Skip to main content

Full text of "Sämtliche Werke. Hrsg. und mit Einleitungen versehen von Hugo Göring"

See other formats


x 

1 


F RDM  THE- LIBRARYOF 
TR1NITYCOLLEGETORONTO 


~-¥W*iZ * ¥ * V- 


t&  «■ 


Ceffings 
fämtüdje   Wtxkt 

in  $ix>an%xQ  23ärt6ert. 
fjfrmiö^fgfbm  unfc  mit  (ÜMnlfitungfit  u*rff|j*ti 

ibitgo  (äörmcj. 


JntjaU: 

•Qrtmbnrgirrije  Dramaturgie.  —  Dramaturg! fd)e  (Pntrottrfe- 
itnfc  ^Fragmente. 


gf  uf  f  gart. 

J.  <£.  (totta'idu'  ©ebrü6er  It  reit  er, 

Burf^auMung.  PerlagsfyanMinuj. 


PT 

AI 
Bd.  il 


Xvud  von  ©ebrübet  Ströner  in  Stuttgart. 


cSinfcifuuö. 


£ie  2(bf)anblung  uon  öen  Pantomimen  ber  2Uten 
fällt  mafyrfdieinlid)  in  baö  %at)v  1748.  Sie  frriipft  an  bie  unrid)= 
tigen  SSorftelfungen  an,  bie  eine  ^ergteidjung  ber  alten  Pantomimen 
mit  ben  ^cicolinifdjen  Minberbatfetten  5ulief$en.  3>en  gufammenfjang 
biefer  2luffaffuug  erfennt  man  aus  einigen  SBorten  einer  (Schrift 
„Siteranfdjer  53riefroed)fel  ober  aufgefangene  curieuje  Briefe",  in 
luetdjer  es  nad)  Säbels  9Diiitei(ung  fyeifjt:  „Uebrigens  ift  $I)nen 
ja  befannt,  baf*  bie  fomifajen  Wdmi  ober  Sßantomimt,  meldte  Söorre 
fonft  aus  bem  Örtedjtfdjen  fjerfommen,  fotaje  Seute  waren,  bie  juerft 
in  $omöbien,  nadigetyenbs  aber  aua)  befonbers  für  ftdf)  il;re  ©efd;ich 
lidjfeiten  barinnen  fefjen  tiefen,  bafj  fie  mit  itjren  -DJiienen,  ©ebärben 
unb  SeiBeSftettungen  atferfjanb  ©efdjtdjte  fo  nadjbrüdlid)  oorfteltten, 
bafj  jebermann,  fürnefymltd)  ber,  fo  etioa  bie  ©efd)id)te  raupte,  mit 
größtem  Vergnügen  einen  gufdjauer  abgeben  fonnte.  ©ie  fagten 
and)  sumeiten  Sßerfe  unb  ©prüdje  f)er,  fo  besroegen  aud)  felbften 
ÜUftmi  fyeifjen;  bergletajen  man  nod)  oon  Snrus  aufbehalten  fjat. 
DJtauius  ^errarius,  ein  Italiener  unb  guter  greunb  00m  befannten 
«'pamburgifdjen  ^ofjann  ^abricius,  ber  beffen  Keine  (Schriften  $11-- 
fammen  bruden  (äffen,  I;at  eine  befonbere  atabemifdje  2tbfjanbtung 
jjieroon  gefdjrieben."  Seffing  f)at  bie  2lbf)anbhmg  nid)t  ooltenbet, 
bie  altem  2(nfa)eine  nad)  als  afabemifd)e  Siffertation  bienen  fottte. 
Giue  2tbf)anb(ung  „uon  Pantomimen",  bie  1749  in  Hamburg  erfcbien, 
ftefjt  in  feinem  3ufammen§ang  mit  Seffings  Unterfud)ung. 

£ie  streite  2Ibtjanbtung  „£)er  <Sd;aufpieter"  gehört  berfelben 
3eit  an  wie  bie  erfte.  Gfjarafteriftifd)  für  feine  Stubien  ift  feine  23e= 
mer!ung  in  ber  ,,3:beatraliftf)en  Sibliotljef"  (1754),  baf;  er  ein  Heines 
3Berl  „Heber  bie  förperlidje  53erebfamf  eit"  fdjreiben  merbe. 
©r  oerftef)t  barunter  „matenbe  unb  bebeutenbe  ©ebärben  unb  ©eften, 
bie  allgemein  ober  bod)  in  geroiffen  ©egenben  allgemein  oerftänblid; 
finb."     Sßenn  eö  and)  nidjt  3U  ber  2lusfüfjrung  feineä  planes»  tarn, 


4  (iinteitnng. 

fo  bemaljrte  er  bod;  ftetö  bao  ^utereffe  an  äf)nlid)en  ©tubten.  3Äandj)e 
feine  23eobad)tnng.  firtbet  ftcf)  in  feinen  Äotteftaneen.  ©o  (jetft  e§ 
unter  ber  Sftubrif  „Pantomime" :  „§ier  milt  td)  bie  »erabrebeten 
©ebärben  unb  3e^en  fantmein,  burd)  meldte  bei  ben  2llten  bte  Ättnft 
ber  Pantomime  fetjr  erleichtert  mürbe.  Unter  ^tautu3  ftefje  ein 
©gentpel,  burd)  bte  Ringer  grofje  gafjlen  anzugeben."  2)iefe  9lm 
beutung  ergäbt  Sefftng  burd)  eine  Sßotig  über  ^lautuö'  ©pibicug,  SB.  5: 
„$ft  ein  gute3  (Stempel ,  31t  erläutern,  mie  nietet  bie  2Ilten  burd) 
Blofje  3eitf)en  auSjubrüden  oerftanben,  mett  bergleidien  ßeid&en  DCl 
iljnen  burdjauS  hefannt  waren,  welajeg  fie  Bei  un3  ntcfjt  finb  unb 
wefctjeS  mir  baljer  muffen  bleiben  laffen.  %t)e$pvio  er§äf)lt  beut 
©pibtcu§,  bafs  inr  £>err  ein  SMbcljen  aus>  ben  (befangenen  gekauft, 
unb  Gpibicu<3  mill  mtffen,  mie  teuer.  Ep.:  Quot  minis?  Th.:  Tot. 
Ep.:  Quadraginta  minis?  £f)e§prto  mufste  ifjm  atfo  mit  ben  blofsen 
^y'mgern  bte  3at)l  40  meifen  tonnen,  unb  bag>  3e^en  baoon  muffte 
allgemein  begannt  fein.  %bt  tonnten  unfre  2lcteur3  burd)  Sluftjebung 
ifycev  Ringer  feine  fjötyere  3a§*/  °*e  a^en  oerftänblidj  wäre,  meifen 
als>  bt§  auf  get)n."  3)ie<o  erlTärt  ©fdjenburg:  „2)afi  man  hex  bei- 
legten ©teile  an  bie  ^ingerjä^ung  ber  Corner  benfen  muffe,  i)ahen 
fefton  mehrere  2lus>Ieger  bemerft,  unb  e3  fommen  mehrere  bal)in  ge= 
porige  ©teilen  beim  $lautu3  oor,  §.  93.:  Mil.  Glor.,  Act.  II.  Sc.  2, 
v.  49.  Heber  bte  SBerfafjrungSart  bei  biefer  3aI)lnng  fe*)e  luan 
Jo.  Nicolai  Tr.  de  Signis  Veterum  (L.  B.  1703,  4.)  p.  90  sqq., 
wo  auä)  mehrere  alte  unb  neue  ©cfjriftfteller  barüber  nadjgennefen 
merben.  Sie  $ax)l  oterjig  mürbe  baburcl)  au§gebrüd't,  baft  man 
bie  innere  ©eite  bes>  ^Daumens"  an  bie  äußere  be3  3e^9efin9erö  k& 
linfen  Jpanb  legte."  Sie  anbere  9fott3  Seffingä  tautet:  „Digiti 
crepitu  poscebatur  matula.  Mart.  82."  lieber  baǤ  Fragment 
felbft  beritfjtet  $arl  £efftng:  „@3  ift  attcrj  eine  feiner  erften  ©djriften. 
Tlit  ber  ©djaufpielfunft  gab  er  fief)  in  feiner  erften  $ugenb  feljr  ah 
unb  Ijat  mief)  oft  oerftdjert,  er  fei  nietjt  abgeneigt  geroefen,  mo  nid)t 
felbft  aufzutreten,  bod)  memgftenö  einen  ganj  Keinen  £rupp  51t  über; 
nehmen,  ben  er  gmölf  oon  tfjm  felbft  oerfertigte  ©tüde  gang  nad) 
feinem  ©inne  einftubieren  laffen  unb  bamit  in  Seutfdjlanb  von 
einem  Orte  jum  anbern  sieben  mallen.  2Bal)rfct)einlid)  Ijätte  e3  tönt 
met)r  ©elb  gebradjt  aB  alleo  anbere,  wa3  er  barum  ju  übernehmen 
angemahnt  mürbe.  £>a§  ©djlimmfte  aber  mar  nur,  bafj  er  fidEj'ö  nie 
abgeminnen  tonnte,  ein  paar  S^e  blof>  für  fein  $ntereffe  j«  arbeiten. 
©elb  hatte  er  gmar  gern,  aber  nie  ocrmod)te  e§  fo  oiel  über  ilm, 
co  je  jum  ^aupt^wed'  feineö  ©tttbieren^  ju  machen.  Unb  mie  mürbe 
e§  and)  um  fünfte  unb  SGßiffenfd^aften  auofeben,  menn  biefer  '^locd 
allen  übrigen  oovginge?    $d;  mufj  eö  aufrichtig  gefielen,  ber^lan 


(Einleitung.  5 

felbft  oerrät  nod)  nidit  uiel  beti  burdjbringenben  ©eift,  ben  er  bot 
reifem  Rubren  in  feinen  fritiidien  Söerfen  gezeigt  f)at.  Unb  hätte  er 
ihn  eben  bamalä  gleidj  aufgearbeitet,  [o  wäre  baS  5B3er!  oermutlid) 
nicbt  fo  ganj  grünblitt),  aber  für  unfre  ©tfjaufpiefer  IdjrreictKT  ge 
roorben.  Senn  baö  ©rünbltdj)fte  unterrichtet  ben  Anfänger  niclit, 
fonbern  fcnrecft  Um  oft  ab;  unb  ber  Beifall,  Den  [eine  natürlichen 
Aiibigfciten  oft  oon  nod)  umoiffenben  ^ufrimuem  einernten,  tarnt 
ibn  leidu  Oabin  bringen ,  es  für  ©riUenfängereien  ober  für  ©pi^ 
fmbtgfeiten,  bie  ^ar  nicbt  in  fein  ^-ad)  gehören,  511  balten." 

5>ie  :)luciwige  auö  Cr  10  an  nnb  2öud)erleu  Rängen  mit 
Seffingä  bramattfdien  itfad)btibungeu  beiber  Tiditer  jufammen:  bao 
Fragment  „iHIetbiaOeo"  (Söanb  Y,  3eite  266  ff.  unf.  SÜuög.)  ift  einem 
©tütfe  oon  Ctmay,  „Ter  ßeidjtgläu&ige"  röanb  V,  3eite  12  ff.  unf. 
3fa§g.)  einem  -Drama  oon  &hjd)erlei)  nadjgebübet.  iTJefjrfacf)  gefyt 
aus  SBemerftmgen  Seffingo  (jeruor,  bat?  er  beibe  Siebter  mit  ^ttterejfe 
ftnbierte.  Heber  ben  erfteren  jagte  er  in  ber  ,,I(jeatralifd)en  43ibIto= 
tbet":  „SfjomaS  Dtroan,  geboren  1651.  @r  ftubierte  gu  Crforb, 
ging  oon  ba  nad)  Sonbon  unb  marb  ein  3d;aufpteter,  10031t  er  aber 
bie  größten  ©oben  rtidjt  Fjatte.  ©r  btente  hierauf  ats>  Solbat  iu 
^taubem,  Eatn  aber  in  fdjtedjten  ilmftänben  mieber  prücl  unb  fing 
an,  für  bie  33üljne  51t  fd)reiben.  Seine  Suftfpiete  finb  aüju  mitb  unb 
ungüdjtig.  $n  feinen  £rauerfpielen  aber  ift  er  fo  rüljrenb  unb  geigt 
fid)  als  einen  fo  großen  SJietfter  über  bas  §erj  unb  bie  £eibenfd)aften 
feiner  gubjörer,  baf?  er  unter  ben  alten  unb  neuen  bramatifeben 
2)tdjtern  nur  febr  wenige  feinesgteidjen  ijai.  ©r  ftarb  1685  im  brei= 
unbbrcijjigften  Sat)re  feines  2Uters,  in  bem  atferäujjerften  ©tenbe; 
unb  ber  äSerfaffer  beS  ,söef  reiten  SenebicjS'  mufjte  in  bem  grojjs 
mutigen  unb  reichen  ©ngfanbe  oor  feinem  ©nbe  noch  betteln."  lieber 
ben  anbem  Tidjter  fagt  er  ebenba:  „William  Sfönajerieu ;  biefer 
grojje  i'omifdje  2)ict)ter  mar  geboren  lö40.  ©r  tarn  fefjr  jung  nad) 
3-ranfretci),  100  er  bie  fatr)olifd;e  Religion  annafjm,  ber  er  aber 
mieber  nad}  feiner  ßurücrlunft  in  ©nglanb  entfagte.  ©r  mar  auf 
bem  fünfte,  bei  Marl  bem  ^weiten,  ber  üjn  febr  fdjätjte,  ein  grofjes 
©lücl  311  madjen,  alo  bie  Xiebe  auf  einmal  feine  fdjönften  Hoffnungen 
jerjiörte.  ©r  ftarb  1715.  ©ein  erfree  Süftfptel,  ,Love  in  a  wood', 
ift  oon  1  *  i T 2 .  3ein  ,Plain-dealer\  loeldjen  Voltaire  fefjr  tüotji  31t 
brauchen  gerauft  f)at,  roirb  für  fein  befteo  ©tuet  gehalten." 

Sic  oier  flehten  Fragmente  unter  9ir.  4  fyaben  matjrfdjeinlid) 
g(eid)en  gmeef  unb  eine  gemeinfame  (Sntfteljimg^eit. 

Sao  letzte  #ra3ment,  n>eld)e€  Sojberg  er  auo  ben  Sreöfauer 
papieren  oerbffentlia)t  Ijat,  bient  ioa[)rfd)ein[id;  sur  (irgänumg  beö 
53.  3tütfeo  ber  Dramaturgie. 


6  Einleitung. 

Die  Heine  ©djlufjöemetfung  nntrbe  ebenfalls  juerft  non  95o£s 
berger  auS  benfelben  aftanuffripten  SeffingS  herausgegeben. 

2H3  9?ad)trag  51t  ben  litterarif djen  ^otijen  über  SeffingS 
Dramaturgie  fei  bemerkt,  bafj  üortrefflidje  2(nalt)fen  berfelben 
and)  in  %o§.  2Bi  tte3  Söerf  „Die  ^Uofopfyte  unferer  Dichter-- 
fjeroen"  (I.  23anb,  $onn,  @.  2ßeber,  1880),  unb  in  ©ibeon 
©pttferS  33anbe  „SefftngS  $f)itofopl)ie"  (2eip3ig,  Dtto  äßiganb, 
1884)  enthalten  finb. 

$höo  Döring. 


amlmrgtfdje  f&ramaturgw* 

HxDtxtzx  ß  a  n b, 
1767. 


IJrriun&funfjtgJtes  gtürii. 

Xcn  3.  \Uooembcr  itc.t. 

£)en  etnunboterjigften  iHbeub  ('freitags,  ben  10.  gultug) 
rtmrben  Genie  unb  ber  9)iann   nad)  ber  U()r  loieberljolt.  * ) 

„Genie ,"  fagt  Gljcm'ier  gerabe  beraus ,  ** ')  „fütjrt  ben 
■Kamen  ber  grau  von  ©raffigni,  ift  aber  ein  2Öerf  be§  xHbts 
oon  SBotfeium.  Gs  voax  anfangs  in  SBerfen;  roetl  aber  bic 
grau  oon  ©rafftgni,  ber  es  erft  in  ifjvent  oicrunbfunf^igften 
Saljre  einfiel,  bie  ScfjriftfteKerin  31t  fpielen,  in  iljrem  Seben 
feinen  3Ser3  gemadit  liatte,  fo  warb  Genie  in  ^kofa  gebraut. 
Mais  l'Auteur,  fügt  er  btnm,  y  a  laisse  81  vers  qui  y 
existent  dans  leur  entier."  Ü)aS  ift  oljne  Steife!  oon  ein- 
zelnen, bin  unb  roieber  jerftreuten  feilen  §u  oerfteljen,  bie 
ben  Sieim  oerloren,  aber  bie  ©tlbengaljl  beibehalten  fjaben. 
£odj  roenn  Gljeorier  feinen  anbern  Öeroeis  fjatte,  bafe  bas 
3türf  in  Werfen  geroefeu,  fo  ift  es  fein*  ertaubt,  baran  51t 
gtueifeln.  -Die  fran$öftfd;en  üßetfe  fommeu  übertjaupt  ber 
Sßrofa  fo  nafye,  bafj  es  Üftülje  foften  foll,  nur  in  einem  etwas 
gefliesteren  ©tue  311  fctjretben,  oljne  baj$  fiel)  nidjt  oon  felbft 
gange  SSevfe  gufammenfiuben,  benen  nidjts  mie  ber  9ieim 
mangelt.  Unb  gerabe  beujenigen,  bie  gar  feine  SBerfe  machen, 
fönnen  bergletdjen  SSerfe  am  erfteu  entmifdjen;  eben  weil  fie 
gar  fein  Cljr  für  bas  Metrum  fjaben  unb  eS  alfo  eben  fo 
wenig  311  oermeiben  als  311  beobachten  oerfteljen. 

sIöa§  bat  Genie  fonft  für  iWerfmale ,  bafj  fie  nidjt  au§ 
ber  %ebex  eines  Frauenzimmers  fönne  gefloffen  fein?  „£>a§ 
grauen^immer  überhaupt/'  fagt  9xouffeau,***)  „liebt  feine 
einzige  Munft,  oerfteljt  ftdj  auf  feine  einzige,  unb  an  Gtenie 
feljtt  es>  il)m  gang  unb  gar.  G3  faun  in  Keinen  3Berfen 
glüdlid)  fein,  bie  nidjt§  als  letditen  2ßi£,  niebts  als  G5efcbmad', 
niebtg  als  3lnmut,   bödjftens   ©rünblidjteit  unb  Sßljilofop^ie 


')  8.  ben  23.  unb  29.  <ttbenb.  Seite  180  unb  190. 
**)  Observateur  des  Spectacles,  Tome  I.  p.  211. 
**)  A  d'Alembert,  p.  193. 


10  ^mn&urgifdje  ^Dramaturgie. 

verlangen.  Go  fann  ftdj  SBiffenfdjaft,  ©eleljrfantFeit  unb  ade 
Talente  emierben,  bie  ftd;  burdj  TOilje  unb  StrSeit  erwerben 
[äffen.  2(ber  jenes  Ijtmmlifdje  Jener,  metdjeS  bie  ©eete  erf)ii^et 
unb  entflammet,  jenes  um  ftd)  greif enbe  ner^eljrenbe  ©enie, 
jene  brennenbe  33erebfamfeit,  jene  erhabene  ©c|wünge,  bie  tfjr 
©ntgücfenbeS  bent  Qnnerften  unfereS  §ergenS  mitteilen,  werben 
ben  ©ebriften  beS  grauengimmerS  attejett  fehlen." 

Sttfo  fehlen  fie  wot)l  aud)  ber  Genie?  Ober  wenn  fie  ifjr 
mdjt  fehlen,  fo  muß  Genie  notwenbtg  baS  3Berf  eines  9JianneS 
fein*?  9touffeau  felbft  würbe  fo  nid)t  fdjließen.  @r  faßt  ptels 
meljr,  maS  er  bem  grauengimmer  überhaupt  abfpredjen  31t 
muffen  glaube,  motte  er  bartun  feiner  %xaxx  inSbefonbere 
ftreitig  ntadjen.  (Ce  n'est  pas  ä  une  femme,  mais  aux 
femmes  que  je  refuse  les  talens  des  kommes.  *)  Unb 
biefeS  fagt  er  eben  auf  33eranlaffung  ber  (Seme,  eben  ba,  mo 
er  bie  ©rafftgni  als  bie  33erfafferin  berfelben  anführt.  £>abet 
merfe  man  wot)l,  baß  (SJraffignt  feine  greunbin  ntd)t  mar, 
baß  fie  Hebels  wem  if)tn  gefprodjen  Ijatte,  baß  er  fid)  au  eben 
ber  ©teile  über  fie  betlagt.  3)em  olmgeadjtet  ertlärt  er  fie 
lieber  für  eine  2utSnal)me  feines  ©ai^eS,  als  ba|  er  im  ge= 
ringften  auf  baS  Vorgeben  beS  (Stjeorier  anfpielen  fottte, 
weldjeS  er  51t  tl)ttn  ol)ne  3wetfel  Sretmütigfeit  genug  ge= 
rjabt  ^ätte,  roenn  er  ntd^t  uon  bem  (Gegenteile  überzeugt  ge- 
meiert märe. 

Grjeurier  tjat  meljr  foldje  oerfteinerlidje  geheime  %lafy 
rtdjten.  @ben  biefer  2lbt,  une  Gfumrier  wiffen  toill,  Ijat  für 
bie  gaoart  gearbeitet.  ®x  Ijat  bie  fomtfdje  Dper  „Annette 
unb  Subin"  gemalt,  unb  ntdjt  fie,  bie  3lctrice,  uon  ber  er 
fagt,  baß  fie  faunt  lefen  !önne.  ©ein  ^Beweis  ift  ein  ©affem 
imuer,  ber  in  s^ariS  barüber  herumgegangen ;  unb  eS  ift  aller; 
bingS  maf)r,  baß  bie  ©afjenbjauer  in  ber  frangöfifdjen  ©efdjidjte 
überhaupt  unter  bie  glaubwürbigften  SDofumente  gehören. 

SBarum  ein  ©etfttidjer  ein  fefjr  uerliebteS  ©ingfpiel  unter 
frembem  tarnen  in  bie  SBelt  fdjide,  ließe  fid)  enblid)  nodj 
begreifen.  5lber  warum  er  fid)  gtt  einer  (Seme  nid)t  betennen 
motte,  ber  id)  titelt  niete  s$rebigten  oorgtetjen  möd)te,  ift 
fd)toerlid)  abntfeljen.  tiefer  2lbt  tjat  ja  fonft  meljr  als  ein  ©tütf 
aufführen  unb  bruden  laffeu,  uon  meld)en  iljn  jebermantt  als 
ben  SSerfaffer  fennet  unb  bie  ber  Genie  bei  wetten  nid)t  gleid) 
f'ommcn.     Sßenn  er  einer  grau  uon   uterttnbfuufjig  Saljren 

')  Ibid.,  p.  78. 


TiviimbfunfngfteC)  Stint  1 1 

eine  Ojatanterie  machen  roottte,  ift  c3  roaljrfdjemüd),  bau  er 
cö  gcrabe  mit  feinem  beften  2öer?e  mürbe  getrau  haben7 

Sen  gmeiunbuicrgigften  3lbenb  ( sD?ontag<5,  ben  13.  Julius) 
marb  bie  grauenfdjule  oon  foltere  aufgeführt. 

Poliere  f)atte  bereits  feine  $)tännerfdmle  gemacht,  als  er 
im  ^aljxe  1662  biefe  grauen  jdjule  barauf  folgen  tiefe.  $Ber 
beibe  Stücfe  nidjt  rennet,  mürbe  fid;  fel)r  irren,  wenn  er 
glaubte,  bafe  r)ier  ben  grauen,  rote  bort  ben  Männern,  iF»rc 
Sd)itibigfeit  geprebigt  mürbe.  G§  finb  beibes  roitjige  koffern 
fpiele,  in  meldten  ein  Sßaar  junge  "Mbdjen,  roooon  baS  eine 
in  attcr  Strenge  erlogen  unb  bao  anbere  in  affer  (rinfatt 
aufgemad)fen,  ein  Sßaat  alte  Waffen  bintergerjen,  unb  bie  beibe 
bie  ^lännerfdjule  fjeifeen  müßten,  menn  ÜJJoliere  metter  nid)t§ 
barin  hätte  lehren  motten,  ale  bafe  ba3  bümmfte  9Jtäbd)en 
uod)  immer  SSerftanb  genug  f)abe,  31t  betrügen,  unb  baf$  3rt)an9 
unb  2Iuffid)t  meit  meniger  frudjte  unb  mtfce  at§  Stadfrfidjt 
unb  greiijeit.  2öirtTidj  tft  für  ba§  metblidje  G>efd)(ed;t  in  ber 
grauenfdjulc  ntdit  otel  gu  lernen ;  eS  märe  benn,  bafj  9Jioliere 
mit  biefem  ^Titel  auf  bte  ©IjeftanbSregeln  in  ber  jmeiteti 
S^ene  be§  brüten  2(ft£>  gefefjen  rjättc,  mit  meldien  aber  bie 
^flidjten  ber  2$eiber  eljer  lädjerltd)  gemadjt  werben. 

„Sie  gmet  glüd'lidjften  Stoffe  gur  ^ragöbie  unb  $omöbie," 
fagt  Grüblet,*)  „finb  ber  Gib  unb  bte  grauenfd)u(e.  9(6er 
Beibe  finb  00m  (Eorneitte  unb  Poliere  bearbeitet  morben,  af3 
biefe  Sidjter  ifjre  oötttge  Stärfe  nod)  nicht  Ratten.  Siefe 
SInmerfung,"  fügt  er  bingu,  „habe  id)  oon  bem  #rn.  oon 
gontenette." 

3Benn  bod)  Grüblet  ben  @ra.  oon  gontenette  gefragt 
|ätte,  mie  er  biefe§  meine.  Ober,  fatt§  e§  ifjm  fo  fdion  oer= 
ftänblidj  genug  mar,  menn  er  e§  bod)  aud)  feinen  Sefern  mit 
ein  paar  SÖBorten  tjätte  oerftänbtid)  madjen  motten.  3er) 
menigfteng  befenne,  baft  idj  gar  ntdjt  abfege,  roo  gontenette 
mit  biefem  Sftätfel  fjingemottt.  Qd)  glaube,  er  l)at  fid)  oer; 
fprodjen,  ober  Grüblet  Ijat  fid)  oerljört. 

2Benn  inbeö  nad)  ber  Meinung  biefer  üDtänner  ber  «Stoff 
ber  grauenfdjule  fo  befonber3  gludlid)  ift  unb  Poliere  in 
ber  9tu3füf)rung  bcofelben  nur  ut  furg  gefatten :  fo  Ijätte  fid) 
biefer  auf  baS  gange  Stüd  eben  ntd)t  otel  eingubitben  gehabt. 
Senn  ber  Stoff  ift  nid)t  oon  ifjm,  fonbern  teils  auö  einer 
fpanifdjen  ©rgäljhtng,  bte  man  bei  bem  Scarron,  unter  bem 


*)  Essais  de  Litt,  et  de  Morale,  T.  IV.  p.  295. 


12  .<oant(Jurgtfü)e  ©ratmtturgte. 

SJtel  „Tic  oergeblidje  Tsorfid;!'',  finbet,  teils  am  ben  foaf^ 
tjaften  S-Mäd)ten  bes  ©traoarofte  genommen,  wo  ein  Siebjjaber 
einem  feiner  greunbe  aÄe  £age  oertrauet,  wie  weit  er  mit 
feiner  (beliebten  aefommen,  ofjne  %\\  wiffen,  baf^  biefer  greunb 
fein  vJiebenbut)ler  ift. 

„£)ie  grauenfdmle,"  fagt  ber  .Sperr  von  Voltaire,  „mar 
ein  <Stüd  oon  einer  gan^  neuen  ©attung,  worin  gwar  alles 
nur  Gsrgäfytung ,  aber  bod)  fo  funftlidje  (Srgäfjtuna,  ift,  bafe 
alles  §anbtung  ^u  fein  fdjetnet." 

äßenn  baS  ")teue  Ijierin  beftanb,  fo  ift  es  febr  gut,  baft 
man  bie  neue  ©attung  eingeben  laffen.  Wltfyx  über  weniger 
iunftlid),  @rgä$lung  bleibt  immer  (^äblung,  unb  mir  wollen 
auf  bem  ^Fjeater  wirftidje  §anbhmgen  feljen.  —  3lber  ift  eS 
benn  aud)  rvafyv,  baft  alles  barin  er^iljlt  wirb?  bafe  alles 
nur  §anbtung  ju  fein  fcfyeint?  Voltaire  l)ätte  biefeu  alten 
Giuwurf  nid)t  uneber  aufwärmen  fotfen;  ober  anftatt  tt)n  in 
ein  anfdjeinenbeS  £ob  51t  oerfebren,  t)ätte  er  wenigftenS  bie 
Antwort  beifügen  folten,  bie  Poliere  felbft  barauf  erteilte 
unb  bie  fel)r  paffenb  ift.  ;£)ie  @r$äf)hmgen  nämtid)  fiub  in 
biefem  6tüde  oermoge  ber  innern  SSerfaffung  beSfelben  xoixb 
Iid)e  §anblung;  fie  baben  altes,  was  gu  einer  tomifcben  §anb= 
lung  erforberlidj  ift,  unb  eS  ift  btofce  SBortf lauberei,  ilmen 
biefeu  -Kamen  Ijier  ftreitig  51t  madjjeu.  *)  3)enn  eS  fömmt 
ja  weit  meniger  auf  bie  Vorfälle  an,  weldje  ergäfjlt  werben, 
als  auf  ben  (Sinbrud,  melden  biefe  Vorfälle  auf  ben  be= 
trognen  2llten  madjeu,  menn  er  fie  erfährt.  S)aS  £äd;ertid)e 
biefeS  Sitten  wollte  9Jioliere  oorne^mlid)  fdjilbern;  xi)n  muffen 
mir  atfo  oornetnnlid)  feljen,  mie  er  ftd)  bei  bem  Unfälle,  ber 
itnn  brofjet,  gebärbet ;  unb  biefeS  Ratten  mir  fo  gut  nidjt  ge= 
feljen,  menn  ber  ^Dict)ter  baS,  was  er  ergäben  läftt,  vox  unfern 
2(ugen  v)atti  oorgeljen  laffen  unb  baS,  was  er  oorgefyeu 
läßt,  bafür  t)ätte  er§ät)Ien  laffen.  £)er  s$erbruf3,  ben  Slrnolpt) 
empfinbet;  ber  3raail9/  Den  er  fid)  antlnit,  biefeu  ^erbruft  311 
oerbergen;  ber  t)öt)nifcf)e  ^on,  ben  er  annimmt,  menn  er  ben 
weitem  ^ßrogreffen  beS  §ora^  nun  oorgebauet  $u  bflben  glaubet; 
baS  (Srftaunen,  bie  fülle  2Öut,  in  ber  mir  il)n  fe^en,  menn 
er  oernimmt,  bafs  ©orag  bem  olmgeadjtet  fein  3iet  gtüd'lid) 
verfolgt :  baS  finb  ^anblungen ,  unb  meit  fomifd)ere  §anb= 
hingen  als  alles,  was  aufter  ber  3;$ene  oorgebt.     Setbft  in 


*)  Sn  bev  Sh'itif  ber  3frauenfdjulej   in  bei  Sperfon  beS  SDorante;   T.es  nicits 
eux-memes  y  sunt  des  actions  Buivant  la  Constitution  du  sujet. 


Simtnbfimfäigfteä  3tmt  1:; 

ber  (Sr^ä^tung   bet  Slgnefe   oon   ihrer   mit  bem  §ora$    ge 
madncn   Sefanntfdjafi   ifi   moliv   §anblung ,    alo   mir   ftnben 
mürben,  roenn  mir  biefc  Wanutfchaft  auf  bei  93üf)ne  mutlidi 
niacficn  iahen. 

9Ufo,  anftatt  oon  ber  A-rauenfcbulc  $u  [agen,  bafe  alleä 
barin  §anblung  fdieiuc,  öbgteidj  ai(co  mir  ©rgäljlung  fei, 
glaubte  idi  mit  mehrerem  ERcd^te  fagen  ut  tonnen,  baft  alles 
§anblnng  bartn  fei,  öbgteidj  alles  nur  (i'näljluna,  ]\\  fein  fd[>eine. 


ituTunöfunfnöfiCit  £ttürh. 

Xiti  (.;.  Sftoüembet  iTtiT. 

3)en bteiunboiergiaften 9lbenb (©ienStagö,  ben  14.  ^nluio ) 
roarb   bie   9ftütterfdmle  be§   Sa  (iliaufiee  unb   ben  oierunb 
menicuten    Stbenb    ('als    "Don    15.)    ber    ©raf    Don    (rffer 
roieberrjolt. ::;  i 

£)a  bie  Gsnglänber  oon  jerjer  fo  gern  domestica  facta 
auf  ihre  SBürjne  gebraut  rjaben,  fo  tann  mau  (eidit  oermuten, 
bafe  co  ihnen  auch  an  Srauerfpielen  über  biefen  ©egenftanb 
nicht  fehlen  roirb.  £)a3  altefte  ifi  baä  oon  Jot);  ü8anf§, 
unter  bem  X'xtd:  3)er  unglücflidje  Siebling  ober  ®raf  oon 
(Sifer.  (i's  taut  1682  aufs  Theater  unb  erhielt  allgemeinen 
Seifaß.  2)amal3  aber  hatten  btegrangofen  jdion  brei  li'jiere : 
bes  Ciatprenebc  oon  1638,  bes  SSoner  oon  1678  unb  be§ 
Jungem  (iorneille  oon  eben  biefem  ^aijre.  Voltten  inbe§  bie 
(Snglänber,  bafc  ihnen  bie  Arainofen  aud)  hierin  nicht  möchten 
^uoorgefommen  fein,  fo  mürben  fie  fiel)  iüelleiri)t  auf  Taniels 
^rjilotas  beliehen  tonnen,  ein  Srauerfpiel  oon  1611,  in  metchem 
man  'Die  Okidiicbte  unb  ben  (5f)arafter  bes  Örafen  unter 
fremben  tarnen  ;u  finben  glau6te.  **) 

SBanfä  jdjetnet  feinen  oon  feinen  frainbfifdien  Vorgängern 
gelannt  ut  haben.  @r  ifi  aber  einer  Sonette  gefolgt,  bie  ben 
iitel:  (Geheime  ©efdjidjte  ber  Königin  (rlifabetb  unb  beä 
©rafen  oon  Giier,  fürjret,***)  roo  er  ben  ganzen  Stoff  fich  fo 
in  bie  §änbe  gearbeitet  fanb,  bafc  er  ihn  blon  ui  btalogieren, 
ihm  b L o f 5  Die  äufjere  bramatifebe  Jorm  ju  erteilen  brauchte. 
§ier  ifi  Der  gange  Spian,  rote  er  oon  bem  Sßerfaffer  Der  unten 
angeführten  3dirift  jum  Xtil  ausgesogen  roorben.    Vielleicht, 


•    l.  ben  26.  im?  30.  9H>enb,  Seite  184  unb  I 
"")  Gibber's  Lives  of  tlae  Engl.  Poets,  Vol.  1.  p.  1  i7. 
***)  The  Companion  tu  the  Theativ,  Vol.  II.  p.  99. 


14  ^amBurgifd^e  ^Dramatitvgie. 

bajj  es  meinen  £efern  nicfyt  unangenehm  ift,  iljn  gegen  bas 
©tue!  bes  (Corneille  galten  51t  fönnen. 

,,11)11  unfer  ÜJUtleib  gegen  ben  unglüdlidjen  ©rafen  befto 
lebhafter  gu  machen  unb  bie  §eftige  Zuneigung  gu  entfd)itl= 
btgen,  welche  bie  Königin  für  Ujtt  äußert,  merben  it)in  alle 
bie  erfyabenften  (Sigenfdjaften  eines  Reiben  beigelegt;  unb  es 
feljlt  üjm  51t  einem  uollfommenen  (Sljarafter  meiier  uid)tS,  als 
baft  er  feine  2eibenfd)aften  nid)t  beffer  in  feiner  ©emalt  Ijat. 
^Burleigl),  ber  erfte  9Jftnifter  ber  Königin,  ber  auf  ifyre  (Sljre 
feljr  eiferfüdjtig  ift  unb  ben  ©rafen  wegen  ber  ©unftbe^eigungen 
beneibet,  mit  meldjen  fie  ilm  überl)äuft,  bemüljt  fid)  unab= 
läffig,  iljn  uerbädjttg  gu  madjen.  §ierin  ftel)t  i£)m  Sir  2öalter 
Üialeigl),  meldjer  nidjt  minber  beS  ©rafen  tymb  ift,  treulid) 
bei;  unb  beibe  merben  non  ber  boshaften  ©räftn  non  9lottingl)am 
nod)  meljr  uerljeijt,  bie  ben  ©rafen  fonft  geliebt  l)atte,  nun 
aber,  meil  fie  leine  ©egenliebe  von  iljm  erhalten  fönnen,  mag 
fie  nidjt  befugen  fann,  gu  Derberben  fud)t.  SDie  ungeftüme 
©emütsart  bes  ©rafen  madfjt  iljuen  nur  alt§u  gutes  Spiel, 
unb  fie  erreichen  iljre  Slbfidjt  auf  folgenbe  2Beife. 

„SDie  Königin  Ijatte  ben  ©rafen  als  iljren  ©eneralifftmnS 
mit  einer  feljr  anfel)nlid)en  Slrmee  gegen  ben  %nrone  gefdjidt, 
meldjer  in  Urlaub  einen  gefährlichen  2lufftanb  erregt  Ijatte. 
9iad)  einigen  nidjt  niel  bebeutenben  Sdjarmüi^eln  falje  fid)  ber 
©raf  genötiget,  mit  bem  geinbe  in  Unterljanblung  ju  treten, 
meil  feine  Gruppen  burdj  Strapazen  unb  Slranfljeiten  feljr 
abgemattet  maren,  Snrone  aber  mit  feinen  Seuten  feljr  nor= 
teilljaft  poftieret  ftanb.  8)a  biefe  Unterljanblung  gnnfdjen  ben 
silufül)reru  müublid)  betrieben  marb  unb  lein  SDcenfdj  babei 
zugegen  fein  burfte,  fo  mürbe  fie  ber  Königin  als  ifyrer  @§re 
l)öd)ft  nadjteilig  unb  als  ein  gar  nicfjt  gmeibeutiger  SSeroetö 
ucrgeftellet,  bafc  (Sffer,  mit  ben  Nebelten  in  einem  Ijeimlidjen 
Sßerftänbntffe  fteljen  muffe.  Surleiglj  unb  9Meigl)  mit  einigen 
anbern  ^arlamentSgliebem  treten  fie  bal)er  um  ©rlattbniS 
an,  il)tt  beS  §odjnerratS  auflagen  gu  bürfen,  meldjeS  fie  aber 
fo  menig  gu  nerftatten  geneigt  ift,  baft  fie  fid)  üielmeljr  über 
ein  bergleidjen  Unternehmen  feljr  aufgebradjt  bezeiget.  Sie 
roieberljolt  bie  norigen  2)ienfte,  meldte  ber  ©raf  ber  Nation 
ermiefen,  unb  erflärt,  ba£  fie  bie  Unbanfbarfeit  unb  ben  boS= 
Ijaften  sJteib  feiner  Slnfläger  nerabfdjeue.  £)er  ©raf  von 
Soutfyampton,  ein  aufvidjtiger  greuub  bes  ©ffej,  nimmt  fid) 
jugleid)  feiner  auf  bas  lebljaftefte  an ;  er  ergebt  bie  ©ered^tigfeit 
ber   Königin,    einen    joldjen   sDiaun    nidjt    unterbrüdeu    51t 


SBterunbfunfatgfteS  ©rütf.  15 

laffen;   unb   feine  geinbe  muffen   oor  biefeS  9ftal  fdjroeigen. 
( Grftcr  mt.) 

„5"be§  ift  bie  Königin  mit  bei-  Sfuffü^ruirg  beo  ©rafen 
nid)ts  roeniger  alg  jufrieben,  fonbem  [#£t  tljm  befehlen,  feine 
%d)kx  roieber  gut  31t  machen  unb  Qrlattb  nidjt  eljer  31t  ocrs 
laffen,  alö  bis  er  bie  9iebellen  nöllig  31t  paaren  getrieben  unb 
al(e§  roteber  beruhiget  Ijabe.  £od)  Sffej,  bem  bie  Vefdjul; 
bigungcn  uidjt  unbet'annt  geblieben,  mit  roeldjen  tfjn  feine 
g-einbe  bei  il)r  angufdjroärgen  fudjen,  ift  r>ie(  31t  ungebulbig, 
fid)  31t  rechtfertigen,  unb  fömmt,  nadjbem  er  ben  ^nrone  31t 
-Jiieoerlegung  ber  SÖaffen  oermodjt,  beö  ausbrücflidjen  Verbots 
ber  Königin  ungeadjtet  nad)  (inglanb  über,  tiefer  unbebadjt^ 
fame  ©qjrttt  mad)t  feinen  geinben  eben  fo  nie!  Vergnügen 
als  feinen  Jyreunbcn  Unrulje;  befonberö  gittert  bie  ©räfiu  von 
"Kutlanb,  mit  roefdjer  er  inegeljeim  oerljeiratet  ift,  uor  ben 
folgen.  9lm  meifteu  aber  betrübt  fid)  bie  Königin,  ba  fte 
fteljt,  bafj  if)r  burd)  biefe§  rafdje  ^Betragen  alter  Vorroanb  be- 
nommen ift,  ifm  3U  nertreten,  roenn  fie  nid)t  eine  gWid^feit 
Betraten  roill,  bie  fie  gern  uor  ber  gangen  28elt  nerbergen 
mödjte.  2)ie  Grroägung  ifyrer  Stürbe,  311  meiner  ifjr  natür= 
lidjer  <Btobö  fömmt,  unb  bie  (jeimlidje  Siebe,  bie  fie  31t  iljm 
trägt,  erregen  in  ifroer  Vruft  ben  graufamften  ßampf.  Sie 
ftreitet  lange  mit  fid)  felbft,  ob  fie  ben  oerroeguen  9J?ann 
nad)  bem  äoroer  fd)id'en  ober  ben  geliebten  ^Serbrectjer  oor 
fid)  laffen  unb  tljm  erlauben  foll,  fid)  gegen  fie  felbft  31t  redb> 
fertigen.  Gnblid)  entfdjliejjt  fie  ftd)  3U  bem  lefctern,  bod)  nid)t 
ol)ne  alle  (Sinfdjränfung ;  fie  roill  if)tt  fernen,  aber  fie  roill  il)n 
auf  eine  3(rt  empfangen,  baf$  er  bie  Hoffnung  rooi)I  oerlieren 
folt,  für  feine  Vergebungen  fo  balb  Vergebung  31t  erhalten. 
£3urleiglj,  ^Kaleigrj  unb  9iottingl)am  finb  bei  biefer  3ufammen= 
fünft  gegenroärtig.  £)ie  Königin  ift  auf  bie  letztere  geleistet 
unb  fdjeinet  tief  im  Q5efpräcr)e  31t  fein,  ol)ne  ben  ©rafen  nur 
ein  eingiges  9Jial  an3iifel)en.  sJ?ad)bem  fie  ifjn  eine  Söeile 
oor  fid)  fitieeit  laffen,  oerläfet  fie  auf  eintnal  ba3  3immer 
unb  gebietet  allen,  bie  es  reblid)  mit  iijx  meinen,  Üjr  31t  folgen 
unb  ben  Verräter  allein  3U  laffen.  9^iemanb  barf  es>  roagen, 
il)r  ungel)orjam  3U  fein,  felbft  Soutl)amr>ton  ger}et  mit  irjr  ab, 
fömmt  aber  balb  mit  ber  troftlofen  Entlaub  roieber,  ir)ren 
greunb  bei  feinem  Unfälle  31t  beftagen.  ©leid)  barauf  f  dürfet  bie 
Königin  ben  Vurleigl)  unb  ^taleigl)  31t  bem  ©rafen,  if)in  ben 
^ommanboftab  ab3ttnel)men;  er  roeigert  fid)  aber,  if)n  in  anbere 
als  in  ber  Königin  eigene  §änbe  gurücfguliefern,  unb  beiben 


lti  ^amburgtfdje  Dramaturgie. 

Diiniftern  wirb  foiool)l  oon  tfjm  als  »on  bem  Söutjjampton 
fel;r  oeräd;tlid;  begegnet,     (^weiter  Slft.) 

„3Me  Königin,  ber  biefeö  fein  betragen  fogleid;  f)intei= 
bradjt  nürb,  ift  äufterft  geretgt,  aber  bod)  in  iljren  ©ebanfen 
nod)  immer  uneinig.  Sie  fauu  meber  bie  Verunglimpfungen, 
bereu  fid;  bie  Diotttngfjam  gegen  if)n  erfüllt,  nod)  bie  &ob- 
fprüd;e  »ertragen,  bie  tfjm  bie  unbebad;tfame  Entlaub  ax\8  ber 
Julie  il;res  §er$en3  erteilet ;  ja,  biefe  finb  U;r  nod;  mefjr  ^u= 
miber  als  jene,  weit  fie  baraus  entbedt,  ba£  bie  SRutlanb  il;n 
liebet,  ^uleijt  befiehlt  fie  bem  ol;ngead;tet,  baj$  er  »or  fie 
gcbrad;t  werben  folT.  @r  fömmt  unb  oerfuclrt  e£,  feine  Stuf' 
füljrung  gu  oerteibigen.  £)od)  bie  ©rünbe,  bie  er  beSfallö 
beibringt,  fd;einen  il)r  niel  §u  fd;mad;,  aU  baf}  fie  il;reu  33er* 
ftanb  »on  feiner  Unjd;ulb  überzeugen  fottten.  (Sie  oerjeiljet 
itmt,  um  ber  geheimen  Neigung,  bie  fie  für  ifm  r)egt,  ein  ©e= 
nüge  31t  tl)un ;  aber  3ugleid;  entfetjt  fie  ifm  aller  feiner  ©l;reu= 
[teilen,  in  Betrachtung  beffen,  mag  fie  fid)  felbft  als  Königin 
fd;ulbig  511  fein  glaubt.  Unb  nun  ift  ber  ©raf  nid;t  länger 
uermögenb,  fid;  51t  mäßigen:  feine  Ungeftümfjeit  brid;t  los>; 
er  mirft  reu  Stab  $u  t£)ren  Jüfeen  unb  bebient  fid)  uer= 
fd)iebner  2(uöbrüde,  bie  ^u  fel)r  mie  Vorwürfe  flingen,  als 
bafj  fie  ben  ßorn  ber  Königin  nidtjt  aufs  l;öd)fte  treiben  feilten. 
2lud;  antwortet  fie  il;m  barauf,  rote  e§  dornigen  M*  natürltd; 
ift,  ol)ne  fid;  um  Slnftanb  unb  Sßürbe,  orme  fid)  um  bie 
folgen  %u  befümmern:  nämlid)  anftatt  ber  Antwort  gibt  fie 
iljm  eine  D|rfeige.  £)er  ©raf  greift  nadj  bem  SDegen;  unb 
nur  ber  einzige  ©ebanfe,  bafc  e3  feine  Königin,  baf;  es  nid;t 
fein  ^önig  ift,  ber  iljn  gefdjlagen,  mit  einem  sIÖorte,  baß  es 
eine  grau  ift,  oon  ber  er  bie  Ohrfeige  l)at,  F)ält  Hjn  ^urürf, 
fiel)  tl;ätlid;  an  iljr  511  oergel;en.  Souti)ampton  befcfywört  ifjn, 
fid;  311  f äffen ;  aber  er  wiebeti;olt  feine  iljr  unb  bem  Staate 
geleifteten  SMenfte  nod;mals  unb  mirft  bem  Sßurleigl)  unb 
"Jtaleigl;  ifjren  nieberträd;tigen  ^eib,  fomie  ber  Königin  il;re 
Ungered;tigfeit  oor.  Sie  oerläfjt  irm  in  ber  äujjerften  2Öut, 
unb  niemanb  als  Soutl)ampton  bleibt  bei  ifjm,  ber  greunb= 
Jdjaft  genug  t)at,  fid;  i^t  eben  am  menigften  oon  ifjm  trennen 
31t  laffen.    (©rittet  2tft.) 

„2)er  ©raf  gerät  über  fein  Unglüd  in  SSergweiftung ;  er 
läuft  mie  unfinnig  in  ber  Statut  l;erum,  }d;reiet  über  bas  il;m 
angetane  Unred;t  unb  fdwrärjet  auf  bie  Regierung.  Dilles  bas 
loirb  ber  Königin  mit  oielen  llebertreibungen  mieber  gefagt, 
unb  fie  gibt  Befefyl,  fid;  ber  beiben  ©rafen  31t  oerfid;ern.   @s 


gfünftmbfunfotgfteS  Stiicf.  17 

rotrb  •JJc'annfcbaft  gegen  fie  auögefc^icf  t ;  fte  merben  gefangen 
genommen  unb  in  ben  Corner  in  feer^aft  gefe$t,  t-io  bafj  djnen 
ber  $rogeft  fann  gemacht  merben.  SDod)  tnbes  Ijat  fiel;  ber 
gorn  ber  Königin  gelegt  nnb  günftigeru  ©ebanfen  für  ben 
(5'jier  miebemm  Scannt  gemalt.  8ie  null  Um  alfo,  er)e  er 
3um  SBerljöre  geljt,  allem,  mag  man  iljr  barmiber  fagt,  unge= 
ad)M,  nodnnalg  feljen;  nnb  ba  fte  beforgt,  feine  SBerbredjen 
mödjten  511  ftrafbar  befunben  merben,  fo  gibt  fte  iljm,  um  fein 
£eben  menigfteng  in  Sidjerljeit  31t  fetten,  einen  Dting,  mit  bem 
SSerfpredjen,  tlmi  gegen  biefen  9iing,  fobalb  er  \fy\  il)r  ^ufdjid'e, 
alles,  mag  er  oerlangen  mürbe,  31t  gemäljren.  gaft  aber  bereuet 
fie  eg  mieber,  bafe  fte  fo  gütig  gegen  Üjn  gemefen,  alg  fte 
gleid;  baranf  erfährt,  baft  er  mit  ber  9httlanb  oermäf)lt  ift, 
unb  eg  oon  ber  -Hutlanb  felbft  erfährt,  bie  für  il)n  um  ©nabe 
311  bitten  fömmt."     (Vierter  2ßt.) 


fünfnuMunftutiies  £tüdu 

2)en  10.  lotternder  1767. 

„2öag  bie  Königin  gefürchtet  fjatte,  gefdjieljt :  (Sffer,  mirb 
nad)  ben  ©efe^en  fdjulbig  befunben  unb  ueruvteilet,  ben  föopf 
311  oerlieren;  fein  grettnb  (Sotttljampton  beggleidjen.  9iun  roetjj 
jrcar  ©lifabetf),  bafj  fie  alg  Königin  ben  s$erbred)er  begnabigeu 
fann;  aber  fte  glaubt  aud),  baf$  eine  foldje  freimütige  Se= 
gnabigung  auf  iljrer  (Seite  eine  (Sdnnäcfje  nerraten  mürbe,  bie 
feiner  Königin  ge3ieme;  unb  alfo  mitl  fie  fo  lange  märten, 
big  er  il)r  ben  Diing  fenben  unb  felbft  um  fein  Seben  bitten 
mirb.  Voller  Ungebulb  inbeg,  baft  eg  je  efjer  je  lieber  ge= 
fd;er)en  möge,  fd)icft  fie  bie  9cottingljam  31t  tljm  unb  läfet  Um 
erinnern,  an  feine  Rettung  31t  beuten.  -Jcottingljam  ftellt  fta), 
bag  gärtlicfjfte  9JUtIetb  für  ifjn  311  füljlen,  unb  er  oertrauet  tfjr 
bag  foftbare  Unterpfanb  feines  Sebeng  mit  ber  bemütigften 
33ttte  an  bie  Königin,  eg  if)m  3U  fdjent'en.  %lun  (jat  9tot= 
tingljam  alleg,  mag  fte  münjd)t;  nun  ftefjt  eg  bei  üjr,  fiel) 
megen  ifjvev  oeradjteten  Siebe  an  bem  ©rafen  3U  rächen.  2Tn= 
ftaft  alfo  bag  at^uricrjten,  mag  er  ibr  aufgetragen,  oerleumbet 
fie  if)n  auf  bag  bogfyaftefte  unb  malt  tfm  fo  ftolj,  fo  trotiig, 
fo  feft  eutfdjloffen  ah,  uidjt  um  ©nabe  31t  bitten,  fonbern  eg 
auf  bag  Sleufeerfte  anlommen  3U  laffen,  bafj  bie  Königin  bem 
Sßeridjte  faum  glauben  fann,  nad;  mieberf)olter  23erftdjerung 
aber  notier  2ßut  unb  SSei^meiflung  ben  SBefel)!  erteilet,  bag 

Ceiiing,   SD3erTe.    XII.  2 


18  ^atnfiurgtfcJje  Dramaturgie. 

Urteil  olme  Stuftaub  an  iljm  51t  uotf&ieljen.  SDabet  gibt  tf)r 
bte  6os()afte  Sflottingljam  ein,  ben  ©rafen  oou  ^outfjampton 
51t  begnabigen,  nid/t  tuetC  tfjr  baö  Unglud  beäfelben  wirflid) 
nälje  geljt,  fonbern  weil  fie  fid)  einbitbet,  baf$  ©ffer.  bie  S3itter= 
leit  feiner  ©träfe  um  fo  tuel  meljr  empftnben  werbe,  wenn 
er  fiel)t,  bag  bie  ©nabe,  bie  man  iljm  oerweigert,  feinem  mtt= 
fdjulbigen  greunbe  mdjt  entftefje.  3«  eben  biefer  9I6ficl)t  rät 
fte  ber  Königin  auclj,  feiner  ©emarjlin,  ber  ©räffrt  non  fRut= 
lanb,  31t  erlauben,  il)n  nodj  cor  feiner  $mridjtung  §u  fel)en. 
SDie  Königin  williget  in  beibe§,  aber  %um  Unglüd'e  für  bie 
graufame  Ratgeberin;  beim  ber  ©raf  gibt  feiner  ©emal)lin 
einen  33rief  an  bie  Königin,  bie  fid)  eben  in  bem  ^oroer 
beftnbet  unb  iljn  lutg  barauf,  al§  man  ben  (trafen  abgefüljret, 
erhält.  2tu3  biefem  Briefe  erfteljt  fte,  baft  ber  ©raf  ber 
^otting^am  ben  SRing  gegeben  unb  fte  burd)  biefe  Verräterin 
um  fein  Seben  bitten  laffen.  ©ogletd)  fcfjidt  fie  unb  lägt  bie 
Votlftredung  be§  Urteile  unterfagen;  ooä)  ^Burletgl)  unb  Dia= 
leigl),  bem  fie  aufgetragen  mar,  Ratten  fo  ferjr  bamit  geeilet, 
baj$  bte  Votfcrjaft  &u  fpät  fömmt.  &er  ©raf  ift  bereits  tot. 
3Me  Königin  gerät  cor  ©crmter^  auger  ftd),  nerbannt  bie  ab- 
fcbeulidje  Göttin  gljam  auf  einig  au3  ir)ren  Slugen  unb  gibt 
allen,  bie  fiel)  al§  geinbe  be§  ©rafen  erroiefen  Ratten,  ifjren 
bitterften  Unmiflen  $u  erlernten." 

2lu3  biefem  $lane  ift  genugfam  abgune^men,  bafc  ber 
Gffer.  beö  33cmf§  ein  ©tue!  oon  weit  meljr  Sftatur,  2öa§rF)ett 
unb  Uebereinftimmung  ift,  als  fidj  in  bem  (Sffer.  be3  (Sorneitle 
finbet.  33anf§  r)at  ftcfj  ^tem(idr)  genau  an  bie  ©efd)icl)te  ge= 
galten,  nur  bag  er  t>erfdjtebene  Gegebenheiten  närjer  ^ufammen= 
gerüdt  unb  iljnen  einen  unmittelbarem  ©infhtfj  auf  ba§  enb= 
iidje  ©djidfal  feines  §elben  gegeben  l)at.  £)er  Vorfall  mit 
ber  Dljrfeige  ift  eben  fo  wenig  erbidjtet  al§  ber  mit  bem  9ftnge; 
beibe  finben  fid),  wie  id)  fdjon  angemerlt,  in  ber  §iftorie,  nur 
jeuer  weit  früher  unb  bei  einer  gang  anbern  Gelegenheit, 
fowie  e§  audj  von  biefem  §u  oermuten.  3)emt  eg  ift  begreife 
lidjer,  bafe  bie  Königin  bem  ©rafen  ben  SKing  gu  einer  £eit 
gegeben,  ba  fte  mit  iljm  oollfontmen  aufrieben  war,  als  baft 
fie  irjnt  biefeS  Unterpfanb  ir)rer  ©nabe  i§t  erft  fottte  gefdjenft 
l)aben,  ba  er  fic§  iljrer  eben  am  meiften  oerluftig  gemadjt 
rjatte,  unb  ber  gall,  fid)  beffen  ^u  gebrauten,  fcfpn  wirflid) 
ba  war.  tiefer  Dttng  foCCte  fte  erinnern,  wie  teuer  ifjr  ber 
©raf  bantalS  gewefen,  aU  er  iljn  oon  iljr  erhalten ;  unb  biefe 
Erinnerung  fottte  ilmt  alöbanu  alle  ba§  Verbienft  wiebergeben, 


AÜnfiinMuimuifteo  2tücF.  19 

meldjcs  er  unglücflidjerroeife  in  ihren  Stugen  etma  tonnte  per 
loren  baben.  sJC6er  mao  braud)t  e§  biefe$  ^eidjeno,  biefet 
©rhtnerung  oon  beute  bis  auf  morgen?  ©lauBt  fte  tfjrer 
günftigen  ©efinnungen  auch  auf  fo  roenige  Stunbcn  nidjt 
mädjttg  511  fein,  bag  fie  fid)  mit  7v f c i f ^  auf  eine  foldie  2(rt 
feffeln  miß?  2Benn  fte  ifjm  in  (irnfte  oergebeu  bat,  wenn  ihr 
mirflid)  an  feinem  Seben  gelegen  ift :  moju  baS  ganje  Spiegel 
gefcdjte?  2öarum  tonnte  fie  e3  bei  ben  mimbltdjen  SBetftc^e- 
rungen  ntebt  bemenben  [äffen?  ©ab  fie  ben  "Kino,,  blofj  um 
ben  (trafen  ju  beruhigen,  fo  oerbinbet  er  fie,  iljtn  tf)i  SBort 
51t  galten,  er  mag  roteber  in  ifjre  §änbe  fommett,  ober  nidjt. 
(&ab  fie  um  aber,  um  burd)  bie  28iebererf)attung  besfelben  oon 
ber  fortbauernben  Reue  unb  Unterwerfung  bes  ©rafen  oer= 
ftdjert  ju  fein:  roie  fann  fie  in  einer  fo  micfitigen  Sadje  feiner 
töblidjften  geinbin  glauben?  Hub  [jatte  fid)  bie  9cottiugf)am 
nid)t  tuv§  5itoor  gegen  fie  felbft  als  eine  foldje  bemiefen? 

3o  mie  S3anf§  alfo  ben  Ring  gebraudjt  Ijat,  tfjut  er  nid)t 
bie  befte  SBirfung.  sDcid)  bünft,  er  mürbe  eine  meit  beffere 
tfjun,  raenn  i(jn  bie  Königin  gan§  oergejfen  hätte  unb  er  ihr 
plo^lid),  aber  aud)  $u  fpät,  eingeljänbiget  mürbe,  inbem  fie 
eben  oon  ber  Unfdjulb  ober  roenigftenS  geringern  <2dmlb  bes 
(trafen  nod)  au§  anbern  ©rünben  überzeugt  mürbe.  Die 
Sdjenfung  bes  Ringet  tjatte  cor  ber  §anblung  be3  2tücf§ 
lange  muffen  uorfyergegangen  fein,  unb  blof$  ber  ©raf  fjä'tte 
barauf  rechnen  muffen,  aber  aus  ßbelmut  nidjt  efyer  ©ebraud) 
baoon  machen  motten,  als  big  er  gefefjen,  baft  man  auf  feine 
Rechtfertigung  nidjt  ac^te,  baft  bie  Königin  ju  fefjr  miber 
if)n  eingenommen  fei,  ale>  baft  er  fie  §u  überzeugen  tjoffen  tonne, 
bafe  er  fie  alfo  §u  bewegen  fudjen  muffe.  Unb  inbem  fie  fo 
bemegt  mürbe,  müfcte  bie  Uebergeugung  bagu  fommen;  bie 
(rrfennung  feiner  Unfdjulb  unb  bie  Erinnerung  ifjreö  S5er= 
fpredjeneS,  il)n  aud)  bann,  menn  er  fdjulbig  fein  follte,  für 
unfdjulbig  gelten  $u  (äffen,  müßten  fie  auf  einmal  überrafdjen, 
aber  nidjt  efyer  überrafdjen,  als  big  e£  nidjt  metjr  in  üjrem 
Vermögen  fteljet,  gerecht  unb  erfenntlidj  311  fein.  ' 

üBtel  glüdlidjer  tjat  33anf§  bie  Ohrfeige  in  fein  Stücf 
eingeflößten.  —  5lber  eine  Ohrfeige  in  einem  ^rauerfntele ! 
2Öie  engltfd),  mie  unanftänbig!  —  @fje  meine  feinern  Sefer 
ju  fefjr  barüber  fpotten,  bitte  iß  fte,  fid)  ber  Dljrfeige  im 
(Eib  ut  erinnern.  5Die  Slnmerfung,  bie  ber  §r.  oon  üBoltatre 
barüber  gemadjt  Ijat,  ift  in  oietertet  Q3etrad)ung  merfmürbig. 
„^eutjutage,"  fagt  er,   „bürfte  man  e3  nidjt  magen,   einem 


20  .<£>am6urgifdf»e  Dramaturgie. 

Reiben  eine  Dbrfetge  geben  $u  laffen.  SDie  ©djaufpieler  felbft 
miffen  nirf;tr  tüte  fie  fid)  babei  aufteilen  foffen;  fie  ttntn  nur, 
als  ob  fie  eine  gäben.  yiifyt  einmal  in  ber  ^omöbie  tft  fo 
etwas  mel)r  erlaubt;  unb  biefes  tft  bas  einzige  (Stempel, 
meldjes  man  auf  ber  tragifdjen  SBürjne  baoon  Ijat.  @s  ift 
glaublirf),  baft  man  unter  anbern  mit  beswegen  ben  (Sib  eine 
äragilomöbie  betitelte;  unb  bamals  waren  faft  alle  «Stücfe 
bes  (Scuberi  unb  bes  23oisrobert  Stragifomöbien.  5Utan  mar 
in  $ranfreid)  lange  ber  Sfteinung  gewefen,  bafe  fid)  bas  un= 
unterbrodjne  STragtfdje  oljne  alle  Sßermifdnmg  mit  gemeinen 
Sitgen  gar  nidjt  aushalten  laffe.  üDas  Söort  ^ragifomöbie 
felbft  ift  fefyr  alt;  ^ßlautus  braudjt  es,  feinen  2Impl)itruo  ba^ 
mit  gu  begetcr}neu,  weil  bas  Abenteuer  bes"  (Sofias  $war  fomifd), 
9Xmpl)itruo  felbft  aber  in  allem  ©rnfte  betrübt  ift."  —  2öas 
ber  §err  non  Voltaire  nidjt  alles  fcljreibt!  2öie  gern  er  immer 
ein  wenig  ©elel)rfamfeit  geigen  will,  unb  wie  feljr  er  metften= 
teils  bamit  nerunglüdt! 

@s  tft  nidjt  waljr,  bafe  bie  Ohrfeige  im  Gib  bie  einige 
auf  ber  tragtfdjen  33ül)ne  ift.  Voltaire  l)at  ben  @ffej  bes 
SBanfs  entweber  nid)t  gefannt,  ober  oorausgefetjt,  baf$  bie 
tragifcbe  33üfjne  feiner  Nation  allein  biefen  tarnen  uerbiene. 
Unwiffenrjeit  oerrät  beibes,  unb  nur  bas  letztere  nocr)  mcl)r 
©itelfeit  als  Unwiffenljeit.  2öas  er  non  bem  tarnen  ber 
^ragtfomöbie  rjü^ufügt,  ift  ebenfo  unridjtig.  SCragifomöbie 
Ijteft  bie  SSorftetlung  einer  wichtigen  §anblung  unter  r>or= 
nehmen  $erfonen,  bie  einen  nergnügten  Ausgang  l)at;  bas  tft 
ber  Gib,  ynb  bie  Ohrfeige  lam  babei  gar  nict)t  in  23etrad)tung; 
benn  biefer  Ohrfeige  ungeachtet  nannte  Corneille  Ijernad)  fein 
Stücf  eine  £ragöbie,  fobalb  er  bas  Vorurteil  abgelegt  Ijatte, 
baf$  eine  STragöbte  notwenbig  eine  unglüdlidje  iRataftroplje 
baben  muffe,  ^lautus  braud)t  gwar  bas  2Bort  Tragico- 
comoedia;  aber  er  braucht  es  blof$  im  ©djer^e,  unb  gar  nicr)t, 
um  eine  befonbere  ©attung  bamit  gu  begeidmen.  Slucr)  Ijat 
es  ifjm  in  biefem  SSerftanbe  fein  Genfer)  abgeborgt,  bis  es  in 
bem  fed^erjnten  3<*Wunberte  ben  fpantfcfjen  unb  italienifcrjen 
©intern  einfiel,  gewiffe  non  iljren  bramatifdjen  Mißgeburten 
fo  $u  nennen.*)  2ßenn  aber  audj  ^lautus  feinen  Slmprjitruo 


*)  3d)  \x*i\ü  jtoar  nidfjt ,  leer  biefen  tarnen  etejentttd)  jjuerft  a.ebraud)t  f»at; 
aber  bo§  tnei§  id)  Qeunfe,  *>«&  f§  ©atnier  nidjt  ift.  §ebelin  facjte :  Je  ne  scai  si 
Garnier  fut  le  premier  qui  s'en  servit,  mais  il  a  fait  porter  ce  titre  ä  sa 
Bradamante,  ce  que  depuis  plusieurs  ont  imite.  (Prat.  du  Th.  liv.  II.  eh. 
10.)  Unb  babei  Rotten  e§  bie  ©ejdjidjtfdjreiber  be§  franjöfifdjen  2^eater§  aud)  nur 
foITen  bemenben  Iaffen.    %bn  fie  matten  bie  leidjte  SSermutunfl  bei  £ebelin§  3ur 


SeajSunbfunfotgfteS  Stücf.  21 

im  Crrnfte  fo  genannt  Ijätte,  fo  märe  es  bodj  nidjt  ans  ber 
llrfadje  gejdjcljen,  bie  iijm  Voltaire  anbidjtet.  Widji  luetC  bev 
Anteil,  ben  Sofias  an  bev  ©anblung  nimmt,  t'omija)  unb  ber, 
ben  2tmpf)itruo  baran  nimmt,  tragi|a)  ift:  nidjt  barum  Ijätte 
SßlautuS  (ein  Stüd  lieber  eine  ^ragtfomöbie  nennen  motten. 
2)enn  fein  Stücf  ift  ganj  fomijdj,  unb  mir  beluftigen  uns  an 
bet  Verlegenheit  bei  ämp^itruo  eben  fo  fef>r  all  an  bes>  «Sofias 
feiner,  ©onbern  barum,  metl  biefe  fomifdje  §anblung  größten- 
teils unter  t)öf;ern  Sßerfonen  nörgelet,  all  man  in  ber  kombbie 
31t  fef;en  gemofjnt  ift.  SßlautuS  fclbft  erllärt  ftdj  barüber 
beutlidj  genug : 

Faciam  ut  cornrnixta  sit  Tragico-comoedia: 

Nam  me  perpetuo  facere  ut  sit  Comoedia 

Reges  quo  veniant  et  di,   non  par  arbitror. 

Quid  igitur?  quoniam  hie  servus  quoque  partes  habet, 

Faciam  hanc,  proinde  ut  dixi,  Tragico-comoediam.*) 


£i£ify$uimfunftigjt£s  Stüiiu 

Ten  13.  "Jumember  1707. 

ilber  mieberum  auf  bie  Ohrfeige  31t  fommen.  —  Einmal 
ift  e§  bodj  nun  fo,  baft  eine  Dljrfeige,  bie  ein  i)iann  non 
Ci'bre  non  feinesgleidjen  ober  non  einem  §öljern  befömmt,  für 
eine  fo  fdjimpflidje  Öeleibigung  gehalten  rairb,  baß  alle  ©e; 
nugtrniung,  bie  ijjm  bie  Ok'fe^e  bafür  oerjdjaffen  fönnen,  oer^ 
gebeng  ift.  Sie  miß  nidjt  non  einem  dritten  beftraft,  fie  null 
non  bem  Söeleibigten  felbft  gerädjet,  unb  auf  eine  eben  fo  eigen- 
mädjtige  5lrt  gerädjet  fein,  als  fie  ermiefen  morben.  £b  es 
bie  mal)re  ober  bie  faljdje  (Srjre  ift,  bie  biefeg  gebietet,  baoon 
ift  fjier  bie  Siebe  nidjt.     2ßte  gejagt,  e3  ift  nun  einmal  fo. 

Unb  roenn  es  nun   einmal  in  ber  SÖelt  fo  ift,   marum 


©ctuiBfjeit  unb  gratulieren  itjrem  2anb§manne  3U  einer  jo  jdjüncn  Grfinbung.  Voici 
la  prerrnere  Tragi-Comedie,  ou,  pour  mieux  dire,  le  premier  poeme  du 
Theätre  qui  a  porte  ce  titre  —  Garnier  ne  connoissoit  pas  assez  les  üuesses 
de  l'art  qu'il  professoit;  tenons-lui  cependant  compte  d'avoir  le  premier, 
et  sans  le  secours  des  Anciens,  ni  de  ses  contemporains,  fait  entrevoir 
une  idee,  qui  n'a  pas  ete  inutile  ä  beaueoup  d'Auteurs  du  demier  siecle. 
@amier§  Srabamante  ift  üon  1682,  unb  id)  fenne  eine  üftenge  roeit  frühere  fpanifdje 
unb  italienijdje  -stiitfe,  t>ie  biefen  %'üei  fütjrcu 

*)  [3d)  roitl  eine  9Jci)d)ung,  eine  Sragifomübie  niadjcu;  beim  e§  foriunif)reut> 
\o  eingntit&ten,  t>a%  eine  Stomöbie  entftefyc,  voo  Könige  auftreten  unb  ©ötter,  fjalte 
id)  uid)t  für  angcmefjen  SBte  alfo  ?  SBeit  fjiet  aud)  ein  Stlaue  mitfpiett,  tuiU  idj 
biefe  —  fo  roie  id)  gejagt  l;abe  —  SLragifomöbie  macfjeu.    3immevman»-] 


22  ftmubuvatfclic  Dramaturgie. 

foll  co  nid)t  aud)  auf  bem  Sfjeater  fo  fein?  ÜEBenn  bie  £)l)r- 
f  eigen  bort  im  ©äuge  finb,  warum  uidjt  aud)  f»ier  ? 

„Sie  ©djaufpieler,"  fagt  ber  §err  oon  Voltaire,  „mtffen 
nid)t,  wie  fte  fiel)  babei  aufteilen  f  ollen."  ©te  wüßten  e§  tooljl; 
aber  mau  miß  eine  Ohrfeige  aud)  nid)t  einmal  geru  im  fremben 
tarnen  Ijaben.  SDer  ©d)lag  fe$t  fte  in  geuer;  bie  vßerfon 
erljätt  il)it,  aber  fte  füllen  il)n;  ba§  ©efüfyl  liebt  bie  *Ber= 
ftellung  auf;  fte  geraten  au3  tf>rer  gaffung;  ©d)am  unb  2Ser= 
wirrung  äußert  ftd)  mtber  3Btllen  auf  iljrem  ©eftdjte;  fte  follten 
5ormg  au§fel)en,  unb  fie  ferjen  albent  auö ;  unb  jeber  ©cl)au= 
fpieler,  beffen  eigne  (Smpftnbungen  mit  feiner  Atolle  in  #toHi= 
fion  fommen,  madjt  ung  gu  lachen. 

@g  tft  btefe§  uidjt  ber  einzige  galt,  in  welchem  man  bie 
xHbfcrjaffung  ber  tasten  bebauern  möchte.  2)er  ©d)aufpieler 
fann  otjnftreittg  unter  ber  9Jca3fe  me$r  (Sontenance  galten, 
feine  Sßerfon  ftnbet  meniger  (Gelegenheit,  auszubrechen;  unb 
menn  fie  ja  ausbricht,  fo  toerben  mir  biefen  Slusbrud)  meniger 
getoaljr. 

3)odj  ber  ©djaufpieler  oerljalte  ftd)  bei  ber  Ohrfeige,  mie 
er  will :  ber  bramatifdje  SMdjter  arbeitet  $max  für  ben  ©djau= 
fpieler,  aber  er  muß  ftd)  barunt  nid)t  afle3  nerfagen.  maö 
biefem  weniger  tljulid)  unb  bequem  ift.  $ein  ©djaufpieler 
lann  rot  toerben,  menn  er  will:  aber  gleidjwoljl  barf  e§  i§m 
ber  2)id)ter  twrfdwetben;  gleidjworjl  barf  er  ben  einen  fagen 
laffen,  baß  er  eg  ben  anbern  merben  fielet,  ©er  ©djaufpieler 
miß  ftd)  md)t  in§  ©efid)te  fernlagen  laffen ;  er  glaubt,  e3  mad)e 
tjjn  oerädjtlid) ;  e3  oerwirrt  Um;  e3  fdjmerät  tl>n:  red)t  gut! 
Söenn  er  e§  in  fetner  $unft  fo  weit  nod)  ntdr)t  gebraut  fyat, 
baß  tl)n  fo  etwas1  ntdjt  oermirret;  menn  er  feine  äunft  fo  feljv 
ntdjt  liebet,  baß  er  ftd)  tfjr  gum  heften  eine  flehte  ^ränt'ung 
loill  gefallen  laffen:  fo  fudje  er  über  bie  ©teile  fo  gut  roeg= 
guf  ommen,  als  er  fann ;  er  meid)e  bem  ©d)lage  au§ ;  er  l)alte 
bie  §anb  oor;  nur  uerlange  er  ntcl)t,  baß  fid)  ber  iDtdjter 
fetnetwegen  ntefyr  $ebenl'lid)feiten  mad)en  foll,  al§  er  fid)  ber 
Sßerfon  megen  mad)t,  bie  er  il)tt  oorftellen  läßt.  Söenn  ber 
roaljre  £)iego,  menn  ber  waljre  @ffer.  eine  Dtjrfeige  I)innel)inen 
muß,  wa§>  malten  irjre  SReoräfentanten  baroiber  emgutoenben 
baben? 

2tbet  ber  3uf$quer  will  incllcicbt  feine  Ohrfeige  geben 
feljeuV  Cbcr  l)öd)ftenö  nur  einem  Gebleuten,  ben  fie  uidjt  6e= 
fonbers  fd)impft,  für  ben  fie  eine  feinem  ©tanbe  angemeffene 
3üd)tigung  tft?   Gsinem  gelben  hingegen,  einem  Reiben  eine 


SedjSunbfunfotgfteä  ©tüdf.  23 

Dbrfeige !  wie  Hein,  wie  unanftcmbig!  -  Unb  wenn  fie  baä 
nun  eben  fein  foll?  Sßemt  eben  biefe  Unanftänbigfeit  bie 
Duelle  ber  gewattfamften  @ntfd>liefcungen,  ber  blutigften  Nadyi 
werben  foll  unb  wirb?  2Benn  jebe  geringere  löeleibtgung  biefe 
fdjve etliche  2Birfungen  nidjt  ()ätte  Ijaben  tonnen  V  2ÖBa§  in  feinen 
folgen  fo  tragifdj)  werben  f'ann,  was  unter  geroiflen  5ßerfonen 
notwenbig  fo  tragifd)  werben  mufj,  foll  bennod)  aus  ber  %xa* 
cjöbie  ausgefdjlofjen  fein,  weil  e§  aud;  in  ber  Kombbie,  roeil 
e§  audj  in  bem  -^offenfpiele  SßlaJ  finbet?  äiöorüber  mir  ein; 
mal  ladjen,  Jollen  mir  ein  anbermal  nidjt  erfdjretf'eu  tonnen? 

äöenn  idj  bie  Dfjrfeigen  au3  einer  ©attung  bes  S)rama 
oerbannt  miffen  mödjte,  fo  märe  eg  quo  ber  ^omöbte.  5)enn 
was  für  folgen  fann  fie  ba  Ijaben?  traurige?  bie  finb  über 
ifjrer  ©pjjfäre.  Sädjjerlicfye?  bie  finb  unter  iljr  unb  gehören 
bem  ^offenfpiele.  ©ar  feine?  fo  oerloljnte  e3  nidjt  ber  2ttüfje, 
fie  geben  git  laffen.  2öer  fie  gibt,  wirb  nidjts  als  pöbelhafte 
§it$e,  unb  mer  fie  beiömmt,  nidjts  als  f'uecr)ttfcr)e  Kleinmut 
«erraten.  Sie  oerbleibt  alfo  ben  beiben  (Sr.trem.is,  ber  £ragöbie 
unb  bem  ^offenfpicle,  bie  mehrere  bergleidjen  Singe  gemein 
Ijaben,  über  bie  mir  entmeber  fpotten  ober  gittern  wollen. 

Unb  id)  frage  jeben,  ber  ben  Gib  oorftetten  feljen  ober 
iljn  mit  einiger  2lufmerffamfeit  and;  nur  gelefen,  ob  Um  nicfjt 
ein  ©Räuber  überlaufen,  wenn  ber  grofsfpredjerifdje  ©ormas 
ben  alten  würbigen  SDiego  gu  fdjlagen  fidj  erbreiftet?  Db  er 
nidjt  baö  empfinblidjfte  9Jhtleib  für  biefen  unb  ben  bitterften 
Unwillen  gegen  jenen  empfunben?  Cb  ifjm  nidjt  auf  einmal 
alle  bie  blutigen  unb  traurigen  folgen,  bie  biefe  fdjimpftidjc 
Begegnung  nad)  fidj  gieljen  muffe,  in  bie  ©ebanfen  gefetjoffen 
unb  ihn  mit  Erwartung  unb  gurcljt  erfüllet?  ©teidjmoljl  foll  ein 
Vorfall,  ber  alle  biefe  SBirfung  auf  iljn  Ijat,  nidjt  tragifd)  fein? 

SBenn  jemals  bei  biefer  Ohrfeige  geladjt  morben,  fo  mar 
e3  fidjerlid)  oon  einem  auf  ber  ©alerte,  ber  mit  ben  Drjrfeigen 
\u  befannt  mar  unb  eben  it5t  eine  oon  feinem  -Jiadjbar  uer- 
bient  tjätte.  Sßen  aber  bie  ungefdjirfte  2trt,  mit  ber  fidj  ber 
Sdjaufpieler  etma  babei  betrug,  mtber  Tillen  51t  ladieln  machte, 
ber  bifc  fid)  gefdjwinb  in  bie  Sippe  unb  eilte,  fidj  wieber  in 
bie  ^äufdjitng  31t  uerfetjen,  aus  ber  faft  jebe  gemaltfamere 
§anblung  ben  ^ufdjauer  meljr  ober  weniger  31t  bringen  pflegt. 

Sludj  frage  idj,  metdje  anbere  SBeleibigung  moljl  bie  Stelle 
ber  Ofjrfeige  oertreten  tonnte?  gür  jebe  anbere  mürbe  es  in 
ber  sD?adjt  beö  &önig§  fteljen,  bem  SBeleibigten  ©enugtljuung 
gu  fct)affeti ;  für  jebe  anbere  mürbe  fid;  ber  Sofjn  weigern 


24  $amöiirgifd)e  Sramüturgte. 

bürfen,  feinem  Sßater  ben  Vater  feiner  beliebten  aufzuopfern. 
Aür  biefe  einige  läßt  ba3  Pundonor  meber  Gmtjdjulbigung 
üocr)  abbitte  gelten,  unb  alle  güttidt)e  Söege,  bie  felbft  ber 
IKonard)  babei  einleiten  miß,  fiub  frud;tlog.  (Sorneille  ließ  nad) 
biefer  ©entungsart  ben  ®orma§,  raenn  il)in  ber  &öntg  anbeuten 
läßt,  ben  3)iego  aufrieben  ju  ftelten,   fef»v  morjl  antworten: 

Ces  satisfactions  n'apaisent  point  une  ame : 
Qui  les  recoit  na  rien,  qui  les  fait  se  diffame. 
Et  de  tous  ces  accords  l'effet  le  plus  comraun, 
C'est  de  deshonorer  deux  hommes  au  lieu  d'un. 

damals  war  in  granfreid)  ba§  @btft  miber  bie  Quelle  nidjt 
lange  ergangen,  bem  bergleidjen  9Diarjmen  fdjnurftradfö  %w- 
mibertiefen.  Corneille  erljiett  alfo  ^mar  SSefet)(,  bie  ganzen 
3eilen  raeg^uiaffen,  unb  fie  mürben  aus!  bem  3)tunbe  ber 
@d)aufpieler  oerbannt;  aber  jeber  3ufct)auer  ergänzte  fie  aus 
bem  ©ebädjtniffe  unb  a\\%  feiner  (Smpftnbung. 

gn  bem  @ffe£  mirb  bie  Drjrfeige  baburd)  nod)  frittfdjer, 
baß  fie  eine  ^erfon  gibt,  meldje  bie  ©efe|e  ber  @l)re  nid)t 
oerbinben.  (Sie  ift  grau  unb  Königin:  waä  fann  ber  S3e= 
leibigte  mit  iljr  anfangen?  Heber  bie  Ijanbfertige  merjrfjafte 
grau  mürbe  er  fpotten;  beim  eine  grau  fann  raeber  fdjimpfen, 
nodj  fdjlagen.  Slber  biefe  grau  ift  gugteid)  ber  ©ouoerän, 
beffen  33efd)impfungen  unauglöfdjlid)  finb,  ba  fie  r>on  feiner 
Sürbe  eine  Slrt  oon  ©efeijmäßigf'eit  erhalten.  2öa§  fann 
alfo  natürlicher  fdjeinen,  ab  baß  (Effeg  fid)  miber  biefe  Söürbe 
felbft  auflehnet  unb  gegen  bie  §örje  tobet,  bie  ben  Veleibiger 
feiner  9t ad) e  entjie^t?  3d)  muffte  menigftenS  nidjt,  xvaä  feine 
legten  Vergebungen  fonft  mal)rfd)einlid)  Ijätte  mad)en  löunen. 
SDte  bloße  Ungnabe,  bie  bloße  @ntfe|ung  feiner  ©Ijrenftellen 
tonnte  unb  burfte  irju  fo  meit  nid)t  treiben.  SIber  burd)  eine 
fo  rnedjtijdje  33el)anblung  außer  fid;  gebradjt,  feljen  mir  it)n 
alfe§,  rva%  irjm  bie  Vergiftung  eingibt,  ^mar  nid)t  mit 
Billigung,  bodj  mit  @ntfd)ulbigung  unternehmen.  2)ie  Königin 
felbft  muß  if)n  au§>  biefem  &efid;tgpunfte  il)rer  Ver^ei^ung 
mürbig  erfennen;  unb  mir  tjaben  fo  ungteidj  meljr  9Jütleib 
mit  irjm.,  als  er  un§  in  ber  ©efdjidjte  $u  oerbienen  fdjeinet,  mo 
ba§,  was  er  t)ier  in  bei*  erften  |)it$e  ber  gefränften  @r)re  tfntt, 
auZ  @igennur3  unb  anbern  niebrigen  2lbfid)ten  gefct)ter)t. 

©er  Streit,  fagt  bie  ©efd)id)te,  bei  meldjem  .(Sffer,  bie 
Drjrfeige  errjtett,  mar  über  bie  2Bal)l  eines!  Königs  oou  3*5 
(anb.    2(13  er  falje,  baß  bie  Königin  auf  Üjrer  Meinung  hz- 


©ie&enunbfimfotgfteg  Stücf.  25 

darrte,  roanbte  er  tfjr  mit  einer  fefjr  uerädjtltcben  ©ebärbe  ben 
dürfen.  3n  ^em  Slugenblicfe  füllte  er  i|re  A>anb,  unb  [eine 
fuljr  nad)  bem  ©egen.  @r  fdjmur,  bafe  er  biefen  3d)impf 
roeber  [eiben  fönnc  nod)  motte,  baft  er  ifm  felOft  oon  iljrem 
SBater  §eitmdj  nid)t  mürbe  erbulbct  (jaben;  unb  fo  begab  er 
fiefo  com  Mofe.  &er  ©rief,  ben  er  an  ben  Stanztet  (Sgertoit 
über  biefen  SSorfaff  fd)rieb,  ift  mit  bem  mürbigften  Stolpe 
abgefaßt,  unb  er  fdjten  feft  entfd)loffen,  fidj  ber  Königin  nie 
triebet  ju  nähern.  (551etcf)U)or)t  ftnben  mir  if)n  balb  barauf 
triebet  in  iljrer  oölligen  ©nabe  unb  in  ber  oölTigen  9Birffams 
feit  eines  ehrgeizigen  Sieblings.  3)iefe  2}erfÖl)nlid)feit,  menn 
fte  ernftlid)  mar,  mad)t  un§  eine  feljr  fd)led)te  Sbee  uon  ibm, 
tmb  feine  riel  beffere,  menn  fie  SBetftellung  mar.  Qu  biefem 
gatte  mar  er  mirfiid)  ein  Verräter,  ber  fidj  afle§  gefallen  lieft, 
biö  er  ben  redeten  geitpunft  gefommen  31t  fein  glaubte,  ©in 
elenber  SBeinpadjt,  ben  iljm  bie  Königin  nafmt,  brachte  iljn 
am  Gnbe  meit  meljr  auf  al§  bie  Oljrfeige;  unb  ber  3orn  über 
biefe  SBerfdmtäferung  feiner  (Sinfünfte  oerblenbete  ilm  fo,  baft 
er  oljne  ade  Ueberlegung  loöbrad).  So  finben  mir  iljn  in 
ber  ©efd)tdjte  unb  neradjten  iljn.  316er  nidjt  fo  bei  bem 
SBanfg,  ber  feinen  3Iufftanb  51t  ber  unmittelbaren  golge  ber 
Ohrfeige  mad)t  unb  ibm  weiter  feine  treulofeu  3lbfid)ten  gegen 
feine  Königin  beifegt.  Sein  gefyler  ift  ber  geiler  einer  ebeln 
§i|e,  ben  er  bereuet,  ber  il)tn  oergeben  mirb  unb  ber  btofc 
burdj  bie  33o§Ijeit  feiner  geinbe  ber  Strafe  ttidjt  entgeht,  bie 
irjm  gefdjenft  mar. 


^tfbmunltfnnfjt0|!r$  §tiitk» 

Qm  17.  9lotoembet  1767. 

33anf§  fjat  bie  nämlidjen  Üöorte  beibehalten,  bie  ©ffer.  über 
bie  Dljrfeige  ausftief}.  9fatr  bafe  er  Um  bem  einen  §einridje 
nod)  alle  §einrtdje  in  ber  2Selt,  mit  famt  3(leranbern,  bei= 
fügen  täfct.*)  Sein  Güffer.  ift  überhaupt  ju  riel  ^rafyler;  unb 
es>  fehlet  menig,  baft  er  nid)t  ein  eben  fo  großer  ©avouier  ift 
als  ber  Gffej  be3  ©a3conier3  ßalprenebe.    SDabei  erträgt  er 

*)  Act.  III. 

By  all 

The  Subtilty,  and  Wuman  in  your  Sex, 

I  swear,  that  liad  you  beert  a  Man,  you  durst  not, 

Nay,  your  bold  Father  Harry  durst  not  this 

Have  done  —  Why  say  I  bim?    Not  all  the  Harrys. 


26  .v>am[ntri]ifd)e  ^Dramaturgie. 

fein  Unglücf  viel  gu  fleinmütig  unb  ift  balb  gegen  bie  Königin 
eben  fo  friedjenb,  als  er  oorfjer  oermeffen  gegen  fie  mar. 
23anfs>  fyat  ifm  gu  fefyr  nad)  bem  Seben  gefdjitbert.  (l'in 
(Sljarafter,  ber  fid)  fo  leidet  vergißt,  ift  fein  Gljarafter  unb 
eben  baljer  ber  bramatifdjen  Sftadjaljmung  unmürbtg.  Qu  ber 
(SJefdjidjte  fann  man  bergletdjen  2öiberfprüd)e  mit  fid)  felbft 
für  Herstellung  galten,  meil  mir  in  ber  (55efct)id;te  bod)  feiten 
baS  Qnnerfte  beS  §ergen3  fennen  lernen ;  aber  in  bem  SDrama 
werben  mir  mit  bem  §elben  alTgu  uertrant,  als  baß  mir  nidjt 
gleich  miffen  follten,  ob  feine  ©eftnnungen  röirfticr)  mit  ben 
§anblungen,  bie  mir  üjm  nidjt  ^ugetrauet  Ratten,  überein= 
ftimmen,  ober  nidjt.  3a,  fie  mögen  eS,  ober  fie  mögen  eS 
nid)t:  ber  tragtfdje  SDidjter  fann  ifni  in  beiben  fallen  nidjt 
redjt  nuijen.  Dfyne  SSerftellung  fällt  ber  ßljarafter  meg,  bei 
ber  üBerfteffung  bie  üöürbe  beSfelben. 

3Jlit  ber  (Sftfabetr)  Ijat  er  in  biefen  getjler  nid)t  fallen 
fönnen.  2)iefe  grau  bleibt  fid)  in  ber  ©efdjidjte  immer  fo 
oollfommen  gleid),  als  eS  menige  3Jiänner  bleiben.  Qljre 
3ärtlid)feit  felbft,  it)re  Ijetmlid&e  Siebe  gu  bem  ©fjeg,  l)at  er 
mit  vieler  Sinftänbigfeit  berjanbelt;  fie  ift  aud)  bei  il)m  ge= 
miffermaßen  noct)  ein  ©eljeimniS.  ©eine  ßlifabetl)  flagt  nidjt, 
mie  bie  ©lifabetl)  beS  (Eorneille,  über  ßälte  unb  Skradjtung, 
über  ©lut  unb  ©djidfal;  fie  fpricfjt  oon  feinem  ©ifte,  baS 
fie  oergeljre;  fie  jammert  nidt)t,  baß  iljr  ber  Unbanfbare  eine 
©uffolf  norgielje,  nadjbem  fie  iljm  bodj  bentlid)  genug  gu  oer= 
fteljen  gegeben,  baß  er  um  fie  allein  feufgen  fotle,  u.  f.  m. 
^eine  non  biefen  Slrmfeligfeiten  fömmt  über  iljre  Sippen,  ©ie 
fpridjt  nie  als  eine  Verliebte;  aber  fie  rjanbelt  fo.  Wlan  Ijört 
es  nie,  aber  man  fierjt  eS,  mie  teuer  iljr  (Sffej  eljebem  ge= 
mefen  unb  nodj  ift.  ©inige  gunfen  @iferfudjt  verraten  fie; 
fonft  mürbe  man  fie  fcfjledjterbingS  für  ntdjts  als  für  feine 
greunbin  galten  fönnen. 

Wxt  melier  $unft  aber  SBanfS  iljre  ©efinnungen  gegen 
ben  ©rafen  in  Slltion  51t  fe|en  gemußt,  baS  fönnen  folgenbe 
©genen  beS  brüten  2lufgugeS  geigen.  —  £>ie  Königin  glaubt 


Nor  Alexander  seif,  were  he  alive, 
Should  boast  of  such  a  deed  on  Essex  done 
Without  revenge".  —  —    — 
[S3ei  aü.  ber  Spitjfinbtgfeit  unb  bei  bem  älkib  in  (Surem  ©cfif)tcd)tc  fdjlubvc  id): 
märt  3f)r  ein  Wann  nennen,   Sfyr  tyättet  nidjt,   nein,  @uer  fütynev  93ater  ,§einrid) 
Ijätte  bie§  uid)t  ttyuu  büvfen.  —  SDarum  nenn'  irf)  ifin?    9M)t  ade  Speinridje,  aud) 
jelbft  nierjt  '•Kleranbcv ,  n>cnu  et  um  Seien  toäre,   foflten  mit  einer  jotdjen  an  ©ffer. 
beganflenen  Sljat  otjnc  Starfje  pxatytn  biirfen.    gimtnetmonn.] 


<2ief>emmbfunf;iqfteo  StücF.  27 

fidj  allein  uub  überlegt  beti  ungtüdlidjen  Sw^  i()vco  BtanbeS, 

ber  ibr  nid)t  erlaube,  nad)  ber  roaFjren  Steigung  iljreg  fteqeno 
ut  banbeln.  Qnbem  nrirb  fie  bie  9^ottingt)ant  geroafo  bie  i()v 
iiad^gelomtnen.  — 

3)te  Monigtn.  3)u  hier,  SRotting^am?  3>d)  glaubte, 
itf)  fei  allein. 

9totttngIjatn.  SSer^ei^e,  Äbttigtn,  bafs  id)  fo  tul)u  bin! 
Unb  bod)  befiehlt  mir  meine  $flid)t,  nod)  fuljner  ju  fein.  — 
Did)  befümmert  etwas.  3$  mx[b  fragen,  —  aber  erft  auf 
meinen  iinieen  bidj  um  SSerjjei^ung  bitten,  bafe  idj  e§  frage  — 
2öas  iffe,  baö  bid)  befümmert?  9Ba§  ift-  e§,  ba§  biefe  er-- 
fjabene  Seele  fo  tief  rjerabbeuget?  —  Ober  ift  bir  nidr)t  iuol)l? 

2)ie  Königin,  Stelj  auf;  idj  bitte  bidt).  —  W\x  ift 
gan$  roof)I.  —  34)  banfe  bir  für  beine  Siebe.  —  9htr  uu= 
rul)ig,  ein  wenig  unruhig  bin  id),  —  meinet  3Solfes  wegen. 
34  fabe  lange  regiert,  unb  tdj  fürdjte,  i()m  nur  31t  lange. 
@3  fangt  an,  metner  überbrüfftg  311  werben.  —  -fteue  fronen 
finb  wie  neue  ^ränje;  bie  friferjeften  fiub  bie  lieblidjften. 
'Weine  «Sonne  neiget  ftd);  fie  Ijat  in  irjrem  Mittage  ju  fefjr 
gemärmet;  man  füllet  fidfj  311  fjeij};  man  wünfdjt,  fie  märe 
fdjon  untergegangen.  —  ©rgäfjle  mir  bod),  wa§  fagt  man  oon 
ber  Ueberfunft  be§  Gffer?  ^ 

;ftottingrjam.  —  $on  feiner  Ueberfunft  —  fagt  man  — 
nidjt  ba§  33efte.  Slber  oon  il)m  —  er  ift  für  einen  fo  tapfern 
3ftanti  befannt  — 

3)ie  Königin.  2Sie?  tapfer?  ba  er  mirfobienet?  — 
SDer  Verräter! 

9i ottin  gl) am.     ©emtjj,  e§  mar  nic^t  gut  — 

©ie  Königin.    «ftidjt  gut!  ntd;t  gut?  —  Sßetter  nid)tö? 

dl  0 1 1  i  n  g  F)  a  m.   @3  mar  eine  nerwegene,  freoelljafte  %E>at. 

SDte  Königin.  9?id)t  mdfyx,  üRottingijam?  —  -Deeinen 
SBefeljl  fo  gering  31t  fdjätjen!  @r  Ijätte  ben  ^ob  bafür  öer= 
bient.  -  -  2Beit  geringere  Skrbreajen  Ijaben  bunbert  roeit  ge; 
liebtern  Sieblingen  ben  $opf  gefoftet.  — 

Göttin  gl)  am.  3a  mofy.  —  Unb  bodj  follte  ©ffex.  bei 
f 0  Diel  größerer  Sd)ulb  mit  geringerer  Strafe  baoonfommen  V 
(i'r  follte  nicf)t  fterben9 

2)ie  Königin.  @rfoft!  —  ©r  fott  fterben,  unb  in  ben 
empftnblidjften  Martern  foll  er  fterben !  —  Seine  $ein  fei, 
wie  feine  Verrätern,  bie  größte  oon  allen!  —  Unb  bann 
mill  id)  feinen  ilopf  unb  feine  ©lieber  nid)t  unter  ben  finftern 
^fjoren,  nidjt  auf  ben  niebrigen  Brüden,   auf  ben  Fjö'djften 


28  vvimtutrgiftfie  SDrajnaiutßie. 

Rinnen  ir>tlt  \d)  fie  aufgeftedt  miffen,  bamit  jeher,  ber  worüber^ 
gel)t,  fie  erblide  unb  auerufe:  Stelje  ba  beu  ftolgen  unbanf= 
baren  ©fjerj  liefen  (Sffeg,  melier  ber  ©ered)tigfeit  feiner 
Königin  trotte!  —  SÖof)t  getrau!  9lidjt  mejr,  als  er  oer= 
biente!  —  2Sas  fagft  bu,  Stottingljam?  SKeinft  bu  nidjt 
audj?  —  2)u  fdnnetgft?  Sßarum  fdjweigft  bu?  slöillft  bu 
it)n  nod)  oertreten? 

Göttin  gl)  am.  Sßeil  bu  es  benn  befieljtft,  Königin,  fo 
will  id>  bir  alles  fagen,  was  bie  2öe(t  oon  biefem  ftolgen, 
unbaufbaren  3Dtxanne  fpridjt.  — 

3)ie  Königin.  %fyu  bas!  —  Safe  E)ören:  roa§  fagt 
bie  3öelt  r>on  il)m  unb  mir? 

■ftottingljam.  SSon  bir,  Königin?  —  3Ber  tft  es,  ber 
üou  bir  nid)t  mit  (Entlüden  unb  s5ewunberung  fpräcfje?  SDer 
■iftadjrufjm  eines  uerftorbenen  ^eiligen  tft  nid)t  lauterer  als  bein 
Sob,  uon  bem  aller  3un9en  ertönen,  tflux  biefes  einige 
wünfdjet  man,  unb  wünfdjet  es  mit  ben  Ijetfeeften  ^ijränen,  bie 
aus  ber  reinften  Siebe  gegen  bid)  entspringen,  —  biejeS 
einzige,  baß  bu  gerufen  mödjteft,  tfyren  23efd)  werben  gegen 
biefen  @ffej  abhelfen,  einen  folgen  Verräter  nidjt  länger 
311  fdjti^en,  il)n  nidjt  länger  ber  ©eredjtigfeit  unb  ber  ©djanbe 
üorgttentljalten,  tr)n  enblidj  ber  Sftadje  §u  überliefern  — 

3)ie  Königin.     2Öer  Ijat  mir  worauf  ^reiben? 

■iftotttngfjam.  £)ir  oor^ufdjreiben !  —  Sdjreibt  man 
bem  §immel  oor,  wenn  man  iljn  in  tiefefter  Unterwerfung  an= 
flehet?  —  Unb  fo  fleljet  bid)  alles  roiber  ben  3Jtann  an,  befielt 
©emütsart  fo  fcfyledjt,  fo  boshaft  tft,  baf$  er  es  aud)  ittdr)t  ber 
•JJlüfje  wert  adjtet,  ben  §eud)ler  31t  fpielen.  —  2ßie  ftolj! 
wie  aufgeblafen!  Unb  wie  unartig,  pöbelhaft  ftolj!  uid)t 
anbers  als  ein  elenber  Safai  auf  feinen  bunten  uerbrämten 
9tod!  —  3)ajj  er  tapfer  ift,  räumt  man  iljm  ein;  aber  fo, 
wie  es  ber  2öoIf  ober  ber  33är  ift,  blinb  $u,  olmejpian  unb 
üßorfidjt.  £>ie  wafyre  ^apferleit,  meldte  eine  eble  ©eele  über 
©lud  unb  Unglüd  ergebt,  ift  fern  uon  i()m.  £)ie  geringfte 
SBeteibigüng  bringt  ilm  auf;  er  tobt  unb  rafet  über  ein  9?id)ts; 
alles  foll  fidj  nor  iljm  fdjmiegen;  überall  will  er  allein  glänzen, 
allein  Ijeroorragen.  Sucifer  felbft,  ber  ben  erften  ©amen  bes 
Safters  in  bem  §immel  ausftreuete,  mar  nidjt  ehrgeiziger  unb 
Ijerrfdjfüdjtiger  als  er.  Slber  fo,  wie  biefer  aus  bem  §immel 
ftürgte 

35  ie  Königin,  ©emad),  ^ottingfjam,  gemad)!  —  2)u 
eiferft  bid)  ja  gan^  aus  bem  5ltem.  —  3$  ro^  nidjts  mein; 


©ie&enunbfimfäigfteä  ©tücf.  29 

Ijövcn  —  (beiseite)  ©ift  unb  93tattcvn  auf  if»ve  3lin9e  •  —  ®e; 

njifj,  üftottingljam,  bu  folltejt  btcf;  fdjämen,  fo  etmaö  auc()  nur 
nac^ufagen,  bergleidjen  Ütieberträd;tigfeiten  bes  boshafte« 
Hobels  3u  nüeberljolen.  Unb  eS  ift  nidjt  einmal  umljr,  bafj 
bei*  ^öbel  baö  fagt.  ©t  fcenft  es  aud)  nid)t.  316er  il)i\  il;r 
nuinfd)t,  bafe  er  e3  jagen  modjte. 

Üi  ottin  gl)  am.     vx\d)  erftaune,  Königin  — 

S)ie  Königin.     2Borü6et? 

Oi  ottin  gl)  am.     S)u  geboteft  mir  felbft,  ju  reben  — 

2)ie  Königin.  3a/  tl3enn  w&  eö  nM)*  betnerft  fjatte, 
iüie  geroünfdjt  bir  biefeS  ©ebot  fatn !  mie  oorbereitet  bn  barauf 
roareft!  Stuf  einmal  glülrte  bein  ©eftdjt,  flammte  bein  2tuge ; 
bas  r>oHe  §erg  freute  fid),  über$ufliefjen,  unb  jebeö  SBort, 
jebe  ©ebärbe  batte  feinen  längft  abgebettelt  $feü,  beren  jeber 
mid)  mit  trifft. 

■Jtottingfjam.  üBerjeilje,  Königin,  menn  id;  in  bem 
Sluoornd'e  meine  2d)itlbigfeit  gefeljlet  f;abe!  §d)  mirjj  ibn 
nad)  beinern  ab. 

3)ie  Königin.  9iac§  meinem?  —  JJdj  bin  feine  Königin. 
Diir  ftefyt  e3  frei,  bem  2)inge,  ba§  id)  gefdmffen  fjabe,  mit-- 
mfpielen,  mie  id)  roill.  —  situd;  fjat  er  fid;  ber  gräfUictjften 
U$erbred;en  gegen  meine  $erfon  fd;ulbig  gemadjt.  W\d)  t)at 
er  beteiliget,  aber  nid;t  bid;.  —  SBomit  tonnte  biet)  ber  arme 
•Jftann  beteiliget  f;aben?  SDu  l;aft  feine  ©efetje,  bie  er  über= 
treten,  feine  Untertanen,  bie  er  bebrüd'en,  feine  förone,  nad) 
ber  er  ftreben  fönnte.  2ßa§  finbeft  bu  benu  alfo  für  ein 
graufameö  Vergnügen,  einen  ßlenben,  ber  ertrinfen  tr>ilT, 
lieber  nod)  auf  ben  $opf  gu  fcf;tagen,  als>  ir)m  bie  £>anb  §u 
reid;en  ? 

Göttin  gl)  am.     3$  bin  31t  tabeln  — 

2)ie  Königin,  ©enug  baoon!  —  ©eine  Königin,  bie 
2Belt,  bas  <Sd;idfat  felbft  erflärt  fid;  roiber  biefen  -Diann,  unb 
bod)  fd;einet  er  bir  fein  2Ritleib,  feine  ©ntfdjulbigung  31t  mx- 
bienen?  — 

Sßottingljam.     Qd;  befenne  es\  Königin,  — 

3Me  Königin,  ©et;,  es  fei  bir  oergeben!  —  sJhife 
mir  gteid;  bie  9htt(anb  t;er!  — 


oO  §mn&urgifd)e  Dramaturgie. 

3tdjtunl>funfH3)U$  ^tiirlu 

2>en  20.  Tonern  bei  1767. 

§Kotttng$am  geljt,  unb  balb  barauf  erfd&einct  -Hutlanb. 
93ian  erinnere  ftd),  baf$  sJUttlanb  oljne  2£iffen  ber  Königin  mit 
bem  Gsfler.  t»ermä|lt  ift. 

SDie  Königin,  ^ömmft  bu,  liebe  9xutlanb?  gd)  fjabe 
nad)  bir  gefdjidt.  —  2öie  iffs?  Qd)  ftnbe  bid)  feit  einiger 
^eit  fo  traurig.  2ßo^er  biefe  trübe  SBolfe,  bie  bein  fyolbeS 
äuge  um^iefytV  ©ei  munter,  liebe  9iutlanb !  id)  will  bir  einen 
voadexn  wlamx  fudjen. 

Shttlanb.  ©rofjmütige  grau!  —  3$  nerbiene  eS  nid)t, 
bafe  meine  Königin  fo  gnäbig  auf  mid)  l)erabftel)et. 

2) ie  Königin.  Sie  fannft  bu  fo  reben?  —  Qd)  liebe 
bid);  ja  mol)l  liebe  id;  bid).  —  £)u  follft  e§  barauS  fdjon  fernen! 
—  (£ben  rjabe  id)  mit  ber  9?ottingfyam,  ber  miberroärtigeu !  — 
einen  Streit  gehabt,  unb  gmar  —  über  9Jft)lorb  ©ffej. 

Entlaub.    §a! 

£)ie  Königin.  ©ie  l)at  mid)  red^t  fel)r  geärgert.  Qdj 
fonnte  fie  nid)t  länger  oor  klugen  feigen. 

Shttlanb  (Mfeite).  3Ste  faljre  iclj  bei  biefem  tettem 
tarnen  ^ufammen!  9ttein  ©eftdjt  wirb  mid)  oerraten.  3df) 
)üt)V  eS,  id)  werbe  blafe  —  unb  mieber  rot.  — 

SD ie  Königin.   SÖaS  id)  bir  fage,  madjt  bid)  erröten?  — 

^utlanb.  £)ein  fo  überrafcrjenbeS,  gütiges  Vertrauen, 
Königin,  — 

SDte  Königin.  Qdf)  weifj,  bafc  bu  mein  Vertrauen  oer= 
bieneft.  —  $omm,  9tutlanb,  id)  miß  bir  alles  fagen.  £)u  foHft 
mir  raten.  —  Olpe  Zweifel,  liebe  ^utlanb,  wirft  bu  es  audj 
gehört  Ijaben,  wie  fe|r  baS  SSolf  wiber  ben  armen,  unglüd^ 
iidjen  9J£ann  fdjreiet,  xva$  für  $erbred)en  e§  ifym  §ur  Saft  leget. 
silbcr  baS  ©d)timmfte  weifct  bu  oielleidjt  nod)  nicfjt?  @r  ift 
fjeute  auS  Qrlanb  angefommen,  wiber  meinen  auäbrüdlid^en 
Sefefyl,  unb  rjat  bie  bortigen  Slngelegenrjeiten  in  ber  größten 
Verwirrung  gelaffeu. 

Sftutlanb.  £)arf  id)  bir,  Königin,  wofyl  fagen,  rva$  id) 
benfe?  —  SDaS  ©efdjrei  beS  Sßolfeö  ift  nid)t  immer  bie  Stimme 
ber  2Bal)rl)eit.    ©ein  §afe  ift  öfters  fo  ungegrünbet  — 

2)ie  Königin.  3)u  fpridjjft  bie  wahren  ©ebanfen  meiner 
©eele.  —  2lber,  liebe  9iutlanb,  er  ift  bem  ol)ngead)tet  gu 
tabeln.  —  tomm  §er,  meine  Siebe;  lafj  mid)  an  beinen 
SBufcn  midfj  lehnen.  —  0  gewift,  man  legt  mir  e§  gu  ualje! 


S^tunbfunfoiafteä  Stiicf.  31 

9Reiu,  fo  will  icb  mid)  nidjt  unter  ihr  y\od)  bringen  (äffen. 
Sie  nergeffen,  bafc  id)  tfjre  Königin  bin.  -—  sJli),  ßteBe,  [o 
ein  greunb  fjat  mir  tthtgft  gefehlt,  gegen  ben  id)  fo  meinen 
Mnnunev  auojd)ütten  fann!  — 

Wutlanb.  Siebe  meine  ^bvänen,  Königin  oid)  fo 
[eiben  &u  felien,  bic  id)  fo  berounbere!  D,  bafj  mein  guter 
(S'ngel  (Gebauten  in  meine  Seele  nnb  SÖSorte  auf  nieine  3ullÖe 
legen  wollte,  ben  Sturm  in  beiner  SBruft  311  befcfnuören  nnb 
93alfam  in  beute  ÜHhtnben  ju  gießen ! 

£ie  Königin.  D,  fo  märeft  bu  mein  guter  (rugel! 
mitleibige,  befte  SRutlanb!  —  Sage,  ift  es  uidjt  fdjabe,  ran 
fo  ein  brauer  9Jtorot  ein  SSerräter  fein  fott?  ba|  fo  ein  @elb, 
oev  rote  ein  ©ott  nereljret  warb,  fid)  fo  emiebrigen  fann,  mid) 
um  einen  f (einen  %t)xon  bringen  31t  motten? 

■Hutlanb.  2>a3  fjätte  er  gewollt?  bao  tonnte  er  wollen? 
■Kein,  Königin,  gewifc  mdjt,  gewifj  nid)t !  SBBie  oft  fjabe  id) 
ir)n  oon  bir  fpred)en  Ijören!  mit  meiner  Ergebenheit,  mit 
meiner  Söewunberung,  mit  meiern  Entlüden  Ijabe  id)  i()n 
oon  bir  fpredjen  I)ören! 

£)  i e  & ö nig in.  §aft  bu  tt)n  mirftid)  oon  mir  fpredjen  rjören  V 

Entlaub.  Hub  immer  als  einen  Segetfterten,  aus  bem 
nid)t  falte  Ueberlegung,  au§  bem  ein  inneres  ©efüljl  ipridjt, 
beffen  er  nicr)t  mächtig  ift.  Sie  tft,  fagte  er,  bie  (Göttin  Ujres 
©efd)led)t3,  fo  roeit  über  alle  anbere  grauen  ergaben,  bafe  baS, 
was  mir  in  biefen  am  meiften  bewunbern,  Sd)önljeit  unb  Steig, 
in  il)r  nur  bie  Statten  ftnb,  ein  größeres»  £idjt  bagegen  ab- 
gufe^en.  5e^e  weiblidje  SSoflfommenfjeit  oerliert  ftdj  in  iljr, 
roie  ber  fcr)ruad^e  Sdjimmer  eines  Sternes  in  bem  alles  über- 
ftrömenben  ©lan^e  beS  Sonnenlichts.  sJ}idjtS  überfteigt  il)re 
©üte;  bie  §ulb  felbft  bet)errfcr)et  in  irjrer  ^erfon  biefcglücf* 
ttdje  3nfel;  ibjre  ©efe|e  ftnb  aus  bem  eraigen  ©efe^budje  beS 
.§immelS  gebogen  unb  werben  bort  oon  Engeln  wieber  auf- 
ge^eid)net.  —  D,  unterbrad)  er  fid)  bann  mit  einem  Seufzer, 
ber  fein  ganges  getreues  §erg  ausbrüdte,  0,  bafe  fte  uid)t  un= 
fterblid)  fein  fann!  Qd)  wünfd)e  il)n  nidjt  311  erleben,  ben 
fdjredtid)en  Slugeublid,  wenn  bie  ©ottljeit  biefen  2lbglanj  oon 
fid)  jurüdruft  unb  mit  eins  fid)  -JJadjt  unb  Verwirrung  über 
Britannien  oerbreiten. 

3)ie  Königin.     Sagte  er  baS,  Entlaub? 

Entlaub.  3)aS,  unb  weit  mef)r.  Smmer  fo  neu  alo 
waf)r  in  beinern  Sobe,  beffen  unoerfiegene  Üuetle  oon  ben 
lautcrften  ©eftnnungcit  gegen  bid)  übcrftrömte  — 


32  .^am&urgifrfje  ^Dramaturgie. 

SDte  Königin.    D,  SRutfcmb,  wie  gern  glaube  id)  beut 

geugniffe,  ba3  bu  ifjm  gibft! 

Stutlanb.  Unb  fatinft  if>n  nod)  für  einen  Verräter  galten V 
Sie  Königin.    -iftein;  —  aber  bod)  t)at  er  bie  ©efetje 

übertreten.  —  3q)  mufc  m^)  Krumen,  i()n  länger  3U  fd)ü£en. 

—  gd)  barf  e£  nidjt  einmal  wagen,  ir)n  §u  feljen. 

Shttlaub.   $l)u  nidjt  311  fetjen,  Königin?  uidjt  311  feljen? 

—  53ei  bem  SJiitleib,  bag  feinen  Syrern  in  beiner  Seele  auf; 
gefd)lagen,  befdjwöre  id)  bid),  —  bu  muf3t  i(m  feijen!  Sdjämen? 
mefjen?  bafe  bu  mit  einem  Unglüdlidjen  (Erbarmen  Ijaft?  — 
©Ott  Jjat  Erbarmen;  unb  (Erbarmen  follte  Könige  fd)impfen? 

—  9Rein,  Königin ;  fei  aud)  l)ier  bir  felbft  gleid).  3a,  bu  wirft 
es;  bu  wirft  iljn  feljen,  wenigfteng  einmal  fefjen  — 

£)ie  Königin.  Qljn,  ber  meinen  ausbrüdlidjen  23efel)l 
fo  geringfd)ät$en  fönnen?  $fy\,  ber  fid)  fo  eigenmädjtig  oor 
meine  Singen  orangen  barf?  SBarum  blieb  er  nid)t,  wo  id) 
il)iu  31t  blei6en  befahl? 

^ftutlanb.  9iledwe  iljm  biefeS  gu  feinem  SSerbredjen! 
©ib  bie  Sdmlb  ber  ©ejaljr,  in  ber  er  fid;  far)e.  @r  l)örte, 
wa§  £)ier  vorging,  wie  feljr  mau  ilju  §u  uerfletnern,  tt)n  bir 
oerbäditig  $u  madjen  fudje.  ßr  tarn  alfo,  gwar  ol)ne  ©r= 
laubnig,  aber  in  ber  beften  2lbfid)t ;  in  ber  2lbfid)t,  fid)  31t  red)t= 
fertigen  unb  btcf)  nidjt  Ijintergeljen  31t  laffen. 

2)ie  Königin.  @ut;  fo  will  id)  il)n  benn  fel)en,  unb 
will  ifyn  gleid)  feljen.  —  D  meine  Ütutlanb,  wie  feljr  wünfdje 
id)  e§,  iljn  nod)  immer  eben  fo  red)tfd)affeu  3U  ftnben,  als  tapfer 
id)  il)n  lernte! 

Ütutlanb.  D,  näljre  biefe  günftige  ©ebanfen!  2)eine 
I  öniglidje  Seele  lann  leine  gerechtere  liegen.  —  91ed)tfd)affen ! 
80  wirft  bu  il)n  gewife  finben.  34)  sollte  für  il)n  fd)wören, 
bei  aller  beiner  §errlid)teit  für  iljn  fdpören,  baf$  er  e§  nie 
aufgel)öret  3U  fein.  Seine  Seele  ift  reiner  al3  bie  Sonne,  bie 
Rieden  fyat  unb  irbifdje  fünfte  an  fid)  3iel)et  unb  ©efdjmeif} 
ausbrütet.  —  £)u  fagft,  er  ift  tapfer;  unb  wer  fagt  e3  nia)t? 
Slber  ein  tapferer  Wlarrn  ift  leiner  ^ieberträdjtigleit  fäf)ig. 
SBebenfe,  wie  er  bie  Gebellen  ge3üd)ttget,  wie  furchtbar  er  bid) 
bem  Spanier  gemadjt,  ber  oergebenö  bie  Sdjäije  feiner  Snbieu 
wiber  bid)  oerfd)wenbete.  Sein  Dtame  flolj  uor  beinen  glotten 
unb  Söllern  oorfyer,  unb  el)e  biefe  nod)  eintrafen,  l)atte  Öfters 
fd)on  fein  9kme  gefiegt. 

SDie  Königin  (imfeite).  2Bie  berebt  fie  ift!  —  §a! 
biefeö  geuer,  biefe  Snnigleit,  —  ba§  blofee  Sücitletb  gel>et  fo 


Srd&ttmbfuitfsigfteä  3tütf.  33 

weit  nidjt.  —  3d)  mill  e§  gleid)  IjÖren!  —  (3u  ü>r.)  Unb  bann, 
SRutlanb,  feine  ©cftalt  — 

:)(utlanb.  föedjt,  Äöntgin:  feine  ©eftalt.  —  sJ?ie  bat 
eine  ©eftalt  ben  innevn  ^ollfommenbciten  mefjr  entfprocf)en ! 
—  33efenn'  e£,  bn,  bie  bu  fetbft  fo  fdjön  btft,  baf^  man  nie 
einen  fdumern  9Rann  gefeljen!  So  roürbic^,  fo  ebel,  fo  fübn 
nnb  gebieterifd)  bie  Silbung!  3ebe§  ©lieb,  in  melcrjer  #ar= 
inonie  mit  bem  anbern!  Unb  bod)  baS  ©ange  oon  einem  fo 
fanften,  lieblichen  ilmriffe!  3)a§  mafyre  9ftobell  ber  9?atur, 
einen  oollfommenen  9ftann  gu  bilben!  $aS  feltene  -JJhifter 
ber  $unft,  bie  au§  Ijunbert  ©egenftänben  gufammenfudjen 
muf$,  mag  fie  f)ier  bei  einanber  finbet! 

2)ie  Königin  (detfette).  Qcf)  bacfjf  e§!  —  £)a3  ift  nict)t 
länger  aushalten.  —  (3ui$r.)  2öie  ift  bir,  Sftutlanb?  $u 
gerätft  aufjer  bir.  (Sin  2Sort,  ein  33ilb  überjagt  bas>  anbere. 
3Ba§  fpielt  fo  ben  ÜReifter  über  bidj?  3ft  e§  bloß  beine 
Königin,  ift  eS  ßffer  fetbft,  mag  biefe  raabre  ober  biefe  er= 
grcungene  Seibenfdjaft  roirfet?  —  (SBetfeite.)  (Sie  fdjmeigt;  — 
gang  geroifj,  fie  liebt  tfm.  —  2öa3  f)abe  id)  getrjan?  SBeldjen 
neuen  Sturm  fyahe  id)  in  meinem  s23ufen  erregt?  u.  f.  m. 

§ier  erfdjeinen  Surleigrj  unb  ^ftottingljam  mieber,  ber 
Königin  gu  fagen,  bafe  @ffer  irjren  33efel)l  ermarte.  @r  fotl 
r>or  fie  fommen.  „SRuttanb,"  fagt  bie  Königin,  „mir  fpredjen 
einanber  fd)on  meiter;  gel)  nur!  —  sJ£ottingl)am,  tritt  bu 
näfjer!"  tiefer  $ug  *>er  ßiferfudjt  ift  o  ortreff  Itd).  ßffer, 
fömmt;  unb  nun  erfolgt  bie  Sgene  mit  ber  Ohrfeige.  3d) 
roüfjte  nid)t,  roie  fie  oerftänbiger  unb  gtüdlidjer  oorbereitet 
fein  fönnte.  ©fjeg  anfangs  fdjeinet  fid)  nöttig  unterwerfen  gu 
motten;  aber  ba  fie  iljm  befieljlt,  ftdt)  gu  rechtfertigen,  mirb 
er  nad)  unb  nad)  ijifcig ;  er  praljlt,  er  poct)t,  er  trotzt.  <35Ieicr)= 
rool)t  Ijätte  alles  ba§  bie  Königin  fo  roeit  niebt  aufbringen 
fönnen,  roenn  ibr  £>erg  nicr)t  fd)on  burd)  (Siferfudjt  erbittert 
gemefen  märe.  @§  ift  eigentlich  bie  eiferfüdjtige  Siebljaberin, 
roeldje  fd)lägt  unb  bie  fid)  nur  ber  §anb  ber  Königin  he- 
bienet.     (Siferfucbt  überhaupt  fd)lägt  gem.  — 

Qd)  meineSteilS  mödjte  biefe  (Ebenen  lieber  aucr)  nur  ge^ 
badjt,  al§  ben  gangen  ©ffer,  be§  Corneille  gemacht  Ijaben.  (Sie 
finb  fo  djarafteriftifd) ,  fo  noller  Seben  unb  Sßaljrljeit,  baf$ 
baS  SsBefte  beS  grangofen  eine  fer)r  armfelige  gigur  bagegen 
mad)t. 


Sefiiiifl,   aBerte.    XII. 


34  £amburgifdje  Dramaturgie. 

$Uumiitöfunf;ui|fr£  gtütk. 

2)en  24.  9?oöember  1767. 

9htr  ben  Stil  be3  33anfg  muf$  man  au3  meiner  Ueber= 
fetjung  ntdjt  beurteilen.  $on  feinem  2Ut3brude  §abe  idj 
gän^lid)  abgeben  mtifjen.  @r  ift  gugleid;  fo  gemein  unb  fo 
f oftbar,  fo  friedjenb  unb  fo  Ijodjtrabenb,  unb  ba3  nid)t  oon 
^perfon  31t  $erfon,  fonbern  ganj  burcf)au3,  bafj  er  gum  dufter 
biefer  ätrt  oon  $ftif$l)elligfeit  bienen  lann.  $d)  l)abe  mid) 
gmifdjen  beibe  flippen  fo  gut  al3  möglich  burct)3ufd^Ieicr)en 
gefudjt;  babei  aber  bod;  an  ber  einen  lieber,  als>  an  ber  am 
bem  fc^eitern  roollen. 

3^  fyabe  mid;  meljr  oor  bem  <5cj)n)ülftigen  gehütet  al3 
oor  bem  platten.  2)ie  mefyreften  Ratten  üielleid)t  gerabe 
ba§  (Gegenteil  getrau;  benn  fdjmülftig  unb  tragifd)  galten 
niele  fo  giemlid)  für  einerlei.  9tid)t  nur  tnele  ber  £efer, 
audj  oiele  ber  2)id)ter  felbft.  Qljre  Reiben  foßten  mie  anbere 
•üftenfcrjen  fpredjen?  2Ba§  mären  baä  für  gelben?  Am- 
pullse  et  sesquipedalia  verba,  (Sentenzen  unb  Olafen  unb 
ellenlange  SBorte:  baö  madfjt  ilmen  ben  magren  £on  ber 
^ragöbie. 

„2Bir  l)aben  e§  an  nict)tä  fehlen  laffen,"  fagt  SDiberot*) 
(man  merfe,  ba$  er  oorneljmlid)  oon  feinen  &mb§leuten 
fprid)t),  „ba3  £)rama  au3  bem  ©runbe  gu  oerberben.  2öir 
Ijaben  oon  'Den  eilten  bie  nolle  prädjtige  SBerfififation  bei- 
behalten,  bie  fid)  boct)  nur  für  Sprayen  oon  feljr  abgemeffenen 
Quantitäten  unb  feljr  merflidjen  Slccenten,  nur  für  weitläufige 
33ül)nen;  nur  für  eine  in  3^oten  gefegte  unb  mit  Sfiftrumenten 
begleitete  2)eflamation  fo  moljl  fdjidt;  iljre  ©infalt  aber  in 
ber  $enoidelung  unb  bem  ©efpräcfye  unb  bie  2öa§r^eit  iljrer 
©emälbe  Ijaben  mir  fahren  laffen." 

©tberot  fyätte  nod)  einen  ©runb  Ijinäufügen  fönnen, 
marum  mir  un§  ben  3(u3brucf  ber  alten  ^ragöbien  nid)t 
burdjgängig  311m  dufter  nehmen  bürfen.  2llle  ^ßerfonen 
fpred)en  unb  unterhalten  fidf)  ba  auf  einem  freien,  öffentlichen 
$la£e,  in  ©egentnart  einer  neugierigen  -Jftenge  $olfs>.  ©ie 
muffen  alfo  faft  immer  mit  $urüdl)altung  imD  D^üdficfyt  auf 
iFire  Söürbe  fpredjen;  fie  lönnen  fid)  i^rer  ©ebanfen  unb 
©mpfinbungen  nid)t  in  ben  erften,  ben  beften  2ßorten  ent= 
laben ;  fie  muffen  fie  abmeffen  unb  mäljlen.    2tber  mir  feuern, 


*)  Qwtiit  Untervebutiß  l;inter  bem  natürlichen  ©ob,ne.    6.  b.  UeOerf.  247. 


SfceummbfimfoigfteS  Stütf.  35 

bie  mir  ben  (Sljor  abgefdjafft,  bie  mir  unfere  ^erfonen  größten 
teils  5«)tfd;en  ijjren  Dter  SEBSnben  laffen:  mas  tonnen  mir  für 
Urfadje  l)aben,  fie  Dem  olmgeadjtet  immer  eine  fo  gegiemenbe, 
fo  ausgejudjte,  fo  rfyetorifdje  Spradje  führen  ju  (afjen?  Sie 
l)ört  niemanb,  aU  bem  fie  eS  erlauben  loollcn,  fie  51t  Ijören; 
mit  iljnen  fpridjt  niemanb  als  Seute,  meldje  in  bie  §anbhmg 
nurtUcf)  mit  uermidelt,  bie  alfo  jelbft  im  2Iffefte  finb  unb 
meber  Suft  uod)  TOufee  Ijaben,  2tobrütfe  5U  lontrollieren. 
2)as  mar  nur  oon  bem  (Efmre  5U  beforgen,  ber,  fo  genau  er 
aud)  in  bas  8türf  eingeflodjten  mar-,  bennod)  niemals  mit 
Rubelte  unb  ftetS  bie  fyanbelnben  ^erfonen  mefjr  richtete, 
als  an  iljrem  <3dr)i(ffale  mirflidjen  Anteil  nafjm.  Ümfonft  bz- 
ruft  man  fid)  besfallS  auf  ben  (jöfjera  9tang  ber  sJkrfoneu. 
SSorneljme  Seute  Ijaben  fidf>  beffer  ausbrütfeu  gelernt  als 
ber  gemeine  93?ann;  aber  fie  affeftieren  nidjt  unaufl)örlid), 
fid)  beffer  aus^ubrüden  als  er.  s2lm  menigften  in  ßeiben= 
fdjaften,  bereu  jeber  feine  eigene  SBerebfamfeit  Ijat,  mit  ber 
altein  bie  s3catur  begeiftert,  bie  in  feiner  Sdjule  gelernt  mirb 
unb  auf  bie  fid;  ber  Unerjogenfte  fo  gut  oerfteljet  als  ber 
^oliertefte. 

