yo de este iudulto, Senora,
Vida por ley me prometo;
Esto es en comun, que es
Lo que a todos da el dereoho
Pero si en particular
Merecer el perdon quiero,
Oid, vereis que me ayuda
Major indulto en mis hechos,
Mis hazanas
70 öamburgifcfte ^Dramaturgie.
Off e^. £)er 2öeg, ben mir biefer ©djlüffel eröffnen
fann, ift weniger ber 2föeg gum Seben al§ gur ©djanbe. si8as
meine greifyeit bemtrfen foll, ntu| nict)t meiner gurdjtfamfeit
51t bienen fd^etnen. Unb bod) glaubt bie Königin, mid) mit
liefern ©djtüffel für bie 9ieid)e, bie id) ifjr erfochten, für bas
S3lut, bas xd^ um fie oergoffen, für bas 2eben, bas id) iljr
erhalten, mid) mit biefem elenben ©d)lüfjel für alles bas aU
juloljnen?*) $d) miß mein Seben einem anftänbigern 9Jtittel
gU batlfen l)abenr Ober fterben. (Snbem er nad) bem genfter geljt.)
£)ie Königin. 2Bo ge^en ©ie l)in?
@ffe£. ;ftid)tsmürbiges SBert^eng meines Sebens unb
meiner fenteljrung! 2öenn bei bir alle meine §offnung be=
rufjt, fo empfange bie glut in iljrem tieften 2Ibgrunbe alle
meine ^Öffnung ! (@r eröffnet bas ^enfter unb roirft ben <Sd)Uiffel bind) hni
©itter in ben ßanat.) ®urd) bie gludjt märe mein Seben oiel gu
teuer erlauft.**)
£)ie Königin. 2ßas Ijaben ©ie getrau, ©raf? — ©ie
fyaben fer)r übel getrau.
©ffer,. 2öann id) fterbe: fo barf id) menigftens laut
fagen, bafc id) eine unbanfbare Königin I)interlaffe. — 2Bitl
fie aber biefen SSormurf triebt: fo benfe fie auf ein anberes
Mittel, mid) 511 retten, tiefes unanftänbigere Ijabe id) it)r
genommen. 3Ä berufe mid) nodjmals auf meine 2)ienfte ; es
ftel)t bei iljr, fie 51t belohnen, ober mit bem 2lnbenfen berfelben
tljren Unbanf $u oeremigen.
SDie Königin. 3<| mufe bas letztere ©efa^r laufen. —
*) Luego esta, que assi Camino
Abrira a mi vida, abriendo,
Tambien lo abrira a mi iufamia;
Luego esta, que instrumento
De mi libertad, tambien
Lo havra de ser de mi miedo.
Esta, que solo me sirve
De huir, es el desempeno
De Reinos, que os he ganado,
De servicios, que os he hecho,
Y en fin, de essa vida, de essa,
Que teneis oy por rni esfuerzo?
En esta se eifra tanto? —
*) Vil instrumento
De mi vida, y de mi infamia,
Por esta rexa cayendo
Del parque, que bäte el rio,
Entre sus crystales quiero,
Si sois mi esperanza, hundiros:
Caed al hümido centro,
Donde el Tamasis sepulte
Mi esperanza, y mi remedio.
9(cf)tunbiecf)-,ii]fteö StiicF. 71
2)enn maljrlid), meljr tonnte id) oljne sJtad)teit meiner ^üube
für Sie nidjt tljun.
(£ffe£. So mu^ id) bann fterben?
2)ie Königin. Dljnfetjlbar. 2)ie grau trollte Sie retten,
bie Königin muß bem 5ted)te feinen &auf (äffen. borgen
muffen Sie fterben; unb es ift fdjon morgen. Sie (jaben mein
gan$e§ sDiitleib; bie SBefnnut bridjt mir ba3 §ei*3; aber e3
ift nun einmal bag Sd)idjal ber Könige, bafj fie oiel roeniger
nad) iljren Gmpfinbungen fyanbeln fönnen als anbere. — ©raf,
id) empfehle Sie ber xBorfid)t ! —
2!en 25. 2)ejember 1767.
ytoü) einiger 5Öortmed)fet 311m 2lbfd)iebe, nod) einige 2(u3=
ntfungen in ber Stille : unb beibe, ber ©raf unb bie Königin,
geljen ab, jebe§ oon einer befonbern Seite. 5m §erau£gel)en,
mufj man fid) einbitben, rjat ©ffer, Gosmen ^n 33rtef gegeben,
ben er an bie 33lanca gefdjrieben. £)enn ben Slugenblict" barauf
fömmt biefer bamit herein unb fagt, ba£ man feinen §errn
311m Sobe füljre; fobalb es> bamit norbei fei, motte er ben
^Brief, fo mie er e3 oerf prodjen , übergeben. ^ubem er Ü)n
aber anfielt, ermadjt feine ^eugierbe. „2Ba3 mag biefer SBrief
mol)t enthalten? (Sine (Sfjeoerfdjreibung? bie fäme ein wenig
ju fpät. ^ie 2lbfd)rift oon feinem Urteile? bie roirb er bodj
nid;t ber fdjiden, bie e3 gur SBitroe mad)t. Sein Seftament?
aud) mol)l ntdjt. 9iun, mas benn?" @r mirb immer begie=
riger; ^ugleid) fällt if)m ein, mie e3 i^m fcfjon einmal faft
ba§ Seben getoftet rjätte, ba£ er nidjt gemußt, mag in bem
Briefe feines §errn ftünbe. „2Bäre id) nid)t," fagt er, „bei
einem §aare gum Vertrauten barüber gemorbenV §oP ber
©eier bie Vertrautfdjaft ! sJ?ein, ba§ mufj mir nid)t mieber
begegnen!'' Kurg, (Sogme befdjliefjt, ben 33rief 311 erbred;en,
unb erbricht ü)n. 9ktürtid), bafj üjn ber Sufjalt anwerft be=
troffen madjt; er glaubt, ein -ßapier, ba3 fo roidjtige unb
gefährliche 2)inge enthalte, nicf)t gefdjminb genug loa merben
311 fönnen; er gittert über ben blofcen ©ebanfen, bafs man e3
in feinen §änben finben fönne, el;e er eS freiraiHig abgeliefert;
unb eilet, e§ geraben 2öege§ ber Königin 3U bringen.
©ben lömmt bie Königin mit bem Kavier IjerauS. ßoSme
mitf fie ben Kavier nur erft abfertigen laffen unb tritt bei=
72 §am&urgifdjje ^Dramaturgie.
feite. 2)ie Königin erteilt bem Rangier ben legten 33efeljl
gur Einrichtung bes> ©rafen; fie foll fogleicfj unb gang in ber
©tide oollgogen werben ; ba3 SSolf foll nicfjtg baoon erfahren,
bi§ ber getopfte Seidmam i§m mit ftummer gunge Staue unb
©eljorfam gurufe.*) ©en $opf foll ber Rangier in ben Saal
bringen unb nebft bem blutigen Seile unter einen £eppid)
legen laffen ; l)ierauf bie ©rofeen bes diäd)$ oerfammeln, um
itjnen mit ein§ SBerbredjert unb ©träfe gu geigen, gugleid) fie
an biefem 33eifpiele iljrer $flid)t gu erinnern unb üjnen ein;
gufdjärfen, bafe i§re Königin eben fo ftrenge gu fein roiffe, al§
fie gnäbig fein gu tonnen roünfdje ; unb ba3 atleg, roie fie bet-
itelter fagen läfet, nad) ©ebraud) unb ©itte beg Sanbeö.**)
2)er Rangier gel)t mit biefen Sefe^len ab, unb (Sosme
tritt bie Königtn an. „liefen 93rief," fagt er, „frnt mir mein
§err gegeben, il)n nad) feinem £obe ber Bianca eingttljänbigen.
5d; Ijabe tljn aufgemalt, id) roeife felbft nid)t, marum; unb
ba id) SDinge barin fütbe, bie Qtjro DJtajeftät raiffen muffen
unb bie bem ©rafen tüelleidjt nod) gu ftatten lommen fönnen,
fo bringe id; ifyu ^fyxo 9Jlajeftät unb ntd)t ber Bianca." SDte
Königin nimmt ben SBrief unb liefet: „SBlanca, id) nalje mid)
meinem legten 2lugenbltde ; man miß mir ntd)t oergönnen,
mit bir gu fpredjen ; empfange alfo meine (Srma|nung fcf>rift=
lid). Slber norg erfte lerne mid) fennen; td) bin nie ber 23er -
räter gemefen, ber id) bir oielIeid)t gefd)ienen; id) oerfprad),
bir in ber bemühten <Bad)e befytlfltd) gu fein, blofe um ber
Königin befto nad)brüdlid)er gu bienen unb ben Roberto nebft
feinen 2lnrjängern nad) £onbon gu lod'en. Urteile, rote grofj
*) Hasta que el tronco cadaver
Le sirva de muda lengua.
**) Y assi al salon de palacio
Hareis que llamados vengan
Los Grandes y los Milordes,
Y para que alli le vean,
Debaxo de una cortina
Hareis poner la cabeza
Con el sangriento cuchillo,
Que amenaza junto a ella,
Por symbolo de justicia,
Costumbre de Inglaterra:
Y en estaudo todos juntos,
Monsträndome justiciera,
Exhortändolos primero
Con amor a la obediencia,
Les mostrare luego al Conde,
Para que todos atiendan,
Que en mi ay rigor que los rinda,
Si ay piedad que los atreva.
3W&timbfed&3tgjfc8 Sttidf. 73
meine Siebe ift, ba id) bem ol)ngead)tet eljer felbft fterben, al3
bein 2eben in ©efaljr fetjen roitt. Unb nun bie Grmalnutng:
ftelje non bem SBorfjaben ab, ju meldjem bid) Roberto anreihet;
bu Ijaft mid) nun nidjt meljr, unb e§ möchte fid) nid)t alle
Sage einer ftnben, ber bid) fo fe^r liebte, bafe er beu £ob
beö Verräters für bid) fterben tnoute."*) —
„Sftenfd)!" ruft bie beftürgte Königin, „ma§ r)aft bu mir
ba gebradjt?" — „-Wim?" fagt (Sosme, „bin id) nod) ein $er=
trauter?" — „Gile, flielje, beinen $errn ju retten ! Sage bem
fernster, einzuhalten! — §otla, %8ad)el bringt iljn augem
blid'lid) uor mid), — ben ©rafen, — gefdntnnb!" — Unb
eben mirb er gebradjt: fein Seidjnam nämlid). So groß bie
greube mar, meldje bie Königin auf einmal überftrömte, if)ren
©rafen unfdjulbig ju Tüiffen, fo groß finb nunmehr Sd)mer3
unb 2ßut, üjn l)ingcrtd)tet gu fefyen. Sie uerfludjt bie QZiU
fertigfeit, mit ber man tfyren 33efe()l ool^ogen; unb 23lanca
mag gittern!
So fdjließt fid) biefes> Stüd, bei meldjem id) meine £efer
oielleidjt ju lange aufgehalten Ijabe. 25ietleid)t aud) nidjt.
SGBir finb mit ben bramatifdjen SBerfen ber ©panier fo roenig
befannt; id) müßte lein einziges, meldieg man un§ überfein
ober aud) nur ausgugsroeije mitgeteilt l)ätte. £enn bie S>iv-
ginia be3 3Iuguftino Jt>e 9)iontiano i) Sunanbo ift jmar fpauifd)
gefdjrieben, aber fein fpanifd)e§ Stüd: ein bloßer Skrfud) in
ber forreften 50ianier ber gran^ofen, regelmäßig, aber froftig.
*) Bianca, en el ultimo trance,
Porque hablarte no me dexan,
He de escribirte un consejo,
Y tambien una advertencia;
La advertencia es, que yo nunca
Fui traidor, que la promessa
De ayudar en lo que sabes,
Fue por servir a la Reina,
Cogiendo ä Roberto en Londres,
Y ä los que seguirle intentan;
Para aquesto fue la carta:
Esto he querido que sepas,
Porque adviertas el prodigio
De mi amor, que assi se dexa
Morir, por guardar tu vida.
Este ha sido la advertencia:
(Valgame dios!) el consejo
Es, que desistas la empressa
A que Roberto te incita.
Mira que sin mi te quedas,
Y no ba de haver cada dia
Quien, por mucho que te quiera,
Por conservarte la vida
Por traidor la suya pierda. —
74 ^am&uraifdje Dramaturgie.
3<f) befenne feljr gern, baft id) bei weitem fo oorteilljaft nidjt
meljr bauon ben!e, alg id) tr>of)I etjebem mufe gebaut Ijaben.*)
SBenn bag groeite Stüd beg nämlidjen 2Serfafferg nid^t Beffer
geraten ift ; roenn bie neueren SMdjter ber Nation, roeld)e
eben biefen 2Öeg betreten toollen, il)n nicr)t glüdlidjer betreten
fyaben : fo mögen fie mir eg nid)t übel nehmen, menn idj nod)
immer lieber nad) iljrem alten £ope unb (Salberon greife alg
n ad) t()tten.
£)ie eckten fpanifdjen Stüde finb oollfornmen nad) ber
3Irt biefeg (tffeg. 3n allen einerlei geiler unb einerlei Sd)ön=
(jetten; mel)r ober weniger, bag oerfteljt ftd). SDie geiler
fpringen in bie 3lugen ; aber nad) ben Sd)önl)eiten bürfte man
mid) fragen. — (Sine gang eigne gabel; eine feljr finnreidje
üßerraidlung ; feE)r uiete unb fonberbare unb immer neue
5Tf)eaterftreid)e; bie auggefparteften Situationen; meifteng fe^r
rooljl angelegte unb big ang (Snbe erhaltene (Sfyaraftere; nic|t
feiten oiel Stürbe unb Stärfe im 5lusbrude. —
£)ag finb afterbtngg Sd)önl)eiten : id) fage nid^t, baf$ eg
bie l)öd)ften finb ; id) leugne uid)t, ba£ fie gum %e\l fel)r leidet
bi§ in bag ^Komanen^afte, 2lbenteuerlid)e, Unnatürliche lönnen
getrieben werben, bafe fie bei ben Spaniern oon biefer Ueber=
treibung feiten frei finb. 2lber man neunte ben meiften fran=
$öfifd)en Stüden iljre medjanifdje 9ftegelmäf$igfeit unb fage mir,
ob ifynen anbere alg Schönheiten foldjer 2lrt übrig bleiben?
2Bag fyaben fie fonft nod) oiel ©uteg, alg SSerwicflung unb
^t)eaterftreicr)e unb Situationen?
SInftänbigfeit, wirb man fagen. — 5^un ja, 2lnftänbtg=
feit. Stile ifyre Sßerwidlungen finb anftänbiger unb einför=
miger; alle iljre Xljeaterftreic^e anftänbiger unb abgebrofdmer;
alle ifjre Situationelt anftänbiger unb gezwungner. £)ag
lömmt oon ber SInftänbigf eit !
SIber ßogme, biefer fpanifd)e §angwurft ; biefe ungeheure
3Serbinbung ber pöbelfyafteften hoffen mit bem feierlichen
@rnfte; biefe $ermifd)ung beg $cmifd)en unb ^ragifdjen, burdj
bie bag fpanifdje 'Sweater fo berüdjtiget ift ? Qd) bin weit ent-
fernt, biefe gu oerteibigen. 2öenn fie gwar blofe mit ber 2ln=
ftänbigfeit ftritte, — man oerfteljt fdt)ott, meiere Slnftänbigleit
id) meine; — raenn fie weiter feinen g-el)ler l)ätte, alg bafe
fie bie @l)rfurd)t beleibigte, meiere bie ©rofeen oerlangen, bafe
fie ber Sebengart, ber (Stifette, bem geremoniel unb allen
*) 5H)catvalijd)e SöibUotljtt, evfteS ©tücf S. 117. (S8b. VII, ©. 72 ff. unj. «usg.)
Weummbfedmafte? 3tücf. 7r>
ben ©aufeleien aunuberlief, burd; bic man ben grb'fjem ^eil
bor sDienfd)en bcreben null, baf, e§ einen Keinem gebe, ber
von meit benenn Stoffe fei aU er: fo mürbe mir bie im*
ftnnici.ftc 2lbmec$§lung oon fiebrig auf ©rofj, neu xHbernüt*
auf Ghnft, oon ©djroara auf Söetfe millfomnuiev fein ätä bie
falte G'infövmigfeit, bnrd) bic miel; ber gute &on, bie feine
28elt, bie §ofmanier, unb mie bergleidjen 9(rmfeligfeiten mefjr
fyeifjen, unfehlbar einfd)läfert. £)od) eö fommen gang anbere
Eilige r)tov in ^etradjtung.
|leummdjjed);ig|ies $türfc.
SDett 29. ©ejemBct 1767.
Sope be ^>ega, ob er fdjon al§ ber Sdjjöpfer beo fpanifdjen
Sweaters betrachtet mirb, roar e§ inbe§ nidjt, ber jenen Emitter;
ton einführte. £>a§ 23olf roar bereite fo baran geroöljnt, bafe
er ilm miber 2öil(en mit anftimmen muffte. Qu feinem 2er)r=
gebidjte über bie i^unft, neue ^omöbten $u machen, beffen id)
oben fdjon gebadet, jammert er genug, barüber. £a er fal)e,
bafj e§ nid)t möglich fei, nacb ben Siegeln unb Lüftern ber
Sitten für feine 3eitgenojfen mit ^Beifall 51t arbeiten, fo fud)te
er ber fflegelloftgfeit raenigfieng ©rengen 31t fetten; ba§ mar
bie Stbftcfjt btefes ©ebid)t3. @r badete, fo roilb unb barbarifd)
auefj ber ©efdjmacf ber Nation fei, fo muffe er bod) feine
©runbfäfce f)aben; unb e§ fei beffer, aud) nur nad) btefen mit
einer beftänbigen (55fetcr)förnxigfett gu Ijanbeln als nad) gar
leinen, ©tu de, roeldje bie ftafftfetjen Regeln ntdjt beobachten,
fönnenbodj noct) immer Regeln beobad)ten unb muffen bergleidjen
beobachten, menn fte gefallen motten, SMefe alfo, au% bem bloßen
^ationalgefdnnade hergenommen, moflte er feftfe&en: unb fo
marb bie 2krbtnbung bes> ßrnftfyafteu unb Sädjerlidfjen bie erfte.
„Sludj Könige," fagt er, „tonnt it)r in eitern $omöbien
auftreten laffen. Qdf) fjöre groar, bafc unfer metfer -Hionard)
( "^bilipp II.) biefe§ nicr)t gebilliget; — e§ fei nun, weil er einfalj,
baf$ es> roiber bie Regeln laufe, ober metl er e§ ber 2öürbe
eine§ Königes juraiber glaubte, fo mit unter ben 5>öbel ge=
mengt 311 werben. $d) 9eDe au4 9eni ön> <Dafe biefes wieber
gnr älteften Äomöbie gurücffefjren Ijeijst, bie felbft ©otter
einführte ; mie unter anbern in bem 3lmpf)itruo be3 ^>(autu$
31t feben: unb idj roetfs gar wol)l, bafj ^lutarcfj, menn er non
■Dienanbern rebet, bie ältefte ^omobte nidjt feljr lobt. @3 fällt
7G $am6uro.ifd)e Dramaturgie.
mir alfo freilief) fdjmer, unfere 9)tobe $u billigen. SIber ba
mir un§ nun einmal in Spanien fo rueit oon ber Äunft ent=
fernen, fo muffen bie ©elefyrten fdjon and) Ijierüber fdjroeigen.
(£3 ift roafyr, ba3 Äomifd&e mit bem S£ragifdjen oermijdjt,
(Seueca mit bem %exen$ gufammeugefdnnolgen, gibt fein ge=
ringere§ Ungeheuer, als ber SftinotauruS ber $afipfyae mar.
2)odj biefe 2tbmed)felung gefällt nun einmal: man null nun
einmal leine anbere (Btüäe fefyen, als bie l)al6 ernftljaft unb
Ijalb luftig finb; bie 9?atur felbft le^rt unS biefe bannig:
faltigfeit, oon ber fie einen %eil iljrer ©c^ön^eit entlehnet. "*)
Sie legten 2öorte finb e§, meSmegen id) biefe ©teile an=
füljre. 3ft es mal)r, baft uns bie Statur felbft in biefer SSer=
mengung bes> ©emeinen unb (M)abenen, be§ ^offier(id)en unb
©rnftljaften, beS Suftigen unb traurigen jum dufter bient ?
@S fdjetnet fo. Slber raenn e£ maljrift, fo l)at £ope mel)r
get§an, als er fidj oornalnn; er Ijat nid)t bloft bie gel)ter
feiner SBüfjne befc|öniget, er fjat eigentlich ermiefen, bafe
roenigftenS biefer §el)ler leiner ift; benn nichts lann ein
geljler fein, tnaS eine ;ftad)al)mung ber Statur ift.
„3Äan tabelt," fagt einer oon unfern neueften ©Iribeuten,
„an ©lialefpeare, — bemjentgen unter allen ^Dtcr)tern feit
§omer, ber bie Wenden, oom Könige big §um Settier unb
oon Julius Gäfar bis gu 3al galftaff, am beften gelaunt
unb mit einer 2lri oon unbegreiflicher Intuition burd) unb
burd) gefefyen ijat, — bafc feine ©tüde leinen, ober bod) nur
*) Eligese el sujeto, y no se mire,
(Perdonen los preeeptos) si es de Eeyes,
Aunque por esto entiendo que el prudente,
Filipo Rey de Espana, y Seüor nuestro,
En viendo un Rey en ellos se enfadava,
O fuesse el ver, que al arte contradize,
O que la autoridad real no deve
Andar fingida entre la humilde plebe,
Este es bolver ä la Comedia antigua,
Donde vemos, que Plauto puso Bioses,
Como en su Anfitrion lo muestra Jupiter.
Sabe Dios, que nie pesa de aprovarlo,
Porque Plutarco hablando de Menandro,
No siente bien de la Comedia antigua,
Mas pues del arte vamos tan remotos,
Y en Espana le hazemos mil agravios,
Cierren los Doctos esta vez los labios.
Lo Trägico, y lo Cömico mezclado,
Y Terencio con Seneca, aunque sea,
Como otro Minotauro de Pasife.
Harän grave una parte, otra ridicula,
Que aquesta variedad deleyta mucho,
Buen exemplo nos da naturaleza,
Que por tal variedad tiene belleza.
Sfteummbfedtöigjieä ©tütf. 77
einen feljr fehlerhaften, unregelmäßigen ttnb fd)led)t aus;
gefonnenen $tan gaben; bafc Äotnifd^eS unb Sragifdico barin
auf bte feltjamfte 2lri burd) einanber geworfen ift, unb oft
eben biefe!6e ^erfon, bte uns bttvd) bte rürjrenbe Sprache ber
SRa'tur grünen in bte 2(ttgen gelodt fyat, in wenigen 2lugem
blirfen barattf uns burd) trgenb einen feltfamen (Einfall ober
barodifdjen 2lusbrud iljrer Gmpfinbungen, 100 nid)t $u ladjen
mad)t, bod) bergeftalt abfüllt, baf} es iljm fjernad) feljr fdjroer
wirb, uns mieber in bie Raffung 511 fefcen, toorin er uns Reiben
ntödjte. — Tlan tabelt bas unb beult uid)t baran, bafs
feine (Etüde eben barin natürlidje 5(bbilbungen bes menfd)lid)en
Gebens finb.
„SDas Seben ber meiften 9Jtenfdjen unb (roeun roir es
fagen bürfenj ber Sebenslauf ber großen Staatsförper felbft,
in fofern nur fie als eben fo tuet moralifdje Sßefen betrauten,
gleidjt ben §aupt= unb (Staatsaftionen im alten gotifd)eu
©efd)tnade in fo oielen fünften, bafc man beinahe auf bie
©ebanfen fommen möchte, bie Grfinber biefer letztem roären
flüger geroefen, als man gemeinigtid) benft, unb Ratten, roo=
fern fie ntrfjt gar bie r;etmiidrje 2lbfidjt gehabt, bas menfd)lidje
Seben lädjerlid) 311 machen, roenigftens bie ^atur eben fo ge=
treu uadjarjmen motten, als bie ©rieben fid) angelegen fein
liefen, fie $u oerferjönern. Um i£t nichts oon ber zufälligen
^lel)nltd)feit ju fagen, ba£ in biefen Stüden, fo raie im Seben,
bie roidjtigften Atollen fe§r oft gerabe burd) bie fcfjledjteften
'Jlcteurs gefpielt merben, — roas !ann är)nticr;er fein, als es
beibe 2(rten ber §aupt= unb Staatsaltionen einanber in ber
Anlage, in ber Abteilung unb 3)ispofition ber ©jenen, im
Mnoten unb in ber (Entroidlung gu fein pflegen? 2öie feiten
fragen bie Urheber ber einen unb ber anbevn ftd) felbft, marum
fie biefes ober jenes gerabe fo unb nid)t anbers gemadjt
Ijaben ? 2öie oft überrafd)en fie uns burd) ^Begebenheiten, ^u
benen mir nid^t im minbeften oorbereitet maren? SOöte oft
fefjen roir Sperfonen fommen unb roieber abtreten, orjue bafc
fid) begreifen Iäfet, roarum fie lamen, ober marum fie roieber
oerfdjroinben? 28ie oiel roirb in beiben bem ßufall überlaffen?
3Ste oft feljen roir bie gröfceften Söirlungen burd) bie arm=
feligften Urfad)en rjeroorgebradjt? 2Öie oft bas ©rnftrjafte unb
Sßidjtige mit einer teid)tfinnigen 2Irt, unb bas 9iid)tsbebeutenbe
mit läd)erlid)er ©raoität befjanbelt? Unb roenn in beiben
etiblid) alles fo fläglidt) oerroorren unb burd) einanber ge=
fdjlungen ift, bafe man an ber 9Jiöglid)feit ber ßmtroidlung
78 Jpam&urgifdfje Dramaturgie.
gu oergioeifeln anfängt: rote glüdlid) feljen roir burcl) irgenb
einen unter 23lit?> unb £)onner au§ papiernen -Jöolfen l)erab=
fpringenben ©Ott ober burd) einen frifdjen SDegenljteb ben
knoten auf einmal groar ntcf)t aufgelöfet, aber bocf) aufgefdmitten,
roelcl)e3 in fofern auf eines E)ittau3lauft, bafc auf bie eine ober
bie anbere 3Irt ba3 6tüd ein @nbe Ijat unb bie 3uWa^er
flaifdjen ober jifd^en fönnen, roie fie motten ober — Dürfen.
Uebrigenel roeifj man, roas> für eine mistige ^erfon in ben
fomifdjen ^ragöbien, roooon mir reben, ber eble £an§rourft
Dorfteilt, ber ftd), oermutlid) gum emigen S)en!mal be§ ©e=
fdjmadS unferer Voreltern, auf bem %l)eater ber §auptftabt
beg SDeutfdjen 9tetd)eg erhalten gu motten fdjeinet. Söottte ©ott,
bafj er feine ^erfon attein auf bem St^eater oorftettet ! 216er
mie oiel grofee Slufgüge auf bem (5d)auplat$e ber 2Selt Ijat
man nid)t in allen 3e^en m^ §cm§rourft — ober, roeldjeS
nod) ein menig ärger ift, burd) §an§rourft — aufführen ge=
fefyen? 2öie oft l)aben bie größeften Männer, bagu geboren,
bie fd)ü£enben ©enü eines» %rjron§, bie 2öot)Itl)ätev ganger
SSölfer unb Zeitalter gu fein, atte ifyre SöetSljeit unb Sapfer=
leit burd; einen Keinen fdjnafifcrjen ©treid) oon §an§murft
ober folgen Seuten oereitelt feiert muffen, roeldje, o^ne eben
fein 2Bam§ unb feine gelben §ofen gu tragen, bod) geroife
feinen gangen (Erjarafter an fid) trugen? 2öie oft entfteljt in
beiben arten ber STragi^omöbien bie SSerroidlung felbft lebig=
lid) bar)er, bafe §an£rourft burd; irgenb ein bummeS unb
fd)elmifd)e§ ©tüddjen oon feiner Slrbeit ben gefdjeiten Seuten,
el)e fie fid/g oerfeljen fönnen, ilvr Spiel oerberbt?" —
SBenn in biefer SSergleidjung be§ großen unb fleinen, beä
urfprünglidjen unb nadjgebtlbeten Ijeroifdjen $offenfpiel3 —
(bie id) mit Vergnügen aug einem Söerfe abgefd)rieben, roeldjeg
unftreitig unter bie oortrefflid)ften unferö 3al)rl)unbert§ ge=
Ijört, aber für ba§ beutfdie $ublifum nod) oiel gu frül) ge-
fdjrieben gu fein fdjeint. Qu fjfrcmfreidj nnb (Snglanb mürbe
e§ ba§ äufeerfte 2luffel)en gemacht Ijaben; ber vlame feines
$erfaffer§ mürbe auf aller 3un3en f^n- ^er De* unä?
3ßir fjaben e3, unb bamit gut. Ünfere ©rofeen lernen oorg
erfte an ben***fauen; unb freilief) ift ber (Saft au§ einem
frangöftfdjen Vornan lieblicher unb oerbaulidjer. Sßenn iljr
@ebij$ fdjärfer unb iljr Ziagen ftärfer geworben, menn fie
tnbeS 5Deutfcr) gelernt fjaben, fo fommeu fie audj roofjl einmal
über ben — 2lgatl)on. ^Diefeä ift bag 2ßert, oon meld)em
id; rebe, oon meldjem id; eg lieber nidjt an bem fdjitflidjften
3tebuaüeo ©rütf. 79
Drte, lieber Füev als ga* nid)t, jagen null, nrie feljr ich, co
berounbere, ba \d) mit ber öufcerften Söefretnbung tt>a$meljme,
melcfyeö tiefe ©tittfdjroeigen nnfere föunftridjter barübev beob=
adjten, ober in rceldjem falten nnb glcidjgültigen Xone fie
bauen fpvedjen. @3 ift ber evfte nnb einzige Vornan für ben
benfenben Hopf oon flajfijdjem ©efdjmacfe. Vornan? 2öiv
motten il)in biefen 3;itel nur geben, oieüeidjt, ba(j es einige
Sefev mein* baburd) befömmt. £)ie wenigen, bie es barübev
oerlieren mödjte, an benen ift oljnebem nidjts gelegen.j
£H*b;tg|i*s $tüik»
Sen 1. Januar 1768.
2Öenn in biefer ^ergleidjung, fage \d), bie fatirifdjc
Saune nid)t gu ferjr oorftädje : fo mürbe man fie für bie befte
(£d)ut3fd)rift bes fomifd) tragifdjen ober tragifd) fomifcfyen
S)rama (9)cifd)fpiel Ijabe id) es einmal auf irgenb einem ^itel
genannt gefunben), für bie gefliffentlidjfte 2lusfül)rung bes
©ebanfens beim Sope galten büvfen. 2lber gugleid) mürbe
fie aud) bie Sßiberlegung besfelben fein. 2)enn fie mürbe
geigen, baft eben bas Seifpiel ber Ücatur, melcrjes bie $er=
binbung bes feierlichen ©rnftes mit ber poffenljaften Suftigfeit
rechtfertigen fott, eben fo gut jebes bramatifdje Ungeheuer, bas
roeber *plan, nod) SBerbinbung, nod) 9)ienfd)enuerftanb Ijat,
rechtfertigen fönne. £)ie 9iadjafjmung ber 9catur müßte
folglid) entmebev gar fein ©runbfat} ber $unft fein; ober
menn fie es bodj bliebe, mürbe bureb iljn felbft bie Eunft, Shmft
gu fein, aufhören; menigftens feine Ijöljere $unft fein als etwa
bie $unft, bie bunten 2lbern bes 9Jcarmors in G)ips nadp
gualjmen; iljr 3U9 unb Sauf mag geraten, mie er loill, ber
feltfamfte fann fo feltfam nidjt fein, bafj er nictj»t natürlid)
fdjeinen fönnte; bloß unb allein ber fdjeinet es nid)t, bei
roeldjjem fief) gu oiel ©nmmetrie, gu oiel ©bentnafj uno 23er=
rjältnis, 311 oiel oon bem geiget, roas in jeber anbern .shtnft
bie $unft ausmalt; bev tunftltd)fte in biefem SSerftanbe ift
Ijier ber fd)led)tefte, unb ber railbefte ber befte.
2tls ÄritifuS bürfte unfer SSerfaffev gang anbers fpredjen.
28as er Ijier fo finnreid) aufftüfcen gu motten fd)einet, mürbe
er ol)ne 3^^ifel als eine 9)cij$geburt bes barbarifdjen ©efdnnads
oerbammen, menigftens als bie erften 23erfud)e ber unter
ungefdjladjteten ÜBölfern rcieberauflebenben $unft oorftellcn,
80 öamburgifdie Dramaturgie.
an bereu gorm irgenb ein 3ufammenfluB geroifler äujjerlidjen
Urfadjen ober bag Dl)ngefcif)r ben meiften, Vernunft unb
Ueberlegung aber ben roenigften, and) mol)t gang unb gar
leinen Anteil Ejatte. @r würbe fdjmerlidj fagen, bafj bie erften
©rfinber beg 9ftifd)fpielg (ba bag 2öort einmal ba ift, roarum
fott id) eg nid)t brausen?) „bie sJktur eben fo getreu nadp
ahnten motten, atg bie ©riechen fief» angelegen fein laffen, fie
gu oerjdjönern."
£)ie 2öorte „getreu" unb „üerfdjönert", oon ber Wad)-
afymung unb ber -ftatur, a(§ bem ©egenftanbe ber ^Radja^mung,
gebraucht, finb oielen TOfebeutungen uutermorfen. @g gibt
2eutt, bie oon feiner Statur miffen motten, meiere man gu
getreu nadjainnen fönne; felbft mag ung in ber Statur mife=
falte, gefalle in ber getreuen 3ßadjal)mung uermoge ber %lady
afjmung. @g gibt anbere, roeldtje bie SOerfdjönerung ber Statur
für eine ©ritte galten ; eine Statur, bie fd)öner fein motte alg
bie ^iatur, fei eben barum ntcr)t Statur. Seibe ertlären fidf»
für SSerefyrer ber eingigen 'Jlatur, fo mie fie ift; jene finben
in it)r nidjtö gu oermeiben, biefe nid)tg tyingugufetjen. Qenen
alfo müfcte notmenbig bag gotifdje 9Jtifd)fpiel gefallen; fo
mie biefe 9Jlüfye Ijaben mürben, an ben äfteifterfiüden ber
Sllten ©efdnnacf gu finben.
2öann biefeg nun aber nidjt erfolgte? 2öann jene, fo
grofce 33emunberer fie and) oon ber gemeinften unb alltags
tieften SRatur finb, fid) bennod) raiber bie Sßermifdnmg beg
-Jtoffenfjaf ten unb Sntereffanten ertlärten'? Söann biefe, fo
ungeheuer fie and) atteg finben, mag beffer unb fcr)öner fein
mitt als bie Statur, bennodj bag gange griedjifdje Sweater
ob,ne ben geringften 3lnftofe uon biefer ©eite burd)manbelten?
2öie mottten mir biefen 2ßtberfprud? erflären?
2Bir mürben notmenbig gurüdlommen unb bag, mag mir
non beiben (Gattungen erft behauptet, miberrufen muffen.
Slber mie müßten mir miberrufen, oluie ung in neue (Schmierig;
leiten gu oermideln ? 2)ie SSergteidnmg einer folgen §aupt;
unb ©taatgaltion, über beren ©üte mir ftreiten, mit bem
menfdjlidjen Seben, mit bem gemeinen Saufe ber 2öelt, ift
bod) fo richtig!
3d) mitt einige ©ebanfen ^ermerfen, bie, menn fie nid;t
grünbitd) genug finb, bocl) grünblidjere oerantaffen lonnen. —
i)er §auptgebante ift biefer: eg ift maln*, unb and) nid)t
ma^r, bafe bie fomifdje £ragöbie gotifdt)er ©rfinbung bie
sJRatur getreu nadjaljmet; fie afjmet fie nur in einer §älfte
©iefyigffceä Stürf. 81
getreu nad) unb oernadjläffiget bie aubere §älfte gän$lid) ; fie
afymet bie ytatux ber (Srfdjeinungen nadj, ofjne im geringften
auf bie sJ£atur unferer Gmpfinbungen unb <2eelenfräfte babei
31t adjten.
3n ber Statur ift alles mit allem oerbunben ; alles burdj=
freuet fidj, alles medjfelt mit altem, alles oeränbert fid) eines
in bas anbere. 2lber nad; biefer unenblidjeu Mannigfaltige
feit ift fie nur ein (Sdjaufpiel für einen unenblidjen ©eift.
Um enblidje ©elfter an bem öenuffe besfelben Anteil nehmen
3U laffen, mußten biefe bas Vermögen erhalten, irjr ©djranfen
ju geben, bie fie nidjt f)at; bas Vermögen, abjufonbern unb
iljre Slufmerffamfeit nad) ©utbünfen lenfen 51t fönnen.
3)iefes Vermögen üben mir in allen Slugenbliden bes
Sebens; ofyne basfelbe mürbe es" für uns gar fein Seben
geben; mir mürben oor aK§u oerfdjiebenen ©mpfinbungen
nidjts empfinben ; mir mürben ein beftänbiger 9Raub bes gegem
märtigen ßinbrucfes fein ; mir mürben träumen, orjne 31t mi|fen,
mas mir träumten.
3)ie Geftimmung ber ^unft ift, uns in bem 9?eid)e bes
(Sd)önen biefer Slbfonberung 31t überleben, uns bie gijterung
unferer Stufmerffamfeit 3U erleidjtern. SXtleg, mas mir in ber
5^atur r»on einem ©egenftanbe ober einer Gerbinbung ner=
fdjiebener ©egenftänbe, es fei ber $z\t ober bem Sftaume nad),
in unfern ©ebanfen abfonbern ober abfonbern $u fönneu
roünfdjen, fonbert fie mirftid) ah unb gemäljrt uns biefen
©egenftanb ober biefe Gerbinbung oerfdjiebener ©egenftänbe
fo lauter unb bünbig, als es nur immer bie ßmpfinbung, bie
fie erregen follen, oerftattet.
SÖenn mir $eugen üon e^ner mistigen unb rübrenben
Gegebenheit finb, unb eine anbere oon nidjtigem Gelange
läuft quer ein : fo fudjen mir ber 3evftreuung, bie biefe unS
brorjet, möglidjft au^umeidjen. 3Bir abftral)ieren »on iljr;
unb es tnu^ uns nottoenbig efetn, in ber föunft bas mieber=
gufiuben, mas mir aus ber 9^atur megmünfdjten.
9htr menn eben biefelbe Gegebenheit in iljrem gortganc^e
ade Sdjattierungen bes ^Jntereffe annimmt unb eine ntdjt
blof3 auf bie anbere folgt, fonbern fo nottoenbig aus ber
anbern entfpringt; menn ber ©ruft bas Sadjen, bie traurig;
feit bie greube, ober umgefeljrt, fo unmittelbar erzeugt, baf$
uns bie Slbftraftion bes einen ober bes anbern unmöglid) fällt :
nur alsbenn oerlangen mir fie aud) in ber $unft itidfjt, unb bie
ilunft meijj aus biefer Unmöglid)feit felbft Gorteil 31t gießen. —
Seffing, 2öer!e. XII. •;
82 ipanunirgjftfje Dramaturgie.
sJ(ber genug Ijteruon ; man fteljt fdjon, mo idf) IjinauS totll. —
SDen fünfunbüter^tgften Slbenb (Jreitagg, ben 17. guliug),
mürben 3)ie 33rüber beg §rn. ^omanug unb SDag Drafel
oom (Saint^oir, gefpielt.
SDag erftere ©titcf lann für ein beutfdjeg Original gelten,
ob eg fdjon größtenteils au§ ben „23rübern" beg Vereng ge=
nommen ift. ffiian Ijat gefagt, baß audj Poliere aus» biefer
Duelle gefdjöpft ^abe, unb §roar feine „SJtännerfdjuIe". ©er
§err von SSoItaire madjt feine 2lnmerfungen über biefeg $8or=
geben, unb idj füljre Slnmerfungen t>on bem §errn uon Voltaire
fo gern an ! 2lug feinen geringften ift nod) immer etmag gu
lernen, roenn fdjon nidjt allezeit bag, mag er barin fagt,
menigfteng bag, mag er l)ätte fagen folten. Primus sapientiae
gradus est, falsa intelligere *) (mo biefeg ©prüdjeldjen fteljt,
roitl mir nicfyt gleich beifalten); unb id) müßte feinen (5cf)rift=
fteller in ber SÖelt, an bem man eg fo gut uerfud^en tonnte,
ob man auf biefer erften Stufe ber Söeigfyeit ftelje, alg an
bem §erm oon Voltaire, aber bafyer au<§ feinen, ber ung, bie
gmeite gu erfteigen, meniger be^ilflid) fein fönnte; secundus,
vera cognoscere.**) ©in fritifd)er ©djriftfteller, bünft mid),
rietet feine 9[ftetfjobe aud) am beftcn nad) biefem ©prüdjeldjen
ein. @r fudje ftclj nur erft jemanben, mit bem er ftreiten
fann, fo fommt er nad) unb nacf) in bie Materie, unb bag
übrige finbet fiel). §iergu Ijabe id) mir in biefem Söerfe,
id) befenne eg aufrichtig, nun einmal bie frangöfifdjen <Sfri=
benten üornefnnlidi) ermäl)let, unb unter biefen befonberg ben
§erm oon Voltaire. 2llfo aud) \§t, nad) einer fleinen 23er=
beugung, nur barauf §u! 2öem biefe SDtaljobe aber etman
meljr mutrcillig alg grünblid) fdjeinen mollte : ber foll miffen,
baß felbft ber grünblid)e Slriftoteleg fid) ifyrer faft immer be=
bient Ijat. Solet Aristoteles, fagt einer r»on feinen Sluglegern,
ber mir eben gur §anb liegt, quaerere pugnam in suis
libris. Atque hoc facit non temere et casu, sed certa
ratione atque consilio: nam labefactatis aliorum opinio-
nibus, u. f. ro. ***) D beg gebauten! mürbe ber §err non
Voltaire rufen. — Qd; bin eg bloß aug Mißtrauen in
mid; felbft.
*) [3)ie evfie «Stufe ber 2Dei§l;eit ift, ba§ ftatfdje fjerauSäufinben.]
**) [5£>ie gtreitc, ba§ 2B<ü)re ju erlernten.]
***) [<Mriftotele§ pfleat in feinen 23iid)ern ©treit gu fud)en. Unb bie§ tfmt er
nid)t leidjtfertig unb auf§ ©eratcrool)!, Jonbern metlrobtjd) unb planmöfeio; benn nad)«
bem bie 2Jiciiuina.cn anbever umgeflogen firtb, u. f. ro. 3 i mm ermann.]
(Simmbftefijtgfteä ©tue!. 83
„3)te 33rüber be§ ^ereii§/J jagt bet §err oon 35oltaire/
„fönnen l)ödj|tono bie JJbee ju ber ,"lhxännerfdmlc gegeben
|aben. 3n Den .Stübern1 finb pvei 2tlte oon oerfdjiebner
©emttt§art, bie ifjre Söl)ne gan$ uerfdn'eben ergießen ; eben fo
jtnb in ber ,2Rännerf<^uIe' jwei Sßortnünber, ein feljr ftrenger
itnb ein fefjr nadjfcljenber; baö ift bie ganje SleljnUdjfeit. 311
ben .SBrübern* ift faft gang ttnb gar feine Qntrigue; bie
Qntrtgue in bei .'DJiännerjdjiuY hingegen ift fein unb unter;
fyaltcnb unb fomifdj. ©ine oon ben grauengtntmem bco Vereng,
metdje eigentlich bie tntereffantefte 5Mle fpielen müfjte, er=
fdjeinet Hof} auf bem Sweater, um niebergufommen. 2)ie
ofabelle bes ^Jcolieve ift faft immer auf ber ©jene unb geigt
fiel) immer nnijig unb reigenb unb oerbinbet fogar bie ©treibe,
bie fie irjrem S&ormunbe fpielt, nod) mit Stnftanb. S)ie fönt*
mitflung in ben ,33rübern' ift gang itnwaljrfdjeinlid) ; es ift
miber bie -Jcatur, baß ein 2tlter, ber fedjgig 3al)re ärgerlich
unb ftreng unb geizig gemejen, auf einmal luftig unb rjöflid)
unb freigebig »erben foltte. 5>ie Ghitioid'hmg in ber .5Juinner=
fdjule' aber ift bie befte oon alten ©ntroief hingen beö Poliere;
mafyrfdjeinlidj, natürlid), an§ ber Qntrigue felbft hergenommen
unb, mag otjnftreitig nidjt ba§ Sdjtedjtefte baran ift, anwerft
tomifd;."
C^inunti|trhjigrtc^ §tiitu.
Ten 5. Sanuat I7ü8.
G"o fdjeinet nidjt, baf$ ber §err oon Voltaire, feitbem er
aus ber Mlaffe bei ben Qefuiten gefommen, ben Vereng oiet
mieber gelejen Ijabe. Gr fpridjt gang fo baoon als oon einem
alten Traume; eö fdjraebt iljm nur nod) fo mas baoon im
©ebädjtmfje, unb bas fdjreibt er auf gut ©lud fo (jm, un*
betümmert, ob es genauen ober geftodjen ift. igdj milt iljm
nicht aufmufceu, mag er oon ber s^ampf)ila be§ Stüds fagt,
„baß fie bloß auf bem Sweater erfdjeine, um niebergufommen".
(Sie erfdjeinet gar nidjt auf bem Srjeater; fie fömmt nidjt auf
bem ^tyeater nieber; man oemimmt bloß iijve Stimme au%
bem §aufe; unb marum fie eigentlich bie intereffantefte dlolk
fpielen müfjte, baS läßt fidj audj gar nidjt abfegen, &en
©riechen unb Römern mar nidjt altes intereffant, mas es ben
grangofen ift. Gin gutes -äJcäbdjen, bas mit irjrem Siebfjaber
311 tief in bas 2öaffer gegangen unb ©efaljr läuft, oon ifjm
84 öamburgtfd^e Dramaturgie.
oerlaffen 311 werben, war $u einer Hauptrolle eljebem feljr
ungefd)idt. —
©er eigentliche unb grobe geiler, ben ber §err oon
Voltaire madjt, betrifft bie ©ntmidlung unb ben (Sfyarafter
bes ©emea. ©emea ift ber mürrifdje ftrenge 3Sater, unb
biefer foll feinen Sljarafter auf einmal oöllig oeränbern. ©as
ift, mit (£rlaubni3 be§ §errn oon Voltaire, nid^t marjr.
©emea behauptet feinen ©Ijarafter big ans @nbe. SDonatus
fagt: Servatur autem per totam fabulam mitis Micio,
saevus Demea, Leno avarus*) u. f. m. 2Bas gel)t mid)
SDonatus an? bürfte ber §err oon Voltaire fagen. 3Racr) 33e=
lieben ; menn mir ©eutfcbe nur glauben bürfen, bafe ©ouatus
ben Vereng fleißiger gelefen unb beffer oerftanben als Voltaire,
©od) es ift ja oon feinem oerlornen ©rüde bie Siebe; es ift
nod) ba; man lefe felbft.
:ftad)bem SDhcto ben ©emea burdj bie triftigften 2Sor=
ftellungen gu befänftigen gefugt, bittet er iljn, roenigftens
auf Ijeute fidj feineä äergerniffes %\i entfd)lagen, menigftens
(eute luftig 511 fein. (Snblicr) bringt er iljn audj fo weit;
fyute rottt ©emea altes gut fein laffen; aber morgen, bei
früher Sages^eit, mujj ber (Sol)it mieber mit ifjm aufs £anb;
ba roiff er it)n nid)t gelinber (alten, ba mill er es mieber
mit il)m anfangen, mo er es (eute gelaffen l)at ; bie «Sängerin,
bie biefem ber Sßetter getauft, mill er gmar mitnehmen, benn
es ift bod) immer eine ©flaoin metjr, unb eine, bie il)m
nid)t§ foftet; aber 311 fingen mirb fie nid)t tnel befommen,
fie foll fodjen unb baden. $n ber barauf folgenben nierten
©gene bes fünften 2Ifts, mo ©emea allein ift, fdjeint es gmar,
menn man feine Söorte nur fo obenhin nimmt, als ob er
oöllig oon feiner alten ©enfungsart abgelten unb nad) ben
©runbfä|en bes TOcio 511 banbeln anfangen motte.**) ©od)
bie golge geigt es, baj$ man alles bas nur oon bem (eutigen
^mange, ben er ftcr) antl)un fott, oerftetjen mufc. ©enn audj
biefen Sroang we^ er (ernad) fo 311 mtfcen, bafe er 311 ber
förmlidjften l)ämifd)ften 23erfpottung feines gefälligen Srubers
ausfd)lägt. @r fteUt fidj luftig, um bie anbem maljre StuS*
fdjraeifungen unb Sollseiten begeben gu laffen; er mad)t in
*) [Surd) ba§ aanje <Stürt behaupten aber ber fünfte 9D?tcio, ber tjarte Seinen,
ber I)atijüd;tine Seito ifyrcn ©fyarafter.]
**) — Nam ego vitam duram, quam vixi usque adhuc,
Prope jam excurso spatio mitto —
[Senn irl) a,cbe ba§ ftreno,e Seben auf, bn§ idj feitfyer geführt \)abe, obtuoljl id)
faft febon bi§ ans (Snbe meiner SBatm flclaufen bin. 3 im in er man it.]
©inunbjtebjtgjteä Stürf. 85
bem oerbinblidjften %one bie bitterften si>ont>ürfe; er roirb
nid)t freigebig, jonbern er fpielt ben äkrfdjroenber ; unb rooljl
31t merfen, roeber von bem ©einigen, nod) in einer anbern
2(bftd)t, alg um alles, mag er SSerfdjroenben nennt, (äcr)erltcf>
gu machen. £)iefeg erhellet unmiberjpredjlid) aug bem, mag
er bem 50^icio antmortet, ber ftd) burd) ben si(njdjein betrügen
Iä&t unb iljn nurflid) ueränbert glaubt. *j Hie ostendit
Terentius, fagt £onatuS, magis Demeam simulasse mu-
tatos mores, quam mutavisse.**)
Sd) null aber ntdr)t fjoffen, bafc ber §err uon Voltaire
meinet, felbft btefe 33erftetlung laufe roiber ben Gf)arai'ter bes
2)emea, ber uorljer nidjtS alg gefdnnält unb gepoltert l)abe;
benn eine foldje £>erfteßung erfobere meljr ©elaffenljeit unb
Kälte, alg man bem SDemea gutrauen bürfe. Sind; hierin ift
Sereng ol)ne Säbel, unb er l)at alleg fo oortrefflid) motirnert,
bei jebem (Schritte üftatut unb üTl>al)rl)eit fo genau beobachtet,
bei bem geringften Uebergange fo feine Sdjattierungen in
ad)t genommen, bafj man nidjt aufhören fann, tfui 51t be=
nutnbern.
%lnx ift öftere, um Ijinter alle geinrjeiten beg Sereng
511 fommen, bie ©abe feljr nötig, ftd) bag Spiel bes Akteurs
babei gu benfen; benn biefeg fdjrieben bie alten £)id)ter nid)t
bei. &ie Seflamation tjatte iljren eigenen SUinftler, unb in
bem übrigen tonnten fie fidj of)ne 3uie^el auf bie ©infidjt
ber Spieler uerlaffen, bie aug ifjrem ©efdjafte ein feljr ernftltdjeS
Stubium madjten. 9iid)t feiten befanben ftd) unter biefen bie
2)id)ter felbft; fie jagten, roie fie eg l)aben motlten; unb ba fie
il)re Binde überhaupt nidjt erjer bef'annt werben liefen, alg
*) Mi. Quid istuc? quae res tarn repente mores mutavit tuos?
Quod prolubium, quae istsec subita est largitas? De. Dicam tibi:
Ut id ostenderem, quod te isti facilem et festivum putaut,
Id non fieri ex vera vita, neque adeo ex aequo et bono,
Sed ex assentando, indulgendo et largiendo, Micio.
Nunc adeo, si ob eam rem vobis mea vita invisa est, Aeschine,
Quia non justa injusta prorsus omnia, omnino obsequor;
Missa facio ; eflfundite, emite, facite quod vobis lubet !
[9Jticio. 9Ba§ Ijat ba§ gu bebeuten? tooljer bie fo piöijüdje SSeränberung in
beinern Gfjarafter? tt>a§ foH man üon biefer Liebhaberei, »on biefer urplötjlidjeu
ft-reigebigfeit galten'? ©emea. Sa* nrift id) biv jagen: id) tuill 3eigen, bat"; e§
nid)t Don beiner nnrftidjen 2eben*tt>eije f)errüf)rt, i>a$ biefe bidj gütig unb liebcu:--
mürbig finben, aud) nid)t tooii beiner ©eredjtigfeit uub ©üte; nein, Wicio, e§ fommt
bafjer, baß bu gu allem 3a jagteft, afleä hjngeljen liejjeft unb iljnen brau fdjenfteft.
Setjt, 5lefd)inu&, toenn eud) mein 29enef)tnen beibalb jo jct)r ticrljaBt ift, weil id)
mir nid)t ba§ 0ted)te unb gan3 Unrcdjte aüe§ burd) einanber gefallen laffe, liimmere
id) mid) um md)t§ mcf)r: tterfdjtnenbet, !auft, mad)t, roas ibr rooüt! Zimmermann.]
**) [£ier geigt Serentiuu, baß ©emea mefyr eine Wenberung feiner ©efinnung
erb,eudjelt/al§ biefelbe mirflid) gennbert t)abe. gimtnermann.']
80 §amburgtf($e Dramaturgie.
big fie gcfpiett maren, alg big man fie gefefjen uub gehört
hatte : fo formten fie eg um fo meljr überhoben fein, ben ge=
jdjrtebenen Dialog burd) @infd)iebfel $u unterbrechen, in meldjen
fid) ber befdnetbenbe £id)ter geroiffermafeen mit unter bie
fjanbelnben ^erfonen 31t mifdjjen fdjeinet. 2öenn man fid) aber
einbilbet, baft bie alten 5£id)ter, um fid) biefe ßinfdjiebfel $u
erfparen, in ben Sieben felbft jebe ^Bewegung, jebe ©ebärbe,
jebe TOene, jebe befonbere 2lbänberung ber (Stimme, bie babet
511 beobad)ten, mit ausbeuten gefugt, fo irret man fidj. 5n
beut Verena allein fommen ungäTjlige «Stellen t>or, in meldjen
uon einer folgen 5lnbeutung fid) ntd^t bie geringfte Spur
geiget, unb rao gleid)mol)l ber maljre 3Serftaub nur burd) bie
(Srratung ber magren Slftion fann getroffen werben; ja, in
oielen flehten bie 2Borte gerabe bag ©egenteil uon beut $u
fagen, mag ber Sdjaufpieler burd) jene augbrüden mufj.
Selbft in ber Sgene, in melcber bie oermeinte Sinneg=
änberung beg 2)emea oorgel)t, finben fid) bergleidjen Stellen,
bie id) anführen tmtt, weil auf iljnen geroifferma^en bie
■Dftfjbeutung beruhet, bie id) beftreite. — feemea meij* nun=
meljr alles ; er fjat eg mit feinen eignen 2lugen gefetjen, bafe
eg fein ehrbarer frommer Soljn ift, für ben bie Sängerin
entführet roorben, unb ftürgt mit bem unbänbigften ©efdjret
l)eraug. @r llagt eg beut §immel unb ber @rbe unb bem
3fteere; unb eben befömmt er ben TOcio gu @eftd)t.
SDemea. §a! ba ift er, ber mir fie beibe oerbirbt —
meine Söl)ne, mir fie beibe gu ©runbe richtet! —
-Dcicio. D, fo mäßige bidr) unb fomm mieber 51t bir!
SDemea. ©ut, id) mäßige mid), id) bin bei mir, eg foll
mir lein partes SBort entfahren. SatJ ung blofj bei ber
Sad)e bleiben ! Sinb mir nid)t eing geworben, mareft bu eg
nid)t felbft, ber eg guerft auf bie Söaljtt braute, ba£ ftd) ein
jeber nur um ben feinen belummern follte? Slntroorte ! *) u. f. ro.
2ßer fid) r)ier nur an bie SBorte l)ält unb fein fo richtiger
35eobad)ter ift, alg eg ber £)id)ter mar, fann leicht glauben,
bafj SDemea oiel 311 gefd)minb austobe, oiel ^u gefdjminb
biefen gelaffenern ion anftimme. 9ßadj einiger Ueberlegung
— — — De. Eccum adest
Communis corruptela nostrum liberum.
Mi. Tandem reprime iraeundiam, atque ad te redi.
De. Repressi, redii, mitto maledicta omnia.
Rem ipsam putemus. Dictum hoc inter nos fuit,
Et ex te adeo est ortum, ne te curares meum,
Neve ego tuum? respondel —
3roeiunbfidjjigfte3 3tütf. 87
wirb if)m jmar uietteidjt beifallen, bafe jeber 2lffeft, wenn er
aufä Steufeerfte gcfommen, notwendig wieber finfen muffe, baf$
Temea auf ben 3Serwei3 feines 33ruber§ fid; beä ungeftümen
3arf)3ornS nidjt anberö aU fd)ämen f önne ; baö alles ift and)
gang 1311t, aber e<B ift bod) nod) nidt)t baö sJted)te. 2)iefe3
taffe er fid) alfo t)om S)onatu§ lehren, ber t)ier jwei oor=
treffliche Slnmerfungen l)at. Videtur, fagt er, paulo citius
destomachatus, quam res etiam incertae poscebant. Sed
et hoc inorale: nam juste irati, omissa saevitia ad ra-
tiocinationes saepe festin ant*). 2Benn ber ^ornige 9an3
offenbar 9ied;t 31t fyaben glaubt, wenn er ftdj einbilbet, bafj
fid) gegen feine 33efd)werben burcl)au3 nidjtS einwenben laffe :
fo wirb er ftcf) bei beut Sdjelten gerabe am wenigften aufs
galten, fonbern 31t ben SBeweifen eilen, um feinen ©eaner
burd) eine fo fonnenllare Ueberjeugung 3U bemütigen. £)od)
ba er über bie ^Ballungen feines iod)enben ©eblüts nid)t fo
unmittelbar gebieten fann, ba ber 3orn, ber überführen will,
bod) nod) immer 3orn bleibt, fo mad)t S)onatu3 bie zweite
Slnmerfung: non quod dicatur, sed quo gestu dicatur,
specta: et videbis neque adhuc repressisse iracundiam,
neque ad se rediisse Demeam. **) 3)emea fagt gwar: ,,id)
mäßige mid), id) bin wieber bei mir;" aber ©efidjt unb ©e=
bärbe unb Stimme oerraten genugfam, baf$ er fid) nod) nidjt
gemä^iget Ijat, baf$ er nod) nidjt wieber bei fid) ift. dx be=
ftürmt ben TOcio mit einer §rage über bie anbere, unb
SJcicio ftat alle feine teilte unb gute Saune nötig, um nur jum
Sßorte 311 t'ommen.
gttwun&!t?b?t0|te6 gtüdu
2)en 8. Januar 1768.
2113 er enbltd) ba3u fömmt, wirb SDemea $war einge=
trieben, aber im geringsten nidjt übeqeugt. 2tßer SSorwanb,
über bie SebenSart feiner ^inber unwillig 3U fein, ift iljm
benommen, unb bod) fängt er wieber non oorne an, $u nergeln.
9J2icio mujj audj nur abbrechen unb fid) begnügen, bafc ifym
*) [©«« 30rn y<^ctnt jtd) etma§ fdjnetler t>erfür;tt §u fjaben, qI§ e§ bie, tnenn
aud) uugettnfjen Skrfyättniffe erforberten. 9Iber aud) bie§ ift im ßfjarafter begrünbet;
bcnn bie aus beteibigtem SRedjtegefüfjte 3ürnenben gel)en, inbem fie ifjre 2Sut unter»
brüden, oft fdmeQ ju föefleyionen über. 3 immer mann.]
**) [ü)ian fjat barauf §u fetjen, nidjt ma§ gefagt hnrb, fonbern mit mefdjen
(Se6ärben e« gefagt mirb ; unb man ttrirb finben, bafj 3>emea uod) nidjt feinen 3°™
unterbrüdt tjat unb nod) nidjt ju ftd) gefommen ift. 3^mmermann-l
88 * §ainburgtfri)e Dramaturgie.
bie mürrifdje Saune, bie er nid)t änbern fann, roenigfteng
auf r)eute grieben laffen roill. 3Me 2Benbungen, bie t(m
Vereng babei nehmen lägt, ftnb meifterljaft. *)
£>emea. sJ£un gib nur acfyt, 9flicio, roie roir mit biefen
fcrjönen ©runbfätjen, mit biefer betner lieben sJtad)ftdjt am
@nbe fahren werben.
■ätticio. ©dnoeig bocfy! Keffer, als bu glaubeft. — Unb
nun genug baoort! §eute fdjenfe btdj mir! $omm, flärc
bidt) auf!
3)emea. ■Xftag'S bod^ nur Ijeute fein! 2öa3 idj mug,
ba§ mug id). — 2lber morgen, fobalb e3 £ag roirb, gelf id)
roieber aufg 2)orf, unb ber 23urfdje getjt mit. —
9tticio. Sieber, nod) el)e e§ £ag wirb, backte id). ©ei
nur fyeute luftig!
£)emea. ^ud) ba3 9Kenfd& oon einer Sängerin mug
mit rjeraug. I
StRicio. 23ortrefflid) ! 60 roirb ftd) ber ©or)n geroig
nicfjt roegroünfcfjen. tflux rjalte fte aud) gut!
£)emea. £)a lag mtd) oor forgen! ©ie foß in ber
9Jiül)le unb oor bem Dfenlodje 9M)lftaub§ unb $ol)tftaub§
unb Sftaudjö genug friegen. ©a^u foll fte mir am feigen
Mittage ftopoeln germ, Tbt§ fte fo trocfen, fo fdjroarj geroor=
ben, afe ein £öfd)branb.
DJticto. S)a3 gefällt mir! 9Run bift bu auf bem redeten
Sßege! — Unb aföbemt, roenn id) roie bu wäre, mügte mir
ber ©olm bei ifyr fd)lafen, er mödjte motten ober nidjt.
£)emea. Sad^ft bu mid) auSV — Sei fo einer ©emüt3=
art freilid; fannft bu mof)l glüdtid) fein. 3d) für)P e§, leiber —
*) — De. Ne nimium modo
Bonse tuse ist» nos rationes, Micio,
Et tuus iste animus aequus sub vertat. Mi. Tace;
Non fiet. Mitte jam istaec; da te hodie mihi:
Exporge frontem. De. Scilicet ita tempus fert,
Faciendum est: ceterum rua cras cum filio
Cum primo lucu ibo hinc. Mi. De nocte censeo :
Hodie modo hilarum fac te. De. Et istam psaltriam
Una illuc mecum hinc abstraham. Mi. Pugnaveris.
Eo pacto prorsum illic alligaris filium.
Modo facito, ut illam serves. De. Ego istuc videro,
Atque ibi favillse plena, fumi, ac pollinis,
Coquendo Sit faxo et molendo; praeter haBC
Meridie ipso faciam ut stipulam colligat:
Tarn excoctam reddam atque atram, quam carbo est. Mi. Placet.
Nunc mihi videre sapere. Atque equidem filium,
Tum etiam si nolit, cogam, ut cum illa una cubet.
De. Derides? fortunatus, qui istoc animo sies:
Ego sentio. Mi. Ah pergisne? De. Jam jam desino.
StDehmbfie&ätgfteä (Stürf. 89
9Ji i c t o . Ü)u fängft bod) mieber an?
SDemea. 9ht, nu; idj l)öre ja aud) fdjon mieber auf.
Set bem „2ad)ft bu midj au§?" be3 3)emea merft £)o=
uatuö an : Hoc verbum vultu Demeae sie profertur , ut
subrisisse videatur invitus. Sed rursus ego sentio amare
severeque dicit. *) Unoergleidjlidj ! $!emea, beffen ooller
ßrnft e§ mar, baf$ er bie Sängerin nid)t al§ ©angerin, fom
bem aU eine gemeine Sflaoin fallen unb nufcen roollte,
mufe über ben @infatl beg Wlkxo ladjen. 5fticio felbft braucht
nidjt 51t lachen; je ernftljafter er fid) ftetlt, befto beffer.
SDemea lann barum bod) fagen: „Sadjft bu mid) au%?" unb
mufj fid; fingen motten, fein eignet Sachen 511 oerbeiften.
@r oerbeifct e§ aud) balb, beim bas) „3d> fü^l1 e3, leiber — "
fagt er mieber in einem ärgerltdjen unb bittern %om. 2X6er
fo ungern, fo lurj ba§ Sa$en aud) ift, fo grofce Söirfung
l)at e§ gleid)tool)l. ®enn einen üftann roie 2)emea Ijat man
mirffid) t>org erfte gerconnen, raenn man iljn nur 311 tadjen
madjen fann. ge feltner iEjm biefe morjltfjätige @rfd)ütte=
rung ift, befto länger Ijält fie innerlich au; nadjbem er längft
alle Spur berfelben auf feinem ©efidjte oertilgt, bauert fie
nod) fort, ol)ne bafj er e§ felbft wetjj, unb l)at auf fein näd)ft=
folgenbeg ^Betragen einen gemiffen @influf$. —
SIber raer Fjätte mof)l bei einem örammatiler fo feine
^enntniffe gefud)t? £)ie alten ©rammatifer maren nidjt ba§,
ma% mir jet3t bei bem tarnen benfen. @§ maren Seute oon
oieler @infid)t; ba§ gange meite gelb ber $ritif mar it)r ©ebiet.
3Sa§ oon i^ren Auslegungen flafftfd)er Sdjriften auf uns>
gefommen, oerbient bal)er ntctjt blofc roegen ber Spradje ftubiert
5U merben. 9tur mufj man bie neuern Interpolationen gu
unterfdjeiben miffen. £)af$ aber biefer 2)onatu3 (Melius) fo
rorjüglicr) reid) an Semerfungen ift, bie unfern ©efd)inad
bitben fönnen, bafc er bie oerftedteften ©djönljeiten feineg
2Iutor§ mel)r al§ irgenb ein anberer 311 entfjüffen roet^, bas
fömmt oielteidjt meniger oon feinen großem ©aben als oon
ber 33efd)affenf)eit feineg Slutorg felbft. 2)a3 römifdje Sweater
mar jur 3eü be§ £>onatii£> nod) nidjt gänglid) oerf allen; bie
(Stade be§ Vereng mürben nod) gefpielt, unb oljne 3roe^fe^
nod) mit oieleu oon ben lleberlieferungen gefpielt, bie fid)
au$ ben beffern Reiten oe§ römifd)en ©efd)mad'3 rjerfdjrieben;
*) p£sie[e§ 2öort ipvtdEjt 2)emea mit einer liierte au§, baß e§ fdjeint, er tmbe
»öiberSBillen adädjett. ©ann aber jagt er: „3d) fiifjl' e§, leiber — " mit ärgerlidjer
unb finfterer Üfliene. 3immerninnn-]
90 .Vamtutrgifcfje Dramaturgie.
er bitrfte alfo nur anmerfen, ma$ er fal)e unb Ijörte; er brauchte
alfo nur Shtfmerffamfeit unb %reue, um fid) ba3 Sßcrbienft
51t madjen, bafe ifym bie ^Kadjroelt geinfyeiten gu oerbanfen
|at, bie er felbft fdjmerlid) bürfte au^gegrübelt Ijaben. Qdj
roüfjte baljer au6) fein 2Serf, au§ meldjem ein angeljenber
(Sdjaujpieler metjr lernen fönnte, al§ biefen Kommentar beä
£>onatu§ über ben Vereng; unb big ba§ Satein unter unfern
©djaufoielern üblidjer wirb, münfd)te td) fe^r, bafj man iljnen
eine gute Ueberfetjung baoon in bie §änbe geben mollte.
@ö oerfteljt fidj, ba§ ber ^Dtc^ter babei fein unb au§ bem
Kommentar alles wegbleiben mü§te, roa§ bte blofee 2Öort=
erflärurtg betrifft. 2)te 2)acier fjat in biefer Slbfidjt ben
£)onatu§ nur fd)led)t genügt, unb iljre Ueberfetnmg beö
^ejte§ ift mäferig unb fteif. (Sine neuere beutfdje, bie mir
Ijaben, l)at ba3 Sßerbtenft ber Sfttdjtigfeit fo fo, aber ba3 3Ser=
bienft ber fomifdjen ©pradje feljlt iljr gänjlidj;*) unb SDonatuö
ift aud) nidjt raeiter gebraust, a(§ ifyn bie 2)acier 51t brauchen
für gut befunben. @§ märe alfo leine getraue Arbeit, ma§
id) r>orfd)lage; aber mer folt fie tljun? Sie nichts 23effer3
tl)itn tonnten, lönnen aud) biefeS nid)t; unb bie etraaS 33effer3
tljun formten, merben fid) bebanlen.
SDod) enbltdj rom %exen% auf unfern 9?ad)al)mer gu
lommen — @3 ift bodj fonberbar, baj$ aud) §err SRomanuS
*) £aße 1753. 5Bunber§ tjalben erlaube man mir, bie ©teile barau§ anju=
füfjren, bie id) eben i^t überfetjt tjabe. 2öa§ mir t)ier au§ ber geber gefloffen, ift
tüett entfernt, fo ju fein, mie e§ fein foßte; aber man Wirb bod) uitflefätjr barau§
fer)en tonnen, tooriu 1>aZ SSerbienft befielt, ba§ id) biefer Ueberfetjung abfpredjen mufj.
SDemea. 9lber, mein lieber SBruber, bafj un§ nur nid)t beine fdjönen förünbe
unb bein gleichgültiges ©emüt fie ganj unb gar in§ SSerberben ftürjen!
9Dlicio. Qld), fdjttieig bod) nur, ba§ wirb nid)t gefdjeljen. Saß ba§ immer
fein. Uebertafj bid) bleute einmal mir! 2öeg mit ben Ütunjeln tion ber ©tirne!
SDemea. 3a, ja, bie geit bringt e§ fo mit fid), id) muß e§ mof)t tljun. 2lber
mit anbredjenbem Sage get)e id) mieber mit meinem ©otjne auf§ 2anb.
SJlicio. 3fd) werbe bid) nid)t aufhalten, unb menn bu bie 9iad)t mieber geljn
Wißft; fei bod) bleute nur einmal fröl)tid)!
3)emea. 3)ie Sängerin miß id) 3ugleid) mit fyerauSfdjleppen.
9Jticio. 2)a tbuft bu morjt; baburd) toirft bu mad)en, baß bein ©otjn ob,ne
fie nid)t mirb leben tonnen. 9Iber forge aud), t>a$ bu fie gut ner^ältft!
®emea. 5Dafiir merbe id) fd)on fovgen. ©ie foß mir fod)en, unb 9?aud),
3lfd)e unb 3Ket)l foßen fie fdjon tenntlid) madjen. Slufcerbem foß fie mir in ber
gvö|ten Wittag^b^i^e gefjen unb 9let)ren lefen, unb bann miß id) fie il;m fo tierbrannt
unb fo fcfymarj mie eine $ot)le überliefern.
2)ticio. S)a§ gefäOt mir; nun feb,' id) red)t ein, bafj bu meigtid) Ijanbelft ;
aber bann fannft bu aud) beiuen ©oljn mit ©ematt ätuingen, ba^ er fie mit ju
Sßette nimmt.
S)emea. 2ad)ft bu mid) etma au§? SDu bift glüdlid), ba^ bu ein foldjeä
©emiit l)aft; aber id) füf)te.
9Jii ci o. 2ld)! t)ältft bu nod) nid)t iune?
SDemea. 3d) fd)Weige fdjon.
©refunbfte&jtgfteä 2tücF. 91
ben falfd;cn ©ebanfen be§ SSoltaire gelja&t ,^u fmben fdjeint.
2ludj et i)at geglaubt, bafe am (Snbe mit bem (Sfjarafter beS
©emea eine gänglidje SBeränberung corgelje; wenigftenä läßt
er jie mit bem (Sljarafter feinet Sofimonö oorgetjen. „3e,
föinber," läfet er i$n rufen, „fdjweigt bodj! 3$r überhäuft
mid) ja mit Siebfofungen. ©oljn, Sruber, SBetter, ©teuer,
alles fdnneidjelt mir, btofe meit \d) einmal ein bifjdjen freunb=
ltdj ausfelje. Sin iclj'S benn, ober bin icfy'S nidjt? Qd) werbe
mieber redjt jung, trüber! @3 ift bodj l)übfd), raenn man
geliebt wirb. 3$ mill aud) geroifc fo bleiben. Qd) roüfcte
nid)t, menn idj fo eine oergnügte Stunbe gehabt f)ätte." Unb
grontin fagt: „üRun, unfer älter ftirbt gewiß balb.*) ©ie
SÖeränberung ift gar £it r>löt$lid)." Qa woljl; aber ba3 ©pridp
raort unb ber gemeine ©laube non ben unoermuteten Sßer=
änberungen, bie einen nar)en "Xob oorbebeuten, foll bodj roofjl
nidjt im ©rufte l)ier etwas rechtfertigen V
pretutti>!tdj£tgßcs §tütK-
Ben 12. Sfanuar 1768.
Sie Scrjlufjrebe be§ 3)emea bei bem Vereng geljt attö
einem ganj anbern ^Eone. „SOBenn eudj nur ba§ gefällt, nun,
fo mad)t, roa§ il)r wollt, idj mill midj um uidjtö mefjr be=
fümmern!" @r ift e§ ganj unb gar nicjjt, ber fidj nad) ber
SBeife ber anbern, fonbem bie anbern ftnb e§, bie ftdf) nad)
feiner SBeife fünftig gu bequemen oerfpredjen. — Slber wie
tömmt e§, bürfte man fragen, baf$ bie legten ©jenen mit
bem Snfimon in unfern beutfdjen Srübern bei ber SBorftellttng
gleidjmoryt immer fo rool)l aufgenommen werben? ©er be=
ftänbige -Rüdfall be3 Snfimou in feinen alten (Ebaralter madjt
fte fomifdj; aber bei biefem ()ätte es> aud) bleiben muffen. —
Qd) uerfpare ba§ SSeitere big 511 einer ^weiten s$orftetfung
be3 <Stücf§.
3)aö Oralel oom ©aint=goi^ meldjeS biefenSlbenb ben
33efd)luj$ madjte, ift allgemein befannt unb allgemein beliebt.
2)en fed^unboierjigften 2lbenb (3Jlontag§, ben 20. guliuo )
warb ^Jitg Sara**) unb ben fiebenunboier^igften, %ageö
*) So fotl e§ ofjne 3roeifet fjeißen , unb nidjt: ftirbt otjn möglich, batb.
fyür toiele Don unfern Sdjaufpielern ift c» nötig, aud) fotdbe Srudfehler anjutncvfen.
