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Full text of "Sämtliche Werke : in chronologischer Reihenfolge"

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Frau  M.  J.  Herbart,  geb.  Brake. 


JOH.  FRIEDR.  HERBART'S 

SÄMTLICHE    WERKE. 


JOH.  FR.  HERBART'S 

SÄMTLICHE  WERKE. 


IN  CHRONOLOGISCHER  REIHENFOLGE 


HERAUSGEGEBEN 


tKARL  KEHRBACH  UND  OTTO  FLÜGEL 


ACHTZEHNTER    BAND. 


BEARBEITET 


THEODOR  FRITZSCH. 


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LANGENSALZA 

-(^  HERMANN   BEYER  &  SÖHNE 

(BEYER  &  MANN) 
Herzogl.  Sachs.  Hofbuchhändlkr 
.     1912 


BRIEFE  VON  UND  AN 

J.  F.  HERBART. 

URKUNDEN  UND  REGESTEN  ZU  SEINEM  LEBEN 
UND  SEINEN  WERKEN. 


MIT  VIER  BILDERN. 
3.  BAND. 

(VON    1833  — 1838.) 

MIT  EINEM  BILDE  VON   HERBARTS  FRAU. 

VON 


THEODOR  FRITZSCH. 


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LANGENSALZA 

HERMANN  BEYER  &  SÖHNE 

(BEYER  &  MANN) 

Herzogl.  Sachs.  Hofbuchhändler 

1912 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Briefe  von  und  an 

J.  F.  Herbart. 

Urkunden    und  Regesten   zu   seinem   Leben   und   seinen   Werken. 


Von 

Theodor  Fritzsch. 
III. 


Herbarts  Werke.     XVIII. 


„über  die  angehängten  Briefe  glaubt  Rezensent  nichts  sagen 
zu  dürfen,  denn  sie  waren  nicht  zur  öffentlichen  Ausstellung  be- 
stimmt; es  sei  genug,  sie  dem  stillen  Nachdenken  zu  empfehlen, 
und  die  Mitteilung  derselben  dem  Herausgeber  zu  verdanken. 
Solche  Dokumente  bleiben  immer  schätzbar,  gesetzt  auch,  daß  die 
heutige  Zeit  wenig  Wert  darauf  legte.  Eine  andere  Zeit  wird 
kommen,  zu  ernten,  wo  früher  gesäet  wurde."  Herbart. 

(In  einer  Kritik  über  „K.  L.  Reinholds  L^ben  und  literarisches 
Wirken,  nebst  einer  Auswahl  von  Briefen  Kants  etc.  von  E.  Rein- 
hold," Jena   1825,  in  dieser  Ausgabe  Bd.  XIII,  S.  Ö3.) 


1833. 


W. :  Verhandlungen  mit  H.  wegen  seiner  Berufung  nach  Göttingen  (XV.  273  ff.).  — 
Antrittsprogramm:  De  principio  logico  exclusi  medii  inter  contradictoria  non  negligendo 
commentatio  (S.  Bd.  X.  S.  39—51).  —  Oratio  ad  capessendaro  in  Academia  Georgia 
Augusta  professionem  philosophiae  ordinariara  habita  (S.  Bd.  X.  S.  53 — 64).  —  Vor- 
rede zu  Hendewerks  Principia  ethica  (S.  Bd.  Xin.     S.  270 — 271). 

406.    Dissen  an  H.*)  Göttingen,  den  11.  Jan.  1833. 

Hochzuverehrender  Herr  Professor!  Der  Wechsel  des  Jahres  mahnt  mich  an 
eine  schwere  Schuld,  die  ich  nun  auch  nicht  länger  auf  der  Seele  haben  will,  muß 
aber  zugleich  mich  Ihrer  Nachsicht  ganz  und  gar  empfehlen  vmd  Sie  bitten  Gnade 
für  Eecht  ergehen  zu  lassen.  Einige  Zeit  nach  Ihrem  erfreulichen  Hiersein  wui'de 
meine  Gesundheit  so  schlecht,  daß  ich  fast  zu  keiner  geistigen  Tätigkeit  die  Stimmung 
mehr  finden  konnte,  indem  die  tram-ige  Reizbarkeit  und  Schwäche  meiner  Xerven 
einen  scliwer  zu  beschreibenden  Grad  erreichte. '-)  Dazu  kamen  alsdann  die  traurigen 
Angelegenheiten  unserer  Universität')  und  die  politischen  Calamitäten  Europas,  die 
wohl  jedes  Gemüth  stark  afficirt  haben.  So  unterblieb  i|  das  Schreiben  von  einer 
Zeit  zur  andern,  obgleich  ich  in  Gedanken  oft  auch  bei  Ihnen  war.  und  als  ich 
vollends  hörte  Sie  würden  wahrscheinlich  nach  Berlin  gehn,  wollte  ich  nun  auch 
diese  Kunde  erst  abwarten,  und  bin  auf  diese  Weise  immer  mehr  in  Versäumniß 
gerathen.  Ungemein  aber  wünle  es  mich  schmerzen,  wenn  ich  glauben  könnte  daß 
Sie  einen  Augenblick  an  der  innigen  Anhänglichkeit  und  dankbarsten  Verehrung 
hätten  zweifeln  können,  die  meine  Seele  für  Sie  empfindet  und  stets  empfinden 
wird.  Wäre  meine  Gesundheit  nicht  fortdauernd  so  schlecht,  daß  ich  nun  schon 
seit  längerer  Zeit  fast  kein  Collegium  mehr  lese,  und  umso  mehr  die  leidlichen 
Stunden  zur  Abfassung  philologischer  Arbeiten  verwenden  muß,  um  wenigstens  so 
meinem  Amte  zu  genügen,  so  würde  ich  längst  auch  meinerseits  gesucht  haben  zur 
Verständigung  Ihrer  Philosophie  etwas  beizutragen,  und  Griepenkerl  hat  sehr  Recht 
daß  auch  die  Schüler  das  ihrige  thun  sollen.  Nun  muß  ich  aber  vor  der  Hand 
wenigstens  dies  andern  überlassen,  so  wenig  ich  nahmentlich  gleich  mit  Oriepen  \\  kerls 
Schrift*)  zufrieden  bin,  obgleich  er  es  gut  meint.  Lebendige  Entwicklungen  dieses 
oder  jenes  Theiles,  dieser  oder  jener  Seite  Ihrer  umfassenden  Philosophie  thun  noth, 


1)  4  S.  8».     H.  Wien. 

^)  Die  Briefe  Dissens  sind  infolgedessen  kaum  zu  entziffern. 

3)  Ein  durch  einige  Privatdozenten  und  Advokaten  angeregter  Aufstand,  der 
Bürger  und  Studenten  ergriff.  S.  Fr.  Kohlrausch.  Erinnerungen  aus  meinem  Leben, 
1863,  S.  313.  ^    ^,   _ 

*)  Die    schon    genannten    „Briefe    etc.    über    Herbarts    Lehren",      b.    Bd.  17, 

S.  300  Anm. 


Januar  1833. 


nicht  eine  trockene  formale  Anweisung  wie  man  Ihre  Schriften  auslegen  und  lesen 
solle.  Griepenkerl  hat  keinen  Gedankenreichthuui.  Meinerseits  denke  ich  unsern 
Brussius  einmahl  aufzulegen,  der  glücklicherweise  in  Frankfurt  wieder  an  den  Tag 
gekommen  ist.  Ihre  Encyclopädie  hat  auch  hier  herum  viel  Interesse  gefunden  und 
Ihnen  manchen  neuen  Freund  erworben,  obgleich  andere  urtheilen,  der  wissenschaft- 
liche Zusammenhang  sei  schwer  zu  finden.  Brandts  der  im  Herbst  hier  war,  freute 
sich  Sie  mit  bestimmt  zu  haben  zur  Abfassung.  Da  Ihnen  das  Schreiben  so  leicht 
wird,  thun  Sie  gewiß  gut  auch  ferner  einen  Theil  der  Zeit  auf  populäre  Schriften  zu 
vei"wenden,  da  in  der  That  die  Hauptwerke  nur  ein  kleines  Publicum  haben  können. 
Brandts  ist  jetzt  in  Berlin  um  mit  Bekker  die  endliche  Vollendung  des  Aristoteles 
zu  beschleunigen  *)  und  hat  deswegen  in  der  letzten  Zeit  mit  Ihnen  weniger  verkehren 
können.  Möchten  Sie  doch  selbst  mehr  in  der  Mitte  ||  von  Deutschland  seyn  und 
nahmentlich  in  Berlin  den  Platz  einnehmen,  welcher  Ihoen  allein  gebührt,  aber  der 
Dunst  des  Hegeischen  Systems  muß  wohl  noch  etwas  mehr  verziehen.  Bei  uns  geht 
die  Philosophie  ziemlich  lahm,  da  auch  die  alte  Schule  sehr  schwach  geworden,  wie 
denn  überhaupt  in  der  letzten  Zeit  unsere  Universität  an  Frequenz  sehr  abgenommen 
hat.  Nun  ist  ims  auch  Ihtbaut  gestorben  und  viele  alte  stehen  auf  schwachen 
Füßen.  Wendi  hat  keine  philosophische  Kraft  und  vermag  kein  zahlreiches  Audi- 
torium herbei  zu  ziehen.  Bisher  war  die  Universität  bei  uns  sehr  bedeutend,  aber 
auch  diese  ist  dermalen  gesunken.  Nun  wir  woUen  sehn  was  das  nächste  Jahr 
bringt!  Ihnen  vor  allem  erhalte  der  Himmel  recht  lange  Gesundheit  und  die  voUe 
Stärke  der  ungemeinen  Geisteskraft,  wodurch  Sie  unsterbliche  Werke  schaffen. 
Daneben  erinnern  Sie  sich  auch  wohl  ein  mahl  meiner  wieder.  Mit  innigster  Ver- 
ehrung stets  der  Ihrige  L.  Dissen. 
Meine  gehorsamste  Empfehlung  an  Ihre  Frau  Gemahlin. 


407.    Dissen  an  H.^)  D.  29sten  Jan.  1833. 

Hochgeehrtester  Herr  Prof essor !  Seit  meinem  neulichen  Briefe  ist  nun  der  alte 
Schulze  verstorben  ^)  und  es  handelt  sich  jetzt  um  die  Besetzung  dieser  Stelle.  Das 
Curatorium  in  Hannover  hat  sein  Auge  auf  Sie  geworfen  und  Sie  werden  einen 
Ruf  höchstwahrscheinlich  bekommen,  sobald  man  über  ihre  Entschlüsse  deshalb  ver- 
läßlich unterrichtet  sein  wird. 

Zwar  soU  diese  meine  Anfrage  keine  officielle  sein,  da  man  in  Hannover  sich 
nicht  gern  comprommittirt,  ich  habe  aber  den  officiellen  Auftrag  von  Hannover, 
Sie  vorerst  privatim  und  als  aus  bloßem  eigenen  Antriebe  zu  sondieren,  ob  Sie  ge- 
neigt seyn  würden,  einem  Ruf  Gehör  zu  geben.  Größeres  Heil  kann  ||  der  Georgia 
Augusta  nicht  widerfahren  und  kein  größerer  Ruhm,  als  wenn  Sie  kämen.  Sagen 
Sie  mir  offen,  wenn  nicht  alles  Sie  abhält,  eine  günstige  Antwort,  ich  bitte  Sie,  und 
schreiben  Sie  recht  bald.  Richten  Sie  Ihren  Brief  so  ein,  daß  ich  ihn  geradezu 
nach  Hannover  einschikken  kann,  stellen  Sie  aber  alles  so,  als  wenn  ich  nur  privatim 
für  mich  angefragt  hätte.  Zugleich  möchte  ich  wegen  Ihres  Gehaltes  eine  An- 
deutung erhalten,  damit  man  weiß,  welchen  Preis  man  etwa  bieten  müßte.  Nun 
antworten  Sie  recht  bald.  In  Königsberg  wollen  Sie  ja  doch  nicht  bleiben,  wohlan, 
so  kommen  Sie  denn  hiehßr  zurück. 

Von  ganzem  Herzen  der  Ihrige  Dissen. 

*)  Brandis   hatte  mit  J.  Bekker  die   von  der  Berliner  Akademie  beschlossene 
Ausgabe  des  Aristoteles  zu  besorgen. 
«)  2  S.  8".     H.,  Wien. 
■*)  Aenesidemus-Schulze  starb  am  14.  Jan.  1833. 


Februar   1833. 


408.  Bobrik  an  H.')  Bonn  den  30.  Januar  1833. 
Yerelirtester   Herr  Professor!     Das   lange  Schweigen,    zu  welchem  mich   die 

noch  bis  heute  dauernde  Stille  des  Ministeriums  zwang,  kann  ich  heute  durch  ander- 
weitige erfreuliche  Nachrichten  unterbrechen,  und  um  so  mehr,  als  ich  meinen 
herzlichen  Glückwunsch  wegen  des  Ordens^)  vorauszustellen  habe.  Man  hat  hier  mit 
vieler  Theilnahme  dieses  Zeichen  der  Anerkennung  Ihnen  zu  Theil  werden  gesehen 
und  will  hinsichtlich  des  Ministeriums  manchen  Schluß  daraus  ziehen.  Auch  Augusti 
hat  man  eine  höhere  Auszeichnung  zukommen  lassen,  beharrt  aber  übrigens  in  einem 
unbegreiflichen  Schweigen,  selbst  vom  geheimen  Cabinet  aus,  wohin  am  Anfange  dieses 
Monats  das  Immediat-Vorstellen  abgegangen  ist. 

Ich  habe  gestern  von  Zürich  eine  ordentliche  Professur  mit  700  Thaler  be- 
kommen und  werde  gleich  Morgen  an  das  Ministerium  berichten,  um  den  meinet- 
wegen geschürzten  Knoten  zu  lösen.  Wie  übrigens  jetzt  die  Antwort  aus  Berlin 
ausfallen  mag,  ich  gehe  nach  Zürich,  wo  man  Ihr  System  so  sehnlich  wünscht,  daß 
man  mich  bei  der  ungeheuem  Meldungszahl  gewählt  hat.') 

Könnte  nun  vielleicht  Rör  oder  Strümpel  herkommen  oder  Taute  sich  dazu 
entschließen,  wer  kommen  mag,  ich  hinterlasse  ihm  eine  offene  Bahn,  und  gut  be- 
arbeiteten Boden.  Kommt  keiner  her,  so  geht  uns  diese  Provinz  verlohren,  denn 
auf  Brandts  ist  offenbar  nicht  weiter  zu  rechnen.  Drobisch  hat  mich,  und  ebenfalls 
Eichstädt  vor  14  Tagen  selbst  aufgefordert  an  der  Leipziger  und  Jenaer  Litt.  Z. 
Theil  zu  nehmen.  Ton  Drobisch  ist  das  sehr  freundlich;  warum  Eichstädt  so  lange 
gezögert  hat  weiß  ich  nicht;  indessen  jetzt  sind  wenigstens  wieder  zwei  Plätze  für 
mich  da,  an  denen  ich  den  bisherigen  Vorwurf  des  Schweigens  will  vergessen  machen 
und  in  Züi'ich  wird  sich  doch  auch  etwas  machen  lassen. 

Ihnen  hat  man  hier,  wo  man  mit  dergleichen  immer  schnell  fertig  ist,  schon 
die  Stelle  Schuhes  in  Göttingen  zugeschrieben. 

Empfehlen  Sie  mich  gütigst  der  Frau  Gemahlin,  und  Herren  Wahn  imd  er- 
lauben Sie  mir  auszusprechen,  daß  ich  das  mir  zu  Theil  gewordene  Glück  als  eine 
Gabe  ansehe  die  ich  Ihnen  innigst  verdanke. 

Mit  dankbarer  Ergebenheit  Bobrik. 

409.  An    Dissen.*)  Königsberg,  7.  Febr.    1833. 
Ihr  Brief,  mein  theurer  Freund!  zeigt  mir  eine  heitere  Aussicht,  aber 

nur  von  ferne!    Gleichwohl  soll  ich  ernsthaft  antworten.     Es  sey. 

Meine  hiesige  fixirte  Einnahme  aus  den  Fonds  der  Universität  schlage 
ich  auf  ungefähr  1700  Rthl.  Preußisch,  d.  i.  auf  300  Friedrichsd'or  jähr- 
lich an.  Gesetzt,  die  Regierung  zu  H[annover]  wollte  auf  mich  refiectiren: 
wird    sie   mir    ein   so   ansehnliches  Anerbieten    machen?  —  Wenn    nicht: 

1)  1  S.  40.     H.  Wien. 

^)  Roter  Adler-Orden  4.  Kl.     Vergl.  den  folgenden  Brief. 

^  S.  den  vorhergehenden  Bd ,  S.  317  Anm.  —  Ed.  Bobrik  trat  sein  Amt  als 
0.  Prof.  der  Philos.  neben  Oken  an  der  neuerrichteten  Züricher  Universität 
Ostern  1833  an.  Er  galt  .,als  gewandter  Dialektiker  von  großer  Rednergabe,  dessen 
Vorlesungen  auch  von  angesehenen  Männern  aus  den  gebildeten  Kreisen  Zürichs 
besucht  wurden."  Später  wandte  er  sich  Lieblingsstudien  zu,  „die  mit  der  Neigung 
des  Herbartianers  für  Mathematik  zusammenhingen.  Er  schiieb  1845—48  ein  Hand- 
buch der  Seefahrtskunde,  1848—50  ein  nautisches  Wörterbuch  und  folgte  1856  einem 
Rufe  als  Direktor  der  Handelsakademie  nach  Danzig.''  G.  von  Wvss,  die  Hochschule 
Zürich  in  d.  J.  1833-53,  Zürich  1883,  S.  18,  32.  93. 

*)  4  S.    8".     H.  Wien.     Vergl.  Zimmermann,  Ungedruckte  Briefe.     S.  49  f. 


Februar  1833. 


wo  soll  ich  Ersatz  für  das  Fehlende  finden?  Im  Collegien-Honorar?  Das 
ist  ungewiß.  Sie  wissen,  das  philosophische  Studium  gleicht  heutiges  Tages 
allenthalben  einer  verbrannten  Pflanze.  Und  gelänge  mirs,  im  kleinen 
Kreise  der  Denker  den  Untersuchungsgeist  wieder  zu  wecken,  den  Krug, 
Fries  usw.  nie  besaßen,  der  bey  Fichte,  Schelling,  Hegel  usw.  in  starke 
Phantasterey  und  Polemik  ausartete:  so  ist  noch  weit  von  da  bis  zu 
reichlich  besuchten  und  bezahlten  Vorlesungen. 

Vor  allen  Dingen  muß  ich  für  meine  Frau  sorgen.  Ihr  sind  240  Thaler 
Wittwengehalt  sicher,  so  lange  ich  in  Preußen  bleibe;  sie  gehn  verloren, 
sobald  ich  Preußen  verlasse. 

Überdies  besitze  ich  hier  ein  Haus,  dessen  Werth  in  ||  der  Feuer- 
Casse  und  bey  Communal- Lasten  auf  nicht  weniger  als  zwölftausend 
Thaler  berechnet  wird.  Es  stehn  Schulden  auf  dem  Hause;  und  als  ich 
hier  das  pädagogische  Seminar  einrichtete,  hat  sich  das  Ministerium,  in- 
dem es  eine  Geldunterstützung  hergab,  das  Vorkaufs- Recht  an  dem  Hause 
ausbedungen.  Das  ist  ein  Faden,  an  dem  man  lange  ziehen  kann,  wenn 
man  etwa  will,  und  wodurch  der  ohnehin  nur  bey  seltener  Gelegenheit 
mögliche  Verkauf  sehr  wird  erschwert  werden. 

Eine  starke  Unzufriedenheit  hätte  mich  dennoch  vertreiben  können. 
Daß  man  mir  ein  Gegenmittel  ganz  kürzlich  gereicht  hat,  werden  Sie  aus 
der  Staatszeitung  wissen;  ich  nehme  es  natürlich  mit  schuldiger  Dankbar- 
keit an,  ohne  es  über  den  Werth  zu  schätzen.  Meine  Gesundheit  wird 
dadurch  nicht  geschützt  gegen  den  mir  fortdauernd  nachtheiligen  Ein- 
fluß des  Klimas;  und  der  Provincial-Geist,  der  die  hiesige  Universität  drückt, 
wird  damit  nicht  besser. 

Es  ist  keine  Frage,  daß,  wenn  eine  auswärtige  Regierung  ernstlich 
will,  sie  mir  eine  Veränderung  meiner  Lage  höchst  wünschenswerth  machen 
kann.  Jedenfalls  aber  muß  ich  die  Sache  der  Preußischen  Regierung  ||  erst 
offen  vorlegen.  Nicht  wie  ein  Miethling  seinen  Dienst  aufkündigt,  wenn 
er  einen  bessern  im  Auge  hat,  kann  ich  davon  gehn.  Nicht  ohne  Vor- 
wissen meiner  Obern,  nicht  ohne  ihre  Erklärung  vernommen  zu  haben, 
kann  ich  andre  Verhältnisse  verabreden. 

Ihr  Brief  berechtigt  mich  zu  Nichts;  ich  darf  davon  nicht  einmal 
mündlich  mit  unserm  Curator  und  mit  dem  Oberpräsidenten  sprechen. 
Sollte  aus  Ihrer  Anfrage  Ernst  werden:  so  müßte  ich  zum  mindesten 
einen  solchen  Privatbrief  empfangen,  den  ich  als  eine  deutliche  Erklärung 
meinen  Behörden  unter  der  Hand  vorzeigen  könnte.  Fände  sich  dann, 
daß  man  darauf  nicht  einginge,  daß  man  ihn  ignorirte:  so  würde  ich 
mich  natürlich  auch  nicht  verbunden  achten,  eine  längst  sehnlichst  ge- 
wünschte Gelegenheit,  um  an  den  Ort  meiner  frühern  eignen  Wahl  zurück- 
zukehren (und  dieser  Ort  war  Göttingen!)  mir  entgehen  zu  lassen,  wofern 
anders  die  Bedingungen  annehmlich  wären. 

Sie  werden  nun  fragen,  was  man  denn  wohl  in  dem  von  Ihnen  als 
möglich  angenommenen  Falle,  daß  ich  einen  Ruf  nach  G[öttingen]  be- 
käme, in  B[erlin]  thun  werde?  Das  läßt  sich  ||  durchaus  nicht  vorher  sehn; 
wenn  Sie  aber  meine  Vermuthung  wissen  wollen,  so  ist  es  die  Bescheidenste 
von  der  Welt.  Nahe  genug  lag  es  längst  unserm  Ministerio,  auf  eine 
vielfach    laut    gewordne    öffentliche   Stimme    zu    hören,    der    zufolge    man 


März   1833. 


mich  nach  B [erlin]  würde  versetzt  haben.  Von  einer  solchen  Absicht 
aber  ist  kein  Zeichen  vorhanden.  Der  mir  kürzlich  ertheilte  Orden  macht 
eher  das  Gegentheil  wahrscheinlich.  Man  hat  nun  Etwas  für  mich  gethan ; 
und  schwerlich  wird  man  auf  eine  Gnadenbezeugung  sobald  eine  zweyte 
häufen  wollen.  Wäre  mir  eine  andre  Stelle  zugedacht,  so  würde  man 
erst  dort  meine  Leistungen  beobachtet  und  diesen  gemäß  ein  Ehrenzeichen 
geschenkt  oder  versagt  haben.  Daher  glaube  ich,  die  Regierung  zu 
H[annover]  wird  keinen  bedeutenden  Einspruch  von  B[erlin]  aus  er- 
fahren, wenn  sie  mir  ihr  Vertrauen  zuwenden  will.  Und  das  Vorkaufs- 
recht an  meinem  Hause  wird  man  wohl  auch  großmüthig  aufgeben,  um 
mir  eine  letzte  Gunst  zu  erweisen  und  auf  diese  Weise  den  hiesigen  Platz 
auf  gute  Manier  für  einen  Hegelianer  frey  zu  machen. 

Meine  Wünsche  für  Ihre  Gesundheit  kennen  Sie;  meine  Freude, 
wenn  ich  mit  Ihnen  zusammenwirken,  wenn  ich  Heeren  und  Hugo  wieder- 
sehen, mit  Gauß  in  nähere  Verbindung  treten  könnte  —  doch  wir  wollen 
uns  keiner  voreiligen   Freude  überlassen.  Ganz  Ihr  H. 

410.    An  Griepenkerl.  ^)  Königsberg  i.  März  1833. 

Allem  Anschein  nach,  mein  theurer  Freund,  ist  die  nächste  Zukunft 
für  uns  verloren,  und  wir  müssen  die  Augen  auf  die  entferntere,  dunkel 
wie  sie  ist,  hinauszuschauen  dennoch  üben.  Daß  der  Ruf  nach  G[öt- 
tingen]  ausbleiben  wird,  scheint  Dissen  vorzufühlen;  und  Richth[ofen']s 
Rede,  es  sey  mir  leider  nicht  gelungen,  usw.  usw.  klingt  gar  berlinisch 
in  einem  Grade,  dem  ich  eine  kurze  Bemerkung  beyfügen  will.  Richt- 
h[ofen]  hängt  vorzugsweise  an  Savigny-),  und  Savigny  ist  fromm.  Ferner 
hat  er  Ihnen  ja .  selbst  gesagt,  er  habe  für  zwey  Söhne  viel  zu  thun. 
Zwar  meinerseits  hätte  ich  nie  geglaubt,'  daß  R.  sich  so  in  den  Berliner 
Strudel  könnte  fortziehen  lassen,  um  zu  sprechen  wie  ein  ganz  Un- 
kundiger, dem  meine  Angelegenheit  rein  äußerlich  und  ohne  Zusammen- 
hang erscheint,  aber  sehn  wir  es  nicht  vor  Augen?  Ob  ich  danach  ge- 
strebt habe,  eine  Mehrheit  des  heutigen  Volks  zu  gewinnen,  ob  man  in 
B [erlin]  die  Stimmen  richtig  zähle,  ob  er  selbst  etwa  sie  gezählt  habe,  ob 
nun  die  Sache  als  mislungen  abgethan  sey?  —  das  Alles  geht  er  vorbey; 
vergißt  sogar,  daß  in  Königsberg  so  etwas  unmöglich  gelingen  konnte, 
bedauert  dennoch  meine  Unzufriedenheit,  als  ob  ich  hätte  zufrieden  seyn 
sollen  mit  der  Unmöglichkeit  zu  thun  was  mir  oblag  und  obliegt.  In  dem 
Allen  liegt  ein  Repetiren  dessen,  was  N[icolovius]  ^)  und  S[avignyJ  in  B[erlin] 
zu  sagen  pflegen;  und  gerade  ein  solches  Repetiren  hatte  mich  schon 
früher  in  R.— s  Briefen  gekränkt.  Aber  das  Fortkommen  der  zwey  Söhne 
erfordert,    daß    man    den   Berliner   Wind    für    sich    habe!    (Damit  will   ich 


')  2  S.    4*'.     H.  Wien.   —   Bei  Zimmermann  S.  77  ff. 

-)  Das  wird  durch  Richthofens  Biographie  (Aus  dem  Leben  des  Karl  Ernst 
Friedrich  Frhr.  von  Richthofen  auf  Brecheishof.  Geschrieben  von  seinem  Sohne  Bolko 
für  dessen  Kinder.     Als   Manuskript  gedruckt    1883)  bestätigt. 

ä)  Man  vergl.  die  weiter  unten  (2.  Febr.  1836)  mitgeteilte  Bemerkung  des  Geh. 
Rats  Dieterici  über  Herbart  und  den  Brief  von  Brandis  an  H.  vom  17.  Juni  33.  Dar- 
nach ist  Nicolovius  für  Herbart  eingetreten.  Beim  Minister  von  Altenstein  dagegen 
sollte  der  Name  Herbart  nicht  genannt  werden. 


8  März   1833. 


keinen  härteren  Tadel  ausgesprochen  haben;  ihm  sind  die  Seinigen  die 
nächsten;  das  ist  recht;  und  ich  bescheide  mich,  daß  ich  zurück  treten  muß 
vor  weit  nähern  Pflichten  und  Sorgen.  Nur  trete  ich  denn  auch  wirklich 
zurück;  und  erwarte  keine  besondere  Fürsorge  für  meine  Sachen.  Schon  in 
meinem  letzten  Briefe  wird  R.  gespürt  haben,  daß  ich,  ohne  die  Freund- 
schaft aufzuheben  oder  auch  nur  aufzugeben,  doch  bescheidentlich  den 
Platz  räume,  wo  es  seyn  muß.  Und  daß  ich  in  diesem  Augenblick 
meine  eigne  Empfindlichkeit  nicht  gern  unnöthigen  Reizungen  aussetze, 
begreifen  Sie  gewiß,  und  werden  es  nicht  misbiiligen.  Die  beabsichtigte 
Frühlings- Reise  nach  Schlesien  hatte  ich  schon  früher  aufgegeben.  Zu 
meinem  großen  Glück  bin  ich  sehr  wohlbehalten  durch  den  gelinden 
Winter  gekommen,  und  in  dieser  für  mich  gefährlichen  Jahreszeit  gesund" 
seit  langen  Jahren  ohne  den  verderblichen  nervösen  Husten.  Um  die 
Postleute  nicht  aufmerksam  auf  so  häufige  Briefe  zu  machen,  werde 
ich  die  Adresse  lateinisch  schreiben.)  i)  Und  der  kluge  Mann  merkt  selbst 
nicht,  wie  dieser  Wind  auf  ihn  wirkt. 

Zwey  derbe  Stöße  hatte  ich  nun  schon  durch  Ihre  beyden  letzten  Briefe 
bekommen,  den  einen  von  Dissen,  den  andern  von  R.  —  als  gestern 
Strümpell  den  dritten  noch  derberen  überbrachte.  Davon  muß  Ihnen 
aber  Str.  selbst  erzählen,  denn  ich  fürchte  die  Nebenumstände  nicht  mehr 
genau  zu  wissen.  Kurz:  Strümpell  ist  eine  Person,  die  man  warnt,  und 
gern  schrecken  möchte.  Ein  Professor  extraordin.  der  in  B.  viel  Ver- 
bindungen hat,  scheint  in  Folge  eines  Auftrags  gehandelt  zu  haben,  indem 
er,  schon  bekannt  mit  Bobriks  Wegzug  von  Bonn,  Strümpelln  sagt:  die 
herrschende  Philosophie  sey  etwas  starr,  und  sie  werde  ihm  schwerlich  in 
Bonn  aufzutreten  erlauben.  Er  möge  in  B.  sich  nur  an  den  Prof.  G — s 
wenden,  der  ihm  das  Nähere  wohl  sagen  werde.  —  Noch  eine  andre 
Warnung  ist  Str.n  zugegangen,  ganz  aus  meiner  nächsten  Umgebung,  zufolge 
der  er  —  ich  weiß  nicht  wie  lange,  —  erst  noch  Skeptiker  seyn  sollte, 
bevor  er  Parthey  für  mich  nehme.  Sehr  wahrscheinlich  sitzt  hinter  beyden 
Warnungen  einerley  wohlbekannte  Person,  die  durch  die  vierte  fünfte 
Hand  ihrer  Zorn  über  Bobriks  Beförderung  nach  Zürich  ausläßt.  Wenn 
aber  dieser  nicht,  —  so  zeigt  sich  hier  wenigstens  die  Parthey,  in  dem 
was  sie  wagt!  —  und  —   was  sie  scheut. 

Alles  das  zusammen  bestimmte  mich  gestern,  einen  zweyteu  Brief 
an  Dissen  zu  schreiben,  —  nicht  in  der  Meinung  dadurch  etwas  zu 
fördern,  sondern,  —  um,  wenn  Alles  schief  geht,  vor  Ihnen  gerechtfertigt 
zu  seyn.  Lassen  Sie  Sich  wo  möglich  auch  meinen  frühern  Brief  an 
Dissen  gelegentlich  mittheilen;  sehen  Sie  zu,  ob  Dissen  Ursach  hatte,  un- 
zufrieden zu  seyn.  ||  Dissen  schrieb  an  mich  sehr  kurz:  ob  ich  geneigt 
sei  usw.  usw.  und  dann:  ,, Zugleich  möchte  ich  wegen  Ihres  Gehalts  eine 
Andeutung  erhalten,  d&mit  man  weiß"  usw.  usw.  Was  war  denn  andres 
zu  thun  als  mein  jetziges  wirkliches  Gehalt  anzuzeigen?  Daran  knüpfte 
sich  die  Frage:  wird  man  soviel  anbieten?  Nicht  aber  ein  höherer  Satz; 
nicht  Ansprüche.  Ferner  mußte  vom  Wittwengehalt  durchaus  die  Rede 
seyn,    denn    dessen  kann   ich   meine  Frau  schlechterdings  nicht  berauben; 


*)  Das  Eingeklammerte  steht  am  Rande. 


März   1833,  9 

sie  hat  aus  der  hiesigen  Univ.  W.  Casse  240  Rthlr.  zu  erwarten,  welche 
verloren  gehn  wofern  ich  aus  Preußen  gehe.  Eben  so  nothwendig  war 
die  Er%vähnung  des  sehr  schwierigen  Haus- Verkaufs;  —  hätte  ich  diese 
Dinge  verschwiegen,  so  hätte  ich  eine  illusorische  Verhandlung  angeknüpft, 
mit  Vortheil,  aber  gegen  die  gemeinste  Pflicht.  Anders  aber  wäre  mein 
Brief  gewendet  worden,  wenn  Bissen  von  dortigen  Verhältnissen  etwas 
Warnendes  gesagt  hätte. 

ISIeinem  gestern  geäußerten  Wunsche,  an  Kohlrausch  i)  möchten  Sie 
schreiben,  werden  Sie  wohl  kaum  Gehör  gegeben  haben.  Ist  es  ge- 
schehn,  so  werden  Sie  •  Ihrer  Vorsicht  gemäß,  Dissens  Geheimnis  nicht 
verrathen  haben;  und  wenn  ich  dadurch  in  die  Stellung  eines  Bittenden 
kam,  so  ist  das  Unglück  nicht  groß,  denn  es  kann  doch  nicht  verborgen 
bleiben,  daß  ich  in  meinen  Verhältnissen  eine  Veränderung  wünschen 
muß;  und  Kohlrausch  wird  auch  behutsam  seyn.  Vielleicht  hilfts;  — 
vielleicht  auch  nicht.  Haben  Sie  nicht  geschrieben,  so  unterlassen  Sie  es 
nur.  Ich  muß  nun  einmal  leiden;  und  das  wird  so  fortgehn,  bis  meine 
Maschine  bricht.  Möge  nur  Urnen  meine  Freundschaft,  lästig  wie  sie  ist, 
nicht  gar  zu  lästig  fallen. 

Lassen  Sie  uns  nun  noch  ein  paar  Worte  an  das  Wesentliche  wenden. 
Das  ist  immer  das  Bleibende:  Die  Schriften.  Je  derber  Strümpell  zu 
schreiben  gedenkt,  desto  vester,  aber  ruhig,  werden  hoflTentlich  Sie  schreiben; 
und  ich  werde  vorläufig  wohl  von  philos.  Polemik  meist  fern  bleiben. 
Wenn  meine  Gesundheit  leidlich  bleibt,  meine  Stimmung  erträglich  wird, 
(was  ich  nicht  verbürge  nach  solchen  Stößen!)  so  bin  ich  bald  wieder  an 
meiner  angefangenen  Arbeit;  denn  diese  wird  doch  wohl  einen  wesent- 
lichen Nachtrag  bilden  zu  Schriften,  welche  —  die  kommende  Generation 
aus  dem  Staube  der  Bibliotheken  wieder  aufsuchen  mag,  wofern  nicht  Sie, 
und  St[rümpell]  und  Bobr[ik]  und  Drob[isch]  es  anders  wenden.  Die 
„herrschende  Philosophie'*  können  wir  freylich  nicht  beherrschen;  und  ich 
vor  allem  muß  suchen  soviel  von  persönlicher  Würde  zu  behaupten,  als 
mein  schwacher  Körper  erlaubt.  Bald,  hoffe  ich,  werden  wir  über  Päda- 
gogisches correspondiren,  und  vom  Uebrigen  —  meist  schweigen,  um 
uns  nicht  unnütz  üble  Laune  zu  schaffen.  Auf  diejenigen,  deren  Ver- 
satilität  klar  wird,   können   wir  weiter  nicht  rechnen. 

Von  Roer  habe  ich  Nichts.  Der  Mehring,  nach  dem  Sie  fragen, 
ist  Prediger  irgendwo  in  Würtemberg,  hat  mir  einmal  ein  Schriftchen  ge- 
schickt mit  viel  Gelehrsamkeit  zur  ältesten  Griech.  Geschichte  der  Philos., 
will  übrigens  den  Psychologen  vorstellen,  und  ist  von  mir  in  der  Hall. 
Z.  nicht  lobend  recensirt  worden.  2)  Hätte  ich  gelobt  was  nicht  zu  loben 
ist,  so  hätte  ich  eine  Parthey.     Von  Pfnor'^)  weiß  ich  nichts. 

Heute  bin  ich  zu  sehr  ermüdet,  und  muß  mir  Erholung  gönnen. 
Leben  Sie  wohl;  möge  ein  baldiges  Frühjahr  Sie  recht  vollständig  erquicken. 

Ganz  Ihr  H. 


^)  Kohlrausch  war  seit  1830  VorsiUender  des  Obetschulkollegiums  in  Hannover 
und  mit  dem  Geh.  Kabinetsrat  Hoppenstedt  befreundet.  S.  Kohlrauschs  Erinnenmgen, 
1863,  S.  267. 

2)  S.  Bd.  XIII,  S.  196  f. 

ä)  J.   W.  G.  Pfnor,   1792— 1869,  S.  Allg.  d.  Biogr. 


lO  März   1833. 


411,    Dissen  an  H.M  Göttingen  d.  4.  März. 

Hochgeehrtester  Herr  Professor,  Bester  Gönner  und  Freund!  Nunmehr  habe 
ich  von  Hannover  den  bestimmten  Aultrag  eine  officielle  Vocation  auf  hiesige  Uni- 
versität an  Sie  gelangen  zu  lassen;  beikoinmender  (an  mich  gerichteter)  Brief  ist 
mir  zu  dem  Ende  übersandt  worden,  daß  ich  Ihnen  denselben  unmittelbar  selbst 
mittheilen  soll.  Der  Himmel  öffne  nun  Ihr  Herz  unsern  Wünschen  und  Bitten. 
Meinerseits  erlaube  ich  mir  nun  folgende  Betrachtungen  und  Nachrichten  beizufügen. 
Unser  Curatorium  wird  von  zwei  sehr  braven  Männern  verwaltet,  den  Ministern 
von  Arnswald  und  von  Stralenheini ,  von  denen  ersterer  nahmentlich  ein  wissen- 
schaftlich sehr  kenntnißreicher  Manu.  Ihnen  beigegeben  ist  der  Geheime  Cabinets- 
rath  Hoppenstedt,  Verfasser  des  anliegenden  Briefes,  ein  Mann  von  dem  allerbesten 
WiUen  und  der  größten  Thätigkeit.  zugänglich  allen  nützlichen  Vorstellungen.  Das 
Curatorium  bietet  Ihnen  nun,  wie  ich  aufrichtig  versichere,  ||  das,  was  nach  hiesigen 
Umständen  möglich.  Überbieten  in  der  Höhe  der  Gehalte  können  wir  die  preußische 
Regierung  nun  einmahl  überhaupt  nicht,  die  6umme  von  1500  Thl.  Cour.  M.  ist 
ungefähr  das  maximum  hiesiger  Besoldungen,  womit  alle  altern  Familien  vollkommen 
bequem  und  wohl  leben.  Die  Hälfte  zahlt  man  in  Conventions  Münze,  welche  nach 
Preußischem  Gelde  einen  Groschen  Agio  auf  den  Thaler  beträgt,  die  andere  Hälfte 
wird  in  Gold  gegeben,  welches  hier  seit  vielen  Jahren  5  Thl.  16  gute  Groschen  nach 
Preußischem  Gelde  beträgt,  von  Hannover  aber  nur  zu  5  Thl.  4  Grsch.  angerechnet 
wird.  In  die  "Wittwen-Casse  treten  Sie  sogleich  ein  bei  Ihrer  Ankunft  und  zahlen 
alljährlich  alsdann  was  alle ;  sonstige  Eintrittskosten  sind  dabei  nicht.  Hinsichtlich 
des  Freibittens  der  Honorare  ist  seit  einigen  Jahren  bei  uns  eine  sehr  wirksame  imd 
vortreffliche  Verfügimg  von  Hannover  erlassen,  so  daß  jetzt  alle  wohl  zufrieden 
sind  und  der  früher  eingerißene  Unfug  gänzlich  aufgehört  hat.  Mit  unserm  Senat 
ist  auch  eine  Veränderung  eingetreten,  man  wird  dazu  gewählt  auf  einige  Zeit.  Die 
Prorectoratsgeschäfte  sind  sehr  verringei-t,  indem  zwei  Uuiversitätsrätüe  die  größte 
Arbeit  üben,  welche  außerdem  dem  Prorector  in  allen  Dingen  beistehen  und  zu 
ßath  II  sind.  Daher  dächte  ich  daß  Sie  keine  Dispensation  sich  ausbedingen  sollten, 
falls  Sie  können,  was  Sie  jadoch  können.  Der  Prorector  wird  übrigens  aus  allen 
ordentlichen  Professoren  mit  Stimmenmehiheit  gewählt  anjetzt,  indem  drei  Candi- 
daten  dem  Curator  jedesmahl  präsentirt  werden.  Alle  Verantwortlichkeiten  tragen 
die  Universitätsräthe  mit.  Die  alte  Universitätsjägeigarde  ist  abgeschafft,  und  da- 
gegen ein  Corps  Landdragoner  hier  mit  einem  Hauptmann;  jeder  Student  trägt  eine 
Sicherheitskarte  beisich,  wenn  Unordnungen  auf  der  Straße  entstehen,  fordert  der 
Dragoner  'die  Karte  und  bringt  auf  diese  Weise  den  Nahmen  des  Unruhstifters  zu 
Anzeige.  In  die  Honorenfacultät  wird  eingerückt  nach  der  Ordnung.  So  viel  wäre 
etwa  von  hiesigen  Einrichtungen  zu  melden.  Die  Häuser  sind  sehr  im  Preise  ge- 
fallen, wollen  Sie  in  der  Folge  sich  ankaufen,  können  Sie  für  5000  Thaler  ein  be- 
deutendes Haus  erhalten.  Der  Klafter  Holz  kostet  10—11  Thaler.  —  Was  die 
Prüfungscommission  betrifft,  von  der  die  Rede  in  dem  Schreiben,  so  existieren  deren 
sechs  in  den  sechs  Sitzen  der  Landdrosteien  (Departement)  des  Königreichs,  und 
außerdem  eine  siebente  hier,  wozu  Sie  gehören  würden.  Michaelis  und  Ostern 
werden  daselbst  die  Abiturienten  der  hiesigen  Schule  geprüft,  und  außerdem  die, 
welche  aus  einem  erlaubten  Grunde  an  dem  Orte  ihres  fori  sich  nicht  haben  prüfen 
lassen  oder  können.  Daß  Sie  mit  darin  eintreten  möchten,  habe  ich  veranlaßt,  in- 
dem Sie  dadurch  Einwirkung  in  ||  unser  Schulwesen  erhalten  werden.    Noch  wünscht 

1)  6  S.  8".     H.  Wien. 

2)  Wohl  der  vom  28.  Febr.  1833,  s.  Bd.  XV,  S.  276. 


März   1833.  r  I 

das  Curatorium  daß  Sie  außer  den  speciellen  Vorlesungen  über  Ihre  Philosophie  auch 
noch  populäre  Vorträge   zu   schicklichen  Mahlen    halten  möchten  über  acadeniisches 
Studium  und  den  "Werth  allgemeiner  Bildung  (wo  Sie  daun  ein  anderes  Collegium  für 
diese  weglassen  können,  wenn  Sie  wollen);  man  weiß,  daß  Sie  zu  solchen  Vorträgen 
sehr   aufgelegt   sind   und  viel  Geschick   haben   und  verspricht  sich  von  dieser  Seite 
Ihrer  Thätigkeit  ebenfalls  erfreuliches  Heil   für  den   academischeu  Geist  überhaupt, 
■wie  denn  überhaupt  in  Hannover  ein  sehr  großes  Vertrauen  zu  Ihnen  besteht.     Sie 
können  der   Georgia  Augusta  auch  dadurch   unendlich  viel  nützen,    allgemein  wird 
das  Bedüi-fnis  solcher  Vortiäge  gefühlt,  man  wird   sich  allgemein  dafür-  von  Seiten 
der  Professoren  interessieren.  —  Und  nun  überlegen  Sie  recht  wohl  alles  im  besten. 
In  Königsberg  können  Sie  nicht  bleiben,  dürfen  Sie  nicht  bleiben  schon  Ihrer  Ge- 
sundheit wegen,  Sie  haben  die  Pflicht  diesen  Punct  fest  im  Auge  zu  behalten.    Geld 
und  weitere  Titel  können  Ihrer  Gesundheit  nichts  nützen,  Sie  haben  außerdem  keine 
Kinder  und  können  mit  dem  gebotenen  Gehalte  hier  glücklich  und  zufrieden  leben. 
Aber  man  kann  Sie   nach  Berlin  versetzen?    Fraglos  ||  kann   man  das  und  Sie  er- 
halten dadurch    eine  große  Satisfaction.     Aber  laßen   Sie  mich   es  offen  gesteheu, 
außer  der  Ehi-e  dort  zu  sejTi,   was  haben  Sie  weiter  dort?    Mitten  unter  anders- 
denkenden Menschen  von  entschieden  widerstrebender  Meinung  und  Abneigung  gegen 
Ihre  Philosophie,   wie  viel   dürfen   Sie  hoffen  zu  wirken?     Dazu  werden  Sie  älter, 
wo  man  die  Agitation  in  der  Nähe  immer  weniger  liebt.     Hier  können  Sie  ruhig 
auch   dem  Alter  entgegen   sehen,   haben   nichts   entgegenstehendes   zu   bekämpfen, 
werden  den  Dank  und  die  Anerkennung  der  Regierung  stets  auf  erfreuliche  Weise 
empfinden.     Sie   leben    in   der   Mitte    von  Deutschland,    können   Ihre  Wirksamkeit 
leichter  nach  allen  Seiten  verbreiten,   können  nach  dem  Süden   reisen   in  schönen 
Herbstjahrzeiten,  und  was  Sie  sonst  wollen.    Überlegen  Sie  das  alles  recht  wohl  in 
guter  Stunde  und  weisen  Sie  die  Vocatiou  nicht  schnell  von  der  Hand.    Sie  werden 
mich  zudringlich  nennen?     Nun  ich  rede  für  Hannover,  die  Universität  und   mich 
zugleich,  da  werden  Sie  ja  wohl  meinen  Eifer  verzeihn.    Hat  man  mich  doch  selbst 
vom  Curatorio  aufgefordert  alle   meine  Beredsamkeit  anzuwenden,  und  man  schickt 
bloß  des  li  wegen  den  Antrag  durch  mich  an  Sie,  um  mir  Gelegenheit  zu  geben  Sie 
auch  meinerseits  zu  bitten,  da  man  glaubt  daß  ich  etwas  bei  Ihnen  gelte.     In  der 
Folge  werden  Sie  auch  noch  directe  Briefe  von  Hannover  erhalten.    Umgang  werden 
Sie  hier  auf  das  bequemste  haben  können;  es  sind  viele  junge  wackere  Männer  jetzt 
hier  in  den  besten  Jahren  z.  B.  Dahbnann,  Jacob  Grimm,  ein  geistreicher  Physiker 
Prof.    Weber,   mit  dem   ich  auch  selbst   umgehe;   ein  Mathematiker  wird  gesucht. 
Daß  Sie  Ihrer  Regierung  den  Antrag  vorlegen  ist  natürlich,  und  auch  in  Hannover 
will  man  das   nicht  anders,   aber   man  hofft   daß   die  Erinnerung  an  die  zum  Theil 
heiteren  glücklichen  Jahre  Ihres  fiüheren  Hierseins,  wo  Sie  manchen  angeregt  haben 
imd  gewonnen,  auch  etwas  wirken  werden  und  sieht  Ihren  Entschließungen  mit  ge- 
spanntester Erwai-tung  entgegen.    Haben  Sie   noch  billige  Wünsche,  so  äußern  Sie 
mir  diese.     Nehmen  Sie   die  Sache  auch   mit  Ihrem  Gemüthe  in  Überlegung,  von 
vielen  Seiten  achtet,  liebt  man  Sie  in  voraus,  der  Glanz  Ihres  Namens  wird  unserer 
Universität  neues  Leben  ertheilen,  es  ist  nur  Dank,  der  Ihrer  hier  wartet.    Von  mir 
rede  ich  nicht;   denn  meine  Gesundheit  ist  leider  in  diesem  Winter  fast  zerrüttet, 
und  Gott  weiß  wie  es  gehn  wird:    ich    rede   nur  für  das  Interesse  der  Universität, 
und  wie  icü  mir  einbilde,    auch  Ihi-  eigenes.     Und   nun  habe  ich  alles  vom  Herzen 
weggesprochen,  und  möchte  den  Ernst  mit  dem  Scherz  schließen,  daß  ich  eine  ab- 
schlägige Antwort  überall  nicht  annehme. 

Ganz  der  Ihrige  Dissen. 


*&>'©'- 


Ihr  hoffentlicher  Antritt  wird  ja  wohl  Michaelis  seyn. 


12  März    1833. 

412.  An    Bissen.^)  Königsberg,   15.  März   1833. 

Haben  Sie  die  Güte,  mein  theurer  Freund !  dem  Herrn  geheimen 
Cabinets-Rath  Hoppenstädt  aufs  ehrerbietigste  meine  lebhafte  Dankbarkeit 
für  so  große  Gewogenheit  zu  bezeugen.  Wie  die  Sache  steht,  und  wie 
ich  sie  ansehe,  muß  ich  Ihnen  nun  aufrichtig  sagen.  Meinerseits  mache 
ich  keine  andern  Vorschläge ;  weder  zu  Hannover  noch  zu  Berlin.  Sollten 
mich  die  Umstände  zu  irgend  einer  bescheidenen  Bitte  noch  künftig  be- 
stimmen, so  würde  ich,  anspruchlos,  auf  geneigtes  Gehör  hoffen.  Beym 
Hrn.  Oberpräsidenten  bin  ich  gewesen;  auch  bey  unserm  Herrn  Curator; 
an  beyden  Orten  wurde  ich  zu  großen  Anträgen  in  Berlin  ermuntert; 
ich  habe  das  rein  abgelehnt,  und  diese  Ablehnung  in  einem  Schreiben 
angedeutet,  das  ans  Ministerium  gehen  wird.  Meine  Gedanken  'sind  rein 
auf  Göttingen  gerichtet.  Eine  entfernte  Möglichkeit  wollen  wir  uns  gleich- 
wohl nicht  verhehlen.  Käme  unerwartet,  und  von  mir  nicht  veranlaßt, 
jetzt  doch  ein  Ruf  nach  Berlin:  so  wäre  es,  bey  aller  Wahrheit  dessen 
was  Sie  darüber  sagen,  der  Befehl  des  Königs  an  seinen  Unterthan;  und 
Widerrede  um  so  weniger  möglich,  da  eine  solche  persönlich  vom  Kron- 
prinzen, der  mich  kennt,  möchte  übel  genommen  werden.  Sein  Misfallen 
würde  einer  übermüthigen  Parthey,  die  weit  verbreitet  ist,  zum  Stüizpuncte 
für  die  gehässigsten  Auslegungen  dienen,  als  ob  ich  nicht  wagte,  ihr  in 
die  Nähe  zu  kommen.  || 

So  liegt  die  Sache.  Es  ist  nichts  zu  besorgen,  wenn  nicht  der  Ober- 
präsident an  den  Kronprinzen  2)  schreibt.  Geschieht  aber  das,  so  kann  sein 
Einfluß  wirksam  werden.  Fragt  man,  worüber  ich  zu  klagen  habe  (und 
solche  Fragen  gerade  waren  schon  an  jenen  beyden  Orten  das  Erste),  so 
läßt  sich  nichts  angeben,  denn  zu  lauten  Klagen  ist  kein  Grund.  Sie  be- 
greifen ohne  mein  Erinnern,  daß,  während  ich  den  schnellen  Entschluß 
der  königl.  Hannoverschen  Regierung  mir  zur  höchsten  Ehre  rechne,  und 
gerade  darauf  mein  Vertrauen  gründe,  ich  doch  von  einem  Contrast,  den 
ich   wohl   sehe,   nicht  sprechen  darf. 

Wann  aber  will  die  königl.  Hannoversche  Regierung  mich  annehmen? 
Langes  Abschied-Nehmen  während  eines  halben  Jahres  ist  mir  zwar  nicht 
lieb;  aber  mein  Hausverkauf  wird  Schwierigkeit  machen.  Wird  es  mir 
gestattet  werden,  mich  nach  Umständen  zu  richten?  Würde  ich  allenfalls 
selbst  mitten  im  Sommer  willkommen  seyn,  da  ich  in  einigen  allgemeinen 
Vorträgen  von  dem   Plan  meiner  Haupt -Vorlesungen  sprechen  könnte? 

Was  ich  Ihnen  hier,  völlig  ohne  Rückhalt,  geschrieben  habe,  das 
können  Sie,  mein  theurer  Freund,  eben  so  rückhaltslos  dem  Herrn  geh. 
Cabinetsrath  vorlegen;  es  wird  dort  gut  verwahrt  seyn!  Bessern  Nach- 
richten von  Ihren  Gesundheits-Umständen  sehe  ich  mit  Sehnsucht  entgegen. 

Ganz  Ihr  Herbart. 

413.  An    Bissen.^)  -  Königsberg,    17.  März   1833. 

Wie  sehr  es  mir  Ernst  ist,  mein  theurer  Freund!  mich  nach  Göttingen 
hinzuwünschen,   das   wissen  Sie   aus   allen   meinen  Briefen;    besonders  aus 

1)  2  S.    4".     H.  Wien. 

*)  Über  Herbarts  Beziehungen  zu  ihm  vergl.  man  den  vorhergehenden  Band  S.  62. 

3)  4  S.    8».     H.  Wien. 


März   1833^ 13^ 

dem  letzten,  der  Ihnen  gesagt  hat,  daß  ich  sehr  ansehnliche  Vorschläge 
zu  hiesiger  Verbesserung,  die  mir  vorläufige  hiesige  Äußerungen  anzubieten 
schienen,  schon  abgelehnt  habe.  Möge  es  Sie  nun  nicht  befremden,  wenn 
ich  die  Zwischenzeit,  welche  die  Königl.  Hannoversche  Regierung  nicht 
sowohl  mir,  als  vielmehr  dem  Preuß.  Ministerium  als  Bedenkzeit  ohne 
Zweifel  gestatten  wird,  zu  einer  Frage  benutze,  die  bey  mir  sehr  ins 
Gewicht  fällt.  Die  Prüfungs-Commission,  an  der  ich  Theil  nehmen  soll, 
erscheint  mir  wie  ein  schwarzer  Punct,  der  sich  mir  vielleicht  durch  eine 
optische  Täuschung  vergrößert;  je  länger  ich  ihn  betrachte,  desto  mehr. 
Sie  Selbst  haben,  wie  Sie  mir  sagen,  diesen  Gegenstand  —  in  bester 
Absicht  —  herbeygeführt;  Sie  können  ihn  also  vielleicht  wieder  entfernen, 
und  Sie  werden  es  versuchen,  wenn  Sie  hier  lesen,  daß  mir  dadurch  die 
Freude  an  Göttingen  könnte  verbittert  werden.  Mein  Entschluß,  nach 
Göttjngen  zu  gehn,  wird  freylich  dadurch  nicht  wankend  werden;  und  von 
-dem,  was  man  wohl  Bedingungen  nennt,  kann  meinerseits  nicht  die  Rede 
seyn;  sondern  nur  von  Bitten.  || 

Es  ist  jetzt  nicht  Zeit  zu  entwickeln,  was  ich  gegen  solche  Prüfungs- 
Commissionen,  wie  ich  sie  hier  kenne  —  quarum  pars  magna  fui  —  ein- 
zuwenden habe.  Solche  Schnürleiber  für  die  Schulen,  wie  hier,  können 
kaum  in  einem  Staate,  der  nicht  der  Preußische  ist,  seyn  oder  dauern; 
sie  sind  auch  nicht  nöthig,  wenn,  wie  ich  hoffe,  tüchtige  Bürgerschulen 
neben  den  Gymnasien  vorhanden  sind,  welche  die  zum  Studiren  un- 
aufgelegten Köpfe  an  sich  ziehn,  und  die  Gymnasien  von  dieser  Wurzel 
des  Übels  frey  halten.  Aber  ich  bin,  wie  Sie  wissen,  kein  Welt -Ver- 
besserer ;  und  wünsche  nur  bloß  nicht  selbst  in  Geschaffte,  die  mit  meiner 
Überzeugung  nicht  stimmen,  hineingezogen  zu  werden.  Meine  Frage  ist 
eine  rein  persönliche,  sie  betrifft  mich  allein. 

Die  Prüfungen  sind,  wie  Sie  schreiben,  um  Michaelis  und  Ostern? 
Also  wären  die  großen  Ferien  besetzt,  und  ich  hätte  nicht  Freyheit.  um 
■diese  Zeit  zu  reisen? 

Gerade  aber  auf  die  Erlaubniß,  oft  und  nach  Belieben  zu  reisen,  — 
natürlich  nur  in  den  Ferien,  denn  die  Vorlesungen  zu  unterbrechen,  kann 
Niemandem  verdrieslicher  seyn  als  mir  —  kommt  es  mir  sehr  wesentlich 
an.  Nur  darauf  kann  ich  die  Hoffnung  bauen,  in  meinem  ||  Alter  noch 
eine  geraume  Zeit  lang  bey  guten  Kräften  zu  bleiben.  Und  persönliche 
Berührung  mit  Gelehrten  wie  Drobisch  und  Brandis  ist  mir  ebenfalls  Be- 
dürfniss. 

Hiemit  habe  ich  nun  noch  keineswegs  die  Theilnahme  an  den  Ge- 
schafften der  Prüfungs-Commission  ganz  abgelehnt.  Im  Gegentheil,  das 
bey  weitem  wichtigste  Geschafft,  die  Prüfung  derjenigen,  welche  als  Lehrer 
angestellt  seyn  wollen,  —  ist  an  keine  Jahreszeit  gebunden;  es  ist  über- 
dies in  meinen  Augen  der  heilsamste  Theil  dieser  Art  von  Einrichtungen. 
Die  Wirkung  auf  die  Lehrer  hält  untüchtige  Subjecte  fem  von  den 
Schulen;  damit  bin  ich  ganz  einverstanden.  Aber  —  liegt  das  in  dem 
Wirkungskreise  der  Prüfungs - Comm.  zu  Göttingen?  Hat  man  sich  das 
nicht  vielleicht  in   Hannover  vorbehalten? 