Sei  einer  gefugten,  foftbaren,  fdjmütftigen  Sprache  lann 
niemals  (i'mpfinbung  fein.  Sie  geigt  oon  feiner  Gmpfmbuug 
unb  fann  feine  tjeroorbriugen.  2(ber  rool)I  oerträgt  fie  fid) 
mit  ben  fimpelften,  gemeinften,  platteten  ©orten  unb 
Lebensarten. 

2Sie  id)  Sßanfs'  ©tifabett)  fpredjen  laffe,  roeifj  id)  moljl, 
t)at  nod)  feine  Königin  auf  bem  fran^öfifd;en  Sljeater  ge= 
f proben.  2)en  niebrigen  oertrautidjen  Son,  in  bem  fie  fid; 
mit  ifjren  §raueu  unterhält,  mürbe  man  in  $ariS  faum 
einer  guten  ablidjen  Sanbfrau  angemeffen  finben.  „Qft  bir 
nid)t  mot)t?  —  äftir  ift  gauj  mofjl.  Stel)  auf,  id)  bitte 
bid).  —  -iftur  unrufjig,  ein  menig  unruhig  bin  id).  —  @r= 
3Öt)le  mir  bod).  —  "Jlidjt  matjr,  9cottingf)am?  %$u  basM 
£afj  tjören!  —  ©emad),  gemad)!  —  &u  eiferft  bid)  au§  bem 
Sltem.  —  ©ift  unb  flattern  auf  ifjre  3lm9e-  9Jcir  ftel)t  e3 
frei,  bem  £)inge,  bas"  id)  gefdjaffen  fyabe,  mitjufpielen,  raie 
id)  null.  —  Sluf  ben  Slopf  fd)lagen.  —  2Bie  ift'3?  Sei 
munter,  liebe  Lutlanb;  id)  mid  bir  einen  madern  9)cann 
fudjen.  —  2Öie  fannft  bu  fo  reben?  —  2)u  follft  es  fdmn 
fefyen.  —  Sie  l)at  midj  red)t  fefjr  geärgert,  ^d)  fonnte  fie 
nicr)t  länger  uor  Slugen  feljen.  —  $omm  l)er,  meine  Siebe; 
laf$  mid;  an  beinen  33ufen  mid)  leljnen!  —  3$  badjt'  es! 


36  £mm6urgiftf)e  Dramaturgie. 

3)a§  ift  nidjt  länger  auSguljalten."  —  %\  um  1)1  ift  eö 
nidjt  au^uljalten !  mürben  bie  feinen  Kunftrid)ter  fagen  — 

^Serben  oielleidjt  aud)  mandje  oon  meinen  Sefern  fagen. 
—  $)etm  leiber  gibt  e§  ®euifdje,  bie  nodj  weit  frangöftfdjer 
finb  al§  bie  gran^ofen.  Qljnen  $u  ©efalten  fjabe  td)  biefe 
93roden  auf  einen  §aufen  getragen.  $<§  f ernte  tfyre  5Xrt,  §u 
fritifteren.  2We  bie  Keinen  Sfatdjläfftgfetiett,  bie  il)r  gärtlicfyeS 
Dfjr  fo  unenblid)  beleibigen ,  bie  bent  ;Did)ter  fo  fdjmer  31t 
finben  maren,  bie  er  mit  fo  meler  Ueberlegung  bafjin  unb 
bortljm  ftreuete,  um  ben  ©ialog  gefdmteibig  311  madjen  unb 
ben  Sieben  einen  magrem  2Tnfcfjem  ber  augenblidltojen  ©im 
gebung  511  erteilen,  reiben  fie  ferjr  mitjig  gufammen  auf 
einen  gaben  unb  mollen  ftdj  fran?  barüber  ladjen.  (Snbltd) 
folgt  ein  mitleibigeS  2ldjf  einliefen:  „9)?an  ^ört  roobX  bafe  ber 
gute  5Rann  bie  grofee  2öelt  ntdr)t  lerntet;  baf$  er  nicfjt  »tele 
Königinnen  reben  gehört;  Racine  oerftanb  ba§  beffer;  aber 
Racine  lebte  aud)  bei  §ofe." 

SDem  olmgeacrjtet  mürbe  mid)  ba§  nid)t  irre  madjen.  2)efto 
fdjlimmer  für  bie  Königinnen,  menn  fie  mirllid)  nicr)t  fo 
fpredjen,  ntdjt  fo  fpredjen  bürfen.  Qdj  l)abe  e3  lange  fdjon 
geglaubt,  ba£  ber  £>of  ber  Drt  eben  nidjt  ift,  mo  ein  SDtd)ter 
bie  -Katar  ftubieren  fann.  216er  menn  $omp  unb  (Stilette  au§ 
üJlenfc^en  iftafdjinen  mad)t,  fo  ift  e§  ba3  2$erl  be§  SMdjterS, 
au§  biefen  sIftafdjtnen  mieber  9ftenfd)en  ^u  machen.  3)te  mabren 
Königinnen  mögen  fo  gefud)t  unb  affeltiert  fpredjen,  a(§  fie 
mollen:  feine  Königinnen  muffen  natürlich  fpred)en.  @r  l)öre 
ber  §efuba  be§  GsuripibeS  nur  fleißig  $u  unb  tröfte  fidj  immer, 
menn  er  fdjon  fonft  feine  Königinnen  gefprodjen  rjat. 

9Ridjt§  ift  aüdjtiger  unb  anftänbiger  als  bie  ftmple  sJJatur. 
(Grobheit  unb  3Buft  ift  eben  fo  meit  oon  il)r  entfernt,  als 
©djitmlft  unb  Sßontbaft  oon  bem  @rl)abnen.  £)aS  nämliche 
©efüfjl,  meldjeS  bie  ©ren^fdjeibung  bort  maljrnimmt,  mtrb 
fie  audj  Ijier  bemerfen.  2)er  fdjmülfttgfte  SDtd)ter  ift  bal)er 
unfehlbar  audj  ber  pöbelfyaftefte.  23eibe  gebier  finb  unjer= 
trennlid),  unb  leine  (Gattung  gibt  mehrere  (Gelegenheit,  in 
beibe  %\x  nerfallen,  als  bie  £ragöbie. 

©leidjrooljl  fd)einet  bie  Gmglänber  oorneljmlid)  nur  ber 
eine  in  irjrem  SBanlS  beleibiget  gu  Ijaben.  ©ie  tabelten 
meniger  feinen  (Sdjnntlft  als  bie  pöbelhafte  ©pradje,  bie  er 
fo  eble  ttnb  in  ber  ©efd)idjte  ibreS  SanbeS  fo  glän^enbe 
Verfemen  fübren  laffe;  unb  roünfdjten  lange,  baft  fein  <Stüd 
oon   einem   -JKanne,   ber  ben   tragifdjen  SluSbrud   meljr  in 


SWeummbftmfjigfteS  Stütf.  :;? 

feiner  ©eroolt  f)abe,  möchte  umgearbeitet  roerben.*)  2)iefe§ 
gefdjaf)  enbltcr)  aud).  gaft  ju  gleicher  ,geit  machten  fid)  goneS 
unb  SÖroof  barüber.  §einri<$  SoneS,  oou  ©ebürt  ein  J$r* 
[änber,  mar  feiner  $rofeffion  nad)  ein  IKaurer  uttb  oer= 
taufdjte,  roie  ber  alte  S3en  JJofmfon,  feine  Melle  mit  ber 
geber.  Üiadjbem  er  fdjon  einen  SSanb  ©ebid&te  auf  Sufc 
ft'ription  bruden  laffen,  bie  il)n  afs  einen  Wlann  non  großem 
©enie  befannt  madjten,  brachte  er  feinen  Gffer,  1753  aufs 
Theater.  2U§  biefer  311  ßonbon  gejpielt  roarb,  (jattc  man 
bereits  'Den  oon  §emricr)  33root  in  Dublin  gefpielt.  2lber 
Sroof  liefe  feinen  erft  einige  3al)ve  Ijernad)  bruden;  unb  fo 
fann  e§  mol)l  fein,  bafe  er,  rote  man  ifjm  fdmlb  gibt,  eben 
foroofjl  ben  ©ffej  bes  ^ones  als  ben  uom  üBanfg  genutzt  fjat. 
sJlud}  mufj  nod)  ein  (Sffer,  uon  einem  Qameö  t)ta(pr)  norljanben 
fein.  5^  geftef)er  ba|  id)  leinen  gelefen  fmbe  nnb  alle  Drei 
nur  aus  beu  gelehrten  Tagebüchern  t'enue.  33on  bem  G'ffer 
beö  S3roof  fagt  ein  franjöfifdicr  Kunftridjter,  bafj  er  Das 
geuer  unb  bas  sl>atf)etifcr)e  bes  33anfs  mit  ber  fdjönen  ^ßoefte 
bes  Qoneö  31t  nerbinben  gemußt  Ijabe.  2Ä>as  er  über  bie 
■"Hoffe  ber  üftutlanb  unb  über  berfefben  äSer^roetflung  bei  ber 
Einrichtung  il)reä  ®emaf)l3  (jinaufügt,**)  ift  merrroürbig; 
man  lernt  and)  baraus  bas  Sßartfer  parterre  auf  einer  (Seite 
fennen,  bie  Ujm  menig  ßfjre  mad)t. 

Sfber  einen  fpanifajen  Gfjer  l)abe  id)  gelefen,  ber  nief  gu 
fonberbar  ift,  alö  bafe  id)  nid)t  im  Vorbeigehen  etraag  baoon 
fagen  foffte.  — 


*)  (Companion  to  tlie  Theatre,  Vol.  II.  p.  105.)  —  The  Diction  is 
every  where  very  bad,  and  in  some  Places  so  low,  that  it  even  becomes 
unnatural.  —  And  I  think.  there  cannot  be  a  greater  Proof  of  the  little 
Encouragement  this  Age  affords  to  Merit,  than  that  no  Gentleman  possest 
of  a  true  Genius  and  Spirit  of  Poetry ,  thinks  it  worth  his  Attention  to 
adorn  so  celebrated  a  Part  of  History  -\vith  that  Dignity  of  Expression 
befitting  Tragedy  in  general,  but  more  particularly.  -\vhere  the  Characters 
are  perhaps  the  greatest  the  World  ever  produced.  [Ser  ^Begleiter  ins 
3;l)eater.  —  Ser  Slustmid  ift  überall  feljr  fd)led)t  unb  in  einigen  Stellen  fo  platt, 
baß  er  fefir  unnatürlid)  mirb.  —  Unb  id)  glaube,  bafj  e»  feineu  größeren  Söetueis 
ber  geringen  Aufmunterung  geben  fann,  bie  ba%  äkröienft  bei  biefem  Zeitalter  fiubet, 
als  ben,  baß  fein  feiner  SKann,  ber  mit  mabrem  ©enius  unb  bidjtevifdjcm  ©eifte 
begabt  ift,  e§  feiner  Aufmerffamfeit  teert  bütt,  einen  fo  berühmten  2eil  ber  ©ejdjidjtc 
mit  jener  SBürbe  be?<  Wusbrude»  ju  fcbmücfen,  bie  ber  2ragbbie  überhaupt,  bejonbers 
aber  ba  jufommt,  tüo  bie  Gbaraftere  uicfleicftt  bie  größten  finb,  bie  jemals  tion  ber 
Söett  Ijernorgebracbt  mürben.     3immcrm(inn  ] 

**)  (Journal  Encycl.,  Mars  1761.)  II  a  aussi  fait  tomber  en  demeuce 
la  Comtesse  de  Rutland  au  monient  que  cet  illustre  epoux  est  conduit  a 
l'echafaud;  ce  moment  oü  cette  Comtesse  est  un  objet  bien  digne  de  pitie, 
a  produit  une  tres-grande  Sensation,  et  a  ete  trouve  admirable  ä  Londres: 
en  France  il  eüt  paru  ridicule,  il  auroit  ete  siffle  et  l'on  auroit  envoye  la 
Comtesse  avec  l'Auteur  aux  Petites-Maisons. 


38  §am&urgtfd}e  Dramaturgie. 

3>en  27.  9tot>ember  1767. 

@r  ift  oott  einem  Ungenannten  unb  führet  ben  %\td: 
gür  feine  ©ebieterin  fterbett.*)  3$  ftnDe  ^tt  *n  e*ner 
Sammlung  oon  $omöbien,  bie  8°feP^  ^ctbrino  gu  ©enitien 
gebrucft  l)at  unb  in  ber  er  ba3  üierunbftebgigfte  ©tücf  ift. 
SQBenn  er  oerfertiget  morben,  roeifs  tdj  nicr)t;  idfj  felje  auä) 
nid)t§,  morau§  e§  ftd^  ungefähr  abnehmen  liefte.  £)a§  ift  flar, 
baf$  fein  3Serfafjer  meber  bie  fran^öfifc^en  unb  englifdjen 
£)id)ter,  meldje  bie  nämliche  ©efdjicfyte  bearbeitet  Ijaben,  ge= 
brauet  Ijat,  nodj  oon  ifynen  gebraust  morben.  @r  ift  gang 
original.  £)od)  id)  mitl  bem  Urteile  meiner  Sefer  nid)t  nor= 
greifen. 

@ffer,  !ömmt  oott  feiner  @£pebitiott  miber  bie  ©panier 
gurüd  unb  tüilt  ber  Königin  in  Sonbon  S3eric^t  baoon  ab= 
ftatten.  2öie  er  anlangt,  l)ört  er,  ba§  fie  ftd)  gmei  teilen 
oott  ber  (Stabt,  auf  bem  Sanbgute  einer  iljrer  §ofbamen, 
Samens  ^Bianca,  befinbe.  SDtefe  Slanca  ift  bie  ©eliebte  be§ 
©rafen,  unb  auf  biefem  Sanbgute  §at  er  nod;  bei  Sebggeiteit 
il)reg  23ater3  üiele  l)eimlid)e  ^ufammenfünfte  mit  ifyr  gehabt. 
(Sogleid)  begibt  er  ftd)  ba!)in  unb  bebient  ftd)  be§  ScpüffelS, 
ben  er  noc3^  oon  ber  ©artentfyüre  bewahret,  burd)  bie  er  elje= 
bem  gu  iljr  gefommen.  @§  ift  natürlid),  baft  er  fid)  feiner 
(beliebten  eljer  geigen  mill  aU  ber  Königin.  2II-3  er  burd) 
ben  ©arten  nad)  iljren  ^immern  fdjleidjet,  mirb  er  an  bem 
flattierten  Ufer  eines  burd)  benfelben  geleiteten  2lrme§  ber 
%l)emfe  ein  grauengimmer  geraafyr  (e§  ift  ein  fdjmüler  <3ommer= 
abenb),  baö  mit  ben  bloßen  gügen  in  bem  Söaffer  fttjt  unb 
fid)  abfüljlet.  @r  bleibt  oolter  S3erraunberung  über  ifjre  ©d)öm 
Ijeit  fteljen,  ob  fie  fdjon  ba§  ©efidjtmit  einer  falben  -Iftasfe 
bebedt  fyat,  um  niett  erfannt  gu  merben.  (3)iefe  6c^ön^eit, 
rote  billig,  mirb  meitläuftig  befd)rieben,  unb  befonberg  merben 
über  bie  allerliebften  meinen  güfee  in  bem  Ilaren  Söaffer  fefjr 
fpitjfinbtge  SDinge  gefagt.  Sßidjt  genug,  bafe  ber  entgüdte 
©raf  gmei  friftallene  (Säulen  in  einem  fliegenben  ^riftalle 
fteljen  fiel)t;  er  meif}  nor  ©rftaunen  tticrjt,  ob  ba§  -Jöaffer  ber 
^riftall  tfyrer  $üfte  ift,  meldjer  in  glufj  geraten,  ober  ob  ifjre 
güfte  ber  ^riftall  be§  SöafferS  finb,  ber  fid;  in  biefe  gorm 


*)  Dar  la  vida  por  su  Dama  6  el  Conde  de  Sex;  de  un  Ingenio  de  esta 
Corte.  [$>a§  2eben  Innßeben  für  feine  ©ebieterin,  ober  ber  ©reif  Don  Gffej;  tion 
einem  ©enie  biefer  ^auptftabt.    Simmermann.] 


Sedfötgfieä  ©tütf.  39 

fonbenfiert  Ijat.*)  -ftod)  uerroirrter  mad)t  i&n  bic  F;albc 
fdjroar^e  SflaSfe  auf  bem  raeifeen  ©efidjte:  er  !ann  nidjt  be- 
greifen, in  raeldjjer  2I6ft(fjt  bie  Statur  ein  fo  göttliches  Tlon- 
ftrum  gebilbet  unb  auf  feinem  ©eftdjte  fo  frfjroaqen  33afalt 
mit  fo  glänjenbem  §elfenbeine  gepaaret  (jaBe;  ob  meljr  jux 
33enmnberung  ober  mef)r  gur  Verspottung.)**)  iftaum  Ijat 
fid)  ba§  grauen^immer  mieber  an  gef  leibet,  at§  unter  ber 
2lu§rufung:  „Stirb,  Snrannin!"  ein  <2duij$  auf  fic  gcfdjicljt 
unb  gleid;  barauf  jraei  magerte  Männer  mit  bem  2)egen 
auf  fie  losgehen,  meil  ber  ©dmfc  fie  nicr)t  getroffen  31t  fyaben 
fdjeinet.    @ffer.  befinnt  fid)  nidjt  lange,  it)r  31t  §ilfe  31t  eilen. 

*)  Las  dos  columnas  beilas 

Metiö  dentro  del  rio,  y  como  al  vellas 
Vi  un  crystal  eu  el  rio  desatado, 

Y  vi  crystal  en  ellas  condensado, 
No  supe  si  las  aguas  que  se  vian 
Er  an  sus  pies,  que  liquidos  corrian, 
O  si  sus  dos  columnas  se  formaban 
De  las  aguas,  que  allf  se  congelaban. 

[Sie  [feilte  bie  beiben  fdjönen  Säulen  in  ben  $tufj,  un^  *>a  cr  D°i  tywtlt  £n» 
blide  einen  ßriftaH  im  f^tuffe  aufgetöft  unb  jenen  in  einen  Striftall  verbietet  fah, 
fo  mußte  er  nidjt,  ob  bie  Söelien  cor  ifym  if)re  ft-üße  maren,  bie  bnt)infloffen,  ob 
ifjre  beiben  Säulen  au§  ben  bort  jufammengefroreucn  Söafferu  pebitbet  toaren. 

[3  immer  mann.] 

£iefe  ?Ief)nlid)feit  treibt  ber  2)id)ter  nod)  meiter,  menn  er  beidjreiben  null,  mie 
oie  'Dame,  ba§  Söaffer  $u  foften,  e§  mit  Ujrer  Ijotjleu  A^anb  gefdjöpft  unb  nad)  bem 
9Jhinbe  geführt  (mbe.  2iefe  £anb,  fagt  er,  mar  bem  Haren  Söaffcr  fo  äfjnlid),  bafj 
ber  $Iufj  felbft  für  Sdjreden  äufammenfufjr,  meil  er  befürchtete,  fie  mödjte  einen  Seil 
ifjrer  eignen  §anb  mittrinfen. 

Quiso  probar  ä  caso 

El  agua,  y  fueron  crystalino  vaso 

Sus  manos,  acercölas  a  los  labios, 

Y  entönces  el  arroyo  llorö  agravios, 
Y"  como  tanto,  en  fin,  se  parecia 

A  sus  manos  aquello  que  bebia, 
Temi  con  sobresalto  (y  no  tue  en  vano) 
Que  se  bebiera  parte  de  la  mano. 
[Sic  rooHte  ba§  Sffiaffer  foften,   unb  il)re  £änbe  maren  ein  fviftoflenes  ©efäf?. 
Sie  näherte  bie  £änbe  iljren  Sippen ;  ba  aber  meinte  ber  ©ad)  über  Unbill,  unb  meil 
ber  2ranf,  ben  fie  jdjlürfte,  ifjren  £änben  fo  ätjnlid)  faf»,  fiirdjtete  et  mit  gntfetjen 
(unb  nidjt  olme  ©runb),  fie  möd)te  einen  Steil  ber  §anb  trinfen.    Zimmermann.] 

**)  Yo,  que  al  prineipio  vi,  ciego,  y  turbado 
A  una  parte  nevado 

Y  en  otra  negro  el  rostro, 

Juzgue,  mirando  tan  divino  monstruo, 

Que  la  naturaleza  cuidadosa 

Desigual  uniendo  tan  hermosa, 

Quiso  hacer  por  assombro,  o  por  ultrage, 

De  azabacbe  y  marfil  un  maridage. 

[3nbem  id)  anfangs  geblenbct  unb  üermirrt  ba$  f)icr  fdmeemeiße,  bort  idimar,e 

Slngefidjt   erblidte,   ba   meinte  id) ,   in   ber  SBenuinberung   eine§   fo   göttlichen   Un» 

getreuere,  bie  forglidje  9?atur  f)abe,  Ungleidie»  ju  foldjer  Sdjönbcit  luunenb,  jum  @nt= 

fetjen  unb  jum  £of)ne  einen  Sßunb  be§  föagate§  mit  bem  Glfenbeine  ftiften  mollen. 

Zimmermann.] 


40  £>amburgtfcf)e  Dramaturgie. 

@r  greift  bie  Färber  an,  unb  fie  entfliegen.  @r  rüilt  ifynen 
nad);  aber  bie  £)ame  rnft  tl)n  gurüd;  nnb  bittet  ilnt,  fein 
£eben  nid)t  in  ©efa§r  ^u  fetten,  ©ie  fieljt,  bafc  er  oermunbet 
ift,  fnüpft  iljre  ©d)ärpe  log  nnb  gibt  fie  il)m,  fid)  bie  Söunbe 
bannt  51t  uerbinben.  „3ugleid),"  fagt  fie,  „joll  bie  je  ©djäroe 
bienen,  mid)  @ud)  §n  feiner  3eit  3U  erlernten  £U  geben;  xi)t 
muji  id)  mid;  entfernen,  efye  über  ben  ©djnft  mefyr  Kärnten 
entfielt;  id)  mödjte  nid)t  gern,  ba{$  bie  Königin  ben  $a\ali 
erführe,  nnb  id)  befdjraöre  @ud)  baljer  um  (Sure  SSerfc^roiegen^ 
Ijeit."  (Sie  gel)t,  nnb  @ffe£  bleibt  ooller  (Srftaunen  über  biefe 
fonberbare  Gegebenheit,  über  bie  er  mit  feinem  33ebienten, 
Samens  (Sosme,  allerlei  53etrad)tungen  aufteilt.  S)iefer  Gosme 
ift  bie  luftige  $>erfon  be3  <8tüd3;  er  mar  r>or  bem  ©arten 
geblieben,  als>  fein  §err  Ijereingegangen,  unb  tjatte  ben  Sd)uf$ 
gmar  gel)ört,  aber  xfyn  bod)  nid)t  51t  §ilfe  lommen  bürfen. 
SDie  gurdjt  l)ielt  an  ber  %l)üre  ©d)ilbroact)e  unb  nerfperrte 
iljm  ben  ©ingang,  §urd)tfam  ift  Gosme  für  oiere,*j  unb 
bag  finb  bie  fpanifdjen  Darren  gemeiniglich  alle,  (Sffeg  be= 
fennt,  baft  er  fid)  unfehlbar  in  bie  fd)öne  Unbelannte  verliebt 
Ijaben  mürbe,  menn  ^Bianca  nid)t  fdjon  fo  völlig  SBefttj  von 
feinem  ©ergen  genommen  t)ätte,  baf3  fie  burdjaug  feiner  anbern 
Seibeufdjaft  barin  9^aum  laffe.  ,,sj(ber/'  fagt  er,  „roer  mag 
fie  moi)l  gemefen  fein?  -HBag  bünlt  bidj,  @o3me?"  —  „2Ber 
mirb'g  gemefen  fein,"  antroortet  (Eo3me,  „al§  besl  ©ärtners> 
grau,  bie  fid)  bie  33eine  gemafdjen?"**)  —  2Iu3  biefem  3uge 
fanu  man  leid)t  auf  ba3  übrige  fd)lie|en.  6ie  gelien  enbltct) 
beibe  roieber  fort;  e£  ift  gu  fpät  gemorben;  ba3  §au§  fönnte 
über  ben  ©d)uf$  in  Sßemegung  geraten  fein;  @ffe£  getraut 
fid)  baljer  nid)t,  unbemerlt  31t  Bianca  §u  lommen,  unb  ner= 
fdjiebt  feinen  53efud)  auf  ein  anbermal. 


*)  Ruido  de  armas  en  la  Quinta, 
Y  dentro  el  Conde?     Que  aguardo, 
Que  no  voi  a  socorrerle? 
Que  aguardo?    Lindo  recado: 
Aguardo  ä  que  quiera  el  miedo 
Dexarme  entrar:    —  — 

Cosme,  que  ha  tenido  un  miedo 

Que  puede  valer  por  quatro. 
[SBaffenlärm  in  bem  Sanbfjaufe,   nnb  bcr  ©raf  bvinnen  ?    SDßarum  warte  id), 
mavum  gcrje  id)  nid)t  t>m,  üjtn  beijuftcfyen?    Sßorauf  marte  \d)'(    Sine  fdjöneöage! 
id)  rcarte,  bajj  bie  $urd)t  mid)  I;ineinfaffe  —  —  —  (So§me,  beffen  fturdjt  für  merc 
gelten  fonnte.     giinmermanii.] 

**)  La  muger  del  hortclano. 
Que  se  lavaba  las  piernas. 


eecfaigfteS  ©tütf.  41 

9hm  tritt  ber  §er§og  do«  Stfongon  auf  mit  gfora,  ber 

Bianca  ^ammermäbdjen.  (Sic  S^ene  ift  nod)  auf  beut  Santo 
gute  in  einem  3immer  Dei'  ^Bianca;  bie  uorigcn  Auftritte 
waren  in  bem  ©arten.  @3  ift  be§  folgenben  SaaeSO  ^cv 
.SUmig  von  granfreidp  Ijattc  bat  (S'(ifabetf)  eine  Serbinbung 
mit  feinem  jüngften  33ruber  uorgefdjlagen.  2)ieje3  ift  ber 
§ergog  oou  2llan$on.  Gr  ift  unter  bem  SBotwanbe  einer 
©efanbtfdjjaft  nad)  ©ngtanb  gelommen,  um  biefe  SBerbinbung 
§uftanbe  31t  bringen.  G53  läfjt  fid)  alles,  forooljl  oon  feiten 
be3  Parlaments  al§  ber  Königin,  feljr  wol)l  baju  an;  aber 
inbe<8  erbtieft  er  bie  Sölanca  unb  oerliebt  ftd)  in  fie.  81* 
lömmt  er  unb  bittet  gloren,  i()m  in  feiner  Siebe  be()ilflid)  51t 
fein.  glora  nerbirgt  ifjm  nid)t,  wie  wenig  er  51t  erwarten 
l)abe;  bodj  oljne  il)m  baö  geringfte  oon  ber  58ertraulid;feit, 
in  welcher  ber  ©raf  mit  il)r  fteljet,  ju  entbed'en.  Sie  fagt 
blofj,  23lanca  fudje  ficr)  51t  nerfjetraten,  unb  ba  fie  hierauf  ftd) 
mit  einem  Spanne,  beffen  Staub  fo  weit  über  ben  irrigen 
ergaben  fei,  bod)  leine  Stedjnung  madjen  tonne,  fo  bürfte  fie 
fdjmerlid)  feiner  Siebe  ©eljör  geben.  —  (9Jian  ermattet,  baf$ 
ber  §er$og  auf  biefen  (Einwurf  bie  Sauterfeit  feiner  2lbfid)ten 
beteuern  raerbe;  aber  bauon  fein  SBort!  3)ie  Spanier  finb 
in  biefem  fünfte  lange  fo  ftrenge  unb  belifat  mdjt,  alö  bie 
gran^ofen.)  @r  Ijat  einen  25rief  an  bie  SBlanca  gefdjrieben, 
ben  glora  übergeben  foll.  @r  münfd)t,  e3  fetbft  mit  an^u; 
ferjen,  mag  biefer  SBrief  für  ßinbrud  auf  fie  madjen  roerbe. 
(Er  fdjenft  gloren  eine  gülbne  $ette,  unb  glora  rerftedt  if)n 
in  eine  anftofeenbe  ©alerie,  inbem  95fanca  mit  ßoSme  Vereins 
tritt,  roeldjer  iljr  bie  Stnhtnft  feines  §errn  melbet. 

©ffej  lömmt.  Wad)  ben  £ärtlid)ften  Seroittfommungen 
ber  Bianca,  nad)  ben  teuerften  SSerftdjerungen  beö  Gkafen, 
wie  feljr  er  itjrer  Siebe  fid)  würbig  31t  geigen  wünfdie,  muffen 
fid)  glora  unb  ßosme  entfernen,  unb  Bianca  bleibt  mit  bem 
(trafen  allein.  Sie  erinnert  iljn,  mit  weldjem  Gifer  unb  mit 
welker  Stanbljaftigfeit  er  fid)  um  tljre  Siebe  beworben  f)abe. 
^Radjbem  fie  i|m  brei  Qaljre  wiberftanben,  f)abe  fie  enblid) 
fid)  il)m  ergeben  unb  iljn,  unter  SSerfidjerung,  fie  511  tjeiraten, 
gum  (Eigentümer  iljrer  @l)re  gemadjt.  (Te  hice  dueno  de 
mihonor;  ber  2lu3brud  fagt  im  Spanifd)en  ein  wenig  viel.) 
%lux  bie  geinbfdjaft,  wcld)e  unter  iljren  beiberfeitigen  gamilien 
obgewaltet,  fyabe  nid)t  erlaubt,  il)re  ü8erbinbung  311  ooH^ieben. 
Gffer  ift  uid)t3  in  2lbrebe  unb  fügt  $in*uf  bafe,  nad)  bem 
£obe  it)reö  93ater§  unb  33vuber§,  nur  bie  il)m  aufgetragene 


42  §auuuirgifd)e  Dramaturgie. 

@r.pebition  miber  bie  ©panier  bagrcifrfjen  gekommen  fei.  9hm 
aber  Ijabe  er  btefe  glüdlidj  oollenbet;  nun  wolle  er  unoer= 
gügltd&  bie  Königin  um  (Erlaubnis  gu  iljrer  Vermählung  an= 
treten.  —  „Unb  fo  fann  id)  bir  benn,"  fagt  Vlanca,  „als 
meinem  ©eliebten,  als  meinem  Bräutigam,  als  meinem 
greunbe,  alle  meine  ©efjeimmfle  fidler  anvertrauen/'*)  -- 


<*£imtn&ferlj?t0jies  $türk 

3)en  1.  SDesember  1767. 

hierauf  beginnt  fie  eine  lange  Gsrjäfjlutta,  von  bem  ©djjtcfs 
fale  ber  ^Jiarta  oon  ©djottlanb.  Söir  erfahren  (benn  ©ffer, 
felbft  muf$  atteS  baS  oljne  3n>e*fc^  längft  miffen),  bafe  ifyr 
Vater  unb  Vruber  biefer  unglüd'tidjen  Königin  fel)r  gugetfyan 
geroefen;  baf$  fie  fidi  geweigert,  an  ber  Unterbrüdung  ber 
Unfd)ulb  teilzunehmen;  baf$  ©lifabetl)  fie  baljer  gefangen 
fetten  unb  in  bem  ©efängniffe  Ijeimlid)  l)inrid)ten  laffen. 
Eeiu  Söunber,  baj$  Vlanca  bie  ©lifabetl)  f)af$t;  baf$  fie  feft 
entfd)loffen  ift,  fid)  an  il)r  ju  rächen.  3rcar  (jat  ©ftfabetlj 
nadjljer  fie  unter  iljre  §ofbamen  aufgenommen  unb  fie  iljreS 
gangen  Vertrauens  geraürbiget.  2tber  Vlanca  ift  unt»erföfm= 
lid).  Umfonft  toäljlte  bie  Königin  nur  lürglic^  vor  allen 
anbern  baS  Sanbgut  ber  Vlanca,  um  bie  Qaf>reggeit  einige 
%age  bafelbft  ruljig  gu  genießen.  —  liefen  Vorzug  felbft 
rooüte  Bianca  ifjr  gum  Verberben  gereichen  laffen.  <Ste  ijatte 
an  il)ren  Dljeim  gefdnieben,  meldjer  aus  Surd^t,  es  möchte 
ilmt  tvie  feinem  trüber,  i§rem  Vater,  ergeben,  nad)  <Btf)otU 
lanb  geflogen  mar,  mo  er  fid)  im  Verborgnen  auffielt.  2)er 
Dljeim  mar  gelommen;  unb  furg,  biefer  Dfjeim  mar  eS  ge= 
mefen,  melier  bie  Königin  in  bem  ©arten  ermorben  mollen. 
9tun  tveift  @ffe£,  unb  mir  mit  iljm,  mer  bie  ^ßerfon  ift,  ber 
er  baS  Seben  gerettet  fjat.  216er  Vlanca  meif$  nid)t,  bafc  es 
(£ffe£  ift,  meldjer  ifyren  2lnfd;lag  vereiteln  muffen,  ©ie  rennet 
vielmehr  auf  bie  unbegrenzte  Siebe,  bereu  fie  (Sffer.  verfidjert, 
unb  magt  eS,  ilm  nidjt  blofe  311m  9J?itfd)ulbigen  madjen  gu 
mollen,  fonbern  iljm  völlig  bie  glüdlidjere  Vollziehung  ir)rer 
Viafye  zu  übertragen.     @r  foll  fogleid)  an  tfjren  Dfjetm,  ber 


*)  Bien  podre  seguramente 
Revelarte  intentos  mios, 
Como  a  galan,  como  ä  dueiio, 
Como  a  esposo,  y  como  a  amigo. 


Siiumbfedföigfteä  Stücf.  43 

tuieber  nad)  Sdjottlanb  geflogen  ift,  fdjretben  unb  gemein; 
fcfyaftlidje  Sad)e  mit  ilnn  machen.  2)ie  £t;ranntn  mttfje  fterben; 
iljr  9?ame  fei  allgemein  oerfyafjt;  iljr  %ob  fei  eine  Sßoljltijat 
für  ba§  33aterlanb,  unb  niemanb  nerbiene  e§  mel)r  als  @fjejr, 
bem  33aterlanbe  bi.efe  2Bol)ltl)at  51t  oerfdjaffen. 

Gffer.  ift  ü6er  biejen  Antrag  äufjerft  betroffen.  Bianca, 
feine  teure  23lanca,  fann  ifjm  eine  folaje  SSerräterei  gumutenV 
2öie  fel)r  fdjämt  er  ftd)  in  biefem  Stugenblide  feiner  Siebe! 
2lber  mag  foll  er  tfyun?  Soll  er  üjr,  wie  e3  billig  märe, 
feinen  Unwillen  311  erfennen  geben  ?  2öirb  fie  barum  meniger 
bei  ifiren  fdjänblidjeu  ©efinnungen  bleiben?  Soll  er  ber  5lö= 
nigin  bie  <Saa^e  hinterbringen?  2)a3  ift  unmöglid):  23lanca, 
feine  ilnn  nod;  immer  teure  33lanca,  läuft  ©efaljr.  <2ott  er 
fie  burd)  Sitten  unb  ^ßorftellungen  non  ifyrem  @ntfd)luffe  ab? 
^bringen  fudjen?  @r  müfcte  nid)t  roiffen,  mas  für  ein  xady 
füdjtigeö  ©efdjöpf  eine  beleibigte  grau  ift,  mie  raenig  eg  jtdj 
burd)  gießen  erroeidjen  unb  burd)  ©efaf)r  abfajreden  läfjt. 
2öie  leidet  tonnte  fie  feine  Slbratung,  fein  $orn  ^ur  $er= 
jroeiflung  bringen,  bog  fie  fid)  einem  anbern  entbed'te,  ber 
fo  geroiffenljaft  nidjt  märe  unb  iljr  zuliebe  alle§  unter; 
näljme?*)  —  £)iefe<o  in  ber  ©efd)rainbigfett  überlegt,  faftt 
er  ben  ^orfaij,  fid)  ju  oerftellen,  um  ben  Roberto,  fo  Ijeiftt 


*)  Ay  tal  traicion!  vive  el  Cielo,  [D,  fotd)  einJßerrat!    Sßei  ©Ott!  knie 

Que  de  amarla  estoi  corrido.  empört  e§  mid),  baß  id)  fie  liebe !    SSfanca, 

Bianca,  que  es  mi  dulce  dueüo,  meine  fuße  ©ebieterin,   SBlanca,   bie  id) 
Bianca,  a  quien  qniero,  y  estimo,     liebe  unb   fdjälje,   mutet  mir  jotd)  einen 

Me  propone  tal  traicion!  2>errat  ju !     2ßa§  foll  id)  thun?    Senn 

Que  hare,  porque  si  ofendido,  antworte  id),  tt)ie  id)  fotttc,  au»  bem  föe- 

Bespondiendo,  como  es  justo,  füljle  ber  ßränfung,  unb  braufe  id)  gegen 

Contra  su  traicion  me  irrito,  il)ren  Sßerrat  auf,  fo  wirb  fie  if)ren  tollen 

No  por  esso  ha  de  evitar  6ntfd)tuf5   besfyalb   nidjt  aufgeben.     2Me 

Su  resuelto  desatino.  Königin  bation  ju  benachrichtigen,  ift  uiu 

Pues  darle  cuenta  a  la  Beina  mögtid);  benn  mein  Sdjidfat  rjat  gewollt. 

Es  impossible,  pues  quiso  baß  931anca  bei  biefem  2>erget)en  beteiligt 

Mi  suerte,  que  tenga  parte  ift.    ®ud)e  id)  mit  Sitten  fie  bation  abju= 

Bianca  en  aqueste  delito.  bringen,  fo  ift  bie*  ein  tfyöndjter  SSerfud) ; 

Pues  si  procuro  con  ruegos  benn  eine  entfd)loffene  fyrau  ift  ein  fo  rad)= 

Disuadifla,  es  desvario,  füd)tige§  2öefen,  bafj  fie  Sitten  nid)t  nad)= 

Que  es  una  muger  resuelta  gibt :  üielmefyr  ift  e§  ifjre  51rt ,  in  freoeU 

Animal  tan  vengativo,  tjaftem  2)range  bie  Sdjneibe  bes  2öiUen& 

Que  no  se  dobla  ä  los  riesgos:  nod)   511   fdjärfen;   unb  t>iefleid)t  wirb  fte 

Antes  con  afecto  impio,  in   üßerjWeiftung    über    meinen   ffummer 

En  el  mismo  rendimiento  ober  meine  Abneigung  ftd)  einem  auberen 

Suelen  agusar  los  filos;  erflären,  ber  meniger  treu  unb  meniger 

Y  quizä  desesperada  gemiffenljaft   ift,   ber   tiieQcidjt   burd)    fie 

De  mi  enojo,  o  mi  desvi'o,  ba§  ju  erreidjen  fud)t,  ma§  id)  nid)t  tfjun 

Se  declarara  con  otro  wollen.     3'mmcrmartn  ] 
Menos  leal,  menos  fino, 
Que  quizä  por  ella  intente, 
Lo  que  yo  hacer  no  he  querido. 


44   '  &mn6itrgifdje  Dramaturgie. 

ber  Dljeim  ber  SBlanca,  mit  allen  feinen  2lnl)ängern  in  bte 
galfe  gu  locfen. 

Bianca  wirb  ungebulbig,  baf$  ifyr  @ffe£  mdfjt  fogleidj 
antwortet,  „©raf,"  fagt  fie,  „trenn  bu  erft  lange  mit  bir 
31t  Sftate  geljft,  fo  liebft  bu  ntidj  nidjt.  2lud)  nur  gmetfeln 
ift  SBerbredjen.  Unbanfbarerl"*)  —  „Sei  ruljtg,  ^Bianca!" 
erwibert  (Sffer.:  ,,id)  bin  entfdjloffen."  —  „Unb  wogu?"  — 
r/©tetcf)  will  idj  bir  e§  fd^riftlidt)  geben." 

©ffer.  fetjt  fiel;  nieber,  an  i^ren  Dljeim  511  fd)reiben,  ttnb 
inbem  tritt  ber  §ergog  au3  ber  ©alerie  näl)er.  @r  ift  neu= 
gierig,  gu  fetjen,  mer  fid)  mit  ber  SBIanca  fo  lange  unterhält, 
unb  erftaunt,  ben  ©rafen  oon  ©ffer.  gu  erbliden.  216er  nod) 
mefjr  erftaunt  er  über  ba§,  ma§  er  gleicl)  barauf  gu  rjören 
befömmt.  (5ffe£  Ijat  an  ben  Roberto  gefd)rteben  unb  fagt  ber 
Slanca  ben  Snfyalt  feines  ©djreibettö,  ba§  er  fofort  burdj 
ben  ßosme  abfd)id'en  will.  Roberto  foll  mit  allen  feinen 
greunben  einzeln  nad)  Sonbon  fommen;  ©ffer.  will  ii)n  mit 
feinen  Seilten  unterftütjen ;  ©fier.  rjat  bie  ©unft  be§  33olf§; 
nichts  mirb  letzter  fein,  al§  fid)  ber  Königin  ju  bemächtigen ; 
fie  ift  fdwn  fo  gut  al§  tot.  —  „@rft  müßt1  idj  fterben!" 
ruft  auf  einmal  ber  §ergog  unb  fömmt  auf  fie  loa.  Bianca 
unb  ber  ©raf  erftaunen  über  biefe  plö^lidje  @rfd)etnung,  unb 
ba§  (Srftaunen  be§  letjtern  ift  nidjt  oljne  ©iferfudjt.  @r  glaubt, 
baf$  93lanca  ben'  §ergog  bei  fidj  oerborgen  gehalten.  £)er 
§ergog  rechtfertigt  bie  ^Bianca  unb  oerfidjert,  bafc  fie  oon 
feiner  2Inwefenf)ett  nic^t§  gemußt;  er  Ijabe  bie  ©alerie  offen 
gefunben  unb  fei  oon  felbft  Ijereingegangen,  bie  ©emälbe 
barin  gu  betrauten.**) 


')  Si  estäs  consultando,  Conde, 
Alla  dentro  de  ti  mismo 
Lo  que  has  de  hacer,  no  me  quieres, 
Ya  el  dudarlo  fue  delito. 
Vive  Dios,  que  eres  ingrato ! 

*)  Por  vida  del  Rey  mi  hermano, 

Y  por  la  que  mas  estimo, 
De  la  Reina  mi  p.enora, 

Y  por  —  pero  yo  lo  digo, 
Que  en  mi  es  el  mayor  empeno 
De  la  verdad  del  decirlo, 

Que  no  tiene  Bianca  parte 
De  estar  yo  aqui  —  — 


Y  estad  mui  agradeeido 

A  Bianca,  de  que  yo  os  de, 

No  satisl'acion,  aviso 

De  esta  verdad,  porque  a  vos, 


(rimmbiedHüiftc'o  ©tücf.  45 

£)er  §  er  30  g.  $3ei  bem  Sebett  meines  33ruberö,  bei 
bem  mir  uod)  fojtbavevn  Beben  ber  Königin,  bei  —  lUbev 
genug,  bajj  i cb  eo  [age:  Bianca  ift  unfdjulbtg.  Unb  nur  üjr, 
^trjlorb,  haben  ©te  biefe  ©rllärung  311  bauten.  t)(uf  (Sie  ift 
im  geringsten  nidjt  babei  gefeiert.  2)enn  mit  beuten  nue  Sie 
matten  Seilte  nue  icb  — 

2) er  ©raf.  ^rinj,  Sie  tennen  inidj  ofyne  3weifel  nid)! 
-.djt?  — 

2) er  §  er  30  g.  Jveilid)  Ijabe  idj  3ie  nid;t  reetjt  gefannt. 
216er  idj  feune  Sie  nun.  Qdj  f)telt  ©ie  für  einen  gang  anbevu 
ÜDiann,  unb  id)  finbe,  Sie  finb  ein  Verräter. 

£)er  ©raf.    28er  barf  baä  fagen? 

iE  e  v  ©  e  r  3  0  g.  Qdt) !  —  SRidjt  ein  SBort  metyr !  Qd; 
miH  fein  2Bort  meljr  fyören,  öraf! 

3) er  ©raf.     SDleine  2lbfid)t  mag  aud)  geroefen  fein  — 

2)  er  §ergog.  2)enn  !urj:  id)  bin  überzeugt,  baft  ein 
SBerräter  fein  §erg  Ijat.    3$  *reffe  ®*e  a^  einen  SSerräter: 


Hombres  como  yo  —  Cond.  Iinagino 
Que  no  me  conoeeis  bien. 

Dttq.  No  os  babia  conoeido 
Hasta  aqui;  mas  ya  os  conozco, 
Pues  ya  tan  otro  os  be  visto 
Que  os  reconozco  traidor. 

Cond.  Quien  dixere  —  Dnq.  Yo  lo  digo, 
No  pronuncieis  algo,  Coude, 
Que  ya  no  puedo  sufriros. 

Cond.  Qualquier  cosa  que  yo  iuteute  — 

Dxq.  Mirad  que  estoi  persuadido 
Que  bace  la  traicion  cobarde.-; 

Y  assi  quando  os  he  cogido 
En  un  lance  que  me  da 

De  que  sois  cobarde  indicios, 
No  be  de  aprovecharme  de  esto, 

Y  assi  os  perdona  mi  brio 
Este  rato  que  teneis 

El  valor  desminuido; 

Que  a  estar  todo  vos  entero, 

Supiera  daros  castigo. 

Cond.  Yo  soi  el  Conde  de  Sex 

Y  nadie  se  me  ba  atrevido 
Sino  el  bermano  del  Key 

De  Francia.    Dttq.  Yo  tengo  brio 
Para  que  siu  ser  quien  soi, 
Pueda  mi  valor  invicto 
Castigar,  non  digo  yo 
Solo  ä  vos,  mas  a  vos  mismo, 
Siendo  leal,  que  es  lo  mas 
Con  que  queda  encareeido. 

Y  pues  sois  tan  gran  Soldado, 
No  ecbeis  ä  perder,  os  pido. 
Tantas  beroieas  hazanas 

Con  un  beebo  tan  ir.diguo  — 


46  ßanunirgtfdje  Dramaturgie. 

id)  mufc  ©te  für  einen  9J?ann  obne  £er5  galten.  216er  um 
fo  meniger  barf  id)  midj  biefeg  33orteil3  über  ©ie  bebienen. 
93^eine  fefjre  üergeifyt  S^nen,  rae^  @ie  ^r  3^r^9en  »erluftig 
finb.  Söären  ©ie  fo  unbefdfjolten,  al3  icf)  ©ie  fonft  geglaubt, 
fo  mürbe  id)  ©ie  ju  äüdjtigen  miffen. 

SD  e  r  ©  x'a  f.  Qu)  bin  ber  ©raf  oon  @ffe£.  ©o  r)at  mir 
nod)  niemanb  begegnen  bürfen  al3  ber  Sruber  be§  ÄömgS 
uon  ?yranfreid). 

£)er  §ergog.  SBenn  id)  aud)  ber  nid)t  märe,  ber  id) 
bin;  menn  nur  ©ie  ber  mären,  ber  ©ie  nidjt  finb,  ein  9Kann 
non  (Sljre:  fo  follten  ©ie  roobl  empftnben,  mit  mem  ©ie  51t 
tlnm  Ratten.  —  ©ie  ber  ©raf  von  ©ffej?  3öenn  ©ie  biefer 
berufene  Krieger  finb :  mie  lönnen  ©ie  fo  niele  grofee  Zimten 
buvd)  eine  fo  unnnirbige  %ljat  r>ernid)ten  motten'?  — 


2>en  4.  ©esember  1767. 

£)er  $er§og  fät)rt  I)ierauf  fort,  i^m  fein  Unrecht  in  einem 
etroaS  gelinbem  ;£one  nor^alten.  @r  ermahnt  Um,  fid) 
eines  Söeffern  $u  beftnnen;  er  mill  e§  nergeffen,  ma$  er  gehört 
l)abe;  er  ift  nerfidjert,  ba£  Bianca  mit  bem  ©rafen  nidrjt 
einftimme  unb  bafe  fie  felbft  iljm  eben  bas>  mürbe  gefagt  Ijaben, 
menn  er,  ber  £>er$og,  ty*  flidjt  guoorgelommen  märe.  @r 
fdjliefet  enblid):  „-üRodj  einmal,  ©raf,  geljen  ©ie  in  fid)! 
©tefjen  ©ie  r>on  einem  fo  fdjänblidjen  33orrjaben  ah !  Sßerben 
©ie  mieber  ©ie  felbft !  Sßollen  ©ie  aber  meinem  5iate  nidjt 
folgen,  fo  erinnern  ©ie  fid),  ba£  ©ie  einen  $opf  fyaben  unb 
Sonbon  einen  genfer!"*)  —  hiermit  entfernt  fid)  ber  £>er^og. 
(Sffer.  ift  in  ber  äufcerften  SSermirrung;  e§  fdwter^t  irjn,  ftdj 
für  einen  Verräter  gehalten  gu  miffen ;  gleid)moljl  barf  er  es> 
i|t  nidjt  wagen,  fidf)  gegen  ben.  §er$og  $u  redjtfertigeu ;  er 
muft  fidj  gebulben,  big  es>  ber  2lu3gang  leljre,  bajj  er  ba 
feiner  Königin  am  getreueften   gemejen  fei,  al£  er  e3  am 


*)  Miradlo  mejor,  dexad 
Un  intento  tan  indigno, 
Corresponded  ä  quien  soia, 

Y  sino  bastan  avisos, 

Mirad  que  ay  Verdugo  eu  Londres, 

Y  eu  vos  cabeza,  barto  os  digo. 


3it>eiunbfecf)3ig|te!j  Stütf.  47 

menigften  511  fein  gefdjienen.  *J  So  f priest  er  mit  fidj  felbft ; 
mr  Bianca  aber  fagt  er,  baß  er  ben  33rief  fogleid)  an  ifjren 
Dljeim  fenben  ruolle,  unb  geljt  ab.  33lanca  beggleidjen ;  nadp 
bem  fie  iljren  Unftern  uermünfdjt,  fidj  aber  nodj  bamit  ge* 
tröftet,  baß  e§  fein  Schlimmerer  als  ber  §erjog  fei,  meiner 
uon  bem  Snfdjlage  beö  ©rafen  miffe. 

©ie  Königin  erjdjeint  mit  il)rem  ^an^ler,  bem  fie  e§ 
tiertraut  Ijat,  mag  tfjr  in  bem  ©arten  begegnet.  (Sie  befiehlt, 
baß  ifjre  Seibmadje  alle  Zugänge  mol)l  befetje,  unb  morgen 
miß  fie  nad)  Sonbon  gurücffeljren.  ©er  ^an^Ier  ift  ber  5Diei= 
nung,  bie  Sföeudjelmörber  auffliegen  $u  laffen  unb  burd;  ein 
öffentliche^  (Sbift  bemjenigen,  ber  fie  anzeigen  merbe,  eine 
anfefynlidje  SBeloljnung  311  oerljeißeu,  follte  er  and)  felbft  ein 
9Jtitjd)iilbiger  fein.  „Senn  ba  e£  it)rer  gmei  raaren,"  fagt 
er,  „bie  ben  Zufall  traten,  fo  lann  leidjt  einer  baoon  ein 
eben  fo  treulofer  greunb  fein,  al3  er  ein  treulofer  Untertan 
ift."**)  —  Slber  bie  Königin  mißbilliget  biefenSftat;  fie  Ijält 
e3  für  beffer,  ben  ganzen  Vorfall  $u  unterbrüden  unb  eS 
gar  nicr)t  befanut  merben  $u  laffen,  baß  e3  -IRenfäjen  ge= 
geben,  bie  fidj  einer  foldjen  Sljat  erfüllten  bürfen.  „SJian 
muß,"  fagt  fie,  „bie  Sßelt  glauben  madjen,  baß  bie  Könige 
fo  mol)l  bemadjt  merben,  baß  e3  ber  -öerräterei  unmöglid)  ift, 
an  fie  51t  lommen.  2lußerorbentIid)e  ^ßerbredjen  werben  beffer 
uerfdjmiegen,  als  beftraft.  SDenn  bciZ  33eifpiel  ber  Strafe  ift 
Don  bem  Seifpiele  ber  Sünbe  unzertrennlich ;  unb  biefeö  lann 
oft  eben  fo  fef)r  anreihen,  al3  jenes  abfdjreden."***) 

^nbern  mirb  (Sffer,  gemelbet  unb  oorgelaffen.   ©er  33ertdt)t, 


•)  No  he  de  responder  al  Duque  [3$   merbe  bem  ^erjoge  nidjt  anU 

Hasta  que  el  sucesso  mismo  morten,  bis  ber  Grfolg  fetber  jeigt,  tüte 

Muestre  como  fueron  falsos  faljef)  bie  9lnäeid)en  meines  SSerratesmaren, 

De  mi  traicion  los  indicios,  unb  ia%  meine  Grgebenfjeit  um  )o  größer 

Y  que  soi  mas  leal,  quauto  ttmr,  je  metjr  id)  ein  SSerrütetju  fein  fd)ien. 
Mas  traidor  he  pareeido.  3immetmantt.] 

**)  Y  pues  son  dos  los  eulpados 
Podrä  ser,  que  alguno  de  ellos 
Entregue  al  otro;  que  es  llano, 
Que  serä  traidor  amigo 
Quien  fue  desleal  vassallo. 
***)  Y  es  gran  materia  de  estado 
Dar  a  entender,  que  los  Heyes 
Estau  en  si  tan  guardados 
Que  aunque  la  traicion  los  busque, 
Xunca  ha  de  poder  hallarlos; 
Y  assi  el  seoreto  averigue 
Enormes  delitos,  quando 
Mas  que  el  castigo,  escarmientos 
De  exemplares  el  pecado. 


48  §amlmrgifd)e  Dramaturgie. 

ben  er  üon  bem  gludlicrjen  (Erfolge  feiner  (Srpebition  ab- 
ftattet,  ift  fuq.  2)ie  Königin  fagt  tlmt  auf  eine  fej)r  oer= 
binblidie  2£eife:  „£>a  idj  @ud)  mieber  erblide,  weiß  idj  oon 
bem  Ausgange  beg  Krieges  fdjon  genug."*)  ©ie  mitl  oon 
feinen  nähern  Umftänben  l)ören,  beoor  fie  feine  ©teufte  nicr)t 
belohnt,  unb  befiehlt  bem  $an$ler,  bem  ©rafen  fogleid)  bag 
patent  als  Slbmiral  oon  ©nglanb  auszufertigen.  2)er  Rangier 
gel)t;  bie  Königin  unb  @ffe£  finb  allein;  bag  ©efpräd;  roirb 
oertraulidjer;  ©ffej  fyat  bie  ©djärpe  um;  bie  Königin  bemerft 
fie,  unb  dffer.  mürbe  eg  aug  biefer  blofjen  SBemerfung  fdjjließen, 
baß  er  fie  oon  i§r  fyabe,  menn  er  eg  aug  ben  Sieben  ber 
Bianca  nid)t  fcfyon  gefcfjloffen  rjätte.  £)ie  Königin  Ijat  ben 
©rafen  fdjon  längft  t)eim(id)  geliebt,  unb  nun  ift  fie  ifjm  fogar 
baS  Seben  fdjulbig.  **)  @S  foftet  tfyr  alle  Wlülje,  tt)re  Neigung 
gu  oerbergen.  ©ie  tljut  r>erfd)iebne  gragen,  ir;n  auS^uloden 
unb  5U  rjören,  ob  fein  §erg  fd)on  eingenommen,  unb  ob  er 
es  oermute,  mem  er  bag  Seben  in  bem  ©arten  gerettet.  2)ag 
letjte  gibt  er  iljr  burd)  feine  Slntroorten  geroiffermaßen  $u 
oerfteljen,  unb  gugleidj,  baß  er  für  eben  biefe  $erfon  me|r 
empfinbe,  alg  er  berfelben  gu  entbeden  fid)  erfüllten  bürfe. 
£)ie  Königin  ift  auf  bem  fünfte,  fidj  il)m  31t  erfennen  ju 
geben;  bod)  fiegt  nod)  ifyr  ©tol$  über  ir)re  Siebe,  ©ben  fo 
feljr  tjat  ber  ©raf  mit  feinem  ©tol^e  $u  fämpfen;  er  laun 
fid)  beg  ©ebanfeng  nid)t  entmelpn,  bafa  ilm  bie  Königin 
liebe,  ob  er  fdjon  bie  ^ermeffenfjeit  biefeg  ©ebanfeng  erfennt. 
(2)aß  biefe  ©^ene  größtenteils  aug  Sieben  befielen  muffe,  bie 
jebeg  feitab  führet,  tft  leidjt  gu  eradjten.)  ©te  Reifet  tfjn  geljen, 
unb  Ijeißt  tljn  Tüteber  fo  lange  warten,  big  ber  $an§ler  il)in 
bag  patent  bringe.  @r  bringt  eg;  fie  überreicht  eg  tfym;  er 
bebanft  fiel),  unb  bag  (Seitab  fängt  mit  neuem  geuer  an. 

2)ie  Königin.    $£l)örid)te  Siebe!  — 

@ffe£.     ©itler  Sßa^nfinn!  — 

3)ie  Königin.    Sßie  blinb!  — 

(Sffer..    2öie  oermegen!  — 

2)ie  Königin,  ©o  tief  roillft  bu,  baß  id)  midj  Ijerab= 
feije?  — 


*)  Que  ya  solo  con  miraros 

Se  el  sucesso  de  la  guerra. 

**)  No  bastaba,  amor  tyrano,  [SQ3ar    e§   nid)t   nenuo.,   tt)nmnifd)er 

Una  inclinacion  tan  f'uerte,  2ieue§gott,  an  einer  fo  ftarfen  WeinunaJ 

Sin  que  te  ayas  ayudado  Wußte  bit  Dabei  nod)  bei-  Umftunb  be= 

Del  deberle  yo  la  vida?  bjtftid)  fein,  baß  id)  bit  ba§  Se&en  bet» 

banfte?    3  im  m  ermann.] 


StöetunbfedOjtgfteS  3tütf.  49 

©ffer..    So  l)od)  millft  bu,  baj3  idj  midj  oerfteige? 
Sie  Königin.    SBebcnfc,  bafs  id;  Königin  bin! 
©ffer,.     33ebenfe,  bafc  id)  Untertljan  bin! 
Sie  Königin.    2)u  ftüv^cft  midj  6i§  in  ben  2t&grunb,  — 

(Tffer.     3)u  crfjcbeft  mid)  bis  jur  Sonne,  — 
Sic  Königin.    Dirne  auf  meine  §o()cit  31t  adjteii. 
(i'f)e^.    Dljne  ineine  SRiebrtgfeit  31t  ermägen. 
Sie  Königin.     2lber  weil  bu  meines  §ergenS  bidj 
bemeiftert:  — 

@ffej.    216er  weil  bu  meiner  Seele  bidj  Bemächtiget:  — 
Sie  Königin.     So  ftirb  ba  unb  f'omm  nie   auf  bie 
Suttge! 

0 f f e £.  So  ftirb  ba  unb  fomm  nie  über  bie  Sippen!*) 
Oft  baö  nidjt  eine  fonberbare  2lrt  uon  Untergattung? 
Sie  reben  mit  einanber;  unb  reben  aud;  ntdjt  mit  einanber. 
Ter  eine  l)ört,  mag  ber  anbere  nidjt  fagt,  unb  antwortet  auf 
bas,  mag  er  nidjt  gehört  Ijat.  Sie  nehmen  einanber  bie 
SBorte  nid)t  auä  bem  sDiunbe,  fonbern  aug  ber  Seele.  dJlan 
fage  jebodj  uid)t,  bafj  man  ein  Spanier  fein  muj$,  um  an 
folgen  unnatürlichen  Eünfteleien  ©efcjjmaä  311  finben.  9iod) 
»or  einige  breifug  3aljren  fanben  mir  Seutfdje  eben  fo  tuet 
Wefdjmarf  baran;  beim  unfere  Staats;  unb  §elbcnattionen 
wimmelten  bauon,  bie  in  allem  nad)  ben  fpanijdjen  -äftuftem 
flugefdjnitten  maren.) 

9?ad)bem  bie  Königin  ben  (Sffer.  beurlaubt  unb  il)m  be= 
foljlcn,  iljr  balb  mieber  aufgumarten,  gelten  beibe  auf  oer= 
fdjiebene  Seiten  ab  unb  madjen  bem  erften  Sfufjuge  ein  (fnbe. 
—  Sie  Stücfe  ber  Spanier,  mie  befannt,  Ijaben  bereu  nur 
brei,  meldje  fie  Jornadas,  ätogeroerfe,  nennen.  Störe  aller; 
älteften  Stüd'e  Ratten  oiere:  fie  froren,  fagt  Sope  be  $ega, 
auf  allen   meren  mie  ftinber;   beim  es  maren  aud)  wivfiid; 


*)  Rein.  Loco  Amor  —  Cond.  Necio  impossible  — 
Rein.  Que  ciego  —  Cond.  Que  temerario  — 
Sein.  Me  abates  a  tal  baxeza  — 
Cond.  Me  quieres  subir  tau  alto  — 
Rein.  Advierte,  que  soi  la  Reina  — 
Cond.  Advierte,  que  soi  vasallo  — 
Rein.  Pues  me  bumillas  ä  el  abysmo  — 
Cond.  Pues  me  acercas  a  los  rayos  — 
Rein.  Sin  reparar  mi  graudeza  — 
Cond.  Sin  mirar  mi  humilde  estado  — 
Rein.  Ya  que  te  miro  aca  dentro  — 
Cond.  Ya  que  en  mi  te  vas  entrando  — 
Rein.  Muere  entre  el  pecho,  y  la  voz. 
Cond.  Muere  entre  el  alma,  y  los  labios. 

Seffina,    QBcvEe.    XII. 


50  §atmmrgifd)e  ^Dramaturgie. 

uocl)  ®mber  von  ^omöbien.  ^8troeg  mar  ber  erfte,  meldjer 
bie  nier  Slufgüge  auf  brei  braute,  unb  £ope  folgte  il)m  barin, 
ob  er  fcfjon  bie  erften  ©tüde  fetner  Qugenb  ober  üielmeljr 
feiner  ^inbljeit  ebenfalls  in  oieren  gemacht  fjatte.  2öir  lernen 
biefeg  aus  einer  ©teile  in  be3  letjtern  „leiten  £unft,  $omö= 
bien  31t  madjen",*)  mit  ber  idj  aber  eine  ©teile  be§  Ger= 
oantes  in  Söiberfprud)  ftnbe,**)  mo  fid)  biefer  ben  9htfjm 
anmaßt,  bie  fpanifdje  ^omöbie  oon  fünf  Elften,  auS  melcljen 
fte  fonft  beftanben,  auf  brei  gebracht  gu  Ijaben.  ©er  fpanifdje 
Sitterator  mag  btefen  SBBiberfprudt)  entfdjeiben;  id)  miß  mid) 
babei  nidjt  aufhalten. 


$  reimt*  frdTjt0|trs  §tüdu 

SDen  8.  ©ejember  1767. 

SDie  Königin  ift  oon  bem  Sanbgute  ^urüdgefommen;  unb 
@ffe£  gleichfalls,  ©obalb  er  in  Sonbon  angelangt,  eilt  er 
nad)  §ofe,  um  fid)  feinen  2lugenblid  oermiffen  ju  laffen.  @r 
eröffnet  mit  feinem  (Sosmte  ben  ^netten  5Ift,  ber  in  bem 
fömglidjen  <5d)loffe  fpielt.  (SoSme  fjat  auf  SBefeljl  be§  (trafen 
fid)  mit  $tfrolen  oerfel)en  muffen;  ber  ©raf  F)at  Ijeimlidje 
geinbe;  er  beforgt,  menn  er  be§  yiatytö  fpät  uom  ©d)loffe 
get)e,  überfallen  31t  merben.  (Ex  Reifet  ben  GoSme,  bie  Sßiftolen 
nur  inbeS  in  ba3  3ltrimer  ^er  Bianca  511  tragen  unb  fie  non 
gloren  aufgeben  ^u  laffen.  3uS^e^  binbet  er  bie  Sd)ärpe 
lo§,  meil  er  gur  Bianca  getjen  miH.  53lanca  ift  eiferfüdjtig; 
bie  ©d)ärpe  lönnte  il)r  ©ebanfen  mad)en ;  fie  fönnte  fie  Ijaben 
moflen;  unb  er  mürbe  fie  ifjr  abfd)lagen  muffen.     Qnbem  er 


*)  Arte  nuevo  de  hazer  Comedias,  bie  fid)  binter  be§  Sope  Rimas  befinbet. 

El  Capitan  Virves,  insigne  ingenio, 
Puso  en  tres  actos  la  Comedia  que  äntes 
Andava  en  quatro,  como  pies  de  nino, 
Que  eran  entonces  niiias  las  Comedias, 
Y  yo  las  escrivi  de  onze,  y  doze  anos, 
De  a  quatro  actos,  y  de  ä  quatro  pliegos, 
Porque  cada  acto  un  pliego  contenia. 

[2)er  Hauptmann  S3irt>e§,  ein  ttorttefftidje§  ©enie,  bvadjte  bie  Romöbie,  bie  üor= 
ber  nue  ein  $iub  auf  allen  üieren  ging,  in  brei  Slfte.  2)enn  früher  toaren  bie 
ilomöbien  binbet,  unb  icb  fdjrieb  in  meinem  elften  unb  jmölften  Sfaljre  foldje  t>on 
tuet  Slften  unb  t>on  öier  93ogen;  benn  jeber  9lft  natym  einen  33ogen  ein.] 

**)  Sn  ber  Sßourebe  311  feinen  lomöbien:  Donde  me  atrevi  a  reducir  las 
Comedias  ä  tres  Jornadas,  de  cinco  que  tenian. 

[3d)  unterfing  mid) ,  bie  lomöbien  tion  iljren  früfjern  fünf  Elften  auf  brei  ju 
rebuäieren.    3  immer  mann.] 


JDreiunbfedjjigfteS  Sttidf.  5J 

jte  bem  (Soome  %\xx  SBermctljnmg  übergibt ,  fommt  S3(anca 
baju.  SoSme  null  fie  gef(§nrittb  oerftecfen :  a&er  eä  fonn  fo 
gej<$romb  nicf)t  gefd&eljen,  bau  e§  33(anca  nicht  merfcti  füllte. 
Sölanca  nimmt  ben  ©rofcti  mit  fiel)  jur  Königin;  imb  (*fier 
ermahnt  im  2tbgeljen  ben  (Soome,  roegett  ber  Schärpe  reinen 
SRunb  31t  galten  unb  fie  niemanben  31t  geigen. 

ßoömc  Ijat  unter  feinen  nnbern  guten  ©tgenfdjaften  auef) 
biefe,  baf$  er  ein  (Srjplauberer  ift.  (5r  f'ann  fein  ©eljetmmä 
eine  Stunbe  bemafyren;  er  fürchtet,  ein  ©efd^toät  im  Seibe 
bapon  311  befommen;  unb  ba§  Verbot  bcö  ©rafen  l)at  üjn 
31t  red)ter  fielt  erinnert,  ba£  er  fid)  biefer  ©efal)r  bereits 
fed)3unbbreifug  Stunben  auSgefe&t  t)abc.  *)  (Sr  gibt  gtoren 
bie  $tftolen  unb  Ijat  ben  9)lunb  fdjott  auf,  ilrr  aud)  bie  gan$e 
©efdjidjte  r>on  ber  maofierten  £>ame  unb  ber  Sd)ärpe  31t  er= 
3äl)len.  £od)  eben  befinnt  er  fid),  baf;  e§  mol)l  eine  mite 
bigere  Sßerfott  fein  muffe,  ber  er  fein  (SefyeimniS  juerft  mit- 
teile.  G§  mürbe  nidjt  laffen,  menn  fid)  glora  rüfymen  formte, 
if)n  beffen  befloriert  311  baben.  **)  (Qd)  muf$  r>on  allerlei  3lrt 
be§  fpanifdjen  2öif3e3  eine  fleine  $robe  ein^uftec^ten  fud)en.) 

@o§me  barf  auf  biefe  mürbigere  ^erfon  nid)t  lange  marten. 
23lanca  mirb  uon  tr)ver  ^eugierbe  fiel  $u  fefjr  gequält,  baft 
fie  fid)  nidvt  fo  balb  als  möglid)  oon  bem  ©rafen  losmadjen 
Jollen,  um  31t  erfahren,  mag  Goome  uorl)in  fo  rjaftig  uor  ilvr 
31t  oerbergen  gefugt.  Sie  fömmt  alfo  fogleid)  %uxüd,  unb 
nad)bem  fie  \v)n  juerft  gefragt,  roanun  er  ntdjt  fdjon  nad) 
Sdjottlanb  abgegangen,  rao!)in  iljn  ber  ©raf  fluiden  mollen, 
unb  er  tljr  geantmortet,  bafc  er  mit  anbredjenbem  ^Tage  ab- 
reifen  merbe,  oerlangt  fie  31t  miffen,  ma§  er  ba  oerftedt  halte? 
Sie  bringt  in  üjtt;  bod)  GoSme  lägt  nid)t  lange  in  fid)  bringen. 
@r  fagt  itjr  alles,  mal  er  oon  ber  Sd)ärpe  meif;,  unb  33lanca 
nimmt  fie  tfjm  ab.  £>ie  3Irt,  mit  ber  er  fid)  feines  ©eljeim; 
niffeS  entlebiget,  ift  äu^erft  efel.  Sein  Ziagen  mitl  e§  nid)t 
länger  bei  fid)  behalten;   es  ftöftt  iljm  auf;   eS  fneipt  if)n; 


•)  —  Yo  no  me  acordaba  [3d)  badfite  nicfjt  baran,  e§  ju  fagen. 

De  decirlo,  y  lo  callaba,  unb  verfdmrieg  e§;  Jeitbem  e§  mit  aber  cäS 

Y  como  me  lo  encargo,  @e^etmni§  amiertraut,  möd)te  id)  t»or  SSct« 

Ya  por  decirlo  rebiento.  langen  ^laljen ,   e»  auSjuplaubern;  benn 

Que  tengo  tal  propriedad,  ba§  ift  einmal  meine  Csigenjdjaft,  hak  eine 

Que  en  un  hora,  6  la  mitad,  ©e|d)id)te  in  einer  Stunbe  über  einer  tyaU 

Se  me  bace  postema  im  ciiento.  ben  (Stunbe  bei  mir  311m  (Seidjmiire  mirb. 

**)  Alla  va  Flora;  mas  no,  [Sa  fommt  Jtora;  aber  nein,  e§  muß 

Sera  persona  mas  grave  —  eine  mürbigere  9ßerjon  fein  —  ^(ora  barf 

No  es  bien  que  Flora  se  alabe  fid)  nidjt  rübmen,  mid)  be§  ©e^eimniffeg 

Que  el  cuento  me  desflorö.  befloriert  311  fjaben.    3immcrmann-l 


52  §amfatrf|iftf)c  Dramaturgie. 

er  ftedt  ben  Ringer  in  ben  §al§;  er  gibt  e§  non  ftdj;  unb 
um  einen  beffern  ©efdjmatf  roieber  in  ben  90Junb  $u  befommen, 
läuft  er  gefdjrotnb  ab,  eine  Outttc  ober  Dlioe  barauf  31t 
fanen.  *)  Bianca  !ann  au3  feinem  oerrotrrten  ©efdrruätje  groar 
nicr)t  redjt  fing  werben ;  fie  nerfterjt  aber  bod)  fo  r>iel  barauS, 
baf3  bie  ©crjärpe  ba§  ©efcrjenf  einer  £)ame  ift,  in  bie  ©ffer. 
verliebt  roerben  fönnte,  roenn  er  e§  ntdjt  fdjon  fei.  „£)enn 
er  ift  bocr)  nur  ein  Sttann,"  fagt  fie.  „Unb  roerje  ber,  bie 
i()re  @l)re  einem  3Jtotme  anoertraut  rjat!  2)er  befte  ift  nodj 
fo  fdjlhnm ! "  **) —  Um  feiner  Untreue  alfo  guüorgufommen, 
milt  fie  üjn  je  el)er  je  lieber  heiraten. 

SDie  Königin  tritt  herein  unb  ift  äufeerft  niebergefdjlagen. 
^Bianca  fragt,  ob  fie  bie  übrigen  §ofbamen  rufen  f oBC ;  aber 
bie  Königin  roil!  lieber  allein  fein;  nur  Qrene  folt  lommen 
unb  vox  bem  3^mmer  fingen.  SBIanca  gel)t  auf  ber  einen 
Seite  nadj  Srenen  ab,  unb  non  ber  anbern  tommt  ber  ©raf. 

(Sffer,  liebt  bie  SBlanca;  aber  er  ift  el)rgei§ig  genug,  and) 
ber  Siebljaber  ber  Königin  fein  gu  roollen.  fer  roirft  fid) 
biefen  ©Ijrgetg  felbft  nor ;  er  beftraft  ftdj  beSroegen ;  fein  §erg 
geljört  ber  Bianca;  eigennützige  Slbfidjten  muffen  e§  il)r  nid)t 
ent§ier)ert  roollen ;  unedjte  ^onoemeng  mufj  feinen  edjjten  Slffeft 
befiegen.  ***)    @r  mill  ftd)  alfo  lieber  roieber  entfernen,  al3  er 


*)  Ya  se  me  vierte  a  la  boca  [3a,  c§  fommt  mir  fdjon  gonj  in  ben 

La  purga  —  —  93hmb roa§  ift  bal  für  ein  «lieber« 

O  que  regueldos  tan  secos  träd)tige§    Wufftofeen!    —   Wein   Wagen 

Me  vienen!  terrible  aprieto.  —  erträgt  e§  nid)t;  mafyrlid),  e§  ift  eine  er- 

Mi  estomago  no  lo  lleva;  fdjrecflidje  Qual,  id)  ftede  ben  Ringer  t)in= 

Protesto  que  es  gran  trabajo,  ein, ba  id)  nun  meinen  ganzen 

Meto  los  dedos. Wageninfyalt  ausgebrochen   unb  ba§  ©e= 

Y  pues  la  purga  he  trocado,  t)eimni§  r>on  mir  gegeben  rjabe,  t>om  9ln= 

Y  el  secreto  he  vomitado  fang  bi§  jum  Gnbe,  unb  ot)ne  etmn§ 
Desde  el  prineipio  hasta  el  fin,  .umidjutaffen ,  fo   fyabe  id)   einen  foldjcu 

Y  sin  dexar  cosa  alguria,  ©fei  befommen,  bafj  irl)  fjingeften  unb  eine 
Tal  asco  me  diö  al  decillo,  Quitte  tierjerjren  ober  in  eine  Dlire  beiden 
Voi  ä  probar  de  un  membrillo.  miß.] 

O  a  morder  de  una  azeituna.  — 

'*)  Es  hombre  al  fin,  y  ay !  de  aquella 
Que  a  un  hombre  fiö  su  honor, 
Siendo  tan  malo  el  mejor. 

"*)  Abate,  abate  las  alas,  [$ier)e,   jiefy«  bie  ^yliigct   ein,   fliege 

No  subas  tanto,  busquemos  mdjt  ju   I)od),    lafj  utti  ein  SBereid)  au f= 

Mas  proporcionada  esfera  fudjen,  voie  e§  bcfdjränftcm  fttuge  jtemt. 

A  tan  limitado  vuelo.  SSlanca  ift  eS,  bie  mid)  (iebt,  unb  SBIanca 

Blauca  me  quiere,  y  a  Bianca  ift  e§,   bie  id)  anbete;   nmrum  aber  ent* 

Adoro  yo  ya  en  mi  dueno;  ferne  id)  mid)  Don  einer  fo  ebetn  Siebe 

Pues  como  de  amor  tan  noble  um    einc§    ehrgeizigen    gtuedeS    nriUcn  i 

Por  una  ambicion  me  alexo?  $einc  unedjte  ßontienienj  möge  eine  cd)te 

No  conveniencia  bastarda  Neigung  befiegen.     3'in  nur  mann .] 
Venza  un  legitimo  afecto. 


SreiunbfedOjigfteö  «Stücf. 


50 


bic  ßönigin  gematjr  wirb;  unb  bie  Königin;  als  fie  itjn  er- 
blid't,  null  iljm  gleidjfattS  ausweichen.  Slbet  fie  bleiben  beibe. 
Snbem  fängt  Srene  vox  bem  3^mmcv  an  3U  fingen.  3ie 
fingt  eine  Dtcbonbilla,  ein  t'teiueS  Sieb  oon  uiev  feilen,  bejjen 
Sintt  biefer  tft:  ,,20111011  meine  uevliebten  klagen  511  beiner 
Kenntnis  gelangen,  0,  fo  laß  bas  9Jiitleib,  meldjes  fie  oers 
bienen,  'cen  Unwillen  überwältigen,  ben  bu  barübet  empfinbeft, 
bajj  id)  es  bin,  ber  fie  füljuet."  2)er  Königin  gefüllt  t>as  Sieb, 
unb  (i'ffer  finbet  es  bequem,  iljr  burd;  basfelbe  auf  eine  »er* 
ftedte  SQBeife  feine  Siebe  311  erf'lären.  @t  fagt,  eu  Ijabe  es 
gloffieret,  *J  unb  bittet  um  Gvlaubnis,  ifjr  feine  ©loffe  uor= 


*)  Sic  Spanier  fjaben  eine  5lrt  oon  ©ebidjten,  weld)e  fie  Glossas  nennen.  «Sie 
uelnneu  eine  ober  mehrere  feilen  gteidjfam  juni  Sterte  unb  erfüireu  ober  umfdjreiben 
biefen  2crt  jo ,  bajj  fie  bie  3e^en  Klbft  in  biefe  (hftärung  ober  Umjdjreibung 
miebernm  eiufledjten.  ®en  Stert  Reißen  fie  Mote  ober  Letra  unb  bie  Auslegung 
inc-bejonbere  Glossa,  Weld)e§  benn  aber  aud)  ber  Diame  bc§  ©cbidjt*  überhaupt  ift. 
Vier  lüfjt  ber  2>id)ter  ben  6ffej  ha*  Sieb  ber  Srene  jum  Mote  madjen,  ba»  aus  vier 
feilen  befteljt,  bereu  jebe  er  in  einer  befonbern  itanje  umjdjteibt,  bie  fidj  mit  ber 
umfdmcbcnen  Qeik  fd)liefct.     3)aS  ©anje  ftebj  jo  auc- : 


Mote. 
Si  acaso  mis  desvarios 
Liegaren  a  tus  umbrales, 
La  lästima  de  ser  inales 
Quite  el  horror  de  ser  mios. 

Glossa. 
Auuque  el  dolor  me  provoca 
Decir  mis  quexas,  no  puedo, 
Que  es  mi  osadia  tan  poca, 
Que  entre  el  respeto  y  el  miedo 
Se  nie  mueren  en  la  boca; 
Y  assi  non  llegan  tan  mios 
Mis  males  a  tus  orejas. 
Porque  no  hau  de  ser  oidos 
Si  acaso  digo  mis  quexas, 

Si  acaso  mis  desvarios. 
El  ser  tan  mal  explicados 
Sea  su  mayor  indicio, 
Que  trocando  en  mis  cuidados 
El  silencio,  y  vos  su  oficio, 
Quedarän  mas  ponderados: 
Desde  oy  por  estas  senales 
Sean  de  ti  conoeidos, 
Que  sin  duda  son  mis  males 
Si  algunos  mal  repetidos 

Liegaren  a  tus  umbrales. 
Mas  ay  Dios!  que  mis  cuidados 
De  tu  crueldad  conoeidos, 
Aunque  mas  acreditados, 
Seran  menos  adquiridos, 
Que  con  los  otros  mezclados: 
Porque  no  sabiendo  a  quales 
Mas  tu  ingratitud  se  deba 
Viendolos  todos  iguales 


[SRotto.] 

[SS  e  n  n  e  t  w  a  m  e  i  u  e  $ a  f e  l  e  i  e  n 
3  u  b  e  i  n  e  r  S  d)  w  e  1 1  e  gelangen,  j  o 
möge  ba§  33ebauern  i tj r e §  Un= 
werte»  b  i  d)  oon  b  e  m  S  i)  r  e  et  e  u 
b  a  r  ü  b  e  r  befreien,  b  a  jj  f  i  e  x>  o  n  m  i  r 
r  o  m  m  e  n. 

©  1  o  f  i  e : 

Sßenn  auch,  ber  ednner-)  mid)  baju 
antreibt,  bennag  id)  bod)  meine  Klagen 
nid)t  au5juipred)en;  benn  fo  gering  ift 
meine  Kühnheit,  baß  jene  mir  jtoifd)en 
Ukreljruug  unb  gurd)t  im  Dtunbe  fterben, 
unb  fo  erreichen  meine  Seiben  nidbt  bein 
Cbr,  wenn  id)  etwa  meine  Klagen  aus= 
fpredje,  wenn  etwa  311  beiner  Schwelle  ge= 
langen  meine  fy a{ el eien. 

Sie  UugeidHtftidjfeit  be§  9lu*brude-:- 
möge  ben  Stielt  am  fidjerften  beglaiu 
lugen;  benn  ia  in  meinem  §arme  Sd)mei= 
gen  unb  SReben  tljre  IRolIeu  t>ertaujd)ten, 
werben  meine  Söorte  um  fo  mehr  inS 
©emid)t  fallen.  3>on  bleute  an  mögeft  bu 
fie  baran  al§  bie  meinigen  erfenneit,  wenn 
einmal  fdblecbt  auSgebrüdte  Seiben  3U 
beiner  ©djwelle  gelangen. 

9lber,  0  ©Ott!  meine  Sorgen,  »on 
beiner  ©raufamfeit  erlannt,  werben,  ob= 
wobt  beffer  beglaubigt,  weniger  angenom= 
nten,  fie  werben  öiehneljt  mit  anbern  t>er= 
mengt  werben;  benn  ba  bu  nid)t  Weißt, 
wem  cor  allen  beine  Uubanfbarfeit  biefe 
Klagen  fdmlbet,  fo  muß,  ba  bu  üe  als 
gleid)   erfenneft,   bid)  notwenbig   für  aüe 


Fuerza  es  que  en  commun  te  mueva   bewegen    b  a  §    33  e  b  a  u  e  r  n    i  l;  t  e  ■:•    U  \\* 
La  lästima  de  ser  males.  Wertes. 


fagen  311  bürfen.  3U  biefer  (Gloffe  befdjreibt  er  fid)  at§  ben 
gärtlid^ften  Siebfyaber,  bem  eg  aber  bie  ©(jrfurdjt  Derbtete,  fid) 
Dem  geliebten  (Gegenftanbe  gu  entbed'en.  £)ie  Königin  lobt 
feine  $oefie,  aber  fte  mißbilliget  feine  2lrt,  51t  lieben.  „Sine 
Siebe/'  fagt  fte  unter  anbeut,  „bie  man  nerfdnneigt,  fann 
nid)t  grof$  fein ;  benn  Siebe  roädjft  nur  burd)  (Gegenliebe,  unb 
ber  (Gegenliebe  madjt  man  fid;  burd)  baö  Sdjroeigen  mut= 
willig  uerluftig." 

$termtDfedj?tgfte$  *frtüdu 

©en  11.  SDesember  1767. 

SDer  (Graf  nerfeijt,  ba£  bie  nolllommenfte  Siebe  bie  fei, 
weldje  feine  SMoijnung  erwarte,  unb  (Gegenliebe  fei  S3elol)= 
nung.  Sein  ©ttllfdjmeigen  felbft  ntadje  fein  (Glüd;  benn  fo 
lange  er  feine  Siebe  nerfdjweige,  fei  fie  nod)  nnuerworfen, 
fönne  er  fid)  nod)  uon  ber  fügen  SBorftetfung  tättfdjen  laffen, 
baß  fie  nietleid)t  bürfe  genehmiget  werben.  2)er  Unglücfiidje 
fei  glüdlidj,  fo  lange  er  nodj  nidjt  wiffe,  wie  unglüd'lid)  er  fei.  *) 


En  mi  este  afecto  violento  Sn  mit  bringt  bie  ©fcröbigfeit  beiner 

Tu  hermoso  desden  le  causa;  ©d)öne  biefe  geroattige  SBirfung  f)ert)or; 

Tuyo,  y  mio  es  mi  torrnento ;  meine  dual  gehört  bir  unb  mir :  bir,  roeit 

Tuyo,  porque  eres  la  causa;  bu   bie  Urfadje   bift;   mir,   loeit   id)   fie 

Y  mio,  porque  yo  le  siento:  empfinbe;  Saura,  beiue§ärte  möge  roiffen, 
Sepan,  Laura,  tus  desvios  ^a%  meine  dual  itjr  angehört;  unb  in 
Que  mis  males  son  tan  suyos,           meinen  fiitmen  $afeleien  möge  ber  9lnteit, 

Y  en  mis  cuerdos  desvarios  ben  bu  an  benfetben  tjaft,  fie  tion  bem 
Estos  que  tienen  de  tuyos                  <5d)retfen    bar  übe  r   befreien,    bafj 

Quite  el  horror  de  ser  mios.         fie  üon  mir  fommen. 

3  immer  mann.] 
©§  muffen  aber  eben  nid)t  alle  (Stoffen  fo  ftnnmetrifd)  fein  al§  biefe.  9Jtan  twt  alle 
gretljeit,  bie  ©tanjen,  bie  man  mit  ben  Reiten  be§  9Jlote  fdjtiefet,  fo  ungleid)  gu 
madjen,  al§  man  null.  HKan  braudjt  aud)  nidjt  alle  feilen  einjufledjten;  man  fann 
fid)  auf  eine  einzige  einfdn-änten  unb  biefe  metjr  al§  einmal  mieberbolen.  Uebrigen§ 
gehören  biefe  ßMoffen  unter  bie  altern  (Gattungen  ber  fnanifdjen  Spoefie,  bie  nad)  bem 
JöoScan  unb  ©arcitaffo  jiemtid)  au§  ber  9Jtobe  gekommen. 
*)  —  —  El  mas  verdadero  amor 

Es  el  que  en  si  mismo  quieto 

Descansa,  sin  atender 

A  mas  paga,  o  raas  intento : 

La  correspondencia  es  paga, 

Y  tener  por  blanco  el  precio 

Es  querer  por  grangeria. 

Dentro  esta  del  silericio,  y  del  respeto 
Mi  amor,  y  assi  mi  dicha  esta  segura, 
Presumiendo  tal  vez  (dulce  locura!) 
Que  es  admitido  del  mayor  sugeto. 
Dexandome  enganar  de  este  coneepto, 
Dura  mi  bien,  porque  mi  engano  dura; 
Necio  serä  la  lengua,  si  aventura 


33ienmbjecf)3igfte6  ©tücf.  55 

2)ie  Königin  miberlegt  biefe  «Sopljtfteveien  alä  eine  Sßevfon, 
bev  felbft  bavan  gelegen  ift,  ba&  CS'ilcr  ntd)t  länger  bamad) 
Ijanble;  unb  @fier,  burdj  btefe  SBiberlegung  erbretftet,  ift  im 
SBegriff,  baö  33efenntni3  511  wagen,  oon  welchem  bte  Königin 
behauptet,  bafc  es  ein  SiebljaBer  auf  alle  2öeife  wagen  müfje, 
al§  ©lanca  Ijeveintritt,  ben  §ei*3og  an&umelben.  2)iefe  (ir- 
fdjeiuung  bev  SBlanca  bewirft  einen  uon  ben  Jonberbarften 
Xljeaterftrei<$en.  3)enn  Sölanca  fjat  bie  Schärpe  um,  bie  fie 
bem  (Soomc  abgenommen,  weld&eg  $wat  bie  Königin,  aber 
nidjt  (Sfiag  gewaljr  wirb.*) 


Un  bien  que  esta  seguro  en  el  secreto.  — 
Que  es  feliz  quien  no  siendo  venturoso 
Nunca  llega  ä  saber,  que  es  desdiebado. 

[2)ie  ed)tefte  Siebe  ift  bie,  meldje  fid)  felbft  genug  ift,  obne  anbeven  2obn  ju 
ermatten  ober  nad)  anbeten  QieUn  ju  ftreben;  bte  (nmibeiimg  ift  bei  Sotm,  unb 
ben  SßteiS  3um  3iele  nehmen,  beißt:   au»  bev  Siebe  einen  GsrroerbgjtDeig  madben. 

Weine  Siebe   t)ä(t  fid)  innerhalb   beS   Sd&toeigenS  unb  ber  (vljrfurdit, 

unb  baber  ift  mein  föliief  gefidjert ,  toenn  id)  mir  t>icUeid)t  einbitbe,  baß  fie  (o  jüfce 
Sttjorbeit)  dou  ber  bödjftftetjenbeu  ^erfönlidjfeit  angenommen  mirb.  Söenn  id)  mid) 
bnrd)  biefe  Wnnabme  tüufdjen  laffe,  bauert  mein  ©tiief,  rceü  meine  Säufdjung 
banert.     2l)örid)t  ift  bie  gütige,   Nenn  fie  ein  ®Iu*  auf^  Spiet  fetjt,   bae  im  ©e* 

beimniffe  fidjer  ift. 2)enn  gtüdüd)  ift,  toet,  wenn  er  unglüdlid;  ift,  eö  niemals 

erfahrt.     3-1 

*)  Por  no  morir  de  mal.  quaudo 
Puedo  morir  de  remedio, 
Digo  pues,  ea,  ossadia, 
Ella  me  alentö,  que  temo?  — 
Que  sera  bien  que  a  tu  Alteza  — 
(Säle  Bianca  con  la  vanda  puesta.) 
Bl.  Senora,  el  duque  —  Cond.  A  mal  tiempo 
Viene  Bianca.     Bl.  Estä  aguardando 
En  la  antecamara  —  Rein.  Ay,  cielo ! 
Bl.  Para  entrar  —  Rein.  Que  es  lo  que  miro! 
Bl.  Licencia.    Rein.  Decid;  —  que  veo !  — 
Decid  que  espere;  estoi  local 
Decid,  andad.    Bl.  Ya  obedezco. 
Rein.  Venid  aeä,  volved.    Bl.  Que  manda 
Vuestra  Alteza?    Rein.  El  dano  es  cierto.  — 
Decidle  —  no  ay  que  dudar  — 
Entretenedle  un  momento  — 
Ay  de  mi!  —  mi  entras  yo  salgo  — 
Y  dexadme.    Bl.  Que  es  aquesto? 
Ya  voi.     Cond.  Ya  Bianca  se  fue, 
Quiero  pues  volver  —  Rein.  Ha  zelos ! 
Cond.  A  declararme  atrevido, 
Pues  si  me  atrevo,  me  atrevo 
En  fe  de  sus  pretensiones. 
Rein.  Mi  prenda  en  poder  ageno? 
Yive  dios,  pero  es  vergüenza 
Que  pueda  tanto  un  afecto 
En  mi.     Cond.  Segun  lo  que  dixo 
Vuestra  Alteza  aqui,  y  supuesto, 
Que  cuesta  cara  la  dieba, 
Que  se  compra  con  el  miedo, 
Quiero  morir  noblemente. 


56  §amburgifd)e  Dramaturgie. 

©ffeg.  ©o  fei  e§  gemagt!  —  grijd)!  Sie  ermuntert 
niid)  felbft.  Sßarum  null  id)  an  ber  ^rant'fjett  fterben,  menu 
td)  an  bem  Hilfsmittel  fterben  fanu?  3Sas  fürchte  id)  uodj?  — 
Königin,  ruanu  beim  alfo,  — 

SBlanca.    5Der  §er$og,  S^ro  9ttajeftät,  — 

ßffej.    Bianca  formte  nidjt  ungelegener  f'ommen. 

531  an  ca.    SBartet  in  bem  ^or^immer,  — 

2)ie  Königin.    2llj!  §immel! 

231  an  ca.    Stuf  Erlaubnis,  — 

£)ie  Königin.     2öa§  erblide  id)? 

Bianca.     £ereintreten  gu  bürfen. 

2)ie  Königin.  <Sag'  ifjm  —  3öa§  fei)'  td)!  —  Sag1 
iljm,  er  fotl  märten.  —  Qd;  f'omme  non  ©innen!  —  ©ejj, 
fag1  iljm  ba3! 

Bianca.    Qdfj  geljordje. 

3)ie  Königin.     Ötetb!    $omm  rjer!  nätjer !  — 

Bianca.    2Öa§  befehlen  Sfjro  Sttajeftät?  — 

2) ie  Königin.  D,  gan^  gewiß!  —  Sage  iljm  —  @§ 
ift  fein  gmeifel  meljr !  —  ©efj,  unterhalte  it)n  einen  2lugen= 
Mief,  —  2öel)  mir!  —  33ig  td)  felbft  ju  iljm  Ijerausfomme. 
©efj,  laß  midj! 

Bianca.    28a3  ift  ba3?  —  Sdj  gel)e. 

@ffe£.  ^Bianca  ift  meg.  3d)  ^aun  mm  lieber  ]oxU 
faljren,  — 

®ie  Königin.     §a,  (Siferfudjt ! 

@ffe£.  Wii<fy  ^u  erflären.  —  2öa3  ic§  mage,  mage  id) 
auf  il)re  eigene  Ueberrebung. 

S)ie  äönigin.  9Jiein  ©efeljenf  in  fremben  §änben! 
93ei  ©ott!  —  Slber  id)  muß  midj  fdjämen,  baß  eine  £etbcn= 
fdjaft  fo  niel  über  mid)  vermag! 

@f  f  ej.  Söenn  benn  alfo,  —  mie  $t)xe  ^flajeftät  gejagt,  — 
unb  mie  id)  einräumen  muß,  —  ba§  ©lud,  meines  man 
burdj  gurdjt  erfauft,  —  fe^r  teuer  gu  ftel)en  fömmt ;  —  menn 
man  niel  ebler  ftirbt:  —  fo  miU  audj  id),  — 

2)ie  Königin.    2öarum  fagen  ©ie  ba£>,  ®vnf? 

@ffej\   2öeil  id)  Ijoffe,  baß,  mann  id)  —  Söarum  füvdjte 

Rein.  Porque  lo  deci's?     Coiid.  Que  espero, 
Si  ä  vuestra  Alteza  (que  dudo !) 
Le  declarasse  mi  afecto, 
Alguu  amor  —  Hein.  Que  decis? 
A  mi?  como,  loco,  necio, 
Conoceisme?     Quien  soi  yo? 
Decid,  quien  soi?  que  sospecho, 
Que  se  os  huyö  la  memoria.  — 


aHeruttbfedjjigfteS  <5tütf.  57 

idi  mid)  nodj?  —  wann  idj  Qfyro  ÜRajcftät  meine  Seibenfdjaft 
befennte,  —  baj$  einige  Siebe  — 

$)ie  ßÖnigitt.  3BaS  fagen  Sie  ba,  ©raf?  2tti  mid) 
virf)tet  fiel)  baö?  2Öie?  £f)or!  "Unfinntger!  Hennen  Sie  mid) 
audi?  SEBifjen  ©ie,  wer  idj  bin?  Unb  mer  Sie  jinb?  3d) 
mufj  glauben,  bajj  (Sie  ben  SBerficmb  ocrlorcn.  — 

Unb  l"o  fallen  Sfjro  Sföajeftät  fort,  ben  armen  (trafen 
auojufcnfteni,  bafe  e3  eine  %xt  bat!  Sie  fragt  üjn,  ob  er 
nid)t  roifje,  rote  weit  ber  §immel  über  alle  menfdjlidje  &x- 
fredjungen  ergaben  fei?  Cb  er  niebt  uuffe,  baf$  ber  ©tunw 
winb,  ber  in  ben  Dlijmp  bringen  motte,  auf  falbem  2öege 
^uvütfbraufen  muffe?  Ob  er  uidjt  miffe,  baft  bie  fünfte, 
weldje  fid)  jur  Sonne  erl)ü6en,  oon  iljren  ©trollen  gerftreuet 
mürben?  —  2Ber  oom  §immel  gefallen  31t  fein  glaubt,  ift 
(iifer.  ßr  gtefjt  fid)  befdjämt  gurürf  unb  bittet  um  SÖerjeifjimg. 
£)te  Königin  befiehlt  i^m,  il)r  2(ngeftd)t  51t  meibeu,  nie  iljren 
\L'a(aft  mieber  3U  betreten  unb  fid)  glüdlid)  511  fdjarum,  baft 
fie  iljm  ben  S\opf  faffe,  in  weldjem  fid;  fo  eitle  ©ebanfen 
erzeugen  fötmen.*)  Qtx  entfernt  fid);  unb  bie  Königin  gel)t 
gtcid)fallö  ab,  uid)t  orjne  im§  werfen  511  laffen,  wie  wenig 
ifjr  §er,$  mit  iljren  Sieben  übereiuftimme. 

Sßlanca  unb  ber  §er^og  lommen  an  iljrer  ©tatt,  bie 
SBüfme  31t  füllen.  Bianca  Ijat  bem  §ergoge  e§  frei  geftanben, 
auf  welchem  gufee  fie  mit  bem  ©reifen  ftelje;  ba§  er  notwenbig 
ibr  ©emaf)l  werben  muffe,  ober  i f) r e  ßrjre  fei  oertoren.  2>er 
.^erjog  faftt  ben  @ntfd)luf$,  ben  er  wol)l  faffen  mufj:  er  will 
fid)  feiner  Siebe  entfd)lagen ;  unb  iljr  Vertrauen  31t  oergelteu, 
oerfprid)t  er  fogar,  ficrj  bei  ber  Königin  ifjrer  an3iinel)men, 
wenn  fie  il)r  bie  3ßerbinblidjf'eit,  bie  ber  ©raf  gegen  fie  l)abe, 
entbeden  molle. 

2)ie  Königin  lommtbalb  in  tiefen  ©ebanfen  wieber  gurüd. 
©ie  ift  mit  fid)  felbft  im  ©freit,  ob  ber  ©raf  audj  moljl  fo 
fd)ulbig  fei,  al3  er  fdjeine.  $ielleid)t,  baf$  e3  eine  anbere 
Sdjürpe  mar,  bie  ber  irrigen  nur  fo  äfmlid)  ift.  —  2)er 
^er^og  tritt  fie  an.  (£r  fagt,  er  fomme,  fie  um  eine  ©nabe 
51t  bitten,  um  meldje  fie  aud)  3ugleid)  53lanca  bitte.  ^Bianca 
werbe  fid)  näf)er  Darüber  erllären;  er  molle  fie  jufammen 
allein  laffen;  unb  fo  lägt  er  fie. 


*)  —  —  No  me  veais, 

Y  agradeced  el  que  oa  dexo 
Cabeza,  en  que  se  engendraron 
Tan  liviauos  pensamieiitos. 


2>ie  Königin  roirb  neugierig  unb  33lanca  nerroirrt. 
©nblid)  entfdjliefct  fidj  33lanca,  gu  reben.  Sie  roill  rüdjt 
länget*  uon  bem  ueränberlidjen  SßiHen  eines  5Ranne§  ah- 
fangen;  fie  null  eö  feiner  !Red;tfd;affenF)eit  nidjt  länger  an; 
Ijehnfteuen,  roa3  fie  burd)  ©eroalt  erhalten  lann.  6ie  flel)t 
bie  ©lifabetl)  um  9Jtitleib  au,  bie  (SlifaBetlj,  bie  grau;  nid)t 
bie  Königin.  2)enn  ba  fie  eine  ©d^road^rjett  tr)reö  ©efd)led()t§ 
befennen  muffe :  fo  fudje  fie  in  iljr  uidjt  bie  Königin,  fonbern 
nur  bie  grau.*) 


^ünfunöfjedjjt0|ie5i  gtiitlu 

2)en  15.  SDejember  1767. 

3)u?  mir  eine  ©djroadjfjeit?  fragt  bie  Königin. 

33 lau  ca.  ©djmeidjeleien,  ©eufger,  Sieblofungen  unb 
befouberg  Tratten  finb  uermögeub,  aud)  bie  reinfte  Stugeub 
51t  untergraben.  2öie  teuer  lömmt  mir  biefe  @rfafjrung  $u 
fteljen!    2)er  ©raf  — 

3)ie  Königin.     £>er  ©raf?   2Ba3  für  ein  ©raf?  — 

Bianca.    33  on  ©ffeg. 

2)ie  Königin.    2öa§  Ijöre  idj? 

Bianca.    (Seine  r>erfül)rerifd)e  3ärtlid)feit  — 

3)ie  Königin.    SDer  ©raf  non  @ffe^? 

33  lau  ca.     @r  felbft,  Königin.  — 

2)ie  Königin  (beifeite).  Qcfy  bin  be§  £obeg!  —  9hm? 
roeiter! 

33  lau  ca.  5$  gittere.  —  Wein,  id;  barf  e§  nid)t  roagen  — 


*) Ta  estoi  resuelta; 

No  a  la  voluntad  mudable 
De  un  liombre  este  yo  sujeta, 
Que  aunque  no  se  que  me  olvide, 
Es  necedad,  que  yo  quiera 
Dexar  ä  su  cortesia 
Lo  que  puede  hacer  la  fuerza. 
Gran  Isabella, escuchadme, 
Y  al  escucharme  tu  Alteza, 
Ponga  aun  mas  que  la  atenclon, 
La  piedad  con  las  orejas. 
Isabella  os  he  llamado 
En  esta  ocasion,  no  Reina, 
Que  quando  vengo  a  deciros 
Del  houor  una  flaqueza, 
Que  he  hecho  como  muger, 
Porque  mejor  os  parezca, 
No  Reina,  muger  os  busco. 
Solo  muger  os  quisiera.  — 


[3cb  bin  entfcbloffen.  9Ud)t  bem 
toanfefmütinen  SöiHett  eines  9JtanneS  man 
id)  mid)  unterwerfen;  unb  wenn  id)  aud) 
nicht  Weife,  ob  er  midi  öcrgeffeu  Wirb,  mit! 
id)  bod)  jeiner  ©efätiinfeit  nid)t  überladen, 
was  id)  burd)  ©ewalt  erreichen  fann. 
ßhofee  (SUfabetb,  bort  mid)  an  unb  toer* 
binbet  mit  bem  5Inbören  nod)  metjr  5)tit= 
leib  als  Slufmcrffamfeit.  3d)  habe  (Such 
bei  biefer  ©elegenbeit  (Süfabetb  n<mannt, 
nid)t  $öninin;  beim  inbem  id)  (lud)  eine 
©d)Wad)beit  neftehen  Witt,  bie  id)  atS  grau 
benanneu  habe,  fud)e  id)  in  (Sud),  bamit 
Shr  mid)  milber  beurteilt,  nid)t  bie  Stö= 
nigin,  fonbern  bie  grau,  unb  nur  bie 
grau.    3.] 


<yünfunbfed)tfflfte§  ©tücf.  59 

3)ie  Äötttgtn  madjt  iljr  SDlut  unb  lotft  if>v  nad)  unb  nad) 
meljr  ab,  alo  Bianca  ut  faaeti  brauchte;  roeit  me|r,  alo  (te 
felbft  ju  boren  uuinfdjt.  8ie  Ijöret,  roo  unb  mie  ber  ©raf 
glücflidj  geroefen;*)  unb  als  fie  enblid)  aud)  Ijöret,  baf$  er  il)i 
bie  @lje  oerfprodjen  unb  baf?  SSIanca  auf  bie  (Erfüllung  biefeä 
SBerfpredjenS  bringe,  fo  bridjt  ber  fo  lange  jurficfgeljaltene 
(Sturm  au\  einmal  au§.  Sie  oerlioljnet  bao  letd)tgläubige 
üDtäbdjen  auf  baS  empftnblidjfte  unb  uerbietet  iljr  fd)(ed)ter= 
bingS,  an  ben  ©rafen  roeiter  31t  beulen.  Bianca  errät  ol)ne 
Wlüfye,  bajj  biefer  @ifer  ber  Königin  (2ifer)ud;t  fein  muffe, 
unb  gibt  e§  if>r  31t  oerfteljen. 

feie  Königin,  ©iferfudjt?  —  SRein;  blofc  beine  2Iuf= 
ffiljrung  entrüftet  mid).  —  Unb  gefegt,  —  ja,  gefegt,  id)  liebte 
Den  ©rafen.  Senn  id)  —  3d)  ^)u  liebte,  unb  eine  anbere 
märe  fo  oermeffen,  fo  tljöridjt,  Ujn  neben  mir  311  lieben,  — 
ma§  fage  id),  31t  lieben?  —  if)it  nur  ai^ujeljen,  —  was  jage 
id),  ai^ufefjenV  —  fidf>  nur  eine  ©ebanle  uon  ibm  in  ben  ©inn 
lommen  311  laffen:  baö  feilte  biefer  anbem  nidjt  bas  Seben 
f'often?  —  S)u  fieljeft,  mie  fef>r  mid)  eine  blofj  oorau§gefe$te, 
erbidjtete  Gtfcrfudjt  aufbringt;  urteile  barau§,  ma§  id)  bei 
einer  magren  tfjun  mürbe.  $$t  ftefle  id)  mid)  nur  eifers 
füdjtig;  l)üte  btdj,  mid)  e3  roirflidj  311  machen!**} 


*)  Bl.  Le  llame  una  noche  obscura  — 
Bein.  Y  vino  a  verte?    BL  Pluguiera 
A  Dios,  que  no  fuera  tanta 
Mi  desdicha,  y  su  tineza. 
Vino  mas  galan  que  nunca, 

Y  yo  que  dos  veces  ciega, 
Por  mi  mal,  estaba  entönces 
Del  amor,  y  las  tinieblas  — 

[SSI.  3f$  rief  U)n  in  einer  bunfeltt  «Ra*t.  —  $ölt.  Unbev!am?  —  ißt.  SBotlte 
©Ott,  mein  Uugtücf  unb  feine  Siebe  toaren  nidfjt  fo  a.rofj  getoefen.  6t  tarn,  tiev» 
liebter  al§  je,  unb  id),  bamals  bo^ett  blinb  au»  Siebe,  unb  bie  ©unleHjeit  —  3-1 
**)  Bein.  Este  es  zelo,  Blauca.     Bl.  Zelos, 

Anadiendose  una  letra. 

Bein.  Que  deci's?     Bl.  Senora,  que 

Si  acaso  possible  fuera, 

A  no  ser  vos  la  que  dice 

Essas  palabras,  dixera, 

Que  eran  zelos.    Bein.  Que  son  zelos? 

No  son  zelos,  es  ofensa 

Que  me  estais  haciendo  vos. 

Supongamos,  que  quisiera 

A  el  Conde  en  esta  ocasion: 

Pues  si  yo  a  el  Conde  quisiera 

Y  alguna  atrevida,  loca 
Presumida,  descompuesta 
Le  quisiera,  que  es  querer? 
Que  le  mirara,  o  le  viera; 


60  §ctmBurgtftf)e  Dramaturgie. 

9Jftt  biefer  SDrolnmg  geljt  bie  Königin  ab  unb  läftt  bie 
53lauca  in  ber  äufeerften  Verzweiflung.  SDiefeS  fehlte  nod) 
gu  ben  23eleibigungen,  über  bte  ftdj  ^Bianca  bereits  nt  beflagen 
fyatte.  2)ie  Königin  l)at  ifjr  Vater  unb  Vruber  unb  Ver- 
mögen genommen,  unb  nun  mifl  fie  tljr  aud)  ben  (trafen 
nehmen.  SDte  9^ad;e  mar  fdjon  befd)loffen;  aber  marum  folt 
Vlanca  nod)  erft  raarten,  bis  fie  ein  anberer  für  fie  oolljieljt? 
Sie  roid  fie  felbft  beroerlftelligen ,  unb  nod)  biefen  Slbenb. 
2IlS  Kammerfrau  ber  Königin  ntufj  fie  fie  aus!  leiben  Reifen; 
ba  ift  fie  mit  iljr  allein,  unb  eS  fann  tljr  an  Gelegenheit  nicr)t 
feljlen.  —  Sie  fteljt  bie  Königin  mit  bem  Kanter  mieber- 
i'ommen  unb  gel)t,  fiel)  ^u  ibrem  Vorhaben  gefaxt  ^u  machen. 

2)er  Kanter  l)ält  uerfdjiebne  Vrieffdjaften,  bie  il)m  bie 
Königin  nur  auf  einen  £ifd)  ^u  legen  befiehlt;  fie  roiH  fie 
oor  Schlafengehen  nod)  burd)fej)en.  £)er  Kanter  ergebt  bie 
auf$erorbentlid)e  Söadjfamfeit,  mit  ber  fie  ifyren  $etdjsgefd)äften 
obliege;  bie  Königin  erfennt  eS  für  il)re  $ßflid)t  unb  beurlaubet 
ben  Kanter.  9hm  ift  fie  allein  unb  fetjt  fiel)  $u  ben  papieren. 
Sie  mill  fid)  iljreS  oerliebten  Kummers  entfc^lagen  unb  an- 
ftänbigem  (Sorgen  überlaffen.  Slber  baS  erfte  Rapier,  roaS 
fie  in  bie  §änbe  nimmt,  ift  bie  Vittfdjrift  eines  ©rafen  $elir. 
ßineS  ©rafen!  „Wu$  es  benn  eben,"  fagt  fie,  „t>on  einem 
©rafen  fein,  raaS  mir  guerft  oorfömmt!"  tiefer  gug  ift  oor= 
trefflid).  2luf  einmal  ift  fie  roieber  mit  teurer  ganzen  Seele 
bei  bemjenigen  ©rafen,  an  ben  fie  itjt  uid)t  benlen  mollte. 
Seine  Siebe  $ur  Vlanca  ift  ein  Stapel  in  iljrem  §er$en,  ber 
if)r  baS  2eben  ^ur  Saft  mad)t.  Vis  fie  ber  £ob  oon  biefer 
harter  befreie,  mill  fie  bei  bem  Vruber  beS  SobeS  Sinberung 
fuc^en,  unb  fo  fällt  fie  in  Sdjlaf. 

Snbem  tritt  Vlanca  l)erein  unb  l)at  eine  non  ben  $iftolen 
beS  ©rafen,  bie  fie  in  ifyrem  Seiner  gefunben.  0£)er  £>id)ter 
Ijatte  fie  ^u  anfange  biefeS  211'tS  nidjt  oergebenS  bal)in  tragen 


Que  es  verle?    No  se  que  diga, 
No  liai  cosa  que  menos  sea  — 
No  la  quitara  la  vida? 
La  sangre  no  la  bebiera?  — 
Los  zelos,  aunque  fingidos, 
Me  arrebataron  la  lengua, 
Y  dispararon  mi  enojo  — 
Mirad  que  no  nie  deis  zelos, 
Que  si  fingidos  se  altera 
Tanto  mi  enojo,  ved  vos, 
Si  fuera  verdad,  que  hiciera  - 
Escarmentad  eu  las  burlas, 
No  me  deis  zelos  de  veras. 


^ünfunbfedfoigfteä  ©tücf.  Gl 

uiflen.)  Sie  fmbet  bie  Monigui  allein  unb  entfdjlafen:  roao 
\l\x  einen  bequemem  ^ugenftief  tonnte  fic  ftd)  roünfdjjen? 
xHbcr  eben  Ijat  ber  ©vaf  bie  SManca  gefugt  unb  fic  in  iljiem 
3immer  nidjt  getroffen.  Dljne  3u>ftfcl  ä^ät  wan,  roaS  nun 
gefd)iel)t.  @r  fömmt  alfo,  fic  hjer  31t  fndjen ;  unb  tommt  eben 
iiod)  guredjt,  ber  SBIonca  in  ben  mörberif<$en  xHrm  &u  falten 
unb  il)r  bie  Sßiftole,  bie  fie  auf  bie  Königin  fdjon  gefpannt 
hat,  gu  entreißen.  Snbem  er  aber  mit  ttjr  ringt,  geljt  ber 
Schüfe  to§;  bie  Königin  euroadjt,  unb  attc3  tömmt  auo  bem 
8d)lofje  [)er:mgelaufen. 

i)ie  Königin  (im  ettoo^en).     §a!    2öa3  ift  bas>? 

2) er  bängter.  §erbei,  tjerbei!  3öa§  roar  baö  für  ein 
Mnall  in  bem  $  immer  ber  Königin?    3ßa§  gejdjiefjt  j)ier? 

©ff er  (mit  ber  ^siftoic  in  ber  .spaub).    ©raufainer  Quiall ! 

3)ie  Königin.    2öa§  ift  ba§,  ©raf? 

effer.    2Öaö  foll  id)  ttjun? 

Tic  Königin.     33Ianca,  roasi  ift  ba3? 

33  tan  ca.    -mein  Sob  ift  gennfj! 

(i'ffeg.    3n  meldjer  SSermirrung  befinbe  id)  mid)! 

2) er  Rangier.    2öie?  ber  ©raf  ein  Verräter? 

Gffer,  (Beifeite).  SIÖ03U  fotl  id)  mid)  entfdjliefjen?  Sdjroeige 
idi,  fo  fällt  ba§  S>er6redjen  auf  mid).  Sage  id)  bie  2Ba[)r= 
bett,  fo  merbe  id)  ber  nidjtäroürbige  SBerf  läger  meiner  (be- 
liebten, meiner  ^Bianca,  meiner  teuerften  S3(anca. 

2)ie  Königin,  Sinb  Sie  ber  Verräter,  ©raf?  33ift 
bu  e§,  23lanca?  2ßer  oon  eud)  mar  mein  fetter?  10er  mein 
Sttörber?  :)Jiid)  bünft,  id)  fjörte  im  Schlafe  eud)  beibe  rufen: 
Sßerräterin!  -Verräter!  Unb  bod)  fann  nur  eines  oon  eud) 
biefen  Tanten  oerbienen.  Sßenn  eine§  oon  eud)  mein  2ebtn 
fua)te,  fo  bin  id)  es>  bem  anbern  fd)itlbig.  SBem  bin  id)  e3 
fdntlbig,  ©raf?  2Ser  fud)te  eä,  SBIancaV  Sfyr  fdjroeigt?  — 
üEßoljl,  fdjroeigtnur!  3d)  roilt  in  biefer  Ungettrif$eit  bleiben; 
id)  roitt  ben  Unfd)ulbigen  nid)t  miffen,  um  ben  Sd)ulbigeu  nid)t 
§u  fennen.  9?ielleid)t  bürfte  e§  mid)  eben  fo  feljr  fdjmergen, 
meinen  S3efdjü|er  31t  erfahren,  al§  meinen  geinb.  3dj  roitt 
ber  ^Bianca  gern  if>re  SSerräterei  oergeben,  id)  roitt  fie  iljr 
oerbanfen,  roenn  bafür  ber  ©raf  nur  unfd)u(big  war.*) 


*)  Conde,  vos  traidor?    Vos,  Bianca? 
El  juicio  estä  indiferente, 
Qual  me  libra,  quäl  me  mata. 
Conde,  Bianca,  respondedme! 
Tu  ä  la  Beina?  tu  ä  la  Beina? 
Oid,  aunque  confusamente: 


62  QambuvQi)tye  äjramaturgte. 

xHber  ber  bängter  fagt:  wenn  es  bie  Königin  fdjon  Ijierbei 
wolle  bemenben  laff ert ;  fo  bürfc  er  es  bod)  nidjt;  bas  Skr* 
brechen  fei  511  grog;  fein  2lmt  erfobere,  es  §u  ergrünben, 
befonbers  ba  aller  2lnfd)ein  jidj  mtber  ben  ©rafen  erf'läre. 

3)ie  Königin.  £)er  Äan^ler  fyat  Sföedjt;  man  mufj  es 
unterfudjen.  —  ®raf,  — 

©ffe£.     Königin!  — 

2)ie  Königin.  Sßefennen  Sie  bie  SSaljrljeit!  —  (»eijeite.) 
216er  wie  fefjr  fürchtet  meine  Siebe,  fie  $u  l)öreu!  —  3ßar 
es  Bianca? 

©ffer,.     Sd;  Unglüdlidjer! 

2)ie  Königin.   sIöar  es  SBlanca,  bie  meinen  Xob  wollte? 

(Sffer,.     9cein,  Königin;  Bianca  mar  es  nidjt. 

2)ie  Königin,     ©ie  maren  es  alfo? 

(Sffer,.    ©djred'lidjes  ©djidfal!  —  3$  lüeife  nid)t. 

2)ie  Königin,  ©ie  wiffen  es  nid)t?  —  Unb  mie  fömmt 
biefes  mörberifdje  2Berfgeug  in  Qfyre  §anb?  — 

£)er  ©raf  fd)meigt,  unb  bie  Königin  befiehlt,  ifjn  nadj 
bem  Corner  31t  bringen.  23lanca,  bis  fid;  bie  &aü)e  mel)r 
aufhellt,  fott  in  tljrem  ^immer  bemalt  werben,  ©ie  werben 
abgeführt,  unb  ber  groeite  Slufeug  fdjliefet. 


Ha,  traidora,  dixo  el  Conde; 
Bianca,  dixo :  Traidor  eres. 
Estas  razones  de  entrambos 
A  entrambas  cosas  convienen: 
Udo  de  los  dos  me  libra, 
Otro  de  los  dos  me  ofende. 
Cou de,  quäl  me  daba  vida? 
Bianca,  quäl  nie  daba  muerte? 
Decidme !  —  no  lo  digais, 
Que  neutral  mi  valor  quiere, 
Por  no  saber  el  traidor, 
No  saber  el  iunocente. 
Mejor  es  quedar  confusa, 
En  duda  mi  juicio  quede, 
Porque  quando  mire  ä  alguno, 
Y  de  la  traicion  me  acuerde, 
A  pensar,  que  es  el  traidor, 
Que  es  el  leal  tambien  piense. 
Yo  le  agradeciera  a  Bianca, 
Que  ella  la  traidora  fuesse, 
Solo  a  trueque  de  que  el  Conde 
Fuera  el,  que  estaba  innocente.  - 


'wi  u;viui«.'  1 1  vij  vi^  iii  v     >— '*  im  • 


2)en  18.  SDeäembcr  i 

Der  biitte  Suifgug  fängt  fiel)  mit  einet  fangen  Monologe 
ber  Königin  an,  bie  alten  Sdjavffinu  bei  Siebe  aufbietet,  ben 
©rafen  unfdfjulbig  311  finben.  2Me  ÜBiefleidjit  werben  nidjt 
gefparet,  um  il)n  meber  als"  tfjren  SÖlörber,  nod)  als  ben  ^ieb= 
fyaber  ber  Bianca  beuten  31t  bürfen.  Sefonbers  t^ef)t  fie  mit 
ben  SBorausje^ungen  miber  bie  Bianca  ein  wenig  fetjr  meit; 
fie  beult  über  biefen  $unft  überhaupt  lange  fo  ^ärtticl)  unb 
ftttjam  nidjt,  als  mir  es  moljt  münfeljen  möchten,  unb  als  fie 
auf  unfern  Sweatern  benfen  müfete.*) 

@s  fommen  ber  §er$og  unb  ber  .Hanger:  Jener,  ifjr 
feine  greube  über  bie  glüdlidje  Grljaltung  il)rcs  Gebens  )\x 
bezeigen;  biefer,  il)r  einen  neuen  S8en>ei§,  ber  fiel)  miber  ben 
Gjjer  äujjert,  oorjulegen.  2luf  ber  ^iftole,  bie  man  ü)m  aus 
ber  §anb  genommen,  [tefjt  fein  SRame;  fie  gehört  il)m;  unb 
raem  fie  gehört,  ber  f)at  fie  unftreitig  audj  braudjen  mollen. 

i)od)  nicf)ts  fct)einet  ben  (Sffer  unnubei-|pred)lid)er  31t  uer= 
Dämmen,  als  mas  nun  erfolgt.  (Sosme  f)at  bei  anbredjenbem 
%age  mit  bem  benmfeten  ^Briefe  nad)  Sdjottlanb  abgeben 
motten  unb  ift  angehalten  morben.  Seine  "Keife  fiel)t  einer 
gluckt  feljr  äl)nltd),  unb  eine  foldje  ghtdjt  läjjt  uermuten,  bafe 
er  an  bem  SSerbredjen  feines  §erm  Anteil  tonne  gehabt  fjaben. 
(Sr  rcirb  alfo  oor  ben  Rangier  gebraut,  unb  bie  Königin  be- 
fieljlt,  il)n  in  il)rer  ©egenmart  31t  oerl)ören.  2)en  %sm,  in 
meldjem  fiel)  (Sosme  rechtfertiget,  fann  man  leidjt  erraten.  @r 
raeifi  oon  nichts;  unb  als  er  fagen  fott,  roo  er  l)ingemoltt, 
läfjt  er  fief)  um  bie  2Sat)r^ett  nidjt  lange  nötigen.  (£r  geigt 
ben  Srief,  ben  if)m  fein  ©raf  an  einen  anbern  trafen  nad) 
(Ecf)ottlanb  3U  überbringen  befohlen,  unb  man  meif$,  mas  biefer 


*)  No  pudo  ser  que  mintiera 
Bianca  en  lo  que  me  conto 
De  gozarla  el  Conde?    No, 
Que  Bianca  no  lo  fingiera: 
No  pudo  haverla  gozado, 
Sin  estar  enamorado, 
Y  quando  tierno,  y  rendido, 
Entönces  la  haya  querido, 
No  puede  haverla  olvidado  ? 
No  le  vieron  mis  antojos 
Entre  acogimientos  sabios, 
Mui  callando  con  los  labios, 
Mui  bachiller  con  los  ojos, 
Quando  al  decir  aus  enojos 
Yo  su  despecho  rem? 


[Jionnte  nicht  üietteiebt  SStnnca  lügen, 
ba  fie  mir  er^ärjtte ,  baß  ber  ©raf  fid) 
ihrer  legten  ©unft  erfreut  habe*?  9iein! 
SÖtanca  ruürbe  e§  nicht  erfinben.  Staun 
er  nicht  gUidtid)  bei  ihr  geroefen  fein, 
ohne  »erhebt  ju  fein,  unb  fann  er  nicht, 
loenn  er  fie  aud)  in  ber  gärtüdjfeit  be» 
©enufjes  geliebt  hat,  fie  öergeffen  haben1? 
Öobe  id)  ihn  nicht,  roeun  id)  ihn  empfing, 
fehr  fdjiueigfam  mit  ben  ÜMppen  unb  fehr 
berebt  mit  ben  klugen  gefeiten,  menn  er 
mir  feinen  Uiecbrufj  Uagte  unb  id)  feinen 
3orn  Malt?    3.] 


64  $antburgjfdf)e  Dramaturgie. 

Srief  enthält.  Gr  wirb  gelefen,  unb  (Eosme  erftaunt  nidjt 
wenig,  als  er  l)ört,  moljin  es  bamit  abgefeljen  gewefen.  216er 
nod)  mefjr  erftaunt  er  über  ben  <2d)lufe  besfelben,  worin  ber 
Ueberbringer  ein  Sertrauter  fyeifet,  burdj  ben  Roberto  feine 
Antwort  fid;er  beftellen  fönne.  „2ßas  Ijöre  id)?"  ruft  (Sosme. 
„gcr)  ein  Sertrauter?  Sei  btefem  unb  jenem!  id)  bin  fein 
Sertrauter;  id)  bin  niemals  einer  geraefen  unb  will  awd)  in 
meinem  Seben  feiner  fein.  —  §abe  id)  mol)l  bas  2lnfel)en 
^u  einem  Sertrauten?  3d)  möc|te  bod)  wiffen,  was  mein 
§err  an  mir  gefunben  Ijätte,  um  midj  bafür  gu  nehmen.  3<i) 
ein  Sertrauter,  id),  bem  bas  geringfte  ©eljeimnis  ^ur  Saft 
roirb?  3d)  weift  ^um  (Stempel,  bafe  Slanca  unb  mein  §err 
einanber  lieben  unb  baft  fie  tjetmlid)  mit  einanber  »erheiratet 
ftnb;  es  l)at  mir  fdjon  lange  bas  ^er^  abbrüd'en  motten;  unb 
nun  will  id)  es  nur  fagen,  bamit  ©ie  Ijübfd)  fel)en,  meine 
§crreu,  was  für  ein  Sertrauter  id)  bin.  ©djabe,  bafe  es  nid)t 
etwas  oiel  2öid;tigeres  ift;  id)  mürbe  es  eben  fo  wol)l  fagen." *J 
£)iefe  9?adjrid)t  fc^mer^t  bie  Königin  nidjt  meniger  als  bie 
Ueber^eugung,  $u  ber  fie  burd)  ben  unglüdlidjen  Srief  oon 
ber  Serräterei  bes  ©rafen  gelangt.  £)er  §er§og  glaubt,  nun 
aud)  fein  ©tillf djw eigen  bredjen  $u  muffen  unb  ber  Königin 
nicfjt  länger  §u  nerbergen,  mas  er  in  bem  Simmer  ber  Slanca 
gufälTigerraeife  angehört  Ijabe.  3)er  ^an^ler  bringt  auf  bie 
Seftrafung  bes  Serräters,  unb  fobalb  bie  Königin  mieber 
allein  ift,  reiben  fie  fomoljl  beleibigte  9Jkjeftät  als  gelränlte 
Siebe,  bes  ©rafen  %o\>  $u  Befd)lie|en. 

%mnel)r  bringt  uns  ber  £)icl)ter  gu  irjm  in  bas  ©efäng= 
nis.  SDer  Rangier  tommt  unb  eröffnet  bem  ©rafen,  ba&  if)n 
bas  Parlament  für  fd)ulbig  erfannt  unb  ginn  Sobe  oerurtetlct 


*)  Que  escucho  ?     Seiiores  mios, 
Dos  mil  demonios  me  lleven, 
Si  yo  confidente  soi. 
Si  lo  he  sido,  o  si  lo  fixere, 
Ni  tengo  intencion  de  serlo. 

— Tengo  yo 

Cara  de  ser  confidente? 

Yo  no  se  que  lia  visto  en  mi 

Mi  amo  para  tenerme 

En  esta  opinion;  y  a  f«, 

Que  me  holgara  de  que  fuesse 

Cosa  de  mas  importancia 

Un  secretillo  mui  leve, 

Que  rabio  ya  por  decirlo, 

Que  es  que  el  Conde  ä  Bianca  quiere, 

Que  estan  casados  los  dos 

En  secreto 


SedjSunbfec^jigfieS  Stürf.  65 

habe,  meines  Urteil  morgen  bes  £age§  uolljogen  werben  fottc. 
Ter  ©raf  beteuert  feine  Unfdjulb.*) 

3) e r  >x  angl e r.  3 (ire  Unfdjulb,  SJtytorb,  roottte  id)  gern 
glauben;  aber  fo  titele  ©eroeife  nüber  Sie!  —  §aben  Sie 
ben  ©rief  an  ben  Roberto  ntcr)t  getrieben  ?  Qft  e3  nicfjt  3bjr 
eigenbänbiger  9iame? 

Cr  ff  er.    3Werbmg§  ift  er  e§. 

£er  $ analer,  öa*  ber  §er$og  oon  SUangon  Sie  in 
bem  Jammer  ber  95lanca  nidjt  auSbrücflidr)  ben  ^ob  ber 
Königin  befdjlieften  boren? 