**) 3. ben 11. Slbenb, Seite 155.
92 .£mm&urg,iftt)e Dramaturgie.
barauf, Sfamine*) wieberfyolt. Sluf bie 9knine folgte: 3) er
unvermutete 21 Umgang, üom 3Jlarbauj, in einem Slfte.
Ober, wie eS wörtlicher nnb beffer Reiften • würbe : bie
unvermutete ©ntwidlung. 2)enn eS ift einer oon ben Titeln,
bie uidjt fowol)! ben Qnfjatt anzeigen, als vielmehr gletdt)
anfangt gewiffen ©inwenbungen vorbauen f ollen, bie ber
SMdjter gegen feinen (Stoff ober beffen Gefyanblung vor!jer=
fielet. (Sin SSater will feine ^ocr)ter an einen jungen 9ttenfd)en
»erheiraten, ben fie nie gefeljen |at. Sie ift mit einem anbern
fdjcm fyalb richtig, aber biefeS aucl) fdjon feit fo langer Qtit,
baf$ es faft gar nid;t melw richtig ift. Unterbeffen möcljte fie
ttjin bod) nod) lieber, als einen gan§ Unbetonten, unb fvielt
fogar auf fein Singeben bie Atolle einer 2ßaljnwii$igen, um
ben neuen greier ab§ufcr)recfen. tiefer fömmt; aber gum
©lüde ift e§ ein fo fcfyöner, liebeuSmürbiger 9ftann, baj$ fie
gar balb il)re ^ßerftellung vergibt unb in aller ©efd)winbig=
feit mit il)m einig roirb. 9Jton gebe bem ^>tüde einen anbern
%ttel, unb alle Sefer unb 3uWaiier werben ausrufen: ba§
ift aud) felw unerwartet! ©inen knoten, ben man in ^efjn
©^enen fo müljfam gefd)ür§t §at, in einer einzigen nid)t $u
löfen, fonbern mit ein§ §u genauen! 9cun aber ift biefer
geiler in bem Xxtd felbft angefünbiget unb burdj biefe 2In=
tünbigung gewifferma^en geredjtfertiget. SDenn wenn e£ nun
wirtlid) einmal fo einen §all gegeben Ijat, warum foll er
nidjt aud) vorgeftellt werben fönnen? (Sr far)e ja in ber 2öir!=
Iid)leit einer ^omöbie fo äfmltdjj; unb fotlte er benn eben
beSmegen um fo unfdjidlidjer §ur ^omöbie fein? — 9kd) ber
Strenge, allerbingS; benn alle Gegebenheiten, bie man im
gemeinen Seben wafyxe ^omöbien nennet, finbet man in ber
i^omöbie wahren Gegebenheiten nid)t fein; gletdt) ; unb barauf
fäme e§ bod) eigentlich an.
Slber SluSgang unb ©ntwidlung, laufen beibe 2öorte
nidjt auf einS IjinauS? 3Rtdt)t völlig. £)er 2luSgang ift, bafc
Qungfer Sirgante ben @raft unb ntct)t ben £)orante heiratet,
unb biefer ift ijinlänglid) vorbereitet. £)enn il)re Siebe gegen
©oranten ift fo lau, fo wetterläuuifd) ; fie liebt ifm, weil fie
feit oier Qafjren niemanben gefeljen Ijat als il)tt; manchmal
liebt fie tfjn meljr, mandnnal weniger, manchmal gar nidjt,
fo wie e§ fömmt; Ijat fie iljn lange nicr)t gefeljen, fo fömmt
er iljr liebenSwürbig genug vor; fieljt fie ilm alle %a§e, fo
*) ©. ben 27. unb 33. unb 37. Slbenb, Seite 185, 213 unb 247.
2)reiunbfte63igfte3 ©tütf. 93
madjt er il)r Sangemeile ; befonberS flogen ifjr bann nnb wann
©efidjter auf, gegen roeldje fie 2)oranten§ ©efidjt fo tatyt, fo
unfdjmadfyaft, fo efel finbet! 2ßaö braudjte eö alfo weiter,
um fie gang oon ifmt abzubringen, als bafe (Sraft, ben \{)x
il)r SBater beftimmte, ein foldjeö ©efidjt ift? 2)ajj fie biefen
alfo nimmt, ift fo menig unerwartet, baft es melmefjr feljr
unerwartet fein mürbe, wenn fie bei jenem bliebe, ©ntmid;
hing hingegen ift ein mefyr relattoes SBort; unb eine uner=
wartete Gntwidlung tnooloieret eine 23 errat dlun g , bie oljne
Aolgen bleibt, oon ber ber 2)id)ter auf einmal abfpringt, ol)ne
fid) um bie Verlegenheit gu befümmern, in ber er einen 5teit
feiner ^erfonen lä'fet. Unb fo ift eS Ijier: $eter mirb eS mit
2)oranten fdjon auSmadjen; ber 2)id)ter empfiehlt fidj ilnn.
3)en ad)tunboier3igften Slbenb (UJUttraodjS, ben 22. QuIiuS)
marb bae ^rauerfptel beS §errn 2Eei^e: Dtidjarb III., auf;
geführt, jum 33efd)luffe: § er 30 g 9Jtid)eI.
2)iefeS ©tücf ift ofynftreitig eines oon unfern beträft;
Iidjften Originalen; reict) an großen Sd)önl)eiten, bie genug;
fam geigen, baf$ bie geljler, mit melden fie oermebt finb, 31t
oermeiben, im geringsten nidjt über bie Gräfte beS £)id)terS
geraefen märe, roenn er fid; bicfe Gräfte nur felbft l)ätte
jutrauen motten.
@d)on <Sf)afefpeare fjatte baS Seben unb ben %ob beS
britten ÜudjarbS auf bie SBülrne gebradjt; aber §err Söeifee
erinnerte fid) beffeu uidjt etjer, als big fein Sßerf bereits fertig
mar. „(Sollte id) alfo," fagt er, „bei ber SSergleidjung fdjon
oiel oerlieren, fo mirb man bocr) raenigftenS finben, bafj id) fein
Sßlagium begangen l)abe; — aber oietfeid)t märe eS ein SSer?
bieuft gemefen, an bem (Sljafefpeare ein ^lagium 31t begeben."
SßorauSgefetjt, baf$ man eine§ an iljm begeben fanu. 2(ber
raaS man oon bem §omer gejagt l)at : eS laffe fid) bem §er=
fuleS eljer feine $eule, als iljm ein 93erS abringen — baS
Iä£t fid) ootlfommen audj oom Sljafefpeare fagen. 2htf bie
geringfte oon feinen (Schönheiten ift ein Stempel gebrud't,
melier gleid) ber ganzen Söelt juruft: id) Bin ©IjafefpeareS !
Unb raet)e ber fremben <Sd)önl)eit, bie baS §erj l)at, fid) neben
il)r §u ftellen!
Sfyafefpeare miß ftubiert, nid)t geplünbert fein. $ahen
mir ©enie, fo mufe uns ©Ijafefpeare baS fein, mas bem Sanb;
fdjaftSmaler bie (Samera obfcura ift: er fefje fleißig hinein,
um 31t lernen, mie fiel) bie Statur in allen gälten auf eine
glädje projeltieret; aber er borge nichts barauS.
94 ^amBurgtfdje Dramaturgie.
3$ wüßte aud) wirflid) in bem gangen ©tüde beS ©Ijafe*
fpeareS feine einzige ©gene, fogar feine einzige £irabe, bie
§err 2Beifje fo Ijätte Brausen tonnen, wie fie bort ift. Sitte,
and) bie fleinften %eile Beim ©tjafefpeare, ftnb nad; ben großen
3ftafcen beS Ijiftorifdjen ©djaufpielS gugefdjnitten, nnb biefeS
uerljält fid) gu ber Sragöbie frangöfifdjen ©efdwiad'S ungefähr
wie ein weitläufiges gresfogemälbe gegen ein TOniatürbilbdjen
für einen Sfting. 3BaS fann man gu biefem aus jenem nehmen,
als etwa ein ©eftdjt, eine einzelne gigur, fjödjftenS eine fleine
©rttppe, bie man fobann als ein eigenes ©ange ausführen
mujs? ©Ben fo mürben aus einzeln ©ebanfen Beim ©f)afe=
fpeare gange ©genen, nnb aus einzeln ©jenen gange 2luf=
güge werben muffen. £)enn wenn man ben Slermel aus bem
bleibe eines liefen für einen $werg re$t nutzen will, fo
muß man iljm nid)t mieber einen Slermel, fonbern einen gangen
9^o d barauS machen.
%f)\\t man aBer audj biefeS, fo fann man megen ber
SBefdmlbigung beS $lagiumS gang rul)tg fein. S)ie meiften
werben in bem gaben bie glode nidjt erfennen, woraus er
gefponnen ift. 2)ie wenigen, weldje bie föunft nerfteljen,
»erraten ben 3Keifter nicfjt unb wiffen, baß ein ©olbforn fo
fünftlid) fann getrieBen fein, ba$ ber üßkrt ber gorm ben
2öcrt ber Materie Bei weitem übersteiget.
3$ für mein %t\l Bebauere eS alfo wirflid), ba^ unferm
3)idjter ©IjafefpeareS ^idjarb fo fpät Beigefatten. ©r Ijätte
ifjn fb'nnen gefannt Ijaben unb bodj eBen fo original geblieben
fein, als er i|t ift; er Ijätte ilm fönnen genutjt Ijaben, oljne
baß eine einzige übergetragene ©ebanfc baoon gezeugt Ijätte.
2öäre mir inbeS eben baS Begegnet, fo würbe idj ©fyafe-
fpeareS 2ßerf wenigftenS nacf)r)er als einen ©piegel genügt
Ijaben, um meinem SBerfe alle bie gleden abguwifdjen, bie
mein Singe unmittelbar barin 311 erfennen nid)t oermögenb
gewefen wäre. — Slber woljer weiß id), baß §err 28eiße biefeS
nidjt getljan? Unb warum follte er cS nict)t getrau Ijaben?
®ann eS nid)t eben fo wol)l fein, baß er baS, was id) für
bergleidjen gled'en balte, für feine l)ält? XXnb ift eS nidjt fel)r
wa()rfd)einlid), baß er mefyr ffte&jt l)at als id)? 3$ Dm UDer-
geugt, baß baS 2luge be§ ^ünftlerS größtenteils öiel fd)arf=
fid)tiger ift als baS fdjarffidjtigfte feiner SBetradjter. Unter
gwangig Einwürfen, bie ifmi biefe madjen, wirb er fid; 0011
neungeljn erinnern, fie wäl)renb ber 2lrbeit fid) felbft gemadjt
unb fie and) fdjon fid; felbft beantwortet 311 Ijaben.
SterunbfteBjigfteä ©tütf. 05
©leidmmfjl nrirb et mdji ungehalten fein, fie aud) oon
anbern madjen 51t Ijören : benn er l)at eS gern, bafj man über
fein 2öerl urteilt ; fd)al ober grünblid), linfs ober redjtö, gut=
artig ober bamifd), altes gilt i()in gleid); unb and) baS fdjalfte,
linf'fte, Ijämifdjfte Urteil ift iljm lieber als falte ^cnntnbening.
^eneo wirb er auf bie eine ober bie anbre 3lrt in feinen
9cu$en gu oenoenben toiffen: aber maS fängt er mit biefer
an? $erad)ten mödjte er bie guten erjrlidjen Seute ntdjt gern,
bie il)n für fo etmaS 2üij$erorbentlid)eS galten ; unb bodj tmifj
er bie 2ldjfeln über fie guefen. @r ift ntdjt eitel, aber er ift
gemeiniglid) ftoI§ ; unb auS (Stotg mödjte er gejmmat lieber
einen unoerbienten STabel als ein unuerbienteS £ob auf fiel)
fitjen laffen. —
5Kan mirb glauben, roeldje föritif id) hiermit oorbereiten
milT. — 2SenigftenS tiidjt bei bent ÜBerfaffer, — IjÖdjftenS mir
bei einem ober bem anbern DJtitfpredjer. 3d) mei^ uidjt, mo
id) eS jüngft gebrudt lefen mnfcte, baß id) bie „Slmalia"
meines greunbeS auf Unloften feiner übrigen Suftfpiele gelobt
Ijätte. *) — Stuf Unloften? aber bod) menigftenS ber frühem?
Qd) gönne eS 8f)lten, ™ßm -&err/ ^aB man niemals Qfjre
altern Sßerfe fo möge tabeln fönnen. £er §immel beiuarjre
3tc oor bem tüdtfdjen 2obe: baft Qljr letztes immer Sfyr
befteS ift! — __
|fienm&rtcüjujjte£ gfctüA.
©en 15. Sanuar 1768.
$ur <&ad)e. — @S ift oornetymlid) ber Gfjarafter be§
DtidjarbS, morüber id) mir bie Grflärung beS SDid;terS münfdjte.
SlriftoteleS mürbe ilm fd)ted)terbingS oermorfen rjaben; groar
mit bem 2lnfel)en beS 2(riftoteleS motlte id) balb fertig roerben,
wenn id) eS nur aud) mit feinen ©rünben gu merben roäfete.
SDie ^ragöbie, nimmt er an, foll 9JiitIeib unb (Sdjredeu
erregen: unb barauS folgert er, ba$ ber §elb berfelben meber
ein gan$ tugenbljafter 3Äann, nod) ein oölliger SBöfewidjt fein
muffe. ®enn meber mit beS einen nod) mit beS anbern Un=
glüde laffe ftdt) jener gwed erreidjen.
^Häurne id) biefeS ein, fo ift 91id)arb III. eine STragöbie,
bie ifyreS gwedeS oerfeljlt. Fannie id) eS ntdjt ein, fo weift
id) gar nidjt merjr, was eine STragöbie ift.
*) Crben erinnere id) mid) nod}: in bei yerrn Sdjmib» ^ujii^en 311 jeiuer
„Sfjeorie ber ^oefie", ©. 45.
96 §amburgtftf)e Dramaturgie.
3)enn 9üd)arb III. , fo rate ilm §err Söeifte gefdjjilbert
fjat, ift unftreitig baS größte, abfd)eulid)fte Ungeheuer, baS
jemals bie 33üjjne getragen. 3$ fage: bie Söügne; baft eS
bie (Srbe rairflid) getragen Ijabe, baran graeifte xd).
2öaS für 9Jfttleib fann ber Untergang biefeS Ungeheuers
erraeden? SDodj baS foE er audj nid)t; ber ©idjter l)at eS
barauf nid)t angelegt, unb eS fiab gang anbere $erfonen in
feinem 2£erfe, bie er $u ©egenftänben unferS -iDfttleibS ge=
madjt i)at.
2lber ©djreden? — (Sollte biefer 23öferaidjt, ber bie $luft,
bie \i<$) graifdjen ifmt unb bem S£fyrone befunben, mit lauter
Seiten gefüllet, mit ben Seidien berer, bie tljm baS Siebfte in
ber s18elt Ijätten fein muffen ; foEte biefer blutbürftige, feinet
SBlutburfteS fidj rüfjmenbe, über feine SSerbrecfjen ftd) fitjelnbe
Teufel nidjt ©djreden in nollem Wlafo erraeden?
2Bofyl erraedt er ©d)reden: raemt unter ©dfjreden baS
©rftaunen über unbegreiflidje 9JttffetIjaten, baS (Sntfe^en über
SoSljeiten, bie unfern ^Begriff überfteigen, raenn barunter ber
©djauber §u t>erftel)en ift, ber uns bei ©rblidung oorfätj'
üd)er (Greuel, bie mit Suft begangen raerben, überfällt. 23on
biefem ©djreden t)at mid) Sftidjjarb III. mein gutes Steil empfing
ben laffen.
2lber biefeS ©djreden ift fo raenig eine non ben 2tbftd)ten
beS ^rauerfpielS, baf$ eS nielmel)r bie alten £)id)ter auf alle
Söeife gu minbern fudjten, raenn iljre ^erfonen irgenb ein
großes sJßerbred)en begeben mußten, ©ie fd^oben öfters lieber
bie ©djulb auf baS ©djidfal, matten baS 33erbred)en lieber
ju einem 33erl)änguiffe einer räcfyenben ©ottfjeit, nerraanbelten
lieber ben freien 9Jlenfdjen in eine sD?afd)ine : e§e fte uns bei
ber gräftlidjen 3bee raollten nerraeilen laffen, baf$ ber 9Jtenfd)
oon Statur einer folgen $erberbniS fällig fei.
Sei ben gran^ofen füt)rt (Srebitlon ben Beinamen beS
©d)redlid;en. Qd) fürdjte fefyr, me§r non biefem ©djreden,
raeldjeS in ber äragöbie nidjt fein foEte, als von bem edfjten,
baS ber ^Ijilofopl) $u bem Söefen ber ^ragöbie rennet.
Unb biefes — i)ätte man gar nicr)t ©d^reden nennen
foEen. 2)aS SÖort, raeldjeS SlriftoteleS brauet, Reifet gurdjt :
slftitletb unb gurd^t, fagt er, foll bie ^ragöbie erregen; nidjt,
9Jiitleib unb ©djreden. @S ift raaljr, baS ©dfjreden ift eine
©attung ber gurdjt; eS ift eine plö£lid)e, überrafd^enbe gurd)t.
3lber eben biefeS $löt}lidje, biefeS Ueberrafdjenbe, raeldjeS bie
Sbee beSfelben einfcfyliefjt, geiget beutlid), bafr bie, oon welken
SBierunbfte6n«fte§ ©tücf. 97
fid) fjier bie (Smfüljrung be3 2Borte3 „(Ed)reden" anftatt beg
2Borte§ „gurdjt" Ijerfdjreibt, nid)t eingefeljen Ijaben, roaS für
eine gurd)t 2lrtftotele§ meine. — 3$ ntödjte biefeS 2ßege§
fobalb nid)t mieberfommen ; man erlaube mir alfo einen flehten
Sluofdjmeif.
„£a§ TOtleib," fagt 2lriftotele3 , „verlangt einen, ber
unnerbient leibet, unb bie gurdjt einen imferSgletdjen. ©er
SBöferotdjt ift meber biefeä, nod; jenes : folglid) tarnt and; fein
Unglüd meber ba§ erfte, nod) ba§ anbere erregen."*)
©ie gurdjt, fage id), nennen bie neuern Ausleger unb
Ueberfeijer (Bereden, unb e§ gelingt ifjnen mit ©ilfe biefes
9Borttaitfdje§, bem ^3l)ilofopl)en bie feltfamften §änbel oon
ber SÖBelt gu machen.
„9Dtan Ijat fid)," fagt einer auö ber -Iftenge,**) „über
bie (Srflärung beg <2d)reden§ nid)t Bereinigen fönnen; unb in
ber %fyat enthält fie in jeber Betrachtung ein ©lieb 511 oiel,
raeldjeg fie an iljrer 2(flgemeinl)eit r)iubert unb fie aflgit feljr
emfdjränft. 2Benn 2(riftotele3 burd) ben Sitfa^ ,Unfer§=
gletdjen" nur blofc bie 2Ieljnlid)feit ber 5Renfd)l)eit oerftanben
l)at, meil nämlid) ber 3ufd)auer unb bie fyanbelitbe ^erfon
beibe ÜÜKenfd^en finb, gefegt and), bafe fidj unter ifjrem ßijarafter,
ifjrer SJÖürbe unb iljrem Stange ein unenblidjer Slbftanb be=
fänbe : fo mar biefer ^ufatj überflüffig ; benn er nerftanb fid)
non felbft. 2Benn er aber bie Meinung r)atte, baft nur tugenb=
Fjafte ^er Jonen ober foldje, bie einen oergeblidjen gel)ler an
fid) Ratten, Sdjreden erregen lönnten: fo l)atte er Unredjt;
benn bie Vernunft unb bie (Srfafjrung ift il)m fobann ent=
gegen. ©a3 <2d)reden entfpringt oljnftreitig au§ einem ©e=
füfjl ber 9ttenfd)lid)feit; benn jeber SJtenfd) ift iljm unter=
roorfen, unb jeber Üttenfd) erfcf>üttert fid) oermöge biefeö ©efüljtg
bei bem mibrigen Zufalle z[]K$ anbern 9Dtxenfd)en. @g ift
rooljl möglich, baf$ irgenb jemanb einfallen fönnte, biefeS oon
fid) gu leugnen ; allein biefes» mürbe allemal eine Verleugnung
feiner natürlichen ßhnpfinbungen, unb alfo eine blofte ^>ral)leret
au§ uerberbten ©runbfäften unb lein (ÜHnmttrf fein. — SBenn
nun aud) einer lafterljaften ^perfon, auf bie mir eben unfere
5(ufmerf famfett menben, unoermutet ein mibriger ^ufalt Su;
ftöftt, fo nerlieren mir ben Safterfjaften aus> bem ©efid)ie unb
fef)en btofj ben -Dtenfdjen. ©er 5lnblid be£ meujdjltdjen
•) 3m 13. Kapitel ber „Srttfctfunft' '.
**) £r. <B. in ber SSorrebe ju J. „fomifcfyen Sweater", S. 35.
Eejjiuö, SDBerle. XU.
98 §ant&urgtftt)e Dramaturgie.
GlenbeS überhaupt mad)t uns traurig, unb bie plöttfidje traurige
©mpfinbung, bie wir fobann fyaben, ift baS ©abreden."
©anj red)t, aber nur ntcr)t an ber redjten ©teile! 2)enn
was fagt baS roiber ben StrifroteleS? -iRidjtS. SIriftoteleS benlt
an biefeS ©d)reden nidjt, wenn er uon ber gurd)t rebet, in
bie un§ nur baS Unglüd unferSgletdjen fetjen fönne. SDtefeä
©djreden, weldjeS uns bei ber plö^lidjen @rb liefung eines
SeibenS befaßt, baS einem anbern beoorftefyet, ift ein mitleibigeS
©dneden, unb alfo fd)on unter bem üÖJitleibe begriffen.
2lrtftoteleS mürbe nid)t fagen „TOtleiben unb gurd)t", wenn
er unter ber gurdjt weiter nichts als eine blojse SDßobififation
beS 9JiitleibS oerftünbe.
„2)a§ 9Jiitleib," fagt ber Sßerfaffer ber Briefe über bie
©mpftnbungen,*) „ift eine r»ermifd)te ©mpftnbung , bie aus
ber Siebe $u einem ©egenftanbe unb aus ber Unluft über
beffen Unglüd gufammengefetjt ift. 3)ie ^Bewegungen, burdj
meldte \\6) baS 9Jiitleib gu erlennen gibt, finb uon ben ein=
fachen Symptomen ber Siebe fowol)l als ber Unluft unter=
Rieben; benn baS -Jftitleib ift eine @rfd)etnung. 2lber wie
rüelerlei fann biefe ©rfdjeinung werben ! 3ftan änbre nur in
bem bebauerten Unglüd bie einzige Seftimmung ber Seit, fo
roirb fidj baS Sftitteiben burd) gang anbere ^enn^eidjen gu
erlennen geben. 9Jltt ber (Sleftra, bie über bie Urne ifyreS
SBruberS meinet, empfinben mir ein mitleibigeS trauern ; benn
fie fjält baS Unglüd für gefd)el)en unb bejammert iljren ge=
labten SSerluft. 2öaS mir bei ben ©dnnergen beS $l)iloftetS
füllen, ift gleichfalls 9J?itleiben, aber oon einer etwas anbern
9catur; benn bie Qual, bie biefer £ugenbl)afte auslüfteten
fyat, ift gegenwärtig unb überfällt ilm cor unfern Slugen.
SBenn aberDebip fid) entfe^t, inbem baS gro^e (MjeimniS
fid) plöt^lid) entmidelt; menn 5ftonime erfdnidt, als fie ben
eiferfüd)tigen 9Jcitl)ribateS fiel) entfärben fteljt ; menn bie tugenb=
Ijafte SDeSbemona fid) fürchtet, ba fie iljren fonft gärtiidjen
Dtljello fo brol)enb mit ifyr reben Ijöret: raaS empfinben mir
ba? 3mmer no$) ^Jtitleiben! Slber mitleibigeS (Sntfe^en, mit*
leibige §urdjt, mitleibigeS ©dweden. SDie ^Bewegungen finb
nerfd)ieben ; allein baS Söefen ber (Smpfinbungen ift in allen
biefen gälten einerlei. £)enn ba jebe Siebe mit ber 23ereit=
milltgleit nerbunben ift, uns an bie ©teile beS (beliebten §u
fe^en, fo muffen wir alle 3lrten uou Seiben mit ber geliebten
*) ^üojo^ijdje ©d;rtften hcü %tm Mo\cü 2Kmbel*fo!)n, äluetter Seil, ©. 4.
Pnfimbfte&atgfteä Stütf. 99
$erfon leiten, roeldjes man fefjr nadjbrüdftid) DJfitteiben nennet.
2Barum fottten alfo nidjt and) Jurdjt, 3d)redcn, 3orn, ®fCT*
fndjt, SRadjbegier unb überhaupt ade arten von unangenehmen
Gümpfinbungen, fogar ben ^Reib nidjt ausgenommen, aus 9fött*
leiben entfielen fönnen? — 2ftan fiefjt IjierauS, rate gar im«
gejdudt ber größte %eil ber Stunftricfjter bie tragifdjen 2eiben=
fdmften in 3d)reden unb DJtitleiben einteilet. 3d)recfen unb
3)titleiben ! gft benn bao tfjeatralifcfje Sdjretfen fein SDiitleiben?
AÜr roen erfdjrttft ber 3ufd)auer, roenn -DJierope auf tfjren
eignen 3of)n ben Sold) ^iefyet? ©eraif; nid)t für fiel), fonbern
für ben Slegiftlj, beffen ©rljaltung man fo jel)r münfd;ct, unb
für bie betrogne Königin, bie itjn für ben -Dförber ÜjreS
3ol)ueS anfielet. 2Borfen mir aber nur bie ilnluft über baS
gegenwärtige Hebel eines anbem 9JJitleiben nennen : fo muffen
mir nid)t nur baS 3d)reden, fonbern alle übrige Seibenfdjaften,
bie uns oon einem anbern mitgeteilt roerben, oon bem eigent=
lidjen 9ftitteiben unterfdjeiben." —
fimfntt0|trb£irj|tce gtütk.
£en 19. Januar 1768.
£iefe ©ebanfen ftnb fo richtig, fo Hat, fo einleudjtenb,
bafe un§ bünft, ein jeber t)ätte fie tjaben tonnen unb (ja6en
muffen. ©teidjmorjt roill id) bie ferjarffinnigen S3emerfungen
beS neuen ^t)itofopt)en bem alten nidjt untertrieben ; id) fenne
jene§ SBerbienfte um bie Seljre oon ben oermifdjtcn (rmpfin=
bnngen 31t rool)(; bie roaljre Sljeorie berfelben Ijaben mir nur
il)in $u banfen. 2(ber roaS er fo oortrefftid) aus einanber
gefefct bat, baS fann boer) 3(riftoteleS im ganzen ungefähr
empfunben Ijaben ; wenigftenS ift eS unleugbar, ba§ "ilriftoteleS
entioeber mujj geglaubt rjaben, bie ^ragöbie fönne unb folTe
nidjtS als baS eigentlidje -ÜDiitleib, nichts als bie Unluft über
baS gegenmärtige Uebel eines anbern ermeden, raeldjeS irjm
fdjiuerlid) gugutrauen; ober er bat ade Seibenfdjaften über;
Ijaupt, bie uns oon einem anbern mitgeteitet werben , unter
bem 2Borte 9Jiit(eib begriffen.
Senn er, SlriftoteteS, ift eS gemi|3 nid)t, ber bie mit
9fted)t getabelte Einteilung ber tragifdjen Äeibenfdiaften in
^Ritleib unb 3d)reden gemadjt fjat. 3J£an hat ifju fatfd) oer=
fianben, fallet) überfe|t. @r fpricrjt oon -UJatteib unb gurdjt,
nidjt oon sIRitleib nnb 3d;reden ; unb feine §urd)t ift burdjauS
100 ^am&urcjiftfje Dramaturgie.
nidjt bie §urd)t, Tt»eld;e uns bas benorftefjenbe Uebel eines
anbent für biefen anbern ermedt, fonbern es tft bte gurd)t,
tneld)e aus unjerer Slefmttdjjfett mit ber leibenben $erfon für
uns felbft entfpringt; es tft bte gurdjt, ba£ bte Unglüdsfälle,
bie mir über biefe »erränget feljen, uns felbft treffen tonnen;
es tft bte §urd)t, baf$ wir ber bemitleibete ©egenftanb felbft
werben formen. sD?it einem SBorte: biefe gttrdjt tft bas auf
uns felbft belogene SERitleib.
2lriftoteles will überall aus fidf) felbft erflärt merben.
2Ber uns einen neuen Kommentar über feine 3)id)tfunft liefern
will, wcldjer ben 2)acierfd)en weit hinter ftd) läjjt, bem rate
id), nor allen fingen bie SBerfe bes ^pl)ilofopl)en t)om 2ln=
fange bis 511m (Snbe $u lefen. @r wirb 5luffd)lüffe für bie
3)td)tfitnft finben, wo er fid) bereit am wenigften oermutet;
befottbers tmtfe er bie SBüdjer ber SRljetorif ttnb Floxal ftubieren.
3Dmn follte groar beulen, biefe Sluffdjlüffe müßten bie <5d)o=
(aftifer, welche bie (Schriften bes 2(riftoteles an ben gingem
wußten, längft gefunben Ijaben. £>od) bie 3)id)tfunft mar
gerabe biejenige t)on feinen (Schriften, um bie fte fid) am
wenigften befümmerten. SDabei fehlten ifjnen anbere ®ennt=
niffe, ol)ne welche jene 2(uffd)lüffe wenigftens nid)t fruchtbar
werben formten ; fte fannten bas Sweater ttnb bie 9[fteifter=
ftüde besfelben nid)t.
2)ie autl)entifd)e (MTärtmg biefer gurdjt, meldte SCriftoteles
bem tragifdjen fJJUttetb beifüget, ftnbet fid) in bem fünften unb
aajtett Kapitel bes ^weiten !öud)s fetner 3Rl)etorif. @s mar
gar niajt fdjwer, ftd) biefer Kapitel 31t erinnern; gleicfywoljl
l)at fid) nielletd)t feiner feiner Ausleger tljrer erinnert, wenigftens
l)at fetner ben ©ebraud) banon gemad)t, ber fid) baoort mad)en
läjjt. Senn aud) bie, roeld)e ol)ne fie einfallen, baf$ biefe
%uxd)t nid)t bas ntitleibige Sd^reden fei, Iiätten nod) ein roidjs
ttges (Stüd aus tlinen §u lernen gehabt: bie Urfad)e nämlid),
warum ber ©tagirit bem ^Qlitteib l)ier bie gurd)t, unb marum
nur bie gurd)t, marum feine anbere Seibenfdiaft, unb marum
ntd)t mehrere Seibenfctjaftett beigefellet Ijabe. üBon biefer Ur=
fad)e mtffeu fie nid)ts, unb id) tnödjte wol)l Ijören, was fie
aus il)rem ®opfe antmorten mürben, menn man fie fragte:
marum 5. @. bie Stragöbte nid)t eben fo mol)l 9Qiitleib unb 33e=
munberung, als ^ftitleib unb fyurdit erregen fönne unb bürfe?
@s beruhet aber alles auf bem begriffe, ben fid) 2Iriftoteles
t>on bem 5Ritleiben gemadjt Ijat. (5r glaubte nämlid), bafc
bas Hebel, welches ber ©egenftanb unfers -iDUtlctbcns merben
gfüttfunbfie&atgfteg otücf. 101
foTCe, notmenbig uon her Sefc$affenf)ett fein muffe, baf$ mit
co aud) für uns fel&ft ober für eines' oon ben Ünfrigen gu
befürchten Inittcn. SBo biefe gurdjt nid)t fei, tonne aud; fein
9)titleiben ftattfinben. Senn meber ber, ben ba3 Unglücf fo
tief Ijerabgebrütft fyabe, bcrjj er weiter ntdjts für fidj 311 fürchten
fälje, nodj ber, metdjer ficfj fo uollfommen glücfltd) glaube,
bafj er gar nidjt begreife, moljer i()m ein Unglüd' juftofjen
tonne, roeber ber Sergmeifefnbe nod) ber Uebenuütige pflege
mit anbcrn 9ftitleib gu Ijaben. @r erfläret baljcr aud) baö
Aiud)ter(idje unb bas ^Jiitleibsmürbige, eines burdj ba3 anbere.
2ttte§ bas, fagt er, ift uns fürdjterlidj, ma§, menn e<8 einem
antern begegnet märe ober begegnen fottte, unfer äftitleib
ermecfen mürbe,*) unb alles* ba£ finben mir mitleibgroürbtg,
mas mir fürchten mürben, menn e3 uns felbft beuorftünbe.
sOtid)t genug alfo, bafj ber Unglürf'lidje, mit Dem mir TtiU
leiben Ijaben folten, fein Unglücf nidjt oerbtene, 06 er ee> fict)
fdjon burdj irgenb eine 3d)mad)f)eit gugegogen: feine gequälte
Unjdjulb, ober utelmeljr feine gu tjart Ijeimgefudjte 8d)itlb fei
für uns uerloren, fei nidjt oermögenb, unfer TOtletb gu erregen,
roenn mir feine 9Jtöglid;fett fällen, baj3 uns fein Seiben aud)
treffen tonne. 2)iefe ^töglidjfeit aber finbe jtdj alsbenn unb
lönne gu einer großen 9öa^rfd;einlid;feit erraad)fen, menn üjn
ber 3>id;ter nid)t fdjlimmer madje, als mir gemeiniglid; gu
fein pflegen, menn er ü)n ootltommen fo beulen unb Ijanbeln
laffe, als mir in feinen Umftänben mürben gebadjt unb ge=
Ijanbelt haben, ober menigftenö glauben, bajj mir Ijätten beuten
unb f)anbetn muffen: turg, menn er Ujn mit unS oon gleidjem
(Sdjrot unb Äorne fd)ilbere. 2lu3 biefer ©leidjfyeit entfiele
bie gurdjt, bafc unfer ©djtcffal gar leidet bem feinigen eben fo
äljnlid) merben tonne, als mir i()m gu fein ung felbft füfjfen ;
unb biefe gurajt fei e§, meld;e bas -üJlitleib gleidjfam gur
SRcife 6ringe.
So badjte 2lriftoteteg oon bem 9Jiit(ciben, unb nur Ijierauö
mirb bie roafjre Urfact)e begreiflich, marum er in ber @rflänmg
ber ^ragöbte näd)ft bem 9Jiitleiben nur bie eingige gurdjt
nannte, 9iid)t als ob biefe gurdjt fyier eine befonbere, oon
*) 'ßc 0' a~Xa>c eiiceiv, cpoßspa law. öaa scp' sxspiov YtYvo-
jjLevex, Yj LLsXXovca, IXeetva Izxiv. 3d) tuciB nidjt, inae bem 9lemifiu& *portu«
(in feinet ulusgabe ber OUjetctif, Spir* 159S) eingefommen ift, i>itfes 311 übex fetjen :
Denique ut simpliciter loquar, formidabilia sunt, quseeunque simulac in
aliorum potestatem venerunt, vel Ventura sunt, miseranda sunt. Gs muj?
fd)(ed)troen Ijei^cu : qmeeunque simulac aliis evenerunt, vel eventura sunt.
102 £mm6urgiftf)e Dramaturgie.
bem ÜJtttteibett unabhängige £eibenfd)aft fei, meiere Salb mit,
balb ol)ne bem 9Jittleib, fo wie baS äftitleib batb mit, balb
ofjne ijjr, erregt werben tonne, meines* bie Sftifebeutung bes
ßorneille mar: fonbern roeü, nad) fetner ©rflärung be3 Wl'xU
leibS, biefeS bie gurd)t notmenbig einfdjliefet ; meil nichts unfer
9Jtttleib erregt, a(§ mag gugleid; unfere gurdjt erraeden fann.
Gorn etile t^atte feine ©tüde fdjon alle gef abrieben, als er
ftdj l)inf et$te, über bie f/S)td^tfunft" be3 2lriftoteles ju fommen=
tieren.*) @r tjatte f unfgig ' 3al)ve für ba§ Sweater gearbeitet,
unb nad) biefer (Srfafyrung mürbe er uns unftreitig r>ortreffItct)e
SDinge über ben alten bramatifdjen (Sobe£ fyaben fagen fönnen,
menn er iljn nur aud) raäfyrenb ber geit feiner Arbeit fleißiger
gu 3^ate gebogen l)ätte. 2t(letn biefeS fdjeinet er l)öd)ftens nur
in 2lbfid)t auf bie medjanifdjen Regeln ber ilunft getrau 51t
I)aben. 3u ben roefenttiajern liefe er fid) um if)n unbefümmert,
unb al§ er am @nbe fanb, bafe er roiber il)n nerftofeen, gleich
rool)l ntd)t roiber it)n uerftofeen Ijaben roollte : fo fudjte er fid)
burd) Sluglegungen gu Reifen unb liefe feinen oorgeblidjen £el)p
meifter SMnge fagen, an bie er offenbar nie gebadjt fyatte.
Sornetlle Ijaite 9Jtärtt)rer auf bie 33ül)ne gebracht unb fie
als bie uollfommenften, untabelljafteften $erfonen gefdjilbert;
er Ijatte bie abfdjeuliajften Ungeheuer in bem SßrufiaS, in bem
$t)ofas\ in ber Cleopatra aufgeführt; unb oon beiben (Gat-
tungen behauptet StriftoteteS, bafe fie §ur Sragöbie unfdjtdlid)
.mären, roetl betbe roeber -DJhtletb nod) gurdjt ermeden fönnten.
Sag antmortet Corneille hierauf? 2Bie fängt er e§ an, bamit
bei biejem SBiberfprudje roeber fein 2lnfel)en, nod) ba§ 2(nfef)en
be3 2lriftotele3 leiben möge? „D," fagt er, „mit bem "M--
ftoteleg fönneu mir uns" tjter leidjt nergleidjen. **) sBir bürf en
nur annehmen, er fyahe eben nidjt behaupten roollen, t>a^ beibe
Mittel gugleid), forooljl gurd)t als TOtleib, nötig roären, um
bie Reinigung ber Setbenfdjafteu ^u beroirlen, bie er §u bem
legten (Snb^mede ber ^ragöbie mad)t, fonbern nad) feiner
Meinung fei aud) eines ^ureidjenb. — 2Bir lönnen biefe fc
flärung," fäljvt er fort, „aus t$m felbft befräftigen, menn mir
bie ©rünbe redjt ermägen, roeldje er oon ber 2Iu3fd)liefeung
berjenigen Gegebenheiten, bie er in ben Srauerfpielen mife=
*) Je hazarderai quelque chose sur cinquante ans de travail pour la
scene, fagt er in feinet Abtjanbtung über baZ 2>rama. Sein erfteS ©tücf, 9DMite,
War toon 1(525 unb jein teljte§, ©urena,. ßon 1675 ; toetd)e§ gerabe bie funfjig Satjr,
ausmalt, fo bafe e§ genug ift, baß er bei ben Auslegungen be§ 9triftotete§ auf alle
feine Stücfe ein Qluge fjaben fonnte unb l;atte.
**) II est aise de nous aecommoder avec Aristote etc.
(SedjsimbfiebuaTteS Stütf. 103
btfltget, gibt. Gr fagt niemals: biejeg obev jenes fdjidt fid)
in tue Xragöbie nidjt, weit e§ bloß SRitleibeti unt) feine gurd)t
ermed't; ober biejes i[t bafelbft unerträglich weit e§ bloß bie
§urd)t ermedt, oljne baö DJtitteib §u erregen. -Kein; Jonbern
er oermtrft fie besmegen, weil fie, wie er lagt, raeber 9Jiit=
leib nod) gurd)t ^umegebringen, unb gibt uns baburd) $u
erfennen, baß fie il)m besiegen ntdjt gefallen, raeil üjnen
fomotjl bas eine atö ba3 anbere fehlet, unb baß er itjneu
feinen Seifati nid)t «erjagen mürbe, roenn fie nur eines oon
beiben mirtten."
£tettjsmti>|i^i0!te£ §tiitk.
2)en 22. Januar 1768.
3lber bas ift gruubfalfd) ! — 3$ ^anu m^ lud)t genug
munbern, rate 3Dacier, ber bod; fonft auf bie SLkrbreljungeu
giemlicr; aufmerffam raar, raeldje (Corneille non bem Sejte bes
2lriftoteles ^u feinem heften gu madjen fudjte, biefe größte
üon allen überfeinen tonnen. ,ßraar, tme konnte er fie wd)f
überfeben, ba es il)m nie einfam, be3 ^ßr;iIofopr)en Grftärung
nom 9Jlitleib gu 3tate gu ^ieljen? — 2öie gefagt, es ift grünte
falfd), raas fid) Corneille einbilbet. Slriftoteles fann baä nid)t
gemeint baben, ober man müßte glauben, baß er feine eigene
iirtlärungen uergefjen lönnen, man müßte glauben, baß er fid)
auf bie fyanbgreiflicfyfte 2Beife raiberfpredjen lönnen. 2öenn,
nad) feiner Seijre, fein Hebet eines1 anbern unfer TOtleib erreget,
raas mir nid)t für un§ felbft fürd)ten: fo tonnte er mit feiner
§anbtung in ber ^ragöbie aufrieben fein, meldte nur ^Diitleib
unb feine Jurdjt erreget; benn er luett bie 3ac§e felbft für
unmbgtid); bergteidjen §anbtungen erjftterten iljm nicfyt;
jonbern fobatb fie unfer 3Jcitleib §u ermed'en fäljig mären,
glaubte er, müßten fie aud) gurdjt für un§ ermed'en; ober
oietmetjr, nur burdj biefe gurdjt ermedten fie DJiitleib. yJtod)
raeniger fonnte er fid) bie §anblung einer ^ragöbie oovfteflen,
raeldje gurdjt für uns erregen fönne, ot)ne ^ugleid) unfer
■DJtitieib gu ermed'en ; benn er mar überzeugt, baß aßeä, roa3
un3 gurd)t für uns felbft errege, aud) unfer slfiitleib erraeden
muffe, fobalb mir anbere bamit bebroljet ober betroffen erblidten;
unO bas ift eben ber g-atl ber Xragbbie, mo mir alle ba§
liebet, raeldjes mir fürdjten, nidjt un§, fonbern anberen be=
gegnen fetjen.
104 £>am6urgifdfje ^Dramaturgie.
@3 ift maljr, trenn 2trtftoteleS ron ben §anblungen
fpridjt, bie fiel) in bie ^ragöbie nicf)t fdn'cfen, fo bebient er
fid) meljrmaien beS SluSbrudS ron irrten, bafe fie meber
TOtletb n od) gurdjt erroeden. 2Iber befto fd)ltmmer, wenn fid)
(Sorneitte burd) biefeS tneber— nod) r erführen laffen. 3)iefe
bisjunftire $artifeln innolmeren nid)t immer, mag er fie in=
nolmeren lägt. 2)enn roenn mir gtnei ober mehrere SDtnge
ron einer Sad)e burd) fie nerneinen, fo fömmt eS 'Darauf an,
ob fid) biefe SDinge eben fo mof)t in ber 9^atur ron einanber
trennen taffen, als mir fie in ber Slbftraftion unb burd) ben
fpmboIifcr)en 2IuSbrud trennen fönnen, trenn bie <&adje bem
ol)ngead)tet nod) befielen fott, ob tljr fdjon baS eine ober baS
anbere ron biefen 2)ingen feljlt. 2Benn mir %. @. ron einem
grauengtmmer fagen, fie fei meber fd)ön nod) miijtg, fo motten
mir atterbingS fagen, mir mürben aufrieben fein, trenn fie and)
nur etne§ ron beibett märe ; benn 2öit} unb Scfyönljeit (äffen
fid) nid)t blofc in ©ebanfen trennen, fonbern fie finb mirfltd)
getrennet. 2Iber menn mir fagen: „biefer sDienfd) glaubt meber
ipimmel nod) §ötte," motten mir bamit aud) fagen, ba& mir
aufrieben fein mürben, menn er nur eines ron beiben glaubte,
menn er nur ben §immel unb feine §ötte, ober nur bie Qou't
unb leinen §immel glaubte? ©erotfe nid)t: benn mer baS eine
glaubt, muß notmenbig aud) baS anbere glauben; §immel
unb §Ötte, ©träfe unb 23elol)nung finb relatir; menn baS
eine ift, ift aud) baS anbere. Ober, um mein (Stempel aus einer
rermanbten &unft ^u nehmen, menn mir fagen: „biefeS ©e=
mälbe taugt nidjtS; benn eS l)at meber Setd^nung nodjj Ko-
lorit/' motten mir bamit fagen, ba§ ein gutes ©emälbe fid)
mit einem ron beiben begnügen fönne? — 2)aS ift fo llar!
Slllein trie, menn bie ©rflärung, meldje SlriftoteleS ron
bem ^Jtitleiben gibt, falfdj märe? 2öie, wenn mir aud) mit
Uebelu unb Unglücksfällen 3Jfttletb füllen lönnten, bie mir für
uns felbft auf feine Sßeife $u beforgen f)aben?
@S ift mal)r, eS braud)t unferer gurd)t nid)t, um Unluft
über baS pl)t)ftfalifd)e Hebel eines ©egenftanbeS $u empfinben,
ben mir lieben. Briefe Unluft entfielet blofj aus ber Soor«
ftellung ber Unrottfommenl)eit, fo roie unfere Siebe auS ber
^ßorftellungber 3Sollfommen^eiten beSfelben ; unb aus bem 3u=
fammenfluffe biefer Suft unb Unluft entfpringet bie oermifdjte
(Smpftnbung, meldje mir TOtleib nennen.
Qebod) aucfy fonacf) glaube id) nidjt, bie <&ad)e beS 2lri=
ftoteleS notmenbig aufgeben $u muffen.
©edjSimbfie&äigfteä ©tütf. 105
SDenn roenn wir cmd) fdjon ol)ne fjitrd^t für urtS felbft
3J?itIeib für anbere empftnben fönnen, fo ift es bod) unftreitig,
bafc unfer SRitletb, wenn jene %uxd)t bagu fömmt, mcit leb=
t)after unb ftärfer unb anzüglicher wirb, als es oljne fie fein
fann. Unb mas fjinbert uns, anguneljmen, bafc bie uermijd)te
(Smpfinbung über bas pbpfifalifdje Uebel eines geliebten ©egen=
ftanbes nur atiein burd) bie ba^ufommenbe gurdjt für uns
gu bem ©rabe erroädjft, in meldjem fie Slffeft genannt gu
merben nerbienet?
2lriftoteles l)at es mirflid) angenommen. @r betrachtet
bas SJcitleib nidjt nadj feinen primitiuen Regungen, er betrachtet
es blofc als Slffeft. Dljne jene gu oerf ernten, nermeigert er
nur bem gunfen ben tarnen ber flamme. TOtletbige 9te=
gungen oljne gurd)t für uns felbft nennt er 5>f)ilant()ropie:
unb nur ben ftärfern Siegungen biefer 2lrt, meiere mit gurdjt
für uns felbft oerfnüpft finb, gibt er ben tarnen bes 9Jiit=
leibs. Sllfo behauptet er gmar, baft bas Unglüd eines Safe*
roidjts meber unfer 9[Ritleib nod) unfere gurdjt errege; aber
er fpridjt iljtn barum nidjt alle ^Küfjrung ah. 2(ud) ber 33öfe=
n)id)t ift nod) ÜJtenfd), ift nod) ein Sßefen, bas bei allen feinen
moralifdjen Ünüotlfommenfjeiten SBolIfommenljeiten genug be=
l)ält, um fein 33erberben, feine 3ernid)tung lieber nidjt gu motten,
um bei biefer etmas iHhtleibäljnltdjes, bie (demente bes Wit-
leibs gleidjfam, gu empfinben. 316er, roie fd)on gefagt, biefe
mitteibäf|nlict)e ©mpfinbung nennt er nidjt iftitletb, fonbern
$Pl)ilantIjropie. „Man mujs," fagt er, „feinen SBöferotdjt aus
unglüdlidjen in g(üd(id)e Umftänbe gefangen laffen; benn bas
ift bas Untragifcfyfte, mas nur fein fann; es Ijat ntd)ts oon
allem, mas es fja&en füllte; es erroedt meber ^t)ttantr)ropie,
nodj sITut(eib, nod) gurdit. 2(ud) tmtfe es fein oötliger 23öfe=
tüidjt fein, ber aus glüdlidjen Umftänbett in unglückliche oer*
fällt; beim eine bergleidjen Gegebenheit fann groar $t)ilan;
tljropte, aber meber -SRitleib nod) gurdjt ermeden." Sdj fenne
nichts $al)leres unb Slbgefdmtadteres als bie geroöljnlidjen
lleberfetjungen biefes 2öortes ^3r)xIantt)ropie. Sie geben näm=
lid) bas SIbjefttüum banon im £ateinifd)en burd) hominibus
gratum, im granjöfifdjen burd) ce que pent faire quelque
plaisir, unb im SDeutfdjen burd) nvoa§> Vergnügen machen
fann". £er einzige ©oulfton, fo oiel id) finbe, fdjeinet ben
(Sinn bes $l)ilofopl)en nidjt oerfeljlt gu fabelt, inbem er bas
'^•./.avÖ-pcoTTov burd) quod humanitatis sensu tangat überfe&t.
£)enn alferbings ift unter biefer ^Ijtlantljropie, auf metdje bas
106 .§am6urgtfdje Sramatm-aie.
Unglüd aitcf) eines SBöferotcfitg 2lnfprud) madjt, nidjt bie greube
über feine oerbiente SBeftrafung, fonbern ba§ fnmpatljetifdje
©efüljt ber 9Jienfd)lid)feit §u nerfteljen, meldjeg tro£ ber 33or=
ftellung, bafj fein Seiben nid)t§ at3 3Serbienft fei, bennod) in
beut Slugenblide bes SeibenS in un% fidj für ifyn reget. §err
Gurtius trüd $roar biefe mitleibige Regungen für einen uns
glüdlidjen 23öfemid)t nur auf eine gemiffe (Gattung ber ifyn
treffenben Uebel etnfdjränf'en. „©ofdje ^ufätfe be3 Safters
Ijaften," fagt er, „bie roeber ©djreden nod) 90titleib in un§
roirfen, muffen Solgen feinet Safterg fein; benn treffen fie
ilm gufätfig ober mofjl gar unfd)ulbig, fo Behält er in bem
§erjen ber ,3uWauer ö*e Vorredjte ber 9Jtenfd)lid)feit, al§
roeldje audj einem unfdjulbig leibenben ©otttofen Ü)t 9JJitteib
nid)t oerfagt." 916er er fd)einet biefe§ ntdr)t genug überlegt
31t fyaben. £)enn aud) bann nod), menn bas Unglüd, meld)e3
ben 93öfenridjt befädt, eine unmittelbare §otge feinet $ers
bredjen§ ift, lönnen mir un3 nid)t entwehren, bei bem 2lublide
biefeö Unglüdg mit itmt 31t leiben.
,,©e!)t jene DJcenge," fagt ber SSerfaffer ber Briefe über
bie ©mpfinbungen, „bie fiel) um einen Verurteilten in bidjte
§aufen bränget! ©ie fyaben alle ©rettel nernommen, bie ber
Safterfyafte begangen; fie ljaben feinen Sßanbel unb oietleidit
ifyn felbft oerabfdjeuet. Qttf fd)leppt man it)n entftellt unb
ormmädjtig auf bas> entfetjlidje ©djaugerüfte. 9JJan arbeitet
fiel) burd) M$ ©emüjjjl, man ftellt ftd) auf bie 3e^enr man
flettert bie SDädjer l)inan, um bie 3üge be3 Sobeg fein ®e=
fidjt entftelfen 511 fetjen. ©ein Urteil ift gefprodjen; fein §enfer
nafyt fid) il)tn; ein 2lugenbltd.mirb fein ©djidfal entfdjeiben.
SCöie feljnlid) münjdjen iftt alter ^er^en, <Da6 ^m oer^ieljen
mürbe! Sfym? bem ©egenftanbe ifyre§ ^bfd)eue§, ben fie einen
2Iugenblid oortjer felbft ^um Sobe nerurteilet l)aben mürben?
2öoburd) mirb i|t ein ©tral)l ber 9Jtenfd)enliebe mieberum
bei il)nen rege ? Qfi e3 nidjt bie Stnnäljerung ber Strafe, ber
Slnbtid ber entfe^lic^ften pl)i)ftfalifd^en Uebel, bie un§ fogar
mit einem Sfhtdjlofen gteidifam augföfynen unb if)m uufere Siebe
erwerben? Dirne Siebe fönnten mir unmöglich mitleibig mit
feinem ©djidfate fein."
IXnb eben biefe Siebe, fage td), bie mir gegen unfern
9cebenmenfd)en unter feinerlei Umftänben gan^ oerlieren lönnen,
bie unter ber 2lfdje, mit melier fie anbere ftärfere ßmpfim
bungen überbeden, unnerlöfd)Iid) fortglimmet unb gleidjfam nur
einen günftigen 28iubftoJ3 uon Unglüd unb ©dnnerg unb $cr=
1 r
SieBcmmbftcBjitjfteä Stiicf. 107
berBen emiartet, um in bie flamme beä ÜJlitlcibä auggubredjeu,
eben biefe Siebe ift eg, tneldje 5lriftotcIc§ unter bem SRatnen
ber $l)ilantf)ropie oerfteljet. 2Bir Ijaben 9M)t, roenn mir jte
mit unter bem tarnen beg -Diitleibg begreifen. 2lber 2Xrifto=
teleg Ijatte aud) ntd)t Unrecht, roenn er iljv einen eigenen
tarnen gab, um (te, mie gejagt, oon bem l)öd)ften ©rabe ber
mitleibigen Gmpfinbungen, in roeldjem fie burd) bie ©ajufuuft
einer roaljrfdjeinlidjen §urd)t für uns fetbft s2(ffeft werben, ju
unterfdjeiben.
giebemtitöftebnglles §XMu
SDen 2o". Januar 1768.
©inem ßinrourfe ift E)iev nod) uor^ufommen. 2öenn 2trtfto-
teles biefen begriff uon bem 3lffe!te beg 9ftttleibg fyatte, bafe
er notmenbig mit ber %uxd)t für un§ felbft oerfnüpft fein
muffe: mag mar eg nötig, ber gurdjt nod) inöbefonbere gu
erroäf)nen? SDag 28ort sDUtleib fd)(of$ fie fdjon in fid), unb eg
märe genug gemefen, roenn er bloft gefagt Ijatte: oie ^ragöbie
fotl burd) Erregung beg 93iitleibg bie Reinigung unferer 2eiben=
fdjaft beroirfen. 2>enu ber 3ufafc ^er Sw^t fagt nid)tg mel)r
unb mad)t bag, mag er fagen fotl, nod) bo^u fd)ioanfenb unb
ungenüfj.
5d) antroorte: roenn 2(riftoteleg ung btofj l)ätte lehren
rooHen, roetdje Seibenfcfjaften bie ^ragöbie erregen fönne unb
foffe, fo roürbe er fid; ben 3ufat3 ber %uxd)t allerbingg Ijaben
erfparen fönnen unb ol)ne ^roeifel f^ roirflid) erfparet Ijaben;
benn nie roar ein $f)ilofopI) ein größerer 2öortfparer alg er.
2tber er roollte ung gugleidj leljren, roeldje Seibenfdjaften burd)
bie in ber ^ragöbie erregten in uns gereiniget roerben follten;
unb in biefer 2lbftd)t mufete er ber ^fanfjt insbefonbere ge=
benfen. 2)enn obfdron nadj il)tn ber 5Iffeft beg 9Jiitteibg roeber
in nod) aufier bem Sweater oljne gurd)t für uns felbft fein
fann; ob fie fd)on ein notroenbigeö ^ngrebien^ beg 9Jtitteibg
ift : fo gilt biefeg bod) nidjt aud) umgefeljrt, unb bag 9ftitleib
für anbere ift lein Qngrebienj ber §urd)t für uns felbft. öo=
balb bie ^ragöbie aug ift, fjöret unfer sIftitleib auf, unb nidjtg
bleibt oon allen ben empfunbenen Regungen in ung gurüd,
als bie roal)rfdjeinlid)e §urd)t, bie ung bag bemitleibete Uebel
für ung felbft fd)öpfen laffen. ^Diefe uefjmen mir mit; unb
fo roie fie, als gwebienj beg 9Jtitleibg, bag 33titleib reinigen
ijelfen, fo Ijilft fie nun aud), als eine uor fid) fortbauernbe
108 £mm&ttrgiftf)e Dramaturgie.
Seibenfdjaft, ftdj felbft reinigen, golgtid), um anzeigen, baf}
fie biefeg t|un lönne unb mirflid) tl)ue, fanb es 2(riftoteles
für nötig, ifyrer insbefonbere 31t gebenlen.
@s ift unftreitig, bafc 3lriftoteIe§ überhaupt leine ftrenge
logifdje Definition non ber ^ragöbie geben motten. Denn
ol)ne fid) auf bie btofj mefentlidjen ©tgenfdjaften berfelben
ein^ufdjränfen, Ijat er nerfdjiebene zufällige Ijineingegogen, meil
fie ber bamalige @ehxaud) notmenbig gemadjt Ijatte. Diefe
inbes abgeregnet unb bie übrigen -JRerfmale in einanber
rebu^iert, bleibt eine üoßfontmen genaue (Srftärung übrig : bie
nämlidj, ba£ bie ^ragöbie, mit einem SSorte, ein ©ebidjt ift,
meldjes 9Jiitleib erreget. Qljrem ©efd)ted)te nad) ift fie bie
;ftad)aljmung einer §anblung, fo tüte bie (Spopoe unb bie
Äomöbte; ifyrer (Gattung aber nad) bie iftadjafjmung einer mit«
leibsroürbigen §anb(ung. 2ltts biefen beiben Gegriffen laflen
fid) üottfommen atte il)re Regeln herleiten, unb fogar ifjre
bramatifdje gorm ift baraus ^u beftimmen.
2In bem (entern bürfte man oietteidjt ^raeifeln. Sßenigftens
raupte id) feinen $unfirid)ter gu nennen, bem es nur einge=
lommen märe, es gu üerjudjen. ©ie nehmen alle bie brama=
tifdje gorm ber ^ragöbie als etmas hergebrachtes an, bas nun
fo ift, meil es einmal fo ift, unb bas man fo läjjt, meil man
es gut finbet. Der einzige 2lriftoteIes Ijat bie Ürfadje ergrünbet,
aber fie bei feiner ©rf'lärung mein; norausgefetjt, als beutlid)
angegeben. „Die ^ragöbie," fagt er, „ift bie sJkd)al)mung
einer §anblung, — bie nidjt nermittelft ber fergäfjhtng, fonbem
nermittelft bes 9JfttIetbs unb ber %md)t bie Reinigung biefer
unb bergleidjen £eibenfd)aften beroirfet." ©0 brüdt er fid) oon
2öort ^u 2öort aus. 2öem fottte l)ier ttidjt ber fonberbare
©egenfat3 : „ttidjt nermittelft ber ©r^äfjlung, fonbern nermittelft
bes 9Jtitleibs unb ber gurd)t," befremben? iftitleib unb gttrd)t
ftnb bie 9Jiittel, meiere bie STragöbie braucht, um ifjre 2lbftd)t
5U erreichen, unb bie (Sr^äfylung lann fid) nur auf bie 2ht
unb 2öetfe begießen, fid) biefer !mittel §u bebienen, ober nidjt
^u bebienen. ©feinet |ier alfo Slriftoteles nid)t einen ©prung
gu madjen? Steinet l)ier nid)t offenbar ber eigentlidje ©egen=
fa£ ber @r§äl)luug, meldjes bie bramatifdje gönn ift, px fehlen?
2Bas tl)tm aber bie Ueberfetjer bei biefer Sude? Der eine
umgebt fie gan§ beljutfam, unb ber anbere füllt fie, aber nur
mit Porten. 2(lle finben meiter nidjts barin als eine uer=
nad)läfftgte Sßortfügung, an bie fie fid) nid)t galten 51t bürfen
glauben, menn fie nur ben ©inn bes ^Ijilofopljen liefern.
(Ste&eminbfie&nofteg Stücf. 109
^Dacier überfefct: d'une action — qui, sans le secours de
la narration, par le moyen de la compassion et de la
terreur u. f. tt>.; unb (Eurtiug: „einer §anb(ung, raeldje nid)t
burd) bie @r$äf}Iung beg SDid)terg, fonbern (burd) SSorfteffung
ber §anblung felbft) uns nermittelft beg ©dnedeng unb sDiit=
leibg uon ben geljlern ber norgeftellten Seibenfdjaften reinigt."
D, fef)r red)t! 33eibe jagen, mag Striftoteleg fagen nuE, nur
baft fie es nid)t fo fagen, inte er eg fagt. ©leidjtooljl ift aud)
an biefem 2Bie gelegen; benn es ift toirflid) feine bloft uer=
nadjläfftgte äöortfügung. $ur£, bie (Bafye ift bieje: Slriftoteleg
bemerfte, bafj bag 3Jtitleib notwendig ein uorrjanbeneg Uebel
erfobere; bafc wir langft »ergangene ober fern in ber 3uhmft
beuorfteljenbe Hebet entmeber gar nidjt ober bod) bei weitem
nidjt fo ftarl bemitleiben fönnen alg ein anwefenbeg; bafe eg
folglid) notwenbig fei, bie §anblung, burd) roeldje nur W\U
leib erregen wollen, ntcr)t alg »ergangen, bas ift, nidjt in ber
ergätylenben gönn, fonbern alg gegenwärtig, bag ift, in ber
bramatijdieu gorm nadjäualjtnen. Unb nur biefeg, bafc unfer
9Jiitleib burd) bie (^äljlung menig ober gar nidjt, fonbern
faft einzig unb allein burd) bie gegenwärtige s2(nfd)auung erreget
roirb, nur biefeg beredjtigte il)n, in ber iSrfläruug anftatt ber
gorm ber (Bafye bie <&a&>e gletdr) felbft ya fe£en, weil biefe
<5ad)e nur biefer einigen gorm fäljig i]t. feäüe er eg für
möglid) gehalten, bafe unfer -DUtleib aucl) burd) bie ©rjäfjhtng
erreget werben fönne, fo roürbe eg alterbingg ein fet)r fehler-
hafter (Sprung gemefen fein, roenn er gefagt f)ätte: „nict)t
burd) bie GürgäljUmg, fonbern burd) 9JJittetb unb gurdjt." 2)a
er aber überzeugt roar, baf$ -Jftitleib unb gurdjt in ber yiafy
abmung nur burd) bie einige bramatifd)e gorm 31t erregen
fei, fo fonnte er fid) biefen Sprung ber Stürze wegen er=
tauben. — Qd; oerweife begfaflg auf bag nämlidje neunte
Kapitel beg gmeiten 33ud)g feiner 9ib,etori!.*)
SBag enblid) ben moralifdjen ©nb^roecf anbelangt, welken
*) Kizti 0' syyuc cpaivop.eva to Tta^Yj, eXeeiva elai, xa. oe
[iüpioGTOv hxoc, Ysvop1-2^01-) **] e'Ofisva. obi' sXtuCovtec, odts ij.s(uvYr
|JL£VOl, Yj bXlDC, ob*. F/.iOUO'.V, Yj ODY_ OfJLO'.CüC? &VaYXTf] TODC OOV-
aiicpYaCojJ-svoDf: oyYjfiaoi xat zw^aic,, xai ss^yj-:'.. xac oXuk; zr{
otzov.o'.oz:. sXesivoT&pouc; elvat. [2öeil nur bie in ber Wäty erfd)einenben Reiben
Qftitteib erregen, foldje ober, bie man etraa nad) taufeub 3af)rcn ermartet, ober beren
man fid) taufenb 3af)re nadjljer erinnert, entmeber aar fein ober nur nienia. Witleib
finben, fo ift e§ nötin, bafj bie SarfteOenben burd) il)re ©ebärben, itjre' Stimme,
ifjre fileibung unb überhaupt burd) itjr Spiel ba§ 2)litleib unmittelbar erregen.
3immermann.]
HO Jpam&urgtfdje Dramaturgie.
Slriftoteles ber ^ragöbie gibt unb ben er mit in bie @r=
flärung berfelben bringen gu muffen glaubte, fo ift befannt,
roie feljr, befonberg in ben neuem 3e^eu/ barüber geftritten
roorben. 3<i) getraue mid) aber, gu erroeifen, bafe alle, bie
fid) baroiber erflärt, ben SCriftoteles nidjt oerftanben Ijaben.
Sie Ijaben iljm alte ibje eigene ©ebanfen untergefdjobcn, etje
fie geroife nutzten, roeldjeg feine mären. <Sie beftreiten ©rillen,
bie fie felbft gefangen, unb bilben fid) ein, roie unroiberfpred)=
lid) fie ben $l)tlofop!)en roiberlegen, inbem fie il)r etgeneg
§irngefpinfte gu ©djanben madjen. $d) lann mid) in bie
nähere Erörterung biefer Sac^e Ijier nidjt einlaffen. £)anüt
\d) jebod) nid)t gang ol)ne 33eroeig gu fpredjen fdjeine, roill id)
groei Slnmerfungen machen.
1. ©ie laffen ben 2lriftoteleg fagen, „bie %ragöbie folle
uns nermittelft beg ©djredeng unb DJlitlerbg von ben gestern
bor uorgeftellten Seibenfcbaften reinigen." SDer norgeftellten ?
Sllfo roenn ber §elb burd) 9?eugierbe ober @l)rgeig ober Siebe
ober gorn ungtüdlid) roirb : fo ift eg unfere 9^eugierbe, unfer
ßljrgeig, unfere Siebe, unfer Qoxn, melden bie STragöbie reinigen
foll? 2)ag ift bem Slriftoteles nie in ben ©inn gelommen.
Unb fo fyaben bie Ferren gut ftreiten; il)re ßinbilbung oer=
roanbelt 2öinbmül)ten in liefen; fie jagen in ber gemiffen
Hoffnung beg ©iegeg barauf log unb feljren fid) an feinen
©andjo, ber roeiter nid)tg alg gefunben 9Jienfd)ent>erftanb l)at
unb ifynen auf feinem bebäd)tlid)ern ^ferbe l)intennad)ruft, fid)
nid)t gu übereilen unb bod) nur erft bie Slugen recfjt aufgu=
fperren. Tü>v xocoutwv 7tafrY)|j.aTcuv, fagt Slriftoteleg, unb bag
ijeiftt mcr)t „ber oorgefteEten Seibenfdjaften"; bag Ratten fie
überfein muffen burdj „biefer unb bergleidjen" ober „ber
ermedten Seibenfdjaften". 2)ag Tototncuv begießt fid) lebiglid)
auf bag oorfyergeljenbe „SRitleib unb gurdjt"; bie ^ragöbie
foll unfer -DJfttleib unb unfere gurd)t erregen, Hofe um biefe
unb bergleidjen Seibenfdjaften, ntd)t aber alle Seiben jdjaften
oljne Unterfdjieb gu reinigen. @r fagt aber to^dtcdv unb nid)t
tootüv^ er fagt „biefer unb bergleidjen", unb nidjt blofc „biefer",
um anzeigen, ba& er unter bem 9Jtitleib uid)t blofj bag
eigentlid) fogenannte -JKitleib, fonbern überhaupt alle pl)ilan=
tljropifdje ©mpfinbungen, fo roie unter ber gurd)t ntdjt bloj$
bie Unluft über ein ung beoorfteljenbeg Uebel, fonbern and)
jebe bamit oerroanbte Unluft, aud) bie Unluft über ein gegen?
roärtigeg, and) bie Unluft über ein oergangeneg Uebel, 23e=
trübnig unb ©ram, uerfterje. Qn biefem gangen Umfange foll
SW&timbfteöatgfteS ©tu* 111
bas :Dutteib unb bie 5ur^** it»cld)e bie £ragöbie ermecft, imfer
2Kitleib unb unfere gurdjt reinigen, aber aud) nur biefe reinigen,
unb feine anbere Seibenfdjaften. 3 mar können fid) in bei Stra*
göbie aud) gur Steinigung bei* anbern Seib enf c^aften nüt.Uidje
Seljren unb Seifm'ele finben; bod) ftnb biefe nicljt ifjre 2(bjid)t;
biefe l)at fie mit bei- (E'popöe unb ivomöbie gemein, in Joferti fie
ein ©ebid)t, bie -Jiadjaljmung einer ©anblung überhaupt ift, ntdjt
aber in fofern fie Slragöbie, bie 9ßac§al)mung einer mitleibs;
mürbigen ^anblung insbefonbere ift. SSefJem Joden uns alle
Gattungen ber ^ßoefie ; eg ift fläglid), wenn man biefeg erft be=
roeifen mufj ; nod) fläglidjer ift eg, roenn eg 2)id)ter gibt, bie felbft
baran gmeifeln. s2(ber alle Gattungen tonnen nidjt atleg beffern,
menigfteng nid)t jebes fo nollfommen nne bas anbere; mas aber
jebe am uollfommenften befferu fann, morin es iljr feine anbere
(Gattung gleid) gu tljun oermag, bag adein ift i()re eigentliche
SSeftimmung.
^rijiunöjKkjtgßes $tüik*
Den 29. Januar 1768.
2. 2)a bie ©egner bes 2lriftoteles nid)t in ac^t nahmen,
mag für Seibeufdjaften er eigentlid) burd) bas 3)txitleib unb
bie gurd)t ber Sragöbie in uns gereiniget Ijaben wollte: fo
roar es natürlid), baf$ fie fid) aud) mit ber Reinigung felbft
irren mußten. 2(riftoteleg oerfprid)t am Gnbe feiner sj>olitif,
rao er oon ber Reinigung ber £eibenfd)aften burd) bie 9Jxufif
rebet, oon biefer Reinigung in feiner SMdjtfunft meitläuftiger
gu fyanbeln. „2öeil man aber," fagt (Eorneille, „gang unb
gar nid)ts von biefer "Diaterie barin finbet, fo ift ber größte
Seil feiner Sfusleger auf bie ©ebanfen geraten, baf} fie nidit
ganj auf uns gefommen fei." ©ar nid)tg? ^d) meiuegteilg
glaube, aud) fd)on in bem, mag ung oon feiner 25id)tfunft
nod) übrig, eg mag oiel ober menig fein, atleg gu finben,
mag er einem, ber mit feiner ^l)ilofopl)ie fonft nid)t gang
unbefannt ift, über biefe (£ad)t gu fagen für nötig galten
fonnte. (Sorneille felbft bemerfte eine Stelle, bie uns nad)
feiner sDieinung £id)t genug geben fönne, bie 2lrt unb SOBeife
gu entbed'en, auf rnetdje bie Reinigung ber Öeibenfcf)aften in
ber Sragöbie cjefd;er)e : nämlidj bie, wo 2(riftoteleg fagt, „bag
sDtitleib nerlange einen, ber unuerbient leibe, unb bie §urd)t
einen unfevggleidjen". SDiefe ©teile ift aud) miiflid) fel)r
mistig, nur bafc ßovneille einen falfdjen ©ebraud; bauon
112 Jpam6urgiftf)e Dramaturgie.
machte unb nicfjt rooljl anberg alg machen formte, roeil er
einmal bie Reinigung ber Seibenfdjaften überhaupt im $opfe
fyatte. „£>ag -Dlitleib mit bem Unglüde," jagt er, „uon
roeldjem mir unferggleicfjen befallen fernen, ermed't in ung bie
§urd)t, baß ung ein äljnlidjeS Unglüd treffen forme; biefe
gurdjt ermed't bie SBegterbe, trjm augguroeictjen, unb biefe
Segterbe ein SBeftreben, bie 2eibenfd)aft , burd) meiere bie
Sßerfon, bie mir bebauern, ftcf) t^r Unglüd oor unfern &ugen
äujtefjet, gu reinigen, gu mäßigen, $u beffern, ja gar aug£u=
rotten; inbem einem jeben bie Vernunft jagt, bafc man bie
Uvfadje abfdjnetben muffe, raenn man bie SÖtrfung oermeiben
roolle." 2lber biefeg Sftaifonnement, roeldjeg bie gurd)t blofj
^um Söerf^euge mad)t, burd) roeldjeg bag 9ftitleib bie 3^eim=
gung ber Seibenfdjaften bewirft, ift falfcfj unb fann unmöglid)
bie Meinung beg Striftoteleg fein; roeil fonad) bie ^ragöbie
gerabe alle Seibenfdjaften reinigen fönnte, nur ntct)t bie jroei,
bie 2lnftoteleg ausbrüdlict) burd) fie gereiniget miffen roitl.
©ie fönnte unfern 3orn, unfere 9leugierbe, unfern -Weib,
unfern (E^rgei^, unfern §a{$ unb unfere Siebe reinigen, foroie
eg bie eine ober bie anbere Seibenfdjaft ift, burd) bie fid) bie
bemitleibete Sßerfoti iljr Unglüd guge^ogen. ^ur unfer WxU
leib unb unfere gurdjt müjjte fie ungereiniget laffen. £)enn
•JRitleib unb gurdjt finb bie Seibenfcrjaften, bie in ber £ragöbte
mir, nietjt aber bie Ijcmbelnbert ^erfonen empfinben ; finb bie
Setbenf haften, burd) meldte bie rjanbelnben ^erfonen ung
rühren, nid)t aber bie, burd) meldte fie fid) felbft iljre Unfälle
äugtetjen. @g fann ein ©tüd geben, in meinem fie betbeg
finb; bag roeife id) roorjl. 2lber nod) fenne id) fein foldjeg
©tüd, ein <BtM nämlid), in roeldjem fiel) bie bemitleibete
^erfon burd) ein übeluerftanbeneg iltitleib ober burd) eine
übeloerftanbene gurd)t'ing Unglüd ftürge. ©leid)rool)l roürbe
biefeg <BtM bag einzige fein, in roelcfyem, fo roie eg Corneille
nerfterjt, bag gefdjäfye, mag 2lriftoteleg roitl, bafc es in allen
iragöbieu gefdjeljen fofl; unb aud) in biefem einjigen mürbe
eg nicf)t auf bie 2Irt gefdjefyen, auf bie eg biefer nerlaugt.
©iefeg einige ©tüd roürbe gteidjfam ber $unft fein, in
roeldjem groei gegen einanber fid) neigenbe gerabe Sinien $u=
fammentreffen, um fiel) in alle Unenblid)feit ntd)t mieber gu
begegnen. — ©o gar fer)r fonnte £)acier ben ©inn beg 2fe
ftoteleg nidjt oerfeljlen. @r roar oerbunben, auf bie SBorte
feineg 2lutorg aufmerffamer §u fein, unb biefe befagen eg ju
pofitro, baj$ unfer 9Jiitlcib unb unfere g-urdjt burd) bag WxU
SrtfitimbficD.uflfteo ©tfitf. 1 13
reib unb bie gurdjt ber STragöbie gereinigt werben feilen.