Können  vielleicht  die  Abitunenten  -  Prüfungen  in  Göttingen  etwas  vor 
Anfang  der  Ferien  gehalten  werden?  Zuweilen  geschieht  das  hier,  und  es 


14  März   1833. 


ist  den  Schulen  in  so  fern  auch  bequem,  als  dadurch  eine  Zwischenzeit 
entsteht  zwischen  dem  gewöhnlichen  Schul-Examen  aller  Klassen  und  jener 
Prüfung  der  Abgehenden;  welche  letzteren  gern  frühzeitig  erfahren  mögen, 
ob  sie  das  Zeugniß  der  Reife  bekommen.  || 

Sie  sehen,  ich  suche  mich  anzubequemen.  In  der  That  kann  ich, 
wenn  es  seyn  muß,  dort  thun,  was  ich  hier  so  oft  gethan  habe,  nämlich 
nach  Gesetzen,  die  ich  freylich  nicht  ganz  zweckmäßig  finde,  dennoch 
eine  öffentliche  Function  ausüben.  Bald  als  Deputirter  der  Stadt,  bald 
als  Dirigent  der  Prüfungs-Commission,  bald  als  Schulrath,  habe  ich  den 
Schul-Gesetzen  gemäß  gehandelt,  wohl  wissend,  daß  man  sich  der  einmal 
vorhandenen   Ordnung  gemäß  zu  bewegen  wissen  muß. 

Die  Hauptsache  ist:  die  Ferienzeit  frey  zu  haben,  und  nicht  in 
große  Nebengeschäfifte  verwickelt  zu  werden,  da  theils  schon  die  Vor- 
lesungen, an  denen  beständig  zu  bessern  ist,  theils  aber  besonders  die 
Untersuchungen,  die  ich  noch  vorhabe,  mich  vollständig  in  Anspruch 
nehmen.  Dafür  wird  in  meinem  späten  Alter  die  Stimmung  nur  gar  zu 
leicht  verdorben.  Und  was  ich  in  Göttingen  suche,  was  ich  hier  ent- 
behre, das  ist  ein  Göttingisches  Katheder,  vor  welchem  sich  Menschen 
aus  allen  Gegenden,  frey  vom  Provincial- Geiste,  versammeln.  Wer  hätte 
dafür  nicht  immer  Arbeit  vollauf? 

Nun,  mein  theurer  Freund!  Berichtigen  Sie,  wo  nöthig,  meine  An- 
sicht, und  zählen  jedenfalls  das  hier  Geäußerte  zu  den  anspruchlosen 
Wünschen.  Werden  Sie  nicht  böse,  wenn  dergleichen  vielleicht  noch  nach- 
kommen; es  ist  immer  besser,  jetzt,  als  später;  damit  man  nicht  sage: 
„warum  hast  Du  nicht  gesprochen  da  es  Zeit  war?" 

Ganz  Ihr  Herbart. 

Meine  volle  Dankbarkeit  für  Ihre  gütigen  Mitwirkungen  und  Ver- 
mittelungen  versteht  sich  so  sehr  von  selbst,  daß  ich  darüber  keine  Worte 
machen  will;  Sie  kennen  mich  von  alter  Zeit  her.  Sollte  Ihnen  dieser 
Brief  nicht  heiter  genug  scheinen,  so  schieben  Sie  die  Schuld  auf  die  jetzt 
hier  herrschende  Influenza,  die  ich,  wie  früher  die  Cholera,  ohne  eigentlich 
krank  zu  seyn,  doch  einigermaßen  wie  einen  unbehaglichen  Dunst  emp- 
finde. Möchte  ich  nur  von  Ihrer  Gesundheit  bessere  Nachrichten  be- 
kommen,  dann   würde  ich  erst  anfangen   mich  recht  zu  freuen. 

414.    An  Prof.  Dr.  Sachs  in  Königsberg,  i)      Königsberg,  26.  März  1833. 

Bei  Rücksendung   des   mir   gütig  geliehenen    11.  Heftes  des  Conver- 

sations  -  Lexikons  der  neuesten  Zeit"-)  erlaube  ich    mir   einige  Worte   nicht 

')  Geheimer  Medizinalrat  Prof.  Dr.  Sachs',  ein  ehemaliger  Zuhörer  Fichtes  in 
Jena,  hatte  bei  Herbart  Psychologie  gehört.  Vgl.  Bd.  XVII,  S.  135  ff.  Der  Brief 
wurde  nach  einer  Abschrift,  Sanios  zuerst  durch  Zimmermann  an  die  Öffentlichkeit  ge- 
bracht in  den  Sitzungsberichten  der  Kaiserl.  Akademie  der  Wiss.,  phil.-hist.  Cl.  69.  Bd., 
Wien  187 1,  S.  230  ff.,  später  ist  er  gedruckt  bei  Zimmermann,  a.  a.  O.  S.  loi  ff. 

-)  Conversations-Lexikon  der  neuesten  Zeit  u.  Lit.,  2.  Bd.,  Leipzig,  Brockhaus  1833, 
S.  419.  Dort  heißt  es  u.  a. :  ,,H-  ist  der  Urheber  eines  eigentümlichen,  sehr  inter- 
essanten Systems,  auf  welches  zwar  das  Fichte'sche  unverkennbaren  Einfluß  geäußert 
hat,  wie  es  denn  in  der  skeptischen  Auffassung  der  Erfahrung  und  in  der  Lehre  von 
den  Vorstellungen  seine  Abhängigkeit  von  jenem  Idealismus  und  dem  der  Eleaten  .  .  . 


März   1833.  15 

bloß  an  Sie,  sondern  zu  jedem  Gebrauch,  den  Sie  angemessen  erachten 
werden.  Sie  liehen  mir  nämlich  das  Heft  beinahe  nur  unter  der  Be- 
dingung, daß  ich  den  mich  betreffenden  Artikel  nicht  beantworten  würde. 
Gut,  wenn  er  mich  allein  anginge;  nicht  gut,  in  wiefern  er  das  Andenken 
Kant's  als  durch  mich  compromittirt  darstellt.  Dies  hat  locale  Wichtigkeit 
und  Sie  wissen,  daß  meiner  Zeit  für  hiesige  Verhältnisse  eine  Grenze 
gesteckt  ist.  In  Ihre  Hände  will  ich  eine  kurze  Erklärung  niederlegen 
über  die  Frage :  ob  ich  Ursache  hatte  mich  Kantianer  zu  nennen,  welcher 
Ausdruck  nach  dem  Vorgeben  des  Conv.-Lex.  „wie  Hohn  klingt". 

An  Kant's  Vemunftkritik  haben  sichtbar  zwei  Wissenschaften,  die  bei 
aller  innigen  Verbindung  doch  toto  genere  verschieden  sind,  ziemlich 
gleichen  Antheil,  nämlich  Metaphysik  und  Psychologie.  Natürlich  kann 
nun  das  Werk  verschieden  beurtheilt  werden,  je  nachdem  man  die  eine 
oder  andere  Seite  desselben  vorzugsweise  ins  Auge  faßt.  Die  unbedingten 
Kantianer  unterscheiden  das  nicht,  vielmehr  da  im  Vortrage  Kant's  das 
Psychologische  zur  Grundlage  gemacht  ist,  so  lassen  sie  sich's  gefallen, 
das  Metaphysische  als  ein  darauf  beruhendes  (gerade  gegen  das  wahre 
und  in  älterer  Zeit  aligemein  anerkannte  Verhältnis  beider  Wissenschaften) 
hinzunehmen.  Was  aus  dieser  Weise  der  Auffassung  wird,  das  läßt  sich 
mit  einem  Worte  aussprechen;  denn  Fries  ist's,  der  so  zu  Werke  ging 
imd  deßhalb  als  orthodoxer  Kantianer  lange  genug  gegolten  hat.  Meine 
Weise  ist  die  umgekehrte ;  ich  betrachte  zuerst  das  Ziel  Kant's,  was  durch 
den  Titel  selbst  ganz  unzweideutig  bezeichnet  ist.  Die  reine  Vernunft  im 
Gegensatze  des  Verstandes  —  mit  andern  Worten :  die  speculative  Theo- 
logie im  Gegensatze  der  Erfahrungs-Erkenntniß,  wie  der  Bau  des  Werks 
unwidersprechlich  zeigt  —  soll  kritisirt  werden.  Aber  damals,  da  die 
Arbeit  entworfen  wurde,  war  speculative  Theologie  noch  weniger  als  jetzt 
ein  Gegenstand,  den  man  geradezu  hätte  anfassen  können.  Er  war  mit 
der  Dogmatik  verwachsen.  Und  gesetzt,  daß  Kant  das  Anstößige  nicht 
scheute:  so  mußte  theils  das  Bestreben,  deutlich  und  eindringlich  zu 
sprechen,  theils  die  von  Locke,  Leibniz,  Hume  herrührende  Richtung  ihn 
auf  das  psychologische  Feld  führen.  Was  fand  er  hier?  die  Seelen- 
vermögen. Was  war  die  Folge?  Sie  war  ganz  ähnlich  der,  wenn  Jemand, 
der  ein  Messer  braucht,  nur  eine  Axt  oder  ein  Beil  statt  aller  anderen 
schneidenden  Werkzeuge  vorfände,  und  nun,  um  damit  doch  einigermaßen 
schneiden  zu  können,  sich  alle  Mühe  gäbe,  das  schlechte  Geräth  möglichst 
scharf  zu  schleifen.  Ohne  Bild:  Kant  brauchte  die  Psychologie  als  Mittel 
zum  Zweck  eines  möglichst  klaren  Vortrags;  daher  bildete  er  den  Irrthum 
der  Seelenvermögen  so  weit  aus,  als  er  konnte. 

nicht  verleugnen  kann,  aber  gleichwohl  durch  eine  andere  Methode,  durch  ein  skeptisches 
Moment  in  Beziehung  auf  das  Ich  selbst,  sowie  durch  realistische  Prinzipien,  welche  an 
Leibniz'  Monaden  erinnern,  sich  von  demselben  wesentlich  unterscheidet.  Auch  nennt 
sich  H.  zuweilen  einen  Kantianer,  -welcher  Ausdruck  jedoch  wie  Hohn  klingt^  wenn 
man  erwägt,  daß  er  dem  Hauptwerke  Kants,  der  „Kritik  der  reinen  Vernunft",  fast 
allen  objektiven  Wert  abspricht,  sie,  sowohl  der  Ausführung  als  dem  ihr  zum  Grunde 
liegenden  Gedanken  nach,  für  ein  verfehltes  Werk  hält,  dessen  Weg,  wenn  anders  Meta- 
physik dauerhaft  begründet  werden  solle,  man  gänzlich  aufgeben  müsse,  um  sich  in  einer 
ganz  andern  Richtung  zu  bewegen."  —  Über  den  Verfasser  des  Artikels  hegte  Herbart 
eine  Vermutimg,  die  aber  nicht  bekannt  geworden  ist.  Auch  mit  Hilfe  des  Archivs 
der  Firma  F.  A.  Brockhaus  war  der  Name  nicht  zu  ermitteln. 


l6  März  1833. 


Bin  ich  nun  Kantianer,  wenn  ich  diese  ganze  psychologische  Zu- 
rüstung  als  eine  Summe  von  Mißgriffen  tadele?  Vermuthlich  nicht!  Aber 
wie,  wenn  ich  darüber  den  richtigen  metaphysischen  Blick  und  den  im 
Wesentlichen  richtigen  Tact  in  Behandlung  der  Hauptsache,  nämlich  der 
vorgeblich  wissenschaftlich-strengen  speculativen  Theologie  —  als  Verdienst 
Kant's  anzuerkennen  versäumt  —  wenn  ich  das  Aehnliche  meiner  Lehre 
mir  als  mein  Eigen thum,  gegenüber  dem  modernen  Spinozismus,  zu- 
geschrieben hätte?  Mit  einem  Worte,  wenn  ich  nicht  hätte  Kantianer 
heißen  wollen?  Dann  würde  man  mit  Recht  gefragt  haben,  ob  denn  meine 
Veränderungen  des  Innern  der  Wissenschaft  wohl  die  Vergleichung  aus- 
halten könnten  mit  den  von  Kant  schon  festgestellten  großen  Haupt- 
Umrissen.  —  Kant  stritt  gegen  die  alte  metaphysische  Theologie;  ich 
streite  mit  den  Spinozisten,  aber  ich  müßte  mit  sehenden  Augen  blind 
sein  wollen,  um  nicht  zu  sehen,  daß  dieser  Streit  und  jener  im  Wesent- 
lichen einerlei  ist.  Denn  Spinoza  und  Descartes  waren  gar  nicht  so  fern 
von  der  alten  Metaphysik  der  Schulen,  daß  hier  ein  großer  Unterschied 
sein  könnte,  und  ich  habe  am  gehörigen  Orte  ausführlich  genug  gezeigt, 
daß  Spinoza's  Lehre  nur  eine  besondere  durch  ihre  Keckheit  mehr  hervor- 
leuchtende Form  der  alten  Schul-Metaphysik  ist. 

Beinahe  ein  Viertel -Jahrhundert  lang  war  Kant's  ehemalige  Stelle 
an  der  hiesigen  Universität  die  meinige.  Und  nachdem  ich  diese  Stelle 
durch  ihn  mit  bleibendem  Glänze  umgeben  anerkannt,  ja  mir  selbst  einen 
Sectennamen  beigelegt  habe,  den  ich  allerdings  aus  hundert  starken 
Gründen  verschmähen  konnte,  fängt  man  noch  Händel  mit  mir  an,  indem 
man  als  Anmaßung  mißdeutet,  was  gerade  nur  Vorkehrung  gegen  alle 
denkbare  Anmaßlichkeit  war?  Der  Meinung  bin  ich  nicht;  meine  Geduld 
hat  ihre  Grenzen.  Für's  Erste  aber  begnüge  ich  mich,  diese  sehr  flüchtigen 
Zeilen  in  Ihre  Hände  zu  legen,  wobei  die  Absicht  wohl  klar  sein  wird. 
Es  kommt  nämlich  darauf  an,  daß  meine  Protestation  nicht  als  ein  leeres 
polemisches  Gerede  erscheine,  dergleichen  Jedermann,  der  eine  dreiste 
Stirn  hat  und  mit  der  Feder  leidlich  umzugehen  weiß,  bei  allen  Gelegen- 
heiten ohne  Mühe  vorbringt.  Sie,  Verehrtester!  werden  wohl  einmal  so 
viel  —  oder  so  wenig  Muße  (denn  viel  ist  dazu  nicht  nöthig)  finden,  als 
Sie  -brauchen,  um  in  Kant's  Vernunft-Kritik  die  von  mir  angegebene  Ver- 
bindung des  Metaphysischen  mit  dem  vorgeschobenen  Psychologischen  zu 
recognosciren  und  zu  verifisciren.  Das  Uebrige  bietet  sich  Ihnen  von 
selbst  dar  und  Sie  können  dann  in  meinem  Namen  jedem  Ehrenmann 
Bescheid  geben,  der  durch  ein  so  vielfach  verbreitetes  Buch,  wie  ein 
Conversations-Lexikon,  gegen  mich  aufgeregt  glauben  könnte,  man  müsse 
Kant's  Andenken  gegen  mich  in  Schutz  nehmen. 

Wollen  Sie  sich  aber  nicht  weiter  einlassen,  so  belieben  Sie  nur  Ihr 
legi  zu  unterzeichnen  und  alsdann  das  Blatt  an  die  Professoren  Sanio 
und  Sieffert  zu  schicken,  welche  wohl  die  Gefälligkeit  haben  werden,  diese 
Zeilen  durchzusehen,  ihr  legi  gleichfalls  beizufügen  und  alsdann  mir  die- 
selben wieder  zukommen  zu  lassen.  Was  ich  weiter  thun  werde,  das  wird 
sich  finden,  für's  Erste  war  nöthig,  daß  ich  einige  sachkundige  Männer 
in  den  Fall  setzte,  mit  dem  Gegenstande  der  Frage  sich  einigermaßen  zu 
beschäftigen.  Herbart. 


März   1833.  17 

415.    Reichhelm  an   H.M  B.  d.  26.  März  1833. 

Herbait  Lat  seinen  Ruf  nach  Göttingen  dem  Alinisterio  angezeigt;  —  Sie 
können  mit  Schulze  darüber  sprechen,  liebster  Reichhelm.  Schulze  sa^t,  er  wisse 
nicht,  was  Herb,  wolle?  —  ich  antwortete:  nach  Berlin;  worauf  entgegnet  wui-de: 
Das  hat  der  Herr  Minister  zu  entscheiden.     Wir  sprechen  wohl  darüber. 

Herzlichst  Ihr  Dieterici.-) 

Zu  dem,  mein  verehrter  Freund!  was  Sie  aus  vorstehenden  vertraulichen 
Zeilen  ectnehmen,  kann  ich  inter  privatos  penates  noch  hinzu  fügen:  daß  die 
Sache  zwischen  Ihrem  Minister  und  Ihrem  Dezernenten  von  Mais  verhandelt  wird. 
Der  Platz  ist,  soviel  ich  weiß,  leer.  Der  erste  Antrag  auf  H.  Gablers  Her- 
Berufung  ist  vom  Cabinet  aus  abgelehnt.  Man  sagt,  es  sei  ein  zweiter  Bericht  er- 
stattet, per  bis  jetzt  ohne  Allei höchste  Entschließung  verblieben.  || 

Mit  Ihrem  Dezernenten  follicitierend  zu  reden,  dazu  darf  ich  mich  nicht  früher 
entschließen,  bis  Sie  mich  dieserhalb  mit  Autorisation  versehen.  Obendrein  halte  ich 
es  für  nutzlos.  Kann  etwas  helfen,  so  würde  es  eine  hohe  Intervention,  etwa  des 
Kronprinzen  seyn.  Überlegen  Sie,  mein  Verehrter!  ob  Sie  unmittelbar,  oder  etwa 
durch  Anxillon,  die  Theiluahme  der -K.  Hoheit  in  Anspruch  nehmen  können?  Fast 
sollte  ich  meinen,  ja.  Sie  wollen  Preußen  verlassen:  der  Thronfolger  ist  gegen  Sie 
gnädig  gewesen.  Was  Wunder,  wenn  Sie  Ihm  die  Gründe  Ihrer  Entschließung  und 
dies  Anheimstellen  (?)  entwickeln :  ob  Er  Ihre  Versetzung  nach  Berlin  veranlassen 
wolle;  wodurch  Sie  allein  Entschädigung  finden  können.  Hegel  hat  2000  Thlr. 
gehabt;  für  Gabler  sind  jedoch,  dem  Vernehmen  nach,  nur  1600  Thlr.  in  Antrag 
gestellt  gewesen. 

So  ungern  eine  bestimmte  Partei  Sie  hier  sehen  möchte  —  wenn  der  Prinz 
ernstlich  will,  so  fügt  man  sich  in  das  Unvermeidliche.  Auf  andere  Weise,  glaube 
ich,  wird  es  nicht  gehen,  da  die  herrschenden  Interessen  gegen  Sie  sind. 

Nach  Ihrem  Briefe  war  es  hier  unerwartet,  daß  Sie  dem  Ministerio  offizielle 
Anzeige  eingereicht  haben.  Indessen  finde  ich,  ist  das  in  der  Ordnung.  Wenn 
Sie  aber  überhaupt  sich  entschließen,  weiterm  Handeln  vorzugreifen,  so  ist  Be- 
schleunigung noth wendig,  damit  Sie  nicht  früher  abgehenden  Ministerial  -  Erlaß 
empfangen  als  höhere  Intervention  erfolgen  kann.  Auf  jeden  Fall  unterrichten 
Sie  mich. 

Dr.  Strüpmell  ist  bey  mir  gewesen,  während  ich  einem  der  vielen  Oster- 
Examina  beiwohnte  — .  Leider  hat  er  vergessen,  meinen  Leuten  seine  Wohnung  zu 
sagen,  ||  und  so  bin  ich  um  seine  Bekanntschaft  und  ein  freundliches  Wort  mit  ihm 
gekommen. 

Auf  jeden  Fall  werde  ich  Sie  wiedersehen.  Wie  viel  lieber,  als  hieher  Ver- 
setzten, denn  als  Durchreisenden!  Es  würde  eine  wahrhafte  Erheiterung  für  mich 
seyn,  mit  Ihnen  an  dem  nehmlichen  Orte  zu  leben  und  zu  wirken.  Einst  hielt  ich 
den  Anspruch  für  zu  natürlich.  —  Wie  störend  haben  gewisse  Leute  auf  Ihr  Leben, 
und  das  meinige  eingewirkt! 

Man  kann  bey  solcher  Wahrnehmung  sich  nur  dem  religiösen  Tröste  über- 
lassen. Vielleicht  sehen  wir  einst  die  Dinge,  und  die  Personen  anders.  Richthofen 
war  einige  Wochen  hier,  und  hat  viel  am  Hofe  gelebt ;  begünstigt  vom  Kronprinzen. 
Sein  Sohn  geht  nach  Göttingen,  oder  Heidelberg. 

Meine  Frau  u.  Kinder  empfehlen  sich  Ihnen  und  Ihrer  lieben  Gattin  freund- 
lichst.    Auch    in    meinem   Hause    wüthet   die    sogenannte   Grippe  doch    in    milder 


*)  4  S.  4».    H.  Wien.  —  -)  Die  ersten  Zeilen  des  Briefes  hat  Geh.  Rat  Dieterici, 
ein  früherer  Schüler  Herbarts,  an  Reg.-Rat  Reichhelm  (über  ihn  s.  0.  Nr.  299)  gerichtet. 

Herbarts  Werke.     XVIII.  2 


l8  AprU  1833. 

Form.    Ich  selbst  kann  vor  der  Masse  der  Arbeit,  und  den  dauernden  Kämpfen  — 
kaum   zu  rechter  Besinnung,    und   zu  einiger  Freude  über  das  Errungene  gelangen. 

Nehmen  daher  auch  Sie  mit  flüchtigen  Zeilen  vorlieb.  Die  Gesinnung  ist, 
denke  ich,  Ihnen  bewährt. 

Mit  treuer  Seele 

ß.  30.  3.  33.  Ihr    R[eichhelm]. 

Adresse:  An 
des  Kgl.  Schulraths,  Professors  der  Philosophie  und  Ritters  Herrn  Herbart 
postfrei     cito.  Hochwohlgeb.  in  Königsberg  i.  Pr. 

416.    An   Dissen.^)  [Königsberg,  2.  April   1833] 

Mein  theurer  Freund!  Heute,  am  zweyten  April,  befinde  ich  mich 
noch  in  der  vollkommensten  Ungewißheit;  nachdem  doch  am  15  März 
mein  Schreiben  an  das  hiesige  Curatorium  soll  nach  Berlin  abgesendet  seyn. 
Nicht  einmal  ein  Privatbrief  ist  angekommen.  Und  meinerseits  hatte  ich 
zu  Deliberationen  so  wenig  Stoff  als  irgend  möglich  gegeben;  ich  hatte  bloß 
ans  hiesige  Curatorium  so  geschrieben:  ich  wisse  nicht,  ob  es  schon  Zeit 
sey,  förmlich  um  den  Abschied  anzuhalten,  denn  die  Königl.  Hannoversche 
Regierung  habe  keine  Zeit  bestimmt,  wann  sie  mich  annehmen  wolle, 
und  es  möchte  mir  daher  begegnen  können,  früher  von  der  einen  Seite 
verabschiedet  als  von  der  andern  angenommen  zu  werden. 

Auch  von  Ihrer  Seite  bin  ich  ohne  Nachricht!  Meine  Erwartung  war: 
Herr  g.  Cabinetsr.  Hoppenstädt  ||  würde  gleich  nach  Empfang  meines 
Briefes  einen  Termin  bestimmen,  bis  zu  welchem  spätestens  meine  definitive 
Antwort  müsse  eingelaufen  seyn.  Dadurch  wäre  denn  auch  mir  die  Be- 
ruhigung gegeben,  daß  ich  so  lange  wartend  der  Preußischen  Regierung 
meinen  Respect  hinreichend  würde  bezeugt  haben.  Und  wie  sollen  wir 
sonst  aus  der  Sache  kommen? 

Sie  wissen,  daß  es  für  mich  Verhältnisse  giebt,  die  ich  durch  will- 
kührliches  Abbrechen  zu  verletzen  mich  scheuen  muß.  Sollte  Herr  g.  C.  R. 
H[oppenstädt]  jetzt  noch  einen  Termin  setzen  wollen,  so  wünsche  ich  nur, 
daß  dabey  eine  zulängliche  Rücksicht  auf  den  Postenlauf  möge  genommen, 
und  ein  kleiner  Spielraum  für  etwanige  Ungunst  des  Zufalls  möge  gelassen 
werden.  Meinerseits  brauche  ich  keine  Bedenkzeit;  die  Rücksichten,  die 
ich  nehmen   muß^  liegen   mir  klar  vor  Augen. 

Es  thut  mir  wahrlich  leid,  mein  theurer  Freund,  wenn  ich  Sie  bey 
Ihrer  schwachen  Gesundheit  mit  meinen  Angelegenheiten  plagen  muß; 
vollends  jetzt,  da  Ihnen  die  Influenza  droht,  die  jetzt  hier  in  der  Gegend 
umherzieht,  und  halbe  Familien  auf  einmal  ins  Bett  wirft,  während  sie 
übrigens  bekanntlich  nichts  weniger  als  gefährlich  zu  seyn  pflegt,  wenn 
man  sich  nur  schont.  Mit  den  besten  Wünschen  für  Ihr  Wohlseyn  oder 
doch  Besserwerden  der  Ihrige!  Herbart. 

417.    An  Griepenkerl."-^)  Königsberg  2.  April  [1833]. 

Sie  werden  wissen  wollen  mein  theurer  Freund  wie  die  Sachen  stehn. 
Darauf  antworte  ich  mit  einiger  Sorge.     Man  läßt  mich  aus  Berlin  ohne 

')  3  S.    8".     H.  Wien.  —  Bei  Zimmermann  S.  56  f. 
')   I   S.    4°.     H.  Wien.  —    Bei  Zimmermann  S.  81  f. 


Aprü   1833. ig 

Antwort;  und  was  hinter  diesem  Schweigen  steckt,  läßt  sich  auf  keine 
Weise  vermuthen.  Hätte  die  Hannoversche  Regierung  mir  nur  einen 
Termin  gesetzt!  Aber  das  ist  auch  nicht  geschehn,  und  so  sitze  ich  in 
der  Sorge,  man  könnte  dort  so  lange  zögern  bis  andererseits  die  Geduld 
vergeht.  An  Dissen  habe  ich  soeben  geschrieben,  und  den  Gedanken 
eines  noch  jetzt  zu  setzenden  Termins  bemerklich  gemacht.  Mir  liegt 
sehr  daran  daß  ich  nicht  in  den  Fall  komme,  mich  aus  purer  Willkühr 
aus  Preußen  loszureißen.  Das  geht  aus  vielen  Gründen  nicht  gut  an; 
und  doch  —  wenns  seyn  müßte!! 

Sonderbar  ist  daß  auch  Reichhelm,  ja  daß  Strümpell  nicht  schreibt. 
Strümpell  reiste  nicht  ganz  wohl  hier  ab! 

Hier  in  Königsb[erg]  weiß  alle  Welt  von  dem  erhaltenen  Ruf,  und 
man  würde  gewaltig  lachen  wenn  ich  am  Ende  hier  sitzen  bliebe. 

Noch  eine  Sorge  ist  daß  Dissen  so  sehr  erkranken  könnte  daß  er 
die  weitere  Besorgung  nicht  fortzuführen  im  Stande  wäre.  Es  fehlt  an 
unmittelbarer  Correspondenz  mit  Hannover. 

Entschuldigen  Sie  die  Eile. 

Ganz  Ihr  H. 

Suchen  Sie  doch  von  Dissen  zu  erfahren  in  wiefern  periculum  in 
mora  ist.  Wer  weiß  ob  nicht  die  Hannoversche  Regierung  es  vermeiden 
will,  mir  d.  h.  dem  Preuß.  Ministerium  einen  Termin  zu  setzen.  Viel- 
leicht erklärt  man  sich  auch  darüber  lieber  unter  der  Hand,  und  am 
liebsten  durch  die  dritte  Hand.  Mit  Preußen  verdirbts  wohl  Niemand 
gern!  —  Wäre  ich  nur  sicher,  nach  2  —  3  Wochen  in  Hannover  roch 
angenommen  zu  werden,  so  machte  ich  doch,  falls  man  mir  in  Berlin  zu 
lange  zögert,  der  Sache  kurz  und  gut  ein  Ende  durch  Annahme  des 
Göttinger  Rufs.  Daß  mich  der  Berliner  Glanz  nicht  blendet  können  Sie 
mir  glauben  auch  wenn  ich  dort  Hoffnung  hätte  die  ich  nicht  habe. 

418.    Dissen  an  H.^)  Göttiagen,  d.  11t.  April. 

Hochgeehrtester  Gönner  und  Freund!  Sie  werden  meinen  letzten  Brief  er- 
halten haben.  Eher  konnte  ich  nicht  schreiben  als  geschehen.  Denn  als  ich  eben 
auf  Uebersendung  Ihres  Briefes  aus  Hannover  Antwort  erhalten  hatte,  kam  ihr 
zweiter,  und  ich  mußte  wieder  nach  Hannover  schreiben  und  abennahls  eine  halbe 
"Woche  warten.  Liegen  laße  ich  die  Briefe  auch  nicht  Einen  Tag,  sondern  expedire 
jedesmal  an  demselben  Tage,  wo  ich  aus  Hannover  oder  Königsberg  Briefe  erhalte, 
aber  Sie  werden  die  Räume  erwägen  und  die  CoUisionen  des  Postenlaufs.  In  dem 
letzten  Briefe  ist  nun,  wie  Sie  werden  gesehen  haben,  peinlich  alles  beantwortet, 
was  Sie  wünschten,  ||  doch  schreibe  ich  gegenwärtigen  Brief  zur  Verhütung  aller 
Mißverständniße  noch  gern  hinten  nach.  Von  Hannover  brauche  ich  keine  neuen 
Instructionen  deshalb  einzuhohlen,  da  ich  hinlängliche  Kenntniße  habe  von  dem  was 
ich  noch  sagen  will.  Das  Ministerium  hat  Ihnen  keinen  peremtorischen  Termin  für 
die  definitive  Antwort  stellen  wollen,  um  Sie  nicht  unangenehm  zu  geniren,  sondern 
die  Beschleunigung  Ihnen  selbst  zu  überlaßen ;  ich  habe  aber  dem  Hrn.  Hoppenstädt 
versprochen.  Sie  zu  bitten,  sobald  als  möghch  die  definitive  Erklärung  der  Annahme 
des  Rufs  einzusenden,  und   sehe  aus  den  Briefen  des  Hrn.  Hoppenst.  daß  dieselbe 


^)  4  S.    80.    H.   Wien. 


20  April   1833. 

in  einigen  Wochen  allerdings  erwartet  wird.  Sie  werden  selbst  unsere  Lage  er- 
meßen.  Es  fehlen  mehrere  bedeutende  Professuren  in  diesem  Augenblick  und  es 
ist  sehr  wichtig  ||  daß  sie  nicht  bloß  bald  besetzt  werden,  sondern  auch  daß  so  bald 
als  möglich  bekannt  werde,  daß  und  wie  sie  besetzt  sind,  und  auf  Ihren  bedeutenden 
Nahmen  ist  dabei  sehr  gerechnet.  Dazu  kommt,  daß  so  lange  Sie  nicht  definitiv 
angenommen  haben,  nur  die  Gefahr  der  abschlägigen  Antwort  und  neuer  Negotia- 
tionen  mit  andern  bleibt.  Sie  werden  also  erwägen,  daß  die  Rücksicht  auf  die 
Hannoverische  Regierung,  die  Ihnen  sehr  wohl  will  und  Ihrer  Acquisition  mit  ge- 
spanntem Verlangen  entgegen  sieht,  allerdings  Sie  antreiben  und  auch  berechtigen 
muß  die  Sache  baldigst  definitiv  zu  beendigen.  Wenn  also  unterdessen  noch 
keine  Antworten  aus  Berlin  erfolgt  sind,  so  werden  Sie  wohl  den  Knoten  selbst 
zerschneiden  müssen,  indem  sie  einfach  Ihre  Demission  einsenden.  Denn  sollte 
Ihre  Antwort  lange  zögern,  würde  ohne  Zweifel  eine  exhortation  aus  Hannover 
an  mich  ergehen,  daß  ich  Sie  zur  Beschleunigung  bereden  (?)  möchte,  ||  und  Sie  dann 
doch  den  letzten  Entschluß  fassen  müssen.  In  Berlin  können  Sie  einst  Ihre  Rech- 
nung nicht  finden  und  Sie  haben  schon  durch  Ablehnung  aller  Verbesserungsvorschläge 
außerdem  mit  dem  Mmisterium  gebrochen,  welches  ja  nicht  einsehen  muß  wie  Sie 
denken.  Lassen  Sie  sich  nicht  täuschen  durch  den  Schein  und  überzuckerte  Worte; 
wie  man  über  Ihre  Philosophie  denkt,  ist  notorisch  und  auch  Ihre  Encyklopädie  zuletzt 
hat  nur  ungünstige  Urtheile  bei  diesen  Leuten  und  Kopfschütteln  veranlaßt.  Brandis 
sagte  mir  schon  Michaelis,  er  werde  sich  bemühen  die  ungunstigen  Urtheile  zu 
schwächen  und  zu  beschwichtigen.  Das  Wohlwollen  des  Kronprinzen  kann  Sie  nicht 
schützen  gegen  den  Verdruß  aller  Art,  der  Ihnen  doit  bevorsteht,  und  auch  der 
kann  ja  eingenommen  werden.  Was  wollen  Sie  machen  wenn  Ihre  Collegien  leer 
sind?  Setzen  Sie  sich  doch  um  Himmelswillen  diesen  Dingen  nicht  aus.  Den  Dienst 
kann  jeder  Mann  aufkündigen  und  am  meisten  ein  Professor.  Schicken  Sie  also 
I;urz  und  gut  Ihre  Demission  ein;  und  kommen  Sie  zu  uns  in  der  Mitte  spätestens 
des  Sommers.  Recht  bald  sehe  ich  einer  Antwort  entgegen.  Damit  Ihre  Ernennung 
nach  London  abgehen  kann.  Abgeschlagen  wird  in  London  nichts  der  Art  und  in 
vier  Wochen  ist  die  Unterschrift  des  Königs  zurück,  währenddem  Sie  sich  zur  Reise 
anschikken.  Ganz  der  Ihrige     Dissen. 

Wenn  Sie  Ihre  definitive  Antwort  schicken  und  noch  Wünsche  haben,  wäre 
•'S  wohl  am  besten  dieselben  alsdann  gleich  zu  äußern.  Uebrigens  pflegt  das 
Ministerium  auch  ad  mandatum  speciale  selbst  zu  ernennen;  wenn  die  Sache  eilt,  die 
Hauptsache  ist,  daß  Sie  nur  annehmen. 

75.  Apr.:  Brief  an  Dissen  (XV.     279—280). 

419.     An   Dissen.')  Königsberg   16  April   1833. 

Bloß  der  Sicherheit  wegen,  mein  theurer  Freund!  schreibe  Ich  Ihnen 
heute  noch  einmal,  obgleich  eilig.  Ob  mein  gestriger  Brief  so  aussieht, 
daß  Sie  ihn  nach  Hannover  srhi(  ken  können,  weiß  ich  nicht;  Sie  werden 
es  beurtheilen.  Eine  plötzliche  Todes-Nai  bricht  einer  Freundin,  wodurch 
meine  Frau  sehr  hart  angegriffen  wurde,  setzte  auch  mich  beym  Schlüsse 
des  Briefes  in  Verwirrung,  so  daß  ich  nicht  weiß  ob  ich  passend  genug 
geschrieben  habe, ,  überdies  liegt  mein  Bedienter  krank,  und  ich  selbst 
konnte  nicht  auf  die  Post  gehn. 

^)  2  S.    4".     H.  Wien.     Bei  Zimmermann  S.  57  f. 


April  1833.  2  1 

Der  wesentliche  Inhalt  meines  Briefes  war:  daß  ich  den  Ruf  nach 
Göttingen  difinitiv  annehme.  Denn  der  Vorbehalt  des  nachzusuchenden 
Abschiedes  ist  bloße  Form.  Ich  will  nun  nach  Göttingen;  was  auch 
hinter  dem  Schweigen  des  Ministeriums  stecken  möge.  Es  giebt  zwar 
hier  noch  immer  Personen,  die  es  für  eiiie  Unmöglichkeit  halten,  daß 
man  mich  gehen  lasse,  aber  die  Weisheit  oder  Unklugheit  dieses  Wartens- 
Lassens  vollendet  meinen  Entschluß.  Glauben  Sie  nicht,  das  ich  in  Hin- 
sicht auf  mich  selbst  je  geschwankt  habe.  Mir  ist  Göttingen  am  be- 
quemsten; und  die  dortigen  reinen  Verhältnisse  sind  mir  unendlich  lieber, 
als  das  Paithcytreiben  in  B[erlin]  Eine  andre  Frage  ist  freylich,  ob 
Göttingen  jetzt  der  Wissenschaft,  und  ihrer  Verbreitung,  so  gelegen  sey, 
wie  B[erlin]  was  einmal  ein  Übergewicht  erlangt  hat.  Der  Preußische 
Staat  im  Ganzen,  und  abgesehen  von  einzelnen  Handlungen  einzelner 
Minister,  hat  einen  sehr  hohen  Grad  von  Energie,  er  steht  viel  vester 
als  man  im  Auslande  vielleicht  glaubt  oder  wünscht,  und  wirkt  durch 
sein  Beyspiel  ungeheuer;  daher  es  mir  in  der  öffentlichen  Meinung  viel- 
leicht kaum  Gewinn  bringen  wird,  daß  ich  mich  von  Preußen  trenne. 
Aber  das  mag  nun  seyn  wie  es  will;  für  mich  sind  zwey  Personen  zu 
mächtig,  als  daß  ich  länger  in  ihren  Wirkungssphären  bleiben  dürfte. 
Sehr  wahrscheinlich  lassen  diese  Herrn  die  Zeit  verfließen,  damit  ich 
unterdeß  thöricht  genug  sein  soll,  den  Göttingischen  Ruf  durch  mein 
Säumen  zu  verscherzen  und  zu  verlieren.  Aber  ich  hoffe,  mein  Annehmen 
kommt  in  Hannover  noch  früh  genug.  Daß  ich  nach  Empfang  Ihres 
Briefes  vom  29  März  noch  acht  Tage  gewartet  habe;  (der  Brief  kam 
nämlich  um  Ostern  hier  an)  wird  man  mir  in  Hannover  nicht  übel  deuten. 
Doch  hievon  eben  wünsche  ich  nun  durch  Ihre  baldigste  ausdrückliche 
Versicherung  gewiß  zu  werden;  und  deshalb  bitte  ich  Sie  um  die  schnellste 
mögliche  Antwort.  Alsdann  erst  kann  ich  in  voller  Ruhe  meine  hiesigen 
Angelegenheiten   weiter  besorgen,  || 

Überdies  wünsche  ich  nun  einige  vertrauliche  Eröffnungen  von  Ihnen 
zu  empfangen  über  die  Verhältnisse  in  Göttingen  selbst.  Kaum  ist  zu 
hoffen,  daß  ich  dort  Allen  willkommen  seyn  werde.  Wahrscheinlich  wird 
etwas  von  Schellingischer  und  Hegelscher  Lehre  auch  bey  Ihnen  sich  ein- 
gewurzelt haben ;  denn  vom  Mitmachen  hat  Göttingen  schwerlich  ganz 
frey  bleiben  können.  Daneben  wird  das  Vornehmthun  gegen  alle  Philo- 
sophie auch  noch  fortdauern.  Geben  Sie  mir  also  einige  Winke,  wie  ich 
etwa  dort  zu  gehn  und  zu  stehn  habe.  De.'-gleichen  wäre  nach  einer 
Wohnung  zu  fragen ;  ich  wünsche  daß  meine  Frau  darin  so  wenig  als 
möglich  entbehre;  und  wir  sind  hier  durch  eigenes  Haus,  eignen  Hof  und 
Garten  in  der  That  sehr  verwöhnt.  Jedenfalls  müssen  wir  Anfangs  zur 
Miethe  wohnen.  Wie  steht  es  um  die  Auditorien?  —  Gar  vielerlei  muß 
ich  nun  von  vorn  an  einrichten,  was  ich  mir  hier  in  aller  Vollständigkeit 
geschafft  hatte ;  dahin  gehört  auch  mein  Auditorium,  was  ich  mit  Hülfe 
zweyer  großer  Thürfiügel  nach  Umständen  groß  oder  klein  mache.  —  Wie 
steht  es  um  den  Fleiß  der  Studenten?  Das  ist  eine  Hauptsache,  an  der 
es  hier  in  Königsberg  leider!  fehlt.  Kommt  die  Mehrzahl  der  Studenten 
jetzt  irgendwie  auf  Philos[ophie]  vorbereitet  dahin,  oder  muß  man  im 
Vortrage  vom  a  b  c  anfangen?    Steht  meine  Einleitung  den  Leuten  dort 


22  April   1833. 

ZU  hoch  oder  zu  niedrig?    Sind  Sie  vor  politischen  Umtrieben  jetzt  sicher? 
oder  muß  man  auch  in  der  Hinsicht  jetzt  Fußangeln  fürchten? 

Wie  steht  es  um  die  Göttingischen  gelehrten  Anzeigen?  Fällt  es 
noch  Niemanden  ein,  daß  diese  müssen  umgeformt  werden?  —  Diese 
Frage  ist  bloß  neugierig;  ich  selbst  werde  wenig  mehr  schreiben;  am 
wenigsten  in  Tageblättern.  Meine  Absicht  ist,  mich  ganz  auf  meine  Vor- 
lesungen zu  concentriren.  —  Bittend,  wünschend,  hoffend  auf  gute  Nach- 
richten von  Ihnen  Ihr  Herbart. 

22.  Apr.:  Rede  am  Geburtstage  Kants  (S.  Bd.  X.     S.  29 — 38). 

420.  An    Dissen.  1)  Königsberg  22  April   1833. 

In  Folge  Ihres  letzten  Briefes,  mein  theurer  Freund!  sende  ich  eben 
jetzt  mein  Entlassungs- Gesuch  ab.  Ob  es  schon  Zeit  sey,  daß  meine 
Versetzung  nach  Göttingen  öffentlich  ausgesprochen  werde,  wird  Ihre  Re- 
gierung beurtheilen.  Mir  kann  es  nur  ehrenvoll  seyn,  wenn  dies  geschieht; 
und  zum  Ersatz  gereichen  für  das  Schweigen  des  Preuß.  Ministeriums, 
von  dem  selbst  jetzt  noch  keine  Sylbe    der  Antwort  an    mich   gelangt  ist. 

Wundern  Sie  Sich  nicht,  wenn  Sie  in  meinen  Briefen  keine  lebhafte 
Freude  wahrnehmen.  Das  liegt  wahrlich  nicht  daran,  daß  ich  den  Ruf 
nach  Göttingen  weniger  in  seinem  Werthe  erkennen  sollte.  Aber  drückend 
bleibt  immer  der  Abschied  aus  einem  Staate,  dem  man  beynahe  ein 
Vierteljahrhundert  lang  redlich  gedient  hat;  einem  im  Ganzen  höchst 
achtungswerthen  Staate,  ungeachtet  dessen  was  meine  Stellung  darin  ver- 
missen läßt.  — 

Heute  ist  Kants  Geburtstag,  ich  habe  einen  Vortrag  zu  halten;  ent- 
schuldigen Sie  also  daß  ich  hier  abbreche.  Leben  Sie  herzlich  wohl! 
Empfehlen  Sie  mich  aufs  angelegendichste  Denen,  welchen  ich  künftig 
näher  angehören  soll!  Ganz  der  Ihrige     Herbart. 

22.  Apr.:   Schreiben    an    das    Universitäts - Curatorium ,    Berufung    nach    Göttingen    betr. 

(XV.     S.  226—227). 
2g.  Apr.:  Jahresbericht  über  das  Seminar  (XV.     S.  84—91). 

421.  Dissen  an  H.-)  Göttingen  d.  29  t.  April. 

Nun  das  ist  vortrefflich,  daß  Sie  endlich  das  entscheidende  Ja!  ausgesprochen 
haben,  verehrtester  Herr!  und  wenn  irgend  etwas  meine  fliehenden  Kräfte  noch 
aufzurichten  vermöchte,  so  wäre  es  dies,  was  mich  überaus  glücklich  macht.  Laßen 
Sie  sich  nichts  gereuen.  Allerdings  ist  Berlm  die  Hauptstadt  Deutschlands,  aber 
alles  was  ich  erfahre,  stimmt  darin  zusammen,  daß  Sie  dort  nicht  nostrificirt  worden 
wären.  Der  Gegensatz  ist  zu  groß,  Sie  konnten  nichts  ausrichten,  und  das  hätte 
man  wieder  nur  auf  Sie  und  Ihre  Philosophie  zurückgeworfen.  Vor  zwei  Tagen 
war  der  Doctor  Strümpell  bei  mir,  der  acht  Tage  in  Berlin  war,  und  abermahls  dasselbe 
darüber  sagte.  Den  einen  Ihrer  Briefe  habe  ich  unbedenklich  nach  Hannover  ge- 
schickt wo  er  großes  Vergnügen  erregt  hat;  ich  hatte  an  dem  zweiten  noch  Zusätze 
in   meinem  Schreiben   beigefügt.     Das  Curatorium   läßt  Ihnen   sagen,   daß  Sie  nun- 

^)   I  S.    4".     H.  Wien.     Bei  Zimmermann  S.  59  f. 
'')  6  S.    ö".     H.  Wien. 


Apiil    1833. 23 

mehro  fest  auf  Ihre  hiesige  Anstellung  ||  xu  Michaelis  rechnen  möchten  ganx  nach 
den  Ihnen  bekatinten  Bedingungen,  daß  man  aber  auch  von  Ihnen  sicher  ericarte 
daß  Sie  Michaelis  bestimmt  antreten  werden.  Jetzt  möchte  ich  lünen  anheim  geben, 
sobald  Sie  Ihre  Dimission  oder  %Yenigstens  die  Zusicherung  der  Dimission  erhalten 
haben  werden,  solches  unmittelbar  in  einem  Schreiben  an  den  Geheimen  Cabinets- 
rath  Hoppenstedt  einzuherichten,  damit  ihre  Ernennung  sofort  ausgefertigt  werden 
kann;  denn  es  ist  nun  sehr  wünschenswert  für  uns,  daß  auch  Ihre  Ernennung  bald 
erfolge  und  die  Bekanntmachung  derselben  auf  hiesiger  Universität.  — 

Sie  fragen  nach  den  hiesigen  Verhältnissen.  Der  wissenschaftliche  Geist  der 
meisten  Studenten  ist  schlecht,  und  es  ist  sehr  darauf  gerechnet,  daß  die  Beiühmt- 
heit  Ihres  Nahmens  und  der  Geist  ihrer  Vorträge  zur  allmähligen  Verbesserung 
beitragen  werde.  Viel  voraussetzen  dürfen  Sie  nicht;  |]  mit  der  Metaphysik  können 
Sie  nicht  anfangen  z.  B.  doch  gibt  es  auch  wakkere  Leute,  dahin  gehören  meist 
unsere  jetzigen  Philologen,  deren  hier  nun  ziemlich  viele  sind.  Unter  den  Pro- 
fessoren hat  sich  der  alte  steife  Geist  mehr  und  mehr  verloren,  da  die  alten  ziemlich 
weggestorben  sind,  und  viele  junge  neue  Männer  anstatt  ihrer  gerufen  werden.  Von 
den  altern  ist  Hausmann  sehr  Ihr -Verehrer,  zwar  Professor  der  Mineralogie  und 
Bergwerkskunde,  aber  auch  sonst  ein  Mann  von  den  mannigfaltigsten  Interessen 
und  dem  schönsten  Sinne.  Die  ScheUingische  und  Hegeische  Philosophie  hat  wohl 
wenig  Anhänger  hier;  einige  junge  Professoren  neigen  wohl  in  Ihrem  Denken  dahin, 
und  dann  ist  allerdings  Wendt  von  der  Art,  dei-  aber  wenig  Ansehen  hat  sowohl 
bei  Professoren  als  Studenten.  Außerdem  steht  Mutter  und  Tochter  in  keinem 
guten  Rufe,  Gott  weiß  mit  welchem  Grunde.  —  Der  Eevolutionsgeist  ist  unter  den 
Studenten  nirgends  bemerkbar  gewesen  in  der  letzten  Zeil;  indessen  ist  es  gewiß 
gut  wenn  auch  Sie  häufig  wie  andere  Gelegenheit  nehmen  dem  ||  Geiste  des  Um- 
sturzes entgegenzuwirken  bald  directer  bald  indirecter,  wie  es  passen  will,  und  auf 
den  "Wertb  der  gesellschaftlichen  Ordnung  aufmerksam  machen.  Unter  den  Bürgern 
gibt  es  wohl  noch  immer  eine  unzufriedene  Klasse,  doch  hat  man  in  der  letzten 
Zeit  nichts  auffallendes  gehört.  Nun  habe  ich  auch  schon  an  ein  Logis  gedacht 
und  zu  diesem  Behufe  die  Frau  Professorin  Wunderlich  zu  Hülfe  genommen,  die 
sich  Ihrer  Frau  bestens  empfehlen  läßt  und  sich  überhaupt  erbietet  diejenigen  öko- 
nomischen Besorgungen  zu  machen,  welche  Ihre  liebe  Frau  in  der  !folge  wünschen 
möchte.  Sie  dürfen  denn  nun  ein  Briefchen  derselben  an  die  Professorin  \V.  ein- 
legen. Das  erste  halbe  Jahr  werden  Sie  sich  etwas  behelfen  müssen.  Die  Häuser 
sind  wohlfeiler  zu  kaufen  als  zu  miethen,  was  mehrere  Giiinde  hat.  Eine  vortreff- 
liche Gelegenheit  für  Sie  wäre  das  Haus,  welches  ehemals  Professor  Heise,  jetzt 
Präsident  in  Lübeck,  sich  eingerichtet  und  jetzt  dem  Präsident  Wademeyer  gehört, 
der  nach  Celle  versetzt  ist  imd  es  verkaufen  will:  Ein  Vorderhaus  mit  zwei  Etagen 
und  schönem  Hinterhause  welches  m  den  Garten  geht,  oben  schöne  Zimmer  mit 
einem  Saale  hat,  unten  einen  Gartensaal  und  treffliches  Local  z.  Auditorio,  außer- 
dem Hof  und  Garten,  der  durch  eine  Thür  mit  dem  Wall')  ||  correspondirt.  Das 
Haus  dürfte  aber  theuer  zu  kaufen  seyn  und  leider  speculirt  auch  Hr.  Mühlenbrug 
darauf  aus  Halle,  der  diesen  Sommer  her  kommen  will  und  es  besehen,  und  also 
Ihnen  zuvorkommen  wird.  Auch  würde  es  nichts  helfen  jetzt  eine  Miethe  anzubieten, 
da  es  zum  Verkauf  steht  und  der  Kauf  gleich  die  Miethe  aufheben  soll.  Sollte  in- 
dessen Mühlenbrug  das  Haus  nicht  nehmen  und  er  unterdessen  noch  keins  haben, 
so  wäre  der  Fall   anders.    Inzwischen  hat  der  damit  beauftragte  Hr.  Wademeyer 


*)  Am  Rand  der  Briefseite:  Hinsichtlich  desselben  erhalte  ich  noch  beiliegende 
Notizen  eben,  die  ich  wenigstens  beifüge. 


24  Mai   1833. 

geschrieben.  Sicherer  und  besser  dürfte  es  seyn  für  diesen  "Winter  das  Local 
zu  beziehn,  welches  Thibaut  zum  Teil  inne  hatte.  Mamsell  Dietrich  ist  ei'bötig 
IhnPD  zu  überlassen  in  der  dritten  Etage  5  Piecen  mit  vortrefflichem  Auditorio. 
wohiuein  man  aus  den  Zimmern  geht,  in  der  zweiten  Etage  ferner  eben  falls 
5  Piecen  mit  einem  Saal  außerdem,  und  diese  Etage  zugleich  sehr  wohl  meublirt, 
endlich  Küche,  Gesinde-  uud  Bedientenstiibe,  Holzstall,  Pferdestall,  Wagen  romise. 
Dafür  wird  verlangt  50  Idr  in  Gold  jährlich,  ein  billiger  Preis,  zumahl  alles  neu 
tapezirt  ist  und  oben  auch  ein  neuer  Fußboden  gelegt  worden.  Es  ist  wichtig, 
daß  Sie  hier  gleich  eine  ganze  Etage  meubliert  finden.  Sonst  wohnt  im  Hause  nur 
II  oben  noch  M.  Lichtenberg  mit  Tochter,  eine  sehr  stille  Frau,  in  der  Mitte  Mamsell 
Dietrich,  ein  sehr  liebes  Frauenzimmer,  die  Ihrer  lieben  Frau  eine  angenehme  Nähe 
sein  wird,  und  unten  im  Erdstocke  der  Professor  Weber,  welchen  wir  in  der  Physik 
für  Meyer  bekommen  haben.  Studenten  wohnen  gar  nicht  im  Hause.  Auch  in  dem 
Nebenhause  der  M.  Schick,  welches  von  dem  Dietrichschen  inwendig  durch  eine  ver- 
schlossene Thür  getrennt  ist,  wohnen  Familien.  Auch  läßt  sich  de)'  Garten  der 
Mad.  Schick  hinter  dem  Hause  benutzen.  Diese  Wohnung  dürfte  einstweilen  am 
wärmsten  zu  empfehlen  seyn,  bis  Sie  sich  selbst  ein  Haus  einrichten.  Wir  wohnen 
in  derselben  Straße  und  die  Frau  Professorin  Wunderlich  könnte  Ihrer  Frau  eben- 
falls bequem  zur  Hand  seyn.  Eine  andere  Gelegenheit  ist  im  ehemaligen  Bouterweck- 
schen  Hause  in  der  Wernerstraße  oben.  Hier  sind  unten  an  der  Erde  3  heizbare 
Zimmer  und  Kammern,  1  Küche  und  Speisekammer,  1  Gartensaal,  nebst  einer  heiz- 
baren Kammer  und  Auditorium,  dann  in  der  mittleren  Etage  1  Saal,  1  Kabinet,  ein 
Seitenzinimer  nebst  Kammer,  ferner  2  Stuben  und  2  Kammern  und  Durchgang  nach 
dem  Auditorium.  Auch  die  Erlaubniß  in  den  Galten  zu  gehn.  Meublirt  ist  nichts 
u.  es  werden  verlangt  70  Lsdr.  Ferner  ganz  oben  im  dritten  Stock  wohnt  eine  andere 
Familie,  die  auch  den  Garten  besuchen  dürfen.  Unten  ist  übrigens  auch  Holzstall 
und  Wagenremise.  Nun  überlegen  Sie  vorläufig,  ich  empfehle  die  erstere.  Eine 
zu  lange  Ungewißheit  wünsche  ich  nicht,  damit  nicht  andere  kommen.  Soviel  dies- 
mahl.  —  Meine  Gesundheit  verehrter  Herr,  ist  ach!  jetzt  sehr  übel,  der  Zustand 
meiner  Nerven  ist  schrecklich.  Gut  endigen  wird  es  nicht.  Herzlich  u.  bestens  der 
Ihrige  Dissen. 

Daß  unsere  gelehrten  Anzeigen  nicht  viel  taugen,  fühlt  die  Hälfte  der  Pro- 
fessoren, aber  so  lange  Heeren  redigirt,  wird  alles  so  bleiben. 

2.  Mai':    Vorwort    zu    Kants    Anthropologie    in    pragmatischer    Hinsicht.     4.  Aufl.    (S. 
Bd.  XIII.     S.  268  —  270). 

422.    Voigt  an  H.^  Königsberg,  4.  Mai  1833. 

Hochverehrtester  Herr  College!  An  dem  heutigen  für  Sie  so  wichtigen  und  be- 
deutungsvollen Tage,  an  welchem  Ihnen  so  viele  herzliche  Wünsche  und  so  manche 
Beweise  von  Hochachtung  und  ErkenntHchkeit  in  treuer  Liebe  entgegengebiacht 
worden,  benütze  ich  die  frühste  Stunde,  um  Ihnen  in  diesen  Zeilen  auch  meine 
aufrichtigste  und  herzlichste  Theilnahme  und  meinen  innigsten  Wunsch  zu  allem, 
was  Ihnen  Wohlseyn,  Glück,  Freude  und  Erheiterung  bringen  kann,  zu  bezeugen. 
Geburtstage  sind  immer  zugleich  Freuden-  und  Schmerzenstage.  Der  heutige  mag 
und  wird  für  Sie  nur  ein  Freudentag  seyn.  Der  Verlust,  der  uns  alle  in  Ihrem 
Abgange  droht,  hat  in  allen  Herzen  heute  nicht  etwa  nur  Gefülile  und  Empfindungen 

')  1  S.  4".  H.  Wien.  —  Job.  Voigt  (1786—1863),  Geschichtschreiber,  seit 
1817  Prof.  und  Archivdirektor  in  Königsberg.     S.  Allg.  D.  Biogr. 


Mai  1833.  25 

für  Sie  erweckt,  sondern  er  läßt  die  längst  in  allen  Herzen  für  Sie  vorhandenen 
nur  zur  lauten  Sprache  kommen  und  es  offen  sagen,  daß  es  auf  unserer  Hoch- 
schule und  in  der  ganzen  großen  Zahl  Ihrer  Freunde  und  Bekannten  unserer  Stadt 
nur  Eine  Stimme  ist,  die  einhellig  -wünscht,  daß  Sie  auch  forthin  der  Unsrige  hätten 
bleiben  mögen. 

Zählen  Sie  mich,  verehrtester  Herr  College,  nicht  unter  die  letzten,  die  "Wünsche 
für  Sie  in\  Herzen  tragen.  Nehmen  Sie  das  "Wort  welches  ich  Ihnen  heute  ent- 
gegenbringe, wenn  es  auch  einfach  und  ohne  Förmlichkeit  bei  Ihnen  erscheint,  als 
eine  aus  aufrichtiger  Hochachtung  gekommene,  herzliche  Zuspräche  einer  Gesinnung, 
für  die  es  heute  ein  doppeltes  ßeaüi-fniß  war,  sich  gegen  Sie  auszusprechen.  Möge 
Sie  der  Himmel  überall  schützen  und  geleiten  und  Ihnen  alle  Ihre  Lebenstage  er- 
heitern, "^'ir  ei-fahren  auf  unserer  Pilgerfahrt  durchs  Leben  alle,  daß  da  am 
wenigsten  der  Lorbeer  für  das  Verdienst  wächst,  wo  ewige  Ebbe  und  Fluth  wechselt 
und  aller  fruchtbarer  Boden  in  Sand  verwandelt  wird. 

Mit  aufrichtigster  Verehrung  und  Freundschaft 

Ihr  treuester  College  Voigt. 