Cr  ff  er.     2Ba3  er  gebort  fjat,  bat  er  freilieb  gebort. 

2)  er  bängter.  ©ajje  bie  Königin,  aU  fte  erroadjte,  ntcr)t 
biepftole  in  Sbrer  ©anb?  ©eljörf  bie  ^tftole,  auf  ber  gfjr 
sJlame  geftodjen,  tttcf)t  gljnen? 


•)  Cond.  Solo  el  descavgo  que  tengo 
Es  el  estar  innocente. 
Senescdl.  Aunque  yo  quiera  creerlo 
No  me  dexan  los  indicios, 

Y  advertid,  que  ya  no  es  tiempo 
De  dilacion,  que  manana 

Haveis  de  morir.     Cond.  Yo  muero 

Innocente      Sen.  Pues  deeid 

No  escribisteis  a  Roberto 

Esta  carta?     Aquesta  firma 

No  es  la  vuestra?     Cond.  No  lo  nlego. 
Sen.  El  gran  duque  de  Alanzon 

No  os  ovo  en  el  aposento 

De  Bianca  trazar  la  muerte 

De  la  Reina?    Cond.  Aquesso  es  cierto. 
Sen.  Quando  despertö  la  Reina 

No  os  hallö,  Conde,  a  vos  mesmo 

Con  la  pistola  en  la  mano? 

Y  la  pistola  que  vemos 
Vuestro  nombre  alli  gravado 

No  es  vuestro  ?    Cond.  Os  lo  concedo. 
Sen.  Luego  vos  estais  eulpado. 
Cond.  Esso  solamente  niego. 
Sen.  Pues  como  escribisteis,  Conde, 

La  carta  al  traidor  Roberto? 
Cond.  No  lo  se.    Sen.  Pues  como  el  Duque 

Que  eseuchö  vuestros  intentos, 

Os  convence  en  la  traicion? 
Cond.  Porque  assi  lo  quiso  el  cielo. 
Sen.  Como  hallando  en  vuestra  mano 

Os  culpa  el  vil  instrumento? 
Cond.  Porque  tengo  poca  dicha.  — 
Sen.  Pues  sabed,  que  si  es  desdieba 

Y  no  culpa,  en  tanto  aprieto 
Os  pone  vuestra  fortuna, 
Conde  amigo,  que  supuesto 
Que  no  dais  otro  descargo, 
En  fe  de  indicios  tan  ciertos, 
Manana  vuestra  cabeza 

Ha  de  pagar  — 


2efjtns,  SBcrte.    XII. 


66  Öamburgifüje  ^Dramaturgie. 

@ffe£-     8$  fat™  e^  utd)t  leugnen. 

©er  bängter.     ©o  finb  ©ie  ja  fdjulbig. 

@ffe£.     ©a3  leugne  id). 

©er  Rangier.  ?ftun,  tnie  famen  ©ie  benn  ba^u,  baj$ 
©ie  ben  $3rtef  an  ben  Roberto  fdjrieben? 

@ffe£.     3dj  raeifs  nicfjt. 

©er  ^an^Ier.  2öte  tarn  e§  benn,  bafj  ber  §er§og  ben 
Derräterifdjen  3Borfat$  au3  3$rem  eignen  9ftunbe  nerne|men 
muffte? 

@ffe£.    2öeil  e§.  ber  §immel  fo  wollte. 

©er  JR  analer.  s2ßie  lam  e§  benn,  baf$  fxc^  ba3  mör- 
berifdje  Sßerlgeug  in  8§ren  §änben  fanb? 

@ffe£.     2öeil  idj  oiel  Unglüd  Ijabe. 

2) er  Rangier.  2öenn  al(e§  ba§  Unglüd  unb  nidjt  ©djulb 
ift :  rüat)r(tct)r  greunb,  fo  fpielt  3rjnen  3r)r  ©diidfat  einen  garten 
Streif,    ©ie  werben  iljn  mit  Qfjrem  ftopfe  begasten  muffen. 

@ffe£.     ©djlimm  genug. 

„2Btffen  ^v)w  ©naben  nid)t,"  fragt  (Eo§me,  ber  babei 
iftr  „ob  fie  mid)  etroa  mitsängen  werben?"  ©er  ^an^ler  ante 
roortet  5^ein,  weit  ilm  fein  §err  hinlänglich  geredjtfertiget  l)abe; 
unb  ber  ©raf  erfudjt  ben  ^an^ler,  gu  oerftatten,  bafe  er  bie 
Bianca  nod)  r>or  feinem  %obe  fprecfyen  bürfe.  ©er  ^an^ler 
bebauert,  bafe  er  at§  S^icfjter  il)m  biefe  93ttte  oerfagen  muffe; 
meil  befcfyloffen  roorben,  feine  Einrichtung  fo  ^etmltd)  als»  mög= 
lid)  gefd)efjen  gu  laffen,  au§  %uxd)t  vox  ben  9Jfttuerfd)roornen, 
bie  er  oielleidjt  forool)t  unter  ben  ©rofjen  al§  unter  bem  $öbel 
in  9ftenge  rjaben  möchte.  @r  ermahnt  irm,  fid)  ftum  ^obe  gu 
bereiten,  unb  gel)t  ab.  ©er  ©raf  roünfdjte  blofj  be§roegen  bie 
^Bianca  nod)  einmal  $u  fpredjen,  um  fie  ju  ermahnen,  oon 
irjrem  Vorhaben  ab^ufter^en.  ©a  er  e§  nidjt  münblid)  tl)un 
bürfen,  fo  roiH  er  e§  fdjriftlid)  tljun.  (Sljre  unb  Siebe  oer- 
binben  il)n,  fein  2ebtn  für  fie  rjü^ugeben;  bei  btefem  Dpfer, 
bag  bie  Verliebten  alle  auf  ber  3uuge  führen,  baö  aber  nur 
bei  il)in  gur  2öirfltd)feit  gelangt,  null  er  fie  befdjtoören,  e§ 
nid)t  frud)tlo§  bleiben  gu  laffen.  @<o  ift  sjiadjt;  er  fetjt  ftdj 
nieber,  $u  fdjreiben,  unb  befiehlt  (SoSmen,  ben  33rief,  ben  er 
il)m  Ijernad)  geben  merbe,  fogleid)  nad)  feinem  %obe  ber  Bianca 
ein^uljänbtgen.    (Sogme  geljt  ab,  um  inbe§  erft  auö^ufc^lafen. 


©iebentmbfedjjigfteä  Stücf.  67 

£tctjenun&jerini«|ie0  §tMu 

Tut  22.  Sejember  17i;7. 

9htn  folgt  eine  ©jene,  bie  man  rooljl  fdjroetlidj  erwartet 
hätte.  SWtcä  ift  ruljig  unb  ftifte,  a(§  auf  einmal  eben  bte 
Xante,  roeldjer  @flej  m  bem  erften  2(fte  ba§  Seben  rettete, 
in  eben  bem  Sfajttge,  bte  (jalbe  9Jca3fe  attf  bem  ©eftdjte,  mit 
einem  Stdjte  in  ber  §anb,  51t  bem  (trafen  in  ba3  ©efängniS 
bereintritt.  @3  ift  bie  Königin.  „3)er  ©raf,"  fagt  fie  uor 
fid)  int  §ereintreten,  „Ijat  mir  baö  Seben  ermatten;  id)  bin  iljm 
bafür  uerpfltdjtet.  2)er  ©raf  rjat  mir  baö  Seben  nehmen 
rocHen ;  ba§  fdjreiet  um  9iad)e.  SDur<$  feine  SSerurteUung  ift 
ber  ©ered)tigf'eit  ein  ©enüge  gefdjeljen;  nun  gefd)er)e  e§  aud) 
ber  2)anf  barfeit  unb  Siebe!"*)  Qnbem  f*e  nä^er  f'ömmt,  wirb 
fie  geroaljr,  baf$  ber  ©raf  f treibt.  „Dfjne  ^roetfel,"  fagt  fie, 
„an  feine  Bianca!  2öa§  fdjabet  ba§?  Qdj  fomme  au§  Siebe, 
auo  "Der  feurigften,  uneigennüfctgften  Siebe;  jefet  fdjmeige  bie 
Giferfud)t!  —  ©raf!"  —  Ser  ©raf  Ijört  ftd)  rufen,  ftefjt 
fjinter  fid)  unb  fpringt  notier  (Srftaunen  auf.  „28a§  felj1  id)!" 
—  „deinen  %xaum/'  fäfjrt  bie  Königin  fort,  „fonbern  bie 
Söatyrrjett.  GUen  Sie,  ftd)  baoon  31t  überzeugen,  unb  (äffen 
Sie  un3  foftbare  31ugenblide  rticr)t  mit  Zweifeln  nerlieren!  — 
Sie  erinnern  fid)  bod)  meiner?  3$  mrt  bie,  ber  Sie  ba3  Seben 
gerettet.  Qd)  IjÖre,  bafe  Sie  morgen  fterben  fotfen,  unb  id) 
fomme,  3f)nen  meine  Sdjulb  abzutragen,  gbnen  Seben  für 
Seben  31t  geben.  $d)  rjabe  ben  Sd)lüffel  be§  ©efängniffeS  $u 
befommen  genutzt,  gragen  Sie  mid)  nidjt,  raie?  §ier  ift  er; 
nehmen  Sie;  er  roirb  3'^nen  bie  Pforte  in  ben  $ar?  eröffnen; 
fliegen  Sie,  ©raf,  unb  erhalten  Sie  ein  Seben,  baä  mir  fo 
teuer  ift!" 

@ffe£.    Leiter?  Sitten,  3Diabame? 

3)ie  Königin.  Söürbe  id)  fonft  fo  tuet  gemagt  baben, 
al§  id)  raage? 

Cr  ff  er.  2Ste  finnreid)  ift  baö  Sd)idfal,  bao  mid)  ver- 
folgt!   @S  finbet   einen  Sßeg,   mid)  burd)  mein  ©lud  felbft 


*)  El  Conde  me  diö  la  vida 

Y  assi  obligada  me  reo; 
El  Conde  me  daba  muerte, 

Y  assi  ofendida  me  quexo. 
Pues  ya  que  con  la  sentencia 
Esta  parte  he  satisfecho, 
Pues  cumpli  con  la  justicia, 
Con  el  araor  cumplir  quiero. 


68  <öam(ntrqifd)e  Dramaturgie. 

utißlücflid)  31t  machen.  $d)  fdjeine  glüdlid),  meil  bie  midj  31t 
befreien  f ömmt,  bie  meinen  %ob  nnf( ;  aber  id;  bin  itm  f 0  nie! 
unglüd'üdjer,  roeil  bie  meinen  S£ob  null,  bie  meine  greifyeit 
mir  anbietet.  — *) 

£)ie  Königin  t>erftef)et  Ijieraug  genugfam,  baf$  fte  ©ffer. 
fennt.  @r  oerraeigert  ftdj  ber  ©nabe,  bie  fte  it)m  angetragen, 
gänglid);   aber  er  bittet,  fie  mit  einer  anbern  gu  oertaufdjen. 

£)te  Königin.    Unb  mit  melier? 

(Sffejr.  SJtit  ber,  50^abame,  t>on  ber  td)  roetfj,  bafj  fte 
in  Qfjrem  Vermögen  fteljt,  —  mit  ber  ©nabe,  mir  ba3  2ln= 
gefidjt  meiner  Königin  feigen  gu  (äffen.  @§  tft  bie  einige, 
um  bie  tdj  e3  nicf)t  gu  Hein  r)alte,  ©ie  an  ba§  gu  erinnern, 
raa§  idj  für  ©ie  getrau  §dbe.  Sei  bem  2ehen,  bag  idj  Qfmen 
gerettet,  befdnnöre  td)  ©ie,  ^abame,  mir  biefe  ©nabe  gu 
ergeigen. 

SDte  Königin  (w>r  jt$).  2öa§  foH  idj  tfyun?  $iel(eid)t, 
menn  er  mid)  ftefyt,  baft  er  fid)  rechtfertiget !  2)ag  münfd)e  id) 
ja  nur. 

@ffej.    SBergögern  ©ie  mein  ©lud  nidjt,  3Jiabame! 

3Me  Königin.  2öenn  ©ie  e§  benn  burd)au3  motten, 
©raf;  raotjl:  aber  nehmen  ©ie  erft  biefen  ©djlüffel;  uon  ifjm 
Ijängt  3^r  Seben  ah.  3Öa§  idj  i|t  für  ©ie  t^un  barf,  föunte 
id)  ijernad)  t)ietteid)t  nid)t  bürfen.  9M)men  ©ie ;  id)  miß  ©ie 
geftdjert  tuiffen.**) 

(£ff  er.   (tnbem  er  ben  ©Rüffel  nimmt).      3$   erlernte  biefe   35or= 

ftdjt  mit  Sani.  —  Unb  nun,  9#abame,  —  id)  brenne,  mein 
©d)idfal  auf  bem  21ngeftd)te  ber  Königin  ober  bem  Qljrigen 
ju  lefen. 


*)  Ingeniosa  mi  fortuna 

Hallo  en  la  dicha  mas  nuevo 
Modo  de  hacerme  infeliz, 
Pues  quando  dichoso  veo, 
Que  me  libra  quien  me  inata, 
Tambien  desdichado  advierto, 
Que  me  mata  quien  me  libra. 

*)  Pues  si  esto  ha  de  ser,  primero 
Tomad,  Conde,  aquesta  llave, 
Que  si  ha  de  ser  instrumento 
De  vuestra  vida,  quiza 
Tan  otra,  quitando  el  velo, 
Sere,  que  no  pueda  entönces 
Hacer  lo  que  ahora  puedo, 
Y  como  a  daros  la  vida 
Me  empene  por  lo  qixe  os  debo, 
Por  si  no  puedo  despues, 
De  esta  suerte  me  prevengo. 


©te&emmbfedjtfflfte§  ©tücf.  69 

3>ic  Königin,  ©raf,  ob  beibe  gleid)  eines  finb,  fo 
gehört  bod;  nur  bas>,  n)eld;e3  Sie  nod;  fel;en,  mir  131x113  allein; 
beim  ba3,  meldjes"  Sie  nun  erbliden  (inbem  |U  bie  SRasfc  abnimmt), 
ifi  ber  Königin.  Qeneä,  mit  lueldjcm  id)  Sie  erft  fprad;,  t f t 
nidjt  mefyr. 

©fjej.  9hm  fterbe  id;  gufrieben I  3nHU'  ift  e$  ba§  ^or* 
red)t  bes  föniglid^en  2(ntli§e§,  bafj  es  jeben  Sdjulbigen  be^ 
gnabigen  mttfe,  ber  es  erblidt;  unb  aud;  mir  mtifjte  biefe 
2Bol)ltl)at  bes  ©efe£es~  $u  ftatten  fonimen.  SDod;  id;  null 
weniger  l)iergu  als  §u  mir  jelbft  meine  ^ufludjt  nehmen,  .^d; 
null  es  tuagen,  meine  Königin  an  bie  SDienfte  51t  erinnern, 
bie  id;  il)r  unb  bem  Staate  geleiftet  —  *) 

3)  ie  &ö  tu  gilt.  3ln  biefe  t)abe  id;  nüd;  fdjon  felbft  er= 
innert.  2lber  3^r  23erbred;en,  ©raf,  ift  grö&er  als  3l;re 
2)ienfte. 

Cr  1  f  e  r.  Unb  id;  fjabe  mir  nid;ts>  uon  ber  §ulb  meiner 
Königin  gu  oerfpredjen? 

Sie  Königin.     9tid;ts. 

@jfer.  SBemt  bie  Königin  fo  ftreng  ift,  fo  rufe  id)  bie 
2)ame  an,  ber  id)  bas  £eben  gerettet.  SDiefe  mirb  bocrj  rooljl 
gütiger  mit  mir  uerfafyren? 

£)ie  Königin.  2)iefe  Ijat  fd;ou  mef;r  getrau,  als  fie 
folfte:  fie  (jat  Sfynen  ben  9Öeg  geöffnet,  ber  Öered)tigf'eit  31t 
entfliegen. 

©ffeg.  Unb  meljr  Ijabe  id)  um  ©ie  nidjt  oerbient,  um 
Sie,  bie  mir  il;r  £eben  fdjulbig  ift? 

SDie  Königin.  Sie  f)aben  fd;on  gehört,  bafc  id)  biefe 
£ame  nidjt  bin.  SIber  gefegt,  id)  märe  es:  gebe  id;  Qfjnen 
nid;t  eh^w  fo  oiel  roieber,  al§  id;  oon  3l;nen  empfangen  l;abe? 

Gffeg.  2öo  bas?  2)aburd)  bocr;  moljl  nidjt,  bafj  Sie  mir 
ben  Sdjlüffel  gegeben? 

2)ie  Königin.    SDaburd;  cttterbingö. 


*)  Morire  yo  consolado, 
Aunque  si  por  privilegio 
£n  viendo  la  cara  al  Rey 
Queda  perdonado  el  reo; 
Yo  de  este  iudulto,  Senora, 
Vida  por  ley  me  prometo; 
Esto  es  en  comun,  que  es 
Lo  que  a  todos  da  el  dereoho 
Pero  si  en  particular 
Merecer  el  perdon  quiero, 
Oid,  vereis  que  me  ayuda 
Major  indulto  en  mis  hechos, 
Mis  hazanas 


70  öamburgifcfte  ^Dramaturgie. 

Off e^.  £)er  2öeg,  ben  mir  biefer  ©djlüffel  eröffnen 
fann,  ift  weniger  ber  2föeg  gum  Seben  al§  gur  ©djanbe.  si8as 
meine  greifyeit  bemtrfen  foll,  ntu|  nict)t  meiner  gurdjtfamfeit 
51t  bienen  fd^etnen.  Unb  bod)  glaubt  bie  Königin,  mid)  mit 
liefern  ©djtüffel  für  bie  9ieid)e,  bie  id)  ifjr  erfochten,  für  bas 
S3lut,  bas  xd^  um  fie  oergoffen,  für  bas  2eben,  bas  id)  iljr 
erhalten,  mid)  mit  biefem  elenben  ©d)lüfjel  für  alles  bas  aU 
juloljnen?*)  $d)  miß  mein  Seben  einem  anftänbigern  9Jtittel 

gU   batlfen   l)abenr   Ober   fterben.      (Snbem  er  nad)  bem  genfter  geljt.) 

£)ie  Königin.     2Bo  ge^en  ©ie  l)in? 

@ffe£.  ;ftid)tsmürbiges  SBert^eng  meines  Sebens  unb 
meiner  fenteljrung!  2öenn  bei  bir  alle  meine  §offnung  be= 
rufjt,   fo  empfange  bie  glut  in  iljrem  tieften  2Ibgrunbe  alle 

meine   ^Öffnung !    (@r  eröffnet  bas  ^enfter  unb  roirft  ben  <Sd)Uiffel  bind)  hni 

©itter  in  ben  ßanat.)  ®urd)  bie  gludjt  märe  mein  Seben  oiel  gu 
teuer  erlauft.**) 

£)ie  Königin.  2ßas  Ijaben  ©ie  getrau,  ©raf?  —  ©ie 
fyaben  fer)r  übel  getrau. 

©ffer,.  2öann  id)  fterbe:  fo  barf  id)  menigftens  laut 
fagen,  bafc  id)  eine  unbanfbare  Königin  I)interlaffe.  —  2Bitl 
fie  aber  biefen  SSormurf  triebt:  fo  benfe  fie  auf  ein  anberes 
Mittel,  mid)  511  retten,  tiefes  unanftänbigere  Ijabe  id)  it)r 
genommen.  3Ä  berufe  mid)  nodjmals  auf  meine  2)ienfte ;  es 
ftel)t  bei  iljr,  fie  51t  belohnen,  ober  mit  bem  2lnbenfen  berfelben 
tljren  Unbanf  $u  oeremigen. 

SDie  Königin.    3<|  mufe  bas  letztere  ©efa^r  laufen.  — 


*)  Luego  esta,  que  assi  Camino 
Abrira  a  mi  vida,  abriendo, 
Tambien  lo  abrira  a  mi  iufamia; 
Luego  esta,  que  instrumento 
De  mi  libertad,  tambien 
Lo  havra  de  ser  de  mi  miedo. 
Esta,  que  solo  me  sirve 
De  huir,  es  el  desempeno 
De  Reinos,  que  os  he  ganado, 
De  servicios,  que  os  he  hecho, 
Y  en  fin,  de  essa  vida,  de  essa, 
Que  teneis  oy  por  rni  esfuerzo? 
En  esta  se  eifra  tanto?  — 

*)  Vil  instrumento 

De  mi  vida,  y  de  mi  infamia, 
Por  esta  rexa  cayendo 
Del  parque,  que  bäte  el  rio, 
Entre  sus  crystales  quiero, 
Si  sois  mi  esperanza,  hundiros: 
Caed  al  hümido  centro, 
Donde  el  Tamasis  sepulte 
Mi  esperanza,  y  mi  remedio. 


9(cf)tunbiecf)-,ii]fteö  StiicF.  71 

2)enn  maljrlid),  meljr  tonnte  id)  oljne  sJtad)teit  meiner  ^üube 
für  Sie  nidjt  tljun. 

(£ffe£.    So  mu^  id)  bann  fterben? 

2)ie  Königin.  Dljnfetjlbar.  2)ie  grau  trollte  Sie  retten, 
bie  Königin  muß  bem  5ted)te  feinen  &auf  (äffen.  borgen 
muffen  Sie  fterben;  unb  es  ift  fdjon  morgen.  Sie  (jaben  mein 
gan$e§  sDiitleib;  bie  SBefnnut  bridjt  mir  ba3  §ei*3;  aber  e3 
ift  nun  einmal  bag  Sd)idjal  ber  Könige,  bafj  fie  oiel  roeniger 
nad)  iljren  Gmpfinbungen  fyanbeln  fönnen  als  anbere.  —  ©raf, 
id)  empfehle  Sie  ber  xBorfid)t !  — 


2!en  25.  2)ejember  1767. 

ytoü)  einiger  5Öortmed)fet  311m  2lbfd)iebe,  nod)  einige  2(u3= 
ntfungen  in  ber  Stille :  unb  beibe,  ber  ©raf  unb  bie  Königin, 
geljen  ab,  jebe§  oon  einer  befonbern  Seite.  5m  §erau£gel)en, 
mufj  man  fid)  einbitben,  rjat  ©ffer,  Gosmen  ^n  33rtef  gegeben, 
ben  er  an  bie  33lanca  gefdjrieben.  £)enn  ben  Slugenblict"  barauf 
fömmt  biefer  bamit  herein  unb  fagt,  ba£  man  feinen  §errn 
311m  Sobe  füljre;  fobalb  es>  bamit  norbei  fei,  motte  er  ben 
^Brief,  fo  mie  er  e3  oerf prodjen ,  übergeben.  ^ubem  er  Ü)n 
aber  anfielt,  ermadjt  feine  ^eugierbe.  „2Ba3  mag  biefer  SBrief 
mol)t  enthalten?  (Sine  (Sfjeoerfdjreibung?  bie  fäme  ein  wenig 
ju  fpät.  ^ie  2lbfd)rift  oon  feinem  Urteile?  bie  roirb  er  bodj 
nid;t  ber  fdjiden,  bie  e3  gur  SBitroe  mad)t.  Sein  Seftament? 
aud)  mol)l  ntdjt.  9iun,  mas  benn?"  @r  mirb  immer  begie= 
riger;  ^ugleid)  fällt  if)m  ein,  mie  e3  i^m  fcfjon  einmal  faft 
ba§  Seben  getoftet  rjätte,  ba£  er  nidjt  gemußt,  mag  in  bem 
Briefe  feines  §errn  ftünbe.  „2Bäre  id)  nid)t,"  fagt  er,  „bei 
einem  §aare  gum  Vertrauten  barüber  gemorbenV  §oP  ber 
©eier  bie  Vertrautfdjaft !  sJ?ein,  ba§  mufj  mir  nid)t  mieber 
begegnen!''  Kurg,  (Sogme  befdjliefjt,  ben  33rief  311  erbred;en, 
unb  erbricht  ü)n.  9ktürtid),  bafj  üjn  ber  Sufjalt  anwerft  be= 
troffen  madjt;  er  glaubt,  ein  -ßapier,  ba3  fo  roidjtige  unb 
gefährliche  2)inge  enthalte,  nicf)t  gefdjminb  genug  loa  merben 
311  fönnen;  er  gittert  über  ben  blofcen  ©ebanfen,  bafs  man  e3 
in  feinen  §änben  finben  fönne,  el;e  er  eS  freiraiHig  abgeliefert; 
unb  eilet,  e§  geraben  2öege§  ber  Königin  3U  bringen. 

©ben  lömmt  bie  Königin  mit  bem  Kavier  IjerauS.  ßoSme 
mitf  fie  ben  Kavier  nur  erft  abfertigen  laffen  unb  tritt  bei= 


72  §am&urgifdjje  ^Dramaturgie. 

feite.  2)ie  Königin  erteilt  bem  Rangier  ben  legten  33efeljl 
gur  Einrichtung  bes>  ©rafen;  fie  foll  fogleicfj  unb  gang  in  ber 
©tide  oollgogen  werben ;  ba3  SSolf  foll  nicfjtg  baoon  erfahren, 
bi§  ber  getopfte  Seidmam  i§m  mit  ftummer  gunge  Staue  unb 
©eljorfam  gurufe.*)  ©en  $opf  foll  ber  Rangier  in  ben  Saal 
bringen  unb  nebft  bem  blutigen  Seile  unter  einen  £eppid) 
legen  laffen ;  l)ierauf  bie  ©rofeen  bes  diäd)$  oerfammeln,  um 
itjnen  mit  ein§  SBerbredjert  unb  ©träfe  gu  geigen,  gugleid)  fie 
an  biefem  33eifpiele  iljrer  $flid)t  gu  erinnern  unb  üjnen  ein; 
gufdjärfen,  bafe  i§re  Königin  eben  fo  ftrenge  gu  fein  roiffe,  al§ 
fie  gnäbig  fein  gu  tonnen  roünfdje ;  unb  ba3  atleg,  roie  fie  bet- 
itelter fagen  läfet,  nad)  ©ebraud)  unb  ©itte  beg  Sanbeö.**) 
2)er  Rangier  gel)t  mit  biefen  Sefe^len  ab,  unb  (Sosme 
tritt  bie  Königtn  an.  „liefen  93rief,"  fagt  er,  „frnt  mir  mein 
§err  gegeben,  il)n  nad)  feinem  £obe  ber  Bianca  eingttljänbigen. 
5d;  Ijabe  tljn  aufgemalt,  id)  roeife  felbft  nid)t,  marum;  unb 
ba  id)  SDinge  barin  fütbe,  bie  Qtjro  DJtajeftät  raiffen  muffen 
unb  bie  bem  ©rafen  tüelleidjt  nod)  gu  ftatten  lommen  fönnen, 
fo  bringe  id;  ifyu  ^fyxo  9Jlajeftät  unb  ntd)t  ber  Bianca."  SDte 
Königin  nimmt  ben  SBrief  unb  liefet:  „SBlanca,  id)  nalje  mid) 
meinem  legten  2lugenbltde ;  man  miß  mir  ntd)t  oergönnen, 
mit  bir  gu  fpredjen ;  empfange  alfo  meine  (Srma|nung  fcf>rift= 
lid).  Slber  norg  erfte  lerne  mid)  fennen;  td)  bin  nie  ber  23er  - 
räter  gemefen,  ber  id)  bir  oielIeid)t  gefd)ienen;  id)  oerfprad), 
bir  in  ber  bemühten  <Bad)e  befytlfltd)  gu  fein,  blofe  um  ber 
Königin  befto  nad)brüdlid)er  gu  bienen  unb  ben  Roberto  nebft 
feinen  2lnrjängern  nad)  £onbon  gu  lod'en.    Urteile,  rote  grofj 


*)  Hasta  que  el  tronco  cadaver 
Le  sirva  de  muda  lengua. 

**)  Y  assi  al  salon  de  palacio 
Hareis  que  llamados  vengan 
Los  Grandes  y  los  Milordes, 

Y  para  que  alli  le  vean, 
Debaxo  de  una  cortina 
Hareis  poner  la  cabeza 
Con  el  sangriento  cuchillo, 
Que  amenaza  junto  a  ella, 
Por  symbolo  de  justicia, 
Costumbre  de  Inglaterra: 

Y  en  estaudo  todos  juntos, 
Monsträndome  justiciera, 
Exhortändolos  primero 
Con  amor  a  la  obediencia, 
Les  mostrare  luego  al  Conde, 
Para  que  todos  atiendan, 

Que  en  mi  ay  rigor  que  los  rinda, 
Si  ay  piedad  que  los  atreva. 


3W&timbfed&3tgjfc8  Sttidf.  73 

meine  Siebe  ift,  ba  id)  bem  ol)ngead)tet  eljer  felbft  fterben,  al3 
bein  2eben  in  ©efaljr  fetjen  roitt.  Unb  nun  bie  Grmalnutng: 
ftelje  non  bem  SBorfjaben  ab,  ju  meldjem  bid)  Roberto  anreihet; 
bu  Ijaft  mid)  nun  nidjt  meljr,  unb  e§  möchte  fid)  nid)t  alle 
Sage  einer  ftnben,  ber  bid)  fo  fe^r  liebte,  bafe  er  beu  £ob 
beö  Verräters  für  bid)  fterben  tnoute."*)  — 

„Sftenfd)!"  ruft  bie  beftürgte  Königin,  „ma§  r)aft  bu  mir 
ba  gebradjt?"  —  „-Wim?"  fagt  (Sosme,  „bin  id)  nod)  ein  $er= 
trauter?"  — „Gile,  flielje,  beinen  $errn  ju  retten  !  Sage  bem 
fernster,  einzuhalten!  —  §otla,  %8ad)el  bringt  iljn  augem 
blid'lid)  uor  mid),  —  ben  ©rafen,  —  gefdntnnb!"  —  Unb 
eben  mirb  er  gebradjt:  fein  Seidjnam  nämlid).  So  groß  bie 
greube  mar,  meldje  bie  Königin  auf  einmal  überftrömte,  if)ren 
©rafen  unfdjulbig  ju  Tüiffen,  fo  groß  finb  nunmehr  Sd)mer3 
unb  2ßut,  üjn  l)ingcrtd)tet  gu  fefyen.  Sie  uerfludjt  bie  QZiU 
fertigfeit,  mit  ber  man  tfyren  33efe()l  ool^ogen;  unb  23lanca 
mag  gittern! 

So  fdjließt  fid)  biefes>  Stüd,  bei  meldjem  id)  meine  £efer 
oielleidjt  ju  lange  aufgehalten  Ijabe.  25ietleid)t  aud)  nidjt. 
SGBir  finb  mit  ben  bramatifdjen  SBerfen  ber  ©panier  fo  roenig 
befannt;  id)  müßte  lein  einziges,  meldieg  man  un§  überfein 
ober  aud)  nur  ausgugsroeije  mitgeteilt  l)ätte.  £enn  bie  S>iv- 
ginia  be3  3Iuguftino  Jt>e  9)iontiano  i)  Sunanbo  ift  jmar  fpauifd) 
gefdjrieben,  aber  fein  fpanifd)e§  Stüd:  ein  bloßer  Skrfud)  in 
ber  forreften  50ianier  ber  gran^ofen,  regelmäßig,  aber  froftig. 

*)  Bianca,  en  el  ultimo  trance, 
Porque  hablarte  no  me  dexan, 
He  de  escribirte  un  consejo, 

Y  tambien  una  advertencia; 

La  advertencia  es,  que  yo  nunca 
Fui  traidor,  que  la  promessa 
De  ayudar  en  lo  que  sabes, 
Fue  por  servir  a  la  Reina, 
Cogiendo  ä  Roberto  en  Londres, 

Y  ä  los  que  seguirle  intentan; 
Para  aquesto  fue  la  carta: 
Esto  he  querido  que  sepas, 
Porque  adviertas  el  prodigio 
De  mi  amor,  que  assi  se  dexa 
Morir,  por  guardar  tu  vida. 
Este  ha  sido  la  advertencia: 
(Valgame  dios!)  el  consejo 
Es,  que  desistas  la  empressa 
A  que  Roberto  te  incita. 
Mira  que  sin  mi  te  quedas, 

Y  no  ba  de  haver  cada  dia 
Quien,  por  mucho  que  te  quiera, 
Por  conservarte  la  vida 

Por  traidor  la  suya  pierda.  — 


74  ^am&uraifdje  Dramaturgie. 

3<f)  befenne  feljr  gern,  baft  id)  bei  weitem  fo  oorteilljaft  nidjt 
meljr  bauon  ben!e,  alg  id)  tr>of)I  etjebem  mufe  gebaut  Ijaben.*) 
SBenn  bag  groeite  Stüd  beg  nämlidjen  2Serfafferg  nid^t  Beffer 
geraten  ift ;  roenn  bie  neueren  SMdjter  ber  Nation,  roeld)e 
eben  biefen  2Öeg  betreten  toollen,  il)n  nicr)t  glüdlidjer  betreten 
fyaben :  fo  mögen  fie  mir  eg  nid)t  übel  nehmen,  menn  idj  nod) 
immer  lieber  nad)  iljrem  alten  £ope  unb  (Salberon  greife  alg 
n  ad)  t()tten. 

£)ie  eckten  fpanifdjen  Stüde  finb  oollfornmen  nad)  ber 
3Irt  biefeg  (tffeg.  3n  allen  einerlei  geiler  unb  einerlei  Sd)ön= 
(jetten;  mel)r  ober  weniger,  bag  oerfteljt  ftd).  SDie  geiler 
fpringen  in  bie  3lugen ;  aber  nad)  ben  Sd)önl)eiten  bürfte  man 
mid)  fragen.  —  (Sine  gang  eigne  gabel;  eine  feljr  finnreidje 
üßerraidlung ;  feE)r  uiete  unb  fonberbare  unb  immer  neue 
5Tf)eaterftreid)e;  bie  auggefparteften  Situationen;  meifteng  fe^r 
rooljl  angelegte  unb  big  ang  (Snbe  erhaltene  (Sfyaraftere;  nic|t 
feiten  oiel  Stürbe  unb  Stärfe  im  5lusbrude.  — 

£)ag  finb  afterbtngg  Sd)önl)eiten :  id)  fage  nid^t,  baf$  eg 
bie  l)öd)ften  finb ;  id)  leugne  uid)t,  ba£  fie  gum  %e\l  fel)r  leidet 
bi§  in  bag  ^Komanen^afte,  2lbenteuerlid)e,  Unnatürliche  lönnen 
getrieben  werben,  bafe  fie  bei  ben  Spaniern  oon  biefer  Ueber= 
treibung  feiten  frei  finb.  2lber  man  neunte  ben  meiften  fran= 
$öfifd)en  Stüden  iljre  medjanifdje  9ftegelmäf$igfeit  unb  fage  mir, 
ob  ifynen  anbere  alg  Schönheiten  foldjer  2lrt  übrig  bleiben? 
2Bag  fyaben  fie  fonft  nod)  oiel  ©uteg,  alg  SSerwicflung  unb 
^t)eaterftreicr)e  unb  Situationen? 

SInftänbigfeit,  wirb  man  fagen.  —  5^un  ja,  2lnftänbtg= 
feit.  Stile  ifyre  Sßerwidlungen  finb  anftänbiger  unb  einför= 
miger;  alle  iljre  Xljeaterftreic^e  anftänbiger  unb  abgebrofdmer; 
alle  ifjre  Situationelt  anftänbiger  unb  gezwungner.  £)ag 
lömmt  oon  ber  SInftänbigf  eit ! 

SIber  ßogme,  biefer  fpanifd)e  §angwurft ;  biefe  ungeheure 
3Serbinbung  ber  pöbelfyafteften  hoffen  mit  bem  feierlichen 
@rnfte;  biefe  $ermifd)ung  beg  $cmifd)en  unb  ^ragifdjen,  burdj 
bie  bag  fpanifdje  'Sweater  fo  berüdjtiget  ift  ?  Qd)  bin  weit  ent- 
fernt,  biefe  gu  oerteibigen.  2öenn  fie  gwar  blofe  mit  ber  2ln= 
ftänbigfeit  ftritte,  —  man  oerfteljt  fdt)ott,  meiere  Slnftänbigleit 
id)  meine;  —  raenn  fie  weiter  feinen  g-el)ler  l)ätte,  alg  bafe 
fie  bie  @l)rfurd)t  beleibigte,  meiere  bie  ©rofeen  oerlangen,  bafe 
fie  ber  Sebengart,   ber  (Stifette,   bem  geremoniel  unb   allen 


*)  5H)catvalijd)e  SöibUotljtt,  evfteS  ©tücf  S.  117.    (S8b.  VII,  ©.  72  ff.  unj.  «usg.) 


Weummbfedmafte?  3tücf.  7r> 

ben  ©aufeleien  aunuberlief,  burd;  bic  man  ben  grb'fjem  ^eil 
bor  sDienfd)en  bcreben  null,  baf,  e§  einen  Keinem  gebe,  ber 
von  meit  benenn  Stoffe  fei  aU  er:  fo  mürbe  mir  bie  im* 
ftnnici.ftc  2lbmec$§lung  oon  fiebrig  auf  ©rofj,  neu  xHbernüt* 
auf  Ghnft,  oon  ©djroara  auf  Söetfe  millfomnuiev  fein  ätä  bie 
falte  G'infövmigfeit,  bnrd)  bic  miel;  ber  gute  &on,  bie  feine 
28elt,  bie  §ofmanier,  unb  mie  bergleidjen  9(rmfeligfeiten  mefjr 
fyeifjen,  unfehlbar  einfd)läfert.  £)od)  eö  fommen  gang  anbere 
Eilige  r)tov  in  ^etradjtung. 


|leummdjjed);ig|ies  $türfc. 

SDett  29.  ©ejemBct  1767. 

Sope  be  ^>ega,  ob  er  fdjon  al§  ber  Sdjjöpfer  beo  fpanifdjen 
Sweaters  betrachtet  mirb,  roar  e§  inbe§  nidjt,  ber  jenen  Emitter; 
ton  einführte.  £>a§  23olf  roar  bereite  fo  baran  geroöljnt,  bafe 
er  ilm  miber  2öil(en  mit  anftimmen  muffte.  Qu  feinem  2er)r= 
gebidjte  über  bie  i^unft,  neue  ^omöbten  $u  machen,  beffen  id) 
oben  fdjon  gebadet,  jammert  er  genug,  barüber.  £a  er  fal)e, 
bafj  e§  nid)t  möglich  fei,  nacb  ben  Siegeln  unb  Lüftern  ber 
Sitten  für  feine  3eitgenojfen  mit  ^Beifall  51t  arbeiten,  fo  fud)te 
er  ber  fflegelloftgfeit  raenigfieng  ©rengen  31t  fetten;  ba§  mar 
bie  Stbftcfjt  btefes  ©ebid)t3.  @r  badete,  fo  roilb  unb  barbarifd) 
auefj  ber  ©efdjmacf  ber  Nation  fei,  fo  muffe  er  bod)  feine 
©runbfäfce  f)aben;  unb  e§  fei  beffer,  aud)  nur  nad)  btefen  mit 
einer  beftänbigen  (55fetcr)förnxigfett  gu  Ijanbeln  als  nad)  gar 
leinen,  ©tu de,  roeldje  bie  ftafftfetjen  Regeln  ntdjt  beobachten, 
fönnenbodj  noct)  immer  Regeln  beobad)ten  unb  muffen  bergleidjen 
beobachten,  menn  fte  gefallen  motten,  SMefe  alfo,  au%  bem  bloßen 
^ationalgefdnnade  hergenommen,  moflte  er  feftfe&en:  unb  fo 
marb  bie  2krbtnbung  bes>  ßrnftfyafteu  unb  Sädjerlidfjen  bie  erfte. 

„Sludj  Könige,"  fagt  er,  „tonnt  it)r  in  eitern  $omöbien 
auftreten  laffen.  Qdf)  fjöre  groar,  bafc  unfer  metfer  -Hionard) 
( "^bilipp  II.)  biefe§  nicr)t  gebilliget;  —  e§  fei  nun,  weil  er  einfalj, 
baf$  es>  roiber  bie  Regeln  laufe,  ober  metl  er  e§  ber  2öürbe 
eine§  Königes  juraiber  glaubte,  fo  mit  unter  ben  5>öbel  ge= 
mengt  311  werben.  $d)  9eDe  au4  9eni  ön>  <Dafe  biefes  wieber 
gnr  älteften  Äomöbie  gurücffefjren  Ijeijst,  bie  felbft  ©otter 
einführte ;  mie  unter  anbern  in  bem  3lmpf)itruo  be3  ^>(autu$ 
31t  feben:  unb  idj  roetfs  gar  wol)l,  bafj  ^lutarcfj,  menn  er  non 
■Dienanbern  rebet,  bie  ältefte  ^omobte  nidjt  feljr  lobt.   @3  fällt 


7G  $am6uro.ifd)e  Dramaturgie. 

mir  alfo  freilief)  fdjmer,  unfere  9)tobe  $u  billigen.  SIber  ba 
mir  un§  nun  einmal  in  Spanien  fo  rueit  oon  ber  Äunft  ent= 
fernen,  fo  muffen  bie  ©elefyrten  fdjon  and)  Ijierüber  fdjroeigen. 
(£3  ift  roafyr,  ba3  Äomifd&e  mit  bem  S£ragifdjen  oermijdjt, 
(Seueca  mit  bem  %exen$  gufammeugefdnnolgen,  gibt  fein  ge= 
ringere§  Ungeheuer,  als  ber  SftinotauruS  ber  $afipfyae  mar. 
2)odj  biefe  2tbmed)felung  gefällt  nun  einmal:  man  null  nun 
einmal  leine  anbere  (Btüäe  fefyen,  als  bie  l)al6  ernftljaft  unb 
Ijalb  luftig  finb;  bie  9?atur  felbft  le^rt  unS  biefe  bannig: 
faltigfeit,  oon  ber  fie  einen  %eil  iljrer  ©c^ön^eit  entlehnet.  "*) 

Sie  legten  2öorte  finb  e§,  meSmegen  id)  biefe  ©teile  an= 
füljre.  3ft  es  mal)r,  baft  uns  bie  Statur  felbft  in  biefer  SSer= 
mengung  bes>  ©emeinen  unb  (M)abenen,  be§  ^offier(id)en  unb 
©rnftljaften,  beS  Suftigen  unb  traurigen  jum  dufter  bient  ? 
@S  fdjetnet  fo.  Slber  raenn  e£  maljrift,  fo  l)at  £ope  mel)r 
get§an,  als  er  fidj  oornalnn;  er  Ijat  nid)t  bloft  bie  gel)ter 
feiner  SBüfjne  befc|öniget,  er  fjat  eigentlich  ermiefen,  bafe 
roenigftenS  biefer  §el)ler  leiner  ift;  benn  nichts  lann  ein 
geljler  fein,  tnaS  eine  ;ftad)al)mung  ber  Statur  ift. 

„3Äan  tabelt,"  fagt  einer  oon  unfern  neueften  ©Iribeuten, 
„an  ©lialefpeare,  —  bemjentgen  unter  allen  ^Dtcr)tern  feit 
§omer,  ber  bie  Wenden,  oom  Könige  big  §um  Settier  unb 
oon  Julius  Gäfar  bis  gu  3al  galftaff,  am  beften  gelaunt 
unb  mit  einer  2lri  oon  unbegreiflicher  Intuition  burd)  unb 
burd)  gefefyen  ijat,  —  bafc  feine  ©tüde  leinen,  ober  bod)  nur 

*)  Eligese  el  sujeto,  y  no  se  mire, 

(Perdonen  los  preeeptos)  si  es  de  Eeyes, 
Aunque  por  esto  entiendo  que  el  prudente, 
Filipo  Rey  de  Espana,  y  Seüor  nuestro, 
En  viendo  un  Rey  en  ellos  se  enfadava, 
O  fuesse  el  ver,  que  al  arte  contradize, 
O  que  la  autoridad  real  no  deve 
Andar  fingida  entre  la  humilde  plebe, 
Este  es  bolver  ä  la  Comedia  antigua, 
Donde  vemos,  que  Plauto  puso  Bioses, 
Como  en  su  Anfitrion  lo  muestra  Jupiter. 
Sabe  Dios,  que  nie  pesa  de  aprovarlo, 
Porque  Plutarco  hablando  de  Menandro, 
No  siente  bien  de  la  Comedia  antigua, 
Mas  pues  del  arte  vamos  tan  remotos, 

Y  en  Espana  le  hazemos  mil  agravios, 
Cierren  los  Doctos  esta  vez  los  labios. 

Lo  Trägico,  y  lo  Cömico  mezclado, 

Y  Terencio  con  Seneca,  aunque  sea, 
Como  otro  Minotauro  de  Pasife. 
Harän  grave  una  parte,  otra  ridicula, 
Que  aquesta  variedad  deleyta  mucho, 
Buen  exemplo  nos  da  naturaleza, 
Que  por  tal  variedad  tiene  belleza. 


Sfteummbfedtöigjieä  ©tütf.  77 

einen  feljr  fehlerhaften,  unregelmäßigen  ttnb  fd)led)t  aus; 
gefonnenen  $tan  gaben;  bafc  Äotnifd^eS  unb  Sragifdico  barin 
auf  bte  feltjamfte  2lri  burd)  einanber  geworfen  ift,  unb  oft 
eben  biefe!6e  ^erfon,  bte  uns  bttvd)  bte  rürjrenbe  Sprache  ber 
SRa'tur  grünen  in  bte  2(ttgen  gelodt  fyat,  in  wenigen  2lugem 
blirfen  barattf  uns  burd)  trgenb  einen  feltfamen  (Einfall  ober 
barodifdjen  2lusbrud  iljrer  Gmpfinbungen,  100  nid)t  $u  ladjen 
mad)t,  bod)  bergeftalt  abfüllt,  baf}  es  iljm  fjernad)  feljr  fdjroer 
wirb,  uns  mieber  in  bie  Raffung  511  fefcen,  toorin  er  uns  Reiben 
ntödjte.  —  Tlan  tabelt  bas  unb  beult  uid)t  baran,  bafs 
feine  (Etüde  eben  barin  natürlidje  5(bbilbungen  bes  menfd)lid)en 
Gebens  finb. 

„SDas  Seben  ber  meiften  9Jtenfdjen  unb  (roeun  roir  es 
fagen  bürfenj  ber  Sebenslauf  ber  großen  Staatsförper  felbft, 
in  fofern  nur  fie  als  eben  fo  tuet  moralifdje  Sßefen  betrauten, 
gleidjt  ben  §aupt=  unb  (Staatsaftionen  im  alten  gotifd)eu 
©efd)tnade  in  fo  oielen  fünften,  bafc  man  beinahe  auf  bie 
©ebanfen  fommen  möchte,  bie  Grfinber  biefer  letztem  roären 
flüger  geroefen,  als  man  gemeinigtid)  benft,  unb  Ratten,  roo= 
fern  fie  ntrfjt  gar  bie  r;etmiidrje  2lbfidjt  gehabt,  bas  menfd)lidje 
Seben  lädjerlid)  311  machen,  roenigftens  bie  ^atur  eben  fo  ge= 
treu  uadjarjmen  motten,  als  bie  ©rieben  fid)  angelegen  fein 
liefen,  fie  $u  oerferjönern.  Um  i£t  nichts  oon  ber  zufälligen 
^lel)nltd)feit  ju  fagen,  ba£  in  biefen  Stüden,  fo  raie  im  Seben, 
bie  roidjtigften  Atollen  fe§r  oft  gerabe  burd)  bie  fcfjledjteften 
'Jlcteurs  gefpielt  merben,  —  roas  !ann  är)nticr;er  fein,  als  es 
beibe  2(rten  ber  §aupt=  unb  Staatsaltionen  einanber  in  ber 
Anlage,  in  ber  Abteilung  unb  3)ispofition  ber  ©jenen,  im 
Mnoten  unb  in  ber  (Entroidlung  gu  fein  pflegen?  2öie  feiten 
fragen  bie  Urheber  ber  einen  unb  ber  anbevn  ftd)  felbft,  marum 
fie  biefes  ober  jenes  gerabe  fo  unb  nid)t  anbers  gemadjt 
Ijaben  ?  2öie  oft  überrafd)en  fie  uns  burd)  ^Begebenheiten,  ^u 
benen  mir  nid^t  im  minbeften  oorbereitet  maren?  SOöte  oft 
fefjen  roir  Sperfonen  fommen  unb  roieber  abtreten,  orjue  bafc 
fid)  begreifen  Iäfet,  roarum  fie  lamen,  ober  marum  fie  roieber 
oerfdjroinben?  28ie  oiel  roirb  in  beiben  bem  ßufall  überlaffen? 
3Ste  oft  feljen  roir  bie  gröfceften  Söirlungen  burd)  bie  arm= 
feligften  Urfad)en  rjeroorgebradjt?  2Öie  oft  bas  ©rnftrjafte  unb 
Sßidjtige  mit  einer  teid)tfinnigen  2Irt,  unb  bas  9iid)tsbebeutenbe 
mit  läd)erlid)er  ©raoität  befjanbelt?  Unb  roenn  in  beiben 
etiblid)  alles  fo  fläglidt)  oerroorren  unb  burd)  einanber  ge= 
fdjlungen  ift,  bafe  man  an  ber  9Jiöglid)feit  ber  ßmtroidlung 


78  Jpam&urgifdfje  Dramaturgie. 

gu  oergioeifeln  anfängt:  rote  glüdlid)  feljen  roir  burcl)  irgenb 
einen  unter  23lit?>  unb  £)onner  au§  papiernen  -Jöolfen  l)erab= 
fpringenben  ©Ott  ober  burd)  einen  frifdjen  SDegenljteb  ben 
knoten  auf  einmal  groar  ntcf)t  aufgelöfet,  aber  bocf)  aufgefdmitten, 
roelcl)e3  in  fofern  auf  eines  E)ittau3lauft,  bafc  auf  bie  eine  ober 
bie  anbere  3Irt  ba3  6tüd  ein  @nbe  Ijat  unb  bie  3uWa^er 
flaifdjen  ober  jifd^en  fönnen,  roie  fie  motten  ober  —  Dürfen. 
Uebrigenel  roeifj  man,  roas>  für  eine  mistige  ^erfon  in  ben 
fomifdjen  ^ragöbien,  roooon  mir  reben,  ber  eble  £an§rourft 
Dorfteilt,  ber  ftd),  oermutlid)  gum  emigen  S)en!mal  be§  ©e= 
fdjmadS  unferer  Voreltern,  auf  bem  %l)eater  ber  §auptftabt 
beg  SDeutfdjen  9tetd)eg  erhalten  gu  motten  fdjeinet.  Söottte  ©ott, 
bafj  er  feine  ^erfon  attein  auf  bem  St^eater  oorftettet !  216er 
mie  oiel  grofee  Slufgüge  auf  bem  (5d)auplat$e  ber  2Selt  Ijat 
man  nid)t  in  allen  3e^en  m^  §cm§rourft  —  ober,  roeldjeS 
nod)  ein  menig  ärger  ift,  burd)  §an§rourft  —  aufführen  ge= 
fefyen?  2öie  oft  l)aben  bie  größeften  Männer,  bagu  geboren, 
bie  fd)ü£enben  ©enü  eines»  %rjron§,  bie  2öot)Itl)ätev  ganger 
SSölfer  unb  Zeitalter  gu  fein,  atte  ifyre  SöetSljeit  unb  Sapfer= 
leit  burd;  einen  Keinen  fdjnafifcrjen  ©treid)  oon  §an§murft 
ober  folgen  Seuten  oereitelt  feiert  muffen,  roeldje,  o^ne  eben 
fein  2Bam§  unb  feine  gelben  §ofen  gu  tragen,  bod)  geroife 
feinen  gangen  (Erjarafter  an  fid)  trugen?  2öie  oft  entfteljt  in 
beiben  arten  ber  STragi^omöbien  bie  SSerroidlung  felbft  lebig= 
lid)  bar)er,  bafe  §an£rourft  burd;  irgenb  ein  bummeS  unb 
fd)elmifd)e§  ©tüddjen  oon  feiner  Slrbeit  ben  gefdjeiten  Seuten, 
el)e  fie  fid/g  oerfeljen  fönnen,  ilvr  Spiel  oerberbt?"  — 

SBenn  in  biefer  SSergleidjung  be§  großen  unb  fleinen,  beä 
urfprünglidjen  unb  nadjgebtlbeten  Ijeroifdjen  $offenfpiel3  — 
(bie  id)  mit  Vergnügen  aug  einem  Söerfe  abgefd)rieben,  roeldjeg 
unftreitig  unter  bie  oortrefflid)ften  unferö  3al)rl)unbert§  ge= 
Ijört,  aber  für  ba§  beutfdie  $ublifum  nod)  oiel  gu  frül)  ge- 
fdjrieben  gu  fein  fdjeint.  Qu  fjfrcmfreidj  nnb  (Snglanb  mürbe 
e§  ba§  äufeerfte  2luffel)en  gemacht  Ijaben;  ber  vlame  feines 
$erfaffer§  mürbe  auf  aller  3un3en  f^n-  ^er  De*  unä? 
3ßir  fjaben  e3,  unb  bamit  gut.  Ünfere  ©rofeen  lernen  oorg 
erfte  an  ben***fauen;  unb  freilief)  ift  ber  (Saft  au§  einem 
frangöftfdjen  Vornan  lieblicher  unb  oerbaulidjer.  Sßenn  iljr 
@ebij$  fdjärfer  unb  iljr  Ziagen  ftärfer  geworben,  menn  fie 
tnbeS  5Deutfcr)  gelernt  fjaben,  fo  fommeu  fie  audj  roofjl  einmal 
über  ben  —  2lgatl)on.  ^Diefeä  ift  bag  2ßert,  oon  meld)em 
id;  rebe,  oon  meldjem  id;  eg  lieber  nidjt  an  bem  fdjitflidjften 


3tebuaüeo  ©rütf.  79 

Drte,  lieber  Füev  als  ga*  nid)t,  jagen  null,  nrie  feljr  ich,  co 
berounbere,  ba  \d)  mit  ber  öufcerften  Söefretnbung  tt>a$meljme, 

melcfyeö  tiefe  ©tittfdjroeigen  nnfere  föunftridjter  barübev  beob= 
adjten,  ober  in  rceldjem  falten  nnb  glcidjgültigen  Xone  fie 
bauen  fpvedjen.  @3  ift  ber  evfte  nnb  einzige  Vornan  für  ben 
benfenben  Hopf  oon  flajfijdjem  ©efdjmacfe.  Vornan?  2öiv 
motten  il)in  biefen  3;itel  nur  geben,  oieüeidjt,  ba(j  es  einige 
Sefev  mein*  baburd)  befömmt.  £)ie  wenigen,  bie  es  barübev 
oerlieren  mödjte,  an  benen  ift  oljnebem  nidjts  gelegen.j 


£H*b;tg|i*s    $tüik» 

Sen  1.  Januar  1768. 

2Öenn  in  biefer  ^ergleidjung,  fage  \d),  bie  fatirifdjc 
Saune  nid)t  gu  ferjr  oorftädje :  fo  mürbe  man  fie  für  bie  befte 
(£d)ut3fd)rift  bes  fomifd)  tragifdjen  ober  tragifd)  fomifcfyen 
S)rama  (9)cifd)fpiel  Ijabe  id)  es  einmal  auf  irgenb  einem  ^itel 
genannt  gefunben),  für  bie  gefliffentlidjfte  2lusfül)rung  bes 
©ebanfens  beim  Sope  galten  büvfen.  2lber  gugleid)  mürbe 
fie  aud)  bie  Sßiberlegung  besfelben  fein.  2)enn  fie  mürbe 
geigen,  baft  eben  bas  Seifpiel  ber  Ücatur,  melcrjes  bie  $er= 
binbung  bes  feierlichen  ©rnftes  mit  ber  poffenljaften  Suftigfeit 
rechtfertigen  fott,  eben  fo  gut  jebes  bramatifdje  Ungeheuer,  bas 
roeber  *plan,  nod)  SBerbinbung,  nod)  9)ienfd)enuerftanb  Ijat, 
rechtfertigen  fönne.  £)ie  9iadjafjmung  ber  9catur  müßte 
folglid)  entmebev  gar  fein  ©runbfat}  ber  $unft  fein;  ober 
menn  fie  es  bodj  bliebe,  mürbe  bureb  iljn  felbft  bie  Eunft,  Shmft 
gu  fein,  aufhören;  menigftens  feine  Ijöljere  $unft  fein  als  etwa 
bie  $unft,  bie  bunten  2lbern  bes  9Jcarmors  in  G)ips  nadp 
gualjmen;  iljr  3U9  unb  Sauf  mag  geraten,  mie  er  loill,  ber 
feltfamfte  fann  fo  feltfam  nidjt  fein,  bafj  er  nictj»t  natürlid) 
fdjeinen  fönnte;  bloß  unb  allein  ber  fdjeinet  es  nid)t,  bei 
roeldjjem  fief)  gu  oiel  ©nmmetrie,  gu  oiel  ©bentnafj  uno  23er= 
rjältnis,  311  oiel  oon  bem  geiget,  roas  in  jeber  anbern  .shtnft 
bie  $unft  ausmalt;  bev  tunftltd)fte  in  biefem  SSerftanbe  ift 
Ijier  ber  fd)led)tefte,  unb  ber  railbefte  ber  befte. 

2tls  ÄritifuS  bürfte  unfer  SSerfaffev  gang  anbers  fpredjen. 
28as  er  Ijier  fo  finnreid)  aufftüfcen  gu  motten  fd)einet,  mürbe 
er  ol)ne  3^^ifel  als  eine  9)cij$geburt  bes  barbarifdjen  ©efdnnads 
oerbammen,  menigftens  als  bie  erften  23erfud)e  ber  unter 
ungefdjladjteten  ÜBölfern  rcieberauflebenben  $unft  oorftellcn, 


80  öamburgifdie  Dramaturgie. 

an  bereu  gorm  irgenb  ein  3ufammenfluB  geroifler  äujjerlidjen 
Urfadjen  ober  bag  Dl)ngefcif)r  ben  meiften,  Vernunft  unb 
Ueberlegung  aber  ben  roenigften,  and)  mol)t  gang  unb  gar 
leinen  Anteil  Ejatte.  @r  würbe  fdjmerlidj  fagen,  bafj  bie  erften 
©rfinber  beg  9ftifd)fpielg  (ba  bag  2öort  einmal  ba  ift,  roarum 
fott  id)  eg  nid)t  brausen?)  „bie  sJktur  eben  fo  getreu  nadp 
ahnten  motten,  atg  bie  ©riechen  fief»  angelegen  fein  laffen,  fie 
gu  oerjdjönern." 

£)ie  2öorte  „getreu"  unb  „üerfdjönert",  oon  ber  Wad)- 
afymung  unb  ber  -ftatur,  a(§  bem  ©egenftanbe  ber  ^Radja^mung, 
gebraucht,  finb  oielen  TOfebeutungen  uutermorfen.  @g  gibt 
2eutt,  bie  oon  feiner  Statur  miffen  motten,  meiere  man  gu 
getreu  nadjainnen  fönne;  felbft  mag  ung  in  ber  Statur  mife= 
falte,  gefalle  in  ber  getreuen  3ßadjal)mung  uermoge  ber  %lady 
afjmung.  @g  gibt  anbere,  roeldtje  bie  SOerfdjönerung  ber  Statur 
für  eine  ©ritte  galten ;  eine  Statur,  bie  fd)öner  fein  motte  alg 
bie  ^iatur,  fei  eben  barum  ntcr)t  Statur.  Seibe  ertlären  fidf» 
für  SSerefyrer  ber  eingigen  'Jlatur,  fo  mie  fie  ift;  jene  finben 
in  it)r  nidjtö  gu  oermeiben,  biefe  nid)tg  tyingugufetjen.  Qenen 
alfo  müfcte  notmenbig  bag  gotifdje  9Jtifd)fpiel  gefallen;  fo 
mie  biefe  9Jlüfye  Ijaben  mürben,  an  ben  äfteifterfiüden  ber 
Sllten  ©efdnnacf  gu  finben. 

2öann  biefeg  nun  aber  nidjt  erfolgte?  2öann  jene,  fo 
grofce  33emunberer  fie  and)  oon  ber  gemeinften  unb  alltags 
tieften  SRatur  finb,  fid)  bennod)  raiber  bie  Sßermifdnmg  beg 
-Jtoffenfjaf  ten  unb  Sntereffanten  ertlärten'?  Söann  biefe,  fo 
ungeheuer  fie  and)  atteg  finben,  mag  beffer  unb  fcr)öner  fein 
mitt  als  bie  Statur,  bennodj  bag  gange  griedjifdje  Sweater 
ob,ne  ben  geringften  3lnftofe  uon  biefer  ©eite  burd)manbelten? 
2öie  mottten  mir  biefen  2ßtberfprud?  erflären? 

2Bir  mürben  notmenbig  gurüdlommen  unb  bag,  mag  mir 
non  beiben  (Gattungen  erft  behauptet,  miberrufen  muffen. 
Slber  mie  müßten  mir  miberrufen,  oluie  ung  in  neue  (Schmierig; 
leiten  gu  oermideln  ?  2)ie  SSergteidnmg  einer  folgen  §aupt; 
unb  ©taatgaltion,  über  beren  ©üte  mir  ftreiten,  mit  bem 
menfdjlidjen  Seben,  mit  bem  gemeinen  Saufe  ber  2öelt,  ift 
bod)  fo  richtig! 

3d)  mitt  einige  ©ebanfen  ^ermerfen,  bie,  menn  fie  nid;t 
grünbitd)  genug  finb,  bocl)  grünblidjere  oerantaffen  lonnen.  — 
i)er  §auptgebante  ift  biefer:  eg  ift  maln*,  unb  and)  nid)t 
ma^r,  bafe  bie  fomifdje  £ragöbie  gotifdt)er  ©rfinbung  bie 
sJRatur  getreu  nadjaljmet;  fie  afjmet  fie  nur  in  einer  §älfte 


©iefyigffceä  Stürf.  81 

getreu  nad)  unb  oernadjläffiget  bie  aubere  §älfte  gän$lid) ;  fie 
afymet  bie  ytatux  ber  (Srfdjeinungen  nadj,  ofjne  im  geringften 
auf  bie  sJ£atur  unferer  Gmpfinbungen  unb  <2eelenfräfte  babei 
31t  adjten. 

3n  ber  Statur  ift  alles  mit  allem  oerbunben ;  alles  burdj= 
freuet  fidj,  alles  medjfelt  mit  altem,  alles  oeränbert  fid)  eines 
in  bas  anbere.  2lber  nad;  biefer  unenblidjeu  Mannigfaltige 
feit  ift  fie  nur  ein  (Sdjaufpiel  für  einen  unenblidjen  ©eift. 
Um  enblidje  ©elfter  an  bem  öenuffe  besfelben  Anteil  nehmen 
3U  laffen,  mußten  biefe  bas  Vermögen  erhalten,  irjr  ©djranfen 
ju  geben,  bie  fie  nidjt  f)at;  bas  Vermögen,  abjufonbern  unb 
iljre  Slufmerffamfeit  nad)  ©utbünfen  lenfen  51t  fönnen. 

3)iefes  Vermögen  üben  mir  in  allen  Slugenbliden  bes 
Sebens;  ofyne  basfelbe  mürbe  es"  für  uns  gar  fein  Seben 
geben;  mir  mürben  oor  aK§u  oerfdjiebenen  ©mpfinbungen 
nidjts  empfinben  ;  mir  mürben  ein  beftänbiger  9Raub  bes  gegem 
märtigen  ßinbrucfes  fein ;  mir  mürben  träumen,  orjne  31t  mi|fen, 
mas  mir  träumten. 

3)ie  Geftimmung  ber  ^unft  ift,  uns  in  bem  9?eid)e  bes 
(Sd)önen  biefer  Slbfonberung  31t  überleben,  uns  bie  gijterung 
unferer  Stufmerffamfeit  3U  erleidjtern.  SXtleg,  mas  mir  in  ber 
5^atur  r»on  einem  ©egenftanbe  ober  einer  Gerbinbung  ner= 
fdjiebener  ©egenftänbe,  es  fei  ber  $z\t  ober  bem  Sftaume  nad), 
in  unfern  ©ebanfen  abfonbern  ober  abfonbern  $u  fönneu 
roünfdjen,  fonbert  fie  mirftid)  ah  unb  gemäljrt  uns  biefen 
©egenftanb  ober  biefe  Gerbinbung  oerfdjiebener  ©egenftänbe 
fo  lauter  unb  bünbig,  als  es  nur  immer  bie  ßmpfinbung,  bie 
fie  erregen  follen,  oerftattet. 

SÖenn  mir  $eugen  üon  e^ner  mistigen  unb  rübrenben 
Gegebenheit  finb,  unb  eine  anbere  oon  nidjtigem  Gelange 
läuft  quer  ein :  fo  fudjen  mir  ber  3evftreuung,  bie  biefe  unS 
brorjet,  möglidjft  au^umeidjen.  3Bir  abftral)ieren  »on  iljr; 
unb  es  tnu^  uns  nottoenbig  efetn,  in  ber  föunft  bas  mieber= 
gufiuben,  mas  mir  aus  ber  9^atur  megmünfdjten. 

9htr  menn  eben  biefelbe  Gegebenheit  in  iljrem  gortganc^e 
ade  Sdjattierungen  bes  ^Jntereffe  annimmt  unb  eine  ntdjt 
blof3  auf  bie  anbere  folgt,  fonbern  fo  nottoenbig  aus  ber 
anbern  entfpringt;  menn  ber  ©ruft  bas  Sadjen,  bie  traurig; 
feit  bie  greube,  ober  umgefeljrt,  fo  unmittelbar  erzeugt,  baf$ 
uns  bie  Slbftraftion  bes  einen  ober  bes  anbern  unmöglid)  fällt : 
nur  alsbenn  oerlangen  mir  fie  aud)  in  ber  $unft  itidfjt,  unb  bie 
ilunft  meijj  aus  biefer  Unmöglid)feit  felbft  Gorteil  31t  gießen.  — 

Seffing,   2öer!e.    XII.  •; 


82  ipanunirgjftfje  Dramaturgie. 

sJ(ber  genug  Ijteruon ;  man  fteljt  fdjon,  mo  idf)  IjinauS  totll.  — 
SDen  fünfunbüter^tgften  Slbenb  (Jreitagg,  ben  17.  guliug), 
mürben  3)ie  33rüber  beg  §rn.  ^omanug  unb  SDag  Drafel 
oom  (Saint^oir,  gefpielt. 

SDag  erftere  ©titcf  lann  für  ein  beutfdjeg  Original  gelten, 
ob  eg  fdjon  größtenteils  au§  ben  „23rübern"  beg  Vereng  ge= 
nommen  ift.  ffiian  Ijat  gefagt,  baß  audj  Poliere  aus»  biefer 
Duelle  gefdjöpft  ^abe,  unb  §roar  feine  „SJtännerfdjuIe".  ©er 
§err  von  SSoItaire  madjt  feine  2lnmerfungen  über  biefeg  $8or= 
geben,  unb  idj  füljre  Slnmerfungen  t>on  bem  §errn  uon  Voltaire 
fo  gern  an !  2lug  feinen  geringften  ift  nod)  immer  etmag  gu 
lernen,  roenn  fdjon  nidjt  allezeit  bag,  mag  er  barin  fagt, 
menigfteng  bag,  mag  er  l)ätte  fagen  folten.  Primus  sapientiae 
gradus  est,  falsa  intelligere  *)  (mo  biefeg  ©prüdjeldjen  fteljt, 
roitl  mir  nicfyt  gleich  beifalten);  unb  id)  müßte  feinen  (5cf)rift= 
fteller  in  ber  SÖelt,  an  bem  man  eg  fo  gut  uerfud^en  tonnte, 
ob  man  auf  biefer  erften  Stufe  ber  Söeigfyeit  ftelje,  alg  an 
bem  §erm  oon  Voltaire,  aber  bafyer  au<§  feinen,  ber  ung,  bie 
gmeite  gu  erfteigen,  meniger  be^ilflid)  fein  fönnte;  secundus, 
vera  cognoscere.**)  ©in  fritifd)er  ©djriftfteller,  bünft  mid), 
rietet  feine  9[ftetfjobe  aud)  am  beftcn  nad)  biefem  ©prüdjeldjen 
ein.  @r  fudje  ftclj  nur  erft  jemanben,  mit  bem  er  ftreiten 
fann,  fo  fommt  er  nad)  unb  nacf)  in  bie  Materie,  unb  bag 
übrige  finbet  fiel).  §iergu  Ijabe  id)  mir  in  biefem  Söerfe, 
id)  befenne  eg  aufrichtig,  nun  einmal  bie  frangöfifdjen  <Sfri= 
benten  üornefnnlidi)  ermäl)let,  unb  unter  biefen  befonberg  ben 
§erm  oon  Voltaire.  2llfo  aud)  \§t,  nad)  einer  fleinen  23er= 
beugung,  nur  barauf  §u!  2öem  biefe  SDtaljobe  aber  etman 
meljr  mutrcillig  alg  grünblid)  fdjeinen  mollte :  ber  foll  miffen, 
baß  felbft  ber  grünblid)e  Slriftoteleg  fid)  ifyrer  faft  immer  be= 
bient  Ijat.  Solet  Aristoteles,  fagt  einer  r»on  feinen  Sluglegern, 
ber  mir  eben  gur  §anb  liegt,  quaerere  pugnam  in  suis 
libris.  Atque  hoc  facit  non  temere  et  casu,  sed  certa 
ratione  atque  consilio:  nam  labefactatis  aliorum  opinio- 
nibus,  u.  f.  ro. ***)  D  beg  gebauten!  mürbe  ber  §err  non 
Voltaire  rufen.  —  Qd;  bin  eg  bloß  aug  Mißtrauen  in 
mid;  felbft. 


*)  [3)ie  evfie  «Stufe  ber  2Dei§l;eit  ift,  ba§  ftatfdje  fjerauSäufinben.] 
**)  [5£>ie  gtreitc,  ba§  2B<ü)re  ju  erlernten.] 

***)  [<Mriftotele§  pfleat  in  feinen  23iid)ern  ©treit  gu  fud)en.  Unb  bie§  tfmt  er 
nid)t  leidjtfertig  unb  auf§  ©eratcrool)!,  Jonbern  metlrobtjd)  unb  planmöfeio;  benn  nad)« 
bem  bie  2Jiciiuina.cn  anbever  umgeflogen  firtb,  u.  f.  ro.    3  i  mm  ermann.] 


(Simmbftefijtgfteä  ©tue!.  83 

„3)te  33rüber  be§  ^ereii§/J  jagt  bet  §err  oon  35oltaire/ 
„fönnen  l)ödj|tono  bie  JJbee  ju  ber  ,"lhxännerfdmlc  gegeben 
|aben.  3n  Den  .Stübern1  finb  pvei  2tlte  oon  oerfdjiebner 
©emttt§art,  bie  ifjre  Söl)ne  gan$  uerfdn'eben  ergießen ;  eben  fo 
jtnb  in  ber  ,2Rännerf<^uIe'  jwei  Sßortnünber,  ein  feljr  ftrenger 
itnb  ein  fefjr  nadjfcljenber;  baö  ift  bie  ganje  SleljnUdjfeit.  311 
ben  .SBrübern*  ift  faft  gang  ttnb  gar  feine  Qntrigue;  bie 
Qntrtgue  in  bei  .'DJiännerjdjiuY  hingegen  ift  fein  unb  unter; 
fyaltcnb  unb  fomifdj.  ©ine  oon  ben  grauengtntmem  bco  Vereng, 
metdje  eigentlich  bie  tntereffantefte  5Mle  fpielen  müfjte,  er= 
fdjeinet  Hof}  auf  bem  Sweater,  um  niebergufommen.  2)ie 
ofabelle  bes  ^Jcolieve  ift  faft  immer  auf  ber  ©jene  unb  geigt 
fiel)  immer  nnijig  unb  reigenb  unb  oerbinbet  fogar  bie  ©treibe, 
bie  fie  irjrem  S&ormunbe  fpielt,  nod)  mit  Stnftanb.  S)ie  fönt* 
mitflung  in  ben  ,33rübern'  ift  gang  itnwaljrfdjeinlid) ;  es  ift 
miber  bie  -Jcatur,  baß  ein  2tlter,  ber  fedjgig  3al)re  ärgerlich 
unb  ftreng  unb  geizig  gemejen,  auf  einmal  luftig  unb  rjöflid) 
unb  freigebig  »erben  foltte.  5>ie  Ghitioid'hmg  in  ber  .5Juinner= 
fdjule'  aber  ift  bie  befte  oon  alten  ©ntroief hingen  beö  Poliere; 
mafyrfdjeinlidj,  natürlid),  an§  ber  Qntrigue  felbft  hergenommen 
unb,  mag  otjnftreitig  nidjt  ba§  Sdjtedjtefte  baran  ift,  anwerft 
tomifd;." 


C^inunti|trhjigrtc^  §tiitu. 

Ten  5.  Sanuat  I7ü8. 

G"o  fdjeinet  nidjt,  baf$  ber  §err  oon  Voltaire,  feitbem  er 
aus  ber  Mlaffe  bei  ben  Qefuiten  gefommen,  ben  Vereng  oiet 
mieber  gelejen  Ijabe.  Gr  fpridjt  gang  fo  baoon  als  oon  einem 
alten  Traume;  eö  fdjraebt  iljm  nur  nod)  fo  mas  baoon  im 
©ebädjtmfje,  unb  bas  fdjreibt  er  auf  gut  ©lud  fo  (jm,  un* 
betümmert,  ob  es  genauen  ober  geftodjen  ift.  igdj  milt  iljm 
nicht  aufmufceu,  mag  er  oon  ber  s^ampf)ila  be§  Stüds  fagt, 
„baß  fie  bloß  auf  bem  Sweater  erfdjeine,  um  niebergufommen". 
(Sie  erfdjeinet  gar  nidjt  auf  bem  Srjeater;  fie  fömmt  nidjt  auf 
bem  ^tyeater  nieber;  man  oemimmt  bloß  iijve  Stimme  au% 
bem  §aufe;  unb  marum  fie  eigentlich  bie  intereffantefte  dlolk 
fpielen  müfjte,  baS  läßt  fidj  audj  gar  nidjt  abfegen,  &en 
©riechen  unb  Römern  mar  nidjt  altes  intereffant,  mas  es  ben 
grangofen  ift.  Gin  gutes  -äJcäbdjen,  bas  mit  irjrem  Siebfjaber 
311  tief  in  bas  2öaffer  gegangen  unb  ©efaljr  läuft,  oon  ifjm 


84  öamburgtfd^e  Dramaturgie. 

oerlaffen  311  werben,  war  $u  einer  Hauptrolle  eljebem  feljr 
ungefd)idt.  — 

©er  eigentliche  unb  grobe  geiler,  ben  ber  §err  oon 
Voltaire  madjt,  betrifft  bie  ©ntmidlung  unb  ben  (Sfyarafter 
bes  ©emea.  ©emea  ift  ber  mürrifdje  ftrenge  3Sater,  unb 
biefer  foll  feinen  Sljarafter  auf  einmal  oöllig  oeränbern.  ©as 
ift,  mit  (£rlaubni3  be§  §errn  oon  Voltaire,  nid^t  marjr. 
©emea  behauptet  feinen  ©Ijarafter  big  ans  @nbe.  SDonatus 
fagt:  Servatur  autem  per  totam  fabulam  mitis  Micio, 
saevus  Demea,  Leno  avarus*)  u.  f.  m.  2Bas  gel)t  mid) 
SDonatus  an?  bürfte  ber  §err  oon  Voltaire  fagen.  3Racr)  33e= 
lieben ;  menn  mir  ©eutfcbe  nur  glauben  bürfen,  bafe  ©ouatus 
ben  Vereng  fleißiger  gelefen  unb  beffer  oerftanben  als  Voltaire, 
©od)  es  ift  ja  oon  feinem  oerlornen  ©rüde  bie  Siebe;  es  ift 
nod)  ba;  man  lefe  felbft. 

:ftad)bem  SDhcto  ben  ©emea  burdj  bie  triftigften  2Sor= 
ftellungen  gu  befänftigen  gefugt,  bittet  er  iljn,  roenigftens 
auf  Ijeute  fidj  feineä  äergerniffes  %\i  entfd)lagen,  menigftens 
(eute  luftig  511  fein.  (Snblicr)  bringt  er  iljn  audj  fo  weit; 
fyute  rottt  ©emea  altes  gut  fein  laffen;  aber  morgen,  bei 
früher  Sages^eit,  mujj  ber  (Sol)it  mieber  mit  ifjm  aufs  £anb; 
ba  roiff  er  it)n  nid)t  gelinber  (alten,  ba  mill  er  es  mieber 
mit  il)m  anfangen,  mo  er  es  (eute  gelaffen  l)at ;  bie  «Sängerin, 
bie  biefem  ber  Sßetter  getauft,  mill  er  gmar  mitnehmen,  benn 
es  ift  bod)  immer  eine  ©flaoin  metjr,  unb  eine,  bie  il)m 
nid)t§  foftet;  aber  311  fingen  mirb  fie  nid)t  tnel  befommen, 
fie  foll  fodjen  unb  baden.  $n  ber  barauf  folgenben  nierten 
©gene  bes  fünften  2Ifts,  mo  ©emea  allein  ift,  fdjeint  es  gmar, 
menn  man  feine  Söorte  nur  fo  obenhin  nimmt,  als  ob  er 
oöllig  oon  feiner  alten  ©enfungsart  abgelten  unb  nad)  ben 
©runbfä|en  bes  TOcio  511  banbeln  anfangen  motte.**)  ©od) 
bie  golge  geigt  es,  baj$  man  alles  bas  nur  oon  bem  (eutigen 
^mange,  ben  er  ftcr)  antl)un  fott,  oerftetjen  mufc.  ©enn  audj 
biefen  Sroang  we^  er  (ernad)  fo  311  mtfcen,  bafe  er  311  ber 
förmlidjften  l)ämifd)ften  23erfpottung  feines  gefälligen  Srubers 
ausfd)lägt.  @r  fteUt  fidj  luftig,  um  bie  anbem  maljre  StuS* 
fdjraeifungen  unb  Sollseiten  begeben  gu  laffen;   er  mad)t  in 


*)  [Surd)  ba§  aanje  <Stürt  behaupten  aber  ber  fünfte  9D?tcio,  ber  tjarte  Seinen, 
ber  I)atijüd;tine  Seito  ifyrcn  ©fyarafter.] 

**)  —  Nam  ego  vitam  duram,  quam  vixi  usque  adhuc, 

Prope  jam  excurso  spatio  mitto  — 
[Senn  irl)  a,cbe  ba§  ftreno,e  Seben  auf,  bn§  idj  feitfyer  geführt  \)abe,  obtuoljl  id) 
faft  febon  bi§  ans  (Snbe  meiner  SBatm  flclaufen  bin.    3  im  in  er  man  it.] 


©inunbjtebjtgjteä  Stürf.  85 

bem  oerbinblidjften  %one  bie  bitterften  si>ont>ürfe;  er  roirb 
nid)t  freigebig,  jonbern  er  fpielt  ben  äkrfdjroenber ;  unb  rooljl 

31t  merfen,  roeber  von  bem  ©einigen,  nod)  in  einer  anbern 
2(bftd)t,  alg  um  alles,  mag  er  SSerfdjroenben  nennt,  (äcr)erltcf> 
gu  machen.  £)iefeg  erhellet  unmiberjpredjlid)  aug  bem,  mag 
er  bem  50^icio  antmortet,  ber  ftd)  burd)  ben  si(njdjein  betrügen 
Iä&t  unb  iljn  nurflid)  ueränbert  glaubt.  *j  Hie  ostendit 
Terentius,  fagt  £onatuS,  magis  Demeam  simulasse  mu- 
tatos  mores,  quam  mutavisse.**) 

Sd)  null  aber  ntdr)t  fjoffen,  bafc  ber  §err  uon  Voltaire 
meinet,  felbft  btefe  33erftetlung  laufe  roiber  ben  Gf)arai'ter  bes 
2)emea,  ber  uorljer  nidjtS  alg  gefdnnält  unb  gepoltert  l)abe; 
benn  eine  foldje  £>erfteßung  erfobere  meljr  ©elaffenljeit  unb 
Kälte,  alg  man  bem  SDemea  gutrauen  bürfe.  Sind;  hierin  ift 
Sereng  ol)ne  Säbel,  unb  er  l)at  alleg  fo  oortrefflid)  motirnert, 
bei  jebem  (Schritte  üftatut  unb  üTl>al)rl)eit  fo  genau  beobachtet, 
bei  bem  geringften  Uebergange  fo  feine  Sdjattierungen  in 
ad)t  genommen,  bafj  man  nidjt  aufhören  fann,  tfui  51t  be= 
nutnbern. 

%lnx  ift  öftere,  um  Ijinter  alle  geinrjeiten  beg  Sereng 
511  fommen,  bie  ©abe  feljr  nötig,  ftd)  bag  Spiel  bes  Akteurs 
babei  gu  benfen;  benn  biefeg  fdjrieben  bie  alten  £)id)ter  nid)t 
bei.  &ie  Seflamation  tjatte  iljren  eigenen  SUinftler,  unb  in 
bem  übrigen  tonnten  fie  fidj  of)ne  3uie^el  auf  bie  ©infidjt 
ber  Spieler  uerlaffen,  bie  aug  ifjrem  ©efdjafte  ein  feljr  ernftltdjeS 
Stubium  madjten.  9iid)t  feiten  befanben  ftd)  unter  biefen  bie 
2)id)ter  felbft;  fie  jagten,  roie  fie  eg  l)aben  motlten;  unb  ba  fie 
il)re  Binde  überhaupt  nidjt  erjer  bef'annt  werben  liefen,  alg 


*)  Mi.  Quid  istuc?  quae  res  tarn  repente  mores  mutavit  tuos? 

Quod  prolubium,  quae  istsec  subita  est  largitas?    De.  Dicam  tibi: 

Ut  id  ostenderem,  quod  te  isti  facilem  et  festivum  putaut, 

Id  non  fieri  ex  vera  vita,  neque  adeo  ex  aequo  et  bono, 

Sed  ex  assentando,  indulgendo  et  largiendo,  Micio. 

Nunc  adeo,  si  ob  eam  rem  vobis  mea  vita  invisa  est,  Aeschine, 

Quia  non  justa  injusta  prorsus  omnia,  omnino  obsequor; 

Missa  facio ;  eflfundite,  emite,  facite  quod  vobis  lubet ! 

[9Jticio.  9Ba§  Ijat  ba§  gu  bebeuten?  tooljer  bie  fo  piöijüdje  SSeränberung  in 
beinern  Gfjarafter?  tt>a§  foH  man  üon  biefer  Liebhaberei,  »on  biefer  urplötjlidjeu 
ft-reigebigfeit  galten'?  ©emea.  Sa*  nrift  id)  biv  jagen:  id)  tuill  3eigen,  bat";  e§ 
nid)t  Don  beiner  nnrftidjen  2eben*tt>eije  f)errüf)rt,  i>a$  biefe  bidj  gütig  unb  liebcu:-- 
mürbig  finben,  aud)  nid)t  tooii  beiner  ©eredjtigfeit  uub  ©üte;  nein,  Wicio,  e§  fommt 
bafjer,  baß  bu  gu  allem  3a  jagteft,  afleä  hjngeljen  liejjeft  unb  iljnen  brau  fdjenfteft. 
Setjt,  5lefd)inu&,  toenn  eud)  mein  29enef)tnen  beibalb  jo  jct)r  ticrljaBt  ift,  weil  id) 
mir  nid)t  ba§  0ted)te  unb  gan3  Unrcdjte  aüe§  burd)  einanber  gefallen  laffe,  liimmere 
id)  mid)  um  md)t§  mcf)r:  tterfdjtnenbet,  !auft,  mad)t,  roas  ibr  rooüt!  Zimmermann.] 

**)  [£ier  geigt  Serentiuu,  baß  ©emea  mefyr  eine  Wenberung  feiner  ©efinnung 
erb,eudjelt/al§  biefelbe  mirflid)  gennbert  t)abe.    gimtnermann.'] 


80  §amburgtf($e  Dramaturgie. 

big  fie  gcfpiett  maren,  alg  big  man  fie  gefefjen  uub  gehört 
hatte :  fo  formten  fie  eg  um  fo  meljr  überhoben  fein,  ben  ge= 
jdjrtebenen  Dialog  burd)  @infd)iebfel  $u  unterbrechen,  in  meldjen 
fid)  ber  befdnetbenbe  £id)ter  geroiffermafeen  mit  unter  bie 
fjanbelnben  ^erfonen  31t  mifdjjen  fdjeinet.  2öenn  man  fid)  aber 
einbilbet,  baft  bie  alten  5£id)ter,  um  fid)  biefe  ßinfdjiebfel  $u 
erfparen,  in  ben  Sieben  felbft  jebe  ^Bewegung,  jebe  ©ebärbe, 
jebe  TOene,  jebe  befonbere  2lbänberung  ber  (Stimme,  bie  babet 
511  beobad)ten,  mit  ausbeuten  gefugt,  fo  irret  man  fidj.  5n 
beut  Verena  allein  fommen  ungäTjlige  «Stellen  t>or,  in  meldjen 
uon  einer  folgen  5lnbeutung  fid)  ntd^t  bie  geringfte  Spur 
geiget,  unb  rao  gleid)mol)l  ber  maljre  3Serftaub  nur  burd)  bie 
(Srratung  ber  magren  Slftion  fann  getroffen  werben;  ja,  in 
oielen  flehten  bie  2Borte  gerabe  bag  ©egenteil  uon  beut  $u 
fagen,  mag  ber  Sdjaufpieler  burd)  jene  augbrüden  mufj. 

Selbft  in  ber  Sgene,  in  melcber  bie  oermeinte  Sinneg= 
änberung  beg  2)emea  oorgel)t,  finben  fid)  bergleidjen  Stellen, 
bie  id)  anführen  tmtt,  weil  auf  iljnen  geroifferma^en  bie 
■Dftfjbeutung  beruhet,  bie  id)  beftreite.  —  feemea  meij*  nun= 
meljr  alles ;  er  fjat  eg  mit  feinen  eignen  2lugen  gefetjen,  bafe 
eg  fein  ehrbarer  frommer  Soljn  ift,  für  ben  bie  Sängerin 
entführet  roorben,  unb  ftürgt  mit  bem  unbänbigften  ©efdjret 
l)eraug.  @r  llagt  eg  beut  §immel  unb  ber  @rbe  unb  bem 
3fteere;  unb  eben  befömmt  er  ben  TOcio  gu  @eftd)t. 

SDemea.  §a!  ba  ift  er,  ber  mir  fie  beibe  oerbirbt  — 
meine  Söl)ne,  mir  fie  beibe  gu  ©runbe  richtet!  — 

-Dcicio.    D,  fo  mäßige  bidr)  unb  fomm  mieber  51t  bir! 

SDemea.  ©ut,  id)  mäßige  mid),  id)  bin  bei  mir,  eg  foll 
mir  lein  partes  SBort  entfahren.  SatJ  ung  blofj  bei  ber 
Sad)e  bleiben !  Sinb  mir  nid)t  eing  geworben,  mareft  bu  eg 
nid)t  felbft,  ber  eg  guerft  auf  bie  Söaljtt  braute,  ba£  ftd)  ein 
jeber  nur  um  ben  feinen  belummern  follte?  Slntroorte !  *)  u.  f.  ro. 

2ßer  fid)  r)ier  nur  an  bie  SBorte  l)ält  unb  fein  fo  richtiger 
35eobad)ter  ift,  alg  eg  ber  £)id)ter  mar,  fann  leicht  glauben, 
bafj  SDemea  oiel  311  gefd)minb  austobe,  oiel  ^u  gefdjminb 
biefen  gelaffenern  ion  anftimme.     9ßadj  einiger  Ueberlegung 


—  —   —  De.  Eccum  adest 

Communis  corruptela  nostrum  liberum. 

Mi.  Tandem  reprime  iraeundiam,  atque  ad  te  redi. 

De.  Repressi,  redii,  mitto  maledicta  omnia. 

Rem  ipsam  putemus.     Dictum  hoc  inter  nos  fuit, 

Et  ex  te  adeo  est  ortum,  ne  te  curares  meum, 

Neve  ego  tuum?  respondel  — 


3roeiunbfidjjigfte3  3tütf.  87 

wirb  if)m  jmar  uietteidjt  beifallen,  bafe  jeber  2lffeft,  wenn  er 
aufä  Steufeerfte  gcfommen,  notwendig  wieber  finfen  muffe,  baf$ 
Temea  auf  ben  3Serwei3  feines  33ruber§  fid;  beä  ungeftümen 
3arf)3ornS  nidjt  anberö  aU  fd)ämen  f  önne ;  baö  alles  ift  and) 
gang  1311t,  aber  e<B  ift  bod)  nod)  nidt)t  baö  sJted)te.  2)iefe3 
taffe  er  fid)  alfo  t)om  S)onatu§  lehren,  ber  t)ier  jwei  oor= 
treffliche  Slnmerfungen  l)at.  Videtur,  fagt  er,  paulo  citius 
destomachatus,  quam  res  etiam  incertae  poscebant.  Sed 
et  hoc  inorale:  nam  juste  irati,  omissa  saevitia  ad  ra- 
tiocinationes  saepe  festin ant*).  2Benn  ber  ^ornige  9an3 
offenbar  9ied;t  31t  fyaben  glaubt,  wenn  er  ftdj  einbilbet,  bafj 
fid)  gegen  feine  33efd)werben  burcl)au3  nidjtS  einwenben  laffe : 
fo  wirb  er  ftcf)  bei  beut  Sdjelten  gerabe  am  wenigften  aufs 
galten,  fonbern  31t  ben  SBeweifen  eilen,  um  feinen  ©eaner 
burd)  eine  fo  fonnenllare  Ueberjeugung  3U  bemütigen.  £)od) 
ba  er  über  bie  ^Ballungen  feines  iod)enben  ©eblüts  nid)t  fo 
unmittelbar  gebieten  fann,  ba  ber  3orn,  ber  überführen  will, 
bod)  nod)  immer  3orn  bleibt,  fo  mad)t  S)onatu3  bie  zweite 
Slnmerfung:  non  quod  dicatur,  sed  quo  gestu  dicatur, 
specta:  et  videbis  neque  adhuc  repressisse  iracundiam, 
neque  ad  se  rediisse  Demeam.  **)  3)emea  fagt  gwar:  ,,id) 
mäßige  mid),  id)  bin  wieber  bei  mir;"  aber  ©efidjt  unb  ©e= 
bärbe  unb  Stimme  oerraten  genugfam,  baf$  er  fid)  nod)  nidjt 
gemä^iget  Ijat,  baf$  er  nod)  nidjt  wieber  bei  fid)  ift.  dx  be= 
ftürmt  ben  TOcio  mit  einer  §rage  über  bie  anbere,  unb 
SJcicio  ftat  alle  feine  teilte  unb  gute  Saune  nötig,  um  nur  jum 
Sßorte  311  t'ommen. 

gttwun&!t?b?t0|te6  gtüdu 

2)en  8.  Januar  1768. 

2113  er  enbltd)  ba3u  fömmt,  wirb  SDemea  $war  einge= 
trieben,  aber  im  geringsten  nidjt  übeqeugt.  2tßer  SSorwanb, 
über  bie  SebenSart  feiner  ^inber  unwillig  3U  fein,  ift  iljm 
benommen,  unb  bod)  fängt  er  wieber  non  oorne  an,  $u  nergeln. 
9J2icio  mujj  audj  nur  abbrechen  unb  fid)  begnügen,  bafc  ifym 


*)  [©««  30rn  y<^ctnt  jtd)  etma§  fdjnetler  t>erfür;tt  §u  fjaben,  qI§  e§  bie,  tnenn 
aud)  uugettnfjen  Skrfyättniffe  erforberten.  9Iber  aud)  bie§  ift  im  ßfjarafter  begrünbet; 
bcnn  bie  aus  beteibigtem  SRedjtegefüfjte  3ürnenben  gel)en,  inbem  fie  ifjre  2Sut  unter» 
brüden,  oft  fdmeQ  ju  föefleyionen  über.    3  immer  mann.] 

**)  [ü)ian  fjat  barauf  §u  fetjen,  nidjt  ma§  gefagt  hnrb,  fonbern  mit  mefdjen 
(Se6ärben  e«  gefagt  mirb ;  unb  man  ttrirb  finben,  bafj  3>emea  uod)  nidjt  feinen  3°™ 
unterbrüdt  tjat  unb  nod)  nidjt  ju  ftd)  gefommen  ift.    3^mmermann-l 


88  *  §ainburgtfri)e  Dramaturgie. 

bie  mürrifdje  Saune,  bie  er  nid)t  änbern  fann,  roenigfteng 
auf  r)eute  grieben  laffen  roill.  3Me  2Benbungen,  bie  t(m 
Vereng  babei  nehmen  lägt,  ftnb  meifterljaft.  *) 

£>emea.  sJ£un  gib  nur  acfyt,  9flicio,  roie  roir  mit  biefen 
fcrjönen  ©runbfätjen,  mit  biefer  betner  lieben  sJtad)ftdjt  am 
@nbe  fahren  werben. 

■ätticio.  ©dnoeig  bocfy!  Keffer,  als  bu  glaubeft.  —  Unb 
nun  genug  baoort!  §eute  fdjenfe  btdj  mir!  $omm,  flärc 
bidt)  auf! 

3)emea.  ■Xftag'S  bod^  nur  Ijeute  fein!  2öa3  idj  mug, 
ba§  mug  id).  —  2lber  morgen,  fobalb  e3  £ag  roirb,  gelf  id) 
roieber  aufg  2)orf,  unb  ber  23urfdje  getjt  mit.  — 

9tticio.  Sieber,  nod)  el)e  e§  £ag  wirb,  backte  id).  ©ei 
nur  fyeute  luftig! 

£)emea.  ^ud)  ba3  9Kenfd&  oon  einer  Sängerin  mug 
mit  rjeraug.  I 

StRicio.  23ortrefflid) !  60  roirb  ftd)  ber  ©or)n  geroig 
nicfjt  roegroünfcfjen.    tflux  rjalte  fte  aud)  gut! 

£)emea.  £)a  lag  mtd)  oor  forgen!  ©ie  foß  in  ber 
9Jiül)le  unb  oor  bem  Dfenlodje  9M)lftaub§  unb  $ol)tftaub§ 
unb  Sftaudjö  genug  friegen.  ©a^u  foll  fte  mir  am  feigen 
Mittage  ftopoeln  germ,  Tbt§  fte  fo  trocfen,  fo  fdjroarj  geroor= 
ben,  afe  ein  £öfd)branb. 

DJticto.  S)a3  gefällt  mir!  9Run  bift  bu  auf  bem  redeten 
Sßege!  —  Unb  aföbemt,  roenn  id)  roie  bu  wäre,  mügte  mir 
ber  ©olm  bei  ifyr  fd)lafen,  er  mödjte  motten  ober  nidjt. 

£)emea.  Sad^ft  bu  mid)  auSV  —  Sei  fo  einer  ©emüt3= 
art  freilid;  fannft  bu  mof)l  glüdtid)  fein.   3d)  für)P  e§,  leiber  — 


*) —  De.  Ne  nimium  modo 

Bonse  tuse  ist»  nos  rationes,  Micio, 

Et  tuus  iste  animus  aequus  sub vertat.    Mi.  Tace; 

Non  fiet.    Mitte  jam  istaec;  da  te  hodie  mihi: 

Exporge  frontem.    De.  Scilicet  ita  tempus  fert, 

Faciendum  est:  ceterum  rua  cras  cum  filio 

Cum  primo  lucu  ibo  hinc.     Mi.  De  nocte  censeo : 

Hodie  modo  hilarum  fac  te.    De.  Et  istam  psaltriam 

Una  illuc  mecum  hinc  abstraham.    Mi.  Pugnaveris. 

Eo  pacto  prorsum  illic  alligaris  filium. 

Modo  facito,  ut  illam  serves.    De.  Ego  istuc  videro, 

Atque  ibi  favillse  plena,  fumi,  ac  pollinis, 

Coquendo  Sit  faxo  et  molendo;  praeter  haBC 

Meridie  ipso  faciam  ut  stipulam  colligat: 

Tarn  excoctam  reddam  atque  atram,  quam  carbo  est.    Mi.  Placet. 

Nunc  mihi  videre  sapere.     Atque  equidem  filium, 

Tum  etiam  si  nolit,  cogam,  ut  cum  illa  una  cubet. 

De.  Derides?  fortunatus,  qui  istoc  animo  sies: 

Ego  sentio.    Mi.  Ah  pergisne?    De.  Jam  jam  desino. 


StDehmbfie&ätgfteä  (Stürf.  89 

9Ji i c t o .     Ü)u  fängft  bod)  mieber  an? 

SDemea.     9ht,  nu;  idj  l)öre  ja  aud)  fdjon  mieber  auf. 

Set  bem  „2ad)ft  bu  midj  au§?"  be3  3)emea  merft  £)o= 
uatuö  an :  Hoc  verbum  vultu  Demeae  sie  profertur ,  ut 
subrisisse  videatur  invitus.  Sed  rursus  ego  sentio  amare 
severeque  dicit.  *)  Unoergleidjlidj !  $!emea,  beffen  ooller 
ßrnft  e§  mar,  baf$  er  bie  Sängerin  nid)t  al§  ©angerin,  fom 
bem  aU  eine  gemeine  Sflaoin  fallen  unb  nufcen  roollte, 
mufe  über  ben  @infatl  beg  Wlkxo  ladjen.  5fticio  felbft  braucht 
nidjt  51t  lachen;  je  ernftljafter  er  fid)  ftetlt,  befto  beffer. 
SDemea  lann  barum  bod)  fagen:  „Sadjft  bu  mid)  au%?"  unb 
mufj  fid;  fingen  motten,  fein  eignet  Sachen  511  oerbeiften. 
@r  oerbeifct  e§  aud)  balb,  beim  bas)  „3d>  fü^l1  e3,  leiber  — " 
fagt  er  mieber  in  einem  ärgerltdjen  unb  bittern  %om.  2X6er 
fo  ungern,  fo  lurj  ba§  Sa$en  aud)  ift,  fo  grofce  Söirfung 
l)at  e§  gleid)tool)l.  ®enn  einen  üftann  roie  2)emea  Ijat  man 
mirffid)  t>org  erfte  gerconnen,  raenn  man  iljn  nur  311  tadjen 
madjen  fann.  ge  feltner  iEjm  biefe  morjltfjätige  @rfd)ütte= 
rung  ift,  befto  länger  Ijält  fie  innerlich  au;  nadjbem  er  längft 
alle  Spur  berfelben  auf  feinem  ©efidjte  oertilgt,  bauert  fie 
nod)  fort,  ol)ne  bafj  er  e§  felbft  wetjj,  unb  l)at  auf  fein  näd)ft= 
folgenbeg  ^Betragen  einen  gemiffen  @influf$.  — 

SIber  raer  Fjätte  mof)l  bei  einem  örammatiler  fo  feine 
^enntniffe  gefud)t?  £)ie  alten  ©rammatifer  maren  nidjt  ba§, 
ma%  mir  jet3t  bei  bem  tarnen  benfen.  @§  maren  Seute  oon 
oieler  @infid)t;  ba§  gange  meite  gelb  ber  $ritif  mar  it)r  ©ebiet. 
3Sa§  oon  i^ren  Auslegungen  flafftfd)er  Sdjriften  auf  uns> 
gefommen,  oerbient  bal)er  ntctjt  blofc  roegen  ber  Spradje  ftubiert 
5U  merben.  9tur  mufj  man  bie  neuern  Interpolationen  gu 
unterfdjeiben  miffen.  £)af$  aber  biefer  2)onatu3  (Melius)  fo 
rorjüglicr)  reid)  an  Semerfungen  ift,  bie  unfern  ©efd)inad 
bitben  fönnen,  bafc  er  bie  oerftedteften  ©djönljeiten  feineg 
2Iutor§  mel)r  al§  irgenb  ein  anberer  311  entfjüffen  roet^,  bas 
fömmt  oielteidjt  meniger  oon  feinen  großem  ©aben  als  oon 
ber  33efd)affenf)eit  feineg  Slutorg  felbft.  2)a3  römifdje  Sweater 
mar  jur  3eü  be§  £>onatii£>  nod)  nidjt  gänglid)  oerf allen;  bie 
(Stade  be§  Vereng  mürben  nod)  gefpielt,  unb  oljne  3roe^fe^ 
nod)  mit  oieleu  oon  ben  lleberlieferungen  gefpielt,  bie  fid) 
au$  ben  beffern  Reiten  oe§  römifd)en  ©efd)mad'3  rjerfdjrieben; 

*)  p£sie[e§  2öort  ipvtdEjt  2)emea  mit  einer  liierte  au§,  baß  e§  fdjeint,  er  tmbe 
»öiberSBillen  adädjett.  ©ann  aber  jagt  er:  „3d)  fiifjl'  e§,  leiber  — "  mit  ärgerlidjer 
unb  finfterer  Üfliene.    3immerninnn-] 


90  .Vamtutrgifcfje  Dramaturgie. 

er  bitrfte  alfo  nur  anmerfen,  ma$  er  fal)e  unb  Ijörte;  er  brauchte 
alfo  nur  Shtfmerffamfeit  unb  %reue,  um  fid)  ba3  Sßcrbienft 
51t  madjen,  bafe  ifym  bie  ^Kadjroelt  geinfyeiten  gu  oerbanfen 
|at,  bie  er  felbft  fdjmerlid)  bürfte  au^gegrübelt  Ijaben.  Qdj 
roüfjte  baljer  au6)  fein  2Serf,  au§  meldjem  ein  angeljenber 
(Sdjaujpieler  metjr  lernen  fönnte,  al§  biefen  Kommentar  beä 
£>onatu§  über  ben  Vereng;  unb  big  ba§  Satein  unter  unfern 
©djaufoielern  üblidjer  wirb,  münfd)te  td)  fe^r,  bafj  man  iljnen 
eine  gute  Ueberfetjung  baoon  in  bie  §änbe  geben  mollte. 
@ö  oerfteljt  fidj,  ba§  ber  ^Dtc^ter  babei  fein  unb  au§  bem 
Kommentar  alles  wegbleiben  mü§te,  roa§  bte  blofee  2Öort= 
erflärurtg  betrifft.  2)te  2)acier  fjat  in  biefer  Slbfidjt  ben 
£)onatu§  nur  fd)led)t  genügt,  unb  iljre  Ueberfetnmg  beö 
^ejte§  ift  mäferig  unb  fteif.  (Sine  neuere  beutfdje,  bie  mir 
Ijaben,  l)at  ba3  Sßerbtenft  ber  Sfttdjtigfeit  fo  fo,  aber  ba3  3Ser= 
bienft  ber  fomifdjen  ©pradje  feljlt  iljr  gänjlidj;*)  unb  SDonatuö 
ift  aud)  nidjt  raeiter  gebraust,  a(§  ifyn  bie  2)acier  51t  brauchen 
für  gut  befunben.  @§  märe  alfo  leine  getraue  Arbeit,  ma§ 
id)  r>orfd)lage;  aber  mer  folt  fie  tljun?  Sie  nichts  23effer3 
tl)itn  tonnten,  lönnen  aud)  biefeS  nid)t;  unb  bie  etraaS  33effer3 
tljun  formten,  merben  fid)  bebanlen. 

SDod)   enbltdj   rom   %exen%   auf   unfern   9?ad)al)mer   gu 
lommen  —  @3  ift  bodj  fonberbar,  baj$  aud)  §err  SRomanuS 


*)  £aße  1753.  5Bunber§  tjalben  erlaube  man  mir,  bie  ©teile  barau§  anju= 
füfjren,  bie  id)  eben  i^t  überfetjt  tjabe.  2öa§  mir  t)ier  au§  ber  geber  gefloffen,  ift 
tüett  entfernt,  fo  ju  fein,  mie  e§  fein  foßte;  aber  man  Wirb  bod)  uitflefätjr  barau§ 
fer)en  tonnen,  tooriu  1>aZ  SSerbienft  befielt,  ba§  id)  biefer  Ueberfetjung  abfpredjen  mufj. 

SDemea.  9lber,  mein  lieber  SBruber,  bafj  un§  nur  nid)t  beine  fdjönen  förünbe 
unb  bein  gleichgültiges  ©emüt  fie  ganj  unb  gar  in§  SSerberben  ftürjen! 

9Dlicio.  Qld),  fdjttieig  bod)  nur,  ba§  wirb  nid)t  gefdjeljen.  Saß  ba§  immer 
fein.    Uebertafj  bid)  bleute  einmal  mir!    2öeg  mit  ben  Ütunjeln  tion  ber  ©tirne! 

SDemea.  3a,  ja,  bie  geit  bringt  e§  fo  mit  fid),  id)  muß  e§  mof)t  tljun.  2lber 
mit  anbredjenbem  Sage  get)e  id)  mieber  mit  meinem  ©otjne  auf§  2anb. 

SJlicio.  3fd)  werbe  bid)  nid)t  aufhalten,  unb  menn  bu  bie  9iad)t  mieber  geljn 
Wißft;  fei  bod)  bleute  nur  einmal  fröl)tid)! 

3)emea.    3)ie  Sängerin  miß  id)  3ugleid)  mit  fyerauSfdjleppen. 

9Jticio.  2)a  tbuft  bu  morjt;  baburd)  toirft  bu  mad)en,  baß  bein  ©otjn  ob,ne 
fie  nid)t  mirb  leben  tonnen.    9Iber  forge  aud),  t>a$  bu  fie  gut  ner^ältft! 

®emea.  5Dafiir  merbe  id)  fd)on  fovgen.  ©ie  foß  mir  fod)en,  unb  9?aud), 
3lfd)e  unb  3Ket)l  foßen  fie  fdjon  tenntlid)  madjen.  Slufcerbem  foß  fie  mir  in  ber 
gvö|ten  Wittag^b^i^e  gefjen  unb  9let)ren  lefen,  unb  bann  miß  id)  fie  il;m  fo  tierbrannt 
unb  fo  fcfymarj  mie  eine  $ot)le  überliefern. 

2)ticio.  S)a§  gefäOt  mir;  nun  feb,'  id)  red)t  ein,  bafj  bu  meigtid)  Ijanbelft ; 
aber  bann  fannft  bu  aud)  beiuen  ©oljn  mit  ©ematt  ätuingen,  ba^  er  fie  mit  ju 
Sßette  nimmt. 

S)emea.  2ad)ft  bu  mid)  etma  au§?  SDu  bift  glüdlid),  ba^  bu  ein  foldjeä 
©emiit  l)aft;  aber  id)  füf)te. 

9Jii ci o.    2ld)!  t)ältft  bu  nod)  nid)t  iune? 

SDemea.    3d)  fd)Weige  fdjon. 


©refunbfte&jtgfteä  2tücF.  91 

ben  falfd;cn  ©ebanfen  be§  SSoltaire  gelja&t  ,^u  fmben  fdjeint. 
2ludj  et  i)at  geglaubt,  bafe  am  (Snbe  mit  bem  (Sfjarafter  beS 
©emea  eine  gänglidje  SBeränberung  corgelje;  wenigftenä  läßt 
er  jie  mit  bem  (Sljarafter  feinet  Sofimonö  oorgetjen.  „3e, 
föinber,"  läfet  er  i$n  rufen,  „fdjweigt  bodj!  3$r  überhäuft 
mid)  ja  mit  Siebfofungen.  ©oljn,  Sruber,  SBetter,  ©teuer, 
alles  fdnneidjelt  mir,  btofe  meit  \d)  einmal  ein  bifjdjen  freunb= 
ltdj  ausfelje.  Sin  iclj'S  benn,  ober  bin  icfy'S  nidjt?  Qd)  werbe 
mieber  redjt  jung,  trüber!  @3  ift  bodj  l)übfd),  raenn  man 
geliebt  wirb.  3$  mill  aud)  geroifc  fo  bleiben.  Qd)  roüfcte 
nid)t,  menn  idj  fo  eine  oergnügte  Stunbe  gehabt  f)ätte."  Unb 
grontin  fagt:  „üRun,  unfer  älter  ftirbt  gewiß  balb.*)  ©ie 
SÖeränberung  ift  gar  £it  r>löt$lid)."  Qa  woljl;  aber  ba3  ©pridp 
raort  unb  ber  gemeine  ©laube  non  ben  unoermuteten  Sßer= 
änberungen,  bie  einen  nar)en  "Xob  oorbebeuten,  foll  bodj  roofjl 
nidjt  im  ©rufte  l)ier  etwas  rechtfertigen  V 


pretutti>!tdj£tgßcs  §tütK- 

Ben  12.  Sfanuar  1768. 

Sie  Scrjlufjrebe  be§  3)emea  bei  bem  Vereng  geljt  attö 
einem  ganj  anbern  ^Eone.  „SOBenn  eudj  nur  ba§  gefällt,  nun, 
fo  mad)t,  roa§  il)r  wollt,  idj  mill  midj  um  uidjtö  mefjr  be= 
fümmern!"  @r  ift  e§  ganj  unb  gar  nicjjt,  ber  fidj  nad)  ber 
SBeife  ber  anbern,  fonbem  bie  anbern  ftnb  e§,  bie  ftdf)  nad) 
feiner  SBeife  fünftig  gu  bequemen  oerfpredjen.  —  Slber  wie 
tömmt  e§,  bürfte  man  fragen,  baf$  bie  legten  ©jenen  mit 
bem  Snfimon  in  unfern  beutfdjen  Srübern  bei  ber  SBorftellttng 
gleidjmoryt  immer  fo  rool)l  aufgenommen  werben?  ©er  be= 
ftänbige  -Rüdfall  be3  Snfimou  in  feinen  alten  (Ebaralter  madjt 
fte  fomifdj;  aber  bei  biefem  ()ätte  es>  aud)  bleiben  muffen.  — 
Qd)  uerfpare  ba§  SSeitere  big  511  einer  ^weiten  s$orftetfung 
be3  <Stücf§. 

3)aö  Oralel  oom  ©aint=goi^  meldjeS  biefenSlbenb  ben 
33efd)luj$  madjte,  ift  allgemein  befannt  unb  allgemein  beliebt. 

2)en  fed^unboierjigften  2lbenb  (3Jlontag§,  ben  20.  guliuo ) 
warb  ^Jitg   Sara**)    unb    ben   fiebenunboier^igften,  %ageö 


*)  So  fotl  e§  ofjne  3roeifet  fjeißen ,  unb  nidjt:   ftirbt  otjn  möglich,   batb. 
fyür  toiele  Don  unfern  Sdjaufpielern  ift  c»  nötig,  aud)  fotdbe  Srudfehler  anjutncvfen. 
**)  3.  ben  11.  Slbenb,  Seite  155. 


92  .£mm&urg,iftt)e  Dramaturgie. 

barauf,  Sfamine*)  wieberfyolt.  Sluf  bie  9knine  folgte:  3)  er 
unvermutete  21  Umgang,  üom  3Jlarbauj,  in  einem  Slfte. 

Ober,  wie  eS  wörtlicher  nnb  beffer  Reiften  •  würbe :  bie 
unvermutete  ©ntwidlung.  2)enn  eS  ift  einer  oon  ben  Titeln, 
bie  uidjt  fowol)!  ben  Qnfjatt  anzeigen,  als  vielmehr  gletdt) 
anfangt  gewiffen  ©inwenbungen  vorbauen  f ollen,  bie  ber 
SMdjter  gegen  feinen  (Stoff  ober  beffen  Gefyanblung  vor!jer= 
fielet.  (Sin  SSater  will  feine  ^ocr)ter  an  einen  jungen  9ttenfd)en 
»erheiraten,  ben  fie  nie  gefeljen  |at.  Sie  ift  mit  einem  anbern 
fdjcm  fyalb  richtig,  aber  biefeS  aucl)  fdjon  feit  fo  langer  Qtit, 
baf$  es  faft  gar  nid;t  melw  richtig  ift.  Unterbeffen  möcljte  fie 
ttjin  bod)  nod)  lieber,  als  einen  gan§  Unbetonten,  unb  fvielt 
fogar  auf  fein  Singeben  bie  Atolle  einer  2ßaljnwii$igen,  um 
ben  neuen  greier  ab§ufcr)recfen.  tiefer  fömmt;  aber  gum 
©lüde  ift  e§  ein  fo  fcfyöner,  liebeuSmürbiger  9ftann,  baj$  fie 
gar  balb  il)re  ^ßerftellung  vergibt  unb  in  aller  ©efd)winbig= 
feit  mit  il)m  einig  roirb.  9Jton  gebe  bem  ^>tüde  einen  anbern 
%ttel,  unb  alle  Sefer  unb  3uWaiier  werben  ausrufen:  ba§ 
ift  aud)  felw  unerwartet!  ©inen  knoten,  ben  man  in  ^efjn 
©^enen  fo  müljfam  gefd)ür§t  §at,  in  einer  einzigen  nid)t  $u 
löfen,  fonbern  mit  ein§  §u  genauen!  9cun  aber  ift  biefer 
geiler  in  bem  Xxtd  felbft  angefünbiget  unb  burdj  biefe  2In= 
tünbigung  gewifferma^en  geredjtfertiget.  SDenn  wenn  e£  nun 
wirtlid)  einmal  fo  einen  §all  gegeben  Ijat,  warum  foll  er 
nidjt  aud)  vorgeftellt  werben  fönnen?  (Sr  far)e  ja  in  ber  2öir!= 
Iid)leit  einer  ^omöbie  fo  äfmltdjj;  unb  fotlte  er  benn  eben 
beSmegen  um  fo  unfdjidlidjer  §ur  ^omöbie  fein?  —  9kd)  ber 
Strenge,  allerbingS;  benn  alle  Gegebenheiten,  bie  man  im 
gemeinen  Seben  wafyxe  ^omöbien  nennet,  finbet  man  in  ber 
i^omöbie  wahren  Gegebenheiten  nid)t  fein;  gletdt) ;  unb  barauf 
fäme  e§  bod)  eigentlich  an. 

Slber  SluSgang  unb  ©ntwidlung,  laufen  beibe  2öorte 
nidjt  auf  einS  IjinauS?  3Rtdt)t  völlig.  £)er  2luSgang  ift,  bafc 
Qungfer  Sirgante  ben  @raft  unb  ntct)t  ben  £)orante  heiratet, 
unb  biefer  ift  ijinlänglid)  vorbereitet.  £)enn  il)re  Siebe  gegen 
©oranten  ift  fo  lau,  fo  wetterläuuifd) ;  fie  liebt  ifm,  weil  fie 
feit  oier  Qafjren  niemanben  gefeljen  Ijat  als  il)tt;  manchmal 
liebt  fie  tfjn  meljr,  mandnnal  weniger,  manchmal  gar  nidjt, 
fo  wie  e§  fömmt;  Ijat  fie  iljn  lange  nicr)t  gefeljen,  fo  fömmt 
er  iljr  liebenSwürbig  genug  vor;  fieljt  fie  ilm  alle  %a§e,  fo 


*)  ©.  ben  27.  unb  33.  unb  37.  Slbenb,  Seite  185,  213  unb  247. 


2)reiunbfte63igfte3  ©tütf.  93 

madjt  er  il)r  Sangemeile ;  befonberS  flogen  ifjr  bann  nnb  wann 
©efidjter  auf,  gegen  roeldje  fie  2)oranten§  ©efidjt  fo  tatyt,  fo 
unfdjmadfyaft,  fo  efel  finbet!  2ßaö  braudjte  eö  alfo  weiter, 
um  fie  gang  oon  ifmt  abzubringen,  als  bafe  (Sraft,  ben  \{)x 
il)r  SBater  beftimmte,  ein  foldjeö  ©efidjt  ift?  2)ajj  fie  biefen 
alfo  nimmt,  ift  fo  menig  unerwartet,  baft  es  melmefjr  feljr 
unerwartet  fein  mürbe,  wenn  fie  bei  jenem  bliebe,  ©ntmid; 
hing  hingegen  ift  ein  mefyr  relattoes  SBort;  unb  eine  uner= 
wartete  Gntwidlung  tnooloieret  eine  23  errat  dlun  g ,  bie  oljne 
Aolgen  bleibt,  oon  ber  ber  2)id)ter  auf  einmal  abfpringt,  ol)ne 
fid)  um  bie  Verlegenheit  gu  befümmern,  in  ber  er  einen  5teit 
feiner  ^erfonen  lä'fet.  Unb  fo  ift  eS  Ijier:  $eter  mirb  eS  mit 
2)oranten  fdjon  auSmadjen;  ber  2)id)ter  empfiehlt  fidj  ilnn. 

3)en  ad)tunboier3igften  Slbenb  (UJUttraodjS,  ben  22.  QuIiuS) 
marb  bae  ^rauerfptel  beS  §errn  2Eei^e:  Dtidjarb  III.,  auf; 
geführt,  jum  33efd)luffe:  §  er  30  g  9Jtid)eI. 

2)iefeS  ©tücf  ift  ofynftreitig  eines  oon  unfern  beträft; 
Iidjften  Originalen;  reict)  an  großen  Sd)önl)eiten,  bie  genug; 
fam  geigen,  baf$  bie  geljler,  mit  melden  fie  oermebt  finb,  31t 
oermeiben,  im  geringsten  nidjt  über  bie  Gräfte  beS  £)id)terS 
geraefen  märe,  roenn  er  fid;  bicfe  Gräfte  nur  felbft  l)ätte 
jutrauen  motten. 

@d)on  <Sf)afefpeare  fjatte  baS  Seben  unb  ben  %ob  beS 
britten  ÜudjarbS  auf  bie  SBülrne  gebradjt;  aber  §err  Söeifee 
erinnerte  fid)  beffeu  uidjt  etjer,  als  big  fein  Sßerf  bereits  fertig 
mar.  „(Sollte  id)  alfo,"  fagt  er,  „bei  ber  SSergleidjung  fdjon 
oiel  oerlieren,  fo  mirb  man  bocr)  raenigftenS  finben,  bafj  id)  fein 
Sßlagium  begangen  l)abe;  —  aber  oietfeid)t  märe  eS  ein  SSer? 
bieuft  gemefen,  an  bem  (Sljafefpeare  ein  ^lagium  31t  begeben." 

SßorauSgefetjt,  baf$  man  eine§  an  iljm  begeben  fanu.  2(ber 
raaS  man  oon  bem  §omer  gejagt  l)at :  eS  laffe  fid)  bem  §er= 
fuleS  eljer  feine  $eule,  als  iljm  ein  93erS  abringen  —  baS 
Iä£t  fid)  ootlfommen  audj  oom  Sljafefpeare  fagen.  2htf  bie 
geringfte  oon  feinen  (Schönheiten  ift  ein  Stempel  gebrud't, 
melier  gleid)  ber  ganzen  Söelt  juruft:  id)  Bin  ©IjafefpeareS ! 
Unb  raet)e  ber  fremben  <Sd)önl)eit,  bie  baS  §erj  l)at,  fid)  neben 
il)r  §u  ftellen! 

Sfyafefpeare  miß  ftubiert,  nid)t  geplünbert  fein.  $ahen 
mir  ©enie,  fo  mufe  uns  ©Ijafefpeare  baS  fein,  mas  bem  Sanb; 
fdjaftSmaler  bie  (Samera  obfcura  ift:  er  fefje  fleißig  hinein, 
um  31t  lernen,  mie  fiel)  bie  Statur  in  allen  gälten  auf  eine 
glädje  projeltieret;  aber  er  borge  nichts  barauS. 


94  ^amBurgtfdje  Dramaturgie. 

3$  wüßte  aud)  wirflid)  in  bem  gangen  ©tüde  beS  ©Ijafe* 
fpeareS  feine  einzige  ©gene,  fogar  feine  einzige  £irabe,  bie 
§err  2Beifje  fo  Ijätte  Brausen  tonnen,  wie  fie  bort  ift.  Sitte, 
and)  bie  fleinften  %eile  Beim  ©tjafefpeare,  ftnb  nad;  ben  großen 
3ftafcen  beS  Ijiftorifdjen  ©djaufpielS  gugefdjnitten,  nnb  biefeS 
uerljält  fid)  gu  ber  Sragöbie  frangöfifdjen  ©efdwiad'S  ungefähr 
wie  ein  weitläufiges  gresfogemälbe  gegen  ein  TOniatürbilbdjen 
für  einen  Sfting.  3BaS  fann  man  gu  biefem  aus  jenem  nehmen, 
als  etwa  ein  ©eftdjt,  eine  einzelne  gigur,  fjödjftenS  eine  fleine 
©rttppe,  bie  man  fobann  als  ein  eigenes  ©ange  ausführen 
mujs?  ©Ben  fo  mürben  aus  einzeln  ©ebanfen  Beim  ©f)afe= 
fpeare  gange  ©genen,  nnb  aus  einzeln  ©jenen  gange  2luf= 
güge  werben  muffen.  £)enn  wenn  man  ben  Slermel  aus  bem 
bleibe  eines  liefen  für  einen  $werg  re$t  nutzen  will,  fo 
muß  man  iljm  nid)t  mieber  einen  Slermel,  fonbern  einen  gangen 
9^o d  barauS  machen. 

%f)\\t  man  aBer  audj  biefeS,  fo  fann  man  megen  ber 
SBefdmlbigung  beS  $lagiumS  gang  rul)tg  fein.  S)ie  meiften 
werben  in  bem  gaben  bie  glode  nidjt  erfennen,  woraus  er 
gefponnen  ift.  2)ie  wenigen,  weldje  bie  föunft  nerfteljen, 
»erraten  ben  3Keifter  nicfjt  unb  wiffen,  baß  ein  ©olbforn  fo 
fünftlid)  fann  getrieBen  fein,  ba$  ber  üßkrt  ber  gorm  ben 
2öcrt  ber  Materie  Bei  weitem  übersteiget. 

3$  für  mein  %t\l  Bebauere  eS  alfo  wirflid),  ba^  unferm 
3)idjter  ©IjafefpeareS  ^idjarb  fo  fpät  Beigefatten.  ©r  Ijätte 
ifjn  fb'nnen  gefannt  Ijaben  unb  bodj  eBen  fo  original  geblieben 
fein,  als  er  i|t  ift;  er  Ijätte  ilm  fönnen  genutjt  Ijaben,  oljne 
baß  eine  einzige  übergetragene  ©ebanfc  baoon  gezeugt  Ijätte. 

2öäre  mir  inbeS  eben  baS  Begegnet,  fo  würbe  idj  ©fyafe- 
fpeareS  2ßerf  wenigftenS  nacf)r)er  als  einen  ©piegel  genügt 
Ijaben,  um  meinem  SBerfe  alle  bie  gleden  abguwifdjen,  bie 
mein  Singe  unmittelbar  barin  311  erfennen  nid)t  oermögenb 
gewefen  wäre.  —  Slber  woljer  weiß  id),  baß  §err  28eiße  biefeS 
nidjt  getljan?    Unb  warum  follte  er  cS  nict)t  getrau  Ijaben? 

®ann  eS  nid)t  eben  fo  wol)l  fein,  baß  er  baS,  was  id)  für 
bergleidjen  gled'en  balte,  für  feine  l)ält?  XXnb  ift  eS  nidjt  fel)r 
wa()rfd)einlid),  baß  er  mefyr  ffte&jt  l)at  als  id)?  3$  Dm  UDer- 
geugt,  baß  baS  2luge  be§  ^ünftlerS  größtenteils  öiel  fd)arf= 
fid)tiger  ift  als  baS  fdjarffidjtigfte  feiner  SBetradjter.  Unter 
gwangig  Einwürfen,  bie  ifmi  biefe  madjen,  wirb  er  fid;  0011 
neungeljn  erinnern,  fie  wäl)renb  ber  2lrbeit  fid)  felbft  gemadjt 
unb  fie  and)  fdjon  fid;  felbft  beantwortet  311  Ijaben. 


SterunbfteBjigfteä  ©tütf.  05 

©leidmmfjl  nrirb  et  mdji  ungehalten  fein,  fie  aud)  oon 
anbern  madjen  51t  Ijören :  benn  er  l)at  eS  gern,  bafj  man  über 
fein  2öerl  urteilt ;  fd)al  ober  grünblid),  linfs  ober  redjtö,  gut= 
artig  ober  bamifd),  altes  gilt  i()in  gleid);  unb  and)  baS  fdjalfte, 
linf'fte,  Ijämifdjfte  Urteil  ift  iljm  lieber  als  falte  ^cnntnbening. 
^eneo  wirb  er  auf  bie  eine  ober  bie  anbre  3lrt  in  feinen 
9cu$en  gu  oenoenben  toiffen:  aber  maS  fängt  er  mit  biefer 
an?  $erad)ten  mödjte  er  bie  guten  erjrlidjen  Seute  ntdjt  gern, 
bie  il)n  für  fo  etmaS  2üij$erorbentlid)eS  galten ;  unb  bodj  tmifj 
er  bie  2ldjfeln  über  fie  guefen.  @r  ift  ntdjt  eitel,  aber  er  ift 
gemeiniglid)  ftoI§ ;  unb  auS  (Stotg  mödjte  er  gejmmat  lieber 
einen  unoerbienten  STabel  als  ein  unuerbienteS  £ob  auf  fiel) 
fitjen  laffen.  — 

5Kan  mirb  glauben,  roeldje  föritif  id)  hiermit  oorbereiten 
milT.  —  2SenigftenS  tiidjt  bei  bent  ÜBerfaffer,  —  IjÖdjftenS  mir 
bei  einem  ober  bem  anbern  DJtitfpredjer.  3d)  mei^  uidjt,  mo 
id)  eS  jüngft  gebrudt  lefen  mnfcte,  baß  id)  bie  „Slmalia" 
meines  greunbeS  auf  Unloften  feiner  übrigen  Suftfpiele  gelobt 
Ijätte.  *)  —  Stuf  Unloften?  aber  bod)  menigftenS  ber  frühem? 
Qd)  gönne  eS  8f)lten,  ™ßm  -&err/  ^aB  man  niemals  Qfjre 
altern  Sßerfe  fo  möge  tabeln  fönnen.  £er  §immel  beiuarjre 
3tc  oor  bem  tüdtfdjen  2obe:  baft  Qljr  letztes  immer  Sfyr 
befteS  ift!  — __ 

|fienm&rtcüjujjte£  gfctüA. 

©en  15.  Sanuar  1768. 

$ur  <&ad)e.  —  @S  ift  oornetymlid)  ber  Gfjarafter  be§ 
DtidjarbS,  morüber  id)  mir  bie  Grflärung  beS  SDid;terS  münfdjte. 

SlriftoteleS  mürbe  ilm  fd)ted)terbingS  oermorfen  rjaben;  groar 
mit  bem  2lnfel)en  beS  2(riftoteleS  motlte  id)  balb  fertig  roerben, 
wenn  id)  eS  nur  aud)  mit  feinen  ©rünben  gu  merben  roäfete. 

