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Full text of "Sämtliche Werke Bd. 2. Maria Magdalene : Ein Trauerspiel in Sizilien [u. a.]"

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ITHE NEW YORK 
PUBLIC LIBRARY 


DeYI de) re 
2228 ‘d 
ASTOR, LENOX AND 


TILDEN FOUNDATIONB. 
R 1901 L. ı 





Hebbel. Sämtliche Werke. 





Friedrich Hebbel. 


Sämtlide Werlke. 


Hiſtoriſch⸗kritiſche Ausgabe 
bejorgt von 


Richard Maria Werner. 





Berlin. 
B. Behr’? Verlag (E. Bol). 
Stegligeritr. 4. 


— 
. 


9 





Friedrich Hebbel. 
Sämtlide Werke. 


Zweiter Band. 


Dramen IE (1844—1851). 
r 
Maria Magdalene. — Ein Tranerfpiel in Sicilien. — 
— Julia. — Herodes nnd Mariamne. 





Berlin 1901. _ . 
B. Behr’s Verlag (E. Bol). 
Stegligerftr. 4. 


zu 









LEnOX AND 
-OUNDATION® 
1901 


Alle Reäte vorbehalten. 











Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Einleitung des Herausgebers........ ... VII 

IV. Maria Magdalene. 2 2 22 ne VII 

V. und VI. Ein Trauerſpiel in Sicilien und Sulia.. XXI 

VO. Herodes und Dariamne . . . 2. 2 2 2... XXXVII 
Maria Magdalene. Ein bürgerliches Trauerſpiel in drei Acten 

EA) ...... . .. ... ... . .... 1 

Ein Trauerfpielin Sicilien. Tragicomödie in einem Act (1851) 73 

Julia Ein Zrauerfpiel- in drei Ucten (1851). . -. ..... 123 

Herodes und Mariamne. Eine Tragödie in fünf Acten (1850) 195 

AUndang : >: 2: me 367 

1. Späne aus Maria Magdalene. . . . 2 2 222.0. 367 

2. Zu Heroded und Mariamne. . . . 2 368 

tesarten und Anmerkungen. . .. . 2.22 2200 . 369 

Maria Magdalene . . ». > 2 Er. 371 

Ein Trauerfpiel in Sicilien - - - >: 22200 nen 377 

Juliaaa.. 392 

Herodes und Mariamnmne.. 413 


Anhang... .. 475 





Einleitung des Herausgebers. 


IV. Maria Magdalene. 


Den lebendigen Ameifenhaufen, der in den Ritzen der Welt 
und des Staats nijtet, hatte Hebbel im Diamant darzuftellen 
beabjichtigt (Nachleſe I S. 221), mit den Mitteln der Komödie 
eine Aufgabe von ähnlicher Bedeutung wie jene der Tragödie zu 
löſen gefucht. Kaum aber war das Luſtſpiel fertig, als er neuerlich 
flagte (Tgb. I S. 250): „Nun ftehen mir wieder abſcheuliche Tage 
bevor . .... Ein need Werk (obgleich ſowohl Moloch, wie das 
bürgerfihe Trauerſpiel Klara ſtark in mir rumoren) läßt ſich 
wohl nicht jogleid;) wieder anfangen”... . Zwei Stoffe nennt er 
aljo, die ihn fchon lebhaft beichäftigten. Der Moloch ſollte die 
Wege verfolgen, die Hebbel mit der Judith und der Genoveva 
beichritten Hatte; war dort Judentum und Paganismus, hier der 
Gegenſatz im Chriftentum behandelt worden, fo follte jetzt das 
Weſen der Religion, die über das Individuum hinauswachſende 
Macht des pofitiven Glaubens in ihrem Werden zur Darjtellung 
gelangen, gleichſam die {dee jeder Religion jchlechthin. Aber 
Hebbel fürdhtete fih noch vor einer Vertiefung in dieje Drama, 
das fein Hauptwerk werden follte, in der Mitte zwiſchen antifer 
und moderner Dichtung gehalten; das Werk jollte entjcheiden, 
ob er eine große Tragödie dichten und der Zukunft einen Eckſtein 
liefern könne, darum wollte er e8 auch in ruhiger, ungejtörter 
Gemütdlage dichten (Tgb. I ©. 263). Nad) wie vor blieb feine 





vım Einleitung. „Maria Magdalene.‘ 


Lage unficher, vol Wirrfal und inneren Kämpfen. So feierte 
er feinen 29. Geburtötag, mußte ſich aber geftehen, daß er 
eigentlich erft jeit ſieben Jahren, feit feinem Weggang au? 
Dithmarjchen, in der Welt fei; was er in diefer Zeit als Künſtler 
geleiftet habe, übertreffe bei Weitem Alles, was er jemald zu 
hoffen wagte; es reiche an dad Maß jeiner Erkenntnis, und 
weiter fünne der Menſch nicht (Tgb. I S. 269). 

Nun tauchte der Plan auf, in Kiel eine Profejfur zu erlangen, 
was die Reife nach Kopenhagen nötig machte. Am 12. November 
1842 verließ Hebbel Hamburg, mit Empfehlungsbriefen für Kiel 
wie Kopenhagen, mit Geld durch Roufjeau und Campe verfehen, 
hoffend und doch zmweifelnd, bejonder8 nach den Außfünften, die 
ihm Brof. Olshauſen in Kiel gegeben hatte, ohne Zuverſicht. Die 
Profeffur, die jpäter Klaus Groth nach einem ähnlichen Bildungs- 
gang wie Hebbel zum Entjegen Karl Müllenhoffs in Kiel er- 
langte, ergab fich für Hebbel bald als Utopie. Krankheit gefellte 
ji Hinzu, um Hebbeld Stimmung noch zu verdüftern, und nur 
die Güte des edlen Oehlenſchläger hielt ihn aufredt. Zum 
Arbeiten fam er in dem Wirbel beitändiger Aufregungen nicht, 
doch bildete er den Stoff zu zwei Tragödien in ich au, zu 
„Fiat justitia et pereat mundus‘‘, von der wir größere Frag⸗ 
mente bejiten, und zum „Struenjee” (vgl. Bw. I ©. 112); er 
tröftete jich mit dem Gedanken: „ein Werk weniger — eine Gelegen- 
heit weniger, gemißhandelt zu werden.“ 

Als Hebbel nun aber am Freitag den 10. März; 1843 den 
Arzt rufen mußte, und die von ihm verordneten Tropfen im 
Leibe Hatte, da fing fein jo lange trodnes Gehirn Funken zu 
ſprühen an: hätte er einen Sefretär bei ſich gehabt, jo hätte er den 
ganzen erſten Act feiner Maria Magdalene dictieren können. Doc) 
hielt er das Meiſte feit und jchrieb e& am 11. und 12. März 
auch zum Zeil fhon auf. „Mir geht es“, fett Hebbel im Brief 
an Elife (Bm. I ©. 127) hinzu, „wie Du weißt, immer jo, da 
mein inneres Leben in frankhaften Zuftänden nicht abnimmt, 





Außere Geſchichte der Entfiehung. IX 


jondern ji jteigert.” Am 15. fann er melden: „Ich ftede jetzt 
voll Poeſie, des Morgend im Bett fchreib’ ich regelmäßig an 
meiner Tragödie fort und fie nimmt zu, aber nur nach und nad, 
wie eine magere Kuh fett wird“. Und bald darauf meint er: 
„Höchſt gefpannt bin ich, wie jid) mein Meifter Anton im Trauer» 
jpiel weiter entwideln wird, bis jet iſt's ein prächtiger Kerl. 
Die Poeſie regt fich bei mir doch immer wieder.” Sonntag den 
26. März kann er berichten: „Der erite Act [der Klara] ift fait 
fertig und mir gelungen, wie je etwa. Der Meifter Anton, 
ein Held im Kamiſol, der, wie er fagt, die „Mühliteine 
a8 Halskrauſen trägt, jtatt damit ins Waſſer zu gehen“, 
gehört vielleicht zu meinen höchſten Geſtalten. Es wird wieder 
eine neue Welt, fein Pinfelitrich erinnert an die vorher von mir 
geihafienen beiden Stüde; ganz Bild, nirgends Gedanke, 
aber in legter Wirkung, wenn mid) nicht Alles trügt, von 
niederihdmetternder Gewalt, bei alledem fogar voll von 
Verjöhnung, aber freilich nicht zur Befriedigung des fritifchen 
Pöbels. Mic ſelbſt erjchüttert dieſe Klara gewaltig, wie jie 
aus der Welt heraus gedrängt wird”. (Bmw. IS. 132). Hatte 
Hebbel aud) den Tag, an dem er dreißig Jahr alt wurde, forgen- 
voll verbracht, bald kamen frodere Nachrichten, die frohfte brachte 
am 4. April Nachmittags „der alte herrliche Oehlenſchläger“, 
die Gewißheit, daß der König für zwei Jahre das Keifeftipendium 
mit 600 Rthlen. bewilligt habe. Neuer Mut zog in die Seele 
des einſamen Dulderd, er hatte den Hammer in die Hand be- 
fommen, um ſich das Daſein zurecht zu ſchmieden; zwei ſorgen— 
freie Jahre ſtanden ihm bevor, vielleicht ſogar noch ein drittes, 
wie Dehlenfchläger meinte. Er dachte an Paris und Stalien, 
zunächſt freilich an Berlin. E3 Hang ihm wie ein Märchen: 
„Friedrich Hebbel und 1200 rthl., wer hätte gedacht, daß fie 
mals zujammen kommen könnten? Es ijt ein größeres Wunder, 
wie mit Mahomet und dem Berge” (14. April 1843 an Efife, 
ungedrudt). Er hätte fo glücklich jein fönnen, der Rheumatismus 





X Einleitung. „Maria Magbalene.“ 


forgte für den Wermut, und arbeiten konnte er nicht, dazu war 
er infolge der Krankheit zu ſchwach. 

Am 27. April verließ Hebbel Kopenhagen, war am 28. 
Abends in Hamburg, am 1. Mai jchloß er den eriten Act von 
„bürgerlichen Trauerſpiel“ (gb. I ©. 318). Nun Hören wir 
längere Zeit nicht8 von dem Drama. Hebbel fchrieb feine Er- 
widerung gegen Profeſſor Heiberg, die er am 31. Juli beendigte; 
ber Sommer erwies fich wie immer ungünjtig. Anfangs September 
reilte der Dichter nach Franfreih und verlor zuerit in Saint 
Germain en Laye Beit, Geld und Stimmung, ohne zur Arbeit 
zu fommen. Endlid am 28. September zog er nad Paris, und 
jofort begann ſich fein geiſtiges Leben zu regen; er ſchloß eine 
ſchon in Hamburg begonnene Scene der Maria Magdalene, wie 
er da8 Stück jebt nennt (Bw. I S. 174), vollendet am 
17. October den zweiten Act, dichtet weiter, während in Hamburg 
fein Söhnchen mit dem Tode rang. Der ahnungslofe Vater 
erfuhr erſt am 22. October, daß am 2. October, dem Todes⸗ 
tage jeined Freundes Emil Roufjeau, fein Max geftorben fei. 
Hebbel3 Schmerz überftieg alles Maß; zum Glüd aber war das 
bürgerliche Zrauerjpiel bis auf zwei Scenen bereit3 fertig, ſo 
daß Hebbel feinen Einfall doch nicht ausführen und dad Werk 
als Todtenopfer für fein Kind unvollendet lafjfen konnte Woher 
auch „gleich ein neues Werk nehmen, und für die Eriftenz muß 
etwas gefchehen, man muß fchmieden an der Kette, jo lange man 
fie trägt.” Das Stüd ſchien ihm jehr gelungen, zu einer Höhe 
gejteigert, die er kaum ahnte, als er anfing. Dabei durdaus 
theatraliich. „Wenn fie dad nicht aufführen, jo weiß ich nicht!“ 
(Bmw. 16.181). Auch am 6. November Hatte er den Weg zu 
feiner Tragödie noch nicht zurüd gefunden, obwohl die einzige 
fehlende Scene im Kopf längſt ausgearbeitet war, doch beſchloß 
er „mit dieſem Stüd nun alle mögliche Verjuche zu machen, 
zunächſt in Berlin“. Er ſchrieb an Kijting, gab aber Auftrag, 
wenn ſich die Erelinger durchaus fühl und ablehnend verhalte, 


Außere Gefchichte der Entftehung. XI 


ihr feinen Brief nicht zu zeigen (an Elife 6. November 1843 
ungedrudt),. Schon am 25. November kam die Antivort, daß 
Madame Crelinger dem Trauerſpiel mit Verlangen entgegen- 
jehe; „nun muß es denn fertig werden !" (Tgb. IT S. 37). Er 
nahm ſich mit Gewalt zufammen, fein Geiſt gab die lebte Scene 
heraus, und am 4. Dezember 1843 ſchloß er fein viertes Drama 
„Ein bürgerliche Trauerfpiel“ und las es am Abend desfelben 
Tages aus einer wunderfchönen Abjchrift, auf Poſtpapier von 
feiner Hand gefchrieben, Dr. Bamberg dor, der gleich in den 
innerften Mittelpunct eindrang und den Dichter durch feine Be- 
mertungen erfreute. Am 12. Dezember ging dad Manufcript 
nad Berlin ab mit einem furzen, aber vieljagenden Empfehlungs- 
brief an Augujte Erelinger verſehen (Bw. I ©. 159f.). Diefe 
jedoch äußerte fofort ihre Bedenken, Die Hebbel in feinem Schreiben 
vom 23. Januar 1844 (Tgb. II ©. 68 ff.) zu zeritreuen fuchte; 
eine Zeit ſchien es, als ob das Drama doc aufgeführt werden 
fönnte, am 16. Mai gab ihm ein Brief der Erelinger und eine 
lithographierte Zufchrift der Intendanz die Gewißheit, daß es 
wieder nichts ſei. Darum entſchloß er fich zur Drucklegung und 
verhandelte mit Campe, nachdem Cotta höflich abgelehnt hatte. 
Er fhrieb die Vorrede zu dem Stüd, die Campe ein Manifeit 
nannte, machte in Kopenhagen die nötigen Schritte, weil er das 
Werk dem König widmen wollte, fo verzögerte fich der Abſchluß 
immer wieder. life mußte verfchiedene Änderungen und bie 
Scemeneinteilung beforgen, vom Vorwort befam Hebbel die 
Correctur nach Paris, neue Verzögerung. Zür die Abfaffung 
der Dedication blieben nur wenige Tage, fo daß fie „metaphyfiich, 
alſo jhlecht“ (Bw. I ©. 242) ausfiel, endlih Sonntag den 
22. September 1844 erhielt Hebbel in Paris das gedrudte 
Stid; am 26. trat er die Reife nad) Italien an und fuhr am 
3. October, Abends zwilchen 8 und 9 Uhr, in Rom ein. 

In Kopenhagen begonnen, in Paris geendet und, wie wir 
binzufegen können, in München erfunden, fo international ijt das 





XII Einleitung. „Maria Magdalene.“ 


Stück entſtanden, das wie fein anderes von Hebbel in die engſte 
Verhältniſſe des deutſchen Bürgerſtandes hineinführt. Se 
Münchner Königsgarten „dort unterm Tannenbaume ſah i 
den Tiſchlerſohn“ (Ein Geburtstag auf der Reiſe), die eri 
Spur begegnet im Tagebuch Ende Februar 1839 (1 S. 1537. 2 
„Durch Dulden Thun: dee des Weibed. — Klara dramatiid- 
Diefe Nachricht kommt etwas überrajchend, da ſich nichts Vorher: 
gehendes, weder im Tagebuche noch in den Briefen an Eliie 
darauf beziehen läßt; man möchte vermuten, daß Hebbel an eine 
Novelle „Klara“ gedacht habe, von der wir aber nichts wifjen. 
Über die Fabel des Stückes fchreibt Hebbel am 23. Februar 
1863 Engländer (Bmw. II ©. 188): „Der Marin Magdalena... 
liegt ein Vorfall zu Grunde, den ih in München ſelbſt erlebte, 
als ich bei einem Zijchlermeijter, der mit Vornamen ſogar Anton 
hieß, wohnte. Sch jah, wie daS ganze ehrbare Bürgerhaus id 
verfiniterte, ald die Gensd'armen den leichtiinnigen Sohn ab⸗ 
führten, es erjchütterte mich tief, als ich die Tochter, die mid) 
bediente, ordentlid wieder aufathmen ſah, wie ich mit ihr im 
alten Ton jcherzte und Poſſen trieb.“ 

Ende September 1838 war Hebbel zum Zijchlermeijter 
Anton Schwarz in der Lerchenjtraße Nr. 45 gezogen, hatte jedoch 
ihon lange vorher daß Herz der naivſinnlichen Beppi gervonnen. 
Ihren Namen zeichnete fie in Dezember 1836 an einer Stelle 
jeined Tagebuches ein, doch begegnet einer ihrer hübjchen Aus— 
ſprüche ſchon im September (Tgb. I S. 34 ungedr.). Gegen 
Schluß des Jahres Hatte fie ihm Gejtändnijje gemacht, deren 
Inhalt ihn nur ihre große Aufrichtigfeit vergeſſen machen konnte 
(Zgb. vom 1. Xanuar 1838 ungedr.). Wir erfahren am 9. Januar 
(ungedr.) Näheres, wenn Hebbel von Beppi jchreibt: „Sa wohl, 
Du armed Kind, bit Du zum Unglüd geboren! Erſt mußt Du 
an den geraten und nun... An jenem Sonntag-Abend |25. De- 
zember 1837], wo Du mir die Gejtändniffe machteſt, war es 
wohl menjchliher Kraft unmöglich, jedes bittre Gefühl auf 


i 
| 








Innere Geſchichte der Entitehung. XIII 


einmal zu unterdrücken und Deine aus dem tiefſten Herzen 
tommende Bitte: „ach Gott, verzeih's mir“, zu gewähren. Da 
in der größten Aufregung geht fie zu Haufe und trinkt, glühend 
in jeder Ader, den falten Tod herunter; „mit und — glaubt’ 
ich — iſt's ja doch vorbei, mir ift fein Glück beitimmt, fo will 
ih denn auch nicht länger leben!“ Heut jagt ſie mir, fie fpeie 
Blut.” Ä 

Da Hätten wir nun zwei Sauptmotive des bürgerlichen 
Trauerſpiels beifammen: die Verhaftung des Sohnes, die Ver—⸗ 
führung der Tochter und den, freilich nur verfuchten, Selbitmord 
des Mädchens, da fie feine Verzeihung vom Geliebten erhält. 
Auch Ihon aus der Münchner Zeit, vom März oder April 1837, 
tammt der Satz (Tgb. I ©. 57): „ES giebt feinen ärgern 
Tyrannen, als den gemeinen Mann im häuslichen Kreiſe“; und 
darin erfennt man leicht den Grundriß zum Meifter Anton. 
Es wäre nicht unmöglich, daß Hebbels geplanter Roman „Der 
Bhilitter“ eine Vorjtufe zu unferem Drama geweſen fei. „Geno— 
veva*, „Diamant“ und „Maria Magdalene” hätten demnad) fo 
yemlih zur felben Zeit ihren Anfang genommen. Wenn wir 
der Münchner Gedichte „Verſöhnung“ und „An eine Ge- 
tallene* gedenken, fo ergiebt fich, daß jich Hebbel mit der Sühne 
für den Fall des Weibed, mit der Mutterjchaft, poetifch beichäftigte. 
Vie Erlebnifje der Hamburger Zeit kamen Hinzu; die Lage 
Eliſens, die mehrere ungedrudte Tagebuchitellen in ihrer ganzen 
ergreitenden Traurigkeit zeigen, mochte das alte Motiv wieder 
in den Vordergrund rüden. Zür feine „Dithmarjchen“ plante 
hebbel al Nebenmotiv das Verhältnis eined Mädchens zu ihrem 
Verführer, der fie verlafjen will; unter den Notizen zum Roman 
reift e&8 eine Bemerkung, ausführlicher ift feiner auf der Rüd- 
leite eine® Vorworts zur Gefchichte des Dreißigjährigen Kriegs 
gedaht. Aber einmal noch der Unterjchied zwiichen Klara und 
dem anderen Mädchen, daß diefe Schweiter der Jungfrau von 
Hohenwörder ihren Verführer geliebt hat, und dann, daß fie zur 





XIV Einleitung. „Maria Magdalene.“ 


Strafe für ihren Fall unter dem Eife ertränkt werden joll, was 
fie im Plan zum Drama als Sühne für die Schande ihrer 
Liebe freimillig hinnimmt. Noch eine Spur ded Stoffe begegnet 
uns bei Hebbel, ehe er an die wirkliche Bewältigung jchritt, in 
jeiner Kritik des Romans „Ernſt Maltraverd" (Tgb. IS. 241). 
Hebbel jkizziert eine Ausführung, an die Bulwer „al® Mann 
von Perjiand“ gar nicht dachte: „ALS Alice aus der Hütte 
jlieht, vertrieben durch die Mißhandlungen ihre® Vaters und 
die ärgeren eine? anderen Menſchen, müßte fie Durch den letzteren 
bereit3 entehrt worden jeyn und ein Rind empfangen haben. 
Nun das Verhältniß der erjten Liebe zu Ernſt und von Ernit 
zu ihr; dazwiſchen die fortrüdende Schwangerichaft, die ihn am 
Ende in der Unglücklichſten die Vermorfenite ihres Gefchlechts 
erblicken läßt.“ Deutlich Liegt diefer Skizze zu Grunde, mas Hebbel 
dann in „Maria Magdalene“ und in „Julia“ geftaltet Hat. 

So weit gelingt e3, die Elemente aufzuzeigen, die zu unjerem 
Drama gehören; vielleicht müßte man noch des Lenzifchen „Hof⸗ 
meijter8“ gedenken; (Tgb. I S. 138 ff.), denn 9. 2. Wagners 
„KRindesmörderin“ fcheint Hebbel nicht gefannt zu haben, was 
betont werden muß, weil ihn „ein Berliner Kunftrichter, Namen 
Voigt, in der Voſſiſchen Zeitung” (vgl. Nachleſe 1 ©. 215) de 
Plagiat3 an Wagner zieh und Gutzkow (Dionyjiud Longinu 
S. 75) diefen Vorwurf wiederholte. Wohl aber kannte Hebbes 
die Emilia Galotti genau und hatte fie in München eingehen» 
analytiert (Tgb. I S. 147— 152); er fannte ferner „Kabale un® 
Liebe”, jo daß auch diejer litterariichen Keime gedacht werden 
muß. 

Aber Alles dieſer Art vergißt man, wenn ſich Hebbels 
bürgerliches Trauerſpiel, Maria Magdalene“ mit ſeinem mächtigen, 
wie für die Ewigkeit gefügten Bau vor uns erhebt. Ein Stück 
Menjchenleben, ein gewordenes, fein erjonnenes, jehen wir, ein 
Schickſal von einfachjter Alltäglichkeit, aber der zivingenditen 
Tragif. Nirgendwo bleibt eine Lücke, alle Maujelöcher jind 





Aufbau. XV 


verftopft, wie ſich Hebbel außdrüdt, mit unübertrefilicher Con- 
iequenz folgt eines aus dem anderen, dad Edidjal aus den 
Umjtänden, die ſcheinbar zufälligen Verhältniſſe aus den Soarchuren 
und dad Weſen der Perſonen au ihrer Natur, ihrer Umgedung, 
ihrer Entwidelung, alle® aber aus einem Urgrund, den not= 
werdigen Bedingungen des fleinbürgerlichen Familien- und Staats⸗ 
lebend. Alltagstragif, aber Tragik von einer Großartigkeit, die 
ih getroft neben die Erhabenheit der Antike jtellen darf) 
Hebbel hat jich in den engiten Verhäftniffen gehalten, dad Er- 
drüdende dieſer Enge gezeigt, aus ihr die tragifchen Momente 
berausgeholt, aber zugleid ein typiſches Ganze gejchaffen, das 
ih von einem bedeutſamen Hintergrunde mächtig abhebt, ohne 
daß darauf im Werke felbit auch nur mit einem Worte hin= 
gedeutet würde. Der Dichter ſtammte ſelbſt aus den Gefellichaftd- 
\hihten, in Die er uns einführt, er hatte wohl fein eigenes 
Vaterhaus und das Heine Weffelburen vor Augen, da er die 
Belt feiner Figuren zeichnete. Die Erinnerung an die Münchner 
Verhältniffe verlieh dem norddeutichen proteftantifchen Weſen 
einen wärmeren Schimmer, jodaß jein Werk gerade in Eübd- 
deutfhlend, vor allem in Wien, eine Wirkung erzielte, wie fonjt 
nirgendwo, vecht zum Zeichen, wie wenig provinziell, wie deutjch, 
wie menfchlich die Conflicte jeined Dramas find. 

Hebbel felbft wäre jedoch unzufrieden, wenn fein Werf nur 
von der- jtofflichen Seite betrachtet würde, war er jid) doc) be= 
wuht, daß er’ mehr darin geboten habe. Friedrich Viſcher be- 
tonte fhon 1847 in den Tübinger Jahrbüchern die „analytische“ 
Technik dieſes Dramas. Man erinnert ji) aus den Briefen an 
Goethe, wie ſehr Schiller den Bau des Sophocleifchen König 
Dedipus bewunderte and fi) um einen Stoff bemühte, der ihm 
ein ähnliches Vorgehen ermöglicht hätte; fchließlich gab er «8 
mit der Bemerkung auf, jene® Drama fei feine eigene Gattung, 
es gebe wohl feine zweite Specied davon; „am allerwenigiten 

mirde man aus weniger fabelhajten Zeiten ein Gegenſtück dazu 


rgehende Wirkung beginnt. Hebbel bedarf fein 
an einer Stelle fommt eine Heine Beichte, 
aus Andeutungen, blidt und geheimnisvoll-F 
ı der Menſchen an, Vieles müſſen wir erı 
n, doch geht e8 aus den Reden der Auftret 
prungmweije die logiſchen Übergänge zwar verje 
notwendig ſich entwideln. So erfjcheint Hebbel 
ter für die Verfuche, die erſt ein Menjchenalt 
n und feinen Nachfolgern angeftellt wurden. 
„Maria Magdalene” iſt das knappſte S 
dem enthält es einen Reichtum an Stoff, 
Üfte Ausnutzung des Raums ein foldyes 2 
iven möglid“ machte. Mit geradezu verbi 
ungenheit wird alle® an jeinen Plaß gejtellt 
Boraudfegungen leicht und ficher vorbereitet 
vor allem die Krankheit der Mutter, ihren er 
der Geneſung, womit das Stüd anhebt. Ung 
ih daraus die Erpofition der Lage im Haufı 
ter, ungeziwungen folgt daraus eine weichere ( 
auch Meifter Anton einmal etwas aus ſich he 
einer offenen Ausſprache mit Leonhard fon 
idender wirkt dann die Nachricht vom Diebf 
fihe Tod der Mutter ericheint nicht mehr theatn 


Analytiſche Technik. XVII 


Verwickelungen. Naturgemäß wird Leonhards Benehmen mit 
jeiner Bewerbung um den Caſſiererpoſten motiviert, woraus ſich 
aber zugleidh die weitere Wendung feiner inneren Gemeinheit 
ergiebt. Alles Hat fo feinen triftigen Grund in der Vergangenheit 
und greift darum mühelos ein, wo es nötig iſt. Nur Ein Bunft 
wird auh von Bewunderern des Stüde® ald gezivungen und 
unnatürlid) getadelt, obwohl er der wahre Kernpunkt des Ganzen 
genannt werden muß: Klaras Fall. Man behauptet einfach, 
Hebbels Neigung, „aus der Liebe ein Problem zu machen“, trage 
Schuld an dem „unheilbaren” und „unentſchuldbaren led“ 
des Stüdes (Bulthaupt, Dramaturgie III S. 1277). Sehen wir, 
wie die Sache wirklich liegt. 

Klara war mit Friedrich aufgewachſen, Hatte zu ihm eine 
tiefe Neigung gefaßt, die er zu .erwidern ſchien. Nun bezog 
er die Univerjität und blieb Jahre lang fern, ohne weiter von 
ich Hören zu laſſen. Er rüdte durch fein Studium aus der 
Sphäre Klaras hinaus und ging in eine höhere Gefellichaits- 
IHihte über. An Nedereien und Sticheleien fehlt es der armen 
Nlara nicht, man fpottet ihrer, daß fie die Kinderei ernſt ge- 
nommen, die Mutter gejellt jich mit ihren gut gemeinten haus 
badenen Weisheitslehren Hinzu, ein beachtenswerter Freier 
Leonhard jtellt jich ein und wird von der Mutter begünftigt, 
während der Vater eine geheime Abneigung nicht überwinden 
kann. In Klara Kreifen gilt als Ziel der Mädchen die Ver- 
jergung durch eine möglichjt vorteilhafte Ehe; daß dabei die 
Liebe nicht immer eine Rolle jpielt, läßt ich nicht beitreiten. 
So erideint auch für Klara die Verlobung mit Leonhard als 
die Erfüllung ihres weiblichen Berufes. Sie hat nicht darnad) 
geitrebt, fie erleidet vielmehr die Verlobung, wie fie Die Ehe 
erleiden würde, wenn nicht alle8 anders käme. Allerdings trägt 
fie die Liebe zu Friedrich) im Herzen, aber doch nur im Unter- 
grund; die Zeit, der Schmerz, daß fie der Jugendgeliebte vergaß, 

heben jie mürbe und dadurd) den Wünſchen der Mutter und 
Hebbel, Werte II. Il 


r hält jich ihr ferne, da fie Braut it. Muß n 
aß nun alles aus jei, muß jie nicht Die 
derzen wieder auffeimende Liebe unterdrüden 
väre, noch zu Hoffen? Doppelte Empörung 
ınmer Öeliebten, wie gegen ſich jelbit, die no 
et fie in Verwirrung. Da naht Leonhar 
tlara wird die Seine, nicht weil ſie ihm liebt, 
larem Bewußtjein, vielmehr in einem uf 
Sinneövermwirrung, eigentlich in einer Art Will 
iebt ſich nicht Hin, jie erleidet nur das Weib 
eine Heldin, jondern cin Mädchen aus dem 
me ausgeklügelte Spipfindigfeit de3 nach Ung 
hauenden Hebbel zu erbliden, fcheint mir eı 
aben durchaus nicht3 Ungewöhnliches daran, in 
in jolche® VBorwegnehmen der ehelichen Recht: 
zuten vor der Vermählung zu den gebräudjlich] 
n Leben de3 niederen Wolfe. /Es iſt eine & 
ebbel jich ausdrüdt (Bw. IC. 157), ein Mint 
lara nennt er (Tgb. ILS. 69) ein unglüd! 
ht jowohl vom geraden Wege abweicht, als 
rausgedrängt und geitogen wird. Daran läßt! 
a3 Leonhard von ihr verlangt, ijt nach dem 
eltenden keinesweas unerhört: er ſtand mar i 








Klara. XIX 


Strafbare® in ihrem Verhalten; verläßt er ſie aber, dann ijt 
ſie eine Gefallene, eine Entehrte, wenigſtens in den Augen der 
Menſchen, die am Herfümmlichen hangen. ® 

Nun ändern jich aber plößlich die Verhältniſſe vollitändig: 

Karl wird des Diebjtahl® geziehen, fein eigener Vater ijt der 
ertte, der einen Verdacht gegen ihn äußert; die Mutter ſinkt als 
Yeihe um, Leonhard benußt den Vorfall als Vorwand zur 
Rüdnahme ſeines Wortes, nachdem ihn der Verluit von Klaras 
geringer Mitgift Ichon früher wankend gemacht Hatte. Meiſter 
Anton aber tritt vor Klara mit jeiner eifigen Drohung. Sa, 
und darin jcheint er mir nach Klaras Worten bei Empfang des 
Abjagebrief von Leonhard vollitändig Recht zu haben, er äußert 
ſogar einen directen Verdacht an Klara Unſchuld. Faſt wahn- 
innig jtürzt Klara bei der Toten nieder und leijtet einen 
Shwur, der zwar nicht dem vom Water geforderten entipricht, 
diefen aber beruhigt. „Ich ſchwöre Dir, daß ic Dir nie Schande 
machen will!” Damit beruhigt ſich Klara für den Augenblid 
ielbit, wenn jie auch noch nicht flar weiß, was ſie will. 

Dad Leben neben dem fi) immer mehr verhärtenden, ich 
und fie quälenden Vater ijt eine fortwährende heimliche Anklage 
fir Mara. Der Alte leiſtet feinerjeitd einen Schwur, den er 
gewiß halten wird, woran auch Klara nicht zweifeln kann: er 
will ji felbit töten, wenn ihm Sara Schande machen jollte. 
La betet die arme Verlaſſene zu Gott, er möge fie jterben Lafjen, 
aus Erharmen mit dem alten Mann. Kaufmann Wolfram bringt 
die Nahricht von Karla Unſchuld, Klara follte ſich freuen, aber 
Ne fann nichts denken als: „nun bift Du's allein! Und dod 
it mir zu Mut, als müſſe mir gleich etwas einfallen, das Alles 
wieder gut macht!” Eine Wendung zum Guten jcheint ſich mit dem 
Eriheinen des Sekretärs vorzubereiten. Dem Geſpräch folgt 
Klara zuerjt nur mit halbem Anteil, weil fie in jich hinein laufcht; 

plöglih) weiß fie, was jie thun muß: jie muß zu Leonhard; nun 
fie nit mehr die Schweiter eine Diebs ijt, muß Leonhard, 
II* 








XX Einleitung. „Maria Magdalene.“ 


wenn er nur kein Teufel iſt, alles wieder ins Alte bringe 
Allerdings wird ihr beim Anblick Friedrichs klar, daß fie nur die) 
liebe, fie geiteht es auch voll leidenfchaftliher Erregung, un 
Friedrich wirbt um fie. Da jprubdelt fie in wahnfinniger Ang 
heraus, was ihre Seele belaftet, ohne daß fie es bisher jemande 
gejtehen konnte. „Darüber kann fein Mann weg!“ lautet di 
harte Urteil des Mannes, das er freilich jofort für ſich 
corrigieren beginnt. Aber in Klaras Seele zittert e8 nach un 
findet ein veritärftes Echo; ſie ſelbſt kann nicht darüber hinwe 
ihre Schuld bindet jie an den Menichen, fie muß fein Me 
werden. Darum fleht fie ihn an; darum bettelt jie vor ih 
„beirate mich”, jegt freilich Hinzu: „nachher Dring mich um, i 
will Dir für das Eine noch dankbarer fein, wie für das Andere 
Aufrichtig auch hier, macht fie fein Hehl aus ihrem Gefühl, | 
hat nur den einen Wunfch: mac)’ mich ehrlich! Leonhard blei 
mit einem gewiſſen Recht bei feinem Nein, da taucht neuerli 
der Selbjtmordgedanfe in Klaras Seele auf. Der Tod ſchi 
ihr ohnehin begehrenswerter, al3 die Verbindung mit dem ve 
haßten Leonhard, aber erſt jeßt glaubt fie ein Recht auf Di 
Selbitmord zu haben; lieber will ſie fich dem Urteil des himn 
liſchen Vaters jtellen, al3 ihren irdiichen Bater zum SHaltı 
jeineg Schwurs zwingen. Meiſter Anton foll nicht von ihr 
Schuld erfahren, darum muß jie aus der Welt. 

So folgt ein Schritt nad) dem andern und aus dem andeı 
mit einer vernichtenden Gonjequenz; aud) das Ende ergiebt ji 
mit gleicher Notwendigfeit: eine Magd hat es gejehen, daß Kla 
in den Brunnen nicht gefallen, jondern hineingeiprungen i 
Sie wollte jid) für ihren Water opfern, aber vergebend. W 
er's nicht wert; daß ihre That gelang, oder — fie, wie Meift 
Anton, 613 zum Schluß ich ſelbſt getreu, Lehauptet? Darüb 
waltet fein Zweifel! 

Die Hormel für das Wejen jeined® Dramas hat Hebt 
jelbjt gefunden, wenn er an Elije jchreibt (Bw. IS. 190): aus d 


& 


Das bürgerlihe Trauerfpiel. XXI 


bloßen jpröden Einfeitigfeit, ohne Beimifchung des pojitiv-Böfen 
iſt die Schuld abgeleitet, alle Berfonen, fogar Leonhard, find im 
Necht, die Tragik erwächſt nur daraus, daß diefe Perjonen unter 
jolchen Verhältnifjen zuſammentreffen. Eine Tragödie abfoluter 
Motwendigkeit iſt entitanden, die allerding3 alles übertrifft, was 
big dahin im bürgerlichen Trauerfpiel erjchienen war. : ch jtehe 
nicht an, die Maria Magdalene jogar über „Kabale und Liebe“ 
zu itellen, weil Hebbel ohne jo unmahrjcheinliche Erfindungen, 
wie Luiſes Brief außreiht. Eloeſſer Hat in einem hübfchen 
Bude („Daß bürgerlihde Drama“ Berlin 1898) mit glüdlicher 
Hervorhebung des Wefentlichen den Hintergrund gezeichnet, von 
dem ſich Hebbels Wert abhebt, und dargetdan, wie ſich hier dag 
bürgerlihe Drama, einjt ein Organ des Emanzipationsfampfes, 
gegen dad Bürgertum jelbjt fehrt. Die Gebundenheit des Dajeins, 
von der Hebbel in feinem fo vielfach mißverjtandenen Vorwort 
zur „Marin Magdalene” jpricht, hält alle Perjonen gefangen. 
die Mächte des Lebens, wie es jich entwicelt hat, bezwingen 
die Menjchen, die Verhältniſſe jind jtärfer als die Individuen 
und nötigen ihnen einen Kampf auf, an dem jie äußerlich oder 
irnnerlich zu Grunde gehen. Nur die Coslöfung von diefen Ver— 
hältnifien kann vielleicht eine neue Freiheit mit einer neuen 
| Eriftenz gewähren, das will Karl erproben. So wird Hebbel 
bei feiner Dichtung, in der er viele SSugendeindrüde verwertete, 
nicht durch eine Tendenz geleitet, aber unwillkürlich knüpfen wir 
ie an Xdeen an. „EB iſt das Glied einer großen Kette von 
Tragödien, in welchen ich den Welt- und Menſchen-Zuſtand in 
ſeinem Verhältniß zu der Natur und dem Sittengejeß, dem 
wahren wie dem faljchen, außzufprechen gedenke. Speziell hatte 
ih) bei diefem Stüd noch die Abficht, das bürgerliche Trauerjpiel 
einnal aus den dem bürgerlichen Kreife urjprünglich eigenen 
Elementen, die nach meiner Anficht einzig und allein in einem 
tiefen, gefunden und darum jo leicht verleßlichen Gefühl und 
einem durch keinerlei Art von Dialectit und faum durd) das 








XXI Cinleitung „Ein Trauerfpiel in Eicilien“ und „Julia.“ 


Schickſal jelbit zu durchbrechenden Ideenkreis beitehen, aufzubauen - 
Wenn dies Stüd daher, abgejehen von der größeren Kette, in der 
es ein nothivendiges Glied bildet, ein partielles Verdienit hat, ſo 
dürfte es darin liegen, daß Hier das Tragiſche nicht aus dent 
Zufammenjtoß der bürgerlichen Welt mit der vornehmen, worau= 
freilich in den meijten Fällen auch nur ein gehaltlojes Traurige- 
hervorgeht, abgeleitet ijt, jondern ganz einfach aus der bürger— 
lichen Welt felbit, aus ihrem zähen und in jich jelbit begründeten. 
Beharren auf den überlieferten patriarchaliichen Anſchauungen 
und ihrer Unfähigkeit, ſich in verwidelten Lagen zu helfen.‘“ 
(Bm. IS. 159). 

Auf die Ähnlichkeit zwifchen dem Weſen Karls und dex 
Mutter, zwiichen Klara und Meiſter Anton wird man aufmerfjam 
es wurde darin ſchon eine Ahnung des Vererbungsprinzips ge= 
jehen. Und an einem Punkt, dort wo Meifter Anton (II 1 
von der Verantwortung jpricht, es jei chriftlicher Hochmut, hab« 
der Pfarrer gemeint, auch noch für den Sohn auffommen zu 
wollen, greift auch das religiöje Problem, diesmal innerhalb de= 
Protejtantismus, ins Stück ein. > 


V. und VL Ein Zraueripiel in Sicilien und Julia. 


Eine Kette von Tragödien Hatte Hebbel vor Augen, da ex 
„Maria Magdalene” Ddichtete, wir erfahren auch, daß.er jchor! 
vor ihr jeine „Julia,“ wenigitens, was die Hauptpuncte betrifft. 
ausgearbeitet, d. h. wohl erjonnen habe, daß er aber die rein 
tragische Scite des Verhältniſſes vor der anderen, der Ver— 
jöhnung zugänglichen hHervortreten laſſen mußte (Nachleje 
I S. 255). Wir willen nod) von dem Kopenhagener Plan zu 
einer Tragödie Fiat Justitia et pereat Mundus; wahrſcheinlich 
gehören dazu einige Fragmente in fünffüßigen Samben, in denen 
bon einem Mordverjuc, einer Ginrichtung die Rede it. Wir 


Eine Kette von Tragödien. XXIII 


beiipen nur den Weit eined® Geſprächs zwifchen Podeſta und 
Sekretär, werden aber erinnert an das „Trauerſpiel in Sicilien“ 
und vielleicht an die „Sulia.” Bon dem gleihjalld in Kopen- 
hagen audgebildeten Plan zum „Struenjee” giebt ung Hebbels 
ſpäter ausgeführte „Betrachtung über den Stoff“ Kunde; darnach 
hätte dag Stüd ein Bild des Abjolutismus werden ſollen, der 
ch jelbit durch jeine Schranfenlojigfeit vernichtet und noch mehr 
Weh über jein eigened Haupt bringt, wie über die Welt. Die- 
ihaudernde Menſchheit jollte jehen, „welch ein Außerjtes in der 
Relt möglich ijt, jo lange fie unbedingt von der unumſchränkten 
Villtür eines einzelnen, jeder menjchlihen Schwäche unter: 
morfenen und nicht einmal gegen Wahn» und Blödjinn ge- 
Hügten Individuums abhängt.” Auch an einen Karl V. dachte 
öebbel, von dem wir aber gar nichts Näheres erfahren. 
Während jeines Pariſer Aufenthalt kam er nur dazu, die 
„Karin Magdalene” zu vollenden, aber in dem leider nur zum 
Tal gedrudten Briefe vom 29. März 1844 an Charlotte 
Rufeau (Bw. I ©. 156) erfahren wir Weiteres über jeine 
wetausihauenden Pläne. „Nun werde ich zunächſt den Moloch 
das furchtbarſſe meiner Stüde ausführen ... Tann den 
Chriſus. Damit wäre die erjte Abtheilung de3 großen Dramas, 
dis ich beabjichtige und von dem die einzelnen Stücke gewiſſer— 
maßen nur Acte find, gejchlofien, und von der Komödie der 
Vergangenheit fünnte ich zur Komödie der Gegenwart über: 
gehen. Dieje wird in drei Stüden abgethan und dann gehe ic) 
in der Tragödie „Zu irgend einer Zeit!“ auf die Komödie der 
Juunft über. Ich denke nämlich nicht Theater- oder Leſe— 
Sutter zu Tiefern, jondern in einem einzigen großen Gedicht, 
deſen Held nicht mehr dieſes oder jenes Individuum, fondern 
die Menihheit felbjt ijt, und deſſen Rahmen nicht einzelne 
Anefdoten und Vorfälle, jondern die ganze Geſchichte umſchließt, 
den Grundſtein zu einem ganz neuen, bis jetzt noch nicht 
dageweſenen Drama zu legen” ... Was ihm vorſchwebte, hat 





XXIV Einleitung. „Ein Zrauerfpiel in Eicilien“ und „Julia.“ 


Hebbel im Vorwort zu „Maria Magdalene” mehr im allgemeiner 
ausgeſprochen. Darnach joll die moderne dramatifche Kunſt ir 
großen gewaltigen Bildern zeigen, wie die Elemente durch— 
einander fluten und jich gegenjeitig befämpfen, die nicht durch— 
aus in einem lebendigen Organismus gefättigt aufgingen, jondern 
zum Teil nur in einem Scheinförper eritarrt waren und durch 
die lebte große Gejchicht3-Bewegung entjeffelt wurden. Die 
dramatische Kunſt fol in großen gewaltigen Bildern die neue 
Form der Menjchheit erzeugen, in welcher alle® wieder an 
feine Stelle treten, in welcher da® Weib dem Mann wieder 
gegenüber jtehen wird, wie dieſer der Gejchichte, und wie die Ge: 
ihichte der dee. Auf Bedenkliches und Bedenklichited muß jie 
ji) einlaflen, denn das Brechen der Weltzujtände kann ja nur 
in der Gebrochenheit der individuellen Zuſtände erjcheinen. 
Aber das Neben darf nicht bloß in jeiner Gebrochenheit hervor- 
treten, jondern zugleih muß die verlorene Einheit — Hebbel 
nennt e8 „das Moment der dee” — ſich wieder finden. 
Nicht die Gejundheit in der Krankheit ift aufzuzeigen, wohl aber der 
Übergang zur Gefundheit. Das waren Hebbel3 Abjichten für 
jeine weiteren Arbeiten, aber während der nächiten Zeit fam er 
leider überhaupt nicht zu wirklicher dramatifcher Production. 
Weder der Moloch, den er in Rom zu fürdern gedachte, noch 
der Chrijtus, weder Modernes wie Fiat Justitia, noch Antikes, 
wie „Achill,“ werden nächſt Vergangenes, gleich Struenfee, oder 
Bufünftige3, gleich dem rätjelhaften „Märchen“ oder „Zu irgend 
einer Zeit” gewann bei ihm Geſtalt. Über Hebbels italienischen 
Aufenthalt jind wir verhältnismäßig am fchlechtejten unterrichtet: 
eine Hauptquelle feiner Biographie, die Briefe nad) Hamburg an 
Elife, fließt einmal wegen des Hohen Portos, dann wegen der 
unbewußt wachſenden Verſtimmung (vgl. jetzt Nachleje IS. 169 
bis 178) ſehr jpärlich, das Tagebuch ijt merkwürdig abgeriſſen, 
andere Mitteilungen jtehen nur recht ungleihmäßig zur Ver— 
fügung. 





Stalien. XXV 


Am 3. Oktober 1844 fuhr Hebbel in Rom ein, am 
29. Oftober 1845 verließ er, nad) Norden ziehend, die ewige 
Stadt; vom 19. uni bis 8. Oktober 1845 war er in Neapel 
geweien. Wenn wir die Ausbeute dieſes Jahres an fertigen 
Verfen überichlagen wollen, dann allerdings Hat es den Anjchein, 
als jei Hebbels gejtaltendes Vermögen geſchwunden. Im Jahres— 
abſchluß am 31. Dezember 1844 (Tgb. II S. 115) verzeichnet 
er nur 16 Gedichte und das Vorwort zu Maria Magdalene; 
„ich habe alfo im rechten Verſtande, da diefe Dinge wenig 
bedeuten wollen, Nichts gearbeitet.” Für das Jahr 1845 ſah 
er jogar von einer ſolchen Rechenſchaft völlig ab, er Hätte diesmal 
wieder eine größere Zahl lyriſcher Gedichte und Epigramme, 
dazu noch den eriten Act des „Moloch“ verzeichnen fünnen. 
Der jhlehte Winter, feine Krankheit, die fortwährende Eorge, 
wie jih feine Zufunft gejtalten werde, die grinjende Not, die 
ihn zu einem Leben, wie in München, nötigte, dann jpäter Die 
Die während des Neapolitanischen Aufenthalts, wohl auch der 
ſich dorbereitende Umſchwung im Verhältniffe zu Elife, ließen ihn 
niht zu äußerer Arbeit kommen. Dafür fanıı aber die innere 
niht gering geweſen fein. Wir jehen einen Reifeprozeß, der 
allerdings vorerjt nur der Lyrif zu gute fam. Wenn auch Hebbel, 
ander? vorbereitet ald Goethe, zu wenig Stalienreif gewejen fein 
mag, er konnte ſich troßdem dem Einfluſſe des unbejc;reiblid) 
blauen Himmels, der großen Linien in der Natur, der mächtigen 
Kunſteindrücke nicht entziehen; wir jehen eine leichte Veränderung 
jeiner Ziele, wir hören aus jeinen Verjen jtärfer als früher den 
Ruf „Schönheit“. Schon am 10. Januar 1845 Klingt e& wie 
en Ehwur (Eine Pflicht): „Drum ein ungetrübter Cpiegel, 
Schönheit, werd’ ich jtet3 Dir jein!” In den Sonetten, in den 
größeren lyriſchen Gebilden fehrt dieſes Betonen der Schönheit 
wieder. Aber feine dramatifchen Pläne folgen noch den alten 
Principien. Am „Diamant“ wird gebefjert, in Neapel entiteht 
der erite Act des „Moloch“, während die Tragödie „Giulietta“, 





xXXVI Einleitung. „Ein Traueripiel in Sicilien” und „Julia * 


die er jich für Neapel vorgejegt hatte (Bw. IS. 370 und 372, 
gar nicht begonnen wurde (ebenda S. 379), oder es wenigiten: 
nicht über kümmerliche Anfänge brachte. In Neapel hörte cr 
von einem aus Sicilien zurüdfehrenden deutichen Kaufmann in 
Hettners Geſellſchaft eine Gejchichte, die ihn „nicht zu frappieren 
ihien“, die er aber gleichwohl in jeinem Tagebuch verzeichnete 
und jpäter in jeiner Tragicomödie verivertete. 

Aus Rüdlicht auf jeine jehr jchmale, nur durch Gurlitts 
Güte gefüllte Reijefajle, fuhr Hebbel nicht über Florenz und 
Venedig, jondern über Ancona und Trieit, in Wien wollte er 
jih nur furz aufhalten, Hauptjächlich, um sich Kleider zu faujen 
(an Eliſe 24. Oktober 1845 3. T. ungedr.). Er fam am 
4. November 1845 in Wien an, bald wurde die Tffentlichkeit 
auf ihn hingewieſen; „Herr Hebbel, der geiitvolle Dichter... 
befindet ich jeit einigen Tagen in Wien“, „der geniale Hebbel 
arbeitet an zwei neuen Dramen, Moloh und Julia‘, je 
und ähnlih lauten damalige Wiener Zeitungdnotizen. Hebbel 
arbeitete wohl daran, aber er kam nicht zum Abjchluß. Am 
21. September 1846 klagt er im Tagebud) (II S. 180): „Pauſen 
jind dem Geiſt zu günnen, aber wenn dad ganze Leben Pauſe 
wird, ijt es doch jchlimm. In meinem alten Tagebuch blätternd, 
jehe ich, daß ich den Diamant ſchon am 10. December 1841, 
aljo vor bald 5 Jahren, und die Maria Magdalene am 4. Te= 
cember 1843, alio vor bald 3 Jahren, geendigt Habe. Seitdem 
ijt Nichts mehr entitanden.” 

Nicht weit Hinter diejer Stlage jteht die Bemerkung vom 
26. September 1846: „Ein tolle® Ting: Ein Trauerjpiel in 
Sicilien! habe ich vor 14 Tagen angefangen, wobei mir etwas 
Seltſames vorſchwebte, aber e3 fonnte nur in einem Zug und 
ohne daß der Geiſt gezwungen war, ſich Nechenjchaft über ſein 
Vorhaben zu geben, gelingen, und es ijt mir wie dem Nacht— 
wandler gegangen, ich bin angerufen worden. ch befam die 
Grippe, Fonnte nicht fortfchreiben, wie ich anfing, gerieth aljo ins 





Abfaſſung. XXVII 


Reflectieren hinein und werde nun ſchwerlich fortfahren können.“ 
Am 3. Januar 1847 las er das Vollendete wieder durch, fuhr 
aber in der Arbeit erſt am 7. fort, da es auf ſeine Frau wirkte: 
am 9. ſchloß er es ab, am 15. beendigte er die Abjchrift, ſchon am 
24. Januar meldete der „Wiener Bote“, die Beilage zu Frankls 
Sonntagsblättern (VI S. 29): „Friedrich Hebbel hat eine neue 
emactige Tragödie unter dem Titel: Ein Trauerjpiel in Sicilien 
vollendet; auch jein Trauerſpiel Julia jchreitet rajch vorwärts.“ 

In der That Freuzte ſich die Arbeit an beiden Stüden, 
die nicht nur durch den italienischen Schaupla näher zufammen 
gehören. Die „Julia“, behauptet Hebbel, wie wir ſahen, jchon 
vor der „Maria Magdalene“ geplant zu haben; eine Spur be— 
gegnet allerdings vielleicht jchon am 6. Auguſt 1836 (Tgb. 1 
&. 27 ungedr.): „Der Sohn. des Räubers“ und im No- 
vember 1836 (Tgb. I. ©. 35). In Neapel wollte er eine 
„Binlietta“ dichten, Fam aber nicht dazu. Bald nad) feinem Ein- 
treffen in Wien jchriebd er „eine jehr bedeutende Scene“ 
dieſes Stücks, das wieder in Form und Gehalt etwas ganz 
Neues werde; nicht wie bisher bei ihm Act nach Act, ſondern 
Scene nach Scene würde eine Natajtrophe bringen, jo jchreibt 
er am 19. November 1845 an Eliſe (Bw. IS. 390). Erjt ein 
Jahr jpäter, am 20. November 1846, ichloß er den zweiten Act, 
um 29. den dritten; „das Stück breitet jich weiter aus, ala id) 
gedacht hatte, und nimmt ſehr viel in jich auf, was in mir fertig 
war! (Tgb. II S. 193). In dem Jahresabſchluß 1846 ver- 
zeichnet Hebbel (II S. 204 ungedr.) „das Trauerſpiel Julia, 
das bis auf einige Scenen vollendet ijt... und die Hälfte eines 
ſeltjamen Stücks: ein Trauerſpiel in Sicilien, das liegen ge— 
blieben iſt und wahrſcheinlich auch ferner liegen bleiben wird.“ 
Er deutet auch ſchon auf dramatiſche Werke, die vielleicht einen 
ganz anderen Character tragen würden, als jeine bisherigen; 
am 7. Dezember 1846 verzeichnete er einen Stoff dazu: „Herodes 
und Mariamne“ (Tgb. ITS. 197), und begann, nach Abſchluß 





XXVIII Einleitung. „Ein Zraueripiel in Sicilien? und „Julia“. 


der Tragicomödie, am 23. Februar dieſen Stoff zu geitalten 
(Tgb. II Z. 239), jo daß er am 24. März den eriten Act jertig 
hatte (I1 =. 253). Die Sommerpauſe unterbrad) dieje Arbeit, 
im Herbſt wurde nun zuerjt die „Julia“ wieder vorgenommen 
und am Sonnabend den 23. Tftober 1847 „endlid vollendet“. 
Er fühlte jelbit, daß „Julia“ jchon ganz lIbergangsproduft jei: 
„id trete nun — jo jchreibt er an Röticher (Nachleje I S. 236) 
— in eine neue Sphäre ein und Habe in derjenigen, die ic) 
hinter mir zurüdlafje, Nichts mehr zu juchen, ja ich lebte eigentlich, 
während ich die legten Acte der Julia ausführte, jchon in der 
neuen und fühlte mich, als jie fertig war, von einer wahren 
Laſt befreit.” Aus der neuen Sphäre ging dann „Herodes und 
Mariamne” hervor. 

Ein bezeichnendes Wort jchrieb Hebbel über das „Trauer— 
ipiel in Sicihien“ an Bamberg (Bw. J S. 279), e8 bewege lich 
„in der Sphäre des Abjcheulichen”, da3 könnte man auch auf 
die „Julia“ anwenden. Hebbel jtieg wirklich immer tiefer im 
die Abgründe, die ihn während jeiner Jugendepoche ludten, er 
begnügt ſich nicht mehr mit dem niederdrüdend ZFurchtbaren, 
jondern zeigt das jchlechthin Entiegliche al& Ausflug der modernen 
Zuſtände. 

Den Stoff zu ſeiner ſpäteren Tragicomödie verzeichnet Hebbe 
im Tgb. II S. 154 f.; „Ein Mädchen Hat ſich mit ihrem Ge: 
liebten verabredet, aus dem elterlichen Hauſe zu entfliehen, um 
den Eltern dadurch die beſtändig verſagte Einwilligung zu ihre 
Heirath abzunöthigen. Sie thut es eines Abends, und trifft vr 
den Thoren der Stadt zwei Gensdarmen, die ſie befragen, woht ! 
ie will. Sie nennt den Ort und eilt weiter, aber in de: 
Kerlen jteigt ein böjes Gelüſte auf, fie verfolgen die Unglücklich« 
thun ihr Gewalt an und tüdten fie zulegt, da jie willen, daß de 
Bräutigam bald folgen wird, und da fie ohnedieß durch de 
Anblid von allerlei Schmuck und Noftbarkeiten, die dad Mädche 
bei fi führt, gereizt werden. Nun barren jie, bis der Bräutiga n 





Bedenkliches und Bedenflichites. XXIX 


kommt, ergreifen ihn, beflecken ihn mit Blut, führen ihn zum 
Richter und klagen ihn des Mordes an. Aber der Zufall will, 
daß ein Obſtdieb in der Nähe war, der von einem Baum aus 
das Ganze angeſehen hat. Dieſer begiebt ſich ebenfalls zum 
Richter, erzählt, daß die Elenden die Säbel in ihren Hemden 
abgewiſcht und den Schmuck in ihren Stiefeln verborgen haben 
und deckt ſo den Frevel auf eine Weiſe, die den Beweis un— 
mittelbar mit ſich führte, auf.“ 

Es iſt intereſſant zu ſehen, was Hebbel aus dieſem Material 
machte, weshalb ſeine Inhaltsangabe (Bw. I S. 280) gegenüber 
geitellt werden mag. „Ein Mord, der bloß deswegen gejchieht, 
weil ein paar Poltrone, die jih, ihrer Feigheit wegen, vor ein- 
ander jhämen, von Mordthaten reden und fich, da die Gelegenheit 
ii darbietet, gegenfeitig imponieren wollen; ein Menſch, dem 
auf diefe Weife die Geliebte Hingejchlachtet und der Hinterdrein 
der blutigen That von den Buben, die fie begangen haben, jelbit 
bezüchtigt wird; ein wahnjinniger Schmerz in ihm, der einen 
jolhen Höhepunct erreicht, daß er, um nur des Lebens los zu 
werden, jich zu der ihm aufgebürdeten That wirklich befennt: 
nun in dem einen Buben die Ueberzeugung, daß ein Menſch, 
der eine ſolche Beſchuldigung ohne Tortur bejahe, verrüdt 
in müffe, und die Gewiſſensbiſſe, Angjt vor der aus der eriten 
entipringenden zweiten, in jeinen Augen ungleich größeren 
Miffethat, einen Verrückten dem Henfer in die Hände zu liefern; 
derſuch, ihn auch den Richtern als verrüdt darzujtellen, dadurd) 
Verwirrung, und als er nicht weiter fann, Selbjt-Entlarvung 
und Befenntniß; im Mittelpunct reine, aber gedrücdte und be— 
Khränfte Menjchheit in einem Mädchen-Character,.... und ala 
milderndes Grund-Element der Humor, der das Schredliche jo 
mit dem Bizarren verjeßt, daß Eins, wie das Andere, nur noch 
gemößigt wirkt.“ 

Ver Umbildungsprozeß wurde jo vollzogen, daß aus der 
„Whredlichen Geſchichte“, die Hebbel von einem Kaufmann im 








XXX Einleitung. „Ein Trauerfpiel in Eicilien” und „Julia“. 


Cafe di Europa zu Neapel hörte, ein Bild der jocialen Un 
neheuerlichfeit geworden iſt, daß Sich Anſchauungen, Ideen de 
mannigfaltigiten Art an das thatjählihe Factum anſchloſſer 
Die Folgen des Polizeiſtaates werden gezeigt, defien Werkzeug 
ſich umbiegen, die fchneidenden Gegenfäte der wirtjchaftliche: 
Ungleichheit werden lebendig; die jurdhtbare Gefahr des einjeiti 
anwadjenden Reichtums und der dadurd) geiteigerten Armu 
wird zu Gejtalten und Gonflicten verdichtet. Die Heinlichite 
Urfachen führen zu den traurigiten Gonfequenzen, „man möcht 
dor Öraujen erjtarren, doch die Lachmuskeln zuden zugleid 
man möchte ſich durd; ein Gelächter von dem ganzen unheimliche 
Eindrud befreien, doch ein Fröſteln bejchleicht ung wieder, e) 
uns das gelingt.” Zur Komödie kann der Conflict nicht führe 
denn mit ihr vertragen ih Wunden und Blut nidit, Zı 
Tragödie fann er ſich nicht erheben, dem widerftreitet die baroc 
Erjheinung des Furchtbaren. Auf Bamberg: Nat nannt 
Sebbel fein Werk daher eine „ZTragicomödie” und überliej 
Rötſcher die unfruditbare Aufgabe, daS Wejen diejer Zwitter 
gattung fejtzuitellen. Er hatte gedacht, daß Shakeſpeare bereit! 
ein ſolches Werk gejchaffen habe, als er jedoh das Stück „Eir 
Irauerjpiel in Norkigire” wirflih zu Geſicht befam, Jah er da: 
Inbegründete jeiner Anficht (Bw. I S. 279.) und ſchuf deshal! 
jein Trama (Nachleſe IS. 205). Cs bleibt jomohl Hinter de’ 
Mirfung einer Komödie zurüd und vermag ed nicht einmal 
mit dem „Diamant“ zu wetteifern, wie es unter der Wirkun 
einer Tragödie bleibt, es vereinigt widerjtreitende Elemente un 
läßt deshalb Feines ungebrochen hervortreten. In Ton un 
Färbung widerjpricht jeder Vers, vom eriten bis zum letzten 
allerdings der Tragödie es könnte mit ſeinen zum Teil vo 
trefflichen Einfällen, feinen witzigen Pointen und jeiner jcharfe 
Charakterijtif der beiden Gauner ergöglichen Eindruck made 
wenn e3 jich um etwas anderes al3 einen Mord handelte Tr 
es aber vorliegt, fann es nur als eine Probe für den äjthetijdk 





— nn 5 — Am — — — 


Der Stoff. XXXI 


Irrtum eines hochbegabten Dichters, als ein verunglücktes Er- 
periment angeſehen werden. Die Motive bedrängen ſich auf dem 
engen Raum; der Character des Podeſta Gregoriv joll zwar 
de Verzerrung des Reichtum daritellen, die in unjeren Ber- 
hältnifjen möglich iit, aber er muß fich in Reden jelbit erponieren, 
weil der Zufammenhang ein Entfalten durch Handlung unmöglid) 
machte. Das gilt nod) mehr von der Armut, die bei Sebajtiano 
ulerdings den Character fejtigt und verflärt, vom Armwerden, 
das Anſelmo verwirrt, aber auch jie ſtecken unentwidelt in der 
ie. „Angiolina ... jteht da wie der Menſch im Baradiefe 
wihen den wilden Thieren” (Tgb. I S. 332), als die reine 
Venihlichkeit, deren Entfaltung von den Verhältniffen bejchräntt 
wird. Ambrojio und Bartolino heben fich glüdlich von einander 


a, jelbit der Bauer befommt eine gewiſſe Phyiiognomie. Aber 


alles ijt gleichjam nur im Keim vorhanden und läßt wirkliches 
Ausgeſtalten vermiſſen. Unmillfürlich muß man bedauern, daß 
vebbel den Stoff nicht in einer Novelle behandelt hat; dazu 
wäre er bejjer geeignet. Ein „gräßliches Epigramm“ nannte 
Kuh (ITS. 299) das Werk wohl mit Recht. Der Lafonismus 
des „bürgerlichen Trauerſpiels“ ijt noch gejteigert, aber aus den 
auftretenden Perjonen hört man die Stimme Hebbels, der Tichter 
it nicht zum Vorteil fein eigener Eouffleur geworden. 

Ähnlich die „Julia“, vielleicht jened Drama Hebbels, bei den 


' Man am meiſten bedauert, daß Anlage und Ausgeitaltung nicht 





Völlig miteinander übereinjtimmen. Wie fein zweites Mal täujchte 
N der Dichter über feine Schöpfung, wenn er etiwad ganz 
Neues hervorgebradht zu haben glaubte. Einen zweiten Teil 
der Marin Magdalene” jollen wir in der „Julia“ jehen, und 
gewiß find Nhnlichkeiten zwischen beiden Dramen vorhanden. 
Vahrend jedoch das „bürgerliche Trauerfpiel“ heute noch packt 
und erihüttert, ftehen wir der „Julia“ fremd gegenüber, woran 
in erfter Linie der Stoff Schuld träge. Wie in der Tragi- 
Iomödie werden thatjächliche Verhältniſſe des damaligen Italien 





XXXII Einleitung. „Ein Trauerfpiel in Sicilien“ und „Julia“. 


behandelt, Verhältniſſe, denen wir nur mit hijtoriicher Verſenkung 

noch halbwegs ein Verftändnid abgewinnen fünnen. Man dari 

bei der Beurteilung allerdings nicht vergejjen, daß die von Hebbel 

geichilderten Zujtände damals durchaus „actuell“ waren; das betonte 

Garl Debrois van Bruyd in jeiner „Dramatiihen Studie über 

Fr. Hebbels Tragödie Julia“ (Wien 1852) bereit® ein Jahr 

nach der Buchausgabe des Werks. Weil aber died Alles für 

un? ſchon hiſtoriſch geworden it, wirft es nicht mehr, oder doch 
nit wie es gemeint war. Für uns it ed faſt unmöglid, die 
Stimmung der Zeit vor Adhtundvierzig nachzufühlen; und jie 
bildet einen bedeutfamen Factor im Drama. Hebbels Anſicht, 
das Drama als die Spige aller Kunjt, jolle den jedesmaligers 
Melt- und Menſchen-Zuſtand in jeinem Verhältnig zu dem Alles 
bedingenden fittlicden Centrum veranjchaulichen, zeigte ſich hien 
wieder wirkſam, doch nahm der Dichter jo viele Zujtände vor= 
übergehenden Chararter® auf, daß mit ihrem Schwinden aud 
die Bedeutung feines Traueripiel2 abnimmt. Was find und die 
italienischen VBerjchivörungen, die jo furchtbar in das Leben den 
Menſchen wie der Staaten eingriffen, jeßt noch anderes als längy 
überlebte Vorbereitungsitadien. Was ift uns das Brigantentun« 
al3 ein etwas zweifelmertiger Reſt der alten Räuberronuantif = 
Wir müffen und künſtlich in eine Zeit verfeßen, in der alles 
dieje ein wirklicher Lebensfactor, ein „Welt: und Menicherr- 
Zuſtand“ war. Auch die „Blaſiertheit“ iſt heute troß der 
Decadence Feine bedeutend eingreifende Erſcheinung. Dad Ver— 
sängliche hat Hebbel jeitgehalten, und ſchon darum jein Drama 
um bleibende Wirfung gebracht. Ohne es zu ahnen, bat Hebbel 
in der „Julia“, nicht für jeine, aber für die Folgezeit, ein 

hiſtoriſches Drama geliefert, ein merkwürdiges, abjonderliche? 

Bild eines Zujtandes. 

Bielleicht aber würden wir dag nicht jo peinlich empfinden, 
wenn die Technik ander® geworden wäre; es läßt fich aber 
nur wiederholen, was Otto Ludwig, der unbewußte Nachahmer 


Mängel und Vorziige. XXXII 


und der unerbittliche Kritiker Hebbels, in feiner Studie über bie 
Julia an die Spitze jtellt (Gef. Schriften V S. 358): „Das 
Epiihe überwiegt durch dad Ganze das Dramatifche”. Der Dialog 
geht wirklich” immer wieder in Erzählung über, und fo vor- 
trefflich fie ausfällt, jo fehr ung die moderne Dramatif an daß 
novelliftiiche Element im Drama gewöhnt hat, bei Hebbel jtellen 
wir höhere Korderungen, was nicht hindert, daß die „Julia“ 
bei einer Berliner Aufführung einen tiefen Eindruck gemadıt 
haben fol. Hebbel, der jih in „Maria Magdalene” als ein 
ſolcher Meifter der unwillkürlichen indirecten Characteriftif 
gezeigt Hatte, läßt Hier feine Perjonen ihr eigenes Bild wie ein 
Moſaik aus kleinen Zügen zujammenfegen, nur in wenigen 
Puncten dann eine Zeichnung dramatiiher Art — bejonders 
Tobaldi im zweiten Act —, dann aber fo intim, daß fie im 
Gegenfage zu der übrigen Characteriftif ſich mehr verjtedt als 
enthüllt. | 

Es ift nicht fchwer, diefe Mängel der „Julia“ zu erkennen, 
& it aber auch nicht ſchwerer, die bedeutenden Vorzüge diejer 
„Tragödie“ zu erfaſſen, beſonders jegt, da und die Entwidelung 
de3 modernen Dramas lehrt, wie viele Züge bei Hebbel zufunft- 
berfindend waren. Das ganze Gegenbild zur „Maria Magdalene“ 
verrät eine Genialität der Erfindung, eine Kühnheit der Aus: 
führung, eine Kraft der Löjung, die ungewöhnlich aber be— 
wunderungswürdig find; „moderniter Stoff, Shafefpearifche 
Gharacteriftit und antike Form; größte Concentration der 
dandlung bei außgeführtefter Characterijtit“, das war nad Otto 
Ludwigs Anficht das Biel Hebbeld. „Bilder von unnachahm⸗ 
ler Größe und Schönheit“ muß er troß feinem harten Ge- 
ſamturtell dem Werke nahrühmen. In der That enthält es 
einzelne Scenen, zumal im zweiten Act, die von höchſter tragijcher 
Birtung find; es bietet einen Conflict voll Anfchaulichkeit und 
Eonfequenz, es führt Menſchen vor, feine Puppen, die zwar 
Agenartig, aber. in ihrer Zeit begründet jind. Haben in der 

debbel, Werte IL IH 





XXXIV Einleitung. „Ein Trauerfpiel in Sicilien” und „Julia“. 


„Maria Magdalene” alle Perfonen Recht, hier Haben alle 
Unrecht und Recht zugleich, alle zeigen einen led, durch den 
fie auf Schäden der Berhältniffe hinweisen, durch den fie aber 
auch zu einer fittlichen Zäuterung geführt werden. Aus Leiden 
ſchaft iſt Julia in den Zuftand Klaras verfeßt worden, aud fie 
fteht ihrem Vater ähnlich gegenüber, fucht den Mann auf, der 
fie verführte, den fie aber liebt; nur fehlt ihr die Kraft zum 
Selbftmord, fie möchte Pietro zum Mord reizen, um den Tod 
zu finden, ohne fich ihn zu geben. Da jtellt fi ein Fremder 
ein, der anderd als der Sefretär, nicht jagt „darüber fann Fein 
Mann hinweg“, fondern ihr die Hand zur Rettung bietet. Num 
tritt fie wieder vor den Vater, doch diefer bleibt unerſchütterlick 
bei feinem Nein; jo wird fie die Frau des Fremden, weil Die 
Rechte des fernen Verräterd dadurch nicht einmal getroffen 
zu werden fcheinen. Aber Antonio taucht auf, rechtfertigt fich, 
und fo- bringt der lebte Act einen neuen unerwarteten Conflict. 
Diejer Antonio gehört am ftärkiten in die Tradition der Räuber: 
romantif; wir werden an Hebbels Augendnovelle „Die Räuber- 
braut‘ erinnert, in der PVictorin eine Ähnliche Stellung einninmt, 
wie hier Antonio und fogar feinen Tod findet, weil einer feiner 
Näuber fich gegen ihn empört; freilich find die Motive zum 
Handeln Guſtavs andere als in unferem Stüd; ſchon in dieſer 
Novelle die Entführung eined edlen Mädchens, Emilie, durch 
einen Räuber, deffen jchredlichen Stand fie freilich nicht Tennt- 
Auch an das Jugenddrama „Mirandola” werden wir gemahnt, 
da diefer nach einem zufällig erhaltenen Monolog zum furdt= 
baren Räuber werben follte Die Gejchichte des Antonio ii 
eine ftarfe Romantifierung damaliger Zeitverhältniffe, aber dee 
tiefe Kampf zwifchen Liebe und Rache fpiegelt fi) nur in Er= 
zählung. Tobaldi, jo lange Revolutionär, ala es Sinn hat, fpätere 
Erhebungsverfuche Hindernd, weil ſie nutzlos find, ftellt tro der Be⸗ 
rechtigung jeined Vorgehens den Typus eined Scheingeredjten dar, 
ähnlich wie Meifter Anton; nicht fchlecht nennt ihn Earl van Bruyd 


= mb mu. er — — — NE u 


Die Charactere. xXXV 


(0. 0.0. ©. 67) den einzigen wirklich Unfittlichen des Stüded. In 
Alberto, jo jehr er nur fkizziert ijt, erhalten wir ein Individuum, das 
jeine inneren Enttäujchungen verſteckt und Hinter einer kauſtiſchen 
Außenfeite verbirgt. Auch die Diener ftellen geläufige Typen dar. 

Eine ganz neue Gejtalt begegnet im Grafen Bertram, ein 
Character, den und in feinem Anfangsjtadium ſchon die Skizze zu 
einer. Novelle (Tgb. I S. 35 vom Herbit 1836) und dann das 
„Ftagment“ aus einem liegen gebliebenen Roman: „Ein Leiden 
unjerer Zeit” darjtellt. In ihm hat Hebbel allerdings eine Yäuterung 
zu ſittlicher Größe verkörpert, deren Bedeutung und Kraft nicht 
Hätte follen verfannt werden. Der durch eigene Schuld ges 
brochene Dann, für den Tod ein wahres Labjal wäre, verdammt 
ih zum Leben, bis er der Welt jür das eine vernichtete In— 
dividuum ein andered gerettet hat. Er will nicht zum Water der 
„Seipenfter“ werden, er will nicht auf dem gewöhnlichen Wege 
der Allgemeinheit nügen, jondern feiner außerordentlichen Schuld 
gemäß ungewöhnliche Buße thun. Das gelingt ihm, aber anders 
ald er erwartet hatte, fo daß er auch jebt nicht zur erfehnten 
Biftole greifen, jondern den Zufall ſuchen muß, der ihn vom 
Leben befreit. Die Frage ift aufgeworfen worden, ob ein Mann 
von Bertram® Vergangenheit einer ſolchen ſittlichen Größe fähig 
ji, wobei man meift vergaß, worin fein Leiden beiteht; er ſcheint 
doch nach allen Symptomen einen ſchweren Lungendefect und 
einen melancholifchen Lebensüberdruß infolge ſeines unfinnigen 
Einſtürmens auf feine Kräfte fi) zugezogen zu haben. Er 
vermag nicht nur Achtung, fondern Liebe zu weden; er fann 
daran denken, daß feiner Verbindung mit einem weiblichen Weſen 
in Sohn entfprofje, der ihm dereinſt auf Biftolen fordern könnte, 


; Beil er ſchon zu viel von jeiner Kraft vor der Ehe vergeudet 


T 
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! 
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bat, er ift alſo fein vollftändiger Auswürfling der Natur, er iſt 


/ „auögelernt“, geichwächt, heruntergefummen, aber der Reſt einer 


ungewöhnlichen Kraft. Darum kann man immer glauben, er 


babe noch eine Seelenjtärke, die ihn zu feinem Thun befähigt, 
III* 





XXXVI Einleitung. „Ein Tranerfpiel in Sicifien“ und „Julia“. 


wenn er auch feine phyſiſchen Kräfte zu heftig amge 
griffen Hat. Und er feldft ift fein ftrengiter Richter. 

Wohl aber trifft eines zu: Hebbel war, da er feine Juli 
zu Ende führte, nicht mehr derjelbe, der fie geplant hatte. Durc 
die Betrachtung der Weltzuftände fühlte er fich früher gemötig! 
der modernen Geſellſchaft als „Henker“ entgegen zu treter 
und fo follte auh die „Julia“ ein Bild ihrer Zeit werder 
um die Menſchen aufzurütteln. Mehr und mehr vertiefte er ic 
nun aber in das pigchologiiche Problem; nicht mehr Typen eine 
beftinmten Zeit drängen im dritten Act einem Abſchluß zi 
ſondern Menſchen mit einem ganz individuellen Seelenfamp 
Bor dem Lebten biegt gleichſam dag Schredliche um, weil fit 
dem Dichter ein neue Ideal erſchloſſen hat: die Schönhei 
Übrigend wäre die Schlußfituation der „Julia“ noch einme 
aufgenommen, aber weſentlich verklärt worden, wenn Hebbel fei 
Drama „Die Schaufpielerin” vollendet hätte Der Klara un 
der Julia wäre Eugenia gefolgt, deren Fall darum fein geringere 
gewefen wäre, weil er innerlich, nicht auch äußerlich eintrit 
auch fie hätte zwilchen zwei Männern gejtanden und den Ede 
mut des einen Ungeliebten erfannt und belohnt. Der Dicht« 
ließ das Stück aber unvollendet liegen, nachdem er es 184 
begonnen hatte; darin wäre er aljo nody einen Schritt weit: 
gegangen und hätte das „Abſcheuliche“ durch Verinnerlichun 
gemildert und eigentlich aufgehoben. Die tiefe Wirkung feine 
Che, die jegt jeine Briefe an Gurlitt bezeugen, machte ſich aud 
in feiner Poeſie fühlbar; aus einer furdhtbaren Boheme war er i 
geordnete, gefeitigte Verhältniffe getreten, an feiner Seite mwaltetı 
ein Weſen, ausgezeichnet durch körperliche Schönheit, verklär 
durch künſtleriſche Gaben, noch höher jtehend als Weib wie all 
Künjtlerin, jo daß Hebbel fie nur abzufchreiben brauchte, um fiche 
zu jein, das Vortreffliche zu erreichen (Nacjlefe I ©. 233). Bi 
„Julia“ dagegen war aus jehr trüben perfönlichen Berhältnifje 
erwadjjen, aber zum Schluß leuchtete auch ihr Chriftinens Sterr 


Drama und Geidhichte. XXXVII 


VII. Herodes und Mariamme. 

die erſte Frucht ſeiner neuen glücklichen Situation wurde 
das hiſtoriſche Trauerſpiel, deſſen Anfänge die Arbeit am, Trauer— 
ſpiel in Sicilien“ und an der „Julia“ begleiteten: „Herodes 
und Mariamne“. Nachdem im Frühjahr 1847 der erſte Act 
vollendet, der zweite wenigſtens begonnen war, muß Hebbel die 
Arbeit gleih nad) Abſchluß der „Julia“ fortgeſetzt haben, denn 
am 22. Dezember 1847 Hatte er die Reinfchrift de zweiten 
Az fertig, wohl bald darauf auch den dritten Act. Im Juli 
und Auguft 1848 ftrömte die Poejie in ihm wie zur Beit der 
Genoveva, jo daß er den vierten Act entitehen ſah. Den fünften 
dihtete er während der Wiener Schredendtage im Oftober zum 
großen Teil auf der Straße. Am 14. November Mittag um 
halb 12 Uhr ſchloß er das Stüd, das am 19. April 1849 auf 
dem Hofburgtheater gefpielt und Anfangs 1850 durch den Drud 
verbreitet wurde. 

Saft vom Beginn der Arbeit begleitete den Dichter der 
aufmunternde Anteil Rötſchers, dem Hebbel in Berlin den erften 
At mitgeteilt hatte. Hebbel felbft ftellt in dem wichtigen Brief 
an diefen feinen Kritifer (Nachlefe I S. 237 ff.) den merkwürdigen 
Prozeß dar, der fich in ihm während der Arbeit vollzog. Anfangs 
ihien ifm der Stoff, den er aus Joſephus Flavius fchöpfte, 
ton durch Die Geſchichte zur Tragödie abgerundet, jo daß dem 
Dichter nicht zu thun übrig bleiben könnte; bald aber fah er 
Schwierigkeiten der pſychologiſchen Motivierung, die feine Liebe 
zu dem Stoff feuriger machten. Wieder erfennt man aus dem 
einen Beiſpiel, das Hebbel giebt, worauf es ihm ankommt: was 
in der Duelle hiſtoriſche Anekdote ift, daS joll im Drama zum 
Ausdrud notwendigen menschlichen Verhaltens werben; er begnügt 
fh nicht mit den naheliegenden Erfindungen, um ſich das Be- 
mältigen des Stoffe leicht zu machen, jondern jteigt in den 
„unentzifterbaren Urgrund der Berjönlichkeit”, in das Myſterioſe, 
ja Phontaftifche der Menfchennatur, um den Verhältniffen ihre 


XXXVII Einleitung. „SHerodes und Mariamne“. 





volle Bedeutung zu leihen. Hebbel behielt die überlieferten That- 
fachen, die wefentliche Stellung der Hauptperfonen zu einander, 
alſo die von Joſephus überlieferte Anekdote bei (vgl. Marcus 
Landau Aufſatz „Die Dramen von Herode und Mariamne” 
Zeitſchrift für vgl. Litteraturgeſchichte 8, 175 fi., 279ff., 9, 185 ff., 
der aber nur in der Stofffammlung, nicht in der äjthetijchen 
Verarbeitung befriedigt), er juchte jedoch den tiefinnerlichen Kern 
des Conflictes herauszuſchälen und in feinem menſchlichen wie 
welthiftoriichen Wert darzulegen. Das ſchwebte ihm jedenfalls 
ion vor, da er zuerit den Stoff in Ausficht nahm, denn er 
ſchreibt (Tgb. II S. 197): „Heroded und Mariamne. Tragödie, 
aber natürlich das ganze Leben des Herodes umfaſſend.“ Noch 
deutlicher ‘geht es aus der Kritik hervor, die Hebbel im Lloyd vom 
1.—3. Sanuar 1849 an Deinharditein-Majlingerd „Ludovico“ 
ausübt. Er jtellt Anfang und Ende des Herode in Gegenfaß 
und fügt Hinzu: „Hier liegt der Stoff zu einer erjchütternden 
Tragödie eriten Ranged vor, zu einer ſolchen nämlich, die die 
menjchlihe Natur an fi in ihrem Abhängigkeits-Verhältnis zu 
den Schickſals-Mächten darftellt, die alfo nicht einen Kreis im 
Kreis bejchreibt, ſondern den Kreis felbit, der alle übrigen in 
ih faßt.” Und er betont: „nur Derjenige wird diefen Schatz 
heben, der das Ende aus dem Anfang mit überzeugender Not- 
wendigfeit hervorgehen zu laſſen verjteht,” nur diejenige Kraft, 
„welche“ — wie es jpäter beißt — „die ſonſt troß ihrer docu⸗ 
mentariſch nachzumeifenden Richtigkeit unglaublih und unwahr- 
icheinlich bleibenden jpeciellen Ereignijfe und Handlungen aus 
den allgemeinen Zuſtänden der Welt, des Volks und der Zeit 
hervorgehen zu lajjen veriteht, die das Fieber ded Herodes 
aus der Atmofphäre, in der er athmete, und diefe aus dem 
dampfenden, vulfanijchen Boden, auf dem er ftand, zu 
entwideln weiß.“ Alſo menjchlih und zugleich welthiftorifch- 
bedeutjam muß die Anekdote werden. 

Das hat Hebbel wirklich erreicht, wobei er gewiß nur dem 





Das Welthiſtoriſche. XXXIX 


Joſephus folgte, keine jener Dramatiſierungen, in denen Landau 
Der Farinelli, dichteriſche Production mit wiſſenſchaftlicher Arbeit 
perwechfelnd, Vorbilder Hebbels entdedt zu haben glauben. Die 
Stellung des Herodes in einem der großartigiten Wendepunkte 
der Gejchichte kommt klar heraus: eine Welt und eine Welt- 
anſchauung geht zu Grunde, jchon beginnt ſich eine neue zu er- 
heben. „Die untergehende, ihrem Schickſal no im Erliegen 
trotzende und Frampfhaft zudende alte Welt“, zeigt fich in voller 
Anfchaulichkeit, aber jo, daß ihre Vernichtung als notwendig er= 
fcheint; „die in rührender Hilflofigfeit aufiteigende, noch mark— 
Loje und ungejtaltete neue” wird in den fie bedingenden Er- 
Iheinungen vorbereitet. Wenn man eine furze Formel brauchen 
voolite, jo fönnte man jagen: der Egoismus macht dem chrift- 
lichen Altruismus Platz. Das erjcheint in mannigfaltigen Ge— 
ftolten; wir ſehen daS Judentum in feinen ſich befämpfenden 
Parteien, wir jehen das Heidentum in verjchiedenen Formen, 
wir jehen bejonder3 die Römer, deren ftrengfter Vertreter Titus 
nur wie ein teilnahmslofer Beobachter den Kämpfen gegenüber- 
ſteht. Der Meffiasglaube, in feiner Verzerrung, wie in feiner 
naiven Gläubigkeit, begegnet. Mariamne und Soemus mit ihrer 
Betonung der Individualität und ihrer Bedeutung zeigen dad 
Reim einer neuen Weltanschauung. Die eingreifendfte Änderung 
bat Hebbel an dem überlieferten Stoff dadurch vorgenommen, 
daß er Mariamne mit tiefer Liebe zu Herobes erfüllte, wenn 
ihre Liebe auch anderer Art ift als jene des Königs. Er liebt 
die Gattin mit den Sinnen, darum erſcheint fie ihm nur als 
kin koſtlichſtes Beſitztum, das er feinem anderen gönnen Tönnte. 
Trohdem erwartet er von ihr königliche Gefinnung und ein 
Verftändnis feines Weſens; was er ihr nicht entgegen bringt, 
dad begehrt er von ihr. Seine Stellung in der Welt führt 
keine vollſtändige Vereinfamung mit fich; er ift in einem be- 
Höndigen Kampf gegen die widerftreitenden Kräfte innerhalb 
feiner Zamilie, feines Reiches, der Welt verwidelt, fortwährend 





XL _ Einleitung. „Herodes und Mariamne.“ 


genötigt, fi) durch die verjchiedenartigiten Mittel zu behaupter 
„Um den Thron zu retten, muß er den Arijtobolus töten, 
diefer Notivendigfeit kann er jich nicht entziehen, wenn er nid 
alle Errungene wieder verlieren will. Daraus ergeben ſich nır 
doppelte Folgen: Antonius zieht ihn zur Rechenſchaft, zwiſche 
Mariamne und ibren Gatten tritt daS blutige Geſpenſt. Un 
jo wie bier durchſchlingen jich die beiden Richtungen der Actio 
immerwährend: Familien- und Staat3handlung, Menjchlicdes un 
Hiſtoriſches find unlögbar mit einander verknüpft, wie es de 
großen hiſtoriſchen Tragödie entipricht, die nicht bloß eine Au 
eritehung der Geſchichte geben mill, fondern den Geiſt de 
Geſchichte. 

Es iſt ein genialer Zug Hebbels, daß der Tod dk 
Ariſtobolus eigentlih gar nicht zwiichen Herode8 und Mariamr 
jteht, wohl aber die Wirkung auf das Innere des Heroded; fcho 
in der italienischen Schreibtafel (Tgb. II S. 245) jteht: „Wer Böſt 
fürchtet, dem trifft Böjed ein. Die Dämonen züchtigen ihn fü 
feinen Verdacht.” Herodes fühlt jich jchuldig gegen feine rau, wen 
er den Schwager auch hinwegſchaffen mußte, darum ſchwindet ihı 
das Vertrauen, und Mariamne, einſam wie er, von dem Wunſd 
beſeelt, der Gatte möge ſie verſtehen, ihre Zugehörigkeit zu ih 
erfaſſen, thut nicht nur nichts, ſein Vertrauen zu ſtärken, ſie ſteige 
ſogar ſein Mißtrauen. Manches andere, die Intriguen Alexandra 
feine grenzenloſe Liebe, ſeine Vereinſamung kommt dazu, „das Fieben 
hafte feiner Leidenſchaft“ zu ſteigern und ihn zu einem un 
geheueren Entſchluß zu veranlaffen: er ftelt Mariamne unter 
Schwert und giebt feinem Schwäher Sofeph den Blutbefehl; vo 
jich felbjt rechtfertigt er fi) damit, daß er nun alles thun werde 
um vor Antonius ji zu retten. 

Joſeph Hat den furchtbaren Auftrag und fol ihn zu feine 
eigenen Rettung ausführen, denn aud ihm droht die Rad) 
wegen des Ariftobolus, rang er doch im Bade mit dem Hohen 
priefter. Nun muß er aus den Worten Alerandrad und Mar 


BP — — 


Motivierung. | XLI 


amned erfahren, daß ihr Haß wirklich jo weit geht, als Herodes 
prophezeite; nun dünkt ihn, Herodes’ Geiſt jet über ihm, da er 
Philo den Befehl giebt, Alerandra gegenüber fo zu verfahren, 
wie er Marianne gegenüber verfahren fol. Dadurch erregt er 
aber den Verdacht Marianne, verwidelt ſich durch feine Reden 
immer mehr, muß ihren Schwur hören, daß fie ſich mit eigener 
Sand töten wolle, wenn Herodes nicht mwiederfehre; glaubt nun 
ganz Hug zu Handeln, wenn er mit einem „Ich ſag' nicht, daß 
es iſt!“ Die Wahrheit andeutet, da Salome bejchuldigt ijt, und 
entdeckt jo Mariamne, ohne zu wollen, daS Geheimnis. Auf des 
Königs Rückkehr rechnet er ohnehin nicht mehr — da erſcheint 
der Totgeglaubte plötzlich in der Burg. 

Ohne zu unterſuchen, übergiebt Herodes den ſeiner Anſicht 
nach ungetreuen Joſeph dem Henker, ſtill Mariamne beſchuldigend, 
wie es Salome laut thut. Mariamne ſollte zuerſt wenigſtens 
ſagen: „Er hat mir Nichts verraten, Ich hab’ ihn nur durch— 
haut" Doc ſtrich Hebbel diefe Verſe fpäter wieder, meil 
Mariamne will, Heroded folle ihr aus eigener Erfenntniß trauen. 
Bie nun des Antonius Aufgebot kommt und der König gegen 
die Araber ind Feld ruft, weil der Enticheidungsfampf der 
duumbiren um die Welt beginnt, da jubelt Mariamne, denn 
kt wird fie’3 ſeh'n, ob er im Sieber gereizter Leidenschaft oder 
in Klarheit, fein Innerſtes verratend, die That beging. Herodes 
berfteht fie neuerlich falſch und muß fie falfch verjtehen, weil 
it Jubel kaum einer anderen Deutung fähig if. Darum 
beihlieht er, dem Soemus denfelben Befehl wie Zofeph zurüd- 
zulaſen. Die Wiederholung derfelben Situation ftammt be— 
lanntlich aus der Duelle, Hebbels Eigentum ift nur die bedeutfame 
Rotivierung, Die er gegeben und in den Worten der Marianne 
näher erflärt hat: „Ewiger, ... Du mwälzteft das Rad der Zeit 
zurd: es fteht noch einmal, wie es vorher jtand, laß ihn anders 
denn jest handeln“ und früher: „Für jeden Menſchen kommt 
der Augenblic, in dem der Lenfer feines Sterns ihm felbft die 





XLII Einleitung. „Herodes und Mariamne.“ 


Zügel übergiebt.“ Hebbel that fich auf dieſe Motivierung der 
überlieferten Thatfache, auf diefe Deutung des Hiftorifhen Bugs 
mit vollem Recht etwas zu gute, troßdem find die Kritiker fo 
ziemlih darin einig, daß die Wiederholung dad Stück ſchädige 
und erfältend wirke. Mich will bedünfen, das fei keineswegs 
der Fall, man folge vielmehr mit ganzer Spannung dem id) 
vollziehenden Prozeß, nur eine® mag jtören: unfere Auf» 
merkfamfeit wird geteilt. Auf der einen Seite jteht Mariamne 
mit ihrer ftarren Zuverſicht, daß nun der entjcheidende Moment 
günjtige Wirkung Haben müfje; auf der anderen Herodes, der 
immer tiefer ind Gegenteil verſinkt. Zu gleicher Zeit neben 
einander die fchneidenditen Gegenſätze, ohne daß fie fich zu einer 
fünjtlerifchen Einheit zuſammenſchlöſſen. Die beiden Einfamen 
bleiben auch ohne die unerläßliche Wechjelmirfung und jtehen 
zwar zugleih auf der Bühne, aber jo, als jeien jie auf weit 
außeinander liegenden Schaupläßen. Erfältend ſcheint mir viel 
eher dieſes gegenjeitige Sich-Belauern der beiden zu wirken, 
deſſen nußlofe Thorheit wir erfahren, deſſen fruchtbare Wirkung 
wir jehen. Nicht in der Wiederholung, fondern in der Bivie- 
ſpältigkeit des Eindrucks liegt daS Bedenkliche, denn die Situation 
wird zwar wiederholt, uns aber doch nur dad eine Mal wirklid 
dramatifch vorgeführt, dad zweite Mal ganz fur, angedeutet. 
Darum jet unfere Spannung im vierten Act nicht aus und 
wächſt bis in den fünften hinein. 

Der vierte Act mit feinem reichen Wechjel und feiner jteten 
Steigerung ift ein technisches Meijterjtüd und wieder deshalb jo 
interejjant, mweil die jinkende Handlung nicht ermüdend, ſondern 
erregend wirkt. Geradezu myſterios jteigt daS Feit der Mariamne 
auf, hier bleibt das ſtaatliche Moment jcheinbar fort und bildet 
doch den eigentlichen Untergrund. Auf einem Qulcan wird 
getanzt. Darum gewinnt auch die Epifode mit Artaxerxes eine 
jo große Bedeutung. In diefem Felt hat Hebbel gezeigt, mie 
auch feine Zeichnung der Samilientragödie nur ein Symbol des 


Familien⸗ und Welttragödie. ILIII 


Delthiſtoriſchen Prozeſſes wird. In ihrer Menſchheit find nicht 
aur Mariamne und Soemus, es jind alle Menfchen beleidigt; 
>ie Verhältniffe fchaffen Masken und Larven, feiner ahnt, was 
‚un anderen vorgeht. Jeder jteht auf ſich allein, oder er wird 
rwuißbraudt in feinem Weſen. Nicht mit dürren Worten, wie im 
f nften Act außgejprochen, aber ahnungsvoll angedeutet liegt der 
Kigmbolifhe Kern vor uns. | 
Am ftärkften finkt die Handlung in der zweiten Hälfte des 
Teinften Acts, wenn auch die pfychologifche Richtigkeit nicht zu 
Pezweifeln ift; Mariamne muß confequent- durch das Wegwerfen 
De Lebens ihr Vorgehen in feiner Reinheit beglaubigen, und 
Tre kann e8 durch das Mittel, daS fie wählt, noch beſſer als 
Durd einen Selbitmord. Die ftoifche Ruhe, mit der fie e8 Titus 
auseinanderjegt, die furchtbare Faſſung, mit der fie ihren Schmerz 
in ſich verfchließt, erfüllen ung mit quälendem Gefühl. Wenn 
auch Mariamne die Rache mit dem eigenen Leben bezahlt, nieder- 
drüdend wirkt.diefer Schluß auf uns, 

Bie nad) der Abfaffung der „Maria Magdalene“ fchrieb 
er über diefe Tragödie (Nachleſe I S. 258): „Charactere, die 
alle Recht Haben, die nirgends in’ Böſe auslaufen und 
deren Schickſal Daraus hervorgeht, Daß fie eben dieſe Menſchen 
\ind und keine andern, deren Schickſal aber dennod ein 
furchtbares ift.” Der Fortfchritt von der bürgerlichen zu dieſer 
hiſtoriſchen Tragödie liegt in dem Poſitiven: es wird daß neue 
Seal wenigſtens in der Ferne gezeigt: dad Chriftentum mit feiner 
vollftändig anderen Bewertung ded Individuums erſcheint als die 
duhmft, wenn auch die Gegenwart untergeht. Mit einem „Ich 
berftehe die Welt nicht mehr” fchließt Meifter Anton, mit der 
Ankündigung eines Kampfes bis aufs äußerfte, Herobes; aber 
wir fehen fein Werkzeug, Joab felbft, zweifelt nicht an dem Sieg 
des Neuen. Eine Tragödie tiefiter Liebe ſchuf num Hebbel; 
feine Judith, die über die Schranken des Weibes hinübergreift, 
keine Genoveva, bie chriftlich demütig leidet, feine Klara, die von 





XLIV Einleitung. Herodes und Mariammne.“ 


einem Heinlichen Geſchick zerqueticht wird, feine Julia, deren 
Gefühl in Verwirrung gerät: eine Mariamne fteht im Mittels 
punft, ein Weib, defjen Liebe grenzenlos ift, defjen Rache furchtbar 
ift, dad und aber zum erfienmal bei Hebbel die ſchöne „mäze“ 
zeigt. 

„Herodes und Mariamne” deutet die Wendung in Hebbel 
nur an, „Gyges“ zeigt und dann den Höhepunkt diejer neuen 
Richtung. Der Dichter hat allmählich die finfteren Mächte feines 
Innern zu bannen gelernt. In feiner Eleinen, wie in der großen 
Welt war ein Umſchwung eingetreten. Das Revolutionsjahr Hat 
jeine Tragödie gereift, es bat auch dem Dichter feine Feſtigkeit 
gegeben. Mariamne aber ftellt und, wie in Marmor gemeißelt, 
das Weſen Ehrijtinend dar, jo bat Hebbel felbft gejagt. 


— 





Maria Magdalene, 


Ein bürgerliche Zrauerjpiel in drei Acten. 


1844. 


Heäbel, Werte I. 1 








Sr. Majejtät, 


dem 


König Christian dem Achten, 


von Dänemark, 


in tiefjter Ehrfurcht gewidmet. 


— 








Dem Dichter ift es an= und eingeboren, 

Daß er ſich lange in jich felbit verjentt, 
Und, in das inn’ve- Labyrinth verloren, 

Des äußeren der Welt erjt ſpät gedentt; 
Und dennod hat ihn die Natur erforen, 

Zu zeigen, wie lich dieß mit dem verfchränft, 
Und e3 in Harem Bilde darzuitellen, 
Wie Beide ji) ergänzen und erhellen. 


Denn nicht, wie wohl ein ird'ſcher Künſtler, fpielend, 
Wenn er zurüd von jeiner Tafel trat, 

Dem Lieblingskind, das, lüſtern darnach fchielend, 
Schon längit ihn ſtill um feinen Griffel bat, 

Ihn freundlich darreicht, auf nicht? And'res zielend, 
Als daß ed, träumend von gewalt’ger That, 

Sein Meilterftüd in todten, groben Zügen 

Nachbilde, wie es kann, ſich zu vergnügen; 


Nur, weil jie felbit, in’3 Einzelite zerfließend, 
Sid, endlich auch doch concentriren muß, 
Und, in dem Theil als Ganzes jich geniekend, 
Den Anfang wieder finden in dem Schluß, 

Der, jih mit der dee zufammen jchließend, 
Ihr erſt verfchafft den höchſten Selbitgenuß, 

Den alle unter'n Stufen ihr verneinen: 

Rein, ganz und unverworren zu erjcheinen; 


Nur darum hat Sie, jtatt ihm zu zerbrechen, 
Dem Menſchen ihren Zauberjtab vertraut, 


6 


Maria Magdalene. Widmun 


Als ſie, bereit, ihr: es iſt gut! zu ſprechen, 
Zum letzten Mal das Weltall überſchaut, 
Und dieſer ſtellt nun, das Geſetz zu rächen 
Am plumpen Stoff, dem ewig davor graut, 
In den geſchloßnen erſten Kreis den zweiten, 
Wo ſie nur noch harmoniſch ſich beſtreiten. 


Und, Anfangs ſchauernd vor der hohen Gabe, 
Wird ſich der fromme Künſtler bald bewußt, 

Daß er zum Dank ſich ſelbſt zu opfern habe, 
Und ſteigt nun tief hinab in feine Bruſt: 

Er fragt nicht, ob ihn auch die Nacht begrabe, 
Er gebt, jo weit er fann, in banger Aut, 

Und führt fein Narr im Wappen die Verjöhnung, 

Er Hofft nur faum auf fie, wie auf die Krönung! 


Doch, wenn er lange fo den rothen Faden 
Aus jich hervor fpinnt, der ihn führen kann, 
Co wird er plötzlich durch den Geift geladen: 
Nun lege ihn in der Gefchichte an! 
Dieß ijt ein wahrer Ruf von Gotte8 Gnaden, 
Und wer nicht folgt, der zeigt, daß er zerrann! 
Ich babe vorlängjt diefen Ruf vernommen, 
Da hab’ ich nicht gejäumt, ich bin gefommen. 


Und wie mein Blick ſich lenkte in das Weite, 
War mir aud flugs die Sehnjucht eingeflößt, 
Die äuß're Welt zu ſchau'n in ihrer Breite, 
Allein der Mittel ſah ich mic, entblößt. 
Doc gleich jtand mir ein Genius zur Seite, 
Und von der Scholle ward mein Fuß gelöft, 
Und was dieß hieß, das kann ich jetzt erit wägen, 
Wo ſich zur Frucht verdichten will der Segen. 








y 


Vidmung. Maria Magdalene. 


Du warſt es, Herr und Fürſt! Laß Dir's gefallen, 
Daß ich zum Danke jetzt dies kleine Bild, 
Vielleicht das einfach-ſchlichteſte von allen, 
Worin ſich mir das Welt-Geſchick enthüllt, 
Dir bringe, und, wenn ſich's für Königs-Hallen 
Auch ſchlecht nur eignet, ſei ihm dennoch mild! 
Es iſt des neuen Frühlings erſtes Zeichen, 
Und als das erſte durfte ich's Dir reichen! 








Perfonen: 


Meiſter Anton, ein Tifchler. 
Seine Frau. 
Klara, feine Tochter. 

> Karl, fein Sohn. 
Keonhard. 
Ein Secretair. 
Wolfram, ein Kauimann. 
Adam, ein Gerichtsdiener. 

10 Ein zweiter Gerichtsdiener. 
Ein Knabe. 
Eine Magd. 





Ort: eine ntittlere Stadt. 





Erfler Art. 
Zimmer im Haufe des Tijchlermeifters. 


Erſte Bcene. 
Klara. Die Mutter. 


5 Klara. Dein Hochzeits-Kleid? Ei, wie es Dir jteht! 
Es ift, ald 06’3 zu heut’ gemacht märe! | 

Mutter. Ja, Kind, die Mode läuft jo lange vormwärts, 
bis fie nicht weiter Tann, und umkehren muß. Dies Kleid war 
Ihon zehn Mal aus der Mode, und falı immer wieder hinein. 

10 Klara. Diesmal doc nicht ganz, liebe Mutter! Die 
Aermel jind zu weil. Es muß Dich nicht verdrießen! 

Mutter (achelnd). Dann müßt ih Du fein! 

Klara. So haft Du aljo ausgeſehen! Aber einen Kranz 
trugſt Du doch aud, nicht wahr? 

15 Mutter. Will's hoffen! Wozu hätt’ ich fonjt den Myrthen- 
baum Jahre lang im Scherben gepflegt! 

Klara. Sch Hab’ Di) jo oft gebeten, und Du haſt es 
nie angezogen, Du jagtejt immer: mein Brautkleid iſt's nicht 
mehr, es iſt num mein Leichenfleid, und damit joll man nicht 

» ipielen. Ich mogt’ es zuleßt gar nicht mehr jehen, weil es 
mid), wenn e3 jo weiß da hing, immer an Deinen Tod und 
an den Tag erinnerte, wo die alten Weiber es Dir über den 

Kopf ziehen würden. — Warum denn heut’? 

Mutter. Wenn man jo jchwer frank liegt, wie ich, und 

25 nicht weiß, ob man wieder gefund wird, da geht Einem gar 
Manded im Kopf herum. Der Tod ijt fchredlicher, als man 


el, und man fieht viel, fehr viel, wa8 man 
ih bin mir eben nichts Böſes bewußt, ich 
Begen gegangen, ich habe im Haufe geichafft, 
h Habe Dih und Deinen Bruder in der 9 
ufgezogen und den jauren Schweiß Eures % 
wehalten, ich habe aber immer auch einen PBfennü 
u erübrigen gewußt, und wenn ich zuweilen € 
ch gerade verdrießlich war, oder weil zu Viele 
3 fein Unglüd für ihn, denn ih rief ihn ge 
ınd gab ihm doppelt. Ad), was iſt dad Alle 
och vor der legten StAnde, wenn jte herein dri 
ich, wie ein Wurm, man fleht zu Gott um's 
Diener den Herrn anflebt, die ſchlecht gemachte 
nal verrichten zu dürfen, um am Lohntag nicht zu 

Klara. Hör’ davon auf, liebe Mutter, 

Mutter. Nein, Kind, mir thut’3 wohl! 
iicht gefund und Fräftig wieder da? Nat der 
loß gerufen, damit ich erfennen mögte, daß me 
licht fleckenlos und rein it, und hat er mid) ni 
es Grabes wieder umfchren lafjen, und mir Fr 
u jhmüden für die himmlische Hochzeit? So 
r gegen jene jieben Jungfrauen im Evangeliu 
‚ejtern Abend vorlefen mußtejt, nicht! Darun 





I2 Maria Magdalene. 13 


Bweite Bcene. 


Karl ii aun. Guten Morgen, Mutter! Nun, Klara, 
mögteſt Du mich leiden, wenn ich nicht Dein Bruder wäre? 
Klara. ine goldene Kette? Woher Haft Du die? 
⸗ Karl. Wofür ſchwitz' ich? Warum arbeit' ich Abends 
zwei Stunden länger, als die Anderen? Du biſt impertinent! 
Mutter. Zank am Sonntag-Morgen? Schäme Dich, Karl! 
Karl. Mutter, haſt Du nicht einen Gulden für mich? 
Mutter. Ich habe kein Geld, als was zur Haushaltung 
v ge hört. 
Karl. Gieb nur immer davon her! Ich will nicht murren, 
wenn Du die Eierkuchen vierzehn Tage lang etwas magerer 
bädi. So haft Du's ſchon oft gemacht! Ach weiß das wohl! 
Als für Klarad weißes Kleid gejpart wurde, da fam Monate 
slang nichts Leckeres auf den Tiſch. Ich drüdte die Augen zu, 
aber ih wußte recht gut, daß ein neuer Kopfpuß, oder ein 
anderes Ssahnenftüd auf dem Wege war. Laß mid) denn auch 
einmal davon profitiren! 
Mutter. Du biſt unverjchämt ! 
zu Sarl. Ich hab’ nur feine Zeit, ſouſt — (Er wit gehen.) 
Mutter. Wohin gehit Du? 
Karl. Ich will's Dir nicht jagen, dann kannt Du, wenn 
der alte Brummbär nach mir fragt, ohne roth zu werden, ant- 
worten, daß Du's nicht weißt. Uebrigens brauch’ id) Deinen 
3 Gulden gar nicht, es iſt das Beſte, daß nicht alles Wafjer aus 
Einem Brunnen gejchöpft werden joll. «für ſich Hier im Haufe 
glauden fie von mir ja doc, immer das Schlimmite; wie ſollt' 
es mi nicht freuen, fte in der Angst zu erhalten? Warum 
toll? ich's jagen, daß ich, da ich den Gulden nicht bekomme, 

„nun jhon in die Kirche gehen muß, wenn mir nicht ein Be- 
fonnter aus der Berlegenheit hilft? (ab) 








14 Maria Magdalene. 


Britte Scene. 

Klara. Was ſoll daS heißen? 

Mutter. Ach, er macht mir Herzeleid! Ja, ja, der ! 
hat recht, das jind Die Folgen! So allerliebft, wie er 
Eleiner Lockenkopf um das Stüd Zucker bat, jo troßig fr 
er jebt den Gulden! Ob er den Gulden wirklich nicht fo 
würde, wenn ih ihm das Stüd Zuder abgeichlagen E 
Das peinigt mich oft! Und ich glaube, er liebt mid) 
einmal. Haft Du ihn ein einziged Mal weinen jehen wä 
meiner Krankheit ? 

Klara. Ich jah ihn ja nur jelten, fajt nicht anders 
bei Tiih. Mehr Appetit Hatte er, als ich! 

Mutter (chnell). Dad war natürlid), er mußte die fd 
Arbeit verrichten ! 

Kara. Freilich! Und wie die Männer find! Pie fe 
jich ihrer Thränen mehr, als ihrer Sünden! ) Eine geballte ; 
warum die nicht zeigen, aber ein mweinendes® Auge? ud 
Vater! Schluchzte er nicht den Nachmittag, wo Dir zur 
gelafjen wurde, und fein Blut kommen wollte, an jeiner F 
bank, daß mir’! durd die Seele ging! Uber als ih m 
ihm trat, und ihm über die Baden jtrid, was ſagte er? 
ſuch' dod, ob Du mir den verfludhten Span nicht aus 
Auge heraus bringen kannſt, [man hat jo viel zu tun 
fommt nit vom Sled! ! 

Mutter (lächelnd). Sa, ja! Ich fehe den Leonhard je 
nit mehr. Wie fommt da? ? 

Klara. Mag er weg bleiben! 

Mutter. Ich will nicht hoffen, daß Du ihn ande 
jtehit, al3 Hier im Haufe! 

Klara. Bleib’ ich etwa zu lange weg, wenn ich Al 
zum Brunnen gehe, daß Du Grund zum Verdacht Hajt ? 

Mutter. Nein, das nicht! Aber nur darum had’ id 
Erlaubniß gegeben, daß er zu und kommen darf, damit ei 





13 Maria Magdalene. 15 


nicht bei Nebel und Nacht aufpafjen Jul. Das hat meine 
Mutter auch nicht gelitten! 

Klara. Ich ſeh' ihn nicht! 

Mutter. Schmollt Zhr mit einander ? Ich mag ihn fonjt 
wohl leiden, er ilt jo gefegt! Wenn er nur erft Etwa wäre! 
Zu meiner Zeit hätt’ er nicht lange warten dürfen, da riffen 
die Herren fi) um einen geſchickten Schreiber, wie die Yahmen 
um die Krüde, denn fie waren felten. Auch wir geringeren 
Leute konnten ihn brauchen. Heute feßte er dem Sohn einen 
Neujahrswunſch für den Vater auf, und erhielt allein für den 
vergoldeten Anfangsbuchſtaben jo viel, daß man einem Kinde 
eine Dode dafür hätte Faufen können. Morgen gab ihm der 
Vater einen Wink und Tieß ſich den Wunſch vorleſen, heimlich, 
bei verjchloffenen Thüren, um nicht überrajcht zu werden und 
die Unwiſſenheit aufgededt zu jeher. Das gab doppelte Be- 
zahlung. Da waren die Schreiber oben auf und machten das 
Bier theuer. Set iſt's anders, jetzt müfjen wir Alten, die 
wir und nicht auf3 Leſen und Schreiben verftehen, und von 
neunjährigen Buben ausſpotten lafjen! Die Welt wird immer 
flüger, vielleiht kommt noch einmal die Zeit, wo Einer ſich 
Ihämen muß, wenn er nicht auf dem Zeil tanzen fann! 

Klara. 3 läutet! Ä 

Mutter. Nun, Kind, ic will für Dich beten! Und was 
Deinen Leonhard betrifft, jo liebe ihn, wie er Gott liebt, nicht 
mehr, nicht weniger. Co fprady meine alte Mutter zu mir, 
als jie aus der Welt ging, und mir den Segen gab, ich habe 
ihn lange genug behalten, hier Haft Du ihn wieder! 

Klara (reiht ihr einen Strauß). Da! 

Mutter. Der kommt gewiß von Start! 


Klara (nidt; dann bet Seite. Ich wollt’, e& wäre jo! Was 
ihr eine rechte Freude machen jol, dag muß von ihm fommen! 
Mutter. D, cr ift gut und Hat mich lieb! (av) 





16 Maria Dlagdalene. 14 


Klara (ſeht ihr durch's Fenſter nach. Da geht ſie! Drei Mal 
träumt’ ich, fie läge im Sarg, und nun — o die boshaften 
Träume, ſie Eleiden fi in unjere Furcht, um unſ're Hoffnung 
zu erſchrecken! Ich will mid) niemald wieder an einen Traum 
fehren, ich will mich über einen guten nicht wieder freue 
damit ich mich über den böjen, der ihm folgt, nicht wieder 3 
ängitigen brauche! Wie fie fejt und jicher ausjchreitet! Schw y 
it fie dem Kirchhof nah” — wer wohl der Erite ijt, der iKy 
begegnet? Es ſoll Nicht bedeuten, nein, ich meine nur — 
(erihroden zufanmen fahren) Der Todtengräber! Er hat eben etı 
Grab gemadt und jteigt daraus hervor, fie grüßt ihn und blick 
lächelnd in die düjtre Grube hinab, nun wirft jie den Blumen: 
jtrauß Hinunter und tritt in die Kirche. (Man Hört einen Chorar.' 
Sie fingen: Nun danfet Alle Gott! (Sie faltet die Hände.) Ja! 
Ja! Wenn meine Mutter gejtorben wäre, nie wär’ ich wieder 
ruhig geworden, denn — — (mit einem Blid gen Himmel) Aber 
Du biſt gnädig, Du bift barmherzig! Sch wollt‘, ich hätt’ einen 
Slauben, wie die Katholiihen, daß ih Dir Etwas jchenfen 
dürfte! Meine ganze Sparbüchſe wollt’ ich Teeren, und Dir 
ein ſchönes vergoldetes Herz kaufen, und es mit Roſen ummindert. ! 
Unſer Pfarrer jagt, vor Dir feien die Opfer Nichts, denn Alle 
jei Dein, und man müßte Dir das, was Du ſchon hajt, nicht 
erft geben wollen! Aber Alles, was im Hauſe ift, gehört 
meinem Vater doch auch, und dennod) jieht er's gar gern, wen Fl 
ih ihm für fein eignes Geld ein Tuch Faufe, und es fateT 
jtide, und ihm zum Geburtötag auf den Teller lege. Ja, ET 
thut mir die Ehre an und trägt's nur an den höchſten Feier“ 
tagen, zu Weihnaht oder zu Pfingiten! Einmal ſah ic et 
ganz kleines katholiſches Mädchen, das jeine Kirihen zum Altca! 
trug. Wie gefiel mir das! Es waren die erjten im Jahr, pt 
das Kind befam, ich jah, wie c& brannte, fie zu efjen! Dennod 
befämpfte es jeine unjchuldige Begierde, e& warf fie, um ne=S 
der Verfuchung ein Ende zu machen, raſch hin, der Meßpfa F' 





I4 Maria Magdalene. 17 


der eben den Kelch erhob, fchaute finfter drein, und das Kind 
eilte erjchrect von dannen, aber die Maria über dem Altar 
lächelte jo mild, als wünfchte fie aus ihrem Rahmen heraus 
zu treten, un dem Kind nadjzueilen und es zu küſſen. Ach 
stHat3 für fie! Da fommt Leonhard! Ach! 


Pierte Scene. 


Leonhard (vor der Thür). Angezogen? 
Klara. Warum jo zart, fo rüdjiht2vol? Ich bin nod) 
| immer feine Princeſſin. | 
m Leonhard tritt ein). Sch glaubte, Du wärft nicht allein! 
Im Borübergehen kam es mir vor, als ob Nachbars Bärbchen 
am Fenſter ſtände! 
Klara. Alſo darum! 
Leonhard. Du biſt immer verdrießlich! Man kann vier— 
“zn Tage weg geblieben fein, Regen und Sonnenſchein können 
ſih am Himmel zehn Mal abgelöft haben, in Deinem Geſicht 
Ieht, wenn man endlich wieder kommt, immer noch die alte 
Volke! 
Klara. Es gab andere Zeiten! 
” Leonhard. Wahrhaftig! Hätteft Du immer ausgeſehen, 
wie jetzt, wir wären niemals gut Freund geworden! 
| Klara. Was lag daran? 
Leonhard. So frei fühlit Du Dich von mir? Mir 
lenn's recht fein! Darm (mit Besiepung hat Dein Zahnweh von 
q2 neulich Nichts zu bedeuten gehabt! 
| Mara. D Leonhard, ed war nicht recht von Dir! 
Leonhard. Nicht recht, daß ich mein höchſtes Gut, denn 
das bit Du, auch durch das lebte Band an mich feit zu knüpfen 
juhte? Und in dem Augenblid, wo ich in Gefahr ſtand, e3 zu 
„a so verlieren? Meinſt Du, ich jah die jtillen Blicke nicht, die Du 
Gebet, Werte II. 2- 









18 Maria Magdalene. 


mit dem Secretair wechſelteſt? Das war ein ſchöner Fr 
tag für mih! Ich führe Di zum Tanz, und — 

Sara. Du börft nicht auf, mich zu Fränfen! Ich ſa 
Secretair an, warum jollt’ ich's läugnen? Aber nur 
des Echnurrbart3, den er fi auf der Academie Hat ıı 
lafjen, und der ihm — Gie Hält inne.) 

Leonhard. So gut jteht, nicht wahr? Das wollt: 
doch jagen? O ihr Neiber! ud) gefällt das Soldaten- 
noch in der ärgiten Carricatur! Mir fam da3 Heine, läch 
runde Geſicht des Gecken, ich bin erbittert auf ihn, ich ve 
e3 nicht, er Hat mir lauge genug bei Dir im Wege geit: 
mit dem Walde von Haaren, der es in der Mitte durdhjch 
wie ein weißes Naninchen vor, das Sich hinter den 
verfriecht. 

Slara. Ic habe ihn noch nicht gelobt, Du braud) 
nicht herab zu jeßen. 

Leonhard. Du jcheinft noch immer warmen Anth 
ihm zu nehmen! 

Klara. Wir haben als Kinder zujanınıen gejpielt 
naher — Du weißt recht gut! 

Leonhard. O ja, ich weiß! Aber eben darım! 

Klara. Da war e3 wohl natürlich, daß ich, nun i 
jeit jo langer Zeit zum erjten Mal wieder erblicte, ihn 
und mic) veriunderte, wie groß und — (Sie unterbricht fid 

Leonhard. Warum wurdeit Tu denn voth, als er 
wieder anjah? 

Klara. Ich glaubte, er fähe nad) dem Wärzchen auf ı 
linfen Bade, 0b da3 aud) größer geworden ſei! Du weiß 
ih mir dieß alle Mal einbilde, wenn mich Jemand jo 
betrachtet, und daß ic) dann immer roth werde. Iſt mir’s 
als ob die Warze wächſ't, jo lange einer darnad) Fuft! 

Leonhard. Sei's, wie es jei, mich überlief's, un 
dachte: noch dieſen Abend jtell’ ich fie auf die Probe! W 





14 Maria Magdalene. 19 


smıein Weib werden, ſo weiß fie, daß fie Nichts wagt. Sagt fie 
ein, jo — | 

Klara. DO, Tu jpradjit ein böjes, böſes Wort, als ich Did) 
zurüd ftieß und von der Bank aufiprang. Der Mond, der bid- 

s Her zu meinem Beiltand jo fromm in die Laube hinein gefchienen 
hatte, ertrant kläglich in den naſſen Wolfen, ich wollte forteilen, 
doch ic fühlte mich zurüdgehalten, ich glaubte erſt, Du wärft 
es, aber es war der Rofenbujch, der mein Kleid mit feinen 
Tomen, wie mit Zähnen, feithielt, Du läjterteft mein Herz und 

1 traute ihm jelbjt nicht mehr, Du jtand’jt vor mir, wie Einer, 
der eine Schuld einfordert, id — ad) Gott! 

Leonhard. Ich kann's noch nicht bereuen. Ich weiß, daß 
ich Did mir nur jo erhalten fonnte. Die alte Jugendliebe 
that die Augen wieder auf, ich konnte ſie nicht fchnell genug 

2 judrücken. 
Nlara. Als id) zu Haufe kam, fand ich meine Mutter 
krank, todtkrank. Plötzlich dahin geworfen, wie von unfichtbarer 
Yand, Der Vater hatte nad) mir jchicken wollen, fie hatte es 
| nicht zugegeben, um mich in meiner Freude nicht zu ftören. 
Be ward mir zu Muth, als ich's hörte! ch hielt mid) fern, 
ih wagte nicht, ſie zu berühren, ich zittert. Sie nahm's für 
lindliche Beſorgniß, und winfte mic) zu fich heran, als id) mid) 
langſam nahte, zog ſie mich zu ſich nieder und küßte meinen 
entweihten Mund. Ich verging, ich hätte ihr ein Geſtändniß 
ch tun, ich hätte ihr zuſchreien mögen, was ich dachte und fühlte: 
meinetwegen liegit Du jo da! Ich that's, aber Thränen und 
Shluczen erjticten die Worte, jie griff nach der Hand meines 
Vaters und jprach mit einem jeligen Blick auf mid: weld) ein 
-}  Semüth! 
|» Leonhard. Sie ijt wieder gejund. Ic Fam, ihr meinen 
Glückwunſch abzuftatten, und — was meinjt Du? 

Klara. Und? | 

Leonhard. Bei Deinem Vater um Dich anzuhalten! 

3% 








18 Maria Magdalene. 14 


mit dem Secretair wechſelteſt? Das war ein ſchöner Freuden— 
tag für mich! Ich führe Dich zum Tanz, und — 

Klara. Du hörſt nicht auf, mich zu kränken! Ich ſah den 
Secretair an, warum ſollt' ich's läugnen? Aber nur wegen 
des Schnurrbarts, den er ſich auf der Academie hat wachſen 
laſſen, und der ihm — (&ie Hält inne.) 

Leonhard. So gut ſteht, nicht wahr? Das wollteſt Du 
doch ſagen? O ihr Weiber! Euch gefällt das Soldaten-Zeichen 
noch in der ärgſten Carricatur! Mir kam das kleine, lächerlich— 
runde Geſicht des Gecken, ich bin erbittert auf ihn, ich verhehle 
es nicht, er hat mir lange genug bei Dir im Wege geſtanden, 
mit dem Walde von Haaren, der es in der Mitte durchſchneidet, 
wie ein weißes Kaninchen vor, das ſich hinter den Buſch 
verkriecht. 

Klara. Ich habe ihn noch nicht gelobt, Du brauchſt ihn 
nicht herab zu ſetzen. 

Leonhard. Du ſcheinſt noch immer warmen Antheil an 
ihm zu nehmen! 

Klara. Wir haben als Kinder zuſammen geſpielt, und 
nachher — Du weißt recht gut! 

Leonhard. O ja, ich weiß! Aber eben darum! 

Klara. Da war es wohl natürlich, daß ich, nun ich ihn 
\eit jo langer Zeit zum eriten Mal wieder erblicte, ihn anfah, 
und mich veridunderte, wie groß und — (Ste unterbridt fid.) 

Leonhard. Warum wurdejt Dur denn voth, al® er Did» 
wieder anjah? 

Klara. Ich glaubte, er fähe nad) dem Wärzchen auf meiner 
linken Backe, ob das auch größer nemorden jei! Du weißt, daß 
id) mir dieß alle Mal einbilde, wenn mic) Jemand fo ſtarr 
betrachtet, und daß ic) dann immer roth werde. St mir's doc, » 
als ob die Warze wächſ't, jo lange einer darnad) kukt! 

Leonhard. Zeig, wie es jei, mich überlief's, und id 
dachte: noch diejen Abend ftell! ich fie auf die Probe! Will fie 


© 


— 
—* 
- 


— 
— 





I4 Maria Magbalene. 21 


Leonhard. Den kleinen Zwiſt führte ich ſelbſt liſtig her— 
bei, damit ich wegbleiben könnte, ohne daß es zu ſehr auffiele. 

Klara. Ich verſteh' Dich nicht! 

Leonhard. Glaub's. Die Zeit benutzt' ich dazu, der kleinen 

5 dudligten Nichte des Bürgermeiſters, die jo viel bei dem Alten 
gilt, die feine rechte Hand ift, wie der Gericht3diener die linke, 
den Hof zu machen. Verſteh' mich recht! Ich fagte ihr jelbft 
nichtz Angenehmes, ausgenommen ein Compliment über ihre 
Hnare, die bekanntlich roth jind, ich fagte ihr nur Einiges, das 

soihr wohl gefiel, über Dich! 

Klara. Ueber mich? 

Leonhard. Warum follt’ ich's verjchweigen? Geſchah es 
doh in der beiten Abjicht! Als ob e3 mir nie im Ernft um 
Ch zu thun gewejen wäre, als ob — Genug! Das dauerte 

0 lange bis ich dieß in Händen hatte, und wie's gemeint war, 
wird die leichtgläubige, manntolle Thörin erfahren, jobald fie 
uns in der Kirche aufbieten hört! 