6.  Mai:  Entlassungsgesuch  an  das  Ministerium  (XV.     S.  228). 

423.    An  Griepenkerl.i)  Königsberg  8  May  1833. 

Sollte  ich  wohl  endlich  dazu  kommen,  mein  theuerster  Freund!  mich 
einmal  wie  sonst  bey  Ihnen  auszuruhen?  Schwerlich!  Die  neue  Zeit  fordert 
neue  Anstrengungen. 

Vor  allem  Andern  bitte  ich,  daß  Sie  mich  angelegentlich  bey  Ihrem 
Sohne  2)  entschuldigen,  der  mir  seine  Gedichte  mit  einem  sehr  gefälligen 
Schreiben  übersandt  hat;  längst  hätte  ich  danken  sollen,  aber  ich  komme 
nicht  dazu,  die  Gedichte  so  mit  Sinn  und  Verstand  zu  lesen  wie  sichs 
gebührt  um  leidlich  darüber  zu  sprechen.  Die  Glätte,  die  außerordent- 
liche Reinheit  und  Zierde  des  Ausdrucks,  den  tactmäßigen  Vers  (in  dieser 
Art  habe  ich  nie  etwas  Schöneres  gelesen!)  empfinde  ich  beym  flüchtigsten 
Lesen;  der  eigentlich  poetische  Gehalt  sammt  der  mythologischen  Be- 
ziehung ist  mir  nicht  so  auf  der  Stelle  klar,  und  nur  soviel  weiß  ich,  daß 
die   Dunkelheit  in   mir  und  meiner  jetzigen   Zerstreutheit  liegt.   — 

Werden  Sie  Sich  darüber  wundern?  Nicht  bloß  das  Entferntere,  auch 
das  Nächste  ergreift  mich  wie  ein  völlig  Neues.  Königsberg  ist  für  mich 
verwandelt.  Lesen  Sie  das  beyliegende  Zeitungsblatt,^^)  und  Sie  wissen  die 
Hälfte,  aber  das  Ganze  können  Sie  daraus  nur  vermuthen.  — -  Sie  waren 
es,  der  sich  zuerst  für  mich  wagte,  als  die  Zeit  sehr  dunkel  schien.  Sie 
haben  also  auch  ein  Recht  daran,  daß  ich  Ihnen  schicke  was  nöthigen- 
falls  gebraucht  werden  kann,  wenn  die  Gegner  Sie  als  den  Sachwalter 
einer  schlechten  Sache  werden  verrufen  wollen.  Die  Universität  Königs- 
berg spricht  auf  einmal  ganz  laut.  Noch  bis  diese  Stunde  glaubt  man 
nur  halb  daran,  daß  mich  das  Ministerium  könne  aus  Preußen  ziehen 
lassen  wollen.  Mein  Auditorium  ist  in  der  praktischen  Philosophie  ganz 
voll   —    vielleicht   über   achtzig  Zuhörer;    in    der  Psychologie  ist  die  Zahl 


1)  3  S.    4".     H.  Wien.     Bei  Zimmermann  S.  83  f. 

^)  Wolfg.  Robert    Griepenkerl    (18 10— 1868),    Kunsthistoriker    und    Dramatiker. 
Seine   „Bilder  griechischer  Vorzeit"  erschienen   1833.     S.  Allg.  D.   Biogr. 
■^)  S.  Beilage  zum  folgenden  Briefe. 


26  Mai   1833. 

dreyfach  so  groß  als  sie  sonst  zu  seyn  pflegte;  Metaphysik  ist  gefordert 
worden,  so  daß  ich  schon  deshalb  weit  mehr  Arbeit  habe,  als  mir  sonst 
meine  Vorträge  machten.  Den  Ehrenbesuch  der  Professoren  erfuhr  glück- 
licherweise meine  Frau  im  Voraus;  sonst  wäre  ich  wirklich  bestürzt  und 
sprachlos  geworden.  Die  Zeitung  sagt  Ihnen  zwar,  man  sey  ohne  Förm- 
lichkeit [|  gekommen;  aber  das  ist  ein  bescheidener  Ausdruck.  Nichts  fehlte 
als  Prorector  und  Decan.  Der  Decan  war  ein  paar  Tage  früher  einzeln 
bey  mir;  Voigt,  (der  preußische  Geschichtsschreiber,)  schickte  früh  Morgens 
einen  Glückwünschungsbrief ;  ^)  die  in  der  Zeitung  Genannten  aber  kamen 
ganz  förmlich  auf  einmal;  und  Schubert  trat  als  Redner  vor.  Selbst  die 
gelehrten  Kolosse,  Bessel  und  Lobeck,  hatten  es  nicht  unter  ihrer  Würde 
gehalten,  sich  zu  mir  zu  erheben,  und  sich  ohne  Unterschied  in  die 
Reihe  der  Andern  zu  stellen.  Und  auch  unter  den  Andern  sind  hohe 
Häupter  voll  Selbstgefühl  —  Jakobi,  Sachs,  Baer,  Bohlen  u.  s.  f.,  die  ihre 
Ehrenbezeugungen  gewiß  nicht  zu  verschwenden  Lust  haben.  —  Früh 
Morgens  hatten  mir  meine  pädagogischen  Seminaristen  einen  silbernen  Pokal 
verehrt.  Spät  Abends  kamen  ehemalige  Zöglinge,  —  darunter  ein  paar 
Grafen,  die  jetzt  Officiere  sind.  Die  Musik  war  von  einem  sehr  gelehrten 
Musiker  geleitet,  der  auf  der  Straße  sogar  soll  gegenwärtig  gewesen  seyn. 
Eine  ungeheure  Menschenmasse  in  vollkommenster  Stille  stand  unter  den 
Fenstern.  Ein  wunderschöner  Abendhimmel  kam  zu  Hülfe.  —  Hat  Ihnen 
Strümpell  von  Königsberg  ein  Bild  gemacht,  welches  von  dem  Allen  die 
Möglichkeit  auszuschließen  scheint,  so  ist  ihm  das  nicht  zu  verdenken; 
ich  selbst  hätte  eher  erwartet,  daß  ein  Thurm  oder  ein  Wald  zu  mir 
heranrücken  würde,  als  so  Etwas!  Hätte  man  sich  früher  so  gegen  mich 
benommen,  so  zweifle  ich,  ob  mich  Jemand  aus  Königsberg  hinweg- 
zubringen im  Stande  gewesen  wäre. 

Sie  wissen  als  Musiker  die  Wirkung  eines  doppelten  Chors  zu 
schätzen.  Den  überraschendsten  Augenblick  dieser  Art  hatte  ich,  als  mit 
dem  Gaudeamus  igitur  der  Zug  auf  der  Straße  singend  abging,  und  statt 
des  schon  schwächern  Tons,  dem  ich  am  Fenster  zuhörte,  auf  einmal 
hinter  mir,  in  meinem  Zimmer,  wo  alles  voll  Gesellschaft  war,  der  näm- 
liche Gesang  fortgesetzt  wurde;  nicht  bloß  von  den  Studirenden  die  oben 
bey  mir  waren,  sondern  auch  von  den  singlustigen  Professoren.  Wimdern 
Sie  Sieh  nicht  über  die  lange  Beschreibung!  So  etwas  erlebt  man  nur 
einmal;  auch  sollen  Sie  wissen,  daß  unsere  Studirenden  Singen  gelernt 
haben!  || 

Betrachten  wir  aber  die  Sache  ganz  kühl:  so  zeigt  sich  hier  die  Be- 
stätigung dessen  was  ich  längst  wußte.  Die  Königsberger  warteten,  was 
man  wohl  anderwärts  sage.  Nun  —  hat  Göttingen  gesprochen.  —  Nöthigen- 
falls  mag  nun  wiederum  Göttingen  an  Königsberg  glauben.   — 

Von  Berlin-  —  altum  silentium  bis  heute!  Aber  ich  habe  nun  aufs 
allerbestimmteste  um  meine  Dimission  gebeten,  unmittelbar  beym  Minister. 

Noch  ein  Wort  über  Strümpelln!  Sie  äußern  sich  unzufrieden  über 
ihn.  Das  thut  mir  leid,  aber  es  wundert  mich  eben  nicht.  Strümpell 
hat    die    Masse   des  Unsinns   durchstudirt,   der   seit  Jahren   über   mich   in 

1)  S.   Nr.  422. 


Mai   1833. 27 

den  Zeitschriften  zu  lesen  stand.  Können  wir  ihm  verdenken,  daß  er 
Verachtung  empfindet?  Und  wenn  er  nun  sieht,  wie  viel  auf  ihn  an- 
kommt, und  welcher  Keckheit  nicht  bloß  Raum,  sondern  Aufforderung 
gegeben  ist,  —  dürfen  wir  uns  wundern?  Strümpell  hat  schon  hier  einiger- 
maaßen  imponirt,  und  das  Vorurtheil  gebeugt,  als  könnte  ich  keine  Schüler 
ziehn.  Das  Alles  sollte  sich  anders  äußern!  Gewiß!  Aber  wir  können 
ihn  nicht  machen  wie  wir  ihn  wünschten.  Und  mir  ists  lieb,  wenn  endlich 
einmal  meine  Arbeiten  von  dieser  Meinigkeit  loskommen,  um  sich  so  hin- 
zustellen, daß  sie  auch  ohne  mich  bestehen  können.  Er  wird  schon  etwas 
Seiniges  daraus  machen.  Wie  das  geschehe  —  wenn  wir  damit  nicht 
ganz  zufrieden  sind,  so  wollen  wir  beyde,  die  wir  seine  Lehrer  sind,  uns 
unter  einander  darüber  trösten.  Ich  wünschte  nur  zu  wissen,  was  er  jetzt 
treibt.  Grüßen  Sie  ihn  doch  von  mir,  und  sagen  Sie  ihm  das  Nöthigste; 
entschuldigen  Sie,  daß  ich  ihm  nicht  sogleich  selbst  schreibe. 

Meine  Zeit  ist  zu  Ende.  Sagen  Sie  mir  bald,  daß  Ihre  Gesundheit 
völlig  hergestellt  ist! 

Unveränderlich  der  Ihrige!  Herbart. 

424.     An    DrobiSCh.l)  Königsberg,   10  May   1833. 

Mein  hochverehrter  Freund !  Sollten  Sie  mich  wohl  undankbar  glauben, 
da  ich  so  lange  geschwiegen  habe?  Vielmehr,  als  Zeichen  meiner  Dank- 
barkeit für  Ihre,  nicht  vergänglichen  Verdienste  um  mich  und  um  das  was 
mir  am  Herzen  liegt,  nehmen  Sie  das  beyliegende  Blatt  -)  von  mir  an !  Es 
zeigt  Ihnen,  daß  Sie  nicht  umsonst  Sich  meinetwegen  bemüht  haben.  Ohne 
Sie  wäre  es  dahin  nicht  gekommen. 

Sehr  gefüllte  Vorlesungen  —  (außer  den  angekündigten  ist  noch  die 
Metaphysik  verlangt  worden)  —  bereiten  mich  jetzt  vor  auf  ein  Göttingisches 
Auditorium.  Mein  Abgang  von  hier  ist  entschieden.  Nur  in  Einem 
Puncte  muß  ich  glauben  was  ich  noch  nicht  sehe,  —  nämlich  daß  in  London 
die  Königl.  Bestätigung  meiner  Anstellung  in  Göttingen  nicht  fehlen  könne, 
so  behauptet  und  versichert  das  Curatoriura  in  Hannover.  Das  Ministerium 
in  Berlin  beschränkt  sich  auf  die  Höflichkeit,  mir  Vorschläge  zu  einiger 
hiesigen  Verbesserung  zu  erlauben,  —  wohl  wissend,  daß  ich  solche  Vor- 
schläge nicht  machen  will. 

Strümpell  hat  Sie  besucht.  Gern  möchte  ich  wissen,  wie  Sie  mit 
dem  lebhaften  jungen  Mann  zufrieden  waren?  Das  Bild,  was  er  Ihnen 
von  Königsberg  wird  entworfen  haben,  paßt  jetzt  nicht  mehr,  nachdem 
hier  Alles  geschehen  ist  (selbst  vom  hiesigen  Curatorium)  was  mir  den 
Abschied  schwer  machen  kann;  den  meine  Frau  nur  zu  tief  empfinden  wird. 
II  Daß  ich  unter  den  jetzigen  Umständen  schlechthin  außer  Stande  bin, 
an  einer  Literaturzeitung  mitzuarbeiten,  wird  Ihnen  von  selbst  klar  seyn. 
Es  ist  nun  Ernst  mit  meinen  Vorlesungen,  die  schon  deshalb  mich  auf 
lange  Zeit  ganz  in  Anspruch  nehmen,  weil  in  Göttingen  wöchentlich  nicht 
bloß  wie  hier,  vier  Stunden,  sondern  6  oder  wenigstens  5  Stunden  ge- 
lesen wird;  so  daß  überall,  auf  beträchtliche  Zusätze  muß  gedacht  werden; 

1)  2  S.    2 ». 
')  S.  Beilage. 


28  Mai   1833. 

auch  sind  dort  weniger  Ferien  als  hier.  Und  mündliche  Vorträge  in 
großen  Auditorien,  —  das  wissen  Sie  Selbst!  —  sind  etwas  ganz  anderes 
als  vor  Wenigen.  Man  kann  nicht  coram  paucis  furere,  wie  einer  meiner 
Collegen  sich  ausdrückt. 

Sehr,  sehr  neugierig  bin  ich  jetzt  auf  Nachrichten  aus  Deutschland. 
Sehr  begierig  auf  das  Neueste  von  Ihnen,  Ihrem  Wirken  und  Wohlseyn. 
Es  war  nahe  daran,  daß  Lobeck  ^)  Ihr  College  geworden  wäre;  —  Sie 
hätten  viel  gewonnen  und  Königsberg  viel  verloren.     Er  bleibt  hier. 

Ob  wir  uns  wohl  auf  meiner  Reise  werden  sehen  können?  Noch 
kann  ich  keine  Pläne  oder  Vorschläge  deshalb  machen,  so  sehr  lebhaft 
ich  es  wünsche.  Zu  Vieles  —  besonders  mein  Haus  verkauf  —  ist  noch 
im   Dunkeln.     Nur   soviel   weiß   ich:   meine  Reise  fällt  in  den  September. 

Hier  muß  ich  schließen.  Meine  Zeit  ist  jetzt  sehr  beschränkt.  Nehmen 
Sie  die  eiligen  Zeilen  wenigstens  für  ein  Lebenszeichen,  das  heißt  für  ein 
Freundschaftszeichen.  Ihr  H. 

Beilage  zu  Brief  424. 

KömgL:  Pretiß.  Staats -Kriegs-  und  Fiiedens- Zeitung  ^  1^33 1  ^-  105 
Diensta^^   den   7.   Mai, 

Königsberg.  Ein  seit  einiger  Zeit  schon  verbreitetes  Gerücht,  daß 
der  hiesigen  Universität  der  Verlust  eines  ihrer  ältesten  und  aus- 
gezeichnetesten Lehrer,  des  Herrn  Schulraihs  und  Professors  Herbart 
durch  einen  Ruf,  den  dieser  nach  Göttingen  erhalten  und  angenommen 
hätte,  bevorstehe,  hat  sich  in  den  letzten  Tagen  fast  zur  Gewißheit  er- 
hoben. Das  Glück  und  der  Vorzug  dieses  Besitzes  war  lange  von  allen 
Gliedern  der  hiesigen  Hochschule  zu  sehr  gefühlt  und  anerkannt  worden, 
als  daß  diese  Nachricht  nicht  einen  tiefen  und  schmerzlichen  Eindruck 
auf  sie  hätte  machen  müssen.  Ihnen  blieb  jedoch  nichts  übrig,  als  einer 
Gelegenheit  zu  harren,  um  diese  auf  der  reinsten  wissenschaftlichen  Hoch- 
achtung und  sittlichen  Ehrerbietung  beruhende  Gesinnung  ihrem  Kollegen 
und  Freunde  auszusprechen.  Eine  solche  Gelegenheit  bot  sich  am 
4ten  d.  M.,  dem  Geburtstage  Herbarts,  dar.  .  Ohne  besondere  Vor- 
bereitungen, und  mit  Vermeidung  jedes  Scheines  einer  Förmlichkeit,  begab 
sich  ein  großer  Teil  des  akademischen  Lehrerpersonals,  namentlich  die 
Herren  Professoren  v.  Baer,  Bessel,  v,  Bohlen,  Dulk,  Hagen  I,  Jacobi, 
V.  Lengerke.  Lobeck,  Meier,  Moser,  Neumann,  Olshausen,  Richelot,  Sachs, 
Sanio,  Schubert,  Sieffert,  Vormittags  in  die  Wohnung  ihres  verehrten 
Freundes.  Herr  Professor  Schubert  deutete  das  unaussprechliche,  aus 
Schmerz  und  Freude  gemischte  Gefühl  der  Erschienenen  mit  einigen  herz- 
lichen Worten  an,  die  von  dem  Gefeierten  mit  Güte  aufgenommen,  mit 
tiefem  Ernste  und  sichtbarer  Bewegtheit  des  Innersten  erwidert  wurden. 
Was  freilich  keines  neuen  Beweises  bedurft  hätte,  die  innige  wohlbegründete 
Anerkennung  und  persönliche  Anhänglichkeit  der  hiesigen  akademischen 
Lehrer  an  der  in  aller  Beziehung  geistig  hervorragenden  Individualität 
Herbarts,  das  sprach  sich  in  diesen  schönen  Momenten  auf  eine  erfreuliche, 
durch  äußere  Einfachheit,  wie  durch  innere  Wahrheit  rührende  Weise  aus. 

^)  Lobeck  (1781  — 1860)  hervorragender  Philolog. 


Mai  1833.  29 

Mitten  aus  diesen  Gefühlen  drängte  sich  die  feste  und  beruhigende  Über- 
zeugung hervor,  daß  ein  solches  Band  unzertrennlich  sei,  wenn  auch  seine 
äußere  Lösung  unabwendbar  sein  sollte. 

Aber  auch  die  Studirenden  konnten  diesen  Tag  nicht  vorübergehen 
lassen,  ohne  auf  irgend  eine  Weise  die  Gefühle  der  innigsten  Hochachtung 
und  Verehrung  gegen  ihren  geliebten  Lehrer,  der,  wie  sie  besorgen  mußten, 
bei  der  Wiederkehr  dieses  Tages  ihnen  nicht  mehr  angehören  werde,  zu 
erkennen  zu  geben.  Mit  der  einfachen  prunklosen  Weise  Herbarts  vertraut, 
vereinigten  sie  sich  zu  einer  Abendmusik  und  zu  von  ihnen  selbst  kunst- 
gemäß ausgeführten  Gesängen,  um  vielleicht  hierdurch  den  großen  Musik- 
kenner zu  erfreuen.  Als  Abgeordneter  seiner  Kommilitonen  sprach  dann 
Herr  Studiosus  Jessel  in  einer  wohlgelungenen  Rede  die  Gefühle  des 
Dankes  und  zugleich  der  Trauer  aus,  und  nach  Ueberreichung  eines 
Carmens  erschallte  von  den  versammelten  Studirenden  dem  verehrten 
Lehrer  ein  dreimaliges  Lebehoch.  Herr  Professor  Herbart  richtete  zuerst 
herzliche  und  gewichtige  Worte  an  die  Abgeordneten,  sprach  dann  aber 
auch  aus  dem  geöffneten  Fenster  zu  den  versammelten  Hochschülern 
wahrhaft  väterliche  Worte,  erinnerte  an  den  Ruhm,  zu  dem  die  Universität 
Königsberg  durch  Kant,  dessen  Lehrstuhl  zu  bekleiden  er  stolz  sei,  gelangt, 
daß  es  die  Aufgabe  des  heranwachsenden  Geschlechts  sei,  diesen  Ruhm 
zu  erhalten,  der  auch  bis  jetzt  durch  keine  Theilnahme  an  den  Bewegungen 
unserer  Zeit  befleckt  sei,  und  daß  sie  wie  bisher  fortfahren  möchten, 
gerade  in  einer  bewegten  Zeit,  wie  die  unsrige,  ihre  Kräfte  in  treuem 
Gehorsam  gegen  die  Gesetze  unserem  höchstverehrten  und  allgeliebten 
Könige  und  dem  gemeinsamen  Vaterlande  zu  weihen;  Worte,  die  von 
einem  solchen  Manne  und  bei  einer  solchen  Gelegenheit  gesprochen  eines 
tiefen  Eindruckes  nicht  entbehren  konnten. 

15.  Mai:  Wünsche  für  das  Königsberger  Seminar  bei  seinem  Weggang  (XV.  S.  230/31). 

425      Grolp  an  H.^)  Marienwerder,  den  20.  Mai  1833. 

Hochgeehrter  Herr  und  Freund !  Soeben  von  einer  Reise  nach  Graudenz  heim- 
gekehrt, finde  ich  Ihre  gütige  Zuschrift  vom  I3ten  d.  M.  vor.  Es  ist  zwar  nicht 
die  Absicht  meiner  Frau  gewesen,  dem  Marienburger  Musikfeste  beizuwohnen;  da 
Sie  uns  aber  die  Hoffnung  rauben,  Sie  vor  Ihrem  Scheiden  aus  dieser  Gegend  in 
unserm  Hause  zu  begrüßen,  und  wir  Sie  und  Ihre  Frau  Gemahlinn  nicht  anders  als 
bei  Gelegenheit  des  Musikfestes  in  Marienburg  wieder  noch  einmal  sehen  können, 
so  werden  wir  uns  so  einrichten,  daß  meine  Frau  schon  mit  mir  Freitag  den 
31ten  Mai  Abends  in  Marienburg  eintrifft;  ich  habe  mich  verbindlich  gemacht,  an 
dem  Feste  selbst,  also  an  den  General-Proben  Sonnabend  den  Iten  Juni,  und  der 
Aufführung  Sonntag  den  2ten  Juni  als  Baßsänger  im  Chor  thätigen  Antheil  zu 
nehmen,  und  muß  deshalb  schon  Freitag  den  31ten  Mai  Abends  in  Marien  bürg  sein. 
Wegen  eines  Quartieres  in  Marienburg  für  Sie  schreibe  ich  noch  heute  nach  Marien- 
burg, und  werde  Sie  sofort  in  Kenntniß  setzen,  wo  Sie  ein  Unterkommen  finden, 
sobald  die  Antwort  auf  meinen  heutigen  Brief  abgeht.  Wo  wir  ein  Obdach  finden 
werden,  weiß  ich  noch  nicht.  Haben  Sie  die  Güte,  mich  davon  zu  benachrichtigen. 
an  welchem  Tage  Sie  in  Marienburg  einzutreffen  gedenken.  ||  Mit  aufrichtigem  ße- 

1)  2  S.    4«.     H.  Wien. 


30  Mai  1833. 

dauern  hat  uns,  und  viele  meiner  Freunde  und  Bekannten  die  Nachricht  ei-füllt, 
das  Sie  aus  Königsberg  und  dem  Preußischen  Staatsdienste  ausscheiden.  Der  Ver- 
lust, den  die  Universität  durch  Ihren  Abgang  erleidet,  ist  unersetzlich,  und  wird 
bald  von  vielen  tief  empfunden  werden.  Der  G.  Ob.-Reg.-Rath  Schulze  in  Berlin 
hätte  Grund  genug  und  die  Mittel  gehabt,  die  Göttinger  Anerbietungen  durch  die 
Berliner  aufwiegen  zu  lassen.  Daß  er  es  nicht  gethan,  wird  der  Hegeischen  Schule 
doch  nicht  aufhelfen.  Zu  welchen  Mitteln  muß  man  schreiten,  um  vorübergehend 
das  Kind  seiner  Phantasie  —  ein  Trugbild  —  nothdürftig  zu  stützen?  Wie  kann 
ein  Mann  auf  dieser  Höhe  der  Administration  so  einseitig  guberniren! 

Meine  Frau  und  Marie  empfehlen  sich  mit  mir  Ihrer  Frau  Gemahlinn  an- 
gelegentlich, und  ich  bin  mit  der  herzlichsten  Liebe  und  Verehrung 

Ihr  treu  ergebener  Grolp. 

426.     An    Strümpell.  1)  Königsberg  27.  May   1833. 

Herzlichen  Dank  mein  werthester  Herr  Doctor,  für  Ihre  beyden 
Briefe,  wenn  gleich  deren  Inhalt  mir  nicht  ganz  angenehm  seyn  konnte. 
Möchte  nur  meine  Antwort,  die  mitten  in  Geschäften  und  unmittelbar 
vor  einer  kleinen  Reise,  nur  kurz  seyn  kann,  —  Ihnen  willkommen  seyn ! 
Sie  erlauben  mir,  Ihnen  zu  rathen;  das  ist  nicht  ganz  leicht,  denn  es 
giebt   Einiges  in  Ihrem  letzten  Briefe,  womit  ich  nicht  übereinstimme. 

Vor  allen  Dingen  nicht  damit,  daß  Sie  fürs  weibliche  Geschlecht 
schreiben!  Damit  können  Sie  Ihrem  Ruf  und  unseren  Angelegenheiten  nur 
schaden.  Und  sollen  solche  Schriften  sich  über  das  Gemeine  erheben, 
so  müssen  sie  Jahrelang  gefeilt  werden  —  müssen  überdies  aus  einer 
Individualität  hervorgehn,  die  weder  die  Ihrige  ist  noch  die  meinige.  Kurz 
und  offen:  so  etwas  hätte  Ihnen  nicht  einfallen  sollen.  Und  sind  Sie 
einmal  verliebt  in  Ihr  Geschriebenes:  so  muß  es  mmdestens  nicht  ohne 
Griepenkerls  Durchsicht,  —  und  selbst  dann  noch  anonym  erscheinen. 
Ihr  Name  darf  sich  auf  solche  Weise  nicht  verkünden,  oder  Sie  haben 
alle  philosophischen  Facultäten  auf  einmal  gegen  sich. 

Ihre  Meinung  von  mir,  daß  ich  jetzt  an  eine  Zeitschrift  dächte,  ist 
ganz  unrichtig.  In  Göttingen  hoffe  ich  ein  Auditorium  zu  finden;  kann 
ich  aber  mit  Erfolg  sprechen,  so  werde  ich  sicher  nicht  schreiben,  am 
allerwenigsten  in  Zeitschriften. 

Ihre  Absicht  ist,  mit  mir  zusammenzuwirken ;  hüten  Sie  sich  also, 
nicht  zu  schaden.  Die  Zeit,  wo  wir  in  starker  Polemik  ein  Nothmittel 
sehen,  ist  vorbey.  Der  Name  Göttingen  hat  gleich  hier  das  Wunder  be- 
wirkt, daß  ich  volle  Auditorien  in  praktischer  Philosophie  und  Psychologie 
habe,  und  auf  Verlangen  Metaphysik  lese.  Von  den  mir  erwiesenen 
Ehrenbezeugungen  (an  meinem  Geburtstage)  mag  Ihnen  Griepenkerl  er- 
zählen.   Die  Briefe,  welche  ich  aus  Hannover  bekommen,  sind  so  achtungs- 

^)  Über  Adolf  Heinrich  Ludwig  von  Strümpell  vgl.  den  Artikel  von  A.  Spitzner 
in  Reins  Encyklopädischem  Handbuch  II.  Aufl.  (Hermann  Beyer  &  Söhne  [Beyer  &  Mann], 
Langensalza)  und  von  W.  IvAHL  in  der  Allg.  D.  Biogr.  (Bd.  54,  623  ff.)  —  Die  Briefe 
Herbarts  an  Strümpell  befinden  sich  im  Besitze  des  Herrn  Schuldnektor  Dr.  Alfred 
Spitzner  in  Leipzig,  der  sie  von  seinem  Lehrer  und  Freund  zur  Veröflentlichung  er- 
hielt. Sie  sind  von  ihm  in  der  Einleitung  zur  „Psychologischen  Pädagogik  von  L. 
Strümpell"  (2.  Aufl.,  herausgegeben  von  Dr.  A.  Spitzner;  Leipzig,  E.  Ungleich)  zuerst 
veröfi^entlicht  worden. 


Mai   1833. 3£ 

voll  als  möglich.  Röres  Schrift  über  meine  Meth.  d.  B.  i)  ist  mir  zu  Ge- 
sicht gekommen ;  ich  finde  sie  zweckmäßig,  und  im  Tone  sehr  gut  gehalten. 
Ihre  eigene  Nachricht,  daß  Hegel  ehrlich  genug  gewesen,  dem  Schulz  zu 
bekennen,  er  könne  sich  in  meine  Metaphysik  nicht  hineinfinden,  —  muß 
uns  vollends  aufmerksam  machen.  Neun  Zehntheile  dessen,  was  im  Wege 
steht,  ist  baare  Unwissenheit;  diese  wird  nicht  besser,  wenn  wir  viel 
schelten;  die  Leute  hören  nur  den  Lärm,  und  meinen  den  schon  oft  genug 
gehört  zu  haben.  —  Ihre  Absicht  war,  aus  den  gegen  mich  erschienenen 
Recensionen  die  Hauptsache  zusammen  zu  stellen.  Das  ist  das  Rechte. 
Zeigen  Sie  die  Polemik  der  Gegner;  und  widerlegen  Sie  kalt  und  klar 
und  wo  möglich  kurz.  Eine  Schrift,  etwas  länger  als  die  von  Röer,  da- 
bey  weiter  in  die  Wissenschaft  hineingehend,  —  die  immerhin  den  Leuten 
zeigen  mag,  daß  sie  um  dreißig  Jahre  zurückgeblieben  sind,  weil  sie 
schlechterdings  nicht  hören  wollten,  sondern  auf  der  alten  Verkehrtheit 
steif  bestanden ;  eine  Schrift,  wodurch  das  Publicum  Sie  als  einen  kundigen, 
scharf  denkenden,  im  Schreiben  geübten  jungen  Mann  kennen  lernt:  diese, 
wo  möglich  Bezug  nehmend  auf  Röer,  und  mit  ihm  sich  vereinigend,  wird 
mir  in  meinem  neuen  und  alten.  Kreise  zugleich  zu  Hülfe  kommen;  der- 
gestalt, daß  ich  alsdann  im  Stande  zu  seyn  hoffe,  wiederum  Ihnen  zu  helfen.  2) 

Wo  Sie  wohnen  werden,  während  Sie  diese  schon  meist  entworfene 
Schrift  vollends  ausarbeiten,  möchte  wohl  für  den  Erfolg  ziemlich  gleich- 
gültig seyn.  Haben  nicht  Ihre  Angelegenheiten  in  Bonn  schon  jetzt  eine 
günstige  Wendung  genommen  (was  ich  nicht  vermuthe),  so  ist  der  Sommer 
für  mündliche  Vorträge  verloren,  und  die  Reise  nach  Bonn  meist  ver- 
gebens. Am  natürlichsten  scheint  mir,  daß  Sie  zu  den  Ihrigen  zurück- 
kehren, und  dort  schreiben,  —  und  die  nöthigsten  Druckkosten,  wenn 
Sie  nicht  einen  Verieger  finden,  zu  erübrigen  suchen.  Brauchen  Sie  aber 
nicht  alle  Zeit  zum  Schreiben,  so  bleibt  Ihnen  Braunschweig,  um  dort 
Stunden  zu  geben  am  Nachmittag,  während  Sie  den  Morgen  für  Sich 
nützen.  Ein  junger,  kräftiger  Mann,  wie  Sie,  windet  sich  durch,  für  eine 
kurze  Zeit,  wohlwissend,  daß  er  bald  sich  nöthigenfalls  durchschlagen 
kann.  —  Hoffentlich  aber  finden  Sie  einen  Verleger.  Sehr  möglich  ist 
es,  daß  Sie  in  Jena  oder  in  Kiel,  —  worauf  ich  früher  aufmerksam  machte, 
im  Winter  als  Docent  willkommen  sind,  nur  muß  das  Terrain  vorher 
brieflich  ausgekundschaftet  werden,  damit  es  nicht  geht  wie  in  Bonn, 
Ob  ich  etwas  thun  könne,  läßt  sich  nicht  eher  beurtheilen,  bis  ich  sehe, 
wie  ich  in  Göttingen  zurecht  komme.  Für  jetzt  habe  ich  auch  meine 
vielerley  Sorgen,   Arbeiten  und  Zerstreuungen. 

Bobrik  schreibt  sehr  heiter  aus  Zürich;  er  hat  glücklich  begonnen; 
ich  fasse  guten  Glauben  und  hoffe  auch,  daß  Ihre  Energie  sich  im  Tragen 
und  im  Arbeiten  bewähren  wird.  Nur  bieten  Sie  Sich  nicht  den  Damen 
an!    Das  führt  ab  vom  Wege. 

Eilig  schließend,  aber  herzlich  der  Ihrige     H. 


1)  Röer,  Über  Herbarts  Methode  der  Beziehungen.  Ein  Beitrag  zur  Revision 
der  Metaphysik.  Braunschweig  1833,  Vni  und  198  S.  —  Über  Röer  vgl.  den  vor- 
hergehenden Band  S.   301,  Anm. 

-)  In  dieser  Stelle  liegt  wohl  die  Anregung  zu  Strümpells  „Erläuterungen  zu 
Herbarts  Philosophie'',  die    1834  erschienen. 


32  Juni   1833. 

Viele  Empfehlungen  an  Hüllraann  und  Brandts.  Könnte  es  etwas 
helfen,  so  würde  ich  Ihnen  an  Hüllmann  einige  Zeilen  schicken;  aber 
ich  fürchte,  —  in  Bonn  sind  Sie  nun  einmal  nicht 'willkommen ;  und  alle 
die  Gründe  treten  wieder  hervor,  um  derentwillen  ich  Ihnen  Bonn 
nicht  anrathen  wollte,  während  der  einzige  Grund,  nicht  abzurathen,  — 
nämlich  die  Benutzung  von  Bobriks  Vorarbeit,  —  mit  diesem  Sommer 
zugleich  verschwindet. 

427.  Hoppenstedt  an   H.^)  Hannover,  5.  Juni  1833« 
HochwohlgeboJirner  Herr,   Hochziiverehrender  Herr  Schul Rath  und  Professor, 

Eurer  Hochwohlgebohren  eile  ich  anzuzeigen,  daß  die  Königliche  Bestätigung  Ihrer 
Berufung  nach  Göttingen  erfolgt  ist.  —  Allernächstens  werden  Sie  darüber  eine 
offizielle  Mittheilung  von  Seiten  des  Curatoiii  eihalten,  wohingegen  ich  hoffe,  eben- 
falls recht  bald  von  Euer  Hochwohlgebohren  zu  vernehmen,  daß  Sie  die  nachgesuchte 
Entlassung  aus  dem  K.  Preuß.  Dienste  erhalten  haben  und  zuversichtlich  nach 
Göttingen  kommen  werden. 

Mit  den  hochachtungsvollsten  Gesinnungen  empfehle  ich  mich 

Euer  Hochwohlgeb.  gehorsamst  S.  Hoppenstedt. 

428.  Drobisch  an  H.'O  Leipzig,  9.  Juni  1833. 

Innig  verehrter  Gönner  und  Freund!  Wenn  das  Erfreuliche  des  unmittelbaren 
Eindrucks  Ihres  letzten  Briefes  und  dessen  gedruckter  Iiilage  die  Schnelligkeit  meiner 
Antwort  hätte  bestimmen  können,  so  wäre  sie  augenblicklich  erfolgt,  aber  Ihr  lieber 
Brief  traf  mich  in  einer  so  tief  niedergedruckten  Gemiithslage,  daß  ich  nur  wenig 
geeignet  schien,  mich  mit  Ihnen  zu  unterhalten.  Leider  mußte  ich  Ihnen  schon 
vor  mehreren  Monaten  melden,  daß  meine  Familie  schon  seit  längerer  Zeit  der 
Tummelplatz  von  Krankheiten  sey.  Dies  hat  nun  %  Jahre  gedauert  und,  wenn  es 
nunmehr  zu  Ende  ist,  ein  sehr  betrübendes  Ende  genommen.  Der  Keuchhusten 
verfolgte  die  beiden  jüngsten  meiner  Kinder  auf  das  Beispielloseste  und  Hart- 
näckigste. Daneben  bekam  der  kleine,  im  September  geborne  Knabe  noch  eine  ob- 
wohl bei  Zeiten  unterdrückte,  Brustentzündung,  endlich,  wie  es  schien  mit  dem 
Zahnen,  die  heftigsten,  schrecklichsten  Krämpfe.  Dabei  wechselte  noch  Krankheit 
der  Dienstleute,  Krankheit  meiner  Frau  und  meiner  selb^^t.  Meine  Schwiegermutter, 
die  sich  für  die  kranken  Kinder  aufgeopfert  hatte,  bekam  endlich  so  heftige  Gicht- 
anfälle, daß  zu  befürchten  schien,  sie  werde  ganz  coutract  werden.  Endlich  die 
liebe  Grippe,  von  der  wir  natürlich  nicht  verschont  blieben;  überdies  noch  neue 
nicht  gut  einschlagende  für  die  eigensinnigen  Kinder  völlig  unbrauchbare  Dienstleute; 
daher  Aufopferung  und  Mühseligkeit  und  Geduldprobe  bei  Tag  und  Nacht  für  mich 
und  meine  Frau!  Dennoch  war  dies  alles  nur  Vorspiel.  Nachdem  wir  so  vom  Miß- 
geschick auf  eine  fast  dämonisch  zu  nennende  Art  abgejagt  und  abgemartert  worden 
waren,  ward  uns  am  28  Mai  unser  Söhnchen  plötzlich  durch  Krämpfe  entrissen. 
Schmerzlich  berührte  dieser  Todesfall  mich,  weit  tiefer  ergriff  er  meine  arme  Frau! 
Es  war  ein  lebenskräftiges,  munteres,  fi'eundliches  Kind!  Er  hatte  unbegreiflich  viel 
gelitten,  aber  sich  doch  durchgekämpft,  er  schien  in  seiner  Ki-aft  für  diese  arge 
Welt  wie  gemacht.  Endljch  mußte  er  doch  unterliegen!  —  Aber  auch  damit  war 
das  Geschick  noch  nicht  versöhnt.  Acht  Tage  darauf  war  unser  ältestes  Kind  todt- 
krank.     Eine  Gehirnentzündung  war  auf  dem  Wege.     Drei  Tage  vergingen  in  gräß- 

^)  IS.    4".     B.  Wien. 
•')  4  S.    4".     H.  Wien. 


J"pi  1833- - 33 

lieber  Angst.  Durch  schnell  angewandte,  energische  Mittel  ward  die  Gefahr  für 
diesmal  beseitigt.  An  Geist  und  Körper  erschüttert  ziehen  wir  nun  am  24.  Mai 
aufs  Land,  unsere  und  unser  beiden  übrig  gebliebenen  Kinder  Gesundheit  wieder 
zu  finden.  Die  ||  Landluft  scheint  Wunder  zu  thun.  Unser  jüngstes  Töchterchen 
2 '/,  Jahr  alt,  abgezehrt  von  langen  Leiden,  verändert  sich  schnell  und  vortheilhaft. 
Es  lernt  wieder  laufen,  was  es  verlernt,  es  spricht  wieder,  es  nimmt  Antheil,  es 
wird  heiter.  Froh  über  diese  günstige  Veränderung  gehen  ich  und  meine  Frau  am 
29.  heiter  und  sorglos  nach  der  Stadt,  gegen  Mittag  kehren  wir  aufs  Land  zurück, 
da  trifft  uns  auf  dem  Wege  die  Schreckensbotschaft,  unser  Kind  ringe  mit  dem 
Tode.  Krämpfe,  von  denen  es  bis  dahin  keine  Spur  gezeigt,  hatten  sich  urplötzlich 
seiner  bemächtigt.  Um  5  Uhr  war  es  hinübergegangen  in  eine  bessre  Welt.  Sie 
können  denken,  wie  viel  tiefer  dieser  Verlust  uns  ergriff,  den  zweiten  in  dem  Zeit- 
raum eines  Monats.  Der  Iste  Mai  und  der  Iste  Juni,  die  Begräbnistage  unsrer 
lieben  Kinder  sind  uns  nun  für  immer  gezeichnet !  Dieses  Kind  war  nun  schon  weit 
weit  entwickelter;  es  hatte  ein  liebenswürdiges,  sanftes  Gemüth  entfaltet,  seine 
äußere  Erscheinung  entsprach  dieser  inneren  Anlage,  es  wurde  uns  recht  eigentlich 
von  unserm  Herzen  gerissen.  —  Die  Section  zeigte  nun  freilich  einen  höchst  tuber- 
■culösen  Lungenflügel  in  Folge  scrophulöser  Anlage,  desgleichen  zwei  Geschwülste 
im  Gehirn,  welche  die  nächste  Ursaohe  des  Todes  geworden  waren.  Später  wäre 
unsre  Kleine  unfehlbar  in  eine  Lungenschwindsucht  verfallen,  vielleicht  wurde  uns 
so  für  eine  spätere  Zeit  ein  noch  herberer  Schmerz  erspart.  Wir  sehen  nun  die 
•eiserne  Nothwendigkeit  dieser  tragischen  Entwicklung  klar  vor  uns  liegen;  wir  standen 
unbewußt  auf  einem  zerissenen  vulcanischen  Boden;  er  brach  endlich  plötzlich  zu 
sammen:   was   kann  natürlicher  seyn?    Aber  das  arme  Herz,  es  weiß  nichts  von 

diesem  Natürlichen  und  seine  Wunde  kann  sich  nur  allmählich  schließen ! 

Dies  ist  unsre,  dies  ist  meine  Lage,  Verehrtester!  Wie  kann  da  die  Wissenschaft 
gedeihen,  die  auf  dem  Boden  eines  ruhigen  Gemüths  allein  Wurzel  schlagen  kann? 
Dennoch  habe  ich  sie  nie  ganz  vergessen;  denn  sie  ist  ein  großer  Trost.  Keppler 
schrieb:  als  mir  mein  Töchterchen  starb,  richtete  ich  meine  Blicke  nach  dem  Himmel. 
Em  so  großes  Beispiel  verdient  Nacheiferung.  Hätte  ich  nur  auch  für  meine  gute 
Frau  solchen  ableitenden  Balsam.  Doch  genug !  Entschuldigen  Sie  dies  lange  Klage- 
lied; Mittheilung  erleichtert,  wenn  man  auf  Theilnahme  rechnen  zu  dürfen  hoffen 
-  kann.  || 

Als  ich  in  den  Zeitungen  las,  daß  man  Sie  mit  dem  Adlerorden  decorirt, 
wollte  ich  erst  Glück  wünschen;  aber  ich  zögerte:  Denn  ich  sah  darin  »ur  ein  Ab- 
finden: timeo  Danaos  etiam,  si  dona  ferentes;  ich  fürchtete  Sie  nun  nur  um  so  mehr 
in  Preußen  festgehalten.  Da  fiel  mir  denn  ein  Stein  vom  Herzen,  als  der  junge 
V.  Richthofen  und  Strümpell  bei  ihrer  Durchreise  mir  die  Versicherung  gaben,  Sie 
würden  nach  Göttingen  gehen.  Dazu  mache  ich  Ihnen  meiuen  aufrichtigen  und 
herzlichen  Glückwunsch;  ich  gratuliere  Ihnen,  der  Welt,  der  Georgia  Augusta  und 
mir,  der  nur  blos  noch  25  Meilen  von  Ihnen  entfernt  ist.  Wahrhaft  rührend  war 
mir  Ihr  Brief.  Sie  sind  so  gütig,  so  wohlwollend  und  dankbar  gegen  mich,  daß  ich 
erröthen  muß,  weil  ich  weiß,  daß  ich  nichts  Verdienstliches,  sondern  nur  das  Noth- 
wendigste,  das  Schuldige  gethan  habe.  Möge  ihnen  die  neue  Stellung  recht  behaglich 
und  segensreich  werden,  möge  Ihre  Frau  Gemahlin  den  Trennungsschmerz  glücklich 
überwinden.  Welche  Genugthuung  muß  es  aber  für  Sie  gewesen  seyn,  Männer, 
Ihnen  Ehrerbietung  und  Freundschaft  und  tiefe  Anerkennung  versichernd,  sich  nahen 
zu  sehen,  denen  die  größte  Hochachtung  nicht  zu  versagen  war,  gegen  deren  An- 
erkennung Ihrer  Verdienste  mißtrauisch  zu  seyn  wir  uns  aber  öfter  für  berechtigt 
hielten.    Sie  werden  es  meinem  freudigem  Gefühl  verzeihen,  wenn  Sie  im  Intelligenz- 

Herbarts  Werke.      XVIII.  ^ 


34 I^^.'^il' 

blatt  der  L.  L.  Z.  aus  Ihrem  Briefe  und  dem  Königsberger  Zeitungsartikel,  mit 
Bezugnahme  auf  letzteren  einen  Correspondenzartikel  zusammengebacken  finden. 
Jedenfalls  wird  diese  Versetzung  auch  für  Ihre  Philosophie  nicht  ohne  vortheilhafte 
Wirkung  bleiben.  Ich  sage  Ihnen,  die  Sache  macht  Aufsehen.  Einer  meiner  Col- 
legen  wollte  wissen,  daß  Sie  mit  2500  Thalern  berufen  wären.  Da  dies  nun  bei 
uns  für  einen  enormen  Gehalt  gibt,  so  sehen  Sie  wenigstens,  daß  man  in  unsrer 
Handelsstadtuniversität  denkt :  Der  Mann  wiegt  viel !  Auch  populär  werden  Sie.  Ich 
habe  zu  meiner  Verwunderung  Geistliche  und  Lehrer  an  Bürgerschulen  sich  von 
Ihnen  unterhalten  hören.  Ich  hoffe,  daß  man  Sie  in  Kurzem  allgemein  als  den 
Koryphäen  derjenigen  Gemäßigten  in  der  Philosophie  anerkennen  wird,  die  von 
dieser  weder  über  die  Weltschöpfung  noch  über  die  Menschwerdung  Gottes  u.  dgl. 
Aufschluß  erwarten,  aber  auch  nicht  mit  einer  blosen  Naturgeschichte  des  Geistes  |j 
sich  begnügen  wollen,  sondern  noch  an  echte  Speculation  glauben.  Ich  habe  mich 
im  vergangenen  Winter  bei  meiner  häuslichen  Noth  nun  so  durch  die  Psychologie 
hindurchgewagt.  Ich  hielt  auch  einige  esoterische  Vorlesungen  über  mathem.  Psych, 
und  hatte  14  Zuhörer.  Sie  glauben  nicht,  welchen  Eindruck  diese  machten.  Als 
ich  durch  das  erste  Exerapel  factisch  die  Möglichkeit  einer  wahrhaften  Anwendung 
der  Mathematik  auf  das  Gleichgewicht  unsrer  Vorstellungen  nachgewiesen  hatte,  so 
verbreitete  sich  durch  die  kleine  Versammlung  ein  freudiges  Staunen  gleich  einem 
elektrischen  Schlag  oder  als  ob  ein  heller  Sonnenstrahl  durch  dichtes  Gewölk  bräche. 
Vielleicht  hat  Ihnen  H.  D.  Stlrümpell]  gemeldet,  daß  ich  einige  Amendements  in  den 
psych.  Rechnungen  in  Antrag  bringen  möchte.  Davon  erlauben  Sie  mir  heute  noch  zu 
schweigen  ds,  ich  jetzt  nur  Äußerlichkeiten  berühre.  Ich  spreche  auch  nicht  gern 
von  Gedanken,  die  erst  halbreif  sind.  Dies,  so  wie  einige  skeptische  Bemerkungen 
an  Gnepenkerl  sind  mir  nur  gewissermaßen  abgenöthigt  worden;  ich  bin  gern  so 
lange  still,  bis  ich  wenigstens  mit  mir  erst  im  Reinen  bin.  In  diesem  Halbjahr 
lese  ich  Logik  3  stündig  und  ebenfalls  3  stündig  Metaphysik.  Ich  habe  in  jener  gegen 
70,  in  dieser  zwischen  40  oder  50  Zuhörer.  Wie  ich  höre  ist  Krug  in  der  Frequenz 
diesmal  hinter  mir  zurückgeblieben,  obgleich  die  Honorare  ohnegefähr  die  gleichen 
sind.  Es  versteht  sich,  daß  ich  in  diesen  Vorlesungen  nicht  nur  Ihren  Namen,  sondern 
auch  Ihre  Schriften  nenne  und  ich  bekenne,  daß  sie  sich  so  Mancher  zum  tieferen 
Studium  anschaffte. 

Stilimpell  hat  mir  gut  gefallen.  Er  scheint  sehr  selbstständig  und  für  die 
Metaphysik  wie  geschaffen.  Ich  wünsche,  daß  er  auch  die  Klugheit  nicht  ver- 
nachlässigen mag.  Ein  paar  meiner  Zuhörer,  von  denen  einer  ein  Landsmann  und 
vormaliger  Mitschüler  von  ihm  ist,  waren  nicht  so  zufrieden  mit  ihm,  er  war,  wie 
es  schien,  ein  wenig  absprechend  aufgetreten.  Mich  freut  es  jedenfalls,  ihn  kennen 
gelernt  zu  haben. 

Daß  Sie  noch  immer  nicht  Beruf  fühlen  wollen,  sich  unserer  Lit.  Zeit  anzu- 
nehmen, bedaure  ich  um  so  schmerzlicher,  als  ich  auch  sonst  in  der  Philosophie 
noch  nicht  viel  Unterstützung  erlangt  habe.  Namentlich  hat  mich  Bobrik  recht  mit 
leeren  Versprechungen  bis  jetzt  hingehalten.  An  Röer's  Schrift,  die,  soweit  ich  sie  bis 
jetzt  gelesen,  mir  recht  gut  gefällt,  mache  ich  mich  vielleicht  selbst.  Gebe  der 
Himmel  mir  nun -endlich  nur  Ruhe!  Ich  gedenke  mich  immer  ernster  der  Philosophie 
zu  widmen.  Vielleicht  kann  sie  auch  noch  einmal  mir  äußerer  Beruf  werden.  Vor 
allem  aber  möge  die  Vorsehung  Ihnen  Kraft  schenken,  das  angefangene  und  jetzt 
glücklich  fortschreitende  Werk  auch  glücklich  zu  vollenden. 

Versichern  Sie  Ihre  Frau  Gemahlin  der  aufrichtigsten  Ehrerbietung  von  Seiten 
meiner  und  meiner  Frau  und  erhalten  Sie  Ihr  freundschaftliches  Wohlwollen 

Ihrem  treu  ergebenen     Drobisch. 


Juni,  Juli  1833.  35 


429.  Brandis  an  H.')  Bonn,  17  Jury  33. 

Wäbreud  nicht  leicht  ein  Tag  vombergegangen  ist,  an  dem  ich  nicht  aufs  leb- 
hafteste Ihrer  gedacht,  hochverehrter  Herr  und  Freund,  während  ich  die  höchst 
einseitige  Wahl  der  Hannoverschen  Regierung  vielfach  gepriesen,  die  Lauigkeit  und 
Einseitigkeit  der  herrechenden  Seite  unseres  Ministeriums  im  Zorneifer  gescholten, 
—  habe  ich  Ihuen  kein  "Wort  der  Theilüahme  geschrieben,  bin  aber  überzeugt,  daß 
Sie  mein  Schweigen  nicht  mißdeuten,  wenigstens  nicht  Mangel  an  Freundschaft  für 
den  Gmnd  gehalten  haben  werden.  Während  meines  Aufenthaltes  in  Beilin  hoffte 
ich  noch  immer  Ihnen  schreiben  zu  können,  daß  das  Ministerium  ern.stlich  bedacht 
sey  Sie  dem  Staate  zu  bewahren;  —  um  so  mehr,  da  zwey  seiner  Mitglieder  — 
ich  darf  sie  wohl  nennen  ohne  Indiscretion  ?  —  der  vortreffliche  Nicolovius  und 
Dieterici  aufs  lebhafteste  meine  Verehnmg  für  Sie  und  meine  Wünsche  theilten  und 
andre  Mitglieder  wenigstens  persönliche  Hochachtung  zeigten.  Zuletzt  freilich 
überzeugte  ich  mich,  daß  die  verkehrte  Überzeugung  zweyer  Männer,  man  müsse 
wenigstens  in  Berlin  die  Hegeische  Bahn  in  gerader  Richtung  verfolgen,  den  Sieg 
davon  trage  —  und  das  stimmte  mich  so  unmuthig,  daß  ich  im  Unmulhe  von  Tage 
zu  Tage  zu  schreiben  verschob,  daß  man  Sie  auf  keine  andre  Weise  als  durch  Be- 
rufung nach  Berlin  sich  erhalten  hönne,  war  klar  und  zum  Überfluß  sprach  ich 
meine  Überzeugung  von  der  Wichtigkeit  und  Nothwendigkeit  einer  solchen  Be- 
rufung geeigneten  Ortes  sehr  lebhaft  aus,  aber  natürlich  ohne  Erfolg.  Diese  traurige 
Erfahrung  hätte  mein  Vertrauen  zur  Tüchtigkeit  unserer  Administration  wohl  einiger- 
maßen erschüttern  können,  wäre  sie  nicht  durch  die  während  meines  Berliner 
Aufenthalts  gemachten  Erfahrungen  im  übrigen  so  sehr  befestigt  worden  und  hätte 
sich  nicht  auch  bey  dieser  Gelegenheit  gezeigt,  wie  solche  Mißgriffe  nur  ganz  par- 
tiell sind  und  die  Zeit  bald  kommen  wird,  in  der  man  wenigstens  versuchen  wird, 
sie  gut  zu  machen.  Ob  Sie  später  freilich  geneigt  sein  werden,  Oöttingen  gegen 
Berlin  zu  vertauschen?  —  Konnte  aber  Berlin  Sie  nicht  erlangen,  so  gönne  ich 
Göttingen  vor  allen  übrigen  Universitäten  üren  Besitz.  —  Ohne  Bitterkeit  werden 
Sie  scheiden;  möchten  Sie  aber  auch  wissen,  wie  viele  bedeutende  Männer  unseren 
Verlust  aufs  lebhafteste  beklagen.  Mit  welcher  wahrhaft  innigen  Verehrung  Nico- 
lovius und  Dieterici  Ihnen  ergeben  sind,  wissen  Sie;  aber  auch  die  Herrn  v.  Hum- 
boldt wissen  wie  viel  man  an  Uinen  verliert,  und  so  viele  andre.  —  Mir  gereicht 
zum  Trost  Liebe  zu  Göttingen  und  die  größere  örtliche  Nähe;  möge  sie  uns  häufig 
zusammenführen ! 

Meine  Aristotelische  Last  schwindet  allmählig  und  läßt  Raum  zu  erfreulicheren 
iitterarischen  Arbeiten  und  Plänen.  Zunächst  arbeite  ich  ein  Lehrbuch  der  Ge- 
schichte der  Griech.  und  Römisch.  Philosophie  aus.  Nachher  möchte  ich  mich  zur 
Religionsphilosophie,  mit  metaphysischer  Einleitung,  wenden.  Letztere  Arbeit  wird 
dann  wieder  recht  in  den  Mittelpunct  der  unter  uns  streitigen  Puncte  führen. 

Dr.  Strümpell  hoffe  ich  näher  kennen  zu  lernen;  in  diesen  ersten  Wochen 
nach  meiner  Rückkehr  war  ich  noch  zu  wenig  Herr  meiner  Zeit  um  ihn  häufig 
zu  sehen. 

Meine  Frau  empfiehlt  sich  Ihnen  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  bestens;  so 
auch  Ihr  in  innigster  Verehrung  Ihnen  ergebener    Brandis. 

430.  An   Dissen.  Königsberg.  4.  Juli  1833. 
Mein   theurer  Freund!      Für  heute   nur  wenige  Zeilen;    zunächst   mit 

der  Bitte,  inliegendes  Blatt  der  Fr.  Professorin  Wunderiich  abzugeben. 


1)  1  S.    40.     H.  Wien. 


3* 


36 Juli  1833. 

In  mein  Bedauern  wegen  Ihrer  Gesundheits- Umstände  mischt  sich 
diesmal  mehr  eigentliche  Sympathie  als  Ihnen  lieb  seyn  wird.  Das  hiesige 
Klima  hat  mir  unerwartet  noch  einen  derben  Hieb  gegeben;  ich  machte 
eine  Reise  gleich  nach  Pfingsten,  nachdem  wir  die  schönsten  Frühlings- 
tage schon  gehabt  hatten;  der  schneidend  kalte  Wind  verfolgte  mich  so 
anhaltend,  daß  ich  einen  Katarrh  bekam,  der  mich  wegen  der  heftigen 
NervenafFection  fast  wie  ein  Anfall  von  der  Grippe  bedünkt,  wiewohl  diese 
sonst  hier  vorüber  ist.  Darin  lag  der  Grund  einer  völligen  Verstimmung, 
bey  der  ich  nicht  wagte  einen  Brief  zu  schreiben.  Noch  bin  ich  nicht 
wieder  vest;  doch  werde  ich  nun  nächstens  meine  Vorlesungen  anzeigen. 
Dies  denke  ich  jedoch  unmittelbar  bey  Hm.  g.  R.  Hoppenstädt  zu  thun, 
um  von  meinem  Lehrplan  Nachricht  zu  geben. 

Nun  noch  eine  Hauptfrage:  bin  ich  zum  Lesen  eines  coUegium 
publicum  verpflichtet? 

Und  eine  andre:  habe  ich  eine  Antrittsrede  zu  halten,  oder  sonst 
etwas  für  Reception  in   die  Facultät  zu  thun? 

Und  drittens:  sind  die  400  Rthlr.  Ersatz  für  Umzugskosten  gleich 
zahlbar,  sobald  ich  ankomme?  Und  wann  werde  ich  vom  Gehalt  das 
erste  Quartal  bekommen?  Diese  Fragen  sind  bedeutend  in  Hinsicht  des 
baaren  Geldes,  womit  ich  wegen  der  ersten  Einrichtung,  für  Holz,  Möbeln, 
Auditorienbänke,  u.  s.  w,  gleich  Anfangs  versehn  seyn  muß. 

Mein  förmlicher  Abschied  ist  da;  und  dies  habe  ich  in  Hannover 
angezeigt,  von  wo  fast  gleichzeitig  die  förmliche  Vocation  eintraf;  sehi 
gütig  aufgesetzt,  obgleich  mit  Spuren  des  alten  Canzleystils,  der  in  Preußen 
längst  verschollen  ist.  Ganz  Ihr     H. 

431.     Dissen  an  HJ)  Göttingen,  d.  16ten  Juli  1833. 

Hochgeehrtester  Herr  und  (iönner!  Die  Frau  Professorin  "Wunderlich  besorgt 
alles  was  Sie  gewünscht  haben  und  trägt  mir  auf  dieses  Ihrer  lieben  Frau  freund- 
.schaftlichst  zu  melden. 