SDie  ^ragöbie,  nimmt  er  an,  foll  9JiitIeib  unb  (Sdjredeu 
erregen:  unb  barauS  folgert  er,  ba$  ber  §elb  berfelben  meber 
ein  gan$  tugenbljafter  3Äann,  nod)  ein  oölliger  SBöfewidjt  fein 
muffe.  ®enn  meber  mit  beS  einen  nod)  mit  beS  anbern  Un= 
glüde  laffe  ftdt)  jener  gwed  erreidjen. 

^Häurne  id)  biefeS  ein,  fo  ift  91id)arb  III.  eine  STragöbie, 
bie  ifyreS  gwedeS  oerfeljlt.  Fannie  id)  eS  ntdjt  ein,  fo  weift 
id)  gar  nidjt  merjr,  was  eine  STragöbie  ift. 

*)  Crben   erinnere   id)  mid)  nod}:    in  bei  yerrn  Sdjmib»  ^ujii^en  311  jeiuer 
„Sfjeorie  ber  ^oefie",  ©.  45. 


96  §amburgtftf)e  Dramaturgie. 

3)enn  9üd)arb  III. ,  fo  rate  ilm  §err  Söeifte  gefdjjilbert 
fjat,  ift  unftreitig  baS  größte,  abfd)eulid)fte  Ungeheuer,  baS 
jemals  bie  33üjjne  getragen.  3$  fage:  bie  Söügne;  baft  eS 
bie  (Srbe  rairflid)  getragen  Ijabe,  baran  graeifte  xd). 

2öaS  für  9Jfttleib  fann  ber  Untergang  biefeS  Ungeheuers 
erraeden?  SDodj  baS  foE  er  audj  nid)t;  ber  ©idjter  l)at  eS 
barauf  nid)t  angelegt,  unb  eS  fiab  gang  anbere  $erfonen  in 
feinem  2£erfe,  bie  er  $u  ©egenftänben  unferS  -iDfttleibS  ge= 
madjt  i)at. 

2lber  ©djreden?  —  (Sollte  biefer  23öferaidjt,  ber  bie  $luft, 
bie  \i<$)  graifdjen  ifmt  unb  bem  S£fyrone  befunben,  mit  lauter 
Seiten  gefüllet,  mit  ben  Seidien  berer,  bie  tljm  baS  Siebfte  in 
ber  s18elt  Ijätten  fein  muffen ;  foEte  biefer  blutbürftige,  feinet 
SBlutburfteS  fidj  rüfjmenbe,  über  feine  SSerbrecfjen  ftd)  fitjelnbe 
Teufel  nidjt  ©djreden  in  nollem  Wlafo  erraeden? 

2Bofyl  erraedt  er  ©d)reden:  raemt  unter  ©dfjreden  baS 
©rftaunen  über  unbegreiflidje  9JttffetIjaten,  baS  (Sntfe^en  über 
SoSljeiten,  bie  unfern  ^Begriff  überfteigen,  raenn  barunter  ber 
©djauber  §u  t>erftel)en  ift,  ber  uns  bei  ©rblidung  oorfätj' 
üd)er  (Greuel,  bie  mit  Suft  begangen  raerben,  überfällt.  23on 
biefem  ©djreden  t)at  mid)  Sftidjjarb  III.  mein  gutes  Steil  empfing 
ben  laffen. 

2lber  biefeS  ©djreden  ift  fo  raenig  eine  non  ben  2tbftd)ten 
beS  ^rauerfpielS,  baf$  eS  nielmel)r  bie  alten  £)id)ter  auf  alle 
Söeife  gu  minbern  fudjten,  raenn  iljre  ^erfonen  irgenb  ein 
großes  sJßerbred)en  begeben  mußten,  ©ie  fd^oben  öfters  lieber 
bie  ©djulb  auf  baS  ©djidfal,  matten  baS  33erbred)en  lieber 
ju  einem  33erl)änguiffe  einer  räcfyenben  ©ottfjeit,  nerraanbelten 
lieber  ben  freien  9Jlenfdjen  in  eine  sD?afd)ine :  e§e  fte  uns  bei 
ber  gräftlidjen  3bee  raollten  nerraeilen  laffen,  baf$  ber  9Jtenfd) 
oon  Statur  einer  folgen  $erberbniS  fällig  fei. 

Sei  ben  gran^ofen  füt)rt  (Srebitlon  ben  Beinamen  beS 
©d)redlid;en.  Qd)  fürdjte  fefyr,  me§r  non  biefem  ©djreden, 
raeldjeS  in  ber  äragöbie  nidjt  fein  foEte,  als  von  bem  edfjten, 
baS  ber  ^Ijilofopl)  $u  bem  Söefen  ber  ^ragöbie  rennet. 

Unb  biefes  —  i)ätte  man  gar  nicr)t  ©d^reden  nennen 
foEen.  2)aS  SÖort,  raeldjeS  SlriftoteleS  brauet,  Reifet  gurdjt : 
slftitletb  unb  gurd^t,  fagt  er,  foll  bie  ^ragöbie  erregen;  nidjt, 
9Jiitleib  unb  ©djreden.  @S  ift  raaljr,  baS  ©dfjreden  ift  eine 
©attung  ber  gurdjt;  eS  ift  eine  plö£lid)e,  überrafd^enbe  gurd)t. 
3lber  eben  biefeS  $löt}lidje,  biefeS  Ueberrafdjenbe,  raeldjeS  bie 
Sbee  beSfelben  einfcfyliefjt,  geiget  beutlid),  bafr  bie,  oon  welken 


SBierunbfte6n«fte§  ©tücf.  97 

fid)  fjier  bie  (Smfüljrung  be3  2Borte3  „(Ed)reden"  anftatt  beg 
2Borte§  „gurdjt"  Ijerfdjreibt,  nid)t  eingefeljen  Ijaben,  roaS  für 
eine  gurd)t  2lrtftotele§  meine.  —  3$  ntödjte  biefeS  2ßege§ 
fobalb  nid)t  mieberfommen ;  man  erlaube  mir  alfo  einen  flehten 
Sluofdjmeif. 

„£a§  TOtleib,"  fagt  2lriftotele3 ,  „verlangt  einen,  ber 
unnerbient  leibet,  unb  bie  gurdjt  einen  imferSgletdjen.  ©er 
SBöferotdjt  ift  meber  biefeä,  nod;  jenes :  folglid)  tarnt  and;  fein 
Unglüd  meber  ba§  erfte,  nod)  ba§  anbere  erregen."*) 

©ie  gurdjt,  fage  id),  nennen  bie  neuern  Ausleger  unb 
Ueberfeijer  (Bereden,  unb  e§  gelingt  ifjnen  mit  ©ilfe  biefes 
9Borttaitfdje§,  bem  ^3l)ilofopl)en  bie  feltfamften  §änbel  oon 
ber  SÖBelt  gu  machen. 

„9Dtan  Ijat  fid),"  fagt  einer  auö  ber  -Iftenge,**)  „über 
bie  (Srflärung  beg  <2d)reden§  nid)t  Bereinigen  fönnen;  unb  in 
ber  %fyat  enthält  fie  in  jeber  Betrachtung  ein  ©lieb  511  oiel, 
raeldjeg  fie  an  iljrer  2(flgemeinl)eit  r)iubert  unb  fie  aflgit  feljr 
emfdjränft.  2Benn  2(riftotele3  burd)  ben  Sitfa^  ,Unfer§= 
gletdjen"  nur  blofc  bie  2Ieljnlid)feit  ber  5Renfd)l)eit  oerftanben 
l)at,  meil  nämlid)  ber  3ufd)auer  unb  bie  fyanbelitbe  ^erfon 
beibe  ÜÜKenfd^en  finb,  gefegt  and),  bafe  fidj  unter  ifjrem  ßijarafter, 
ifjrer  SJÖürbe  unb  iljrem  Stange  ein  unenblidjer  Slbftanb  be= 
fänbe :  fo  mar  biefer  ^ufatj  überflüffig ;  benn  er  nerftanb  fid) 
non  felbft.  2Benn  er  aber  bie  Meinung  r)atte,  baft  nur  tugenb= 
Fjafte  ^er Jonen  ober  foldje,  bie  einen  oergeblidjen  gel)ler  an 
fid)  Ratten,  Sdjreden  erregen  lönnten:  fo  l)atte  er  Unredjt; 
benn  bie  Vernunft  unb  bie  (Srfafjrung  ift  il)m  fobann  ent= 
gegen.  ©a3  <2d)reden  entfpringt  oljnftreitig  au§  einem  ©e= 
füfjl  ber  9ttenfd)lid)feit;  benn  jeber  SJtenfd)  ift  iljm  unter= 
roorfen,  unb  jeber  Üttenfd)  erfcf>üttert  fid)  oermöge  biefeö  ©efüljtg 
bei  bem  mibrigen  Zufalle  z[]K$  anbern  9Dtxenfd)en.  @g  ift 
rooljl  möglich,  baf$  irgenb  jemanb  einfallen  fönnte,  biefeS  oon 
fid)  gu  leugnen ;  allein  biefes»  mürbe  allemal  eine  Verleugnung 
feiner  natürlichen  ßhnpfinbungen,  unb  alfo  eine  blofte  ^>ral)leret 
au§  uerberbten  ©runbfäften  unb  lein  (ÜHnmttrf  fein.  —  SBenn 
nun  aud)  einer  lafterljaften  ^perfon,  auf  bie  mir  eben  unfere 
5(ufmerf famfett  menben,  unoermutet  ein  mibriger  ^ufalt  Su; 
ftöftt,  fo  nerlieren  mir  ben  Safterfjaften  aus>  bem  ©efid)ie  unb 
fef)en   btofj   ben    -Dtenfdjen.      ©er   5lnblid   be£    meujdjltdjen 


•)  3m  13.  Kapitel  ber  „Srttfctfunft' '. 

**)  £r.  <B.  in  ber  SSorrebe  ju  J.  „fomifcfyen  Sweater",  S.  35. 

Eejjiuö,  SDBerle.    XU. 


98  §ant&urgtftt)e  Dramaturgie. 

GlenbeS  überhaupt  mad)t  uns  traurig,  unb  bie  plöttfidje  traurige 
©mpfinbung,  bie  wir  fobann  fyaben,  ift  baS  ©abreden." 

©anj  red)t,  aber  nur  ntcr)t  an  ber  redjten  ©teile!  2)enn 
was  fagt  baS  roiber  ben  StrifroteleS?  -iRidjtS.  SIriftoteleS  benlt 
an  biefeS  ©d)reden  nidjt,  wenn  er  uon  ber  gurd)t  rebet,  in 
bie  un§  nur  baS  Unglüd  unferSgletdjen  fetjen  fönne.  SDtefeä 
©djreden,  weldjeS  uns  bei  ber  plö^lidjen  @rb liefung  eines 
SeibenS  befaßt,  baS  einem  anbern  beoorftefyet,  ift  ein  mitleibigeS 
©dneden,  unb  alfo  fd)on  unter  bem  üÖJitleibe  begriffen. 
2lrtftoteleS  mürbe  nid)t  fagen  „TOtleiben  unb  gurd)t",  wenn 
er  unter  ber  gurdjt  weiter  nichts  als  eine  blojse  SDßobififation 
beS  9JiitleibS  oerftünbe. 

„2)a§  9Jiitleib,"  fagt  ber  Sßerfaffer  ber  Briefe  über  bie 
©mpftnbungen,*)  „ift  eine  r»ermifd)te  ©mpftnbung ,  bie  aus 
ber  Siebe  $u  einem  ©egenftanbe  unb  aus  ber  Unluft  über 
beffen  Unglüd  gufammengefetjt  ift.  3)ie  ^Bewegungen,  burdj 
meldte  \\6)  baS  9Jiitleib  gu  erlennen  gibt,  finb  uon  ben  ein= 
fachen  Symptomen  ber  Siebe  fowol)l  als  ber  Unluft  unter= 
Rieben;  benn  baS  -Jftitleib  ift  eine  @rfd)etnung.  2lber  wie 
rüelerlei  fann  biefe  ©rfdjeinung  werben !  3ftan  änbre  nur  in 
bem  bebauerten  Unglüd  bie  einzige  Seftimmung  ber  Seit,  fo 
roirb  fidj  baS  Sftitteiben  burd)  gang  anbere  ^enn^eidjen  gu 
erlennen  geben.  9Jltt  ber  (Sleftra,  bie  über  bie  Urne  ifyreS 
SBruberS  meinet,  empfinben  mir  ein  mitleibigeS  trauern ;  benn 
fie  fjält  baS  Unglüd  für  gefd)el)en  unb  bejammert  iljren  ge= 
labten  SSerluft.  2öaS  mir  bei  ben  ©dnnergen  beS  $l)iloftetS 
füllen,  ift  gleichfalls  9J?itleiben,  aber  oon  einer  etwas  anbern 
9catur;  benn  bie  Qual,  bie  biefer  £ugenbl)afte  auslüfteten 
fyat,  ift  gegenwärtig  unb  überfällt  ilm  cor  unfern  Slugen. 
SBenn  aberDebip  fid)  entfe^t,  inbem  baS  gro^e  (MjeimniS 
fid)  plöt^lid)  entmidelt;  menn  5ftonime  erfdnidt,  als  fie  ben 
eiferfüd)tigen  9Jcitl)ribateS  fiel)  entfärben  fteljt ;  menn  bie  tugenb= 
Ijafte  SDeSbemona  fid)  fürchtet,  ba  fie  iljren  fonft  gärtiidjen 
Dtljello  fo  brol)enb  mit  ifyr  reben  Ijöret:  raaS  empfinben  mir 
ba?  3mmer  no$)  ^Jtitleiben!  Slber  mitleibigeS  (Sntfe^en,  mit* 
leibige  §urdjt,  mitleibigeS  ©dweden.  SDie  ^Bewegungen  finb 
nerfd)ieben ;  allein  baS  Söefen  ber  (Smpfinbungen  ift  in  allen 
biefen  gälten  einerlei.  £)enn  ba  jebe  Siebe  mit  ber  23ereit= 
milltgleit  nerbunben  ift,  uns  an  bie  ©teile  beS  (beliebten  §u 
fe^en,  fo  muffen  wir  alle  3lrten  uou  Seiben  mit  ber  geliebten 


*)  ^üojo^ijdje  ©d;rtften  hcü  %tm  Mo\cü  2Kmbel*fo!)n,  äluetter  Seil,  ©.  4. 


Pnfimbfte&atgfteä  Stütf.  99 

$erfon  leiten,  roeldjes  man  fefjr  nadjbrüdftid)  DJfitteiben  nennet. 
2Barum  fottten  alfo  nidjt  and)  Jurdjt,  3d)redcn,  3orn,  ®fCT* 
fndjt,  SRadjbegier  unb  überhaupt  ade  arten  von  unangenehmen 
Gümpfinbungen,  fogar  ben  ^Reib  nidjt  ausgenommen,  aus  9fött* 

leiben  entfielen  fönnen?  —  2ftan  fiefjt  IjierauS,  rate  gar  im« 
gejdudt  ber  größte  %eil  ber  Stunftricfjter  bie  tragifdjen  2eiben= 
fdmften  in  3d)reden  unb  DJtitleiben  einteilet.  3d)recfen  unb 
3)titleiben !  gft  benn  bao  tfjeatralifcfje  Sdjretfen  fein  SDiitleiben? 
AÜr  roen  erfdjrttft  ber  3ufd)auer,  roenn  -DJierope  auf  tfjren 
eignen  3of)n  ben  Sold)  ^iefyet?  ©eraif;  nid)t  für  fiel),  fonbern 
für  ben  Slegiftlj,  beffen  ©rljaltung  man  fo  jel)r  münfd;ct,  unb 
für  bie  betrogne  Königin,  bie  itjn  für  ben  -Dförber  ÜjreS 
3ol)ueS  anfielet.  2Borfen  mir  aber  nur  bie  ilnluft  über  baS 
gegenwärtige  Hebel  eines  anbem  9JJitleiben  nennen :  fo  muffen 
mir  nid)t  nur  baS  3d)reden,  fonbern  alle  übrige  Seibenfdjaften, 
bie  uns  oon  einem  anbern  mitgeteilt  roerben,  oon  bem  eigent= 
lidjen  9ftitteiben  unterfdjeiben."  — 


fimfntt0|trb£irj|tce  gtütk. 

£en  19.  Januar  1768. 

£iefe  ©ebanfen  ftnb  fo  richtig,  fo  Hat,  fo  einleudjtenb, 
bafe  un§  bünft,  ein  jeber  t)ätte  fie  tjaben  tonnen  unb  (ja6en 
muffen.  ©teidjmorjt  roill  id)  bie  ferjarffinnigen  S3emerfungen 
beS  neuen  ^t)itofopt)en  bem  alten  nidjt  untertrieben ;  id)  fenne 
jene§  SBerbienfte  um  bie  Seljre  oon  ben  oermifdjtcn  (rmpfin= 
bnngen  31t  rool)(;  bie  roaljre  Sljeorie  berfelben  Ijaben  mir  nur 
il)in  $u  banfen.  2(ber  roaS  er  fo  oortrefftid)  aus  einanber 
gefefct  bat,  baS  fann  boer)  3(riftoteleS  im  ganzen  ungefähr 
empfunben  Ijaben ;  wenigftenS  ift  eS  unleugbar,  ba§  "ilriftoteleS 
entioeber  mujj  geglaubt  rjaben,  bie  ^ragöbie  fönne  unb  folTe 
nidjtS  als  baS  eigentlidje  -ÜDiitleib,  nichts  als  bie  Unluft  über 
baS  gegenmärtige  Uebel  eines  anbern  ermeden,  raeldjeS  irjm 
fdjiuerlid)  gugutrauen;  ober  er  bat  ade  Seibenfdjaften  über; 
Ijaupt,  bie  uns  oon  einem  anbern  mitgeteitet  werben ,  unter 
bem  2Borte  9Jiit(eib  begriffen. 

Senn  er,  SlriftoteteS,  ift  eS  gemi|3  nid)t,  ber  bie  mit 
9fted)t  getabelte  Einteilung  ber  tragifdjen  Äeibenfdiaften  in 
^Ritleib  unb  3d)reden  gemadjt  fjat.  3J£an  hat  ifju  fatfd)  oer= 
fianben,  fallet)  überfe|t.  @r  fpricrjt  oon  -UJatteib  unb  gurdjt, 
nidjt  oon  sIRitleib  nnb  3d;reden ;  unb  feine  §urd)t  ift  burdjauS 


100  ^am&urcjiftfje  Dramaturgie. 

nidjt  bie  §urd)t,  Tt»eld;e  uns  bas  benorftefjenbe  Uebel  eines 
anbent  für  biefen  anbern  ermedt,  fonbern  es  tft  bte  gurd)t, 
tneld)e  aus  unjerer  Slefmttdjjfett  mit  ber  leibenben  $erfon  für 
uns  felbft  entfpringt;  es  tft  bte  gurdjt,  ba£  bte  Unglüdsfälle, 
bie  mir  über  biefe  »erränget  feljen,  uns  felbft  treffen  tonnen; 
es  tft  bte  §urd)t,  baf$  wir  ber  bemitleibete  ©egenftanb  felbft 
werben  formen.  sD?it  einem  SBorte:  biefe  gttrdjt  tft  bas  auf 
uns  felbft  belogene  SERitleib. 

2lriftoteles  will  überall  aus  fidf)  felbft  erflärt  merben. 
2Ber  uns  einen  neuen  Kommentar  über  feine  3)id)tfunft  liefern 
will,  wcldjer  ben  2)acierfd)en  weit  hinter  ftd)  läjjt,  bem  rate 
id),  nor  allen  fingen  bie  SBerfe  bes  ^pl)ilofopl)en  t)om  2ln= 
fange  bis  511m  (Snbe  $u  lefen.  @r  wirb  5luffd)lüffe  für  bie 
3)td)tfitnft  finben,  wo  er  fid)  bereit  am  wenigften  oermutet; 
befottbers  tmtfe  er  bie  SBüdjer  ber  SRljetorif  ttnb  Floxal  ftubieren. 
3Dmn  follte  groar  beulen,  biefe  Sluffdjlüffe  müßten  bie  <5d)o= 
(aftifer,  welche  bie  (Schriften  bes  2(riftoteles  an  ben  gingem 
wußten,  längft  gefunben  Ijaben.  £>od)  bie  3)id)tfunft  mar 
gerabe  biejenige  t)on  feinen  (Schriften,  um  bie  fte  fid)  am 
wenigften  befümmerten.  SDabei  fehlten  ifjnen  anbere  ®ennt= 
niffe,  ol)ne  welche  jene  2(uffd)lüffe  wenigftens  nid)t  fruchtbar 
werben  formten ;  fte  fannten  bas  Sweater  ttnb  bie  9[fteifter= 
ftüde  besfelben  nid)t. 

2)ie  autl)entifd)e  (MTärtmg  biefer  gurdjt,  meldte  SCriftoteles 
bem  tragifdjen  fJJUttetb  beifüget,  ftnbet  fid)  in  bem  fünften  unb 
aajtett  Kapitel  bes  ^weiten  !öud)s  fetner  3Rl)etorif.  @s  mar 
gar  niajt  fdjwer,  ftd)  biefer  Kapitel  31t  erinnern;  gleicfywoljl 
l)at  fid)  nielletd)t  feiner  feiner  Ausleger  tljrer  erinnert,  wenigftens 
l)at  fetner  ben  ©ebraud)  banon  gemad)t,  ber  fid)  baoort  mad)en 
läjjt.  Senn  aud)  bie,  roeld)e  ol)ne  fie  einfallen,  baf$  biefe 
%uxd)t  nid)t  bas  ntitleibige  Sd^reden  fei,  Iiätten  nod)  ein  roidjs 
ttges  (Stüd  aus  tlinen  §u  lernen  gehabt:  bie  Urfad)e  nämlid), 
warum  ber  ©tagirit  bem  ^Qlitteib  l)ier  bie  gurd)t,  unb  marum 
nur  bie  gurd)t,  marum  feine  anbere  Seibenfdiaft,  unb  marum 
ntd)t  mehrere  Seibenfctjaftett  beigefellet  Ijabe.  üBon  biefer  Ur= 
fad)e  mtffeu  fie  nid)ts,  unb  id)  tnödjte  wol)l  Ijören,  was  fie 
aus  il)rem  ®opfe  antmorten  mürben,  menn  man  fie  fragte: 
marum  5.  @.  bie  Stragöbte  nid)t  eben  fo  mol)l  9Qiitleib  unb  33e= 
munberung,  als  ^ftitleib  unb  fyurdit  erregen  fönne  unb  bürfe? 

@s  beruhet  aber  alles  auf  bem  begriffe,  ben  fid)  2Iriftoteles 
t>on  bem  5Ritleiben  gemadjt  Ijat.  (5r  glaubte  nämlid),  bafc 
bas  Hebel,  welches  ber  ©egenftanb  unfers  -iDUtlctbcns  merben 


gfüttfunbfie&atgfteg  otücf.  101 

foTCe,  notmenbig  uon  her  Sefc$affenf)ett  fein  muffe,  baf$  mit 
co  aud)  für  uns  fel&ft  ober  für  eines'  oon  ben  Ünfrigen  gu 
befürchten  Inittcn.  SBo  biefe  gurdjt  nid)t  fei,  tonne  aud;  fein 
9)titleiben  ftattfinben.    Senn  meber  ber,  ben  ba3  Unglücf  fo 

tief  Ijerabgebrütft  fyabe,  bcrjj  er  weiter  ntdjts  für  fidj  311  fürchten 
fälje,  nodj  ber,  metdjer  ficfj  fo  uollfommen  glücfltd)  glaube, 
bafj  er  gar  nidjt  begreife,  moljer  i()m  ein  Unglüd'  juftofjen 
tonne,  roeber  ber  Sergmeifefnbe  nod)  ber  Uebenuütige  pflege 
mit  anbcrn  9ftitleib  gu  Ijaben.  @r  erfläret  baljcr  aud)  baö 
Aiud)ter(idje  unb  bas  ^Jiitleibsmürbige,  eines  burdj  ba3  anbere. 
2ttte§  bas,  fagt  er,  ift  uns  fürdjterlidj,  ma§,  menn  e<8  einem 
antern  begegnet  märe  ober  begegnen  fottte,  unfer  äftitleib 
ermecfen  mürbe,*)  unb  alles*  ba£  finben  mir  mitleibgroürbtg, 
mas  mir  fürchten  mürben,  menn  e3  uns  felbft  beuorftünbe. 
sOtid)t  genug  alfo,  bafj  ber  Unglürf'lidje,  mit  Dem  mir  TtiU 
leiben  Ijaben  folten,  fein  Unglücf  nidjt  oerbtene,  06  er  ee>  fict) 
fdjon  burdj  irgenb  eine  3d)mad)f)eit  gugegogen:  feine  gequälte 
Unjdjulb,  ober  utelmeljr  feine  gu  tjart  Ijeimgefudjte  8d)itlb  fei 
für  uns  uerloren,  fei  nidjt  oermögenb,  unfer  TOtletb  gu  erregen, 
roenn  mir  feine  9Jtöglid;fett  fällen,  baj3  uns  fein  Seiben  aud) 
treffen  tonne.  2)iefe  ^töglidjfeit  aber  finbe  jtdj  alsbenn  unb 
lönne  gu  einer  großen  9öa^rfd;einlid;feit  erraad)fen,  menn  üjn 
ber  3>id;ter  nid)t  fdjlimmer  madje,  als  mir  gemeiniglid;  gu 
fein  pflegen,  menn  er  ü)n  ootltommen  fo  beulen  unb  Ijanbeln 
laffe,  als  mir  in  feinen  Umftänben  mürben  gebadjt  unb  ge= 
Ijanbelt  haben,  ober  menigftenö  glauben,  bajj  mir  Ijätten  beuten 
unb  f)anbetn  muffen:  turg,  menn  er  Ujn  mit  unS  oon  gleidjem 
(Sdjrot  unb  Äorne  fd)ilbere.  2lu3  biefer  ©leidjfyeit  entfiele 
bie  gurdjt,  bafc  unfer  ©djtcffal  gar  leidet  bem  feinigen  eben  fo 
äljnlid)  merben  tonne,  als  mir  i()m  gu  fein  ung  felbft  füfjfen ; 
unb  biefe  gurajt  fei  e§,  meld;e  bas  -üJlitleib  gleidjfam  gur 
SRcife  6ringe. 

So  badjte  2lriftoteteg  oon  bem  9Jiit(ciben,  unb  nur  Ijierauö 
mirb  bie  roafjre  Urfact)e  begreiflich,  marum  er  in  ber  @rflänmg 
ber  ^ragöbte  näd)ft  bem  9Jiitleiben  nur  bie  eingige  gurdjt 
nannte,     9iid)t  als   ob  biefe  gurdjt  fyier  eine  befonbere,   oon 


*)  'ßc  0'  a~Xa>c  eiiceiv,  cpoßspa  law.  öaa  scp'  sxspiov  YtYvo- 
jjLevex,  Yj  LLsXXovca,  IXeetva  Izxiv.  3d)  tuciB  nidjt,  inae  bem  9lemifiu&  *portu« 
(in  feinet  ulusgabe  ber  OUjetctif,  Spir*  159S)  eingefommen  ift,  i>itfes  311  übex fetjen : 
Denique  ut  simpliciter  loquar,  formidabilia  sunt,  quseeunque  simulac  in 
aliorum  potestatem  venerunt,  vel  Ventura  sunt,  miseranda  sunt.  Gs  muj? 
fd)(ed)troen  Ijei^cu :  qmeeunque  simulac  aliis  evenerunt,  vel  eventura  sunt. 


102  £mm6urgiftf)e  Dramaturgie. 

bem  ÜJtttteibett  unabhängige  £eibenfd)aft  fei,  meiere  Salb  mit, 
balb  ol)ne  bem  9Jittleib,  fo  wie  baS  äftitleib  batb  mit,  balb 
ofjne  ijjr,  erregt  werben  tonne,  meines*  bie  Sftifebeutung  bes 
ßorneille  mar:  fonbern  roeü,  nad)  fetner  ©rflärung  be3  Wl'xU 
leibS,  biefeS  bie  gurd)t  notmenbig  einfdjliefet ;  meil  nichts  unfer 
9Jtttleib  erregt,  a(§  mag  gugleid;  unfere  gurdjt  erraeden  fann. 

Gorn  etile  t^atte  feine  ©tüde  fdjon  alle  gef abrieben,  als  er 
ftdj  l)inf  et$te,  über  bie  f/S)td^tfunft"  be3  2lriftoteles  ju  fommen= 
tieren.*)  @r  tjatte  f unfgig ' 3al)ve  für  ba§  Sweater  gearbeitet, 
unb  nad)  biefer  (Srfafyrung  mürbe  er  uns  unftreitig  r>ortreffItct)e 
SDinge  über  ben  alten  bramatifdjen  (Sobe£  fyaben  fagen  fönnen, 
menn  er  iljn  nur  aud)  raäfyrenb  ber  geit  feiner  Arbeit  fleißiger 
gu  3^ate  gebogen  l)ätte.  2t(letn  biefeS  fdjeinet  er  l)öd)ftens  nur 
in  2lbfid)t  auf  bie  medjanifdjen  Regeln  ber  ilunft  getrau  51t 
I)aben.  3u  ben  roefenttiajern  liefe  er  fid)  um  if)n  unbefümmert, 
unb  al§  er  am  @nbe  fanb,  bafe  er  roiber  il)n  nerftofeen,  gleich 
rool)l  ntd)t  roiber  it)n  uerftofeen  Ijaben  roollte :  fo  fudjte  er  fid) 
burd)  Sluglegungen  gu  Reifen  unb  liefe  feinen  oorgeblidjen  £el)p 
meifter  SMnge  fagen,  an  bie  er  offenbar  nie  gebadjt  fyatte. 

Sornetlle  Ijaite  9Jtärtt)rer  auf  bie  33ül)ne  gebracht  unb  fie 
als  bie  uollfommenften,  untabelljafteften  $erfonen  gefdjilbert; 
er  Ijatte  bie  abfdjeuliajften  Ungeheuer  in  bem  SßrufiaS,  in  bem 
$t)ofas\  in  ber  Cleopatra  aufgeführt;  unb  oon  beiben  (Gat- 
tungen behauptet  StriftoteteS,  bafe  fie  §ur  Sragöbie  unfdjtdlid) 
.mären,  roetl  betbe  roeber  -DJhtletb  nod)  gurdjt  ermeden  fönnten. 
Sag  antmortet  Corneille  hierauf?  2Bie  fängt  er  e§  an,  bamit 
bei  biejem  SBiberfprudje  roeber  fein  2lnfel)en,  nod)  ba§  2(nfef)en 
be3  2lriftotele3  leiben  möge?  „D,"  fagt  er,  „mit  bem  "M-- 
ftoteleg  fönneu  mir  uns"  tjter  leidjt  nergleidjen.  **)  sBir  bürf en 
nur  annehmen,  er  fyahe  eben  nidjt  behaupten  roollen,  t>a^  beibe 
Mittel  gugleid),  forooljl  gurd)t  als  TOtleib,  nötig  roären,  um 
bie  Reinigung  ber  Setbenfdjafteu  ^u  beroirlen,  bie  er  §u  bem 
legten  (Snb^mede  ber  ^ragöbie  mad)t,  fonbern  nad)  feiner 
Meinung  fei  aud)  eines  ^ureidjenb.  —  2Bir  lönnen  biefe  fc 
flärung,"  fäljvt  er  fort,  „aus  t$m  felbft  befräftigen,  menn  mir 
bie  ©rünbe  redjt  ermägen,  roeldje  er  oon  ber  2Iu3fd)liefeung 
berjenigen  Gegebenheiten,  bie  er  in  ben  Srauerfpielen  mife= 

*)  Je  hazarderai  quelque  chose  sur  cinquante  ans  de  travail  pour  la 
scene,  fagt  er  in  feinet  Abtjanbtung  über  baZ  2>rama.  Sein  erfteS  ©tücf,  9DMite, 
War  toon  1(525  unb  jein  teljte§,  ©urena,.  ßon  1675 ;  toetd)e§  gerabe  bie  funfjig  Satjr, 
ausmalt,  fo  bafe  e§  genug  ift,  baß  er  bei  ben  Auslegungen  be§  9triftotete§  auf  alle 
feine  Stücfe  ein  Qluge  fjaben  fonnte  unb  l;atte. 

**)  II  est  aise  de  nous  aecommoder  avec  Aristote  etc. 


(SedjsimbfiebuaTteS  Stütf.  103 

btfltget,  gibt.  Gr  fagt  niemals:  biejeg  obev  jenes  fdjidt  fid) 
in  tue  Xragöbie  nidjt,  weit  e§  bloß  SRitleibeti  unt)  feine  gurd)t 
ermed't;  ober  biejes  i[t  bafelbft  unerträglich  weit  e§  bloß  bie 
§urd)t  ermedt,  oljne  baö  DJtitteib  §u  erregen.  -Kein;  Jonbern 
er  oermtrft  fie  besmegen,  weil  fie,  wie  er  lagt,  raeber  9Jiit= 
leib  nod)  gurd)t  ^umegebringen,  unb  gibt  uns  baburd)  $u 
erfennen,  baß  fie  il)m  besiegen  ntdjt  gefallen,  raeil  üjnen 
fomotjl  bas  eine  atö  ba3  anbere  fehlet,  unb  baß  er  itjneu 
feinen  Seifati  nid)t  «erjagen  mürbe,  roenn  fie  nur  eines  oon 
beiben  mirtten." 


£tettjsmti>|i^i0!te£  §tiitk. 

2)en  22.  Januar  1768. 

3lber  bas  ift  gruubfalfd) !  —  3$  ^anu  m^  lud)t  genug 
munbern,  rate  3Dacier,  ber  bod;  fonft  auf  bie  SLkrbreljungeu 
giemlicr;  aufmerffam  raar,  raeldje  (Corneille  non  bem  Sejte  bes 
2lriftoteles  ^u  feinem  heften  gu  madjen  fudjte,  biefe  größte 
üon  allen  überfeinen  tonnen.  ,ßraar,  tme  konnte  er  fie  wd)f 
überfeben,  ba  es  il)m  nie  einfam,  be3  ^ßr;iIofopr)en  Grftärung 
nom  9Jlitleib  gu  3tate  gu  ^ieljen?  —  2öie  gefagt,  es  ift  grünte 
falfd),  raas  fid)  Corneille  einbilbet.  Slriftoteles  fann  baä  nid)t 
gemeint  baben,  ober  man  müßte  glauben,  baß  er  feine  eigene 
iirtlärungen  uergefjen  lönnen,  man  müßte  glauben,  baß  er  fid) 
auf  bie  fyanbgreiflicfyfte  2Beife  raiberfpredjen  lönnen.  2öenn, 
nad)  feiner  Seijre,  fein  Hebet  eines1  anbern  unfer  TOtleib  erreget, 
raas  mir  nid)t  für  un§  felbft  fürd)ten:  fo  tonnte  er  mit  feiner 
§anbtung  in  ber  ^ragöbie  aufrieben  fein,  meldte  nur  ^Diitleib 
unb  feine  Jurdjt  erreget;  benn  er  luett  bie  3ac§e  felbft  für 
unmbgtid);  bergteidjen  §anbtungen  erjftterten  iljm  nicfyt; 
jonbern  fobatb  fie  unfer  3Jcitleib  §u  ermed'en  fäljig  mären, 
glaubte  er,  müßten  fie  aud)  gurdjt  für  un§  ermed'en;  ober 
oietmetjr,  nur  burdj  biefe  gurdjt  ermedten  fie  DJiitleib.  yJtod) 
raeniger  fonnte  er  fid)  bie  §anblung  einer  ^ragöbie  oovfteflen, 
raeldje  gurdjt  für  uns  erregen  fönne,  ot)ne  ^ugleid)  unfer 
■DJtitieib  gu  ermed'en ;  benn  er  mar  überzeugt,  baß  aßeä,  roa3 
un3  gurd)t  für  uns  felbft  errege,  aud)  unfer  slfiitleib  erraeden 
muffe,  fobalb  mir  anbere  bamit  bebroljet  ober  betroffen  erblidten; 
unO  bas  ift  eben  ber  g-atl  ber  Xragbbie,  mo  mir  alle  ba§ 
liebet,  raeldjes  mir  fürdjten,  nidjt  un§,  fonbern  anberen  be= 
gegnen  fetjen. 


104  £>am6urgifdfje  ^Dramaturgie. 

@3  ift  maljr,  trenn  2trtftoteleS  ron  ben  §anblungen 
fpridjt,  bie  fiel)  in  bie  ^ragöbie  nicf)t  fdn'cfen,  fo  bebient  er 
fid)  meljrmaien  beS  SluSbrudS  ron  irrten,  bafe  fie  meber 
TOtletb  n od)  gurdjt  erroeden.  2Iber  befto  fd)ltmmer,  wenn  fid) 
(Sorneitte  burd)  biefeS  tneber— nod)  r  erführen  laffen.  3)iefe 
bisjunftire  $artifeln  innolmeren  nid)t  immer,  mag  er  fie  in= 
nolmeren  lägt.  2)enn  roenn  mir  gtnei  ober  mehrere  SDtnge 
ron  einer  Sad)e  burd)  fie  nerneinen,  fo  fömmt  eS  'Darauf  an, 
ob  fid)  biefe  SDinge  eben  fo  mof)t  in  ber  9^atur  ron  einanber 
trennen  taffen,  als  mir  fie  in  ber  Slbftraftion  unb  burd)  ben 
fpmboIifcr)en  2IuSbrud  trennen  fönnen,  trenn  bie  <&adje  bem 
ol)ngead)tet  nod)  befielen  fott,  ob  tljr  fdjon  baS  eine  ober  baS 
anbere  ron  biefen  2)ingen  feljlt.  2Benn  mir  %.  @.  ron  einem 
grauengtmmer  fagen,  fie  fei  meber  fd)ön  nod)  miijtg,  fo  motten 
mir  atterbingS  fagen,  mir  mürben  aufrieben  fein,  trenn  fie  and) 
nur  etne§  ron  beibett  märe ;  benn  2öit}  unb  Scfyönljeit  (äffen 
fid)  nid)t  blofc  in  ©ebanfen  trennen,  fonbern  fie  finb  mirfltd) 
getrennet.  2Iber  menn  mir  fagen:  „biefer  sDienfd)  glaubt  meber 
ipimmel  nod)  §ötte,"  motten  mir  bamit  aud)  fagen,  ba&  mir 
aufrieben  fein  mürben,  menn  er  nur  eines  ron  beiben  glaubte, 
menn  er  nur  ben  §immel  unb  feine  §ötte,  ober  nur  bie  Qou't 
unb  leinen  §immel  glaubte?  ©erotfe  nid)t:  benn  mer  baS  eine 
glaubt,  muß  notmenbig  aud)  baS  anbere  glauben;  §immel 
unb  §Ötte,  ©träfe  unb  23elol)nung  finb  relatir;  menn  baS 
eine  ift,  ift  aud)  baS  anbere.  Ober,  um  mein  (Stempel  aus  einer 
rermanbten  &unft  ^u  nehmen,  menn  mir  fagen:  „biefeS  ©e= 
mälbe  taugt  nidjtS;  benn  eS  l)at  meber  Setd^nung  nodjj  Ko- 
lorit/' motten  mir  bamit  fagen,  ba§  ein  gutes  ©emälbe  fid) 
mit  einem  ron  beiben  begnügen  fönne?  —  2)aS  ift  fo  llar! 

Slllein  trie,  menn  bie  ©rflärung,  meldje  SlriftoteleS  ron 
bem  ^Jtitleiben  gibt,  falfdj  märe?  2öie,  wenn  mir  aud)  mit 
Uebelu  unb  Unglücksfällen  3Jfttletb  füllen  lönnten,  bie  mir  für 
uns  felbft  auf  feine  Sßeife  $u  beforgen  f)aben? 

@S  ift  mal)r,  eS  braud)t  unferer  gurd)t  nid)t,  um  Unluft 
über  baS  pl)t)ftfalifd)e  Hebel  eines  ©egenftanbeS  $u  empfinben, 
ben  mir  lieben.  Briefe  Unluft  entfielet  blofj  aus  ber  Soor« 
ftellung  ber  Unrottfommenl)eit,  fo  roie  unfere  Siebe  auS  ber 
^ßorftellungber  3Sollfommen^eiten  beSfelben ;  unb  aus  bem  3u= 
fammenfluffe  biefer  Suft  unb  Unluft  entfpringet  bie  oermifdjte 
(Smpftnbung,  meldje  mir  TOtleib  nennen. 

Qebod)  aucfy  fonacf)  glaube  id)  nidjt,  bie  <&ad)e  beS  2lri= 
ftoteleS  notmenbig  aufgeben  $u  muffen. 


©edjSimbfie&äigfteä  ©tütf.  105 

SDenn  roenn  wir  cmd)  fdjon  ol)ne  fjitrd^t  für  urtS  felbft 
3J?itIeib  für  anbere  empftnben  fönnen,  fo  ift  es  bod)  unftreitig, 
bafc  unfer  SRitletb,  wenn  jene  %uxd)t  bagu  fömmt,  mcit  leb= 
t)after  unb  ftärfer  unb  anzüglicher  wirb,  als  es  oljne  fie  fein 
fann.  Unb  mas  fjinbert  uns,  anguneljmen,  bafc  bie  uermijd)te 
(Smpfinbung  über  bas  pbpfifalifdje  Uebel  eines  geliebten  ©egen= 
ftanbes  nur  atiein  burd)  bie  ba^ufommenbe  gurdjt  für  uns 
gu  bem  ©rabe  erroädjft,  in  meldjem  fie  Slffeft  genannt  gu 
merben  nerbienet? 

2lriftoteles  l)at  es  mirflid)  angenommen.  @r  betrachtet 
bas  SJcitleib  nidjt  nadj  feinen  primitiuen  Regungen,  er  betrachtet 
es  blofc  als  Slffeft.  Dljne  jene  gu  oerf  ernten,  nermeigert  er 
nur  bem  gunfen  ben  tarnen  ber  flamme.  TOtletbige  9te= 
gungen  oljne  gurd)t  für  uns  felbft  nennt  er  5>f)ilant()ropie: 
unb  nur  ben  ftärfern  Siegungen  biefer  2lrt,  meiere  mit  gurdjt 
für  uns  felbft  oerfnüpft  finb,  gibt  er  ben  tarnen  bes  9Jiit= 
leibs.  Sllfo  behauptet  er  gmar,  baft  bas  Unglüd  eines  Safe* 
roidjts  meber  unfer  9[Ritleib  nod)  unfere  gurdjt  errege;  aber 
er  fpridjt  iljtn  barum  nidjt  alle  ^Küfjrung  ah.  2(ud)  ber  33öfe= 
n)id)t  ift  nod)  ÜJtenfd),  ift  nod)  ein  Sßefen,  bas  bei  allen  feinen 
moralifdjen  Ünüotlfommenfjeiten  SBolIfommenljeiten  genug  be= 
l)ält,  um  fein  33erberben,  feine  3ernid)tung  lieber  nidjt  gu  motten, 
um  bei  biefer  etmas  iHhtleibäljnltdjes,  bie  (demente  bes  Wit- 
leibs  gleidjfam,  gu  empfinben.  316er,  roie  fd)on  gefagt,  biefe 
mitteibäf|nlict)e  ©mpfinbung  nennt  er  nidjt  iftitletb,  fonbern 
$Pl)ilantIjropie.  „Man  mujs,"  fagt  er,  „feinen  SBöferotdjt  aus 
unglüdlidjen  in  g(üd(id)e  Umftänbe  gefangen  laffen;  benn  bas 
ift  bas  Untragifcfyfte,  mas  nur  fein  fann;  es  Ijat  ntd)ts  oon 
allem,  mas  es  fja&en  füllte;  es  erroedt  meber  ^t)ttantr)ropie, 
nodj  sITut(eib,  nod)  gurdit.  2(ud)  tmtfe  es  fein  oötliger  23öfe= 
tüidjt  fein,  ber  aus  glüdlidjen  Umftänbett  in  unglückliche  oer* 
fällt;  beim  eine  bergleidjen  Gegebenheit  fann  groar  $t)ilan; 
tljropte,  aber  meber  -SRitleib  nod)  gurdjt  ermeden."  Sdj  fenne 
nichts  $al)leres  unb  Slbgefdmtadteres  als  bie  geroöljnlidjen 
lleberfetjungen  biefes  2öortes  ^3r)xIantt)ropie.  Sie  geben  näm= 
lid)  bas  SIbjefttüum  banon  im  £ateinifd)en  burd)  hominibus 
gratum,  im  granjöfifdjen  burd)  ce  que  pent  faire  quelque 
plaisir,  unb  im  SDeutfdjen  burd)  nvoa§>  Vergnügen  machen 
fann".  £er  einzige  ©oulfton,  fo  oiel  id)  finbe,  fdjeinet  ben 
(Sinn  bes  $l)ilofopl)en  nidjt  oerfeljlt  gu  fabelt,  inbem  er  bas 
'^•./.avÖ-pcoTTov  burd)  quod  humanitatis  sensu  tangat  überfe&t. 
£)enn  alferbings  ift  unter  biefer  ^Ijtlantljropie,  auf  metdje  bas 


106  .§am6urgtfdje  Sramatm-aie. 

Unglüd  aitcf)  eines  SBöferotcfitg  2lnfprud)  madjt,  nidjt  bie  greube 
über  feine  oerbiente  SBeftrafung,  fonbern  ba§  fnmpatljetifdje 
©efüljt  ber  9Jienfd)lid)feit  §u  nerfteljen,  meldjeg  tro£  ber  33or= 
ftellung,  bafj  fein  Seiben  nid)t§  at3  3Serbienft  fei,  bennod)  in 
beut  Slugenblide  bes  SeibenS  in  un%  fidj  für  ifyn  reget.  §err 
Gurtius  trüd  $roar  biefe  mitleibige  Regungen  für  einen  uns 
glüdlidjen  23öfemid)t  nur  auf  eine  gemiffe  (Gattung  ber  ifyn 
treffenben  Uebel  etnfdjränf'en.  „©ofdje  ^ufätfe  be3  Safters 
Ijaften,"  fagt  er,  „bie  roeber  ©djreden  nod)  90titleib  in  un§ 
roirfen,  muffen  Solgen  feinet  Safterg  fein;  benn  treffen  fie 
ilm  gufätfig  ober  mofjl  gar  unfd)ulbig,  fo  Behält  er  in  bem 
§erjen  ber  ,3uWauer  ö*e  Vorredjte  ber  9Jtenfd)lid)feit,  al§ 
roeldje  audj  einem  unfdjulbig  leibenben  ©otttofen  Ü)t  9JJitteib 
nid)t  oerfagt."  916er  er  fd)einet  biefe§  ntdr)t  genug  überlegt 
31t  fyaben.  £)enn  aud)  bann  nod),  menn  bas  Unglüd,  meld)e3 
ben  93öfenridjt  befädt,  eine  unmittelbare  §otge  feinet  $ers 
bredjen§  ift,  lönnen  mir  un3  nid)t  entwehren,  bei  bem  2lublide 
biefeö  Unglüdg  mit  itmt  31t  leiben. 

,,©e!)t  jene  DJcenge,"  fagt  ber  SSerfaffer  ber  Briefe  über 
bie  ©mpfinbungen,  „bie  fiel)  um  einen  Verurteilten  in  bidjte 
§aufen  bränget!  ©ie  fyaben  alle  ©rettel  nernommen,  bie  ber 
Safterfyafte  begangen;  fie  ljaben  feinen  Sßanbel  unb  oietleidit 
ifyn  felbft  oerabfdjeuet.  Qttf  fd)leppt  man  it)n  entftellt  unb 
ormmädjtig  auf  bas>  entfetjlidje  ©djaugerüfte.  9JJan  arbeitet 
fiel)  burd)  M$  ©emüjjjl,  man  ftellt  ftd)  auf  bie  3e^enr  man 
flettert  bie  SDädjer  l)inan,  um  bie  3üge  be3  Sobeg  fein  ®e= 
fidjt  entftelfen  511  fetjen.  ©ein  Urteil  ift  gefprodjen;  fein  §enfer 
nafyt  fid)  il)tn;  ein  2lugenbltd.mirb  fein  ©djidfal  entfdjeiben. 
SCöie  feljnlid)  münjdjen  iftt  alter  ^er^en,  <Da6  ^m  oer^ieljen 
mürbe!  Sfym?  bem  ©egenftanbe  ifyre§  ^bfd)eue§,  ben  fie  einen 
2Iugenblid  oortjer  felbft  ^um  Sobe  nerurteilet  l)aben  mürben? 
2öoburd)  mirb  i|t  ein  ©tral)l  ber  9Jtenfd)enliebe  mieberum 
bei  il)nen  rege  ?  Qfi  e3  nidjt  bie  Stnnäljerung  ber  Strafe,  ber 
Slnbtid  ber  entfe^lic^ften  pl)i)ftfalifd^en  Uebel,  bie  un§  fogar 
mit  einem  Sfhtdjlofen  gteidifam  augföfynen  unb  if)m  uufere  Siebe 
erwerben?  Dirne  Siebe  fönnten  mir  unmöglich  mitleibig  mit 
feinem  ©djidfate  fein." 

IXnb  eben  biefe  Siebe,  fage  td),  bie  mir  gegen  unfern 
9cebenmenfd)en  unter  feinerlei  Umftänben  gan^  oerlieren  lönnen, 
bie  unter  ber  2lfdje,  mit  melier  fie  anbere  ftärfere  ßmpfim 
bungen  überbeden,  unnerlöfd)Iid)  fortglimmet  unb  gleidjfam  nur 
einen  günftigen  28iubftoJ3  uon  Unglüd  unb  ©dnnerg  unb  $cr= 


1   r 


SieBcmmbftcBjitjfteä  Stiicf.  107 

berBen  emiartet,  um  in  bie  flamme  beä  ÜJlitlcibä  auggubredjeu, 
eben  biefe  Siebe  ift  eg,  tneldje  5lriftotcIc§  unter  bem  SRatnen 
ber  $l)ilantf)ropie  oerfteljet.  2Bir  Ijaben  9M)t,  roenn  mir  jte 
mit  unter  bem  tarnen  beg  -Diitleibg  begreifen.  2lber  2Xrifto= 
teleg  Ijatte  aud)  ntd)t  Unrecht,  roenn  er  iljv  einen  eigenen 
tarnen  gab,  um  (te,  mie  gejagt,  oon  bem  l)öd)ften  ©rabe  ber 
mitleibigen  Gmpfinbungen,  in  roeldjem  fie  burd)  bie  ©ajufuuft 
einer  roaljrfdjeinlidjen  §urd)t  für  uns  fetbft  s2(ffeft  werben,  ju 
unterfdjeiben. 

giebemtitöftebnglles  §XMu 

SDen  2o".  Januar  1768. 

©inem  ßinrourfe  ift  E)iev  nod)  uor^ufommen.  2öenn  2trtfto- 
teles  biefen  begriff  uon  bem  3lffe!te  beg  9ftttleibg  fyatte,  bafe 
er  notmenbig  mit  ber  %uxd)t  für  un§  felbft  oerfnüpft  fein 
muffe:  mag  mar  eg  nötig,  ber  gurdjt  nod)  inöbefonbere  gu 
erroäf)nen?  SDag  28ort  sDUtleib  fd)(of$  fie  fdjon  in  fid),  unb  eg 
märe  genug  gemefen,  roenn  er  bloft  gefagt  Ijatte:  oie  ^ragöbie 
fotl  burd)  Erregung  beg  93iitleibg  bie  Reinigung  unferer  2eiben= 
fdjaft  beroirfen.  2>enu  ber  3ufafc  ^er  Sw^t  fagt  nid)tg  mel)r 
unb  mad)t  bag,  mag  er  fagen  fotl,  nod)  bo^u  fd)ioanfenb  unb 
ungenüfj. 

5d)  antroorte:  roenn  2(riftoteleg  ung  btofj  l)ätte  lehren 
rooHen,  roetdje  Seibenfcfjaften  bie  ^ragöbie  erregen  fönne  unb 
foffe,  fo  roürbe  er  fid;  ben  3ufat3  ber  %uxd)t  allerbingg  Ijaben 
erfparen  fönnen  unb  ol)ne  ^roeifel  f^  roirflid)  erfparet  Ijaben; 
benn  nie  roar  ein  $f)ilofopI)  ein  größerer  2öortfparer  alg  er. 
2tber  er  roollte  ung  gugleidj  leljren,  roeldje  Seibenfdjaften  burd) 
bie  in  ber  ^ragöbie  erregten  in  uns  gereiniget  roerben  follten; 
unb  in  biefer  2lbftd)t  mufete  er  ber  ^fanfjt  insbefonbere  ge= 
benfen.  2)enn  obfdron  nadj  il)tn  ber  5Iffeft  beg  9Jiitteibg  roeber 
in  nod)  aufier  bem  Sweater  oljne  gurd)t  für  uns  felbft  fein 
fann;  ob  fie  fd)on  ein  notroenbigeö  ^ngrebien^  beg  9Jtitteibg 
ift :  fo  gilt  biefeg  bod)  nidjt  aud)  umgefeljrt,  unb  bag  9ftitleib 
für  anbere  ift  lein  Qngrebienj  ber  §urd)t  für  uns  felbft.  öo= 
balb  bie  ^ragöbie  aug  ift,  fjöret  unfer  sIftitleib  auf,  unb  nidjtg 
bleibt  oon  allen  ben  empfunbenen  Regungen  in  ung  gurüd, 
als  bie  roal)rfdjeinlid)e  §urd)t,  bie  ung  bag  bemitleibete  Uebel 
für  ung  felbft  fd)öpfen  laffen.  ^Diefe  uefjmen  mir  mit;  unb 
fo  roie  fie,  als  gwebienj  beg  9Jtitleibg,  bag  33titleib  reinigen 
ijelfen,   fo  Ijilft  fie  nun  aud),   als  eine  uor  fid)  fortbauernbe 


108  £mm&ttrgiftf)e  Dramaturgie. 

Seibenfdjaft,  ftdj  felbft  reinigen,  golgtid),  um  anzeigen,  baf} 
fie  biefeg  t|un  lönne  unb  mirflid)  tl)ue,  fanb  es  2(riftoteles 
für  nötig,  ifyrer  insbefonbere  31t  gebenlen. 

@s  ift  unftreitig,  bafc  3lriftoteIe§  überhaupt  leine  ftrenge 
logifdje  Definition  non  ber  ^ragöbie  geben  motten.  Denn 
ol)ne  fid)  auf  bie  btofj  mefentlidjen  ©tgenfdjaften  berfelben 
ein^ufdjränfen,  Ijat  er  nerfdjiebene  zufällige  Ijineingegogen,  meil 
fie  ber  bamalige  @ehxaud)  notmenbig  gemadjt  Ijatte.  Diefe 
inbes  abgeregnet  unb  bie  übrigen  -JRerfmale  in  einanber 
rebu^iert,  bleibt  eine  üoßfontmen  genaue  (Srftärung  übrig :  bie 
nämlidj,  ba£  bie  ^ragöbie,  mit  einem  SSorte,  ein  ©ebidjt  ift, 
meldjes  9Jiitleib  erreget.  Qljrem  ©efd)ted)te  nad)  ift  fie  bie 
;ftad)aljmung  einer  §anblung,  fo  tüte  bie  (Spopoe  unb  bie 
Äomöbte;  ifyrer  (Gattung  aber  nad)  bie  iftadjafjmung  einer  mit« 
leibsroürbigen  §anb(ung.  2ltts  biefen  beiben  Gegriffen  laflen 
fid)  üottfommen  atte  il)re  Regeln  herleiten,  unb  fogar  ifjre 
bramatifdje  gorm  ift  baraus  ^u  beftimmen. 

2In  bem  (entern  bürfte  man  oietteidjt  ^raeifeln.  Sßenigftens 
raupte  id)  feinen  $unfirid)ter  gu  nennen,  bem  es  nur  einge= 
lommen  märe,  es  gu  üerjudjen.  ©ie  nehmen  alle  bie  brama= 
tifdje  gorm  ber  ^ragöbie  als  etmas  hergebrachtes  an,  bas  nun 
fo  ift,  meil  es  einmal  fo  ift,  unb  bas  man  fo  läjjt,  meil  man 
es  gut  finbet.  Der  einzige  2lriftoteIes  Ijat  bie  Ürfadje  ergrünbet, 
aber  fie  bei  feiner  ©rf'lärung  mein;  norausgefetjt,  als  beutlid) 
angegeben.  „Die  ^ragöbie,"  fagt  er,  „ift  bie  sJkd)al)mung 
einer  §anblung,  —  bie  nidjt  nermittelft  ber  fergäfjhtng,  fonbem 
nermittelft  bes  9JfttIetbs  unb  ber  %md)t  bie  Reinigung  biefer 
unb  bergleidjen  £eibenfd)aften  beroirfet."  ©0  brüdt  er  fid)  oon 
2öort  ^u  2öort  aus.  2öem  fottte  l)ier  ttidjt  ber  fonberbare 
©egenfat3 :  „ttidjt  nermittelft  ber  ©r^äfjlung,  fonbern  nermittelft 
bes  9Jtitleibs  unb  ber  gurd)t,"  befremben?  iftitleib  unb  gttrd)t 
ftnb  bie  9Jiittel,  meiere  bie  STragöbie  braucht,  um  ifjre  2lbftd)t 
5U  erreichen,  unb  bie  (Sr^äfylung  lann  fid)  nur  auf  bie  2ht 
unb  2öetfe  begießen,  fid)  biefer  !mittel  §u  bebienen,  ober  nidjt 
^u  bebienen.  ©feinet  |ier  alfo  Slriftoteles  nid)t  einen  ©prung 
gu  madjen?  Steinet  l)ier  nid)t  offenbar  ber  eigentlidje  ©egen= 
fa£  ber  @r§äl)luug,  meldjes  bie  bramatifdje  gönn  ift,  px  fehlen? 
2Bas  tl)tm  aber  bie  Ueberfetjer  bei  biefer  Sude?  Der  eine 
umgebt  fie  gan§  beljutfam,  unb  ber  anbere  füllt  fie,  aber  nur 
mit  Porten.  2(lle  finben  meiter  nidjts  barin  als  eine  uer= 
nad)läfftgte  Sßortfügung,  an  bie  fie  fid)  nid)t  galten  51t  bürfen 
glauben,   menn  fie  nur  ben  ©inn  bes  ^Ijilofopljen  liefern. 


(Ste&eminbfie&nofteg  Stücf.  109 

^Dacier  überfefct:  d'une  action  —  qui,  sans  le  secours  de 
la  narration,  par  le  moyen  de  la  compassion  et  de  la 
terreur  u.  f.  tt>.;  unb  (Eurtiug:  „einer  §anb(ung,  raeldje  nid)t 
burd)  bie  @r$äf}Iung  beg  SDid)terg,  fonbern  (burd)  SSorfteffung 
ber  §anblung  felbft)  uns  nermittelft  beg  ©dnedeng  unb  sDiit= 
leibg  uon  ben  geljlern  ber  norgeftellten  Seibenfdjaften  reinigt." 
D,  fef)r  red)t!  33eibe  jagen,  mag  Striftoteleg  fagen  nuE,  nur 
baft  fie  es  nid)t  fo  fagen,  inte  er  eg  fagt.  ©leidjtooljl  ift  aud) 
an  biefem  2Bie  gelegen;  benn  es  ift  toirflid)  feine  bloft  uer= 
nadjläfftgte  äöortfügung.  $ur£,  bie  (Bafye  ift  bieje:  Slriftoteleg 
bemerfte,  bafj  bag  3Jtitleib  notwendig  ein  uorrjanbeneg  Uebel 
erfobere;  bafc  wir  langft  »ergangene  ober  fern  in  ber  3uhmft 
beuorfteljenbe  Hebet  entmeber  gar  nidjt  ober  bod)  bei  weitem 
nidjt  fo  ftarl  bemitleiben  fönnen  alg  ein  anwefenbeg;  bafe  eg 
folglid)  notwenbig  fei,  bie  §anblung,  burd)  roeldje  nur  W\U 
leib  erregen  wollen,  ntcr)t  alg  »ergangen,  bas  ift,  nidjt  in  ber 
ergätylenben  gönn,  fonbern  alg  gegenwärtig,  bag  ift,  in  ber 
bramatijdieu  gorm  nadjäualjtnen.  Unb  nur  biefeg,  bafc  unfer 
9Jiitleib  burd)  bie  (^äljlung  menig  ober  gar  nidjt,  fonbern 
faft  einzig  unb  allein  burd)  bie  gegenwärtige  s2(nfd)auung  erreget 
roirb,  nur  biefeg  beredjtigte  il)n,  in  ber  iSrfläruug  anftatt  ber 
gorm  ber  (Bafye  bie  <&a&>e  gletdr)  felbft  ya  fe£en,  weil  biefe 
<5ad)e  nur  biefer  einigen  gorm  fäljig  i]t.  feäüe  er  eg  für 
möglid)  gehalten,  bafe  unfer  -DUtleib  aucl)  burd)  bie  ©rjäfjhtng 
erreget  werben  fönne,  fo  roürbe  eg  alterbingg  ein  fet)r  fehler- 
hafter (Sprung  gemefen  fein,  roenn  er  gefagt  f)ätte:  „nict)t 
burd)  bie  GürgäljUmg,  fonbern  burd)  9JJittetb  unb  gurdjt."  2)a 
er  aber  überzeugt  roar,  baf$  -Jftitleib  unb  gurdjt  in  ber  yiafy 
abmung  nur  burd)  bie  einige  bramatifd)e  gorm  31t  erregen 
fei,  fo  fonnte  er  fid)  biefen  Sprung  ber  Stürze  wegen  er= 
tauben.  —  Qd;  oerweife  begfaflg  auf  bag  nämlidje  neunte 
Kapitel  beg  gmeiten  33ud)g  feiner  9ib,etori!.*) 

SBag  enblid)  ben  moralifdjen  ©nb^roecf  anbelangt,  welken 


*)  Kizti   0'    syyuc    cpaivop.eva    to    Tta^Yj,    eXeeiva    elai,    xa.  oe 
[iüpioGTOv  hxoc,  Ysvop1-2^01-)  **]  e'Ofisva.   obi'  sXtuCovtec,  odts  ij.s(uvYr 

|JL£VOl,     Yj     bXlDC,     ob*.     F/.iOUO'.V,     Yj     ODY_     OfJLO'.CüC?     &VaYXTf]     TODC    OOV- 

aiicpYaCojJ-svoDf:  oyYjfiaoi  xat  zw^aic,,  xai  ss^yj-:'..  xac  oXuk;  zr{ 
otzov.o'.oz:.  sXesivoT&pouc;  elvat.  [2öeil  nur  bie  in  ber  Wäty  erfd)einenben  Reiben 
Qftitteib  erregen,  foldje  ober,  bie  man  etraa  nad)  taufeub  3af)rcn  ermartet,  ober  beren 
man  fid)  taufenb  3af)re  nadjljer  erinnert,  entmeber  aar  fein  ober  nur  nienia.  Witleib 
finben,  fo  ift  e§  nötin,  bafj  bie  SarfteOenben  burd)  il)re  ©ebärben,  itjre' Stimme, 
ifjre  fileibung  unb  überhaupt  burd)  itjr  Spiel  ba§  2)litleib  unmittelbar  erregen. 

3immermann.] 


HO  Jpam&urgtfdje  Dramaturgie. 

Slriftoteles  ber  ^ragöbie  gibt  unb  ben  er  mit  in  bie  @r= 
flärung  berfelben  bringen  gu  muffen  glaubte,  fo  ift  befannt, 
roie  feljr,  befonberg  in  ben  neuem  3e^eu/  barüber  geftritten 
roorben.  3<i)  getraue  mid)  aber,  gu  erroeifen,  bafe  alle,  bie 
fid)  baroiber  erflärt,  ben  SCriftoteles  nidjt  oerftanben  Ijaben. 
Sie  Ijaben  iljm  alte  ibje  eigene  ©ebanfen  untergefdjobcn,  etje 
fie  geroife  nutzten,  roeldjeg  feine  mären.  <Sie  beftreiten  ©rillen, 
bie  fie  felbft  gefangen,  unb  bilben  fid)  ein,  roie  unroiberfpred)= 
lid)  fie  ben  $l)tlofop!)en  roiberlegen,  inbem  fie  il)r  etgeneg 
§irngefpinfte  gu  ©djanben  madjen.  $d)  lann  mid)  in  bie 
nähere  Erörterung  biefer  Sac^e  Ijier  nidjt  einlaffen.  £)anüt 
\d)  jebod)  nid)t  gang  ol)ne  33eroeig  gu  fpredjen  fdjeine,  roill  id) 
groei  Slnmerfungen  machen. 

1.  ©ie  laffen  ben  2lriftoteleg  fagen,  „bie  %ragöbie  folle 
uns  nermittelft  beg  ©djredeng  unb  DJlitlerbg  von  ben  gestern 
bor  uorgeftellten  Seibenfcbaften  reinigen."  SDer  norgeftellten ? 
Sllfo  roenn  ber  §elb  burd)  9?eugierbe  ober  @l)rgeig  ober  Siebe 
ober  gorn  ungtüdlid)  roirb :  fo  ift  eg  unfere  9^eugierbe,  unfer 
ßljrgeig,  unfere  Siebe,  unfer  Qoxn,  melden  bie  STragöbie  reinigen 
foll?  2)ag  ift  bem  Slriftoteles  nie  in  ben  ©inn  gelommen. 
Unb  fo  fyaben  bie  Ferren  gut  ftreiten;  il)re  ßinbilbung  oer= 
roanbelt  2öinbmül)ten  in  liefen;  fie  jagen  in  ber  gemiffen 
Hoffnung  beg  ©iegeg  barauf  log  unb  feljren  fid)  an  feinen 
©andjo,  ber  roeiter  nid)tg  alg  gefunben  9Jienfd)ent>erftanb  l)at 
unb  ifynen  auf  feinem  bebäd)tlid)ern  ^ferbe  l)intennad)ruft,  fid) 
nid)t  gu  übereilen  unb  bod)  nur  erft  bie  Slugen  recfjt  aufgu= 
fperren.  Tü>v  xocoutwv  7tafrY)|j.aTcuv,  fagt  Slriftoteleg,  unb  bag 
ijeiftt  mcr)t  „ber  oorgefteEten  Seibenfdjaften";  bag  Ratten  fie 
überfein  muffen  burdj  „biefer  unb  bergleidjen"  ober  „ber 
ermedten  Seibenfdjaften".  2)ag  Tototncuv  begießt  fid)  lebiglid) 
auf  bag  oorfyergeljenbe  „SRitleib  unb  gurdjt";  bie  ^ragöbie 
foll  unfer  -DJfttleib  unb  unfere  gurd)t  erregen,  Hofe  um  biefe 
unb  bergleidjen  Seibenfdjaften,  ntd)t  aber  alle  Seiben  jdjaften 
oljne  Unterfdjieb  gu  reinigen.  @r  fagt  aber  to^dtcdv  unb  nid)t 
tootüv^  er  fagt  „biefer  unb  bergleidjen",  unb  nidjt  blofc  „biefer", 
um  anzeigen,  ba&  er  unter  bem  9Jtitleib  uid)t  blofj  bag 
eigentlid)  fogenannte  -JKitleib,  fonbern  überhaupt  alle  pl)ilan= 
tljropifdje  ©mpfinbungen,  fo  roie  unter  ber  gurd)t  ntdjt  bloj$ 
bie  Unluft  über  ein  ung  beoorfteljenbeg  Uebel,  fonbern  and) 
jebe  bamit  oerroanbte  Unluft,  aud)  bie  Unluft  über  ein  gegen? 
roärtigeg,  and)  bie  Unluft  über  ein  oergangeneg  Uebel,  23e= 
trübnig  unb  ©ram,  uerfterje.   Qn  biefem  gangen  Umfange  foll 


SW&timbfteöatgfteS  ©tu*  111 

bas  :Dutteib  unb  bie  5ur^**  it»cld)e  bie  £ragöbie  ermecft,  imfer 
2Kitleib  unb  unfere  gurdjt  reinigen,  aber  aud)  nur  biefe  reinigen, 
unb  feine  anbere  Seibenfdjaften.  3  mar  können  fid)  in  bei  Stra* 
göbie  aud)  gur  Steinigung  bei*  anbern  Seib enf c^aften  nüt.Uidje 
Seljren  unb  Seifm'ele  finben;  bod)  ftnb  biefe  nicljt  ifjre  2(bjid)t; 
biefe  l)at  fie  mit  bei-  (E'popöe  unb  ivomöbie  gemein,  in  Joferti  fie 
ein  ©ebid)t,  bie  -Jiadjaljmung  einer  ©anblung  überhaupt  ift,  ntdjt 
aber  in  fofern  fie  Slragöbie,  bie  9ßac§al)mung  einer  mitleibs; 
mürbigen  ^anblung  insbefonbere  ift.  SSefJem  Joden  uns  alle 
Gattungen  ber  ^ßoefie ;  eg  ift  fläglid),  wenn  man  biefeg  erft  be= 
roeifen  mufj ;  nod)  fläglidjer  ift  eg,  roenn  eg  2)id)ter  gibt,  bie  felbft 
baran  gmeifeln.  s2(ber  alle  Gattungen  tonnen  nidjt  atleg  beffern, 
menigfteng  nid)t  jebes  fo  nollfommen  nne  bas  anbere;  mas  aber 
jebe  am  uollfommenften  befferu  fann,  morin  es  iljr  feine  anbere 
(Gattung  gleid)  gu  tljun  oermag,  bag  adein  ift  i()re  eigentliche 
SSeftimmung. 

^rijiunöjKkjtgßes  $tüik* 

Den  29.  Januar  1768. 

2.  2)a  bie  ©egner  bes  2lriftoteles  nid)t  in  ac^t  nahmen, 
mag  für  Seibeufdjaften  er  eigentlid)  burd)  bas  3)txitleib  unb 
bie  gurd)t  ber  Sragöbie  in  uns  gereiniget  Ijaben  wollte:  fo 
roar  es  natürlid),  baf$  fie  fid)  aud)  mit  ber  Reinigung  felbft 
irren  mußten.  2(riftoteleg  oerfprid)t  am  Gnbe  feiner  sj>olitif, 
rao  er  oon  ber  Reinigung  ber  £eibenfd)aften  burd)  bie  9Jxufif 
rebet,  oon  biefer  Reinigung  in  feiner  SMdjtfunft  meitläuftiger 
gu  fyanbeln.  „2öeil  man  aber,"  fagt  (Eorneille,  „gang  unb 
gar  nid)ts  von  biefer  "Diaterie  barin  finbet,  fo  ift  ber  größte 
Seil  feiner  Sfusleger  auf  bie  ©ebanfen  geraten,  baf}  fie  nidit 
ganj  auf  uns  gefommen  fei."  ©ar  nid)tg?  ^d)  meiuegteilg 
glaube,  aud)  fd)on  in  bem,  mag  ung  oon  feiner  25id)tfunft 
nod)  übrig,  eg  mag  oiel  ober  menig  fein,  atleg  gu  finben, 
mag  er  einem,  ber  mit  feiner  ^l)ilofopl)ie  fonft  nid)t  gang 
unbefannt  ift,  über  biefe  (£ad)t  gu  fagen  für  nötig  galten 
fonnte.  (Sorneille  felbft  bemerfte  eine  Stelle,  bie  uns  nad) 
feiner  sDieinung  £id)t  genug  geben  fönne,  bie  2lrt  unb  SOBeife 
gu  entbed'en,  auf  rnetdje  bie  Reinigung  ber  Öeibenfcf)aften  in 
ber  Sragöbie  cjefd;er)e :  nämlidj  bie,  wo  2(riftoteleg  fagt,  „bag 
sDtitleib  nerlange  einen,  ber  unuerbient  leibe,  unb  bie  §urd)t 
einen  unfevggleidjen".  SDiefe  ©teile  ift  aud)  miiflid)  fel)r 
mistig,   nur  bafc   ßovneille  einen   falfdjen   ©ebraud;  bauon 


112  Jpam6urgiftf)e  Dramaturgie. 

machte  unb  nicfjt  rooljl  anberg  alg  machen  formte,  roeil  er 
einmal  bie  Reinigung  ber  Seibenfdjaften  überhaupt  im  $opfe 
fyatte.  „£>ag  -Dlitleib  mit  bem  Unglüde,"  jagt  er,  „uon 
roeldjem  mir  unferggleicfjen  befallen  fernen,  ermed't  in  ung  bie 
§urd)t,  baß  ung  ein  äljnlidjeS  Unglüd  treffen  forme;  biefe 
gurdjt  ermed't  bie  SBegterbe,  trjm  augguroeictjen,  unb  biefe 
Segterbe  ein  SBeftreben,  bie  2eibenfd)aft ,  burd)  meiere  bie 
Sßerfon,  bie  mir  bebauern,  ftcf)  t^r  Unglüd  oor  unfern  &ugen 
äujtefjet,  gu  reinigen,  gu  mäßigen,  $u  beffern,  ja  gar  aug£u= 
rotten;  inbem  einem  jeben  bie  Vernunft  jagt,  bafc  man  bie 
Uvfadje  abfdjnetben  muffe,  raenn  man  bie  SÖtrfung  oermeiben 
roolle."  2lber  biefeg  Sftaifonnement,  roeldjeg  bie  gurd)t  blofj 
^um  Söerf^euge  mad)t,  burd)  roeldjeg  bag  9ftitleib  bie  3^eim= 
gung  ber  Seibenfdjaften  bewirft,  ift  falfcfj  unb  fann  unmöglid) 
bie  Meinung  beg  Striftoteleg  fein;  roeil  fonad)  bie  ^ragöbie 
gerabe  alle  Seibenfdjaften  reinigen  fönnte,  nur  ntct)t  bie  jroei, 
bie  2lnftoteleg  ausbrüdlict)  burd)  fie  gereiniget  miffen  roitl. 
©ie  fönnte  unfern  3orn,  unfere  9leugierbe,  unfern  -Weib, 
unfern  (E^rgei^,  unfern  §a{$  unb  unfere  Siebe  reinigen,  foroie 
eg  bie  eine  ober  bie  anbere  Seibenfdjaft  ift,  burd)  bie  fid)  bie 
bemitleibete  Sßerfoti  iljr  Unglüd  guge^ogen.  ^ur  unfer  WxU 
leib  unb  unfere  gurdjt  müjjte  fie  ungereiniget  laffen.  £)enn 
•JRitleib  unb  gurdjt  finb  bie  Seibenfcrjaften,  bie  in  ber  £ragöbte 
mir,  nietjt  aber  bie  Ijcmbelnbert  ^erfonen  empfinben ;  finb  bie 
Setbenf haften,  burd)  meldte  bie  rjanbelnben  ^erfonen  ung 
rühren,  nid)t  aber  bie,  burd)  meldte  fie  fid)  felbft  iljre  Unfälle 
äugtetjen.  @g  fann  ein  ©tüd  geben,  in  meinem  fie  betbeg 
finb;  bag  roeife  id)  roorjl.  2lber  nod)  fenne  id)  fein  foldjeg 
©tüd,  ein  <BtM  nämlid),  in  roeldjem  fiel)  bie  bemitleibete 
^erfon  burd)  ein  übeluerftanbeneg  iltitleib  ober  burd)  eine 
übeloerftanbene  gurd)t'ing  Unglüd  ftürge.  ©leid)rool)l  roürbe 
biefeg  <BtM  bag  einzige  fein,  in  roelcfyem,  fo  roie  eg  Corneille 
nerfterjt,  bag  gefdjäfye,  mag  2lriftoteleg  roitl,  bafc  es  in  allen 
iragöbieu  gefdjeljen  fofl;  unb  aud)  in  biefem  einjigen  mürbe 
eg  nicf)t  auf  bie  2Irt  gefdjefyen,  auf  bie  eg  biefer  nerlaugt. 
©iefeg  einige  ©tüd  roürbe  gteidjfam  ber  $unft  fein,  in 
roeldjem  groei  gegen  einanber  fid)  neigenbe  gerabe  Sinien  $u= 
fammentreffen,  um  fiel)  in  alle  Unenblid)feit  ntd)t  mieber  gu 
begegnen.  —  ©o  gar  fer)r  fonnte  £)acier  ben  ©inn  beg  2fe 
ftoteleg  nidjt  oerfeljlen.  @r  roar  oerbunben,  auf  bie  SBorte 
feineg  2lutorg  aufmerffamer  §u  fein,  unb  biefe  befagen  eg  ju 
pofitro,  baj$  unfer  9Jiitlcib  unb  unfere  g-urdjt  burd)  bag  WxU 


SrtfitimbficD.uflfteo  ©tfitf.  1 13 

reib  unb  bie  gurdjt  ber  STragöbie  gereinigt  werben  feilen. 
2Seil  er  aber  ol)ne  ^lueifet  glaubte,  baß  ber  -Kitten  ber 
Dragöbte  feljr  gering  fein  mürbe,  wenn  er  blofj  hierauf  eins 
gefdjränft  märe:  fo  ließ  er  fid)  uerleiten,  nad)  ber  ©rflärung 
bes  ßomeiUe,  ifyr  bie  ebenmäßige  ^Reinigung  audj  aller  übrigen 
ßetbenfdjaften  beizulegen.  2öte  nun  (Eorneille  biefe  füt  jettt 
2äi  leugnete  unb  in  Seifpieten  geigte,  baß  fie  me()r  ein 
fdjöner  ©ebanfe  als  eine  Badje  fei,  bie  gemöljnlidjeriuetfe  gur 
äßitflidjfeit  gelange,  fo  mußte  er  fid)  mit  ifmt  in  biefe  33ei= 
fptele  [elbft  einladen,  mo  er  fid)  beim  fo  in  ber  @nge  fanb, 
baß  er  bie  gemaltfamften  S)rel)ungen  unb  2ßenbungen  machen 
mußte,  um  feinen  ^IriftoteleS  mit  fid)  burdjgubringen.  3$ 
fage,  feinen  3lriftoteIe§ ;  beim  ber  redete  ift  roeit  entfernt, 
foldjer  ^reljimgen  unb  SSenbungen  gu  bebürfen.  tiefer,  um 
eg  abermals  unb  abermals  gu  fagen,  Ejat  an  feine  anbere 
Seibenfd)aften  gebadjt,  roeldje  ba3  l^itleib  unb  bie  gurdjt  ber 
^ragöbte  reinigen  folfe,  als  an  unfer  ÜJhtleib  unb  unfere 
gurdjt  f elbft ;  unb  e3  ift  ifjm  fefjr  gleichgültig,  ob  bie  ^ragöbie 
gur  Reinigung  ber  übrigen  2eibenfd)aften  oiel  ober  menig 
beiträgt.  siln  jene  Steinigung  l)ätte  fiel)  £)acier  allein  galten 
follen;  aber  freilief)  Ijätte  er  fobann  aud)  einen  oollftänbigern 
Segriff  batnit  oerbinben  muffen.  „2$ie  bie  Sragöbie,"  fagt 
er,  „sIRitleib  unb  gurd)t  errege,  um  -äftitleib  unb  §urd)t  311 
reinigen,  ba3  ift  nidjt  fdjroer  gu  erllären.  ©ie  erregt  fie, 
inbem  fie  uns!  ba3  Unglücf  oor  Stugen  ftelfet,  in  ba§  unfer§- 
gleidjen  burd)  nid)t  oorfä^lidje  geiler  gefallen  finb;  unb  fie 
reiniget  fie,  inbem  fie  uns  mit  biefem  nämlidjen  Unglücf e  be= 
faunt  madjt  unb  unö  baburdj  lehret,  e§  roeber  allgu  fefjr  gu 
fürdjten,  nod)  allgu  feljr  baoou  gerührt  gu  merben,  mann  es" 
uns  mirflid)  f  elbft  treffen  follte.  — ©ie  bereitet  bie  SRenfdjen, 
bie  aEermibrigften  Unfälle  mutig  gu  ertragen,  unb  madjt  bie 
2(llerelenbeften  geneigt,  fid)  für  glücflid)  gu  galten,  inbem  fie 
tr)re  Unglücksfälle  mit  meit  größern  Dergleichen,  bie  iljnen  bie 
£ragöbie  oorftellet.  3)enn  in  meldten  Umftänben  fann  fid)  mof)l 
ein  äUenfct)  finben,  ber  bei  ©rblidung  eines  CebipS,  eine§ 
Sßljiloftets,  eines  Dreftg  nicf)t  ernennen  müßte,  baß  alle  Uebel, 
bie  er  gu  erbulben,  gegen  bie,  meldje  biefe  Männer  erbulben 
muffen,  gar  nid)t  in  slsergleid)itng  fommen?"  9hm,  ba§  ift 
voai)x ;  biefe  ©rflärung  fann  bem  tarier  nidjt  niel  $opfbred)en3 
gemadjt  Ijaben.  @r  fanb  fie  faft  mit  ben  nämlichen  ^Sorten 
bei  einem  ©toifer,  ber  immer  ein  9Xuge  auf  bie  2lpatl)te  l)atte. 
Dirne  iljm  inbe§  eingumenben,  baß  bas  ©efüljl  unfer§  eigenen 

Sejfing,  2ßer!e.    XII.  8 


114  ftatnfutrgtfcfje  ^Dramaturgie. 

(SlenbeS  nid)t  tuet  5D^ttIetb  neben  fid()  bulbet,  ba|3  folglich  bei 
bem  (Slenben,  beffen  -Iftitleib  nidfjt  gu  erregen  ift,  bie  ^eini; 
gung  ober  Sinberung  feiner  58etrübm§  burd)  ba3  9ttttleib  nid)t 
erfolgen  !ann:  rottt  id)  ibm  atteg,  fo  rote  er  es>  fagt,  gelten 
laffen.  9h.tr  fragen  mufc  tdj:  rote  triel  er  nun  bamtt  gefagt? 
Do  er  im  geringsten  meljr  bamit  gefagt,  al§  bafc  ba§  Sftitleib 
unfere  gurdfjt  reinige?  ($eroij$  nid)t;  unb  ba3  wäre  bod)  nur 
faum  ber  oierte  %z\\  ber  goberung  be§  2lriftotele§.  3)enn 
roenn  2triftotele§  Behauptet,  bafs  bie  ^ragöbte  9JJitleib  unb 
%\xxd)t  errege,  um  9JtitIeib  unb  §urd)t  ^u  reinigen,  roer  fiefjt 
ntdjt,  baft  biefe§  roeit  me^r  fagt,  als  2)acier  ju  erflären  für 
gut  befunben?  £)emt  nadj  ben  nerfdfjiebenen  Kombinationen 
ber  fn'er  norfommenben  Segriffe  muj}  ber,  roelcfjer  ben  Sinn 
be§  SlrtftoteleS  gang  erfd)öpfen  mill,  ftüdroeife  geigen,  1.  roie 
ba§  tragifcfje  -Sfetleib  unfer  TOtleib,  2.  rote  bie  tragifdje 
gurdjt  unfere  $urd)t,  3.  roie  ba§  tragifd)e  9JUtleib  unfere 
$urdjt,  unb  4.  roie  bie  tragifdje  gurebt  unfer  9Jiitleib  reinigen 
fönne  unb  roirflidf)  reinige.  ÜDacter  aber  fyat  fid)  nur  an  ben 
britten  $unft  gehalten  unb  audj  biefen  nur  feljr  fdjled)t,  unb 
auä)  biefen  nur  $ur  §älfte  erläutert.  £)enn  roer  ftd)  um  einen 
rid)tigen  unb  oollftänbigen  ^Begriff  oon  ber  SJriftotelifdjen 
Reinigung  ber  Seibenfdjaften  bemüht  Ijat,  roirb  ftnben,  bafc 
jeber  non  jenen  oier  fünften  einen  Doppelten  %ati  in  fid) 
fd)lief$et.  Sba  nämlidj,  e§  furg  $u  fagen,  biefe  Reinigung  in 
nidjtg  anberä  beruht  al§  in  ber  SSerroanblung  ber  £eiben= 
fdjaften  in  tugenbbafte  gertigfeiten ,  bei  jeber  STugenb  aber 
nad)  unferm  $l)ilofopIjen  ftd)  bie§feit§  unb  jenfeitg  ein  @£tre= 
mum  finbet,  groifdjen  roeldjem  fie  inne  fielet,  fo  muf$  bie 
Xragöbie,  roenn  fie  unfer  9Jtttleib  in  S£ugenb  oerroanbeln  foK, 
unö  oon  beiben  @£tremi§  be§  9Kitleib3  $u  reinigen  oermögenb 
fein ;  roeld)e§  aud)  oon  ber  fvitrcrjt  gu  oerfteben.  3)a§  tragifd)e 
ÜRtttetb  muf$  nid)t  allein  in  Slnfeljung  be§  9ftitleib§  bie  (Seele 
be§|entgen  reinigen,  roeldjer  gu  oiel  9ftitleib  füllet,  fonbern 
aud)  be§jenigen,  roeldjer  gu  roenig  empftnbet.  SDie  tragifdje 
gurdjt  muft  rtid;t  allein  in  ^Infebung  ber  gurd)t  bie  (Seele 
Demjenigen  reinigen,  roeldjer  fid)  gang  unb  gar  feines  Unglüdö 
befürchtet,  fonbern  aud)  beöjenigen,  ben  ein  jebe§  tlnglüd,  aud) 
ba§  entferntefte,  aud)  ba§  unroal)rfd)einlid)fte,  in  2lngft  feijet. 
©Ieid)fall3  muß  ba§  tragifd)e  9JUtleib  in  Slnfe^ung  ber  gurebt 
bem,  roa§  §u  niel,  unb  bem,  roa§  §u  roenig,  fteuern,  fo  rote 
binroieberum  bie  tragifd)e  $urd)t  in  Slnfebung  beö  9)litleib§. 
£)acier  aber,  roie  gefagt,  ^at  nur  gezeigt,  roie  ba§  tragifdje 


ÜHeitmmbfte65tgfte3  ©tiicf.  115 

9)iitleib  unfere  aff^it  grofce  gurd)t  mäßige;  unb  nodj  ntcfyt 
einmal,  roie  es  bem  gättglidjen  9)iangel  betfet&en  abhelfe,  ober 
fie  in  bem,  roelcfjer  attju  roenig  uon  iljr  empftnbet,  31t  einem 
jjetffamern  ©rabe  erhöbe;  gefd)roeige,  bafe  er  audj  baä  übrige 
foffte  gezeigt  fyaben.  3)te  nad)  il)tn  gefommen,  fyaben,  roasi 
er  unterlagen,  audj  im  geringften  nid)t  ergänzt,  aber  rool)l 
fonft,  um  nad)  iljrer  Meinung  ben  duften  ber  Sragöbie  oölltg 
aufeer  Streit  ju  fefcen,  SDinge  baljin  gebogen,  bie  bem  ©e= 
bidjte  überhaupt,  aber  feinesiroeges  ber  ^ragöbie  a(§  ^ragbbie 
inöbefonbere  $ufommen;  3.  (§.  bajj  fie  bie  triebe  ber  9}ienfd)= 
lidjfeit  näfjren  unb  ftärfen,  bajj  fie  Siebe  gur  Sugenb  unb 
§aft  gegen  ba3  Safter  roirfen  foITe  u.  f.  ro.*)  Sieber!  roeldjeä 
©ebicfyt  folTte  ba§  nicr)t?  Soll  e§  aber  ein  jebeg,  fo  fann  e§ 
nict)t  ba§  unterfd)eibenbe  $enngeidien  ber  Sragöbie  fein;  fo 
fann  e3  nicfyt  ba§  fein,  roa3  mir  fugten. 


HeuminfcftetTjinJies  gtiiife. 

©en  2.  gfebruar  1768. 

Unb  nun  raieber  auf  unfern  9iid)arb  §u  fommen.  — 
SRidjarb  alfo  erroedt  ebenfo  roenig  Scr)redeu  al§  9Jcitleib:  roeber 
Sd)reden  in  bem  gemifcbraud)ten  üBerftanbe,  für  bie  plötUidje 
Ueberrafdjung  be§  SRitleibs,  nod)  in  bem  eigentlidjen  2ßer= 
ftanbe  be3  9lriftotele3,  für  Ijeilfame  gurd)t,  bafj  un3  ein  äl)n= 
Iicfyeä  Unglüd  treffen  fönne.  2)enn  roenn  er  biefe  erregte, 
mürbe  er  aud)  9Dfttleib  erregen ;  fo  geroifc  er  lunroieberum  gurcfyt 
erregen  mürbe,  menn  mir  ü}\\  unferä  9ttitleib§  nur  im  geringften 
mürbig  fänben.  Slber  er  ift  fo  ein  abfdjeulidjer  £ert,  fo  ein 
eingefleifdjter  Teufel,  in  bem  mir  fo  üötlig  leinen  einzigen  äljn= 
lieben  $ug  mit  ung  felbft  finben,  bafe  \d)  glaube,  mir  tonnten 
tr)n  oor  unfern  5Iugen  ben  5Qiartern  ber  §ölle  übergeben  fel)en, 
oljne  ba§  geringfte  für  il)n  gu  empfinben,  ol)ne  im  geringften 
gu  fürd)ten,  ba|,  roenn  foldje  Strafe  nur  auf  foldje  SBerbredjen 
folge,  fie  audf)  unfrer  erroarte.  Unb  roa§  ift  enblid)  ba%  Um 
glüd,  bie  Strafe,  bie  il)n  trifft?  -Jfod)  fo  oielen  üDitfjetljaten, 
bie  roir  mit  anfeljen  muffen,  fyören  mir,  bafe  er  mit  bem 
©egen  in  ber  ganft  geftorben.  2(l§  ber  Königin  biefeS  er= 
gäljlt  roirb,  Iäf$t  fie  ber  £)id)ter  fagen: 


*)  #r.  Surtiu§  in  feiner  „SU^anölnng  oou  ber  %b]i<l)t  be»  irauerjpielä",  Ijinter 
ber  5lriitoteli]'döen  „SMdjtfunft". 


116  ^amburftifcfie  Dramaturgie. 

„£>ieg  ift  etwaäl"  — 
$d)  l)abe  mid)  nie  enthalten  fönnen,  bei  mir  nad^ufpredjen : 
0tem,  ba3  ift  gar  nidjtS!  2öie  mancher  gute  Rönia,  ift  fo 
geblieben,  inbem  er  feine  ^rone  roiber  einen  mäd)tigen  Diebellen 
behaupten  wollen?  Dttdjarb  ftirbt  bod),  al§  ein  -Wann,  auf 
bem  SSette  ber  @f)re.  Hub  fo  ein  £ob  füllte  mid)  für  ben 
Unroillen  fdjablog  galten,  ben  id)  baS  gange  Btüd  burd)  über 
ben  ^riumpr)  feiner  23o3l)eiten  empfunben?  ßd)  glaube,  bie 
gried)ifd)e  (Spradje  ift  bie  eingige,  roeldje  ein  eigenes  SÖöort 
§at,  biefen  Unroillen  über  ba§  ©lud  eines  SSöfenmijtS  au§= 
gubrüden :  ve^satc,  vejieoav.  *)  Sein  %oh  felbft,  roetcfyer  roemg= 
ftenS  meine  ©eredjtigfeitsltebe  befriebigen  feilte ,  unterhält 
nod)  meine  -iftemefiS.  3)u  bift  rooljlfeil  roeggefommen,  beule 
id);  aber  gut.  baf$  eS  nod)  eine  anbere  ©ered)tigt'eit  gibt  als 
bie  poetifdje! 

3Jian  roirb  melleid)t  fagen :  5Run  rool)l !  mir  mollen  ben 
9^id)arb  aufgeben;  ba§  (Btüd  Reifet  groar  nad)  il)m,  aber  er 
ift  barum  ntdf»t  ber  §elb  beSfelben,  nid)t  bie  $erfon,  burd) 
roeldje  bie  2lbfid)t  ber  STragöbie  erreicht  mirb;  er  Ijat  nur 
baS  Mittel  fein  fotten,  unfer  9ftitleib  für  anbere  gu  erregen. 
2)ie  Königin,  ©lifabetl) ,  bie  springen,  erregen  biefe  ntdjt 
TOleib?  — 

Um  allem  SÖortftreite  auSguroeidjen:  ja.  2lber  roa§  ift 
e§  für  eine  frembe,  Ijerbe  ©mpfinbuug,  bie  fid)  in  mein  sJftit= 
leib  für  biefe  $erf  orten  mifebt?  bie  ba  madjt,  bafj  id)  mir 
biefeS  Sftitleib  erfparen  gu  fönnen  roünfdjte?  SDaS  münfd)e 
id)  mir  bei  bem  tragifdjen  sJftitleib  bod)  fonft  nid)t,  id)  oer= 
meile  gern  babei  unb  banle  bem  £)id)ter  für  eine  fo  füfee  Qual. 

SlriftoteleS  Ijat  e§  rooljl  gefagt,  unb  baS  mirb  eS  gang 
geroig  fein!  @r  fprid)t  non  einem  [j-iapov,  oon  einem  ©räfe= 
liefen,  ba§  fid)  bei  bem  Unglüd'e  gang  guter,  gang  unfdmlbiger 
^erfonen  finbe.  Unb  finb  nid)t  bie  Königin,  (llifabetl),  bie 
^ringen  oollfommen  fold)e  ^erfonen?  s2öa3  Ijaben  fie  getrau? 
rooburd)  l)aben  fie  e£  fid)  gugegogen,  bafj  fie  in  ben  flauen 
biefer  33eftie  finb?  Qft  e§  ir)re  fedjulb,  baft  fie  ein  näheres 
9kd)t  auf  ben  ^fjron  l)aben  als  er?  SSefonberS  bie  f leinen 
roimmernben  (2d)lad)topfer,  bie  nod)  f'aum  red)ts>  unb  lint'S 
unterfd)eiben  fönnen!  äßer  roirb  leugnen,  baft  fie  unfern 
gangen  Qammer  oerbienen?  Slber  ift  biefer  Jammer,  *>er 
mid)  mit  ©djaubern   an  bie  ©djidfale  ber  9Jienfd)en  benlen 


*)  Arist.  Rhet.,  lib.  II.  cap.  9. 


SReummbfie&sigftes  ©tüdf.  117 

läfct,  bem  3fturren  roiber  bte  SBorfeljung  fid)  augefeilet  unb 
SäSeraroetflung  von  roeiten  nad) fd)leid)t,  ift  biefeu  gammer 
—  id)   roitl   nidjt  fragen,  SRitleib?   —   @r  Reifte,   mie   er 

roolle  —  2lber  ift  er  Das,  mag  eine  nadjaljmenbe  Munft  er 
rocd'en  follte? 

9Kan  fage  nicr)t:  erroedt  iljn  bod)  bte  ©ejdjidjte,  grünbet 
er  fid)  bodj  auf  etroaS,  bas  roirflid)  gefdjefyen  ift.  —  £)as 
rairt'lid)  gefdjefyen  ift?  Gs  fei;  fo  rotrb  e§  feinen  einten  ©runb 
in  bem  erotgen  unenblidjen  jjufammenljattge  aller  isDinge  t)aben. 
x\n  biefem  ift  2Beisl)eit  unb  ©üte,  roas  un§  in  ben  roenigen 
©liebern,  Die  ber  2)tdjter  fjerausnimmt,  blinDes  ©efdjid  unb 
©raufamfeit  fdjeinet.  2tus  biefen  roenigen  ©liebem  füllte  er 
ein  ©an^eö  machen,  bas  oöHig  fid)  runbet,  roo  eines  aus  bem 
anberu  |id)  oöttig  erf'laret,  roo  feine  ©djroterigfeit  aufftößt, 
berenroegen  nur  bte  SSefriebigung  nidjt  in  feinem  platte  finben, 
fonbem  fie  aufeer  ilmt  in  bem  allgemeinen  SJSIane  ber  2)inge 
fudjen  muffen;  bas  ©an$e  biefes"  fterblidjen  SdjöpferS  follte 
ein  ©djattenrifj  t>on  bem  ©angen  be3  eroigen  Schöpfers!  fein; 
follte  uno  an  ben  ©ebanfen  geroölmen,  roie  fid)  in  tfmt  alles 
gum  heften  auflöfe,  roerbe  es  audj  in  jenem  gefdjefjen:  unb 
er  »ergibt  biefe  feine  ebetfte  Seftimmung  fo  fefjr,  baf$  er  bie 
unbegreiflichen  2ßege  ber  58orfid)t  mit  in  feinen  flehten  ßirfel 
flidjt  unb  gefliffentltd;  unfern  ©djauber  barüber  erregt?  — 
0,  uerjdjonet  uno  Damit,  iljr,  bie  if)r  unfer  §erg  in  eurer 
©eroalt  Ijabt!  2Bogu  biefe  traurige  Gmpfinbung?  Uns  Unter 
roerfung  gu  lehren?  2)iefe  fann  uns  nur  bie  falte  Vernunft 
lehren;  unb  roenn  bie  Seljre  ber  Vernunft  in  uns  bet'leiben 
folt,  roenn  roir  bei  unferer  Unterroerfung  norf)  Vertrauen  unb 
fröl)ltd)en  üftut  behalten  folten:  fo  ift  e3  f)öd)ft  nötig,  ba&  roir 
an  bie  uerrotrrenben  Setfpiele  foldjer  unuerbienten  fdjred'lidjen 
Sßerljängniffe  fo  roenig  als  möglidj  erinnert  roerben.  3ßeg 
mit  iljnen  oon  ber  23ütjne!  2öeg,  roenn  es  fein  tonnte,  aus 
allen  33üdjem  mit  itmen!  — 

2Öenn  nun  aber  ber  Sßerfonen  beg  ^)tid)arbg  leine  einzige 
bie  erforberlidK'u  Gigenfdjaften  Ijat,  bie  fie  Ijaben  müfeten, 
falls  er  roirflidj  Das  fein  follte,  roas  er  Reifet:  rooDurd)  ift  er 
gleidjrooljl  ein  fo  intereffantes"  ©tuet  geworben,  roofür  Ü)n 
unfer  $ublifum  IjältY  SBenn  er  nidjt  Diitteib  unb  gurdjt 
erregt,  roas  ift  beim  feine  Söirfung?  SBirrung  mufe  er  bodjj 
Ijaben,  unb  r)at  fie.  Unb  roenn  er  SBirfung  l)at,  ift  es  ntdjt 
gleidjoiel,  ob  er  biefe  ober  ob  er  jene  Ijat?  3Benn  er  bie 
$ujdjauer  bejdjaftiget,  roenn  er  fie  uergnügt,  roas  roill  man 


118  £>amburgtftf)e  Dramaturgie. 

benn  meljr?  üöftifjen  fie  benn  notraenbig  nur  ttad)  ben  Regeln 
beg  Slriftoteles  bejd)äftiget  unb  oernügt  werben  V 

SDag  Hingt  fo  unredjt  nid)t;  aber  eg  ift  barauf  gu  ant= 
raorten.  Ueberfjaupt:  wenn  ^idjarb  fcfyon  feine  Sragöbie 
wäre,  fo  bleibt  er  bod)  ein  bramatijd)eg  ©ebicfyt;  wenn  iljm 
fdjon  bie  @djön()eiten  ber  SLragöbie  mangelten,  fo  tonnte  er 
bod)  fonft  ©d)önf)eiten  Ijaben :  s}*oefte  beg  Stugbrudg,  Silber, 
Kraben,  ful)ne  ©eftnnungen,  einen  feurigen  Ijinreifcenben 
Dialog,  glüdlid)e  SBeranlafjungen  für  ben  2lcteur,  ben  ganzen 
Umfang  feiner  ©timme  mit  ben  mannigfaltigften  2tbraed)fe= 
hingen  gu  burdjlaufen,  feine  gange  ©tärt'e  in  ber  Pantomime 
gu  geigen  u.  f.  ra. 

&on  biefen  ©djönljeiten  Ijat  !Rtcr)arb  oiele  unb  fyat  aud) 
nod)  anbere,  bie  ben  eigentlichen  ©d)önl)eiten  ber  äragöbie 
näfyer  fommen. 

Sftiajarb  ift  ein  abfcfyeulidjer  23öferaid)t;  aber  aud)  bie  33e= 
fd)äftigung  unferg  Slbfdjeueg  ift  nid)t  gang  oljne  Vergnügen, 
befonberg  in  ber  9^ad)a|mung. 

2Cud()  bag  Ungeheuere  in  ben  $erbred)en  partigipieret  oon 
ben  ©mpftnbungen ,  meldte  ©röfee  unb  $ül)nljeit  in  ung 
ermeden. 

SUIeg,  mag  9^ic^arb  tfjut,  ift  ©reuel;  aber  alle  biefe 
©reuet  gefct)er)en  in  2Jbfid)t  auf  etmag;  9ttct)arb  Ijat  einen 
$lan;  unb  überall,  mo  mir  einen  $lan  mafyrneljmen,  mirb 
unfere  9leugierbe  rege;  mir  märten  gern  mit  ahf  ob  er  aug; 
geführt  mirb  roerben,  unb  rate  er  eg  mirb  raerben ;  rair  lieben 
bas  groedmäfjtge  f°  Mr>  bafj  eg  ung>  auc^  unabhängig  oon 
ber  -Üftoralität  beg  graedeg,  Vergnügen  gewährt. 

2öir  raollten,  baf$  9tid>arb  feinen  3roec^  erreichte,  unb 
rair  wollten,  bafe  er  ifyn  aud)  nidjt  erreichte.  2)ag  (Srretdjen 
erfpart  ung  bag  Sftifeoergnügen  über  gang  nergebeng  ange= 
raanbte  Mittel;  raenn  er  il)n  nicr)t  erreidjt,  fo  ift  fo  oiel  33lut 
oöllig  umfonft  oergoffen  morben;  ba  eg  einmal  nergoffen  ift, 
mödjten  rair  eg  nid)t  gern  aud)  nocl)  blof$  oor  £angenoetle 
oergoffen  finben.  §inraieberum  märe  btefeg  ©rreid^eu  bag 
groljloden  ber  Sogfeit;  nidjtg  l)ören  mir  ungerner;  bie  216= 
fidjt  tntereffierte  ung  alg  gu  erretdjenbe  2(bfid)t ;  roenn  fie  aber 
nun  erreicht  raäre,  raürben  rair  nid)tg  alg  bag  Slbfdjeulidje 
berfelben  erbliden,  raürben  mir  raünfdjen,  bag  fie  nidjt  er; 
reidjt  raäre ;  biefen  Sßunfdj  fefyen  rair  ooraug,  unb  ung  fdjam 
bert  nor  ber  (Srreidjung. 

SDie  guten  ^erfonen  beg  ©tücfS  lieben  mir ;  eine  fo  |ärt= 


2l$t3tgfte§  etücf.  119 

Itdje,  feurige  Butter,  ©efcfjmifter,  bie  fo  gang  eines  in  bem 
anbern  leben ;  biefe  ©egenftänbe  gefallen  immer,  erregen  immer 
bie  füjjeften  ft;mpat(;etifc^eu  dmpfinbungen,  mir  mögen  fie 
ftnben,  mo  mir  mollen.  ©ie  gang  oljne  <2d)itlb  leiben  gu 
fefyen,  ift  gmar  tjerbe,  ift  5m ar  für  unjere  9tul)e,  gu  unferer 
33efferung  fein  fel)r  erfpriefclidjes  ©efül)l:  aber  es1  ift  bod) 
immer  Öefüfjl. 

Unb  fonad)  befd)äftiget  uns  bas  Stücf  burdjau§  unb  oer= 
gnügt  burd)  biefe  33efd)äftigung  unferer  Seelenfräfte.  SDas 
ift  wafyr;  nur  bie  golge  ift  nidjt  mafyr,  bie  man  baraus  gu 
gießen  meinet,  nämlid)  ba|3  mir  alfo  bamit  gufrieben  fein  fönnen. 

©in  2)idjter  faim  oiel  getrau  unb  bod)  nod)  nid;ts  bamit 
oertfyan  (jaben.  $lid)t  genug,  baf}  fein  SBerf  äßirfungen  auf 
uns  {jat:  es  muf$  and)  bie  ijaben,  bie  tljm  oermöge  ber  ©at= 
tung  gufommen;  e§  mufe  biefe  oorneljmlid)  Ijaben,  unb  aße 
anbere  fönnen  ben  Mangel  berfelben  auf  feine  2Beife  erfe|en; 
befonberä  menn  bie  ©attung  oon  ber  2Bid)tigfeitunb  ©djtmerigs 
feit  unb  föoftbarfeit  ift,  bafc  ade  -Dfritje  unb  aller  Slufiuanb 
oergebens  märe,  menn  fie  weiter  mdjts"  als  fold)e  -üöirfungen 
fyeroorbringen  roollte,  bie  burd)  eine  leichtere  unb  meniger 
auffalten  erforbernbe  ©attung  eben  fo  worjl  gu  erhalten  mären. 
(Sin  33unb  <Strol)  aufgeben,  mufe  man  feine  9Jtajd)inen  in 
33emegung  fe^en ;  roas  idj  mit  bem  gufje  umftofeen  fann,  mu£ 
td)  nirfjt  mit  einer  9Jcine  fprengen  mollen;  id)  mufj  feinen 
Scheiterhaufen  angünben,  um  eine  9Jtüde  gu  oerbrennen. 


$,  tlj  t  ?  i  3  Jt  e  *   g  t  ü  ft. 

Scn  5.  gebruar  1768. 

2Bogu  bie  faure  Slrbeit  ber  bramatifdjcn  gorm?  mogu 
ein  STfyeater  erbauet,  Männer  unb  SÖBeiber  oerfleibet,  ®ebäd;t= 
niffe  gemartert,  bie  gange  Stabt  auf  einen  s$latj  gelabenV 
menn  id;  mit  meinem  2i>erfe  unb  mit  ber  Stuffüfyrung  bes= 
felben  weiter  nichts  fjeroorbringen  mtll,  als  einige  oon  ben 
Regungen,  bie  eine  gute  @rgäl)lung,  oon  jebem  gu  §aufe  in 
feinem  -JÖinfet  gelefen,  ungefähr  aud)  ^eroor6riugen  mürbe? 

3Me  bramatifdje  gorm  ift  bie  einzige,  in  roeldjer  fid) 
SKitleib  unb  gurd)t  erregen  läfct;  menigftens  fönnen  in  feiner 
anbern  gorm  biefe  Seibenfdjaften  auf  einen  fo  Ijoljen  ©rab 
erreget  werben:  unb  gleid)Wol)l  will  man  lieber  alle  anbere 
barin  erregen  als  biefe;   gleidnuoljl  will  man  fie  lieber  gu 


120  JpamBurgtftfie  Dramaturgie. 

allem  anbern  brauchen  alg  $u  bem,  mo^u  fie  fo  r»orgügItc^ 
gefdjidt  ift. 

2)ag  ^ubltfum  nimmt  oorlieb.  —  2)a3  ift  gut,  unb  aud) 
ntdjt  gut.  ©etttt  man  jeljnt  fid)  nid)t  fef>r  ttadj  ber  %a\d, 
an  ber  man  immer  oorlieb  nehmen  mufc. 

@3  ift  befannt,  mie  erpicht  bas>  grtecr)ifdt)e  unb  römifdje 
Sßolf  auf  bie  <3d)aufpiele  raaren,  befonberS  jene3  auf  baö 
tragtfd)e.  2öie  gleichgültig,  tote  falt  ift  Dagegen  unfer  23oll 
für  ba§  Sweater !  2Bol)er  biefe  3Serfc^iebenl)eit,  wenn  fie  nid)t 
bafjer  fömmt,  baf$  bie  ©riechen  oor  it)rer  23ülme  fid)  mit  fo 
ftarfen,  fo  aufeerorbentlic^en  fempfinbungen  begeiftert  füllten, 
bafe  fie  ben  Sutgenbltd  nid)t  ermarten  tonnten,  fie  abermals» 
unb  abermals  gu  l)aben;  baljingegen  mir  un§  oor  unferer 
s43üf)ne  fo  fd)toad)er  ©inbrüde  beraubt  finb,  baj$  mir  e§  feiten 
ber  3eit  unb  be§  ©elbe§  mert  galten,  fie  un§  ^u  üerfdjaffen  ? 
3Btv  geljen,  faft  alle,  faft  immer,  aug  sJceugierbe,  aus  -Jftobe, 
au§  Sangerroeile,  au§  ©efellfd)aft,  au§  33egierbe,  gu  begaffen 
unb  begafft  gu  roerben,  in§  4§eater,  unb  nur  menige,  unb 
biefe  menige  nur  fparfam,  au$  anberer  2lbfid)t. 

3$  fage:  mir,  unfer  SSolf,  unfere  23üljne;  icl)  meine 
aber  nidjt  btofe  un§  SDeutfdje.  3Sir  SDeutfdje  belentten  eä 
treuljer^ig  genug,  bajj  mir  nod)  fein  Sweater  Imben.  s28a3 
oiele  oon  unfern  $unftrid)tertt,  bie  in  biefeg  Sefenntnig  mit 
einftimmen  unb  grofte  SSere^rer  bes>  fran^öfifdjen  %l)eater3 
finb,  babei  benfett,  ba3  fann  id)  fo  eigentlid)  nid)t  roiffen. 
SIber  icl)  meifc  rooljt,  uoa$  id)  babei  bettle.  Qd)  beule  näm= 
Itd)  babei,  bafe  nid)t  allein  mir  SDeutfdje,  fonbertt  baf$  aud) 
bie,  meiere  fid)  feit  ljunbert  Qa^ren  ein  ^l)eater  gu  l)aben 
rüljmen,  ja,  ba3  befte  %beater  oon  gatt^  ©uropa  $u  fyaben 
prallen,  —  baft  aud)  bie  gran^ofen  nod)  lein  Sweater  fyabett. 

$ein  tragifdjeg  getoifj  ixid^t !  SDenn  audj  bie  ©inbrüde, 
meldje  bie  fran^öftfcfje  ^ragöbie  mad)t,  finb  fo  ftaef),  fo  falt ! 
—  iftan  t)öre  einen  grangofen  felbft  baoon  fpredjen. 

„35ei  ben  Ijeroorftecljettben  Schönheiten  unfer§  SLl)eater§," 
fagt  ber  §err  oon  Voltaire,  „fanb  ficf>  ein  oerborgner  gebier, 
ben  man  nidt)t  bemerlt  \)<\ttz,  meil  ba3  ^ßublilum  oon  felbft 
leine  Ijöljere  &etn  Ijaben  lonttte,  al3  iljm  bie  großen  -Jfteifter 
burd)  it)re  SJiufter  beibrachten.  2)er  einige  <2atnt;($;urentont 
bat  biefen  geiler  aufgemutzt;  er  fagt  nämlid),  baj$  unfere 
Stüde  nid)t  ©tnbrud  genug  madjten,  bafe  baö,  raa§  sJJlitleib 
errceden  folle,  auf§  l)ödjfte  $&ctl\$texk  errege,  bafe  ^üfjrung 
bie  6telfe  ber  @rfd)ütter%ng/   unb  (^rftaunen  bie  Stelle  be3 


3W&t3igfteS  Stütf.  121 

©djrecfenö  oertrete,  für;,  bafe  unfcrc  Gmpfinbungen  nicfjt  tief 
genug  gingen.  @3  tft  nidjt  511  leugnen,  ©aintsdoremont  f)at 
mit  bem  Ringer  gerabe  auf  bie  bchnlid)e  $öunbe  be§  fran« 
$öjtfdjen  SfjeaterS  getroffen.  -Solan  fage  immerhin,  baß  Saint* 
(iiuemont  ber  SSerfaffer  ber  elenben  Eomöbte  ,©ir  Sßolitif 
Sßoulbbe'  unb  nod)  einer  anbern  eben  fo  elenben,  ,3)ie  Dpenr 
genannt,  ift;  bafe  feine  flehten  gefeKfdjaftltdien  ©ebidjte  ba§ 
iRafylfte  unb  ©emeinfte  fmb,  10  as  nur  in  biefer  (Gattung  fjaben, 
bafe  er  nid)t3  alg  ein  *pf)rajeöbredj§ler  mar :  man  f'ann  feinen 
gunfen  ©enie  Ejaben  unb  gleidjtpoljl  me(  2Bi|  unb  ©efdjmad 
befit$en.  (Sein  ©efdjmacf  aber  roat  unftreitig  fef>r  fein,  ba 
er  bie  Urfad)e,  marum  bie  meiften  Don  unfern  ©tütfen  fo  matt 
unb  falt  ftnb,  fo  genau  traf.  (Ss  f)at  uns  immer  an  einem 
©rabe  non  SBärme  gefehlt;  ba3  anbere  Ratten  mir  allesV' 

£)a§  ift :  mir  Ratten  affeg,  nur  nidit  bas>,  roaö  mir  Ijaben 
fotlten ;  unfere  ^ragöbien  maren  nortrefflid),  nur  bafe  e3  feine 
^ragöbien  maren.   Unb  moljer  fam  e3,  bafe  fie  baö  nid)t  maren? 

„SDiefe  Aalte  aber,"  fäfjrt  er  fort,  „biefe  einförmige  9Jtat- 
tigfeit  entfprang  gum  %vl  non  bem  flehten  ©eifte  ber  ©alam 
terie,  ber  bamal3  unter  unfern  §ofleuten  unb  tarnen  fo 
^errfcfjte  unb  bie  STragöbie  in  eine  gotge  oon  verliebten  ©e= 
fprädjen  oermanbelte,  nad)  bem  ©efdjmade  be§  (Et)ru§  unb 
ber  ßlelie.  2Ba§  für  Stücfe  fid)  Neroon  nod)  etraa  au3= 
nahmen,  bie  beftanben  au§  langen  politifdjen  S^aifonnementg, 
bergteid)en  ben  ©ertoriuS  fo  oerborben,  ben  Dtrjo  fo  falt 
unb  ben  ©urena  unb  3Ittila  fo  elenb  gemadjt  rjaben.  %lod) 
fanb  fid)  aber  audj  eine  anbere  llrjadje,  bie  ba§  l)ol)e  $atlje= 
tifdje  non  unferer  ©jene  gnrüctfjtelt  unb  bie  §anblung  mirf= 
lid)  tragifd)  gu  madjen  oerrjinberte :  unb  biefe  mar  ba§  enge 
fd)led)te  ifjeater  mit  feinen  armfeligen  Verzierungen.  —  28a3 
liefe  fid)  auf  einem  paar  $u|enb  Srettern,  bie  nod)  ba^u  mit 
3ufd)auern  angefüllt  maren,  machen?  93iit  meldjem  Sßomp, 
mit  meld)en  ßurüftungen  tonnte  man  ba  bie  2fugen  ber  3u= 
flauer  befreien,  feffeln,  täufdjen?  SDBelcrje  gro|e  tragifdje 
5fftion  liefe  ftd)  ba  aufführen?  2öeld)e  greifyeit  fonnte  bie 
(Sinbilbungsfraft  beo  2)id)ter§  ba  Ijaben?  Sie  ©tüde  mufeten 
auS  langen  ßrjäblungen  befielen,  unb  fo  mürben  fie  ntefyr 
©efprädje  als  ©ptele.  ^eber  SIcteur  moßte  in  einer  langen 
Monologe  glänzen,  unb  ein  (Stüd,  ba^  bergleidien  nid)t  fjatte, 
marb  oermorfen.  —  Sei  biefer  gorm  Pe^  a^e  tljeatraltfdje 
§anblung  meg,  fielen  alle  bie  grofeen  2luobrüde  ber  £eiben= 
jdjafteu,  alle  bie  fräftigen  ©emalbe  ber  ntenjdjlidjen  Unglück 


122  ^anilntrgifüje  Dramaturgie. 

falle,  alle  bie  fd)re etlichen,  bis  in  baS  Qnnerfte  ber  (Seele 
bringenbe  3u9e  lüe9  5  mcm  tüljrte  bag  §erg  nur  faum,  anftatt 
e3  gu  gerreijjen." 

SÖcit  ber  erften  Urfadje  l)at  e§  feine  gute  ^id^tt gleit, 
©alanterie  unb  ^olitif  läfet  immer  !alt;  unb  nod)  ift  eS 
feinem  Siebter  in  ber  SBelt  gelungen,  bie  Erregung  be§  W\U 
leibg  unb  ber  gurdjt  bamit  gu  oerbinben.  Qene  laffen  un§ 
ntd)t§  als  ben  Fat  ober  ben  ©dmlmeifter  l)ören,  unb  bieje 
fobern,  bafc  mir  nichts  al3  ben  sJRenfd)en  Ijören  fotlen. 

Stber  bie  §roeite  UrfacfyeV  —  ©ollte  e§  möglid)  fein,  bafj 
ber  Mangel  eines  geräumlid)en  StfyeaterS  unb  guter  3Ser= 
3ierungen  einen  folgen  (Smflufj  auf  ba£  ©enie  ber  2)td)ter 
gehabt  Ijätte?  3ft  e3  roaljr,  bafe  jebe  tragifdje  §anblung  s^iomp 
unb  Zulüftungen  erfobert?  Ober  follte  ber  SDid^ier  nidjt  t>iel= 
mefyr  fein  ©tücf  fo  einrichten,  bafe  e§  aud)  olme  biefe  SDinge 
feine  oöllige  Söirlung  l)eroorbräd)te? 

%laü)  bem  2lriftotele§  follte  er  e§  allerbingS.  „gurd)t  unb 
üDtitleib,"  fagt  ber  ^Ijtlofopl),  „lä'fjt  fidj  ^mar  burd)3  ©efid)t 
erregen;  e3  fann  aber  aud)  aug  ber  $erfnüpfung  ber  33e= 
gebeulten  felbft  entfpringen,  meines  letztere  oorgüglidjer  unb 
bie  Sßeife  be§  beffern  £)id)ter3  ift.  2)enn  bie  gabel  mug  fo 
eingerichtet  fein,  bafj  fie,  and)  ungefel>en,  ben,  ber  ben  33er= 
lauf  iljrer  Gegebenheiten  blof$  anhört,  $u  9JUtleib  unb  gurd)t 
über  biefe  Gegebenheiten  bringt,  fo  mie  bie  gabel  be3  DebipS, 
bie  man  nur  anhören  barf,  um  bagu  gebradjt  311  merben. 
SMefe  2lbfid)t  aber  burd)  ba§  ©efidjt  erreichen  moUen,  erfobert 
meniger  ^unft  unb  ift  bereu  <Sac|e,  meiere  bie  Gorftetlung 
be§  ©tüdö  übernommen." 

2öie  entbehrlich  überhaupt  bie  tljeatralifdjen  Weiterungen 
finb,  baoon  mill  man  mit  ben  ©lüden  be§  ©l)afefpeare3  eine 
fonberbare  (Srfafjrung  gehabt  fyaben.  2öeld)e  ©tüde  brausten, 
megen  ifjrer  beftänbigen  Unterbrechung  unb  Geränberung  be§ 
Drt3,  beS  GeiftanbeS  ber  6genen  unb  ber  ganzen  ^unft  be§ 
2)e!orateurS  moljl  meljr  als  eben  biefe?  ©leidjroofyl  mar  eine 
3eit,  mo  bie  Güfynen,  auf  melden  fie  gefpielt  mürben,  au§ 
nid)ts  beftanben  al§  au3  einem  Gorfjange  oon  fd)led)tem 
groben  Beuge,  ^er/  tt)enn  er  etnfgegogen  mar,  bie  bloßen 
blanfen,  l)öd;ften§  mit  hatten  ober  Tapeten  begangenen 
•Jßänbe  geigte ;  ba  mar  nid)t§  al§  bie  (Sinbilbung,  ma$  bem 
Werftänbniffe  be§  gufdjauerS  unD  *>er  SluSfüljrung,  be§ 
©pielerö  §u  «S^lfe  kommen  fonnte ;  unb  bem  oljngeadjtet,  fagt 
man,  maren  bamals  bie  ©rüde  be<8  ©IjafefpeareS  ol)ne  alle 


(Sinunbadjtjigfteo  3tüd.  123 

Sjenen  üerftänblidjer ,  als  fie  e3  fjernadj  mit  benfelben  ge= 
mefen  finb.*) 

SBenn  fid)  alfo  bei  2)icf)ter  um  bie  Sßergterung  gar  nict)t 
ju  befümmern  fjat;  »Denn  bie  SSer^ierimg,  aud)  wo  fie  nötig 
fdjeint,  oljne  bejonbern  ;Jiacf)teil  feines  (Stiicfs  wegbleiben  fann: 
warum  follte  e3  an  bem  engen,  fdjledjten  ^Ijeater  gelegen 
Ijaben,  bafj  un§  bie  frcmgöjtfdjett  SMdjter  feine  rül)renbere 
©tüde  geliefert?   9ticf)t  bod):  es  lag  an  ijjnen  felbft. 

Unb  ba§  bemetft  bie  ©rfaljrung.  SDenn  nun  rjaben  ja 
bie  grangofen  eine  fd)önere,  geräumlidjere  53ül)ne;  feine  3U; 
flauer  werben  mel)r  barauf  gebulbet;  bie  Hultffen  ftnb  leer; 
ber  3)eforateur  rjat  freies  gelb ;  er  malt  unb  bauet  bem  ^oeten 
alles,  ma§  biefer  tum  ii)in  »erlangt;  aber  wo  finb  fie  benn, 
bie  raärmern  Stüd'e,  bie  fie  feitbem  erhalten  fjaben?  (Sdfjmetdjelt 
fid)  ber  §err  t>on  Voltaire,  baf$  feine  SemtranüS  ein  fold)es> 
©tücf  ift?  SDa  ift  s^omp  unb  SBcr^icrung  genug,  ein  ©e= 
fpenft  oben  barein;  unb  bod)  fenne  id)  nidjts  kälteres  als> 
feine  •Semiramis. 


(Bmitwadjtjifjjtes  &tiitk. 

Sen  9.  ft-ebruar  176«. 

2öill  id)  benn  nun  aber  barmt  fagen,  bafj  fein  granjofc 
fäl)ig  fei,  ein  mirflidj  rütjrenbes  tragifd)e§  SEBerf  gu  madjen? 
bafe  ber  iwlatile  ©eift  ber  Nation  einer  folgen  Sirbett  ntdjt 
gemadjfen  fei?  —  gdj  mürbe  mid)  fd)ämen,   menn  mir  ba§ 


*)  (Cibber's  Llves  of  the  Poets  of  G.  B.  and  Ir.  Vol.  II.  p  78.  79.)  — 
Some  have  insinuated,  that  fine  scenes  proved  the  min  of  acting.  —  In 
the  reign  of  Charles  I.  there  was  nothing  more  than  a  curtain  of  very 
coarse  stuff,  upon  the  drawing  up  of  which,  the  stage  appeared  either  with 
bare  walls  on  the  sides,  coarsly  matted,  or  covered  with  tapestry;  so  that 
for  the  place  originally  represented ,  and  all  the  successive  changes,  in 
which  the  poets  of  those  times  freely  indulged  themselves ,  there  was 
nothing  to  help  the  spectator's  understanding,  or  to  assist  the  actor's  Per- 
formance, but  bare  imagination.  —  The  spirit  and  .judgement  of  the  actors 
supplied  all  cleficiencies ,  and  made  as  some  wonld  insinnate,  plays  more 
intelligible  without  scenes,  than  they  afterwards  were  with  them. 

[(Gibberl  Sehen  ber  2)id)ter  ©rofjbrttanuienl  unb  SttanbS.)  —  (Sinige  gaben 
ju  öerfterjen ,  jd)öne  ßuliffen  feien  ein  SßeWeis  für  ben  iRuin  ber  Sdjaufpietfunft. 
—  Unter  ber  {Regierung  ßarlc-  I.  gab  e§  nid)t»  anberel  al§  einen  Vorhang  Don  feljr 
grobem  Stoffe,  bei  beffen  Erhebung  bie  Sühne  entWeber  bürftige,  mit  rauben  statten 
üerfehene  Seitenwänbe  3eigte  ober  mit  Seppidjcn  bedangen  war;  fo  baß  für  bie  ur= 
fprünglidje'  £erridbtung  be*  SRaumel  unb  alle  ipäteren  SIenberungeu ,  in  benen  fid) 
bie  ®id)ter  biefer  3eiten  i°  S^ofje  Freiheiten  erlaubten,  nicht-:-  ba  mar,  bem  S5et= 
ftänbniffe  bes  3ufd)auer§  nadjjuhetfen  ober  bie  2)anteflung  bei  <Sd)aufpieter§  ju 
unterftütjen,  al§  bie  bfofje  SSorfteQung.  —  ©er  ©eift  unb  ba§  Urteil  ber  «Sdbaufpieler 
ergänzte  alle  Mängel  unb  machte,  wie  einige  annehmen  wollten ,  Schaufpiele  ohne 
Sulifjen  öerftänblidfjer,  als  fie  nachher  mit  benfelben  waren.    3  immer  mann.] 


124  ^antßurgtfdfje  Dramaturgie. 

nur  eingenommen  märe.  2)eutfd)lanb  Ijat  ftdj  nod)  bttrdj  feinen 
Soufjourä  läd)erlid)  gemalt.  Unb  id)  für  mein  £eil  l)ätte 
nun  gleich  bie  menigfte  Anlage  ba^u.  2)emt  td)  bin  feljr 
überzeugt,  baß  fein  Sßotf  in  ber  SBelt  irgenb  eine  ®ahe  beS 
©eifteS  oorgüglid)  t>or  anbern  SSölfern  erhalten  Ijabe.  5Jfan 
fagt  jinar'  ber  tieffinnige  ©nglanber,  ber  mitjtge  granjoje. 
Slber  roer  Ijat  benn  bie  Teilung  gemadjt?  SDie  Statur  gerotß 
nid)t,  bie  alles  unter  alte  gleid)  »erteilt.  @s  gi6t  eben  fo 
oiel  nrit&tge  (Snglänber  als  mitjige  gran^ofen,  unb  eben  fo 
oiel  tieffinnige  grausen  als  tieffinnige  ©nglänber;  ber  $3raß 
oon  bem  Sßolfe  aber  ift  feinS  oon  beiben.  — 

2öaS  null  id)  benn?  3$  roitt  bloß  fagen,  roaS  bie  gratis 
gofen  gar  rool)l  fyaben  fönnten,  baß  fte  baS  nod)  ntd)t  fyaben : 
bie  mafyre  ^Lragöbie.  Unb  marum  nod)  ntdjt  fjaben?  —  SDa^u 
l)ätte  ftd)  ber  §err  oon  SSoltaire  felbft  beffer  fennen  muffen, 
tnemt  er  eS  r)ätte  treffen  raollen. 

3$  meine,  fte  Ijaben  eS  nod;  nicrjt,  meil  fte  eS  fcfjon 
lange  gehabt  $u  ^aben  glauben.  Unb  in  biefem  ©lauben 
werben  fte  nun  freiließ  burd)  etroaS  beftärft,  baS  fte  oorjüg; 
lid)  t»or  allen  Golfern  Ijaben;  aber  eS  ift  feine  (&abt  ber 
9tatur:  burd)  il)re  @itelfeit. 