2Seil er aber ol)ne ^lueifet glaubte, baß ber -Kitten ber
Dragöbte feljr gering fein mürbe, wenn er blofj hierauf eins
gefdjränft märe: fo ließ er fid) uerleiten, nad) ber ©rflärung
bes ßomeiUe, ifyr bie ebenmäßige ^Reinigung audj aller übrigen
ßetbenfdjaften beizulegen. 2öte nun (Eorneille biefe füt jettt
2äi leugnete unb in Seifpieten geigte, baß fie me()r ein
fdjöner ©ebanfe als eine Badje fei, bie gemöljnlidjeriuetfe gur
äßitflidjfeit gelange, fo mußte er fid) mit ifmt in biefe 33ei=
fptele [elbft einladen, mo er fid) beim fo in ber @nge fanb,
baß er bie gemaltfamften S)rel)ungen unb 2ßenbungen machen
mußte, um feinen ^IriftoteleS mit fid) burdjgubringen. 3$
fage, feinen 3lriftoteIe§ ; beim ber redete ift roeit entfernt,
foldjer ^reljimgen unb SSenbungen gu bebürfen. tiefer, um
eg abermals unb abermals gu fagen, Ejat an feine anbere
Seibenfd)aften gebadjt, roeldje ba3 l^itleib unb bie gurdjt ber
^ragöbte reinigen folfe, als an unfer ÜJhtleib unb unfere
gurdjt f elbft ; unb e3 ift ifjm fefjr gleichgültig, ob bie ^ragöbie
gur Reinigung ber übrigen 2eibenfd)aften oiel ober menig
beiträgt. siln jene Steinigung l)ätte fiel) £)acier allein galten
follen; aber freilief) Ijätte er fobann aud) einen oollftänbigern
Segriff batnit oerbinben muffen. „2$ie bie Sragöbie," fagt
er, „sIRitleib unb gurd)t errege, um -äftitleib unb §urd)t 311
reinigen, ba3 ift nidjt fdjroer gu erllären. ©ie erregt fie,
inbem fie uns! ba3 Unglücf oor Stugen ftelfet, in ba§ unfer§-
gleidjen burd) nid)t oorfä^lidje geiler gefallen finb; unb fie
reiniget fie, inbem fie uns mit biefem nämlidjen Unglücf e be=
faunt madjt unb unö baburdj lehret, e§ roeber allgu fefjr gu
fürdjten, nod) allgu feljr baoou gerührt gu merben, mann es"
uns mirflid) f elbft treffen follte. — ©ie bereitet bie SRenfdjen,
bie aEermibrigften Unfälle mutig gu ertragen, unb madjt bie
2(llerelenbeften geneigt, fid) für glücflid) gu galten, inbem fie
tr)re Unglücksfälle mit meit größern Dergleichen, bie iljnen bie
£ragöbie oorftellet. 3)enn in meldten Umftänben fann fid) mof)l
ein äUenfct) finben, ber bei ©rblidung eines CebipS, eine§
Sßljiloftets, eines Dreftg nicf)t ernennen müßte, baß alle Uebel,
bie er gu erbulben, gegen bie, meldje biefe Männer erbulben
muffen, gar nid)t in slsergleid)itng fommen?" 9hm, ba§ ift
voai)x ; biefe ©rflärung fann bem tarier nidjt niel $opfbred)en3
gemadjt Ijaben. @r fanb fie faft mit ben nämlichen ^Sorten
bei einem ©toifer, ber immer ein 9Xuge auf bie 2lpatl)te l)atte.
Dirne iljm inbe§ eingumenben, baß bas ©efüljl unfer§ eigenen
Sejfing, 2ßer!e. XII. 8
114 ftatnfutrgtfcfje ^Dramaturgie.
(SlenbeS nid)t tuet 5D^ttIetb neben fid() bulbet, ba|3 folglich bei
bem (Slenben, beffen -Iftitleib nidfjt gu erregen ift, bie ^eini;
gung ober Sinberung feiner 58etrübm§ burd) ba3 9ttttleib nid)t
erfolgen !ann: rottt id) ibm atteg, fo rote er es> fagt, gelten
laffen. 9h.tr fragen mufc tdj: rote triel er nun bamtt gefagt?
Do er im geringsten meljr bamit gefagt, al§ bafc ba§ Sftitleib
unfere gurdfjt reinige? ($eroij$ nid)t; unb ba3 wäre bod) nur
faum ber oierte %z\\ ber goberung be§ 2lriftotele§. 3)enn
roenn 2triftotele§ Behauptet, bafs bie ^ragöbte 9JJitleib unb
%\xxd)t errege, um 9JtitIeib unb §urd)t ^u reinigen, roer fiefjt
ntdjt, baft biefe§ roeit me^r fagt, als 2)acier ju erflären für
gut befunben? £)emt nadj ben nerfdfjiebenen Kombinationen
ber fn'er norfommenben Segriffe muj} ber, roelcfjer ben Sinn
be§ SlrtftoteleS gang erfd)öpfen mill, ftüdroeife geigen, 1. roie
ba§ tragifcfje -Sfetleib unfer TOtleib, 2. rote bie tragifdje
gurdjt unfere $urd)t, 3. roie ba§ tragifd)e 9JUtleib unfere
$urdjt, unb 4. roie bie tragifdje gurebt unfer 9Jiitleib reinigen
fönne unb roirflidf) reinige. ÜDacter aber fyat fid) nur an ben
britten $unft gehalten unb audj biefen nur feljr fdjled)t, unb
auä) biefen nur $ur §älfte erläutert. £)enn roer ftd) um einen
rid)tigen unb oollftänbigen ^Begriff oon ber SJriftotelifdjen
Reinigung ber Seibenfdjaften bemüht Ijat, roirb ftnben, bafc
jeber non jenen oier fünften einen Doppelten %ati in fid)
fd)lief$et. Sba nämlidj, e§ furg $u fagen, biefe Reinigung in
nidjtg anberä beruht al§ in ber SSerroanblung ber £eiben=
fdjaften in tugenbbafte gertigfeiten , bei jeber STugenb aber
nad) unferm $l)ilofopIjen ftd) bie§feit§ unb jenfeitg ein @£tre=
mum finbet, groifdjen roeldjem fie inne fielet, fo muf$ bie
Xragöbie, roenn fie unfer 9Jtttleib in S£ugenb oerroanbeln foK,
unö oon beiben @£tremi§ be§ 9Kitleib3 $u reinigen oermögenb
fein ; roeld)e§ aud) oon ber fvitrcrjt gu oerfteben. 3)a§ tragifd)e
ÜRtttetb muf$ nid)t allein in Slnfeljung be§ 9ftitleib§ bie (Seele
be§|entgen reinigen, roeldjer gu oiel 9ftitleib füllet, fonbern
aud) be§jenigen, roeldjer gu roenig empftnbet. SDie tragifdje
gurdjt muft rtid;t allein in ^Infebung ber gurd)t bie (Seele
Demjenigen reinigen, roeldjer fid) gang unb gar feines Unglüdö
befürchtet, fonbern aud) beöjenigen, ben ein jebe§ tlnglüd, aud)
ba§ entferntefte, aud) ba§ unroal)rfd)einlid)fte, in 2lngft feijet.
©Ieid)fall3 muß ba§ tragifd)e 9JUtleib in Slnfe^ung ber gurebt
bem, roa§ §u niel, unb bem, roa§ §u roenig, fteuern, fo rote
binroieberum bie tragifd)e $urd)t in Slnfebung beö 9)litleib§.
£)acier aber, roie gefagt, ^at nur gezeigt, roie ba§ tragifdje
ÜHeitmmbfte65tgfte3 ©tiicf. 115
9)iitleib unfere aff^it grofce gurd)t mäßige; unb nodj ntcfyt
einmal, roie es bem gättglidjen 9)iangel betfet&en abhelfe, ober
fie in bem, roelcfjer attju roenig uon iljr empftnbet, 31t einem
jjetffamern ©rabe erhöbe; gefd)roeige, bafe er audj baä übrige
foffte gezeigt fyaben. 3)te nad) il)tn gefommen, fyaben, roasi
er unterlagen, audj im geringften nid)t ergänzt, aber rool)l
fonft, um nad) iljrer Meinung ben duften ber Sragöbie oölltg
aufeer Streit ju fefcen, SDinge baljin gebogen, bie bem ©e=
bidjte überhaupt, aber feinesiroeges ber ^ragöbie a(§ ^ragbbie
inöbefonbere $ufommen; 3. (§. bajj fie bie triebe ber 9}ienfd)=
lidjfeit näfjren unb ftärfen, bajj fie Siebe gur Sugenb unb
§aft gegen ba3 Safter roirfen foITe u. f. ro.*) Sieber! roeldjeä
©ebicfyt folTte ba§ nicr)t? Soll e§ aber ein jebeg, fo fann e§
nict)t ba§ unterfd)eibenbe $enngeidien ber Sragöbie fein; fo
fann e3 nicfyt ba§ fein, roa3 mir fugten.
HeuminfcftetTjinJies gtiiife.
©en 2. gfebruar 1768.
Unb nun raieber auf unfern 9iid)arb §u fommen. —
SRidjarb alfo erroedt ebenfo roenig Scr)redeu al§ 9Jcitleib: roeber
Sd)reden in bem gemifcbraud)ten üBerftanbe, für bie plötUidje
Ueberrafdjung be§ SRitleibs, nod) in bem eigentlidjen 2ßer=
ftanbe be3 9lriftotele3, für Ijeilfame gurd)t, bafj un3 ein äl)n=
Iicfyeä Unglüd treffen fönne. 2)enn roenn er biefe erregte,
mürbe er aud) 9Dfttleib erregen ; fo geroifc er lunroieberum gurcfyt
erregen mürbe, menn mir ü}\\ unferä 9ttitleib§ nur im geringften
mürbig fänben. Slber er ift fo ein abfdjeulidjer £ert, fo ein
eingefleifdjter Teufel, in bem mir fo üötlig leinen einzigen äljn=
lieben $ug mit ung felbft finben, bafe \d) glaube, mir tonnten
tr)n oor unfern 5Iugen ben 5Qiartern ber §ölle übergeben fel)en,
oljne ba§ geringfte für il)n gu empfinben, ol)ne im geringften
gu fürd)ten, ba|, roenn foldje Strafe nur auf foldje SBerbredjen
folge, fie audf) unfrer erroarte. Unb roa§ ift enblid) ba% Um
glüd, bie Strafe, bie il)n trifft? -Jfod) fo oielen üDitfjetljaten,
bie roir mit anfeljen muffen, fyören mir, bafe er mit bem
©egen in ber ganft geftorben. 2(l§ ber Königin biefeS er=
gäljlt roirb, Iäf$t fie ber £)id)ter fagen:
*) #r. Surtiu§ in feiner „SU^anölnng oou ber %b]i<l)t be» irauerjpielä", Ijinter
ber 5lriitoteli]'döen „SMdjtfunft".
116 ^amburftifcfie Dramaturgie.
„£>ieg ift etwaäl" —
$d) l)abe mid) nie enthalten fönnen, bei mir nad^ufpredjen :
0tem, ba3 ift gar nidjtS! 2öie mancher gute Rönia, ift fo
geblieben, inbem er feine ^rone roiber einen mäd)tigen Diebellen
behaupten wollen? Dttdjarb ftirbt bod), al§ ein -Wann, auf
bem SSette ber @f)re. Hub fo ein £ob füllte mid) für ben
Unroillen fdjablog galten, ben id) baS gange Btüd burd) über
ben ^riumpr) feiner 23o3l)eiten empfunben? ßd) glaube, bie
gried)ifd)e (Spradje ift bie eingige, roeldje ein eigenes SÖöort
§at, biefen Unroillen über ba§ ©lud eines SSöfenmijtS au§=
gubrüden : ve^satc, vejieoav. *) Sein %oh felbft, roetcfyer roemg=
ftenS meine ©eredjtigfeitsltebe befriebigen feilte , unterhält
nod) meine -iftemefiS. 3)u bift rooljlfeil roeggefommen, beule
id); aber gut. baf$ eS nod) eine anbere ©ered)tigt'eit gibt als
bie poetifdje!
3Jian roirb melleid)t fagen : 5Run rool)l ! mir mollen ben
9^id)arb aufgeben; ba§ (Btüd Reifet groar nad) il)m, aber er
ift barum ntdf»t ber §elb beSfelben, nid)t bie $erfon, burd)
roeldje bie 2lbfid)t ber STragöbie erreicht mirb; er Ijat nur
baS Mittel fein fotten, unfer 9ftitleib für anbere gu erregen.
2)ie Königin, ©lifabetl) , bie springen, erregen biefe ntdjt
TOleib? —
Um allem SÖortftreite auSguroeidjen: ja. 2lber roa§ ift
e§ für eine frembe, Ijerbe ©mpfinbuug, bie fid) in mein sJftit=
leib für biefe $erf orten mifebt? bie ba madjt, bafj id) mir
biefeS Sftitleib erfparen gu fönnen roünfdjte? SDaS münfd)e
id) mir bei bem tragifdjen sJftitleib bod) fonft nid)t, id) oer=
meile gern babei unb banle bem £)id)ter für eine fo füfee Qual.
SlriftoteleS Ijat e§ rooljl gefagt, unb baS mirb eS gang
geroig fein! @r fprid)t non einem [j-iapov, oon einem ©räfe=
liefen, ba§ fid) bei bem Unglüd'e gang guter, gang unfdmlbiger
^erfonen finbe. Unb finb nid)t bie Königin, (llifabetl), bie
^ringen oollfommen fold)e ^erfonen? s2öa3 Ijaben fie getrau?
rooburd) l)aben fie e£ fid) gugegogen, bafj fie in ben flauen
biefer 33eftie finb? Qft e§ ir)re fedjulb, baft fie ein näheres
9kd)t auf ben ^fjron l)aben als er? SSefonberS bie f leinen
roimmernben (2d)lad)topfer, bie nod) f'aum red)ts> unb lint'S
unterfd)eiben fönnen! äßer roirb leugnen, baft fie unfern
gangen Qammer oerbienen? Slber ift biefer Jammer, *>er
mid) mit ©djaubern an bie ©djidfale ber 9Jienfd)en benlen
*) Arist. Rhet., lib. II. cap. 9.
SReummbfie&sigftes ©tüdf. 117
läfct, bem 3fturren roiber bte SBorfeljung fid) augefeilet unb
SäSeraroetflung von roeiten nad) fd)leid)t, ift biefeu gammer
— id) roitl nidjt fragen, SRitleib? — @r Reifte, mie er
roolle — 2lber ift er Das, mag eine nadjaljmenbe Munft er
rocd'en follte?
9Kan fage nicr)t: erroedt iljn bod) bte ©ejdjidjte, grünbet
er fid) bodj auf etroaS, bas roirflid) gefdjefyen ift. — £)as
rairt'lid) gefdjefyen ift? Gs fei; fo rotrb e§ feinen einten ©runb
in bem erotgen unenblidjen jjufammenljattge aller isDinge t)aben.
x\n biefem ift 2Beisl)eit unb ©üte, roas un§ in ben roenigen
©liebern, Die ber 2)tdjter fjerausnimmt, blinDes ©efdjid unb
©raufamfeit fdjeinet. 2tus biefen roenigen ©liebem füllte er
ein ©an^eö machen, bas oöHig fid) runbet, roo eines aus bem
anberu |id) oöttig erf'laret, roo feine ©djroterigfeit aufftößt,
berenroegen nur bte SSefriebigung nidjt in feinem platte finben,
fonbem fie aufeer ilmt in bem allgemeinen SJSIane ber 2)inge
fudjen muffen; bas ©an$e biefes" fterblidjen SdjöpferS follte
ein ©djattenrifj t>on bem ©angen be3 eroigen Schöpfers! fein;
follte uno an ben ©ebanfen geroölmen, roie fid) in tfmt alles
gum heften auflöfe, roerbe es audj in jenem gefdjefjen: unb
er »ergibt biefe feine ebetfte Seftimmung fo fefjr, baf$ er bie
unbegreiflichen 2ßege ber 58orfid)t mit in feinen flehten ßirfel
flidjt unb gefliffentltd; unfern ©djauber barüber erregt? —
0, uerjdjonet uno Damit, iljr, bie if)r unfer §erg in eurer
©eroalt Ijabt! 2Bogu biefe traurige Gmpfinbung? Uns Unter
roerfung gu lehren? 2)iefe fann uns nur bie falte Vernunft
lehren; unb roenn bie Seljre ber Vernunft in uns bet'leiben
folt, roenn roir bei unferer Unterroerfung norf) Vertrauen unb
fröl)ltd)en üftut behalten folten: fo ift e3 f)öd)ft nötig, ba& roir
an bie uerrotrrenben Setfpiele foldjer unuerbienten fdjred'lidjen
Sßerljängniffe fo roenig als möglidj erinnert roerben. 3ßeg
mit iljnen oon ber 23ütjne! 2öeg, roenn es fein tonnte, aus
allen 33üdjem mit itmen! —
2Öenn nun aber ber Sßerfonen beg ^)tid)arbg leine einzige
bie erforberlidK'u Gigenfdjaften Ijat, bie fie Ijaben müfeten,
falls er roirflidj Das fein follte, roas er Reifet: rooDurd) ift er
gleidjrooljl ein fo intereffantes" ©tuet geworben, roofür Ü)n
unfer $ublifum IjältY SBenn er nidjt Diitteib unb gurdjt
erregt, roas ift beim feine Söirfung? SBirrung mufe er bodjj
Ijaben, unb r)at fie. Unb roenn er SBirfung l)at, ift es ntdjt
gleidjoiel, ob er biefe ober ob er jene Ijat? 3Benn er bie
$ujdjauer bejdjaftiget, roenn er fie uergnügt, roas roill man
118 £>amburgtftf)e Dramaturgie.
benn meljr? üöftifjen fie benn notraenbig nur ttad) ben Regeln
beg Slriftoteles bejd)äftiget unb oernügt werben V
SDag Hingt fo unredjt nid)t; aber eg ift barauf gu ant=
raorten. Ueberfjaupt: wenn ^idjarb fcfyon feine Sragöbie
wäre, fo bleibt er bod) ein bramatijd)eg ©ebicfyt; wenn iljm
fdjon bie @djön()eiten ber SLragöbie mangelten, fo tonnte er
bod) fonft ©d)önf)eiten Ijaben : s}*oefte beg Stugbrudg, Silber,
Kraben, ful)ne ©eftnnungen, einen feurigen Ijinreifcenben
Dialog, glüdlid)e SBeranlafjungen für ben 2lcteur, ben ganzen
Umfang feiner ©timme mit ben mannigfaltigften 2tbraed)fe=
hingen gu burdjlaufen, feine gange ©tärt'e in ber Pantomime
gu geigen u. f. ra.
&on biefen ©djönljeiten Ijat !Rtcr)arb oiele unb fyat aud)
nod) anbere, bie ben eigentlichen ©d)önl)eiten ber äragöbie
näfyer fommen.
Sftiajarb ift ein abfcfyeulidjer 23öferaid)t; aber aud) bie 33e=
fd)äftigung unferg Slbfdjeueg ift nid)t gang oljne Vergnügen,
befonberg in ber 9^ad)a|mung.
2Cud() bag Ungeheuere in ben $erbred)en partigipieret oon
ben ©mpftnbungen , meldte ©röfee unb $ül)nljeit in ung
ermeden.
SUIeg, mag 9^ic^arb tfjut, ift ©reuel; aber alle biefe
©reuet gefct)er)en in 2Jbfid)t auf etmag; 9ttct)arb Ijat einen
$lan; unb überall, mo mir einen $lan mafyrneljmen, mirb
unfere 9leugierbe rege; mir märten gern mit ahf ob er aug;
geführt mirb roerben, unb rate er eg mirb raerben ; rair lieben
bas groedmäfjtge f° Mr> bafj eg ung> auc^ unabhängig oon
ber -Üftoralität beg graedeg, Vergnügen gewährt.
2öir raollten, baf$ 9tid>arb feinen 3roec^ erreichte, unb
rair wollten, bafe er ifyn aud) nidjt erreichte. 2)ag (Srretdjen
erfpart ung bag Sftifeoergnügen über gang nergebeng ange=
raanbte Mittel; raenn er il)n nicr)t erreidjt, fo ift fo oiel 33lut
oöllig umfonft oergoffen morben; ba eg einmal nergoffen ift,
mödjten rair eg nid)t gern aud) nocl) blof$ oor £angenoetle
oergoffen finben. §inraieberum märe btefeg ©rreid^eu bag
groljloden ber Sogfeit; nidjtg l)ören mir ungerner; bie 216=
fidjt tntereffierte ung alg gu erretdjenbe 2(bfid)t ; roenn fie aber
nun erreicht raäre, raürben rair nid)tg alg bag Slbfdjeulidje
berfelben erbliden, raürben mir raünfdjen, bag fie nidjt er;
reidjt raäre ; biefen Sßunfdj fefyen rair ooraug, unb ung fdjam
bert nor ber (Srreidjung.
SDie guten ^erfonen beg ©tücfS lieben mir ; eine fo |ärt=
2l$t3tgfte§ etücf. 119
Itdje, feurige Butter, ©efcfjmifter, bie fo gang eines in bem
anbern leben ; biefe ©egenftänbe gefallen immer, erregen immer
bie füjjeften ft;mpat(;etifc^eu dmpfinbungen, mir mögen fie
ftnben, mo mir mollen. ©ie gang oljne <2d)itlb leiben gu
fefyen, ift gmar tjerbe, ift 5m ar für unjere 9tul)e, gu unferer
33efferung fein fel)r erfpriefclidjes ©efül)l: aber es1 ift bod)
immer Öefüfjl.
Unb fonad) befd)äftiget uns bas Stücf burdjau§ unb oer=
gnügt burd) biefe 33efd)äftigung unferer Seelenfräfte. SDas
ift wafyr; nur bie golge ift nidjt mafyr, bie man baraus gu
gießen meinet, nämlid) ba|3 mir alfo bamit gufrieben fein fönnen.
©in 2)idjter faim oiel getrau unb bod) nod) nid;ts bamit
oertfyan (jaben. $lid)t genug, baf} fein SBerf äßirfungen auf
uns {jat: es muf$ and) bie ijaben, bie tljm oermöge ber ©at=
tung gufommen; e§ mufe biefe oorneljmlid) Ijaben, unb aße
anbere fönnen ben Mangel berfelben auf feine 2Beife erfe|en;
befonberä menn bie ©attung oon ber 2Bid)tigfeitunb ©djtmerigs
feit unb föoftbarfeit ift, bafc ade -Dfritje unb aller Slufiuanb
oergebens märe, menn fie weiter mdjts" als fold)e -üöirfungen
fyeroorbringen roollte, bie burd) eine leichtere unb meniger
auffalten erforbernbe ©attung eben fo worjl gu erhalten mären.
(Sin 33unb <Strol) aufgeben, mufe man feine 9Jtajd)inen in
33emegung fe^en ; roas idj mit bem gufje umftofeen fann, mu£
td) nirfjt mit einer 9Jcine fprengen mollen; id) mufj feinen
Scheiterhaufen angünben, um eine 9Jtüde gu oerbrennen.
$, tlj t ? i 3 Jt e * g t ü ft.
Scn 5. gebruar 1768.
2Bogu bie faure Slrbeit ber bramatifdjcn gorm? mogu
ein STfyeater erbauet, Männer unb SÖBeiber oerfleibet, ®ebäd;t=
niffe gemartert, bie gange Stabt auf einen s$latj gelabenV
menn id; mit meinem 2i>erfe unb mit ber Stuffüfyrung bes=
felben weiter nichts fjeroorbringen mtll, als einige oon ben
Regungen, bie eine gute @rgäl)lung, oon jebem gu §aufe in
feinem -JÖinfet gelefen, ungefähr aud) ^eroor6riugen mürbe?
3Me bramatifdje gorm ift bie einzige, in roeldjer fid)
SKitleib unb gurd)t erregen läfct; menigftens fönnen in feiner
anbern gorm biefe Seibenfdjaften auf einen fo Ijoljen ©rab
erreget werben: unb gleid)Wol)l will man lieber alle anbere
barin erregen als biefe; gleidnuoljl will man fie lieber gu
120 JpamBurgtftfie Dramaturgie.
allem anbern brauchen alg $u bem, mo^u fie fo r»orgügItc^
gefdjidt ift.
2)ag ^ubltfum nimmt oorlieb. — 2)a3 ift gut, unb aud)
ntdjt gut. ©etttt man jeljnt fid) nid)t fef>r ttadj ber %a\d,
an ber man immer oorlieb nehmen mufc.
@3 ift befannt, mie erpicht bas> grtecr)ifdt)e unb römifdje
Sßolf auf bie <3d)aufpiele raaren, befonberS jene3 auf baö
tragtfd)e. 2öie gleichgültig, tote falt ift Dagegen unfer 23oll
für ba§ Sweater ! 2Bol)er biefe 3Serfc^iebenl)eit, wenn fie nid)t
bafjer fömmt, baf$ bie ©riechen oor it)rer 23ülme fid) mit fo
ftarfen, fo aufeerorbentlic^en fempfinbungen begeiftert füllten,
bafe fie ben Sutgenbltd nid)t ermarten tonnten, fie abermals»
unb abermals gu l)aben; baljingegen mir un§ oor unferer
s43üf)ne fo fd)toad)er ©inbrüde beraubt finb, baj$ mir e§ feiten
ber 3eit unb be§ ©elbe§ mert galten, fie un§ ^u üerfdjaffen ?
3Btv geljen, faft alle, faft immer, aug sJceugierbe, aus -Jftobe,
au§ Sangerroeile, au§ ©efellfd)aft, au§ 33egierbe, gu begaffen
unb begafft gu roerben, in§ 4§eater, unb nur menige, unb
biefe menige nur fparfam, au$ anberer 2lbfid)t.
3$ fage: mir, unfer SSolf, unfere 23üljne; icl) meine
aber nidjt btofe un§ SDeutfdje. 3Sir SDeutfdje belentten eä
treuljer^ig genug, bajj mir nod) fein Sweater Imben. s28a3
oiele oon unfern $unftrid)tertt, bie in biefeg Sefenntnig mit
einftimmen unb grofte SSere^rer bes> fran^öfifdjen %l)eater3
finb, babei benfett, ba3 fann id) fo eigentlid) nid)t roiffen.
SIber icl) meifc rooljt, uoa$ id) babei bettle. Qd) beule näm=
Itd) babei, bafe nid)t allein mir SDeutfdje, fonbertt baf$ aud)
bie, meiere fid) feit ljunbert Qa^ren ein ^l)eater gu l)aben
rüljmen, ja, ba3 befte %beater oon gatt^ ©uropa $u fyaben
prallen, — baft aud) bie gran^ofen nod) lein Sweater fyabett.
$ein tragifdjeg getoifj ixid^t ! SDenn audj bie ©inbrüde,
meldje bie fran^öftfcfje ^ragöbie mad)t, finb fo ftaef), fo falt !
— iftan t)öre einen grangofen felbft baoon fpredjen.
„35ei ben Ijeroorftecljettben Schönheiten unfer§ SLl)eater§,"
fagt ber §err oon Voltaire, „fanb ficf> ein oerborgner gebier,
ben man nidt)t bemerlt \)<\ttz, meil ba3 ^ßublilum oon felbft
leine Ijöljere &etn Ijaben lonttte, al3 iljm bie großen -Jfteifter
burd) it)re SJiufter beibrachten. 2)er einige <2atnt;($;urentont
bat biefen geiler aufgemutzt; er fagt nämlid), baj$ unfere
Stüde nid)t ©tnbrud genug madjten, bafe baö, raa§ sJJlitleib
errceden folle, auf§ l)ödjfte $&ctl\$texk errege, bafe ^üfjrung
bie 6telfe ber @rfd)ütter%ng/ unb (^rftaunen bie Stelle be3
3W&t3igfteS Stütf. 121
©djrecfenö oertrete, für;, bafe unfcrc Gmpfinbungen nicfjt tief
genug gingen. @3 tft nidjt 511 leugnen, ©aintsdoremont f)at
mit bem Ringer gerabe auf bie bchnlid)e $öunbe be§ fran«
$öjtfdjen SfjeaterS getroffen. -Solan fage immerhin, baß Saint*
(iiuemont ber SSerfaffer ber elenben Eomöbte ,©ir Sßolitif
Sßoulbbe' unb nod) einer anbern eben fo elenben, ,3)ie Dpenr
genannt, ift; bafe feine flehten gefeKfdjaftltdien ©ebidjte ba§
iRafylfte unb ©emeinfte fmb, 10 as nur in biefer (Gattung fjaben,
bafe er nid)t3 alg ein *pf)rajeöbredj§ler mar : man f'ann feinen
gunfen ©enie Ejaben unb gleidjtpoljl me( 2Bi| unb ©efdjmad
befit$en. (Sein ©efdjmacf aber roat unftreitig fef>r fein, ba
er bie Urfad)e, marum bie meiften Don unfern ©tütfen fo matt
unb falt ftnb, fo genau traf. (Ss f)at uns immer an einem
©rabe non SBärme gefehlt; ba3 anbere Ratten mir allesV'
£)a§ ift : mir Ratten affeg, nur nidit bas>, roaö mir Ijaben
fotlten ; unfere ^ragöbien maren nortrefflid), nur bafe e3 feine
^ragöbien maren. Unb moljer fam e3, bafe fie baö nid)t maren?
„SDiefe Aalte aber," fäfjrt er fort, „biefe einförmige 9Jtat-
tigfeit entfprang gum %vl non bem flehten ©eifte ber ©alam
terie, ber bamal3 unter unfern §ofleuten unb tarnen fo
^errfcfjte unb bie STragöbie in eine gotge oon verliebten ©e=
fprädjen oermanbelte, nad) bem ©efdjmade be§ (Et)ru§ unb
ber ßlelie. 2Ba§ für Stücfe fid) Neroon nod) etraa au3=
nahmen, bie beftanben au§ langen politifdjen S^aifonnementg,
bergteid)en ben ©ertoriuS fo oerborben, ben Dtrjo fo falt
unb ben ©urena unb 3Ittila fo elenb gemadjt rjaben. %lod)
fanb fid) aber audj eine anbere llrjadje, bie ba§ l)ol)e $atlje=
tifdje non unferer ©jene gnrüctfjtelt unb bie §anblung mirf=
lid) tragifd) gu madjen oerrjinberte : unb biefe mar ba§ enge
fd)led)te ifjeater mit feinen armfeligen Verzierungen. — 28a3
liefe fid) auf einem paar $u|enb Srettern, bie nod) ba^u mit
3ufd)auern angefüllt maren, machen? 93iit meldjem Sßomp,
mit meld)en ßurüftungen tonnte man ba bie 2fugen ber 3u=
flauer befreien, feffeln, täufdjen? SDBelcrje gro|e tragifdje
5fftion liefe ftd) ba aufführen? 2öeld)e greifyeit fonnte bie
(Sinbilbungsfraft beo 2)id)ter§ ba Ijaben? Sie ©tüde mufeten
auS langen ßrjäblungen befielen, unb fo mürben fie ntefyr
©efprädje als ©ptele. ^eber SIcteur moßte in einer langen
Monologe glänzen, unb ein (Stüd, ba^ bergleidien nid)t fjatte,
marb oermorfen. — Sei biefer gorm Pe^ a^e tljeatraltfdje
§anblung meg, fielen alle bie grofeen 2luobrüde ber £eiben=
jdjafteu, alle bie fräftigen ©emalbe ber ntenjdjlidjen Unglück
122 ^anilntrgifüje Dramaturgie.
falle, alle bie fd)re etlichen, bis in baS Qnnerfte ber (Seele
bringenbe 3u9e lüe9 5 mcm tüljrte bag §erg nur faum, anftatt
e3 gu gerreijjen."
SÖcit ber erften Urfadje l)at e§ feine gute ^id^tt gleit,
©alanterie unb ^olitif läfet immer !alt; unb nod) ift eS
feinem Siebter in ber SBelt gelungen, bie Erregung be§ W\U
leibg unb ber gurdjt bamit gu oerbinben. Qene laffen un§
ntd)t§ als ben Fat ober ben ©dmlmeifter l)ören, unb bieje
fobern, bafc mir nichts al3 ben sJRenfd)en Ijören fotlen.
Stber bie §roeite UrfacfyeV — ©ollte e§ möglid) fein, bafj
ber Mangel eines geräumlid)en StfyeaterS unb guter 3Ser=
3ierungen einen folgen (Smflufj auf ba£ ©enie ber 2)td)ter
gehabt Ijätte? 3ft e3 roaljr, bafe jebe tragifdje §anblung s^iomp
unb Zulüftungen erfobert? Ober follte ber SDid^ier nidjt t>iel=
mefyr fein ©tücf fo einrichten, bafe e§ aud) olme biefe SDinge
feine oöllige Söirlung l)eroorbräd)te?
%laü) bem 2lriftotele§ follte er e§ allerbingS. „gurd)t unb
üDtitleib," fagt ber ^Ijtlofopl), „lä'fjt fidj ^mar burd)3 ©efid)t
erregen; e3 fann aber aud) aug ber $erfnüpfung ber 33e=
gebeulten felbft entfpringen, meines letztere oorgüglidjer unb
bie Sßeife be§ beffern £)id)ter3 ift. 2)enn bie gabel mug fo
eingerichtet fein, bafj fie, and) ungefel>en, ben, ber ben 33er=
lauf iljrer Gegebenheiten blof$ anhört, $u 9JUtleib unb gurd)t
über biefe Gegebenheiten bringt, fo mie bie gabel be3 DebipS,
bie man nur anhören barf, um bagu gebradjt 311 merben.
SMefe 2lbfid)t aber burd) ba§ ©efidjt erreichen moUen, erfobert
meniger ^unft unb ift bereu <Sac|e, meiere bie Gorftetlung
be§ ©tüdö übernommen."
2öie entbehrlich überhaupt bie tljeatralifdjen Weiterungen
finb, baoon mill man mit ben ©lüden be§ ©l)afefpeare3 eine
fonberbare (Srfafjrung gehabt fyaben. 2öeld)e ©tüde brausten,
megen ifjrer beftänbigen Unterbrechung unb Geränberung be§
Drt3, beS GeiftanbeS ber 6genen unb ber ganzen ^unft be§
2)e!orateurS moljl meljr als eben biefe? ©leidjroofyl mar eine
3eit, mo bie Güfynen, auf melden fie gefpielt mürben, au§
nid)ts beftanben al§ au3 einem Gorfjange oon fd)led)tem
groben Beuge, ^er/ tt)enn er etnfgegogen mar, bie bloßen
blanfen, l)öd;ften§ mit hatten ober Tapeten begangenen
•Jßänbe geigte ; ba mar nid)t§ al§ bie (Sinbilbung, ma$ bem
Werftänbniffe be§ gufdjauerS unD *>er SluSfüljrung, be§
©pielerö §u «S^lfe kommen fonnte ; unb bem oljngeadjtet, fagt
man, maren bamals bie ©rüde be<8 ©IjafefpeareS ol)ne alle
(Sinunbadjtjigfteo 3tüd. 123
Sjenen üerftänblidjer , als fie e3 fjernadj mit benfelben ge=
mefen finb.*)
SBenn fid) alfo bei 2)icf)ter um bie Sßergterung gar nict)t
ju befümmern fjat; »Denn bie SSer^ierimg, aud) wo fie nötig
fdjeint, oljne bejonbern ;Jiacf)teil feines (Stiicfs wegbleiben fann:
warum follte e3 an bem engen, fdjledjten ^Ijeater gelegen
Ijaben, bafj un§ bie frcmgöjtfdjett SMdjter feine rül)renbere
©tüde geliefert? 9ticf)t bod): es lag an ijjnen felbft.
Unb ba§ bemetft bie ©rfaljrung. SDenn nun rjaben ja
bie grangofen eine fd)önere, geräumlidjere 53ül)ne; feine 3U;
flauer werben mel)r barauf gebulbet; bie Hultffen ftnb leer;
ber 3)eforateur rjat freies gelb ; er malt unb bauet bem ^oeten
alles, ma§ biefer tum ii)in »erlangt; aber wo finb fie benn,
bie raärmern Stüd'e, bie fie feitbem erhalten fjaben? (Sdfjmetdjelt
fid) ber §err t>on Voltaire, baf$ feine SemtranüS ein fold)es>
©tücf ift? SDa ift s^omp unb SBcr^icrung genug, ein ©e=
fpenft oben barein; unb bod) fenne id) nidjts kälteres als>
feine •Semiramis.
(Bmitwadjtjifjjtes &tiitk.
Sen 9. ft-ebruar 176«.
2öill id) benn nun aber barmt fagen, bafj fein granjofc
fäl)ig fei, ein mirflidj rütjrenbes tragifd)e§ SEBerf gu madjen?
bafe ber iwlatile ©eift ber Nation einer folgen Sirbett ntdjt
gemadjfen fei? — gdj mürbe mid) fd)ämen, menn mir ba§
*) (Cibber's Llves of the Poets of G. B. and Ir. Vol. II. p 78. 79.) —
Some have insinuated, that fine scenes proved the min of acting. — In
the reign of Charles I. there was nothing more than a curtain of very
coarse stuff, upon the drawing up of which, the stage appeared either with
bare walls on the sides, coarsly matted, or covered with tapestry; so that
for the place originally represented , and all the successive changes, in
which the poets of those times freely indulged themselves , there was
nothing to help the spectator's understanding, or to assist the actor's Per-
formance, but bare imagination. — The spirit and .judgement of the actors
supplied all cleficiencies , and made as some wonld insinnate, plays more
intelligible without scenes, than they afterwards were with them.
[(Gibberl Sehen ber 2)id)ter ©rofjbrttanuienl unb SttanbS.) — (Sinige gaben
ju öerfterjen , jd)öne ßuliffen feien ein SßeWeis für ben iRuin ber Sdjaufpietfunft.
— Unter ber {Regierung ßarlc- I. gab e§ nid)t» anberel al§ einen Vorhang Don feljr
grobem Stoffe, bei beffen Erhebung bie Sühne entWeber bürftige, mit rauben statten
üerfehene Seitenwänbe 3eigte ober mit Seppidjcn bedangen war; fo baß für bie ur=
fprünglidje' £erridbtung be* SRaumel unb alle ipäteren SIenberungeu , in benen fid)
bie ®id)ter biefer 3eiten i° S^ofje Freiheiten erlaubten, nicht-:- ba mar, bem S5et=
ftänbniffe bes 3ufd)auer§ nadjjuhetfen ober bie 2)anteflung bei <Sd)aufpieter§ ju
unterftütjen, al§ bie bfofje SSorfteQung. — ©er ©eift unb ba§ Urteil ber «Sdbaufpieler
ergänzte alle Mängel unb machte, wie einige annehmen wollten , Schaufpiele ohne
Sulifjen öerftänblidfjer, als fie nachher mit benfelben waren. 3 immer mann.]
124 ^antßurgtfdfje Dramaturgie.
nur eingenommen märe. 2)eutfd)lanb Ijat ftdj nod) bttrdj feinen
Soufjourä läd)erlid) gemalt. Unb id) für mein £eil l)ätte
nun gleich bie menigfte Anlage ba^u. 2)emt td) bin feljr
überzeugt, baß fein Sßotf in ber SBelt irgenb eine ®ahe beS
©eifteS oorgüglid) t>or anbern SSölfern erhalten Ijabe. 5Jfan
fagt jinar' ber tieffinnige ©nglanber, ber mitjtge granjoje.
Slber roer Ijat benn bie Teilung gemadjt? SDie Statur gerotß
nid)t, bie alles unter alte gleid) »erteilt. @s gi6t eben fo
oiel nrit&tge (Snglänber als mitjige gran^ofen, unb eben fo
oiel tieffinnige grausen als tieffinnige ©nglänber; ber $3raß
oon bem Sßolfe aber ift feinS oon beiben. —
2öaS null id) benn? 3$ roitt bloß fagen, roaS bie gratis
gofen gar rool)l fyaben fönnten, baß fte baS nod) ntd)t fyaben :
bie mafyre ^Lragöbie. Unb marum nod) ntdjt fjaben? — SDa^u
l)ätte ftd) ber §err oon SSoltaire felbft beffer fennen muffen,
tnemt er eS r)ätte treffen raollen.
3$ meine, fte Ijaben eS nod; nicrjt, meil fte eS fcfjon
lange gehabt $u ^aben glauben. Unb in biefem ©lauben
werben fte nun freiließ burd) etroaS beftärft, baS fte oorjüg;
lid) t»or allen Golfern Ijaben; aber eS ift feine (&abt ber
9tatur: burd) il)re @itelfeit.
@S geljt mit ben Nationen mte mit einzeln sJftenfdjen.
— ©ottfdjeb (man roirb leidjt begreifen, mie tei) eben t)ter
auf biefen falle) galt in feiner Qugenb für einen ®id)ter,
meil man bamalS ben 23erSmad)er oon bem £)id)ter nod) ntctjt
3U unterfd)eiben raupte. s^l)ilofopl)ie unb ^ritif festen nad)
unb nad) biefen Unterfcljieb inS §elle; unb menn ©ottfcfjeb
mit bem Qarjrljunbert nur fyätte fortgeben motten, menn ftd)
feine @tnfid)ten unb fein ®efd)mad nur gugletct) mit ben @tn=
ftdjten unb bem ©efclmtade feines Zeitalters l)ätten oerbreiten
unb läutern motlen, fo t)ätte er oielteid)t mirflid) aus bem
SSerSmadjer ein SDidjter raerben fönnen. Slber ba er fiel) fd)on
fo oft ben größten 3)id)ter fjatte nennen Ijören, ba ifm feine
©itelfeit überrebet Ijatte, baß er eS fei, fo unterblieb jenes.
@r fonnte unmöglid) erlangen, maS er fd)on gu beftt^en glaubte;
unb je älter er roarb, befto l)artnädiger unb unoerfd)ämter
raarb er, ftd) in biefem träumerifdjen 33eft^e ^u behaupten.
©erabe fo, bünft ntid), ift es ben gran^ofen ergangen,
föaum riß (Sorneille iljr £ljeater ein toenig aus ber ^Barbarei:
fo glaubten fte eS ber 3Sollfommenl)ett fdjott ganj nal)e.
Racine fd)ien il)nen bie leiste §anb angelegt 31t fyaben; unb
l)ierauf mar gar ntcfyt meljr bie grage (bie eS jmar awd) nie
GimmbadjttfgfleS <Stücf. 125
gemefen), ob ber tragifdje $)id)ter nidf)t nodj patl)etifd)er, nodj
rüljrenber fein fö'nne, a(§ (Sorneille unb Racine, fonbem
biefes warb für unmögltdj angenommen, unb alte SBeeiferung
ber nadjfolgenben £id/ter mufjte fid) barauf einfd&ränfen, bem
einen ober bem anbern fo äljnlid) gu werben al3 möglid).
§unbert $al)xe Ijaben fte fid) felbft, unb gum Xeil if;rc dtad;-
barn mit, Untergängen; nun fomme einer unb fage tljnen
bas unb fjbre, ma§ fte antworten!
SSon beiben aber tft e§ Sorneitte, meldjer ben meiften
Sdjaben geftiftet unb auf iljre tragifd>en SHdjter ben oer=
berblid)ften ©influfj gefjabt fyxt 3)enn Racine l)at nur burd)
feine -ftufter uerfüljrt, (Someifle aber burd) feine sJJtufter uno
SeFjren gugleid).
SMefe lettfern bejonberS, von ber gangen Nation (bis
auf einen ober groet gebauten, einen §ebelin, einen 2)acier,
bie aber oft felbft nidjt mußten, roas fte wollten), al3 Drafel=
fprücr}e angenommen, oon allen nad)fjerigen 3)tdjtenr befolgt,
t)aben, — id) getraue mid), es Btüd oor <Bti\d gu beioeifen,
— nidjtg anberg aU bas laufte, toäfjrigfte, untragifdjfte
3eug bcroorbringen tonnen.
&ie Regeln beö 2IriftoteIe§ finb alle auf bie [jödjfte
Söirfung ber ^ragöbie fatfuliert. 2Ba§ mad)t aber ßornetfle
bamit? @r trägt fte falfd) unb fdjielenb genug oor; unb meil
er fie bod) nod) oiel gu ftrenge finbet, fo fudjt er bei einer
nad) ber anbern quelque moderation , quelque favorable
interpretation, entlräftet unb oerftümmelt, beutelt unb oer=
eitelt eine jebe, — unb marum? pour n'etre pas obliges
de condamner beaucoup de poemes que nous avons vü
reussir sur nos theätres ; um nid)t oiele ©ebidjte oerwerfen
gu bürfen, bie auf unfern Dülmen Beifall gefunben. Ginc
fd)öne ltrfad^e !
Qd) null bie §auptpunlte gefd)roinb berühren. Ginige
baoon l)abe id; fd)on berührt; tdj mu$ fie aber bes 3ufammens
Ijangeö raegen mieberum mitnehmen.
1. 3trtftotele3 fagt: bie ^ragöbie fotl 9Jlitleib unb
gttrdjt erregen. — Corneille fagt: 0 ja, aber mie e§ fömmt;
beibes gugleid) ift eben nid)t immer nötig ; mir finb and) mit
einem gufrieben; i^t einmal 9Jtitleib olme 3urd)t, ein anbete
mal gurdjt olme slftttleib. 2)enn 100 blieb' id), id), ber grofje
ßorneiHe, fonft mit meinem 9tobrigue unb meiner (Sfn'mene?
S)ie guten Slinber erroeden 9ftitleib, unb fet)r grofeeö 9Jiit=
leib, aber gurdjt mol)l fdjmerlid). Unb mieberum: 100
126 §amburgtfd)e Dramaturgie.
blieb1 id) fonft mit meiner Cleopatra, mit meinem $rufta§,
mit meinem $r)ofa§? 2ßer lann üJittleib mit biefen 9tid)t3=
mürbigen fyaben? 2Jber gurdjt erregen fie bocfj. — ©o glaubte
(Eorneide, unb bie grangofen glaubten e3 ilnn nadj.
2. Slriftoteleä fagt: bie STragöbie foH 9ttitleib unb
%md)t erregen; beibe§, r>erftel)t fid), burdj eine unb eben bie=
felbe $erfon. — (Sorneille fagt: menn e§ ftd) fo trifft, redjt
gut. 2lber abfolut notmenbig ift e§ eben md)t; unb man
fann fid) gar mol)l aucrj oerfd)iebener ^erfonen bebienen, biefe
groet ©mpfinbungen Ijerüorgubringen, fo mte id) in meiner
S^obogune getrau rjabe. — £)a§ Ijat ßorneille getljan, unb
bie grangofen tr)un e§ iljm nad).
3. 2lriftotele§ fagt: burcf) ba§ 5Diitleib unb bie gurdjt,
meiere bie iragöbie erroedt, foß unfer 5Ritleib unb unfere
gurdjt, unb mag biefen anhängig, gereiniget merben. — (5or=
neille metfs baoon gar nid)t3 unb bilbet fid) ein, 2lriftotele§
fyabe fagen roollen: bie SDragöbie ermede unfer s]Dtttleib, um
unfere §urd)t gu erroeefen, um burd) biefe gurdjt bie Seibens
fdjaften in uns> gu reinigen, burd) bie fid; ber bemitleibete
©egenftanb fein Unglüd gugegogen. Qdj raill non bem 2Serte
biefer 2lbftd)t nid)t fpredjen; genug, bafj e§ nxd)t bie 2lrifto=
telifdje ift unb bafj, ba (SorneilTe feinen ^ragöbien eine gang
anbere 2l6fidjjt gab, audj notmenbig feine Xragöbien felbft
gang anbere 2ßerfe merben mußten, al§ bie maren, r»on
roeldjen 2lriftotele§ feine 2lbfid)t abftraljiert Ijatte; e§ mußten
S£ragöbien merben, meldjeä feine mafyre ^ragöbien maren.
Unb ba§ finb ntdjt allein feine, fonbern äße frangöfifdjen
^ragöbien geworben, meil it)re 33erfaffer alle ntd)t bie 2lb=
fierjt be§ 2lriftotele§ , fonbern bie 2lbfid)t beg (Sorneille fid)
Dorfeisten. Qdjj i)ahe fdjon gefagt, bafc tarier beibe 2lbfid)ten
moßte oerbunben miffen; aber aud) burd^ biefe blofte 23er=
binbung rcirb bie erftere gefcljtüädjt, unb bie ^ragöbie mufe
unter iljrer r)Öd)ften 2öir!ung bleiben. £)agu Ijatte 2)acier,
roie id) gegeigt, Don ber erftern nur einen feljr unoollftcmbigen
Segriff, unb e§ mar lein Söunber, menn er ftd) balier ein=
bilbete, bafe bie frangöftfd)en ^ragöbien feiner 3e^ nodj eljer
bie erfte aU bie gmeite Slbficfjt erreidjten. „Unfere ^ragöbte,"
fagt er, „ift gufolge jener nod) fo giemlicf) glüdlid), tftitleib
unb gurd)t gu ermeden unb gu reinigen. 2lber biefe gelingt
if)r nur fet)r feiten, bie bodj gleidjraoljl bie mistigere ift, unb
fie reiniget bie übrigen Seibenfdpften nur fefjr menig, ober,
ba fie gemeiniglid) nid)tS al0 SiebeSintriguen enthält, menn
3roemnbad)ttfafte3 ©tücf. 127
fie ja eine baoon reinigte, fo mürbe e3 einzig unb allein bie
Siebe fein, roorau§ benn Kar erhellet, bafe tfjr 9htfcen nur feljr
flein ift."*) ©erabe umgefel)rt! @S gibt nod) eljer frans
göfifd)c Slragöbien, meldje ber jmeiten, al3 meiere ber erften
2t6fid$t ein ©enüge leiften. Sdj fenne oerfdjiebene fran«
göftfd^e <5tüde, reelle bie unglücf liefen folgen irgenb einer
Seibenfdjaft rect)t mofjl in§ Sid)t fe£en, au§ benen man oiele
gute Seljren, biefe £eibenfd)aft betreffend jjtefjen lann; aber
id) leime feines, roelcbef mein 9JJitleib in bem ©rabe erregte,
in meinem bie SCragöiie es> erregen foflte, in meinem id)
au3 oerfdjiebenen griedjifdjen unb englifdjen Stüden geroife
rceife, ba% fie e§ erregen lann. $erfd)iebene frangöfifd^e
^ragöbien finb feEjr feine, fet}r unterridjtenbe 2öerfe, bie id)
alles SobeS roert fjalte; nur baft e3 feine ^ragöbten finb.
®ie SBerfafjer berfelben lonnten nidjt anberg, a(§ ferjr gute
^öpfefein; fie oerbienen §um ^eil unter ben £)id)tern leinen
geringen Drang : nur bafe fie leine tragifdje 2)td)ter finb ; nur
bafj irjr Corneille unb Racine, tt)r (Srebttton unb SSottaire
t)on bem roenig ober gar nid)t§ fyaben, ma3 ben ©opljolleg
jum (5opl)olle§, ben @uriptbe§ §um (Suripibeö, ben ©ljale=
fpeare jum ©fjafefpeare madjt. 3)iefe finb feiten mit ben
mefentlid)en goberungen be3 2trtftoteIe§ im SBiberfprucr) ;
aber jene befto öfterer. 2)enn nur meiter —
gttwunbaajtjtgjte0 gtüifc.
S)en 12. Februar 1768.
4. 9Triftotele§ fagt: man mufc feinen gang guten 9J?ann
ofjne alle fein 33erfd)ülben in ber äragöbie unglüdlid) merben
laffen; benn fo mag fei gräfelidj. — ,,©an§ red^t," fagt ßor?
neide, „ein foldjer 2lu3gang erroedt mef)r Unwillen unb §af$
gegen ben, melier ba§ Seiben oerurfadjt, als 9Jfttleib für
ben, roeldjen es trifft. Sene ©mpfinbung alfo, meiere nidjt
bie eigentliche Sßirfung ber Stragöbte fein folT, mürbe, wenn
fie nid)t fet)r fein befjanbelt märe, biefe erftiden, bie bod)
•) (Poet. d'Arist. Chap. VI. Rem. 8.) Notre Tragedie peut reussir assez
dans la premiere partie, c'est-ä-dire, qu'elle peut exciter et purger la
teri-eur et la compassion. Mals eile parvient rarement ä la derniere, qui
est pourtant la plus utile, eUe purge peu les autres passions, ou comme
eile roule ordinairement sur des intrigues d'amour, si eile en purgeoit
quelqu'une, ce seroit ceUe-lä-seule, et par lä il est aise de volr qu'elle ne
fait que peu de fruit.
128 ftamtnmttfdje Dramaturgie.
eigentlich ljeroorgebrad)t werben follte. 3)er gufd&auer roürbe
mifeüergnügt weggeben, weil fid) allgu oiel 3om mit bem
9)iitleiben oermifdjt, roelc^eg iljtn gefallen l)ätte, wenn er e§
allein mit roegnef)men fönnen." — „216er," — lömmt Corneille
Ijtntennad); benn mit einem 2Iber mufj er nad)fommen, —
„aber roenn biefe Urfacr)e roegfällt, menn eg ber ^Dict)ter fo
eingerichtet, bafe ber Stugenbljafte, melier leibet, meljr DJfttleib
für fid) alg 2öiberroillen gegen ben erroedt, ber tf>n leiben
läfet, algbenn?" — „D, algbenn," fa^gt (Corneille, „Ijalte idj
bafür, barf man fid) gar lein SBebenfen machen, and) ben tugenb=
Ijaftefteu Wann auf bem Sweater im Unglüde gu geigen/'*)
-— Qd) Segreife ntdjt, roie man gegen einen $l)ilofopl)en fo
in ben STag I)tnetnfd)roa£en !ann ; rote man fid) bas 2htfel)en
geben fann, i()n gu oerftefyen, inbem man tfjn SDinge fagen
läfjt, an bte er nie gebaut ijat. „£)a3 gängltd) unoerfdmlbete
Unglüd eines redjtfdjaffenen -BtatteS," fagt 2triftotele§, „ift
lein (Stoff für ba§ £rauerfpiel; benn e3 ift gräfclid)." 2Iu§
biefem SDenu, au§ biefer Urfadje, mandjt Corneille ein Snfo-
fern, eine blo^e SSebingung, unter roeld)er e§ tragtfdj gu fein
aufhört. 2lriftote(eS fagt: „@g ift burdjauS gräfelidj unb eben
baljer untragifd)." (Sorneille aber fagt: „@3 ift untragifd),
tnfofern eg gräfjlid) ift." 3)iefe€. ©räfeltdje finbet 2lriftotele§
in biefer 2Xrt be§ UnglüdeS felbft; Gornetlle aber fetjt e§ in
ben Unroillen, ben e§ gegen ben Urheber beöfelben oerurfad)t.
@r ftefyt nid)t ober roill nid)t feljen, baj$ jene§ ©räfclidje gang
etwa$ anberS ift al§ biefer Unroilte; ba|, roenn aud) biefer
gang roegfällt, jene§ bod) nod) in feinem »ollen 9Jtoj$e oor=
Ijanben fein lann: genug, baft norg erfte mit biefem Quid
pro quo oerfdjtebene oon feinen ©tüden geredjtfertiget fdjeinen,
bie er fo roenig roiber bte Regeln be§ 2lriftoteleg roill gemacht
Ijaben, baß er oielmefyr nermeffen genug ift, fiel) etngubtlben,
e§ §abe bem 2lriftotele3 blofe an bergleidjen ©tüden gefehlt,
um feine Sebre barnadj nöljer eingufdjräulen unb t>erfc|iebene
9)tanieren barau§ gu abftraljieren, rote bem ungeadjtet ba§
Unglüd beä gang recl)tfcl)affenen 9Jiannes> ein tragifeljer ©egen=
ftanb roerben lonue. En voiei, fagt er, deux ou trois
manieres, que peut-etre Aristote n'a sü prevoir, parce
qu'on n'en voyoit pas d'exemples sur les theätres de son
tems. Unb oon roem ftnb biefe (Stempel? üBou roem anberä
*) J'estime qu'il ne faut point faire de difficulte d'exposer sur la
scene des homnies tres-vertueux.
ftroeiunbncßttfgfieS Stüdf. 120
als oon tfym felbft? Unb meldjeo finb jene aroet ober brei
•Dtonieren? 2ött wollen gefduüinb fefyen. — „£ie erfte," fagt
er, „ift, wenn ein fcl)v Xugenbrjafter bitvd) einen fefjr £aftev=
Ijaften nerfolgt wirb, ber ©efafjr aber entfümmt, unb fo, baf$
ber Safterljafte ftd) felbft barin oerftridet, mie e§ in ber sJto;
bogune unb im §erafliu§ gefd)ief)t, roo e3 gang unerträglich
mürbe geroefen fein, wenn in bem erften ©tücfe 2Intiod;uö
unb SRoboguue unb in bem anbern $erailiuö, $uldjeria unb
ÜJtortian umgefommen mären, Cleopatra unb s^()ofag aber
triumphieret Ijätten. £>a§ Unglücf ber erftern erroecft ein
^itleib, raeldjeS burd) ben 9lbfdjeu, ben mir miber iljre 3Ser=
folger Ijaben, nidrjt erftid't nrirb, meil man beftänbig l)offt,
bafe fid) irgenb ein glucflidjer 3ufa^ ereignen merbe, ber fie
nid)t unterliegen laffe." S)a§ mag ßorneille fonft jemanben
roeismadjen, baß 2(riftotele§ biefe Lanier nidjt gelannt fjabe !
(Er f)at fie fo morjl gefannt, baß er fie, roo nid)t gänjlidj uer=
morfen, roenigftcn§ mit ausbrücflidjen SSorten für angemeffcner
ber ^omöbie al§ Sragöbie erflärt Fjat. -Jöie mar ei möglidj,
baß Corneille biefeS nergeffen fjatte? Slber fo geljt e§ allen,
bie im oorau§ iljre 2ad)e 51t ber Sadje ber 3Sat)rt)ett madjen.
3m ©runbe gehört biefe Lanier aud) gar nicfjt 311 bem uor=
rjabenben gaffe. 2)enn nadj iljrnnrb ber ^ugenbljafte nidjt
unglüdlid), fonbern befinbet fid) nur auf bem SÖBege jum Um
glüde, roeldjeS gar mol)l mitleibige SSeforgniffe für if;n erregen
lann, oljne gräßlid) 511 fein. — 9tun bie groeite Lanier!
f,5tucr) !anu e§ ftct) gutragen," fagt ßorneiffe, „baß ein fefjr
tugenbljafter 9Jlann »erfolgt roirb unb auf 93efef)t eines
anbern umfömmt, ber nidjt tafterfjaft genug ift, unfern Um
miffen allgu fer)r gu oerbienen, inbem er in ber Verfolgung,
bie er miber ben SCugenbrjaften betreibt, me§r (Sd)U)ad)f)ett
al§ 33ost)eit geigt. 2Öenn getir, feinen (Eibam s$olneuft um=
fommen läßt, fo ift es> nidjt auö mütenbem (Sifer gegen bie
Gfjriften, ber if)n unö t>erabfdjeuung§roürbig machen mürbe,
fonbern bloß au§ lried)enber g-urdjtfamfeit, bie fid) nid)t ge=
trauet, itjn in ©egenroart bes Seoerug «t retten, uor befjen
§affe unb 9^ad)e er in Sorgen fielet. Wlan faffet alfo mol)l
einigen Unmiffen gegen i()n unb mißbilliget fein Verfahren;
bod) überwiegt biefer Unmiffe nid)t ba§ -DJcttfeib, meldjeg mir
für ben ^olneuft empfinben, unb uerljinbert aud) nid)t, baß
irm feine munberbare SBefeljruug gum Sd/luffe be§ 6tüc!§
nid)t uöffig mieber mit ben guljörern au§föl)nen foffte."
Sragifdje Stümper, benfe id;, ^at e§ mol)l 31t äffen 3e^en/
2ejjing, Söerfc. XII. 9
130 .§aml)urgifd£)e Dramaturgie.
unb felbft in Sitten genebelt. SBarum follte e3 alfo beut
2lriftotele3 an einem Binde oon äfjnlidjer Einrichtung gefehlt
Ijaben, um barau§ eben fo erleuchtet ^u merben af§ Corneille?
hoffen! 3Me furd)tfamen, fctjmanfen, unentfdjloffenen Gl)a=
rattere, tute Selij, finb in bergletcr)en fetücfen ein geiler merjr
unb machen fie nodj) obeubarein tl)rerfeit§ falt unb efet, oljne
fie auf ber anbern <Beite im geringsten weniger gräftlid) gu
machen, &enn, mie gefagt, ba§ ©räjjltdje liegt nidjt in bem
Unwillen ober Stbfdjeu, ben fie erroeden, fonbern in bem
Unglüde felbft, ba§ jene unoerfdwlbet trifft; baS fie einmal
fo unoerfdmlbet trifft al3 bag anbere, iljre Verfolger mögen
böfe ober fdnoad) fein, mögen mit ober oljne SSorfatj iljnen fo
l)avt fallen. 3)er ©ebanle ift an unb für fiel) felbft gräfelicj),
baß e3 9[ftenfd)en geben fann, bie oljne alle il)r 3Serf Bulben
ungtüdlid) finb. 3)ie §eiben Ijätten biefen gräfjlid&en ©ebanfen
fo weit oon fid) 51t entfernen gefudjt als möglich, unb mir
mollten tljn nähren? mir wollten un§ an (Sd)aufpieten oer=
gnügen, bie iljn beftätigen? mir, bie Religion unb Vernunft
überzeuget Ijaben follte, ha^, er eben fo unridjtig al§ gotte§=
täftertid) ift? — $>a§ nämlidje mürbe fidjcrltd) aud) gegen bie
britte Lanier gelten, menn fie Corneille nidjt felbft nätjer
anzugeben oergeffen rjätte.
5. 2ludj gegen ba§, maZ 2Iriftotele3 oon ber Unfdjid=
lid)!ett eine§ gan^ Safterljaften ^um tragifdjen gelben fagt,
al§ beffen Unglüd meber 9Jfttleib nod) $urd)t erregen tonne,
bringt Corneille feine Sanierungen bei. äftitleib §mar, geftel)t
er 31t, tonne er nidvt erregen, aber gurdjt allerbingg. 2)enn
ob ftd) fd)on feiner oon ben 3uWauern ^er Safter besifelben
fäljig glaube unb folglich aud) beSfelben ganzes Unglüd nidjt
ju befürchten Ijabe : fo tonne bod) ein jeber irgenb eine jenen
Saftern äljnlid)e Unoollfommenl)eit bei fid) l)egen unb burd)
bie gurd)t oor ben $roar proportionierten, aber bod) nod)
immer unglüdlidjen folgen berfelben gegen fie auf feiner §ut
ju fein lernen. £)od) biefe§ grünbet fid) auf ben falfcrjeu
Segriff, melden Corneille oon ber $urd)t unb oon ber 9itv
uigung ber in ber ^ragöbie ju erraedenben Seibenfcrjaften
l)atte, unb miberfpridjt fid) felbft. 3)enn id) fyahe fdjon ge=
^eigt, baft bie Erregung be§ 9Jtttleib£> oon ber Erregung ber
§urd)t ungertttennlidj ift, unb bafe ber 33öfemid)t, menn e§
möglid) märe, baft er unfere $urd)t erregen tonne, aud) not=
menbig unfer 9ftitleib erregen müfjte. S)a er aber biefeS,
mie EomeiUe felbft gugefteijt, nidjt fann, fo tann er aud)
S5reUmba<$t5tgfte§ ©tücf. 131
jeneä nidjt unb bleibt gän^lid) ungefdjn'cft, bie ^(bftd)t ber
^ragöbie erreichen 31t Reifen, ga, 2lriftotele§ Ijält tfm fjierni
nod) für ungefdjitfter alg ben gan$ tugenbljaften ÜJtonn; beim
er will auSbrücflidfj, falls man ben §elb aug bei mittlem
(Gattung nid)t (jaben fönne, bafj man iljn efjer beffer alö
fdjltmmer mäl)len folle. 2)ie Urfadje ift flai; ein ^Jtenfd;
fann feljr gut fein, unb bodj nod) meljr alö eine <Sd)mad)l)eit
Haben, mel)i alö einen geljler begeben, woburd) et fid) in ein
unabfeljlidjeg Unglüd ftürgt, bag ung mit 9Jiitleib unb äßelp
«tut erfüllet, olme im geiingften gräftlid) $u fein, meil eg bie
natürliche golge feines gef)Ierg ift. — 2£aS S)u 53og*) oon
bem föebraud)e ber lafterljaften ^ßerfonen in ber ^ragöbie
fagt, ift bag nid)t, mag Gorneille mill. 2)u 33og null fie nur
gu ben Nebenrollen erlauben; bloft gu Sßerf^eugen, bie §aupt
perfonen meniger fdjulbig 31t machen; blofe ntr Slbftedmng.
(Sorneille aber will bag oorneljmfte Qntereffe auf fie berufen
laffen, fo roie in ber S^obogune; unb bag ift eg eigentlidj,
mag mit ber 2(bftd)t ber ^ragöbie ftreitet, unb nidjt jeneö.
3)u 33o§ merfet babei auef) fel)r ridjtig an, baft bag Unglüd
biefer fubalternen $8öfemid)ter feinen (Sinbrud auf ung mad)e.
„^aum," fagt er, „baf? man ben %ob beg Narbig im Sri
tannieug bemerft." 216er alfo follte fid) ber £)id)ter aud) fdjon
begmegen if)rer fo oiel alg möglieb, enthalten. SDenn wenn
it)r Unglüd bie 2lbfid)t ber ^ragöbie nidjt unmittelbar be=
förbert, roenn fie blofte §ilfgmittel finb, burdj bie fie ber
£)id)ter befto beffer mit anbern perfonen nt erreidjen fud)t:
fo ift eg unftreitig, baft bag Stütf nod) beffer fein mürbe,
wenn eg bie nämlidje -©irfung oljne fie l)ätte. ige fimpler
eine 9D?afd)ine ift, je weniger gebern unb SHäber unb ©ewid)te
fie Ijat, befto uollfommener ift fie.
flrriun&ttdjtjigltes $tütk.
S)en 16. Jebvuar 1768.
6. Unb enbtid), bie ^Jaftbeutung ber erften unb wefent=
lidjften ©igenfdjaft, welche SIriftoteleS für bie eitten ber tra=
gifdjen perfonen fobert ! Sie follen gut fein, bie Sitten. —
,,©ut?" fagt ßorneilfe. „2öenn gut f)ier fo oiel alg tugenb^
ijaft fyei^en foll, fo wirb eg mit ben meiften alten unb neuen
*) Reflexicms er. T. I. Sect. XV.
132 §am&urgtfdje Dramaturgie.
Sxagöbten übel ausfegen, in raeldjen fd^ted^te unb lafterljafte,
raenigfteng mit einer Sdjraad)l)eit , bie näcfyft ber ^ugenb fo
red)t ntdjt befielen fantt, behaftete $erfonen genug oorfommen."
33efonberg ift if)m für feine Cleopatra in ber Sftobogune bange.
2)te ©üte, raeldje 2lriftoteleg fobert, ratß er alfo bttrdjauS
für feine moraltfdje ©üie gelten laffen; eg muß eine anbere
2lrt oon ©üte fein, bie fid) mit bem moratifd) Söfen eben fo
raoljl »erträgt alg mit bem moralifd) ©uten. ©leidnool)l
meinet Slriftoteleg fd)led)terbingg eine moralifd)e ©üte; nur ba{$
il)in tugenbljafte $erfonen, unb $erfonen, raeldje in geraiffen
Umftänben tugenbljafte (Bitten geigen, nid)t einerlei finb. $urg,
(Eorneille oerbinbet eine gang falfd)e Sbee mit bem Söorte
Sitten, unb mag bie ^roärefig ift, burd) raeldje allein nadj
unferm Sßeltraeifen freie §anblungen gu guten ober böfen
Sitten raerben, Ijat er gar nidjt oerftanben. 3d) ^ann mi(§
i&t nid)t in einen raeitläuftigen Söeraeig einladen ; er lägt fid)
nur burd) ben 3ufammei4an9^ ^vixd) bie fnllogiftifd)e golge
alfer Qbeen beg gried)ifd)en Äunftrid)terg einleudjtenb genug
führen. Qd) oerfpare iljn bafyer auf eine anbere Gelegenheit,
ba eg bei biefer olmebem nur barauf anfömmt, gu geigen,
mag für einen unglüdlidjen 2lugraeg (Corneille bei 33erfet)lung
beg richtigen s2öegeg ergriffen, tiefer Slugraeg lief bal)in:
baf$ Slriftoteleg unter ber ©üte ber Sitten ben glängenben
unb erhabnen (Eljarafter irgenb einer tugenbl)aften ober ftraf=
baren Neigung oerftelje, fo rate fie ber eingeführten $erfon
entraeber eigentümlid) gufomme ober il)r fdjidlid) beigeleget
raerben fönne : le caractere brillant et eleve d'une habitude
vertueuse ou criminelle, selon qu'elle est propre et con-
venable ä la personne qu'on introduit. „Cleopatra in
ber S^obogune," fagt er, „ift anwerft böfe; ba ift lein 9Dtad)el=
morb, oor bem fie fidj fdjeue, raenn er fie nur auf bem ^Ijrone
gu erhalten nermag, ben fie allem in ber SBelt oorgiefyt; fo
Ijeftig ift il)re §errfd)fud)t. Stber alle iljre $erbre<$en finb
mit einer geroiffen ©röfee ber Seele oerbunbeu, bie fo etraag
(Mjabeueg l)at, baft man, inbem man il)re §anblungeu ner^
bammet, bod) bie Duelle, raorauS fie entfpringen, beraunbern
mufj. Oben biefeg getraue idj mir oon bem Sügner gu fagen.
2)ag Sügen ift unftreitig eine lafterljafte 3lngeraof)nl)eit; allein
Lorant bringt feine Sügen mit einer folgen ©egenraart beg
©eifteg, mit fo vieler Sebljaftigfett oor, baft biefe ünooll=
fommenljeit iljm orbentlid) raol)l lägt unb bie 3ujdjauer 3e;
ftel)en muffen, bag bie (&abt, fo gu lügen, ein Safter fei,
©rehmbad&tätgfteä Stücf. L38
befjen fein Shtmmfopf fäljig ift." — ^afjrlidj, einen oer*
berblidjern (Einfalt Ijätte Corneille nidjt Ijaben tonnen! 33e=
folget ifm in ber 2(usfül)rung, nnb e§ tfi um ade SÖafjrljeit,
um alte iEäufdjtmg, um allen fittlidjen §Ru$en ber j£raa,bbie
getljan ! &enn bie Sugenb, bie immer befdjeioeu unb einfältig
ift, roirb burd) jenen glänjenbeu (Sljjarafter eitel unb vornan*
h)d) , bas Safter aber mit einem girnis übergoaen, ber uns
überaß blenbet, mir mögen eg aug einem Öefidjtspunfte
neljmen, aug roeldjem mir motten. Slrorfyeit, bloft burd; bie
unglüdlid)en folgen non bem Safter abjdjreden wollen, inbem
man bie innere .£)äfclid)feit begfetben oerbirgt! S)ie g°^Öen
finb anfällig, unb bie ©rfaljrung leljrt, baft fie eben fo oft
glüdlid) alg ungtüdlidj fallen. 2)iefeg begießt fid) auf bie
Reinigung ber Seibenfdjaften , rote fie ßorneille fid) badjte.
SEBie id) mir fie oorftelle, rote fie 2(riftoteleg gelehrt l)at, ift
fie oollenbö nid)t mit jenem trügeriferjen ©lan^e ju oerbiuben.
2)ie faljdje golie, bie fo bem Safter untergelegt roirb, madjt,
bajj id) ^ollfommenlieiten erfenne, roo feine finb ; madjt, baf$
id) äNitteiben Ijabe, roo id) feines [jaben foltte. — Qroax l)at
fdjon SDacier biefer (Mlärung roiberf proben, aber aug uns
triftigem ©rünben; unb eg fel)(t nidjt oiel, baf$ bie, roeldje
er mit bem $ater Se 33offu bafür annimmt, nidjt eben fo
nadjteilig ift, roenigfteng ben poetifdjen SSoflfommenljeiten beg
Stüdg eben fo nachteilig roerben fann. @r meint nämlidj,
„bie Sitten follen gut fein" rjei^e nicr)tä meljr als : fie fotfen
gut ausgebrüdt fein, qu'elles soient bien marquees. 2)ag
ift allerbingg eine Siegel, bie, ridjtig uerftanben, an ilrrer
Stelle aller Slufmerfjamfeit bes bramatifd)en 2)idjters roürbig
ift. 2Iber roenn eg bie franjöfifc^en Stifter nur nidjt be=
roiefen, bafc man „gut ausbrüden" für ftarf ausbrüden
genommen fjätte. DJian l)at ben Sütsbrud überlaben, man
Ijat 2)rud auf 2)rud gefegt, big aug djaraftertfierten ^erfonen
perfonifierte (Sfjaraftere, aus lafterfyaften ober tugenbtjaften
ÜKenfdjen fjagere ©erippe oon Saftern unb Sugenben ge=
roorben finb. —
§ier roift idj bie je 9JJaterie abbrechen. 2öer ifyr geroadjfen
ift, mag bie Slnroenbung auf unfern ^Ridjarb felbft madjen.
l*om § er 30 g 2Dtid)el, roetdjer auf ben 9cid)arb folgte,
braudje idt) rooljl nidjtg 51t jagen. Stuf roeldjem ^fjeater roirb
er nid)t gefpielt, unb roer Ijat iljn nidjt gefeljen ober gelefen?
Krüger Ijat inbeg bag roenigfte -^evbienft barum ; benn er ift
gan3 aug einer GrjäTjlung in ben £3vemtjdjen Beiträgen
134 £mm6urgtftf)e Dramaturgie.
genommen. Sie Dielen guten fatirifdjen 3üßer ^ie er enthält,
gehören jenem SDidjter jo tute ber gan^e Verfolg ber gabel.
Krügern gehört nidjts als bie bramatifdje gorm. Sodj Ijat
roirt'lidj unfere Sütjne an Krügern tuel verloren. @r (jattc
Talent 311m niebrtg $omifdjen, rote feine ^anbibaten beroeifen.
2ßo er aber rüljrenb unb ebel fein null, ift er froftig unb
affet'tiert. §err Soeroen Ijat feine Sdjriften gefammelt, unter
roeldjen man jebod) Sie ©eiftlidjen auf bem Sanbe oer=
mifjt. Siefeg mar ber erfte bramatijdje SSerfudj, melden
Krüger roagte, als er nod) auf bem ©rauen Softer in ^Berlin
ftttbierte.
Sen neununbüiergigften Slbenb (SonnerStagS, ben 23. Qu=
UuS) roarb baS Suftfpiel beS §errn oon SSoltaire, Sie grau,
bie 3iect)t fyat, gefpielt unb gum Sefdjluffe beS S'Slffidjarb :
Sft er oon gamilte?*) roieberljolt.