Klara. Leonhard! 

Leonhard. Kind! Kind! Cei Du ohne Falſch, wie Die 

» Taube, ich will Hug, wie die Schlange fein, dann genügen wir, 
da Mann und Weib dody nur Eins find, dem Evangelienſpruch 
volltommen. cast) Es kam auch nicht ganz von jelbit, daß 
der junge Herrmann in dem wichtigften Augenblid feines Lebens 
betrunfen war. Du Haft gewiß nicht gehört, daß der Menjd) 

sh auf3 Trinken verlegt! 

Klara. Kein Wort. 

Leonhard. Um jo leichter glüdte mein Plan. Mit drei 
Släfern war’3 gethan. Ein Paar Kameraden von mir mußten 
hm auf den Leib rüden. „Darf man gratuliren?“ Noc) nicht! 

0, das ijt ja abgemadt! Dein Onfel —“ Und nun: trinf, 
mein Brüderlein, trinf! Als ich heute Morgen zu Dir ging, 
and er am Fluß, und kukte, über's Brückengeländer ſich lehnend, 
ſchwermüthig hinein. Ich grüßte ihn ſpöttiſch und fragte, ob 


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20 Maria Magdalene. I& 


Klara. Ad! 

Leonhard. Iſt Dir's nicht recht? 

Klara. Nicht vet? Mein Tod wär’d, wenn id nidk 
bald Dein Weib würde, aber Du fennjt meinen Bater nicht ? 
Er weiß nit, warum wir Eile haben, er kann's nicht willen, 
und wir können's ihm nicht jagen, und er hat hundert Mal er= 
tlärt, daß er feine Tochter nur dem giebt, der, wie er ed nennt, 
nicht bloß Liebe im Herzen, fondern aud) Brot im Schrank für 
ſie Hat. Er wird fprechen: wart’ noch ein Jahr, mein Eohra, 
oder zwei, und was willit Du antworten? 

Leonhard. Närrin, der Bunct iſt ja gerade bejeitigt! Ich 
habe die Stelle, ich bin Gaffirer! 

Klara. Du biſt Eajjirer? Und der andere Sandidat, 
der Neffe vom Baitor? 

Leonhard. War betrunken, ald er zum Examen fam, ver: 
beugte jich gegen den Dfen, jtatt gegen den Bürgermeijter, und 
jtieß, als er ſich niederfegte, drei Tafjen vom Tiih. Du weißt 
wie Higig der Alte iſt. Herr! fuhr er auf, doch noch befämprte 
er jich und biß ſich auf die Lippen, aber feine Augen bligtern 
durch die Brille, wie ein Baar Schlangen, die fpringen wollert, 
und jede feiner Mienen jpannte ſich. Nun ging's an's Nechnert, 
und, ba! Ha! mein Mitbewerber recjnete nad) einem jelbft = 
erfundenen Ein mal Eins, da3 ganz neue Nefultate lieferte, de? 
verredjnet ſich! ſprach der Bürgermeijter, und reichte mir mt! 
einem Blid, in dem ſchon die Bejtallung lag, die Hand, die (HI 
obgleid) jie nad) Tabak roch, demüthig an die Lippen führt € 
bier iſt fie ſelbſt, unterſchrieben und bejiegelt! 

Klara. Das fommt — 

Leonhard. Unermartet, nit wahr? Nun, e8 konz 
auch nicht fo ganz von ungefähr. Warum ließ ich mich vierzel 
Tage lang bei Euch nicht jehen? 

Slara. Was weiß ih? Sch denke, weil wir ud de 
legten Sonntag erzürnten! 





14 Maria Magdalene. 21 


Leonhard. Den kleinen Zwiſt führte ich ſelbſt liſtig her— 
bei, damit ich wegbleiben könnte, ohne daß es zu ſehr auffiele. 
Klara. Ich verſteh' Dich nicht! 

Leonhard. Glaub's. Die Zeit benutzt' ich dazu, der kleinen 

s buckligten Nichte des Bürgermeiſters, die fo viel bei dem Alten 

gilt, die feine rechte Hand ift, wie der Gericht3diener die linke, 

den Hof zu machen. Verſteh' mich recht! Ich ſagte ihr felbft 

nichtz Angenehmes, audgenommen ein Compliment über ihre 

Haare, die befanntlich roth find, ich fagte ihr nur Einiges, dag 
ihr wohl gefiel, über Dich! 

Klara. Leber mid? 

Leonhard. Warum jollt! ich's verjchweigen? Geſchah es 
do in der beiten Abficht! Als ob ed mir nie im Ernſt um 
Ti zu thun geweſen wäre, ald ob — Genug! Das dauerte 

}0 ange bis ich dieß in Händen hatte, und wie's gemeint war, 
wird die leichtgläubige, manntolle Thörin erfahren, ſobald ſie 
uns in der Kirche aufbieten hört! 

Klara. Leonhard! 

Leonhard. Kind! Kind! Sei Du ohne Falſch, wie die 
* Taube, ich will Hug, wie die Schlange fein, dann genügen wir, 
da Mann und Weib doch nur Eins find, dem Evangelienjprud) 
voll fommen. code Es kam auch nicht ganz von jelbft, daß 
der junge Herrmann in dem wichtigiten Augenblid feines Lebens 
betrunken war. Du haft gewiß nicht gehört, daß der Menfd) 
SCH auf's Trinken verlegt! 

Klara. Nein Wort. 

Leonhard. m jo leichter glüdte mein Plan. Mit drei 
Glaäſern war’ gethan. Ein Paar Kameraden von mir mußten 
ihm auf den Leib rücken. „Darf man gratuliren?“ Noch nicht! 
X, das iſt ja abgemadt! Dein Onfel —“ Und nun: trint, 

mein Brüderlein, trinf! Als ich heute Morgen zu Dir ging, 
ander am Fluß, und kukte, über’3 Brüdengeländer ſich lehnend, 
ſchwermüthig hinein. Sch grüßte ihn ſpöttiſch und fragte, ob 











22 Maria Magdalene. I! 


ihm Etwas in's Waſſer gefallen ſei? „Ja wohl — jagte er 
ohne aufzujehen — und e3 ijt vielleiht gut, wenn ich jelb} 
nachſpringe.“ 

Klara. Unwürdiger! Mir aus den Augen! 

Leonhard. Ja? (madt, als wollt' er geben 

Klara. O mein Gott, an dieſen Menſchen bin ich gekette! 

Leonhard. Zei fein Kind! Und num noch ein Wort ia 
Vertrauen. Hat Dein Vater die taufend Thaler noch immer i 
der Apotheke jtehen? 

Klara. Ich weiß Nichts davon. 

Leonhard. Nichts über einen jo wichtigen Punct? 

Klara. Da kommt mein Vater. 

Leonhard. Verſteh mid)! Der Apotheker joll nah Aa 
Coneurs fein, darum fragt ich! 

Slara. Ich muß in die Küche! can 

Leonhard cattein. Nun müßte hier NichtS zu holen jetı 
Ich kann es mir zwar nicht denfen, denu der Meijter Ante 
ijt der Art, daß er, wenn man ihm aus Verſehen aud) nu 
einen Buchltaben zu viel auf den Grabjtein ſetzte, gewiß al 
Geiſt jo lange umginge, bi3 er wieder ausgefragt wäre, den 
er würde es fir unredlich halten, jich mehr vom Alphabe 
anzueignen, als ihm zufäme! | 


Fünfte Scene. 


Der Bater, Meijter Anton ctritt em. Guten Morgen 
Herr Caſſirer! ‚Er nimmt ſeinen Hut ab und jept eine wollene Mütze auf 
Iſt's einem alten Manne erlaubt, jein Haupt zu bedecken? 

Leonhard. Er weiß aljo — 

Meijter Anton. Schon geitern Abend. Ic) hörte, als te 
in der Dämmerung zum todten Müller ging, un dem Mare 
das Maaß zur legten Behaujung zu nehmen, ein Baar ve 
Seinen guten Freunden auf Ihn jchimpfen. Da Dachte 14 





5 Maria Magdalene, 23 


gleich: der Leonhard hat gewiß den Hals nicht gebrochen. Am 
Sterbehauje hörte ich daS Nähere vom Küſter, der eben vor 
mir gefommen var, um die Wittiwe zu tröften und nebenbei 
fi ſelbſt zu betrinfen. 
5 Reonhard. Und Klara mußte e& erit von mir erfahren ? 
| Meifter Anton. Wenn e8 Shn nicht trieb, der Dirne 
die greude zu machen, wie jollt' ed mich treiben? Ich jtede in 
meinem Haufe feine Kerzen an, als die mir jelbjt gehören. 
Dann weiß ich, daß Niemand fommen fann, der jie wieder aus— 
o bläjt, wenn wir eben unſ're beſte Luſt daran haben! 
Leonhard. Er konnte doch von mir nicht denfen — 
Meifter Anton. Denfen? Ueber Ihn? Ueber irgend 
| Einen ? Ich hoble mir die Bretter wohl zurecht mit meinen 
| Eiſen, aber nie die Menfchen mit meinen Gedanken. Ueber die 
u Thorheit bin ich fängft hinaus. Wenn ich einen Baum grünen 
| ſehe, ſo dent’ ich wohl: nun wird er bald blühen! Und wenn 
er blüht: nun wird er Früchte bringen! Darin fehe ich mic) 
Mh nicht getäufcht, darum geb’ ic) die alte Gewohnheit nicht 
auf. Aber über Menſchen denfe ich Nichte, gar Nicht, nichts 
” Schlimmes, nichts Gutes, dann brauch’ ich nicht abwechjelnd, wenn 
Ne bald meine Furcht, bald meine Hoffnung täufchen, roth oder 
blaß zu werden. Ich made bloß Erfahrungen über ſie, und 
Nehme mir ein Beilpiel an meinen beiden Augen, die auch nicht 
deuken, ſondern nur ſehen. Ueber Ihn glaubte ich ſchon eine 
"ganze Erfahrung gemacht zu haben, nun finde ich Ihn hier, 
und muß befennen, daß es doch nur eine halbe geweſen iſt! 
Leonhard. Meilter Anton, Er macht e8 ganz verkehrt. 
ter Daum hängt von Wind und Wetter ab, der Menſch hat 
in ſich Geſetz und Regel! 
Meiſter Anton. Meint Er? Ja, wir Alten ſind dem 
Tod vielen Dank ſchuldig, daß er uns noch ſo lange unter Euch 
Jungen herumlaufen läßt, und uns Gelegenheit giebt, uns zu 
bilden. Früher glaubte die dumme Welt, der Vater ſei dazu 





24 Maria Magdalene. 15 


da, um den Sohn zu erziehen. Umgefehrt, der Sohn foll dem 
Vater die legte Politur geben, damit der arme einfältige Dann 
fih im Grabe nit vor den Würmern zu jchämen braudt. 
Gott Lob, ih habe in meinem Karl einen braven Lehrer, der 
rückſichtslos und, ohne das alte Kind durch Nachſicht zu ver=- s 
zärteln, gegen meine Vorurtheile zu Felde zieht. So hat er 
mir nod heute Morgen zwei neue Lehren gegeben, und auf 
die gejchictejte Weife, ohne auch nur den Mund aufzuthun, ohne 
ji bei mir ſehen zu lafjen, ja, eben dadurd. Erſtlich hat er 
mir gezeigt, daß man fein Wort nicht zu halten braucht, ziveiteng, wo 
daß e3 überflüffig ift, in die Kirche zu gehen, und Gottes Gebote 
in ſich aufzufriichen. Gejtern Abend verfprach er mir, es zu 
tdun, und ich verließ mich darauf, daß er fommen würde, denn 
ich dachte: er wird dem gütigen Schöpfer doch für die Wieder: 


beritellung jeiner Mutter danken wollen. Uber er war nidt = 


da, ich hatte es in meinem Etuhl, der freilidy für zwei Perjonen 
ein wenig eng ilt, ganz bequem. Ob es ihm wohl ganz redt 
wäre, wenn ich mir die neue Lehre gleich zu eigen machte, und 
ihm aud) mein Wort nicht hielte? Ich Habe ihm zu feinem 


Geburtötag einen neuen Anzug verfprochen, und hätte aljo Ge- m 


legenheit, jeine Freude über meine Gelehrigkeit zu prüfen. Aber 
das PVorurtheil, dad VBorurtheil! Sch werde e& nicht thun! 

Leonhard. Bielleiht war er unwohl — 

Meijter Anton. Möglich, ic) brauche meine Frau nur 
zu fragen, dann hör’ ich ganz gewiß, daß er frank ilt. Dem 
iiber Alles in der Welt jagt ſie mir die Wahrheit, nur nit 
über den Sungen. Und wenn auch nicht krank — aud) da— 
hat die juyge Welt vor und Alten voraus, daß ſie allenthalbers 
ihre Erbauung findet, Daß fie bei'nı VBogelfangen, bei'm Spagieren— 
gehen, ja im Wirthshaus ihre Andacht halten kann. „Vater 
unfer, der Du bift im Himmel!“ — Guten Tag, Peter, jied € 
man Did beim Abendtanz? — „Öeheiligt werde Dein « 
Name!" — a, lad’ nur, Nathrine, es findet jih! — „Teim 4 





I5 Maria Magdalene. 25 


Wille geichehe!" — Hol’ mich der Teufel, ih bin noch nicht 
ralirt! — Und fo zu Ende, und den Segen giebt man jid) 
jelbft, denn man iſt ja ein Menſch, fo-gut, wie der Prediger, 
und die Kraft, die vom ſchwarzen Nod ausgeht, itedt gewiß 
s auch im blauen. Ich Habe auch Nicht? dagegen, und wollt Ihr 
jogar zwijchen die ſieben Bitten jieben Gläſer einfchalten, was 
thut's, ich kann's Keinem beweijen, daß Bier und Religion Sid) 
nicht mit einander vertragen, und vielleicht kommt's noch einmal 
als eine neue Art, dad Nbendmahl zu nehmen, in die Liturgie. 
Ih alter Sünder freilich, ich bin nicht ftark genug, um die _ 
Mode mitzumaden, ich kann die Andacht nicht, wie einen 
Maifäfer, auf der Straße einfangen, bei mir fann das Ge— 
ziwiticher der Spaten und Schwalben die Stelle der Orgel nicht 
vertreten, wenn ich mein Herz erhoben fühlen foll, jo muß id) 
15 erſt die jchiveren eifernen Kirchthüren hinter mir zufchlagen 
Hören, und mir einbilden, ed jeien die Thore der Welt geweſen, 
die düſtern hohen Mauern mit den fchmalen Fenſtern, die das 
helle freche Welt-Licht nur verdunfelt durdhlajlen, al3 ob fie 
es jichteten, müßten ji um mid) zufammen drängen, und in 
20 der Ferne muß ich das Beinhaus mit dem eingemauerten 
Todtenkopf jehen fünnen. Nun — beſſer iſt befjer! 
Leonhard. Er nimmt’3 aud) zu genau. 
Meiſter Anton. Gewiß! Ganz gewiß! Und heute, als 
ehrliher Mann muß ich's geftehen, trifft's nicht einmal zu, in 
5 der Kirche verlor ich die Andacht, denn der offene Plap neben 
mir verdroß mich, und draußen, unter dem Birnbaum in 
meinem Garten, fand ich fie wieder. Er wundert jih? Sieh 
Er, ih ging betrübt und niedergeſchlagen zu Haufe, wie Einer, 
dem die Ernte verhagelt ijt, denn Kinder jind wie Aeder, man 
Yät fein gutes Korn hinein, und dann geht Unkraut auf. Unter 
dem Birnbaum, den die Raupen abgefreijen haben, ſtand id) 
til. „Sa — dacht’ ich — der unge ift, wie diefer da, leer 
und kahl!“ Da fam es mir auf einmal vor, als ob ich jehr 





26 Maria Dlagdalcne. 


durſtig wäre, und durchaus in's Wirthöhaus müßte. Se 
trog mic ſelbſt, mir war nicht um ein Glas Bier zu 
nur darum, den Burjchen aufzufuchen und auszuſchmähler 
Wirthshaus, dad wußte ich, hätte ic) ihn ganz gewiß gefu 
Eben wollt’ ich gehen, da ließ der alte, vernünftige Baum 
jaftige Birne zu meinen Füßen niederfallen, al$ wollt' er | 
die ijt für den Turjt, und weil du mich durch den Bei 
mit deinem Schlingel verichimpfirt hatt! Ich beſann mid 
hinein und ging in's Haus. 

Leonhard. Wei Er, daß der Mpothefer nah’ am 
eurs tjt? 

Meijter Anton. Was kümmert's mid) ! 

Leonhard. So gar Nidts ? 

Meiiter Anton. Doh! Ich bin ein Ehrift. Der | 
hat viele Kinder! 

Leonhard. Und noch mehr Gläubiger. Auch die $ 
jind eine Art von Gläubigern. 

Meifter Anton. Wohl dem, der Keins von Beide 

Leonhard. Ich glaubte, Er ſelbſt — 

Meiſter Anton. Das iſt längſt abgemacht. 

Leonhard. Er iſt ein vorſichtiger Mann. Er ha— 
Geld gewiß gleich eingefordert, als er ſah, daß es mit 
Kräuterhändler rückwärts ging! 

Meiſter Anton. Ja, ich brauche nicht mehr zu zi 
daß ich e3 verliere, denn ich habe es längſt verloren. 

Leonhard. Spaß! 

Meiiter Anton. Grit! 

Klara (ieht in die Thivd. Rief Er, Water? 

Meifter Anton. Klingen Div ſchon die Ihren? 
Dir war die Rede noch nicht! 

Klara. Das Wochenblatt! io, 

Leonhard. Er iſt ein Philoſoph! 

Meiſter Anton. Was heißt das? 





I5 Maria Magbdalene. 2 


=] 


Leonhard. Er weiß ſich zu faſſen! 

Meifter Anton. Sch trage einen Mühlſtein wohl zu— 
weilen als Halskrauſe, jtatt damit in's Waſſer zu gehen — 
das giebt einen Jteifen Rücken! 

3Leonhard. Wer’! fan, machts nad! 

Meifter Anton. Wer einen fo wadern Mitträger findet, 
als ich in Ihm zu finden jcheine, der muß unter der Laſt jogar 
tanzen können. Er iſt ja ordentlich blaß geworden! Das nenn’ 
ih Theilnahme! 

» Leonhard. Er wird mich nicht verkennen! 

Meiiter Anton. Gewiß nicht! (Er trommelt auf einer 
Conmode.), Daß das Holz nicht durchlichtig iſt, wie? 

Leonhard. Ich veriteh” Ihn nicht! 

Meifter Anton. Wie einfältig war unjer Großvater Adam, 

5 dab er die Eva nahm, ob ſie gleid; nadt und bloß war, und 
nicht einmal das Feigenblatt mitbrachte. Wir Beide, Er und ich, 
Hätten fie als Landſtreicherin aus dem Paradies heraus gepeijcht! 
Was meint Er? 
Leonhard. Er ijt ärgerlich auf Seinen Sohn. Ich Fam, 
“ihn um Seine Tochter — 

Meiiter Anton. Halt! Er ein! Vielleicht ſag' ich nicht Nein! 

Leonhard. Das hoff ich! Und ich will Ihm meine 
Meinung jagen! Sogar die Heiligen Erzväter verichmähten nicht 
den Mahlſchatz ihrer Weiber, Jacob liebte die Rahel und warb 

®sliehen Jahre um jie, aber er freute ſich auch über die fetten 
Wider und Schaafe, die er in ihres Vaters Dienſt gewann. 
| Ich denfe, es gereicht ihm nicht zur Schande, und ihn übertreffen, 
heißt, ihn roth machen. Ich hätte es gern geſehen, wenn Seine 
Tochter mir ein Baar hundert Thaler zugebracht hätte, und das 
"Mar natürlich, denn um fo bejjer würde fie jelbit es bei mir 
gehabt haben, wenn ein Mädchen das Bett im Ntoffer mitbringt, 
ſo braucht jie nicht erit Wolle zu fragen und Garn zu jpinnen. 
Es iſt nie der Fall — was thut's? Wir machen aus der 


— — 





38 Maria Magdalene. ) 


Faſten-Speiſe unſer Sonntags-Eſſen, und aus dem Sonntag2- 
Braten unjern Weihnaht2-Schmaud! So geht’ aud! 

Meifter Anton (reiöt ihm die Hand). Er fpricht brav, und 
unjer Herr Gott nidt zu feinen Worten, nun — ic will’3 ver- 
gefien, daß meine Tochter vierzehn Tage lang des Abends ver: : 
geblih beim Theetrinfen eine Taſſe für Ihn auf den Tiſch ge- 
jtellt Hat. Und nun Er mein Schwiegerjfohn wird, will ich Ihm 
auch jagen, wo die taufend Thaler geblieben find! 

Leonhard (ver Seite). Alſo doch weg! Nun, jo brauch’ ich 
mir don dem alten Wärwolf aud) Nicht gefallen zu laſſen, z< 
wenn er mein Schwiegervater ijt! 

Meifter Anton. Mir ging’ in jungen Jahren ſchlecht. 
sch bin fo wenig, wie Er, ald ein borjtiger gel zur Welt ge: 
fommen, aber id bin nad) und nach einer geworden. Grit 
waren all’ die Stacheln bei mir nach innen gerichtet, da kniffen = 
und drückten jie Alle zu ihrem Spaß auf meiner nachgiebigen 
glatten Haut herum, und freuten jich, wenn ich zufammen fuhr, 
weil die Spigen mir in Herz und Eingeweide drangen. Aber 
da3 Ding gefiel mir nicht, id) kehrte nieine Haut um, nun fuhren 
ihnen, die Borjten in die Finger, und ich hatte Frieden. = 

Leonhard (für ſich. Bor dem Teufel ſelbſt, glaub’ ich! 

Meiiter Anton. Mein Vater arbeitete ſich, weil er ſich 
Tag und Nacht Teine Ruhe gönnte, jchon in feinem dreizigften 
‚Jahre zu Tode, meine arme Mutter ernährte ſich mit Spinnen, 
jo gut es ging, ich wuchs auf, ohne Etwas zu lernen, ich hätte # 
mir, als ich größer wurde, und doch noch immer Nichtö ver: 
‚dienen konnte, wenigitend gern das Eijen abgewöhnt, aber wenn 
ih mid) auch des Mittags zumeilen frank ftellte und den Teller 
zurüdichob, was wollte e& bedeuten? am Abend zwang mid) der 
Magen, nich wieder für gejund zu erklären. Meine größte» 
ein war, daB ich jo ungejchict blieb, ich Fonnte darüber mit 
mir felbjt hadern, als ob's meine eigene Schuld wäre, als ob 
ih mich im Mutterleide nur mit Freßzähnen verjehen, und alle 





15 Maria Magdalene. 29 


nüglihen Eigenschaften und Fertigfeiten, wie abfichtlih, darin 
zurüd gelajjen hätte, ich) konnte rot werden, wenn mid) die 
Sonne befchien. Gleich nach) meiner Confirmation trat der Mann, 
den fie geftern begraben haben, der Meijter Gebhard, zu ung 
sin die Stube. Er rungelte die Stirn und verzog dad Geficht, 
wie er immer that, wenn er etwas Gutes beabjichtigte, dann 
ſagte er zu meiner Mutter: hat Sie Ihren Jungen in die Welt 
geſetzt, daß er Ihr Naje und Ohren vom Kopfe freſſen joll? 
Ih ſchämte mich, und legte daS Brot, von dem id) mir gerade 
men Stück abfchneiden wollte, jchnell wieder in den Schrant, 
meine Mutter ärgerte fich über daS wohlgemeinte Wort, fie hielt 
ihr Rad an und verjegte hikig, ihr Sohn fei brav und gut. 
Nun, dad wollen wir fehen, fagte der Meifter, wenn er Luſt 
hat, fann er gleich, wie er da fteht, mit mir in die Werkitatt 
15 gehen, Lehrgeld verlang’ ich nicht, die Koſt befommt er, für 
Kleider will ich auch forgen, und wenn er früh aufitehen und 
ipät zu Bette gehen will, fo ſoll's ihm an Gelegenheit, hin und 
wieder ein gutes Trinkgeld für feine alte Mutter zu verdienen, 
niht fehlen. Meine Mutter fing zu meinen an, ich zu tanzen, 
a5 wir endlich zu Worte kamen, hielt der Meijter fich Die 
Ohren zu, fchritt hinaus und winfte mir. Den Hut braucht‘ 
ich nicht aufzufeßen, denn ich hatte feinen, ohne der Mutter 
uch nur Adjes zu jagen, folgt’ ich ihm, und als ich am nädjiten 

. Sonntag zum erjten Mal auf ein Stündchen zu ihr zurück 

! »durste, gab er mir einen halben Schiufen für fie mit. Gottes 

Segen in de3 braven Monned Gruft! Noch Hör’ ich jein Halb- 
jorniged: Tonerl, unter die ade damit, daß meine Frau es 
nicht ſieht! 

Leonhard. Kann Er aud) weinen? 

7 Meifter Anton (tronet fi die Augen). Ja, Daran darf id) 
nicht denfen, jo gut der Thränendbrunnen auch in mir verjtopft 
ift, daS giebt jedes Mal wieder einen Riß. Nun, auch gut; wenn 
ih einmal waſſerſüchtig werde, ſo brauche ich mir wenigſtens 





30 Maria Magbdalene. - 


dieje Tropfen nicht mit abzapfen zu laffen. (mit einer plögtic 
Wendung) Was meint Er? Wenn Er den Mann, dem Er AL 
verdanfte, einmal an einem Sonntag-Nadmittag auf eine Pie 
Tabak befuchen wollte, und Er träfe ihn verwirrt und verjtc 
ein Meſſer in der Hand, daſſelbe Mefjer, womit er ihm tauje 
Mal fein Vesperbrot abgefchnitten, blutig am Halfe, und 2 
- Tuch ängſtlich bis an's Kinn binaufziehend — — . 

Leonhard. So ging der alte Gebhard bis an fein En 

Meiſter Anton. Der Narbe wegen. Und Er füme rn 
eben zur vechten Zeit, Er fönnte vetten und helfen, aber ni 
bloß dadurd, daß Er ihm das Meſſer aus der Hand rifje ui 
die Wunde dverbände, Jondern Er müßte auch Tumpige tauje 
Thaler, die Er erjpart Hätte, hergeben, und das müßte joga 
um den franfen Mann nur zur Annahme zu bewegen, ganz | 
der Stille gefchehen, ıwa® würde er thın? 

Leonhard. Ledig und log, wie ich bin, ohne Weib ur 
Kind, würde id) daS Geld opfern. 

Meijter Anton. Und wenn Er zehn Weiber hätle, w 
die Türken, und fo viel Kinder, als dem Vater Abraham ve 
\prochen waren, und Er könnte Sich auch nur einen Mugenbl 
bedenfen, jo wär” Er — num, Er wird mein Schwiegerſoh 
‚sept weiß Er, wo daß Geld geblieben iſt, heute konnt’ ich 
Ihm jagen, denn mein alter Meijter iſt begraben, vor eine 
Monat hätt ich's noch auf dem Sterbebett bei mir behalte 
Tie Verſchreibung Hab’ id dem Todten, bevor fie den Ca 
junagelten, unter den Kopf gejchoben, wenn ich fchreiben fünn! 
hätt’ ich vorher ein: Ehrlid) bezahlt! darunter gefeßt, unwiſſer 
wie ich bin, blieb mir Nichts übrig, als der Länge nad) ein 
Riß in's Papier zu machen. Nun wird er ruhig fchlafen, u 
ich hoffe, ich auch, wenn ich mich einjt neben ihn hinjtrede. 





I6 Maria Magdalene. 31 


Schste Scene. 


Die Mutter (trut ſchnell ei). Kennſt mich noch? 
Meifter Anton (auf das Hochzeitskleid deutend)). Den Rahmen, 
| ja wohl, der hat fich gehalten, das Bild nicht recht. Es ſcheint 
sd viel Epinnweb darauf gefegt zu haben, nun, die Zeit war 
fang genug dazu! 

Mutter. Hab’ ich nicht einen aufrichtigen Mann ? Doch, 

ich brauch” ihn nicht apart zu loben, Aufrichtigkeit ijt die Tugend- 
1 der Ehemänner. 
5» Meifter Anton. Thut's Dir leid, daß Du mit 20 Jahren 
J beſſer vergoldet warjt, als mit 50? 

Mutter. Gewiß nicht! Wär's anders, jo müßt' ich mid) 

ja für Dich und mich ſchämen! 

Meifter Anton. So giebit Du mir einen Kuß! Ich bin 
sstalirt, und beijer, wie gewöhnlich! 

Mutter. Ich ſage Ka, bloß um zu prüfen, od Tu Did; 

noch auf die Kunjt verjtehit. Das fiel Dir fange nicht mehr ein! 

Meifter Anton. Gute Hausmutter! Sch will nicht ver: 

langen, daß Du mir die Augen zudrücken ſollſt, es iſt ein 
»ſchweres Stüd, ich will's für Di) übernehmen, ih will Dir 
den legten Liebesdienjt erweilen, aber Zeit mußt Du mir lafjen, 
Dirt Du, daß ich mich jtähle und vorbereite, und nicht als— 
Stümper bejtehe. Noch war’3 viel zu früh! 
- Mutter. Gott jei Dank, wir bleiben noch eine Weile beiſammen. 
1° Meifter Anton. Ich hoff's auch, Du Haft ja ordentlid). 
wieder rothe Baden! 

Mutter. Ein pojjirlicher Menſch, ımjer neuer Todtengräber.. 
Er madte ein Grab, als ich heute Morgen über den Kirchhof 
ging, ih fragte ihn, für wen es je. „Für wen Gott will, 

„ſagte er, vielleicht für mich jelbit, e& Fanıı mir gehen, ipie meinem 

(Sroßvater, der auch nal eins auf den Vorrat gemacht hatte, 

und in der Nacht, al$ er aus dem Wirtshaus zu Hauſe kam,— 

hinein fiel und ſich den Hals brad).“ 








32 Maria Dlagdalene. —_ 


Leonhard (der bisher Im Wochenblatt gelefen Bat). Der Kerl 
nicht von hier, er kann und vorlügen, was ihm gefällt ! 

Mutter. Sch fragte ihn, warum wartet Er denn nid 
bis man die Gräber bei Ihm bejtellt? Sch bin heute auf em 
Hochzeit gebeten, ſprach er, und da bin ich Prophet genug, um ; 
wilfen, daß ich's morgen noch im Kopf fpüren werde. Nun DH: 
mir aber gewiß Jemand den Tort angethan und iſt gejtorben 
Da müßt’ ich morgen bei Zeiten heraus und könnte nicht aus: 
ichlafen. 

Meifter Anton. Hans Wurjt, hätt’ ich gejagt, wenn das 
Grab nun nit paßt? 

Mutter. Sch fagte es aud), aber der fchüttelt die ſpitzen 
Antworten aus dem Wermel, wie der Teufel die Flöhe. Ich 
habe das Maaß nah dem Weber Veit genommen, fagte er, dei 
ragt, wie König Saul, um einen, Kopf über und Alle hinaus, 
nun mag fommen, wer will, er wird fein Haus nicht zu klein 
finden, und wenn's zu groß iſt, fo ſchadet's Steinem, als mir, 
denn als ehrliher Mann laſſ' id) mir feinen Fuß über dic 
Sarglänge bezahlen. Sch warf meine Blumen hinein und jprad): 
nun iſt's beſetzt! 

Meiſter Anton. Ich denke, der Kerl hat bloß geſpaßt 
und das iſt ſchon ſündlich genug. Gräber im Voraus machen 
hieße vorwitzig die Falle des Todes aufſtellen; den Hallunken 
der es thäte, ſollte man vom Dienſt jagen. (u dem leſende 
Leonhard) Was Neues? Sucht ein Menſchenfreund eine arm 
Wittwe, die ein Paar hundert Thaler brauchen kann? Ode 
umgefehrt die arme Wittwe den Menichenfreund, der ſi 
geben will? 

Leonhard. Die Bolizei macht einen Sumelen-Diebita £ 
befannt. Wunderbar genug. Man fieht daraus, daß troß de 
ichlechten Zeiten noch immer Leute unter und leben, die Juwele 
beſitzen. 

Meiſter Anton. Ein Juwelen-Diebſtahl? Bei wem? 





16 Maria Magdalene. 33 


Leonhard. Bei'm Kaufmann Wolfram! 
Meiſter Anton. Bei — Unmöglich! Da Hat mein Karl 
vor ein Raar Tagen einen Secretair polirt! 
Zeonhard. Aus dem Secretair verjchwunden, richtig! 
5 Mutter cm Meifter Anton). Vergebe Dir Gott dies Wort! 
Meifter Anton. Du haſt recht, es war ein nichtswürdiger 
Gedanke! 
Mutter. Gegen Deinen Sohn, das muß ich Dir ſagen, 
bit Du nur ein halber Vater. 
0 Neiſter Anton. Frau, wir wollen heute nicht darüber 
| Iprechen! | \ 
Mutter. Er iſt anders, als Du, muß er darum gleich 
| ihleht jein ? 
| Meifter Anton. Wo bleibt er denn jetzt? Die Mittags- 
u gloce hat längft gefchlagen, ich wette, daß das Eſſen draußen 
Ä berfocht und verbrät, weil Klara heimliche Ordre Hat, den Tiſch 
niht zu decken, bevor er da ift. 
' Mutter. Wo ſollt' er bleiben? Höchſtens wird er Stegel 
| ſchieben, und da muß er ja die entferntejte Bahn aufjuchen, da- 
* somit Du ihm nicht entdedit. Dann ift der Rückweg natürlich 
„Ma Ich weiß auch nicht, was Du gegen das unſchuldige 
| Spiel haft. 
; - Meifter Anton. Gegen das Spiel? Gar Nichts! Vor— 
nehme Herren müſſen einen Seitvertreib haben. Ohne den 
* Karten-Rönig hätte der wahre König gewiß oft Sangeweile, 
md wenn die Kegel nicht erfunden wären, wer weiß, ob Fürjten 
und Barone nicht mit unfern Köpfen boffeln würden! Aber 
ein dandwerksmann fann nicht ärger freveln, als wenn er feinen 
ſauer verdienten Lohn auf's Spiel ſetzt. Der Menſch muß, was 
> PC mit ſchwerer Mühe im Schweiß feine Angeſichts erwirbt, 
p ebten, es hoch und werth Halten, wenn er nicht an ſich felbit 
irre werden, wenn er nicht ſein ganzes Thun und Treiben ver— 


uͤchtlih finden fol. Wie können ſich alle meine Nerven ſpannen 
debbel, Werte 11. 3 





DIEUDENIE DLENE, 


Gerichtsdiener Adam und noch ein Gerich 

Ham (zu Meifter Anton). Nun geh’ (Fr 
zahl’ Er Seine Wette! Leute im rothen 9 
Auffchlägen (Die betont er ftart.) follten Ihn 
fommen ? Hier find wir unf’rer mei! (sum zwei 
Warum behält Er Seinen Hut nicht auf, wi 
Umjtände machen, wenn er bei jeine® Gleiche 

Meifter Anton. Bei Deines Gleichen, 

Adam. Er hat recht, wir find nicht be 
Schelme und Diebe find nicht unjerd Gleich: 
Kommode) Aufgeſchloſſen! Und dann drei Sd 
er nicht3 herauspracticirt! 

Meiiter Anton. Wa3? Mas? 

Stlara (tritt mit Tiſchzeug ein). Soll ich — 

Adam Geigt ein Papier). Kann Er geſchriel 

Meifter Anton. Soll ich können, was 
Schulmeiſter konnte? 

Adam. Co hör' Er! Sein Sohn hat‘ 
Den Dieb haben wir ſchon. Nun wollen 
halten! 

Mutter. Jeſus! (änt um und ftirht) 





17 Varia Magdalene. 35 


Leonhard. Es ijt doch vielleicht — — (abgehend) Schred- 
lͤch! Aber gut für mid! (eo 
Meiſter Anton (zieht ein Schlüſſelbund hervor und wirft es von 
N, Da! Schließt auf! Kaſten nad Kaſten! Ein Beil Her! 
s der Echlüfjel zum Koffer ift verloren! Hei, Schelmen und Diebe! 
Mr kehrt fi die Taſchen um.) Hier find’ ih Nichts! 
’ Zweiter Gerichtödiener. Meiſter Anton, fall’ Er Sid! 
— Jeder weiß, daß Er der ehrlichſte Mann in der Stadt iſt. 
WMeiſter Anton. So? So? (achty a, ic) hab’ die Ehr— 
»lihfeit in der Familie allein verbraudht! Der arme Zunge! Es 
blieb Nichts für ihn. übrig! Die da — (Er zeigt auf die Todte.) 
mar auch viel zu jittfam! Wer weiß, ob die Tochter nicht — 
‘plöglich zu Alara) Was meinft Du, mein unjchuldiges Kind? 
Klara. Bater! 
15 Zweiter Gerichtödiener (gu Adam). Fühlt Er fein Mitleid ? 
Adam. Kein Mitleid? Wühl' ich dem alten Kerl in den 
Taſchen? Zwing' ih ihn, die Strümpfe auszuziehen und Die 
Stiefel umzufehren? Damit wollt’ ich anfangen, denn ich haffe 
ihn, wie ich nur haſſen fann, ſeit er im Wirthshaus jein Glas 
so — Er fennt die Geſchichte, und Er müßte Sid) auch beleidigt 
fühlen, wenn Er Ehre im Leibe hätte. (su Klara) Wo ijt Die 
Kammer ded Bruders? 
Klara Geist fid. Hinten! 
Beide Gerichtsdiener (ao). 
25 Klara. Vater, er ift unfchuldig! Er muß unfchuldig fein! 
Er iſt ja Dein Sohn, er iſt ja mein Bruder! 
Meifter Anton. Unjchuldig, und ein Mutter-Mörder ? (tagt) 
Eine Magd (tritt ein mit einem Brief, zu Klara). Von Herrn 
Gajfirer Leonhard! (av) 
30 Meifter Anton. Du braucht ihn nicht zu lejen! Er fagt 
jih von Dir los! (chlägt in die Hände) Bravo, Lump! 
Klara (Hat gelefen). Ra! Ra! O mein Gott! 
Meifter Anton. Laß ihn! 





3° 





Zweiter Gerichtsdiener zu Adam. Wa 
Traf’3 denn heute zu ? 
Adam. Halt Er's Maul! (Beide ad) 
Meijter Anton. Er iſt unichuldig, um 
Klara. Bater, Er it fchredlid)! 
Meister Anton (aßt fie hei der Hand, fehr fanf 
der Karl iſt doch nur ein Stümper, er bat 
gebradjt, was will's heißen? Der Vater blieb 
ihm zu Hülfe, Du kannſt nicht verlangen, de 
thun fol, gieb Du mir den Reit, der alte ! 
fo fnorrig aus, nicht wahr, aber er wackelt fi 
nicht zu viel Mühe koſten, ihn zu fällen! & 
nach der Art zu greifen, Du haft ein Hübjche: 
Dich noch nie gelobt, aber heute will ich's Dir 
Muth und Vertrauen befommit, Augen, Nafe 
gewiß Beifall, werde — Tu verjtehlt mic) wı 
es fommt mir jo vor, daß Du's ſchon bift! 
Klara (fat wahnfinnig, ſtürzt der Todten mit < 
Füßen und ruft, wie ein Kind). Mutter! Mutter! 
Meifter Anton. Faſſ' die Hand der Tı 
mir, daß Du bit, was Du fein follt! 
Klara. Sch — ſchwöre — Dir — da 
nie — Schande — mahen — mill! 





I Maria Magdalene. 37 


Bweiter Art. 
Zimmer im Haufe des Tifchlermeifterd. 


Erſte Scene. 

Meifter Anton (ſeht vom Tiſch auf). 

5 Klara (wit apräumen). 

Meifter Anton. Willit Du wieder nicht ejjen? 

Klara. Bater, id bin fatt. 

Meifter Anton. Bon Nichts? 

Klara. Sch ab jchon in der Küche. 

» Meifter Anton. Wer feinen Appetit Bat, der hat fein 
gut Gewiſſen! Nun, Alles wird fich finden! Oder war Gift 
inder Suppe, wie ich geſtern träumte? Ciniger wilder Echierling, 
aus Verſehen beim Pflücken in’3 Sträuterbündel hinein gerathen? 
Dann thatjt Du Hug! 

5 Klara. Allmächtiger Gott! 

Meifter Anton. Vergieb mir, ich, — Geh zum Teufel 
mit Deiner blaffen Leidensmiene, die Du der Mutter des Heilands 
geitohlen haft! Roth fol man außfehen, wenn man jung ift! 
Kur Einer darf Staat machen mit einem ſolchen Gejicht, und 

der thut's nicht! Hei! Jedem eine Ohrfeige, der noch Au 
jagt, wenn er fi in den Finger gefchnitten Hat! Dazu hat 
Heiner das echt mehr, denn hier ſteht ein Mann, der — 
Eigenlob ſtinkt, aber was that ich, als der Nachbar über Deiner 
Mutter den Sargdedel zunageln wollte? 

% Klara. Er riß ihm den Hammer weg und that’3 jelbft, 
und ſprach: dieß ift mein Meiſterſtück! Der Cantor, der eben 
mit den Chorknaben vor der Thür das Sterbelied abſang, meinte, 
Er ſei verrüdt geworden! 

Meifter Anton. Verrückt! (aqcht) Verrückt! Ja, ja, das 

» ijt ein kluger Kopf, der ſich jelbit köpft, wenn's Zeit it. Der 
meinige muß dazu zu feit ftehen, ſonſt — Man hodte in der 


\ 
| 





38 Marta Magdalene. II 


Welt, und glaubte in einer guten Herberge hinter'm Ofen 3 
ligen, da wird plößlic Licht auf den Tiſch geftellt, und jieh 
da, man iſt in einem Näuberlod, nun geht’ piff, paff, vo 
allen Seiten, aber es fchadet nicht, man hat zum Glück ei 
ſteinernes Herz! 

Klara. a, Vater, jo iſt's! 

Meiiter Anton. Was weißt Tu davon? Meinit Di 
Du haſt ein Recht, mit mir zu fluchen, weil Dein Schreite 
davon gelaufen ift? Dich wird ein Anderer Sonntags Nad 
mittagd ſpatzieren führen, ein Anderer wird Dir jagen, da 
Deine Baden roth find und Deine Augen blau, eim Anden 
wird Di‘ zum Weibe nehmen, wenn Du's verdienit. Abe 
wenn Du nun Ddreizig Jahre lang in Yüchten und Ehren d 
Laſt des Leben? getragen, wenn Du nie gemurrt, jondern Le 
und Tod und jedes Mißgeichid in Geduld hin genommen ha 
und dann fommt Dein Sohn, der Dir für Dein Alter e 
weiches Kopfkiſſen ſtopfen jollte, und überhäuft Dich jo m 
Schande, daß Du die Erde anrufen mögtejt: verjchlude mi 
wenn Dich nicht efelt, denn ich bin kothiger, als Du! — daı 
magſt Du all’ die Flüche, die ich in meiner Brujt zurüdhal 
ausjprechen, dann magjt Du Dein Haar raufen und Deine Brit‘ 
zerichlagen, da ſollſt Du vor mir vorau3 haben, denn Du b 
fein Mann! 

Klara. O Karl! 

Meifter Anton. Wundern ſoll mich's doch, was id) th 
werde, wenn ich ihn wieder vor mir jehe, wenn er Abends v 
Lichtanzünden mit gefchorenem Kopf, denn im Zuchthaus ji 
die Friſuren nicht erlaubt, in die Stube tritt und einen gut 
Abend herausſtottert und die Klinke der Thür in der Hand f 
hält. Thun werd’ ich Etwas, das ift gewiß, aber was? « 
Zäßnelnieigenn. Und ob ſie ihn zehn Jahre behalten, er wird m 
finden, ich werde jo fange leben, das weiß ich, merf Dir's, T 
ih bin von jegt an ein Stein vor Deiner Hippe, lie wird el 





II1 Maria Magdalene: 39 


zeripringen, als mich aus der Stelle rüden! 

Klara (fast feine Sand). Water, Er jollte fich _eine Halbe 
Stunde niederlegen! 

Meifter Anton. Um zu träumen, daß Du in die Wochen 
sgefommen ſeiſt? Um dann aufzufahren, und Dich zu paden, 
und mich Hinterdrein zu bejinnen und zu fprechen: liebe Tochter, 
ih mußte nicht, was ich that! Ich danke. Mein Schlaf hat den 
Önufler verabichiedet und einen Propheten in Dienjt genommen, 
der zeigt mir mit feinem Blutfinger häßliche Dinge, und ich 
»weik nicht, wie's kommt, Alles ſcheint mir jet möglich. Hu, 
mid ſchaudert's vor der Zukunft, wie vor einem Glas Waſſer, 
dad man durch's Microdcop — iſt's richtig, Herr Cantor? Er 
dat mir's oft genug vorbuchftabirt! — betrachtet hat. Ich that's 
einmal in Nürnberg auf der Mefje, und mogte den ganzen Tag 
shot mehr trinken! Den lieben Karl jah ich in der letzten 
Naht mit einer Piſtole in der Hand, als id) den Schügen näher 
ind Auge faßte, drüdte er ab, ich hörte einen Schrei, aber vor 
Pulverdampf konnt' ich Nichts fehen, auch als der Dampf ſich 
verzog, erblicte ich feinen zerjchmetterten Schädel, aber mein 
» Herr Sohn war inzwifchen ein reicher Mann geworden, er jtand 
md zählte Golditüde von einer Hand in die andere, und er 
| hatte ein Geſicht — Hol’ mich der Teufel, man fann’3 nicht 
iger haben, wenn man den ganzen Tag arbeitete und nun 

die Werfitatt Hinter ſich abfchließt. Nun davor fönnte man 
* aujpaſſen! Man könnte Gericht halten uud jich nachher felbjt 
vor den höchſten Richter jtellen. 
ara. Werd’ Er doch wieder ruhig! 
Meifter Anton. Werd’ Er doch wieder gefund! Warum 
it Er krank! Ja, Arzt, reich” mir nur den Trank der Genejung! 
» dein Bruder ift der fchlechtejte Sohn, werde Du die beſte Tochter! 
Bie ein nichtswürdiger Banquerottirer fteh’ ic) vor dem An— 
gefiht der Welt, einen braven Mann, der’ in die Stelle Diejes 
Invaliden treten fünne, war ich ihr jchuldig, mit einem Schelm . 


\ 





40 Maria Magbalene. IIi 


hab’ ich jie betrogen. Werde Du ein Weib, wie Deine Mutter 
war, dann wird man fprechen: an den Aeltern hat’ nicht gelegen, 
daß der Bube abjeitd ging, denn die Tochter wandelt den rechten 
Weg, und ift allen Andern vorauf. it ſchreclicher Kälte) Und id 
will das Meinige dazu thun, ich will Dir die Sadje leichter 
machen, ald den Uebrigen. In dem Augenblid, wo id) bemerfe, 
daß man auch auf Dich mit Fingern zeigt, werd’ ich — (mit 
einer Bewegung an den Hals) mich rafiren, und dann, das ſchwör' 
ih Dir zu, raſir' ich den ganzen Kerl weg, Du fannit jagen, 
es jei aus Schred geichehen, weil auf der Straße ein Pferd 
durchging, oder weil die Kae anf dem Boden einen Stuhl um— 
warf, oder weil mir eine Maus an den Beinen hinauflief. Wer 
mich fennt, wird freilid den Kopf dazu fchütteln, denn ich bin 
nicht ſonderlich jchredhaft, aber was thut's? Ich kann's in einer 
Welt nicht aushalten, wo die Leute mitleidig jein müßten, wenn 
fie nicht vor mir ausſpucken follen. 

Klara. Barmherziger Gott, was joll ich thun? 

Meifter Anton. Nichts, Nichts, liebes Kind, ich bin zur 
hart gegen Dich, ich fühl's wohl, Nichts, bleib nur, was Du bit, 
dann iſt's gut! O, ich Hab’ fo groß Unredt erlitten, daß ich: 
Unrecht thun muß, um nicht zu erliegen, wenn's mid) jo recht 
anfabt. Sieh, ich gehe vorhin über die Straße, da fommt der 
Pocken-Fritz daher, der Gaudieb, den ich vor Sahren in's Lod 
jtedfen ließ, weil er zum dritten Mal lange Finger bei mir ge- 
macht hatte. Früher wagte der Hallunfe nicht, mich anzujehen, # 
jegt trat er fredh auf mich zu und reichte mir die Hand. Ich 
wollte ihm einen Hinter die Chren geben, aber ich bejann mid) 
und ſpuckte nicht einmal aus, wir find ja Vettern jeit 8 Tagen, 
und es iſt billig, daß Verwandte ſich grüßen. Der Pfarrer, der 
mitleidige Mann, der mich gejtern befuchte, meinte zwar, ein ® 
Menſch habe Niemanden zu vertreten, als jich ſelbſt, und es je 
ein unchriſtlicher Hochmuth von mir, daß ich auch nod für 
meinen Sohn auffommen wolle; jonjt müßte Adam es ſich jo 


— 








I Maria Magdalene. 41 


gut zu Gemüthe ziehen, wie id. Herr, id) glaub’3 gern, daß 
es den Frieden des Erzvaters im Paradiefe nicht mehr jtört, 
wenn Einer feiner Ur-Ur-Enkel zu morden oder zu rauben 
anfängt, aber raufte er fih nicht die Haare über Kain? Nein, 
sein, e3 ijt zu viel! Ich könnte mich zumeilen nad) meinem 
Schatten umjehen, ob er nicht ſchwärzer geworden ijt! Denn 
Mes, Alles kann ich ertragen und hab’3 beiviefen, nur nicht 
die Schande! Legt mir auf den Naden, was ihr wollt, nur 
\hneidet nicht den Nerv durch, der mic, zujammen hält! 

» Alara. DBater, noch hat Karl ja Nicht3 gejtanden, und fie 
haben auch Nichts bei ihm gefunden. 

Meifter Anton. Was joll mir das? Ach bin in der 
Stadt herumgegangen und habe mid in den Schenken nad) 
jeinen Schulden erkundigt, da fam mehr zufammen, al3 er im 
u nächſten Vierteljahr bei mir verdient Hätte, und wenn er nod) 
dreimal fo fleißig wäre, als er if. Nun weiß id, warum er 
immer zwei Stunden fpäter Feier-Abend machte, als ic, und 
warum er troßdem auch noch vor mir aufitand, aber er ſah 
ein, daß Died Alles doc, Nichts Half, oder es war ihm zu mühe— 
; "doll und dauerte ihm zu lange, da griff er zu, als die Öelegen- 
beit ſich bot. 

Klara. Er glaubt von Karl immer dag Schlimmfte, Er 
dat es ſtets gethan! Weiß Er wohl no, wie — 
| Meifter Anton. Du ſprichſt, wie Deine Mutter jprechen 
.p 8 würde, ich will Dir antworten, wie ich ihr zu antworten pflegte, 
7 0 will ſtillſchweigen! 

Klara. Und wenn Karl doch frei geiprochen wird? Wenn 
die Juwelen fich wieder finden? 

Meijter Anton. Dann wird’ ich einen Advocaten annehmen, 
 Sund mein letztes Hemd daran feben, um zu erfahren, ob der 
dirgermeifter den Sohn eines ehrlichen Mannes mit Recht in's 
I Gejängnig warf, oder nicht. Wär’ es, fo wird’ ich mich beugen, 
denn was Jedem widerfahren kann, das muß auch id) mir ge- 





42 Maria Magdalene. II? 


fallen Lafjen, und mußte ich es zu. meinem Unglüd auch taujend 
Mal theurer bezahle, al3 Andere, es war ein Schidjal, und 
wenn Gott mich jchlägt, fo falte ich die Hände und ſpreche: 
Herr, Du weißt warum! Wär’ ed aber nicht, hätte der Mann 
mit der goldenen Kette um den Hals jich übereilt, weil er an 5 
Nichts dachte, als daran, daß der Kaufmann, der die Juwelen 
vermißt, jein Schwager ijt, jo würde ſich's finden, ob das Geſetz— 
buch ein Zoch hat, und ob der König, der wohl weiß, daß er 
jeinen Unterthanen ihre Treu’ und ihren Gehorjam mit Geredhtig- 
feit bezahlen muß, und der dem Geringjten unter ihnen gewiß > 
am wenigſten Etwad jchuldig bleiben will, die® Loc) ungejtopft 
ließe. Aber, das find unnüße Reden! Der Junge wird fo 
wenig rein aus diefem Proce hervorgehen, wie Deine Mutter 
febendig aus ihrer Gruft. Von dem kommt mir nun und 
nimmer ein Troft, darum vergiß Du nicht, was Du mir ſchuldig — 
bijt, Halte Du Deinen Schwur, damit ich den meinigen nicht zu 
halten brauche! Er geht, kehrt aber wieder um.) Ich komme Heut‘ 
Abend erſt ſpät zu Haufe, ich gehe zu dem alten Holzhändler 
in’® Gebirge. Das ift der einzige Mann, der mir nod, wie 
jonft, in die Augen jieht, weil er nod) nicht von meiner Schande— 
weiß. Er ift taub, Steiner kann ihm was erzählen, ohne ji 
heifer zu schreien, und auch dann hört er Alles verkehrt, darum — 
erfährt er Nichts. (ab 


Bweite Scene. 


Klara (auein). O Gott, o Gott! Erbarme Dih! Erbarrem €’ 
Dich über den alten Mann! Nimm mich zu Dir! Ihm i Fi 
nicht anders zu helfen! Sieh, der Sonnenjchein liegt jo golde Q 
auf der Straße, daß die Kinder mit Händen nad ihm greife, 
die Vögel fliegen Hin und Her, Blumen und Kräuter werde 1 
nicht müde, in die Höhe zu wachen. Alles lebt, Alles wi MI 
leben, Taujend Kranke zittern in diejer Stunde vor Dir, o Tor 





' 113 Maria Magdalene. 43 


‚ wer Did in der beflommenen Nacht noch rief, weil er feine 
Schmerzen nicht mehr ertragen Fonnte, der findet jein Lager 
jeßt wieder ſanft und weich, ich rufe Dich! Verſchone den, 
deſſen Seele ſich am tiefjten vor Dir wegfrümmt, laß ihm jo 

‚Slange Friſt, bis die jchöne Welt wieder grau und öde wird, 
nimm mich für ihn! Ich will nicht jchaudern, wenn Du mir 
Teine falte Hand reichſt, ic) will fie muthig fallen und Dir 
jreudiger folgen, als Dir noch je ein Menfchenfind gefolgt ilt. 


| Britte Scene. 


» Der Kaufmann Wolfram (tritt ein). Guten Tag, Jungfer 
Klara, ift Ihr Vater nicht zu Haufe? 
Klara. Er iit eben fortgegangen. 
Wolfram. Ich fonıme — — meine Juwelen haben ſich 
wiedergefunden. 

3 (ara. O Vater, wärft Du da! Er hat feine Brille ver- 
geilen, dort liegt jie! Daß er’3 bemerfte und umfehrte! Wie 
denn? — Wo? — Bei wen? 

Wolfram. Meine rau — Sag Sie mir aufridtig, 
Jungſer, hat Sie nicht auch jchon etwas Wunderliches über 
9 meine Frau gehört ? 
Klara. Sa! 
Wolfram. Daß fie — (Er deutet auf die Stirn.) Nicht wahr? 
Klara. Daß fie nicht recht bei ſich iſt, Freilich! 
Wolfram (aussregend). ‚Mein Gott! Mein Gott! Alles 

Summit! Seinen Dienjtboten, den ich einmal in mein Haus 
nahm, hab’ ich wieder von mir gelaffen, Jeden Habe ich doppelten 
Lohn gegeben und zu allen Nadhläjligfeiten Die Mugen zugedrüdt, 
um mie ihr Stilljchweigen zu erfaufen, dennoch — die faljchen, 
undankbaren Creaturen! O meine armen Sinder! Bloß Euret- 

” wegen juchte ich's zu verbergen! 







— 








44 Maria Magdalene. II 


Klara. Scelt! Er Seine Leute nicht! Die find gewi 
unſchuldig! Seit das Nachbarhaus abbrannte, und Seine Fra 
aus dem geöffneten Fenſter dazu lachte und in die Hände Flatjcht 
ja fogar mit vollen Baden in’d Feuer hinüber blies, als woll: 
jie e8 noch mehr anfachen, feitdem hatte man nur Die Wah 
ob man fie für einen Teufel, oder für eine Verrüdte halte 
wollte. Und das haben Hunderte gefehen. 

Wolfram. Es ift wahr. Nun, da die ganze Stadt mei 
Unglüd fennt, jo wäre e3 thörigt, wenn ich Ihr das Verſpreche 
abfordern wollte, es zu verjchweigen. Höre Sie denn! Te 
Diebjtahl, wegen deſſen Ihr Bruder im Gefängnik figt, hat de 
Wahnfinn begangen! 

Stlara. Seine eig’'ne Frau — 

Wolfram. Daß fie, die früher die edeljte, mitleidig! 
Seele von der Welt war, boshaft und ſchadenfroh geworden x 
daß Sie jauchzt und jubelt, wenn vor ihren Augen ein Ungls 
gefchieht, wenn die Magd ein Glas zerbricht, oder ſich in d 
Singer fchneidet, wußte ich längit; daß ſie aber auch Sachen 
Haufe auf die Seite bringt, Geld veritedt, Papiere zerreißt, O 
habe ich leider zu jpät erfahren, erjt heute Mittag. Ich ham 
mid auf Bett gelegt und wollte eben einjchlafen, da bemac 
ih, daß ſie ſich mir leife näherte und mid) ſcharf betradjt € 
ob ich Schon jchliefe. Ich ſchloß die Augen feiter, da nahm 
aus meiner über den Stuhl gehängten Weite den Schlüf‘ 
öffnete den Secretair, griff nad) einer Goldrolle, ſchloß wie? 
zu und trug den Schlüffel zurüd. ch entjeßte mich, doch 
hielt an mid, um jte nicht zu jtören, fie verließ da3 Zimm 
ich jchlih) ihr auf den Zehen nad. Sie jtieg zum oberſt 
Boden hinauf und warf die Goldrollfe in eine alte Kite hine 
die nod) vom Großvater her leer da jteht, dann ſah fie ſi 
ſcheu nad allen Seiten um und eilte, ohne mich zu bemerke 
wieder fort. ch zündete einen Wachsſtock an und durdjud; 
die Kite, da fand id) die Spielpuppe meiner jüngiten Tochte 





j II 3 Maria Magdalene. 45 


ein Paar Pantoffeln der Magd, ein Handlungsbuch, Briefe und 
leider, oder Gott Lob, wie ſoll ich ſagen, ganz unten auch die 


Juwelen! 
Klara. O meine arme Mutter! Es iſt doch zu ſchändlich! 
⸗ Wolfram. Gott weiß, ich würde den Schmuck darum 


geben, könnt' ich ungeſchehen machen, was geſchehen iſt! Aber 
wich ih bin Schuld! Daß mein Verdacht, Dei aller Achtung 
DOx Ihrem Bater, auf Ihren Bruder fiel, war natürlich, er 
Hatte den Secretair polirt, und mit ihm waren die Juwelen 
»Berxihwunden, ich bemerkte es fait augenblicklich, denn ich) mußte 
aar3 dem ach, worin fie lagen, Papiere herausnehmen. Dod) 
eS fiel mir nicht ein, gleich jtrenge Maaßregeln gegen ihn zu 
ergreifen, ich theilte die Sache nur vorläufig dem Gerichtödiener 
MU Dan mit und erjuchte ihn, ganz in der Stille Nachforſchungen 
is a zuſtellen, aber diejer wollte von feiner Schonung wijjen, er 
errFlärte mir, er müſſe und werde den Fall auf der Stelle an- 
zeugen, denn Ihr Bruder ſei ein Säufer und Schuldenmacher, 
szrad er gilt bei dem Bürgermeiſter leider jo viel, daß er durd)- 
Yeben kann, was er will. Der Mann jcheint bis auf’3 Aeußerſte 
„gegen Ihren Vater aufgebracht zu fein, ich weiß nicht, warum, 
eS mar nicht möglich, ihm zu bejchmwichtigen, er hielt ſich die 
Ohren zu, und rief, als er fortrannte: wenn Gr mir den 
Schmuck gejchentt hätte, ich wäre nicht fo vergnügt, wie jept' 
Klara. Der Gericht3diener hat im Wirthshaus einmal 

‚1 # \ein Glas neben das meines Vaters auf den Tijch gejtellt und 
ihm dabei zugenidt, als ob er ihn zum Auſtoßen auffordern 
wole Da hat mein Vater das ſeinige weggenommen und ge- 
\agt: Leute im rothen Rod mit blauen Auffchlägen mußten 
ehemals aus Gläfern mit hölzernen Füßen trinken, auch mußten 
4 "Ne draußen vor dem Senjter, oder, wenn’3 regnete, dor der 
ir jtehen bleiben und bejcheiden den Hut abziehen, wenn der 
Virth ihnen den Trunk reichte; wenn ſie aber ein Gelüſten 
ttugen, mit Jemandem anzuſtoßen, ſo warteten ſie, bis der 













46 Maria Magdalene. 114. 


Gevatter Sallmeifter vorüber fam. Gott! Gott! Was ift Alles 
möglich auf der Welt! Das hat meine Mutter mit einem jähen 
Tode bezahlen müljen! 

Wolfram. Dan joll Keinen reizen und die Schlimmer 
am wenigſten! Wo iſt Ihr Vater ? 

Klara. Im Gebirg beim Holzhändler. 

Wolfram. Ich reite hinaus und juch’ ihn auf. Beim 
Bürgermeijter war ich jchon, leider traf ich ihn nicht daheim 
ſonſt würde Ihr Bruder fchon hier jein, aber der Secretair ha 
jogleih einen Boten abgefertigt, Sie wird ihn noch vor Aben: 
iehen. (ab) 


Bierte Scene. 

Klara catein). Nun ſollt' ich mich freuen! Gott, Gotz 
Und ih kann Nichts denken, als: nun bit Du's allein! U— 
doch ift mir zu Muth, als müſſe mir gleih Etwas einfallem 
das Alles wieder gut macht! 


Fünfte Scene. 


Der Secretair (tritt ein. Guten Tag! 

Klara (Hält fih an einen Stuhl, als follte fie umfallen). Dei 
DO, wenn der nicht zurüdgefommen wäre — 

Secretair. Der Bater iſt nicht zu Haufe? 

Klara. Nein! 

Secretair. Ich bringe eine fröhliche Botſchaft. Ih 
Bruder — Nein, Klara, ic) kann in diefem Ton nicht mit DI 
reden, mir däucht, Tische, Stühle, Schränfe, al!’ die alten Be 
fannten, — Guten Tag, Du! (Er nidt einem Schrante zu.) Wie geht's 
Tu Haft Di) nicht verändert! — um die wir als Kinder | 
oft herumgehüpft jind, werden die Köpfe zujammenfteden, un 
den Narren ausjpotten, wenn id) nicht jchnell einen andere! 
anſchlage. Sch muß Du zu Dir fagen, wie ehemals, wenn 
Dir nicht gefällt, fo denfe: der große Junge träumt, ich mi: 





II5 Maria Magdalene. 47 


ihn aufwerten und vor ihn hintreten und mich (mtt Geberden hoch 
aufridten, damit er Steht, daß er Fein Kleines Kind mehr vor 
vih hat, — das war Dein Maaß im elften Jahr! (Er deutet auf 
einen Schrammſtrich in der Thür.) — jondern ein gehörig erwachſenes 

> Mädchen, das den Zuder auch dann erreichen fann, wenn er 
auf den Schrank geftellt wird. Du weißt doch noch? Das war 
der Pag, die feite Burg, wo er auch unverfchlofjen vor ung 
Jiher war. Wir vertrieben uns, wenn er dort jtand, die Zeit 
gewöhnlich mit Fliegenklatfchen, weil wir den Fliegen, die luftig 

» ab= und zuflogen, das unmöglich gönnen konnten, was wir jelbit 
nicht zu erlangen wußte. 

Klara. Ich dächte, man vergäße ſolche Dinge, wenn man 

Hundert und taufend Bücher durchjitudiren müßte. 

Serruair. Man vergißt’3 auch! Freilich, was vergikt 
= man nit über Juſtinian und Gajus! Die Knaben, die fich 
ſo Bartnädig gegen das A. B. C. wehren, wiffen wohl, warum; 
ſie haben eine Ahnung davon, daß, wenn ſie ſich nur mit der 
Fibel nicht einlaſſen, ſie mit der Bibel nie Händel bekommen 
bnnen! Aber ſchändlich genug, man verführt die unſchuldigen 

"Seelen, man zeigt ihnen hinten den rothen Hahn mit dem Korb 
voll Eier, da fagen ſie von jelbjt: Ah! und nun ijt fein Haltens 
mehr, nun geht's reißend jchnell bergunter biß zum 8., und jo 
weiter und weiter, bis fie auf einmal mitten im Corpus juris. 
Ind und mit Graufen inne werden, in welche Wildniß die ver- 
hs luchten 24 Buchſtaben, die jih Anfangd im luftigen Tanz nur zu 
1 Poblihmedenden und mohlriechenden Worten, wie Kirſche und 
5 Rofe, zuſammenſtellten, jie hineingeloct haben! 








RF 

ed Klara. Und wie wird's dann gemacht? (abweſend, ohne allen 
det Antheil) 

n,: % | Seeretair. Darin jind die Teniperamente verjchieden. 
an Siige arbeiten fich durch. Die kommen gewöhnlich in drei bis 
we MT Jahren wieder an's Tageslicht, find dann aber etwas mager 


und blaß, das muß man ihnen nicht übel nehmen. Zu diejen 





48 Maria Magdalene. 


gehöre ich. Andere legen fich in der Mitte des Waldes nie 
jie wollen bloß ausruhen, aber tie jtehen jelten wieder 
Ich Habe felbft einen Befannten, der nun ſchon drei Jahre 
Schatten der Lex Julia jein Bier trinkt, er hat jich den P 
ded Namen? wegen ausgeſucht, dev ruft ihm angenehnte 
innerungen zurüd. Noch Andere werden desparat und fel 
um. Die find die Dümmjten, denn man läßt fie nur ur 
der Bedingung aus dem einen Tidigt heraus, daß jie jich jpc 
jtreih3 wieder in ein andere hinein begeben. Und da gie 
Einige, die noch jchredficher find, die gar fein Ende Haben! 
ih) Was man Alles ſchwätzt, wenn man Etwa auf dem Her 
hat und es nicht Heraus zu bringen weiß! 

Klara. Alles ift heute luſtig und munter, das macht! 
ſchöne Tag! 

Secretair. Da, bei ſolchem Wetter fallen die Eulen « 
dem Net, die Fledermänfe bringen ſich um, weil fie fühlen, t 
der Teufel fie gemacht Hat, der Maulwurf bohrt fic jo tief 
die Erde ein, daß er den Weg zurüd nicht mehr findet ı 
jammerlich erjtiden ınuß, wenn er fich nicht bis zur ande 
Seite durchfrißt und in Amerika wieder zum Borjchein om 
Heute thut jede Korn=Achre einen doppelten Schuß, und | 
Mohnblume wird noch einmal jo voth, wie fonjt, wenn a 
nur aus Schaan, daß ſie's noch nicht if. Soll der Ma 
zurücdbleiben? Soll er den lieben Gott um den einzigen } 
betrügen, den jeine Welt ihm abwirft, um ein fröhlich Gei 
und um ein helles Auge, da3 all’ die Herrlichkeit abjpiegelt : 
verflärt zurüd giebt? Wahrhaftig, wenn ich des Morgens di 
oder jenen Hoder aus feiner Thür hervorjchleichen ſehe, 
Stirn in Falten heraufgezogen und den Himmel anglogend, 
einen Bogen Löjchpapier, dann dent ich oft: e8 giebt g 
Negen, Gott muß, er kann nicht umhin, den Wolfen-Bort 
niederlaffen, um ji) nur über die Fratze nit zu ärg 
Man jollte die Kerls als Hintertreiber von Quftparthieen, 








II5 Maria Magdalene. 49 


Verderbevr des Erntewetters, vor Gericht belangen können. 
Vodurch willſt Du denn für das Leben danfen, al? dadurch, 
da Du lebſt? Jauchze, Vogel, jonft verdient du die Kehle nicht! _ 

Kara. Ach, das ift jo wahr, fo wahr — ich könnte gleich 
'  53u weinen anfangen! 

Secretair. Es ift nicht gegen Dich gejagt, daß Du feit 
aht Tagen ſchwerer athmeit, wie ſonſt, begreif’ ich wohl, ich 
fenne Deinen Alten. Aber Gott Lob, ih kann Deine Bruft 
wieder frei machen, und eben darum bin ich bier. Du wirſt 
deinen Bruder noch heut” Abend wieder ſehen, und nicht auf 
ihn, fondern auf die Leute, die ihn in's Gefängniß geworfen 
haben, wird man mit Fingern zeigen. Verdient dag einen Kuß, 
einen ſchweſterlichen, wenn's denn fein anderer fein darf? Oder 
wollen wir Blindefuh darum jpielen? Wenn ih Di nicht 
an zehn Minuten haſche, jo geh ich leer aus, und befomm’ noch 
einen Backenſtreich obendrein. 

Klara (für is. Mir it, als wär’ ich auf einmal taufend 
Jahr alt geworden, und nun ftünde die Zeit über mir ftill, ich 
fanı nicht zuriick und auch nicht vorwärts. O, dieſer fejtgenagelte | 
2 Sonnenſchein und all’ die Heiterkeit um mich her! 
| Secretair. Du antworteft mir nicht. Freilich, daS vergaß 

ih, Du bilt Braut! O Mädchen, warum haft Du mir dad ge- 

tan! Und doch — habe ic ein Recht, mic) zu beklagen? Sie 

it, wie alles Liebe und Gute, alled Liebe und Gute hätte mic) 
sm fie erinnern follen, dennoch war fie Jahre lang für mid, 

ie nicht mehr in der Welt. Dafür hat fie — Wär’! nur 
-  Menigitend ein Sterl, vor dem man die Augen niederjchlagen 
; müßte! Aber diefer Leonhard — 
Klara (plögtig, wie fie den Namen Hör. SH muß zu ihm 
oo — Das ift’3 ja, ich bin nicht mehr die Schweiter eines Diebes 
— 0 Gott, mad will id denn noch? Leonhard wird und muß 
— Er braucht ja bloß fein Teufel zu fein, und Alles ift, wie 
vorher! (cqhaudernd) Wie vorher! (um Secretair) Nimm’ nicht 

Hebbel, Werte 11. 4 








90 Maria Mogdalene. I 


übel, Friedrich! — Warum werden mir die Beine auf einmee 
jo ſchwer? 

Secreteir. Du willit — 

Klara. Zu Leonhard, wohin denn font? Nur den eine - 
Weg hab’ ich auf diefer Welt noch zu machen! 

Serretair. So liebſt Du ihn? Dann — 

Klara wir. Lieben? Er oder der Tod! Wunder!” 
wen, daß ich ihn wähle? Ich thät's nicht, dächt' ic) an mia 
allein! 

Secretair. Er oder der Tod? Mädchen, jo fpridht dæ 
Verzweiflung, oder — 

Klara. Mach’ mich nicht rafend! Nenne dad Wort nicam 
mehr! Dich! Dich lieb’ ih! Da! Da! Ach ruf8 Dir zu, mm 
ob ich fchon jenſeits des Grabes wandelte, wo Niemand me— 
roth wird, wo fie Alle nat und frierend an einander vor 
ichleichen, weil Gottes furchtbar heilige Nähe in Jedem den == 
danfen an die Anderen biß auf die Wurzel weg gezehrt  « 

Secretair. Mich? Noch immer mih? Klara, ih dm 
geahnt, al3 ich Dich draußen im Garten fah! 

Slara. Hajt Du? O, der Andere auch! (dumpf, ats ob ji 
allein wäre) Und er trat vor mich Hin! Er oder Jh! DO, mei 
Herz, mein verfluchtes Herz! Um ihn, um mir felbjt zu be: 
weifen, daß es nicht jo fei, oder um's zu eritiden, wenn's je 
wäre, that ich, was mich jegt — (in Thränen ausbregend) Gott im 
Himmel, ih würde mich erbarnen, wenn ih Du wäre, und 
Du ic! 

Secretair. Klara, werde mein Weib! IH kam zu Tir, 
um Dir nod) einmal auf die alte Weile in’3 Auge zu jehen- 
Hätteft Du den Blick nicht veritanden, ich würde mich, ohne z34 
reden, wieder entfernt haben. Seht biet’ id) Dir Alles an, na 
ich bin, und was ich habe. Es ijt wenig, aber es fann meh* 
werden. Längſt wäre id) hier gemwejen, doch Deine Mutter wa * 
frant, dann ftarb fie. 





115 Daria DMagdalene. 51 


Klara (acht wahnfinnig). 

Secretair. Falle Muth, Mädchen. Der Menfch Hat Dein 
Wort. Das ängftigt Did. Und freilich) iſt's verflucht. Wie 
fonnteit Du — 

5 Klara, O frag’ nody, was Alle? zufammen kommt, um 
ein armes Mädchen verrüdt zu machen. Spott und Hohn von 
allen Seiten, ald Du auf die Academie gezogen warjt und Nichts 
mehr von Dir hören ließeſt. Die denkt noch an den! — Die 
glaubt, dag Kindereien ernithaft gemeint waren! — Erhält fie 

so Briefe? — Und dann die Mutter! Halte Di zu Deines 
Gleichen! Hochmuth thut nimmer gut! Der Leonhard ift doch 
recht brav, Alle wundern fi, daß Du ihn über die Achfel an- 
ſiehſt. Dazu mein eigne& Herz. Hat er Dich vergefjen, zeig’ 
idm, daß auh Du — o Gott! 

15 Secretair. Ich bin Schuld. Sch fühl's. Nun, was ſchwer 
ft, ift darum nicht unmöglid. Ich ſchaff' Dir Dein Wort zurüd. 
Bielliht — 







Klara. O, mein Wort — da! (Ste wirft ihm Leonhards 

| Sriej hin.) 
R Secretair ciery. Ich als Caſſirer — Dein Bruder — 
Dieb — fehr leid — aber ih kann nit umhin, aus Rückſicht 
auf mein Amt — — (su Klara) Das fchrieb er Dir denfelben 


Tag, wo Deine Mutter ſtarb? Er bezeugt Dir ja zugleich fein 
Beileid über ihren jähen Tod! 
5 Klara. Ich glaube, ja! 

Seeretair. Daß Dih! Lieber Gott, die Katzen, Schlangen 
und jonftigen Scheujale, die Dir bei der Schöpfung jo zwijchen 
den Fingern durchgefchlüpft find, haben Beelzebubs Wohlgefallen 
erregt, er hat fie Dir nachgemacht, aber er hat fie beſſer heraus 

». gepuzzt, wie Du, er hat fie in Menjchenhaut gejtedt, und num 
feben fie mit Deinen Menſchen in Reih' und Glied, und man 


erkennt jie erjt, wenn fie fragen und ftechen! (u Kara) Uber 
4% 





52 Maria Magdalene. lI« 


es ift ja gut, es iſt ja vortrefflich! «ar will fie umarmen., Kommt 
Für ewig! Mit diefem Kuß — 

Klara (fintt an ihn). Nein, nicht für ewig, nur daß ic 
nicht untfalle, aber feinen Kuß! 

Secretair. Mädchen, Du liebft ihn nicht, Du Hajt Dei 
Wort zurüd — 

Klara (dumpf, fi wieder aufrichtend. Und ih muß doch — 
ihm, id muß mic auf Knieen vor ihm niederwerfjen ur- 
ſtammeln: fieh die weißen Haare meined VBaterd an, nimm mic 

Secretair. Unglüdliche, verſieh' ih Dich? 

Klara. Ja! 

Secretair. Darüber fann fein Mann weg! Bor d 
Kerl, dem man in's Geſicht jpuden mögte, die Augen nied - 
ſchlagen müſſen? (Er prekt Klara wird an fih.) Aermſte! Werm 

Klara. Geh nun, geh! 

Secretair (für fih, brütend. Oder man müßte den Hu: 
der’3 weiß, aus der Welt wegichießen! Daß er Muth hät 
Daß er jich jtellte! Daß man ihn zwingen fünnte! Um 
Treffen wär’ mir nicht bange! 

Klara. ch bitte Dich! 

Secretair (indem er geht). Wenn's dunkel wird! (&r fe 
wieder um und faßt Klaras Hand.) Mädchen, Du ftehit vor ır 
— — (Er wendet fih a6) Tauſende ihres Gejchlecht hätten 
Hug und liſtig verſchwiegen, und e3 erjt dem Mann in ein 
Stunde füßer Vergefjenheit in Ohr und Seele gefchmeichel 
Sch fühle, was ich Dir ſchuldig bin! (av 


Beste Bcene. 


Klara cauein). Zu! Zu, mein Herz! Quetſch' Dich in Di 
ein, Daß aud fein Blut3tropfe mehr heraus fann, der in de 
Adern da3 gefrierende Leben wieder entzünden will! Da hats 
ji wieder was, wie eine Hoffnung, in Dir aufgethan! Set 





UI Maria Magdalene. 93 


eritmerf’ich’3! Ich Dachte — (tägeind) Nein, darüber kann fein Mann 
iveg! Und wenn — Könnteft Du jelbft darüber hinweg? Hätteft Du 
den Muth, eine Hand zu faflen, die — Nein, nein, Diefen 
ſchlechten Muth Hätteft Du nit! Du müßteſt Dich ſelbſt ein- 
 riegeln in Deine Hölle, wenn man Dir von außen die Thore 
öffnen mollte — Du bilt für ewig — O, daß das ausſetzt, daß das 
nicht immer jo fortbohrt, daß zuweilen ein Aufhören ift! Nur 
darum dauert’3 lange! Der Gequälte glaubt auszuruhen, weil 
der Duäler einhalten muß, um Odem zu fchöpfen; es ijt ein 
© Aufathmen, wie des Ertrinfenden auf den Wellen, wenn der 
Strudel, der ihn hinunter zieht, ihm noch einmal wieder aus— 
|peit, um ihn gleich wieder auf's Neue zu faffen, er hat Nichts 
davon, ald den zwiefachen Todeskampf! 
Nun, Klara? Sa, Vater, ich gehe, ich gehe! Deine Tochter 
kwird Dich nicht zum Selbjtmord treiben! Ich bin bald das 
Weib des Menfchen, oder — Gott, nein! Ich bettle ja nicht 
um ein Glüd, ich bettle um mein Elend, um mein tiefites 
Elend — mein Elend wirft Du mir geben! Fort — wo ift 
der Brief? (Ste nimmt in.) Drei Brunnen triffjt Du auf dem 
Weg zu ihm — Daß Du mir an einem ftehen bleibſt! Noch 
haft Du nicht das Recht dazu! (ao) 


Dritter Art. 
Zimmer bei Leonhard. 


Erſte Bcene. 
Leonhard (an einem Tiſch mit Acten, ſchreibend). Das wäre nun 
r fechdte Bogen nad Tiſch! Wie fühlt fid) der Menfch, wenn 
jeine Pflicht tHut! Seht könnte mir in die Thür treten, wer 





54 Maria Magdalene. III 


wollte, und. wenn's der König wäre — ich würde aufitehe 
aber ich würde nicht in Verlegenheit gerathen! Einen nehn 
ih aus, das ijt der alte Tifchler! Aber im Grunde kann auı 
der mir wenig maden! Die arme Klara! Sie dauert mid, i 
fann nicht ohne Unruhe an jie denfen! Daß der eine verflud) 
Abend nicht wäre! Es war in mir wirflid) mehr die Eiferjud 
al3 die Liebe, die mich zum Raſen brachte, und fie ergab fü 
gewiß nur darein, um meine Vorwürfe zu widerlegen, denn - 
war kalt gegen mich, wie der Tod. Ihr jtehen böje Tage E 
vor, nun, aud ich werde noch viel Verdruß haben! Tram 
Jeder dad GSeinige! Bor allen Dingen die Sade mit D« 
kleinen Budel nur recht feit gemacht, damit die mir nicht e: 
geht, wenn das Gewitter ausbricht! Dann Hab’ ich den Bürg 
meilter auf meiner Seite, und brauche vor Nichts bange zu je 


Bweite Bcene. 


Klara (tritt eim. Guten Abend, Leonhard! 

Leonhard. Klara? (für ih) Das hätt’ id nun nit me 
erwartet! (aut) Haft Du meinen Brief nicht erhalten? Doch - 
Du kommſt vielleicht für Deinen Vater und willit die Steu 
bezahlen! Wie viel iſt ed nur? (in einem Journal blätternd) J 
ſollte es eigentlich aus dem Kopf wiſſen! 

Klara. Sch komme, um Dir Deinen Brief zurück — 
geben! Hier iſt er! Lies ihn noch einmal! 

Leonhard (lieſ't mit großem Ernſt). Es iſt ein ganz dei 
nünftiger Brief! Wie fann ein Mann, dem die öffentlihe 
Gelder anvertraut ſind, in eine Yamilie heirathen, zu der ı 
verihludt ein Wort.) zu der Dein Bruder gehört ? 

Klara. Leonhard! 


Leonhard. Aber vielleicht hat die ganze Stadt Unredt 
Dein Bruder fit nit im Gefängnig? Er hat nie im Gefän 





II? Maria Magbalene. 55 


niß geſeſſen? Du bift nicht die Schmweiter eines — Deines 
Bruders? 
Klara. Leonhard, ich bin die Tochter meines Vaters, 
und nicht als Schweſter eines unſchuldig Verklagten, der ſchon 
sivteder frei geſprochen iſt, denn das iſt mein Bruder, nicht als 
Deädden, das vor unverdienter Schande zittert, denn (Halb laut) 
ich zittre noch) mehr vor Dir, nur ald Tochter des alten Mannes, 
der mir dad Leben gegeben hat, ftehe ich hier! 
%eonhard. Und Du mwillit? 

0 Alara. Du kannſt fragen? DO, daß ich wieder gehen 
Ditzfte! Mein Vater jchneidet is, die Kehle ab, wenn id — 
heirathe mich ! 

Leonhard. Dein Vater — 
| Klara. Er hat's geſchworen! SHeirathe mich! 
| 18 Leonhard. Hand und Hals jind nahe Vettern. Gie 
*Hun einander Nichts zu Leidel Mad’ Dir feine Gedanken ! 
Klara... Er hat's gejchworen — heirathe mic, nachher 
Ting mid um, id will Dir für dag Eine noch dankbarer fein, 
vie für da3 Andere! \ 
Leonhard. Liebſt Du mih? Kommſt Du, weil Di Dein 
“er, treibt? Bin ich der Menjch, ohne den Du nicht leben und 
den kannt ? 
Klara. Antworte Dir felbjt! 
Leonhard. Kannit Du ſchwören, daß Du mid) Tiebjt? 
a Tu mich fo liebft, wie ein Mädchen den Mann lieben 
uß, der ſich auf ewig mit ihr verbinden joll? 
Klara. Nein, dad kann ich nicht ſchwören! Aber dieß 
n ih fchwören: ob ich Dich Liebe, ob ich Dich nicht liebe, 
ſollſt Du's erfahren! Ich will Dir dienen, ich will für Dich 
keiten, und zu eſſen jollft Du mir Nicht geben, ich will mid) 
M ernähren, ich will bei Nachtzeit nähen und fpinnen für 
were Leute, ich will hungern, wenn ich Nicht zu thun babe, 
will fieber in meinen eig’nen Arm hinein beißen, als zu 


- 


56 Maria Magdalene. ni 2 





meinem Vater gehen, damit er Nicht merkt. Wenn Du mic — ıc 
ichlägft, weil Dein Hund nieht bei der Hand ijt, oder weil Tıe —D 
ihn abgefchafft Haft, jo will ich eher meine Zunge verfchludene sr =; 
als ein Gejchrei ausſtoßen, dad den Nachbaren verrathen fünntese pe t- 
was vorfällt. Ich kann nicht verjprechen, daß meine Haut diw pi 
Striemen Deiner Geißel nicht zeigen foll, denn das hängt nie g, 
von mir ab, aber ich will lügen, ich will jagen, daß ih m eir 
dem Kopf gegen den Schranf gefahren, oder daß ich auf der en 
Eitrih, weil er zu glatt war, außgeglitten bin, ich will's thu m ın, 
bevor noch Einer fragen kann, woher die blauen Ylede rühren. » 
Heirathe mi — ich lebe nicht lange. Und wenn’d Dir de—cqh 
zu lange dauert, und Du die Koften der Scheidung nit ar ıj- 
wenden magjt, um von mir los zu kommen, fo fauf Gift a —u3 
der Apothefe, und ſtell's Hin, als 0b’3 für Deine Ratten wi te, 
ih will’, ohne daß Tu auch nur zu winken brauchſt, nehm en 1 
und im Sterben zu den Nachbaren jagen, ich hätt's für er- 

‚ ftoßenen Zuder gehalten! 

| Xeonhard. Ein Menſch, von dem Du dies Alles erwarte Vt, 
überrajcht Did) doch nicht, wenn er Nein jagt ? 

Klara. So jchaue Gott mich nicht zu ſchrecklich an, were 
ih komme, ehe er mich gerufen hat! Wär's um mid, allein 
ih wollt's ja tragen, ich wollt’ geduldig hinnehmen, ad ver: 
diente Strafe für, ich weiß nicht was, wenn die Welt miy € 
meinem Elend mit Füßen träte, ftatt mir beizuftehen, ih wollte 
mein Kind, und wenn’ auch die Züge dieſes Menjchen trüge, * 
lieben, ah, und ich wollte vor der armen Unfchuld jo viel weinerz, 
daß es, wenn's älter und Flüger mwirde, feine Mutter gewi B 
nicht verachten, noch ihr fluchen ſollte. Aber ich bin's nicht 
allein, und leichter find’ ich am jüngften Tag noch eine Antwor £ 
auf des Richter Frage: warum haft Du Did, Selbſt umgebracht? * 
al3 auf die: warum Haft Du Deinen Vater fo weit getrieben” 

Leonhard. Du ſprichſt, als ob Du die Erſte und Lepte 
wärjt! Taufende haben das vor Dir durchgemacht, und fie er- 








XIl3; Maria Magdalene. 57 


Gaben fi) darein, Tauſende werden nad) Dir in den Fall kommen 
zand jih in ihr Schickſal finden: find die alle Nidel, daß Du 
Dh für Did allein in die Ede ftellen willft? Die hatten 
aud Väter, die ein Schock neue Flüche erfanden, als ſie's zuerft 
3 Börten, und von Mord und Todtichlag jprachen ; nachher ſchämten 
Tie ji, und thaten Buße für ihre Schwüre und Gottesläfterungen, 
te jeßten fich hin und wiegten dad Kind, oder wedelten ihm 
die Fliegen ab! 
Klara. O, ich glaub’3 gern, daß Du nicht begreifit, wie 
irgend Einer in der Welt feinen Schwur halten follte! 


Britte Scene. 


Ein Knabe (tritt ein. Da find Blumen! IH foll nicht 
gen, wovon. 
Leonhard. Ei, die lieben Blumen! (chlägt fi vor die Stirn) 
Teenie! Teufel! Das ift dumm! Ach hätte welche Schicken 
AL en! Wie hilft man fi) da heraus? Auf jolhe Dinge verjteh’ 
(di mich schlecht, und die Kleine nimmt's genau, fie hat an 
nũ CHis Anderes zu denken! (Er nimmt die Blumen.) Alle behalt' ich 
ſie ober nicht! (zu Klara) Nicht wahr, die da bedeuten Reue 
KUTLD Schaam? Halt Du mir das nicht einmal gejagt ? 
Klara (nie). 
Keonhard (um Knaben). Merk' Dir’d, Junge, die jind für 
weich ich ftede fie an, ſiehſt Du, hier, wo das Herz ift! Diefe, 
die dunfelrothen, die wie ein düſteres Feuer brennen, trägit Du 






N swurid, Verjtehit Du? Wenn meine Uepfel reif jind, kannſt 
oh Du Di, melden! 

x Knabe. Das ift noch lange Hin! (as) 

te“ 

va Bierte Scene. 

* Leonhard. Sa, ſiehſt Du, Klara, Du ſprachſt von Wort- 


s halten. Ehen weil ich ein Mann von Wort bin, muß ich Dir 
anfworten, wie ich Dir geantwortet habe. Dir jchrieb ich vor 








58 Maria Magbdalene. III 


acht Tagen ab, Du kannſt es nicht läugnen, der Brief liegt d 
(Er reicht ihr den Brief, fie nimmt ihm mechaniſch. Ich hatte Grun 
Dein Bruder — Du fagit, er iſt frei geiprochen, e3 freut mid 
In diefen acht Tagen knüpfte ich ein neues Verhältniß an; i 
hatte das Necht dazu, denn Du haſt nicht zur rechten Zeit gegm 
meinen Brief proteftirt, id) war frei in meinem Gefühl, wie v 
dem Geſetz. Seht kommſt Du, aber ich habe ſchon ein Wort S 
geben und ein? empfangen, ja — für fit) ih wollt‘, es w« 
jo — die Andere iſt ſchon mit Dir in gleihem Fall, Du daue 
nid), (Er ftreiht ihr die Loden zurüd, fie läßt es geliehen, ala ob 
es gar nicht bemertte.) aber Du wirft einfehen — mit dem Bürg« 
meiſter ijt nicht zu ſpaßen! 

Klara (wie geiſtesabweſend). Nicht zu Tpaßen! 

Leonhard. Sieht Du, Du wirft vernünftig! Und wı 
Deinen Vater betrifft, jo kannſt Du ihm fe in's Geſicht Tage: 
daß er allein Schuld ift! Starre mid) nicht fo an, ſchüttle nid 
den Kopf, es ijt jo, Mädchen, es ilt fo! Sag's ihm nur, e 
wird’3 fchon verjtehen und in ſich gehen, ich bürge Dir dafür 
für fih) Wer die Ausſteuer feiner Tochter wegſchenkt, der muj 
fi nicht wundern, daß fie fißen bleibt. Wenn ich daran denke 
jo jteift fi) mir ordentlich der Rüden, und id) könnte wünſchen 
der alte Kerl wäre hier, um eine Lection in Empfang zu nehmen 
Warum muß ich graujam fein? Nur meil er ein Thor war 
Was auch daraus entfteht, er hat's zu verantworten, das ti 
far! (u Klara) Oder willft Du, daß ich felbit mit ihm rede 
Dir zu Liebe will ich ein Dlaued Auge wagen und zu ihm gehen 
Er fann grob gegen mic) werden, er fann mir den Stiefelknech 
an den Kopf werfen, aber er wird die Wahrheit, troß de 
Bauchgrimmens, das fie ihm verurſacht, hinunter knirſchen un 
Dich in Ruhe laffen müſſen. Verlaß Dich darauf! Sit er zu Haufe‘ 

Klara (richtet ſich Ho& auf). Sch danfe Dir! mil gehen) 

Leonhard. Soll id) Dich hinüber begleiten? ch hab 
den Muth! 





ILL 4 Maria Magdalene. 59 


Klara. ch dankte Dir, wie ich einer Schlange danken 
würde, die mich umfnotet hätte und mich von jelbjt wieder Tieße 
und fort jpränge, weil eine andere Beute jie lodte. ch weiß, 
dab ich gebiffen bin, ich weiß, daß fie mich nur läßt, weil e& 

sihr nicht der Mühe werth fcheint, mir das Bischen Marf aus 
den Gebeinen zu faugen, aber ich danke ihr doch, denn nun hab’ 
ih einen ruhigen Tod. Ja, Menſch, es iſt Fein Hohn, ich danke 
Tir, mir it, als hätt’ ich durch Deine Brujt bis in den Ab- 
grund der Hölle Hinunter gejehen, und was auch in der furdt- 
»» baren Ewigkeit mein Loos fei, mit Dir hab’ ich Nichts mehr zu 
ihaffen, und das ift ein Troft! Und wie der Unglüdliche, den 
an Wurm geſtochen hat, nicht geicholten wird, wenn er fi in 
Schawder und Efel die Adern öffnet, damit das vergiftete Leben 
ſchnell ausftrömen kann, fo wird die ewige Onade jich vielleicht 
' sau mein erbarmen, wenn jie Dich anjieht, und mid), was Du 
au mir gemacht haft, denn warum könnt' ich's thun, wenn 
3 nimmer, nimmer thun dürfte? Nur Eins no: mein 
Later weiß von Nichtd, er ahnt Nichts, und Damit er nie 
Etwas erfährt, geh” ich noch heute aus der Welt! Könnt’ ich 
»odenfen, daß Du — (Sie tut wild einen Schritt auf ihn zu.) Dod), 
das it Thorheit, Dir kann's ja nur willkommen fein, wenn jie 
Üe stehen und die Köpfe fchütteln und fi) umfonjt fragen: 
warum das gefchehen ift! 

Leonhard. Es kommen Fälle vor! Was full man thun? 

* Nlara! 

Klara. ort von hier! Der Menſch kann jprechen! ESie 
il geben.) | 

Leonhard. Meinit Du, daß ich's Dir glaube? 

Klara. Nein! 
0 Reonhard. Du kannſt Gott Lob nicht Selbjt-Mörderin 
werden, ohne zugleich Kindes-Mörderin zu werden! 

Klara. Beides lieber, ald Vater-Mörderin! O ich weiß, 
daß man Sünde mit Sünde nicht büßt! Aber was ich jet thu', 











60 Maria Magdalene. 111 5.6 


das kommt über mich allein! Geb’ ich meinem Water das 
Meſſer in die Hand, fo trifft's ihn, wie mih! Mich trifite 
immer! Dieß giebt mir Muth und Kraft in all meiner Angit! 
Dir wird’3 wohl gehen auf Erden! (ab) 


Fünfte Scene. 5 


Leonhard (alten). Ich muß! Sch muß fie heirathen! Und 
warum muß ih? Sie will einen verrüdten Streich begehen, 
um ihren Vater von einem verrücten Streich abzuhalten; we 
liegt die Nothivendigfeit, daß ich den ihrigen Durch einen nod) 
verrüdteren verhindern muß? Ich kann fie nicht zugeben, » 
wenigitens nicht eher, als biß ich denjenigen vor mir jehe, der 
mir wieder durch den allerverrücteiten zuvor fommen will, und 
wenn der eben jo denft, wie ich, jo giebt's fein Ende. Das 
Elingt ganz geicheut, und doch — Ic muß ihr nah! Da fommt 
Jemand! Gott jei Dank, Nichts ijt chmählicher, als fich mit ı5 
jeinen eigenen Gedanken abzanfen müſſen! Eine Rebellion im 
Kopf, wo man Wurm nah Wurm gebiert, und Einer den 
Andern frißt oder in den Schwanz beißt, ilt die jchlimmite 
von allen! 


Sechste Scene. 


Secretair (tritt eim. Guten Abend! 

Leonhard. Herr Secretair? Was verſchafft mir die 
Ehre — 

Secretair. Du wirſt es gleich ſehen! 

Leonhard. Du? Wir find freilich Schulkameraden ges 25 
weſen! 

Secretair. Und werden vielleicht auch Todeskameraden 
jein! (ieht Piſtolen Hervor) Verſtehſt Du damit umzugehen? 

Leonhard. Ich begreife Sie nicht! 





III 6 Maria Magdalene. 61 


Secretair (pannt eine). Siehſt Du? So wird’3 gemacht. 
Tann zielt Tu auf mid, wie ich jeßt auf Dich, und drüdit 
ab! So! 

Leonhard. Was reden Sie? 

5 Secretair. Einer von und Beiden muß jterben! Sterben! 
Und das fogleidh! 

Leonhard. Sterben? 

Secretair. Du weißt, warum! 

Leonhard. Bei Gott nicht! 

10 Secretair. Thut Nichts, ed wird Dir in der Todesftunde 
ihon einfallen! 

Leonhard. Auch Feine Ahnung — 

Secretair. Beſinne Dih! Sch Fünnte Dich ſonſt für einen 
tollen Hund halten, der mein Liebjted gebiflen Hat, ohne jelbit 

is Etwas davon zu willen, und Dich niederjchießen, wie einen folchen, 
da ih Did doch noch eine Halbe Stunde lang für meines 
Gleichen gelten lafjen muß! 

Leonhard. Sprehen Sie doch nicht jo laut! Wenn Sie 
Einer hörte — 

0 Sercretair. Könnte mich Einer hören, Tu Hättejt ihn 
längit gerufen! Nun? 

Leonhard. Wenn’ des Mädchens wegen ijt, ich fann ie 
ja heirathen! Dazu war ich fchon halb und Halb entichlofjen, 
als Sie felbjt hier war! 

25 Secretair. Sie war bier, und fie ijt wieder gegangen, 
ohne Did) in Reue und Zerknirſchung zu ihren Füßen gejehen 
zu Haben? Komm! Komm! 

Leonhard. Sch bitte Sie — Cie fehen einen Menjchen 
vor fich, der zu Allem bereit iſt, was Sie vorjchreiben! Noch 

so heut’ Abend verlobe ih mich mit ihr! 

Sercretair. Dad thu' ich, oder Kleiner. Und wenn die 
Welt daran Hinge, nicht den Saum ihres Kleides jollit Du 
wieder berühren! Komm! In den Wald mit mir! Aber wohl 





62 Maria Magdalene. UI? 


gemerkt, ich falj' Dich unter den Arm, und wenn Du unterwegs 
nur einen Laut von Dir giebit, jo — (Er ergeht eine Viſtole, Du 
wirft mir’3 glauben! Ohnehin nehmen wir, damit Du nicht in 
Verfuhung fommft, den Weg Binten zum Haufe hinaus durch 
die Gärten! 5 

Leonhard. Eine ijt für mich — geben Sie mir die! 

Secretair. Damit Du fie wegwerfen, und mid) zwingen 
fannjt, Dich zu morden, oder Dich laufen zu lafjen, nidht wahr ? 
Geduld, bis wir- am Platz find, dann theil’ ich ehrlich mit Dir! 

Leonhard (gebt und ftößt aus Verſehen fein Trintglas vom Tiich). Soll 1 
ich nicht wieder trinfen ? 

Secretair. Courage, mein SQunge, vielleicht geht's gut, 
Gott und Zeufel fcheinen ſich ja beitändig um die Welt zu 
ichlagen, wer weiß denn, wer gerade Herr ift! (aßt ihn unter den 
“rm, Beide ab) 15 


Zimmer im Haufe des Tiſchlers. Abend. 
Siebente Bcene. 


Karl tritt eim. Kein Menſch daheim! Wüßt' ich das Ratten: 
(och unter der Thürſchwelle nicht, wo fie den Schlüfjel zu ver- 
bergen pflegen, wenn fie Alle davon gehen, ich hätte nicht hinein * 
können. Nun, das hätte Nichts gemacht! Ich könnte jetzt | 
zwanzig Mal um die Stadt laufen und mir einbilden, e3 gäbe 
fein größered Vergnügen auf der Welt, als die Beine zu brauchen. | 
Wir wollen Licht anzünden! (er tuts.) Das Feuerzeug iſt nod) | 
auf dem alten Plaß, ich wette, denn wir haben bier im Hauſe 3 | 
zwei Mal zehn Gebote. Der Hut gehört auf den dritten Nagel, 
nicht auf den vierten! Um Halb zehn Uhr muß man müde | 
jein! Vor Martini darf man nicht frieren, nad) Martini nit | 
ſchwitzen! Das fteht in einer Neihe mit: Du ſollſt Gott fürchten 
und lieben! Ich bin durjtig! um Mutter! Pfui! Ma ob». 
ich's vergefjen hätte, daß fie da liegt, wo auch des Bierwirtig | 








III 8 Maria Magdalene. 63 


Knecht jein Nußfnadermaul nit mehr mit einem Ja Herr! 
aufzureißen braudjt, wenn er gerufen wird! ch Habe nicht ge- 
meint, ald ich die Zodtenglode in meinem finftern Thurmloch 
hörte, aber — Rothrod, Du haft mich auf der Kegelbahn nicht 
sden legten Wurf thun laſſen, obgleich ich die Boßel ſchon in 
| der Hand hielt, ic) lafje Tir nicht zum letzten Athemzug Zeit, 
wenn ich Dich allein treffe, und dad Tann heut’ Abend noch ge- 
jchehen, ich weiß, wo Du um zehn zu finden bil. Nachher zu 
Schiff! Wo die Klara bleibt? ch bin eben fo hungrig, als 
so durftig! Heut’ ift Donnerstag, fie haben Kalbfleifh-Suppe ge- 
gefien. Wär’d Winter, jo hätt’3 Kohl gegeben, vor Faſtnacht 
weißen, nad) Faltnadjt grünen! Das ſteht jo feit, als daß der 
8 Donnerdtag wiederfehren muß, wenn der Mittwoch dagemejen 
-F it, daß er nicht zum Freitag jagen kann: geh Du fir mid), 
‘sic habe wunde Füße! 


Ä 








Ichte Zcene. 


Klara (tritt ein). 

Karl. Endlih! Du follteit auch nur nicht jo viel füllen! 
to jich vier rothe Lippen zuſammen baden, da ijt dem Teufel 
ne Brüde gebaut! Was Haft Du da”? 

Klara. Wo? Was? 

Sarl. Wo? Was? An der Hand! 

Slara. Nichts! 

Karl. Nichts? Sind das Geheimnifje? Er entreißt ihr: 
ngards Brite.) Her damit! Wenn der Vater nidht da iſt, jo 

der Bruder Vormund! 

Klara. Den Tegen hab’ ich feſt gehalten, und doc, geht 
r Abendwind fo jtark, daß er die Ziegel von den Dächern 
rit! WS ich an der Kirche vorbei ging, fiel einer dicht vor 
r nieder, jo daß ich mir den Fuß daran zeritieß. O Gott, 

it' ich, noch einen! und ſtand ftill! Das wäre jo jchün ge= 





64 Maria Magdalene IL 


wejen, man hätte mic, begraben und gefagt: fie hat ein Ungim- 
gehabt! Ach hoffte umſonſt auf den zmeiten! 

Karl (der den Brief gelefen Hat). Donner und — Kerl, de 
Arm, der das fchrieb, ſchlag' ih Dir lahm! Hol mir ek 
Flaſche Wein! Oder ijt Deine Sparbüchſe leer? 

Klara. 3 ift noch eine im Haufe. Ich hatte fie hei we 
ih für den Geburtötag der Mutter gekauft und bei Seite S 
jtelt. Morgen wäre der Tag — (Cie wendet fid.) 

Karl. Gieb fie her! 

Klara (dringt den ein). 

Karl (trinkt Haftig). Nun fönnten wir denn wieder anfange 
Hobeln, Sägen, Hämmern, dazwiſchen Effen, Trinken und Schlafe 
damit wir immer fort hobeln, fügen und hämmern fünne 
Sonntag3 ein Kniefall obendrein: ich danke Dir, Herr, daß i— 
hobeln, fägen und hämmern darf! (trintt) Es lebe jeder brak 
Hund, der an der Fette nicht um ſich beißt! (Er trinkt wie 
Und noch einmal: er lebe! 

Klara. Karl, trin® nicht fo viel! Der Vater fagt, ir 
Wein fißt der Teufel! 

Karl. Und der Priejter jagt, in Wein jitt der Tiebe Got 
Er trintt. Wir vollen fehen, wer recht hat! “Der Gerichtödiene” 
ijt hier im Haufe geweſen — wie betrug er ſich? 

Klara. Wie in einer Diebsherberge. Die Mutter fie 
um und war todt, fobald er nur den Mund aufgethan hatte 

Karl. Gut! Wenn Du morgen früh hörſt, daß der Ker 
erichlagen gefunden worden ilt, jo fluche nicht auf den Mörder 

Klara. Karl! Du wirft doh nicht — 

Karl. Bin ich fein einziger Feind? Hat man ihn nik 
ſchon oft angefallen? Es dürfte ſchwer halten, aus fo Vieles 
denen das Stück zuzutrauen wäre, den rechten heraus zu findex 
wenn dieſer nur nicht Stod oder Hut auf dem Plab zurü 
läßt. (Er trintt. Wer e& auch fei: auf gute Gelingen! 

Klara. Bruder, Du redet — 





n 


II 8 Maria Magdalene. 65 


Karl. Gefällt's Dir nit? Lab gut fein! Du wirft 
mich nicht lange mehr fehen! nn 
Klara (sujammen ſchaudernd). Nein! 
Karl. Nein? Weißt Du's ſchon, daß ich zur See will? 
sKrieden mir die Gedanken auf der Stirn herum, daß Dur fie 
lefen kannſt? Oder hat der Alte nad) feiner Art gewüthet, 
und gedroht, mir das Haus zu verfchließen? Pah! Das wär’ 
nacht viel anders, als wenn der Gefängnißfnecht mir zugeſchworen 
hatte: Du ſollſt nicht länger im Gefängniß ſitzen, ich ſtoße Dich 
s»hurraus in’ Freie! 
Klara. Du verſtehſt mich nicht! 
Karl (iingt). 
Dort bläht ein Schiff die Segel, 
Friſch fauj’t hinein der Wind! 

35 Sa, wahrhaftig, jebt hält mic Nicht mehr an der Hobel- 
bank feſt! Die Mutter ift todt, ed giebt Keine mehr, die nad) 
jedem Sturm aufhören würde, Fiſche zu eſſen, und von Jugend 
auf ward mein Wunſch. Hinaus! Hier gedeih’ ich nicht, oder 
exit dann, wenn ich's gewiß weiß, daß das Glück dem Muthigen, 

der jein Leben auf's Spiel ſetzt, der ihm den Kupfer-Dreier, 

den er aus dem großen Schaß empfangen hat, wieder hinwirft, 
um zu jehen, ob es ihn einſteckt oder ihn vergoldet zurüd giebt, 
nicht mehr günſtig iſt. 

Klara. Und Du willit den Bater allein lajjen? Er it 

‚ ſechezig Jahr! 

Karl. Allein? Bleibſt Du ihm nicht? 
Klara. Ich? 
Karl. Du! Sein Schoopfind! Was wählt Dir für Un- 

: traut im Kopf, dag Du fragit! Seine Freude laſſ' ich ihm, 

ch und von jeinem ewigen Verdruß wird er befreit, wenn ich gehe, 

warum ſollt' ich’S denn nicht thun? Wir paifen ein für alle 

Ral nicht zufammen, er kann's nicht eng genug um fid) haben, 

er mögte feine Fauſt zumadjen und hinein Frieden, ich mögte 

Öchbel, Werte II. HM) 










66 Maria Magdalene. 1118 


meine Haut abitreifen, wie den Sleinfinderrod, wenn’ nur 
ginge! (fingt) 
Der Anker wird gelichtet, 
Das Steuer flugs gerichtet, 
Nun fliegt's hinaus geſchwind! 

Sag’ jelbjt, Hat er auch nur einen Augenblick an meiner 
Schuld gezweifelt? Und Hat er in feinem überklugen: Das 
hab’ ich erwartet! Das Hab’ ich immer gedadyt! Das konnte 
nicht anderd enden! nicht den gewöhnlichen Troft gefunden? 
Wärft Du’s gewejen er hätte fi umgebradht! ch mögt ihn ze 
jehen, wenn Du ein Weiber-Scidjal hätteſt! Es würde ihm 
jein, als ob er jelbjt in die Wochen kommen jollte! Und mit 
dem Teufel dazu! 

Klara. O, wie dad an mein Herz greift! Ja, ich muß 
fort, fort! 15 

Karl. Was joll das heißen? 

Klara. Ih muß in die Küche — was wohl jonjt? (ek: 
ih an bie Stirn) Sa! Das nod! Darum allein ging ich ja 
noch wieder zu Haufe! (ad) 

Karl. Die fommt mir ganz jonderbar vor! ſſingt 30 

Ein fühner Wafjervogel 
Kreif’t grühend um den Maft! 

Klara (tritt wieder ein. Das letzte ijt gethan, des Vaters 
Abendtrank fteht am Feuer. Als ich die Küchenthür hinter mir 
anzog, und ich dachte: Du trittſt nun nie wieder hinein! ging = 
mir ein Schauer durch die Seele. So werd’ ich auch aus Diejer 
Stube gehen, fo au$ dem Hauje, jo aus der Welt! 

Karl (fingt, er geht immer auf und ab, Klara Hält jih im Hintergrund. 


Sy 


Die Sonne brennt herunter, 
Manch Fiſchlein, blank und munter, 3” 
Umgaufelt te den Gaſt! 
Klara. Warum tu’ ich's denn nicht? Werd’ ich's nimmer 
tun? Werd’ ich's don Tag zu Tag auffehieben, wie jet von 





1118 Maria Magdalene. 67 


Minute zu Minute, bi! — Gewiß! Darum fort! — Fort! 
Und doch bleib’ ich stehen! Iſt's mir nicht, ala ob's in meinem 
Schooß bittend Hände aufhöbe, ald ob Augen — Sie jept fih auf 
einen Stuhl.) Was joll da3? Bit Du zu fchwad dazu? So 

s frag” Did, ob Du jtarf genug bijt, Deinen Vater mit ab- 
geichnittener Kehle — Ste ſieht auf) Nein! Nein! — Vater 
unfer, der Du bilt im Himmel — Geheiliget werde Dein Reich 
— Öott, Gott, mein armer Kopf — ih kann nicht einmal 
beten — Bruder! Bruder! — Hilf mir — 

16 Karl. Was halt Du? 

Klara. Das Baterunfer! (Ste befinnt fi) Mir war, ala 
ob ich ſchon im Wafjer läge, und unterjänfe, und hätte nod) 
nicht gebetet! Sch — piöstig) Vergieb uns unfere Schuld, wie 
wir vergeben unjern Schuldigern! Da iſt's! Ja! Ja! ich 

15 vergeb’ ihm gewiß, ih denfe ja nicht mehr an ihn! Gute 
Nacht, Karl! 

Karl. Willſt Du ſchon jo früh jchlafen gehen? Gute 
Nacht! 

Stlara ıwie ein Sind, das fih das Vaterunſer überhört). Ber: 

» gieb und — 

Karl. Ein Glas Waſſer könntet Du mir noc bringen, 
aber e3 muß recht frijch fein! 

Klara iiänen. Ach will e&& Dir vom Brunnen Holen! 

Karl. Nun, wenn Du willit, es ift ja nicht weit! 

25 Klara. Dank! Dank! Das war das Lebte, was mid. 
noch drüdte! Die That ſelbſt mußte mich verrathen! Nun 
werden jie doch fagen: jie hat ein Unglüd gehabt! Sie iſt 
hinein geitürzt! 

Karl. Nimm Did) aber in Adıt, das Brett iſt wohl nod) 

so immer nicht wieder vorgenagelt! 

Klara. Es iſt ja Mondichein! — O Gott, ih komme 
nur, weil jonit mein Water käme! Xergieb mir, wie ih — 
Sei mir gnädig — gnädig — (ab) ne 





68 Maria Magdalene. III9Q. 


Heunte Bcene. 
Karl (fingt). 
Wär’ gern hinein geiprungen, 
Da draußen ift mein Reich! 
Sa! aber vorher — (Er fieht nad der uhr. Wie viel iſt's? Neu 
Ich bin ja jung von Jahren, 
Da iſt's mir nur um's Fahren, 
Wohin? Das gilt mir gleich! 


Behnte Zcene. 

Meifter Anton tritt ein). Dir hätt! ich Etwas abzubitte 
aber wenn ich's Dir verzeihe, daß Du heimlich Schulden gemac 
haft, und ſie noch obendrein für Dich bezahle, fo werd’ id 
mir eriparen dürfen! 

Karl. Das Eine iſt gut, das Andere ijt nicht nöthig, wen 
ic) meine Sonntags-Kleider verkaufe, fann ich die Leute, die eũ 
Paar Thaler von mir zu fordern Haben, ſelbſt befriedigen, um 
da3 werd’ ich glei morgen thun, als Matroſe, (tür ſich da iſt 
heraus! (aut) brauch' ich jte nicht mehr! 

Meiiter Anton. Was jind das wieder für Reden? 

Karl. Er hört ſie nicht zum eriten Mal, aber Er ma 
miv heute darauf antworten, was Er will, mein Entjchlu 
ſteht feit! 

Meifter Anton. Miündig biſt Du, es ift wahr! 

Karl. Eben weil ich's bin, troß’ id) nicht darauf. Ab— 
ich denke, Fiſch und Bogel jollten ſich nicht darüber jtreite 
ob’3 in der Luft oder im Waller am beiten iſt. Nur Eim 
Er fieht mid) entweder nie wieder, oder Er wird mich auf ct 
Schulter Hopfen und jagen: Du hajt recht gethan! 

Meifter Anton. Wir wollen's abwarten. Ich brauc 
den Geſellen, den ich für Dich eingejtellt Habe, nicht wieder a 
zulohnen, was iſt's denn weiter? | 

Karl. Ich dank' Ihm! 





Il ıı Maria Magdalene. 69 


Meiiter Anton. Sag’ mir, hat der Gericht3-Diener, jtatt 
Dich auf dem fürzejten Weg zum Bürgermeifter zu führen, 
Dich wirklich durch die ganze Stadt — 

Karl. Straß' auf, Straß' ab, über den Markt, wie den 

s Sattnadt3-Ochjen, aber zweifle Er nicht, auch den werd' ich be— 
zahlen, eh' ich gehe! 

Meifter Anton. Das tadle ich nicht, aber ich verbiet' 
es Dir! 

Karl. Ho! 

0 Meifter Anton. Ich werde Dih nicht aus den Augen 
laſſen, und ich jelbft, ich würde dem Kerl beifpringen, wenn 
du Did an ihm vergreifen wolltejt! 

Karl. Ich meinte, Er hätte die Mutter auch lieb gehabt. 

| Meiiter Anton. Ich werd’3 beweiſen. 


» Elfte Scene. 


Der Secretair tritt bleich und wantend herein, er brüdt ein Tuch 
sogen die Bruſt). Wo iſt Klara? (Er fänt auf einen Stuhl zurüd.) Jeſus! 
Suter Abend! Gott fei Dank, daß ic) noch her fam! Wo 
it fie? 

20 Karl. Eie ging zum — Wo bleibt jie? Ihre Reden — 
Mit wird Angjt! (ad) 

Serretair. Sie ijt gerät — Der Bube liegt — Aber 
ug ih bin — Warum das, Gott? — Nun kann ich fie ja 
nicht — 

* Meifter Anton. Was hat Er? Was iſt mit Ihm? 
Secretair. Es iſt gleih aus! Geb’ Er mir die Hand 
Maus, daß Er Seine Tochter nicht verjtoßen will — Hört Er, 
wiht veritoßen, wenn fie — 
Meifter Anton. Das ijt eine wunderliche Rede. Warum 
lt ich jie denn — Ha, mir gehen die Augen auf! Hätt' id, 
hr nicht unrecht gethan ? 










70 Maria Magbalene. III 11 


Secretair. Geb’ Er mir die Hand! 

Meifter Anton. Nein! (ftett beide Hände in die Tafhe) Aber 
id werde ihr Platz machen, und fie weiß das, ich hab's ihr 
gejagt! 

Secretair centieg). Er Hat ihr — Unglüdliche, jebt erit s 
verjteh” ich Dich ganz! 

Karl (ſürzt Haftig Hereim. Water, Vater, es liegt Jemand im 
Brunnen! Wenn's nur nicht — 

Meifter Anton. Die große Leiter ber! Hafen! Stride! 
Was ſäumſt Du? Schnell! Und ob's der Gericht2diener wäre! 10 

Karl. Alles ijt ſchon da. Die Nachbaren famen vor mir. , 
Wenn's nur nicht Klara ilt! 

Meifter Anton. Klara? (Er Hält fih an einem Tiſch.) 

Karl. Zie ging, um Wafjer zu jchöpfen, und man fand 
ihr Tuch. 15 

Secretair. Bube, nun weiß ich, warum Deine Kugel traf. 
Sie iſt's. 

Meifter Anton. Sieh doch zu! (evt fih nieder) Ich kann 
nicht! (art as) Und Doc)! citent wieder au) Wenn ich Ihn (zum 
Secretair; recht veritanden habe, jo iſt Alles gut. | 

Karl (kommt zurüch. Klara! Todt! Der Kopf gräßlich am 
Brunnenrand zerjchmettert, al fie, — Bater, fie ijt nicht hinein 
gejtürzt, jie ijt hinein gejprungen, eine Magd hat's gejehen! 

Meifter Anton. Die joll ſich's überlegen, eh’ ſie Spricht! 
Es iſt nicht Hell genug, daß fie das mit Bejtimmtheit hat = 
unterjcheiden können! 

Secretair. Zweifelt Er? Er mögte wohl, aber Er fann 
nicht! Denf’ Er nur an dad, was Er ihr gejagt Hat! Er Hat 
ſie auf den Weg des Todes hinaus gemiefen, ich, ich bin Schuld, 
daß ie nicht wieder untgefehrt it. Er dachte, al® er ihren » 
Jammer ahnte, an die Zungen, die Hinter ihm Herzifcheln 
würden, aber nicht an die Nichtswürdigkeit der Schlangen, 
denen jie angehören, da jprach Er ein Wort auf, daß fie zur 





IILII Maria Magdalene. 71 


Verzweiflung trieb; ich, ſtatt ſie, als ihr Herz in namenloſer 
Angſt vor mir aufſprang, in meine Arme zu ſchließen, dachte 
an den Buben, der dazu ein Geſicht ziehen könnte, und — 
nun, ich bezahl's mit dem Leben, daß ich mich von Einem, der 
s ſchlechter war, als ich, ſo abhängig machte, und auch Er, 
ſo eiſern Er daſteht, auch Er wird noch einmal ſprechen: Tochter, 
ich wollte doch, Du hätteſt mir dad Kopfſchütteln und Achſel— 
zucken der Phariſäer um mid) Her nicht erſpart, es beugt mich 
doch tiefer, daß Du nit an meinem Sterbebett jißen und mir 
ıo den Angſtſchweiß abtrodnen kannſt! 
Meiiter Anton. Sie Hat mir Nichts erjpart — man 
hat's gejehen! 
Serretair. Sie hat gethan was jie fonnte — Er war’$ 
nicht werth, daß ihre That gelang! 


15 Meiiter Anton. Oder fie nicht! 
(Tumult draußen) 
Karl. Sie kommen mit ihr — (win ab) 


Meifter Anton (feft, wie His zu Ende, ruft ihm nad:) In Die 
Hinteritube, wo die Mutter ſtand! 
0 Secretair. Ihr entgegen! (will aufftehen, fänt aber zurid, 
O! Karl! / 
Karl (hitft ihm auf und führt ihm ab). 
Meifter Anton. ch veritehe die Welt nicht mehr! 
(Er bleibt finnend fteben.) K 











Ein 


rauerfpiel in Sicilien 


Tragicomddie in einem Act. 


—— —— 


1851. 











An 


Heinrich Theodor Rötfcher. 











Berfonen: 


Anjelmo. 

Angiolina, jeine Tochter. 
Sebajtiano. 
5 Ambroiio, | 
Bartolino, J 
Het Öregorio, Podeſta. 

Ein Bauer. 


zwei Landſoldaten. 


Die Dandfung ereignet ſich bei Palermo. 








Eingang eines Waldes. 
Erſte Bcene. 


Ambrofio und Bartolino (halten Wade). 


Ambrofio. 
Nun, Degentpige der Gerechtigkeit? 
Denn, daß Du's weißt, mit einem Degen wird 
Tie IThemid abgebildet, und die Spibe 
Des Degens, den fie trägt, find Du und ich! 
Du ſiehſt, die Zonne iſt hinab, die Welt 
Wird grau und fahl, wie eine Fledermaus, 
Und Hüllt jich gleich in ihren ſchwarzen Rod: 
Was meinit Tu, geh’n wir bald? Wir haben's weit 
Zur Stadt und brauchen eine gute Stunde! 


Bartolino. 
Ei, freilih geh'n wir. Längſt ſchon hab’ id) mid) 
Gewundert, daß Du nicht zum Aufpbruch bliejeit. 
Allein, Du ftarrtejt nieder in den Sand, 
Als jähett Du die Nummern dort gefchrieben, 
Tie man mit Nächitem/ zieh'n wird in Neapel; 
Und weil ich nun einmal der Ejel bin, 
Der immerdar ſich für den Zweiten hält, 
Zeit ih als Solder — denn ich ward als Zwilling 
Geboren — fam aus meiner Mutter Leib, 
So ſchaute ich Fir ruhig zu und lieh 





80 Ein Traueripiel in Sicilien, 


Dir in Gedanken ſchon da3 Geld zum Einſaß, 
Ich weiß ja doch, daß dieß mein Scidjal tft. 
Ambrofio. 
Sc) jah dem Käfer nad, dem ſchwarzen da, 
Der über'n Weg gekrochen kam, und dachte: 
Wenn der hinüber fommt, und Du ihn nicht 
Zertrittit, indem Du mit gefchloßnen Mugen 
Drei Schritte madjit, jo wirſt Du Korporal 
Und legſt für diefen Fall Dein Saufen ab. 


Bartolino. 
Da Hätte ich es abgelegt, wie Du; 
Du weißt, ich thue Nicht allein. Wie ging’&? 


Ambrofio. 


Wie's ging? Wein Her! Zum Teufel das Gelübde! 


Dort liegt der Korporal! Yu Brei zerdrüdt! 
Ha, wäre ich geblieben in Algier! 

Sept wär” ich General, wie Bonaparte — 
Denn der war ganz ein Lump, wie ih und Tu — 
Und nebenbei jo reich, daß mir das Yahlen 
Die größte Freude wäre auf der Welt, 

Da es mir jebt die größte Pein doch iſt. 

Ic fage Dir, dort ging ed zu — Der Sold 
War groß genug, bei Gott, für einen Rauſch, 
Der Morgens anfing und bis Abend währte. 
Und wenn es doch einmal gebrah — hinaus 
In's Feld, und Türfenföpfe eingeholt ; 

Die wurden Dir vom NAuditeur verjilbert, 
Du hattejt einen Thaler für den Kopf 

Ind mehr, man jcdäßte jte nach ihrem Bart. 


Bartolino. 
Der Taujend! 





3° 


4 Ein Trauerfpiel in Sicilien. | si 


Ambrofio. 
Sa! Und wenn Du müde warjt — 
Dean wird’$ von jeder Jagd — fo braudteit Du 
Dir nicht Dein Geld erit in Perfon zu holen, 
Du gabit die Köpfe aus, wie jo viel Wechiel, 
» Man nahm fie an in Schenken und bei Mädchen; 
Man wußte ja, fie wurden honorirt. 
Du fperrit dad Maul auf! 


Bartolino. 
vreilih! Haft Du's mir 
Doch nie erzählt! Wie war's mit Kinderköpfen? 


Ambrofio (für fig). 
Auf Kinderköpfe hätt’ er Jagd gemacht! 


(laut) 
ss Die waren eine Art von Scheidemünze: 


Sie galten halb jo viel, wie die der Alten, 
Man jtedte fie mit ein, wenn man jie fand. 


Bartolino. 
Barum bliebit Du nicht dort? 


Ambrofio (für fig). 
Ich muß doch jeh'n, 
Wie weit man's treiben darf bei dem! (tan) Sch will's Dir 
0 Bertraun! Die Sprade, die die Türfen reden, 

War mir zu ſchwer, ich fonnte fie nicht fernen, 
So gern id wollte. 

Bartolino. 

Und was madıte das? 


Ambrofio. 
Nun zeigit Tu recht, daß Du ein Efel bit! 


Was madte dad? Wenn Du, vom Pferd geworfen, 
Sebbel, Werte IL 6 


Ein Traueripiel in Sicilien. 


Pardon! Pardon! rufft, und der Türk verſteht: 

Hau' zu! Hau' zu! Was macht das? — Einen Todten! 
Ja Ihr, die Ihr den Krieg nicht kennt, Ihr glaubt, 
Daß Alles abgethan iſt mit dem Schultern, 

Dem Präſentiren und dem andern Zeug, 

Das freilich auch nicht überflüſſig iſt; 

Vom Hauptſtück aber wißt Ahr Nichts, und werdet 
D'rin auch vom Korporal nicht unterwieſen, 

Wenn Euch der eig'ne Witz nicht unterweiſ't. 


Bartolino. 
Das Hauptſtück iſt, daß man der Fahne treu bleibt. 


Ambrofio. 
Das Hauptitüd iſt, daß ein Soldat jich übt, 
In allen Spradien um Pardon zu bitten, 
Damit ihm nicht au crafiem Mißverſtand 
Der Kopf zeripalten werde vor der Zeit. 
Nur, wer am Leben jich erhält, erhält 
Der Fahne ſich und feiner Fahnenpflicht. 
Sahjt Du die Todten foınmen, wenn man trommelt ? 