@S  geljt  mit  ben  Nationen  mte  mit  einzeln  sJftenfdjen. 
—  ©ottfdjeb  (man  roirb  leidjt  begreifen,  mie  tei)  eben  t)ter 
auf  biefen  falle)  galt  in  feiner  Qugenb  für  einen  ®id)ter, 
meil  man  bamalS  ben  23erSmad)er  oon  bem  £)id)ter  nod)  ntctjt 
3U  unterfd)eiben  raupte.  s^l)ilofopl)ie  unb  ^ritif  festen  nad) 
unb  nad)  biefen  Unterfcljieb  inS  §elle;  unb  menn  ©ottfcfjeb 
mit  bem  Qarjrljunbert  nur  fyätte  fortgeben  motten,  menn  ftd) 
feine  @tnfid)ten  unb  fein  ®efd)mad  nur  gugletct)  mit  ben  @tn= 
ftdjten  unb  bem  ©efclmtade  feines  Zeitalters  l)ätten  oerbreiten 
unb  läutern  motlen,  fo  t)ätte  er  oielteid)t  mirflid)  aus  bem 
SSerSmadjer  ein  SDidjter  raerben  fönnen.  Slber  ba  er  fiel)  fd)on 
fo  oft  ben  größten  3)id)ter  fjatte  nennen  Ijören,  ba  ifm  feine 
©itelfeit  überrebet  Ijatte,  baß  er  eS  fei,  fo  unterblieb  jenes. 
@r  fonnte  unmöglid)  erlangen,  maS  er  fd)on  gu  beftt^en  glaubte; 
unb  je  älter  er  roarb,  befto  l)artnädiger  unb  unoerfd)ämter 
raarb  er,  ftd)  in  biefem  träumerifdjen  33eft^e  ^u  behaupten. 

©erabe  fo,  bünft  ntid),  ift  es  ben  gran^ofen  ergangen, 
föaum  riß  (Sorneille  iljr  £ljeater  ein  toenig  aus  ber  ^Barbarei: 
fo  glaubten  fte  eS  ber  3Sollfommenl)ett  fdjott  ganj  nal)e. 
Racine  fd)ien  il)nen  bie  leiste  §anb  angelegt  31t  fyaben;  unb 
l)ierauf  mar  gar  ntcfyt  meljr  bie  grage  (bie  eS  jmar  awd)  nie 


GimmbadjttfgfleS  <Stücf.  125 

gemefen),  ob  ber  tragifdje  $)id)ter  nidf)t  nodj  patl)etifd)er,  nodj 
rüljrenber  fein  fö'nne,  a(§  (Sorneille  unb  Racine,  fonbem 
biefes  warb  für  unmögltdj  angenommen,  unb  alte  SBeeiferung 
ber  nadjfolgenben  £id/ter  mufjte  fid)  barauf  einfd&ränfen,  bem 
einen  ober  bem  anbern  fo  äljnlid)  gu  werben  al3  möglid). 
§unbert  $al)xe  Ijaben  fte  fid)  felbft,  unb  gum  Xeil  if;rc  dtad;- 
barn  mit,  Untergängen;  nun  fomme  einer  unb  fage  tljnen 
bas  unb  fjbre,  ma§  fte  antworten! 

SSon  beiben  aber  tft  e§  Sorneitte,  meldjer  ben  meiften 
Sdjaben  geftiftet  unb  auf  iljre  tragifd>en  SHdjter  ben  oer= 
berblid)ften  ©influfj  gefjabt  fyxt  3)enn  Racine  l)at  nur  burd) 
feine  -ftufter  uerfüljrt,  (Someifle  aber  burd)  feine  sJJtufter  uno 
SeFjren  gugleid). 

SMefe  lettfern  bejonberS,  von  ber  gangen  Nation  (bis 
auf  einen  ober  groet  gebauten,  einen  §ebelin,  einen  2)acier, 
bie  aber  oft  felbft  nidjt  mußten,  roas  fte  wollten),  al3  Drafel= 
fprücr}e  angenommen,  oon  allen  nad)fjerigen  3)tdjtenr  befolgt, 
t)aben,  —  id)  getraue  mid),  es  Btüd  oor  <Bti\d  gu  beioeifen, 
—  nidjtg  anberg  aU  bas  laufte,  toäfjrigfte,  untragifdjfte 
3eug  bcroorbringen  tonnen. 

&ie  Regeln  beö  2IriftoteIe§  finb  alle  auf  bie  [jödjfte 
Söirfung  ber  ^ragöbie  fatfuliert.  2Ba§  mad)t  aber  ßornetfle 
bamit?  @r  trägt  fte  falfd)  unb  fdjielenb  genug  oor;  unb  meil 
er  fie  bod)  nod)  oiel  gu  ftrenge  finbet,  fo  fudjt  er  bei  einer 
nad)  ber  anbern  quelque  moderation ,  quelque  favorable 
interpretation,  entlräftet  unb  oerftümmelt,  beutelt  unb  oer= 
eitelt  eine  jebe,  —  unb  marum?  pour  n'etre  pas  obliges 
de  condamner  beaucoup  de  poemes  que  nous  avons  vü 
reussir  sur  nos  theätres ;  um  nid)t  oiele  ©ebidjte  oerwerfen 
gu  bürfen,  bie  auf  unfern  Dülmen  Beifall  gefunben.  Ginc 
fd)öne  ltrfad^e ! 

Qd)  null  bie  §auptpunlte  gefd)roinb  berühren.  Ginige 
baoon  l)abe  id;  fd)on  berührt;  tdj  mu$  fie  aber  bes  3ufammens 
Ijangeö  raegen  mieberum  mitnehmen. 

1.  3trtftotele3  fagt:  bie  ^ragöbie  fotl  9Jlitleib  unb 
gttrdjt  erregen.  —  Corneille  fagt:  0  ja,  aber  mie  e§  fömmt; 
beibes  gugleid)  ift  eben  nid)t  immer  nötig ;  mir  finb  and)  mit 
einem  gufrieben;  i^t  einmal  9Jtitleib  olme  3urd)t,  ein  anbete 
mal  gurdjt  olme  slftttleib.  2)enn  100  blieb'  id),  id),  ber  grofje 
ßorneiHe,  fonft  mit  meinem  9tobrigue  unb  meiner  (Sfn'mene? 
S)ie  guten  Slinber  erroeden  9ftitleib,  unb  fet)r  grofeeö  9Jiit= 
leib,    aber    gurdjt    mol)l    fdjmerlid).      Unb    mieberum:    100 


126  §amburgtfd)e  Dramaturgie. 

blieb1  id)  fonft  mit  meiner  Cleopatra,  mit  meinem  $rufta§, 
mit  meinem  $r)ofa§?  2ßer  lann  üJittleib  mit  biefen  9tid)t3= 
mürbigen  fyaben?  2Jber  gurdjt  erregen  fie  bocfj.  —  ©o  glaubte 
(Eorneide,  unb  bie  grangofen  glaubten  e3  ilnn  nadj. 

2.  Slriftoteleä  fagt:  bie  STragöbie  foH  9ttitleib  unb 
%md)t  erregen;  beibe§,  r>erftel)t  fid),  burdj  eine  unb  eben  bie= 
felbe  $erfon.  —  (Sorneille  fagt:  menn  e§  ftd)  fo  trifft,  redjt 
gut.  2lber  abfolut  notmenbig  ift  e§  eben  md)t;  unb  man 
fann  fid)  gar  mol)l  aucrj  oerfd)iebener  ^erfonen  bebienen,  biefe 
groet  ©mpfinbungen  Ijerüorgubringen,  fo  mte  id)  in  meiner 
S^obogune  getrau  rjabe.  —  £)a§  Ijat  ßorneille  getljan,  unb 
bie  grangofen  tr)un  e§  iljm  nad). 

3.  2lriftotele§  fagt:  burcf)  ba§  5Diitleib  unb  bie  gurdjt, 
meiere  bie  iragöbie  erroedt,  foß  unfer  5Ritleib  unb  unfere 
gurdjt,  unb  mag  biefen  anhängig,  gereiniget  merben.  —  (5or= 
neille  metfs  baoon  gar  nid)t3  unb  bilbet  fid)  ein,  2lriftotele§ 
fyabe  fagen  roollen:  bie  SDragöbie  ermede  unfer  s]Dtttleib,  um 
unfere  §urd)t  gu  erroeefen,  um  burd)  biefe  gurdjt  bie  Seibens 
fdjaften  in  uns>  gu  reinigen,  burd)  bie  fid;  ber  bemitleibete 
©egenftanb  fein  Unglüd  gugegogen.  Qdj  raill  non  bem  2Serte 
biefer  2lbftd)t  nid)t  fpredjen;  genug,  bafj  e§  nxd)t  bie  2lrifto= 
telifdje  ift  unb  bafj,  ba  (SorneilTe  feinen  ^ragöbien  eine  gang 
anbere  2l6fidjjt  gab,  audj  notmenbig  feine  Xragöbien  felbft 
gang  anbere  2ßerfe  merben  mußten,  al§  bie  maren,  r»on 
roeldjen  2lriftotele§  feine  2lbfid)t  abftraljiert  Ijatte;  e§  mußten 
S£ragöbien  merben,  meldjeä  feine  mafyre  ^ragöbien  maren. 
Unb  ba§  finb  ntdjt  allein  feine,  fonbern  äße  frangöfifdjen 
^ragöbien  geworben,  meil  it)re  33erfaffer  alle  ntd)t  bie  2lb= 
fierjt  be§  2lriftotele§ ,  fonbern  bie  2lbfid)t  beg  (Sorneille  fid) 
Dorfeisten.  Qdjj  i)ahe  fdjon  gefagt,  bafc  tarier  beibe  2lbfid)ten 
moßte  oerbunben  miffen;  aber  aud)  burd^  biefe  blofte  23er= 
binbung  rcirb  bie  erftere  gefcljtüädjt,  unb  bie  ^ragöbie  mufe 
unter  iljrer  r)Öd)ften  2öir!ung  bleiben.  £)agu  Ijatte  2)acier, 
roie  id)  gegeigt,  Don  ber  erftern  nur  einen  feljr  unoollftcmbigen 
Segriff,  unb  e§  mar  lein  Söunber,  menn  er  ftd)  balier  ein= 
bilbete,  bafe  bie  frangöftfd)en  ^ragöbien  feiner  3e^  nodj  eljer 
bie  erfte  aU  bie  gmeite  Slbficfjt  erreidjten.  „Unfere  ^ragöbte," 
fagt  er,  „ift  gufolge  jener  nod)  fo  giemlicf)  glüdlid),  tftitleib 
unb  gurd)t  gu  ermeden  unb  gu  reinigen.  2lber  biefe  gelingt 
if)r  nur  fet)r  feiten,  bie  bodj  gleidjraoljl  bie  mistigere  ift,  unb 
fie  reiniget  bie  übrigen  Seibenfdpften  nur  fefjr  menig,  ober, 
ba  fie  gemeiniglid)  nid)tS  al0  SiebeSintriguen  enthält,  menn 


3roemnbad)ttfafte3  ©tücf.  127 

fie  ja  eine  baoon  reinigte,  fo  mürbe  e3  einzig  unb  allein  bie 
Siebe  fein,  roorau§  benn  Kar  erhellet,  bafe  tfjr  9htfcen  nur  feljr 
flein  ift."*)  ©erabe  umgefel)rt!  @S  gibt  nod)  eljer  frans 
göfifd)c  Slragöbien,  meldje  ber  jmeiten,  al3  meiere  ber  erften 
2t6fid$t  ein  ©enüge  leiften.  Sdj  fenne  oerfdjiebene  fran« 
göftfd^e  <5tüde,  reelle  bie  unglücf liefen  folgen  irgenb  einer 
Seibenfdjaft  rect)t  mofjl  in§  Sid)t  fe£en,  au§  benen  man  oiele 
gute  Seljren,  biefe  £eibenfd)aft  betreffend  jjtefjen  lann;  aber 
id)  leime  feines,  roelcbef  mein  9JJitleib  in  bem  ©rabe  erregte, 
in  meinem  bie  SCragöiie  es>  erregen  foflte,  in  meinem  id) 
au3  oerfdjiebenen  griedjifdjen  unb  englifdjen  Stüden  geroife 
rceife,  ba%  fie  e§  erregen  lann.  $erfd)iebene  frangöfifd^e 
^ragöbien  finb  feEjr  feine,  fet}r  unterridjtenbe  2öerfe,  bie  id) 
alles  SobeS  roert  fjalte;  nur  baft  e3  feine  ^ragöbten  finb. 
®ie  SBerfafjer  berfelben  lonnten  nidjt  anberg,  a(§  ferjr  gute 
^öpfefein;  fie  oerbienen  §um  ^eil  unter  ben  £)id)tern  leinen 
geringen  Drang :  nur  bafe  fie  leine  tragifdje  2)td)ter  finb ;  nur 
bafj  irjr  Corneille  unb  Racine,  tt)r  (Srebttton  unb  SSottaire 
t)on  bem  roenig  ober  gar  nid)t§  fyaben,  ma3  ben  ©opljolleg 
jum  (5opl)olle§,  ben  @uriptbe§  §um  (Suripibeö,  ben  ©ljale= 
fpeare  jum  ©fjafefpeare  madjt.  3)iefe  finb  feiten  mit  ben 
mefentlid)en  goberungen  be3  2trtftoteIe§  im  SBiberfprucr) ; 
aber  jene  befto  öfterer.    2)enn  nur  meiter  — 


gttwunbaajtjtgjte0  gtüifc. 

S)en  12.  Februar  1768. 

4.  9Triftotele§  fagt:  man  mufc  feinen  gang  guten  9J?ann 
ofjne  alle  fein  33erfd)ülben  in  ber  äragöbie  unglüdlid)  merben 
laffen;  benn  fo  mag  fei  gräfelidj.  —  ,,©an§  red^t,"  fagt  ßor? 
neide,  „ein  foldjer  2lu3gang  erroedt  mef)r  Unwillen  unb  §af$ 
gegen  ben,  melier  ba§  Seiben  oerurfadjt,  als  9Jfttleib  für 
ben,  roeldjen  es  trifft.  Sene  ©mpfinbung  alfo,  meiere  nidjt 
bie  eigentliche  Sßirfung  ber  Stragöbte  fein  folT,  mürbe,  wenn 
fie  nid)t  fet)r  fein  befjanbelt  märe,  biefe  erftiden,   bie  bod) 


•)  (Poet.  d'Arist.  Chap.  VI.  Rem.  8.)  Notre  Tragedie  peut  reussir  assez 
dans  la  premiere  partie,  c'est-ä-dire,  qu'elle  peut  exciter  et  purger  la 
teri-eur  et  la  compassion.  Mals  eile  parvient  rarement  ä  la  derniere,  qui 
est  pourtant  la  plus  utile,  eUe  purge  peu  les  autres  passions,  ou  comme 
eile  roule  ordinairement  sur  des  intrigues  d'amour,  si  eile  en  purgeoit 
quelqu'une,  ce  seroit  ceUe-lä-seule,  et  par  lä  il  est  aise  de  volr  qu'elle  ne 
fait  que  peu  de  fruit. 


128  ftamtnmttfdje  Dramaturgie. 

eigentlich  ljeroorgebrad)t  werben  follte.  3)er  gufd&auer  roürbe 
mifeüergnügt  weggeben,  weil  fid)  allgu  oiel  3om  mit  bem 
9)iitleiben  oermifdjt,  roelc^eg  iljtn  gefallen  l)ätte,  wenn  er  e§ 
allein  mit  roegnef)men  fönnen."  —  „216er,"  —  lömmt  Corneille 
Ijtntennad);  benn  mit  einem  2Iber  mufj  er  nad)fommen,  — 
„aber  roenn  biefe  Urfacr)e  roegfällt,  menn  eg  ber  ^Dict)ter  fo 
eingerichtet,  bafe  ber  Stugenbljafte,  melier  leibet,  meljr  DJfttleib 
für  fid)  alg  2öiberroillen  gegen  ben  erroedt,  ber  tf>n  leiben 
läfet,  algbenn?"  —  „D,  algbenn,"  fa^gt  (Corneille,  „Ijalte  idj 
bafür,  barf  man  fid)  gar  lein  SBebenfen  machen,  and)  ben  tugenb= 
Ijaftefteu  Wann  auf  bem  Sweater  im  Unglüde  gu  geigen/'*) 
-—  Qd)  Segreife  ntdjt,  roie  man  gegen  einen  $l)ilofopl)en  fo 
in  ben  STag  I)tnetnfd)roa£en  !ann ;  rote  man  fid)  bas  2htfel)en 
geben  fann,  i()n  gu  oerftefyen,  inbem  man  tfjn  SDinge  fagen 
läfjt,  an  bte  er  nie  gebaut  ijat.  „£)a3  gängltd)  unoerfdmlbete 
Unglüd  eines  redjtfdjaffenen  -BtatteS,"  fagt  2triftotele§,  „ift 
lein  (Stoff  für  ba§  £rauerfpiel;  benn  e3  ift  gräfclid)."  2Iu§ 
biefem  SDenu,  au§  biefer  Urfadje,  mandjt  Corneille  ein  Snfo- 
fern,  eine  blo^e  SSebingung,  unter  roeld)er  e§  tragtfdj  gu  fein 
aufhört.  2lriftote(eS  fagt:  „@g  ift  burdjauS  gräfelidj  unb  eben 
baljer  untragifd)."  (Sorneille  aber  fagt:  „@3  ift  untragifd), 
tnfofern  eg  gräfjlid)  ift."  3)iefe€.  ©räfeltdje  finbet  2lriftotele§ 
in  biefer  2Xrt  be§  UnglüdeS  felbft;  Gornetlle  aber  fetjt  e§  in 
ben  Unroillen,  ben  e§  gegen  ben  Urheber  beöfelben  oerurfad)t. 
@r  ftefyt  nid)t  ober  roill  nid)t  feljen,  baj$  jene§  ©räfclidje  gang 
etwa$  anberS  ift  al§  biefer  Unroilte;  ba|,  roenn  aud)  biefer 
gang  roegfällt,  jene§  bod)  nod)  in  feinem  »ollen  9Jtoj$e  oor= 
Ijanben  fein  lann:  genug,  baft  norg  erfte  mit  biefem  Quid 
pro  quo  oerfdjtebene  oon  feinen  ©tüden  geredjtfertiget  fdjeinen, 
bie  er  fo  roenig  roiber  bte  Regeln  be§  2lriftoteleg  roill  gemacht 
Ijaben,  baß  er  oielmefyr  nermeffen  genug  ift,  fiel)  etngubtlben, 
e§  §abe  bem  2lriftotele3  blofe  an  bergleidjen  ©tüden  gefehlt, 
um  feine  Sebre  barnadj  nöljer  eingufdjräulen  unb  t>erfc|iebene 
9)tanieren  barau§  gu  abftraljieren,  rote  bem  ungeadjtet  ba§ 
Unglüd  beä  gang  recl)tfcl)affenen  9Jiannes>  ein  tragifeljer  ©egen= 
ftanb  roerben  lonue.  En  voiei,  fagt  er,  deux  ou  trois 
manieres,  que  peut-etre  Aristote  n'a  sü  prevoir,  parce 
qu'on  n'en  voyoit  pas  d'exemples  sur  les  theätres  de  son 
tems.    Unb  oon  roem  ftnb  biefe  (Stempel?  üBou  roem  anberä 


*)  J'estime  qu'il  ne   faut   point   faire   de  difficulte  d'exposer  sur  la 
scene  des  homnies  tres-vertueux. 


ftroeiunbncßttfgfieS  Stüdf.  120 

als  oon  tfym  felbft?  Unb  meldjeo  finb  jene  aroet  ober  brei 
•Dtonieren?  2ött  wollen  gefduüinb  fefyen.  —  „£ie  erfte,"  fagt 
er,  „ift,  wenn  ein  fcl)v  Xugenbrjafter  bitvd)  einen  fefjr  £aftev= 
Ijaften  nerfolgt  wirb,  ber  ©efafjr  aber  entfümmt,  unb  fo,  baf$ 
ber  Safterljafte  ftd)  felbft  barin  oerftridet,  mie  e§  in  ber  sJto; 
bogune  unb  im  §erafliu§  gefd)ief)t,  roo  e3  gang  unerträglich 
mürbe  geroefen  fein,  wenn  in  bem  erften  ©tücfe  2Intiod;uö 
unb  SRoboguue  unb  in  bem  anbern  $erailiuö,  $uldjeria  unb 
ÜJtortian  umgefommen  mären,  Cleopatra  unb  s^()ofag  aber 
triumphieret  Ijätten.  £>a§  Unglücf  ber  erftern  erroecft  ein 
^itleib,  raeldjeS  burd)  ben  9lbfdjeu,  ben  mir  miber  iljre  3Ser= 
folger  Ijaben,  nidrjt  erftid't  nrirb,  meil  man  beftänbig  l)offt, 
bafe  fid)  irgenb  ein  glucflidjer  3ufa^  ereignen  merbe,  ber  fie 
nid)t  unterliegen  laffe."  S)a§  mag  ßorneille  fonft  jemanben 
roeismadjen,  baß  2(riftotele§  biefe  Lanier  nidjt  gelannt  fjabe ! 
(Er  f)at  fie  fo  morjl  gefannt,  baß  er  fie,  roo  nid)t  gänjlidj  uer= 
morfen,  roenigftcn§  mit  ausbrücflidjen  SSorten  für  angemeffcner 
ber  ^omöbie  al§  Sragöbie  erflärt  Fjat.  -Jöie  mar  ei  möglidj, 
baß  Corneille  biefeS  nergeffen  fjatte?  Slber  fo  geljt  e§  allen, 
bie  im  oorau§  iljre  2ad)e  51t  ber  Sadje  ber  3Sat)rt)ett  madjen. 
3m  ©runbe  gehört  biefe  Lanier  aud)  gar  nicfjt  311  bem  uor= 
rjabenben  gaffe.  2)enn  nadj  iljrnnrb  ber  ^ugenbljafte  nidjt 
unglüdlid),  fonbern  befinbet  fid)  nur  auf  bem  SÖBege  jum  Um 
glüde,  roeldjeS  gar  mol)l  mitleibige  SSeforgniffe  für  if;n  erregen 
lann,  oljne  gräßlid)  511  fein.  —  9tun  bie  groeite  Lanier! 
f,5tucr)  !anu  e§  ftct)  gutragen,"  fagt  ßorneiffe,  „baß  ein  fefjr 
tugenbljafter  9Jlann  »erfolgt  roirb  unb  auf  93efef)t  eines 
anbern  umfömmt,  ber  nidjt  tafterfjaft  genug  ift,  unfern  Um 
miffen  allgu  fer)r  gu  oerbienen,  inbem  er  in  ber  Verfolgung, 
bie  er  miber  ben  SCugenbrjaften  betreibt,  me§r  (Sd)U)ad)f)ett 
al§  33ost)eit  geigt.  2Öenn  getir,  feinen  (Eibam  s$olneuft  um= 
fommen  läßt,  fo  ift  es>  nidjt  auö  mütenbem  (Sifer  gegen  bie 
Gfjriften,  ber  if)n  unö  t>erabfdjeuung§roürbig  machen  mürbe, 
fonbern  bloß  au§  lried)enber  g-urdjtfamfeit,  bie  fid)  nid)t  ge= 
trauet,  itjn  in  ©egenroart  bes  Seoerug  «t  retten,  uor  befjen 
§affe  unb  9^ad)e  er  in  Sorgen  fielet.  Wlan  faffet  alfo  mol)l 
einigen  Unmiffen  gegen  i()n  unb  mißbilliget  fein  Verfahren; 
bod)  überwiegt  biefer  Unmiffe  nid)t  ba§  -DJcttfeib,  meldjeg  mir 
für  ben  ^olneuft  empfinben,  unb  uerljinbert  aud)  nid)t,  baß 
irm  feine  munberbare  SBefeljruug  gum  Sd/luffe  be§  6tüc!§ 
nid)t  uöffig  mieber  mit  ben  guljörern  au§föl)nen  foffte." 
Sragifdje  Stümper,  benfe  id;,  ^at  e§  mol)l  31t  äffen  3e^en/ 

2ejjing,  Söerfc.    XII.  9 


130  .§aml)urgifd£)e  Dramaturgie. 

unb  felbft  in  Sitten  genebelt.  SBarum  follte  e3  alfo  beut 
2lriftotele3  an  einem  Binde  oon  äfjnlidjer  Einrichtung  gefehlt 
Ijaben,  um  barau§  eben  fo  erleuchtet  ^u  merben  af§  Corneille? 
hoffen!  3Me  furd)tfamen,  fctjmanfen,  unentfdjloffenen  Gl)a= 
rattere,  tute  Selij,  finb  in  bergletcr)en  fetücfen  ein  geiler  merjr 
unb  machen  fie  nodj)  obeubarein  tl)rerfeit§  falt  unb  efet,  oljne 
fie  auf  ber  anbern  <Beite  im  geringsten  weniger  gräftlid)  gu 
machen,  &enn,  mie  gefagt,  ba§  ©räjjltdje  liegt  nidjt  in  bem 
Unwillen  ober  Stbfdjeu,  ben  fie  erroeden,  fonbern  in  bem 
Unglüde  felbft,  ba§  jene  unoerfdwlbet  trifft;  baS  fie  einmal 
fo  unoerfdmlbet  trifft  al3  bag  anbere,  iljre  Verfolger  mögen 
böfe  ober  fdnoad)  fein,  mögen  mit  ober  oljne  SSorfatj  iljnen  fo 
l)avt  fallen.  3)er  ©ebanle  ift  an  unb  für  fiel)  felbft  gräfelicj), 
baß  e3  9[ftenfd)en  geben  fann,  bie  oljne  alle  il)r  3Serf Bulben 
ungtüdlid)  finb.  3)ie  §eiben  Ijätten  biefen  gräfjlid&en  ©ebanfen 
fo  weit  oon  fid)  51t  entfernen  gefudjt  als  möglich,  unb  mir 
mollten  tljn  nähren?  mir  wollten  un§  an  (Sd)aufpieten  oer= 
gnügen,  bie  iljn  beftätigen?  mir,  bie  Religion  unb  Vernunft 
überzeuget  Ijaben  follte,  ha^,  er  eben  fo  unridjtig  al§  gotte§= 
täftertid)  ift?  —  $>a§  nämlidje  mürbe  fidjcrltd)  aud)  gegen  bie 
britte  Lanier  gelten,  menn  fie  Corneille  nidjt  felbft  nätjer 
anzugeben  oergeffen  rjätte. 

5.  2ludj  gegen  ba§,  maZ  2Iriftotele3  oon  ber  Unfdjid= 
lid)!ett  eine§  gan^  Safterljaften  ^um  tragifdjen  gelben  fagt, 
al§  beffen  Unglüd  meber  9Jfttleib  nod)  $urd)t  erregen  tonne, 
bringt  Corneille  feine  Sanierungen  bei.  äftitleib  §mar,  geftel)t 
er  31t,  tonne  er  nidvt  erregen,  aber  gurdjt  allerbingg.  2)enn 
ob  ftd)  fd)on  feiner  oon  ben  3uWauern  ^er  Safter  besifelben 
fäljig  glaube  unb  folglich  aud)  beSfelben  ganzes  Unglüd  nidjt 
ju  befürchten  Ijabe :  fo  tonne  bod)  ein  jeber  irgenb  eine  jenen 
Saftern  äljnlid)e  Unoollfommenl)eit  bei  fid)  l)egen  unb  burd) 
bie  gurd)t  oor  ben  $roar  proportionierten,  aber  bod)  nod) 
immer  unglüdlidjen  folgen  berfelben  gegen  fie  auf  feiner  §ut 
ju  fein  lernen.  £)od)  biefe§  grünbet  fid)  auf  ben  falfcrjeu 
Segriff,  melden  Corneille  oon  ber  $urd)t  unb  oon  ber  9itv 
uigung  ber  in  ber  ^ragöbie  ju  erraedenben  Seibenfcrjaften 
l)atte,  unb  miberfpridjt  fid)  felbft.  3)enn  id)  fyahe  fdjon  ge= 
^eigt,  baft  bie  Erregung  be§  9Jtttleib£>  oon  ber  Erregung  ber 
§urd)t  ungertttennlidj  ift,  unb  bafe  ber  33öfemid)t,  menn  e§ 
möglid)  märe,  baft  er  unfere  $urd)t  erregen  tonne,  aud)  not= 
menbig  unfer  9ftitleib  erregen  müfjte.  S)a  er  aber  biefeS, 
mie  EomeiUe  felbft  gugefteijt,    nidjt  fann,   fo  tann  er  aud) 


S5reUmba<$t5tgfte§  ©tücf.  131 

jeneä  nidjt  unb  bleibt  gän^lid)  ungefdjn'cft,  bie  ^(bftd)t  ber 
^ragöbie  erreichen  31t  Reifen,  ga,  2lriftotele§  Ijält  tfm  fjierni 
nod)  für  ungefdjitfter  alg  ben  gan$  tugenbljaften  ÜJtonn;  beim 
er  will  auSbrücflidfj,  falls  man  ben  §elb  aug  bei  mittlem 
(Gattung  nid)t  (jaben  fönne,  bafj  man  iljn  efjer  beffer  alö 
fdjltmmer  mäl)len  folle.  2)ie  Urfadje  ift  flai;  ein  ^Jtenfd; 
fann  feljr  gut  fein,  unb  bodj  nod)  meljr  alö  eine  <Sd)mad)l)eit 
Haben,  mel)i  alö  einen  geljler  begeben,  woburd)  et  fid)  in  ein 
unabfeljlidjeg  Unglüd  ftürgt,  bag  ung  mit  9Jiitleib  unb  äßelp 
«tut  erfüllet,  olme  im  geiingften  gräftlid)  $u  fein,  meil  eg  bie 
natürliche  golge  feines  gef)Ierg  ift.  —  2£aS  S)u  53og*)  oon 
bem  föebraud)e  ber  lafterljaften  ^ßerfonen  in  ber  ^ragöbie 
fagt,  ift  bag  nid)t,  mag  Gorneille  mill.  2)u  33og  null  fie  nur 
gu  ben  Nebenrollen  erlauben;  bloft  gu  Sßerf^eugen,  bie  §aupt 
perfonen  meniger  fdjulbig  31t  machen;  blofe  ntr  Slbftedmng. 
(Sorneille  aber  will  bag  oorneljmfte  Qntereffe  auf  fie  berufen 
laffen,  fo  roie  in  ber  S^obogune;  unb  bag  ift  eg  eigentlidj, 
mag  mit  ber  2(bftd)t  ber  ^ragöbie  ftreitet,  unb  nidjt  jeneö. 
3)u  33o§  merfet  babei  auef)  fel)r  ridjtig  an,  baft  bag  Unglüd 
biefer  fubalternen  $8öfemid)ter  feinen  (Sinbrud  auf  ung  mad)e. 
„^aum,"  fagt  er,  „baf?  man  ben  %ob  beg  Narbig  im  Sri 
tannieug  bemerft."  216er  alfo  follte  fid)  ber  £)id)ter  aud)  fdjon 
begmegen  if)rer  fo  oiel  alg  möglieb,  enthalten.  SDenn  wenn 
it)r  Unglüd  bie  2lbfid)t  ber  ^ragöbie  nidjt  unmittelbar  be= 
förbert,  roenn  fie  blofte  §ilfgmittel  finb,  burdj  bie  fie  ber 
£)id)ter  befto  beffer  mit  anbern  perfonen  nt  erreidjen  fud)t: 
fo  ift  eg  unftreitig,  baft  bag  Stütf  nod)  beffer  fein  mürbe, 
wenn  eg  bie  nämlidje  -©irfung  oljne  fie  l)ätte.  ige  fimpler 
eine  9D?afd)ine  ift,  je  weniger  gebern  unb  SHäber  unb  ©ewid)te 
fie  Ijat,  befto  uollfommener  ift  fie. 


flrriun&ttdjtjigltes  $tütk. 

S)en  16.  Jebvuar  1768. 

6.  Unb  enbtid),  bie  ^Jaftbeutung  ber  erften  unb  wefent= 
lidjften  ©igenfdjaft,  welche  SIriftoteleS  für  bie  eitten  ber  tra= 
gifdjen  perfonen  fobert !  Sie  follen  gut  fein,  bie  Sitten.  — 
,,©ut?"  fagt  ßorneilfe.  „2öenn  gut  f)ier  fo  oiel  alg  tugenb^ 
ijaft  fyei^en  foll,  fo  wirb  eg  mit  ben  meiften  alten  unb  neuen 


*)  Reflexicms  er.  T.  I.  Sect.  XV. 


132  §am&urgtfdje  Dramaturgie. 

Sxagöbten  übel  ausfegen,  in  raeldjen  fd^ted^te  unb  lafterljafte, 
raenigfteng  mit  einer  Sdjraad)l)eit ,  bie  näcfyft  ber  ^ugenb  fo 
red)t  ntdjt  befielen  fantt,  behaftete  $erfonen  genug  oorfommen." 
33efonberg  ift  if)m  für  feine  Cleopatra  in  ber  Sftobogune  bange. 
2)te  ©üte,  raeldje  2lriftoteleg  fobert,  ratß  er  alfo  bttrdjauS 
für  feine  moraltfdje  ©üie  gelten  laffen;  eg  muß  eine  anbere 
2lrt  oon  ©üte  fein,  bie  fid)  mit  bem  moratifd)  Söfen  eben  fo 
raoljl  »erträgt  alg  mit  bem  moralifd)  ©uten.  ©leidnool)l 
meinet  Slriftoteleg  fd)led)terbingg  eine  moralifd)e  ©üte;  nur  ba{$ 
il)in  tugenbljafte  $erfonen,  unb  $erfonen,  raeldje  in  geraiffen 
Umftänben  tugenbljafte  (Bitten  geigen,  nid)t  einerlei  finb.  $urg, 
(Eorneille  oerbinbet  eine  gang  falfd)e  Sbee  mit  bem  Söorte 
Sitten,  unb  mag  bie  ^roärefig  ift,  burd)  raeldje  allein  nadj 
unferm  Sßeltraeifen  freie  §anblungen  gu  guten  ober  böfen 
Sitten  raerben,  Ijat  er  gar  nidjt  oerftanben.  3d)  ^ann  mi(§ 
i&t  nid)t  in  einen  raeitläuftigen  Söeraeig  einladen ;  er  lägt  fid) 
nur  burd)  ben  3ufammei4an9^  ^vixd)  bie  fnllogiftifd)e  golge 
alfer  Qbeen  beg  gried)ifd)en  Äunftrid)terg  einleudjtenb  genug 
führen.  Qd)  oerfpare  iljn  bafyer  auf  eine  anbere  Gelegenheit, 
ba  eg  bei  biefer  olmebem  nur  barauf  anfömmt,  gu  geigen, 
mag  für  einen  unglüdlidjen  2lugraeg  (Corneille  bei  33erfet)lung 
beg  richtigen  s2öegeg  ergriffen,  tiefer  Slugraeg  lief  bal)in: 
baf$  Slriftoteleg  unter  ber  ©üte  ber  Sitten  ben  glängenben 
unb  erhabnen  (Eljarafter  irgenb  einer  tugenbl)aften  ober  ftraf= 
baren  Neigung  oerftelje,  fo  rate  fie  ber  eingeführten  $erfon 
entraeber  eigentümlid)  gufomme  ober  il)r  fdjidlid)  beigeleget 
raerben  fönne :  le  caractere  brillant  et  eleve  d'une  habitude 
vertueuse  ou  criminelle,  selon  qu'elle  est  propre  et  con- 
venable  ä  la  personne  qu'on  introduit.  „Cleopatra  in 
ber  S^obogune,"  fagt  er,  „ift  anwerft  böfe;  ba  ift  lein  9Dtad)el= 
morb,  oor  bem  fie  fidj  fdjeue,  raenn  er  fie  nur  auf  bem  ^Ijrone 
gu  erhalten  nermag,  ben  fie  allem  in  ber  SBelt  oorgiefyt;  fo 
Ijeftig  ift  il)re  §errfd)fud)t.  Stber  alle  iljre  $erbre<$en  finb 
mit  einer  geroiffen  ©röfee  ber  Seele  oerbunbeu,  bie  fo  etraag 
(Mjabeueg  l)at,  baft  man,  inbem  man  il)re  §anblungeu  ner^ 
bammet,  bod)  bie  Duelle,  raorauS  fie  entfpringen,  beraunbern 
mufj.  Oben  biefeg  getraue  idj  mir  oon  bem  Sügner  gu  fagen. 
2)ag  Sügen  ift  unftreitig  eine  lafterljafte  3lngeraof)nl)eit;  allein 
Lorant  bringt  feine  Sügen  mit  einer  folgen  ©egenraart  beg 
©eifteg,  mit  fo  vieler  Sebljaftigfett  oor,  baft  biefe  ünooll= 
fommenljeit  iljm  orbentlid)  raol)l  lägt  unb  bie  3ujdjauer  3e; 
ftel)en  muffen,  bag  bie  (&abt,  fo  gu  lügen,   ein  Safter  fei, 


©rehmbad&tätgfteä  Stücf.  L38 

befjen  fein  Shtmmfopf  fäljig  ift."  —  ^afjrlidj,  einen  oer* 
berblidjern  (Einfalt  Ijätte  Corneille  nidjt  Ijaben  tonnen!  33e= 
folget  ifm  in  ber  2(usfül)rung,  nnb  e§  tfi  um  ade  SÖafjrljeit, 
um  alte  iEäufdjtmg,  um  allen  fittlidjen  §Ru$en  ber  j£raa,bbie 
getljan !  &enn  bie  Sugenb,  bie  immer  befdjeioeu  unb  einfältig 
ift,  roirb  burd)  jenen  glänjenbeu  (Sljjarafter  eitel  unb  vornan* 
h)d) ,  bas  Safter  aber  mit  einem  girnis  übergoaen,  ber  uns 
überaß  blenbet,  mir  mögen  eg  aug  einem  Öefidjtspunfte 
neljmen,  aug  roeldjem  mir  motten.  Slrorfyeit,  bloft  burd;  bie 
unglüdlid)en  folgen  non  bem  Safter  abjdjreden  wollen,  inbem 
man  bie  innere  .£)äfclid)feit  begfetben  oerbirgt!  S)ie  g°^Öen 
finb  anfällig,  unb  bie  ©rfaljrung  leljrt,  baft  fie  eben  fo  oft 
glüdlid)  alg  ungtüdlidj  fallen.  2)iefeg  begießt  fid)  auf  bie 
Reinigung  ber  Seibenfdjaften ,  rote  fie  ßorneille  fid)  badjte. 
SEBie  id)  mir  fie  oorftelle,  rote  fie  2(riftoteleg  gelehrt  l)at,  ift 
fie  oollenbö  nid)t  mit  jenem  trügeriferjen  ©lan^e  ju  oerbiuben. 
2)ie  faljdje  golie,  bie  fo  bem  Safter  untergelegt  roirb,  madjt, 
bajj  id)  ^ollfommenlieiten  erfenne,  roo  feine  finb ;  madjt,  baf$ 
id)  äNitteiben  Ijabe,  roo  id)  feines  [jaben  foltte.  —  Qroax  l)at 
fdjon  SDacier  biefer  (Mlärung  roiberf proben,  aber  aug  uns 
triftigem  ©rünben;  unb  eg  fel)(t  nidjt  oiel,  baf$  bie,  roeldje 
er  mit  bem  $ater  Se  33offu  bafür  annimmt,  nidjt  eben  fo 
nadjteilig  ift,  roenigfteng  ben  poetifdjen  SSoflfommenljeiten  beg 
Stüdg  eben  fo  nachteilig  roerben  fann.  @r  meint  nämlidj, 
„bie  Sitten  follen  gut  fein"  rjei^e  nicr)tä  meljr  als :  fie  fotfen 
gut  ausgebrüdt  fein,  qu'elles  soient  bien  marquees.  2)ag 
ift  allerbingg  eine  Siegel,  bie,  ridjtig  uerftanben,  an  ilrrer 
Stelle  aller  Slufmerfjamfeit  bes  bramatifd)en  2)idjters  roürbig 
ift.  2Iber  roenn  eg  bie  franjöfifc^en  Stifter  nur  nidjt  be= 
roiefen,  bafc  man  „gut  ausbrüden"  für  ftarf  ausbrüden 
genommen  fjätte.  DJian  l)at  ben  Sütsbrud  überlaben,  man 
Ijat  2)rud  auf  2)rud  gefegt,  big  aug  djaraftertfierten  ^erfonen 
perfonifierte  (Sfjaraftere,  aus  lafterfyaften  ober  tugenbtjaften 
ÜKenfdjen  fjagere  ©erippe  oon  Saftern  unb  Sugenben  ge= 
roorben  finb.  — 

§ier  roift  idj  bie  je  9JJaterie  abbrechen.  2öer  ifyr  geroadjfen 
ift,   mag  bie  Slnroenbung  auf    unfern  ^Ridjarb  felbft  madjen. 

l*om  §  er 30  g  2Dtid)el,  roetdjer  auf  ben  9cid)arb  folgte, 
braudje  idt)  rooljl  nidjtg  51t  jagen.  Stuf  roeldjem  ^fjeater  roirb 
er  nid)t  gefpielt,  unb  roer  Ijat  iljn  nidjt  gefeljen  ober  gelefen? 
Krüger  Ijat  inbeg  bag  roenigfte  -^evbienft  barum ;  benn  er  ift 
gan3    aug    einer   GrjäTjlung    in    ben    £3vemtjdjen    Beiträgen 


134  £mm6urgtftf)e  Dramaturgie. 

genommen.  Sie  Dielen  guten  fatirifdjen  3üßer  ^ie  er  enthält, 
gehören  jenem  SDidjter  jo  tute  ber  gan^e  Verfolg  ber  gabel. 
Krügern  gehört  nidjts  als  bie  bramatifdje  gorm.  Sodj  Ijat 
roirt'lidj  unfere  Sütjne  an  Krügern  tuel  verloren.  @r  (jattc 
Talent  311m  niebrtg  $omifdjen,  rote  feine  ^anbibaten  beroeifen. 
2ßo  er  aber  rüljrenb  unb  ebel  fein  null,  ift  er  froftig  unb 
affet'tiert.  §err  Soeroen  Ijat  feine  Sdjriften  gefammelt,  unter 
roeldjen  man  jebod)  Sie  ©eiftlidjen  auf  bem  Sanbe  oer= 
mifjt.  Siefeg  mar  ber  erfte  bramatijdje  SSerfudj,  melden 
Krüger  roagte,  als  er  nod)  auf  bem  ©rauen  Softer  in  ^Berlin 
ftttbierte. 

Sen  neununbüiergigften  Slbenb  (SonnerStagS,  ben  23. Qu= 
UuS)  roarb  baS  Suftfpiel  beS  §errn  oon  SSoltaire,  Sie  grau, 
bie  3iect)t  fyat,  gefpielt  unb  gum  Sefdjluffe  beS  S'Slffidjarb : 
Sft  er  oon  gamilte?*)  roieberljolt. 

„Sie  grau,  bie  SHcdjt  Ijat",  ift  eines  oon  ben  ©tüd'en, 
roeldje  ber  §err  oon  SSoltaire  für  fein  §auStl)eater  gemadjt 
(jat.  Safür  mar  eS  nun  aud)  gut  genug.  @S  ift  fdjon  1758 
51t  (Sarouge  gefpielt  roorben,  aber  nod)  nidjt  gu  $ariS,  fo  oiet 
tdj  roeifj.  üUicfyt  als  ob  fie  ba  feit  ber  $e\t  &uxe  fdjledjtern 
Stücfe  gefpielt  Ratten;  benn  bafür  Ijaben  bie  -DtarinS  unb 
£e  25retS  rooljt  geforgt.  ©onbern  roeil  —  id)  roeifj  felbft 
nidjt.  Senn  id;  roenigftenS  mödjte  bodj  nod)  lieber  einen 
großen  9Jtann  in  feinem  ©djlafrocfe  unb  feiner  3^ad)tmü^e 
alä  einen  (Stümper  in  feinem  geierfleibe  fefjen. 

(Sljarat'tere  unb  Qntereffe  Ijat  baS  Stüd  ntdjt,  aber  oer= 
fdjiebene  Situationen,  bie  fomifdj  genug  ftnb.  Qrvax  ift  au4 
baS  Slomifdje  aus  bem  allergemeinften  %atye,  ba  eS  fidr)  auf 
nidjtS  als  aufs  Qnfognito,  auf  ^Benennungen  unb  Wtfm^ 
ftänbniffe  grünbet.  Sodj  bie  Sadjer  ftnb  nidjt  efet,  am  roenigften 
roürben  es  unfre  beutfdjen  Sadjer  fein,  roenn  ilmen  baS  grembe 
ber  Sitten  unb  bie  elenbe  Ueberfe^ung  baS  mot  pour  rire 
nur  nidjt  meiftenS  fo  unoerftänblid)  madjte. 

Sen  fünfzigsten  Slbenb  (greitagS,  ben  24.  Julius)  roarb 
©reffetS  Sibnet)  roieberljolt.  Sen  S3efdjlufj  madjte:  Ser 
feljenbe  SSIinbe. 

StefeS  Heine  Stüd  ift  00m  Se  ©ranb  unb  aud)  nidjt 
oon  iljm.  Senn  er  [jat  Site!  unb  Sntrtgue  unb  alles  einem 
alten  ©iütfe  beS  be  SBroffe  abgeborgt.  (Sin  Offizier,  fd)on 
etroaS  bei  ^aljreu,  null  eine  junge  S&itroe  (jeiraten,  in  bie  er 


♦)  S.  ben  17.  9U>eub,  Seite  169. 


3Sterunbacf>t3igfte3  Stücf.  135 

oerliebt  ift ,  als  er  Drbre  betommt,  ftd;  51a  Slrmce  ni  oer= 
fügen,  (iv  oerläfjt  feine  SSerfprodjene  mit  ben  »eddfelfeitigen 
üBerjtdjjerungen  bev  aufridjtigften  oärtlidji'eit.  kaum  aber  ift 
er  weg,  fo  nimmt  bie  SSHime  bie  ^Aufwartungen  bes>  Sofyneo 
von  biefem  Offiziere  an.  SDie  Sodjter  beofetben  mad)t  fidj 
gletd&ergeftaft  bie  2lbmefenfjeit  iljreS  SBaterS  31t  nu$e  unb  nimmt 
einen  jungen  sDienfd)en,  ben  fie  liebt,  im  §auje  auf.  SDiefe 
hoppelte  Sntrigue  wirb  bem  SBater  gemelbet,  ber,  um  fidj 
jelbft  baoou  51t  überzeugen,  tfjnen  fdjreiben  läßt,  baJ5  er  fein 
©efidjt  oerloreu  Ijabe.  £)ie  £ift  gelingt;  er  fömmt  nrieber 
nadj  $ßari3,  unb  mit  §tlfe  eines  Soebienten,  bev  um  ben  s^e= 
trug  weife,  fiefjt  ev  alles,  ma$  in  feinem  öaufe  oorgeljt.  Ü)ie 
(rntwitflung  läßt  fidj  erraten;  ba  bev  Dffigier  an  bev  Um 
beftänbtgfeit  bev  5Bttroe  nidjt  länger  groeifeln  rann,  fo  evlaubt 
ev  feinem  'Solme,  fie  51t  betraten,  unb  ber  Sodjter  gibt  er  bie 
nämli<$e  (Erlaubnis,  fidj  mit  iljrem  beliebten  31t  uerbinben. 
SDie  ©genen  groif^en  ber  SQSitroe  unb  bem  ©ofjn  beS  Offiziers, 
in  ©egemoart  be§  legten,  jjaben  uiel  iiomifdjeS;  bie  2Öitroe 
oerfidjert,  baj5  iljr  ber  Zufall  beS  Offiziers  fetjr  nalje  gefye, 
baf$  fie  it)n  aber  barum  nid)t  weniger  liebe,  unb  jugleitf;  gibt 
fie  feinem  3of)n,  iljrem  Stebljaber,  einen  SfiBtnf  mit  ben  2(ugen, 
ober  bezeigt  iljm  fonft  if)ve  gävtlidjfeit  buvd)  ©ebävben.  ©aS 
ift  bev  Qnljalt  beS  alten  ©tüdfe  00m  be  Sroffe*)  unb  ift  aud) 
bev  ^tx^alt  mm  bem  neuen  (2tüd'e  beS  £e  (Svanb.  9lur  baß 
in  biefem  bie  ^nirigue  mit  bev  £od)ter  weggeblieben  ift,  um 
jene  fünf  Stfte  befto  leidjtev  in  einen  31t  bringen.  2lu3  bem 
SBater  ift  ein  Dnf'el  geworben,  unb  \va$  fonft  bergleidjen 
Keine  SSeränberungeti  meljr  finb.  @3  mag  enblidj  entftanben 
fein,  mie  es  will:  genug,  eS  gefällt  feljv.  2)ie  Uebevfetmug 
ift  in  SSerfen  unb  rüelleidjt  eine  oon  ben  beften,  bie  mir  Ijaben; 
fie  ift  menigftenS  feljr  flieftenb  unb  Ijat  oiele  bvollige  feilen. 


üicntttüatljtjiajies  gtüdu 

SDen  19.  g-ebvuar  1768. 

2)en  einunbfuuf^igfteu  2lbenb  (Montags,  ben  27.  §uKu§) 
mavb  £)ev  £ausuatev  beS  §errn  SMberot  aufgeführt. 

25a  biefeo  uortrefflierje  ©tücf,  roeldjeö  ben  grangofen  nur 
fo  fo  gefällt,  —  wenigfienS  Ijat  eS  mit  Wnify  unb  9iot  faum  ein 


*)  Hist.  du  Tb.  Fr.,  Tome  VII.  p.  22Ü. 


13G  ^amburgifaje  Dramaturgie. 

ober  groeimal  auf  bem  ^artfer  SUjeater  erfdjeineu  bürfeu,  — 
fid)  allem  älnfefyert  nad)  lange,  feljr  lange  —  unb  warum  nid)t 
immer?  —  auf  unfern  Dülmen  erhalten  rairb,  ba  eS  aud) 
l)ier  uidjt  oft  genug  toirb  tonnen  gefpielt  werben,  fo  Ijoffe  ia), 
9xaum  unb  Gelegenheit  genug  §u  Ijaben,  alles  auSguframen, 
mag  \d)  foraol)l  über  baS  Stüd  felbft,  als  über  baS  gan^e 
bramatifdje  ©tjftem  beS  23erfaffecS  oon  $tit  511  Se^  <*n= 
gemerlt  Ijabe. 

3d)  l)ole  re4)t  raeit  aus.  —  Sftidjt  erft  mit  bem  -Katar* 
lidjen  ©oljne  in  ben  beigefügten  Unterrebungen,  meldte  $u= 
fammen  im  Saljre  1757  jJerauSfamen,  Ijat  £)tberot  fein  9Jiift= 
oergnügen  mit  bem  Sweater  feiner  Nation  geäußert.  ^Bereits 
nerfdjiebne  $al)re  notier  lieg  er  es  fidt)  merfen,  bafe  er  bie 
l)ol)en  Segriffe  gar  nidjt  baoon  l)abe,  mit  melden  fid)  feine 
SanbSleute  täufdjen  unb  (Suropa  fid)  oon  ifynen  täufdjen  laffen. 
Slber  er  tl)at  es  in  einem  SSudje,  in  meinem  man  freilid;  ber= 
gleiten  2)inge  nid)t  fudjt:  in  einem  23ud)e,  in  welchem  bet 
perfiflierenbe  %on  fo  Ijerrfdjet,  ba^  ben  meiften  Sefern  aud) 
baS,  was  guter  gefunber  SSerftanb  barin  ift,  nichts  als  $offe 
unb  §öf)nerei  gu  fein  fdjeinet.  Dl)ne  Sroeifel  ^aiie  ®iberot 
feine  Urfadjen,  warum  er  mit  feiner  §er§enSmeimtng  lieber 
erft  in  einem  foldjen  33ucr)e  rjeroorfommen  wollte;  ein  fluger 
Timm  fagt  öfters  erft  mit  Sachen,  was  er  Ijernad)  im  ©rufte 
wieberljolen  mitl. 

SDiefeS  23ud)  Ijeifjt  Les  ßijoux  indiscrets,  unb  £)iberot 
mill  eS  itjt  burdjauS  nid^t  gefd)rieben  Ijaben.  Baratt  trjut 
SDiberot  aud)  ferjr  raol)l;  aber  bod)  l)at  er  eS  gefdjrieben  unb 
mujj  eS  gefdjrieben  Ijaben,  menn  er  nid)t  ein  $lagiariuS  fein 
mitl.  2lud)  ift  eS  geraig,  bog  nur  ein  fold)er  junger  SJtann 
biefeS  33ud)  fc^reiben  tonnte,  ber  fid)  einmal  fdjämen  mürbe, 
eS  gefdraieben  $u  Ijaben. 

@S  ift  eben  fo  gut,  raenn  bie  raenigften  non  meinen 
Sefern  biefeS  33ud)  fennen.  $d)  raitl  midj  aud)  raoljl  l)üten, 
eS  iljnen  raeiter  belannt  gu  madjen,  als  eS  Ijier  in  meinen 
^ram  bient. 

@in  ^aifer  —  raaS  raeig  id),  rao  unb  raeldjer?  —  l)atte 
mit  einem  geraiffen  magifdjen  Dringe  geraiffe  SUeiuobe  fo  oiel 
fjäglidjeS  3eug  fdjraaijeu  laffen,  ba'g  feine  gaooritin  burcfyauS 
nidjtS  mel)r  baoon  l)Ören  raotlte.  ©ie  fjätte  lieber  gar  mit 
iljrem  ganzen  ©efd)led)te  barüber  bredjen  mögen;  menigftenS 
natjm  fie  fid)  auf  bie  erfteu  oieqeljn  %age  oor,  it)ren  Umgang 
einzig  auf  beS  Sultans  9Diajeftät  unb  ein  paar  milbige  <Röpfe 


SienmbacfitnoTtcS  Stürf.  137 

einjufdjränfen.  £)iefe  waren  ©elim  unb  Dticcaric :  <2clim,  ein 
»Öofmann;  unb  SRtecarie,  ein  2Ritgfieb  bet  i'aiferlidjen  2(fabemie, 
ein  3ftann,  ber  baö  SUtertum  ftnbiert  f;atte  unb  ein  großer 
SBereljrer  beSfetben  mar,  bod)  oljnc  gebaut  §u  fein.  Wit  biefen 
unterhält  fidj  bie  ganoritin  ein§mat$,  unb  ba3  ©efprädj  faßt 
auf  ben  elenben  Son  ber  afabemifdjeu  hieben,  über  ben  fid; 
niemanb  meljr  ereifert  als  ber  3ultan  felbft,  weil  e3  ifm  uer= 
briejjt,  fid)  nur  immer  auf  Unf'ofteu  feines  SBaterS  unb  feiner 
SBorfaljren  barin  loben  ju  I;ören ,  unb  er  woljl  r»orau§fieI)t, 
baß  bie  Slfabemte  eben  fo  audj  feinen  Sftuljm  einmal  bem 
SRulmte  feiner  sJ?ad)folger  aufopfern  werbe,  ©elim,  als»  §of= 
mann,  mar  bem  Sultan  in  allem  beigefalleu,  unb  fo  fpinnt 
fidj  bie  Unterrebung  über  ba3  Sweater  an,  bie  iä)  meinen 
ßefern  Ijier  gang  mitteile. 

„3dj  glaube,  Sie  irren  fidj,  mein  §err,"  antwortete 
Dticcaric  bem  Selim.  „iDie  Sllabemie  ift  nod)  igt  baä  §eilig= 
tum  be§  guten  ©efdnnads» ,  unb  it)re  fdjönften  Sage  l)aben 
weber  Sßeltweife  nod)  2)id)ter  aufzuweiten,  benen  wir  nidjt 
anbere  au3  unferer  ^eit  entgegenfegen  tonnten.  Unfer  Sljeater 
warb  für  baö  erfte  ^r)eater  in  ganj  2lfrifa  gehalten  unb 
wirb  nod;  bafür  gehalten.  slöeld)  ein  SÖerf  ift  nid)t  ber 
Samerlan  be3  Surjgraplje !  @§  uerbinbet  ba3  ^atfjetifdje  beö 
ßurifope  mit  bem  ©rjjabnen  be§  2l§opf)e.  @3  ift  baö  Kare 
Altertum!" 

,,3d)  l)ct6e/'  fagte  bie  ganoritin,  „bie  erfte  SSorftellung 
be§  iamerlanS  gefeljeu  unb  gleichfalls  ben  gaben  be3  Stüd'S 
feljr  ridjtig  geführt,  ben  ^Dialog  fef)r  jierlidj  unb  ba3  %Uv 
ftänbige  fer)r  woljl  beobachtet  gefunben." 

„Söeldjer  ITnterfdjieb,  9Jtabame,"  unterbrad)  fie  9ticcartc, 
„gwifdjen  einem  Sßerfaffer  wie  Surigraplje,  ber  ftdj  burd)  Sefung 
ber  Sllten  genäljret,  unb  bem  größten  Seile  unfrer  feuern  \" 

„2fber  biefe  feuern,"  fagte  Selim,  „bie  Oie  fjier  fo 
wader  über  bie  klinge  fpringen  (äffen,  ftub  bodj  bei  weitem 
fo  oeräcfytlid;  nidjt,  al§  Sie  uorgeben.  Ober  wie?  finben  3ic 
fein  ©enie,  feine  (Srfinbung,  lein  geuer,  leine  (Sfjaraftere, 
feine  Sdjilberuugen ,  leine  Siraben  bei  il)nen?  2öa$  6efüm= 
mere  idj  mid)  um  Regeln,  wenn  man  mir  nur  Vergnügen 
madjt?  @3  finb  waljrtid)  nidjt  bie  53emerfungen  be3  weifen 
3llmubir  unb  bes  gelehrten  Slbbalbof,  nod)  bie  ©idjtfunft  beö 
fdjarfftnnigen  gacarbin,  bie  id)  alle  nid)t  gelefen  Ijabe,  wetdje 
eö  madjen,  baß  idj  bie  ©tüde  be§  Stboutcajem,  be3  9Jhtl)arbar, 
bes  3llbaboufre  unb   fo  uieter  anbren  3arajenen  bewuubre! 


188  ^amÖurgtfdje  Dramaturgie. 

©ibt  e§  beim  audj  eine  anbere  Stege!  alö  bie  ;ftadjal)mung 
bev  Statur?  Unb  Ijaben  mir  nidjt  eben  bie  -2lugen,  mit  weldjen 
biefe  fie  ftubierten?" 

„2)ie  yiaiuv,"  antwortete  9ticcaric,  „geigt  fid)  un§  alle 
Stugenblide  in  oerfdnebnen  ©eftalten.  2llte  ftnb  waljr,  aber 
nidjt  alle  ftnb  gleid)  fdjön.  feine  gute  SOßaljl  barunter  gu 
treffen,  ba3  muffen  mir  aug  ben  Söerfen  lernen,  uon  weldjen 
(Sie  eben  nidjt  oiel  gu  galten  fdjeinen.  @£>  finb  bie  gefatm 
melten  Erfahrungen,  weldje  i^re  2>ei*faffer  unb  beren  23or= 
ganger  gemadjt  Ijaben.  9D?an  mag  ein  nod)  fo  oortrefflidjer 
Hopf  fein,  fo  erlangt  man  bod)  nur  feine  (Sinftdjten  eine  nadj 
ber  anbern ;  unb  ein  einzelner  9J?enfd)  fdjmeidjelt  ftd)  oergebeng, 
tu  bem  furzen  9taume  feineg  £eben§  alleg  felbft  gu  bemerlen, 
raa3  in  fo  oielen  Satjrljimberten  oor  itjm  entbecft  morben. 
Sonft  liefee  ftdj  behaupten,  ba§  eine  2öiffenfdjaft  ifjren  Ur= 
fprung,  ijjren  gortgang  unb  ifjve  $ollfommenIjeit  einem  eim 
gigen  ©eifte  §u  oerbanlen  Ijaben  fönne,  roeld)e§  bod)  miber 
alle  Erfahrung  ift." 

„§ierau3,  mein  §err,"  antmortete  ilmt  Seltm,  „folget 
meiter  nid)tg,  al3  bafe  bie  feuern,  weldje  fid)  alle  bie  Sdjäüc 
£u  uu^e  madjen  tonnen,  bie  big  auf  iljre  ^dt  gefammelt 
morben,  reicher  fein  muffen  als»  bie  Sllten ;  ober,  menn  ^Ijnen 
biefe  $ergleidjung  nidjt  gefällt,  baf$  fie  auf  ben  Sdjultevn 
biefer  ^oloffen,  auf  bie  fie  geftiegen,  notroenbig  muffen  meiter 
feljen  fönnen  al§  biefe  felbft.  2Sa§  ift  audj  in  ber  %ljat  iljre 
9kturlel)re,  if)re  Slftronomie,  ifjre  Sdjifföfunft,  iljre  -JRedjanü, 
iljre  Sxedjenlefjre  in  3Sergleidjitng  mit  unfern?  2ßarum  follten 
mir  iljnen  alfo  in  ber  33erebfamfeit  unb  $oefte  nidjt  eben  fo 
moljl  überlegen  fein?" 

„Selim,"  oerfetjte  bie  (Sultane,  „ber  Unterfdjieb  ift  groj$, 
unb  fKiccaric  fann  Qljnen  bie  Urfadjen  baoon  ein  anbermal 
erlläreu.  (£r  mag  Slmen  fagen,  warum  unfere  ^ragöbien 
fdjledjter  finb  al§  ber  Sllten  i|re;  aber  baf$  fie  es  ftnb,  lanu 
id)  leidjt  felbft  auf  mtdj  nehmen,  3*)nen  3U  betoeifen.  Qdj 
will  Sljnen  nict)t  fd)ulb  geben,"  fuljr  fie  fort,  „baft  Sie  bie 
Sllten  nicrjit  gelefen  Ijaben.  Sie  Ijaben  fid;  um  $u  niete  fcr}öne 
^enntniffe  beworben,  als  baf$  3t)nen  öa§  ^tjeater  ber  Sitten 
unbelannt  fein  follte.  sJJun  fetjen  Sie  gewiffe  Qbeen,  bie  fidj 
auf  iljre  ©ebräudje,  auf  iljre  Sitten,  auf  iljre  Religion  be= 
gieljett  unb  bie  Seiten  nur  begwegen  anftoftig  ftnb,  weil  fidj 
bie  Umftänbe  geänbert  Ijaben,  beifeite  unb  fagen  Sie  mir, 
ob  ifjr  Stoff  nidjt  immer  ebcl,   wotjtgcwäljlt  unb  intereffant 


^iinfunbiKfihii-meö  etücf.  130 

ift?  ob  fidj  bte  $anblung  nidjt  gleidjfam  oon  fclbft  einleitet? 

ob  ber  fimpte  Dialog  bem  SJtotüriidjen  nid;t  feljr  nabc  lommt? 
ob  bie  ©ntwicftungen  im  geringften  gezwungen  finb  ?  ob  f i et) 
baö  gntereffe  wof)l  teilt  imb  bie  ioanblung  mit  (Spifoben 
überlaben  ift?  SSerfefcen  Sie  fid)  in  ©ebanfen  in  bte  3nfel 
SUinbala;  unterfudjen  Sie  atteö,  roa§  ba  oorgtng,  tjören  Sie 
alles,  wa3  oon  bem  3(ugenblide  an,  als  ber  junge  Sbratjim 
nnb  bev  oerfdjlagne  gorfanti  anä  Sanb  fliegen,  ba  gejagt 
marb;  näfjem  Sie  fid)  ber  §ö(jle  beö  imglütfiidjen  ^SolipfUe; 
oerlieven  Sie  fein  SBort  oon  feinen  klagen  nnb  fagen  Sie 
mir,  ob  baö  ©eringfte  oortommt,  was  Sie  in  ber  £cwfdjmng 
ftören  tonnte?  kennen  Sie  mir  ein  einziges  neueres  Stütf, 
weldjeS  bie  nämlidje  Prüfung  anhalten,  meldjeS  auf  ben 
nämlidjcn  ©rab  ber  SBoKlommen^eit  Stnfprud)  madjen  fann, 
unb  Sie  folten  gewonnen  Ija&en!" 

„Seim  S3ra|ma!''  rief  ber  Sultan  unb  gähnte:  „SHabame 
r)at  unS  ba  eine  oortrefftidje  afabemifdje  SBortefung  gehalten!" 

„3$  r>erfter)e  bie  Regeln  nict)t/'  fujr  bie  gaooritin  fort, 
„unb  nodj  meniger  bie  gelehrten  2öorte#  in  weldjen  man  fie 
abgefaßt  fjat.  2(6er  id)  weift,  baf$  nur  baS  Sßaljre  gefällt 
unb  rüljrt.  3^  ™zi$>  öud^,  baft  bie  SBottfommenljeit  eines 
SdjaufpielS  in  ber  fo  genauen  Sßadjafmutng  einer  §anbluug 
befteljt,  bajj  ber  olwe  Uuterbredjung  betrogne  ^ufdjauei*  bei 
ber  ftanblung  felbft  gegenwärtig  §u  fein  glaubt,  ginbet  fid; 
aber  in  ben  Sragöbien,  bie  Sie  uns  fo  rühmen,  nur  baö 
©eringfte,  was  biefem  älmlid)  fäfye?" 


^nttfunöftrijtjtgjtes  grtütlu 

SDen  23.  gebruar  1768. 

„■JBotten  Sie  ben  Verlauf  barin  toben?  @r  ift  meiftenS 
fo  oielfad)  unb  oerrcidelt,  baft  eS  ein  Sßunber  fein  mürbe, 
wenn  wirf'tid)  fo  oiel  SMnge  in  fo  turjer  3rit  gefdjetjeu  mären. 
S)er  Untergang  ober  bie  Grtjattung  eines  5Keid)S,  bie  §eirat 
einer  ^rinjeffin,  ber  galt  eines  ^rinjen,  atleS  baS  gefdjieljt 
fo  gefdjwinb,  mie  man  eine  §anb  ummenbet.  $ömmt  eS  auf 
eine  SSerfcfjwörung  an?  3m  erften  Sitte  rairb  fie  entworfen, 
im  ^weiten  ift  fie  beifammen,  im  britten  werben  alle  sDiaf^ 
regeln  genommen,  alle  §inbernifje  gehoben,  unb  bie  33er; 
fdjwornen  galten  ftdr)  fertig ;  mit  uädjftem  wirb  eS  einen  Stuf; 
ftanb  fetjen,  wirb  eS  jum  treffen  fommen,  wotjl  gar  51t  einer 


140  Jpam&urgjfcifje  ^Dramaturgie. 

förmlichen  ©dj-ladjt.  Unb  ba§  alles  nennen  ©ie  gut  geführt, 
intereflant,  mann,  ruat)rfd;etnlid^  ?  Slmen  f'ann  id)  nun  fo  etroa§ 
am  roenigften  vergeben,  bei*  Sie  roiffen,  roie  riel  e§  oft  foftet, 
bie  allerelenbefte  .^ntrigue  guftanbe  gu  bringen,  unb  rote  tuet 
^ett  bei  ber  ftetnften  politifdjen  Angelegenheit  auf  Einleitungen, 
auf  33efpred)ungen  unb  SBeratfdjlagungeu  geljt." 

„@§  ift  roaljr,  -Jftabame,"  antraortete  ©elim,  „unfere 
©tüde  finb  ein  roenig  überlaben;  aber  ba3  ift  ein  notwenbigeS 
Uebel;  oljne  §ilfe  ber  ©ptfoben  mürben  mir  un§  oor  groft 
nid)t  gu  laffen  roiffen." 

„2)a§  ift:  um  ber  sJ?ad)al)mung  einer  §anblung  geuer 
unb  ©eift  gu  geben,  muj$  man  bie  §anblung  meber  fo  oor= 
ftellen,  rcie  fie  ift,  nod)  fo,  roie  fie  fein  follte.  $ann  etroaS 
Sä'djerlidjereg  gebaut  roerben?  ©djroerlid)  rooljl;  e§  märe 
beim  etroa  biefeS,  bafc  man  bie  ©eigen  ein  lebhaftes  ©tüd, 
eine  muntere  ©onate  fpielen  lä^t,  roäfyrenb  ba$  bie  ^uljörer 
um  ben  ^ringen  bekümmert  fein  follen,  ber  auf  bem  fünfte 
ift,  feine  (Miebte,  feinen  %fyxon  unb  fein  Seben  gu  oerlieren." 

„5Rabame,"  fagte  9Jlongogul,  ,,©te  l)aben  oollfommen 
£Red)t ;  traurige  Strien  müfete  man  inbeS  fpielen,  unb  idj  milt 
3l)nen  gleid;  einige  beftellen  gefyen."  hiermit  ftanb  er  auf 
unb  ging  b,eraus>,  unb  ©elim,  !Riccartc  unb  bie  gaooritin 
festen  bie  Unterrebung  unter  ftdj  fort. 

„SenigftenS,  9[ftabame,"  erroiberte  ©elim,  „merben  ©ie 
nidjt  leugnen,  ba§,  roenn  bie  ©pifoben  uns  au§  ber  £äufd)ung 
herausbringen,  ber  Dialog  un§  mieber  Ijereinfetjt.  Qd)  raupte 
nid)t,  roer  baS  beffer  nerftünbe  alg  unfere  tragifdje  SDidjter." 

„yiun,  fo  uerfteljt  e§  burd)au§  niemanb/'  antmortetc 
^Rirgo^a.  „£)a§  ©efudjte,  bas  2öi£ige,  ba§  ©pielenbe,  baö 
barin  l)errfd)t,  ift  taufenb  unb  taufenb  teilen  oon  ber  -Statur 
entfernt.  Umfonft  fudjt  ftd)  ber  33erfaffer  gu  oerfteden;  er 
entgeht  meinen  Singen  nid)t,  unb  id)  erblide  tlm  unaufhörlich 
Ijinter  feinen  ^erfonen.  (Sinna,  ©ertoriuS,  SOtarjnutS,  2lemilia 
finb  alle  Stugenblide  baS  ©pradiroljr  be§  ßorueiHe.  ©0  fpridjt 
man  bei  unfern  alten  ©ara^enen  nid)t  mit  einanber.  §err 
^ticcaric  !ann  8f)nen>  ™enn  ®*e  sollen,  einige  ©teilen  barauö 
überfein,  unb  ©ie  merben  bie  blofje  Statur  Ijöreu,  bie  fid; 
burdj  ben  Sttunb  berfelben  auSbrüdt.  $d)  möchte  gar  gu  gern 
51t  ben  feuern  fagen:  ,9J^iue  Ferren,  anftatt  ba|3  if)r  euern 
^erfonen  bei  aller  ©elegenljeit  2Bit3  gebt,  fo  fudjt  fie  bod) 
lieber  in  ltmftäube  gu  feigen,  bie  ifmen  roeldjen  geben.'" 

„yiad)  Dem  511  urteilen,  roaS  9Jtabame  oon  beut  Verlaufe 


$ünfunbad()tugfte3  Stücf.  141 

unb  bem  Dialoge  unferer  bramatifdjen  Stüd'e  gefagt  l)at, 
fdjeint  e§  iuo^t  mä)t,"  fagte  Selim,  „bat)  fte  ben  (£nttmtf= 
hingen  nrirb  ©nabe  miberfaljren  laffen." 

„Aftern,  gemif$  nid)t,"  uerfet3te  bie  gaooritin;  „e§  gibt 
ljunbert  fäjleajte  für  eine  gute.  £ie  eine  ift  nid)t  uorbereitet; 
bie  anbere  ereignet  ftdj  burd)  ein  Söunber.  Söeitj  ber  2kr= 
faffer  nid)t,  ma3  er  mit  einer  ^erfon,  bie  er  uou  Sgene  gu 
Sgene  gange  fünf  Stfte  burdjgefdjleppt  I)at,  anfangen  foU: 
gefdjminb  fertigt  er  fte  mit  einem  guten  $Dold)ftoj$e  ah;  bie 
gange  Söelt  fängt  an  gu  meinen,  unb  id),  id)  ladje,  alz  ob  idj 
toll  märe,  ^ernadj,  l)at  man  mol)l  jemals  fo  gefprodjeu,  rote 
mir  bef  lautieren?  ^pflegen  bie  ^ringen  unb  Könige  mol)l 
anberS  gu  geljen  als  fonft  ein  9Jtenfd),  ber  gut  gefyt?  @e= 
ftit'ulieren  fte  mol)l  jemals  mie  23ejeffene  unb  ^Hafenbe?  Unb 
menn  ^rinjeffinnen  fpredjen,  fpredjen  fte  mol)l  in  fo  einem 
[jeulenbett  ^one?  9Jkn  nimmt  burd)gängig  an,  baj$  mir  bie 
Ztvagöbie  31t  einem  l)ol)en  ©rabe  ber  fiollfommenljeit  gebrad)t 
Ijaben;  unb  id)  meine3teil§  t)alte  e3  faft  für  ermiefen,  baf$ 
uon  allen  Gattungen  ber  £itteratur,  auf  bie  ftd)  bie  Slfrifaner 
in  ben  legten  3aWunberten  9e^9t  fya&en,  gerabe  biefe  bie 
unuollfommenfte  geblieben  ift." 

Gben  l)ier  mar  bie  gaooritin  mit  iljrem  Slitöfalle  gegen 
uniere  tljeatratifdje  Söerle,  als  9Jiongogul  mieber  (jereini'am. 
„sDiabame,"  fagte  er,  ,,©ie  merben  mir  einen  ©ef alten  er- 
meifen,  menn  Sie  fortfahren,  Sie  feljen,  id)  oerftelje  mid) 
barauf,  eine  £)id)thmft  abgufürgen,  menn  id)  fte  gu  lang  finbe." 

„Safjen  Sie  unS,"  fuf)r  bie  gaooritin  fort,  „einmal  an= 
nehmen,  eS  tarne  einer  gang  frifd)  aus  Slngote,  ber  in  feinem 
£eben  oon  feinem  Scfyaufpiete  etmaS  gehört  fjätte;  bem  es 
aber  meber  an  33erftanbe  uod)  an  2öelt  fef)le;  ber  ungefähr 
reifte,  maS  an  einem  §ofe  uorgelje;  ber  mit  ben  s.Hnfd)(ägen 
ber  §öflinge,  mit  ber  @iferfud)t  ber  -äfeinifter,  mit  ben  §e£ereien 
ber  äöeiber  uidjt  gang  unbefannt  märe  unb  gu  bem  id)  im 
SSertrauen  fagte:  ,9ftein  greunb,  es  äutjern  fid)  in  bem  Seraglio 
fd)red'lid)e  33emegungen.  £)er  gürft,  ber  mit  feinem  @ol)tte 
mifmergnügt  ift,  meil  er  il)n  im  23erbad)t  Ijat,  bap  er  bie 
lHianimonbanbe  liebt,  ift  ein  93iann,  ben  id)  für  fäf)ig  f)alte, 
an  beiben  bie  graufamfte  $iad)£  gu  üben.  £)iefe  Sad)e  mufj 
allein  2(nfef)en  nad)  fefyr  traurige  folgen  l)aben.  SBenu  Sie 
mollen,  fo  milt  id)  madjen,  bafj  6ie  oon  allem,  maS  oorgef)t, 
3euge  fein  tonnen.'  (kx  nimmt  mein  Verbieten  an,  unb 
id)  fül)re  il)n  in  eine  mit  ©ittermer!  oermad)te  Soge,  aus  ber 


142  §attt6urgtfd)e  Dramaturgie. 

er  ba3  Sweater  fteljt,  meldjeg  er  für  beu  sßalaft  be3  ©ultang 
Ijält.  ©tauben  ©ie  mol)l,  bafc  trotj  alleö  ©rnfteö,  in  bem  id; 
mid)  §u  erhalten  bemühte,  bie  ^äufdjung  biefeg  grembeu  einen 
xHugenblid  bauern  formte?  -iftüffen  Sie  nicfjt  oielmerjr  ge= 
ftelien,  baft  er  bei  bem  fteifen  ©ange  ber  Stcteurö,  bei  ifjrer 
munberlidjen  %vaä)t,  bei  ifjren  au3fd)meifenben  ©ebärben,  bei 
bem  feltfamen  9kd)brude  iljrer  gereimten,  abgemefjenen  ©pradje, 
bei  taufenb  anbern  Ungereimtheiten,  bie  Urm  auffalten  mürben, 
gteid)  in  ber  erften  S^ene  mir  in§  ©eficf)t  lachen  unb  gerabe 
i)erau§  fagen  mürbe,  bag  id)  irjn  entraeber  311m  beften  Ijaben 
mollte,  ober  bag  ber  gürft  mit  famt  feinem  §ofe  nid)t  morjl 
bei  Sinnen  fein  müßten?" 

,,3d)  befenue,"  fagte  ©elim,  „bafs  mid)  biefer  angenommene 
gatl  nerlegen  madvt;  aber  formte  man  .grjnen  nicr)t  gu  be= 
benfen  geben,  bafc  mir  in  bas  Sdjaufpiet  gel)en  mit  ber  Ueber^ 
jeugung,  ber  ^adjarjmung  einer  §aublung,  nid)t  aber  ber 
§anblung  felbft  bei^umoljnen?" 

„Unb  fotlte  benn  biefeUeberjeugung  oermeljren,"  erroiberte 
^Zir^a,  bie  §anblung  auf  bie  allernatürlidjfte  3trt  vox^i- 
fteHen?" 

§ier  fömmt  ba§  ©efpräd)  nacf)  unb  ltaä)  auf  anbere 
®inge,  bie  ung  nichts  angetjen.  3Btr  menbe.n  \m%  alfo  raiebcr, 
HU  fetjen,  ma%  mir  gelefen  rjabert.  £)en  ftaren  lautern  £)iberot! 
3lber  alle  biefe  2öaf)rf)eiten  maren  bamalä  in  ben  3öinb  ge= 
fagt.  Sie  erregten  efjer  feine  (ühnpfinbung  in  bem  fran^öfifdjen 
^sublifo,  alg  big  fie  mit  altem  bibaftifdjeu  (Srnfte  mieberrjolt 
unb  mit  groben  begleitet  mürben,  in  meldten  ftd)  ber  23erfaffer 
oon  einigen  ber  gerügten  Mängel  gu  entfernen  unb  ben  2öeg 
ber  9latur  unb  iäufdjung  beffer  ein^ufdjlagen  bemüf)t  rjatte. 
Ütun  medte  ber  9?eib  bie  ^ritif.  -Jhtn  mar  e§  ftar,  marum 
£)iberot  ba§  %l)eater  feiner  Nation  auf  bem  ©ipfel  ber  $8ofl= 
fommentjeit  nidjt  farje,  auf  bem  mir  e3  burdjaug  glauben 
follen;  marum  er  fo  oiel  gelter  in  ben  gepriefenen  9Jtofter= 
ftüden  beöfetben  fanb:  blot)  unb  allein,  um  feinen  Stüden 
$la£  $u  fdjaffen.  @r  muffte  bie  5D^etl^obe  feiner  Vorgänger 
t)erfd)rien  tjaben,  meit  er  empfanb,  bafe  in  ^Befolgung  ber  nänv 
lidjen  9J?ett)obe  er  unenblid)  unter  ilmen  bleiben  mürbe.  @r 
mu{$te  ein  elenber  (Efyarlatan  fein,  ber  allen  fremben  ^§eriaf 
oeradvtet,  bamit  fein  9)£enfd)  anbern  aU  feinen  faufe.  Unb 
fo  fielen  bie  ^paliffotö  über  feine  <&tüde  l)er. 

Slllerbingg  Ijatte  er  ifynen  aud)  in  feinem  9Zatür  ltd;en 
Sorjne  maudje  33löfee  gegeben.    2)iefer  erfte  iserfud;  ift  bei 


GecOöunbntfjtuoüco  Stücf.  1  |:; 

itjciten  bas  nicht,  roa§  ber  .s>aii5oater  ift.  3U  lUL^  ^"m- 
förmigteit  in  ben  (Sljaratteren,  bas  Momantifdje  in  biejen 
(fbaraftereu  felbft,  ein  fteifer  f  oftbarer  Dialog,  ein  pebantifcrjes 
©eflingle  oon  neumobifd)  pfyilofopljifdjen  Sentenzen,  alles  bas 
madjte  bcn  Gablern  leidjteS  «Spiel.  ^efonbers  3013  bie  feiers 
lidie  ^berefia  (ober  Gonftantia,  nrie  fie  in  bem  Originale 
Reifet),  bie  fo  pljüofopljifdj  felbft  auf  bie  greierei  geljt,  bie 
mit  einem  Scanne,  ber  fie  niäjt  mag,  fo  weife  non  tugenb= 
Ijaften  Hinbern  fpridit,  bie  fie  mit  iljm  311  erzielen  gebeult, 
bie  Sachet  auf  ir)re  Seite.  Nilud)  fann  man  nidjt  leugnen, 
baß  bie  (S'infleibung,  meldte  3)ibetot  ben  Beigefügten  Unter: 
rebungen  gab,  baß  ber  ^on,  ben  er  barin  annahm,  ein  wenig 
eitel  unb  pompös  mar;  baß  nerfdnebene  ^(nmerfungen  als 
gang  neue  (Sntoecfungen  barin  uorgetragen  nnirben,  bie  bod) 
nidtf  neu  unb  bem  Sßerfaffier  nidjt  eigen  waren ;  baß  anbere 
xHumerfungen  bie  ©rünolid)feit  nidjt  rjatten,  bie  fie  in  bem 
blenbenben  Vortrage  31t  fjaben  fdjienen. 


öcrijsuttöfldjtnnitcö  £titru. 

Xen  2t.i.  gfefauax  1768. 

3.  G.  Sh'berot  behauptete,*)  baß  es  in  ber  menfdjlidjen 
Statur  aufs  l)bd)fte  nur  ein  S)u|enb  mtrfltd)  fomiferje  Sjjarattere 
gäbe,  bie  großer  3u9e  fa^ig  mären,  unb  baß  bie  f leinen  33er= 
fd)ieben[)eiten  unter  ben  menfdjlidjen  (Sljarafteren  nidjt  fo  glüd= 
Iid)  bearbeitet  merben  tonnten  als  bie  reinen  unnermifdjten 
(Sljaraftere.  Gr  fällig  baljer  vor,  nicfjt  mefjr  bie  (Sfjaraftere, 
fonbern  bie  Stäube  auf  bie  Q3üi)ne  3U  bringen,  unb  mollte 
bie  Bearbeitung  biefer  31t  bem  befonbern  ©efdjäfte  ber  ernft= 
baften  ftomöbie  machen.  „Bisher,"  fagt  er,  „ift  in  ber 
,s\omöbie  ber  ßfjarafter  baS  öauptmerf  gemefen,  unb  ber 
Staub  mar  nur  etmas\3ufät(igeS ;  nun  aber  muß  ber  Staub 
bas  §auptmer!  unb  ber  ßljarafter  bas  3ufäftige  merben.  9(us 
bem  ßf)aralter  30g  man  bie  gan3e  Sntrigue :  man  fudjte  burd)= 
gängig  bie  Umjtänbe,  in  melden  er  fidj  am  beften  äußert, 
unb  oerbanb  biefe  Umftänbe  unter  einanber.  künftig  muß 
ber  Staub,  muffen  bie  -}>flid)ten,  bie  Vorteile,  bie  Unbequem; 
Iidjf'eiten  besfelben  pjx  örunblage  bes  3Serfs  bienen.  3)iefe 
Caielle  fdjeint  mir  meit  ergiebiger,  dou  meit  größerm  Umfange, 


*)  €.  bie  Unterrebungen  l;intev  Dem  Oiatütüdjen  Sovile,  S.  321— 22  b.  Uc&evf. 


144  Jpamöurgifdje  Dramaturgie. 

üon  meit  gröfjerm  9?u£en  al§  bie  Quelle  ber  Gljaraftere. 
s23ar  ber  ßijarafter  nur  ein  wenig  übertrieben,  fo  fonnte  ber 
3ufdjauer  31t  fidjj  felbft  fagen:  bag  bin  td)  nidu\  2>a3  aber 
fann  er  unmöglich  leugnen,  bafe  ber  ©taub,  ben  man  fpielt, 
fein  (Stanb  ift;  feine  $flid)ten  fann  er  unmöglid)  oerf'ennen. 
@r  mufe  bag,  ma§  er  Ijört,  notmenbig  auf  ftd;  anroenben." 
2Ba3  ^ßaliffot  rjiermiber  erinnert,*)  ift  niajt  ot)nc  ©runb. 
dx  leugnet  e§,  'oa$  bie  9ktur  fo  arm  an  urfprünglidjen 
ßljarafteren  fei,  bajj  fie  bie  fomijdjen  £)id)ter  bereite  follten 
erfdjöpft  fjaben.  Poliere  fat)e  nod)  genug  neue  ß^araftere  oor 
ftd)  unb  glaubte  laum  ben  allerlleinften  %eil  oon  benen  be= 
Ijanbelt  311  rjaben,  bie  er  bel)anbeln  tonne.  S)ie  ©teile,  in 
rueldjer  er  t>erjd)iebne  berfelben  in  ber  ©efdjminbigfeit  ent= 
wirft,  ift  fo  merfmürbig  al§  leljrreid),  inbem  fie  oermuten 
läjst,  bafc  ber  TOfantrjrop  fdjwerlid)  fein  Non  plus  ultra  in 
bem  f)ol)en  $omifd)en  bürfte  geblieben  fein,  mann  er  länger 
gelebt  (jätte.**)  $aliffot  felbft  ift  nietjt  unglüdlidjj,  einige 
neue  (Eljaraftere  oon  feiner  eignen  33emer!ung  beizufügen: 
ben  bummen  9)?äcen  mit  feinen  fried)enben  Klienten;  ben 
9J?ann  an  feiner  unredjten  Stelle;  ben  2(rgliftigen,  beffen  an§- 
gefünftelte  2(nfd)läge  immer  gegen  bie  ßinfalt  eines  treu= 
bergigen  SBiebermanng  fdjettern;  ben  <2cf)einpl)ilofopr)en ;  ben 
(feonberling,  ben  £>estoud)e3  oerfeljtt  l)abe;  ben  §eud)ler  mit 
gefelljc^aftlidjen  ^ugenben,  ba  ber  9^eItgtonär)eud)Ier  giemlidj 
au§  ber  iRobe  fei.  —  £as  finb  maljrltd)  ntd)t  gemeine  3lus= 


*)  Petites  Lettres  sur  de  grands  Philosophes,  Lettr.  II. 
**)  (Impromptu  de  "Versailles,  Sc.  2.)  Eh!  mon  pauvre  Marquis, 
nous  lui  (a  Moliere)  fournirons  toujours  assez  de  matiere,  et  nous  ne 
prenons  gueres  le  chemin  de  nous  rendre  sages  par  tout  ce  qu'il  fait  et 
tout  ce  qu'il  dit.  Crois-tu  qu'il  ait  epuise  dans  ses  Comedies  tous  les 
ridicules  des  liommes,  et  sans  sortir  de  la  Cour,  n'a-t-il  pas  encore  vingt 
caracteres  de  gens,  oü  il  n'a  pas  touche?  N'a-t-il  pas,  par  exemple,  ceux 
qui  se  fönt  les  plus  grandes  amities  du  monde,  et  qui,  le  dos  tourne,  fönt 
galanterie  de  se  dechirer  l'un  l'autre?  N'a-t-il  pas  ces  adulateurs  ä 
outrance,  ces  flatteurs  insipides  qui  n'assaisonnent  d'aucun  sei  les  louanges 
qu'ils  donnent,  et  dont  toutes  les  flatteries  ont  une  douceur  fade  qui  fait 
mal  au  cceur  ä  ceux  qui  les  ecoutent?  N'a-t-il  pas  ces  läches  courtisans 
de  la  faveur,  ces  perfides  adorateurs  de  la  fortune,  qui  vous  encensent 
dans  la  prosperite,  et  vous  accablent  dans  la  disgrace?  N'a-t-il  pas  ceux 
qui  sont  toujours  mecontens  de  la  Cour,  ces  suivans  inutiles,  ces  incom- 
modes  assidus,  ces  gens,  dis-je,  qui  pour  Services  ne  peuvent  compter  que 
des  importunites,  et  qui  veulent  qu'on  les  recompense  d'avoir  obsede  le 
Prince  dix  ans  durant  ?  N'a-t-il  pas  ceux  qui  caressent  egalement  tout  le 
monde,  qui  promenent  leurs  civilites  ä  droite,  a  gauche,  et  courent  ä 
tous  ceux  qu'ils  voyent  avec  les  memes  embrassades,  et  les  memes  pro- 
testations  d'amitie?  —  —  Ya,  va,  Marquis,  Moliere  aura  toujours  plus  de 
sujets  qu'il  n'en  voudra,  et  tout  ce  qu'il  a  touche  n'est  que  bagatelle  au 
prix  de  ce  qui  reste. 


Sedj§unbacf)tsigfte3  Stiirf.  1  t5 

[testen,  bie  fiel)  einem  Sluge,  bag  gut  in  bie  Jerne  trägt,  bis 
tnS  iluenblidje  erweitern.  £a  ift  nod)  ©ritte  genug  für  bie 
wenigen  Schnitter,  bie  fid)  baran  wagen  bürfen ! 

Unb  wenn  and),  fagi  Sßaliffot,  ber  Eomifdjen  (il)avattere 
wirf  lieb  fo  wenige,  unb  biefe  wenigen  wirflidj  alle  fdjon  be- 
arbeitet  wären :  würben  bie  Stäube  benn  biefer  Verlegenheit 
abhelfen?  9ftan  wä^le  einmal  einen;  3.  (£.  ben  Stanb  beg 
rKidjtero.  Sterbe  id)  iljm  benn,  bem  3tid)ter,  nidjt  einen 
Gfyarafter  geben  muffen?  2öirb  er  nidjt  traurig  ober  luftig, 
ernftljaft  ober  leidjtfinnig,  leutfelig  ober  ftürmifd)  fein  muffen? 
2öirb  eg  nid)t  btof5  biefer  ßfjaralter  fein,  ber  te)ti  aus  ber 
Mlaffe  metapf)i)fifd)er  2(bftrafte  fyeraugljebt  unb  eine  wirflidje 
^ßerfon  auo  iljm  mad)t?  SBirb  nidjt  folglid)  bie  ©runbtage 
ber  ^^trigue  unb  bie  9Horal  beg  Stüd'g  mieberum  auf  bem 
(Sfjarafter  berufen?  SÖirb  nicfjt  folglicf)  mieberum  ber  Stanb 
nur  bag  3ufäl(ige  fein? 

3mar  fönnte  £)iberot  hierauf  antworten :  greiltdj  muf$  bie 
^erfon,  weldje  id)  mit  bem  Staube  beileibe,  aud)  tt)ren  inbioi- 
buetfen  moralifdjen  ßljaraf  ter  Ijaben ;  aber  id)  witt,  bafe  eg  ein 
fo!cr)er  fein  foll,  ber  mit  ben  $flicfyten  unb  üBerljättniffen  beg 
Stanbeg  nidjt  ftreitet,  fonbern  aufs  befte  harmonieret.  2Ufo 
wenn  biefe  ißerfon  ein  ^Rxd)tex  ift,  fo  ftefyt  eg  mir  nid)t  frei, 
ob  id)  ifjn  emftt)aft  ober  teidjtfinnig ,  leutfelig  ober  ftürmifd) 
machen  miß;  er  muj$  uotmenbig  ernftrjaft  unb  leutfelig  fein, 
unb  jebesmal  es  in  bem  ©rabe  fein,  ben  bag  oorljabenbe  ©e? 
fdjäft  erfobert. 

©iefes\  fage  id),  fönnte  £)iberot  antworten;  aber  jugleid) 
l)ätte  er  fidj  einer  anbern  flippe  genähert,  nämlid)  ber  stippe 
ber  üoßfommnen  ßljaraltere.  Sie  -^erfonen  feiner  Stäube 
würben  nie  etwas1  anberg  tljun,  alg  wag  fie  nad)  ?ßfltcf)t  unb 
©ewiffen  tljun  müßten ;  fie  würben  Rubeln,  oölTig  wie  eg  im 
33ucf)e  ftefyt.  (Erwarten  wir  bag  in  ber  $omöbie?  können 
bergteicfjen  Vorfteßungen  angiefjenb  genug  werben?  Sßirb  ber 
3Ru#en,  ben  wir  bauon  tjoffen  bürfen,  grofj  genug  fein,  baft 
eg  fidj  ber  50^üt)e  oerloljnt,  eine  neue  ©attung  bafür  feftut; 
fetten  unb  für  biefe  eine  eigene  Didjtlunft  $u  fdjreiben? 

£ie  stippe  ber  oottlommenen  Gljaraltere  fdjjeinet  mir 
2)iberot  überhaupt  nid)t  genug  erfunbiget  311  Ijaben.  5n  feinen 
Stüden  fteuert  er  jiemlid)  gerabe  barauf  log,  unb  in  feinen 
Iritifdjen  Seefarten  finbet  fid)  burdjaug  leine  SBarnung  baoor. 
Vielmehr  finben  ftdt)  2)inge  barin,  bie  ben  Sauf  nad)  iljr  Ejin 
31t  lenlen  raten.    9Jcan  erinnere  fid)  nur,  wag  er  bei  ©elegen= 

8effi«8,  SBerfe.    XII.  10 


146  .£am6urg,iftfje  Dramaturgie. 

Ijeit  beö  $ontraft§  unter  ben  ßljarafteren  oon  ben  SBrübern 
be§  ^erenj  fagt.*)  „SDie  ^roei  fontraftierten  SSäter  barm  ftnb 
mit  fo  gleidjer  Stärfe  gewidmet,  baf$  man  bem  feinften  föunft= 
rid)ter  %xo§  bieten  fann,  bie  §auptnerfon  gu  nennen;  ob  e§ 
5fJticio  ober  ob  e§  ü£)emea  fein  foll?  gällt  er  fein  Urteil  t>or 
bem  legten  Auftritte,  fo  bürfte  er  leidjt  mit  ©rftaunen  mafyx- 
nehmen,  bafc  ber,  ben  er  ganzer  fünf  2Iufgüge  fyinburd)  für 
einen  nerftänbigen  DJiann  gehalten  Ijat,  nidjtö  afe  ein  yiaxx 
ift  unb  bafc  ber,  ben  er  für  einen  Darren  platten  (jßt  woljl 
gar  ber  nerftänbige  5Diann  fein  formte.  9ftan  follte  ^u  2Itt= 
fange  be£  fünften  2luf§uge3  biefeg  £)rama  faft  fagen,  ber 
33erfaffer  fei  burd)  ben  befd)merlid)en  ^ontraft  gelungen 
morben,  feinen  Qmeä  fahren  31t  laffen  unb  ba§  gan§e  Qntereffe 
be3  ©tüdö  um^u!el)ren.  2Öa3  ift  aber  baraug  geworben? 
SDiefeö,  baf$  man  gar  nidjt  merjr  meift,  für  men  man  fid) 
intereffieren  foll.  Sßom  anfange  rjer  ift  man  für  ben  -Ifticio 
gegen  ben  £)emea  geroefen,  unb  am  @nbe  ift  man  für  feinen 
oon  beiben.  Seinalje  follte  man  einen  britten  3Sater  ner= 
langen,  ber  ba§  9JUttel  ^mifcrjen  biefen  gmei  ^ßerfonen  rjielte 
unb  geigte,  morin  fie  beibe  fehlten." 

91id)t  id) !  5$  »erbitte  mir  üjn  fefyr,  biefen  britten  Sßater, 
e§  fei  in  bem  nämlidjen  ©tütfe  ober  aud)  allein.  28eld)er  $ater 
glaubt  nid)t  311  miffen,  mie  einSSater  fein  foll?  2luf  bem  redjteu 
2öcge  bünfen  mir  uns>  alle;  mir  tierlangen  nur,  bann  unb 
mann  oor  ben  Slbrcegen  31t  beiben  (Seiten  gemarnet  §u  merben. 

SDiberot  fjat  ^Hec^t:  e3  ift  beffer,  menn  bie  (Sfyaraftere 
blofe  oerfdjieben,  al§  toenn  fie  fontraftiert  finb.  kontrahierte 
(Sfjaraftere  finb  minber  natürlich  unb  uermeljren  ben  romam 
tifdien  Slnftridj,  an  bem  e§  ben  bramatifd)en  Gegebenheiten 
fo  fdjon  feiten  fel)lt.  gür  eine  ©efellfdjaft  im  gemeinen 
Seben,  mo  fid)  ber  Äontraft  ber  ßfjaraftere  fo  abfted)enb  ^eigt, 
al3  il)n  ber  fomifdje  SDicl)ter  oerlangt,  merben  fid)  immer 
taufenb  finben,  mo  fie  meiter  nidjtg  al§  oerfcfjieben  finb.  (Seljr 
richtig !  2lber  ift  ein  (Sljarafter,  ber  fid)  immer  genau  in  bem 
graben  ©leife  l)ält,  ba§  iljm  Vernunft  unb  ^ugenb  i>or= 
f djreiben,  nid)t  eine  nod)  feltenere  (Srfdjeinung?  SSon  ^man^ig 
(^efellfdjaften  im  gemeinen  Seben  merben  el)er  §et)n  fein,  in 
meldjen  man  Später  finb  et,  bie  bei  GsrjieEjung  iljrer  Minber 
oöllig  entgegengefetjte  Sßege  einfd)iagen ,  al§  eine,  bie  ben 
wahren  $ater  aufroeifen  fönnte.    ttnb  biefer  maljre  $ater  ift 


*)  3n  ber  br.  SDidjtfunft  hinter  bem  £au§t>ater,  @.  338  b.  Uebei). 


3tebenunbarf)tsn]|teo  unb  adjtunbad)t$tgfteä  ©ttitf.        147 

nodj  bagu  immer  ber  uämlidje,  ift  nur  ein  einziger,  ba  bei 
SÜbweidjmngen  Don  ihm  unenblid)  finb.  Jyolglid)  werben  bie 
2tüde,  bie  ben  magren  ^ater  ins  Spiel  bringen,  nicht  allein 
jebeg  oor  fta)  unnatürlicher,  fonbem  auch  unter  einanbet  eins 
förmiger  (ein,  als  eg  bie  fein  fönnen,  weldje  SBäter  r>on  ner= 
fdjiebnen  ©runbfä^en  einführen,  3(udj  ift  es  gewiß,  baft  bie 
(Stjaraf  tere ,  welche  in  ruhigen  ©efellfdjaften  bfofj  oerfdjieben 
fdjeinen,  fid)  üon  felbft  fontvaftieren,  fobalb  ein  ftreitenbeg 
Snterefje  fie  in  Bewegung  fefct.  $a,  es  ift  natüilid),  bafc 
fie  fid)  fobann  beeifero,  nod)  weiter  uon  einanber  entfernt  §u 
fd)einen,  als  fie  mirflid)  finb.  2)er  Sebfjafte  mirb  geuer  unb 
flamme  ^egen  ben,  ber  if)m  311  (au  fid)  $u  betragen  fdjeint; 
unb  ber  Saue  mirb  falt  mie  @ig,  um  jenem  fo  tnel  lieber^ 
etfungen  6cget)eu  5U  (äffen ,  als  Üjnt  nur  immer  nüt5lid)  fein 
tonnen. 


^Mduntuntiadjtjigltes  unb  nil)timdailjt;ig|ie$  Btütlu 

Seil  4.  mär}  1768. 

Unb  fo  finb  aubere  Slnmerfungen  beg  ^ßaliffot  mehr,  menn 
nid)t  gang  richtig,  bod)  aud)  nidjt  gang  fatfcf).  ©r  fielet  ben 
Sfting,  in  ben  er  mit  feiner  Sauge  ftofcen  will,  fdjarf  genug; 
aber  in  ber  §it$e  beg  Stnfprengeng  nerrüdt  bie  Sauge,  unb  er 
ftöfji  ben  9xing  gerabe  norbei. 

(So  fagt  er  über  ben  Natürlichen  Sofyn  unter  anbern: 
,,3Md)  ein  feltfamer  %itet!  ber  natürliche  Soljn!  23öarum 
ijeifjt  bag  <&tüd  fo?  2öeld)en  @inf(ufj  Ijat  bie  ©eburt  beg 
£)orr>al?  2öag  für  einen  Vorfall  ueranlafjt  fie?  3U  melier 
Situation  gibt  fie  Gelegenheit?  9Be(cf)e  Sude  füllt  fie  aud) 
nur?  2Öag  fann  alfo  bie  2I6ftdr)t  beg  23erfafferg  babei  ge- 
mefen  fein?  (Sin  paar  Sßetradjtungen  über  bag  Vorurteil  gegen 
bie  unefjelidje  ©eburt  aufzuwärmen?  Sßeldjer  vernünftige 
•Iftenjd)  weife  benn  nid)t  uon  felbft,  mie  ungerecht  ein  foldjes 
Vorurteil  ift?" 

SBenn  £)iberot  hierauf  antwortete :  tiefer  Umftanb  war 
allerbings  gur  $erwidelung  meiner  gabel  nötig;  ofyne  ifytn 
mürbe  eg  weit  unwaljrfdjeinlidjer  gewefen  fein,  bafe  £)ort>al 
feine  Sdjwefter  nicr)t  fennet  unb  feine  Sdjwefter  uon  feinem 
Skuber  weifj ;  eg  ftanb  mir  frei,  ben  %itel  baoon  gu  entlegnen, 
unb  idj  r)ätte  ben  %\Ul  non  nod)  einem  geringern  Umftanbc 
entlegnen  fönnen.  —  Söenu  üDiberot  biefeg  antwortete,  fag' 
id),  wäre  ^aliffot  nidjjt  ungefähr  wiberlegt? 


148  .vvimburflifdje  Dramaturgie. 

(s5leid)mof)l  ift  ber  (Sljarafter  beg  natürlichen  ©oljneS 
einem  gan^  anbern  ©inraurfe  bloßgeftellet ,  mit  welchem  5ßa= 
tiffot  bem  5Dtct)ter  meit  fd^ärfer  (ja'tte  gufetjen  lönnen.  liefern 
nämlid):  baß  ber  Umftanb  ber  unehelichen  Geburt  unb  ber 
barau§  erfolgten  S5erlaffent)ett  unb  Slbfonberung ,  in  melier 
fid)  SDorual  uon  allen  -JJienfdjjen  fo  uiele  Qaljre  l)inburd)  falje, 
ein  tuet  ^u  eigentümlicher  unb  befonberer  Umftanb  ift,  gleich 
mol)l  auf  bie  SBilbung  feines  ßfyarafterS  oiel  31t  niel  @in= 
fluß  gehabt  Ijat,  als  baß  biefer  biejenige  Allgemeinheit  l)aben 
tonne,  meld)e  nadf)  ber  eignen  Seljre  be3  £)iberot  ein  fomi^ 
fcr)ev  (Sfyaraf'ter  notmenbig  Ijaben  mufe.  —  2)ie  Gelegenheit 
rcigt  mid)  31t  einer  2tu3fd)U)eifung  über  biefe  Sefjre,  unb 
meldjem  Steige  non  ber  2lrt  Brauchte  id)  in  einer  folgen  ©cfyrtft 
gu  miberftel)en? 

„£)ie  fomifdje  Gattung,"  fagt  £)iberot,  *)  „Ijat  Wirten, 
unb  bie  tragifdje  t)at  ^nbbibua.  Qd)  null  mid)  erflären. 
2)er  §elb  einer  ^ragöbie  ift  ber  unb  ber  -äftenfdj,  e§  ift 
■^eguIuS,  ober  33rutu§,  ober  @ato,  unb  fonft  fein  anberer. 
£)ie  oorneljmfte  ^erfon  einer  Slomöbie  hingegen  mu^  eine 
große  Slnga^I  non  DJlenfcfjen  oorftellen.  Gäbe  mau  üjr  uon 
olmgefäfyr  eine  fo  eigene  $ln)fiognomie,  baß  tfjr  nur  ein  einziges 
Qnbinibuum  älmlid)  märe,  fo  mürbe  bie  ^omb'bie  mieber  in 
it)re  Einbljeit  §urücftreten.  —  Vereng  fdjeinet  mir  einmal  in 
biefen  geljler  gefallen  gu  fein,  ©ein  §eautontimoru= 
menoS  ift  ein  S8ater,  ber  fidj  über  ben  geraaltfamen  @nt= 
fdjlujj  grämet,  gu  meinem  er  feinen  ©oljn  burd)  übermäßige 
Strenge  gebrad)M)at,  unb  ber  fiel)  beäroegen  nun  felbft  be= 
ftraft,  inbem  er  fiel)  in  Reibung  unb  ©peife  fümmerlicl)  Ijält, 
allen  Umgang  fliegt,  fein  Geftnbe  abfd)afft  unb  ba§  gelb  mit 
eigenen  §änben  bauet.  -äJlan  fann  gar  moljl  fagen,  baß  e3  fo 
einen  SSater  nidjt  gibt.  SDie  größte  ©tabt  mürbe  laum  in 
einem  gangen  Qafyrfjunbert  ein  23eifpiel  einer  fo  feltfamen 
^Betrübnis  auf^umeifen  Ijaben." 

3uerft  oon  ber  ^nftang  be§  §eautontimorumeno§.  SQBenn 
biefer  ßljarafter  mirflid)  $u  tabeln  ift,  fo  trifft  ber  Xabel 
nidjt  foraoljl  ben  Vereng  als>  ben  üflenanber.  -DJcenanber  mar 
ber  ©djöpfer  beäfelben,  ber  tljn  allem  2lnfeEjeu  nad)  in  feinem 
^tüde  nod)  eine  meit  au§füt)rlicf;ere  Atolle  fpielen  laffen, 
alö  er  in  ber  föopie  be3  Vereng  fpielet,  in  ber  ftd)  feine 
©pljäre  megen  ber  uerboppelten  S^trigue  raofyl  fel)r  eingießen 


*)  Uutemb.,  S.  292  b.  UeOeif. 


^u'luMUtnbacimiiiftco  unb  acutunbadiniaueo   Stücf.  l-l!» 

müflen.*)    216er  baft  er  von  Sföenanbem  (jervüljvt,  btefeS  allein 
idion  hätte  raidj  roemgftenS  ablief djved't,  ben  Vereng  beSfaffö  ju 


*)  iyaüZ  nämlid)  bic  6.  Qeile  bes  Prologs 

Duplex  quae  ex  argumento  facta  est  siraplici. 
[(Sine  doppelte  $omübie,  bie  aus  einer  einfachen  gabel  gemalt  i[l] 
Don  bem  £id)ter  mirflid)  jo  gejd)rieben  unb  nidjt  anbers  ju  tierfteben  ii't,  nie-  bic 
Tacicr  unb  uarii  ihr  bev  neue  englijd)e  Ueberfctjer  bes  Seren),  Golman,  fic  et  Haren. 
Terence  only  lneant  to  say,  that  he  had  doubled  the  characters;  instead 
of  one  old  man,  oiie  young  gallant,  one  mistress,  as  in  Menander,  he  had 
two  old  men  etc.  He  therefore  adds  very  properly  :  novam  esse  ostendi. 
—  which  certainly  could  not  have  been  implied,  had  the  characters  been 
the  same  in  the  Greek  poet.  [Serenj  mollte  nur  fag.cn,  er  habe  bie  (•»"haraftcre 
i^crboppett ;  anflatt  eines?  alten  üftannes,  eineS  Stuljers ,  einer  ©eliebten,  mie  im 
Dteuanber,  hatte  er  jroei  alte  9)cänner,  u.  f.  ro.  Gr  fügt  baber  febr  ridjtig 
binju:  novam  esse  ostendi  (id)  jeigte  an,  bajj  bie  jfomöbie  neu  fei),  — 
mas  ftcberlid)  nid)t  bariu  liegen  tonnte,  wenn  bie  Gbaraftere  in  bem  gricdiijdjen 
dichter  biefelben  gemefen  mären.]  9lud)  fd)on  9lbrian  ffiarlanbus ,  ja  felbft  bic 
alte  Glossa  interlinealis  be§  9lfcenfiu§,  hatte  bas  duplex  nid)t  anberS  uer= 
ftanben :  propter  senes  et  juvenes,  fagt  biefe:  unb  jener  fd)reibt:  nam  in  hac 
latina  senes  duo ,  adolescentes  item  duo  sunt.  Unb  bennod)  roitt  mir  biefe 
Auslegung  nid)t  in  ben  $obf,  meil  id)  gar  nid)t  einfebe,  mas  tion  bem  Stüde  übrig 
bleibt,  roeun  man  bie  Sßerfonen,  burd)  melche  2creng  beu  eilten,  ben  Siebbabcr  unb 
bie  ©eliebte  üerbobbclt  baben  fofl,  mieber  megnimmt.  Wir  ift  es  unbegreiflid),  ruie 
'Wcenanber  tiefen  Stoff  ohne  ben  Gbremes  unb  ohne  beu  Glitipbo  Ijabe  bebanbclu 
lönnen;  beibe  finb  fo  genau  bineingeflodjten ,  baß  id)  mir  meber  SSerwicfiuug  nod) 
Sluflöfung  ohne  fie  benfen  fann.  Giner  anbern  GrHärung,  burd)  roelcbe  jid)  Julius 
Scaliger  lädierlid)  gemad)t  Ijat,  mill  id)  gar  nid)t  gebenfen.  5lud)  bie,  meld)e  Gugra= 
bbius  gegeben  bat  unb  bie  nom  gaerne  angenommen  morben,  ift  gang  unfd)idlidj. 
3fn  biefer  SSertegenbeit  haben  bie  ßritici  halb  bas  duplex,  halb  bas  simplici  in  ber 
3cile  ju  neränbern  gefud)t,  moui  fie  bie  .Oanbfdhriften  gemiffermafeen  berechtigten. 
Ginige  fjaben  gelefen: 

Duplex  quae  ex  argumento  facta  est  duplici. 
\Unbere : 

Simplex  quae  ex  argumento  facta  est  duplici. 

s4!Bas  bleibt  nod)  übrig,  als  baß  nun  audj  einer  liefet: 

Simplex  qua?  ex  argumento  facta  est  simplici? 

Unb  in  allem  Grnfte:  fo  möchte  id)  am  liebften  lefen.    Wlan  fel)c  bie  Stelle  im  xSu= 
jammenbange  unb  überlege  meine  ©rünbe: 

Ex  integra  Graeca  integram  comeediam 
Hodie  sum  acturus  Heautontimorumenon: 
Simplex  qua?  ex  argumento  facta  est  simplici. 

[Gine  noUftänbige  Somöbie,   bie  aus  einer  üotlftänbigen  griedjifdrjeu  cutitanben 
ift,   mill  ich   beute   aufführen,   ben  „Selbftquäler"  —  bie  einfad)  aus  einem  ein= 
fadjen  Stoffe  gemad)t  ift.] 
Gs  ift  befannt,   mas  bem  Sterenj  t>on   feineu   neibifdhen  Mitarbeitern   am  Ifjeater 
imrgemorfeu  marb: 

Multas  contaminasse  graecas,  dum  facit 
Paucas  latinas  — 
QSßtete  gried)ifd)e  Stüde  oerborben  ju  Babeu ,   mäfjrenb  er  toenige  lateinijd)e 
machte.] 
®t   idjmeljte   nämlid)   öfters  jmei  Stüde  in  eines   unb   madite  aus  jtoei  gricdiifdien 
ßomöbien  eine   einjige  lateinifche.     So   fetzte  er  feine  Ülnbria  aus  ber  9lnbria  unb 
^erinthia  bes  üJlenanberS  jufammen;  feinen  Guuud)us  aus  bem  Guuud)iis  unb  bem 
Golar  eben  biefes  Richters;  feine  Vorüber  au§  ben  ©rübern  bes  nämlichen  unb  einem 
Stüde  bes  2>ird)itu5.    Söegeu  biefe§  Sßorrourfs  redjtfertiget  er  fich  nun  in  bem  jpro» 
löge  bes  ^eautontimorumenos.     2)ie"  Sache  felbft  geftebt  er  ein;   aber  er  mill  bamit 
nicht?  anbers  gethan  haben,  als  ma§  anbere  gute  2)id)ter  üor  ihm  gethan  hätten. 


150  .v>am(nin}iftf)e  ^Dramaturgie. 

uerbailliueil.     -Lrtö   (!)  Msvav§ps  y.ai  ßte,  Tcoxspoc;  ap  'ju.tuv  rcoTepov 

e|Atfi7joato-,*)  ift  gwar  frofttger  als  ttnijtg,  gefagt :  bod)  mürbe 


Id  esse  factum  hie  non  negat 

Neque  se  pigere,  et  deinde  factum  iri  autumat. 
Habet  bonorum  exemplum:  quo  exemplo  sibi 
Licere  id  facere,  quod  Uli  fecerunt,  putat. 

r@v  leugnet  nidjt,  bafj  er  e§  geffjan  fyabe,  unb  erftävt,  baf;  cv  fid)  be§ftalt> 
nirt)t  fd)äme  unb  baß  e-3  aud)  fDäter  gefdjefjen  werbe.  @r  f)at  bnö  33eijpiel  guter 
£>icl)ter,  auf  weld)e§  gefüllt  er  glaubt,  baß  e§  iljm  geftattet  fei,  3U  ttjun,  Wa§  jene 
tfmten.J 

3rf)  f)abe  e§  getfyan,  fagt  er,  unb  id)  benfe,  bafj  id)  e§  nod)  öfterer  tljuu  Werbe.  2>a§ 
bejog  fid)  aber  auf  Dorige  ©rüde  unb  nidjt  auf  ba§  gegenwärtige,  ben  §eautonti* 
morumeno§.  3)enu  biefer  War  nid)t  au§  -jWei  gried)ifd)_en  ©türfen,  fonbern  nur  au§ 
einem  einzigen  gleid)e§  9lamen§  genommen.  Hub  oa§  ift  e§,  glaube  id),  wa§  er  in 
ber  fireitigen  QziU  fagen  Will,  fo  wie  id)  fie  311  lefen  Dorjdjlage: 

Simplex  quse  ex  argumento  facta  est  simplici. 
60  einfad),  Witt  Serenj  fagen,  als  baS  ©tüd  be§  ^JtenanberS  ift,  eben  fo  einfad)  ift 
aud)  mein  ©tüd;   id)  fyaie  burdjauS  nid)tS  aus  anbern  ©tüden  cingefdiattet;  eS  ift, 
fo  lang  eS  ift,  aus  bem  gried)ifd)en  ©lüde  genommen,  unb  ba§  gried)ijd)e  ©tüd  ift 
ganj  in  meinem  lateinifdjen ;  id)  gebe  alfo 

Ex  integra  Grseca  integram  Comoediam. 
S)ie  SBebeutung,  bie  gaerne  bem  Söotte  integra  in  einer  alten  ©loffe  gegeben  fanb, 
baf;  eS  fo  Diel  fein  foüte  als  a  nullo  taeta,  ift  I)ier  offenbar  falfd) ,  Weil  fie  fid) 
nur  auf  baS  erfte  integra,  aber  feineSWegS  auf  baS  jWeite  integram  fdjiden  mürbe. 
—  Unb  fo  glaube  id),  bafj  fid)  meine  Vermutung  uno  Auslegung  wol)l  boren  läßt! 
Tcur  mirb  man  fid)  an  bie  gleid)  folgenbe  ^eile  flogen: 

Novam  esse  ostendi,  et  quse  esset  — 
[Sd)  jeigte,  haft  fie  (bie  ßomöbie)  neu  fei,  unb  wcldje  fie  fei.] 

*ütan  Wirb  fagen:  wenn  Sterenj  befennet,  ba%  er  baS  ganje  ©tiid  au§  einem  einzigen 
©tüde  be§  ÜftenanberS  genommen  habe,  mie  fann  er  eben  burd)  biefe§  93efenntnis 
bemiefen  ju  fmben  Dorgeben,  bafj  fein  ©tüd  neu  fei,  novam  esse?  —  2>od)  biefc 
©djwierigfeit  fann  id)  fcl)r  leidjt  tjeben,  unb  jwar  burd)  eine  ©rflärung  eben  biefer 
SBorte,  non  weldjer  id)  mid)  gu  behaupten  getraue,  bafj  fie  fdjIeditcrbingS  bie  einjige 
waljre  ift,  ob  fie  gleid)  nur  mir  3ugel;ört  unb  fein  QluSteger,  fo  Diel  id)  Weifj ,  fie 
nur  Don  weitem  Dermutet  bat.    Sfd)  fage  nämlid) :  bie  Sßorte, 

Novam  esse  ostendi,  et  quse  esset  — 
bejieljen  fid)  feineSWegS  auf  baS,  WaS  2eren§  ben  SSorrebner  in  bem  Dorigen  fagen 
(äffen ;  fonberu  man  inufe  barunter  Derfteljen:  apudAediles;  novus  aber  l)eijjt  bier 
nirtjt,  was  auS  beS  Serenj  eigenem  $opfe  gefloffeu,  fonbern  btofj,  WaS  im  Sateinifdjen 
nod)  nid)t  Dorfjanben  gemefen.  3)ajj  mein  ©tüd,  ruitt  er  fagen,  ein  neues  ©tüd  fei, 
baS  ift,  ein  foldiel  ©tüd,  meld)e§  nod)  nie  lateinifd)  erfdjienen,  meld)e§  id)  felbft  au§ 
bem  ©ried)ifdien  überfe^t,  bciZ  fyabe  id)  ben  debilen,  bie  mir  e§  abgefnuft,  bemiefen. 
Um  mir  bierin  of)ne  99ebeufen  beijufanen,  barf  man  fid)  nur  an  ben  «Streit  erinnern, 
meld)en  er  wegen  feine§  6unud)u§  öor  ben  debilen  rjatte.  ®iefen  fjatte  er  iljnen  als 
ein  neue§,  Don  it)m  au§  bem  ©ried)ifd)en  überdies  @tiid  toerfauft;  aber  fein  2ßiber= 
fadjer,  SatriniuS,  Wollte  ben  debilen  überreben,  bafj  er  e§  nidjt  au§  bem  (Öried)ifd)cn, 
fonbern  au§  3Wei  alten  ©lüden  be§  9iäDiu§  unb  5ßlautu§  genommen  babe.  greilid) 
I)atte  ber  ($unud)uö  mit  biefen  ©tüden  t)iele§  gemein;  aber  bod)  war  bie  SBefdjuIbigung 
be§  SaDiniuS  falfd);  benn  Serenj  fjatte  nur  au§  eben  ber  griedjifdjen  Quelle  gefd)öbft, 
au*  weldjer,  il)m  unwiffenb,  fdjon  9Jäüiu§  unb  5plautu§  toor  ifjm  gefd)ööft  I)atten. 
Vllfo,  um  bergleidjcn  Sßerleumbungen  bei  feinem  §eautontimorumeno§  Dorjubauen, 
Wa§  war  natürlidjer,  al§  bafe  er  ben  debilen  ba§  gried)ifd)e  Original  Dorgeseigt  unb 
fie  wegen  be§  ^nl)alt§  unterrid)tct  I;atte?  Sa,  bie  debilen  tonnten  ba§  leid)t  felbft 
Don  il)m  gefobert  f)aben.    Unb  barauf  gel)t  ba§ 

Novam  esse  ostendi,  et  quse  esset. 

*)  [O  Wenanber  unb  Seben,  wer  Don  einer)  beiben  atjmte  ben  anbern  nari)  ? 

Zimmermann.] 


Sie&enunbacfjtjigfttS  unb  ad^tunbacfjtjigfteä  Stürf.        151 

man  es  moi)l  überhaupt  uou  einem  SDidjter  gefagt  Ijaben,  ber 
(St)araftere  gu  fdjilbem  imftanbe  märe,  roouon  ficf>  in  ber 
größten  ©tabt  taum  in  einem  gangen  Saljrljimberte  ein  einziges 
Üoeifpiel  geiget?  ftmax  m  Ijunbert  mit)  ineljr  ©ttttfen  tonnte 
iljm  and;  mof)!  ein  fold)er  ßl)arafter  entfaflen  fein.  £er 
frudjtbarfte  $opf  fdjreibt  fid)  leer;  nnb  menn  bie  (iinbilbungö; 
traft  fid)  feiner  unrflidjen  ©egenftänbe  ber  -Kadjaljmung  meljr 
erinnern  fann,  fo  fomponiert  fie  beten  felbft,  meldjes  benn 
freilid)  meiftens  ^aritatnren  werben.  £agu  roifl  2)iberot 
bemerft  l)aben,  bafj  fdmn  §orag,  ^  e^neu  f°  befonberg  %äxU 
Üdjen  ©efdjmad  Ijatte,  ben  genfer,  mouon  bie  Siebe  ift,  ein= 
gefeljen  unb  im  SSorbeigeljen,  aber  faft  unmerflid),  getabelt  ijabe. 

£)ie  Steife  foll  bie  in  ber  gmeiten  Satire  beg  erften 
23ud)g  fein,  mo  §orag  geigen  mill,  „baft  bie  Darren  aus  einer 
Uebertreibung  in  bie  anbere  entgegengeje^te  311  fallen  pflegen, 
gufibtug,  fagt  er,  fürdjtet,  für  einen  93erfd)menber  gehalten 
gu  merben.  Söifjt  ifyc,  mag  er  iljut?  @r  leiljet  monatlich  für 
fünf  >]irogent  unb  mad)t  fid)  im  ooraug  begabt.  3e  nötiger 
ber  anbere  bag  ©elb  braudjt,  befto  meljr  fobert  er.  @r  roeifj 
bie  Tanten  aller  jungen  Seute,  bie  oon  gutem  §aufe  finb  unb 
ifct  in  bie  2öelt  treten,  babei  aber  über  rjarte  &äter  gu  flagen 
ijaben.  3Bielleid)t  aber  glaubt  iljr,  bafc  biefer  9Jienfd)  mieoer 
einen  2(ufraanb  maa)e,  ber  feinen  ßinfünften  entfpridjt?  2Öet* 
gefehlt !  ßr  ift  fein  graufamfter  geinb,  unb  ber  siater  in  ber 
wotnöbie,  ber  fid)  megen  ber  ©ntmeidjung  jeineg  Soljneg  be= 
ftraft,  f ann  fid;  nid)t  fd)led)ter  quälen :  non  se  pejus  crucia- 
verit."  —  tiefes  fd)  letzter,  biefeg  pejus,  miß  2)iberot,  foll 
Fjier  einen  boppelten  Sinn  rmben;  einmal  foll  eg  auf  ben 
§ufibiu§,  unb  einmal  auf  ben  Sereng  gel)en ;  bergleicfyen  bei= 
läufige  §iebe,  meinet  er,  mären  bem  ßljarafter  beg  £>orag  auc5 
ooflfommen  gemäft. 

£)ag  le|te  fann  fein,  oljne  fid)  auf  bie  oor^abenbe  Stelle 
amoenben  gu  laffen.  3)enn  Ijier,  bünft  mid),  mürbe  bie  bei= 
läufige  21nfpielung  bem  ijauptuerftanbe.  nadjteilig  merben. 
guftbiug  ift  fein  fo  großer  -Jtarr,  menn  eo  meljr  foldje  Darren 
gibt.  2Benn  fid;  ber  äkter  beg  Sereng  eben  fo  abgefdpad't 
peinigte,  menn  er  eben  fo  menig  Urfadje  Ijätte,  fid)  gu  peinigen 
alg  5'ufibius,  fo  teilt  er  bag  Sädjerlidje  mit  iljm,  unb  J-nfibiuS 
ift  meniger  feltfam  unb  abgefd)madt.  9?ur  algbeun,  menn 
gufibiug  ol)ne  ade  Urfad)e  eben  fo  l)art  unb  graufam  gegen  fid) 
felbft  ift,  alg  ber  SSater  beg  iereng  mit  Urfadje  ift,  menn 
jener  aug  fdjmutjigem  ©eige  tl)ut,   mag  biefer  aug  9teu  unb 


152  ftamburantfic  Dramaturgie. 

S5etrü6m§  ttjat,  nur  atsbenn  rötrb  uns  jener  uuenblid)  lädjer; 
lieber  unb  oerädjtlidjer,  alo  mitleioömürbtg  xoix  bieten  finben. 

Unb  allerbingg  ift  jebe  grofte  ^Betrübnis  von  bei*  sJIrt, 
mie  bie  Betrübnis  biefeö  v33aterä:  bie  fid>  nidjt  felbft  nergiftt, 
bie  peiniget  fid)  felbft.  @s  ift  ruiber  aüe  ferfaljrung,  baf$  faum 
alle  (junbert  3arjre  ftd)  ein  33eifpiel  einer  folgen  35etrübmo 
ftnbe;  melmel)r  rjanbelt  jebe  ungefähr  eben  fo,  nur  meljr  ober 
weniger,  mit  biejer  ober  jener  Seränberung.  Gicero  l)atte  auf 
bie  -Natur  ber  33etrübni§  genauer  gemerft;  er  fafye  bal)er  in 
bem  betragen  bes  §eautontimorumeno5  uidjtg  merjr,  al§  roaä 
alte  betrübte  nid)t  bloß  oon  bem  2tffefte  Ijingeriffen  t§un, 
fonbern  and)  bei  fälterm  ©eblüte  fortfeijen  ju  muffen  glauben.*  i 
Haec  omnia  reeta,  vera,  debita  "putantes,  faciunt  in  dolore : 
maxiineque  declaratur,  hoc  quasi  officii  judicio  fieri,  quod 
si  qni  forte,  cum  se  in  luctu  esse  vellent,  aliquid  fecerunt 
humanius,  aut  si  hilarius  iocuti  essent,  revocant  se  rursus 
ad  moestitiam,  peccatique  se  insimulant,  quod  dolere  inter- 
uiiserint :  pueros  vero  matres  et  magistri  castigare  etiam 
solent,  nee  verbis  solum,  sed  etiam  verberibus,  si  quid  in  do- 
mestico  luctu  hilarius  ab  iis  factum  est,  aut  dictum :  plorare 
cogunt.  —  Quid  ille  Terentianus  ipse  se  puniens?  u.  f.  m.**) 

9ftenebemus  aber,  -fo  rjeifjt  ber  ©elbftpeiniger  bei  bem 
-Tereng,  fjält  fidt)  nidjt  altein  fo  Imrt  au3  23etrübni3 ;  fonbern 
marum  ev  fid)  and)  jeben  geringen  Slufmanb  nermeigert,  ift 
bie  Urfadje  unb  Slbftdjt  nornerjmlid)  biefeö:  um  befto  merjr 
für  ben  abmefenben  ©or)n  31t  fparen  unb  bem  einmal  ein  befto 
gemäcrjlidjereg  Seben  gu  r>erftd)ern,  ben  er  itjt  ge^toungen,  ein 
fo  ungemädjlidjeg  gu  ergreifen.  2ßas>  ift  hierin,  maö  ntd)t 
Imnbert  ^Bäter  tf)itn  mürben?  steint  aber  ^iberot,  baf$  bao 
Eigene  unb  Seltfame  barin  beftelje,  ba%  sJDcenebemu6  felbft  fjarft, 
felbft  gräbt,  felbft  ädert :  fo  rjat  er  morjl  in  ber  Sil  meljr  an 
unfere  neuere  als  an  bie  alten  (Sitten  gebadjt.  (Sin  reirfjer 
$ater  irriger  &\t  mürbe  ba§  freilief)  nicfjt  fo  leidjt  trjun;  benn 


*)  Tusc.  Queest,,  lib.  IU.  c.  27. 