Die  Reisekosten  können  Sie  ohne  Zweifel  bezahlen  sobald  Sie  wollen.  Wenn 
Sie  daher  nur  in  einem  Ihrer  Briefe  an  Herrn  Hoppenstedt  bitten  wollen,  daß  er 
gefälligst  eine  ||  Anweisung  an  die  Universitätskasse  veranlassen  wolle  zur  Auszahlung 
Ende  Septembers  so  können  Sie  bei  Ihrer  Ankunft  gleich  eine  Quittung  einsenden 
an  diese  Gasse  und  erhalten  alsdann  mit  umgehender  Post  das  Geld.  Nach  Ihrer 
Ankunft  müssen  Sie  einen  doppelten  Eid  leisten,  den  Huldigungseid  und  den  Pro- 
fessoreneid. In  letzterem  wird  mau  zu  publicis  verpflichtet  nach  der  alten  Weise,  aber 
da  die  publica  meist  abgekommen,  so  führt  längst  jeder  dies  nach  seiner  Bequemlichkeit 
ein.  Manche  lesen  gar  kein  publicum,  andere  thun  es  alle  Jahr,  und  in  Ihren  Verhält- 
nissen dürfte  ebenfalls  ||  ein  publicum  dann  und  wann  nützhch  seyn,  weil  Sie  Ge- 
legenheit haben  vor  einer  größeren  Menge  eindringlich  zu  reden.  Ein  solches 
publicum  nimmt  wpchentlich  etwa  zwei  Stunden  ein.  Dann  müssen  Sie  eine  Antritts- 
rede halten  allerdings  und  dazu  ein  kleines  Programm  schreiben;  der  Gebrauch  ist 
wieder  Geschäft.  Am  besten  thun  Sie  dies  gleich  im  November  oder  December, 
weil  dergleichen  aufgeschoben  sehr  unangenehm  wird.  Den  Gehalt  bezieht  man 
hier  alle  halbe  Jahr,  Ende  März  und  Ende  September,  und  so  werden  Sie  es  künftig 
auch  habeu.    Doch  können  Sie  auch  für  diesmahl  denselben  schon  im  Anfang  Januar 

1)  4  S.    80.     H.  Wien. 


Juli,  August  1833.  yi 


beziehn,  weil  man  rechtlich  den  halbjährigen  Gehalt  mit  dem  Eintritt  in  das  zweite 
Quartal  ||  verdient  hat  und  auch  wenn  man  stürbe,  erhalten  würde.  "U'as  die  Audi- 
torien Bänke  betrifft,  so  werden  Sie  vermuthlich  die  zumckgelassenen  ganz  neuen 
des  Hofrath  Blume  noch  vorfinden  und  dann  kaufen  können.  Suchen  Sie  es  ein- 
zurichten, daß  Sie  nicht  zu  spät  kommen,  damit  Sie  alle  nöthigen  Dinge  noch  selbst 
zeitig  besorgen  können.  Und  nun  glaube  ich  alle  Ihre  Fragen  beantwortet  zu  haben. 
Hoffentlich  ist  die  Grippe  vorbei  und  Sie  sind  wieder  fleißig.  Leben  Sie  gesund 
und  besser  als  ich. 

Von  ganzem  Herzen  der  Ihi-ige    Dissen. 

432.  Wendt  an  H.^)  Göttingen,  d  28  Juli  1833. 

Houhwohlgeb,  höchstzuverehrender  Herr  College!  Es  freut  mich  die  Ge- 
sinnungen der  Hochschätzung,  mit  welchen  ich  Sie  immer  aus  der  Ferne  betrachtete, 
jetzt  mit  dem  freundlichsten  Danke  füi"  die  Eröffnung  eines  näheren  Verhältnisses 
unter  uns,  vereinigen  zu  können.  Seit  vielen  Wochen  war  uns  dieser  Gewinn  zwar 
ziemhch  sicher  bekannt,  allein  das  K.  ü  Curatorium  hat  uns  darüber  auch  noch  jeixt 
kein  Eescript  zukommen  lassen,  wahrscheinlich  fehlte  es  noch  an  der  Ausfertigung 
in  London.  Von  meiner  Seite  seyen  Sie  versichert,  daß  ich  dieses  Verhältniß  eben- 
falls zu  schätzen  weiß,  und  jede  Gelegenheit  ergreifen  werde,  Ihnen  dieß  zu  be- 
zeugen. Ohnedieß  habe  ich  es  mir  zum  Prinzip  von  jeher  gemacht,  meinen  Collegen 
mit  meinen  Ansichten  nicht  lästig  zu  fallen  und  habe  immer  mich  dabei  sehr  wohl- 
befunden, daß  ich  mit  Collegen  vom  Fache  über  das  Fach  zu  reden  vermieden  habe. 
Das  Leben  ist  ja  ohnedieß  nicht  ['2]  so  arm,  daß  man  ohne  besonderen  Drang  dazu, 
das  J^ach  stets  direct  verfolgen  müßte.  Auf  jeden  Fall  sollen  Sie  finden,  daß  es 
sich  auch  hier  ruhig  und  glücklich  leben  läßt;  dieß  darf  ich  Ihnen  auch  hinsichtlich 
der  übrigen  CoUegen  versprechen. 

Sollte  ifh  Ihnen  irgend  einen  Auftrag  —  seihst^  oder  durch  meine  Familie 
besorgen  können,  der  Ihnen  Ihren  ersten  Aufenthalt  hier  erleichtern  könnte,  so 
würde  ich  mit  Vergnügen  denselben  übernehmen;  nur  bemerke  ich  dabei,  daß  ich, 
so  wie  ich  die  Last  des  Frorectorats  abgeworfen  und  die  Voriesungen  dieses  Semesters 
geschlossen  haben  werde,  (was  etwa  den  12  Septb.  geschehen  möchte)  mich  sogleich 
mit  Familie  zu  meiner  Familie  nach  Leipzig  und  Dresden  begeben  werde,  wo  ich 
bis  "Wiederanfang  der  Vorlesungen  zu  verweilen  gedenke. 

Mit  der  wiederholten  Versicherung  der  vollkommensten  Hochachtung  empfehle 
ch  mich  Ew.  Hochwohlgeb  ergebenster    Wendt. 

433.  Hugo  an  H.-)  3  Aug.  1833. 
üfficiel  haben  wir  zwar  noch  nichts  über  Ihr  Hierherkommen  erfahren,  wir  haben 

uns  aber  schon  lange  darüber  gefreut,  da  wir  es  auf  so  viele  andere  Arten  eben  so 
gewiß  wissen.  Als  der  Ihrer  ehemahligen  und  künftigen  Collegen,  die  sich  be- 
sonders mit  der  Geschichte  unserer  Anstalt  beschäftigt,  will  ich  Ihnen  zusammen 
rechnen,  daß  Sie  nach  Schmauß  und  Zeise  der  dritte  Professor  sind,  der  zum  zweytea 
Mahl  es  hier  wird.  Ihre  zwey  Vorgänger  sind  nicht  zu  verachten,  aber  Keiner  ist 
so  rühmhch  von  uns  geschieden,  da  Sie  uns  zugleich  mit  der  legitimen  Regierung 
verlassen  haben,  und  Keiner  ist  so  lange  weggewesen.  Sie  finden  nur-  etwa  15  Col- 
legen wieder,  obgleich  in  den  letzten  Zeiten  der  liebe  Gott  den  hiesigen  Professoren 


^)  2  S.    4".    H.  Wien.  —  A.  Wendt  (1783—1836),  seit  1829  Prof.  d.  Phil,  in  Gott. 
*)  1  S.  4^.    H.  Wien.  —  Gustav  Hugo  (1764—1844),  Begründer  der  historischen 
Rechtsschule,  seit  1788  Prof.  in  Göttingen. 


ßg  Oktober  1833. 


ein  längeres  Leben  geschenkt  hat,  als  je  vorher,  so  daß  wir  vor  einem  Jahre  ihrer 
zehn  von  70  und  darüber  gehabt  haben.  Sie  werden  aber  gewiß  von  den  Alten 
und  von  den  Neuen  mit  Freuden  aufgenommen.  Ich  gehöre  nun  gar  auch  unter 
die  "Wenigen,  die  die  Ehre  haben,  Ihre  Frau  Gemahlin  zu  kennen,  der  ich  mich 
so  wie  Ihnen  aufs  Angelegentlichste  empfehle 

ganz  der  Ihrige    Hugo. 

28.  Aug.:  KoiTcferat  über  das  Seminar  (XV.     S.  114 — 115). 

434.  Stammbuchblatt.  1)  1833  Königsberg. 
Hoch  auf  schauet  das  Aug'  und  höheres  sinnt  der   Gedanke^ 
Doch  der  athmenden  Brust  fehlt  in  der  Höhe  die  Luft. 

Trugen  dich  Flügel   hinauf  in  die  weiten  Räume  des  Aethers. 
Dann  gelang  dir  eizi  Traum.     Sei  denn  im  Traume  beglückt. 
Wecken  werden  dich  Pflicht  und  Noth.     Erfülle!    Entrinne! 
Hast  du's  wachend  vermocht,  zürnst  du  den  Weckenden  nicht. 

Joh.  Friedr.   Herbart. 

September:   Übersiedlung   nach  Göttingen.     Vgl.    den   im  Nachtrag   dieses  Bandes   mit- 
geteilten Brief  Heibarts  an  Griepenkerl  v.  6.  Sept.  33. 

435.  An  Griepenkerl.  Gott.  14.  Oct.  1833. 

Mein  theurer  Freund!  Sie  werden  nicht  wissen  was  Sie  von  mir 
denken  sollen,  —  nichts  als  lange  Unpäßlichkeit,  Verstimmung,  Arbeit.  — 
Aber  eben  heute  wollte  ich  ausführlich  an  Sie  schreiben,  da  meldet  sich 
ein  Besuch  aus  Breslau,  entschuldigen  Sie  also  daß  ich  nur  mit  wenigen 
Worten  das  allernothwendigste  frage: 

Können  wir  uns  in  Seesen  2)  in  diesen  Tagen  noch  sehen? 

Am   20sten  ungefähr  —  oder  2  i  sten  muß  ich  schon  wieder  hier  seyn. 

Uebrigens  hätten  Sie  für  die  Zwischenzeit  lediglich  zu  bestimmen ; 
wann  ich  da  seyn  soll.  Wie  Sie  den  Tag  ansetzen  innerhalb  dieser 
freylich  sehr  engen  Gränzen,  so  komme  ich. 

Wenn  Sie   aber  nicht  können,   so  müssen  wir  uns  brieflich  behelfen. 

Meine  Hoffnung  daß  Sie  sicher  kommen  würden,  scheint  vergeblich. 
Besser  wäre  es;  und  ich  glaubte  für  gewiß  von  Ihnen  verstanden  zu  haben, 
daß  Sie  Ihren  zweyten  Sohn  bringen  wollten. 

Auf  der  Stelle  muß  ich  siegeln.  Haben  Sie  einen  Augenblick  übrig 
so  sagen  Sie  mir  wenigstens  brieflich  wie  Sie  Sich  befinden. 

Herzlich  wie  immer  Ihr  H. 

436.  W.  von  Grote  an  H.^*)  Eutin  den  17ten  Octob.  1833. 
Herzlich    willkommen    in    meinem    Vaterlande!    mein    theurer   unvergeßlicher 

Freund!  —  Ich  freue   mich  unbeschreiblich  Sie   in  Göttingen  zuerst  durch  meinen 

')  Mitgeteilt  in  der  Zeitschrift  für  exakte  Philosophie  Bd.  V.  S.  312  von  Hrn. 
Marotzky,  protestantischeni  Prediger  in  Manchester,  in  dessen  Stammbuch  diese  Distichen 
Herbart  vor  seinem  Weggange  nach  Göttingen  schrieb.  Marotzky  studierte  damals  in 
Königsberg,   man  vgl.  u.   den  von  ihm  an  Herbart  gerichteten  Brief  vom  31.  März  1834. 

'^)  Schwefelbad,  auf  halbem    Wege  zwischen  Göttingen  und  Braunschweig  gelegen. 

")  3  S.  4".  H.  Wien.  —  Die  Unterschrift  ist  nicht  leserlich.  Nach  dem 
Inhalte  dürfte  aber  unzweifelhaft  der  schon  öfter  im  Briefwechsel  (z.  B.  Bd  XVII, 
S.  44,  148  u.  ö.)  genannte  W.  von  Grote  sein,   der  damals  Präsident  iu  Eutin  war. 


Oktober  1833.  tq 


Carl  begrüßen  zu  können,  den  ich  Thnen  zuschicke  mit  der  innigen  Bitte,  sich  seiner 
väterlich  anzunehmen  bey  dem  Beginnen  und  der  Fortsetzung  seiner  acaderaischen  Lauf- 
bahn. Ich  kann  Ihnen,  Theuerster!  die  Empfindungen  nicht  in  Worten  ausdrücken, 
welche  mein  Herz  durchströmen  bey  dem  Rückblick  auf  jene  glücklichen  sehr  glück- 
lichen Jahre  meines  Lebens,  wo  mir  durch  Sie  eine  neue  höhere  Welt  eröffnet  wurde, 
wo  Sie  einen  Kreis  ausgezeichneter  und  lieber  Menschen  um  sich  zu  fesseln  wußten, 
wo  im  schönsten  Einklang  eines  höhern  Strebens  die  Richtung  des  ganzen  Lebens 
unter  uns  festgestellt  und  fest  begründet  wurde.  Ja,  Bester!  noch  eben  so  wie 
damals  vor  30  Jahren,  schlägt  mein  Herz  Ihnen  dankbar  entgegen,  und  alle  die 
Stürme  des  Lebens,  manche  bittere  Erfahrung,  manche  vergebliche  Hoffnung,  all'  dies 
Treiben  und  Mühen  in  einer  sonst  unglücklich  bewegten  Zeit,  alles  hat  die  Erinne- 
rung an  Sie  nicht  verdunkelt, '  sondern  oft  in  den  wichtigsten  Augenblicken  meines 
Lebens  recht  lebhaft  hervorgerufen,  und  mit  ihr  eine  unauslöschliche  Dankbarkeit 
—  für  immer  und  für  alle  Ewigkeit.  — 

Im  Frühjahr  war  ich  in  Bremen  und  erfuhr  zuerst  von  Ihrem  alten  treuen 
Freunde  Smidt  die  frohe  aber  damals  noch  entfernte  Aussicht,  Sie  wieder  in 
Göttmgen  und  in  unserer  Nähe  zu  haben.  Vor  Ihrem  ähnlichen  in  Smidts  Stube 
befindlichem  Bilde  sitzend,  haben  wir  recht  lange  und  viel  von  Ihnen  und  Ihrer 
künftiseu  Wirksamkeit  in  Göttingen  gesprochen;  und  Smidt  war  auch  wieder  der 
erste  der  mir  später  aus  Hannover  gleich  schrieb,  als  er  dort  die  sichere  Be- 
stätigung unseres  Wunsches  erfuhr.  Und  wie  freute  sich  meine  gute  Frau  über 
die  Nachricht,  wodui'ch  sogleich  der  Entschluß  bey  uns  beyden  wurde,  unseren  Carl 
zuerst  II  nach  Göttingen  zu  schicken.  Er  wird  Ihnen  selbst  sagen,  daß  er  bey  Ihnen 
in  diesem  Semester  die  Logik  oder  allgemeine  Einleitung  in  die  Philosophie  zu  hören 
wünscht,  und  ich,  habe  ihm  einige  Hoffnung  gemacht,  daß,  wenn  er  es  recht  zu- 
traulich anfängt,  Sie  ihm  auch  außer  dem  Collegio  eine  etwa  nöthige  mündliche  Er- 
läuterung nicht  versagen  würden.  Aber  er  ist  auf  der  Ritteracademie  in  Lüneburg, 
zwar  mit  recht  guten  Schulkenntnissen  ausgerüstet,  wenig  unter  Menschen  gekommen, 
zuerst  blöde,  zurückgezogen  und  etwas  ängstlich,  er  fürchtet  leicht,  sich  aufzudrängen, 
und  bis  Sie,  mein  theuer.ster  Freund,  mit  ihm  bekannter  werden  und  ihn  ergriffen 
haben  mit  der  Macht  Ihres  Geistes  und  Ihrer  Gedanken,  bitte  ich  Sie  (ich  wage  die 
Bitte  aus  Liebe  zu  meinem  Kinde)  ihn  zuweilen  zu  emer  bestimmten  Abendstunde 
zu  sich  einladen  zu  lassen.  Ihre  liebe  Frau  erinnert  sich  vielleicht  noch  des  damals 
kleinen  lustigen  Knaben  aus  Königsberg,  wo  Sie  beyde  in  unserer  damaligen  be- 
drängten Lage  bey  der  gefährlichen  Krankheit  unserer  Lotte  so  viel  Güte  und  Liebe 
für  uns  hatten.  — 

Die  künftigen  Lebensverhältnisse  meines  Sohnes  erfordern,  daß  er  sich,  auch 
zu  seiner  künftigen  Subsistenz,  dem  Staatsdienst  widme;  er  muß  daher  zuerst  die 
Jurisprudenz  verbunden  mit  Cameral-Wissenschaften  als  sein  Brodstudium  eifrig 
studieren,  und  Sie  wissen,  wie  viel  jetzt  vom  künftigen  Staatsdiener  mehr  als  sonst 
gefordert  wird.  Mein  Carl  wird  daher  mit  seiner  acadeinischen  Zeit,  die  ich,  da 
er  schon  sein  21  tes  Jahr  angetreten,  nicht  wohl  über  3  Jahre  ausdehnen  kann,  sehr 
sparsarn  umgehen,  und  die  Biodwissenschaft,  die  ihm  hoffentlich  durch  Ribbentrop 
und  Carl  Richthofen  gleich  anfangs  von  einer  greistreichern  mehr  speculativen  und 
und  II  interessanteren  Seite  gezeigt  werden  wird,  stets  als  eine  P/licht-S&ch.e  vor 
Augen  behalten  müssen.  Gerade  aber  hierzu  bedarf  er  der  allgemeinen  Ausbildung 
des  Geistes  und  der  Befestigung  einer  moralischen  Grundlage  und  hier  möge  er 
meinem  Herbart  ganx  angehören.  —  Sie  werden  sein  Wesen  bald  ergründen,  er 
ist  gut,  brav  und  besonnen,  hat  den  besten  Willen,  ist  aber  nicht  immer  kräftig 
genug   in    der  Ausführung.     Er  hat   mehr  speculativen   Verstand ,   als  Gedächtniß, 


40  November  1833. 


und  obgleich  ihm  daher  das  Festhalten  positiver  Kenntnisse  schwer  geworden;  so 
wird  ihm  doch  die  Erkenntniß  und  das  Eindringen  in  eine  Sache  durch  seinen  klaren 
Blick  und  seine  leichte  Anschauungsgabe  sehr  erleichtert.  Die  innigste  Liebe  zum 
väterlichen  Hause  wird  ihn  hoffentlich  schützen  auf  der  neuen  gefährlichen  Bahn. 
Von  uns  mag  er  Ihnen  selbst  recht  viel  erzählen.  —  loh  darf  für  heute  nicht 
weiter  schreiben,  da  mich  meine,  überhaupt  etwas  sauern  und  überhäuften  Geschäfte 
im  Dienst  auch  jetzt  abrufen.  Im  nächsten  Fi'ühjahr  oder  Sommer  hoffe  ich  Sie 
zu  umarmen.  Empfehlen  Sie  uns  beide  Ihrer  lieben  Frau  angelegentlichst.  Mit 
innigster  Freundschaft  Ihr  W.  Grote. 

437.  An  Drobisch.  ^)  Göttingen,  3  Nov  33. 

Erlauben  Sie,  mein  hochverehrter  Freund!  daß  ich  unsern  Brief- 
wechsel durch  einige  wenige  Zeilen  wieder  anknüpfe;  mehr  erlaubt  die 
Zeit  nicht.  Meine  Antrittsrede  ist  gehalten;  meine  Vorlesungen  sind  mit 
zahlreichem  Besuch  eröffnet,  doch  nur  für  die  Einleitung  zahlreich;  die 
andern  beyden  Collegien,  Psychol.  u.  prakt.  Philos.  haben  mehr  Hospitanten 
als  Unterzeichnete,  und  werden  in  diesem  Winter  noch  wenig  in  Betracht 
kommen.  Meine  Frau  leidet  am  Heimweh;  möge  sich  das  bald  so  weit 
mäßigen,  daß  sie  heiterer  Eindrücke  empfänglich  werde. 

Wendt  war  in  Leipzig,  erzählt  mir  aber  nichts  von  Ihnen.  Dagegen 
wollte  er  wissen,  die  Leipz.  Lit.  Z.  stehe  nicht  sicher.  Soll  ich  das  Ihrent- 
wegen  bedauern  ?  —  Sie  wissen,  ich  konnte  mich  nicht  recht  darein  finden, 
daß  Sie  Sich  mit  Redactions-Geschäften  befassen.  —  Ihre  Zeit  ist  kostbar! 
Möchte  ich  bald  die  Freude  haben,  sichere  Nachricht  von  Ihrem  Wohlseyn 
aus  Ihrer  eigenen  Hand  zu  empfangen! 

In  B.  habe  ich  außer  Reichh[elm]  Niemanden  besucht.  Seit  sechs 
Wochen  habe  ich  keinerley  Zeitungsblatt  gelesen;  sollte  etwas  Wichtiges 
vorgefallen  seyn,  so  können  Sie  mich  durch  Benachrichtigung  sehr  ver- 
binden. 

Unverändert  der  Ihrige!  H. 

Doch  soeben  noch  eine  Nachricht  durch  W:  man  habe  Ihnen  die 
Professur  der  Astronomie  angetragen,  man  zweifle  aber,  daß  Sie  dieselbe 
annehmen  würden.  Schön  —  wenn  Sie  der  Philos.  zu  Gunsten  Ihre 
Muße  schonen  wollten!  —  Von  mir  werden  eben  jetzt  die  neuen  Auflagen 
der  Einleitung  u.  des  Lehrbuchs  der  Psychol.  gedruckt  bey  Brockhaus. 
Daß  Ihnen  ein  Exemplar  zu  Befehl  steht,  brauche  ich  wohl  nicht  voraus- 
zusagen ;  aber  erwarten  Sie  nicht  viel.  Die  beyden  Auflagen  mußten  noch 
in  Königsb.  eiligst  besorgt  werden.  Herzlich  verlangt  mich  Sie  in  Göttingen 
zu  sehn.  Aber  ich  möchte  es  voraus  wissen,  denn  ich  muß  selbst  auf 
alledey  Reisen  in  den   Ferien  denken. 

438.  Hoppenstedt  an  H.^)  Hannover  12  Nov.  1833. 

Euer  Hochwohlgebohren  danke  ich  auf  das  verbindlichste  für  die  gütige  Zu- 
sendung Ihres  Antrittsprogramms  und  bezeuge  Ihnen  meine  Freude  darüber,  daß  Sie 
dieser  Obliegenheit  so  pünktlich  ein  Genüge  geleistet  haben.  Angenehm  ist  mir  die 
Nachricht  über  den  Beifall,  den  Ihre  Vorlesungen  finden;  ich  habe  das  nicht  ander» 

')  I  S.   4°. 

^)  3  S.   40.     H.  Wien. 


November  1833.  41 


erwartet  und  hoffe  gewiß,  daß  auch  diejenigen  Collegien,  welche  in  diesem  Halb- 
jahr noch  nicht  so  zahlreich  besucht  werden,  wie  es  zu  wünschen  wäre,  künftig 
nicht  minder  eifrig  werden  gehört  werden. 

—  Ich  verstelle  es  in  Euer  Hochwohlgeb.  Erwägung,  ob  es  nicht  vielleicht 
angemessen  seyn  möchte,  bei  faßlicher  Gelegenheit  die  Studirenden  mit  dem  Gange, 
den  Sie  bei*  Ihren  Vorträgen  über  die  verschiedenen  Zweige  der  Philosophie  ver- 
folgen und  über  den  Zusammenhang  der  einzelnen  Collegien  miteinander,  näher  be- 
kannt zu  machen. 

—  Euer  Hochwohlgebohren  werden  die  Ausfertigung  wegen  Ihres  Eintritts 
in  die  Honoren-Facultät  erhalten  haben.  Ich  hoffe,  sie  wird  Ihnen  angenehm  seyn 
und  Sie  werden  darin  einen  Beweis  finden,  wie  sehr  dem  Curatorio  daran  gelegen 
ist,  Ihnen  Ihre  dortige  Stellung  angenehm  zu  machen.^) 

—  Wegen  Ihres  Eintritts  in  die  wissenschaftliche  Prüfungs-Commission  ist 
die  Verfügung  absichtlich  noch  zunickgehalten,  damit  Sie  nicht  auf  einmal  mit  zu. 
vielen  verschiedenartigen  Geschäften  überhäuft  werden,  sondern  Muße  und  Gelegen- 
heit gewinnen.  Sich,  dort  recht  festzusetzen. 

Mit  den  hochachtungsvollsten  Gesinnungen  empfehle  ich  mich 

Euer  Hochwohlgeb.  gehorsamst     Hoppenstedt. 

439.    Drobisch  an  H.'^)  Leipzig  24.  Novbr  1833. 

Hochverehrter  Gönner  und  Freund!  Ihr  wohlwollender  Brief  vom  3.  d.  M. 
nebst  der  werthvoUen  Inlage,  wofür  ich  ergebenst  danke,  hat  mich,  wie  immer,  im 
hohen  Grade  eifreut.  Brachte  er  mir  doch  von  Neuem  die  Versicherung,  daß  ich 
mich  Ihrer  Gunst  noch  zu  rühmen  habe,  in  welcher  Überzeugung  ich  schon  wankend 
zu  werden  anfing.  Was  Ihr  Programm  betrifft,  so  meine  ich,  Sie  hätten  für  das 
solide,  verläßliche  Göttingen,  das  mit  seiner  Bibliothek  und  seinen  Instituten  von 
jeher  so  ganz  auf  Geschichte  und  Erfahrung  geruht  hat,  kein  passenderes  Thema 
wählen  können  als  dieses  einfache  und  wichtige  und  allen  zugängliche,  und  so 
konnten  Sie,  den  versöhnlichen  Geist  Ihrer  Philosophie,  die  so  gern  von  andern 
"Wissenschaften  lernen  will,  ohne  deren  Sclavin  zu  seyn,  und  jenen  nützlich  zu 
werden  strebt,  ohne  das  Bestehende  auf  den  Kopf  zu  stellen,  zu  bezeichnen,  nichts 
Treffenderes  sagen,  als  was  auf  den  letzten  Seiten  Ihrer  Schrift  enthalten  ist.  Wie 
gern  machte  ich  eine  Anzeige  dieses  Programms;  ja  die  neuen  Auflagen  Ihrer  Lehr- 
bücher und  Röers  kleine  Schrift  hätten  vielleicht  einen  ordentlichen  Artikel  „Her- 
bart'sche  Philosophie''  gegeben;  aber  —  es  ist  fast  mehr  als  wahrscheinlich,  wir 
tragen  zu  Ende  des  Jahrs  die  Leipz.  Lit.-Zeit.  zu  Grabe;  wir  senken  sie  in  das 
Grab,  das  die  Herren  Krug,  Pölitz  und  Consorten  uns  offen  hinterlassen  haben,  das 
uns  aber  bisher  klüglich  verdeckt  wurde.  Freilich  haben  wir  die  Genugthuung, 
jene  Herren  gleichzeitig  einen  andern  literarischen  Leichnam  in  Becks  Repertoi'ium 
beerdigen  zu  sehen;  in  der  That.  diese  doppelte  Beerdigungsscene  müßte  eine  köst- 
liche Carricatur  geben!  Unsre  Hoffnung  steht  jetzt  noch  auf  eine  Unterstützung  der 
Lit.-Zeit.  von  Seiten  des  Ministeriums,  um  die  wir  eingekommen  sind.  Denn  das 
Aufhören  dieses  Instituts  gereicht  der  Universität  doch  keinesfalls  auswärts  zur  be- 
sonderen Ehre.  Sie  nun,  Verehrtoster,  sind  zwar  ganz  wohl  mit  diesem  Aufhören 
zufrieden  um  meinetwillen.  Es  ist  wahr,  dieses  Redactionsgeschäft  hat  manche 
Stunde  gekostet,  manche  Zerstreuung  herbeigeführt;  indeß  in  diesem  Jahre  war  ich 
fast  II  zu  nichts  weiter  zu  gebrauchen;   ich  habe  mich  durch  das  häusliche  Elend,. 

1)  Näheres  dai-über  in  Bd.  XV,  S.  291  f. 
"-)  4  S.    4«.     H.  Wien. 


A2  November  1833. 


das  kein  Ende  nehmen  wollte  und  zur  Stunde  noch  nicht  ganz  aufgehört  hat,  uns 
mit  seinen  Schlägen  fernerhin  zu  bedrohen,  nur  so  hindurch  gewürgt;  doch  genug 
davon,  ich  erinnere  mich,  Ihnen  vor  einigen  Monaten  schon  allzuviel  geschrieben  zu 
haben.  Daß  ich  in  der  Leipz.  Lit.-Ztg.  in  Absicht  auf  die  Redaction  des  philo- 
sophiscben  Theils  nicht  habe  das  Wünschenswerthe  leisten  können,  dessen  bin  ich. 
mir  bewußt;  aber  theils  war  ich  genöthigt,  überkommene  Eecensionen,  wenn  sie 
nicht  geradezu  ganz  schlecht  und  gehaltlos  waren,  abdrucken  zu  lassen,  theils  ließ 
es  der  Plan  des  Ganzen  nicht  zu,  den  philosophischen  Beurtheilungen  nur  Eine  Farbe 
zu  geben,  theils  bin  ich  nicht  hinlänglich  unterstützt  worden.  Alle  solchen  Ver- 
hältnisse hätten  sich  erst  nach  längerer  Zeit  befriedigender  ausgleichen  lassen.  Was 
mich  selbst  betraf,  so  war  meine  eigene  Theilnahme  auch  hier  eine  gespaltene,  da 
nun  einmal  meine  äußere  Stellung  Ansprüche  an  mich,  macht,  die  ich  einigermaßen 
zu  befriedigen  trachten  muß.  —  Mit  der  Metaphysik  bin  ich  im  vergangenen  Sommer 
recht  glücklich  gewesen;  sie  interessirte  sehr,  war  ziemlich  frequent  und  wurde  bis 
zuletzt  mit  Aufmerksamkeit  gehört.  Ich  lese  jetzt  noch  ein  SupplementarcoUeg  zur 
Metaphysik,  da  die  Zeit  des  Sommerhalbjahrs,  besonders  da  ich  14  Tage  aussetzen 
mußte  und  erst  spät  anfangen  konnte,  nicht  ausreichte.  Sonst  feire  ich  diesmal  mit 
der  Philosophie,  theils  um  mit  den  einzelnen  Disciplinen  in  eine  andere  Ordnung 
zu  kommen,  theils  um  endlich  einiges  Literarische  abzuschließen,  das  mich  schon 
so  lange  drückt  und  mich  hindert,  auf  einige  Concentration  zu  denken,  die  mir  so 
nöthig  ist!  — ■  Mit  Krugs  Vorlesungen  geht  es  ganz  zu  Ende.  Er  hat  diesen  Winter 
kein  Privatum  zu  Stande  gebracht.  Clodius  und  Weisse  kommen  als  Docenten  auch 
nicht  in  Betracht.  Dagegen  findet  ein  junger  Mann  Hartenstein  als  Privatdocent 
vielen  Beifall.  Er  besitzt  Gelehrsamkeit  und  Scharfsinn,  scheint  mir  aber  die  Philo- 
sophie mehr  als  Geschichte  der  Philosophie  denn  als  System  zu  behandeln.  Wie 
ich  höre  neigt  er  sich  zu  Jakobi  hin,  was  seinem  speculativen  Geiste  wohl  nicht 
viel  Ehre  machen  möchte.  Doch  ist  er  durch  Zuhörer  von  mir,  die  ihm  in 
Disputationsübungen  zugesetzt  haben  mögen,  zu  einem  genauen  Studium  Ihrer  || 
Schriften  augetrieben  worden  und  von  diesen  höchlich  erbaut.  Nur  meinte  er 
neulich,  er  müsse  es  sehr  bedauern,  sie  nicht  so  ganz  penetriren  zu  können,  da  es 
ihm  an  „mathematischen  Vorkenntnissen"  fehle  und  er  diese  Lücke  auszufüllen  jetzt 
nicht  ,.im  Stande  sey".  Also  hie  haeret  aqua!  Jetzt  hat  er  von  mir  Ihre  praktische 
Philosophie  geborgt  und  meinte  neulich:  es  gäbe  jetzt  nur  zwei  scharfe  und  conse- 
quente  Denker,  und  das  wären  Sie  und  Schleiermacher.  Bei  dieser  Gelegenheit  er- 
klärte er  sich  auf  das  Entschiedenste  für  Ihre  Lehre  von  der  Freiheit,  die  mir  vor 
einigen  Wochen  in  der  L.  L.-Z.  ein  Fragezeichen  abgelockt  hat,  in  dem  eine  von 
den  Zeiten  der  vorigen  Redaktion  überlieferte,  betreffende  Recension  Ihrer  Ency- 
klopädie,  an  der  ich  mich  selbst  wahrhaft  nicht  erbaut,  auch  dieses  durch  eine 
Redactionsnote  auszudeuten  gesucht  habe,  wie  schon  öfter  geschehen,  behauptete, 
daß  es  nach  Ihnen  gar  keine  Freiheit  gäbe.  Mir  ist  es  vorgekommen,  als  wolle 
dieser  Mann  eine  Kritik  Ihrer  Philosophie,  ein  Buch  etwa  so  wie  Bachmann  über 
Hegel  schreiben;  das  wird  eine  treue  Schilderung  werden!  Ich  trage  mich  wohl 
selbst  mit  dem  Gedanken  an  ,, Beiträge  zur  Erläuterung,  Prüfung  und  Fortbildung 
der  Herbart'schen  Philosophie"  herum,  aber  der  Gedanke  hat  noch  keine  Reife  und 
ich  kann  nun  einmal  nicht^  wie  mein  H.  College  Weisse,  meine  Studien  auf  öffent- 
lichem Markte  machen,  wodurch  man  dann  freilich  in  die  Verlegenheit  kommt,  zum 
Publicum  zuweilen  sagen  zu  müssen:  „Hört,  lieben  Leute,  was  ich  vor  einem  halben 
Jahr  sagte,  war  falsch,  es  muß  so  seyn!"  Wendt's  Neuigkeiten  mich  betreffend, 
scheinen  sehr  alt  zu  seyn.  Dieser  Antrag  wurde  mir  vom  Ministerium  vor  V/^  Jahren 
gemacht.     Ich  lehnte  ihn  durch  eine  schriftliche  Eingabe  aus  Gründen  ab,  die  sich 


November  1833.  a-i 


sowohl  auf  den  Mangel  meiner  wissenschaftlichen  Vorbereitung  dazu,  als  auf  den 
an  Neigung  endlich  auch  auf  meine  schwache,  reizbare,  rheumatische  Constitution 
bezogen,  und  ich  denke  der  Antrag  wird  nicht  wiederholt  werden;  vielmehr  hat  sich 
der  Cultusminister  mehrmals  mit  Theilnahme  nach  dem  Erfolg  der  philosophischen 
Vorlesungen  erkundigt  und  mir  darüber  seinen  Beifall  zu  erkennen  gegeben.  ||  Wie 
groß  würde  meine  Freude  seyn,  wenn  es  mir  im  Frühjahr  möglich  sein  sollte,  Sie 
in  Göttingen  wieder  zu  sehen !  Aber  auf  so  lange  Zeit  Pläne  zu  machen,  ist  mir  bei 
der  Unsicherheit  meines  häuslichen  Glücks  (mein  Töchterchen  hat  bisher  ohngefähr 
von  Monat  zu  Monat,  die  letzten  des  Sommers  ausgenommen,  einen  bedrohlichen 
Anfall  gehabt)  nicht  mehr  vergönnt.  Ich  muß  meinem  Geschick  die  guten  Tage,  ja 
die  guten  Stunden  abstehlen.  Möge  Ihre  verehrte  Frau  Gemahlin  den  Schmerz  der 
Trennung  von  Vielem,  was  ihr  in  Königsberg  theuer  gewesen  seyn  mag,  recht  bald 
und  für  immer  überwinden.  Wir  können  ihn  uns  —  ich  und  meine  Frau  —  aller- 
dings recht  groß  vorstellen.  Doch  gewiß  werden  sich  neue,  freundliche  Verhältnisse 
anknüpfen,  die  einigen  Ersatz  zu  gewähren  geeignet  smd.  Sollte  H.  D.  Strümpell, 
dessen  jetzigen  Aufenthaltsort  ich  nicht  weiß,  in  Verkehr  mit  Ihnen  stehen,  so 
nehmen  Sie  mich  gütigst  in  Schutz,  wenn  er  über  einen  unbeantworteten  Brief  un- 
gehalten ist.  Dieser  kam  in  meine  schlimmste  Zeit,  dann  aber  erfuhr  ich,  daß  er 
nicht  mehr  in  Bonn  sey  u.  s.  w.  Bobrick  klagte  vor  einigen  Monaten  in  einem  Briefe 
an  mich,  daß  er  zwei  dergl.  an  Sie  gesendet,  aber  noch  keine  Antwort  erhalten  habe ; 
sie  seyen  entweder  verloren  oder  Sie  müßten  krank  seyn.  Ich  veimuthe  allerdings 
daß  nicht  jeder  Brief  von  Zürich  überall  hingelangt. 

Von  bedeutenden,  literarischen  Neuigkeiten  weiß  ich  nichts  zu  sagen.  Es  bleibt 
mir  nur  also  noch  übrig,  Sie  und  Ihre  Frau  Gemahhn  in  Göttingen  hiemit  glück- 
wünschend zu  begrüßen,  Ihnen  fernere  rüstige  Gesundlieit  zu  wünschen,  die  dann 
die  besten  Erfolge  von  selbst  herbeifülu-en  wird.  Mir  aber  erbitte  ich  wie  bisher 
die  Fortdauer  Ihrer  freundschaftlichen  Gesinnung. 

Von  ganzem  Herzen  Ihr  ergebenster    Drobisch. 

440.     An    Drobisch.^)  Göttingen,  28  Nov.   1833. 

Mein  hochverehrter  Freund!  Wiewohl  verstimmt  aus  körperlichem 
Unbehagen,  weil  eine  Erkältung  noch  nicht  weichen  will,  —  ergreife  ich 
doch  die  Feder,  nicht  um  Ihnen  ein  müßiges  Bedauern,  was  sich  von 
selbst  versteht,  noch  ausdrücklich  zu  bezeugen,  sondern  weil  eine  Zeile 
gleich  im  Anfange  Ihres  Briefes  es  nothwendig  macht.  Was  konnte  Ihre 
Ueberzeugung  von  unsern  vertraulich  freundlichem  Verhältnisse  wankend 
machen?  Daß  ich  nicht  mehr  wie  früher,  Sie  mit  Bitten  bestürmte?  Daß 
etwa  Griepenkerl,  daß  Strümpell,  keinen  ganz  offenen  Zugang  bey  Ihnen 
fanden?  —  Sonst  wüßte  ich  nichts  auszusinnen.  Erlauben  Sie  mir  also 
über  jenes  ein  paar  Worte.  Sobald  Sie  anfingen,  philosophische  Vor- 
lesungen zu  halten,  worüber  ich  mich  völlig  aufrichtig  freute,  lag  es  am 
Tage,  daß  Sie  das  Stimmrecht  eines  Unbefangenen  so  wohl  in  Sich  als 
außer  Sich  in  Anspruch  nahmen.  Und  da  Sie  mir  schrieben,  Sie  wären 
beschäfftigt,  die  Hegeische  Philos.  genauer  zu  erforschen,  fügte  ich  mich 
in  Geduld;  ich  wußte  daß  ich  warten  müsse.  Ueber  Griepenkerls  Briefe 
haben  Sie  in  den  Brockhaus-Blättern  -)  so  schön  geschrieben  —  ich  gebe 
hier    das    Urtheil    meiner    Königsberger    Freunde,    da   ich    selbst   so   Etwas 


')  2  S.   4». 

^)  Blätter  für  literarische  Unterhaltung   1832.  Nr.   295. 


44  November  1833. 


nicht  beurth eilen  darf,  —  wie  nur  Sie  sclireiben  können.  Aber  Griepenkerl 
selbst  hat  Ihnen  nicht  genügt!  Nim  wohl,  das  ist  nicht  zu  vermeiden. 
Seine  lebhafte  und  wahre  Freundschaft  für  mich  weiß  ich  zu  schätzen; 
aber  ich  verlange  nicht,  daß  diese  Freundschaft  für  Andre  den  nämlichen 
Werth  haben  soll.  Was  Strümpell  anlangt,  so  hatte  dieser  mich  in 
Königsberg  in  einer  Lage  gesehn,  die  ihm  nicht  angemessen  schien;  und 
zwar  aus  den  Ihnen  bekannten  Gründen.  Erst  nach  seiner  Abreise  trat 
dort  das  lebhafte  Interesse  für  mich  auf  die  dankenswertheste  Weise 
hervor.  In  Preußen  erscheint  Jeder  als  ein  etwas  seltsamer  Mensch,  der 
etwas  unternimmt  und  treibt,  was  nicht  die  volle  Gunst  der  Regierung 
für  sich  hat.  Gewiß  ein  großes  Lob  für  ||  die  preußische  Regierung  im 
Ganzen  genommen.  Und  die  Königsberger  äußerten  sich  gleich  anders- 
als  sie  sahen  daß  ich  den  Ausweg  nach  Göttingen  hatte.  Mein  Treiben 
erschien  nun  vernünftig,  denn  es  hatte  nicht  mehr  das  Ansehen  eines 
Thuns,  bey  welchem  am  Ende  nichts  herauskommt.  Strümpell  sah  diese 
Veränderung  nicht;  dagegen  war  er  durch  die  Recension  von  Brandis 
aufgeregt,  die  mich  allerdings  eher  in  Verlegenheit  setzen  als  herausziehn 
konnte.  Das  Fehlerhafte  darin  haben  Sie  Selbst  in  einem  Briefe  an  mich 
scharf  bemerkt.  Daß  nun  ein  junger  Mann  unter  solchen  Umständen 
seinen  Beruf  fühlt,  einzugreifen,  —  ist  im  Allgemeinen  natürlich;  er  wurde 
überdies  durch  mich  aufgemuntert  und  angetrieben.  Was  soll  denn  werden, 
wenn  Niemand  dreist  auftrit  und  durchgreift?  So  frage  ich  noch  jetzt,  ob- 
gleich jene  Verlegenheit  jetzt  für  mich  zu  Ende  ist;  denn  hier  in  Göttingen 
drückt  mich  nichts,  und  ich  habe  für  jetzt  keinen  Grund,  fremde  Hülfe 
anzusprechen.  Wenn  aber  Strümpell  zu  etwas  kommen  will,  so  muß  er 
sich  durcharbeiten;  und  zwar  durch  die  Menschen  wie  sie  sind.  —  Darum 
bitte  ich  Sie:  Betrachten  Sie  ihn  mit  derjenigen  Nachsicht,  die  ein  älterer 
Mann  dem  jungem  allzubrausenden  nicht  zu  versagen  pflegt,  wenn  das 
Motiv  nicht  unedel,  und  die  Umstände  spannend  sind.  —  Dies  ists,  mein 
Freund,  was  ich  Ihnen  offen  und  gerade  zu  sagen  hatte;  und  hoffentlich 
werden  Sie  nun  überzeugt  seyn,  daß  unser  Verhältniß,  was  Sie  sehr  vest 
gegründet  haben,  auch  wirklich  nicht  gewankt  hat.  Zugleich  aber  mögen 
Sie  mir  glauben,  daß  solche  Zudringlichkeiten,  wie  Sie  früher  von  mir 
erfuhren,  nicht  in  meinem  Charakter  liegen.  Die  Schuld  lag  an  den  Ihnen 
wohlbekannten  Umständen.  Mein  Leben  war  das  Leben  in  einem  wohl- 
aufgeputzten Gefängnisse,  während  man  draußen  Pflichten  hat,  die  man 
ohne  Hülfe  nicht  erfüllen  kann.  Das  ist,  so  Gott  will,  jetzt  vorbey!  — 
Meine  Gesundheit  aber  scheint  in  den  Osterferien  eine  Reise  nach  Süden 
zu  fodern,  und  ich  denke  die  Verwandten  meiner  Frau  in  Wiesbaden 
aufzusuchen ;  vielleicht  gehe  ich  bis  Darmstadt.  Können  wir  uns  irgendwo 
sehn,  so  ist  Abrede  nölhig;  zudem  da  ich  auch  für  ein  paar  Tage  nach 
Hannover  muß.  Recensionen  lese  ich  nicht  und  schreibe  ich  nicht.  Die 
Freyheitsschwindler  mögen  meinethalben  ihre  Unfreiheit  aus  ihrer  Un- 
wissenheit beweisen.  Montesquieu  nennt  irgendwo  die  Fürsten  unfrey, 
weil  sie  Gewalt  üben  und  leiden,  Unwissenheit  ist,  denke  ich,  fast  so 
schlimm  als  Gewalt.  Was  Sie  über  meine  Arbeit  schreiben,  werde  ich 
verdanken,  und  desto  mehr,  wenn  es  in  einem  ordentlichen  Buche  ge- 
schieht.   Flugblätter  helfen  uns  nicht  weiter;  sie  werden  im  Fluge  gelesen^ 


Dezember  1833. 


45 


und   scheinen   sich  überlebt  zu  haben.     An  Bobrick  werde  ich  schreiben; 
gerne  aber  wüßte  ich,  was  Unbefangene  über  seine  Vorlesungen  sagen. 

Ganz  der  Ihrige  H. 

441.  Nieuwenhuis  an  H.*)  Leide,  d.  1.  Dez.  1833. 

"Wohlgeborner!  Hoch  Geehrter  Herr  Professor!  Daß  Ihre  scharfsinnigen,  höchst 
interessanten  philosophischen  Schriften  Auch  in  Holland  bekannt  sind  und  mit  ge- 
bührendem Lob  von  Mir  Meinen  Landsleuten  empfohlen  wurden,  wird  Ihnen  hoffentlich 
nicht  unangenehm  seyn,  Aus  diesen  wenigen  Zeilen  zu  vernehmen,  und  näher  be- 
stätigt zu  sehen  aus  meinen  Initia  Metaphysices,  die  ich  die  Ehre  habe,  hier  bey 
zu  fügen.  Sehr  angenehm  würde  es  mir  seyn,  wenn  Sie  die  ||  Güte  haben  wollten, 
wenigstens  die  Geburt  und  Existenz  dieser  Kinder  Meiner  Studien  im  Königsb.  Archiv 
pp.  oder  in  andern  dazu  Geschickten  Gelehi-ten  Zeitschriften  auszuliängen. 

Erlauben  Sie  mir,  mit  dem  Ausdruck  Ausgezeichneter  Hochachtung  Mich  zu 
nennen:  Ew.  Wohlgeboren  Gehorsamer  Diener 

Dr.  J.  Nieuwenhuis  Prof.  P.  0.  zu  Leide. 

442.  An    Griepenkerl.  2)  Göttingen  5.  Decemb.  [1833.] 

Nur  wenige  Worte  mein  theurer  Freund,  zum  Danke  daß  Sie  mich 
von  ernstlicher  Sorge  wegen  Ihrer  Gesundheit  durch  so  angenehme  Nach- 
richten befreyel  haben.  Von  Herzen  wünsche  ich  Glück  zu  Ihren  musi- 
kalischen Erfolgen;  von   Heidelberg  hatte  ich  nichts  gehört. 

Ihr  ältester  Sohn  kann  nun  in  drey  oder  vier  Zeitungen  die  sich 
immer  wiederhohlende  Nachricht,  Sch[elling]'s  wegen,  gelesen  haben.  Sollten 
Sie  wohl  nicht  durch  ihn  erfahren  können,  was  man  in  B[erlin]  dazu 
sagt?  —  Es  ist  ein  längst  geübter  Kniff  in  politischen  Dingen,  etwas  als 
.Zeitungsgerücht  zu  verbreiten,  um  zu  vernehmen,  was  die  öffentliche  Stimme 
davon  meint,  und  dem  gemäß  zu  thun  und  zu  lassen  was  ausführbar 
scheint.  Jedenfalls  hätte  Sch[elling]  selbst  schon  einen  Widerruf  der,  von 
München  aus  verbreiteten,  Nachricht  veranlassen  können,  wenn  ihm  das 
beliebte. 

Für  heute  kann  ich  nicht  länger!    Ganz  Ihr  H. 

Weiß  Ihr  Sohn  nichts  von  Reichhelm?  Von  diesem  erwarte  ich  seit 
einem  Vierteljahre  einen  Brief  vergebens. 

443.     An   Drobisch.^)  Göttingen,   12  Dec  33. 

Mein  hochverehrter  theurer  Freund!  Die  Zuhörer  kommen  schon  — 
doch  sage  ich  Ihnen  in  höchster  Eile,  daß  Ihr  letzter  Brief*)  mir  äußerst 
schätzbar  ist,  aber  in  dem  Smne  wie  Sie  ihn  schrieben  durchaus  gar  nicht 
nöthig  war.  Sie  können  kein  Misverständniß  unter  uns  ertragen  —  ich 
kann  es  noch  weniger,  und  bloß  weil  ich  es  nicht  kann,  schrieb  ich 
meinen  letzten  Brief.  Glauben  Sie  mir,  es  ist  Nichts  zwischen  uns,  und 
wenn  sich  Etwas  zwischen   uns   drängen  wollte,   würde  ich   es  wegschieben. 


M  2  S.    4".     H.  Wien.      Jakob    Nieuwenhuis,    Prof.    in    Leyden.      Man    vgl. 
'Herbarts  Anzeige  seiner  Schriften,  Bd.  XIH,  S.  273  ff. 
-)   I  S.    4°.     H.  "Wien.     Bei  Zimmermann,  S.  87  f. 
ä)   I  S.    4». 
*)  Dieser  Brief  scheint  nicht  mehr  vorhanden  zu  sein. 


46  Dezember  1833. 


Gereizt  hat  mich  gar  nichts;  aber  lediglich  Ihre  eigenen  Worte  daß 
Ihre  Ueberzeugung  von  unserm  Verhältnisse  wankend  gewesen  sey,  machten 
mich  besorgt.  Entschuldigen  Sie  diese  Sorge;  lesen  Sie  meinen  Brief 
noch  einmal,  —  und  überzeugen  Sie  Sich  alsdann,  daß  von  Pfeilen,  die 
ich  gegen  Sie  sollte  abgedrückt  haben,  mir  auch  nicht  das  Geringste  in 
den  Sinn  gekommen  ist.  Dennoch  lassen  Sie  Sich  nicht  leid  seyn,  Ihren 
letzten  Brief  vom  8.  December  an  mich  gewendet  zu  haben:  er  thut 
meinem  Herzen  wohl,  denn  er  versichert  mich  aufs  neue  Ihrer  mir  höchst 
theuren  Freundschaft!   Jetzt  muß  ich  aufs  Katheder. 

Unveränderlich  Ihr  H. 

Ehe  ich  siegele  —  nach  geendigter  Vorlesung  —  noch  ein  Wort. 
Nicht  von  Griepenkerl  ist  etwas  zu  besorgen;  wenn  Sie  ihn  kennten, 
würden  Sie  seinen  Charakter  gewiß  schätzbar  finden.  Aber  konnte  ich  mir 
wohl  verhehlen,  daß  der  sehr  jugendliche  Str[ümpell]  Ihnen  möge  misfallen 
haben?  —  Darum  bat  ich  und  bitte  noch:  haben  Sie  Nachsicht,  wenn 
Sie  bemerken  daß  der  junge  Most  noch  gährt,  ehe  Wein  daraus  wird; 
und  glauben  Sie  ja  nicht,  daß  ich  für  alle  Jugendlichkeit  die  Sie  etwa 
bemerken  mochten  oder  noch  bemerken  werden,  einstehen  wolle  oder  für 
gut  heiße.     Das  Weitere  künftig! 

444.    An  Professor  Schubert  in  Königsberg,  i) 

Göttingen  15.  December  1833. 

Mein  hochgeehrter  Herr  College!  Über  eine  Woche  lang  brachte 
jeder  Tag  ein  Hinderniß  des  Schreibens,  —  und  viel  zu  spät  für  meinen 
Wunsch  komme  ich  dazu,  Ihnen  meinen  eben  so  sehr  schuldigen  als 
herzlichen  Dank  für  Ihre  große  Güte  abzustatten.  Die  Quitungen  werden 
hoffentlich  so  recht  seyn. 

Sie  wissen,  daß  mir  der  Tausch,  Göttingen  für  Königsberg,  sehr  viel- 
fach theuer  zu  stehen  kommt.  Ohne  mir  darüber  irgend  eine  Täuschung 
zu  machen,  finde  ich  ihn  noch  heute  so  unvermeidlich,  als  damals,  da  ich 
mich  dazu  entschloß,  Göttingen  hat  zwar  nicht  mehr  seinen  alten  Glanz 
durch  zahlreiche  Grafen  und  Barone;  es  hat  nicht  mehr  jenen  Wirkungs- 
kreis im  ganzen  deutschen  Sprachgebiete;  aber  es  ist  wenigstens  auch 
noch  keine  Provincial-Universität,  und  es  weiß  noch  so  ziemlich,  daß  es  eben 
nichts  anders  oder  doch  nichts  Größeres  seyn  kann  als  eine  Universität. 
Mit  dem  Fleiße  meiner  Zuhörer  bin  ich  zwar  nicht  ganz,  aber  doch  für 
den  Anfang  leidlich  wohl  zufrieden;  die  praktische  Philosophie  wird  mir 
oft  nur  allzuvoll  von  Hospitanten;  die  Psychologie  hat  bis  jetzt  ein  be- 
ständiges, wenn  auch  nicht  großes  Auditorium;  nur  die  logischen  Formeln, 
das  barbara  und  celarent,  will  nicht  recht  munden;  man  ist  aus  der  Ge- 
wohnheit gekommen,  da  meine  jetzige  Stelle  bey  der  Kränklichkeit  des 
verstorbenen  Schulze  eigentlich  schon  vor  seinem  Tode  nicht  recht  wirk- 
sam besetzt  war.  Die"  Einnahme  vom  Honorar  ist  bedeutender  gewesen 
als  ich  erwarten  durfte.  Was  mich  aus  Preußen  hinaustrieb,  das  kennen 
Sie  ja;    Sie  wissen  auch,  daß  ich  der  treueste  Unterthan  des  Königs  von 

')  S.  den  vorhergehenden  Band,  S.  228  f. 


November  1833.  47 


Preußen  zu  seyn  und  zu  bleiben  bereit  war,  —  daß  ich  aber  eben  des- 
halb desto  empfindlicher  gegen  das^jenige  seyn  mußte,  was  mir  meinen 
Platz  verleidete,  nachdem  ich  ein  Vierteljahrhundert  lang  in  Königsberg 
gethan  hatte  was  ich  dort,  und  für  Ostpreußen,  leisten  konnte.  Dieterici 
—  wenn  er  ernstlich  wünschte  mich  in  Berlin  zu  haben,  —  könnte  wohl 
längst  früher  Ursache  gehabt  haben,  auf  die  Gelehrten-Welt  in  Berlin 
einen  solchen  unschuldigen  Einfluß  zu  üben,  daß  man  dort  wenigstens 
einigermaaßen  mit  mir  bekanjit  gewesen  wäre.  Hier  in  Göttingen  ist  es 
mir  zuweilen  etwas  befremdend  vorgekommen,  wie  neu  ich  den  Leuten 
war.  Die  jungen  Anfänger  füllten  mir  Anfangs  die  Logik,  denn  Logik 
sollten  sie  ja  hören;  von  der  praktischen  Philosophie  muß  das  hiesige 
Publicum  gerade  nichts  gewußt  haben ;  es  schien  Anfangs,  als  würde  das 
collegium  kaum  zu  Stande  kommen.  Jetzt  ist  es  nun  schon  anders;  es 
muß  aber  noch  anders  werden.  Zwar  bin  ich  unter  den  eigentlich  wirk- 
samen Professoren  in  Göttingen  schon  einer  der  ältesten;  indessen  habe 
ich  noch  den  Muth  zu  arbeiten;  und  fühle  meinen  Beruf  desto  mehr,  je 
bestimmter  ich  weiß  und  vorhersehe,  daß  alle  Kunst  und  Macht,  die  man 
aufbietet,  um  den  Pantheismus  vor  dem  baldigen  Versinken  in  eine 
Popularphilosophie  zu  hüten,  nichts  helfen  kann.  Man  hat  den  Spinozis- 
mus  lange  genug  angestaunt,  um,  wenn  man  endlich  den  Spinoza  als  die 
wahre  Quelle  und  Urkunde  des  Pantheismus  wird  studiren  wollen,  klar 
vor  Augen  zu  sehen  daß  er  platt  und  mager  und  mit  heutigen  Bedürf- 
nissen und  Kenntnissen  weder  in  Verhältniß  ist  noch  dahinein  kann  ge- 
bracht werden.  Lesen  Sie  doch  gelegentlich  einmal  den  tractatus  theo- 
logico-politicus;  er  wird  Sie  ohne  Beschwerde  vielfach  interessiren,  und 
Sie  können  dann  selbst  urtheilen,  wenn  Sie  auch  mit  der  Ethik  sich 
nicht  befassen  wollen. 

Meinerseits  bin  ich  zum  Behuf  meiner  prakt.  Philos.  die  sehr  er- 
weitert werden  muß,  beschäftigt  —  (nicht  bloß  mit  dem  gutmüthigen 
Pölitz,  dessen  naturrechthches  Ungeschick  mir  einiges  Lachen  abgenöthigt 
hat,  sondern  auch)  mit  Rehbergs  Schriften,  die  ich  unserm  Taute  emp- 
fehlen möchte.  Unstreitig  hätte  Rehberg  unter  den  Philosophen  der 
Kantischen  Periode  glänzen  können,  wäre  er  nicht  Geschäftsmann  gewesen. 
Jetzt  lebt  er  hier  in  Göttingen  ohne  öffentliche  Wirksamkeit ;  ich  habe 
ihn  vergebens  besuchen  wollen;  der  alte  Mann  steht  vor  12  Uhr  Mittags 
nicht  aus  dem  Bett  auf.  Einen  Königsberger  habe  ich  hiei  unter  meinen 
Zuhörern,  den  jungen  Thomas,^)  der  früher  in  Bonn  war.  Das  Benehmen 
der  Studenten  finde  ich  im  Ganzen  recht  schicklich  und  gut. 

Das  ist  wohl  Alles,  was  ich  von  hier  —  wo  allerdings  einige  Blätter 
welken  —  Ihnen  erzählen  darf,  da  von  Concerten  und  thes  dansants 
(um  letztere  macht  sich  Wendt  verdient)  wohl  nicht  lohnt  zu  schreiben; 
ich  selbst  bin  erst  auf  Einer  großen  Fete  gewesen,  welche  die  Mekeln- 
burger  zu  Ehren  ihres  Großherzogs  an  dessen  Geburtstage  gaben.  —  Daß 
Otto  Stiemer  2)  die  Masern  gehabt  und  glücklich  überstanden,  ist  eine  Nach- 


')  Carl  Thomas,   später  Prof.  in  Königsberg. 

'^)  Otto  Stieraer,    ein   anonnaies    Kind,    das   Herbart   adoptiert    und    erzogen   hat, 
geb.    1824,  gest.    1893. 


aS  Dezember  1833. 


rieht  für  die  Mutter  und  für  die  Freundinnen  meiner  guten  —  bey  dem 
Jungen  sehr  beschäftigten  Frau. 