„Sie grau, bie SHcdjt Ijat", ift eines oon ben ©tüd'en,
roeldje ber §err oon SSoltaire für fein §auStl)eater gemadjt
(jat. Safür mar eS nun aud) gut genug. @S ift fdjon 1758
51t (Sarouge gefpielt roorben, aber nod) nidjt gu $ariS, fo oiet
tdj roeifj. üUicfyt als ob fie ba feit ber $e\t &uxe fdjledjtern
Stücfe gefpielt Ratten; benn bafür Ijaben bie -DtarinS unb
£e 25retS rooljt geforgt. ©onbern roeil — id) roeifj felbft
nidjt. Senn id; roenigftenS mödjte bodj nod) lieber einen
großen 9Jtann in feinem ©djlafrocfe unb feiner 3^ad)tmü^e
alä einen (Stümper in feinem geierfleibe fefjen.
(Sljarat'tere unb Qntereffe Ijat baS Stüd ntdjt, aber oer=
fdjiebene Situationen, bie fomifdj genug ftnb. Qrvax ift au4
baS Slomifdje aus bem allergemeinften %atye, ba eS fidr) auf
nidjtS als aufs Qnfognito, auf ^Benennungen unb Wtfm^
ftänbniffe grünbet. Sodj bie Sadjer ftnb nidjt efet, am roenigften
roürben es unfre beutfdjen Sadjer fein, roenn ilmen baS grembe
ber Sitten unb bie elenbe Ueberfe^ung baS mot pour rire
nur nidjt meiftenS fo unoerftänblid) madjte.
Sen fünfzigsten Slbenb (greitagS, ben 24. Julius) roarb
©reffetS Sibnet) roieberljolt. Sen S3efdjlufj madjte: Ser
feljenbe SSIinbe.
StefeS Heine Stüd ift 00m Se ©ranb unb aud) nidjt
oon iljm. Senn er [jat Site! unb Sntrtgue unb alles einem
alten ©iütfe beS be SBroffe abgeborgt. (Sin Offizier, fd)on
etroaS bei ^aljreu, null eine junge S&itroe (jeiraten, in bie er
♦) S. ben 17. 9U>eub, Seite 169.
3Sterunbacf>t3igfte3 Stücf. 135
oerliebt ift , als er Drbre betommt, ftd; 51a Slrmce ni oer=
fügen, (iv oerläfjt feine SSerfprodjene mit ben »eddfelfeitigen
üBerjtdjjerungen bev aufridjtigften oärtlidji'eit. kaum aber ift
er weg, fo nimmt bie SSHime bie ^Aufwartungen bes> Sofyneo
von biefem Offiziere an. SDie Sodjter beofetben mad)t fidj
gletd&ergeftaft bie 2lbmefenfjeit iljreS SBaterS 31t nu$e unb nimmt
einen jungen sDienfd)en, ben fie liebt, im §auje auf. SDiefe
hoppelte Sntrigue wirb bem SBater gemelbet, ber, um fidj
jelbft baoou 51t überzeugen, tfjnen fdjreiben läßt, baJ5 er fein
©efidjt oerloreu Ijabe. £)ie £ift gelingt; er fömmt nrieber
nadj $ßari3, unb mit §tlfe eines Soebienten, bev um ben s^e=
trug weife, fiefjt ev alles, ma$ in feinem öaufe oorgeljt. Ü)ie
(rntwitflung läßt fidj erraten; ba bev Dffigier an bev Um
beftänbtgfeit bev 5Bttroe nidjt länger groeifeln rann, fo evlaubt
ev feinem 'Solme, fie 51t betraten, unb ber Sodjter gibt er bie
nämli<$e (Erlaubnis, fidj mit iljrem beliebten 31t uerbinben.
SDie ©genen groif^en ber SQSitroe unb bem ©ofjn beS Offiziers,
in ©egemoart be§ legten, jjaben uiel iiomifdjeS; bie 2Öitroe
oerfidjert, baj5 iljr ber Zufall beS Offiziers fetjr nalje gefye,
baf$ fie it)n aber barum nid)t weniger liebe, unb jugleitf; gibt
fie feinem 3of)n, iljrem Stebljaber, einen SfiBtnf mit ben 2(ugen,
ober bezeigt iljm fonft if)ve gävtlidjfeit buvd) ©ebävben. ©aS
ift bev Qnljalt beS alten ©tüdfe 00m be Sroffe*) unb ift aud)
bev ^tx^alt mm bem neuen (2tüd'e beS £e (Svanb. 9lur baß
in biefem bie ^nirigue mit bev £od)ter weggeblieben ift, um
jene fünf Stfte befto leidjtev in einen 31t bringen. 2lu3 bem
SBater ift ein Dnf'el geworben, unb \va$ fonft bergleidjen
Keine SSeränberungeti meljr finb. @3 mag enblidj entftanben
fein, mie es will: genug, eS gefällt feljv. 2)ie Uebevfetmug
ift in SSerfen unb rüelleidjt eine oon ben beften, bie mir Ijaben;
fie ift menigftenS feljr flieftenb unb Ijat oiele bvollige feilen.
üicntttüatljtjiajies gtüdu
SDen 19. g-ebvuar 1768.
2)en einunbfuuf^igfteu 2lbenb (Montags, ben 27. §uKu§)
mavb £)ev £ausuatev beS §errn SMberot aufgeführt.
25a biefeo uortrefflierje ©tücf, roeldjeö ben grangofen nur
fo fo gefällt, — wenigfienS Ijat eS mit Wnify unb 9iot faum ein
*) Hist. du Tb. Fr., Tome VII. p. 22Ü.
13G ^amburgifaje Dramaturgie.
ober groeimal auf bem ^artfer SUjeater erfdjeineu bürfeu, —
fid) allem älnfefyert nad) lange, feljr lange — unb warum nid)t
immer? — auf unfern Dülmen erhalten rairb, ba eS aud)
l)ier uidjt oft genug toirb tonnen gefpielt werben, fo Ijoffe ia),
9xaum unb Gelegenheit genug §u Ijaben, alles auSguframen,
mag \d) foraol)l über baS Stüd felbft, als über baS gan^e
bramatifdje ©tjftem beS 23erfaffecS oon $tit 511 Se^ <*n=
gemerlt Ijabe.
3d) l)ole re4)t raeit aus. — Sftidjt erft mit bem -Katar*
lidjen ©oljne in ben beigefügten Unterrebungen, meldte $u=
fammen im Saljre 1757 jJerauSfamen, Ijat £)tberot fein 9Jiift=
oergnügen mit bem Sweater feiner Nation geäußert. ^Bereits
nerfdjiebne $al)re notier lieg er es fidt) merfen, bafe er bie
l)ol)en Segriffe gar nidjt baoon l)abe, mit melden fid) feine
SanbSleute täufdjen unb (Suropa fid) oon ifynen täufdjen laffen.
Slber er tl)at es in einem SSudje, in meinem man freilid; ber=
gleiten 2)inge nid)t fudjt: in einem 23ud)e, in welchem bet
perfiflierenbe %on fo Ijerrfdjet, ba^ ben meiften Sefern aud)
baS, was guter gefunber SSerftanb barin ift, nichts als $offe
unb §öf)nerei gu fein fdjeinet. Dl)ne Sroeifel ^aiie ®iberot
feine Urfadjen, warum er mit feiner §er§enSmeimtng lieber
erft in einem foldjen 33ucr)e rjeroorfommen wollte; ein fluger
Timm fagt öfters erft mit Sachen, was er Ijernad) im ©rufte
wieberljolen mitl.
SDiefeS 23ud) Ijeifjt Les ßijoux indiscrets, unb £)iberot
mill eS itjt burdjauS nid^t gefd)rieben Ijaben. Baratt trjut
SDiberot aud) ferjr raol)l; aber bod) l)at er eS gefdjrieben unb
mujj eS gefdjrieben Ijaben, menn er nid)t ein $lagiariuS fein
mitl. 2lud) ift eS geraig, bog nur ein fold)er junger SJtann
biefeS 33ud) fc^reiben tonnte, ber fid) einmal fdjämen mürbe,
eS gefdraieben $u Ijaben.
@S ift eben fo gut, raenn bie raenigften non meinen
Sefern biefeS 33ud) fennen. $d) raitl midj aud) raoljl l)üten,
eS iljnen raeiter belannt gu madjen, als eS Ijier in meinen
^ram bient.
@in ^aifer — raaS raeig id), rao unb raeldjer? — l)atte
mit einem geraiffen magifdjen Dringe geraiffe SUeiuobe fo oiel
fjäglidjeS 3eug fdjraaijeu laffen, ba'g feine gaooritin burcfyauS
nidjtS mel)r baoon l)Ören raotlte. ©ie fjätte lieber gar mit
iljrem ganzen ©efd)led)te barüber bredjen mögen; menigftenS
natjm fie fid) auf bie erfteu oieqeljn %age oor, it)ren Umgang
einzig auf beS Sultans 9Diajeftät unb ein paar milbige <Röpfe
SienmbacfitnoTtcS Stürf. 137
einjufdjränfen. £)iefe waren ©elim unb Dticcaric : <2clim, ein
»Öofmann; unb SRtecarie, ein 2Ritgfieb bet i'aiferlidjen 2(fabemie,
ein 3ftann, ber baö SUtertum ftnbiert f;atte unb ein großer
SBereljrer beSfetben mar, bod) oljnc gebaut §u fein. Wit biefen
unterhält fidj bie ganoritin ein§mat$, unb ba3 ©efprädj faßt
auf ben elenben Son ber afabemifdjeu hieben, über ben fid;
niemanb meljr ereifert als ber 3ultan felbft, weil e3 ifm uer=
briejjt, fid) nur immer auf Unf'ofteu feines SBaterS unb feiner
SBorfaljren barin loben ju I;ören , unb er woljl r»orau§fieI)t,
baß bie Slfabemte eben fo audj feinen Sftuljm einmal bem
SRulmte feiner sJ?ad)folger aufopfern werbe, ©elim, als» §of=
mann, mar bem Sultan in allem beigefalleu, unb fo fpinnt
fidj bie Unterrebung über ba3 Sweater an, bie iä) meinen
ßefern Ijier gang mitteile.
„3dj glaube, Sie irren fidj, mein §err," antwortete
Dticcaric bem Selim. „iDie Sllabemie ift nod) igt baä §eilig=
tum be§ guten ©efdnnads» , unb it)re fdjönften Sage l)aben
weber Sßeltweife nod) 2)id)ter aufzuweiten, benen wir nidjt
anbere au3 unferer ^eit entgegenfegen tonnten. Unfer Sljeater
warb für baö erfte ^r)eater in ganj 2lfrifa gehalten unb
wirb nod; bafür gehalten. slöeld) ein SÖerf ift nid)t ber
Samerlan be3 Surjgraplje ! @§ uerbinbet ba3 ^atfjetifdje beö
ßurifope mit bem ©rjjabnen be§ 2l§opf)e. @3 ift baö Kare
Altertum!"
,,3d) l)ct6e/' fagte bie ganoritin, „bie erfte SSorftellung
be§ iamerlanS gefeljeu unb gleichfalls ben gaben be3 Stüd'S
feljr ridjtig geführt, ben ^Dialog fef)r jierlidj unb ba3 %Uv
ftänbige fer)r woljl beobachtet gefunben."
„Söeldjer ITnterfdjieb, 9Jtabame," unterbrad) fie 9ticcartc,
„gwifdjen einem Sßerfaffer wie Surigraplje, ber ftdj burd) Sefung
ber Sllten genäljret, unb bem größten Seile unfrer feuern \"
„2fber biefe feuern," fagte Selim, „bie Oie fjier fo
wader über bie klinge fpringen (äffen, ftub bodj bei weitem
fo oeräcfytlid; nidjt, al§ Sie uorgeben. Ober wie? finben 3ic
fein ©enie, feine (Srfinbung, lein geuer, leine (Sfjaraftere,
feine Sdjilberuugen , leine Siraben bei il)nen? 2öa$ 6efüm=
mere idj mid) um Regeln, wenn man mir nur Vergnügen
madjt? @3 finb waljrtid) nidjt bie 53emerfungen be3 weifen
3llmubir unb bes gelehrten Slbbalbof, nod) bie ©idjtfunft beö
fdjarfftnnigen gacarbin, bie id) alle nid)t gelefen Ijabe, wetdje
eö madjen, baß idj bie ©tüde be§ Stboutcajem, be3 9Jhtl)arbar,
bes 3llbaboufre unb fo uieter anbren 3arajenen bewuubre!
188 ^amÖurgtfdje Dramaturgie.
©ibt e§ beim audj eine anbere Stege! alö bie ;ftadjal)mung
bev Statur? Unb Ijaben mir nidjt eben bie -2lugen, mit weldjen
biefe fie ftubierten?"
„2)ie yiaiuv," antwortete 9ticcaric, „geigt fid) un§ alle
Stugenblide in oerfdnebnen ©eftalten. 2llte ftnb waljr, aber
nidjt alle ftnb gleid) fdjön. feine gute SOßaljl barunter gu
treffen, ba3 muffen mir aug ben Söerfen lernen, uon weldjen
(Sie eben nidjt oiel gu galten fdjeinen. @£> finb bie gefatm
melten Erfahrungen, weldje i^re 2>ei*faffer unb beren 23or=
ganger gemadjt Ijaben. 9D?an mag ein nod) fo oortrefflidjer
Hopf fein, fo erlangt man bod) nur feine (Sinftdjten eine nadj
ber anbern ; unb ein einzelner 9J?enfd) fdjmeidjelt ftd) oergebeng,
tu bem furzen 9taume feineg £eben§ alleg felbft gu bemerlen,
raa3 in fo oielen Satjrljimberten oor itjm entbecft morben.
Sonft liefee ftdj behaupten, ba§ eine 2öiffenfdjaft ifjren Ur=
fprung, ijjren gortgang unb ifjve $ollfommenIjeit einem eim
gigen ©eifte §u oerbanlen Ijaben fönne, roeld)e§ bod) miber
alle Erfahrung ift."
„§ierau3, mein §err," antmortete ilmt Seltm, „folget
meiter nid)tg, al3 bafe bie feuern, weldje fid) alle bie Sdjäüc
£u uu^e madjen tonnen, bie big auf iljre ^dt gefammelt
morben, reicher fein muffen als» bie Sllten ; ober, menn ^Ijnen
biefe $ergleidjung nidjt gefällt, baf$ fie auf ben Sdjultevn
biefer ^oloffen, auf bie fie geftiegen, notroenbig muffen meiter
feljen fönnen al§ biefe felbft. 2Sa§ ift audj in ber %ljat iljre
9kturlel)re, if)re Slftronomie, ifjre Sdjifföfunft, iljre -JRedjanü,
iljre Sxedjenlefjre in 3Sergleidjitng mit unfern? 2ßarum follten
mir iljnen alfo in ber 33erebfamfeit unb $oefte nidjt eben fo
moljl überlegen fein?"
„Selim," oerfetjte bie (Sultane, „ber Unterfdjieb ift groj$,
unb fKiccaric fann Qljnen bie Urfadjen baoon ein anbermal
erlläreu. (£r mag Slmen fagen, warum unfere ^ragöbien
fdjledjter finb al§ ber Sllten i|re; aber baf$ fie es ftnb, lanu
id) leidjt felbft auf mtdj nehmen, 3*)nen 3U betoeifen. Qdj
will Sljnen nict)t fd)ulb geben," fuljr fie fort, „baft Sie bie
Sllten nicrjit gelefen Ijaben. Sie Ijaben fid; um $u niete fcr}öne
^enntniffe beworben, als baf$ 3t)nen öa§ ^tjeater ber Sitten
unbelannt fein follte. sJJun fetjen Sie gewiffe Qbeen, bie fidj
auf iljre ©ebräudje, auf iljre Sitten, auf iljre Religion be=
gieljett unb bie Seiten nur begwegen anftoftig ftnb, weil fidj
bie Umftänbe geänbert Ijaben, beifeite unb fagen Sie mir,
ob ifjr Stoff nidjt immer ebcl, wotjtgcwäljlt unb intereffant
^iinfunbiKfihii-meö etücf. 130
ift? ob fidj bte $anblung nidjt gleidjfam oon fclbft einleitet?
ob ber fimpte Dialog bem SJtotüriidjen nid;t feljr nabc lommt?
ob bie ©ntwicftungen im geringften gezwungen finb ? ob f i et)
baö gntereffe wof)l teilt imb bie ioanblung mit (Spifoben
überlaben ift? SSerfefcen Sie fid) in ©ebanfen in bte 3nfel
SUinbala; unterfudjen Sie atteö, roa§ ba oorgtng, tjören Sie
alles, wa3 oon bem 3(ugenblide an, als ber junge Sbratjim
nnb bev oerfdjlagne gorfanti anä Sanb fliegen, ba gejagt
marb; näfjem Sie fid) ber §ö(jle beö imglütfiidjen ^SolipfUe;
oerlieven Sie fein SBort oon feinen klagen nnb fagen Sie
mir, ob baö ©eringfte oortommt, was Sie in ber £cwfdjmng
ftören tonnte? kennen Sie mir ein einziges neueres Stütf,
weldjeS bie nämlidje Prüfung anhalten, meldjeS auf ben
nämlidjcn ©rab ber SBoKlommen^eit Stnfprud) madjen fann,
unb Sie folten gewonnen Ija&en!"
„Seim S3ra|ma!'' rief ber Sultan unb gähnte: „SHabame
r)at unS ba eine oortrefftidje afabemifdje SBortefung gehalten!"
„3$ r>erfter)e bie Regeln nict)t/' fujr bie gaooritin fort,
„unb nodj meniger bie gelehrten 2öorte# in weldjen man fie
abgefaßt fjat. 2(6er id) weift, baf$ nur baS Sßaljre gefällt
unb rüljrt. 3^ ™zi$> öud^, baft bie SBottfommenljeit eines
SdjaufpielS in ber fo genauen Sßadjafmutng einer §anbluug
befteljt, bajj ber olwe Uuterbredjung betrogne ^ufdjauei* bei
ber ftanblung felbft gegenwärtig §u fein glaubt, ginbet fid;
aber in ben Sragöbien, bie Sie uns fo rühmen, nur baö
©eringfte, was biefem älmlid) fäfye?"
^nttfunöftrijtjtgjtes grtütlu
SDen 23. gebruar 1768.
„■JBotten Sie ben Verlauf barin toben? @r ift meiftenS
fo oielfad) unb oerrcidelt, baft eS ein Sßunber fein mürbe,
wenn wirf'tid) fo oiel SMnge in fo turjer 3rit gefdjetjeu mären.
S)er Untergang ober bie Grtjattung eines 5Keid)S, bie §eirat
einer ^rinjeffin, ber galt eines ^rinjen, atleS baS gefdjieljt
fo gefdjwinb, mie man eine §anb ummenbet. $ömmt eS auf
eine SSerfcfjwörung an? 3m erften Sitte rairb fie entworfen,
im ^weiten ift fie beifammen, im britten werben alle sDiaf^
regeln genommen, alle §inbernifje gehoben, unb bie 33er;
fdjwornen galten ftdr) fertig ; mit uädjftem wirb eS einen Stuf;
ftanb fetjen, wirb eS jum treffen fommen, wotjl gar 51t einer
140 Jpam&urgjfcifje ^Dramaturgie.
förmlichen ©dj-ladjt. Unb ba§ alles nennen ©ie gut geführt,
intereflant, mann, ruat)rfd;etnlid^ ? Slmen f'ann id) nun fo etroa§
am roenigften vergeben, bei* Sie roiffen, roie riel e§ oft foftet,
bie allerelenbefte .^ntrigue guftanbe gu bringen, unb rote tuet
^ett bei ber ftetnften politifdjen Angelegenheit auf Einleitungen,
auf 33efpred)ungen unb SBeratfdjlagungeu geljt."
„@§ ift roaljr, -Jftabame," antraortete ©elim, „unfere
©tüde finb ein roenig überlaben; aber ba3 ift ein notwenbigeS
Uebel; oljne §ilfe ber ©ptfoben mürben mir un§ oor groft
nid)t gu laffen roiffen."
„2)a§ ift: um ber sJ?ad)al)mung einer §anblung geuer
unb ©eift gu geben, muj$ man bie §anblung meber fo oor=
ftellen, rcie fie ift, nod) fo, roie fie fein follte. $ann etroaS
Sä'djerlidjereg gebaut roerben? ©djroerlid) rooljl; e§ märe
beim etroa biefeS, bafc man bie ©eigen ein lebhaftes ©tüd,
eine muntere ©onate fpielen lä^t, roäfyrenb ba$ bie ^uljörer
um ben ^ringen bekümmert fein follen, ber auf bem fünfte
ift, feine (Miebte, feinen %fyxon unb fein Seben gu oerlieren."
„5Rabame," fagte 9Jlongogul, ,,©te l)aben oollfommen
£Red)t ; traurige Strien müfete man inbeS fpielen, unb idj milt
3l)nen gleid; einige beftellen gefyen." hiermit ftanb er auf
unb ging b,eraus>, unb ©elim, !Riccartc unb bie gaooritin
festen bie Unterrebung unter ftdj fort.
„SenigftenS, 9[ftabame," erroiberte ©elim, „merben ©ie
nidjt leugnen, ba§, roenn bie ©pifoben uns au§ ber £äufd)ung
herausbringen, ber Dialog un§ mieber Ijereinfetjt. Qd) raupte
nid)t, roer baS beffer nerftünbe alg unfere tragifdje SDidjter."
„yiun, fo uerfteljt e§ burd)au§ niemanb/' antmortetc
^Rirgo^a. „£)a§ ©efudjte, bas 2öi£ige, ba§ ©pielenbe, baö
barin l)errfd)t, ift taufenb unb taufenb teilen oon ber -Statur
entfernt. Umfonft fudjt ftd) ber 33erfaffer gu oerfteden; er
entgeht meinen Singen nid)t, unb id) erblide tlm unaufhörlich
Ijinter feinen ^erfonen. (Sinna, ©ertoriuS, SOtarjnutS, 2lemilia
finb alle Stugenblide baS ©pradiroljr be§ ßorueiHe. ©0 fpridjt
man bei unfern alten ©ara^enen nid)t mit einanber. §err
^ticcaric !ann 8f)nen> ™enn ®*e sollen, einige ©teilen barauö
überfein, unb ©ie merben bie blofje Statur Ijöreu, bie fid;
burdj ben Sttunb berfelben auSbrüdt. $d) möchte gar gu gern
51t ben feuern fagen: ,9J^iue Ferren, anftatt ba|3 if)r euern
^erfonen bei aller ©elegenljeit 2Bit3 gebt, fo fudjt fie bod)
lieber in ltmftäube gu feigen, bie ifmen roeldjen geben.'"
„yiad) Dem 511 urteilen, roaS 9Jtabame oon beut Verlaufe
$ünfunbad()tugfte3 Stücf. 141
unb bem Dialoge unferer bramatifdjen Stüd'e gefagt l)at,
fdjeint e§ iuo^t mä)t," fagte Selim, „bat) fte ben (£nttmtf=
hingen nrirb ©nabe miberfaljren laffen."
„Aftern, gemif$ nid)t," uerfet3te bie gaooritin; „e§ gibt
ljunbert fäjleajte für eine gute. £ie eine ift nid)t uorbereitet;
bie anbere ereignet ftdj burd) ein Söunber. Söeitj ber 2kr=
faffer nid)t, ma3 er mit einer ^erfon, bie er uou Sgene gu
Sgene gange fünf Stfte burdjgefdjleppt I)at, anfangen foU:
gefdjminb fertigt er fte mit einem guten $Dold)ftoj$e ah; bie
gange Söelt fängt an gu meinen, unb id), id) ladje, alz ob idj
toll märe, ^ernadj, l)at man mol)l jemals fo gefprodjeu, rote
mir bef lautieren? ^pflegen bie ^ringen unb Könige mol)l
anberS gu geljen als fonft ein 9Jtenfd), ber gut gefyt? @e=
ftit'ulieren fte mol)l jemals mie 23ejeffene unb ^Hafenbe? Unb
menn ^rinjeffinnen fpredjen, fpredjen fte mol)l in fo einem
[jeulenbett ^one? 9Jkn nimmt burd)gängig an, baj$ mir bie
Ztvagöbie 31t einem l)ol)en ©rabe ber fiollfommenljeit gebrad)t
Ijaben; unb id) meine3teil§ t)alte e3 faft für ermiefen, baf$
uon allen Gattungen ber £itteratur, auf bie ftd) bie Slfrifaner
in ben legten 3aWunberten 9e^9t fya&en, gerabe biefe bie
unuollfommenfte geblieben ift."
Gben l)ier mar bie gaooritin mit iljrem Slitöfalle gegen
uniere tljeatratifdje Söerle, als 9Jiongogul mieber (jereini'am.
„sDiabame," fagte er, ,,©ie merben mir einen ©ef alten er-
meifen, menn Sie fortfahren, Sie feljen, id) oerftelje mid)
barauf, eine £)id)thmft abgufürgen, menn id) fte gu lang finbe."
„Safjen Sie unS," fuf)r bie gaooritin fort, „einmal an=
nehmen, eS tarne einer gang frifd) aus Slngote, ber in feinem
£eben oon feinem Scfyaufpiete etmaS gehört fjätte; bem es
aber meber an 33erftanbe uod) an 2öelt fef)le; ber ungefähr
reifte, maS an einem §ofe uorgelje; ber mit ben s.Hnfd)(ägen
ber §öflinge, mit ber @iferfud)t ber -äfeinifter, mit ben §e£ereien
ber äöeiber uidjt gang unbefannt märe unb gu bem id) im
SSertrauen fagte: ,9ftein greunb, es äutjern fid) in bem Seraglio
fd)red'lid)e 33emegungen. £)er gürft, ber mit feinem @ol)tte
mifmergnügt ift, meil er il)n im 23erbad)t Ijat, bap er bie
lHianimonbanbe liebt, ift ein 93iann, ben id) für fäf)ig f)alte,
an beiben bie graufamfte $iad)£ gu üben. £)iefe Sad)e mufj
allein 2(nfef)en nad) fefyr traurige folgen l)aben. SBenu Sie
mollen, fo milt id) madjen, bafj 6ie oon allem, maS oorgef)t,
3euge fein tonnen.' (kx nimmt mein Verbieten an, unb
id) fül)re il)n in eine mit ©ittermer! oermad)te Soge, aus ber
142 §attt6urgtfd)e Dramaturgie.
er ba3 Sweater fteljt, meldjeg er für beu sßalaft be3 ©ultang
Ijält. ©tauben ©ie mol)l, bafc trotj alleö ©rnfteö, in bem id;
mid) §u erhalten bemühte, bie ^äufdjung biefeg grembeu einen
xHugenblid bauern formte? -iftüffen Sie nicfjt oielmerjr ge=
ftelien, baft er bei bem fteifen ©ange ber Stcteurö, bei ifjrer
munberlidjen %vaä)t, bei ifjren au3fd)meifenben ©ebärben, bei
bem feltfamen 9kd)brude iljrer gereimten, abgemefjenen ©pradje,
bei taufenb anbern Ungereimtheiten, bie Urm auffalten mürben,
gteid) in ber erften S^ene mir in§ ©eficf)t lachen unb gerabe
i)erau§ fagen mürbe, bag id) irjn entraeber 311m beften Ijaben
mollte, ober bag ber gürft mit famt feinem §ofe nid)t morjl
bei Sinnen fein müßten?"
,,3d) befenue," fagte ©elim, „bafs mid) biefer angenommene
gatl nerlegen madvt; aber formte man .grjnen nicr)t gu be=
benfen geben, bafc mir in bas Sdjaufpiet gel)en mit ber Ueber^
jeugung, ber ^adjarjmung einer §aublung, nid)t aber ber
§anblung felbft bei^umoljnen?"
„Unb fotlte benn biefeUeberjeugung oermeljren," erroiberte
^Zir^a, bie §anblung auf bie allernatürlidjfte 3trt vox^i-
fteHen?"
§ier fömmt ba§ ©efpräd) nacf) unb ltaä) auf anbere
®inge, bie ung nichts angetjen. 3Btr menbe.n \m% alfo raiebcr,
HU fetjen, ma% mir gelefen rjabert. £)en ftaren lautern £)iberot!
3lber alle biefe 2öaf)rf)eiten maren bamalä in ben 3öinb ge=
fagt. Sie erregten efjer feine (ühnpfinbung in bem fran^öfifdjen
^sublifo, alg big fie mit altem bibaftifdjeu (Srnfte mieberrjolt
unb mit groben begleitet mürben, in meldten ftd) ber 23erfaffer
oon einigen ber gerügten Mängel gu entfernen unb ben 2öeg
ber 9latur unb iäufdjung beffer ein^ufdjlagen bemüf)t rjatte.
Ütun medte ber 9?eib bie ^ritif. -Jhtn mar e§ ftar, marum
£)iberot ba§ %l)eater feiner Nation auf bem ©ipfel ber $8ofl=
fommentjeit nidjt farje, auf bem mir e3 burdjaug glauben
follen; marum er fo oiel gelter in ben gepriefenen 9Jtofter=
ftüden beöfetben fanb: blot) unb allein, um feinen Stüden
$la£ $u fdjaffen. @r muffte bie 5D^etl^obe feiner Vorgänger
t)erfd)rien tjaben, meit er empfanb, bafe in ^Befolgung ber nänv
lidjen 9J?ett)obe er unenblid) unter ilmen bleiben mürbe. @r
mu{$te ein elenber (Efyarlatan fein, ber allen fremben ^§eriaf
oeradvtet, bamit fein 9)£enfd) anbern aU feinen faufe. Unb
fo fielen bie ^paliffotö über feine <&tüde l)er.
Slllerbingg Ijatte er ifynen aud) in feinem 9Zatür ltd;en
Sorjne maudje 33löfee gegeben. 2)iefer erfte iserfud; ift bei
GecOöunbntfjtuoüco Stücf. 1 |:;
itjciten bas nicht, roa§ ber .s>aii5oater ift. 3U lUL^ ^"m-
förmigteit in ben (Sljaratteren, bas Momantifdje in biejen
(fbaraftereu felbft, ein fteifer f oftbarer Dialog, ein pebantifcrjes
©eflingle oon neumobifd) pfyilofopljifdjen Sentenzen, alles bas
madjte bcn Gablern leidjteS «Spiel. ^efonbers 3013 bie feiers
lidie ^berefia (ober Gonftantia, nrie fie in bem Originale
Reifet), bie fo pljüofopljifdj felbft auf bie greierei geljt, bie
mit einem Scanne, ber fie niäjt mag, fo weife non tugenb=
Ijaften Hinbern fpridit, bie fie mit iljm 311 erzielen gebeult,
bie Sachet auf ir)re Seite. Nilud) fann man nidjt leugnen,
baß bie (S'infleibung, meldte 3)ibetot ben Beigefügten Unter:
rebungen gab, baß ber ^on, ben er barin annahm, ein wenig
eitel unb pompös mar; baß nerfdnebene ^(nmerfungen als
gang neue (Sntoecfungen barin uorgetragen nnirben, bie bod)
nidtf neu unb bem Sßerfaffier nidjt eigen waren ; baß anbere
xHumerfungen bie ©rünolid)feit nidjt rjatten, bie fie in bem
blenbenben Vortrage 31t fjaben fdjienen.
öcrijsuttöfldjtnnitcö £titru.
Xen 2t.i. gfefauax 1768.
3. G. Sh'berot behauptete,*) baß es in ber menfdjlidjen
Statur aufs l)bd)fte nur ein S)u|enb mtrfltd) fomiferje Sjjarattere
gäbe, bie großer 3u9e fa^ig mären, unb baß bie f leinen 33er=
fd)ieben[)eiten unter ben menfdjlidjen (Sljarafteren nidjt fo glüd=
Iid) bearbeitet merben tonnten als bie reinen unnermifdjten
(Sljaraftere. Gr fällig baljer vor, nicfjt mefjr bie (Sfjaraftere,
fonbern bie Stäube auf bie Q3üi)ne 3U bringen, unb mollte
bie Bearbeitung biefer 31t bem befonbern ©efdjäfte ber ernft=
baften ftomöbie machen. „Bisher," fagt er, „ift in ber
,s\omöbie ber ßfjarafter baS öauptmerf gemefen, unb ber
Staub mar nur etmas\3ufät(igeS ; nun aber muß ber Staub
bas §auptmer! unb ber ßljarafter bas 3ufäftige merben. 9(us
bem ßf)aralter 30g man bie gan3e Sntrigue : man fudjte burd)=
gängig bie Umjtänbe, in melden er fidj am beften äußert,
unb oerbanb biefe Umftänbe unter einanber. künftig muß
ber Staub, muffen bie -}>flid)ten, bie Vorteile, bie Unbequem;
Iidjf'eiten besfelben pjx örunblage bes 3Serfs bienen. 3)iefe
Caielle fdjeint mir meit ergiebiger, dou meit größerm Umfange,
*) €. bie Unterrebungen l;intev Dem Oiatütüdjen Sovile, S. 321— 22 b. Uc&evf.
144 Jpamöurgifdje Dramaturgie.
üon meit gröfjerm 9?u£en al§ bie Quelle ber Gljaraftere.
s23ar ber ßijarafter nur ein wenig übertrieben, fo fonnte ber
3ufdjauer 31t fidjj felbft fagen: bag bin td) nidu\ 2>a3 aber
fann er unmöglich leugnen, bafe ber ©taub, ben man fpielt,
fein (Stanb ift; feine $flid)ten fann er unmöglid) oerf'ennen.
@r mufe bag, ma§ er Ijört, notmenbig auf ftd; anroenben."
2Ba3 ^ßaliffot rjiermiber erinnert,*) ift niajt ot)nc ©runb.
dx leugnet e§, 'oa$ bie 9ktur fo arm an urfprünglidjen
ßljarafteren fei, bajj fie bie fomijdjen £)id)ter bereite follten
erfdjöpft fjaben. Poliere fat)e nod) genug neue ß^araftere oor
ftd) unb glaubte laum ben allerlleinften %eil oon benen be=
Ijanbelt 311 rjaben, bie er bel)anbeln tonne. S)ie ©teile, in
rueldjer er t>erjd)iebne berfelben in ber ©efdjminbigfeit ent=
wirft, ift fo merfmürbig al§ leljrreid), inbem fie oermuten
läjst, bafc ber TOfantrjrop fdjwerlid) fein Non plus ultra in
bem f)ol)en $omifd)en bürfte geblieben fein, mann er länger
gelebt (jätte.**) $aliffot felbft ift nietjt unglüdlidjj, einige
neue (Eljaraftere oon feiner eignen 33emer!ung beizufügen:
ben bummen 9)?äcen mit feinen fried)enben Klienten; ben
9J?ann an feiner unredjten Stelle; ben 2(rgliftigen, beffen an§-
gefünftelte 2(nfd)läge immer gegen bie ßinfalt eines treu=
bergigen SBiebermanng fdjettern; ben <2cf)einpl)ilofopr)en ; ben
(feonberling, ben £>estoud)e3 oerfeljtt l)abe; ben §eud)ler mit
gefelljc^aftlidjen ^ugenben, ba ber 9^eItgtonär)eud)Ier giemlidj
au§ ber iRobe fei. — £as finb maljrltd) ntd)t gemeine 3lus=
*) Petites Lettres sur de grands Philosophes, Lettr. II.
**) (Impromptu de "Versailles, Sc. 2.) Eh! mon pauvre Marquis,
nous lui (a Moliere) fournirons toujours assez de matiere, et nous ne
prenons gueres le chemin de nous rendre sages par tout ce qu'il fait et
tout ce qu'il dit. Crois-tu qu'il ait epuise dans ses Comedies tous les
ridicules des liommes, et sans sortir de la Cour, n'a-t-il pas encore vingt
caracteres de gens, oü il n'a pas touche? N'a-t-il pas, par exemple, ceux
qui se fönt les plus grandes amities du monde, et qui, le dos tourne, fönt
galanterie de se dechirer l'un l'autre? N'a-t-il pas ces adulateurs ä
outrance, ces flatteurs insipides qui n'assaisonnent d'aucun sei les louanges
qu'ils donnent, et dont toutes les flatteries ont une douceur fade qui fait
mal au cceur ä ceux qui les ecoutent? N'a-t-il pas ces läches courtisans
de la faveur, ces perfides adorateurs de la fortune, qui vous encensent
dans la prosperite, et vous accablent dans la disgrace? N'a-t-il pas ceux
qui sont toujours mecontens de la Cour, ces suivans inutiles, ces incom-
modes assidus, ces gens, dis-je, qui pour Services ne peuvent compter que
des importunites, et qui veulent qu'on les recompense d'avoir obsede le
Prince dix ans durant ? N'a-t-il pas ceux qui caressent egalement tout le
monde, qui promenent leurs civilites ä droite, a gauche, et courent ä
tous ceux qu'ils voyent avec les memes embrassades, et les memes pro-
testations d'amitie? — — Ya, va, Marquis, Moliere aura toujours plus de
sujets qu'il n'en voudra, et tout ce qu'il a touche n'est que bagatelle au
prix de ce qui reste.
Sedj§unbacf)tsigfte3 Stiirf. 1 t5
[testen, bie fiel) einem Sluge, bag gut in bie Jerne trägt, bis
tnS iluenblidje erweitern. £a ift nod) ©ritte genug für bie
wenigen Schnitter, bie fid) baran wagen bürfen !
Unb wenn and), fagi Sßaliffot, ber Eomifdjen (il)avattere
wirf lieb fo wenige, unb biefe wenigen wirflidj alle fdjon be-
arbeitet wären : würben bie Stäube benn biefer Verlegenheit
abhelfen? 9ftan wä^le einmal einen; 3. (£. ben Stanb beg
rKidjtero. Sterbe id) iljm benn, bem 3tid)ter, nidjt einen
Gfyarafter geben muffen? 2öirb er nidjt traurig ober luftig,
ernftljaft ober leidjtfinnig, leutfelig ober ftürmifd) fein muffen?
2öirb eg nid)t btof5 biefer ßfjaralter fein, ber te)ti aus ber
Mlaffe metapf)i)fifd)er 2(bftrafte fyeraugljebt unb eine wirflidje
^ßerfon auo iljm mad)t? SBirb nidjt folglid) bie ©runbtage
ber ^^trigue unb bie 9Horal beg Stüd'g mieberum auf bem
(Sfjarafter berufen? SÖirb nicfjt folglicf) mieberum ber Stanb
nur bag 3ufäl(ige fein?
3mar fönnte £)iberot hierauf antworten : greiltdj muf$ bie
^erfon, weldje id) mit bem Staube beileibe, aud) tt)ren inbioi-
buetfen moralifdjen ßljaraf ter Ijaben ; aber id) witt, bafe eg ein
fo!cr)er fein foll, ber mit ben $flicfyten unb üBerljättniffen beg
Stanbeg nidjt ftreitet, fonbern aufs befte harmonieret. 2Ufo
wenn biefe ißerfon ein ^Rxd)tex ift, fo ftefyt eg mir nid)t frei,
ob id) ifjn emftt)aft ober teidjtfinnig , leutfelig ober ftürmifd)
machen miß; er muj$ uotmenbig ernftrjaft unb leutfelig fein,
unb jebesmal es in bem ©rabe fein, ben bag oorljabenbe ©e?
fdjäft erfobert.
©iefes\ fage id), fönnte £)iberot antworten; aber jugleid)
l)ätte er fidj einer anbern flippe genähert, nämlid) ber stippe
ber üoßfommnen ßljaraltere. Sie -^erfonen feiner Stäube
würben nie etwas1 anberg tljun, alg wag fie nad) ?ßfltcf)t unb
©ewiffen tljun müßten ; fie würben Rubeln, oölTig wie eg im
33ucf)e ftefyt. (Erwarten wir bag in ber $omöbie? können
bergteicfjen Vorfteßungen angiefjenb genug werben? Sßirb ber
3Ru#en, ben wir bauon tjoffen bürfen, grofj genug fein, baft
eg fidj ber 50^üt)e oerloljnt, eine neue ©attung bafür feftut;
fetten unb für biefe eine eigene Didjtlunft $u fdjreiben?
£ie stippe ber oottlommenen Gljaraltere fdjjeinet mir
2)iberot überhaupt nid)t genug erfunbiget 311 Ijaben. 5n feinen
Stüden fteuert er jiemlid) gerabe barauf log, unb in feinen
Iritifdjen Seefarten finbet fid) burdjaug leine SBarnung baoor.
Vielmehr finben ftdt) 2)inge barin, bie ben Sauf nad) iljr Ejin
31t lenlen raten. 9Jcan erinnere fid) nur, wag er bei ©elegen=
8effi«8, SBerfe. XII. 10
146 .£am6urg,iftfje Dramaturgie.
Ijeit beö $ontraft§ unter ben ßljarafteren oon ben SBrübern
be§ ^erenj fagt.*) „SDie ^roei fontraftierten SSäter barm ftnb
mit fo gleidjer Stärfe gewidmet, baf$ man bem feinften föunft=
rid)ter %xo§ bieten fann, bie §auptnerfon gu nennen; ob e§
5fJticio ober ob e§ ü£)emea fein foll? gällt er fein Urteil t>or
bem legten Auftritte, fo bürfte er leidjt mit ©rftaunen mafyx-
nehmen, bafc ber, ben er ganzer fünf 2Iufgüge fyinburd) für
einen nerftänbigen DJiann gehalten Ijat, nidjtö afe ein yiaxx
ift unb bafc ber, ben er für einen Darren platten (jßt woljl
gar ber nerftänbige 5Diann fein formte. 9ftan follte ^u 2Itt=
fange be£ fünften 2luf§uge3 biefeg £)rama faft fagen, ber
33erfaffer fei burd) ben befd)merlid)en ^ontraft gelungen
morben, feinen Qmeä fahren 31t laffen unb ba§ gan§e Qntereffe
be3 ©tüdö um^u!el)ren. 2Öa3 ift aber baraug geworben?
SDiefeö, baf$ man gar nidjt merjr meift, für men man fid)
intereffieren foll. Sßom anfange rjer ift man für ben -Ifticio
gegen ben £)emea geroefen, unb am @nbe ift man für feinen
oon beiben. Seinalje follte man einen britten 3Sater ner=
langen, ber ba§ 9JUttel ^mifcrjen biefen gmei ^ßerfonen rjielte
unb geigte, morin fie beibe fehlten."
91id)t id) ! 5$ »erbitte mir üjn fefyr, biefen britten Sßater,
e§ fei in bem nämlidjen ©tütfe ober aud) allein. 28eld)er $ater
glaubt nid)t 311 miffen, mie einSSater fein foll? 2luf bem redjteu
2öcge bünfen mir uns> alle; mir tierlangen nur, bann unb
mann oor ben Slbrcegen 31t beiben (Seiten gemarnet §u merben.
SDiberot fjat ^Hec^t: e3 ift beffer, menn bie (Sfyaraftere
blofe oerfdjieben, al§ toenn fie fontraftiert finb. kontrahierte
(Sfjaraftere finb minber natürlich unb uermeljren ben romam
tifdien Slnftridj, an bem e§ ben bramatifd)en Gegebenheiten
fo fdjon feiten fel)lt. gür eine ©efellfdjaft im gemeinen
Seben, mo fid) ber Äontraft ber ßfjaraftere fo abfted)enb ^eigt,
al3 il)n ber fomifdje SDicl)ter oerlangt, merben fid) immer
taufenb finben, mo fie meiter nidjtg al§ oerfcfjieben finb. (Seljr
richtig ! 2lber ift ein (Sljarafter, ber fid) immer genau in bem
graben ©leife l)ält, ba§ iljm Vernunft unb ^ugenb i>or=
f djreiben, nid)t eine nod) feltenere (Srfdjeinung? SSon ^man^ig
(^efellfdjaften im gemeinen Seben merben el)er §et)n fein, in
meldjen man Später finb et, bie bei GsrjieEjung iljrer Minber
oöllig entgegengefetjte Sßege einfd)iagen , al§ eine, bie ben
wahren $ater aufroeifen fönnte. ttnb biefer maljre $ater ift
*) 3n ber br. SDidjtfunft hinter bem £au§t>ater, @. 338 b. Uebei).
3tebenunbarf)tsn]|teo unb adjtunbad)t$tgfteä ©ttitf. 147
nodj bagu immer ber uämlidje, ift nur ein einziger, ba bei
SÜbweidjmngen Don ihm unenblid) finb. Jyolglid) werben bie
2tüde, bie ben magren ^ater ins Spiel bringen, nicht allein
jebeg oor fta) unnatürlicher, fonbem auch unter einanbet eins
förmiger (ein, als eg bie fein fönnen, weldje SBäter r>on ner=
fdjiebnen ©runbfä^en einführen, 3(udj ift es gewiß, baft bie
(Stjaraf tere , welche in ruhigen ©efellfdjaften bfofj oerfdjieben
fdjeinen, fid) üon felbft fontvaftieren, fobalb ein ftreitenbeg
Snterefje fie in Bewegung fefct. $a, es ift natüilid), bafc
fie fid) fobann beeifero, nod) weiter uon einanber entfernt §u
fd)einen, als fie mirflid) finb. 2)er Sebfjafte mirb geuer unb
flamme ^egen ben, ber if)m 311 (au fid) $u betragen fdjeint;
unb ber Saue mirb falt mie @ig, um jenem fo tnel lieber^
etfungen 6cget)eu 5U (äffen , als Üjnt nur immer nüt5lid) fein
tonnen.
^Mduntuntiadjtjigltes unb nil)timdailjt;ig|ie$ Btütlu
Seil 4. mär} 1768.
Unb fo finb aubere Slnmerfungen beg ^ßaliffot mehr, menn
nid)t gang richtig, bod) aud) nidjt gang fatfcf). ©r fielet ben
Sfting, in ben er mit feiner Sauge ftofcen will, fdjarf genug;
aber in ber §it$e beg Stnfprengeng nerrüdt bie Sauge, unb er
ftöfji ben 9xing gerabe norbei.
(So fagt er über ben Natürlichen Sofyn unter anbern:
,,3Md) ein feltfamer %itet! ber natürliche Soljn! 23öarum
ijeifjt bag <&tüd fo? 2öeld)en @inf(ufj Ijat bie ©eburt beg
£)orr>al? 2öag für einen Vorfall ueranlafjt fie? 3U melier
Situation gibt fie Gelegenheit? 9Be(cf)e Sude füllt fie aud)
nur? 2Öag fann alfo bie 2I6ftdr)t beg 23erfafferg babei ge-
mefen fein? (Sin paar Sßetradjtungen über bag Vorurteil gegen
bie unefjelidje ©eburt aufzuwärmen? Sßeldjer vernünftige
•Iftenjd) weife benn nid)t uon felbft, mie ungerecht ein foldjes
Vorurteil ift?"
SBenn £)iberot hierauf antwortete : tiefer Umftanb war
allerbings gur $erwidelung meiner gabel nötig; ofyne ifytn
mürbe eg weit unwaljrfdjeinlidjer gewefen fein, bafe £)ort>al
feine Sdjwefter nicr)t fennet unb feine Sdjwefter uon feinem
Skuber weifj ; eg ftanb mir frei, ben %itel baoon gu entlegnen,
unb idj r)ätte ben %\Ul non nod) einem geringern Umftanbc
entlegnen fönnen. — Söenu üDiberot biefeg antwortete, fag'
id), wäre ^aliffot nidjjt ungefähr wiberlegt?
148 .vvimburflifdje Dramaturgie.
(s5leid)mof)l ift ber (Sljarafter beg natürlichen ©oljneS
einem gan^ anbern ©inraurfe bloßgeftellet , mit welchem 5ßa=
tiffot bem 5Dtct)ter meit fd^ärfer (ja'tte gufetjen lönnen. liefern
nämlid): baß ber Umftanb ber unehelichen Geburt unb ber
barau§ erfolgten S5erlaffent)ett unb Slbfonberung , in melier
fid) SDorual uon allen -JJienfdjjen fo uiele Qaljre l)inburd) falje,
ein tuet ^u eigentümlicher unb befonberer Umftanb ift, gleich
mol)l auf bie SBilbung feines ßfyarafterS oiel 31t niel @in=
fluß gehabt Ijat, als baß biefer biejenige Allgemeinheit l)aben
tonne, meld)e nadf) ber eignen Seljre be3 £)iberot ein fomi^
fcr)ev (Sfyaraf'ter notmenbig Ijaben mufe. — 2)ie Gelegenheit
rcigt mid) 31t einer 2tu3fd)U)eifung über biefe Sefjre, unb
meldjem Steige non ber 2lrt Brauchte id) in einer folgen ©cfyrtft
gu miberftel)en?
„£)ie fomifdje Gattung," fagt £)iberot, *) „Ijat Wirten,
unb bie tragifdje t)at ^nbbibua. Qd) null mid) erflären.
2)er §elb einer ^ragöbie ift ber unb ber -äftenfdj, e§ ift
■^eguIuS, ober 33rutu§, ober @ato, unb fonft fein anberer.
£)ie oorneljmfte ^erfon einer Slomöbie hingegen mu^ eine
große Slnga^I non DJlenfcfjen oorftellen. Gäbe mau üjr uon
olmgefäfyr eine fo eigene $ln)fiognomie, baß tfjr nur ein einziges
Qnbinibuum älmlid) märe, fo mürbe bie ^omb'bie mieber in
it)re Einbljeit §urücftreten. — Vereng fdjeinet mir einmal in
biefen geljler gefallen gu fein, ©ein §eautontimoru=
menoS ift ein S8ater, ber fidj über ben geraaltfamen @nt=
fdjlujj grämet, gu meinem er feinen ©oljn burd) übermäßige
Strenge gebrad)M)at, unb ber fiel) beäroegen nun felbft be=
ftraft, inbem er fiel) in Reibung unb ©peife fümmerlicl) Ijält,
allen Umgang fliegt, fein Geftnbe abfd)afft unb ba§ gelb mit
eigenen §änben bauet. -äJlan fann gar moljl fagen, baß e3 fo
einen SSater nidjt gibt. SDie größte ©tabt mürbe laum in
einem gangen Qafyrfjunbert ein 23eifpiel einer fo feltfamen
^Betrübnis auf^umeifen Ijaben."
3uerft oon ber ^nftang be§ §eautontimorumeno§. SQBenn
biefer ßljarafter mirflid) $u tabeln ift, fo trifft ber Xabel
nidjt foraoljl ben Vereng als> ben üflenanber. -DJcenanber mar
ber ©djöpfer beäfelben, ber tljn allem 2lnfeEjeu nad) in feinem
^tüde nod) eine meit au§füt)rlicf;ere Atolle fpielen laffen,
alö er in ber föopie be3 Vereng fpielet, in ber ftd) feine
©pljäre megen ber uerboppelten S^trigue raofyl fel)r eingießen
*) Uutemb., S. 292 b. UeOeif.
^u'luMUtnbacimiiiftco unb acutunbadiniaueo Stücf. l-l!»
müflen.*) 216er baft er von Sföenanbem (jervüljvt, btefeS allein
idion hätte raidj roemgftenS ablief djved't, ben Vereng beSfaffö ju
*) iyaüZ nämlid) bic 6. Qeile bes Prologs
Duplex quae ex argumento facta est siraplici.
[(Sine doppelte $omübie, bie aus einer einfachen gabel gemalt i[l]
Don bem £id)ter mirflid) jo gejd)rieben unb nidjt anbers ju tierfteben ii't, nie- bic
Tacicr unb uarii ihr bev neue englijd)e Ueberfctjer bes Seren), Golman, fic et Haren.
Terence only lneant to say, that he had doubled the characters; instead
of one old man, oiie young gallant, one mistress, as in Menander, he had
two old men etc. He therefore adds very properly : novam esse ostendi.
— which certainly could not have been implied, had the characters been
the same in the Greek poet. [Serenj mollte nur fag.cn, er habe bie (•»"haraftcre
i^crboppett ; anflatt eines? alten üftannes, eineS Stuljers , einer ©eliebten, mie im
Dteuanber, hatte er jroei alte 9)cänner, u. f. ro. Gr fügt baber febr ridjtig
binju: novam esse ostendi (id) jeigte an, bajj bie jfomöbie neu fei), —
mas ftcberlid) nid)t bariu liegen tonnte, wenn bie Gbaraftere in bem gricdiijdjen
dichter biefelben gemefen mären.] 9lud) fd)on 9lbrian ffiarlanbus , ja felbft bic
alte Glossa interlinealis be§ 9lfcenfiu§, hatte bas duplex nid)t anberS uer=
ftanben : propter senes et juvenes, fagt biefe: unb jener fd)reibt: nam in hac
latina senes duo , adolescentes item duo sunt. Unb bennod) roitt mir biefe
Auslegung nid)t in ben $obf, meil id) gar nid)t einfebe, mas tion bem Stüde übrig
bleibt, roeun man bie Sßerfonen, burd) melche 2creng beu eilten, ben Siebbabcr unb
bie ©eliebte üerbobbclt baben fofl, mieber megnimmt. Wir ift es unbegreiflid), ruie
'Wcenanber tiefen Stoff ohne ben Gbremes unb ohne beu Glitipbo Ijabe bebanbclu
lönnen; beibe finb fo genau bineingeflodjten , baß id) mir meber SSerwicfiuug nod)
Sluflöfung ohne fie benfen fann. Giner anbern GrHärung, burd) roelcbe jid) Julius
Scaliger lädierlid) gemad)t Ijat, mill id) gar nid)t gebenfen. 5lud) bie, meld)e Gugra=
bbius gegeben bat unb bie nom gaerne angenommen morben, ift gang unfd)idlidj.
3fn biefer SSertegenbeit haben bie ßritici halb bas duplex, halb bas simplici in ber
3cile ju neränbern gefud)t, moui fie bie .Oanbfdhriften gemiffermafeen berechtigten.
Ginige fjaben gelefen:
Duplex quae ex argumento facta est duplici.
\Unbere :
Simplex quae ex argumento facta est duplici.
s4!Bas bleibt nod) übrig, als baß nun audj einer liefet:
Simplex qua? ex argumento facta est simplici?
Unb in allem Grnfte: fo möchte id) am liebften lefen. Wlan fel)c bie Stelle im xSu=
jammenbange unb überlege meine ©rünbe:
Ex integra Graeca integram comeediam
Hodie sum acturus Heautontimorumenon:
Simplex qua? ex argumento facta est simplici.
[Gine noUftänbige Somöbie, bie aus einer üotlftänbigen griedjifdrjeu cutitanben
ift, mill ich beute aufführen, ben „Selbftquäler" — bie einfad) aus einem ein=
fadjen Stoffe gemad)t ift.]
Gs ift befannt, mas bem Sterenj t>on feineu neibifdhen Mitarbeitern am Ifjeater
imrgemorfeu marb:
Multas contaminasse graecas, dum facit
Paucas latinas —
QSßtete gried)ifd)e Stüde oerborben ju Babeu , mäfjrenb er toenige lateinijd)e
machte.]
®t idjmeljte nämlid) öfters jmei Stüde in eines unb madite aus jtoei gricdiifdien
ßomöbien eine einjige lateinifche. So fetzte er feine Ülnbria aus ber 9lnbria unb
^erinthia bes üJlenanberS jufammen; feinen Guuud)us aus bem Guuud)iis unb bem
Golar eben biefes Richters; feine Vorüber au§ ben ©rübern bes nämlichen unb einem
Stüde bes 2>ird)itu5. Söegeu biefe§ Sßorrourfs redjtfertiget er fich nun in bem jpro»
löge bes ^eautontimorumenos. 2)ie" Sache felbft geftebt er ein; aber er mill bamit
nicht? anbers gethan haben, als ma§ anbere gute 2)id)ter üor ihm gethan hätten.
150 .v>am(nin}iftf)e ^Dramaturgie.
uerbailliueil. -Lrtö (!) Msvav§ps y.ai ßte, Tcoxspoc; ap 'ju.tuv rcoTepov
e|Atfi7joato-,*) ift gwar frofttger als ttnijtg, gefagt : bod) mürbe
Id esse factum hie non negat
Neque se pigere, et deinde factum iri autumat.
Habet bonorum exemplum: quo exemplo sibi
Licere id facere, quod Uli fecerunt, putat.
r@v leugnet nidjt, bafj er e§ geffjan fyabe, unb erftävt, baf; cv fid) be§ftalt>
nirt)t fd)äme unb baß e-3 aud) fDäter gefdjefjen werbe. @r f)at bnö 33eijpiel guter
£>icl)ter, auf weld)e§ gefüllt er glaubt, baß e§ iljm geftattet fei, 3U ttjun, Wa§ jene
tfmten.J
3rf) f)abe e§ getfyan, fagt er, unb id) benfe, bafj id) e§ nod) öfterer tljuu Werbe. 2>a§
bejog fid) aber auf Dorige ©rüde unb nidjt auf ba§ gegenwärtige, ben §eautonti*
morumeno§. 3)enu biefer War nid)t au§ -jWei gried)ifd)_en ©türfen, fonbern nur au§
einem einzigen gleid)e§ 9lamen§ genommen. Hub oa§ ift e§, glaube id), wa§ er in
ber fireitigen QziU fagen Will, fo wie id) fie 311 lefen Dorjdjlage:
Simplex quse ex argumento facta est simplici.
60 einfad), Witt Serenj fagen, als baS ©tüd be§ ^JtenanberS ift, eben fo einfad) ift
aud) mein ©tüd; id) fyaie burdjauS nid)tS aus anbern ©tüden cingefdiattet; eS ift,
fo lang eS ift, aus bem gried)ifd)en ©lüde genommen, unb ba§ gried)ijd)e ©tüd ift
ganj in meinem lateinifdjen ; id) gebe alfo
Ex integra Grseca integram Comoediam.
S)ie SBebeutung, bie gaerne bem Söotte integra in einer alten ©loffe gegeben fanb,
baf; eS fo Diel fein foüte als a nullo taeta, ift I)ier offenbar falfd) , Weil fie fid)
nur auf baS erfte integra, aber feineSWegS auf baS jWeite integram fdjiden mürbe.
— Unb fo glaube id), bafj fid) meine Vermutung uno Auslegung wol)l boren läßt!
Tcur mirb man fid) an bie gleid) folgenbe ^eile flogen:
Novam esse ostendi, et quse esset —
[Sd) jeigte, haft fie (bie ßomöbie) neu fei, unb wcldje fie fei.]
*ütan Wirb fagen: wenn Sterenj befennet, ba% er baS ganje ©tiid au§ einem einzigen
©tüde be§ ÜftenanberS genommen habe, mie fann er eben burd) biefe§ 93efenntnis
bemiefen ju fmben Dorgeben, bafj fein ©tüd neu fei, novam esse? — 2>od) biefc
©djwierigfeit fann id) fcl)r leidjt tjeben, unb jwar burd) eine ©rflärung eben biefer
SBorte, non weldjer id) mid) gu behaupten getraue, bafj fie fdjIeditcrbingS bie einjige
waljre ift, ob fie gleid) nur mir 3ugel;ört unb fein QluSteger, fo Diel id) Weifj , fie
nur Don weitem Dermutet bat. Sfd) fage nämlid) : bie Sßorte,
Novam esse ostendi, et quse esset —
bejieljen fid) feineSWegS auf baS, WaS 2eren§ ben SSorrebner in bem Dorigen fagen
(äffen ; fonberu man inufe barunter Derfteljen: apudAediles; novus aber l)eijjt bier
nirtjt, was auS beS Serenj eigenem $opfe gefloffeu, fonbern btofj, WaS im Sateinifdjen
nod) nid)t Dorfjanben gemefen. 3)ajj mein ©tüd, ruitt er fagen, ein neues ©tüd fei,
baS ift, ein foldiel ©tüd, meld)e§ nod) nie lateinifd) erfdjienen, meld)e§ id) felbft au§
bem ©ried)ifdien überfe^t, bciZ fyabe id) ben debilen, bie mir e§ abgefnuft, bemiefen.
Um mir bierin of)ne 99ebeufen beijufanen, barf man fid) nur an ben «Streit erinnern,
meld)en er wegen feine§ 6unud)u§ öor ben debilen rjatte. ®iefen fjatte er iljnen als
ein neue§, Don it)m au§ bem ©ried)ifd)en überdies @tiid toerfauft; aber fein 2ßiber=
fadjer, SatriniuS, Wollte ben debilen überreben, bafj er e§ nidjt au§ bem (Öried)ifd)cn,
fonbern au§ 3Wei alten ©lüden be§ 9iäDiu§ unb 5ßlautu§ genommen babe. greilid)
I)atte ber ($unud)uö mit biefen ©tüden t)iele§ gemein; aber bod) war bie SBefdjuIbigung
be§ SaDiniuS falfd); benn Serenj fjatte nur au§ eben ber griedjifdjen Quelle gefd)öbft,
au* weldjer, il)m unwiffenb, fdjon 9Jäüiu§ unb 5plautu§ toor ifjm gefd)ööft I)atten.
Vllfo, um bergleidjcn Sßerleumbungen bei feinem §eautontimorumeno§ Dorjubauen,
Wa§ war natürlidjer, al§ bafe er ben debilen ba§ gried)ifd)e Original Dorgeseigt unb
fie wegen be§ ^nl)alt§ unterrid)tct I;atte? Sa, bie debilen tonnten ba§ leid)t felbft
Don il)m gefobert f)aben. Unb barauf gel)t ba§
Novam esse ostendi, et quse esset.
*) [O Wenanber unb Seben, wer Don einer) beiben atjmte ben anbern nari) ?
Zimmermann.]
Sie&enunbacfjtjigfttS unb ad^tunbacfjtjigfteä Stürf. 151
man es moi)l überhaupt uou einem SDidjter gefagt Ijaben, ber
(St)araftere gu fdjilbem imftanbe märe, roouon ficf> in ber
größten ©tabt taum in einem gangen Saljrljimberte ein einziges
Üoeifpiel geiget? ftmax m Ijunbert mit) ineljr ©ttttfen tonnte
iljm and; mof)! ein fold)er ßl)arafter entfaflen fein. £er
frudjtbarfte $opf fdjreibt fid) leer; nnb menn bie (iinbilbungö;
traft fid) feiner unrflidjen ©egenftänbe ber -Kadjaljmung meljr
erinnern fann, fo fomponiert fie beten felbft, meldjes benn
freilid) meiftens ^aritatnren werben. £agu roifl 2)iberot
bemerft l)aben, bafj fdmn §orag, ^ e^neu f° befonberg %äxU
Üdjen ©efdjmad Ijatte, ben genfer, mouon bie Siebe ift, ein=
gefeljen unb im SSorbeigeljen, aber faft unmerflid), getabelt ijabe.
£)ie Steife foll bie in ber gmeiten Satire beg erften
23ud)g fein, mo §orag geigen mill, „baft bie Darren aus einer
Uebertreibung in bie anbere entgegengeje^te 311 fallen pflegen,
gufibtug, fagt er, fürdjtet, für einen 93erfd)menber gehalten
gu merben. Söifjt ifyc, mag er iljut? @r leiljet monatlich für
fünf >]irogent unb mad)t fid) im ooraug begabt. 3e nötiger
ber anbere bag ©elb braudjt, befto meljr fobert er. @r roeifj
bie Tanten aller jungen Seute, bie oon gutem §aufe finb unb
ifct in bie 2öelt treten, babei aber über rjarte &äter gu flagen
ijaben. 3Bielleid)t aber glaubt iljr, bafc biefer 9Jienfd) mieoer
einen 2(ufraanb maa)e, ber feinen ßinfünften entfpridjt? 2Öet*
gefehlt ! ßr ift fein graufamfter geinb, unb ber siater in ber
wotnöbie, ber fid) megen ber ©ntmeidjung jeineg Soljneg be=
ftraft, f ann fid; nid)t fd)led)ter quälen : non se pejus crucia-
verit." — tiefes fd) letzter, biefeg pejus, miß 2)iberot, foll
Fjier einen boppelten Sinn rmben; einmal foll eg auf ben
§ufibiu§, unb einmal auf ben Sereng gel)en ; bergleicfyen bei=
läufige §iebe, meinet er, mären bem ßljarafter beg £>orag auc5
ooflfommen gemäft.
£)ag le|te fann fein, oljne fid) auf bie oor^abenbe Stelle
amoenben gu laffen. 3)enn Ijier, bünft mid), mürbe bie bei=
läufige 21nfpielung bem ijauptuerftanbe. nadjteilig merben.
guftbiug ift fein fo großer -Jtarr, menn eo meljr foldje Darren
gibt. 2Benn fid; ber äkter beg Sereng eben fo abgefdpad't
peinigte, menn er eben fo menig Urfadje Ijätte, fid) gu peinigen
alg 5'ufibius, fo teilt er bag Sädjerlidje mit iljm, unb J-nfibiuS
ift meniger feltfam unb abgefd)madt. 9?ur algbeun, menn
gufibiug ol)ne ade Urfad)e eben fo l)art unb graufam gegen fid)
felbft ift, alg ber SSater beg iereng mit Urfadje ift, menn
jener aug fdjmutjigem ©eige tl)ut, mag biefer aug 9teu unb
152 ftamburantfic Dramaturgie.
S5etrü6m§ ttjat, nur atsbenn rötrb uns jener uuenblid) lädjer;
lieber unb oerädjtlidjer, alo mitleioömürbtg xoix bieten finben.
Unb allerbingg ift jebe grofte ^Betrübnis von bei* sJIrt,
mie bie Betrübnis biefeö v33aterä: bie fid> nidjt felbft nergiftt,
bie peiniget fid) felbft. @s ift ruiber aüe ferfaljrung, baf$ faum
alle (junbert 3arjre ftd) ein 33eifpiel einer folgen 35etrübmo
ftnbe; melmel)r rjanbelt jebe ungefähr eben fo, nur meljr ober
weniger, mit biejer ober jener Seränberung. Gicero l)atte auf
bie -Natur ber 33etrübni§ genauer gemerft; er fafye bal)er in
bem betragen bes §eautontimorumeno5 uidjtg merjr, al§ roaä
alte betrübte nid)t bloß oon bem 2tffefte Ijingeriffen t§un,
fonbern and) bei fälterm ©eblüte fortfeijen ju muffen glauben.* i
Haec omnia reeta, vera, debita "putantes, faciunt in dolore :
maxiineque declaratur, hoc quasi officii judicio fieri, quod
si qni forte, cum se in luctu esse vellent, aliquid fecerunt
humanius, aut si hilarius iocuti essent, revocant se rursus
ad moestitiam, peccatique se insimulant, quod dolere inter-
uiiserint : pueros vero matres et magistri castigare etiam
solent, nee verbis solum, sed etiam verberibus, si quid in do-
mestico luctu hilarius ab iis factum est, aut dictum : plorare
cogunt. — Quid ille Terentianus ipse se puniens? u. f. m.**)
9ftenebemus aber, -fo rjeifjt ber ©elbftpeiniger bei bem
-Tereng, fjält fidt) nidjt altein fo Imrt au3 23etrübni3 ; fonbern
marum ev fid) and) jeben geringen Slufmanb nermeigert, ift
bie Urfadje unb Slbftdjt nornerjmlid) biefeö: um befto merjr
für ben abmefenben ©or)n 31t fparen unb bem einmal ein befto
gemäcrjlidjereg Seben gu r>erftd)ern, ben er itjt ge^toungen, ein
fo ungemädjlidjeg gu ergreifen. 2ßas> ift hierin, maö ntd)t
Imnbert ^Bäter tf)itn mürben? steint aber ^iberot, baf$ bao
Eigene unb Seltfame barin beftelje, ba% sJDcenebemu6 felbft fjarft,
felbft gräbt, felbft ädert : fo rjat er morjl in ber Sil meljr an
unfere neuere als an bie alten (Sitten gebadjt. (Sin reirfjer
$ater irriger &\t mürbe ba§ freilief) nicfjt fo leidjt trjun; benn
*) Tusc. Queest,, lib. IU. c. 27.
**) [2Öeit man bie» aflcä für red)t, für umtjr, für gebüljrenb f)ält, barum tljut
man fo im Sdjmeräe: unb jum 93emeife bafür, bau «§ tnie nad) einem bie fßfttdft
beftimmenben Urteile gcfdf)el)c, bient »oraüglid) ber Umftnnb , batt, wenn mandjmal
einige, mäf;renb fie in ber Trauer fein tnoüten, etmae gemütlidier traten ober fröl)=
lidjcr fpradjen, fie fid) mieber jum ftummet jurüdrufen unb fid) aus ber Unter«
bredjung beö Sd^merjeS ein 3Sergel;en mad)en; Jtnaben aber pflegen aud) 9Äfittet
unb .fjofmeifter ju ftrafen, unb nidjt blojj mit SBortcn, fonbern mit <5d)lägen, wenn
bei einer gamilientrauer non ifjnen etroaö frörjlidjer getrau ober gefprodjen morben
ift: 311 meinen jmingt mau fie. — 3. ®- Jener Selbftquälcr bei- iereutiu» u. j. nv
3 immer in aun.j
Sieöenunbadjtjigfteä unb adfjtunbadjtjtgfleä ©tütf. 153
bie rocnigftcn mürben eo $u tljun oerfieljen. 216er bie mol)(
babenbften, oornefjmften Sftömer unb ©riedjen waren mit allen
Iänbltdjen arbeiten befannter unb fdjämten fid) nidjt, felbft
§anb anzulegen.
SDod) alles fei oollf'ommen, nrie es iDiberot faßt! S)er
(Sbarafter beS SelbftpeinigerS fei megen beS all^u (Sigeutürm
lidjen, megen biefer tljm faft nur allein gufommenben gälte
51t einem fomifdjeu ßljarafter fo ungefdjidt, als er nur null.
SBäre £)iberot nidjt in eben ben gefter gefallen? £)enn mae
fann eigentümlicher fein als ber (Srjarat'ter feines» 2)tm)al?
•Jöeldjer (Sljarafter fann mel)r eine gälte l)aben, bie iljm nur
allein mfömmt, al§ ber ßfjarafter biefeS natürlichen ©ofjneä?
„©leid) nad) metner ©eburt," läft er tl)n non fidf> felbft fagen,
„marb id) an einen Drt oerfdjleubert, ber bie ©reu^e gnrifdjen
Gsinöbe unb ©efeUfdfjaft fjei^en fann; unb als id) bie 3lugen
auftrat, midrj nad) ben 33anben umgitfeljen, bie miel) mit ben
.Dfenfdjen uerfnüpften, fonnte id) faum einige Krümmern bauon
erbliden. SDreif^ig Qaljre lang irrte icfj unter il)nen einfam,
unbefannt unb oerabfäumet umljer, orme bie 3övtlid)fett irgenb
eines 9ftenfcl)en empfunben, nod) irgenb einen Sftenfdjen am
getroffen gu l)aben, ber bie meinige gefudjt Ijätte." 2)af$ ein
natürlichem $inb fidj oergebenS nad) feinen Altern, oergebenS
nad; vperfonen umfeljen fann, mit meldjen eS bie näljern 23anbe
beS 23lutS oerfnüpfen: baS ift feljr begreiflich; baS fann unter
3er)nen neunen begegnen. Slber bafj eS ganje breifjig Saljre
in ber Sßelt Ijerumirren fönne, ol)ne bie 3ärtlicf)feit irgenb
eines -ÜÖJenfdjen empfunben ju Ijaben, ol)ne irgenb einen 9ften=
fcr)en angetroffen $u I)aben, ber bie feinige gefudjt F)ätte : baS,
follte id) faft fagen, ift fd)ledjterbingS unmöglid). Ober, menn
eS möglid) märe, meldje sDfenge gang befonberer Umftänbe
müßten oon beiben (Seiten, r»on feiten ber 2öelt unb oon
feiten biefeS fo lange infulierten 2öefenS, gufammengefommen
fein, biefe traurige 9JJöglid)feit roirflid) ju madjen? ^aljx-
Ijitnberte auf ^aljrrjunberte merben oerfliefeen, el)e fie roieber
einmal mirflid) mirb. 2Bolfc ber §immel nierjt, bafc id) mir
je ba§ menfd)lid)e ©efdjledjt anbers oorftelle ! Sieber münfd)te
id) fonft, ein 33är geboren 31t fein, als ein 93?enfd). 9^ein,
fein 9ftenfd) fann unter 5Reufd;en fo lange Ujerlaffeu fein !
Wlan fd)leubere ir)n l)iu, morjtn man mid: menn er nod) unter
■Dlenfdjen fällt, fo fällt er unter SBefen, bie, erje er fidf) um=
gefefyen, mo er ift, auf allen Seiten bereit fteljen, fidf) an trm
anntfetten. 2inb eS nid)t oorneljme, fo finb cS geringe ! Sinb
154 Jpam&urgtfdije Dramaturgie.
e3 nidjt glücf Udje, fo finb e£ ungtüd lidfjc -üDtenfdfjen ! sT)£enfd)en
finb e§ bocf) immer. So rote ein tropfen nur bie Stäche be3
2Baffer3 berühren barf, um oon ifym aufgenommen ^u roerben
unb genta in t|m ^u oerf(ief$en : ba3 2Baffer ^et^e, rote e§ roitt,
Sac^e ober Duette, Strom ober See, $elt ober Dgean.
©teidjrooljl fott biefe breiftigjäljrtge GHnfamfeit unter ben
Sftenfdjen ben (5r)crafter be§ SDoroal gebilbet fyaben. 2öeld)er
(Sljarafter !ann ilrot nun älmlidj feljen ? sIöer f ann fid) in ilmt
erfennen? nur gitm fleinften Seil in i|m erfennen?
©tue 2lu3f(ud)t, finbe id) bod), Ijat fid) SDtberot cut3$u=
fparen gefudjt. @r jagt in bem Verfolge ber angebogenen
Stelle: „3n ber ernftfyaften ©attung roerben bie 6()araftere
oft eben fo attgemeht fein al§ in ber fomifdjen ©attung ; fie
roerben aber allezeit weniger inbioibuett fein aU in ber tra=
gtfcfjen." @r roürbe fonad) antroorten: 2)er (Sfyarafter be§
©oroal ift fein fomifdjer Gfjarafter; er ift ein ßtjarafter, roie
it)n ba§ erttftljafte Sdjaufpiel erfobert; roie biefes ben Staunt
^roifc^en $omöbie unb Sragöbie füllen fott, fo muffen auef) bie
(Sljaraftere beSfelben ba§ Mittel groifdjen ben fomifdjen unb
tragifdjen ßfjarafteren galten ; fie braudjen mdjjt fo allgemein
%a fein als> jene, roenn fie nur nid)t fo oöttig inbioibuett finb
alz biefe ; unb folc^er 2lrt bürfte bod) roofyl ber (Efyarafter be§
SDoroal fein.