**)  [2Öeit  man  bie»  aflcä  für  red)t,  für  umtjr,  für  gebüljrenb  f)ält,  barum  tljut 
man  fo  im  Sdjmeräe:  unb  jum  93emeife  bafür,  bau  «§  tnie  nad)  einem  bie  fßfttdft 
beftimmenben  Urteile  gcfdf)el)c,  bient  »oraüglid)  ber  Umftnnb ,  batt,  wenn  mandjmal 
einige,  mäf;renb  fie  in  ber  Trauer  fein  tnoüten,  etmae  gemütlidier  traten  ober  fröl)= 
lidjcr  fpradjen,  fie  fid)  mieber  jum  ftummet  jurüdrufen  unb  fid)  aus  ber  Unter« 
bredjung  beö  Sd^merjeS  ein  3Sergel;en  mad)en;  Jtnaben  aber  pflegen  aud)  9Äfittet 
unb  .fjofmeifter  ju  ftrafen,  unb  nidjt  blojj  mit  SBortcn,  fonbern  mit  <5d)lägen,  wenn 
bei  einer  gamilientrauer  non  ifjnen  etroaö  frörjlidjer  getrau  ober  gefprodjen  morben 
ift:  311  meinen  jmingt  mau  fie.  —  3.  ®-  Jener  Selbftquälcr  bei-  iereutiu»  u.  j.  nv 

3  immer  in  aun.j 


Sieöenunbadjtjigfteä  unb  adfjtunbadjtjtgfleä  ©tütf.        153 

bie  rocnigftcn  mürben  eo  $u  tljun  oerfieljen.    216er  bie  mol)( 
babenbften,  oornefjmften  Sftömer  unb  ©riedjen  waren  mit  allen 
Iänbltdjen  arbeiten  befannter  unb   fdjämten   fid)  nidjt,   felbft 
§anb  anzulegen. 

SDod)  alles  fei  oollf'ommen,  nrie  es  iDiberot  faßt!  S)er 
(Sbarafter  beS  SelbftpeinigerS  fei  megen  beS  all^u  (Sigeutürm 
lidjen,  megen  biefer  tljm  faft  nur  allein  gufommenben  gälte 
51t  einem  fomifdjeu  ßljarafter  fo  ungefdjidt,  als  er  nur  null. 
SBäre  £)iberot  nidjt  in  eben  ben  gefter  gefallen?  £)enn  mae 
fann  eigentümlicher  fein  als  ber  (Srjarat'ter  feines»  2)tm)al? 
•Jöeldjer  (Sljarafter  fann  mel)r  eine  gälte  l)aben,  bie  iljm  nur 
allein  mfömmt,  al§  ber  ßfjarafter  biefeS  natürlichen  ©ofjneä? 
„©leid)  nad)  metner  ©eburt,"  läft  er  tl)n  non  fidf>  felbft  fagen, 
„marb  id)  an  einen  Drt  oerfdjleubert,  ber  bie  ©reu^e  gnrifdjen 
Gsinöbe  unb  ©efeUfdfjaft  fjei^en  fann;  unb  als  id)  bie  3lugen 
auftrat,  midrj  nad)  ben  33anben  umgitfeljen,  bie  miel)  mit  ben 
.Dfenfdjen  uerfnüpften,  fonnte  id)  faum  einige  Krümmern  bauon 
erbliden.  SDreif^ig  Qaljre  lang  irrte  icfj  unter  il)nen  einfam, 
unbefannt  unb  oerabfäumet  umljer,  orme  bie  3övtlid)fett  irgenb 
eines  9ftenfcl)en  empfunben,  nod)  irgenb  einen  Sftenfdjen  am 
getroffen  gu  l)aben,  ber  bie  meinige  gefudjt  Ijätte."  2)af$  ein 
natürlichem  $inb  fidj  oergebenS  nad)  feinen  Altern,  oergebenS 
nad;  vperfonen  umfeljen  fann,  mit  meldjen  eS  bie  näljern  23anbe 
beS  23lutS  oerfnüpfen:  baS  ift  feljr  begreiflich;  baS  fann  unter 
3er)nen  neunen  begegnen.  Slber  bafj  eS  ganje  breifjig  Saljre 
in  ber  Sßelt  Ijerumirren  fönne,  ol)ne  bie  3ärtlicf)feit  irgenb 
eines  -ÜÖJenfdjen  empfunben  ju  Ijaben,  ol)ne  irgenb  einen  9ften= 
fcr)en  angetroffen  $u  I)aben,  ber  bie  feinige  gefudjt  F)ätte :  baS, 
follte  id)  faft  fagen,  ift  fd)ledjterbingS  unmöglid).  Ober,  menn 
eS  möglid)  märe,  meldje  sDfenge  gang  befonberer  Umftänbe 
müßten  oon  beiben  (Seiten,  r»on  feiten  ber  2öelt  unb  oon 
feiten  biefeS  fo  lange  infulierten  2öefenS,  gufammengefommen 
fein,  biefe  traurige  9JJöglid)feit  roirflid)  ju  madjen?  ^aljx- 
Ijitnberte  auf  ^aljrrjunberte  merben  oerfliefeen,  el)e  fie  roieber 
einmal  mirflid)  mirb.  2Bolfc  ber  §immel  nierjt,  bafc  id)  mir 
je  ba§  menfd)lid)e  ©efdjledjt  anbers  oorftelle !  Sieber  münfd)te 
id)  fonft,  ein  33är  geboren  31t  fein,  als  ein  93?enfd).  9^ein, 
fein  9ftenfd)  fann  unter  5Reufd;en  fo  lange  Ujerlaffeu  fein ! 
Wlan  fd)leubere  ir)n  l)iu,  morjtn  man  mid:  menn  er  nod)  unter 
■Dlenfdjen  fällt,  fo  fällt  er  unter  SBefen,  bie,  erje  er  fidf)  um= 
gefefyen,  mo  er  ift,  auf  allen  Seiten  bereit  fteljen,  fidf)  an  trm 
anntfetten.    2inb  eS  nid)t  oorneljme,  fo  finb  cS  geringe !    Sinb 


154  Jpam&urgtfdije  Dramaturgie. 

e3  nidjt  glücf  Udje,  fo  finb  e£  ungtüd lidfjc  -üDtenfdfjen !  sT)£enfd)en 
finb  e§  bocf)  immer.  So  rote  ein  tropfen  nur  bie  Stäche  be3 
2Baffer3  berühren  barf,  um  oon  ifym  aufgenommen  ^u  roerben 
unb  genta  in  t|m  ^u  oerf(ief$en :  ba3  2Baffer  ^et^e,  rote  e§  roitt, 
Sac^e  ober  Duette,  Strom  ober  See,  $elt  ober  Dgean. 

©teidjrooljl  fott  biefe  breiftigjäljrtge  GHnfamfeit  unter  ben 
Sftenfdjen  ben  (5r)crafter  be§  SDoroal  gebilbet  fyaben.  2öeld)er 
(Sljarafter  !ann  ilrot  nun  älmlidj  feljen  ?  sIöer  f ann  fid)  in  ilmt 
erfennen?  nur  gitm  fleinften  Seil  in  i|m  erfennen? 

©tue  2lu3f(ud)t,  finbe  id)  bod),  Ijat  fid)  SDtberot  cut3$u= 
fparen  gefudjt.  @r  jagt  in  bem  Verfolge  ber  angebogenen 
Stelle:  „3n  ber  ernftfyaften  ©attung  roerben  bie  6()araftere 
oft  eben  fo  attgemeht  fein  al§  in  ber  fomifdjen  ©attung ;  fie 
roerben  aber  allezeit  weniger  inbioibuett  fein  aU  in  ber  tra= 
gtfcfjen."  @r  roürbe  fonad)  antroorten:  2)er  (Sfyarafter  be§ 
©oroal  ift  fein  fomifdjer  Gfjarafter;  er  ift  ein  ßtjarafter,  roie 
it)n  ba§  erttftljafte  Sdjaufpiel  erfobert;  roie  biefes  ben  Staunt 
^roifc^en  $omöbie  unb  Sragöbie  füllen  fott,  fo  muffen  auef)  bie 
(Sljaraftere  beSfelben  ba§  Mittel  groifdjen  ben  fomifdjen  unb 
tragifdjen  ßfjarafteren  galten ;  fie  braudjen  mdjjt  fo  allgemein 
%a  fein  als>  jene,  roenn  fie  nur  nid)t  fo  oöttig  inbioibuett  finb 
alz  biefe ;  unb  folc^er  2lrt  bürfte  bod)  roofyl  ber  (Efyarafter  be§ 
SDoroal  fein. 

2Üfo  roären  roir  glüdlid)  roieber  an  bem  fünfte,  oon 
meinem  roir  ausgingen.  2ßir  roottten  unterfudjen,  ob  e§  roaljr 
fei,  baft  bie  ^ragöbie  3nbioibua,  bie  föomöbte  aber  Slrten 
fyahe :  ba3  ift,  ob  esl  roafyr  fei,  bafe  bie  ^erfonen  ber  ^omöbie 
eine  grofce  SXngaijt  oon  s3Äenfd)en  faffen  unb  3ugteidj  oorftetten 
müßten,  bafyingegen  ber  §elb  ber  iragöbie  nur  ber  unb  ber 
■Jftenfcf),  nur  Regulug,  ober  33rutu§,  ober  Gato  fei  unb  fein 
fotte.  Qft  e§  roafyr,  fo  Ijat  auefy  ba§,  roa§  ©iberot  oon  ben 
'^erfonen  ber  mittlem  ©attung  fagt,  bie  er  bie  emftljafte 
Slomöbie  nennt,  leine  Sdnoierigfeit,  unb  ber  Gfyarafter  feines 
3)oroal  roäre  fo  tabelt)aft  nid)t.  3ft  eö  aber  nid)t  roafyr,  fo 
fällt  auef)  biefe§  oon  felbft  roeg,  unb  bem  (Sfyarafter  bes  natura 
lidjen  Sofme§  fanu  au3  einer  fo  ungegrünbeten  ©inteitung 
feine  Rechtfertigung  aufliefen. 


SReummbactytaigfteä  Stücf.  155 

ileumurtftttjt;ifi|t££  §tüw. 

Ten  s.  2R5t3   1768. 

Suerft  mufj  icl)  anmerfen,  baft  2)iberot  feine  2lffertion 
oljne  allen  SeroeiS  gelaffen  Ijat.  (Sr  mufc  fie  für  eine  äBa^r* 
fyeit  angefetyen  fyaben,  bie  fein  SKenfdj  in  Zweifel  gießen  werbe, 
nod)  foune,  bie  man  nur  beuten  bürfe,  um  ifyren  ©runb  $u= 
gleid)  mit  511  beuten.  Unb  fottte  er  ben  rooljl  gar  in  ben 
magren  -Manien  ber  tragifdjen  *ßerfonen  gefunben  Ijaben?  2öeil 
biefe  2Id)i((e3  unb  s2Üe£anber  unb  ßato  unb  ShtguftuS  Reiften 
unb  2ld;i(le§,  2Ueranber,  dato,  9(uguftuS  mirfliä)  einzelne 
SPerfonen  äeroefen  finb :  fottte  er  wofyt  barauS  gefd;loffen  f)aben, 
bafj  fonad)  atte3,  mag  ber  ^Dict)ter  in  ber  ^ragöbie  fie  fpredjen 
unb  (janbeln  läfet,  aud)  nur  biefen  einzelnen  fo  genannten 
Sßerfonen,  unb  feinem  in  ber  SBelt  sugleid)  mit,  muffe  §u= 
fommen  fönnen?  gaft  fdjeiut  e§  fo. 

2fber  biefen  ^rrtum  fjatte  2lriftotele§  fdjon  oor  gmei^ 
taufenb  Satjren  wiberlegt,  unb  auf  bie  ifym  entgegenfteljenbe 
Sßafjrljett  ben  wefentlidjen  Unterfd)ieb  gwifdjen  ber  ©efd)id)te 
unb  ^poefie,  fowie  ben  großem  9Uttjen  ber  [entern  oot  ber 
erftern  gegrünbet.  Wud)  Ijat  er  e§  auf  eine  fo  einteudjtenbe 
3lrt  getljan,  bafc  idj  nur  feine  SBorte  anführen  barf,  um  feine 
geringe  SBemmnberung  511  erweden,  mie  in  einer  fo  offenbaren 
<Ba<$)e  ein  Libero:  nidjt  gleidjer  Meinung  mit  ifjm  fein  fönne. 

„2Iu3  biefen  alfo,"  fagt  2triftotele§,*)  nadjbem  er  fre 
wefentHdjen  ©igenfdjaften  ber  poetifdjen  gäbet  feftgei^ftt,  „0  s 
biefen  alfo  erbettet  flar,  bafc  be3  3)idjter3  Söerf  ntaji  \  \u 
erjäljlen,  ma§  gefdjefyen,  fonbern  31t  ergäben,  oon  welljer 
SBefdjaffenfjeit  ba§  ©efdjjeljene,  unb  roa§  nadj  ber  Söafjrfdjems 
lid)feit  ober  9iotweubigt'ett  babei  möglidj  gemefen.  3)enn  @e= 
fdjidjtfdjreiber  unb  JDidjter  unterfäjeiben  fidj  nid)t  burd)  bie 
gebunbene  ober  ungebunbene  9tebe,  inbem  man  bie  33üd)er 
be§  §erobotu§  in  gebunbene  ^ebe  bringen  fann,  unb  fie 
baruin  bodj  nidjtg  weniger  in  gebunbener  9tebe  eine  ®efd)id)te 
fein  werben,  als  fie  e3  in  ungebunbeuer  waren.  Sonbera  barin 
unterjdjeiben  fie  fid),  bafj  jener  ergäbet,  wa§  gefdjeljen,  biefer 
aber,  oon  weldjer  Sefdjaffenljeit  baö  ©efdjeljene  gemefen.  2)afjer 
tft  benn  aud)  bie  $oefie  pljilofopfyifdjer  unb  nüfclicfyer  als  bie 
©efd)id;te.  Xcnn  bie  Sßoefte  gef)t  meljr  auf  baö  allgemeine  unb 
bie  ©efdjidjte  auf  ba§  33efonbere.    2)a3  allgemeine  aber  ift: 


*)  Tiefitf..  9.  .vunutfl. 


156  VMiml6unitfcf)e  Dramaturgie. 

wie  fo  ober  fo  ein  Wann  nad)  ber  21tol)rfd)einlicf)feit  ober 
•Hotwenbigfeit  fpred^cn  unb  Ijanbeln  würbe;  alg  worauf  Die 
2)td)tfunft  bei  ©rteiluna,  ber  tarnen  fteljt.  3)ag  23efonbere 
hingegen  ift,  wag  Sllcibiabeg  getfjan  ober  gelitten  Ijat.  33ei 
ber  Äomöbie  nun  t)at  fidt)  biefeg  fd?on  gan^  offenbar  gezeigt; 
benn  wenn  bie  gabel  nad)  ber  3ßaljrfd)einlid)feit  abgefaßt  ift, 
legt  man  bie  etwanigen  tarnen  fonacj)  hei,  unb  macbt  eg  nidjt 
wie  bie  jambifdjen  3)tcl)ter,  bie  bei  bem  (Sin^eln  bleiben.  33ei 
ber  Sragöbie  aber  l>ält  man  fidt)  an  bie  fd)on  oorljanbenen 
Flamen,  aug  Urfadje,  weil  bag  9Jcöglidje  glaubwürbig  ift  unb 
wir  nid)t  möglid)  glauben,  wag  nie  gefd)el)en,  baljingegen, 
wag  gefdjefyen,  offenbar  möglid)  fein  mufe,  weil  eg  uid)t  ge= 
fdjeljen  wäre,  wenn  eg  nicfyt  möglid)  wäre.  Unb  bod)  finb 
audj  in  ben  ^ragöbien,  in  einigen  nur  ein  ober  gwei  befannte 
Tanten,  unb  bie  übrigen  finb  erbidjtet,  in  einigen  and)  gar 
feiner,  fo  wie  in  ber  23  htm  e  beg  Slgatljon.  2)enn  in  biefem 
©lüde  fin^>  §anblungen  unb  tarnen  gleid)  erbidjtet,  unb  bod; 
gefällt  eg  barum  nidjtg  weniger. " 

5n  biefer  ©teile,  bie  id)  nad)  meiner  eigenen  Ueber= 
fe|ung  anführe,  mit  welcher  id)  fo  genau  bei  ben  Sßorten 
geblieben  bin  alg  möglid),  finb  oerfd)iebene  2)inge,  welche  oon 
^en  Sluglegern,  bie  idj  nod)  §u  9tate  gießen  lönnen,  entweber 
gar  nid)t  ober  falfdt)  oerftanben  worben.  SBag  baoon  fyier  jur 
Bad)e  gehört,  mu|  id)  mitnehmen. 

S)ag  ift  unwiberfpredjlid),  ba£  Slriftoteleg  fd)led^terbingg 
feinen  Unterfd)ieb  gwifdjen  ben  ^]erfonen  ber  ^ragöbie  unb 
Komöbie  in  2lnfel)ung  iljrer  Slllgemeinljeit  madjt.  S)ie  einen 
fowoljl  alg  bie  anbern,  unb  felbft  bie  ^erfonen  ber  ßpopöe 
nicr)t  auggefd^loffen,  alle  ^erfonen  ber  poetifdjen  ^Rad^a^mung 
oljne  Unterfdjieb  follen  fpredjen  unb  ^anbeln,  nid)t  wie  eg 
iljnen  einzig  unb  allein  jufommen  fönnte,  fonbern  fo  wie  ein 
jeber  oon  iljrer  33ef(f»affenr)ett  in  ben  nämlid)en  Umftänben 
fpredjen  ober  rjanbeln  würbe  unb  müftte.  Qn  biefem  y.a&oXou, 
in  biefer  Slllgemeinljeit  liegt  allein  ber  ©runb,  warum  bie 
^oefie  pl)ilofop^ifd)er  unb  folglich  lehrreicher  ift  alg  bie  ©e= 
fdjidjte ;  unb  wenn  eg  mafyr  ift,  bafe  berjenige  tomifd)e  2)id)ter, 
welcber  feinen  ^erfonen  fo  eigene  $l)t)fiognomien  geben  wollte, 
bafc  il)nen  nur  ein  ein^igeg  3nD^^uum  *n  Der  %Rdt  äljnlid) 
wäre,  bie  iftomöbie,  wie  £)iberot  fagt,  wieberum  in  ifjre  Äinb= 
Ijeit  gurüdfe^en  unb  in  (Satire  oerfefyren  würbe :  fo  ift  eg  aud) 
eben  fo  wal)r,  baft  berjenige  tragifclje  3)id)ter,  welcher  nur  ben 
unb  ben  9Äenfd)en,  nur  ben  ßäfar,  nur  ben  ßato,  nad)  allen 


■Heununbarfit^iofteS  <Stütf.  157 

oen  ©igentümlidjfeiten,  bie  nur  von  itjnen  rmf[en,  Dorftetten 
roollte,  ofyne  gn^Ietd)  ni  geigen,  rote  alle  biefe  @igentümltct)feiteti 
mit  bem  (Sfjaraiter  be§  (läfar  unb  CSato  5u(ammetujet)ana,en,  ber 

ifmen  mit  met)rern  fann  gemein  fein,  ba#,  jage  id),  biefer  bie 
3Cragöbie  entfräften  unb  jut  Wefdjidjte  erniebriaeti  mürbe. 

2lber  SfriftoteleS  fagt  aud),  bafe  bie  $oefie   auf   biefeo 
ungemeine  ber  s}>erfonen  mit  beu  Hainen,  bie  fie  iljuen  erteile, 

^iele  (ou   z-ry/'ilzzn:.  4]  icotina«;  bvojxaxa  e-'.xid-su.svrj)  *  toeld)eö  flu) 

befonberö  bei  ber  $omöbie  beutlid)  gezeigt  fyahe.  Unb  biefeS 
ift  e§,  roa§  bie  Ausleger  bem  2lriftotele3  nadj^ufagen  fid)  be^ 
gnügt,  im  geringften  aber  nidjt  erläutert  fjaben.  äBoljl  aber  Ijaben 
r>erjd)iebene  fid)  fo  barüber  auögebrüd't,  baf}  man  flar  ftefyt,  fie 
muffen  entroeber  nid)ts  ober  ettuaö  ganj  §alfd)es>  babei  gebaut 
fyabeu.  2)ie  grage  ift:  raie  fieEjt  bie  $oefie,  roenn  fie  ifjren 
^erfonen  tarnen  erteilt,  auf  bag  allgemeine  biefer  ^perfonen? 
unb  mie  ift  biefe  iljre  ^Küdfid)t  auf  baö  allgemeine  ber  ^ierfon, 
befonberS  bei  ber  ^omöbie,  fd)on  längft  fidjtbar  geiuejenY 

2)ie    ©orte :     eaxi    os   v.attoXou  [aev.,    xw    rcoui)  xa  ko\   ötTta 
Güfj-ßa'.vs'.  Xeretv,    Y]  rcpaxxsiv  xaxa  xo  elxoCi    "*]  xo  avavv.aiov,    06 

cxo^aCexoc.  4j  koitjok;  bvojj.axa  iicitifl-ejxevnr],  überfetjt  £>acier :  une 
chose  generale,  c'est  ce  que  tout  homnie  d'un  tel  ou  d'un 
tel  caractere  a  du  dire,  ou  faire  vraisemblablement  ou 
necessairement,  ce  qui  est  le  but  de  la  Poesie  lors  meme 
qu'elle  impose  les  noms  ä  ses  personnages.  Soßfommen 
fo  überfetjt  fie  aud)  -gerr  (Surtius :  „$)a§  2tflgemeine  ift,  roa3 
einer  oermöge  eineg  geroiffen  Gljarafterg  nad)  ber  2£al)rfd)eim 
lid)leit  ober  sJ£otroenbigfeit  rebet  ober  tljut.  £iefe3  allgemeine 
ift  ber  ©nbjmed  ber  £)tcr)ttunft,  aud)  wenn  fie  ben  ^erfonen 
befonbere  tarnen  beilegt."  2lud)  in  tt)rer  Stnmerfung  über 
biefe  Sßorte  fielen  beibe  für  einen  9Jiann ;  ber  eine  fagt  voll- 
lommen  eben  bagi,  roa3  ber  anbere  fagt.  Sie  erflären  beibe, 
roa3  bag  SUIgemeine  ift;  fie  fagen  beibe,  baft  biefeö  unge- 
meine bie  5lbfid)t  ber  ^oefie  fei;  aber  mie  bie  $oefie  bei 
Erteilung  ber  9iamen  auf  biefeö  SlKgemeine  fiefyt,  bauon  fagt 
feiner  ein  äöort.  Sßielmeljr  jeigt  ber  gran^ofe  burd)  fein 
lors  meme,  fomie  ber  2)eutfd)e  burd)  fein  aud)  roenn  offenbar, 
ba£  fie  nichts  baoou  311  fagen  geraupt,  ja,  bafj  fie  gar  nicr;t 
einmal  oerftanben,  mag  2(riftotele3  fagen  roollen.  £enn  biefeS 
lors  meme,  biefeg  aud)  roenn  Ijeifet  bei  i^nen  nid)t3  meljr 
al§  obfdjon;  unb  fie  (äffen  ben  2(riftoteleg  fonad)  btofe  fagen, 
ba|  ungeachtet  bie  $oefte  iljren  ^^fa^en  Hainen  oon  ein= 
jeln  ^erfonen    beilege,   fie   bem    ol)ngead)tet   nid)t   auf  bao 


158  £am6urgifdje  Dramaturgie. 

©inline  biefer  $erfonen,  fonbern  auf  bag  allgemeine  berfelben 
gelje.  2)te  Sßorte  beg  £)acier,  bie  id)  in  ber  3^ote  anführen 
will,*)  geigen  biefeg  beutlidj.  9hm  tft  eg  mafyr,  bafe  biefes 
eigentlich  feinen  falfdjen  ©inn  madjt;  aber  eg  erfdjöpft  bod) 
audj  ben  ©inn  beg  Slriftoteleg  l)ter  nict)t.  üftidjt  genug,  ba$ 
bie  $oefte  ungeachtet  ber  oon  einzeln  $erfonen  genommeneu 
tarnen  auf  bag  Slffgemeine  gefeit  fann:  2Iriftoteleö  fagt, 
bag  fie  mit  biefen  Tanten  felbft  auf  bag  allgemeine  giele, 
ob  QxoyoZzxo.'..  gd)  follte  bod)  roofjl  meinen,  baf$  beibeg  md)t 
einerlei  märe.  Qft  eg  aber  nid[)t  einerlei,  fo  gerät  man  not= 
menbig  auf  bie  grage:  raie  gtelt  fie  barauf?  Unb  auf  biefe 
grage  antworten  bie  2tug(eger  nidjtg. 


$Uun?igft*s   ^tittk* 

3)en  11.  Wäv-i  1768. 

Sßie  fie  barauf  gtele,  fagt  2lriftoteles ,  biefeö   Ijabe  fid) 
fdjou  längft  an  ber  üomöbie  beutlid)  gezeigt:  Erc».  (asv  &uv  tyjc 

v.a>jj.ü)oca?  TjOYj  toüto  StjXov  y£Y0V£V*  oüarinoavcec  yap  tov  jj-uftov 
o'.a  tü)V  £lxotü)V,  outen  to.  TDyovta  ovo|i.axa  liriTt^saat ,  v.ac  ouy 
tüaTcsp  ol  lajxßoTcoio'.  Ttcp'.  Ttuv  xa-ö*'    sv.aatov   noiooaiv.     ^ct)    llUl^ 

aud)  ^ieruon  bie  Ueberfe&ungen  beg  SDacier  -unb  Gurtiug  an= 
führen.  SDacier  fagt :  C'est  ce  qui  est  dejä  rendu  sensible 
dans  la  Comedie,  car  les  Poetes  comiques,  apres  avoir 
dresse  leur  sujet  sur  la  vraisemblance  imposent  apres 
cela  ä  leurs  personnages  tels    noms  qu'il    leur   plalt,    et 


*)  Aristote  previent  ici  une  objection,  qu'on  pouvoit  lui  faire,  sur  la 
denuition  qu'il  vient  de  donner  d'une  chose  generale;  car  les  ignorans 
n'auroient  pas  manque  de  lui  dire  qu'Homere,  par  exemple,  n'a  point  en 
vue  d'ecrire  une  action  generale  et  universelle,  mais  une  action  particu- 
liere,  puisqu'il  raconte  ce  qu'ont  fait  de  certains  hommes,  comme  Achille, 
Agamemnon,  Ulysse,  etc.  et  que  par  consequent,  il  n'y  a  aucune  difference 
entre  Homere  et  un  Historien,  qui  auroit  ecrit  les  actions  d'Achille.  Le 
Philosophe  va  au  devant  de  cette  objection,  en  faisant  voir  que  les  Poetes, 
c'est-ä-dire,  les  Auteurs  d'une  Tragödie  ou  d'un  Poeme  Epique,  lors  meme 
qu'ils  imposent  les  noms  ä  leurs  personnages  ne  pensent  en  aucune  ma- 
niere  ä  les  faire  parier  veritablement,  ce  qu'ils  seroient  obliges  de  faire, 
s'ils  ecrivoient  les  actions  particulieres  et  veritables  d'un  certain  homme, 
nomme  Achille  ou  Edipe,  mais  qu'ils  se  proposent  de  les  faire  parier  et 
agir  necessairement  ou  vraisemblablement;  c'est-ä-dire,  de  leur  faire  dire 
et  faire  tout  ce  que  des  hommes  de  ce  meme  caractere  devoient  faire  et 
dire  en  cet  etat,  ou  par  necessite,  ou  au  moins  selon  les  regles  de  la 
vraisemblance;  ce  qui  prouve  incontestablement  que  ce  sont  des  actions 
generales  et  universelles.  9iid)t§  anber§  jagt  autf)  £err  Gurtiu§  in  feiner  51n= 
merfung ;  nur  bafj  er  ba§  allgemeine  unb  (Sinjeine  v.od)  an  SBeiftueten  jeigen  tuoüen, 
bie  ober  nidjt  jo  redjt  betoeifen,  bafj  er  auf  ben  ©runb  ber  ©adfje  gefonunen.  25enn 
i^nen  jufolge  mürben  e§  nur  perfonifierte  ©fjaraftere  fein,  tnetdje  bet  SDiäjtev  rcben 
unb  tjanbetn  ließe,  ba  e§  bort)  djnrafterificrte  5ßevfouen  fein  fottcu. 


Sfteunaiflfteä  ©tuet.  159 

n'imitent  pas  les  Poetes  satyriques,  qui  ne  s'attachent 
qu'aux  choses  particulieres.  Unb  SurttUÖ:  „$n  bem  Stift« 
fpiele  ift  btefeg  fdjon  lange  fidjtbar  geroefen.  3)etm  wenn  bie 
Äomöbieitfdjreiber  ben  ^jlan  ber  g-abel  nad)  ber  2Ba!)ifdjein= 
lidjfeit  entworfen  fjaben,  legen  fte  ben  s$erfonen  roillfiirlidje 
tarnen  bei  nnb  feigen  ftd)  nidjt,  roie  bie  jambifdjen  ©idfjter, 
einen  befonbent  üBontmrf  jum  3iele."  s^a^  finbet  man  in 
biefen  Uebetjeijungett  uon  bem,  roa3  2lriftotele3  Ijier  oornel)m= 
ltdj  fagen  roill?  SBetbc  Taften  ilm  roeiter  nidjtä  fagen,  aU  oafc 
bie  tomtfdjen  3)id;ter  e§  ntdjt  madjten,  roie  bie  jambifdjen 
(ba§  ift,  fatirifdjen  £)id)ter),  unb  fid)  an  ba3  einzelne  Rieften, 
fonbern  auf  ba3  SWgemetne  mit  iljren  ^erfonen  gingen,  benen 
fie  roillf'ürlidje  tarnen,  tels  noms  qu'il  leur  plait,  bei; 
legten,  ©efetjt  nun  ancf),  bafe  xa  to^ovra  ovofxaxa  bergletdjen 
tarnen  bebeuten  fönnten:  rco  Ijaben  benn  beibe  Ueberfet^er 
ba3  ouxco  gelaffen?  Schien  iljnen  benn  biefeä  ob-u>  gar  nidjtg 
31t  fagen?  Unb  bod)  fagt  e3  l)ier  adeö;  benn  biefem  06™ 
^ufotge  legten  bie  fomifdjen  SDid^ter  it)ren  ^ßerfonen  nicr)t  allein 
roillfürlidje  -Kamen  bei,  fonbern  fie  legten  tlmen  biefe  mißfür= 
lid;e  tarnen  fo,  o6tu>,  bei.  Unb  rote  fo?  ©0,  baf$  fie  mit  biefen 
•ftamen  felbft  auf  ba3  Slllgemeine  gelten !  06  ato/aCetc«  4)  tcoiyjou; 
bvojxata  eTuxithpvYi.  Unb  roie  gefc^at)  baö?  S)anon  finbe  man 
mir  ein  28ort  in  ben  Slnmerfttngen  bes>  2)acier  unb  @urtiu§! 
Dime  roeitere  Umfdjroeife:  e3  gefd)al)  fo,  roie  tdj  nun 
fagen  roill.  SDte  $omöbie  gab  tljren  ^erfonen  tarnen,  roeldje 
nermöge  tr)rer  grammatifdjen  Ableitung  unb  ^ufommenfe^ung 
ober  and)  fonftigen  SBebeutung  bie  33efd)affenl}eit  biefer  ^erfonen 
augbrüd'ten;  mit  einem  2ßorte,  fie  gab  ilmen  rebenbe  tarnen, 
tarnen,  bie  man  nur  Ijören  burfte,  um  fogleid)  ju  roiffen, 
von  roeldjer  2(rt  bie  fein  würben,  bie  fie  führen.  %d)  roill 
eine  (Stelle  be3  £)onatu§  hierüber  angießen.  Nomina  per- 
sonarum,  fagt  er  bei  Gelegenheit  ber  erften  geile  w  ^m 
erften  ^luf^uge  ber  trüber,  in  comoediis  duntaxat,  habere 
debent  rationem  et  etymologiam.  Etenim  absurdum  est, 
comicum  aperte  argumentum  confingere :  vel  nomen  per- 
sonse  incongruum  dare  vel  officium  quod  sit  a  nomine 
diversum. *)    Hinc  servus  fidelis  Parmeno:  infidelis  vel 


*)  Siefe  Sßeriobe  fönnte  leidet  fet>r  falfd)  oerftanben  werben.  9}ämlid)  wenn 
man  fie  jo  oerftefyen  wollte,  al§  ob  2)onatu§  aud)  MZ  für  etwa»  Ungereimte»  tjielte, 
Comicum  aperte  argumentum  confingere.  Unb  ia%  ift  bod)  bie  Meinung  be» 
25onatu§  gar  nidjt.  Sonbern  er  miß  fagen:  e§  Würbe  ungereimt  fein,  wenn  ber 
fomifdje  2)id)ter,  ba  er  feinen  (Stoff  offenbar  erfinbet,  gleidjwoljl  ben  ^erfonen  un= 
fdjitfüdje  tarnen  ober  93ejä)äftigungen  beilegen  Wollte,  bie  mit  ifyren  tarnen  ftritten. 


160  .oam&urgiftfje  Dramaturgie. 

Syrus  vel  Geta:  miles  Thraso  vel  Polemon:  juvenis 
Pamphilus:  matrona  Myrrhina,  et  puer  ab  odore 
Storax:  vel  a  ludo  et  a  gesticulatione  Circus:  et  item 
similia.  In  quibus  summum  Poetae  vitium  est,  si  quid 
e  contrario  repugnans  contrarium  diversumque  protulerit; 
nisi  per  avcicppaoiv  nomen  imposuerit  joculariter,  ut  Mi- 
sargyrides  in  Plauto  dicitur  trapezita.*)  2Ber  ftd)  burd) 
nodj  mefyr  SBeifpiete  Gereon  überzeugen  mitt,  ber  Darf  nur  bie 
tarnen  bei  bem  $tautue>  unb  Vereng  unterjudjen.  2)a  it)re 
©lüde  alle  aug  bem  ©riedjijdjen  genommen  finb:  fo  finb  aud) 
bie  tarnen  ifyrer  ^erfonen  griedjifdien  Urforungg  unb  fjaben, 
ber  ©tmnologie  nad),  immer  eine  Sße^ierjung  auf  ben  (Staub, 
auf  bie  SDenf'unggart  ober  auf  fo-nft  etwas»,  mas  biefe  ^erfonen 
mit  meiern  gemein  baben  formen;  roenn  mir  fdjon  fotdje 
©tmnologte  nicijt  immer  flar  unb  firfjer  angeben  tonnen. 

5dj  roiß  mid)  bei  einer  fo  befannten  <5ad)t  nicrjt  oer= 
meilen;  aber  nmnbern  mufj  id)  mtd),  mie  bie  2(u3leger  be3 
Slriftoteleö  fid}  iljrer  gleid)raoi)l  ba  nidjt  erinnern  fönnen,  mo 
2lriftotele§  fo  unraiberfpredjlicr}  auf  fie  oerroeifet.  £)enn  rva$ 
fann  nunmehr  magrer,  roa3  !ann  flärer  fein,  al§  roa§  ber 
s$Ijtfofoprj  oon  ber  SRüdficr)t  fagt,  meldte  bie  $oefie  bei  @r= 
tetlung  ber  tarnen  auf  bciZ  Slllgemeine  nimmt?  2Ba§  fann 
unleugbarer  fein,  als  baf$  litt  [xsv  xyjc  %u>p.u>§iac  rfif\  xouto 
oyjXov  yepvev,  bafc  fxdf>  biefe  SRiicfftdt^t  bei  ber  £omöbie  befonberS 
längft  offenbar  gezeigt  IjabeV  33on  irjrem  erften  Urfprunge  an, 
ba§  ift,  fobalb  fid)  bie  jambifcr)en  SDtct)ter  oon  bem  Sefonbern 
$u  bem  allgemeinen  erhoben,  fobalb  au§  ber  beleibigenben 
(Satire  bie  unterrid§tenbe  ^omöbie  entftanb,  fud)te  man  jenes 


'Denn  freitid),  ba  ber  ©toff  ganj  Don  ber  ©rfinbung  be§  2)idjter§  ift,  fo  ftanb  e§  ja 
einsifl  unb  allein  bei  if)tn,  tt>a§  er  feinen  gkrfonen  für  Warnen  beilegen,  ober  ma§  er 
mit  biefen  tarnen  für  einen  ©tanb  ober  für  eine  2Serrid)tung  uerbinbeu  moHte. 
<3onad)  bürfte  fid)  öietleidjt  Donatu§  aud)  felbft  fo  ameibeutig  nid)t  au§gebrütft  traben; 
unb  mit  Sßeränberung  einer  einzigen  ©Übe  ift  biefer  9Inftofj  Dermieben.  Wlan  lefe 
uämlid)  entroeber :  Absurdum  est,  Comicum  aperte  argumentum  confingentem 
vel  nomen  persona?  etc.  Ober  aud)  aperte  argumentum  confingere  et  nomen 
persona?  u.  f.  tu. 

*)  [SDie  tarnen  ber  iperfonen,  in  ben  ßomöbien  menigften§,  muffen  ityre  33e= 
red)tigung  unb  (Stmnotogie  fjaben;  benn  e§  ift  ungereimt,  bafj  ber  ßomöbienbidjter, 
ber  feinen  Stoff  frei  erfinbet,  ber  Sßerfon  entraeber  einen  unpaffenbeu  Tanten  ober 
ein  ttjrem  tarnen  miberfpred)enbe§  ©efdjäft  gebe.  2)al)er  tjeifjt  ber  treue  ©Hatte 
$armeno,  ber  untreue  ©t)ru§  ober  ©eta,  ber  ©olbat  3:t)rafo  ober  polemon,  ber  junge 
Wann  ^ambf)itu§,  bie  Patrone  9Jh)rrlnna,  unb  ber  Jüngling  tion  feinem  gjarfüm 
©torar.  ober  üom  Kampfe  unb  üom  pantomimifdjen  Spiele  6ircu§  unb  bgt.  hierbei 
ift  e§  ein  Hauptfehler  be§  SDid)ter§,  tnenn  er  feinen  Sperfonen  tarnen  beilegt,  bie  ifyrem 
6t)arafter  gerabeju  miberfpredjen,  e§  tnüfjte  benn  burd)  ein  fdjerarmftes  Söortfpiel 
gefd)et)en,  mie  3.  33.  „©elb^affer"  im  Sßlautuä  „2Jläfler"  genannt  mirb. 

3  immer  mann.] 


9leutt8t0fte§  3tiicf.  161 

^Hgemeine  burdj  bte  Sftamen  jelbft  ausbeuten.  S)er  grot}= 
fpredjerifdre  feige  Solbat  fyief}  nidjt  wie  biefer  ober  jener 
2Infüf)rer  au3  biefem  ober  jenem  'Stamme:  er  fjiefe  ^nrgopo= 
Iiniceö,  Hauptmann  9!)i  au  erbred)  er.  3)ev  elenbe  Sd)marut5cr, 
ber  biefem  um  bag  sDtaul  ging,  fyieft  nidjt  mie  ein  gereifter 
armer  Sdjlud'er  in  ber  Stabt:  er  fyiejs  Slrtotroguö,  23rod'err= 
fdjröter.  2)er  3^n9^9/  meldjer  burdj  feinen  Slufmanb, 
befonbers  auf  $ferbe,  ben  SSater  in  Sdjulben  feilte,  l)ieft  nicht 
mie  ber  Solm  biefeS  ober  jene3  ebehr  93ürger§:  er  Ijiejj  ^tri- 
bippibeS,  Snnfer  Spar  rot}. 

9Jtan  formte  einmenben,  bar}  bergleidjen  bebeutenbe  Tanten 
moI)l  mir  eine  ©rfinbung  ber  treuen  griedjifdjen  föomöbie  fein 
bürften,  beren  SDidjtern  eS  ernftlid)  verboten  mar,  fidj  maljrer 
■Kamen  ju  bebienen ;  bar}  aber  2Iriftotetes  biefe  neuere  komöbie 
nidjt  gerannt  fyahe.  unb  folglid)  bei  feinen  Regeln  feine  9iüd'= 
ftd)t  auf  fie  nehmen  formen.  £>a§  letztere  beirauptet  §urb;*) 
aber  e3  rft  eben  fo  falfd),  als  falfdj  eö  ift,  baft  bie  ältere 
griedjifdje  ^omöbie  fiel)  nur  magrer  -Kamen  bebient  tjabe.  Selbft 
in  benjenigen  Binden,  beren  uornefmrfte  einzige  3(bfrd)t  e3 
mar,  eine  gemiffe  befannte  $erfon  lädjerlidj  unb  vertagt  511 
madierr,  maren  arider  bem  matjrerr  tarnen  biefer  ^erforr  bie 
übrigen  faft  ade  erbidjtet,  unb  mit  SBe^ietjung  auf  üjren  Staub 
unb  ßlrarafter  erbidjtet. 


*)  §urb  in  feinet  Qlbhanbtung  über  bie  fcerfebiebenen  ©ebiete  be§  2)rama. 
From  the  aecount  of  Comedy,  here  given,  it  may  appear,  that  the  idea 
of  tliis  drama  is  much  enlarged  beyond  what  it  was  in  Aristotle's  time; 
who  defines  it  to  be,  an  imitaüon  of  light  and  trivial  actions,  provoking 
ridicule.  His  notion  was  taken  from  the  state  and  practice  of  the  Athe- 
nian  stage;  that  is  from  the  old  or  middle  comedy,  which  answer  to 
this  description.  The  great  revolution,  which  the  introduetion  of  the  new 
comedy  made  in  the  drama,  did  not  happen  tili  afterwards.  [2)er  hier  ge= 
gebenen  SJarlegung  ber  ßomöbie  jufolge  möd)te  e§  fdjeinen,  baß  ber  ^Begriff  biefer 
bramatifebeu  (Gattung  meit  über  bat,  hinaufgegangen  fei,  ma§  fie  in  ben  Seiten  be§ 
Slriitotete»  mar,  ber  fie  ot§  eine  9tad)ahmung  unbebeutenber  unb  olltägtidjer,  ba§ 
üädjerlidje  herauc-forbernber  ^anblungcn  befiniert.  Seine  Wnfid)t  mar  bem  3u= 
ftanbe  unb  beut  jperfommen  ber  91thenienfiid)en  SBübne  entlehnt,  b.  i.  ber  alten 
ober  mittleren  Stomöbie,  meldje  biefer  Skfcbreibung  entffrid)t.  Sic  grofje  Hm= 
mätjung,  meldje  bie  Einführung  ber  neuen  ftomöbie  im  Trama  Oerurj'adjte ,  trat 
erft  füiiter  ein.]  ?lber  biefe§  nimmt  §urb  bloß  an,  bainit  feine  Grftiirung  ber 
ßomöbie  mit  ber  Slriftotelifdjeu  nicht  fo  gerabeju  ju  ftreiten  fdjeine.  9lriftotcle'§  hat 
bie  9teue  ßomöbie  allerbings  erlebt,  unb  er  gebeult  ihrer  nameuttid)  in  ber  DDloral 
an  ben  9ticomad)u-:-,  mo  er  Don  bem  anftanbigen  unb  unanftänbigeu  Sdjcräe  hanbelt. 
(Lib.  IV.  cap.  14.)  'Iooi  85  6cv  ttq  v.ai  Ix  xeov  v.cu|j.u)5ctov  tcov  Tzakaxuv 
Y.cu  x(uv  xa'.vcuv.  Toic,  (jlsv  Yap  "Jjv  ^bXoiov  4]  aio^poXoYttt,  xoiz  Ss 
fxaXXov  'i\  6tcovo:c/.  [95t an  lann  bie§  aus  ben  alten  unb  ben  neuen  ßomöbiett 
fehen.  3n  jenen  nämlid)  mar  fd)led)te§  föerebe  ba§  Öädjerlidje;  in  biefen  maren 
e§   mehr   gnmbeutigfeitem]     95tan   föunte   smar    fagen,   baß    unter   ber   neuen 

Seffing,  SSerfe.    XII.  11 


162  £>am6urgifd)e  Dramaturgie. 

(Buutttfcncuttjtfl.jt£5  §tütk* 

2m  15.  m'dxi  1768. 

Qa,  bie  roaljren  Hainen  felbft,  lann  man  jagen,  gingen 
nitfjt  feiten  mefjr  auf  bas  allgemeine  al3  auf  bag  ©inline. 
Unter  bem  -Diamen  ©ofrateS  mollte  Slriftopfjaneg  nidjt  ben 
einzelnen  <8ofrate§,  fonbern  alle  (Sopljiften,  bie  ftd;  mit  fe 
jueljung  junger  Seute  Gemengten,  Iäd;erltdt)  unb  uerbädjtig 
machen,  ©et  gefährliche  Sopljift  überhaupt  mar  fein  ©egen= 
ftanb,  unb  er  nannte  biejen  nur  Sofrates,  meil  <Soh*ates  al3 
ein  foldjer  iierfdjrieen  mar.  3)af)er  eine  9ftenge  3u9e/  ^e  auf 
ben  'SofrateS  gar  nidjt  paßten,  fo  ba£  ©ofrateä  in  bem 
Sweater  getroft  auffielen  unb  fid)  ber  Sergleicljung  preisgeben 
fonnte !  3lber  mie  fet)r  nerfennt  man  bas  3Befen  ber  &omöbie, 
menn  man  biefe  nidjt  treffenbe  3üge  für  nidjts  als  mutwillige 
ä>erleumbungen  erflärt  unb  fie  burdjaus  bafür  ntcr)t  erfennen 
mill,  mas  fie  bod)  jtnb,  für  ßrmeiterungen  bes  einjelnen 
Gljarafters,  \üx  (M)ebungcn  bes  ^}erfönlid)en  gum  Slllgemeinen! 

§iei  liefte  fid)  oon  bem  ©ebraudje  ber  mafjren  tarnen  in 
ber  gried)ifd)en  Romöbie  überhaupt  oerfdjiebnes  fagen,  roa§ 
uon  ben  ©eleljrten  fo  genau  nod)  nidjt  aus  einanber  gefegt 
roorben,  aU  e3  mofjl  uerbiente.  ßs  liege  fid)  anmerfen,  baJ3 
biefer  ©ebraud)  feinesmeges  in  ber  altern  gried)ifd)en  Romöbie 
allgemein  gemefen,*)  baf$  fid)  nur  ber  unb  jener  2)id)ter  ge= 


Slomöbie  l)ier  bie  mittlere  oerftauben  werbe;  beim  al§  nod)  leine  neue  gemefen, 
fmbe  notroenbig  bie  mittlere  bie  neue  Reißen  muffen.  5ftan  fönnte  l)inäufet;eit, 
baß  ^Iriftotelel  in  eben  ber  Dlnmpiabe  geftorben,  in  roeldjer  Sftenanber  fein  erfte§ 
Stücf  aufführen  lafjen,  unb  jroar  nod)  baz  %al)X  uorfyer.  (Eusebius  in  Chro- 
nico  ad  Olymp.  L'XIV.  i.)  allein  man  t)at  Uuredjt,  menn  man  ben  Anfang 
ber  neuen  ßomöbie  bon  bem  9ftenanber  red)net;  DJcenanber  mar  ber  erfte  Sidjter 
biefer  Gpodje,  bem  poetifdjen  SBerte  nad),  aber  nidjt  ber  3e^  na$-  s£f)ilemon,  ?a' 
baju  gehört,  f abrieb  biel  früher,  unb  ber  Uebergang  bon  ber  mittlem  ^ur  neuen 
ßomöbie  mar  fo  unmerfhd),  1)0%  e§  bem  5lriftotete?  uninöglid)  an  Wuftern  berfetben 
fann  gefehlt  Ijabeu.  9lriftopl)aneä  felbft  Ijatte  fdjon  ein  foldjes  Wufter  gegeben;  fein 
&ofalo§  mar  fo  bejdjaffeu,  wie  it)n  >pt)Uemon  fid)  mit  wenigen  SScränberungen 
■jueignen  fonnte:  KoxaXov,  fyeißt  e§  in  bem  Seben  be§  3lriftot>t)ane§,  lv  tu  z:-:- 
txYei  (p&opav  Rat  avaYva>piaji.ov ,  xai  taXXa  icavxa  v.  I£yjXü)OS 
^1ev7.vooot.  [Seit  Sofaioc-,  in  lucidum  er  ben  SJerluft  unb  bie  SSiebercrfennung 
einführt,  'unb  alles  aubere,  moriu  TOenanber  iljm  nadjeiferte.  3  immermann.]  SDBi« 
nun  alio  \»(viftop()ane»  ÜJlufter  »on  allen  uerfdjiebenen  5lbänberungen  ber  Mom'öbic 
gegeben,  fo  fonnte  aud)  ?lriftotele§  feine  (vrUärung  ber  ßomöbie  überlmupt  auf  fie 
alle  einridjten.  2ac-  trjat  er  benn;  unb  bie  ßomöbie  [jat  nad)l;er  feine  (5-nociterung 
befommen,  für  meld;e  biefe  Grfliirung  ju  enge  gemorben  märe.  §urb  hätte  fie  nur 
red)t  üerftefjen  bürien,  unb  er  tuürbe  gar  nid)t  nötig  getjabt  Imben,  um  feine  an  unb 
für  fid)  rid)tigen  begriffe  bon  ber  Äomöbie  außer  allen  Streit  mit  ben  Staftotetijdjen 
3u  fe^en,  feine  Qufluctjt  ju  ter  nerineintlidjen  Unerfaf)renf)eit  be§  9lrifiotele§  311  neunten. 
*)  SÖeun  nad)  bem  3lriftotele3  bat-  cd)enia  ber  .Qoiuöbie  bon  bem  ^Jargite;  bc-:- 
§omer,   cö   i{»oyov,   aXXa  zo  yekoiov   Bpa{j.a/corcoiY|Oavcoc,  [ber  nid)t  bie 


G'tmmbneuntfgftes  Ztüd.  163 

legent(tdj)  besjel6en  erfülltet,*)  baft  er  foljiüd)  nidjt  aU  ein 
unterjdjeibenbee  iDievhnal  biefer  Gpodje  ber  .Slomöbie  511  6e= 
tradjten.**)     Gö  üefte  fid)  Reißen,  bafj,   als  er  enb(id)  bnrd) 


Satire,  fonbern  ben  £umor  jutn  föegetiftanbe  bes  5)rama  madjte  — ]  genommen  mor= 
ben,  fo  roirb  man,  allein  ftnfetyen  nad;,  aud;  gteid)  anfangs  bie  erb'idjteten  Warnen 
mit  eingeführt  fjaben.  Senn  yjiargites  war  mot;l  nid)t  ber  mafjre  9iame  einer  ge* 
miffen  5perfon,  inbem  MapYeiTYj^  mol;l  efjer  t>ou  jj.aoyr -  [rafenb,  tljörid;t] 
gemad)t  morben,  als  i>a\>,  üMOTTjC  tum  M'/.v|'v.?f^  foüte  eutftanben  fein.  SSon 
Derfd;iebenen  Sidjtem  ber  alten  ßomöbie  finben  nur  es  aud)  ausbrücflid)  angemerkt, 
baß  fie  ftd)  aller  9ln}ügtid;feiten  enthalten,  meldjes  bei  mafjren  Flamen  nidjt  möglidj 
gemefen  märe.     3-  *    Don  Dem  ^pcjerefrates. 

Die  periönüaje  unb  namentliche  Satire  mar  fo  menig  eine  mefentlidje  Cngen* 
fdjaft  ber  alten  ftombbte,  baß  man  t>ielmef)r  benjenigen  iljrer  £id;ter  gar  mobt  fennet, 
ber  fid)  tfjrer  juerft  erfüfjnet.  (fs  mar  Gratiuus,  meldjer  juerft  t(p  j^aptevxt  r*K 
xa>Lup3&a<;  to  uxpeXtfiov  icpoa3<8MYme,  too<;  xaxtoc;  jtpaxtovcow;  81a- 
ßaXXcov,  xat  (vaicep  oy(;j.o -'.</.  ftaattYt  rg  xcoucpo'iqE  xoXa£a>v.  [SBet  3u= 
erft  bem  unmutigen  ber  ßomöbie  bas  Dlütjlidje  jugefellte,  inöem  er  bie  fdjledjt  .vnin= 
belnben  burcbjog  unb  fte  mie  mit  einer  öffentiidjeu  Öeifjel  burd)  bie  fiomöbie 
jüdjtigte.]  llub  aud}  biefer  magte  fid)  nur  anfangs  an  gemeine,  oertuorfene  Veute, 
ton  beren  9lf)nbung  er  nidjts  ju  befürd)teu  ()atte.  Wriftopljanes  mollte  fid)  bie  (vl;re 
nid)t  nehmen  lafjen,  baß  er  es  fei,  meldjer  fid;  juerft  au  bie  @rof;en  bes  Staats  ge* 
magt  rjabe:  (Ir.  v.  750.) 

Ob%  Lotuycac  &v$pu»iciaxooc  xaipupScov,  o58e  YövatxaCj 

'AXX1   cflpaxXsoo(;   o^'-rv   uv3   E^tov,  total  fieYtcxot?   ir.v/f.y,'.. 

[Ulidjt  pfebejijdje  9)lenfdjlein  lädjerlid;  maäjenb  ober  52eiber,  fonbern  bes  focrafles 
^orn  fjegenb,  griff  er  Die  ©roßten  an.  3]  2ia,  er  fjätte  lieber  gar  biefe  .Vtütjntjeit 
als  fein  eigenes  5ßriDilegium  betrachten  mögen.  6r  mar  fyödjft  eiferfüdjtig,  als  er 
fafj,  baß  itjrn  fo  niele  anbere  Sidjter,  bie  er  neradjtete,  barin  nachfolgten. 

jeldjes  gteidjmofjl  faft  immer  gefdjiefjt.  3a,  man  gefjt  nodj  roeiter  unb  mill 
behaupten,  ta^  mit  \>en  roarjren  Flamen  aud)  mat)re  Gegebenheiten  üerbunben  gemefen, 
an  meldjen  bie  (irfittbung  bes  Siebter»  feinen  Seil  gehabt.  Sacier  fclbft  fagt: 
Aristote  n'a  pu  vouloir  dire  qu'Epicharmus  et  Pliormis  inventerent  les 
hujf.t3  de  leurs  pieces,  puisque  Tun  et  l'autre  ont  ete  des  Poetos  de  la 
vieille  Comedie,  oü  il  n'y  avoit  rien  de  feint,  et  que  ces  aventurea  t'ointea 
ne  commencerent  ä  etre  mises  sur  le  theätre,  que  du  tems  d'Alexandre 
le  Grand,  c'est-a-dir-i  dans  la  nouvelle  Comedie.  (Bemarqtie  sur  le 
Chap.  V.  de  la  Poet.  d'Ariat.)  tylan  follte  glauben,  raer  fo  etmas  fageu 
fönne,  müßte  nie  aud;  nur  einen  53lid  in  ben  5triftopl;anes  gettjau  fjaben.  3DoS 
Argument,  bie  %abtl  ber  alten  griedjifdjen  ßomöbie,  mar  ebtn  fo  mot)l  erbid;tct,  als 
es  bie  Argumente  unb  ^fabeln  ber  neuen  nur  immer  fein  tonnten.  $ein  einjigcs 
üon  ben  übrig  gebliebenen  Stüdeu  bes  9(riftopr;ane3  ftellt  eine  Gegebenheit  nor,  bie 
mirflid)  gefdb,et;en  märe;  unb  mie  faun  man  fagen,  baß  fie  ber  2)id;ter  besmegeu  uid)t 
erfunben,  meil  fie  jum  2eil  auf  mirflidje  Sßegebenl)eiten  anjpielt '{  SBenn  ^Iriftoteles 
als  ausgemadjt  annimmt,  btt  TOV  r.'y.rz-r^  [xaXXov  T<ov  jto^wv  elvat  Zti 
rv.'':r/.  r  ciov  pteTptuv  [baß  ber  Sinter  mefjr  ber  Sd;öpfer  ber  poetifd;en 
Stoffe  als  ber  Versmaße  fei]:  mürbe  er  nidjt  fd;ted;terbings  bie  Sßerfaffer  ber  alten 
griectjifdjen  StomStnt  aus  ber  Alane  ber  £itf)ter  l;aben  ausfd;ließen  muffen,  roenn  er 
geglaubt  tjätte,  la*;  fte  bie  Sdgumetttc  ifjrci:  Stüde  nidjt  erfunben?  >2lber  fo  mie  es, 
nadj  it)m,  in  bet  3:ragöbie  gar  mof)l  mit  ber  poetijdjen  (frfiubung  beftefieu  fann, 
-  ;men  unb  Umftanbe  aus  ber  roafjren  ßetd;id;te  entlehnt  fi nb :  fo  nun;  es,  feiner 
Meinung  nad; ,  aud)  in  ber  ßomöbie  beftefjen  fönnen.  (ss  fann  unmöglid)  ieinen 
Segriffen  gemäß  gemefen  fein,  M%  bie  Äomööie  babureb,,  baß  fte  mat;re  9'camen 
braudie  unb  auf  raaljre  SBegebent;eiten  anfpiele,  mieberum  in  bie  jambifd;e  Sd;inäl;* 
fud;t  jurüdfalle;  üielmeljr  muß  er  geglaubt  fjaben,  la^  fid;  bas  xa&oXoo  icoceiv 
Xoyooc  ';  Z  Üm   aügemeinen  bie  SReben  ober  Stoffe  erfiuben]  gar  mof;l 


164  §am6urgtfct)e  Dramaturgie. 

ausbrüdlidje  ©efe^e  unterfagt  mar,  boct)  nod)  immer  geioiffe 
^ßerfotten  von  beut  ©d)ufce  biefer  ©efetje  entioeber  namentlich 
auSgefdjloffeu  waren  ober  bod)  ftillfcl)iuetgenb  für  auSge= 
fdjloffeu  gehalten  mürben.  Qn  ben  ©tücfen  beS  sJJienanberS 
felbft  mürben  nod)  Seilte  genug  bei  iljren  magren  Manien 
genannt  uub  ladjerlid)  gemacht.*)  SDod)  icfj  mufe  mid)  ntdjt 
aus  einer  SluSfdjraeifung  in  bie  anbere  oerlieren. 

3d)  miß  nur  nod)  bie  Slnmenbung  auf  bie  wahren  Manien 
ber  ^ragöbie  mad)en.  Bo  mie  ber  äriftopljanifctje  6ofrateS 
ntdjt  ben  einzelnen  9Jtomt  biefeS  Samens  oorftellte,  nod)  oor= 
ftellen  follte;  fo  mie  biefeS  perfonifterte  Sbeal  einer  eiteln 
unb  gefätjrlidjen  (Schulweisheit  nur  barum  ben  -Kamen  ©ofvateS 
befam,  weil  ©ofrateS  als  ein  foldjer  ^äufdjer  unb  SSerfüljrer 
gum  ieil  befannt  mar,  gum  ^£eit  nod)  bekannter  werben  follte; 
fo  mie  blofe  ber  begriff  oon  ©taub  unb  ßljarafter,  ben  man 
mit  bem  tarnen  ©ofrateS  oerbanb  unb  nod;  näljer  uerbinben 
follte,  ben  SDtd&tcr  in  ber  2öal)l  beS  9kmenS  beftimmte:  fo 
ift  aud)  blofc  ber  begriff  beS  ßljarafterS,  ben  mir  mit  ben 
Manien  ^egutuS,  Gato,  33rutuS  gu  uerbinben  gemol)nt  finb, 
bie  Urfadje,  marum  ber  tragifetje  £)id)ter  feinen  $erfonen  biefe 
tarnen  erteilet.  @r  füljrt  einen  SfteguluS,  eines  33rutuS  auf, 
nidjt  um  uns  mit  ben  wirf  liefen  Segegniffen  biefer  Männer 
belannt  511  machen,  nietet  um  baS  ©ebädjtniS  berfelben  gu  er= 
neuern:  fonbem  um  unS  mit  fotdjen  33egegniffen  gu  unter- 
Ijalten,  bie  Männern  oon  ifjrem  (Eljaralter  überhaupt  begegnen 
fönnen  uub  muffen.  -Jcam  ift  gwar  wafyr,  bafc  mir  biefen  iljren 
(Sljarafter  aus  tijren  wirf  liefen  23egegniffen  abftrat)ieret  Ijaben: 
eS  folgt  aber  bod)  barauS  nidjt,  bafe  uns  aud)  t|r  ßljarai'ter 
wieber  auf  it)i*e  23egegniffe  gurüdfüfyren  muffe;  er  lann  uns 
nid)t  feiten  meit  fürgev,  meit  natürlid)er  auf  gang  anbere 


bamit  Verträge.  (Sr  gefielt  biefeS  ben  ätteften  fomifdjen  2)id)tern,  beut  (S}nd)armu3, 
bem  SßljotmiS  unb  ßrateS  ju  unb  mirb  e§  gettriij  bem  <Hriftotd;ane3  nidjt  abgetyrodjen 
fjaben,  ob  er  fdjon  mufjte,  wie  fcl)r  er  nid)t  allein  ben  $teon  unb  §t;pcrbotu§,  fon= 
bem  aud)  ben  ^erif(e§  unb  ©ofratc»  namentlich,  mitgenommen. 

*)  TOit  ber  Strenge,  mit  meldjer  $tato  ba§  SBcrbot,  jemanb  in  ber  $omöbie 
lädjerlid)  p  madjen,  in  feiner  SRepublif  einführen  mollte  (jvtjts  Xoyiü,  jxvjts 
elv.ovi,  jj.*f]xs  ■9'Djj.ü),  jj.y]T£  avsD  ^ujaoü,  [XY]§ajjiu)c  fJ-YjSsva  xcov  tcoXi- 
tü)V  y.oju.ü)oetv)  [roeber  mit  SBorten,  nod)  burd)  ein  25ilb,  meber  mit  §afj,  nod) 
oljue  §afj  irgenbmie  einen  ber  SMirger  lädjerlidj  ju  madjen  —  3-L  ift  in  ber  toir!» 
lidjcn  lliepubtif  niemals  bariiber  gehalten  morben.  3d)  miß  nid)t  anführen,  baf;  in 
ben  ©tu den  bes  2Jlenanber  nod)  fo  mandjer  cimil'dje  ^tjitofobtj,  nod)  fo  mandje  93ul)= 
Icrin  mit  tarnen  genennt  marb;  man  fönnte  antworten,  bafe  biefer  ?lufd)aum  Don 
5Ö?enfd)en  nid)t  ju  ben  SBiirgern  gehört.  ?lber  ^tefippu§,  ber  ©otm  be§  6t)abria§, 
mar  bod)  gemip  3ltl)cnienjtf$er  93iirgcr  fo  gut  mie  einer,  uub  mau  fetje,  tua§ 
TOenanbcr  tion  i^m  fagte.    (Menandri  Fr.  p.  137.  Edit.  Cl.) 


Qroeitmbneunjtgfteä  ©tütf.  165 

Bringe«,  mit  meldjen  jene  roirflidjen  weiter  nidjtS  gemein  Ijaben, 
aiö  bafe  fte  mit  ilmen  a\\$  einer  Quelle,  aber  auf  unjuuers 
folgenben  Umwegen  unb  über  Crbftridic  Ijergeftofjen  ßnb, 
meldje  iljre  Sauterljett  üerborben  baben.  vAsn  biefem  gälte  roirb 
ber  $oet  jene  erfunbene  ben  mirflidjen  fdjledjterbingö  oor= 
Rieben,  aber  ben  Sßerfonen  nod)  immer  bie  magren  tarnen 
laffen.  Unb  jmar  aus  einer  boppelten  Urfadje :  einmal,  meil 
mir  fdnrn  gewohnt  ftnb ,  bei  biefen  Flamen  einen  Gfjarafter 
51t  beuten,  mie  er  it)n  in  feiner  OTgemeinljeit  &eiget ;  jwettenS, 
meil  mirtlidjen  Tanten  and)  inirflidje  Gegebenheiten  angu^ängen 
fd)einen  unb  alles, -mag  einmal  gefdjeljen,  glaubmürbiger  ift, 
alö  roa§  nidjt  gefdjeljen.  &te  erfte  biefer  Urfadjen  fliegt  aus 
ber  Sßerbinbung  ber  9(riftotelifdjen  Segriffe  überhaupt;  fte 
liegt  gum  ©runbe,  unb  2lriftotele3  Ijatte  nidjt  nötig,  fidj  um= 
ftanblidjer  bei  il)r  51t  oermeilen,  mol)l  aber  bei  ber  jmeiten, 
atö  einer  von  anbermärtö  nod)  bagu  fommenben  Urfadje.  2) od) 
biefe  liegt  tfct  aufter  meinem  2Bege,  unb  bie  2ht§Ieger  tns^ 
gefamt  fjaben  fte  weniger  mi&oerftanben  al§  jene. 

9hm  alfo  auf  bie  23el)auptung  be§  SMberot  jurücfgu; 
fommen.  SBenn  id)  bie  ßeljre  be§  2TriftoteIe§  richtig  erfläri 
gu  baben  glauben  barf :  fo  barf  id)  aud)  glauben,  burdj  meine 
(Sitlärung  bemiefen  51t  baben,  bafe  bie  Sadje  felbft  unmöglich 
anberS  fein  fann,  als  fie  SlviftoteleS  tcf)ret.  3)te  ßljaraftere 
ber  ^Tragöbte  muffen  eben  fo  allgemein  fein  at3  bie  (Sljaraftere 
ber  föomöbie.  2)er  Unterfdjieb,  ben  £)iberot  behauptet,  ift 
falfd),  ober  2)iberot  mufi  unter  ber  2lllgemeinl)eit  eineö  ßf)a= 
rafters  gang  etmas  anbers  oerftefjen,  als  3lriftotele§  barunter 
oevftaub. 

groetunfeimiwigltcs  ftM. 

Seit  18.  maxi  1768. 

Unb  marum  fönnte  ba§  letztere  nidit  fein?  ginbe  id) 
bod)  nod)  einen  anbern,  nidjt  minber  trefflidjen  $unftrid)ter, 
ber  fid)  faft  eb^n  fo  ausbrüdt  als  £)iberot,  faft  eben  fo  gerabgu 
bem  Slriftoteles  51t  miberfpredjen  fdjeint  unb  gleid)mol)t  im 
©runbe  fo  menig  miberfpridjt,  baft  id)  ibn  melmef)r  unter 
allen  Kunftricotern  für  ben  jenigen  erfennen  mufj,  ber  nod;  ba§ 
meifte  £td)t  über  biefe  -Dmterie  oerbreitet  l)at. 

@g  ift  biefeS  ber  englifd)e  Kommentator  ber  §ora^ifd)en 
£id)tfunft,  §urb:  ein  Sdjriftfteu'er  aus  ber  jenigen  ftlafie, 
bie  burd;  Uebevfet^ungen  bei  uns  immer  am  fpäteften  betannt 


1G6  £am6urgifd)e  Dramaturgie. 

werben.     3d)  mödjte  tf>n  aber  Ijier  ntdjt  gern  anpretfen,  um 

biefe  feine  33eianutmadmng  31t  befdjleunigen.  3Senn  ber 
3)eutfdje,  ber  iljr  gemacljfen  märe,  fidj  nod)  ntdjt  gefunben 
I)at,  {0  bürften  wettetet  aud)  ber  Sefer  unter  un§  nod)  nid)t 
oiele  fein,  benen  baran  gelegen  märe.  2)er  fleißige  9Jiann, 
üoH  guten  2öillen§,  übereile  ftd)  olfo  lieber  bamit  nid)t  unb 
fclje,  roa§  \d)  oon  einem  nodj  unüberfetjten  gutem  33ud)e  l)ter 
jage,  ja  für  feinen  ÜfiHnf  an,  ben  td)  feiner  allejeit  fertigen 
geber  geben  mollen. 

§urb  l)at  feinem  Kommentar  eine  2Ibl)anbiung  über 
bie  oerfdji  ebnen  ©ebiete  beS  Srama  beigefügt. 
£enu  er  glaubte  bemerft  31t  Ijaben,  ba|  bi3l)er  nur  bie  allge^ 
meinen  ©efei^e  biefer  ©idjtungöart  in  ßrmägung  gebogen 
morben,  oljne  bie  ©renken  ber  oerfdjiebnen  Gattungen  ber= 
felben  feftjufe^en.  ©leid)mol)I  muffe  aud)  biefeg  gefdjefyen, 
um  non  bem  eigenen  SSerbienfte  einer  jeben  (Gattung  in§~ 
befonbere  ein  billiges  Urteil  511  fällen.  9tad)bem  er  alfo  bie 
2lbfid)t  be§  2)rama  überhaupt  unb  ber  brei  ©attungen  be3= 
felben,  bie  er  nor  fidj  finbet,  ber  S£ragöbie,  ber  ^omobie  unb 
beS  $offenfpiel§ ,  insbefonbere  feftgefe^t:  fo  folgert  er  au3 
jener  allgemeinen  unb  au§  biefen  befonbern  2(bfid)ten  foiooljl 
Diejenigen  ßigenfdjaften,  meldje  fie  unter  ftd)  gemein  Ijaben,  aU 
biejentgen,  in  meieren  fie  oon  einanber  unterfdjiebeu  fein  muffen. 

Unter  bie  letztem  redjnet  er  in  2lnfel)ung  ber  Stomöbie 
unb  ^ragöbie  aud)  biefe,  baft  ber  ^ragöbie  eine  mal)re,  ber 
Mcmbbie  hingegen  eine  erbidjtete  Q3egebenl)eit  ^uträglicljer  fei. 
§ierauf  fäfjvt  er  fort:  The  same  genius  in  the  two  dramas 
is  observable,  in  their  draught  of  characters.  Comedy 
makes  all  its  characters  general;  Tragedy,  parti- 
cular.  The  Avare  of  Moliere  is  not  so  properly  the 
picture  of  a  covetous  man,  as  of  covetousness 
itself.  Racine's  Nero  on  the  other  hand,  is  not  a  picture 
of  cruelty,  but  of  a  cruel  man.  2).  i. :  „3u  bem 
nämlidjen  (Seifte  fd)ilbern  bie  $mei  ©attungen  be3  ®rama 
aud)  iljre  ßljaraftere.  £)ie  Äomöbie  madjt  alle  tf>rc  (5t)a= 
rafterc  general,  bie  Xragobie  nartifular.  3)er  ©einige 
be§  dotiere  ift  uid)t  fo  eigentlidj  baö  ©emälbe  eines!  gei§i= 
gen  9Jftanne3,  at§  be§  ©ei§e3  felbft.  ^acineng  lJtero 
hingegen  ift  ntdjt  bao  ©emälbe  ber  ©raufamfeit,  fonbevn 
nur  eineg  gr  auf  amen  sDcanne£>." 

§urb  fdjeinet  fo  gu  fdiliejen:  menn  bie  ^ragöbie  eine 
maljre  ^Begebenheit  erfobert,   fo  muffen  aud)  iljre  (Sljaraftere 


StuciunbncunjtgftcS  <3tücF.  167 

roaljr,  bao  ift,  [o  Befd^affen  fein,  rote  fic  roirflidj  in  ben  ftnbU 
mtuitö  criüieren;  roenn  hingegen  bie  föomöbie  fid)  mit  er= 
biebteten  SöegeBenljeiten  Begnügen  fann,  roenn  xfyc  roafjrfdjeiu; 
I i et) e  SegeBenfjeiten,  in  roetdjen  (tefi  bie  Gfiarattcvc  nad)  allen 
tbrem  Umfange  geigen  fönnen,  lieber  finb  alo  roafjre,  bie 
iljnen  einen  fo  roeiten  Spielraum  nidjt  ertauben,  fo  bürfen 
nnb  muffen  and)  il)ie  (Sbjarai'tere  felbft  affgemeiner  fein,  alo 
fie  in  ber  Sftatur  einfrieren;  angefeljen  bem  Stffgemeinen  fetBft 
in  nnfcver  (SinBilbungSfraft  eine  2lrt  oon  Grifieng  jnf'ömmt, 
bie  fiel)  gegen  bie  roirflidje  Griftenj  beo  @ingetn  e6en  roie 
bao  ^aljrfdjeinlidje  $u  bem  Söaljren  oerrjült. 

3cf)  will  i|t  nid)t  unterfudjen,  ob  biefe  9trt  511  fdjliefjen 
nidjt  ein  bloßer  $irfet  ift;  id;  roill  bie  ©cfylujjfolge  Blofj  am 
nehmen,  fo  roie  fie  ba  liegt  nnb  roie  fie  ber  Sefjve  beo  2lrifto= 
teleo  fd)nurftrado  §u  roiberfpred)en  fcfjeint.  ©od),  roie  gejagt, 
fie  fd)eint  ee"  bloß,  roeldjeo  ans  ber  roeitern  G'rflärung  beö 
§urb  erhellet. 

„(fö  roirb  aber,"  fäfjrt  er  fort,  „bjier  bienlid)  fein,  einer 
boppetten  Sßerftojjung  oorjubauen,  roeldje  ber  eben  ange- 
führte G)vnnbfal5  31t  begünftigen  fdjeinen  tonnte. 

„£ie  erfte  betrifft  bie  &ragöbie,  oon  ber  idj  gejagt 
bjabe,  bafc  fie  partifuläre  Gljaraftere  geige.  $d)  meine,  i()re 
Gljaraftere  finb  partikulärer  alo  bie  (Sl)araftere  ber  Momöbie. 
S)aS  ift:  bie  ^(Bfidjt  ber  ^ragobie  verlangt  es  nid)t  nnb 
erlaubt  eo  nid)t,  bafj  ber  3Mä)ter  oon  ben  djarafteriftifdjeri 
Umftänben,  buret)  roetd)e  fiel)  bie  Sitten  fdjilbern,  fo  oiele 
^nfammenjieljt,  als  bie  föomöbie.  S)enn  in  jener  roirb  oon 
bem  (Sbarafter  nidjt  mer)r  gezeigt,  als  fo  oiet  ber  SSerlauf 
ber  §anblung  unumgänglici)  erfobert.  Qu  biefer  hingegen 
roerben  alle  8üge,  bnrd)  bie  er  fid)  511  nnterfdjeiben  pflegt, 
mit  Jyfcif3  aufgefud)t  unb  angebracht. 

„@e  ift  faft  roie  mit  bem  $orträtmalen.  SBenn  ein 
großes  SDleifter  ein  einzelnes  ©efidjt  abmalen  foll,  fo  gibt 
er  ibm  alte  bie  Sineamente,  bie  er  in  üjm  finbet,  unb  maebt 
es  öefiebtern  oon  ber  nämtidjen  9(rt  nur  fo  roeit  äljnlid),  als 
es  of)ne  SBerle|ung  beo  affergeringften  eigentümlichen  •Biigeo' 
gefd)eben  fann.  ©off  eben  berfelbe  $ünfrler  hingegen  einen 
,siopf  überbaupt  malen,  fo  roirb  er  alle  bie  geroöljnlicben 
ÜJlienen  unb  3üge  jufammen  anbringen  fudjen,  oon  benen 
er  in  ber  gefamten  ©attung  bemerft  bat,  ba|  fie  bie  gbee 
am  fräftigften  ausbrücfen,  bie  er  fid)  it3t  in  ©ebanfen  ge= 
mad)t  t)at  unb  in  feinem  ©emätbe  barfteften  null. 


168  Jpamfcurgtfcfje  Dramaturgie. 

„Gsben  fo  untcrfdjeiben  ftd)  bie  ©djilbereien  ber  beiben 
Gattungen  beS  £>rama;  woraus  beim  erhellet,  ba£,  wenn  id) 
ben  tragifdjen  Gljarafter  partifular  nenne,  idj  blofj  fagen 
null,  bafe  er  bie  2Irt,  gu  weldjer  er  gehöret,  weniger  oorftetlig 
mad)t  als  ber  fomifdje;  nidjt  aber,  baft  baS,  was  man  oon 
bem  Gljarafter  gu  geigen  für  gut  befinbet,  eS  mag  nun  fo 
wenig  fein,  als  eS  will,  nidjt  nadj  bem  allgemeinen  ent= 
worfen  fein  follte,  als  wotwn  id)  baS  ©egenteil  anberwärtS 
behauptet  unb  umftänblid)  erläutert  Ijabe.  *) 

p/9Ba§  5  weit  eng  bie  ^omöbie  anbelangt,  fo  rjabe  idj 
gefagt,  bafj  fie  generale  (Eljaraftere  geben  muffe,  unb  l)abe 
pim  SBeifpiele  ben  (teigigen  beS  Poliere  angeführt,  ber 
mefjr  ber  3ftee  beS  ©eigeS  als  eines  wirflidjen  geigigen 
Cannes  entfpridjt.  3)od)  aud)  Ijier  mu^  man  meine  3öorte 
nidjt  in  aller  it)rer  Strenge  nehmen.  3Uioliere  bünft  ntidj  in 
biefem  Seijpiele  felbft  fefjlerljaft ;  ob  eS  fdjon  fonft  mit  ber 
erforberlidjen  ©rftärung  nidjt  gang  unfdjidlidj  fein  wirb,  meine 
Meinung  begreiflid)  gu  madjen. 

„£)a  bie  fomifdje  23üljne  bie  Slbfidjt  Ijat,  ßfjaraftere  gu 
fdjilbern,  fo,  meine  id),  fann  biefe  Slbficfyt  am  nolffonimenften 
erreicht  werben,  wenn  fie  biefe  Gfyaraftere  fo  allgemein  mad)t 
als  möglidj.  £)enn  inbem  auf  biefe  25kife  bie  in  bem  (Biüde 
aufgeführte  $erfon  gleid)fam  ber  S^epräfentant  aller  Gfjaraftere 
biefer  5lrt  wirb,  fo  !ann  unfere  Suft  an  ber  2öal)rl)eit  ber 
^Borftellung  fo  oiel  ^caljrung  barin  ftnben  als  nur  möglidj. 
(fS  muf$  aber  fobann  biefe  2lllgemeinl)eit  fid)  nidjt  big  auf 
unfern  Segriff  non  ben  möglichen  Söirfungen  beS  @f)a= 
rafterS,  im  2lbftralto  betrachtet,  erftred'en,  fonbern  nur  bis 
auf  bie  wirflidje  Steigerung  feiner  Gräfte,  fo  wie  fie  non 
ber  (Erfahrung  gered)tfertiget  werben  unb  im  gemeinen  2ehen 
ftattfinben  fönnen.  hierin  rjaben  Poliere  unb  oor  iljm  $(au= 
tu§  gefehlt;  ftatt  ber  2lbbilbung  eines  geig  igen  Cannes 
Ijaben  fie  uns  eine  grillenhafte  wibrige  (Sd)ilberung  ber 
Seiben  fdjaft  beS  ©eigeS  gegeben,  gd)  nenne  eS  eine 
grillenhafte   Sdjilberung,   weil  fie   fein  Urbilb   in  ber 


*)  Sßct  ben  Serien  ber  ^orajiidjen  ü£>id)tfunft :  Respicere  exemplar  vitee 
morumque  jubebo  Doctum  imitatorem,  et  veras  hinc  ducere  voces  [Epistola 
ad  Pisones,  v.  317  sq.  3fn  ber  SSo|Vfe()cn  Hebet jelumg :  ©tcfl'  aud)  tl)ätige§  2eben 
bem  331icf  unb  Sitten  jutlt  3?orbitb,  baft  bu  gcfrbidt  nad)al)mft  unb  ben' Saut  ber 
Watur  bir  ertuerbcft] ,  rao  §urb  jeigt,  bajj  bie  Söafyrfyeit,  mefd)e  §oraj  fjier  Der» 
taugt,  einen  fotdjcu  WuS-bind  bebcute,  al§  ber  allgemeinen  9Jatur  ber  SDingc  geinäfj 
ift;  5aljd)(;eit  fjingegen  baö  §eifje,  ma§  jmor  bem  t-orljabenbcn  bejonberu  {yaUc 
augemeffen,  aber  nidjt  mit  jener  allgemeinen  9Jatur  übercinftimmenb  jei. 


3)reiunbneunngftcg  Stürf,  1G9 

9catur  Ijat.  8dj  nenne  eg  eine  wibrige  ©djilberuntj ;  benn 
ba  eg  bie  <Sd)ilberung  einer  einfachen  unuermifdjtcn 
Seiben  fdjaft  ift,  fo  festen  iljr  alle  bie  Sichrer  unb  Statten, 
bereu  richtige  SBerbinbung  allein  iljr  ßraft  unb  ßefcen  erteilen 
tonnte.  SDiefe  Siebter  unb  Schatten  finb  bie  SBertnifdjung 
uerfdjiebener  Seibenfdjaften,  welcfje  mit  ber  oornefjtnften  ober 
l)  e  r  r f  dj  e  n b  e  n  Öeibenfdjaft  jufammen  ben  menjd)lid)en  CSf)a= 
rafter  auomadjen;  unb  biefe  üBermtfd&ung  mujj  fidj  in  jebem 
bramatifdjen  ©emälbe  oon  Sitten  finben,  loeil  eg  ^ugeftanben 
ift,  bafe  bag  SDrama  oorneljinlidj  bag  tmrflidje  Seben  abbilben 
foll.  2) odj  aber  mufj  bie  Seidjnung  ber  l)  e  r  r  f  d)  e  n  b  e  n  Seiben; 
fdjaft  fo  allgemein  entworfen  fein,  alg  eg  iljr  ©treit  mit  ben 
anbern  in  ber  ÜRatur  nur  immer  gulaffen  roiÄ,  bamit  ber  oor= 
guftellenbe  Gljarafter  fidj  befto  fräftiger  ausbvüde. 


greuutonnmjtöjtes  gtüdu 

©en  22.  m'dvi  1768. 

„5ltteg  biefeg  Iäf3t  ftcr)  abermalg  aug  ber  SOtfalerei  feljr 
woljl  erläutern.  3n  cfjaraf teriftif djen  Porträten,  wie 
mir  biejenigen  nennen  tonnen,  weldje  eine  2lb6ilbung  ber 
Sitten  geben  fotlen,  roirb  ber  Strttft,  menn  er  ein  sJJiann  oon 
rotrflidjer  gäljigfeit  ift,  nidjt  auf  bie  -IRöglidjfeit  einer  abftrafteu 
Sbee  logarbeiten.  Sllleg,  wag  er  fidj  oornimmt  31t  geigen,  mirb 
biefeg  fein,  bafj  irgenb  eine  Gigenfdjaft  bie  Ijerrfdjenbe  ift; 
biefe  brüdt  er  ftarl  unb  burd)  foldje  3eidjen  au§,  alg  fidj  in 
ben  Söirfungen  ber  Ijerrfdjeuben  Seibenfdjaft  am  fidjtbarften 
äußern.  Unb  menn  er  biefeg  getlian  l)at,  fo  bürfen  mir,  nad) 
ber  gemeinen  3lrt  $u  reben  ober,  menn  man  nriff,  als  ein 
Kompliment  gegen  feine  Kunft,  gar  rool)t  oon  einem  folgen 
Porträte  fagen,  bafc  eg  ung  nidjt  forooljl  ben  9JJenfdjen,  als 
bie  Seibenfdjaft  geige ;  gerabe  fo,  mie  bie  eilten  oon  ber  be= 
rühmten  Silbfäule  beg  ätpotloborug  uom  ©ilanion  angemerft 
Ijaben,  bafe  fie  nidjt  fomoljl  ben  zornigen  Slpofloborug  alg  bie 
Seibenfdjaft  beg  3orne^  norftelle.  *)  Sfeiefes»  aber  mufs  blofj 
fo  oerftanben  werben,  bag  er  bie  rjauptfädjltdjen  $üge  ber 
oorgebilbeten  Seibenfdjaft  gut  auggebvüd't  |abe.  £)enu  im 
übrigen  befjanbelt  er  feinen  Vorwurf  eben  fo,   wie  er  jebeu 


*)  Non  hominem  ex  sere  fecit,  sed  iraeundiam.     Plinius,  libr.  34.8. 


170  £am&urflifdf)e  2)rnmatitrc|te. 

anbern  bejubeln  würbe;  haä  ift:  er  »ergibt  bie  mttuer= 
bunbenen  @igcnfd)aften  ttidjt  unb  nimmt  bas  allgemeine 
(Sbeivmafj  unb  23erljältni3,  ineld;es  man  an  einer  menjd)lid)en 
%iaux  erwartet,  in  ad)t.  Unb  ba§  Reifet  benn  bie  Sftatur 
fdjilbern,  meiere  un§  fein  Seifpiel  non  einem  -SDJenfdjen  1316t, 
ber  ganj  unb  gar  in  eine  einzige  £eibenfd)aft  uermanbett 
märe,  teilte  9Jietamorr>[)ofi3  tonnte  feltfamet  unb  unglaub= 
lidjer  fein,  ©leidpcdjl  finb  fortreite,  in  biefem  tabelljaften 
©ejdjmade  verfertiget,  bie  23emuuberung  gemeiner  ©affer,  bie, 
meint  fie  in  einer  (Sammlung  ba§  ©emätbe,  5.  @.  eineö 
©einigen  (benn  ein  gemöl)nlid)ere§  gibt  es>  woijl  in  biefer 
©attung  nid)t),  erbliden  unb  nad)  biefer  3bee  jebe  9Jhtsfel, 
jeben  3ug  angeftrengt,  verzerret  unb  überlaben  finben,  ficf;ev- 
lid)  nidjt  ermangeln,  iljre  Billigung  unb  S3emunberung  barüber 
gu  äußern.  —  tflad)  biefem  ^Begriffe  ber  2Sortrefflid)f'eit  mürbe 
£e  33rung  33ud)  uon  ben  Setben  fdjaften  eine  gotge  ber 
beften  unb  ridjtigften  moralifdjen  Porträte  enthalten,  unb  bie 
Gljaraftere  be§  ^beopfyrafts  müßten  in  2Ibfid)t  auf  bag  2)rama 
ben  Gljarafteren  be§  %eren^  meit  üor^ujiefjen  fein. 

„lieber  ba3  erftere  biefer  Urteile  mürbe  jeber  ;ßtrtuofe 
in  ben  bilbenben  fünften  unftreitig  ladjen.  £)a3  letztere  aber, 
fürdjtc  id),  bürften  mol)l  nid)t  alle  fo  feltfam  finben,  menigftens» 
nad)  ber  ^irarjg  nerfdjiebener  unferer  beften  fomifdjen  ©dpft= 
fteller  unb  nad)  bem  23eifalle  gu  urteilen,  welchen  Dergleichen 
(Stüde  gemeiniglid)  gefunben  fjaben.  @§  liefen  fid)  leidet  faft 
au%  alten  djaratteriftifcfjen  ^omebien  33eifpiele  anführen.  2öer 
aber  bie  Ungereimtheit,  bramatifd)e  Sitten  nad)  abftraften 
$been  auszuführen,  in  ifjrem  völligen  Sichte  fetjen  mill,  ber 
barf  nur  33.  Soljnfong  Qebermanu  au$  feinem  §u= 
mor*)  vor  fid)  nehmen;  meldjeS  ein  d)arafteriftifd)e3  ©tüd  fein 


*)  23eim  83.  Sofjnfcm  finb  ^tuci  ßomöbien,  bie  er  nom  Junior  benennt  t)at; 
bie  eine:  Every  Man  in  his  Hnmour  [Sebevmann  in  feinem  §umov],  unb  bie 
anbeve:  Every  Man  out  of  ins  Hnmour  [Sebermctnn  au§cr  feinem  ßumorj. 
Sa§  SBort  §umov  mar  ju  feiner  Qät  nufnefonunen  unb  nnivbe  auf  bie  lädjevtirfifte 
üßcije  mifcbraitcfyt.  Soiuofyl  biefen  Wifjbvnucl)  oI§  ben  eigentlichen  Sinn  bcSfelbcn 
bemevft  cc  in  fotfjenber  ©teile  felbft: 

As  when  some  one  peculiar  quality 

Doth  so  possess  a  Man,  that  it  doth  draw 

All  his  affeets,  his  spirits,  and  his  powers, 

In  their  construetions,  all  to  run  one  way, 

This  may  be  truly  said  to  be  a  hnmour. 

But  that  a  rook  by  wearing  a  py'd  feather, 

The  cable  hatbaud,  or  the  three-pil'd  ruff, 

A  yard  of  shoe-tye,  or  the  Switzer's  knofc 

On  his  French  garters,  should  affect  a  humourl 

O,  it  is  more  than  most  ridiculous. 


£rciunbneumiflfteö  2tütf.  171 

foü,  in  ber  ZTf)at  aber  nidjtö  a(o  eine  utmatürltdje  unb,  roie  es> 
bie  yjlälex  nennen  mürben,  fjavte  Säuberung  einer  ©ruppe 
non  für  (ich  befteljenben  ßeibenfdjaften  ift,  memen 
man  baö  Urfeilb  in  beut  orirfftdjen  Se&en  nirgenbä  (tnbet. 
SDennodj  F>at  btefe  föomöbie  immer  iljre  Senmnberer  gehabt; 
unb  6efonber§  mufj  9tanboIpI)  uon  iljrer  Ginridjtuug  jetjr 


[©ciui  irgenb  eine  tiefonbcre  Öemiitlovi  bort  einem  Wanne  bermaßen  ©efitj 
ergriffen  Ij a t ,  baß  Tic  alle  feine  üeibenfdjaften,   feine  ©eiltet  unb  [eine  Mväfte  in 

il)r  Ökfüge  l)crciir,ici)t,  bafj  fie  alle  einen  SBeg  geben,  fo  fanu  bie§  roatjrfjaftig  otö 
fiumot  bcjcirfjnct  »erben.  9lber  bafj  eine  Saatfrä&e  burd)  baä  Kragen  einer  bunten 
§eber,  ba§  £au*$utbanb  ober  bie  breifarfj  getürmte  §al§fraufe,  ein  eHenfange§ 
<Sd)uf)0anb  ober  bie  fd)toei3erifd)e  Sdjteife  an  frnn;üfifd)en  Strumpf  btiubern  auf 
vmmor  mirfen  foll!  £>,  e§  ift  merjr  at-3  übcrtädicrlid) !  3  im  in  ermann.] 
3n  ber  Öefdndjte  bc§  ÖumotS  ilnb  beibe  Stürfe  be§  3or)nfon  alfo  fefir  midjtige 
Tofumente,  unb  ba§  (entere  nod)  mefjr  at§  baS  erftere.  Ter  Junior,  beu  m'.r  ben 
©nglänbern  jefct  fo  oorjüglid)  jufdjreiben,  mar  bamalS  bei  ifjnen  großenteils  2lffef= 
tatiou;  unb  vornetjmlidi  btefe  Slffeftation  lädjerlid)  juinadjeu,  fdiilberte  ^o^nfon 
.vuimor.  Tic  Sadje  genau  3U  nehmen,  müßte  aud)  nur  ber  affeftierte,  unb  nie  ber 
umljre  Ajuimor  ein  ©egenftanb  ber  ßomöbie  fein.  Tenn  nur  bie  33egierbe,  ftd)  toon 
anbern  außjujeidjnen ,  üdi  burdi  etma§  (vigentümtidiec-  merfbar  511  madjen,  ift  eine 
allgemeine  menfdilidie  Sd)madif)cit ,  bie  midi  93cicliaff cn fieit  ber  Tiittel,  vocldjc  fie 
mahlt,  iclir  lädjerlid)  ober  aud)  fefjr  ftrafbar  roerben  tann.  Ta»  aber,  lvoburd)  bie 
Statut  feibft  ober  eine  anrjaltenbe  3ur  Tiatur  gemorbene  Öemohnfyeit  einen  einzelnen 
Tienirfien  von  allen  anbern  au^eidjnet,  ift  viel  311  fpcjicU ,  at§  bafj  e§  ftd)  mit  ber 
allgemeinen  pt)i[ofot>t)ifd)cn  9lbftd)t  be§  Trama  vertragen  fönnte.  Ter  überhäufte 
£>umor  in  vielen  engtifdjen  Stüden  bürfte  fonad)  aud)  mot)l  ba»  (yigette,  aber  nid)t 
baS  SBeffere  berfetben  fein,  (ikvoiß  ift  e§,  bafj  fid;  in  bem  Trama  ber  Sitten  feine 
Spur  von  §umor  finbet.  Tie  alten  bramatifdjen  Tidjter  mußten  bciZ  ßunftftürf, 
ihre  Prionen  aud)  ohne  öumor  5U  inbivibuatifieren,  ja,  bie  alten  Tidjtcr  überhaupt. 
SEBoljI  aber  jetgen  bie  alten  0kfd)id)tfd)reiber  unb  JRebncr  bann  unb  mann  .vuimor: 
toenjt  nämlid)  bie  biftorifdje  SBabrbeit  ober  bie  Sluffläruitg  eine«  gemtffen  3fadi  btefe 
genaue  Sd)ilberung  nab*  Ixdaxov  erforbert.  3<h  habe  (vrempet  bavon  f I c i f; i cj  ge= 
iauunett,  bie  id)  aud)  bloß  barum  in  Crbuung  bringen  311  fönnen  münfdite,  um  gc= 
legcntlid)  einen  ft-chter  mieser  gut  311  madjen,  ber  jiemlid)  allgemein  geworben  ift. 
2.0ir  übcriel-en  nämlid)  jel^t  faft  burd)gängig  öumor  burd)  Saune;  unb  id)  glaube 
mir  bemußt  511  fein,  bafj  id)  ber  erjte  bin,  ber  e§  fo  überfein  f)at.  3d)  i)abe  feljr 
Unred)t  baran  getljan,  unb  id)  münjäjte,  baß  man  mir  nidit  gefolgt  märe.  Tenn 
id)  glaube  e§  unmiberfpred)lid)  betueifen  3U  tonnen,  \>a%  öumor  unb  Saune  gau? 
Oetfdjiebene,  ja  in  gemiffem  3Jcrftanbe  gerabe  entgegengefei]te  Tinge  finb.  Saune 
fann  3it  .Oumor  roerben;  aber  §umor  ift,  außer  biefem  eitrigen  gatle,  nie  Saune. 
3d)  liätte  bie  3lbftainmung  unferS  beutferjen  2Bort§  unb  ben  gcmöbnlidien  ©ebraudi 
becfelben  beffer  unterfudjen  unb  genauer  ertragen  fetten.  3d)  fdjlofj  311  eilig,  loeil 
Saune  ba§  fransöftfdje  Humeur  auebrüde,  bafj  e§  aud)  )>aZ  englifdje  Humour  au^ 
brürfeu  fönnte;  aber  bie  granjofen  felbft  fönnen  Humour  nid)t  burd)  Humeur 
iiberfct;cn.  —  a«on  ben  genannten  3tuet  Stiiden  bez  ^obnfon  l)at  ba»  erfte ,  3eber= 
mann  in  feinem  §umor,  ben  vom  §urb  l)ier  gerügten  gebier  voeit  roeniger. 
Tor  Junior,  hm  bie  {ßerfontn  bec-felben  jeigen,  ift  meber  fo  iubivibuelt,  nod)  fo 
überlaben,  bafj  er  mit  ber  geroö()nüd)eu  'Dßatur  nidit  beftef)cn  fönnte;  fie  finb  audi  alle 
311  einer  gemeinfdjaftlidjen  öanblung  fo  jiemlid)  verbunben.  3n  bem  jmeiten  l)iii= 
gegen,  Siebermann  au«  feinem  öumor,  ift  faft  nid)t  bie  geriugi'tc  gäbet;  e§ 
treten  eine  5)teuge  ber  luunberlidjfteu  Tiarren  nadi  cinanber  auf,  man  mein  meber 
voie,  nodi  marum;  unb  il)r  ©efprädi  ift  überall  burd)  ein  paar  greunbe  be§  SScr= 
fafferi  unterbrodjen,  bie  unter  bem  Taimen  Grex  eingeführt  finb  unb  Setraditung 
über  bie  tfbaraftere  ber  ^erfonen  unb  über  bie  Äunft  be»  Tidjterj,  fie  3U  betjanbeln, 
aufteilen.  5)a§  au§  feinem  §umor,  out  of  his  Humour,  jelgi  an,  bafj  alle  bie 
$erfonen  in  llmftänbe  geraten,  in  mcldjen  fie  i^reS  ^umorS  fatt  unb  überbrüffig 
lverben. 


172  £am6urg,i[dE)e  Dramaturgie. 

bezaubert  gemefen  fein,  weit  er  fie  in  feinem  Spiegel  ber 
•Jftufe  auSbrüdlid)  nadjgealjmt  ^u  Ijaben  fdjeint. 

,^h\d)  tjierin,  muffen  mir  anmerfen,  ift  Sljafefpeare,  fo 
wie  in  aßen  anbern  nod)  mefentlidjern  Sdjönljeiten  be§  SDrama, 
ein  nollf'ommeneg  SOhifter.  2Ser  feine  JRomöbten  in  btefer 
2(bfid)t  aufmerffam  burdjlefen  mill,  mirb  ftnben,  baf$  feine 
and)  nod)  fo  fraftig  gegeidjneten  (Sfjaraftere,  ben 
größten  %e\l  ifjrer  Wolfen  burd),  ftcf»  ooflfommen  tute  alle 
anbere  ausbrüden  unb  tljre  mefentlidjen  unb  l)errfd)enben 
(Sigenfdjaften  nur  gelegentltd),  fo  mie  bie  Umftänbe  eine  um 
gegnmngene  STeufeerung  oeranlaffen,  an  ben  %ao)  legen.  SDtefe 
befonbere  93ortrefflid)feit  feiner  Stomöbien  entftanb  bafyer,  bafe 
er  bie  9?atur  getreulid)  fopierte  unb  fein  regeg  unb  feuriges 
©enie  auf  alle§  aufmerffam  mar,  ma%  iljm  in  bem  Verläufe 
ber  Svenen  3)ienlid)eS  aufftofeen  formte;  baljingegen  9? ad); 
a I) m u n g  unb  gerin  geregäljigfeiten  f  leine  Sfribenten 
oerleiten,  fid)  um  bie  §ertigfeit  $u  beeifern,  btefen  einen 
3mecf  leinen  Stugenblid  au§  bem  ©eftdjte  §u  laffen,  unb  mit 
ber  ängftlidjften  Sorgfalt  ir)re  £iebling3d)araftere  in  beftäm 
bigem  Spiele  unb  ununterbrochener  %f)ättgfeit  ju  erhalten. 
SWan  formte  über  biefe  ungefdjtdte  Slnftrengung  tfrreS  28i|e3 
fagen,  baf^  fie  mit  ben  $erf  orten  il)re3  Stüd'3  ntd)t 
anber§  umgeben  als  geraiffe  fpaftljafte  Seute  mit  if)ren  33  e= 
fannten,  benen  fie  mit  iliren  §öflid)feiten  fo  ^nfetjen,  bat3 
fie  il)ren  2lntctl  an  ber  allgemeinen  Unterhaltung  gar  nid)t 
nel)men  formen,  fonbern  nur  immer  gum  Vergnügen  ber  ®e= 
fellfdjaft  Sprünge  unb  9ttännerdien  madjen  muffen." 


$ienmotmmji0|tes  gtittk. 

®en  25.  Wäxi  1768. 

Unb  fo  oiel  tum  ber  Sldgemeinljeit  ber  fomifdjen  Glja= 
raftere  unb  ben  ©renken  biefer  2lHgemeiul)eit  nad)  ber  Qbee 
be3  §urb!  —  SDocr)  e§  mirb  nötig  fein,  nod)  erft  bie  ^weite 
Stelle  beizubringen,  mo  er  erflärt  511  Ijaben  oerfid)ert,  in  mie 
meit  aud)  ben  tragifdjen  (Sfyarafteren,  ob  fie  fcfyon  nur  partp 
fular  mären,  bennod)  eine  2tllgemeinl)eit  §ufomme,  elje  mir 
ben  Sdjluf}  überhaupt  madjen  formen,  ob  unb  mie  §urb  mit 
2)iberot  unb  beibe  mit  bem  2triftotele3  übereinftimmen. 

„2öal)rl)eit,"  fagt  er,  „Ijeifjt  in  ber  $oefte  ein  foldjer 
Sluöbrud,   alg  ber  allgemeinen  ^Katur  ber  £)inge  gemäfc  ift; 


Sierunbneunjigftcä  Stücf.  17:) 

galfdjljeit  hingegen  ein  foldjer,  ab  fid)  jroat  31t  bem  üov= 
Ijabenben  befonbern  %aiU  fdjicfet,  aber  nid)t  mit  jener  allg es 
meinen  9fcatur  überemftumnet.  2)iefe  SBa^eit  bco  xUno 
brudfö  in  ber  bramatifdjen  ^oefie  31t  erreichen,  empfieljlet 
§ora$*)  ^Tuei  2)inge:  einmal,  bie  3ofrattfd;c  v^>f)ilofopi;ic 
fleißig  51t  ftubteren;  gmeitenS,  fid)  um  eine  genaue  ftcnntnio 
beö  menfdjtidjen  SebenS  311  bewerben.  Seneg,  weil  c§  ber 
eigentümliche  üBorgug  biefer  <2d)ule  ift,  ad  veritatern  vitae 
propius  accedere;**)  biefeg,  um  unfern*  üRcufmljmung  eine 
befto  allgemeinere  2lel)nlid)feit  erteilen  51t  tonnen.  <2id)  tjm- 
von  311  überzeugen,  barf  man  nur  erwägen,  baß  man  fid)  in 
SÖBerfen  ber  sJ?ad)al)mung  an  bie  Söaljrfyeit  31t  genau  Ratten 
fann,  unb  biefeö  auf  boppelte  SSeife.  2)enu  entmeber  fann 
ber  ilünftler,  wenn  er  bie  9?atur  nadjbilben  will,  fid)  31t 
ängftlid)  befleißigen,  alle  unb  jebe  33  e  f  0  über  Reiten  feines 
©egenftanbeö  an^ubeuten,  unb  fo  bie  allgemeine  3^ee  ber 
(Gattung  auö^ubrüden  ucvfcljlcn.  Ober  er  fann,  wenn  er 
fid)  biefe  allgemeine  3bee  5U  erteilen  bemütjt,  fie  <\u$  51t 
Dielen  gäflen  beS  mirflidjen  SebenS  nad)  feinem  weiteften 
Umfange  §ufammeufefcen,  ba  er  fie  melmeljr  oon  bem  lautem 
begriffe,  ber  fid;  bloß  in  ber  SHorftellung  ber  Seele  finbet, 
fjerneljmen  follte.  tiefes  legiere  ift  ber  allgemeine  Stabel, 
momit  bie  (Sdmle  ber  nieberlänbifdjen  *Dtaler  31t  be= 
legen,  ab  bie  il)re  SSorbilber  aus  ber  wivflidjen  -)latur,  unb 
niqjt,  mie  bie  italienifdje,  uon  bem  geiftigeu  3beale  ber  Sd)ön= 
Ijeit  entlehnet.***)  Qeneö  aber  entfpridjt  einem  anbern  geljter, 
ben  man  gleichfalls  ben  nieberlänbijdjen  s3Jteiftern  oorwtrft 
unb  ber  biefer  ift,  baß  fie  lieber  bie  befonbere,  feltfame  unb 
groteSfe  ab  bie  allgemeine  unb  reijenbe  Statur  fid)  ^um  33or= 
bilbe  roäl)len. 

„2Öir  feljen  alfo,  baß  ber  3)tdjter,  inbem  er  fid)  oon  ber 
eigenen  unb  befonbern  äöaljrrjeit  entfernet,  befto  getreuer  bie 
allgemeine  2öa^r|eit  nadjaljmet.  Unb  l)ierau§  ergibt  fid)  bie 
Antwort   auf  jenen  fpitjftnbigen  Ginmurf,   ben  $lato   gegen 


*)  De  arte  poet.  v.  310.  317.  318. 
**)  De  Orat.  I.  51. 

***)  ytai)  WaÜQtbunQ  ber  5(ntiten.  Nee  enim  Phidias,  cum  faceret  Jovis 
formam  aut  MinerVse,  contemplabatur  aliquem  e  quo  similitudinem  du- 
ceret :  sed  ipsius  in  mente  insidebat  species  pulchritudinis  eximia 
qiiEedam,  quam  intnens  in  eaque  defixus  ad  illius  similitudinem  artem 
et  manum  dirigebat.  (Cic.  Or.  2.)  [Senn  nid)t  jdjaute  5ßfjibia§,  al§  er  bie  ©e= 
ftalt  be§3u4»itet  ober  ber  OTtnertia  bilbcte,  irgenb  jemanben  an,  um  iljn  ju  logieren; 
nein,  in  feinem  eigenen  ©eifte  rufjte  ba§Sbeal  ber  <Sd)önf)eit,  ba§  er  anjdjaute, 
an  bem  er  fjirtg,  um  e§  mit  Künftterljanb  umjubilben.    Zimmermann.] 


174  £ain6urgifcf)e  Dramaturgie. 

bte  $oefte  ausgegrübelt  Ijatte  unb  nidjt  oljne  SelBft^ufriebens 
Ijeit  oorgutragen  fdjien.  Iftatnüdj  baf$  bte  poetifd;e  -ftadjafjmung 
uns  bie  ©aljrljeit  nur  feljr  t>on  weitem  zeigen  fönne.  Senn 
ber  poetifdje  Shtsbrucf,  fagt  ber  -^>r)i(ofopr),  ift  bas  2(6= 
bilb  uon  bes  Sidjters  eigenen  Gegriffen;  bie  23e= 
griffe  bes  Sinters  finb  bas  Slbbilb  ber  Singe;  unb 
bie  Singe  bas  Slbbilb  bes  Urbilbes,  melajes  in  bem 
göttlidjen  Serftanbe  ertftieret.  golglid)  ift  ber  2(us= 
brucf  bes  Stdjters  nur  bas  söilb  oou  bem  Silbe 
eines  Siloes  unb  liefert  uns  urfprünglidje  2Öa§r= 
Ijeit  nur  gleid)fam  aus  ber  brüten  §anb.*J  2lber  alle 
biefe  Sernünftelei  fällt  roeg,  fobalD  mau  bie  nur  gebadjte 
Dregel  bes  Sidjters  gehörig  f  äff  et  unb  fleißig  in  Ausübung 
bringet.  Senn  inbem  ber  Siebter  oon  ben  2ßefen  alles  ab- 
fonbert,  mas  allein  bas  -Jnbinibuum  angebet  unb  unterfdjetbet, 
überfpringt  fein  Segriff  gleid)fam  alle  bie  gnnjcfyen  inne  liegeu= 
ben  befonbern  Öegenftänbe  unb  ergebt  fid),  fo  niel  mögltd), 
gu  bem  göttlichen  Urbilbe,  um  fo  bas  unmittelbare  sJcad)bilD 
ber  2öafyrfyett  gu  merben.  föieraue»  lernt  man  benn  aud)  eim 
jefjen,  mas  unb  mie  uiel  jenes  ungemöl)nlid;e  2ob,  roeldjes  ber 
grof$e  &unftrid)ter  ber  Std)tfunft  erteilet,  fagen  molle,  baf;  fie, 
gegen  bie  G>efd)td)te  genommen,  bas  ernftere  unb 
pljilofopljifdjere  3tuoium  fei:  cptXoooipureepov  xat  mzooZuto- 
repov  Kot-»]«?  torop:ac  la-ctv.  Sie  Urfadje,  meldje  gleid)  barauf 
folgt,   ift  nun   gleichfalls  fefyr  begreiflich*.  ■\i  fiev  fap  icotijan: 

[taXXov  xa  xad-oXoo,  -r  Sloropia  %a  xad-3  iv.a—ov  Xejet.  **)  ferner 
wirb  Ijieraus  ein  mefentlidjer  Uuterfdneb  beutlid),  ber  fid),  mie 
man  fagt,  gmifdjen  ben  grcet  großen  9tebenbuf)lern  ber  griedjifdjen 
Süljne  fott  befunben  fjaben.  3Benn  man  bem  Sopljofles  nor= 
marf,  baf;  es  feineu  Gljarafteren  an  SSa^r^eit  feble,  fo  pflegte 
er  fid)  bamit  51t  oerantroorten,  bafj  er  bie  DJcenfdjen  fo 
fdjilbere,  mie  fie  fein  follten,  (£uripibes  aber  fo,  mie 

fie  mären.     EocpoxXiq^  ~-yrr  ahzoc,  ;j.sv  oiooe,  Zi:  rcoietv.  E&piict&Y]€ 

5e  v.ol  eiat.***)  Ser  Sinn  Ijieroon  ift  biefer:  Sopljofles  Ijatte 
burd)  feinen  ausgebreitetem  Umgang  mit  93ienfd)en  bie  ein= 
geiebränfte  enge  Soritcllung,  meldje  aus  ber  Setvad)tung  ein- 
%  ein  er  (Sljaraftere  entfielt,  in  einen  rollftänbigen  Segriff  bes 
Öefd)led)ts  erweitert;  ber  pfjilofopfjtfdje  (furtpibes  hingegen, 


*i  Plato  de  EepL    L.  X. 

2id)t!unft,   Aap.  9.     [2enn  bie  ^oefie  fpridjt  tncfjr  tion  bem  Mgemeiiicn, 
bie  <5Jeid>ict)te  Don  bem  (rinjelnen.     3-3 
•*•)  £id}tfunft,  ffap.  25. 


Stferunbneuitgtgfiteä  ©tütf.  175 

bei*  feine  meiftc  $eit  in  ber  Sttabemte  jügcBrad^t  Ijattc  unb 
oon  ba  aus  bas  Seben  überfefyen  wollte,  hielt  feinen  Söltcf 
311  feljr  auf  ba§  CS'injelne,  auf  rotrflidj  criftterenbe  ^erfonen 
gefyeftet,  oerfenfte  bas  Öefdjlcdjt  in  ba3  Snbiotbuunt  unb 
malte  folglich ,  ben  oorljabenben  ©egenftänben  nadj ,  feine 
(ilmraftere  jroat  natürlich  unb  roafir,  aber  aud)  bann  unb 
mann  ofjnc  bie  Ijöljere  allgemeine  xHeljnlidjfett,  bie  juv  3ioll= 
enbung  ber  poettfdjen  SBa^eit  erfobert  mirb.  *) 

„@tn  C'imourf  ftöfct  gleidjrooljl  I)ier  auf,  ben  mir  nidjt 
unatigejcigt  laffen  muffen.  9)ian  tonnte  jagen,  „bajj  pinlos 
fopljifdje  Zpet'ulattonen  bie  ^Begriffe  eineg  9-ttenfd)en  eljer  ah- 
[traft  unb  allgemein  ntadjen,  als»  fie  auf  bas  ^nbioibu eile 
etnfdnränfeu  müßten.  2)a§  lelUere  fei  ein  sJJiangel,  meldjer 
aus  ber  flehten  S(n,$al)l  oon  ©egenftänben  entfpringe,  bie  ben 
■äftenfdjen  3U  betrauten  oorfommen;  unb  biefem  3Diangel  fei 
nid)t  allein  baburd)  abhelfen,  ba|  man  fid)  mit  me()rent 
Snbbibuis  befannt  madje,  als  morin  bie  Kenntnis  ber  SBelt 
befiele;  fonbern  aud)  baburd),  bafc  man  über  bie  allgemeine 
9catur  ber  9flenfd)en  nadjbenfe,  fo  rote  fie  in  guten  moralifdjen 
33üd)ern  gelehrt  roerbe.  3)enn  bie  33erfaffer  foldjer  Südjer 
Ratten  il)ren  allgemeinen  begriff  oon  ber  menfdjlidjen  Dtatur 
nidjt  anbers  als  aus  einer  ausgebreiteten  ©rfaljrung  (es  fei 
nun  tFjrer  eignen  ober  fremben)  Ijaben  tonnen,  oljne  meiere 
if)re  Sucher  fottft  oon  feinem  Söerte  fein  mürben/'  £ie  2Xnt= 
roort  hierauf,  bünft  mid),  ift  biefe.  2) ur d)  ©rraägung  ber 
allgemeinen  Statur  bes  -äftenfdjen  lernet  ber  s}>Jjilofopl), 
rote  bie  §anb(ung  befdjaffen  fein  ntui  bie  aus  bem  Ueber= 
gemid)te  gemiffer  Steigungen  unb  (Sigenfdjaften  entspringet : 
bas  ift,  er  lernet  bas  Setragen  überhaupt,  meldjes  ber  beh 
gelegte  Gfjarafter  erfobert.     2(ber  beutlid;  unb  guoerläfftg'  31t 


*)  SBiefe  ©rttärung  ift  ber,  rceld)e  Sacier  tion  ber  Stelle  bc§  9lriftotete§  gibt, 
meit  üorjUjieljen.  9cad)  ben  ©orten  ber  Ueberfetjung  fdjeinet  Sncier  jtoar  eben  ba§ 
ju  jagen,  roa§  £>urb  jagt :  que  Sophocle  faisoit  ses  Heros,  comme  ils  devoient 
etre  et  qu'  Euripide  les  faisoit  comme  ils  etoient.  "übet  er  tierbinbet  im 
©runbe  einen  ganj  anbern  Segriff  bainit.  §urb  Herfielet  unter  bem  2i3ie  fie  fein 
f ottten  bie  allgemeine  abjtrafte  ftbee  be§  ©efd)led)ts,  nad)  meld)cr  ber  £id)ter  feine 
*perfonen  mefjr  a(§  nad)  ifjren  inbiüibuellen  3>erfd)iebent)eiten  fdjilbern  muffe.  SDacicr 
aber  benft  fid)  babei  eine  Ijötjere  moralifd)e  SSoIlfommentjeit ,  lote  fie  ber  TOeufdi  511 
erreichen  fätjig  fei,  ob  er  fie  gleid)  nur  feiten  erreidje;  unb  biefe,  fagt  er,  fjabe 
Soptjofles  feinen  Sßetfotten  gett)öl;nlid)ertt)eife  beigelegt:  Sophocle  tächoit  de  rendre 
ses  imitations  parfaites,  en  suivant  toujours  bien  plus  ce  qu'une  belle 
Xature  etait  capable  de  faire,  que  ce  qu'elle  faisoit.  9ll!ein  biefe  Ijüfjerc  mora* 
lifdje  SßolUommenfjeit  gebort  gerabe  }u  jenem  allgemeinen  SBegriffe  nid)t;  fie  ftetjet  bem 
Snbiuibuo  ju,  aber  nidjt  bem  föefdjle d)te ;  unb  ber  2)id)ter ,  ber  fie  feinen  5ßerfoncn 
beilegt,  fdjilbert  gerabe  umgcfetytt,  mefyc  in  ber  Lanier  bc=  SutipibeS  als  be§  Sopl;ofleg. 
Sie  »eitere  9tu§fiü)rung  ijiernon  oerbienet  mefjr  als  eine  üiote. 


176  £mm&urgi[d)e  Dramaturgie. 

nujfen,  tüte  meit  unb  in  meldjem  ©rabe  oon  ©tärfe  fid)  biefer 
ober  jener  (Efjarafter  bei  befonbern  (Gelegenheiten  mat)rfdjein= 
lidjerroeife  äußern  würbe,  ba§  ift  einzig  unb  allein  eine  grutfjt 
oon  unfern*  Kenntnis  ber  3Selt.  Sbafj  33eifpiete  oon  bem 
Mangel  biefer  $enntni3  bei  einem  Siebter,  mie  (Suripibeö 
mar,  fetjr  (jäuftg  folTten  gemefen  fein,  läfjt  fid)  tttdjt  mofyt  an- 
nehmen; aud)  merben,  mo  fid)  bergleid)en  in  feinen  übrig  ge- 
bliebenen ©tüdeti  etma  finben  füllten,  fie  fdjmeriid)  fo  offenbar 
fein,  baf3  fie  aucf)  einem  gemeinen  £efer  in  bie  äugen  fallen 
müßten.  @3  fönnen  nur  geinljeiten  fein,  bie  allein  ber  maljre 
5lunftrid)ter  31t  unterfdjeiben  oermögenb  ift;  unb  aud)  biefem 
!ann  in  einer  foldjen  Entfernung  oon  $e\t  aug  Unmiffentjeit 
ber  griedjtfdjen  «Sitten  moljt  etraag  al§  ein  geljler  norlommen,1 
ma§  im  ©runbe  eine  (Sdjönfyeit  ift.  @3  mürbe  alfo  ein  fefyr 
gefäljrlidjeei  Unternehmen  fein,  bie  «Steifen  im  ©uripibeg  an= 
geigen  gu  motten,  meldje  2lriftotele§  biefem  £abel  untermorfen 
gu  fein  geglaubt  Ijatte.  2fber  gteidjmot»!  mitl  id)  e3  magen, 
eine  anjufüfjren ,  bie,  menn  idj  fie  aud)  fd)on  nic|t  nad)  alter 
©ered)tigfeit  fritifieren  fottte,  menigften  meine  Meinung  gu 
erläutern  bienen  lann. 


^iittfiuttounjisßes  gtiitlu 

SDen  29.  Wäxi  1768. 

„3)ie  ©efcfyidjjte  feiner  ßteftra  ift  gan^  befannt.  2)er 
£)id)ter  rjatte  in  bem  (Sfjarafter  biefer  ^rin^effin  ein  tugenb= 
fjafteS,  aber  mit  ©tolg  unb  ©roll  erfülltes  grauengimmer  gu 
fdjitbern,  metdjeö  burdj  bie  §ärte,  mit  ber  man  fid)  gegen  fie 
fetbft  betrug,  erbittert  mar  unb  burdj  nodj  meit  ftärtere  $3e= 
roegung^grünbe  angetrieben  marb,  ben  Stob  eines  $ater§  31t 
rächen.  Sine  foldje  heftige  ©emütSoerfafjung,  !ann  ber  $t)ilo= 
fopl)  in  feinem  SÖtnfel  rooljt  fd)lief$en,  mufe  immer  fel)r  bereit 
fein,  fid)  §u  äußern.  (SIeftra,  !ann  er  mofyt  einfetten,  mujs 
bei  ber  geringsten  fd)idlid)en  (Gelegenheit  ifyren  ©roll  an  ben 
%aq,  legen  unb  bie  Stugfüfjrung  itjreS  SBorljabenS  befdjleunigen 
^u  fönnen  münfdjen.  2tber  $u  metdjer  §öt)e  biefer  ©roß 
fteigen  barf?  b.  i.  roie  ftarf  (Steltra  iljre  9tad)fud)t  ausbrächen 
barf,  ot)ne  baß  ein  9)?ann,  ber  mit  bem  menfd)tid)en  ©efdjledjte 
unb  mit  ben  Söirfungen  ber  Seibenfdjaften  im  ganzen  be- 
fannt  ift,  babei  aufrufen  lann :  ba§  ift  unmaljrfdjeintid)? 
©iefeS  aus^umadjen,  mirb  bie   abftrafte  Sfyeorie  oon  menig 


gfiinfimbneuttjigfteS  ©tue!.  1 ,  7 

"Jiufcen  fein,  ©ogar  eine  nur  mäfjtge  33efanntfd)aft  mit  bem 
mtrtlidjen  SeBen  ift  fjier  nidjt  l)in(änglid),  uns  511  leiten.  l)iau 
tatin  eine  -Stenge  3nbünbua  bemerft  fyaben,  njeldje  ben  $oeten, 

ber  ben  2ut§brud  eines»  foldjen  ©rollet  Bio  auf  bas>  Steufeajte 
getrieben  Ijätte,  §it  rechtfertigen  fdjeinen.  ©elbft  bie  ©efdjidjte 
Surfte  tüetfeidjt  Krempel  an  bie  §anb  geben,  mo  eine  tugeub= 
r>afte  Erbitterung  aud)  mofjl  nodj  weiter  getrieben  morben, 
al$  es>  ber  2)tdjter  Ijier  oorgeftelfet.  -Jöeldjcs  finb  beim  nun 
alfo  bie  eigentlichen  ©renjen  berfclben,  unb  moburdj  finb  fie 
$u  beftimmen?  Ginjig  unb  aftein  burdj  33emerfung  fo  vieler 
einzelnen  %aik  alö  möglidj ;  einzig  unb  aKein  oermittelft  ber 
ausgebreiteten  Kenntnis,  raie  oiel  eine  foldje  Erbitterung  über 
bergteidjen  (Sfjaraftere  unter  berg(eidjcn  Umftänben  im  mir!; 
Kdjen  Seben  gemöljnlidjermeife  uermag.  60  uerfdjieben 
biefe  Kenntnis  in  Slnfefjung  ifjreS  Umfanget  ift,  fo  uerfdjieben 
wirb  benn  aud)  bie  2Irt  ber  ^Borftelhtng  fein.  Unb  nun  motten 
mir  feljen,  mie  ber  oorfjabenbe  ßfyarafter  oon  bem  Euripibeg 
mirflid)  befyanbett  morben. 

„5n  ber  jdjbnen  (S^ene,  meldje  jmifdjen  ber  ßleftra  unb 
bem  Orefteg  vorfallt,  oon  bem  fie  aber  uod)  nidjt  meift,  ba§ 
er  U)r  33ruber  ift,  fömmt  bie  Unterrebung  gang  natürlid)  auf 
bie  Unglüdsfätle  ber  Gleftra  unb  auf  ben  Urheber  berfelben, 
bie  tölntämneftra,  fomie  aud)  auf  bie  £offnung,  meldje  ßleftra 
fjat,  oon  iljren  2)rangfalen  burd)  ben  Drefteg  befreit  $u  merben. 
2>as  ©efpräd),  mie  e3  Ijierauf  meitergeljt,  ift  biefeg: 

„Drefteg.  Unb  Drefteg?  ©efetjt,  er  fäme  nad)  Slrgoö 
jurücf  — 

„Gleftra.  2Ö0311  biefe  grage,  ba  er  allem  Slnfeljen  nad) 
niemals  gurüdfommen  wirb? 

„Drefteg.  2(ber  gefegt,  er  läme!  2Sie  nützte  er  eg  am 
fangen,  um  ben  Stob  feines  $aterg  31t  rädjen? 

„feleftra.  ©idj  eben  beg  erfuljnen,  meffen  bie  geinbe 
ftdj  gegen  feinen  SSater  erntljnten. 

„Drefteg.  Söollteft  bu  eg  moI)l  mit  iljm  magen,  beine 
Butter  umzubringen? 

„(Sleftra.  ©ie  mit  bem  nämlidjen  Eifen  umbringen, 
mit  meld)em  fie  meinen  $ater  morbete! 

„Drefteg.  Unb  barf  id)  bag  alg  beinen  feften  ©ntfdjlujj 
beinern  33ruber  oermelben? 

„Eleftra.  3d;  miß  meine  SJiutter  umbringen,  ober 
nidjt  (eben! 

„SDag  ©riedjifdje  ift  nod)  ftärf'er: 

2  c  j  f  in  g  y  Söerfe.    XII.  12 


178  ftamburgtfdje  Dramaturgie. 

„3$  null  gern  beö  £obe§  fein,  fobalb  tdj  meine 
3JI it 1 1 e r  umgebradjt  Ijabe! 
„Sßun  fann  man  nidjt  behaupten,  baß  biefe  leiste  S^ebe 
fdjledjterbingg  unnatürlicl;  fei.  Dfme  Sweifet  Ijabeu  fidj  33et= 
fpiele  genug  eräugnet,  wo  unter  äljnlidjen  Umftänben  bie  9tad)e 
fidj  eben  fo  fjeftig  auögebrüd't  Ijat.  ©teidjwoljl,  benfe  tdj,  fann 
utig  bie  §ärte  biefeg  Shisbrudg  nid)t  anbers  al3  ein  wenig 
beleibigen.  $um  minbeften  Ijielt  Sopljofteg  nid)t  für  gut, 
i()n  fo  weit  $u  treiben.  33ei  il)m  fagt  dteftra  unter  gleichen 
Umftänben  nur  ba§:  gerit  fei  bir  bie  2tu3fül)rung  über? 
lajfen!  2ßäre  tdj  aber  allein  geblieben,  fo  glaube 
mir  nur,  beibeS  Ijätte  mir  gewig  nidjt  mißlingen 
follen:  entweber  mit  (Sljreu  midj  3U  befreien,  ober 
mit  ©Ijren  31t  fterben! 

„£>b  nun  biefe  SSorfteÜung  be§  ©opl)ofle§  ber  Sßaljrs 
Ijeit,  in  foferu  fie  ci\\$  einer  ausgebreitetem  ßrfaljrung,  b.  i. 
aug  ber  Kenntnis  ber  menfdjlidjen  9?atur  überhaupt,  gefammelt 
morbetvnidjt  weit  gemäßer  ift  aU  bie  Sßorftellung  beö  @uri= 
pibeS,  will  icfj  benen  gu  beurteilen  überlaffen,  bie  e3  31t  be= 
urteilen  fäl)tg  finb.  3ft  fie  e§,  fo  fann  bie  Urfad)e  feine 
anberefein,  aläbieidj  angenommen:  baßnämlid)©opl)ofle£> 
feine  Gljaraftere  fo  gefdjilbert,  al3  er  ungä^Iigen 
oon  iljm  beobadjteten  SBeifpielen  ber  nätnlt<$en 
©attitng  gufolge  glaubte,  baß  fie  fein  follten; 
©uripibeö  aber  fo,  als  er  in  ber  engeren  ©pljäre 
feiner  ^Beobachtungen  erfannt  fjatte,  baß  fie  wirf= 
lidj  wären."  — 

SBortrefflidj !  2lud)  unangefeljen  ber  2Ibftdjt,  in  welcher 
tdfj  biefe  langen  ©teilen  be3  §urb  angeführt  ijabe,  enthalten 
fie  unftreitig  fo  oiel  feine  ^Bemerkungen,  baß  es  mir  ber  Sefec 
wol)l  erlaffen  wirb,  midj  wegen  ©infdjaltung  betreiben  gu 
entfdjulbigen.  gd;  beforge  nur,  baß  er  meine  SIbftdjt  felbft 
barüber  au$  ben  äugen  oerloren.  Sie  war  aber  biefe :  31t  feigen, 
baß  audj  §urb,  fo  wie  SDiberot,  ber  ^ragöbie  befoubere, 
unb  nur  ber  ^omöbie  allgemeine  ßfjaraftere  guteile  unb  bem= 
oljngeadjtet  bem  SlriftoteleS  nidjt  wiberfpredjen  wolle,  weldjer 
bag  Slltgemeine  oon  alten  poetifdjen  Gljarafteren  unb  folglid) 
aucl)  oon  ben  iragifdjen  oerlanget.  §urb  erftärt  fidj  nämlidj 
fo :  ber  tragifdje  (Sljarafter  muffe  gwar  partifular  ober  weniger 
allgemein  fein  als  ber  fomifdje,  b.  i.  er  muffe  bie  2lrt,  ^u 
weldjer  er  geljöre,  weniger  oorftellig  madjen;  gleidjmoljl  aber 


$ünfunbneun3tflftes  ©tütf.  179 

muffe  ba§  wenige,  ma3  man  oon  tfjtn  *u  jeigen  für  gut 
finbe,  nad;  bem  allgemeinen  entmovfen  fein,  meldjeö  2lrifto= 
teteö  forbere.  *) 

Ünb  nun  märe  bie  grage,  ob  SDiberot  ftd)  and)  fo  oer= 
ftanben  mtffen  wolle?  —  SBarutn  nidjt,  menn  ifjm  baran  ge^ 
legen  märe,  fid)  nirgenbS  in  -&Mberfprud)  mit  bem  Slriftote'leS 
finben  311  laffen?  9)iir  menigfteng,  bem  baran  gelegen  ift,  bafj 
^mei  benfenbe  $öpfe  oon  ber  nämlidjen  ^adje  nidjt  3a  un0 
9Jein  fagen,  lönnte  e3  ertaubt  fein,  ifjm  biefe  Auslegung  unter; 
jufdjieben,  ifjm  biefe  Sluöfludjt  31t  leiten. 