Bartolino. 
Das iſt wohl wahr! 


Ambrofio. 

Und dieje® Hauptjtüd habe 
Ich meijterlich gelernt; im Fechten mag 
Mich Mancher übertreffen, hierin Steiner! 
Stell’ mi dem groben Deutſchen gegenüber, 
Der feine Klinge, wie ein Grobſchmied, ſchwingt; 
Dem plumpen Britten, der nur fidht, weil er 
Zu viel gegeſſen hat und jchlecht verbaut; 
Dem eitlen Franzmann, der den Degen braudt, 


nz 





1 


0 


35 


1 


105 


10 


115 





Ein Trauerſpiel in Eicilien. 


Als ob er ſich dabei im Spiegel ſähe; 

Tem glatten Ruffen, der, indem er Di 
Durchſticht, zugleich Dich um Verzeihung bittet; 
Dem Spanier, der Dich niederſtößt, damit 

Er jicht, wie Du im Tod dad Maul verziehſt; 
Jedwedem, wen Du willit — Du wirft erfennen, 
Daß ich den Wildejten zu zähmen weiß, 

Indem ich ſprech', wie feine Mutter ſprach. 
Den Türken nehme ich natürlich aus, 

Denn diejer jpinnt die Wörter nit aus Luft, 
Was alle andern Menſchenkinder tun. 


Bartolino. 


Tie Kunſt iſt gut, wer ſähe es nicht ein, 
Vie aber haft Du's nur jo weit gebradjt? 


Ambrofio (für fie). 


Das iſt ein Kerl! Der glaubt mir, wenn ich jage: 


der Menſch iſt dazu da, daß er ſich ſchneuzt! 
(laut) 

Wie? Nun, ich ließ mich's allerdings was fojten. 

Ich wußte mich in jeder Compagnie 

Ten fremden Söldnern angenehm zu madyen 

Und überhäufte jie mit Höflichkeit; 

Wenn fie alddann zum Dank geſprächig wurden, 

Co bat ich meinen Zauberſpruch mir aus. 


den Deutſchen jtopfte ih mit Kraut und Würften, ' 


dem Britten fchnitt ich feine Hühneraugen, 

Tem Franzmann trat id) die Geliebte ab, 

Tem Rufen bracht ich' Zwiebeln, die id) ſtahl, 

Vom Spanier ließ ich mich jelbit bejchenten. 

Run bin ich gut befchlagen, wie ein Doctor, 

Und jürchte mich nicht mehr vor einer Schlacht. 
6* 


83 


84 





Ein Trauerfpiel in Sicilien. 4 
Bartolino. 
Wohl Dir, ich lernte Nichts, ala Händefalten. 
Ambrofio. 
Dad würde Dir beim Deutſchen wenig helfen, 
Es wär, ald ob Du ihm die Zähne zeigtejt! 130 


Wenn Du ihn durch Geberden rühren willit, 
Sp jtrede gegen ihn die Zunge aus, 

Dad macht mitunter einen guten Cindrud, 
Beſonders, wenn er etwas trunfen ijt. 


| Bartolino. 
Berfluchte Beitie, dag! 


Ambrofio. 

Dem Franzmann zwingft Du 185 
Durch einen Purzelbaum fein Mitleid ab, 
Doch der ijt ſchwer im Augenblid des Todes. 


Bartolino. 
Nun geh mir! Was? Dur einen Purzelbaum ? 


Ambrofio. 
Dur einen Purzelbaum, wie ih Dir jage! 
Ihr grimm’ger Kaiſer felbit, der Bonaparte, 130 
Der fih im Blut der Kinder badete, 
Hat mehr ald Einen, weiß ic), pardonirt, 
Der auf den Kopf vor ihn fich hingeſtellt. 
Nur ließ er fie zuweilen lange jteh'n, 
Und wehe ihnen, wenn fie niederplumpten! 185 


Bartofino. 


sh glaube Div. Denn, wenn id) dieß nicht glaubte, 
So dürft’ ich vieled And’re auch nicht glauben, 


Ein Trauerfpiel in Sicilien. 


Da3 mir im Kopf fißt, feſt wie's Einmaleing, 
Weil Du's mit Schwüren angenagelt haft. 
Biebt’3 heute Mondichein ? 


Ambrofio. 


Nein, jo viel man ftehtl 
Die Fiſcher Haben eine gute Nacht! 


Bartolino. 


So laß uns eilen; denn das böfe Volt, 
Das wir verfcheuchen jollen — 


Ambrofio. 


Könnte kommen, 
Und wenn Dir die Muskete durch ihr Funkeln 
Sm Sonnenftral den Feind nicht ferne hält, 
Du prüfit nicht gern, was fie noch jonft vermag. 


Bartolino. 
Sch war no nicht in Algier! 


Ambrofio. 


St ed wahr, 
Daß Du einft einer Plünd’rung zugefeh'n 
Und Dich dabei geitellt, als ob Du jchliefeit ? 


Bartolino. 


Wie wär’ es denn nicht wahr? Allein, ich lag ſchon 
Und jtand nur bloß nicht wieder auf. Sch kann 
Dir Manchen zeigen, der in ſolchem Fall 

Noch jtand, wie wir jegt ftehen, und fich legte. 

Aud ging es ohne Blutvergießen ab, 

Sie machten Keinen alt. 


86 





Ein Trauerfpiel in Sicilien. 1 


Ambrofio. 
Auch Dich nicht? 
Bartolino. 


Nein, 
Nur, daß die Gänfehaut mich überlief. 
Im Liegen grübelt’ ich, ob nidht Gewehre 
Zu maden jeien, die an hundert Kugeln 
Berjendeten auf einen einz'gen Drud. 
Scheint es Dir möglich ? 


Ambrofio. 
Nein! Denn wär’ ed möglich, 100 
So würde man fie längit erfunden haben. 


Bartolino. 


Wohl wahr! Es liegt ja Taufenden daran! 
Eins mögt’ ih wiſſen! 


Ambrofio. 
Was? 


Bartolino. 
Ob diefe Burjche 
Sid wirflih Hin und wieder, wie man jagt, 
In unfre Röde fteden. — Der Gedante 165 
Sit mir der jchauderhaftejte von allen, 
Man dürfte dann dem beiten Kameraden 
Sa nicht mehr trau'n! 


Ambrofio. 

Das thun fie allerding?. 
Du fannft mit Manchen die Polenta ejien, 
Der — Schaafsgeſicht, was zitterit Du vor mir! 170 
Doch trifft man auch Soldaten, die den Räubern 


13 





Ein Trauerfpiel in Sicilien. 


In's Handwerk pfufchen, wenn’3 die Stunde giebt, 
Man bat erjt neulih Einen d’rum geföpft. 


Bartolino. 
So giebt’3 ja wohl nicht eine Mifjethat, 
Die nit auf Erden fchon begangen wurde? 


Ambroiio. 
Die Erde jteht wohl lang’ genug dazu, 
Und wenn fi) eine fände, würde Jeder 
Die Lücke, wie er fie bemerkte, jtopfen, 
Zum Wenigſten verbürg” ich da3 von mir. 
Doch jicher giebt's dergleichen Zugenditüde, 
Kleinode für defecte Himmelskronen, 
Die Jeder feinem Enkel Hinterläßt. 
So ließ fi) noch, zum Beijpiel, Kleiner kochen, 
Damit Sein Nächiter nicht verhungern möge; 
Und das wär’ doch gewiß ein edled Werk. 


Bartolino. 
Wie jolhen Menjchen wohl zu Muthe iit, 
Die Räuberei und blut'gen Mord verübten? 
Ambrofio. 
Wie Dir und mir! 
Bartolino. 
Wie Dir und mir? 


Ambrofio. 
Wie fonjt? 
Sie fühlen, daß fie fatt find, wenn jie aßen, 
Und daß fie hungern, wenn die Speije fehlte! 


Bartolino, 
Und da3 Gewiſſen? 


89 





86 Ein Trauerfpiel in GSicilien. 1 


Ambrofio. 


_ Diefen Bandwurm treibt 
_ Man ab, wie jeden andern. Gieb ihm nur 
- Bu freffen, was ihm widert, und er jtirbt. 
7 Ei, ſieh Dich nur in einem Wirthshaus um, 
⸗ In einer Kirche, oder wo Du willſt, 196 
Da Hat gewiß doch Mancher blut'ge Hände: 
Bemerkſt Du die? CEchmedt ihnen nicht der Wein 
Und hören fie mit Andacht nicht die Meſſe? 
Co fragt’ id mich in jüngern Jahren oft. 


Bartolino. 
Du fcheinft mir äußerft ruchlos von Natur! —* 


Ambrofio. 
Ich glaube, daß ich thun darf, was ich Fann. 
Ei mad, da3 will ih Dir fo Klar beweijen, 
Daß Du, ftatt einmal, zehnmal niden follit. 
Wenn Gott auch nicht jo groß ift, wie man fagt, 
Und ich auch nicht jo Hein wär’, wie ich bin, 05 
Er bleibt noch immer groß genug, um Jeden 
Bor mir zu jhüßen, den er fchüben will. 
Wenn er nun aber irgend einen Sünder 
In meine Hand giebt, zeigt er mir dadurd) 
Nicht deutlich an, daß ich ihn ftrafen fol, 210 
Und troße ich ihm nicht, wenn ich's nicht thu', 
Sa, werd’ ih nicht dem ſchuft'gen Henker gleich, 
Der, wenn jein König einen Kopf ihm jchidt, 
Der abzuhaden ift, fein Schwert nicht zieht? 
Wer ander? denkt, der ift ein Atheiſt. 215 
Biſt Du ein Atheiſt? 


Bartolino. 
Bewahre Gott! 








Ein Trauerfpiel in Sicilien. 


Ambrofio. 
Du ſagſt nicht Nein! 


Bartolino. 
Ih ſag' ja auch nicht Sal 
Was ijt ein Atheijt? | 

Ambrofio. 

Ein Atheiſt? 
Wie niederträhtig, daß Du das nicht weißt! 
Ein Jeder iſt's, der fragen kann, wie Du! 
Pfui! Pfui! 

Bartolino. 

Ei was, ich weiß es ja recht gut! 


Ambrofio. 
Nun denn! Dort ſteht ein Muttergottesbild, 
Wir wollen beten, eh' wir heimwärts geh'n. 
Das merke Dir, ich bete jeden Tag, 
Es iſt kein Rauſch ſo dick, daß ich's vergeſſe; 
Den Chriſtus will ich ſeh'n, der ſagen kann, 
Ich hätt' ihn nicht, ſelbſt auf dem Marſch, gegrüßt. 
(Sie gehen bei Seite.) 


Zweile Scene. 


Angiolina (tritt auf). 
O Gott, wenn Allen fo zu Muthe ift, 
Die aus dem Haufe ihrer Eltern flieh’n, 
So haben fie die Strafe in der Sünde. 
Mir ıjt, als Hätt! ich nicht mein Vaterhaus, 
Mir ijt, als Hätte ich die Welt verlajjen, 
Und märe jest, wo Gott nicht mit mir ijt. 


89 





d 


90 Ein Trauerfpiel in Sicilien. 2 


That ich denn Etwad gegen jein Gebot ? 
D, ganz gewiß! Denn dieje Furcht und Angit, 235 
Wie könnt’ ich fie auf einem Weg empfinden, 
Den er mit feinem Finger mir gezeigt! 
Die arme Magd, die ung feit Ojtern dient, 
Hat nicht, wie ich, gebebt, als jie bei Nacht 
Allein durch jenen diden Wald jich wagte! 3 
Sie jagt ia jelbit, fie hat erſt d’ran gedacht, 
Daß es auf Erden böje Menjchen giebt, 
Als fie ihr Herz trieb, Gott dafür zu danken, 
Daß er fie Keinen davon treffen ließ. 
Ich glaub's! Ich glaub's! Sie that ed, um den Prieſter ss 
An ihre Vaters Sterbebett zu rufen, 
Und nit, wie id, um ihm davon zu geh'n! 
Wie könnte daS auch gut jein, was auf ewig | 
Dad Kind vom Vater trennt! Und das gejchieht! J 
Die Flucht vergiebt er nicht! O nein! o nein! E I 
Er hat's ja noch nicht lange mir verzieh'n, 
Daß ich fein Knabe bin; erit, feit er weiß, i | 
Daß er für jeine Tochter einen Sohn J 
Erhandeln kann, wie er ihm wohl gefällt. | | | 
Was bin ich ihm, nun ich ihm hierin täufchte! u! 
Ich war von je ein unglüdjel’ges Sind | u 
Und hab’ mein arme3 Leben nie geliebt, | 
Wenn id) den Tod auch fürchtete, wie Alle. 

(Ste Sieht ſich um.) 
Ich fam zu früh, wie's jcheint, Sebajtian 
Sit noch nicht da. Ich will noch einmal thun, | Pr 
Was ich als Kind that, will die Augen ſchließen . 
Und wieder öffnen, und der Gegenitand, 
Den ic) zuerjt erblide, ob er ſchwarz, 
Ob bunt iſt, foll auf meine Zukunft geh'n! 


(Sie thut's.) 





Ein Zrauerjpiel in GSicilien. 91 


Eoldaten! Betende! Was die bedeuten, 

Steht nit im Traumbud. Nun, es gilt mir gleich! 

Die Naht wird immer dunkler. Gott jei Dank! 

Wenn man nicht fieht, wird man auch nicht gejeh'n ! 
(Ste tritt bei Seite.) 


Britte Bcene. 
Ambrofio und Bartolino (kommen zurück). 


Ambrofio. 
Nun kommen wir nicht mehr zu früh' an's Thor. 
Wenn Du nur Geld haft! 
Bartolino. 
Keinen rothen Heller. 
Sch Habe meinen Schufter heut’ bezahlt, 
Und da3 für Stiefel vom vergang’nen Jahr! 
Ambrofio. 
Sp giebt's noch Zanf. Wenn ich nicht trinfe, zank' ich! 
Bartolino. 


Ei was, wir fönnen wen Dejuchen geh'n. 


Ambrofio. 
Den Brunnen auf dem Markt, ja wohl! 


Bartolino. 

Warum nicht ? 

Dean trifft Dort manche hübſche Magd! 
Ambrofio. 

Die Dirnen 

Verſchlechtern ſich, wie alles Uebrige, 

Sie geben nur noch Küſſe her, kein Geld. 





Ein Trauerfpiel in Sicilien. 3 


Wo find’ ih Eine, wie ich Eine Hatte, 

Die für mich ftahl, bis fie in’d Zuchthaus mußte, 20 
Und noch im Zuchthaud Strümpfe für mid jtridte ! 

Das that die Laura nicht für den Petrark'. 

Der Teufel ſoll mid) holen, wo ich nicht 

Noch heute Abend trinfe auf ihr Wohl! Ä 
Dad war ein Schwur! Sie hat's um mid, verdient! u 


Bartolino. 
Könnt’ ih nur Flöte Spielen! Mit der Flöte 
Iſt man willlommen, wo es Luft’ge giebt. 
Man ſollt' es eigentlich als Menſch fchon können, 
Damit man doch vom Thier ſich — 
Ambrofio (bemerkt Angiolina). 
Wer iſt da? | 
Was horcht man? Was verfrieht man ſich? J 
Bartolino. 
Ein Mädchen! ww 
Ambrofio. 
Kennt man uns nit? Wir fragen für den König! 
Reſpect der Uniform! Woher? Wohin? 
Was fchweigt man ftill? 
Bartolino. 
Wie die herausgeputzt ijt! 


Angiolina. 
Ah Gott, ihr Herrn — 
Ambrofio. 
Man geht auf böjen Wegen! 
Wir wiſſen's ſchon! Allein man fommt nicht weit, 25 


Es giebt noch manden Schlagbaum vor der Hölle! 





Ein Trauerfpiel in Sicilien. 


Angiolina. 
Wie mwird’3 mir gehn? Die bat mein Vater jicher 
Hieher beitellt! 
Ambrofio. 
Sa freilih Hat er das! 


Angiolina. 
Tas iſt doc ſchändlich! 


Ambrofio. 
Schändlich? 
Angiolina. 


Hätt' er mich, 
Wenn er was merkte, ſtatt mich zu beſchimpfen, 
Denn nicht im Stillen — 


Ambrofio. 


Her das gold’ne Kreuz! 
(reift Ihr das Halskreuz ab) 


Angiolina. 
Sch wußte nit, warum er heut’ fo luſtig, 
So auödgelafjen war, fo ganz, wie damals, 
Als ſich Sebajtian den Arm gebrochen, 
Und e8 im Anfang hieß, e8 fei der Hals. 
Ich fürchtete — nun ſeh' ic wohl, warum! 
Du großer Gott, verdien’ ich's — 


Ambrofio. 


Und den Ring! 
(zleht ihr den Ring ab) 
Den Finger audgeitredt! Sonjt thut's ja meh’! 


93 


94 





Ein Trauerfpiel in Sicilien. 3 


Angiolina. 
Ich habe nie geſagt, wie er mich martert, 
Ich habe mich geſchämt und ſtill geweint, 31 


Nun wird man mit dem Finger auf mich zeigen: 
Dort geht die Schweſter vom verlor'nen Sohn! 


Ambrofio (reißt ihr cin Näfthen aus ber Hand). 
Was steckt in diefem Käjtchen? (su Bartolino) Sieh Di um, 
Ob Niemand kommt! au Angtolina, Ei, ei, die Silberfpangen! 
(zu®Bartolino) 
Kein Menſch? Gu Angiolina) Sie ftehen mit auf unf’rer Lifte! 315 
Wo ilt dad baare Geld? 


Angioline. 
Tas baare Geld? 
So hat mein Vater — 


Ambroiio. 
Nun, wie follt! er nicht? 
Bis auf den Pienning hat er — 


Angiolina. 
Großer Gott! 
Konnt' er’? jo ganz vergejien, daß fein Kind 
Auch Dein Kind ijt? 
Ambrofio izu Bartolino). 
Tybaldo, nimm's ihr ab! 300 
ceimlich 
Sprich: Ja, Antonio! 
Bartolino. 
Ja, Antonio! 
(für ſich 
Das iſt ein — Ja, ob der in Algier war! 





Ein Trauerfpiel in Sicilien. 


Der fönnte auf dem Mond geweſen fein 
Und einen Stein herabgeworfen haben, 
Dem größten Potentaten auf da® Haupt! 


(zu Angiolina) 
Die Börſe her! 


Angiolina. 

Ich Habe feine Börje! 
Und glaubt, ihr Herrn, mein Vater iſt mein Bater; 
Tod, wenn er fagt, ich hätt! ihm was genommen, 
So thut er’d nur, weil er erbittert iſt. 
Die Kette it von meiner armen Mutter, 
Sie hing jie auf dem Kranfenbett mir um. 
Da3 war ein Tag — o Gott, wie weinte ich, 
Als fie e& that! — e8 war mir ja ein Zeichen, 
Daß ſie vor Augen ihren Tod jchon ſah. 
Ten Ring hat mir mein Vater jelbjt gejchentt, 
Er war mir werth, mie jollt' er es nicht jein! 
ch durfte denken, wenn ich ihn beichaute: 
Dein Vater hat Dich auch einmal geliebt! 
Die Spangen find von meinem Bräutigam, 
Er hat gedarbt, daß er jie Kaufen fonnte, 
Wie hätte ich jie wohl zurüdgelafien, 
Sie find mir Heilig, wie's die Kette ijt! 


Ambrofio. 
Tas hört ſich recht qut an! 
Angiolina. 
Nur, weil es wahr ijt! 
Ihr Herren, jeht mi) an, ich weiß ja jelbit, 


Ras ich gethan, als ih — nur fließt nicht d'raus, 


Ich jei ein unbejonnensleichtes Mädchen, 
Bei meiner Mutter Grab, id) bin e3 nicht! 


95 





96 Ein Trauerfpiel in Sicilien. 3 


Mir war von jeher, aus dem Fenſter fchauen, 

So viel, wie Ander'n auf die Straße geh’n; 

Schließt auf die Qualen d’raus, die ich ertrug, 350 
Und auf die größeren, die meiner harrten! 


Ambrofio (zu Bartolino). 


Wenn Dir’! am Strid fehlt, Einen aufzulnüpfen, 

So zupf' ihm aus dem eignen Mund den Hanf. 

Sieb Acht, wie man dad macht! qu Angtotina Ich hab’ 
| ala Menſch 

Zwei Ohren, links und rechts, da3 zeigt mir an, 353 

Daß ich von links und rechts die Stimmen hören, 

Und mit dem Hirn, das in der Mitte liegt, 

Sie unpartheiiſch dann vergleichen ſoll. 

Erzählt mir mehr denn vom Warum und Wie, 

Damit ich fehe, wer gelogen hat, 30 

Wer weiß, auf welche Seite ich mich jchlage! 


Bartolino. 


Den könnt' ich küſſen! Hätte mich der Wind 
Doch auch — Wer wär’ nicht gern ein Kerl, wie der! 


Ambrofio (zu Angioline), 
Nun? Ohne Furcht! 


Angiolina. 


So fagt doch jelbit, ihr Herrn, 
War e8 ein väterlicher Schwur, nich lieber - " 35 
Im Würfelipiel den trunfenen Soldaten, 
Wie’! wohl mit Hund und Lamm gejchieht, zum Preis 
Zu fegen, als Sebajtian mich zu geben? — 
Beim ew'gen Gott, es war nicht väterlich! 


2370 





Ein Zrauerfpiel in Sicilten. 97 


Ambrofio. 


Die Väter find zuweilen etwas jeltfam, 
Wie ging’3 mir mit dem meinigen! (m Bartolino) Er ſprach: 
Kauf mir den Segen ab, verdammter Bube, 
Damit ih mich einmal betrinfen fann, 
Sonjt gebe ih Tir meinen Fluch) umjonjt ! 
gu Anglolina) 
Nun, der Sebajtian — 


Angiolina (peftie). 

Wenn hr ihn Eennt, 
So werdet Ihr nichts Schlimmed von ihm fagen, 
Mein Bater jelbit, ich zweifle, ob er's thut! 

Ambrofio. | 
Er will ihn aber nicht zum Eidam, will nicht, 
Daß feine Enkel Nafen tragen jollen, 
Die an Sebaftiand Nafe ihn erinnern, 
Er ift nun einmal im Geſchmack curios. 


Angiolina. | 
Er will ihn nicht zum Eidam, weil er arm iſt! 
Sind wir denn reich? — Und will Sebajtian 
Denn mehr, als mit)? — Hat er nicht oft gejagt: 
Gebt mir die Tochter, jeht, zwei Hände hab’ ich, 
Und fie nur Einen Mund. Daß Uebrige 
Verſchenkt, wohin Shr wollt. Wenn’d Euch gefällt, 
Davon der Mutter Gotted einen Altar 
Zu jtiften, feid gewiß, wir werden kommen, 
Daran zu beten für Eu’r Seelenheil! 


Ambrofio. 
Ein frommer Burſch! (u Bartoltno) Den unter'n Tiſch zu 
faufen 
Und Daun vor eine Kirchenthür zu legen, 
Hebbel, Werte II. 7 





98 Ein Tranerjpiel in Sicilien. 3 


Dad müßte eine Götterwolluit fein! 

Ich mögte ihn im Kabenjammer ſeh'n, 

Beſonders, wenn es jujt Charfreitag wäre! 2686 
(u Angiolina) 

Und dieſer Vorſchlag, rührte er den Vater? 


Angiolina. 
Die Antwort war ſein fürchterlicher Schwur! 
Noch mehr! Es kam ein Feuer bei uns aus, 
Und wäre nicht Sebaſtian geweſen, 
So läge jetzt in Aſche unſer Haus. 400 
Er that das Uebermenſchliche, ich ſah's | 
Mit Angit und Schaudern, aber auch mit Stolz, J 
Und reicht' ihm, als er nach vollbrachtem Werk | 
Mit glüh’nden Wangen und verbrannten Wimpern > 
An mir vorbei ging, öffentlich die Hand. . 005 | 
Er faßte fie und fah auf meinen Vater, 
Der in der Ferne jtand, doch dieſer rief: 
Wenn da3 zum Abjchied ijt, jo mag es gehn, 
Sonft aber: wird’3 Herr Gregor Jich verbitten, | 
Denn diefer wirbt um fie — adj ed iſt wahr, ze 
Der alte Mann ift plöglich toll geworden! — . | | 
Und wenn Du Dank von mir verlangt, fo bau' Dir 
Ein Haus und ruf mich, wenn ed einmal brennt, 
Ich werde kommen, meine Schuld zu tilgen! 


Ambrofio. 
Sebaftian nun, natürlich, ftad) ihn todt! 415 
Dad mußt’ er thun, und wären ihm die Flügel 
Schon halb heraus, womit er einjt als Engel 
Mich ſchaamroth machen wird am jüngiten Tag! 


Angioline. | 
Sebajtian wurde bleich, daß mich's entjeßte, 





+9 


Ein Zraueripiel in Sicilien. 99 


Dann jagte er: Du Hörjt! und jah mid an, 

Sc nidt ihm zu und flülterte: am Kreuz! 

Er jpreizte jieben Finger aud und ging. 

Denn Tags zuvor jchon hatt’ er fo geſprochen: 

Auf gradem Wege wird ed Nichtd mit. ung, 

D’rum laß und nicht mehr vor dem frummen jchaudern; 
Wenn Du nur millit, fo find mir Mann und Frau, 
So jchnell ein Pfaff und dazu machen fann, 

Ich kenne Einen, der den Dienjt mir leiitet, 

Nur kommt er nicht zu mir, ich muß zu ihm. 

Bit Du einmal mein Weib, fo fann Dein Vater 

Dir Nichts mehr thun, ald Dir die Thür verfchließen, 
Was jchadet da3? Er jchlägt Dir dann den Arm 

Nicht wieder lahm — er that's, doch war's im Raufh! — 
Da3 iſt fein Unglüd, darum folge mir! 

Als er jo ſprach, da ſchüttelt' ich den Kopf, 

Doch, al3 mein Vater ihn mit. Füßen trat, 

Statt ihn, wie er’3 verdiente, zu umarmen, 

Da nidte ih, und nun, nun bin ich hier! 


Ambrofio. 
So fommt er aud)? 


Angiolina. 


Was jollte ich ſonſt da? 
Um Sieben wollt’ er fommen, doch jein Herr 
Hält ihn wohl auf, wie immer! 


Ambrofio (zu Bartolino). 
Hörit Du das? 


Bartolino. 
Ei wohl, und bin begierig, was Du thuft? 





100 Ein Traueripiel in Sicilien. 


Ambrofio (zu Arglolina). 
Sind Ring und Spangen und die Kette echt? 


Angiolina. 
Sie ſind's, doch find fie d’rum nicht minder mein! 


Ambrofio (su Bartolino). 
Was meint Du, geben wir's zurüd? 


Bartolino. 
Sit das 
Die Weisheit aus Algier? Dann wär’ der Spaß 
Wohl bejjer unterblieben ! 
Ambrofio. 
Du haft redit! 
Wer weiß, ob die nicht dennoch plauderte! 


Bartolino. 
Zu ihrem Bräutigam gewiß, und der 
Legt’3 ernitgaft aus — 
Ambrofio. 
Und wir, wir find zu kennen! 
Die Schmarre hier — 
(zeigt auf fein Geſicht) 
Bartolino. 
Sie hat Di) einmal fchon 
Verrathen — denfit Du noch an den Tabad? 
Das ging vortreffli mit der Smuggelei! 


Ambrofio. 
Wohl! Diefer Schmarre wegen muß fie d’ran! 
Auch giebt e3 nächſtens eine Mufterung, 





3 Ein Trauerfpiel in Sicilien. 101 


Da dürfen wir nicht ohne die Medaillen 
Ericheinen, die wir jüngſt für Wein verjeßt; 
Woher dad Geld, fie einzulöjfen, nehmen? 
Bartolino. 
Berfludt, daß wir und audgezeichnet haben, 
sr ALS e3 die Diebe einzufangen galt, | 
Das dringt und jeßt verruchte Thaten ab! 
Ambrofio. 
So zieh! 
Bartolino. 
Bieh Du! 
Ambrofio. 
Ich nicht allein! 
Angioline. 
Ihr Herren! 
Ambrofio. 
Nun? Müßig Zufeh'n gilt hier nicht! D’rauf los! 
Den? Dir, fie habe Dieß und Das gethan! 
Bartolino. 
“s Hei! Kinderlöpfe und Algier! 
(Ste durchſtechen Angtolina.) 
Eine Stimme von draußen. 
oO! O! 
Angiolina (Iterbend). 
Das — iſt — ja fchredlid für Sebaſtian! 
(ftirbt) - 


Bartolino. 
Iſt das ſchon aus? 








102 Ein Traueripiel in Sicilien. 3 


Ambrofiv. 
Was war da für ein DO? 

Bernahmft Du's nicht? 

Bartolino. 

Die Erde hat geſeufzt, 
Das ſoll ſie, wenn ſie Blut trinkt, immer thun! 

Ambrofio. 
Mir war, ald käm' es aus der Luft! 


Bartolino. 


So iſt's 470 
Ihr Geift geweſen, der noch — armer Geilt! 

Ambrofio. 
Wenn's nur fein Menich war! 


Bartolino. 
Sahit Du einen Menfchen? 


Ambrofio. 
Sort! Hort! Doch nein! Mir fällt was Beſſ'res ein! 
Bei Seite nur! Wir paſſen, biß der Burſche 
Ei einjtellt, der Sebajtian, dann — 


Bartolino. 
Man kommt! 475 


Ambrofio. 
Er iſt's! Der Mörder! Wenn ed nur nit Zwei find! 
Sebt Hintern Baum! 
Bartolino. 
Steht die nicht wieder auf? 
(Beide ab) 








Ein Trauerfpiel in Sicilien. 


Bierte Drene. 
Sebaftiano (tommt). | 
Dad war ein Tag, wie zwei. So geht’ mir ſtets, 
Wenn ich mir meine Freude merken laſſe. 
Mein Herr verträgt Fein fröhliches Geſicht, 
Seit ihm die Gicht in beide Beine fuhr. 
Der alte Bater harrt. So iſt doch Alles 
Zu Etwas gut auf Erden! Hätte diefer 
Nicht meiner Schweiter — habe Gott fie felig, 
Zroß ihres Fluchens auf dem Sterbebett! — 
Die Abjolution verjagt und jo 
Den Kopf verrüdt, er thät’ es nimmermehr! 
Zwei Stunden jind’3 von hier. Das iſt bei Nacht, 
Was eine halbe wär’ am heißen Tag! — 
Wenn jie nur kommt! Nur Einen Funken Muth, 
Nur Einen blafe in ihr an, o Gott, 
So mandyer wird zu fchlechtem Zweck verſchwendet, 
Und fie, fie jündigt ficherlich doch eher, 
Wenn fie fi) einem Vater, wie dem ihren, 
Nicht mwiderjegt, ald wenn jie endlich ſich 
Erinnert, daß ſie Menſch it, wie er felbit, 
Und ihm — 
(Er erblidt die Zobte.) 
Unmöglih! Blutend! Todt! 
(Er fintt an ihr nieder.) 
Ja, todt! 
Kann das denn wirklich auf der Welt geicheh’n? 
Ermordet! Sold ein Kind! O Bube! Bube! 


Warum kamſt Du jo fpät! Der Dienft! Was Dienft! 


Gab’3 feinen andern mehr? 
(wüthet gegen fich) 


103 








104 - Ein Trauerfpiel in Sicilien. 5 


Fünfte Bcene. 
Ambrofio und Bartolino (tommen wieder). 


Aubrofio. 
Pad’ ihn, den Mordhund! 


Sebaftiano (pringt aup. 

Mit Zähnen, ja. Wo ift er? Wo? Sag' an! 
Ambrofio (faßt ihn an). 

Man Hat ihn fchon! 


Sebaftiano. 
Dan hat — 


Ambrofio. 
Du biſt's ja ſelbſt! 


Sebaftiano (tagt. 


Ich? 

Ambrofio. 
Dul Wer fonit? 

Sebaftiano. 
Die da war meine Braut! 
Ambrofio. 

So haft Du's wohl aus Eiferfucht gethan? 50 

Da ſiehſt Du nun, wie weit die Narrheit führt! 
Sebaftiano. 

Aus Eiferjucht! 
Ambrofio. 


Was kümmert's mid), warum! 








Ein Trauerfpiel in Sieilien. 105 


Das hat man in Palermo zu ermitteln! 
(zu Bartolino) 

Du, ſuch' den Dolch, er warf ihn in's Gebüſch! 
Sebaftiano. 

Du Tügit! 


Ambrofio. 
Man ſah's! 


Sebaftiano. 

Du könnteſt nicht fo Lügen, 
Wenn Du — o Gott, der Teufel that's wohl jelbit! — 
Wie ſollt' er jonft — — Komm, jhau’ ihr in's Geficht! 
Kannſt Du's? 


Ambrofio. 
Ich kann's! 


Sebaftiano. 
Ich aber kann es nicht! 
(fällt wieder an ihr nieder) 
D Angiolina, das iſt unf’re Hochzeit? 
Du todt! Sch le! Warum kam id fo jpät! 
Die Hand nod warm! Es iſt nur kaum gejcheh'n! 
Berflucht der Quell, bei dem ich ſaß und trank! 
Bartolino. 
Ich wollte doch, wir hätten's nicht gethan! 
Das Bischen Geld, wie bald ijt das verzehrt! 
Sebaftiano. 
D, daß ich hier mich felber vor mir hätte, 


Mic, der ich fäumte, der ich ging, als Dinge 
Tie Arbeit eined Jahrs mir an den Füßen, 





106 Ein Trauerfpiel in Sicilien. 6 


D, daß ich mid) (datt die Zauft gegen fi ſelbſi) — Denn ich bin 
Schuld daran, 
Wer fonnt’ e8 thun, wenn ich zur Stelle war! 
(zu Ambroſio) 
Leih mir Dein Schwert! 


Ambrofio (u Bartolino) 
Ä Tu hörst doch, was er jagt” 525 
Er bettelt um den Tod! (u Sebaftianoo So geht es nicht, 
Doch in Palermo giebt e8 einen Mann, 
Der Dich bedient, auch wenn Du's nicht verlangit! 


Bartolino. 
Mich grauf't! 
Ambrofio. i 
Gewiſſensbiſſe, He? (ür ſich Der Wicht 
Sta in die Luft und fühlt doch Mörderangit. 5% 


Ya, ja, die inn’re Stimme, die nicht trügt, 
Der Wurm, der niemals jtirbt! Doch horch'! Man kommt! 


Beste Bcene. 
Der Podeſta, Herr Gregorio, und Anfelmo treten auf, von einigen 
Soldaten, mit Yadeln zum Theil, gefolgt. 
Herr Gregorio. 
Ei was, ei was, man muß die Tochter hüten, 
Wenn man ein Weib aus ihr zu machen denft; 





Denn Leute giebt’3, die Feine Blume pflüden, 585 | 
Auf der jie eine Spinne figen jah'n, 
Und And’re giebt es, die fein Mädchen nehmen, | 


Das ohne Mutter in die Meſſe gebt. 


Anſelmo. 
Ihr Habt mir das ſchon zwanzig Mal geſagt! 


Er 


#3 








Ein Trauerfpiel in Sicilien. 107 


Herr Gregorio. 
Und öfter noch geden? ich's Euch zu fagen! 
Sch Bin ein alter Mann, wie meint Ihr wohl, 
Daß ein Spagiergang mir bei Nacht befommt ? 
Ich weiß es im Voraus, ich hufte morgen, 
Und daran iſt doch Keiner Schuld, ald Shr! 


Anfelmo. 
Was zwang Euch, mitzugehen ? 


Herr Gregorio. 
Wa mid) zwang ? 
Zuerjt, ich bin der Podelta; und dann 
Muß ich doc ſeh'n, wie man das Püppchen findet, 
Das id) mir für mein Chebett erfor. / 
Denn, wenn es mir auch keineswegs mißfällt, 
Daß ih ein And’rer in dem .Augenblid 
Vielleicht erhängt, wo ich jie an mich drüde, 
So will id) doch nicht, daß er jpotten kann: 
Nimm Du den Stiel, die Kirſche war für mid! 
Anfelmo. 

Herr! 

Herr Gregorio. 

Nun? 


Anielmo. 
O, das verdammte Kartenſpiel! 
Die Hölle dem, der es erfunden hat! 
Herr Gregoriv. 
Es Hat Euch manchen Abend doch verkürzt! 
Anfelmo. 
Es hat um meine Freiheit mich gebracht! 





108 Ein Zrauerfpiel in Sicilien. 6 


Herr Grogorio. 
Um Eure freiheit ? Sitzt Ihr ſchon im Thurm? J 
Ich meine nicht! | u 
Anſelmo. | 
Gewiſſermaßen, ja ' : 
Ich darf nicht fluchen, wenn ich fluchen mögte, m 
Nicht um mic) hauen, wenn ih — j 


Herr Gregorio. i 
Fluchen! Hauen! | 
Das find Gelüfte jonderbarer Art! J 


Nehmt es nicht zu genau mit mir, Ihr wißt, 

Ich war ein Mann, der reichlich leben konnte, 

Ich gelte bis zur Stunde noch dafür, 56 
Noch heute wollte Einer von mir borgen, 

Dem ich wohl ehemals zu helfen pflegte; — 
Und dennoch — w 


Anfelmo. | 


Herr Gregorio. | 

Nun, es ſteht ja Alles gut, 
Wenn Eure Tochter wirklich, wie Ihr jagt, 
Nur fort lief, weil Ihr fie geprügelt habt, 570 | 
Ich gebe Euch für ihre rothen Baden 
Den ausgeſtellten Schuldichein ja zurüd; | 
Das wird genug jein für zwei Sodomd-Xepfel. | 
Doch freilich, freilich, wenn Ahr mich belogen — 
Verzeiht — getäuſcht ... | 


Anjelmo. | 
Da? that id, wenn ich jagte, 51 
Daß ſie gejubelt, als ih für Euch warb! 





& 


= 


we 


Ein Trauerfpiel in Sicilien. 


Herr Gregorio, 
Das fodr’ ich nicht! Gejubelt! Nein, das nicht! 
Selbit, als ich jünger mar, gefchah das nicht, 
Ich habe felten Neigungen ermwedt, 
Und da3 war gut, obgleich es mich verdroß; 
Denn eben dadurch Fam ich zur Befinnung 
Und ging den Weg, auf dem man Geld erwirbt. 
Nun Hab’ ih Geld und kann mir Alles Laufen, 
Was jich ein Anderer erbetteln muß. 
Ah Gott, Ihr wißt nicht, wie die Menſchen jind! — 
Was ſchwatz' ih da! Ahr wißt es ja recht gut, 
Ahr feid ja felbit ein Hauptbeweis dafür! 


Anſelmo. 
Ja, ja! 
Herr Gregorio. 

Was ſoll das klägliche Geſicht? 
Mit Mienen, merkt Euch, dringt man mir Nichts ab, 
Und könnt Ihr mir nicht halten, was Ihr mir 
Verſprochen habt, ſo wird's Euch ſchlecht ergeh'n; 
Ich nehm' Euch Alles weg, was Ihr beſitzt, 
Und geb's Euch nur in Pfenningen zurück, 
Wenn Ihr als Bettler kommt an meine Thür. 
Ihr habt geſeh'n, ich warf die Fiſchersleute, 
Die mir bei Nacht den Weinberg plünderten, 
In's tiefſte Loch, obgleich ich keine Traube 
D'rin leſen ließ, ſo lang' ich ihn beſaß. 
Hei, wenn es mir gefällt, die ganze Ernte 
Im Halm zu kaufen und ſie ſteh'n zu laſſen 


Fäürs Wild und für die Vögel: kümmert's wen? 


Ich glaube nicht, wenn ich nur zahlen Tann! 
Die Küffe bringt man freilich nicht mehr ein, 
Die man verjäumt hat, und die Jubelnächte; 





110 Ein Trauerfpiel in Sicilien. 


Ter Saum ijt itumpf, die Lippen find vertrodnet, 
Das it vorbei, doch dafür hat man Madıt! 


Anfelmo. 
Was joll dies Alles mir? 


Herr Gregorio. 
Es ſoll Euh warnen, 
Daß Ihr nicht etwa denkt: der Alte da 
Hat mehr, als er gebraucht, wie jollte er 
Mir nehmen, was er nicht entbehrt! — Er wird 
Es thun, ich ſag's aus Freundſchaft Euch voraus, 
Wenn Zhr ihm feine Pläne kreuzt! 


Anfelmo. 
Wer zweifelt? 


Herr Gregorio. 
Ich will in meinem fiebenzigften Jahr 


Das ſchönſte Mädchen noch zur Frau. — Ich will’g! 


Sit das genug? — Ich will es, weil ich's will! 
Da Eure Tochter nun, wie man behauptet, 
Und wie mir jelber däucht, die Schönite ift, 
So hab’ ich fie gewählt, und Euch als Preis, 
Was Ihr im Spiel verloren, vorgefchofjen. 
Und nun, nun it ſie Euch davon gelaufen — 
Davon gelaufen! — Aber, jeht Euch vor! 
Ein Nervenfieber, wenn es tie befiele 

Und auf die Bahre lieferte, der Schlag, 

Wenn er fie plötzlich rührte, würde nicht 

Bei mir genügen, Eure Schuld zu tilgen, 

O nein! hr jteht dag Nifico für fie! 


Anſelmo. 
Sie iſt geſund und jung! 


—V 





6 


Ein Zranerfpiel in Sicilien. 





Herr Gregorio. 


Ihr denkt vielleicht: 

Was will der Alte au, er wird jich finden, 

Wenn fie — er ſchwärmt ja nit für ſie — hr irrt! 
Er ſchwärmt für das Gefühl, fie jein zu nennen, 

Er weiß, daß Viele ihn beneiden werden, 

Wenn fie, mit Gold und Perlen überhäuft, 


An jeinem Fenſter hinter Blumen fißt, 


Und Diejer Neid ergößt ihn. 
So fauft’ ich mir die beiten Bilder auf 


Und binge jie in einem Saal herum, 


Den außer mir fein Menfch betreten dürfte; 
Und wär ich taub, jo jeßt’ ich die Kapelle 


Aus allen großen PVirtuojen mir 


Zufanmen, die mir täglid) ipielen müßte, 
Mir ganz allein, und feinen Andern mehr; 
Dann hätte Raphael nur für mich gemalt 


Und Paleſtrina nur für mid) gejegt, 


Ja, nit einmal für mich, das wär’ doch pußig;, 
Und wenn ih all dad Zeug verbrennen ließe, 


Die Heiligen Familien und Meſſen, 


So wär’3 vorbei mit der Unjterblichkeit! 
Da ih nur alt bin, nehm’ ich eine Frau! 


Anjelmo (tür ſich. 


Wär' das nun eine Mifjethat geweſen, 


Welt von diejem Teufel zu befrei'n? 
Eifen wird in Gold verwandelt werden, 


dem zum legten Aderlaß verhilft! 


3 murmelt hr? 


Herr Gregorio. 


Wär’ ich blind, 





112 Ein Trauerfpiel in Sicilien. 6 


Anielmo. 


Ich ſprach mein Nachtgebet ! 
Nur weiter! 


Herr Gregorio. 
Warum links? Sch gehe vechtß! 


Anfelmo. 


Links kommt ein Kreuz! Und da fie Diefen Weg 655 

Gegangen jein joll, wie der Hirt uns fagte, 

Der Abends mir das Haus mit Milch verjorgt, 

So Hat fie ficher jih zum Kreuz gewandt. 

(Sie wenden fi, in demſelvben Augenblid treten ihnen Ambrofio und 
Bartoltno, die fie längft bemerkt und fi ihnen genäbert haben, entgegen.) 


Ambrofio (zu Bartoltno). 
Nun fei Soldat! (au) Wer da? 
Herr Gregorio. 
' Der Podeſta! 


Ambrofio. 
Der Podeita ? 
Bartolino. 
Der Podeſta! 


Ambrofio. 


Sp ward 6 
Der fchaudervolle Mord Euch Ichon bekannt ? 


Herr Gregorio. 
Ein Mord? 


Ambrofio. 
Begangen unter unjern Augen! 








Ein Trauerjpiel in Sicilien. 113 


Herr Gregorio. 
Und nit verhindert, he? 


Bartolino (u Ambrofto). 
Da halt Du's ſchon! 


Ambrofio. 
Da3 Auge reicht doch weiter, ald die Hand! 
Wir famen — 
Anfelmo (ſeht den Leihnam im Lit einer Zadel). 
Angiolina! Gott im Himmel! 


Herr Gregoriv. 
ie? Was? 
Anjelmo. 
Mein Kind! (cchaudernd) Ich ſehe meine rau! 


Ambrofio. 
Der Mörder liegt dabei! 
Herr Gregorio. 
Lebendig ? 


Ambrofio. 
a! 
Doch ijt er fo von Reu' und Schmerz ergriffen, 
Daß er ſich ſelbſt den Tod jchon geben wollte, 
Sch wehrt! ihm daß! 
Anfelmo (zu dem daliegenden Sebaftlano). 
Auf, Schurke, auf mit Dir! 


Sebaftiano. 


Mas giebt ed denn? (teht auf) Ja fo! 
Hebbel, Werte IL. 8 





114 Ein Trauerfpiel in Sicilien. 6 


Anfelmo. 
Du biſt es? Du? 
Sebaftiano. 
Ih! Seid Ihr's denn nicht auch? 
Anjelmo. ı 
D Böſewicht! 
Als ich Dir antrug, (Er deutet auf Herrn Gregorio.) dieſen Hund 
zu tödten, 





Da hatt'ſt Du Deine reine Hand zu lieb, 
Obgleich ic Tir mein Kind dafür verſprach! 
Und jest, jet halt Du - - 


Herr Gregorio. 
Herr, was jpredt Ihr da? 
Anfelmo. 
Nichts, was ich widerrufen werde, Herr! 


Herr Gregorio. 
Ihr hättet — 


Anjelıno. 

3a, verfluchter Menſchen-Quäler, 
Wenn diefer Bube Muth befejfen hätte, 
So war e8 um den Auffauf unf’rer Ernte, 630 
Um’5 Bilder-Kabinet und die Kapelle i 
Und um die Hochzeitönacht zugleich geſcheh'n. 
Ich ſchlug's denjelben Nachmittag ihm vor, 
An den Du Deine unverjhämte Abficht 
Mir offenbartejt und den Grund, warum 635; 
Du mir das Geld geborgt, ja aufgedrungen: 
Er wollte nicht, und feit der Stunde haft’ ich 
Ihn ſelbſt, jonjt Haft’ ich feine Armut) nur! 


C> 7] 





Ein Traueripiel in Sicilien. 


Herr Gregorio. 
Ich werd’3 mir merfen. Morgen — 


Anfelmo. 
Kannſt Du thun, 
Was Dir beliebt, heut’ ſprech' ich, wie ich will, 
Ich Hab’ genug verjchludt! 
Herr Gregorio (wendet Anſelmo den Rüden; zu Sebaſtiano). 
Biſt Du der Mörder? 


Sebaſtiano. 


Nehmt mich dafür, ſchlagt mir den Kopf herunter, 
Wer hat denn was dagegen, daß Ihr's thut! 


Bartolino. 
Kein, jo weit darf's nicht geh'n! 


Herr Gregorio. 
Haſt Du's gethan? 


Sebaſtiano. 


# Hier ſteh' id — und dort liegt ſie; macht nur, macht! 


Es wird fchon Alles Kar und offenbar! 
Unjchuldig bin ich nicht, verfaßt Euch d’rauf. 


Bartolino. 


Er ift verridt! 


Ambrofio. 
Weil er die Wahrheit jagt? 


Bartolino. 


Die Wahrheit? Ha! Sinn’ etwas Beſſ'res aus, 
Ich geb’3 nicht zu, daß man den Zollen Föpft, 
Bor diejem Frevel jchaudert mir die Haut, 


8* 


115 





116 Ein Trauerjpiel in Sicilien. 6 


Den büßte man nicht ab im Fegefeuer, 
Ein And’re wär’ ed, wenn er Teugnete! 


Ambrofio. 
Du ſchweigſt! 


Bartolino. 
Sch ſchweige nicht! Was meinit Du wohl? 
Ich Hab’ Reſpect vor Dir! Docd auch vor Gott! 705 


Herr Gregorio (wird auf den heimliden Zwieſprach ber Beiden auf: 
merkſam). 


Die zanken ſich wohl gar! — Was haben ſie? 


Bartolino (ſehr laut). 
Der war es nicht! 


Ambrofio. 
Er war's! Kurzſichtig iſt 
Mein Kamerad und glaubt, der rechte ſei 
Entſprungen, doch — 


Bartolino. 
Ich ſage noch einmal — 


Ambrofio. 
Zum Teufel! 
(dringt mit dem Schwert auf Bartolino cin) 
Bartolino. 


| Was? Willſt Du mid) auch eritechen ? 710 
Nimm Di in Acht, ich plaud’re Alles aus! 


Herr Gregorio. 
Auch? Auh? Du haſt es ſchon gethan! 





715 





Ein Trauerfpiel in Sicilien. 117 


Bartolino. 
Was denn 
Gethan? Ich jagte Nichts! 


Ambrofio. 
O, hätt! id Dich, 
Auf eine Viertelſtunde noch allein, 
Zo wär mein legter Wunjch erfüllt! 


Bartolino. 
Was willft Du? 
sh Ichwöre Alles wieder ab! (au) Er war's, 
Mid überlam das Mitleid, weil — — (su Ambrofio) 
Sprid Du! 
Ambrofio. 
Ich that's! (ur ſich Wär’ id nur Ring und Kette los! 


Herr Gregorio. 
Soldaten! Seht, ob Ddiejer (deutet auf Sebafttano) blutig ift! 


Ein Soldat (ip beleuchtend). | 
Er iſt ed, auf dem Rüden! 


Anfelmo. 
Auf dem Rüden ? 
Die Hände hat er aber vorn! 


Ambrofio (tür ſich. 
Berdammt! 

Sch wiſchte meine Klinge an ihm ab, 
Es war zu dunkel, das gejcheidt zu machen! 


Anfelmo (su Sebafttano). 
Menſch, thu den Mund auf! Sprich! E3 geht Dich an! 


118 Ein Trauerfpiel in Sicilien. 





a) 


Sebaftiano. 
Köpft, wen Ihr wollt, mic, die, was fragt Ihr viel? 725 


Anfelmo. 
Der that es ficher nicht! - 
Sebaftiano. 
O, Sicher nicht! 
Doch, das ijt Alles gleih! Es wird ſich finden! 
Gebt mir nur erſt mein Theil! 
Anfelmo. 
So thaten’3 die! 
Ambrofio. 
Beweiß! Beweis! Wir tragen Uniform 
Und fagen Nein! 
Biebente Bcene. 
Ein Bauer (tritt auf mit einem Sorbe). 
Holla! Beweis genug! 730 


Herr Gregorio. 
Wo kommſt Du ber? 


Der Bauer. 
Aug jenem Baum! Ich ſaß 
Hoc oben in der Krone! 


Ambrofio. 
Nun iſt's aus! 
Mir fehlt's am Stein, der unfichtbar mic macht! 
So fam da3 O von dem! 





7 


Ein Trauerjpiel in Sicilien. 


Herr Gregorio um Bauer). 
Nun? 


Der Bauer. 
Zieht dem Langen 
Die Stiefel ab! Ahr werdet Ring und Kette 
Des Mädchens darin finden! 


| Herr Gregorio. 
Alſo der? 


Der Bauer. 
Und der, ja wohl! Die Beiden! 


Herr Gregorio. 


Weiter, weiter! 
Wie famit Du in den Baum? 


Der Bauer. 

Du lieber Gott! 
Ich Hatte mir ein Bischen Obſt geholt 
Aus einem Garten, der nicht meiner war, 
Und da id) hier die Wächter ſtehen ſah, 
So frod) ih, um den vielen Fragereien 
Mich zu entzieh'n, hinauf. Nun fam dad Mädchen, 
Und wa3 mit der geichah, das feht hr jelbit! 
Du arme Kind, ih konnte Dir nicht helfen, 
Es war fein Menſch zu hören, noch zu jeh'n! 
Ih wäre fait im erſten Schreck geitürzt, 
Mein Korb entglitt mir, doch zu meinem Glüd 
Fing ich ihn wieder auf, font wär’ id} ſelbſt 
Den Böfewichtern in die Hand gefallen — 


Ambrofio. 
Und wüßteſt jebt, ob Petrus fih raſirt! 


119 





120 Ein Trauerfpiel in Eicilien. 7 


Der Bauer. 


Dann ward ich jtarr und fteif und konnte faum 
Ein Glied noch rühren, ja ich Hatte Mühe, 
Nicht einzufchlafen, denn mir war zu Muth, 
Als Hätte ich in meinem ganzen Leibe 

Nicht einen Tropfen warmen Blutes mehr! 


⸗ 


Bartolino wu Ambroſio). 
Du ſiehſt, wenn ich es nicht verrathen hätte — 


Ambrofio. 

Sch eh’, die That war im Voraus verflucht, 
Und wa3 verloren ilt, das ift verloren, 
Sprach Bonaparte auf Sanct Helena! 
Nun, der hat auch daran gemußt, wie ich, 
Und mehrmals iſt es mir, wie ihm, geglüdt! 

(au Herrn Gregorio und Anfelmo) 
Ich that's, der Lump hat feinen Theil daran, 
Ic meine diejen, der hier bei mir jteht, 
Seht nad, fie kann nur Eine Wunde haben, 
Die ilt von mir, nun madt, was Euch gefällt! 
Ich bin Soldat, mir wird ein Tod durch's Schwert, 
Wie jchnell der kommt, das Jah ich ja (deutet auf die Todter an der! 


Sebajtiano (will Ambroſio das Schwert entreißen). 
Hund! 
Ambrofio. 


Halt! Du bift nicht zünftig! In Palermo! 
Und da3 mit allem Bomp, der ji) gebührt! 


Anjelmo (u Sebafttano). 
Wie konnteſt Du nur — 








> 


- 
[| 


Ein Traueripiel in Sicilien. 121 


Sebaftiano. 
Weil ich jterben wollte, 
Und weil jie, wär’ ich früher hier gewejen — — 
Da liegt's! Da liegt's! Ich trag’ die größte Schuld! 


Anfelmo. 
Tu Darfit nicht jterben! 


Sebajtiann. 
Nicht? 


Anjelmo. 
Ich bin ein Bettler, 
Und brauche Jemand, der — verjtehft Du mid)? 
Saft Du mein Kind geliebt, jo zeig’ es jeßt, 
Indem Du ihre Pflichten übernimmt! 


Sebaftiano. 
Ein Bettler? hr? 


Anfelmo. 
Dem Alten da gehört, — 
Aus falſcher Schaam hab’ ich's bisher verhehlt — 
Was id) befite, und er jagt mich morgen, 
Weil ih ihm nicht die Frau mehr liefern Tann, 
Aus meinem Haus und madt’3 zum Pferdeitall. 


Herr Gregorio. 
Das thu’ ih! Doc id) glaub’, ich thät' es nicht, 
Wenn Ihr — 
Anfelmo. 


Schweigt jtill! Hätt' ich die Tochter noch), 
So wär’ ich nicht verlafjen! 





122 Ein Trauerjpiel in GSicilien. 


-) 


Sebajtiano. 

Ganz gewiß nicht! 
Ihr ſollt's auch jetzt nicht jein, ich werde Leben 
Und Euch beweifen, daß ich Brot für Zwei 
Zu fchaffen weiß; eßt es, jo lang Ihr könnt, 
Es wär' wohl auch für Drei genug geweſen, 
Doch ſeid gewiß, daß Eure Todesſtunde 790 
Auch meine fein wird! 


Herr Gregorio (zu den Solbaten). 


Auf nun nad) Palermo! — 
Wie gählings fommt der Tod! 
(chuttelt ſich) 


OK ¶ — — 





Julia. 


Ein Trauerſpiel in drei Acten. 


1851. 





Perfonen: 


Zobaldi. 

Julia. 

Alberto, ein Arzt. 
5 Graf Bertram. 

Antonio. 

Bietro. 

ẽ hriſtoph. 

Valentino. 


Die Handlung ereignet ſich Anfangs in Italien, dann in Deutſchland. 








Erfler Act. 





Zimmer im Haufe Tobaldiß. 
Erſte Scene. 
Tobaldi un Valentino. 


5 Zobaldi. Nun? Nod immer feine Spur ? 
Valentino. Es iſt unbegreiflich, wo da3 Fräulein — 
Zobaldi. Wer jpricht vom Fräulein? Kannſt Du es denn 

nicht behalten, einfältiger Menjch, daß meine Tochter krank zu 
Bette liegt und dem Tode nahe iſt? Daß — 

10 Balentino. Daß fie feine ihrer Gejpielinnen ſehen fann, 
weil die geringite Erjcehütterung die fürchterlichſten Folgen haben 
würde, Daß — — und jo meiter, o ich habe Nichts vergeffen, 
und weiß, was ich zu antivorten habe, wenn id) über die Straße 
gehe und gejragt werde. Aber ich dächte, hier, unter uns, mit 

8 sonen allein — 

| Zobaldi. Und ich jage Dir: Nein und noch einmal Nein! 

Tu ſprichſt mit mir, wie mit Anderen, dann macht c3 Nicht, 

\ wenn Du einmal mit Anderen fprichit, wie mit mir! — Alſo 

vom Papagei feine Spur? 

2 Valentino. Nein! 

Zobaldi. Das Schickſal trifft mich zu hart! Die Tochter 
heute und den Papagei morgen — es iſt zu viel für Einen 
Mann! Du halt befannt gemacht, daß demjenigen, der mir 
den Vogel wieder Dringt, eine Belohnung von zehn Ducaten ge— 

ss wiß ilt? 








128 Julia. 11— 


Valentino. Bi jetzt nicht! 

Zobaldi. Und warum nicht ? 

Valentino. Mir däucht, der Schmerz eined Vaters um 
die Tochter, und aljo aud) die Krankheit der Tochter könnte ver: 
dächtig werden, wenn der Vater fo viel Angſt um einen ent- 
flogenen Papagei an den Tag legte! 

Zobaldi. Eſel, Du jollteft ausbringen, daß die Kranke 
in ihren Fieberträumen immer nad) dem Papagei feufze, und 
dag mir deshalb Alles daran liege, ihn wieder zu befommen- 
Das jullte den Betrug — die Krankheit mein’ ich, wahrjcheinliger 
machen. Haft Du mid) jegt veritanden? Fort denn, und dans 
auf die Apothele wegen der neuen Medicin ! 

Valentino. Um fie aus dem enter zu gießen, wenn lie 
da iſt! Gut! (an 


Bweite Bcene. 


Tobaldi (anein. Wer hätt’ es je gedacht! Entlaufen! Die 
Tochter einer folhen Mutter entlaufen! Und das zwei Tage 
vor dem Rojenjejt, wo jie als Marien-Jungfrau — — Gerade, 
als ob jie e8 aller Welt Hätte fund thun wollen, mit wie viel 
Recht fie erwählt worden jei. Wer kommt da? 


Britte Bcene. 


Alberto (tritt ein. Guten Morgen, alter Yreund! 

Tobaldi. Guten Morgen, Doctor! Du kommſt früh, frei: 
lich, freilich, einen gefährlicheren Kiranfen, wie mein armes Kind 
‚wirft Du nicht haben, der Tod — Doctor, ich zweifle nicht ar 
Deiner Kunſt, Du ſiehſt es, ich rufe feinen Deiner College 
herbei, mein Bertrauen in Did ijt gränzenlo8! — aber dei 
Tod iſt ihr gewiß, und ich denfe, was meinit Du? er fomm 
noch heut’, wenn nicht zu Mittag, fo doch wenigjtend zu Abend 





13 Julia. 129 


Alberto. Tobaldi, ich muß Dich endlich fragen: wie weit 

denfit Du's denn eigentlich zu treiben ? 

Zobaldi. Wie weit? Nun, wie weit treibt'3 eine Krank— 
| beit mit einem Menfchen, wenn jie ihn nicht wieder auffommen 
st Sie macht Miſt aus ihm, oder wenn Du willit, Blumen— 

Sutter ! 

Alberto. Als ich an jenem Morgen zu Dir fan, als id) 
Dich, wie fejtgenagelt, in Deinem Stuhl jigen jah, als Tu mid) 
| Anfangs gar nicht zu erfennen ſchienſt, dann aber plötzlich auf- 
o prangit, mir um den Hals fielſt und mich bejchwurjt, Dir bei- 

äuftehen, Die Ehre Deines Hauſes zu retten, da — — 
Tobaldi. Da benahmſt Du Dich, wie Tu Died immer 
benommen haſt, jeit wir mit einander Defannt jind. Dar jagteft: 
ieh mich Doch nur an, id) bin fein Kalender-Heiliger, der fein 
45 Runder erſt Dann verrichtet, wenn man jich die Hände wund 
gerungen und den Hals heijer gebetet hat, ich bin Dein alter 
Stubenburfch Alberto, der Alles thut, was er kann, jobald er 

weiß, was er ſoll! 

Alberto. Ich that, was Du verlangtejt, ich — Gott ver- 

2 gebe es mir — ich brachte unfern alten Streit, ob das Lügen 
unter Umjtänden erlaubt jei — Du behauptetejt immer das 
Gegentheil, Du weißt doch noch? — durch die Praxis auf 
einmal zu Ende, ich ſchrieb für eine Kranke, die nicht da war, 
Rerepte, ich fegte mein Geſicht — es war bei jo abgehärteten 
= Muslkeln feine Kleinigkeit — in theilnahmvolle Falten, ich ging 
von Haus zu Haus und ſagte — — num, ich jagte meine 
Lection auf! — Aber — 
Zobaldi. Aber? dies Aber erjchredt midd — Du fandeit 
hoffentlih Glauben? Wenigstens hajt Du’s mir verfichert! 
© Mlberto. Nur zu viel, nur zu viel! Noch eben, da id} 
u Dir ging — höre, Freund, Du magjt davon denfen, was 
Tir beliebt, aber ich habe ein Herz, und id) fann dafür jeit 
fünf Minuten einen befjeren Beweis aujitellen, als die Regel— 
debbel, Werte IL 9 


| 





122 Ein Trauerjpiel in Sicilien. 7 


Sebaftiano. 

Ganz gewiß nicht! 
Ihr ſollt's auch jetzt nicht ſein, ich werde leben 
Und Euch beweiſen, daß ich Brot für Zwei 
Zu ſchaffen weiß; eßt es, ſo lang Ihr könnt, 
Es wär' wohl auch für Drei genug geweſen, 
Doch ſeid gewiß, daß Eure Todesſtunde 790 
Auch meine fein wird! 


Herr Gregorio qu den Soldaten). 


Auf nun nad) Palermo! — 
Wie gählings kommt der Tod! 
(ſhüttelt fi) 


6 nun 





Julia. 


Ein Trauerſpiel in drei Aecten. 


1851. 








13 Julia. 133 


glaubt, wenn jie dabei nur großmüthig ein Leben mit auf's 
Epiel jeßt, da3 ihr zur Bürde geworden ijt, und womit fie 
Kıhts mehr aufzuftellen weiß. Es giebt Leute, die den Welt- 
J untergang herbei führen mögten, um ſich den Selbjtmord zu er— 
 sjparen! ALS id) ihm einft auffoderte, blieb er ruhig in jeinem 
Einfel jigen, denn ihn fejjelte die Alnterfuchung, ob die Küſſe 
eines MWeibes mit den Jahren an Güßigfeit gewinnen oder ver- 
lieren; hätt” ich aufitehen fjollen, nın er fam? Der einzige 
| Moment, in dem Etwas gelingen fonnte, war verjtrichen, denn 
»Nopoleon hatte zu donnern aufgehört; nur ein Toller fonnte 
| meinen Plan wieder aufnehmen und erwarten, daß id) ihn unter- 
fügen würde; nur ein Narr konnte darin, daß ich daS Gegen— 
theil that, einen Abfall von mir ſelbſt erbliden. Laß die Welt 
ih häuten, laß eine neue Zeit fommen: mit wadelndem Kopf 
; und Ihlotternden Knieen werd’ ich mich unter ihr Banner reihen 
Aber damals, wo Alles fchlief, wo nicht einmal die Erinnerung 
mehr wachte, wär's Wahnjinn gemefen! 
| Alberto. Dennoch hätte ſich wohl ein anderes Mittel ge- 
| Amden, ihn unjchädlich zu machen, ald das, was Du wählteft! 
er war nicht nöthig, daß er geächtet, daß er auf Tod und 
Leben verfolgt wurde. Ohne das wär’ er gewiß nicht fo weit 
gelommen, unter die Räuber zu gehen und auf dem Schaffot 
ju enden! 

Zobaldi. Und ich, meinit Du, hätte in den Abruzzen den 

»lleberfall nicht erlebt, der Dir dad Reiſen an meiner Seite für 
immer verfeidete, und durch den er mir feinen Danf für eine 
Sünde abtrug, die ich nie an ihm beging! 

Alberto. Die Du nie an ihm begingjt? 

Zobaldi. Nein! Ich drohte ihm, al3 er durchaus nicht 
| "dahin zu bringen war, in jeine Baterftadt und in fein Haus 
zurück zu fehren, allerdingd mit der Entdedung, aber ich that's 
nur, um ihn zu zivingen, mir auf den Leib zu rüden und mir 
Selegenheit zu geben, den fieben Teufen, die ihn plagten, mit 


| 





134 Kulia. 


einem Dolch in einfacher Nothiwehr irgendwo die Thür zu of ne 
Während id) nun zuvorfommend viele einfame Spazierg An 
machte, verrieth ein Schurfe, dem er fi) nad) feiner Art Vor 
jchnell anvertraut Hatte, ihn wirflih, und er mußte flüchten. 
Daß er mir das auf die Rechnung fette, war natürlich, Denn 
Leute, wie er, begreifen’3 nicht, daß ein Mann, der jelbit einmal 
Branditifter geweſen ilt, Schon deshalb nicht Feuerwächter wird, 
weil das ausjehen könnte, als wollte er Sich dadurch jeinen 
Pardon fihern. Daß Du das aber aud) gethan haft, wundert mid)! 

Alberto. Ich glaubte, Du müßteſt Dir einer Schuld gegen 1 
den Vater bewußt fein, weil Du jo oft Nachforſchungen nad) 
dem Sohn anjtelltejt! 

Tobaldi. Das Mitleid mit dem Sohn eine Räuber it 
doch wohl auch ohne eine ſolche Schuld erflärlih. Welch einen 
Schidjal geht er entgegen! Ihn dem Abgrund, um den er [dent ! 
als Kind herum fpielt, entziehen, heißt mehr thun, als afle 
zehn Gebote auf einmal erfüllen! Meine Bemühungen ware! 
umſonſt! 


Vierte Scene. 


Valentino (tritt ein. Die Medicin, Herr! 

Tobaldi. Weg damit! Zum Tiſchler! Beitelle den Sar€ 
für meine Tochter! Nimm's Maaß nad) dem Bett und bring” 2 
ihm! Sag’, fie ſei eben gejtorben. Der Doctor wird der! 
Todtenfchein gleich ſchreiben! | 

Balentino. Ka! Aber — 

Zobaldi. Di meinft, man muß auf Alles denken! Richtig! 
Wenn Jemand davon fpricht, daß er jie jehen will, jo antworte, 
jte jei bis zur Unfenntlichfeit entftellt und ihr letztes Wort fei 
gewejen: mein Vater, einen Schleier über mein Gejicht! 

Valentino. D! Das wird nicht gefchehen! Sie Taufen: 
jogar vor mir, felbjt der Apotheker trat drei Schritte zurüd, 


i4 Julia. 135 


als ih fam, und ſchob jeinen Burjchen vor. Die Angit vor 
der Anjtedung iſt zu groß. 
Zobaldi. Alm fo beifer! Geh aud in's Klofter und laß 

Seelenmeſſen leſen! Sag, der Arzt — Gu Alberto) Deine 

s Reputation erlaubt dad doch? — hätte den tödtlichen Ausgang 
niht geahnt, wenigſtens nicht jo jchnell, und ich hätte die letzte 
| Xelung, der Aufregung wegen, To lange verjchoben, bis es zu 
jpät geweſen fei. Hort! 
Balentino. Wenn ich’ nur gut mache! cab) 

0» Alberto. Du gehit weit! ch glaubte, Du wollteſt Die 
Jet der vorgeihüßten Krankheit benützen, um Nachforſchungen 
anzujtellen, und — 

Zobaldi. Nachforfchungen? Dit fie mir etwa geraubt? 
geitohlen? Dit fie, kann ic) daran zweifeln, nicht freiwillig ge= 
ugangen? Hab’ ich auch nur einen Verdacht, mit wen? Nein, 
dieſe Heuchelei, dieſe Verſtellung — glaube mir, ſie iſt mir mehr, 
als todt! can. 

Alberto. Hätt' ich's vorher gewußt, ich hätte mich wider— 
ſeht! Nun iſt's zu ſpät! Aber der hat feine Tochter nie geliebt! 
Nur das Bild, das er fi von ihr machte! Freilich, wer liebt 

anders! Es ift nun einmal das Schiejal des Menfchen, daß 

man ihn wegen Eigenjchaften verehrt und anbetet, verabicheut 
und haft, die er gar nicht bejißt, die ihm von Andern nur 
geliehen werden! Armed Mädchen! Hätte er Dich nicht für 

eine Ausnahme Deines Geſchlechts gehalten, er würde Di 

| ſtrenger überwacht, er würde Dir, da Dir die Mutter tun ein= 

mal jehlte, ein weibliche® Wejen, dem Du Dich anvertrauen 
fonntejt, beigegeben und nie Urſache gefunden haben, gegen Dich 
zu wüthen! Doch Du follit auch jetzt nichte verloren ſein, ich 

v weiß, was ich thu'! (folgt Tobaldi) 








136 Julia. 15 


Wald. 
Fünfte Bcene. 
Graf Bertram (tritt auf). Chriſtoph (folgt ihm). 


Graf Bertram. Nun, alter Chriftoph, laß mid Eine 
Stunde allein. Aber ganz allein, hörſt Du? Du weißt, id 
kann Piſtolen abfchießen, wenn es im Gebüſch um mich He zu 
raiheln anfängt. Ich habe Stunden, wo ed mid) empört, Daf 
ih mich nicht vor Gott in irgend einen dunfeljten Winfel der 
Nacht zurüdziehen kann, wo ich meink Auge jchließe, weil es 
mid) brennt, als ob von oben eins hinein jchaute! Haft Du ro 
dad noch gehört ? 

Chriſtoph. Ich gehe, Tiiteln zu köpfen. Thäten Cm. 
Gnaden dafjelbe, ich ginge leichter. Eine Stunde? «sieht ſeine 
Uhr) Drei! Alſo bis Vier! 

Graf Bertram. Tab Du mir die Uhr nicht fchiebit, Alter! 7° 
Du Haft ed wohl Ichon gethan! 

EHriftoph. Und wenn ich's that, jo geſchah's — Gnädiger 
Herr, id ließ Sie noch nie an jolden Tagen allein, daß Sie 
des Abends nicht wieder Blut geipieen hätten. Trotzen ſollt' 
ich Ihnen, ſprechen: ich will nicht gehen! oder etwas Aehnliches, > 
damit Sie über mich ergrimmten und Ihren finjtern Gedanken 
entrifjen würden! Und wenn ich’ unterlaffe, jo geſchieht's wahr 
Haftig nicht, um meinen alten Rüden zu jchonen. Der fann 
mehr vertragen, als Ihre Brujt! 

Graf Bertram. Rah! als ob's ein Unglüd wär’, Blut : 
zu fpeien! Nur das ift eins, nicht genug zu fpeien! Und Du 
meinft, dad kommt von finjtern Gedanken? Ei, alter Narr, als 
ob Du nicht recht gut wüßteit, daß es von Tanzen, Trinfen, 
Schwärmen, Sagen, genug, von den angenehmiten Dingen der 
Welt, gefommen ijt! 8 


Chriſtoph. Das erite Mat! 


= 


I5 Julia. 137 


Graf Bertram. Nun gut, all diefer genofjenen Herrlich- 
feiten erinnere ich mich, wenn ich ımter einem alten fräftigen 
Baum fiege, der ausjieht, als vb er der Erde die Anszehrung 
zuzichen fönnte, weil er zu jtarf an ihren Brüjten jaugt. Sch 
gedente des brillanten Balls bei'm Minijter, wo ich gegen Morgen 
meine Bruſt zum erjten Mal fühlte, und wo ich nur um fo 
ärger zu rajen anfing, weil ich jie natürlich dafür jtrafen mußte, 
daß ſie nicht von Eifen war; ich vertiefe mic) in Die Wonnen 
jenes dreitägigen Commerſches, wo mir zulegt dag helle Blut 
maus dem Halſe Schoß, und wo ic) noch mit röchelnder Yunge fo 
' ange behauptete, es fei der rothe Wein, bis ich ohnmächtig zu— 

\emmen janf; ih — — o, Tu weißt nidjt, wie einem Helden 
zu Muthe it, wenn er auf feine Thaten zurüdjchaut und das 
kerrlihe Ziel, dem fie ihm entgegen führten, in’3 Auge faßt! 
ah weiß, wenn ich bis zu diefem Punct fomme, auf einmal 
wieder, wozu ich nüße bin; hab’ ich denn nicht vortrefflichen 
Riſt aud mir gemacht? Hab’ ic) den Elementen, die Dich und 
Ddeines Gleichen gewiß nicht ohne Magenweh verdauen können, 
nicht wader vorgearbeitet? Wird ein Baum, wie diefer bier, 
ont vielleicht, wenn ich ihn dünge, noch einen legten Schuß 
tun, jo übermüthigsfed, daß die Himmelsdecke erjchroden un 
tauſend Meilen weiter zurüdweicht, damit der jchöne blaue Atlas, 
womit fie ausgefüttert ijt, nicht Schaden nehme an irgend einem 
ſharjen Zweig? Denn daß ein folder Baum mir dad Holz 
s zum Sarg hergeben ſollte, daran ift, obgleich er fein Alter jchon 
nad Jahrhunderten zählt, nicht zu denken; ich fragte neulich 
einen, dem ich zu Füßen lag, aber der fing umwillig den Kopf 
zu jhütteln an und warf mir zur Antwort fein grünites Blatt 
ind Geſicht! | 
» OChriftoph. Ja! Sp ſprechen Sie, und ich foll gehen! 

Graf Bertram. Nun, fo bleib, alter Narr, aber nimm 
Tih in Acht, id) werde Dich quälen! Sag’ mir doch, Chriſtoph, 
wie alt bin ich? 


Sam mn 





138 Julia. 18 


Chriſtoph. Ja, das weiß ich, wie's Kirchenbuch! Es war 
zu Weihnacht — 

Graf Bertram. Ich bin als Weihnachts-Geſchenk geboren, 
ich weiß. Aber wie alt? 

Chriſtoph. Ihre gnädige Frau Mutter — Gott hab’ fie! 
jelig — | 

Graf Bertram. Zur Hölle iit jie wenigſtens nicht ver? 
dammt, ihren Sohn jieht fie nicht verwejen. Ich weinte, al® 
fie ftarb — wie lächerlih! Aber noch einmal, wie alt? 

Chriftoph. Nun, Tu mein Gott, zivei und dreizig — 

Graf Bertram. Jahre oder Jahrhunderte ? 

Chriſtoph. Ei, da Sie jo jcherzhaft find, wie Sie wollert 
gnädiger Herr! 

Graf Bertram. Alſo Zahrhunderte! Nun, da kommt’! 
aus! Iſt mir doc zu Muthe, als wüchſen aus meinem Fleiſch 
die wülten Diſteln und Brennefjeln fchon heraus, die ſich au 
meinem Grabe brüften werden — id) brauche mich nur nad 
Art der Todten auf den Rüden zu legen und die Augen ZU 
ichließen, jo hab’ ich ein Gefühl, als ob ich ein wucherndes 
Beet voll Kirchhofunfraut wäre; das neigt und beugt fid gegen 
einander: auch fchon da, Frau Muhme? und ein falter Wind 
bläf’t hindurch! Pah, wie ſollt's anders fein! Wer mit Friedrich 
Barbaroſſa vor Mailand lag, wer mit dem Hunnen-König 
fänpfte und ihn drei Mal aus dem Sattel hob, der braudt id 
nicht zu jchämen. Damit vertheidigte ich mich neulich) im Traun 
gegen Einen, der mir Nafenjtüber gab und mich dabei ausſpottete 
weil mir der Arm, den ich zur Abwehr gegen ihn erhebet 
wollte, am Leibe hängen blieb, al3 hätte ich ihn von einer 
Leichnam geborgt. ch Hielt ihm meinen Antheil an jeder be: 
rühmten Seldenthat der letzten zwei Jahrtauſende entgegen; id 
bejchrieb ihm die Wunde, die ich dem Richard Löwenherz im 
finfen Bein über dem Knie beigebradjt, ganz genau; ich fragt 
ihn zulegt triumphirend, ob's genug ſei, und ob ich mid) er 


15 Julia. 139 


ihöpft fühlen dürfe. Er zog ab, wie Einer von einem Todten 
abziehen mag, an dem er im Rauſch gejrevelt hat, weil er ihn 
für einen Faulpelz hielt; er war zufrieden gejtellt, ich war es 
jelbjt und Tegte mich) auf die andere Seite; mir war wirklich, 
ı Sal ob ich die hungrige Zeit mit meinem dünnen Ich fchon fo 
viele Sahrhunderte, al3 ich Sahre zähle, gefüttert und ihr doc) 
noch für den nächſten Tag ein fleined Frühſtück aufgehoben 
hätte. Und wahrlich, wenn ich dies Alles nicht wirklich gethan 
habe, jo kann die Emigfeit, und friecht jie ihren Ring bloß 
‚ mmeinetwegen nod zehn Mal aus, feine Entfchuldigung dafür 
ausfinden, daß ich Din, was ich bin! 

Chriftoph. Gnädiger Herr, wollen Sie mir nicht zürnen, 

wenn ih ein Wort — Sie können ja, jo jchnell Sie wollen: 
| halts Maul! jagen! 
5 Graf Bertram. Du willit Dich für das Zuckerwerk be— 
zahlt machen, das Du, al3 ich noch ein Bübchen war, für mid) 
tahljt. Ich erinnere mich, Du kamſt einmal jelbjt in den Ver— 
daht der Näjcherei, und mußteſt von der Beichließerin eine lange 
Rede über einen jehr ſchnöden Tert anhören. Dein Geſicht — 
ter, ſieh noch einmal fo aus, vielleicht werd’ ich auf einen 
Augenblick wieder Knabe. Nun gut, fprich, ich bin in Deiner 
Schuld! 

Chriſtoph. Die Trine, die! Nun aljo, gnädiger Herr 

> das müflige Umberziehen in der Welt thut Ihnen nicht 
zu Warum — Sie find fo flug, fönnen den ganzen Tag 
ſprechen, ohne diejelbe Sache zwei Mal zu fagen, reden in jedem 
neuen Lande mit einer neuen Zunge, bon jour, buon giorno, 
als ob Sie in Jeruſalem die erſten Pfingſten mit gefeiert 
hätten — warum — ic weiß ja, wie oft Ihr Herr Onfel 
onen ein Amt angeboten hat, nod) letztes Neujahr, wenn nicht 
jeitdem jchon wieder, warum nehmen Sie kein's an? Er nimmt's 
jo übel, wie Unjer-Einer, wenn wir einen guten Belannten 
zum Mittag-Efjen einladen und er „Danke!“ fagt, und — 





{ 
f 





140 Julia. 18 


ja, Ew. Gnaden, das glauben Sie nur, Beſchäftigung — — 

Hätte ich nicht immer für Sie zu thun und zu ſorgen gehabt, 

ich wär' auch ein Melancholicus geworden, wenn das nicht ein 

Hochmuth von mir iſt; denn es ſteckt auch in mir noch ein 

andrer Kerl, als bei Sonnenſchein aus dem Fenſter ſieht, — 
wenn's regnet, kriecht er aus, wie die Würmer, aber dann klopi 
ich einen Rock aus, und das wirkt, als ob ich mich ſelbſt aus⸗ 
tlopfte. Ein Amt — — 

Graf Bertram. Ic habe ein Amt — id lebe! 

Chriftoph. Dies Amt haben wir Wille! 

Graf Bertram. Für Euch iſt's eine Freude, ein Spk: 
für mich ein Gejchäft, das ich nicht aufgeben darf, obgleid ie 
banquerott Din, weil mir jcheint, daß ich's für frende Redhnume 
führe! Pad, Du weißt viel davon, was vorgejallen war, BE 
ih Did jenen Abend von zwei Pijtolen, die auf dem Ti 
lagen, die eine aus dem Fenſter abfeuern ließ! 

ChHriftoph. Das war mein Meiſterſchuß! In Naht us 
Nebel hinein und doc was getroffen. Der Nabe trappt no 
jeßt mit zerichoffenem Flügel herum auf dem Hof! 

Graf Bertram. Damals fragt’ ih an — für ſich Abe 
Nein! war die Antwort! D, weld, ein Tag! E3 war der erſc 
nad) meiner Genefung! Bor dem Weinftod unter meinem Jenite u 
der mich mit feinen fchwellenden Trauben zu höhnen jchien, vom” 
der aufblühenden Schönheit des Gärtnerfinde, das mir eine 
Strauß brachte, vor Allem, was mir friich und lebendig-reizen 
entgegen trat, fühlte, ich mein Nicht3; wie eine vom Wind auf 
geblajene Menjchenhaut mit verflebter Mundrige fam ih mie 
vor. Es war Abend — wozu foll c3 wieder Morgen für Dich 
werden? dacht' ih und griff zur Piſtole. Aber da durchzuckte 
mid) ein anderer Gedanfe. Haſt Du nach einem folchen Leben * 
denn auch dag Recht auf einen jolhen Tod? Und neben die 
erite mit der Kugel legt' ich die zmeite ohne die Kugel und 
rief: entjcheidet, ihr dort oben! Nun ein Gang durch's Zimmer, 


5 


I5 Julia. 141 


ein Griff auf's Gerathewohl, den Hahn aufgezogen, die kalte 
Metallröhre an die Schläfe geſetzt und abgedrück — — Ha, 
ich lebe noch (taut) — Chriſtoph, feure die da durch's Fenſter ab! 
Chriftoph. Längſt geſchehen, gnädiger Herr! 
5 Graf Bertram. Sch glaube, immer allein zu jein! 
Chriſtoph. Könnt id) ihn doc, auf andere Gedanken 
Bringen! Friſch darauf los! Auch der Nerger wird ihn zer- 
treuen! — Und wenn’3 denn mit dem Amt Nichts ijt, Ew. Gnaden 
tönnten auch heirathen! H'raus iſt's, wie der eingerojtete Schuj; 
aus der Büchſe, die er verdarb! 

Graf Bertram. Nicht wahr, Alter, e3 müßte veizender 
jein, in den Armen eines jchönen Mädchens zu veriwejen, als 
um Grabe! Für ein jtaubiges Leichenfifjen eine ſchwellende 
Bruſt, die den Schlummernden wiegte, und milde janfte Augen, 

15 Die jtatt falt blinfender Sterne auf ihn herabjchauten, vielleicht 
gar auch ein Finger, der mit überwundenem Efel den .erjten 
Wurm zurüdjchnellte — weld) ein Taujch! Aber, wie ich darüber 
Denfe, fönnteft Du wifjen, Du haft gejehen, mit welchem Entjepen 
ich floh, al3 jenes unglüdliche Kind — unglaublich ift es mir, 

» unglaublich, es heißt ja dod), daß ein Kainszeichen flammt! Und 

doch, ich darf nicht hoffen, daß ich mich getäuſcht habe, ſie fand 
wirklich Gefallen an mir! Genug, ich verdammte mich zur 

Ichleunigjten Flucht, als ich's bemerkte, und wir find jetzt zwei— 

hundert Meilen von ihr entfernt! 

i 3 Chriſftoph. Ja, und fie — ei, was weiß ich alter Eſel 

davon, aber dafür bin ich Bürge, wenn ihr die Ohren Klingen, 
ſo jagt fie jede Mal zu fich felbjt: nun fpricht Einer von mir, 
und der Eine — Sept geſchah's ja auch! 

Graf Bertram. Du meinjt, dies Kind hätte einen Menjchen, 

f » wie mich, nicht über den erjten eilig, den man ihr im Frühling 

fing, wieder vergejjen ? 
Chriſtoph. Nein! jo wenig, als den Zeiſig über Cm. 

Önaden, wenn ihr einer davon geflogen wäre. Solche alte 











142 Julia. 15 


finſtere Schlöſſer im Norden, ei, ich bin ja ſelbſt ſo in der 
Einſamkeit aufgewachſen und weiß, wie die Menſchen da ſind; 
die pflücken feine Roſe, die nicht nachher in die Bibel gelegt 
und getrocnet würde, und wenn ein Mädchen — vornehm und 
gering, ſie jind ſich Alle gleih! Nun, da war eine Grafen= * 
tochter, und da Ew. Gnaden nun einmal ſolche Scrupel haben 
— gut, gut! Aber es giebt auch Andere, Arme — 

Graf Bertram. Und die, meint Du, darf man ru 8 
mit dem goldenen Ring an einen Leichnam fetten, die dam 
man — — nein, bewahre mich Gott in Gnaden vor einer Grof 
muth diejer Art; erwede er in mir, wenn er mid) nicht ande—® 
davor jchüßen kann, noch jet den Ahnenjtolz meine Ur-Ume 
Großvaters, der einmal als Jüngling, wie er von einer Ma 
alliance hörte, erklärt haben joll, er werde eher um eine iv 
oder eine Bärin werben, als um eine Venus aus dem Bürgercc— 
Itande. ch jchene die Mißheirathen nicht fo jehr, wie er, ab 
die zwijchen Leben und Tod ſcheue ich allerdings ; denn jie L— 
die Mutter der Gefpenfter ! 

Chriſtoph. Um eine Bärin! Dad war der wilde Gem 
mit der Neiherjeder auf dem Hut, dejjen Nafe man nidyt mez—I 
jteht, weil die Mäufe fie aus jeinem Portrait herausgefrelie—' 
haben; natürliche Folge davon, daß man die Kapen zu gut b Ei 
uns füttert. Ich hab's taufend Mal gejagt, wenn ich hinter de 
Treppe kukte und die zinnerne Schüffel jtehen jah, die imme * 
voll war! * 

Graf Bertram. Jetzt geh zum Wagen, Alter, ich folge > 
e3 wird fühl! 

CHriftopg. Kühl? (ur ſich Ja wohl, in Gedanken! Ich 
kann's mir recht lebhaft vorjtellen, wie angenehm e3 jett bei 
uns zu Yande von den Firnen herweht! Ja, Tyrol, Tyrol!» 
Aber hier, wo die Gier nur jo lange frifch find, als die Henne 
te noch nicht gelegt hat — — Bott, Gott, wie glücklich werde 
ich) mich fühlen, wenn ich feine Orangen und Citronen mehr 


I6 Julia. 143 


ſehe, außer wo ſie hingehören, am Weihnachts-Abend in der 
Punſchterrine oder auf der Bratenſchüſſel im Maul eines Eber— 
kopfs! — Soll Paul näher heran fahren? Ich glaube, daß 
er's kann! 

Graf Bertram. Nein! GEhriſtoph ab) 


Secjste Zeene. 


Graf Bertram canein. So iſt's, Jammermenſch, fo iſt's! 
Bilde Dir nit ein, daß Du Dich zu tief herabjegen fannit! 
u biit fol ein Aber der Menfchheit, daS jie Enirichend hinzu— 
Tlgt, wenn fie ihre Cäſaren und Napoleone aufgezählt hat. Ha, 
I Haten! Haft Du nicht einft von Thaten geträumt? Aber Du 
mi einteſt, dieje Zeit ſei nicht die Zeit der Thaten, al3 ob's nicht 
aud eine That wäre, jich bereit zu Halten, und nun machteſt 
us, wie ein jchlechter Soldat, der jich auf jeinem Pojten lang 
veilt, Du verjpielteft Deine Waffen! Schaud’re! Schaud're! 
ie jtändeft Du da, wenn Du jebt gerufen mürdejt! Und 
Dennoh könnt’ es fommen; denn die Erde bebt in ihren Selten, 

und es wird jo jchwer jein, jie an Ketten zu legen, al3 in der 
Donnerwolfe, die finfter und geladen über ihr ſchwebt, die Blike 
v mit einer Hand-Spritze auszulöſchen. — Und wenn das Auge 
eins Mädchens jreundlih auf Dich blidt, jo mußt Du das 
Teinige fchließen und vor ihm zurückweichen; denn nie darfit 
du eind zum Weibe machen, Dein eigener Sohn würde Dich 
dereinit dafür auf Piltolen fodern! Was bleibt Dir? Nichts, 

‚ 305 die Hoffnung, daß es vielleicht noch irgendwo ein Loch in 
der Welt giebt, wo ein Kerl, wie Du, der nur noch Ding ilt, 
hingeſtopft werden kann, wie ein Fetzen in einen Fenſter-Riß; 
Nichts, als ein Nachſpringen in's Wafjer, wenn ein Trunfenbold 
hinein fiel, um ihn zu retten, vder, wie's Dir ging, als Du's 
» thatft und ſelbſt unterjantjt, von ihm gerettet zu werden, Nichts, 
als — (Man Hört Stimmen.) Menfchen! Ich kann feine jehen! (ab) 





144 Julia. 


Biebente Scene. 
Julia und Pietro (treten auf). 


Julia. Sit dieß der rechte Weg ? 

Pietro. Würdet Ihr mich bezahlen, wenn ich E 
verfehrten führte ? 

Julia. Ich Hoff, er lügt. au) Er it fo ein 
ob wir ihn erit bahnen jollten! 

Pietro. Fürchtet Ihr Eud) vor mir? 

Julia. Sch will ihn reizen! aut Vor Dir, der 
jelbit im legten Dorf vor einem lahmen Hund fürchte 

Pietro. Wie war das? 

Julia. Und er hatte nicht einmal mehr Zähne ı 
er biß nur noch in Gedanken! 

Vietro. Es iſt hier wirflid einiam. Man thi 
mich bei guter Laune zu erhalten! 

Julia. a? 

Pietro. a, und noch einmal Ya! 

Julia. Warum? 

Pietro (zieht ein Meſſer). 

Julia. Du haſt doch auch Aepfel bei Dir? 

Pietro. Hohn und Spott? Weib, wenn ich Die 
jteche, jo Fällt nicht einmal ein Verdacht auf mih! Mi 
den Näubern mit auf die Rechnung jeßen, die bier 5 
Walde haufen. Darum — giebit Du mir, was Du 
trägt? Drei Mal Haft Du Deine Börje gezogen, ohn 
nöthig war, ich weiß, ſie iſt jchiver! 

Julia. Gute Nacht, Welt! (tan) Wenn ein An 
jagte, jo — Dir dreh’ ich bloß den Rüden zu! ı 
Und doch thu' ich's nur, weil mid fchaudert! 

Pietro. Ha! (Er dringt mit dem Meſſer auf ſie ein.) 





15 Julia. 137 


Graf Bertram. Nun gut, all dieſer genoſſenen Herrlich— 
keiten erinnere ich mich, wenn ich unter einem alten kräftigen 
Baum liege, der ausſieht, als ob er der Erde die Auszehrung 
zuziehen könnte, weil er zu ſtark an ihren Brüſten ſaugt. Ich 

s gedenke des brillanten Balls bei'm Miniſter, wo ich gegen Morgen 
meine Bruſt zum erſten Mal fühlte, und wo ich nur um ſo 
ärger zu raſen anfing, weil ich ſie natürlich dafür ſtrafen mußte, 
daß ſie nicht von Eiſen war; ich vertiefe mich in die Wonnen 
jenes dreitägigen Commerſches, wo mir zuletzt das helle Blut 

o aus dem Halſe ſchoß, und wo ich noch mit röchelnder Lunge ſo 
lange behauptete, es ſei der rothe Wein, bis ich ohnmächtig zu— 
ſammen ſank; ich — — o, Du weißt nicht, wie einem Helden 
zu Muthe iſt, wenn er auf ſeine Thaten zurückſchaut und das 
herrliche Ziel, dem ſie ihm entgegen führten, in's Auge faßt! 

s Ich weiß, wenn ich bis zu dieſem Punct komme, auf einmal 
wieder, wozu ich nütze bin; hab' ich denn nicht vortrefflichen 
Miſt aus mir gemacht? Hab' ich den Elementen, die Dich und 
Deines Gleichen gewiß nicht ohne Magenweh verdauen können, 
nicht wacker vorgearbeitet? Wird ein Baum, wie dieſer hier, 

o nicht vielleicht, wenn ich ihn dünge, noch einen legten Schuß 
thun, jo übermüthig-fek, daß die Himmelsdecke erichroden um 
taufend Meilen weiter zurüchveicht, damit der ſchöne blaue Atlas, 
womit ſie ausgefüttert ift, nicht Schaden nehme an irgend einem 
ſcharfen Zweig? Denn daß ein folder Baum mir das Holz 

2: zum Sarg hergeben follte, daran ijt, odgleich er fein Alter jchon 
nah Sahrhunderten zählt, nicht zu denken; ich fragte neulich) 
einen, dem ich zu Füßen lag, aber der fing unwillig den Kopf 
zu ſchütteln an und warf mir zur Antwort jein grünjtes Blatt 
in’3 Geſicht! 

v Chriſtoph. Ja! So ſprechen Sie, und ich ſoll gehen! 

Graf Bertram. Nun, ſo bleib, alter Narr, aber nimm 
Dich in Acht, ich werde Dich quälen! Sag' mir doch, Chriſtoph, 
wie alt bin ich? 





138 Julia. 15 


Chriſtoph. Ja, das weiß ich, wie's Kirchenbuch! Es war 
zu Weihnacht — | 

Graf Bertram. Ich bin ald Weihnachts-Geſchenk geboren, 
ich weiß. Aber wie alt? | 

Chriſtoph. Ihre gnädige Frau Mutter — Gott Hab” ſie 
jelig — 

Graf Bertram. Zur Hölle iſt fie wenigſtens nicht ver— 
dammt, ihren Sohn Sieht jie nicht verweſen. Sch meinte, als 
fie jtarb — wie lächerlich! Aber noch einmal, wie alt? 

Chriſtoph. Nun, Du mein Gott, zwei und WW —» 


[\ 


Graf Bertram. Jahre oder Jahrhunderte ? 

Chriſtoph. Ei, da Sie fo jcherzhaft jind, wie Sie 
gnädiger Herr! 

Graf Bertram. Alſo Sahrhunderte! Nun, da kommt's 
aus! Iſt mir doch zu Muthe, als wüchjen aus meinem Fleiſch % 
die wüſten Diſteln und Brennefjeln ſchon heraus, die ſich auj 
meinem Grabe brüjten werden — ich brauche mid) nur nad 
Art der Todten auf den Rüden zu legen und die Mugen zu 
Ichließen, jo hab’ ich ein Gefühl, als ob ich ein mwucherndes 
Beet voll Kirhhofunfraut wäre; das neigt und beugt fich gegen * 
einander: auch fchon da, rau Muhme? und ein kalter Wind 
bläf’t hindurch! Pah, wie ſollt's anders fein! Wer mit Friedrich 
Barbarofia vor Mailand lag, wer mit dem Hunnen-König 
kämpfte und ihn drei Mal aus dem Sattel hob, der braudt ſich 
nicht zu ſchämen. Damit vertheidigte ich mich neulich im Traum * 
gegen Einen, der mir Nafenjtüber gab und mich dabei ausjpottete, 
weil mir der Arm, den ich zur Abwehr gegen ihn erheben 
wollte, am Leibe hängen blieb, als hätte ich ihn von einem 
Leichnam geborgt. ch hielt ihm meinen Antheil an jeder be- 
rühmten Heldenthat der letzten zwei Jahrtaujende entgegen; id » 
beichrieb ihm die Wunde, die ih dem Richard Löwenherz im 
linfen Bein über dem Knie beigebracht, ganz genau; ich fragte 
ihn zuleßt triumphirend, ob's genug fei, und ob ich mich er- 


ollen, 





I5 Julia. 139 


ſchöpft fühlen dürfe. Er zog ab, wie Einer von einem Todten 
abziehen mag, an dem er im Rauſch gefrevelt hat, weil er ihn 
für einen Faulpelz hielt; er war zufrieden geſtellt, ich war es 
ſelbſt und legte mich auf die andere Seite; mir war wirklich, 
s als ob ich die hungrige Zeit mit meinem dünnen Ich ſchon ſo 
viele Jahrhunderte, als ich Jahre zähle, gefüttert und ihr doch 
noch für den nächſten Tag ein kleines Frühſtück aufgehoben 
hätte. Und wahrlich, wenn ich dies Alles nicht wirklich gethan 
habe, ſo kann die Ewigkeit, und kriecht ſie ihren Ring bloß 

10 meinetwegen noch zehn Mal aus, keine Entſchuldigung dafür 
ausfinden, daß ich bin, was ich bin! 

Chriftoph. Gnädiger Herr, wollen Sie mir nicht zürnen, 
wenn ich ein Wort — Sie fünnen ja, fo jchnell Sie wollen: 
Halt’ > Maul! Jagen! 

15 Graf Bertram. Du mwillit Dich für das Zuckerwerk bes 
zahlt machen, das Du, al3 ih noch ein Bübchen war, für mid) 
jtahlit. Ich erinnere mich, Du kamſt einmal jelbft in den Ver— 
dacht der Näfcherei, und mußtejt von der Beichliegerin eine lange 
Rede über einen jehr jchnöden Tert anhören. Dein Geficht — 

zo Alter, jieh noch einmal fo aus, vielleicht werd’ ich auf einen 
Augenblid wieder Knabe. Nun gut, jprich, ich Din in Deiner 
Schuld! 

Chriſtoph. Die Trine, die! Nun aljo, gnädiger Herr 
— das müfjige Umherziehen in der Welt thut Ihnen nicht 

25 gut! Warum — Sie find fo Hug, fünnen den ganzen Tag 
jprechen, ohne diejelbe Sache zwei Mal zu fagen, reden in jedem 
neuen Zande mit einer neuen Zunge, bon jour, buon giorno, 
als ob Sie in Serufalem die erjten Pfingjten mit gefeiert 
hätten — warum — ih weiß ja, wie ojt Ihr Herr Untel 

so Ihnen ein Amt angeboten hat, noch leßtes Neujahr, wenn nicht 
jeitdem jchon wieder, warum nehmen Sie fein’3 an? Er nimmt’d 
jo übel, wie Unjer-Einer, wenn wir einen guten Belfannten 
zum Mittag-Efjen einladen und er „Danke!“ fagt, und — 





138 Julia. 15 


Chriſtoph. Ja, das weiß ich, wie's Kirchenbuch! Es war 
zu Weihnacht — | 

Graf Bertram. Ich bin als Weihnachts-Geſchenk geboren, 
ih weiß. Aber wie alt? 

Chriſtoph. Ihre gnädige Frau Mutter — Gott hab’ jie 5 
jelig — | 

Graf Bertram. Zur Hölle it fie wenigſtens nicht ver- 
dammt, ihren Sohn jieht fie nicht verwejen. Ich weinte, als 
fie ſtarb — mie lächerlih! Aber noch einmal, wie alt? 

Chriſtoph. Nun, Du mein Gott, zivei und Ddreizi — » 

Graf Bertram. Jahre oder Jahrhunderte? ] 

Chriſtoph. Ei, da Sie fo fcherzhaft find, wie Sie wollen, 
gnädiger Herr! 

Graf Bertram. Alfo Sahrhunderte! Nun, da kommts 
aus! Sit mir doch zu Muthe, al3 wüchſen aus meinem leid ® 
die wüjten Dijteln und Brennefjeln jchon heraus, die ſich auf 
meinem Grabe brüjten werden — id) brauche mich nur nad 
Art der Todten auf den Rüden zu legen und die Augen zu 
ichließen, jo hab’ ich ein Gefühl, als ob ich ein mwuchernd« 
Beet vol Kirchhofunfraut wäre; das neigt und beugt ſich gegen ® 
einander: aud) fchon da, Frau Muhme? und ein Falter Wind 
bläf’t hindurch! Pah, wie ſollt's anders fein! Wer mit Friedrid 
Barbarofja vor Mailand lag, wer mit dem Hunnen-König 
fännpfte und ihn drei Mal aus dem Sattel hob, der braucht id 
nicht zu ſchämen. Damit vertheidigte ich mich neulich im Traum # 
gegen Einen, der mir Najenjtüber gab und mid) dabei ausſpottete, 
weil mir der Arm, den ich zur Abwehr gegen ihn erheben 
wollte, am Leibe hängen blieb, als hätte ich ihn von einem 
Leichnam geborgt. Sch hielt ihm meinen Antheil an jeder be 
rühmten Seldenthat der leßten zwei SSahrtaujende entgegen; ic» 
beichrieb ihm die Wunde, die ich dem Richard Löwenherz im 
linfen Bein über dem SNinie beigebracht, ganz, genau; ich fragte 
ihn zuleßt triumphirend, ob's genug jei, und ob ich mid) er: 





15 Aulia. 139 


ſchöpft fühlen dürfe. Er zog ab, wie Einer von einem Todten 
abziehen mag, an dem er im Raufch gefrevelt Hat, weil er ihn 
für einen Faulpelz hielt; er war zufrieden geitellt, ich war es 
jelbjt und legte mich auf die andere Seite; mir war wirklich, 

s al ob ich die hungrige Zeit mit meinem dünnen Sch fchon fo 
viele Jahrhunderte, al3 ich Jahre zähle,. gefüttert und ihr doc) 
noch für den nädjiten Tag ein Heine Frühſtück aufgehoben 
hätte. Und wahrlich, wenn ich dies Alles nicht wirklich gethan 
babe, jo kann die Ewigkeit, und friecht jie ihren Ring bloß 

10 meinetivegen noch zehn Mal aus, feine Entſchuldigung dafür 
ausfinden, daß ich bin, was ich bin! 

Chriftoph. Gnädiger Herr, wollen Sie mir nicht zürnen, 
wenn ich ein Wort — Sie fünnen ja, fo fchnell Sie wollen: 
Halt’ ® Maul! jagen! 

45 Graf Bertram. Du willit Dich für dad Zuckerwerk bes 
zahlt machen, daS Du, al3 ich noch ein Bübchen war, für mic 
ſtahlſt. ch erinnere mich, Du famjt einmal jelbit in den Ver- 
dacht der Näjcherei, und mußteſt von der Bejchliegerin eine lange 
Rede über einen fehr fchnöden Tert anhören. Dein Geſicht — 

Alter, ieh noch einmal fo aus, vielleicht werd' ich auf einen 
Augenblick wieder Knabe. Nun gut, ſprich, ich bin in Deiner 
Schuld! 

Chriſtoph. Die Trine, die! Nun aljo, gnädiger Herr 
— das müflige Umbherziehen in der Welt thut Ihnen nicht 

gut! Warum — Sie find fo klug, können den ganzen Tag 
iprechen, ohne dieſelbe Sache zwei Mal zu jagen, reden in jedem 
neuen Lande mit einer neuen Zunge, bon jour, buon giorno, 
ale ob Sie in Serufalem die eriten Pfingiten mit gefeiert 
hätten — warum — id) weiß ja, wie oft Ihr Herr Onkel 

30 Ihnen ein Amt angeboten hat, noch letztes Neujahr, wenn nicht 
jeitdem jchon wieder, warum nehmen Sie fein’! an? Er nimmt's 
fo übel, wie Unjer-Einer, wenn wir einen guten Bekannten 
zum Mittag-Efjjen einladen und er „Danke!“ fagt, und — 





150 Julia. ] 


fiel, au8 dem Schlummer fajt gewedt hatte, als id, den Schlüj 
zur Thür in der Hand, harrend auf dem Balcon jtand, da jtel 
der Mann, dem id; dies größte Opfer zu bringen gedachte, | 
nicht ein, um es entgegen zu nehmen, da harrte ich umſonſt u 
hatte ein Gefühl, wie es Diejenige haben mag, die, zum äußerſ 
Schritt bereit, in einen Eee Hinabjpringt und ihn unter fid) 
frören findet! Ha! der Mond mag mit Abjcheu auf ein Geſch 
geblickt haben, das entichloffen war, den alten Vater zu verlaj 
und dem Geliebten zu folgen, aber die Morgenjonne bat ger 
nicht ohne Mitleid ein verichmähtes Weib, dag jich erjt jebt e 
ehrt, geknickt und zertreten fühlte, zurück ſchwanken jehen i 
Haus! 

Graf Bertram. Und Sie hörten Nidht3 weiter von ihı 

Julia. Nichts, Nichts. Die Tage verrannen, die Wock 
die Monate, ich hörte, ich jah Nichts von ihm. Anfang? jtani 
die Gedanken mir jtill, ich erfuhr, daß man aufhören Tann 
leben, ohne zu jterben, ich brachte Stunden damit hin, daß 
meine Pulsichläge zählte. Dann begann es jich unter mein 
Herzen zu regen, mir war, als ob es lebendig würde in ein 
Sarg, dad Bemwußtjein fehrte mir zurüd, ih empfand | 
ſchwerſten Fluch des Weibes, der die Seligkeit, die höchſte Sei 
feit in Verdammmiß verwandelt, ich fing an, den Menjchen, 
mir ihm auferlegt hatte, zu Hafen, wie das Böſe ſelbſt. A 
dieje Zeit ging vorüber; ich dachte an das Schickſal nnd je 
Tüde, er wird frank fein, rief ich aus, er iſt todt, ſetzte ich Hin 
al® mir einfiel, daß Kranfe Boten finden Fönnen, und di 
Gedanke, nicht wahr, es iſt entjeßlich? erhöhte meine Verzw 
lung nicht, er verringerte fie, er war mir tröſtlich. ber ı 
löfte eine Dnal die andere ab, ich dachte an meinen Vater, ı 
dag Herz wollte mir zeripringen! Er ahnte Nichts, ev 
Nichts, fein Vertrauen in mich war gränzenlog; er juchte, 
er mid einmal im Meinen überrajchte, den Grund me 
Thränen in der Furcht vor dem Weltuntergang! Ich fchaut 





18 Julia. 151 


vor dem Augenblick ſeiner Enttäuſchung, ich ſchauderte noch mehr, 
als man mich zur Marienjungfrau wählte, als man mich, mich 
auserkor, am Roſenfeſt allem Volk das heilige Bild vorzutragen, 
und als ich ſeine verhaltene Freude darüber ſah, ſein erzwungen 
| sgleihgültiges, mühjam zuſammengehaltenes, und doch vor be= 
friedigtem Stolz fait zeripringended Geſicht. Sollte ich den 
turhtbaren Tag abwarten, um zur Sünde den Meineid zu fügen ? 
Sollte ih vor den Altar treten, das Bild herunter nehmen und 
feierlich ſchwören: ich berühre Did) mit reiner Hand! um glei) 

“darauf zujammen zu brechen und außzurufen: ich habe falich 
geitmoren? Denn das ijt jchon einmal gefcheh’n, und ein Jahr 
it darauf gefolgt, in dem jedem Dämon Gewalt über die 
Venichen gegeben war, meil die Gnadenmutter ihr Antlig zürnend 
abgemandt hatte. So verjtodt hatte mich die Verzweiflung noch 

nit gemacht, ich beichloß, zu fliehen, ic) that. Mein Ge- 
hiebter Hatte mir einen Namen genannt, eine Stadt, ich begab 
mi dahin und fand feine Spur von ihm, was blieb mir nod) 
übrig, al$ den Tod zu juhen? Sie fehen, wie Unrecht Sie 
hatten, den Mann mit dem Mefjer zu jtören! 

”» Graf Bertram. ch fehe, daß eine Pflicht Sie aus der 
Welt hinausweiſ't, aber auch, daß eine zweite und eine nod) 
beiligere Cie darin zurüd hält. Es fann Beiden genügt werden. 
Ih bin bereit, Sie zu heirathen' 

Julia. Sie? j 

x Graf Bertram. Fragen Sie nicht nach dem Warum. 
E kann Ihnen gleich fein. Fürchten Sie nicht, daß ic) Liebe 
von Ihnen fodern werde. sch jelbjt kann Ihnen feine gewähren 
und werde Ihre Hand nur das eine Mal berühren, wo der 
Frieiter jie vor dem Altar in die meinige legt. Ich will Nichts, 

wals Ihrem Vater einen Schmerz und hnen eine furchtbare 
Nothwendigkeit erſparen. 

JIulia. Ha! 
Graf Bertram. Ich bin ein vornehmer Herr, ein deutſcher 








\ 


142 Julia. 15 


finſtere Schlöſſer im Norden, ei, ich bin ja ſelbſt ſo in der 
Einſamkeit aufgewachſen und weiß, wie die Menſchen da ſind; 
die pflücken keine Roſe, die nicht nachher in die Bibel gelegt 
und getrocknet würde, und wenn ein Mädchen — vornehm und 
gering, ſie ſind ſich Alle gleich! Nun, das war eine Grafen: 
tochter, und da Ew. Önaden nun einmal joldde Scrupel haben 
— gut, gut! Aber e3 giebt auch Andere, Arme — 

Graf Bertram. Und die, meint Du, darf man ruhig 
mit dem goldenen Ring an einen Leichnam fetten, die darf 
man — — nein, bewahre mich Gott in Önaden vor einer Groß: r 
muth Ddiejer Art; erwede er in mir, wenn er mid) nicht ander? 
davor ſchützen Tann, noch jet den Ahnenſtolz meines Ur-Ur—⸗ 
Großvaters, der einmal als Süngling, wie er von einer Mes— 
alliance hörte, erklärt haben jol, er werde eher um eine Löwin 
oder eine Bärin werben, ald um eine Venus aus dem Bürger: ® 
Itande. Ich ſcheue die Mißheirathen nicht fo jehr, wie er, aber 
die zwilchen Leben und Tod fcheue ic allerdings; denn ſie iſt 
die Mutter der Gejpenjter ! 

Chriſtoph. Um eine Bärin! Das war der wilde Herr 
mit der Reiherjeder auf dem Hut, dejjen Naſe man nicht mehr © 
jieht, weil die Mäufe jie aus feinem Portrait herausgefreſſen 
haben; natürliche Folge davon, daß man die Kagen zu gut bei 
uns füttert. Ich hab's taufend Mal gejagt, wenn id) Hinter die 
zreppe fufte und die zinnerne Schüfjel jtehen ſah, die immer 
voll war! ” 

Graf Bertram. Jetzt geh zum Wagen, Alter, ich folge; 
es wird fühl! 

Chriſtoph. Kühl? dur ih) Ja wohl, in Gedanken! Ich 
kann's mir recht lebhaft vorſtellen, wie angenehm es jetzt bei 
uns zu Lande von den Firnen herweht! Ja, Tyrol, Tyrol!» 
Aber hier, wo die Gier nur jo lange friih jind, als die Henne 
te noch nicht gelegt dat — — Bott, Bott, wie glücklich werde 
ih) mich Fühlen, wenn ich feine Orangen und Citronen mehr 


DL 





I6 Julia. 143 


ſehe, außer wo ſie hingehören, am Weihnachts-Abend in der 
Punſchterrine oder auf der Bratenſchüſſel im Maul eines Eber— 
kopfs! — Soll Paul näher heran fahren? Ich glaube, daß 
er's kann! 

5 Graf Bertram. Nein! (EHrtftop ab) 


Zechste Scene. 


Graf Bertram (atein. So iſt's, Jammermenſch, fo iſt's! 

Bilde Dir nicht ein, daß Du Did, zu tief herabjegen kannſt! 
Du bijt folch ein Aber der Menjchheit, das fie Enirjchend hinzu— 
10 fügt, wenn fie ihre Gäjaren und Napoleone aufgezählt hat. Ha, 
Thoten! Halt Du nit einjt von Thaten geträumt? Aber Du 
meintejt, dieje Zeit ſei nicht die Zeit der Thaten, als ob's nicht 
auch eine That wäre, ſich bereit zu halten, und nun madhtejt 
Du's, wie ein ſchlechter Soldat, der ſich auf jeinem Poiten lang 
ıs weilt, Du verjpieltejt Deine Waffen! Schaud’re! Echaud’re! 
Wie ftändeft Du da, wenn Du jebt gerufen mwürdejt! Und 
dennoch könnt' es kommen; denn die Erde bebt in ihren Feiten, 
und e3 wird jo jchwer jein, fie an Stetten zu legen, als in der 
Donnerwolfe, die finjter und geladen über ihr ſchwebt, die Blibe 
» mit einer Hand-Sprige auszulöſchen. — Und wenn daS Auge 
eines Mädchen? freundlich auf Did) blicdt, jo mußt Du das 
Deinige jchliegen und vor ihm zurüchveichen; denn nie darfit 
Du eins zum Weibe machen, Dein eigener Sohn würde Dich 
dereinit dafür auf Piltolen fodern! Was bleibt Dir? Nichts, 
» als die Hoffnung, daß es vielleicht noch irgendwo ein Loch in 
der Welt giebt, wo ein Kerl, wie Du, der nur nod Ding ilt, 
hingeſtopft werden fann, wie ein Fetzen in einen Fenſter-Riß; 
Nichts, ald ein Nachſpringen in's Waller, wenn ein Trunfenbold 
hinein fiel, um ihn zu vetten, oder, wie's Dir ging, als Du's 
30 thatjt und jelbjt unterfanfit, von ihm gerettet zu werden, Nichts, 
als — (Man hört Stimmen.) Menjchen! Ich Fann Feine jehen! (ad) 





154 Julia. 1? 


Valentino. Bortrefflih! Herrlich! 

Antonio. Wäre ich noch nicht Dein, ich würde mid Dir | 
vielleicht ergeben, aber jeßt — wie jtarb das Fräulein? 

Valentino, Wie? Nun — 

Antonio. Du bift verlegen — Sie nahm Gift? Si’ 


brauchte — (Er zeigt einen Dolch.) 
Balentino. Gift? Dolh? Das nit! O nein! PM 
hätte fie — 


Antonio. Freilich, wie hätte fie! dür ſich Willſt —n 
jie noch im Sarge befleden ? (aut) Sie war jo jung, fo id Fa) 
io blühend friſch, daß ein natürlicher Tod faſt noch unmöglicc 
erfcheint, ald ein anderer! Sahſt Du nie eine Roſe, die f \ 
jelbjt brach, weil jie zu voll war? 

Valentino. Nein! Allerdings! will ic fagen — (er — 
ein Licht aus.) So ging’! (Er zündet's wieder an.) Schnell, 
ob droben plöglid) ein Engel heiter geiworden wäre, für den 
das Hofianna fingen jolltee Sagen die Leichenfrauen nicht 
in ſolchen Fällen ? 





Antonio. Aber vorher — vorher — War jie trauriı- 
Fand man fie zuweilen — — Du bift ja der einzige Bedien 1 
im Haufe und mußtejt oft un fie Jen — — fand man fie | 


Thränen? Scien fie ji) zu grämen? Du weißt, der T 
fündigt ſich dod) gewöhnlich auf irgend eine Weife an — 
Ahnungen jtellen ſich ein, eine Niedergefchlagenheit ohne Gru Til 
bemächtigt jich de Menjchen — Wa3 bemerfteit Du? 

Valentino. Nichte! Gar Nichts! — 

Antonio. Nichts? 

Valentino. Nichts von dem, was Sie meinten. I 
war fröhlich, wie immer! 

Antonio. Das ijt nicht wahr! Dann müßt’ id) zweiſe £ 1 
daß ſie mich — — So! Fröhlid)! 

Valentino. Wenn ich jie jah! 

Antoniv. Wenn Du fie jahlt. Sa, Ja. Wenn er q! 





[2 Julia 155 


ih. Sei ruhig, wahnjinniged Herz, das es faſt tröjtlicher zu 
nden jcheint, fie gemordet zu haben, als ihr gleichgültig ge- 
'orden zu fein. | | 

Valentino. Aber ich weiß nicht, wie ich dazu fomme — 

Antonio. Deffne, öffne den Sarg! 

Valentino. Den Sarg? 

Antonio. Ich muß fie noch einmal jehen — Schnell! 
schnell! 

Valentino. Noch einmal jehen? Haben Sie jie denn 
bon gejehen? Sie jind völlig fremd in diefem Haufe, und, 
te mir däucht, auch in der Stadt. 

Antonio. Was fragit Tu viel! Nimm! (iebt ihm eine 
örie) Und öffne! 

Valentino. Der Sarg ijt verichlojjen, und der Vater hat 
en Schlüſſel. | 

Antonio. Führe mid) zu ihm, er wird barmherzig fein, 
d will ihm dafür Alles, Alles vergeben, was er an meinem 
zater und durch) den an mir verbrocden hat. 

Valentino. Verbrochen? Signor Tobaldi verbrochen ? 

Antonio. Ja! Ka! Kit der Name Grimaldi in dieſem 
Jauje unbefannt? Ich bin jein Sohn, und das Blut wallt 
nir auf, wern ich — Führ' mich zu ihm! 

Valentino. Ich darf ihn nicht jtören! 

Antoniv. Was will ih auch! Mit Blumen wird jie die 
Todes-Wunde bedeckt, mit Lächeln den Schmerz übergüldet haben, 
m jih erjt in der Nacht, auf die fein Tag mehr folgt, aus— 
meinen! Sol ih fie jtören, ſoll ich den Verdacht, der jekt 
ſchläft, wie jie jchläft, weden und — — Mein! Fahre wohl, 
sulio, fahre wohl, Du milder jhöner Stern! Mein Herz ift 
der Stein, der fi) dadurch) erwärmte, daß er Deine Stralen 
in fi fog. Nun wird er, wie jener, der nad) Sonnenuntergang 
noch dankbar fortglüht und von der Sonne zeugt, noc ein 
wenig feuchten und dann erlöfchen, wie Du! Er sieht die Piſtole 


156 Julia. I?2 < 


hervor.) a, ja, wie Du! (u Balentino Wann wird jic begraben 
und 10? 

Valentino. Heute no und auf Sanct Lorenzo. 

Antonio. Das ift da, wo die Ulmen jo düſter über dies 
Mauer jchauen. Dahin! Dahin! Dieſen Alten mögte ih zum. 
meinem Erben machen, da er mein lebter Wegweiſer iſt, ıd J 
mögte ihm den Edeljtein jchenfen, der mir jenjeit$ des Welt— 
meerd das Haus bauen jollte! Doc) nein, das Vermächtniß eine 
Räubers fönnte fchredliche Folgen für ihn haben! Eines Räuber?’ 
Du hörſt dies Wort do nit, Todte? Sonſt mögteit Du 
wieder aufitehen und Dein junges Leben von dem Menjcher mm 
zurüdfodern, der Di) zwar anders betrog, als Du vielleichr — 
glaubtejt, der Dich aber doch betrog! Ich will den Stein wegwerfen ar 
Hebe ihn auf, zu Fluch oder Eegen, wer will. Ein jpielende=: 
Kind, das nicht weiß, was es findet und den Fund wieder jüm 
eine Blume hingiebt oder — wu Ratentino Wund’re Dih nid 
über mich, Wlter! ch Habe Dein Fräulein geliebt, wenn jr = 
auch Nichts davon gewußt hat, ich habe fie oft in der Kird- = 
gejehen. 

Valentino. Darüber veriwund’re ich mid) gar nicht. C— 
it hier noch Einer in der Stadt, Anſelmo beißt er, der bez 
dieſen plöglichen Todesfall vajend geworden iſt. Man bat ihe # 
mit Striden binden müjjen, damit ev ſich nur nicht aus demsz 
senfrer ſtürzte. (eierlihh Sein Blut komme nicht über mid), 
wenn ers Doch thut. für fih) Was red' id) da wieder? unas 
Antonto) Ich Wollte nämlich nie einen Brief für ihn beitellen, 
nicht einmal Blumen und Früchte überbringen, obgleidy ich Die 
Hälfte für mich hätte behalten können. 

Antonio. Und mm — (Cr tüht den Sarg.) Heute früh, als 
id} ankam, tranf ih auf ihr Wohl und wünjchte ihr jo vielem 
Jahre, als der Sonnenjtral mir Perlen im Wein zeigte. Das 
war mein legted Glas! Nun, Alles hat ein Ende, und wenn 
morgen dod, warum nicht heut? Warum aber nicht geftern? 





112-4 Julia. 157 


könnt' ich auch fragen, könnt' ich eher fragen. Die Wunde hier, 
die mich für Monate darnieder warf, die mich in dem Augen— 
blick darnieder warf, wo ich zu ihr eilen wollte, um mit ihr 
zu entjliehen und in einem neuen Welttheil ein neue Leben 
» anzufangen, warum mußte jie wieder heilen? Wenn Einem 
meiner mißtrauifchen Teufel die Macht verliehen war, jie mir 
in der Stunde der Enticheidung zu verjeßen, warum gebrad) 
ihm die Kraft, tief genug zu jtoßen, und warum mußte jich ein 
Anderer aus jchnöder Dankbarkeit zu meinem Bejchüger und 
0 Pilger aufiverjen? Gleichviel! Nach. St. Lorenzo (av) 


Britte Bcene. 


Valentino cafein. Nah Sanıt Lorenzo! Was? Der 
will doch nicht einen Todtenträger vorjtellen, der fich jelbjt dahin 
träg? Mir grauj’t! Einer wird wahniinnig, dev Andere — — 

ss Nichts joll mich verhindern, gleich morgen zu beichten! Mein 
dar! Gott Lob, daß er nicht früher fam! Das hätte, des 
Fremden wegen, was gegeben! Wie er d’rein jchaut! Ned und 
her, als wären die Steine Ihon unter der Erde! Welche 
Strafe wohl auf einen folhen Betrug geſetzt ijt! 


ww Vierte Bcene. 


Zobaldi (tritt auf, einen erbrochenen Brief in der Hand). Du 
biſt hier? Raſch hinunter! Der Vater des jungen Anſelmo 
wird gleich Elopjen. Ich Jah ihm über die Straße gehen. Unter 
feiner Bedingung bin ich zu jprechen ! 

35 Balentino. Ich werde ihn abweijen. Sein Sohn joll — 

Zubaldi. Ich bin fein Irrenarzt. Was geht's mich an? 
Kennit Du ein Mädchen, das Haare hatte, wie meine Tochter? 
Schwarz und glänzend, da fein Unterjchted zu bemerfen wäre? 

Valentino. Die Mädchen haben Haare von allen Farben. 








158 Julia. 115.6. 


Tobaldi. Spür' Eine auf. Es hat Zeit bis morgen. Du 
mußt mir eine Locke jchaffen. Geh! | 
(Balentino ab) 


Fünfte Scene. 


Zobaldi. Ya, liebe Schweiter, Dein Wunſch ſoll erfüllt 
werden, wär’ aud nur zum Dank dafür, daß Du zur rechten: 
Zeit krank geworden bit! Du hätteſt Dir fonft Dein Recht au 
den Leichenkuß ſchwerlich nehmen laſſen, und das würde mid) ine 
Berlegenheit gejeßt haben. Nun ijt’3 bald vorüber! Wenn dieias 
Lichter niedergebrannt jind, wenn dieſe Holzkijte mit Erde bedeck 
ijt, Hab’ ich in den Augen der Welt feine Tochter mehr. Wir. 
leiht das Alles ging! 


Sechste Brene. 


Alberto tritt ein. Nun? 

Zobaldi. Dank Dir für Deinen jchwarzen Rod! I 
Herren pflegt jonit die Zahl der Raben Hinter einem Sarg nick 
zu vermehren ! 

Alberto. Und Du bijt und bleibit entichlofjen ? 

Zobaldi. Du fragit wie aus dem achten Jahre herau— 
und haſt dag Wejterhemdchen doc, wie mir däucht, fchon geraunmm 
Zeit abgelegt. Als ob ich noch zurüd fünnte! Als ob auch nı- 
eine Möglichkeit vorhanden wäre! Ich meine nur. Nidt, a 
ob ich zurüd wollte! 

Alberto. Es würde Dir nicht zur Schande gereihen! Em̃ 
jolder Betrug — 

Zobaldi. Gegen die Würmer iſt unverantwortliih! TI 
hait recht. Ich Hab’3 auch ſchon gedacht. Eine ganze Geſel 
haft zujammenbitten und eine Schüjjel ohne Braten auf de 
Tiſch stellen! Mech ein — Aber jei ruhig, fie ſind's ſchon ge 








ls Julia. 159 


wohnt, es geſchieht nicht zum erſten Mal! Ich wiederhole bloß, 
was mir längſt ein Anderer vorgemacht hat! 