2Üfo roären roir glüdlid) roieber an bem fünfte, oon
meinem roir ausgingen. 2ßir roottten unterfudjen, ob e§ roaljr
fei, baft bie ^ragöbie 3nbioibua, bie föomöbte aber Slrten
fyahe : ba3 ift, ob esl roafyr fei, bafe bie ^erfonen ber ^omöbie
eine grofce SXngaijt oon s3Äenfd)en faffen unb 3ugteidj oorftetten
müßten, bafyingegen ber §elb ber iragöbie nur ber unb ber
■Jftenfcf), nur Regulug, ober 33rutu§, ober Gato fei unb fein
fotte. Qft e§ roafyr, fo Ijat auefy ba§, roa§ ©iberot oon ben
'^erfonen ber mittlem ©attung fagt, bie er bie emftljafte
Slomöbie nennt, leine Sdnoierigfeit, unb ber Gfyarafter feines
3)oroal roäre fo tabelt)aft nid)t. 3ft eö aber nid)t roafyr, fo
fällt auef) biefe§ oon felbft roeg, unb bem (Sfyarafter bes natura
lidjen Sofme§ fanu au3 einer fo ungegrünbeten ©inteitung
feine Rechtfertigung aufliefen.
SReummbactytaigfteä Stücf. 155
ileumurtftttjt;ifi|t££ §tüw.
Ten s. 2R5t3 1768.
Suerft mufj icl) anmerfen, baft 2)iberot feine 2lffertion
oljne allen SeroeiS gelaffen Ijat. (Sr mufc fie für eine äBa^r*
fyeit angefetyen fyaben, bie fein SKenfdj in Zweifel gießen werbe,
nod) foune, bie man nur beuten bürfe, um ifyren ©runb $u=
gleid) mit 511 beuten. Unb fottte er ben rooljl gar in ben
magren -Manien ber tragifdjen *ßerfonen gefunben Ijaben? 2öeil
biefe 2Id)i((e3 unb s2Üe£anber unb ßato unb ShtguftuS Reiften
unb 2ld;i(le§, 2Ueranber, dato, 9(uguftuS mirfliä) einzelne
SPerfonen äeroefen finb : fottte er wofyt barauS gefd;loffen f)aben,
bafj fonad) atte3, mag ber ^Dict)ter in ber ^ragöbie fie fpredjen
unb (janbeln läfet, aud) nur biefen einzelnen fo genannten
Sßerfonen, unb feinem in ber SBelt sugleid) mit, muffe §u=
fommen fönnen? gaft fdjeiut e§ fo.
2fber biefen ^rrtum fjatte 2lriftotele§ fdjon oor gmei^
taufenb Satjren wiberlegt, unb auf bie ifym entgegenfteljenbe
Sßafjrljett ben wefentlidjen Unterfd)ieb gwifdjen ber ©efd)id)te
unb ^poefie, fowie ben großem 9Uttjen ber [entern oot ber
erftern gegrünbet. Wud) Ijat er e§ auf eine fo einteudjtenbe
3lrt getljan, bafc idj nur feine SBorte anführen barf, um feine
geringe SBemmnberung 511 erweden, mie in einer fo offenbaren
<Ba<$)e ein Libero: nidjt gleidjer Meinung mit ifjm fein fönne.
„2Iu3 biefen alfo," fagt 2triftotele§,*) nadjbem er fre
wefentHdjen ©igenfdjaften ber poetifdjen gäbet feftgei^ftt, „0 s
biefen alfo erbettet flar, bafc be3 3)idjter3 Söerf ntaji \ \u
erjäljlen, ma§ gefdjefyen, fonbern 31t ergäben, oon welljer
SBefdjaffenfjeit ba§ ©efdjjeljene, unb roa§ nadj ber Söafjrfdjems
lid)feit ober 9iotweubigt'ett babei möglidj gemefen. 3)enn @e=
fdjidjtfdjreiber unb JDidjter unterfäjeiben fidj nid)t burd) bie
gebunbene ober ungebunbene 9tebe, inbem man bie 33üd)er
be§ §erobotu§ in gebunbene ^ebe bringen fann, unb fie
baruin bodj nidjtg weniger in gebunbener 9tebe eine ®efd)id)te
fein werben, als fie e3 in ungebunbeuer waren. Sonbera barin
unterjdjeiben fie fid), bafj jener ergäbet, wa§ gefdjeljen, biefer
aber, oon weldjer Sefdjaffenljeit baö ©efdjeljene gemefen. 2)afjer
tft benn aud) bie $oefie pljilofopfyifdjer unb nüfclicfyer als bie
©efd)id;te. Xcnn bie Sßoefte gef)t meljr auf baö allgemeine unb
bie ©efdjidjte auf ba§ 33efonbere. 2)a3 allgemeine aber ift:
*) Tiefitf.. 9. .vunutfl.
156 VMiml6unitfcf)e Dramaturgie.
wie fo ober fo ein Wann nad) ber 21tol)rfd)einlicf)feit ober
•Hotwenbigfeit fpred^cn unb Ijanbeln würbe; alg worauf Die
2)td)tfunft bei ©rteiluna, ber tarnen fteljt. 3)ag 23efonbere
hingegen ift, wag Sllcibiabeg getfjan ober gelitten Ijat. 33ei
ber Äomöbie nun t)at fidt) biefeg fd?on gan^ offenbar gezeigt;
benn wenn bie gabel nad) ber 3ßaljrfd)einlid)feit abgefaßt ift,
legt man bie etwanigen tarnen fonacj) hei, unb macbt eg nidjt
wie bie jambifdjen 3)tcl)ter, bie bei bem (Sin^eln bleiben. 33ei
ber Sragöbie aber l>ält man fidt) an bie fd)on oorljanbenen
Flamen, aug Urfadje, weil bag 9Jcöglidje glaubwürbig ift unb
wir nid)t möglid) glauben, wag nie gefd)el)en, baljingegen,
wag gefdjefyen, offenbar möglid) fein mufe, weil eg uid)t ge=
fdjeljen wäre, wenn eg nicfyt möglid) wäre. Unb bod) finb
audj in ben ^ragöbien, in einigen nur ein ober gwei befannte
Tanten, unb bie übrigen finb erbidjtet, in einigen and) gar
feiner, fo wie in ber 23 htm e beg Slgatljon. 2)enn in biefem
©lüde fin^> §anblungen unb tarnen gleid) erbidjtet, unb bod;
gefällt eg barum nidjtg weniger. "
5n biefer ©teile, bie id) nad) meiner eigenen Ueber=
fe|ung anführe, mit welcher id) fo genau bei ben Sßorten
geblieben bin alg möglid), finb oerfd)iebene 2)inge, welche oon
^en Sluglegern, bie idj nod) §u 9tate gießen lönnen, entweber
gar nid)t ober falfdt) oerftanben worben. SBag baoon fyier jur
Bad)e gehört, mu| id) mitnehmen.
S)ag ift unwiberfpredjlid), ba£ Slriftoteleg fd)led^terbingg
feinen Unterfd)ieb gwifdjen ben ^]erfonen ber ^ragöbie unb
Komöbie in 2lnfel)ung iljrer Slllgemeinljeit madjt. S)ie einen
fowoljl alg bie anbern, unb felbft bie ^erfonen ber ßpopöe
nicr)t auggefd^loffen, alle ^erfonen ber poetifdjen ^Rad^a^mung
oljne Unterfdjieb follen fpredjen unb ^anbeln, nid)t wie eg
iljnen einzig unb allein jufommen fönnte, fonbern fo wie ein
jeber oon iljrer 33ef(f»affenr)ett in ben nämlid)en Umftänben
fpredjen ober rjanbeln würbe unb müftte. Qn biefem y.a&oXou,
in biefer Slllgemeinljeit liegt allein ber ©runb, warum bie
^oefie pl)ilofop^ifd)er unb folglich lehrreicher ift alg bie ©e=
fdjidjte ; unb wenn eg mafyr ift, bafe berjenige tomifd)e 2)id)ter,
welcber feinen ^erfonen fo eigene $l)t)fiognomien geben wollte,
bafc il)nen nur ein ein^igeg 3nD^^uum *n Der %Rdt äljnlid)
wäre, bie iftomöbie, wie £)iberot fagt, wieberum in ifjre Äinb=
Ijeit gurüdfe^en unb in (Satire oerfefyren würbe : fo ift eg aud)
eben fo wal)r, baft berjenige tragifclje 3)id)ter, welcher nur ben
unb ben 9Äenfd)en, nur ben ßäfar, nur ben ßato, nad) allen
■Heununbarfit^iofteS <Stütf. 157
oen ©igentümlidjfeiten, bie nur von itjnen rmf[en, Dorftetten
roollte, ofyne gn^Ietd) ni geigen, rote alle biefe @igentümltct)feiteti
mit bem (Sfjaraiter be§ (läfar unb CSato 5u(ammetujet)ana,en, ber
ifmen mit met)rern fann gemein fein, ba#, jage id), biefer bie
3Cragöbie entfräften unb jut Wefdjidjte erniebriaeti mürbe.
2lber SfriftoteleS fagt aud), bafe bie $oefie auf biefeo
ungemeine ber s}>erfonen mit beu Hainen, bie fie iljuen erteile,
^iele (ou z-ry/'ilzzn:. 4] icotina«; bvojxaxa e-'.xid-su.svrj) * toeld)eö flu)
befonberö bei ber $omöbie beutlid) gezeigt fyahe. Unb biefeS
ift e§, roa§ bie Ausleger bem 2lriftotele3 nadj^ufagen fid) be^
gnügt, im geringften aber nidjt erläutert fjaben. äBoljl aber Ijaben
r>erjd)iebene fid) fo barüber auögebrüd't, baf} man flar ftefyt, fie
muffen entroeber nid)ts ober ettuaö ganj §alfd)es> babei gebaut
fyabeu. 2)ie grage ift: raie fieEjt bie $oefie, roenn fie ifjren
^erfonen tarnen erteilt, auf bag allgemeine biefer ^perfonen?
unb mie ift biefe iljre ^Küdfid)t auf baö allgemeine ber ^ierfon,
befonberS bei ber ^omöbie, fd)on längft fidjtbar geiuejenY
2)ie ©orte : eaxi os v.attoXou [aev., xw rcoui) xa ko\ ötTta
Güfj-ßa'.vs'. Xeretv, Y] rcpaxxsiv xaxa xo elxoCi "*] xo avavv.aiov, 06
cxo^aCexoc. 4j koitjok; bvojj.axa iicitifl-ejxevnr], überfetjt £>acier : une
chose generale, c'est ce que tout homnie d'un tel ou d'un
tel caractere a du dire, ou faire vraisemblablement ou
necessairement, ce qui est le but de la Poesie lors meme
qu'elle impose les noms ä ses personnages. Soßfommen
fo überfetjt fie aud) -gerr (Surtius : „$)a§ 2tflgemeine ift, roa3
einer oermöge eineg geroiffen Gljarafterg nad) ber 2£al)rfd)eim
lid)leit ober sJ£otroenbigfeit rebet ober tljut. £iefe3 allgemeine
ift ber ©nbjmed ber £)tcr)ttunft, aud) wenn fie ben ^erfonen
befonbere tarnen beilegt." 2lud) in tt)rer Stnmerfung über
biefe Sßorte fielen beibe für einen 9Jiann ; ber eine fagt voll-
lommen eben bagi, roa3 ber anbere fagt. Sie erflären beibe,
roa3 bag SUIgemeine ift; fie fagen beibe, baft biefeö unge-
meine bie 5lbfid)t ber ^oefie fei; aber mie bie $oefie bei
Erteilung ber 9iamen auf biefeö SlKgemeine fiefyt, bauon fagt
feiner ein äöort. Sßielmeljr jeigt ber gran^ofe burd) fein
lors meme, fomie ber 2)eutfd)e burd) fein aud) roenn offenbar,
ba£ fie nichts baoou 311 fagen geraupt, ja, bafj fie gar nicr;t
einmal oerftanben, mag 2(riftotele3 fagen roollen. £enn biefeS
lors meme, biefeg aud) roenn Ijeifet bei i^nen nid)t3 meljr
al§ obfdjon; unb fie (äffen ben 2(riftoteleg fonad) btofe fagen,
ba| ungeachtet bie $oefte iljren ^^fa^en Hainen oon ein=
jeln ^erfonen beilege, fie bem ol)ngead)tet nid)t auf bao
158 £am6urgifdje Dramaturgie.
©inline biefer $erfonen, fonbern auf bag allgemeine berfelben
gelje. 2)te Sßorte beg £)acier, bie id) in ber 3^ote anführen
will,*) geigen biefeg beutlidj. 9hm tft eg mafyr, bafe biefes
eigentlich feinen falfdjen ©inn madjt; aber eg erfdjöpft bod)
audj ben ©inn beg Slriftoteleg l)ter nict)t. üftidjt genug, ba$
bie $oefte ungeachtet ber oon einzeln $erfonen genommeneu
tarnen auf bag Slffgemeine gefeit fann: 2Iriftoteleö fagt,
bag fie mit biefen Tanten felbft auf bag allgemeine giele,
ob QxoyoZzxo.'.. gd) follte bod) roofjl meinen, baf$ beibeg md)t
einerlei märe. Qft eg aber nid[)t einerlei, fo gerät man not=
menbig auf bie grage: raie gtelt fie barauf? Unb auf biefe
grage antworten bie 2tug(eger nidjtg.
$Uun?igft*s ^tittk*
3)en 11. Wäv-i 1768.
Sßie fie barauf gtele, fagt 2lriftoteles , biefeö Ijabe fid)
fdjou längft an ber üomöbie beutlid) gezeigt: Erc». (asv &uv tyjc
v.a>jj.ü)oca? TjOYj toüto StjXov y£Y0V£V* oüarinoavcec yap tov jj-uftov
o'.a tü)V £lxotü)V, outen to. TDyovta ovo|i.axa liriTt^saat , v.ac ouy
tüaTcsp ol lajxßoTcoio'. Ttcp'. Ttuv xa-ö*' sv.aatov noiooaiv. ^ct) llUl^
aud) ^ieruon bie Ueberfe&ungen beg SDacier -unb Gurtiug an=
führen. SDacier fagt : C'est ce qui est dejä rendu sensible
dans la Comedie, car les Poetes comiques, apres avoir
dresse leur sujet sur la vraisemblance imposent apres
cela ä leurs personnages tels noms qu'il leur plalt, et
*) Aristote previent ici une objection, qu'on pouvoit lui faire, sur la
denuition qu'il vient de donner d'une chose generale; car les ignorans
n'auroient pas manque de lui dire qu'Homere, par exemple, n'a point en
vue d'ecrire une action generale et universelle, mais une action particu-
liere, puisqu'il raconte ce qu'ont fait de certains hommes, comme Achille,
Agamemnon, Ulysse, etc. et que par consequent, il n'y a aucune difference
entre Homere et un Historien, qui auroit ecrit les actions d'Achille. Le
Philosophe va au devant de cette objection, en faisant voir que les Poetes,
c'est-ä-dire, les Auteurs d'une Tragödie ou d'un Poeme Epique, lors meme
qu'ils imposent les noms ä leurs personnages ne pensent en aucune ma-
niere ä les faire parier veritablement, ce qu'ils seroient obliges de faire,
s'ils ecrivoient les actions particulieres et veritables d'un certain homme,
nomme Achille ou Edipe, mais qu'ils se proposent de les faire parier et
agir necessairement ou vraisemblablement; c'est-ä-dire, de leur faire dire
et faire tout ce que des hommes de ce meme caractere devoient faire et
dire en cet etat, ou par necessite, ou au moins selon les regles de la
vraisemblance; ce qui prouve incontestablement que ce sont des actions
generales et universelles. 9iid)t§ anber§ jagt autf) £err Gurtiu§ in feiner 51n=
merfung ; nur bafj er ba§ allgemeine unb (Sinjeine v.od) an SBeiftueten jeigen tuoüen,
bie ober nidjt jo redjt betoeifen, bafj er auf ben ©runb ber ©adfje gefonunen. 25enn
i^nen jufolge mürben e§ nur perfonifierte ©fjaraftere fein, tnetdje bet SDiäjtev rcben
unb tjanbetn ließe, ba e§ bort) djnrafterificrte 5ßevfouen fein fottcu.
Sfteunaiflfteä ©tuet. 159
n'imitent pas les Poetes satyriques, qui ne s'attachent
qu'aux choses particulieres. Unb SurttUÖ: „$n bem Stift«
fpiele ift btefeg fdjon lange fidjtbar geroefen. 3)etm wenn bie
Äomöbieitfdjreiber ben ^jlan ber g-abel nad) ber 2Ba!)ifdjein=
lidjfeit entworfen fjaben, legen fte ben s$erfonen roillfiirlidje
tarnen bei nnb feigen ftd) nidjt, roie bie jambifdjen ©idfjter,
einen befonbent üBontmrf jum 3iele." s^a^ finbet man in
biefen Uebetjeijungett uon bem, roa3 2lriftotele3 Ijier oornel)m=
ltdj fagen roill? SBetbc Taften ilm roeiter nidjtä fagen, aU oafc
bie tomtfdjen 3)id;ter e§ ntdjt madjten, roie bie jambifdjen
(ba§ ift, fatirifdjen £)id)ter), unb fid) an ba3 einzelne Rieften,
fonbern auf ba3 SWgemetne mit iljren ^erfonen gingen, benen
fie roillf'ürlidje tarnen, tels noms qu'il leur plait, bei;
legten, ©efetjt nun ancf), bafe xa to^ovra ovofxaxa bergletdjen
tarnen bebeuten fönnten: rco Ijaben benn beibe Ueberfet^er
ba3 ouxco gelaffen? Schien iljnen benn biefeä ob-u> gar nidjtg
31t fagen? Unb bod) fagt e3 l)ier adeö; benn biefem 06™
^ufotge legten bie fomifdjen SDid^ter it)ren ^ßerfonen nicr)t allein
roillfürlidje -Kamen bei, fonbern fie legten tlmen biefe mißfür=
lid;e tarnen fo, o6tu>, bei. Unb rote fo? ©0, baf$ fie mit biefen
•ftamen felbft auf ba3 Slllgemeine gelten ! 06 ato/aCetc« 4) tcoiyjou;
bvojxata eTuxithpvYi. Unb roie gefc^at) baö? S)anon finbe man
mir ein 28ort in ben Slnmerfttngen bes> 2)acier unb @urtiu§!
Dime roeitere Umfdjroeife: e3 gefd)al) fo, roie tdj nun
fagen roill. SDte $omöbie gab tljren ^erfonen tarnen, roeldje
nermöge tr)rer grammatifdjen Ableitung unb ^ufommenfe^ung
ober and) fonftigen SBebeutung bie 33efd)affenl}eit biefer ^erfonen
augbrüd'ten; mit einem 2ßorte, fie gab ilmen rebenbe tarnen,
tarnen, bie man nur Ijören burfte, um fogleid) ju roiffen,
von roeldjer 2(rt bie fein würben, bie fie führen. %d) roill
eine (Stelle be3 £)onatu§ hierüber angießen. Nomina per-
sonarum, fagt er bei Gelegenheit ber erften geile w ^m
erften ^luf^uge ber trüber, in comoediis duntaxat, habere
debent rationem et etymologiam. Etenim absurdum est,
comicum aperte argumentum confingere : vel nomen per-
sonse incongruum dare vel officium quod sit a nomine
diversum. *) Hinc servus fidelis Parmeno: infidelis vel
*) Siefe Sßeriobe fönnte leidet fet>r falfd) oerftanben werben. 9}ämlid) wenn
man fie jo oerftefyen wollte, al§ ob 2)onatu§ aud) MZ für etwa» Ungereimte» tjielte,
Comicum aperte argumentum confingere. Unb ia% ift bod) bie Meinung be»
25onatu§ gar nidjt. Sonbern er miß fagen: e§ Würbe ungereimt fein, wenn ber
fomifdje 2)id)ter, ba er feinen (Stoff offenbar erfinbet, gleidjwoljl ben ^erfonen un=
fdjitfüdje tarnen ober 93ejä)äftigungen beilegen Wollte, bie mit ifyren tarnen ftritten.
160 .oam&urgiftfje Dramaturgie.
Syrus vel Geta: miles Thraso vel Polemon: juvenis
Pamphilus: matrona Myrrhina, et puer ab odore
Storax: vel a ludo et a gesticulatione Circus: et item
similia. In quibus summum Poetae vitium est, si quid
e contrario repugnans contrarium diversumque protulerit;
nisi per avcicppaoiv nomen imposuerit joculariter, ut Mi-
sargyrides in Plauto dicitur trapezita.*) 2Ber ftd) burd)
nodj mefyr SBeifpiete Gereon überzeugen mitt, ber Darf nur bie
tarnen bei bem $tautue> unb Vereng unterjudjen. 2)a it)re
©lüde alle aug bem ©riedjijdjen genommen finb: fo finb aud)
bie tarnen ifyrer ^erfonen griedjifdien Urforungg unb fjaben,
ber ©tmnologie nad), immer eine Sße^ierjung auf ben (Staub,
auf bie SDenf'unggart ober auf fo-nft etwas», mas biefe ^erfonen
mit meiern gemein baben formen; roenn mir fdjon fotdje
©tmnologte nicijt immer flar unb firfjer angeben tonnen.
5dj roiß mid) bei einer fo befannten <5ad)t nicrjt oer=
meilen; aber nmnbern mufj id) mtd), mie bie 2(u3leger be3
Slriftoteleö fid} iljrer gleid)raoi)l ba nidjt erinnern fönnen, mo
2lriftotele§ fo unraiberfpredjlicr} auf fie oerroeifet. £)enn rva$
fann nunmehr magrer, roa3 !ann flärer fein, al§ roa§ ber
s$Ijtfofoprj oon ber SRüdficr)t fagt, meldte bie $oefie bei @r=
tetlung ber tarnen auf bciZ Slllgemeine nimmt? 2Ba§ fann
unleugbarer fein, als baf$ litt [xsv xyjc %u>p.u>§iac rfif\ xouto
oyjXov yepvev, bafc fxdf> biefe SRiicfftdt^t bei ber £omöbie befonberS
längft offenbar gezeigt IjabeV 33on irjrem erften Urfprunge an,
ba§ ift, fobalb fid) bie jambifcr)en SDtct)ter oon bem Sefonbern
$u bem allgemeinen erhoben, fobalb au§ ber beleibigenben
(Satire bie unterrid§tenbe ^omöbie entftanb, fud)te man jenes
'Denn freitid), ba ber ©toff ganj Don ber ©rfinbung be§ 2)idjter§ ift, fo ftanb e§ ja
einsifl unb allein bei if)tn, tt>a§ er feinen gkrfonen für Warnen beilegen, ober ma§ er
mit biefen tarnen für einen ©tanb ober für eine 2Serrid)tung uerbinbeu moHte.
<3onad) bürfte fid) öietleidjt Donatu§ aud) felbft fo ameibeutig nid)t au§gebrütft traben;
unb mit Sßeränberung einer einzigen ©Übe ift biefer 9Inftofj Dermieben. Wlan lefe
uämlid) entroeber : Absurdum est, Comicum aperte argumentum confingentem
vel nomen persona? etc. Ober aud) aperte argumentum confingere et nomen
persona? u. f. tu.
*) [SDie tarnen ber iperfonen, in ben ßomöbien menigften§, muffen ityre 33e=
red)tigung unb (Stmnotogie fjaben; benn e§ ift ungereimt, bafj ber ßomöbienbidjter,
ber feinen Stoff frei erfinbet, ber Sßerfon entraeber einen unpaffenbeu Tanten ober
ein ttjrem tarnen miberfpred)enbe§ ©efdjäft gebe. 2)al)er tjeifjt ber treue ©Hatte
$armeno, ber untreue ©t)ru§ ober ©eta, ber ©olbat 3:t)rafo ober polemon, ber junge
Wann ^ambf)itu§, bie Patrone 9Jh)rrlnna, unb ber Jüngling tion feinem gjarfüm
©torar. ober üom Kampfe unb üom pantomimifdjen Spiele 6ircu§ unb bgt. hierbei
ift e§ ein Hauptfehler be§ SDid)ter§, tnenn er feinen Sperfonen tarnen beilegt, bie ifyrem
6t)arafter gerabeju miberfpredjen, e§ tnüfjte benn burd) ein fdjerarmftes Söortfpiel
gefd)et)en, mie 3. 33. „©elb^affer" im Sßlautuä „2Jläfler" genannt mirb.
3 immer mann.]
9leutt8t0fte§ 3tiicf. 161
^Hgemeine burdj bte Sftamen jelbft ausbeuten. S)er grot}=
fpredjerifdre feige Solbat fyief} nidjt wie biefer ober jener
2Infüf)rer au3 biefem ober jenem 'Stamme: er fjiefe ^nrgopo=
Iiniceö, Hauptmann 9!)i au erbred) er. 3)ev elenbe Sd)marut5cr,
ber biefem um bag sDtaul ging, fyieft nidjt mie ein gereifter
armer Sdjlud'er in ber Stabt: er fyiejs Slrtotroguö, 23rod'err=
fdjröter. 2)er 3^n9^9/ meldjer burdj feinen Slufmanb,
befonbers auf $ferbe, ben SSater in Sdjulben feilte, l)ieft nicht
mie ber Solm biefeS ober jene3 ebehr 93ürger§: er Ijiejj ^tri-
bippibeS, Snnfer Spar rot}.
9Jtan formte einmenben, bar} bergleidjen bebeutenbe Tanten
moI)l mir eine ©rfinbung ber treuen griedjifdjen föomöbie fein
bürften, beren SDidjtern eS ernftlid) verboten mar, fidj maljrer
■Kamen ju bebienen ; bar} aber 2Iriftotetes biefe neuere komöbie
nidjt gerannt fyahe. unb folglid) bei feinen Regeln feine 9iüd'=
ftd)t auf fie nehmen formen. £>a§ letztere beirauptet §urb;*)
aber e3 rft eben fo falfd), als falfdj eö ift, baft bie ältere
griedjifdje ^omöbie fiel) nur magrer -Kamen bebient tjabe. Selbft
in benjenigen Binden, beren uornefmrfte einzige 3(bfrd)t e3
mar, eine gemiffe befannte $erfon lädjerlidj unb vertagt 511
madierr, maren arider bem matjrerr tarnen biefer ^erforr bie
übrigen faft ade erbidjtet, unb mit SBe^ietjung auf üjren Staub
unb ßlrarafter erbidjtet.
*) §urb in feinet Qlbhanbtung über bie fcerfebiebenen ©ebiete be§ 2)rama.
From the aecount of Comedy, here given, it may appear, that the idea
of tliis drama is much enlarged beyond what it was in Aristotle's time;
who defines it to be, an imitaüon of light and trivial actions, provoking
ridicule. His notion was taken from the state and practice of the Athe-
nian stage; that is from the old or middle comedy, which answer to
this description. The great revolution, which the introduetion of the new
comedy made in the drama, did not happen tili afterwards. [2)er hier ge=
gebenen SJarlegung ber ßomöbie jufolge möd)te e§ fdjeinen, baß ber ^Begriff biefer
bramatifebeu (Gattung meit über bat, hinaufgegangen fei, ma§ fie in ben Seiten be§
Slriitotete» mar, ber fie ot§ eine 9tad)ahmung unbebeutenber unb olltägtidjer, ba§
üädjerlidje herauc-forbernber ^anblungcn befiniert. Seine Wnfid)t mar bem 3u=
ftanbe unb beut jperfommen ber 91thenienfiid)en SBübne entlehnt, b. i. ber alten
ober mittleren Stomöbie, meldje biefer Skfcbreibung entffrid)t. Sic grofje Hm=
mätjung, meldje bie Einführung ber neuen ftomöbie im Trama Oerurj'adjte , trat
erft füiiter ein.] ?lber biefe§ nimmt §urb bloß an, bainit feine Grftiirung ber
ßomöbie mit ber Slriftotelifdjeu nicht fo gerabeju ju ftreiten fdjeine. 9lriftotcle'§ hat
bie 9teue ßomöbie allerbings erlebt, unb er gebeult ihrer nameuttid) in ber DDloral
an ben 9ticomad)u-:-, mo er Don bem anftanbigen unb unanftänbigeu Sdjcräe hanbelt.
(Lib. IV. cap. 14.) 'Iooi 85 6cv ttq v.ai Ix xeov v.cu|j.u)5ctov tcov Tzakaxuv
Y.cu x(uv xa'.vcuv. Toic, (jlsv Yap "Jjv ^bXoiov 4] aio^poXoYttt, xoiz Ss
fxaXXov 'i\ 6tcovo:c/. [95t an lann bie§ aus ben alten unb ben neuen ßomöbiett
fehen. 3n jenen nämlid) mar fd)led)te§ föerebe ba§ Öädjerlidje; in biefen maren
e§ mehr gnmbeutigfeitem] 95tan föunte smar fagen, baß unter ber neuen
Seffing, SSerfe. XII. 11
162 £>am6urgifd)e Dramaturgie.
(Buutttfcncuttjtfl.jt£5 §tütk*
2m 15. m'dxi 1768.
Qa, bie roaljren Hainen felbft, lann man jagen, gingen
nitfjt feiten mefjr auf bas allgemeine al3 auf bag ©inline.
Unter bem -Diamen ©ofrateS mollte Slriftopfjaneg nidjt ben
einzelnen <8ofrate§, fonbern alle (Sopljiften, bie ftd; mit fe
jueljung junger Seute Gemengten, Iäd;erltdt) unb uerbädjtig
machen, ©et gefährliche Sopljift überhaupt mar fein ©egen=
ftanb, unb er nannte biejen nur Sofrates, meil <Soh*ates al3
ein foldjer iierfdjrieen mar. 3)af)er eine 9ftenge 3u9e/ ^e auf
ben 'SofrateS gar nidjt paßten, fo ba£ ©ofrateä in bem
Sweater getroft auffielen unb fid) ber Sergleicljung preisgeben
fonnte ! 3lber mie fet)r nerfennt man bas 3Befen ber &omöbie,
menn man biefe nidjt treffenbe 3üge für nidjts als mutwillige
ä>erleumbungen erflärt unb fie burdjaus bafür ntcr)t erfennen
mill, mas fie bod) jtnb, für ßrmeiterungen bes einjelnen
Gljarafters, \üx (M)ebungcn bes ^}erfönlid)en gum Slllgemeinen!
§iei liefte fid) oon bem ©ebraudje ber mafjren tarnen in
ber gried)ifd)en Romöbie überhaupt oerfdjiebnes fagen, roa§
uon ben ©eleljrten fo genau nod) nidjt aus einanber gefegt
roorben, aU e3 mofjl uerbiente. ßs liege fid) anmerfen, baJ3
biefer ©ebraud) feinesmeges in ber altern gried)ifd)en Romöbie
allgemein gemefen,*) baf$ fid) nur ber unb jener 2)id)ter ge=
Slomöbie l)ier bie mittlere oerftauben werbe; beim al§ nod) leine neue gemefen,
fmbe notroenbig bie mittlere bie neue Reißen muffen. 5ftan fönnte l)inäufet;eit,
baß ^Iriftotelel in eben ber Dlnmpiabe geftorben, in roeldjer Sftenanber fein erfte§
Stücf aufführen lafjen, unb jroar nod) baz %al)X uorfyer. (Eusebius in Chro-
nico ad Olymp. L'XIV. i.) allein man t)at Uuredjt, menn man ben Anfang
ber neuen ßomöbie bon bem 9ftenanber red)net; DJcenanber mar ber erfte Sidjter
biefer Gpodje, bem poetifdjen SBerte nad), aber nidjt ber 3e^ na$- s£f)ilemon, ?a'
baju gehört, f abrieb biel früher, unb ber Uebergang bon ber mittlem ^ur neuen
ßomöbie mar fo unmerfhd), 1)0% e§ bem 5lriftotete? uninöglid) an Wuftern berfetben
fann gefehlt Ijabeu. 9lriftopl)aneä felbft Ijatte fdjon ein foldjes Wufter gegeben; fein
&ofalo§ mar fo bejdjaffeu, wie it)n >pt)Uemon fid) mit wenigen SScränberungen
■jueignen fonnte: KoxaXov, fyeißt e§ in bem Seben be§ 3lriftot>t)ane§, lv tu z:-:-
txYei (p&opav Rat avaYva>piaji.ov , xai taXXa icavxa v. I£yjXü)OS
^1ev7.vooot. [Seit Sofaioc-, in lucidum er ben SJerluft unb bie SSiebercrfennung
einführt, 'unb alles aubere, moriu TOenanber iljm nadjeiferte. 3 immermann.] SDBi«
nun alio \»(viftop()ane» ÜJlufter »on allen uerfdjiebenen 5lbänberungen ber Mom'öbic
gegeben, fo fonnte aud) ?lriftotele§ feine (vrUärung ber ßomöbie überlmupt auf fie
alle einridjten. 2ac- trjat er benn; unb bie ßomöbie [jat nad)l;er feine (5-nociterung
befommen, für meld;e biefe Grfliirung ju enge gemorben märe. §urb hätte fie nur
red)t üerftefjen bürien, unb er tuürbe gar nid)t nötig getjabt Imben, um feine an unb
für fid) rid)tigen begriffe bon ber Äomöbie außer allen Streit mit ben Staftotetijdjen
3u fe^en, feine Qufluctjt ju ter nerineintlidjen Unerfaf)renf)eit be§ 9lrifiotele§ 311 neunten.
*) SÖeun nad) bem 3lriftotele3 bat- cd)enia ber .Qoiuöbie bon bem ^Jargite; bc-:-
§omer, cö i{»oyov, aXXa zo yekoiov Bpa{j.a/corcoiY|Oavcoc, [ber nid)t bie
G'tmmbneuntfgftes Ztüd. 163
legent(tdj) besjel6en erfülltet,*) baft er foljiüd) nidjt aU ein
unterjdjeibenbee iDievhnal biefer Gpodje ber .Slomöbie 511 6e=
tradjten.**) Gö üefte fid) Reißen, bafj, als er enb(id) bnrd)
Satire, fonbern ben £umor jutn föegetiftanbe bes 5)rama madjte — ] genommen mor=
ben, fo roirb man, allein ftnfetyen nad;, aud; gteid) anfangs bie erb'idjteten Warnen
mit eingeführt fjaben. Senn yjiargites war mot;l nid)t ber mafjre 9iame einer ge*
miffen 5perfon, inbem MapYeiTYj^ mol;l efjer t>ou jj.aoyr - [rafenb, tljörid;t]
gemad)t morben, als i>a\>, üMOTTjC tum M'/.v|'v.?f^ foüte eutftanben fein. SSon
Derfd;iebenen Sidjtem ber alten ßomöbie finben nur es aud) ausbrücflid) angemerkt,
baß fie ftd) aller 9ln}ügtid;feiten enthalten, meldjes bei mafjren Flamen nidjt möglidj
gemefen märe. 3- * Don Dem ^pcjerefrates.
Die periönüaje unb namentliche Satire mar fo menig eine mefentlidje Cngen*
fdjaft ber alten ftombbte, baß man t>ielmef)r benjenigen iljrer £id;ter gar mobt fennet,
ber fid) tfjrer juerft erfüfjnet. (fs mar Gratiuus, meldjer juerft t(p j^aptevxt r*K
xa>Lup3&a<; to uxpeXtfiov icpoa3<8MYme, too<; xaxtoc; jtpaxtovcow; 81a-
ßaXXcov, xat (vaicep oy(;j.o -'.</. ftaattYt rg xcoucpo'iqE xoXa£a>v. [SBet 3u=
erft bem unmutigen ber ßomöbie bas Dlütjlidje jugefellte, inöem er bie fdjledjt .vnin=
belnben burcbjog unb fte mie mit einer öffentiidjeu Öeifjel burd) bie fiomöbie
jüdjtigte.] llub aud} biefer magte fid) nur anfangs an gemeine, oertuorfene Veute,
ton beren 9lf)nbung er nidjts ju befürd)teu ()atte. Wriftopljanes mollte fid) bie (vl;re
nid)t nehmen lafjen, baß er es fei, meldjer fid; juerft au bie @rof;en bes Staats ge*
magt rjabe: (Ir. v. 750.)
Ob% Lotuycac &v$pu»iciaxooc xaipupScov, o58e YövatxaCj
'AXX1 cflpaxXsoo(; o^'-rv uv3 E^tov, total fieYtcxot? ir.v/f.y,'..
[Ulidjt pfebejijdje 9)lenfdjlein lädjerlid; maäjenb ober 52eiber, fonbern bes focrafles
^orn fjegenb, griff er Die ©roßten an. 3] 2ia, er fjätte lieber gar biefe .Vtütjntjeit
als fein eigenes 5ßriDilegium betrachten mögen. 6r mar fyödjft eiferfüdjtig, als er
fafj, baß itjrn fo niele anbere Sidjter, bie er neradjtete, barin nachfolgten.
jeldjes gteidjmofjl faft immer gefdjiefjt. 3a, man gefjt nodj roeiter unb mill
behaupten, ta^ mit \>en roarjren Flamen aud) mat)re Gegebenheiten üerbunben gemefen,
an meldjen bie (irfittbung bes Siebter» feinen Seil gehabt. Sacier fclbft fagt:
Aristote n'a pu vouloir dire qu'Epicharmus et Pliormis inventerent les
hujf.t3 de leurs pieces, puisque Tun et l'autre ont ete des Poetos de la
vieille Comedie, oü il n'y avoit rien de feint, et que ces aventurea t'ointea
ne commencerent ä etre mises sur le theätre, que du tems d'Alexandre
le Grand, c'est-a-dir-i dans la nouvelle Comedie. (Bemarqtie sur le
Chap. V. de la Poet. d'Ariat.) tylan follte glauben, raer fo etmas fageu
fönne, müßte nie aud; nur einen 53lid in ben 5triftopl;anes gettjau fjaben. 3DoS
Argument, bie %abtl ber alten griedjifdjen ßomöbie, mar ebtn fo mot)l erbid;tct, als
es bie Argumente unb ^fabeln ber neuen nur immer fein tonnten. $ein einjigcs
üon ben übrig gebliebenen Stüdeu bes 9(riftopr;ane3 ftellt eine Gegebenheit nor, bie
mirflid) gefdb,et;en märe; unb mie faun man fagen, baß fie ber 2)id;ter besmegeu uid)t
erfunben, meil fie jum 2eil auf mirflidje Sßegebenl)eiten anjpielt '{ SBenn ^Iriftoteles
als ausgemadjt annimmt, btt TOV r.'y.rz-r^ [xaXXov T<ov jto^wv elvat Zti
rv.'':r/. r ciov pteTptuv [baß ber Sinter mefjr ber Sd;öpfer ber poetifd;en
Stoffe als ber Versmaße fei]: mürbe er nidjt fd;ted;terbings bie Sßerfaffer ber alten
griectjifdjen StomStnt aus ber Alane ber £itf)ter l;aben ausfd;ließen muffen, roenn er
geglaubt tjätte, la*; fte bie Sdgumetttc ifjrci: Stüde nidjt erfunben? >2lber fo mie es,
nadj it)m, in bet 3:ragöbie gar mof)l mit ber poetijdjen (frfiubung beftefieu fann,
- ;men unb Umftanbe aus ber roafjren ßetd;id;te entlehnt fi nb : fo nun; es, feiner
Meinung nad; , aud) in ber ßomöbie beftefjen fönnen. (ss fann unmöglid) ieinen
Segriffen gemäß gemefen fein, M% bie Äomööie babureb,, baß fte mat;re 9'camen
braudie unb auf raaljre SBegebent;eiten anfpiele, mieberum in bie jambifd;e Sd;inäl;*
fud;t jurüdfalle; üielmeljr muß er geglaubt fjaben, la^ fid; bas xa&oXoo icoceiv
Xoyooc '; Z Üm aügemeinen bie SReben ober Stoffe erfiuben] gar mof;l
164 §am6urgtfct)e Dramaturgie.
ausbrüdlidje ©efe^e unterfagt mar, boct) nod) immer geioiffe
^ßerfotten von beut ©d)ufce biefer ©efetje entioeber namentlich
auSgefdjloffeu waren ober bod) ftillfcl)iuetgenb für auSge=
fdjloffeu gehalten mürben. Qn ben ©tücfen beS sJJienanberS
felbft mürben nod) Seilte genug bei iljren magren Manien
genannt uub ladjerlid) gemacht.*) SDod) icfj mufe mid) ntdjt
aus einer SluSfdjraeifung in bie anbere oerlieren.
3d) miß nur nod) bie Slnmenbung auf bie wahren Manien
ber ^ragöbie mad)en. Bo mie ber äriftopljanifctje 6ofrateS
ntdjt ben einzelnen 9Jtomt biefeS Samens oorftellte, nod) oor=
ftellen follte; fo mie biefeS perfonifterte Sbeal einer eiteln
unb gefätjrlidjen (Schulweisheit nur barum ben -Kamen ©ofvateS
befam, weil ©ofrateS als ein foldjer ^äufdjer unb SSerfüljrer
gum ieil befannt mar, gum ^£eit nod) bekannter werben follte;
fo mie blofe ber begriff oon ©taub unb ßljarafter, ben man
mit bem tarnen ©ofrateS oerbanb unb nod; näljer uerbinben
follte, ben SDtd&tcr in ber 2öal)l beS 9kmenS beftimmte: fo
ift aud) blofc ber begriff beS ßljarafterS, ben mir mit ben
Manien ^egutuS, Gato, 33rutuS gu uerbinben gemol)nt finb,
bie Urfadje, marum ber tragifetje £)id)ter feinen $erfonen biefe
tarnen erteilet. @r füljrt einen SfteguluS, eines 33rutuS auf,
nidjt um uns mit ben wirf liefen Segegniffen biefer Männer
belannt 511 machen, nietet um baS ©ebädjtniS berfelben gu er=
neuern: fonbem um unS mit fotdjen 33egegniffen gu unter-
Ijalten, bie Männern oon ifjrem (Eljaralter überhaupt begegnen
fönnen uub muffen. -Jcam ift gwar wafyr, bafc mir biefen iljren
(Sljarafter aus tijren wirf liefen 23egegniffen abftrat)ieret Ijaben:
eS folgt aber bod) barauS nidjt, bafe uns aud) t|r ßljarai'ter
wieber auf it)i*e 23egegniffe gurüdfüfyren muffe; er lann uns
nid)t feiten meit fürgev, meit natürlid)er auf gang anbere
bamit Verträge. (Sr gefielt biefeS ben ätteften fomifdjen 2)id)tern, beut (S}nd)armu3,
bem SßljotmiS unb ßrateS ju unb mirb e§ gettriij bem <Hriftotd;ane3 nidjt abgetyrodjen
fjaben, ob er fdjon mufjte, wie fcl)r er nid)t allein ben $teon unb §t;pcrbotu§, fon=
bem aud) ben ^erif(e§ unb ©ofratc» namentlich, mitgenommen.
*) TOit ber Strenge, mit meldjer $tato ba§ SBcrbot, jemanb in ber $omöbie
lädjerlid) p madjen, in feiner SRepublif einführen mollte (jvtjts Xoyiü, jxvjts
elv.ovi, jj.*f]xs ■9'Djj.ü), jj.y]T£ avsD ^ujaoü, [XY]§ajjiu)c fJ-YjSsva xcov tcoXi-
tü)V y.oju.ü)oetv) [roeber mit SBorten, nod) burd) ein 25ilb, meber mit §afj, nod)
oljue §afj irgenbmie einen ber SMirger lädjerlidj ju madjen — 3-L ift in ber toir!»
lidjcn lliepubtif niemals bariiber gehalten morben. 3d) miß nid)t anführen, baf; in
ben ©tu den bes 2Jlenanber nod) fo mandjer cimil'dje ^tjitofobtj, nod) fo mandje 93ul)=
Icrin mit tarnen genennt marb; man fönnte antworten, bafe biefer ?lufd)aum Don
5Ö?enfd)en nid)t ju ben SBiirgern gehört. ?lber ^tefippu§, ber ©otm be§ 6t)abria§,
mar bod) gemip 3ltl)cnienjtf$er 93iirgcr fo gut mie einer, uub mau fetje, tua§
TOenanbcr tion i^m fagte. (Menandri Fr. p. 137. Edit. Cl.)
Qroeitmbneunjtgfteä ©tütf. 165
Bringe«, mit meldjen jene roirflidjen weiter nidjtS gemein Ijaben,
aiö bafe fte mit ilmen a\\$ einer Quelle, aber auf unjuuers
folgenben Umwegen unb über Crbftridic Ijergeftofjen ßnb,
meldje iljre Sauterljett üerborben baben. vAsn biefem gälte roirb
ber $oet jene erfunbene ben mirflidjen fdjledjterbingö oor=
Rieben, aber ben Sßerfonen nod) immer bie magren tarnen
laffen. Unb jmar aus einer boppelten Urfadje : einmal, meil
mir fdnrn gewohnt ftnb , bei biefen Flamen einen Gfjarafter
51t beuten, mie er it)n in feiner OTgemeinljeit &eiget ; jwettenS,
meil mirtlidjen Tanten and) inirflidje Gegebenheiten angu^ängen
fd)einen unb alles, -mag einmal gefdjeljen, glaubmürbiger ift,
alö roa§ nidjt gefdjeljen. &te erfte biefer Urfadjen fliegt aus
ber Sßerbinbung ber 9(riftotelifdjen Segriffe überhaupt; fte
liegt gum ©runbe, unb 2lriftotele3 Ijatte nidjt nötig, fidj um=
ftanblidjer bei il)r 51t oermeilen, mol)l aber bei ber jmeiten,
atö einer von anbermärtö nod) bagu fommenben Urfadje. 2) od)
biefe liegt tfct aufter meinem 2Bege, unb bie 2ht§Ieger tns^
gefamt fjaben fte weniger mi&oerftanben al§ jene.
9hm alfo auf bie 23el)auptung be§ SMberot jurücfgu;
fommen. SBenn id) bie ßeljre be§ 2TriftoteIe§ richtig erfläri
gu baben glauben barf : fo barf id) aud) glauben, burdj meine
(Sitlärung bemiefen 51t baben, bafe bie Sadje felbft unmöglich
anberS fein fann, als fie SlviftoteleS tcf)ret. 3)te ßljaraftere
ber ^Tragöbte muffen eben fo allgemein fein at3 bie (Sljaraftere
ber föomöbie. 2)er Unterfdjieb, ben £)iberot behauptet, ift
falfd), ober 2)iberot mufi unter ber 2lllgemeinl)eit eineö ßf)a=
rafters gang etmas anbers oerftefjen, als 3lriftotele§ barunter
oevftaub.
groetunfeimiwigltcs ftM.
Seit 18. maxi 1768.
Unb marum fönnte ba§ letztere nidit fein? ginbe id)
bod) nod) einen anbern, nidjt minber trefflidjen $unftrid)ter,
ber fid) faft eb^n fo ausbrüdt als £)iberot, faft eben fo gerabgu
bem Slriftoteles 51t miberfpredjen fdjeint unb gleid)mol)t im
©runbe fo menig miberfpridjt, baft id) ibn melmef)r unter
allen Kunftricotern für ben jenigen erfennen mufj, ber nod; ba§
meifte £td)t über biefe -Dmterie oerbreitet l)at.
@g ift biefeS ber englifd)e Kommentator ber §ora^ifd)en
£id)tfunft, §urb: ein Sdjriftfteu'er aus ber jenigen ftlafie,
bie burd; Uebevfet^ungen bei uns immer am fpäteften betannt
1G6 £am6urgifd)e Dramaturgie.
werben. 3d) mödjte tf>n aber Ijier ntdjt gern anpretfen, um
biefe feine 33eianutmadmng 31t befdjleunigen. 3Senn ber
3)eutfdje, ber iljr gemacljfen märe, fidj nod) ntdjt gefunben
I)at, {0 bürften wettetet aud) ber Sefer unter un§ nod) nid)t
oiele fein, benen baran gelegen märe. 2)er fleißige 9Jiann,
üoH guten 2öillen§, übereile ftd) olfo lieber bamit nid)t unb
fclje, roa§ \d) oon einem nodj unüberfetjten gutem 33ud)e l)ter
jage, ja für feinen ÜfiHnf an, ben td) feiner allejeit fertigen
geber geben mollen.
§urb l)at feinem Kommentar eine 2Ibl)anbiung über
bie oerfdji ebnen ©ebiete beS Srama beigefügt.
£enu er glaubte bemerft 31t Ijaben, ba| bi3l)er nur bie allge^
meinen ©efei^e biefer ©idjtungöart in ßrmägung gebogen
morben, oljne bie ©renken ber oerfdjiebnen Gattungen ber=
felben feftjufe^en. ©leid)mol)I muffe aud) biefeg gefdjefyen,
um non bem eigenen SSerbienfte einer jeben (Gattung in§~
befonbere ein billiges Urteil 511 fällen. 9tad)bem er alfo bie
2lbfid)t be§ 2)rama überhaupt unb ber brei ©attungen be3=
felben, bie er nor fidj finbet, ber S£ragöbie, ber ^omobie unb
beS $offenfpiel§ , insbefonbere feftgefe^t: fo folgert er au3
jener allgemeinen unb au§ biefen befonbern 2(bfid)ten foiooljl
Diejenigen ßigenfdjaften, meldje fie unter ftd) gemein Ijaben, aU
biejentgen, in meieren fie oon einanber unterfdjiebeu fein muffen.
Unter bie letztem redjnet er in 2lnfel)ung ber Stomöbie
unb ^ragöbie aud) biefe, baft ber ^ragöbie eine mal)re, ber
Mcmbbie hingegen eine erbidjtete Q3egebenl)eit ^uträglicljer fei.
§ierauf fäfjvt er fort: The same genius in the two dramas
is observable, in their draught of characters. Comedy
makes all its characters general; Tragedy, parti-
cular. The Avare of Moliere is not so properly the
picture of a covetous man, as of covetousness
itself. Racine's Nero on the other hand, is not a picture
of cruelty, but of a cruel man. 2). i. : „3u bem
nämlidjen (Seifte fd)ilbern bie $mei ©attungen be3 ®rama
aud) iljre ßljaraftere. £)ie Äomöbie madjt alle tf>rc (5t)a=
rafterc general, bie Xragobie nartifular. 3)er ©einige
be§ dotiere ift uid)t fo eigentlidj baö ©emälbe eines! gei§i=
gen 9Jftanne3, at§ be§ ©ei§e3 felbft. ^acineng lJtero
hingegen ift ntdjt bao ©emälbe ber ©raufamfeit, fonbevn
nur eineg gr auf amen sDcanne£>."
§urb fdjeinet fo gu fdiliejen: menn bie ^ragöbie eine
maljre ^Begebenheit erfobert, fo muffen aud) iljre (Sljaraftere
StuciunbncunjtgftcS <3tücF. 167
roaljr, bao ift, [o Befd^affen fein, rote fic roirflidj in ben ftnbU
mtuitö criüieren; roenn hingegen bie föomöbie fid) mit er=
biebteten SöegeBenljeiten Begnügen fann, roenn xfyc roafjrfdjeiu;
I i et) e SegeBenfjeiten, in roetdjen (tefi bie Gfiarattcvc nad) allen
tbrem Umfange geigen fönnen, lieber finb alo roafjre, bie
iljnen einen fo roeiten Spielraum nidjt ertauben, fo bürfen
nnb muffen and) il)ie (Sbjarai'tere felbft affgemeiner fein, alo
fie in ber Sftatur einfrieren; angefeljen bem Stffgemeinen fetBft
in nnfcver (SinBilbungSfraft eine 2lrt oon Grifieng jnf'ömmt,
bie fiel) gegen bie roirflidje Griftenj beo @ingetn e6en roie
bao ^aljrfdjeinlidje $u bem Söaljren oerrjült.
3cf) will i|t nid)t unterfudjen, ob biefe 9trt 511 fdjliefjen
nidjt ein bloßer $irfet ift; id; roill bie ©cfylujjfolge Blofj am
nehmen, fo roie fie ba liegt nnb roie fie ber Sefjve beo 2lrifto=
teleo fd)nurftrado §u roiberfpred)en fcfjeint. ©od), roie gejagt,
fie fd)eint ee" bloß, roeldjeo ans ber roeitern G'rflärung beö
§urb erhellet.
„(fö roirb aber," fäfjrt er fort, „bjier bienlid) fein, einer
boppetten Sßerftojjung oorjubauen, roeldje ber eben ange-
führte G)vnnbfal5 31t begünftigen fdjeinen tonnte.
„£ie erfte betrifft bie &ragöbie, oon ber idj gejagt
bjabe, bafc fie partifuläre Gljaraftere geige. $d) meine, i()re
Gljaraftere finb partikulärer alo bie (Sl)araftere ber Momöbie.
S)aS ift: bie ^(Bfidjt ber ^ragobie verlangt es nid)t nnb
erlaubt eo nid)t, bafj ber 3Mä)ter oon ben djarafteriftifdjeri
Umftänben, buret) roetd)e fiel) bie Sitten fdjilbern, fo oiele
^nfammenjieljt, als bie föomöbie. S)enn in jener roirb oon
bem (Sbarafter nidjt mer)r gezeigt, als fo oiet ber SSerlauf
ber §anblung unumgänglici) erfobert. Qu biefer hingegen
roerben alle 8üge, bnrd) bie er fid) 511 nnterfdjeiben pflegt,
mit Jyfcif3 aufgefud)t unb angebracht.
„@e ift faft roie mit bem $orträtmalen. SBenn ein
großes SDleifter ein einzelnes ©efidjt abmalen foll, fo gibt
er ibm alte bie Sineamente, bie er in üjm finbet, unb maebt
es öefiebtern oon ber nämtidjen 9(rt nur fo roeit äljnlid), als
es of)ne SBerle|ung beo affergeringften eigentümlichen •Biigeo'
gefd)eben fann. ©off eben berfelbe $ünfrler hingegen einen
,siopf überbaupt malen, fo roirb er alle bie geroöljnlicben
ÜJlienen unb 3üge jufammen anbringen fudjen, oon benen
er in ber gefamten ©attung bemerft bat, ba| fie bie gbee
am fräftigften ausbrücfen, bie er fid) it3t in ©ebanfen ge=
mad)t t)at unb in feinem ©emätbe barfteften null.
168 Jpamfcurgtfcfje Dramaturgie.
„Gsben fo untcrfdjeiben ftd) bie ©djilbereien ber beiben
Gattungen beS £>rama; woraus beim erhellet, ba£, wenn id)
ben tragifdjen Gljarafter partifular nenne, idj blofj fagen
null, bafe er bie 2Irt, gu weldjer er gehöret, weniger oorftetlig
mad)t als ber fomifdje; nidjt aber, baft baS, was man oon
bem Gljarafter gu geigen für gut befinbet, eS mag nun fo
wenig fein, als eS will, nidjt nadj bem allgemeinen ent=
worfen fein follte, als wotwn id) baS ©egenteil anberwärtS
behauptet unb umftänblid) erläutert Ijabe. *)
p/9Ba§ 5 weit eng bie ^omöbie anbelangt, fo rjabe idj
gefagt, bafj fie generale (Eljaraftere geben muffe, unb l)abe
pim SBeifpiele ben (teigigen beS Poliere angeführt, ber
mefjr ber 3ftee beS ©eigeS als eines wirflidjen geigigen
Cannes entfpridjt. 3)od) aud) Ijier mu^ man meine 3öorte
nidjt in aller it)rer Strenge nehmen. 3Uioliere bünft ntidj in
biefem Seijpiele felbft fefjlerljaft ; ob eS fdjon fonft mit ber
erforberlidjen ©rftärung nidjt gang unfdjidlidj fein wirb, meine
Meinung begreiflid) gu madjen.
„£)a bie fomifdje 23üljne bie Slbfidjt Ijat, ßfjaraftere gu
fdjilbern, fo, meine id), fann biefe Slbficfyt am nolffonimenften
erreicht werben, wenn fie biefe Gfyaraftere fo allgemein mad)t
als möglidj. £)enn inbem auf biefe 25kife bie in bem (Biüde
aufgeführte $erfon gleid)fam ber S^epräfentant aller Gfjaraftere
biefer 5lrt wirb, fo !ann unfere Suft an ber 2öal)rl)eit ber
^Borftellung fo oiel ^caljrung barin ftnben als nur möglidj.
(fS muf$ aber fobann biefe 2lllgemeinl)eit fid) nidjt big auf
unfern Segriff non ben möglichen Söirfungen beS @f)a=
rafterS, im 2lbftralto betrachtet, erftred'en, fonbern nur bis
auf bie wirflidje Steigerung feiner Gräfte, fo wie fie non
ber (Erfahrung gered)tfertiget werben unb im gemeinen 2ehen
ftattfinben fönnen. hierin rjaben Poliere unb oor iljm $(au=
tu§ gefehlt; ftatt ber 2lbbilbung eines geig igen Cannes
Ijaben fie uns eine grillenhafte wibrige (Sd)ilberung ber
Seiben fdjaft beS ©eigeS gegeben, gd) nenne eS eine
grillenhafte Sdjilberung, weil fie fein Urbilb in ber
*) Sßct ben Serien ber ^orajiidjen ü£>id)tfunft : Respicere exemplar vitee
morumque jubebo Doctum imitatorem, et veras hinc ducere voces [Epistola
ad Pisones, v. 317 sq. 3fn ber SSo|Vfe()cn Hebet jelumg : ©tcfl' aud) tl)ätige§ 2eben
bem 331icf unb Sitten jutlt 3?orbitb, baft bu gcfrbidt nad)al)mft unb ben' Saut ber
Watur bir ertuerbcft] , rao §urb jeigt, bajj bie Söafyrfyeit, mefd)e §oraj fjier Der»
taugt, einen fotdjcu WuS-bind bebcute, al§ ber allgemeinen 9Jatur ber SDingc geinäfj
ift; 5aljd)(;eit fjingegen baö §eifje, ma§ jmor bem t-orljabenbcn bejonberu {yaUc
augemeffen, aber nidjt mit jener allgemeinen 9Jatur übercinftimmenb jei.
3)reiunbneunngftcg Stürf, 1G9
9catur Ijat. 8dj nenne eg eine wibrige ©djilberuntj ; benn
ba eg bie <Sd)ilberung einer einfachen unuermifdjtcn
Seiben fdjaft ift, fo festen iljr alle bie Sichrer unb Statten,
bereu richtige SBerbinbung allein iljr ßraft unb ßefcen erteilen
tonnte. SDiefe Siebter unb Schatten finb bie SBertnifdjung
uerfdjiebener Seibenfdjaften, welcfje mit ber oornefjtnften ober
l) e r r f dj e n b e n Öeibenfdjaft jufammen ben menjd)lid)en CSf)a=
rafter auomadjen; unb biefe üBermtfd&ung mujj fidj in jebem
bramatifdjen ©emälbe oon Sitten finben, loeil eg ^ugeftanben
ift, bafe bag SDrama oorneljinlidj bag tmrflidje Seben abbilben
foll. 2) odj aber mufj bie Seidjnung ber l) e r r f d) e n b e n Seiben;
fdjaft fo allgemein entworfen fein, alg eg iljr ©treit mit ben
anbern in ber ÜRatur nur immer gulaffen roiÄ, bamit ber oor=
guftellenbe Gljarafter fidj befto fräftiger ausbvüde.
greuutonnmjtöjtes gtüdu
©en 22. m'dvi 1768.
„5ltteg biefeg Iäf3t ftcr) abermalg aug ber SOtfalerei feljr
woljl erläutern. 3n cfjaraf teriftif djen Porträten, wie
mir biejenigen nennen tonnen, weldje eine 2lb6ilbung ber
Sitten geben fotlen, roirb ber Strttft, menn er ein sJJiann oon
rotrflidjer gäljigfeit ift, nidjt auf bie -IRöglidjfeit einer abftrafteu
Sbee logarbeiten. Sllleg, wag er fidj oornimmt 31t geigen, mirb
biefeg fein, bafj irgenb eine Gigenfdjaft bie Ijerrfdjenbe ift;
biefe brüdt er ftarl unb burd) foldje 3eidjen au§, alg fidj in
ben Söirfungen ber Ijerrfdjeuben Seibenfdjaft am fidjtbarften
äußern. Unb menn er biefeg getlian l)at, fo bürfen mir, nad)
ber gemeinen 3lrt $u reben ober, menn man nriff, als ein
Kompliment gegen feine Kunft, gar rool)t oon einem folgen
Porträte fagen, bafc eg ung nidjt forooljl ben 9JJenfdjen, als
bie Seibenfdjaft geige ; gerabe fo, mie bie eilten oon ber be=
rühmten Silbfäule beg ätpotloborug uom ©ilanion angemerft
Ijaben, bafe fie nidjt fomoljl ben zornigen Slpofloborug alg bie
Seibenfdjaft beg 3orne^ norftelle. *) Sfeiefes» aber mufs blofj
fo oerftanben werben, bag er bie rjauptfädjltdjen $üge ber
oorgebilbeten Seibenfdjaft gut auggebvüd't |abe. £)enu im
übrigen befjanbelt er feinen Vorwurf eben fo, wie er jebeu
*) Non hominem ex sere fecit, sed iraeundiam. Plinius, libr. 34.8.
170 £am&urflifdf)e 2)rnmatitrc|te.
anbern bejubeln würbe; haä ift: er »ergibt bie mttuer=
bunbenen @igcnfd)aften ttidjt unb nimmt bas allgemeine
(Sbeivmafj unb 23erljältni3, ineld;es man an einer menjd)lid)en
%iaux erwartet, in ad)t. Unb ba§ Reifet benn bie Sftatur
fdjilbern, meiere un§ fein Seifpiel non einem -SDJenfdjen 1316t,
ber ganj unb gar in eine einzige £eibenfd)aft uermanbett
märe, teilte 9Jietamorr>[)ofi3 tonnte feltfamet unb unglaub=
lidjer fein, ©leidpcdjl finb fortreite, in biefem tabelljaften
©ejdjmade verfertiget, bie 23emuuberung gemeiner ©affer, bie,
meint fie in einer (Sammlung ba§ ©emätbe, 5. @. eineö
©einigen (benn ein gemöl)nlid)ere§ gibt es> woijl in biefer
©attung nid)t), erbliden unb nad) biefer 3bee jebe 9Jhtsfel,
jeben 3ug angeftrengt, verzerret unb überlaben finben, ficf;ev-
lid) nidjt ermangeln, iljre Billigung unb S3emunberung barüber
gu äußern. — tflad) biefem ^Begriffe ber 2Sortrefflid)f'eit mürbe
£e 33rung 33ud) uon ben Setben fdjaften eine gotge ber
beften unb ridjtigften moralifdjen Porträte enthalten, unb bie
Gljaraftere be§ ^beopfyrafts müßten in 2Ibfid)t auf bag 2)rama
ben Gljarafteren be§ %eren^ meit üor^ujiefjen fein.
„lieber ba3 erftere biefer Urteile mürbe jeber ;ßtrtuofe
in ben bilbenben fünften unftreitig ladjen. £)a3 letztere aber,
fürdjtc id), bürften mol)l nid)t alle fo feltfam finben, menigftens»
nad) ber ^irarjg nerfdjiebener unferer beften fomifdjen ©dpft=
fteller unb nad) bem 23eifalle gu urteilen, welchen Dergleichen
(Stüde gemeiniglid) gefunben fjaben. @§ liefen fid) leidet faft
au% alten djaratteriftifcfjen ^omebien 33eifpiele anführen. 2öer
aber bie Ungereimtheit, bramatifd)e Sitten nad) abftraften
$been auszuführen, in ifjrem völligen Sichte fetjen mill, ber
barf nur 33. Soljnfong Qebermanu au$ feinem §u=
mor*) vor fid) nehmen; meldjeS ein d)arafteriftifd)e3 ©tüd fein
*) 23eim 83. Sofjnfcm finb ^tuci ßomöbien, bie er nom Junior benennt t)at;
bie eine: Every Man in his Hnmour [Sebevmann in feinem §umov], unb bie
anbeve: Every Man out of ins Hnmour [Sebermctnn au§cr feinem ßumorj.
Sa§ SBort §umov mar ju feiner Qät nufnefonunen unb nnivbe auf bie lädjevtirfifte
üßcije mifcbraitcfyt. Soiuofyl biefen Wifjbvnucl) oI§ ben eigentlichen Sinn bcSfelbcn
bemevft cc in fotfjenber ©teile felbft:
As when some one peculiar quality
Doth so possess a Man, that it doth draw
All his affeets, his spirits, and his powers,
In their construetions, all to run one way,
This may be truly said to be a hnmour.
But that a rook by wearing a py'd feather,
The cable hatbaud, or the three-pil'd ruff,
A yard of shoe-tye, or the Switzer's knofc
On his French garters, should affect a humourl
O, it is more than most ridiculous.
£rciunbneumiflfteö 2tütf. 171
foü, in ber ZTf)at aber nidjtö a(o eine utmatürltdje unb, roie es>
bie yjlälex nennen mürben, fjavte Säuberung einer ©ruppe
non für (ich befteljenben ßeibenfdjaften ift, memen
man baö Urfeilb in beut orirfftdjen Se&en nirgenbä (tnbet.
SDennodj F>at btefe föomöbie immer iljre Senmnberer gehabt;
unb 6efonber§ mufj 9tanboIpI) uon iljrer Ginridjtuug jetjr
[©ciui irgenb eine tiefonbcre Öemiitlovi bort einem Wanne bermaßen ©efitj
ergriffen Ij a t , baß Tic alle feine üeibenfdjaften, feine ©eiltet unb [eine Mväfte in
il)r Ökfüge l)crciir,ici)t, bafj fie alle einen SBeg geben, fo fanu bie§ roatjrfjaftig otö
fiumot bcjcirfjnct »erben. 9lber bafj eine Saatfrä&e burd) baä Kragen einer bunten
§eber, ba§ £au*$utbanb ober bie breifarfj getürmte §al§fraufe, ein eHenfange§
<Sd)uf)0anb ober bie fd)toei3erifd)e Sdjteife an frnn;üfifd)en Strumpf btiubern auf
vmmor mirfen foll! £>, e§ ift merjr at-3 übcrtädicrlid) ! 3 im in ermann.]
3n ber Öefdndjte bc§ ÖumotS ilnb beibe Stürfe be§ 3or)nfon alfo fefir midjtige
Tofumente, unb ba§ (entere nod) mefjr at§ baS erftere. Ter Junior, beu m'.r ben
©nglänbern jefct fo oorjüglid) jufdjreiben, mar bamalS bei ifjnen großenteils 2lffef=
tatiou; unb vornetjmlidi btefe Slffeftation lädjerlid) juinadjeu, fdiilberte ^o^nfon
.vuimor. Tic Sadje genau 3U nehmen, müßte aud) nur ber affeftierte, unb nie ber
umljre Ajuimor ein ©egenftanb ber ßomöbie fein. Tenn nur bie 33egierbe, ftd) toon
anbern außjujeidjnen , üdi burdi etma§ (vigentümtidiec- merfbar 511 madjen, ift eine
allgemeine menfdilidie Sd)madif)cit , bie midi 93cicliaff cn fieit ber Tiittel, vocldjc fie
mahlt, iclir lädjerlid) ober aud) fefjr ftrafbar roerben tann. Ta» aber, lvoburd) bie
Statut feibft ober eine anrjaltenbe 3ur Tiatur gemorbene Öemohnfyeit einen einzelnen
Tienirfien von allen anbern au^eidjnet, ift viel 311 fpcjicU , at§ bafj e§ ftd) mit ber
allgemeinen pt)i[ofot>t)ifd)cn 9lbftd)t be§ Trama vertragen fönnte. Ter überhäufte
£>umor in vielen engtifdjen Stüden bürfte fonad) aud) mot)l ba» (yigette, aber nid)t
baS SBeffere berfetben fein, (ikvoiß ift e§, bafj fid; in bem Trama ber Sitten feine
Spur von §umor finbet. Tie alten bramatifdjen Tidjter mußten bciZ ßunftftürf,
ihre Prionen aud) ohne öumor 5U inbivibuatifieren, ja, bie alten Tidjtcr überhaupt.
SEBoljI aber jetgen bie alten 0kfd)id)tfd)reiber unb JRebncr bann unb mann .vuimor:
toenjt nämlid) bie biftorifdje SBabrbeit ober bie Sluffläruitg eine« gemtffen 3fadi btefe
genaue Sd)ilberung nab* Ixdaxov erforbert. 3<h habe (vrempet bavon f I c i f; i cj ge=
iauunett, bie id) aud) bloß barum in Crbuung bringen 311 fönnen münfdite, um gc=
legcntlid) einen ft-chter mieser gut 311 madjen, ber jiemlid) allgemein geworben ift.
2.0ir übcriel-en nämlid) jel^t faft burd)gängig öumor burd) Saune; unb id) glaube
mir bemußt 511 fein, bafj id) ber erjte bin, ber e§ fo überfein f)at. 3d) i)abe feljr
Unred)t baran getljan, unb id) münjäjte, baß man mir nidit gefolgt märe. Tenn
id) glaube e§ unmiberfpred)lid) betueifen 3U tonnen, \>a% öumor unb Saune gau?
Oetfdjiebene, ja in gemiffem 3Jcrftanbe gerabe entgegengefei]te Tinge finb. Saune
fann 3it .Oumor roerben; aber §umor ift, außer biefem eitrigen gatle, nie Saune.
3d) liätte bie 3lbftainmung unferS beutferjen 2Bort§ unb ben gcmöbnlidien ©ebraudi
becfelben beffer unterfudjen unb genauer ertragen fetten. 3d) fdjlofj 311 eilig, loeil
Saune ba§ fransöftfdje Humeur auebrüde, bafj e§ aud) )>aZ englifdje Humour au^
brürfeu fönnte; aber bie granjofen felbft fönnen Humour nid)t burd) Humeur
iiberfct;cn. — a«on ben genannten 3tuet Stiiden bez ^obnfon l)at ba» erfte , 3eber=
mann in feinem §umor, ben vom §urb l)ier gerügten gebier voeit roeniger.
Tor Junior, hm bie {ßerfontn bec-felben jeigen, ift meber fo iubivibuelt, nod) fo
überlaben, bafj er mit ber geroö()nüd)eu 'Dßatur nidit beftef)cn fönnte; fie finb audi alle
311 einer gemeinfdjaftlidjen öanblung fo jiemlid) verbunben. 3n bem jmeiten l)iii=
gegen, Siebermann au« feinem öumor, ift faft nid)t bie geriugi'tc gäbet; e§
treten eine 5)teuge ber luunberlidjfteu Tiarren nadi cinanber auf, man mein meber
voie, nodi marum; unb il)r ©efprädi ift überall burd) ein paar greunbe be§ SScr=
fafferi unterbrodjen, bie unter bem Taimen Grex eingeführt finb unb Setraditung
über bie tfbaraftere ber ^erfonen unb über bie Äunft be» Tidjterj, fie 3U betjanbeln,
aufteilen. 5)a§ au§ feinem §umor, out of his Humour, jelgi an, bafj alle bie
$erfonen in llmftänbe geraten, in mcldjen fie i^reS ^umorS fatt unb überbrüffig
lverben.
172 £am6urg,i[dE)e Dramaturgie.
bezaubert gemefen fein, weit er fie in feinem Spiegel ber
•Jftufe auSbrüdlid) nadjgealjmt ^u Ijaben fdjeint.
,^h\d) tjierin, muffen mir anmerfen, ift Sljafefpeare, fo
wie in aßen anbern nod) mefentlidjern Sdjönljeiten be§ SDrama,
ein nollf'ommeneg SOhifter. 2Ser feine JRomöbten in btefer
2(bfid)t aufmerffam burdjlefen mill, mirb ftnben, baf$ feine
and) nod) fo fraftig gegeidjneten (Sfjaraftere, ben
größten %e\l ifjrer Wolfen burd), ftcf» ooflfommen tute alle
anbere ausbrüden unb tljre mefentlidjen unb l)errfd)enben
(Sigenfdjaften nur gelegentltd), fo mie bie Umftänbe eine um
gegnmngene STeufeerung oeranlaffen, an ben %ao) legen. SDtefe
befonbere 93ortrefflid)feit feiner Stomöbien entftanb bafyer, bafe
er bie 9?atur getreulid) fopierte unb fein regeg unb feuriges
©enie auf alle§ aufmerffam mar, ma% iljm in bem Verläufe
ber Svenen 3)ienlid)eS aufftofeen formte; baljingegen 9? ad);
a I) m u n g unb gerin geregäljigfeiten f leine Sfribenten
oerleiten, fid) um bie §ertigfeit $u beeifern, btefen einen
3mecf leinen Stugenblid au§ bem ©eftdjte §u laffen, unb mit
ber ängftlidjften Sorgfalt ir)re £iebling3d)araftere in beftäm
bigem Spiele unb ununterbrochener %f)ättgfeit ju erhalten.
SWan formte über biefe ungefdjtdte Slnftrengung tfrreS 28i|e3
fagen, baf^ fie mit ben $erf orten il)re3 Stüd'3 ntd)t
anber§ umgeben als geraiffe fpaftljafte Seute mit if)ren 33 e=
fannten, benen fie mit iliren §öflid)feiten fo ^nfetjen, bat3
fie il)ren 2lntctl an ber allgemeinen Unterhaltung gar nid)t
nel)men formen, fonbern nur immer gum Vergnügen ber ®e=
fellfdjaft Sprünge unb 9ttännerdien madjen muffen."
$ienmotmmji0|tes gtittk.
®en 25. Wäxi 1768.
Unb fo oiel tum ber Sldgemeinljeit ber fomifdjen Glja=
raftere unb ben ©renken biefer 2lHgemeiul)eit nad) ber Qbee
be3 §urb! — SDocr) e§ mirb nötig fein, nod) erft bie ^weite
Stelle beizubringen, mo er erflärt 511 Ijaben oerfid)ert, in mie
meit aud) ben tragifdjen (Sfyarafteren, ob fie fcfyon nur partp
fular mären, bennod) eine 2tllgemeinl)eit §ufomme, elje mir
ben Sdjluf} überhaupt madjen formen, ob unb mie §urb mit
2)iberot unb beibe mit bem 2triftotele3 übereinftimmen.
„2öal)rl)eit," fagt er, „Ijeifjt in ber $oefte ein foldjer
Sluöbrud, alg ber allgemeinen ^Katur ber £)inge gemäfc ift;
Sierunbneunjigftcä Stücf. 17:)
galfdjljeit hingegen ein foldjer, ab fid) jroat 31t bem üov=
Ijabenben befonbern %aiU fdjicfet, aber nid)t mit jener allg es
meinen 9fcatur überemftumnet. 2)iefe SBa^eit bco xUno
brudfö in ber bramatifdjen ^oefie 31t erreichen, empfieljlet
§ora$*) ^Tuei 2)inge: einmal, bie 3ofrattfd;c v^>f)ilofopi;ic
fleißig 51t ftubteren; gmeitenS, fid) um eine genaue ftcnntnio
beö menfdjtidjen SebenS 311 bewerben. Seneg, weil c§ ber
eigentümliche üBorgug biefer <2d)ule ift, ad veritatern vitae
propius accedere;**) biefeg, um unfern* üRcufmljmung eine
befto allgemeinere 2lel)nlid)feit erteilen 51t tonnen. <2id) tjm-
von 311 überzeugen, barf man nur erwägen, baß man fid) in
SÖBerfen ber sJ?ad)al)mung an bie Söaljrfyeit 31t genau Ratten
fann, unb biefeö auf boppelte SSeife. 2)enu entmeber fann
ber ilünftler, wenn er bie 9?atur nadjbilben will, fid) 31t
ängftlid) befleißigen, alle unb jebe 33 e f 0 über Reiten feines
©egenftanbeö an^ubeuten, unb fo bie allgemeine 3^ee ber
(Gattung auö^ubrüden ucvfcljlcn. Ober er fann, wenn er
fid) biefe allgemeine 3bee 5U erteilen bemütjt, fie <\u$ 51t
Dielen gäflen beS mirflidjen SebenS nad) feinem weiteften
Umfange §ufammeufefcen, ba er fie melmeljr oon bem lautem
begriffe, ber fid; bloß in ber SHorftellung ber Seele finbet,
fjerneljmen follte. tiefes legiere ift ber allgemeine Stabel,
momit bie (Sdmle ber nieberlänbifdjen *Dtaler 31t be=
legen, ab bie il)re SSorbilber aus ber wivflidjen -)latur, unb
niqjt, mie bie italienifdje, uon bem geiftigeu 3beale ber Sd)ön=
Ijeit entlehnet.***) Qeneö aber entfpridjt einem anbern geljter,
ben man gleichfalls ben nieberlänbijdjen s3Jteiftern oorwtrft
unb ber biefer ift, baß fie lieber bie befonbere, feltfame unb
groteSfe ab bie allgemeine unb reijenbe Statur fid) ^um 33or=
bilbe roäl)len.