Herrn  Prof.  Dulk  bitte  ich  meinen  herzlichen  Glückwunsch  abzu- 
statten. Unsern  Sieffert  habe  ich  noch  nicht  recht  Lust  zu  bedauern. 
Die  Gelehrten  in  Preußen  müssen  etwas  stolzer  werden;  —  thue  recht 
und  sieh  nicht  um. 

Aber  wieviel  Fragen  hätte  ich  an  Sie!  Nach  Allem  möchte  ich 
fragen  und  begnüge  mich  höchst  ungern  mit  der  stillen  Antwort,  was  Sie 
nicht  erwähnen,  möge  wohl  noch  beym  Alten  seyn.  Jedoch  —  desto 
besser,  wenn  recht  Vieles  dort  beym  Alten  bleibt,  dann  bleibe  ich  wohl 
auch  in  der  alten  Gunst,  der  man  mich  in  Königsberg  gewürdigt  hat. 
Bitten  Sie  für  mich  überall  darum  wo  man  ein  Wörtchen  von  mir  spricht. 
—  Meine  Frau,  von  der  ich  viele,  viele  Empfehlungen  zu  bestellen  hätte, 
bittet  mit  mir  inständigst  um  lange,  recht  lange  Briefe.  Möchte  ihr  selbst 
nur  die  Tinte  etwas  flüssiger  werden!  oder  möchten  nur  ein  paar  Damen 
in  Königsberg  mit  gutem  Beyspiel  vorangehn ;  das  wäre  ein  gutes  Werk. 
Wüßte  man  dort,  wie  uns  manchmal  zu  Muthe  ist,  man  fände  wohl  zur 
guten  Stunde  eine  gute  Feder!   Mit  größter  Hochachtung 

Ihr  ergebenster     H. 

445.    Drobisch  an  H.')  Leipzig,  d.  19.  Decbr.  33. 

Hochverehrter  Herr  und  Freund !  Ihr  Brief  vom  12.  d.  M.  hat  mir  eine  große 
Last  von  dem  Herzen  gehoben.  Sie  haben  edelmüthig  alles  Heftige,  was  in  meinem 
letzten  Briefe  gelegen  haben  mag,  bei  Seite  setzend,  nur  die  Tendenz  desselben  auf- 
gefaßt und  kommen  mir  mit  wohlwollender  Freundlichkeit  entgegen,  die  letzte  Spur 
jedes  Mißverständnisses  zu  verwischen.  Seyen  Sie  versichert,  hochverehrter  Freund, 
dieser  große  Beweis  Ihrer  Güte  wird  mir  unvergeßlich  seyn.  Ich  werde  es  in  Zu- 
kunft immer  und  unbesorgt,  auf  Ihre  Freundschaft  vertrauend,  wagen,  offen  und 
ohne  allen  Eückhalt  und  ohne  Etiquette  und  diplomatische  Förmlichkeit  mich  gegen 
Sie  zu  äußern.  Wenn  ich  über  wissenschaftliche  Gegenstände  schriftlich  mit  Ihnen 
verkehre,  so  werde  ich  mich  bemühen,  nicht  zu  meinen,  sondern  mir  eine  Über- 
zeugung zu  bilden,  die  mich  subjektiv  wenigstens  bei'echtigt,  zu  behaupten  —  oder 
schweigen.  Ich  sehe  ein,  Ihnen  gegenüber,  der  Sie  immer  nur  Selbstgedachtes  ge- 
schrieben haben,  darf  nur  allein  ein  solcher  Gedankenverkehr  zugelassen  werden. 
Kommen  aber  Dinge  oder  Verhältnisse  zwischen  uns  zur  Sprache,  über  die  man  nur 
meinen  kann,  so  sollen  Sie  wie  bisher  meine  innerste  Meinung  und  noch  dazu  in 
ungezwungenster  Fassung  erhalten. 

Endlich  soll  es  mich  herzlich  freuen,  wenn  im  kommenden  Frühjahr  Zeit  und 
Umstände  es  mir  erlauben,  Ihre  für  meinen  ganzen  Lebensgang  mir  so  überaus 
wichtige  Bekanntschaft  persönlich  zu  erneuern.  Die  näheren  Bestimmungen,  wie 
dies  geschehen  kann,  zu  verabreden,  verschieben  wir  wol  billig  noch  um  ein  paar 
Monate.  —  Glauben  Sie  mir  übrigens,  daß  ich  auch  wissenschaftlich  immer  ||  mehr 
in  Ihren  Geist  eindringe,  geht  es  auch  etwas  langsam.  Die  Analysen,  die  ich  zu 
Ihrer  Zufriedenheit  geliefert  habe,  können  mir  freilich  nicht  fortdauernd  genügen, 
eben  weil  es  nur  Analysen  sind.  Sie  können  nicht  wünschen,  daß  Ihre  Philosophie 
nur  mehr  oder  weniger  mit  Ihren  eigenen  Worten  reproducirt  werde,  sondern  daß, 
wer  Ihr  AnJiänger  seyn  will,  sich  ihrer  mit  einer  solchen  Selbständigkeit  bemächtige, 


^)  IV2  S.    40.     H.  Wien. 


Dezember   1833.  40 


daß  es  das  Ansehen  hat,  als  ob  er  durch  eigenes  Nachdeiiieü  lunl  auf  eigenem 
"Wege  dahin  gelangt  wäre. 

Dieses  Sichbeniächtigen  vermisse  ich  eben  in  Griepenkerls  Schrift  und  Briefen, 
und  ich  gestehe,  daß  mir  Röere  Schrift  in  dieser  Hinsicht  viel  besser  gefallen  hat. 
Der  Gesinnung  G.s  zolle  ich  aber  recht  gern  ungeheuchelte  Achtung. 

Möge  das  neue  Jahr  Ihnen  Seegen-  und  Freudebringend  seyn!   Dies  der  Wunsch 

Ihres  aufrichtigen  Verehrers     D robisch. 


'&^ 


446.     Richthofen  an  H.')  Brecheishof,  d.  23sten  Dec.  33. 

Ich  habe  mein  verehrter  alter  Freund,  so  lange  nicht  Ihre  Schriftzüge  gesehen, 
daß  ich  fast  fürchten  möchte,  Sie  haben  nicht  nur  Preußen,  sondern  auch  Ihrem 
alten  Freund  den  Rüciien  gewandt,  und  fast  in  Versuchung  komme,  Ihre  liebe 
Frau  um  Verwendung  zu  bitten,  die  doch  gewiß  ein  preuß.  Herz  und  freundliche 
Erinnerung  an  Preußen  bewahrt  hat.  Auch  habe  ich  so  viele  Klagen  über  Ihren 
Abgang  aus  Königsberg,  nahmentlich  von  Herrn  Professor  Schubert  gehört,  daß  die 
Bilder  der  Vergangenheit  auch  Ihnen  wenigstens  in  mancher  Beziehung  werth  sein 
würden.  Herzlich  wünsche  ich  daß  Sie  in  Göttingen  finden  mögen,  was  Sie  hofften, 
denn  auch  dort  hat  sich  gewiß  vieles  geändert;  Göttingen  ist  als  Universität  größer, 
aber  eine  kleine  Stadt,  liegt  in  der  Mitte  von  Deutschland,  aber  ohne  Beziehung 
zum  öffentlicheu  Leben:  das  wußten  Sie  freilich  vorbei',  aber  dennoch  gestaltet  sich 
manches  in  der  Wirklichkeit  anders  als  in  der  Phantasie;  —  lassen  Sie  mich  also 
recht  bald  als  theilnehmenden  Freund  hören,  wie  Sie  sich  fühlen,  und  bedenken 
Sie  daß  wir  wenn  auch  nicht  mehr  Landsleute,  doch  alte  Freunde  von  Göttiugen  her 
sind.  Vielleicht  hat  Ihnen  der  bekannte  Ort  auch  mein  Bild  wieder  in  Erinnerung 
gebracht,  wenn  ich  gleich  unmöglich  Ihnen  nur  den  hundertsten  Theil  so  bedeutend 
seyn  konnte,  als  Sie  mir  es  waren;  unvergeßlich  ist  mir  noch  mancher  Moment; 
uns'ergeßlich  der  Tag.  als  ich  Sie  den  Scheidenden  bis  zur  nächsten  Stadt  geleitete! 
Statt  dessen  haben  Sie  jetzt  meinen  Sohn  vorgefunden,  von  dem  ich  allerdings 
bereits  manches  Rührende  über  Sie  vernommen  habe;  möge  auch  er  Ihnen  nicht 
misfallen  haben.  Wenn  er  gleich  früher  bereits  eine  bestimmte  Geistesrichtung  er- 
halten hat,  und  ich  unter  den  jetzigen  Verhältnissen  wünschen  muß,  daß  er  sich 
möglichst  koncentrire,  weil  nur  so  noch  etwas  Tüchtiges  geleistet  werden  kann,  so 
hat  mich  doch  das  Interesse  gefreut,  daß  er  an  Ihren  Vorlesungen  gefunden,  so 
daß  er  ungeachtet  seiner  beschränkten  Zeit  noch  ein  zweites  Kollegium  angenommen 
hat;  vorzüglich  interessieren  ihn  Ihre  Vorlesungen  ||  über  Psychologie;  die  praktische 
Philosophie  war  ihm  in  ihren  Hauptzügen  schon  früher  ziemlich  bekannt.  Schreiben 
Sie  mir  doch  offen  über  ihn ;  manche  meiner  Freunde  behaupten  er.  gleiche  mir  in 
vielen  Dingen,  und  ich  gestehe  viel  von  ihm  zu  hoffen,  und  unendlich  mehr  als  ich 
unter  ungünstigen  Verhältnissen  selbst  leisten  gekonnt;  dabei  sind  mir  jedoch  auch 
seine  Fehler  nicht  unbekannt.  Ich  bin  begierig  ihn  Ostern  wieder  zu  sehen  Manches 
ist  im  Leben  anders  gekommen,  als  ich  in  kecker  Jugend  geglaubt  und  gehofft;  da- 
gegen ist  mir  durch  meine  Kinder  auch  viel  ungeahndetes  Lebensglück  zu  Theil 
geworden,  und  Gott  sei  Dank,  stehe  ich  ihnen  so  nahe  wie  wenige  Väter.  Eben 
jetzt  habe  ich  meinen  zweiten  Sohn  zur  Universität  entlassen  und  ob  er  gleich 
ruhiger  als  der  ältere  ist,  so  hoffe  ich  doch  auch  von  ihm  viel  Gutes! 

Ihre  Kinder,  liebster  Freund,  sind  anderer  Art;  in  Göttingen  (oder  eigentlich 
wohl  schon  in  der  Schweiz)  gebohren  und  erzogen,  in  Königsberg  zu  Männern  gereift 
und    erstarkt,   ist  Ihnen   nichts  mehr  zu  wünschen,   als  daß  sie  immer  größere  und 

')  2  S.    4"     H.   Wien. 
Herbarts  Werke.     X.VI1I.  4 


CQ  Dezember   1833. 


allgemeinere  Anerkennung  finden;  und  dazu  schien  allerdings  Königsberg  nicht  mehr 
der  Ort.  Wird  es  Göttingen  seyn?  ist  der  alte  alexandrinische  Sinn  nicht  vielleicht 
einer  gewissen  Erschlaffung  gewichen?  Werden  die  Versuche  es  wieder  zu  heben, 
von  glücklicher  Folge  sein? 

Allerdings  ließe  sich  denken,  da  die  preuß.  Universitäten  meist  in  großen  Städten 
liegen,  und  ihre  Entwicklung  bei  manchen  Vorzügen  eine  weniger  selbständigere 
ist,  daß  in  Göttingen  Eigenthümlicheres  hervorgehe.  Wie  gerne  hörte  ich  Ihre 
Aeußerungen  über  manches  der  Art. 

Karl  schreibt  mir  von  einer  Arbeit  Ihres  in  Königsberg  zurückgelassenen 
Schülers;  von  einer  Zusammenstellung  der  verschiedenen  Kritiken,  welche  Ihnen 
leider  meist  feindlich  entgegengetreten  sind.  Ich  gestehe,  daß  ich  mir  ein  solches 
Buch  kaum  als  einen  geordneten  Bau  denken  kann;  dergleichen  Arbeiten  gehen  zu 
selten  aus  geistiger  Tiefe  hervor,  als  daß  sich  aus  ihnen  viel  folgern  ließe.  Die 
Zeit  der  allgemeinen  kritischen  Blätter  scheint  vorüber  zu  seyn.  Jedoch  ist  möglich 
daß  ich  die  flüchtigen  Worte  meines  Sohnes  falsch  verstanden  habe. 

Und  somit  für  heute,  ein  herzliches  Lebewohl,  und  die  Bitte  wenn  Sie  Karl 
sehen  ihn  freundlich  zu  grüßen.  Der  Ihrige 

Richthofen. 

Die  beifolgenden  Zinsen  betragen  von  dem  Kapitalsrest  von  2600  Rthlr.  13  Frdor. 
Die  vorigen  Sendungen  haben  Sie  doch  erhalten? 


1834. 

W. :  Zweite  Ausgabe  des  Lehrbuchs  zur  Psychologie.  (S.  Bd.  IV.  S.  295—436).  — 
Dritte  Ausgabe  des  Lehrbuchs  zur  Einleitung  in  die  Philosophie.  (S.  Bd.  IV.  S.  i 
bis  2-5).  —  Rez.  von  Drobischs  Beiträgen  zu  Herbarts  System  (S.  Bd.  XIII.  S.  271 
bis  273),  Nieuwenhuis'  Schriften  (S.  Bd.  XLQ.  S.  273  —  277),  Strümpells  Erläute- 
rungen zu  Herbarts  Philosophie  (S.  Bd.  XIII.     S.  278). 

447.    An  Griepenkerl.  0  Göttingen  9  Febr  1834. 

Seyn  Sie  nicht  verdrieslich,  mein  theurer  Freund!  daß  Sie  so  lange 
kein  Lebenszeichen  von  mir  bekamen.  Sie  waren  gewiß  nicht  Schuld! 
obgleich  allerdings  noch  etwas  Anderes,  als  meine  Krankheit,  die  mich 
schon  seit  drey  Wochen  nicht  mehr  abhalten  konnte  die  Feder  zu  er- 
greifen um  an  einen  vertrauten  Freund  wie  Sie,  zu  schreiben. 

Mein  Wunsch  wäre,  daß  wir  uns  bald  einmal  unter  vier  Augen 
sprechen  könnten.  Wenn  der  Vorschlag  nicht  unbescheiden  ist,  so  möchte 
ich  Seesen  als  den  Ort  einer  Zusammenkunft  nennen,  die  aber  meinerseits 
nur  möglich  ist,  wenn  wir  Sonnabend  Mittags  dort  eintreffen  und  bis 
Sonntag  Mittag  beysammen  bleiben.  Nach  ein  paar  Wochen  hoffe  ich 
dazu  wohl  die  Erlaubniß  des  Arztes  erlangen  zu  können.  Wäre  ich 
gesund  genug,  so  würde  ich  Ihnen  weiter  entgegen  kommen;  allein  ich 
muß  einen  langem  Weg  doch  wohl  noch  scheuen,  und  das  Gasthaus  in 
Lutter  ist,  wenn  ich  recht  gesehen  habe,  minder  gut  als  jenes  in  Seesen. 
Was  sagen  Sie  dazu?  —  Der  Hauptgrund  meines  Wunsches  liegt  jedoch 
nicht  in  solchen  Dingen  die  ich  ungern  niederschreibe;  diese  sind  nicht  so 
wichtig  daß  ich  Ihnen  deshalb  eine  'Reise  zumuthen  könnte;  sondern  das 
Wesentliche  ist,  daß  wir  einander  sehen,  sprechen,  mit  einander  einmal 
24  Stunden  verleben.  Vielleicht  bringen  Sie  etwas  von  Handschriften 
mit;  vielleicht  möchten  Sie  einmal  in  die  zum  Drucke  bestimmten  Briefe 2) 
hineinsehn,  die  ich  an  Sie  in  Königsberg  anfing. 

Rechnen  Sie  nicht  auf  eine  spätere  Zeit!  In  den  Ferien  reise  ich 
wahrscheinlich  gleich  gen  Süden,  in  den  Rheingau  zu  Verwandten  meiner 
Frau.  Und  wenn  Sie,  1|  wie  ich  hoffe,  uns  in  der  guten  Jahreszeit  hier 
besuchen,  so  wird  das  allerdings  recht  schön  seyn,  aber  ich  hätte  Sie  doch 
gern  noch   vorher  einmal  ganz  allein. 


^)   1V2  S.    4°.     H.  Wien.     Bei  Zimmermann  S.  87. 

^  Briefe  über  die  Anwendung  der  Psychologie  etc.     S.  Bd.  IX,  S.  339  ff- 


4* 


£2  Februar   1834. 


Geht  es  nicht  füglich  an:  so  schlagen  Sie  es  rund  ab;  ohne  Gründe; 
denn  die  würden  ja  ohnehin  nichts  gewinnen  noch  verlieren,  was  ich 
auch  davon  meinen  möchte.  Vielmehr  verspreche  ich,  von  einer  ab- 
schlägigen Antwort  gar  nichts  zu  meinen,  sondern  eine  solche  als  ein 
reines  Factum  aufzufassen. 

Erlauben  Sie  daß  ich  abbreche!  Allerley  wartet  auf  mich  nach  dem 
heillosen  Zeitverlust  während  meiner  Krankheit,  von  der  ich  noch  immer 
schwach  bin. 

Unverändert  der  Ihrige!     H. 

4-48.    An  Griepenkerl.  1)  Postst:  Göttingen  21.  Febr.  [1834.] 

Also  am  15.  März  sind  wir  in  Seesen,  wenn  Sie  nichts  Anderes 
schreiben.  Was  Ihre  Frau  Gemahlin  die  Gewogenheit  haben  will  machen 
zu  lassen,  das  wird  schön  und  gut  seyn;  ich  nehme  es  im  Voraus  mit 
größtem  Danke  an.  Welche  Flaschen  Sie  mitbringen,  die  werde  ich  mir 
zueignen,  da  Sie  es  so  wollen.  Aber  so  große  Manuscripte?  —  Sie  be- 
schämen mich  wahrlich,  indem  Sie  wollen  daß  ich  so  mühsame  Rein- 
schriften ungedruckter  Originale  als  die  meinigen  ansehn  solle!  Hätten 
Sie  nun  noch  an  mir  einen  würdigen  Empfänger,  der  so  etwas  ausführen 
könnte!  Dazu  würden  musikalische  Verbindungen  gehören,  die  ich  aus 
vielen  Gründen  jetzt  vielmehr  meide  als  suche.   —     — 

Etwas  für  den  Otto?-)  —  Glücklicherweise  ist  'der  Junge  nicht  blöd- 
sinnig, obgleich  er  noch,  wie  eine  hohe  Person,  in  Infinitiven  spricht,  und 
keine  Flexionen  der  Worte  zu  brauchen  weiß.  —  Vergebens  suchte  ich 
ineine  Frau  auf  den  Punct  von  Beschäfftigungsmitteln  für  ihn  zu  bringen. 
Bilder^  sagt  Sie,  sind  noch  sein  liebstes.  Übrigens  plagt  er  sie  unauf- 
hörlich im  Spielen;  denn  er  spielt  phantasirend  wie  Kinder  von  etwa 
fünf  Jahren,  obgleich  er  altkluge  Augenblicke  hat.  Wissen  Sie  etwas 
iur  ihn?  Schlimm  ist,  daß  er  die  Hände  sehr  wenig  zu  brauchen 
weiß;  lächerlich  beynahe  die  Schwierigkeit  wenn  er  ein  e  machen  soll, 
im  besten  Falle  wirds  ein  q.  ^)  Sonst  könnte  man  an  einen  Zeichenkasten 
denken;  an  Bilder-  und  Lesebüchern  fehlts  nicht.  —  Also  auch  das 
bleibt  Ihrem  Urtheil  überlassen.  —  Nicht  einen  Augenblick  habe  ich 
länger;  die  Zuhörer  kommen  schon.  Ein  paar  Zeilen  bekomme  ich  wohl 
noch   von   Ihnen,  nicht  wahr?  Unverändert  Ihr      H. 

449.     An    DfObisch.'l)  Göttingen,   23  Febr   1834- 

Mein  verehrtester  Freund!  Sie  hätten  längst  schon  wieder  einen 
Brief  von  mir  gehabt,  wenn  ich  nicht  krank,  und  noch  weit  länger  kränk- 
lich gewesen  wäre.  Jetzt  lohnt  es  nicht,  alte  Dinge  nachzuhohlen,  sondern 
ich  habe  nur  den  einen  Wunsch,  zu  erfahren,  ob  wir  uns  sehen  können, 
und    wo   und    wann?     Meine    Absicht   ist,   im    Anfange    des   April    in    den 

*)  I  S.     4".     H.  Wien.     Bei  Zimmermann  S.  89. 

")  S.  o.  S.  47. 

•'')  Zimmermann  hat  hier  griechische  Buchstaben  gesetzt,  es  handelt  sich  aber 
jedenfalls  nur  um  ein  1  oder  e,  das  von  dem  geistesschwachen  Jungen  ähnlich  wie  oben 
geschrieben  wurde. 

^)   I   S.    4". 


Febmar   1834,  r:; 
00 


Rheingau  nach  Wiesbaden  zu  reisen,  wo  meine  Frau  Verwandte  hat. 
Könnten  Sie  Sich  zu  einer  Rheinreise  in  den  Osterferien  entschließen, 
so  wäre  die  Abrede  leicht,  und  das  Zusammentreffen  desto  angenehmer, 
wenn  Sie  Ihre  Frau  Gemahlin  bey  Sich  hätten ;  alsdann  würden  auch 
unsere  Frauen  einander  Gesellschaft  leisten.  Aber  daß  Sie  das  Früh- 
jahr zur  Rheinreise  bestimmen  werden,  während  bekanntlich  der  Herbst 
dazu  paßt  wegen  der  Weinlese,  —  darauf  ist  kaum  zu  hoffen.  Wie 
machen  wir  es  denn?  Sehr  lange  kann  ich  nicht  ausbleiben.  Etwa 
14  Tage  —  hin  und  zurück,  —  das  ist  die  Zeit  die  ich  ungefähr  an- 
wenden kann.     Am   2osten  April  spätestens  muß  ich  wieder  hier  seyn. 

Wollen  Sie  vielleicht  nach  Jena  und  Weimar  reisen?  Weimar  hätte 
einigen  Vorzug  für  meine  Frau ;  sie  hat  dort  eine  Bekannte.  Jena  zu  be- 
suchen habe  ich,  die  Wahrheit  zu  sagen,  aber  nicht  Lust  und  Beruf;  — 
ich  nenne  es  nur,  weil  Ihnen  vielleicht  der  Ort  interessant  wäre.  Jeder 
andere  Vorschlag,  wenn  er  mich  nur  nicht  noch  weiter  links  vom  M'ege 
abführt,  wäre  mir  fast  eben  so  annehmlich.  Baldigst  wünsche  ich  Ihre 
Absicht  zu  wissen;  und  zugleich  zu  erfahren  wie  es  Ihnen  und  Ihrem 
Hause  geht? 

Mit  unveränderter  Hochachtung  der  Ihrige.      H. 

450.    Drobisch  an  H.')  Leipzig,  d.  28.  Februar  1834. 

Hochverehrter  Herr  und  Freund!  Meine  aufrichtige  Theilnahme  an  Ihrer,  doch 
nun  wie  es  scheint  glücklich  überstandenen  Krankheit,  deren  letzte  Spui-en  die 
rheinischen  Gefilde  verwischen  mögen.  Höchst  willkommen  und  erfreulich  ist  mir 
Ihre  freundliche  Einladung  zu  einer  Zusammenkunft.  Ich  fühle  recht  sehr  das  Be- 
dürfniß,  mich  einmal  wieder  im  raschen,  unmittelbaren  Verkehr  von  Ihnen  beleben, 
erfrischen,  stäiken  zu  lassen.  Doch  fürchten  Sie  nicht,  diesen  Ausdrücken  zu  viel 
Gewicht  beilegend,  einen  matten  Kranken  oder  einen  Zaghaften  zu  sehen.  Gott  sey 
dank!  ich  fühle  mich  jetzt  ganz  rüstig  an  Leib  und  Seele,  ich  fühle,  daß  es  jetzt 
die  Zeit  ist,  zu  thun,  was  in  meinen  Kräften  stehen  mag.  Mancherlei  Hindorniße, 
Vorurtheile,  abziehende  Arbeiten  sind  übei-waltigt  und  so  komme  ich  hoffentlich 
totus  ad  rem  zu  Ihnen,  einverstanden  über  die  Hauptsache,  besser  orientiert  über 
das,  was  Sie  meinen  und  beabsichtigen  als  vor  vier  Jahren,  und,  was  das  Einzelne 
betrifft,  eher  im  Stande  das  Gespräch  gewissen  Hauptpunkten  zu  widmen,  auf  gewisse 
Hauptfragen  zu  lenken.  So  werden  wir  denn,  wie  ich  denke,  bald  auf  Äußerliches 
übergehen  können  und  ich  bin  verlangend  zu  hören,  ob  Sie  in  dieser  Beziehung  — 
in  Absicht  auf  das  allgemeine  Geltendmachen  Ihrer  Lehren  —  zu  einem  Entschluß 
gekommen  sind,  oder  irgend  einen  Plan  vorhaben.  —  Aber  ich  erschrecke  vor  allen 
Dingen  über  die  Kürze  der  Zeit,  die  Sie  Ihrer  Rheinreise  gewidmet  haben,  theils 
weil  ich  imter  diesen  Umständen  kaum  eine  Erholungsreise  für  Sie  darin  sehe, 
theils  weil  ich  daraus  abnehmen  kaim,  wie  wenige  Stunden  mir  die  Freude  des 
"Wiedersehens  vergönnt  seyn  wird.  Denn  leider  muß  ich  den  Gedanken.  Sie  auf 
der  Rheinreise  zu  begleiten,  gänzlich  aufgeben,  nicht  weil  Frühjahr  ist,  sondern 
weil  meine  gesammten  Verhältnisse,  mit  denen  ich  sonst,  bei  bescheidenen  Wünschen, 
nicht  Ursache  habe,  unzufrieden  zu  seyn,  mich  vor  der  Hand  daran  nicht  wohl 
denken  lassen.  Dagegen  ist  mir  "Weimar  sehr  willkommen,  theils  weil  Ihre  Frau 
Gemahlin  dort   eine  Freundin   und    also  Unterhaltung   hat  (denn  ich   werde  wahr- 


')  3  "2  S.    4".     H.  AV 


c^  Februar   1834. 


scheinlich  allein  kommen)  theils  weil  der  sonst  so  interessante  Ort  keine  Universitäts- 
stadt ist.  Denn  ||  bei  Philosophen  Besuche  zu  machen,  mit  denen  man  nicht  ein- 
verstanden seyn  kann,  ist  etwas  peinlich,  und  ich  mache  überhaupt  ungern  Besuche, 
sowohl  bei  Philosophen  als  Mathematikern,  da  ich  immer  fürchte,  daß  man  mir 
meine  Fledei-maußnatur  von  beiden  Seiten  zum  Vorwurf  macht.  Hier  am  Orte  hat 
man  sich  nun  ganz  leidlich  hineingefunden  und  nimmt  mich  wie  eine  Thatsache, 
die  dem  einen  willkommen,  dem  andern  anstößig,  dem  dritten  gleichgültig  ist.  Daß 
aber  mein  philosophischer  Dilettantismus  bei  meinen  Collegen  Anerkennung  findet, 
nehme  ich  daraus  ab,  daß  ich  ün  vergangenen  Jahre  nicht  nur  bei  zwei  privaten, 
sondern  auch  den  beiden  öffentlichen  Magisterexamini bus  von  der  Facultät  deputirt 
worden  bin,  um  die  eigentliche  philosophische  Prüfung  zu  halten,  wobei  ich  denn 
auch  nicht  ermangelt  habe,  durch  einen  wohlverdienten  Repuls  von  meiner  Auctorität 
Gebrauch  zu  machen:  discite  jam  sophiam  moniti  nee  temnere  divos!  —  Also  ich 
bleibe  bei  Weimar  stehen,  wenn  sie  den  Vorschlag  nicht  selbst  ändern,  und  er- 
kenne mit  großem  Danke  an,  daß  Sie  dadurch  einen  weiten  Abstecher  zur  Linken 
machen,  zu  dem  ich  jedoch  hoffentlich  nicJit  allein  dieUrsache  bin.  Die  Zeit  haben 
Sie  zu  bestimmen.  Vom  ersten  April  an  geht,  wie  ich  höre,  von  hier  aus  die  Eilpost 
täglich  nach  Weimar  ab.  Mit  dieser  würde  ich  also  immer  pünctlich  ankommen. 
Vielleicht  begleite  ich  Sie  dann  noch  einige  Meilen  nach  Westen,  wenn  ich  mir  ge- 
traue, ein  paar  Tage  länger  vom  Hause  abwesend  zu  seyn.  Alles  Übrige  kann  ich 
nun  billig  bis  auf  die  Zusammenkunft  verschieben,  aber  eine  Neuigkeit  muß  ich 
Ihnen  doch  mittheilen.  Krug  hat  um  seine  Entlassung  nachgesucht !  Warum  V  Das 
weiß  der  Himmel!  In  dem  hiesigen  Tageblatt  und  der  Leipz.  Zeit,  hat  er  gestern 
erklärt,  um  vielen  Aufragen  auf  einmal  zu  begegnen,  daß  ihn  dazu  weder  Kränkung 
von  Seiten  der  ||  Eegierung,  die  ihn  vielmehr  sehr  ehrenvoll  behandelt  habe,  noch  sonst 
Kränkung  von  andern  Seiten  dazu  veranlasse,  daß  er  in  Leipzig  bleiben  und  ,,so 
lange  es  die  Umstände  gestatten  möchten,  als  Magister  legens  Vorlesungen  halten 
werde",  daß  man  ihn  übrigens  mit  Anfragen  verschonen  möge  pp.  Meine  Meinung 
ist:  K.  fühlt,  daß  er  alt  wird;  er  wird  es  in  der  That  geistig  recht  sichtbar.  Das 
merkt  man  an  seiner  ihm  sonst  ganz  fremden  Müde,  Gleichgültigkeit,  Muthlosigkeit, 
Schlaffheit,  Indifferenz  etc.  Seine  Vorlesungen  haben  ungeheuer  abgenommen,  denn 
er  hat  diesen  Winter  publice  gelesen  was  sonst  privatim  und  doch  nicht  viel  Zu- 
hörer erworben.  Seine  Flugschriften  mögen,  was  die  letzten  betrifft,  geringen  Ab- 
satz gefunden  haben.  Er  ist  nicht  mehr  liberal  genug  für  die  Parteimänner.  Ebenso 
wenig  Ruhm  hat  er  auf  dem  Landtag-  erworben,  wo  andre  seiner  Collegen  weit 
mehr  Beifall  errungen  haben.  Das  Alles  kann  ihm  nicht  entgangen  seyn.  Nun 
hat  er  in  seinem  Urceus ')  geäußert :  Die  Regierungen  müßten  eigentlich  die  Profes- 
soren in  gewissen  Jahren  zur  Ruhe  setzen,  denn  den  Universitäten  müsse  immer 
wieder  fri^iches  Blut  zugeführt  werden.  Nun  ist  er  konsequent  und  Charakter  genug, 
um  auf  seine  eigene  Emeritirung,  (vielleicht  mit  dem  größten  Theil  des  Gehaltsj  an- 
zutragen und  für  sich  und  seine  Familie  Opfer  zu  bringen.  Die  ihm  übel  wollen, 
werden  hinzufügen,  daß  ihn  dabei  das  Aufsehen  kitzelt,  das  die  Sache  macht,  und 
ob  nicht  im  tiefsteij  Hintergrunde  auch  etwas  davon  steckt  mag  ich  nicht  entscheiden 
wollen.  Seine  Stipendienstiftung  im  Jahre  1827  ließ  fast  auch  so  etwas  vermuthen. 
—  Daß  ihm  das  Ministerium  sein  Gesuch  gewähren  wird,  glaube  ich  noch  nicht. 
Geschieht  es  aber,  so  wird  man  Wendt  zu  gewinnen  suchen  und  dieser,  wenn  die 
Anerbietungen  sonst  nicht  schlecht  sind,  kommen.  Denn  Wendt  mit  seiner  ge- 
schichtlichen Behandlung  der  Philosophie   ist    ein  Mann   wie  ihn  unser  Ministerium 

*)  Unter  dem  Namen  Urceus  hatte  Krug  1825  seine  ,. Lebensreise  in  6  Stationen" 
beschrieben. 


März   1834. 55 

wünscht,  das  entschiedene  Farben  wohl  nicht  liebt,  und  seine  Kunstkritik  paßt  ganz 
für  Leipzig,  wo  er  noch  nicht  ersetzt  ist.  "Weiße's  Aesthetik  ist  zu  metaphysisch 
abstrakt,  zu  unpraktisch.  Clodius  ist  =  0,  er  mag  nun  hier  oder,  wie  jetzt,  auf 
Reisen  seyn.  So  steht's  mit  den  hiesigen  Professoren  der  Philosophie!  Desto  besser 
für  uns,  wollen  wir  in  aller  Stille  sagen.  Sie  aber,  vergeben  Sie  mir  diese  meine 
Klatscherei. 

Frau  und  Kind  befinden  sich,  Gott  sey  Dank,  diesen  Winter  wohl.  Erstere 
empfiehlt  sich  mit  mir  zugleich  Ihrer  Frau  Gemahlin  ekrerbietigst  und  freundschaft- 
lichst. Gebe  uns  der  Himmel  ein  zeitiges  Frühjahr  zu  dem  zeitigen  Ostern  und 
freundliches  "S^'etter  zu  unsrer  Zusammenkunft.  Ich  erwarte  nun  Ihi-e  weiteren  Be- 
stimmungen.    Mit  innigster  Verehrung      Dir  aufrichtigst  ergebener    Drobisch. 

451.     An   Drobisch.  ^jl  Göttingen,  9  März    1834. 

Mein  theurer  Freund!  Ihr  sehr  lieber  Brief  vom  28  v  M  stellt  mir 
frey,  die  Zeit  unseres  Zusammentreffens  in  Weimar  zu  bestimmen.  Da- 
von muß  ich  Gebrauch  machen,  und  noch  mehr:  auch  die  Hoffnung,  die 
Sie  geben,  uns  noch  einige  Meilen  zu  begleiten,  muß  ich  mir  zueignen, 
wenn  ich  einen  passenden  Reiseplan  entwerfen  soll.  Sonst  komme  ich 
mit  allerley  nothwendigen  Rücksichten  ins  Gedränge.  Vernehmen  Sie  nun 
meinen  Vorschlag,  und  haben  Sie  die  Güte,  mir  baldigst  zu  sagen,  ob 
Sie  ihn  billigen;  geschieht  dies,  so  gilt  mir  die  Abrede  für  geschlossen; 
im  Gegenfalle  müßten  wir  sehn,  ob  und  wie  wir  uns  einigen  können. 

Meine  Absicht  ist,  am  4  April  von  hier  zu  reisen.  Am  fünften 
April  Abends  spät  bin  ich  in  Weimar,  im  Gasthofe  zum  Erbprinzen,  den 
ich  längst  kenne  und  noch  vor  vier  Jahren  besuchte.  Also  am  5  April 
erwarte  ich  Sie  dort.  Dann  rechne  ich  auf  drey  Tage,  die  wir  zusammen 
zubringen.  Weniger  darf  es  doch  wohl  nicht  seyn!  Also  am  6  April 
sind  wir  ruhig  in  Weimar.  Am  7  reisen  Sie  mit  uns  nach  Eisenach ;  am 
8  sind  wir  in  Eisenach  und  besteigen  die  ganz  nahe  liegende  Wartburg. 
Am  g  reise  ich  weiter,  nach  schmerzlicher  Trennung  von  Ihnen.  —  Können 
wir  es  besser  einrichten?  Wollen  Sie  vielleicht  in  Gotha  eine  Nacht 
bleiben?  —  Vielleicht  wird  das  Wetter  auch  mitsprechen.  Jedenfalls  aber 
liegt  mir  daran,  daß  ich  am  9  früh  von  Eisenach  abreise  gen  Frankfurt. 
Allerley  Gründe  für  meinen  Plan  habe  ich  anzuführen.  Erstlich  würde 
man  es  uns  beyden  in  Jena  übel  deuten,  wenn  wir  länger  als  ||  einen  Tag 
in  Weimar  wären,  und  doch  nicht  zusammen  die  paar  Meilen  weiter,  uns 
bemühen  wollten.  Ferner  muß  ich  der  Pferde  wegen  mit  Fahren  und 
Ausruhen  möglichst  abwechseln.  Dasselbe  aber  ist  auch  schon  meiner 
noch  immer  schwachen  Gesundheit  wegen  nöthig.  Endlich  könnte  ich 
die  Wartburg  als  ein  angenehmes  Ziel  für  Sie  bezeichnen,  wenn  nicht 
leider!  die  Jahreszeit  noch  zu  sehr  zurück  wäre,  um  solche  Waldgebirge 
grün  zu  kleiden. 

Eiligst  schließend  hoffe  ich  auf  baldigste  gütige  Antwort. 

Ganz  der  Ihrige!     H. 

')  2  S.    4°. 


e()  März   1834. 


452.  Drobisch  an  H.^)  Leipzig,  19.  März  34 
Hochverehrter  Freund  und  Gönner!    Daß  ich  einige  Tage  mit  der  zusagenden 

Antwort  gezögert,  geschah  nicht  in  Folge  aufgestiegener  Zweifel,  sondern  fand  seine 
Veranlassung  in  einer  nervösen  Unpäßlichkeit  meiner  Frau,  deren  weiteren  Verlauf 
ich  erst  abwarten  wollte.  Obgleich  dieses  Übel  nun  zwar  noch  nicht  völlig  gehohen 
ist,  so  fürchte  ich  doch  davon  vor  der  Hand  keine  weiteren  ernsthafteren  Folgen. 
Ich  erkläre  mich  daher  mit  allem,  was  Sie  in  Vorschlag  gebracht  haben,  einver- 
standen und  hoffe  Sie  den  5ten  April  in  Weimar  zu  treffen,  wenn  der  Himmel  mich 
und  mein  Haus  bis  dahin  vor  Schaden  bewahrt.  Es  wäre  möglich,  daß  ich  schon 
einen  Tag  früher  in  Weimar  einträfe,  was  Ihnen  doch  wohl  gleichgültig  seyn  würde? 
Wahrscheinlich  werde  ich  nämlich  schon  den  3ten  abreisen  und  vielleicht  den  4ten 
in  Naumburg  bleiben,  wo  ich  einen  Bekannten  aufsuchen  will.  Sollte  ich  einen  Tag 
eher  in  Weimar  eintreffen,  so  werde  ich  jedenfalls  keine  Besuche  machen,  um 
mich  für  Sie  völlig  frei  zu  erhalten.  Also  wir  finden  uns  in  Weimar  und  scheiden 
auf  der  Waitburg.     Absit  omen !    Doch  unser  Reich  ist  nicht  von  dieser  Welt  und 

unser  Wartbui'gfest  sicher  nicht  ein  politisches! Krug  hat  nun  bereits  seine 

Entlassung  mit  1000  Thlr.  Pension.  Dabei  hat  das  Mmisterium  anbefohlen,  bei  der 
Denomination  eines  Nachfolgers  auf  Beneke  und  Bitter  Rücksicht  zu  nehmen.  Was 
sagen  Sie  dazu?  So  weit  ist  es  aber  noch,  nicht  und  die  Facultät  scheint  nicht  Lust 
zu  haben,  ihr  altes,  freies  Vorschlagsrecht  sich  verkümmern  lassen  zu  wollen. 
Unser  Ministerium  abei"  weiß  schwerlich  viel  von  der  Bedeutung  der  Philosophie 
auf  der  Universität.  Sie  geht  ihm  auf  in  Geschichte  d.  Philos.  u.  empiiischer  Psy- 
chologie u.  ein  wenig  bescheidener  Logik. 

Überhaupt  kommt  vorgenanntes  nie  über  den  Begriff  der  „Nützlichkeit"  hinaus. 

Mündlich  Mehreres.     Mit  innigster  Verehrung 

der  Ihrige     Drobisch. 

453.  Marotzky  an  H.-j  Potsdam,  den  31  Maerz  1834  am  Ostern-Montage 

Hochgeehrter  Herr  Professor!  Die  persönliche  Beziehung,  die  mir  den  heu- 
tigen allgemeinen  Festtag  für  mein  Leben  besonders  eindringlich  macht,  indem  ich 
vor  einem  Jahre  an  diesem  Tage  zuerst,  in  meiner  Vaterstadt  Mcmel  eine  Kanzel 
bestieg,  und  so  wie  nie  den  heiligsten  und  reinsten  Empfindungen  ungetheilt  hin- 
gegeben war,  kann  ich  nicht  edler  und  dem  Herzen  genügender  festhalten,  als  in- 
dem ich  mit  voller  Seele  bei  Ihnen  bin,  dem  ich  die  beste  und  reinste  Kraft  der 
Begeisterung  für  die  größten  erhabensten  Angelegenheiten  des  Lebens  so  reichlich 
verdanke.  -  Sie  vor  allem  halfen  den  Blick  für  die  Kenntniß  des  wahrhaft  Werth- 
vollen  mir  aufschließen,  die  Sehnsucht  nach  dem  Guten  und  Höchsten  zum  Selbst- 
verständniß  bringen,  wiesen  mir  dasjenige,  wonach  die  Größe  und  der  Glanz 
jedes  Werkes,  jeder  Thatsache,  die  der  Mensch  anstaunt,  verehrt  und  liebt,  sich 
ihrer  innersten  Wahrheit  nach  offenbart.  Aus  ihrem  Munde  kam  auch  mir  die 
Weisung  auf  wahre  Wissenschaft  und  Wissenschaftlichkeit,  die  Belehrung  über 
die  vielfältigen  Täuschungen,  mit  denen  sicii  selbst  überlassene,  sich  selber  unklare 
Hoffnungen  und  Ansprüche  an  die  Wissenschaft  den  wahren  Weg  der  Forschung 
und  ihre  Ergebnisse  uns  entreißen.  Forderungen  liegen  vor  mir,  denen  sich  nie- 
mand entziehen  kann:  denn,  er  muß  sie  anerkennen,  sobald  er  sie  erkennt.  Der 
Lust,  ihnen  die  eigene  Kraft  zu  widmen,  widersteht  man  nicht,  nur  die  Furcht 
bleibt,  ob  die  Kräfte  was  werth  seien  für  die  Größe  des  Gegenstandes ,  dem  das 
Geniüth,   das  ihm    befreundet  ist,   nur   taugliche  Kräfte  wünschen  kann.     Daß  Sie 

■)  1  S.   40.    H.  Wien.  " 

*)  3\i^  S.    4".   H.  Wien. 


März    1834.  z-j 

auch  mir  die  Wahrheit  lieb  gemacht  und  das  Bewußtsein  alles  dessen  wonach  man 
mit  Liebe  strebt,    gereinigt   und   gestärkt  —  für   solche    Dinge    zu   danken    hab  ich 
keine  Sprache.     Nachsichtig  und  freundlich  nehmen  Sie  deu  DanK.  den  mein  Leben 
Ihnen  fortdauernd  schuldet,  jetzt  in  diesem  Geständnisse.     Ich  wünschte  wol  anders 
einmal  zu  können.     Doch  müßten  Sie  selbst  mich  erst  dazu   fähig  erklären  können. 
Das  Studium  Ihrer   Schriften    kann   ich   noch    lange   und  wol   niemals  nicht  lassen. 
Es  diängt  immer  aufs  neue  dazu  hin.     Seit  Michael  hab  ich  mein  geliebtes  Koenigs- 
berg  auf  ein  Jahr   verlaßen    und    bin   seitdem    in   Berlin,   wo   ich  Schleiermachers 
letzte  Vorlesungen,  und  Neander  gehört  habe.     (Einige  Tage  der  Ferien  bin  ich  nun 
zu  Besuch  bei  Verwandten  in  Potsdam.)    Wie  unzählige  mal  mußte  ich  in  deu  berliner 
Vorlesungen  der  Zeit  gedenken,  wo   ich  die    sehnlich    erwarteten  Stunden  in  Ihrem 
Auditorium  genießen  konnte,  und  was  gäbe  ich  darum,  wieder  mich  in  Ihrem  Hör- 
saal einfinden  zu  können,   um   noch   einmal  die  Methaphysik   bei  Ihren  mündlichen 
Vorträgen  zu  studieren.     Was  sind  4  Semester  für  dasjenige,  was  recht  durchdacht 
zu   werden    zugleich    muß    erlebt   werden.     Überall    und   von  allen  Seiten  weid  ich 
in   das«  emmal   durchlaufene    aufs    neue    hineingetrieben   als    auf   die   Enträthselung 
dessen,    was    mir    viele,    als    wäre    es    schon    die    Lösung    selbst    im    Zustand    der 
eigenthümlichsten    Verwirrung    anbieten.     Die    alte    ursprüngliche    Neigung    meines 
Herzens,  die  mich  zum  Geistlichen  bestimmt,  ist  mir  geblieben.    Ihre  Lehren  haben 
diese    Neigung    genährt.      Ich    fühle    deutlich,    welche  ern.ste,    bei    aller    Demüthi- 
gung  welche  sie  mitbringt,    erhebende   Aufgabe  dem  Geisthchen    gestellt  ist.     Eine 
lautere  Stimme  soll  er  sein,  die  in  das  Leben  hineinruft,  was  über  dem  Leben  un- 
wandelbar schwebt  und  was  nur  zu   leicht  die  Verwirrung   und  Verschlingung  des 
Lebens  zu  entstellen    vermögen.     Mit    Liebe   für   das  Gute   und   die  Menschen   und 
mit   Vertrauen    auf   Gott   ausgerüstet   soll    er   das   Leben   versöhnen    und    füi-   das 
Leben  erheitern  und  kräftigen.     Auch  was  das  Christenthum  besonders  auszeichnet, 
ist  mir  immer  klaieie  und   wärmere  Herzenssache  geworden.  —  Der  Gang  meiner 
Bildung  ist  eine   langsame   Verarbeitung.     Daß  die   wahre  Läuterung  darin  begann 
und  fortgehen  kann,  ist  Ihr  AVerk  in  hohem  Grade.     Aber   ich   hatte  viel  zu  über- 
winden.    Erst  Jugendeindrücke ,  mehr  von   der  Art  ungläubiger   Zweifel   und  emer 
Art  von  Indifferentismus  gegen  alles,  was  über  die  Äußerungen  des  natürlichen  religiösen 
Gefühles  hinausging.     Späterhin   theils  unverständUche,  theils   geschmacklose,  theils 
empörende  Lehren  und  Begiiffe,   die    mir,   ehe  ich  ein  Gebiet   inniger  Befriedigung 
fand,  von  verschiedenen  Seiten   angeboten   wurden.     So   ist    es  gekommen,   daß  ich 
auch  als   Theologe  nun,  da  mir  der  Gegenstand   derselben  und   ihr  Studium  unend- 
lich theuer  ist,  noch  viel  zu  thun  behalte.     Besonders  in  einem  Gebiete  springt  mir 
der  Mangel  in  der  Behandlung,  welche  die  Theologen   dem  Gegenstande  angedeihen 
laßen    immer   ärgerlicher   in    die   Augen.     Und  dies  ist   die  Sittenlehre.     Zur  Sym- 
pathie   mit  Schleiermachers    Gemüth    und    theologischer   Überzeugung    regten   mich 
seine  Monologen  und  seine    Dogniatik    an.    und    ich    war   froh,    ihn   hier   hören    zu 
können.     Besonders   begeisterte   mich   seine  Exegese   und   seine   Dogmatik   brachte 
mir  in  vielem  Einzelnen,   wie   im  Ganzen    die    schoene  Befriedigung,    daß   er  nicht 
durch    ein    falsches  Wissen    begründen    will,    was  in    allen    Gemüthern    Sache    des 
Glaubens  ist;    daß  er  vielmehr  sich   genügen  läßt,    die  Zustände   des  frommen  Be- 
wußtseins so  weit  es  gelingen  will,  reflectieiend  aufzufassen.     Aber  ein  eigenthüm- 
liches  Verhalten  zeigte  er  gegen  den  sittlichen  Gehalt  der    religiösen  Voi-stellungen. 
Was  er  mit  voller  Seele  so  reich  und  schön  empfand,  das  schien  er  hier  entweder 
nicht  aussprechen  zu  wollen  oder  wissenschaftlich  zu  vernachlässigen.     Dies  drängte 
mich  zum  Lesen   seiner    Critik   und   zu  den  Abhandlungen   vor  der  Akademie;  und 
da  überzeugte  ich    mich    nun    von    dem  Irrthum,    der   seiner   Ansicht  zum  Grunde 


58 April   1834. 

lieijt  und  erfuhr,  wie  er  die  Heilung  einer  Wissenschaft,  deren  Gebrechlichkeit  er 
anerkennt  und  zur  Anschauung  zu  bringen  strebt,  von  einer  ganz  falschen  Seite 
bei  zu  bewerkstelligen  glaubt.  Hier  nun  ein  vollendetes  Ganze  zu  sehen  ist  eine 
Sehnsucht,  die  ich  nicht  aufgeben  kann.  Wie  gern  möchte  ich  es  mir  wenigstens 
zur  Klarheit  bringen,  icie  und  als  was  das  Ganze  dieser  Wissenschaft,  deren  Grund- 
gedanken ich  bei  Ihnen  kennen  gelernt,  neu  erstehend  erscheinen  solle.  Ich  gieng 
hier  in  Berlin  wieder  an  Ihre  Bücher,  nahm  die  Einleitung,  die  praktische  Philo- 
sophie durch,  die  Psychologie  jetzt  bis  zum  2ten  Abschnitte  des  analytischen  Theiles, 
und  befestigte  den  Entschluß ,  Ihnen  eine  Abhandlung  zu  übersenden,  die  freilich 
für  jetzt  nichts  anderes  wird  sprechen  koennen,  als  den  Beweis,  daß  ich  die  Sache 
liebe  und  das  Interesse  mich  an  derselben  festhält.  Vielleicht  geht  es  mir  einmal 
so  glücklich,  daß  ich  neben  der  Wirksamkeit  als  Geistlicher  in  der  Stadt,  auch 
fleißig  filr  die  Theorie  fortzustudiren  vermag,  wie  es  mir  Bedürfniß  ist.  Es  war 
darum  schon,  ehe  ich  nach  Berlin  kam,  mein  Plan,  bei  Ihnen  wo  möglich,  mein 
Doctor-Examen  zu  machen.  Denn  von  niemand  anders  als  von  Ihnen  möchte  ich 
mir  das  Diplom  holen.  Die  Frage  also,  die  ich  thuu  wollte,  und  um  deren  gütige 
Beantwortung  ich  Sie  zu  bitten  wage,  ist  diese  nach  den  genaueren  Umständen  und 
Bedingungen  des  dortigen  Di». -Examens,  was  dazu  gehöre  und  was  ich  als  Präpa- 
ration dazu  nun  ergreifen  müsse.  Und  würden  Sie  selbst  mich  examinieren,?  da 
ich  in  der  Philosophie  das  Examen  zu  machen  gedenke.  Außerdem  daß  mir  Aus- 
kunft über  aUe  Einzelheiten  fehlt,  deren  Erkenntniß  mir  nothwendig  ist,  wurde  mir 
hier  die  Besorgniß  gemacht,  daß  ich  auf  einer  preußischen  Universität  es  würde  wieder- 
holen müssen.  Sollte  dies  so  sein,  so  würde  ich  mich  begnügen,  Ihnen  eine  Arbeit 
einzusenden,  um  doch  von  Ihnen  das  Diplom  zu  erhalten.  Doch  würde  ich  darum 
nicht  die  Hoffnung  aufgeben,  am  Ende  des  Sommersemester  eine  kleine  Strecke 
reisen  und  Sie  dann  gewiß  wiedersehen  zu  können,  den  ich  so  sehr  verehre  und 
liebe,  und  den  ich  um  so  vieles  zu  fragen  auf  dem  Herzen  habe.  Vergeben  Sie 
nur,  daß  ich  mit  meinen  Angelegenheiten  komme  Sie  zu  belästigen,  mit  Bitten  um 
Auskunft,  zu  welchen  mich  nichts  berechtigt,  als  das  Vertrauen  zu  Ihrer  mir  längst 
bekannten  Güte.  Ich  bin  auch  zu  unbekannt  mit  dem  Einzelnen,  was  zum  Doctor- 
Examen  gehört  und  habe  gewiß  Präparationen  nöthig,  da  ich  um  so  mancherlei  mich 
seit  längerer  Zeit  wenig  gekümmert  habe,  und  die  Zeit  mir  für  Berlin  zugemessen 
ist.  Die  Freude  Sie  wiederzusehen  macht  mir  den  Horizont  Berlins  heiterer  und 
heller  dei  seit  Schleiermachers  Tode  mir  düster  und  schwermüthig  ist.  Und  von 
Ihnen  dann  geht  es  zu  den  Königsbergern,  wo  die  Freunde  mir  helfen  sollen,  Ihre 
Liebe  uns  bewahren,  wie  wir  Ihr  Andenken  ewig  unvertilgbar  im  Gemüthe  tragen. 
In  der  Hoffnung  von  Ihnen  einige  Zeilen  zu  erhalten,  sobald  Ihre  Zeit  es  gestattet, 
erlaube  ich  mir,  meine  Adresse  Ihnen  beizufügen,  und  bleibe  mit  dem  innigsten 
Danke,  der  mir  für  die  edelsten  Gaben  die  Sie  einst  lehrend  und  lebend  in  Koenigs- 
berg  austheilten,  möglich  ist 

Hochachtungsvoll  Ihr  Sie  liebender  Zuhörer 

Hermann  Eduard  Marotsky  stud.  theol. 

Berlin,  Friedriclistraße  N.  135a  (an  der  Weidendammer  Brücke)  3  Treppen. 

454.    Dissen  an  Welcker  über  Herbart. 'j  4.  Apr. 

„Da  ich  viele  Bekannte  verloren  habe,  ...  so  ist  mir  lieb,  daß  Herbart  wieder- 
gekommen ist.    Denn  obgleich  ich  nun  in  manchen  Dingen  meine  selbstständige  Über- 

1)  Nach  L.  Dissen,  Kleine  lat.  und  deutsche  Schriften,  Göttingen  1839,  S.  XXII. 
Vgl.  auch  Oldenburgische  Blätter  1842.     S.  384. 


Mai  1834.  . ^g 

Zeugung  habe,  so  ist  mir  doch  seine  Unterhaltung  noch  immer  sehr  anregend.  Aus 
meinen  Studentenjahreo  verdanke  ich  ihm  viel  durch  die  Anregung,  die  er  mir  gab,  und 
die  ich  in  dem  Kreise  edler  Menschen  erhielt,  die  um  ihn  waren,  namentlich  zweier 
Grafen  Sievers,  die  nun  todt,  eines  Petri,  üngewitter  und  anderer  geistreicher  Köpfe; 
auch  Tölken  gehörte  dahin;   —   auch  den  feinen  Stackeiberg  hatte  ich  sehr  gern.'' 

455.    Drobisch  an  H.')  Leipzig  4.  Mai  34. 

Mein  hochverehrter  Gönner  und  Freund!  Nunmehr  darf  ich  Sie  mit  größter 
Wahrscheinlichkeit  mir  wieder  in  Göttingen  denken,  zurückgekehrt  hoffentUch  ge- 
sund und  erheitert,  was  ich  besonders  Ihrer  edlen  Frau  Gemahlin  von  Herzen 
wünsche.  Für  die  zahlreichen  Beweise  Ihrer  Freundschaft,  die  mir  in  "Weimar  zu 
Theil  geworden,  nochmals  innigsten  Dank.  "Wie  hab  ich  es  bedauert,  daß  ich  so 
kränklich  und  kraftlos  vor  Ihnen  erscheinen  mußte,  nach  so  langer  Unterbrechung 
unseres  pereönlichen  Verkehrs,  und  dadurch  mir  unmöglich  gemacht  wurde,  manches 
mit  so  viel  Energie  durchzusprechen  als  ich  mir  vorgesetzt  hatte  und  bei  bessrer 
Gesundheit  hoffentlich  auch  dazu  fähig  gewesen  wäre!  Doch  hoc  in  fatis  erat! 
Darum  lieber  gleich  zu  einem  Punkte,  der  eben  nicht  gehörig  zu  Ende  gebracht 
worden  ist,  obgleich  ich  in  "W,  meinte,  es  sey  geschehen. 

Ich  beruhigte  mich  bei  unsern  psychol.  Discussionen  zuletzt  mit  dem  Aus- 
druck: die  ganze  Klarheit  der  Vorstellung  sei  proportional  der  Stärke.  Zu  Hause  an- 
gelangt finde  ich  aber,  schon  früher  einmal  nach  dieser  Hypothese  gerechnet,  sie 
aber  verworfen  zu  haben,  da  sie  unter  allen  Umständen  auf  gleiche  Vertheilung  der 
Hemmungssumme  füliren  würde,  wie  ungleich  auch  die  Vorstellungen  seyen.  Denn 
seyen  die  Vorstellungen  hinsichtlich  ihrer  Stärke  a,  b,  c;  hinsichtlich  ihrer  Klarheit 
i,  k,  1,  (welche  von  a,  b,  c  verschiedene  Größen  nur  vorläufig,  der  größeren  Deut- 
lichkeit  wegen   angenommen   werden);    S   die  H.  S.;    der  Gegensatz    voll;   für  das 

Gleichgewicht  die  absolute  Klarheit  der  3  Vorst.  x,  y,  z,  also  die  relative—.,  -y-,  y-; 

X         iL        L 

Q   V"        h  TT       P    7 

30  sind  ihre  Spannungen  -r-,  -—'  -j-»  daher,  weil  beim  Gleichgewicht  die  Span- 
nungen  gleich  seyn  müßten 

1         k 
ax       c  z 

x-|-y  +  z-S  =  0 
Aus  diesen  Gleichungen  folgt  durch  Elimination 

bciS  ackS  äbtS 


I  =  •    y  • „ 

abl-f  acx -f-bci  a  bl  +  ac  k  4- b  c  i  a  b  1 -|- ac  k -f- b  ci 

Setzen  wir  nun  i.  k,  1  proport.  a,  b,  c,  also  etwa  i  =  af;  k  =  bf;  1  =  c  f , 
80  wird  kommen 

x  =  y  =  z==V3S 
gewiß  ein  ganz  unbrauchbares  Resultat. 

Dies  führt  mich  nun  wieder  auf  die  Meinung  zurück,  daß  die  ganze  Klarheit 
für  alle  Vorstellungen  die  gleiche  ist  und  daher  =  1  gesetzt  werden  kann.  Ich 
unterstütze  dies  mit  folgenden  Bemerkungen.  Die  stärkere  Vorstellung  muß  in  der 
Regel  (abgesehen  von  Hülfen)  auch  die  klarere  zu  seyn  scheinen ;  da  ihr  die  größere 
Stärke  mehr  "Widerstandsfähigkeit  giebt,  aber  sie  producirt  nicht  mehr  Klarheit,  da 
sie  überhaupt  keine  active  Kraft  ist.    Die  Erfahning  kann  nicht  darüber  entscheiden. 