Alberto. Und was alſo nicht geglückt ſein muß, weil Du 
es ſonſt nicht wiſſen könnteſt! 
5 Tobaldi. Was ſo ſehr geglückt iſt, daß man in meiner 
Geburtsſtadt noch bis zur Stunde nicht weiß, wer der Urheber 
war, und ſich das Räthſel, das der Kirchhof aufgab, durch den 
Teufel löſ't. 

Alberto. Wenn ich mir denke, daß Dein armes Kind viel- 

10 leicht hülflos und verlaffen in der Welt umher irrt — 

Zobaldi. So iſt das wahrſcheinlich eben fo richtig, als 

Denn der junge Anjelmo ich denkt, daß fie im Sarg liegt und 

in Staub zerfällt. 

Alberto. Wenn ich mir das denfe, und mich dabei er— 

15 Urunere, wie manchen Kuß fie mir vor ihrem jiebenten Jahre ge= 
geben hat — — id fage Dir, da könnt’ ich auf der Stelle 
Bun, was der junge Anjelmo thun würde, wenn er wüßte, was 
ich weiß, ich könnte mich, wie ein irrender Schäfer, aufmachen 
un) — 

20 Tobaldi. Du mürdejt fie jicher nicht finden! Sch biete 
Die Bette! Du follit jie, am hellen Sonntag Mittag, wenn Alles, 
Was Beine hat, ſpazieren geht, und Alles, was feine hat, dor der 
Thür auf der Steinbank jitt, zurücdführen, und id will Dir, 
ſobald Du den Wink giebjt, demüthig entgegen fommen und 

* vor dem Fräulein mit Handfuß auf die Knie fallen! Ich meine, 

| wenn Du fie triffit, und wenn fie will! 

Alberto. Menſch, meld ein Widerſpruch! Wie fannjt Du 

\o gut von ihr denken und jo, wie Du thuft, gegen fie handeln! 
Tobaldi. Ich denfe nicht gut don ihr, id) denke gut don 

J * ui ſelbſt! 

Alberto. Ich thäte, was ich ſagte, wenn mir nicht gerade 
ein Patient im Sterben läge, und ein Goldmacher obend'rein! 

Und die Verſicherung geb' ich Dir! Ich ſtöre Dein Vorhaben 








160 Julia. ITE 


nicht, jeßt nicht mehr! Ich werde ehrbar, wie Du jelbit, hinten 
dDiefem Sarg einherjchreiten, und mir den Mangel an Thräne 
vom gaftenden Volk ruhig auf Rechnung eines verftodten Herzen: 
ſetzen laſſen. Defjen jei aber gewiß, daß ich mich ihrer annehmen 
werde, wo und wie id) jie finde! 

Tobaldi. Ueber Nacht ſah id) ſie unter Brennneſſeln Liegen 
einen Dolch in der Brujt, und Einer jtand neben mir — viel 
leicht warſt Du's — und fragte mich: bereuft Du Nichts? Ic 
jagte: Nein! Was hälit Du von Träumen? 

Alberto. Id begreife Deine jtarre Kälte nicht! 

Zobaldi. Nein, denn Du begreifit nicht, daB man in de 
Iochter zum zweiten Mal die Mutter bejiken, und daß man % 
in ihr alfo auch zum zweiten Mal verlieren fann! Du begrei 1 
nicht, daß es Menſchen giebt, die nur einmal lieben, wie jien= 
einmal leben und jterben, und die, wenn der Tod zwilchen * 
und den Gegenſtand ihrer Liebe tritt, ihr ganzes Gefühl auf e 
Bild, das über ihren Schreibtijch hängt, übertragen Fönnen, m 
viel mehr auf eine Tochter, die — Halten wir der Todten X 
Xeichenrede, damit wir erfahren, was wir an der Nebendieg 
hatten! «tritt an den Sam Hier liegt ein Mädchen, das de 
Vater fchon bei der Geburt theuer verjchuldet ward; denn es fcı 
als Mutter-Mörderin zur Welt, es jchrieb jih mit Blut ins Bw 
der Lebendigen ein! Er würde dad Mädchen gehaßt, er wir 
es wenigſtens mit ausgedörrtem Herzen von ſich entfernt habe 
wenn der Blick der Sterbenden nicht noch im Erlöjchen auf De 
Kinde, wie auf dem legten hell gebliebenen Punct der verdunfelt« 
Erde geruht, wenn jie bei einem zufälligen Laut dejjelben nic 
noch aus dem Todesfampf heraus jelig gelächelt hätte. Nu 
mußte er es wohl lieben und an jeiner Seite behalten, er muB 
jic) dazu zwingen, dem ev mußte zittern, die Entjchlafene dur 
andere Empfindungen nod) jenfeits de Grabe zu verwunde 
Was ſiehſt Du mich an, ſieh weg, weg! 

Alberto. Ich thus ja. 





116 Julia. 161 


Zobaldi. Und e3 ging ihm wunderbar, diejem Vater. 
Anfangs konnte er das Heine Weſen, das fi) in dumpfer Ge- 
nügjamfeit an eine fremde Brujt jchmiegte und gleichgültigen 
Lippen die Küſſe aufbrüdte, unter denen die erblaßten mütter- 
| slihen wieder aufgeblüht fein würden, nicht ohne einen bitteren 
Schmerz betrachten. Aber jo wie es jich allmälig aus dem eriten 





dimmernden Nebel verfchwimmender Umrifje zu bejtimmteren 
dormen entwidelte, trat eine jolche Aehnlichfeit mit der Hinge— 
iiedenen hervor, daß ihm nach und nad) ward, als hätte er fie 

; 2nidht verloren, al3 hätte fie fih nur aus Laune oder aus Scheu 
dor ihm wieder in's Kind zurüdgezogen und made nun aus 
diejer freundlichen Maske heraus gebrochene Erfennungszeichen. 
Das Mädchen ward größer und der Traum, den ihr ftille8 Leben 
und Reben dem Vater aufichmeichelte, voller und fchöner; nie 
#5 fonnte er aufhören, jich bei dem Gedanfen an die Vorangegangene 
bereinfamt zu fühlen und zu vermifjen, was er jchon befejjen 
Batte, aber wenn er ſich auch von ihrer Gegenwart ausgeſchloſſen 
jah, jo durfte er jich einbilden, daß ihm zum Erſatz für jeine 





| 


| Entbehrung ein holder Nachgenuß ihrer Vergangenheit, ihrer 


° Kindheit und Jugend, gegönnt fei, und ihm war zuweilen, als 
ob der Heilige Duft der Blüte, den er einjog, ihn entichädige für 
den Honig der Frucht. Du haft die Abgefchiedene gefannt — — 
(tritt vom Sarg weg) 

Alberto. ch Habe, Freund, id) habe, und ihretwegen habe 
, ich dem lieben Gott feinen Rippendiebjtahl halb und halb ver- 
1 geien — verzeih, ich kann ja das Baterunfer nicht einmal mehr 
beten, ohne einen Harlekinsiprung dazwifchen zu madhen — — 
ader freilich, freilich habe ich ſie gefannt! 

Zobaldi. Du hait jie gefannt; ſprich ſelbſt, ob die Tochter 
°P Snicht geboren fchien, den Lebensfaden der Mutter nur fo wieder 
J mimehmen und ihn völlig abzufpinnen! Waren e3 denn etwa 
bloß zufällige Aeußerlichkeiten, die mich täufchten? Die Farbe 
des Haars und der Augen oder der Ton der Stimme? Sprad) 

debbel, Werte I. 11 








162 Julia. II6 


durch dieſe Augen, durch dieſe Stimme nicht dieſelbe Seele zu 
mir, die mich einit — — — Wußte id) nicht, wenn id) eine 
Frage an jie jtellte, was ſie antworten würde, weil ich mid) er= 
innerte, was die Mutter geantwortet hatte? Und konnte id) fie 
nicht, al3 jie mid um das Bild der Mutter bat, zum Spiegel 
führen, ohne ein Narr zu fein, und ſprechen: ieh Hin? Wurde 
die Nehnlichkeit, wenn noch Etwas fehlte, nicht völlige Gleichheit 
al3 fie ji), wie die ed an unjerm Hochzeitstage machte, mit ver 
wirrtem Lächeln abwandte und ihr Geſicht an meiner Bruft zu 
verbergen ſuchte? Mir war, ala ſäh' ich jie jelbit! 

Alberto. Es ijt wahr! 

Zobaldi. Mußte ich aljo der LXebenden nicht vertrauer 
wie ich der Todten vertraut hatte? Und iſt es ein Wunde“ 
wenn ich's jeßt, da die Eine mic) jo fchredlich getäufcht hat, nid 
für unmöglich halte, daß auch die Andere mich noch hätte täufche- 
fünnen, wenn jie länger — 

Alberto. Wahnjinniger! 

Zobaldi. Wahnjinnig oder nicht, ich ſage Dir, fie hat m 
ihre Mutter zum zweiten Mal ermordet, fie bat ihr Bild - 
meinem Herzen verfinitert, und darum joll fie mir fein, al! = 
fie nicht mehr in der Welt wäre! Dies Leichenbegängniß ilt fo 
bloßes Poſſenſpiel; was fie mir war, daß begrab’ ih; was vx 
ihr übrig blieb, dag gilt mir weniger al$ Nichts. 

Alberto. Jetzt zum erjten Mal gönne ic fie Dir! 

Zobaldi. Wen? 

Alberto. Die Todte! Denn jept fehe ih, daß ich D 
Unrecht that, wenn ic) glaubte, daß Du nur ein halbes Gefiz: 
für ihren Werth gehabt hättejt! 

Zobaldi. Und warum glaubteit Du das? 

Alberto. Weil Du Dich gleich, nachdem jie die Teints 
geworden war, in Dinge einließeit — 

Zobaldi. Die mir den Hals hätten fojten können, mei! 
Du. Ja, ſieh, darin unterjcheidet jich ein Mann, wie id, ve 





116-8 Julia. 163 


einem Grimaldi. Ich that's, als ich Alles gewonnen, er, als er 
Alles verloren hatte; ich, um für ein Glück, das ich nur dadurch 
berdienen zu fönnen glaubte, den Preis zu bezahlen, er, um ſich 
für jein Unglück zu rächen! 


⸗ Biebente Bcene. 


Valentino tritt ein. Ein fremder Herr bittet — 
Zobaldi. Jetzt? 
Valentino. Ein jehr vornehmer Herr! 
Alberto. Hat er Dir das gejagt? 
I Valentino. Er nicht, jein Wagen, vier Pferde und zwei 
Vediente — 
Tobaldi. it er dringend? So laß ihn kommen! Und 
hieher, damit er um fo eher wieder geht! 
Valentino. Da ijt er jchon! 





15 Achte Bcene. 


Graf Bertram (tritt ein. Ich Habe die Ehre? 

Zobaldi. Verzeihung, daß ich Sie empfange, wo Sie 
mir angemeldet wurden. 

Graf Bertram. Es gilt mir gleid)! 

» Tobaldi. Mit einem Leichenbegängniß bejchäftigt, wie ich 
din, darf ich Sie vieleicht erfuchen, mir gleich zu fagen, was 
mir das Vergnügen verjchafft — 

Graf Bertram. Mit einen Leichenbegängnig ? 

Tobaldi. Sie haben mahrjcheinlich die Bahre vor der 
xThür bemerkt. Oder war ‚fie nod) nicht gebradjt? Hier jteht 
der Sarg, und bald wird der Geiſtliche mit den Chorknaben 
erſcheinen. 

Graf Bertram. Und wen, wen begraben Sie, wenn ich 

ſtagen darf? | 

11* 





164 Zulia II 


Zobadi. Warum niht? Sie werden mir gewiß ein 
Thräne des Mitleids jchenten! Meine Tochter, meine einzig 
Tochter! Dahin gerafit, da ſie eben ala Königin des Rojen 
feſtes — | 

Graf Bertram. Ihre — Unmöglih! Unerhört! 

Zobaldi. Unerhört? Wie das? Haben Sie meine Tochte 
gefannt? Und wenn — Haben Sie nod) nie vernommen, da’ 
der Tod zumeilen ein Mädchen abruft, ehe es jich fatt ge 
tanzt hat? 

Graf Bertram. Nicht dag meine ich, nicht das! Abe 
unerhört iſt es, ahm in’s Ohr) daß man Jich unterjteht, Menfcheı 
das Leichenbegängniß zu halten, die noch leben! 

Zobaldi. Das käme freilich nicht alle Tage vor! 

Graf Bertram. Irren kann ich mich nicht, nit ir 
Haufe, nicht in Ihrer Perſon; denn Julia felbft hat mich ge 
leitet, und d’runten fißt jie verjchleiert in meinem Wagen. S— 
wagt nicht, ohne Ihre Erlaubnig Ihre Schwelle zu überjchreitem 

Tobaldi. Verſchleiert! Das gefällt mir. Da wird I 
Keiner erfennen. Nicht ohne meine Erlaubnig! Das gejüE 
mir noch mehr! 

Graf Bertram. Laſſen Sie und allen mit einande 
reden! 

Tobaldi. Warum allein? «u Doctor Alberto) Träum 
find Schäume! Das ſchöne Fräulein, wovon wir jo viel ſprache 
iſt noch weit davon entfernt, ſich durch Wallfahrten auf ung 
bahıten Wegen bei Hitze und Staub den Teint zu verderbe 
auch Hat e3 viel zu viel Reſpect vor Gottes Meijterjtüd, u 
jih mit einem fpißigen Eifen daran zu verjündigen. Es b 
findet jich in der Obhut dieſes Kavaliers, und es jpricht je 
auf ein Stindchen bei und vor, weil ed gern wiſſen mög? 
wie viel Plaiſir der alte ſpaniſche Kaifer empfand, als er ji 
bei lebendigem Leibe beijeßen jah. Gu Graf Bertram) JH ve 
muthe da3; denn daß die Dame kommt, weil jie hofft, m“ 





118 Julia. | 165 


ſchon beerben zu fünnen, mögt’ id) nicht gern annehmen. Jeden— 
falls würde ſie jich irren, der Schmerz um fie hat mid, Sie 
ſehen es felbjt, noch nicht getödtet. 
Alberto. Laß mich Iprechen ! 
5 Graf Bertram. Sa, mein Herr, helfen Sie mir einen 
Vater begütigen, der ſich gefräntt fühlen darf, ſchwer gefränft, 
der aber in Gefahr fteht, ſich an der Unschuld dafür zu rächen! 
Zobaldi. An der Unjhuld? Sit die Dame vielleicht 
plöglih mondjüchtig geworden und hat ſich in diefem Zujtand 
wurrter Räuber verirrt? in berüctigter Wald ijt freilich nah’, 
aber ich bitte doc) um Beweis! 


Graf Bertram. ihre Tochter iſt dor Gott ohne Schuld. 
=Zie würde e8 aud) vor Ihnen fein, wenn Sie in ihr Herz ge⸗ 


ſchout hätten! 


ss Tobaldi. Und warum ijt denn das, was in Diejem 


Dezzen zu leſen jteht, Ihnen jo befannt, wie ein Wirthshausſchild, 
und mir, dem Bater, fo unbefannt, wie der Inhalt eined Buchs, 
Das erſt gefchrieben werden foll? 
Graf Bertram. Alles, was jie zu verklagen jcheint, Fällt 
“den Mann zur Laſt, der fie in eine Lage verjebte, Die ſo 
durchtbar war, daß jie entfchuldigt jein muß, wenn fie ihre 
Pflicht gegen Sie nur nod) durch die Flucht aus Ihrem Haufe 
erfüllen zu fönnen glaubte. 
Tobaldi im Doctor Alberto. Du, ijt hier von meiner 
* Todter die Nede, von dem Mädchen, dad wir Beide Fennen, 
Oder von einer jüngeren Schweiter der Königin Cleopatra und 
bon ihren unbefannten Zerhältnifjen mit Cäſar und Antonius? 
Graf Bertram. Hören Eie mid. Sch bin da, um 
Wieder gut zu machen, was jchlimm gemadjt ward! 
Zobaldi. Aeußerſt gnädig! 
Graf Bertram. Ich bitte Sie um die Hand Ihrer 
Tochter! 


—2 


— a. 





166 Julia. 1I3 


Tobaldi. Schenk' mir dieß, ich hab’ Dir gejtohlen und 
mögte es gerne rechtmäßig bejigen. 

Graf Bertram. Ich bin ein deutjcher Graf, in Tyrol 
begütert, und der legte Sprofje einer der ältejten Familien. — 
Berzeiden Sie, daß id) von Dingen zu Ihnen rede, über dies 
ich jonjt nur meine Bedienten mit Thorfchreibern und Banquiers 
verhandeln iaſſe. Es kann hier nicht umgangen werden. 

Alberto. Kurioſer Mann, der Eie jind! Erjt ein Mädden 
zu entführen, dann mit ihr zurüczufehren und ehrbar bei ihrem 
Bater um fie anzuhalten! Gu Tobaldie Mber ich dächte, jebt® 
läge das Herz Deiner Tochter offen, wie ein Buch, vor Dir da 
Wenn Du auch nod) nicht weißt, was der Herr Graf anwandte, 
um jie zur Flucht zu bereden, jo mußt Du doch ſchon wiſſen, 
was fie aufbot, um ihm zur Umkehr zu bewegen. Mir däuch, 
ich jehe ihre Thränen, ihre Befchwörungen, und vielleiht W* 
Graf Bertram) finden Sie es nicht unbillig, und auch das, was 
vorherging, mitzutheilen; denn Cie begreifen, dag Ihre Han? 
lungsweiſe in unjeren Augen etwas jeltjam erfcheint! 

Graf Bertram. Denken Sie von mir, wie Sie müfl ei 
daß hier ein Geheimniß obwaltet, fühlen Sie wohl jelbit, Di" 
ich es nicht aufdeden kann, mögen Sie mir glauben, daß id 
(zn Tobatdir Ihrer Ehre auf feine Weile zu nah’ getreten Di, 
und daß Ihre Tochter Ihrer väterlidyen Achtung jo wirdig ji 
wie jte c3 war, verbürge Ihnen mein Wort! 

Alberto- wu Tobaldi. Die Dichter erzählen von König, ® 
die jih in Schäferinnen verliebten und vor der Erklärung DEN 
Zepter mit dem Hirtenſtab, den PBurpurmantel mit dem Woll⸗ 
kittel vertauſchten, um ſicher zu ſein, daß die Liebe auf ſie ſe gt 
fiele, nicht nebenbei auf die Krone. Vielleicht hat der Herr 
Graf es eben jo gemacht und zuletzt noch, um ſich zu vergewiſſe Et," 
daß er das Herz der Gelichten nicht einmal mit dem Ber te! 
theife, ein Tpfer verlangt, da$ ihr und dem Vater zugleid) po 
Herz hätte Drechen können. 





8 Julia. 167 


Graf Bertram. Vielleicht! -su Tobaldiy Meine Bitte 
be ich angebracht, darf ich — 

Zobaldi. . Sie jagen, daß meine Tochter nicht ohne meine 
claubniß die Schwelle meines Haujes überfchreiten wird. Wohl! 
ie Erlaubniß gebe ich nicht. 

Graf Bertram. Bedenken Sie, was Sie thun, id) be- 
wöre Sie! 

Zobaldi. Sie jagen, daß fie unten im Wagen vor meiner 
hür hält. Gehen Sie, und verfünden Sie ihr, daß ich ihr be- 
hle, auf der Stelle umzufehren, die Stadt zu meiden, einen 
dern Namen anzunehnen und mid nie wieder an ihr 
ajein zu erinnern. Thut fie das, jo will ich meinen Fluch 
rüdhalten, wie meinen Segen, und das ijt mehr, als jie ver— 
ent. Gejällt e3 ihr nicht, jo ijt es ihr ein Leichte, mid) vor 
ler Welt zu Schanden zu machen, fie braucht nur ihren Schleier 
rückzuſchlagen und ihr ſchönes Antlitz zu zeigen; dann aber 
erde ich, ich jelbjit das Haus meiner Väter verlajjen und als 
ı Bettler von binnen gehen, mag ſie's bewohnen, wenn der 
liß des Himmels ſie nicht wieder daraus verjagt! 

Alberto. Zobaldi! Du weißt nit — 

Tobaldi. Ich weiß, was jie gefhan hat! Was gehen mich 
te Gründe an! Gründe! Much der Bube, der Dir bei Nacht 
n Dolch ind Herz jtößt, Hat Grimde! Und freili wär's ihn 
b, wenn Dur fie anhören und ihm im PVerjcheiden noch ver- 
Hnt Die Hand reichen mögtejt! 

Graf Bertram. Und das wäre hr lebtes Wort ? 

Zobaldi. Die Nacht bricht ein, die Leichenträger müſſen 
eih hier fein. Spredyen Sie mit Ihrer Dame; ich muß wijjen, 
ich eine Tochter zu begraben vder eine Neije anzutreten habe. 
Bertram ſprechen win) Verzeihen Sie, ich kann Nicht3 weiter hören! (ab 

Alberto. Sie müjjen fort! Machen Sie an der Tochter 
t, was Sie am Vater verbraden! Sie hat in mir einen 
und, der darüber wachen wird! 


168 Julia. 19-1 ı 


Aeunte Scene. 


Julia cerſchleiert, in Hödfter Aufregung). Eine Bahre wird vc — 
dent Haufe niedergejegt — Die Wände, die Treppen-Geländume t 
jind beflort — ein Sarg! Allmächtiger Gott, wer kann da — 
liegen, al® nein Water! «Ste fällt am Sarge nieder.) 


Zehnte Bcene. 


Tobaldi (erſcheint im Hintergrunde). Doch! 

Alberto. Ja! Weil fie Dich für todt Hält! Laß fie! I 
kannſt jept einen Blid in ihr Herz thun, wie Gott! 

Julia. O Du, der Du nicht mehr fiehjt, nicht mehr hörſt, 
(aß noch einmal zu Div reden, ald ob Du noch jähejt und hörteit - 
Ich wäge meine Sünde nad ihrer Strafe und fühle Deine37 
Tod, wie einen Mord — — O, daß ich den Brautfranz im Haar 
trüge, damit ich Dir daS beweifen, damit ich ihn herabreißen und 
Dir den Menjchen opfern Fünnte, der mir das gethan hat! Jetzt 
bin ich frei von ihm, ganz frei, jetzt haſſe ic) ihn! 

Alberto. Hört Du dieß? 

Tobaldi (ehr taut). Was joll’3 mir? 

Julia cipring auf. Bin ich wahnſinnig? Wer Tiegt 
denn da? .o 

Zobaldi. Meine Tochter! 


Elfte Scene. 


Valentino tritt ein. Prieſter und Chorfnaben harren vor 
der Thür, die Leichenträger ſind im untern Saal verjammelt, 
ihon zum dritten Mal bradte ich ihnen Wein! 25 

Tobaldi. Wurde jie bemerkt, als fie in's Haus ging? 

Valentino. Kaum von mir jelbit! 

Julia. Oeffne den Sarg! Begraben joll ic) werden? Ich 
bin bereit, mich hineinzulegen! Oeffne! Ich werde nicht pochen, 





II 6 Julia. 159 


wohnt, es geſchieht nicht zum erſten Mal! Ich wiederhole bloß, 

„wa mir längſt ein Anderer vorgemacht hat! 

Alberto. Und was aljo nicht geglüdt fein muß, weil Du 
es ſonſt nicht wiſſen könnteſt! 

5 Zobaldi. Was jo jehr geglüdt ift, daß man in meiner 
Geburt3ftadt noch bis zur Stunde nicht weiß, wer der Urheber 
war, und ſich dag Näthjel, das der Kirchhof aufgab, durch den 
Teufel löſ't. 

Alberto. Wenn ich mir denke, daß Dein armes Kind viel- 

10 leicht Hülflos und verlafjen in der Welt umher irrt — 

Zobaldi. So ijt das wahrſcheinlich eben fo richtig, als 
wenn der junge Anjelmo jich denkt, daß ſie im Sarg liegt und 
in Staub zerfällt. | 

Alberto. Wenn ich mir das denke, und mid) dabei er= 

15 innere, wie manchen Kuß jie mir vor ihrem ftebenten Jahre ge= 
geben Hat — — ih ſage Dir, da könnt' ih auf der Stelle 
thun, was der junge Anjelmo thun würde, wenn er wüßte, was 
ich weiß, ich Fönnte mid), wie ein irrender Schäfer, aufmachen 
und — 

20 Tobaldi. Du würdeſt ſie ſicher nicht finden! Ich biete 
die Wette! Du ſollſt ſie, am hellen Sonntag Mittag, wenn Alles, 
was Beine hat, ſpazieren geht, und Alles, was keine hat, vor der 
Thür auf der Steinbank ſitzt, zurückführen, und ich will Dir, 
ſobald Du den Wink giebſt, demüthig entgegen kommen und 

25 vor dem Fräulein mit Handkuß auf die Knie fallen! Ich meine, 
wenn Du fie triffit, und wenn fie will! 

Alberto. Menſch, wel ein Widerſpruch! Wie kannſt Du 
jo gut von ihr denken und jo, wie Du thuft, gegen fie handeln! 
Tobaldi. Ich denfe nicht gut von ihr, ich denfe gut von 

so mir jelbjt! 

Alberto. Ich thäte, was ich jagte, wenn mir nicht gerade 
ein Patient im Sterben läge, und ein Goldmacher obend'rein! 
Und die Verjiherung geb’ ih Dir! Ich jtöre Dein Vorhaben 





7 


160 Julia. II6 


nicht, jegt nicht mehr! Ach werde ehrbar, wie Du jelbit, hinter 
diefem Sarg einherjchreiten, und mir den Mangel an Thränen 
vom gaffenden Volk ruhig auf Rechnung eines verjtodten Herzens 
jegen lajjen. Deſſen fei aber gewiß, daß ich mid) ihrer annehmen 
werde, wo und wie ich jie finde! 5 

Zobaldi. Ueber Nacht fah id) fie unter Brennneſſeln Liegen, 
einen Dolch in der Brujt, und Einer jtand neben mir — viel: 
leicht warſt Du's — und fragte mid): bereut Du Nichts? Ich 
jagte: Nein! Was Hälit Du von Träumen? 

Alberto. Ich begreife Deine jtarre Kälte nicht! 10 

Zobaldi. Nein, denn Du begreifit nicht, daB man in der 
Tochter zum zweiten Mal die Mutter bejigen, und daß man jie 
in ihr alſo auch zum zweiten Mat verlieren fann! Du begreifit 
nicht, daß es Menschen giebt, die nur einmal lieben, wie jie nur 
einmal leben und jterben, und die, wenn der Tod zwiſchen ſie ss 
und den Gegenjtand ihrer Liebe tritt, ihr ganzes Gefühl auf ein 
Bild, das über ihrem Schreibtifch hängt, übertragen können, wie 
viel mehr auf eine Tochter, die — Halten wir der Todten die 
Xeichenrede, damit wir erfahren, was wir an der Lebendigen 
hatten! (tritt an den Sarg Hier liegt ein Mädchen, das dem" 
Vater ſchon bei der Geburt theuer verjchuldet ward; denn es fam 
als Mutter-Mörderin zur Welt, es jchrieb jich mit Blut in's Bud 
der Lebendigen ein! Er würde dad Mädchen gehaßt, er würde 
es wenigjtens mit ausgedörrtem Herzen von jich entfernt haben, 
wenn der Blick der Sterbenden nicht noch im Erlöſchen auf dem $ 
Ntinde, wie auf dem legten hell gebliebenen Punct der verduntelten 
(Erde geruht, wenn jie bei einem zufälligen Laut deijelben nicht 
noc) aus dem Todesfampf heraus ſelig gelächelt hätte. Nun 
mußte er es wohl lieben und au feiner Seite behalten, er mußte 
ji) dazu zwingen, denn er mußte zittern, die Entjchlafene durd) ® 
andere Empfindungen noch jenjeits des Grabes zu verwunden. 
Was ſiehſt Du mich an, ſieh weg, weg! 

Alberto. Ich thu's ja. 





IIIIAIIII Julia. 171 


Zwölfte Scene. 


Die Leichenträger (erſcheinen im Hintergrunde). 


Valentino (olgt innen. Nun fällt mir der mit der Piſtole 
wieder ein, der auf dem Kirchhof harrt! Was ſoll ic) machen, 
5 wenn der — (Gr madt die Pantomime des Erſchießens.) Soll ich ihn 
ruhig gewähren laſſen, als ob er unter die Spaten im Kirjd)- 
baum jchöße, oder foll ih — Gern bliebe ich hier, aber id) 
muß ja mit hinaus! | 

Die Leichenträger (faſſen den Sarg an. Geſang hinter der Scene). 


2 Dritter Art. 


Erfie Scene. 


Graf Bertram. Julia. Alberto (treten auf). 


Graf Bertram. Nun wird Ihrem Freunde genug ges 
ſchehen jein! Die Trauung it vollzogen, Sie felbit find Zeuge 
15 geweſen, und bier it das Wittwen-Inſtrument. Leſen und prüfen 
Sie's! | 
\ Alberto (thut'ss. Nach Ihrer Großmuth mejje ich Ihre 
Liebe! Mit Ruhe reife ich zurüd und lafje dies Kind in Ihren 
Händen! 6Gu Jutiad Danfen Sie Ihrem Gemahl! Er hat Ihnen 
» für einen Fall, von dem ich hoffe, dal er nicht kommen wird, 
dies ganze Gut vermadt. Zwar bedurften Sie dejjen nicht, 
denn aud) id — Doch, das brauchen Sie erſt zu erfahren, 
wenn ich todt bin! 

Graf Bertram. ch beflage nur, daß id) nicht Italiens 
sewig blauen Himmel darüber ausfpannen lafjen kann. Gu At: 
derto— Jetzt mögte ich um ein paar einſame Minuten mit meiner 
Gemahlin bitten! Sie verzeihen mir's gewiß! 









162 Julia. Ib 


durch diefe Augen, durch diefe Stimme nicht dieſelbe Seele zu 
mir, die mich einitt — — — Wußte ich nicht, wenn ich eine 
Trage an jie jtellte, wa3 jie antworten würde, weil ich mid) er: 
innerte, wa$ die Mutter geantwortet hatte? Und konnte ich ſie 
nicht, al& jie mih um dad Bild der Mutter bat, zum Spiegel 
führen, ohne ein Narr zu fein, und ſprechen: jieh Hin? Wurde 
die Nehnlichkeit, wenn noch Etwas fehlte, nicht völlige Gleichheit, 
als fie jich, wie die es an unjerm Hochzeitstage madjte, mit ver: 
wirrtem Lächeln abwandte und ihr Geſicht an meiner Bruſt zu 
verbergen ſuchte? Mir war, als ſäh' ich ſie felbit! 10 

Alberto. Es it wahr! 

Zobaldi. Mußte ich alfo der Lebenden nicht vertrauen, 
wie ich der Todten vertraut hatte? Und ilt e8 ein Wunder, 
wenn ich's jetzt, da die Eine mic) fo jchredlich getäuscht hat, nicht 
für unmöglid) halte, daß aud) die Andere mid) noch hätte täuschen 15 
fünnen, wenn jie länger — 

Alberto. Wahnjinniger! 

Zobaldi. Wahnjinnig oder nicht, ich ſage Dir, fie hat mir 
ihre Mutter zum zweiten Mal ermordet, fie hat ihr Bild in 
meinem Herzen verfinjtert, und darum foll fie mir fein, als ob» 
jie nicht mehr in der Welt wäre! Dies Leichenbegängnif ift Fein 
bloßes Pofjenjpiel; was jie mir war, das begrab’ ich; was von 
ihr übrig blieb, das gilt mir weniger ald Nichte. 

Alberto. Jetzt zum erjten Mal günne ich fie Dir! 

Zobaldi. Wen? * 

Alberto. Die Todte! Denn jetzt ſehe ich, daß ich Dir 
Unrecht that, wenn ich glaubte, daß Du nur ein halbes Gefühl 
fir ihren Werth gehabt Hättejt! 

Zobaldi. Und warun glaubteft Du das? 

Alberto. Weil Du Dich gleich, nachdem jie die Deinige x 
geworden war, in Dinge einliegeit — 

Tobaldi. Die mir den Hald hätten koſten können, meinit 
Du. a, tieh, darin unterjcheidet jich ein Mann, wie ic), von 


1 





116-8 Julia. 163 


einem Grimaldi. Ich that's, als ich Alles gewonnen, er, als er 
Alles verloren Hatte; ich, um für ein Glück, das ich nur dadurch 
verdienen zu fünnen glaubte, den Preis zu bezahlen, er, um jich 
für jein Unglüd zu rächen! 


5 Biebente Bcene. 


Balentino (tritt eim. Ein fremder Herr bittet — 

Zobaldi. Jetzt? 

Valentino. Ein jehr vornehmer Herr! 

Alberto. Hat er Dir das gejagt? 

10 Valentino. Er nicht, jein Wagen, vier Pferde und zwei 

Bediente — 

Zobaldi. Sit er dringend? Co laß ihn kommen! Und 
hieher, damit er um fo eher wieder geht! 

Valentino. Da ijt er fchon! 


15 | Achte Bcene. 


Graf Bertram (titt ein). Ich Habe die Ehre? 

Zobaldi. Verzeihung, daß ich Sie empfange, wo Cie 
mir angemeldet wurden. 

Graf Bertram. €E3 gilt mir gleich! 

20 Zobaldi. Mit einem Leichenbegängniß bejchäftigt, wie ich 
bin, darf ich Sie vielleicht erjuchen, mir gleich zu jagen, was 
mir das Vergnügen verſchafft — 

Graf Bertram. Mit einem Leichenbegängniß ? 
Tobaldi. Sie haben wahrjcheinlid die Bahre vor der 

5 Thür bemerkt. Oder war fie noch nicht gebraht? Hier jteht 
der Sarg, und bald wird der Geijtliche mit den Chorfnaben 
erſcheinen. 

Graf Bertram. Und wen, wen begraben Sie, wenn id) 
fragen darf? 
11* 





164 Julia II8 


Zobaldi. Warum nit? Sie werden mir gewiß eine 
Thräne des Mitleids fchenten! Meine Tochter, meine einzige 
Tochter! Dahin gerafft, da ſie eben als Königin de Rojen- 
feſtes — | 


Graf Bertram. Ihre — Unmöglih! Unerhört! 5 
Tobaldi. Unerhört? Wie das? Haben Sie meine Tochter 
gefannt? Und wenn — Haben Sie nody nie vernommen, daß 


der Tod zuweilen ein Mädchen abruft, ehe es ich fatt ge: 
tanzt hat? 

Graf Bertram. Nicht dad meine ich, nicht das! Aber »o 
unerhört ijt es, (Hm in’s Ohr) Daß man jich unteriteht, Menjchen 
da3 NLeichenbegängniß zu halten, die noch leben! 

Zobaldi. Das käme freilich nicht alle Tage vor! 

Graf Bertram. Irren fann id) mid) nicht, nicht im 
Haufe, nicht in Ihrer Perſon; denn Julia ſelbſt hat mich ge: = 
leitet, und d’runten ſitzt fie verjchleiert in meinem Wagen. Sie 
wagt nit, ohne Ihre Erlaubniß Ihre Schwelle zu überjchreiten. 

Zobaldi. Verfchleiert! Das gefällt mir. Da wird fie 
Keiner erkennen. Nicht ohne meine Erlaubnig! Das gefällt 
mir noch mehr! v 

Graf Bertram. Laſſen Sie uns allein mit einander 
reden! 

Tobaldi. Warum allein? (su Doctor Alberto) Träume 
jind Schäume! Das jchöne Fräulein, wovon wir fo viel ſprachen, 
it noch weit davon entfernt, ſich durch Wallfahrten auf unge: 
bahnten Wegen bei Hite und Staub den Teint zu verderben, 
auch Hat e3 viel zu viel Reſpect vor Gottes Meijteritüd, um 
jih mit einem fpitigen Eifen daran zu verjündigen. Es be: 
findet ji in der Obhut dieſes Kavaliers, und es fpridht jept 
auf ein Stündchen bei und vor, weil es gern wiſſen mögte, v 
wie viel Plaiſir der alte ſpaniſche Kaiſer empfand, al® er id 
bei lebendigem Leibe beiſetzen ſah. Gu Graf Bertram) Ich ver: 
muthe das; denn da die Dame kommt, weil fie hofft, mid) 





118 Julia. 165 


ſchon beerben zu fünnen, mögt' ich nicht gern annehmen. Jeden- 
falls würde jte ji irren, der Schmerz um fie hat mid, Sie 
jehen es jelbjt, noch nicht getüdtet. 

Alberto. Laß mich |prechen ! 

5 Graf Bertram. Ya, mein Herr, helfen Sie mir einen 
Vater begütigen, der ſich gefränft fühlen darf, ſchwer gefräntft, 
der aber in Gefahr jteht, ji) an der Unſchuld dafür zu rächen! 

Zobaldi. An der Unjihuld? Iſt die Dame vielleicht 
plötzlich mondſüchtig geworden und hat jich in diefem Zujtand 

10 unter Räuber verirrt? Ein berüdtigter Wald ift freilich nah’, 
aber ich bitte doc) um Beweis! 


Graf Bertram. Ihre Tochter ift vor Gott ohne Schuld. 
Sie würde ed auch vor Ihnen fein, wenn Sie in ihr Herz ge- 
ſchaut hätten! 
15 Zobaldi. Und warum ijt denn das, was in dieſem 
Herzen zu leſen jteht, Ihnen jo befannt, wie ein Wirthshausſchild, 
und mir, dem Vater, jo unbefannt, wie der Inhalt eines Buchs, 
das erſt gejchrieben werden joll? 
Graf Bertram. Alles, was fie zu verklagen jcheint, fällt 
zo dem Mann zur Laft, der fie in eine Lage verjeßte, die ſo 
furchtbar war, daß fie entichuldigt fein muß, wenn jte ihre 
Pfliht gegen Sie nur noch durch die Flucht aus Ihrem Haufe 
erfüllen zu können glaubte. 
Tobaldi iu Doctor Alberto. Du, ijt Hier von meiner 
5 Tochter dic Nede, von dem Mädchen, daS wir Beide Tennen, 
oder von einer jüngeren Schweiter der Königin Cleopatra und 
von ihren unbefannten Verhältniffen mit Cäfar und Antonius? 
Graf Bertram. Hören Sie mid. Ich bin da, um 
wieder gut zu machen, was jcehlimm gemacht ward! 
x Zobaldi. Aeußerſt gnädig! 
Graf Bertram. Ih bitte Sie um die Hand Ihrer 
Tochter! 





166 Julia. Il 


Tobaldi. Schenk' mir dieß, ich hab's Dir gejtohlen und 
mögte es gerne rechtmäßig bejigen. 

Graf Bertram. Sch bin ein deuticher Graf, in Tyrol 
begütert, und der legte Sprofje einer der älteiten Yamilien. — 
Berzeihen Sie, daß ich von Dingen zu Ihnen rede, über die 
ich jonjt nur meine Bedienten mit Thorichreibern und Banquiers 
verhandeln laſſe. Es kann hier nicht umgangen werden. 

Alberto. Kurioſer Mann, der Eie jind! Erſt ein Mädchen 
zu entführen, dann mit ihr zurüdzufehren und ehrbar bei ihrem 
Bater um fie anzuhalten! Gu Zodardir Aber ich dächte, jetzt zo 
läge das Herz Deiner Tochter offen, wie ein Bud, vor Dir da! 
Wenn Du auch noch nicht weißt, was der Herr Graf anıvandte, 
um jie zur Flucht zu bereden, jo mußt Du dod ſchon willen, 
was jie aufbot, um ihn zur Umkehr zu bewegen. Mir däudt, 
ich jehe ihre Thränen, ihre Beihwörungen, und vielleicht au % 
Graf Bertram) finden Sie es nicht unbillig, und auch das, was 
vorherging, mitzutheilen; denn Sie begreifen, daß Ihre Hand: 
lungSweije in unjeren Augen etwas ſeltſam erjcheint! 

Graf Bertram. Denken Sie von mir, wie Sie müjjen; 
day hier ein Geheimniß obwaltet, fühlen Sie wohl jelbit, day ® 
ich es nicht aufdeden Fan, mügen Sie mir glauben, daß id 
ist TZobatdi Ihrer Ehre auf feine Weile zu nah’ getreten bin, 
und daß Ihre Tochter Ihrer väterlichen Achtung jo würdig it, 
wie ſie es var, verbürge Ihnen mein Wort! 

Alberto - su Tobaldie. Die Dichter erzählen von Stönigen, # 
die ſich in Schäferinnen verliebten und vor der Erklärung den 
Zepter mit dem Hirtenitab, den Purpurmantel mit dem Woll- 
fittel vertaujchten, um jicher zu jein, daß die Liebe auf fie jelbit 
fiele, nicht nebenbei auf die Krone. Miclleiht bat der Herr 
Graf es eben jo gemacht und zuleßt noch, um jich zu vergewiſſern, so 
daß er das Herz der Geliebten nicht einmal mit dem Water 
theile, ein Tpfer verlangt, das ihr und dem Vater zugleich das 
Herz hätte brechen fünnen. 











118 | Julia. 167 


Graf Bertram. Vielleicht! -su Tobaldy Meine Bitte 
habe ich angebradjt, darf ih — | 

Zobaldi. . Sie jagen, daß meine Tochter nicht ohne meine 
Erlaubniß die Schwelle meine Haujes überjchreiten wird. Wohl! 

5 Die Erlaubnig gebe ich nicht. 

Graf Bertram. Bedenfen Sie, was Sie thun, ich be- 
ſchwöre Sie! 

Zobaldi. Sie jagen, daß fie unten im Wagen vor meiner 
Thür hält. Gehen Cie, und verkünden Sie ihr, daß ich ihr be— 

0 fehle, auf der Stelle umzufehren, die Stadt zu meiden, einen 
andern Namen anzunehmen und mich nie wieder an ihr 
Dafein zu erinnern. Thut fie dad, fo will ich meinen Fluch 
zurüdhalten, wie meinen Segen, und das ijt mehr, als jie ver- 
dient. Gefällt e& ihr nicht, jo iſt es ihr ein Leichtes, mich vor 

15 aller Welt zu Schanden zu machen, jie braucht nur ihren Schleier 
zurüdzujchlagen und ihr ſchönes Antlitz zu zeigen; dann aber 
werde ich, ich jelbjt daS Haus meiner Väter verlajjen und als 
ein Bettler von hinnen gehen, mag ſie's beivohnen, wenn der 
Blip des Himmel3 ſie nicht wieder daraus verjagt! 

20 Alberto. Zobaldi! Du weißt nicht — 

Tobaldi. Ich weiß, was jie gefhan hat! Was gehen mic) 
ihre Gründe an! Gründe! Much der Bube, der Dir bei Nadıt 
den Dolch ind Herz jtößt, Hat Gründe! Und freilic” wär's ihm 
lieb, wenn Du fie anhören und ihm im Berjcheiden noch ver- 

35 jöhnt die Hand reichen mögtejt! 

Graf Bertram. Und das wäre hr lebte Wort? 

TIobaldi. Die Nacht bricht ein, die Leichenträger müſſen 
gleich hier fein. Sprechen Sie mit Ihrer Dame; ich muß wiljen, 
ob ich eine Tochter zu begraben vder eine Reiſe anzutreten habe. 

3 (da Bertram fpregen win) Verzeihen Zie, ic) kann Nichts weiter hören! (ad) 

Alberto. Sie müjjen fort! Machen Sie an der Tochter 
gut, was Sie am Bater verbradien! Sie hat in mir einen 
Freund, der dariiber wachen wird! 








178 Julia. IT 


(Srabe, das id — ha, ha, ha! für dag Ihrige halten mußte 
er wurde durch den alten Diener Ihres Vaters vereitelt, d 
als ih mid) in die weiche Erde über Ihrem leichnamlo 
Sarg eben mit halbem Leibe hineingewühlt hatte und nun & 
Hahn meiner Piſtole aufzog, hinter einem Grabjtein hervorſtür 
und mir zähnflappernd zujchrie, Sie lebten noch. Bon ein 
Griff an die Kehle des feigen Plauderers, durch den ich ı 
jo in Schreden jagte, daß er ſich gegen mich ausjchüttete, | 
ob ich fein Beichtvater wäre — das Alles veriteht ji x 
jelbjt, denn wie hätte ich Ihren gräflichen Sig entdeden joll: 
wenn er mir ihn nicht aus Reſpect vor meiner Piltole v« 
vathen hätte! Wer wird bei jolchen Alltäglichkeiten vermeile 
wo es Wunder aufzulöjen giebt! Und Ihr Scheinbegräbni 
Ihre Auferftehung von den Todten, Ihre Heirath, das ji 
Wunder, über die ich meinen Verſtand verlieren werde, wen 
Sie den Ihrigen nicht verloren haben. 

Julia. Sie jprechen von einem Rendezvous. Ich ver 
zeihe Ihnen das. Uber, mas bedeutete e&, dies Rendezvous 
Warum bemwilligte ich es Ihnen? Wozu war ich bereit? 

Antonio. Sie wollten mir folgen! 

Julie. Und was, was konnte mich zu einem Schr 
drängen, der für ein Mädchen jc ungeheuer war, daß Sie jelb 
ihn im Anfang nit ohne Zittern don mir zu verlange 
wagten ? 

Antonio. Der Wunſch dacht” ich, mir den höchiten B 
weis Ihrer Liebe zu geben, das Gefühl, mir ihn ſchuldig zu jeiı 

Julia. Nein! Das Bemwußtjein, Ihnen ihn ſchon gegeb 
zu haben! 

Antoniv. Die? 

Julia. War eS edel, mich jo weit zu bringen, daß n 
feine Wahl mehr blieb? War es auch nur jtolz ? 

Antonio. Julia, das hab’ ich nicht geahnt! Das t 
Du mir nidt — | 





| 


| 


und mir! 





115 Julia. 179 


Julia. Das hättejt Tu ahnen follen! Tag lag in meinem 
Entihlug! Hätt' ich meinen Vater verlaffen fünnen, wenn ich 
mir nicht hätte jagen müſſen, daß mein Bleiben ihm ein noch 
größeres Yeid bereitete, ald meine Flucht? 
> Antonio, Und wenn — Nichts in der Welt kann mein 
Weib rechtfertigen, daß fie das Weib eines Andern geworden 
it. Nichts in der Welt, und das am wenigiten! 

Julia. Nichts in der Welt, wenn jie es anders, als zum 
Schein geworden wäre! 

v _ Antoniv. Nie? Verſteh' ich Di? (aßt ihre Sand) 

Julia. O nein! Jurüd! Zwiſchen Dir und mir jteht 
mein Gemahl! 

Antonio. Ha! 

Julia. Steht mein Gemahl, wie Du. zwifchen ihm 


Antonio. Wie ih zwiihen ihm und Dir? . Dann lagit 
Lu nie an jeiner Brujt! Kannſt Du mir das jchwören ? 
Julia. Nein! Denn einmal gejchah’s! Aber es war den 
Abend, als die Grahgefänge, die mir galten, auf der Straße 
» angeitimmt wurden, als der Flackerſtral der Leichenfackeln grell 
durh das Fenſter Drang, von dem aus id), die Lebendige, auf 
das Begräbniß herabjah, das ein unerbittliher Vater mir troß 
meiner Zurückkunft ausrichten ließ. Wie aus dem Hungrigen 
uud der Erde herauf ſchien mir dies dumpfe de profundis 
su dringen, ich dachte, jie werde jich gleich jchütteln und einen 
ihrer Todten weden, damit er jeine Knochen zufammenleje und 
flappernd hinter mich trete, um mid) in ihren hungrigen Schlund 
hinein zu jcheuchen, mir war, als müßte ich aus dem Fenſter 
Ipringen und dem Zug voran eilen. Ich taumelte, ich ſank um, 
und mein Gemahl, der edle Mann, der jebt mein Gemahl it, 
fing mich in jeinen Armen auf! 
Antoniv. Das hieß, zwiſchen Teinen Kopf und den 
nächſten Tiich treten, an dem Du Dir ihn jonjt vielleicht zer— 
12* 





170 - Julia. It 


Lode kannſt Du mir zurüdlaffen! Eine oder zwei! Nicht für 
mih! Meine Schweiter will ein Andenken, und mer weiß, wer 


noch ſonſt! 
Alberto (u Graf Bertram). Ihr Name? 
Graf Bertram. Graf Bertram. 5 


Alberto. Aus Tyrol! Wohl. Gehen Sie! Mich fehen 
Sie bald! 

Graf Bertram und Julia :av. 

Zobaldi. So weiß ih nun doch auch, wie mein Eidam 
heit! Gu Valentino) Die Träger! » 

Valentino. Graf Bertram! Daß ich's nur nicht ver: 
geſſe! Vollſtändige Beichte, volljtändige Abſolution! Aus 
Tyrol! (ab 

Alberto. So ſchickſt Dur jie wirklich ohne Schuß und Bei: 
jtand mit dem Fremden in’3 ferne Land, und — 16 

Zobaldi. Vorhin war Einer da, der auf'3 Gerathewohl 
ausziehen wollte, jie zu juchen, und nun will er jie nicht einmal 
begleiten oder ihr folgen? Nun, er thue eg, er unterlajje es, — 
mir iſt Beides recht! 

Alberto. Ich wollte ihn nur verjuchen! Julia, Du hait © 
gejiegt, obgleich er es Steinen eingejtehen wird, nicht einmal lid 
jelbjt! Nun, daS muß er mit Deinem Berluft bezahlen! — 4 
reife mit. Bei dem Kuß, den ich Deiner Mutter im Sarg auf 
drüdte! Bei der Liebe, die ich früher für fie fühlte, als Dein 
Bater, und die ich ihr nie verrieth, weil fie nur Augen für dies ss 
Muttermahl auf meiner Stirn zu haben fchien. Bei dem Frei— 
werberamt, das ich fpäter, um ihr Herz noch bejjer zu prüfen, 
für Deinen Vater übernahm! ch werde Dich nie, nie verlafien! 

Tobaldi. Ich will fie nie wieder jchen! Aber — id 


fann wieder anders von ihr denken! ” 











IIE5 Julia. 181 


Nur weil ſie meine Schritte ausgekundſchaftet hatten, weil ſie 
ahnten, daß ich ein neues Leben in einem neuen Welttheil an— 
zufangen und nie mehr zu ihnen zurückzukehren dachte, vertraten 
fie mir in offener Empörung mit dem Dolch in der Fauſt den 
sWeg und warfen mid) nieder. 
Julia. Menſch, was redeit Du? 
Antoniv. Zritt drei Schritte zurüd, ſchrei um Hülfe, ich 
bin ein Näuberhauptmann aus den Abruzzen! 
Julia (chnel). Leiſe! Aber weiter, weiter! Denn Du mußt 
„viel, jehr viel hinzuzufügen haben! 
Antonio. Ich Habe Nichts hinzuzufügen, denn ich kann 
nicht jagen, daß ich log. 
Julia. Und id, ich kann nicht glauben, daß Du raubjt 
und mordeit, wie Andere jagen und filchen, ich kann nicht 
glauben, daß ich mich jo ganz in Dir getäufcht habe, ich kann 
nicht glauben, daß jih ein Menſch jo ganz in dem andern 
taͤuſchen kann! 
Antonio. Höre, wie ich's wurde, vielleicht entſchuldigt's, 
daß ich's bin! Mein Vater war daſſelbe, mein Loos war ent— 
sihieden, ehe ich meinen erſten Gedanken dachte! 
Julia. Wehe der Welt, daß das möglich iſt! 
Antonio. Und wehe dem Menſchen, den es trifft! Doch 
dauerte es lange, ehe ich mir des Fluchs meiner Geburt bewußt 
„J Dad, und mein Vater that Alles, um es mir auf immer zu 
J  etbergen, aber es war umfonjt! Er ließ mid) in tiefiter Ein- 
nmfeit bei einem alten Köhler aufziehen, der Nichts von ihm 
wußte, als daß er geächtet war und bei den Thieren der Wild- 
niß die Zuflucht juchen mußte, die er bei den Menjchen verwirkt 
hatte. Ich wuchs in einem Walde auf, wegen defjen die Land- 
Straße jelbjt furchtſam einen Umweg macht, und in den jich jogar 
der Sonnenitraf, dem doc Niemand fein Gold rauben kann, 
nur jelten hinein verirrt; id) lernte alle Schlangen eher Fennen, 
ald einen einzigen Schmetterling. Mein Vater ging ab und zu; 





182 Nulia. - 1: 


ui 


zuweilen fam er oft und blieb lange, dann lehrte er mic Schießen 
und sechten, auch Leſen und Schreiben und Manches mehr; zu 
weilen verichwand er ganz, dann ſagte der Köhler: nun habe 
fie ihn wohl erwiſcht, und hielt mich noch fleißiger, wie ſonſt, zur 
Beten an. So legte ich ein Jahr nad) dem andern zurüd; mei 
Vater erichien troß der ängjtlichen Zwiſchenpauſen immer wiede 
verrieth mir aber, auch wie ich größer und größer wurde, nid 
das Mindeſte von feiner Sandthierung; nur das kommt mir 
der Erinnerung unheimlich vor, daß er mir einjt jein Mefie 
aus jeinem gewöhnlichen finiteren Brüten plötzlich auffahren! 
mit zorniger Heftigfeit entriß, als ich es vom Tiſch, an deme 
jaß, wegnahm, un eine Melone damit zu zertheilen. 

Julia. Ha! Da dämmert's! 

Antonio. Dagegen gingen wir nun, wenn er da war, ji 
jammen auf die Eberjagd, und als ich mid) dabei eines Tage 
beſonders gut hielt, vief er aus: „Nun ijt der Soldat bald fertig: 
„Ein Soldat? — jragt’ ich und fah von dem ber, in deſſe 
Eingeweiden id) wühlte, auf — was ift dag?" „Ein Kerlii 
bunten Rod — verjeßte ev — der jo auf Menjchen los geh 
wie Du auf wilde Thiere, und der um jo höher gejchägt mir 
je ärger er's treibt; willft Du nicht Einer werden?” Gewi 
hatte er nur darum bei Zeiten einen guten Jäger aus mir Q 
macht, damit ich mich fpäter um jo beſſer zum Soldaten jdid 
möge, und vielleicht war der Tag, an dent er mich aus der Cü 
jamfeit in die Welt entlajjen wollte, jchon nahe genug, al 
Alles jchlug zum Unheil aus. Einmal war ich allein in d 
Wald gegangen, und als ich von meiner Streiferei zurückkehr 
die Büchſe nod) geladen im Arm, und ungeduldig noch auf d 
Heimweg nad) etwas Hüpfendem und Springendem herumijpähe 
da3 den gejparten Schuß werth jei, da jah ich die Köhlerhi 
von Buntröcken umringt, die wirklich jo auf meinen Vater | 
gingen, wie ich damals auf den Eber. Er wehrte ſich tap 
aber ihrer waren zu viele, ſie wurden Herr über ihn und war 





——r in To — — 





15 Julia. 183 


ihn zu Boden; ich legte an, ich drückte ab, und ich glaubte zu 
thun, was Niemand ſchelten könne. Es ſtürzte Einer, und mein 
Vater erhub ſich wieder; aber er entſetzte ſich, als er mich er- 
blidte, und gebot mir mit Angſt, ja mit Born und Wuth, zu 
s fliehen. Ich gehorchte nicht, ich Iud auf’ Neue, doc) ehe ich noch 
einmal abdrücken fonnte, ward ich hinten von einem ſtarken Arm 
gepadt und in's Gebüſch geriſſen. Ein häßlicher Menſch von 
rieſigen Knochenbau hatte mir dieſen unwillkommenen Dienſt 
erwieſen; kannſt Du nicht zählen? — ſprach er mit heiſ'rer 
» Stimme — wie wäre der noch zu retten? nur rächen kann man 
in! Ich kannte den Menichen, er war mir ſchon hin und 
wieder im Walde begegnet, aber er war mir immer mit jonder- 
barer Scheu auögewichen und hatte ſich ſogar, als id) ihn ein- 
mal anredete, taub und ſtumm geitellt.e Ihm und allen feinen 
someraden war ed, wie ich fpäter .erfuhr, bei Todesftrafe von 
meinem Vater verboten worden, mich anzujprechen oder mir auch 
nur Antivort zu geben, und dad rührte mid) tief, denn es be= 
wies mir, wie ernft e3 ihm darum zu thun gewejen war, mein 
Shidjal von dem feinigen zu trennen. Jetzt gab der Menſch 
ah mir ala einen Gefährten meines Vaters fund und berichtete 
mir mit fchlecht verhehfter Schadenfreude Alles, was ich nicht 
wußte, und was ich nie hätte erfahren jollen. Ich hörte mit 
Shaudern von ihm, daß ich nicht cine heilige Pflicht erfüllt, 
jondern ein todeswürdiges Verbrechen begangen hatte, als ich 


; smeinen Vater vertheidigte, dann fuhr er mir frech mit feinen 


| 
j 


keifen Singern durch die Haare und rief: diefer Kopf gehört 
et nicht mehr Dir, und es handelt ſich nur noch darum, ob 
Lu ihn gleich jetzt höflich hingeben oder wie theuer Du ihn ver- 
taufen willſt. Ich ſtieß mit dem Fuß nach ihm, als ob er mid) 
»;zu dem gemacht hätte, was ich jo plößlich geworden war, id) 
legte die Büchfe auf ihn an. Hei, noch ſeh' ich ihn, wie er 
vor mir zurüdwid, und wie die magere Schlange, auf Die er 
trat, als er's that, ji) ihm zifchend und züngelnd um's Bein flocht! 





184 Aulia. IIL 


Julia. Aber Du jtießejt ihm nicht immer mit dem Fu 

Antonio. Wie jollt!' ih! Da ſtand ich — ausgeſtoß 
aus dem Kreiſe der Menjchheit — jeder Arm gegen mid), d 
Mörder, bewaffnet — mußt’ ich nicht jchwindeln, wie bei ein« 
Erdbeben, mußt‘ ich die einzige Hand, die mir geboten ma 
nicht ergreifen? a, ich hörte zu beten auf, und ich fing e 
wieder an, als ich Dich zum eriten Mal — Was ſoll's! 
war ja auch Narrheit! 

Julia. Antonio! 

Antonio. Auf jenen düjtern Tag folgte ein zweiter! — 
ah das Haupt meines Vaters fallen! Fühlit Du, was das heif 
Ihn Hatte ich nie einen Tropfen Bluts vergießen jehen, T 
jeinige jah ich in diem Stral aus dem fopflojen Rumpf, r 
aus einem Springbrunnen, faft luſtig himmelan jteigen! | 
war an einem jchönen Morgen, die Sonne beichien den Henl 
und jein Opfer hell und freundlich; Du pflückteſt vielleicht u 
diejelbe Stunde friihe Blumen in Deinem Garten. ch hat 
mi nicht zu Diejem furchtbaren Schaufpiel gedrängt, ich mi 
durch ungereimte Woripiegelungen dahin gelodt worden, ma 
hatte mir von der Möglichkeit einer Befreiung geiprochen, € 
war lächerlih! Aber was man wirklich beabjichtigt haben mugt 
dad erreichte man, id) wurde vom Wirbel biß zur Zehe m 
Wut) und biindem Rachedurſt erfüllt, ich ſchwur — was i 
leider hielt, was ich jo gut hielt, daß die Teufel um mid) heru' 
bald vor mir zu zittern anfingen, wie die Welt vor ihnen, u 
mich zu ihrem Anführer machten. 

Julia. ch ſchaud're! Doc, ich faſſe das! 

Antonio. Und fallen wirft Du's auch, mit weld 
Empfindungen ih an Deinen Vater dachte, wenn Du vernimm 
daß er, er den meinigen jo weit — 

Sulia. Nimmermehr! 

Antonio. Man jagte mir, daß mein Vater den Nan 
Tobaldi ſehr oft umd nie ohne Fluch und Zähneknirichen 





um Julia. 185 


Munde geführt, man wollte Etwas wiſſen von einer verrathenen 
Verſchwörung und einer darauf erfolgten Aechtung, und immer 
Hang diefer Name jchredlich und widerwärtig durd). 

Yulia. Wie hieß Dein Vater? 

3. Antonio. Grimaldi! 

Julia. Grimaldi? 

Antoniv. Du fennjt den Namen! Du fährit zujammen! 

Julie. Ich kennne ihn, mein Vater hat ihn genannt, aber 
wahrlich nicht in dem Judaston, durch den jich ein verleßtes 

odewiiien verrathen mag! 

Antonio. Bielleiht war der Haß ungerecht, oder zu ſtark, 
denn Du, Du bijt die Tochter Tobaldis, doch darnach fragt’ ich 

nicht, ich fibernahm ihn, wie eine heilige Erbichaft und — 

| Julia. Du ſchwurſt und Rache und Tod! 

65 Antonio. ch that’2, ich betrat die Stadt, in der Dein 
Later lebte, nur um ihn zu verderben, es follte mein leptes 
Geihäjt fein, es war mir gleich, ob man mid) dabei ergriff. Ich 
fam, ih jah Di! Ja, Weib, e3 ijt wahr, ich habe unmillfür- 
ih die Hände gefaltet, als ich Did) erblidte; denn wie Du fo 

oeraustratit auf den Balcon, vom Frühlicht umfloffen, die Roje 
in der Hand und freundlich auf mich herabjehend, da war es 
mit, al3 fchaute ich zum erſten Mal in den blühenden Garten 
der Welt hinein, durch ein eiſernes Gitter zwar, das mir den 

Eintritt wehrte, aber doch mit hellem Auge, mit erfriichtem Sinn. 
» Das geichah, ehe ich wußte, wer Du wart! 

Julia. Und als Du’3 erfuhrit ? 

Antonio. Da habe ich Anfangs ınit meinem Herzen ge- 
grollt und ihm den Entichluß, Deinen Vater Doc nieder zu jtechen, 
jobald ich ihn träfe, wieder abgetrotzt, auch hätte ich das gethan, 
»wenn er mir allein begegnet wäre. Aber Du gingit an feiner 
Seite, id) ſah, daß jein Blick feuchtete, daß jeine Brust jich jtolz 
und übermüthig bob, als ich Dich verwirrt und entzüdt betrachtete, 

ih jchaute in jeine Seele hinein und entdedte den Punct, wo 








186 Julia. IE 35 


er am vermwundbariten war. Nun rannen in meiner Bruft mie 
widerjprechenden Gefühle, die fich biß dahin auf Tod und LeESen 
befämpft hatten, in einander, ich glaubte, daß dem Haß, den id 
nicht unterdrüden durfte, und der Liebe, die ich nicht unterdrücken 
fonnte, zugleich) genügt werden könne; ich jeßte Dich zum Zeidyen, 
ob Gott und Welt noch zu verjühnen jeien; ic) dachte: wenn Die 
Dir lächelt, wenn Die Dir folgt und ihn verläßt — — 9a, Du 
hait mir gelächelt, Tu warſt bereit, mir zu folgen, und nun biſt 
Du das Weib eine Andern! 

Julia. a, aber eine? Mannes, der zwiichen midy und ı 
den Tod trat, als er Ichon in Geſtalt eines Mordfnedht3 neben 
mir jtand, den ich jelbft in meiner Verzweiflung jo lange ge = 
reizt und heraudgefodert hatte, big er in einfamem Walde dern 
Dolch gegen mid) züdte — 

Antonio. Ha! 

Julia. Eine® Mannes, dem ich fremd und unbefannt ma we, 
der Nichts für mich empfand, Nichts von mir verlangte und mir doccz 
in großmüthigen Mitleid feine ganze Zukunft zum Opfer brachte — 

Antonio. Er fah Dich aber doc in dem Augenblid, wer | 
er's that, nicht wahr? 

Julia. Eine Mannes, der mid ernjt, wie ein Engel de = 
Gerichts, an daS heilige Doppelleben in meinem Schooß mahnt” 
al& ich zögerte, jein Cpfer anzunehmen, und der — jeßt wi ⸗ 
Du auf Deine Knie fallen und vor ihm vergehen, wie vor Gott — 
— der mir Heute zur Strönung jeine® Werkes nad) faum voll 
zogener Trauung das Verjprechen abdrang, ihm — Doch nein, 
nein, was mad) id) da, das darf er nie hören oder erjt jpät! 

Antonio. Sch brauche nur Ein! noch zu hören. Liebſt 
Du ihn? Einer von und muß aus der Welt, Er oder ih. Bon 
Deiner Antivort hängt es aD, wer! 3 

Julia. Antonio, wenn Du ahnteft — 

Antonio. Sch ahne genug, Du ftodjt, Du umgehit die 
Antwort! Wenn Tu Nein jagen Fünntejt, jo würdet Du aud) 





IL; Julia. 187 


Nein ſagen müſſen! Er hat Nichts von Dir verlangt? Daran 
that er wohl! Das war ja, ich ſeh's, das ſicherſte Mittel, Alles 
von Dir zu erhalten! Alles! Alles! So viel, daß nicht bloß 
ih, daß jelbjt Dein Schußheiliger eiferfüchtig auf ihm werden 
smup. Er hat Nichts für Did) empfunden? Wie, wenn dag 
deuchelei geweien wäre? Wenn er fich bloß jo gejtellt hätte, 
ih noch jo jtellte? Der Blitz der Liebe zündet raſch! Das weiß 
ih, ih. Wie fange Zeit brauchte er denn, um aus meiner Bruſt 
| eine ganze jtarre Welt von Haß und Rache hinweg zu jchmelzen 
n Julia. Nicht weiter! Daß die Neue Dich nicht zu tief 
brenne, wenn Du ihn kennen lernft! 

Antonio. Wenn ich ihn — Aber ward denn je ein Mtenid) 
ſo — Jedes Wort ihres Mundes ift eine Verklärung für ihn! 
Wenn ich ihm fennen lerne, jo werd’ id) ihm eine frage vor- 
ss {egen, eine einzige, ic) werde — 

Julia. Du wirft nit! Du wirit fchweigen, Du wirjt 
jeßt gehen, oder noch einmal, und auf ewig verlieren, wa® Du 
— mas Du vielleicht wieder gewonnen hajt! 

Antonio. Auf ewig, was ich wieder — So hab’ id) nod) 

» wicht Alles verloren? So millit Du mit mir fliehen? So 
darf ih Dich Heut’ Abend im Garten erwarten? 

Iulia. Nein! Ninmermehr! Darfit Du das denn fodern? 

Daft Dur nicht jo gut, wie ich, die Pflicht zu bien? Haſt Du 
ein Recht auf Glück? 
> Antonio. Ja! Ja! Wer ſeine Vergangenheit jo ganz 
hinter jich geworfen hat, wie ich, wer ſich felbjt in dem Augen- 
blid frei von ihr fühlt, wo ſie ihm die lebte höhniſche Frage 
ihneidet und die ganze Zukunft hinunter zu knirſchen droht, der 
mag ſich verirrt haben, wie weit er will, er darf jo. antivorten! 
» Julia. Er kann das Schiefjal aber nicht zwingen, ihm die 
Probe zu erlajien! Laß uns tie bejtehen, laß uns jcheiden! 
Kir müſſen's, und je mehr es uns fojtet, um jo leichter ſollt' 
es uns werden! | 


EPERBERe Se > U Ö >| 224. 2 2. SuSE GE 





188 Julia. 1116 


Antonio. Was Dir leicht wird, ſollte mir nicht ſchwer 
fallen! Recht! Recht! Nun, wer weiß, was ich thu', wenn mein 
Geſchäft hier beendigt iſt! Vielleicht iſt mir der Gedanke doch 
zu peinlich, daß ich für Dich nur Einer unter Vielen war, 
während Du für mich die Einzige unter Allen geweſen biſt. 
Dann geh ich nach Italien zurück und bezahle alte Schulden 
mit meinem Kopf. Bielleiht — es wird jich finden! Aber 
vorher muß mein Gejchäft beendigt fein, vorher muß id — 
Heilige entlarven! Einen gewiß, und wer weiß, ob nicht Zwei! _ 
Denn, daß fi unter einem fo übermenjchlichen Edelmuth der — 
feigſte Eigennutz verjtedt, ijt jicher, e8 Fönnte fich aber auch unter 
einer jo glühenden Verehrung eine zitternde Liebe verbergen, 
und dag — 

Julia. Allmächtiger Bott! Er kommt! 


= 


Bedjste Brene. 15 
Sraf Bertram und Alberto (treten ein). 


Antonio (tritt dem Grafen entgegen. Das muß ich wijjest 
Herr Graf — Nicht wahr, Sie jind doch der Gemahl die ſer 
Dame — 

Graf Bertram. Aber Sie, wer jind Sie? * 

Antonio. Ich bin derjenige, auf deſſen Koſten Sie — 
Sehen Sie Ihre Gemahlin an und Sie werden die Frage niEN 
wiederholen! Dagegen muß id, id an Sie eine jtellea®- 
Warum — Ä 

Julia tentreifit ihm jeinen Dolch. Ich tüdte mich, wenn Dis ö 
ihn zwingſt, ſich zu tödten. 

Antonio. Wenn id) ihn zwinge, jid) zu tödten? Ich wirkte 
nicht, wie mir jo viel Macht über ihn kommen jollte. 

Alberto. Was geht hier vor? 

Graf Bertram au Alberto. Ich ahne ſchon Alles, wenn & 
ih auch noch nicht Degreife, wie es zujammenhängt. Meine 


III 6 Julia. 189 


Reue iſt ernſt, darum wird meine Buße nicht verſchmäht! Wenn 
ich jetzt zwiſchen den zwei Piſtolen zu wählen hätte, ich würde 
mich nicht wieder vergreifen! Das fühl' ich! Julia, dieſer 
Mann — 
Julia. Geht Sie Nichts an, geht mich — 
Autonio. Auch Nichts an? Weib, wage nicht zu viel! 
Ich könnte Dich früher, als Dir's lieb wäre, zur Wittwe machen! 
Nicht durch einen Dolchſtoß um Mitternacht, aber — — (u 
Srafdertram) Nicht wahr, wenn ich nicht freiwillig abtreten 
wollte, was mir gehörte, jo würden Sie mir dod) erlauben, ein— 
mal auf Sie zu ſchießen? Wenigſtens hat man mir gejagt, daß 
Ihr das fo unter Euch verhaltet, und wer, wie ic, den Habicht 
im Fluge zu treffen pflegt, der würde nicht fehlen, wenn er — 
aum Julia) Fürchte Nicht?! Ach will nicht mich, ich will nur nod) 
die Heiligen rächen, ih will die Glorie um eine Gleißnerſtirn 
au sSlöſchen, und Dich, Dich zwingen, die Gefühle, die Du im 
Buſen hegjt, audy mit dem Munde zu befennen! Und alfo — 
Julia wirft den Doih weg. Sprich! 
Antonio (su Graf Bertram). Wenn Sie dies Weib wirflid) 
obloß, wie Sie vorfchüßten, dem Untergang entziehen wollten, 
Mwarım führten Sie e& nicht zu Ihrer Schweiter oder Ihrer 
Mutter, warum, wenn Sie das nicht fonnten, nicht in ein 
\remdesg Haus, warum ſchloſſen Sie mit ihm den einzigen Bund, 
der unter Menjchen unauflöglich ift, den Bund der Ehe? Und 
ss wenn Sie es liebten, warum heuchelten Sie, warum juchten Sie 
en Herz durch. faljche Künſte zu beſtricken, das jonft, ich muß 
es noch jegt glauben, da Sie Sich doch nicht ohne Noth zu einer 
Önutelei verjtanden haben werden, wohl nie dag Xhrige ge: 
' worden wäre? Was gab Ihnen ein Kecht zu jo unehrlichen 
» Spiel? 
Julia (ritt dicht vor Antonio him. Kniee nieder, wühle Dich 
nod einmal in die Erde hinein und fomm nicht wieder hervor, 
thu das Gelübde, nie mehr zur Sonne aufzujehen und Die 





190 Aulia. III 6 


Augen jedes Mal zu Ichliepen, wenn Dein Blid auf eine 
Blume fällt! 

Graf Bertram. Halten Sie ein! 

Iulia. Nein! Nein! ch wollte Ihnen das Verjpredgen, 
dag Sie don mir foderten, nicht geben, weil ich jeine furdtbarc : 
Bedeutung verjtand, denn ich konnte nicht wiſſen, wie leicht nian 
mir's machen würde, e& zu halten! 

Graf Bertram. Nicht weiter! 

Julia. Doh! Doch! Ihre Ahnung trog Sie nicht; der, 
dem Died Berfprechen galt, iſt erjchienen, aber nicht, um ein 
Schickſal, das er jelbjt herauf beſchwor, würdig und jtill dahin 
zu nehmen und ſich im Moment des Scheidens wieder für ewig 
in meine Seele einzuzeichnen, jondern um roh und gewaltjam 
den lebten Faden zu zerreißen, der mich, mir ſelbſt unbewußt, 
im tiefiten Innern noch an ihn Mnüpfte! Ya, jo war's, ih dari ® 
es jet befennen; denn es ijt vorbei! Als ich ihn wieder ja #9. 
als er ſich vertheidigte und mich anflagte, als jeine Schuld ſi c 
in ein ungeheures Unglück zu verwandeln ſchien, da fing ie 
ſchon an zu fürdten, daß Sie mein Herz bejjer veritande 
hätten, als ic) jelbjt, und wenn er nun gegangen wäre, wie \ 
gehen mußte, jo würde ich Ihnen nie, nie verrathen haber —" 
was ich empfand, aber gewiß hätte ich ihm in mancher Nds 
heiße Thränen nachgeweint! Doc jetzt — jetzt — 

Graf Bertram (eiſe. Auch jeßt verjtehe ich Dein Ha 
bejjer, als Du jelbft, und danfe dem Himmel für die leiden 
ſchaftliche Regung, in der e3 ſich mir bloß legt. 

Julia zu Antonio. Und nun die Antwort für ihn! Kar 
er that, was er that, und nicht, was Du gethan hätteft? Wei — 
er nicht bloß einen Doppelmord verhüten, weil er zugleich Deu 
Vater die Tochter, dem Weibe die Ehre retten und weil er — 
jetzt wird's Dir ſein, als ob Du ihn Flügel bekommen jähe” 
— aus der Welt gehen wollte, wenn Du wiederkehrteſt, ur — 
Dir die Mutter Deines Kindes zurüczugeben ! 





II 6 Julia. 191 


Graf Bertram. Fügen Sie noch hinzu, daß ich aus— 
zogen wäre, ihn zu ſuchen! 

Antonio. Wenn es einen Menſchen giebt, der einer 
lchen That fähig iſt, ſo war ich ein eitler Prahler, als ich 
Elärte, ich ſei des Glücks noch würdig. Das kann ich nicht 
ſſen und noch viel weniger vollbringen! 

Yulia. Darin ſieh Dein Gericht! 

Antonio. Und Du meine Entichuldigung! Aber — es 
[t die Probe! 

Julia. Die Probe? 

Graf Bertram isn Antonio. Sie meinten, ic würde Ihnen 
e Erlaubniß ertheilen, auf mich zu jchießen, wenn Sie's ver- 
ngten! Das werde ich nicht thun, denn es würde jchreefliche 
IAgen für Sie haben, wenn Sie träfen! Aber ich werde auf 
ich jelbjt jchießen, jobald Sie wollen! 

Antonio. Giebt es ſolche Menjchen auf der Welt? Was 
m denn ich? 

Julia gu Graf Bertram. Sie fühlen doch, daß mein Tod 
glei auf den Ihrigen folgen wird ? 

Antonio (sm Iutia). Fürchten Sie Nichts! Ich gehe, und 
ie jehen mich niemals wieder! Niemals! Gu Graf Bertram 
marmen Sie Ihre Gemahlin! Ihre Gelübde gelten nicht mehr, 
> itoße jie um, ich gebe meine Rechte auf! «u Julia) Alle! 
Ue! Sogar das Recht auf einen Platz in Ihren Gedächtniß! 
ergeſſen Sie mich! Und wenn Sie das nicht Fünnen, jo denken 
ie an mid, wie an einen Menjchen, der ſich durch feiner 
Yände Arbeit im Schweiß jeined Angeſichts jein Brot erwirbt! 
denn das werd’ ich thun! Ich werde mit dem nächſten Tage- 
öhner, den ic auf einem Ader erblide, die Kleider wechjeln 
und dann die Erde bauen, wie er! Je drüdender das Leben 
mir wird, je mehr e3 mich anefelt, um jo jorgjamer will ich's 
dilegen, um jo mühſeliger die Mittel, e& mir zu erhalten, 
berbeiichaffen. Das foll meine Buße fein! Es it die ſchwerſte! 





192 alla. IIIé 


Julia. Das iſt der Menſch, den ich liebte! 

Graf Bertram (leiſe). Und liebe! Zum Ende! (zu Alberto! 
Löſen Sie die Verwirrung! Erklären Sie meine That! Ich 
habe mic Ihnen anvertraut, Sie können's! 

Alberto. Sie erwarten zu viel von mir! 

Graf Bertram.. Sagen Sie, daß ich der edle Ment ne) 
nicht bin, fiir den man mich hält! 

Alberto. Das kann ich nicht! 

Graf Bertram. Nun, fo kann icj’3 ſelbſt! 

Antonio u Iutio). Leben Sie wohl! 

Julia (itrett ihm die Hand entgegen... Und — Du tötdelt Dir - 
nicht? Du Fehrit nicht nach Italien zurüd! 

Antonio. Nie! Nie! (wit gehen) 

Graf Bertram ceiid. Wie fie für ihn zittert! Woh — 
(tritt Antonio in den Weg) Bleiben Sie! Hören Sie! iu Juli 
Sie meinen, ic) will auß der Welt gehen, weil die Welt u 
ichlecht für mich ift? Sie irren fich, es treibt mich fort, we 
ih zu schlecht für die Welt bin! iu Antonio) Sie halten mi — 
für den Erjten der Sterblihen? Wie, wenn ich's nur deswege= 7 
ichiene, weil ich Ichon einmal der Lehte war, ivenn mein de: 
wifjen mir die That, die Sie bewundern, als Strafe auferlegg! 
hätte, als Strafe für eine andere, die Sie verabjcheuen würder« ? 

Antonio. Der Gedanke durchzuckte mich ſchon, aber i ch 
ſchämte mich ſeiner und wies ihn ab! 

Graf Bertram. Der Gedanke war der rechte! Erfahre vn 
Sie, was ich verbrach, und jtellen Sie Sich meiner Buße nie 
länger entgegen! Ich habe einen Menjchen getödtet — 

Julia. Unmöglich! 

Graf Bertram. Doch! Mehr als getödtet, ein joe: 
herrliches Geſchöpf, das nicht alle Tage, ich muß e3 leider jge—-' 
obgleich es meine Schuld erhöht, jo aus den Händen der Nat 1 


Ile Julia. 193 


hervorgeht, das vielleicht zu großen Dingen beſtimmt war, und 
durch mich — Sie ſchaudern ſchon, Sie wenden Sich von mir 
ab, Sie treten dem Mann ihrer Wahl wieder nah'! Ich halte 
inne, aber Sie müſſen ſelbſt erkennen, daß es nur ein Mittel 
sgab, der Welt den Raub, den ich an ihr beging, zu erſetzen, 
und daß ich dies Mittel ergriff, als ich zwiſchen Sie und den 
Tod trat! Made denn Keiner meine That zur Thorheit, hind’re 
mid) Seiner an dem Schritt, den ich vollbringen muß, wenn id) 
Don heute an nicht fo zwiſchen Ahnen und dem Leben jtehen 
o ſoll, wie ic) bißher zwiſchen Ihnen und dem Tod ftand, folge 
mtr Seiner! (wii gehen) 


Antonio. ch weiche nicht von Ihrer Seite! Wir Alle, 
Haben zu büßen, und ich zumeift! «u Jutta) Ich werde über 
ihn wachen, ald ob er mein Bruder wäre! 
15 Yulia. Bergieb mir! 


Alberto wu Graf Bertram). Gehen Sie nicht zu weit! Ihre 
Schuld ift getilgt, ift mehr, ala getilgt! Sie haben der Welt 
ein Toppelleben erhalten, das ihr ſchon fiher verloren mar, 
und Sie fönnen doch nimmermehr glauben, daß Julia diefen Mann 

weine Hand, die nur durch das furchtbarſte Mittel frei werden 
fann, reichen, oder daß er fie ergreifen wird! Ihr Blut oder 
ein Ocean zwiſchen Beiden, ich denke, Beides ijt gleich! 

Graf Bertram. Das ijt wahr! ueiid Eben jo wahr, 
als daß ich jterben muß! Ich werde Gemjen jagen, jo lange 
> Gemſen jagen, bis ein verunglüdender Sprung mich zwingt, die 
Tiefe eines Abgrunds zu mejjen, aus dem man nicht einmal 

als Reihnam wieder herauf fommt! Steinen Monat ſoll's dauern! 
Und dann — Ha, es fommt mir doch vor, als ob noch Etwas 
tolgte, als ob, wer redlich büßte, irgendivo auf einen freund- 
> lien Empfang rechnen dürfte. iu Alberto) Sie haben Recht! 
ME Antonio und Julio) Wir bieiden beifammen, jo lange das 
kchicſal will! Aber wenn ich, fterben jollte, eine natür— 
Ötbbet, Werte II. 13 


1007 : WE 
se: a Tr J 


n Ania) 2 








194 Julia. DI6 


lichen Todes jterben follte, jo — das veriprehen Sie mir 
Beide — 

Julia. Dann — 

Antonio. Dann wollen wir uns fragen, ob wir noch 
glücklich fein dürfen! 5 

Julia. Wir wollen und fragen, ob wir noch glüdlid 
jein können! 


Finis, 





Heroes und Marianne, 


Eine Tragödie in fünf Aecten. 


1850. 





Berlonen: 


König Herodes. 
Mariamne, feine Gemahlin. 
Alerandra, ihre Mutter. 
s Salome, Scweiter des Königs. 
Soemu3, Statthalter von Galliläa, 
Joſeph, Bicelönig in Abweſenheit von Herodes. 
Sameas, ein Bharijäer. 
Zitu3, ein römilher Hauptmann. 
» Joab, ein Bote 
Sudas, ein jüdifher Hauptmann. 
Arta xerxes, ein Diener. 
—— desgleichen, ſo wie noch einige andere Diener. 
25 Silo, ein Bürger. 
Serubabel und 
fein Sohn Bhilo, } Salliläer. 
Ein römiider Bote 
Aaron und fünf andere Rider. 
2» Drei Könige aus dem Morgenlande, von ber riftlihen Kirche 
fpäter die heiligen zubenannt. 


ort: Ierufalem. Zeit: Um Chriſti Geburt. 








Erſter Act. 





Burg Zion. Großer Audienz: Saal. Joab. Sameas. Serubabel 
und fein Sohn. Titus. Judas und viele Andere. 
Herodes tritt ein. 


Erſte Fcene. 


Joab (tritt dem König entgegen). 
Ich bin zurück! 


Herodes. 

Dich ſpreche ich nachher! 
Das Wichtigſte zuerſt! 

Joab (surüdtretend, für fid). 

Das Wichtigſte! 
Ich dächte doch, das wäre, zu erfahren, 
Ob unfer Kopf noch feit ſitzt oder nicht! 
Herodes (mintt Judas). 
3 Wie jteht ed mit dem Feuer? 


Judas. 


Mit dem Feuer? 
So weißt Du jchon, was ich zu melden kam? 


Herodes. 
Um Mitternacht brach's aus. Ich war der Erſte, 
Der es bemerkte und die Wache rief. 
Irr' ich mich nicht, ſo weckte ich Dich ſelbſt! 





200 Herodes und Mariamne. 


Judas. 
Es ift gelöfcht! (me nd) So iſt es aljo wahr, 
Daß er verkleidet durd die Gaſſen ſchleicht, 
Wenn And’re fchlafen! Hüten wir die Zunge, 
Sie fünnte feinem Ohr einmal begegnen. 


Ä Herodes. 
Sch ſah, als Alles ſchon in Flammen jtand, 
Ein junge Weib durch's Fenſter eine Hauſes, 
Das ganz betäubt fchien. Ward died Weib gerettet? 


| Indas. 
Sie wollte nicht! 


Herodes. 
Sie wollte nicht? 


Judas. 
Bei'm Himmel, 

Sie wehrte ſich, als man ſie mit Gewalt 

Hinweg zu bringen ſuchte, ſchlug mit Händen 

Und Füßen um ſich, klammerte am Bett, 

Auf dem ſie ſaß, ſich feſt und ſchrie, ſie habe 
Mit eig'ner Hand ſich eben tödten wollen, 

Nun komme ihr ein Tod von ungefähr! 


Herodes. 


Sie wird verrückt geweſen ſein! 


Judas. 
Wohl möglich, 
Daß ſie's in ihrem Schmerz geworden iſt! 
Ihr Mann war Augenblicks zuvor geſtorben, 
Der Leichnam lag noch warm in ſeinem Bett. 





IT16 Julia. 191 


Graf Bertram. Fügen Sie noch hinzu, daß ich aus— 
gezogen wäre, ihn zu ſuchen! 

Antonio. Wenn es einen Menſchen giebt, der einer 
ſolchen That fähig iſt, ſo war ich ein eitler Prahler, als ich 

s erklärte, ich ſei des Glücks noch würdig, Das kann ich nicht 
faſſen und noch viel weniger vollbringen! 

Julia. Darin ſieh Dein Gericht! 

Antonio. Und Du meine Entſchuldigung! Aber — es 
gilt die Probe! 

* Julia. Die Probe? 

Graf Bertram su Antonto). Sie meinten, ich würde Ihnen 
die Erlaubniß erteilen, auf mich zu Ichießen, wenn Sie's ver- 
langten! Da3 werde ich nicht thun, denn es würde jchredliche 
Folgen für Sie haben, wenn Sie träfen! Aber ich werde auf 

rs mich ſelbſt jchießen, fobald Sie wollen! 

Antonio. Giebt es ſolche Menjchen auf der Welt? Was 
bin denn id) ? Ä 

Julia (zn Graf Bertram). Sie fühlen doch, daß mein Tod 
ſogleich auf den Ihrigen folgen wird? 

27 Antonio gu Juliaqh. Fürchten Sie Nichts! Ich gehe, und 
Sie jehen mich niemald wieder! Niemals! (u Graf Bertram) 
Umarmen Sie Ihre Gemahlin! Ihre Gelübde gelten nicht mehr, 
ic) ſtoße fie um, ich gebe meine Rechte auf! «u Julia) Alle! 
Alle! Sogar das Recht auf einen Plag in Ihrem Gedächtniß! 

>35 Vergeſſen Sie mich! Und wenn Sie da3 nicht Fünnen, jo denken 
Sie an mid, wie an einen Menjchen, der ſich durch feiner 
Hände Arbeit im Schweiß jeined Angeſichts jein Brot erwirbt! 
Denn das werd’ ich thun! ch werde mit dem nächjten Tage— 
löhner, den id) auf einem Acker erblide, die Kleider wechjeln 

3o und dann die Erde bauen, wie er! Se drüdender das Leben 
mir wird, je mehr e3 mich anefelt, um jo Jorgjamer will ich's 
prfegen, um jo mühjeliger die Mittel, es mir zu erhalten, 
herbeiſchaffen. Das foll meine Buße fein! Es iſt die ſchwerſte! 





192 Jalia. 1116 


Julia. Das it der Menſch, den ich liebte! 

Graf Bertram ıteife. Und liebe! Zum Ende! iu Alberte 
Löſen Sie die Verwirrung! Erklären Sie meine That! Ich 
habe mich Ihnen anvertraut, Sie künnen’s! 

Alberto. Sie erwarten zu viel von mir! 

Graf Bertram... Sagen Sie, daß ich der edle Menid 
nicht bin, fir den man mich hält! 

Alberto. Das kann ich nicht! 

Graf Bertram. Nun, ſo kann ich's ſelbſt! 

Antonio (u Julia). Leben Sie wohl! m 

Julia (ftredt ihm die Hand entgegen). Und — Du tötdeit Did 
nicht? Du kehrſt nicht nach Italien zurüd! 

Antonio. ie! Nie! win geben) 

Graf Bertram ieiid. Wie fie für ihm zittert! Wohl: 
(tritt Antonio in den Weg) PRleiben Sie! Hören Sie! (zu Julia 
Sie meinen, ich will aus der Welt gehen, weil die Welt zu 
ichlecht für mid) ift? Sie irren ſich, es treibt mich fort, weil: 
ich zu ſchlecht für die Welt bin! (zu Antonio) Sie halten mich 
für den Erſten der Sterblichen? Wie, wenn ich's nur deswegen“ 
ſchiene, weil ich ſchon einmal der Letzte war, wenn mein Ge⸗—* 
wiſſen mir die That, die Sie bewundern, als Strafe auferlegt 
hätte, als Strafe für eine andere, die Sie verabſcheuen würden? 

Antoniv. Der Gedanfe durchzudte mich jchon, aber ıd 
ihämte mich ſeiner und wies ihn ab! 

Graf Bertram. Der Gedanke war der vechte! Erfahren » 
Sie, was ich verbrad, und ftellen Sie Sich meiner Buße nid! 
länger entgegen! Ich habe einen Mtenjchen getödtet — 

Julia. Unmöglid! 

Graf Bertram. Doch! Mehr al? getödtet, ein ſtolzes, 
herrliches Geſchöpf, das nicht alle Tage, ih muß e3 leider jagen, s 
obgleich e& meine Schuld erhöht, jo aus den Händen der Natur 





1116 Zulia. 193 


hervorgeht, da3 vielleicht zu großen Dingen beitimmt war, und 
durh mi — Sie ſchaudern ſchon, Sie wenden Sich von mir 
ab, Sie treten dem Mann ihrer Wahl wieder nah’! Ich halte 
inne, aber Sie müjjen felbit erfennen, daß es nur ein Mittel 
gab, der Welt den Raub, den ih an ihr beging, zu erjeßen, 
und daß ich died Mittel ergriff, als ich zwiſchen Sie und den 
Tod trat! Mache denn Keiner meine That zur Thorheit, hind’re 
nic Keiner an dem Schritt, den ich vollbringen muß, wenn id) 
von beute an nicht jo zwifchen Ihnen und dem Leben ftehen 
jo, wie ich bißher zwijchen Ihnen und dem Tod ftand, folge 
mir Seiner! (mil geben) 

Antonio. Ich weiche nicht von Ihrer Seite! Wir Alle 
haben zu büßen, und ich zumeift! «au Jura) Sch werde über 
ihn wachen, als ob er mein Bruder wäre! 

Julia. Vergieb mir! 

Alberto wu Graf Bertram). Gehen Sie nicht zu weit! Ihre 
Schuld ift getilgt, it mehr, als getilgt! Sie haben der Welt 
ein Doppelleben erhalten, dag ihr ſchon ficher verloren war, 
und Sie können dod) nimmermehr glauben, daß Julia diefen Mann 
eine Hand, die nur durch das furdtbarite Mittel frei werden 
fann, reichen, oder daß er ſie ergreifen wird! Ihr Blut vder . 
ein Ocean zwiſchen Beiden, ich denke, Beides ijt gleich! 

Graf Bertram. Das it wahr! (eiſe) Eben fo wahr, 
als dag ich jterben muß! ch werde Gemſen jagen, jo lange 
Gemſen jagen, bis ein verunglüdender Sprung mich zwingt, die 
Tiefe eined Abgrund zu meſſen, aus den man nicht einmal 
als Leichnam wieder herauf fommt! Keinen Monat jol’S dauern! 
Und dann — Ha, es fommt mir doch vor, al& ob noch Etwas 
folgte, al$ ob, wer redlich büßte, irgendwo auf einen freund- 
fihen Empfang rechnen dürfte iu Alberto) Sie haben Recht! 
(zu Antonio und Julia) Wir bleiben beifammen, jo lange das 
Schickſal will! Aber wenn ich» jterben jollte, eines natür- 

Hebbel, Werte I. 13 





194 Julia. III6 


lichen Todes ſterben ſollte, ſo — das verſprechen Sie mir 
Beide — 

Julia. Dann — 

Antonio. Dann wollen wir uns fragen, ob wir noch 
glücklich fein dürfen! 5 

Julia. Wir wollen und fragen, ob wir nod glüdlid 
jein können! 


Finis. 








Herodbes und Marianıne. 205 


3harifäerpöbel, um jo feder, 

h ihn gar nicht ſtrafen fann, wenn ich 

aus den Narren Märt’rer machen will; 

nen Galliläern etwas Liebe, 

eigennüßige Anhänglichkeit, 

ch der Popanz bin mit blanfem Schwert, 

u3 der Ferne ihr Gejindel jchredt; 

— diefer Menſch bringt ſicher ſchlechte Botjchaft, 
ir zu eilig, mir ſie zu verkünden. 

der ſogar, obgleich mein eig'ner Knecht, 

gern, was mich verdrießt, wenn er nur weiß, 
ch mich ſtellen muß, als merkt' ich's nicht! 


(zu Joab) 
eht's in Alexandrien? 


Joab. 
Ich ſprach 
ius! 
Herodes. 
Ein wunderlicher Anfang! 
rachſt Antonius? Ich bin's gewohnt, 
neine Boten vorgelaſſen werden; 
ſt der Erſte, der es nöthig findet, 
u verſichern, daß ihm das gelang. 


Joab. 
ird mir ſchwer gemacht! Man wies mich ab, 
ickig ab! 
Herodes (für fich). 


So jteht er mit Octav 
beifer, alS ich dachte! (aut) Das beweiſ't, 
Du die vechte Stunde nicht gewählt! 





206 Herodes und Mariamne. 


Joab. 
Ich wählte jede von den vierundzwanzig, 
Woraus der Tag beſteht; wie man auch trieb, 
Ich wich nicht von der Stelle, nicht einmal, 
Als die Soldaten mir den Imbiß boten, 
Und, da ich ihn verſchmähte, ſpotteten: 
Er ißt nur, was die Katze vorgekoſtet 
Und was der Hund zerlegt hat mit dem Maul! 
Am Ende glückte mir — 


Herodes. 
Was einem Klügern 
Sogleich geglückt wär! — 


Joab. 

Bei ihm vorzukommen! 
Doch war's ſchon Nacht, und Anfangs mußt’ ich glau' 
Er hätt' mich rufen laſſen, um den Spaß 
Der höhnenden Soldaten fortzuſetzen; 
Denn, wie ich eintrat, fand ich einen Kreis 
Von Trinkern vor, die ſich auf Polſtern ſtreckten, 
Er aber füllte ſelbſt mir einen Becher 
Und rief mir zu: Den leere auf mein Wohl! 
Und als ich deß mich höflich weigerte, 
Da ſprach er: Wenn ich den da tödten wollte, 
So brauchte ich ihn nur acht Tage lang 
An meinen Tiſch zu zieh'n und den Tribut, 
Den Erd' und Meer mir zollen, d'rauf zu ſtellen, 
Er würde müßig ſitzen und verhungern 
Und noch im Sterben ſchwören, er ſei ſatt. 


Herodes. 
Ja, ja, ſie kennen uns! Das muß ſich ändern! 
Was Moſes bloß gebot, um vor dem Rückfall 
In ſeinen Kälberdienſt dies Volk zu ſchützen, 


11 Herodes und Mariamne. 207 


Wenn er fein Narr war, das befolgt dies Volk, 
Als hätt' es einen Zweck an ſich, und gleicht 
Dem Kranken, der nach der Geneſung noch 
Das Mittel, das ihn heilte, fort gebraucht, 
ALS wären Arzenei und Nahrung Eins! 

Das jol — Fahr fort! 


Joab. 
Doch überzeugte ich 

Dich bald, daß ich mich irrte, denn er that 
Beim Trinken alle Staatögeichäfte ab, 
Ernannte Magijtrate, ordnete 
Dem Zeus dad Opfer an, vernahm Auguren 
Und ſprach die Boten, wie fie eben famen, 
Nicht mich allein. Es jah befonderd aus. 
Ein Sclav' jtand hinter ihm, das Ohr gefpigt, 
Die Tafel und den Griffel in der Hand, 
Und zeicynete mit lächerlihem Ernft 
Das auf, was ihm im trunf'nem Muth entfiel. 
Die Tafel lieft er dann, wie id) vernahm, 

im nächiten Morgen dur) im Katzenjammer 
Und Hält jo treu an ihren Inhalt fich, 
Daß er, dieß foll er jüngft geſchworen haben, 
Sid ielbft mit eig’ner Yaujt‘ erdrofjeln würde, 
Wenn er Die Welt, die ihm gehört, am Abend 
Im Rauſch verfchenkt und fi) dabei des Rechts 

uf einen Pla darin begeben hätte. 

b er dann au im Zickzack geht, wie Nadıts, 
Benn er fein Lager jucht, ich weiß e3 nicht, 
Dog däucht mir Eins dem Andern völlig gleich). 


Herodes. 
Du ſiegſt, Octavian! E3 fragt ſich bloß, 
6 früher oder jpäter. Nun? 








Erſter Act. 





Burg Zion. Großer Audienz: Saal. Joab. Sameas. Serubabel 
und fein Sohn. Titus. Judas und viele Andere. 
Herodes tritt ein. 


Erſte Bcene. 


Joab (tritt dem König entgegen). 
Ich bin zurück! 


Herodes. 

Dich ſpreche ich nachher! 
Das Wichtigſte zuerſt! 

Joab (surüdtretend, fir fi). 

Das Wichtigſte! 
Sch dächte doch, dad wäre, zu erfahren, 
Ob unfer Kopf noch feſt fit oder nicht! 
Herodes (wintt Jubas). 

Wie jteht es mit dem Feuer? 


Judas. 
Mit dem Feuer? 
So weißt Du ſchon, was ich zu melden kam? 
Herodes. 
Um Mitternacht brach's aus. Ich war der Erſte, 


Der es bemerkte und die Wache rief. 
Irr' ich mich nicht, ſo weckte ich Dich ſelbſt! 





00 Herodes und Dlariamne. 


Judas. 
Es iſt gelöſcht! (far ſich So iſt es aljo wahr, 
Daß er verkleidet durch die Gaſſen ſchleicht, 
Wenn And’re ſchlafen! Hüten wir die Zunge, 
Sie fünnte feinem Ohr einmal begegnen. 


Herodes. 
Ich ſah, als Alles ſchon in Flammen ſtand, 
Ein junges Weib durch's Fenſter eines Hauſes, 
Das ganz betäubt ſchien. Ward dies Weib gerettet? 


| Judas. 
Sie wollte nicht! 


Herodes. 
Sie wollte nicht? 


Judas. 
Bei'm Himmel, 
Sie wehrte ſich, als man ſie mit Gewalt 
Hinweg zu bringen ſuchte, ſchlug mit Händen 
Und Füßen um ſich, klammerte am Bett, 
Auf dem ſie ſaß, ſich feſt und ſchrie, ſie habe 
Mit eig'ner Hand ſich eben tödten wollen, 
Nun komme ihr ein Tod von ungefähr! 


Herodes. 


Sie wird verrückt geweſen ſein! 


Judas. 
Wohl möglid, : 
Daß ſie's in ihrem Schmerz geworden ift! ! 
Ihr Mann war Augenblid3 zuvor geftorben, 
Der Leichnam lag noch warm in jeinem Bett; 


! 





Herodes und Mariamne. 


Herodes (für fig). 
3 will id) Mariamnen doch erzählen 
> ihr dabei in's Auge ſchau'n! (aut) Dies Weib 
: wohl fein Kind gehabt! Wär’ es der Fall, 
forg’ ich für das Kind! Sie felher aber 
ll reih und Fürſten gleich bejtattet werden, 
: war vielleicht der Frauen Königin! 


Sameas (ctritt zu Herodes). 
tattet werden ? Geht doch wohl nicht an! 


n wenigſten nicht in Jeruſalem! 
iteht gejchrieben — 


Herodes. 
Kenne ih Dich nicht ? 


Sameas. 


haſt mid) einmal kennen lernen fünnen; 
war die Zunge des Synedriums, 
‚ ed vor Pir verjtummte! 


Herodes. 


Sameas, 
hoffe doch, Du kennſt mich auch! Du haſt 
ı Sürgling hart verfolgt, Du hätteſt gern 
t jeinem Kopf dem Henker ein Geſchenk 
naht; der Mann und König hat vergeflen, 
3 Du gethan: Du trägit den Deinen noch! 


Sameas. 


nn id) ihn darum, weil Du mir ihn Tießeit, 
ht brauchen joll, jo nimm ihn Hin; da wäre 
ſchlimmer, als ihn eingebüßt zu haben. 


201 





202 Herodes und Mariamne. 


Herodes. 


Weswegen kamſt Du? Niemals ſah ich Dich 
Bis jetzt in dieſen Mauern. 


Sameas. 


Deshalb eben 
Siehſt Du mich heut’! Du haſt vielleicht geglaubt, 
Daß ich Dich fürchtete! Ich fürcht' Dich nicht! 
Auch jetzt nicht, wo Dich Mancher fürchten lernte, 
Der Dich bisher, ich meine bis zum Tode 
Des Ariſtobolus, nicht fürchtete! 
Und nun ſich die Gelegenheit mir beut, 
Dir zu beweiſen, daß ich dankbar bin, 
Nehm' ich ſie wahr und warne Dich mit Ernſt 
Vor einer Handlung, die der Herr verdammt. 
Die Knochen dieſes Weibes find verflucht, 
Sie hat die Rettung heidniſch abgewehrt, 
Das iſt, als hätte ſie ſich ſelbſt getödtet, 
Und da — 


Herodes. 
Ein ander Mal! 


(zu Serubabel) 
Aus Galliläa! 
Und Serubabel, der mich — Sei gegrüßt! 
Du ſelbſt biſt Schuld, daß ich Dich jetzt erſt ſah! 


Serubabel. 
Viel Ehre, König, daß Du mich noch kennſt! 


(deutet auf ſeinen Mund) 
Nun freilich, dieſe beiden großen Zähne, 
Die mich zum Vetter eines Ebers machen — 


Herodes. 
Mein eigenes Geſicht vergeſſ' ich eher, 





‚1 Herodes und Marianne. 203 


Als das des Mannes, der. mir treu gedient! 
Du warſt, al® id) bei Euch die Räuber jagte, 
Mein beiter Spürhund. Was bringit Du mir jept? 
Serubabel (wintt feinem Sohn). 
Nicht eben viel! Den Philo, meinen Sohn! 
Du brauchſt Soldaten, ich, ich brauche Feine, 
Und diefer ijt ein Römer, au Berjeh'n 
Durch ein ebräiſch Weib zur Welt gebracht! 
Herodes. 
Aus Galliläa fommt mir Nichts, als Gutes! 
Ich laſſe Dich noch rufen. 


Serubabel (ctritt mit feinem Sohn zurüch). 


Titus (tritt vor). 
Ein Betrug, 
Den ic) entdedte, zwingt mid — 
Herodes. 
Deck' ihn auf! 
Titus. 
Die Stummen reden! 
Herodes. 
Deutlich! 


Titus. 


Dein Trabant, 
Der Dir mit einem meiner Centurionen 
Die letzte Nacht das Schlafgemach bewachte, — 


Herodes (für ſich). 


Den Alexandra, meine Schwiegermutter, 
In meinen Dienſt gebracht — 


204 Herodes und Mariamne. 





Titus. 
Er iſt nicht ſtumm, 
Wie alle Welt von ihm zu glauben ſcheint; 
Er hat im Traum geſprochen, hat geflucht! 


Herodes. 
Im Traum? 


Titus. 

Er war im Stehen eingeſchlafen, 
Mein Centurione weckte ihn nicht auf; 
Er glaubte die Verpflichtung nicht zu haben, 
Weil er nicht mit in der Cohorte dient, 
Doch ſah er ſcharf auf ihn, um, wenn er fiele, 
Ihn aufzufangen, daß er Dich nicht ſtöre, 
Denn früh noch war es, und Du lagſt im Schlaf. 
Wie er das thut, fängt dieſer Stumme plötzlich 
Zu murmeln an, ſpricht Deinen Namen aus 
Und fügt den fürchterlichſten Fluch hinzu! 


Herodes. 
Der Centurione hat ſich nicht getäuſcht? 


Titus. 
Dann müßt' er ſelber eingeſchlafen ſein 
Und wär' ein ſchlimm'res Zeichen für die Zukunft 
Der ew'gen Stadt, als jener Blitz, der jüngſt 
Die Wölfin auf dem Capitol verſehrt! 


Herodes. 


Sch danke Dir! Und nun — 
(Er verabſchiedet Alle bis auf Joab.) 


Ja, ja, jo ſteht's! 
Verrath im eig’'nen Haufe, offner Troß 


® 


Herodes und Mariamne. 


Sm Phariſäerpöbel, um jo Feder, 

Als id ihn gar nicht ftrafen kann, wenn id) 
Jricht aus den Narren Märt’rer machen will; 
Bei jenen Galliläern etwas Liebe, 

Hein, eigennügige Anhänglichkeit, 

Beil ich der Popanz bin mit blanfem Schwert, 
Der aus der Ferne ihr Gejindel fchredt; 

Und — diefer Menſch bringt jicher fchlechte Botjchaft, 
Er mar zu eilig, mir fie zu verkünden. 

"Denn der jogar, obgleich mein eig'ner Knecht, 
Thut gern, was mich verdrießt, wenn er nur wei, 
DaB ich mid) ftellen muß, als merkt’ ich's nicht! 


(gu Joab) 
Wie ſteht's in Alerandrien? 


Joab. 


Ich ſprach 
Antonius! 


Herodes. 

Ein wunderlicher Anfang! 
Du ſprachſt Antonius? Ich bin’? gewohnt, 
Daß meine Boten vorgelajjen werden; 
Du biſt der Erjte, der ed nöthig findet, 
Mir zu verfichern, daß ihm das gelang. 


Joab. 
Es ward mir ſchwer gemacht! Man wies mich ab, 
Hartnäckig ab! 
Herodes (für fich). 


So jteht er mit Octav 
Rod) bejjer, al3 ich dachte! (aut) Das beweij't, 
Daß Du die rechte Stunde nicht gemählt! 





206 Herodes und Mariamne. 


Joab. 
Ich wählte jede von den vierundzwanzig, 
Woraus der Tag beſteht; wie man auch trieb, 
Ich wich nicht von der Stelle, nicht einmal, 
Als die Soldaten mir den Imbiß boten, 
Und, da ich ihn verſchmähte, ſpotteten: 
Er ißt nur, was die Katze vorgekoſtet 
Und was der Hund zerlegt hat mit dem Maul! 
Am Ende glückte mir — 


Herodes. 
Was einem Klügern 
Sogleich geglückt wär! — 


Joab. 

Bei ihm vorzukommen! 
Doch war's ſchon Nacht, und Anfangs mußt' ich glau 
Er hätt’ mich rufen laſſen, um den Spaß 
Der höhnenden Soldaten fortzujeßen; 
Denn, wie ich eintrat, fand ich einen reis 
Bon Trinfern vor, die ji auf Poljtern jtredten, 
Er aber füllte jelbjt mir einen Becher 
Und rief mir zu: Den leere auf mein Wohl! 
Und als id) dei mic) höflich weigerte, 
Da ſprach er: Wenn ich den da tödten wollte, 
So braudte id ihn nur acht Tage lang 
An meinen Tiich zu zieh’n und den Tribut, 
Ten Erd’ und Meer mir zollen, d'rauf zu ftellen, 
Er würde müßig fißen und verhungern 
Und noch im Sterben jchiwören, er fei fatt. 


Herodes. 
Sa, ja, ie fennen ung! Das muß jich ändern! 
Was Moſes bloß gebot, um vor dem Rückfall 
In jeinen Kälberdienſt dies Volk zu jchügen, 





Herodes und Mariamne. 


Wenn er fein Narr war, das befolgt died Volk, 
Als hätt! es einen Zweck an fich, und gleicht 
Dem Kranken, der nad) der Genejung noch 
Tas Mittel, das ihn heilte, fort gebraudit, 

ALS wären Arzenei und Nahrung Eins! 

Das ſoll — Fahr’ fort! 


Joab. 

Doch überzeugte ich 
Mich bald, daß ich mich irrte, denn er that 
Beim Trinken alle Staatsgeſchäfte ab, 
Ernannte Magiſtrate, ordnete 
Dem Zeus das Opfer an, vernahm Auguren 
Und ſprach die Boten, wie ſie eben kamen, 
Nicht mich allein. Es ſah beſonders aus. 
Ein Sclav' ſtand hinter ihm, das Ohr geſpitzt, 
Die Tafel und den Griffel in der Hand, 
Und zeichnete mit lächerlichem Ernſt 
Das auf, was ihm in trunk'nem Muth entfiel. 
Die Tafel lieſ't er dann, wie ich vernahm, 
Am nächſten Morgen durch im Katzenjammer 
Und hält ſo treu an ihren Inhalt ſich, 
Daß er, dieß ſoll er jüngſt geſchworen haben, 
Sich ſelbſt mit eig'ner Fauſt' erdroſſeln würde, 
Wenn er die Welt, die ihm gehört, am Abend 
Im Rauſch verſchenkt und ſich dabei des Rechts 
Auf einen Platz darin begeben hätte. 
Ob er dann auch im Zickzack geht, wie Nachts, 
Wenn er ſein Lager ſucht, ich weiß es nicht, 
Doch däucht mir Eins dem Andern völlig gleich. 


Herodes. 
Du ſiegſt, Octavian! Es fragt ſich bloß, 
Ob früher oder ſpäter. Nun? 


207 


“wu ALT EL TUN, anſtatt ihn zu ero 
Berächtlich feinem Schreiber hin um! 
Ein Bild durch feinen Mundjchent | 
Soft’ ich betrachten und ihm jagen, 
Ob ich es ähnlich fände oder nicht. 


Herodes. 
Das war das Bild — 


Joab (Hämii). 

Des Ariſtol 

Des Hohenprieſters, der ſo raſch ert 
Es war ihm längſt durch Deine Sc 
Durch Alerandra, die mit ihm verfe 
Schon zugeſchickt, doch er verichlang' 
Als hätte er es niemals noch erblid 
sh ſtand verwirrt und fchweigend | 
Als er dieß fah: Die Lampen bren 
Zu düfter hier! und griff nad) Dein 
Stedt’ ihn in Brand und ließ ihn ! 
Langſam verfladern, wie ein weißes 


Herodes. 
Kühn! Selbft für ihn! Doch — ei 


5 


10 


15 


U 


25 





11 Herodes und Mariamne. 1.209 


Nun jollt' ich fagen, wie der Hoheprieiter 

Geſtorben jei. Und als ich ihm erzählte, 

Bei'm Baden hab’ der Schwindel ihn gepadt, 

Ta fuhr er d’rein: Gepadt! Sa, ja, das ijt 

Das rechte Wort; der Schwindel hatte Fäuſte! 

Und id) vernahm — verzeihft Du's, wenn ich's melde? 
Daß man in Rom nicht glaubt, der Jüngling fei 
Ertrunlen, ſondern daß man Dich bezüchtigt, 
Fu habeſt ihn durch Deine Kämmerer 
Erfticken laſſen in dem tiefen Fluß. 


Herodes. 
Tant, Alerandra, Dank! 


Joab. 

Jetzt winkt' er mir 
du gehen, und ich ging. Doch rief er mich 
Roc einmal um und ſprach: Du bijt die Antwort 
{uf meine erſte Frage mir nod) fchuldig, 
< Tum wiederhol' ich jie. leicht dieſes Bild 
tem Todten? Und al ich gezwungen nidte: 
Gleicht Mariamne denn auch ihrem Bruder? 
Gleicht ſie dem Jüngling, der ſo ſchmählich ſtarb? 
Iſt ſie fo ſchön, daß jedes Weib fie haßt? 


Herodes. 
Ind Zu? 


Joab. 
J. Erſt höre, was die Andern ſagten, 
die Tih erhoben Hatten und das Bild 
Dir mir umjtanden. Lachend riefen fie, 
Zweideubge Mienen mit Antonius wechſelnd: 
=Prich Ja! wenn Did) der Todte je bejchenfte, 


Penner gere II. 14 





210 , Heroded und Dlariamne. It 


Dann ſiehſt Du ihn auf jeden Fall gerächt! 

Ich aber ſprach: ich wüßte Nichts davon, 

Denn niemals anders, als verſchleiert, hätt’ ich 

Die Königin geſeh'n, und das iſt wahr! Fe 


Herodes (für fid). 

Ha, Mariamne! Aber — dazu lad ic); 
Denn davor werd ich mich zu ſchützen miljen, 
So oder fo, es komme, wie es will! — | 

(gu Joab) 
Und welchen Auftrag gab er Dir für mid? 

Joab. 
Gar keinen! Wenn ich einen Auftrag hätte, Pl 
So hätt’ ich Dir dies Alles nicht erzählt! | 
un ſchien's mir nöthig! | 


Herodes. 
Wohl! — Qu gehit fogleid) 
Zurück nad) Alexandrien mit mir 
Und darfit die Königsburg nicht mehr verlafjen! 


Joab. 
Ich werd' auch in der Burg mit Keinem reden! 2 


Herodes. 
sh glaub's! Wer jtirbt den Tod am Kreuz auch gern, | 
Bejonderd, wenn die Feige eben reift! | 
Mein Stummer wird erwürgt und jollt! er fragen 
Warum, jo jagt man: Weil Du fragen fannit! 

(fix fi) 
Nun weiß ich's denn, durch wen die alte Schlange 5 
Sp oft erfuhr, was ich — Ein böſes Weib! 

(zu 3oab) 
Bejorge das! Ich muß den Kopf nod) feh'n, 





12.3 Herode3 und Mariamne. 211 


255 


Ich will ihn meiner Schwiegermutter fchiden! 


(für fid) 
Sie braudt ein Warnungdzeichen, wie e3 jcheint. 
Joab. 
Sogleich! 
Herodes. 


Noch Eins! Der junge Galliläer 
Tritt für ihn ein, der Sohn des Serubabel. 
Den will ich auch noch ſprechen, eh' wir zieh'n! 
Joab (av). 


Zweite Scene. 

Herodes (allein). 
Nun gilt's! Noch einmal! hätt' ich bald geſagt, 
Allein ich ſeh' kein Ende ab. Ich gleiche 
Dem Mann der Fabel, den der Löwe vorn, 
Der Tiger hinten packte, dem die Geier 
Mit Schnäbeln und mit Klau'n von oben drohten, 
Und der auf einem Schlangenklumpen ſtand. 
Gleichviel! Ich wehre mich, ſo gut ich kann, 
Und gegen jeden Feind mit ſeiner Waffe, 
Das ſei von jetzt mir Regel und Geſetz. 
Wie lang' es dauern wird, mich ſoll's nicht kümmern, 
Wenn ich nur bis an's Ende mich behaupte 
Und Nichts verliere, was ich mein genannt, 
Dies Ende komme nun, ſobald es will! 


Britte Scene. 


Ein Diener (tritt ein). 
Die Königin! 


Mariamne (folgt ihm auf dem Fuß). 
14* 





212 Herodes und Dlariamne. 


Herodes (geht ihr entgegen). 


Du kommſt mir nur zuvor! 
Ich wollte — 


Mariamne. 

Doch nicht in Perſon den Dank 
Für Deine wunderbaren Perlen holen? 
Ich wies Dich zweimal ab, es noch einmal 
Verſuchen, ob ich meinen Sinn gewendet, 
Das wär' für einen Mann zu viel geweſen 
Und ganz gewiß zu viel für einen König. 
O nein, ich kenne meine Pflicht, und da Du 
Seit meines munt'ren Bruders jähem Tod 
Mich jeden Tag ſo reich beſchenkſt, als würbeſt 
Du neu um mich, ſo komme ich auch endlich 
Und zeige Dir, daß ich erkenntlich bin! 


Herodes. 
Ich ſehe es! 
Mariamne. 

Z3war weiß ich nicht, wie Du 
Es mit mir meinst. Du jchidjt für mid) den Tau 
Hinunter in das dunkle Meer, und wenn 
Sic Steiner findet, der um blanfen Lohn 
Des Leviathans Ruhe jtören will, 
So thujt Du Deine Kerfer auf und giebit 
Dem Näuber den verwirften Kopf zurüd, 
Damit er Dir die Perlen fijcht für nic. 

Herodes. 

Und jcheint Dir das verkehrt? Ich ließ wohl aud 
Den Mörder ſchon vom Kreuz herunternehmen, 
As es ein Kind aus einer Feuersbrunſt 





13 Herodes und Mariamne. 


Zu retten galt, und fagte ihm: Wenn Du's 

> Der Mutter wieder bringit, jo gilt mir daß, 
Als Hätteft Du dem Tod die Schuld bezahlt. 
Cr ſtürzte auch hinein — 


Mariamne. 


Und kam er wieder 
Heraus? 


Herodes. 
Es war zu ſpät! Sonſt hätt' ich ihm 
Mein Wort gehalten und ihn als Soldat 
s Nach Nom geichict, wo Tiger nöthig find. 
Man ſoll nit Allem wuchern, denke id), 
Barum nicht mit verjall’nem Menfchenleben ? 
E3 fonmen Zälle, wo man's brauchen kann! 


Mariamne (für ſich. 
O, daß er nicht die blut'gen Hände hätte! 
Ich ſag' ihm Nichts! Denn, was er auch gethan, 
Spopricht er davon, fo ſcheint es wohl gethan, 
Und ſchrecklich wär’ es doch, wenn er mich zwänge, 
Den Brudermord zu finden, wie dad And’re, 
Nothwendig, unvermeidlich, wohl gethan! 


Herodes. 
”“ Du ſchweigſt? 


Mariamne. 
So ſoll ich reden? Wohl von Perlen! 
Wir ſprachen ja bis jetzt von Perlen nur, 
on Perlen, die ſo rein ſind und ſo weiß, 
Daß ſie ſogar in blut'gen Händen nicht 
Den klaren Glanz verlieren! Nun, Du häufſt 


ud S; 
Sie ſehr bei mir! 





213 





14 Herodes und Mariamne. 


Herodes. 
Verdrießt es Dich? 


Mariamne. 

Mich nicht! 
Du kannſt mir dadurch nimmer eine Schuld 
Bezahlen wollen, und mir däucht, ich habe 
Als Weib und Königin ein volles Recht 
Auf Berlen und Kleinodien. Ich darf 
Vom Edelſtein, wie Eleopatra, jagen: 
Er ijt mein Diener, dem ich es verzeihe, 
Daß er den Stern fo jchlecht bei mir vertritt, 
Weil er dafür die Blunte übertrifft! 
Doh haft Du eine Schweiter, Salome — 


Herodes. 
Und diefe — 


Mariamne. 

Nun, wenn fie mid) morden joll, 
So fahr‘ nur fort, da$ Meer für mich zu plündern, 
Sonjt — gieb dem Taucher endlih Ruh’! Ich Itehe 
Schon hoch genug in ihrer Schuld! Du ſiehſt 
Mich zmweifelnd an? Doch! Dod! Als ih vorm Jah 
Im Sterben lag, da hat jie mich gefüßt. 
E3 war das erite und dad einzge Mal, 
Ich dachte gleih: Tas iſt Dein Lohn dafür, 
Daß Du von hinnen gehit! So war e8 aud, 
Ich aber täufchte fie, denn ich genas. 
Yun Hab’ ih ihren Kuß umfonjt, und das 
Vergaß fie nicht. Ich fürchte jehr, fie Fünnte 
Sich d’ran erinnern, wenn ich fie bejuchte, 
Die Wunderperlen um den Hals, durch die 
Du mir zulegt gezeigt, wie Du mid) liebjt! 





Heroded und Mariamne. 


Herodes (tür fid). 


Es fehlt nur noch, daß meine linke Hand 
Sich gegen meine rechte kehrt! 


Mariamne. 


Sch würde 
Zum Wenigjten den Willkommstrunk verjchmäh'n! 
Und böte fie mir ftatt gewürzten Wein? 
Auch im Kryftal unſchuld'ges Waſſer dar, 
Ich ließe jelbit dies Wafjer unberührt! 
Zwar würde das Nichts heißen! Nein! Es wäre 
Auch jo natürlich; denn das Waſſer ijt 


Mir jegt nicht mehr, was es mir jonjt gemwefen it: 


Ein mildes Element, dad Blumen tränft 

Und mid) und alle Welt erquidt, es flößt 

Mir Schauder ein und füllt mid) mit Entſetzen, 
Seit e8 den Bruder mir verjchlungen hat, 

Sch denfe jtet3: im Tropfen wohnt das Leben, 
Tod in der Welle wohnt der bitt’re Tod! 

Dir muß es noch ganz anders fein! 


Herodes. 


Warum? 


Mariamne. 


Weil Du durch einen Fluß verläumdet wirſt, 
Der feine eig'ne, grauſam-tück'ſche That 

Dir aufzubürden wagt! Doch fürcht' ihn nicht, 
Ich widerſprech' ihm! 


Herodes. 


In der That? 


215 





16 Herodes und Mariamne, 


Mariamne. 
Ich kann's! 
Die Schweſter lieben und den Bruder tödten, 
Wie wär' das zu vereinen? 


Herodes. 


Doch vielleicht! 

Wenn ſolch ein Bruder ſelbſt auf's Tödten ſinnt, 
Und man nur dadurch, daß man ihm begegnet, 
Ja, ihm zuvor kommt, ſich erhalten kann! 
Wir ſprechen hier vom Möglichen! Und weiter! 
Wenn er, an ſich zwar arglos, ſich zur Waffe 
In Feindeshänden machen läßt, zur Waffe, 
Die tödtlich treffen muß, wenn man ſie nicht 
Zerbricht, bevor ſie noch geſchwungen wird. 
Wir ſprechen hier vom Möglichen! Und endlich! 
Wenn dieſe Waffe nicht ein Einzelhaupt, 
Nein, wenn ſie eines Volkes Haupt bedroht! 
Und eins, das dieſem Volk ſo nöthig iſt, 
Wie irgend einem Rumpf das ſeinige. 
Wir ſprechen hier vom Möglichen, doch denk' ich, 
In allen dieſen Fällen wird die Schweſter, 
Als Weib aus ſchuld'ger Liebe zum Gemahl, 
Als Tochter ihres Volks aus heil'ger Pflicht, 
Als Königin aus beiden ſagen müſſen: 
Es iſt geſcheh'n, was ich nicht ſchelten darf! 

(Er faßt Mariamnens Hand.) 
Wenn eine Ruth mich auch nicht faſſen mag, 
Wie hätte ſie's gelernt beim Aehrenleſen, 
Die Maccabäerin wird mich verſteh'n! 
Du konnteſt mich in Jericho nicht küſſen, 
Du wirſt es können in Jeruſalem! 

(Er kuüßt fie.) 





13 


Herodes und Marianıne. 217 


Und wenn der Auß Did) doc) gereuen follte, 
So böre, was Ti‘ mir verſöhnen wird: 
IH Habe ihn zum Abjchied mir genommen, 
Und diejer Abjchied kann für ewig fein! 
Mariamne. 
Für ewig? 
Derodes. 


sa! Antonius läßt mich rufen, 
Doch, ob aud wiederfehren, weiß ich nicht! 


Mariamne. 
Dir weißt es nid? 


Herodes. 
Weil ich nicht weiß, wie hart 
Dich meine — Deine Mutter bei ihm verflagte! 


Mariamne (win reden). 


Herodes. 
——— Ich werd's erfahren. Ein's nur muß ich 
LS Deinem Munde wiſſen, wiſſen muß ich, 


nn 
Kb dh und wie ich mich vertheid’gen ſoll. 


Mariamne. 
> Du — 


Herodes. 
O Mariamne, frage nicht! 
Par fennft den Bauber, der mid an Dich fnüpft, 
ar meißt, daß jeder Tag ihn noch veritärkte, 
[at mußt e3 ja empfinden, daß id) jeßt 
acht für mich kämpfen fann, wenn Du mir nicht 


Ferien, daß Dein Herz noch für mid) fchlägt! 
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18 Herodes und Marianne. 


O, ſag' mir, wie, ob feurig oder kalt, 

Dann werde ich Dir ſagen, ob Antonius 

Mich Bruder nennen, oder ob er mich 

Zum Hungertod im unterird'ſchen Kerker, 

In dem Jugurtha ſtarb, verdammen wird! 

Du ſchweigſt? O, ſchweige nicht! Ich fühl' es wohl, 
Daß dies Bekenntniß keinem König ziemt; 

Er ſollte nicht dem allgemeinen Loos 

Der Menſchheit unterworfen, ſollte nicht 

Im Innern an ein Weſen außer ſich, 

Er ſollte nur an Gott gebunden ſein! 