„2Öir feljen alfo, baß ber 3)tdjter, inbem er fid) oon ber
eigenen unb befonbern äöaljrrjeit entfernet, befto getreuer bie
allgemeine 2öa^r|eit nadjaljmet. Unb l)ierau§ ergibt fid) bie
Antwort auf jenen fpitjftnbigen Ginmurf, ben $lato gegen
*) De arte poet. v. 310. 317. 318.
**) De Orat. I. 51.
***) ytai) WaÜQtbunQ ber 5(ntiten. Nee enim Phidias, cum faceret Jovis
formam aut MinerVse, contemplabatur aliquem e quo similitudinem du-
ceret : sed ipsius in mente insidebat species pulchritudinis eximia
qiiEedam, quam intnens in eaque defixus ad illius similitudinem artem
et manum dirigebat. (Cic. Or. 2.) [Senn nid)t jdjaute 5ßfjibia§, al§ er bie ©e=
ftalt be§3u4»itet ober ber OTtnertia bilbcte, irgenb jemanben an, um iljn ju logieren;
nein, in feinem eigenen ©eifte rufjte ba§Sbeal ber <Sd)önf)eit, ba§ er anjdjaute,
an bem er fjirtg, um e§ mit Künftterljanb umjubilben. Zimmermann.]
174 £ain6urgifcf)e Dramaturgie.
bte $oefte ausgegrübelt Ijatte unb nidjt oljne SelBft^ufriebens
Ijeit oorgutragen fdjien. Iftatnüdj baf$ bte poetifd;e -ftadjafjmung
uns bie ©aljrljeit nur feljr t>on weitem zeigen fönne. Senn
ber poetifdje Shtsbrucf, fagt ber -^>r)i(ofopr), ift bas 2(6=
bilb uon bes Sidjters eigenen Gegriffen; bie 23e=
griffe bes Sinters finb bas Slbbilb ber Singe; unb
bie Singe bas Slbbilb bes Urbilbes, melajes in bem
göttlidjen Serftanbe ertftieret. golglid) ift ber 2(us=
brucf bes Stdjters nur bas söilb oou bem Silbe
eines Siloes unb liefert uns urfprünglidje 2Öa§r=
Ijeit nur gleid)fam aus ber brüten §anb.*J 2lber alle
biefe Sernünftelei fällt roeg, fobalD mau bie nur gebadjte
Dregel bes Sidjters gehörig f äff et unb fleißig in Ausübung
bringet. Senn inbem ber Siebter oon ben 2ßefen alles ab-
fonbert, mas allein bas -Jnbinibuum angebet unb unterfdjetbet,
überfpringt fein Segriff gleid)fam alle bie gnnjcfyen inne liegeu=
ben befonbern Öegenftänbe unb ergebt fid), fo niel mögltd),
gu bem göttlichen Urbilbe, um fo bas unmittelbare sJcad)bilD
ber 2öafyrfyett gu merben. föieraue» lernt man benn aud) eim
jefjen, mas unb mie uiel jenes ungemöl)nlid;e 2ob, roeldjes ber
grof$e &unftrid)ter ber Std)tfunft erteilet, fagen molle, baf; fie,
gegen bie G>efd)td)te genommen, bas ernftere unb
pljilofopljifdjere 3tuoium fei: cptXoooipureepov xat mzooZuto-
repov Kot-»]«? torop:ac la-ctv. Sie Urfadje, meldje gleid) barauf
folgt, ift nun gleichfalls fefyr begreiflich*. ■\i fiev fap icotijan:
[taXXov xa xad-oXoo, -r Sloropia %a xad-3 iv.a—ov Xejet. **) ferner
wirb Ijieraus ein mefentlidjer Uuterfdneb beutlid), ber fid), mie
man fagt, gmifdjen ben grcet großen 9tebenbuf)lern ber griedjifdjen
Süljne fott befunben fjaben. 3Benn man bem Sopljofles nor=
marf, baf; es feineu Gljarafteren an SSa^r^eit feble, fo pflegte
er fid) bamit 51t oerantroorten, bafj er bie DJcenfdjen fo
fdjilbere, mie fie fein follten, (£uripibes aber fo, mie
fie mären. EocpoxXiq^ ~-yrr ahzoc, ;j.sv oiooe, Zi: rcoietv. E&piict&Y]€
5e v.ol eiat.***) Ser Sinn Ijieroon ift biefer: Sopljofles Ijatte
burd) feinen ausgebreitetem Umgang mit 93ienfd)en bie ein=
geiebränfte enge Soritcllung, meldje aus ber Setvad)tung ein-
% ein er (Sljaraftere entfielt, in einen rollftänbigen Segriff bes
Öefd)led)ts erweitert; ber pfjilofopfjtfdje (furtpibes hingegen,
*i Plato de EepL L. X.
2id)t!unft, Aap. 9. [2enn bie ^oefie fpridjt tncfjr tion bem Mgemeiiicn,
bie <5Jeid>ict)te Don bem (rinjelnen. 3-3
•*•) £id}tfunft, ffap. 25.
Stferunbneuitgtgfiteä ©tütf. 175
bei* feine meiftc $eit in ber Sttabemte jügcBrad^t Ijattc unb
oon ba aus bas Seben überfefyen wollte, hielt feinen Söltcf
311 feljr auf ba§ CS'injelne, auf rotrflidj criftterenbe ^erfonen
gefyeftet, oerfenfte bas Öefdjlcdjt in ba3 Snbiotbuunt unb
malte folglich , ben oorljabenben ©egenftänben nadj , feine
(ilmraftere jroat natürlich unb roafir, aber aud) bann unb
mann ofjnc bie Ijöljere allgemeine xHeljnlidjfett, bie juv 3ioll=
enbung ber poettfdjen SBa^eit erfobert mirb. *)
„@tn C'imourf ftöfct gleidjrooljl I)ier auf, ben mir nidjt
unatigejcigt laffen muffen. 9)ian tonnte jagen, „bajj pinlos
fopljifdje Zpet'ulattonen bie ^Begriffe eineg 9-ttenfd)en eljer ah-
[traft unb allgemein ntadjen, als» fie auf bas ^nbioibu eile
etnfdnränfeu müßten. 2)a§ lelUere fei ein sJJiangel, meldjer
aus ber flehten S(n,$al)l oon ©egenftänben entfpringe, bie ben
■äftenfdjen 3U betrauten oorfommen; unb biefem 3Diangel fei
nid)t allein baburd) abhelfen, ba| man fid) mit me()rent
Snbbibuis befannt madje, als morin bie Kenntnis ber SBelt
befiele; fonbern aud) baburd), bafc man über bie allgemeine
9catur ber 9flenfd)en nadjbenfe, fo rote fie in guten moralifdjen
33üd)ern gelehrt roerbe. 3)enn bie 33erfaffer foldjer Südjer
Ratten il)ren allgemeinen begriff oon ber menfdjlidjen Dtatur
nidjt anbers als aus einer ausgebreiteten ©rfaljrung (es fei
nun tFjrer eignen ober fremben) Ijaben tonnen, oljne meiere
if)re Sucher fottft oon feinem Söerte fein mürben/' £ie 2Xnt=
roort hierauf, bünft mid), ift biefe. 2) ur d) ©rraägung ber
allgemeinen Statur bes -äftenfdjen lernet ber s}>Jjilofopl),
rote bie §anb(ung befdjaffen fein ntui bie aus bem Ueber=
gemid)te gemiffer Steigungen unb (Sigenfdjaften entspringet :
bas ift, er lernet bas Setragen überhaupt, meldjes ber beh
gelegte Gfjarafter erfobert. 2(ber beutlid; unb guoerläfftg' 31t
*) SBiefe ©rttärung ift ber, rceld)e Sacier tion ber Stelle bc§ 9lriftotete§ gibt,
meit üorjUjieljen. 9cad) ben ©orten ber Ueberfetjung fdjeinet Sncier jtoar eben ba§
ju jagen, roa§ £>urb jagt : que Sophocle faisoit ses Heros, comme ils devoient
etre et qu' Euripide les faisoit comme ils etoient. "übet er tierbinbet im
©runbe einen ganj anbern Segriff bainit. §urb Herfielet unter bem 2i3ie fie fein
f ottten bie allgemeine abjtrafte ftbee be§ ©efd)led)ts, nad) meld)cr ber £id)ter feine
*perfonen mefjr a(§ nad) ifjren inbiüibuellen 3>erfd)iebent)eiten fdjilbern muffe. SDacicr
aber benft fid) babei eine Ijötjere moralifd)e SSoIlfommentjeit , lote fie ber TOeufdi 511
erreichen fätjig fei, ob er fie gleid) nur feiten erreidje; unb biefe, fagt er, fjabe
Soptjofles feinen Sßetfotten gett)öl;nlid)ertt)eife beigelegt: Sophocle tächoit de rendre
ses imitations parfaites, en suivant toujours bien plus ce qu'une belle
Xature etait capable de faire, que ce qu'elle faisoit. 9ll!ein biefe Ijüfjerc mora*
lifdje SßolUommenfjeit gebort gerabe }u jenem allgemeinen SBegriffe nid)t; fie ftetjet bem
Snbiuibuo ju, aber nidjt bem föefdjle d)te ; unb ber 2)id)ter , ber fie feinen 5ßerfoncn
beilegt, fdjilbert gerabe umgcfetytt, mefyc in ber Lanier bc= SutipibeS als be§ Sopl;ofleg.
Sie »eitere 9tu§fiü)rung ijiernon oerbienet mefjr als eine üiote.
176 £mm&urgi[d)e Dramaturgie.
nujfen, tüte meit unb in meldjem ©rabe oon ©tärfe fid) biefer
ober jener (Efjarafter bei befonbern (Gelegenheiten mat)rfdjein=
lidjerroeife äußern würbe, ba§ ift einzig unb allein eine grutfjt
oon unfern* Kenntnis ber 3Selt. Sbafj 33eifpiete oon bem
Mangel biefer $enntni3 bei einem Siebter, mie (Suripibeö
mar, fetjr (jäuftg folTten gemefen fein, läfjt fid) tttdjt mofyt an-
nehmen; aud) merben, mo fid) bergleid)en in feinen übrig ge-
bliebenen ©tüdeti etma finben füllten, fie fdjmeriid) fo offenbar
fein, baf3 fie aucf) einem gemeinen £efer in bie äugen fallen
müßten. @3 fönnen nur geinljeiten fein, bie allein ber maljre
5lunftrid)ter 31t unterfdjeiben oermögenb ift; unb aud) biefem
!ann in einer foldjen Entfernung oon $e\t aug Unmiffentjeit
ber griedjtfdjen «Sitten moljt etraag al§ ein geljler norlommen,1
ma§ im ©runbe eine (Sdjönfyeit ift. @3 mürbe alfo ein fefyr
gefäljrlidjeei Unternehmen fein, bie «Steifen im ©uripibeg an=
geigen gu motten, meldje 2lriftotele§ biefem £abel untermorfen
gu fein geglaubt Ijatte. 2fber gteidjmot»! mitl id) e3 magen,
eine anjufüfjren , bie, menn idj fie aud) fd)on nic|t nad) alter
©ered)tigfeit fritifieren fottte, menigften meine Meinung gu
erläutern bienen lann.
^iittfiuttounjisßes gtiitlu
SDen 29. Wäxi 1768.
„3)ie ©efcfyidjjte feiner ßteftra ift gan^ befannt. 2)er
£)id)ter rjatte in bem (Sfjarafter biefer ^rin^effin ein tugenb=
fjafteS, aber mit ©tolg unb ©roll erfülltes grauengimmer gu
fdjitbern, metdjeö burdj bie §ärte, mit ber man fid) gegen fie
fetbft betrug, erbittert mar unb burdj nodj meit ftärtere $3e=
roegung^grünbe angetrieben marb, ben Stob eines $ater§ 31t
rächen. Sine foldje heftige ©emütSoerfafjung, !ann ber $t)ilo=
fopl) in feinem SÖtnfel rooljt fd)lief$en, mufe immer fel)r bereit
fein, fid) §u äußern. (SIeftra, !ann er mofyt einfetten, mujs
bei ber geringsten fd)idlid)en (Gelegenheit ifyren ©roll an ben
%aq, legen unb bie Stugfüfjrung itjreS SBorljabenS befdjleunigen
^u fönnen münfdjen. 2tber $u metdjer §öt)e biefer ©roß
fteigen barf? b. i. roie ftarf (Steltra iljre 9tad)fud)t ausbrächen
barf, ot)ne baß ein 9)?ann, ber mit bem menfd)tid)en ©efdjledjte
unb mit ben Söirfungen ber Seibenfdjaften im ganzen be-
fannt ift, babei aufrufen lann : ba§ ift unmaljrfdjeintid)?
©iefeS aus^umadjen, mirb bie abftrafte Sfyeorie oon menig
gfiinfimbneuttjigfteS ©tue!. 1 , 7
"Jiufcen fein, ©ogar eine nur mäfjtge 33efanntfd)aft mit bem
mtrtlidjen SeBen ift fjier nidjt l)in(änglid), uns 511 leiten. l)iau
tatin eine -Stenge 3nbünbua bemerft fyaben, njeldje ben $oeten,
ber ben 2ut§brud eines» foldjen ©rollet Bio auf bas> Steufeajte
getrieben Ijätte, §it rechtfertigen fdjeinen. ©elbft bie ©efdjidjte
Surfte tüetfeidjt Krempel an bie §anb geben, mo eine tugeub=
r>afte Erbitterung aud) mofjl nodj weiter getrieben morben,
al$ es> ber 2)tdjter Ijier oorgeftelfet. -Jöeldjcs finb beim nun
alfo bie eigentlichen ©renjen berfclben, unb moburdj finb fie
$u beftimmen? Ginjig unb aftein burdj 33emerfung fo vieler
einzelnen %aik alö möglidj ; einzig unb aKein oermittelft ber
ausgebreiteten Kenntnis, raie oiel eine foldje Erbitterung über
bergteidjen (Sfjaraftere unter berg(eidjcn Umftänben im mir!;
Kdjen Seben gemöljnlidjermeife uermag. 60 uerfdjieben
biefe Kenntnis in Slnfefjung ifjreS Umfanget ift, fo uerfdjieben
wirb benn aud) bie 2Irt ber ^Borftelhtng fein. Unb nun motten
mir feljen, mie ber oorfjabenbe ßfyarafter oon bem Euripibeg
mirflid) befyanbett morben.
„5n ber jdjbnen (S^ene, meldje jmifdjen ber ßleftra unb
bem Orefteg vorfallt, oon bem fie aber uod) nidjt meift, ba§
er U)r 33ruber ift, fömmt bie Unterrebung gang natürlid) auf
bie Unglüdsfätle ber Gleftra unb auf ben Urheber berfelben,
bie tölntämneftra, fomie aud) auf bie £offnung, meldje ßleftra
fjat, oon iljren 2)rangfalen burd) ben Drefteg befreit $u merben.
2>as ©efpräd), mie e3 Ijierauf meitergeljt, ift biefeg:
„Drefteg. Unb Drefteg? ©efetjt, er fäme nad) Slrgoö
jurücf —
„Gleftra. 2Ö0311 biefe grage, ba er allem Slnfeljen nad)
niemals gurüdfommen wirb?
„Drefteg. 2(ber gefegt, er läme! 2Sie nützte er eg am
fangen, um ben Stob feines $aterg 31t rädjen?
„feleftra. ©idj eben beg erfuljnen, meffen bie geinbe
ftdj gegen feinen SSater erntljnten.
„Drefteg. Söollteft bu eg moI)l mit iljm magen, beine
Butter umzubringen?
„(Sleftra. ©ie mit bem nämlidjen Eifen umbringen,
mit meld)em fie meinen $ater morbete!
„Drefteg. Unb barf id) bag alg beinen feften ©ntfdjlujj
beinern 33ruber oermelben?
„Eleftra. 3d; miß meine SJiutter umbringen, ober
nidjt (eben!
„SDag ©riedjifdje ift nod) ftärf'er:
2 c j f in g y Söerfe. XII. 12
178 ftamburgtfdje Dramaturgie.
„3$ null gern beö £obe§ fein, fobalb tdj meine
3JI it 1 1 e r umgebradjt Ijabe!
„Sßun fann man nidjt behaupten, baß biefe leiste S^ebe
fdjledjterbingg unnatürlicl; fei. Dfme Sweifet Ijabeu fidj 33et=
fpiele genug eräugnet, wo unter äljnlidjen Umftänben bie 9tad)e
fidj eben fo fjeftig auögebrüd't Ijat. ©teidjwoljl, benfe tdj, fann
utig bie §ärte biefeg Shisbrudg nid)t anbers al3 ein wenig
beleibigen. $um minbeften Ijielt Sopljofteg nid)t für gut,
i()n fo weit $u treiben. 33ei il)m fagt dteftra unter gleichen
Umftänben nur ba§: gerit fei bir bie 2tu3fül)rung über?
lajfen! 2ßäre tdj aber allein geblieben, fo glaube
mir nur, beibeS Ijätte mir gewig nidjt mißlingen
follen: entweber mit (Sljreu midj 3U befreien, ober
mit ©Ijren 31t fterben!
„£>b nun biefe SSorfteÜung be§ ©opl)ofle§ ber Sßaljrs
Ijeit, in foferu fie ci\\$ einer ausgebreitetem ßrfaljrung, b. i.
aug ber Kenntnis ber menfdjlidjen 9?atur überhaupt, gefammelt
morbetvnidjt weit gemäßer ift aU bie Sßorftellung beö @uri=
pibeS, will icfj benen gu beurteilen überlaffen, bie e3 31t be=
urteilen fäl)tg finb. 3ft fie e§, fo fann bie Urfad)e feine
anberefein, aläbieidj angenommen: baßnämlid)©opl)ofle£>
feine Gljaraftere fo gefdjilbert, al3 er ungä^Iigen
oon iljm beobadjteten SBeifpielen ber nätnlt<$en
©attitng gufolge glaubte, baß fie fein follten;
©uripibeö aber fo, als er in ber engeren ©pljäre
feiner ^Beobachtungen erfannt fjatte, baß fie wirf=
lidj wären." —
SBortrefflidj ! 2lud) unangefeljen ber 2Ibftdjt, in welcher
tdfj biefe langen ©teilen be3 §urb angeführt ijabe, enthalten
fie unftreitig fo oiel feine ^Bemerkungen, baß es mir ber Sefec
wol)l erlaffen wirb, midj wegen ©infdjaltung betreiben gu
entfdjulbigen. gd; beforge nur, baß er meine SIbftdjt felbft
barüber au$ ben äugen oerloren. Sie war aber biefe : 31t feigen,
baß audj §urb, fo wie SDiberot, ber ^ragöbie befoubere,
unb nur ber ^omöbie allgemeine ßfjaraftere guteile unb bem=
oljngeadjtet bem SlriftoteleS nidjt wiberfpredjen wolle, weldjer
bag Slltgemeine oon alten poetifdjen Gljarafteren unb folglid)
aucl) oon ben iragifdjen oerlanget. §urb erftärt fidj nämlidj
fo : ber tragifdje (Sljarafter muffe gwar partifular ober weniger
allgemein fein als ber fomifdje, b. i. er muffe bie 2lrt, ^u
weldjer er geljöre, weniger oorftellig madjen; gleidjmoljl aber
$ünfunbneun3tflftes ©tütf. 179
muffe ba§ wenige, ma3 man oon tfjtn *u jeigen für gut
finbe, nad; bem allgemeinen entmovfen fein, meldjeö 2lrifto=
teteö forbere. *)
Ünb nun märe bie grage, ob SDiberot ftd) and) fo oer=
ftanben mtffen wolle? — SBarutn nidjt, menn ifjm baran ge^
legen märe, fid) nirgenbS in -&Mberfprud) mit bem Slriftote'leS
finben 311 laffen? 9)iir menigfteng, bem baran gelegen ift, bafj
^mei benfenbe $öpfe oon ber nämlidjen ^adje nidjt 3a un0
9Jein fagen, lönnte e3 ertaubt fein, ifjm biefe Auslegung unter;
jufdjieben, ifjm biefe Sluöfludjt 31t leiten.
Slber lieber oon biefer 2lusflud)t felbft ein Sßort! — W\d)
bünft, eö ift eine 2luöflud)t unb ift and) feine. S)enn baö Söort
allgemein mirb offenbar barin in einer boppelten unb gan^
oerfdjiebenen 33ebeutung genommen. &ie eine, in melier e3
§urb unb 2>iberot uon bem tragifdjen ßljarafter oerneinen,
ift nidjt bie uämlidje, in meldjer e§ §urb oon ifjm bejahet,
greilid) beruhet eben hierauf bie 2(u§flud;t; aber mie, menn
bie eine bie anbere fdjtedjterbingö aitöfdjtöffe?
8« ber erften 33ebeutung Ijeifct ein allgemeiner
ßfjarafter ein foldjer, in toeldjen man ba3, ma§ man an
mefjrern ober allen 3»bioibuiö bemerf't l)at, gufammennimmt;
eä fjeijst mit einem feorte: ein überlabener ßfjarafter; es>
ift mel)r bie perfonifierte Qbee eines (EfjarafterS alä eine
djarafterifterte ^erfon. 3tt ^er «nbern 33ebeutung aber fjeifet
ein allgemeiner (St)aratter ein fotdjer, in meldjem man oon
bem, ma% an meljrern ober allen Qnbinibiiig bemerlt morben,
einen gemiffen £)urd)fdjnitt, eine mittlere Proportion am
genommen; eg Ijeigt mit einem 2Borte: ein gewöfjnlidjer
ßljarafter, nidjt $war in fofern ber ßljarafter felbft, fonbern
nur in fofern ber ©rab, ba3 50]a^ besfelben gewöljnlid) ift.
§urb Ijat üotlfommen Stecht, ba3 y.aftoXoo be3 2lriftotele§
oon ber 2lllgemeinl)eit in ber ^raeiten Sebeutung ju erflären.
SIber menn benn nun 2IriftoteleS biefe 2Utgemeinl)eit eben fo
moljl oon ben fomifdjen al§ tragifdjen (Sljarafteren erfobert:
mie ift e3 möglidj, baj$ ber nämlidje ßfjarafter ^ugleid) audj
jene 2lllgemein§eit Ijaben fann? SBie ift eö möglid), bafs er
*) In calling tlie tragic character particular, I suppose it only
less representative of the kind than the Comic; not that tlie draught
of so much character as it is concerned to represent snonld not be
general. [^nbem xä) ben tragifdjen Gfyarnfter einzeln nenne, unterftefle id), ba&
er nmtiger bie ©attimg tiertritt at§ ber fomifdje; nidjt, baß bie geidjnung non jo
ötel ßljaralter, ol§ et baraufteüen berufen ift, nidjt allgemein fein fönte. §.]
180 £>amMtrg,ifrf)e Dramaturgie.
3ttgleid) üb erlaben unb gemöljnlicf) fein fann? Unb ge=
fe£t aud), er wäre fo überlaben nod) lange nid)t, als e§ bie
Gl)araftcre in bem getabelten Stüde be§ Qolmfon finb; ge=
feijt, er liejse fid) nod) gar motjl in einem 8^iüibuo gebenfen,
unb man l)abe 23eifpiele, baft er fid) wirfltd) in mel)rern
SRenfdjen eben fo ftarf, eben fo ununterbrodjen gealtert fjabe :
mürbe er bem oljngeadjtet nid)t and) nodj oiel ungeroöljm
lidjer fein, als jene Slllgemeintjeit be3 2lriftotele3 gu fein
erlaubet?
3)aS ift bie ©dmnerigfeit ! — Qd) erinnere tjter meine
Sefer, baß biefe ^Blätter nidjts meniger als ein bramatifdjeS
©nftem enthalten follen. 3$ &w al1° wfy nerpflidjtet, alle
bie ©djmierigfeiten auf^ulöfen, bie id) madje. 9Jkine ©ebanfen
mögen immer fid) meniger 311 oerbinben, ja mofjl gar fid; 311
miberfpredjen fdjetnen : menn eS benn nur ©ebanfen finb, bei
melden fie Stoff finben, felbft ^u beulen. §ier mill id; nidjts
als Fermenta cognitionis auSftreuen.
§eri)0Hnlincun?t0fteiö gttütk.
35en 1. Wptil 1768.
2)en gmetunbfunfgigftenSlbenb (SDienStagS, ben 28. SuftuS)
mürben beS §errn DtomanuS 33 r üb er mieberfyolt.
Ober follte td(j ittdjt melmetjr fagen: bie trüber beS
§errn SftomanuS? tflad) einer ^Inmerfung nämlid), meldje
©onatuS bei Gelegenheit ber trüber beS ^eren^ madjt:
Hanc dieunt fabulam seeundo loco aetam, etiam tum rudi
nomine poetae; itaque sie pronunciatam, Adelphoi Terenti,
non Terenti Adelphoi, quod adhuc magis de fabulae nomine
poeta, quam de poetae nomine fabula commendabatur.*)
§err 9ftomanuS tjat feine Stomöbien ^roar ol)ne feinen tarnen
herausgegeben; aber bod) ift fein 9?ame burd) fie berannt
gemorben. %lod) itjt finb biejenigen ©tüde, bie fid) auf
unferer 23üt)ne oon ilmt erhalten Ijaben, eine @mpfet)lung
feinet Samens, ber in ^rooin^en SDeutfdjlanbS genannt mirb,
mo er ol)ne fie mol)l nie märe gehöret toorben. SIber meldjeS
*) [©iefeS ©tue! joH in ^weiter ©teile aufgeführt luorben fein, als ber 9lamc
beS 2)id)ter§ nod; unberüfymt mar; baljer Ijabe man gefagt : „bie SBrütoer beS Stereu--
ttuo, " nid)t: „beS SerentiuS 23rübcr," mcil bamals nod) ber 2Md)ter ntetjr burd) ben
Hainen be§ ©tüde§, als ba§ ©tiief burd) ben tarnen beS SDidjtcrS empfotjlen nmrbe. 3.]
©edjäuttbneunstgfteä Stütf. 181
mibrige <2d)idfal Ijat and) biefen sJJiann abgehalten, mit feinen
arbeiten für baä äfjeater fo lange fortzufahren, bio bte Stüde
aufgeljöret fjätteu, feinen Manien 31t empfehlen, unb fein sJ£ame
bafür bie ©tücfe empfohlen Ijätte?
&a§ meifte, roa§ mir Scutfdje nod) in ber fdjönen Sitteratur
Ijaben, finb 33erfuct)e junger Seute. 3a, baö SBorutteil ift bei
itng faft allgemein, bajj e3 mir jungen Beuten $ufotnme, in
biefem gelbe 31t arbeiten. sJJiünner, fagt man, Ijaben ernft?
t)aftere Stubia ober midjtigere ©efdjäfte, 311 toeldjen fie bie
Hivdje ober ber Staat auffobert. Verfe unb ^omöbien Ijeifjeu
©pietmerle; allenfalls nid)t ttnnüt3licr)e Vorübungen, mit
meldten man fidt) r)öcf)ften§ Bio in fein fünfunb$n?angigfte§
Qaljr befctjäftigen barf. Sobalb mir un§ bem männlicbcn
älter näfjero, fotlen mir fein alle uufere Gräfte einem nüt$=
liefen 2lmte mibmen; unb läfjt ung biefeä 2lmt einige fttit,
etwas 31t fdjreiben, fo foll man ja nidjtg anbereg fdjreiben,
alo roas mit ber ©rauität unb bem bürgerlichen Spange be§=
felben befielen fann: ein fyübfajeö $ompeubium au3 ben
l)öl)em gafultäten, eine gute (Sl)ronife 0011 ber lieben $ater=
ftabt, eine erbauliche $rebigt unb bergleidjen.
datier fömmt e3 benn aud), baf$ unfere fdjöne ^itteratur,
idj mill ntdjt btofs fagen gegen bie fdjöne Sitteratur ber 2llten,
fonbern fogar faft gegen aller neuern polierten Golfer iljre ein
fo jugenblidjeö, ja finbifdjeä 2lnfel)en t)at unb nod) lange, lange
jjaoen mirb. 21n 33(ut unb Seben, an garbe unb geuer fehlet
es> ifjr enblidj ntdjt; aber Gräfte unb 31eruen, Wlaxl unb
$nod)en mangeln i|r nod) feljr. (Sie rmt nod) fo menig
2Öerfe, bie ein 9ttann, ber im teufen geübt ift, gern 5m
§anb nimmt, wenn er 31t feiner (Mjolung unb ©tärlung
einmal au&er bem einförmigen efeln 3xr^e^ feiner atttägltdjen
93efd)äftigungen beulen mill! Sßeldje ^aljrung fann fo ein
SDtonn mol)l 3. @. in unfern l)öd)ft trioialen $omöbien finben?
■Jöortfpiele, ©pridjroörter, ©päfedjen, mie man fie alle £age
auf ben ©äffen l)ört; fold)e3 3euG macfyt ^roar ba% parterre
$u ladjen, ba3 fid) oergnügt, fo gut es fann; mer aber oon
il)m mel)r a(§ ben Saud) erfdjütiem mill, mer giigleidj mit
feinem Verftanbe ladjen mill, ber ift einmal ba getoefen unb
fömmt uidjt mieber.
2Öer nidjtg l)at, ber fann nichts geben. (Sin junger
9ttenfd), ber erft felbft in bie SBelt tritt, fann unmöglid) bie
3öelt fennen unb fie fdjilbern. 2)a§ größte fomifdje ©enie
jeigt fid; in feinen jugenblidjen Werfen l)ol)l unb leer; felbft
182 £amburgifd)e Dramaturgie.
üon ben erften ©tüdfen beg 9ftenanber§ fagt ^ßlutard),*) baf;
fte mit feinett fpätern unb (entern Stüden gar nidjt gu oer=
gleiten geroefen. 2(us> biefen aber, fe§t er l)ingu, fönnc man
fdtjliefecn, mag er nocf) mürbe geleiftet fja&en, wenn er länger
gelebt Ijätte. Unb raie jung, meint man rooljl, bafj 3ftenam
ber ftarb? Sie oiel Äomöbien meint man moljl, baf$ er erft
gefdjrieben fjatte? 9M)t meniger alg fjunbertfünfe, unb nicr)t
jünger alg groeiunbfunfjtg.
deiner oon allen unfern oerftorbenen fomifdjen SDidjtern,
oon benen eg fid) nodj ber SDturje üerlorjnte gu reben, ift fo
alt geworben; fetner non ben itjtlebenben ift eg nod) gur
Seit; fetner non betben fjat bag inerte %t\l fo tnel ©tüde
gemadjt. Unb bie ^rttif follte non iljnen nidjt eben bag gu
fagen r)aben, mag fie non bem ^Jienanber 51t fagen fanb? —
(Sie mage eg aber nur unb fpredje!
Unb nict)t bte SBerfafier allein finb eg, bte fte mit Um
mtllen Ijören. Sir rjaben, bem §immel fei 2)anf, t|t ein
©efdjtedjt felbft oon totifern, beren befte ßritif barin be=
ftet)t, — alle föxitii uerbädjtig 51t madjen. „©ettie! ©enie!"
fdjreien fte. „2)ag ©enie fe|t ftd) über alle Regeln Ijinroeg!
Sag bag ©eine madjt, ift Siegel!" 60 fdmteidjeln fie bem
©enie; icf) glaube, bamit mir fie and) für ©enieg galten
follen. 3)oct) fie oerrateu 31t feljr, bag fie nict)t einen gunfen
baoon in fid; f puren, menn fie in einem unb eben bemfelben
Sltem ^ingufe^en: „bie Regeln unterbrüden bag©eme!" —
Sllg ob fid; ©enie burd; etroag in ber Seit unterbrüden
liege! Unb nod) ba§u burct) etraag, bag, mie fie felbft ge=
fteljen, aug if)tn hergeleitet ift. 9ttd;t jeber föunftrtdjter ift
©enie; aber jebeg ©enie ift ein geborner ^unftridjter. @g
t)at bie $robe aller Regeln in fid). @g begreift unb beljält
unb befolgt nur bie, bie ifmt feine ©mpfinbung in Sorten
augbrüden. Unb biefe feine in Sorten auggebrüdte @m=
pfinbung follte feine SEfjätigfeit verringern formen? $Bernünf=
telt barüber mit itjm, fo oiel ifyr moHt ; eg oerfteljt eud) nur,
in fofern eg eure allgemeinen ©ä^e ben Slugenblid in einem
einzelnen galle aufdjauenb erfennt; unb nur oon biefem eim
gelnen galle bleibt Erinnerung in trmt gurüd, bie mäljrenb
ber Arbeit auf feine Gräfte nidjt meljr unb nidjt meniger
mirfen fann, alg bie Erinnerung eineg glüdlidjen Sßeifpielg,
*) Etut. xy]c ouYV.piasü)? Apiax. xat MsvavS. p. 1588. Ed. Henr.
Stepliani.
©edjSunbneunjigfteS (Stürf. 183
bie Gürinnerung einer eignen glücftidjen ©rfaljtung auf (te $u
tmrfen hnftanbe ift. ^elmupten alfo, baß Regeln unb Mritit'
bas (Senie unterbrücfen tonnen: jjeijjt mit anbern SJÖorten
behaupten, bafj Söeifpiele unb Uebung eben biefeS oertnögen;
Reifet, baö ©enie nidjt allein auf fiel) felbft, Ijetfet e3 fogar
lebiglidj auf feinen erften üBerfudj einfdjränfen.
Üben fo roemg roiffen biefe weife §erren, mao fie wollen,
wenn fie über bie nachteiligen ©inbrücfe, roelcfje bte Kritif
auf bas geniejjenbe SPublifutn ntacje, fo luftig wimmern!
Sie möchten un§ lieber bereben, bajj fein SDlenfdj einen
Schmetterling meljr bunt unb fdjön finbet, feitbem ba$ böfe
üBergröfjerungSglaS erfenneu fafjen, bafc bte garben beSfeiben
nur Staub finb.
„Unfer Sweater," fagen fie, „ift nodj in einem niel §u
garten Silier, als bafc e3 ben monardjifctjen Zepter ber Stritt!
ertragen tonne. — (i'o ift faft nötiger, bie bittet gu feigen,
mie ba§ &eal erreicht merben fann, als bargutfjiut, uüe weit
nur nod; r>on biefem Qbeale entfernt finb. — 3)ie Söüljne
würfe bind; Seifpiele, ntdjt burd) Regeln reformieret werben.
— 9iäfonnieren ift leichter, als felbft erftnben."
§eifjt bao, ©ebanfen in 2öorte fleiben, ober (jeijjt e§
nidjt otelmeljr, ©ebanfen 31t Porten fudjen unb leine er=
fyafdjen? — Unb wer finb fie beim, bte fo ntet non £>et=
fpielen unb com Selbfterfinben rebenV 2Öa3 für 53eijpiele
ijaben fie benn gegeben? 2Öa3 Ijaben fie benn felbft erfun=
ben? — Schlaue Eöpfe! SGßenn i|nen SBeifptele 31t beurteilen
oorfommen, fo münfdjen fie lieber Regeln; unb wenn fie
Regeln beurteilen Jollen, fo möchten fie lieber Söeifpiele Ijaben.
Stnpatt non einer Krittl 51t beweifen, bafe fie falfd; ift, be=
weifen fie, bafe fie 31t ftrenge ift, unb glauben oertfjan gu
Ijaben! 9lnftatt ein Ütäjonnement 31t mtberlegen, merfen fie
an, bafc ßrfinben fdjwerer ift, als Ütäfonnieren; unb glauben
miberlegt gu Ijaben!
28er richtig räfonmert, erfinbet and;: unb mer erfinben
roitt, mufj räfonnieren fönnen. -Jhtr bie glauben, bafe ficlj»
ba§ eine non bem anbern trennen laffe, bie 31t feinem non
beiben aufgelegt finb.
©od) was> Ijalte tdj midj mit biefen Sdjroä^em auf?
3d) mill meinen ©ang geljen unb midjj unbetüntmert laffen,
was bie ©rillen am 2Sege fdjunrren. $li\d) ein Schritt aus
bem 2öea,e, um fie 31t gertreten, ift fdjou 3U niel. Qljr Sommer
ift fo leidjt abgewartet!
184 £amburgifd)e Dramaturgie.
2Ilfo oljne roettere (Einleitung 51t ben SInmerfungen, bie
id) Bei Gelegenheit ber erfteu SBorftetfung ber Vorüber beS
§erm ^RomanuS*) annod) ü6er biefeS ©tücf üerfpradj! —
2)ie nornetjmften berfelBen werben bie SBeränberungen Be=
treffen, bie er in ber gaBel beS Vereng machen 31t muffen
geglaubt, um fie unfern ©Uten närjer 311 Bringen.
2BaS foll man ü&erljaupt uon ber Sßotroenbigfeit biefer
SBeränberungen Jagen? Söenn mir fo menig 3tnfiofe finben,
römifdje ober griedjtfdje ©Uten in ber ^ragöbie gefdjtlbert 31t
feljen, marum nidjt aud) in ber^omöbie? Sßofjer bie 9Regel,
menn eS anbers eine Sieget ift, bie ©§ene ber erftern in ein
entferntes Sanb, unter ein frembeS SSolf ; bie ©^ene ber anbern
aBer in unfere §eimat 311 legen? äöoljer bie SSerBinblidjfeit,
bie mir bem ©idjter aufBürben, in jener bie ©Uten beS=
jenigen SSolfeS, unter bem er feine §anblung oorgeljen läftt,
fo genau als möglich ^u fdjilbern, ba mir in biefer nur unfere
eigene ©Uten oon iljm gefdjilbert 31t fernen verlangen?
„SDiefeS," fagt $ope an einem Drte, „fdjetnet bem erften
Slnfeljen nacr) Bloßer (Eigenfinn, Blo^e ©rille $u fein; eS f)at
aBer bod) feinen guten ©runb in ber Statur. 2)aS §aupt=
fädjlidjfte, roaS mir in ber ^omöbie fudjen, ift ein getreues
23ilb beS gemeinen SebenS, uon beffen Streue mir aBer nidjt
fo leicht oerfidjert fein lönnen, menn mir eS in frembe 9Jtoben
unb ©ebräudje oerfletbet finben. 5n ber Slragöbie hingegen
ift eS bie §anblung, maS unfere 2uifmerffamfeit am meiften
an fid; gießet, ©inen einljeimifdjen Vorfall aBer für bie SBürjne
Bequem 31t madjen, ba^u muf3 man fid) mit ber ^anblung
größere greiljeiten nehmen, als eine gu Belannte ©efd)id)te
oerftattet."
gtetrenunöttemnigjlr* §tüdu
2)en 5. Stylit 1768.
£)iefe Sluflöfung, genau Betrautet, bürfte mofjl nidjt in
allen ©tüden Befriebigenb fein. SDenn ^ugegeBen, baft frembe
©itten ber 2lBfid)t ber ^omö'bie nidjt fo gut entfpredjen als
einl)eimifd)e, fo Bleibt nod; immer bie §rage, oB bie ein=
Ijeimifdjen ©Uten nidjt aud) $ur SIBfidjt ber ^ragöbie ein
BeffereS ^8erf)ältniS IjaBen als frembe? SDiefe grage ift me=
nigftenS burd) bie ©djmterigfeit, einen einljeimifd;en Vorfall
*) ®rciunbfiet>äiG[te§ ©tücf. <S. 91.
(Sie&enunbneim^igfteS ©tütf. 185
oljne affju merflidje unb anftöjjtge SBeränberungen für bte
Sü^ne bequem $u madjen, uidjt beantwortet, greilidj er«
fobern cint)einxifd;e Sitten audj etnF)einüfc()e Vorfälle; wenn
beim aber mir mit jenen bte £ragöbte am (etdjteften unb
geroiffeften tfjrcn 3niecf erreidjte, fo mittle es jabod) rool)l bejfer
fein, fidj über alte Sdjmierigfeiten, roefdje fidj bei 33eljanbtung
biefer ftnben, roeg$ufe£en, al3 in 2lbftdjt beg 2Befentltd)ften
311 furj 51t f äffen, meldjeS unftreitig ber 3uiec^ ift- 2(udj
merben uidjt äffe einfjeimifdje Vorfälle fo merflidjer unb au=
ftöfjtger SSeränberungen bebürfen; unb bie bereu bebürfen, ift
man ja uidjt oerbunben gu bearbeiten. 2triftoteIe§ Ijat fdjon
angemerft, baj} eö gar mol)l Gegebenheiten geben fann unb
gibt, bie fidj oollfommen fo eriiugnet Ijaben, als fie ber 2)idjter
braucht. S)a bergleidjen aber nur feiten finb, fo Ijat er aud)
fdjon entfdjieben, bafj fidj ber $)idjter um ben roenigern Steil
feiner 3ujdjauer, ber oon ben mal)ren Umftänben oielleidjt
unterrichtet ift, lieber uidjt befümmern, als feiner ^fltdjt
minber Genüge leiften muffe.
2)er Vorteil, ben bie einfjeimifdjen «Sitten in ber $0=
mbbie (jaben, beruhet auf ber innigen 33efanntfdjaft, in ber
mir mit iljnen ftefjen. 2)er 2)td)ter braudjt fie un§ uidjt erft
befannt gu madjen; er ift aller fjiergu nötigen 23efd)reibungen
unb Sßinfe überhoben; er fann feine ^erfonen fogleidj nad)
ir)ren Sitten Ijanbeln laffen, orjne uns biefe Sitten felbft erft
langmeilig 31t fdiitbern. Gtnfjetmifdje Sitten alfo erleid)tern
ifjm bie Arbeit unb beförbern bei bem ^ufdjauer bie 3ffufi°n-
2ßarum foltte nun ber tragifdje SDidjter fidj biefeS roid);
tigen boppelten 23ortei(§ begeben? Shidj er Ijat Urfadje, fidj
bie Arbeit fo oiel als möglidj 51t erleidjtern, feine Gräfte
uidjt an ^ftebengroed'e gu uerfd)raenben, fonbem fie ganj für
ben §aupt3ir>ed* 51t fparen. 2Cucfj iljm fommt auf bie Sffufion
beS 3ujdjauer§ alles an. — sJftan wirb oielleidjt hierauf
antworten, bafj bie ^ragobie ber Sitten uidjt grof; bebürfe;
baft fie iljrer gang unb gar entübriget fein fönne. Slber fo=
nadj braudjt fie audj feine frembe Sitten; unb oon bem
roenigen, ioa§ fie von Sitten fjaben unb geigen miff, totrb e£
bod) immer beffer fein, menn eS oon einfjeimifdjen Sitten
rjergenommen ift, als oon fremben.
£)ie ©rieben voenigftenS Ijaben nie anbere als if)re eigene
Sitten, n\d)t blofj in ber ^omöbie, fonbern audj in ber
Sragöbie, gum ©runbe gelegt. Qa, fie Ijaben fremben
Golfern, aus bereu ©efd)idjte fie ben Stoff iljrer ^ragöbie
186 Jpamburgifdje Dramaturgie.
etwa einmal entlelmeten, lieber ifjre eigenen griedjifdjen (Sitten
leiten, alö bie Söirfungen ber SBüfyne burd) unoerftänblidje
barbarifc^e Sitten entkräften wollen. Sluf ba3 (Eoftume,
meld)e§ unfern tragifdjeu £)id)tern fo ängftlid) empfohlen
wirb, freiten fie wenig ober nid)t§. SDer 23ewei3 l)ieroon
fönnen oorneljmlid) bie ^erfer be3 2lefd)t)lu3 fein; unb bie
Urfadje, warum fie fid) fo wenig an bag Goftume binben 511
bürfen glaubten, ift au3 ber 2lbficl)t ber Xragöbte leidjt gu
folgern.
£)od) id) gerate $u weit in benjenigen SLeil besl $ro-
blem§, ber midj i£t gerabe am menigften angebt. Sroar
inbem id) behaupte, baß eiuljeimifdje Sitten aud) in ber
^ragöbie guträgUdjer fein mürben al§ frembe, fo fe|e id) fdjon
al3 unftreitig oorau§, baß fie eö menigfteng in ber ^omöbie
finb. Unb finb fie ba3, glaube id) wenigfteng, baß fie es
finb: fo fann id) aud) bie Skränberungen, roeldje §err 9?o=
manuö in 2lbfid)t berfelben mit bem Stücfe be3 Vereng ge=
mad)t ijat, überhaupt triebt anber§ al3 billigen.
dx Ijatte 3f}ed)t, eine gabel, in weldje fo befonbere grie=
d)ifd)e unb rchnifdje Sitten fo innig oerwebet finb, um^u^
fdjaffen. 2)a§ SBeifpiel erljätt feine ^raft nur oon feiner
innern ;föal)rfdjeiulid)l'eit, bie jeber 9)cenfd) nad) bem beurteilet,
wa$ iljm felbft am gewöl)nlid)ften ift. Sitte Slnmenbung fällt
weg, mo mir uu3 erft mit iftürje in frembe Umftnnbe oer=
fe^en muffen. Slber e§ ift aud) leine leiste Sadje mit einer
foldjen Umfdjaffung. Qe oolll'ommner bie gabel ift, befto
weniger läßt fiel) ber geringfte Seil oeränbern, oljne ba3
(3anie $u zerrütten. Unb fcl)limm! wenn man ftd) fobann
nur mit gliden begnügt, olme im eigentlichen Sßerftanbe
um$ufd)affen.
2)a3 Stüc! Ijeißt: bie trüber, unb biefeg bei bem
STeren^ au3 einem boppelten ©runbe. SDenn nid)t allein bie
beiben Sllten, 9Ducio unb £>emea, fonbern aud) bie beiben
jungen Seute, 2lefd)inu3 unb ^tefipljo, finb trüber. SDemea
ift biefer beiber 23ater; TOcio l)at ben einen, ben 2lefd)inus,
nur an Soljneg dotatt angenommen. 9cun begreif id) nid)t,
warum unferm SSerfaffer biefe Slboption mißfallen. $d) weiß
nid)t anber§, als baß bie Slboption aud) unter un3, aud) noci)
t$t gebräuchlich unb oollfommen auf ben nämlid)en guß
gebräuchlich ift, wie fie e3 bei ben Römern war. SDem unge=
ad)tet ift er baoon abgegangen; bei iljin finb nur bie ^wei
Sllten SBrüber, unb jeber Ijat einen leiblichen Sol)n, ben er
©icbcnunbtteurtjigfteä 3tücF. 187
nadfj feiner 5trt er$te(jet. 2lber, befto beffer! nrirb man Dtel
letdjt jagen. So jtnb beim aud) bie gmei 2tlte mirtlidje
SBäter, nnb bag ©tücf ift nrirtTidj eine ©djule bev SSäter,
b. i. foldjer, betten bie Ücatur bie uätevlidje ^flidjt aufgelegt,
ntdjt fotdjev, bie fte freiwillig jroar übernommen, bie fiel) ifyrer
aber fdjmerlid) raeiter unterbieten, alg eg mit tfjver eignen
ls)emäd)tidjt'eit befteljen f'ann.
Pater esse disce ab illis, qui vere sciunt!*)
(Seljrmoljl! -Kur fdjabe, baß burd) 3tuf(öfnng biefeg einigen
Knoten, meldjer bei bem Vereng ben 2(efd)inug unb Sltefipljo
unter fid) nnb beibe mit bem £emea, ifjrem SSater, oerbinbet,
bie gange 9)?afd)ine aug einanber fällt unb aug einem all=
gemeinen Sntereffe gmet gang nerfdjiebene entfielen, bie bloß
bie ^onuenieng beg ®id)terg unb feinegraegeg iljre eigene
jRatur gufammenljält !
©enn ift 2lefd)inug nidjt bloß ber angenommene, fonbern
bev leibliche <2o(m beg 9Jiicio, mag Ijat Semea fid) nie! um
ü)n 511 bekümmern? S)er (ssoljn eineg 53ruberg get)t mid) fo
nafye md)t an alg mein eigener. SÖenn id) finbe, baß jemanb
meinen eigenen (Sofjn uergiefjet, gefd)äl)e eg aud) in ber beften
2(bfid)t non ber 31>ett, fo l)abe id) 9ced)t, biefem gutfjergigen
SBerfüljrer mit aller ber §eftigfeit §u begegnen, mit meldjer
beim Vereng SDemea bem SDcicio begegnet. 216er menn eg
nidjt mein ©ofnt ift, menn eg bev eigene ©oljn beg äßer^
gieljerg ift, mag lann id) mel)v, mag bavf id) mel)v, alg baß
id) biefen $ergiel)er mavne unb, menn er mein trüber ift,
iljn öfterg unb ernftlid) marne? Unfer $erfaffer fettf ben
Semea aus bem $erl)ättniffe, in raeldjem er bei bem Vereng
fteljet; aber er läßt il)m bie nämliche Ungeftümfjeit, gu meldjer
il)n bod) nur jeneg 3]erf)ältnig bered)tigen fonnte. 3a, bei
if)m fdjimpfet unb tobet 2>emea nod) meit ärger, alg bei bem
Vereng. @r mitl aug ber §aut fahren, „baß er an feineg
SBruberg ftinbe Sdjimpf unb ©djanbe erleben muß". 2Benn
il)tn nun aber biefer antmortete: „£)u bift uid)t llug, mein
lieber 33ruber, menn bu glaubeft, bu fönnteft an meinem föinbe
Sd)impf unb Sdjaube erleben. üföenn mein <Sol)n ein 53ube
ift unb bleibt, fo nrirb, raie bag Unglücf, alfo aud) ber (5d)impf
nur meine fein. S)u magft eg mit beinern @ifer rooljt gut
meinen; aber er get)t gu meit; er beleibiget mid). gallo bu
*) [23ater |u fein, lerne üon benen, bie e§ luirftid) üevftet;en! 3.]
188 £amburgtftfje Dramaturgie.
micfj nur immer fo ärgern willft, fo fomm mir lieber nidjt
über bie ©d)welle!" u. f. vo. SÖenn 3CRicio, fage idj, biefeg
antwortete: nid)t waljr, fo märe bie föomöbie auf einmal aug?
Dber tonnte 3Ricto etroa nidjt fo antworten? 8a, müfete er
wof)l eigentlid) nidjt fo antroorten?
2öie oiel fdjidlidjer eifert 3)emea beim ^eren^. ©iefer
9Iefd)inug, ben er ein fo lüberlidjeg Seben ^u führen glaubt,
ift nodj immer fein 8ol)n, ob iljn gleid) ber trüber an
föinbeg Statt angenommen. Unb bennodj befielet ber römifdje
9J?icio meit meljr auf feinem 9M)te, alg ber beutfdje. 2)u
fjaft mir, fagt er, beinen @ol)n einmal überlaffen ; befümmere
bid) um ben, ber bir nod) übrig ift;
— — nam ambos curare; propemodum
Reposcere illum est, quem dedisti — — *)
SDiefe oerftedte 2)rofjung, ifjm feinen <Sol)n gurüd^ugeben, ift
e§ aud), bie iljn 511m Sdjweigen bringt ; unb bod) lann iUticio
nicrjt oerlangen, bafe fie alle oäterlidje ©mpfinbungen bei if)tn
unterbrüden foll. @g mufe ben 9Jiicio §war oerbriefeen, bafj
3)emea aud) in ber golge nid)t aufhört, il)m immer bie näm=
lidjen Vorwürfe 31t machen ; aber er f ann es bem SSater bod)
aud) nid)t oerbenfen, wenn er feinen ©ol)n nidjt gänglid) will
oerberben laffen. ^urj, ber £)emea beg ^eren^ ift ein 9Jiann,
ber für bag 2Bol)l beffen beforgt ift, für ben il)m bie üftatur
51t forgen aufgab; er tljut eg ^war auf bie unrechte Sßeife;
aber bie Seife mad)t ben ©runb nid)t fd)limmer. £)er S)emea
unferg $erfafferg hingegen ift ein befdnoerlidjer Sanier, ber
fid) aug $erwanbtfd)aft $u allen ©robljeiten berechtiget glaubt,
bie 9JJicio auf leine Söeife an bem bloßen trüber bulben müfcte.
$4tunöttnmjttt|ks Sttätli»
SDen 8. ^Iptit 17Ü8.
©ben fo fdjielenb unb falfd) wirb burd; 2Tufljebung ber
boppelten 23rüberfd)aft aud) bag 33erl)ältni§ ber beiben jungen
Seute. 3d) oerbenle eg bem beutfdjen 2lefd)inug, bafe er**)
„oielmalg an ben £l)orf)etten beg $tefipl)o Anteil nehmen §u
muffen geglaubt, um il)n, alg feinen Setter, ber ©efaljr unb
*) [2)enn für beibe Jörgen, fjeijjt beinatje ben äurücfjorbcrn, ben 'an mir über«
tie&eft. 3.]
**) aufs. I-, «uftr. 5.
8ttf)tunbneunatgfteS ©türf. 180
öffentlichen Sdjaube 511 entreißen". 2öas SBetter? Unb fdjidt
es fid) moljl für ben leiblidjen SBater, if;nt bavauf 31t anU
mortem „3$ billige beine Ijierbei bezeigte «Sorgfalt unb üBors
fidjt; idj r>crmer)re bir es aucr) inSfunftige nid/t?" 2öas oer«
wefjrt ber SBater bem <2or)ne nidjt? 2tn ben %l)orl)eiten eines
ungezogenen 33etter§ Slnteil 51t nehmen? SBaljrlidj, ba§ follte
er i()tn nerroefjren. „(Sudje beinen SSetter," müftte er ifmt
Ijöcbftens fagen, „fo oiel möglid; von ^Ijorljeiten abgalten;
menn bu aber ftnbeft, baf$ er burdjaus barauf befteljt, fo enfc
5tel)e bidj üjm; benn bein guter sJcame imift bir inerter fein
als feiner."
9cur bem leiblichen 33ntber nergeiljen wir, Ijicrin weiter
31t geljen. üRur an leiblidjen trübem fann es un§ freuen,
wenn einer von bem anbem rüljiut:
— — Illius opera nunc vivo ! Festivum caput,
Qui omnia sibi post putarit esse prae meo commodo:
Maledicta, famam, meum amorem et peccatum in se
transtulit. *)
2)enn ber brüberlidjen Siebe wollen wir nem ber ßlugljeit
leine ©renken gefegt wiffen. Qvoox ift es wal)r, bafj unfer
SBerfaffer feinem Slefdjinus bie ^t)ort)eit überhaupt 51t erfnaren
gewußt Ijat, bie ber 2lefd)inus bes fcereng für feinen Araber
begebet. Sine gewalifame @ntfür}rung rjat er in eine ffeine
Schlägerei oermanbelt, an weldjer fein woljlge^ogner 3üng=
ling weiter feinen £eit fjat, als baj3 er fie gern ner^inbern
wollen. Slber gleicf)wol)l läftt er biefen wol)lgegognen 8"n9;
ling für einen ungezognen fetter nodj uiel 31t niel if)un.
SDenn müfete es jener woljl auf irgenb eine SBeife geftatten,
baf3 biefer ein $reatürd)en, wie Gitalife ift, ^u iljm in bas
§aus brädjte? in bas §aus feines Üßaters? unter bie 2lugen
feiner tugenbfjaften ©eliebten? @s ift nidjt ber nerfüfjrerifdje
3)amt§, biefe $eft für junge Seute, beffenwegen ber beutfcfye
5(efdnnus feinem lüberlidjen Sßetter bie -Jcieberlage bei fid)
erlaubt: es ift bie blofee Äonoenien^ bes £>id)ters.
Sßie nortrefflid) Ijängt alles bas bei bem Vereng 5m
fammen ! 2öie ridjtig unb notmenbig ift ba aud) bie geringfte
SUeinigfeit motiuieret! 2(efd)inus nimmt einem ©flanenljanbler
ein SRäbdjen mit ©ewalt aus bem §aufe, in bas fid) fein
*) [$urdj fein SBemüfjen lebe id) jcijt. ®a§ frcuubtidje §erj, ba§ afle§ für fid)
felbft Ijintonfeljte im SBergleid) mit meinem ffißofjle: (Sdpnctyungen, 2?erleumbungen
unb bie Sünben meiner iiiebe nafjm e§ auf fid). 3.]
190 £am&urgtfd)e Dramaturgie.
23ruber verliebt Ijat. SCber er tfjut ba3, weniger um ber
Neigung feines SruberS gu willfahren, als um einem großem
Uebet oorgubauen. SDer (BfTanenljänbler will mit biefem
9Jiäbd)en unuergüglid) auf einen auswärtigen Tlaxtt, unb
ber 33ruber mill bem 9Jläbdjen nad), will lieber fein $ater=
lanb nerlaffen, als ben ©egenftaub feiner Siebe au§ ben
klugen nerlteren.*) 9?od) erfährt 2(efd)inu£> gu rechter &\t
biefen ©ntfdjluß. 2öa§ foll er tljttnV @r bcmädjtiget fidj in
ber ©efdjminbigfeit be§ 3Jiäb<§cn§ unb bringt fie in ba§ §au3
feines DljeimS, um biefem gütigen 3Dianne ben gangen §anbel
gu entbeden. £)enn bas 3Ääbdjen ift gwar entführt, aber fie
muß if)rem (Eigentümer bod; begabt merben. 9ücicio begabt
fie audj oljne 2lnftanb unb freut fidj nidjt fowoljt über bie
%$at ber jungen Seute als über bie brüberlidje Siebe, roeldje
er gum ©rtmbe fielet, unb über baS Vertrauen, weldjeS fie
auf iljtt babei fe|en wollen. 3)a§ ©roßte ift gefdjeljen;
warum follte er nic^t nod) eine föleinigfeit Ijingufügen, i^nen
einen oollfommen oergnügten %ag gu machen?
— — — Argentum adnumeravit illico :
Dedit praeterea in sumptum dimidium minae. **)
§at er bem ^tefipljo bas Sftäbdjen gefauft, warum foCC er iljm
nidjt nerftatten, fidj in feinem §aufe mit iljr gu uergnügen?
2)a ift nad) ben alten Sitten nidjts, wa§ im geringften ber
iugenb unb Gsljrbarfeit wiberfprädje.
2Xber ntcr)t fo in unfern SBrübem ! 3)a§ §au§ beS gütigen
9Sater§ wirb auf baS ungegiemenbfte gemifebraudjt. anfangs
oljne fein Sßiffen, unb enblicr) gar mit feiner ©enefymigung.
ßitalife ift eine weit unanftänbigere $erfon als felbft jene
$faltria; unb unfer $teftpl)o will fie gar heiraten. 2Benn
baS ber ^erengifdje ^tefiplw mit feiner $faltria oorgeljabt
fyätte, fo würbe fid) ber Serengifdje 9Jftcio fidjerlid) gang anberS
*) Act. IL Sc. 4.
Ae. Hoc mihi dolet, nos paene serc scisse ; et paene in eum locum
Rediisse, ut si omnes cuperent, nihil tibi possent anxiliarier.
Ct. Pudebat. Ae. Ah, stultitiä est istaec; non pndor, tarn ob parvulam
Rem paene e patria: turpe dictu. Deos quaeso ut istaec prohibeant.
\%t, 25a§ ift mir leib, bafj mir e§ faft ju fpät erfahren fiöttcn , unb baß e§
faft ba^in gefommen märe, baß bir, roenn e§ aud; alle geroünfdjt tjätten , niemanb
f)ätte t)elfcir fönnen. ffit. 3d) fd)ämte mid). |U. 9ld), Srjorbeit ift bie§, nid)t
Sdjam, megen einer folgen Kleinigkeit beinahe au§ bem 2?aterlanbe ju fliegen: e§
ift jdjimpflid) §u jagen. 3d) bitte bie ©öttcr, fo etma§ 3U tierpten. 3-]
**) [@r ßät;tte fofort ba§ ©etb auf unb gab aujjerbcm ju einem toerguiigten 2age
eine fjalbe 2)iine. 33
2rd)tunbnciur,igfte3 ©tücf. 191
bnbei genommen Ijabcn. Gr mürbe Gitalifen bte Xf)ürc ges
wiefen nnb mit bem Sßater bie fräftigften Mittel öerabrebet
haben, einen fidj fo fträflid) emanjipievenbcn Surften im
oiuimc 51t Ijaltcn.
Ueberljaupt ift ber beutfdje .Ütcftpljo oon anfange nie! gu
uerberbt gefd)übert, nnb and) Ijierin ift unfer Sßerfafjer non
feinem 3ftufier abgegangen. £)ie (Stelle crwcd't mir immer
©raufen, roo er ftd; mit feinem Sßetter über feinen SBater
unterhält. *)
Seanber. 2(ber wie reimt fiel) bas mit ber Gfyrfurdjt,
mit ber Siebe, bie bn beinern ^ater fdjulbig bift?
Sncaft. Gljrfurdjt? Siebe? §m! bie wirb er woljl
nid)t non mir verlangen.
Seanber. Gr feilte fie nicr)t verlangen?
Sijcaft. 9?ein, gewijj nidjt. Qd) fyabe meinen SBater gar
nidjt lieb. 3dj müfjte e§ lügen, roenn idj eS fagen mollte.
Seanber. Unmenfdjlidjer (Soljn! £)u bebenfft uidjt,
was bu fagft. ^Denjenigen nidjt lieben, ber bir ba$ Seben
gegeben Ijat! ©0 fpridjft bn i$t, ba bn il)n nod) leben ftefjft.
SXber nerliere il)n einmal; Ijernadj miU \ä) bid) fragen.
Sncaft. §m! 5$ weift nun eben nidjt, mag ba ge=
fdjeljen mürbe. SCuf allen galt mürbe id) rooljl and) fo gar
Unredjt nid)t tl)itn. 3)enn idj glaube, er mürbe cS and) nid)t
beffer madjen. Gr fpridjt ja faft tägtid) $u mir: „2ßenn id)
bid) nur toS märe! roenn bu nur roeg rcäreft!" Reifet baS
Siebe? $annft bu verlangen, baft id) if)n roieber lieben foH?
2tudj bie ftrengfte 3ud)t müfjte ein ^inb 51t fo Unnatur*
lidjen ©efinnungen nid)t oerleiten. 2>a§ §erg, ba§ itjrer aus
irgenb einer Urfad)e fäl)ig ift, nerbient nid)t anberS, als fflamfd)
geijalten ju werben. SBenn wir uns beS ausfdjmeifenbeu
(BoljneS gegen ben ftrengen SBater annehmen folten : fo muffen
jenes 2Iitsfdjweifungen lein grunbböjeS §er§ oerraten; eS
muffen nidjts als SluSfdjroeifungen beS Temperaments, jugenb=
Itdie Unbebad)tfam!eiten, ^Ijorljeiten beS $i£el§ unb WHuU
unKens fein. Wad) biefem ©runbfatje l)aben 5Dcenanber unb
Vereng iljren Atefipfjo gefdjilbert. 60 ftreng ifjn fein Später
f)ä(t, fo entfährt iljm bod) nie baS geringfte böfe Söort gegen
benfelben. 3)a§ einzige, roaS man fo nennen tonnte, mad)te
er auf bie oortrefflidjfte 9öeife roieber gut. Gr möd)te feiner
Siebe gern roenigftenS ein paar £age ruljig genießen ; er freuet
*) 1. •iiufj., 6. Huftr.
192 §amburgifd)e ^Dramaturgie.
fid), bafe ber $ater roteber l)inau§ auf ba§ £anb, au feine
Arbeit ift, unb münfdjt, bafe er ftdj bamit fo abmatten, —
fo abmatten möge, baf3 er gange brei %aq,e nidjt au3 bem
23ette fönne. (Sin rafdjer 3Öunfd)! aber man felje, mit metdjem
3ufa|e:
— — — — — — utinam quidem
Quod cum salute ejus fiat, ita se defatigarit velim,
Uttriduo hoc perpetuo prorsum e lecto nequeat surgere.*)
Quod cum salute ejus fiat! 9htr müfcte e3 tfjm weiter
nidjt fdjaben! -- <5o red)t! fo redjt, tiebengraürbiger Qüngling!
Qmmer gel), moljin bid) greube unb Siebe rufen! gür bid)
brüden mir gern ein Sluge 51t! £)a§ Söö'fe, ba3 bu begeljft,
mirb nidjt fefyr böfe fein! S)u Ijaft einen ftrengern 2luffel)er
in bir, a(§ felbft bein Sßater ift ! — Unb fo fiub mehrere güge
in ber <Sgene, au§ ber biefe ©leite genommen ift. £)er beutfdje
SUeftpljo ift -ein abgefeumter 23ube, bem Sügen unb betrug
feljr geläufig finb ; ber römifdje hingegen ift in ber äugerften
SSermirrung um einen Keinen 23ormanb, burd) ben er feine
Slbmefenljeit bei feinem SSater rechtfertigen fönnte.
Rogabit me: ubi fuerim? quem ego hodie toto non vidi die.
Quid dicam? Sy. Nilne in mentem venit? Ct. Nunquam
quiequam. Sy. Tanto nequior.
Cliens, amicus, hospes, nemo est vobis? Ct. Sunt, quid postea?
Sy. Hisce opera ut data sit. Ct. Quae non data sit? Non
potest fieri ! **)
SDiefeS naioe, aufridjtige: quae non data sit! 2)er gute
Jüngling fudjt einen feormanb, unb ber fd)alfifd)e $ned)t
fdjlägt iljtn eine Süge oor. ©ine £üge! sJZein, ba§ geljt nidjt:
non potest fieri!
*) [Wödjte et ftd) bod) , aber fo, bafj e§ ifmt nidjt fdjabete, fo ermüben, bafe
er biefe brei Sage lang ununterbrochen fort nidjt au§ bem 53ette aufftefjen fönnte ]
**) [@r rcirb mid) fragen, roo id) geroefen bin. 3d) fmbe Um fjeutc ben ganjen
Sag nidjt gefefjen. Söa§ foü id) fagen? §ij. jjföflt bir nid)t§ ein? <&t. SDurdjau§
nid)t§. Sx\). 5lrmer Sropf! £>aft bu feinen ßlieuten , feinen greunb, feinen ©aft=
freunb? "(Ct. 3a; ma§ Weiter? Stj. 5ßon einem foldjen mußt bu in 9lnfprudj ge=
nommen morben fein. ©t. Söcun id) nidjt in 9lnfprudj genommen morbeu bin?
Wein, ba§ gcljt nidjt! 3-1
SReuttimbneunjigfteä 2 tuet'. 193
IteiuuiironennjtnjU^ gtitrU.
3>eii 12. April 1768.
(Sonad) fyatte Vereng aud) nidjt nötig, uno feinen $te
fipfjo am @;nbe be§ Stufe bekämt unb buvclj bie SBefd^äs
mung auf bem SEBege ber SBefferung 31t geigen. 2öof)l aber
mußte biejeo imfer Serfaffer tljun. 9ttw fürdjte id), bau ber
3ufd)auer bic friedjenbe 3Reue unb bic furdjtfame Unters
roerfung eines fo leidjtftnnigen 33uben uidjt für fefjr auf=
ridjttg galten fann. (Sben fo roemg als bic ©emütSänberung
feines SSaterS. SBeiber Umfeljrung ift fo roenig in ifjrem
Gfyarafter gegrünbet, baf$ man bao SebürfniS bes> SidjterS,
fein ©tüdE fqÜeßen xu muffen, unb bic Verlegenheit, es auf
eine beffere Art 31t fdjlieften, ein wenig 31t feljr barin ein-
pfinbet. — 34 w^fe überhaupt uidjt, rooljer fo oicle fomifdje
2)id)ter bie Siegel genommen Ijaben, bafe ber SBöfe uotroenbig
am @nbe be§ ©tüdfö entroeber beftraft werben ober fid) beffcvn
muffe. Qu beu £ragöbie möchte bic je "Tiegel nod) eljer gelten;
fie fann uns ba mit bem ©dn'cffale oerfölmen unb 3Äurren
in 9Jfttletb feljren. 3Iber in ber i\omöbie, benfe id), Ijitft fie
nidjt allein nidjts, fonbern fie oerbirbt trielmeljr oieleS.
SfiSenigftenS madjt fie immer ben 2lu§gang fdjielenb unb fall
unb einförmig, üöenn bie oerfdjtebnen Gfjaraftere, roelcbe
id) in eine §anblung oerbinbe, nur biefe §anbhmg 31t Cmbc
bringen, marum folten fie nidjt bleiben, miefiemaren? 916er
freilid) mufe bie §anblung fobann in etiuaö meljr al3 in einer
bloßen Äoltifion ber (Sljaraftere beftefjen. SDiefe fann aller;
bingS nidjt anberö, alö burd) -Jkdjgebuug unb Veränberung
be3 einen Seils biefer (Eljaraftere geenbet merben; unb ein
©tüd, ba§ roenig ober nichts mef)r Fiat al§ fie, näfjert fidj nidjt
forooljl feinem 3*^/ fonbern fdjtäft inelmeljr nad) unb nad)
ein. SÖenn hingegen jene Eottifion, bie §anblung mag fid)
iljrem Gnbe näljero, fo oiel als fie roill, bennodj gletd) ftavt
fortbauert, fo begreift mau leidjt, baß baö Gnbe eben fo leb*
r)aft unb unterfjaltenb fein fann, als bte $ftitte nur immer
mar. Unb ba§ ift gerabe ber Unterfdjjieb, ber fid) gnrifdjen
bem legten 2tfte bes Vereng unb bem legten unferS SSer=
fafferS befinbet. ©obalb roir in biefem Ijören, baß ber ftrenge
SSater fjinter bie Söaljrljeit gefommen, fo tonnen roir uno baS
übrige alleä an ben Saugern absäljlen ; benn eS ift ber fünfte
Slft. @r roirb anfangt poltern unb toben; balb barauf roirb
er ftd) befänftigen lafjen, roirb fein Unrecht erfennen unb fo
Scjjtng, SSerfe. XII. 13
194 §amburgtfd)e Dramaturgie.
roerben motten, ba$ er nie mieber gu einer foldjen $omöbie
ben ©toff geben fann ; be^gleicfyen rotrb ber ungeratene ©oljn
fommen, mirb abbitten, rotrb fiel) gu befferu r>erfpredjen; furg,
alleö mirb ein §erg unb eine 6eele werben. j)cn hingegen
tüilT \d) feljen, ber in bem fünften 2Ifte be§ STereng bie 3öen=
bunten be§ SDidf)ter§ erraten fann! SDte Sntrigue ift längft
gu (Snbe; aber ba3 fortiuäf)renbe ©piet ber Gfyaraftere läftt
eg un§ laum Bewerten, baf} fie git ßmbe ift. deiner ner=
änbert fid) ; fonberu jeber fdjteift nur bem anbern eben fo m'el
ab, al§ nötig ift, i|n gegen ben 9cadjtei( be3 ©r^effeS 31t
Dermalen, ©er freigebige Wdcio rotrb bttrdj baS ?)JJanöoer
be§ geizigen SDemea bal)in gebradjt, baf$ er felbft baö Ueber=
nrafj in feinem Segeigen erfennet unb fragt:
Quod proluvium ? quae istaec subita est largitas ? *)
(Soraie umgefefyrt ber ftrenge SDemea burd) ba§ 9J?anöoer be§
nad)fid)t§uollen W\c\o enblid) erfennet, baf3 eg tttct)t genug ift,
nur immer 31t tabeln unb gu beftrafen, fonberu e§ aud) gut
fei, obseeundare in loco. — **)
9fr) dj eine einzige ^leinigfeit null id) erinnern, in weiter
unfer 3Serfaffer fid) gleichfalls §u feinem eigenen ^adjteite oon
feinem dufter entfernt bat.
Vereng fagt e§ felbft, bap er in bie Vorüber be§ Wie-
nanberg eine ©pifobe aus einem etüde be3 ®tpl)ilu§ über;
getragen unb fo feine 33rüber gufammengefe^t Ijabe. SDiefe
Sptfobe ift bie gemaltfame ©ntfüljrung ber ^faltria burd) ben
5(efd)inu§, unb ba§ Stüd be§ £)ipl)ilu§ fjtefj: £)ie mit
einanber ©terbenben.
Synapothnescontes Diphili comoedia est —
In Graeca adolescens est, qui lenoni eripit
Meretricem in prima fabula — —
— eum hie locum sumpsit sibi
In Adelpbos ***)
Wad) biefen beiben Umftcinben #1 urteilen, modjte 2)ipljtlu§
ein $aar Verliebte aufgeführt fjaben, bie feft entfdjloffen
waren, lieber mit einanber 51t fterben, als fid) trennen gu
'1 [S0ßo§ fcebeutet biefe Cicbtjaberct ? biefc plö^tidje greigeBigleit? 31
**) [$ln bem rechten Orte 9iad)fid)t ;u üben. 33
***) [@§ ift bie Sontöbie be§ Sbi^f)ilu§ : „2)ie mit einanber ©terbeuben. " --
Sit bei- nrifdf)üd)en ßomübie ift ein fuinottna., bei- einem ßiipptcr im 9tnfano,e be*
Stiicfc* eine 2irne entreißt. 2>ieje Stelle rmt 2erentiu§ in bie „©ruber" nuf=
genommen. 3]
■Weummbneunjigfteä Stiitf. 105
raffen ; nnb roet roeifj, mao gefdjefyen nnire, wenn f t c l > t^Coict;
falls nidjt ein Siebfjaber in3 -Kittel gefdjlagen unb baä Uttäb
djen für ben greunb mit ©etnatt entführt hatte? Ten Cint=
fdjlufj, mit einanber 31t fterben, l)at £eren$ in ben bloßen
©ntfdjtufj be§ SieBljaberä, bem 9ftäbd)en nadrmf lieben imb
Sßater nnb SBaterlanb um fie 511 üerlafjen, getmlbert. Tonaüto
fagtbiefeg anobrüdlid): Menander moriillum voluisse fingit,
Terentins rugere.*) 2lber follte e3 in biefer -ftote be$ S)o=
natuä nidjt Diphilus anftatt Menander Reiften? @arig getm'fe;
mte $ et er SftanntuS biefeS fdjon angemerkt (jat.**) Teun
ber 2)id)ter, mie mir gefeljen, fagt eö ja felbft, bafj tt biefe
ganje (E'pifobe üon ber ©ntfü^rung ntdjit am bem IKenanber,
fonbern am bem 3)ipljilu3 entlehnet Ijabe; nnb bao Stürf beo
2)ipl)ituö> hatte oon bem (Sterben fogar feinen £itel\ %
5nbe3 mufj freilid) anftatt biefer oon bem £)tpljilu3 ent=
leimten Gntfüljrung in bem Stütfe beö IDicnanberS eine anbete
Sntrigue geroefen fein, an ber 2lefdjinu§ gleidjerroeife für ben
Mtefipbo Stnteil nafjm, nnb moburd; er fidj Bei feiner ©e^
liebten in eben ben 5>crbad)t Bradjte, ber am Gnbe i()re Sßer-
Binbung fo glücflidj Befdjleumgte. SBorin biefe eigentlich
Beftanben, bürfte fdjroer ju erraten fein. Sie mag aber be=
ftanben §aben, worin fie mill, fo mirb fie bod) gemifj eben
fo mobl gleich oor bem Stüde Dorjijergegangen fein alg bie uom
Vereng bafür gebrannte ©ntfü^rung. 2>enn and) fie mufj e§
geroefen fein, mooon man nodj überall fprad), alä 2>emea in
bie Stabt fam ; and) fie muf$ bie Gelegenheit nnb ber Stoff
geroefen fein, roorüber 5Eemca gleidj anfangt mit feinem Söruber
ben Streit beginnet, in meldjem fid) beiber Gemütsarten fo
oortrefflid) entnadeln.