•)  4  S.    4"  u.  eine  Einlage  2  S.    4". 


6o  Mai   1834. 

ob  die  ganze  Klarheit  d.  Vorstell,  eine  verschiedene  ist,  da  die  scheinbare  Ver- 
schiedenheit sich  schon  aus  der  Stärke  erklärt.  Es  wäre  also  wol  schon  gegen  die 
gute,  naturphilosophische  Methode,  noch  eine  urspriingiiche  Verschiedenheit  der  Klar- 
heit anzunehmen,  da  sie  sich  aus  derjenigen  der  Stärke  erklärt.  Es  kann  nie  mehr 
vorgestellt  werden  als  eben  die  Vorstellung,  d.  i.  die  ganxe  Vorst.  Ich  glaube  aber 
nicht,  daß  sich  z.  B.  behaupten  läßt,  im  Lichte  des  Sirius  werde  mehr  vorgestellt, 
als  in  dem  der  Capella  (beide  als  gleichfarbig  angenommen),  sondern  nur  dies,  daß 
in  der  Empfindung  des  Siriuslichts  mehr  Energie  des  Vorstellens /liege:  dies  wird 
schwerer  aus  dem  Bewußtsein  weichen ,  gleichzeitig  mit  dem  der  Capella  wahr- 
genommen als  das  klarere  erscheinen,  weil  seine  größere  Energie  (Stärke  des  Vor- 
stellens) es  auf  Kosten  des  andern  lebendig  erhält.  Diese  psychol.  Gegenstände 
haben  mich  jedoch  nur  kurze  Zeit  nach  meiner  Rückkehr  beschäftigt,  da  sie  jetzt 
nicht  zur  Veröffentlichung  gelangen  sollen.  Auch  muß  ich  mit  Ihnen  wirklich  ganz 
ins  Reine  über  diese  Rechnungssachen  kommen,  bevor  es  rathsam  ist,  darüber  zw 
schreiten:  denn  wir  vergessen  es  beide  nicht,  daß  L.  schon  triumphirt  hat,  daß, 
wenn  man  mit  3  Decimalen  rechnet,  die  Resultate  ein  klein  wenig  anders  aussehen, 
als  bei  zweien!  Was  ich  von  Zeit  und  guter  Laune  in  den  Ferien  habe  erübrigen 
können  (denn  die  ersten  Tage  nach  meiner  Rückkehr  befand  ich  mich  noch  recht 
unwohl,  und  die  rheumatische  Affection  des  ganzen  Körpers  wich  nur  allmälig)  das 
habe  ich  auf  zwei  kurze  Abhandlungeii  verwendet,  die  das  besprochene  1  ste  Heft 
der  Beiträge  eröffnen  sollen:  I.  Über  Geist,  Tendenz  und  Stellung  der  H[erbart]schen 
Philosophie  überhaupt:  II.  Über  syst.  Einheit  und  wissenschaftl.  Architektonik  d. 
H.  sehen  Philosophie.  Die  erste  hat  bei  ein  paar  unbefangenen  Freunden,  denen  ich 
aber  sonst  Urtheil  zutrauen  darf,  Beifall  erhalten;  die  andre  habe  ich  noch  niemand 
mitgetheilt.  Es  werden  nun  ferner  die  widersprechenden  Begriffe,  die  Methode  d. 
Bez.,  die  zuf.  Ansichten,  synechologische  Erörterungen  ||  an  die  Reihe  kommen,  und 
ich  hoffe  die  Arbeit  wird  mir  immer  leichter  werden,  je  mehr  ich  aus  dem  Allge- 
meinen und  Umher.schweifenden  der  einleitenden  Aufsätze  herauskomme,  die  mir 
aber  für  die  Bestimmung  der  Schrift  unentbehrlich  erscheinen.  Wenn  Sie  nun_ 
mein  Verehrter,  für  diesen  Versuch,  wie  ich  zu  hoffen  wage,  einiges  Interesse 
hegen,  so  bitte  ich  um  —  sogenannte  Zudringlichkeit.  Denn  ich  bin  oft  ein  klein- 
müthiger  und  hypochondrischer  Mensch.  Sie  wissen  ich  arbeite  damit  nicht  in 
meinem  äußern  Berufe.  Jetzt,  da  in  Kurzem  eine  mathematische  Schrift  heraus- 
kommt, die  wenigstens  nützlich  seyn  kann,  wenn  sie  auch  nichts  Großes  enthält, 
und  die  ihren  Vf.  vielleicht  in  dem  Streben  nach  Klahrheit  und  Gründlichkeit  zeigt, 
hetze  ich  -mich  eine  Weile  über  meine  alten  Vorurtheile  hinweg,  bis  es  mir  dann 
etwa  wieder  einmal  einfallen  wird,  es  sey  doch  unverantwortlich,  Titel  und  Gehalt 
eines  Professors  d.  Mathematik  zu  haben  und  die  beste  Kraft  einem  andern  Fache 
zuzuwenden.  Da  rechne  ich  denn  auf  Ihre  Aufmunterung.  Denn  Vorwürfe  wird 
man  mir  weder  von  hier,  noch  von  Dresden  aus  über  meine  philosoph.  Bestrebungen 
machen,  und  wenn  ich  wirklich  in  letzterer  Hinsicht  etwas  leisten  kann,  was  in  die 
Zeit  eingreift  (in  der  Mathematik  werde  ich  darauf  Verzicht  leisten  müssen)  so  halte 
ich  mich  von  dem  .höheren  Standpuncte  aus,  auf  dem  ich  nach  meiner  Lebens- 
bestimmung, nach  der  Aufgabe  meines  Lebens  frage,  vollkommen  gerechtfertigt, 
wenn  ich  mich  über  die  zufällige  Lage,  in  die  mich  die  Verhältnisse  gestellt  haben, 
etwas  hinwegsetze.  Aber  es  beruhigt  sehr,  Bestätigung  solcher  Ansichten  von 
Männern,  denen  man  Verehrung  zollt,  zu  erhalten,  und  so  wird  mir  es  jederzeit 
wohl  thun,  wenn  Sie  mir  Ihre  Theilnahme  an  den  philos.  Arbeiten,  die  ich  zu  unter- 
nehmen gedenke,  nicht  vorenthalten,  sondern  mich  \ielmehr,  gleichsam  mit  väter- 
lichem Eifer,  antreiben  wollen,  fortzufahren  und  zu  Stande  zu  bringen.  —  So'  kui'z 


Mai   1832.  61 

auch  diesmal  unser  Zusammen seyn  war,  so  sehr  habe  ich  mich  doch  dadurch  an- 
geregt gefühlt;  gewiß,  es  würde  viel  schneller  mit  mir  vorwärts  gehen,  wenn  ich 
mich  öfter  ;m  liirer  Energie  aufi-ichten  könnte,  aber  dieser  Wunsch  wird  ein  frommer 
bleiben.  Erfrischung  durch  Wahrnehmung  einer  rüstigen  Regsamkeit  anderwärts 
ist  uns  II  Leipziger  Professoren  höchst  nöthig:  demi  hier  ists  manchmal  zum  ein- 
schlafen. Schwäche.  Schlaffheit,  Indifferenz,  Bequemlichkeitsliebe,  Schlendrian  wird 
als  Humanität  und  Solidität  verkauft,  und  es  bedarf  sehr  eines  neuen,  raschen  Um- 
schwungs unsrer  trägen  Studirmaschine.  Unter  den  jüngeren  und  neuberufenen 
Professoren  und  Docenten  fühlen  dies  auch  die  meisten,  und  es  ist  jetzt  oft  ein 
Gedanke,  der  mich  sehr  beschäftigt,  wie  ein  regeres,  wissenschaftliches  Leben  unsrer 
alten  Anstalt  eingehaucht  \yerden  könne.  Ich  denke  dabei  manchmal,  daß  Philo- 
sophie hier  nicht  die  unbedeutendste  Rolle  spielen  könnte,  und  dann  hoffe  ich  von 
der  Zukunft. 

Über  Kmgs  Nachfolge  weiß  ich  noch  nicht  das  Mindeste,  denominii-t  Lst  noch 
gar  nicht:  es  wäre  mir  am  liebsten,  wenn  ich  nicht  dabei  zu  seyn  brauchte,  doch 
kann  man  zuweilen  nützen,  indem  man  verhindert.  Unter  welchen  Anspielen  meine 
Vorlesungen  sich  eröffnen  werden,  kann  ich  erst  übermorgen  erfahren.  Die  Ihrigen 
werden  nun  schon  glänzend  im  Gange  seyn. 

Empfehlen  Sie  mich  und  meine  Frau  Ihrer  verehrten  Frau  Gemahlin  und  er- 
halten Sie  Ihre  fernere  Gewogenheit       Ihrem  aufrichtigen  Verehrer    Drobisch. 

Beilage  xum  Brief  vom  4.  Mai  34. 

Über  das  Gleichgewicht  unvollkommener  Complexionen. 
1)  Die  Anlage  der  Rechnungen  des  5  ten  Capitels  scheint  mir  zweifelhaft,  weil 

von  xwei  Totalkräften  a  -j — -  und  a-\-~  die  Rede  ist,  indeß  ich  glaube,  daß  bei 

«  a 

einer  einfachen  nur  dem  a  entgegengesetzten  Vorstellung  b ')  nur  die  erste  in  An- 
schlag- kommen  kann.  Denn  die  Vorstellungen  unterstützen  einander  nur  gegen  den 
Druck  der  entgegengesetzten,  sie  bilden  nur  eine  defensive,  keine  offensive  Alliance. 
Hülfe  ist  erst  dann  erforderlieh,  wenn  ein  Angriff  abgewehrt  werden  soll.  Da  nun 
«  von  b  nicht  angegriffen  wird,  so  macht  es  auch  von  der  ihm  zu  Gebote  stehenden 

Hülfe   —  keinen  Gebrauch. 
a 

2j  Vorstehendes  zugegeben,  stände  nun  die  Rechnung  ganz  einfach  so: 

Heißt  das  Leiden  von  a,  x  von  der  Totalkraft  a  -| X  von  b,  y  und  ist 

a 

b  dem  a  im  Grade  m  entgegengesetzt,  so  ist 

b  m  am 


X:y=^^/  r  Q\    :  j      ^    r  g\  ^  =  h  :  a\  also  a  X  =  b  v 

aX 


H(a+'^)^(a+^)v 


T-.  •  ,  a  b  y 

Ferner  ist  x  =  r  p   =  -.- 


a  H — ^       a*  -f  r  o 
a 


^•^x 


Heißt  das  Leiden  von  «  C  so  ist  dies  = ;    denn    was    a    nicht    trägt, 

muß  o  tragen,  also  ist  C  = 


a(a2  +  rp) 


^)  Im  Original  steht  ,,a". 


62  Mai   1834. 

Endlich  kommt  dazu  x  +  ?  +  y  =  S;  folglich 

a  (a^  +  r  p)  S 


X  = 


(a 

+  b)  (a^  + 
a^bS 

re) 

(a 

+  b)  (a^  + 
rpbS 

rp) 

(a+b)(a^  +  rp) 
woraus    ebenso    richtige    Folgerungen    gezogen    werden    können    wie    der   Psych 
S.  218  sind. 

3.  Gesetzt  mau  lieüe  1)  nicht  gelten  und  sagt:  «  wird  von  b  zwar  nicht  direct, 
aber  doch  indirect  angegriffen,  indem  das  leidende  a  das  «  zur  Mitleidenheit  zieht^ 
dieses  aber  nicht  leiden  könne  ohne  seinerseits  die  Hülfe  von  a  in  Anspruch  zu 
nehmen,  das  also  dem  «  gegen  seinen  eignen  (des  a)  Druck,  zu  dem  es  freilich 
durch  b  getrieben  wird,  beistehen  müsse;  und  man  wolle  nicht  urgiren,  was  mir 
allerdings  urgirt  werden  zu  können  scheint,  daß  diese  dem  a  auferlegte  Mitleiden- 
heit das  a.  von  Neuem  in  Anspruch  nehmen  werde,  und  so  eine  unendliche  Reihe 
von  Hülfen  entstehe;  —  so  würde  doch  die  Rechnung  anders  geführt  werden  können 
als  a.  a.  0.,  nämlich,  wie  es  scheint  so : 

Mögen  X,  X,  ^  und  y  ihre  vorige  Bedeutung  behalten.     Da  wir  aber  es  jetzt 

mit  %wei  Totalkräften  zu  thun  haben,  so  heiße  das,  was  die  Totalkjaft  o.  -\-  —  von 

a 

b  leidet  2.     Umgekehrt  zerfällt  nun  auch  y  in  zwei  Theile,  nämlich  in  das,   was  b 

von  a  -1 leidet,  =  y,  und  in  das,  was  es  von  a  +  —  leidet,    =  y.^.     Hier  ist 

a  a 

m  b  m  a 

^'^^^^^y>=b(a+^)    ■    (,+  ^)b^b:a;alsoaX  =  by,; 

m  b                  m  ^ — 
-^  ■  ^2  =  I,  /      ,   e  i-\    :  -. ^——  =  b  «  :  r  p;  also  r  p  ^  =  b  «  y 

(ohne  Zweifel  wirkt  nämlich  die  Totalkraft  a  +  —  auf  b  proportionale  —  r,  weil  r 

a  tt 

Rest  von  a  und  also  b  im  Grade  m  entgegengesetzt  ist.     Endlich  ist: 

ma  m^— 

-; ; —  «  a^  Tg  ,         r  fl  y,  a'' y, 

Ji-'y->=  f     ,  r  e\ ,    :  — - — ■- =  -s— :  -^-r- — ;  also    „  ,    — ^  ,  . 

r+    aJ  b(«  +  ^)        a«  +  re  a^  +  pr'  «^  +  p  r      a' +  r  p 

a'  X  a*  -5' 

Daß  nun  überdies  x  :=  -^~ ;  und  ^  =  --— ;   endlich  y,  +  ya  =  y,    so   findet 

a  -|-  T  Q  (t  -f-  pr 

sichy  =^ü^^!±^>v  V   =lli^L±l^y.  ^_         a^b(«''  +  er)y      . 
''       (a«  +  rp)'''"^'  "^2  aa  +  rp     ^'  (a^  +  r  p)  (a  «  +  r  pj-^^' 

^        «-b(a-  +  rjy  da  x  +  S  +  y  =  S; 

(«   +  (>  r)  (a  «  +  r  p)  2  ' 

_  (a^  +  r  p)  («^  +  p  1)  (a  «  +  r  p)  ^  S . 

^      a'b  («••*  +  p  r)2  +  «='b  (a^  +  r  p)'^  +  (a'^  +  r  p)  («^  +  p  r)  (aa  +  rp)'' 

_  aH(«^  +  pr)^S 

Derselbe  Nenner 

«n(a^  +  rp)-^S 

Derselbe  Nenner' 


3 


Mai   1834.  63 

456.    Gregor  an  H. ')  Königsberg  d.  4ten  May  1834 

VeiehruDgswüidigster  Freund!  Vor  einem  Jahre  war  es  mir  vergönnt,  Ihnen 
meine  herzlichen  Glückwünsche  zu  Ihrem  Geburtstage  mündlich  darzubringen ;  heute 
kann  ich  sie  kaum  diesem  Blatte  anvertrauen,  so  voll  Schmerz  und  Freude  ist  meia 
Gemüth.  Den  Schmerz  will  ich  unterdrücken  und  nur  die  Freude  reden  lassen, 
womit  ich  Sie  an  diesem  festlichen  Tage  als  einen  uns  neu  geschenkten,  ja  von 
dreifachem  Tode  erretteten,  Freund  begrüßen  darf.  —  Denn  führten  die  Hegelianer 
nicht  Hemmung  Ihrer  Wirksamkeit  im  Schilde?  aber  sie  sproßt  im  Herzen  Deutsch- 
lands verjüngt  empor.  Oder  schreckte  uns  dieses  Neujahr  nicht  durch  Gerüchte 
von  Ihrem  Tode?  aber,  Gott  sei  Dank,  Sie  leben.  Sie  erfreuen  sich  ohne  Zweifel 
auch  der  Genesung  von  der  Krankheit,  die  Ihr  uns  allen  so  theures  Leben  neuer- 
dings bedrohte;  Sie  gedenken  unser  in  Liebe. 

Nach  einem  traurigen  Winter  kann  auch  ich  wieder  etwas  heiterer  in  die 
Zukunft  blicken,  da  meine  liebe  Frau  von  einer,  nun  schon  über  2  Monate  dauernden 
Krankheit  zu  genesen  anfängt.  Sie  bittet,  auch  ihre  Glückwünsche  freundlich  auf- 
zunehmen, und  fügt  ein  paar  Zeilen  an  ihre  liebe  Frau  Gemahlin  bei.  An  schrift- 
stellerische Arbeiten  hab'  ich  unter  diesen  Umständen  natürlich  wenig  denken 
können;  ich  habe  sie  aber  nicht  aufgegeben  und  will  —  und  will  mich  doch  endlich 
einmal  rühren.  Taute  ist  wohl.  Vo'igdt  bessert  sich  und  strebt,  wie  es  heißt,  in 
die  Landluft  hinaus,  da  hier  sein  Brust-Leiden  nicht  gänzlich  weichen  will.  Leider 
hat  diese  häusliche  Lage  unser  philosophisches  Kränzchen  noch  nicht  aufkommen 
lassen;  indessen  hoffen  wir  vom  Sommer  auch  in  dieser  Hinsicht  das  Beste. 

Rosenkranz  unterhält  durch  seine  wohlklingenden  Reden,  aber  befriedigt  das 
ächte,  philosophische  Bedürfniß  eben  so  wenig  als  er  es  anregt.  Dabei  wirkt  er 
mächtig  für  Steffens,  noch  mächtiger  für  Hegel,  oder  auch  umgekehrt.  Philosophie, 
Kunst  und  Religion:  das  sind  die  drei  „Gesichtspuncte  oder  Staudpuncte",  auf 
welchen  er  die  Studenten  in  der  Einleitung  in  die  Philosophie  ||  frisch  umherbewegt, 
und  einige  wirklich  dahin  gebracht  hat,  zu  glauben,  sie  würden  es  vom  Katheder 
herab  jetzt  schon  eben  so  gut  machen  als  R.  Andre  dagegen  sind  entzückt  über 
die  Lebendigkeit  und  Klarheit  der  Darstellung.  Überall  sprossen  ihm  Citate  auf: 
die  graue  Theorie  wird  sogleich  als  der  grüne  Lebensbaum  hingestellt;  ja  noch  mehr: 
die  wohlschmeckendsten  Früchte  werden  alsbald  gebrochen  und  zum  Genuß  dar- 
geboten. Wie  sollten  das  diejenigen  nicht  vorziehen,  die  vor  jeder  ernsten  Specula- 
tion  ein  heimliches  Grauen  haben !  Zuweilen  —  jedoch  nur  in  der  deutschen  Gesell- 
schaft wird  auch  Zweideutiges  nicht  verschmäht.  (Doch  was  sage  ich:  bei  Schelling 
und  Hegel  ist  ja  alles  zweideutig!)  So  hat  R.  z.  B.  neulich  eine  Vorlesung  über 
die  Bedeutung  des  Ehebruchs  in  der  Poesie  gehalten,  und  auch  dabei  große  Belesen- 
heit und  viel  Witz  zur  Schau  gelegt.  .,üm  mit  der  Zeit  mitzugehen'^  hat  man 
recht  vergnügt  zugehört,  wiewohl  einigen  ehrenfesten  Herren  die  Sache  trotz  aller 
eingestreuten  unterhalten  sollenden  Scenen,  doch  zu  wirklich  roh  ||  vorgekommen 
ist.  um  ein  Moment  in  der  Poesie  abgeben  zu  können.  Ich  selbst  habe  diesen  Frei- 
tag in  der  physikalischen  Gesellschaft  eine  Vorlesung  von  R.  gehört,  und  zwar  über 
die  Fortschritte  der  Naturwissenschaft  seit  Kant  und  Hegel.  R.  führte  Kants 
und  Schellings  Lehren  zwar  historisch  ziemlich  geschickt  an,  aber  ohne  alle  ge- 
nügende Kritik;  nur  bewaffnet  mit  großen  Knüppeln  gegen  die  arme  Teleologie,  die 
sich  nicht  bloß  Zurückweisung  von  den  Naturwissenschaften,  was  ja  nothwendig  ist, 
sondern  völlige  Unterdrückung  mußte  gefallen  lassen.  Von  Wolf  „dem  umgekehrten 
Deukalion'-,  weil  alles  zu  Stein  werde,  was  er  berühre,  gmg  d|e  Rede  im  st^geni- 

»)  4  S.    4:".    H.  W.  -  Über  den  Dozenten  und  Prediger  Gregor  s.  den  vorher- 
gehenden Bd.  S.  156  u.  ö. 


64  Mai   1834.       

den  Affekte  vorwärts  —  diesmal  zwar  nur  bis  Steffens  und  seinen  in  allem  Ernste 
empfohlenen  Eomanen,  aber  doch  schon  in  solchem  panegyrischem  Schwünge,  daß  ich 
nicht  absehe,  wie  Hegel  zuletzt  soll  gefeiert  werden.  Die  Mathematiker  konnten 
sich  dabei  des  Lachens  kaum  enthalten.  R.  ist  in  Gesellschaft  sehr  gern  gelitten. 
Seine  Stimmung  ist  ästhetisch  und  in  gewissem  Sinne  religiös,  aber  nicht  speculativ. 
Man  wundert  sich,  daß  ein  Hegelianer  gerade  so  denkt,  wie  ein  geborner  Königs- 
berger. Nun  leben  Sie  wohl,  sehr  wohl;  empfehlen  Sie  mich  gütigst  ihrer  lieben 
Frau  Gemahlin;  bewahren  Sie  mir  Ihr  so  höchst  schätzbares  Wohlwollen,  und  seyn 
Sie  von  meiner  aufrichtigen  Liebe  und  Hochachtung  gegen  Sie  überzeugt. 

Gregor. 

457.    An   Drobisch.i)  Göttingen,  9  May   1834. 

Nun  mein  theurer  Freund,  das  ist  brav,  daß  Sie  mir  einmal  eine 
schriftliche  wissenschaftliche  Mittheilung  machen.  Jetzt  wollen  wir  gleich 
ins  Klare  kommen;  nur  die  „Klarheit",  welche  doppelsinnig  geworden  war, 
setze  ich  für  einen  Augenblick  ganz  bey  Seite;  das  wird  sich  nachher 
finden.  Das  Erste,  wovon  ich  ausgehe,  ist  Ihr  Satz:  Beym  Gleichgewicht 
sind  die  Spanmingen  gleich. 

Spannungen?  —  Der  Sinn  ist  folgender:  Im  Stande  des  Gleich- 
gewichts sind  die  Wirksamkeiten  gleich;  sonst  würden  sie  noch  etwas  ver- 
ändern können.  Was  wirkt  denn  a  während  des  Gleichgewichts?  und 
was  wirken  b  und  c?  Die  Antwort  ist:  a  strebt  sein  Gehemmtes  —  es 
heiße  x  —  wieder  in  ein  Ungehemmtes  zu  verwandeln  und  herzustellen. 
Danach  strebt  das  ganze  a,  so  groß  es  ist.  Mithin:  Die  Wirksamkeit  des 
a,  während  des  Gleichgewichts,  ist  =  a  x.  Ebenso  die  Wirksamkeit  des  b 
ist  =  b  y,  und  die  des  c  ist  =  c  z.  Bemerken  Sie  wohl,  daß  x,  y,  z 
nichts  anderes  sind  als  die  gehemmten  Quanta  des  a,  b,  c;  dergestalt 
daß  a  —  X,  b^ — y,  c  —  z  die  Reste  seyn  würden.  Unter  dieser  Voraus- 
setzung gilt  Ihre  Gleichung 

x-|-y-j-z  —  S  =  o 
Was  aber  die  Stelle  in  Ihrem  Briefe  anlangt,  welche  sagt:  Die  ab- 
solute Klarheit  der  3  Vorst.  solle  fürs  Gleichgewicht  durch  x,  y,  z  aus- 
gedrückt werden,  so  muß  darin  ein  Schreibfehler-)  stecken.  Wenigstens 
die  Gleichung  x-j-y +  z=^S  leidet  so  etwas  durchaus  nicht.  Die  Hemmungs- 
summe ist  die  Nacht,  welche  sich  über  alle  Vorstellungen  ausbreitet;  daß 
diese  Nacht  keine  Summe  der  Klarheiten  seyn  kann,  versteht  sich  von 
selbst,  was  auch  übrigens  die  Klarheit  seyn  möchte.  Lassen  Sie  uns  nur 
rechnen.  Die  Wirksamkeiten  der  Vorstellungen  im  Gleichgewichte  sollten 
gleich  seyn.     Also  a  x  —  b  y  =  o 

a  X  —  c  z  =  o 

ax       ax  h  c  -\-  2i  c  -{'  z.h 

x  +  y  +  z  —  S  =  o,  oder  x  -\ 1 =  S  =  x  . ; also 

b  c  bc 

b.  cS  acS  abS 

y  =  : : r--^,     Z 


bc  +  ac  +  ab  bc-f-ac-fab'  bc  +  ac+ab 

wie  längst  bekannt. 


■)  3  S.    4"- 

^)  Randbemerkung  von  Drobisch:   Natürlich!  (,, Schreib  fehler"  von  Drobisch  unter- 
strichen.) 


Mai    1834. 


65 


Die  Größen  a  x,  b  y,  c  z,  würde  ich  indessen  nicht  Spannungen, 
sondern  lieber  Momente^)  nennen.  Die  Lasten  hängen  gleichsam  an  ihren 
Hebelarmen.     Die  Last  x  wird  getragen   von  a,  y  von  b,  z  von  c.  || 

Um  nun  auch  der  Klarheit  ihr  Recht  widerfahren  zu  lassen,  müssen 
wir  vor  allen  Dingen  bemerken,  daß  die  Hemmungssumme  nicht  blo/i^  wie 
ich  mich  vorhin  ausdrückte,  eine  Nacht,  sondern  eine  wirkliche  jactura, 
ein  Verlust  ist,  um  welchen  das  Quantum  des  wirklichen,  gegenwärtigen 
Vorstellens  soll  verändert  werden;-)  dergestalt,  daß  dies  Quantum  sich  in 
ein  bloßes  Streben  verwandele.  Die  obigen  x,  y,  z  sind  nur  Bruchtheile  der 
Hemmungssumme.  Sie  sind  benannte  Zahlen,  die  nur  von  andern  be- 
nannten und  zwar  gleichartig  benannten  Zahlen  können  abgezogen  werden, 
nicht  aber  von  unbenannten.  Aber  hier,  (denke  ich,)  höre  ich  Ihren 
Weimarischen   Einwurf.      Er  lautet,   wenn   ich   nicht  irre: 

so:  Die  Hemmung  einer  Vorstellung  ist  Verdunkelung.  Die  partielle 
Hemmung  eine  partielle  Verdunkelung.  Das  Gegentheil  der  Verdunkelung 
ist  Klarheit.  Diese  soll  durch  jene  vermindert  werden.  Also  muß  man 
die  Verdunkelung  von  der  vollen  Klarheit,  welche  für  alle  Vorstellungen 
=  1    ist,   abziehen,   nicht  aber  von   der  Vorstellung  selbst. 

Wirklich?  Versuchen  wir  einmal  ein  paar  Beyspiele. •^) 


')  ,  Momente"  von  Drobisch  unterstrichen,    am  Rande  von  ihm  bemerkt:    „Nein! 

Dies  Glei'chniH  ist  nur  äußerlich,   das  meinige  von  den  elastischen  Federn  hergenommen, 

was  weit  näher  liegt,  da  ihre  Formeln  mit  obigen  völlig  harmonieren,  wenn  die  Federn 

gleiche  Länge  haben." 

2)  Diobisch:   „des  Vorstellens?  dies  ist  gegen   Psych.  I.   147." 

^)  Drobisch:   NB.  Meine  H.  S.  ist  nicht  S.  d.  Stärke,    sondern  der  Klarheit  und 

daher  bei   n  Vorst.  =  n  —  i,  hier  =  i.  daher  die  Rechnung 

I  20 

^    \  21       1 21 
1 4^ 


20 
41 


I  4( 

^''''»  _20_2I 

I     '        4f~4i 
bei  Herbai  t 

420        400 


Reste 


20  —  == 


21 


41  41 

400       461 

Ti  ~  4» 


Verhältnis  zur  ganzen  Voist. 


20  :  41 


bei  H.  ^^ 

21 —  :  41 
41 

bei  mir  Verh.  zur  ganz.   Klarh.   d.   Vorst. 

I  20  :  41 

I  21  :4I 


Herbarts  Werke.     XVUI. 


66 


Mai    1834. 


Für  zwey  Vorstellungen   2 1    und   20 


41 


20 


=  20 :  -^ 


2  I 


400 
41 

420 
41 


für  zwey   Vorstellungen   2    und    i 
I  1 


I  : 


Das  zweite  Beyspiel  würde  doch  wenigstens  positive  Reste,  i  —  ^/g, 
I  —  Ys'  Jiefern ;  obgleich  die  doppelt  so  starke  Vorstellung  2  wohl  einen 
tüchtigen  Druck  gegen  die  schwache  i  ausüben  kann.  Aber  im  ersten 
Beyspiele  —  was  sollten  die  negativen  Größen  i — ^^^\\\^  und  i — *'V4i 
wohl  bedeuten?  Die  Vorstellungen  sind  nahe  gleich,  und  man  übersieht 
ohne  Rechnung,  daß  für  beyde  der  Rest  nahe  =  10  seyn  muß,  genauer 
20  — ^2oy^^   und   21 — ^^^U\    ^'ie  bekannt. 

Es  war  also  eine  Amphibolie  im  Worte  Klarheit,  dergleichen  bey 
intensiven  Größen  desto  leichter  vorkommt,  wenn  anderwärts  Warnungen 
nöthig  gewesen  waren,  daß  man  sie  nicht  gleich  extensiven  behandeln 
solle.  Ohne  Zweifel  habe  ich  Ihr  Misverständniß  durch  eine  solche 
Warnung  veranlaßt.  Warnen  mußte  ich,  daß  man  die  Reste  nicht  für 
bestimmte  Stücke  halten  solle,  welche  nach  dem  Wegschneiden  andrer 
Stücke  übrig  bleiben  möchten.  Bey  wieder  reproducirten  Vorstellungen,! 
durch  deren  Reste  noch  andre  sollen  vermöge  früherer  Verschmelzung 
reproduciert  werden,  würde  man  sonst  fragen,  ob  denn  die  wieder  hervor- 
getretenen Stücke  wohl  auch  gerade  dieselben  seyn  möchten,  welche  früher 
in  die  Verbindung  eingegangen  waren?  So  soll  man  nicht  fragen.  Denn 
die  Hemmung  ist  nicht  ein  Stück,  sondern  eine  Verdunkelung  der  ganzen 
Vorstellung;  die  partielle  Hemmung  verdunkelt  nicht  ein  abgeschnittenes 
Stück  ganz^  neben  welchem  ein  andres  Stück  ganz  hell  bliebe,  sondern 
die  partielle  Verdunkelu?ig  ist  für  die  ganze  Vorstellung  ein  7ninderer  Grad 
der  Klarheit. 

Dies,  mein  theurer  Freund!  konnte  Anlaß  geben  zu  dem  obigen 
Misverständniß. 

Wenn  Sie  aber  die  Klarheit  ;=  i  setzen,  so  haben  Sie  einen  ganz 
anderen,  einen  bloßen  Verhältnisbegriff  im  Sinn.  Es  sey  von  der  Vor- 
stellung =  20  das  Gehemmte  =  10.  Von  der  Vorstellung  2  das  Ge- 
hemmte =  I,  so  ist  ^^/go  =^  V2  ^==  ^^"^  halben  Klarheit,  welche  den  gleichen 
Zustand  für  beyde  Vorstellungen  ausmacht,  weil  auf  die  Frage:  wie  klar? 
einerley  Antwort  erfolgt,  wiewohl  das  eine  Exemplar  zu  dieser  Antwort 
zehnmal  so  groß  ist  als   das  andre. 

In  dem  allen  kann  nun  wohl  nicht  das  Geringste  mehr  dunkel  seyn, 
vielmehr  habe  ich  wahrscheinlich  schon  doppelt  so  viel  Worte  gemacht, 
als  für  Sie  nöthig  war.  Aber  —  Aufmunterung  — ?  Sogar  Zudringlich- 
keiten   wollen   Sie?    —    Wohlan   denn!    die   Natur    der  Sache    drängt  desto 


Mai   1834.  67 

deutlicher,  .da  ich  sogar  schon  die  Zeit  als  verlaufen  ansah,  wo  mir  noch 
Unterstützung  hätte  werden  können.  Wer  wenigstens  mir  noch  helfen 
will,  der  mag  eilen;  denn  bald  werde  ich  keine  Hülfe  mehr  annehmen 
können.  —  Meine  Kräfte  sinken,  und  in  meine  jetzigen  Verhältnisse  sinke 
ich  auch  hinein.  Daß  hier  ein  wahrer  philos.  Eifer  plötzlich  erwachen  sollte, 
daran  ist  nach  so  langer  Ruhe  nicht  zu  denken.  Das  Auditorium  ist  so  eben 
leidlich  gefüllt,  und  die  Schlaffheit  zeigt  sich  schon.  —  Statt  Erquickung 
durch  die  Reise  fand  ich  beständige  Anspannung  durch  den  Nordwind, 
ein  Katarrh  —  nicht  heftig,  aber  chronisch,  war  die  Folge,  er  klebt  mir 
noch  an. 

Ihre  philos.  Schrift  ist  nicht  mehr  noch  weniger  als  was  alle  Welt 
von  Ihnen  erwarten  wird;  Sie  haben  einmal  philos.  Vorlesungen  ange- 
fangen, und  können  nicht  auf  halbem  Wege  stehen  bleiben.  Befremduni^ 
können  Sie  jetzt  nicht  mehr  erregen.  Was  mich  anlangt,  so  habe  ich 
Sie  nur  nicht  ewig  plagen  wollen;  meine  Erwartung  verstand  sich  von 
selbst.  Aus  äußeren  Gründen,  aus  Gefahren  in  und  für  die  Schulen,  — 
aus  dem  Unsinn,  welcher  droht,  —  ließen  sich  hundert  starke  Gründe 
entnehmen,  die  zur  Eile  drängen  und  antreiben. 

Je  länger  Sie  säumen,  desto  schwerer  wird  das  Werk!  —  Nochmals 
herzlichen  Dank  für  Ihre  Reise  nach  Weimar;  und  viele  Empfehlungen 
an  Ihre  Frau  Gemahlin!  Ganz  der  Ihrige     H. 

458.    Drobisch  an  HJ)  Leipzig  d.  U  Mai  34 

Es  ist  mir  ungemein  erfreulich,  mein  innig  verehrter  Gönner  und  Fi- und, 
daß  meine  psychologischen  Erörterungen  von  Ihnen  mit  so  viel  Güte  aufgenommen 
und  so  ausführlich  beantwortet  worden  sind,  um  so  mehr  thut  es  mir  leid,  mich 
noch  nicht  beruhigen  zu  können,  wie  Sie  aus  dem  Folgenden  ersehen  werden. 

1)  Unbedingt  zugeben  kann  ich  den  in  der  That  nur  auf  einem  Schreibfelüer 
beruhenden  Irithum  in  der  Deutung  von  x,  y,  z.  Die  Reste,  welche  Sie  lassen, 
wollte  ich  sagen,  sind  die  absoluten  Klarheiten  der  Vorstellungen;  sie  selbst  sind 
Hemmungen,  Verdunkelungen,  ihre  Summe,  wie  Sie  sagen  Nacht,  damit  bin  ich 
ganz  einverstanden,  auch  zeigt  dies  meine  Rechnung. 

2)  Ihre  Art  zu  rechnen  (im  Briefe)  ist  auch  die  meinige.  Ihre  3  Gleichungen 
ax  —  by  =  0;ax  —  cz  =  0,  x  +  y  +  z— S  =  0    entstehen   aus   meinen  (im 

letzten  Briefe)  nämlich  aus  den  Gle.    ; y  =  0;  -. —  =  0,  x  y  +  z  —  S  =  0, 

weim  i  ^  k  =  1  gesetzt  wird. 

Dies  ist  ein  nicht  zu  leugnendes  Rechnungsf actum.  Der  Sinn  der  letzteren 
ist  wenigstens  hypothetisch  ein  guter,  nämlich  dieser:  wenn  die  ganze  Klarheit  der 
Vorstellung  eine  von  der  Stärke  derselben  unabhängige  Größe  haben  könnte,  so 
würden  die  Gleichungen  die  obigen  seyn.  Da  ich  nun  Ihre  Gleichungen  anerkenne, 
so  zeigt  vorstehendes  Rechnungsf  actum,  daß  die  ganze  Klarheit  aller  Vorstellungen 
als  ursprünglich  gleich  anzunehmen  ist.  Ich  setze  eben  i  =  k  =  t  =  1  um  der 
Einfachheit  wegen.  Diese  1  ist  aber  eine  benannte  Zahl,  nämlich  die  Klarheit, 
X,  y,  z,   sind  von  derselben  Benennung  und  Brüche.     Freilich  kann  ich  nun  auch: 

3)  Die  Hemmungssumme  nicht  als  die  Summe  der  Stärke  der  sämmthchen 
Vorstellungen    mit  Ausschluß  der  stärksten  bestimmen,  sondern  als  die  Summe  der 


')  3  S.    4".     H.  W. 


68 


Mai  1834. 


Klarheiteu  eben  derselben,  folglich,  da  diese  immer  gleich,  bei  n  Vorstellungeii 
=  n  —  1.  Daher  treffen  mich  die  Widersprüche  Ihrer  Beispiele  nicht,  sondern  ich 
muß  für  20  u.  21  rechnen: 


41:|2j  =  l:^ 


f20 

41 
21' 

41 

Sie  dagegen  rechnen  so: 


Reste  , 


1 


1 


400 
IT 

420' 

41" 


_  £1 
~  4l  ' 
_  20 
41   ' 

Reste 


20 

c).  Verhältniß  zur  ganzen  Klarheit 

41 


/  20  :  41 
\21  :  41 


20  —  - 


420       400 


21 


400       4fil '  ^^rhältniß  zur  ganzen  Vor- 


41 


41 


20  :  41 


Stellung  j  .,-■  '-^0  _        wiewohl,   so   viel    ich   mich    erinnere,   letztere  Verhältnisse  bei 
l  "    41  ■ 


Ihnen  gewöhnlich  nicht  zur  Sprache  zu  kommen  pflegen.    In  Ihrer  Rechnung  wäre 
alsu  die  relative  Klarheit  der  stärkeren  Vorstelking  etwas  größer  als  in  der  meinigen. 
Das  2te  Beispiel  stände  bei  Ihnen  so: 

:^  :  ■!  J  ==    l  :    (  '/' :  Reste  H  ~  [''^  ^  'j;^ :  Verhältniß  zur  ganzen  Vorst.  H'i 
[2  \-  ,  \2  —  V,  =  %  =>  \r):b 

Dasselbe  bei  mir: 


3:/^  =  l:^Jr,  Reste  <j} 


=  V:, 


Verhältniß  zur  ganzen  Klarheit 


{ 


1  :  3 


4)  Daß  Sie  die  Producte  ax,  by,  cz  lieber  Momente  als  Spannungen  nennen 
wollen,  konnte  mir  allenfalls  gleich  seyn;  indeß  dies  zu  meiner  Rechtfertigung.  Sie 
sagen,  die  Lasten  hingen  gleichsam  an  ihren  Hebelarmen  pp.  Dies  Gleichniß  ist 
jedoch  nur  äußerlich  und  hat  keine  nähere  Beziehung  zu  dem  psycholog.  Problem. 
Wenn  ich  dagegen  von  Spannungen  spreche,  so  ist  dies  etwas  anders.  Die  obigen, 
i.  k,  1,  enthaltenden  Gleichungen  sind  nämlich  zugleich  die  Bedingungen  des  Gleich- 
gewichts für  3  geradlinige,  bis  auf  0  zusammendrückbare,  elastische  Federn  von 
den  Längen  i,  k.  1  und  Intensitäten  a,  b,  c,  die  man  sich  in  einer  geraden  Linie, 
die  ihre  Axen  enthält,  zwischen  zwei  festen  Puncten,  deren  Entfernung  i  +  12  -|-  1  —  S 
ist,  an  einer  gereiht  denken  muß.  Wird  i  =  k  =  l  d.  i.  ist  die  Länge  der  Federn 
gleich,  so  gelten  die  von  Ihnen  angegebenen  Formeln.  Der  Länge  dieser  Federn 
im  ungehemmten  Zustande  würde  meine  ganze,  derjenigen  im  gehemmten  meine 
absolute  Klarheit  entsprechen,  ohne  daß  ich  sonst  auf  diese  Analogie  ein  besonderes 
Gewicht  lege. 

5)'  Wenn  a  das  Quantum  des  wirklichen  Vorstellens  und  x  das  Quantum  be- 
deuten soll,  um  das  sich  jenes  vermindert,  dergestalt,  daß  dies  Quantum  sich  ,,in 
ein  bloses  Streben  verwandle",  so  verstehe  ich  dies  wohl,  begreife  es  aber  nicht 
ganz.  Denn  hier  zeigt  sich  eigentlich  die  Vorstellung  gleichsam  mit  zwei  Kräften 
behaftet,  die  eine  sinkt,  wenn  die  andere  steigt  und  umgekehrt,  eine  Kraft  des  Vor- 
stellens und  eine  des  Strebens.  Das  kann  Ihre  Meinung  natürlich  nicht  seyn,  den- 
noch würde  ich  glauben,  es  folgern  zu  müssen,  wenn  ich  es  nicht  anders  wüßte. 
Wo  nämlich  sonst  "eine  Kraft  sich  theilweise  in  ein  bloses  Streben  zu  verwandeln 
scheint,  da  wird  nnr  die  Wirkung  theilweise  aufgehoben,  die  Kraft  selbst  aber  nicht 
angetastet.  Wenn  ich  z.  B.  eine  elastische  Feder  aus  unseren  Polstern  mit  einem 
(iewicht  beschwere,  so  sinkt  sie  etwas  zusammen  und  die  Wirksamkeit  ihrer  Stärke, 
die  die  Feder  nach  ihrer  ganzen  Länge  auszudehnen  strebt,  wird  theilweise  ge- 
hemmt; aber  die  Kraft,  die  Spannkraft  bleibt  ganz  unberührt.  So  nun,  möchte  ich 
meinen,  müßte  auch  das  a  der  Vorst.  bei  der  Heninmng  ganz  unversehrt,  unver- 
mindert bleiben  und  nur  die  Klarheit  des  Vorgestellten  sich  quantitativ  ändern.   Daher 


Mai   1834.  5q 

scheint  mir  auch  allein  das  immer  höher  sich  spannende  Streben  zu  erklären,  je  ;| 
weniger  vorgestellt  wird,  und  die  eidolologischen  Deduktionen  sprechen  auch  für  diese 
Ansicht.  Sie  unterscheiden  ungemein  deutlich  (Psych.  I.  147)')  „daß  eine  Verände- 
rung in  der  Quantität  des  Vorgestellten  sich  ereignen  soll,  wir  aber  dabei  die 
Quantität  des  Vorstellens,  subjectiv  genommen,  unverändert  festhalten".  Dies  ist 
mir  eine  Hauptstelle,  mit  der  ich  im  Tnnei"sten  einstimmen  kann.  Aber  mit  ihr, 
will  mich  bedünken,  harmoniert  die  Rechnung  nacb  ihrer  Anlage  nicht.  Denn  es 
kann  nicht  ein  und  dieselbe  Größe  a  zugleich  eine  Veränderliche  (des  Vorgestellten) 
und  eine  Constante  (des  Vorstellens)  bezeichnen.  Auch  gehen  Sie  in  Ihrem  Briefe 
von  dieser  Stelle  ab,  indem  Sie  durch  die  Hemmung  das  Vorstellen  vermindern 
lassen.  Sie  sehen,  mein  hochverehrter  Herr,  daß  ich  noch  nicht  die  gewünschte  und 
von  Ihnen  erwartete  Beinihigung  erlangt  habe,  und  das  in  Folge  der  Belehiung, 
die  mir  Ihre  eigenen  Werke  gewährt  haben.  Wie  dankbar  ich  Ihnen  daher  für 
fortgesetzte  Aufklärung  seyn  würde,  können  Sie  denken. 

Meine  Vorlesungen  sind  auch  wieder  unter  ziemlich  günstigen  Verhältnissen 
eröffnet.  Ich  habe  von  Glück  zu  sagen :  Denn  Krug  hat  zwar  Zuhörer,  aber  er 
liest  für  den  3ten  Theil  seines  ehemaligen  Honorars  und  taxirt  sich  damit  selbst; 
die  Hegelianer  Weiße  und  Billroth  haben  gar  keine  Privatvorles.  zusammengebracht, 
von  Hartensteins  Erfolgen  weiß  ich*  nichts.  Denominirt  ist  immer  noch  nicht;  in 
Beziehung  auf  mich  bleibt  es  hier  bei  der  neutralen  Stellung.  Ich  müßte  etwas 
Philosophisches  von  einiger  Bedeutung  geschrieben  haben,  wenn  ich  mich  nicht 
schämen  sollte,  mich  zu  regen. 

Sie  klagen  über  Schlaffheit;  das  glaube  ich  recht  gern.  Nur  unter  Hunderten 
finden  sich  einige  wenige,  die  tiefer  eingehen  und  Ernst  aus  dem  Studium  machen. 
Vielleicht  bilden  Sie  doch  aber  in  Göttingen  einige  junge  Apostel,  die  Ihre  Lehre 
auf  Universitäten  verbreiten,  wo  sie  noch  nicht  vorgetragen  wird.  Darauf  kommt 
es  doch  am  Ende,  die  Sache  äußerlich  betrachtet,  zunäch.st  an. 

Unser  trefflicher,  guter  Brandes  ist  seit  einigen  Tagen  gefälirlich  krank  —  an 
einer  Brustentzündung;  noch  scheint  eben  so  viel  zu  fürchten  als  zu  hoffen  zu  seyn. 

Ich  boffe,  daß  nunmehr  das  bessere  Wetter  die  Spuren  der  Reiseanstrengungen 
bei  Ihnen  bald  verwischen  wird.  Versäumen  Sie  doch  ja  nicht,  Pfingsten,  wenn  das 
Wetter  schön  bleibt,  zu  Ihrer  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  —  an  sie  die  besten  (Jrüße 
—    [Erholung?]  zu  benutzen. 

Mit  unveränderter  Hochachtung  ganz  der  Ihrige     Drobisch. 

459.     An    Strümpell."-)  Göttingen    15   May    1834 

Jetzt  lieber  Herr  Doctor,  muß  ich  an  Sie  schreiben,  zwar  nicht  um 
Ihnen  wichtige  Eröffnungen  zu  machen,  sondern  um  nicht  geheimniß- 
reicher  zu  scheinen  als  ich   bin. 

Sie  wissen  ohne  Zweifel,  daß  ich  auf  meiner  Reise  sowohl  Drobisch 
als  Schacht 3)  gesprochen  habe.  Mit  der  Sorge,  einen  oder  den  andern 
gegen  Sie  verstimmt  zu  finden,  kam  ich  hin;  —  mit  Vergnügen  kann  ich 
Ihnen  sagen,  daß  mir  Nichts  Bedeutendes  der  Art  geäußert  worden.  Hr. 
Schacht  bedauerte  Ihren  kurzen  Aufenthalt  in  seiner  Gegend.  Meiner- 
seits konnte  ich  nur  den  Wunsch  aussprechen,  daß  Ihnen  ein  Pfad  möchte 
geöffnet,   ein   Platz   geschafft   werden.     Mit  Drobisch    wäre    wohl    zu  über- 

*)  In  dieser  Ausg.  Bd.  V.  S.  274. 

-)  S.  A.  Spitzner-Strümpell,  Die  psychologische  Pädagogik.  Leipzig,  E.  Ungleich. 
S.  XX  L 

^)  Über  ihn  s.  den  vorhergehenden  Band,  S.  153.  Anm.  u.  ö. 


70  Mai  1834. 

legen  gewesen,  ob  vielleicht,  da  Krug  resignirt  hat,  Leipzig  für  Sie  ein 
passender  Ort  des  Auftretens  werden  könnte?  Da  jedoch  Drobisch  selbst 
philos.  Vorträge  zu  halten  fortfährt,  so  hätte  ich  Ihrer  Gesinnungen  gegen 
ihn  sicherer  seyn  müssen  als  ich  es  bin,  um  so  Etwas  auf  die  Bahn  zu 
bringen.  Aus  seinen  Äußerungen  erhellt  aber,  daß  er  damit  umgeht, 
philosophisches  zu  schreiben.  Unterdessen  ist  Rosenkranz  mit  Bachmann 
in  Streit  verwickelt.  Durch  den  Dr.  Fortlage  ^)  in  Heidelberg,  der  neulich 
hier  war,  erfuhr  ich,  daß  Schelling  jetzt  sogar  einen  dreyfachen  göttlichen 
Act  der  Freyheit  lehrt,  dabey  viel  gegen  Hegeln  und  gegen  sich  selbst, 
den  alten  Schelling,  polemisirt.  —  Meine  hiesigen  Vorlesungen  gehn  zwar 
nicht  ganz,  wie  ich  möchte,   —   aber  sie  gehn  doch. 

So  stehn  die  Sachen;  mögen  Sie  nun  bedenken,  was  Sie  thun  wollen. 
Wenn  Sie  nicht  hervortreten,  so  kommen  Sie  nicht  vorwärts,  das  ist  ge- 
wiß. Wenn  Sie  stark  polemisiren,  so  setzen  Sie  Sich  in  Gefahr;  das  ist 
auch  gewiß.  Meinen  Gegnern  sollte  billig  deutlich  und  offen  geantwortet 
werden;  das  ist  wiederum  gewiß;  dennoch  darf  ich  Sie,  um  Ihrer  Selbst 
willen,  bey  Ihrer  precären  Lage,  zu  keiner  lebhaften  Polemik  ermuntern; 
und  wenn  auch  eine  solche  mir  noch  so  nützlich,  ja  nöthig  wäre.  Ihr 
Manuscript  wird  sich  nach  dem  Gutfinden  des  Buchhandels  richten  und 
abkürzen  müssen,  das  scheint  das  Gewisseste  vor  Allem. 

Leben  Sie  wohl!     Ihr     H. 

Was  Sie  auch  schreiben:  so  kommt  am  meisten  das  in  Betracht, 
daß  der  größte  Theil  des  Publicums  zuerst  einer  Exposition  dessen  bedarf, 
wovon  überhaupt  die  Rede  ist.  Die  Unwissenheit  der  Leute  in  Gegen- 
ständen der  Philosophie  geht  unglaublich  weit.  Drobisch  sagte  mir,  Sie 
hätten   einmal  von  philos.  A.B. C- Büchern  gesprochen,  das  war  recht! 

460.    Drobisch  an  H.')  Leipzig,  d.  17  Mai  34 

Mein  hochverehrter  würdiger  Freund!  Sehr  bewegt,  ja  erschüttert  will  ich 
nur  in  ein  paar  Zeilen  Ihren  mir  an  sich  sehr  erfreulichen  kurzen  Brief  be- 
antworten, zugleich  um  Ihnen  den  Grund  dieser  niedergeschlagenen  Stimmung  an- 
zugeben. Heute  Morgen  6  Uhr  ist  mein  theurer  Freund  und  College,  unser  vor- 
trefflicher Brandes^)  abgeschieden.  Sie  kennen  seine  Vorzüge  als  Gelehrten,  Sie 
kannten  seine  liebenswürdige  Bescheidenheit,  sein  allgemeines  Wohlwollen,  seine 
Redlichkeit.  Mich  würdigte  er,  besonders  in  den  letzten  Jahren,  vertrauter  Freund- 
schaft. Er  hinterläßt  eine  Witwe  und  5  Kinder  und  —  schwerlich  viel  Vermögen. 
Als  er  auf  dem  Stei-bebette  lag  —  (Donnerstag)  ward  seine  einzige  Tochter  getraut. 
Dies  war  vielleicht  ihm  noch  die  beste  Beruhigung  in  seinen  letzten  bewußten 
Augenblicken.  Die  Verwandten  des  Hauses  waren  weit  und  breit  —  aus  Dorpat 
und  Darmstadt  —  herbeigekommen,  um  die  fröhliche  Hochzeit  zu  feiern  und  —  sie 
folgen  nun  seiner  Bahre.  —  Seine  Redlichkeit  und  sein  gewissenhafter  Eifer  hat 
sich  recht  schön  und  lauter  noch  in  dem  letzten  Halbjahr  gezeigt,  in  dem  er  das 
Rectorat    bekleidete.     Vielleicht  hat    die    Amtsführung   bei   seiner    Reizbarkeit    und 


^)  Karl  Fortlage  (1806 — 1881),  später  Professor  in  Jena. 
'0  l'/ü  S.    40.    H.  Wien. 

')  Heinr.  Wilh.  Brandes  (1777—1834),  seit  1826  Prof.  der  Physik  in  Leipzig. 
S.  Allg.  D    Biogr. 


Mai   1834.  y  i 

Ängstlichkeit  ihm  wenigstens  den  traurigen  Ausgang  der  Krankheit  bereitet,  der  er, 
als  sie  nervös  wurde,  unterlag. 

Er  war  mein  Nachbar  in  Facultät  und  Senat.  Es  ist  nun  eine  Lücke  ent- 
standen, aber  was  schlimmer  ist,  ich  fühle  auch  die  Lücke  in  meinem  Herzen,  die 
dieser  Verlust  mir  geschlagen  hat.  Liebe  und  Dankbarkeit  knüpften  mich  an  den 
edeln  Mann,  dessen  Empfehlung  ich  gewiß  nicht  zu  einem  geringen  Theile  die 
Stellung  verdanke,  in  der  ich  mich  befinde.  Sein  Andenken  wird  mir  unver- 
geßlich sevnl 

Jetzt  zu  Ihrem  Briefe.  Eben  diesen  Coefficienten  H  brachte  ich.  in  Weimar 
in  Vorschlag  und  danach  hatte  ich,  wie  wohl  noch  fort  abweichend,  die  Rechnung 
angelegt,  aber  Sie  lehnten  ihn  ab  und  nachher  kam  die  Sache  nicht  wieder  zur 
Sprache.  Freilich  wird  nach  .der  Ansicht,  die  ich  immer  noch  festhalten  muß,  der 
Nisus  von  a,  auf  der  Schwelle  nicht  a^  sondern  a.l  =  a,  da  ich  als  Maximum 
Ton  X,  1  ansehe:  und  es  würde  mich  nur  von  neuem  wundern,  wie  die  Vorst.  zu 
dem  quadratischen  Streben  gelangen  sollte,  dahingegen  ich  es  sehr  natürlich  finde, 
daß  auf  der  Schwelle  das  ganze  Streben  gleich  der  ganzen  Stärke  der  Vorstellung 
ist;  es  würde  mich  verwundern,  woher  jener  Nisus  stärker  werden  könnte  als  die 
ganxe  Stärke  der  Vorstellung.  ||  Indeß  abgesehen  hiervon,  also  Ihnen  das  übrige 
zugebend,  habe  ich  Ihre  Rechnungen  vollkommen  richtig  gefunden.  Nur  in  Be- 
ziehung auf  3)  war  bei  Ihnen  das  Resultat 

y  =  m  S  [1  -  e  -  Ht  +  _?__  (e  -  Ht  _  e  -  t )] 

2ur  Verbesserung  von  Psych,  l  271.  giebt,  wird  sich  noch  die  kleine  Zusammen- 
ziehung in 

y=:mS[l  +  g^(e-Ht_He-t)] 

anbringen  lassen.     Das  Anfangsglied  der  Entwicklung  finde  ich  vollständig 

=  m  S— — 

also  allerdings,  wie  bisher,  dem  Quadrat  der  Zeit  proi)ortional. 

Ich  bezeuge  wiederholt  meine  Freude,  Sie  zu  wissenschaftlichen  brieflichen 
Erörterungen  bereit  zu  finden;  sie  gewähren  mir  den  reinsten  Genuß  und  die 
größte  Belehrung. 

Mit  erneuter  Versicherung  auflichtigster  Verehrung 

Ihr  ergebenster    Drobisch. 

461.     An    Drobisch.^)  Göttingen    19  May    1834 

Brandes  todt!  ich  bedaure  es  und  bedaure  Sie,  mein  theurer  Freund, 
da  er  ihnen  so  nahe  stand,  näher,  als  ich  wußte.  Das  dachte  ich  nicht, 
daß  Brandes  mir  vorangehen  würde ;  eben  so  wenig  als  daß  mein  viel- 
jähriger Arzt  in  Königsb.,  der  Prof.  Eisner,  sich  früher  als  ich  zur 
Ruhe  legen  würde.  Bald  werde  ich  folgen,  —  wohlan!  aber  für  jetzt 
habe  ich  noch  ein  kleines  Geschafft,  nämlich  mit  Ihnen  über  die  Funda- 
mente der  Psychol.  zu  disputiren,  und  wo  möglich  mich  zu  einigen.  Also 
an  die  Arbeit!  Wundern  Sie  Sich  ja  nicnt,  wenn  Sie  mich  hartnäckig 
finden,  ich  bin  es  in  der  That  gar  sehr,  und  gerade  heute  denke  ich 
Ihnen   viel  zu  schaffen  zu  machen. 

')  3  S.    4". 


-2  Mai    1834. 

Es  scheint  allerdings,  als  hätte  ich  Ihnen  mit  meinem  a-  die  Waffen 
in   die  Hand  gegeben.      Aber  nur  still! 

Eine  Vorstellung  =12  sey  ganz  gehemmt;  ich  frage  nach  dem 
ersten  Beginn  der  Erhebung  wenn  alle  Hemmung  plötzlich  aufhört.  Dieser 
Beginn  sey  =  wdt.  Wäre  dieselbe  Vorstellung  nur  halb  gehemmt  ge- 
wesen, so  wäre  die  Federung,  daß  sie  ihren  Zustand  verändern  müsse. 
jetzt  nur  halb  so  groß,  also  1/2  ^^t-  ^'^"^^  aber  die  Vorstellung  an 
sich  nur  halb  so  groß,  =  6,  so  wäre  die  Fähigkeit,  der  wirkliche  Grund, 
daß  sie  der  Forderung  entsprechen  körine,  wieder  um  die  Hälfte  vermindert; 
daher  wäre  jener  Beginn  nun  1/4  ^'^t.  Hätten  wir  w  das  erstemal  =  12 
gesetzt,  so  würden  wir  mit  gleichem  Recht  oder  vielmehr  Unrecht  das 
Beginnen  der  sich  erhebenden  Vorstellung  :=  6,  nun  auch  =  6  dt  setzen; 
es  ist  also  ein  Fehler  vorhanden.  Um  ihn  zu  verbessern,  mußten  wir 
von  Anfang  an  die  Foderung,  das  Müssen,  gleich  dem  Gehemmten,  und 
das  Können,  den  wirklichen  Grund  gleich  der  ganzen  Vorstellung  setzen. 
Nun  war  das  Gehemmte  =12,  und  das  Können  der  ganzen  Vorstellung 
war  auch  =  12.  Mithin  w  =  12  .  12  =  144.  Wäre  aber  eine  Vor- 
stellung =  24  gehemmt  zu  ihrem  vierten  Theil  =  6,  dann  würde  wdt 
werden  =  24  .  6  d  t  =  144  d  t. 