Ich bin es nicht! Als Du vor einem Jahr 

Im Sterben lagſt, da ging ich damit um, 

Mich ſelbſt zu tödten, daß ich Deinen Tod 

Nur nicht erlebte, und — dieß weißt Du nun, 
Ein And'res wiſſe auch! Wenn ich einmal, 

Ich ſelbſt, im Sterben läge, könnt' ich thun, 
Was Du von Salome erwarteſt, könnte 

Ein Gift Dir miſchen und im Wein Dir reichen, 
Damit ich Dein im Tod noch ſicher ſei! 


Mariamne. 
Wenn Du das thäteſt, würdeſt Du geneſen! 


Herodes. 
O nein! o nein! Ich theilte ja mit Dir! 
Du aber fprich: ein Uebermaß von Xiebe, 
Vie dieſes wäre, fönnteft Du's verzeih'n ? 


Mariamne. 
Nenn ich nad) einem folhen Trunk auch nur 
Zu einem legten Wort noch dent hätte, 
So Flucht” ich Dir mit dieſem letzten Wort! 
(für fi) 
Sa, um fo eher thät’ ich das, je ſich'rer 





425 


13 | Heroded und Mariamne. 219 


sch jelbit, wenn Dich der Tod von hinnen riefe, 
In meinem Schmerz zum Tolche greifen könnte: 
Das fann man thun, erleiden fann man's nicht! 


Herodes. 
Im Feuer dieſer Nacht hat ſich ein Weib 
so Mit ihrem todten Mann verbrannt; man wollte 
Site retten, doch jie jträubte ih. Died Weib 
Verachteſt Du, nicht wahr? 


} Mariamne. - 

| Wer jagt Dir das? 
Sie ließ ja nicht zum Opferthier ſich machen, 
Ste Hat ich jelbit geopfert, das beweiſ't, 

Daß ihr der Todte mehr war, ald die Welt! 


Herodes. 
Und Tu? Und id? 


Mariamne. 

Wenn Du Dir jagen darfit, 
Tab Du die Welt mir aufgerwogen hait, 
Was ſollte mich wohl in der Welt noch halten? 


Herodes. 


Die Welt! Die Welt hat manchen König noch, 
Und Keiner iſt darunter, der mit Dir 

Den Thron nicht theilte, der nicht Deinetwegen 
Die Braut verließe und das Weib verſtieße, 
Und wär's am Morgen nach der Hochzeitsnacht! 


Mariamne. 
Iſt Cleopatra todt, daß Du ſo ſprichſt? 








220 Herodes und Mariamne. 


Herodes. 
Du biſt ſo ſchön, daß Jeder, der Dich ſieht, 
An die Unſterblichkeit faſt glauben muß, 
Mit welcher ſich die Phariſäer ſchmeicheln, 
Weil Keiner faßt, daß je in ihm Dein Bild 
Erlöſchen kann; jo ‚ſihön, daß ich mich nicht 
Verwundern würde, wenn die Berge plößlic) 
Ein edlere® Metall, als Gold und Silber, 
Mir lieferten, um Dich damit zu ſchmücken, 
Das fie zuritdgehalten, bis Du kamſt; 
So ſchön, daß — — Ha! Und wiljen, daß Du jtirbi 
Sobald ein And’rer ſtarb, aus Liebe ftirbit, 
Um dem, der Dir voranging, nachzueilen, 
Und Dich in einer Sphäre, wo man iſt 
Und nicht mehr ift, ich ftell’ mir das fo vor, 
Als letzter Hauch zum lebten Hauch zu milchen — 
Das wär’ freimill’gen Todes werth, das hieße 
Jenſeits des Grabe, mo dad Grauen wohnt, 
Noch ein Entzücden finden: Mariamne, 
Darf ich dieß hoffen, oder muß ich fürchten, 
Daß Du — Antonius hat nad) Dir gefragt! 
Mariamne. | 

Man jtellt auf Thaten feinen Schuldjchein aus, 
Biel weniger auf Schmerzen und auf Opfer, 
Wie die Verzweiflung zwar, ich fühl’s, fie bringen, 
Doch nie die Liebe ſie verlangen fann! 

Herodes. 
Leb' wohl! 
Mariamne. 

Leb' wohl! Ich weiß, Du kehrſt zurück! 

Dich tödtet (Sie zeigt gen Himmel) Der allein. 





[3 Herodes und Marianıne. 221 


Herodes. 
Co Hein die Augjt? 
Mariamne. 
So groß die Zuverſicht! 
Herodes. 
Die Liebe zittert! 
Sie zittert ſelbſt in einer Heldenbrujt! 
Mariamne. 
Die meine zittert nicht! 


Herodes. 
Du zitterſt nicht! 
Mariamne. 
Nun fang' ich an! Kannſt Du nicht mehr vertrauen, 
Seit Du den Bruder mir — Dann wehe mir 
Und wehe Dir! 
Herodes. 


Du hältſt das Wort zurüch, 
Das ſchlichte Wort, wo ich auf einen Schwur 
Von Dir gehofft: worauf noch ſoll ich bau'n? 


Mariamne. 
Und leiſtete ich den, was bürgte Dir, 
Daß ich ihn hielte? Immer nur ich ſelbſt, 
Mein Weſen, wie Du's kennſt. D'rum denke ich, 
Du fängſt, da Du mit Hoffnung und Vertrau'n 
Doch enden mußt, ſogleich mit beiden an! 
Geh! Geh! Ich kann nicht anders! Heut’ noch nicht! am 





29232 Herodes und Mariamne. 


Bierte Scene. 
Herodes. 


Heut’ nicht! Doc morgen, oder übermorgen! — 
Sie will mir nad) dem Tode Gutes thun! 

Spricht fo ein Weib? Zwar weiß ich's, daß fie oft, 
Wenn ich fie ſchön genannt, ihr Augejicht 
Verzog, Did jie e8 nicht mehr war. Auch weiß ich's, 
Daß ſie nicht weinen fann, daß Krämpfe ihr, 

Was Andern Thränengüfje find! Auch weiß ih'3, 
Daß fie mit ihrem Bruder kurz vorher, 

Eh er im Bad den Tod fand, fich entziweit 

Und dann die Unverjöhnliche geipielt, 

Ka, obend’rein, als er ſchon Leiche war, 

Mod) ein Gejchent von ihm erhalten hat, 

Das er beim Gang in's Bad für jie gefauft. 

Und doch! Spricht fo ein Weib in dem Moment, 
Wo fie den, den jie liebt, und wenigiteng 

Doch lieben ſoll — — Lie ehrt nicht wieder um, 
Wie einit, als id — — Eie ließ fein Tuch zurüd, 
Das ihr als Vorwand — — Mein, jie kann e8 tragen, 
. Daß id mit diefem Eindrud — — Wohl, es ſei! 
Nach Alerandria — in’d Grab — Gleichviel! 

Dod Eins zuvor! Eins! Erd’ und Himmel hört’s! 
Mir ſchwurſt Du Nichts, Dir will ih Etwas ſchwören: 
Ich jtell’ Dich unter's Schwert. Antonius, 

Wenn er mich Deinetwegen fallen läßt, 

Und Deiner Mutter wegen thut er's nicht! 

Soll id) betrügen, ſei's auch zweifelhaft, 

Ob mir das Kleid, dad mid) im Sterben deckt, 

Mit in die Grube folgt, weil mir ein Dieb 

E3 ja noch jtehlen fann, Du jolljt mir folgen! 

Das steht nun feit! Wenn ich nicht wiederfehre, 


14 





15 Herodes und Marianne. 


So ftirbft Du! Den Befehl lafj’ ich zurüd! 
Befehl! Da jtößt ein böjer Punct mir auf: 
Was ſichert mid, daß man mir nod) gehordt, 
Wenn man mid) nicht mehr fürchtet? O, e3 wird 
Sih Einer finden, dent ich, der vor ihr 

Zu zittern hat! 


Fünfte Scene. 
Ein Diener, 
Dein Schwäher! 
Herodes. 
Sit willfommen! 
Das ijt mein Mann! Dem reiche ich mein Schwert 
Und hetz' ihn dann durch Feigheit in den Muth 
So tief hinein, biß er es braucht, wie ich! 
Joſeph iritt em). 
Ich höre, daß Du gleidy nad) Alerandrien 
Zu gehen denkt und wollte Abjchied nehmen 
Serodes. 
Abſchied! PVielleiht auf Nimmerwiederjeh'n! 


Joſeph. 
Auf Nimmerwiederfeh'n? 
Herodes. 
Es könnte jein! 
Joſeph. 
Ich ſah Dich nie, wie jetzt! 


223 





224 Herodbes und Mariamne. 


Herodes. 
Das ſei Dir Bürge, 
Daß es noch nie ſo mit mir ſtand, wie jetzt! 


Joſeph. 
Wenn Du den Muth verlierſt — 


Herodes. 
Das werd' ich nicht, 
Denn, was auch kommt, ich trag' es, doch die Hoffnung 
Verläßt mich, daß was Gutes kommen kann. 


Joſeph. 
So wollte ich, ich wäre blind geweſen 
Und hätte Alexandras Heimlichkeiten 
Nie aufgeſpürt! 


Herodes. 
Das glaube ich Dir gern! 


Joſeph. 
Denn hätte ich das Bildniß nicht entdeckt, 
Das ſie vom Ariſtobolus geheim 
Für den Antonius malen ließ, und hätt' ich 
Ihr Botenſenden an Cleopatra | 
Nicht ausgeipäht, und nod) zulegt den Sarg, 
Der fie und ihren Sohn verbarg, im Hafen 
Nicht angehalten und die Flucht verhindert, 
Die Schon begonnen war — 


Herodes. 
Dann hätte ſie 
Dir Nichts zu danken, und mit Ruhe könnteſt 
Du ihre Tochter auf dem Throne ſeh'n, 
Den ſie, die kühne Maccabäerin, 





15 
N 
Gewiß bejteigt, wenn ich nicht wiederfehre, 
Und wenn vor ihr fein And’rer ihn beſetzt. 


Joſeph. 


So mein' ich's nicht. Ich meine, Manches wär' 
30 Dann unterblieben! | 


Heroded und Mariamne 


Herodes. 
Manches! Allerdings! 
Doch manches And're wär' dafür gekommen. 
Das gilt nun gleich. — Du zählteſt Vieles auf, 
Eins haſt Du noch vergeſſen! 


Joſeph. 
Und das wäre? 


Herodes. 
Du warſt doch mit im Bade, als — 


Joſeph. 
Ich war's! 
Herodes. 
ss Du rangſt doch auch mit ihm? 
Joſeph. 
Im Anfang. Ja. 
Herodes. 
Nun denn! 


Joſeph. 
In meinen Armen hat der Schwindel 
Ihn nicht erfaßt und wäre es geſcheh'n, 
So hätt' ich ihn gerettet, oder er 


Mich mit hinabgezogen in den Grund. 
HSebbel, Werte IL 15 


2 


5 





26 Herodes und Marianine. 


Herodes. 
Ich zweifle nicht daran. Doch wirſt Tu willen, 
Daß Keiner, der dabei war, anders jpricht, 
Und da der böje Zufall will, daß Du 
Ihn nicht bloß hinbegleitet, jondern auch 
Mit ihm gerungen haft — 


Joſeph. 
Was hältſt Du ein? 


Herodes. 


Mein Joſeph, Du und ich, wir alle Beide 
Sind hart verklagt! 


Joſeph. 
Ich auchꝰ 
Herodes. 
Mein Schwäher freilich 
Nicht bloß, auch mein vertrauter Freund biſt Du! 


Joſeph. 
Deß ſchmeichl' ich mir! 

Herodes. 

O, wärſt Du's nie geweſen, 

Hätt' ich, wie Saul, den Spieß nach Dir geworfen, 
Könnt'ſt Du durch Todeswunden das beweiſen, 
Dir wäre beſſer, die Verläumdung hätte 
Kein gläubig Ohr gefunden, und Du würdeſt 
Für eine Blutthat, die Du nicht begingſt, 
Auch nicht enthauptet werden! 


Joſeph. 
Ich? Enthauptet? 





Herodes und Marianne. 


Herodes. 
Das iſt Dein Loos, wenn ich nicht wiederkehre 
Und Mariamne — 
Joſeph. 
Aber ich bin ſchuldlos! 


Herodes. 
Was hilft es Dir? Der Schein iſt gegen Dich! 
Und ſind denn nicht, geſetzt, daß man Dir glaubte, 
Die vielen, vielen Dienſte, die Du mir 
Erwieſen haſt, in Alexandras Augen 
So viel Verbrechen gegen ſie? Wird ſie 
Nicht denken: Hätte der mich fliehen laſſen, 
So lebte noch, der jetzt im Grabe liegt? 


Joſeph. 
Wahr! Wahr! 
Herodes. 
Kann ſie denn nicht mit einer Art 
Bon Recht Dein Leben für ein and'res fodern, 
Das fie durch Deine Schuld verloren glaubt, 
Und wird ſie's nicht durch ihre Tochter thun? 
” Joſeph. 
O Salome! Das kommt von jenem Gang 
Zum Maler! Jahr für Jahr will ſie von mir 
Ein neues Bild! 
Herodes. 
Ich weiß, wie ſie Dich liebt! 
Joſeph. 
Ach, wär' es weniger, ſo ſtünd' es beſſer! 


Hätt' ich das Bild des Ariſtobolus 
15* 


228 Herodes und Marianne. 





Entdedt, wenn id — Nun kann fie denn ja bald 
Mein letztes haben, ohne Kopf! 


Herodes. 
Mein Joſeph, 
Den Kopf vertheidigt man! 
Joſeph. 
Wenn Du den Deinen 
Verloren giebſt? 
Herodes. 
Das thu' ich doch nur halb, 
Ich werd' ihn dadurch noch zu retten ſuchen, 
Daß ich ihn ſelbſt, freiwillig, in den Rachen 
Des Löwen ſtecke! 
Joſeph. 
Einmal glückt' es Dir! 
AS Did) die Phariſäer — 
Herodes. 
Sept ſteht's jchlimmer, 
Doch was mit mir auch werde, Dein Gefchid 
Will ic) in Deine eig’'nen Hände legen: 
Du warſt jchon ftet3 ein Dann, ſei jegt ein König! 
Sc hänge Dir den Burpurmantel um 
Und reihe Dir den Zepter und dad Schwert, 
Halt's feit und gieb ed nur an mid, zurüd! 


Joſeph. 
Verſteh' ich Dich? 
Herodes. 


Und daß Du den Beſitz 
Des Throns Dir und mit ihm Dein Leben ſicherſt, 





Herodes und Mariamne. | 229 


So tödte Mariamme, wenn Du hörſt, 
Daß ich nicht wiederkehre. 


Joſeph. 
Mariamne? 


Herodes. 
Sie iſt das letzte Band, das Alexandra 
Noch mit dem Volk verknüpft, ſeit ihr der Fluß 
Den Sohn erſtickte, iſt der bunte Helmbuſch, 
Den die Empörung tragen wird, wenn ſie 
Sich gegen Dich erhebt — 


Joſeph. 
Doch Mariamne! 


Herodes. 
Du ſtaunſt, daß ich — Ich will nicht heucheln, Joſeph! 
Mein Rath iſt gut, iſt gut für Dich, bedarf's 
Der Worte noch? Doch geb' ich Dir ihn freilich 
Nicht Deinetwegen blog — G'rad aus, ih kann's 
Nicht tragen, daß ſie einem Andern jemals — 
Das wär' mir bitt'rer, als — Sie iſt zwar ſtolz — 
Doch nach dem Tod — Und ein Antonius — 
Und dann vor Allem dieſe Schwiegermutter, 
Die Todten gegen Todten hetzen wird — — 
Du mußt mich faſſen! 


Joſeph. 
Aber — 
Herodes. 
Hör' mich aus! 
Sie ließ mich hoffen, daß ſie ſelbſt den Tod 
Sich geben würde, wenn ich — Eine Schuld 





2330 Heroded und Dlariamne. 


Darf man doc) einzieh'n lafjen, wie? — Man darf 


Selbſt mit Gewalt — Was meinit Tu? 


Joſeph. 


Nun, ich glaube! 


Herodes. 
Verſprich mir denn, daß Du ſie tödten willſt, 
Wenn ſie ſich ſelbſt nicht tödtet! Uebereil's nicht, 
Doch ſäum' auch nicht zu lange! Geh zu ihr, 
Sobald mein Bote, denn ich ſchicke Einen, 
Dir meldet, daß es mit mir aus iſt, ſag's ihr 
Und ſieh, ob ſie zu einem Dolche greift, 
Ob ſie was And'res thut. Verſprichſt Du's? 


Joſeph. 
Ja! 

Herodes. 
Ich laſſe Dich nicht ſchwören, denn man ließ 
Noch Keinen ſchwören, daß er eine Schlange 
Zertreten wolle, die den Tod ihm droht. 
Er thut's von ſelbſt, wenn er bei Sinnen bleibt, 
Da er das Eſſen und das Trinken eher 
Gefahrlos unterlaſſen kann, als dieß. 


Joſeph (macht eine Bewegung). 


Herodes. 
Ich kenn' Dich ja! Und dem Antonius 
Werd' ich Dich als den Einzigen empfehlen, 
Dem er vertrauen darf. Du wirſt ihm das 
Dadurch beweiſen, daß die Blutsverwandte 
Dir nicht zu heilig iſt, um ſie zu opfern, 
Wenn es Empörung zu erſticken gilt. 


15 








IB Herode3 und Marianıne. 


Denn dieß iſt der Gelichtöpunct für die That, 

Aus dem Du ihm fie zeigen mußt. Ihr wird 

Ein Straßen-Auflauf folgen, und Tu meldeit 

Ihm, dag ein Aufruhr ihr vorher gegangen, 

Und nur durch fie beziwungen worden fei. 

Was dann das Volk betrifft, jo wird es fchaudern, 
Wenn es Dein blut'ges Schwert erblickt, und Mancher 
Wird ſprechen: Dieſen kannt' ich doch nur halb! 

Und jetzt — 


Joſeph. 
Ich ſeh' Dich noch! Und nicht bloß heut', 
Ich weiß gewiß, Du kehrſt, wie ſonſt, zurück. 


Herodes. 


Unmöglich iſt es nicht, darum noch Eins! — — 
(lange Pauſe) 
Ich ſchwur jetzt Etwas in Bezug auf Dich! 
(Er ſchreibt und ſiegelt.) 
Hier ſteht's! Nimm dieſes Blatt verſiegelt hin! 
Du ſiehſt, die Aufſchrift lautet — 


Joſeph. 
An den Henker! 
Herodes. 
Sch Halte Dir, was ich Dir d'rin verſprach, 
Wenn Du vielleicht ein Stück von einem König 
Erzählen ſollteſt, der — 


Joſeph. 
Dann gieb mir auf, 
Dies Blatt dem Henker ſelbſt zu überreichen! (ao) 


231 





232 Herodes und Mariamne. 16.1 


Bechste Bcene. 

Herodes (allein). 
Nun lebt fie unter'm Schwert! Das wird mich fpornen, 
Zu thun, was ich noch nie gethan; zu dulden, 
Was ich noch nie geduldet, und mic tröjten, 
Wenn es umijonit geſchieht! Run fort! — (ab) 

\ Ta Fr u 

SG 


1 Bweiter Act. 





Burg Zion. Wlerandras Gemächer. 


Erſte Scene. 


Alexandra und Sameas. 


Alexandra. 
Dieß weißt Du nun! 


Sameas. | 


Es überraſcht mid nicht! 
Nein, dom Herodes überraſcht mid, Nichts ! 
Denn wer als Süngling dem Synedrium 
Schon Krieg erklärt, wer mit der blanfen Waffe 
Bor jeinen Richter Hintritt und ihn mahnt, 
Daß er der Henker iſt, und daß der Henker 
Kein Todesurtheil an fich ſelbſt vollzieht, 
Der mag ald Mann — — Ha, ich erblid’ ihn nod), 
Wie er, dem Hohenpriejter gegenüber, 
Sih an die Säule lehnte und, umringt 
Bon feinen Söldnern, die im Räuberfangen 
Sid) jelbjt in Räuber umgewandelt hatten, 
Uns Alle überzählte, Kopf für Kopf, 





I Heroded und Marianıne. 233 


5 


Als jtände er vor einem Diitelbeet 
Und fänne nad, wie ed zu jäubern fei. 


Alerandra. 


%a, ja, e8 war ein Augenblid für ihn, 

An den er ſich mit Stolz erinnern mag! 

Ein junger Tollkopf, der die Zwanzig kaum 
Erreicht, wird vor’? Synedrium gejtellt, 

Weil er in frevelhaftem Uebermuth 

Sid) einen Angriff auf's Geſetz erlaubt, 

Weil er ein Todesurtheil, da3 von Euch 

Noc nicht geiprochen ward, vollzogen hat. 

Des Todten Wittwe tritt ihm an der Schwelle 
Mit ihrem Fluch entgegen, d’rinnen ſitzt, 

Was alt und grau ift in Jeruſalem. 

Toh weil er nit im Sad kommt und mit Ajche 
Sein Haupt bejtreut, fo wird’3 Euch ſchwach zu Muth; 
Ihr denkt nicht mehr daran, ihn zu bejtrafen, 
Ihr denkt nicht einmal d’ran, ihn zu bedräuen, 
Ihr fagt ihm Nichts, er lacht Euch aus und geht! 


Samens. 
Ich ſprach! 
Alexandra. 
Als es zu ſpät war! 


Sameas. 
Hätt' ich's eher 
Gethan, ſo wäre es zu früh geweſen, 
Ich ſchwieg aus Ehrfurcht vor dem Hohenprieſter, 
Dem ſtand das erſte Wort zu, mir das letzte, 
Er war der Aelteſte, der Jüngſte ich! 


234 Herodes und Mariamne. IIi 


Alerandra. 
Gleichviel! Wenn Ihr in jenem Augenblid 
Den ſchlichten Muth der Pilicht bewieſen hättet, 
Eo würde jekt fein größ’rer nöthig fein! 
Doh nun jeht zu, ob Ihr — — Ei was, Euch bleibt zo; 
Auch wohl ein and’rer Ausweg noch! Wenn hr 
Mit ihn nicht Fampfen wollt, und in der That, 
Es wär’ gewagt, ich rath' Euch ab, jo braucht 
Ihr mit dem Löwen oder mit dem Tiger 


Den Kampf nur einzugeh’'n, den er befiehlt! 715 
Sameas. 

Was redeit Du? 
Alerandra. 


Du kennſt die Fechterjpiele 
Der Römer doch? 


Sameas. 

Gott Lob, ich kenn' ſie nicht! 
Ich halt' es für Gewinn, Nichts von den Heiden 
Zu wiſſen, als was Moſes uns erzählt; 
Ich mache jedes Mal die Augen zu, 720 
Wenn mir ein römischer Soldat begegnet, | 
Und ſegne meinen DBater noch im Grabe, 
Daß er mid ihre Sprache nicht gelehrt. 


Alerandra. 
Co weißt Du nicht, daß fie die wilden Thiere 
Aus Afrika zu Hunderten nach Rom 725 
Hinüber fchaffen? 
Sameas. 
Nein, ich weiß es nicht! 








1 Herodes und Mariamne. 


Alerandra. 
Daß fie ſie dort in jteinerner Arena 
Zujammen treiben, daß fie ihnen Sclaven 
Entgegen beten, die auf Tod und Leben 
Mit ihnen kämpfen müfjen, während fie . 
Im Kreis herum auf hohen Bänfen figen 
Und jubeln, wenn die Todeswunden Flaffen, 
Und wenn das rothe Blut den Sand beiprigt? 


Samene. 


Das hat der wildeite von meinen Träumen 
Mir nicht gezeigt, Doch freut’3 mich in der Seele, 
Wenn ſie ed thun, es ſchickt ſich wohl für fie! 
(mit erhobenen Händen) 
Herr, Du bit groß! Wenn Du dem Heiden aud) 
Da3 Leben gönnit, jo muß er Dir dafür 
Doch einen gräßlichen Tribut bezahlen, 
Du ftrafit ihn durch die Art, wie er es braudt! 
Die Spiele mögt’ ich ſeh'n! 
Alerandra. 
Der Wunſch wird Dir 
Erfüllt, ſobald Herodes wiederfehrt, 
Er denkt fie einzuführen! 
Sameas. 


Nimmermehr! 


Alerandra. 


Sch jagt es Dir! Warum aud) nit? Wir haben 
Der Löwen ja genug! Der Berghirt wird 

Sich freuen, wenn ji ihre Zahl vermindert, 

Er fpart dann mandyes Rind und manded Kalb. 


235 


236 Herodes und Mariamne. 





Sameas. 
Bon Uebrigen noch abgejeh'n, wo fände 
Er Kämpfer? Sclaven giebt es nicht bei uns, 
Die ihm auf Tod und Leben pflidhtig find. 


Alerandra. 
Ten Erſten — jeh ich vor mir! 


Sameas. 
Wie? 


Alerandra. 
Gewiß! 

Du wirſt, wie jetzt, Dein Angeſicht verzieh'n, 
Du wirſt vielleicht ſogar die Fäuſte ballen, 
Die Augen rollen und die Zähne fletſchen, 
Wenn Du den großen Tag erlebſt, an dem 
Er feierlich, wie Salomo den Tempel, 
Die heidniſche Arena weihen wird. 
Das wird ihm nicht entgeh'n, und deß zum Lohn 
Wird er den Wink Dir geben, einzutreten 
Und allem Volk zu zeigen, was Du kannſt, 
Wenn Du dem Löwen gegenüber ſtehſt, 
Der Tage lang vorher gehungert hat. 
Denn, da es uns an Sclaven fehlt, ſo ſollen 
Die todeswürdigen Verbrecher ſie 
Erſetzen, und wer wär' noch todeswürdig, 
Wenn der nicht, der dem König offen trotzt! 


Sameas. 
Er könnte — 


Alexandra. 
Zweifle nicht! Es wäre ſchlimm, 
Wenn ihm zu früh der Kopf genommen würde, 





[Li Herodes und Mariamne, 237 


E3 würden Pläne mit ihm untergeh’n, 
Die ſelbſt Pompejus, der doch heidenkeck 
In's Allerheiligite zu treten magte, 
Vielleiht — . 
Samen (aussregend). 
Antonius, wenn Du ihn padit, 

So will ih Did) ein Jahr lang nicht verfluchen! 
Und thuft Du's nicht, jo — — Nun, wir find bereit! 

Alerandra. 


; Er meint, wenn unfer Volk fi mit den andern 
Nicht mifchen jollte, würden wir den Erdball 
Von Gott für uns allein erhalten haben! 


Samea?. 
Meint er? 


Alerandra. 


Da dem nun aber nicht jo fei, 
So thu’ ed noth, die Dämme zu durchſtechen, 


> Die und, wie einen jteh'nden See vom Meer, 


Von allen übrigen noch immer trennten, 
Und das geichehe dadurch, dag wir uns 
In Brauch und Sitte ihnen anbequemten. 
Sameas. | 
In Braud) und — (gen Himmet) Herr! wenn ich nicht raſen joll, 


5 &o zeig’ mir an, wie diefer jterben wird! 


Zeig’ mir den Tod, der jedem andern Tod 
Die Schreden abborgt und verfünde mir, 
Daß es Herodes ijt, für den er's thut! 


Alexandra. 
Mach' Du den Toded-Engel! 


238 Herodes und Mariamne. 








Sameas. 


Wenn an ihm nicht, 
So an mir felbit! Ich ſchwör's! Wenn ich den Gräuel Jr 
Nicht hindern kann, jo will ich meine Ohnmacht 
Durh Selbitmord jtrafen, 

(mit einer Bewegung gegen die Bruft) 
eh’ der Tag noch kommt, 

Den er zum eriten Mal befleden joll! 
Das it ein Schwur, der eine Miffethat 
Mir abdringt, wenn ich einer Heldenthat 
Nicht fähig bin; wer ſchwur nod) Größeres? 





Alerandra. 
Wohl! Nur vergiß nicht: wenn der eigne Arm 
Nicht ſtark genug iſt, um den Feind zu ftürzen, 
Co muß man einen fremden nicht verſchmäh'n! 


Sameas. 
Und dieſen fremden? 


Alexandra. 
Waffneſt Du Dir leicht! 
Sameas. 
Sprich deutlicher! 


Alexandra. 
Wer ſetzte den Herodes 
Zum König ein? 
Sameas. 
Antonius! Wer jonit? 


Alerandra. 
Weswegen that er's? 





Ii Herodes und Marianne, 239 


Sameas. 
Weil er ihm gefiel! 
Vielleicht auch bloß, weil er und nicht gefiel! 
Wann Hat ein Heide einen beſſern Grund? 


Alerandra. 
Und weiter! Was erhält ihn auf dem Thron? 


Sameas. | 
Des Volles Segen nicht! Vielleicht fein Fluch! 
Wer kann e3 jagen? 


Alerandra. Ä 
Sch! Nichts, als der Pfiff, 
Den Zind, den wir dem Römer zahlen müſſen, 
Alljährlich vorm Verfalltag einzujchiden 
Und ihn jogar freiwillig zu verdoppeln, 
Wenn fi) ein neuer Krieg entzündet hat. 
Der Römer will nur unſer Gold, nicht mehr, 
Er läßt und unjern Glauben, unjern Gott, 
Er würde ihn jogar mit uns verehren, 
Und neben Jupiter und Ops und Iſis 
Ihm auf dem Gapitol den Winkel gönnen, 
Der unbejeßt geblieben ijt bis heut’, 
Wär er nur aud, wie die, von Stein gemacht. 


Sameas. 
Wenn dem ſo iſt, und leider iſt es ſo, 
Was haſt Du von Antonius zu hoffen? 
In dieſem Punct, Du ſelber ſprachſt es aus, 
Verſäumt Herodes Nichts. Noch jetzt — ich habe 
Ihn ziehen ſeh'n! Dem einen Maulthier brach 
Der Rückgrat, eh' es noch das Thor erreichte! 
Für jeden Tropfen Bluts in ſeinen Adern 





240 Herodes und Mariamne. 


Bringt er ihm eine Unze Goldes dar: 
Glaubſt Du, er weiſ't e8 Deinethalb zurüd? 


Alerandra. 
Gewiß nicht, führt ich meine Sache felbjt! 
Allein das thut Cleopatra für mid), 
Und Hoffentlich thut's Mariamne aud). 
Du ftaunft? Verſteh mich recht! Nicht in Perton, 
Ta ehrt fie ji) wohl eher gegen mid), 
Nur durch ihr Bild, und nicht einmal durch daß, 
Nein, durch ein and'res, das ihr freilich gleicht. 
Denn wie ein wilder Wald nicht bloß den Löwen 
Beherbergt, aud) den Tiger, jeinen Feind, 
So nijtet auch in dieſes Nömerd Herzen 
Ein ganzes Wurmgeſchlecht von Leidenjchaften, 
Die um die Herrichaft mit einander ringen, 
Und wenn Herodes auf die erjte baut, 
Sch baue auf die zweite, und ich glaube, 
Daß die der andern überlegen: ijt. 


Sameas. 
Du biſt — 


Alexandra. 


Kein Hirkan, wenn auch ſeine Tochter! 
Doch, daß Du nicht mißdeuteſt, was ich that: 
Ich bin aud Marianne nit! Und wenn 
Antonin den Gemahl, der fie beiigt, 
Vertilgt, um fi) den Weg zu ihr zu bahnen: 
Sie bleibt die Herrin ihrer jelbjt und fann 
Sich hüllen in ein ew'ges Wittwenkfeid. 
Dep aber halt’ id mid) gewiß, fchon hat er 
Die Hand an’ Schwert gelegt, und wenn er's noch 
Nicht zog, fo hielt ihn nur die Rückſicht ab, 





Il Herodes und Mariamne. 241 


Daß diefer glüdlihe Soldat Herodes 

3 Ten Römern für den Ring von Eifen gilt, 
zer Alles hier bei und zufammen hält. 
Schafft Du ihm den Beweis des Gegentheilg, 
Erreg' Empörung, ſtör' den fchlaffen Frieden, 
So wird er’3 zieh'n! 


Sameas. 
Den ſchaffe ich ihm leicht! 
Schon ſchlug das Volk ihn in Gedanken todt, 
Es wird erzählt — 


Alexandra. 
Drüf Du Dein Siegel d’rauf, 
Und dann eröffnet raſch fein Teitament! 
Ten Inhalt kennſt Du jeßt, die Yechterjpiele 
Steh'n obenan, und wenn ein Jeder ſich 
s Durch feinen Tod um Hundert Ruthenjtreiche 
Verfürzt glaubt, oder um dad Marterkreuz, 
So glaubt ein Jeder, was er glauben darf. 
Senn Dinge itehen Israel bevor, 
Die manchem Herzen den Verzweiflungswunſch 
-» Abdringen werden, daß das rothe Meer 
Tas ganze Volk, die heiligen zwölf Stämme, 
Verſchlungen hätt’, und Mojes ſelbſt zuerit. 


Sameas. 
Ich geh! Und eh der Mittag kommt — 


Alexandra. 
| Ich weiß, 
Was Dur vermagit, wenn Du den Sad ergreifit 
> Und Wehe! rujend, durch die Gaſſen ziehit, 
- AS wär’ Dein Vorfahr Jonas wicder da. 
Hebbel, Werte IL 16 





242 Herodes und Mariamne. 


Es wird ſich zeigen, daß ed nützlich ift, 
Zuweilen bei dem Fiſcher vorzujprechen, 

Und mit dem Herrn Gevatter zu verzehren, 
Was er Jich felbjt gönnt, weil es Niemand Fäuft. 


Sameas. 
Es wird ſich zeigen, daß wir Phariſäer 
Die Schmach, die wir erlitten, nicht vergaßen, 
Wie Du zu meinen ſcheinſt. Vernimm denn jetzt, 
Was Du erſt durch die That erfahren ſollteſt: 
Wir ſind ſchon längſt verſchworen gegen ihn, 
Wir haben ganz Judäa unterwühlt, 
Und in Serufalem, — damit Du fiehit, 
Wie jeit wir cuf das Volk zu zählen haben, — 
Sit jelbjt ein Blinder mit in unſerm Bund! 


Alerandra. 
Was nützt Euch der? 


Sameas. 
Nichts! Und er weiß e3 jelbjt! 
Doch iſt er jo von Haß und Grimm erfüllt, 
Daß er das Unternehmen mit und theilen 
Und lieber jterben, als in diejer Welt, 
Wenn e3 mißlingt, noch länger leben will. 
Sch denfe doc, dag dieß ein Zeichen iſt! (ao 


Zweite Bcene. 
Alerandra (alein). 
Schon ſchlug das Volk ihn in Gedanken todt! 
Ich weiß! Sch wei! Und daran fann ich jeh'n, 
Wie jehr man's wünſcht, daß er nicht wiederfehrt. 
Es traf fich gut, daß ihn der Heuſchreck-Schwarm 


II2 Herodes und Marianne. 243 


o Be& decdte, ald ex fortzog, denn das gilt 


> 


„ 






DLIS Omen, daß man’ nicht vergebens wünſcht. 
>Lızch iit es möglich, daß er wirklich jept 
— HDon ohne Kopf — — Das niht! Sprich, wie Du dentft, 
Dex Bharifäer lauſcht nicht vor der Thür! 
>Lrz tonius ijt zwar Antonius, | 
Dog ad ein Römer, und ein Römer fällt 
Das Urtheil langjam, wie er's ſchnell vollzieht. 
SS ang'ner mag er jein, wenn er auch nicht 
SStre Kerker jigt! Und wenn man das benutzt, 
Rare weiter führen. Darum ijt es gut, 
Ben jest ein Aufitand kommt, obgleich ich weiß, 
323 es an ſich bedeutet, und nicht minder, 
35 e für Folgen haben wird, wenn er 
od noch zurückkehrt. Wenn! Es fann gejcheh'n, 
Bedenf es wohl! Er jdhidte, al3 er ging, 
Dir einen abgeſchlag'nen Kopf zum Abſchied, 
Das zeigt Dir — pfui, ich ſprech' ja, wie mein Vater! 
Es zeigt mir, daß er rafch ift, wie Tyrannen 
E3 sind, und auch, daß er mich ſchrecken mögte. 


” Das Cine wußt’ ich längſt, das And’re ſoll 


Rio 2241 nicht gelingen! Wenn dad Schlimmijte käme, 
Ver Alles mir mißglüdte, und wenn er, 
Io jeiner Leidenjchaft für Mariamne, 

te eher jteigt, al3 fällt, und die mich ſchützt, 


» 0 Gald ſie ſelbſt nur will, das Aergſte wagte — 


BAS wärs? Um Race ſetzt' ich Alles ein, 
Und Rache würde mir im Tode nod), 
Rache an ihm, der’3 thäte, und an ihr, 
Ve es gejchehen ließe, nimmer fähe 


i 230 Das Bolt, und nimmer Rom, geduldig zu. 


Und mas mich felbft betrifft, jo würde ich 
In diefem blut'gen Fall nur um jo befier 
16* 


Dritte Bcene. 
Mariamne (tritt ein). 


Alerandra (für fi). 

Cie fommt! Ja, wär’ jie von ihm abzuzi 
Und zu bewegen, mir nah Rom zu folger 
Dann — Dod, fie haßt und Tiebt ihn jet 
Wag' ich noch einen legten Sturm? Es j 
(Ste eilt auf Martamne zu.) 
Du judit den Troſt, wo er zu finden ijt! 
Komm an mein Herz! 


Marianne. 
Den Troit? 


Alerandra. 
Braud 
Dann hab’ ih Did) verfannt! Doc hatt’ 
Did für ein Weib, wie Du kein's bijt, zu 
Du warjt bei mir verläumdet! 


Marianne. 
Ich? Be 





11 3 Herodes und Mariamne. 245 


Mariamne. 
Nicht ? 
Alerandra. 
Nein! Nimmermepr! 

Aug mehr al3 einem Grund nicht! Hätteft Du 
Dem blut’gen Schatten Deine® Bruderd aud) 
Das jchweiterliche Opfer einer Rache 
Herzlog entziehen können, die Du nicht 
Durch Judiths Schwert und nicht durd) Rahabs Nagel, 
Nein, einzig duch ein Wenden Deines Mundes 
Und durch ein jtilles Kreuzen Deiner Arme 
Dir nehmen und dem Todten mweihen follteft: 
Er jelbjt, der Mörder, hätte nicht gewagt, 
Sid Dir zu nähern, denn Du gleichſt dem Todten, 
Du wärjt ihm vorgefomnen, wie der Leichnam 
Des Ariſtobolus, den man geichminft, 
Er hätt’ jich jchaudernd von Dir abgemwandt. 


Maridmne. 
Er that das Eine nicht, noch ic) dag And're! 


Alerandra. 
So fei — Doch nein! Bielleiht blieb Dir ein Zweifel 
An feiner Schuld noch. Willit Du den Beweis ? 


Marianne. 
Ich brauch’ ihn nicht! 
Alerandra. 
Du brauchſt — 


Marianne. 
Er gilt mir Nichts! 





246 Herodes und Marianıne. 113 


Alerandra. 
Dann — Doch ich halt’ den Fluch auch jet zurück, 
Es hat Dich ja ein and’rer ſchon getroffen! 
Du gehſt noch in den Ketten einer Liebe, 90 
Die niemald ruhmvoll war — | 


Mariamne. 
Ich dächte doch, 
Ich hätt' mir den Gemahl nicht ſelbſt gewählt, 
Ich hätte mich nur in das Loos gefügt, 
Das Du und Hyrkan über mich, die Tochter 
Und Enkelin, mit Vorbedacht verhängt. 9; 


Alerandra. 
Ich nicht, mein feiger Vater Schloß den Bund. 


Marianne. 
So that er, wad Dir nicht gefiel? 


Alerandra. 
Das nicht ! 

Sonſt wäre ih zuvor mit Dir entfloh'n, 
Mir Itand die Freiltatt in Egypten offen, 
Ich ſag' nur, der Entſchluß ging aus von ihm, 950 
Dem eriten Hohenpriejter ohne Muth, 
Und ich befämpfte bloß den Widermwillen, 
Mit dem ich Anfangs ihn vernahm Allein 
Ich that es, denn ich fand des Feiglings Handel 
Sn Kurzem gut, und gab für Edoms Schwert 985 
Die Perle Zions, al3 er drängte, hin! 
Ka, wär’ die Schlange, die Cleopatra 
Um jene Zeit gejtochen, eine gift'ge 
Geweſen, oder wär’ Antonius 
Auch nur auf feinem Zug hieher gefommen, Pro 
Ich hätte Nein gefagt! Nun jagt’ ich Ja! 





113 Herodes und Mariamne. 


„Ef 


5 


B10 


Marianne, 
Und dennoch — 


Alexandra. 


Sch erwartete von Dir, 
Daß Du den Kaufpreis nicht vertändeln würdeſt, 
Und daß Du den Heroded — 


Mariamne. 
D, ich weiß! 

Ich Hätte mir von ihm für jeden Kuß 
Sm Voraus einen Kopf, der Dir mißfiel, 
Bedingen und zulegt, wenn feiner Dir 
Miehr trogte, als fein eig’ner, ihn zum Selbſtmord 
Bewegen, oder auch, wenn das nicht ging, 
An ihm in jtiler Nacht die Katzenthat 
Der Judith liſtig wiederholen jollen, 
Dann hätt'ſt Du mid) mit Stolz Dein Rind genannt! 


Alerandra. 
Mit größerem, als jest, ich läugn' es nicht. 


Marianne. 
Ich 309 es vor, dem Mann ein Weib zu fein, 
Dem Du mich zugeführt, und über ihn 
Die Maccabäerin jo zu vergeſſen, 
Wie er den König über mid) vergaß. 


’ Alexandra. 
Du ſchienſt Dich) doch in Jericho auf jie 
Noch einmal zu bejinnen, wenigſtens 


Warſt Du die Erite, die mit einer Klage 


Hervortrat, als ich felbit ie noch zuriüdhielt, 
Um Did zu prüfen. War's nicht jo? 


247 





48 Herodes und Mariamne. 


Marianne. 
In Sericho 

Berwirrte mich das gräßliche Ereigniß, 
Es fam zu jchnell, vom Tiſch in’d Bad, vom Bad 
In's Grab, ein Bruder, ja, mir jchwindelte! 
Doch, wenn ich meinem König und Gemahl 
Argwöhniſch und veritoct die Thür verichloß, 
Bere’ ich's jetzt, und kann's mir nur verzeih'n, 
Weil es geſcheh'n it, wie in Fiebers Glut! 


Alexandra. 
In Fieberd Glut! 
Mariamne (Haid für fig). 
Auch hätt’ ich's nicht gethan, 
Wär’ er in Trauerfleidern nicht gekommen! 
Roth, dunfelroth hätt’ ich ihn fehen können, 
Doch — 


Alexandra. 
Ja, die fand er raſch! Er Hatte fie 
Voraus beitellt, wie and're Mörder jid), 
Wo möglich, Wafler jchöpfen, eh’ fie morden — , 


Mariamne. 
Mutter, vergiß nicht! 


Alerandra. 


Wa3? Daß Du dad Weib 
Des Mörder biit? Das biit Du erjt geworden, 
Und biſt es nur fo lange, als Du willſt, 
Sa, biſt's vielleicht, wer weiß! ſchon jebt nicht mehr; 
Des Todten Schweiter aber warjt Dur jtet3 
Und wirjt e3 bleiben, wirjt es dann fogar 


1015 


1020 





II3 Herodes und Mariamne. 249 


Noch fein, wenn Du — Du jcheinit dazu geneigt — 
In's Grab ihm nachrufſt: Dir ift recht gejcheh'n! 


Mariamne. 
sch bin Dir Ehrfurcht jchuldig, und ich mögte 
35 Sie nit verlegen, darum halte ein! 
Ich könnte ſonſt — 


Alexandra. 
Was könnteſt Du? 


Mariamne. 
Mich fragen, 
Wer Schuld iſt an der That, ob der, der ſie 
Vollbrachte, weil er mußte, oder die, 
Die ſie ihm abdrang! Laß den Todten ruh'n! 


Alexandra. 
so So ſprich zu Einer, die ihn nicht gebar! 
Sch trug ihn unter'm Herzen, und id muß 
SHn rächen, da ich ihn nicht weden Tann, 
Daß er ſich felber räche! 


Marianne. 
Räch' ihn denn, 

Doch räch' ihn an Dir ſelbſt! Du weißt recht gut, 
5 Daß es der Hoheprieiter war, der rings 

Bom Boll Umjaudhzte, jelbit ſchon Echwindelnde, 

Und nidt der Nüngling Ariſtobolus, 

Der gegen ſich hervorrief, was gejchah. 

Wer trieb den Jüngling nun, das fag mir an, 
00 Aus jeiner Selbjtzufriedenheit heraus ? 

E3 fehlt! ihm ja an bunten Röcken nicht, 

Die Blicke ſchöner Mädchen anzuzieh'n, 

Und mehr bedurft’ er nicht zur Seligfeit. 


50 Herode3 und Marianne. 





Was ſollt' ihm Aarons Prieftermantel noch), 

Den Du zum Ueberfluß ihm überhingit? 

Ihm Fam von felbit ja fein Gedanfe d'rin, 

Als der: wie jteht er mir? Tod And’re hielten 
Ihn feit dem Nugenblid, daß er ihn trug, 

Für's zweite Haupt von Israel, und Dir 
Gelang es bald, ihn jelbit jo zu bethören, 

Daß er ſich für das erite, einz'ge hielt! 


Alerandra. 
Du läſterſt ihn und mid! 


Mariamne. 

Ich thu' es nicht! 
Wenn dieſer Jüngling, der geboren ſchien, 
Der Welt den erſten Glücklichen zu zeigen, 
Wenn er ſo raſch ein dunkles Ende fand, 
Und wenn der Mann, der jeden andern Mann, 
Wie er ſein Schwert nur zieht, zum Weibe macht, 
Wenn er — ich weiß nicht, ob er's that, doch fürcht 
Dann tragen Ehrſucht, Herrſchgier, zwar die Schuld, 
Doch nicht die Ehrſucht, die der Todte hegte, 
Und nicht die Herrſchgier, die den König plagt! 
Ich will Dich nicht verklagen, mir geziemt's nicht, 
Ich will dafür, daß Du uns ein Geſpenſt, 
Ein blut'ges, in die Ehekammer ſchickteſt, 
Von Dir nicht eine Reuethräne ſeh'n, 
Obgleich wir nie jetzt mehr zu Zweien ſind, 
Und mir der Dritte ſo den Sinn verſtört, 
Daß ich verſtumme, wenn ich reden ſollte, 
Und daß ich rede, wenn zu ſchweigen wär'; 
Ich will nicht einmal Deinen Rachedurſt 
Erſticken, will nicht fragen, was Du rächſt, 
Ob Deine Pläne oder Deinen Sohn: 





[13 Herodes und Mariamne. 249 


Noch fein, wenn Du — Du ſcheinſt dazu geneigt — 
In's Grab ihm nadhrufit: Dir ift recht gefcheh'n! 


Mariamne. 

sh bin Dir Ehrfurcht fchuldig, und ich mögte 
Sie nit verlegen, darum halte ein! 

Ich könnte font — 


Alerandra. 
Was könnteſt Du? 


Mariamne. 
Mich fragen, 
Wer Schuld iſt an der That, ob der, der ſie 
Vollbrachte, weil er mußte, oder die, 
Die ſie ihm abdrang! Laß den Todten ruh'n! 


Alexandra. 

»So ſprich zu Einer, die ihn nicht gebar! 
Ich trug ihn unter'm Herzen, und ich muß 
Ihn rächen, da id) ihn nicht weden kann, 
Daß er ſich ſelber räche! 


Mariamne. 
Räch' ihn denn, 

Doch räch' ihn an Dir ſelbſt! Du weißt recht gut, 
> Daß es der Hoheprieſter war, der rings 

Bom Volt Umjauchzte, jelbit ſchon Schwindelnde, 

Und nicht der Jüngling Ariftobolug, 

Der gegen ſich Hervorrief, was gejchah. 

Wer trieb den Süngling nun, das fag mir an, 
> Aus feiner Selbitzufriedenheit heraus ? 

Es fehlt" ihm ja an bunten Nöden nid, 

Die Blicke Schöner Mädchen anzuzieh'n, 

Und mehr bedurft! er nicht zur Geligfeit. 


952 Herodes und Mariamne. II4 





Durch Schmeichelei den Sinn und zu bethören, 
Wie er's im Anfang zu verjuchen jchien. 
Weißt Du, daß Salome in jener Zeit 

Bor Eiferfuht verging? 


man. 


Mariamne. 
Sie thut's noch jept! 
Denn lächelnd und vertraulich jag' ich ihm, 1m | 
Wenn fie dabei ift, ſtets die ſchlimmſten Dinge, 
Und da fie jelbjt nicht müde wird, zu fpäh'n, 
So werde ich nicht müde, fie zu jtrafen 
Für ihre Thorheit! 


Joſeph (tritt ein). 


Alerandra (auf Joſephs Waffen deutenb). 
Siehit Du? | 


Mariamne. | 

Mag er doc! | 

Sein Weib verlangt's, damit fie träumen fann, 115 
Cie habe einen Frieg’riichen Gemahl. 


Alerandra (su Iofeph). 
Ich bin nod) da! 


Joſeph. 
Ein ſeltſamer Empfang! 


Alexandra. 
Mein Sohn iſt auch noch da! Er hat, wie einſt, 
In eine Todtenkiſte ſich verſteckt. 
Jag' ihn heraus, ich will's dafür verzeih'n, 
Daß Du das einmal ungeheißen thatſt. 
Du mußt die Kiſte aber diesmal nicht 








II4 Heroded und Marianne. 


Auf einem Schiff, dad nach Egypten jegelt, 
Du mußt fie juhen in des Kirchhof Baud)! 


Joſeph. 
es Ic bin nicht der, der Todte wecken kann! 


Alexandra (mit Hohn gegen Mariamne). 
Wohl wahr! Eonjt wär'ſt Du jicher mitgezogen, 
Um Deinen Herrn, wenn ihn fein Knie'n und Fleh'n 
Bor dem Lictoren=Beil nicht ſchützen ſollte — 


Marianne. 
Er fniet und fleht! 


Joſeph zu Mariamne). 
Ich kann Dir zeigen wie! 
„Man hat mic, deß gezieh'n!“ Ich räum' es ein. 
„Deß aber nicht!“ Ich füg' es gleich hinzu, 
Damit Du Alles weißt! — So wird er's machen. 


Alerandra. 
Prahlſt Du für ihn? 


Sojeph. 
Co hat er's ſchon gemad)t! 
Ich Itand dabei, da ihn die Pharifäer 
35 Verklagen wollten bei'm Antonius. 
Er hatte es jtatt ihrer jelbit gethan; 
Vorausgeeilt in's Lager, wie er war, 
Und jagte, als fie famen, Punct für Punct 
Die Rechnung wiederhofend und ergänzend: 
0, Sprecht, ob ich Etwas ausließ oder nicht! 
Den Ausfall fennit Du, Mancher von den Klägern 
Verlor den jtarren Kopf, ala ſie nicht wichen, 
Er trug des Römerd volle Gunjt davon. 





254 Herodes und Mariamne. 


Alerandra. 


Da waren Beide jünger, wie jie jebt find. 

Des Einen Uebermuth gefiel den Andern, 

Und um fo mehr, weil er auf fremde Kojten 

Geübt ward, nicht auf eig'ne. Kann dem Römer 
Ter Bharifäer denn was fein, deß Zunge 

Beitändig Aufruhr predigt gegen Rom? 

Ber dem den Bart rauft, fürzt jein Anſeh'n! dachte 
Antonius und lachte, doch ich zweifle, 

Ob er das auch gejcheh'n läßt an ſich felbit! 


Joſeph. 
Du ſprichſt, als wünſchteſt Du — 


Alexandra. 


Ob unſ're Wünſche 
Zuſammengeh'n, ob nicht, was kümmert's Dich? 
Halt Du den Deinen feſt! Für Dich iſt's wichtig, 
Daß er zurückkehrt! 


Joſeph. 
Meinſt Du? Wenn für mich, 
So auch für Dich! 
Alexandra. 
Ich wüßte nicht, warum? 

Es gab ſchon einmal eine Alexandra, 
Die eine Krone trug in Israel, 
Die zugriff, als ſie frei geworden war, 
Und ſie nicht liegen ließ für einen Dieb. 
Es ſoll, bei Gott! nicht an der zweiten fehlen, 
Wenn's wirklich (u Mariamne) Maccabäerinnen giebt, 
Die kind'ſche Schwüre halten! 





II4 Heroded und Mariamne. 


Auf einem Schiff, dag nad) Egypten jegelt, 
Du mußt fie ſuchen in des Kirchhofs Bauch! 


| Joſeph. 
Ich bin nicht der, der Todte wecken kann! 


Alexandra (mit Hohn gegen Mariamne). 
Wohl wahr! Sonſt wär'ſt Du ſicher mitgezogen, 
Um Deinen Herrn, wenn ihn ſein Knie'n und Fleh'n 
Vor dem Lictoren-Beil nicht ſchützen ſollte — 


Mariamne. 
Er kniet und fleht! 


Joſeph iu Mariamne). 
| Ich kann Dir zeigen wie! 
„Man hat mic) der gezieh'n!“ Ich räum' es ein. 
„Deß aber nicht!“ Ich füg’ es gleich Hinzu, 
Damit Du Alles weißt! — So wird er's machen. 


Alerandra. 
Prahlſt Du für ihn? 


Joſeph. 

So hat er's ſchon gemacht! 
Ich ſtand dabei, da ihn die Phariſäer 
Verklagen wollten bei'm Antonius. 
Er hatte es ſtatt ihrer ſelbſt gethan, 
Vorausgeeilt in's Lager, wie er war, 
Und ſagte, als ſie kamen, Punct für Punct 
Die Rechnung wiederholend und ergänzend: 
Sprecht, ob ich Etwas ausließ oder nicht! 
Den Ausfall kennſt Du, Mancher von den Klägern 
Verlor den ſtarren Kopf, als ſie nicht wichen, 
Er trug des Römers volle Gunſt davon. 


53 





56 Herodes und Vlariamne. lI5 


Wenn ich's vorm Beil des Henkers jichern will. 

Hier jtarrt mir eine Welt von Haß entgegen! 

Wohlan, fie jprachen ſich das Urtheil jelbit; 

Ich Hab’ ſie jeßt zum legten Mal geprüft, 1190 
Und wäre nur jein Bote da, ich mürde 

Es mitleidslos den Augenblick vollzieh'n! 

Jedwede Vorbereitung ijt getroffen. 


Fünfte Bcene. 


Ein Diener. 
Der Hauptmann Titus bittet um Gehör! 


Joſeph. 
Sogleich! (will gehen) 
Alerandra. 
Warum nicht Hier? 


Der Diener. 
Da iſt er ſchon! 1m 


Titus (tritt ein; zu Joſeph, heimlich). 
Was Du befürdhteteit geichieht, das Wolf 
Empört Sid! 


Joſephh. 
Thu denn raſch, was ich befahl, 
Stell' die Cohorte auf und rücke aus! 


Titus. 
Das that ih ſchon. Nun komm' ich, Di zu fragen, 
Ob Du Gefang’ne oder Todte willjt ? 100 | 


Mein Adler part jo gut, als er zerfleijcht, 
Und Du mußt wiljen, was Dir bejjer fronmt. 





P 10 





115 Herodes und Mariamne. 


Joſeph. 
Blut darf nicht fließen! 

Titus. 

Gut! So hau' ich ein, 
Eh' ſie die Steinigung begonnen haben, 
Sonſt thät' ich's ſpäter! 


Joſeph. 
Sahſt Du Sameas? 
Titus. 
Den Phariſäer, der ſich einſt die Stirn 
An meinem Schild faſt einſtieß, weil er ſtets 
Die Augen ſchließt, ſobald er mich erblickt? 
Den ſah ich allerdings! 
Joſeph. 
Und wie? Sprich laut! 
Titus. 
Auf off'nem Markt, von Tauſenden umringt, 
Herodes laut verfluchend! 


Joſeph (zu Alerandra). 
Samead 
Ging erit var einer Stunde fort von Dir! 


Alerandra. 
Sahit Du's? 
Titus (u Jofeph. 
Erſcheinſt Du jelbit ? 


Joſeph. 


Sobald ich kann! 


Einſtweilen — 
Hebbel, Werte I. 


- 
1; 


257 





"258 Herode3 und Mariamne. II5 


(xD 


Titus. 
Wohl! Ich geh'! (will gehen) 
Alexandra (ruft ihn um). 


Ein Wort nod, Hauptmann! 
Warum entzogit Du und die Wache ? 


Mariamne. 
- Fehlt ſie? 1715 
Alexandra. | 
Seit geitern Nbend. a! 
Joſeph. 
Weil ich's gebot! 
Titus. 


Und weil der König, als er ging, mir ſagte: 
Dieß iſt der Mann, der meinen Willen weiß, 
Was er gebietet, das gebiet' ich ſelbſt! ciao 


Alexandra (u Joſeph). 
Und Du? 


Joſeph. 
Ich dachte, Judas Maccabäus 12m | 
Wär! Schup genug für Did) und Deine Tocdter. 
Im Uebrigen, Du hörſt, wie'3 draußen jteht: 
Ic brauche die Soldaten! «ür ſich Wenn die Römer 
So nahe wären, -fünnt' e& mir mißglücken! 
Heut' ſchickt' ich Galliläer! 


Alerandra (gu Mariamne). 
Meint Du nod), 1825 
Mein Argwohn habe feinen Grund? 





115 Herodes und Mariamne. 259 


Mariamne. 
| Ich weiß nicht, 
Doch jegt jtedt er mid an. Dieß find’ ich feltfam! 
Obgleich — Wenn aus der Wand ein Wurfipieß führe, 
Es fäme mir nicht unerwarteter! 


Alerandra. 


2» Zwei Stöße, und der Weg zum Thron ijt frei; 
Denn, giebt es feine Maccabäer mehr, 
So fommen die Herodianer d’ran. 


Mariamne. 


Sch würde Dich noch jetzt verlachen, wäre 

Nicht Salome fein Weib! — Bei meinem Bruder, 
‚35 hr Kopf ift mein! Sch ſpreche zu Herodes: 

Wie Du mid rächſt an ihr, jo liebſt Du mid! 

Denn sie, nur fie iſt's! Der da nimmermehr! 


Alexandra. 
Du triumphirft zu früh! Erit gilt’3 zu handeln, 
Und diefen Aufitand, dächt' ich, nutzten wir! 
Mariamne. 


12 Mit dieſem Auſſtand Hab’ ich Nichts zu Ichaffen, 
Denn wenn Herodes wiederfehrt, jo bleibt 
Mir Nichts zu fürdhten, und wenn nicht, jo kommt 
Der Tod in jeglicher Geftalt mir vedht! 


Alerandra. 
Sch geh’! (wit ab) 


Joſeph (vertritt ihr den Weg). 


Wohin ? 
17° 








260 Herodes und Mariamne I 


Alerandra. 
Für's Erſte auf die inne 
Und dann, wohin ed mir gefallen wird! 


Joſeph. 
Zur Zinne ſteht der Weg Dir frei! Die Burg 
Iſt abgeſperrt! 
Alexandra. 
So wären wir Gefang'ne? 


Joſeph. 
So lange, bis die Ruhe hergeſtellt iſt, 
Muß ich Dich bitten — 
Alexaudra. 
Was erkühnſt Du Dich? 


Joſeph. 
Ein Stein iſt blind, ein röm'ſcher Wurfſpieß auch, 
Sie treffen Beide oft, was ſie nicht ſollen, 
D'rum muß man ihnen aus dem Wege geh'n! 


Alexandra gu Mariamne). 
Ich ſteig' hinauf und ſuche meinen Freunden 
Durch Zeichen kund zu thun, wie's mit uns ſteht. 
Mariamne. 


Durch Zeichen — Deinen Freunden — Mutter, Muitter! 
Co biſt Du's wirklich ſelbſt und nicht das Volk? 
Wenn Du Dir ſelbſt nur nicht die Grube gräbſt! 


Alexandra (will geben). 


Joſeph. 
Du wirſt geſtatten, daß Dich mein Trabant 
Begleitet. Philo! 





115 Herodes und Mariamne. 259 


Mariamne. 
Ich weiß nicht, 
Doch jetzt ſteckkt er mich an. Dieß find’ ich ſeltſam! 
Obgleich — Wenn aus der Wand ein Wurfſpieß führe, 
Es käme mir nicht unerwarteter! 


Alerandra. 


Zwei Stöße, und der Weg zum Thron iſt frei; 
Denn, giebt e& feine Maccabäer mehr, 
So fommen die Herodianer d’ran. 


Mariamne. 
sh würde Dich noch jeßt verlachen, wäre 
Nicht Salome fein Weib! — Bei meinem Bruder, 
hr Kopf ift mein! Ich Ipreche zu Herodes: 
Wie Du mid rächſt an ihr, fo liebſt Du mid! 
Denn jie, nur fie ift'3! Der da nimmermehr! 


Alerandra. 
Du triumphirst zu früh! Erſt gilt's zu handeln, 
Und diefen Aufſtand, dächt' ich, nutzten wir! 
Mariamne. 
Mit diefem Aufitand Hab’ ich Nicht zu Schaffen, 
Denn wenn Herodes wiederfehrt, jo bleibt 
Mir Nichts zu fürchten, und wenn nicht, jo fommt 
Der Tod in jeglicher Geitalt mir recht! 
Alerandra. 
Ich geh’! (win ad) 


Joſeph (vertritt ihr den Weg). 
Wohin ? 





262 Herodes und Marianne. I 


Mariamne. 
Wann ſtarb Herodes? 
Sofeph. 
Wann er }tarb? 
Mariamne. 


Und wie? 
Du mußt e3 willen, da Du fo viel mwagit! 


Joſeph. 
Was wag' ich denn? Du giebſt mir Räthſel auf! 


Mariamne. 
Nichts, wenn Du glaubſt, ich finde keinen Schutz, 
Sobald die Römer hören, daß mein Leben 
Bedroht iſt, Alles, wenn Du darin irrſt. 


Joſeph. 
Und wer bedroht Dein Leben? 


Mariamne. 
Fragſt Du noch? 


Joſeph. 
30? 
Marianne. 
Kannſt Du das Gegentheil mir jchwören ? 
Kannſt Du's bei Deines Kindes Haupt? — Du jchiweigit 


Joſeph. 
Du haſt mir keine Schwüre abzufodern. 


| Mariamne. 
Wer jo verflagt wird, leijtet jie von jelbit. 








IL5 Herodes und Mariamne. 261 


Alerandra. 
Alſo off'ner Krieg? 


Philo (ritt ein). 


Joſeph (vedet mit ihm, Anfangs leiſe, dann laut). 
» Du haft verjtanden? 
Philo. 
Ja! 
Joſeph. 
Im ſchlimmſten Fall! 


Philo. 


Den wart' ich ab, dann — 


Joſeph. 
Und mir bürgt Dein Kopf! 
(für fi) 
Mir däucht, Herodes' Geiſt ift über mir! 
Alerandra (fir ic). 
Ic gehe doch! Vielleicht iſt der Soldat, 
Obgleich ein Galliläer, zu gewinnen! 
5 Verſuchen will ich es! cab) 


Philo (folgt ihr). 


Joſeph (für ſich. 
Ich kann nicht anders, 
Wie ſehr es mich verdächt'gen mag, der Aufruhr 
Zwingt mich zu dieſem Schritt, ich darf ſie jetzt 
Nicht aus den Augen laſſen, wenn ich mir 
Die That nicht ſelbſt unmöglich machen will, 
> Denn jede Stunde kann ſein Bote fommen! 
Ihn felbjt erwarte ich ſchon längjt nicht mehr. 





264 Herodes und Mariamne. DE: 


Joſeph (tür ic). 
Wahr, wahr! qu Rartamne, Ich halte Dich beim Wort! Du rächſ 
Di jo, ganz fo, wie er Dich rächen würde! 
Das Haft Du mir gelobt! Vergiß es nicht! 


Mariamne. 
So ſpricht der Wahnwig! Daß Herodes mid 
Mehr liebt, wie ich mich felber lieben fann, 
Wird Keiner, wird nicht einmal Salome, 
Dein tück'ſches Weib, bezmeifeln, wenn jie mid) 
Auc eben darum doppelt haſſen, wenn fie 
Auch eben darum Dir den Mordgedanfen 
Rachſüchtig eingegeben haben mag! 
Daß er von ihr kommt, weiß ich, und ich will 
Cie treffen, daß ſie's fühlt, ihr Schmerz um Did) 
Soll meine legte Quft auf Erden fein! 


Joſeph. 
Du irrſt Dich! Doch gleichviel! Ich hab' Dein Wort! 


Mariamne. 
Du wiederholſt es noch einmal? Verruchter, 
Welch einen Aufruhr nächtlicher Gedanken 
Weckſt Du mir in der Bruſt und welchen Argwohn! 
Du ſprichſt, als ob Herodes ſelber mich 
Zum Opferthier und Dich zum Opferprieſter 
Erkoren hätte. Iſt es ſo? Bei'm Abſchied 
Entfiel ihm, mit Entſetzen denk' ich d'ran, 
Ein dunkles Wort. Gieb Antwort! 


Joſeph. 
Dieſe geb' ich 
Sobald es nöthig iſt, ſobald ich weiß, 
Daß er — 





II5 Herodes und Mariamne. 263 


Dod) weh” Dir, wenn Herodes mwiederfehrt! 
Ich ſag' ihm YZweierlei vor'm eriten Kuß, 
Ih ſag' ihm, daß Du ſannſt auf meinen Mord, 
Ich ſag' ihm, was ih ſchwur: ermiß nun felbft, 
Welch Schickſal Did) erwartet, wenn er fommt! 


wi 


Joſeph. 
Und was — was ſchwurſt Du? Wenn's mich Ichreden ſoll, 
So muß ich's wiſſen. 


Mariamne. 


Hör's zu Deinem Fluch! 
„Daß ich mit eig'ner Hand mid) tödten will, 
Wenn er — O, hätt! ich das geahnt! Nicht wahr? — 
Dann hätte ich an einen falten Gruß | 
Mich nie gekehrt, ich hätte fortgefahren, 
Wie ich begann, und Alles jtünde wohl! 
; Tenn Anfangs warjt Du ein ganz and'rer Mann! 


Joſeph. 
Ich habe Nichts zu fürchten. 


Mariamne. 


Weil Du meinſt, 
Es ſei unmöglich, daß er wiederkehrt! 
Wer weiß! Und wenn! Ich halte meinen Schwur, 
Doch eher nicht, bis ich an Dir mich rächte, 
Bis ich an Dir, erzitt're, jo mich rächte, 
Wie er mich rächen würde! Zieh doch jetzt 
Sogleich Dein Schwert! Du wagſt es nicht? Ich glaub's! 
Und wie Du mich auch hüten magſt, ich finde 
Zum Hauptmann Titus ſicher einen Weg! 
5 Verloren iſt Dein Spiel, ſeit ich's durchſchaut. 





266 Herode3 und Marianne. JI 


Mariamne. 
Er hat's gejagt! Er hat — Was hat er nicht! 
T, daß er endlich käme! 


Joſeph. 
Mariamne! — 
(für fi) 
Wie hab’ ich mich verjtridt! Zwar that ich Nichts, 
Als was ih mußte! Doch mich padt ein Grauen, 
Daß er — ich jeh den Ariftobolus. 
Verflucht die That, die einen chatten wirft, 
Eh’ fie in's Leben tritt: 
Mariamne. 
So war das mehr, 
Als eine tolle Blaſe des Gehirns, 
Wie ſie zuweilen aufiteigt und zerplagt, 
Sp war's — Bon jept erit fängt mein Yeben au, 
Bis heute träumt’ ich: 


Sechste Scene. 


Ein Diener (tritt ein; ihm folgt Salome). 


Salome (sun Diener). 
Ward's Dir unterjagt, 
Hier ungemeldet Jemand einzulafjen ? 
Ich nehm's auf mich! 
Joſeph. 
Du, Salome? 
Salome. 
Wer ſonſt? 
Kein böſer Geiſt! Dein Weib! Dein armes Weib, 





116 Herodes und Mariamne. 267 


Um das Du warbjt, wie Jacob warb um Nabel, 
5 Und das Du nun — qu Mariamne) Verfluchte, war e& Dir 
Noch nicht genug, daß Du das Herz des Bruders 
Mir abgewendet haft? Mußt Du mir jetzt 
Auch den Gemahl noch rauben? Tag und Nacht 
Denkt er an Did), als wärejt Du ſchon Wittiwe, 
1750 Und ich noch weniger, als das! Bei Tage 
Folgt er auf Schritt und Tritt Dir nad)! Bei Nacht 
Zräumt er von Dir, nennt ängitlich Deinen Namen, 
Fährt aus dem Schlummer auf — (u Joſeph Hielt ih’ 3 Dir nicht 
Noch diefen Morgen vor? Und heut’ fogar, 
s Wo ganz Jeruſalem in Aufruhr ilt, 
Heut’ ift er nicht bei mir, nicht auf dem Markt, 
Io ich, weil er nicht fam, ihn fuchen lie, 
Er ift bei Dir, und Ihr — hr feid allein! 


Mariamne. 
Die iſt es jicher nicht! So tft er's jelbit! 
‚, Wenn noch ein Zweifel übrig blieb, jo hat 
Die blöde Eiferfucht ihn jegt eritidt! — 
Sch war ihm nur ein Ding und weiter Nichts! 


Joſeph (zu Salome). 
Ich ſchwör' Dir — 
Salome. 
Daß ich blind bin? Nein! Ich ſehe! 


Mariamne. 


Der Sterbende, der ſeinen Feigenbaum 
s Abhauen ließe, weil er ſeine Früchte 
ad) jeinem Tode feinem Andern günnte, 
Der Sterbende wär’ ruchlos, und er hätte 
Den Baum vielleicht doch jelbit gepflanzt und wüßte, 
Daß er den Dieb, daß er jogar den Mörder 





258 Herodes und Mariamne. II6 


Erquiden müßte, der ihn fchüttelte. 1 
Bei mir fällt Beides weg! Und doch! Und doch! 
Das ift ein. Frevel, wie's noch feinen gab. 


Salome (su Joſeph). 
Du ſprichſt umfonft! Ein Auftrag! Welch ein Auftrag ? 


Mariamne. | 
Ein Auftrag! Dieß das Siegel! — Wär! ed möglich, 
Jetzt müßt’ e8 doch am eriten möglich fein! 1 


Allein es ift nicht möglich)! Keine Regung 
Unedler Art befledt mein Innerſtes, 
Wie e8 auch ftürmt in meiner Brujt! Ich würde 
Antonius in diefem Augenblid 
Diejelbe Antwort geben, die ich ihn I 
An unſ'rem Hochzeitdtag gegeben hätte, 
Das fühl’ ich, darum trifft'3 mich, wie's mich trifft, 
Sonjt müßte ich's ertragen, ja verzeih'n! 
Salome (u Mariamne). 
Ich Din für Di nicht da, wie's ſcheint? 


Marianne. 
Doh! Doc! 
Du Haft fogar die größte Wohlthat mir u 
Erzeigt, ich, die ich blind war, ſehe jetzt, 
Ich ſehe hell und das allein durch Dich! 
Salome. 
Verhöhnſt Du mich? Auch das ſollſt Du mir büßen, 
Wenn nur mein Bruder wiederkehrt! Ich werde 
Ihm Alles ſagen — 
Mariamne. 
Wa3? Ja fo! Das thu! 1 
Und hört er d'rauf — — Warum denn niht ? Was lady’ ih? 








11 7—11l1 Herodes und Dariamne. 269 


Iſt da3 denn noch unmöglid ? — — Hört er drauf, 
So nimm mein Wort; ich widerſprech' Dir nicht! 
Sch Liebe mich nicht mehr genug dazu! 


Biebente Bcene. 
Alerandra (ftürzt herein). 
15 Der König! | 

Joſeph. 


Sin der Stadt? 


Alexandra. 
Schon in der Burg! 


Dritter Art. 
Burg Zion. Alerandras Gemäder. 


Erſte Scene. 


Alexandra. Joſeph. Salome Herodes (tritt ein. Sein 
Gefolge. Soemus. 


Herodes. 
Da wär' ich wieder! (zu Soemus) Blutet's noch? Der Stein 
Hat mir gegolten, und er traf Dich nur, 
Weil Du gerade kamſt, mir was zu ſagen, 
Dein Kopf war diesmal Deines Königs Schild! 
sn Wär'ſt Du geblieben, wo Du warſt — 


Soemus. 
So hätt’ id) 
Die Wunde nicht, doch auch nicht das PVerdienit, 


IV 





70 Herodes und Mariamne. 


Wenn es ein ſolches iſt. In Galliläa 
Wird höchſtens der geſteinigt, der es wagt, 
Sich Dir und mir, der ich Dein Schatten bin, 
Dein Sprachrohr, oder, was Du immer willſt, 
Zu widerſetzen. 


Herodes. 
Ja, da ſind ſie treu! 
Dem eig'nen Vortheil nämlich, und weil dieſer 
Mit meinem Hand in Hand geht, meinem auch. 


Soemus. 
Wie ſehr, das ſiehſt Du daran, daß Du mich 
In Deiner Hauptſtadt findeſt. 


Herodes. 


In der That, 
Dich hier zu treffen, hätt' ich nicht erwartet; 
Denn, wenn der König fern iſt, thun die Wächter 
Den ſtörrigen Provinzen doppelt Noth! 
Was trieb Dich denn von Deinem Poſten fort? 
Doch ganz gewiß was And'res, als der Wunſch, 
Mir zu beweiſen, daß er ungefährdet 
Verlaſſen werden könne, und die Ahnung, 
Daß hier ein Steinwurf aufzufangen ſei! 


Soemus. 
Ich kam herüber, um dem Vicekönig 
Entdeckungen von wunderbarer Art 
In ſchuld'ger Eile mündlich mitzutheilen. 
Ich wollt' ihm melden, daß die Phariſäer 
Sogar den ſtarren Boden Galliläas, 
Wenn auch umſonſt, zu unterhöhlen ſuchen, 
Doch meine Warnung kam zu ſpät, ich fand 





L17—III1 Herodes und Mariamne. 


Fit das denn noch unmöglich? — — Hört er d’rauf, 
So nimm mein Wort; ic widerſprech' Dir nicht! 
Ich liebe mich nicht mehr genug dazu! 


Biebente Bcene. 
Alerandra (ſtürzt herein). 
Der König! | 

Joſeph. 
In der Stadt? 


Alexandra. 
Schon in der Burg! 


Dritter Art. 
Burg Zion. Alerandras Gemäder. 


Erſte Dcene. 


Alerandra. Joſeph. Salome Herodes (tritt ein). 
Gefolge Spemus. 


Herodes. 


Da wär’ ich wieder! au Soemus) Blutet’3 noh? Der Stein 


Hat mir gegolten, und er traf Dich nur, 

Weil Du gerade famjt, mir was zu jagen, 

Dein Kopf war diesmal Deines Königs Schild! 
» Wär'ſt Du geblieben, wo Du warſt — 


Soemus. 
So hätt' ich 
Die Wunde nicht, doch auch nicht das Verdienſt, 





272 Herodes und Marianıne. 


IH ſag' es Dir voraus, bei mir gefcheh'n, 

Nun ich Di endlich einmal wieder habe. 

Du wirſt mit mir die eigen Ihütteln müſſen, 
So wie id) dem Antonius die Muränen, 

Pfui, Schlemmerei! in Strömen von Falerner 
Eritiden helfen und für manchen Schwanf 

Au unj'rer frühern Zeit ihm das Gedächtniß 
Auffriichen mußte! Mach‘ Dich nur gefaßt, 
Mir gleihen Dienit zu leilten. Hab' ich aud) 
Nom Triumphator nicht genug in mir, 

Daß ih Di jo zu mir entboten hätte, 

Wie er mich jelbjt zu ſich entbot, zum Schein 
Auf eine abgejchmadte Klage hörend, 

Tie Stirn, wie Cäſar, runzelnd und den Arın 
‚Mit Blik und Donnerfeil zugleich bewaffnend, 
Bloß um gewiß zu fein — dieß war der Grund, 
Warum er's that — daß ich auch wirklich käme, 
So mad) ich mir den Zufall, dev Dich heute 
Mir in die Hände liefert, Doch zu nuß, 

Und fprech‘, wie er, wenn Du von Deinem Amt 
Zu reden anfängit: Führſt Du’, wie Du follit, 
So braudt es Dich nicht jeden Augenblid! 

Du fommit jo jelten, daß es jcheint, als wärſt 
Du Hier nidyt gern! 


Soemus. 


Du thuſt mir Unrecht, Herr, 
Doch hab' ich Urſach', nicht zu oft zu kommen! 


Herodes (su Salome). 
Auch Du bit hier? — Sp lernteſt Du es endlich 
Dir einzubilden, wenn Tu Mariamnen 
Begegneit, dag Du in den Spiegel liehit 
Und Deinen eignen Widerjichein erblickſt? 





1111 Herodes und Mariamne. 2 


Jeruſalem in Flammen vor und konnte 
Nur löſchen helfen! 


Herodes (reicht ihm die Hand). 
Und das thatelt Du 

Mit Deinem Blut! — Sieh, Joſeph, guten Tag! 
Di hätt! ich anderswo geſucht! — Schon gut! 
Seht aber geh und fchaff den Sameas, 
Den Phariſäer, den der Hauptmann Titus 
Auf Scythen-Art gefangen Hält, hieher. 
Der jtarre Römer jchleppt ihn, an den Schweif 
Des Roſſes, da3 er reitet, fejtgebunden, 
Mit ſich herum, weil er im heil’gen Eifer 
Auf offnem Markt nach ihm gejpieen Hat. 
Nun muß er rennen, wie er niemals noch 
Gerannt fein mag, wenn er nicht fallen und 
Hejchleift fein will. Ich hätte ihn ſogleich, 
Wie ich vorüberfam, erlöjen follen! 
Verdanke ich's doch jicher ihm allein, 
Daß ich jetzt alle Schlangen, die bisher 
Sich ſtill vor mir verfrocdhen, kennen lernte! 
Nun kann ich jie zertreten, wann ich will! 


Joſeph (ad). 


Herodes (zn Alerandra). 
Ich grüße Dich! And vom Antonius 
Soll ih Dir melden, daß man einen Fluß 
Nicht vor Gericht ziehn kann, und einen König, 
In deſſen Yand er fließt, noch weniger, 
Weil er ihn nicht verjchütten ließ! im Soemun Ich wär 
Yängit wieder hier gemwejen, doch wenn Freunde 
Zujfammen fommen, die ich jelten jeh'n, 
So halten fie ſich feit! Das wird auch Dir, 


71 





274 Herodes und Dearianıne. 


Sp wird fie um fo ficherer gehört, 
Und um fo fchwerer unterdrüdt! 


Herodes. 
Du ſtellſt 
Dich zwiſchen mich und ſie? Nimm Dich in Acht, 
Du kannſt zertreten werden! 


Salome. 
Dies Mal nicht, 
Obgleich ich weiß, was Dir die Schweſter gilt, 
Wenn's um die Maccabäerin ſich handelt, 
Dies Mal — 


Herodes. 
Ich ſag' Dir Eins! Wär' an dem 
An dem ich ſie zum erſten Mal erblickte, 
Ein Kläger aufgeſtanden wider ſie, 
Er hätt' nicht leicht Gehör bei mir gefunden, 
Doch leichter noch, wie heut’! Das warne Dich! 
Ich bin ihr jo viel jchuldig, daß jie mir 
Nichts ſchuldig werden kann, und fühl’ es tief! 
Salome. 
So hat fie einen Freibrief? 
Herodes. 
Jede Larve 
Zu tragen, die ihr gut ſcheint, Dich zu täuſchen, 
Wenn ſie ſich Kurzweil mit Dir machen will! 
Salome. 
Dann — Ja, dann muß ich ſchweigen! Wozu jpri 
Denn, was ich Dir auch jagen mögte, immer 
Wär' Deine Antwort fertig: Mummerei! 





IIl Heroded und Mariamne. 273 


Oft rieth ich's Dir, wenn Du ihr grollteit, niemals 
Gefiel der Rath Dir! Nimm den Scherz nicht krumm! 
Dean fann nicht? Uebles in der Stunde thun, 

Wo man fic wiederjieht! Doc, wo ijt jie? 

Man jagte mir, jie jet bei ihrer Mutter, 

Drum fam ich her! 


Salome. 


Sie ging, als jie vernahnı, 
Daß Du Dich nähertelt! 


Herodes. 

Sie ging? Unmöglidh! 
Tod wohl! Sie that es, weil die Einjamfeit 
Dem Wiederjehen ziemt! — (für fi) Willft Du ihr ziirnen, 
Statt abzubitten, Herz? — Ich folge ihr, 
Denn ihr Gefühl hat Ned! 


Salome. 

Belüg” Did nur, 
Und leg’ den Schred, Dich auferjteh'n zu jeh'n, 
Die Schaam, an Deinen Tod geglaubt zu Haben, 
Die größere, faum Wittwe mehr zu fein, 
Leg’ ihr das Alles aus, ald wär's die Scheu 
Des Mägdleins, das noch feinen Mann erfannt, 
Nicht die Verwirrung einer Sünderin! 
Sie ging aus Furcht! 


Herodes. 


Aus Furcht? — Sieh um Dich her, . 


Wir jind Hier nicht allein! 


Salome. 
Das ijt mir vedht, 
Bring’ ich vor Zeugen meine Nlage an, 
Schbel, Werte II. 18 





274 | Herodes und Marianne. III 


So wird jie um fo ficherer gehört, 
Und um fo fchwerer unterdrüdt! 


Herodes. 
Du ſtellſt 
Dich zwiſchen mich und ſie? Nimm Dich in Acht, 
Du kannſt zertreten werden! 


Salome. 
Dies Mal nicht, 
Obgleich ich weiß, was Dir die Schweſter gilt, 
Wenn's um die Maccabäerin ſich handelt, 
Dies Mal — 


Herodes. 

Ich ſag' Dir Eins! Wär' an dem Tag, 
An dem ich ſie zum erſten Mal erblickte, 
Ein Kläger aufgeſtanden wider ſie, 
Er hätt' nicht leicht Gehör bei mir gefunden, 
Doch leichter noch, wie heut’! Das warne Dich! 
Ich bin ihr ſo viel ſchuldig, daß ſie mir 
Nichts ſchuldig werden Tann, und fühl’ es tief! 


Salome. 
So hat jie einen Freibrief? 


Herodes. 
Jede Larve 
Zu tragen, die ihr gut ſcheint, Dich zu täuſchen, 
Wenn ſie ſich Kurzweil mit Dir machen will! 
Salome. 
Dann — Ja, dann muß ich ſchweigen! Wozu ſpräch ih: 
Tenn, was id) Dir auch jagen mögte, immer 


18 


155 


Mär’ Deine Antivort fertig: Mummerei! * 





IIII Herodes und Mariamne. 275 


u 


wi 


Nun diefe Mummerei iſt gut geglüdt, 

Sie Hat nidht mich allein, fie hat die Welt 

Mit mir berüdt und koſtet Dir die Ehre, 

Wie mir die Ruh’, ob Du auch ſchwören magit, 

Dat Rojeph nur gethan, was er gejollt, 

Wenn er — Sieh zu, ob es ein Menſch Dir glaubt! 


Herodes. 
Wenn er — Was unterdrückſt Du? Endige! 
Doch nein — — Noch nicht! 


(zu einem Diener) 
Ich laſſ' die Königin 
Erfuchen zu erjcheinen! — Iſt es nicht, 
Als wär’ die ganze Welt von Spinnen rein, 
Und alle nijteten in meinem Haufe, 
Um, wenn einmal für mid) der blaue Himmel 
Zu jehen it, ihn gleich mir zu verhängen 
Und Wolfen-Dienjt zu thun? Zwar — jeltfam ijt’s, 
Daß fie nicht fommt! Sie hätt’ mich küſſen müflen, 
Der Allgewalt des Augenblicks erliegend, 
Und dann die Lippen fich zerbeißen mögen, 
Wenn das Gejpenjt denn noch nicht von ihr wid! 
(zu Salumei 
Weißt Du, mas Du gewagt haft? Weit Du's, Weib ? 
Ich freute mich! Verſtehſt Du das? Und nun — — 
Tie Erde hat mir einmal einen Becher 
Mit Wein verjchüttet, als ich durjtig war, 
Weil fie zu zucken anfing, eh’ ich ihn 
Noch leerte, ihr verzieh ich, weil ich mußte, 
An Dir fönnt’ ic) mich rächen! 


18* 








278 Herodes und Marianne. 


Herodes (tür fi). 


Kann ſie's denn willen? «u Martamne Komm! 
(da Mariamne ntdt folgt) 
Laßt uns 
(zu Aleranbra) 
Du wirſt verzeih'n! 


Alerandra. 


Gewiß! 
(ab. Alle Undern folgen ihr.) 
Mariamne. 
So feig! 
Herodes. 


So feig? 
Mariamne. 
Und auch — Wie nenn' ich's nur? 


Herodes. 
| Und auh? — (für ſich Da 
Entjeglih! Nimmer löſcht' ich’3 in ihr aus! _ 
Mariamne. 
Ob ihm fein Weib in's Grab freiwillig folgt. 
Ob fie des Henkers Hand hinunter jtößt — 
Ihm gleich, wenn fie nur wirklich jtirbt! Er läßt 
Zum Opfertod ihr nicht einmal die Zeit! 


Herodes. 
Sie weiß es! 
Mariamne. 


sit Antonius denn ein Menſch, 
Wie ich bisher geglaubt, ein Menjch, wie Tu, 





1112 Herodes und Marianıne. 277 


Die Klage angehört, ließ ich Dich bitten, 
Hieherzufommen, aber wahrlich nicht, 

Daß Du Did gegen fie vertheidigteft, 
Nur, weil ich glaube, daß fie in ſich ſelbſt 
Erjtiden wird vor Deiner Gegenwart ! 


Marianne. 
Um das zu hindern, jollt’ ich wieder gehn! 


Herodes. 
Wie, Mariamne? Nie gehörteſt Du 
Zu jenen Seelen jammervoller Art, 
Die, wie ſie eben Antlitz oder Rücken 
Des Feindes ſeh'n, verzeih'n und wieder grollen, 
Weil ſie zu ſchwach für einen echten Haß 
Und auch zu klein für volle Großmuth ſind. 
Was Hat Did) denn im Tiefſten fo verwandelt, 
Daß Du Did) ihnen jebt noch zugefellit? 
Du haft doc, als ich jchied, ein Lebewohl 
Für mic gehabt; dieß, däucht mir, gab mir Anſpruch 
Auf Dein Willlommen, und Du weigerjt da3? 
Du jtehit jo da, als lägen Berg und Thal 
Noch zwiſchen uns. die ung jo lange trennten? 
Du trittjt zurüd, wenn ich mich nähern will? 
So ijt Dir meine Wiederfunft verhaßt ? 


Marianne. 
Wie jollte fie? Sie giebt mir ja dad Leben 
Zurüd! 

Herodes. 


Das Leben? Welch ein Wort iſt dieß! 


Mariamne. 
Du wirſt nicht läugnen, daß Du mich verſtehſt! 





280 Herodes und Mariamne. 
Herodes. 
Ich zeig' Dir gleich, wie ich ihn fragen will! 
Soemus! 


Dritte Scene. 
Soemus (tritt eim. 


Herodes. 
Iſt mein Schwäher Joſeph draußen? 


Soemus. 
Er harrt mit Sameas. 


Herodes. 

Führ' ihn hinweg! 
Ich gab ihm einen Brief! Er ſoll den Brief 
Alsbald beſtellen! Du begleiteſt ihn 
Und ſorgſt, daß Alles treu vollzogen wird, - 
Was dieſer Brief befiehlt! 


Soemus. 
Es ſoll geſcheh'n! (ab) 


Herodes. 
Was Du auch ahnen, denken, wiſſen magſt, 
Du haſt mich doch mißkannt! 


Mariamne. 


Dem Brudermord 
Haſt Du das Siegel der Nothwendigkeit, 
Dem man ſich beugen muß, wie man auch ſchaudert, 
Zwar aufgedrückt, doch es gelingt Dir nie, 
Mit dieſem Siegel auch den Mord an mir 
Zu ſtempeln, der wird bleiben, was er iſt, 








III2 Heroded und Mariamne. 279 


Oder ein Dämon, wie Du glauben mußt, 

Da Du verzweifelft, ob in meinem Buſen 

Nod ein Gefühl von Pflicht, ein Reit von Stolz 
Ihm wideritehen würde, wenn er triefend 

Bon Deinem Blut ald Freier vor mid) träte 
Und mich bejtürmte, ihm die Zeit zu fürzen, 
Die die Aegypterin ihm übrig läßt ? 


Herodes. 
Doch wie? Doch wie? 


Mariamne. 


Er müßte Dich ja doch 
Getödtet haben, eh' er werben könnte, 
Und wenn Du ſelbſt Dich denn — ich hätt' es nie 
Gedacht, allein ich ſeh's! — ſo nichtig fühlſt, 
Daß Du verzagit, in Deines Weibes Herzen 
Durd) Deines MännerWerthes VBollgehalt 
Ihn aufzumägen, wad berechtigt Did), 
Mich jo gering zu achten, daß Du fürdhteit, 
sch wieje felbjt den Mörder nicht zurück? 
O Doppelſchmach! 


Herodes (ausbrechend). 

Um welchen Preis erfuhrſt 
Du dies Geheimniß? Wohlfeil war es nicht! 
Mir ſtand ein Kopf zum Pfand! 


Mariamne. 
O Salome, 
Du kannteſt Deinen Bruder! — Frage den, 


Der mir's verrieth, was er empfangen hat, 


Von mir erwarte keine Antwort mehr! 
(wendet ſich) 





282 Herodes und Marianne. 


Verläuguen jollte, aber jicher nicht 

Verläugnet hätte, wenn — Ich dachte Dein, 

Nun knirſcht' ich nicht einmal — und was er aud) 
Tem Many und König in mir bieten mogte, 

Von Ehmaus zu Schmaud mid) jchleppend und den re 
Mir doch, unheimlich jchweigend, vorenthaltend, 
Geduldig, wie ein Sclave, nahm ich’2 Hin! 


Mariamne. 
Du ſprichſt umjonjt! Du Hajt in mir die Menſchheit 
Geſchändet, meinen Schmerz muß Jeder theilen, 
Der Menſch ijt, wie ich jelbit, er braucht mir nicht 
Verwandt, er braucht nicht Weib zu jein, wie id). 
AUS Du durch heimlich-itillen Mord den Bruder 
Mir raubtejt, fonnten die nur mit mir meinen, 
Die Brüder haben, alle Andern mogten 
Noch trocknen Auges auf die Seite treten 
Und mir ihr Mitleid weigern. Doc ein Leben 
Hat Jedermann und Keiner will das Leben 
Sid nehmen lajjen, als von Gott allein, 
Der es gegeben hat! Solch einen Frevel 
Verdammt da3 ganze menjchliche Gejchlecht, 
Verdammt das Schickſal, das ihn zwar beginnen, 
Doch nicht gelingen ließ, verdammit Du jelbjt! 
Und wenn der Menſch in mir jo tief durch Dich 
Gekränkt iſt, jprich, was ſoll dad Weib empfinden, 
Wie ſteh' ich jeßt zu Dir und Du zu mir? 


Yierte Bcene. 
Salome (ſtürzt herein). 
Entſetzlicher, was ſinnſt Du? Meinen Gatten 
Seh' ich von hinnen führen — er beſchwört mich, 
Dich um Erbarmung anzufleh'n — ich zaud're, 








III Herodes und Mariamne. 283 


75 Weil ich ihm grolle und ihm nicht verſtehe — 
Und nun — nun hör’ id) graufe Dinge flüftern — 
Man ſpricht — Man lügt, nicht wahr? 


®.- 


Herodes: 
Dein Gatte jtirbt! 


Salome. 
Eh' er gerichtet wurde? Nimmermehr! 


Herodes. 
Er ij gerichtet durch ſich felbit! Er hatte 
° Den Brief, der ihn zum Tod verdammt, in Händen, 
Eh’ er jich gegen mich verging, er wußte, 
elch eine Strafe ihn erwartete, 
nn er e8 that; er unterivarf ich ihr 
Und that es doch! 


Salome. 


Herodes, höre mich! 
Weißt Du das denn gewig? Ich habe ihn 
Berkfagt, ih glaubte e8 mit Necht zu thun, 
N Hatte Grund dazu — Daß er jie liebte, 
9 at offenbar, er hatte ja für mich 

ht einen Blid mehr, feinen Händedruck — 
| war bei Tage um jie, warın er fonnte, 
Und Nachts verriethen jeine Träume mir, 
Die ſehr fie ihn beſchäftigte — Das Alles 


Iſt wahr, und mehr — — Doc) folgt aus diefem Allen 
och nicht, daß ſie ihn wieder lieben mußte, 
Och weniger, daß jie — O nein! o nein! 


Deich riß die Eiferjucht dahin — vergieb' 
Ergieb aud) Du. Gu Mariamne) Ich Habe Di gehaft! 
Gott, die Zeit vergeht! Man ſprach — Coll id 





284 SHerodes und Mariamne. ] 


Di lieben, wie id) Ti) gehaßt? Dann jei 
Nicht länger ſtumm, fprid, daß er ſchuldlos iſt 
Und bitt' für ihn um Gnade, wie ich felbit! 


Marianne. 
Er iſt's! 
Herodes. 
In ihrem Sinn — in meinem nicht! 
Mariamne. 
In Deinem auch! 
Herodes. 


Dann müßteſt Du Nichts wiſſen! 
Jetzt kann ihn Nichts entſchuldigen! Und wenn ich 
Den Tod ihm geben laſſe, ohne ihn 
Vorher zu hören, ſo geſchieht's zwar mit, 
Weil ich Dir zeigen will, daß ich von Dir 
Nicht niedrig denke und das raſche Wort, 
Das mir im erſten Zorn entfiel, bereue, 
Doch mehr noch, weil ich weiß, daß er mir Nichts 
Zu ſagen haben kann! 


Fünfte Scene. 


Soemus. 
Das blut'ge Werk 
Iſt abgethan! Doch ganz Jeruſalem 
Steht ſtarr und fragt, warum der Mann, den Du 
Zu Deinem Stellvertreter machteſt, als Du 
Von hinnen zogſt, bei Deiner Wiederkehr 
Den Kopf verlieren mußte! 


Salome (taumelt). 
Wehe mir! 





III; - Herodes und Mariamne 285 


Mariamme (mitt fie auffangen). 


Salome. 
dort! ort! (su Herodes) Und Die? 


Herodes. 
Sieb Did, zufrieden, Schmweiter! 
Dein Gatte hat mid) fürchterlich betrogen — 


Salome. 
Und Die? 


Herodes. 
Nicht ſo, wie Du es meinſt — 


Salome. 
Nicht ſo? 
Wie denn? Sie willſt Du retten? Wenn mein Gatte 
Die fürchterlich betrog, jo that ſie's aud), 

—enn wahr ijt, was ich fagte, und ein Jeder 
SoW3 wiſſen, der es noch nicht weiß! Du ſollſt 
In ihrem Blut Dich) wachen, wie in jeinen, 
>onjt wirft Du niemal® wieder rein! Nicht fo! 


Herodes. 
Allem, was mir heilig iſt — 


Bei 


Salome. 


Sp nenne 
Mir fein Verbrechen, wenn e& das nicht war! 


Herodes. 
Bote id e8 nennen, würde ich's vergrößern! 
Sch Hatt' ihm ein Geheimnig anvertraut, 
N Dem mein Alles hing, und die Geheimniß 
at er verrathen, joll aud ich) das thun? 





286 Herodes und Mariamne. III 5. 6 


Salome. 
Elende Ausflucht, die mich ſchrecken wird! 
Meinſt Du, daß Du mich täuſchen kannſt? Du glaubſt 
An Alles, was ich ſagte, doch Du biſt 
Zu ſchwach, um Deine Liebe zu erſticken, 
Und ziehſt es vor, die Schande zu verhüllen, 
Die Du nicht tilgen magſt. Doch wenn Du mich, 
Die Schweſter, nicht, wie meinen Gatten tödteſt, 
So wird Dir das mißlingen! su Rartamne Er iſt todt, 
Nun fannit Du ſchwören, was Du willſt, er wird 
Nicht widerjprechen! (ab) 


Herodes. 
Folg' ihr nach, Soemus, 
Und ſuch' ſie zu begütigen! Du kennſt ſie, 
Und eh'mals hat ſie gern auf Dich gehört! 
Soemus. 
Die Zeiten find vorüber! Doc, ich geh’! (ab) 


Mariamne (für fig). 
Für den, der mid) ermorden wollte, hätt’ ich 
Wohl nicht gebeten! Dennoch jchaud’re ich, 
Daß mir nicht einmal Zeit blieb, es zu thun! 


Herodes (für ſich. 
Er mußte doch daran! Im nächſten Krieg 
Hätt' er den Pla des Urias befommen! 
Ind dennoch reut mid) diefe Eile jet! 


vechste Scene. 


Kin Bote (tritt auf). 
Mich jchidt Antonius! 


1: 








Ill Herodes und Marianne. 


Serodes. 
So weiß ich auch, 
Bad Du mir bringit. Ih joll mich fertig machen, 
Der große Kampf, von dem er fpradh, beginnt! 


Bote. 
Octavianus bat nad) Afrika 
Sich eingefchifft, ihm eilt Antonius 
(Entgegen, mit Cleopatra vereint, 
Um gleich bei Actium ihn zu empfangen — 


Herodes. 
Und ich, Herodes, ſoll der Dritte ſein! 
Schon gut! Ich zieh' noch heut'! Soemus kann, 
So ſchlecht es hier auch ſteh'n mag, mich erſetzen. 
Gut, daß er kam! 
Mariamne. 
Er zieht noch einmal fort! 
Dank, Ew'ger, Dank! 
Herodes (ſie beobachtend). 
Ha! 
Bote. 
Großer König, nein! 
Er braucht Dich nicht bei Actium, er will, 
Daß Du die Araber, die ſich empörten, 
Verhindern ſollſt, dem Feind ſich anzuſchließen! 
Das iſt der Dienſt, den er von Dir verlangt. 
Herodes. 
Er hat den Platz, wo ich ihm nützen kann, 
Mir anzuweiſen! 
Mariamne. 
Noch einmal! Das löſ't 
Ja Alles wieder! 


287 





88 Herodes und Mariamne. 


Derodes (wie vorher). 
Wie mein Weib jich freut! 
(um Boten‘ 
Eng’ ihm — Tu weißt's ja ſchon! — 
(für fi) 
Tie Stirn entr 
Die Hände, wie zum Danfgebet, gefaltet — 
Tas iſt ihr Herz! 
Bote. 
Sonit haſt Du Nichts für mid? 


Mariamne. 
Sept werd’ ich's ſeh'n, ob's bloß ein Fieber war, 
Das Fieber der gereizten Leidenſchaft, 
Das ihn verwirrte, oder ob ſich mir 
In klarer That ſein Innerſtes verrieth! 
Jetzt werd' ich's ſeh'n! 


Herodes (zum Boten). 
Nichts! Nichts! 


Bote (ab). 


Herodes (su Martamne). 
Dein Angelicht 
Hat ſich erheitert! Aber hoffe nicht 
Zu viel! Man jtirbt nicht jtet& in einem Krieg, 
Aus manchem kehrt' ich Schon zurück! 
Mariamne (win reden, unterbricht fi aber). 
. Nein! Nein! 
| Herodes. 
Zwar gilt es dies Mal einen hitz'gern Kampf, 
Wie jemals, alle andern Kämpfe wurden 
Um Etwas in der Welt geführt, doch dieſer 





Ille Herodes und Mariamne. 287 


Herodes. 
So weiß ich auch, 
Was Du mir bringſt. Ich ſoll mich fertig machen, 
Der große Kampf, von dem er ſprach, beginnt! 


Bote. 
Octavianus hat nach Afrika 
s Sich eingeſchifft, ihm eilt Antonius 
Entgegen, mit Cleopatra vereint, 
Um gleich bei Actium ihn zu empfangen — 


Herodes. 
Und ich, Herodes, ſoll der Dritte ſein! 
Schon gut! Ich zieh' noch Heut’! Soemus kann, 
o So ſchlecht es hier auch jteh'n mag, mich erjeßen. 
Gut, daß er fam! 
Mariamne. 
Er zieht noch einmal fort! 
Dank, Ew'ger, Dank! 
Herodes (ſie beobachtend). 
Ha! 
Bote. 
Großer König, nein! 
Er braucht Dich nicht bei Actium, er will, 
Daß Du die Araber, die ſich empörten, 
5 Verhindern ſollſt, dem Feind ſich anzuſchließen! 
Das iſt der Dienſt, den er von Dir verlangt. 
Herodes. 
Er hat den Platz, wo ich ihm nützen kann, 
Mir anzuweiſen! 
Mariamne. 
Noch einmal! Das löſ't 
Ja Alles wieder! 





290 Heroded und Marianıne. II 


Wie's kam, daß er den Kopf an Dich verſchenkte, 
Du wirſt es Deiner Menſchheit wegen thun, 
Du wirſt es thun, weil Du Dich ſelber ehrſt! 


Mariamne. 
Weil ich mid) ſelber ehre, thu' ich's nicht! 


Herodes. 
So weigerſt Du mir ſelbſt, was billig iſt? 


Mariamne. 


Was billig iſt! So wär' es alſo billig, 

Daß ich, auf Knieen vor Dir niederſtürzend, 

Dir ſchwüre: Herr, Dein Knecht kam mir nicht nah’! 
Und daß Du’3 glauben kannſt — denn auf Vertrau'n 
Hab’ ich fein Recht, wenn ich Dein Weib auh bin — 
So hör! noch dieß und das! O pfui! pfui! 

Herodes, nein! ragt Deine Neugier einit, 

Co antwort ich vielleicht! Net bin ich ſtumm! 


Herodes. 


Mär Deine Liebe groß genug geivejen, 

Mir Alles zu verzeih'n, was ich aus Liebe 
Gethan, ich hätt’ Dich) niemals fo gefragt! 

Sept, da id) weiß, wie klein jie ift, jetzt muß id) 
Die Frage wiederholen, denn die Bürgſchaft, 

Die Deine Liebe mir gewährt, kann doc) 

Nicht größer fein, wie Deine Liebe jelbit, 

Und eine Liebe, die dad Leben höher 

Als den Geliebten jchäßt, iſt mir ein Nichts! 


Mariamne. 


Und dennoch ſchweig' ich! 


1870 


1575 


1835 


1x: 








II 6 Herodes und Martanıne. 


Serodes. 
So verdamm’ ich mich, 

Den Mund, der mir, zu jtolz, nicht ſchwören will, 
DaB ihn fein And’rer küßte, ſelbſt nicht mehr 
31 Züfien, biß er es in Demuth thut; 
Sa, wenn’ ein Mittel gäbe, die Erinn'rung 
Arı Did in meinem Herzen auszulöjchen, 
Wen m ich, indem ich beide Augen mir 
Durdhitähe und die Spiegel Deiner Schönheit 
Vertilgte, aud Dein Bild vertilgen Fünnte, 
In Diejer Stunde noch durchftäch’ ich jie. 


Mariamne. 
derodes, mäß'ge Did! Du hajt vielleicht 
Gerade jegt Dein Schickſal in den Händen 
Und kannſt e8 wenden, wie es Dir gefällt! 
dür jeden Menſchen fommt der NAugenblid, 
IN dem der Lenker jeines Sterns ihm ſelbſt 
die Zügel übergiebt. Nur das ift jchlimm, 
Daß er den Augenblick nicht fennt, daß jeder 
6 fein fann, der vorüber rollt! Mir ahnt, 
Für Dich iſt's dieſer! Darum halte ein! 
Wie Du Dir heut‘ die Bahn des Lebens zeichneit, 
Mußt Du vielleicht jie bi® an's Ende wandeln: 
Willſt Du das thun im wilden Rauic des Zorns? 


Herodes. 
Ich fürchte ſehr, Du ahnſt nur halb das Rechte, 
Der Wendepunct iſt da, allein für Dich! 
denn ich, was will ich denn? Doch nur ein Mittel, 
Somit ich böſe Träume ſcheuchen kann! 


Mariamne. 
SH Will Dich nicht verſteh'n! Ich hab’ Dir Kinder 
Geboren! Denk an die! 


[ir 


291 





2 Herodes und Mariamne. IT 


Herodes. 

Wer ſchweigt, wie Du, 
Weckt den Verdacht, daß er die Wahrheit nicht 
Zu ſagen wagt und doch nicht lügen will. 


Mariamne. 
Nicht weiter! 
Herodes. 
Nein, nicht weiter! Lebe wohl! 


Und wenn ich wiederkehre, zürne d'rob 
Nicht allzuſehr! 


Mariamne. 
Herodes! 


Herodes. 

Sei gewiß, 
Ich werde Dir nicht wieder ſo, wie heute, 
Den Gruß entpreſſen! 


Mariamne. 

Nein, es wird nicht wieder 
Vonnöthen fein! (gen Simmeih) Lenk', Ewiger, fein Herz! 
Ich hatt' ihm ja den Brudermord verzieh'n, 
Ich war bereit, ihm in den Tod zu folgen, 
Ich bin es noch, vermag ein Menſch denn mehr? 
Du thateſt, was Du nie noch thatſt, Du wälzteſt 
Das Rad der Zeit zurück: es ſteht noch einmal, 
Wie es vorher ſtand; laß ihn anders denn 
Jetzt Handeln, jo vergeſſ' ich, was geſcheh'n: 
Vergeſſ' es ſo, als hätte er im Fieber 
Mit ſeinem Schwert mir einen Todesſtreich 


Verſetzt nnd mich geneſend ſelbſt verbunden. 
(zu Herodes) 
Seh' ich Dich noch? 





[77 


III6 Herodes und Martanıne. 291 


Herodes. 

So verdamm' ich mich, 
Den Mund, der mir, zu ſtolz, nicht ſchwören will, 
Daß ihn kein And'rer küßte, ſelbſt nicht mehr 
3n küſſen, bis er es in Demuth thut; 
Ja, wenn's ein Mittel gäbe, die Erinn'rung 
An Dich in meinem Herzen auszulöſchen, 
Wenn ich, indem ich beide Augen mir 
Durchſtäche und die Spiegel Deiner Schönheit 
Vertilgte, auch Dein Bild vertilgen könnte, 
In dieſer Stunde noch durchſtäch' ich ſie. 


Mariamne. 
Herodes, mäß'ge Dich! Du haſt vielleicht 
Gerade jetzt Dein Schickſal in den Händen 
Und kannſt es wenden, wie es Dir gefällt! 
Für jeden Menſchen kommt der Augenblick, 
In dem der Lenker ſeines Sterns ihm ſelbſt 
Die Zügel übergiebt. Nur das iſt ſchlimm, 
Daß er den Augenblick nicht kennt, daß jeder 
Es ſein kann, der vorüber rollt! Mir ahnt, 
Für Dich iſt's dieſer! Darum halte ein! 
Wie Du Dir heut' die Bahn des Lebens zeichneſt, 
Mußt Du vielleicht ſie bis an's Ende wandeln: 
Willſt Du das thun im wilden Rauſch des Jorns? 


Herodes. 
Ich fürchte ſehr, Du ahnſt nur halb das Rechte, 
der Wendepunct iſt da, allein für Dich: 
Denn ich, was will ich denn? Doch nur ein Mittel, 
Womit ich böje Träume jcheuchen kann! 
Mariamne. 
Ich will Dich nicht veriteh'n! Ich hab' Dir Kinder 


Geboren! Denf an die! 
19* 








294 Herodes und Mariamne. 


Nur tödten, nicht die Todten wieder wecken, 
Er jollte Beides können, oder keins! 


III 6 


Der rächt ſich auch! Er kommt nit! Dennoch ſeh' ich 


Ihn vor mir! „Du befiehlit?" — Es ijt unmöglid)! 


Ich will’8 nicht glauben! Schweig mir, Salome! 
Wie e8 auch fam, ſo fam es nicht! Vielleicht 
Fraß das Geheimniß, wie verjchludtes Feuer, 


Bon ſelbſt ſich bei ihm durch. Vielleicht verriet ers, 


Weil er mich für verloren hielt und nun 

Mit Alerandra ſich verföhnen wollte, 

Bevor die Kunde fam. Wir werden jeh'n! 

Denn prüfen muß ich jie! Hätt' ich geahnt, 

Daß ſie's erfahren könnte, nimmer wär’ id) 

So weit gegangen. Seht, da jie es weiß, 

Jetzt muß ich weiter geh'n! Denn, nun ſie's weiß, 

Nun muß ich das von ihrer Rache fürchten, 

Was ich von ihrer Wanfelmüthigfeit 

Vielleiht mit Unrecht fürchtete, muß fürchten, 

Daß ſie auf meinem Grabe Hochzeit hält! 

Soemus fam zur rechten Zeit. Er it 

Ein Mann, der, wär ich ſelbſt nicht auf der Welt, 

Da jtünde, wo ich jteh. Wie treu er denkt, 

Nie eifrig er mir dient, beweij’t jein Stommten. 

Ihm geb’ ich jet den Auftrag! Daß ſie Nichts 

Aus ihm herauslockt, weiß ich, wenn ſie ihn 

Auf Menſchenart verjucht! — Berräth er mid), 

So zahlt fie einen Preis, der — Salome, 

Dann haft Tu Recht gehabt! — Es gilf die Probe’ 
(ab) 








Ivy Herodes und Marianıne. 295 


Bierter Art. 


Burg Zion. Mariamnens Gemäder. 


Erſte Scene. 


Mariamne Alerandra. 


Alerandra. 


“ Du giebſt mir Räthſel auf. Zuerſt der Schwur: 
Ich tödte mich, wenn er nicht wiederkehrt! 
Dann bitt're Kälte, als er kam, ein Trotz, 
Der thn empören mußte, wie er mid) 
Erfreute! Nun die tiefite Trauer wieder! 
Den möge ich ſeh'n, der Dich begreifen fann. 


Mariamne. 


Wenn das jo ſchwer iſt, warum plagit Du Dich? 


Alerandra. 


Und dann die widerwilligsherbe Art, 
Mit der Du den Soemus ferne hältjt! 
Man ſieht's ihm an, er hat wa auf dem Herzen — 


Marianıne. 
ws Meinſt Du? 


Alexandra. 
Gewiß! Auch mögt' er's uns vertrau'n, 
Allein er wagt es nicht, er würde ſich, 
Wenn er Dich in den Jordan ſtürzen ſähe, 
Vielleicht bedenken, ob er Dich vom Tod 
Auch retten dürfe, und er hätte Recht, 
se» Denn maaßlos jchnöde biſt Du gegen ihn! 





96 Herodes und Mariamne. 


Mariamne. 
Nicht wahr, Herodes wird nicht ſagen können, 
Ich hätte ſeinen Freund verſucht, ich hätte 
Ihm ſein Geheimniß, wenn er eines hat, 
Mit Schmeicheln abgeliſtet. Nein, ich ſtell's 
Dem Himmel heim, ob ich's erfahren ſoll! 
Mir ſagt's mein Herz, ich wage Nichts dabei! 


Zweite Scene. 
Sameas (tritt ein; er trägt Ketten an den Händen). 
Der Herr iſt groß! 


Mariamne. 
Er iſt's! 
Alexandra. 
Du frei und doch 
In Ketten? Noch ein Räthſel! 
Sameas. 
Dieſe Ketten 
Leg' ich nicht wieder ab! Jeruſalem 
Soll Tag für Tag daran erinnert werden, 
Daß Jonas' Enkel im Gefängniß ſaß! 
Alexandra. 
Wie kamſt Du denn heraus? Haſt Du die Hüter 
Beſtochen? 
Sameas. 
Ich? Die Hüter? 
Alexandra. 


Zwar, womit! 
Dein härenes Gewand haſt Du noch an, 





v1 Herodes und Marianne. 295 


5 


u 


Bierter Act. 


Burg Zion. Mariamnens Gemächer. 


Erſte Scene. 


Deariamne Mlerandra. 


Alerandra. 
Du giebjt mir Näthiel auf. Zuerſt der Schwur: 
Ich tödte mich, wenn er nicht wiederfehrt! 
Dann bitt're Kälte, als er fam, ein Troß, 
Der ihn empören mußte, wie er mid) 
Erfreute! Nun die tiefite Trauer wieder! 
Den mögt’ ich jeh'n, der Dich begreifen fann. 


Mariamne. 


Nenn das jo Ichwer ilt, warum plagit Du Dich? 


Alerandra. 


Und dann die widerwilligsherbe Art, 
Mit der Du den Soemus ferne hältjt! 
Man ſieht's ihm an, er hat wa3 auf dem Herzen — 


Marianıne. 
Meint Du? | 
Alerandra. 


Gewiß! Auch mögt er's und vertraun, 
Allein er wagt e& nicht, er würde ſich, 
Wenn er Dich in den Jordan ftürzen jähe, 
Vielleicht bedenfen, ob er Did) vom Tod 
Auch retten dürfe, und er hätte Necht, 
Denn maaßlos jchnöde biſt Du genen ihn! 





wW? 


293 Herodes und Marianne. 


Wir haben das Geſetz. Das ſpricht für ihn! 
Die Dampf: und Fenerjäule it erlofchen, 
Durch die er unjern Vätern in der Wüſte 
Die Pfade zeichnete, und die Propheten 
Sind ſtumm, wie er! 


Alerandra. 

Das find fie doch nicht ganz! 
Es Hat erſt Fürzlid) Einer einen Brand 
Vorhergejagt, und dieſer traf auch ein! 


Marianne. 
Ya wohl, doch hatt’ er jelbft um Mitternacht 
Tas Feuer angelegt. 


Sameas. 
Weib! Läſt're nicht! 


Mariamne. 
Ich läſt're nicht, ich ſag' nur, was geſcheh'n! 
Der Menſch iſt Phariſäer, wie Du ſelbſt, 
Er ſpricht, wie Du, er raſ't, wie Du, der Brand 
Hat und beweiſen jollen, daß er wirklich 
Prophet jei und das Künftige durchſchaue, 
Doch ein Soldat ertappt” ihn auf der That. 
Sameas. 
Ein röm'ſcher? 
Mariamne. 
Ja! 
Sameas. 
Der log! Er war vielleicht 
Gedungen! War gedungen vom Herodes, 
Gedungen von Dir ſelbſt! 





IV2 Herodes und Mariamne. 


Und daß fie jür ein Nejt voll wilder Bienen, 
Wie Du’s, mit jedem hohlen Baum vertraut, 
An fie verrathen konnteſt, Dich entließen, 
Bezmweifle ich, denn Honig giebt’3 genug! 

Sameas. 
Wie fragſt Du nur? Soemus ſelbſt hat mir 
Die Pforten aufgemacht! 

Mariamne. 

Er hätt's gewagt? 


Sameas. | 
Was denn? Halt Du es ihm denn nicht geboten? 


Mariamne. 
30? 
Sameas. 
Nein? Mir däucht doch, daß er ſo geſagt! 
Ich kann mich irren, denn ich ſagte juſt 
Rückwärts den letzten Pſalm her, als er eintrat, 
Und hörte nur mit halbem Ohr auf ihn! 
Nun wohl! So hat's der Herr gethan, und ich 
Muß in den Tempel gehen, um zu danken, 
Und habe Nichts in Davids Burg zu thun! 


Mariamne. 
Der Herr! 


Sameas. 
Der Herr! Saß ich mit Recht im Kerker? 


Mariamne. 
Die Zeiten ſind vorbei, worin der Herr 
Unmittelbar zu ſeinem Volke ſprach. 





300 Herodes und Mariamne. 


Und müſſ' er und auch Moſis dumme Bud — 
So ruchlos jprad er — mit Gewalt entreißen; 
Denn das allein jei Schuld, wenn wir dem Jordan 
Nicht glichen, unjerm Haren Fluß, der Iuitig 

Das Land durchhüpfe, jondern einem Sumpf! 


Alexandra. 


So ganz warf er die Larve weg? 


Sameas. 
Ja wohl! 
Doch galt ich ihm, als er es that, vielleicht 
Für einen Todten ſchon; denn meinen Tod 
Befahl er gleich nachher. 


Mariamne. 


Er war gereizt! 
Er fand den Aufruhr vor! 


Sameas. 


Dich mahn' ich nun 
An Deine Pflicht! Sag' Du Dich los von ihm, 
Wie er ſich losgeſagt von Gott! Du kannſt 
Ihn dadurch ſtrafen, denn er liebt Dich ſehr! 
Als mich Soemus frei ließ, mußt' ich glauben, 
Du hätt'ſt es ſchon gethan. Thuſt Du es nicht, 
So ſchilt den Blitz, der aus den Wolken fährt, 
Nicht ungerecht, wenn er Dich trifft, wie ihn! 
Ich geh' jetzt, um zu opfern! 


Alexandra. 


Nimm das Opfer 
Aus meinem Stall! 





IV 2 Herodes und Mariamne. 


Mariamne. 
Vergiß Did) nicht! 


Sameas. 
Du bit jein Weib, Du biſt das Weib des Frevlers, 
Der fih für den Meſſias hält, Du kannſt 
Ihn in die Arme jchliegen und ihn küſſen, 
Drum fannit Du auch was And’res für ihn thun! 


Alerandra. 
Er hielte jest für den Meſſias fi? 

Samease. 
Er thut's, er jagt: es mir in's Angeficht, 
Als er mich in den Sterfer führen ließ. 
sch jchrie zum Herrn, ich vief: Sieh auf Dein Volt 
Und Ichide den Mejliad, den Du uns 
Verheißen fir die Zeit der höchſten Not, 
Die höchſte Noth brach ein! Darauf verjeßt” er 
Mit ſtolzem Hohn: Der ijt ſchon lange da, 
Ihr aber wiſſ't es nicht! Ich bin es jelbit! 


Alerandra. 
Nun, Marianne? 


Sameas. 

Mit verruchtem Witz 
Bewies er dann, wir jei'n ein Volk von Jrren 
Und er der einzige VBerjtändige, 
Rir wohnten nicht umjonjt am todten Meer, 
Dem die Bewegung fehle, Ebb' und Flut, 
Und das nur darım alle Welt verpeite, 
Es jei ein treuer Spiegel unſ'rer ſelbſt! 
Er aber wolle und lebendig machen, 


299 





302 Herodes und Marianıne. 


Soemus. 


Nicht mehr? 


Mariamne. 


Wie fannit Du dem Empörer, den Herodes 
Gefangen feßen ließ, den Kerker öffnen‘ 
Iſt er noch König, oder ift er’3 nicht? 


Soemus. 
Die Antwort ijt jo leicht nicht, wie Du glaubjt! 


Mariamne. 

Fällt fie Dir schwer, jo wirſt Du's büßen müſſen! 
Spemus. 

Du weißt no Nichts von der verlornen Schlacht! 


Marianıne. 
Die Schlacht bei Actium, ſie wär” verloren? 


Spemus. 


Antonius fiel von jeiner eignen Sand! 
Cleopatra deögleichen! 


Alerandra. 

Hätte Die 
Den Muth gehabt? Sie fonnte jonft ein Schwert 
Nicht einmal ſeh'n und jchauderte vor jeinem 
Zurüd, da er es ihr als Spiegel vorhielt! 


Soemus. 


Dem Hauptmann Titus ward es ſo gemeldet! 
Octavianus flucht, daß man es nicht 
Verhindert hat! Ich ſelber las den Brief! 





IV3 Herodes und Mariamne. 301 


Samen. 
Ich nehm’, wo man’3 entbehrt! 
» Das Lamm der Wittme und das Schaf des Armen! 
Was ſoll Dein Rind dem Herrn! (av) 
U 


Dritte Bcene. 


Spemus (tommt). 
Berzeiht! 


Mariamne. 


sch wollte 
Dich eben rufen laſſen! Tritt heran! 


Spemus. 
Das wär zum eriten Mal gefcheh'n! 


Mariamne. 
Ja wohl! 


Soemus. 
Tu wichſt mir aus bisher! 


* 


Mariamne. 
Haſt Du mich denn 
Geſucht, und haſt Du was an mich zu ſuchen? 
Ich mag's nicht denken! 


Yy 


Soemus. 
Wenigſtens das Eine: 
Sieh mich als Deinen treu'ſten Diener an! 
Mariamne. 
Das that ich, doch ich thu's nicht mehr! 





304 Herodes und Marianıne. 


Marianne. 
Echt königlich! 
Soemus. 
Gewiß! Echt königlich! 
Nur iſt Octav der Mann nicht, der's bewundert, 
Und thut Herodes das — 


Mariamne. 
Wer wagt, zu zweifeln? 


Soemus. 
So iſt er auch verloren, oder arg 
Hat man Octavian beleidigt, als man 
Die große Schlächterei nach Cäſars Tod 
Auf ſeine Rechnung ſetzte! 


Mariamne. 
Daß Du feſt 

An dieſen Ausgang glaubſt, daß Du Herodes 
Schon zu den Todten zählſt, iſt klar genug, 
Sonſt hätt'ſt Du nicht gewagt, was Du gewagt. 
Auch ſchaudert's mir, ich will es Dir geſteh'n, 
Vor Deiner Zuverſicht, Du biſt kein Thor, 
Und wagſt gewiß nicht ohne Grund ſo viel. 
Doch, wie's auch ſtehen möge, immer bin 
Ich ſelbſt noch da, und ich, ich will Dir zeigen, 
Daß ich ihm auch im Tode noch Gehorſam 
Zu ſchaffen weiß, es ſoll nicht ein Befehl, 
Den er gegeben, unvollzogen bleiben, 
Das ſoll ſein Todtenopfer ſein! 


Soemus. 
Nicht einer? 
Ich zweifle, Königin! — für ii) Jetzt falle, Schlag! 





IV 3 Herodes und Mariamne. 308- 


Marianıne. 
Dann Hat der Tod auf lange Zeit jein Theil, 
Und jedes Haupt jteht feiter, als es jtand, 
Eh’ da3 geichah! 


Spemus. 
Meinit Du? 


Mariamne. 
Du lächelit ſeltſam! 


Soemus. 
Du kennſt, wie's ſcheint, Octavianus nicht! 
Der wird den Tod nicht fragen, ob ihn ekle, 
Er wird ihm aus den Freunden des Antonius 
Noch eine Mahlzeit richten, und auch die 
Wird nicht ganz arm an leckern Biſſen ſein! 


Mariamne. 
Gilt das Herodes? 


Soemus. 
Nun, wenn er das hält, 
Was er ſich vornahm — 


Mariamne. 
Was war das? 


Soemus. 
Er ſprach: 
Ich liebe den Antonius nicht mehr, 
Ich haſſe ihn weit eher, doch ich werde 
Ihm beiſteh'n bis zum letzten Augenblick, 
Obgleich ich fürchte, daß er fallen muß. 
Ich bin's mir ſelber ſchuldig, wenn nicht ihm! 





306 Herodes und Mariamne. 


Alexandra. 

Co ſprichſt Du felbit? 
Mariamne. R 
O Gott, ih weiß, warum! 
Alexandra. 

Dann wirjt Du willen, was Du thun mußt! 


Mariamne. 


Sa! 


(Ste zudt den Dolch gegen fich.) 

Alerandra (fie verhindernd). 
Wahnjinnige, verdient er das? Merdient er's, 
Daß Tu den Henker an Dir jelber madjjt? 


Mariamne 
Da3 war verkehrt! Sch danke Dir! Died Amt 
Erfah er für ſich ſelbſt! 
(Sie ſchleudert den Dolch weg.) 
Verſucher, fort! 
Alexandra. 
Du wirſt Dich in der Römer Schutz begeben! 


Mariamne. 
Ich werde Keinen, dem an ſich was liegt, 
Verhindern, das zu thun! — Ich ſelbſt, ich gebe 
Zur Nacht ein Feſt! 
Alexandra 
Ein Feſt? 
Mariamne. 


Und tanze dort! — 
Ja, ja, das iſt der Weg! 


m 


> 


o 


175 





IV3 Herodes und Mariamne. 307 


Alexandra. 
Zu mweldem Ziel? 


Marianıne. 
He, Diener! 

(Diener fommen.) 

Schließt die Prunfgemäcdher auf 
Und ladet Alle ein, was jubeln mag! 
<tedt alle Kerzen an, die brennen wollen, 
Pflückt alle Blumen ab, die noch nicht welften, 
Es iſt nicht nöthig, daß was übrig bleibt! 
(zu Moſes) 

Tu Haft uns einjt die Hochzeit ausgerichtet, 


Heut” gilt's ein Feſt, das die noch übertrifft, 


N 


rum jpare Nichts! 
(Sie tritt vor.) 
Herodes zitt’re jetzt! 
Und wenn Du niemals noch gezittert haſt! 