*) [vFuuanber ßeflt e§ fo bar, at3 fyabc et fierfcen, 2creutiu3 jo, nl§ fjabe er
fliehen mollen. 31
**) Sylloge V, Miscell. cap. 10. Videat quaeso aecuratus lector,
num pro Meuandro legendum Sit Diphilus. Gerte vel tota Comcedia, vel
pars istius argumenti, quod hie traetatur, ad verbum e Diphilo translata
est. — Ita cum Diphili comcedia a commoriendo nomeu habcat, et ibi di-
catur adolescens nrori voltrisse, quod Terentins in fugere mutavit : omniuo
addueor, eam imitationem a Diphilo, non a Menandro mutuatam esse, et
ex po commoriendi cum puella studio OövaTCO&VTiaxoVTS^ nomou fabulae
inditum esse. — [2)er aufmerffame Sefet möge fefjen . ob uirfjt ftntt Sftenanbet
Tip()ifu§ 311 [efen ift. ©eftrif ift entlöebet bie gange Komöbie ober ein Seil ber
Tvaixl. bie frei bejubelt mirb, mürtlirb, bem S)ibbüu§ entnommen. Sa bie föomBbie
be§ 2)ip^i(u>3 öom ü)Uteinanberfierben ben Tanten i)at unb bnjelbft gefagi mirb, ein
^üngting öabe ftetben motten, maö SetentiuS in „fliegen" tieränbert bot; )o bin ich
gonj ber ÜJleinung, baß biefe SDetänberung Dom Sipluhi'?, nidjt öom SHenanbet ent=
leb,nt, unb jufolge be§ SDSimfttjeS, mit bei beliebten 311 fierben, ber9iame „Die 311=
jammen ©terbeubeu" bem Stiirfe gegeben morben fei. 3 i m in e im a n n.]
196 framburgifcOc Dramaturgie.
— — Nam illa, quae antehac facta sunt
Omitto : modo quid designavit ? —
Fores effregit, atque in aedes irruit
Alienas
— — clamant omnes, indignissirae
Factum esse. Hoc advenienti quod mihi, Micio,
Dixere ? in ore est omni populo — *)
sJhm fjabe xd) fdjou gefagt, bafe unfer SBerfafJer btefe gemalt-
fame Gntfüljrung in eine Keine ©djlägerei oermanbelt x)at.
(S'r mag axxd) feine guten Urfadjen baju geljabt Ijaben; wenn
er nur btefe ©djlägerei felbft nidjt fo fpät Ijätte gefdjeljen
laffen. 2Iudj fie follte unb müjjte bas fein, mas ben ftrengen
Sßater aufbringt, ©o aber ift er fdjou aufgebracht, elje fie
gefdjiefyt, unb man roeifj gar nidjt, worüber? @r tritt auf
unb 3anit oljne ben geringsten 3lnlafj. @r fagt pvax: „Sllle
Seute reben oon ber fdjledjten Sluffülnung beines ©oljneS;
id) barf nur einmal ben %n% in bie ©tabt feigen, fo Ijöre tdj
mein blaues Sßunber." Stber roa§ beim bie Seute eben xx)t
reben, morin bas blaue SGBunber beftanben, bas er eben itjt
gefjört unb morüber er ausbrüd'lid) mit feinem 23ruber gu
jaulen lömmt, baS l)ören mir nidjt unb fönnen es axid) aus
bem ©tüd'e nidjt erraten. $u% unfer 33crfaffer Ijätte ben
Umftanb, ber ben 2>emea in §arnifdj bringt, groar oeränbern
fönnen, aber er l)ätte ü)it nidjt verfemen muffen! Söenigftens,
menn er il)n t>erje#en motten, Ijätte er ben 2)emea im erften
2lfte feine Un^ufriebenljeit mit ber Gh^ieljungsart feines 33ru=
bers nur nadj unb nadj muffen äußern, «id;t aber auf einmal
bamit IjerauSolatjen laffen. —
9Jiöc|ten menigftens nur biejenigen ©tüde bes 9Jknanbers
auf uns gefommen fein, meldje Vereng genutzt l)at ! 3dj fann
mir nidjtS Unterridjtenbers beulen, als eine S8ergleid)ung
biefer griedjifdjen Originale mit ben lateinifdjen Kopien fein
mürbe.
SDenn gemip ift e§, bafe £ercn$ fein bloper fflatrifdjer
Ueberfe§er gemefen. 2ludj ba, mo er ben gaben bes •Jttenam
brifdjen ©tüd'es oölTig beibehalten, Ijat er fidj nodj mannen
f leinen 3ufö£/ manche SBerftärhtng ober ©djmädjimg eines
unb bes anbern 3ußeg erlaubt; mie uns bereu oerfdjiebnc
*) [ 2)enn irf) jage nid)tö toon feinen früheren ©treiben; aber roa§ bat er
nun mieber angeftiftet ? — SÜjüteti eitigef^lagen unb ein ftembeS .frauS erftürmt.
— — — — — — — — 9UIe finb empört barüber. Siöie Hiele, 9Jltcto, bnbeti e5
mir bei meiner Wultutft erjiitjlt! Sie gan^e Statt jpridjt bauou. — 3 Immer mann J
fcunbertfteä Stücf. 197
SDonatuö in feinen Sdjoüen angezeigt. SRur fctyabe, baß fiel)
^onatao immer fo rur$ unb öfterä fo bunfel barüber aus
brücft (weil 31t feiner ^eit bie ©tücfe be§ SDlenanberä nodj
felbft in jebermauno §änben waren), baf$ eo ferner wirb,
über ben 2öert ober Unwert foldjer SEerenjifdjen Münfteleien
etwas äuoertäffigeö 31t jagen. 3U Deu Srübero finbet fiel)
Ijienwn ein fe()v merlmürbiges ©rempel.
gjunocrtfUs §tiiru»
Den 15. 8tytÜ 1768.
£)emea, wie fdjon angemerft, will im fünften ?(fte bem
•Hticio eine Srftion naef) feiner xHrt geben. ©c fteltt fiel) luftig,
um bie anbem wahre ^tuofdjweifungeu unb Sollseiten begeben
31t laffen; er fpielt ben freigebigen, aber nidjt auo feinem,
fonbern aus bes Q3rubers SSeutel; er mcdjte biefen lieber auf
einmal ruinieren, um nur bas boshafte Vergnügen 31t Ijaben,
ibm am (Snbe fagen 31t fönnen: „9hm fiel), was bu uon beiner
©utljerjigfeit Ijaft!" <5o lange ber eljrlidje Wikxo nur oon
feinem Vermögen babei jufetjt, laffen mir un§ ben Ijämifcben
Bpaf, jiemlid; gefallen. aber nun fömmt es bem Verräter gar
ein, ben guten $ageftol^ mit einem alten verlebten -IKüttcrdicn
31t oerfuppeln. S)er blo|e (rinfall madjt uns anfangs 31t ladjen;
roenn mir aber enbtid) fel)en, bafj es Graft bamit wirb, bafj
fid) 2Jhcio mirflid) bie Sdjlinge über ben .^opf werfen läßt,
ber er mit einer einzigen crnftfmften SBenbung f)ätte aus-
weiden fönnen: wafjrtid), fo miffen mir faum mefjr, auf wen
mir ungel)altner fein f ollen, ob auf ben SDemea ober auf
ben -DOiicio.*)
*) Act. V. Sc. VIII.
De. Ego vero jubeo, et in hac re, et in aliis omnibns,
Quam maxime «nam facere nos haue familiam;
Colere, adjuvare, adjungere. Aes. Ita qxueso pater.
Mi. Haud aliter censeo. De. Imo hercle ita nobis decet.
Primum hujus uxoris est mater. Mi. Quid postea?
De. Proba, et modesta. Mi. Ita ajunt. De. Natu grandior.
Mi. Scio. De. Parere jam diu hsec per annos non potest:
Nee q\ii eam respiciat, quisquam est; sola est. Mi. Quam hie rem agit ?
De. Haue te sequum est ducere; et te operam, ut flat, dare.
ML Me ducere autem? De. Te. Mi. Me? De. Te inquam. Mi. Ineptis.
De. Si tu sis homo,
Hie faciat. Aes. Mi pater. Mi. Quid? Tu autem huic, asiue, auscultas.
De. Nihil agis,
Fieri aliter non potest. Mi. Deliras. Aes. Sine te exorem, mi pater.
Mi. Insanis, aufer. De. Age, da veniam filio. Mi. Satin' sanus es?
198 §am&urgif$e Dramaturgie.
£)emea. $a mol)l ift ba3 mein üffiille ! 3Bir muffen »on
nun an mit biefen guten Seuten nur eine gamilie madjen;
mir muffen iljnen auf alle Sßeife aufhelfen, un§ auf ade 2Irt
mit tfmen nerbinben. —
2lefcl)inu<o. 3)ä§ bitte id), mein ^Bater.
SJticio. Qd) bin gar nidjt bagegen.
2)emea. ®$ fdjitft ftd) aud; nidjt anbevö für uns. —
SDemt erft ift fie feiner grauen SJhitter —
3Wicio. 9tun bann?
Semea. 2tuf bie nidjtS gu fagen; brau, ehrbar —
9Jlicio. ©o l)öre id).
SDemea. 23ei Qaljven ift fte auc^)-
sJJiicio. Qa mol)l.
SDemea. ^inber fann fie fdjon lange nidjt meljr l)<\htn
SDagu ift niemanb, ber fid; um fie befümmerte; fie ift gang
uerlaffen.
äJticio. 2öa§ vo'xU ber bamit?
SDemea. 3)te mußt bu billig (jetraten, 23ruber. Unb
bu (äum 2(cid)imi5) mußt ja madjcn, baß er cö tljut.
9Jiicto. Sdj? fie l)eiraten?
2)emea. Sit!
SRicto. 3d)?
SDemea. 2)u! mie gefagt, bu!
s3Jficio. S)u bift litctjt tlug.
SDemea (jum tf«[d&mu§); 9htn ^eige, mag bu faunft! ßv
muß !
2lefd)inu3. 9Jcein äkter —
9Jcicio. Söie? — Unb bu, @ed, faunft if)in nod) folgen?
Semea. 3)u fträubeft bid) umfonft; eS fann nun ein;
mal nidjt anbevsl fein.
9Jcicio. S£u fdjroärmft.
2tefd;inu§. 2aß bid) erbitten, mein $ater!
»iciTo. Sftafefi bu? ©elj!
3)emea. D, fo mad)1 bem ©ofjne bod) bie greube!
TOcto. 33ift bu mofjl bei Sßerftanbe? 3d), in meinem
Ego novus maritus anno demmii quiuto et sexagesimo
Fiarn; atque anum tlecrepitam ducarn? Idne estis auctores mihi?
Aes. Fac; promisi ego Ulis. Mi. Promisti autem? de te largitor puer.
De. Age, quid, si quid te majus oret ? Mi. Quasi nun hoc Sit maximum.
De. Da veniam. Aes. Ne gravere. De. Fac, promitte. Mi, Nüii omittis?
ies. Non; nisi te exorem. Mi. Vis est h»c quidem. De. Age prolixe Micio.
Mi. Etsi hoc mihi pravum, ineptum, absurdum, atque alienum a vita mea
Videtur: .si vos tantopere istuc vultis, hat. — —
£unbertfteS ©tütf. 199
fünfunbfedjätgften 3al)re noc*) Zitaten? Unb ein altes oer;
tcbteS Söeto betraten? 3)a8 tonnet iljr mir jumuteit?
xHefdjinuö. %fy\x cS immer! ,\d) habe eo ihnen oers
fprodjen.
9)licto. SBerfprodjen gar? — 33ürfdjdjen, oerfprid) für
bid), roa§ bu oerfpredjen millft !
2)emca. grifd)! Söenn es nun etroaö 2Bid)tigere§ märe,
warum er bid; bäte?
5Di teio. s2Us ob etmao 3Bid)tiger3 fein tonnte wieba§?
2)emea. <So roiflfaljre tlnn bod) nur!
2tefdjinu3. ©ei uns nidjt jiuoiber!
SDemea. gort, üerfpridj)!
SJHcio. 2Bte lange foll bag mähren?
2(efcf)inug. S3iS bu bid) erbitten laffen.
■Ifticio. SIber ba§ Reifet ©eroalt brauchen.
2)emea. £l)u ein UebrigeS, guter 9Jticio !
■Jfticio. 9iun bann; — ob id) e§ ymax febr unredjt,
fefjr abgefdjmad't ftnbe; ob e3 fiel) jdjon meber mit ber S5er=
nunft, nodj mit meiner SebenSart reimet: — loeil ifjr bod) fo
fet)v barauf beftef)t ; eo fei!
„3lem,M fagt bie ivritif; „baö ift 31t ntel! 2)er dichter
ift I)ier mit 9iedjt 511 tabetn. 2>a3 einzige, mao man nod) ju
feiner 9ted)tfertigung fagen tonnte, märe biefeo, baß er bie
nachteiligen golgen einer übermäßigen (ihither^igieit habe geigen
motten. SDod) sJ3iicio l)at fid) biö baljin fo liebenounirbig be=
«riefen, er fjat fo niel SBerftanb, fo oiete Kenntnis ber SBelt
gezeigt, baf$ biefe feine lente iHuojcbmeifung roibet alle 3Ba^r=
fd)einltd)feit ift unb ben feinern ^wfc^auer notroenbig beleidigen
mufj. SBte gefagt alfo: ber 3)ia)ter ift l)ier 311 taoeln, auf
alte Söeife gu tabeln!"
9tber roeldjer ©idjterV 'Xerenj? ober 2Renanber? ober
beibe? — S)er neue englifdje Üeberfe§er beö Vereng, ßot=
mann, mill ben großem Xexl beS Labels auf ben 9ftenanber
3urücffdjieben unb glaubt am einer 3lnmer!ung beo 2)onatu§
bemeifen gu fönnen, baf; Vereng bie Ungereimtheit feines
Originals in biefer Stelle menigfteus feljr gemilbert fyabe.
2)onatu3 fagt nämlid;: Apud Menandnim senex de nuptiis
non gravatur. Ergo Terentins eöpYj-Enußc.
„@3 ift fef)r fonberbar," erflärt fiel) (Solmann, „bafj biefe
Slnmert'ung beö 5)onatu§ fo gänglidj non allen Muuftvicbtern
überfein morbeu, ba fie bei unferm Sßerlufte be3 9ftenanber§
bod) um fo uiel merjr 9(ufmcrf{amfeit oerbienet. Unftieitig ift
200 &amöurgifd)e ^Dramaturgie.
e§, bafc %exe\\% in bem legten 2Xfte bem platte be§ sJftenau=
berä gefolgt ift; 06 er nun aber fdjon bie Ungereimtheit, ben
Wlicio mit bei* alten -Ohttter 51t oerljetraten, angenommen, fo
lernen mir bod) uom S)onatu3, ba£ biefer Umftanb if)m felber
anftöjjtg gemefen unb er fein Original baljin uerbeffert, baf*.
er ben "DJttcio alle ben 3Sibermiflen gegen eine foldje ä>er=
binbung äufcertt laffen, ben er in bem Stütf'e be3 9)tenanber3,
mie e§ fdjeinet, nid)t geäußert fjatte."
@3 ift ttidjt unmöglid), baft ein römifdjer SDid^ter nidjt
einmal etwas beffer fönne gemacht l)aben al§ ein griedjifdjer.
2lber ber bloßen 9Jtöglidjleit roegen möchte id) e3 gern in
feinem galle glauben.
(Solmann meinet alfo, bie Sßorte be§ 3)onatu3: Apud
Menandrum senex de nuptiis non gravatur, l)te§en fo oiel
aU: beim ^Jtenanber fträubet fid) ber 3Xlte gegen bie
Mcirat ntdjt. Stber mie, menn fie ba§ nid)t Ijtefeen? 2Bemt
fie meintet) r |U überfeinen mären: beim -ötenanber fällt
man bem eilten mit ber §eirat ttidjt befdjmertid)?
Nuptias gravari mürbe pvax allerbing§ jene3 tjeifeen: aber
aud) de nuptiis gravari? Qu jener 91eben3art mirb gravari
glcidjfam al3 ein £>eponen§ gebraucht, in biefer aber tft e§
ja mofjl bog etgentltdje ^>affimtm unb fann alfo meine Sdtgs
legung nidjt allein leiben, fonbern oielleidjt roofjl gar feine
anbere leiben al§ fie.
2öäre aber biefeö: mie ftünbe e§ bann um ben Vereng?
@r l)ätte fein Original fo menig uerbeffert, baf$ er e§ triefe
mel)r uerfcljlimmert fjätte; er l)ätte bie Ungereimtheit mit ber
^erljeiratung be3 SOticto bttrd) bie Steigerung be§felben nid)t
gemtlbert, fonbern fie felber erfunben. Terentius eupY]Tixu>c!
aber nur, baf} e3 mit ben ©rfinbungen ber üftadjatymer nidjt
meit l)er ift!
$uitöertnttl,er|tc£, jnmtrs, drittes uno wertes $tüdt.
SDen 19. 9CptW 176S.
- §unbertunberftes bis uierteS? — 3d) 'Ijatte mir uorge=
nonunen, ben 5cil)i*gang biefer Blätter nur au3 fjttnbert ©tu den
befteljen $u laffen. ßmeiunbfunfäig SSodjen, unb bie Sßodjc
gmei <2tüd', geben gmar allerbingg l)unbertunboier. Slber
marum follte unter allen ^agemerfern bem einigen mödjent;
lidjen ©djriftfteller fein geiertag ju ftatten fontmen? Unb in
bem ganzen Safjre nur oiere, ift ja fo menig!
ftunbcrtunberftec), jttjeiieS, britteö unb nterteS Stttrf. 201
©od) SDoböteij unb Gompagnie tjaben bcm s^ublüo in
meinem -Namen auöbrücflidj Ijunbertunbmer 3tüd uerfprodjcn.
3d) werbe bie guten Scute fdjou nidjt 311 Sügnetn macljcn muffen.
S)ie grage ift nur: wie fange idj e% am beften an V —
©er 3eu9 ift Won oerfdjnitten ; idj werbe einfltden ober
reden mtifjen. — 216er bag Hingt fo ftümnermäfu'g. 9Jttr
fällt ein — roa§ mir glcidj Ijätte einfallen feilen: bie ©es
woljnljeit ber Sdjaufpieler, auf if)ve §auptuorftclfung ein fleineS
SRadjfpiel folgen 31t taffen. ®a§ 3ßadjfpiet lann Ijanbcln,
mouou e3 will, unb braudjt mit bem 3Sorfjerge(jcnbcn nidjt
in ber geringften SBerbinbung 31t fteljen. — <So ein Siad;=
fpiel bann mag bie SBlätter nun füllen, bie idj mir gang
erfparen wollte.
(rrft ein SBort non mir felbft ! üDenn warum follte nid)t
audj ein -Rad;fpie( einen Prolog Ijaben bürfen, ber fidj mit
einem Poeta, cum primum anirnuin ad scribendum ap-
pulit,*) anfinge?
2113 oor Qaljr unb 5£ag einige gute £eute tjier ben Gim
fad befamen, einen £>erfudj 311 machen, ob nidjt für bao
beutfdje Sljeater fidj etwaö mel)r tl)un taffe, als unter ber
Verwaltung eineä fogenannten Sßrin^ipalä gefdjeljen tonne:
fo weiß id) nidjt, wie mau auf mid) babei fiel unb fid) träumen
lief}, baß id) bei biefem Unternehmen woljl nüftltd) fein tonnte?
— gdfj ftanb eben am SERarfte unb war müßig; niemanb
wollte mid) bingen, of)ne Zweifel, weil mid) niemanb 31t
braud)eu wußte; bi§ gerabe auf biefe greunbe! — 9tod) finb
mir in meinem Sebeu alle 23efdjäftigungen feljr gleid)gültig
gewefen: id) l)abe mid) nie 311 einer gebrungen ober nur er;
boten; aber aud) bie geringfügigfte nicr)t oon ber §anb ge-
wiesen, 311 ber id) mid) au3 einer 2lrt oon ^räbilet'tion erlejeu
31t fein glauben tonnte.
Db id) 3itr 3(ufnal)me be§ t)iefigeu ^beaterö lonlurrieren
wolle? barauf war alfo leidjt geantwortet. 9llle 33cbenflid)=
feiten waren nur bie: ob id) e3 tonne? unb wie id) e§ am
beften tonne?
Sd) bin weber Sdjaufpieler, nod) ©idjter.
s)J?an erweifet mir gwar mandnnal bie Gljre, mid) für ben
letztem 31t erfennen. Slber nur, weil man mid) oerfenut.
2luö einigen bramatifdjen üBerfudjen, bie id) gewagt babe,
follte mau nidjt fo freigebig folgern. -Jiidjt jeber, ber ben Sßinfel
*) [%IZ ber 2id)ter fei» Sßeif begann. £.]
202 ftrtw&urgtfdje ^Dramaturgie.
in bie §anb nimmt unb garben oerquiftet, ift ein ^Dealer.
2)ie älteften oon jenen SBerfudfjen finb in ben Qaljren Ijinge;
fdjrieben, in metdjen man Suft unb Setdjjtigfett fo gern für
©enie l)ält. 2Bag in ben neueren drträglidjeg ift, baoon bin
idj mir fef>r bemüht, baß id) eg einzig unb allein ber JRritif
511 nerbanlen Ijabe. 3d) fürjte bie lebenbtge Duette nidjjt in
mir, bie burd) eigene $raft fid) emporarbeitet, burd) eigene
fRraft in fo reichen, fo frifdjen, fo reinen ©trafen auf fließt;
id) muß atte§ burdj ©rudmerl unb S^ö^ren aug mir l)erauf=
preffen. Qd) mürbe fo arm, fo lalt, fo lur^fidjtig fein, menn
id) nidjt einigermaßen gelernt Ijätte, frembe Sdjatje befd^eiben
in borgen , an frembem geuer midj $u märmen unb burd)
bie ©läfer ber Shmft mein Sluge gu ftärlen. $d) bin baf)er
immer befdjämt ober nerbrüßlicl) gemorben, menn idj 511m
sJcad)teil ber ^ritil etmag lag ober fjörte. ©ie fott bag ©enie
erfttden; unb id) fd)meid;elte mir, etmag oon ifyr §u erhalten,
mag bem ©enie fel)r na^e lömmt. Qd) bin ein Saljmer, ben
eine ©d)mäl)fd)rtft auf bie $rüde uumöglidj erbauen lann.
©od) freilid); wie bie $rücfe bem Saljmen raoI)l Ijtlft,
fid) von einem Drte $um anbern gu beraegen, aber ifjn ntdjt
^um Säufer machen lann : fo aucf) bie JRritil. $&enn idj) mit
tljrer §ilfe etmag guftanbe bringe, meldjeg beffer ift, alg eg
einer oon meinen Talenten ofjne JRritif machen mürbe: fo
foftet es mid) fo tuel Qelt, id) muß oon anbern ©efd)äften
fo frei, oon unmittfürlidjen 3ei*fireuuntt,en fo ununterbrodien
fein, id) muß meine gan^e 33etefenl)eit fo gegenmärtig l)aben,
id) muß bei jebem ©djritte alle ^Bemerkungen, bie id) jemalg
über ©itten unb Seibenfdjaften gemadjt, fo ruf)ig burdjlaufen
tonnen, baß 51t einem Arbeiter, ber ein Sweater mit Zeitig;
fetten unterhalten fott, niemanb in ber SBelt ungefdjid'ter fein
lann alg id).
2öag ®olboni für bag italienifdje ^fjeater tljat, ber eg
in einem ^aljre mit brei^efyn neuen ©lüden bereicherte, bag
muß id) für bag beutfdje §u tl)im folglich bleiben laffen.
3a, bag mürbe id) bleiben laffen, menn id) eg and) fönnte.
3d) bin mtßtrauifdjer gegen alle erfte ©ebanlen, alg 2)e la ßafa
unb ber alte ©I)anbt) nur immer gemefen finb. SDenn menn
icf) fie and) \d)on nidjt für (Singebungen beg böfen geinbeg,
meber beg eigentlidjen nodjj beg allegorifdjen, fyalte, *) fo beule
*) Au opinion John de la Casa, archbisliop of Benevento, was afflicted
with — which opinion was, — that whenever a Christian was writing a
ßunberiunberfteS, jroetteS, bvittco unb uierteo Stütf. 203
id) bod) immer, bafe bie erften (Gebauten bie erften finb unb
bafy baö 33efte aud) ntdji einmal in allen ©uupen obenauf
ju fdjroimmen pflegt. -IKeinc erfte ©ebanfen finb geroifj fein
§aar beffer a(§ Qebermanng erfte ©ebanfen, unb mit 3eber=
mannS ©ebanfen bleibt mau am flügften 31t §aufe.
— Onbttd) fiel man bavauf, fetbft ba§, roa§ midj gu einem
fo langfamen ober, mie eg meinen riiftigern greunbeu fdjetnet,
fo faulen Arbeiter madjt, fetbft baö an mir nutzen 31t motten:
bie ßritif. Unb fo entfprang bie .^bee $u btefetn SSIatte.
©ie gefiel mir, biefe Qbee. Sie erinnerte mid) an bie
£>ibasfalien ber ©rieben, b. i. au bie furzen sJ?ad)rid)ten,
bergleidjen felbft 2(riftoteleo oon ben Stüden ber griedjifcben
53üt)ne 31t fdjreiben ber 9Jftt()e mert gehalten. <3ie erinnerte
mief;, oor langer Seit einmal über ben grunbgelefjrten (Eafau;
bonu§ bei mir geladjt gu ijaben, ber fid) au$ magrer §oc^;
ad)tung für ba§ ©olibe in ben 2£iffenfd)aften einbilbete, baft
e£ bem 2lriftotele3 oornelimlid) um bie Berichtigung ber CSf)vo=
nologie bei feinen SDibaöfalien 51t tfjun geroefen.*) — 9Baljr=
book (not for bis private amuseraent, but) wbere bis intent and purpose
was bona fide, to print and publish it to the world, his first thottghts were
ahvays the temptations of tbe evil one. — My father was hugely pleased
with tbis tbeory of Jobn de laCasa; and (bad it not cramped him a little
in bis creed) I believe would have given ten of the best acres in tbe Shandy
estate, to bave been tbe broacber of it; — but as be could not have the
honour of it in the litteral sense of the doctrine, he took up witb the allo
gory of it. Prejudice of education, he would say. is the devil etc. (Life
and Op. of Tristram Shandy Vol. V. p. 74). [(Sine SKetnUTtg, burd) bie Johann
be ta Gafa, (f-rjbifd)of vjou Sknefento, geäugftigt mürbe — eine Meinung, bie barin
beftanb, — ba% , fo oft ein Gbrift im ißegriffe \vav, ein 93ud) 311 fd)reiben (nirfjt 511
feiner tierfön(id)en Unterhaltung, fonberu) im guten ©tauben, e§ brurfen unb e§ für
bie SBelt üeröffentlidien 3U tuotlen, feine erften ©ebanfen immer bie S>erfud)ungeu bec-
33öfen roaren. — Weinem SSatcr gefiel biefe 3bee be§ 2toIjann be la (iafa uncnblidi ;
unb (bätte fie ihn nid)t in feinem ©lauben ein menig etttge|tt>angt) beufe id), nniröe
er jeben ber beften nieder t>om Sbanbl;=föute öarum gegeben l;abcu , ber (yrfiubev
berfelben geroefen 311 fein: — aber ba er bie (Sljre bauon im budjftäblidjeu Sinne
bes 2lu§uirud)eö nidjt baben fonnte, begnügte er fid) mit ber Wtlegcrie beifelben.
Sorurteü bei ber (Srstebung, pflegte er 311 fagen, ift ber Seufel u. f. tu.
3 ' m m c r m a n n-]
*) Animadv. in Athenaeum Libr. VI. cap. 7.) Aioa'v.c/./.'.a aeeipitur
pro eo scripto, quo explicattir ubi, quando, quomodo et quo eventu fabula
aliqua fuerit acta. — Quantum critici hac diligentia veteres chronologos
adjuverint, soli aestimabunt illi, qui norunt quam inürma et tenuia praesi-
dia habuerint, qui ad ineundam fugacis temporis rationem primi animum
appulerunt. Ego non dubito, eo potissimum speetasse Aristotelem, cum
Aihaav.ak'.rj.c, suas componeret. — [Unter SibaSfatien üerfteljt man ein Sdjrift*
ftücf, in nieldjem au§ einanber gefetjt mirb, wo, mann, mie unb mit meld)cm Infolge
ein S)rama aufgefüljvt morben ift. — SBie fel)r bie ßrititer burd) biefe jorgfältigen
Angaben ben alten Gfjronologen 3U §ilfe tauten, merben aüeiu foldje toürbtgen,
beneu e§ befannt ift, mie geringe unb bürftige ^ilfStmttel biejeuigeu beiafjen, bie
3uerft eine flauere gehredjnuug aufsufteüen fudjten. 3d) für meinen Seil ^ueifte
nidjt, ba§ 3lriftotcIe-:- bicc- Hornfbrnlidi im 'Muge Ijatte , all- er feine 2ibac-fa(ien 511=
faiumcnfteHte. — 3 immermann.]
204 §am6iirgiftf;e Dramaturgie.
Saftig, eS wäre aud) eine ewige ©djanbe für ben SlriftoteleS,
wenn er fidj mtfyc um ben poetifdjen SBert ber (Stücfe, medi-
um tljren (Sinflufj auf bie ©itten, mel)r um bie SBtlbimg beS
©efajmads barin beiummert lu'itte als um bie Dtompiabe,
als um baS Qaljr ber Dhjmpiabe, als um bie 9kmen ber
Slrdjonten, unter weisen fie guerft aufgefüfjret warben !
3$ war fdjon willens, baS SBfatt felbft §amburgtfd)e
DibaSfalten gu nennen. 2lber ber Sitet flang mir atlgu
fremb, unb nun tft eS mir feljr lieb, ba§ \<§ ilnn biefen oor=
gebogen rjabe. 28aS id) in eine Dramaturgie bringen ober
nidjt bringen wollte, baS ftanb bei mir; menigftenS Ijatte mir
Sioue SXtTacci beSfallS nichts oorgufdjreiben. 2lber wie eine
DibaSfalte ausfegen muffe, glauben bie (Meisten gtt wiffen,
wenn eS aud; nur aus ben nod) twrl)anbenen DibaSfalien
beS Vereng wäre, bie eben biefer ßafaubonuS breviter et
eleganter seriptas nennt, gd) rjatte weber Suft, meine
DibaSfalien fo fttrg, nodj fo elegant gu fdjreiben ; unb unfere
iv3tlebenbe Gafauboni würben bie Eöpfe treffltdj gefdjüttclt
Ijaben, wenn fie gefunben Ijätten, wie feiten id) irgenb eines
djronologtfdjen llmfranbeS gebenle, ber fünftig einmal, wenn
9Jiillionen anberer Südjer oerloren gegangen wären, auf irgenb
ein IjtftorifdjeS ganunt einiges £id)t werfen fönnte. 3n
meldjem Salrre SubewigS beS 9Siergel)nten ober SubewigS beS
gunfjeljnten, ob 31t $artS ober 511 s$erfatlleS, ob in (Segen=
wart ber ^ringen 00m ©eblüte, ober nidvt ber ^ringen 00m
©eBlüte, biefeS ober jenes frangöfifdje SJieifterftücf guerft auf=
geführt worben: baS würben fie bei mir gefugt unb gu iljrem
großen ©rftauneu nidjt gefunben Ijaben.
2$aS fonft btefe ^Blätter werben folTten, barüber Ijabe id)
und) in ber Slnfüubtgung erfläret; was fie wirflid) geworben,
baS werben meine £efer wiffen. Tdd)t völlig bas/wogu id)
fie gu madjen oerfprad) : etwas anbereS ; aber bod), beul' id),
niajtS ©d)led)tereS.
„Sie follten jeben ©abritt begleiten, ben bie ^unft, fo^
woljl bcS Diesters als beS SdjaufpielerS, l)ier tl)un würbe."
Die letztere §älfte bin id) fetjr balb überbrüffig geworben.
2Bir Ijaben ©djaufpieler, aber leine ©djaufpielftmft. 2öenu
eS oor alters eine fold)e $unft gegeben Ijat: fo Ijaben wir
fie nidjt mel)r; fie ift oerloren; fie muf$ gang oon neuem
wieber erfunben werben. SllfgemeineS ©efdjwäije barüber r)at
man in nerfdjiebenen ©pradjen genug; aber fpegiefle, oon
jebermann erl'annte, mit £)eutlia;t'eit unb ^rägtfton abgefaßte
ftunbertuntKTftco, $tr»eite§, bvittes unb inertes ©tüd. 205
Regeln, und) melden ber £abel ober baä 2ob be3 Slcteursl
in einem bejonbern Aaüe 31t befttmmen fei, beren roüfete tclj>
!aum gmet ober brei. SDaget fömmt es, bafj al(co SRaifonne=
nient über biefe 9ftaterie immer fo fdjwanfenb unb öielbeutig
fdjeinet, baft eö eben fein 2Bunber ift, wenn ber Sdjaufpieler,
ber nichts als eine glüdiidje Routine l)at, fid) auf al(e SBeife
baburd) beleibiget finbet. (Gelobt mirb er fidj nie genug, ge=
tabelt aber aßejeit oiel $u oiel glauben; ja, öfters nürb er
gar nidjt einmal wiffen, ob man ifjn tabetn ober (oben wollen.
Ueberfjaupt bat man bie Stnmerfung fdwn tängft gemacht,
baf} bie Gmpfinblidjfeit ber Mnftler in Slnfeljung ber ivritit"
in eben bem SBerljältnifie fteigt, in weldjem bie ©emiftljeit
nnb 2)euttid)feit unb Sftenge ber örunbfätje ifjrer fünfte
abnimmt. — too oiel 51t meiner unb felbft 311 bereu (S'ntfd)ul=
bigung-, oljne bie id) midj nidjt 511 entfdjulbigen Ijätte.
2(ber bie erftere §älfte meine! SBerfpredjenS? Set biefer
ift freilid) baS §ier ^ur 3eit nod) ntcr)t fefjr in sBetradjtung,
gefommen, — unb mie Ijätte eS aud) fönnen? 2)ie Sdjranfen
finb nod) taum geöffnet, unb man wollte bie SBettläufer lieber
fdjon bei bem $\de fef)en, bei einem $itU, baS tfjnen alle
^lugenblide immer weiter unb weiter IjinauSgeftecft wirb?
SBenn baS $ublifum fragt: „3Ba3 ift benn nun gefdjeljenV"
unb mit einem Ijölmifdjen „-Jlid)ts" fid) felbft antwortet, fo
frage id) wieberum: „Unb was Ijat benn baS $ublifum ge=
tljau, bamit etwas gefdjefjen tonnte?" 2uid; uidjtS; ja, nod)
etwas (SdjlimmerS als nid)ts. dV\d)t genug, bafj es bas 3Beri
nid)t allein nid)t beförbert: eS [jat il)m nidjt einmal feinen
natürlidjen Sauf gelaffen. — Heber ben gutherzigen Ginfall,
ben Seutfdjen ein sJktionaltf)eater 51t oerjdjaffen , ba wir
£eutfd)e nod) feine Nation finb! Qd) rebe nid)t oon ber polt=
tifdjen SBerfaffung, fonbern btofe oon bem ftttlidjen Gfyarafter.
gaft follte man fagen, biefer fei: feinen eigenen Ijaben 311
wollen. 3öir finb nod) immer bie gefdjwornen ^adjafjmer
alles Sutslänbifdjen, bejouberS nod) immer bie untertänigen
Söemunberer ber nie genug bewunberten grangofen; alles,
wag un§ oon jenfeit bem -ftljetne fömmt, ift fd)5n, retgenb,
alterliebft, göttlid); lieber verleugnen wir ©eftdjt unb öcfjö'r,
als bafj wir eS anbcrS finben feilten ; lieber wollen wir $lump;
Ijeit für Unge3wungenf)eit/ gred)f)eit für ©ra$te, ©rimaffe für
Slusbrucf, ein öeflingle oon keimen für SPoefte, ©eljeule für
üBhijtl uns eimeben laffen, als im geringften an ber ©upe*
riorität zweifeln, welche biefes licbenSwürbige ÜBoIf, biefes
206 Jpcmräurgtfdje Dramaturgie.
erfte $o!f in ber 2Belt, wie eS fic£> felbft feljr beftfjeiben 31t
nennen pflegt, in allem, maS gut unb fdjön unb ergaben unD
anftänbtg ift, oon bem gerechten ©djicffale 511 feinem Anteile
erhalten l)at. —
3) od) biefer SocuS communis ift fo abgebrofdjen, unb
bie nähere Slumenbung beSfelben tonnte teidjt fo bitter werben,
baß idj lieber baoon abbreche.
Qd) mar alfo genötiget, anftatt ber ©djritte, roeldje bie
$unft beS bramatif^en SDidjterS Ijier wirfliclj fönnte getfyan
Ijaben, midj bei benen $u oerweilen, bie fie oorläuftg tljun
müßte, um fobann mit einS it)re fßafyn mit befto fdjnellern
unb großem 31t burdjlaufen. @S waren bie ©djritte, weldje
ein Qrrenber gurüdgeljen muß, um mieber auf ben redjten 2öeg
51t gelangen unb fein Siel gerabe in baS Sluge 31t befommen.
©eines §leißeS barf fid) jebermann rühmen : id) glaube,
bie bvamatifdje SDidjtfunft ftitbiert gu fjaben; fie meljr ftubiert
51t l)aben als gwangig, bie fie ausüben. 2ludj Ijahe id) fie
fo weit auSgeübet, als eS nötig ift, um mitfpredjen $u bürfen;
benn idj weiß woljl, fo wie ber sDcater ftdt) oon niemanben
gern tabeln läßt, ber ben ^jinfel gang unb gar nidjt 31t führen
weiß, fo aud) ber S)idjter. $a) fyahe eS menigftenS oerfud)t,
maS er bewerfftetligen muß, unb fann oon bem, maS id) felbft
nidjt 31t madjen oermag, bodj urteilen, ob eS fiel) madjen
läßt. $d) »erlange aud) nur eine (Stimme unter uns, mo fo
mandjer fid) eine anmaßt, ber, menn er nidjt bem ober jenem
2luSlänber nadjplaubern gelernt Ijätte, ftummer fein mürbe
als ein gifd).
Slber man fann ftubieren, unb ftdj tief in ben ^rrtum
Ijinein ftubieren. 2öaS midj alfo oerfidjert, baß mir bergleidjen
nidjt begegnet fei, baß idj baS SBefen ber bramatifdjen SDidjt=
fünft nidjt oerfenne, ift biefeS, baß id) eS oollfommen fo
erfenne, mie eS 5lriftoteleS aus ben un^äljligen sDceifterftüden
bei* griedjifdjcn siUU)ne abftrafjieret Ijat. $d) l)abe oon bem
Gntfteljeu, oon ber ©runblage ber 2)id)tfunft biefeS ^]l)iIo;
fopljen meine eigene ©ebanfen, bie idj l)ier oljne -JÖeitläuftig;
feit nidjt äußern fönnte. SnbeS ftelj' id) nidjt an, 31t befennen
( unb follte id) in biefen erteudjteten Seiten and) barüber auS=
geladjt werben !), baß idj fie für ein eben fo unfehlbares SBerf
Kalte, als bie ©lemeute beS (SuflibeS nur immer finb. Qfyre
(s3nmbfät)e finb eben fo waljr unb gewiß, nur freiliel) nidjt
fo faßlid), unb baljer meljr ber Gljicane auSgefettf als allco,
was biefe enthalten. "-ÖefonberS getraue idj mir oon bor
ftimbcrtunberftcö, jtDeiteö, btttteä itnb vierte' Stütf. 207
^ragöbie, als über bie uns" bie ^eit fo gieniHci) alles baraus
gönnen motten, untmberfpredjlidj 511 beroeifen, baß jte fiel) von
ber 9iid)tfd)nur be§ Slriftoteles reinen Schritt entfernen rann,
otjne fid) eben fo meit r»on il)i*er §BolIfommenr)eit 311 entfernen.
9Zadj biefer Uebei^eugung naljm id) mir vor, einige ber
berürjmteften 9Jlufter ber fran$öfifcr)en s^ü(jne ausfül)rlid) 311
beurteilen. £)enn biefe 25ül)ne folt gang nad) ben SKeaeln bes
3lriftotele§ gebilbet fein; itnb befonberg Ijat man uns 2)eutfcrje
bereben motten, baß fie nur burd) biefe Siegeln bie Stufe ber
S$ollfommenbeit erreicht rjabe, auf meldjer fie bie Sühnen aller
neuem Golfer fo meit unter fid) erblid'e. 9Bir Ijaben baö
and) lange fo feft geglaubt, baß bei unfern £id)tern, ben
Jrangofen nadjaljmen, eben fo oiel gemefen ift, als nad) ben
Wedeln ber Sllten arbeiten.
Subes tonnte bas Vorurteil nirfjt emig gegen unfer
©efüljl beftefjen. tiefes marb glüdtidjermeife burd) einige
englifd)e Stüde aus feinem ©djlummer enoed'et, itnb mir
machten enblid) bie (Erfahrung, baß bie Sragöbie nod) einer
gang anbem 2Birfung fä^ig fei, als irjr (Sorueiffe unb Racine
31t erteilen uermodjt. Slber geblenbet Don biefem otör^Iidjen
©traljle ber 2öar)rfjeit, prallten mir gegen ben 9ianb eines
anbern Slbgrunbes gurüd. 2)en englifdjen ©rüden fehlten
3U augenfdjeinlid) gemiffe Regeln, mit melden uns bie frans
jöftfdjcu fo bet'annt gemad)t Ratten. 29as fd)loß man baraus?
2)iefe3 : bafe fid) aud) ol)ne biefe -Hegeln ber |jmed ber %xa-
göbie erreichen laffe; ja, baß biefe Regeln mol)l gar fd)iilo
fein tonnten, menn man il)n meniger erreiche.
Unb bas ()ätte nod) f)ingel)en mögen! — xHber mit bief en
Regeln fing man an, alle Regeln 31t oermengen unb e§ über;
fyaupt für gebautem 311 eritären, bem ©enie oor3ufd)rciben,
mas es trjun unb mas es nicfjt tfmn muffe, ^ui'3, mir maren
auf bem fünfte, uns alle Grfal)rungen ber vergangenen Seit
mutmillig 31t uerfdjei^en unb oon ben S)icr)tern lieber 3U t>er=
langen, baß jeber bie $unft aufs neue für fid) erfinben foüe.
5d) märe eitel genug, mir einiges 2>erbienft um unfer
Sweater beigumefien, menn id) glauben bürfte, bas einzige
IKittel getroffen 31t f)aben, biefe ©ärung bes ©efdjmatfs
31t bemmen. darauf los gearbeitet 31t f)abcn, barf id) mir
menigftens fdnneicbeln, inbem id) mir nid)ts angelegner fein
taffen, als ben 3öat)n oon ber 9iegelmiifugfeit ber franjcfifdieu
33ür)ne 31t beftreiten. G)erabe feine Station l)at bie Regeln
bes alten £rama mef)r oeri'annt als Die grat^ofen. (Einige
208 S>am(niri}i|ct)e Dramaturgie.
beiläufige SBemerfungen, bie fie über bie fd)tdlid)fte äufjere
(Einrichtung beg 2)rama bei beut Slriftoteleg fanben, Ijaben fie
für bas SÖefentlidje angenommen unb bag SJBefentiidje, burd)
allerlei @infc|rän!ungen unb Deutungen, bafür fo entkräftet,
baf} notwenbig uidjts anberg alg 3Berfe baraug entfteljen
tonnten, bie weit unter ber l)öd)ften Söirlung blieben, auf
roetdje ber ^Sfyilofool) feine Regeln falf'uliert Ijatte.
Qd) wage eg, I)ier eine Steigerung §u tfyun, mag mau
fie bod) neljmen, wofür man will! — üDton nenne mir bag
Stücf beg großen (Eorneilte, weldjeg id) nidjt beffer madjen
wollte. 2öag gilt bie SSette? —
3)od) nein ; id) wollte nidjt gern, bafc man biefe 2teuf$e=
rung für ^raljlerei nehmen tonne. 9Jtan merfe atfo wof)t,
wag id) fjin^ufe^e: 8d) werbe eg juoerläffig beffer machen —
unb bod) lange fein (Eorncilfe fein — unb bod) lange nodj
fein sDleifterftiid gemadjt fjaben. 3d) werbe eg guoerläffig
beffer machen — unb mir bod) wenig barauf einbilben Dürfen.
3d) werbe nichts getf)an Ijaben, alg wag jeber tt)itn fann, —
ber fo feft an ^n Slriftoteleg glaubet wie id).
©ine £onne für unfere fritifdje Söalfifdje! Qdj freue
mid) im ooraug, wie trefftid) fie bamit fpielen werben. «Sie
ift einzig unb allein für fie ausgeworfen; befonberg für ben
fteinen Sßalftfd) in beut «Satjwaffer ^u §alle! —
Unb mit biefem Hebergange — finnreidjer muf$ er nid)t
fein — mag beun ber £on beg ernftlmftern $rologg in ben
%on beg 9?ad)fpielg oerfc^meljen, mogu id) biefe (entern Blätter
beftimmte. Söer fyätte mid) aud) fonft erinnern fönneu, bafj
es 3e^t fei, biefeg 91ad)fpiel anfangen gü laffen, alg eben
ber §r. © 1 1. , weld)er in ber beutfd)en 33ibtiotl)ef beg §errn
(Mjeimerat ^lotj ben Snljalt begfelben bereite angefün=
biget bat? - *)
Slber wag befömmt bemt ber fd)nafifd)e 9Jtamt in bem
bunten gädk^cn, baft er fo bienftfertig mit feiner Trommel
ift? 3d) erinnere mid) nidjt, baf$ id) it)m etwag bafür r>er=
fprodjen l)ätte. @r mag wol)l bloft §u feinem Vergnügen
trommeln; unb ber §immel weifj, wo er alfeg Ijer Ijat, wag
bie liebe Sugenb auf ben ©äffen, bie iljn mit einem be=
wunbernbeu %t) ! nad)folgt, aug ber erften §anb oon iljm gu
erfahren befömmt. @r muß einen 2öal)rfagergeift Ijaben, tro£
ber sDtagb in ber 2lpoftelgefd)id)te. 2)enn wer l)ätte eg iijm
*) Neuntes ©tiirf, @. öO.
JpunbertunbevfteS, zweite?, britteo unb öierteS 3tüdf. 209
fonft fagen tonnen, bafj bei SSerfafier bet Dramaturgie and)
mit ber Verleger berfetben ift? 3öer f)ätte il)m fonft bie
geheimen Urfadje» entoeden tonnen, marum id) ber einen
Scbaufpielerin eine fonore Stimme beigelegt unb baö grobes
ftüd einer auberu fo erhoben Ijabe? 3$ mar freilidj bamalo
in beibe oertiebt; aber id) l)ätte bod) nimmermehr geglaubt,
baji e§ eine lebenbige Seele erraten follte. S)ie Damen tonnen
e£ il)m and) unmöglidj felbft gefagt l)aben: folglid) l)at e3
mit bem Sßaljrfagergetfte feine 9üd)tigfeit. 3a, met) unö
armen ©djriftftettern, menn nnfere tjoajgebietenbe §erren, bte
gonrnaliften unb 3eitimgsfd)reiüer, mit fold)eu Halbem pflügen
wollen! 2ßenn fie 511 iljren Beurteilungen aufeer if)rer ge=
möl)nlidjen ©elefjrfamfeit unb 3 diarf finnigfett fid) aud) nod)
fold)er Stüddjen aus» ber gefjetmften Uftagie bebieneu motten:
— raer fann mtber fie befteljeu?
• „gd) mürbe," fdjreibt biefer §er,r Stt. aus1 Eingebung
feineö $obolbg, „aud) ben ^weiten 33anb ber Dramaturgie
anzeigen fönnen, menn nid)t bie 2tbf)anblung miber bie $$udy
t)änbler bem SSerfafier gu oiel Arbeit machte, als bafe er baö
SÖerf balb befd)lief3en tonnte."
■JKan muß aud) einen $obolb uid)t junt Sügner machen
motten, menn er es gerabe einmal nidvt ift. Ss ift nid)t
gan§ orjtte, wag bag böfe Ding bem guten StL Ijier etn=
geblafen. $d) Ijatte atterbings fo etroag oor. 3>d) roottte
meinen Sefern erjagten, marum biejeg 2öerf fo oft unter;
brodjen morben; marum in groei Sauren erft, unb nod) mit
3ftü|e, fo oiel baoon fertig geworben, als auf ein Qafjr vex-
fprodjen mar. Qd) mollte mid) über ben ^acrjbrud befdjmeren,
burd) ben man ben gerabeften 2öeg eingefd)lagen, eg in feiner
GJeburt gu erftiden. gd) mottte über bie nachteiligen folgen
bes 9kd)brud§ überhaupt einige Betrachtungen anftetfen. Qdj
mollte bag einzige bittet r>orfd)lagen, ir)m 31t fteuern. —
3I6er bag märe ja fonad) feine 2Ibt)anbumg miber bie ?B\\dy
bänoter geworben? Sonbern uietmefjr für fie, wenigfteng ber
red)t jd)aff euen Scanner unter it)nen ; unb eg gibt bereu, brauen
Sie, mein §err ©tt., 3§rem ^obolbe alfo nid)t immer fo
gan§! Sic fetjen eg: mag fold) ®efd)meij$ bes böfen getnbeg
oon ber ^utunft nod) etma roeifc, bag raeifj eg nur Ijalb. —
Dod) nun genug bem Darren nad) feiner ^tarrfjeit ge=
antwortet, bamit er fid) nid)t meife bünf'e ! Denn eben biefer
3Dmnb fagt: „Slntroorte bem Starren nid)t nacb feiner dlavx-
f)eit, bamit bu it)m nid)t gleid) merbeft!" Das ift: SIntmorte
Sei fing, SDßetfe. XII. u
210 £am6itrgtfdje Dramaturgie.
il)tn ntdjt fo nad) fetner -ftarrljeit, baß bie 6a$e felbft barüber
oergeffen roirb; aU rooburd) bu üjm gleid) werben roürbeft!
Unb fo roenbe id) midj lüieber an meinen ernftfyaften Sefer,
'Den id) biefer hoffen wegen ernftlid) um Vergebung bitte.
@3 tft bte lautere 3Sar)rr)eit, baß ber 9tad)brud, bttrd;
ben man biefe Blatter gemeinnütziger machen roollen, bte
einzige Urfacbe tft, roarum ftd) iljre 2tu3gabe bisher fc
t)er3ögert Ijat, unb roarum fte nun gän^lid) liegen bleiben.
@l)e id) ein 2Bori meljr hierüber fage, erlaube man mir, ben
$erbad)t be3 (Eigennutz non mir abzuleisten. £)ag ^fjeater
felbft fyat bie Unfoften bagu hergegeben, in Hoffnung, au3
beut Verlaufe roenigfteug einen anfefjnlidjen %eil berfelben
mieber^uerl)alten. Qd) nerliere nid)t§ babei, baß biefe Hoff-
nung fel)lfd)lägt. 2lud) bin id) gar nid)t ungehalten barüber,
baß id) ben gur gortfe^ung gefammelten ©toff nid)t roeiter
an ben 9D?ann bringen lann. Qdj §iel)e meine §anb non
biefem Pfluge eben fo gern roieber ab, al§> id) fie anlegte.
Mo§ unb ^onforten roünfdjen oljnebem, baß idj fie nie an=
gelegt l)ätte; unb e§ mirb fid) leicht einer unter iljnen finben,
ber ba§ ^ageregifter einer mißlungenen Unternehmung big §u
@nbe führet unb mir geiget, roa§ für einen periobifdjen
sJJu^en id) einem folgen periobif d;en blatte l)ätte erteilen
lönnen unb follen.
2)emt id) null unb lann e§ mdjjt bergen, baß biefe legten
Sogen faft ein 3al)r fpäter niebergefdjrieben morben, al3 il)r
Saturn befagt. 2)er fuße bräunt, ein 91ationaltl)eater l)ter
in Hamburg 51t grünben, tft fdjon mieber nerfdjrounben ; unb
fo oiel id) biefen Drt nun Imbe fennen lernen, bürfte er aucr)
rool)l gerabe ber fein, mo ein fold)er £raum am fpäteften in
(Erfüllung gel)en mirb.
Slber aud) baö lann mir feljr gleid)gültig fein! — 3d)
möchte überhaupt nidjt gern ba§ 2lnfel)en l)aben, als> ob id)
e§ für ein großem Unglüd hielte, baß 23emül)ungen oereitelt
morben, an melden id) 2lnteil genommen, ©ie lönnen oon
leiner befonbern 2ötd)tigleit fein, eben raeil id) Anteil baran
genommen, £)od) rote, roenn 23emül)ungen oon roeiterm 33e=
fange burdj bie nämlidjen Unbienfte fd)eitem lönnten, burd)
meldte meine gefdjeitert finb? £)te Söelt nerliert nid)t3, baß
id) anftatt fünf unb fed)3 $änbe Dramaturgie nur pvex an
baö Std)t bringen lann. 2lber fie lönnte oerlieren, roenn eins
mal ein nüt^lidjereg 2öerl eines beffern <Sd)riftfteller3 eben fo
ins ©tedeu geriete unb e§ rool)l gar Seute gäbe, bie einen
\MtniKTtmiberfte3, weites, britteS unb üiertc3 ©ttidf. 211
ausbrüdtidjen Sßlan bantadj machten, bafj aud) bas nüt^tidifte,
unter tifjnlidjen Umftänben unternommene SBerf oerunglücfen
feilte unb müfjte.
3n biefem Söetradjt ftelje \d) nid)t au unb Ijatte es für
meine ©djulbigfeit, beut ^ttblifo ein fonb^;' ts Komplott &u
bemutteren. @6en biefe £>obslen unb C&x.^ugnie, wcldje ftd)
bie Dramaturgie naaiuibruden ertaubet, taffen feit einiger $e\i
einen Shiffaij, gebrueft unb gefd^riej&en, bei ben slmd)()iinbtern
umlaufen, meldjer uon 9i5ort 311 2öort fo lautet:
%lad)x\d)t an bie §erren 23ud)l)änbter.
SEBir Ijaben u\\$ mit 33eif)ilfe oerfdjtebener §erren 23ud)=
Ijänbler entfdiloffen, Jünftig benenjenigen, meldjc ftd; olme
bte erforbcrlidjen ©igenfdjaften in bte SBud^anblung mifdjen
merben (mie es gum Gr,empet bte neuaufgeridjtete in §am=
bürg unb anberer Orten oorgeblidje §anblungen mehrere),
bas" Setbftuertegen 31t oermerjreu unb itmen oljne 3(nfe(jen
nad^ubrttdeu ; aud) i^re gefegten greife allezeit um bte
£älfte 51t oerringern. £ie biefen SBorljaben bereits bet=
getretene §erren Öudjfjänbler, meldte motjl eingefetjen, bafj
eine foldje unbefugte Störung für alle 23ud)l)änbter jum
größten 9cad)teil gereidjen muffe, Ijaben ftd) entfdjloffen, ^u
Unterftü|ung btefeS SBorljabens eine $affe aufrundeten, unb
eine anfetmlidje Summe ©etb bereits eingelegt, mit Sitte,
tf)re Tanten oorerft nodj nidjt §u nennen, babet aber oer=
fprodjen, felbige ferner 31t unterftütjen. S8on ben übrigen
gtttgeftnnten §erren 53ud)f)änblern erroarten mir bemnad)
gur SBermeljrung ber ^affe besgleidjen, unb erfudjen, aud)
unfern Verlag beftenö 51t refommanbieren. s2öa§ ben
£rud unb bie Sdjönljeit beS Rapiers betrifft, fo werben
mir ber erften nidjts nachgeben; übrigens aber un§ bemühen,
auf bie un^äljlige 93tenge ber Sd)teid)t)änbler genau ad)t gu
geben, bamit nidjt jeber in ber 23ttd)t)anbtung $u rjöfen unb
311 ftören anfange. So oiel oerfidjern mir, fomol)l als bie
nod) -uttretenbe §erren 9Jh'tfotfegeu, bafj mir feinem redjt=
mäßigen 33udjfjänbler ein SBlatt nadjbrudcn merben; aber
bagegen merben mir feEjr aufmerffam fein, fobalb jemanben
neu unferer ©efeftfdjaft ein 53ud) nadjgcbrudt mirb, nid)t
allein bem 9tad)bruder f)inmieber alten Sdjaben gujufügen,
fembern aud) nidjt meuiger benenjenigen $ud)f)änblern,
metd)e ifjreu 9tad)brucf ju oerfaufen fidj unterfangen. 2Bir
erfudjeu bemnad) alle unb jebe Ferren Q3ud)t)änbler bienft;
212 öamtmrgiftfje Dramaturgie.
freunblidjft, von alle SIrten bes 9(ad)bruds in einer 3eit
oon einem Qaljre, nad)bem wir bie Tanten ber gangen
Sud)()änbler=©efellfd)aft gebrudt angezeigt Ijaben werben,
fidj losgumadjen, ober §u erwarten, ifyren beften Verlag für
bie £älfte bes ^reifes ober nod) weit geringer »erlaufen
gu feljen. SDenenjenigen §erren 33udjljänblern »o» unfre
©efellfdjaft aber, welken etwas nadjgebrudt werben follte,
werben wir nadj Proportion nnb (Ertrag ber $affe eine
anfeljnlidje Vergütung wiberfaljren §u laffen niajt ermangeln.
Unb fo Ijoffen wir, bafe fidj audj bie übrigen Uiwrbnungen
bei ber 23ud/t)anblung mit 33eil;itfe gutgesinnter Ferren
23ud)l)änbler in furger 3e^ ^egen werben.
SBenn bie Umftänbe erlauben, fo fommen wir alle
Oftermeffen felbft nadj Seipgig, wo nidjt, fo werben wir bod)
besfalls Äommiffiou geben, 2Bir empfehlen uns beren guten
©efinnungen unb »erbleiben beren getreuen 9Jiitfollegen,
5- ©obsleij unb (Eompagnie.
Söenn biefer Sluffatj nidjts enthielte als bie ©inlabung
gu einer genauem SBerbinbung ber löudjfjänbler, um bem ein=
gerif jenen 9cad)brude unter fidj gu fteuern, fo würbe fd)wer=
lidj ein ©elefyrter t§m feinen Seifall »erjagen. 2lber wie Ijat
es »ernünftigen unb redjtfd) äffen en Seilten eiufommen fönnen,
biefem $lane eine fo ftrafbare Slusbelmung gu geben? Um
ein paar armen §ausbieben bas §anbmerf gu legen, wollen
fie felbft ©traftenräuber werben? „6ie wollen bem nadj=
bruden, ber ifjnen nadjbrucft." £>as möchte fein; wenn
es tlmen bie Dbrigfeit anbers erlauben will, ftd) auf biefe
Slrt felbft gu rächen. Slber fie wollen gugleidj bas «Selbft-
»erlegen »erwehren. 2Öer finb bie, bie bas »erwehren
wollen? §aben fie wol)l bas §erg, fid) unter ifyren wahren
Flamen gu biefem greoel gu befenneu? 3ft irgenbwo bas
(Selbftnerlegen jemals »erboten gewefen? Unb wie fann es
»erboten fein? Sßeld) ©efefc fann bem (Mehrten bas 9^ed;t
fdjmälern, aus feinem eigentümlichen äöerfe alle ben üftufeen
gu gießen, ben er möglidjerweife baraus gießen fann? „2lber
fie mifdjen fidjolnie bie erforberlidjen ©igenfdjjaften
in bie SudjEjanblung." 2öas finb bas für erforberlidje
©igenfdjaften ? 2)afc man fünf Saljre bei einem Staune $af ete
nibtnben gelernt, ber auü) nichts weiter fann, als $afete
gubinben? Unb wer barf fid; in bie SBudjIjanblung nidrjt
mifdjen? ©eit wenn ift ber 23ud$anbel eine Snnung?
.vnmbcrtunbcrfteo, jroeiteä, britteä unb oicrteä ©iüdf. 213
•Üöeldjes1 finb feine au§fdjüe$enben Sßriotfegten? SBer ijat fie
iljm erteilt?
2ßenn hobelet) unb (Sompagnie iljren iKadjbrud ber
Dramaturgie Doffenben, fo bitte id) fie, mein 2Berf roenigftenä
ntd)t 51t oerftümmeln, fonbern and) baS getreulidj nad)bruden
5U teilen, waä fte hjer gegen fid) finben. 2)ajj fie iljre SBers
teibtgung beifügen, — wenn anbevö eine üBerteibigung für
fte mögltd) ift, — werbe id) Unten nidjt oerbenfen. 2ie mögen
fie aitct) in einem &one abraffen ober r>on einem ©eleljrten,
bei* f lein genug fein fann, iljnen feine /feber ba3it 311 leiten,
abfaffen (äffen, in meldjem fie wollen: felbft in bem fo iuter;
effanten bev $loi$ifd)en 2dmle, reid) an allerlei Jpiftördjen
unb Slnefbötdjen unb ^asquiftdjen, ofjne i:'u\ 2Sort oon ber
2ad)c. 9htr erflave id) im oorau3 bie geringfte Qnfinuation,
bafj eo gefränfter ©igennuj f et, ber midj fo mann gegen fie
fpreeben (äffen, für eine ^üge. $d) Ijabe nie etmao auf meine
Soften bruden (äffen unb merbe e<o fdjwcrlid) in meinem
Seben tlmn. 3dj tenne, mie fd)on gefagt, me()r als einen
redjtfdjajfenen 3Kann unter ben 33ud)()änblent, bejfen i^er-
mittetung id) ein fo(d)es ©efdjäft gern überlaffe. 2(ber feiner
von iljnen nutjj mir eo and) verübeln, bafj id) meine ^8er=
ad)tung unb meinen §afj gegen 2ente bezeige, in beren 2jer=
gteid) alle ^ufdUlepper unb SJÖeglaurer mal)r(id) nidjt bie
fdjlimmern 9Jienfdjen finb. 3)enn jeber oon biefen madjt feinen
coup de main für fid) : S)obö(et) unb ßompagnie aber wollen
banbenweife rauben.
£a3 SBefte ift, baf$ it)re ©inlabung mo()l oon ben wenig;
ften bürfte angenommen werben. Sonft wäre e§ Qeit, ^af>
bie ©ele()rten mit Gruft barauf bädjten, bas befannte 2eib=
niijifdje ^rojel't aiiQäufütjren.
JTragmrnfr fitr Dramaturgie
S)en funfgigjten 2lbenb (greitagS, ben 24. Julius) raarb
S)te grauenfdjule beS lottere raieberljolt.
SJloliere fal) in ber legten §älfte beS QaljreS 1661 unb
baS gange gcü&t 62 fein Sweater giemlid) oerlaffen. SDenn bie
gange ©tabt lief gu ben Italienern, um ben ©caramoudje gu
feljen, ber raieber nad) $aris gekommen raar. Söottte üftoltere
nidjt ben leeren Sogen fpielen, fo muffte er baS $ublifum
burd) etroa§ 9?eueS gu loden fudjen, fo ungefähr oon beut
Schlage ber melfdjen Sdjnurren. @r gab alfo feine grauen«
fdntle; aber baS nämlidje ^ublifum, raeldjeS bort bie abge-
fdjmadteften hoffen, bie efelften ftottn, in einem ©einengfei
oon €>prad;e ausgefluttet, auf baS unbänbigfte belaste unb
bel'latf d)te, ermieS ftd) gegen tl)it fo ftreng , als ob es nichts
als bie lauterfte ÜUtoral, bie atlerfeinften Sdjerge mit angu«
l)ören geraoljnt fei. QnbeS gog er es bod) raieber an fidj,
unb er lief} fidj gern Mttfieren, roenn man tt)n nur fleißig
befudjte.
®ie meiften oon biefen föritifen gu Stauben gu madjen,
Ijatte er orjnebem alle 2lugenblide in fetner ©eraalt, bie er
benn aud) enblidj auf eine gang neue 2lrt ühte. @r fammelte
nämlid) bie abgefdnnadteften unb legte fie oerfdjiebenen lädjer-
liefen Originalen in ben 9Jhmb, mengte unter biefe ein paar
Seute oon gefunbem ©efdjmade unb madjte aus iljren ©e=
f prägen für unb raiber fein ©tüd eine 2lrt oon lleinem
©lüde, baS er bie ^ritif beS erften nannte (La critique de
l'Ecole des femmes) unb nad) bemfelben aufführte. £)iefe
©rfinbung ift tl)nx in ben folgenben ^'\kn oon meljr als
einem 2)id)ter nad)gebraud)t raorben, aber nie mit befonberm
Erfolge. £)enn ein mittelmäßiges ©tüd lann burd) eine foldje
apologetifdje Seibraadje baS Slnfeljen eines guten bod) uidjt
Fragmente aus SefftngS 9toä)fafj. 215
erlangen, nnb ein gutes> manbelt aud) oljne fie bind) alle
Immifdjen 9(nfed)tungen auf bem 2ßege jur billigen 9£ad)roelt
ficfjer nnb getroft fort.
£)en — warb Dlint nnb ©opljronia mieberljolt.
SSon bem Dermeintett Unredjte, meldjeS id) bem Merrn
uon (E. al3 bramatifdjem S>id;ter erroiefeti fjaben foll.
Söantm roollen mir mit Sd)äl3en gegen 2luslänber praßten,
bie mir nidjt Ijaben? (So jagt 3. Q. baö Journal encyclo-
pedique 1761, baj$ fein SDHjjjtrauifdjex auf nnferm Sfjcater
Beifall gehabt nnb aUegeit gern gefeljeu nutvbe. sJtid)t3 weniger
als ba§. @3 ift ein unausftei)lid)e§ Stüd nnb ber Dialog
beöfelben anwerft platt.
3Bas bafelbft oon f. Clint nnb Soprjronia gefagt mirb,
ift nod) fonberbarer.
„Dnrd) ben Söeifaff, roeldjett fein GobruS gefunben, aufge=
muntert, fjatte er eine anbere fcragöbie unternommen, inmeldje
er bie G()öre nad) ber SSßeife ber ©riedjen mieber einführen
mollen. Gr molltc oerfudjen, ob ba§, ma§ Racine in §ranf=
vcici) mit fo meiern ©lüde in feiner 9(tl)alia getrjan fjatte,
and) in ©eutfdjlanb gtüd'en merbe; nad)bem er aber bie aller;
größten «Sdjuüerigfeiten überftiegen nnb feine Arbeit bereits
feljr meit gefommen, gab er fie auf einmal auf, meil er
glaubte, bafj fein 2ßorl)aben megen ber 23efd)affenf)eit ber
bentfd)en 9Jhifif (attendu de la rausique allem ande) nid)t
gelingen fönne. Gr glaubte 311 bemerfen, baf} fie auf leine
Sßeife ber 2d;önl)ctt ber ©efiunungen unb bem Slbel ber
öebanfeu, bie er auöbrüdcn mollte, gemadjfen fei. £od) un3
bünft, er rjätte ber SÄuftf gänjlid) überljoben fein fönnen, fo
mie e3 ber §err von Voltaire in feinem Brutus mit ben
Chören gemadjt fjat. S)od) bem fei, mie Üjm molle; genug,
er gab fein (Btüd auf; bie Fragmente, bie baoon übrig finb
unb in benen ftdj grofte Sdjönfyeiten befinben, madjen, baft
man es> bebauern mufj, baj3 er nid)t bie lernte §anb an ba§
2Ser! gelegt. 2)eutfd)lanb mürbe ftd) rühmen fönnen, eine
djriftlicbe ^ragöbie 311 rjaben, bie feinem Sweater Gljre madjte."
3öie abgefdmiadt ift b.as! £>ie beutfd)e 9)iufif! 2Benn
man nod) gefagt Ijätte, bie beutfcrje s$oefie märe §ur 9)htfii"
ungefdjidt !
Unb bie ganje <Bad)e ift nidjt roafyx. Gronegf l)at feine
Arbeit nid;t aufgegeben, Jonbern er ift barüber geftorben.
216 Sam&urgifcfye Dramaturgie.
2ßa§ ber Sournalift am @nbe bagufe^t, ift allem 2In;
feljen nad) aud) eine £üge : Un ecrivain anglois qui a senti
le merite de cette tragedie, se Test appropriee. La piece
a paru souscetitre: Olindo and Sophronia, a tra-
gedy taken from Tasso, by Abraham Portal,
JE sq. London 1758. ©a roirb ber gute portal $um $(a=
giartu§, ber tnelleidjt ben tarnen (Sronegf nie gehört l)at.
2lnno 1758 mar SronegfS Dlint nod) nid)t gebrudt.
©en fünfunbfed^igften 2lbenb (freitags, ben 14. Sluguft)
warb bie Qulie beg §. §eufelb unb ©djlegelg 6tumme
© d) ö n t) e 1 1 tnieberfyolt.
©ie §mei ©tüde, mit melden fxd) §. §eufelb t>or fetner
Qulie in Sßien befannt gemalt Ijatte, Ijeifeen: ,,©ie feauZ-
Haltung" unb „©er Siebfyaber nad) ber 9ftobe". 3;d) ^erme
fie nodj nid)t raeiter als> ifjren Titeln nad). 216er fein tnerteS
©tüd, meldjeg er auf bie Qulie folgen lafjen, l)abe id) gelefen.
@§ Reifet: „©er Geburtstag" unb ift in brei Slufjügcn.
(§3 gehört feiner @inrid)tung nad) unter bie Pieces ä tiroir,
rote fie bie gran^ofen nennen; unb ift e§ ein
$ofjenfniel, obfdjcm bie Verfemen beöfelben bei raeitem nidjt
aus ber niebrigften klaffe ber SJtenfdjen finb. dx fdjilbert
nerfdjiebene lächerliche (El) ar altere, bie bei Gelegenheit eines
Geburtstags auftreten, ber in einer abiigen gamilie auf bie
^u 2öien geroöljnlidje 2lrt gefeiert roirb. ©er erfte 2l!t ent=
f)ält eine 9?eil)e t>on SRorgenüifiten, bie bei ber grau non
©fyrenroertl) (?) in ber 2lbfid)t, tl)r §u biefem iljrem gefte
©lud &u roünfdjen, gemacht werben, ©er britte 2llt $eigt
eine Slbenbberoirtung ungefähr ber nämlichen Verfemen, bei
melier gefptelt mirb. ©er mittelfte 2llt befielt aus» einem
f leinen Suftfpiele, genannt „©ie Sd)roefter bes SBruber
«Philipps".
©en — marb W\$ <3ara ©ampfon roieberfyolt.
%ud) ber §err 23aron non Sielefelb l)at in feiner neuen
2luögabe feinet Progres des Allemands (ä Leide 1767.
8. T. II, p. 343) biefeS Stüd burd) einen umftänbltdjen 2lu3=
gug ben 5luslänbern befannt madjen motten, ©er SSerfaffer
muft ilnn für biefe @l)re nerbunben fein; aber follte er nidjt
eineg unb bas anbere gegen ba3 Urteil beg §errn Sarong
einguroenben Ijaben?
Fragmente au$ SefftngS 9tocfjlaft. 217
„<Baxa Sampfon," fagt $err neu SBielefelb, „ift 3ioar ein
urfprünglid) beutfdje§ ©tüa; gleidiioohj fdjeint ber ©toff auS
englijdjen Romanen gekommen ober nadjgeafjmt 31t fein unb
ber ©eift joroie bev Wefdjmad biefer Station barin ,311 Ijerrfdjen."
2Ba§ foll biefeg eigentlich) fagen? 2)er Stoff fdjeint aus
englifdjen Romanen genommen 311 fein? (Sinem bie Grfinbung
oon etma§ abstreiten, ift bagu ein „e§ fdjeint" genug?
2Beld)e§ ift ber englifdje Vornan
71te SBorjtetfung. Solimau ber 3l^^i t^-
Db gaoart bie SBeränberimgen auö fritifdjen Urfadjen
gemad)t? Db er eö uid)t 6Iofe getrau, um feiner Station 311
fdmteidjeln? Unb feine grcmjöjin nidjt aHein 311m tebtjafteften,
nunigften, unterljaltenbften , fonbern aud) ebelften unb gro|V
mütigften 9Jiäbd)en 3U mad)en? üDamit man fagen muffe: es
ift mafyr, fie ift ein narrt jdje3 , unbebad)tfamc3 3)ing, aber
bod) gugteid) ba§ befte §erj? So raie SBoiffp im „gran^ofen
\u Sonfcon" feinen Sßetitmaitre am ©übe bod) $11 einem jungen
-))ienfd)en oon G'lue madjt unb baburd) alleö ba$ ©ute, ma3
bie 2d)ilberung feiner Torheiten ftiften tonnte, mieber ner=
berbt. SUJarmontel fagt überhaupt fd)on oon ber Stoße be£
^ctitmaitreö (Poetiq. Fr. T. II, p. 395): On s'amuse ä veco-
pier le Petit-Maltre, sur lequel tous les traits du ridi-
cule sont epuises, et dont la peinture n'est plus qu'une
ecole pour les jeunes gens, qui ont quelque disposition
ä la douceur.
3)ie frangöfifdjen bramattfdjen 3)idjter überhaupt finb jeftt
bie beredjuenbften Sdjmeidjler ber Nation. Um bie ßitelfeit
berfelben bringen fie tfjre ^Berfudje in 2dju$. 53eioeife (jieroon
an ber Belagerung oon (EalaiS, unb uod) neuerlich an .