Ehe  ich  weitergehe,  noch  ein  Wort  über  die  Formel  dh=:H.(H  —  h)dt. 
Diese  scheint  auf  den  ersten  Blick  nicht  Dimensionen -richtig.  Wie 
kann  das  einfache  Element  d  h  abhängen  von  dem  Quadrate  seines 
Grundbegriffs,    der  Vorstellung   H  ?     Wollen   wir  ||  also  lieber  schreiben   d  h 

=  H  .  (i dt?i)     So   verstehe    ich    Sie.     Aber    schauen  Sie!    wenn 

H 

wir  rechnen,  so  schreiben  wir  gleich  weiter:  -- — -  =  Hdt,  und  aus  diesem 

H — h 

Hdt  wird  beym  Integriren  H  t,  dann  ferner  e  '  und  e  ~  .  Nun  muß 
der  Exponent  von  e~  ^'  gewiß  eine  Zahl  seyn;  als  solche  wird  demnach 
gerade  der  Factor  H,  den  ich  früher  ausgelassen  hatte,  betrachtet.  Mit- 
hin muß  der  andre  Faktor  H  —  h  den  Begriff  des  Gegenstandes,  wovon 
dh    das  Element  ist,    in    sich    behalten,    und    kann    nicht    statt    seiner  ge- 

h  ^ 
schrieben  werden  (i  —  — ). 

H 

Ferner  hängt  mit  dem  Vorigen  genau  folgende  Betrachtung  zusammen. 
Denken  wir  uns  ein  Gehemmtes  =  x,  so  braucht  noch  nicht  bestimmt 
zu  seyn,  von  welcher  Vorstellung  P  oder  Q  oder  R  dieses  x  ein  Theil 
sey.  Wir  wissen  schon  jetzt,  es  stehe  bevor,  daß  ein  Quantum  klaren 
Vorstellens  =  x  sich  wieder  erheben  werde  und  müsse,  sobald  der  Grund 
der  Hemmung  verschwinde.  Diese  Nothwendigkeit  ist  an  sich  und 
unverglichen,  so  groß  wie  x  selbst.  Ferner  werde  uns  gesagt,  die  Vor- 
stellung P  sey  in  irgend  einem  Grade  y  gehemmt,  so  braucht  dies  y  noch 
nicht  bestimmt  zu  seyn; -wir  wissen  schon  jetzt  das  ganze  P,  da  die  Vor- 
stellungen   nicht   wirklich    aus  Theilen   bestehn,    trage   etwas    Fremdartiges, 


>)  Randbemerkung ,  von  Drobisch:    dh  =  H  (i  —  h)  dt.     h  ist   ein  Bruch  von 
der  Klarheit  i. 


X 

1 

^~' 

_i 

\' 

k 

■^ 

^^ 

m^— 

7. 

1 

Mai    1834.  73 

eine  Verneinung  in  sich :  also  werde  das  ganze  P  zur  Aufhebung  und 
Fortschaffung  dieser  Verneinung  wirken.  Giebt  man  uns  aber  beydes, 
das  bestimmte  P  und  ein  bestimmtes  x  oder  y,  so  sagen  wir:  Das  Moment 
des  Wirkens  ist  Px  oder  Py.  Beyde  Factoren  des  Moments  haben  hier 
gleiches  Recht;  und  geben  für  den  Fall  x  ^  P  das  Moment  P^  wie 
vorhin. 

Soll  ich  nun  zu  ihren  elastischen  Federn  übergehn  ?  Sehen 
Sie  erst  zu,  ob  ich  richtig  zeichne.  Da  liegen  Ihre  Federn, 
wie  Sie  fodern,  in  einer  geraden  Linie;  —  nun  aber  sperren 
Sie  dieselben  in  einen  engern  Raum  ein;  es  verkürzen  sich  i, 
k,  1  um  die  Raumgrößen  x,  y,  z,  mithin,  da  x  +  7  +  z  =  S' 
(erlauben  mir  den  Strich  an  ihrem  S,  denn  es  ist  nicht  meine 
Hemmungssumme,  die  sich,  im  Vorbeygehn,  gar  sehr  beklagt, 
daß  sie  beseitigt  wird,  ohne  widerlegt  zu  seyn):  so  ist,  wie  Ihr 
Brief  angiebt,  i  -j-  k  -f-  1  —  S'  die  Entfernung  der  zwei  vesten 
Puncte,  zwischen  denen  Ihre  Federn  eingeschraubt  sind.  Was 
soll  nun  vertheilt  seyn  ?  Offenbar  die  Raumkürzung  x  -f-  y  +  z- 
Wozwischen  ?  Zwischen  den  Federn  mit  den  Intensitäten  a,  b,  c, 
welche  sich  entgegensetzen,  in  wiefern  ikte  Räume  verkürzt 
wurden.  Aber  diese  Verkürzufig,  als  Negation,  erhellet  nicht  aus  x,  y,  z, 
also   auch    nicht   aus   ihrem  S',    wiewohl    dasselbe    eine  Hemmungssumme 

jl vorstellen    will:   —  sondern    weislich    haben    Sie   in   den  Gleichungen  a— 

y  z  xyz  JT-.1 

=  b—  =  c—  die   Verhältnisse       ,  — ,  ~  berücksichtigt;    —    diese    Ruck- 
k  1  1      k      1 

sieht    fehlt   aber   in    ihrem  S' ,   und   ich    sehe   auch   keine    Möglichkeit    sie 

X   ,    y   1   z 

hineinzubringen.      Hätten   Sie  eine  Summe  von  Pressungen,     .    -|-    ,  -  -f-   r 

zu   vertheilen:   dann   möchte  Ihr  Beyspiel  mir  näher  kommen,  i) 

Meine  Hemmungssumme  möchte  für  zwey  Vorstellungen  a  u.  b  be- 
stimmt w^erden,  wie  man  wolle,  so  behaupte  ich  jedenfalls:  war  sie  dort 
=  S,  so  ist  sie  für  M  a  und  M  b  nothwendig  =  M  S.  Denn  es  ist  der- 
selbe Conflict,  nur  M  mal  genommen.  Der  absiracte  Begriff  der  Klarheit 
des  Vorstellens  überhaupt  ist  aber  der  nämliche  für  a  und  M  a,  für  b 
und  Mb.  2)  Damit  hängt  die  Hemmungssumme  gar  nicht  zusammen,  sie 
ist  keine  Summe  von  abstracten  Klarheiten,  auch  nicht  von  Verhältnissen, 
sondern  sie  ist  das  Quantum  des  Conflicts,  dergestalt  daß 
für  a  ^  2,  b  =  1,  H.  S.  =  I  , 

20,  10.  =  10  u.  s.  w. 

200,         100,  =  100 

Sie  sagen  in  Ihrem  Briefe:  Wo  sonst  eine  Kraft  sich  theilweise  in 
ein  bloßes  Streben  zu  verwandeln  scheint,  da  wird  nur  die  Wirkung  theil- 
weise aufgehoben,  die  Kraft  selbst  aber  nicht  angetastet.  Dazu  spreche 
ich  ja;  und  dies  sonsl  gilt  auch  bey  mir  und  hier.    „Aber  hier  (schreiben 


1)  Randbemerkung  von  Drobisch:  Nein,  nein! 

^  Randbemerkung  von  Drobisch:   ..Ganz  recht"!  —  Den  Satz  bat  Drobisch  in  An- 
führungszeichen gesetzt. 


74  M^'  1^34- 

Sie)  zeigt  sich  die  Vorstellung  gleichsam  mit  zwey  Kräften  behaftet,  wo- 
von die  eine  sinkt  wenn  die  andre  steigt;  eine  Kraft  des  Vorstellens 
und  eine  des  Strebens."  Sehen  wir  doch  näher  zu.  Die  Vorstellung 
sey  a.  Ihr  Gehemmtes  x.  Also  die  des  Strebens  x.  Und  die  des  Vor- 
stellens, welche  sinken  soll  wenn  die  andre  steigt?    Etwa  a —  x?i)    Oder 

a      X 

—  ?  — ?  Oder  wie  sonst?  —  Ich  setze  das  Moment  =  ax,  das  heißt, 
X      a 

wie  Sie    foderten:    Die  Vorstellung  a,    verwandelt   in    eine  Kraft,   ist  nicht 

angetastet,    sondern   ganz    so   groß    wie  sie  ursprünglich   ist,    strebt  sie  das 

theilweise   aufgehobene    wirkliche  Vorstellen   nämlich  den  Theil  x,    wieder 

ins    klare    Vorstellen    zu    verwandeln.  -)      Keineswegs    aber    setze    ich    das 

Moment  =  (a  —  x)  .  x,    welches   ganz  falsch  wäre,    indem  es  den  Fehler 

in   sich   trüge  den   Sie  bey  mir  vermuthen. 

Nun,    mein    theurer  Freund!    bitte    ich    um    Ihre  verlängerte  Geduld, 

und   um  baldige   Antwort.  Unveränderlich  der  Inrigel     H. 

462.     An    DrobiSCh.^)  Göttingen,   23   May   1834 

Ihre  Funken,  mein  verehrter  Freund !  haben  bey  mir  besser  gezündet, 
als  Sie  aus  meinem  neulichen  Briefe  mögen  vermuthet  haben.  Nach- 
dem ich  Ihnen  von  den  Momenten  a  x,  by,  cz  geschrieben,  fiel  mir 
bald  darauf  ein,  daß  eine  Vorstellung  auf  der  Schwelle  einen  Nisus  =  a^ 
anwenden  werde,  um  sich  zu  erheben,  weil  dann  x  :^  a.  Darauf  besann 
ich  mich  an  die  Reproduction  nach  weggenommener  Hemmung,  und  zu- 
gleich daran,  daß  Sie  in  Weimar  mündlich  gegen  meine  Theorie  der 
unmittelbaren  Reproduction  Bedenken  äußerten.  Jetzt  finde  ich,  daß  ich 
Psychologie  I,  S.  269^^)  unten  einen  wichtigen  Factor  ausgelassen  habe, 
und  daß  ich  diese  Auslassung  zu  rechtfertigen  nicht  im  Stande  bin.  Um 
kurz  zu  seyn,  (denn  ich  bin  eilig)  setze  ich  Ihnen  eine  veränderte,  und 
wie  ich  glaube,  nun  gehörig  berichtigte  Rechnung  her. 
I.)  dh  =  H  (H  —  h)  dt 

daraus  H  (i   —  e~^*)=h,  statt  daß  es  im  Buche  heißt: 
h  =  H  (I  —  e-t). 
2.)  dh  =  H  (H'  —  h)  dt. 

Daraus  H'  (1   —  e  ~  ^')  =  h,  statt  im  Buche: 

h  =  H'  (I  —  e-*). 
3.)  S.  271   im   Buche 

H   ( X  ~  y)  d  t  =  d  y.  5) 
Hieraus  habe  ich,   freilich  nur  flüchtig  rechnend,  erhalten: 

H 
y=mS[i—  e-H^+  — (e  -  "t  —   e  -  ')]    statt   y  =  m  S 

[I  -(I  +t)e-;]. 

^)   Randbemerkung  von  Drobisch :  a  —  x ! 

'')  Von  Drobisch  ist  der  Satz  in  Anführungszeichen  gesetzt  und  mit  einem  Frage- 
zeichen am  Rande  versehen, 
ä)   I   S.    4». 

*)  In  dieser  Ausg.,  Bd.   V,  355. 
•'')  Anmerkung  von  Drobisch:  3.  kürzer  so: 

y  =  mS  [I  +^(e-«*-He-')]. 


Mai  1834.  ^5 

Durch   Auflösung  in  eine  Reihe  bekomme  ich  wieder  den  Satz,    daß 

die   Reihe  mit  dem  Gliede   für  f-  anfängt,   aber   der  Faktor  H  ist    darin; 

Ht2 

das  Glied  ist .i)     Zugleich    erinnere   ich    mich,    daß   mir   in    psycho- 

2 

logischen   Reflexionen    oft    genug    der  Satz    in    die  Quere   gekommen   und 

Verlegenheit  verursacht    hat,    das  Steigen    des   H   sey    von    seiner   eignen 

Stärke  unabhängig.    Diese  Verlegenheit  ist  denn  nun,  wenn  ich  recht  sehe, 

verschwunden.      Jetzt    bitte    ich,    daß  Sie    das   Gesagte    prüfen,    und    mich 

recht  bald  weiter  benachrichtigen.  Herzlich  der  Ihrige     H. 

463.    Drobisch  an  H.')    •  Leipzig,  d.  28  Mai  1834 

Mein  hochverehrter  Herr  und  Freuod!  Zuvörderst  nehme  ich  mir  aus  der 
Einleitung  Ihres  Briefes  die  Andeutung,  daß  so  lange  unter  uns  durch  Disputation 
noch  etwas  ins  Reine  zu  bringen  ist,  Sie  in  keinem  Falle  Lust  haben  werden,  den 
vorangegangenen  Freunden  zu  folgen,  vielmehr,  wie  der  große  Friedrich  im  7  jährigen 
Kriege  keine  Zeit  hatte,  das  Fieber  abzuwarten,  Sie  auch  keine  Zeit  finden 
werden,  von  uns  zu  scheiden.  Doch  fürchten  Sie  deshalb  nicht  von  meiner  Seite 
Wiukelzüge;  ich  verspreche  ehrlich  die  "^"affen  zu  strecken,  wenn  ich  sehe,  daß 
ich  mich  nicht  mehr  halten  kann  mit  Ehren,  ja  ich  werde  sogar  bereit  seyn,  die 
Discussion  abzubrechen,  sobald  ich  eine  Wiederholung  des  schon  gesagten  zu  ver- 
anlassen oder  mir  zu  Schulden  kommen  zu  lassen  fürchten  müßte.  Ihre  „Hart- 
neckigkeit"  kann  mir  natürlich  nur  erwünscht  seyn,  auch  erwartet  man  es  gar  nicht 
anders  von  Ihnen;  aber  —  für  diesmal  kann  ich  noch  nicht  capituliren. 

Erlauben  Sie  mir  zuerst  bemerklich  zu  machen,  daß  Sie  sich  noch  nicht  dar- 
über bestimmt  erklärt  haben,  ob  ich  mich  an  die  Stelle  in  der  Psychol.  I,  S.  147 
oder  an  die  in  Ihrem  vorletzten  Brief  halten  soll.  Nach  letzterem  ist  die  Hemmung 
eine  wiikliche  Verminderung  des  Vorstellens,  des  Quantum  des  Vonstellens,  d.  i. 
des  a.  Beträgt  das  Gehemmte  des  Vorstellens  x,  so  bleibt  als  noch  vorhandenes, 
wirkliches  Vorstellen  a  —  x.  Dies,  meine  ich  allerdings,  ist  die  Kraft,  welche  sinkt, 
wenn  das  Streben  x  steigt.  Denn  das  Vorstellen  selbst  ist  ja  denn  doch  die  wirk- 
same Kraft,  und  wenn  diese  Kraft  des  Vorstellens  um  x  vermindert  ist.  so  ist  eben 
die  Kraft  angetastet.  Ich  vermisse  überall  die  Quantität,  die  den  Effect  mißt  und 
es  scheint  mir  immer  wieder  von  Neuem,  daß  Ihre  Rechnung  nicht  adäquat  dem 
Gedanken  ist,  der  dadurch  ausgedrückt  werden  soll.  Ich  habe  so  zu  rechnen  ver- 
sucht, daß  eine  Quantität,  die  den  Effect  der  constanten  Kraft  ausdrückt,  (die  jedoch 
in  verschiedenen  Graden  gehemmt  sein  kann)  eingeführt  wird,  die  Klarheit  des 
Vorgestellten.  Ich  meine,  die  Veraoinderung,  welche  der  Schwächung  des  Bildes 
entspricht,  muß  eine  andre  Größe  betreffen  als  die,  welche  die  unberährte  und 
nur  in  ihrem  Effecte  gehemmte  Kraft  ausdrückt.  Daher  ist  mir  folgende  Stelle 
Ihres  Briefes  unzugänglich.  Sie  schreiben:  „Die  Vorstellung  a,  verwandelt  in  eine 
Kraft,  ist  nicht  angetastet ;  sondern,  ganz  so  groß  wie  ||  sie  ursprünglich  ist,  strebt 
sie  das  theilweise  aufgehobene  wirkliche  Vorstellen,  nämlich  den  Theil  x,  wieder 
ins  klare  Vorstellen  zu  verwandeln".  Das  Vorstellen  wird  hier  als  Kraft  und 
Effekt  zugleich  behandelt,  und  es  ergiebt  sich,  daß  ein  und  da.sselbe  zugleich  ver- 
mindert und  nicht  vermindert  sey,  ja   sogar  daß  das  Vorstellen,  so  fern  es  unver- 


,.        ^  H  t* 

')  Anmerkung  von  Drobisch:  —  oder  vielmehr  raS  -—  . 

^)  3V2  S.   40.    H.  Wien. 


io 


CO 


76  Mai    1834. 

minderte  Kraft  bedeutet,  sich  selbst,  sofern  es  als  Effect  vermindert  ist,  wieder 
in  integrum  restituiren  soll;  worin  ich  nur  einen  doppelten  Widerspruch  finden  kann. 

Da  ich  nun  nicht  die  Kraft  des  Yorstellens  als  berührt,  sondern  nur  ihren 
Effect,  das  Vorgestellte  berührt  denke,  so  kann  ich  zwar  sagen,  die  Kraft  sey  in 
ihrer  Wirksamkeit  gehemmt,  aber  die  Hemmungssumme  kann  deshalb  nur  ein  Sub- 
trahend für  die  Quantität  des  Vorgestellten,  d.  i.  für  die  Klarheit  werden.  Daher 
mein  S  mit  Recht  von  Ihnen  durch  einen  Accent  excommuniciit  ist,  weil  es  unter 
Ihren  Hemmungssummen  steht,  wie  Saul  iinter  den  Propheten.  Nur  erwünscht 
konnte  mir  aber  Ihre  Äußerung:  ,.Der  abstracte  Begriff  der  Klarheit  des  Vorstellens 
überhaupt  ist  aber  der  nämliche  für  a  und  Ma,  für  b  und  Mb"  seyn.  Denn  damit 
sprechen  Sie  selbst  aus,  daß  die  ganze  Klarheit  für  alle  Vorstellungen  die  gleiche  ist. 

Was  meine  elastischen  Federn  betrifft,   so  erlauben  Sie,    daß  ich  noch  einmal 

und    zwar    mit  Einschränkung    der  Allgemeinheit,    die    für  die  Vorstellungen  ohne 

Nutzen  ist,  davon  spreche.     Die  8  Federn   seyen   also  gleich  und  von  der  Länge  L 

ihre  Intensitäten  wieder  a,  b,  c,  ihre  Verkürzungen  x,  y,  z.    Der  Raum  zwischen  denen 

sie  eingeklemmt  sind,  3  I  —  S'  und  infolgedessen  x  +  y  +  z  =  S'  (oder, 

^    dies  vorausgesetzt.  1  —  x  +  1  —  y  +  1  —  z  =  31  —  S'),  so  sind  jetzt  die 

I  3  V  h  V  0  7 

X     Spannungen   der  3  Federn  -r-  ,    ——  . 

I  Für  das  Gleichgewicht  sind  diese  gleich,  also  — p  =  —~-  ,    -j-  =  — 

t^  1111 

oder,    da    hierbei   1    völlig   herausgeht,    ax  =  by,    ax  =  cz,    überdies 

11  o,    ri-  ■  X.,    ■  ^  bcS'  acS' 

—    X  +  y  +  z  =  S'.  Hieraus  ergiebt  sich  x  =  -,  -, --^r-  1     Y  =    —     1 

I  "^  ab  +  ac  +  bc  ... 

abS'  X       ^' 

z  = ,  also  -r-  =     1  ,    etc  X,  y,   z,    waren    Verkürzungen, 

ab  -)-  ac  +  bc 

X        Y        z 
also  Längen,  1  ist  auch  eine   Länge,  also  sind  ~r '    "T '    "T     unbenannte     Brüche, 

X  y         z 

also   können   - — h  "T"  H — r  g^r  nicht  eine  Summe   von  Pressungen  bedeuten,  wie 

Sie  vorschlagen.  "Wohl  aber  können  diese  Brüche  gebraucht  werden,  Kraftver- 
hältnisse, nämlich  Strehungsverhältnisse  auszudrücken.  || 

Die  Spannung    -r—  ist  nämhch  offenbar  nichts   anderes  als  das  Streben  der 

Feder  ihre  ganze  Länge  wieder  anzunehmen;  dieses  Streben  wird  mit  x  zugleich  0, 
wie  natürlich  und  erreicht  sein  Maximum  mit  x  =  1,  wo  es  =^  a,  also  die  ganze 
Stärke  der  Feder  in  Streben  verwandelt  ist,  indem  der  Effect,  die  veränderliche 
Länge,  nun  völlig  aufgehoben  ist;  aber  auch  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  a, 
denn  woher  sollte  mehr  kommen?  Legen  wir  nun  dieses  Maximum  des  Strebens  =  a 

als  Einheit  zum  Grunde,  so  wird  -z-  das  relative,  ^      das     absolute     Streben     der 

Feder  genannt  werden  können.     Dieses  — p-  ist   auch    der   Druck,    der   sich   durch 

die  ganze  Linie  gleichmäßig  iortpflanzt  und  an  den  Endpunkten  einen  gleich  großen 
Widerstand  erfordert,  wenn  die  Distanz  31  —  S'  nicht  überschritten  werden  soll.  — 
Für  die  Vorstellungen  giebt  es  nun  freilich  nicht  Distanzen  und  Verkürzungen, 
aber  doch  verschiedene  Grade  des  Gegensatzes  und  Verdunkelungen. 

Über    die    scheinbare    Unrichtigkeit    der    Dimensionen    der    Gleich,    dh  =  H 
(H  —  h)  d  t  würde  ich  mich  bei  dem,  was  Sie  erinnern,  beruhigen.     Daß   aber  die 


Juni  1834.  77 

Vorstellung  a  völlig  gehoinint  in  ein  Streben  a-  übergehen  soll,  will  mir,  wenn  ich 
auch  den  einen  dieser  Factoren  a  als  unbeuaunte  Zahl  denke,  nicht  einleuchten. 
Ich  frage  immer  wieder:  wie  kann  ohne  Anstoß  diese  Vervielfachung  der  Stärke 
angenommen  werden?  wie  kann  mehr  geschehen,  als  daß  sich  das  ganze  Vor- 
stellen in  Streben  VLMwandelt?  Wenn  in  ax.  x  etwas  bedeutet,  was  ebenfalls  Kraft 
ist,  so  habe  ich  dann  2  Kräfte.  —  Übrigens  müßte,  wenn  ich  meine  .\usicht  fest- 
halte, h  ein  Bmch  der  ganzen  Klarheit  und  daher  die  Fonnel  dh  =  H  (1  —  h)  dt 

nicht,  wie  Sie  annehmen,   dh=H  (1  — -g-)dt  seyn.     Mein  (1  —  h)  ist  aber   eine 

benannte  Größe,  nämlich  die  Klarheit,  oder  richtiger:  der  noch  niciii  verdunkelte  Theil 
•der  ganzen  Klarheit. 

Da  mir  wahrhaftig  daran  gelegen  ist,  mich  mit  Ihnen  zu  einigen,  und  ich 
keineswegs  nach  dem  Ruhme  geize,  eine  von  der  Ihrigen  verschiedene  mathematische 
Psychologie  aufzustellen,  vielmehr  ein  solches  Unternehmen,  wäre  es  auch  noch  so 
schwach,  sehr  geeignet  wäre,  das  Vertrauen  zur  Anwendung  der  Mathematik  auf 
Psych,  zu  schwächen,  welche  ohnedies  noch  nicht  tiefe  Wurzeln  geschlagen  hat,  — 
so  erlaube  ich  mir,  Sie  zu  bitten,  mich  von  der  metaphysischen  Seite  her  zu  er- 
leuchten. Ich  klammere  mich  fest  an  die  bezeichnete  der  Stelle  d.  Psychol.  untl 
habe  S.  1  u.  2  dieses  Briefes  meine  Meinung  so  ausgesprochen,  daß  ich  mit  mir 
darüber  klar  zu  seyn  glaube.  Jene  ||  Stelle  hat  mich  vollkommen  überzeugt,  daß  die 
Quantität  des  Vorgestellten  ein  ebenso  wichtiges  Kechnungselement  als  die  Quantität 
des  Vor.stellens  ist,  und  die  bloß  interpretirende  Bemerkung,  daß  a  —  x  nicht  ein  Rest 
des  Vorstellens,  sondern  nur  des  Vorgestellten  seyn  soll  will  mir  nicht  genügen, 
denn  a  ist  nun  einmal  nicht  eine  Quantität,  die  sich  auf  das  Vorgestellte  bezieht, 
ebenso  wenig  Ihr  x.  Außer  durch  den  Act  des  Vorstellens  weiß  ich  aber  nicht, 
wie  noch  auf  eine  andere  Art  eine  Vorstellung  Kraft  werden  könnte. 

Mit  gespannter  Erwartung  sehe  ich  nun  einer  neuen  Mittheilung  von  Itirer 
Güte  entgegen  und  will  unterdessen  suchen  an  den  in's  Stocken  gerathenen  ,, Bei- 
trägen zu  Erläuterung,  etc."  wieder  etwas  zu  arbeiten.  Leider  sehe  ich.  daß  die 
Vorlesungen  doch  sehr  unterbrechen.  Mit  diesen  bin  ich  übrigens  diesmal  weniger 
Winfrieden  hinsichtlich  der  Frequenz,  aber  wir  haben  ein  neues  Quästurgcsetz  er- 
halten, nach  dem  keinem  Studenten  mehr  Honorar,  auch  selb.st  nur  theihveise,  er- 
lassen, sondern  blos  gestundet  wird,  und  nun  hüten  sich  Viele  vor  den  Privatcollegien. 


Mit  unveränderter  inniger  Hochschätzung 


Ihr  ergebenster     Drobisch. 


4(>4.    Entwurf  eines  Briefs  Herbarts  an  Drobisch.  ^) 

Göttingen    t   Juni    1834. 

Mein  theurer  Freund!  Sie  wollen  eine  metaphysische  Erleuchtung? 
Schön!  Sie  kennen  meine  Behauptung:  daß  es  Nichts  giebt,  was  an  sich 
Kraft   wäre  oder  hätte. 

„An  sich  sind  die  Vorstellungen  nicht  Kräfte."  (Lehrb.  z.  Psych, 
schon  in  d.  erst.  Ausg.  S.  102.)  Setzen  wir  nun  eine  ungehemmte  Vor- 
stellung =  a.  Wie  groß  ist  das  Quantum  des  Vorstellens?  Es  ist  =  a. 
Und  das  Quantum  des  Vorgestellten  ?  Auch  =  a,  und  zwar  das  näm- 
liche a    für    beyde   Fragen.      Die    ganze    Vorstellung    ist,    metaphysisch    be- 


')  4  S.  4"  H.  Wien.  Schluß  fehlt.  —  An  Stelle  dieses  Entwurfs  ist  der 
folgende  Brief  getreten.  Man  erkennt  daraus,  wie  sehr  Herbart  daran  gelegen  war. 
mit  Drobisch   ins   Reine  zu  kommen. 


78  JuTii  1834. 

trachtet,  nur  eine  Selbsterhaltung  der  Seele.  Wie  groß  aber  ist  die  Kraft 
dieses  noch  ungehemmten  Vorstellens?  Sie  ist  =  o.  Das  heißt,  das  Vor- 
stellen an  sich  ist  keine  Kraft  und  braucht  keine  Kraft,  auch  würde  jeder 
solche  Gedanke  einer   Kraft  eine  metaphysische  Ungereimtheit  seyn. 

Sie  aber  haben   ,,eine  Quantität,  die  den  Effect  der  constanten  Kraft 
ausdrücke"  eingeführt,  nämlich   die  Klarheit  des  Vorgestellten.    Sollten  Sie 
Sich   wohl    wirklich  eine    —    das   Vorstellen    erzeugende   Kraft  —  gedacht 
haben,    die    von    dem   Vorgestellten    als  Wirkung,    real    verschieden  wäre? 
Etwa  wie  die  constante  Kraft  der  Pferde  verschieden  von  dem  Fortrücken 
des    Wagens   auf   bessern    oder   schlechtem    Chausseen  ?    Wäre    denn    das 
metaphysisch?     —     Wäre    es    nicht    eine    Art    von    Vorstellungsvermögen? 
Doch  hierüber  haben  Sie  wohl   nicht  metaphysisch  mit  mir  zu  streiten  im 
Sinn  gehabt.    Sie  meinen  nur:   „die  Verminderung,  welche  der  Schwächung 
des   Bildes    entspricht,    muß    euie    andre   Größe    betreffen,    als    die,    welche 
die  unberührte  und  nur  in  ihrem  Effect  gehemmte  Kraft  ausdrückt."   Gut! 
Wie    kann  Ihnen    dann    die  Stelle   meines  Briefes   unzugänglich   seyn,    die 
den  ganz  präcisen  Ausdruck  enthält,  »die  Vor-'^itellung  a,  verwandelt  in  eine 
»Kraft,  ist  nicht  angetastet,  sondern  ganz  so  groß  wie  sie  ursprünglich  ist^ 
»strebt  sie,  das  theilweise  aufgehobene,    wirkliche  Vorstellen,   nämlich    den 
»Theil  X,    wieder   ins    klare  Vorstellen    zu    verwandeln!«    Da   ist   eine    und 
eine  andere  Größe,   die  eine  ist  a,    die  andere  x.     Aber   freylich   ist   hier 
keine  Wirkung  außerhalb    der  Ursache,    sondern    nur    ein    unveränderlicher 
Theil   X    von    einem    unveränderlichen    Ganzen    a.      Ist    das    nicht    genug, 
damit  der  Mathematiker  zwey  Größen  unterscheiden  könne?  ||  Entschuldigen 
Sie    ein    überflüssiges    Beispiel:    lo^  =  100.      Die   Zahl  2    veranlaßt    hier 
zwey  Fragen;   die  eine:   wie   hoch  ist  die  Potenz   von    10?   Antw. :   2.     Die 
andere   Frage:   wie  groß  ist  der  Logarithm.   von    100?    Antw.:    2.     Setzen 
Sie  nun    lo'^,    so   kann    dieses  x  kleiner    seyn  als   2;    wenn  Sie    aber  das 
ganze  System  der  gemeinen  Logarithmen  durchlaufen,  so  treffen  Sie  irgend 
einmal  mit  diesem   veränderlichen  x  auch    den    Logarithm.  von   100.     So 
treffe  ich   mit  dem  veränderlichen  Gehemmten  x  auch  einmal  das  ganze  a; 
dann  nämlich,  wenn  a  ganz  gehemmt  ist.     Hier  ist  immer  eine  und  eine 
andre  Größe;    und  jede  von    beyden    ist    einer  abgesonderten    Größenbestim- 
mung ohne    Widerspruch  zugänglich,   obgleich  hier  nicht  eine   Kraft  v/irklich 
verschieden   ist  von  dem  Effect,  den  sie  bewirken  soll.    Gesetzt,  das  ganze 
a  sey    gehemmt   gewesen.     Jetzt    aber    verschwindet    die    Hemmung.      Wo 
ist  nun  die  wirkende  Kraft?  Sie  ist  das  ganze  a.     Und  wo  ist  der  Effect, 
den  sie  hervorbringen  soll?   Eben  dies  nämliche  ganze  a,  als  ein  erneuertes, 
wirkliches  Vorstellen.     Gesetzt,  die  Erneuerung  sey  vollständig  geschehen, 
dann  verschwindet  wiederum    der  ganze  Unterschied    zwischen    dem   Vor- 
stellen,   subjectiv  genommen,   und   dem    Vorgestellten    (Psychol.  I.  S.  147 
welche  Stelle  Sie  anführen)  es  verschwindet  überdies  die  ganze  Anwendung 
des  Worts   Kraft;  denn  eine  ungehemmte  Vorstellung  ist  keine  Kraft  und 
hat  keine. 

Wollten  Sie  etwa  auch  hier  noch  die  Vorstellung  als  Kraft,  von  der 
Klarheit  als  dem  Effect  unterscheiden?  Überlegen  Sie  doch,  ob  Ihnen  der 
Unterschied  verschwinde,  wie  es  seyn  muß;  oder  ob  da  noch  etwas  von 
einem    Hervorbringen   und    Erhalten   dieser   Klarheit   übrig   bleibe   —    wie 


Juni  1834.  7^ 

ich  fast  vermuthen  muß,  da  Sie  das  Abstractum  Klarheit,  zum  Gegen- 
stande einer  Größenbestiramung  gemacht  haben,  wie  wenn  es  für  sich 
allein  etwas  bedeutete. 

»Nein  (werden  Sie  sagen)  ich  weiß  sehr  gut,  daß  die  Klarheit  nichts 
»außer  der  Vorstellung  selbst  ist  noch  bedeutet;  ich  unterscheide  nur  in 
»Begriffen  den  wiederhergestellten  Zustand  einer  Vorstellung  von  ihrer 
»Kraftäußerung  und  so  unterscheide  ich  überhaupt  den  Grad  dieses  Zu- 
»standes  von  der  Kraft,  obgleich  beydes,  Grad  des  Zustandes  und  Kraft- 
>äußerung,  Leiden  und  Thun,  in  der  nämlichen  Vorstellung  liegt.«  ||  Nun 
wohl!  gerade  so  mache  ich  es  auch,  und  ich  wünschte  mir.  daß  ich  das 
von  jeher  gethan  hätte.  Aber  ungenau  waren  meine  Ausdrücke  von  den 
gehemmten  T/ietlefi  ivelc/ie  in  ein  Sireben  verwandelt  wären ;  und  insofern 
kann  ich  durch  meine  Nachlässigkeit  Verwirrung  veranlaßt  j|  haben.  Nicht 
ein  Theil  strebt,  sondern  die  ganzen  Vorstellungen  streben.  Aber  mehr 
oder  weniger,  wenn  die  Theile,  welche  der  Hemmung  anheimfallen,  größer 
oder  kleiner  sind.  Da  sind  die  beyden  Fragen:  wie  groß  ist  die  ganze 
Vorstellung?  und:  wie  groß  der  Theil,  also  die  Nöthigung,  womit  die 
ganze  Vorstellung  sich  wieder  herzustellen  strebt?  Von  diesen  beyden 
Fragen  vergaß  ich  die  erste,  indem  ich  d  h  =  (H  —  h)  d  t  setzte,  und  den 
ersten  Factor  H  ausließ.  Aber  beyde  Fragen  geben  die  beyden  völlig 
verschiedenen  —  eben  deshalb  keinen  Widerspruch  veranlassenden  —  Rück- 
sichten, deren  jede   eine  eigne   Größenbestimraung  erfordert. 

„Wenn  in  a  x,  x  etwas  bedeutet,  was  ebenfalls  Kraft  ist,  so  habe 
ich  zwey  Kräfte."  So  steht  in  Ihrem  Briefe.  Darauf  antworte  ich:  x 
bedeutet  keine  Krajt^  als  etwas  Seyendes,  sondern  den  Grad  der  Nöthi- 
gung, durch  welche  Nöthigung  die  Vorstellung  a  Kraft  zviirde,  und  ohne 
welche  von  gar    keiner  Kraft    in    der  Ps3'chologie    die   Rede    seyn    könnte. 

Daß  nun  dieser  Grad  der  Nöthigung  nicht  an  der  bloßen  Klarheit 
in  abstracto  abgemessen  werden  könnte,  glaube  ich  in  meinem  vorigen 
Briefe  dargethan  zu  haben.  Und  jetzt,  mein  theurer  Freund,  benutze  ich, 
um  nicht  länger  zu  streiten,  Ihre  Güte,  sehen  Sie  nur  zu,  ob  es  Ihnen 
damit  rechter  Ernst  ist?  ich  meine  Ihre  Gleichung  dh  =  H  (i — h)  dt. 
Diese  Gleichung  zeigt  das  Tempo,  worin  die  abstracte  Klarheit  =  i  all- 
mählig  wieder  hergestellt  wird.  Wenn  nun  eine  Vorstellung  =  H  zu 
dieser  Klarheit  gelangt,  so  ist  das  klare  Vorgestellte  =  H,  Sie  sehen, 
ich  wende  nur  Ihr  Abstractum  jetzt  in  concreto  an,  indem  ich  schließe: 
H  d  h  =  H2  (i  —  h)  d  t,  und  ferner  H  h  =  H^  setzend  schreibe  d  H^  =  H 
(H  —  H^)  d  t,  wo  nun  das  concrete  d  H^,  geschlossen  aus  IJirem  Abstractum 
d  h,  genau  dasselbe  ist,  was  ich  behaupte.  Die  erste  Erhebung  zur  Klar- 
heit, im  ersten  Augenblick,  abstract  genommen,  hat  bey  Ihnen  für  h  =  o 
den  Factor  H.  Darum  ist  bey  mir,  concret,  das  erste,  wirkliche  Hervor- 
treten des  H,  proportional  dem  Quadrat  von  H.  ||  Hier  wäre  also  ein 
Anfangspunct  des  Einverständnisses.  Schlimmer  steht  es  wegen  der 
Hemmungssumme.  Denn  Ihren  Schluß  umdrehend  muß  ich  so  schreiben: 
Die  Hemmungssumme  kann  durchaus  nicht  ein  Subtrahend  für  die  bloße 
abstracte  Klarheit  werden,  sondern  sie  ist  ihrem  allerersten  Begriffe  nach 
ein  Subtrahend  für  das  klare  Vorstellen,  so  fern  dies  als  Quantum  von 
der  Vorstellung  selbst  abhängt.    Folglich  sind  alle  Schlüsse,  welche  diesen 


8o  Juni   1834. 

allerersten  Grundsatz  antasten  würden,  eben  dadurch  schon  apagogisch 
widerlegt;  und  man  hat  alsdann  und  noch  zu  mehrerer  Einsicht  die  directe 
Widerlegung  zu  suchen. 

In  Ansehung  der  Hemmungssurame  hat  wohl  nur  das  Unpassende 
des  Beyspiels  Sie  verleitet.  Darum  hoffe  ich  auf  ein  anderes  Beyspiel  von 
Ihnen.  Es  schien  mir,  daß  Sie  vielleicht  ein  passenderes  gewinnen  würden, 
•wenn  Sie  wirkliche  Pressungen  oder  Strebungen  eingeführt,  während  freilich 
die  Raumverkürzungen  Ihres  Beispiels  dergleichen  nicht  darbieten.  Nicht 
also  in  Ihr,  für  sich  Richtiges,  —  was  nur  kein  Beyspiel  für  mich  seyn 
kann  —  wollte  ich  etwas  hineintragen.  Aber  statt  zweyer,  vester  Puncte, 
wie  Sie  annehmen,  könnte  man  auch  wohl  die  Raumverkürzung  von  Ge- 
wichten abhängen  lassen.  Wenn  die  Federn  eine  gemeinsame,  senkrechte 
Axe  haben,  so  mag  ein  Gewicht  darauf  gelegt  werden,  so  groß,  daß  es 
die  beyden  schwächeren  unter  den  drey  Federn  bis  auf  Null  zusammen- 
zudrücken gerade  hinreicht.  Der  Widerstand  gegen  die  Pressung  durch 
dieses  Gewicht  wird  in  jedem  Puncte  aller  drey  Federn  gleich  groß  seyn 
müssen,    wenn   Gleichgewicht   eingetreten    ist.      Können   nun,    wie    ich    ver- 

X    y    z 
muthe,   diese  Pressungen   durch  jene   Brüche      ,    -,        ausgedrückt  werden, 

SO  möchte  vielleicht  jenes  Gewicht  der  Hemmungssumme  einigermaßen 
vergleichbar  seyn,  —  jedoch  bleibt  immer  der  große  Unterschied,  daß  das 
Gewicht  willkührlich  bestimmt  ist,  während  die  H.  S.  geradezu  aus  dem 
Quantum  der  Vorstellung  folgt.  Jedenfalls  sehen  Sie  hieraus,  was  ich  an 
Ihrem  Beyspiel  vermisse.  Sie  haben  darin  eine  gegebene  Raumgröße, 
die  schon  bestimmt  ist,  ehe  noch  daran  gedacht  wird,  daß  die  Federn 
sich  hineinklemmen  sollen.  Mein  Gewicht  dagegen  enthält  wenigstens  den 
allgemeinen  Begriff  des  Drucks;  unpassend  aber  bleibt  es  noch  immer, 
inwiefern  sein  Druck  sich  nicht,  wie  er  sollte,  aus  der  Kraft  der  Federn 
selbst  ergiebt. 

465.     An    DrObisch.^)  Göttingen   2  Jun    1834 

Mein  theurer  Freund!  Mit  einiger  Besorgniß  Sie  zu  ermüden,  nach- 
dem mein  voriger  Brief  Sie  nicht  überzeugt  hat,  —  beginne  ich  diesmal. 
Den  Punct,  wo  wir  am  härtesten  zusammenstoßen,  —  daß  Sie  nämlich 
den  Begriff  der  Hemmungssumme  abändern,  welchen  ich  als  die  veste 
Basis  der  ganzen  Untersuchung  betrachte,  will  ich  diesmal  nicht  urgiren; 
sondern  nur  zwey  Puncte  von  andrer  Art  hervorheben ;  den  einen,  welcher 
mir  das  künftige  —  hoffentlich  bald  erfolgende  Einverständnis,  vor- 
zubereiten  scheint;   den    andern,    dessen    Erwähnung    Sie  Selbst    verlangen. 

i)  Sie  schreiben:  ,,es  müßte,  wenn  ich  meine  Ansicht  vesthalte,  h  ein 
Bruch  der  ganzen -Klarheit,  und  daher  die  Formel  dh--^=H  (i  —  h)  dt  seyn." 

Diese  Formel  nehme  ich  an ;  in  der  Voraussetzung,  daß  dadurch 
nicht  das  Quantum  der  "sich  reproducirenden  Vorstellung  für  jeden  Zeit- 
punct,  sondern  der  Grad  der  Klarheit  in  abstracto  soll  ausgedrückt  werden. 
Für  den    Anfang  der  Wiedererhebung  ist  also,    weil  h  =  o, 

d  h  =  H  d  t. 

;  3  =>•    4  • 


JuBi  1834.  81 

Jetzt  aber  frage  ich  nach  dem  Quantum  der  reproducirten  Vor- 
stellung für  den  schon  bestimmten  Grad  der  Klarheit;  und  setze 
Hdh  =  dhi.  Also  Hdh  =  H2(i  — h)dt  =  dhi  =  H  (H  — hi)dt,  mithin 
für  hi  =  o,  dhi  =  H2dt. 

Es  kam  nämlich  hier  lediglich  darauf  an,  von  dem  abstracten  Be- 
griff der  Klarheit  überzugehen  zu  dem  concreten  des  Quantum  jedes- 
maligen Vorstellens  von  solcher  Klarheit.  Wollen  Sie  hiermit  meinen 
vorigen  Brief  vergleichen,  sc>  werden  Sie  Sich  nicht  wundern,  daß  ich  die 
von  Ihnen  mir  abschriftlich   wieder  vorgelegte  Stelle: 

Die    Vorstellung  a,    verwandelt    in    eine    Kraft,    ist    nicht    an- 
getastet:  sondern,  ganz  s<>  groß  wie  sie  ursprünglich  ist,   strebt 
sie    das    theilweise    aufgehobene  wirkliche    Vorstellen,    nämlich 
den  Theil  x,  wieder  ins  klare  Vorstellen  zu  verwandeln, 
als  ganz  genau  meinen  Gedanken  aussprechend  bezeichne.     Wenn  nämlich 
X  =  a,  und  nun  plötzlich  alle  Hemmung  hinweggedacht  wird,   so  ist  dies  a 
oder  X  gerade  das  obige  h^. 

Sie  nun  finden  hier  einen  Widerspruch.  ..indem  das  Vorstellen  als 
Kraft  und  Effect  zugleich  behandelt  werde."  Sie  sagen  sogar  weiterhin: 
„wenn  in  a  x,  x  etwas  bedeutet,  was  ebenfalls  Kraft  ist,  so  habe  ich  dann 
zwey  Kräfte."  Natürlich  haben  Sie  unter  solchen  Umständen  meta- 
physische  Erörterung  verlangt;   und  diese  soll  gleich   folgen.  |[ 

2)  Sie  kennen  meine  Behauptung:  es  giebt  Nichts,  was  an  sich 
Kraft  wäre  oder  Kraft  hätte. 

„An  sich  sind  die  Vorstellungen  nicht  Kräfte''  —  so  steht  schon 
im   Lehrbuch  d.   Psych,  vom  Jahre    18 16,   S,   102. 

Setzen  wir  nun  eine  ungehemmte  Vorstellung  =  a.  Wie  groß  ist 
das  Quantum  des  Vorstellens?  Antw. :  es  ist=a.  Und  wie  groß  ist  das 
Quantum  des  Vorgestellten?  Antwort:  =  a.  Und  wie  groß  ist  die  Kraft 
des  Vorstellens?  Antwort:  sie  ist  =  Null.  Die  Vorstellung  ist  nichts 
anderes  als  eine  Selbsterhaltung  der  Seele.  Der  Begriff  der  Kraft  paßt 
gar  nicht  darauf. 

Wenn  aber  von  a  der  Theil  x  gehemmt  wird:  so  bedeutet  x  die 
Nöthigung,  wodurch  das  ganze  a  Kraft  wird.  Je  größer  diese  Nöthigung, 
desto  mehr  wird  a  Kraft.  Und  je  größer  a,  desto  größer  ist  das,  was 
Kraft  wird.  Daher  a-'dt  im  Anfange  der  vorhin  erwähnten  Wieder- 
erhebung.    Hingegen  für  x^o  auch  ax  =  o,  d.  h.  keine  Kraft. 

Jetzt  aber  will  ich  mich  besinnen ,  daß  ich  für  Sie  am  deutlichsten 
spreche,  wenn  ich  so  wenig  Worte  mache  als  möglich.  Daher  kein  Zu- 
satz mehr  zum   Vorhergehenden. 

Was  Ihre  Federn  anlangt:  so  hatte  ich  gehofft,  Sie  würden  das  Bey- 
spiel  verändern.  Wenn  die  Federn  eine  gemeinschaftliche  senkrechte 
Achse  hätten,  so  könnte  man  ein  Gewicht  darauf  legen.  Die  Verkürzung 
wäre  dann  nicht  mehr  eine  im  voraus  bestimmte  Rauragröße,  sondern 
der  Verhältnißbegriff:  Verkürzung,  möchte,  wie  mir  scheint,  zugleich 
den  Strebungen  in  jedem  Puncte  entsprechen,  während  eben  diese  Strebungen, 
multiplicirt  mit  der  eignen  Stärke  jeder  Feder,  beym  Gleichgewichte  in 
allen  Puncten  gleich  seyn  müssen.  Das  Gewicht  würde  ich  freylich,  um 
Analogie  mit  der  H.   S.   zu  erhalten,    willkührlich    so    annehmen,    daß    es 

Herbarts  Werke.     XVIII.  6 


82  Juni  1834. 

gerade    hinreichte,     die    beyden     schwächren     Federn     völlig    zusammen- 
zudrücken. II 

Glauben  Sie  nun  ja  nicht,  mein  verehrtester  Freund!  daß  ich  durch 
diesen  und  die  vorigen  Briefe  etwa  nur  die  streitigen  Gegenstände  zu 
beseitigen  suche.  Im  Gegentheil  —  möchte  mir  nur  in  früherer  Zeit  eine 
solche  Gelegenheit  des  Gedankenverkehrs  zu  Theil  geworden  seyn!  Dabey 
lerne  ich  und  übe  mich  und  komme  weiter;  und  dem  Himmel  sey  Dank! 
dies  Bemühen,  zunächst  um  die  Sache  selbst,  —  wobey  ich  den  lite- 
rarischen Markt  vergesse,  —  ist  eine  Gewohnheit,  zu  der  ich  mich  auch 
jetzt  noch  keineswegs  zu  alt  finde.  Halten  Sie  es  geduldig  aus,  so  sollen 
Sie  mich  weder  träge  noch  unlustig  finden;  auch  ist  recht  gut,  wenn  wir 
dabey  von  Einem  aufs  Andre  kommen.  Nur  schlimm,  daß  ich  Gefahr 
laufe  mich  unvermerkt  zu  wiederhohlen,  weil  ich  meine  frühern  Briefe 
nicht  vor  Augen  habe,  —  denn  Abschriften  zu  nehmen  erlauben  meine 
Zeit  und  meine  Augen  nicht,  und  will  ich  abschreiben,  so  schreibe  ich 
allemal  unwillkührlich  von  neuem  und  anders.  Es  kommt  übrigens  noch 
hinzu,  daß  Puncte,  die  unter  uns  beyden  streitig  werden  können,  sehr 
wahrscheinlich  auch  Andern  dereinst  Schwierigkeit  machen  werden;  es  ist 
also  gut,  daß  wir  uns  im  Stillen  auf  mögliche  Fälle  vorüben.  —  Lasse 
ich  etwas  unbeantwortet,  was  [Sie]  bestimmt  beantwortet  haben  wollen,  so 
geschieht  es  meist  in  der  Meinung,  es  werde  sich  von  [selbst]  erledigen; 
geschieht  das  aber  nicht,    so    haben  Sie   nur  die  Güte   daran  zu  mahnen. 

Nun  noch  ein  paar  andre  Dinge!  ich  denke  darauf  mir  ein  Forte- 
piano  zu  kaufen;  vielleicht  auch  eine  Phys-Harmonika.  —  Hier  werden 
zwar  gute  Fortepianos  gemacht,  aber  nicht  unter  50  Louisd'or;  und  dafür 
ist  mir  doch  der  Anschlag  und  die  Dämpfung  noch  nicht  exact  genug. 
An  wen  wendet  man  sich  jetzt  in  Leipzig  am  besten?  Unter  welcher 
Adresse  schreibt  man  an  Härtel  und  an  Wiek?  Des  letztern  Titel  kenne 
ich  nicht.  Sind  die  Fortepianos  im  Preise  gestiegen  seit  ich  in  Leipzig 
war?  Sind  die  Physharmonikas  verbessert?  Vielleicht  können  Sie  mir 
irgend  etwas  darüber  sagen.  Vielleicht  weiß  man  auch  dort  ungefähr, 
wieviel  Steuer  so  etwas  hier  kosten  kann. 

Und  nun  noch  ein  Wort  wegen  Strümpells.  Er  hat  mir  Etwas  zur 
Probe  von  seiner  Schrift  geschickt;  druckfertig  wäre  sie  wohl;  wenn  wir 
nur  erst  einen  Verleger  haben;  ich  will  nicht  gern  eine  bestimmte  Emp- 
fehlung in  meinen  Angelegenheiten  aussprechen.  Er  denkt  daran  auf 
Michael  nach  Leipzig  zu  gehn;  und  wünscht  zu  wissen,  ob  er  dort  auf 
die  Möglichkeit  der  Habilitation  rechnen  könne?  Möchten  Sie  Sich  wohl 
darüber  äußern?  — 

Unveränderlich  der  Ihrige!      H. 

466.     An    Strümpell.  1)  Göttingen  9  Jun    1834 

Lieber  Herr  Doctof!  Ihr  Manuscript  habe  ich  zum  Theil  dem  Hof- 
rath  Dissen  vorgelesen.  Er  hat  geurtheilt,  daß  nach  einiger  Veränderung 
dasselbe  verdiene  gedruckt  zu  werden.  Seine  Gefälligkeit  ging  für  mich 
soweit,    daß    er   sich .  an    den  Buchhändler  Deuerlich  wendete ;    dieser  hat 

^)  S.  A.  Spitzner -Strümpell,   Die  Psychol.  Päd.,  Lpzg.,  E.  Ungleich,  S.  XXII. 


Juni   1834. 83 

aber  den  Verlag  abgelehnt.  Unter  diesen  Umständen  würde  ich  selbst 
anderwärts  einen  ähnlichen  Versuch  machen,  wenn  Ihr  Manuscript  mir 
mcht  Hindernisse  zeigte. 

Wären  Sie  in  der  Lage,  die  Kosten  des  Drucks  selbst  zu  tragen; 
könnten  Sie  überdies  ein  halbes  Dutzend  Jahre  aus  eigenen  Mitteln  sub- 
sistieren:  so  würdeich  bloß  sagen:  überlegen  Sie,  wieviel  Sie  wagen  wollen. 
Vielleicht  erinnern  Sie  sich,  daß  ich  früher,  da  ich  Ihre  Lage  für  günstiger 
hielt,  so  gesprochen  habe. 

Ein  Urtheil  über  Ihre  Schrift  würde  ich  mir  im  Voraus  gar  nicht 
erlauben.     Sie  sind  an  mich  nicht  gebunden. 

Jetzt  aber  muß  ich  zuerst  einer  Stelle  Ihres  Briefes  bestimmt  wider- 
sprechen. Sie  meinen,  Ihre  Lage  könne  durch  Polemik  nicht  schlechter 
werden,  als  sie  ist.  Darin  irren  Sie!  Noch  haben  Sie  sich  den  Weg 
nicht  versperrt;  aber  sehr  viel  schlimmer  wird  es  werden,  wenn  Sie  ihn 
versperren. 

Ihr  Zielpunkt  ist  zunächst  eine  Professur.  Dazu  ist  der  Beyfall 
irgend  eines  Universitäts-Curatorii  nothwendig.  Hiezu  wird  eine  Probe- 
schrift erfordert,  die  —  ohne  Anstoß  zu  geben  —  die  gehörige  Befähi- 
gung darlege.     Harte  Polemik  aber  giebt  Anstoß. 

Sie  suchen  einen  Verieger.  Zu  harter  Polemik  kann  ich  keinen  Ver- 
leger suchen ;  es  wäre  denn  für  mich  selbst,  aber  nicht  für  Sie.  Sie  su(  hen 
einen  Verleger.  Zu  zwanzig  oder  mehr  Druckbogen  bekommen  Sie  höchst- 
wahrscheinlich keinen. 

Mein  Rath  ist  also:  abkürzen,  ausfeilen,  das  Polemische  ganz  trecken 
und  bestimmt  —  übrigens  der  Sache  nach  vollständig  —  aber  ohne 
irgend  einen  stechenden  Ausdruck  —  vortragen;  bloß  so,  daß  Ihre  Sach- 
kenntniß  am  Tage  liege. 

Was  die  Gegner  verdient  haben,  geht  Sie  gar  nichts  an. 
Vom    „lieben  Gott",    den    ich    in    Ihrem  Manuscript    irgendwo    finde, 
darf    nicht    eine    einzige    Sylbe   vorkommen,    die   irgend    als   geringschätz- 
könnte  gedeutet  werden. 

Wollen  Sie  meinen  Rath  annehmen  und  befolgen:  so  werde  ich  eir.c 
voriäufige  Erkundigung  bei  der  Dietrichschen  Buchhandlung  nicht  scheuen; 
besonders  wegen  der  Bogenzahl,  die  man  etwa  annehmen  möchte.  Herrn 
Vieweg  dagegen  kann  ich  nur  antworten,  wenn  er  mich  fragt. 

Bestimmen  Sie  nun,  ob  ich  Ihnen  das  Manuscript  zurückschicken 
soll.  Falls  ich  das  Manuscript  empfehlen  sollte,  müßte  ich  es  ganz  vor 
Augen  haben.  Falls  ich  eme  vorläufige  Erkundigung  unternehmen  soll,  muß 
ich  Titel  und  Inhalts-Anzeigen  haben.  Ohne  diese  ist  gar  nichts  anzufangen. 
Kann  Ihr  Manuscript  nicht  wesentlich  gekürzt  werden,  (wiewohl  ich 
dies  nach  der  mir  voriiegenden  Probe  für  möglich  halte):  so  muß  es  ge- 
teilt werden;  und  in  zwey  Heften  herauskommen.  Gewinnt  dann  das 
erste  einigen  Absatz,  so  findet  auch  wohl  das  zweyte  Gnade  beym  Ver- 
leger. Vielleicht  auch  reicht  das  erste  als  ein  Specimen  schon  hin,  damit 
man  es  einigen  angesehenen  Männern  einsende,  und  damit  Ihr  Name  be- 
kannt werde.  Und  diesen  einzig  wesentlichen  Gesichtspunkt  müssen  Sie 
vesthalten.     Alles  andere  aber  fürs  erste  bey  Seite  setzen. 

Mit  den  besten  Wünschen  der  Ihrige!     H. 


84  Juni    1834. 

467.  An  Griepenkerl.  ^)  Göttingen  10  Juni  34. 

Diesmal  mein  theurer  Freund!  wollte  ich  Sie  nicht  behelligen,  aber 
indem  ich  die  Einlage  schon  siegeln  will,  fällt  mir  auf  daß  Strümpell  aus 
Wolfenbüttel  geschrieben  hat.     Ist  er  dorthin  gezogen  ? 

Jedenfalls  ist  der  Sicherheit  wegen  gut,  das  Sie  die  Einlage  lesen, 
nur  damit  Ihnen  Alles  klar  vor  Augen  liege.  Freylich  scheint  Ihr  Schweigen 
anzudeuten,  daß  Sie  Sich  in  Nichts  mischen  wollen.  Ist  dies  in  bedeutendem 
Grade  rathsam  geworden,  so  bitte  ich  auch  diesmal,  schicken  Sie  mir  die 
Einlage  zurück,  mit  der  Nachricht,  wo  Strümpell  sich  aufhält. 

Das  vorige  Blättchen,  was  durch  Ihre  Hände  ging,  haben  Sie  ab- 
geschickt. Also  mußte  ich  auch  die  Antwort  annehmen.  Sie  können 
leicht  erachten,  daß  ich  jetzt  nicht  Schwierigkeiten  machen,  sondern  wo- 
möglich beseitigen  will.  Es  kommt  darauf  an  daß  Etwas  geschehe.  Leider 
sehe  ich  noch  nicht  mit  Sicherheit,  wie? 

Lassen  Sie  mich  bald  wieder  einige  —  wenns  seyn  kann  heitere 
Zeilen  von  Ihnen  lesen.  —  Meine  pädagog.  Vorlesungen  für  nächsten 
Winter  sind  jetzt  größtenteils  wenigstens  obenhin  entworfen. 

Unveränderlich,  (aber  sehr  eilig)  der  Ihrige!     H. 