Slber  lieber  oon  biefer  2lusflud)t  felbft  ein  Sßort!  —  W\d) 
bünft,  eö  ift  eine  2luöflud)t  unb  ift  and)  feine.  S)enn  baö  Söort 
allgemein  mirb  offenbar  barin  in  einer  boppelten  unb  gan^ 
oerfdjiebenen  33ebeutung  genommen.  &ie  eine,  in  melier  e3 
§urb  unb  2>iberot  uon  bem  tragifdjen  ßljarafter  oerneinen, 
ift  nidjt  bie  uämlidje,  in  meldjer  e§  §urb  oon  ifjm  bejahet, 
greilid)  beruhet  eben  hierauf  bie  2(u§flud;t;  aber  mie,  menn 
bie  eine  bie  anbere  fdjtedjterbingö  aitöfdjtöffe? 

8«  ber  erften  33ebeutung  Ijeifct  ein  allgemeiner 
ßfjarafter  ein  foldjer,  in  toeldjen  man  ba3,  ma§  man  an 
mefjrern  ober  allen  3»bioibuiö  bemerf't  l)at,  gufammennimmt; 
eä  fjeijst  mit  einem  feorte:  ein  überlabener  ßfjarafter;  es> 
ift  mel)r  bie  perfonifierte  Qbee  eines  (EfjarafterS  alä  eine 
djarafterifterte  ^erfon.  3tt  ^er  «nbern  33ebeutung  aber  fjeifet 
ein  allgemeiner  (St)aratter  ein  fotdjer,  in  meldjem  man  oon 
bem,  ma%  an  meljrern  ober  allen  Qnbinibiiig  bemerlt  morben, 
einen  gemiffen  £)urd)fdjnitt,  eine  mittlere  Proportion  am 
genommen;  eg  Ijeigt  mit  einem  2Borte:  ein  gewöfjnlidjer 
ßljarafter,  nidjt  $war  in  fofern  ber  ßljarafter  felbft,  fonbern 
nur  in  fofern  ber  ©rab,  ba3  50]a^  besfelben  gewöljnlid)  ift. 

§urb  Ijat  üotlfommen  Stecht,  ba3  y.aftoXoo  be3  2lriftotele§ 
oon  ber  2lllgemeinl)eit  in  ber  ^raeiten  Sebeutung  ju  erflären. 
SIber  menn  benn  nun  2IriftoteleS  biefe  2Utgemeinl)eit  eben  fo 
moljl  oon  ben  fomifdjen  al§  tragifdjen  (Sljarafteren  erfobert: 
mie  ift  e3  möglidj,  baj$  ber  nämlidje  ßfjarafter  ^ugleid)  audj 
jene  2lllgemein§eit  Ijaben  fann?   SBie  ift  eö  möglid),  bafs  er 


*)  In  calling  tlie  tragic  character  particular,  I  suppose  it  only 
less  representative  of  the  kind  than  the  Comic;  not  that  tlie  draught 
of  so  much  character  as  it  is  concerned  to  represent  snonld  not  be 
general.  [^nbem  xä)  ben  tragifdjen  Gfyarnfter  einzeln  nenne,  unterftefle  id),  ba& 
er  nmtiger  bie  ©attimg  tiertritt  at§  ber  fomifdje;  nidjt,  baß  bie  geidjnung  non  jo 
ötel  ßljaralter,  ol§  et  baraufteüen  berufen  ift,  nidjt  allgemein  fein  fönte.    §.] 


180  £>amMtrg,ifrf)e  Dramaturgie. 

3ttgleid)  üb  erlaben  unb  gemöljnlicf)  fein  fann?  Unb  ge= 
fe£t  aud),  er  wäre  fo  überlaben  nod)  lange  nid)t,  als  e§  bie 
Gl)araftcre  in  bem  getabelten  Stüde  be§  Qolmfon  finb;  ge= 
feijt,  er  liejse  fid)  nod)  gar  motjl  in  einem  8^iüibuo  gebenfen, 
unb  man  l)abe  23eifpiele,  baft  er  fid)  wirfltd)  in  mel)rern 
SRenfdjen  eben  fo  ftarf,  eben  fo  ununterbrodjen  gealtert  fjabe : 
mürbe  er  bem  oljngeadjtet  nid)t  and)  nodj  oiel  ungeroöljm 
lidjer  fein,  als  jene  Slllgemeintjeit  be3  2lriftotele3  gu  fein 
erlaubet? 

3)aS  ift  bie  ©dmnerigfeit !  —  Qd)  erinnere  tjter  meine 
Sefer,  baß  biefe  ^Blätter  nidjts  meniger  als  ein  bramatifdjeS 
©nftem  enthalten  follen.  3$  &w  al1°  wfy  nerpflidjtet,  alle 
bie  ©djmierigfeiten  auf^ulöfen,  bie  id)  madje.  9Jkine  ©ebanfen 
mögen  immer  fid)  meniger  311  oerbinben,  ja  mofjl  gar  fid;  311 
miberfpredjen  fdjetnen :  menn  eS  benn  nur  ©ebanfen  finb,  bei 
melden  fie  Stoff  finben,  felbft  ^u  beulen.  §ier  mill  id;  nidjts 
als  Fermenta  cognitionis  auSftreuen. 


§eri)0Hnlincun?t0fteiö  gttütk. 

35en  1.  Wptil  1768. 

2)en  gmetunbfunfgigftenSlbenb  (SDienStagS,  ben  28.  SuftuS) 
mürben  beS  §errn  DtomanuS  33  r  üb  er  mieberfyolt. 

Ober  follte  td(j  ittdjt  melmetjr  fagen:  bie  trüber  beS 
§errn  SftomanuS?  tflad)  einer  ^Inmerfung  nämlid),  meldje 
©onatuS  bei  Gelegenheit  ber  trüber  beS  ^eren^  madjt: 
Hanc  dieunt  fabulam  seeundo  loco  aetam,  etiam  tum  rudi 
nomine  poetae;  itaque  sie  pronunciatam,  Adelphoi  Terenti, 
non  Terenti  Adelphoi,  quod  adhuc  magis  de  fabulae  nomine 
poeta,  quam  de  poetae  nomine  fabula  commendabatur.*) 
§err  9ftomanuS  tjat  feine  Stomöbien  ^roar  ol)ne  feinen  tarnen 
herausgegeben;  aber  bod)  ift  fein  9?ame  burd)  fie  berannt 
gemorben.  %lod)  itjt  finb  biejenigen  ©tüde,  bie  fid)  auf 
unferer  23üt)ne  oon  ilmt  erhalten  Ijaben,  eine  @mpfet)lung 
feinet  Samens,  ber  in  ^rooin^en  SDeutfdjlanbS  genannt  mirb, 
mo  er  ol)ne  fie  mol)l  nie  märe  gehöret  toorben.    SIber  meldjeS 


*)  [©iefeS  ©tue!  joH  in  ^weiter  ©teile  aufgeführt  luorben  fein,  als  ber  9lamc 
beS  2)id)ter§  nod;  unberüfymt  mar;  baljer  Ijabe  man  gefagt :  „bie  SBrütoer  beS  Stereu-- 
ttuo, "  nid)t:  „beS  SerentiuS  23rübcr,"  mcil  bamals  nod)  ber  2Md)ter  ntetjr  burd)  ben 
Hainen  be§  ©tüde§,  als  ba§  ©tiief  burd)  ben  tarnen  beS  SDidjtcrS  empfotjlen  nmrbe.  3.] 


©edjäuttbneunstgfteä  Stütf.  181 

mibrige  <2d)idfal  Ijat  and)  biefen  sJJiann  abgehalten,  mit  feinen 
arbeiten  für  baä  äfjeater  fo  lange  fortzufahren,  bio  bte  Stüde 
aufgeljöret  fjätteu,  feinen  Manien  31t  empfehlen,  unb  fein  sJ£ame 
bafür  bie  ©tücfe  empfohlen  Ijätte? 

&a§  meifte,  roa§  mir  Scutfdje  nod)  in  ber  fdjönen  Sitteratur 
Ijaben,  finb  33erfuct)e  junger  Seute.  3a,  baö  SBorutteil  ift  bei 
itng  faft  allgemein,  bajj  e3  mir  jungen  Beuten  $ufotnme,  in 
biefem  gelbe  31t  arbeiten.  sJJiünner,  fagt  man,  Ijaben  ernft? 
t)aftere  Stubia  ober  midjtigere  ©efdjäfte,  311  toeldjen  fie  bie 
Hivdje  ober  ber  Staat  auffobert.  Verfe  unb  ^omöbien  Ijeifjeu 
©pietmerle;  allenfalls  nid)t  ttnnüt3licr)e  Vorübungen,  mit 
meldten  man  fidt)  r)öcf)ften§  Bio  in  fein  fünfunb$n?angigfte§ 
Qaljr  befctjäftigen  barf.  Sobalb  mir  un§  bem  männlicbcn 
älter  näfjero,  fotlen  mir  fein  alle  uufere  Gräfte  einem  nüt$= 
liefen  2lmte  mibmen;  unb  läfjt  ung  biefeä  2lmt  einige  fttit, 
etwas  31t  fdjreiben,  fo  foll  man  ja  nidjtg  anbereg  fdjreiben, 
alo  roas  mit  ber  ©rauität  unb  bem  bürgerlichen  Spange  be§= 
felben  befielen  fann:  ein  fyübfajeö  $ompeubium  au3  ben 
l)öl)em  gafultäten,  eine  gute  (Sl)ronife  0011  ber  lieben  $ater= 
ftabt,  eine  erbauliche  $rebigt  unb  bergleidjen. 

datier  fömmt  e3  benn  aud),  baf$  unfere  fdjöne  ^itteratur, 
idj  mill  ntdjt  btofs  fagen  gegen  bie  fdjöne  Sitteratur  ber  2llten, 
fonbern  fogar  faft  gegen  aller  neuern  polierten  Golfer  iljre  ein 
fo  jugenblidjeö,  ja  finbifdjeä  2lnfel)en  t)at  unb  nod)  lange,  lange 
jjaoen  mirb.  21n  33(ut  unb  Seben,  an  garbe  unb  geuer  fehlet 
es>  ifjr  enblidj  ntdjt;  aber  Gräfte  unb  31eruen,  Wlaxl  unb 
$nod)en  mangeln  i|r  nod)  feljr.  (Sie  rmt  nod)  fo  menig 
2Öerfe,  bie  ein  9ttann,  ber  im  teufen  geübt  ift,  gern  5m 
§anb  nimmt,  wenn  er  31t  feiner  (Mjolung  unb  ©tärlung 
einmal  au&er  bem  einförmigen  efeln  3xr^e^  feiner  atttägltdjen 
93efd)äftigungen  beulen  mill!  Sßeldje  ^aljrung  fann  fo  ein 
SDtonn  mol)l  3.  @.  in  unfern  l)öd)ft  trioialen  $omöbien  finben? 
■Jöortfpiele,  ©pridjroörter,  ©päfedjen,  mie  man  fie  alle  £age 
auf  ben  ©äffen  l)ört;  fold)e3  3euG  macfyt  ^roar  ba%  parterre 
$u  ladjen,  ba3  fid)  oergnügt,  fo  gut  es  fann;  mer  aber  oon 
il)m  mel)r  a(§  ben  Saud)  erfdjütiem  mill,  mer  giigleidj  mit 
feinem  Verftanbe  ladjen  mill,  ber  ift  einmal  ba  getoefen  unb 
fömmt  uidjt  mieber. 

2Öer  nidjtg  l)at,  ber  fann  nichts  geben.  (Sin  junger 
9ttenfd),  ber  erft  felbft  in  bie  SBelt  tritt,  fann  unmöglid)  bie 
3öelt  fennen  unb  fie  fdjilbern.  2)a§  größte  fomifdje  ©enie 
jeigt  fid;  in  feinen  jugenblidjen  Werfen  l)ol)l  unb  leer;  felbft 


182  £amburgifd)e  Dramaturgie. 

üon  ben  erften  ©tüdfen  beg  9ftenanber§  fagt  ^ßlutard),*)  baf; 
fte  mit  feinett  fpätern  unb  (entern  Stüden  gar  nidjt  gu  oer= 
gleiten  geroefen.  2(us>  biefen  aber,  fe§t  er  l)ingu,  fönnc  man 
fdtjliefecn,  mag  er  nocf)  mürbe  geleiftet  fja&en,  wenn  er  länger 
gelebt  Ijätte.  Unb  raie  jung,  meint  man  rooljl,  bafj  3ftenam 
ber  ftarb?  Sie  oiel  Äomöbien  meint  man  moljl,  baf$  er  erft 
gefdjrieben  fjatte?  9M)t  meniger  alg  fjunbertfünfe,  unb  nicr)t 
jünger  alg  groeiunbfunfjtg. 

deiner  oon  allen  unfern  oerftorbenen  fomifdjen  SDidjtern, 
oon  benen  eg  fid)  nodj  ber  SDturje  üerlorjnte  gu  reben,  ift  fo 
alt  geworben;  fetner  non  ben  itjtlebenben  ift  eg  nod)  gur 
Seit;  fetner  non  betben  fjat  bag  inerte  %t\l  fo  tnel  ©tüde 
gemadjt.  Unb  bie  ^rttif  follte  non  iljnen  nidjt  eben  bag  gu 
fagen  r)aben,  mag  fie  non  bem  ^Jienanber  51t  fagen  fanb?  — 
(Sie  mage  eg  aber  nur  unb  fpredje! 

Unb  nict)t  bte  SBerfafier  allein  finb  eg,  bte  fte  mit  Um 
mtllen  Ijören.  Sir  rjaben,  bem  §immel  fei  2)anf,  t|t  ein 
©efdjtedjt  felbft  oon  totifern,  beren  befte  ßritif  barin  be= 
ftet)t,  —  alle  föxitii  uerbädjtig  51t  madjen.  „©ettie!  ©enie!" 
fdjreien  fte.  „2)ag  ©enie  fe|t  ftd)  über  alle  Regeln  Ijinroeg! 
Sag  bag  ©eine  madjt,  ift  Siegel!"  60  fdmteidjeln  fie  bem 
©enie;  icf)  glaube,  bamit  mir  fie  and)  für  ©enieg  galten 
follen.  3)oct)  fie  oerrateu  31t  feljr,  bag  fie  nict)t  einen  gunfen 
baoon  in  fid;  f puren,  menn  fie  in  einem  unb  eben  bemfelben 
Sltem  ^ingufe^en:  „bie  Regeln  unterbrüden  bag©eme!"  — 
Sllg  ob  fid;  ©enie  burd;  etroag  in  ber  Seit  unterbrüden 
liege!  Unb  nod)  ba§u  burct)  etraag,  bag,  mie  fie  felbft  ge= 
fteljen,  aug  if)tn  hergeleitet  ift.  9ttd;t  jeber  föunftrtdjter  ift 
©enie;  aber  jebeg  ©enie  ift  ein  geborner  ^unftridjter.  @g 
t)at  bie  $robe  aller  Regeln  in  fid).  @g  begreift  unb  beljält 
unb  befolgt  nur  bie,  bie  ifmt  feine  ©mpfinbung  in  Sorten 
augbrüden.  Unb  biefe  feine  in  Sorten  auggebrüdte  @m= 
pfinbung  follte  feine  SEfjätigfeit  verringern  formen?  $Bernünf= 
telt  barüber  mit  itjm,  fo  oiel  ifyr  moHt ;  eg  oerfteljt  eud)  nur, 
in  fofern  eg  eure  allgemeinen  ©ä^e  ben  Slugenblid  in  einem 
einzelnen  galle  aufdjauenb  erfennt;  unb  nur  oon  biefem  eim 
gelnen  galle  bleibt  Erinnerung  in  trmt  gurüd,  bie  mäljrenb 
ber  Arbeit  auf  feine  Gräfte  nidjt  meljr  unb  nidjt  meniger 
mirfen  fann,   alg  bie  Erinnerung  eineg  glüdlidjen  Sßeifpielg, 


*)  Etut.  xy]c  ouYV.piasü)?  Apiax.  xat  MsvavS.  p.  1588.  Ed.  Henr. 
Stepliani. 


©edjSunbneunjigfteS  (Stürf.  183 

bie  Gürinnerung  einer  eignen  glücftidjen  ©rfaljtung  auf  (te  $u 
tmrfen  hnftanbe  ift.  ^elmupten  alfo,  baß  Regeln  unb  Mritit' 
bas  (Senie  unterbrücfen  tonnen:  jjeijjt  mit  anbern  SJÖorten 
behaupten,  bafj  Söeifpiele  unb  Uebung  eben  biefeS  oertnögen; 
Reifet,  baö  ©enie  nidjt  allein  auf  fiel)  felbft,  Ijetfet  e3  fogar 
lebiglidj  auf  feinen  erften  üBerfudj  einfdjränfen. 

Üben  fo  roemg  roiffen  biefe  weife  §erren,  mao  fie  wollen, 
wenn  fie  über  bie  nachteiligen  ©inbrücfe,  roelcfje  bte  Kritif 
auf  bas  geniejjenbe  SPublifutn  ntacje,  fo  luftig  wimmern! 
Sie  möchten  un§  lieber  bereben,  bajj  fein  SDlenfdj  einen 
Schmetterling  meljr  bunt  unb  fdjön  finbet,  feitbem  ba$  böfe 
üBergröfjerungSglaS  erfenneu  fafjen,  bafc  bte  garben  beSfeiben 
nur  Staub  finb. 

„Unfer  Sweater,"  fagen  fie,  „ift  nodj  in  einem  niel  §u 
garten  Silier,  als  bafc  e3  ben  monardjifctjen  Zepter  ber  Stritt! 
ertragen  tonne.  —  (i'o  ift  faft  nötiger,  bie  bittet  gu  feigen, 
mie  ba§  &eal  erreicht  merben  fann,  als  bargutfjiut,  uüe  weit 
nur  nod;  r>on  biefem  Qbeale  entfernt  finb.  —  3)ie  Söüljne 
würfe  bind;  Seifpiele,  ntdjt  burd)  Regeln  reformieret  werben. 
—  9iäfonnieren  ift  leichter,  als  felbft  erftnben." 

§eifjt  bao,  ©ebanfen  in  2öorte  fleiben,  ober  (jeijjt  e§ 
nidjt  otelmeljr,  ©ebanfen  31t  Porten  fudjen  unb  leine  er= 
fyafdjen?  —  Unb  wer  finb  fie  beim,  bte  fo  ntet  non  £>et= 
fpielen  unb  com  Selbfterfinben  rebenV  2Öa3  für  53eijpiele 
ijaben  fie  benn  gegeben?  2Öa3  Ijaben  fie  benn  felbft  erfun= 
ben?  —  Schlaue  Eöpfe!  SGßenn  i|nen  SBeifptele  31t  beurteilen 
oorfommen,  fo  münfdjen  fie  lieber  Regeln;  unb  wenn  fie 
Regeln  beurteilen  Jollen,  fo  möchten  fie  lieber  Söeifpiele  Ijaben. 
Stnpatt  non  einer  Krittl  51t  beweifen,  bafe  fie  falfd;  ift,  be= 
weifen  fie,  bafe  fie  31t  ftrenge  ift,  unb  glauben  oertfjan  gu 
Ijaben!  9lnftatt  ein  Ütäjonnement  31t  mtberlegen,  merfen  fie 
an,  bafc  ßrfinben  fdjwerer  ift,  als  Ütäfonnieren;  unb  glauben 
miberlegt  gu  Ijaben! 

28er  richtig  räfonmert,  erfinbet  and;:  unb  mer  erfinben 
roitt,  mufj  räfonnieren  fönnen.  -Jhtr  bie  glauben,  bafe  ficlj» 
ba§  eine  non  bem  anbern  trennen  laffe,  bie  31t  feinem  non 
beiben  aufgelegt  finb. 

©od)  was>  Ijalte  tdj  midj  mit  biefen  Sdjroä^em  auf? 
3d)  mill  meinen  ©ang  geljen  unb  midjj  unbetüntmert  laffen, 
was  bie  ©rillen  am  2Sege  fdjunrren.  $li\d)  ein  Schritt  aus 
bem  2öea,e,  um  fie  31t  gertreten,  ift  fdjou  3U  niel.  Qljr  Sommer 
ift  fo  leidjt  abgewartet! 


184  £amburgifd)e  Dramaturgie. 

2Ilfo  oljne  roettere  (Einleitung  51t  ben  SInmerfungen,  bie 
id)  Bei  Gelegenheit  ber  erfteu  SBorftetfung  ber  Vorüber  beS 
§erm  ^RomanuS*)  annod)  ü6er  biefeS  ©tücf  üerfpradj!  — 
2)ie  nornetjmften  berfelBen  werben  bie  SBeränberungen  Be= 
treffen,  bie  er  in  ber  gaBel  beS  Vereng  machen  31t  muffen 
geglaubt,  um  fie  unfern  ©Uten  närjer  311  Bringen. 

2BaS  foll  man  ü&erljaupt  uon  ber  Sßotroenbigfeit  biefer 
SBeränberungen  Jagen?  Söenn  mir  fo  menig  3tnfiofe  finben, 
römifdje  ober  griedjtfdje  ©Uten  in  ber  ^ragöbie  gefdjtlbert  31t 
feljen,  marum  nidjt  aud)  in  ber^omöbie?  Sßofjer  bie  9Regel, 
menn  eS  anbers  eine  Sieget  ift,  bie  ©§ene  ber  erftern  in  ein 
entferntes  Sanb,  unter  ein  frembeS  SSolf ;  bie  ©^ene  ber  anbern 
aBer  in  unfere  §eimat  311  legen?  äöoljer  bie  SSerBinblidjfeit, 
bie  mir  bem  ©idjter  aufBürben,  in  jener  bie  ©Uten  beS= 
jenigen  SSolfeS,  unter  bem  er  feine  §anblung  oorgeljen  läftt, 
fo  genau  als  möglich  ^u  fdjilbern,  ba  mir  in  biefer  nur  unfere 
eigene  ©Uten  oon  iljm  gefdjilbert  31t  fernen  verlangen? 
„SDiefeS,"  fagt  $ope  an  einem  Drte,  „fdjetnet  bem  erften 
Slnfeljen  nacr)  Bloßer  (Eigenfinn,  Blo^e  ©rille  $u  fein;  eS  f)at 
aBer  bod)  feinen  guten  ©runb  in  ber  Statur.  2)aS  §aupt= 
fädjlidjfte,  roaS  mir  in  ber  ^omöbie  fudjen,  ift  ein  getreues 
23ilb  beS  gemeinen  SebenS,  uon  beffen  Streue  mir  aBer  nidjt 
fo  leicht  oerfidjert  fein  lönnen,  menn  mir  eS  in  frembe  9Jtoben 
unb  ©ebräudje  oerfletbet  finben.  5n  ber  Slragöbie  hingegen 
ift  eS  bie  §anblung,  maS  unfere  2uifmerffamfeit  am  meiften 
an  fid;  gießet,  ©inen  einljeimifdjen  Vorfall  aBer  für  bie  SBürjne 
Bequem  31t  madjen,  ba^u  muf3  man  fid)  mit  ber  ^anblung 
größere  greiljeiten  nehmen,  als  eine  gu  Belannte  ©efd)id)te 
oerftattet." 

gtetrenunöttemnigjlr*  §tüdu 

2)en  5.  Stylit  1768. 

£)iefe  Sluflöfung,  genau  Betrautet,  bürfte  mofjl  nidjt  in 
allen  ©tüden  Befriebigenb  fein.  SDenn  ^ugegeBen,  baft  frembe 
©itten  ber  2lBfid)t  ber  ^omö'bie  nidjt  fo  gut  entfpredjen  als 
einl)eimifd)e,  fo  Bleibt  nod;  immer  bie  §rage,  oB  bie  ein= 
Ijeimifdjen  ©Uten  nidjt  aud)  $ur  SIBfidjt  ber  ^ragöbie  ein 
BeffereS  ^8erf)ältniS  IjaBen  als  frembe?  SDiefe  grage  ift  me= 
nigftenS  burd)  bie  ©djmterigfeit,  einen  einljeimifd;en  Vorfall 


*)  ®rciunbfiet>äiG[te§  ©tücf.  <S.  91. 


(Sie&enunbneim^igfteS  ©tütf.  185 

oljne  affju  merflidje  unb  anftöjjtge  SBeränberungen  für  bte 

Sü^ne  bequem  $u  madjen,  uidjt  beantwortet,  greilidj  er« 
fobern  cint)einxifd;e  Sitten  audj  etnF)einüfc()e  Vorfälle;  wenn 
beim  aber  mir  mit  jenen  bte  £ragöbte  am  (etdjteften  unb 
geroiffeften  tfjrcn  3niecf  erreidjte,  fo  mittle  es  jabod)  rool)l  bejfer 
fein,  fidj  über  alte  Sdjmierigfeiten,  roefdje  fidj  bei  33eljanbtung 
biefer  ftnben,  roeg$ufe£en,  al3  in  2lbftdjt  beg  2Befentltd)ften 
311  furj  51t  f äffen,  meldjeS  unftreitig  ber  3uiec^  ift-  2(udj 
merben  uidjt  äffe  einfjeimifdje  Vorfälle  fo  merflidjer  unb  au= 
ftöfjtger  SSeränberungen  bebürfen;  unb  bie  bereu  bebürfen,  ift 
man  ja  uidjt  oerbunben  gu  bearbeiten.  2triftoteIe§  Ijat  fdjon 
angemerft,  baj}  eö  gar  mol)l  Gegebenheiten  geben  fann  unb 
gibt,  bie  fidj  oollfommen  fo  eriiugnet  Ijaben,  als  fie  ber  2)idjter 
braucht.  S)a  bergleidjen  aber  nur  feiten  finb,  fo  Ijat  er  aud) 
fdjon  entfdjieben,  bafj  fidj  ber  $)idjter  um  ben  roenigern  Steil 
feiner  3ujdjauer,  ber  oon  ben  mal)ren  Umftänben  oielleidjt 
unterrichtet  ift,  lieber  uidjt  befümmern,  als  feiner  ^fltdjt 
minber  Genüge  leiften  muffe. 

2)er  Vorteil,  ben  bie  einfjeimifdjen  «Sitten  in  ber  $0= 
mbbie  (jaben,  beruhet  auf  ber  innigen  33efanntfdjaft,  in  ber 
mir  mit  iljnen  ftefjen.  2)er  2)td)ter  braudjt  fie  un§  uidjt  erft 
befannt  gu  madjen;  er  ift  aller  fjiergu  nötigen  23efd)reibungen 
unb  Sßinfe  überhoben;  er  fann  feine  ^erfonen  fogleidj  nad) 
ir)ren  Sitten  Ijanbeln  laffen,  orjne  uns  biefe  Sitten  felbft  erft 
langmeilig  31t  fdiitbern.  Gtnfjetmifdje  Sitten  alfo  erleid)tern 
ifjm  bie  Arbeit  unb  beförbern  bei  bem  ^ufdjauer  bie  3ffufi°n- 

2ßarum  foltte  nun  ber  tragifdje  SDidjter  fidj  biefeS  roid); 
tigen  boppelten  23ortei(§  begeben?  Shidj  er  Ijat  Urfadje,  fidj 
bie  Arbeit  fo  oiel  als  möglidj  51t  erleidjtern,  feine  Gräfte 
uidjt  an  ^ftebengroed'e  gu  uerfd)raenben,  fonbem  fie  ganj  für 
ben  §aupt3ir>ed*  51t  fparen.  2Cucfj  iljm  fommt  auf  bie  Sffufion 
beS  3ujdjauer§  alles  an.  —  sJftan  wirb  oielleidjt  hierauf 
antworten,  bafj  bie  ^ragobie  ber  Sitten  uidjt  grof;  bebürfe; 
baft  fie  iljrer  gang  unb  gar  entübriget  fein  fönne.  Slber  fo= 
nadj  braudjt  fie  audj  feine  frembe  Sitten;  unb  oon  bem 
roenigen,  ioa§  fie  von  Sitten  fjaben  unb  geigen  miff,  totrb  e£ 
bod)  immer  beffer  fein,  menn  eS  oon  einfjeimifdjen  Sitten 
rjergenommen  ift,  als  oon  fremben. 

£)ie  ©rieben  voenigftenS  Ijaben  nie  anbere  als  if)re  eigene 
Sitten,  n\d)t  blofj  in  ber  ^omöbie,  fonbern  audj  in  ber 
Sragöbie,  gum  ©runbe  gelegt.  Qa,  fie  Ijaben  fremben 
Golfern,  aus  bereu  ©efd)idjte  fie  ben  Stoff  iljrer  ^ragöbie 


186  Jpamburgifdje  Dramaturgie. 

etwa  einmal  entlelmeten,  lieber  ifjre  eigenen  griedjifdjen  (Sitten 
leiten,  alö  bie  Söirfungen  ber  SBüfyne  burd)  unoerftänblidje 
barbarifc^e  Sitten  entkräften  wollen.  Sluf  ba3  (Eoftume, 
meld)e§  unfern  tragifdjeu  £)id)tern  fo  ängftlid)  empfohlen 
wirb,  freiten  fie  wenig  ober  nid)t§.  SDer  23ewei3  l)ieroon 
fönnen  oorneljmlid)  bie  ^erfer  be3  2lefd)t)lu3  fein;  unb  bie 
Urfadje,  warum  fie  fid)  fo  wenig  an  bag  Goftume  binben  511 
bürfen  glaubten,  ift  au3  ber  2lbficl)t  ber  Xragöbte  leidjt  gu 
folgern. 

£)od)  id)  gerate  $u  weit  in  benjenigen  SLeil  besl  $ro- 
blem§,  ber  midj  i£t  gerabe  am  menigften  angebt.  Sroar 
inbem  id)  behaupte,  baß  eiuljeimifdje  Sitten  aud)  in  ber 
^ragöbie  guträgUdjer  fein  mürben  al§  frembe,  fo  fe|e  id)  fdjon 
al3  unftreitig  oorau§,  baß  fie  eö  menigfteng  in  ber  ^omöbie 
finb.  Unb  finb  fie  ba3,  glaube  id)  wenigfteng,  baß  fie  es 
finb:  fo  fann  id)  aud)  bie  Skränberungen,  roeldje  §err  9?o= 
manuö  in  2lbfid)t  berfelben  mit  bem  Stücfe  be3  Vereng  ge= 
mad)t  ijat,  überhaupt  triebt  anber§  al3  billigen. 

dx  Ijatte  3f}ed)t,  eine  gabel,  in  weldje  fo  befonbere  grie= 
d)ifd)e  unb  rchnifdje  Sitten  fo  innig  oerwebet  finb,  um^u^ 
fdjaffen.  2)a§  SBeifpiel  erljätt  feine  ^raft  nur  oon  feiner 
innern  ;föal)rfdjeiulid)l'eit,  bie  jeber  9)cenfd)  nad)  bem  beurteilet, 
wa$  iljm  felbft  am  gewöl)nlid)ften  ift.  Sitte  Slnmenbung  fällt 
weg,  mo  mir  uu3  erft  mit  iftürje  in  frembe  Umftnnbe  oer= 
fe^en  muffen.  Slber  e§  ift  aud)  leine  leiste  Sadje  mit  einer 
foldjen  Umfdjaffung.  Qe  oolll'ommner  bie  gabel  ift,  befto 
weniger  läßt  fiel)  ber  geringfte  Seil  oeränbern,  oljne  ba3 
(3anie  $u  zerrütten.  Unb  fcl)limm!  wenn  man  ftd)  fobann 
nur  mit  gliden  begnügt,  olme  im  eigentlichen  Sßerftanbe 
um$ufd)affen. 

2)a3  Stüc!  Ijeißt:  bie  trüber,  unb  biefeg  bei  bem 
STeren^  au3  einem  boppelten  ©runbe.  SDenn  nid)t  allein  bie 
beiben  Sllten,  9Ducio  unb  £>emea,  fonbern  aud)  bie  beiben 
jungen  Seute,  2lefd)inu3  unb  ^tefipljo,  finb  trüber.  SDemea 
ift  biefer  beiber  23ater;  TOcio  l)at  ben  einen,  ben  2lefd)inus, 
nur  an  Soljneg  dotatt  angenommen.  9cun  begreif  id)  nid)t, 
warum  unferm  SSerfaffer  biefe  Slboption  mißfallen.  $d)  weiß 
nid)t  anber§,  als  baß  bie  Slboption  aud)  unter  un3,  aud)  noci) 
t$t  gebräuchlich  unb  oollfommen  auf  ben  nämlid)en  guß 
gebräuchlich  ift,  wie  fie  e3  bei  ben  Römern  war.  SDem  unge= 
ad)tet  ift  er  baoon  abgegangen;  bei  iljin  finb  nur  bie  ^wei 
Sllten  SBrüber,  unb  jeber  Ijat  einen  leiblichen  Sol)n,  ben  er 


©icbcnunbtteurtjigfteä  3tücF.  187 

nadfj  feiner  5trt  er$te(jet.  2lber,  befto  beffer!  nrirb  man  Dtel 
letdjt  jagen.  So  jtnb  beim  aud)  bie  gmei  2tlte  mirtlidje 
SBäter,  nnb  bag  ©tücf  ift  nrirtTidj  eine  ©djule  bev  SSäter, 
b.  i.  foldjer,  betten  bie  Ücatur  bie  uätevlidje  ^flidjt  aufgelegt, 
ntdjt  fotdjev,  bie  fte  freiwillig  jroar  übernommen,  bie  fiel)  ifyrer 
aber  fdjmerlid)  raeiter  unterbieten,  alg  eg  mit  tfjver  eignen 
ls)emäd)tidjt'eit  befteljen  f'ann. 

Pater  esse  disce  ab  illis,  qui  vere  sciunt!*) 

(Seljrmoljl!  -Kur  fdjabe,  baß  burd)  3tuf(öfnng  biefeg  einigen 
Knoten,  meldjer  bei  bem  Vereng  ben  2(efd)inug  unb  Sltefipljo 
unter  fid)  nnb  beibe  mit  bem  £emea,  ifjrem  SSater,  oerbinbet, 
bie  gange  9)?afd)ine  aug  einanber  fällt  unb  aug  einem  all= 
gemeinen  Sntereffe  gmet  gang  nerfdjiebene  entfielen,  bie  bloß 
bie  ^onuenieng  beg  ®id)terg  unb  feinegraegeg  iljre  eigene 
jRatur  gufammenljält ! 

©enn  ift  2lefd)inug  nidjt  bloß  ber  angenommene,  fonbern 
bev  leibliche  <2o(m  beg  9Jiicio,  mag  Ijat  Semea  fid)  nie!  um 
ü)n  511  bekümmern?  S)er  (ssoljn  eineg  53ruberg  get)t  mid)  fo 
nafye  md)t  an  alg  mein  eigener.  SÖenn  id)  finbe,  baß  jemanb 
meinen  eigenen  (Sofjn  uergiefjet,  gefd)äl)e  eg  aud)  in  ber  beften 
2(bfid)t  non  ber  31>ett,  fo  l)abe  id)  9ced)t,  biefem  gutfjergigen 
SBerfüljrer  mit  aller  ber  §eftigfeit  §u  begegnen,  mit  meldjer 
beim  Vereng  SDemea  bem  SDcicio  begegnet.  216er  menn  eg 
nidjt  mein  ©ofnt  ift,  menn  eg  bev  eigene  ©oljn  beg  äßer^ 
gieljerg  ift,  mag  lann  id)  mel)v,  mag  bavf  id)  mel)v,  alg  baß 
id)  biefen  $ergiel)er  mavne  unb,  menn  er  mein  trüber  ift, 
iljn  öfterg  unb  ernftlid)  marne?  Unfer  $erfaffer  fettf  ben 
Semea  aus  bem  $erl)ättniffe,  in  raeldjem  er  bei  bem  Vereng 
fteljet;  aber  er  läßt  il)m  bie  nämliche  Ungeftümfjeit,  gu  meldjer 
il)n  bod)  nur  jeneg  3]erf)ältnig  bered)tigen  fonnte.  3a,  bei 
if)m  fdjimpfet  unb  tobet  2>emea  nod)  meit  ärger,  alg  bei  bem 
Vereng.  @r  mitl  aug  ber  §aut  fahren,  „baß  er  an  feineg 
SBruberg  ftinbe  Sdjimpf  unb  ©djanbe  erleben  muß".  2Benn 
il)tn  nun  aber  biefer  antmortete:  „£)u  bift  uid)t  llug,  mein 
lieber  33ruber,  menn  bu  glaubeft,  bu  fönnteft  an  meinem  föinbe 
Sd)impf  unb  Sdjaube  erleben.  üföenn  mein  <Sol)n  ein  53ube 
ift  unb  bleibt,  fo  nrirb,  raie  bag  Unglücf,  alfo  aud)  ber  (5d)impf 
nur  meine  fein.  S)u  magft  eg  mit  beinern  @ifer  rooljt  gut 
meinen;  aber  er  get)t  gu  meit;  er  beleibiget  mid).    gallo  bu 


*)  [23ater  |u  fein,  lerne  üon  benen,  bie  e§  luirftid)  üevftet;en!    3.] 


188  £amburgtftfje  Dramaturgie. 

micfj  nur  immer  fo  ärgern  willft,  fo  fomm  mir  lieber  nidjt 
über  bie  ©d)welle!"  u.  f.  vo.  SÖenn  3CRicio,  fage  idj,  biefeg 
antwortete:  nid)t  waljr,  fo  märe  bie  föomöbie  auf  einmal  aug? 
Dber  tonnte  3Ricto  etroa  nidjt  fo  antworten?  8a,  müfete  er 
wof)l  eigentlid)  nidjt  fo  antroorten? 

2öie  oiel  fdjidlidjer  eifert  3)emea  beim  ^eren^.  ©iefer 
9Iefd)inug,  ben  er  ein  fo  lüberlidjeg  Seben  ^u  führen  glaubt, 
ift  nodj  immer  fein  8ol)n,  ob  iljn  gleid)  ber  trüber  an 
föinbeg  Statt  angenommen.  Unb  bennodj  befielet  ber  römifdje 
9J?icio  meit  meljr  auf  feinem  9M)te,  alg  ber  beutfdje.  2)u 
fjaft  mir,  fagt  er,  beinen  @ol)n  einmal  überlaffen ;  befümmere 
bid)  um  ben,  ber  bir  nod)  übrig  ift; 

—  —  nam  ambos  curare;  propemodum 
Reposcere  illum  est,  quem  dedisti  —  — *) 

SDiefe  oerftedte  2)rofjung,  ifjm  feinen  <Sol)n  gurüd^ugeben,  ift 
e§  aud),  bie  iljn  511m  Sdjweigen  bringt ;  unb  bod)  lann  iUticio 
nicrjt  oerlangen,  bafe  fie  alle  oäterlidje  ©mpfinbungen  bei  if)tn 
unterbrüden  foll.  @g  mufe  ben  9Jiicio  §war  oerbriefeen,  bafj 
3)emea  aud)  in  ber  golge  nid)t  aufhört,  il)m  immer  bie  näm= 
lidjen  Vorwürfe  31t  machen ;  aber  er  f  ann  es  bem  SSater  bod) 
aud)  nid)t  oerbenfen,  wenn  er  feinen  ©ol)n  nidjt  gänglid)  will 
oerberben  laffen.  ^urj,  ber  £)emea  beg  ^eren^  ift  ein  9Jiann, 
ber  für  bag  2Bol)l  beffen  beforgt  ift,  für  ben  il)m  bie  üftatur 
51t  forgen  aufgab;  er  tljut  eg  ^war  auf  bie  unrechte  Sßeife; 
aber  bie  Seife  mad)t  ben  ©runb  nid)t  fd)limmer.  £)er  S)emea 
unferg  $erfafferg  hingegen  ift  ein  befdnoerlidjer  Sanier,  ber 
fid)  aug  $erwanbtfd)aft  $u  allen  ©robljeiten  berechtiget  glaubt, 
bie  9JJicio  auf  leine  Söeife  an  bem  bloßen  trüber  bulben  müfcte. 


$4tunöttnmjttt|ks  Sttätli» 

SDen  8.  ^Iptit  17Ü8. 

©ben  fo  fdjielenb  unb  falfd)  wirb  burd;  2Tufljebung  ber 
boppelten  23rüberfd)aft  aud)  bag  33erl)ältni§  ber  beiben  jungen 
Seute.  3d)  oerbenle  eg  bem  beutfdjen  2lefd)inug,  bafe  er**) 
„oielmalg  an  ben  £l)orf)etten  beg  $tefipl)o  Anteil  nehmen  §u 
muffen  geglaubt,  um  il)n,  alg  feinen  Setter,  ber  ©efaljr  unb 


*)  [2)enn  für  beibe  Jörgen,  fjeijjt  beinatje  ben  äurücfjorbcrn,  ben  'an  mir  über« 
tie&eft.    3.] 

**)  aufs.  I-,  «uftr.  5. 


8ttf)tunbneunatgfteS  ©türf.  180 

öffentlichen  Sdjaube  511  entreißen".  2öas  SBetter?  Unb  fdjidt 
es  fid)  moljl  für  ben  leiblidjen  SBater,  if;nt  bavauf  31t  anU 
mortem  „3$  billige  beine  Ijierbei  bezeigte  «Sorgfalt  unb  üBors 
fidjt;  idj  r>crmer)re  bir  es  aucr)  inSfunftige  nid/t?"  2öas  oer« 
wefjrt  ber  SBater  bem  <2or)ne  nidjt?  2tn  ben  %l)orl)eiten  eines 
ungezogenen  33etter§  Slnteil  51t  nehmen?  SBaljrlidj,  ba§  follte 
er  i()tn  nerroefjren.  „(Sudje  beinen  SSetter,"  müftte  er  ifmt 
Ijöcbftens  fagen,  „fo  oiel  möglid;  von  ^Ijorljeiten  abgalten; 
menn  bu  aber  ftnbeft,  baf$  er  burdjaus  barauf  befteljt,  fo  enfc 
5tel)e  bidj  üjm;  benn  bein  guter  sJcame  imift  bir  inerter  fein 
als  feiner." 

9cur  bem  leiblichen  33ntber  nergeiljen  wir,  Ijicrin  weiter 
31t  geljen.  üRur  an  leiblidjen  trübem  fann  es  un§  freuen, 
wenn  einer  von  bem  anbem  rüljiut: 

—  —  Illius  opera  nunc  vivo !    Festivum  caput, 
Qui  omnia  sibi  post  putarit  esse  prae  meo  commodo: 
Maledicta,    famam,    meum    amorem   et   peccatum    in   se 

transtulit.  *) 

2)enn  ber  brüberlidjen  Siebe  wollen  wir  nem  ber  ßlugljeit 
leine  ©renken  gefegt  wiffen.  Qvoox  ift  es  wal)r,  bafj  unfer 
SBerfaffer  feinem  Slefdjinus  bie  ^t)ort)eit  überhaupt  51t  erfnaren 
gewußt  Ijat,  bie  ber  2lefd)inus  bes  fcereng  für  feinen  Araber 
begebet.  Sine  gewalifame  @ntfür}rung  rjat  er  in  eine  ffeine 
Schlägerei  oermanbelt,  an  weldjer  fein  woljlge^ogner  3üng= 
ling  weiter  feinen  £eit  fjat,  als  baj3  er  fie  gern  ner^inbern 
wollen.  Slber  gleicf)wol)l  läftt  er  biefen  wol)lgegognen  8"n9; 
ling  für  einen  ungezognen  fetter  nodj  uiel  31t  niel  if)un. 
SDenn  müfete  es  jener  woljl  auf  irgenb  eine  SBeife  geftatten, 
baf3  biefer  ein  $reatürd)en,  wie  Gitalife  ift,  ^u  iljm  in  bas 
§aus  brädjte?  in  bas  §aus  feines  Üßaters?  unter  bie  2lugen 
feiner  tugenbfjaften  ©eliebten?  @s  ift  nidjt  ber  nerfüfjrerifdje 
3)amt§,  biefe  $eft  für  junge  Seute,  beffenwegen  ber  beutfcfye 
5(efdnnus  feinem  lüberlidjen  Sßetter  bie  -Jcieberlage  bei  fid) 
erlaubt:  es  ift  bie  blofee  Äonoenien^  bes  £>id)ters. 

Sßie  nortrefflid)  Ijängt  alles  bas  bei  bem  Vereng  5m 
fammen !  2öie  ridjtig  unb  notmenbig  ift  ba  aud)  bie  geringfte 
SUeinigfeit  motiuieret!  2(efd)inus  nimmt  einem  ©flanenljanbler 
ein  SRäbdjen  mit  ©ewalt  aus  bem  §aufe,   in  bas  fid)  fein 


*)  [$urdj  fein  SBemüfjen  lebe  id)  jcijt.  ®a§  frcuubtidje  §erj,  ba§  afle§  für  fid) 
felbft  Ijintonfeljte  im  SBergleid)  mit  meinem  ffißofjle:  (Sdpnctyungen,  2?erleumbungen 
unb  bie  Sünben  meiner  iiiebe  nafjm  e§  auf  fid).    3.] 


190  £am&urgtfd)e  Dramaturgie. 

23ruber  verliebt  Ijat.  SCber  er  tfjut  ba3,  weniger  um  ber 
Neigung  feines  SruberS  gu  willfahren,  als  um  einem  großem 
Uebet  oorgubauen.  SDer  (BfTanenljänbler  will  mit  biefem 
9Jiäbd)en  unuergüglid)  auf  einen  auswärtigen  Tlaxtt,  unb 
ber  33ruber  mill  bem  9Jläbdjen  nad),  will  lieber  fein  $ater= 
lanb  nerlaffen,  als  ben  ©egenftaub  feiner  Siebe  au§  ben 
klugen  nerlteren.*)  9?od)  erfährt  2(efd)inu£>  gu  rechter  &\t 
biefen  ©ntfdjluß.  2öa§  foll  er  tljttnV  @r  bcmädjtiget  fidj  in 
ber  ©efdjminbigfeit  be§  3Jiäb<§cn§  unb  bringt  fie  in  ba§  §au3 
feines  DljeimS,  um  biefem  gütigen  3Dianne  ben  gangen  §anbel 
gu  entbeden.  £)enn  bas  3Ääbdjen  ift  gwar  entführt,  aber  fie 
muß  if)rem  (Eigentümer  bod;  begabt  merben.  9ücicio  begabt 
fie  audj  oljne  2lnftanb  unb  freut  fidj  nidjt  fowoljt  über  bie 
%$at  ber  jungen  Seute  als  über  bie  brüberlidje  Siebe,  roeldje 
er  gum  ©rtmbe  fielet,  unb  über  baS  Vertrauen,  weldjeS  fie 
auf  iljtt  babei  fe|en  wollen.  3)a§  ©roßte  ift  gefdjeljen; 
warum  follte  er  nic^t  nod)  eine  föleinigfeit  Ijingufügen,  i^nen 
einen  oollfommen  oergnügten  %ag  gu  machen? 

—   —   —  Argentum  adnumeravit  illico : 

Dedit  praeterea  in  sumptum  dimidium  minae.  **) 

§at  er  bem  ^tefipljo  bas  Sftäbdjen  gefauft,  warum  foCC  er  iljm 
nidjt  nerftatten,  fidj  in  feinem  §aufe  mit  iljr  gu  uergnügen? 
2)a  ift  nad)  ben  alten  Sitten  nidjts,  wa§  im  geringften  ber 
iugenb  unb  Gsljrbarfeit  wiberfprädje. 

2Xber  ntcr)t  fo  in  unfern  SBrübem !  3)a§  §au§  beS  gütigen 
9Sater§  wirb  auf  baS  ungegiemenbfte  gemifebraudjt.  anfangs 
oljne  fein  Sßiffen,  unb  enblicr)  gar  mit  feiner  ©enefymigung. 
ßitalife  ift  eine  weit  unanftänbigere  $erfon  als  felbft  jene 
$faltria;  unb  unfer  $teftpl)o  will  fie  gar  heiraten.  2Benn 
baS  ber  ^erengifdje  ^tefiplw  mit  feiner  $faltria  oorgeljabt 
fyätte,  fo  würbe  fid)  ber  Serengifdje  9Jftcio  fidjerlid)  gang  anberS 


*)  Act.  IL  Sc.  4. 

Ae.  Hoc  mihi  dolet,  nos  paene  serc  scisse ;  et  paene  in  eum  locum 
Rediisse,  ut  si  omnes  cuperent,  nihil  tibi  possent  anxiliarier. 

Ct.   Pudebat.    Ae.  Ah,  stultitiä  est  istaec;  non  pndor,  tarn  ob  parvulam 
Rem  paene  e  patria:   turpe  dictu.    Deos  quaeso  ut  istaec  prohibeant. 

\%t,  25a§  ift  mir  leib,  bafj  mir  e§  faft  ju  fpät  erfahren  fiöttcn ,  unb  baß  e§ 
faft  ba^in  gefommen  märe,  baß  bir,  roenn  e§  aud;  alle  geroünfdjt  tjätten ,  niemanb 
f)ätte  t)elfcir  fönnen.  ffit.  3d)  fd)ämte  mid).  |U.  9ld),  Srjorbeit  ift  bie§,  nid)t 
Sdjam,  megen  einer  folgen  Kleinigkeit  beinahe  au§  bem  2?aterlanbe  ju  fliegen:  e§ 
ift  jdjimpflid)  §u  jagen.    3d)  bitte  bie  ©öttcr,  fo  etma§  3U  tierpten.    3-] 

**)  [@r  ßät;tte  fofort  ba§  ©etb  auf  unb  gab  aujjerbcm  ju  einem  toerguiigten  2age 
eine  fjalbe  2)iine.    33 


2rd)tunbnciur,igfte3  ©tücf.  191 

bnbei  genommen  Ijabcn.  Gr  mürbe  Gitalifen  bte  Xf)ürc  ges 
wiefen  nnb  mit  bem  Sßater  bie  fräftigften  Mittel  öerabrebet 

haben,  einen  fidj  fo  fträflid)  emanjipievenbcn  Surften  im 
oiuimc  51t  Ijaltcn. 

Ueberljaupt  ift  ber  beutfdje  .Ütcftpljo  oon  anfange  nie!  gu 
uerberbt  gefd)übert,  nnb  and)  Ijierin  ift  unfer  Sßerfafjer  non 
feinem  3ftufier  abgegangen.  £)ie  (Stelle  crwcd't  mir  immer 
©raufen,  roo  er  ftd;  mit  feinem  Sßetter  über  feinen  SBater 
unterhält.  *) 

Seanber.  2(ber  wie  reimt  fiel)  bas  mit  ber  Gfyrfurdjt, 
mit  ber  Siebe,  bie  bn  beinern  ^ater  fdjulbig  bift? 

Sncaft.  Gljrfurdjt?  Siebe?  §m!  bie  wirb  er  woljl 
nid)t  non  mir  verlangen. 

Seanber.     Gr  feilte  fie  nicr)t  verlangen? 

Sijcaft.  9?ein,  gewijj  nidjt.  Qd)  fyabe  meinen  SBater  gar 
nidjt  lieb.     3dj  müfjte  e§  lügen,  roenn  idj  eS  fagen  mollte. 

Seanber.  Unmenfdjlidjer  (Soljn!  £)u  bebenfft  uidjt, 
was  bu  fagft.  ^Denjenigen  nidjt  lieben,  ber  bir  ba$  Seben 
gegeben  Ijat!  ©0  fpridjft  bn  i$t,  ba  bn  il)n  nod)  leben  ftefjft. 
SXber  nerliere  il)n  einmal;  Ijernadj  miU  \ä)  bid)  fragen. 

Sncaft.  §m!  5$  weift  nun  eben  nidjt,  mag  ba  ge= 
fdjeljen  mürbe.  SCuf  allen  galt  mürbe  id)  rooljl  and)  fo  gar 
Unredjt  nid)t  tl)itn.  3)enn  idj  glaube,  er  mürbe  cS  and)  nid)t 
beffer  madjen.  Gr  fpridjt  ja  faft  tägtid)  $u  mir:  „2ßenn  id) 
bid)  nur  toS  märe!  roenn  bu  nur  roeg  rcäreft!"  Reifet  baS 
Siebe?   $annft  bu  verlangen,  baft  id)  if)n  roieber  lieben  foH? 

2tudj  bie  ftrengfte  3ud)t  müfjte  ein  ^inb  51t  fo  Unnatur* 
lidjen  ©efinnungen  nid)t  oerleiten.  2>a§  §erg,  ba§  itjrer  aus 
irgenb  einer  Urfad)e  fäl)ig  ift,  nerbient  nid)t  anberS,  als  fflamfd) 
geijalten  ju  werben.  SBenn  wir  uns  beS  ausfdjmeifenbeu 
(BoljneS  gegen  ben  ftrengen  SBater  annehmen  folten :  fo  muffen 
jenes  2Iitsfdjweifungen  lein  grunbböjeS  §er§  oerraten;  eS 
muffen  nidjts  als  SluSfdjroeifungen  beS  Temperaments,  jugenb= 
Itdie  Unbebad)tfam!eiten,  ^Ijorljeiten  beS  $i£el§  unb  WHuU 
unKens  fein.  Wad)  biefem  ©runbfatje  l)aben  5Dcenanber  unb 
Vereng  iljren  Atefipfjo  gefdjilbert.  60  ftreng  ifjn  fein  Später 
f)ä(t,  fo  entfährt  iljm  bod)  nie  baS  geringfte  böfe  Söort  gegen 
benfelben.  3)a§  einzige,  roaS  man  fo  nennen  tonnte,  mad)te 
er  auf  bie  oortrefflidjfte  9öeife  roieber  gut.  Gr  möd)te  feiner 
Siebe  gern  roenigftenS  ein  paar  £age  ruljig  genießen ;  er  freuet 


*)  1.  •iiufj.,  6.  Huftr. 


192  §amburgifd)e  ^Dramaturgie. 

fid),  bafe  ber  $ater  roteber  l)inau§  auf  ba§  £anb,  au  feine 
Arbeit  ift,  unb  münfdjt,  bafe  er  ftdj  bamit  fo  abmatten,  — 
fo  abmatten  möge,  baf3  er  gange  brei  %aq,e  nidjt  au3  bem 
23ette  fönne.  (Sin  rafdjer  3Öunfd)!  aber  man  felje,  mit  metdjem 
3ufa|e: 

—   —   —  —   —  —  utinam  quidem 

Quod  cum  salute  ejus  fiat,  ita  se  defatigarit  velim, 
Uttriduo  hoc  perpetuo  prorsum  e  lecto  nequeat  surgere.*) 

Quod  cum  salute  ejus  fiat!  9htr  müfcte  e3  tfjm  weiter 
nidjt  fdjaben!  --  <5o  red)t!  fo  redjt,  tiebengraürbiger  Qüngling! 
Qmmer  gel),  moljin  bid)  greube  unb  Siebe  rufen!  gür  bid) 
brüden  mir  gern  ein  Sluge  51t!  £)a§  Söö'fe,  ba3  bu  begeljft, 
mirb  nidjt  fefyr  böfe  fein!  S)u  Ijaft  einen  ftrengern  2luffel)er 
in  bir,  a(§  felbft  bein  Sßater  ift !  —  Unb  fo  fiub  mehrere  güge 
in  ber  <Sgene,  au§  ber  biefe  ©leite  genommen  ift.  £)er  beutfdje 
SUeftpljo  ift  -ein  abgefeumter  23ube,  bem  Sügen  unb  betrug 
feljr  geläufig  finb ;  ber  römifdje  hingegen  ift  in  ber  äugerften 
SSermirrung  um  einen  Keinen  23ormanb,  burd)  ben  er  feine 
Slbmefenljeit  bei  feinem  SSater  rechtfertigen  fönnte. 

Rogabit  me:  ubi  fuerim?  quem  ego  hodie  toto  non  vidi  die. 
Quid  dicam?    Sy.  Nilne  in  mentem  venit?    Ct.  Nunquam 

quiequam.  Sy.  Tanto  nequior. 
Cliens,  amicus,  hospes,  nemo  est  vobis?  Ct.  Sunt,  quid  postea? 
Sy.  Hisce  opera  ut  data  sit.    Ct.  Quae  non  data  sit?  Non 

potest  fieri !  **) 

SDiefeS  naioe,   aufridjtige:   quae  non  data  sit!    2)er  gute 

Jüngling  fudjt  einen  feormanb,  unb  ber  fd)alfifd)e  $ned)t 

fdjlägt  iljtn  eine  Süge  oor.  ©ine  £üge!  sJZein,  ba§  geljt  nidjt: 
non  potest  fieri! 


*)  [Wödjte  et  ftd)  bod) ,  aber  fo,  bafj  e§  ifmt  nidjt  fdjabete,  fo  ermüben,  bafe 
er  biefe  brei  Sage  lang  ununterbrochen  fort  nidjt  au§  bem  53ette  aufftefjen  fönnte  ] 

**)  [@r  rcirb  mid)  fragen,  roo  id)  geroefen  bin.  3d)  fmbe  Um  fjeutc  ben  ganjen 
Sag  nidjt  gefefjen.  Söa§  foü  id)  fagen?  §ij.  jjföflt  bir  nid)t§  ein?  <&t.  SDurdjau§ 
nid)t§.  Sx\).  5lrmer  Sropf!  £>aft  bu  feinen  ßlieuten ,  feinen  greunb,  feinen  ©aft= 
freunb?  "(Ct.  3a;  ma§  Weiter?  Stj.  5ßon  einem  foldjen  mußt  bu  in  9lnfprudj  ge= 
nommen  morben  fein.  ©t.  Söcun  id)  nidjt  in  9lnfprudj  genommen  morbeu  bin? 
Wein,  ba§  gcljt  nidjt!    3-1 


SReuttimbneunjigfteä  2  tuet'.  193 

IteiuuiironennjtnjU^  gtitrU. 

3>eii  12.  April  1768. 

(Sonad)  fyatte  Vereng  aud)  nidjt  nötig,  uno  feinen  $te 
fipfjo  am  @;nbe  be§  Stufe  bekämt  unb  buvclj  bie  SBefd^äs 
mung  auf  bem  SEBege  ber  SBefferung  31t  geigen.  2öof)l  aber 
mußte  biejeo  imfer  Serfaffer  tljun.  9ttw  fürdjte  id),  bau  ber 
3ufd)auer  bic  friedjenbe  3Reue  unb  bic  furdjtfame  Unters 
roerfung  eines  fo  leidjtftnnigen  33uben  uidjt  für  fefjr  auf= 
ridjttg  galten  fann.  (Sben  fo  roemg  als  bic  ©emütSänberung 
feines  SSaterS.  SBeiber  Umfeljrung  ift  fo  roenig  in  ifjrem 
Gfyarafter  gegrünbet,  baf$  man  bao  SebürfniS  bes>  SidjterS, 
fein  ©tüdE  fqÜeßen  xu  muffen,  unb  bic  Verlegenheit,  es  auf 
eine  beffere  Art  31t  fdjlieften,  ein  wenig  31t  feljr  barin  ein- 
pfinbet.  —  34  w^fe  überhaupt  uidjt,  rooljer  fo  oicle  fomifdje 
2)id)ter  bie  Siegel  genommen  Ijaben,  bafe  ber  SBöfe  uotroenbig 
am  @nbe  be§  ©tüdfö  entroeber  beftraft  werben  ober  fid)  beffcvn 
muffe.  Qu  beu  £ragöbie  möchte  bic  je  "Tiegel  nod)  eljer  gelten; 
fie  fann  uns  ba  mit  bem  ©dn'cffale  oerfölmen  unb  3Äurren 
in  9Jfttletb  feljren.  3Iber  in  ber  i\omöbie,  benfe  id),  Ijitft  fie 
nidjt  allein  nidjts,  fonbern  fie  oerbirbt  trielmeljr  oieleS. 
SfiSenigftenS  madjt  fie  immer  ben  2lu§gang  fdjielenb  unb  fall 
unb  einförmig,  üöenn  bie  oerfdjtebnen  Gfjaraftere,  roelcbe 
id)  in  eine  §anblung  oerbinbe,  nur  biefe  §anbhmg  31t  Cmbc 
bringen,  marum  folten  fie  nidjt  bleiben,  miefiemaren?  916er 
freilid)  mufe  bie  §anblung  fobann  in  etiuaö  meljr  al3  in  einer 
bloßen  Äoltifion  ber  (Sljaraftere  beftefjen.  SDiefe  fann  aller; 
bingS  nidjt  anberö,  alö  burd)  -Jkdjgebuug  unb  Veränberung 
be3  einen  Seils  biefer  (Eljaraftere  geenbet  merben;  unb  ein 
©tüd,  ba§  roenig  ober  nichts  mef)r  Fiat  al§  fie,  näfjert  fidj  nidjt 
forooljl  feinem  3*^/  fonbern  fdjtäft  inelmeljr  nad)  unb  nad) 
ein.  SÖenn  hingegen  jene  Eottifion,  bie  §anblung  mag  fid) 
iljrem  Gnbe  näljero,  fo  oiel  als  fie  roill,  bennodj  gletd)  ftavt 
fortbauert,  fo  begreift  mau  leidjt,  baß  baö  Gnbe  eben  fo  leb* 
r)aft  unb  unterfjaltenb  fein  fann,  als  bte  $ftitte  nur  immer 
mar.  Unb  ba§  ift  gerabe  ber  Unterfdjjieb,  ber  fid)  gnrifdjen 
bem  legten  2tfte  bes  Vereng  unb  bem  legten  unferS  SSer= 
fafferS  befinbet.  ©obalb  roir  in  biefem  Ijören,  baß  ber  ftrenge 
SSater  fjinter  bie  Söaljrljeit  gefommen,  fo  tonnen  roir  uno  baS 
übrige  alleä  an  ben  Saugern  absäljlen ;  benn  eS  ift  ber  fünfte 
Slft.  @r  roirb  anfangt  poltern  unb  toben;  balb  barauf  roirb 
er  ftd)  befänftigen  lafjen,  roirb  fein  Unrecht  erfennen  unb  fo 

Scjjtng,  SSerfe.    XII.  13 


194  §amburgtfd)e  Dramaturgie. 

roerben  motten,  ba$  er  nie  mieber  gu  einer  foldjen  $omöbie 
ben  ©toff  geben  fann ;  be^gleicfyen  rotrb  ber  ungeratene  ©oljn 
fommen,  mirb  abbitten,  rotrb  fiel)  gu  befferu  r>erfpredjen;  furg, 
alleö  mirb  ein  §erg  unb  eine  6eele  werben.  j)cn  hingegen 
tüilT  \d)  feljen,  ber  in  bem  fünften  2Ifte  be§  STereng  bie  3öen= 
bunten  be§  SDidf)ter§  erraten  fann!  SDte  Sntrigue  ift  längft 
gu  (Snbe;  aber  ba3  fortiuäf)renbe  ©piet  ber  Gfyaraftere  läftt 
eg  un§  laum  Bewerten,  baf}  fie  git  ßmbe  ift.  deiner  ner= 
änbert  fid) ;  fonberu  jeber  fdjteift  nur  bem  anbern  eben  fo  m'el 
ab,  al§  nötig  ift,  i|n  gegen  ben  9cadjtei(  be3  ©r^effeS  31t 
Dermalen,  ©er  freigebige  Wdcio  rotrb  bttrdj  baS  ?)JJanöoer 
be§  geizigen  SDemea  bal)in  gebradjt,  baf$  er  felbft  baö  Ueber= 
nrafj  in  feinem  Segeigen  erfennet  unb  fragt: 

Quod  proluvium  ?  quae  istaec  subita  est  largitas  ?  *) 

(Soraie  umgefefyrt  ber  ftrenge  SDemea  burd)  ba§  9J?anöoer  be§ 
nad)fid)t§uollen  W\c\o  enblid)  erfennet,  baf3  eg  tttct)t  genug  ift, 
nur  immer  31t  tabeln  unb  gu  beftrafen,  fonberu  e§  aud)  gut 
fei,  obseeundare  in  loco.    —  **) 

9fr)  dj  eine  einzige  ^leinigfeit  null  id)  erinnern,  in  weiter 
unfer  3Serfaffer  fid)  gleichfalls  §u  feinem  eigenen  ^adjteite  oon 
feinem  dufter  entfernt  bat. 

Vereng  fagt  e§  felbft,  bap  er  in  bie  Vorüber  be§  Wie- 
nanberg  eine  ©pifobe  aus  einem  etüde  be3  ®tpl)ilu§  über; 
getragen  unb  fo  feine  33rüber  gufammengefe^t  Ijabe.  SDiefe 
Sptfobe  ift  bie  gemaltfame  ©ntfüljrung  ber  ^faltria  burd)  ben 
5(efd)inu§,  unb  ba§  Stüd  be§  £)ipl)ilu§  fjtefj:  £)ie  mit 
einanber  ©terbenben. 

Synapothnescontes  Diphili  comoedia  est  — 
In  Graeca  adolescens  est,  qui  lenoni  eripit 
Meretricem  in  prima  fabula  —  — 

—  eum  hie  locum  sumpsit  sibi 

In  Adelpbos ***) 

Wad)  biefen  beiben  Umftcinben  #1  urteilen,  modjte  2)ipljtlu§ 
ein  $aar  Verliebte  aufgeführt  fjaben,  bie  feft  entfdjloffen 
waren,   lieber  mit  einanber  51t  fterben,   als  fid)  trennen  gu 


'1  [S0ßo§  fcebeutet  biefe  Cicbtjaberct  ?  biefc  plö^tidje  greigeBigleit?    31 

**)  [$ln  bem  rechten  Orte  9iad)fid)t  ;u  üben.    33 

***)  [@§  ift  bie  Sontöbie  be§  Sbi^f)ilu§ :    „2)ie   mit  einanber  ©terbeuben. "   -- 
Sit  bei-  nrifdf)üd)en  ßomübie  ift  ein  fuinottna.,   bei-  einem  ßiipptcr  im  9tnfano,e  be* 

Stiicfc*  eine  2irne  entreißt. 2>ieje  Stelle  rmt  2erentiu§  in  bie  „©ruber"  nuf= 

genommen.    3] 


■Weummbneunjigfteä  Stiitf.  105 

raffen ;  nnb  roet  roeifj,  mao  gefdjefyen  nnire,  wenn  f t c l >  t^Coict; 
falls  nidjt  ein  Siebfjaber  in3  -Kittel  gefdjlagen  unb  baä  Uttäb 

djen  für  ben  greunb  mit  ©etnatt  entführt  hatte?  Ten  Cint= 
fdjlufj,  mit  einanber  31t  fterben,  l)at  £eren$  in  ben  bloßen 
©ntfdjtufj  be§  SieBljaberä,  bem  9ftäbd)en  nadrmf  lieben  imb 
Sßater  nnb  SBaterlanb  um  fie  511  üerlafjen,  getmlbert.  Tonaüto 
fagtbiefeg  anobrüdlid):  Menander  moriillum  voluisse  fingit, 
Terentins  rugere.*)  2lber  follte  e3  in  biefer  -ftote  be$  S)o= 
natuä  nidjt  Diphilus  anftatt  Menander  Reiften?  @arig  getm'fe; 
mte  $  et  er  SftanntuS  biefeS  fdjon  angemerkt  (jat.**)  Teun 
ber  2)id)ter,  mie  mir  gefeljen,  fagt  eö  ja  felbft,  bafj  tt  biefe 
ganje  (E'pifobe  üon  ber  ©ntfü^rung  ntdjit  am  bem  IKenanber, 
fonbern  am  bem  3)ipljilu3  entlehnet  Ijabe;  nnb  bao  Stürf  beo 
2)ipl)ituö>  hatte  oon  bem  (Sterben  fogar  feinen  £itel\  % 

5nbe3  mufj  freilid)  anftatt  biefer  oon  bem  £)tpljilu3  ent= 
leimten  Gntfüljrung  in  bem  Stütfe  beö  IDicnanberS  eine  anbete 
Sntrigue  geroefen  fein,  an  ber  2lefdjinu§  gleidjerroeife  für  ben 
Mtefipbo  Stnteil  nafjm,  nnb  moburd;  er  fidj  Bei  feiner  ©e^ 
liebten  in  eben  ben  5>crbad)t  Bradjte,  ber  am  Gnbe  i()re  Sßer- 
Binbung  fo  glücflidj  Befdjleumgte.  SBorin  biefe  eigentlich 
Beftanben,  bürfte  fdjroer  ju  erraten  fein.  Sie  mag  aber  be= 
ftanben  §aben,  worin  fie  mill,  fo  mirb  fie  bod)  gemifj  eben 
fo  mobl  gleich  oor  bem  Stüde  Dorjijergegangen  fein  alg  bie  uom 
Vereng  bafür  gebrannte  ©ntfü^rung.  2>enn  and)  fie  mufj  e§ 
geroefen  fein,  mooon  man  nodj  überall  fprad),  alä  2>emea  in 
bie  Stabt  fam ;  and)  fie  muf$  bie  Gelegenheit  nnb  ber  Stoff 
geroefen  fein,  roorüber  5Eemca  gleidj  anfangt  mit  feinem  Söruber 
ben  Streit  beginnet,  in  meldjem  fid)  beiber  Gemütsarten  fo 
oortrefflid)  entnadeln. 


*)  [vFuuanber  ßeflt  e§  fo  bar,  at3  fyabc  et  fierfcen,  2creutiu3  jo,  nl§  fjabe  er 
fliehen  mollen.    31 

**)  Sylloge  V,  Miscell.  cap.  10.  Videat  quaeso  aecuratus  lector, 
num  pro  Meuandro  legendum  Sit  Diphilus.  Gerte  vel  tota  Comcedia,  vel 
pars  istius  argumenti,  quod  hie  traetatur,  ad  verbum  e  Diphilo  translata 
est.  —  Ita  cum  Diphili  comcedia  a  commoriendo  nomeu  habcat,  et  ibi  di- 
catur  adolescens  nrori  voltrisse,  quod  Terentins  in  fugere  mutavit :  omniuo 
addueor,  eam  imitationem  a  Diphilo,  non  a  Menandro  mutuatam  esse,  et 
ex  po  commoriendi  cum  puella  studio  OövaTCO&VTiaxoVTS^  nomou  fabulae 
inditum  esse.  —  [2)er  aufmerffame  Sefet  möge  fefjen .  ob  uirfjt  ftntt  Sftenanbet 
Tip()ifu§  311  [efen  ift.  ©eftrif  ift  entlöebet  bie  gange  Komöbie  ober  ein  Seil  ber 
Tvaixl.  bie  frei  bejubelt  mirb,  mürtlirb,  bem  S)ibbüu§  entnommen.  Sa  bie  föomBbie 
be§  2)ip^i(u>3  öom  ü)Uteinanberfierben  ben  Tanten  i)at  unb  bnjelbft  gefagi  mirb,  ein 
^üngting  öabe  ftetben  motten,  maö  SetentiuS  in  „fliegen"  tieränbert  bot;  )o  bin  ich 
gonj  ber  ÜJleinung,  baß  biefe  SDetänberung  Dom  Sipluhi'?,  nidjt  öom  SHenanbet  ent= 
leb,nt,  unb  jufolge  be§  SDSimfttjeS,  mit  bei  beliebten  311  fierben,  ber9iame  „Die  311= 
jammen  ©terbeubeu"  bem  Stiirfe  gegeben  morben  fei.     3  i m  in  e  im  a  n  n.] 


196  framburgifcOc  Dramaturgie. 

—  —  Nam  illa,  quae  antehac  facta  sunt 
Omitto :   modo  quid  designavit  ?  — 
Fores  effregit,  atque  in  aedes  irruit 
Alienas 

—  —  clamant  omnes,  indignissirae 

Factum  esse.    Hoc  advenienti  quod  mihi,  Micio, 
Dixere  ?  in  ore  est  omni  populo  —  *) 

sJhm  fjabe  xd)  fdjou  gefagt,  bafe  unfer  SBerfafJer  btefe  gemalt- 
fame  Gntfüljrung  in  eine  Keine  ©djlägerei  oermanbelt  x)at. 
(S'r  mag  axxd)  feine  guten  Urfadjen  baju  geljabt  Ijaben;  wenn 
er  nur  btefe  ©djlägerei  felbft  nidjt  fo  fpät  Ijätte  gefdjeljen 
laffen.  2Iudj  fie  follte  unb  müjjte  bas  fein,  mas  ben  ftrengen 
Sßater  aufbringt,  ©o  aber  ift  er  fdjou  aufgebracht,  elje  fie 
gefdjiefyt,  unb  man  roeifj  gar  nidjt,  worüber?  @r  tritt  auf 
unb  3anit  oljne  ben  geringsten  3lnlafj.  @r  fagt  pvax:  „Sllle 
Seute  reben  oon  ber  fdjledjten  Sluffülnung  beines  ©oljneS; 
id)  barf  nur  einmal  ben  %n%  in  bie  ©tabt  feigen,  fo  Ijöre  tdj 
mein  blaues  Sßunber."  Stber  roa§  beim  bie  Seute  eben  xx)t 
reben,  morin  bas  blaue  SGBunber  beftanben,  bas  er  eben  itjt 
gefjört  unb  morüber  er  ausbrüd'lid)  mit  feinem  23ruber  gu 
jaulen  lömmt,  baS  l)ören  mir  nidjt  unb  fönnen  es  axid)  aus 
bem  ©tüd'e  nidjt  erraten.  $u%  unfer  33crfaffer  Ijätte  ben 
Umftanb,  ber  ben  2>emea  in  §arnifdj  bringt,  groar  oeränbern 
fönnen,  aber  er  l)ätte  ü)it  nidjt  verfemen  muffen!  Söenigftens, 
menn  er  il)n  t>erje#en  motten,  Ijätte  er  ben  2)emea  im  erften 
2lfte  feine  Un^ufriebenljeit  mit  ber  Gh^ieljungsart  feines  33ru= 
bers  nur  nadj  unb  nadj  muffen  äußern,  «id;t  aber  auf  einmal 
bamit  IjerauSolatjen  laffen.  — 

9Jiöc|ten  menigftens  nur  biejenigen  ©tüde  bes  9Jknanbers 
auf  uns  gefommen  fein,  meldje  Vereng  genutzt  l)at !  3dj  fann 
mir  nidjtS  Unterridjtenbers  beulen,  als  eine  S8ergleid)ung 
biefer  griedjifdjen  Originale  mit  ben  lateinifdjen  Kopien  fein 
mürbe. 

SDenn  gemip  ift  e§,  bafe  £ercn$  fein  bloper  fflatrifdjer 
Ueberfe§er  gemefen.  2ludj  ba,  mo  er  ben  gaben  bes  •Jttenam 
brifdjen  ©tüd'es  oölTig  beibehalten,  Ijat  er  fidj  nodj  mannen 
f  leinen  3ufö£/  manche  SBerftärhtng  ober  ©djmädjimg  eines 
unb  bes  anbern  3ußeg  erlaubt;  mie  uns  bereu  oerfdjiebnc 


*)  [ 2)enn  irf)  jage  nid)tö  toon  feinen  früheren  ©treiben;  aber  roa§  bat  er 

nun  mieber  angeftiftet  ?  —  SÜjüteti  eitigef^lagen   unb  ein  ftembeS  .frauS  erftürmt. 
—  —  —  —  —  —  —    —  9UIe  finb  empört  barüber.     Siöie  Hiele,   9Jltcto,  bnbeti  e5 

mir  bei  meiner  Wultutft  erjiitjlt!  Sie  gan^e  Statt  jpridjt  bauou.  —  3  Immer  mann  J 


fcunbertfteä  Stücf.  197 

SDonatuö  in  feinen  Sdjoüen  angezeigt.  SRur  fctyabe,  baß  fiel) 
^onatao  immer  fo  rur$  unb  öfterä  fo  bunfel  barüber  aus 
brücft  (weil  31t  feiner  ^eit  bie  ©tücfe  be§  SDlenanberä  nodj 
felbft  in  jebermauno  §änben  waren),  baf$  eo  ferner  wirb, 
über  ben  2öert  ober  Unwert  foldjer  SEerenjifdjen  Münfteleien 
etwas  äuoertäffigeö  31t  jagen.  3U  Deu  Srübero  finbet  fiel) 
Ijienwn  ein  fe()v  merlmürbiges  ©rempel. 


gjunocrtfUs   §tiiru» 

Den  15.  8tytÜ  1768. 

£)emea,  wie  fdjon  angemerft,  will  im  fünften  ?(fte  bem 
•Hticio  eine  Srftion  naef)  feiner  xHrt  geben.   ©c  fteltt  fiel)  luftig, 

um  bie  anbem  wahre  ^tuofdjweifungeu  unb  Sollseiten  begeben 
31t  laffen;  er  fpielt  ben  freigebigen,  aber  nidjt  auo  feinem, 
fonbern  aus  bes  Q3rubers  SSeutel;  er  mcdjte  biefen  lieber  auf 
einmal  ruinieren,  um  nur  bas  boshafte  Vergnügen  31t  Ijaben, 
ibm  am  (Snbe  fagen  31t  fönnen:  „9hm  fiel),  was  bu  uon  beiner 
©utljerjigfeit  Ijaft!"  <5o  lange  ber  eljrlidje  Wikxo  nur  oon 
feinem  Vermögen  babei  jufetjt,  laffen  mir  un§  ben  Ijämifcben 
Bpaf,  jiemlid;  gefallen.  aber  nun  fömmt  es  bem  Verräter  gar 
ein,  ben  guten  $ageftol^  mit  einem  alten  verlebten  -IKüttcrdicn 
31t  oerfuppeln.  S)er  blo|e  (rinfall  madjt  uns  anfangs  31t  ladjen; 
roenn  mir  aber  enbtid)  fel)en,  bafj  es  Graft  bamit  wirb,  bafj 
fid)  2Jhcio  mirflid)  bie  Sdjlinge  über  ben  .^opf  werfen  läßt, 
ber  er  mit  einer  einzigen  crnftfmften  SBenbung  f)ätte  aus- 
weiden fönnen:  wafjrtid),  fo  miffen  mir  faum  mefjr,  auf  wen 
mir  ungel)altner  fein  f ollen,  ob  auf  ben  SDemea  ober  auf 
ben  -DOiicio.*) 


*)  Act.  V.  Sc.  VIII. 
De.  Ego  vero  jubeo,  et  in  hac  re,  et  in  aliis  omnibns, 

Quam  maxime  «nam  facere  nos  haue  familiam; 

Colere,  adjuvare,  adjungere.     Aes.  Ita  qxueso  pater. 
Mi.   Haud  aliter  censeo.    De.  Imo  hercle  ita  nobis  decet. 

Primum  hujus  uxoris  est  mater.     Mi.  Quid  postea? 
De.  Proba,  et  modesta.     Mi.  Ita  ajunt.    De.  Natu  grandior. 
Mi.  Scio.    De.  Parere  jam  diu  hsec  per  annos  non  potest: 

Nee  q\ii  eam  respiciat,  quisquam  est;  sola  est.    Mi.  Quam  hie  rem  agit  ? 
De.  Haue  te  sequum  est  ducere;  et  te  operam,  ut  flat,  dare. 
ML  Me  ducere  autem?    De.  Te.    Mi.  Me?  De.  Te  inquam.    Mi.  Ineptis. 

De.  Si  tu  sis  homo, 

Hie  faciat.  Aes.  Mi  pater.    Mi.  Quid?  Tu  autem  huic,  asiue,  auscultas. 

De.  Nihil  agis, 

Fieri  aliter  non  potest.    Mi.  Deliras.    Aes.  Sine  te  exorem,  mi  pater. 
Mi.  Insanis,  aufer.     De.  Age,  da  veniam  filio.     Mi.  Satin'  sanus  es? 


198  §am&urgif$e  Dramaturgie. 

£)emea.  $a  mol)l  ift  ba3  mein  üffiille !  3Bir  muffen  »on 
nun  an  mit  biefen  guten  Seuten  nur  eine  gamilie  madjen; 
mir  muffen  iljnen  auf  alle  Sßeife  aufhelfen,  un§  auf  ade  2Irt 
mit  tfmen  nerbinben.  — 

2lefcl)inu<o.    3)ä§  bitte  id),  mein  ^Bater. 

SJticio.     Qd)  bin  gar  nidjt  bagegen. 

2)emea.  ®$  fdjitft  ftd)  aud;  nidjt  anbevö  für  uns.  — 
SDemt  erft  ift  fie  feiner  grauen  SJhitter  — 

3Wicio.    9tun  bann? 

Semea.    2tuf  bie  nidjtS  gu  fagen;  brau,  ehrbar  — 

9Jlicio.     ©o  l)öre  id). 

SDemea.    23ei  Qaljven  ift  fte  auc^)- 

sJJiicio.    Qa  mol)l. 

SDemea.  ^inber  fann  fie  fdjon  lange  nidjt  meljr  l)<\htn 
SDagu  ift  niemanb,  ber  fid;  um  fie  befümmerte;  fie  ift  gang 
uerlaffen. 

äJticio.     2öa§  vo'xU  ber  bamit? 

SDemea.  3)te  mußt  bu  billig  (jetraten,  23ruber.  Unb 
bu  (äum  2(cid)imi5)  mußt  ja  madjcn,  baß  er  cö  tljut. 

9Jiicto.     Sdj?  fie  l)eiraten? 

2)emea.     Sit! 

SRicto.    3d)? 

SDemea.     2)u!  mie  gefagt,  bu! 

s3Jficio.     S)u  bift  litctjt  tlug. 

SDemea  (jum  tf«[d&mu§);  9htn  ^eige,  mag  bu  faunft!  ßv 
muß ! 

2lefd)inu3.     9Jcein  äkter  — 

9Jcicio.   Söie?  —  Unb  bu,  @ed,  faunft  if)in  nod)  folgen? 

Semea.  3)u  fträubeft  bid)  umfonft;  eS  fann  nun  ein; 
mal  nidjt  anbevsl  fein. 

9Jcicio.     S£u  fdjroärmft. 

2tefd;inu§.     2aß  bid)  erbitten,  mein  $ater! 

»iciTo.    Sftafefi  bu?  ©elj! 

3)emea.    D,  fo  mad)1  bem  ©ofjne  bod)  bie  greube! 

TOcto.    33ift  bu  mofjl  bei  Sßerftanbe?   3d),  in  meinem 


Ego  novus  maritus  anno  demmii  quiuto  et  sexagesimo 
Fiarn;  atque  anum  tlecrepitam  ducarn?    Idne  estis  auctores  mihi? 
Aes.  Fac;  promisi  ego  Ulis.    Mi.  Promisti  autem?  de  te  largitor  puer. 
De.  Age,  quid,  si  quid  te  majus  oret  ?  Mi.  Quasi  nun  hoc  Sit  maximum. 
De.  Da  veniam.     Aes.  Ne  gravere.    De.  Fac,  promitte.     Mi,  Nüii  omittis? 
ies.  Non;  nisi  te  exorem.    Mi.  Vis  est  h»c  quidem.    De.  Age  prolixe  Micio. 
Mi.  Etsi  hoc  mihi  pravum,  ineptum,  absurdum,  atque  alienum  a  vita  mea 
Videtur:  .si  vos  tantopere  istuc  vultis,  hat.        —  — 


£unbertfteS  ©tütf.  199 

fünfunbfedjätgften  3al)re  noc*)   Zitaten?    Unb  ein   altes  oer; 
tcbteS  Söeto  betraten?  3)a8  tonnet  iljr  mir  jumuteit? 

xHefdjinuö.  %fy\x  cS  immer!  ,\d)  habe  eo  ihnen  oers 
fprodjen. 

9)licto.  SBerfprodjen  gar?  —  33ürfdjdjen,  oerfprid)  für 
bid),  roa§  bu  oerfpredjen  millft ! 

2)emca.  grifd)!  Söenn  es  nun  etroaö  2Bid)tigere§  märe, 
warum  er  bid;  bäte? 

5Di teio.   s2Us  ob  etmao  3Bid)tiger3  fein  tonnte  wieba§? 

2)emea.     <So  roiflfaljre  tlnn  bod)  nur! 

2tefdjinu3.     ©ei  uns  nidjt  jiuoiber! 

SDemea.    gort,  üerfpridj)! 

SJHcio.    2Bte  lange  foll  bag  mähren? 

2(efcf)inug.     S3iS  bu  bid)  erbitten  laffen. 

■Ifticio.    SIber  ba§  Reifet  ©eroalt  brauchen. 

2)emea.     £l)u  ein  UebrigeS,  guter  9Jticio  ! 

■Jfticio.  9iun  bann;  —  ob  id)  e§  ymax  febr  unredjt, 
fefjr  abgefdjmad't  ftnbe;  ob  e3  fiel)  jdjon  meber  mit  ber  S5er= 
nunft,  nodj  mit  meiner  SebenSart  reimet:  —  loeil  ifjr  bod)  fo 
fet)v  barauf  beftef)t ;  eo  fei! 

„3lem,M  fagt  bie  ivritif;  „baö  ift  31t  ntel!  2)er  dichter 
ift  I)ier  mit  9iedjt  511  tabetn.  2>a3  einzige,  mao  man  nod)  ju 
feiner  9ted)tfertigung  fagen  tonnte,  märe  biefeo,  baß  er  bie 
nachteiligen  golgen  einer  übermäßigen  (ihither^igieit  habe  geigen 
motten.  SDod)  sJ3iicio  l)at  fid)  biö  baljin  fo  liebenounirbig  be= 
«riefen,  er  fjat  fo  niel  SBerftanb,  fo  oiete  Kenntnis  ber  SBelt 
gezeigt,  baf$  biefe  feine  lente  iHuojcbmeifung  roibet  alle  3Ba^r= 
fd)einltd)feit  ift  unb  ben  feinern  ^wfc^auer  notroenbig  beleidigen 
mufj.  SBte  gefagt  alfo:  ber  3)ia)ter  ift  l)ier  311  taoeln,  auf 
alte  Söeife  gu  tabeln!" 

9tber  roeldjer  ©idjterV  'Xerenj?  ober  2Renanber?  ober 
beibe?  —  S)er  neue  englifdje  Üeberfe§er  beö  Vereng,  ßot= 
mann,  mill  ben  großem  Xexl  beS  Labels  auf  ben  9ftenanber 
3urücffdjieben  unb  glaubt  am  einer  3lnmer!ung  beo  2)onatu§ 
bemeifen  gu  fönnen,  baf;  Vereng  bie  Ungereimtheit  feines 
Originals  in  biefer  Stelle  menigfteus  feljr  gemilbert  fyabe. 
2)onatu3  fagt  nämlid;:  Apud  Menandnim  senex  de  nuptiis 
non  gravatur.     Ergo  Terentins  eöpYj-Enußc. 

„@3  ift  fef)r  fonberbar,"  erflärt  fiel)  (Solmann,  „bafj  biefe 
Slnmert'ung  beö  5)onatu§  fo  gänglidj  non  allen  Muuftvicbtern 
überfein  morbeu,  ba  fie  bei  unferm  Sßerlufte  be3  9ftenanber§ 
bod)  um  fo  uiel  merjr  9(ufmcrf{amfeit  oerbienet.    Unftieitig  ift 


200  &amöurgifd)e  ^Dramaturgie. 

e§,  bafc  %exe\\%  in  bem  legten  2Xfte  bem  platte  be§  sJftenau= 
berä  gefolgt  ift;  06  er  nun  aber  fdjon  bie  Ungereimtheit,  ben 
Wlicio  mit  bei*  alten  -Ohttter  51t  oerljetraten,  angenommen,  fo 
lernen  mir  bod)  uom  S)onatu3,  ba£  biefer  Umftanb  if)m  felber 
anftöjjtg  gemefen  unb  er  fein  Original  baljin  uerbeffert,  baf*. 
er  ben  "DJttcio  alle  ben  3Sibermiflen  gegen  eine  foldje  ä>er= 
binbung  äufcertt  laffen,  ben  er  in  bem  Stütf'e  be3  9)tenanber3, 
mie  e§  fdjeinet,  nid)t  geäußert  fjatte." 

@3  ift  ttidjt  unmöglid),  baft  ein  römifdjer  SDid^ter  nidjt 
einmal  etwas  beffer  fönne  gemacht  l)aben  al§  ein  griedjifdjer. 
2lber  ber  bloßen  9Jtöglidjleit  roegen  möchte  id)  e3  gern  in 
feinem  galle  glauben. 

(Solmann  meinet  alfo,  bie  Sßorte  be§  3)onatu3:  Apud 
Menandrum  senex  de  nuptiis  non  gravatur,  l)te§en  fo  oiel 
aU:  beim  ^Jtenanber  fträubet  fid)  ber  3Xlte  gegen  bie 
Mcirat  ntdjt.  Stber  mie,  menn  fie  ba§  nid)t  Ijtefeen?  2Bemt 
fie  meintet)  r  |U  überfeinen  mären:  beim  -ötenanber  fällt 
man  bem  eilten  mit  ber  §eirat  ttidjt  befdjmertid)? 
Nuptias  gravari  mürbe  pvax  allerbing§  jene3  tjeifeen:  aber 
aud)  de  nuptiis  gravari?  Qu  jener  91eben3art  mirb  gravari 
glcidjfam  al3  ein  £>eponen§  gebraucht,  in  biefer  aber  tft  e§ 
ja  mofjl  bog  etgentltdje  ^>affimtm  unb  fann  alfo  meine  Sdtgs 
legung  nidjt  allein  leiben,  fonbern  oielleidjt  roofjl  gar  feine 
anbere  leiben  al§  fie. 

2öäre  aber  biefeö:  mie  ftünbe  e§  bann  um  ben  Vereng? 
@r  l)ätte  fein  Original  fo  menig  uerbeffert,  baf$  er  e§  triefe 
mel)r  uerfcljlimmert  fjätte;  er  l)ätte  bie  Ungereimtheit  mit  ber 
^erljeiratung  be3  SOticto  bttrd)  bie  Steigerung  be§felben  nid)t 
gemtlbert,  fonbern  fie  felber  erfunben.  Terentius  eupY]Tixu>c! 
aber  nur,  baf}  e3  mit  ben  ©rfinbungen  ber  üftadjatymer  nidjt 
meit  l)er  ift! 

$uitöertnttl,er|tc£,  jnmtrs,  drittes  uno  wertes  $tüdt. 

SDen  19.  9CptW  176S. 

-  §unbertunberftes  bis  uierteS?  —  3d) 'Ijatte  mir  uorge= 
nonunen,  ben  5cil)i*gang  biefer  Blätter  nur  au3  fjttnbert  ©tu den 
befteljen  $u  laffen.  ßmeiunbfunfäig  SSodjen,  unb  bie  Sßodjc 
gmei  <2tüd',  geben  gmar  allerbingg  l)unbertunboier.  Slber 
marum  follte  unter  allen  ^agemerfern  bem  einigen  mödjent; 
lidjen  ©djriftfteller  fein  geiertag  ju  ftatten  fontmen?  Unb  in 
bem  ganzen  Safjre  nur  oiere,  ift  ja  fo  menig! 


ftunbcrtunberftec),  jttjeiieS,  britteö  unb  nterteS  Stttrf.      201 

©od)  SDoböteij  unb  Gompagnie  tjaben  bcm  s^ublüo  in 
meinem  -Namen  auöbrücflidj  Ijunbertunbmer  3tüd  uerfprodjcn. 
3d)  werbe  bie  guten  Scute  fdjou  nidjt  311  Sügnetn  macljcn  muffen. 

S)ie  grage  ift  nur:  wie  fange  idj  e%  am  beften  an V  — 
©er  3eu9  ift  Won  oerfdjnitten ;  idj  werbe  einfltden  ober 
reden  mtifjen.  —  216er  bag  Hingt  fo  ftümnermäfu'g.  9Jttr 
fällt  ein  —  roa§  mir  glcidj  Ijätte  einfallen  feilen:  bie  ©es 
woljnljeit  ber  Sdjaufpieler,  auf  if)ve  §auptuorftclfung  ein  fleineS 
SRadjfpiel  folgen  31t  taffen.  ®a§  3ßadjfpiet  lann  Ijanbcln, 
mouou  e3  will,  unb  braudjt  mit  bem  3Sorfjerge(jcnbcn  nidjt 
in  ber  geringften  SBerbinbung  31t  fteljen.  —  <So  ein  Siad;= 
fpiel  bann  mag  bie  SBlätter  nun  füllen,  bie  idj  mir  gang 
erfparen  wollte. 

(rrft  ein  SBort  non  mir  felbft !  üDenn  warum  follte  nid)t 
audj  ein  -Rad;fpie(  einen  Prolog  Ijaben  bürfen,  ber  fidj  mit 
einem  Poeta,  cum  primum  anirnuin  ad  scribendum  ap- 
pulit,*)  anfinge? 

2113  oor  Qaljr  unb  5£ag  einige  gute  £eute  tjier  ben  Gim 
fad  befamen,  einen  £>erfudj  311  machen,  ob  nidjt  für  bao 
beutfdje  Sljeater  fidj  etwaö  mel)r  tl)un  taffe,  als  unter  ber 
Verwaltung  eineä  fogenannten  Sßrin^ipalä  gefdjeljen  tonne: 
fo  weiß  id)  nidjt,  wie  mau  auf  mid)  babei  fiel  unb  fid)  träumen 
lief},  baß  id)  bei  biefem  Unternehmen  woljl  nüftltd)  fein  tonnte? 
—  gdfj  ftanb  eben  am  SERarfte  unb  war  müßig;  niemanb 
wollte  mid)  bingen,  of)ne  Zweifel,  weil  mid)  niemanb  31t 
braud)eu  wußte;  bi§  gerabe  auf  biefe  greunbe!  —  9tod)  finb 
mir  in  meinem  Sebeu  alle  23efdjäftigungen  feljr  gleid)gültig 
gewefen:  id)  l)abe  mid)  nie  311  einer  gebrungen  ober  nur  er; 
boten;  aber  aud)  bie  geringfügigfte  nicr)t  oon  ber  §anb  ge- 
wiesen, 311  ber  id)  mid)  au3  einer  2lrt  oon  ^räbilet'tion  erlejeu 
31t  fein  glauben  tonnte. 

Db  id)  3itr  3(ufnal)me  be§  t)iefigeu  ^beaterö  lonlurrieren 
wolle?  barauf  war  alfo  leidjt  geantwortet.  9llle  33cbenflid)= 
feiten  waren  nur  bie:  ob  id)  e3  tonne?  unb  wie  id)  e§  am 
beften  tonne? 

Sd)  bin  weber  Sdjaufpieler,  nod)  ©idjter. 

s)J?an  erweifet  mir  gwar  mandnnal  bie  Gljre,  mid)  für  ben 
letztem  31t  erfennen.  Slber  nur,  weil  man  mid)  oerfenut. 
2luö  einigen  bramatifdjen  üBerfudjen,  bie  id)  gewagt  babe, 
follte  mau  nidjt  fo  freigebig  folgern.    -Jiidjt  jeber,  ber  ben  Sßinfel 


*)  [%IZ  ber  2id)ter  fei»  Sßeif  begann.     £.] 


202  ftrtw&urgtfdje  ^Dramaturgie. 

in  bie  §anb  nimmt  unb  garben  oerquiftet,  ift  ein  ^Dealer. 
2)ie  älteften  oon  jenen  SBerfudfjen  finb  in  ben  Qaljren  Ijinge; 
fdjrieben,  in  metdjen  man  Suft  unb  Setdjjtigfett  fo  gern  für 
©enie  l)ält.  2Bag  in  ben  neueren  drträglidjeg  ift,  baoon  bin 
idj  mir  fef>r  bemüht,  baß  id)  eg  einzig  unb  allein  ber  JRritif 
511  nerbanlen  Ijabe.  3d)  fürjte  bie  lebenbtge  Duette  nidjjt  in 
mir,  bie  burd)  eigene  $raft  fid)  emporarbeitet,  burd)  eigene 
fRraft  in  fo  reichen,  fo  frifdjen,  fo  reinen  ©trafen  auf  fließt; 
id)  muß  atte§  burdj  ©rudmerl  unb  S^ö^ren  aug  mir  l)erauf= 
preffen.  Qd)  mürbe  fo  arm,  fo  lalt,  fo  lur^fidjtig  fein,  menn 
id)  nidjt  einigermaßen  gelernt  Ijätte,  frembe  Sdjatje  befd^eiben 
in  borgen ,  an  frembem  geuer  midj  $u  märmen  unb  burd) 
bie  ©läfer  ber  Shmft  mein  Sluge  gu  ftärlen.  $d)  bin  baf)er 
immer  befdjämt  ober  nerbrüßlicl)  gemorben,  menn  idj  511m 
sJcad)teil  ber  ^ritil  etmag  lag  ober  fjörte.  ©ie  fott  bag  ©enie 
erfttden;  unb  id)  fd)meid;elte  mir,  etmag  oon  ifyr  §u  erhalten, 
mag  bem  ©enie  fel)r  na^e  lömmt.  Qd)  bin  ein  Saljmer,  ben 
eine  ©d)mäl)fd)rtft  auf  bie  $rüde  uumöglidj  erbauen  lann. 

©od)  freilid);  wie  bie  $rücfe  bem  Saljmen  raoI)l  Ijtlft, 
fid)  von  einem  Drte  $um  anbern  gu  beraegen,  aber  ifjn  ntdjt 
^um  Säufer  machen  lann :  fo  aucf)  bie  JRritil.  $&enn  idj)  mit 
tljrer  §ilfe  etmag  guftanbe  bringe,  meldjeg  beffer  ift,  alg  eg 
einer  oon  meinen  Talenten  ofjne  JRritif  machen  mürbe:  fo 
foftet  es  mid)  fo  tuel  Qelt,  id)  muß  oon  anbern  ©efd)äften 
fo  frei,  oon  unmittfürlidjen  3ei*fireuuntt,en  fo  ununterbrodien 
fein,  id)  muß  meine  gan^e  33etefenl)eit  fo  gegenmärtig  l)aben, 
id)  muß  bei  jebem  ©djritte  alle  ^Bemerkungen,  bie  id)  jemalg 
über  ©itten  unb  Seibenfdjaften  gemadjt,  fo  ruf)ig  burdjlaufen 
tonnen,  baß  51t  einem  Arbeiter,  ber  ein  Sweater  mit  Zeitig; 
fetten  unterhalten  fott,  niemanb  in  ber  SBelt  ungefdjid'ter  fein 
lann  alg  id). 

2öag  ®olboni  für  bag  italienifdje  ^fjeater  tljat,  ber  eg 
in  einem  ^aljre  mit  brei^efyn  neuen  ©lüden  bereicherte,  bag 
muß  id)  für  bag  beutfdje  §u  tl)im  folglich  bleiben  laffen. 
3a,  bag  mürbe  id)  bleiben  laffen,  menn  id)  eg  and)  fönnte. 
3d)  bin  mtßtrauifdjer  gegen  alle  erfte  ©ebanlen,  alg  2)e  la  ßafa 
unb  ber  alte  ©I)anbt)  nur  immer  gemefen  finb.  SDenn  menn 
icf)  fie  and)  \d)on  nidjt  für  (Singebungen  beg  böfen  geinbeg, 
meber  beg  eigentlidjen  nodjj  beg  allegorifdjen,  fyalte,  *)  fo  beule 


*)  Au  opinion  John  de  la  Casa,  archbisliop  of  Benevento,  was  afflicted 
with  —  which   opinion  was,  —  that  whenever  a  Christian  was  writing  a 


ßunberiunberfteS,  jroetteS,  bvittco  unb  uierteo  Stütf.      203 

id)  bod)  immer,  bafe  bie  erften  (Gebauten  bie  erften  finb  unb 
bafy  baö  33efte  aud)  ntdji  einmal  in  allen  ©uupen  obenauf 
ju  fdjroimmen  pflegt.  -IKeinc  erfte  ©ebanfen  finb  geroifj  fein 
§aar  beffer  a(§  Qebermanng  erfte  ©ebanfen,  unb  mit  3eber= 
mannS  ©ebanfen  bleibt  mau  am  flügften  31t  §aufe. 

—  Onbttd)  fiel  man  bavauf,  fetbft  ba§,  roa§  midj  gu  einem 
fo  langfamen  ober,  mie  eg  meinen  riiftigern  greunbeu  fdjetnet, 
fo  faulen  Arbeiter  madjt,  fetbft  baö  an  mir  nutzen  31t  motten: 
bie  ßritif.    Unb  fo  entfprang  bie  .^bee  $u  btefetn  SSIatte. 

©ie  gefiel  mir,  biefe  Qbee.  Sie  erinnerte  mid)  an  bie 
£>ibasfalien  ber  ©rieben,  b.  i.  au  bie  furzen  sJ?ad)rid)ten, 
bergleidjen  felbft  2(riftoteleo  oon  ben  Stüden  ber  griedjifcben 
53üt)ne  31t  fdjreiben  ber  9Jftt()e  mert  gehalten.  <3ie  erinnerte 
mief;,  oor  langer  Seit  einmal  über  ben  grunbgelefjrten  (Eafau; 
bonu§  bei  mir  geladjt  gu  ijaben,  ber  fid)  au$  magrer  §oc^; 
ad)tung  für  ba§  ©olibe  in  ben  2£iffenfd)aften  einbilbete,  baft 
e£  bem  2lriftotele3  oornelimlid)  um  bie  Berichtigung  ber  CSf)vo= 
nologie  bei  feinen  SDibaöfalien  51t  tfjun  geroefen.*)  —  9Baljr= 

book  (not  for  bis  private  amuseraent,  but)  wbere  bis  intent  and  purpose 
was  bona  fide,  to  print  and  publish  it  to  the  world,  his  first  thottghts  were 
ahvays  the  temptations  of  tbe  evil  one.  —  My  father  was  hugely  pleased 
with  tbis  tbeory  of  Jobn  de  laCasa;  and  (bad  it  not  cramped  him  a  little 
in  bis  creed)  I  believe  would  have  given  ten  of  the  best  acres  in  tbe  Shandy 
estate,  to  bave  been  tbe  broacber  of  it;  —  but  as  be  could  not  have  the 
honour  of  it  in  the  litteral  sense  of  the  doctrine,  he  took  up  witb  the  allo 
gory  of  it.  Prejudice  of  education,  he  would  say.  is  the  devil  etc.  (Life 
and  Op.  of  Tristram  Shandy  Vol.  V.  p.  74).  [(Sine  SKetnUTtg,  burd)  bie  Johann 
be  ta  Gafa,  (f-rjbifd)of  vjou  Sknefento,  geäugftigt  mürbe  —  eine  Meinung,  bie  barin 
beftanb,  —  ba%  ,  fo  oft  ein  Gbrift  im  ißegriffe  \vav,  ein  93ud)  311  fd)reiben  (nirfjt  511 
feiner  tierfön(id)en  Unterhaltung,  fonberu)  im  guten  ©tauben,  e§  brurfen  unb  e§  für 
bie  SBelt  üeröffentlidien  3U  tuotlen,  feine  erften  ©ebanfen  immer  bie  S>erfud)ungeu  bec- 
33öfen  roaren.  —  Weinem  SSatcr  gefiel  biefe  3bee  be§  2toIjann  be  la  (iafa  uncnblidi ; 
unb  (bätte  fie  ihn  nid)t  in  feinem  ©lauben  ein  menig  etttge|tt>angt)  beufe  id),  nniröe 
er  jeben  ber  beften  nieder  t>om  Sbanbl;=föute  öarum  gegeben  l;abcu ,  ber  (yrfiubev 
berfelben  geroefen  311  fein:  —  aber  ba  er  bie  (Sljre  bauon  im  budjftäblidjeu  Sinne 
bes  2lu§uirud)eö  nidjt  baben  fonnte,  begnügte  er  fid)  mit  ber  Wtlegcrie  beifelben. 
Sorurteü   bei  ber  (Srstebung,  pflegte  er  311  fagen,  ift  ber  Seufel  u.   f.  tu. 

3  ' m  m  c  r  m  a  n  n-] 
*)  Animadv.  in  Athenaeum  Libr.  VI.  cap.  7.)  Aioa'v.c/./.'.a  aeeipitur 
pro  eo  scripto,  quo  explicattir  ubi,  quando,  quomodo  et  quo  eventu  fabula 
aliqua  fuerit  acta.  —  Quantum  critici  hac  diligentia  veteres  chronologos 
adjuverint,  soli  aestimabunt  illi,  qui  norunt  quam  inürma  et  tenuia  praesi- 
dia  habuerint,  qui  ad  ineundam  fugacis  temporis  rationem  primi  animum 
appulerunt.  Ego  non  dubito,  eo  potissimum  speetasse  Aristotelem,  cum 
Aihaav.ak'.rj.c,  suas  componeret.  —  [Unter  SibaSfatien  üerfteljt  man  ein  Sdjrift* 
ftücf,  in  nieldjem  au§  einanber  gefetjt  mirb,  wo,  mann,  mie  unb  mit  meld)cm  Infolge 
ein  S)rama  aufgefüljvt  morben  ift.  —  SBie  fel)r  bie  ßrititer  burd)  biefe  jorgfältigen 
Angaben  ben  alten  Gfjronologen  3U  §ilfe  tauten,  merben  aüeiu  foldje  toürbtgen, 
beneu  e§  befannt  ift,  mie  geringe  unb  bürftige  ^ilfStmttel  biejeuigeu  beiafjen,  bie 
3uerft  eine  flauere  gehredjnuug  aufsufteüen  fudjten.  3d)  für  meinen  Seil  ^ueifte 
nidjt,  ba§  3lriftotcIe-:-  bicc-  Hornfbrnlidi  im  'Muge  Ijatte ,  all-  er  feine  2ibac-fa(ien  511= 
faiumcnfteHte.  —  3  immermann.] 


204  §am6iirgiftf;e  Dramaturgie. 

Saftig,  eS  wäre  aud)  eine  ewige  ©djanbe  für  ben  SlriftoteleS, 
wenn  er  fidj  mtfyc  um  ben  poetifdjen  SBert  ber  (Stücfe,  medi- 
um tljren  (Sinflufj  auf  bie  ©itten,  mel)r  um  bie  SBtlbimg  beS 
©efajmads  barin  beiummert  lu'itte  als  um  bie  Dtompiabe, 
als  um  baS  Qaljr  ber  Dhjmpiabe,  als  um  bie  9kmen  ber 
Slrdjonten,  unter  weisen  fie  guerft  aufgefüfjret  warben ! 

3$  war  fdjon  willens,  baS  SBfatt  felbft  §amburgtfd)e 
DibaSfalten  gu  nennen.  2lber  ber  Sitet  flang  mir  atlgu 
fremb,  unb  nun  tft  eS  mir  feljr  lieb,  ba§  \<§  ilnn  biefen  oor= 
gebogen  rjabe.  28aS  id)  in  eine  Dramaturgie  bringen  ober 
nidjt  bringen  wollte,  baS  ftanb  bei  mir;  menigftenS  Ijatte  mir 
Sioue  SXtTacci  beSfallS  nichts  oorgufdjreiben.  2lber  wie  eine 
DibaSfalte  ausfegen  muffe,  glauben  bie  (Meisten  gtt  wiffen, 
wenn  eS  aud;  nur  aus  ben  nod)  twrl)anbenen  DibaSfalien 
beS  Vereng  wäre,  bie  eben  biefer  ßafaubonuS  breviter  et 
eleganter  seriptas  nennt,  gd)  rjatte  weber  Suft,  meine 
DibaSfalien  fo  fttrg,  nodj  fo  elegant  gu  fdjreiben ;  unb  unfere 
iv3tlebenbe  Gafauboni  würben  bie  Eöpfe  treffltdj  gefdjüttclt 
Ijaben,  wenn  fie  gefunben  Ijätten,  wie  feiten  id)  irgenb  eines 
djronologtfdjen  llmfranbeS  gebenle,  ber  fünftig  einmal,  wenn 
9Jiillionen  anberer  Südjer  oerloren  gegangen  wären,  auf  irgenb 
ein  IjtftorifdjeS  ganunt  einiges  £id)t  werfen  fönnte.  3n 
meldjem  Salrre  SubewigS  beS  9Siergel)nten  ober  SubewigS  beS 
gunfjeljnten,  ob  31t  $artS  ober  511  s$erfatlleS,  ob  in  (Segen= 
wart  ber  ^ringen  00m  ©eblüte,  ober  nidvt  ber  ^ringen  00m 
©eBlüte,  biefeS  ober  jenes  frangöfifdje  SJieifterftücf  guerft  auf= 
geführt  worben:  baS  würben  fie  bei  mir  gefugt  unb  gu  iljrem 
großen  ©rftauneu  nidjt  gefunben  Ijaben. 

2$aS  fonft  btefe  ^Blätter  werben  folTten,  barüber  Ijabe  id) 
und)  in  ber  Slnfüubtgung  erfläret;  was  fie  wirflid)  geworben, 
baS  werben  meine  £efer  wiffen.  Tdd)t  völlig  bas/wogu  id) 
fie  gu  madjen  oerfprad) :  etwas  anbereS ;  aber  bod),  beul'  id), 
niajtS  ©d)led)tereS. 

„Sie  follten  jeben  ©abritt  begleiten,  ben  bie  ^unft,  fo^ 
woljl  bcS  Diesters  als  beS  SdjaufpielerS,  l)ier  tl)un  würbe." 

Die  letztere  §älfte  bin  id)  fetjr  balb  überbrüffig  geworben. 
2Bir  Ijaben  ©djaufpieler,  aber  leine  ©djaufpielftmft.  2öenu 
eS  oor  alters  eine  fold)e  $unft  gegeben  Ijat:  fo  Ijaben  wir 
fie  nidjt  mel)r;  fie  ift  oerloren;  fie  muf$  gang  oon  neuem 
wieber  erfunben  werben.  SllfgemeineS  ©efdjwäije  barüber  r)at 
man  in  nerfdjiebenen  ©pradjen  genug;  aber  fpegiefle,  oon 
jebermann  erl'annte,  mit  £)eutlia;t'eit  unb  ^rägtfton  abgefaßte 


ftunbertuntKTftco,  $tr»eite§,  bvittes  unb  inertes  ©tüd.      205 

Regeln,  und)  melden  ber  £abel  ober  baä  2ob  be3  Slcteursl 

in  einem  bejonbern  Aaüe  31t  befttmmen  fei,  beren  roüfete  tclj> 
!aum  gmet  ober  brei.  SDaget  fömmt  es,  bafj  al(co  SRaifonne= 
nient  über  biefe  9ftaterie  immer  fo  fdjwanfenb  unb  öielbeutig 
fdjeinet,  baft  eö  eben  fein  2Bunber  ift,  wenn  ber  Sdjaufpieler, 
ber  nichts  als  eine  glüdiidje  Routine  l)at,  fid)  auf  al(e  SBeife 
baburd)  beleibiget  finbet.  (Gelobt  mirb  er  fidj  nie  genug,  ge= 
tabelt  aber  aßejeit  oiel  $u  oiel  glauben;  ja,  öfters  nürb  er 
gar  nidjt  einmal  wiffen,  ob  man  ifjn  tabetn  ober  (oben  wollen. 
Ueberfjaupt  bat  man  bie  Stnmerfung  fdwn  tängft  gemacht, 
baf}  bie  Gmpfinblidjfeit  ber  Mnftler  in  Slnfeljung  ber  ivritit" 
in  eben  bem  SBerljältnifie  fteigt,  in  weldjem  bie  ©emiftljeit 
nnb  2)euttid)feit  unb  Sftenge  ber  örunbfätje  ifjrer  fünfte 
abnimmt.  —  too  oiel  51t  meiner  unb  felbft  311  bereu  (S'ntfd)ul= 
bigung-,  oljne  bie  id)  midj  nidjt  511  entfdjulbigen  Ijätte. 

2(ber  bie  erftere  §älfte  meine!  SBerfpredjenS?  Set  biefer 
ift  freilid)  baS  §ier  ^ur  3eit  nod)  ntcr)t  fefjr  in  sBetradjtung, 
gefommen,  —  unb  mie  Ijätte  eS  aud)  fönnen?  2)ie  Sdjranfen 
finb  nod)  taum  geöffnet,  unb  man  wollte  bie  SBettläufer  lieber 
fdjon  bei  bem  $\de  fef)en,  bei  einem  $itU,  baS  tfjnen  alle 
^lugenblide  immer  weiter  unb  weiter  IjinauSgeftecft  wirb? 
SBenn  baS  $ublifum  fragt:  „3Ba3  ift  benn  nun  gefdjeljenV" 
unb  mit  einem  Ijölmifdjen  „-Jlid)ts"  fid)  felbft  antwortet,  fo 
frage  id)  wieberum:  „Unb  was  Ijat  benn  baS  $ublifum  ge= 
tljau,  bamit  etwas  gefdjefjen  tonnte?"  2uid;  uidjtS;  ja,  nod) 
etwas  (SdjlimmerS  als  nid)ts.  dV\d)t  genug,  bafj  es  bas  3Beri 
nid)t  allein  nid)t  beförbert:  eS  [jat  il)m  nidjt  einmal  feinen 
natürlidjen  Sauf  gelaffen.  —  Heber  ben  gutherzigen  Ginfall, 
ben  Seutfdjen  ein  sJktionaltf)eater  51t  oerjdjaffen ,  ba  wir 
£eutfd)e  nod)  feine  Nation  finb!  Qd)  rebe  nid)t  oon  ber  polt= 
tifdjen  SBerfaffung,  fonbern  btofe  oon  bem  ftttlidjen  Gfyarafter. 
gaft  follte  man  fagen,  biefer  fei:  feinen  eigenen  Ijaben  311 
wollen.  3öir  finb  nod)  immer  bie  gefdjwornen  ^adjafjmer 
alles  Sutslänbifdjen,  bejouberS  nod)  immer  bie  untertänigen 
Söemunberer  ber  nie  genug  bewunberten  grangofen;  alles, 
wag  un§  oon  jenfeit  bem  -ftljetne  fömmt,  ift  fd)5n,  retgenb, 
alterliebft,  göttlid);  lieber  verleugnen  wir  ©eftdjt  unb  öcfjö'r, 
als  bafj  wir  eS  anbcrS  finben  feilten ;  lieber  wollen  wir  $lump; 
Ijeit  für  Unge3wungenf)eit/  gred)f)eit  für  ©ra$te,  ©rimaffe  für 
Slusbrucf,  ein  öeflingle  oon  keimen  für  SPoefte,  ©eljeule  für 
üBhijtl  uns  eimeben  laffen,  als  im  geringften  an  ber  ©upe* 
riorität  zweifeln,   welche  biefes   licbenSwürbige  ÜBoIf,  biefes 


206  Jpcmräurgtfdje  Dramaturgie. 

erfte  $o!f  in  ber  2Belt,  wie  eS  fic£>  felbft  feljr  beftfjeiben  31t 
nennen  pflegt,  in  allem,  maS  gut  unb  fdjön  unb  ergaben  unD 
anftänbtg  ift,  oon  bem  gerechten  ©djicffale  511  feinem  Anteile 
erhalten  l)at.  — 

3) od)  biefer  SocuS  communis  ift  fo  abgebrofdjen,  unb 
bie  nähere  Slumenbung  beSfelben  tonnte  teidjt  fo  bitter  werben, 
baß  idj  lieber  baoon  abbreche. 

Qd)  mar  alfo  genötiget,  anftatt  ber  ©djritte,  roeldje  bie 
$unft  beS  bramatif^en  SDidjterS  Ijier  wirfliclj  fönnte  getfyan 
Ijaben,  midj  bei  benen  $u  oerweilen,  bie  fie  oorläuftg  tljun 
müßte,  um  fobann  mit  einS  it)re  fßafyn  mit  befto  fdjnellern 
unb  großem  31t  burdjlaufen.  @S  waren  bie  ©djritte,  weldje 
ein  Qrrenber  gurüdgeljen  muß,  um  mieber  auf  ben  redjten  2öeg 
51t  gelangen  unb  fein  Siel  gerabe  in  baS  Sluge  31t  befommen. 

©eines  §leißeS  barf  fid)  jebermann  rühmen :  id)  glaube, 
bie  bvamatifdje  SDidjtfunft  ftitbiert  gu  fjaben;  fie  meljr  ftubiert 
51t  l)aben  als  gwangig,  bie  fie  ausüben.  2ludj  Ijahe  id)  fie 
fo  weit  auSgeübet,  als  eS  nötig  ift,  um  mitfpredjen  $u  bürfen; 
benn  idj  weiß  woljl,  fo  wie  ber  sDcater  ftdt)  oon  niemanben 
gern  tabeln  läßt,  ber  ben  ^jinfel  gang  unb  gar  nidjt  31t  führen 
weiß,  fo  aud)  ber  S)idjter.  $a)  fyahe  eS  menigftenS  oerfud)t, 
maS  er  bewerfftetligen  muß,  unb  fann  oon  bem,  maS  id)  felbft 
nidjt  31t  madjen  oermag,  bodj  urteilen,  ob  eS  fiel)  madjen 
läßt.  $d)  »erlange  aud)  nur  eine  (Stimme  unter  uns,  mo  fo 
mandjer  fid)  eine  anmaßt,  ber,  menn  er  nidjt  bem  ober  jenem 
2luSlänber  nadjplaubern  gelernt  Ijätte,  ftummer  fein  mürbe 
als  ein  gifd). 

Slber  man  fann  ftubieren,  unb  ftdj  tief  in  ben  ^rrtum 
Ijinein  ftubieren.  2öaS  midj  alfo  oerfidjert,  baß  mir  bergleidjen 
nidjt  begegnet  fei,  baß  idj  baS  SBefen  ber  bramatifdjen  SDidjt= 
fünft  nidjt  oerfenne,  ift  biefeS,  baß  id)  eS  oollfommen  fo 
erfenne,  mie  eS  5lriftoteleS  aus  ben  un^äljligen  sDceifterftüden 
bei*  griedjifdjcn  siUU)ne  abftrafjieret  Ijat.  $d)  l)abe  oon  bem 
Gntfteljeu,  oon  ber  ©runblage  ber  2)id)tfunft  biefeS  ^]l)iIo; 
fopljen  meine  eigene  ©ebanfen,  bie  idj  l)ier  oljne  -JÖeitläuftig; 
feit  nidjt  äußern  fönnte.  SnbeS  ftelj'  id)  nidjt  an,  31t  befennen 
( unb  follte  id)  in  biefen  erteudjteten  Seiten  and)  barüber  auS= 
geladjt  werben  !),  baß  idj  fie  für  ein  eben  fo  unfehlbares  SBerf 
Kalte,  als  bie  ©lemeute  beS  (SuflibeS  nur  immer  finb.  Qfyre 
(s3nmbfät)e  finb  eben  fo  waljr  unb  gewiß,  nur  freiliel)  nidjt 
fo  faßlid),  unb  baljer  meljr  ber  Gljicane  auSgefettf  als  allco, 
was  biefe  enthalten.     "-ÖefonberS    getraue   idj  mir  oon  bor 


ftimbcrtunberftcö,  jtDeiteö,  btttteä  itnb  vierte'  Stütf.      207 

^ragöbie,  als  über  bie  uns"  bie  ^eit  fo  gieniHci)  alles  baraus 
gönnen  motten,  untmberfpredjlidj  511  beroeifen,  baß  jte  fiel)  von 

ber  9iid)tfd)nur  be§  Slriftoteles  reinen  Schritt  entfernen  rann, 
otjne  fid)  eben  fo  meit  r»on  il)i*er  §BolIfommenr)eit  311  entfernen. 

9Zadj  biefer  Uebei^eugung  naljm  id)  mir  vor,  einige  ber 
berürjmteften  9Jlufter  ber  fran$öfifcr)en  s^ü(jne  ausfül)rlid)  311 
beurteilen.  £)enn  biefe  25ül)ne  folt  gang  nad)  ben  SKeaeln  bes 
3lriftotele§  gebilbet  fein;  itnb  befonberg  Ijat  man  uns  2)eutfcrje 
bereben  motten,  baß  fie  nur  burd)  biefe  Siegeln  bie  Stufe  ber 
S$ollfommenbeit  erreicht  rjabe,  auf  meldjer  fie  bie  Sühnen  aller 
neuem  Golfer  fo  meit  unter  fid)  erblid'e.  9Bir  Ijaben  baö 
and)  lange  fo  feft  geglaubt,  baß  bei  unfern  £id)tern,  ben 
Jrangofen  nadjaljmen,  eben  fo  oiel  gemefen  ift,  als  nad)  ben 
Wedeln  ber  Sllten  arbeiten. 

Subes  tonnte  bas  Vorurteil  nirfjt  emig  gegen  unfer 
©efüljl  beftefjen.  tiefes  marb  glüdtidjermeife  burd)  einige 
englifd)e  Stüde  aus  feinem  ©djlummer  enoed'et,  itnb  mir 
machten  enblid)  bie  (Erfahrung,  baß  bie  Sragöbie  nod)  einer 
gang  anbem  2Birfung  fä^ig  fei,  als  irjr  (Sorueiffe  unb  Racine 
31t  erteilen  uermodjt.  Slber  geblenbet  Don  biefem  otör^Iidjen 
©traljle  ber  2öar)rfjeit,  prallten  mir  gegen  ben  9ianb  eines 
anbern  Slbgrunbes  gurüd.  2)en  englifdjen  ©rüden  fehlten 
3U  augenfdjeinlid)  gemiffe  Regeln,  mit  melden  uns  bie  frans 
jöftfdjcu  fo  bet'annt  gemad)t  Ratten.  29as  fd)loß  man  baraus? 
2)iefe3 :  bafe  fid)  aud)  ol)ne  biefe  -Hegeln  ber  |jmed  ber  %xa- 
göbie  erreichen  laffe;  ja,  baß  biefe  Regeln  mol)l  gar  fd)iilo 
fein  tonnten,  menn  man  il)n  meniger  erreiche. 

Unb  bas  ()ätte  nod)  f)ingel)en  mögen!  —  xHber  mit  bief  en 
Regeln  fing  man  an,  alle  Regeln  31t  oermengen  unb  e§  über; 
fyaupt  für  gebautem  311  eritären,  bem  ©enie  oor3ufd)rciben, 
mas  es  trjun  unb  mas  es  nicfjt  tfmn  muffe,  ^ui'3,  mir  maren 
auf  bem  fünfte,  uns  alle  Grfal)rungen  ber  vergangenen  Seit 
mutmillig  31t  uerfdjei^en  unb  oon  ben  S)icr)tern  lieber  3U  t>er= 
langen,  baß  jeber  bie  $unft  aufs  neue  für  fid)  erfinben  foüe. 

5d)  märe  eitel  genug,  mir  einiges  2>erbienft  um  unfer 
Sweater  beigumefien,  menn  id)  glauben  bürfte,  bas  einzige 
IKittel  getroffen  31t  f)aben,  biefe  ©ärung  bes  ©efdjmatfs 
31t  bemmen.  darauf  los  gearbeitet  31t  f)abcn,  barf  id)  mir 
menigftens  fdnneicbeln,  inbem  id)  mir  nid)ts  angelegner  fein 
taffen,  als  ben  3öat)n  oon  ber  9iegelmiifugfeit  ber  franjcfifdieu 
33ür)ne  31t  beftreiten.  G)erabe  feine  Station  l)at  bie  Regeln 
bes  alten  £rama  mef)r  oeri'annt  als  Die  grat^ofen.    (Einige 


208  S>am(niri}i|ct)e  Dramaturgie. 

beiläufige  SBemerfungen,  bie  fie  über  bie  fd)tdlid)fte  äufjere 
(Einrichtung  beg  2)rama  bei  beut  Slriftoteleg  fanben,  Ijaben  fie 
für  bas  SÖefentlidje  angenommen  unb  bag  SJBefentiidje,  burd) 
allerlei  @infc|rän!ungen  unb  Deutungen,  bafür  fo  entkräftet, 
baf}  notwenbig  uidjts  anberg  alg  3Berfe  baraug  entfteljen 
tonnten,  bie  weit  unter  ber  l)öd)ften  Söirlung  blieben,  auf 
roetdje  ber  ^Sfyilofool)  feine  Regeln  falf'uliert  Ijatte. 

Qd)  wage  eg,  I)ier  eine  Steigerung  §u  tfyun,  mag  mau 
fie  bod)  neljmen,  wofür  man  will!  —  üDton  nenne  mir  bag 
Stücf  beg  großen  (Eorneilte,  weldjeg  id)  nidjt  beffer  madjen 
wollte.    2öag  gilt  bie  SSette?  — 

3)od)  nein ;  id)  wollte  nidjt  gern,  bafc  man  biefe  2teuf$e= 
rung  für  ^raljlerei  nehmen  tonne.  9Jtan  merfe  atfo  wof)t, 
wag  id)  fjin^ufe^e:  8d)  werbe  eg  juoerläffig  beffer  machen  — 
unb  bod)  lange  fein  (Eorncilfe  fein  —  unb  bod)  lange  nodj 
fein  sDleifterftiid  gemadjt  fjaben.  3d)  werbe  eg  guoerläffig 
beffer  machen  —  unb  mir  bod)  wenig  barauf  einbilben  Dürfen. 
3d)  werbe  nichts  getf)an  Ijaben,  alg  wag  jeber  tt)itn  fann,  — 
ber  fo  feft  an  ^n  Slriftoteleg  glaubet  wie  id). 

©ine  £onne  für  unfere  fritifdje  Söalfifdje!  Qdj  freue 
mid)  im  ooraug,  wie  trefftid)  fie  bamit  fpielen  werben.  «Sie 
ift  einzig  unb  allein  für  fie  ausgeworfen;  befonberg  für  ben 
fteinen  Sßalftfd)  in  beut  «Satjwaffer  ^u  §alle!  — 

Unb  mit  biefem  Hebergange  —  finnreidjer  muf$  er  nid)t 
fein  —  mag  beun  ber  £on  beg  ernftlmftern  $rologg  in  ben 
%on  beg  9?ad)fpielg  oerfc^meljen,  mogu  id)  biefe  (entern  Blätter 
beftimmte.  Söer  fyätte  mid)  aud)  fonft  erinnern  fönneu,  bafj 
es  3e^t  fei,  biefeg  91ad)fpiel  anfangen  gü  laffen,  alg  eben 
ber  §r.  ©  1 1. ,  weld)er  in  ber  beutfd)en  33ibtiotl)ef  beg  §errn 
(Mjeimerat  ^lotj  ben  Snljalt  begfelben  bereite  angefün= 
biget  bat?  -  *) 

Slber  wag  befömmt  bemt  ber  fd)nafifd)e  9Jtamt  in  bem 
bunten  gädk^cn,  baft  er  fo  bienftfertig  mit  feiner  Trommel 
ift?  3d)  erinnere  mid)  nidjt,  baf$  id)  it)m  etwag  bafür  r>er= 
fprodjen  l)ätte.  @r  mag  wol)l  bloft  §u  feinem  Vergnügen 
trommeln;  unb  ber  §immel  weifj,  wo  er  alfeg  Ijer  Ijat,  wag 
bie  liebe  Sugenb  auf  ben  ©äffen,  bie  iljn  mit  einem  be= 
wunbernbeu  %t) !  nad)folgt,  aug  ber  erften  §anb  oon  iljm  gu 
erfahren  befömmt.  @r  muß  einen  2öal)rfagergeift  Ijaben,  tro£ 
ber  sDtagb  in  ber  2lpoftelgefd)id)te.    2)enn  wer  l)ätte  eg  iijm 


*)  Neuntes  ©tiirf,  @.  öO. 