©teidnooljl finb mir SDeittfc^e fo gutfjerjige Darren, ifjneu
biefe Stüde nadj^ufpielen unb bie Ijofjlen Sobegerljebungen ber
gran^ofen auf beutfdjen Sweatern erf djatlen 31t laffen.
Unmbglid) fönnte bod) bei un3 tt)re Sragöbie oon ber
2(rt gefallen; unb ifyre Äomöbien oon ber 9lrt muffen oollenbS
nerunglüden. 2Öir Ijaben feine 9tor,elanen, mir fjaben leine
^etitmaitreö ; mo füllen unfere Sdjaufpieler bie sDcufter oaoon
gefeljen Ijaben? ^ein SBunbcr alfo, bafj fie biefe hoffen alle=
gett fdt)Iedt)t fpielen. Unb befto beffer!
218 $anuntrcjifd)e Dramaturgie.
£)ie ^omöbianten maren bie erften, meld)e fiel; be3 @nfel§
be§ großen (Sorneiffe öffentlich annahmen. Sie fpielten gu
feinem heften bie 9tobogune, unb man lief mit §aufen fytngu,
ben Sdjöpfer be§ frangöfifdjen £Ijeater§ in feinen 9?ad)fommen
gu belohnen. £)em £errn non Voltaire marb bie Sfflabemoifelle
Corneille von £e S3rim empfohlen; er liefe fie gu fid) fommen,
übernahm tfjre (Srgielnmg unb oerfdfjaffte tljr burdj bie 2lu3=
gäbe ber Söerfe i|re3 ©rofeüaterS eine 2trt oon 2lu§fteuer.
Tlan Ijat bie %ljat be§ §errn non Voltaire gang aufeer?
orbentltdt) gefunben; man Ijat fie in $rofa unb in SBerfen
erhoben, man ijat oie gange ©efdjidjte in einen befonbern
griedjifdjen Montan nerfleibet (La petiteniece d'Eschyle, 1761).
©ie ift aud) nnrflid) rüfjnüicfj; aber fie mirb baburd)
nidjt§ rüljmlidjer, med e3 bie ©nfelin be§ (Sorneitfe mar, an
ber fie Voltaire ausübte. SSielmefyr mar bie @§re, oon ber
er norausfeljen fonnte, bafe fie ifym notroenbig barau§ erroadjfen
mußte, eine 2lrt oon 23e(oInumg; unb ber Sdjimpf, ber ba=
burd) gemiffermafeen auf gontenelte gurüdfiel, mar üiefleidjt
für Voltaire aud) eine Heine Steigung.
3Iud; ba§ Unternehmen, ben Gomeiffe gu fommentieren,
fdjrieb man bem §errn v. Voltaire als eine aujjerorbentlid)
uneigennützige unb großmütige &{jat an (Journal Encycl.,
Oct. 1761). L'exemple qu'il donne est unique ; il aban-
donne pour ainsi dire son propre fonds pour travailler
au champ de son voisin et lui donner plus de valeur.
Nous admirerons davantage l'auteur de Rodo-
gune, de Polieucte, de Cinna, quand nous verrons toutes
ces pieces enrichies des Commentaires que prepare l'auteur
de Mahomet, d'Alzire et de Merope; ils vont fortifier
l'idee que nous nous formons de Corneille, et lerendre, s'il
est possible, encore plus grand ä nos yeux ; ils feront lire
le texte avec plus de plaisir et plus d'utilite.
Sßon 93anf§ feinem @ffej, ber non 1682 ift, unb alfo
nad) be§ (Sorneitte feinem IjerauSgefornmen. ©r fcfjeint aber
ba3 SSerf beg grangofen nidjt get'annt gu Ijaben.
pßem Samuel SDanielS $Ijilota§, melcf)e§ ba§ Sujet beö
(Sffer. unter frembem tarnen mar, fielje (Eibberg Lif. vol. I,
pag. 147.]
@r I)at fid; genau an bie Ijifiorifdjen Umftänbe gehalten,
ob fein 5Öer! gleid; in Slnfeljung ber Einrichtung unb
Fragmente auo Seffingä Jiacfjfaf?. 210
beS 2tu§bru<f3 fefjr mittelmäßig ift, fo fyat et bocf; bie fönnft
gehabt, fef»r intereffante ©ituatiohS anzubringen, meldte
gemacht, baß fid) bas ©tüd lange auf bem Sweater erhalten.
1753 Heft 3oneS feinen (Sffer. fpielen (f. Gibberö Lif. IIT, 175).
Gr wollte Sanl§1 ©tü<f regelmäßiger madjen unb madjte eS
froftiger. 3lber fein Stil ift oeffet unb feine (Sprache poetifdjer.
1701 tarn 33roof3 feiner (jerau§. @r fudjte baö 53efte von
feinen beiben Vorgängern $u mtr^en, (inbent er ftd; über ben
SBommrf beg Sßtagü megfeiite) unb it)re geljler ju oermeiben.
•Ütan fagt, er Ijabe ba3 gener unb baS ^atfyetifdje be§ 33anf3
mit ber fdjönen Sßrofa be3 QoueS 3U »erbinbeu gemußt.
S3roo! mar fdjon burdj einen ©nftao 2Öafa befannt, ber
aber in Sonbon nidjt gefpielt werben burfte, meit man uer=
fdjiebene 3üge uüber ba$ ©ouuernement barin gu finben
glaubte.
33roof f)at bie ©emaljltti be§ ßffer nerebelt unb it)n in
ben (etjten Svenen gegen bie Königin ntd;t fo fodjenb fpredjen
(äffen. II a aussi fait tomber en demence la comtesse
de Rutland, fagt ba§ Journ. Encycl. Mars 1761 (au mo-
ment que cet illustre epoux est conduit a l'echafaud;
ce moment oü cette comtesse est un objet bien digne de
pitie, a produit une tres-grande Sensation) et a ete trouve
admirable ä Londres: en France il eut paru ridicule, il
aurait ete siffle et l'on aurait envoye la Comtesse avec
l'auteur aux Petites-Maisons. £)efto fdjlimmer für bie
gran^ofen.
<£nfttrttrfe unb Jfragmenfe
1.
^MjanMiutg nmt ton Jtontomtmflt tar Altern
8- i.
@g werben wenige oon meinen ScmbeSleuten fein, weldje
nidjt itw bas> 2ßort Pantomimen ungaljligemai gehört
unb felbft füllten im 9Jiunbe geführt Ijaben, ofyne üielteid)t
gu wiffen, roa§ e§ eigentlich bebeute. Unb wer weife, ob
§err -Jltcolini felbft ben magren begriff baoon mag geraupt
Ijaben, fonft mürbe er un% wofu* fdnoerlid) feine ftitmmen
^ofjenfpiele unter biefem tarnen aufgebrvmgen Ijaben. 3)odj
wag mirb er fiel) barum tuet befümmew? §at er bodj überall
feinen (Snb^wecf erlangt. Unb er ift e3 wert, bafe er ifjn
erlangt Ijat, ba er auf eine fo anlodenbe 2lrt fidj bie üfteu*
gierigfeit unb ben läppifdjen ©ejdnnad ber iijigen $eiten
zinsbar ^u machen geraupt (jat. ®od) mit feiner unb aller
ber er Erlaubnis, meiere il)n berounbert fyaben, behaupte id),
baft feine fleinen Slffen nidjtg weniger aU Pantomimen finb.
@r barf beämegen eben nidjt auf midj böfe merben; beim id)
ftelje il)in bafür, baf$ er biefer 2tnmerfung fjalber gewifj feinen
einzigen ^ufcljauer weniger befommen mirb. 3)enn id) zweifle
fefjr, ob einer oon benen, bie il)n fo oft befitdjt l)aben unb
nod) befudjen werben, meine 2(bljanbiung lefen mirb. Wad)
bem ©efdjinade biefer .fjerren unb tarnen mirb fie wofyl nidjt
fein, bie eg nielleidjt lieber fefm mürben, menn id) einen
Kommentar über bie ©eburt be§ Slrlequing ober über ben
„§infenben Teufel" fd)rieb unb iljnen barinnen bie frönen
2l6fjanblung oon ben Pantomimen ber Sitten. 221
üBerroanbelungen , bie niebüdjen -^ofituren unb ben fünft
reichen 3ufammenl)ang be§ ganzen StüdteS auf bie leblmftefte
:Hvt oorftellte, alo bafj id) fie mit alten ©rjäljlungeu oers
gnügen null. Unb gefegt and), id) mürbe ö<m allen gelefen,
unb gefegt audj, er mürbe mit feiner Benennung von allen
ausgeladjt, fo i'ann er ftdj bod) aemiffe "Kedjnung madjen,
fo lange feine SUmft maö SßeueS ift, baft e3 il)in niemals an
einem oollen Sdjanplaüe fehlen roirb. §3 finD feine $ßcmto=
mimen, mirb man allenfalls fagen, es finb aber bod) Seilte,
bie einem bie ^eit auf eine gan$ artige 3lrt Dertreiben. D.
menn bas ift, SBerbienft genug für bie heutige SBelt! 3ft
mol)l mag oerbrief$lid)er als Sangeroeüe?
©em tarnen nad) ijetfjen Pantomimen Seute, roeldje
alles nadjaljmen. Unb eine richtige Sefdjretöung ju madjen,
roeldje ftdj foroo^l auf bie aned)ifd)en als» römifdjen ^anto--
mimen fdjid't, fo roaven es Seute, roeldje tanjenb alle $ßer=
fönen eines bramatifdjen Stücfö oorfteflen unb jeber $erfon
(ibaratter, Slffefteu unb ©ebanlen burd) bie SSemegung tfjrer
©liebmaf$en ausbrüden tonnten. *)
S. 3-
S)en erften Urfprung ber Pantomimen muffen mir bei
bem Urfprunge bes Tangens fudjen. 2)enu .bie Xänje ber
Sllten brüdten alle etmaS äu§. ßatttadjtuS leitet fie oon ben
Mimis fyer.
Salmas. in Not. ad Vopiscum.
Quid vero Ulis opponemus, qui ejus inventorem
Pyladem perkibent? Interpretandi nobis sunt, non re-
futandi ; nam et verum illi dixerunt, si recte capiantur.
Saltatio quaevis Augusti temporibus iu scena versabatur
et quae post illa tempora passim viguit, quaeque nihil
amplius commune aut conjunetum kabebat cum Comoedia
atque Tragoedia, sed seorsum in Orchestram veniebat,
inventum proeul dubio Pyladis fuit et Bathylli, res vero
ipsa et ars illa, saltandi modus, quo omnia, quae dice-
rentur, manibus expediebantur, quoque ipse etiam Py-
*) Cassiodorus Variarum IV. epistola ultima: _Pautomimi uomeu
a multifaria imitatione nomen est. Idein corpus Herculem designat et
Venerem, feminam praesentat et marem, regem facit et militem, senem
reddit et juvenem , ut iu uuo videas esse multos, tarn varia imitatione
discretos.1*
222 5)mmaturgiftf)e Crntroürfe unb Fragmente.
lades in sua saltatione usus est, longe ante Pyladem
nota Scenae et in usu posita fuere, sed in Tragoedia
tantum et Comoedia et Satyris locum habebat ; nusquam
enim sola per se ante id tempus opy^aic in Orchestra
comparuerat. Primus Pylades saltationis artem a Tra-
goedia et Comoedia separatam in Scenam Latinam in-
troduxit.
©tefeS miberlegt (SafftadjiuS mit ber (Stefte Lib. V. c. 7.
Ex quibus omnibus colligendum est, saltationem panto-
mimicam non fuisse Pyladis inventum, nee ab ipso pri-
mum extra Comoediam et Tragoediam in scenam Latinam
inveetam, sed magis excultam atque exornatam, atque
cum tibiis pluribus, fistulis atque Choro exhibitam.
Ratione cujus novitatis et majoris etiam fortassis in
saltando dexteritatis et concinnitatis adeo commendatus
est, ut inventor illius saltationis per hyperbolen audiverit.
Euseb. in Chron. Pyl. Cilix Pant. ^pornoe. xae oupiYY"^
v.ai xov yo^ov eaoxa) eicaSstv sTroiinos.
Macrob. Sat, Li'b. III. c. 14.
Diomedes, Lib. IL cap. De variis poematum generibus.
Arist. Art. poet., 5. Auxw Zs tu poO^u etc.
Donat. in Proleg. ad Terent.
Plutarch., Lib. IX. Sympos.
Servius ad illud Eclog. 5. v. 73. Saltantes Satyros.
Suet. in August., c. 43 et 45; Lip. in Comment.
ad. Tacit. Ann., I. cap. 54.
2öie man aber angefangen fyatte, ba% fangen audj mit
auf ben ©djauplatj $u bringen, fo bemühte man fiefj, immer
mefjr unb mefjr bamit an^ubrücfen, unb 3 war ba3, ma§ in
bem oorgeftetlten Stüd'e mar gefagt ober getfyan morben.
(Stner ber älteften non btefen ^än^ern mar ber ^än^er be3
3Iefd}t)lng, non meinem un§ TO)enän§ *) 9lad;rtd)t gibt. @r
I)ief$ Mefi3 ober ^elefteö. @r erfanb unterfd)iebne Strien,
bte Dieben burd) bie §änbe fe^r beittüdf) au^ubrücfen. Unb
*) Athenaeus, Lib. I.
TeXeotc; Y] TsXsgxyjc ., 6 op-/Y]SxoBi§aGxaXoc, TtoXXa s|eupv]xs
oyTjfj-axa, «xpooe, ra'.c, /spei xa XefojJ-sva osixvDooaaic;. 'Apiaxo-
v.Xyjc youv cPY]?tvi oxl TeXeotTjC, 6 Alay^oXou op^YjoxYjc-, ouxooc, yjv
xs-/v'.ty|c, d)cxe ev xw opysiod'o.i xoue, cEuxa Irai 0Y]ßac. cpavepa
rcoiYjcat xa TipaYJJ.c/.xa oC op-/Y]ceu)C,.
3t6f)cmbluttg uon ben Pantomimen Der Vttten. 223
nrie ^Cvtftotlco ergäbt, fo foll er [onberU($, ba erbte „hieben
§elben r»or Sieben" getankt, alle ir)re Saaten fefyr um 1)1
üorgeftettt Ijaben.
§.4.
33ci ben ©rtedjen waren bie pantomimifdjen 5£änge alle;
gett entroeber mit bei* ^ragöbte ober Momobie oerounben,
gmifdjen bereu §anblungen fie aufgefüfjret mürben. 2)er erfte
aber, ber fie bei ben Römern befaunt machte, mar ber föüfer
2luguftui3, ber fie, um ben müßigen $Pöbel burdj finnlidie
SBergnügungen im 3aume Su galten, oon ber föomöbic unb
iEragöbte abgefonbert auf ben Sdjaupla$ bradjte. SDiefeö
begeugen ©mba§,*) SoftmnS.
S. 5.
SDte erften unb berüljmteften Pantomimen gu be§
2fagujru§ 3e^eu waren $ßnlabe§ unb Q3at[)i)üu5, roie
Suibaä in bem eben angeführten Drte begeugt.
§. 6.
5>nfabe5 mar ein Gilicier au$ bem fylecfen ber äÖfäft;
barner. (Seine Gangart, mooon er ber Grfinber mar, mürbe
bie italtenifdje genannt. Vorüber er audj einen gangen
Kommentar gefdjrieben fjat, melier aber uerloren gegangen.
2)iefe§ begeugt 2ltf)enäu§ unb Suibao, meldjer jenem gefolgt
ift, ben Drt aber, meldjen er aufgetrieben, gang falfdj oer=
ftanben Ijat. SltljenäuS **) fagt, er |abe einen Straftat oer=
*) Suidas sub voce 'Op^TjOlC ItavxoinfAOC. Tocuxyjv 6 A&yoü-
oxoe Ka:3c/.p £<peüpe3 üüXaSoö xat BafruXXoo Tiptoxiuv o-.'jtYjV jj.s"X-
Idem sub voce 'AfrYjVOoeopGK;.
,A0"f1vooojpoc;, Sxoutxoq cp'.Xoaocpoc , s~'. 'Oxxaou'.avoo ßaai-
Xsw~ cPü)fxatü)V |iaXiGTa xa'.c 5A9Yjvooiopoo xooxoo cojxßoo-
Xiaic lTCeio'6'7] Kaxa os: toöc xaipooq Ix&ivoo^ xat -r, rcavto-
{jL'.fxoc opyYj-'.c e-ClX^'Yl"! °^ ~co rcpot8pov o&oa, v.a: icppqext '(,3:
Itepa rcoXXwv xaxtov alxia reroVota.
**) Sie Stelle aus bem <Htl;enäu* ftcfjt im erften 93ud)e, p. 20, unb fjeifjt fo :
Tootov xov Bad-uXXov cpYjaiv 'Apiaxovtxo? xai üoXaSYjv . qS
l~x'. v.at ooYYpa|i.}i.a rcgpi öpyr-itoc, xyjv 'IxaXiicrjv söaxirjaaa&ac
sv. xy(c xcujxMtY)?, *f] hiaXeixo Kopoa^, xae rrje xpariv.YjC, yj Ixa-
Xeixo 'EjxjxeXsta, xai xyjc; aaxupLy.Y]^, 4] IXerero £ixivvi£.
S)ie Stelle au§ bem Suiba§, unter bem Sitet $t)labe§, ift biefe:
IIuXaoYjC, K:X'.;? a~o xwjj/q^ Mtoftapvuiv Ifpaips teepe opX*n~
o;a>c tyjc 'IxäXtxir]«;, Y4xtc 6-1 a6xoü s'jp^O-Yp rspi xy^ v.coijl'.v.y^
224 2>ramaturgifd)e ©ntroürfe unb Fragmente.
fertiget oon ber italienijdjen San^art, welche itafteuifdje
%an%axt au§ ber fomtfdjcn, iragifd)ett unb fatirtfdjen Gangart
beftünbe. ©iefcS §at (feuibaS fo genommen, als fyätte $9=
labeg wer ©fidjer gefdjrieben, em§ oon ber italienifdjen, bag
anbre oon ber fomifdjen, ba3 britte oon ber tragifdjen, bas
üierte oon ber fatirifdjen Gangart.
Chironomiam magnopere expolivit. Nam primus
pro una tibia adhibuit plures; item fistulas, quod antea
non factum, et choraulem cum choro, cum ante Pythaules
occineret sine Choro. Hieronymi est in Chronico Euse-
biano. Pylades Cilix pantomimus primus Romae chorum
sibi et fistulas praecinere fecit.
S- 7.
£)er anbre berühmte Pantomime gn be§ 2tuguftu§ 3e^en
mar 23atbi)t(u3. @r I;atte eö fonberlid; in ben fomifcfyen
hängen feijr roett gebraut, ba ifjn gegentetfä $n(abe3 in
tragifdjen übertraf.*) 2)e3megen nennt iljn 3uoenali§ möllern
Bathyllum. **) @r mar au3 3l(epnbrien unb ein gret=
gelafmer be§ sJfläcena3 , ***) meines ber alte Snterpreö be3
$erfiu§ in ber 5. Satire Bezeuget, f)
s. 8-
3Me ©rfmbung ber italienifdjen S£an(^art mirb oon Sutbas
bem ^ulabcg, non Sttljenäo aber unb Striftonico bem $ulabeg
unb SBatlmKug -utgleid) angetrieben, mie au3 ben oben an=
y.aXou|j.svY]c bpyv\Gziü<;, Yjxic sxaXeixo KopBa|, xai tyj? xpaYtx7]C,
*rj IxaXeixo Stxivvic, xat X7]c aaxupiXYjc, ^xi<; 'EjAjxeXs'.a.
Vossius, Lib. II. (p. 18U) Institut, poeticarum, roiü Suibam entfd)iit=
bigen, inbem er fagt, mau muffe Icfen nid)t icepi, foubcvn &rco xyjq xcujjuxy]«;.
Salmasius in Notis ad Vopiscum, p. 497.
*) 2)iefe§ bezeugt 9)larcu§ 3Innäu§ ©eneca in ben Excerptis ou§ bem
brüten 93ud)e Controversiarum, unb gtnor in ber SSorrebe: Et ut ad morbum
te meum vocem, Pylades in Comoedia, Bathyllus in Tragoedia multum a
se aberant.
**) Sin ber 6. ©atire: molli saltante Bathyllo.
***) 2>e§rocgen nennt ifyn ©eueca in ber Sßorrebe be§ 5. 93ud)§ Controver-
siarum; Bathyllum Maecenatis. 28a§ aber ba§ scriptum Labieni pro Ba-
thyllo Maecenatis fei, beffen er bafelbft gebeult, ift uubefannt.
f) SDcr 3Ser§ bei bem SßerfiltS beif;t:
Sed nullo thure litabis,
Haereat in stultis brevis ut semiuncia recti.
Haec miscere nefas, nee quum sis caetera fossor
Treis tantum ad numeros Satyri moveare Bathylli.
Tacit. Annal., I. cap. 51: Dum Maecenati obtemperat eflfuso in amo-
rem Bathylli, deinde quod civile rebatur misceri voluptatibus vulgi. Cas-
siodorus, Lib. I. ep. 20: Liviu.s, Lib. YII; Suetonius in Caligula,
c. 51 ; Seneca, ep. 121.
3flj[;anMung uon ben Pantomimen bor Sitten. 22~)
geführten Steffen beS SuibaS unb Slttjcnäns 51t crfel;en.
3ie beftanb am tragijdjen, tomifcfjen unb fatirifdjien SCän^en.
©ie fomijdjen gießen Hörbar., bie tragifc^en Ci'inmcHa, bie
fatirifdjen 8if'tnniö.*)
Kop§a£.**)
'Ejj^sXs-.a. ***)
S- 9.
S- 10.
S- u-
s. 12.
Gsiner uon ben beritljmteften -csdjülern beS ^ßnlabeS ju
Seiten Slugufti war §nlaS. ®r (jatte ifjn in feiner ^unft fo
untermiefen, baß if)n baS SBolf feinem sDceiftev faft gleid; Ijielt.
©iefer §ula§ tankte einSmalS einen ©efang, ber fidj fdjlof}:
xov [le^av 'AYajj.sfj.yova. SDiefeS red)t auszubrühen, beljnte
fid) §i;laS auS unb trat auf bie S^en. Seinem SOtetfter
aber mollte baS nidjt gefallen unb fdjrie ifym 31t: 00 p.axpov,
ob fj-e^av iiocoic. hierauf uerlangte baS Soll uon ifym, er
follte eben biefen Gkfang taugen, ßr tlmt es, unb als er
auf obige Stelle tarn, blieb er fielen unb fteffte eine ^erfon
in tiefen ©ebanlen oor, weil er glaubte, e§ fei einem großen
gelbljerrn nidjtö anftäubiger, als uor allen SDingen 311 beulen.
Üben biefer §i)la§ tankte einSmalS ben Debipus; er tankte
iljn aber mit offenen äugen, weswegen üjn gleichfalls fein
SDieifter tabelte unb tym ^ufdjrie: 00 ßXeiceicf)
•) Julius Pollux, Lib. IV. cap. 14. §. 99:
E!Syj 8s opyvr(u,axü>v sjj.{j.sXsia tpafixif], xopoaxsc, xoujnxot,
aixivvic oaxopwij.
**) Julius Pollux, Lib. IV. Onomast. cap. 14.
Demosthenes in seeunda Olynthiaca.
Theophrastus in Charact., c. 7.
***) Suidas:
'Ejj.jj.sXsia, X°P'-v/f] °PX"na'^- Six«>Cj IfipeXeta xai IfiueXta, 4)
e5püO-u.'.a. Olafra faPi o^^C BiaxsifJiefra ttsoi xyjv sjxij.sXiav tyjv
OTjV. xae 4j jj.sxa jjlb/Xooi; tpa^ixt] op^fjaic Unb gleid; uorljer: stSoc
GpyTj'sux;, sax'„ 8s 4] xiov xpayiuotov.
Pollux, Lib. IV. cap. 14. §. 105:
Kai fj.Y|V TpaftXfjc opyT|asaj!; xa ayrjjj-axa ai|V*i ystp, 6 xaXa-
thaxoe,, ys'.o xaxaicpavrjd £oXoi> ^apaX7]tLcc, BticXiq, d-spjxau-
cxpic» tj xoßtax'ijatc ff) rcapaßvjvai Texxapa.
f) Forte a Gspuav, quod {rpaxiov saxi 7üoXcj[j.a. Suidas.
■f-f) Forte a x'jß'.axav. quod Kusterus mutavit in xußfißav.
Est autem XüßtOTOCV tO het XSCpaXliK ßticteiv. Vite Suidam.
■j-) £iefe§ erjüfjlt uu§ 9)1 aerob iu§ in bem II. SBuay Saturnaliorum im
7. Kapitel: Sed quia semel ingressus sum scenam loquendo, non Pylades
2 e f f i n Ö , SBerfe. XII. 15
226 3)ramaturgtfdje ©ntnnirfe unb Fragmente.
s. 13.
2)te Schüler be§ $n(abe§ unb 33atl)tjttu§ baucrten aud)
lange 3e^ na$ ^en Seiten Stugufti. SDtc einen mürben
Pyladae, bie anbern Bathyili genannt.*)
histrio nobis omittendus est, qui clarus in opere suo fuit temporibus Augusti
et Hylam discipulum usque ad aequaiitatis contentionem eruditione pro-
vexit. Populus deinde inter utriusque suffragia divisus est. Et cum canti-
cum quoddam saltaret, cujus clausula erat: xov [AEYav 'AYajj.eu.vova,
sublimem ingentemque Hylas velut metiebatur. Nou tulit Pylades et ex-
clamavit e cavea: au [xaupov ob jJisyav koisic,. Tunc eum populus
coegit idem saltare canticum. Cumque ad locum venisset, quem reprehen-
derat, expressit cogitantem, nihil magis ratus magno duci convenire, quam
pro omnibus cogitare. Saltabat Hylas Oedipodem, et Pylades hac voce
securitatem saltantis castigavit: od ßXsTtecc.
*) Seneca, Lib. VII. Q. N., cap. 32.
Inscriptionum Gruteriange Collect, p. 1024, num. 5 et p. 331, num. 1.
Adde Scaligerum in Animadvers. ad Manilium et Salmasii Notae in Vopis-
cum. Brodaei Notae in 'AviroXoy'.av, tit. II. epig. 2.
Tranquillus in vita Neronis, cap. 54; Plinius, Lib. VII. Nat. Hist.,
cap. 53. Temporibus Neronis ac Vespasiani.
Suetonius in Nerone.
Tertullianus Apol., 217.
Apulejus, Lib. X; Miles., p. 223.
Appianus Alexandrinus in Parthicis, de capite Crassi: Astyanactem
videmus, ubi Hector est?
Anth., Lib. III. c. 7, de Chrysomalo Pantomime
Artemidorus, Lib. IL cap. 38.
Athenaeus, Lib. I, de saltatore, nomine Memphis, eodemque philosopho
Pythagoreo.
Columella De re rustica, Lib. I.
Tacitus Annal., I. 77.
Plinius, 1. 29 : Nullius histrionis equorumve trigarii comitatior egres-
sus in publico erat.
Seneca. Epist. 4. 7.
Galenus De praecognit. ad Posth., c. 6.
Ammianus Marcellinus, Lib. XIV. c. 6.
Seneca, cap. 12. De Consolat.
Manilius, Lib. V. Astron.
Apulejus Metamorph.; Lib. X prope finem.
Dio Lib. LIV. p. 533: ^OfrsvTisp, Ttavo aoepax; 6 Uohr/.or^ stuxi-
fj.O)fj.evoc 6tc' auxoü, licet BouS'oXXü) öfAOXsyveo ts ovxt v.at, r<x>
Mawetva TrpocYjv.ovx'. SieaxaaiaCev, eiicstv XsYexai, bxi aojxcpspst ooi,
Kanap, Tzzpi *J]|xac xov Sy]|j.ov arcoo't.axpißsesiJm.
Jacobus Pontanus in Macrobium notis.
Nonnus, Lib. II. Dionys. et lib. XIX.
Lib. IL c. 38. Anthol.:
üavxa v.ud-' Isxopivjv opyoüjj-svoc, hv xo fxsYtaxov
Ta)V epycov Tcapi§(uv, 4]v.aoa<; fjieY&Xouc.
Ty]v jasv YaP Nioß*r]V 6pyou|X£voc, a>c Xifroc loxr^
Kai rcaXiv ü>v Kanavso^, e|aiuvY]C £Tieasc'
'AXX' hm XYjc Kavax*f]<; acpüojc;, oxt. xai licpoc; 4}V oot
Kai Couv IC'^X'ö'ec' touxo 7iap5 laxopiYjv.
Omnia juxta historiam saltans, unum maximum
Negligens molestia nos affecisti;
2lBf}anbrung Don ben Pantomimen ber xHltcn. 227
8.
SBon bem Sweater 50a. man enblid) audj gar bie $P<ms
tomimen an bie ©aftereten.
Juvenalis Sat. 5. v. 120.
s-
Fugientes reliquiae Pant. durare videntur in eo lu-
dionis sive saltatorum genere, qui in Gallia Cisalpina
Mattaccini appellantur. Eorum vestitus, quo agiliores
sint, corpori adpressus et meinbra exprimens. Persona
sive larva antiquo more sine barba neque admodum
venusta, prominente mento et qualis vetularum facies est.
Hi per urbem saltantes discurrunt, obvios loris et scutis,
quod veteres Luperci faciebant, incessentes. Manum
fronti obtendunt quod Fauni ac Sileni agebant ad Solem
defendendum , quod essent calvi. Incredibili agilitate
currus ac rhedas saltu transcendunt, per parietes repunt,
in fenestras enituntur, citatique et intento crure corpus
in sublime vibrant. Sed et diversos actus saltatione ac
gestu imitantur, tonsorem, fabrum, sutorem, et id genus
scite referentes. Mox et simulacra pugnae taciti edunt,
rudibus coneurrunt et digladiantur.
Athen., Lib. I. &icXowouav, Pyrrhica a Pyrrho.
Xenoph. in Cyri Expedit., in Convivio, apud Thraces,
in Graecia.
Nioben enim saltans stetisti ut lapis,
Et rursus Capaneus statim coneidisti.
Sed in Canace inepte, quod ensis esset tibi
Et vivns existi: hoc contra historiam.
Lib. III. c. 7, de Chrysomalo Pantomimo :
^i'.^OLZ y poaeopLaXXe ~o ya/.v.EOV oOv. Itt o' "fjfjLtV
Eixovaq äp^e^oveuv IxxeXeeic fiepoitwv
Neouaotv OKp&oifY0131- Tsy] o' oXßwce -'.co-y]
Nuv axiyfept\ xsXsö-s'.. zrt rcptv iO-s/^Y^JJ-sö-o:.
Tacit. Annal., Lib. I. c. 77.
Livius, Lib. VII.
Juvenalis Sat. 5. vers. 120.
Herodotus, Lib. VI. de Clisthene Sicyoniorum rege, de ejus filia et
Hippoclida Atheniensi.
3uüenat gebenft audj einc§ Pantomimen, be§ Paridis, bei greigetaffenen Der
Domitiae, Neronis amitae, Sat. VII. v. 87.
228 Sramaturgifdje ©nttüürfe unb Fragmente.
2.
U?r grdjaufimler;
I.
(Einleitung,
$on ber Serebfamf'eit überhaupt.
§•
©ie SBerebfamfeit tft bie Run\t, einem anbern feine ©e=
banfen fo mitzuteilen, baf} fte einen verlangten (Sinbrud auf
ifin machen.
S-
Man ftel)t alfo leicht, bafc e§ babei auf bie ©ebanfen
unb auf bie Mitteilung berfelben anfomme.
s.
2)ie ^unft, vok man feine ©ebaufen bem Gsinbrude,
beu man auf einen anbern madjen ruill, gemäjj orbnen fotl,
milt id) bie geiftige Serebfamleit nennen.
§.
$)ie föunft, biefe fo georbneten ©ebanlen bem anbern
fo mitzuteilen, bafe jener (Stnbrud beförbert wirb , milt id)
bie förperlidje 5)erebfamfeit nennen.
$on ber SBerebfamfeit bes> Äörperä.
s.
Unb %max beSroegen, meil biefe Mitteilung oermittclft
be§ Körpers gefdjefjen muß. ©ie fann aber nidjt anberö
uermittelft be§ $örper§ gefdjeljen al§ burd) geroiffe Mobift;
lationen besfelben, meldje in be§ anbern ©inne fallen ac.
S-
SDiefe Mobilisationen lönnen entmeber in ben ©inn bes"
©efidjts ober in ben ©tun be3 @el)ör§ fallen.
s.
©ie Mobtfifationen bes" Körpers, meldje in bas ©efidjt
fallen, finb Bewegungen unb Stellungen besfelben.
s.
3)ie Mobtfifationen beg £örper§, meld;e in bas GJeljör
fallen, finb %bne.
Ser (Säjoufptelet. 22!»
S-
£ie ßefjre ooti beti evftcn Ijeiftt bie Sefjre von bei
xHttion. 5)ie Seljre oon ben cmbertt [jeifjt bie 8e§re oon
ber ^ronunjiation (2(uofprad)i\).
§.
SDicfc 2Äobififationeö be§ Mbrpero überhaupt ftnb entmcber
unmittelbar in unfrer SBiUlüt ober mittelbar.
§.
S)ie erfteren, roeil nidjto als bas Söolleti unb ein ge*
funber Körper baju gehört, tonnen burdj eigentliche unb l)iu=
langlidje Regeln gelehrt merben.
s.
2)ie anbern, meldje nidjt unmittelbar in unfercr sli>illtür
ftnb, fetten eine gemiffe SÖefdjaffenljeit Der Seele voraus, auf
melcfje fie oon felbft erfolgen, ofjue bafe mir eigentlid)
mifjen, mie.
IL
T>er Scfyaufpieler.
Gin 2öerf, roortnne bie ©runbfätje ber gangen förper^
lidjen 33erebfamfeit entroirfelt werben.
3)ie gange förderliche SBerebfamfeit teilt ftdj in ben
Ülusbrucf
I. burd) bie ^Bewegungen.
Cratorijdje ^Bewegungen finb alle Diejenigen SSeränbe=
rungen beö> föörperg ober feiner ^eile in 3lnfelmng
i()rer Sage unb gigur, weldje mit gewiffen beraube;
rungen in ber Seele tjarmonifd) fein tonnen. Sie
Ijeijjen überhaupt ©ebärben unb finb entmeber
a) ^Bewegungen beS Körpers überhaupt; babei
fömmt oor
ba§ fragen bes SlörpevS ober bie 93iobififationen
besjelben, meun er in Bewegung ift ober geljt.
£ie Steltun gen beg Körpers ober bie 9Jtobtfi=
fationen beöfelben, menn er in 9ütlje ift.
b) ^Bewegungen feiner ©lieber.
SDe§ Kopfes überhaupt.
SDes ©efidjts, unb bie Bewegungen bes ©efidjts
fjeigen 9Jtienen.
230 Sramaturgiftfje ©ntroürfe itrtb Fragmente.
SDer §änbe. SDie £et)re non ben ^Bewegungen ber
§änbe Ijiefj bei ben Sitten bie (Sljtronomie,
beutfd) uielleidjt bie §änbefpradje.
SDie güfee formen 31t biefen ©liebem nid)t gehören,
weil biefe gu bem fragen nnb ben Stellungen über-
haupt gu gießen finb. 2)iefe3 bemeife id; bafjer,
roetl man graar eine ^Bewegung mit ber §anb unb
bem $opfe machen fann, olme baft bie Sage beö
$örpcrs> neränbert merbe, nid)t aber bie geringste
^Bewegung be3 gufeeg, ot)ne bafi fie nid)t eine
^ßeränberung bes ganzen $örperg nerurfadjeu follte.
II. $)urd) %öne,
23om fragen ober non ber 3JJobififarion be§ £örper§
überhaupt, menn er ftdj non einem Orte pxm anbern
bemegt.
SDiefe Seljre teilt fidj natürlictjerraeife in gmei Kapitel.
I. $on ber ^Bewegung ber güge. 2)ie Seigre nom ©eljen.
£)a§ fd)öne ©eljen fömmt auf bie fd)öne Beugung
be§ Seinem unb auf bie ©leidjljeit beg ©djrittg an.
2)a3 fd)led)te ©eljen roirb burd) ba§ ©egenteil
beiber Stüde nerurfadjt.
1. 2öann bie fct)bne Beugung megfällt.
2)a§ ©el)en mit bem fteifen unb geftredten gufse
ift ber ©ang eine§ ©tollen unb ^Rufymrebigen.
2. 2öann beibe wegfallen.
©o ift eg ber ©ang eineö llngefdjliffenen, eine§
^Bauers.
II. $on bem galten bes> Körper g. s$on bem eigene
lictjen fragen.
SDa3 natürliche, mann ber Körper bie £uft beftänbig
nad) einer ^erpenbifularlinie in 5lnfel)ung ber glädje,
auf melier er beroegt mürbe, burdjfdnnebt.
©a3 nerberbte, mann biefe Sinie normärt§ einen fpitjen
Söinfel madjt. Qdj nenne fie belegen bie Derberbte,
meil man gu faul ift, bie Saft be§ ^örperö aufredjt gu
galten.
£er ©cfjaufofefer. 231
£>tefe 5Kid;tung gehört für Das 2Ilter, für baä 9caa>
beuten, für bie Üciebergefd)lagenf)eit.
SDas jjefünffcelte, mann fie uormävtö einen ftumpfen
SÖinfet maajt.
3$ nenne fie bie geffinftefte, weil man ftcT; 3wang
antljut, bie Saft beo Körpers, meldje Dorfallen mürbe,
äurücfjuljalten. Dft aber ift fie oud; bie natürliche; bei
bent (frftaunen nämtid) unb ßrfdjrecfen, menn man, fo
311 reben, alle feine fträfte auf einmal gufatnmenrafft.
2llle brei Sitten fönnten bitrd; bie ©ettenBeugungen
eine Slenberung befommen, bie eine 2Irt non 9tetg
bamit oerbinbet.
SSon ben Stellungen. 2We§, ma§ bei bem fragen
gejagt morben, gilt aud) f)ier, meit eine Stellung
nidjtS als ein feftgemadjtes fragen, fo 31t reben,
ift. 3d) Ijabe alfo meiter l)ier nichts 9teue§ 31t be=
tradjten at3 bie SSeränberung einer (Stellung in bie
anbre, meldje gtüetfacr; ift. £ie Stellung nämfidj mirb
I. entmeber oon ber ^perfon, mit meldjer ber Sdjau^
fpieler rebet, ab (aus 33erad)tung, au§ gurdjt, au§
@ntfe|en, au§ Sdjam),
II. ober auf fie 3U geänbert (aus SSertrautidjfeit, au3
2lbfid;t, 3u bitten).
@ 1} i r 0 n 0 m t e.
£ie ^Bewegungen ber §änbe.
I. lieber Ijaupt, betrachtet als Sinien, roeldje fie in ber
Suft befdjreiben. 3>n biefer 23etrad)tung finb fie ent;
meber angenehme, bie aus Stnien non fd)öner &rüm=
mung befteljen,
ober unangenehme, bie auf Sinien oon fcr)(ccr)ten
Krümmungen ober gar feinen befielen.
^Bewegungen au§ graben Sinien. £iefe gehören für
alles bas, mag unter ber fdjönen 9?atur ift, 3. G.
für ba§ 23äurifd)e, unb 3ugleid) für heftige 2eiben=
fdjaften, roeil bieje ben fürjeften 2öeg geljen.
232 S)ramaturgtfc^e ©ntrtmrfe unb Fragmente.
^Bewegungen au% unangenehmen frummen Sinien.
3Mefe gehören für a(le§ ba§, \va$ über ber frönen
Sftatur fein will, für ba§ Slffeltterte gum (Stempel.
II. Qngbefonbere, foferne fie nämlid; gewiffen ßljara!-
teren gemäfe einguridjten finb.
a. gür baö ^ragifdie ober ^» o f) e ^omifdje. §ier
grünbet fidj ba§ Vergnügen, weldjeg fie oerurfac|en,
auf bie Verlegungen felbft unb auf bie ©leidjtjcit,
röie wir fie oorausfetjen.
ß. %ixx bag ^iebrig = ^omifd)e. §ier grünbet fid) ba§
Vergnügen wieberum auf bie ^Bewegungen felbft unb
auf bie ©letdjlieit, bie fie baburd; mit tfyren Drigi=
nalen befommen.
1. gür bie ©tutjer gehören fct)öne ^Bewegungen,
benen aber bie ©röfee fet)lt unb bie fo oiel mög-
l\<$) malenb fein muffen.
2. gür bie Selten fd)led)te unb oft unterbrodjne
Sinien, bie nad) iljren (Eljaraltern eingerichtet finb.
3. gür bie ^Bebienten gehören oiel malenbe S3e=
raegungen in fdjledjten Linien.
NB. Qeber uon biefen (Sfyaraftern mufc erft in ber 9ftt!)e
betrachtet werben unb alsbenn fo, wie er burd; bie Stffelten
abgeänbert mirb.
2lnmer!ungen.
1) SDte 3Serad)tung löfet oft bie ^Bewegungen ber fdjönen
Sinien in ^Bewegungen oon graben Sinien fe[)r glüdlict) auf.
3- @. @3 fpräd;e eine $erfon, bie um ©nabe gebeten:
„unb warf mid) ifjm §u gufje."
3)ie ^Bewegung ber §anbr weldje ba3 warf begleitet, würbe
auf biefe *%# 2lrt fel)r fdjön fein, bod) fo, baft bie ^Bewegung
gefdjwinber wirb, je nälier bie §anb bem @nbe biefer lleinen
Sinie fömmt. Slllein wenn eben biefeS Ulfo fagt:
,,©el), wirf biet), wenn bu willft, oor beinern SBruber nieber!"
fo ift bie ^Bewegung ber §anb eine blofee fdjiefe grabe £inie
^^^, wcld)e bie 3Serad)tuug unb ben 6tolg, womit er biefeö
fpridjt, weit befjer anzeigt.
©et ©djaufpxeter. 233
III.
gm SBorljergeljenben (jabe idj bie Seroegung ber ©änbe
an unb für fid) felbft unb überhaupt betrachtet. IKunme&r mu^
idj fic nad; Üjrer SBerbinbung betrauten unb baljer fjanbeln
I. §Bon i|rer 35 orber eitung ober oon berjertigen SCufs
merffamfeii, bie §anb allmal)licij in benjeuigen SJsunft 31t
bringen, r>on meldjem auö eine §auptberoegung erfolgen foll.
2Öenn 311m Krempel (Sannt jagt: „(irniebrige bidj nur!"
unb ber 3djaufpieler fjöbe bie §aub fdjon fo tief, baß er, um
btefes auc^ubrüden, fie erft ergeben unb fjernadj finfen [äffen
nützte, fo mürbe biefeö tabelljaft fein. Gr mürbe burdj feine
SBeroegung einen begriff mit einfließen laffen, roeldjer rjieljer
gar nidjt gehört, bas Grieben uämlidj, roeldjeS juft bem
(irniebrigen entgegen ift. Jjjdj »erlange aljo, baß er in bem
oorbergebenbeu SBorte: „§eiß meine Safiertljat ein über=
eilt Sßerbredjen!" bie §aub fdjon in eine mäßige Grljöljung
gebracht I)abe, um bas folgenbe: „Grniebrige bidj nur!"
mit größerm 9ftacfcbrucfe madjen 31t fönnen.
IT. SBon bem Slnl; alten in benfelben. SDiefeö nenne idj,
roenn man einige 3eit bie §anb in ber Sage, in bie fie nad)
gemadjter 53emegung gefommen, eine Zeitlang erljält, um fo=
gleidj eine anbre mit iljr 311 oerbinben, bie bem üBerftanbe
nad) 31t iljr gehört. $. ®- }n ber fttiU a\\$ bem „Ganut":
,,©elj, mirf bidj, menn bu millft, oor beinern 33ruber nieber !"
gehören bie Sßorte rairf bidj unb nieber offenbar ^ufammen.
XB. Wlaw fönnte biefeö bie ^onftruftion nennen.
NB. S3eibe Stüde, bie Vorbereitung unb bie $om
ftruftion, finb nur in ber erhabenen 2lftion nötig, unb burdj
iljre Sßeglaflung ober Uebertretung wirb bie Slftion fomifdj.
§iegu fömmt uodj ber ^ontrafi in ben Söeroegungen,
ba ber (Sdjaujpieler biejenigen ©eftuö gufammennimmt, meldjc
einen ©egenfafc auSmadjen. ©inen fdjönen Slontraft machen
bie SBorte jum (Srempel:
„Grniebrige bidj nur, idj roiß al§ Sieger fpred)en!"
•Jöenn biefer ©egenjatj aber audj getrennt mürbe, fo oer;
lauge idj bodj, baß ber Sdjaufpieler bajmifdjen feinen (Seftum
madjen, fonbern biefe beibe jufammcnbeljalten muffe.*)
*) 3n ben SSvcslauer papieren befinben fid) aud) nod) bie folgenben, bi§fjer
nirgenb gebrudten SBcmevfungen über eine anbeve 2teße au§ 2d)(egelö „Sanut":
234 2)ramaturgtftf)e ©ntrcürfe unb Fragmente.
3.
&M}tyt um ©tamij imfc pijdjerieij*
The Soldiers Fortune
Otway.
35en 25. (September 1756.
Surely 'tis impossible to think too well of him, for
he has wit enough to call his good nature in question,
and good nature enough, to make his wit suspected.
ßx Ijat fo oiel 3Öi$, ba$ man an feinem guten ^er^en
groetfeln follte, unb ein fo gutes §er$, baf$ man iljm menig
ober feinen 2öi| jutrauen fottte.
> Stiche roeber beinen 2Bi| nod) bein gutes §erg in tf»rev
völligen Stärfe! 3^tgft bu gu üiel 2öt§, fo wirb man bir
fein gute§ §er$ zutrauen; geigft bu ein £u gutes §er$, fo
roirb man an beinern 2Öii$e gmeifeln.
I am afraid your Ladyship then is one of those
dangerous Creatures they call she-wits, who are always
so mightily taken with admiring themselves, that nothing
eise is worth their notice.
@ine Söi^lingin (she-wit); tnetfeidjt ba£ biefcs ein
Sljarafter roäre, tr>ela)er fidj auf bem STfyeater nicfyt übel aus=
nehmen follte unb auf einer gan$ anbern ©eite gefcfyilbert
werben fönnte, als baß er mit ben gelehrten 2Sei6em bes
Poliere §u oermengen märe.
*
I'll have three whores a day, to keep love out of
my head.
„®amt+.
Stet. IL Huf. IV.
|Uf0. 35u fedE)teft., mie man fofl, H>enn man um (S^re fid)t.
NB. 35icfe§ mu§ ber Hcteur nidjt fo au§tyred)en , at§ roerm Wfo löirfüd)
glaubte, baß ©obemin bamalg um Gfjre geformten f)ätte. (Sr mürbe fid) burd) bas
gfotgenbe roiberfprcdjen :
„35u mad)fi bein feite§ 23lut 311 anbrev ©igentum.
35 u lebft 3U beiner (Sdjmad) nnb nur 311 frembem Öhirmt,
35u tfjatft au§ blöber $urd)t, ma§ aud» ein ©flatie tfjut."
35er 6d)aufpierer mufj c§ fo auSforedjen, al§ menn ber 35id)ter gejagt l)ätte:
„35u fed)teft, mie mau nur foH, menn man um (Sfjre fidjt-"
Unb biejes Ijat er aud) notroenbig fngen motten." — 93ojbcrger.
SCuSjüge nno Chncm unb 3©i)cfnu-fcn.
2)u liebft, unb bcine Siebe ift cniftfjaft. 2lber beine
Umftänbe erlauben eo uidvt, einer eroftljaften Siebe nadjgu
Rängen. 9lun mobl, fuc()e bid) if)vcr 311 entfdjlagen! 95er
meibe, flielj ben bid) bejaubemben ©egenftonb. Xu fltebü
ihn umfonft? ©ein s^ilb oerfolgi bic§ überaß? So oerfuclj1
etmao anberS ; oerfenf'e bid) in ©ef<$äfte, befe|e jebeti 3(uaeiu
blid' mit ernftljaften arbeiten ! 2tudj ba§ ift oergebenS? vhm
roorjl, fo mage bao letzte : fuebe §ilfe bei ben luftigen Bcbmeftern
beö DJiitleibö, bie bu genießen t'annft, ofjne fie 311 Heben ! ^ay,
auf einen roollüftigen ©enuß ben anbern folgen! 2lber roie?
SDeine ©ottin bat fidj beiner fo bemächtigt, baj eo bidj ein
SÖerbrecrjen bünf't, in ben 2(rmen einer anbern bie GÜntflücfungen
gu genießen, bie bu fo gern in ben irrigen genießen möd^teft?
SBirllicr}? Je nun, fo heirate fie, äffen es oermebrenben Um=
ftänben 311m %xo%t heirate fie, ober madje btd; gefaxt, ba3
nädjfte 3a§r im Toffrjaufe 31t fein !
SBortreffliäje Uftoral: ©d)roacr)Ijeiten burdj Safter ner
meiben leb reu !
:■:
His father was as obscure, as his mother publick:
every body knew her, and no body could guess at him.
*
Qn bem groeiten 2(fte läfet ber Siebter uerfebiebene $per=
fönen ftumm über ba§ ^fjeater gef)en, bie gang unb gar
feine SBerbinbung mit bem <Btüde |aben, blojj in ber 9(bfid)t,
burcr) ben ÜDhtnb bes 33eaugarb unb Gourtine einige ftarte
(ifjaraftere 31t fdnlberu. Söenn es ber Drt bes StücfS erlaubte,
g. Q. roenn ber Ort eine Strafje ift unb fidj bie anbern Um=
ftänbe bagu fdjid'en, fo moffte \d) e3 einem 3Mdjter gern er-
lauben, erjer 31t biefem $unftgriff feine 3nflucr)t 31t nehmen,
aU eine ober mer)r teere ©genen 311 machen.
Prahlereien gmeier ©ifenfreffer im 4. 2Xft.
Ah Bloody Bones ! Ah, when thou and I cornmanded
that party at the siege of Philipsbourgh ! where in the
face of the Army we took the impenetrable Half-Moon.
Blood. Half-Moon, Sir! by your favour 't was a
whole Moon.
Fourbin. Brother thou art in the right; 't was a
füll Moon, and such a Moon, Sir —
236 £>ramaturgtftf)e ßntroürfe unb Fragmente.
Sie §etben in biejem Stade ftnb gmei abgebanfte £)ffi=
giere, unb bag ©lücf, bag bei* Stdjter fie madjen lägt, befielt
barin, baf$ ber eine einen alten Gljefrüppel %\xm §al)nrei mad)t
unb ber anbere eine giemlid) gute §eirat tljut. QeneS $ bie
§auptljanblung, biefes bie dpifobe. $n ben brei erften Sitten
rjat ber Siebter bie „SRänuerfdjnle" beg SDtoliere giemlid; ge=
plünbert. Sie grau fdjidt iljrem Siebt)aber burdj ifyren eignen
9Diann ©efdjenfe unb ^Briefe, fo, als ob fie iljr r>on ityrem
£iebl)aber roären gefdjtdt morben unb fie fie itjm btofc mit
Segeigung ifyres §afjeg roieber einljänbigen laffen trollte. 9tur
ba£ man bei bem 9Jioliere über biefe Sift ladjen unb bei bem
Dtroan fid; barüber ärgern mufe; meil jener fie einem um>er=
heirateten ungebunbenen grauengimmer beilegt unb biefer fie
einer grau, bie burd) bie Ijeiligften 33anbe gebunben ift, aug=
üben fäfct. 2öag bort ein nergeblidjer betrug ift, rotrb l)ier
gum Safter. SSenn bie ßnglänber über iljre frangöfifdjen
Originale fo endjerieren, fo bringt eg ifynen wenig @Ijre. 2lud)
ber letzte gug, ba ber £iebl)aber bei bem äRoltere für tot=
geprügelt gehalten wirb, ift oon bem ©nglänber auf eine
ungeheure &t übertrieben roorben. Ser eiferfüdjtige ©Ijemann
miß ilm burdj 3)teud;elmörber aus bem Sßege räumen laffen.
©ir 30II9 8umD^e kartet bag Sing fo, bag ftcf; beg SiebljaberS
eigner Sßebiente oerftellterweife bagu mitt braudjen laffen.
Siefer nebft einem ©el)ilfen werben atfo mit bem (Sljemanne
beg §anbelg einig, ©g fjet^t, fie rjaben iljren 9)iorb oer=
richtet unb ben toten Körper in beg Sir Sann Sunce (fo
rjeigt ber Seemann) §aug getragen. §ier muß ber £iebr)aber
ben %oten fpielen. Sunce ift in taufenb Slengften barüber.
Qumble gibt ben 9?at, ben ©rmorbeten in ein warmeg SBette
neben bie grau gu legen, weldje üerfudjen folle, ob nodj etwag
Seben in ifmr ift. Siefeg lägt Sunce gefdjeljen unb nod) anbre
Singe meljr, big er feine §al)nreifd)aft gewaljr wirb, inbem er
auf eine boshafte 2Beife ben sJJiorb auf Sumble fdjieben null.
Ser @f)arafter beg Sir Solln Qumble ift original. Gin
alter 23od, ber felbft nid)t meljr fünbigen fann, aber fid; ein
Vergnügen baraug mad)t, @l)ebrnd) unb §urerei gu beförbern.
Unb nur mit §eiratgftiftungen miß er burdjaug nidjtg gu
tl)un l)aben. Sielje bie ©teile im 4. 2l!t p. 30.
Beaugard. Look you, Sir Jolly, all things consider'd,
it may make a shift to come to a Marriage in time.
Sir Jolly. I'll have nothing to do in it, I won't
be seen in the business of Matrimony; make ine a Match-
2lu§jüge cm§ Ctiuai; unü SBgdjerlet). l'-'ü
maker? A filthy Marriage-Broker ? Sir, I scorn, I know
better things : look you, Friend ; to carry her a Letter
from you or so, upon good Terms, though it be in a
church, I'U deliver it ; or when the business is come to
an issue, if I may bring you handsomely togetber, and
so fortb, I'll serve tbee with all my soul, and thank thee
into tbe bargain, thank thee heartily, dear Kogue ; I will,
you little Cock-Sparrow, faith and troth I will; but no
Matrimony, Friend, I'll have nothing to do with Matri-
mony, 'tis a damned invention, worse than a Monopoly
and a destroyer of Civil Correspondence.
^te Sjene im 4. 9(ft, mo bie betben »erftettten 9)?eudjel=
mörber mit bem 2)unce ben £anbel fdjttefsen, ift abfdjeulidj,
unb iljre mörbrifdjen Prahlereien finb fo efel als gottlos.
2)er eine [teilt fid) fogar oor ^Blutgier rafenb unb faßt in
biefer 9ftaferei 2)tnge, bie man oljne ©djauet unmöglid) (jäten
l'ann. Sie Ijatten für ben 3Jtorb 200 $funb unb, iljn red)t=
fdjaffen au^uprügeln, 100 $funb geforbert. darauf fagt
Dunce. What, one hundred pounds ! Sure the Devils
in you, or you would not be so unconscionable.
Bloody-Bones. The Devil? where? where is the
Devil? show me ; I'll have thee Beel-Zebub, thou hast
broke thy Convenant, didst thou not promise me eternal
Plenty, when I resign'd my soul to thy allurements?
Sir Davy Dunce. Ah Lord?
Blood. Touch me not yet; I've yet ten thousand
Murders to act before I am thine: with all those sins
I'll come with füll damnation to thy Caverns of endless
Pain, and howl with thee for ever.
tiefes Suftfpiel ift gebrudt gu Sonbon 1695 in 4° (acted
by His Majesty's Servants at the Theatre Royal, the third
Edition). 2fuf bem %\td fteljn bie $erfe (auä bem 3ftartial,
voo id.) mid; red)t erinnere):
Quem recitas meus est, o Fidentine, libellus;
Sed male cum recitas, incipit esse tuus.
Dljne 3nieiW/ oa6 Diroog mit ber ^orftettung nidjt
alf^u raol)l aufrieben geiocjen.
238 2)rdmaiurgifd)e ©ntroürfe unb Fragmente.
The Country-Wife,
a Comedy by Wycherley.
1. pr. Üjorner. &m £urenl)engft, mit einem SÖorte,
ber aber oon einem Quadfalber ausforengen [ftfct, bafj er
burd) eine unglücfltcbe £ur untüchtig gemadjt raorben, blofc
in ber 2lbfidjt, bie Seemänner befto fixerer unb bie grauen^
gimmer wegen be§ 511 beforgenben üBertuftS il)re3 guten Samens
befto unbeforgter $u machen. £)er Duadfalber, ber biefe feine
2Ibftd)t nitfjt gleidj einfielt, fagt: and you will be as odious
to the handsome young Women, as —
Horner. As the small Pox — Well —
Quack. And to the married Women of this end of
the Town, as —
Horner. As the great ones, nay, as their own
husbands.
Quack. And to the City Dames as Annis-seed Robin
of filthy and contemptible Memory ; and they will frighten
their Children with your name, especially their females.
2. Sir Jasper Fidget.
3. My Lady Fidget.
4. Mrs. Dainty Fidget.
©ir Qa§per ^at bie auggefprengte ;ftad)rid)t oernommeu;
er fommt alfo mit feiner grau unb Sdpefter gu §orner,
fidj näfjer baoon ^u unterrichten, unb roeit er in bem ange=
nommenen 2X6fcr)eu be§ §orner§ gegen ba§ grauen^immer,
unb befonberg i$t gegen feine grau unb 6dnoefter, bie 93e=
ftätigung 51t finben glaubt, fo trägt er fein Söebenfen, fie
beibe bem §orner anguüertrauen unb il)tn ben 3u9anÖ m
fein $au$ unb alle mögliche $ertraulid)teit barin anzubieten.
5. Mr. Harcourt.
6. Mr. Dorilant.
greunbe be§ §orner, bie ifjn gleichfalls auf bie au3ge=
fprengte 9?ad)rid)t befudjen unb betten er glauben mad)t, baj$
eg ilmt red)t angenehm fei, auf biefe Söeife oon bem toeib=
liefen ©efdjledu" unb ber Siebe gefd)ieben 511 fein.
Horner. Well, a Pox on love and wenching. Women
serve but to keep a Man from better Company ; though
I can't enjoy them, I shall you the more, good fellowship
and friendship are lasting, rational and manly pleasures.
Har. For all that give me some of those pleasures,
you call etfeminate too, they help to relish.one another.
Shtäjüge aito Dtroag unb 9Stjd)erlet}. 239
Hör. They disturb one another.
Har. No, Mistresses are like Books ; if you pore
upon them too mucli, they doze you and make you unfit
for Company; but if ns'd discreetly, you are fche fitter
for conversation by'em.
Dor. A Mistress shou'd be like a little Counlry
Retreat near the Town, not to dwell in constantly, but
only for a night and away; to taste the Town the better,
when a Man returns.
Hör. I teil you, 'tis as hard to be a good Fellow,
a good Friend and a Lover of Women, as 'tis to be a
good Fellow, a good Friend and a Lover of Money etc.
7. Mr. Sparkish. ©in feidjtgläubiger 9ßarr, bei- mit
aller G5eroatt ben milbigen $opf fpielen miß unb befonberS
ben ^arcouri für feinen guten Aveunb I)ä(t, melier ifjn bod)
beftänbig jum beften §at. Qv befudjt ben §orncr, gleichfalls
megen be§ ausgefprengteu ©erücfjtö, unb nriU ifyn auf feine
2lrt beämegen fdjrauben.
8. Mr. Pinchwife. 2)iefer ift nun ber, raeldjer fid; auf
bem Sanbe eine grau au§gefud)t l)at, am A-uxdjt, eine aug
ber Stabt möchte tr)n gum §a^nret machen, ©r ift ben ^£ag
uorljer mit feiner grau in bie Stabt get'ommen megeu eineg
$ro§effe§ unb megen ber Verheiratung feiner (Edjmefter. Gr
mar aud) mit feiner grau beg %ac(§> norljer fdjon in ber
^omöbie gemefen, unb fo fefjr er ftd) bafelbft aud) mit ibr
»erborgen gehalten f)atte, fo Ijatte ifjn §orner bod) bemerft,
morüber $ind)mife fdjon (jaflj rafenb rairb, roeit er meif}, ma3
§orner für ein peiftg ift unb bie auägefprengte ;ftad)rid)t oou
feiner UnfaFjtgfett nodj utdjt gehört Ijat.
Methinks wit is more necessary than beauty ; and
I think no young Woman ugly that has \t; and no
handsome Woman agreeable without it.
Pin. 'T is my maxim, he's a Fool that marries,
but he's a greater that does not marry a Fool ; what is
wit in a Wife good for, but to make a Man a Cuckold?
Hör. Yes, to keep it from his knowledge.
9. Mrs. Margery Pinchwife. tiefes nun ift bie $er=
fon, Bon metdier bao Bind bie ^Benennung füljrt. Einfältig,
oljne ßr^ie^ung, olme 2Se(t, unb bie iljren 9Jianu nur liebt,
240 3)rainaturgi[d;c ©ntnntrfe unb Fragmente.
weil fie big x\)t nod) feinen gefeljen fyat, ben fie lieber lieben
mödjte.
10. Mrs. Alithea. SDte ©dpefter be§ ^indjroife, weldje
mit ©parftfljen oerfprodjen ift. (Sin granengimmer t>on freier
©rjie^ung unb gleidnool)l oon tugenbljafteren ©eftnnungen als
2Jfo§. Sftargern, toeldje ifyren Wlaxrn in aller ßtnfalt §nm §af)nrei
madjt. ©ie t)atte fid; ba§ erfte 9Jlal, ba fie in ber föomöbie
gemefen mar, fdion in bie Sdjaufpieler nerliebt. ©ie w'\U
begraegen nüeber Ijingeljen, unb ba iljr ber Tlann bie ©efaljr
oorftellt unb ifyr entbedt, baft fid) fd)on bag erfte SJial ein
9ttann (§orner) in fie rerliebt Ijabe, fo wirb fie nod) neu=
gieriger unb null mit aller ©eraalt miffen, roer eg fei, ob er
artig fei, unb bergleidjen.
Mrs. Pinch. Well, but pray Bud, let's go to a Play
to night.
Mr. Pin. 'T is just done, she comes from it; but
wliy are you so eager to see a Play?
Mrs. Pin. Faith, Dear, not that I care one pin for
their talk there ; but I like to look upon the Player-men,
and wou'd see, if I cou'd, the Gallant you say loves nie;
that's all dear Bud.
£>a enblid) 5Rr§. ^indjmife barauf beftel)t, baf$ fie wenig;
ftens auggeljn will, fo entfdjlieftt fid) ber 9Jiamt, fie aig 5D?anng=
perfon gu oerfleiben unb fie für iljren trüber aug$ugeben.
4.
ghttertorijmtö im ^tfli00 — Cljflr — Jifupubtrrte
§ idjirr — grlikntep*
Unterbrechung im Dialog.
Maxx bemerft fie burd) Striae ober fünfte, meldte bie
^ranjofen points poursuivans nennen.
2)ie untevbrodjne Lebensart mufj allezeit $u füllen unb
leidjt $u fidlen fein, wenn mau bie gigur bem Söefen ber
(Bafyt §ufd)reiben foll unb nidjt ber 35equemlid)t'eit ober 2Ser=
legenfyeit beg 3)id)terg.
Voltaire fagt (au comment. sur le Comte d'Essex,
Act. III. Sc. 2.): C'est une tres grande negligence de ne
point finir sa phrase, sa periode, et de se laisser inter-
Unterbrechung im S)iaIog ic. 211
rompre, surtout, quand le personnage, qui mterromt, est
un subalterne, qui manque aux biens£ances en coupanl
la parole ä son superieur. Thomas Corneille est sujel
ä ce defaut dans toutes ses pieces.
303er fraßt nad; ber SÖBoIjfanftcmbtgfeit, roenu ber 2lffeft
ber Sßerfonen co erforbert, bcvjj jte unterbrechen ober fiel)
unterbrechen laffen?
Ta bat §ome bie roatjren ©djönfjeiteu be§ Dialogs bcjjcv
gefannt. „Kein ,~ycr)Icr ift getöötjnlidjer/' fagt er, ©rb. ber
Er., %. III. ©. 311, „als eine Siebe nodj fort$ufe$en, roenn
Die Ungebulb ber Sßerfön, an bie fie gerichtet ift, biefe treiben
müfjte, bem Siebenben ins ©ort fa fallen. üÖtan ftelle fiel)
uor, roie ber ungebulbige 2d)anfpieler fidj inbes gebärben mujj.
Seine Ungebulb burdj heftige mtton ano,uibrüci'en, ebne bem
9ftebenben ins ©ort 311 fallen, mürbe unnatürttdj fein; aber
audj feine Ungebulb 311 oeruehjen unb faltfinnig 31t fdjeinen,
menn er entflammet fein follte, ift uict)t weniger unnatürltd)."
£ b 0 r.
3n ben alten £ragöbien.
Unter ben neneften englifdjjen Siebtem, welche tfjn roieber
einzuführen gefndt, l)at befonbers SJtafon oerfdjtebne 33er
fudje gemadjt. 3)er erfte mar feine Glfribe, bie id) fjabe,
wie er in ben porgefe^ten Briefen 3itgleidj bie Urfadjen am
gibt, warum er in biejer alten 93ianier fcljreiben mollen.
©er jroeite ift fein 6a r actacut (a Dramatic Poem),
ber 1759 beransfam. 53ei (Gelegenheit biefes le$tew machen
bie SSerfaffer be§ Month. R. (Vol. XX. p. 507) gegen bie
eingebildeten Vorteile bes (Ef>orö feljr pertinentc Slnmertnngcn,
befonbers über bie groei : 1) baft er läufigere ßelegentjeit m
poetifdjen Sdjönbciten gebe, unb 2) baft er bas angenelnnftc
unb fdjidtidjfte Mittel fei, bem 3ufdjauer nüijltdje Vebren £>ei=
jubringen. Sic merfen 311(015! feljr ioof)l an, bafj SRafons
Stitde beffer fein mürben, menn fie nidjt fo poetijd) mären.
Unftncüerte T>icr]ter,
ober f 0 { er) e , bie 51t ben SBiffenfdjaften ntdit aufgewogen
inorben.
Meinrid) 3onc§/ ^ei' 3Serf affer be§ -Jcenen Gffer,
mar ein SJtanrer.
Sejjing, SBerfe. XII 16
242 ©ramaturgifäje (Snttüürfe unb Fragmente.
2)er üßerf afier be3 englifdjen D l i n b e u n b © o p l) r o n i o
ift ein Sdjmieb ober (Stahlarbeiter.
8n ©nglanb überhaupt finb bergleidjen Seute niemals
feiten geroefen, bie e§ otjne Slnmeifung nidjt allein in ber
s}>oefte, fonbern audj in anbem 2.\>ifjenfd;aften bei ben nie=
brigften §anbwerfen unb fdjtedjteften Umftänben fe^r weit
gebradjt l)aben. 2ll§:
§einrid) 28 üb, ber um 1720 gu Dgforb bie oriem
talifdjen Sprachen lehrte, war ein «Sdjneibcr unb unter bem
tarnen beg arabifdjen ©dmeiberg befannt.
Robert §ill, ein Sdjneiber in üBucfmgljam, ^wifdjen
bem unb bem Italiener 5ftagliabecd)i©pence 1759 eine parallele
fdjrieb, um bie 2lufmerffamfeit beö ^ublici ein wenig meljr auf
iljn ju ^ieljen unb wo möglidj feinen Umftänben baburd) auf-
zuhelfen. @r jjat Sateinifd), ©riedjifd) unb §ebräifd) oor fid)
gelernt. (©. beS Month. R., Vol. XX. p. 217.)
Deltfateffe.
©ine all^u ^ärtlicfye Empörung gegen alle Sßorte unb
Einfälle, bie nid)t mit ber ftrengften $ud)t unb (2d)aml)aftig;
feit übereinkommen, ift nid)t immer ein 93ewei§ eineg lautern
§erjen§ unb einer reinen @inbilbung§fraft. ©el)r oft finb
ba§ oerfdjämtefte Setragen unb bie un^üdjtigften ©ebanfen
in einer Sßerfon. %lux weil fie fid) biefer gu fer)r beraubt
finb, nehmen fie ein befto ^üdjtigereg Steujjerlidjje an. 3)urd)
nid)t<o oerraten fid) bergleidjen Seilte aber meljr, al3 baburd),
bafe fie fid) am meiften burd) b;° groben plumpen SBorte,
bie bag Un^üdjtige grabe^u auöbructen, beleibiget fiuben laffen
unb weit nad)ftd)tiger gegen bie fcljtüpfrigften ©ebanfen, wenn
fie nur in feine unanftößige Söorte gef'teibet finb.
Unb gan$ gewift finb bod) biefe ben guten Sitten weit
nachteiliger, weit oerfüljrerifcfyer.
•UJJan Ijat über ba§ 2Sort §ure in meiner -DJHnna
gefdjrieen. £)er ©djaufpieler l)at e§ fid) ntdjt einmal unter;
ftefjen wollen gu fageu. 3mmer$in, l&) werbe e3 nidt)t au&
[treiben unb werbe eS überall mieber braudjen, mo id) glaube,
baj$ e3 l)ingel)ört.
Slber über ©eiterten feine 3weibeutigfeiten, über baS oer;
fdjobne §al3tud) unb bergleidjen im Sog in ber Sotterie
ijat fid; niemanb aufgehalten. 3ftan lächelt mit bem 35er;
faffer barüber.
3TuS SKoKörcS „Ärittl bor Ai-aucufcfjufc" ic. 243
©o tft eg and) mit gtelbina,en unb »itd)avbfon gegangen.
S)ie groben plumpen SÄuöbrttcfe in beS erftem xHnbremö unb
5t om vxsoneö finb fo feljr gemifjbilliget roorben, ba Die objcüncn
©ebanfen, meiere in bei (ilariffe nidjt feiten oorfommen,
niemanben geärgert Ijaben. ©o urteilen (Suglänber jelbft. *j
5.
gut* Palürrs „|uitik &rr Jrmtntfrljuk"
unb
©rubkte „Essais de Litt, et de Morale".
La Critique de FEcole des Femmes.
Dorftnt?« Sie glauben alfo, mein $err, bafc nur bie
ernftl)aften ®ebid)te finnreid; unb fdjön finb, unb baft bie
fomijdjen Stücfe ^Irmfeligfeiten finb, bie nidjt baö geringfte
£ob oerbieneu?
llrmtift. 3$ tnemgftenS benle fo ntdjt. 2)ie Xragöbie
tft unftrettig etmao Schönes, menn fie mol)l beljanbelt tft;
aber bie Xlomöbie [jat iljren sJtut$en gleidjfattä, unb id) l)altc
bafür, bafj bie eine eben fo fdjön tft al$ bie anbere.
iionuttr. (Etdjerlidj, SDkbame, unb oielleidjt mürben Sie
fidt) nidjt irren, menn Sie faßten, bafe bie föomöbie nod; ein
wenig fdjmerer fei. 2)enn Eur^, grofjjpredjertfdje ©ejinnungen
auSgitframen, beut G3lüd: in Werfen %xo% 511 bieten, bao
8d)idfal anzufragen, Säfterungen gegen bie ©ötter auo.^u-
flogen, finbe id; oiel leidster, al§ btö &ädjerlid;e ber 9ftenfdjen
in fein gehöriges Sidjt gu fernen unb un§ if;re geljler auf
*) Sic SJctfaffet bc* Monthly Review (Vol. XX. p. 132), toeitn fie [id) bar«
über aufhalten, bau SRouffeau bie ßlariffa für ben fdjünften unb befteix Dioman
in allen Sprayen l)ält: In justice to the memory of a late very iugenious
Writer, we caiinot help taking notice here, how frequently we have beeu
surprized to find persons, pretending to delicaey, so rauch offended at the
coarse expressions they meet with in Joseph Andrews and Tom
Jones; while the impure and obscene thoughts that oeeur in Clarissa,
have not given them the least umbrage. We would ask these very delicate
persons, which they think of worse tendency, a coarse idea, expressed iu
vulgär language, in itself disgusting, er an idea equally luscious and im-
pure conveyed in words that may steal on the affections of the hoart
without alarming the ear? On this occasion we cannot forbear exclaming
with the confidous Mrs. Slipslop: „Marry come up! people's ears are
sometimes the nicest part about them.- Clnie gtoeifel jagt bau Slipflop
in irgenb einer englijdjen ßomöbie; aber es ift uom sJJioliere entlehnt aus feiner
ßritif ber SÖeiberfcbule.
244 Sramahtrgtfdje ©littöürfe unb Fragmente.
eine angenehme 2Öeife auf bem Sweater oor 9(ugen $u brin-
gen. 28enn ©te §elben fdjilbern, fo machen (Sie, raa§ ©ie
rooITen, e3 jtnb ©efid)ter nad) ©utbünfen, oon raeldjen man
leine 3(el)nlid)leit oerlanget; ©ie brauchen nur bie ßüge au§=
gubrütfcn, auf bie ©ie eine angefpannte (Sinbilbungglraft
bringet, bie ntdjt feiten mit g(ei| oa§> 2Ba!jre oerläfjt, um
ba3 Söunberbare 31t erljafdjen. SCber tüenn ©ie Sftenfdjen
malen, fo miß man, bafc biefe ©emälbe gleiten follen; ©ie
baben fdjledjterbingg nidjtö geleiftet, wenn man nidjt unfere
^eitoermanoten, fo rate fte rairtlid) finb, barin erlerntet. Mit
einem Söorte, in einem ernftfjaften ©tüde ift e3 genug, um
alten %abel gu'nermetben, raenn man nur ctraa§ Vernünftiges»
fagt unb e3 gut auöbritdt. §iermit aber ift es> in ben anbern
©tüden ntdjt getrau; ba foll man fdjergljaft fein, unb raa§
für ein fi$lidje§ Unternehmen ift e§, oernünftige Seute 51t
(adjeu 311 machen.
Grüblet.
Tlan nimmt e3 mit ben ^omöbien raeit genauer als mit
ben STragöbien. 3J?an lann einen oerftänbigen 9Jlamt raeit
tetdjter rüljren, raeit letzter fogar meinen inadjen, alsl 6e-
luftigen unb güm Sachen bringen. 2)a3 §er$ läfjt ftd) gu
ben Regungen raillig finben, bie mau in tljm erraeden raitl;
ber 2ßtt3 hingegen oerraeigert fid) geraifjermafjen bem ©djer^
fjaften. @g fdjeint, baft eö unfere ÖSitelfeit raeit meljr Iränlen
raürbe, am unredjten Orte geladjt, a(§ olrne Urfadje geraeint
in Ijaben. S)a§ erfte geiget oon 2)ummfjett unb ba§ anbre
nur oon ©d;raad)l)eit, unb biefe ©djraadjfyett felbft fe$t eine
3Irt oon ©üte oorauö.
PT
2396
M
1882
Bd. 12
Lessing, Gotthold Ephraim
Samtliche Werke
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