Soemus (tritt zu ihr heran). 
Ich fühle Deinen Schmerz, wie Du! 


Mariamne. 


Dein Mitleid 

Erlaſſ ich Dir! Du biſt kein Henkersknecht, 
Ich darf nicht zweifeln, denn Du haſt's gezeigt; 
Dog) dafür ein Qerräther, und Verräthern 

ann ich nicht danfen, noch fie um mich dulden, 
Bie nützlich fie auch find auf diejer Welt. 
Denn das verfenn’ id nicht! Wärjt Du der Mann 
Geweſen, der Du ſchienſt, ſo hätte Gott 

Ein Wunder thun, ſo hätte er der Luft 

Die Zunge, die ihr mangelt, leihen müſſen, 

Das ſah er gleich voraus, als er Dich ſchuf, 


D'rum macht' er zu der Heuchler erſtem Dich! 
20* 





308 Herodes und Wariamne. 


. Spemus. 

Der bin id) nicht! Ach war Herodes' Freund 

Ich war fein Waffenbruder und Gefährte, 

Eh’ er den Thron beitieg, ich war fein Diener, 

Sein treu'ſter Diener, feit er König ift. 

Tod) war ich's nur, fo lange er in mir 

Den Mann zu ehren wußte und den Menjchen, 

Wie ich in ihm den Helden und den Herrn. 

Tas that er, bi er, beucdhleriich die Augen 

Zum erjiten Mal unwirrdig niederjchlagend, 

Ten Blutbefehl mir gab, durch den er mid) 
Herzlos, wie Ti, dem jichern Tode weihte, 

Durch den er mid der Rache Deines Volks, 

Tem Born der Römer und der eignen Tüde 

Preid gab, wie Dich der Spige meines Schwert3. 

Da hatt! ich den Beweis, was ich ihm galt! 


Mariamne. 
Und drüdteit Du ihm Deinen Abjcheu aus? 


Spemus. 


Tas that ich nicht, weil ih Di Ihüßen wollte! 
Ich übernahm's zum Schein, ich heuchelte, 
Wenn Dir's gefällt, damit er feinem Andern 
Ten Auftrag gäbe und mich niederjtäche; 

Ein Oalliläer hätt die That vollbracht! 


Marianne. 
Ich bitt! Dir ab. Du ſtehſt zu ihm, wie ich, 
Tu bift, wie ich, in Deinem SHeiligften 
Gekränkt, wie ih, zum Ding herabgeſetzt! 
Gr iſt ein Freund, wie er ein Gatte ift. 
Komm auf mein Felt! (ab) 





IV 3 Herodes und Mariamne. 


Alexandra. 
Zu weldem Ziel? 
Mariamne. 


He, Diener! 
(Diener kommen.) 
Schließt die Prunkgemächer auf 
» Und ladet Alles ein, was jubeln mag! 
Stedt alle Kerzen an, die brennen wollen, 
Pflückt alle Blumen ab, die noch nicht welften, 
Es ift nicht nöthig, daß was übrig bleibt! 
(zu Mojes) 
Du Haft und einit Die Hochzeit ausgerichtet, 
5 Heut’ gilt's ein Feſt, dad die noch übertrifft, . 
D'rum jpare Nichts! | 
(Ste tritt vor.) 
Herodes zitt’re jeßt! 
Und wenn Du niemals noch gezittert hajt! 


Soemus (tritt zu ihr heran). 
Ich fühle Deinen Schmerz, wie Du! 


Mariamne. 


Dein Mitleid 
Erlaſſ' ih) Dir! Du bijt fein Henkersknecht, 
o Ich darf nicht zweifeln, denn Du haſt's gezeigt; 
Doch dafür ein Verräther, und Berräthern 
Kann ich nicht danfen, nod) fie um mid) dulden, 
Wie nüglich fie auch find auf diefer Welt. 
Tenn da3 verfenn’ ic nit! Wärſt Du der Mann 
5  Gewejen, der Du fchienft, jo hätte Gott 
Ein Wunder thun, jo hätte er der Luft 
Tie Zunge, die ihr mangelt, leihen müſſen, 
Das ſah er gleich voraus, als er Dich chuf, 
D'rum madt’ er zu der Heuchler erjtem Dich! 
20* 


307 





* 


310 Herodes und Mariamne. IV: 


Alerandra. 
Du biſt doch auch ein Mann! 


Soemus. 

Daß ich das nicht 
Vergeſſen habe, das beweiſ' ich jetzt! 
So groß iſt Keiner, daß er mich als Werkzeug 
Gebrauchen darf! Wer Dienſte von mir fodert, 
Die mich, vollbracht und nicht vollbracht, wie's kommt, 
Schmachvoll dem ſichern Untergange weih'n, 
Der ſpricht mich los von jeder Pflicht, dem muß 
Ich zeigen, daß es zwiſchen Königen 
Und Sclaven eine Mittelſtufe giebt, 
Und daß der Mann auf dieſer ſteht! 


Alexandra. 

| Mir gilt 
Es glei, aus welchem Grund: genug, Du trat’jt 
Zu mir berüber] 

Soemus. 

Fürchte keinen Kampf mehr, 

Er iſt ſo gut, als todt! Octavian 
Iſt kein Antonius, der ſich das Fleiſch 
Vom Leibe hacken läßt und es verzeiht, 
Weil er die Hand bewundert, die das thut! 
Er ſieht nur auf die Streiche. 


Alexandra. 
Was ſagt Titus? 
Soemus. 
Der denkt, wie ich! Ich ließ den Sameas 


Nur darum frei, weil ich zur Rechenſchaft 
Gezogen werden wollte. Konnt' ich doch 





IV3 Herodes3 und Mariamne. 


Alerandra. 
So warteteſt Du auch auf Deine Zeit, 
Wie ich! 
Soemns. 
Auf meine Zeit? Wie meinſt Du das? 


Alexandra. 


Ich ſah es immer mit Verwund'rung an, 
Wie Du vor dieſem König, der der Laune 
Des Römers ſeine Hoheit dankt, dem Rauſch 


Des Schwelgers, nicht dem Stamm und der Geburt, 


Den Rücken bogſt, als hätteſt Du's, wie er, 
Vergeſſen, daß Du ſeines Gleichen biſt; 
Doch jetzt durchſchau' ich Dich, Du wollteſt ihn 
Nur ſicher machen! 
Soemus. 

Darin irrſt Du Dich! 
Ich ſprach in Allem wahr. Für ſeines Gleichen 
Halt' ich mich nicht und werd' es niemals thun! 
Ich weiß, wie manchen Wicht es giebt, der ihm 
Bloß darum, weil er nicht ſein Enkel iſt, 
Mit Murren dient; ich weiß, daß And're ihm 
Die Treu' nur Mariamnens wegen halten: 
Doch ich gehöre nicht zu dieſer Schaar, 
Die lieber einem Kinderſchwert gehorcht, 
Wenn's nur ererbt ward, als dem Heldenſchwert, 
Das aus dem Feuer erſt geſchmiedet wird. 
Ich ſah den Höher'n immer ſchon in ihm 
Und hob dem Waffenbruder ſeinen Schild, 
Wenn er ihn fallen ließ, ſo willig auf, 
Wie je dem König ſeinen Herrſcherſtab! 
Die Krone, wie das erſte Weib: ich gönnte 
Ihm Beides, denn ich fühlte ſeinen Werth! 


309 





312 Herodes und Marianne. 


Die Zeit nicht mefjen jollit! Wir haben dazu 
Den Sonnenweifer und den Sand! Du felbit 
Sollit, wie wir Andern, in der Zeit was thun! 
Taullenzerei, Nicht weiter! 


Artarerres. 
Laß Dir ſchwören! 


Moies. 


Schweig! Schweig! Beim Eſſen zählteft Du nod ni 
Im Uebrigen: man jchwört auch nicht bei ung, 

Und (für fid) wär’ der König nicht ein halber Heide, 
So hätten wir auch den fremden Diener nicht! 


Da kommen jchon die Muticanten! Flint! 
(geht zu den Uebrigen) 


Jehu. 
Du, iſt das wirklich wahr, was man von Dir 
Erzählt? 


Artaxerxes. 


Wie ſollt' es denn nicht wahr ſein? 
Soll ich's vielleicht noch hundert Mal betheuern? 
Am Hofe des Satrapen war ich Uhr 
Und hatt? es gut, viel beſſer, wie bei Euch! 
Nachts ward ich abgelöf't, dann war's mein Bruder, 
Und aud) bei Tage, wenn’ zum Eſſen ging. 
Ich dank’ ed wahrlich Eurem König nicht, 
Daß er mid) mit den andern Striegsgefang’nen 
Hiehergeſchleppt! Zwar ward mein Dienjt zuleßt 
Ein wenig fchwer! Id mußte mit in's Feld, 
Und wenn man links und redht3 die Pfeile fliegen, 
Die Menjchen fallen Jieht, verzählt man ſich 
Natürlich leichter ald in einem Saal, « 





IV4 Herodes und Mariamne. 311 


Nicht anders an die Königin gelangen! 
Jetzt weiß ſie, was ſie wiſſen muß, und iſt 
Der Todesbotſchaft, wenn ſie kommt, gewachſen. 
»Das war mein Zweck! Welch edles Weib! Die ſchlachten! 
Es wär' um ihre Thränen Schad' geweſen! 


Alexandra. 
Gewiß, ein zärtlicher Gemahl! — Such' ſie 
Nur zu bereden, daß ſie ſich dem Schutz 
Der Römer übergiebt und komm auf's Feſt, 
o Durch das ſie mit Herodes bricht, er mag 
Nun todt fein oder leben! (ab) 


Soemus (ihr folgend). 
Er iſt todt! 


Bierte Scene. 
Diener treten auf und ordnen das Feſt an. 


Moies. 
Nun, Artaxerxes? Wieder in Gedanken ? 
Flint! Flint! Du ftellft bei ung die Uhr nicht vor! 


Artarerres. 
Hätt'ſt Du das Jahre lang gethan, wie ic), 
> &o würd’ es Dir auch ganz fo geh’n, wie mir! 
Beſonders, wenn Du alle Nächte träumtejt, 
Du hätt'ſt das alte Amt noch zu verjeh'n! 
Ich greif ganz unwillkürlich mit der Rechten 
Mir an den Puls der Linken, zähl' und zähle 
o Und zähle oft bis ſechszig, eh’ ich mich 
Belinne, daß ich Feine Uhr mehr bin! 


Moſes. 
Merk' Dir es endlich denn, daß Du bei uns 





314 Herodes und Mariamne. v4 


Nur einen Tropfen Wafjer trank. Wo Menjchen, 
Die man mit Hanf ummwidelt und mit Ped) 
Beträufelt hatte, in den Gärten Nacht3 

Als Fackeln brannten — 


Moſes. 
Höre auf! Was hatten 
Die Menjchen dem Zatrapen denn gethan? 


Artarerres. 
Gethan? Gar Nichts! Bei und ijt ein Begräbnig 
Biel prächtiger, wie eine Hochzeit hier! æ* 
Moſes. 


Vermuthlich freßt Ihr Eure Todten auf! 
Es paßte gut zum Uebrigen! 


Artaxerxes. 
Dann iſt's 
Auch wohl nicht wahr, daß Eure Königin 
Im Wein einſt eine Perle aufgelöſ't, 
Koſtbarer, als das ganze Königreich, 2 
Und daß ſie dieſen Wein an einen Bettler 
Gegeben hat, der ihn, wie andern, ſoff? 


Moſes. 
Das iſt es nicht! Gott Lob! 
Artaxerxes (su Jehu). 
Du ſagteſt's aber! 
Jehu. 
Weil es mir eine Ehre für ſie ſchien, 
Und weil man's von der Aegypterin erzählt! z 


Moſes. 
Hinweg! 





1V4 Herodes und Mariamne. 313. 


Wo jie zujammenfommen, um zu tanzen. 
Ich ſchloß die Augen, denn ich bin fein Held, 
Wie es mein Vater war. Ten traf ein Pfeil 
Auf jeinem Poſten — er war Uhr, wie wir, 
» Ich und mein Bruder, Alle waren Uhren — 
Er rief die Zahl noch ab und jtarb! Was fagit Tu? 
Da3 war ein Mann! Dazu gehörte mehr, 
Als nöthig war, den Pfeil ihm zuzujchieden! 


Jehu. 


Habt Ihr denn keinen Sand bei Euch zu Hauſe, 
5 Daß Ihr das thun müßt? | 


Artarerres. 
Wir? Wir feinen Sand? 
Genug, um ganz Judäa zu bededen! 
Es iſt ja nur, weil der Satrap bei uns 
Es bejjer haben fol, wie's And’re haben! 
Der Puls des Menſchen geht doch wohl genauer, 
> Wenn er gejund ijt ıımd Fein Fieber hat, 
Wie Euer Sand durch jeine Röhre läuft? 
Und nüßen Euch die Sonnenweijer was, 
Wenn ed der Sonne nicht gefällt zu ſcheinen? 
zählt) 
Eins — 3wei — 


Moſes (kommt zurück). 
Fort! Fort! Die Gäſte kommen ſchon!“ 


Artaxerxes. 
5Das iſt das Feſt? Da ſah ich and're Feſte! 
Wo keine Frucht gegeſſen ward, die nicht 
Aus einem fremden Welttheil kam! Wo Strafe, 
Oft Todesſtrafe, darauf ſtand, wenn Einer 





316 Herodes und Mariamne. 


Silo. 


Da wird denn bald viel Blut vergofjen werden, 
Die Kerker fteden feit dem Aufruhr vol! 


Judas. 


Das weiß ich beſſer, als Du's wiſſen kannſt, 
Ich habe Manchen ſelbſt hineingeſchleppt. 
Denn dieſer Aufruhr war ſo unvernünftig, 
Daß Jeder, der nicht eben darauf ſann, 
Sich ſelbſt zu hängen, ihn bekämpfen mußte. 
Du weißt, ich liebe den Herodes nicht, 

Wie tief ich mich auch immer vor ihm bücke, 
Doch darin hat er Recht: die Römer ſind 
Zu mächtig gegen uns, wir ſind nicht mehr, 
Als ein Inſect iſt in des Löwen Rachen, 
Das ſoll nicht ſtechen, denn es wird verfchludt! 


Silo. 
Mir thut's nur leid um meines Gärtners Sohn, 
Der einen Stein nach einem röm'ſchen Adler 
Geworfen und ihn auch getroffen hat! 


Judas. 
Wie alt iſt der? 

Silo. 

Wie lange iſt es doch, 

Daß ich den Fuß brach? — Da ward er geboren, 
Denn ſeine Mutter konnte mich nicht pflegen, 
Ja, richtig — Zwanzig! 

Judas. 

Da geſchieht ihm Nichts! 

(Mariamne und Alexandra erſcheinen.) 

Die Königin! (mil gehen) 








IV4 Herodes und Mariamne. 315 


Artarerres (deutet auf die Roſen, bie Jehu trägt). 
Wirklihe Rofen! Die find billig, 

Bei und find’3 jilberne und goldene! 

Die foll man dahin ſchicken, wo die Blumen 

So koſtbar find, wie Gold und Silber hier! 


(Diener zerftreuen jih. Die Gäjte, unter ihnen Soemus, haben 

ſich während der legten Hälfte diefer Scene verjammelt. Mufil. Tanz. 

Silo und Judas fondern fih von ben Uebrigen und erjcheinen im 
Vordergrund.) 


Silo. 
» Was Toll das heißen? 


Judas. 


Was das heißen ſoll? 
Der König kehrt zurück! Und das noch heut'! 


Silo. 
Meinſt Du? 
Judas. 
Wie kannſt Du fragen! Giebt's denn wohl 


Noch einen andern Grund für ſolch ein Feſt? 
Ueb' Dich auf einen neuen Bückling ein! 


Silo. 
5 68 hieß ja aber — 
Judas. 
Lug und Trug, wie immer, 

Wenn's hieß, ihm ſei was Schlimmes widerfahren, 
Und ganz natürlich, da's ſo Viele giebt, 
Die ihm das Schlimme wünſchen! Wird getanzt 
In einem Haus, wo man um Todte klagt? 





318 Herodes und Mariamne. 


Fünfte Bcene. 


Alerandra und Mariamne erfcheinen im Bordergruni 


Alerandra. 
Co willft Du Dich nicht zu den Römern flüchten? 
Mariamne. 
Wozu nur? 
Alerandra. 


Um das Leben Dir zu jichern! 


Mariamne. 
Das Leben! Freilih! Dad muß man ſich jichern! 
Der Schmerz hat feinen Stachel ohne da8! 


Alerandra. 
So gieb der Stunde wenigſtens ihr Recht! 
Du giebſt ein Felt, fo zeig” auch Deinen Gäjten 
Ein feſtliches Gelicht, wie ſich's gebührt! 


Marianne. 
Ich bin fein Injtrument und Feine Kerze, 
Ich joll nicht Klingen, und id) foll nicht Leuchten, 


Drum nehmt mich, wie ih bin! Nein! Thut es nid 


Treibt mich, das Beil für meinen Hals zu wetzen, 
Was red’ ich, treibt mich, daß ih mit Euch juble — 
Soemus, auf! 
(au Salome, die eben eintritt und ihr entgegenſchreitet) 
Du, Salome? Willkommen 
Bor Allen mir, troß Deiner Trauerfleider! 
Das hätt’ ich faum gehofft! 





IV 4 Herodes und Mariamne. 317 


Silo. 
Wie meint Du das? Ein Wort nod)' 


Judas. 

Wohl! Im Vertrau'n denn! Weil er Zwanzig iſt, 
Geſchieht ihm Nichts! Doch wenn er neunzehn wär' 
Und einundzwanzig, ginge es ihm ſchlecht! 
Im künft'gen Jahr ſteht's anders! 

Silo. 

Spaße nicht! 
Judas. 


5 ch ſage Dir, jo iſt's! Und willſt Du wiſſen 


Warum? Der König jelbjt hat einen Sohn 
Bon zwanzig Jahren, doc er kennt ihn nicht! 
Die Mutter hat ihm, als er jie verließ, 
Das Kind entführt und feierlich geſchworen, 
Es zu verderben — 
Silo. 
Gräuelhaftes Weib! 
Heidin? 
Judas. 
Vermuthlich! Zwar, ich weiß es nicht! — 
So zu verderben, daß er's tödten müſſe, 
Verſtehſt Du mich? Ich halt's für Raſerei, 
Die ſich gelegt hat nach der erſten Wuth, 
Doch ihn macht's ängſtlich, und kein Todesurtheil 
Ward je an einem Menſchen noch vollzogen, 
Der in dem Alter ſeines Sohnes ſtand. 
Tröſt' Deinen Gärtner! Doch behalt's für Dich! 


(verlieren ſich wieder unter die Uebrigen) 


jv>» 


Salome. 


Die Kerzen — 
Mariamne. 
Sind ſie nicht zum Leuchten da? 


Salome: 


Die Cymbeln — 
Mariamne . 


Müſſen flingen, weißt 
a veide gteibung)- 


tet aui gRartamnent 


Du's ander 


Salome (deu 


Die Edelſteine — 
Mariamne ˖ 
Stünden Dir war beſſer — 


Salome . 


Das Alles deutet — 
Marianne. 


Auf ein Freudenjeſt! 








IV6 Herodes und Mariamne. | 31% 
Sechste Bcene. 


Salome. 

Ich muß ja wohl, 
Wenn ic) erfahren will, wie's fteht! Ich werde 
Zu einen Feſt geladen, doch man jagt 
Mir nicht, warum das Feſt gegeben wird! 
Zwar kann ich's ahnen, doc ich muß es wifjen! 
Nicht wahr: Herodes kehrt zurück? Wir werden 
Ihn heut’ noch ſeh'n? Die Kerzen jagen Sa, 
Die Iujtige Muſik! Thu Du es auch! 
Ich frag' nicht meinetwegen! Doch Du weißt — 
Nein, nein, Du weißt es nicht, Du haſt's vergeſſen, 
Du haſt vielleicht geträumt, ſie ſei begraben, 
Sonſt hätt'ſt Du ihr die Kunde nicht verhehlt, 
Allein Dein Traum hat Dich getäuſcht, ſie ſitzt 
Noch immer in der Ecke, wo ſie ſaß, 
Als ſie Dich ſegnete — 


Mariamne. 
Was redeſt Du? 


Salome. 


Genug! Herodes hat noch eine Mutter, 

Die bangt um ihren Sohn und härmt ſich ab. 
Und ich, ich bitt' Dich: laß ſie das Verbrechen, 
Daß ſie auch mich gebar, nicht länger büßen, 
Gieb ihr den Troſt, nad) dem ihr Herz verlangt! 


Mariamne. 
Ich Hab’ für feine Mutter feinen Troſt! 


Salome. 
Du Haft Herodes Heut’ nicht zu erwarten? 





322 SHerodes und Mariamne. 


Salome. 


Died Weib ift nocd) viel jchlechter, 
Al ich's mir date! Das will Etwas jagen! 
Drum hat fie auch die bunte Schlangenhaut, 
Mit der fie Alles Eödert! — Sa, fie tanzt! 
Nun, wahrlich, jet ijt mein Gewiſſen ruhig, 
Der kann fein Menſch auf Erden Unrecht thun! 

(Ste fieft Mariamnen zu.) 


Biebente Bcene. 


Alerandra kommt mit Tituß. 


Alerandra. 
Titus, Tu ſiehſt, wie meine Tochter trauert! 


Titus. 
Sie hat wohl neue Botjchaft von Herodes? 


Alerandra. 
Die Botichaft, daß es mit ihm aus ift! Sa! 


Titus (fieht nah Mariamnen). 
Sie tanzt! 


Alerandra. 
Als wäre jie, jtatt Wittwe, Braut! 
Titus, jie trug bis heute eine Maske, 
Und, mer! Dir das, ſie that es nicht allein! 


Titus. 
Sehr gut für fie! Dann bleibt fie, wa fie ijt! 
Gehört jie zu den Feinden des Herodes, 
So wird ſie nicht mit jeinen Freunden büßen! 





Ivz Herodes und Mariamne. 


Alerandra. 


Ulm dos zu zeigen, giebt fie ja dies Seit! 
(entfernt ih von Titus) 


Titus. 

Esſchaudert mir vor diefen Weibern doc! 
Die (ine haut dem Helden, den jie erit 
—> um ach heuchleriſche Küſſe ſicher machte, 
Srrr Schlaf den Kopf ab, und die And're tanzt, 
ll ırax jih nur ja die Krone zu erhalten, 
j ze rofend, auf dem Grabe des Gemahls! 

IL xızw 98 zu jeh’n, ward ich gewiß geladen — 
m (Er ficht wieder nah Martiamnen.) 
> ja, id ſeh's und will's in Rom bezeugen — 
DD >  trinte ich hier feinen Tropfen Wein’ 


Salome. 
as lagit Du, Titus? Steht es mit dem König 
> schlecht, dab Die ſchon Alles wagen darf? 


_ Zitus. 
Fey er nicht gleich fi) zum Octavian 
So Fojiagen und dem Marc Anton vor'm Fall 
— ru lebten Stoß noch mitgegeben hat, 
Unn das bezweifle ich, jo ſteht's nicht gut! 
Salome. 
> Häatt' er's doch gethan! — Wenn die den Kopf 
QeB ält, jo weiß ic) nicht, warum der Herr 
AS Put der üpp’gen Sejabel den Hunden 
„0 Bux tecken gab! 


(verliert ſich unter die Uebrigen) 


Titus. 


Sie tanzt noch fort! Doch ſcheint's 


Ihr nicht ganz leicht zu ſein! Sie müßt' erglühen, 
21* 


323 





324 Herode3 und Marianıne. 


Tod) jie erbleicht, al8 ob fie in Gedanken 

Was And’red thäte und nur umvillfürlich 

Tem Reigen folgte! Nun, auch dieſe Judith 
Hat wohl nicht ohne Angit ihr Werk vollbracht! 
Und die da muß den leßten Kuß des Mannes, 
Ten jte hier jet vor mir fo feierlich 
Berläugnet, noch auf ihrer Lippe fühlen, 

Auch jah fie ihn ja noch nicht todt! — Sie kommt! 


Mariamne (erigeint wieder. Alerandra und Soemus folgen ihr 


Alerandra (zu Martamne). 
Ich ſprach mit Titus! . 


Mariamne c(erblict dei einer plögliden Wendung ihr Bild im Spiegel 


Ha! 


Alerandra. 
Was Halt Du denn? 


Mariamne. 
So hab’ ich mich ja ſchon im Traum geſeh'n! — 
Das alfo war's, was mich vorhin nicht ruh'n ließ, 
Bis der verlorene Rubin fi fand, 
Der jeßt auf meiner Brujt fo düjter glimmt: 
Das Bild Hätt’ eine Lüce ohne ihn! — 
Auf dieſes folgt das letzte bald! 


Alerandra. 
Komm zu Dir! 


Mariamne. 
So laß mich doch! — Ein Spiegel, ganz, wie der! 
Zu Anfang angelaufen, wie vom Hauch 
Des Athmenden, dann, wie die Bilder, die 
Er nach einander zeigte, ſanft ſich klärend 





IV7 Herodes und Mariamne. 323 


Alerandra. 

Um das zu zeigen, giebt fie ja dies Feſt! 

(entfernt ih von Titus) 

Ditus. 
Es ſchaudert mir vor dieſen Weibern doch! 
Die Eine haut dem Helden, den ſie erſt 
Durch heuchleriſche Küſſe ſicher machte, 
3 m Schlaf den Kopf ab, und die And’re tanzt, 

Um jih nur ja die Krone zu erhalten, 
Wie vafend, auf dem Grabe des Gemahls! 
Um das zu jeh’n, ward ich gewiß geladen — 


(Er ficht wieder nah Mariamnen.) 
Sa, ja, ich ſeh's und mwill’3 in Rom bezeugen — 
o Dod trinke ich hier feinen Tropfen Wein! 


Salome. 
Nas fagit Du, Titus? Steht es mit dem König 
So ſchlecht, daß die ſchon Alles wagen darf? 


Titus. 
Wenn er nicht gleich ſich zum Octavian 
Geichlagen und dem Marc Anton vorm Fall 
5 Den lebten Stoß noch mitgegeben hat, 
Und das bezweifle id), jo ſteht's nicht gut! 


Salome. 
D hätt’ er's doch gethan! — Wenn die den Kopf 
Behält, fo weiß ich nicht, warum der Herr 
Dad Blut der üpp’gen Jeſabel den Hunden 
o Zu leden gab! | 
(verliert fi unter die Uebrigen) 
Titus. 
Sie tanzt noch fort! Doch ſcheint's 
Ihr nicht ganz leicht zu ſein! Sie müßt' erglühen, 
21* 





326 Herodes und Mariamne. IV 


Achte Scene. 
Herodes tritt ein, kriegeriſch angethan. Joab. Gefolge. 


Mariamne. 


Der Tod! Der Tod! Der Tod iſt unter uns! 
Unangemeldet, wie er immer kommt! 


Salome. 
Der Tod für Dich! Ja wohl! So fühlſt Du's ſelbſt? 
Mein Bruder! (will Herodes umarmen, er drängt fie zurück.) 


Herodes. 
Mariamne! (Er nähert ſich ihr.) 


Mariamne (weit ihn mit einer heftigen Geberde zurüch. 
Zieh das Schwert! 
Reich' mir den Giftpocal! Du bijt der Tod! 
Der Tod umarmt und küßt mit Schwert und Gift! 


Herodes (kehrt ſich nah Salome um). 
Was foll das heißen? Taujend Sterzen riefen 
Mir aus der Ferne durch die Nacht jchon zu: 
Dein Bote ward nicht von den Arabern 
Ergriffen, er fam an, Du wirft erwartet, 
Und jet — 
| Salome. 
Die Kerzen haben Dich betrogen, 
Hier ward gejubelt über Deinen Tod! 
Dein Bote fam nidht an, und Deine Mutter 
Zerriß jchon ihr Gewand um Dich! 


Herodes (ſieht um ſich, bemerkt Titus und winkt ihm). 
Titus (tritt heran). 
So iſt's! 
Hier war kein Menſch darauf gefaßt, ich ſelbſt 





IV 8 Heroded und Mariamne. 


Nicht einmal ganz, daß Du noch vor der Schlacht 
Bei Actium den Antonius verlaſſen 

Und, wie’ die Klugheit freilich rieth, zum Cäſar 
Hinüber gehen würdeſt! Daß Du's thatelt, 
Beweiſ't mir Deine Wiederfunft. Nun wohl! 
IH — wünfd Dir Glück! 


Mariamme (tritt Herau. 

Und ich beflage Dich, 
DaB die Gelegenheit ſich Dir nicht bot, 
derr Marc Anton mit eig'ner Hand zu ſchlachten. 
Co hätt'ſt Du Deinem neuen Herrn am bejten 
dezeigt, daß Dir am alten Nicht mehr lag; 
Du hätt'ſt ihm Deines Freundes Kopf gebradht, 
Er hätt' ihn mit der Krone Dir bezahlt! 


Herodes. 
ui, Titus, pfui! Auch Du denfit fo von mir? 
Ich zog hinunter nach Arabien, 
Wie mir's Antonius geboten hatte, 
Allein ich fand dort keinen Feind! Nun macht' ich 
Mich auf nach Actium, und meine Schuld 


Var's nicht, wenn ich zu ſpät kam. Hätt' er ſich 


Gehalten, wie ich glaubte, daß er's würde, 

eo hätt’ ich (gegen Martamne) Die Gelegenheit geſucht, 

dm mit dem Kopfe des Octavian 

die Krone zu bezahlen! (gu Titus) Er that's nicht! 
war ſchon todt, al3 ich erfchien. Nun that ihm 

der Freund nicht weiter noth, und ich begab 

Nich zum Octavian; zwar nicht als König — 

Ve Krone legt' ich ab — doch darum auch 


Als Bettler nicht. Ich zog mein Schwert und ſprach: 


dieß wollt' ich brauchen gegen Dich, ich hätt' es 
Vielleicht mit Deinem eig'nen Blut gefärbt, 


327 





328 Herodes und Mariamne. 


Wenn's hier noch beſſer jtünde Das ijt aus! 
Sept jenfe ich’3 vor Dir und leg’ es ab! 
Erwäge Du nun, weld) ein freund ich war, 
Nicht, weſſen Freund; der Todte gab mid frei: 
Ich kann jeßt, wenn Du willſt, der Deine jein! 
Titus. 
Und er? 
Herodes. 
Er ſprach: Wo haſt Du Deine Krone? 
Ich ſetz' noch einen Edelſtein hinein, 
Nimm die Provinz hin, die Dir fehlt bis heute, 
Du ſollſt es nur an meiner Großmuth fühlen, 
Daß ich der Sieger bin, nicht Marc Anton, 
Er hätt' ſie Cleopatren nie genommen, 
Die ſie bisher beſaß, ich ſchenk' ſie Dir! 
Titus. 
Das — hätt' ich nie gedacht. Auch preiſ' ich Nichts, 
Als Deinen Stern! 


Herodes. 


Titus! O preiſ' ihn nicht! 
Ich ward zu ſchwerem Werk geſpart! Soemus! 


Soemus (bleibt ſtehen, wo er ſteht und antwortet nicht). 


Herodes. 


Verriethſt Du mich? Du ſchweigſt! Ich weiß genug! 
O! O! Hinweg mit ihm! 


Spemus (indem er abgeführt wird). 
Ich läugne Nichts! 


Doch, dab ich Dich für todt hielt, magſt Du glauben! 
Jetzt thu, was Dir gefällt! (as) 


IV8 


257m 


255 





IV8 Herodes und Mariamne. 327 


Nicht einmal ganz, daß Du noch vor der Schlacht 
Dei Actium den Antonius verlajjen 
Und, wie’3 die Klugheit freilich rietb, zum Cäſar 
Hinüber gehen würdeſt! Daß Du's thateft, 

5 Beweiſ't mir Deine Wiederfunft. Nun wohl! 
Ich — mwünfd Dir Glüd! 


Mariamne (tritt berzu). 
Und id) beflage Dich, 
Daß die Gelegenheit fi Dir nicht bot, 
Den Marc Anton mit eig'ner Hand zu jchladhten. 
Co hätt'ſt Du Deinem neuen Herrn am beften 
©» Gezeigt, daß Dir am alten Nicht mehr lag; 

Du Hätt’jt ihm Deined Freundes Kopf gebradtt, 
Er hätt’ ihn mit der Krone Dir bezahlt! 


Herodes. 

Pfui, Titus, pfui! Auch Du denkſt ſo von mir? 
Ich zog hinunter nach Arabien, 

s Wie mir's Antonius geboten Hatte, 
Allein ich fand dort feinen Feind! Nun macht' ic 
Mid auf nach Actium, und meine Schuld 
War's nicht, wenn ich zu ſpät fam. Hätt' er ſich 
Öehalten, wie ich glaubte, daß er’3 würde, 

o So hätt’ ich (gegen Mariamne) die Gelegenheit gejucht, 
Ihm mit dem Kopfe des Octavian 
Die Krone zu bezahlen! (su Titus) Er that's nicht! 
Er war ſchon todt, als ich erjchien. Nun that ihm 
Der Freund nicht weiter noth, und id) begab 

5 Mid, zum DOctavian; zwar nicht ald König — 
Die Krone legt’ ih ab — doch darum aud) 
Als Bettler nit. Ich zog mein Schwert und fprad): 
Dieß wollt’ ich brauchen gegen Did, ich hätt’ es 
Vielleicht mit Deinem eig’nen Blut gefärbt, 





328 Herodes und Mariamne. ] 


Wenn's hier noch beijer jtünde. Das ijt aus! 
Sept ſenke ich's vor Dir und leg’ es ab! 
Erwäge Du nun, welch ein Freund ich war, 
Nicht, weſſen Freund; der Todte gab mid) frei: 
Ich kann jet, wenn Du willit, der Deine fein! 
Titus. 
Und er? 
Herodes. 
Er ſprach: Wo haſt Du Deine Krone? 
Ich ſetz' noch einen Edelſtein hinein, 
Nimm die Provinz hin, die Dir fehlt bis heute, 
Du ſollſt es nur an meiner Großmuth fühlen, 
Daß ich der Sieger bin, nicht Marc Anton, 
Er hätt' ſie Cleopatren nie genommen, 
Die ſie bisher beſaß, ich ſchenk' ſie Dir! 


Titus. 
Das — hätt' ich nie gedacht. Auch preiſ' ich Nichts, 
Als Deinen Stern! 

Herodes. 


Titus! O preif ihn nicht! 
Ich ward zu fchmerem Werk geipart! Soemus! 


Spemus (bleibt ftehen, wo er fteht und antivortet nicht). 


Herodes. 


Verriethſt Du mich? Du ſchweigſt! Ich weiß genug! 
O! O! Hinweg mit ihm! 


Soemus (indem er abgeführt wird). 
Ich läugne Nichts! 


Doch, daß ich Dich für todt hielt, magſt Du glauben! 
Jetzt thu, was Dir gefällt! (av) 





Ivg Herodes und Mariamne. 329 


Herodes. 
Und nach dem Tode 
Hört Alles auf, nicht wahr? Ja! Ja! Mein Titus, 
Hätt'ſt Du den Mann gefannt, wie ih — — Du würdeſt 
Nicht jo gelajjen, nicht jo ruhig da jteh'n, 
Wie id) hier ſteh', Du würdeſt ſchäumen, knirſchen 
Artd wüthend ſprechen: 
(gegen Martamne 
Weib, was thatſt Du Alles, 
a u zuU Den jo weit zu bringen? — Salome, 
u hattejt vecht, ich muß mich waſchen, wajchen — 
Blut ber! Sogleich beruf’ ich) ein Gericht! 
Dar j BR ‚(gegen Nariamıe) | 
ſchweigſt? Du Hülljt Di noch in Deinen Trotz? 
Sch weiß warum! Du haſt's noc, nicht vergerjen, 
* as Du mir warſt! Auch jetzt noch riſſ' ich leichter 
_ as Herz mir aus der Bruft — Titus, jo iſt's! — 
SULS (ieer zu Martamne) Did) mir aus dem Herzen! Tod) 
ich thu's! 
Mariamne (wendet ſich kurz). 
Dan 
> pin Gefang’ne? 


2 


Herodes. 
Ja! 
Mariamne (zu den Soldaten). 
So führt mich ab! 
— (wendet ih. Auf Herodes' Wink folgt ihr Joab mit Soldaten. 
"oo . . ” RR 
x Tod fanı mein Gemahl nicht länger fein! can 


_ Herodes. 
? Ha! Zu der hab’ ich einmal geſprochen: 
05 IXD ei Menſchen, bie ſich lieben, wie ſie ſollen, 
NT SD nuen einander gar nicht überleben, 
XUDd wenn ich ſelbſt auf fernem Schlachtfeld fiele: 





330 Herodes und Marianne. 


Man brauchte Dir's durch Boten nicht zu melden, 
Du fühlteft es fogleich, wie es geicheh'n, 
Und ftürbeit ohne Wunde mit an meiner! 
Titus, verlach' mich nicht! So iſt's! So iſt's! 
Allein die Menjchen lieben fich nicht jo! 

(ab) 


Sünfter Act. 





Großer Audienzjaal, wie im erſten Act. Dan erblidt Thron ı 
Nichtertafel. 


Erfle Scene. 
Herode3 und Salome, 


Herode®. 
Hör’ auf, hör’ auf! Ich Habe das Gericht 
Beitellt und werde feinen Spruch vollzieh'n! 
Sch, der ich fonft vor jedem Fieber bebte, 
Wenn’3 auch nur ihre Stanımerfrau befiel, 
Sch ſelbſt beivaffne gegen jie den Tod! 
Da3 ſei genug! Wenn Did) Dein Eifer nod) 
Nicht ruhen läßt, wird er fein Ziel verfehlen, 
Ich werde denfen, daß der Haß allein 
Aus Deinem Munde jpricht, und Did) als Zeugin 
Verwerfen, wenn ich jede Kerze auch) 
Als ſolche gelten laſſe, die geflammt, 
Und jede Blume, die geduftet hat! 


Salome. 
Herodes! Läugnen will ich’3 nicht, ich habe 
Nach ihren Fehlern einjt gejpäht und fie 





1 Herodes und Marinmne. 331 


Vergrößert, wie Du felbft die Tugenden, 
Die Du an ihr entdedteit. War der Stolz, 
Womit fie mir und Deiner Mutter immer 
— Begegnete, war er ein Grund zur Liebe? 
Sie gab ſich als ein Weſen höh'rer Art, 
Das niemals einen anderen Gedanken, 
ALS den, in mir erregte: wozu iſt 
Das vide Buch, dad von den Heldenthaten 
* Der Maccabäer und erzählt, nur da? 
Die trägt ja ſelbſt die Chronik im Geficht! 
Herodes. 
Dur willſt mich widerlegen und beſiegelſt 
Den Spruch, den ich gefällt! 
Salome. 
_ Hör’ mid) nur aus! 
=D yyar'3, ich läugn' es nicht. Doch wenn ich jeßt 
DEShr jagte, als id weiß und dent und fühle, 
— wenn ich nicht aus ſchweſterlichem Mitleid 
te Hälfte deſſen, was ich jagen könnte, 
Och in der Bruft verichloß, fo joll mein Kind — 
Ss Liebe es ja wohl? — fo viele Jahre 
— TIepen, als fein Scheitel Haare zählt, 
MD jeder Tag ihm fo viel Schmerzen bringen, 


IN) 

13 er Minuten, ja Secunden bat! 

BR Herodes. 

Der Schwur iſt fürchterlich! 
Salome. 


Und dennoch fällt er 
Mir leichter, als das Wort: die Nacht iſt ſchwarz! 
en ein Auge könnte krank jein, doch unmöglic) 
Sit mit dem Auge franf zugleich dag Chr, 





332 Herodes und Mariamne. 


5a, der Inſtinet, da® Gerz und jegliches 
Organ, dad meine Sinne unterjtüßt! 

Und Alle jtimmen dies Mal jo zujammen, 
Als könnten jie fid) gar nicht widerjprechen. 
Sa, hätte Gott in jener Feſtes-Nacht 

Mir aus des Himmels Höhen zugerufen: 
Von welchem Uebel joll id; Eure Erde 
Befrein, Du halt die Wahl, jo hätt” id) nicht 
Die Peſt, ich hätt! Dein böjes Weib genannt! 
Mir Ichauderte vor ihr, mir war zu Muth’, 
Als hätt! id) einem Tämon aus der Hölle 
sm Finſtern meine Menjchenhand gereicht, 
Und er verhöhnte mid) dafiir, er träte 

In jeiner eignen jchredlichen Gejtalt _ 
Aus dem geitohl'nen Leib von Fleiſch und Blut 
Herdor und grinfte mid) durh Flammen an. 
Auch fchauderte mir nicht allein, dev Römer 
Sogar, der eh’rne Titus, war entjeßt! 


Herodes. 
Sa wohl, und der wiegt jchwerer, al$ Du felbit, 
Denn, wie er Keinen liebt, jo haft er Steinen 
Und ijt gerecht, wie Geiſter ohne Blut. 
Verlag mich jegt, denn id) erwarte ihn! 


Salome. 
Nein, niemals werd’ ic dieſen Tanz vergefjen, 
Dei dem jie nad) dem Tacte der Muſik 
Den Boden trat, ald wühte ſie's gewiß, 
Daß Du darunter lagjt! Bei Gott, ich wollte, 
sch müßte das nicht fagen! Denn ich weiß, 
Wie tief es Dich, der Du ihr Mutter, Schwejter, 
Und was nicht, opfertejt, empören muß! 
Allein, jo war es! (nd) 





Herode3 und Mariamne. 


Zweite Icene. 


Herodes (allein). 
Titus jagte mir 
ämliche! Auch jah ich felbit genug! 
e bat recht! ch Habe ihr die Schweiter 
jt die Mutter auch geopfert: wögen 
ht den Bruder auf, den fie verlor? 
n Augen nicht! 


Dritle Scene. 
Titus (tritt ein). 


Herodes. 
Nun, Titus, nun? 

Soemus? 

Titus. 

Was Du weißt! Nicht mehr! 

Herodes. 
bon —- 

Titus. 

O nein! Er fuhr, wie raſend, auf. 

von fern nur darauf deutete! 

Herodes. 
inte es erwarten! 


Titus. 

Niemals hätte 
eib, wie Dein's, gelebt, und niemals ſei 
ann des Kleinods, das ihm Gott beſchieden, 
nig werth geweſen — 


333 





334 Herodes und Mariamne. 


Herodes. 
Als ich felbjt! 
Sa, ja! — „Er wußte nicht, was Perlen find, 
Drum nahm ih ihm fie weg!" Co jprad) der 7 
Ich weiß nicht, Half ihm was? 
Titus. 
Ihr Herz fei edl 
Als Gold — 
Herodes. 
So fennt er e8? Er iit berauſcht 
Und fobt den Wein! Sit das nicht ein Beweis, 
Daß er getrunfen hat? Was fchügte er 
Denn vor? Warum verrieth er meinen Auftrag 
An jie? 
Titus. 
-Aus Abjcheu, wie er jagt! 
Herodes. 
Aus Abſcheu? 
Und dieſen Abſcheu ſprach er mir nicht aus? 
Titus. 
Wär' das ihm wohl befommen? Hätteſt Du 
Den jtarren Diener leben lajjen fünnen, 
Der den Befehl einmal von Dir empfing 
Und ihn zurückwies? 5 
Herodes. 
War's in ſolchem Fall 
Denn nicht genug, ihn unvollführt zu laſſen? 
Titus. 
Gewiß! Doch wenn er weiter ging, ſo that er's 





Herodes und Mariamne. 


eicht, weil Du ihm ſchon verloren fchienit, 
weil er nun die Gunſt der Königin 
Deine Kojten fich erfaufen mollte, 

deren Händen feine Zufunft lag. 


Herodes. 
‚ Zitus, nein! Soemus war der Mann, 
igener Perſon den Griff zu wagen, 
uns die fremde Gunſt entbehrlich macht! 
darum übertrug ich’3 ihm, id) dachte: 
nt’3 für ji, wenn er's für Did) nicht thut! 
där’ er ein Gering’ver, als er it, 
hätt’ er nit in Nom die vielen Freunde, 
yollt' ich's glauben, aber jegt — Nein, nein! 
ıb nur Einen Grund! 


Titus. 
Und dennoch räunıt 
en nicht ein! 
Herodes. 


Er wär’ nit, was er ilt, 
: er e& thäte, denn er weiß gar wohl, 


folgen wird, und hofft nun, durch fein Läugnen 


teiner Bruſt noch einen legten Zweifel 
ecken, der, wenn nicht fein eig'nes Haupt, 
od da3 ihrige, vorm Tode jchügt! 

ı er irrt, dem Zweifel fehlt der Stachel, 
hätt’ ich Nichts zu jtrafen, was ſie that, 

traft' ich, wa fie ward, und was fie ijt! 
Wär ſie je geweſen, was ſie ſchien: 

zätte fo ſich nie verwandeln können, 
Rache nehm' ich an der Heuchlerin! 

Titus, ja, ich ſchwör' es bei dem Schlüſſel 


335 





336 Heroded und Marianne. 


Zum Paradies, den fie in Bänden hält; 
Ber aller Seligkeit, die fie mir ſchon 
Gewährte und mir noch gewähren fan; 
Ya, bei dem Schauder, der mich eben mahnt, 
Daß ih in ihr mich ſelbſt vernichten werde: 
sh mad) ein Ende, wie's aud) jtchen mag! 
Zitus. 
Es ijt zu jpät, Dir warnend zuzurufen: 
Sieb den Befehl nicht! und ich kenne jelbit 
Kein Mittel, das zur Klarheit führen kann, 
Drum wag' ih nicht zu jagen: halte ein! 


Vierle Dcene. 
Joab (tritt ein). 


Derodes. 
Zind ſie verſammelt? 
Joab. 
Längſt! Aus dem Gefängniß 
Muß ih) Dir melden, was mir wichtig ſcheint! 
Man kann den Sameas nicht jo weit bringen, 
Daß er jich ſelbſt entleibt! 


Herodes. 
Ich gab Befehl, 

Daß man ihn martern ſoll, bis er es thut! 

izu Titus) 
Der hat geſchworen, hört' ich, ſich zu tödten, 
Wenn er mich nicht zu ſeines Gleichen machen, 
Den Heidenſinn in mir, wie er es nennt, 
Nicht brechen könne. Da ihm das mißlang, 
So zwinge ich ihn, ſeinen Schwur zu halten, 
Er hat den Tod wohl tauſendfach verdient! 





Heroded und Mariamıte. 


Zitus. 
5b hätte jelbjt auf jeinen Tod gedrungen, 
rn er hat mich beſchimpft und Rom in mir, 
D das fann überall verziehen werben, 
x hier nicht, wo das Volk fo jtörrig it! 


Herodes (su Jon bı. 
au denn! 
Joab. 
Man that getreu nach Deinen Worten, 
ein es half zu Nichts. Der Henker hat 
x jede Tual ihm angethan, er hat 
au obendrein, ergrimmt ob feinem Troß, 
re er für Hohn nahm, Wunden beigebradıt, 
ch iſt's, als hätt’ er einen Baum gegeißelt, 
3 hätte er in Holz hinein gejchnitten: » 
x te jteht jo da, als fühlt” er Nichts, 
ſingt, anjtatt zu fchrei'n und nad) dem Mtejjer 
L greifen, das ihm vorgehalten wird, 
: ſingt den Pfalm, den die drei Männer einjt 
rt feur’gen Dfen fangen, er erhebt 
ei jedem neuen Schmerz die Stimme lauter 
id, wenn er einhält, prophezeit er gar' 


Herodes tür fid). 
o find fie! Sa! — Und wird fie anders jein? 


Joab. 
ann ruft er aus, als hätt’ er für geheime 
nd wunderbare Dinge jo viel Augen 
etommen, als er Wunden zählt, nun ſei 
te Zeit erfüllt, und in die Krippe lege 
ie Sungfrau-Mutter aus dem Stamme Davids 
’ebber, Werte Il. 22 


337 





338 Herodes und Mariamne. v5 


In dieſem heil'gen Nugenblid ein Kind, 2780 
Das Throne jtiirzen, Todte weden, Sterne 

Vom Himmel reißen und von Ewigkeit 

„Zu Ewigkeit die Welt regieren werde. 

Das Volk indeh, zu Taujenden verjammelt, 

Harrt draußen vor den Thoren, hört das Alles 2785 
Und glaubt, daß ſich Elias’ Flammen-Wagen | 
Hernieder ſenken wird, um ihn, wie den, 
Empor zu tragen. Selbſt ein Henkersknecht 
Erſchrak und hielt, anjtatt ihm neue Wunden 
Zu jchlagen, ihm die alten zu! 


Herodes. 
Man ſoll 17% 
Ihn auf der Stelle tüdten, und den Volf 
Ihn zeigen, wenn er todt it! — Laß dann auch 


Die Richter fommen und — 





Joab. 
Die Königin! 
(cb) 
Herodes. 
Du, Titus, wirſt an meiner Seite ſitzen! 
Auch ihre Mutter habe ich geladen, x795 


Damit es ihr nicht an der Zeugin fehlt. 


Fünfte Scene. 
Aaron und die übrigen fünf Richter treten ein. Alexandra und } 
Salome folgen. Joab erſcheint glei darauf. | 
Alerandra. 
Mein König und mein Herr, fei mir gegrüßt! 





v5 Herodes und Mariamne. 339 


(Er 


233) 


3810 


Herodes. 


Ich danke Dir! 


ſedt ſich auf ſeinen Thron. Titus fept ſich ihm zur Seite. Die Richter fegen 
ſich dann auf ſeinen Wink im Halbkreis um dic Tafel.) 


Alexandra (während dieß geichteht). 
Bon Schickſal Mariamnend 
Scheid' ich das meinige, und jpare mid), 


Wie eine Yadel, für die Zukunft auf! 
(Sie ſetzt fih neben Salome.) 


Herodes (su den Richtern). 
Ihr wißt, warum id) Euch berufen ließ! 


Aaron. 
In tiefſtem Schmerz erſchienen wir vor Dir! 


Herodes. 
Nicht zweifl' ih! Mir und meinem Haufe ſeid 
Ihr Alle eng befreundet und verwandt, 
Was mich trifft, trifft Eu mif! Euch wird e3 frewn, 
Wenn Ihr die Königin, die — Er ſtoctt. Schenkt mir dag! 
Euch wird es freu’n, wenn Ihr jie nicht verdammen, 
Kenn Ahr, anjtatt nad) Golgatha hinaus, 
Zurück mir in das Haus jie ſchicken dürft, 
Doch werdet Ihr auch vor den Aeußerſten 
Nicht muthlos zittern, wenn es nöthig wird, 
Tenn, wie Ihr Glüd und Unglüd mit mir theilt, 
So theilt Ihr Schmach und Ehre au mit mir. 
Wohlan denn! 


(Er giebt Joab ein Zeihen. Joab geht ab. Dann erſcheint cr wicder mit 
Mariamne. — Es entſteht cine lange Pauſe.) 


Herodes. 
Aaron! 


tö 
tö 
® 





340 Herodes und Marianne. 


Aaron. 
Königin! Uns ward 
Ein ſchweres Amt! Du ftehit vor Deinen Richtern! 


Marianne. 
Vor meinen Richtern, ja, und aud) vor Eud): 


Aaron. 
Erkennt Tu dies Gericht nicht an? 


Mariamne. 

Ich jehe 
Kin höh'res hier! Wenn das auf Eure ragen 
Die Antwort mir gejtattet, werd’ ich reden, 
Und ſchweigen werd’ ich,. wenn es ſie verbeut! — 
Mein Auge jieht Euch faum! Denn hinter Euch 
Steh'n Geilter, die mid jtumm und ernit betrachten, 
Es find die großen Ahnen meined Stamm?. 
Dre; Nächte jah ich fie bereit3 im Traum, 
Nun kommen jie bei Tage aud), und wohl 
Erfenn’ ich, was es heißt, daß ji) der Reigen 
Der Todten Schon für mich geöffnet Hat 
Und dab, was lebt und athmet, mir erbleidht. 
Dort, hinter jenem Thron, auf dem ein Künig 
Zu fißen jcheint, jteht Judas Mlaccabäus: 
Du Held der Helden, blide nicht jo finjter 
Auf mich herab, Du ſollſt mit mir zufrieden jein! 


Alerandra. 
Sei nicht zu troßig, Mariamne! 


Mariamne. 


Mutter! 
Leh' wohl! — (su Aaron) Weswegen bin id) hier verklagt 





341 


Herodes und Mariamne. 


Aaron. 
Tu habeſt Deinen König und Gemahl 


Betr gen — (zu Herodes) Nicht ? 


Marianne. 
. Betrogen? Wie? Unmöglid)! 
Hat er mic) nicht gefunden, wie er mid) 
Zu Finden dachte? Nicht bei Tanz und. Spiel? 
Jog ich, als ich von jeinem Tode hörte, 
Tie Trauerkleider an? Vergoß ich Thränen? 
Zerrauft ich mir das Haar? Dann hätt' ich ihn 
Betrogen, doch ich hab' es nicht gethan 
Und Kann es darthun. Salome, fprich Du! 


\ Herodes. 

Ich fand ſie, wie ſie ſagt. Sie braucht ſich nicht 
ah einem andern Zeugen umzufeh'n. 

Toch niemals, niemals hätte ich's gedacht! 


. Marianne. 
ernals gedadht? Und doch verlarbt den Henker 
cchrt Hinter mich geſtellt? Das kann nicht fein! 
R ie ich bei'm Sceiden ftand vor feinem Geiſt, 
>. Hat er mic bei'm Wiederjeh'n gefunden, 
Turm muß id läugnen, daß id) ihn betrog! 
22 Herodes (tn ein wildes Gelächter ausbrechend). 
Ger Hat mid) nicht betrogen, weil fie Nichts 
a, dan, ald was das Borgefühl, die Ahnung, 
Rn preif’ ich jie, die düjt’re Warnerin! 
ch fürchten ließ — (u Martamne Meib! Weib! Die fteht 
Dr Dir an! 
Mi baue nicht zu feit darauf, daß ich 
rt Glück und Ruhe aud) die Kraft verlor, 





342 Herodes und Mariamne. 


Mir blieb vielleicht ein Reſt noch für die Rache, 
Und — ſchon al® Knabe ſchoß ich einem Vogel 
Stet3 einen Pfeil nad), wenn er mir entilog. 


Marianne. 
Sprich nit von Vorgefühl und Ahnung, ſprich 
Bon Furcht allein! Tu zitterteft vor dem, 
Was Du verdienteft! Das iſt Menjchen-Art! 
Du kannſt der Schweiter nicht mehr traw'n, jeit Du 
Den Bruder tödtetejt, Du haft daS Wergite 
Mir zugefügt und glaubjt nun, daß idy’3 Dir 
Erwiedern, ja, Did) überbieten muß! 
Wie, oder hajt Du jtetd, wenn Du dem Tod 
In ehrlich-off'nem Krieg entgegen zogit, 
Den Henker hinter mic) gejtellt? Du jchweigit! 
Wohlan denn! Da Du's ſelbſt jo tief empfindeit, 
Was ſich für mich geziemt, da Deine Furcht 
Mich über meine Pflicht belehrt, jo will 
sch endlich dieje heil'ge Pflicht erfüllen, 
D’rum fcheid’ id) mid) auf ewig von Dir ab! 


Herodes. 
Antwort! Bekennſt Du? Oder thuſt Du's nicht? 
Mariamne (chweigt). 


Herodes (su den Richtern). 
Ihr ſeht, das Eingeſtändniß fehlt! Und auch 
Beweiſe Hab’ ich nicht, wie Ihr ſie braucht! 
Doch Habt Ihr einmal einen Mörder ſchon 
Zum Tod verdammt, weil des Erſchlag'nen Kleinod, 
Sid) bei ihm fand. Es Half ihm Nichts, daß er 
Auf jeine wohl gewaſch'nen Hände wies, 
Und Nichte, daß er Euch ſchwur, der Todte habe 


2875 


23% 





v5 Herodes und Marianne. 343 


Es ihm gejchenft: Ihr ließt den Sprud, vollzieh'n! 
u Wohlan! So jteht'3 auch Hier! Sie Hat ein Kleinod, 

Was mir bezeugt, unwiderjprechlicher, 

Wie's irgend eine Menjchenzunge könnte, 

Daß fie den Gräul der Gräul an mir beging. 

Ein Wunder hätt’ nicht bloß geſcheh'n, es hätte 
» Sich wiederholen müſſen, wär’ es anders, 

Und Wunder wiederholten fid) noch nie! 


Mariamne (madt eine Bewegung). 


Herodes. 
Zwar wird ſie ſprechen, wie der Mörder ſprach: 
Man habe ihr's geſchenkt! Auch darf ſie's wagen, 
Denn, wie ein Wald, iſt eine Kammer ſtumm. 
ss Doch, wäret Ihr verſucht, ihr das zu glauben, 
So ſetz' ih Euch mein innerſtes Gefühl 
Und die Ergründung aller Möglichkeiten 
Entgegen, und verlange ihren Tod. 
Ja, ihren Tod! Ich will den Kelch des Ekels 
wo Nicht leeren, den der Trotz mir beut, ich will 
Kiht Tag für Tag mid mit dem Räthjel quälen, 
Ob ſolch ein Troß dad widermwärtigite 
Geſicht der Unjchuld, ob die frechſte Larve 
Der Sünde ijt, ih will mid) aus dem Wirbel 
os Bon Haß und Liebe, eh’ er mich erjtickt, 
Erretten, koſt' es, was es koſten mag! 
Darum hinweg mit ihr! — Ihr zögert noch? 
Es bleibt dabei! — Wie? Oder traf ich's nicht? 
Sprecht Ihr! Ich weiß, das Schweigen iſt an mir! 
20 Doch ſprecht! Sprecht! Sitzt nicht da, wie Salomo 
Zwiſchen den Müttern mit den beiden Kindern! 
Der Fall iſt klar! Ihr braucht nicht mehr zum Spruch, 
Als was Ihr ſeht! Ein Weib, das daſteh'n kann, 





344 Herodes und Mariamne. 


Wie fie, verdient den Tod, und wär’ fie rei 
Von jeder Schuld! Ahr fprecht no immer nid)t? 
Mollt Ihr vielleicht erjt den Beweis, wie feit 

Ich überzeugt bin, daß fie mid) betrog? 

Ten geb’ id) Euch durch des Soemus Kopf, 

Und das fogleich! (Er geht auf Joad au.) 


Titus (erhebt fig). 
Dieß nenn’ ich fein Gericht! 
Verzeih! Er will gehen.) 
Mariamne. 
Bleib, Römer, ic) erfenn’ e8 an! 
Wer will's verwerfen, wenn ich felber nicht! 


Titus (fest fi wieder). 
Alerandra (ſeht auf. 


Mariamne Uritt zu ihr beran, Halb laut). 
Du haſt viel Leid mir zugefügt, Du hajt 
Nach meinem Glück das Deine nie gemeſſen! 
Soll ich es Dir verzeih'n, ſo ſchweige jetzt! 
Du änderſt Nichts, mein Eniſchluß iſt gefaßt. 


Alerandra (est fih wieder). 


Mariamne. 

Nun, Richter? 
Aaron (zu den Uebrigen). 
Wer von Euch den Spruch des Königs 
Nicht für gerecht hält, der erhebe ſich! 
(Alle bleiben ſitzen.) 

So habt Ihr Alle auf den Tod erkannt! 

(Er ſteht auf.) 
Du biſt zum Tod verurtheilt, Königin! — 
Haſt Du noch was zu ſagen? 





v5 Herodes und Mariamne. 345 


Mariamne. 
Wenn der Henker 
Nicht zum Voraus bejtellt it und auf mid) 
Schon wartet mit dem Beil, jo mögte ich 
Vor'm Tode noch mit Titus: ein Geſpräch. 
(zu Herodes) 
Man pflegt den Sterbenden die leßte Bitte 


5 Nicht abzujchlagen. Wenn Du fie gemährit, 
So jei mein Leben Deinem zugelegt! 


Herodes. 
Der Henker iſt noch nicht beſtellt — ich kann's! 
Und da Du mir dafür die Ewigkeit 
Als Lohn verſprichſt, ſo muß und will ich auch! 
(zu Titus) 
» it diefed Weib nicht fürchterlich? 
. Titus. 
Sie jteht 
Vor einem Mann, wie Keine ftehen darf! 
Drum endige! 


Salome (tritt heran). 
D thu 88! Deine Mutter 
st krank biß auf den Tod! Sie wird gefund, 
Wenn jie das noch erlebt! 
Herodes iu Alerandra). 
Sprachſt Du nicht was? 


Alerandra. 
Nein! 


& 


Herodes (ſieht Mariamınen lange am). 


Mariamne (vleist ſtumm). 





346 Herodes und Mariamne. 


Herodes. 
Stirb! (u Joan Ih leg's in Deine Hand! 
(nel ab. Ihm folgt Salome.) 


Alexandra (ihm nachſehend). 
Je 


Noch einen Pfeil fir Dich! czu Mariamne; Du wollte 


Mariamne. 
Ich danfe Dir! 


Alerandra (ad). 

Aaron (su den Üßrigen Richterm. 

Verſuchen wir nicht noch, 
Shn zu erweichen? Mir ijt dieß entſetzlich! 
Es iſt die lebte Maccabäerin! 2 
Wenn wir nur furzen Aufichub erit erlangten! 
Seht ging's nicht an, daß wir ihm widerjtrebten, 
Bald wird er ſelbſt ein And’rer wieder fein. 
Und möglich iſt's, daß er und dann beitraft, 
Weil wir ihm heut’ nicht Widerjtand gethan! 
Ihm nadh! 

(ab) 
Joab (nägert ji Nariamnen). 
Vergiebſt Du mir? Ich muß gehorden! 


Mariamne. 
Thu, was Dein Herr gebot, und thu es ſchnell! 
Ich bin bereit, ſobald Du ſelbſt es biſt, 
Und Königinnen, weißt Du, warten nicht! 


Joab (an. 


v6 Herodes und Marianne. 347 


Svechsſste Brene. 


Mariamne tritt zu Titun. 
Nun noch ein Wort vorm Sclafengeh’n, inder 
Mein lehter Kämm'rer mir das Bette macht! 
Du ſtaunſt, id) ſeh' es, daß ich dieſes Wort 
An Di, und nicht an meine Mutter, richte, 
Allein fie jteht mir fern und ift mir fremd. 

Titus. 

Sch jtaune, dag ein Weib mid, lehren fol, 
Wie ih als Mann dereinft. zu jterben habe! 
Ya, Königin, unheimlidy it Den Thun 
Und, ich verhehl's nicht, felbit Dein Weſen mir, 
Allein ich muß den Heldenjinn verehren, 
Der Dich vom Leben fcheiden läßt, als ſchiene 
Die Schöne Welt Dir auf dem lebten Gang 
Nicht einmal mehr des flücht'gen Umblicks werth, 
Und diejer Muth verfühnt mich fait mit Dir! 


Marianne. 
Es ijt fein Muth! 


Zitus. 
Zwar hat man mir gejagt 
Daß Eure finitern Pharifäer lehren, 
Im Tode geh’ das Leben erſt recht an, 
Und daß, wer ihnen glaubt, die Welt verachtet, 
In welder nur die Sonne ewig leuchtet 
Und alle® Uebrige in Nacht verlijcht! 


Mariamne. 
Ich hörte nie auf fie und glaub’ es nicht! 


° O nein, ich weiß, wovon ic) ſcheiden joll! 





348 Heroded und Mariamne. V. 


Titus. 
Dann ſtehſt Du da, wie Cäſar ſelber kaum, 
Als ihm von Brutus' Hand der Dolchſtoß kam, 
Denn er, zu ſtolz, um ſeinen Schmerz zu zeigen, 
Und doch nicht ſtark genug, ihn zu erſticken, 
Verhüllte fallend ſich das Angeſicht; 
Du aber hältſt ihn in der Bruſt zurück! 


Mariamne. 


Nicht mehr! Nicht mehr! Es iſt nicht, wie Du denkſt! 
Ich fühle keinen Schmerz mehr, denn zum Schmerz 
Gehört noch Leben, und das Leben iſt 

In mir erloſchen, ich bin längſt nur noch 

Ein Mittelding vom Menſchen und vom Schatten 
Und faſſ' es kaum, daß ich noch ſterben kann. 
Vernimm jetzt, was ich Dir vertrauen will, 

Doch erſt gelobe mir als Mann und Römer, 

Daß Du's verſchweigſt, bis ich hinunter bin, 

Und daß Du mich geleiteſt, wenn ich geh'. 

Du zögerſt? Fod're ich zu viel von Dir? 

Es iſt des Strauchelns wegen nicht! Und ob 

Du ſpäter reden, ob Du ſchweigen willſt, 

Entſcheide ſelbſt. Ich binde Dich in Nichts 

Und halte meinen Wunſch ſogar zurück. 

Dich aber hab' ich darum auserwählt, 

Weil Du ſchon immer, wie ein eh'rnes Bild 

In eine Feuersbrunſt, gelaſſen-kalt 

Hinein geſchaut in unſ're Hölle haſt. 

Dir muß man glauben, wenn Du Zeugniß giebſt, 
Wir ſind für Dich ein anderes Geſchlecht, 

An das kein Band Dich knüpft, Du ſprichſt von uns, 
Wie wir von fremden Pflanzen und von Steinen, 
Partheilos, ohne Liebe, ohne Haß! 





V 6 Herodes und Mariamne. 


Titus. 
Du gehſt zu weit! 


Mariamne. 

Verweigerſt Du mir jetzt, 
Zu ſtarr, Dein Wort, ſo nehm' ich mein Geheimniß 
Mit mir in's Grab und muß den letzten Troſt 
Entbehren, den, daß Eines Menſchen Bruſt 
Mein Bild doch rein und unbefleckt bewahrt, 
Und daß er, wenn der Haß jein Aergſtes wagt, 
Den Schleier, der es dedt, aus Pflichtgefühl 
Und Ehrfurcht vor der Wahrheit heben fann! 


Titus. 
Wohl! Ich gelob' es Dir! 


Mariamne. 
So wiſſe denn, 
Daß ich Herodes zwar betrog, doch anders, 
Ganz anders, als er wähnt! Ich war ihm treu, 


349 


Wie er ſich ſelbſt. Was ſchmäh' ich mich? Viel treuer, 


Er iſt ja längſt ein And'rer, als er war. 
Soll ich das erſt betheuern? Eher noch 
Entſchließ' ich mich, zu ſchwören, daß ich Augen 
Und Händ' und Füße habe. Dieſe könnt' ich 
Verlieren, und ich wär' noch, was ich bin, 
Doch Herz und Seele nicht! 
Titus. 

| Sch glaube Dir 

Und werde — 
Mariamne. 


Halten, was Du mir verjpradjit! 
Ich zweifle nit! Nun frag Dich, was ich fühlte, 


350 Herodes und Mariamne. 


Als er zum zweiten Mal, denn einmal hatte 
Ich's ihm verzieh'n, mich unter's Schwert geitellt, 
Als ih mir jagen mußte: cher gleicht 

Dein Schatten Dir, als dag verzerrte Bild, 

Das er im tiefiten Innern don Dir trägt! 

Das hielt ic) nicht mehr aus, und konnt' ich's denn? 
Ich griff zu meinem Dolch, und, abgehalten 

Vom raſch verjuchten Selbftmord, jchwur ich ihm: 
Du willft im Tode meinen Henfer machen? 

Tu jolljt mein Henfer werden, doch im Leben! 
Du fjollit das Weib, das Du erblictejt, tödten 
Und erſt im Tod mid) fehen, wie id bin! — 
Du warjt auf meinem Feit. Nun: Eine Larve 
Hat dort getanzt! 


Titus. 
Ha! 


Mariamne. 

Eine Larve ſtand 
Heut' vor Gericht, für eine Larve wird 
Das Beil geſchliffen, doch es trifft mich ſelbſt! 

Titus. 

Ich ſteh' erſchüttert, Königin, auch zeih' ich 
Dich nicht des Unrechts, doch ich muß Dir ſagen: 
Du haſt mich ſelbſt getäuſcht, Du haſt mich ſo 
Mit Grau'n und Abſcheu durch Dein Feſt erfüllt, 
Wie jetzt mit ſchaudernder Bewunderung. 
Und, wenn das mir geſchah, wie hätte ihm 
Der Schein Dein Weſen nicht verdunkeln ſollen, 
Ihm, deſſen Herz, von Leidenſchaft bewegt, 
So wenig, wie ein aufgewühlter Strom, 
Die Dinge ſpiegeln konnte, wie ſie ſind, 





V6 Herodes und Warianıne. 351 


D’rum fühl! ich tiefed Meitleid auch mit ihm 
Und Deine Rache finde ich zu jtreng! 


Mariamne. 
Auf meine eignen Kojien nehm’ ich fie! 
Und daß es nicht des Leben! wegen war, 
Wenn mich der Tod des Opferthierd empörte, 
Das zeige ich, ich werf' das Leben weg! 


Titue. 
Gieb mir mein Wort zurüd! 


Mariamne. 
| Und wenn Du's brächeſt, 

Tu würdejt Nichts mehr ändern. Sterben fann 
Ein Menſch den andern lafjen; fort zu leben, 
Zwingt auch) der Mächtigite den Schwächſten nicht. 
Und ich bin müde, ic) beneide ſchon 
Den Stein, und wenn’3 der Zweck des Lebens ijt, 
Tag man e3 hajjen und den em’gen Tod 
Ihm vorzieh'n lernen fol, jo wurde er 
In mir erreicht. O, daß man aus Granit, 
Aus nie zerbrödelndem, den Sarg mir höhlte 
Und in ded Meeres Abgrund ihn verjentte, 
Damit jogar mein Staub den Elementen 
Für alle Emigfeit entzogen fei! 


Titus. 
Wir leben aber in der Welt des Scheins! 
Mariamne. 
Das ſeh' ich jetzt, d'rum gehe ich hinaus! 
Titus. 
Ich ſelbſt, ich habe gegen Dich gezeugt! 





352 Herodes und Mariamne. 


Mariamne. 
Damit Tu’s thätejt, lud ic Dich zum Yeit! 
Titus. 
Wenn ich ihm fagte, was Du mir gejagt — 


Mariamne. 


Sp riefe er mid um, ich zweifle nicht! 

Und folgte ich, fo würde mir der Lohn, 

Daß ih vor einem Jeden, der mir nahte, 

Bon jet an fchaudern und mir jagen müßte: 
Hab’ Acht, dad kann Dein dritter Henfer fein! 
Nein, Titus, nein, ich habe nicht gejpielt, 

Für mid) giebt’8 feinen Rückweg. Gäb' es den, 
Glaubſt Tu, ic hätt’ ihm nicht entdedt, al3 id) 
Bon meinen Kindern ew’gen Abjchied nahm? 
Wenn Nichts, als Troß mich triebe, wie er meint, 
Der Schmerz der Unjchuld hätt! den Trotz gebrochen: 
Sept machte er nur bitt’rer mir den Tod! 


Zitus. 


O, fühlt” er dad und käm' von felbjt, und würfe 
Sid Tir zu Füßen! 


Mariamne. 
Ja! Dann hätte er 
Den Tämon überwunden, und ich könnte 
Ihm Alles tagen! Denn ich follte nicht 
Umvürdig mit ihm marften um ein Qeben, 
Das durch den Preis, um den ich’3 faufen kann, 
Für mid) den legten Werth verlieren muß, 
Ich jollte ihn für feinen Sieg belohnen, 
And, glaube mir, id) könnt' es! 





v6 Herodes und Marianıne. 353 


© 


> 


Titus. 
Ahnſt Du Nichts, 
Herodes? 


Joab (tritt geräuſchlos ein und bleibt ſchweigend ſtehen). 


Mariamne. 
Nein! Du ſiehſt, er ſchickt mir den! (deutet auf Joa d) 
Titus. 
Laß mich — 
Mariamne. 
Haſt Du mich nicht verſtanden, Titus? 
Iſt es in Deinen Augen noch der Trotz, 
Der mir den Mund verſchloß? Kann ich noch leben? 
Kann ich mit Dem noch leben, der in mir 
Nicht einmal Gottes Ebenbild mehr ehrt? 
Und, wenn ich dadurch, daß ich ſchwieg, den Tod 
Herauf beſchwören und ihn waffnen konnte, 
Sollt' ich mein Schweigen brechen? Sollt' ich erſt 
Den einen Dolch vertauſchen mit dem andern? 
Und wär' es mehr geweſen? 
Titus. 
Sie hat recht! 
Mariamne su Joab). 
Biſt Du bereit? 
Ioab (verneigt ſich). 


Mariamne (gegen Herodes’ Gemächer). 


Herodes, lebe wohl! 
(gegen die Erbe) 
Du, Ariſtobolus, jet mir gegrüßt! 
Gleich bin ih bei Dir in der ew'gen Nacht! 


(Sie jhreitet auf die Thür zu. Joab öffnet. Man fieht Bewaffitete, die chrerbietig 
Reihen bilden. Sie geht hinaus. Titusfolgtihr. Joabſchließt ſichan. Feierliche Pauſe.) 


Hebbel, Werke II. 23 





354 Herodes und Mariamne. vi 


Biebente Bcene. 


Salome (tritt ein). 
Sie ging! Und dennoch jchlägt dad Herz mir nicht! 
Ein Zeichen mehr, daß jie ihr Loos verdient. 
So hab’ ich endlid meinen Bruder wieder 
Und meine Mutter ihren Sohn! Wohl mir, 
Daß id) nit von ihm wid. Die Richter hätten 
Ihn ſonſt no umgejtimmt. Nein, Aaron, nein, 
Nichtd von Gefangenihaft! Im Kerker bliebe 
Eie feinen Mond. Daß Grab nur hält fie feit, 
Denn nur zum Grabe bat er feinen Schlüflel. 


Adıte Brene. 


Ein Diener. 


Drei Kön’ge auß dem Morgenland find da, 
Mit köftlichen Geſchenken reich beladen, 

Sie fommen an in diefem Augenblid, 

Und nie noch fah man fremdere Gejtalten 
Und wunderſam're Trachten hier, wie die! 


Salome. 


Führ' fie herein! (Diener ab) Die meld’ ich ihm fogleich. 
So lange die bei ihm jind, denft er nicht 
An fie!. Und bald ijt Alles aud mit ihr! 

(Sie geht zu Herodes hinein.) 


Der Diener (füprt die drei Könige herein. Sie find frembartig gell 

und fo, daß fie fih in Allem von einander unterſcheiden. Kin reiches Geft 

von dem baffelbe gilt, begleitet fie. Gold, Weihrauch und Müyrrhen. Hero 
tritt mit Salome glei nachher ein). 


Erſter König. 
Heil, König, Dir! 





v8 Herodes und Dariamne. 


Zweiter König. 
Gefegnet iſt Dein Haus! 
Dritter König. 
Gebenedeit in alle Ewigkeit! 
Herodes. 
Ich dank' Euch! Doch für dieſe Stunde dünkt 
Der Gruß mir ſeltſam! 
Erfter König. 
Ward Dir nicht ein Sohn 
Geboren? 
Herodes. 
Mir? O nein! Mir ſtarb mein Weib! 
Eriter König. 
So ijt bier unſers Bleibens nicht! 


Zweiter König. 


Ev giebt's 
Hier einen zweiten König noch! 
Herodes. 
Dann gäbe 


Es keinen hier. 

Dritter König. 

So giebt's hier außer Deinem 
Noch einen zweiten königlichen Stamm! 
Herodes. 

Warum? 

Erfter König. 

So iſt es! 


23* 


355 





356 Herodes und Marianne. | v8 


Zweiter König. 
Ka, fo muß es jein! 


Herodes. 
Auch davon weiß ich Nichts! 


Salome (zu Herodes). 
In Bethlehem 
Hat ſich vom Stamme Davids noch ein Zweig 
Erhalten! 
Dritter König. 
David war ein König? 


Herodes. 
Ja! 3145 
Erfter König. “ 
Zo ziehen wir nad) Bethlehem hinab! 
Salome (ährt fort zu Herodes). 
Allein er pflanzt ſich nur in Bettlern fort! 


Derodes. 
Tas glaub’ ih! Sonſt — 

Salome. 

Ich fprad) einjt eine Jungfrau 

Aus Davids Haus, Maria, glaub’ ich, hieß fie, 
Die jand ih ſchön genug für ihre Abkunft, 31% 
Tod war fie einem Zimmermann verlobt 
Und fchlug die Augen gegen mich kaum auf, 
Als ich fie nad) den Namen fragte! 


Herodes. 
Hört Ihr's? 





v8 Herodes und Pariamne. 357 


3160 


3165 


| Zweiter König. 
(Hleichviel! Wir gehn! 
Herodes. 


Ihr werdet mir doch erſt 
Verkünden, was Euch hergeführt? 


Erfter König. 
Die Ehrfurcht 
Vor'm König aller Könige! 


Zweiter König. 
Der Wunſch, 
Ihm nod) vorm Tod in's Angeſicht zu ſchau'n! 


Dritter König. 


Tie Heil'ge Pflicht, ihm Huldigend zu Füßen 
Zu legen, wa auf Erden koſtbar ijt! 


Herodes. 
Wer aber ſagte Euch von ihm? 


Erfter König. 


Sein Stern! 
Wir zogen nicht zufammen aus, wir wußten 
Nicht von einander, unſ're Reiche Liegen 
Sm Oſten und im Weſten, Meere fließen 
Dazwiſchen, hohe Berge jcheiden fie — 


Zweiter König. 


Doch hatten wir denjelben Stern gejeh'n, 
Es hatte und derfelbe Trieb erfaßt, 

Wir wandelten denfelben Weg und trafen 
Zuletzt zujammen an demjelben Ziel — ü 





358 Herodes und Mariamne. v8 


Dritter König. 
Und ob des Königs, ob des Bettlerd Sohn, 
Das Kind, dem diefer Stern in's Leben leuchtet, 3170 
Wird hoch erhöhet werden, und auf Erden 
Kein Menſch mehr athmen, der fi ihm nicht beugt! 
Herodes (für ſich. 
So ſpricht das alte Buch ja auch! (aut) Darf id) 
Nach Bethlehem Euch einen Führer geben? 
Erfter König (deutet gen Himmel). 
Wir haben einen! 
Herodes. 
Wohl! — Wenn Ihr das Kind 3175 
Entdedt, jo werdet Ihr es mir doch melden, 
Damit ich es, wie Ahr, verehren kann? 
Eriter König. 


Wir werden’3 thun! Nun fort! nad) Bethlehem! 
(Ale ab) 


Herodes. 
Sie werden's nicht thun! 


Joab und Titus (treten auf). 
Alexandra (folgt ihnen). 


Herodes. 
Ha! 
Joab. 
Es iſt vollbracht! 


Herodes (Gedect fi) das Geſicht). 


v8 Herodes und Marianne. 


3189 


310 


3195 





Ss) 
gr 
=) 


Titus. 
Sie ſtarb. Ja wohl. Ich aber habe jekt 
Ein noch viel fürdhterlicheres Geſchäft, 
Als der, der Deinen bfut’gen Spruch vollzog: 
Ich muß Dir fagen, daß fie fchuldlos war. 


Herodes. 
Nein, Titus, nein! 


Titus (win ſprechen). 


Herodes tritt dit vor ihn Hin). 


Denn, wäre das, jo hätteſt 
Du fie nicht jterben laſſen. 


Titus. 

Niemand konnte 
Das hindern, als Du jelbft! — Es thut mir weh’, 
Daß id) Dir mehr, ald Henker, werden muß, 
Dod, wenn ed heil’ge Pilicht iſt, einen Zodten, 
Wer er auch immer fein mag, zu beitatten, 
Sp ift die Pflicht noch Heil’ger, ihn von Schmad) 
Zu reinigen, wenn er fie nicht verdient, 
Und diefe Pflicht gebeut mir jegt allein! 


Herodes. 
Ich ſeh' aus Allem, was Du ſprichſt, nur Eins: 
Ihr Zauber war ihr ſelbſt im Tode treu! 
Was groll' ich dem Soemus noch! Wie ſollt' er 
Der Blendenden im Leben widerſteh'n! 
Dich hat ſie im Erlöſchen noch entflammt! 


Titus. 
Geht Eiferſucht ſelbſt über's Grab hinaus? 





360 Heroded und Mariamne. v8 


Herodes. 
Wenn ich mich täuſchte, wenn aus Deinem Mund 
Jetzt etwas And'res, als ein Mitleid ſpräche, | 3200 


Das viel zu tief ift, um nicht mehr zu jein: 

Dann müßt’ ich Dich doch mahnen, daß Dein Zeugniß 

Sie mit verdammen half, und daß es Pflicht 

Für Dich gewejen wäre, mic) zu warnen, 

Eobald Dir nur der Heinjte 3weifel kam! | 35 


Titus. 
Mich hielt mein Wort zurüd und mehr, als dag: 
Die unerbittlide Nothwendigfeit. 
Wär ih nur einen Schritt von ihr gewichen, 
So hätte jie ſich felbit den Tod gegeben, 


Sch ſah den Dold auf ihrer Brust verjtedt, 3910 
Und mehr als einmal zudte ihre Hand. 
(Pauſe) 


Sie wollte ſterben, und ſie mußte auch! 
Sie hat ſo viel gelitten und verzieh'n, 
Als ſie zu leiden, zu verzeih'n vermogte: 
Ich habe in ihr Innerſtes geſchaut. 3215 
Wer mehr verlangt, der had’re nicht mit ihr, 
Er had're einzig mit den Elementen, 
Die jih nun einmal jo in ihr gemifcht, 
Daß ſie nicht weiter konnte. Doc er zeige 
Mir auch das Weib, daS weiter fanı, als jie! 3230 
Herodes (macht eine Bewegung). 
Titus. 
Sie wollte ihren Tod von Dir und rief 
Das wüſte Traumbild Deiner Eiferſucht, 
Selbſtmörd'riſch gaukelnd und uns Alle täuſchend, 
Auf ihrem Feſte in ein trüg'riſch Sein. 





v8 Herodes und Mariamne. 361 


Das fand ich jtreng, nicht ungerecht. Sie trat 

Als Larve vor Dich Hin, die Larve jollte 

Dich reizen, mit dem Schwert nad ihr zu jtoßen, 
(Er zeigt auf Joab.) 

Tas thateit Tu, und tödtetejt fie jelbit! 


Herodes. 
So ſprach ſie. Doch ſie ſprach aus Rache ſo! 


Titus. 
So war's. Ich Habe gegen ſie gezeugt, 
Wie gerne mögt' ich zweifeln! 


Herodes. 
Und Soemus? 


Titus. 
Ich bin ihm auf dem Todesweg begegnet, 
Er trat den ſeinen an, als ſie den ihren 
Vollendet hatte, und ihm ſchien's ein Troſt, 
Daß ſich ſein Blut mit ihrem miſchen würde, 
Wenn auch nur auf dem Block durch Henkers Hand. 


Herodes. 
Ha! Siehſt Du? 

Titus. 

Was? Vielleicht hat er im Stillen 

Für jie geglüht. Doc, wenn dad Sünde war, 
So war’d die feinige, die ihre nicht. 
Er rief mir zu: jeßt jterb’ ich, weil ich ſprach, 
Sonſt müßt’ ich jterben, weil ich fprechen könnte, 
Denn das war Joſephs Loos! Der ſchwur mir nod) 
Im Tode, daß er fehuldlos fei, wie ich! 
Das merkt’ ich mir! 





362 Herodes und Mariamne. 


Herodes (ausbrechend. 
Joſeph! Rächt der ſich auch? 
Thut ſich die Erde auf? Geh'n alle Todten 
Hervor? 


Alexandra (tritt vor ihn Hin). 
Das thun jie! - - Nein doh! Fürchte Nichts! 
E3 giebt ſchon Eine, welche d’runten bleibt! 


Herodes. 
Verfluchte! (Er bezwingt fih.) Seid jo! Wenn denn aud) 
Soemus 
Nur Ein Verbrechen gegen mich beging — 
(Er kehrt ſich gegen Salome.) 
Joſeph, der ihn mit dieſem ſchnöden Argwohn 


Erfüllte, Joſeph hat ihn noch im Tode 
Belogen, nicht? Joſeph — Was ſchweigſt Du jetzt? 


Salome. 
Auf Schritt und Tritt verfolgt' er ſie — 


Alexandra (su Herodes). 
Ja wohl! 
Doch ſicher nur, um die Gelegenheit 
Zu finden, Deinen Auftrag zu vollzieh'n 
Um ſie und mich zu tödten — 


Herodes. 
Iſt das wahr? 


(u Salome 
Und Du? Du? — 
| Alexandra. 


In derſelben Stunde faſt, 
Wo er die Maske völlig fallen ließ, 


3 





v8 Heroded und Marianıne. 363 


8 


Hat Mariamne einen Schwur gethan, 
Sich felbit, wenn Du nicht wiederkehren ſollteſt, 
Den Tod zu geben. Ich verhehl' es nicht, 
Daß ich fie darum haßte! 
Herodes. 
Fürchterlich! 
Und das — das ſagſt Du jetzt erſt? 


Alexandra. 
Ja! 
Titus. 
Ich weiß 
Es auch, es war ihr letztes Wort zu mir, 


> Tod) tauſend Jahre hätt’ ich's Dir verſchwiegen, 


sh wollte jie nur rein’gen, Dich nicht martern! 


Herodes. 
Dann — ie Stimme verſagt ihm.) 
Faſſe Dih! Es trifft mich mit! 


Herodes. 
Ja wohl! 

Dich — DIE (gegen Salome) — und Jeden, welcher hier, wie ich, 
Des tück'ſchen Schickſals blindes Werkzeug war, 
Doch ich allein verlor, was man auf Erden 
In Ewigkeit nicht wiederſehen wird! 
Verlor? O! O! 

Alexandra. 

Ha, Ariſtobolus! 

Du biſt gerächt, mein Sohn, und ich in Dir! 


Herodes. 
Du triumphirſt? Du glaubſt, ich werde jetzt 





364 Herodes und Mariamne. v8 


Zuſammen brechen? Nein, das werd’ ich nicht! 8975 
Ich bin ein König, und ich will’3 die Welt 
(Er madt eine Bewegung, als ob er etwas zerbrädje.) 
Empfinden lajjen! — Auf jegt, Pharifäer, 
Empört Euch gegen mich! (su Satome) Und Du, was weicht Tu 
Schon jeßt vor mir? Nocd Hab’ ich wohl fein and’res 
Geſicht, allein ſchon morgen kann's gefcheh'n, 3280 
Daß meine eigne Mutter ſchwören muß, 
Ich ſei ihr Sohn nit! — 
(nah einer Pauſe, dumpf) 

Wäre meine Krone 
Mit allen Sternen, die am Himmel flamnten, 
Beſetzt: für Mariamne gäbe ich 
Sie Hin und, hätt’ ich ihn, den Erdball mit. 8885 
Ja, könnte id) fie dadurch, daß ich felbit, 
Lebendig, wie ich bin, in's Grab mich legte, 
Erlöſen aus dem ihrigen: ich thät's, 
Ich grübe mich mit eignen Händen ein! 
Allein ih kann's nit! Darum hab’ ich nod) 3290 
Und Halte feit, was ich noch hab’! Das it 
Nicht viel, doch eine Krone ift darunter, 
Die jetzt an Weibes Statt mir gelten foll, 
Und wer nad) der mir greift — — Das thut man ja, 
Ein Knabe thut das ja, der Wunderfnabe, 3395 
Den die Propheten längjt verkündet haben, 
Und dem jegt gar ein Stern in's Leben leuchtet. 
Doch, Schickſal, Du verrechneteſt Dich jehr, 
Wenn Du, indem Du mid) mit eh’rnem Fuß 
Zertratejt, ihm die Bahn zu ebnen glaubteft, 33 
Ich bin Soldat, ic) kämpfe felbjt mit Dir, 
Und beiß' Did) noch im Liegen in die Ferſe! 


(raid) 
Joab! 





v8 Herodes und Marianne. 


As 


3310 


Joab (tritt heran). 


Herodes (verhalten. 

Du ziehjt nad) Bethlehem hinab 
Und jagit dem Hauptmann, welcher dort befiehlt, 
Er joll den Wunderfnaben — Dod, er findet 
Ihn nicht heraus, nicht Jeder fieht den Stern, 
Und diefe Kön'ge jind jo falich, al3 fronım — 
Er ſoll die Ninder, die im legten Jahr 
(Heboren wurden, auf der Stelle tödten, 
Es darf nit ein’? am Leben bleiben! 


Joab (tritt zurüch. 
Wohl! 
(für ſich) 
Ich weiß warum! Doch Moſes ward gerettet, 
Trotz Pharao! 


Herodes moch laut und ſtark). 
Ich ſehe morgen nach! — 
Heut' muß id) Mariamne — 
(Er bricht zufammen.) 
Titus! 
Titus (füngt ihn auf). 


Finis, 


Sr 





Anhanse. 


—— 


Späne aud Maria Magdalene. 


Klara. D die Welt! Sie fam mir, wie ein vergoldet 
Käjtchen vor, voll blanfer Spielfachen, Alles jo jchön, fo bunt 
durch einander, fich jpiegelnd Ein? im Andern, und ich hielt 
; mich jelbit blank und rein, denn ich dachte: unter den Vielen, 
über die Du Dich freuit, iſt wohl auch Eins, dag jih an Dir 
erfreut! 


Man jol über die Brüde gehen und baut ſich ein Haus 
darauf. 


„Ich ging vor 10 Jahren, als mein Kopf ſich ohne Frijeur 
zu pudern anfing, eine Wette mit ihm ein. Ich jagte: Du 
willit Ruhe haben, ich merk's wohl, darum jtülpeft Du mir Die 
Perücke der Weisheit auf, nun, meinſt Du, muß ich ein Gejicht 
machen, wie es Dazu paßt, und aus meinen Augen griesgrämlich, 
wie aus Sirchenfenjtern, auf die Welt und ihre Luſt herab 
Ihauen. Aber Du verrechnejt Dih! Für jedes Haar, dad Du 
mir zum Verdruß weiß färbjt, räche ich mich Durch drei neue 
Ihorheiten! Er Hat ſich nicht einjchüchtern laffen, nun muß 
auch ich zeigen, daß ich ein Mann von Wort bin, und wenn 
Einer einmal nachzählen will, jo wird er finden, daß mir das 
nicht leicht werden fann.“ 





368 Anhang. 


Wenn die Steine aus der Mauer jpringen, muB das Haus 
doch wohl auf den Kopf fallen? Und was haben fie davon, 
daß fie fo ftill ſitzen? Nichte, als daß Einer den Anderen 
drückt. 


„Er ſollte ſich ein Paar enge Stiefel machen laſſen!“ 5 
Warum ? 
„Zu lange die ihn drüden, würde er an Gott denken!“ 
Daun dürfte ich jie ja nicht viel bejchreiten, denn wenn 
Du Recht hättejt, jo jchritte ich geradezu in die Frömmigkeit 
hinein! | m 


— — — nn — 


2. Zu Herodes und Mariamne. 
„Das kleinſte Thier ijt der Tyrann des größten, 
Denn dich hat feine Waffen gegen das“. 
„sh jürdt’, wenn Sonn und Mond zufammen jtoßen, 
Fühlt's auch der Wurm, der ih im Schlamm verfriecht“. 
Zo lang’ e& mehr als einen König giebt, giebt'3 feinen. ; 
Vom fleinen Menjchen wird der große mit Nothwendigkeit 


verfannt. 
Antonius. „Ich kann nicht König ſeyn, doch Kön'ge machen.“ 


Ein Menſch, der alle Blumen abrupft, die er fieht. 








Derodes: ch jah auf dem Schlachtfeld einen Sterbenden, „„ 
den ein Inſect ſtach. Sein letztes ein Inſectenſtich. 








„Und glaube mir, daß es Naturen giebt, 
Die Jeden täufchen müſſen, welcher ihnen 
Nicht ganz vertraut, und die nicht in der Probe, mx 
Kein, durch die Probe jelbjt zu Grunde gehn, 
Weil jie zu zart, zu edel für jie jind.“ 





Lesarten 


Hedbel, Werke 1. 


und Anmerkungen. 


ei 





Abkürzungen. 


Bmw. — Fr. Hebbels Briefwechſel mit Freunden und berühmten 
Beitgenoffen. Herausgegeben von F. Bamberg. Zwei Bände. 

Tgb. — Fr. Hebbels Tagebücher. Herausgegeben von %. Bamberg. 
Zwei Bände. 

Nachleſe — Fr. Hebbels Briefe. Bon R. M. Werner heraud: 
gegebene Nachleſe. Zwei Bände. 


Schwabader £ettern = Gestrichenes. A = Hebbel eigenhändig 





Maria Magdalene. 


Handschrift. 


Von diesem Drama hat sich weder das am 4. December 1843 ab: 
geschlossene Originalmanuscript, noch die Reinschrift erhalten, die 
Hebbel am 8. December 1843 Morgens endigte (Tgb. II S. 43). 
Da er den Druck nicht selbst überwachen konnte, musste Elise 
{vgl. Bw. I S. 234) die Schlussredaction des Stückes vornehmen. 
Zu diesem Zwecke notierte Hebbel 

H zwei Seiten auf einem Octavblatt. Eorrecturen. 1. Das 
Drama felbit... 2. Der Titel u.f.w. Das Blatt befindet sich 
jetzt aus Posonyis Sammlung in meinem Besitz, ich gebe die einzelnen 
Bemerkungen an den einschlägigen Stellen. Elise machte, wofür 
ihr Hebbel am 7. September 1844 dankte (Bw. I S. 241), die 

Anderungen und die Sceneneinteilung mit Genauigkeit. — Das im 
Archiv des Wiener Hofburgtheaters aufbewahrte Theatermanuscript 


weist nur geringfügige Kürzungen, aber keine Spur von Hebbels 
Hand auf. 


Druck. 


ERaria Magdalene. — Ein bürgerliches Trauerfpiel | in drei 
ten. | — | Nebft einem Vorwort, | betreffend | da8 Berhältniß der 
dramatischen Kunſt zur | Zeit und verwandte Buncte | von | Friedrid 
debbel. | — | Hamburg, | bei Hoffmann und Campe. | 1844. | 7 Blatt, 
XLVII und 126 Seiten 8°. Bl. 2-6 steht die Widmung, 8. I-XLVIl 

Vorwort, das unter den „Vermischten Schriften“ im X. Bande 
“um Abdruck kommt. E gedruckt in H. ©. Voigt's Buchdruderei. 


Lesarten und Anmerkungen. 


f Titel. Der Titel u. ſ. w. Auf den Titel ift über: Ein bürger- 
iches Trauerſpiel noch mit großen Buchſtaben zu ſchreiben: Maria 
24* 





372 Lesarten und Unmerlungen. Maria u ge 
Magdalena. Nur der Theater wegen ließ ich diefen zweiten Titel weg. 
— Dann find im Mipt. die Scenen abzutheilen: Afte Sc. 
2te Sc. u. f. w. jo wie eine neue Perfon auftritt oder eine abgeht; 
wie in Genoveva; es fieht befier aus. H Den Titel in „Maria 
Magdalena“ zu ändern, ging nicht an, da der Fehler „Magdalene“ 
seit dem ersten Druck zu sehr eingewurzelt ist. 


Widmung. 17 weil fie] mit fih E. Über diesen Druck- 
fehler vgl. Brief an Elise vom 24. September 1844 (Bw. I S. 242 f); 
Hebbel verlangte von Campe vergebens, dass er das Blatt um- 
drucken oder den Fehler anzeigen lasse. 


Erster Act. 


Erste Scene. 12,12 vgl. Tgb. vom 16. Januar 1839 (I 8. 136): 
Borhin wird zwei Mal gellingelt, ich öffne die Thür, ein Bettler fteht 
davor und hält mir feine Hand entgegen. Ih, ohne ihm zu geben, 
ihlage verdrießlich die Thür wieder zu. Da fällt es mir fchwer auf’s 
Herz, daß diefe rührend vorgefchobene Hand verftlimmelt war, ich ziehe 
einen Kreuzer heraus und öffne abermals die Thür, doch der Menfd, 
war ſchon fort. So wollte ih geben, nicht um zu geben, ſondern um 
die Härte meines Abfchlagens wieder gut zu machen. Unſre Tugenden. 
find meiftens die Baftarde unjrer Sünden. [vgl. dazu Der Diamant I 4 
Bd. I S. 328, 25 ff] 


Zweite Scene 13,26—51. Act I Wenn Karl, in der 
2ten Ecene, abgeht, iſt nach den Worten: „es ift das Beſte, dab nicht 
alles Wafjer aus einem Brunnen gejhöpft werden fol.“ Nachitehendes 
hinzu zu fügen: 

(für fih) Hier im Haufe... bis... (ab) I 

Dritte Scene. 14,4ff vgl. Tgb. vom März 1838 (I S. 88): 
Eine Mutter freut fi) über jede Unart ihres Kindes, bie ihm gut fteht. 

14, 18 ff hier liegt eine Erinnerung an Hebbels eigene Krankheit vor, , 
vgl. den Brief vom 25. Juli 1839 an Voss (Nachlese IS. 79. — 
Anfangs kam fein Blut und Aſſing ward... todtenbleid. Ziff. vgl. — _ 
Minna von Barnhelm V 15. 16,28 ff Dieses Motiv ist angeregt - 
durch die Schrift „Quodlibet von schönen Verehrungen der heil 24 
Jungfrau Maria bei dem Jesuiten Pater Pemble‘‘, aus der sich Hebbe—e . 
im Februar 1837 Verschiedenes notierte (Tgb. I S. 52 ungedruckt” _—ee 
so: Die erſten Kirichen, die auf den Tiſch kommen, nicht eſſen u _ 
U. L. F. opfern. Wie köstlich hat Hebbel dieses Motiv aber gestalte—,, 





Daric Magdalene. Lesarten und Anmerfungen. 373 
5] 


Vierte Scene. 19,6 Häglih] klüglich E. Diese Conjectur ist 
notwendig; Hebbel schreibt allerdings (Bw. I S. 241): Die erften 
3 Bogen vom Stüd babe ich fhon, die Ausftattung ift jehr ſchön und 
Die Drudtehler unbedeutend, fand also doch Druckfehler. 


Fünfte Scene. 23,4 vgl. Tgb. vom 4. Juni 1836 (I S. 23): 
Wer in der Behaglichkeit, womit die Meiften ſich mit diefen Sachen 
(freier Wille, daS Ding, Leben, Natur, Zufammenhang mit der Natur] 
abfinden und fie zu erihöpfen glauben, wieder für eine Unbegreiflichkeit 
Hält [1], der fehe einen Paſtor bei Tiſch, der über feinen Gott ſpricht und 
ſich nebenbei betrintt. 24,30 ff Diese Parodie des Vater Unsers 
zeigt den älteren Typus einer weitverbreiteten Gattung von volks- 
tümlicher Komik, vgl. Vierteljahrsschrift für Litteraturgeschichte 
(Weimar 1892) V S.2f, wo ich das Material zusammengestellt habe. 
3,17 ff vgl. Trauerspiel in Sicilien zu 481. 27,2ff vgl. den 
Brief aus Copenhagen, den 26. März 1843 an Elise (Bw. 1 S. 132): 
Der Meifter Anton, ein Held, ein Kamiſol, der, wie er jagt, die 
„Mühlfteine als Halskrauſen trägt, ftatt damit in's Waſſer zu 
gehen“, gehört vielleicht zu meinen höchſten Geſtalten. 

Siebente Scene. 34,16 herauspractiſirt! E da Hebbel kaum 
einen Fremdwörterwitz anbringen wollte, muss es Druckfehler sein. 


Zweiter Act. 


Erste Scene. 37,30 vgl. den Traum Elisens im Tgb. vom 
November 1841 (ungedruckt): Sie fieht Einen, der fich felbft köpft, 
dann Triecht der Rumpf zum Kopf und begräbt ihn. 40,23 Poden- 
Fritz vgl. Genoveva 2771 Blattern-Drago und die Novelle „Matteo“. 

Dritte Scene. 48,10 Act 11. Dem Kaufmann Gold ift der 
‚ame Wolfram beizulegen, da der Name Gold undeutich klingt, 
der Name Gold it daher auszuftreihen und Wolfram dafür zu fegen, 

AUG im Perſonen⸗Verzeichniß. H Während der Pariser Zeit ver- 
änderte sich Hebbels Stellung zum Judentum. 46, 1 Fallmeiiter 
30 viel als Abdecker. 


Fünfte Scene. 47,26f man vgl. Hebbels wiederholte Be- 
Merkung, dass ihm gewisse Wörter ein Lustgefühl, andere ein 
en so grosses Unlustgefühl weckten, z. B. Tulpe. Roſe, dagegen 
Ippe. vgl. Tgb. I S. 25. 27. 37 etc. II S. 16. 48,24 ff vgl. 
Gedicht „Frühlingslied“, besonders die letzte Strophe. 32 
miederlaſſen hängt von muß ab, er kann nicht umhin ist Zwischen- 








374: Lesarten und Anmertungen. Maria Mag 


satz. 50,24 ff hier hat Hebbel ein komisches Motiv volk 
licher Art tiefernst benutzt; es begegnet in Grabschrifte 
z. B. Moscherosch Philanders Gesichte II S. 239: 

Hie fig ih Hank Sclidebrod 

Und bitt dich lieber Herre Gott, 

Das ewig Leben wolſt geben mir: 

Wie ich wolt haben geben dir, 

Bann du wäreft Hank Sclidebrod 

Und ih wär lieber Herre Gott. 


Zusammenstellungen bei C. Schüddekopf „Hans Schlick: 
Grabschrift“ in dem Privatdruck „Karl Aug. Hugo Burkharı 
Feier 40jährigen archivalischen Wirkens“ (Weimar) 1899 S. 
50, 30 ff In der legten Scene diejes Acts zwifchen Klara und dem Se 
fteht Hoffentfih nach den Worten des Secretairs: „Sekt biete i 
Alles an, was ich bin, und was ich babe, es tft wenig, aber ei 
mehr werden.“ das Nachfolgende: 


„Längit wäre ich Bier gewefen, doch Deine Mutter ivar fcant, 
ſtarb fie.“ 
Sonft ift es einzufchalten. Z[vgl. das Kirchenlied: Alles, we 
bin und habe, Guter Gott, ist Deine Gabe.‘“] 51, 26f. vgl. 
Bramine“. 


Sechste Scene 52,29—53, 21 Im Schluß des ck 
Monolog der Klara, ift nad) den Worten: „— daß auch Fein ! 
teopfe mehr heraus. kann“ Binzuzufügen, falls e8 noch nicht da 

„der in den Adern das gefrierende Neben wieder entzünden 

Und ferner (dieß fteht, ich weiß es gewiß, nit im Manu 
nad den Worten: „Da hatte fi) wieder was, wie eine Hoffnuı 
Dir aufgethan. Jept erft merk’ ich's! Ich dachte — Nein, darlibe 
fein Dann weg!” iſt einzufchalten: 

Und wenn — Könnteft Du felbit darüber hinweg? Hätteft 7 
Muth, eine Hand zu fafien, die — Nein, nein, diejen fchlechten 
bätteft Du niht! Du müßteft Dich felbit einriegeln in Deine 
wenn man Dir von außen die Thore öffnen wollte — Du & 
ewig — 

(Dann fährt das Micpt. fort: D, daß das ausſetzt pp) 
Nah: „Drei Brunnen — Stehen bleibft.“ fteht wohl fchon: 

Noch Haft Du nicht das Recht dazu! 

Sonft tft e8 einzufchalten. A 
53,1 3b dachte — fehlt E 5 Hölle,] Hülle, F Zbore] 2 





Dario Magdalene. Lesarten und Anmerkungen. 375 
DI 2-8] 


Zweite Scene 5,10ff Act III. Gleich in der 2ten Scene, 
zwischen Klara und Leonhard, nad) Klaras Worten: „Du kannt fragen? 
O. daß ich wieder gehen dürfte! Mein Vater fchneidet fich die Kehle 
ab, wenn ich — Heirathe mich!“ ift einzuschalten: 

Leon. Dein Vater — 

Klara. Er hat's geihworen! Heirathe mid! 

Yun fährt das Micpt. fort: „Hand und Hals pp“ H 

Vierte Scene. 59,16f vgl. Tgb. vom 21. März 1841 (I S. 241 
umgedruckt): Diefe Gebanten hatte ich geitern Nachmittag über Selbft- 
Mord: Gott gab dem Menichen bie Fähigkeit, die Welt zu verlafien, 
weil er ihn nicht gegen die Erniedrigung der Welt ſchützen konnte. Hat 
der wahre Selbitmörder alfo wit Gott zu thun, fo kann er die That 
Derantworten; bat er nicht mit Gott zu thun, fo wird er überall nicht 
sur Verantwortung gezogen. 


Siebente Scene 63,8f In Karls Monolog fteht nad den 
Vorten: „wo Du um zehn zu finden bift“ wohl fon: 

Nachher zu Schiff! 

Sonſt ift ed einzufchalten. H 10ff vgl. das Citat im Tgb. vom 
Februar 1845 II S. 136: — „Wenn fie Iuftig find, fo jingen fie dag Lied, 
das der Großvater vor hundert Jahren fang, wenn er Iuftig war; wenn ein 
Unglüd begegnet, jo fchlagen fie die Bibel auf, wo er fie aufzufchlagen 
pflegte, und hören auf, wo er aufhörte; fie würden fi Einer vor dem 
Anderen ſchämen, wenn ihnen die Augen auch nur eine Minute länger naß 
blieben, wie ihm!” und Hinrich Borkensteins Lustspiel „Der Bookes- 
beutel“ (Deutsche Litteraturdenkmale No. 56/7 S. 17): Ih will 
Ihnen wohl vorher fagen, was wir fpeijen werden. Laß fehen, es ift 
heute Montag, Dienftag, Mittwochen ... NRoden Warmbier und 
Pllüdtefinten. Wir efien, Jahr aus Jahr ein, einerley. 

Achte Scene. 65, 13f Diese und die folgenden Verse ge- 
hören zu dem Gedichte „Der junge Schiffer“, entstanden am 
17. November 1836 zu München, zuerst im Morgenblatt vom 
-5. Mai 1838 No. 125, dann in den Gedichten von 1842 8. 47 
gedruckt. Im Drama kann es ursprünglich nicht vorgekommen 
sein, denn Hebbel schreibt am 31. October 1843 an Elise (Bw. I 
S. 181): Eine Ballade, die ber Bruder des Mädchens fingt, ald er aus 
dem Gefängniß kommt, lege ich Dir bei. Lies fie, wenn auch nur, um 

ich zu zerftreuen; das iſt der einzige Zweck, warum ich fie Dir fende. 





376 Lesarten und Anmerkungen. Maria WMagdalene 

[III 10 —11 
Wahrscheinlich handelt es sich um die Ballade ‚’s ist Mitternacht“, 
die in Paris am 25. September 1843 gedichtet wurde; von ihr hat 
sich such die Originalhs. erhalten. 


Zehnte Scene. 69,5 In der Scene zwifhen dem Bater und 
Karl iji für Weihnachts-Ochſe Faſtnachts-Ochſe zu ſetzen. A 
‘  Elfte Soene. 71,13 ff In der Schluß-Scene, nach den Worten 
des Secretairs: „Er war's nicht werth, daß ihre That gelang” iteht 
wohl ſchon: 

Meiſter Anton. Oder fie nit! 
Sonft ift e8 einzufhalten. HZ 





Ein Trauerspiel in Sicilien. 


Handschriften. 


H: in länglichem Octav. Titelblatt: Ein Trauerfpiel in Sicilien. 
26 einseitig beschriebene Blätter verschiedenen Papiers. Auf S. 1. 
Ein Trauerfpiel in Sicilien. von %. Hebbel. Unmittelbar 
daran schliesst sich der Text, das Personenverzeichnis fehlt. Auf der 
Rückseite des Titels steht: Waſchen — Gedicht Echo. Abgeschlossen 
am 9. Januar 1847 (Tgb. II S. 211). Davon ist: 

H*® in 4° auf 64 Seiten eine eigenhändige Reinschrift: Ein 
Trauerfpiel in Sicilien. | Tragicomödie | von JKFriedrich Hebbel. S. 1 
Titel, S. 3 Personen. 8. 5—64 Text, beendigt am 15. Januar 1847 
(Tgb. IL S. 214). 


H® Ein Traueripiel in Sicilien von Friedrih Hebbel. 
Sechſte Scene. 8 Seiten 8°, eigenhändige Abschrift aus Posonyis 
Sammlung, jetzt in meinem Besitz. 


Drucke. 


J Ausgewählte Romane, Novellen, Dramen, Erzählungen und Ge⸗ 
dichte. Neue Folge: Erfter Band. Leipzig, Verlag von J. 3. Weber 
1847. Nr. 162. 4. Band. Leipzig, 4. Auguft 1847. S. 1329—1341. 


E Ein | Trauerfpiel in Sicilien. | — | Tragicomödie in einem 
Act. | Bon | Friedrih Hebbel. | — | Nebft einem Sendihreiben an 
H. T. Rötſcher.]) [Bignette.) | Leipzig, | Verlag von Carl @eibel. | — 

| 1851. | 59 Seiten gr. 8°. Drud von F. A. Brodhaus in Leipzig. 

Das Manuscript hatte Geibel am 3. September 1850; ausgegeben 
am 8. October. Auf 3.2: Den Bühnen gegenüber Cigenthum bes 
Berfafiers. S. 3 Widmung, S. 5—8 das Sendschreiben, S. 9 Titel, 
S, 11 Personen, S. 13—59 Text. Das Sendschreiben lautet: 





378 Lesarten und Anmerkungen. Ein Trauerſpiel 


An Heinrih Theodor Rötſcher. 


Ich ſaß zu Neapel im Herbit des Jahres 1845 eines Abends in 
dem Cafe di Europa.) Diejes Cafe, am Toledo gelegen und bie 
Ausfiht auf die Piazza reale darbietend, bildet den Sammelplap der 
feinen Welt und namentlich der ab- und zuſtrömenden Fremden. Schor 
darum Hat ed aber au eine magiſche Anziehungskraft für das 
Broletariat; zu Dutzenden lugen die LQazzaroni mit ihren gierigen 
hungerbleichen Geſichtern durch die blintenden Fenſterſcheiben hinein 
um zu fehen, wie der Glücliche drinnen genießt, und ſicher haben fiı 
dort einen guten Theil des unverjöhnlichen Haſſes eingejogen, den fi 
brauchten, um fpäter jo ingrimmig-laltblütig morden und mwürgen zı 
tönnen. Nirgend3 tritt die Kluft, die zwiſchen den befigenden und der 
nichtbefigenden Claſſen der Geſellſchaft beiteht, fo ſchneidend fharf hervor 
wie an dieſem Ort, jelbit in Paris nicht; denn in's Palais royal wag 
dad Elend fich erft hinein, nachdem es fi) mit Flittern bebängt bat 
und dann täufcht es fich über ſich jelbjt und fängt zu lächeln an; hie 
aber fteht es in nadter Blöße da. Sch brachte nie im Café di Europa 
eine Stunde zu, ohne mir die Zukunft, die fi aus einer jo zerflüfteten 
Gegenwart früher oder jpäter mit Nothwendigkeit entwideln mußte, 


1) vgl. Tgb. vom 4. August 1845 (II S. 154): Ich hörte geftern 
Abend zwei fchrediihe Geſchichten, die fi Hier in Neapel, d. h. im 
Königreich zugetragen Haben. Ein deutjher Kaufmann erzählte fie 
mir... Noch entfeglicher fast ift die zweite. Ein Mädchen Bat fid 
mit ihrem ®eliebten verabredet, aus dem elterlihen Haufe zu entfliehen, 
um den Eltern dadurd die beitändig verjagte Einwilligung zu ihrer 
Heirath abzunöthigen. Sie thut es eines Abends, und trifft vor den 
Thoren ber Stadt zwei Sendarmen, die fie befragen, wohin fie will. 
Sie nennt den Ort und eilt weiter, aber in den Kerlen ſteigt ein böfes 
Gelüfte auf, fie verfolgen die Unglüdfiche, thun ihr Gewalt an und 
tödten fie zulegt, da fie willen, daß der Bräutigam bald folgen wird, 
und da fie ohnedieß durch den Anblid von allerlei Schmud und Koft- 
barleiten, die das Mädchen bei ſich führt, gereizt werden. Nun barren 
fie, bi der Bräutigam kommt, ergreifen ihn, befleden ihn mit Blut, 
führen ihn zum Richter und Magen ihn des Mordes an. Aber der 
Zufall will, daß ein Objtdieb in der Nähe war, der von einem Baum 
aus das Ganze angefehen hat. Diejer begiebt ſich ebenfalld zum Richten 
erzählt, daß die Elenden die Säbel in ihren Hemden abgewiſcht un- 
den Schmud in ihren Stiefeln verborgen haben und dedt fo ben Greve 
auf eine Weije, die den Beweis unmittelbar mit fi) führte, auf. 








in Eicitien. Lesarten und Anmerkungen. 379 


auszumalen; au mogten Wenige im Stande fein, die ungeheuern, 
wenn auch unbeftimmten Bilder, die ſich der Bhantafie dort gewaltſam 
aufdrängten, fo leicht, wie läftige Yliegen, zu verſcheuchen. An dem 
Abend, von dem ich rede, fepte fi ein ficilianticher Kaufmann zu mir, 
der eben aus Palermo zurüdgelfommen und von einem entjeplichen 
Vorfall, der ſich dort Kürzlich ereignet Hatte, nod) ganz voll war. Ein 
Mädchen flieht aus dem Haufe ihres Vaters, um fi) dur einen ſchon 
geivonnenen Geiftlichen mit ihren Geliebten verbinden zu laffen und 
fo einer Zwangsehe zu entgehen. Sie erfcheint zu früh auf dem für 
die Zufammentunft beftimmten Pla und fällt zwei Gensdarmen in 
die Hände, die ihr erjt den mitgenommenen Schmud rauben und fie 
danı ermorden. Als der Geliebte nun fommt, werfen fie fich über 
ign ber, bejtreihen ihn mit Blut, ſchleppen ihn vor den Podeſta und 
Klagen ihn der Mordthat an. Natürlich finden fie Glauben,- und was 
am Beweije fehlt, das erfegt ihr Schwur. Aber ein Bauer, der fidh 
vor ihnen mit geftohlenen Früchten auf einen Baum geflüchtet und 
Alles mit angejehen Hat, iſt ihnen gefolgt und entlarvt fie. Sch fand 
dieſen Vorfall fo ſymboliſch, er ſchien mir die fittlihen und felbft die 
politifden Zuſtände des Landes und Volks jo grauenhaft treu wieder 
zu fpiegeln und meine durch Forſchen und Beobachten längſt erworbenen 
Anſchauungen ſo ſchrecklich zu bejtätigen, daß er mir augenblidlidh, wie 
er mir erzählt wurde, mit allen handelnden und leidenden Berjonen 
zum dramatifchen Bilde zufammenrann, Aber allerdings gab es keine 
Form dafür, wie die der Tragicomödie, in deren Wefen es durchaus 
nicht liegt, daß fie zur Parodie verflaht werden muß, was freilich 
meiftens geſchieht. Wenn fi die Diener der Gerechtigkeit in Mörder 
verwandeln und der Berbrecher, der fich zitternd vor ihnen verkroch, ihr 
Antläger wird, fo tit das eben fo furchtbar ald barod, aber auch eben 
jo barod als furdtbar. Man mögte vor Graujen erjtarren, doch die 
Lachmuskeln zuden zugleih; man mögte ſich durd ein Gelächter von 
dem ganzen unheimlichen Eindrud befreien, doch ein Fröſteln bejchleicht 
ung wieder, ehe und das gelingt. Nun verträgt fi) die Comödie nicht 
mit Wunden und Blut und die Tragödie kann das Barode nicht in 
fih aufnehmen. Da jtellt fi die Tragicomödie ein, denn eine folde 
ergiebt fi überall, wo ein tragifhes Geſchick in untragifcher Form 
auftritt, ıwo auf der einen Seite wohl der fämpfende und untergehende 
Menſch, auf der anberen jedod nicht die berechtigte fittlihe Macht, 
iondern ein Sumpf von faulen Berhältnijjen vorhanden ift, der Taufende 
von Opfern Hinunterwürgt, ohne ein einziges zu verdienen. Ich fürchte 
jehr, manche Proceſſe der Gegenwart können, jo widlig fie find, nur 





380 Lesarten und Anmerkungen. Ein Traueripiel 


noch in diefer Form dramatisch vorgeführt werden. Tragiſch zu fein, 
hörten felbft bie bedeutendften auf, feit die Ueberzeugung der einen 
Barthei nit mehr mit der Ueberzeugung der anderen, fondern nur 
nod mit ihren Intereſſen zu kämpfen bat. Aber die Träger und Ber: 
fechter diefer Intereſſen, wie nichtig und erbärmlich fie auch, als Ber: 
fönlichleiten betradhtet, feien, find der Comödie deßungeachtet noch nicht 
verfallen, dem es gehen fürchterlihe Wirkungen von ihnen aus. Da 
bleibt dem Künftler, der ſich nicht begnügen will, die Roſen und Lilien 
auf dem Felde zu malen, Nichts übrig, als zu der Form der Tragi- 
comdödie zu greifen. Daß dieſe Form feine reine ift, wird er darum 
nicht vergeſſen. 

So entitand da8 „Zrauerfpiel in GSieilien“. Wenn ich Ihnen, 
hochverehrter Freund, das Wert jebt zufchreibe, jo geſchieht es natürlich 
vor Allem, um Shnen einen öffentlichen Beweis meiner unveränderlichen 
Hohadtung zu geben. Ich Hoffe aber auh, dab es Ahnen vielleicht 
Gelegenheit bietet, die Theorie der Gattung, der es angehört, feftzuftellen 
und die Wiffenfchaft der Kunit mit einer neuen Abhandlung zu be— 
reihern. Als es dor einigen Jahren in der Novellenzeitung zum erſte 
Mal erfchien, wurde ed, vermutHlich des Titel® wegen, faft überall fie 
eine Tragödie genommen, obgleich jeder Vers, vom eriten bis zum 
legten, in Ton und Färbung widerfprad, und nun höchſt feltfame 
beurtbeilt. Das beweif’t, dab es hier fiir den Kunſtphiloſophen Etwa — 
zu thun giebt. Friedrich Hebbel. 


Lesarten. 


Titel. 3f fehlt A! 

Widmung. 1f fehlt H HJ 

Personen. i1—9 fehlt H' nach 9 folgt Scene: Eingar sg 
eines Waldes. H* J 

Erste Scene. Sceneneinteilung fehlt H! vr 1 nor 
Ambrofio und Bartolino. H' 7 glei) über bald M7! 8 baum ID 
über wohl H! 12 in über auf A" 21 doch über fhon ad‘ 
22 zuerst Ic jah dem fhwarzen Käfer zu, dem bdiden, Z' Zu de= mM 
Motiv vgl. Tgb. II S. 91 vom 23. Mai 1844 über einen Besu = 
des Mont Martre: Ich ſetzte mich auf eine Bank, über den Weg kch 
ein Maikäfer, er war ſchon etwas beſchädigt, und ich ſah ihm geſpar ⸗ni 
zu, ob er herüberkommen würde, ohne von den vielen Hin⸗ und O 
gehenden völlig zertreien zu werden... Als er fi) aber gewaltig am.” 
ftrengte, kam ein Mann, der ihn nicht fah und ihn zertrat. 7D> ein 





ni Sicilien. Lesarten und Anmerkungen. 381 
1 


über das H! 30 Wein her!) Wein! Wein! HI H*J 34 fehlt 
H: 37 fehlt H! 43 Auditeur über Commandeur H! 47 
jeder über diefer HZ! 52 dgneben 1. [= 50] H' 53 Diese ganze 
Erzählung hörte Hebbel in Kopenhagen von einem Bekannten aus 
der Münchner Zeit, Ewers. Er schreibt am 18. December 1842 im 
Tgb. (ungedruckt), Ewers habe ihn wieder anpumpen wollen: Die 
5 Thaler habe ich ihm nicht gegeben, aber den Kaffe hab’ ich für ihn 
bezahlt — fiir mid) ſchon immer genug, da ich die ganze Woche Nichts 
als Brot eſſe. Doch bat er diefe Auslage gewiſſermaßen durch einen 
guten Wi, den er mir von einem jeiner aufjchneideriihen Belannten 
erzählte, vergütet! Diefer nämlich, der in Algier den Feldzug mitgemadit, 
erzählt in einer Hamburger Geſellſchaft: dort jey auf jeden Türkentopf 
ein Preis von 5 Franken gejeßt worden; nun fey man denn der Köpfe 
wegen Truppweife ausgezogen, wenn man fein Geld mehr gehabt, und 
babe die Köpfe, im Gürtel befeftigt, heimgebracht; es jey aber zu um: 
ſtändlich gewejen, fi) dafür erft das Geld auszahlen zu lafjen, man 
habe vielmehr die Köpfe in Wirths⸗ und Hurenhäufern an Zahlungsitatt 
auögegeben. Sehr gut! vor 54 (für fi) fehlt ZH! H® J 54 
fehlt H H*?J vor 55 (laut) fehlt ZY H*J 58 f (fiir — laut) 
fehlt AH! H?J 59 will eg ZH! HJ 65 zuerst verftand ZH! 
66 Was macht da8? — aus Tas machte H' 79 am über das H'! 
80 feiner über jeder ZI! 81 fehlt H' 83 mag über werden 4° 
84 über Mancher]) Mandye 4° hierin Keiner. Darüber, zwischen 
den Zeilen und daneben 
wenigjtens 

Wenn e8 die öfjentlidhen Händel gilt 

(Nicht meine eignen, hierin ſchwerlich Einer] 

Wozu der einz’ge Held feyn? Hierin Keiner! H° und 
ebenso, ohne das Gestrichene J y3 niederftößt,) durchbohrt, HZ! H*? J 
95 wem] wenn J 103 £ (für — laut) fehlt A! HJ 105 Wie? 
Nun] Se nun, HY H?J 106 zuerst Sch ſuchte mich in meiner 
H neben 107 steht 2, [= 100] HA! 105 zuerst Höflichkeiten; 22 ' 
116 gut über wohl H\ 118 fernte über fönnte A! 127 
Augenblic® darüber Angeſicht Z' 130 zuerst Der grimm’ge Unbold 
H' 131 später zugesetzt HA? 138f am Rand; im Text 
Und was ih hab’ im Kopf, ift [darüber fommt darüber ftammt|] 
von Dir. darüber Das ſich fo feft mir in den Kopf gefegt, ZH! 
138 über fejt wie's] wie das HM! 140 heute Mondſchein“ zuerst 
feinen Mondfchein heut’? dann heut’ nicht Mondfchein? dgnn Lemma 
H! 141 fehlt H! später zugesetzt HM? 144 dur — Funkeln 





382 Lesarten und Anmerkungen. Ein Trauerfpiel 
1 


hinter nicht mehr bligt Z' 145 zuerst Und duch ihre Funkeln 
ferne hält den Feind, A! 146 zuerst nur ungern, was fie ſonſt M 
155 vor Sie] Erftaun’ 7! 156 zuerst 

Bloß etiwad naß! 


Ambrojfio. 
Wie das? 


Bartolino. 
Ich lag im Graſe — 

Vielleicht, daß fie mich gar nicht. fahn! Genug! 

Du kannſt's erratben, und ich kann's verzeihn. H! 
158 hundert über taufend H! neben 158 jteht 3. [= 150] H 159 
zuerst Verſendeten, wenn man jie abgedrüdt. H' nach 159 am 
Rande So daß man Hunderte bedienen könnte. H! 160 zuerst 
Scheint's Dir unmöglih? HZ! 172 pfufchen [bei Gelegenheit,) Z' 
173 geföpft. hinter gehängt. H! 174 zuerst Es giebt wohl keine 
einz'ge Miffethat, H! 175 ſchon — wurde? gestrichen, darüber 
irgend wer vollbradjte! HI! 176 wohl über fyon MH! 180 
zuerst noch manches Tugendftüd, H! 181 f zuerst 

Das ſchon vom erften Dienfchen ber dem legten 

Als Himmelsſchlüſſel aufgehoben wird, 

Und das vielleicht auch diefer nicht vollbringt. A! 
182 Die Sedermann für feinen Enkel fpart. darüber Die Jeglicher 
für Sohn und Enkel fpart. H' 186 Menſchen] Leuten H'! 
194—200 am Rande zugesetzt HM! 194 einem Wirthshaus aus 
einer Kirhe A! 200 


Bartolino. 
Ich glaube, wäre nicht das Blut ſo roth, 
Daß es an Roſen mahnt und Kinderwangen, 
Man würde es viel leichter fließen ſehn. 