JpunbertunbevfteS,  zweite?,  britteo  unb  öierteS  3tüdf.      209 

fonft  fagen  tonnen,  bafj  bei  SSerfafier  bet  Dramaturgie  and) 
mit  ber  Verleger  berfetben  ift?  3öer  f)ätte  il)m  fonft  bie 
geheimen  Urfadje»  entoeden  tonnen,  marum  id)  ber  einen 
Scbaufpielerin  eine  fonore  Stimme  beigelegt  unb  baö  grobes 
ftüd  einer  auberu  fo  erhoben  Ijabe?  3$  mar  freilidj  bamalo 
in  beibe  oertiebt;  aber  id)  l)ätte  bod)  nimmermehr  geglaubt, 
baji  e§  eine  lebenbige  Seele  erraten  follte.  S)ie  Damen  tonnen 
e£  il)m  and)  unmöglidj  felbft  gefagt  l)aben:  folglid)  l)at  e3 
mit  bem  Sßaljrfagergetfte  feine  9üd)tigfeit.  3a,  met)  unö 
armen  ©djriftftettern,  menn  nnfere  tjoajgebietenbe  §erren,  bte 
gonrnaliften  unb  3eitimgsfd)reiüer,  mit  fold)eu  Halbem  pflügen 
wollen!  2ßenn  fie  511  iljren  Beurteilungen  aufeer  if)rer  ge= 
möl)nlidjen  ©elefjrfamfeit  unb  3  diarf  finnigfett  fid)  aud)  nod) 
fold)er  Stüddjen  aus»  ber  gefjetmften  Uftagie  bebieneu  motten: 
—  raer  fann  mtber  fie  befteljeu? 

•  „gd)  mürbe,"  fdjreibt  biefer  §er,r  Stt.  aus1  Eingebung 
feineö  $obolbg,  „aud)  ben  ^weiten  33anb  ber  Dramaturgie 
anzeigen  fönnen,  menn  nid)t  bie  2tbf)anblung  miber  bie  $$udy 
t)änbler  bem  SSerfafier  gu  oiel  Arbeit  machte,  als  bafe  er  baö 
SÖerf  balb  befd)lief3en  tonnte." 

■JKan  muß  aud)  einen  $obolb  uid)t  junt  Sügner  machen 
motten,  menn  er  es  gerabe  einmal  nidvt  ift.  Ss  ift  nid)t 
gan§  orjtte,  wag  bag  böfe  Ding  bem  guten  StL  Ijier  etn= 
geblafen.  $d)  Ijatte  atterbings  fo  etroag  oor.  3>d)  roottte 
meinen  Sefern  erjagten,  marum  biejeg  2öerf  fo  oft  unter; 
brodjen  morben;  marum  in  groei  Sauren  erft,  unb  nod)  mit 
3ftü|e,  fo  oiel  baoon  fertig  geworben,  als  auf  ein  Qafjr  vex- 
fprodjen  mar.  Qd)  mollte  mid)  über  ben  ^acrjbrud  befdjmeren, 
burd)  ben  man  ben  gerabeften  2öeg  eingefd)lagen,  eg  in  feiner 
GJeburt  gu  erftiden.  gd)  mottte  über  bie  nachteiligen  folgen 
bes  9kd)brud§  überhaupt  einige  Betrachtungen  anftetfen.  Qdj 
mollte  bag  einzige  bittet  r>orfd)lagen,  ir)m  31t  fteuern.  — 
3I6er  bag  märe  ja  fonad)  feine  2Ibt)anbumg  miber  bie  ?B\\dy 
bänoter  geworben?  Sonbern  uietmefjr  für  fie,  wenigfteng  ber 
red)t jd)aff euen  Scanner  unter  it)nen ;  unb  eg  gibt  bereu,  brauen 
Sie,  mein  §err  ©tt.,  3§rem  ^obolbe  alfo  nid)t  immer  fo 
gan§!  Sic  fetjen  eg:  mag  fold)  ®efd)meij$  bes  böfen  getnbeg 
oon  ber  ^utunft  nod)  etma  roeifc,  bag  raeifj  eg  nur  Ijalb.  — 

Dod)  nun  genug  bem  Darren  nad)  feiner  ^tarrfjeit  ge= 
antwortet,  bamit  er  fid)  nid)t  meife  bünf'e !  Denn  eben  biefer 
3Dmnb  fagt:  „Slntroorte  bem  Starren  nid)t  nacb  feiner  dlavx- 
f)eit,  bamit  bu  it)m  nid)t  gleid)  merbeft!"    Das  ift:  SIntmorte 

Sei  fing,  SDßetfe.     XII.  u 


210  £am6itrgtfdje  Dramaturgie. 

il)tn  ntdjt  fo  nad)  fetner  -ftarrljeit,  baß  bie  6a$e  felbft  barüber 
oergeffen  roirb;  aU  rooburd)  bu  üjm  gleid)  werben  roürbeft! 
Unb  fo  roenbe  id)  midj  lüieber  an  meinen  ernftfyaften  Sefer, 
'Den  id)  biefer  hoffen  wegen  ernftlid)  um  Vergebung  bitte. 

@3  tft  bte  lautere  3Sar)rr)eit,  baß  ber  9tad)brud,  bttrd; 
ben  man  biefe  Blatter  gemeinnütziger  machen  roollen,  bte 
einzige  Urfacbe  tft,  roarum  ftd)  iljre  2tu3gabe  bisher  fc 
t)er3ögert  Ijat,  unb  roarum  fte  nun  gän^lid)  liegen  bleiben. 
@l)e  id)  ein  2Bori  meljr  hierüber  fage,  erlaube  man  mir,  ben 
$erbad)t  be3  (Eigennutz  non  mir  abzuleisten.  £)ag  ^fjeater 
felbft  fyat  bie  Unfoften  bagu  hergegeben,  in  Hoffnung,  au3 
beut  Verlaufe  roenigfteug  einen  anfefjnlidjen  %eil  berfelben 
mieber^uerl)alten.  Qd)  nerliere  nid)t§  babei,  baß  biefe  Hoff- 
nung fel)lfd)lägt.  2lud)  bin  id)  gar  nid)t  ungehalten  barüber, 
baß  id)  ben  gur  gortfe^ung  gefammelten  ©toff  nid)t  roeiter 
an  ben  9D?ann  bringen  lann.  Qdj  §iel)e  meine  §anb  non 
biefem  Pfluge  eben  fo  gern  roieber  ab,  al§>  id)  fie  anlegte. 
Mo§  unb  ^onforten  roünfdjen  oljnebem,  baß  idj  fie  nie  an= 
gelegt  l)ätte;  unb  e§  mirb  fid)  leicht  einer  unter  iljnen  finben, 
ber  ba§  ^ageregifter  einer  mißlungenen  Unternehmung  big  §u 
@nbe  führet  unb  mir  geiget,  roa§  für  einen  periobifdjen 
sJJu^en  id)  einem  folgen  periobif  d;en  blatte  l)ätte  erteilen 
lönnen  unb  follen. 

2)emt  id)  null  unb  lann  e§  mdjjt  bergen,  baß  biefe  legten 
Sogen  faft  ein  3al)r  fpäter  niebergefdjrieben  morben,  al3  il)r 
Saturn  befagt.  2)er  fuße  bräunt,  ein  91ationaltl)eater  l)ter 
in  Hamburg  51t  grünben,  tft  fdjon  mieber  nerfdjrounben ;  unb 
fo  oiel  id)  biefen  Drt  nun  Imbe  fennen  lernen,  bürfte  er  aucr) 
rool)l  gerabe  ber  fein,  mo  ein  fold)er  £raum  am  fpäteften  in 
(Erfüllung  gel)en  mirb. 

Slber  aud)  baö  lann  mir  feljr  gleid)gültig  fein!  —  3d) 
möchte  überhaupt  nidjt  gern  ba§  2lnfel)en  l)aben,  als>  ob  id) 
e§  für  ein  großem  Unglüd  hielte,  baß  23emül)ungen  oereitelt 
morben,  an  melden  id)  2lnteil  genommen,  ©ie  lönnen  oon 
leiner  befonbern  2ötd)tigleit  fein,  eben  raeil  id)  Anteil  baran 
genommen,  £)od)  rote,  roenn  23emül)ungen  oon  roeiterm  33e= 
fange  burdj  bie  nämlidjen  Unbienfte  fd)eitem  lönnten,  burd) 
meldte  meine  gefdjeitert  finb?  £)te  Söelt  nerliert  nid)t3,  baß 
id)  anftatt  fünf  unb  fed)3  $änbe  Dramaturgie  nur  pvex  an 
baö  Std)t  bringen  lann.  2lber  fie  lönnte  oerlieren,  roenn  eins 
mal  ein  nüt^lidjereg  2öerl  eines  beffern  <Sd)riftfteller3  eben  fo 
ins  ©tedeu  geriete  unb  e§  rool)l  gar  Seute  gäbe,  bie  einen 


\MtniKTtmiberfte3,  weites,  britteS  unb  üiertc3  ©ttidf.      211 

ausbrüdtidjen  Sßlan  bantadj  machten,  bafj  aud)  bas  nüt^tidifte, 
unter  tifjnlidjen  Umftänben  unternommene  SBerf  oerunglücfen 
feilte  unb  müfjte. 

3n  biefem  Söetradjt  ftelje  \d)  nid)t  au  unb  Ijatte  es  für 
meine  ©djulbigfeit,  beut  ^ttblifo  ein  fonb^;'  ts  Komplott  &u 
bemutteren.  @6en  biefe  £>obslen  unb  C&x.^ugnie,  wcldje  ftd) 
bie  Dramaturgie  naaiuibruden  ertaubet,  taffen  feit  einiger  $e\i 
einen  Shiffaij,  gebrueft  unb  gefd^riej&en,  bei  ben  slmd)()iinbtern 
umlaufen,  meldjer  uon  9i5ort  311  2öort  fo  lautet: 

%lad)x\d)t  an  bie  §erren  23ud)l)änbter. 

SEBir  Ijaben  u\\$  mit  33eif)ilfe  oerfdjtebener  §erren  23ud)= 
Ijänbler  entfdiloffen,  Jünftig  benenjenigen,  meldjc  ftd;  olme 
bte  erforbcrlidjen  ©igenfdjaften  in  bte  SBud^anblung  mifdjen 
merben  (mie  es  gum  Gr,empet  bte  neuaufgeridjtete  in  §am= 
bürg  unb  anberer  Orten  oorgeblidje  §anblungen  mehrere), 
bas"  Setbftuertegen  31t  oermerjreu  unb  itmen  oljne  3(nfe(jen 
nad^ubrttdeu ;  aud)  i^re  gefegten  greife  allezeit  um  bte 
£älfte  51t  oerringern.  £ie  biefen  SBorljaben  bereits  bet= 
getretene  §erren  Öudjfjänbler,  meldte  motjl  eingefetjen,  bafj 
eine  foldje  unbefugte  Störung  für  alle  23ud)l)änbter  jum 
größten  9cad)teil  gereidjen  muffe,  Ijaben  ftd)  entfdjloffen,  ^u 
Unterftü|ung  btefeS  SBorljabens  eine  $affe  aufrundeten,  unb 
eine  anfetmlidje  Summe  ©etb  bereits  eingelegt,  mit  Sitte, 
tf)re  Tanten  oorerft  nodj  nidjt  §u  nennen,  babet  aber  oer= 
fprodjen,  felbige  ferner  31t  unterftütjen.  S8on  ben  übrigen 
gtttgeftnnten  §erren  53ud)f)änblern  erroarten  mir  bemnad) 
gur  SBermeljrung  ber  ^affe  besgleidjen,  unb  erfudjen,  aud) 
unfern  Verlag  beftenö  51t  refommanbieren.  s2öa§  ben 
£rud  unb  bie  Sdjönljeit  beS  Rapiers  betrifft,  fo  werben 
mir  ber  erften  nidjts  nachgeben;  übrigens  aber  un§  bemühen, 
auf  bie  un^äljlige  93tenge  ber  Sd)teid)t)änbler  genau  ad)t  gu 
geben,  bamit  nidjt  jeber  in  ber  23ttd)t)anbtung  $u  rjöfen  unb 
311  ftören  anfange.  So  oiel  oerfidjern  mir,  fomol)l  als  bie 
nod)  -uttretenbe  §erren  9Jh'tfotfegeu,  bafj  mir  feinem  redjt= 
mäßigen  33udjfjänbler  ein  SBlatt  nadjbrudcn  merben;  aber 
bagegen  merben  mir  feEjr  aufmerffam  fein,  fobalb  jemanben 
neu  unferer  ©efeftfdjaft  ein  53ud)  nadjgcbrudt  mirb,  nid)t 
allein  bem  9tad)bruder  f)inmieber  alten  Sdjaben  gujufügen, 
fembern  aud)  nidjt  meuiger  benenjenigen  $ud)f)änblern, 
metd)e  ifjreu  9tad)brucf  ju  oerfaufen  fidj  unterfangen.  2Bir 
erfudjeu  bemnad)  alle  unb  jebe  Ferren  Q3ud)t)änbler  bienft; 


212  öamtmrgiftfje  Dramaturgie. 

freunblidjft,  von  alle  SIrten  bes  9(ad)bruds  in  einer  3eit 
oon  einem  Qaljre,  nad)bem  wir  bie  Tanten  ber  gangen 
Sud)()änbler=©efellfd)aft  gebrudt  angezeigt  Ijaben  werben, 
fidj  losgumadjen,  ober  §u  erwarten,  ifyren  beften  Verlag  für 
bie  £älfte  bes  ^reifes  ober  nod)  weit  geringer  »erlaufen 
gu  feljen.  SDenenjenigen  §erren  33udjljänblern  »o»  unfre 
©efellfdjaft  aber,  welken  etwas  nadjgebrudt  werben  follte, 
werben  wir  nadj  Proportion  nnb  (Ertrag  ber  $affe  eine 
anfeljnlidje  Vergütung  wiberfaljren  §u  laffen  niajt  ermangeln. 
Unb  fo  Ijoffen  wir,  bafe  fidj  audj  bie  übrigen  Uiwrbnungen 
bei  ber  23ud/t)anblung  mit  33eil;itfe  gutgesinnter  Ferren 
23ud)l)änbler  in  furger  3e^  ^egen  werben. 

SBenn  bie  Umftänbe  erlauben,  fo  fommen  wir  alle 
Oftermeffen  felbft  nadj  Seipgig,  wo  nidjt,  fo  werben  wir  bod) 
besfalls  Äommiffiou  geben,  2Bir  empfehlen  uns  beren  guten 
©efinnungen  unb  »erbleiben  beren  getreuen  9Jiitfollegen, 

5-  ©obsleij  unb  (Eompagnie. 

Söenn  biefer  Sluffatj  nidjts  enthielte  als  bie  ©inlabung 
gu  einer  genauem  SBerbinbung  ber  löudjfjänbler,  um  bem  ein= 
gerif jenen  9cad)brude  unter  fidj  gu  fteuern,  fo  würbe  fd)wer= 
lidj  ein  ©elefyrter  t§m  feinen  Seifall  »erjagen.  2lber  wie  Ijat 
es  »ernünftigen  unb  redjtfd) äffen en  Seilten  eiufommen  fönnen, 
biefem  $lane  eine  fo  ftrafbare  Slusbelmung  gu  geben?  Um 
ein  paar  armen  §ausbieben  bas  §anbmerf  gu  legen,  wollen 
fie  felbft  ©traftenräuber  werben?  „6ie  wollen  bem  nadj= 
bruden,  ber  ifjnen  nadjbrucft."  £>as  möchte  fein;  wenn 
es  tlmen  bie  Dbrigfeit  anbers  erlauben  will,  ftd)  auf  biefe 
Slrt  felbft  gu  rächen.  Slber  fie  wollen  gugleidj  bas  «Selbft- 
»erlegen  »erwehren.  2Öer  finb  bie,  bie  bas  »erwehren 
wollen?  §aben  fie  wol)l  bas  §erg,  fid)  unter  ifyren  wahren 
Flamen  gu  biefem  greoel  gu  befenneu?  3ft  irgenbwo  bas 
(Selbftnerlegen  jemals  »erboten  gewefen?  Unb  wie  fann  es 
»erboten  fein?  Sßeld)  ©efefc  fann  bem  (Mehrten  bas  9^ed;t 
fdjmälern,  aus  feinem  eigentümlichen  äöerfe  alle  ben  üftufeen 
gu  gießen,  ben  er  möglidjerweife  baraus  gießen  fann?  „2lber 
fie  mifdjen  fidjolnie  bie  erforberlidjen  ©igenfdjjaften 
in  bie  SudjEjanblung."  2öas  finb  bas  für  erforberlidje 
©igenfdjaften  ?  2)afc  man  fünf  Saljre  bei  einem  Staune  $af ete 
nibtnben  gelernt,  ber  auü)  nichts  weiter  fann,  als  $afete 
gubinben?  Unb  wer  barf  fid;  in  bie  SBudjIjanblung  nidrjt 
mifdjen?    ©eit    wenn    ift    ber    23ud$anbel    eine   Snnung? 


.vnmbcrtunbcrfteo,  jroeiteä,  britteä  unb  oicrteä  ©iüdf.      213 

•Üöeldjes1  finb  feine  au§fdjüe$enben  Sßriotfegten?  SBer  ijat  fie 
iljm  erteilt? 

2ßenn  hobelet)  unb  (Sompagnie  iljren  iKadjbrud  ber 
Dramaturgie  Doffenben,  fo  bitte  id)  fie,  mein  2Berf  roenigftenä 

ntd)t  51t  oerftümmeln,  fonbern  and)  baS  getreulidj  nad)bruden 
5U  teilen,  waä  fte  hjer  gegen  fid)  finben.  2)ajj  fie  iljre  SBers 
teibtgung  beifügen,  —  wenn  anbevö  eine  üBerteibigung  für 
fte  mögltd)  ift,  —  werbe  id)  Unten  nidjt  oerbenfen.  2ie  mögen 
fie  aitct)  in  einem  &one  abraffen  ober  r>on  einem  ©eleljrten, 
bei*  f lein  genug  fein  fann,  iljnen  feine  /feber  ba3it  311  leiten, 
abfaffen  (äffen,  in  meldjem  fie  wollen:  felbft  in  bem  fo  iuter; 
effanten  bev  $loi$ifd)en  2dmle,  reid)  an  allerlei  Jpiftördjen 
unb  Slnefbötdjen  unb  ^asquiftdjen,  ofjne  i:'u\  2Sort  oon  ber 
2ad)c.  9htr  erflave  id)  im  oorau3  bie  geringfte  Qnfinuation, 
bafj  eo  gefränfter  ©igennuj  f et,  ber  midj  fo  mann  gegen  fie 
fpreeben  (äffen,  für  eine  ^üge.  $d)  Ijabe  nie  etmao  auf  meine 
Soften  bruden  (äffen  unb  merbe  e<o  fdjwcrlid)  in  meinem 
Seben  tlmn.  3dj  tenne,  mie  fd)on  gefagt,  me()r  als  einen 
redjtfdjajfenen  3Kann  unter  ben  33ud)()änblent,  bejfen  i^er- 
mittetung  id)  ein  fo(d)es  ©efdjäft  gern  überlaffe.  2(ber  feiner 
von  iljnen  nutjj  mir  eo  and)  verübeln,  bafj  id)  meine  ^8er= 
ad)tung  unb  meinen  §afj  gegen  2ente  bezeige,  in  beren  2jer= 
gteid)  alle  ^ufdUlepper  unb  SJÖeglaurer  mal)r(id)  nidjt  bie 
fdjlimmern  9Jienfdjen  finb.  3)enn  jeber  oon  biefen  madjt  feinen 
coup  de  main  für  fid) :  S)obö(et)  unb  ßompagnie  aber  wollen 
banbenweife  rauben. 

£a3  SBefte  ift,  baf$  it)re  ©inlabung  mo()l  oon  ben  wenig; 
ften  bürfte  angenommen  werben.  Sonft  wäre  e§  Qeit,  ^af> 
bie  ©ele()rten  mit  Gruft  barauf  bädjten,  bas  befannte  2eib= 
niijifdje  ^rojel't  aiiQäufütjren. 


JTragmrnfr  fitr  Dramaturgie 


S)en  funfgigjten  2lbenb  (greitagS,  ben  24.  Julius)  raarb 
S)te  grauenfdjule  beS  lottere  raieberljolt. 

SJloliere  fal)  in  ber  legten  §älfte  beS  QaljreS  1661  unb 
baS  gange  gcü&t  62  fein  Sweater  giemlid)  oerlaffen.  SDenn  bie 
gange  ©tabt  lief  gu  ben  Italienern,  um  ben  ©caramoudje  gu 
feljen,  ber  raieber  nad)  $aris  gekommen  raar.  Söottte  üftoltere 
nidjt  ben  leeren  Sogen  fpielen,  fo  muffte  er  baS  $ublifum 
burd)  etroa§  9?eueS  gu  loden  fudjen,  fo  ungefähr  oon  beut 
Schlage  ber  melfdjen  Sdjnurren.  @r  gab  alfo  feine  grauen« 
fdntle;  aber  baS  nämlidje  ^ublifum,  raeldjeS  bort  bie  abge- 
fdjmadteften  hoffen,  bie  efelften  ftottn,  in  einem  ©einengfei 
oon  €>prad;e  ausgefluttet,  auf  baS  unbänbigfte  belaste  unb 
bel'latf  d)te,  ermieS  ftd)  gegen  tl)it  fo  ftreng ,  als  ob  es  nichts 
als  bie  lauterfte  ÜUtoral,  bie  atlerfeinften  Sdjerge  mit  angu« 
l)ören  geraoljnt  fei.  QnbeS  gog  er  es  bod)  raieber  an  fidj, 
unb  er  lief}  fidj  gern  Mttfieren,  roenn  man  tt)n  nur  fleißig 
befudjte. 

®ie  meiften  oon  biefen  föritifen  gu  Stauben  gu  madjen, 
Ijatte  er  orjnebem  alle  2lugenblide  in  fetner  ©eraalt,  bie  er 
benn  aud)  enblidj  auf  eine  gang  neue  2lrt  ühte.  @r  fammelte 
nämlid)  bie  abgefdnnadteften  unb  legte  fie  oerfdjiebenen  lädjer- 
liefen  Originalen  in  ben  9Jhmb,  mengte  unter  biefe  ein  paar 
Seute  oon  gefunbem  ©efdjmade  unb  madjte  aus  iljren  ©e= 
f prägen  für  unb  raiber  fein  ©tüd  eine  2lrt  oon  lleinem 
©lüde,  baS  er  bie  ^ritif  beS  erften  nannte  (La  critique  de 
l'Ecole  des  femmes)  unb  nad)  bemfelben  aufführte.  £)iefe 
©rfinbung  ift  tl)nx  in  ben  folgenben  ^'\kn  oon  meljr  als 
einem  2)id)ter  nad)gebraud)t  raorben,  aber  nie  mit  befonberm 
Erfolge.  £)enn  ein  mittelmäßiges  ©tüd  lann  burd)  eine  foldje 
apologetifdje  Seibraadje  baS  Slnfeljen  eines   guten  bod)  uidjt 


Fragmente  aus  SefftngS  9toä)fafj.  215 

erlangen,  nnb  ein  gutes>  manbelt  aud)  oljne  fie  bind)  alle 
Immifdjen  9(nfed)tungen  auf  bem  2ßege  jur  billigen  9£ad)roelt 
ficfjer  nnb  getroft  fort. 


£)en —  warb  Dlint  nnb  ©opljronia  mieberljolt. 

SSon  bem  Dermeintett  Unredjte,  meldjeS  id)  bem  Merrn 
uon  (E.  al3  bramatifdjem  S>id;ter  erroiefeti  fjaben  foll. 

Söantm  roollen  mir  mit  Sd)äl3en  gegen  2luslänber  praßten, 
bie  mir  nidjt  Ijaben?  (So  jagt  3.  Q.  baö  Journal  encyclo- 
pedique  1761,  baj$  fein  SDHjjjtrauifdjex  auf  nnferm  Sfjcater 
Beifall  gehabt  nnb  aUegeit  gern  gefeljeu  nutvbe.  sJtid)t3  weniger 
als  ba§.  @3  ift  ein  unausftei)lid)e§  Stüd  nnb  ber  Dialog 
beöfelben  anwerft  platt. 

3Bas  bafelbft  oon  f.  Clint  nnb  Soprjronia  gefagt  mirb, 
ift  nod)  fonberbarer. 

„Dnrd)  ben  Söeifaff,  roeldjett  fein  GobruS  gefunben,  aufge= 
muntert,  fjatte  er  eine  anbere  fcragöbie  unternommen,  inmeldje 
er  bie  G()öre  nad)  ber  SSßeife  ber  ©riedjen  mieber  einführen 
mollen.  Gr  molltc  oerfudjen,  ob  ba§,  ma§  Racine  in  §ranf= 
vcici)  mit  fo  meiern  ©lüde  in  feiner  9(tl)alia  getrjan  fjatte, 
and)  in  ©eutfdjlanb  gtüd'en  merbe;  nad)bem  er  aber  bie  aller; 
größten  «Sdjuüerigfeiten  überftiegen  nnb  feine  Arbeit  bereits 
feljr  meit  gefommen,  gab  er  fie  auf  einmal  auf,  meil  er 
glaubte,  bafj  fein  2ßorl)aben  megen  ber  23efd)affenf)eit  ber 
bentfd)en  9Jhifif  (attendu  de  la  rausique  allem  ande)  nid)t 
gelingen  fönne.  Gr  glaubte  311  bemerfen,  baf}  fie  auf  leine 
Sßeife  ber  2d;önl)ctt  ber  ©efiunungen  unb  bem  Slbel  ber 
öebanfeu,  bie  er  auöbrüdcn  mollte,  gemadjfen  fei.  £od)  un3 
bünft,  er  rjätte  ber  SÄuftf  gänjlid)  überljoben  fein  fönnen,  fo 
mie  e3  ber  §err  von  Voltaire  in  feinem  Brutus  mit  ben 
Chören  gemadjt  fjat.  S)od)  bem  fei,  mie  Üjm  molle;  genug, 
er  gab  fein  (Btüd  auf;  bie  Fragmente,  bie  baoon  übrig  finb 
unb  in  benen  ftdj  grofte  Sdjönfyeiten  befinben,  madjen,  baft 
man  es>  bebauern  mufj,  baj3  er  nid)t  bie  lernte  §anb  an  ba§ 
2Ser!  gelegt.  2)eutfd)lanb  mürbe  ftd)  rühmen  fönnen,  eine 
djriftlicbe  ^ragöbie  311  rjaben,  bie  feinem  Sweater  Gljre  madjte." 

3öie  abgefdmiadt  ift  b.as!  £>ie  beutfd)e  9)iufif!  2Benn 
man  nod)  gefagt  Ijätte,  bie  beutfcrje  s$oefie  märe  §ur  9)htfii" 
ungefdjidt ! 

Unb  bie  ganje  <Bad)e  ift  nidjt  roafyx.  Gronegf  l)at  feine 
Arbeit  nid;t  aufgegeben,  Jonbern  er  ift  barüber  geftorben. 


216  Sam&urgifcfye  Dramaturgie. 

2ßa§  ber  Sournalift  am  @nbe  bagufe^t,  ift  allem  2In; 
feljen  nad)  aud)  eine  £üge :  Un  ecrivain  anglois  qui  a  senti 
le  merite  de  cette  tragedie,  se  Test  appropriee.  La  piece 
a  paru  souscetitre:  Olindo  and  Sophronia,  a  tra- 
gedy  taken  from  Tasso,  by  Abraham  Portal, 
JE  sq.  London  1758.  ©a  roirb  ber  gute  portal  $um  $(a= 
giartu§,  ber  tnelleidjt  ben  tarnen  (Sronegf  nie  gehört  l)at. 
2lnno  1758  mar  SronegfS  Dlint  nod)  nid)t  gebrudt. 


©en  fünfunbfed^igften  2lbenb  (freitags,  ben  14.  Sluguft) 
warb  bie  Qulie  beg  §.  §eufelb  unb  ©djlegelg  6tumme 
©  d)  ö  n  t)  e  1 1  tnieberfyolt. 

©ie  §mei  ©tüde,  mit  melden  fxd)  §.  §eufelb  t>or  fetner 
Qulie  in  Sßien  befannt  gemalt  Ijatte,  Ijeifeen:  ,,©ie  feauZ- 
Haltung"  unb  „©er  Siebfyaber  nad)  ber  9ftobe".  3;d)  ^erme 
fie  nodj  nid)t  raeiter  als>  ifjren  Titeln  nad).  216er  fein  tnerteS 
©tüd,  meldjeg  er  auf  bie  Qulie  folgen  lafjen,  l)abe  id)  gelefen. 

@§  Reifet:  „©er  Geburtstag"  unb  ift  in  brei  Slufjügcn. 
(§3  gehört  feiner  @inrid)tung  nad)  unter  bie  Pieces  ä  tiroir, 

rote  fie  bie  gran^ofen   nennen;    unb ift  e§  ein 

$ofjenfniel,  obfdjcm  bie  Verfemen  beöfelben  bei  raeitem  nidjt 
aus  ber  niebrigften  klaffe  ber  SJtenfdjen  finb.  dx  fdjilbert 
nerfdjiebene  lächerliche  (El)  ar  altere,  bie  bei  Gelegenheit  eines 
Geburtstags  auftreten,  ber  in  einer  abiigen  gamilie  auf  bie 
^u  2öien  geroöljnlidje  2lrt  gefeiert  roirb.  ©er  erfte  2l!t  ent= 
f)ält  eine  9?eil)e  t>on  SRorgenüifiten,  bie  bei  ber  grau  non 
©fyrenroertl)  (?)  in  ber  2lbfid)t,  tl)r  §u  biefem  iljrem  gefte 
©lud  &u  roünfdjen,  gemacht  werben,  ©er  britte  2llt  $eigt 
eine  Slbenbberoirtung  ungefähr  ber  nämlichen  Verfemen,  bei 
melier  gefptelt  mirb.  ©er  mittelfte  2llt  befielt  aus»  einem 
f leinen  Suftfpiele,  genannt  „©ie  Sd)roefter  bes  SBruber 
«Philipps".  

©en  —  marb  W\$  <3ara  ©ampfon  roieberfyolt. 

%ud)  ber  §err  23aron  non  Sielefelb  l)at  in  feiner  neuen 
2luögabe  feinet  Progres  des  Allemands  (ä  Leide  1767. 
8.  T.  II,  p.  343)  biefeS  Stüd  burd)  einen  umftänbltdjen  2lu3= 
gug  ben  5luslänbern  befannt  madjen  motten,  ©er  SSerfaffer 
muft  ilnn  für  biefe  @l)re  nerbunben  fein;  aber  follte  er  nidjt 
eineg  unb  bas  anbere  gegen  ba3  Urteil  beg  §errn  Sarong 
einguroenben  Ijaben? 


Fragmente  au$  SefftngS  9tocfjlaft.  217 

„<Baxa  Sampfon,"  fagt  $err  neu  SBielefelb,  „ift  3ioar  ein 
urfprünglid)  beutfdje§  ©tüa;  gleidiioohj  fdjeint  ber  ©toff  auS 
englijdjen  Romanen  gekommen  ober  nadjgeafjmt  31t  fein  unb 
ber  ©eift  joroie  bev  Wefdjmad  biefer  Station  barin  ,311  Ijerrfdjen." 

2Ba§  foll  biefeg  eigentlich)  fagen?  2)er  Stoff  fdjeint  aus 
englifdjen  Romanen  genommen  311  fein?  (Sinem  bie  Grfinbung 
oon  etma§  abstreiten,  ift  bagu  ein  „e§  fdjeint"  genug? 
2Beld)e§  ift  ber  englifdje  Vornan 


71te  SBorjtetfung.    Solimau  ber  3l^^i t^- 

Db  gaoart  bie  SBeränberimgen  auö  fritifdjen  Urfadjen 
gemad)t?  Db  er  eö  uid)t  6Iofe  getrau,  um  feiner  Station  311 
fdmteidjeln?  Unb  feine  grcmjöjin  nidjt  aHein  311m  tebtjafteften, 
nunigften,  unterljaltenbften ,  fonbern  aud)  ebelften  unb  gro|V 
mütigften  9Jiäbd)en  3U  mad)en?  üDamit  man  fagen  muffe:  es 
ift  mafyr,  fie  ift  ein  narrt  jdje3 ,  unbebad)tfamc3  3)ing,  aber 
bod)  gugteid)  ba§  befte  §erj?  So  raie  SBoiffp  im  „gran^ofen 
\u  Sonfcon"  feinen  Sßetitmaitre  am  ©übe  bod)  $11  einem  jungen 
-))ienfd)en  oon  G'lue  madjt  unb  baburd)  alleö  ba$  ©ute,  ma3 
bie  2d)ilberung  feiner  Torheiten  ftiften  tonnte,  mieber  ner= 
berbt.  SUJarmontel  fagt  überhaupt  fd)on  oon  ber  Stoße  be£ 
^ctitmaitreö  (Poetiq.  Fr.  T.  II,  p.  395):  On  s'amuse  ä  veco- 
pier  le  Petit-Maltre,  sur  lequel  tous  les  traits  du  ridi- 
cule  sont  epuises,  et  dont  la  peinture  n'est  plus  qu'une 
ecole  pour  les  jeunes  gens,  qui  ont  quelque  disposition 
ä  la  douceur. 

3)ie  frangöfifdjen  bramattfdjen  3)idjter  überhaupt  finb  jeftt 
bie  beredjuenbften  Sdjmeidjler  ber  Nation.  Um  bie  ßitelfeit 
berfelben  bringen  fie  tfjre  ^Berfudje  in  2dju$.  53eioeife  (jieroon 
an  ber  Belagerung  oon  (EalaiS,  unb  uod)  neuerlich  an . 

©teidnooljl  finb  mir  SDeittfc^e  fo  gutfjerjige  Darren,  ifjneu 
biefe  Stüde  nadj^ufpielen  unb  bie  Ijofjlen  Sobegerljebungen  ber 
gran^ofen  auf  beutfdjen  Sweatern  erf  djatlen  31t  laffen. 

Unmbglid)  fönnte  bod)  bei  un3  tt)re  Sragöbie  oon  ber 
2(rt  gefallen;  unb  ifyre  Äomöbien  oon  ber  9lrt  muffen  oollenbS 
nerunglüden.  2Öir  Ijaben  feine  9tor,elanen,  mir  fjaben  leine 
^etitmaitreö ;  mo  füllen  unfere  Sdjaufpieler  bie  sDcufter  oaoon 
gefeljen  Ijaben?  ^ein  SBunbcr  alfo,  bafj  fie  biefe  hoffen  alle= 
gett  fdt)Iedt)t  fpielen.    Unb  befto  beffer! 


218  $anuntrcjifd)e  Dramaturgie. 

£)ie  ^omöbianten  maren  bie  erften,  meld)e  fiel;  be3  @nfel§ 
be§  großen  (Sorneiffe  öffentlich  annahmen.  Sie  fpielten  gu 
feinem  heften  bie  9tobogune,  unb  man  lief  mit  §aufen  fytngu, 
ben  Sdjöpfer  be§  frangöfifdjen  £Ijeater§  in  feinen  9?ad)fommen 
gu  belohnen.  £)em  £errn  non  Voltaire  marb  bie  Sfflabemoifelle 
Corneille  von  £e  S3rim  empfohlen;  er  liefe  fie  gu  fid)  fommen, 
übernahm  tfjre  (Srgielnmg  unb  oerfdfjaffte  tljr  burdj  bie  2lu3= 
gäbe  ber  Söerfe  i|re3  ©rofeüaterS  eine  2trt  oon  2lu§fteuer. 

Tlan  Ijat  bie  %ljat  be§  §errn  non  Voltaire  gang  aufeer? 
orbentltdt)  gefunben;  man  Ijat  fie  in  $rofa  unb  in  SBerfen 
erhoben,  man  ijat  oie  gange  ©efdjidjte  in  einen  befonbern 
griedjifdjen  Montan  nerfleibet  (La  petiteniece  d'Eschyle,  1761). 

©ie  ift  aud)  nnrflid)  rüfjnüicfj;  aber  fie  mirb  baburd) 
nidjt§  rüljmlidjer,  med  e3  bie  ©nfelin  be§  (Sorneitfe  mar,  an 
ber  fie  Voltaire  ausübte.  SSielmefyr  mar  bie  @§re,  oon  ber 
er  norausfeljen  fonnte,  bafe  fie  ifym  notroenbig  barau§  erroadjfen 
mußte,  eine  2lrt  oon  23e(oInumg;  unb  ber  Sdjimpf,  ber  ba= 
burd)  gemiffermafeen  auf  gontenelte  gurüdfiel,  mar  üiefleidjt 
für  Voltaire  aud)  eine  Heine  Steigung. 

3Iud;  ba§  Unternehmen,  ben  Gomeiffe  gu  fommentieren, 
fdjrieb  man  bem  §errn  v.  Voltaire  als  eine  aujjerorbentlid) 
uneigennützige  unb  großmütige  &{jat  an  (Journal  Encycl., 
Oct.  1761).  L'exemple  qu'il  donne  est  unique  ;  il  aban- 
donne  pour  ainsi  dire  son  propre  fonds  pour  travailler 
au  champ    de   son  voisin  et  lui   donner   plus   de  valeur. 

Nous  admirerons  davantage   l'auteur  de  Rodo- 

gune,  de  Polieucte,  de  Cinna,  quand  nous  verrons  toutes 
ces  pieces  enrichies  des  Commentaires  que  prepare  l'auteur 
de  Mahomet,  d'Alzire  et  de  Merope;  ils  vont  fortifier 
l'idee  que  nous  nous  formons  de  Corneille,  et  lerendre,  s'il 
est  possible,  encore  plus  grand  ä  nos  yeux ;  ils  feront  lire 
le  texte  avec  plus  de  plaisir  et  plus  d'utilite. 


Sßon  93anf§  feinem  @ffej,  ber  non  1682  ift,  unb  alfo 
nad)  be§  (Sorneitte  feinem  IjerauSgefornmen.  ©r  fcfjeint  aber 
ba3  SSerf  beg  grangofen  nidjt  get'annt  gu  Ijaben. 

pßem  Samuel  SDanielS  $Ijilota§,  melcf)e§  ba§  Sujet  beö 
(Sffer.  unter  frembem  tarnen  mar,  fielje  (Eibberg  Lif.  vol.  I, 
pag.  147.] 

@r  I)at  fid;  genau  an  bie  Ijifiorifdjen  Umftänbe  gehalten, 
ob   fein   5Öer!    gleid;   in   Slnfeljung    ber    Einrichtung    unb 


Fragmente  auo  Seffingä  Jiacfjfaf?.  210 

beS  2tu§bru<f3  fefjr  mittelmäßig  ift,  fo  fyat  et  bocf;  bie  fönnft 
gehabt,  fef»r  intereffante  ©ituatiohS  anzubringen,  meldte 
gemacht,  baß  fid)  bas  ©tüd  lange  auf  bem  Sweater  erhalten. 
1753  Heft  3oneS  feinen  (Sffer.  fpielen  (f.  Gibberö  Lif.  IIT,  175). 
Gr  wollte  Sanl§1  ©tü<f  regelmäßiger  madjen  unb  madjte  eS 
froftiger.  3lber  fein  Stil  ift  oeffet  unb  feine  (Sprache  poetifdjer. 
1701  tarn  33roof3  feiner  (jerau§.  @r  fudjte  baö  53efte  von 
feinen  beiben  Vorgängern  $u  mtr^en,  (inbent  er  ftd;  über  ben 
SBommrf  beg  Sßtagü  megfeiite)  unb  it)re  geljler  ju  oermeiben. 
•Ütan  fagt,  er  Ijabe  ba3  gener  unb  baS  ^atfyetifdje  be§  33anf3 
mit  ber  fdjönen  Sßrofa  be3  QoueS  3U  »erbinbeu  gemußt. 

S3roo!  mar  fdjon  burdj  einen  ©nftao  2Öafa  befannt,  ber 
aber  in  Sonbon  nidjt  gefpielt  werben  burfte,  meit  man  uer= 
fdjiebene  3üge  uüber  ba$  ©ouuernement  barin  gu  finben 
glaubte. 

33roof  f)at  bie  ©emaljltti  be§  ßffer  nerebelt  unb  it)n  in 
ben  (etjten  Svenen  gegen  bie  Königin  ntd;t  fo  fodjenb  fpredjen 
(äffen.  II  a  aussi  fait  tomber  en  demence  la  comtesse 
de  Rutland,  fagt  ba§  Journ.  Encycl.  Mars  1761  (au  mo- 
ment  que  cet  illustre  epoux  est  conduit  a  l'echafaud; 
ce  moment  oü  cette  comtesse  est  un  objet  bien  digne  de 
pitie,  a  produit  une  tres-grande  Sensation)  et  a  ete  trouve 
admirable  ä  Londres:  en  France  il  eut  paru  ridicule,  il 
aurait  ete  siffle  et  l'on  aurait  envoye  la  Comtesse  avec 
l'auteur  aux  Petites-Maisons.  £)efto  fdjlimmer  für  bie 
gran^ofen. 


<£nfttrttrfe  unb  Jfragmenfe 


1. 

^MjanMiutg  nmt  ton  Jtontomtmflt  tar  Altern 

8-  i. 
@g  werben  wenige  oon  meinen  ScmbeSleuten  fein,  weldje 
nidjt  itw  bas>  2ßort  Pantomimen  ungaljligemai  gehört 
unb  felbft  füllten  im  9Jiunbe  geführt  Ijaben,  ofyne  üielteid)t 
gu  wiffen,  roa§  e§  eigentlich  bebeute.  Unb  wer  weife,  ob 
§err  -Jltcolini  felbft  ben  magren  begriff  baoon  mag  geraupt 
Ijaben,  fonft  mürbe  er  un%  wofu*  fdnoerlid)  feine  ftitmmen 
^ofjenfpiele  unter  biefem  tarnen  aufgebrvmgen  Ijaben.  3)odj 
wag  mirb  er  fiel)  barum  tuet  befümmew?  §at  er  bodj  überall 
feinen  (Snb^wecf  erlangt.  Unb  er  ift  e3  wert,  bafe  er  ifjn 
erlangt  Ijat,  ba  er  auf  eine  fo  anlodenbe  2lrt  fidj  bie  üfteu* 
gierigfeit  unb  ben  läppifdjen  ©ejdnnad  ber  iijigen  $eiten 
zinsbar  ^u  machen  geraupt  (jat.  ®od)  mit  feiner  unb  aller 
ber  er  Erlaubnis,  meiere  il)n  berounbert  fyaben,  behaupte  id), 
baft  feine  fleinen  Slffen  nidjtg  weniger  aU  Pantomimen  finb. 
@r  barf  beämegen  eben  nidjt  auf  midj  böfe  merben;  beim  id) 
ftelje  il)in  bafür,  baf$  er  biefer  2tnmerfung  fjalber  gewifj  feinen 
einzigen  ^ufcljauer  weniger  befommen  mirb.  3)enn  id)  zweifle 
fefjr,  ob  einer  oon  benen,  bie  il)n  fo  oft  befitdjt  l)aben  unb 
nod)  befudjen  werben,  meine  2(bljanbiung  lefen  mirb.  Wad) 
bem  ©efdjinade  biefer  .fjerren  unb  tarnen  mirb  fie  wofyl  nidjt 
fein,  bie  eg  nielleidjt  lieber  fefm  mürben,  menn  id)  einen 
Kommentar  über  bie  ©eburt  be§  Slrlequing  ober  über  ben 
„§infenben  Teufel"   fd)rieb  unb  iljnen  barinnen  bie  frönen 


2l6fjanblung  oon  ben  Pantomimen  ber  Sitten.  221 

üBerroanbelungen ,  bie  niebüdjen  -^ofituren  unb  ben  fünft 
reichen  3ufammenl)ang  be§  ganzen  StüdteS  auf  bie  leblmftefte 
:Hvt  oorftellte,  alo  bafj  id)  fie  mit  alten  ©rjäljlungeu  oers 
gnügen  null.  Unb  gefegt  and),  id)  mürbe  ö<m  allen  gelefen, 
unb  gefegt  audj,  er  mürbe  mit  feiner  Benennung  von  allen 
ausgeladjt,  fo  i'ann  er  ftdj  bod)  aemiffe  "Kedjnung  madjen, 
fo  lange  feine  SUmft  maö  SßeueS  ift,  baft  e3  il)in  niemals  an 
einem  oollen  Sdjanplaüe  fehlen  roirb.  §3  finD  feine  $ßcmto= 
mimen,  mirb  man  allenfalls  fagen,  es  finb  aber  bod)  Seilte, 
bie  einem  bie  ^eit  auf  eine  gan$  artige  3lrt  Dertreiben.  D. 
menn  bas  ift,  SBerbienft  genug  für  bie  heutige  SBelt!  3ft 
mol)l  mag  oerbrief$lid)er  als  Sangeroeüe? 

©em  tarnen  nad)  ijetfjen  Pantomimen  Seute,  roeldje 
alles  nadjaljmen.  Unb  eine  richtige  Sefdjretöung  ju  madjen, 
roeldje  ftdj  foroo^l  auf  bie  aned)ifd)en  als»  römifdjen  ^anto-- 
mimen  fdjid't,  fo  roaven  es  Seute,  roeldje  tanjenb  alle  $ßer= 
fönen  eines  bramatifdjen  Stücfö  oorfteflen  unb  jeber  $erfon 
(ibaratter,  Slffefteu  unb  ©ebanlen  burd)  bie  SSemegung  tfjrer 
©liebmaf$en  ausbrüden  tonnten.  *) 

S.  3- 

S)en  erften  Urfprung  ber  Pantomimen  muffen  mir  bei 
bem  Urfprunge  bes  Tangens  fudjen.  2)enu  .bie  Xänje  ber 
Sllten  brüdten  alle  etmaS  äu§.  ßatttadjtuS  leitet  fie  oon  ben 
Mimis  fyer. 

Salmas.  in  Not.  ad  Vopiscum. 

Quid  vero  Ulis  opponemus,  qui  ejus  inventorem 
Pyladem  perkibent?  Interpretandi  nobis  sunt,  non  re- 
futandi ;  nam  et  verum  illi  dixerunt,  si  recte  capiantur. 
Saltatio  quaevis  Augusti  temporibus  iu  scena  versabatur 
et  quae  post  illa  tempora  passim  viguit,  quaeque  nihil 
amplius  commune  aut  conjunetum  kabebat  cum  Comoedia 
atque  Tragoedia,  sed  seorsum  in  Orchestram  veniebat, 
inventum  proeul  dubio  Pyladis  fuit  et  Bathylli,  res  vero 
ipsa  et  ars  illa,  saltandi  modus,  quo  omnia,  quae  dice- 
rentur,   manibus  expediebantur,    quoque  ipse  etiam  Py- 


*)  Cassiodorus  Variarum  IV.  epistola  ultima:  _Pautomimi  uomeu 
a  multifaria  imitatione  nomen  est.  Idein  corpus  Herculem  designat  et 
Venerem,  feminam  praesentat  et  marem,  regem  facit  et  militem,  senem 
reddit  et  juvenem ,  ut  iu  uuo  videas  esse  multos,  tarn  varia  imitatione 
discretos.1* 


222  5)mmaturgiftf)e  Crntroürfe  unb  Fragmente. 

lades  in  sua  saltatione  usus  est,  longe  ante  Pyladem 
nota  Scenae  et  in  usu  posita  fuere,  sed  in  Tragoedia 
tantum  et  Comoedia  et  Satyris  locum  habebat ;  nusquam 
enim  sola  per  se  ante  id  tempus  opy^aic  in  Orchestra 
comparuerat.  Primus  Pylades  saltationis  artem  a  Tra- 
goedia et  Comoedia  separatam  in  Scenam  Latinam  in- 
troduxit. 

©tefeS  miberlegt  (SafftadjiuS  mit  ber  (Stefte  Lib.  V.  c.  7. 
Ex  quibus  omnibus  colligendum  est,  saltationem  panto- 
mimicam  non  fuisse  Pyladis  inventum,  nee  ab  ipso  pri- 
mum  extra  Comoediam  et  Tragoediam  in  scenam  Latinam 
inveetam,  sed  magis  excultam  atque  exornatam,  atque 
cum  tibiis  pluribus,  fistulis  atque  Choro  exhibitam. 
Ratione  cujus  novitatis  et  majoris  etiam  fortassis  in 
saltando  dexteritatis  et  concinnitatis  adeo  commendatus 
est,  ut  inventor  illius  saltationis  per  hyperbolen  audiverit. 
Euseb.  in  Chron.  Pyl.  Cilix  Pant.  ^pornoe.  xae  oupiYY"^ 
v.ai  xov  yo^ov  eaoxa)  eicaSstv  sTroiinos. 

Macrob.  Sat,  Li'b.  III.  c.  14. 

Diomedes,  Lib.  IL  cap.  De  variis  poematum  generibus. 

Arist.  Art.  poet.,  5.  Auxw  Zs  tu  poO^u  etc. 

Donat.  in  Proleg.  ad  Terent. 

Plutarch.,  Lib.  IX.  Sympos. 

Servius  ad  illud  Eclog.  5.  v.  73.  Saltantes  Satyros. 

Suet.  in  August.,  c.  43  et  45;  Lip.  in  Comment. 
ad.  Tacit.  Ann.,     I.  cap.  54. 

2öie  man  aber  angefangen  fyatte,  ba%  fangen  audj  mit 
auf  ben  ©djauplatj  $u  bringen,  fo  bemühte  man  fiefj,  immer 
mefjr  unb  mefjr  bamit  an^ubrücfen,  unb  3  war  ba3,  ma§  in 
bem  oorgeftetlten  Stüd'e  mar  gefagt  ober  getfyan  morben. 
(Stner  ber  älteften  non  btefen  ^än^ern  mar  ber  ^än^er  be3 
3Iefd}t)lng,  non  meinem  un§  TO)enän§  *)  9lad;rtd)t  gibt.  @r 
I)ief$  Mefi3  ober  ^elefteö.  @r  erfanb  unterfd)iebne  Strien, 
bte  Dieben  burd)  bie  §änbe  fe^r  beittüdf)  au^ubrücfen.    Unb 


*)  Athenaeus,  Lib.  I. 
TeXeotc;  Y]  TsXsgxyjc  .,  6  op-/Y]SxoBi§aGxaXoc,  TtoXXa  s|eupv]xs 
oyTjfj-axa,  «xpooe,  ra'.c,  /spei  xa  XefojJ-sva  osixvDooaaic;.  'Apiaxo- 
v.Xyjc  youv  cPY]?tvi  oxl  TeXeotTjC,  6  Alay^oXou  op^YjoxYjc-,  ouxooc,  yjv 
xs-/v'.ty|c,  d)cxe  ev  xw  opysiod'o.i  xoue,  cEuxa  Irai  0Y]ßac.  cpavepa 
rcoiYjcat  xa  TipaYJJ.c/.xa  oC  op-/Y]ceu)C,. 


3t6f)cmbluttg  uon  ben  Pantomimen  Der  Vttten.  223 

nrie  ^Cvtftotlco  ergäbt,  fo  foll  er  [onberU($,  ba  erbte  „hieben 
§elben  r»or  Sieben"  getankt,  alle  ir)re  Saaten  fefyr  um  1)1 
üorgeftettt  Ijaben. 

§.4. 

33ci  ben  ©rtedjen  waren  bie  pantomimifdjen  5£änge  alle; 
gett  entroeber  mit  bei*  ^ragöbte  ober  Momobie  oerounben, 
gmifdjen  bereu  §anblungen  fie  aufgefüfjret  mürben.  2)er  erfte 
aber,  ber  fie  bei  ben  Römern  befaunt  machte,  mar  ber  föüfer 
2luguftui3,  ber  fie,  um  ben  müßigen  $Pöbel  burdj  finnlidie 
SBergnügungen  im  3aume  Su  galten,  oon  ber  föomöbic  unb 
iEragöbte  abgefonbert  auf  ben  Sdjaupla$  bradjte.  SDiefeö 
begeugen  ©mba§,*)  SoftmnS. 

S.  5. 
SDte    erften    unb    berüljmteften    Pantomimen    gu    be§ 
2fagujru§    3e^eu    waren    $ßnlabe§    unb    Q3at[)i)üu5,     roie 
Suibaä  in  bem  eben  angeführten  Drte  begeugt. 

§.  6. 

5>nfabe5  mar  ein  Gilicier  au$  bem  fylecfen  ber  äÖfäft; 
barner.  (Seine  Gangart,  mooon  er  ber  Grfinber  mar,  mürbe 
bie  italtenifdje  genannt.  Vorüber  er  audj  einen  gangen 
Kommentar  gefdjrieben  fjat,  melier  aber  uerloren  gegangen. 
2)iefe§  begeugt  2ltf)enäu§  unb  Suibao,  meldjer  jenem  gefolgt 
ift,  ben  Drt  aber,  meldjen  er  aufgetrieben,  gang  falfdj  oer= 
ftanben  Ijat.    SltljenäuS  **)  fagt,  er  |abe  einen  Straftat  oer= 


*)  Suidas  sub  voce     'Op^TjOlC   ItavxoinfAOC.     Tocuxyjv  6  A&yoü- 
oxoe  Ka:3c/.p  £<peüpe3  üüXaSoö  xat  BafruXXoo  Tiptoxiuv  o-.'jtYjV  jj.s"X- 

Idem  sub  voce  'AfrYjVOoeopGK;. 
,A0"f1vooojpoc;,    Sxoutxoq    cp'.Xoaocpoc ,    s~'.    'Oxxaou'.avoo    ßaai- 

Xsw~  cPü)fxatü)V |iaXiGTa    xa'.c  5A9Yjvooiopoo   xooxoo  cojxßoo- 

Xiaic  lTCeio'6'7] Kaxa  os:  toöc  xaipooq  Ix&ivoo^  xat  -r,  rcavto- 

{jL'.fxoc    opyYj-'.c    e-ClX^'Yl"!  °^    ~co    rcpot8pov    o&oa,   v.a:   icppqext   '(,3: 
Itepa  rcoXXwv  xaxtov  alxia  reroVota. 

**)  Sie  Stelle  aus  bem  <Htl;enäu*  ftcfjt  im  erften  93ud)e,  p.  20,  unb  fjeifjt  fo : 

Tootov   xov  Bad-uXXov    cpYjaiv  'Apiaxovtxo?  xai  üoXaSYjv .    qS 

l~x'.    v.at    ooYYpa|i.}i.a    rcgpi  öpyr-itoc,  xyjv  'IxaXiicrjv  söaxirjaaa&ac 

sv.  xy(c  xcujxMtY)?,  *f]  hiaXeixo  Kopoa^,   xae  rrje  xpariv.YjC,   yj  Ixa- 

Xeixo  'EjxjxeXsta,  xai  xyjc;  aaxupLy.Y]^,  4]  IXerero  £ixivvi£. 

S)ie  Stelle  au§  bem  Suiba§,  unter  bem  Sitet  $t)labe§,  ift  biefe: 
IIuXaoYjC,  K:X'.;?   a~o  xwjj/q^  Mtoftapvuiv  Ifpaips  teepe  opX*n~ 
o;a>c   tyjc    'IxäXtxir]«;,    Y4xtc    6-1  a6xoü    s'jp^O-Yp    rspi  xy^  v.coijl'.v.y^ 


224  2>ramaturgifd)e  ©ntroürfe  unb  Fragmente. 

fertiget  oon  ber  italienijdjen  San^art,  welche  itafteuifdje 
%an%axt  au§  ber  fomtfdjcn,  iragifd)ett  unb  fatirtfdjen  Gangart 
beftünbe.  ©iefcS  §at  (feuibaS  fo  genommen,  als  fyätte  $9= 
labeg  wer  ©fidjer  gefdjrieben,  em§  oon  ber  italienifdjen,  bag 
anbre  oon  ber  fomifdjen,  ba3  britte  oon  ber  tragifdjen,  bas 
üierte  oon  ber  fatirifdjen  Gangart. 

Chironomiam  magnopere  expolivit.  Nam  primus 
pro  una  tibia  adhibuit  plures;  item  fistulas,  quod  antea 
non  factum,  et  choraulem  cum  choro,  cum  ante  Pythaules 
occineret  sine  Choro.  Hieronymi  est  in  Chronico  Euse- 
biano.  Pylades  Cilix  pantomimus  primus  Romae  chorum 
sibi  et  fistulas  praecinere  fecit. 

S-   7. 

£)er  anbre  berühmte  Pantomime  gn  be§  2tuguftu§  3e^en 
mar  23atbi)t(u3.  @r  I;atte  eö  fonberlid;  in  ben  fomifcfyen 
hängen  feijr  roett  gebraut,  ba  ifjn  gegentetfä  $n(abe3  in 
tragifdjen  übertraf.*)  2)e3megen  nennt  iljn  3uoenali§  möllern 
Bathyllum.  **)  @r  mar  au3  3l(epnbrien  unb  ein  gret= 
gelafmer  be§  sJfläcena3 ,  ***)  meines  ber  alte  Snterpreö  be3 
$erfiu§  in  ber  5.  Satire  Bezeuget,  f) 

s. 8- 

3Me  ©rfmbung  ber  italienifdjen  S£an(^art  mirb  oon  Sutbas 
bem  ^ulabcg,  non  Sttljenäo  aber  unb  Striftonico  bem  $ulabeg 
unb  SBatlmKug  -utgleid)  angetrieben,  mie  au3  ben  oben  an= 

y.aXou|j.svY]c  bpyv\Gziü<;,  Yjxic  sxaXeixo  KopBa|,  xai  tyj?  xpaYtx7]C, 
*rj  IxaXeixo  Stxivvic,  xat  X7]c  aaxupiXYjc,  ^xi<;  'EjAjxeXs'.a. 

Vossius,  Lib.  II.  (p.  18U)  Institut,  poeticarum,  roiü  Suibam  entfd)iit= 
bigen,  inbem  er  fagt,  mau  muffe  Icfen  nid)t  icepi,  foubcvn  &rco  xyjq  xcujjuxy]«;. 
Salmasius  in  Notis  ad  Vopiscum,  p.  497. 

*)  2)iefe§  bezeugt  9)larcu§  3Innäu§  ©eneca  in  ben  Excerptis  ou§  bem 
brüten  93ud)e  Controversiarum,  unb  gtnor  in  ber  SSorrebe:  Et  ut  ad  morbum 
te  meum  vocem,  Pylades  in  Comoedia,  Bathyllus  in  Tragoedia  multum  a 
se  aberant. 

**)  Sin  ber  6.  ©atire:  molli  saltante  Bathyllo. 

***)  2>e§rocgen  nennt  ifyn  ©eueca   in  ber   Sßorrebe  be§  5.  93ud)§  Controver- 
siarum;  Bathyllum  Maecenatis.     28a§   aber  ba§   scriptum   Labieni  pro  Ba- 
thyllo Maecenatis  fei,  beffen  er  bafelbft  gebeult,  ift  uubefannt. 
f)  SDcr  3Ser§  bei  bem  SßerfiltS  beif;t: 

Sed  nullo  thure  litabis, 
Haereat  in  stultis  brevis  ut  semiuncia  recti. 
Haec  miscere  nefas,  nee  quum  sis  caetera  fossor 
Treis  tantum  ad  numeros  Satyri  moveare  Bathylli. 
Tacit.  Annal., I.  cap.  51:  Dum  Maecenati  obtemperat  eflfuso  in  amo- 
rem  Bathylli,  deinde  quod  civile  rebatur  misceri  voluptatibus  vulgi.    Cas- 
siodorus,   Lib.  I.  ep.  20:   Liviu.s,    Lib.  YII;    Suetonius   in    Caligula, 
c.  51 ;  Seneca,   ep.  121. 


3flj[;anMung  uon  ben  Pantomimen  bor  Sitten.  22~) 

geführten  Steffen  beS  SuibaS  unb  Slttjcnäns  51t  crfel;en. 
3ie  beftanb  am  tragijdjen,  tomifcfjen  unb  fatirifdjien  SCän^en. 
©ie  fomijdjen  gießen  Hörbar.,  bie  tragifc^en  Ci'inmcHa,  bie 
fatirifdjen  8if'tnniö.*) 


Kop§a£.**) 
'Ejj^sXs-.a.  ***) 


S-  9. 

S-  10. 

S-  u- 

s.  12. 


Gsiner  uon  ben  beritljmteften  -csdjülern  beS  ^ßnlabeS  ju 
Seiten  Slugufti  war  §nlaS.  ®r  (jatte  ifjn  in  feiner  ^unft  fo 
untermiefen,  baß  if)n  baS  SBolf  feinem  sDceiftev  faft  gleid;  Ijielt. 
©iefer  §ula§  tankte  einSmalS  einen  ©efang,  ber  fidj  fdjlof}: 
xov  [le^av  'AYajj.sfj.yova.  SDiefeS  red)t  auszubrühen,  beljnte 
fid)  §i;laS  auS  unb  trat  auf  bie  S^en.  Seinem  SOtetfter 
aber  mollte  baS  nidjt  gefallen  unb  fdjrie  ifym  31t:  00  p.axpov, 
ob  fj-e^av  iiocoic.  hierauf  uerlangte  baS  Soll  uon  ifym,  er 
follte  eben  biefen  Gkfang  taugen,  ßr  tlmt  es,  unb  als  er 
auf  obige  Stelle  tarn,  blieb  er  fielen  unb  fteffte  eine  ^erfon 
in  tiefen  ©ebanlen  oor,  weil  er  glaubte,  e§  fei  einem  großen 
gelbljerrn  nidjtö  anftäubiger,  als  uor  allen  SDingen  311  beulen. 
Üben  biefer  §i)la§  tankte  einSmalS  ben  Debipus;  er  tankte 
iljn  aber  mit  offenen  äugen,  weswegen  üjn  gleichfalls  fein 
SDieifter  tabelte  unb  tym  ^ufdjrie:  00  ßXeiceicf) 

•)  Julius  Pollux,  Lib.  IV.  cap.  14.  §.  99: 

E!Syj  8s  opyvr(u,axü>v  sjj.{j.sXsia  tpafixif],  xopoaxsc,  xoujnxot, 
aixivvic  oaxopwij. 

**)  Julius  Pollux,  Lib.  IV.  Onomast.  cap.  14. 
Demosthenes  in  seeunda  Olynthiaca. 
Theophrastus  in  Charact.,  c.  7. 
***)  Suidas: 
'Ejj.jj.sXsia,  X°P'-v/f]  °PX"na'^-  Six«>Cj  IfipeXeta  xai  IfiueXta,  4) 
e5püO-u.'.a.     Olafra  faPi   o^^C   BiaxsifJiefra   ttsoi   xyjv   sjxij.sXiav  tyjv 

OTjV.  xae  4j  jj.sxa  jjlb/Xooi;  tpa^ixt]  op^fjaic    Unb  gleid;  uorljer: stSoc 

GpyTj'sux;,  sax'„  8s  4]  xiov  xpayiuotov. 
Pollux,  Lib.  IV.  cap.  14.  §.  105: 
Kai  fj.Y|V  TpaftXfjc  opyT|asaj!;  xa  ayrjjj-axa  ai|V*i  ystp,  6  xaXa- 
thaxoe,,    ys'.o    xaxaicpavrjd   £oXoi>    ^apaX7]tLcc,    BticXiq,    d-spjxau- 
cxpic»  tj  xoßtax'ijatc  ff)  rcapaßvjvai  Texxapa. 

f)  Forte  a  Gspuav,  quod  {rpaxiov  saxi  7üoXcj[j.a.    Suidas. 
■f-f)  Forte  a  x'jß'.axav.  quod  Kusterus  mutavit  in  xußfißav. 
Est  autem  XüßtOTOCV  tO   het  XSCpaXliK  ßticteiv.     Vite  Suidam. 
■j-)  £iefe§  erjüfjlt  uu§  9)1  aerob  iu§  in  bem  II.  SBuay  Saturnaliorum  im 
7.  Kapitel:   Sed  quia  semel  ingressus  sum  scenam  loquendo,  non  Pylades 

2  e  f  f  i  n  Ö ,  SBerfe.    XII.  15 


226  3)ramaturgtfdje  ©ntnnirfe  unb  Fragmente. 

s.  13. 

2)te  Schüler  be§  $n(abe§  unb  33atl)tjttu§  baucrten  aud) 
lange  3e^  na$  ^en  Seiten  Stugufti.  SDtc  einen  mürben 
Pyladae,  bie  anbern  Bathyili  genannt.*) 


histrio  nobis  omittendus  est,  qui  clarus  in  opere  suo  fuit  temporibus  Augusti 
et  Hylam  discipulum  usque  ad  aequaiitatis  contentionem  eruditione  pro- 
vexit.  Populus  deinde  inter  utriusque  suffragia  divisus  est.  Et  cum  canti- 
cum  quoddam  saltaret,  cujus  clausula  erat:  xov  [AEYav 'AYajj.eu.vova, 
sublimem  ingentemque  Hylas  velut  metiebatur.  Nou  tulit  Pylades  et  ex- 
clamavit  e  cavea:  au  [xaupov  ob  jJisyav  koisic,.  Tunc  eum  populus 
coegit  idem  saltare  canticum.  Cumque  ad  locum  venisset,  quem  reprehen- 
derat,  expressit  cogitantem,  nihil  magis  ratus  magno  duci  convenire,  quam 
pro  omnibus  cogitare.  Saltabat  Hylas  Oedipodem,  et  Pylades  hac  voce 
securitatem  saltantis  castigavit:   od   ßXsTtecc. 

*)  Seneca,  Lib.  VII.  Q.  N.,  cap.  32. 

Inscriptionum  Gruteriange  Collect,  p.  1024,  num.  5  et  p.  331,  num.  1. 
Adde  Scaligerum  in  Animadvers.  ad  Manilium  et  Salmasii  Notae  in  Vopis- 
cum.    Brodaei  Notae  in   'AviroXoy'.av,  tit.  II.  epig.  2. 

Tranquillus  in  vita  Neronis,  cap.  54;  Plinius,  Lib.  VII.  Nat.  Hist., 
cap.  53.    Temporibus  Neronis  ac  Vespasiani. 

Suetonius  in  Nerone. 

Tertullianus  Apol.,  217. 

Apulejus,  Lib.  X;  Miles.,  p.  223. 

Appianus  Alexandrinus  in  Parthicis,  de  capite  Crassi:  Astyanactem 
videmus,  ubi  Hector  est? 

Anth.,  Lib.  III.  c.  7,  de  Chrysomalo  Pantomime 

Artemidorus,  Lib.  IL  cap.  38. 

Athenaeus,  Lib.  I,  de  saltatore,  nomine  Memphis,  eodemque  philosopho 
Pythagoreo. 

Columella  De  re  rustica,  Lib.  I. 

Tacitus  Annal.,  I.  77. 

Plinius,  1.  29 :  Nullius  histrionis  equorumve  trigarii  comitatior  egres- 
sus  in  publico  erat. 

Seneca.  Epist.  4.  7. 

Galenus  De  praecognit.  ad  Posth.,  c.  6. 

Ammianus  Marcellinus,  Lib.  XIV.  c.  6. 

Seneca,  cap.  12.  De  Consolat. 

Manilius,  Lib.  V.  Astron. 

Apulejus  Metamorph.;  Lib.  X  prope  finem. 

Dio  Lib.  LIV.  p.  533:  ^OfrsvTisp,  Ttavo  aoepax;  6  Uohr/.or^  stuxi- 
fj.O)fj.evoc  6tc'  auxoü,  licet  BouS'oXXü)  öfAOXsyveo  ts  ovxt  v.at,  r<x> 
Mawetva  TrpocYjv.ovx'.  SieaxaaiaCev,  eiicstv  XsYexai,  bxi  aojxcpspst  ooi, 
Kanap,  Tzzpi  *J]|xac  xov  Sy]|j.ov  arcoo't.axpißsesiJm. 

Jacobus  Pontanus  in  Macrobium  notis. 

Nonnus,  Lib.  II.  Dionys.  et  lib.  XIX. 

Lib.  IL  c.  38.  Anthol.: 

üavxa  v.ud-'  Isxopivjv  opyoüjj-svoc,  hv  xo  fxsYtaxov 

Ta)V  epycov  Tcapi§(uv,  4]v.aoa<;  fjieY&Xouc. 
Ty]v  jasv  YaP  Nioß*r]V  6pyou|X£voc,  a>c  Xifroc  loxr^ 

Kai  rcaXiv  ü>v  Kanavso^,  e|aiuvY]C  £Tieasc' 
'AXX'   hm  XYjc  Kavax*f]<;  acpüojc;,  oxt.  xai  licpoc;  4}V  oot 

Kai   Couv  IC'^X'ö'ec'  touxo  7iap5  laxopiYjv. 
Omnia  juxta  historiam  saltans,  unum  maximum 

Negligens  molestia  nos  affecisti; 


2lBf}anbrung  Don  ben  Pantomimen  ber  xHltcn.  227 

8. 

SBon  bem  Sweater  50a.  man  enblid)  audj  gar  bie  $P<ms 
tomimen  an  bie  ©aftereten. 
Juvenalis  Sat.  5.  v.   120. 

s- 

Fugientes  reliquiae  Pant.  durare  videntur  in  eo  lu- 
dionis  sive  saltatorum  genere,  qui  in  Gallia  Cisalpina 
Mattaccini  appellantur.  Eorum  vestitus,  quo  agiliores 
sint,  corpori  adpressus  et  meinbra  exprimens.  Persona 
sive  larva  antiquo  more  sine  barba  neque  admodum 
venusta,  prominente  mento  et  qualis  vetularum  facies  est. 
Hi  per  urbem  saltantes  discurrunt,  obvios  loris  et  scutis, 
quod  veteres  Luperci  faciebant,  incessentes.  Manum 
fronti  obtendunt  quod  Fauni  ac  Sileni  agebant  ad  Solem 
defendendum ,  quod  essent  calvi.  Incredibili  agilitate 
currus  ac  rhedas  saltu  transcendunt,  per  parietes  repunt, 
in  fenestras  enituntur,  citatique  et  intento  crure  corpus 
in  sublime  vibrant.  Sed  et  diversos  actus  saltatione  ac 
gestu  imitantur,  tonsorem,  fabrum,  sutorem,  et  id  genus 
scite  referentes.  Mox  et  simulacra  pugnae  taciti  edunt, 
rudibus  coneurrunt  et  digladiantur. 

Athen.,  Lib.  I.  &icXowouav,  Pyrrhica  a  Pyrrho. 
Xenoph.  in  Cyri  Expedit.,  in  Convivio,  apud  Thraces, 
in  Graecia. 


Nioben  enim  saltans  stetisti  ut  lapis, 

Et  rursus  Capaneus  statim  coneidisti. 
Sed  in  Canace  inepte,  quod  ensis  esset  tibi 
Et  vivns  existi:  hoc  contra  historiam. 
Lib.  III.  c.  7,  de  Chrysomalo  Pantomimo : 

^i'.^OLZ  y poaeopLaXXe   ~o  ya/.v.EOV   oOv.  Itt  o'  "fjfjLtV 

Eixovaq  äp^e^oveuv  IxxeXeeic  fiepoitwv 
Neouaotv  OKp&oifY0131-     Tsy]  o'  oXßwce  -'.co-y] 
Nuv  axiyfept\  xsXsö-s'..  zrt   rcptv  iO-s/^Y^JJ-sö-o:. 
Tacit.  Annal.,  Lib.  I.  c.  77. 
Livius,  Lib.  VII. 
Juvenalis  Sat.  5.  vers.  120. 

Herodotus,  Lib.  VI.  de  Clisthene  Sicyoniorum   rege,   de   ejus  filia  et 
Hippoclida  Atheniensi. 

3uüenat  gebenft  audj  einc§  Pantomimen,  be§  Paridis,  bei  greigetaffenen  Der 
Domitiae,  Neronis  amitae,  Sat.  VII.  v.  87. 


228  Sramaturgifdje  ©nttüürfe  unb  Fragmente. 

2. 

U?r  grdjaufimler; 

I. 

(Einleitung, 

$on  ber  Serebfamf'eit  überhaupt. 

§• 

©ie  SBerebfamfeit  tft  bie  Run\t,  einem  anbern  feine  ©e= 
banfen  fo  mitzuteilen,  baf}  fte  einen  verlangten  (Sinbrud  auf 
ifin  machen. 

S- 

Man  ftel)t  alfo  leicht,  bafc  e§  babei  auf  bie  ©ebanfen 
unb  auf  bie  Mitteilung  berfelben  anfomme. 

s. 

2)ie  ^unft,  vok  man  feine  ©ebaufen  bem  Gsinbrude, 
beu  man  auf  einen  anbern  madjen  ruill,  gemäjj  orbnen  fotl, 
milt  id)  bie  geiftige  Serebfamleit  nennen. 

§. 

$)ie  föunft,  biefe  fo  georbneten  ©ebanlen  bem  anbern 
fo  mitzuteilen,  bafe  jener  (Stnbrud  beförbert  wirb ,  milt  id) 
bie  förperlidje  5)erebfamfeit  nennen. 

$on  ber  SBerebfamfeit  bes>  Äörperä. 

s. 

Unb  %max  beSroegen,  meil  biefe  Mitteilung  oermittclft 
be§  Körpers  gefdjefjen  muß.  ©ie  fann  aber  nidjt  anberö 
uermittelft  be§  $örper§  gefdjeljen  al§  burd)  geroiffe  Mobift; 
lationen  besfelben,  meldje  in  be§  anbern  ©inne  fallen  ac. 

S- 

SDiefe  Mobilisationen  lönnen  entmeber  in  ben  ©inn  bes" 
©efidjts  ober  in  ben  ©tun  be3  @el)ör§  fallen. 

s. 

©ie  Mobtfifationen  bes"  Körpers,  meldje  in  bas  ©efidjt 
fallen,  finb  Bewegungen  unb  Stellungen  besfelben. 

s. 

3)ie  Mobtfifationen  beg  £örper§,  meld;e  in  bas  GJeljör 
fallen,  finb  %bne. 


Ser  (Säjoufptelet.  22!» 

S- 

£ie  ßefjre  ooti  beti  evftcn  Ijeiftt  bie  Sefjre  von  bei 
xHttion.    5)ie  Seljre  oon  ben  cmbertt  [jeifjt  bie  8e§re  oon 

ber  ^ronunjiation  (2(uofprad)i\). 

§. 
SDicfc  2Äobififationeö  be§  Mbrpero  überhaupt  ftnb  entmcber 
unmittelbar  in  unfrer  SBiUlüt  ober  mittelbar. 

§. 

S)ie  erfteren,  roeil  nidjto  als  bas  Söolleti  unb  ein  ge* 

funber  Körper  baju  gehört,  tonnen  burdj  eigentliche  unb  l)iu= 
langlidje  Regeln  gelehrt  merben. 

s. 

2)ie  anbern,  meldje  nidjt  unmittelbar  in  unfercr  sli>illtür 
ftnb,  fetten  eine  gemiffe  SÖefdjaffenljeit  Der  Seele  voraus,  auf 
melcfje  fie  oon  felbft  erfolgen,  ofjue  bafe  mir  eigentlid) 
mifjen,  mie. 

IL 

T>er  Scfyaufpieler. 

Gin  2öerf,  roortnne  bie  ©runbfätje  ber  gangen  förper^ 
lidjen  33erebfamfeit  entroirfelt  werben. 

3)ie  gange  förderliche  SBerebfamfeit  teilt  ftdj  in  ben 
Ülusbrucf 
I.  burd)  bie  ^Bewegungen. 

Cratorijdje  ^Bewegungen  finb  alle  Diejenigen  SSeränbe= 
rungen  beö>  föörperg  ober  feiner  ^eile  in  3lnfelmng 
i()rer  Sage  unb  gigur,  weldje  mit  gewiffen  beraube; 
rungen  in  ber  Seele  tjarmonifd)  fein  tonnen.  Sie 
Ijeijjen  überhaupt  ©ebärben  unb  finb  entmeber 

a)  ^Bewegungen   beS  Körpers  überhaupt;   babei 

fömmt  oor 
ba§  fragen  bes  SlörpevS  ober  bie  93iobififationen 

besjelben,  meun  er  in  Bewegung  ift  ober  geljt. 
£ie  Steltun  gen  beg  Körpers  ober  bie  9Jtobtfi= 

fationen  beöfelben,  menn  er  in  9ütlje  ift. 

b)  ^Bewegungen  feiner  ©lieber. 
SDe§  Kopfes  überhaupt. 

SDes  ©efidjts,  unb  bie  Bewegungen  bes  ©efidjts 
fjeigen  9Jtienen. 


230  Sramaturgiftfje  ©ntroürfe  itrtb  Fragmente. 

SDer  §änbe.  SDie  £et)re  non  ben  ^Bewegungen  ber 
§änbe  Ijiefj  bei  ben  Sitten  bie  (Sljtronomie, 
beutfd)  uielleidjt  bie  §änbefpradje. 

SDie  güfee  formen  31t  biefen  ©liebem  nid)t  gehören, 
weil  biefe  gu  bem  fragen  nnb  ben  Stellungen  über- 
haupt gu  gießen  finb.  2)iefe3  bemeife  id;  bafjer, 
roetl  man  graar  eine  ^Bewegung  mit  ber  §anb  unb 
bem  $opfe  machen  fann,  olme  baft  bie  Sage  beö 
$örpcrs>  neränbert  merbe,  nid)t  aber  bie  geringste 
^Bewegung  be3  gufeeg,  ot)ne  bafi  fie  nid)t  eine 
^ßeränberung  bes  ganzen  $örperg  nerurfadjeu  follte. 
II.  $)urd)  %öne, 

23om  fragen  ober  non  ber  3JJobififarion  be§  £örper§ 
überhaupt,  menn  er  ftdj  non  einem  Orte  pxm  anbern 
bemegt. 

SDiefe  Seljre  teilt  fidj  natürlictjerraeife  in  gmei  Kapitel. 

I.  $on  ber  ^Bewegung  ber  güge.   2)ie  Seigre  nom  ©eljen. 

£)a§  fd)öne  ©eljen  fömmt  auf  bie  fd)öne  Beugung 
be§  Seinem  unb  auf  bie  ©leidjljeit  beg  ©djrittg  an. 

2)a3  fd)led)te  ©eljen  roirb  burd)  ba§  ©egenteil 
beiber  Stüde  nerurfadjt. 

1.  2öann  bie  fct)bne  Beugung  megfällt. 

2)a§  ©el)en  mit  bem  fteifen  unb  geftredten  gufse 
ift  ber  ©ang  eine§  ©tollen  unb  ^Rufymrebigen. 

2.  2öann  beibe  wegfallen. 

©o  ift  eg  ber  ©ang  eineö  llngefdjliffenen,  eine§ 
^Bauers. 

II.  $on  bem  galten  bes>  Körper g.  s$on  bem  eigene 
lictjen  fragen. 

SDa3  natürliche,  mann  ber  Körper  bie  £uft  beftänbig 
nad)  einer  ^erpenbifularlinie  in  5lnfel)ung  ber  glädje, 
auf  melier  er  beroegt  mürbe,  burdjfdnnebt. 


©a3  nerberbte,  mann  biefe  Sinie  normärt§  einen  fpitjen 
Söinfel  madjt.  Qdj  nenne  fie  belegen  bie  Derberbte, 
meil  man  gu  faul  ift,  bie  Saft  be§  ^örperö  aufredjt  gu 
galten. 


£er  ©cfjaufofefer.  231 

£>tefe  5Kid;tung  gehört  für  Das  2Ilter,   für  baä  9caa> 
beuten,  für  bie  Üciebergefd)lagenf)eit. 
SDas   jjefünffcelte,    mann   fie   uormävtö   einen   ftumpfen 
SÖinfet  maajt. 


3$  nenne  fie  bie  geffinftefte,  weil  man  ftcT;  3wang 
antljut,  bie  Saft  beo  Körpers,  meldje  Dorfallen  mürbe, 
äurücfjuljalten.  Dft  aber  ift  fie  oud;  bie  natürliche;  bei 
bent  (frftaunen  nämtid)  unb  ßrfdjrecfen,  menn  man,  fo 
311  reben,  alle  feine  fträfte  auf  einmal  gufatnmenrafft. 
2llle  brei  Sitten  fönnten  bitrd;  bie  ©ettenBeugungen 

eine  Slenberung  befommen,  bie  eine  2Irt  non  9tetg 

bamit  oerbinbet. 


SSon  ben  Stellungen.    2We§,  ma§  bei  bem  fragen 

gejagt  morben,  gilt  aud)  f)ier,  meit  eine  Stellung 

nidjtS  als  ein  feftgemadjtes  fragen,  fo  31t  reben, 

ift.    3d)  Ijabe  alfo  meiter  l)ier  nichts  9teue§  31t  be= 

tradjten  at3  bie  SSeränberung  einer  (Stellung  in  bie 

anbre,  meldje  gtüetfacr;  ift.  £ie  Stellung  nämfidj  mirb 

I.  entmeber  oon  ber  ^perfon,  mit  meldjer  ber  Sdjau^ 

fpieler  rebet,   ab  (aus  33erad)tung,   au§  gurdjt,   au§ 

@ntfe|en,  au§  Sdjam), 

II.  ober  auf  fie  3U   geänbert  (aus  SSertrautidjfeit,   au3 

2lbfid;t,  3u  bitten). 


@  1}  i  r  0  n  0  m  t  e. 

£ie  ^Bewegungen  ber  §änbe. 
I.  lieber  Ijaupt,  betrachtet  als  Sinien,   roeldje  fie  in  ber 
Suft  befdjreiben.     3>n  biefer  23etrad)tung   finb  fie   ent; 
meber  angenehme,  bie  aus  Stnien  non  fd)öner  &rüm= 

mung  befteljen, 
ober  unangenehme,  bie   auf  Sinien  oon  fcr)(ccr)ten 

Krümmungen  ober  gar  feinen  befielen. 
^Bewegungen  au§  graben  Sinien.     £iefe  gehören  für 

alles  bas,  mag  unter  ber  fdjönen  9?atur  ift,  3.  G. 

für  ba§  23äurifd)e,  unb  3ugleid)  für  heftige  2eiben= 

fdjaften,  roeil  bieje  ben  fürjeften  2öeg  geljen. 


232  S)ramaturgtfc^e  ©ntrtmrfe  unb  Fragmente. 

^Bewegungen  au%  unangenehmen  frummen  Sinien. 
3Mefe  gehören  für  a(le§  ba§,  \va$  über  ber  frönen 
Sftatur  fein  will,  für  ba§  Slffeltterte  gum  (Stempel. 
II.  Qngbefonbere,  foferne  fie  nämlid;  gewiffen  ßljara!- 

teren  gemäfe  einguridjten  finb. 

a.  gür  baö  ^ragifdie  ober  ^» o f) e  ^omifdje.  §ier 
grünbet  fidj  ba§  Vergnügen,  weldjeg  fie  oerurfac|en, 
auf  bie  Verlegungen  felbft  unb  auf  bie  ©leidjtjcit, 
röie  wir  fie  oorausfetjen. 

ß.  %ixx  bag  ^iebrig  =  ^omifd)e.  §ier  grünbet  fid)  ba§ 
Vergnügen  wieberum  auf  bie  ^Bewegungen  felbft  unb 
auf  bie  ©letdjlieit,  bie  fie  baburd;  mit  tfyren  Drigi= 
nalen  befommen. 

1.  gür  bie  ©tutjer  gehören  fct)öne  ^Bewegungen, 
benen  aber  bie  ©röfee  fet)lt  unb  bie  fo  oiel  mög- 
l\<$)  malenb  fein  muffen. 

2.  gür  bie  Selten  fd)led)te  unb  oft  unterbrodjne 
Sinien,  bie  nad)  iljren  (Eljaraltern  eingerichtet  finb. 

3.  gür  bie  ^Bebienten  gehören  oiel  malenbe  S3e= 
raegungen  in  fdjledjten  Linien. 

NB.  Qeber  uon  biefen  (Sfyaraftern  mufc  erft  in  ber  9ftt!)e 
betrachtet  werben  unb  alsbenn  fo,  wie  er  burd;  bie  Stffelten 
abgeänbert  mirb. 

2lnmer!ungen. 

1)  SDte  3Serad)tung  löfet  oft  bie  ^Bewegungen  ber  fdjönen 
Sinien  in  ^Bewegungen  oon  graben  Sinien  fe[)r  glüdlict)  auf. 
3-  @.    @3  fpräd;e  eine  $erfon,  bie  um  ©nabe  gebeten: 

„unb  warf  mid)  ifjm  §u  gufje." 
3)ie  ^Bewegung  ber  §anbr  weldje  ba3  warf  begleitet,  würbe 
auf  biefe  *%#  2lrt  fel)r  fdjön  fein,  bod)  fo,  baft  bie  ^Bewegung 
gefdjwinber  wirb,  je  nälier  bie  §anb  bem  @nbe  biefer  lleinen 
Sinie  fömmt.  Slllein  wenn  eben  biefeS  Ulfo  fagt: 
,,©el),  wirf  biet),  wenn  bu  willft,  oor  beinern  SBruber  nieber!" 
fo  ift  bie  ^Bewegung  ber  §anb  eine  blofee  fdjiefe  grabe  £inie 
^^^,  wcld)e  bie  3Serad)tuug  unb  ben  6tolg,  womit  er  biefeö 
fpridjt,  weit  befjer  anzeigt. 


©et  ©djaufpxeter.  233 

III. 

gm  SBorljergeljenben  (jabe  idj  bie  Seroegung  ber  ©änbe 
an  unb  für  fid)  felbft  unb  überhaupt  betrachtet.  IKunme&r  mu^ 
idj  fic  nad;  Üjrer  SBerbinbung  betrauten  unb  baljer  fjanbeln 

I.  §Bon  i|rer  35 orber eitung  ober  oon  berjertigen  SCufs 
merffamfeii,  bie  §anb  allmal)licij  in  benjeuigen  SJsunft  31t 
bringen,  r>on  meldjem  auö  eine  §auptberoegung  erfolgen  foll. 
2Öenn  311m  Krempel  (Sannt  jagt:  „(irniebrige  bidj  nur!" 
unb  ber  3djaufpieler  fjöbe  bie  §aub  fdjon  fo  tief,  baß  er,  um 
btefes  auc^ubrüden,  fie  erft  ergeben  unb  fjernadj  finfen  [äffen 
nützte,  fo  mürbe  biefeö  tabelljaft  fein.  Gr  mürbe  burdj  feine 
SBeroegung  einen  begriff  mit  einfließen  laffen,  roeldjer  rjieljer 
gar  nidjt  gehört,  bas  Grieben  uämlidj,  roeldjeS  juft  bem 
(irniebrigen  entgegen  ift.  Jjjdj  »erlange  aljo,  baß  er  in  bem 
oorbergebenbeu  SBorte:  „§eiß  meine  Safiertljat  ein  über= 
eilt  Sßerbredjen!"  bie  §aub  fdjon  in  eine  mäßige  Grljöljung 
gebracht  I)abe,  um  bas  folgenbe:  „Grniebrige  bidj  nur!" 
mit  größerm  9ftacfcbrucfe  madjen  31t  fönnen. 

IT.  SBon  bem  Slnl;  alten  in  benfelben.  SDiefeö  nenne  idj, 
roenn  man  einige  3eit  bie  §anb  in  ber  Sage,  in  bie  fie  nad) 
gemadjter  53emegung  gefommen,  eine  Zeitlang  erljält,  um  fo= 
gleidj  eine  anbre  mit  iljr  311  oerbinben,  bie  bem  üBerftanbe 
nad)  31t  iljr  gehört.  $.  ®-  }n  ber  fttiU  a\\$  bem  „Ganut": 
,,©elj,  mirf  bidj,  menn  bu  millft,  oor  beinern  33ruber  nieber !" 
gehören  bie  Sßorte  rairf  bidj  unb  nieber  offenbar  ^ufammen. 

XB.  Wlaw  fönnte  biefeö  bie  ^onftruftion  nennen. 

NB.  S3eibe  Stüde,  bie  Vorbereitung  unb  bie  $om 
ftruftion,  finb  nur  in  ber  erhabenen  2lftion  nötig,  unb  burdj 
iljre  Sßeglaflung  ober  Uebertretung  wirb  bie  Slftion  fomifdj. 

§iegu  fömmt  uodj  ber  ^ontrafi  in  ben  Söeroegungen, 
ba  ber  (Sdjaujpieler  biejenigen  ©eftuö  gufammennimmt,  meldjc 
einen  ©egenfafc  auSmadjen.  ©inen  fdjönen  Slontraft  machen 
bie  SBorte  jum  (Srempel: 

„Grniebrige  bidj  nur,  idj  roiß  al§  Sieger  fpred)en!" 

•Jöenn  biefer  ©egenjatj  aber  audj  getrennt  mürbe,  fo  oer; 
lauge  idj  bodj,  baß  ber  Sdjaufpieler  bajmifdjen  feinen  (Seftum 
madjen,  fonbern  biefe  beibe  jufammcnbeljalten  muffe.*) 


*)  3n  ben  SSvcslauer  papieren  befinben  fid)   aud)  nod)  bie  folgenben,   bi§fjer 
nirgenb  gebrudten  SBcmevfungen  über  eine  anbeve  2teße  au§  2d)(egelö  „Sanut": 


234  2)ramaturgtftf)e  ©ntrcürfe  unb  Fragmente. 

3. 

&M}tyt  um  ©tamij  imfc  pijdjerieij* 

The  Soldiers  Fortune 
Otway. 

35en  25.  (September  1756. 
Surely  'tis  impossible  to  think  too  well  of  him,  for 
he  has  wit  enough  to  call  his  good  nature  in  question, 
and  good  nature  enough,  to  make  his  wit  suspected. 

ßx  Ijat  fo  oiel  3Öi$,  ba$  man  an  feinem  guten  ^er^en 
groetfeln  follte,  unb  ein  fo  gutes  §er$,  baf$  man  iljm  menig 
ober  feinen  2öi|  jutrauen  fottte. 

>  Stiche  roeber  beinen  2Bi|  nod)  bein  gutes  §erg  in  tf»rev 
völligen  Stärfe!  3^tgft  bu  gu  üiel  2öt§,  fo  wirb  man  bir 
fein  gute§  §er$  zutrauen;  geigft  bu  ein  £u  gutes  §er$,  fo 
roirb  man  an  beinern  2Öii$e  gmeifeln. 

I  am  afraid  your  Ladyship  then  is  one  of  those 
dangerous  Creatures  they  call  she-wits,  who  are  always 
so  mightily  taken  with  admiring  themselves,  that  nothing 
eise  is  worth  their  notice. 

@ine  Söi^lingin  (she-wit);  tnetfeidjt  ba£  biefcs  ein 
Sljarafter  roäre,  tr>ela)er  fidj  auf  bem  STfyeater  nicfyt  übel  aus= 
nehmen  follte  unb  auf  einer  gan$  anbern  ©eite  gefcfyilbert 
werben  fönnte,  als  baß  er  mit  ben  gelehrten  2Sei6em  bes 
Poliere  §u  oermengen  märe. 

* 

I'll  have  three  whores  a  day,  to  keep  love  out  of 
my  head. 


„®amt+. 
Stet.  IL    Huf.  IV. 
|Uf0.    35u  fedE)teft.,  mie  man  fofl,  H>enn  man  um  (S^re  fid)t. 
NB.    35icfe§  mu§  ber  Hcteur  nidjt  fo  au§tyred)en ,    at§  roerm  Wfo  löirfüd) 
glaubte,  baß  ©obemin  bamalg  um  Gfjre  geformten  f)ätte.     (Sr  mürbe  fid)  burd)  bas 
gfotgenbe  roiberfprcdjen : 

„35u  mad)fi  bein  feite§  23lut  311  anbrev  ©igentum. 
35 u  lebft  3U  beiner  (Sdjmad)  nnb  nur  311  frembem  Öhirmt, 
35u  tfjatft  au§  blöber  $urd)t,  ma§  aud»  ein  ©flatie  tfjut." 
35er  6d)aufpierer  mufj  c§  fo  auSforedjen,   al§  menn  ber  35id)ter  gejagt  l)ätte: 
„35u  fed)teft,  mie  mau  nur  foH,  menn  man  um  (Sfjre  fidjt-" 
Unb  biejes  Ijat  er  aud)  notroenbig  fngen  motten."  —  93ojbcrger. 


SCuSjüge  nno  Chncm  unb  3©i)cfnu-fcn. 

2)u  liebft,  unb  bcine  Siebe  ift  cniftfjaft.  2lber  beine 
Umftänbe  erlauben  eo  uidvt,  einer  eroftljaften  Siebe  nadjgu 
Rängen.  9lun  mobl,  fuc()e  bid)  if)vcr  311  entfdjlagen!  95er 
meibe,  flielj  ben  bid)  bejaubemben  ©egenftonb.  Xu  fltebü 
ihn  umfonft?  ©ein  s^ilb  oerfolgi  bic§  überaß?  So  oerfuclj1 
etmao  anberS ;  oerfenf'e  bid)  in  ©ef<$äfte,  befe|e  jebeti  3(uaeiu 
blid'  mit  ernftljaften  arbeiten !  2tudj  ba§  ift  oergebenS?  vhm 
roorjl,  fo  mage  bao  letzte :  fuebe  §ilfe  bei  ben  luftigen  Bcbmeftern 
beö  DJiitleibö,  bie  bu  genießen  t'annft,  ofjne  fie  311  Heben !  ^ay, 
auf  einen  roollüftigen  ©enuß  ben  anbern  folgen!  2lber  roie? 
SDeine  ©ottin  bat  fidj  beiner  fo  bemächtigt,  baj  eo  bidj  ein 
SÖerbrecrjen  bünf't,  in  ben  2(rmen  einer  anbern  bie  GÜntflücfungen 
gu  genießen,  bie  bu  fo  gern  in  ben  irrigen  genießen  möd^teft? 
SBirllicr}?  Je  nun,  fo  heirate  fie,  äffen  es  oermebrenben  Um= 
ftänben  311m  %xo%t  heirate  fie,  ober  madje  btd;  gefaxt,  ba3 
nädjfte  3a§r  im  Toffrjaufe  31t  fein ! 

SBortreffliäje   Uftoral:    ©d)roacr)Ijeiten   burdj   Safter   ner 
meiben  leb  reu ! 

:■: 

His  father  was  as  obscure,  as  his  mother  publick: 
every  body  knew  her,  and  no  body  could  guess  at  him. 

* 

Qn  bem  groeiten  2(fte  läfet  ber  Siebter  uerfebiebene  $per= 
fönen  ftumm  über  ba§  ^fjeater  gef)en,  bie  gang  unb  gar 
feine  SBerbinbung  mit  bem  <Btüde  |aben,  blojj  in  ber  9(bfid)t, 
burcr)  ben  ÜDhtnb  bes  33eaugarb  unb  Gourtine  einige  ftarte 
(ifjaraftere  31t  fdnlberu.  Söenn  es  ber  Drt  bes  StücfS  erlaubte, 
g.  Q.  roenn  ber  Ort  eine  Strafje  ift  unb  fidj  bie  anbern  Um= 
ftänbe  bagu  fdjid'en,  fo  moffte  \d)  e3  einem  3Mdjter  gern  er- 
lauben, erjer  31t  biefem  $unftgriff  feine  3nflucr)t  31t  nehmen, 
aU  eine  ober  mer)r  teere  ©genen  311  machen. 

Prahlereien  gmeier  ©ifenfreffer  im  4.  2Xft. 

Ah  Bloody  Bones !  Ah,  when  thou  and  I  cornmanded 
that  party  at  the  siege  of  Philipsbourgh !  where  in  the 
face  of  the  Army  we  took  the  impenetrable  Half-Moon. 

Blood.  Half-Moon,  Sir!  by  your  favour  't  was  a 
whole  Moon. 

Fourbin.  Brother  thou  art  in  the  right;  't  was  a 
füll  Moon,  and  such  a  Moon,  Sir   — 


236  £>ramaturgtftf)e  ßntroürfe  unb  Fragmente. 

Sie  §etben  in  biejem  Stade  ftnb  gmei  abgebanfte  £)ffi= 
giere,  unb  bag  ©lücf,  bag  bei*  Stdjter  fie  madjen  lägt,  befielt 
barin,  baf$  ber  eine  einen  alten  Gljefrüppel  %\xm  §al)nrei  mad)t 
unb  ber  anbere  eine  giemlid)  gute  §eirat  tljut.  QeneS  $  bie 
§auptljanblung,  biefes  bie  dpifobe.  $n  ben  brei  erften  Sitten 
rjat  ber  Siebter  bie  „SRänuerfdjnle"  beg  SDtoliere  giemlid;  ge= 
plünbert.  Sie  grau  fdjidt  iljrem  Siebt)aber  burdj  ifyren  eignen 
9Diann  ©efdjenfe  unb  ^Briefe,  fo,  als  ob  fie  iljr  r>on  ityrem 
£iebl)aber  roären  gefdjtdt  morben  unb  fie  fie  itjm  btofc  mit 
Segeigung  ifyres  §afjeg  roieber  einljänbigen  laffen  trollte.  9tur 
ba£  man  bei  bem  9Jioliere  über  biefe  Sift  ladjen  unb  bei  bem 
Dtroan  fid;  barüber  ärgern  mufe;  meil  jener  fie  einem  um>er= 
heirateten  ungebunbenen  grauengimmer  beilegt  unb  biefer  fie 
einer  grau,  bie  burd)  bie  Ijeiligften  33anbe  gebunben  ift,  aug= 
üben  fäfct.  2öag  bort  ein  nergeblidjer  betrug  ift,  rotrb  l)ier 
gum  Safter.  SSenn  bie  ßnglänber  über  iljre  frangöfifdjen 
Originale  fo  endjerieren,  fo  bringt  eg  ifynen  wenig  @Ijre.  2lud) 
ber  letzte  gug,  ba  ber  £iebl)aber  bei  bem  äRoltere  für  tot= 
geprügelt  gehalten  wirb,  ift  oon  bem  ©nglänber  auf  eine 
ungeheure  &t  übertrieben  roorben.  Ser  eiferfüdjtige  ©Ijemann 
miß  ilm  burdj  3)teud;elmörber  aus  bem  Sßege  räumen  laffen. 
©ir  30II9  8umD^e  kartet  bag  Sing  fo,  bag  ftcf;  beg  SiebljaberS 
eigner  Sßebiente  oerftellterweife  bagu  mitt  braudjen  laffen. 
Siefer  nebft  einem  ©el)ilfen  werben  atfo  mit  bem  (Sljemanne 
beg  §anbelg  einig,  ©g  fjet^t,  fie  rjaben  iljren  9)iorb  oer= 
richtet  unb  ben  toten  Körper  in  beg  Sir  Sann  Sunce  (fo 
rjeigt  ber  Seemann)  §aug  getragen.  §ier  muß  ber  £iebr)aber 
ben  %oten  fpielen.  Sunce  ift  in  taufenb  Slengften  barüber. 
Qumble  gibt  ben  9?at,  ben  ©rmorbeten  in  ein  warmeg  SBette 
neben  bie  grau  gu  legen,  weldje  üerfudjen  folle,  ob  nodj  etwag 
Seben  in  ifmr  ift.  Siefeg  lägt  Sunce  gefdjeljen  unb  nod)  anbre 
Singe  meljr,  big  er  feine  §al)nreifd)aft  gewaljr  wirb,  inbem  er 
auf  eine  boshafte  2Beife  ben  sJJiorb  auf  Sumble  fdjieben  null. 

Ser  @f)arafter  beg  Sir  Solln  Qumble  ift  original.  Gin 
alter  23od,  ber  felbft  nid)t  meljr  fünbigen  fann,  aber  fid;  ein 
Vergnügen  baraug  mad)t,  @l)ebrnd)  unb  §urerei  gu  beförbern. 
Unb  nur  mit  §eiratgftiftungen  miß  er  burdjaug  nidjtg  gu 
tl)un  l)aben.    Sielje  bie  ©teile  im  4.  2l!t  p.  30. 

Beaugard.  Look  you,  Sir  Jolly,  all  things  consider'd, 
it  may  make  a  shift  to  come  to  a  Marriage  in  time. 

Sir  Jolly.  I'll  have  nothing  to  do  in  it,  I  won't 
be  seen  in  the  business  of  Matrimony;  make  ine  a  Match- 


2lu§jüge  cm§  Ctiuai;  unü  SBgdjerlet).  l'-'ü 

maker?  A  filthy  Marriage-Broker  ?  Sir,  I  scorn,  I  know 
better  things :  look  you,  Friend ;  to  carry  her  a  Letter 
from  you  or  so,  upon  good  Terms,  though  it  be  in  a 
church,  I'U  deliver  it ;  or  when  the  business  is  come  to 
an  issue,  if  I  may  bring  you  handsomely  togetber,  and 
so  fortb,  I'll  serve  tbee  with  all  my  soul,  and  thank  thee 
into  tbe  bargain,  thank  thee  heartily,  dear  Kogue ;  I  will, 
you  little  Cock-Sparrow,  faith  and  troth  I  will;  but  no 
Matrimony,  Friend,  I'll  have  nothing  to  do  with  Matri- 
mony,  'tis  a  damned  invention,  worse  than  a  Monopoly 
and  a  destroyer  of  Civil  Correspondence. 

^te  Sjene  im  4.  9(ft,  mo  bie  betben  »erftettten  9)?eudjel= 
mörber  mit  bem  2)unce  ben  £anbel  fdjttefsen,  ift  abfdjeulidj, 
unb  iljre  mörbrifdjen  Prahlereien  finb  fo  efel  als  gottlos. 
2)er  eine  [teilt  fid)  fogar  oor  ^Blutgier  rafenb  unb  faßt  in 
biefer  9ftaferei  2)tnge,  bie  man  oljne  ©djauet  unmöglid)  (jäten 
l'ann.  Sie  Ijatten  für  ben  3Jtorb  200  $funb  unb,  iljn  red)t= 
fdjaffen  au^uprügeln,  100  $funb  geforbert.    darauf  fagt 

Dunce.  What,  one  hundred  pounds  !  Sure  the  Devils 
in  you,  or  you  would  not  be  so  unconscionable. 

Bloody-Bones.  The  Devil?  where?  where  is  the 
Devil?  show  me ;  I'll  have  thee  Beel-Zebub,  thou  hast 
broke  thy  Convenant,  didst  thou  not  promise  me  eternal 
Plenty,  when  I  resign'd  my  soul  to  thy  allurements? 

Sir  Davy  Dunce.     Ah  Lord? 

Blood.  Touch  me  not  yet;  I've  yet  ten  thousand 
Murders  to  act  before  I  am  thine:  with  all  those  sins 
I'll  come  with  füll  damnation  to  thy  Caverns  of  endless 
Pain,  and  howl  with  thee  for  ever. 

tiefes  Suftfpiel  ift  gebrudt  gu  Sonbon  1695  in  4°  (acted 
by  His  Majesty's  Servants  at  the  Theatre  Royal,  the  third 
Edition).  2fuf  bem  %\td  fteljn  bie  $erfe  (auä  bem  3ftartial, 
voo  id.)  mid;  red)t  erinnere): 

Quem  recitas  meus  est,  o  Fidentine,  libellus; 
Sed  male  cum  recitas,  incipit  esse  tuus. 

Dljne  3nieiW/  oa6  Diroog  mit  ber  ^orftettung  nidjt 
alf^u  raol)l  aufrieben  geiocjen. 


238  2)rdmaiurgifd)e  ©ntroürfe  unb  Fragmente. 

The  Country-Wife, 

a  Comedy  by  Wycherley. 

1.  pr.  Üjorner.  &m  £urenl)engft,  mit  einem  SÖorte, 
ber  aber  oon  einem  Quadfalber  ausforengen  [ftfct,  bafj  er 
burd)  eine  unglücfltcbe  £ur  untüchtig  gemadjt  raorben,  blofc 
in  ber  2lbfidjt,  bie  Seemänner  befto  fixerer  unb  bie  grauen^ 
gimmer  wegen  be§  511  beforgenben  üBertuftS  il)re3  guten  Samens 
befto  unbeforgter  $u  machen.  £)er  Duadfalber,  ber  biefe  feine 
2Ibftd)t  nitfjt  gleidj  einfielt,  fagt:  and  you  will  be  as  odious 
to  the  handsome  young  Women,  as  — 

Horner.  As  the  small  Pox  —  Well  — 

Quack.  And  to  the  married  Women  of  this  end  of 
the  Town,  as  — 

Horner.  As  the  great  ones,  nay,  as  their  own 
husbands. 

Quack.  And  to  the  City  Dames  as  Annis-seed  Robin 
of  filthy  and  contemptible  Memory ;  and  they  will  frighten 
their  Children  with  your  name,  especially  their  females. 

2.  Sir  Jasper  Fidget. 

3.  My  Lady  Fidget. 

4.  Mrs.  Dainty  Fidget. 

©ir  Qa§per  ^at  bie  auggefprengte  ;ftad)rid)t  oernommeu; 
er  fommt  alfo  mit  feiner  grau  unb  Sdpefter  gu  §orner, 
fidj  näfjer  baoon  ^u  unterrichten,  unb  roeit  er  in  bem  ange= 
nommenen  2X6fcr)eu  be§  §orner§  gegen  ba§  grauen^immer, 
unb  befonberg  i$t  gegen  feine  grau  unb  6dnoefter,  bie  93e= 
ftätigung  51t  finben  glaubt,  fo  trägt  er  fein  Söebenfen,  fie 
beibe  bem  §orner  anguüertrauen  unb  il)tn  ben  3u9anÖ  m 
fein  $au$  unb  alle  mögliche  $ertraulid)teit  barin  anzubieten. 

5.  Mr.  Harcourt. 

6.  Mr.  Dorilant. 

greunbe  be§  §orner,  bie  ifjn  gleichfalls  auf  bie  au3ge= 
fprengte  9?ad)rid)t  befudjen  unb  betten  er  glauben  mad)t,  baj$ 
eg  ilmt  red)t  angenehm  fei,  auf  biefe  Söeife  oon  bem  toeib= 
liefen  ©efdjledu"  unb  ber  Siebe  gefd)ieben  511  fein. 

Horner.  Well,  a  Pox  on  love  and  wenching.  Women 
serve  but  to  keep  a  Man  from  better  Company ;  though 
I  can't  enjoy  them,  I  shall  you  the  more,  good  fellowship 
and  friendship  are  lasting,  rational  and  manly  pleasures. 

Har.  For  all  that  give  me  some  of  those  pleasures, 
you  call  etfeminate  too,  they  help  to  relish.one  another. 


Shtäjüge  aito  Dtroag  unb  9Stjd)erlet}.  239 

Hör.     They  disturb  one  another. 

Har.  No,  Mistresses  are  like  Books ;  if  you  pore 
upon  them  too  mucli,  they  doze  you  and  make  you  unfit 
for  Company;  but  if  ns'd  discreetly,  you  are  fche  fitter 
for  conversation  by'em. 

Dor.  A  Mistress  shou'd  be  like  a  little  Counlry 
Retreat  near  the  Town,  not  to  dwell  in  constantly,  but 
only  for  a  night  and  away;  to  taste  the  Town  the  better, 
when  a  Man  returns. 

Hör.  I  teil  you,  'tis  as  hard  to  be  a  good  Fellow, 
a  good  Friend  and  a  Lover  of  Women,  as  'tis  to  be  a 
good  Fellow,  a  good  Friend  and  a  Lover  of  Money  etc. 

7.  Mr.  Sparkish.  ©in  feidjtgläubiger  9ßarr,  bei-  mit 
aller  G5eroatt  ben  milbigen  $opf  fpielen  miß  unb  befonberS 
ben  ^arcouri  für  feinen  guten  Aveunb  I)ä(t,  melier  ifjn  bod) 
beftänbig  jum  beften  §at.  Qv  befudjt  ben  §orncr,  gleichfalls 
megen  be§  ausgefprengteu  ©erücfjtö,  unb  nriU  ifyn  auf  feine 
2lrt  beämegen  fdjrauben. 

8.  Mr.  Pinchwife.  2)iefer  ift  nun  ber,  raeldjer  fid;  auf 
bem  Sanbe  eine  grau  au§gefud)t  l)at,  am  A-uxdjt,  eine  aug 
ber  Stabt  möchte  tr)n  gum  §a^nret  machen,  ©r  ift  ben  ^£ag 
uorljer  mit  feiner  grau  in  bie  Stabt  get'ommen  megeu  eineg 
$ro§effe§  unb  megen  ber  Verheiratung  feiner  (Edjmefter.  Gr 
mar  aud)  mit  feiner  grau  beg  %ac(§>  norljer  fdjon  in  ber 
^omöbie  gemefen,  unb  fo  fefjr  er  ftd)  bafelbft  aud)  mit  ibr 
»erborgen  gehalten  f)atte,  fo  Ijatte  ifjn  §orner  bod)  bemerft, 
morüber  $ind)mife  fdjon  (jaflj  rafenb  rairb,  roeit  er  meif},  ma3 
§orner  für  ein  peiftg  ift  unb  bie  auägefprengte  ;ftad)rid)t  oou 
feiner  UnfaFjtgfett  nodj  utdjt  gehört  Ijat. 

Methinks  wit  is  more  necessary  than  beauty ;  and 
I  think  no  young  Woman  ugly  that  has  \t;  and  no 
handsome  Woman  agreeable  without  it. 

Pin.  'T  is  my  maxim,  he's  a  Fool  that  marries, 
but  he's  a  greater  that  does  not  marry  a  Fool ;  what  is 
wit  in  a  Wife  good  for,  but  to  make  a  Man  a  Cuckold? 

Hör.     Yes,  to  keep  it  from  his  knowledge. 

9.  Mrs.  Margery  Pinchwife.  tiefes  nun  ift  bie  $er= 
fon,  Bon  metdier  bao  Bind  bie  ^Benennung  füljrt.  Einfältig, 
oljne  ßr^ie^ung,  olme  2Se(t,  unb  bie  iljren  9Jianu  nur  liebt, 


240  3)rainaturgi[d;c  ©ntnntrfe  unb  Fragmente. 

weil  fie  big  x\)t  nod)  feinen  gefeljen  fyat,  ben  fie  lieber  lieben 
mödjte. 

10.  Mrs.  Alithea.  SDte  ©dpefter  be§  ^indjroife,  weldje 
mit  ©parftfljen  oerfprodjen  ift.  (Sin  granengimmer  t>on  freier 
©rjie^ung  unb  gleidnool)l  oon  tugenbljafteren  ©eftnnungen  als 
2Jfo§.  Sftargern,  toeldje  ifyren  Wlaxrn  in  aller  ßtnfalt  §nm  §af)nrei 
madjt.  ©ie  t)atte  fid;  ba§  erfte  9Jlal,  ba  fie  in  ber  föomöbie 
gemefen  mar,  fdion  in  bie  Sdjaufpieler  nerliebt.  ©ie  w'\U 
begraegen  nüeber  Ijingeljen,  unb  ba  iljr  ber  Tlann  bie  ©efaljr 
oorftellt  unb  ifyr  entbedt,  baft  fid)  fd)on  bag  erfte  SJial  ein 
9ttann  (§orner)  in  fie  rerliebt  Ijabe,  fo  wirb  fie  nod)  neu= 
gieriger  unb  null  mit  aller  ©eraalt  miffen,  roer  eg  fei,  ob  er 
artig  fei,  unb  bergleidjen. 

Mrs.  Pinch.  Well,  but  pray  Bud,  let's  go  to  a  Play 
to  night. 

Mr.  Pin.  'T  is  just  done,  she  comes  from  it;  but 
wliy  are  you  so  eager  to  see  a  Play? 

Mrs.  Pin.  Faith,  Dear,  not  that  I  care  one  pin  for 
their  talk  there ;  but  I  like  to  look  upon  the  Player-men, 
and  wou'd  see,  if  I  cou'd,  the  Gallant  you  say  loves  nie; 
that's  all  dear  Bud. 

£>a  enblid)  5Rr§.  ^indjmife  barauf  beftel)t,  baf$  fie  wenig; 
ftens  auggeljn  will,  fo  entfdjlieftt  fid)  ber  9Jiamt,  fie  aig  5D?anng= 
perfon  gu  oerfleiben  unb  fie  für  iljren  trüber  aug$ugeben. 


4. 

ghttertorijmtö  im  ^tfli00  —  Cljflr  —  Jifupubtrrte 
§  idjirr  —  grlikntep* 

Unterbrechung  im  Dialog. 

Maxx  bemerft  fie  burd)  Striae  ober  fünfte,  meldte  bie 
^ranjofen  points  poursuivans  nennen. 

2)ie  untevbrodjne  Lebensart  mufj  allezeit  $u  füllen  unb 
leidjt  $u  fidlen  fein,  wenn  mau  bie  gigur  bem  Söefen  ber 
(Bafyt  §ufd)reiben  foll  unb  nidjt  ber  35equemlid)t'eit  ober  2Ser= 
legenfyeit  beg  3)id)terg. 

Voltaire  fagt  (au  comment.  sur  le  Comte  d'Essex, 
Act.  III.  Sc.  2.):  C'est  une  tres  grande  negligence  de  ne 
point  finir  sa  phrase,   sa  periode,   et  de  se  laisser  inter- 


Unterbrechung  im  S)iaIog  ic.  211 

rompre,  surtout,  quand  le  personnage,  qui  mterromt,  est 
un  subalterne,  qui  manque  aux  biens£ances  en  coupanl 
la  parole  ä  son  superieur.  Thomas  Corneille  est  sujel 
ä  ce  defaut  dans  toutes  ses  pieces. 

303er  fraßt  nad;  ber  SÖBoIjfanftcmbtgfeit,  roenu  ber  2lffeft 
ber  Sßerfonen  co  erforbert,  bcvjj  jte  unterbrechen  ober  fiel) 
unterbrechen  laffen? 

Ta  bat  §ome  bie  roatjren  ©djönfjeiteu  be§  Dialogs  bcjjcv 
gefannt.  „Kein  ,~ycr)Icr  ift  getöötjnlidjer/'  fagt  er,  ©rb.  ber 
Er.,  %.  III.  ©.  311,  „als  eine  Siebe  nodj  fort$ufe$en,  roenn 
Die  Ungebulb  ber  Sßerfön,  an  bie  fie  gerichtet  ift,  biefe  treiben 
müfjte,  bem  Siebenben  ins  ©ort  fa  fallen.  üÖtan  ftelle  fiel) 
uor,  roie  ber  ungebulbige  2d)anfpieler  fidj  inbes  gebärben  mujj. 
Seine  Ungebulb  burdj  heftige  mtton  ano,uibrüci'en,  ebne  bem 
9ftebenben  ins  ©ort  311  fallen,  mürbe  unnatürttdj  fein;  aber 
audj  feine  Ungebulb  311  oeruehjen  unb  faltfinnig  31t  fdjeinen, 
menn  er  entflammet  fein  follte,  ift  uict)t  weniger  unnatürltd)." 


£  b  0  r. 

3n  ben  alten  £ragöbien. 

Unter  ben  neneften  englifdjjen  Siebtem,  welche  tfjn  roieber 
einzuführen  gefndt,  l)at  befonbers  SJtafon  oerfdjtebne  33er 
fudje  gemadjt.     3)er  erfte  mar  feine  Glfribe,   bie  id)  fjabe, 
wie  er  in  ben  porgefe^ten  Briefen  3itgleidj  bie  Urfadjen  am 
gibt,  warum  er  in  biejer  alten  93ianier  fcljreiben  mollen. 

©er  jroeite  ift  fein  6a r actacut  (a  Dramatic  Poem), 
ber  1759  beransfam.  53ei  (Gelegenheit  biefes  le$tew  machen 
bie  SSerfaffer  be§  Month.  R.  (Vol.  XX.  p.  507)  gegen  bie 
eingebildeten  Vorteile  bes  (Ef>orö  feljr  pertinentc  Slnmertnngcn, 
befonbers  über  bie  groei :  1)  baft  er  läufigere  ßelegentjeit  m 
poetifdjen  Sdjönbciten  gebe,  unb  2)  baft  er  bas  angenelnnftc 
unb  fdjidtidjfte  Mittel  fei,  bem  3ufdjauer  nüijltdje  Vebren  £>ei= 
jubringen.  Sic  merfen  311(015!  feljr  ioof)l  an,  bafj  SRafons 
Stitde  beffer  fein  mürben,  menn  fie  nidjt  fo  poetijd)  mären. 

Unftncüerte  T>icr]ter, 

ober  f 0 { er) e ,  bie  51t  ben  SBiffenfdjaften  ntdit  aufgewogen 

inorben. 

Meinrid)  3onc§/  ^ei'  3Serf  affer  be§  -Jcenen  Gffer, 
mar  ein  SJtanrer. 

Sejjing,  SBerfe.     XII  16 


242  ©ramaturgifäje  (Snttüürfe  unb  Fragmente. 

2)er  üßerf  afier  be3  englifdjen  D  l  i  n  b  e  u  n  b  ©  o  p  l)  r  o  n  i  o 
ift  ein  Sdjmieb  ober  (Stahlarbeiter. 

8n  ©nglanb  überhaupt  finb  bergleidjen  Seute  niemals 
feiten  geroefen,  bie  e§  otjne  Slnmeifung  nidjt  allein  in  ber 
s}>oefte,  fonbern  audj  in  anbem  2.\>ifjenfd;aften  bei  ben  nie= 
brigften  §anbwerfen  unb  fdjtedjteften  Umftänben  fe^r  weit 
gebradjt  l)aben.    2ll§: 

§einrid)  28  üb,  ber  um  1720  gu  Dgforb  bie  oriem 
talifdjen  Sprachen  lehrte,  war  ein  «Sdjneibcr  unb  unter  bem 
tarnen  beg  arabifdjen  ©dmeiberg  befannt. 

Robert  §ill,  ein  Sdjneiber  in  üBucfmgljam,  ^wifdjen 
bem  unb  bem  Italiener  5ftagliabecd)i©pence  1759  eine  parallele 
fdjrieb,  um  bie  2lufmerffamfeit  beö  ^ublici  ein  wenig  meljr  auf 
iljn  ju  ^ieljen  unb  wo  möglidj  feinen  Umftänben  baburd)  auf- 
zuhelfen. @r  jjat  Sateinifd),  ©riedjifd)  unb  §ebräifd)  oor  fid) 
gelernt.    (©.  beS  Month.  R.,  Vol.  XX.  p.  217.) 


Deltfateffe. 

©ine  all^u  ^ärtlicfye  Empörung  gegen  alle  Sßorte  unb 
Einfälle,  bie  nid)t  mit  ber  ftrengften  $ud)t  unb  (2d)aml)aftig; 
feit  übereinkommen,  ift  nid)t  immer  ein  93ewei§  eineg  lautern 
§erjen§  unb  einer  reinen  @inbilbung§fraft.  ©el)r  oft  finb 
ba§  oerfdjämtefte  Setragen  unb  bie  un^üdjtigften  ©ebanfen 
in  einer  Sßerfon.  %lux  weil  fie  fid)  biefer  gu  fer)r  beraubt 
finb,  nehmen  fie  ein  befto  ^üdjtigereg  Steujjerlidjje  an.  3)urd) 
nid)t<o  oerraten  fid)  bergleidjen  Seilte  aber  meljr,  al3  baburd), 
bafe  fie  fid)  am  meiften  burd)  b;°  groben  plumpen  SBorte, 
bie  bag  Un^üdjtige  grabe^u  auöbructen,  beleibiget  fiuben  laffen 
unb  weit  nad)ftd)tiger  gegen  bie  fcljtüpfrigften  ©ebanfen,  wenn 
fie  nur  in  feine  unanftößige  Söorte  gef'teibet  finb. 

Unb  gan$  gewift  finb  bod)  biefe  ben  guten  Sitten  weit 
nachteiliger,  weit  oerfüljrerifcfyer. 

•UJJan  Ijat  über  ba§  2Sort  §ure  in  meiner  -DJHnna 
gefdjrieen.  £)er  ©djaufpieler  l)at  e§  fid)  ntdjt  einmal  unter; 
ftefjen  wollen  gu  fageu.  3mmer$in,  l&)  werbe  e3  nidt)t  au& 
[treiben  unb  werbe  eS  überall  mieber  braudjen,  mo  id)  glaube, 
baj$  e3  l)ingel)ört. 

Slber  über  ©eiterten  feine  3weibeutigfeiten,  über  baS  oer; 
fdjobne  §al3tud)  unb  bergleidjen  im  Sog  in  ber  Sotterie 
ijat  fid;  niemanb  aufgehalten.  3ftan  lächelt  mit  bem  35er; 
faffer  barüber. 


3TuS  SKoKörcS  „Ärittl  bor  Ai-aucufcfjufc"  ic.  243 

©o  tft  eg  and)  mit  gtelbina,en  unb  »itd)avbfon  gegangen. 
S)ie  groben  plumpen  SÄuöbrttcfe  in  beS  erftem  xHnbremö  unb 
5t  om  vxsoneö  finb  fo  feljr  gemifjbilliget  roorben,  ba  Die  objcüncn 
©ebanfen,  meiere  in  bei  (ilariffe  nidjt  feiten  oorfommen, 
niemanben  geärgert  Ijaben.    ©o  urteilen  (Suglänber  jelbft.  *j 


5. 

gut*  Palürrs  „|uitik  &rr  Jrmtntfrljuk" 

unb 

©rubkte  „Essais  de  Litt,  et  de  Morale". 

La  Critique  de  FEcole  des  Femmes. 

Dorftnt?«  Sie  glauben  alfo,  mein  $err,  bafc  nur  bie 
ernftl)aften  ®ebid)te  finnreid;  unb  fdjön  finb,  unb  baft  bie 
fomijdjen  Stücfe  ^Irmfeligfeiten  finb,  bie  nidjt  baö  geringfte 
£ob  oerbieneu? 

llrmtift.  3$  tnemgftenS  benle  fo  ntdjt.  2)ie  Xragöbie 
tft  unftrettig  etmao  Schönes,  menn  fie  mol)l  beljanbelt  tft; 
aber  bie  Xlomöbie  [jat  iljren  sJtut$en  gleidjfattä,  unb  id)  l)altc 
bafür,  bafj  bie  eine  eben  fo  fdjön  tft  al$  bie  anbere. 

iionuttr.  (Etdjerlidj,  SDkbame,  unb  oielleidjt  mürben  Sie 
fidt)  nidjt  irren,  menn  Sie  faßten,  bafe  bie  föomöbie  nod;  ein 
wenig  fdjmerer  fei.  2)enn  Eur^,  grofjjpredjertfdje  ©ejinnungen 
auSgitframen,  beut  G3lüd:  in  Werfen  %xo%  511  bieten,  bao 
8d)idfal  anzufragen,  Säfterungen  gegen  bie  ©ötter  auo.^u- 
flogen,  finbe  id;  oiel  leidster,  al§  btö  &ädjerlid;e  ber  9ftenfdjen 
in  fein  gehöriges  Sidjt  gu  fernen  unb  un§  if;re  geljler  auf 


*)  Sic  SJctfaffet  bc*  Monthly  Review  (Vol.  XX.  p.  132),  toeitn  fie  [id)  bar« 
über  aufhalten,  bau  SRouffeau  bie  ßlariffa  für  ben  fdjünften  unb  befteix  Dioman 
in  allen  Sprayen  l)ält:  In  justice  to  the  memory  of  a  late  very  iugenious 
Writer,  we  caiinot  help  taking  notice  here,  how  frequently  we  have  beeu 
surprized  to  find  persons,  pretending  to  delicaey,  so  rauch  offended  at  the 
coarse  expressions  they  meet  with  in  Joseph  Andrews  and  Tom 
Jones;  while  the  impure  and  obscene  thoughts  that  oeeur  in  Clarissa, 
have  not  given  them  the  least  umbrage.  We  would  ask  these  very  delicate 
persons,  which  they  think  of  worse  tendency,  a  coarse  idea,  expressed  iu 
vulgär  language,  in  itself  disgusting,  er  an  idea  equally  luscious  and  im- 
pure conveyed  in  words  that  may  steal  on  the  affections  of  the  hoart 
without  alarming  the  ear?  On  this  occasion  we  cannot  forbear  exclaming 
with  the  confidous  Mrs.  Slipslop:  „Marry  come  up!  people's  ears  are 
sometimes  the  nicest  part  about  them.-  Clnie  gtoeifel  jagt  bau  Slipflop 
in  irgenb  einer  englijdjen  ßomöbie;  aber  es  ift  uom  sJJioliere  entlehnt  aus  feiner 
ßritif  ber  SÖeiberfcbule. 


244  Sramahtrgtfdje  ©littöürfe  unb  Fragmente. 

eine  angenehme  2Öeife  auf  bem  Sweater  oor  9(ugen  $u  brin- 
gen. 28enn  ©te  §elben  fdjilbern,  fo  machen  (Sie,  raa§  ©ie 
rooITen,  e3  jtnb  ©efid)ter  nad)  ©utbünfen,  oon  raeldjen  man 
leine  3(el)nlid)leit  oerlanget;  ©ie  brauchen  nur  bie  ßüge  au§= 
gubrütfcn,  auf  bie  ©ie  eine  angefpannte  (Sinbilbungglraft 
bringet,  bie  ntdjt  feiten  mit  g(ei|  oa§>  2Ba!jre  oerläfjt,  um 
ba3  Söunberbare  31t  erljafdjen.  SCber  tüenn  ©ie  Sftenfdjen 
malen,  fo  miß  man,  bafc  biefe  ©emälbe  gleiten  follen;  ©ie 
baben  fdjledjterbingg  nidjtö  geleiftet,  wenn  man  nidjt  unfere 
^eitoermanoten,  fo  rate  fte  rairtlid)  finb,  barin  erlerntet.  Mit 
einem  Söorte,  in  einem  ernftfjaften  ©tüde  ift  e3  genug,  um 
alten  %abel  gu'nermetben,  raenn  man  nur  ctraa§  Vernünftiges» 
fagt  unb  e3  gut  auöbritdt.  §iermit  aber  ift  es>  in  ben  anbern 
©tüden  ntdjt  getrau;  ba  foll  man  fdjergljaft  fein,  unb  raa§ 
für  ein  fi$lidje§  Unternehmen  ift  e§,  oernünftige  Seute  51t 
(adjeu  311  machen. 


Grüblet. 

Tlan  nimmt  e3  mit  ben  ^omöbien  raeit  genauer  als  mit 
ben  STragöbien.  3J?an  lann  einen  oerftänbigen  9Jlamt  raeit 
tetdjter  rüljren,  raeit  letzter  fogar  meinen  inadjen,  alsl  6e- 
luftigen  unb  güm  Sachen  bringen.  2)a3  §er$  läfjt  ftd)  gu 
ben  Regungen  raillig  finben,  bie  mau  in  tljm  erraeden  raitl; 
ber  2ßtt3  hingegen  oerraeigert  fid)  geraifjermafjen  bem  ©djer^ 
fjaften.  @g  fdjeint,  baft  eö  unfere  ÖSitelfeit  raeit  meljr  Iränlen 
raürbe,  am  unredjten  Orte  geladjt,  a(§  olrne  Urfadje  geraeint 
in  Ijaben.  S)a§  erfte  geiget  oon  2)ummfjett  unb  ba§  anbre 
nur  oon  ©d;raad)l)eit,  unb  biefe  ©djraadjfyett  felbft  fe$t  eine 
3Irt  oon  ©üte  oorauö. 


PT 

2396 
M 

1882 
Bd.  12 


Lessing,  Gotthold  Ephraim 
Samtliche  Werke 


PLEASE  DO  NOT  REMOVE 
CARDS  OR  SLIPS  FROM  THIS  POCKET 

UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 


i|