Ambroſio. 
Das mag die Katze, die im Dunkeln ſieht, 
Im Mäuſefangen ſtören, doc dem Menſchen, *5 
Der gern um Mitternacht dem Teufel dient, 
Kann's gleich ſeyn, ob es roth iſt oder weiß. 


Bartolino. 
Du ſcheinſt mir äußerſt ruchlos von Natur! H J 
*2 zuerst Mädchenwangen MH! *3 So würde man's He 











H Sicilien. Lesarten und Anmerkungen. 383 


neben 206 ist 4 gestrichen H 208 f zuerst aber eine faul’ge Frucht 
Kir in bie Hand H! neben 209 steht 4. [= 200] HM! 210 
zuerst ich fie brechen fol, H: 212 zuerst Bin ih nicht einem 
ſchuft'gen H' 213 wenn über als über wenn H! Kopf über 
Bals MH! ſchickt, aus ſchickte H 214 abzuhacken über ab— 
zuſch neiden H iſt über war über iſt H! nicht zieht? über 
zer Pricht? zerbrach? H' 217 Nein!) Ja! HA! [Jal] Rein! H° 
Ja! Nein! H! [(Xein!| Ja! H* 218—221 später, z. T. am 
Rande zugesetzt H' 222 Nun denn! über Komm, Sreund, HZ? 
223 unter gestrichenem 
Mein Heil’ger zeuge mir's, ich fah's [erft jet] noch nicht, 
Ich hätt’ ihm fonft den Rüden nicht gewandt, H! 
224 Das — Dir, über Ich fage Dir, H! 227 zuerst ihn nicht 
gegrüßt, felbft auf dem Marſch. Hi 
Zweite Scene. 230 So [hat die That, wie fchlimm) H 
nach 240 
wagte, 
Um an das Sterbebette ihrer Mutter 
Den Priefter mit dem Sacrament zu rufen, 
Damit fie eingeh’ in das Paradies. [aus Damit das Paradies 
ihr fiher feyel] A! 
245—247 am Bande zugesetzt H' 245 that es, über ging ja, 
HA! 246 ihres Vaters aus ihrer Mutter B 247 ich, [ihm 
heimlich] 7: 252 er weiß] ihm dindte, H! Lemma über 
ihm dänchte, 7? 254 Erhandeln über Sich kaufen H' kann, 
über könne, H° zuerst ihm gefält. H? 255 bin] wär 
H' nach 258 (&ie — um) fehlt H' neben 262 steht 5. 
[=30] I 264 zuerst fol mir meine Zulunft deuten. A! 
Dach 268 Sie — zurüd.] Ambrofio und Seb. (tommen zuruch. H! 
Dritte Scene. 273 zuerst Denn, wer nidht trinkt, der zanft. 
A 275 auf dem] aufm M' 276 hübſche über junge 7' 
27T Mebrige,] in der Welt, H! 278 zuerst geben jegt nur Küfie 
ber, doc feinen Grofchen. H! 282 später zugesetzt A' 285 
Schwur! [Und Schwüre halt’ id} ftets! Bei Gott!) Sie HH 289 
Dur Ambrofio H! 296 später zugesetzt H' nach 301 
(reißt eg ihr 71 nach 307 (ieft — an fehlt A! 308 zuerst 
Sonft ſchmerzt [das Abziehn] es ja! H' 309 zuerst daß er mich 
quälte, 7 312 de3 verlornen Sohns! aus dom verlornen Sohn! 
HA! neben 312 steht 6. [= 300) HY 312-315, 320-335 
alle scenischen Angaben fehlen AZ! 324 f am Rande zugesetzt, 





384 Lesarten und Anmerlungen. ', Ein Zrau 


gestrichen, aber unterpunctiert H' 334 zuerst fie de 
bereit8 vor Augen ſah. H! 342 wie's — ift! hinter wi 
Amulet. H! 344 feht über ſchaut MH! 345 zuerst | 
daraus, H! 351 zuerst größern, die bevor wir ftanden 
352 ff vgl. Tgb. II 8. 136 vom Jahre 1845 über die Conseqt 
einer Behauptung: Freilich heißt das, auch felbft den Hanf zum 
hergeben müſſen. neben 364 steht 7. [= 350) A! 366 Bit 
H H°J den über von HZ! 367f zuerst Wie man e 
mit Hunden macht, verrwürfeln zu laffen, H' 372ff vgl. Tgb.1 
vom Sommer 1839 (ungedruckt): Der Vater, ber feinem Sof 
dem Fluch droht, wenn er ihm feinen Segen nicht ablaufen 
386f Das — wollt. über der Zeile H*! 387 Wenn’s übe 
mögt. Gefallt es H! 389 wir über ih H*® 393 spät, 
gesetzt H' 394 ihn [wohl] 7! 396 rührte — Bater‘ 
rührend, wie er it — H' 397 fein über der 4! 400 f 


So läge [jet in Aſche] unſer Haus in Niche jegt! 
Wir hätten Nicht? gerettet aus der Glut — H! 


402 zuerst Mit Schaudern, aber auch mit Stolz und Luft, A! 

zuerst mir vorüber fam, beherzt die HM! 408 mag — geh'n 
ift es gut, H! 409 wird’ — verbitten, über werd’ ich’s mi 
bitten müffen, H! 410 später zugesetzt H' 411 feh 
412 Und über Denn A! 413 und — brennt, über ih fte 
bei, wenn’s nieder brennt! H! neben 416 steht 8. [= 40 
418 über Sid fchwingen wird, wenn die Pofaune ſchallt! A! 

hörſt über fiehft H! 422 fpreizte — Finger über fpreite: 
Sieben H' 440 Sieben [wird er] 7! 441 hinter Wit 
verjpätet haben! H! 445 steht einen Vers zu tief vor 44 
Ambrofio. HM! 445 [Ich denke!) Iſt AZ! 448 nic 
plauderte! später zugesetzt H' 449 f neben Ei wohl! Uni 
jie ſelbſt Nicht ıhut, das thut — HI! 451 Scenisches feh 
453 fehlt 7! .J später zugesetzt FM? Schmuggelei! E 
Hebbels Sprachgebrauch. 454 über Sie muß daran! [So 
«Er thut's ſelbſt.) H! fie [fterben] A! 455—461 fehlen B 
Rande zugesetzt MH? 457 für — verjegt; über zum Pfande f 
H® 462 zuerst Ambroſio. So zieh! Bartolino cthur 
Vie Du! Angiolina H! 463 Nun — nit! über 1 
Denkſt Du müßig zuzufehen? HZ! 464 später zugesetz 
4501901) O! H"TJE vor 466 (ftirbt) HA! 470 zuer: 

Wenn's nur fein Menfch geweſen iſt. 





Fr Fe Lesarten und’ Anmerkungen. 385 
Bartolino. 
Ein Menſch? HI 
470 Mir war, über Mir fchien, 7! 471 Ihr über Sort! Sort! 
Der H! der no) über welcher H! 472 Sahſt — Menden? 
zuerst Sort! Was zögern wir! Sort! Sort! darüber Ein Menfd! 
darüber Lemma H' 473 über Jal Menſch! — Dod nein! ein! 
Nein! H! 474 Bei — nur! über Tritt nur bei Seit’! H! 
Vierte Scene. vor 478 (tommt)] (tritt auf) 7! neben 478 steht 9. 

{= 450] H! 481 zuerst 

Und ih — wer wird audh an der Himmelsthür 

Noch düfter, wie ein Kirchenfenfter feyn, 

Das jeden Straf des muntern Lichts verfchludt! 
dafür am Rand zuerst Seit ihn jein Podagra nicht mehr ver: 
läßt! HM! vgl. Maria Magdalene 25,17 und „Späne aus Maria 
Magdalena“ 367, 15. 485 hinter Sie felig die Abfolntion ' 
487 verrüdt,] verwirrt, 7! 491 blaje über zünde H? 493— 496 
fehlen H! am Rande zugesetzt H*? 497 ihm) hier ZH! über 
hier H (erblict fie) 7! 500 fpätl Ambrofio A! ſpät! (wüthet 
H®:J 

Fünfte Scene. 503 Dan hat über Ich hab’ A! Dan 

Hat über Du haft 7° bift’8 ja über bift es AH! vor 509 
Scenisches fehlt H' vor 514 wieder fehlt A! 514 fehlt H' 
H?J 515 Zodt! Und dur mi! Warum kam ich fo fpät! H' H%J 
leb’] lebe E 517 fehlt H! H°J 922 mir über ihm HM! 
523 Scenisches fehlt HZ! H?J 525—532 


Ambrofio. 


Negt das Gewifjen ſich? 
Nun wohl! So gieb der Wahrheit denn die Ehre 
Und fprich: ich that's! Das ift der Weg zum Tod! 


Sebaftiano. 


Zum Tod! H! H* J darnach Dein Schwert! Dein 
Schwert! H! 

Sechste Scene. vor 533 (Anjelmo und Gregorio, der Podeſta, 
treten auf.) H! (Herr Gregorio, ber Podefta, und Anfelmo, der 
Pater der Angiolina, treten auf. Soldaten mit Fackeln folgen. Wald.) 
H° 533 ei was, fehlt H! H°H® J Tochter über Töchter H' 
534 Wenn — ihr über Sobald man Weiber draus H' 535 Denn 
— die über ’s giebt Leute, welbe ZH! * 537 giebt — nehmen, 

Hebbel,. Werte II. 25 





386 Lesarten und Anmerkungen. Ein Trauerfpie 
[ 


darüber giebt’s, die ein Mädchen nimmer nehmen, H' neben 54 
steht 10. [= 500) H' 545 Was mid) zwang? hinter Die Ehr 
that's! HM! 546 später zugesetzt HM! 547 [Ih muß] Ru 
H' 548 mir [auserforen über auserfehen] HZ! 549 mir) mit 
H® mißfällt,] verdrießt, 7° 550 zuerst fich vielleiht ei 
Anderer erhängt H! 553 Stiel, über Sweig, H! war übe 
ıft 4° 956 über Ja wohl, und Dem and, der einft Meffer au‘ 
gebradht! HY 566 fehlt A! 573 fehlt H? später zugesetz 
B°® 575 that] hab’ 7! 576 zuerst von Eud fprad. H' A 
589 Mit — Eud, aus hr wißt, mit Mienen H! dingt] dring 
H'‘H?J 590 zuerst Und wenn Ihr mir nicht haltet, H 
neben 595 steht 11. [= 550) H! 599 ff vgl. Tgb. II S.5 vor 
Sommer 1843: Rothſchild müßte den Gedanken haben, all fein Geld i 
Landbeſitz zu fteden und das Land unbebaut liegen zu laſſen. Na 
dem in der Welt geltenden Eigenthumsrecht könnte er ed thun, wenn auı 
Millionen darüber verhungerten. Hebbel setzt zu dieser Tagebuchnoti 
ein doppeltes NB. NB. vgl. Tgb. vom Juli 1843 (TS. 322): Zft e8 ei 
gerechter Zuftand der Geſellſchaft, in welchem der Einzelne, wenn ih 
die Verhältniſſe begünjtigen, dad an fi raffen und, wofern es ihı 
beliebt, behalten, fiir die Gefellichaft unfruchtbar maden kann, was ebeı 
weil er es befigt, Taufenden fehlt und fie in Noth und Tod hinein treibt 
602 glaube über denfe H! 603—606 fehlt ZH! am Rand zı 
gesetzt H? 603 zuerst Denn ſeht, die Küffe bringt man nit 7* H 
604 zuerst verfäumt und nicht die H' H? 607 E3 — warnen, au 
Euch warnen ſoll's, 2! 609 was hinter wie H! 611 thur 
[wenn] 4! 620 Euch — gelaufen — über — Aber feht Euch vor 
H! 621 später zugesetzt H' 626 unter Ich würde ſprechen 
Tod — — O nein, und noch viel minder ihre Flucht! HZ! 632 
fehlt H' 632 mit — überhäuft, über in allen Put der Wel 
gefaßt, 4°? und so H®J 634 Wär über Würd’ H! 63 
fauft? — mir) faufte ih A! 638—647 zuerst 
ſetzt' ih aus den eriten 
Der Virtuoſen die Kapelle mir 
Bufammen, mögt’ es foften, was es wollte, 

dann 638—640 geändert, 64] zugesetzt, das Weitere fehlt 4 
vor 649 zuerst Anſelmo. Nun weiter! HA! G49—654 ar 
Rande zugesetzt H' 650 [Don diefem] Die ZZ! Teufel übe 
Graufopf A! 652 zuerst Das in fein [über das) zähes TFleijc 
das [über ein] Loch ihm bohrt! A! nach 654 (Nun ftoßen fi 
auf die Mörder und die Todte.) 





in Sicilien Lesarten und Anmerkungen. 387 
6 


Schlußwort des Stüds: Wie gählings kommt der Tod! 
(ſchuttelt fih) ® 656 Hirt ung über Schaafhirt ZI 657 fehlt 
H! aus Der mir dad Haus mit friiher Milch verforgt, H 658 
zum — gewandt.) dahin [hinter dem Kreuz] gewendet, Wo fie das 
Kreuz erblidte! H' das Scenische fehlt Z' 659 f lauten 


Ambrojio. 
Wer ift da? 


Gregorio. 
Der Podeſta! 


Ambrofio. 

Der Podeſta? So [iit] ward HM! 
663—666 alle scenischen Angaben fehlen H! 663 fon! über 
nun! .H! 666 (ihaudernd) fehlt U H®?J neben 666 steht 
12. [600] 7! 667 Zebendig? hinter Der Mörder? H' 670 
Schurke, über Böfewicht, auf! auf! I! 671 Was — denn? über 
Ja, ja, was giebt's? H!. 673 Scenisches fehlt H'! 680 
Auffauf über Anfauf A! 682 zugleih über fogar H! 683 
—688 am Rand für Er wollte nicht, und darum haft’ ich ihn! H"! 
685 offenbarteft] frech entdedteft 7! .J über offenharteft H' offen- 
barteft über frech entdeckteft 7? 686 ja aufgedrungen:) mir offen- 
barteſt, 7! 687 feit — ih aus und darum haft’ ich ihn HZ! 
688 Ihn — nur!) Ihn noch einmal fo ftarf, wie je zuvor! Z! 690 
hier duzt Anselmo, den Podesta in der Aufregung, 784 kehrt er 
zum „Ihr“ zurück. 691 wendet — Rüden: fehlt 7! 692 Ad 
Gott, jo fhlagt mir doch den Kopf herunter! ZH! H®? Jin H' aus 
Ah! Schlagt mir endlich doch usw. 694 jo — geh’n!) Das jol 
nicht geſcheh'n! 7! 695 madt nur, madt!] was nod weiter? 
H' H°J 696 f. fehlt ZH! A? J 698 Er] Der I! 699 
Beſſ'res] And’res H! 700 köpft, hinter ftraft, ZZ! 702 f. am Rand 
für Mär’ er nicht toll, fo fpräd’ er Nein, flatt Jal MI 703 
Ein — leugnete!] Wär’ ex nicht toll, To ſpräch' er Nein, ftatt Ja! 7: 
704-710 


Bartolino. 


Ich ſchweige nicht! 


Gregorio. 
Was haben die? 
he 





388 | Lesarten und Anmertungen. Ein Trauerfpiel 
[6 


Bartolino. 
Er war es nicht! | 


AUmbrofio. 
Er war's! Kurzſichtig iſt 
Mein Kamerad. 


Bartolino. 
Ich ſage noch einmal — 


Ambroſio. 
Zum Teufel! 
(dringt auf Bartolino ein) A! 
704 f Was — Gott! später zugesetzt Fi? 710 auch über wie 
fie A 712 f 
2 Öregorio, 
Du Haft es ſchon gethan! 


Ambrofio. 
D, hätt’ ih Di, Z' 

712 Auch? Auh? fehlt ZI H% J 712f Bad — Nichts!) 
Was denn getban? Ich jagte Nichte, gar Nichts! A? 716—718 
Scenisches fehlt HM! 718 Ich — los!— Wär’ ih nur Ring und 
Kette los! hinter Geh in’s Gebüfch und wirf H! 719 - 723 fehlen 
H! 724—730 

Anfelmo. 


Was iſt das? 
(su Sebaftiano) 
Menſch, thu den Mund auf! Sprid ein Hares Wort! 


Sebajtiano. 
Köpft, wen ihr wollt, nur köpft mich mit! 
Anjelmo. 


Der hat 
Es fiher nicht gethan! 


Gebajftiano. 


O, fiher nicht! 
Doch das ift Alles eins! 





in en Lesarten und Anmerkungen. 399 
6. 
Anjelmo. 
So thaten’3 die! 
AUmbrofio. 
Beweis! Beweis! A" 
727f Es — Theil! fehlt A? I 72If Wir — Nein! fehlt 
H‘H®J 
Siebente Scene. 730-737 
Zwei ber Soldaten (kommen mit einem Bauern). 
Holla! Den trafen wir 
Im Baum verftedt. Hod) oben, in der Krone, 
Sein lautes Schnarchen Hat ihn uns verrathen, 
Und da er nicht erwachte, ald wir riefen, 
*5 So jhüttelten wir ihn herab! 


Bauer. 


Ih brach 
Den Arm dabei. Wenn e8 der Hald nun wäre! 


Ambrojfio. 
Wo hatt’ ih meine Augen! (su Sebaftiano) Junger Mann, 
Ich bitt' Euch um Berzeihung! Diefer war's! 
Mein Kamerad fah befier, ala ich felbit! 
»210 Eo löſ't fi jeder Widerfpruh! Ihr ſeyd 
Ihm in der That biß zur Verwechſelung 
Auch ähnlich, jeht Eu nur den Menſchen an, 
Vielleicht iſt's Euer Bruder! 


Bauer (erblidt den Leichnam). 
Kieber Gott, 
So ift e8 wahr und wirklich Hier geſcheh'n, 
»is Was ich geträumt zu haben meinte? Ya, 
Da liegt fie und bier fteh’'n die beiden Mörder! 
Au weh, mein Arın! In feinen weiten Stiefeln 
Berbarg der Lange, glaub’ ich, Kett’ und Ring! 


vor *1 nur Soldaten mit.. HZ! neben *5 steht 13. 
[= 650] A! *10 f vor hr] 
| Wie groß 


ft nicht die Aehnlichkeit! Gebt mir die Hand! A! 
1518 

Was ich zu träumen meinte [über glaubte]? Ja, da liegt fie, 

Hier ſteh'n die beiden Mörder — in den Stiefeln A! 





390 Ledarten und Anmerkungen. Ein Zrauerfpiel 
g 


Bieht ihm die Stiefel aus, es muß fich zeigen, 
Sonit liegt auch die nicht da! 


Ambrofio. 
Nun iit’3 vorbei! *o 
Mir fehlt's am Stein, der unfichtbar mid; macht. 
Sp kam das O von dem! 


Gregorio. 
Sprid; weiter, Bauer! ZH! H?.J 
740 war — — H?.J darnach | 


Wo blieb er [e8 J) denn? Wo blieb mein Korb? Berloren'! 

Ihr jeht, ih bin beitraft! Dazu der Arm! Hr J 
741 bier — Wächter] die Soldaten ZH! H?TJ ſtehen über fommen — 
H! 743 hinauf, nun ZH! H®?J 146 Es — ſeh'n! Ih war 
allein und rings fein Menſch zu feh'n! H HM? J 148—756 fehlen, 
dafür 

Und muß zulegt vor Grauen und Entfegen 

Sn einen Zodtenfchlaf gefallen jeyn! ZH’ H°TJ 
zuerst in HM! 

Und muß zulegt, ich felbjt begreif's nicht, wie 

Bor Angft und Graus in Schlaf gefallen jeyn! 
757 e8 nicht über auh Nichts A! 758-762 zuerst 

Sch eh’, die That war im Voraus verflucht, 

So oder fo, es gilt mir jept gleich viel, 

Und was verloren ift, das geb’ ih aufl Z' 
dies gestrichen, dafür zwischen den Zeilen und am Band, was 
auch H? J bieten 

So fchliefe diefer no in feinem Baum, 

Und dächte Nachts, wenn er herunterftiege, 

Er habe eine Bifion gehabt! 

Er wäre auch vielleicht herab geplumpt 

Und hätte das Genid dabei gebrochen. » 

Sleichviel, die That war im Voraus verfludht, 


*19 Gtiefeln 7! *20 vorbei! über aus! H! *21 über 
Bartolino. Ja, folbe Chaten werden ftets verrathen. H 
*4 Wär’ auch vielleiht im Schlaf herabgeplumpt J 





in Sicilien. Lesarten und Anmerkungen. 391 


Und a8 verloren ift, das iſt verloren, 
Sprah Bonaparte auf Sanct Helena! H: H?J 
765 nad] zu 7 766 gefällt! — H' 167 f später zugesetzt 
H! 768 Scenisches fehlt H' 769 f Sebajtiano — gebührt! 
feblt ZI H®?J 771 nur) denn H'H°J 772 früher bier 
gewejen über früh genug gefommen H'! 773 Ich [trage felbft] 
HM! 775 Semand, über Einen, 7! — verftehit Du mich ?] mid) 
unterjtügt. 7! 776f am Rande zugesetzt H' 778 Alten 
da) alten Mann HM! 779 fehlt 2° 780 und er jagt über er 
vertreibt 1 781 nidyt die über feine HZ! 182 später zu- 
‚gesetzt H'! vgl. Kuhs Biographie I S. 80 die Nachricht von einem 
unvordenklichen Conferenzrath, der die Kirche zum Pferdestall 
machen wollte, was bei Hebbel als bleibende Erinnerung haftete. 
vgl. ferner Tgb. I S. 107 vom Sommer 1838 (ungedruckt): Juden: 
hochmuth. Herr von Rothſchild in Parid hat Talleyrands Hotel 
getauft. Als er es befichtigt, fagt er: Das Hotel ift etwas kleinlich, 
dod will ich fuchen, e8 bewohnbar zu maden. Er wollte früher aus 
dem Hotel Lafitte eine Wagenremife maden laſſen. 783 Doch ich glaub”, 
über Aber wißt, H' 785 [Sicher niht!] Ganz H! 187 Und 
— beweijen, aus Um Euch zu zeigen, 7! 791 f nur bis Schluss: 


Gregorio. 
Auf nun, nad Palermo! — (700) A! 
nach 792 fit) Finis. H°J oo 


*7 dad — verloren, hinter das geb’ ih auf H! 








Julia. 


— 


Von diesem Trauerspiel bewahrt das Goethe- und Schiller- 
Archiv nur eine 


Handschrift. 


H gross 8° aus 65 Zetteln und Blättern verschiedenen Formats 
und Papiers bestehend; zum Teil sind es abgeschnittene Brief- 
bogen, und man sieht, wie Hebbel zu verschiedenen Zeiten an 
diesem Werk arbeitete. Alle Blätter nur auf einer Seite beschrieben. 
Das erste Blatt enthält nur den Titel „Julia“; auf dem 2. beginnt 
der Text mit der Überschrift: Julia. Trauerfpiel in drei Acten von 
Friedrich Hebbel. 1. Act. In dieser Fassung heisst Alberto bis zum 
dritten Act Dr. Elias und Vieles in den Reden ist noch anders 
gestaltet. Eine Abschrift hat sich nicht erhalten. 


Drucke. 


J Boetiiche Bilder aus der Zeit. Ein Taſchenbuch herausgegeben 
von Arnold Ruge. II. Leipzig. Berlagsbureau. 1848. ©. 153—170: 
Eine Scene aus dem Trauerfpiel „Sulia”. Bon Friedrich Hebbel. [Die 
Scenen I 5 und 6). 

E! Julia. | Ein Zrauerfpiel in drei Acten | von | Friedrich Hebbel. | 
— | AU! Mamufeript für Bühnen. | Eigenthum des Berfaflers. | — | 
Wien. | Drud von U. Klopf sen. und U. Eurid). | 41 Seiten gr. 8° 
zweispaltig, obne Jahr [1848]. Hebbel bemerkt in der Jahres- 
übersicht 1848 (Tgb. 11 8. 309): Druden ließ ich nichts Größeres, 
nur unnützer Weiſe ald Manufcript die Julia. 

E* Julia. | Ein Trauerfpiel in drei Alten | von | Friedrich Hebbel. 
Nebit einer Vorrede und einer Abhandlung: „Abfertigung | eines 
äſthetiſchen Kannegießers.“ — | Leipzig, | Berlagsbudhhandlung von 





Julia, Resarten und Anmerkungen. 3093 


3% Weber. | 1851. | XLIV und 115 Seiten 8°. Dem Druck am 
16. October 1850, noch ohne die Vorrede, übergeben, wurde E* am 
30. Januar vollendet, aber erst Anfangs April 1851 ausgegeben. — 
Da die Abfertigung Julian Schmidts — gegen diesen wandte sich 
Hebbel — ihren Platz unter den Vermischten Schriften im X. Bande 
finden wird, gehört hierher nur: 


Dormort. 


Das Trauerfpiel Julta bat fchon eine Geſchichte, die id nicht 
zurüdhalten darf, weil fie für unfere gegenwärtigen Zuftände nicht ohne 
Bedeutung ift und diefe wenigfteng characterifiren Hilft. 

s 68 wurde im October 1847 vollendet und damald von dem Herrn 
Brofeffoer Rötſcher, dem ich es mittheilte, aus eigener Bewegung ber 
Intendanz des Berliner Hoftheaterd eingereicht, von diefer aber nad 
einigem Zögern und einem auf einem merkwürdigen Ummeg unter: 
nommenen, übrigens wohlgemeinten, Durchbringungs⸗Verſuch aus Scheu 

dor Anſtoß abgelehnt. 

Ich Hatte bei den damaligen Berhältnifjen feinen anderen Ausfall 
erwartet und entfchloß mich auf der Stelle, mein Stüd, wie feine Vor⸗ 
gänger, der Preſſe zu übergeben, ohne noch ein zweites Theater damit 
iu behelligen ; denn meine in der Vorrede zur Maria Magdalena aus- 

u geſprochene Ueberzeugung, dab ein Drama nur darftellbar zu fein, nicht 
aber gerade factifch dargeftellt zu werden braucht, ift unerfchütterlich 
geblieben, weil fie auf unmwiderlegbaren Gründen beruht. Wer mir diefe 
nothgedrungene Refignation, zu der fich Jeder gezwungen fieht, ber nicht 
im BolizeisReglement einen Commentar zum Xriftoteles erbliden kann, 

wals Gfeichgültigfeit gegen die Bühne auslegt, der thut meinen Worten 
Gewalt an. Niemand dichtete lieber für den nächften Zweck, die Auf- 
führung, wie ih, ja Niemand rechnet mit größerer Zuverſicht darauf, 
dh für alle meine Stüde die Zeit der Aufführung fommen wird, wie 
Ne für einige bereitS gekommen ift, aber ich fühle mich nicht berechtigt, 

» dieſe Zeit durch Opfer zu befchleunigen, welhe zum Gewinn in feinem 
Verhãlmiß ſtünden, und dies Gefühl, dem der Egoismus wahrlich nicht 
hen bleiben kann, ſollte die Kritik ehren, anſtatt es auf unwahre Motive 
zurüch zu führen. 


7 vgl. Hebbels Brief an Rötscher vom 22. December 1847. 
Nachlese I S. 236. 





394 Lesarten und Anmerkungen. Julia. 


Das Jahr 1848 fam heran und hatte neben jeinen großen aud) 
die Heine Folge, daß die deutfchen Theater fih un die bis dahin ganz 3 
vernadjläffigte Literatur der Gegenwart zu bekümmern anfıngen. Bas 
fih im legten Decennium mit Recht oder Unrecht bei der Kritik im 
Anfeh’n zu fegen gewußt hatte, wurde auf die Ecene gebradjt, und 
namentlich entwidelte Franz von Holbein in Wien, dem die Autoren 
Ihon früher die Begründung der Tantieme jchuldig geworden waren, 3 
bierbei den rühmlichſten Eifer. 


Bu den erften Werfen, welhe Herr von Holbein für das damals 
von jeiner ausfchließlihen Leitung abhängige Hofburg: und National- 
Theater defignirte, gehörte die Julia. Kaum war das gefchehen, als 
ih aud von Herm von Küjtner aus Berlin eine Zuſchrift erhielt, worin w 
er mid um das Stück bat, weil er, wie er ſich ausdrückte, jegt jreieren 
Richtungen folgen Fünne. 

An Wien blieb die Julia einftweilen liegen, da in Uebereinftimmung 
mit meinen eigenen Wünſchen die Maria Magdalena und bie Judith 
(erfiere bis jept 12 Dal wiederholt, legtere 22 Mal, was ich bemerle, « 
weil e3 zeigt, daß meine Dramen fich jehr gut niit der Bühne vertragen 
ihr voraus gejhidt wurden. In Berlin wurden gleih nad Eingang 
des Manufcripg, wie die Intendanz mir höflich anzeigte, die Nolten 
ausgeichrieben und ausgetheilt. Das war aber auch Alles, was bier 
geſchah. 5 

Als ih, nah anderthalb Jahren, im Oct. 1849 den Herrn von 
Küſtner um definitive Nachricht erſuchte, warn er fein aus eigener B«- 
wegung gegebened Wort zu löfen und die Julia zur Aufführung zu 
bringen gedäcdhte, erhielt ich die Antwort, daB „der Geift der Zeit ſich 
i nzwiſchen wieder verändert hätte, und daß das Etüd ſich zu fehr von ss 
den gewöhnlihen Formen und hergebraditen Anfichten entfernte, um 
nicht höheren Orts und bei dem jeßt wieder den Ton angebenden confer: 
vativen Bublicum Anſtoß zu erregen.” Er bot mir dabei ein Honorar 
an, was ich zurüd wies, und erklärte fi) dann bereit, anftatt der Julia 
die Marin Magdalena in Ecene gehen zu lafjen. Ich willigte ein, um o 
der Sade ein Ende zu maden. 

AS ih mid) im Frühling 1850 an den mittlerweile für den Herm 
von Holbein eingetretenen Herrn Dr. Heinrih Laube um Auskunft 
wandte, warın die von feinem Vorgänger angenommene Julia zur Aut: 


40 f vgl. den Brief an Küstner vom 30. October 1849. Nachlese I 
8. 266 f. 
64 Am 7. April 1850. vgl. Nachlese I S. 86. 





Julia. Lesarten und Anmerkungen: 395 


65 führung gelangen würde, erwiederte er mir, daß die Intendanz in ben 
„aeſthetiſchen und moraliihen Werth“ des Werts Zweifel ſetze und deshalb 
die Erlaubniß, fie zuerjt auf dem Hofburg: und National-Theater zur 
Aufführung zu bringen, vermeigere.e Der Handel ijt noch jet in der 
Schwebe; ich habe nicht replicirt. 

0 Dieſe Thatſachen find wichtig; denn fie beweilen, daß fich feit dem 
Jahr 1848 die Stellung des dramatifchen Dichters in Deutichland durchaus 
nicht wefentlich verändert hat, dab er nach wie vor von der fchranten- 
Iofeften Willkür abhängt, und daß, um in dürren Worten die fchredliche 
Conſequenz zu ziehen, Heinrich von Kleift jept nod) eben fo gut ver: 

75 hungern könnte, wie früher. Sch werde die darauf bezüglichen, zum Theil 
höchſt naiven Actenftüde bei einer andern Gelegenheit veröffentlichen und 
füge für dies Mal nur Nachſtehendes über den fpeciellen Fall hinzu. 

Dem Herrn von Küftner muß ich die Richtigkeit feined Motivs, day 
mein Stüd fi von den gewöhnlihen Formen und den herkömmlichen 

80 Anſichten entferne, unbedingt einräumen, wenn ih den Schluß, den er 
daraus ableitet, auch nicht zugeben fan. Den Zweifel an den: moraliichen 
Werth meines Werks will ich zu heben fuchen; der aefthetifche fteht und 
fällt mit dem meiner übrigen Productionen und it allerdings für Jeden 
unnadhweisbar, ber e8 in Abrede jtellt, daB das Licht zuweilen durch 

s5 den Schatten gentalt werden muß, und der fllr die zweite, größere Hälfte 
eines Dramas, die nicht durch die Reden der Charactere, fondern durd) 
ihre Stellung zu einander erplicirt wird, fein Auge hat. 

Unftreitig findet fih in meiner Julia viel Unvernünftiged und viel 
Unfittliheg. Ich behaupte aber, dab gar fein Drama denfbar 

Hift, welches nicht in allen feinen Stadien unvernünftig 
oder unfittlihd wäre. Ganz natürlid, benn in jedem einzelnen 
Stadium ilberwiegt die Leidenfchaft und mit ihr die Einjeitigfeit oder 
die Maaßloſigkeit. Vernunft und Eittlichkeit können nur in der Totalität 
zum Ausdrud fommen und find das Nejultat der Correctur, die den 

95 handelnden Characteren durch die Verkettung ihrer Schidjale zu Theil 
wird. Genau befehen, nimmt der Dichter die unvernünftigen und un: 
fittlihden Elemente aus der Welt und löſ't fie feinerjeit3 in Vernunft und 
Sittlichkeit auf, indem er Urfache und Wirkung enger zufanımen rüdt, als 
es in ber Wirklichkeit zu gefchehen pflegt. Man foll daher nie fragen, 

109 von welchem Punct er ausgeht, fondern ftetS, bei welchem Bunct er 
anlangt, und wenn man mir dieje Gerechtigkeit erweif't, fo wird man 
gewiß nur ein befriedigendes Reſultat finden. 

Ohne Zweifel fteht e8 im jchneidendften Widerſpruch mit den „ges 
wöhnlichen“ Formen und den „herkömmlichen“ Anfichten, dag ein 





396 Lesarten und Anmerkungen. Julia. 


us 


vornehmer Herr, ber ſich im Uebermuth der Jugend phyſiſch zu Grunde 
gerichtet bat, den Frevel, der darin liegt, erfennt und Buße dafür tbut. 
Veit entfernt, der Welt, die er um einen Menſchen betrog, dadurd 
Erfap zu leiten, daß er ihr einen Menſchen erhält, der fchon ficher 
verloren war, wie das in meinen: Stüd geichieht, wird er eine ſittliche 
Niederträchtigleit auf die andere folgen laffen. Er wird, wenn er dem: 
Bachus und ber Venus nothgedrungen Lebewohl fagen muß, feine 
„Sarriöre” zu machen ſuchen und fi troß feiner auf Null reducirten 
Leiftungsfäbigleit in den Etaatsdienft eindrängen, um nad oben zu 
friehen, nad unten zu tyranntifiren; er wird, nachdem dieß gelang, eine 
„Verbindung“ fchließen, um die Einnahme zu verdoppeln und für böſe 
Stunden der Kranfenmwärterin gewiß zu fein; er wird aud wohl nod) 
einen „Namensträger“ in's Leben rufen, ein unglüdlidies, von vorn 
herein ohne Schuld zu ewigem Leiden verbammtes Halb- und Zwitter⸗ 
wejen, und fo die Zukunft vergiften, wie bie Gegenwart verpeften. Dieb 
iſt gewöhnlich und herkömmlich; dem Bertram bes erften Acts begegnen 
wir in jeder großen Stadt hundert Dal des Tags auf der Gaſſe; den_ 
Bertram des legten treffen wir vielleicht in ganz Europa nicht ein Mal 
an. DaB es aber moraliſchſei, unmoraliſch zu bleiben, und 
unmoralifh, moralifh zu werden, darf ih mit einiger 
Hoffnung auf allgemeine Zuftimmung verneinen. Damit ift 
denn die Moralität meines Haupt-Character8 und die davon dependirende 
de8 ganzen Dramas, das in ihm angefangen und beichloffen wurde, 
erwieſen. 

Ich könnte mich noch tiefer in die Analyſe der Einzelheiten ein⸗ 
laſſen, und man würde erſtaunen, wie ſchlagend das Ergebniß wäre, ı 
Oder iſt es z. B. nicht moraliſch, wenn Antonio in dem Augenblick, wo 
das Leben allen Werth für ihn verloren hat, und wo er, wenn er nicht 
wirklich für alle Ewigkeit den ſittlichen Schwerpunct gefunden hätte, zur 
Piſtole greifen müßte, den Entſchluß faßt, ſich dies verhaßte Leben zur 
Buße im Schweiß ſeines Angeſichts durch Mühe und Arbeit zu friſten, 
ja, wenn er ſpäter ſogar gelobt, über den Menſchen, wie ein Bruder, 
zu wachen, der ſeinem Glück allein im Wege ſteht? Aber ich würde 
mich dadurch in den lächerlichen Verdacht bringen, als ob ich noch immer 
an die Ehrlichkeit des mir ſo oft gemachten und eben ſo oft widerlegten 
Vorwurfs der Unmoralität glaubte, und ſo naiv bin ich nicht mehr. 
Ich weiß es recht gut, daß mir Nichts widerſtrebt, als das allgemeine 
Mißbehagen, das gewöhnlich zu entſtehen pflegt, wenn Jemand die 
wankende Geſellſchaft in ihrem fühen Traum ewiger Dauer zu ſtören 
und ſie auſ die ihr drohende Gefahr aufmerkſam zu machen wagt. Ihr 





Julia T1—2 Lesarten und Anmerkungen. 397 


145 figt bei einer wohl beftellten Tafel; ich lege den Todtenkopf auf den 
Tiſch und mahne an’3 Ende. Ihr wollt vom Ende Nichtö wiſſen, Ihr 
wollt von dem Gebäude, in dem Ihr jubelt und zecht, lieber während 
des Naufches erichlagen werden, al® feine morſch gewordenen Pfeiler 
durch neue erjegen, Ihr weif't mir die Thür. Das ift nicht Hug, aber 

150 natürlich, und ich kann's begreifen, wenn ich's auch beflagen muß, da 

ich mir der reinften Abſicht bewußt bin, und, wohl gemerkt, obendrein 
bie volle Gefahr mit Euch theile. Hierbei laßt Ahr es jedoch 
nicht bewenden, Ihr befhuldigt meinen Todtenkopf, er fei 
troß feines Zähnefletfhens ein Verführer, und wolle Euch 

155 zu böfen Dingen verloden. Das iſt abjurd; Eure bleihen Wangen 
und ftieren Augen ftrafen Eure Zunge Lügen. Trinkt lieber auf Eure 
Unſterblichkeit! 

Wien, im November 1850. 


Yriedrih Heb bel. 


Lesarten und Anmerkungen. 


Berfonen. 128, 1—10 fehlt 7! 4 Alberto] Dr. Elias H 
bis zum dritten Act. 


Erster Act. 


Die Sceneneinteilung fehlt H 

Erste Scene. 127,12 würde,) fönnte, 7° 17 £ dann — ſprichſt, 
zuerst damit Du mit Anderen ſprechen kannſt, 7 19 Papagei] Hündchen 
H 22 Papagei] Spik H 23 Dann, der den Bercules zum 
Groß:Dater hat. H 24 den Vogel] dad Thierhen H zehn] 
hundert H 128,5 Vater über Mann H 5f entlaufenen Hund 
H 7 zuerst fannjt Du nit jagen, dab das Mädchen H 8 
Bapapei] Hunde H jeufze, über rufe, H 9—11 daß — vers 
ftanden? zuerst jo den Preis [über die Summe], die ih auf den Hund 
[über Köter] fee, zum Beweis meiner Sorge um die Tochter machen. 
H 9 Alles über fo viel 7 11 jet unter nicht H 13 f 
wenn — ijt fehlt H 

Zweite Scene. 1238, 16-20 Tobaldi. Ber hätt’ e8 je 
gedacht! Entlaufen! Bier Wochen vorher finne ich alter Narr, was ich dem 
gnädigen Fräulein zum Geburtstag verehre, ich berathichlage mich mit einem 
Collegium von alten Weibern, ich Frieche in allen Boutifen herum, um 


398 Zesarten und Anmerkungen. Julia 13 


Sachen aufzutreiben, von denen Keine ſagen könne: ich hab' fie auch! 
Und als nun der Tag kommt, als ich mich auf den Socken wohl zehumal 

an ihre Kammerihür ſchleiche, um zu horchen, ob fie ſchon wach iſt, als 
id, da fie gar nicht munter werden will, die Thür endlich öffne, Tod 
und Zeufel, dba find’ ich ein leered Bett, eine leere Kammer, ein leeres 
Haus! [Wer kommt da? Und das jeht, jet, wo der Derlobte jeden 
Augenblid in die Thür treten fann!] Wer fomnıt da? H 


Dritte Scene. 128,22 Alberto] Doctor Elias und so 
immer bis zum dritten Act H 129, 3—6 Nun — Blumen: Futter! 
zuerst Nun, es ift doch einfach, daB Menſchen, die nicht wieder geneſen 
fönnen, Sterben müfjen. H 5 Gie] Nicht wahr, fie I ober 
Blumen: Futter, wenn Du willjit? 7 7 an jenem gestrichen, darüber 
an H am Morgen [des Rofenfeftes; H 8 Dich — fah, zuerst 
in Deinen: Stuhl fißen fah, als ob Du hineingenagelt wärft, H 12 
immer gegen nıih H 13 zuerst wir ung kennen H 14 zuerst 
ſieh mir in's Gefiht und die Frage H 15 verrichtet, über thut. 7 
Hände) Kniekehlen H 16 gerungen] gelegen A 17 Alberto) 
Eliad und so immer H 22 Du — noh? über laß Dih dafür — 
beim Ohr ziehen! H 28 died — mid) über Was heißt dies Aber — 
H 29 Wenigitens -- verlichert! fehlt 7 31 davon) dazu 
32 ih fann über habe H von 32 dafür bis 135,21 anders" ! 
andere Tinte, Schrift und anderes Papier H 130, 8 nach gehalten F* —] 
wie's einer Berlobten gezient. A [zuerst gestrichen, dann unterpunctiertf — 
15f fo — hätte, später zugesetzt A 19 herbeiriefen! H 2. =) 
da8 — jest; fehlt, dafür über der Zeile das hab’ id in meinenmurı 
eignen Haufe erfahren H 31 ſagte ih, eg H Meſſina] Lifjabor on 
H 32 [unaufhörlihen] Erdftöge H 33 zuerst hätten au jr lie 
erihredt. So fern lag mir — 


Doct. Elias. Weißt Du, wie fie [über daß fie unfre erfiee —n| 
unferen [erften]) Wucherer [fo] einſchüchterten? Ex ging [nicht bloß] uaeruum 
fünf Pro⸗Cent herunter, ja er fol fogar den Allmoſenſammler, vor de — em 
er fonft feine Thür [gern] verfchloß, durch's Fenſier an [über herein] 
gerufen und ihm mit Tenunciation und Injurienllage gedroht hab— en, 
falls er fih noch einmal unterftehe, an feinem Haufe vorbei zu geben. 
Verzeih. dab ih Dich unterbrad). 

Zobaldi. So fen fag mir dad... dann gestrichen H 
131, 3 einbilden,) einreden, H 7f Die acht Tage — Sie) 68 
find bald at Tage — Sie H 11 nach verlafjen,] er würde f e/hft 
auf der Folter nicht plaudern, und über fommt unter der Bedingung 





Julie I 3—5 Lesarten und Anmerkungen. 399 
unverbrüchlichen Stillfhweigens in mein Teflament; [darüber hat 
guten Grund zu fchweigen] H 15—18 Tobaldi. Unmöglich, 
entftellt, wie fie ift. Ihre lebte Bitte: mein Vater, einen Schleier 
über mein Gefiht! Noch im Todeskampf Weib, aber der Wunſch der 
Sterbenden ift mir Heilig! ZH [vgl. 134, 29) 17 fern E! 20 
noh immer fehlt A 21 -26 Barum — Madame,] Nein! Das 
niht! Zwar — was Hab’ id no für ein Recht, gut von ihr zu 
denten. Aber wenn auch! Madame, würd' ich fagen, wenn fie vor 
mir zu erjcheinen wagte, H 31 (euft) fehlt A 32 Noch nicht 
da! fehlt 7 33—134, 18 fehlt A 133, 15 lies reiben. 


Vierte Scene. 134, 10-135,9 

Valentino (mit Medicin). Gerade komm' ih! [Alle zwei Stunden 
einen Eßlöffel voll Es ift doch Sünde und Schande, Gottes Gabe 
jo zu vergeuden! Gern wär’ ich hei dem Eranfen Weber eingetreten 
nnd hätt’s ihm gebradt!] Die Medicin, Herr! 

Tobaldi. Zu fpät! Zu fpät! Weg [über Fort] damit! (wirft die 
Rdicin aus dem Fenjter) Co jung! Co jung! (rauft fi Haare aus) Eſel, 
was ftehft Du noch mit trodenen Augen? Du fiehft, ih bin außer mir! 
Alles vorbei! Alles vorbei! Was ift der Menſch! 


Balentino. Herr Doctor — 

Zobaldi. Zum Tifchler! Beftelle den Sarg! Nimm's Maaß nad 
dem Bett und bring’s ihm! Und wie fie ausſieht! Keiner darf fie fehen, 
denn ihre liebfte Yreundin würde fie nicht wieder erfennen! Fort! Fort! 
Yu Alem, wad von den Leihen lebt! Doppelte Gebüren für Jeden! 
ur in Ruhe fol man mich lafjen, nur fommen ſoll man nidt! Ab: 
Ihiedagrüße an Allee, was ihr theuer [war] geweſen ift! Nun? 

Valentino. Der Priefter, der gejtern da war, redete mich auf 
der Strafe an — 

Tobaldi. O ich habe ſchwer gefündigt, daß ich ihn fern hielt. 
Ich fürchtete die Aufregung! Wer ahnte dieſen Ausgang! Ich werde 
beichten und büßen! Und hundert Ducaten zu Seelenmefjen! leid; 

Zu ihm! 

Balentino Ja! (ab) H 134, 28£ entjtelt — Geſicht!] 
entjtent! 21 135,4 f Deine — erlaubt] Du erlaubft E! 14 
kann — zweifeln, fehlt HE 19 nach fpät!] (folgt tm) 1921 
> ber — anders! gestrichen H 21—30 Es — Tobaldi) fehlt H 
-6—28 überwacht und nie E' nach 30 Verwandlung. E! 


Fünfte Scene. Von hier wieder anderes Papier, andere Tinte 
136, 3 Graf Bertram und Chriftoph, fein Bedienter, treten in 





400 Lesarien und Anmerkungen. Sulia 15 


einem ®alde auf. HJ Graf] Gr. E! und so immer 19 
geipieen über ausgeworfen H 25 wäre J 137,2 jo einem 
JE! 3 Baum J E! ausfiegt — er über ein Ausfehen hat, 
als ob er H 4 zuerst fie zu ſtark ausjaugt. H ff vgl. Tgb. 
vom 23. November 1838 (I S. 129): Man fteht mit fich felbit auf 
geipanntem Fuß, wenn man krank it, der Geiſt bemitleidet den Körper 
feineswegs, er haßt und veradhtet ihn. Börnes Bemerkung: „Tinnlide 
Ausſchweifung ift öÖfterer Folge, als Urfache körperlicher Zerrüttung“ 
fheint mir Hierin ihren Grund zu haben. Der Geift will nicht den 
Krankenwärter fpielen, er trogt dem fiechen Gejellen und jpornt ihn zu 
Dingen an, die er nicht veriragen kann. 10 ſchoß,] flob, J 11 
fet roter Wein, J 13 Muth J 16f vgl. Tgb. vom Sep- 
tember 184N (I S. 224 ungedruckt): Mande Menſchen: wandelnder 
Mit. 17f vgl. Diamant II 2 (344, 1 ff) 24{ vgl. Tgb. vom 
19. October 1859 (II S. 465): Nicht, wie lange ich noch leben foll, 
mögt’ ich willen, aber wohl, ob der Baum im Walde jchon gefällt ift, 
der mir zum Sarg dienen wird und ob die ſchon Alle geboren find, die 
mich zu Grabe tragen werden. 138, 10 zwei und dreizig gestrichen, 
darnach fünf und zwanzig, dies mit Bleistift gestrichen und die 
frühere Zahl über der Zeile H fünf und dreißig J 20 wär’, H 
139, 1 dürfte. ./ 5 bungrige fehlt 2.J E! 7 aufgehoben über 
vorzufegen H 21 iprid, [red] I 33 Mittag-Efien] Mitefien 
J 140, 12 nicht [hole der Teufel) A 21 Antwort! (Da begann) 
H 25 friih und lebendig-reizend] lebentreibend und lebenverſprechend 
H lebenbietend und lebenverſprechend J 26 fühlt J Nichts; 
[wie ein Menfh ohne Mund fam ich mir vor) H vom über mit 
H 29 durchzudte] padte I J 30 Du [fragt’ ich mich bitter, 
H 141,1 aufgezogen, [abgedrüdt — — ha, id} lebe noch -- das 
falte] A 3 die über Du die H Auf der Rückseite bei 
129,29 steht: Jullia. Der Character des beutichen Herrn iſt fchon 
erponirt. Ein Menfh, der fich ſelbſt nur noch als Sache betrachtet, 
über die dag Echidjal, nicht er felbit, zu verhängen hat. Duell mit fi 
ſelbſt. Erfchofiener Rabe. H dies Motiv ist im Material zur „Schau- 
spielerin‘ skizziert. 3 ab! [Und ift's denn nicht recht jo wohl? Mer 
in feine Perfon hinein wüftet, bis fie zum Ding wird,) H 4 Herr! 
[Der Rabe — ich denfe, fie werden ihn wohl füttern. Audy frißt 
er wohl Regenwärmer!] H 8 Und — ift später zugesetzt H 
9 Heraus J 9f vgl. Tgb. 1 S 227 vom 13. October 1840: Der 
Schuß, der in der Flinte fipen bleibt, verdirbt fi. So die Kraft im 
Menſchen. 17 Wurm, [den frechen Anführer der übrigen) A 








Julia I 6—8 Lesarten und Anmerfungen. 401 


21-23 habe, — find] habe! Genug, wir find 7 J E! 142,8 die 
über von denen H 9 [Eine] mit 7 17 f denn — Gefpenfter! 
später zugesetzt H 20—22 defien — haben; unter aus deffen 
Portrait von den Mäufen die Naſe herausgefrefien ift Z 30 den 
dirmen] der See HJ Ja — Tyrol! fehlt HJ 
Sechste Scene. Anderes Papier H 143, 12 fei — Thaten, ] 
erlaube keine, FI 13 That fehlt J 15 Schauder! Schauder! 
J 18 wird über dürfte H 20 nit einer hinauf geleiteten 7 J 
Sprige J 24 dereinft fehlt HJ E' vgl. Tgb. vom 19. April 
1345 (II S. 148): Ein ſchwächlicher Sohn, der feinen Vater zum Duell 
ſo dert, weil er vor dem ſchon zu viel von feinem, des Sohnes, Eigen- 
hum vergeudet, d. h. weil er die Säfte, aus denen der Sohn werden 
!oflte, verſchwendet hat, ehe er ihn zeugte. 27 vgl. zur Judith 64,7 
Siebente Scene. 144,4 [Die follt! ih Euch einen andern 
führen!] Würde H einen aus den H 21 Di [hier] 7 
>21f wird’3 ... fegen, zuerst ſetzt's H 23f hier — Walde) in 
diefent Walde H 35 gezogen, [ich weiß, fie ift [hwer!]] HU und 
ohne H 29 mid) jegt A nach fhaudert!]) Muß es denn ſeyn? 
gestrichen, aber wieder unterpunctiert. A 
Achte Scene. 145,3f Ih — nur! später mit anderer Tinte 
über der Zeile H 7 später für So jung, fo fchön, und fchon dem 
Tode verfallen? Es kann nicht feyn! H [vgl. 146, 11 f] 15 f mit 
anderer Tinte über Wenn ich ihm wieder begegnete, wäre mein 
leßter Wunfh erfült. H 25 eriparen? wollte Hebbel durch 


mit ihrem Blut bezahlen? ersetzen, strich dies aber wieder H 28 
nicht — fährt, über feinen See erblidt, H 29 begen, über haben, 
H 29f der — umwillfürlid zuerst keine Pijtole, ohne ein Zuden 


in den Fingern H 31f fih — jede über doch am See vorbei: 
geht und die Z 32—146,2 Ein — verdienten. später zugesetzt 
und vielfach corrigiert H 146,3 von hier andere Tinte H 
mid ſſelbſt]) 7 6 zuerst hab's auch faum gelernt, Schmetterlinge 
H 9£35 — rufen. hinter Die den Tod nur erleiden kann 
[darüber Ich kann den Tod rufen und aufjucdhen, aber ich kann] der 
ihr fih, nur auffuchen. wohl rufen, aber nicht ohne Schauder daran 
denken Bann, ihm fein finftres Geſchäft felbft abnehmen zu müffen 
— daß ich ihm fein finftres Geſchäft vielleicht felbft abnehmen muß. 
H 15 Zweiter über Mann, wie Sie, H 24 Menſch, [auf den 
man ein größeres) 7 26 fehlt H 33 darauf — mehr! über 
das hätt’ ich erwarten fönnen! H 147,4 id'3) ih HE! 6f 
des — trägt!] eines Mannes würdig! H 7 meines Geſchlechts] von 
Hebbel, Werte IL 26 








402 Lesarten und Anmerkungen. Jırlic 


ung E! 8 So — Borübergehen über Zum Zeitvertreib H 
Lohn A 21f an — ward,) die betrogen ward, H 23 f 
— bätte!] e8 wirde der Treubrüche nicht jo viele geben, die Bı 
würden jchaudern! H von 26 anderes Papier, andere Scl 
H 148, 4 ahnen hinter errathen über wiſſen noch H 51 
über vielleiht H 6 über Wiſſen — iſt! Kennen Sie die N 
eines Mädchens? H doch, lachen Sie do! H 7—9I wen! 
Nofen, am Rande zugesetzt H 9f Blicke — zeigt, über 
liebften Briefe ſchwört, H 12 zuerst ihre Blicke aus Theilno 
und H 13 anfängt, über beginnen, um die H 15 ihren f 
E! 17 weden — Shren über rufe Deinen H 17—19 mit 
wird, über feinen Dold gebraudt, H A den über feine: 
in — ift, über die fie umſchloſſen, Z bineingejunfen iſt,) hir 
taumelte, H mehr [entwindet. Nicht wahr, dafür fann fie 
22 Mann, [der zu lieben anfängt,] H 23 thut, [zu lieben anfä 
weil fie ihn nicht] H 24 wagt, [die ihm gewiß wäre] 7 
zuerst hatte mein Herz ſchon zu tief bewegt, H 149,7 —9 ı 
— antwortete; über ja es ſchien ihm nidyt zu mißfallen, wenn 
darauf hindentete, er lädhelte bloß und fagte: H I erjt lg, 
H 10 Har] bel I 10—12 Ih ward es — ward's! fehl 
13 Weib über armes Mädchen H 19 Gleichviel] Ich wari 
21 zugleidy fehlt dafür als ob ihn H 23—25 Niht — weni 
dafür, vielfach corrigiert: Nein, verjepte er, nein, obgleih er zu 
Südlichen gehört, aber fag’ mir an, bin ich der Einzige, der Dich li 
Und als ich ihm bloß mit einem Blid [der] unwilliger [halb des 
willens halb] Verwunderung antwortete, fuhr er fort, indem er mich 
tracdhtete, al® ob id; ein Bild wäre: das kann nicht feyn, fie ift zu fc 
o, daß ich den jegt vor mir fähe, der am glühendjten für fie ſeufzt, 
tbaue in meinem Himmel nur ganz auf an feiner Hölle! I 26 
über feine H rief aus: über ſprach: H 27 f was — tor 
fehlt, dafür wie die Menſchen mid — — H 29 murmielte i 
ſprach H nun [mußt Du] A 150,2 von da anderes Paj 
anderer Schriftzug H I Morgenjonne über Morgenröthe 
14 Wode, E 16f vgl. das Gedicht An Christine (Zukı 
1899 VII ©. 201): 
Die Trennung von der Liebften zeigt mir an, 
Wenn auch die Heinfte fhon mit Schmerz durchhaucht, 
Daß man von feinen Leben jcheiden kann, 
Und doc nicht gleich darum zu fterben braucht! 
und Agnes Bernauer IV 8: Seht Ihr, Türring, daß man von feiı 





Julia 1 8—II 1 Lesarten und Anmerkungen. 403 


Leben jheiden fann, und darum doch nicht gleich zu fterben braucht? 
22 verwandelt, [und die ganze Natur umfehrt) 7 26 können, [die 
Sriefe und Grüße für fie beftellen] H 27 entjeglih, über 
fürchterlih, H 151,4 [Sollte id} das thun] und H 4—6 jein 
— Geſicht. am Rand zugesetzt H 6 zeripringende® unter 
berftendes A 8 Bild [ergreifend] H 10 darauf [wie 
es ſchon einmal Einer gefhehen ift, beim erften Schritt] 
k 14 einmal [(Einer] H 12 Gewalt über Macht H 15 
id (wußte, da mein Dater fih nod eher in ein geheimnißvolles] 
beſchloß A 16 einen — genannt, über der Zeile 7 Stadt 


genannt, A 17 ihm [nidt von dem Kebendigen, nicht von dem 
Codten] HA 21f und — bheiligere fehlt HE! von 25 anderes 
Papier H 28 berühren, über faffen, H 30 eine [Miffethat 


erfparen.] H 32 [Ift dieß ein Mann?] Ha! A 152,3 mid, 
lich habe Sie zur Flucht verleitet, Ihre Thränen haben mich be: 
Dogen, Sie in feine Arme zurüdzuführen!) H 4 Ich — Ent- 
fü hrer! fehlt MET 5 zuerst Julia. Soll ich da wieder verehren, 
Do ih Schon verabſcheut Habe und verabfcheuen mußte? A 9—12 
Auch — ſehen! am Fuss der Seite für wo ih noch von Jhrem 
Dafeyn Nichts wufte. Auch ich habe eine Bedingung zu ftellen, 
derın ich habe eine Ehrenpflict gegen mein Geſchlecht zu erfüllen. 
darüber Ihnen ftell’ ich feine. Daß ich ein Mann bin, daf ich als 
lolcher eine Ehrenpflit gegen mein Geſchlecht habe, werden Sie 
nicht vergeſſen — H 13 e8 Ihnen über Sie — H zujpricht über 
zu Haben glauben; 7 14 zweifle, [daß es Ja fagen wird!) 7 15 
Wenigſtens — nit! fehlt HE! 17 zuerst Julia Mein Vater — 
ch! — Es jey! (ca) H 


Zweiter Act. 


Erste Sceue. 1523,22 Man fagt, über Es heißt, H 26 
zuerst ob Valentino ich mid) nenne, H 27 mit gestrichen HZ 
wage [Der alte Tifdler, der den Sarg gemadıt hat, meinte, ich fey 
Wohl verliebt in’s Sräulein gewefen; wie feltfam muß mein Be: 
nehmen fepn, daß man’s fo auslegen Fann. Und mer’ ich das denn 
acht felbft?] H 153,3 fonft über früher H 4f jeden — 

Löffel, über jede Senfterfheibe, H 7 niederfegte, [zur Dorficht 
mahnen mögen —) H 9 nit — Unhold über ein befjerer 
Mann H Zu dem Motiv vgl. das, was Hebbel über einen Fall 
in Rom berichtet (Tgb. II S. 113 am 5. November 1); Rabl er- 





iX 
h 
x 


404 Lesarten und Anmerkungen. Julia II 2 


zählte ihm von dem Verbrechen eines römischen Totengräbers; 
im März 1846 sah Hebbel dann diesen Verbrecher, einen Neger. 
10 Man [fpridt]) 7 11—13 fo — fabelt. fehlt 7 14 [and] 
an H 15 Hineingelegt [habe) H 16 womit über mit denen 
ih H habe, [damit fie nicht Plappern,) H 18-20 Da — Steht? 
über Menſch, Menſch, Du vergift, daß Du behorcht werden fannft. H 
Zweite Scene. 153,23 itritt cin IE! 24 Balentino. 
aus Sebajtiano. geändert und so in dieser Scene immer bis 154, € 
H 25 Ich hörte — später über Ein alter blinder Bettler, der 
drunten an der Thür Pauert und anf Keichenfuchen wartet, fagt mir 
— ſprich, fprib, I 7 das] den EI Jahrszahl H ja faube 
über deutlih H 30 alt 15 H 154,2 f nit — jetzt — über 
wie fonft, ja, ja, ich würde es vergeffen, wie oft ih mich Dir fon 
zugefhworen habe und es noch einmal thun! Jetzt — H 2 Dein, 
ja, jal I 5 nahm [doch fein) H 6 brauchte [feinen Dold 
und doch —] H nein! [Ei nein] H 11 zuerst fo jriic, 
H 12f Sahſt — war? später zugesetzt H 14 Nein — jagen 
über freilich, freilihb! Und doch AZ fagen. lei viel. H 17 
ſingen ſollte fehlt, dafür nur Gedankenstrich HE! zuerst wie 
die Leichenfrauen in foldhen Fällen wohl zu ſagen pflegen. M wie jagen 
die Xeichenfrauen in folden Fällen? E1 19 Aber vorher [vor: 
her -- Komm $reund, nimm! (giebt ihm Geld)]) H 20 and man 
über Sahit Du H 21 oft — fein — über bemerfen, was zu be: 
merfen war, H 24 [böfe] Ahnungen H 25 Bemerkteſt Du 
Nichts davon?) Was 7 nach 26 [Der fommt mir fpionmäßia 
vor. Alfo, lieber Alles gefagt, als die Wahrheit!) H 30 zuerst 
Ih müßte dann zweifeln, H 32 von hier an Valentino. 
H 155,1 Sei — wahnfinniges über Bift Du zufrieden eitles H 
rubig, [Du feltfames, eitles] H 1—3 das — jein. über Du fannit ' 
Dir nob immer einbilden, — mir helfen? Ich finde in der Schuld 
einen Trojt! H 7f Schnell! Schnell!) ſey barmherzig! I I6 
ihm, [auf den Knieen werd’ ih ihn —] H 16—22 barmherzig 
— ihm! fehlt, dafür nur Gedankenstrich 7 16 fein, er muß es 
jein, 2! 20f it — das] Tas E! 24 auch! [Sahr wohl Julia!) 
H 27 den über einen fhnöden H 28 [Sahr’ wohl!) Wein: 
29 Mein — iſt über Ich bin H 31 fog. über trant. H 33 
dann [wieder Palt]) H 156, 4 über die [bemoofte über alte] A 9 
Eines Räubers! fehlt 7 16 eine [Kirfhe]) H oder — Blut 
lebt nicht daran! H 21 [ein gewiffer]) Anfelmo 4 28 bes 
halten über nehmen neben bei Seite legen H 31 der [rothe. 





Julia II 3—6 Lesarten und Anmerkungen. 405 


H von 157,1 !önnt’ ein rosa Papier H 7 in — Entſcheidung 
fehlt IE! 

Dritte Scene. 157,18 Erde! [Er allein dürfte fo etwas 
unternehmen!) H 18f Welche — ift! feblt H 

Vierte Scene. 157,20 von da wieder anderes Papier H 
29 Valentino. [Dielleiht ließe fih —] Es giebt [viele] Mädchen 
in allen Farben. H Es gibt Mädchen von allen Farben. E' 158, 1 
Spür — auf. über Es hat. Befinne Dih H [un] Du H 

Fünfte Scene. 1589 ift’3 aus ift das Meſſerſpiel H 

Sechste Scene. 158,14 Alberto.) Doct. Elias. und so 
immer H 15—17 Ihr — vermehren! später zugesetzt H 22 
von eine anderes Papier, andere Schrift 7 29 f fie — gewohnt! 
fehlt H E! 159,1 Mal! [Ic fenne eine Geſchichte —]) H 3 
jein muß, über tft, H 7 daS über was H Kirchhof [mit dem 
Sarg voll Stein] H 9 dente, [fag’ ih Dir) H 15 vor — Jahre 
zuerst mir ald Kind H 16 bat, was fie freilich nur that, um meiner 
tim [über großen Naſe]) näher zu fommen, und das Feuermal zu 
betradjten, mit dem mich der Echred, den meine Mutter bei'm Eier- 
kuchenbacken befam, ſchon vor meiner eriten Siinde brandmarfte, und zu 
betajten H Dir, [wenn ich daran denfe) H ich [mich] H 17 
Taufmaden] thun, H 18 mi [aufmachen und] H fie, [wenn 
Du fie triffft,) H 22 Alles, fehlt H 24 den Wink über das 
Seihen H 25 zuerst zum Handkuß demüthig H 26 und — 
will! über Aber, Du follft Etwas H 27 meld] wie H E' 32 
von Goldmacher obend’rein [über Dort. Elias.] anderes Papier 
H 160,4 Iafien. [Ich fehe es ein, Du mußt Deiner Tochter die 
Rückkehr und die immer noch möglihe NRedtfertiguna durh ein 
öffentliches Leichenbegängnif, das Du ihr hältft, für ewig ab- 
ihneiden; es Pönnten fonft Sweifel entftehen, ob Dein Stammbaum 
wirflid, wie Du behaupteft, im £ivius wurzelt.] H 6—9 fah 
— Träumen? über riß ich Brennefjeln über ihrem Grabe aus. Was 
hältft Du von Träumen? Mir traf fhon mander ein! Sollten fie 
nicht beſſere Spiegel des Menſchen, als er anfuft, fern? Ich fand 
oft, daß fie helle [über gute] Spiegel des Menfchen feien, wenn auch 
feine der Zukunft. H 7f — vielleiht — Du's — fehlt H 11 ff 
vgl. Barbier Zitterlein. 21 von e3 anderes Papier H 22f 
es — ein! über der Zeile H 161,2f ſich — ſchmiegte, 
über in thieriſcher, dumpfer Beſchränktheit mit £uft an einer 
fremden Bruft mit £uft ernährt, H 4 Schmeichel⸗ Erſt⸗ 
lings⸗) Küſſe 7 die [jeinetwegen)] H 6 betraditen. [Wie 





406 Lesarten und Anmerkungen. Julia II 6—S 


follte er) H fih [nah und nah) H 7 Unrifje] $ormen H 
7 £ beitimmteren Dajeyn H 12 [nedifch] gebrochene H 13 in 
[den) H 14 auffchmeichelte, über verfette, H 17—19 wenn 
— Entbehrung über er dürfte ſich einbilden, daß ihm zum Erfatz für 
fein Ausgefchloffenfeyn von ihrer Gegenwart H 24—28 am Rand 
zugesetzt H 25f halb — vergeben fehlt H E' 26 einmal 
fehlt 7 27 einen — maden fehlt H von 29 anderes Papier H 
jefbit, ob ich zu viel fagte, ob IE! 162, 1 das zweite Durch über 
und H 2 die — einft — — — über mit der ich mich für ewia 
vereint fühlte! I 4 über geantwortet hatte?) zu antworten pfleate 
H 5 nach nicht, über der Zeile ohne ein Narr zu ſeyn H mic 
[einmal] 7 6-10 Würde — felbjt! später zugesetzt H S 
die) fie H 9f ihr — ſuchte? fehlt, dafür Gedankenstrich H E! 
16 fünnen? Das Weitere fehlt H 19 Bild, ihr reines Bild H 
24—163, 4 fehlen H 

Siebente Scene. Anderes Papier H 163, 6 (tritt ein) fehlt 
H E! bittet [aufwarten zu dürfen! —) H 9 Alberto.) 
Doct. Elias. über Cobaldi. H 10f jein — Bediente — über 
mein Rüden. Der weiß immer, warum er fih büdt. H 12 it 
er über Er ıft H 

Achte Scene. 163,16 (tritt cin) fehlt H E! 18 wurden. 
Die Krankheit war nicht anftedend. Dort fteht der Arzt, er wird ei 
betätigen! H 164, 3f Dahin — Rofenfeited — später zugesetzt H 
6 f Haben — wenn — später zugesetzt H 6 Sie [die Todte 
gefannt]) H 18f Da — erkennen. fehlt H 23 Alberto] Elias 
H 30 [Diertel] Stündchen H 33—165, 1 denn — annehmen. 
am Rand für denn daß die Dame fommt, weil fie den Steinblöden 
den ruhigen Blak in dieſer Kiſte beneidet und ſich an ihrer Statt hinein 
legen will, wage ich nicht, zu hoffen, fonft bin ich bereit, jogleich wieder 
anfzufchließen, fie hinein zu paden und den Schlüffel in den Brunnen 
zu werfen, aus dem fie achtzehn Jahre trank. [vgl. 169, 18 ff] darüber 
Aber ih muß um ftrengftes Incognito bitten. H 168, 1-3 
Jedenfalls — getödtet. fehlt HE! 8f Iſt — fih über Pollen 
Sie mir vielleicht einreden, daf Wir werden erfahren, daß meine 
Tochter mondſüchtig ift, und fih H 10 verirrt [hat! Dann bitt' 
ih um Beweisl] F nah’, über nicht fern, HA 15 diefem über 
diefem über dem H 16 koſtbaren Herzen [meiner Tochter] H 
48 erft über nie A jol? über wird? H 24 Elias) I 166, 2 
mögt’3 gen H 3 bin [— verzeihen Sie, daß ib von Din] A 
Zyrol] Chwaben H 4 den — Familien. später zugesetzt H 





Sulia IIl 8-11 Lesarten und Anmerkungen. 407 


16 das fehlt Z' E? 18 in — ericheint! über in den Augen des 
Dates — H 22 bin, [verbürge Ihnen mein Dort] A 23 
Achtung [und Liebe] H 24 es [jemals] H 25 von (Königs: 
jöhnen) H 29 nicht nebenbei über ftatt H 30 Graf [fie nad}: 
geahmt) H 31 dag über ihr H 167, 1 Vielleicht! [Dielleicht 
auch nicht!] I 18 wenn über bis H 19 zuerst fie wieder 
heraus treibt. H 21 bat! [Ste hat mich geopfert! Derftehft Du? 
Einem fremden Menfchen geopfert!] H geh'n H 24 im Ber: 
Icheiden über vor dem letzten Odemzug H 27 [Mein lebtes Plingt 
gewöhnlih, wie mein...) Die 7 
Zehnte Scene. 168,9 zuerst jept ihr Herz kennen lernen, H 
14 dir — id über der Zeile H 15f Sept — ihn! später zu- 
gesetzt H 16 ganz frei fehlt 7 von 18 anderes Papier H 
13 che laut) fehlt H [Jh hör’ es aber] über [Die Gelübde 
nehm' ih nicht an! Dal Er fütrt fie dem Gr. Bertr. zu)]) Was H 19 
ipringt auf/ fehlt H 21 Meine Tochter!— Du! H 
Elfte Scene. 168, 26 zuerst Wurde diefe Dame H 27 
jelbit! [gewiß nicht von den Bettlern, die fi um die Leichenkuchen 
Ichlugen. Ich hatte fie eben vertheilt, und ich ließ in der Angft meine 
Paar Goldſtücke hinter drein fliegen, denn trog der Dämmerung 
Zttterte ih. — Freilich war es unnöthig, denn es dämmerte ja fchon 
und ich fammelte fie felbft wieder mit auf.) H 169, 1-4 vom 
ZWeiten wenn — ijt. über und vielleiht der Eine oder der Andre 
Iprict: es ift doch Schade um fiel H 1 ichwanfenden E° 4 
werde [nicht Plopfen,] H 14 [Schweigen Siel Ich ſprach ſchon! 
as H 16f wie — Herzen, fehlt H 17 das Wort über den 


Sunten H 17 f das — entflammen, über der ein lettes Horn: 
ewitter in ihm entzünden H 18 zuerst den Schlüjjel zu diejem 


Kaſten hervorzuziehen, H 23 fehlt H 27 [Id werde gehen, 
und ich gehe leichter, als ich Fam!] Gott 7 28-32 am Rande 
ZUgesetzt H 28 Tann. [Ich werde gehen!) H 29 jagen: Da 
MRS 1 über darüber verfügen, H 170, 2£ wer — fonft! über Du 
Rajı noch fo viel Zeit, fie Dir abzufchneiden! (zu Doct) H 6 Tyrol!) 
Schwaben. H 13 Schwaben! H 18 zuerst Er thue es 
Oder H 20 3h — verjuden! über So? H verfuchen!] prüfen! 
22 Nun — bezahlen! fehlt H 23—28 Bei — verlajjen! 
fehlt H 29 f über Sie opferte dem Geliebten den Dater mid) 
dem Geliebten, aber fie wollte mir den Geliebten wieder opfern — 
ich freue mich, daß ich fie noch einmal fahl Mit ihrem Herzen bin 
ich verjöhnt! Ich kann wieder etwas anders von ihr denken! H 





408 Lesarten und Anmerkungen. Julia II 12-1112 
Zwölfte Scene. 171, 1—9 fehlt H es steht nur Todtenträger 
H Auf der Rückseite des Blattes, aber umgekehrt, steht 
Dritter Act. 
Deutfchland. 





H 9 fehlt 1 


Dritter Act. 

Anderes Papier H 

Erste Scene. 171,12 [Doctor] Alberto. hier schon durchaus 
H 17 vor Alberto immer Doct. H 

Zweite Scene 172,5f im — Gottes später zugesetzt H 
9 Tod! [Das ift wahr! Dank, Dank Ihnen für diefes Wort!) H 
11 f Und — al? über Und der Tod kommt zu mir, fobald — H 
11 den] dem I rufen,] Beine machen, 7 12 billig ift. fehlt, 
dafür Gedankenstrich I 18f Was — ſchwer? hinter Ich athme 
wieder! Jetzt wird mir die Kraft zum lebten Schritt nicht mehr 
fehlen, wenn ich fie brauche. Das fühl’ ih! Darum athme ich wieder 
auf! 7 19—21 Poche -- jelbit! feblt 7 173, 2 Die — Sterne! 
fehlt 7 13 meine heilige Empfindung über mih H 16 Sie 
mußten ja später zugesetzt H 16f glauben — hätte, fehlt 7 20f 


zuerst uns an den Altar entgegen ſchritten A 231 die — 
herantrat. — —]) die — — E! duch — beranirat. —| 
mit flehenden Geberden zurüdwies, die — — H 27 die — Gold?) 


die — E' zu -- Bold? fehlt, dafür Gedankenstrich H 315 
Herz — anfängt. fehlt, dafür Gedankenstrich H einmal - - anfängt. 
fehlt, dafür Gedankenstrich E! 174,1 denn — beftimmt fehlt 
HE! 5 ed über mir ausweichen H 8—10 die — ziehen? 
über mir anmaßen werde, was niemals mein war? H 11 redt 
ift! über ich’s verdiene! A 12—15 Thun — nit. am Rande für 
behalten, als ich feiner Andern — Sie wollen es nidht! vorenthalten, 
was id — Sie wollens’s nit! H 413 madte [die ihr) ZOO 14f 
ih — bätte fehlt HZ E! 21 er — fünnte. fehlt, dafür Gedanken- 
strich H E! 22 er zurüdtehrt; fehlt, dafür Gedankenstrich H E' 
239 darf — länger zuerst wird nicht mehr H ih — ſei! — 
später zugesetzt H 175, 2 furdtfam über ängſtlich H 3 
Winkel H wovon über aber das war nicht darunter| H 5 
vielleiht [nur] H 6 Gleichviel! Wie, wenn es nun auch Menden 
gäbe, die —] H 7 da$ über alles H 7f fo hoch über 
mannshoh H 12 zürnend fehlt H 13 daß er über und H 
15 fünne — H 17 und wähnen, über und fie würde glauben, H 





Julia IIL 3—5 Resarten und Anmerkungen. 409 


18 fei, [aber dann würde fie] A 22 e3 faſſen, über erfennen, H 
23 Der [Welt] H edlen über reinen H 24 Dafein [felbft] A 
2 leuzchtende über die Welt, die dody gewiß ſchön if, H Schönbeit, 
[die doch gewiß herrlich ift,] H fann, [daß es angeftedtt zu werden 
fürch ten fann, wie in einem Kazareth und —]) H 29 fich beftreben, 
über vielleicht verfuchen, H Unglüdlihen [zurüd'zuhalten und] 
H 33 Der — vertrauen! später zugesetzt H 

Vierte Scene. 176,11 [Was] Den 7 13 Ein Fremder? 
fhlt HE! 18 meinen Raben] den jungen Schimmel H 23f 
für — nid! feblt H £' 25 Thür! [denn er ftürmte hinter mir 
dream) H 27f e8 — weil später zugesetzt A 27 wenigſtens 
fhlt H 30 nad — niederbüdte, über die ich aufheben wollte, 


H 31 angebrodyen, über da, H 
Fünfte Scene 177,5 Antonio (zu Chriſtoph). H If Sie 
— Tönnen! späterer Zusatz H 11 zuerst Welhe Augen! ini H 


Bf die — Hinunterjagt, fehlt H 15f nidt — un! fehlt H 
VE Weib — Gefiht? gestrichen, dafür Warum wohnt doch gerade 
die Menſchenſeele in einem fo undurchfichtigen Gehäufe? H 17 nach 
Beib] Du bift das undurdfichtigite Wejen der Welt! H 19—22 
für — hatte! fehlt H 178,1 — ba, ba, ha! fehlt H 2 der, 
itternd hinter einem Grabſtein hervor ftürzte] H 4 mit — 
hatte über [wie ein Maulwurf] bededt hatte, hinein zu wühlen fuchte 
H 6—12 Bon — hätte! fehlt H 12 wird [fib] HZ 30 
jo — daß über in meine £age zu verfeen, wo H 179, 16 f 
zuerst Dann haft Du nie in jeinen Armen geruht und (bei Seite) wenn 
id Did jegt niederftäche, fo aut) H 21 Feniter [des Zimmers] H 
If auf dag über die wieder gefehrte Entflohene den Leihen: H 
22 f zuerst mir ausrichtete, herabſah. H 24 fchien über die betrogen 
werden follte, fhien H 25 zuerst jie müfje fich fo lange H 26 
zuſammenleſe über zuſammenraffte H 27 ihren geöffneten 
Schlund über das mir beſtimmte Grab H ihren umſonſt geöffneten 
Schlund Eı 285 f mir — voran eilen.] ich fühlte den Boden ſchon 
unter mir drößnen. über ich glaubte, ihn ſchon fommen zu hören, 
ich tief: ich muß hinunter, mir war, als ob der Boden ſchon unter 
mir bebte, als als ob die Wände des Simmers fih zu einem Dreied 
Derjogen, ich taumelte, ſich zu feltfamen Linien verzogen, H 30 
edle fehlt H 32 f den nädjiten über einen H 180, 18f zuerst 
und die Infchriften der neuen Gräber gelejen, denn ic war entichlojien, 
mid auf dem Deinigen nieder zu jeßen und dort zu verhungern. H 
21 zmerst Sch fand Ich fand Dein Grab nidt H 25 zuerst alle 





410 Lesarten und Anmerkungen. Qulia III 5 


Abende, die auf iin H 33--181,5 Wer — Weg — am Rand 
zugesetzt H 181,5 Reg — nieder.) Weg — H Reg und — E! 
19 ff Das Motiv beschäftigte Hebbel schon in Heidelberg vgl. Tgb. ] 
S.27 vom 4. August 1836 (ungedruckt): „Der Eohn des Räubers”. 
19f mein — entjhieden, über ih war dazu bejtimmt, H 2S 
zuerst. juchte, H 33 ging über fam A 182, 1 zuerst zuweilen 
blieb er H 5 zurüd [und ward größer und ſtärker — größer] H 
6 zuerst Bater fam zur Verwunderung des Köhler trog H 7 wie 
über jetzt, obgleih H 8 jeiner Handthierung; über feinem Treiben; 
und ehe nur ein einziger Sug H 20 der [immer) 7 21 
werden?” ſGewiß war es von Anfang an feine Abficht gewefen, mid 
zum Soldaten zu machen) H 23 fhiden über eignen M if 
Einjamtfeit [meines Waldes] H 26 flug luns] H 29 und] 
oder E' 183,8 Dienjt, [der mich den Häfchern entzog] 7 11 
zuerst ch Hatte den Menſchen ſchon gefehen, H 13— 19 Hatte — 
trennen. am Rand zugesetzt H 14 Ihm aus Das war ihm H 
16 Bater [geboten gewejen] AH 19 der Menſch über er 7 20) 
berichtete über erzählte theilte H 21 f Alle® — und über Alles 
mit, was ich nicht gewußt, was ich nicht einmal geahnt hatte. H 
24f als — mit zwerst nur er fuhr mir mit A 28 jeßt jchon 
H 184, 3f ieder — bewaffnet — über Alles, was Andere 
fhüßt, was fie hebt und trägt, gegen mid bewaffnet und 
empört H 14 einem [rothen] 7 15 den [rothen] Z Ib 
und [feine Knedte]) H 19 ungereinite über falfye H 29 ax 
— vernimmit, über zuerft den Namen Deines Vaters, als ich vernahnt, 


darüber als ich zuerjt von ihnen hörte H 33 zuerst ohne einer 
Fluch ausgeſprochen hatte, ich H 185,1 geführt hatte, H wollte 
— wiſſen üher ſprach H 3 zuerst der Name Tobaldi H 6f 


fehlt H 8-10 Ich habe den [über Auch diefen) Namen [habe 
ih] gehört, er [darüber, den N Auch der Name) iſt zwifchen 
meinen: Vater und feinen Freunde [zuweilen] genannt worden, aber — 
H 16 nur fehlt 1 17 e8 — ergriff. über dann — man 
wird des Lebens unterm Beil bald müdel 7 19 die — gefaltet, 
über gebetet, H Did [zum erften Mal] H 20 zuerst vom 
Morgenſtral beleuchtet, ZZ 21 zuerst herabjchauend, H 22ff vgl. 
das Epigramm „Ein Garten‘. 24 [verbot] wehrte, H 186, 4 
durfte, über fonnte, H 7 lächelt — Dir fehlt EZ! und — ver: 
läßt fehlt HE! 12 Verzweiflung [zu der blut] H 23 £ jept 
— Gott! zuerst auf Deine Knie fiir Dein unwürdiges Wort! — H 
27 darf er] darfjt Du Z 32 jtodjt, über 3ögerft, H 33—181,1 





Julia IT 5—6 Lesarten und Anmerkungen. 411 


Benn — müfjen! über Könnteft Du Nein fagen, Du würdeft gezeigt 
haben, wie ſchnell das verlegte Gefühl Worte finden Tann! H 2 
wohl! über reht! H 3 erhalten! [Er hat Nichts für Dich 
empfunden?] H 10 Reue über Rade H 18 was — vielleicht 
später zugesetzt H 20 So [willft bift Du nod. und] HZ 25 
ganz über weit H 27 fie über Gegenwart und Zufunft H 
Wſchneidet [weil fie ihn und ihm Gegenwart und Zukunft hinunter: 
nuefcht, der) H 29 mag — weit über mag gewefen feyn, was 
H 188,7 zuerst dem dummen Kopf, der ihn nicht fahren Iafjen 
wit. Wer weiß! Wer weiß! H 9 und über vielleiht Zwei H 
10— 13 Denn — dag — über Denn unter fo viel Derehrung könnte 
ib Bei Dir fogar etwas Liebe verfteden, und das — H 12 
jittercnde] verihämte H 
Sechste Scene. 188,18 dod [feit heute) H 20 find 
<ie > fehlt, dafür Gedankenstrich H 21 Ich — Sie — am 
Rande zugesetzt H 27 zu tödten? über — Wie fann id} das! 
A 27£ Ih — follte. später zugesetzt H 30 ahne es fchon, 
H 189,8 Dolchſtoß — aber — über Schuß aus dem Buſch 
beraus,aber I 15f die — auslöfchen, über diejem, einen Öleißner 
(iber Betrüger] die Großmuthslarve abreigen H 16f Dich zu den 
Gefrã hlen, die Du begit, auch zu befennen! H 20 zuerst vom 
Rtergang retten, H 32 und — hervor, später zugesetzt H 33 
— 190,2 nie — fällt! über nie wieder zu einem Menfchen auf: 
zuſe Hen! Keinem Menſchen mehr in's Angeſicht zu ſchauen H 6 
Den, über ahnen, H 10 die über Jhr H 14 jelbft Ifaſt) 
H 17 zuerst ald das, was ich für feine jheinbare Schuld gehalten 
hat te, ih H 18 Unglüd verwandelte, da H 22 zuerst jeder 
Nacht eine I 24 Dein über Jhr 7 >5 Du felbit, über Sie 
ſelbefr H_ die über diefe A 26 im der Du Dich verrätht! 
30 retten über wieder geben H 33 Dir [den Plab an] 
H 191,1f fehlt 7 Af als ich mic des Glücks für würdig 
erklärte H 15 zuerst Sie's befehlen H 16 Welt? [u Jul.) 
KH werde gehen und Sie werden mich nie wieder fehen!] H 18 
Nerst Sie vergejjen doch nicht, H 21 Niemals! [Jch gebe mein 
Recht auf!) Z 24 Gedächtniß!] Herzen! H 27 erwirbt! über 
ver dient! H 30 drüdender] weniger H 31 wird — anefelt,) 
iſt. 7 3 ſDadurch, ich fühl's) Das H 192,7 bin, [der ich 
\Deine) 7 14 Bertram. [Bleiben Sie!) H Wohl! fehlt 
H 18 Sterbliden? über Menfhen? A 20 war über gewejen 
wäre, H 20 f zuerst wenn mir A 21f bewundern, al3 Strafe 





412 Lesarten und Anmerkungen. Julia IIL6 


für H 23 würden, [auferlegt hätte?) H nach 24 Inlia. 
Tran’ ihm nicht! H 29 auf der Rückseite des hier endenden 
Blattes stebt 
Zod. Ruhe. 
Opfer. A 

1%8,4f Selbſt — gab, über 's Selbft fühlen, daß ich H 5 [für] 
den Raub, H zu erjegen, über Erfatz zu geben, H 8 den ih 
ſjetzt) H 9 Inicht fo] von A 14 wachen! das Weitere fehlt 
H 20 durch aus dadurch frei werden fann, Shre H ein furcht⸗ 
bares Mittel — 21 Ihre — glei! fehlt H 27-30 Keinen — 
dürfte. fehlt H E? 194,6f Ob wir ed noch jeyn fünnen! HE! 





Herodes und Mariamne. 


Von diesem Trauerspiel besitzt das Goethe- und Schiller- 
Archiv zwei 


Handschriften. 


H'! in gr 8°, bestehend aus 176 einseitig beschriebenen Blättern 
verschiedener Grösse und Farbe, ist das Concept und führt den Titel: 
verodes und Mariamne. | Tragödie in fünf | Acten | Das Personen- 
verzeichnis fehlt, aber auf der Rückseite von Bl. 90 steht: 


Marianne. 
Alerandra. 
Samen?. 
Soemus. 
Salome. 
Judas. 
Artaxerxes. 
Moſes. 
Jehu. 
Silo. 
Beigebunden ist ein Blatt Briefpapier, das von Hebbels Hand die 
Verse 310 Herodes. Verdriegt es Dih? bis 344 Ein wildes 
Element u. j. w. [sic] enthält. Es ist mit Aa« bezeichnet. H! ist 
ganz yon Hebbels eigener Hand geschrieben. Auf der Rückseite 
Mehrerer Blätter stehen Spuren früherer Fassung, z. B. S 50b und 
2b, gie sind im Apparat verzeichnet zu 1305 und 1240, zu denen 
!e mutmasslich gehören. Von diesem Originalmanuscript wurde 
in Grossquart eine Abschrift 
H% angefertigt u. z. von einem Abschreiber und von Hebbels 
eigener Hand. Vielfach sind Stellen radiert und umgeschrieben, 








414 Ledarten und Anmerkungen. Herodes und 


Zusätze gemacht etc., so dass H° eine neue Bearbeitung bietet. 
HA? führt den Titel von Hebbels Hand: Herodes | und | Mariamne. 
| Eine Tragödie | in | fünf Acten. | Bon | FFriedrih Hebbel. | Auf 
der Rückseite bemerkte Hebbel: Den Bühnen gegenüber Eigen: 
thum des Verfafjerd. Auf 8. 5 beginnt der Text. Ganz von Hebbels 
Hand sind die ersten zwei Acte und die ersten Verse des dritten 
bis 1422, dann setzt mitten auf der Seite der Abschreiber ein, 
dessen Copie Hebbel verbessert, was ich: „A in ZH?“ bezeichne. 
Mitunter sind halbe Seiten ausradiert und von Hebbels Hand über- 
schrieben. Bei Act 5 beginnt wieder Hebbel selbst auf einer Rück- 
seite zu schreiben. 


Theaterbearbeitung. 


Th Handschrift in Quarto von Abschreiberhand mit eigen- 
händigen Correcturen Hebbels (A in 7%), Regiebuch des Wiener 
Hofburgtheaters für die Aufführung am 19. April 1849 zum Besten 
des Regiecollegiums (vgl. Nachlese I S. 285). Diese Fassung steht 
zwischen H! und H?, zeigt auch Übereinstimmung mit dem ersten 
Druck J. 

S Handschrift in Quarto von Abschreiberhand, Soufflierbuch 
des Hofburgtheaters, zu berücksichtigen, weil Hebbel in ihr noch 
weitere Kürzungen vornahm (vgl. 1. Tgb. II S. 309). S ist aus TA 
abgeschrieben, nachdem Th von Hebbel durchcorrigiert worden war. 


Drucke. 


J Jahrbücher für dramatische Kunst und Literatur. Redigirt 
von Professor Dr. H. Th. Rötscher. Jahrgang 1849. Berlin und 
Frankfurt a/0., Druck und Verlag von Trowitzsch & Sohn. 1849. 
S. 247—275 u. d. T.: „Herodes und Mariamne. Eine Tragödie in 
fünf Alten von Friedrich Hebbel. (Manufcript.) Erfter Alt.“ Vor- 
angestellt ist auf S. 247--249 eine Vorbemerkung von Rötscher, 
die so sehr an Hebbels Art erinnert, dass ihr wol eine briefliche 
Mitteilung des Dichters zu Grunde liegt, vgl. aber Bw. IIS. 175. 
Leider haben sich von Hebbels Briefen an Rötscher bisher nur 
wenige wieder auffinden lassen, wahrscheinlich sind die meisten 
beim Brande seines Bureaus 1862 (vgl. Allgem. Deutsche Biographie 
29, 8. 331) zu Grunde gegangen, deshalb muss diese Vorbemerkung 
hier Platz finden; sie lautet: 





Warianıne. Lesarten und Anmerkungen. 415 


Mein verehrter Freund, Friedrich Hebbel, hat mid ermächtigt, 
in den Jahrbüchern dein Publikum den erjten Akt feiner neuften Tragüdie: 
derodes und Mariamme volftändig mitzutheilen. Wir hoffen und 
dadurch den Dank der Lejer zu verdienen, da das Dargebotene ganz 
dazu geeignet ift, das Intereſſe an diejer neueiten Schöpfung des Dichters 
werregen. Das Mitgetheilte reiht hin, um die Schürzung des Knotens, 
die Anlage der Charaktere zu erkennen und die Kataſtrophe infofern 
ahnen zu laſſen, als fie, ein weſentlicher Vorzug eines dramatiichen 
Werles, in der beginnenden Kollijion ſchon im Keime vorgebildet ift, 
aus den fie in den folgenden Akten nur organisch hervorwächſt. Obgleich 
wir bier nur den erften Aft der Tragödie geben, fo dürfte es doch 
nit unangemefjen fein, dem Lefer wenigitens den allgemeinen Gedanken, 
die geitaltende dee, von der und die Drama getragen erfcheint, mit 
Benigem auszuſprechen, theild un dadurd die Spannung für das Ganze 
zu erhöhen, theils um auf den mitgetheilten erften Alt eine Beleuchtung 
jallen zu laſſen, welche dasjenige ſchon jetzt in ein richtiges Licht jtellt, 
was dajielbe vollitändig erjt aus der Anſchauung des ganzen Gebäudes 
npfangen kann. 

Hebbel hat in diefer Tragödie den bisherigen Weg feiner drama: 
tiſchen Thätigkeit infofern verlaſſen, als er nicht mehr die focialen 
Nonflitte, die aus der Stellung des Menſchen zun Recht der Gewohn— 
heit und der Sakung der Geſellſchaſt entipringenden Kollifionen zur 
Angel feiner Poefie gemacht hat. Der tragiihe Konflikt in Herodes 
und Mariamne ift anderer Art. Er zeigt ung, wie die, wenn gleich) 
durch die leidenſchaftlichſte Liebe bedingte Selbſtſucht einer hochbegabten 
deldennatur, wie Herodes, eine zarlorganifirte und tiefe weibliche 
Ratur, wie Mariamne, zu Grunde richten fann, indem fie, theils 
durch ein ungerechtes, ıwenn glei aus dem Gefühl einer Schuld des 
Gatten ftammendes Mißtrauen, theils durch eine felbjtfüchtige Zumuthung 
des Herodes im tiefften Innern verlegt, ſich demſelben innerlich eit- 
fremder und endlich) nur in der freiwilligen Vernichtung ihrer felbft, zu 
deren Werkzeug fie den Herodes mad, die legte Genugthuung für ihr 
gebrochenes Gemüth empfindet. In Herodes und Marianne reagirt 
dad Gefühl und das Bewußtſein menjchliher Würde und Hoheit gegen 
die Zumuthung, zu einem Mittel berabgejegt und der Selbſtſucht, wenn 
auch einer reichen mächtigen Perfönlichkeit, geopfert zu werden. Es ift 
das Gefühl der freien Eubjettivität, welche fi ihres unend— 
liden Werths, und ihres unendlihen Rechts bewuht ijt, das im 
Umtergange triumphirt, indem es ſich durch einen freiwilligen Untergang 
für die Herabſetzung rächt, welche es erfahren hat. Ju diefem Rückſchlag, 





416 Lesarten und Anmerkungen. Herodes un) 


welchen die Selbjtfucht einer großartigen Perſönlichkeit (Herodes), dic 
auch das geliebtefte Weſen wie ein nur für fie eriftirendes Ding be- 
handelt, durch Mariamne erfährt, in der tragifhen Sronie, daß 
Herodes, welder der Gattin, Mariamne, die Gränze ihres Lebens 
vorzeichnet und fo das innerfte Heiligthum ihrer freien menſchlichen 
Würde verlegt, felbft zu einem Mittel herabgefegt ıwird, um durch dic 
Vernichtung der Mariamne fich jelbit zu ftrafen, liegt zugleich auch 
die verföühnende Kraft diefer Tragödie, wodurch Hebbel entſchieden 
über feine früheren Zragödien hinausgegangen ift. 

Diefen allgemeinen, tiefgefabten menſchlichen Konflikt, der ſich natür: 
li erft au8 der Belanntfchaft mit dem ganzen Werke, als die Seele 
deſſelben herausftellen fann, hat der Dichter zugleich in eine großartige 
biftorifhe Beziehung gebradt. Er führt ung an die Gränzſcheide 
zweier Welten, der untergehenden alten, und der werdenden, aber noch 
erit ganz im Keime erijtirenden, neuen Welt. Hebbel hat zu diefem 
Zwed die Faktoren der Geſchichte in den Kreis der Handlung hinein: 
gezogen, das römische und jüdifche Reich, lepteres in feiner innern 
Auflöfung, nur noch durch Herodes bedeutende Perſönlichkeit zujammıen: 
gehalten; der leßtere jelbjt von vielen Parteien umgeben, mit Verrath 
im eigenen Haufe, wie mit der Beichränftheit der Selten fänıpfend, 
durch die Selbfterhaftung und durd das Bewußtſein politiider Noth- 
wendigfeit zum Mord des Ariftobolus getrieben und dadurch, mic 
durch feine ganze Stellung über dem Abgrunde, der unter ihm immer 
_ weiter reißt, in eine fieberhafte Spannung verfeßt, inı Hintergrunde der 
Entiheidungsfanıpf zwifden Antonius und Octavian, und in der 
Berfpective endlich die Geburt des Kindes, von dem cin neuer Geiſt 
über die Welt ausgeht, dies find die Elentente unferer Tragödie. Man 
wird e8 dem Berfafjer fiher ala ein Berdienft anrechnen, daß, obgleid 
jeine Tragödie in der Zeit der furdtbarfien europäifchen Kämpfe ent: 
ſtanden ijt, er doch durd) keine einzige Phraje der Zeititimmung, oder 
dem Credo einer politiichen Partei gehuldigt hat. Seine Muſe war zu 
jtolz, um durch fo unorganifche Einſchiebſel um die Gunft der leicht- 
befriedigten Menge zu bubhlen; fie wollte fih von den ımfünftlerifchen, 
tur don der Speculation auf die politijche Sympathieen der Zıshürer 
zehrenden Dichtern ehrenvoll unterfcheiden. 

Bas uns Herodes und Marianıne ganz befonder8 bedeutend 
ericheinen läßt, ijt die Kunft der Motivirung, welche man andy fchon 
in dem erjten Alt gewahr wird. Sie thut um fo wohler, als man in 
den dramatiſchen Producten der Gegenwart geftaltenden Kunit: 
verjtand fat gar nicht mehr antrifft. Bir fünnen, als Mitglied des 





Inranme Lesarten und Anmerkungen. 417 


dramatiſchen Comit&s in Berlin ein Lied von dieſem Banquerott 
tünttlerifher Compofition fingen Hebbel Hat in 
Deroded und Mariamne die Fäden der Entwidelung mit 
ungemeiner Kunft gejponnen, für die augenblidlihe Wirkung von der 
Bühne herab vielleicht zu fein, zu verftedt. Aber wir wollen uns 
freuen, in der gegenwärtigen Tragödie einem Streben zu begegnen 
welhes mit der Natur in der Gejegmäßigkeit ihre® Ganges, in der 
Notwendigkeit ihres Prozefies metteifert und feine Ehre darin ſetzt, 
dem Zufall fo wenig Spielraun als möglich zu laffen. Wer den Stun 
dafür noch nicht eingebüßt hat, wird auch das in Deroben und 
Mariamne Geleiftete zu würdigen wifien. 


H. Th. Rötſcher. 


Ende des Jahres 1849 begann der Druck für die Buchausgabe 

E Herodes und Mariamne. | — | Eine Tragödte | in fünf Acten | 
von | Friedrich Hebbel. | — | Wien. | Berlag von Carl Gerold. | 1850. : 
203 Seiten 8°. Eine weitere Ausgabe kam zu Lebzeiten des Dichters 
nicht mehr zu Stande. E liegt dem folgenden Drucke zu Grunde, 
doch wurden einzelne Versehen nach den Hss. gebessert und die 
Grundsätze dieser Gesamtausgabe durchgeführt. 


Lesarten und Anmerkungen. 


Titel. 2 Eine fehlt MH! 

Perſonen. 1—22 fehlt H! 8 Samead, J nach 
10 radirt Ein römiſcher Bote. H* 13f fo — Diener. fehlt J 
17 Philo fehlt J nach 17 Philo, Soldat. J 18 fehlt J 
24 Heiligen J | 


Erster Act. 


Erste Scene. vor I Erste Scene. Serufalem. König: 
fihe Burg. Audienz-Saal, worin Viele harren. Herodes tritt 
heraus. Ihm tritt entgegen: Joab. A! nach 2 {für fid) Er mögte 
ſich vor Zeugen hören lafjen. TA S vor 5 Juda 8).] einem Offigier) 7A S.J 
9 Judas.] Der Offizier. und so immer H' vor Irr']) Wenn 
H 14—16 am Rande nachgetragen für 

Man jah, da Alles fon in Slammen ftand, 

Ein Weib im... Glut. Ward fie gerettet? dies verbessert zu 

Man ſah, als ſchon das Haus in Flammen ſtand, 

Ein Frauenbild [in all der] in der Glut. Ward fie gerettet? H' 

Hebbel, Werte II. 27 








418 Lesarten und Anmerkungen. Herodes uni 
[T: 


21 Auf dem] Worauf HI! 23 am Rand für Nun aber fey de 
Tod ihr fo gewiß! H' ein über der A! 28 doch über gleid 
H‘ 32 und Fürften glei über als wär’ ich's felbft, ZZ! vo 
34 Sameas (Rhärifäer). H! zuerst Serubabel. H' 40 hoffe) dent 
H! 45 zuerst ih Dir daflir, daß Du H! 46 Nicht [länger 
H‘ 49 diefen Mauern. über meinem Palaftl H' vor 5% 
(hämiſch) TA S 52-54 fehlen H! H3 lies meine, 5 
nun über da H! bietet, A 57 zuerst So nehme id) fie wah 
und warne Dih H' 58 zuerst die dem Herrn mißfällt! HI 
62 (zu einem Dritten) HI! 63 später zugesetzt H nach 6 
scenische Angabe fehlt M!.J 66 f später zugesetzt A! 6‘ 
treu über einft H! 70 f nur Was bringft Du mir? HZ’ 7: 
Serubabel (fteit ihm einen Züngling vor. H! Den Süngling 
meinen Sohn! H1J 73—75 

Ich kann ihn nicht mehr brauden, hinterm Pflug 

Zu gehen, widert ihn, Mufif zu lernen, 

Iſt er zu ungeduldig, die Pofaune 

Wollt’ ih ihn blafen lehren, doch umſonſt, 

Mit guten Fäuſten ift er ausgeftatiet, 

Furcht kennt er nicht, nicht einmal Furcht vor mir, 

Und da, feit Du die Berge fänberteit, 

Sich drin fein Räuber weiter bliden läßt. 

Eo dient er uns zu Nichts und wird vielleicht 

Der Erite, welcher wieder feitwärt® geht 

Und unfern Mädchen ihre Waldluft ftört, 

Wenn Da ihn nicht — (zu feinem Sohn) Nun, hau nicht gleid 

Es war nicht 668 gemeint, nun wenn der König [Jo finfter 

Den Spaß verzeiht, jo kannſt auf Du es thun! 

Nicht wahr, Du nimmt ihn, Herr! Ich ſah vorm Thor 

Die römische Eohorte, die Dir dient, 

Da fhien der Burfche mir hinein zu paflen, 

Ich meine, was Geftalt und Art betrifft, 

Als Hätte er im Mutterleibe ſchon 

Darauf gedacht, ein Loch darin zu ftopfen; 

Ich ſchaute mir die ganze Reihe an, 

Bei keinen Einz’gen fam’3 mir in den Sinn: 


*8 meiter über wieder läßt, über ließ, *12 zuerst Run 
blidte nicht fo nach *17 Er ſchien gemadt, ein Loch darin 3ı 
itopfen *19 Als [wär’ er] 


“5 





Rariamne Lesarten und Anmerkungen. 419 


Der hätte auch Sandalen oder Kleider 

Zu machen Neigung und Geſchick gehabt, 

Doch einem Jeden glaubt’ ich's anzufeh'n, 
Daß er, fobald fein Hauptmann es beföhle, 
Ten eignen Bater ruhig fpießen würde, 

Und dazu wär’ mein Burſch wohl auch bereit! 
Je ſchlechter ſonſt, je befler ala Soldat! M'! 


7 Titus (tritt vor., Ein römifher Hauptmann. H! und so 


78 vor Ded’] Nenn' ihn! H! 80 f Der Dir mit mir das 


Schlafgemach bewacht — Hi vor 82 (für fi)] fehlt 7! neben 
2 steht 1.[=100] 7° 83 nach gebracht —) (für fig) HI! 84 
fehlt Mı 85 zuerst gefprochen und geflucht! ZU! 87 —90 


Ich Hatte nicht das Recht, ihn aufzumeden, 

Er dient [über fteht] nit unter mir, doch merkt’ ich's mir, 
Weil es mir Pflicht ſchien, fein Verſeh'n zu melden, 

Und fah auf ihn, um, wenn er fallen jollte, ZZ! 


88f gestrichen S 92 später zugesetzt H' Denn Morgen 
war H\ 93—97 


Da aber fing er plötzlich an, die Lippen 

Zu regen, dann zu murmeln und zu fluchen, 
Verftehen konnt’ ich Nichts, al8 Deinen Namen 
Auch kam was vor von Edom, da ijt Alles! 


Herodes. 
Du irrteſt nicht? 
Hauptmann. 
Dann hätt' ich ſelbſt geſchlafen A! 


101 Joab, der bleibt) 7! 104 zuerst Da ih ihn ſtraflos laſſen 
muß, wenn ich HZ’ 105 zuerst aus den Sündern Heil’ge H' 
106 Bei jenem Meinen Bergvolk etwas H* 106 vor Nein.] Zu 
wenig Mı 110 Und Rom — der Menſch HA! ſicher über eine 


111 zuerst Er hätte H' 112—114 am Rande zugesetzt 
112 der fogar,] diefer au, A! 115 m Rom? H' Ich 


ſprach Antonius! M! 116 Ein — Unfang! fehlt A! ge- 
strichen S zugesetzt H° 119f gestrichen S 122 zuerst So 
oft ih fam! H' 123 No aus Sih H'! 124 Du [Dich auf 
die Stunde) 7! 125 zuerst Jh fam in jeder A! 127 zuerst 
IH ging nicht von der Stelle, ruhig harrend, MH! 128 mir — 


— — — — 


*28 zuerst Burſche auch *29 später zugesetzt 
7* 





420 Zesarten und Anmerkungen. Herodes m 
1 


boten,} zuerst mid) zum Imbiß luden dann mir den Imbiß brachten, 
dann Lemma ZH! 129 zuerst höhniſch riefen: ZI! statt 
132 --1062 
Herodes (für fid). 

Wär's möglih? Hätt’ er die Kleopatra 

Bergefien, wär’ von Connenftich genefen 

Und ftellte jeßt ein Ehmanndmufter auf? 

Dann hätt’ ich mich verrechnet, wie Dctav, 

Der ihm die Schweiter fiher nur vermäßlte, 

Um: ihm dereinjt für feine Eheſünde 

Sein Stückchen Welt ald Buße abzufodern! — 

(zu Joab) 
Was ſchweigſt Du fit? 


Joab. 
Du hörteſt nicht auf mich! 
Am Ende glückte mir — 


Herodes 


Was einem Klügern 
Im Anfang auch” geglüdt wär” — " 


Joab. 
Vorzukommen! 1 
Er tafelte — 
Herodes. 
Gleichviel! Ich will nicht wiſſen, 
Womit er juſt den Magen ſich verdarb. 


Joab. 


Er füllte einen Becher an mit Wein 
Und rief: den leere auf mein Wohl! Ich ſprach — 


Herodes. 
Ich weiß es ſchon, da ſprecht Ihr Alle gleich! *15 
(für ſich) 
Was Mofes bloß gebot, um vor dem Rüdfall , 


— — — — — 


*4 zuerst Dann müßte *6 zuerst Um ihn als Strafe für 
die Chejünde dann Um ihn ale Schwager für die... dann der 
Text *7 zuerst Die halbe Welt zur Strafe *13 au über 
mir *16 zuerst Mofes vorjchrieb, um ſich [darüber fie] 





Rarianıne 
11] 


+. 


35 


20 


Lesarten und Anmerkungen. 


In feinen KälbersDienft dies Bolt zu ſchützen, 

Wenn er kein Narr war, das befolgen fie, 

As hätt’ es einen Grund an fich und gleichen 

Dem Kranfen, der nad) der Geneſung noch 

Das Mittel, das ihn heilte, — fort gebraudit, 

Als ob es nähren könnte, wenn man's ihn: 

Nicht aus der Hand reißt, bringt ed ihm den Tod! 
(su Joab) 

Was fprah Antonius, als Du den Beweis 

Ihm gabit, daß unfre Neſſeln noch — ich meine, 

Daß wir den Herrn vor Menfchen nie verläugnen 

Und Brot und Wein aus Heidenhand verſchmähn, 

Obgleich e8, wenn wir's aus Verſehen nähmen, 

Vielleicht nicht ganz fo fchlecht, wie Gift bekäme, 

Bas ſprach er, als Du an den Magen griffit, 

Dih krümmteſt und — 


Joab. 


Sagt meinem Kellermeiſter, 
Er ſoll den Schimpf vergeſſen, den der Syrer 
Ihm angethan, mir ward ein gleiches Loos! 


Herodes. 
Und dann — 


Joab. 


Dann ward er luſl'ger, wie vorher, 
Und ſagte, wenn ich dieſen tödten wollte, 
So brauchte ich ihn nur acht Tage lang 
An meinen Tiſch zu zieh'n, und den Tribut, 
Den Erd' und Meer mir zollen, d'rauf zu ſtellen, 
Er würde müßig ſitzen und verhungern 
Und no im Sterben ſchwören, er fei fatt! 





*17 zuerst In Euren alten Kälber-Dienft zu 


Beil er fie 


— * 
26 aus wir vor Menſchen nie den Herrn verläugnen 


421 


218 zuerst 


kannte, °22 zuerst ob es Speiſe wäre; *26 zuerst 


Daß wir im Angeſicht des Herrn der [Welt] Erde 
den Herrn des Herrn der Erde [über Welt] nicht verläugnen, 


*228 f am 


Rande zugesetzt *31 zuerst Bon Leibweh murmelteſt *35 zuerst 
Und fragte mid, ob, wenn er mich acht Tage 


422 





Lesarten und Anmerkungen. Herode3 und 
(11 


Herodes. 
Ja, ja, ſie kennen uns! 


Joab. 


Dann winkte er 
Und ließ ein Bildniß bringen. 


Herode s (für fi). 
Ich verſteh! 
Joab. 
Es war das Bild des jungen Hohenprieſters, 
Der jüngſt ertrank, des Ariſtobolus, 
Den ganz Jeruſalem — 


Herodes. 
Nicht ſo betrauert, 46 
Wie ich, der ich ſein Schwäher war. 
Joab. 
Er fragte: 
Kennſt Du dieß Bild? 
Herodes. 
Und Du? 


Joab. 


Ich ſchaute hin 
Und ſchüttelte den Kopf! 


Herodes. 
So war's nicht ähnlich? 


Joab. 
Doch! Doch! Denn ſeine Mutter hat's geſchickt. 
Es wurde mir nur ungewöhnlich ſchwer, 60 
Ein Ja herauszubringen. Er verſchlang 
Das Bild mit Blicken, die mir Nein geboten, 
Ich ſagte Nein, und mied dabei das Wort. 


*41 zuerst fie wiſſen's ſchon! 53 zuerst So jagt’ ich denn 


auf kluge Weile Nein, 





a anne Lesarten und Anmerkungen. 493 
Herodes. 
Er nun? 
Joab? 
Er ſprach, das ſey doch zum Verwundern, 
Ihm hätte man berichtet — ob ich denn 
Auch Augen habe, ob ih Der nicht fey, 
Der jüngjt den Schimmel ehrfurchtsvoll gegrüßt, 
Weil er ihn für den Conſul Roms gehalten; 
Ich drauf verjegte: Nein, der bin ich nicht, 
Ich ſehe wie ein Luchs, ich ſeh's zum Beiſpiel 
Sehr deutlih, dab Du jept die Stimme runzelft 
Und eines Blicks mich würdig hältſt, als wär’ ich 
Ein Mörder mit vom großen Julius! 


Herode?. 
Das war zu fed! 


Joab. 
Ein Löwe darf's nicht wagen, 


265 Dem Wurm ſteht's frei! Er lachte auf und rief: 


Da hab’ ih Marcus Brutus ſchwer beleidigt, 
Und werde es im Hades büßen milijen, 

Er wird’8 mir nun nicht fagen, was ihm Caffius 
AL Preis gelobt bat für den VBatermord, 


u Und dieß mögt’ ich erfahren, denn die Welt 


Bar ohne den ihm ſchon gewiß, e8 muß. 
Drum mehr no als die Welt gewejen ſeyn! 


*55 zuerst Mau babe ibm dann Ihm wär’ ja doch dann der 
Text *56 zuerst Richt fehen könne, und ob ich’3 nicht fey, neben 
*57 steht 2. [= 200] *59 zuerst Ich jagte: Nein! *60 wie 
ein Luchs zuerst jcharf und fchnell dann katzenſcharf »61 daß über 
wie *64 zuerst war jehr dann find’ ich dann war zu *65 zuerst 
und ſprach: *66 zuerst [Jch hätte über Da hätt’ hab’] Da hätt‘ 
ih Marcus Brutus ja beleidigt! darnach 

Und dann zu mir: der Hohepriefter ift’s, 

Der — Ich nun: In der Chat, er könnt' es ſeyn. — 
*67 zuerst Und müßte es im Tartaros noch büßen dann Und. werd 
e3 jiher noch im Hades... dann der Text +69 zuerst Als Preis 
jür feinen Batermord veriprad, *70 erfahren, über doch wiſſen, 
°71 zuerst ohne Frevel ihm gewiß, 





424 Lesarten und Anmerkungen. Herodes 1 
1 


Dieß Alles ſprach er nicht zu mir, ih kam 
Ihm nur jo nebenbei mit in den Sinn, 


Nur in den Baufen, wenn fein Becher eben — 


Geleert war und kein andrer noch gefüllt, 
Denn, daß Du's weißt, er hielt ein Trinkgelag 
Und that daneben die Geſchäfte ab, 

Ernannte Magiſtrate, ordnete 

Dem Zeus ein Opfer an und hörte mich. 


Herode 8 für ſich 
Du ſiegſt Octavian! Es fragt fi bloß 
Ob fchnell, ob langſam! 


Joab. 
Seltſam ſah es aus, A! 

149—155 gestrichen k in TA S 155 

Als ob's noch nähren könnte; wenn man's ihm 

Nicht aus der Hand reiht, bringt es ihm den Tod! TIS 
[vgl. oben *22 f] 162—166 von Es gestrichen S 165 zuerst 
feierlihem H! 167 —170 

Die Tafel lief't er dann am nächſten Morgen 

Am Katzenjammer durh und hält fo treu 

An ihren Inhalt fi, daB, wie er fagt, 7 
167—177 fehlen TA 8 171 Er fih mit H! zuerst Hand 
durchbohren A! 172 am Abend über im Raufh H: 173 zuerst 
ſich des Anſpruchs H' 175--177 am Rand zugesetzt H! auf Rasur 
H?° 175 zuerst wie Abends, HA! 177 mir, Eins wär völlig 
wie dag Andre, H'J 178—240 


Herodes. 
So ward das Bild vergeſſen? 


Joab. 


Keineswegs! 
Verzeihe, König, wenn Dir mein Bericht 
So vorkommt, wie ein Brief, den ich zerriſſen 
Dir überreiche, aber wenn ich Dir 
Nicht melden wollte, was ich ſah und hörte, 


*1 Keineswegs! hinter Dody nidyt ganz! *5 zuerst melden 
fol, wie mir's in Rom erging, 


> 





Mariamne Lesarten und Anmerknngen. 425 
11] 

So hätt’ ih Nichts zu melden, denn Antonius 

Trug auch fein Wort für Dich mir auf — 


Herode3. 
Natürlich, 
Ich ſprech' ihn ſelbſt, er weiß es ja. ifür fih) Ih muß! 
Hätt’ ih nur einen guten Schlangenmwärter, 
10 Der mir die Schwiegermutter treu — Sprich weiter! 
Joab. 
Er trank auf's Wohl Octavias und naunte 
Sie aus Verſehn Cleopatra, da rief er: 
Ich biſſe mir die Zunge ab zur Strafe, 
Wenn ſie nur wieder wüchſe und ich ſie 


15 Nicht nöthig brauchte, der Cleopatra — 
Er meinte die Octavia — zu ſchwören, 
Daß ich fie ewig, ewig — — nun verwirrte 


Er fi, ſprang ab, griff wieder nach dem Bild, 
Berficherte, der Hoheprieſter ſey's, 

7) Dep jähes Ende ich ihm angezeigt, 
Und nie noch hab’ er einen Unbekannten 
Co tief betrauert, ob denn Mariamne — 
Er fam auf Deine fürftlide Gemahlin! — 
Den Bruder gliche, dieſe kennt' ich doch, 

“95 Ic) möge jprechen ! 

Herodes. 

Und Du ſprachſt? 


Joab. 
Ich hätte 
Sie niemals ſelbſt erblickt, ich wär' Dein Bote 
Und ſelten nur daheim, auch wär's bei uns 
Nicht Sitte, daß die Frauen ihres Rangs 
Sich unverſchleiert zeigten, — — 


*6 zuerst So hab’ *7 zuerst Hat auch fein Wort für Dich 
mir aufgetragen dafür begann *3 mit Gleichviel! *8 zuerst 
ihn nächſtens, wie er weiß, ja jelbit! *12 zuerst da ſchwur *16 
zuerst Octavia wollt' er ſagen, zu verſichern, 20 zuerst Deß Tod 
ih ihm gemeldet, todt ſey tobt, *21 zuerst Doch Selten felten hab’ 
einen [über um] *26 erblict, über gejehn, 





426 Lesarten und Anmerkungen. Herodes Fr 
[| 


Herodes (für fi). 
Diariamne? 
Ha! 
Joab. 
Doch ihr Bild wär' in Egypten mir 
In Cleopatrens Pallaſt vorgekommen, 
Dort hinge es — ob er es überſehn! 
Ob es erſt nach ihm aufgehangen worden, 
Vermög' ich nicht zu ſagen — gelt' auch gleich! — 
Verſetzt' er lachend, was dort hange, ſey 
Des Hängens werth, — denn Cleopatra fürchte 
Die Nebenbuhlerinnen ſo, als ob 
Sie welche hätte — Was den Bruder aber 
Betreffe, fuhr ich fort, den jüngſt im Bade 
Zu Jericho ertrunknen Hohenprieſter, 
Den Ariſtobolus, ſo habe Gott 
Nicht wenig Urſach' neidiſch auf den Maler 
Zu ſeyn, der ihn ſo völlig übertroffen, 
Daß man ſein Werk nicht einmal mehr erkenne. 
Er unterbrach mich, meinte, todt ſey todt, 
Doch thu's ihm leid, auch werd' er unterſuchen, 
Ob nicht, ich weiß nicht, welche Ungebühr 
Im Spiel geweſen und ob bloß der Fluß, 
Der Jericho beſpült, zu ſtrafen ſey. 
Nun nickte er mir zu und hieß mich gehn! 


Herodes. 


Du mußt ſogleich nach Rom mit mir zurück. 
Und warteſt im Palaſt! 


Joab. 
Ich — red’ mit Keinem! HM! 


20 


= 1 


"6 


217 


184 dieſes auf Rasur H? da8 ih 7Th 185 zuerst Betrachten 
und ihm darauf fagen follte, HA? und so TAS 187—193 auf 
Rasur H?® 183 fo raſch ertranf, A in TRS 188—192 ſo — 


erblidt.) 

*30 zuerst mir in Afrika +31 Ballaft über Zimmer *32 
zuerst ob er’8 benn *33 zuerst Was Nriftobolus beträfe, 
*36 zuerst Des Seh'ns nicht *37 ob [fie fie] °38 zuerst Sie 


fie zu fürchten hätte *48 ob bloß über allein 





Fgramne Lesarten und Anmerkungen. 427 
zu Jericho 

Im Bad ertrank, als Deine Kämmerer 

Im Waſſer mit ihm rangen. Wie ich hörte, 

War es ihm längſt durch Deine Schwiegermutter 

Schon zugeſchickt, doch er verſchlang's mit Gier, 

Als ob's erſt eben angekommen wäre. TA aber mit Blei- 
stift gestrichen k in 7A S 190 fehlt J 201—214 auf Rasur 
H 201 wil] mu TASJ Das bedeutet's!] Richt's ihm aus! 
Th S 202 fehlt J 202 — 214 

Neben, 

Und das durch einen Mund, dem ich die Bitte 

Um — feinen Kopfl verſchluckt' er, wie ich glaube — 

Kaum weigern kann, durch Cleopatras Mund. 

* Nun wintt er mir zu geh’n, doch rief er mih 7A S 
222-227 von Erit gestrichen S 228 aber gestrichen 5 234 
—240 auf Rasur H? 234— 239 


Genug! Du gehft mit mir nach Alerandrien 

Zurück und barfft die Burg nicht erft verlafien! 7A S 
236 Nun mußt’ ich's thun, wenn id; Dir überall 

Was jagen wollte. J 

238 Mit mir zurück nad NAlerandrien J 241 aud über denn 
A! 245252 

Beitell’ es! 

Joab. 
Wohl, Herr! 


Herodes. 


Und der Galliläer 
Tritt für ihn ein, der Sohn des Serubabel. 
(für ſich) 
Wenn dieſer Jüngling mir nicht treu iſt, war's 
Auch ſeine Mutter ſeinem Vater nicht! 
10 Bun Wenigſten ift er's acht Tage lang, 
Weil er hier Niemand kennt. Das ift fchon etwas! 


Joab (ad), HA! 





*2—*4 gestrichen k in TR S 
*10 f später zugesetzt 





428 Lesarten und Anmerkungen. deroder und 
[12.3 

Zweite Scene. 256 padte,] anſprang, 7! neben 256 steht 

3. (= 300) H! 259 zuerst fo lang H! 264 f gestrichen S 


Dritte Scene. vor 266 nur Ein Diener. HY'7TAJ 266 
Mariamne tritt ein). Herodes (ip AYTASJ 269 zuerst ab, 
noch einmal fommen HM! 270 am Rand zugesetzt H' 271 
zuerst Wär', däucht mir, ſchon für Zi 280 Hinunter] Tagtäglich 
H?° 2855 Daß er Dir drunten Berlen Th und so zuerst auch 
8 286 ff vgl. Tgb. vom September 1844 (II S. 108): Die Geſell— 
ihaft tödtet den Verbrecher, um ihn zu verhindern, das Böſe, was er 
möglicher Weife noch verüben könne, wirkfich zu verüben, und fragt nicht 
darnach, daß fie fo auf jeden Fall das Gute, das ſich auch doch mög: 
licher Weife aus ihn noch entwideln könnte, erftidt. 286 nach ver: 
fehrt ? statt 286— 293 


Mariamne. 
O nein Du ließeft 

Den Mörder au von Kreuz berunternehmen, 
Als einft ein Haus in Flammen ftand, und frugit ihn, 
Ob er das Kind zu retten fich getraue, 
Das drinnen fchrie, dann foll’ es feyn, als hätt’ er “ 
Dem Zod die Schuld bezahft. Er ftürzte ſich 
Hinein — 


Herodes. 


Und hatte Unglück, kam nicht wieder 

Heraus, es war zu ſpät, ſonſt hätt ih ihm ZI ThkS 
288 US es aus wilder Feuersbrunſt ein Kind J 2941—298 ge- 
strichen S 295 ff vgl. Bertram in der „Julia“ vor 299 
(fir fih) fehlt ZZ! 305 Und fol H' Wohl! Von A! 306 
—318 

Bon Berlen fpraden wir zulegt. Doch Berlen 

Eind weiß und Blut ift rotH! Wie fam ich denn 

Bon weißen Perlen auf das rothe Blut? 

Gleichviel! IH trag’ fie gern, und frag’ nicht lange, 

Ob fie der Taucher aud mit Arm und Bein “ 

Dem fehnappenden Polypen zahlen mußte. 








*1—*8 gestrichen S 1% — ließeſt in Nein! Rein! 
corrigiert S *7 Tod hatt’ er TA S 
*]1—*3 am Rande zugesetzt *4 zuerst Run ja! Ich 





[anne Lesarten und Anmerkungen. 499 


Denn, wenn es fein Geichid iſt, fie zu juchen 

Und mit den Ungeheuern drum zu kämpfen, 

So ift es meins, fie um den Hals zu winden 
8 Und mich zum Ziel für jeden Pfeil zu machen, 

Den Neid und Mißgunſt ſchnellen, das iſt mehr. 

Wer einen Kopf hat, glaubt ſich kronenwürdig, 

Ber einen Hals Hat, will auch Perlen d'ran. H'TRS 
307—314 auf Rasur H° 310—344 stehen am Schluss von H' 
auf einem besonderen Briefblatt; diese Hs. bezeichne ich mit Ha 
310 Ha setzt mit den Worten des Herodes ein Mich nicht! fehlt. 
Ha) 311 Mich nicht! Du Hu) nimmer eine] feine H«.J 
so auch H? zuerst 319 So haft H'H« ThSJ 320—324 


Marianne. 
Nun, ih muB Tidy ernitlich fragen: 

St cd Dein Wunſch, daß fie mich morden fol, 

Daß fie an mir vollbringen fol, wad Du 

An meinem Bruder — Warum fiehit Du mich 
”5 So feltfam an? — den Tod vollbringen ſahſt? 

Das war ja dody Dein Fall in Jericho? 

Dann fahre nur fo fort, wie Du begonnen, 

Und häufe die Kleinodien bei mir, 

Als wär’ id) unerfätilich, wie fie jelbit. 

“10 Das Hilft zum Zwed! As id vor einem Jahr AYTRS 
32°—329 gestrichen S 326 erite Mal, ich lächelte Hi Th S 
32° Und dachte mir [über ftill A'|: H! TA S Dein über der H' 
330— 343 

Seit diefen Kuß nun ſteh' ich offenbar 
Sn ihrer Schuld, und fiher würde fie, 


e7f Denn wenn’ fein Roos ijt, mit Gefahr des Lebens Sie in 
des Meeres Tiefen einzuſammeln, Th S *9 über um — winden] 
an mir auszuhängen ZZ! *0—*13 über 


Und all’ die Neiderinnen zu bejtehn, 
Die fie mir weden, und das ſcheint [über gilt] mir gleich. 
. So haft Du eine Schwefter Salome — H" 
212 glaubt über fühlt 7! 
*5 ſeltſam über finfter ZZ! *5 später zugesetzt H' e10 
führt zum Biel! TA S *(0 gestrichen S 
*|f gestrichen S 





430 Lesarten und Anmerkungen. Herodes und 
[13 

Wenn ich, die Perlen, die Du gejtern mir 

Geſchickt Haft, um den Naden, fie befuchte, 

Eid d’ran erinnern, und — — Zum Wenigften 

Würd’ ih den Willtomms-Trunt, den fie mir böte, 

Verſchmäh'n, und brädte fie mir im Kriftall 

Unfchuld’ges Waſſer auch für den Sorbet, 

Den fie jo würzig zu bereiten weiß, 

Als wär’ fie nicht, was fie doch ift, feit fie 

Mid) ihre Schweiter nennen darf, Princeßin, 

Ich liege ſelbſt dies Waſſer unberührt! 

Zwar würde das Nichts gegen ſie beweiſen, 

Es wär' auch ſo natürlich, denn das Waſſer 

Iſt mir nicht mehr, was es mir ſonſt geweſen, A' Th 
333f Die legten Wunderperlen um den Hals! das Weitere fehlt H«J 
344 Element u. f. w. damit bricht A« ab 348 jtet3: über oft: 
H! 353 wagt!) fudt. 7% .J 359f über Der Schwefter ſich 
erhalten fann. Und weiter, ZZ! 364 f über Zerſchmettert, eh’ 
fies thut. Und endlih nod, H! neben 366 steht 4 [= 400] H! 
368f gestrichen S 369 Wie, welchem Rumpf es fey, das feinige! 
über Wie — meinem eignen Rumpf das feinige! feyn fann! H! 
370 später zugesetzt H' 373 Als Bürgerin aus einer beil’gen 
Regung HM! 374 jagen über fpredhen H! nach 375 Hand, 
fie zieht fie zurüd.) 7! 385 Sa, ih geh’ noch Heut! nah Rom, H' 
385 f Za! Ic gehe zum Antonius, Und ob ich wiederfehre, J 386 
Und ob ich wiederfehre, A! 388 bei ihm dort HM! auf Rasur H’ 
nach 388 fpreden. A! 394 noch über mehr HZ! 395 —397 
über gestrichenem 

Wie folltet Du nicht fühlen, daB ich jept 

So Halt, jo feurig für mid, fämpfen werde, 

Wie [über Als] kalt, wie [über als] feurig ſchlägt 

Dein Herz für mi! A! 





*5 gestrichen S *6 böte, über reichte, A! °7f über 

gestrichenein 

Verſchmäh'n, und böte [über wenn] fie im Kriſtall-Pocal 

Mir Statt Sorbet auch Hares Waſſer 

Das [über Dieß] würde zwar Nichts heißen, denn das Wafjer H! 
es jtatt des Sorbets, TR S *9—*14 am Rande zugesetzt H' 
*9—*11 fehlen TR S "13 zuerst Das wirde zwar Nichte H' 
*15 zuerst es zuvor mir war, M! 





Mariamne Lesarten und Anmerkungen. 431 
13) 


402 ftarb, über jaß ‚A! 408 über Gebunden, follte frei und 
jeellos feyn! 7" 412 dies) Dad HM! 423 letzten] einz’gen 7! 
425—428 fehlen H' 425 eher) ihrer SJ fih’rer] eher S J 
433 zuerst Sie murde nicht zum Opferthier gemadt, H! 438 zu- 
erst So weißt Du, daß die Welt mid auch, daß mich die Welt nicht 
hält. darüber Was follte mich wohl halten in der Welt? dann der 
Text 41 442 Die — verließe in Der — entfagte corrigiert S 
146-448 Unfterbli wird, weil nie in ihm Dein Bild HZ! 447 
der Bharifäer fchmeichelt, 7 450 ff vgl. Tgb. vom 9. Februar 1847 
(II 8. 235 ungedruckt): „Berzeihen ie, daß ich in Gold komme; es 
it noch fein edlere8 Metall entdedt worden!" (Eine Dame beim Beſuch). 
453 später zugesetzt H'! zurüdgehalten bloß für Did; H' 
354 Ha, und fterben Dich zu jehn, A! 455 

Aus Liebe fterben Dich zu ſeh'n, den Reichthum 

Ter Welt zurüd zu ftoßen Dich zu ſeh'n, H' 
456 zuerst nachzufolgen, A" 457 Und in der Dämmer-Sphäre, II! 
458 it, Dich, Hauch zum Hauch, zu mifchen, ' 459 

Und, wie Du mit mir lächeltejt und weinteſt, 

Mit mir zugleich in's Nichts auch zu verichweben: A! 
460 freiwill'gen über des ſchnellſten HI! 462 zuerst Die Eelig- 
feit erit dann Des Lebens Höchſtes dann der Text H' 465 — 468 

Und fhwör ich's Dir, wo fändeit Du die Bürgichaft, 

Daß ich den Schwur auch bielte? Darum dent’ id), 

Du fängft, da Du mit Hoffnung und Bertraun 

4 Doch enden miülßtejt, gleich mit Beiden an! A! 

469 Leb' wohl! (Sie geht, kehrt aber wieder um) Und fehre mir zurüd! (ab) 
HA! nach 469 folgt 


Und glaube mir, daß es Naturen giebt, 

Die Jeden täufchen müflen, welcher ihnen 

Nicht ganz vertraut, und die nicht in der Probe, 
Nein, durd, die Probe jelbit zu Grunde gehn, 
Weil fie zu zart, zu edel für fie find. 

Veh’ Dir, wenn Du nicht mehr vertrauen lünnteit, 
Seit Du — Berzeih! Es iſt das lebte Mal! 


Herodes. 
Leb' wohl! 


ff vgl. 479 ff. und auch das Epigramm Der Eid und seine Aus- 
legung. 4* fändefi Tu über wärenoh 4 zuerst enden mußt, mit 





D 
Bi 


432 Lesarten und Anmerkungen. Herodes und 
Mariamne. 
Leb’ wohl! Ich weiß, Du kehrt zurüd! 7 [vgl. 
Anhang 9. 368) 
470—484 fehlen HZ! auf Rasur HZ? 471 nach Zuverſicht!] 
(für fih) Wo ijt ein Mann, 
Der diefem gleiht? Und der nur darf ihn tödten, 
Der ihn erſetzen kann. TA 8 [hier gestrichen! J 
474 vertraun, J 430 f Immer — kennſt. fehlt J 481 Darım 
J 484 (ab) feblt 7 

Vierte Scene. vor 485 Herodes (allen). H!.J 485f 
fehlen H' 487—498 daß — doch! gestrichen k in TA S 488 
Nannt' ich fie Schön, ihr Angeliht verzog, A! 489 Bis fie H' 
war — auc weiß ich e3, [über ich's ja,)] Z' 491 ihre Thränen 
jind! J TIhränen find — aud) weiß ich es, H! daneben 5 [= 500 
MH! 493f Hebbel wollte ändern um Nichts Entzweit, nicht aber 
wieder fich verföhnt, aber wieder getilgt A! 495 Ja, vor Und 
Hi 496 f 

Noch ein Geſchenk, das cr bei'm Gang in's Bad 

Für fie gefauft, von ihn: erhalten hat! A! .J darnach 

[Und da dieß Alles, Und doch ſpricht ſo ein Weib 

in einer Stunde] H! 

500 über Doch lieben foll, — auf Xlimmermwiederfehn A! 504 
Nah Rom — ins Grab — Gleichviel! Doch Eins zuvor! H! 
Alerandrien — 7 505 fehlt HA! später zugesetzt HM? 519 
fehlt A! 510f zuerst 

Colt ſich betrogen finden, wenn mir auch das Kleid, 

Das id im Augenblid des Todes trage, H' 
512 zuerst Nicht in A! 512f zuerst weil vielleiht Ein Jeder 
[über Dieb mir] ſtiehlt, Du folljt mir fiher folgen! ZZ! 515—520 
am Rande zugesetzt MH! 516 Zwar ijt Hier noch ein Hauptpunct 
zu erwägen: HM! böfer] garſt'ger ZA SH? 518 O,) Nun, H' 
519 zuerst vor mir A! 

Fünfte Scene. 520 Dein Schwäher! auf Rasur H° Herr 
Sojepp — MH! Dein Oheim! J 521 mein über das H! 523 
zuerst big er ein Wüthrich wird! ZZ! vor 524 (tritt ein) fehlt H' 
594 auf Rasur HZ? Mein König, ih vernahn, dab Tu nad) Rom 
H! 537 geheim] im Geheimen 7A SH? JE doch zerstört es 
den Vers und war daher durch die Lesart von H! zu ersetzen 
510f. zulept die Kijte, Die A! 548 später zugesetzt M'! 549 
wäre H! 552 - 564 





Nframne Lesarten und Anmerkungen. 483 
Das gilt nun gleich. Sprachſt Du den Hohenprieſter 
Nicht noch im Bade? 


Joſeph. 
An dem Eingang, ja! 


Herodes. 
So! So! Das thut mir leid! 


Joſeph. 
Es thut Dir leid? 


Herodes. 
Ich wußt' es nicht. 


Joſeph. 
F Er lud ſich für den Abend 


Bei mir zu Gaſt! 
Herodes. 


Recht! Recht! Du aber ſcheuteſt 
Die Koſten der Bewirthung, und — 


Joſeph. 
Du ſchweigſt? I! 
Schmwäher] Oheim H!J auf Rasur H*? 567 zuerst mein 
Fall bift Du 7! 568 Wärſt Du es HZ! 569 f über 
ätt'ſt Du mit mir in Zanf gelebt und Bader H! 570 Du von 
Odesmwunden Narben zeigen, H! 573 Mordthat 7! 577 Wer 
Blaupt e8 Dir? Der HI 578f Und find denn nicht die [aus Und 
Ann: find alle] Dienfte, die Du mir 7 579 zuerst vielen treuen 
A 580 zuerst in ihren Augen HZ! 583 zuerst jetzt gejtorben 
{ft? 7ı 584 Sann fie mit rubigem Gewiſſen HI 584-587 
&estrichen 8 585 Denn nit Dein H! 590 Bilb [von mir!) 
Iı 590-593 Bild! Nun kann das Dazwischenliegende fehlt H! 
estrichen Th 8 593 fie [bald] MH! 599 zuerst lege — H! 
fehlt, auf Dir! folgt Herodes. Doch HM! 603 zuerst Du 
Diſt ein Dann, von jept an ſey ein König, H' 604 zuerst Den 
Bepter reih” ih Dir, den PBurpurmantel H! 605 zuerst Häng’ 
& Dir um H' 606 zuerst Gieb Nichts davon zurüd, als nur 
an mid! H! 611 zuerst Sie ift der Faden, Sie ilt der lebte 
aden, der die Alte H' bei 612 steht 6 = 600 H'! 614 zuerst 
Sebbel, Werte IL 28 





434 Lesarten und Annterfungen. Herodes und 
I5—IH 1 

Den ber Verrath auffteden wird, wenn er H' 617f Di, das 
braucht Der Worte nicht, doch A! 618 zuerst freilich geb’ ich ihn 
H 620—625 

Nicht tragen, daß fie — — Siehſt Du, Weib ift Weib, 

Und — Du verftehft mi! H! 
625 Höre mi! Ha 627 zuerst Erwählen würde, 7! 64rf 
gestrichen TA S 644 Einz’gen F 645 Dem Rom H! wirft 
ed ihm H' 645—653 von Du gestrichen S 647 vor um] 
fie nit 4! 648 vor Wenn] Wenn's der H! 648 fl vgl. 
Hebbels Bericht über die Wiener Schriftsteller —Deputation in Inns- 
bruck: man fühlte, daß die Excefle, die in Folge der Nbreife ein 
träten, von dieſer Partei jpäter gar wohl al® von ihr vorhergefehene 
Urſachen der Abreife geltend gemacht werden könnten... 650 Aus 
welhem Du fie jeden mußt. H! 653 bewältigt 7! vor 660 
(nah einer feierlihen Baufe) MH! 661 verjiegelt hin gestrichen TA $ 
662 später zugesetzt H! lautet an den Genfer! H! (Herodes 
spricht) 663 ih d’rin H* ih darin J 665 f. 


Joſeph. 
Dann tödte mich! 


[Herodes. 
Das muß idy freilih thun, fo fehr es mid 
Auch ſchmerzen wird, nicht mehr noch thun zu fönnen!] 
Joſeph can). MH! 
Sechste Scene. 670 Fort denn nad Rom! H' radiert HM? 
692 
nach 670 steht: 87 daneben (#92) und (650) gestrichen. Die Ziffern 
605 
beziehen sich auf die Verszahlen, die. Hebbel durch Streichen er- 
reichte H'! 


Zweiter Act. 


Erste Scene. vor 671 nur Alerandra. H! 709 größ’rer 
über andrer A! 733 Und wenn der Duell des Bluts gen Himniel 
ſpritzt? A! vor 737 (mit — Händen) fehlt HM! später zugesetzt 
H? 740 zuerst durch die Freuden, die er liebt! A: 745 - 747 
Der — Kalb. gestrichen 8 nach 747 | 

Und aud uns Andern wird es nüizlich feyn, 
Wir werden durch Judäa fürderhin 





une Lesarten und Anmerkungen. 435 
Bei Nacht auch ohne Sadeln reifen können: 
Du fiehft, der König weiß wohl, was er thut! H! 
762 zuerst Der acht und vierzig Stunden faftete! dann Der mehr als 
einen Tag gehungert bat, dann der Text H' 768 zu früh auf 
Rasur 7? in Rom H! 770 - 772 zugesetzt für ursprüngliches 
Die en — H! neben 770 steht 1. [= 100] H! 770—784 
Bompejus — und — gestrichen 8 774 fehlt HY . 779 zuerst 
So fen es Pflicht, die AZ! 780 zuasst einen See vom Ocean H! 
81 zuerst übrigen getrennt erhielten, H! 784 (gen Simmel) fehlt 
H! später zugesetzt H° 786788 gestrichen Th 8 786 
zuerst jedem feiner Brüder H! nach 791 Dadurch beftrafen 
(mit einer Bewegung gegen die Bruft) H! die scenische Angabe blieb stehn. 
793 fol! hinter wird! H! 794—796 gestrichen I TI4L. 
zuerst Der zwifchen Heldentbat Und Miſſethat mich in die Mitte ftellt. 
H! 797 zuerst Nur Eins vergik H! 798 zuerst einen Feind 
zu werfen, M' 799 zuerst man eine8 andern fid) bedienen! 7! 
800 zuerst Kannſt Du leicht bewaffnen! ZH! 803 —805 gestrichen 
S 809 dem Römer zahlen auf Rasur H* nach Rom bezahlen H' 
810 zuerst Stets einzufchiden, eh’ er fällig wird, HA! 811 f ge- 
strichen 8 811 zuerst zu erhöhen, H'! 812 Sobald [über 
Wenn’s] fih bort ein [nener] Krieg H' 813 Gold, nichts weiter, H' 
814—819 am Rande zugesetzt H! fehlen TR S 816 und Gog 
und Magog HY ,817 den Winkel für fein Plägchen H' 818 
Der etwa H' bis heut’, fehlt HM! 819 zuerst Wenn er von 
Stein und Erz nur wär, wie die. dann Wär er nur aud von 
Stein und Erz, wie die. H! nach 819 eine grössere ausradierte 
Stelle, die frei blieb H* dafür vielfach corrigiert 7! 
Ihm ift die Welt ein Bergwerk, jeden Schadt 
Erobert er und läßt dann dur das Volt, 
Dem er ihn abgejagt hat, ihn befahren, 
Dem Erften dieſes Volkes reicht er aber, 
5 Der Andern wegen, die ben Knappendienft 
Berricyten follen und des Herren bedürfen, 
| Die Königskrone, und geitattet ihm, 
mm 
*2 zuerst und wann er einen König [?] feinem eriten Bergmann, 
In beffen Hand er liegt, befahren aber ließ, befahren 
Ernennt, Giebt er, der Knappen wegen, eine Krone, 
Die fie 


*6 zuerst follen, eine Königskrone 28* 





436 Lesarten und Anmerfungen. verodes II 

Bu thun, was ihm beliebt, wenn er darüber 

Nur nicht ded Amtes letzten Zweck vergißt. 
822 Du felbft beitätigft es, HZ! 826 f zuerst der in den Adern 
Ihm fließen mag H' 827 zuerst ihm zum Wenigjten zwei 
Unzen Gold H' 828 vor Glaubſt) Swei Unzen Goldes H' 
er — zurüd?] Der Schwelger weil’t [über wird) da8 Bold zurüd? 
[über verfhmäh’n?]) 7 nach 328 

Es wär’ genug, den Läfar zu bezahlen, 

Und fhäßt’ er felbft fih ab vorm Tode 
Dieser zweite Vers über Und ſchätzt' ihn feine eig'ne Waffe [Wage?] ab! 
Hi 833 fehlt H' 836—843 gestrichen TAS 836 Denn über 
So H! ein wilder] der tückſche H! 837 vor auch] ſondern 
HM! feinen Feind,) und die Schlange, H' 838 vor So] Und mandı 
Gewürm H'! 839 Wurmgeihleht über wildes Heer H! 841 
Wenn nun H! 842 zuerst Eo bau’ ih H! ich glaube,] die 
dritte! 7! 843 fehlt H 844 Tochter! [Begreifit Du, Begreifit 
Du nun, was — H! 845—850 gestrichen 7A 8 _ 845 Doch] Und 
H: 847 Gemahl,) Mann, H! 849 f zuerst braucht Ihr 
Wittwenkleid darum nicht abzulegen! HM! »51 Daß aber in Und 
defien corrigiert hin Th 8 er gestrichen 7A 8 852 vor Dir] 
Antonius gestrichen AH! zugesetzt k in 7% 8 und — nod) ge- 
strichen A in 7A 853 vor Nicht] Und wenn er’s noch H 855 
gestrichen, darüber Und wenn er's noch nicht zog, fo ließ er's nur, 
hin TkS 854—856 

Ob nit Herodes doch am Ende fey, 


Wofür er lange galt, der Zauberer, “955 


Der bier den Sturm auf immerdar befhwur! H! 
854 Daß gestrichen, darüber Weil A in TAS 857 Schaff’] Gieb 
H! 858 Erreg’ — ben zwischen den Zeilen gestrichen H! 
fchlaffen Frieden fehlt 7! 859— 861 

Der wäre bald gegeben, 

Schon ſchlug das Volk [ihn in Gedanken todt] den König, 

Wie's Keinen liebte, in Gedanken todt, den es liebt, 

Schon murmelt man — H! 
864 wenn fich jeder Mann H! 868-872 fehlen 7% 8 874 
zuerst wenn Du nur ernftlich willft 7! 875 vor Und] Und Dir das 


*8 zuerst er nur nicht *9 zuerst Zweck daran verfäumt! 
*854 zuerst Die Rüdficht ab, ob nicht vielleicht *855 zuerst 
Doc fey galt über gilt 





PRariamne Lesarten und Unmerfungen. 437 
111—3) 

Baupt H! Gaſſen] Straßen H! 876 zuerst wäre Jonas wieber 
auferftanden. 7! 877—880 fehlen Th 8 882 Die alte 
Schmach doch nicht fo ganz vergaßen, H! 886 Durch ganz Judäa 
zieht ſich unſ're Kette H% 888 Auf wie viel Eifer wir zu zählen 
haben, 7! 889 zuerst Blinder unter uns. 


Ylerandra, 


Ein Blinder? H! 
890—895 am Rande zugesetzt H'! 891 Allein er iſt von ſolchem 
Grimm H! 894 zuerst Wenn's mißlingen fann, H! neben 
894 steht 232 H' 895 fehlt A: 
Zweite Scene. (allein) fehlt 7! 899— 901 gestrichen TR S 
%3 vor Sprid,] Belüg’” 7° 906 vor fällt] fpricht gestrichen, 
aber unterpunctiert AM! 908 fein! Wenn aud fein Solder, HZ! 
%9—914 | 
Dem man [geradezu] den Kerker anweif’t, denn fonft wäre 


[Sonft wär’) Er fiber fhon zurüd! [Und das) Und wenn 
man [das] dieß 
[Kann weiter führen, wenn man es benugt — Benukt, 
fo fann es] 
[Bei Seiten] Geſchickt benupt, fo farın e8 weiter führen! 
Drum iſt es gut, wenn jegt ein Aufſtand kommt, 
Obgleich ich weiß, was es an fi) bedeutet 
Und aud), was e8 für Folgen haben wird, 
Wenu er zurüdkegrt! Wenn! Es kann geihehn, A! 
915 Bedente das! H' 919 zuerst Seyn müſſen und daß H! 
mögte. über will. HY_ 921 Echlimmfte über Ärgfte HI 922 vor 
mir] hier H' 924f und — will, am Rande zugesetzt H' 
ſchützt,] ſichert, 7! 928 Rache H! 928f und — ließe, ge- 
$trichen, aber unterpunctirt AM! nach ließe, 
An ihr, wenn fie — id glaub’ es nicht von ihr, 
Allein, wer weiß — es ftill gefchehen liegel 7! 
930 und nimmer] nicht einmal HM! 

Dritte Scene. nach 927 folgt sofort 942, das Dazwischen- 
liegende fehlt MH! (tritt auf) 9 946 vor bei] zu fehr A! 
Ich? Bei Dir? später für Hal zugesetzt H' 949 Gleich aus Noch 
H! 951 Hätteft über Wenn H'! 955 zuerst Echwert, durch jenes 
Weibes Nagel, darüber in Klammer: (der Radibin) H! Die irrtüm- 
liche Einführung Rahabs statt Jaels scheint Pfarrer Kolbenheyer 
dem Dichter vorgehalten zu haben, der am 7. Dezember 1854 





438 Lesarten und Unmerkungen. Herodes md 
[ 


antwortet: Für die Berichtigung in Herodes und Mariamne dante 
ih Ihnen fehr; mein fonft treues Gebächtni hat mir da einen Streich 
geipielt (vgl. Nachlese II S. 25). Trotzdem durfte der Fehler nicht 
durch Einsetzung der ursprünglichen Lesart getilgt werden. 956 
Wenden über Weigern H! 963 zuerst Und fjchaudernd hätte er 
fi abgewandt. 7! 964 no ih aus ih nit ZZ! 965 — 967 
gestrichen S 968 Halt’ auch jegt den Fluch zuerst halte meinen 
Fluch HM 972 erwählt, 7! 977—983 gestrichen S 931 
später zugesetzt H' 982 f gestrichen h in Th 983 Anfangs 
ihn über ihn zuerft A? vernahm. Allein] von ihm vernahm. FM! 
984 Allein ih that ed, denn ih fand den Handel H! Ich — 
fand corrigiert in Doch fanb ich felbft A in 7% 987—991 fehlen 
Th S 999 Bervegen, über Derleiten, H'! 1000 zuerst In 
einer jtilen Naht 7! 1001 liſtig fehlt H* E und ist in 7? 
gestrichen, aber unzweifelhaft nur durch ein Abirren des Auges 
aus dem vorhergehenden Verse, darum musste das Wort zur Füllung 
des Verses eingesetzt werden. 1002 zuerst Dann hättft Du mid 
Dein frommes Kind genannt! darüber Dann hätteft Du mid} gern Dein 
Kind genannt! dann erst der Text H! 1003 id — nidt. zuerst 
ich räum’ e8 ein! ich geb’ es zu! HM! 1005 und [ich vergaß] 7! 
1006 vor Die] So über ihn 7! 1007 König [Judas] 7! 1009 — 
1012 von wenigiten® gestrichen S 1011 am Rande zugesetzt 7! 
fie — prüfen. auf Rasur 7° un Did zu prüfen Zurüdhielt. 7! 
1013 Ereigniß, zuerst Begegniß, ZI! 1015 vor ja] und ein 
Bruder, dem Ich grollte wegen Nichts gegrollt. — Dodh, wenn id 
meinen Z71 1016 £ ich ihm verjtocdt [über meinem Herrn] die 
Thür verfhloß, 7! 1020 — 1023 


Mariamne. 


Und auch, weil er zu raſch 
Die Trauerkleider fand! 


Alerandra. 
Er hatte fie 7 
1025 für eh’ fie morden — später zugesetzt 
ehe fie 
An's Werk gehn, wenn die Hänbe blutig find,') 
Muß man fie wafchen, oder fie verfteden! 7: 


= 


1) zuerst An's Wert gehn begeben, da? fie [die Hände] blutig macht! 





Mariamne Lesarten und Anmerkungen. 489 
I1 3. 4) 

1032 zuerst wenn Du, als Sclavin Deines Herrn, H! neben 1037 
steht 3. [= 300] H 1041 ich [muß werde] H' 1043 räche! 
Das ift Pflicht! H' 1043 £. 


a Marianne. 
So räde ihn an Dir! [felbft] Du weißt recht gut, HZ! 
1046 Vom [blöden] H' 1053 zuerst nit zu feinem Glück; A 
1055 überwarfft! 7! 1056 ja [faum) HM! 1059 Dir) Du, 
H: 1060 f£ | 
Du liehſt ihm, was ihm fehlte, um gefährlich 
Bu fcheinen, und zu werden. E8 war viel! AH! 
1067 vor ®ie] Zum Weib H' zieht über 309 HM! 1076 ge- 
strichen 7A S 1077—10179 fehlen TA 8 1083 später zugesetzt 
H! 1090 zuerst daß ich des Troſtes A! 1091 —1103 Es — 
hinein! gestrichen 8 1091 zuerst Bedürftig ſey! O nein! ZH! 
1094 dem Mund fon über der Sunge H! 1095 dem Sclaven 
über den Würmern H! 1097 zuerst wie wir! H! 10981100 
fehlen Th 8 1098 zuerst Ich gönne ihnen ihren Troſt! 7! 1099 
taufend [Wunden] H'! nach 1099 Auf dem der König um ihn 
fämpfen muß, H'! 
Vierte Scene. 1105 fommt. HM! feit — mißlang, fehlt 7 
gestrichen Th 8 auf Rasur H? 1106—1114 fehlen HM! gestrichen 


Th S zum Teil am Rand zugesetzt H? 1114 Wlerandra 
Gu Mariamne). H! vor Dlag] Salome H! 3115f fehlen H' 
gestrichen S dafür Wird’s wünfchen H! vor 1117 (zu Jofepb) | 


fehlt 7! vor 1118 Alerandra (mit Beichung). Th SH? 1119 
in eine fhmale Kite 7 1120 zuerst 

Jag' ihn heraus, ich weiß, dab Du's verftehit, 

Und will’s, wenn Du es thuft, dafür verzeih’n, H! 
1121 zuerst Du’3 fhon einmal H! vor 1126 nur Alexandra. H' 
1126 Du mit nah Rom gereift, H' 1127 Deinen König, 
wenn fen H' 1128 Ihn vor dem LictorBeil HM! 1129 
Sofeph ZH! 1133 O Bralerei! 7! 1133—--1149 von So 
gestrichen S 1137 am Rande zugesetzt A! 1139 zuerst 
In ihrer Gegenwart noch wiederholt H! 1140 Spredjt, über Sagt, 
H! bei 1141 steht 4. [400] MH 1142 zuerst den Kopf, ala 
fie nicht von ihm ließen, weichen wollten, H' 1143 zuerst deg 
großen Römers Gunjt HZ! 1144 jünger — find, gestrichen und 
dafür fajt noch Jünglinge. H! 1145—1149 gestrichen TA 
1152 zuerst Ob er das an ſich felbft gefchehen läßt! A! 1160 f 








440 Lesarten und Anmerkungen. Herodes und 
[II 4 

gestrichen H! 1163 und 1164 scenische Angabe fehlt H' 

1165—1167 gestrichen 8 1166 f über Gestrichenem 


Und wenn Du ihrer dentit, jo thuſt Du wohl! Wer bas 
Beifpiel, das fie aufgeſtellt, 

[Dem Beifpiel, das fie aufgeftellt] 

Befolgt, der kann ein Ziel, wie fie erreihen! 7! 
1170 zuerst Kein Menſch 7! 1172 ih [elend!) ZI" 1173 f 
um feinem Haß und feiner Liebe Genug zu thun? H!so auch zuerst, 
dann geändert H? 1174—1184 

Genug zu tun? Die Sliegen zu verſcheuchen 

Genügt ein Zweig vom eriten beiten Baum! 


Joſeph. 
Sehr wahr! Und Du? 


Alerandra. 


Sie fah wohl nie im Traum 
Den Ahnherrn ihre Stamms, den großen Judas, 
Sonſt hätt’ fie wahrlich feinen Feind geſcheut!. 6 


Joſeph. 

Der König hat Recht gehabt! Ich muß die That vollbringen, HZ! 
1178—1183 stehen vielfach corrigiert und allmählich entstanden 
am Rand von H!; zuerst 1180—1183, dann 1183 oben noch einmal 
verändert, dann 1178f zum Teil in die Verse 1184f hinein- 
geschrieben. 1178 zuerst im Grabe H' 1179 darüber jedem 
Berzen lebt! H! 1179—1183 gestrichen S 1182 f zuerst 
Daß ih nicht Inien muß vor Stein und Holz, dann Daß ih noch 
niederfnieen darf vor Gott Und nicht vor Holz und Stein H! nach 
1184 Dollbringen oder fie leiden, muß die Krone H! 1185 fie 
[an mir] HM! 1186 f zuerst Ergreifen Auf's Haupt mir fegen, um 
e8 vor dem Beil des Henkers H! 1187 fihern über fhüßen H' 
1189 vor 1188 HI 1188 und 1191—1193 am Rande zugesetzt 
H‘ 1190 fehlt 7! später zugesetzt H? 1190—1193 ge- 
strichen S 


nach *1 Die Fliegen zu verfcheuchen genügt ein Sweig. *3 Sie 
[fah wohl war vielleidht die Einz’ge In Jfrael, die nie die Chronik 
las] *4 zuerst Den großen Ahnherrn Judas Maccabäug, *6 
zuerst Herodes hatte Recht. vollbringen am Rande 





Merlamne Lesarten und Anmerkungen. 441 
5] 


Fünfte Scene. 119% Diener. H? 1195—1197 später 
zugesetzt für 


Joſeph. 
Um augenblickliches? 
Alexandra. 
[caß ihn) So laß ihn kommen! 
Titus. 
Aufruhr! 
| Iofep. 


So ftelle bie Cohorte auf. H' 
1195 [Caß' ihn Sprih ihn doch hierl] Barum H! Alexandras 
Worte gestrichen 8 vor 1196 nur Titus. HM! 1196 bes 
fürdhteteft,] eriwarteteit, 77 ' 1203 Gut! über Wohl! H' 1205 
ipäter! [Solf) 7! 1206—1208 gestrichen 8 1206 zuerst Den 
alten Bharifäer, der an meinem H'! 1208 ſchließt, [wenn er mid 
fieht?]) 7! 1209 jeh’ 7 1231 nur Joſeph. HM! 1213 


Alerandra. 
Das that er! 
Titus. 
Kommſt Du felbjt? Ha 

1214 die scenischen Angaben fehlen 7! 1216 zuerst ich's befahl! 
H'! nach gebot!] (wintt Citus zu gehen. Da) HY 41217 ging über 
309 H! 1219 am Rande zugesetzt H'! 1223—1225 

Sch braude die Soldaten! 


WUlerandra. 


Meinft Du noch, A! ebenso durch 

Streichen S 

1225 Meinit Du noch, aus Scheint's Dir nidt, HM! 1226 über 

Daß der — Hi 1226—1232 von Ich gestrichen 1226-1229 
am Rande und zwischen den Zeilen für 


Marianne. 
Ih kann nur fagen, dab ich ftaune! Ich entjege mich! 
Und wahr iſt's, jterben kann [man audy durdy ihn!) der 
Waffenloſe 
Durch einen Jeden, welcher Waffen trägtl] der ein Schwert 
befigt! 
dazwischen ist geschrieben 


gegorten un 
Bird dieſe Han t eicht 
Pal gen v pinden 
un wartet \ nderb r vor! 
zeſet W 
H 1 


Mit einem 
Es röme mit nit [ 

mid H' 1228 Do 
zx H' 231 $ am Rande 7 


i 123 
az Denth Und H' 
kagtı daß Menſchen ſich ver 
Ich es nicht, ich wär zu ftol3 dazu — 
Der mug ein Meiſter ſeyn in dielet unft! H 
1234 zuerst n Weib y Eolome! 37T ® nd zu 
gesetz H' ger del H' ermebt! Ü gie ih 
nafnete) de Nicht Er! ht Er! 239 zuer® dãchte⸗ 
zielen yurttand nuß „jelleit vor 950 8 golgen e 
ei ver® £B g2r w H' 
Maria 
n xrame {eidertt, mein! guten it 
Und MN Era w und den wobel 
24 vor pleibł ig ho e 124) 1243 gatrichen 
gart ® R 
At mei Agben mit über gor det Mord) ge chert⸗ 
an nic, 
So it det ie, wie D eißi. tommel 
u u v zantit die Roche. Du nohmit 
Kür ohnd Kerlult m einer oder y (zu 
Deinen Sohn mi perlutt der Co H' 
agaa DE gc® ngeb® fehle gürd Eile) Eimit? 
weiten 6 Det eg ut gimme H 4248 zuerst vis 
die Stad peru igt iſt, * 1249 Wos Dich? über weni® 
gas hm D H' 201 zuerst 
it ypernun ig, e anze 
it aud), he € oft, ze m t jollen® 
c wi, you D „Beiden ſicher ſeyit! 1253 und 
(jpöhel 1 zuer® ch yon w _ DU pürd und ’ 
dt Rand zugeset? \ it grabttl) Dich n nit 
kürzlt in eignen Lem gatrichen 9 Krueg? AL 
muß zuleist noch für Del es peten!) H' 260— 26? \auten ! 
y, W° Philo (it EM) fehlt: 
\epd (peiht mat VhUo, zu guexaudto)· 
n der ind mit einem Cu Soqleiex 





Ir sjomne Lesarten und Unmerkungen. 443 
Bielleicht zu fpielen anfängt, daß [er’s fchnell] ex ihn 
Zufammenlegt! [und Dir, weil die Empörer das dieß diefes] 

Es fünnte die Empörer 

[Betrachten fönnten als Ermnnterung |) Ermuntern und das 

Willſt Du doch wohl nit! [über Fönnte, ohne 

daß Du’s willft!] 

neben diesen nicht gestrichenen Versen steht am Rand mit anderer 

Tinte . j 

Joſeph. 
Du haſt verſtanden? 


Philo. 
Ja! 


Joſeph. 
Im ſchlimmſten Fall! 
[Sonft nicht!) 
[Philo.] 
[Ich werde ihn abzuwarten 
Den wart’ ih ab. Dann rufe ih...) das letzte Wort 
unleserlich. 7! 
1261 f steht auf Rasur, so dass es unverhältnismässig viel Raum 
einnimmt und lautet M® 


Joſeph. 
Und mir bürgt Dein Kopf! 
Alerandra (für fi). 
1262 fehlt 7A S H° 1263 Vielleicht iſt) Ich denke [über Dielleidht. 
Wer weiß, ob] H! 1264 Wird zu gewinnen feyn! [über Nicht 
zu verwirren iftll] 7° 1265 Verfuhen — tie). fehlt A! 
fr fiß) fehlt 7! 1266 Obgleich es mic) verdädt'gen muß, [fein 
Bote] H! 1267—1270 am Rand für 
fein Bote 
Kann jede Stunde kommen, und wie follt' ich 
Den [biut’gen] Auftrag auf dein Markt vollzieh’n, wo ſchon 
Der Aufruhr tobt, der, wenn er nicht durd) fie, 
Wie ich doch glaube, H! 
1270 zuerst Sein Bote kann ja jede Stunde kommen. HM! 1271 
feblt H! 1274 über Du — aufl] 





444 Lesarten und Anmerkungen. Herodes —F 


Mariamne. 


Jh traf's! Er ſteht verwirrt! HZ! 
1276 Sobald — hören, zuerst Wenn ih den Römern melde, dann 
Sobald ih Titus dann Lemma Hi 1279 zuerst Du felbſt! 
Kannit Du dann geändert wie im Text H' 1282 jo über hart 
H! 1285—1287 davor gestrichen 


Ich ſag' ihm, welchen Frevel Du mir fannit, 


Ih fag’ ihm auch, was ich geichtworen habe; 
Ermiß mit Schaubern, was fi) daran knüpft! 


Joſeph. 
Und was — was ſchwurſt Du mir? 


Mariamne. 


Ich ſchwur Dir Nichts — 

Wie ſollt' ich ſeinem Zorn die Gränze ſtecken, e6 

Da er mich mehr liebt, als ich ſelbſt mich liebe, 

Und Dich darum auch tiefer haſſen wird! — 

Ihm aber ſchwur ich — hör's und knirſche dann: 

O hätt' ich das gewußt! — ihm ſchwur ich zu, 

Daß ich mit eig'ner Hand mich tödten werde, .n 

Wenn ihn in Rom fein Tod ereilt! Sa, ja, 

Sch Hätte Dir vielleicht dad Schwert entriffen AZ! 
1285 jage ihm, auf welde That Du fannft, H! 1286 fage HM! 
1286 f was — kommt! über was ih ihm felber fhwur, welchen 
Schwur ih ihm felbft gethan, abgelegt Ermiß mit Schaudern Mit 
Schaudern H! 1288 f Wenn's — wiſſen. später zugesetzt HA! 
1289 Muß ih ee Th 8 1290 zuerst tödten würde H 1291 
geabnt, niht HZ! Wie sich aus dieser Interpunction und aus dem 
oben mitgetheilten Material *3 f bei 1285—1287 ergiebt, ist dieser 
Einwurf trotz den vorgebrachten Bedenken in dem Munde Mariamnes 


über *1 mit welcher Schandthat *2 am Rande zugesetzt nach *2 
Dein Herz fidy trug und wie ich meinen Schwur [?] aud,... 

Ich fag’ ihm — Du Did getragen haft und, was id; 

*3 zuerst braus folgt für Dich! ſich draus ergiebt für Dich! *) 
zuerst Das hieße feinem *6 zuerst Da er mein Leben höher 
ſchätzt, als ich *10 zuerst Daß ich mich tödten will *11 zuerst 
Venn ihn — er — Du fluhit Dir felbit, nit wahr? — Fa, j— 
nach *11 Ich hätt’ vielleiht Dein eig’nes Schwert gebraudht! 





Mariamne Lesarten und Anmerkungen. 445 
J 
verständlich; ich habe nur nach Hebbels sonstiger Art den Gedanken- 
strich hinter wahr? eingeschoben nach 1291 

Ya, ja, ih hätt’ vielleicht von Dir das Schwert, 

Wie Jonathan von feinem Waffenträger, 

Mir ausgebeten, das Du trägft 7" 
1292 Hätt’ ih an ein ftolzes Angefidt A’ 1293 nie] nit I! 
1294 begann und ftünde ſchuldlos da! HM! 1295 fehlt H' ge- 
strichen S dafür 


Joſeph. 
Wie hab' ich mich verſtrickt! Und dennoch that 
Ich Nichts, als was der Auftrag nöthig machte, 
Nun es zur offenen Empörung kam; 
Wird er es gelten laſſen? Wird er nicht — 
»5 Wenn die — — Ich den?’ an Xriftobolus! 
Dan kann ihm nicht mehr traun! 


Mariamne. 
Du ſtehſt entfegt! ZZ! 
nach 1295 ungestrichen 7% gestrichen S 
So überhöflich und fo dienftbefliffen, 
Daß Salome darob in’ Raſen fiel. 
1296 meinft,] glaubft, X! TR S 1300 ich, erzitt're, ſo an Dir 7! 
1301 mid ſelber [über ſicher) an Dir rächen H! 1301 f Bid — 
glaub’8! fehlt H! TA S dafür 
würde, wenn er käme. 
Du kannſt nicht wagen, mid) zu tüdten, 
Sa, wenn Du's wagteft, e8 mißlänge leicht, TA 8 
1303 Und] Wenn er — denn H! ih finde fehlt ZZ! 1304 
Titus find’ ih jhon den Wen, H! 1305 fehlt, dafür am Rand 
Wenn Du mid nicht, was Du nit wagen darfit 
Noch diefe Stunde tödtelt, und ſey ficher, 
Daß ber mid ſchützt, wenn nicht aus Pflidyigefühl, 
So dod) aus Furt vor dem Antonius, 
e Bon dem er weiß — — was Du ja auch wohl weißt! HZ! 


*3 am Rand über Seit die Empörung ausgebrochen ift! e5 Sch 
(feh’ den] 

vor *4 Und fey gewiß, daß [diefer mich ſchützt,] der mi [hüten 
wird, *4 zuerst Wenn nicht aus Furcht nur vor 





446 Kesarten und Anmerkungen. Herobes und 

[IL5.6 
vor 1306 gehört wohl die verworfene Stelle auf der Rückseite von 
Bl. 50 in H! 


| Joſeph. 

Ach darin hat ſie recht! Ich darf ſie noch 
| Nicht tödten und — 
1306 Joſeph. Bet diefem Wort halt’ ih Dich feft! Du 7! 1307 
Di fo, wie Dich Herodes rähen H!TARS 1308 Wenn er — nit 
anders, das haft Du gelobt! darüber 

Wenn er an Pflicht fi und Gewiſſen bändel 

Nicht anders! Freilich. H! 
Wenn er — ganz fo! Das haft Du mir gelobt! 7% 8 1315 Rad} 
ſüchtig] Den finftern, 7! Ten fchnöden TR S bei 1317 steht 5. 
[500) 7° 1325 Erlefen 7 1328 zuerst 

fobald fein Bote, 

D, käm' er doch! erſcheint und mir verlündigt, H! 
1330 zuerst ihn ohne Grund ZH! 1332 zuerst Um Dih zu 
retten und zu HM! 1335 zuerst Die Thür fhon H! 1339 
fehlt Hi TA S später zugesetzt H*® 1342 zuerst Es fommt mir 
vor, als hört’ ic) das ſchon einmal! HM! 1343 fehlt H! 1345 f 
zuerst 

Nur weiter! Weiter! 
Ich ſelbſt kann Deine Rede endigen: 


Joſeph. 
Als der Gedanke, Dich zurück H! 
1351 er wieder kehrte! HM! .1352—1356 fehlen HZ! gestrichen 
Th 8 1356 f 


Mariamne. 


So war das mehr, als [über wie] eine tolle Blaſe, 7° 
1358 fie im Him wohl auffteigt 7! 

Sechste Scene. Salome folgt ihm auf dem Fuß). A! 1361 
Semand) Keinen HM! 1364 Jacob über Juda H! 1372 Dir) 
[ruft Deinen Namen] H' ängftli fehlt A Namen, fährt I! 
1373 Aus feinem Schlummer H' 1374 zuerst Niht mehr als 
einmal vor? HM! Und beute, heute MH! nach 1375 Und wo 
ich ihn im Kampf begriffen wähnte, H' 1377 ibn zitternd fuchte, 
A! 1378 und Ihr feid ganz Ai 1394 





Moriamne Lesarten und Anmerkungen. 447 
II 6] 


Mariamne 
Ein Auftrag! Dieb das Siegel! 


Salome. 
| Wohl der Auftrag, 
Ihr Herz zu prüfen und fie zu verfuchen, 
Damit fie lernt, wie Nein zu fagen ijt? 
Ich kenne meinen Bruder! Einen Auftrag, 
Der’3 nöthig macht, fie niemals zu verlafien, 
Gab er Dir nimmermehr! 


Mariamne. 
| Wenn's möglih wäre — H! 
1394—1403 von ®är’ gestrichen 7% S 1395--1398 am Band für 
So mäßt’ es jetzt dody möglich feyn! Wenn ih, 
Mir felber unbewußt, den Grund ihm gab, 
An mir zu zweifeln, müßte ih ihn jebt 
Entdeden! Jrgend eine Regung 
Unedler Art AM! 
1395 doch am erjten fehlt MH! fein! Doc fühle ih, H! 1396 
Es ift auch jegt nit A 1398 So fehr es ftürmt MT! 1399 
vor in] wenn er in diefer Stunde M' 1400 zuerst Mir nahte 
ganz H! 1401 am Rand für | 
Die ih ihm geftern, die ich nad dem Tag 
Der Hochzeit ihm gegeben haben würde! [Und ob er] H: 
1401 An meinem H! 1402 Das weiß A! zuerst mich bis 
zu Zod! H! 1403 müßte gestrichen, darüber würde 7! ja 
über und H! 1404 auf der einen Seite 60 von MH! gestrichen 


Salome. 
Ich bin, wie's fcheint, für Dich nicht da! Du 
darunter nicht gestrichen 


4 


Salome. 


Ihr ſollt es büßen! (zu Mariamne) Du auch, von Herodes 
auf der nächsten Seite 61 folgt wieder ungestrichen 





*2 zuerst Ihr Liebe vorzubeucheln. Rufe Cie *5 am Rand 
für Der’s nöthig made, ftets um fie zu feyn, darüber Der Did 
zu einer Art von Bürgen madıte 








448 Zesarten und Anmerkungen. . Herodes re 


Salome. 
Ich bin für Dich nicht da, wie's fcheint. 
und auf der Rückseite 61b 
Salome. 
Du Haft mich nicht bemerkt, wie's fcheint! Du ſtehſt 
So ſtolz und ruhig da, ale 
41405—1407 lauten zuerst 
Doch! Doc! - 
Ih bin ja Deine Schuldnerin geworden! 
Denn daß ich [jett fehej heil ſeh', dank’ ih Dir allein! 
dies gestrichen und am Rand 
Du Haft fogar die größte Wohlthat mir 
Erzeigt, die daß ich heil ſeh', dank’ ih Dir! 
dann der zweite Vers Erzeigt, ich jeh’ jegt hell und nur dur Did! A! 
1406 f Erzeigt, ich ſeh' jept hell und nur dur Di! A! 1410—1415 


Mariamne. 
Was? Aa fo! das thu! 
Und wenn er darauf hört — Was lad’ ih do? 
ft da8 denn noch unmöglih? — wenn er's thut — 
So nimm mein Wort, ich widerſprech' Dir nicht! 


Salome. 


9a! 


Er kommt! 


Alerandra. 


Joſeph 
Der König? 


Alexandra. 
Plötzlich war er da, 
Als hätt' er längſt — 


e1 fo! [ih weißl nach *1 ' 

Und ich gelobe Dir, daß ich nicht einmal 

Dir widerfprehen will. Das thul vielleicht foll ich 
*2 zuerst er’8 glaubt — Warum denn nit? Was lach’ ich? *3 am 
Rand für Wie wär’ denn jett nicht über Jetzt ift ja Alles möglid 
thut über glaubt *4 zuerst ich verurtbeile Dich... “5 Tommt! 
[Iſt dal] *5 f zuerst Wie der Dieb Um Mitternacht erfcheint er 
*5 war über ift *6 hätt’ er über wär’ er 





Rariamne 2egarten und Anmertangen. 449 
II6--IIL 1] 


Salome. 
Nun zittert! 


Joſeph. 
Naht er ſchon? 
Alerandra. 
Der König! 


Sofeph 
In der [Burg] Stadt? 


Alerandra 
[TTein]) Schon in der Burg! AM! 
1411 Und wenn er darauf hört — — Was lad’ ih doh? H' 41412 
unmöglich? — wenn er's thut — H' 1414 fehlt 7’ 
Siebente Scene. (ftürst berein) fehlt A! 


Dritter Act. 


Erste Scene. Die scenischen Angaben fehlen H' 1418 
Jagen aus melden, HH nach 1422 Wo ich bis jetzt Dein Stell 
Deitreter war, H' 1425 zwischen den Zeilen zugesetzt für am 
Rand Gestrichenes | 

Denn Teines leihen hört’ ih auf zu feyn, 

Und kann mid faun erinnern, daß ich's war — H! 
1325 am Rande zugesetzt H' zuerst gebt, mir, wie ihm! Mı 
14291448 bis nachher! gestrichen S 1431 nicht über faum H' 
1432 £ zuerst König außer Yandes Noth ift, Thun den Provinzen H! 
1435 _ 1438 gestrichen TA 1438 zuerst Steinwurf abzumehren 
H! nach 11385 Dazu warſt Du zu wader als Soldat! H! ge- 
Strichen 7A S radiert H® 1439 berüber fehlt A! auf Rasur 
kind: um Deinem Ohm, dem H' 1440—1447 stehen in 
erster Fassung auf der Rückseite (= He) 1442 Um ihm zu 
melden, Wi Ha Th S 1444—1447 lauten in He 

Zu unterhöhlen [fuchten, was nun freilich] juchten, daß es aber 

[So wenig glüdte, dat ich's gleidy erfuhr.] Nicht glüdte, 

wenn auch unter uns Propheten 
Eritanden find, die das bei Nacht verbrachten, 
Was fie am Tag vorher gejagt. 
Hebbel, Werte Il. 29 





450 Lesarten und Anmerkungen derobes und 

[ l 
4445—1448 auf Rasur k in H® 1445—14J47 Und ihn zu warnen, 
auf der Hut zu ſeyn. H'TRS 1448 


Herodes. 


Davon nachher! — ſüber Darüber mehr, wenn Du verbunden 
biſt! —] Sieh, AH! ohne das Gestrichene ThS 
1453 ftarre] zorn'ge H! Th S auf Rasur k in H® 1453— 1459 
bis will. gestrichen S 1461 auf Rasur h in H* Da id es ihm 
allein vielleiht verdante, H! TARS 1467 kann über darf H' 
1469 Soemus, Alles in Beziehung auf Alergandra) TAS 
1474 später zugesetzt, zuerst Nun ih Di fo dur Zufall wieder 
habe, H'! babe, gestrichen dafür fee, H! fehlt in H*®, da beim 
Radieren ein Loch ins Papier gerissen wurde 1475 zuerst wirft 
dies Mal bei mir ZI fchütteln [helfen] A ° 1475—1491 ge- 
strichen S 1481 corrigiert in Wir jet den gleihen Sreundichafts- 
Dienft A in TA S 1481—1495 von Hab’ gestrichen ZA 1495— 
1497 zugesetzt auf Rasur k in Hꝰ fehlen H! für 1497 
Es freut mid, Dich jo aufgeräumt zu fehn! „A! 1510 (für fi) fehlt 
H! hin H?® 1512 Betrüg’ E übersehener Druckfehler, da 
hin H* es nach H'! in Belüg’ verbesserte nur [£eg’ ihr den 
Scred,) H' 1516 zuerst Leg’8 ihr nur aus, als wär’ die 
find’ihe Scheu dann Leg’ ihr all das nur aus, al® wär's die 
Scheu dann Text H' 1517 zuerst Wann geküßt, H! zu 
1519 ff gehört eine verworfene Stelle, die sich auf der Rückseite 
von BL 66 in H' befindet; vielleicht lautete der Vers 1519 etwa 
Sie ging aus Furcht und weil fie zittert daran schliesst Ha 
. Dir zu begegnen! 
| Herodes. 
Zittert? 
Salome. 
| BE Weil fie weiß, 
Daß Du fie fprechen mußt! 
Herodes 
Was redeſt Du? 
Salome. — 
Ich wiederhol's! Ich wiederhol's vor Allen 
Die Dich umgeben, ſtrafen mußt Du ſie. 
Wenn Du Dich felbft noch ehrſt! [über nicht ſelbſt verächt⸗ 
lich werden millft!] 





Are Lesarten und Anmerkungen. 451 
Herodes. 
Und ich, bei Allen 
Die mich umgeben, warne Dich, die [Sunge) Worte 
Bu [zägeln] wägen, bie Du braudjft, und nicht zu glauben, 
Daß ich [jet] fie jebt jo leicht vergefien kann, 
Als ſonſt wohl, wo ich fie allein vernahm! 


Alerandra. 
Ras wird dad werden? 


| Salome. u 
Weiteres fehlt. 1520 vor Das] Def freu’ ih mih HY 1521—1523 
bis unterdrüdt! gestrichen 8 1523—1525 die Worte des Herodes 
am Rande zugesetzt H?. 1524 zuerst fie? Und in der Stunde 
Wo ih fie — Salome H? 1528 über Ih — Dir) Sur Warnung 
H! zuerst Eins! Du bajt mich immer HZ! 1532 zuerst leichter 
ganz gewiß, wie heute Du! ZT! .1534 zuerst fann, unb fühle das! 
H' 1535 Jede [Masfe] A: 1537 später zugesetzt HM! 
vor 1538 

Darum bift Du. nur einmal auf der Welt! 

©, o, hätt’ jedes Weib doch einen Mann, wie fie, H! 
1538 dann über nun H’ fhweigen! [Das ift Mar!) 4: 1539 
zuerst melden könnte, HM? 1540 zuerst Maskenſcherz! H' 
nach 1540 | | 

© hätt‘ doc Jede einen Mann, wie fie! 

Warum bift Du nur einmal auf der Welt! 7! 
1541 zuerst Nun wohl, der Madtenfcherz ift fo A! 1542 am Rand 
für gestrichenes | 

Daß mir, die ich die Koften tragen mußte, [zuerst Daß mir 

nicht bloß das Herz zerfpringen wollte] 

Nicht bloß das Herz dur ihn gebrochen ward, H' 
1543 berüdt über getäufht A? 1544 die Ruh aus den Mann 
H! 1552—1558 am Band für Um — Seltfam tft es zwar, daß 
fie nicht kommt! 1552-- 1554 ber — thun? gestrichen 9 1553 
auf Rasur A in H? Ein Stüd zu ſehen iſt, mir fchnell die Augen 
Durch ihre grauen Flöre zu verhängen I! 1554 vgl. Tgb. vom 
26. Februar 1847 (II 8. 239): Wenn alle Epinnen Einen Faden 
ipännen, wäre da8 Gewebe bald fertig, das die Sonne verfinjtern 
tünntee 1556 fehlt H! zugesetzt k in H*_ 1558 denn — wid! 
auf Rasur %k in A° ihr vor die Seele trat, Das, wie e NHeint, von 





452 Lesarten und Anmerkungen. Herodes und 
| [IIf 1.2 
ihr nicht weihen wil. HZ! . 1563—1565 lauten zuerst 
[Sie] Weil fie zu zuden anfing, ihr verzeih’ ich, 
An Die könnt’ ich mid rächen, wenn Du nicht 
Der Königin, die Du nor fo viel Zeugen 
Auf rohe Art zu kränken Dich erfübnteft, 7 ' 
1564 am Rand unter Noch lernen fonnte, ihr mußt’ ich verzeih’n, H' 
Zweite Scene. 1567 nidt! [Sonftl] I 1569 zuerst Ich 
bin — Du ließeft mic) entbieten! Ach bin da! A! 1572 zuerst 
Du baft mich rufen lafien H' 1573 guerst grüße Dih! Run fann 
id wieder gehn? A! Werk [ift fhnell] I! 1576 zuerst Did) 
fommen! H! 1577 später zugesetzt HM! 1578 zuerst Tod) 
nicht, damit Du Dich vertheidigteft, 7! 1584 zuerst Die, je nach⸗ 
dem fie H' 1586 einen echten über dauerhaften darüber einen 
fühnen HM! 1588 f. am Rand für Gefellft Du Dich erft heute 
ihnen zu? über Willft Du Dich ihnen jetzt noch zugefellen? M' 
1593 zuerst lägen al’ bie Städte HM! 1594 jo fange über bis 
hente H' 1600 auf Rasur k in H* Kann fie — — laßt uns 
allein! Fort! Laßet 7! 1601 (su — verzeih'n! später zugesetzt 
H‘ Alerandra — isr.) für ursprüngliches (Alle ab) H 1602 
Das wär’ über Entfelidy, H*! 1603 zuerst ®enn fie — — das 
löſcht' ich nimmer in H' 1606 zuerst Ihm gilt es HZ! 1606 f 
Er — Zeit! später zugesetzt H' 1608—1610 über gestrichenem 
Iſt Antonius denn fo groß, 
Wie ich bisher geglaubt, jo [mächtig und] dämoniſch⸗mächtig, 
ift er ein Dämon fo übergroß 
Bie er Dir fcheint, wie er Dir feinen muß, 
[3] A! 
1611 zuerst in meiner Bruft ZZ! 1613 zuerst ihm troßen würde, 
wenn er vor mid träte. darüber [roth und] [dampfend] H! 
1614—16 über 
Und mich zu werben fuchte, ihm die Seit 
Hu Fürzen, die Lleopatra, weil fie 
Doch fihlafen wird, ihm übrig lafjen mag? H' 1 
1617 zuerst Ha! Müßt' er Dich denn nicht I! 1618 werben über 
fommen H! 1619 id — ſeh's gestrichen S 1620 zuerst 
Geglaubt. 1622 später zugesetzt, zuerst Durch das Gedächtniß H 
1626 .zuerst C Schmach! O Schmad'! HA! (ausbrechend) fehlt H' 
hin H® 1627 Geheimniß? [Er ijt groß gewejen!] 7! bei 
1630 steht 2. [200; HM: 1631 mehr! aus drauf! A: 1632 
zuerst Wie ich ihn fragen will, beweil' A! 





Mariamme Lesarten und Anmerkungen. 458 
III 3—5] 

Dritte Scene. 1633 Cchwäher) Oheim H! TRSH®° 16361 
Alsbald über Sogleich H! 1637 zuerst Alles, was der Brief 
befiehlt, Bollzogen wird! Getren vollzogen wird! Den Sameas Wirf 
in’8 Gefängniß! H! 1633 zmerst Beides wird gefcheh’n! M° 
1643 zuerst nie gelingt e8 Dir, H! nach 1644 Den tädifchen, 
den Du befohlen hatteft, ZZ! 1652 zuerst Der höchſte Der Frevel 
böchiter, den man wiederholen, ZH! 1658 über Du würdeft mich 
mit Recht fo hart verfiagen, H' 1651 f. am Rand für Ich war's 
doch nur, weil ich fo viel gewagt über war es, doch ich war's nur 
weil ich wagtel H! 1657 zuerst in das Kampf:Gewmühl, MH! 
1662 zerrifien, über halbflerbend, H' 1669 zuerst Dann hab’ id 
Angft, ih könnte mich [über ih auch nit) H' 1673 später 
zugesetzt HY . 1674 meiner — ging? auf Rasur A in H* mid 
erwartete in Rom? H' 1677 zuerst aber nimmermebr 4! 1679 
zuerst Und knirſchte nit einmal — wie viel er au H' nach 
1680 Ich nahm es, wie die andern Sclaven hin, als wäre ıch fein 
Sclavl H! 1681—1683 fehlen H ' 1690 zuerst Die einen 
Bruder haben, Viele mogten H' 

Vierte Scene. 1705 grolle über zürne H! 1712—1714 
über Der Meifter feines Schidfals, Was ihn erwartete, wenn er es 
that, Und unterwarf fi dem H' 1719 zuerst Rein Ange H' 
Blick [nit eine Stunde) Z' 1720 bei Tage über beftändig MH! 
1721 zuerst Bei Naht Mi 1728 Man — id über Soll ıh Did 
Kieben, H’ 1729 zuerst Wie ih Dich Hafje Z' 1732 nach aud! 

Er hat mir Nichts verrathen, 

Ich hab’ ihn nur durchſchaut! AH! 
1732 Nichts [vor mir) H' 1734—1741 Und — kann! gestrichen 
TRS 173%—1737 am Rand für gestrichenes 

Und wenn ich, eh’ ich ihn gehört, den Tod 

Ihm geben laſſe, jo gefchieht e8 zwar, 

Um Dir zu zeigen, daß ein rafches Wort, 

Das mir entfiel, Dem Mißtrau'n nit, nur meinem Zorn 

entiprah. A! 

1735 ohne ihn über eh’ ich ihn A! 1738 zuerst und dab ich das 
Bor, H! 1739 im erften] vorhin in über in rafhem H' 

Fünfte Scene. 1743 zuerst [$ragt ſich nmfonft] Iſt ſtarr 

und fragt nah dem Warum! H! 1744—1746 am Rand für 





*1 f über Gehört, fo thu’ ich’s Zwar zum Theil, weil- ich 
Dir zeigen will. Zwar 





454 Lesarten und Anmerkungen. Herodes und 
[(II 5.6 
Den Du zum Stellvertreter oder König madıteft, als Du gingſt, H' 
17465 Wehe mir! später zugesetzt nach verschiedenen Ansätzen: 
Weh' mir! [wer fteht mir bei?] Den Kopf! — Wer ſteht mir bei! Den 
Kopfl Dir fhwindelt! 7° 1750 zuerst Willſt Dur fie Z' 1755 — 
1771 Nicht — widerjprehen! gestrichen 8 |1755 vor Sonft] Wenn 
Du HM! 1756 vor Bei] Recht fo MH! 1758 zuerst Wenn id 
es nennen wollte, H' 1759—1761 am Rande zugesetzt H! 
1762 mid) steht A’ HE 1772—1774 Du — geh! gestrichen S 
1780 fehlt HH! zugesetzt kh in H° 
Sechste Scene. 1782 zuerst joll hinunter ziehen HM! 1783 
später zugesetzt H' 1784—1786 zuerst Octavianus zog nad) 
Actium, Untonius, von @leopatra begleitet, Eilt ihm entgegen H'! 
1789—1791 zuerst nach heut! Mariamne. Er zieht no einmal! 
H! 1799 f die scenischen Angaben erst h in H* 1807 
zuerst Jetzt wirft Du's ſeh'n! 7" 1812 zuerst andern wurden nur 
A! 1814—1819 von er gestrichen, dafür und dennod kin TR S 
1816—1818 am Band für Ob Cäſars Schweiterfohn, Octavian, 7! 
1816 Der [große] Wüftling A! Wüft- und Lüftling A in H* oder 
ob Octavian über der die Nüchternheit Für einen trunfnen Suftand 
häft I! 1817 erſchöpft bat, wenn er H! die Änderung Ah in H*® 


1820 Iſt's über Wär’s H! 1835 doch [fodre] ih Hoffe. Hi 


1841 zuerst Dafür, daB... Zodten fchloß, I! 1842 zuerst und 
das Räthſel mir A! 1843 über Erflären, Wie Du erfahren konnteſt, 
was Du weißt, ZI 1844f auf Rasur hin H* 1844 fehlt 
H'ThS 1847 felbft das Billige? 7! 1847—1855 gestrichen 
TR S 1849—1855 auf Rasur k in H*® 1849—1854 

Herodes! Könnt’ ich mich mit einem Wort 

Bom Tode retten, nimmer würd’ id mid 

So tief erniebrigen, dies Wort zu fpredhen, 

Wenn ich mir jagen diirfte, daß mein Leben, 

Dein fledenlofes, ſchon gefprochen hätte, 

Ich würde eher fterben, als ein Mißtrau'n 

Unedler Art durch ſolch ein Wort erſticken, 

Vergiß das nicht! Fragt Deine Neugier einſt, Un TA S 
1855 antwort’ über fprehe 4! 1866—1868 auf Rasur A in H! 
| Den Rund, der diejen ftolzen Ausſpruch that [aus diefes 

ftolze Wort geiprochen,] 
Nicht mehr zu füllen, bis er ſelbſt ihn bricht, H ı 








*5 Geſprochen hätte] Mein H! 


"5 





re Lesarten und Anmerkungen. 455 
6 
1869 Ja über Und H! 1872 und [Dein Bild ver] 7 1874 
zuerst So thäte ihs in H! 1888 zuerst doch für Dich ſelbſt! 7° 
nach 1890 gestrichen H'! 
Du weigerit dad. Nun weiß ih denn voraus, 
Was mich, wenn mich der Tod .ereilen jollte, 
In meiner legten Stunde quälen wird. 
Ich jah vor Jahren einen Sterbenden Er 
” Auf einem Schlachtfeld, weichen ein Infect | 
' Bekroch und ftah. Er zudte noch einmal 
Und hauchte gleidy darauf den Odem aus! 
Mir war das gräßlih! Seine Wunden hab’ 2 
Ich kaum gejehen, den Anfectenjtih . — — 
"10 Seh’ ih noch jetzt. So wird's mir felbit agent 
Das Widerwärtig.Eleldaftefte . 
Iſt meine letzte Bein! Ich dank's Dir glei! 


Mariamne, 
Nicht weiter! 
Herodes. 


Nein! Nicht weiter! Lebe wohl! 
1891—1895 am Rande zugesetzt H' 1891 f. auf Rasur hin 
H®! 1892 
Geboren! Denf an die und frage Did, 
Was möglich ift, was nit! HZ! TAS 


[Herodes) | 
[ie meinft Du’s denn?. 
Du fprichft, wie Eine, die nicht lügen will] H! 

1893 zuerst Sept fi dem Argwohn aus, M' 1894 zuerst Nicht 
fagen darf und Lügen auch verfhmäht! ZI! 1896 zuerst züme mir 
Richt allzufehr darob! HI 18898f zuerst Did... Zum Gruß 
entbieten lafien! HT 1899 erprefin! S 1900 zuerst Nicht 
nöthig A! 1904 zuerst nod) nie gefan HY : 1906 auf Rasur 
h in H®? Wie's ftand, al er nad Rom ging, H! denn fehlt 7} 
1907—1910 zuerst 


es 


*3 über Im letzten Augenblide *4 vgl. Tgb. II 8. 307: 
Herodes: „Sch fah auf dem Schlachtfeld einen Sterbenden, den ein 
Inſect ſtach. Sein letztes ein Inſectenſtich.“ *5 f zuerst den ein 
häßliches Inject mit gift’gem Stachel +11 Das [Efelfte iſt's mir 
auf) *12 Bein! Dank! Dank dafür!) 





esarten und Anmerkungen. erodes und 
456 — ns va 
0 Jetzt handeln, ald wie er damals handelte, . 
J.Und ich vergefle, was [er that] geſchah. 
Im Fieber einen Dolch auf mich gezückt! 
Bis auf den Tod mich mit dem Schwert verwundet 
Und wär' geneſen, um es zu bereu'n 
ſich, geneſend, ſelbſt darob verflucht! H! 
1911 corrigiert in Ich ſeh' Dich noch? 8 1914 Du wirft!) Hinweg! 
H'H?® 1915 f fagte — ſelbſt. auf Rasur rk in H* hab’ ich mir 
In Rom Schon ſelbſt geiagt. A! 1923—1928 gestrichen 8 
1925 zuerst Ih noch bad Band, das fie mit ihrer H' 1926 vor 
Die] Derfnüpft 7! 1930 zuerst Gewiß ... betrogen hat? ZH! 
bei 1931 steht 5 [500] H! 1932 aber — zweite über doch der= 
felbe troß’ge Croz H! zweite [liegt] A* 1933 am Rand für 
In ihrem Stolze und derfelbe Stolz; H' 1934 zuerst Der jegliche 
Bertheidigung verihmäht, A! 1935 zuerst ®ird es doch au 
verſchmäh'n H! 1944—1947 von BVielleicht am Rand für Wir 
werden’s jeh'ni AH! 1945 er [an meiner Wiederfunft Rückkunft 
zweifelte] H' nun über fih A! 1947 Bevor — kam. über 
Dielleiht — Wir mwerden’s ſeh'n! Das bitt!’ ih zum Doraus H! 
1949 nimmer [hätt’ ich's] H° 1950 zuerst Befohlen. Aber jegt 
H' 1951—19h5 über 
| daß fie's weiß, 
ft Grund genug das Schlimmfte zu befürdhten, 
Wenn es nid fchon vorher zu fürchten war. Z' 
neben 1964 steht 528 HI 1964 Es — Probe! gestrichen, dafür 
Mißtraun — Argwohn, Ichlangenhanriges Ungeheuer! S 


Vierter Act. 


Erste Scene. Burg Zion. fehlt H' TRASH? vor Gemädher.] 
Alesandras H' 1967 bittre Kälte,) Eijesfälte dann herbe 
Kälte dann Lemma H! 1969 über Trauer] Schmermuth H' 
1972 zuerst Und obendrein die widerwill'ge Art, H! 1975 am 
Rand, zuerst geht die Rede Alexandras gleich weiter: Er mögt’ 
[Er ift bereit] uns Mandyes an[zujvertrau’n, E! Gewiß — vertrau’n, 
zuerst Auch mögte er's und gern vertrau'n, HZ! 1977 ftürzen über 
fallen 4! 1978 f zuerst er Dir die Hand Auch reihen und vom 
Tod Dich reiten dürfe, H! 1980 Denn über So H' 1984 f 
zuerst Mit Lächeln abgejhmeichelt. Nein, dem Himmel Seys heims 
geitellt, ob H! nach 1986 - | 


D 





Mariamne Lesarten und Anmerkungen. 457 
1V 1.2) 
Wenn ich es wiffen muß, fo wird es mir 
Auch offenbar! 
zuerst Wenn’s wichtig ift für mich, fo bleibt es mir 
Nicht unbekannt! DB! 
Zweite Scene. vor 1987 ee — Sänte hin H?® fehlt H' 
1937 f zuerst | Ä 


Mariamne. 
Er iſt's! Sa, er ift groß! 


AUlerandra. 


Du frei? Und doch in Ketten? H' 
1993—1998 am Rande für 

Beftohen? Zwar, womit! Den häcnen Kittel, 

Dein einz’ges Eigenthum haft Du noch an — 


Sameas. | 
Die Hüter? Jhp 7" 

1995—1998 fehlen TA S 1995 daß über ob H! 1996 zuerst 
Das Du H'! 1997 zuerst ®ie Du es bilt, an HZ! 1998 
zuerst Sit zu bezweifeln! Honig ift nit rar! giebt’3 genug! 7! 
2000 zuerst aufgetban! 7! 2001 zuerst ihm nicht felbit 7° 
200% ber, über auf, H' 2009— 2067 gestrichen S 2011 zuerst 
zu und geiprochen bat. H! 2012 später uugesetzt HM! 2015 
zuerst Den Pfad erfeuchiete, 7! 216 ff. vgl. zu 1444 fi 2019 f 
am Rand, während zuerst Alexandra fortfuhr Doch leider hatt’ er jelbft 
um Mitternacht Ihn angelegt A! 2020 Weib — nit! aus Auch Dan 
mwillft läftern? Weib, läfterft Du? über Beginnft auch Du zu läftern? 
H! 2021 zuerst Sie läſtert nicht, ſie ſagt A! 2031 f später für 

Der fih Meifias nennt, Du kannſt ihn Füllen, . 

Du fannft die Band ihm geben, fannft ihn küſſen, Z' 
2034 vor Er] Herodes hält A! 2038 zuerst Meifias! Er verfegt' 
Darauf mit ftolzem Hohn: ber ift ſchon lange da, H\ 2039 — 2041 
am Rande zugesetzt H' 2040 zuerst Sie brady auf ung herein! 
H! 2043—2055 gestrichen TA 2044 vgl. Tgb. II S. 165 
vom 30. Juny 1846: &8 giebt auch Irre unter den Völkern. 2048 
zuerst. darum ohne File ſey, H! 2049 zuerst Es jtelle einen 
treuen Epiegel dar. H 2053 über dem] muntern H! ‚2054 
zuerst Nicht glihen, fondern einem faulen Eumpf! HZ! Haren über 
muntern H'! 2055. Das Land durhhüpfe, auf Rasur A in I/” 
Wie alle [fpringe] hüpfe, über Mit_ allen raufche, HZ! 2059 f später 





458 Lesarten und Anmerkungen. Herodes und 
[IV 2.3 
zugesetzt H'! 2460 Er über Und 4! nach vor!) Seit ver: 
ließ [?] den Seinden H' zuerst. Di warn’ id nur HZ! 2061 
An --— Pflicht! über Did warn’ ih nur H! nach 2063 Weich 
von ihm, wie man vor dem Ausfag weiht! A! 2064 zuerst 
fo8 ließ, glaubt’ ih A! 2068 zuerst dag. Thier AH! 2070 
Lamm über Huhn H! des Armen! über der Waifen! AV 


Dritte Scene. bei 2073 steht 1. [= 1%) HZ! 2077 
zuerst Mi anzujeh'n H' 2079. zuerst Du Aufruhritiftern, die 
HA! 2081 zuerst König oder nidt A 2085 zuerst Bon 
weldher Schlacht? HA! 2087—2093 von Alerandra gestrichen S 
2089 zuerst ſchauderte zurüd A! 2090 tiber 

Als er’s ihr einmal vorhielt, fidy zu fpiegeln, 

Ich ftand dabei. Die Nachricht ift fehr angenehm [?] Das 

2 glaube ih noch nicht! A! 

2091 vor Dem) Man fagt's H'! 2092 f am Rand zugesetzt H' 
2094 zuerst Dann wahrlich kann der Tod zufrieden feyn, H' 2111 
zuerst Er thut's gewiß! H 2117 f fehlen TA S 2119— 2121 
gestrichen 7% S nach 2120 ein Vers unleserlich gemacht H' 
2121 wagft] fpielft H1 TRS H° viel.] hoch H' TASH* 2123 
zuerst da und werde Dir beweifen 4! 2136 vor Das) Dollfommen 
jey H':. 2138 zuerst Der König gab aud dazu mir Befehl! H! 
2142 mir über mehr H' 2144 zuerst Niemald war ein Menſch 
mir gleih! A! 2146 berichten über erzählen HA! 2148 zuerst 
Beil ih — Ich weiß A! 2149 —2153 (Sie — fort! fehlen HZ! TRS 
auf Rasur k in H*® 2155-2159 Mariamne — kommen) auf 
Rasur A in H? 2157 —2159 

Zur Nacht ein Feſt! Ich will dem Bilde gleichen, 

Das er im Herzen tragen muß bon mir! 

Er jieht mid) immer tanzen, das iſt Har, 

Selbſt, wenn ich weine und in Dual vergebe, 
Drum will ih tanzen — laßt bie Eymbeln jhallen! — 
Damit er nicht vor mir erröthen darf! 
| He, Tiener! 

. (Diener ommen) HI ThS: 
2164—2166 bis Nichts! gestrichen TA S- 2166 —2168 Herodes — 
heran. auf Rasur A in H*® 2167 fehlt, dafür . 


' *#3—*6 gestrichen $ *5 laßt — fhhallen! über Wer will. mit 
zum Tanz — H! WB 





ve Lesarten und Anmerkungen. 459 


Du willft im Tode meinen Henter machen? 

Du follft mein Henker werden, body tm. Reben, 

Und leben bleibft Du fo gewiß, wie Kain! 

Du ſollſt dag Weib, das Du erblidteft, tödten, 

5 Und erſt im Tod mich jehen, wie ih bin! HZ! 

2174—2179 gestrichen S__2187f zuerst falfh und heuchleriſch 
Zum erftien Mal die Wugen ZH! 2188 Mal unwürdig auf Rasur 
hin H? Male vor mir A’ 2192 der eignen Tüde auf Rasur 
hin H* noch ſchlimmer'n Dingen H' Th S 2196—2200 auf ein- 
geklebten Blättern k in TAh in H*S für 

Dann ftünd’ ih nit vor Dir! Dann hätt’ er mid 

Getödtet, wie er, wenn er wieder fehrt, 

Mid tödten wird und muß, fobald er Tann. 

Das lag und liegt in dem Befehl. So wie ich 
® Ihn angehört, hatt’ ich nur zwiſchen Tod 

Und Leben noch die Wahl und mußte niden, 

Mußite den Heuchler machen, wenn Du mwillit, 

Obgleich mein Innerftes vor ihm gefror! Hi TR S H* 
2204f Er — ab) auf Rasur A in H?, so dags der Rest dieser und 
die halbe folgende Seite leer blieb, dort hatte gestanden, was statt 
2%04f H' Th S bieten: 


Soemus. 


Er täuſchte mich nicht einen Augenblid, 
Und um fo weniger, ald Joſephs Tod 
Mir nicht ein ſolches Räthfel war, wie Allen, 
Die ihn nicht ſah'n auf feinem legten Gang. 
® Der Hatte, ftaun’ und ſchaudre! einen gleichen 
Befehl erhalten und ward ſtumm gemadt, 
Damit er Nichts verriethe, wenigitend 
Dub ich da8 glauben, denn er ſchwur noch fterbend, 
Er hätt' Nichts Todeswürdiges gethan! 





*1—*5 gestrichen 5 nach *3 zugesetzt Dich fügt, wie ihn, 
die granfe Miffethat, A in 7% S 

*5 Ihn [ausgefprochen, blieb mir] 7! *7 später zugesetzt H'! 

*3f zuerst nicht fo räthjelhaft geblieben war Wie denen, welche 
ihn nicht fterben fah'n wie ih. nach *7 Ging er mit diefer Heber- 
jeugung aus der Welt e8 zuerst ſchwur mir zu, 





460 Lesarten und Anmerkungen. derodea und 
[1V 3 


Mariamne. 
Ich weiß das Alles! 


Soemus. 
Wie? 


Alexandra. 
Und haſt's verziehn? Le 


Soemus. 


Und haſt ihn noch geprieſen und vertheidigt? 
Dann war der bloße Vorſatz gegen Dich 
Ein größ'rer Gräul, als die vollbrachte That 
An jeder Andern wär'! 


Mariamne. 


Komm auf mein Fell! (ad) 
2214 ducchfchau’ {über begreif’ H' 2216f über für feines Gleichen 
hielt ih mich noch nie! A! 2225 zuerst Das friſch geſchmiedet 
wurde aus H! 2226 zuerst ſah jchon ſtets den Höheren in A 
2230£. fehlen H! zugesetzt k in H? 2235 —2237 zmerst 
Wer einen Dienft von mir 
Berlangt, der mich, vollbradt und nicht vollbradit, 
So oder So, wie's fommt vernichten muß Dem ſchmachvoll⸗ 
fihern Untergange weihn, 
Dem fibern Untergange ſchmachvoll weihn A! 
2242 f. zuerst Du ſtehſt Auf meiner Seite jept! A" 2243— 2248 
später für 
Fürchte ihn nicht mehr! 
Wir fprehen fchon von einem Codten. Sicher 
Bat er den fchnöden Rath, den ich ıhm gab, 
Um ihn H?° 
2245 f zuerst Iſt nicht der Mann, der ſich das Fleiſch vom Leibe 
Herunter baden H' 2247 zuerst Weil es gefchidt gemacht wird! 
H! 2249 zuerst Er dentt, wie th! Ich komm’ gerad’ von ihm. 
H' neben 2260 steht 3. [= 300] H"' 


*10 zuerst Wie? Und haft'8 verziehn? *j1 zuerst geprieien und 
bewundert *12 zuerst Dann ift der bloße Wil’ und °14 jeder 
über einer 








Mariamne Lesarten und Anmerkungen. 461 
1V4.5) 
... Vierte Scene. 2262 zuerst Friſch! Zriih! HI 2264 
vgl. Tgb. vom Juli 1848 (II 8. 303): Ein Menſch als Ur, die Beit 
an den Pulsfchlägen zäblend: — EU — eine Minute. etc. zu dieser 
Stelle zeichnete Hebbel eine Hand 2265 zuerst würde ed Dir 
ganz H' 2272 zuerst Das bijt Du aber nit! Du ſollſt uns 
Andern H! bei über für Z' 2280 zuerst So wäre aud 
tein fremder Diener da! H! Der Vers im Text ist verderbt, lies 
vielleicht fremde Diener? 2284 später zugesetzt H' 2287 f 
zuerst war’3 ein And’rer, Ich konnte ſchlafen! Könnt’ ich nur zurüd! 
H! 2293 Und Jim Betümmel] H' 2294 Die über Die Pfeile 
fliegen fieht, die ZH! 2300 zuerst wir find Alle Uhren — H' 
nun strich % wir find und schrieb dafür waren über der Zeile; 
da er aber wir nicht ganz durchstrich, schrieb der Abschreiber 
H° wir Alle waren, was h in E stehen liess 2303 für 
Als zwanzig taufend Menſchen in's Gefecht die Schlacht 
Zu fhiden, wie es Euer König thut Als nöthig if, um 
oo. Dfeile H' 
2304 zu Lande, HYTRSH? 2305 zuerst das nöthig habt? H' 
2308 vor E83] Was Beflers haben H! fol, über will, I! 
310—2313 am Band zugesetzt H'! 2314 Die [erften] H' 
2317 Wo [Menfhen] H! 2317—2319 Wo — Menjden, am 
Rande zugesetzt H' 2318 ft auf Rasur k in H! Sa, H! 
2320 Hanf über Flachs H' 2321 zuerst batte, ftatt der Fackeln 
brannten H! 2322 f Höre — getbfan? am Rand für Schweigl 
Was hatten diefe denn gethan? Was hatten diefe Men H' 
2322 zuerst auf und fag mir: H vor 2326 zuerst Mofes 
(treibt ihm fort). FT! 2327 Uebrigen! [Genug! (treibt ihn fort) A! 
2330 f am Band für Die theurer war als viele Königreiche das 
Weitere unleserlich H' 2333 zuerst ſagteſt das! H' 2335 
der Ägypterin über Cleopatra H' durch die Änderung wurde der 
Vers zerstört, vielleicht soll man weil streichen? 2337 nach 
goldene!) (alle ab) H! 2344 später zugesetzt H' 2352— 2388 
feblen 7A S 2362 zuerst es hilft zu Nichts! H verſchluckt!] 
zermalmt! H' He 2363 zuerst um einen jungen Menſchen, H! 
2368 f später zugesetzt H' 2369 Sa, richtig über Ich glaube HM! 
2371 vor Wohl!] Ganz H' 2381 Heidin — nicht! — später zu- 
gesetzt H' 23,6 ff vgl. zu Judith 7, 11—8, 5} [1 S. 417], wo 
das Motiv zuerst begegnet 2387 zuerst ſteht! A! 2388 
zuerst Behalt's für Dich! Tröſt! A! 
Fünfte Scene 23% Wozu [dies] H' 2398 zuerst 





4692 Lesarten und Anmerkungen. Herodes und 
IIV5—7 
Doch nein, jubl' nit 7. 2401 auf! [Mir find ja fo ein Paari] 
Ik 2403 zuerst IK hätte faum auf Dich gehöfft! H 
Sechste Scene. 2411—2424 gestrichen 8 2431 Mariamne. 
— beſſer -] auf Rasur A in H*® ' 


Marianne. 


Kennit Du's nit, das Wort 
Vom Ebdelftein, das Bleopatra ſprach, 
Die königlichfte aller Königinnen? . 
Er iſt mein Diener, dem ich es verzeibe, 
Daß er den Stern ſo ſchlecht bei mir vertritt, - hd 
Weil er dafiir die Blume übertrifft! 
Nun, foll gerade diefer Diener feiern, 
Wenn von den andern keiner müßig tft? Hı7TAS. 
2440f tiber 
Mich in des Tanzes muntre Schaar zu milchen, 
.+[Soemus] Die dort zum Tanz ſich eben ordnen will! HZ? 
2446 zuerst Biel fchlechter ift dies Weib, ZI : 2447 Das — fagen! 
gestrichen S 2450f am Rand zugesetzt H! : 2452 vgl. 
Tgb. (vom 22. August 1848 (II S. 304 f), wo Hebbel seine Arbeit 
am vierten Act schilderte: Sonderbar ilt e8, daß ih in einer ſolchen 
Stimmung immer Melodien höre, und das, was ich ſchreibe, darnach 
abfinge; fo diek Mal vorzüglich die Stelle: „Titus, Du fiebft, wie 
meine Tochter trauert!“ ' 

‘ Siebente Scene. 2453 nene über eine MH! bei 2459 
steht 5. [500] 4! 2468 gewiß über hieher Z' 2471— 2489 
gestrichen 8 2476 auf Rasur A in H* Was ich bezweifeln muß, 
[über Woran ich zweifeln muß,) H° 2487 zuerst fie jegt fo feierlich 
vor mir verläugner H’ 2483 zuerst Ja noch auf ihrer falfhen 71 
2497 So — doch! gestrichen Th 8 2507 ‘gar zu jungen über 
jugendlihem H'1 2511 f. vgl. Tgb. vom 13. April 1847 (ILS. 259): 

‚Keine Blume ijt jo Schön, \ 
Kind, Du barfft fie pflüden! | Auf ein jehr ſchönes Mädchen. 


2511 —2513 am Rand für 


— 


*1 das über Lleopatras AH! *2 [Das Eleopatrafche] Bon H'! 
*3 gestrichen: 8 nach *7 = 
Wenn alle andern thun, was möglich ift? - 
Wenn £idht und Ton und Duft das Ihre thun? HH’ 
*if gestrichen S *3 müßig [geht} Z' 





Marianne Lesarten und Anmerkungen. 463 
IV 7. 8) 
Wenn ſich zwei Menſchen lieben, wie ſie ſollen, 
So überleben ſie einander nicht, 
Und wenn ich ſelbſt auf fernem Schlachtfeld fiele: 
Man brauchte Dir's durch Boten nicht zu melden, 
Ich weiß, Du würdeſt es ſogleich empfinden 
Und ohne Wunde fterben!: — Ba — Dann ward’s H! 
vgl. 2605 ff. 
2513 Sp — warb’8 über — Da ſprach er auch H!' 2519 zuerst 
falb und afhengrau So [über Ward] bla und immer bläfier, todten- 
fabl, AY 2520 fo [fahl} HI ° 2521 f zuerst 
As ob ich unter diefen prächt'gen Kleidern 
Aus allen Adern ſchon gebiutet hätte. A! 
2525 Diesen Traum hatte Christine Hebbel vgl. Tgb. vom 3. Juni 
1847 (II. 8. 263): Einen himmelſchönen und grauenvollen Traum. hat 
Zine geitern gehabt. Ihr wird von einer ihrer Colleginnen am Hofburg- 
theater in einem hoben gewölbten Zimmer ein Spiegel gezeigt, in welchem 
jie ihr ganzes Leben fehen könne. Sie ſchaut hinein und erblidt ihr 
eigenes Geſicht, erit tief-jugendlih, von Roſenlicht umflofjen, jo jugendlich- 
unbeftinmit, daß fie ed erſt bei der dritten oder vierten Verwandlung 
ertennt, dann ohne Roſenlicht, nur bleicher und immer bleicher, bis fie 
zulegt mit Entfegen autruft: nun fommt mein Geripp, das will ich 
nicht jehen! und fi abmwendet. Der Spiegel felbit war Anfangs trübe, 
wie angelaufen, und wurde nad) und nach heller, wie die Gefichter deut- 


licher wurden. 2525 Da — mi — gestrichen Th S Wer ?] 
Was ift das? H' TA S H* durch die Correctur wurde der Vers 
unvollständig. 


Achte Scene. 2528 zuerst Ra wohl der H' 2529-2531 
später zugesetzt MH! zuerst folgte auf (zurück)] Heroded — um). 
Salome! H' 2530 zuerst Füll’ einen H! 2531 auf Rasur 
h in H*® Tod kann nein Gemahl nicht länger feyn! H! 2535 
zuerst an, und man erwartet 7° 2536 belogen A! 2543 
zuerst Und Huger Weife zum Octavian H'! 2545 zuerst Tas jeh’ 
ich jeßt, Du bift ja wieder da H' 2547 zuerst Tag fih Dir die 
Gelegenheit nit bot HA! 2548 ſchlachten.) tödten. ZI Th S 
1549 zuerst Du hätteit fiher Deinem A' 2550 f zuerst 

Nicht beſſer zeigen können, dat Dir Nichts mehr 

Am Alten lag. Nun blieb Dir bloß der Schwur! H!' 
2551 f. am Rand zugesetzt H! 2551 Teines Freundes über jeines 
Seindes H! 2552 über Und er .die Krone Dir zurüdigegeben! AM! 
2560 zuerst leicht ®elegendeit gefunden 7? 2563 that] war über 





en. erodes und 

464 Lesarten und Aumerlung voyı 
braudte H* neben 2563 stebt 6. [600] H! 2564 zuerst 
Er feine Freunde mehr U? 2568 f zuerst Hätte Ei gem ZH! 
2571— 2974 für | j 

Nun ſenke ich's. vor Dir. Erwäge Du nun, denn 

Was für ein Sreund ich war, nicht weilen Freund! 

Was id bis jegt... [Schluss unleserlich] 4 ' 
2576 noch über den HM! 2378 f zuerst Und ziehe beim und meine 
Großmuth fol Dich Sehren, dab Anton das Spiel verlor! A! 2580 
Cleopatra A! 2585 jchweigit! Nun weiß ih Alles! HA’ 2600 
Bruft [als Di) H' 2601 vor Al] Mir aus dem Berzen H'! 
2603 fehlt H! hin H* vgl. zu 2531 2604 zuerst Ich hab’ zu 
der einmal MH! 2605—2610 vgl. zu 25lif und Tgb. vom 
32, Januar 1847 (II S. 220): Einen Bauber follte wahre Liebe ausüben, 
den, daß zwei Herzen, die in einander aufgeben, nicht getrennt werden, 
fondern nur zufammen fterben könnten; das follte ihre Probe jeyn und 
fo fehr, daß auch der Entfernte jtürbe in dem Wugenblid, wo der oder 
die Andere geitorben wäre. 2605 zuerst ®enn fi zwei Menfchen 
lieben, H! 2606 zuerst So können fie jih H' 2611 zuerst 
So ifts geordnet, ift e8 au! A! neben 2612 steht 650. HM! 


Fünfter Act. 

Man — Richtertafel. fehlt HZ! 

Erste Scene. 2623—2639 War — nidit. gestrichen & 
2630 kein Grund zum Haß? 7’ 2633 wozu] warum 7! 264 
zuerst id; denf’ und als ich fühle, HY 2642 könnte. gestrichen, daft 
nıögte, A! 2645 zählt, gestrichen, dafür bat, Z' 2647 zueri 
Als es an jedem Athemzüge thut. 7! hat! gestrichen, dafür zähh 
M: 2648 Ein fürdterliher Schwur! H' 3654 f gestrich 
ThS 3661—3667 gestrichen TA S ‚2663 zuerst eine Schwef 
band MH! 2664 zuerst Und er, um mich zu höhnen, daß ich's * 
H! 2665 fehlt H' später zugesetzt H*® nach 2666 ; 
feiner [eigenen Beftalt hervor] eig'nen fchredlichen Geſtalt ZI g 
zwischen 

Hervor und fletichte mich durch düftre Flammen von jid) | 

Die ihn beleuchteten, mich grinfend an! H'! bie 
2669 war darüber fdien H! 2670 zuerst Er war's H! 
fein Weib] HT 2676 f 

Im Geiſt anftatt des Ejtrih8 mit den Füßen | 

Dein Herz zu treten fchien. Bei Bott, ich wollte. 4' 7 
2680 was nidht, über Alles H! 


rn 


”s; 


10 





Mariamne Lesarten und Anmerkungen. 465 
V2.3) 


Zweite Scene. 2682 zuerst Dasſelbe faſt! 7! 2684 
Und aud die Mutter faft [über auf:] HZ! 2685 nicht den über 
feinen H! 2686 Nach ihrer Rechnung nidht! 7! 

Dritte Scene. 2690-2699 Niemal® — bat? gestrichen TA S 
2692 Diann [des Glücks] H! 2696 Allein e8 half ihm Nichts! 
darnach gestrichen 

Er iſt beraufcht 
Und lobt den Wein! Das tft ein ſichres Zeichen, 
Daß er getrunfen hat! Soenus H' 
2698 Sit das über Das iſt H! fein fichres Zeihen H' Th S 
2699— 2744 lautet in H' und obne das Gestrichene in ThSs 
Daß er getrunken hat! 


[Soemus] Titu8. 
Wenn ihm Dein Arzt 
Beitätige, daß Du aus Africa 
Ein Fieber mitgebradht, jo wolle er 
Den Argwohn ir verzeihn, doch font — 


Herode2. 
So fpridt er, 
Weil er wohl weiß, was folgen wird und fie 
Bor meiner Race fihern [aus fiher ftellen] mögte.. Das 
Begreife ih [über Das faßt ſich leiht!] — Was ſchützte er 
Weshalb verrieth er mein Geheimniß ihr, denn vor, 
Was war der Grund? 


[Soemus] Titus. 
Dies Dein Geheimniß felbft! 
Herodes. 
Wie war das? 
Titus. 


Dunkel drückte er ſich aus: 
Du hätt'ſt ihm einen Frevel ſaufgetragen] zugemuthet, 


*1—*7 bis ich gestrichen Th S | 
Hebbel, Werte II. 30 


466 








Lesarten und Anmerkungen. Herobed und 


Wogegen der, den Tempel in ben Brand 
Zu fteden, keiner jey — 


Herodes. 
Und er, anſtatt 

Ihn unvollführt zu laſſen, was genug 
Geweſen wäre, um das [zärtlichfte] kitzlichſte "15 
Gewiſſen zu befriedigen, er ging 
Mit meinem Auftrag [auf den Markt und bot) flug zu ihr 

und bot [über Und — Ha! So weißt auch Du wohl —] 
Ihr feil! — Co weißt au Du wohl — 


Titus. 
Nichts! 
Herodes. 
Er [hätte) hielt 
Dir das verborgen, was er ihr erzählte? — [vertraute?] 
O, hätt’ er's umgelehrt gemacht! Doc, freilich, 2) 
Dir Hätt’ er ſchenken müflen, was fie ihm 
Bezahlen konnte! — So vernimm’3 von mir: 
Ich hatt’ ihm — frag’ mich nit, warum! — Befehl 
Gegeben, fie zu tödten, falls ich felbft 
Nicht wiederlehren ſollte. Daß ich's that, 95 
Beweif’t [darüber Heigt] Dir, wie ich ihm vertraute! Wahrlich, 
Ich Hatte Grund dazu, und wenn das Eifen, 
Voraus der Dann beiteht, in’3 ließen kam, 
©o zeigt da3 nur, daß er [in Slammen ftand] im Feuer war! 


Titus. 
Trotz alledenn — das hätt’ ich nicht gethan! 30 


Herodes. 
Wenn ſie mich liebte, wie ich ſie, ſo wäre 
Nach meinem Tod das Leben ihr verhaßt, 
Und das, was ihm verhaßt iſt, läßt [fi ein Jeder] der Menſch 
Dod willig fahren, Keiner hält es feit. 
Was war denn zu bedenken? Wenn fie mid) *35 
Nicht Hintergangen hatte, ftarb fie gern, 
Und Binterging fie mid), jo [war] hatte fie 
Für ihre Heuchelei den Tod verdient. 





*13_40 von Und gestrichen TA S dafür Genug! Genug! h in 
ThhinS$S 


neben *19 steht I [= 100) M! 





Mariamne Lesarten und Anmerkungen. 
V 3. 4] ngen 467 
Den Schritt mag tadeln, wen [aus wer] die Dämm'rung 
| [liebt,] freut, 
·0 Ich zieh' das Licht vor und ich ſeh' jetzt hell, 
Ich ſehe, wie's mit ihrem Herzen ſteht, 
Bas kümmert mic das Uebrige, was [fümmert] frag’ ich 
[Ift noch über Jft auch] Ob fie den Schwur ber ew'gen Liebe mir 
[zuerst den fie mir abgelegt (über that) mit mir verfnüpft,] 
Auf dieſe oder jene Weife brach? 
Gejegt, fie wäre rein, Soemus hätte 
4 Den Kopf an ſie verſchenkt — ich kann's nicht glauben, 
Allein es ſey ſo — [über ih nehm’ es an —) und [Jofeph 
auch] der Andre aud, 
Müpt'- ih mid dann in ihren Groll und Troß 
Ergeben, müßt’ ich's in Geduld ertragen, 
Daß fie fi in ihr Gegentheil verkehrt? 


"0 D nein! O nein! Ich ſchwör' es bei dem Schlüfiel 9734 
Zum Paradies, den fie in Händen [hält] hat, 9735 
Bei aller Seligfeit, die fie mir ſchon 23736 
Gewährte und mir noch gewähren kann: 9737 
Dann ftraf’ id, was fie ward [über ift], nicht was fie that!srsay 
55 Du fiehft mid) zweifelnd an, Du dentit, id) treffe 


In ihre mich felbit? Das thu’ ich, o, das thu’ ich! 
Wenn's möglich ift, daß man an [über Einer eine] 
Wunden jtirbt, 
Die man verjegt und nicht erhält, fo [wirds] wird 
[über Erhält, und daß der Andre daran ftirbt] 
Sich's [So wird fichs) jept ereignen, doch das iſt mir recht! 
[Mir eben recht] 
2709 zum Teil auf Rasur H? 2729—2744 auf Raurs, zum 
Teil am Rande H° 
Vierte Scene. 2746 zuerst Wird mir gemeldet, was Du 
wifjen mußt. 7° 2748 zuerst jelber tödte A! Ich [befahl] 7! 
1750 Der fol geſchworen haben, ſich MH! 2755 Denn taujendfad hat 
er den Tod verdient. H! 2756—2760 bis denn! gestrichen 5 
2763 zuerst obendrein, ob feinem Hohn ergrimmend MH! 2769 


"60 


*44— "54 gestrichen, dafür 
Hab’ ich nicht das zu ftrafen, was fie that, 
So ftraf’ ich, was fie ward und was fie iſt! hin 7%, auf Rasur S 


*45 glaub’ es nicht, TA S 08 





468 Lesarten und Anmerkungen. Herodes und 

[V 4.5 
ift’8 über war’s H! 2767 zuerst Der ftarre Alte ſchien es nicht 
zu fühlen, 7! 2770—2772 am Rande H'! 2774 Sa! Sie 
wird nicht anders fein! H' 


Fünfte Scene Die Richter, unter ihnen Maron, HM! 
eriheint — darauf. fehlt AH! 2797 ih grüße Did! H! 2798 
Richtertafet.) A! neben 2799 steht 2. [200] 7! 2803 zuerst 
Das weiß ih! H' 2805—2813 gestrichen TA 8 neben 2808 
steht 2 gestrichen [= 200) H’ 2814 wieder und führt Mariamne 
herein.) H'! Herodes (nah langer Baufe). H! 2816 Richtern 
und zugleih vor H\ 2820 zuerst ſchweigen, wenn’d die Antivort 
mir verbeut! 7! 2826 Erkenn' über Derfteh’ 7! 2828 später 
zugesetzt H' 2830—2832 über 


du ſitzen ſcheint, erblidte ich den Erften, 

Den großen Judas, ſchau' nicht gar fo düfter 

Darein, Du wirft mit mir zufrieden feynl H' 
2832 herab fehlt Hi, steht über der Zeile M*, zerstört aber den 
Vers 2842 f zuerst that es nicht und ich habe Dafür den Zeugen 
(über Und kann's bemeifen!]) A! 2848 zuerst Zur Seite mir H! 
2849 feinem über Deinem HM! 2850 bat er über haft Du 7? 
2851 ihn über Did A! 2853 Gethan hat, ald was Vorgefühl 
und Whnung Ha Th S 2855 ließen — Weib! Die HA! zuerst 
Was geht's fie no an, Daß die das Schlimmſte warl Weib, Du 
gefällt mir! Das steht Dir wohl! 7! ließen [in dem Augenblidt Wo 
fie, wie ich] (su Mariamne) [Weib!] Weib! TR S 2856 —2860 ge- 
strichen TA S 2857 Ruhe] Frieden MH! 2859 f hab’ ich 
einen Vogel Erſchoſſen, als er tüdijh mir A 2863 zuerst Das 
it ber Sünde Fluch! H! 2874 über So will ich redlich meine 
Pflicht erfüllen, MH’ 2876—2919 lauten in Hi Th S 


Herodes. 
Du thuſt es erſt? Soll das mich überreden, 
Daß Du's noch nicht gethan? 
Mariamne (ſhweigt). 


Herodes. 


Genug! Du weißt, 
Was Du nicht wiſſen könnteſt, wenn Du nicht 
Mein Fürchten ſelbſt noch überboten hätteſt, 





vaune Lesarten und Anmerkungen. 469 
X Denn niemals wiederholt ein Wunder ſich 
Und dieſes iſt das zweite Mal! Nun denn 
Bei Deinem ſtarren Trotz, der auf der Erde, 
Wo Alles wankt, allein beharrlich ſcheint; 
Bei jedem ſchönen Tag, den ich mit Dir 
8 Verlebte und an den ich mich nicht mehr 
Erinnern darf; bei meiner Zukunft, die 
Mir keinen ſolchen Tag mehr bringen kann; 
Ja bei dem Schauder ſelbſt, der dieſen Schwur 
Noch jetzt erſticken mögte: heut' noch, gleich 
16 Will ich es wiſſen, ob mein Leben Eins 
Mit Deinem iſt und ob mich die Natur 
Zu Hohn und Spott für ewig an ein Weſen 
Geknüpft hat, dem ich Nichts bin und das ſich 
. So rächen, ja nur daſtehn kann wie Du! 
*20 Hinweg! Ihr zögert? Dieſer Spruch wird nicht 
Zurückgenommen! Oder traf ich's nicht? 
(zu den Richtern) 
Sprecht Ihr! Ich weiß, das Schweigen iſt an mir! 
Doch ſprecht! Sprecht! Sitzt nicht da, wie Salomo 
Zwiſchen den Müttern mit den beiden Kindern! 
=s Der Fall ift Mar. Ihr braucht ja Nichts zum Spruch, 
Als was Ihr feht und hört. Die Mifjethat, 
Die Ihr zu richten habt, ward neu verübt 
Bor Eurem Angefiht! Was wollt Ihr mehr? 
Ver von Euch weiß, wie er ded Königs Todfeind 
=. Bu ftrafen hat, der weiß auch — — Ich bin ftumm, 
Ich beuge mich in Demuth Eurer Weidheit! 
Sol ic vielleicht — 
(Er nähert fih Marianıne um einen Schritt und macht die Bewegung des Kntebeugens.) 
2921 später zugesetzt MH! vor 2922 gestrichen (mit einem Blick auf 
ihre Mutter) 7! 2922—292h zugesetzt für Wer will’8 verwerfen, 








+5 f später zugesetzt HM! vgl. 2891 *7 beginnt zuerst Nun denn 
H' ftarren später zugesetzt H' *12 folchen über fchönen HM! 
*17 zuerst Mit ungerreißbaren] MH! e18 dem — fi) über das 
fih rächen fann, wie Du! H'! *19 später zugesetzt H' So 
über Sich MH! nur] fo TAS für fo H' *20 ff vgl. 2907 ft. 
»25—*28 gestrichen TA S *27 zuerst ward wiederholt HM’ 
neben *29 steht 3 [= 300] 7! 





470 Lesarten und Anmerkungen. Heroded unb 
[V 5.6 
wenn ich's felbft nicht thu? A! 2924 Wenn id H H? ver⸗ 
zeih'n ſoll H! H* fo fehlt H: H® ſchweigſt Du HZ! vor 
2926 nieder) AH! 2933 zuerst Tode ein Geipräh mit Titus noch. 
H! 2935 f. vgl. Tgb. vom 20. September 1847 (II 8. 283): „Rur 
den Mord wird’ ich entfchuldigen, der dem Mörder fo viel Jahre zu 
legte, alS der Gemordete einbüßte“ und II 8. 297 vom 20. Februar 
1848: „Sa, würden die Jahre defien, den ich tödtete, meinen zugelegt, 
dann —” 2941 zuerst Bor ihrem Herrn HM! 2942 (tritt zu 
ihm heran) 1 2945 ftumm. Lange Baufe) A! 29452947 viel- 
fach corrigiertin 7’ 2945 Ich habe über Jett hab’ ih U! 2946 
Den Pfeil für ihn! 7! 2946 fehlen, datür gestrichen 
Sept fchweig’ ich noch, Und um Dich tödtlich 
Bald aber ſpreche ih! Zu treffen, opf’re ich die Tochter auf! 
(folgt ihm gleichfalls) Jetzt ſchweig' ih no. Doc) bald (folgt ihm 
gleihfans A! 
2951 Sept war’8 unmöglich, ihm zu miderftreben, H' TRS 2953 
fehlen H! Th S zugesetzt H* 2955 Gehn wir! (Ulead) HYTAS 
zuerst wenn ich gehorche! HI! 
Sechste Scene. nach 2963 am Rand gestrichen 
Di aber Hab’ ih darum ausermählt, 
Weil Du von jeher, wie ein ehr'nes Bild 
Auf eine Feuersbrunft, gleihgültig ruhig 
Auf unfer Leid berabgejehen halt, 
[Du bift nicht für mich und nicht wider midy |] 
Weil Du nicht für mich bift, noch gegen mich! HT! vgl. 3001 ff. 
2967 zuerst I ſag's Dir frei und felbft 71 2968 zuerst Doch 
Deinen Heldenfinn muß ih A! 2970 zuerst jhöne Erde H 
Dir auf bem über auf Deinem H! 2971 zuerst Für Di nicht 
einmal mehr deö Umſehns werth, H! Umblid® zuerst Rüd- 
blid3 A! vgl. das Epigramm „Der Greis“. 2981 ff. vgl. Tgb. 
vom 26. Juni 1842 (I S. 285): Könnt ich nur wenigſtens meinen 
Schmerz tief, tief in mid verfchließen, könnt' ich mich vor ihnen 
verbergen, daß fie nicht mit Fingern auf mich zeigen! Cäfar, als er 
ermordet wurde, büllte fich in feine Toga ein, Niemand, der den Stolz 
des Weltüberwinders gejehen Hatte, follte fi berühmen können, fein 
durch Marter de Todes entftelltes Geficht gejehen zu Haben. Aber 
auch dieß ift nur einem Cäſar vergönnt! 29582 am Band für das 
zwischen den Zeilen Gestrichene Als er von jeiner Feinde Dolche jant, 
:& 2985 fallend über fterbend MH! 2995 bi8 — bin, über 
bis ih im Grabe bin fo lange ich noch athme bis ih am Ziele bin 





rariamne Lesarten und Anmerkungen. 471 
6] 


H' 3001ff. vgl.zu2963 3003 Standbild HY 3004 In über 
Auf H! 3005 über Auf unfer £eid herab gefehen haft auf unf’re 
Qualen! unfer Weh. H! 3006 Dih muß man hören, 7: 3009 
zuerst von einer fremden Pflanze Iprechen 7! 3011 f über Wenn 
Du mir jet zu herb, fireng, Dein Wort verweigerft, nehm’ HM! 
3012 ftarr über fireng 4! neben 3021 steht 4 [= 400] A! 3022 
Was fag’ ih da? H! 3023 zuerst Denn er ift längft 7! 3026 
zuerst denn die könnten über Iſt es doch Natürlih und Natürlicher 
als dieß! Ha 3027 Verlieren über Mir fehlen, H' 3031 f. 
datt’ ich’8 Berzieh’n, den Henker hinter mich geftellt, I! TAS 3033 
zuerst gleicher ift 7" 3035 zuerst in feinem Herzen H! 3036-3042 
Da ſtarb ih, doch das Athemholen ging 
Noch fort und in Gedanken griff ich fchon 
Nach einem Dold, lnur H!] denn ich ertrug's nicht [länger | 
Hi] mehr. 
Allein [über Da aber fagte mir A!) mein Herz fpradj: wer 
den erften Streich 
Dir gab, der ift Dir auch den lebten ſchuldig, | 
Die Pflicht erkennt fogar der Mörder an! 
Und, wie [vom Radjegeift H!] von Höh'rer Macht getrieben, 
stellt” ich 
In Fleiſch und Blut fein Zerrbild vor ihn bin, 
Damit er mich in dem [vernichten mögte Hi] vernichtete! 
H‘ThS 
3037 £. unterbrodhen Jm HZ? 3046 geweßt, allein eg Hı 3054-3056 
fehlen 7AS__ 3066 zuerst. wiederfpiegelt, I! 3072 fam Rand für 
Den Sarg mir höhlte und in den Abgrund [über ins tiefe Meer] 
Des Meers, das Nichts zurüdgiebt, dann verjentte, 
[über Das Nichts zurüd giebt, ihn verfenfen mögte,] 7! 
3078 ich babe über hab’ Zengniß H! 3087 zuerst Hier giebt es 
H! 3089 zuerst Den legten Abſchied nahm von Hi 3091 
zuerst Der Kinder Unfhuld Hält’ ihn ſchnell AI! 3092 Jetzt macht 
auch der [über fie mir den Eod] nur M 3095 fünnte gestrichen 
dafür bürfte 7' 3097 vor Urwürdig] Mit ihm marften und A! 
ein über das H'! in mein corrigiert TR S 3098 f gestrichen 
Th S 3098 dur die Schwüre, die er von mir [verlangt] fordert, 
H° 3099 muß in müßte; verbessert H! 3106 f am Rand 
zugesetzt H! 3109 vor und) Fönnte, follte ih HM! 3110 
zuerst Mein Schweigen brechen? Sollte ih [einen Dolh] Hu 3112 
Titus (abgewendet). A! 3113 (gegen — Gemächer) fehlt HM! 





472 Lesarten und Anmerfungen. Herodes und 
[V 7.8. 
Siebente Scene. 3117 zuerst Ein fich’re8 Zeichen, dab fie es 
verdient! A 3118—3124 gestrichen TR S 3121 f. zuerst 
Der Greis, der Aaron Sprach von Gefangenſchaft ZH! neben 3123 steht 
5[=500) 7! 3124 am Rand zugesetzt HY nach 3124 gestrichen 
Noch jetzt — ich glaube, durch ein einzig Wort 
Bermögte fie, ihr Schidfal abzumenden, 
Denn wenn er auch vertieft [über befhäftigt] ſcheint, [fo ift] 
l in Gelchäfte, 
[Sein Blid doc immer auf die Thür gerichtet] 
So ſchweift fein Blid doch immer nad der Thür, 
Und Jeden [Diener], der herein tritt, fieht er an, 
Als müßt er ihm von ihr noch etwas bringen! H' 
Achte Scene. Ein Diener (tritt ein). 7! 3126 über 
Auf diefe Stunde wurben fie beſchieden! HM! 3127— 3129 gestrichen 
Th S 3128 f am Rande zugesetzt H' 3128 niemals ſah ich 
H! 3129 Trachten, wie die ihren! A! 3131 zuerst lange er 
mit ihnen redet A! vor 3133 zuerst Könige, von denen ber eine 
ein Mohr ift, herein. HI! fremd und feltfam MA! fih von H1 unter: 
fheiden. Einer ift ein Mohr. Reiches Gefolge mit Go Hi tritt 
gleich nachher Heraus. Ihm folgt Salome) AM! 3134 Geprieſen wird 
es feyn in Emwigfeit! 7! 3136 f. zuerst heute nit Ein Sohn H! 
3137 zuerst Nein, mir ftirbt ein Weib! H! 3140 zuerst 
Dann giebt’8 hier fiherlih A 3141 über zweiten] andern HM 
3142 vor Barum?) Meinft Du? 7! 3148 ſprach einſt über fannte 
MH! 3149—3153 am Rand zugesetzt H! 3150 zuerst Und 
war für ihre Abfunft ſchön H! 3153 fie [freundlich] A! nach 
3153 Aus diefem Stamm, H! 3157 noch [am Tag] H' nach 
3157 Denn wer das that, geht nimmermehr verloren! H' 3159 
nach was] (Er deutet auf die Geſchenke) H' 3170 zuerst Stern geleuchtet 
hat, H! 3171 erhöht und auf der Erde wird 1 3173—3176 
So ſpricht das alte Buch ja auch! (su den Königen) Ihr werdet 
Denn Ihr das Kind entdedt, e8 mir doch melden, H! 
3079 nach thun!] Neunte Scene AH! 3182 am Rand für 
Als der, der Deinen Spruch vollzogen hat an ihr vollzog [über der 
zitternd fie getödtet hat,) H 3183 war! über war ftarb! H! 
3186 Das] Dieß über Sie über Das H! 3186—3205 von Es 
gestrichen S 3188f am Rand für Gestrichenes 
Doch, wenn es heil'ge Pflicht ift, einen Todten 
[Der am Weg — ohne Grab am Weg liegt,] 
Wenn man ihn grablos findet, zu beftatten, H! 





va Lesarten und Anmerkungen. 473 
3188 zuerst Doch, wenn bie Pflicht ſchon heilig ift, den Zodten, 7! 
3193—3211 gestrichen, dafür Warum ſprichſt Du erſt jet? Warum 
nicht früher? A in 7%, auf Rasur 8 3194 Zauber blieb ihr bis 
zum Tode Hi Tod noch treu! 7° 3195 groll' über fchelt’ 7 
3198 felbft über noch A! 3204 zuerst mich abzuhalten M! 
3205 Wenn Dir au nur HZ! 3215 für Ich babe tief in ihre Bruft 
geihaut — HY 3216—3220 gestrichen S 3217 ff. vgl. Tgb. vom 
11. November 1843 (II S, 22): Die höchſte Form ift der Tod, denn 
eben indem fie die Elemente zur Gejtalt Triftallifirt, hebt fie das 
Durcheinanderfluthen, worin da8 Leben befteht, auf. 3218 ge- 
mifcht,] gefügt, Zı TAS H® 3223f gaufelnd an dem jchlimmen 
Abend, Wo fie das Felt gab, in ein H! 3228 zuerst Du — nun 
liegt fie jelbjt im Blut! ZZ! 3233—3239 gestrichen 8 3233 
vor Er] den er begann, als H! 3234 und [er freute fih) A' 
idien’8 über wars H! 3236 später zugesetzt M' 3240 
zuerst fagte mir: jegt A! 3244 Du fiehft, ich merkt’ es mir! H! 
Sofeph! gestrichen HM! später wieder zugesetzt FM? 3246 
(tritt dicht zu ihm heran) A! vor Nein] Fürchte nit M! 3250 
zuerst mit ungerechtem HM! 3252 zuerst Was ſprichſt Du nit? 7! 
nach 3252 Dun, die ihn liebte, haft ihn angeflagt! H' 3254 f 
zuerst Doch nur, um die Gelegenheit zu finden, Sich ſeines Auf- 
tragd zu entledigen! 7’ 3258 Wo Joſeph feine Maske fallen 
H! 3265 f gestrichen S Allein ich hätt’ e8 mit in's Grab ge- 
nommen! [zuerst Allein, ich hätt’s Dir nimmermehr gefagt! Doc 
taufend Jahre hätt? icy’s Dir verfchwiegen!) H! 3267 — 3272 
Titus — O! gestrichen S 3268 f fehlen H! 3270 dieſe 
Erde HM! 3272f Alexandra. Mein Sohn, Du biſt gerät! H! 
2675 brechen ?] fniden? H! 3277— 3282 nach lafjen! die scenische 
Bemerkung (Er — zerbräche) dann Wäre meine Krone H! 3234 f 
Bejegt und wären alle Reiche mein, [über für Mariamne gäbe ih und 
herrſcht' ich über alle Reiche,] Yür Mariamne gäb’ ich fie [über Alles) 
bin! 7! 3288 über 
Aus ihrem Srab erlöfen, willig ging ich augenblidlid. 
Geſchäh' es, ja, ih grübe mir es felbfil ZZ! 

3288 zuerst willig thät’ ich's H! 3293 Weibes] Schwerte H'! H* 
gelten] dienen H' H? 3295 der über ein 7! 3297—3302 
Dih! Ich bin Soldat und kämpf' mit Jedem, felbft mit Dir! Ma 
3298 corrigiert in Du betrogit Dich allzu jehr, S 3305 Doch,) 
ei, HI , 3306 nit — Stern, über er foll die Kinder tödten, H! 
3307 später zugesetzt H! 3310 zuerst Er foll nicht ein’ am 





474 Lesarten und Anmerkungen. Herobes und 

[Mariamne V 8 
Leben lafien! M 3310—3312 Joab — ®harao! gestrichen TR S 
3311 weiß warum! über faſſe Dichl — AH! 3312 scenische Agaben 
fehlt H'! 3313 Mariamne —] fie erſt — A nach auf). 
Alerandra. Moſes ward gerettet trog Pharao! A in TAS- nach 
Finis: (hulb 12 Uhr 14. Nov. 48) (Als ih Tine fagte: ich bin fertig, 
erwiedert ſie: Zige kriegt fchon wieder einen Zahn.) HZ’ (Tgb. I 
S. 306.) vgl. Tgb. vom Januar 1849 II S. 309: Wariamne hat 
3330 Berfe; Schillers M. Stuart circa 4350; aljo Gott Lob immer 
noch ein Weberfluß von 1000. Act 1 — 664, Act 2 — 745, Act 3 — 
545, Act 4 — 670, Act 5 — 702 zufammen 3326. Für die Dars 
ftellung in ®ien herausgenommen 108 reſt. 3218 und noch 175 reit. 
3043 Berfe. 





Anhang. 


1. Späne aus Maria Magdalene. 

367, 1—368, 10 vgl. Tgb. vom Juli 1844 (II S. 103). 867, 
8f. vgl. das Epigranım „Das grösste Hinderniss“ und zur Erklärung 
Bw. II S. 129: wer mir folgt, muß fi) nicht auf einer der Stufen, 
die ich längft Hinter mir zurüd ließ, häuslich einrichten und mich zur 
Umtehr einladen. 15 vgl. Maria Magdalene 25, 17 und Ein 
Trauerspiel in Sicilien zu 481 düfter, wie ein SKirchenfenfter, . . . 
Das jeden Stral des muntern Lichts verfchludt! 


2. Bu Herodes und Mariamne. 


368, 1—11 stehen im Tgb. vom 14. November 1848 (II 8. 306 f). 
5 vgl. 3139. 10 f. vgl. zu 1890 12—16 stehen im Tgb. vom 
Januar 1849 (II S. 309) vgl. zu 469. 


Nachträge. 


37,6 ff vgl. Barbier Zitterlein 1. Cap. 

471,30. Zur Erklärung vgl. Tgb. vom 28. Dezember 1841 
(18. 251): Alle menfchlihe Bildung geht den folgenden Gang. Der 
Menſch erwacht in einem Gefühl des Allgemeinen, welches eben darum, 
weil er daraus hervor ging, fein Erbtheil feyn mag. Dann bat er 
Alles, weil er Nichts hat, er glaubt die ganze Welt zu beſitzen, weil 
fie ihm in allen ihren Realitäten gleich nah’ und gleich fern ſteht, weil 
feine einzige von allen ihn dadurch, daß fie ihm näher gerüdt ift, belehrt, 
wie weit von ihm die übrigen entfernt find. Hierauf folgt die Erfennt- 
niß und das Ergreifen des Befondern, wo der Menſch fi mit unend- 








476 Lesarten und Anmerkungen. Anhang 


liher Behaglichkeit in das, was er einmal erfaßt und durch Selbſt⸗ 
thätigkeit zu fi heran gebracht Bat, verjentet. Nur, wenn Alles gut 
gebt, entjteht der Trieb, dad Beſondere mieder in’3 Allgemeine aufzu= 
löfen, e8 darauf zurüd zu führen. Die Allermeiften bleiben im erjten 
Stadium ftehen; dies find die Leerften und Eitelften, aber auch zugleich 
die Glüdlichften, weil fie fi durch feine individuelle Yorm gebunden 
fühlen und weil fie natürlich nicht erkennen, dab die Yorm ihnen nur 
darum fehlt, weil fie dem Nichts überhaupt fehlt. Sehr Viele verharren 
im zweiten Stadium, bie find unglaublid zäh und fider, ungefähr 
jo, wie das, wad am menſchlichen Körper Knochen geblieben ift, auch 
zäh und gegen die meiften Krankheiten gefichert ift. Die Wenigften er- 
reihen das dritte Stadium, aber nur in diefem fegen Gott und Natur 


ihr Geſchäft fort. 


138, 15 vgl. Tgb. vom Februar 1845 (II S. 122): Hamlet ift 
ion Aas vor der Tragödie, und dieje zeigt uns nur die Rofen und 
Difteln, die aus ihm aufſchießen. 


| 71. vgl. Hebbels Brief an Rötscher (Bw. II S. 305) über die 
unerwartete Milde der Wiener Censur gegenüber der „Maria 
Magdalene“. 

392. Vielleicht haben wir in den folgenden drei Stellen, die 
Hebbel am 24. October 1847 (Tgb. II 8. 286 z. T. ungedruckt) un- 
mittelbar nach der Nachricht von der Vollendung der „Julia“ nieder- 
schrieb, Schnitzel aus diesem Drama zu erkennen; darum seien sie 
hier noch mitgeteilt: 

„Ich bin das legte Unglüd der Heroen, ich erklärte mir das viele 
Faſten der Heiligen gern aus ihrem fchlechten Magen, den jpröden Joſeph 
ftellte ich mir immer furzfihtig vor und den frommen Daniel in der 
Löwengrube als magered Scelett.“ 


„Fürchten Sie nicht, daß ich den Selbftmord, in dem Sie mid) 
jtörten, jegt noch ausführen werde! Der Menſch fanı ohnehin Nichts 
tun, was nicht ſchon ein Underer vor ihm gethan hat, foll er aud) nod) 
ji felbft wiederholen? Es war von mir bloße Pietät gegen die Stunde, 
die num vorüber ijt, keine getraut ſich ohne ſolche Sündenfradit in die 
Ewigkeit hinein, Todſchlag, Ehebruch, Verführung, Alles muß beifammen 





Anhang Lesarten und Anmerkungen. 477 


geweſen ſeyn und Alles war beiſammen, nur am Selbſtmord fehlte es 
noch, ich wollte die Lücke füllen, ein Anderer kam mir zuvor, nun iſt's 
zu ſpät!“ 

„Einer ſah ſeine Geliebte in Ohnmacht fallen, in todähnliche Ohn⸗ 
macht. Es fehlte an Waſſer, er öffnete ſich eine Ader, um ſie damit 
zu beſprengen, ſie erwachte, aber wie ward ihr, als ſie nun ihn bleich 
dahin ſinken ſah!“ 

423. Zu *57f. vgl. Tgb. vom 10. November 1846 (II 8. 188 
ungedruckt): Komiſcher Kerl. „Eins bereu’ ich tief. Ich kam ein- 
mal einem vernagelten Kaften vorbei, worin fi) ein Gemälde befand, 


und zog den Hut nit ab. Konnte nicht dag Bild eines Potentaten 
darin ſeyn?“ 





Soeben erſchien: 


die deutihen Süculardichtungen 


an der Wende des 18. und 19. Sahrhunderts. 
Herausgegeben von Auguft Sauer. 


Preis: Gehefter M. 8,40, gebunden M. 9,50. 


Die fultur= wie litterarhiftorifh glei bedeutfame 
Sammlung enthält ein unfhägbares Material, das die Beadhtung 
weitefter Kreiſe verdient. Denn 

„Wenn da8 Leben des Menſchen ſich dem Ende nähert, jo treten die 
Ereigniſſe feiner früheſten Jugend am ftärkiten in feinem Gedächtniſſe hervor. 
Das Leben der Zeit, den Tag, das Jahr, das Jahrhundert mit dem Leben 
der Menſchen zu vergleichen jcheint allen Völkern und Kitteraturen von Alters 
ber eigen zu fein. Co darf aud uns in den letzten Tagen des fterbenden 
Jahrhunderts die dunkle Frühzeit feines Daſeins in hellerem Glanze er- 
fheinen und es mag nicht unangebradjt jein, in einer nachdenflichen 
Dämmerftunde das neugeborene gleichfam in feinen erjten Atemzügen 
zu belaufchen, die Glockentöne, die zu feiner feierlihen Begrüßung von 
den Türmen erjchollen, auf ihren Klang zu prüfen, die Lieder, die 
von unfern Dichtern an feiner Wiege gejungen wurden, auf ihren Ge: 
halt und ihre Gefinnung zu betrachten. Unfrer eignen Stellung 
zwifchen zwei Beitaltern eingedent und jelber Eopfenden Herzens in die 
verhüllte Zukunft blidend, fragen wir, ob unfer Jahrhundert von denen, 
die es in feinem Urſprunge begrüßen durften, in der Aufgabe, die zu 
löjen ihm bevorftand, richtig erfaßt wurde oder nicht, ob diejenigen, 
. die ihm das Horojkop ftellten, fein Schidfal in den Sternen zu leſen 
verjtanden oder nicht, ob die Weihe des Augenblids den großen Tihtern 
und Denkern, an denen die damalige Jahrhundertwende in Deutihland 
reicher war als jede frühere, das Auge fchärfte oder trübte.“ * ze 


9 


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