468.  An   Strümpell.''^)  Göttingen   16  Juny   1834 
Ihr  heutiger  Brief,  lieber  Herr  Doctor,  war  mir  um  desto  angenehmer, 

da  ich  bey  dem  Disponenten  der  Dietrichschen  Buchhandlung  den  Frage- 
punct  sogleich  anzuregen  Gelegenheit  fand.  Derselbe  bewilligt  den  kosten- 
freyen  Verlag  des  ersten  Heftes^),  und  macht  Hoffnung,  daß  wegen  der 
Kosten  des  zweyten  eine  Vereinbarung  möglich  seyn  werde,  falls  das 
erste  nicht  zu  schlechten  Abgang  findet;  —  vorausgesetzt  jedoch,  daß 
der  Inhalt  nicht  hervorstechend  polemisch  sey,  indem,  wie  er  sagt,  polemische 
Schriften  keine  Zerlegung  in  mehrere  Hefte  vertragen.  Das  läßt  sich  auch 
wohl  begreifen. 

Nun  kommt  demnach  Alles  darauf  an,  daß  durch  das  erste  Heft  das 
Interesse  der  Leser  gefesselt  werde.  Davon  hängt  der  Absatz  ab,  und 
an  diesem  Punct  hängt  wiederum  Alles  Übrige. 

Sehr  nöthig  ist  nun  eine  gute  Wahl  des  Titels,  und  hiebey  werden 
Sie  wohl  dem  Buchhändler  eine  Stimme  gestatten  müssen. 

In  Folge  Ihres  Briefes  setze  ich  voraus,  daß  Sie  an  Sich  halten,  und 
Sich  gar  keinem  polemischen  Eifer  hingeben  werden.  Ihre  Schrift  wird 
im  Publicum  sogleich  als  von  mir  herkommend  betrachtet  werden ,  — 
nicht  etwan  so  sehr  wegen  des  Inhalts,  als  wegen  des  Verlegers.  Denn 
ich  wohne  im  Dietrichschen  Hause;  meine  Zimmer  liegen  über  dem 
ßuchladen,  —  und  Göttingen  ist  bekanntlich  ein  sehr  öffentlicher  Ort. 

Man  würde  aber  im  Publikum  es  weder  Ihnen  noch  mir  verzeihen, 
wenn  von  uns  in  so  sichtbarer  Gemeinschaft  irgend  eine  Anmaaßung,  wie 


')   I   S.    4*.     H.  Wien.     Bei  Zimmermann,  S.  90. 

2)  S.  A.  Spitzner-S.trümpell  a,  a.  O"  S.  XXIII. 

^)  Erläuterungen  zu  Herbarts  Philosophie,  mit  Rücksicht  auf  die  Berichte,  Ein- 
würfe und  Mißverständnisse  ihrer  Gegner.  Erstes  (u.  einziges)  Heft.  Göttingen  1834. 
193  S.    S".     Über  den  Titel  vgl.  u.  Nr.  472. 


Juni  1834.  85 

von  literarischer  Gewalt,  ausginge.  Strengste  Mäßigung  in  der  Wahl  der 
Ausdrücke  ist  hier  das  höchste  Gesetz.  Beobachten  Sie  diese:  so  haben 
Sie  halb  gewonnen.  Ein  einziges  scharfes  Wort  aber  kann  Alles  verderben. 
Nach  meiner  eigenen  Erfahrung  zu  schließen,  muß  man  unbarmherzig  aus- 
streichen, ehe  man  das  Manuscript  absendet,  und  sich  nicht  etwa  durch 
Verlust  einer  Pointe,  selbst  nicht  durch  fühlbare  Mängel  des  Zusammen- 
hanges, am  Ausstreichen  hindern  lassen,  wo  irgend  eine  unnütze  Härte 
wegzuschaffen  ist. 

Denken  Sie  während  des  Schreibens  ja  nicht  an  die  Gegner;  wohl 
aber  an  die  tonangebenden  Köpfe  unter  der  Menge  der  Unbefangenen, 
denen  aller  philosophische  Streit  ein  Schauspiel  ist.  Unterlassen  Sie  nicht, 
mit  guter  Manier  Belesenheit  zu  zeigen.  Es  ist  eine  Probeschrift,  man 
fragt  unfehlbar,  wie  weit  Ihr  literarischer  Gesichtskreis  sich  erstrecke,  und 
ob  Sie  Mehr  als  nur  Ein  System  kennen. 

Wenn  Sie  Ihr  schon  fertiges  Manuscript  noch  großentheils  brauchbar 
finden,  so  ist  das  Beybehalten  sicherer,  als  viel  Neues  zu  schreiben  — 
nämlich  insofern,  als  man  schärfere  kritische  Augen  zu  einer  Handschrift 
mitbringt,  die  schon  ein  Weilchen  gelegen  hat.  Das  Neue  muß  immer 
wieder  eine  Zeitlang  liegen,  ehe  man  sicher  ist,  nicht  Schwächen  zu  über- 
sehen, die  hintennach,  wenn  das  Gedruckte  vor  Augen  liegt,  sogleich  sich 
bemerklich  machen. 

Was  Ihre  Recension  anlangt,  so  wäre  es  vielleicht  sicherer  gewesen, 
Sie  erst  durch  mich  bey  Eichstädt  anmelden  zu  lassen,  der  früher  von 
mir  Empfehlungen  zu  seinen  Aufträgen  wünschte.  Jetzt  —  wenn  er  liest, 
wird  er  selbst  urtheilen;  wenn  er  aber  nicht  lieset?  —  Sie  wissen,  wie 
wenig  eigentlich  gelesen  wird!  Bey  Grubern  werden  Sie  wohl  noch  von 
Ihrer  Antwort  an  Hinrichs  bekannt  seyn. 

Das  mir  mitgetheilte  Stück  des  Manuscripts  lege  ich  bey,  und  füge 
meine  besten  Wünsche  hinzu.  Möge  die  dortige  Bibliothek  Ihnen  den 
Aufenthalt  angenehm  machen.  Ihr     H. 

469.    Drobisch  an  H.  Leipzig,  20  Juni  34 

Mein  innigst  verehrter,  würdiger  freund!  Die  Verzögerung  meiner  Antwort 
auf  Ihren  letzten  Brief  vom  2.  Juni  beruht  auf  einem  14tägigem  Übelbefinden,  das 
mir  ein  schmerzhafter  Hämorrhoidalabsceß,  der  mich  nicht  nur  an  das  Zimmer  band, 
sondern  mir  Tag  und  Nacht  nicht  Ruhe  ließ  und  mich  am  Gehen  und  Sitzen  und 
selbst  theilweise  am  Liegen  hinderte,  verursachte.  Bei  Schmerz  und  Wassersuppe 
vergeht  mir  aber  leicht  die  Lust  an  der  Speculation:  denn  auch  mein  Geist  scheint 
dann  nur  Wassersuppe  zu  begehren.  Dennoch  habe  ich  nicht  ein  einzigesmal  in 
Krug's  Schriften  gelesen!  Sehr  willkommen  waren  mir  Ihre  metaphysischen  kurzen 
Bemerkungen.  Daß  Sie  mich  auf  die  metaphys.  Entstehung  der  Kraft  aufmerksam 
machen,  faßt  allerdings  die  Sache  bei  der  Wurzel.  Eine  stramme  Discussion  behalte 
ich  mir  vielleicht  fiir  einen  der  nächsten  Briefe  vor,  da  ich  im  Augenbhcke  niclit 
ganz  bei  der  Sache  bin  und  doch  etwas  von  mir  hören  lassen  möchte.  N'ur  eins 
will  mir  wahrscheinhch  scheinen :  daß  nämlich  der  Gedanke,  den  Sie  selbst  auf- 
gestellt und  den  ich  mit  Vorliebe  verfolgt  habe,  der  Gedanke:  die  math.  Psych,  hypo- 
thetisch  nach  Art    der   Naturwissenschaft    zu    behandeln,    mir    immer  bedenklicher 


^)  3V2  S.    40.     E.  W. 


86  Juni  1834. 

wird.  Denu  jemehr  man  sich  von  den  metaphysischen  Beg-riffen  losringeu  will, 
um  desto  mehr,  oder  desto  leichter  wenigstens,  verwickelt  man  sich  in  scheinbare 
Voraussetzungen,  die  haltlos  sind.  Jetzt  nun  für  diesmal  blos  von  äußerlichen  Dingen. 
Es  folgen  zwei  Preislisten  von  Härteis  und  von  "Wiek.  Vorrath  von  eigner  Fabrik 
ist  bei  beiden  jetzt  nicht  vorhanden,  der  Absatz  ist  unausgesetzt.  Erst  gegen 
Michael  werden  wieder  Instrumente  zu  finden  seyn.  Was  Härteis  (?)  betrifft,  so  habe 
ich  selbst  einen  Brief  aus  dem  warmen  und  feuchten  Neu-Orleans  gelesen,  wohin 
sie  vorm  Jahr  84  Stück  geliefert  hatten,  und  wo  man  mit  der  Haltung  sehr  zu- 
frieden war,  und  eine  neue  Sendung  anschrieb.  Die  Güte  der  von  Wiek's  eigner 
Fabrik  kenne  ich  nicht  genauer.  "Wenn  Sie  ernstere  Absichten  haben,  würde  ich 
mit  einem  Fortepianokenner  die  Instrumente  prüfen.  Der  Zoll  für  Hannover  soll 
1  Gr.  pro  Pfd,  also  circa  16  Thlr,  betragen. 

Nehmen  Sie  von  "Wiek  ein  echt  "V^''iener  Instrument,  so  haben  Sie  auch 
blos  diesen  Zoll  zu  entrichten:  der  Verkauf  ab  Leipzig  gilt  dann  für  Transite. 
Die  Physharmonica  werden  nicht  mehr  gebaut,  da  Fuchs  in  Wien  todt  und  bisher 
Niemand  der  Bau  gelungen  ist.  "Wiek  hat  noch  ein  einziges  Exemplar  zum 
Verkauf. 

Nun  von  Strümpell.  Er  hat  mir  selbst  vor  ein  paar  Tagen  geschrieben, 
wünscht  aber  von  mir  die  Vermittlung  einer  Hofmeisterstelle  und  scheint  sich  in 
sehr  gedmckter  Lage  zu  befinden,  was  mir  recht  bedauerlich  ist.  Ich  will  recht 
gerne  mich  bemühen,  wie  ich  kann;  es  kommt  aber  freilich  alles  nur  auf  glückhche 
Conjuncturen  an.  Sie  dagegen  fragen  nach  der  Habilitation  hier  in  Leipzig.  Auch 
dies  wiU  ich  beantworten.  Erst  vor  einigen  "Wochen  hat  eine  Ministerialverordnung 
die  Habilitation  wegen  allzu  großem  Zudrang  insbesondere  auch  unbemittelten  Aus- 
ländern zu  erschweren  gesucht,  theils  durch  höhere  Anforderungen,  theils  durch 
größere  Kosten.  Wer  bereits  auswärts  Dr.  phil.  geworden  ist,  hat  erstens  hier  noch 
nach  altem  Brauch  pro  nostrificatione  30  Thlr.  zu  entrichten.  Dann  wird  ein  Examen 
mit  besonderer  Beziehung  auf  sein  Fach  angestellt  |j,  wofür  20  Thlr.  zu  zahlen  ist. 
Besteht  der  Candidat  dasselbe,  so  wird  der  Candidat  zu  einer  öffentlichen  Probe- 
vorlesung zugelassen,  wozu  die  Facultät  das  Thema  giebt.  Genügt  er  in  dieser,  so 
hat  er  nun  eine  Dissertation  zu  schreiben,  drucken  zu  lassen  und  öffentlich  zu  ver- 
theidigen.  Sie  muß  mindestens  3  Bogen  betragen.  Der  Dekan  bekommt  1  Diic. 
pro  censura,  die  Pedellen  auch  einige  Thaler,  wie  ich  glaube,  so  daß  der  ganze  Auf- 
wand doch  wol  100 — 120  Thlr.  betragen  mag.  Ob  Str.  hier  einen  günstigen  Wirkungs- 
kreis finden  wird,  läßt  sich  natürlicli  schwer  bestimmen.  Diesen  Sommer,  wo  durch 
die  neu  eingesetzte  Quästur  die  Studenten  zu  prompter  Bezahlung  der  Privatcollegien 
angehalten  worden  sind,  haben  nur  Krug  und  ich  Privatcollegien  zu  Stande  gebracht, 
jener  um  den  dritten  Theil  seines  ehemaligen  Honorars,  ich  bei  unverändertem 
Honorar,  mit  etwas  mehr-  als  der  Hälfte  der  früheren  Zuhörerzahl.  (Die  Logik  dies- 
mal 45,  Psychologie  18.)  Weiße,  Hartenstein,  Billroth  sind  ganz  leer  ausgegangen. 
Kehrt  nun  Clodius  zu  Michael  zurück,  und  bekommen  wir  einen  Nachfolger  Krug's, 
so  lesen  schon  7  philosophische  CoUegien.  Indeß  könnte  recht  wohl  ein  so  talentvoller 
Mann  wie  Str.  sich  -Beifall  erwerben,  wenn  er  die  Studenten  zu  behandeln  weiß. 

An  Knigs  Stelle  denominirt  sind  Wendt,  Weiße,  Ritter.  Recommandirt  ist  bei 
dieser  Gelegenheit  Hartenstein,  der  der  Facultät  ein  Schreiben  eingereicht  hat,  in 
dem  er  um  Empfehlung  an  das  Ministerium  zu  künftiger  Berücksichtigung  bittet. 
und  sich  zu  ihrer  Philosophie  bekennt.  Ich  vermuthe  das  Ministerium  wird  Rittern 
zu  gewinnen  suchen,  auf  den  es  uns  selbst  aufmerksam  machte.  Was  ich  von 
seiner  persönlichen  Wirksamkeit  ||  gehört  habe,  macht  mir  nicht  große  Hoffnung, 
daß  er  das  philos.  Leben    auf   unsrer  Universität  vermehren   werde.     Es   wäre    mir 


Juni  1834.  .   87 

ein  Feuergeist,  wenu  auch  von  ganz  heterogener  Richtung,  lieber,  dann  würde  doch 
der  Sinn  für  die  Sache  gehoben  und  die  Opposition  lohnte  sich  eher  der  Mühe. 

Die  Übersendung  meiner  nun  im  Druck  vollendeten  Schrift  über  die  höheren, 
numerischen  Gleichungen  wird  mir  jedenfalls  bald  Gelegenheit  geben,  Ihnen  wieder- 
holt zu  schreiben.  Ich  empfehle  mich  daher  auf  baldige  Erneuerung  des  Brief- 
▼erkehrs  für  heute  bestens  —  Ihnen  und  Ihrer  verehrten  Frau  Gemahlin  in  meinen 
uiid  meiner  Frau  Namen.  Von  ganzem  Herzen  der  Ihrige    Drobisch. 

470.  An  Griepenkerl.  i)  Göttingen  20  Juni  1834. 
So   sehr   ich  bedauere,   mein    theurer   Freund,   daß    Ihrem   Schweigen 

eine  viel  tiefere  und  schlimmere  Ursache  zum  Grunde  lag  als  ich  errathen 
konnte:  so  angenehm  sind  mir  dagegen  die  übrigen  Nachrichten,  da  ich 
für  Strümpelln  nun  doch  Licht  sehe.  Er  ist  also  mit  Ihnen  in  gutem 
Frieden  I  Und  sein  letzter  Brief  an  mich  war  auch  so  geartet,  daß  ich  so- 
gleich etwas  für  ihn  erlangen  konnte.  Der  Disponent  der  Dietrichschen 
Buchhandlung  hat  versprochen,  ein  erstes  Heft  von  10 — 12  Bogen  zu 
verlegen;  dann  w^erde  nach  dem  Absätze  geurtheilt  werden  wegen  des 
zweyten;  und  ich  denke,  es  wird  sich  auch  dazu  Rath  finden.  Recen- 
sionen  wird  Str.  wohl  Gelegenheit  finden  anzubringen,  sobald  er  nur  erst, 
wie  ich  hoffe,  in  gemäßigtem  Tone  sich  bekannt  gemacht  hat. 

Wenn  aber  der  Dr.  iuris  meinen  letzten  Brief  in  die  Hände  be- 
kommt, worin  ich  ihm  die  übersandte  Manuscript- Probe  wiederschickte, 
so  ist  das,  glaube  ich,  nicht  meine  Schuld,  —  aber  wohl  auch  nicht  ge- 
fährlich; nur  der  Sicherheit  wegen  könnten  Sie  Sich  etwa  gelegendich  bey 
Str.  erkundigen,  ob  er  meinen  Brief  mit  dem  Manuscripte,  und  mit  der 
Nachricht,  daß  die  Dietrichsche  Buchhandlung  sein  erstes  Heft  verlegen 
will,  bekommen   habe? 

Möge  das  Musikfest  Sie  erfreuen,-  aber  nicht  lange  aufhalten!  Dort 
ist  wohl  unmittelbar  nur  Zerrenner  (der  Consist.  Rath)  zu  besuchen;  aber 
ich  möchte  wetten,  daß  Sie  durch  ihn  oder  andere  Verbindungen  mit  dem 
dortigen  Oberbürgermeister  —  ich  glaube  er  heißt  Frank,  —  in  Bekannt- 
schaft treten  könnten,   der  ein  höchst  wirksamer   Mann  seyn  soll. 

In  Seesen  werden  wir  doch  wohl  bald  wieder  zusammenkommen 
müssen!  Nicht  daß  ich  an  Ihrem  Plane  zum  pädagog.  Werke  etwas  aus- 
zustellen wüßte,  —  ich  kann  nicht  genug  beurtheilen,  inwiefern  dieser  Ent- 
wurf das  Mannigfaltige  fassen  werde,  aber  ich  zweifle  nicht  an  Ihrer  Kunst, 
ihn  auszufüllen.  Nur  soviel  ist  klar,  daß  meine  hiesige  Lage  eine  Unter- 
stützung durch  mitwirkende  Schriften  durchaus  fordert,  wenn  ich  nicht 
auch  noch  die  letzten  Jahre  meines  möglichen  Wirkens  veriierea  soll.  Der 
hiesige  Fleiß  ist  mir  lange  nicht  exact  genug,  v/iewohl  ich  äußerlich  ge- 
nommen eben  nicht  in  Veriegenheit  bin;  auch  manche  Einzelne  unter 
den  Zuhörern  ganz  regelmäßig  kommen.  Mehr  Zeit  ist  mir  heute  nicht 
gegönnt.  Ganz  Ihr     H. 

471.  An    Drobisch.-)  Göttingen  29  Juni   1834. 
Mein  theurer  Freund!    Heute  nur  wenige  eilige  Worte!  Von  Herzen 

danke  ich,    daß  Sie  Ihres  beschweriichen  Übels  ungeachtet   (möge   es  für 

')  I   S.    4".     H.  Wien.     Bei  Zimmermann,  S.  90. 

*)  I   S.    8». 


88 Juli  1834.  

immer  überwunden  seyn!)  mir  doch  nach  meinem  Wunsche  Antwort  ge- 
schafft haben.  Das  Nebenblatt  ist  für  Herrn  Wiek;  ich  werde  mir  Glück 
wünschen  wenn  ich  die  Physharmonica  für  den  angegebenen  Preis  noch 
bekomme,  da  für  eine  Zeitlang  wenigstens  diese  Instrumente  selten  zu 
werden  drohen. 

Wegen  unseres  freundschaftlichen  Streits  konnte  mir  wohl  nichts  will- 
kommener seyn,  als  daß  Sie  Sich  auf  Metaphysik  einlassen.  Sie  wissen 
wohl,  welche  Accomodation  es  mich  kosten  müßte,  meine  psychologischen 
Grundlehren  dem  Scheine  von  Hypothesen  Preis  zu  geben,  was  sie  für 
mich  nie  waren   noch  seyn  können. 

Mit  Strümpell  —  der  sehr  hülfsbedürftig  ist!  —  scheint  noch  Alles 
im  weiten  Felde  zu  seyn.  Hartenstein  muß  mich  ja  wohl  interessiren, 
nachdem  er  sich  deutlich  für  mich  ausgesprochen  hat.  Möchte  die  Sache 
in  Ihrer  Nähe  nach  Ihren  Wünschen  gehn!  In  meiner  Nähe  ist  mir  der 
jetzige  Stand  wohl  am  bequemsten,  und  man  thäte  mir  keinen  Gefallen, 
ihn  von  Leipzig  aus  zu  verrücken.     Denn  wer  weiß,  was  dann  käme! 

Ganz  Ihr     H. 

472.    An  Strümpell.  1)  Göttingen  3  juiy  1834. 

Nur  wenige  eilige  Zeilen!  Ihr  Manuscript  ist  von  der  Dietrichschen 
Buchhandlung  angenommen,  und  soll  gegen  Michael  gedruckt  seyn.  Aber 
die  übrige  Einrichtung  behält  sich  der  Verleger  vor.  Groß  Octav,  viel- 
leicht auch  lateinische  Lettern,  wird  er  nach  seinen  Äußerungen  wohl  be- 
willigen. Nun  ist  der  Titel  die  Hauptsache.  Der  Vorschlag  muß  von 
Ihnen  ausgehn.  Hätte  ich  nicht  gefürchtet  mich  einzumischen,  so  würde 
ich  etwa  vorgeschlagen  haben:  „Erläuterungen  zu  Hbts  philosophischen 
Schriften,  mit  Rücksicht  auf  die  dagegen  gemachten  Einwürfe.''  Vielleicht 
aber  wollen  Sie,  daß  der  Titel  Ihre  eigenen  Abhandlungen  anzeige.  Man 
könnte  dem  vorigen  beyfügen:  ,, nebst  Abhandlungen  verwandten  Inhalts." 
Dem  steht  jedoch  Ihre  Anzeige  des  Inhalts  einigermaaßen  im  Wege,  die 
Einleitung,  Abschnitte  und  Capitel  angiebt,  so  daß  man  ein  einziges  be- 
stimmtes Ganzes  voraussetzen  muß.  Am  meisten  Rücksicht  muß  auf  den 
Umstand  genommen  werden,  daß  Sie  noch  mehrere  Hefte  wollen  folgen 
lassen.  -  Der  Verleger  wäre  zufrieden,  wenn  Sie  zwey  Titel  gebrauchten; 
einen  für  das  erste  Heft  allein,  damit  es  als  für  sich  ein  Ganzes  bildend 
betrachtet  werde;  einen  zweyten  Titel  für  sämtliche  Hefte.  —  Die  Correctur- 
bogen  könnten  Sie  Sich  nach  Wolfenbüttel  kommen  lassen,  es  hält  aber 
auf.  Eine  letzte  Durchsicht  möchte  ich  wohl  übernehmen,  wenn  Sie  mich 
nicht  für  Kleinigkeiten,  die  ich  etwa  übersehen  möchte,  verantwortlich  er- 
achten wollen.     Auf  die  Dissertation  geht  der  Verleger  nicht  ein. 

Bey  der  Frau  Geheimräthin  von  Grote  zu  Jühnde  war  ich  Sonntags 
vor  8  Tagen  eingeladen.  (Ihr  Schwager  ist  mein  alter  Freund.)  ^)  Nach 
Ihnen  bin  ich  aber  nicht  gefragt  worden,  auch  ist  nicht  auf  baldige  Ge- 
legenheit zu  rechnen.  Es  wäre  gut,  wenn  Fr.  v.  Grote  veranlaßt  würde, 
sich  bey   mir   zu   erkundigen.  —  Wo  möglich  antworten  Sie  mit  nächster 


1)  S.  A.  Spitzner-Strümpell  a.  a.  O.,  S.  XXV. 
*)  Der  Freih.  von  Richthofen. 


Juh   1834.  89 

Post,  des  Titels  wegen;  denn  ehe  dieser  nicht  bestimmt  worden,  sind  Sie 
mit  dem  Verleger  nicht  im  Reinen,  und  kann  der  Druck  nicht  anfangen. 
Seyen  Sie  guten  Muthes!  Der  Ihrige     H. 

In  Ihre  Widerlegung  des  jungen  Fichte  habe  ich  hineingeblickt. 
Den  Ton  finde  ich  passend.  Sie  konnten  und  durften  nicht  schwächer 
schreiben.  Das  Fichtesche  Buch  kenne  ich  nicht;  nach  Ihren  und  Röers 
Proben  muß  es  wahrlich  miserabel  seyn.  Gut  wäre  es,  wenn  Sie  im 
zweyten  Heft  etwas  Klügeres  von  irgend  einem  Anderen  vornehmen 
könnten,  so  daß  die  Arbeit  ihn  zu  widerlegen  sich  besser  lohnte.  Über- 
haupt hoffe  ich,  daß  für  das  zweyte  Heft  der  Verleger  wohl  noch  zu  ge- 
winnen sein  wird;  möchte  nur  Drobisch  das  erste  irgendwo  anzuzeigen 
geneigt  sein.   —   Haben  Sie  Antwort  von  Eichstädt? 

473.    An  Strümpell.  1)  Göttingen  7  jul  34 

Ihr  Titel  ist  angenommen;  der  Druck  soll,  wie  ich  höre,  nächste 
Woche  beginnen.  Aber  das  Wort  „metaphysisch"  bleibt  weg.  Es  hat  für 
Viele  so  schlechten  Klang,  daß  es  drey  Viertel  von  denen,  die  etwa  das 
Heft  aufschlagen,  sogleich  zurückschrecken  könnte.  Überdies,  warum  wollen 
Sie  Sich  die  Hände  binden?  Warum  soll  das  nächste  Heft  gerade  nicht 
metaphysisch  seyn?  Und  diese  Verneinung  müßten  Sie  streng  vesthalten, 
wenn  sich  das  erste  durch  jenes  Beywort  charakterisiert  hätte. 

Auch  von  Ihrer  Dissertation  lassen  Sie  uns  ja  für  jetzt  schweigen. 
Hüten  Sie  Sich,  m  das  Verhältniß  zum  Verleger  irgend  eine  Spannung 
hineinzubringen.  Hüten  Sie  Sich,  ihm  etwas  aufs  Lager  zu  geben^  was 
liegen  bleibt.  Ihre  allernächste  Angelegenheit  ist  nun  nothwendig,  daß 
das  zweyte  Heft  in  derselben  Verlagshandlung  und  mit  denselben  Lettern, 
erscheinen  könne. 

Auf  das  erste  muß  das  zweyte  folgen,  oder  Sie  erscheinen  als  ge- 
schlagen.    Hier  dürfen  wir  nichts  Abschreckendes  in  den  Weg  legen. 

In  dem  zweyten  Heft  können  Sie  ja  actenmäßig  verfahren.  Das  ist 
sehr  bedeutend.  Suchen  Sie  nur  Ihre  Feder  so  in  Ihre  Gewalt  zu  bringen, 
daß  Sie  Alles  deutlich,  scharf  und  strenge  heraussagen,  ohne  einen  be- 
leidigenden Ausdruck  einzumischen.  Diese  Kunst  ist  hoch  nöthig  für 
eine  so  lange  und  nachhaltige  Polemik,  wie  Sie  begonnen  haben  und  vor 
sich  sehn.  Nennen  Sie  jede  Person  so  selten  als  möglich,  sprechen  Sie 
immer  von  der  Sache. 

Und  jedenfalls  rüsten  Sie  das  zweyte  Heft  so  bald  als  möglich.  Dann 
werde  ich  sehn,  was  sich  thun  läßt. 

Wenn  Eichstädt  schweigt,  so  ist  ungewiß,  ob  er  die  Rec.  annimmt. 
Kommt  aber  eine  andere  zum  Vorschein,  so  bitte  ich  um  Nachricht;  ich 
lese  seit  lange  keine  Lit.  Zeitung.  Vielleicht  finde  ich  Gelegenheit,  Ihnen 
dies  Verhältniß  einzurichten,  wenn  erst  Ihre  Schrift  erschienen  ist.  —  Mir 
verbrennt  die  Hitze  die  Collegien.  Die  wenigen  Zuhörer  sitzen  wie  ge- 
kocht. Indessen,  —  etwas  ist  doch  schon  geschehn ;  —  und  von  Königs- 
berg aus  wäre  es  nimmer  geschehn.  Für  heute  nur  noch  ein  herzliches 
Lebewohl!  H. 


^)  S.  A.  Spitzner. Strümpell  a.  a.  O,,  S.  XXVH. 


90  Juli  1834. 

474.  An    Drobisch.  ^)  Göttingen   7  Jul.  34. 

Mein  theurer  Freund!  Daß  ich  oline  Ihre  Antwort  zu  erwarten, 
schon  wieder  ein  paar  Zeilen  an  Sie  schreibe,  ist  doppelte  Zudringlichkeit; 
aber  von  der  Sorte,  die  Sie  gütig  entschuldigen  zu  wollen  versprochen 
haben.     Die  Sache  ist  diese: 

So  eben  habe  ich  für  Strümpelln  ein  Manuscript,  unter  dem  Titel: 
„Erläuterungen  zu  H — s  Philosophie,  mit  Rücksicht  auf  die  Berichte,  Ein- 
würfe und  Mißverständnisse  ihrer  Gegner",  bey  der  Dieterichschen  Buch- 
handlung angebracht,  welches  unverzüglich  soll  gedruckt  werden.  Nun  ist 
mir  gar  sehr  daran  gelegen,  daß  Sie  Strümpelln  nicht  allein  lassen.  Um 
desto  mehr,  da  dies  Manuscript  nur  das  erste  Heft  ist,  dem,  wenn  der 
Absatz  es  möglich  macht,  mehrere  Hefte  folgen  sollen. 

Es  ist  mir  nun  in  jeder  Hinsicht,  zum  Theil  aber  schon,  um  meine 
fernere  Mitwirkung  darnach  einzurichten,  wichtig,  baldigst  zu  wissen,  wie 
es  mit  Ihren  Beyträgen  steht?  Ob,  und  wann  dieselben  zu  erwarten  sind? 

Ihnen  Selbst  kann  die  Aufregung  nicht  gleichgültig  seyn,  die  bey  den 
Gegnern  entstehen  wird;  und  fast  möchte  ich  glauben,  es  wäre  rathsam, 
mit  der  Fluth  zu  schiffen.  Tritt  erst  Ebbe  ein,  so  wird  es  nachher  wieder 
bequem  gehn. 

Meinen  letzten  Brief,  worin  ich  um  die  Phys-Harmonika  bat,  werden 
Sie  bekommen  haben.      Für  jetzt  —   leben  Sie  herzlich  wohl!         H. 

475.  An    Strümpell.-)  Göttingen   13  Jul   1834 

Ohne  allen  Zweifel  sind  die  Bachmanniana  gerade  die  Hauptsache. 
Wenn  Sie  dem  B.  nur  nicht  versprochen  haben,  Sie  wollen  gegen  ihn 
schweigen  falls  Er  schweige,  —  und  das  werden  Sie  ja  nicht  gethan 
haben  —  so  ist  am  besten,  den  Anhang  damit  zu  beginnen,  daß  Sie 
geradezu  sagen,  B.'s  Logik  sei  Ihnen  erst  nach  Abschluß  des  Vorher- 
gehenden in  die  Hände  gekommen,  und  könne  nicht  ungerügt  bleiben. 
Dann  führen  Sie  die  Thatsachen  an,  und  sprechen  darüber  kurz  und  ernst. 

Allein  wegen  des  Verlegers,  der  eine  Verlängerung  des  Manuscripts 
schwerlich  annehmen  wird,  ist  folgendes  nöthig. 

Sie  schreiben  noch  einmal  an  mich,  als  ob  von  dem  Anhange  noch 
nichts-  gesagt  wäre.  Und  zwar  schreiben  Sie  so,  daß  ich  den  Anfang  des 
Berichts  dem  Verleger  zeigen  kann.  Sie  fügen  hinzu:  „sollte  der  Herr 
Verleger  diese  geringe  Verlängerung  des  Manuscripts  nicht  gern  sehen; 
so  muß  ich  die  Druckkosten  selbst  tragen,  denn  dieser  Anhang  ist  durch- 
aus nothwendig.  Einstweilen  ersuche  ich  Sie,  die  Kleinigkeit  für  mich 
auszulegen." 

Dies  werde  ich  ohne  Weiteres  übernehmen. 

Übrigens  i"st  Wendt  Decan,  und  wahrscheinlich  Censor.  —  Auch 
ist,  wenn  ich  nicht  irre,  Ihr  Manuscript  schon  in  seinen  Händen.  Schicken 
Sie  nur  baldigst  den  Anhang,  so  macht  die  Sache  weniger  Umstände, 
als  wenn  es  sich  damit  verzögert.  Leben  Sie  wohl!     H. 

•)  I  S.    4*'-        • 

2)  S.  A.  Spitzner-Strümpell  a.  a.  O.  S.  XXVIII. 


Juii  1834. Q^ 

476.     Drobisch  an  H.')  Leipzig  14.  Juli  lbü4 

Hochverehrter,  würdiger  Freund!  Auf  Ihren  heute')  eingegangenen  Brief 
vom  7.  d.  beeile  ich  mich  sogleich  zu  antworten,  da  die  Übersendung  meines  Buches 
über  die  höheren  Gleichungen  sich  wol  noch  ein  paar  Wochen  verzögern  kaim. 
Ihren  Brief,  die  Physharmonika  betreffend,  habe  ich  erhalten,  aber  Sie  doch  hoffent- 
lich auch  die  von  mir  couvertirten  Zeilen  Wieks  an  Sie  nebst  dem  gedruckten  Blatt 
über  die  Physharmonika? 

Was  den  Hauptpunkt  anbelangt,  so  kann  mich  die  in  kurzem  bevorstehende 
Erscheinung  von  Strümpells  Schrift,  die  ihrer  Tendenz,  ihrem  Titel  und  selbst  ihrer 
Erscheinungsweise  nach  der  meinigen  so  nahe  verwandt  ist,  wol  eher  bestinmien, 
zu  zögern  und  abzuwarten,  als  zu  beschleunigen.  Als  Echo  die.'^er  Schrift  möchte 
ich  die  meinige  keineswegs  erscheinen  lassen.  Hat  ein  andrer  gethan,  was  ich  be- 
absichtigte, so  kann  ich  meine  Thätigkeit  auf  andre  Weise  zu  brauchen  suchen.  Ich 
muß  also  warten.  Überdieß  bin  ich  noch  gar  nicht  so  weit,  daß  ich  einen  Termin 
des  Druckanfangs  bestimmen  könnte.  Ich  kann  kaum  anders  als  nach  Laune  arbeiten. 
Die  Vorlesungen  nehmen  aUemal  meine  Aufmerksamkeit  sehr  in  Beschlag,  und  in 
dieser  Zeit  entstehen  daher  außer  den  immer  neubearbeiteten  CoUegienheften  bei  mir 
nur  Bruchstücke.  Als  Probe  schicke  ich  Ihnen  den  einleitenden  Aufsatz  mit  und 
bitte  bei  der  Rücksendung  um  Ihre  Bemerkungen.  Vor  Ostern  kann  von  meiner 
etwanigen  Schrift  nichts  erscheinen:  dies  sehe  ich  voraus,  aber  es  scheint  mir  fast 
nichtiger,  die  Fluth  zu  verlängern,  als  sie  auf  einmal  anzuschwellen.  Freilich  stehe 
ich  insofern  im  Nachtheil  als  für  den  ungünstigen  und  allerdings  unwabrtcheinlicheu 
Fall,  daß  St.s  Schrift  beim  Publicum  nicht  Anklang  fände,  die  Herausgabe  der 
meinigen  noch  bedenklicher  würde.  Doch  das  sind  curae  de  futuro,  die  auf  sich 
beruhen  mögen,  unterdessen  will  ich  mir  doch  wieder  ein  paar  Fragen  erlauben. 
In  den  flauptpuncten  der  Metaph.  wurden  die  Widersprüche  in  den  Hauptbegriffen 
d.  Erf.  so  dargestellt,  daß  sie  auf  der  Identität  entgegengesetzter  Glieder  beruhen 
sollten.  In  d.  allg.  Metaph.  B.  2  finde  ich  dagegen  den  Ausdruck  ,,Emheit  ent- 
gegengs.  Gl.',  angewandt.  Ich  bitte  um  Auskunft  über  den  Grund  dieser  Änderung. 
Der  frühere  Ausdruck  scheint  mir  allerdings  bestimmter,  zumal  da  mit  dem  Worte 
Einheit  wol  viel  Mißbrauch  getrieben  worden  ist.  Hiemit  wechselt  nun  noch  der 
-Ausdrack  „Hervorgehen"  ab,  z.  B.  „die  Folge  soll  aus  dem  Grunde  hervorgehen". 
Ein  Ausdruck  ist  im  Einzelnen  allerdings  bequemer  als  der  andre.  Aber  bei  der 
Darstellung  des  Allgemeinen  ist  es  doch  gut,  einen  bestimmten  Ausdruck  fest 
zu  halten. 

Sodann  über  das  Problem  der  Veränderung.  Wenn  abc  in  abd  übergeht, 
so  haben  beide  eine  und  dieselbe  Substanz  S  und  in  Gemeinschaft  mit  dieser  so 
viele  Gruppen  von  Realen  als  Merkmale  da  sind,  aber  das  Vorhandenseyn  eines 
andern  Merkmals  bringt  im  Allgemeinen  auch  die  Setzung  andrer  Realer  hervor. 
Nenne  ich  also  die  um  c  willen  gesetzten  Wesen  C  -j-  C'  -j-  C"  etc.  und  die  um  d 
willen  D  -f  D'  +  D"  etc.,  so  ist  wenigstens  keine  Nothwendigkeit  vorhanden,  ob- 
gleich es  möglich,  daß  eins  der  D  einem  der  C  gleich  sey.  Da  ich  aber  absolut 
gesetztes  nicht  aufheben  kann,  so  kann  ich  nur  die  Gemeinschaft  der  C  lösen  und 
die  Gemeinschaft  der  D  an  die  Stelle  treten  lassen.  Dies  wäre  eine  Behandlung 
des  Problems  der  Veränderung  mittels  des  aufgelösten  Problems  der  Inhärenz. 
Halten  Sie  diesen  Versuch  für  zulässig?  Ich  hoffe  es. 

Femer  erinnere  ich  mich  in  Weimar  dunkel  einer  Bemerkung  von  Ihnen,  die 
ich  mir  zu  verdeutlichen  bitte.    Mir  ist  als  hätten  Sie  gesagt,  daß  mit  dem  Begriff 

^)  27,  S.    40.   H.  Wien. 

*)  Dies  war  d.  10.  Jul.  die  Beendigung  des  Briefes  verzögerte  sich  aber. 


Q2  Juli   1834. 

der  Veränderung  auch  der  der  Zeit  entstehe,  was  ich  nicht  recht  weiß,  wie  es 
gemeint  seyn  sollte,  da  Sie  sonst  in  der  Ontologie  Zeitbestimmungen  sich  einschleichen 
zu  lassen  sehr  verhüten.  Es  war  nämlich  in  Weimar  die  Rede  davon,  daß  sich 
vielleicht  aus  dem  Begriff  der  Selbsterhaltung  der  der  Zeit  vollkommen  deutlich 
eUminiren  lasse,  wodurch  für  die  Fortdauer  der  Vorstellungen  eine  ontologische 
Deduction  gefunden  seyn  würde.  Darf  ich  wol  bitten,  hier  einigen  Zusammenhang 
in  meine  Vei-wirrung  zu  bringen. 

"Wenn  über  Krugs  Nachfolger  entschieden  seyn  wird,  will  ich  recht  froh  seyn. 
Es  ist  doch  ein  schwankender  Zustand  und  das  Studium  der  Philos.  nimmt  bei 
diesem  Interim  nicht  zu.  Auch  weiß  ich  nachher  erst  recht  deutlich,  was  ich  zu 
thun  habe.  Für  jetzt  habe  ich  mit  Treue  meine  Thätigkeit  auf  Philosophie  zu  con- 
centriren  die  Absicht  und  kann  dieselbe  ausführen,  so  lange  noch  leidliche,  besuchte 
PrivatcoUegien  mich  aufrecht  erhalten.  Sollte  dies  künftig  anders  werden,  so  könnte 
mich  die  eiserne  Nothwendigkeit  freilich  wieder  zu  Rückschritten  treiben,  da  mit 
philosophischer  Schriftstellerei  nichts  zu  erwerben  ist.  Doch  an  eine  solche  Zu- 
kunft will  ich  jetzt  noch  nicht  denken.  Wundern  Sie  sich  übrigens  nicht,  daß  ich 
auf  solche  Gedanken  komme:  ich  habe  soeben  den  Antrag  eines  Buchhändlers,  eine 
neue  Ausgabe  von  Schubert's  populärer  .\stronomie  zu  veranstalten,  abgelehnt  und 
unsre  Staatsökonomie  erinnert  mich  daran,  daß  eine  Zeit  kommen  könnte,  wo  ich 
so  etwas  nicht  mehr  ablehnen  darf. 

Wenn  Sie  mir  wieder  ein  Brief chen  senden,  darf  ich  wol  auch  einmal  um 
gefällige  Nachricht  über  das  Befinden  Ihrer  Frau  Gemahlin  mir  erbitten.  Ich  und 
meine  Frau  grüßen  sie  ehrerbietigst. 

Mit  innigster  Ergebenheit  der  Ihrige  Drobisch. 

477.    An  Drobisch.  1)  1834 

Wollen  Sie  erlauben,  mein  theurer  Freund!  daß  ich  auf  Ihre  sehr 
gütige  Mittheilung  ganz  offen,  und  nach  meinem  Sinne  antworte?  So  frage 
ich  bloß :  Warum  ist  dieser  Aufsatz  nicht  schon  gedruckt  ?  Worauf 
warten  Sie? 

Daß  Strümpell  für  Sie  keine  Collision  ist,  versteht  sich  von  selbst. 
Er  kann  und  darf  noch  nicht  schreiben  wie  Sie.  Wohl  aber  kann  seine 
Dreistigkeit  Diesem  oder  Jenem  manches  vorrücken,  was  Sie  nicht  thun 
würden;  er  kann  mitwirken,  während  Sie  in  aller  Würde  die  Personen 
ignoriren  und  nur  von  der  Sache  reden.  Übrigens  habe  ich  gm  kernen 
bestimmenden  Einfluß  auf  sein  Manuscript  ausgeübt,  als  nur  warnend,  er 
möge  sich  selbst  nicht  schaden! 

Eben  so  will  ich  mir  kein  Wort  über  das  Einzelne  in  Ihrem  Auf- 
satze erlauben.  Daß  aber  das  Ganze  gerade  dasjenige  enthält,  was  ich 
wünschen   mußte,   dies  liegt  unmittelbar  vor  Augen. 

Meines  Erachtens  sollten  Sie  nun  nicht  eine  einzige  Woche  mehr 
zögern.  Dieser -Aufsatz  hier  ist  schon  eine  Schrift  für  sich  allein.  Können 
Sie  noch  Einiges  beyfügen,  desto  besser.  Abbrechen  können  Sie  wo  Sie 
wollen.  Ihr  Reden  ist  unfehlbar  von  Wirkung;  Ihr  Schweigen  ein  reines 
Uebel. 

Wenn  Sie  noch  warten:  so  giebt  es  in  Ihrer  Nähe  bald  Verhältnisse 
und  Rücksichten,  denen  Sie  schnell  zuvorkommen  sollten! 


')  2  S.    4 


0 


Juli   1834.  Q- 

Eben  jetzt  erscheinen  die  posthuma  von  Fichte  und  Schleiermacher. 
Eilen  Sie;  eine  Flugschrift  jetzt,  wirkt  mehr  als  ein  Werk  späterhin;  — 
und  schafft  Ihnen  wie  mir,  was  wir  beyde  brauchen  —  nämlich  Zuhörer. 
Deren  habe  ich  noch  eine  leidliche  Zahl;  aber  wieviel  sicherer  stünde 
Alles,  wenn  auch  nur  dieser  Ihr  Aufsatz  gedruckt  wäre!  Was  die 
Gegner  betrifft;  so  halte  ich  schon  diesen  kleinen  Aufsatz  für  hinreichend 
um   mit  Ihnen  ins  Gleichgewicht  zu  treten,  wenn   er  jetzt  erscheint,  jj 

Weit  mehr  und  stärkeres  würde  ich  sagen ,  wenn  ich  nicht  fühlte, 
daß  ich  nicht  Rathgeber  seyn  soll;  wo  ich  Parthey  bin.  Dies  aber  will 
ich  sagen:  meine  Ansicht  von  meiner  eignen  Lage  ist  so,  daß  ich  im 
höchsten  Grade  Ihre  Mitwirkung  wünschen  muß;  und  gerade  so,  wie  in 
diesem  Ihrem  Aufsatze.  Aber  auch  eine  Differenz  mit  Ihnen  würde  ich 
nicht  fürchten.  Weder  Ihnen  noch  mir  würde  es  schaden,  wenn  eine 
solche  zum  Vorschein  käme.  Der  Sache  könnte  es  einigen  Nachteil 
bringen;  daher  ist  allerdings  gemeinsame  Überlegung  im  Voraus  gepflogen, 
am  besten.  Aber  unendlich  größer  ist  der  Schaden,  wenn  Sie  um  irgend 
welcher  Bedenklichkeit  willen  —  schweigen.  —  Das  —  ich  wiederhohle 
es   —  ist  ein  reines  Übel   ohne  Maaß. 

Die  wissenschaftlichen  Bemerkungen  in  Ihrem  Brief  scheinen  mir 
richtig;  doch  genau  prüfen  kann  ich  jetzt  nicht,  denn  ich  habe  auf  einer 
kleinen,  ermüdenden  Reise  ein  paar  Nächte  fast  schlaflos  zugebracht.  — 
Was  Sie  von  der  in  der  Ontologie  vermiedenen  Zeitbestimmung  sagen, 
ist  richtig;  aber  die  in  gegebener  Veränderung  liegende  Zeit,  giebt  der 
Synechologie  den  Stoff.  Damit  gewinnt  aber  die  wichtige  Frage  von  der 
Fortdauer  der  Selbsterhaltung  —  nämlich  ob  diese  rein  ontologisch  zu 
beweisen  sey?  —  kein  Licht.  Überlassen  wir  das  ruhig  der  Zukunft; 
mich  wenigstens  plagt  dieser  Gegenstand  nicht. 

Meine  Frau,  nach  der  Sie  Sich  gütig  erkundigen,  ist  leidlich  wohl; 
nur  noch  immer  verdrieslich  auf  Göttingen.  Nachrichten  von  Ihrer 
Frau  Gemahlin  würden  uns  beyde  erfreuen:  ich  bitte  um  meine  beste 
Empfehlung. 

Die  Phvs-Harmonika  erwarte  ich  täglich,  da  Hr  Wiek  von  Zahlung 
nach  dem  Empfang  schreibt.  Oder  soll  ich  gleich  das  Geld  schicken  ? 
Mag  er  nur  bestimmen:  und  dann  wegen  Verpackung  und  Fracht  die 
Sorge  übernehmen;  diese  muß  ich  ja  nothwendig  ihm  überlassen.  Aber 
hoffentlich  ist  das  Instrument  schon  unterwegs. 

Herzlich  der  Ihrige!     H. 

4:78.     Drobfsch  an  H. ')  Leipzig  31.  Juli  ?A 

Mein  hochverehrter  würdiger  Freund  I  Ihr  letzter  Brief  (ohne  Datum)  hat 
einen  sehr  belebenden  Einfluß  auf  mich  gehabt.  Zwar  werde  ich  Ihnen  immer 
noch  viel  zu  träge  seyn,  aber  schneller  kann  ich  nicht.  Ich  bin  entschlossen,  den 
Aufsatz,  den  Sie  gelesen,  fräher  drucken  zu  lassen,  als  ich  erst  beabsichtigte,  frei- 
lich nicht  allein:  dann  käme  mir  die  Gabe  doch  gar  zu  mager  und  dilettantisch  vor. 
auch  würde  es  an  Sticheleien  dariiber  von  den  Gegnern  nicht  fehlen,  sondern  ich 
denke  3  Aufsätze  zusammenzunehmen  und  ihnen  den  Titel:  Beiträge  zur  Orientirung 
über  Herb.s  System  der  Philosophie  zu  geben.     Der  2te  Aufsatz  ist  bereits  bis  auf 

*)  4  S.   8".     H.  V. 


94 J'^^i  1834- 

ein  paar  Seiten  dmckfertig  und  ist  eten  'so  läng  -wie  der  erste.  Er  handelt  von 
wissenschaftlicher  Einheit  und  Architektonik.  Der  dritte  soll  die  Möglichkeit  der 
uiathemat.  Psychologie  zum  Gegenstande  hahen,  er  wird  kürzer  werden.  Jede 
entbehrliche  Stunde  wende  ich  auf  diese  Arbeit,  sie  soll  sobald  als  möglich  erscheinen, 
aber  Übereilung  muß  ich  zu  verhüten  suchen.  Sie  würde  größeren  Schaden  als 
Nutzen  bringen  —  Ihnen  wie  mir. 

Meine  Schrift  über  die  Gleichungen  wird  nun  wol  bei  Ihnen  angekommen 
seyn  (Durch  Ditrich).  Es  ist  das  corpus  delicti,  das  mich  lange  nicht  hat  zu  ernst- 
licher, philos.  Beschäftigung  kommen  lassen.  So  vielmals  ||  habe  ich  mich  mit  dieser 
Arbeit  entschuldigt,  daß  Sie  hätten  denken  können,  es  sey  etwas  recht  "Wichtiges 
dahinter.  Indeß  eben  kostet  das  Mittelmäßige  wegen  der  Aufmerksamkeit  auf  die 
Form  und  das  Äußerliche  fast  ebensoviel  Zeit  wie  das  Bedeutende,  und  ich  habe 
überhaupt  Ursache,  auf  mich  Acht  zu  haben,  daß  ich  die  Form  nicht  zu  hoch 
anschlage. 

Kann  es  Sie  interessiren,  wenn  ich  Ihnen  erzähle,  daß  mir  vor  kurzem  der 
Cultusminister  antwortete,  als  ich  ihm  mein  Buch  geschickt  und  die  baldige  Er- 
scheinung eines  philosophischen  Versuchs  angezeigt  hatte:  ,,uur  so  viel  bemerke 
ich,  daß  ich  ebenfalls  Herbarten  sehr  hoch  schätze  und  an  der  Stelle  des  preuß. 
Cultusministers  ihn  nicht  würde  haben  nach  Göttingen  gehen  lassen?'' 

Wegen  der  Physharmonica  bin  ich  bei  Wiek  gewesen.  Er  hat  noch  einmal 
bestimmte  Ordre  von  Ihnen  erwartet.  Ich  würde  diese  sofort  gegeben  haben,  wenn 
nicht  noch  unterdessen  sich  eine  4füßige  Ph.  H.  eingefunden  hätte,  die  für  50  Thlr. 
käuflich  ist.  "Wiek  sagte  zwar,  an  Kimstwerth  stehe  sie  dem  größereu  "Werke  nach. 
Ich  finde  aber  den  Ton  angeuehmer,  zumal  für  ein  bloses  Zimmer.  Jene  klingt 
orgelmäßiger  und  paßt  besser  fiir  einen  Saal,  diese  scheint  mir  mehr  einen  ge- 
mäßigten, sonoren,  lieblichen  Ton  zu  haben.  "Wiek  gestand  das  zu,  wollte  aber  be- 
haupten, daß  die  kleine  etwas  schwerer  anspreche.  Als  Ultimatum  stellte  er  auf, 
es  komme  alles  darauf  an,  ob  Sie  das  Instrument  mit  oder  ohne  Pianoforte  be- 
handeln wollten.  Im  erstem  Falle  sey  das  kleinere  Instrument  unbedingt  vorzuziehen. 
Schreiben  Sie  mir  nun  darüber  und  das  Instrument  soll  baldigst  in  Göttingen  seyn. 

Unser  Billroth,')  der  Vf.  der  Hegel'schen  trchulgrammatik  kommt  zu  Michael 
als  Prof.  philos.  extraord.  nach  Halle.  Zum  Scherz  muß  ich  Ihnen  erzählen,  daß 
"Weiße  neulich  bei  mir  einen  Stock  hatte  stehen  lassen,  an  dem  die  Zwinge  fehlte 
und  der  Knopf  wackelte.  Ich  präsentierte  diese  Reliquie  einigen,  vertrauten  Freunden, 
zu  deren  großer  Ergötzung,  als  ein  Bild  der  "Weisse'schen  Philosophie. 

Haben  Sie  die  Schrift  Ihres  Nachfolgers  „Hegel"  gelesen?  Wendt  figuriert 
darin  als  Hegelianer.  Rosenkranz  hat  übrigens  den  besten  Styl  unter  jenen  Herren, 
so  weit  ich  sie  kenne,  aber  unverschämt  grob  und  ungezogen  ist  er  in  der  genannten 
Schrift,  wiewohl  der  Rücken,  auf  den  die  Schläge  fallen  (Bachmann)  sie  vertragen 
kann.  Doch  'genug  der  gelehrten  Klatscherei.  Lassen  ||  Sie  uns  bald  wieder  von 
Sachen  reden. 

Meine  Frau  befindet  sich  nach  Umständen,  und  besonders,  so  weit  es  die  Hitze 
erlaubt,  wohl  und  grüßt  auf  das  freundlichste. 

Eine  kleine  Schaar  (6—8)  erwarten  für  künftigen  "W^inter  mit  Verlangen  Vor- 
lesungen über  die  mathem.  Psychologie.  Ich  denke  dabei  viel  zu  lernen.  Übrigens 
lese  ich  noch  Metaphysik  und  will  sehen,  ob  ich  es  bis  zur  Naturphilos.  bringe,  die 
ich  jetzt  auch  schon  mit  andern  Augen  ansehe  als  früher.  — 

Da  nun  meine  Schrift  zerrissen  wird,  so  könnte  aus  dem  was  übrig  bleibt 
wol  geradezu  ein  „Grundriß  der  Metaphysik  nach  H.  nebst  erläuternden  Aufsätzen" 

')  J.  G.  Fr.  ßillroth  (1808-1836),  Anhänger  Weißes. 


August   1834.  95 


werden.     Sie  sagten  ja  in  Weimar,  solche  Paragraphen  würden  recht  nützlich  seyn 
für  Vorlesungen;  und  ich  verspreche  mir  auch  noch  etw-as  von  ihnen  für  die  Über- 
sicht des  streng  systematischen  Zusammenhangs  und  der  Einheit  des  Ganzen. 
Mit  unveränderter  Hochachtung  und  Freundschaft  der  Ihrige    Drobisch. 

479.    An  Drobisch.  1)  Gattingen  10  Aug  34 

Mein  theuerer  Freund!  Zuerst  ein  Wort  wegen  der  Phvsharmonika. 
Zu  der  zweifelhaften  Wahl  kommt  der  böse  Umstand,  daß  mir  eine  Geld- 
zahlung von  Königsb.  her  ausbleibt,  die  ich  posttäglich  zu  erwarten  volles 
Recht  habe.  Möchte  doch .  Hr.  Wiek  zum  Warten  geneigt  seyn ;  sollte 
ich  auch  nachmals  mehr  zahlen.  —  Ein  Fortepiano  habe  ich  schon  hier 
gekauft.  Ist  es  gleich  schwerlich  einem  Wiener  gleich  zu  schätzen,  so 
habe  ich  doch  nicht  bloß  Fracht  und  Risico  des  Transports  gespart, 
sondern  auch  für  mögliche  Fälle  den  Instiumentenmacher  in  der  Nähe; 
auch  konnte  ich  den  Kauf  eines  wirklich  guten  Instruments,  das  ohne 
meine  Bestellung  doch  in  der  Hoffnung  es  mir  recht  zu  machen  gebaut 
war,  nicht  füglich  ohne  Schein  des  Eigensinns  ablehnen.  Die  kleinere 
Physharmonika  ist  durch  Hrn.  Wiek  etwas  übel  notirt,  da  er  sorgt  daß 
sie  schwer  anspreche.  Warum  kommt  sie  hintennach  zum  Vorschein?  ists 
vielleicht  ein  erster  Versuch  eines  minder  geübten  Künstlers?  —  Kommt 
das  Geld,  so  werde  ich  mich  näher  erklären;  vielleicht  erfahren  Sie  auch 
unterdeß   mehr. 

Nun  zur  Hauptsache.  Ihr  gütiges  Geschenk  habe  ich  empfangen. 
Aber  wann  komme  ich  zum  Studieren?  Das  weiß  der  Himmel.  Meine 
Gesundheit  wankt  immer;  und  den  Rest  von  Kräften  verzehren  die  Vor- 
lesungen. Und  —  verzeihen  Sie  die  Frage:  was  bedurfte  mehr  Ihrer 
Hülfe,  die  Theorie  der  Gleichungen,  die  sich  ohnehin  in  guten  Händen 
befindet,  oder  —   — 

Vor  ein  paar  Wochen  begann  ich  einen  Brief  mit  den  Worten  an 
Sie:  res  est  in  celeritate  posita;  den  zerriß  ich.  Jetzt  wenigstens  ein 
andres  Sprüchlein: 

Quod  manet  infectum,  nisi  tu  confeceris,  ipso 
Mandatum  a  summo  tu  tibi  crede  Deo. 
Lassen   Sie  Sichs  nicht  irren,   daß  es  Hr.  von  Haller  ist,  dem  das  Motto 
gehört.    Seine  Gegner  können  nicht  leugnen  daß  er  gewirkt  hat,  und  daß 
sie    allerdings    eine  Gegenwirkung   nöthig    gemacht    hatten.      Doch    besser 
paßt  es  für  Sie  als  für  ihn. 

Wer  ist  Ihr  Cultusminister?  Ists  Hr.  v.  Lindenau?  Dessen  Beyfall 
ist  etwas  werth;  und  jedenfalls  scheint  mir  seine  Aeusserung  an  Sie  be- 
deutend für  Sie.  Bey  ihm  werden  Sie  Sich  nicht  compromittiren.  Und 
—  wenn  Krugs  Stelle  Ihnen  lieb  wäre,  —  mich  dünkt,  Sie  könnten  ihn 
zum  Warten  mit  der  Besetzung  disponiren,  bis  Ihre  Schrift  —  vielleicht 
nicht  bloß  die  kleinere,  sondern  auch  der  Grundriß  zur  Metaphysik  fertig 
wäre.  Weiß  dieser  Minister  etwas  von  mir:  so  weiß  er  wahrscheinlich 
auch,  daß  ||  Ihnen  ein  neuer  College  nicht  eilig  Noth  thut;  und  daß  ihm  sehr 
viel    auf  den    persönlichen   Charakter   des  Lehrers   der   Thilos,  ankommen 

')  2  S.    4"- 


g6  August  1834. 


muß,  der  einerseits  nicht  schwach,  andererseits  nicht  vom  literarischen 
Ehrgeiz  besessen  seyn  muß.  Ihnen  scheint  seine  Aeußerung  den  Mund 
öffnen  zu  wollen. 

Sie  erwähnen  der  Naturphilosophie.  Da  habe  ich  Sie  lange  erwartet; 
und  bin  nun  sehr  begierig  das  Weitere  von  Ihnen  zu  hören;  ich  bin 
eben  dabey,  sie  vorzutragen,  und  glaube  mit  der  Lehre  vom  caloricum 
schon  guten  Eingang  bey  sehr  aufmerksamen  Zuhörern  erlangt  zu  haben; 
jedoch  habe  ich  der  Sicherheit  wegen  einen  Riegel  vorgeschoben,  nachdem 
die  allgemeine  Metaphysik  geschlossen  war,  damit  man  nicht  diese  anklage, 
wo  jene  noch  schwache  Seiten  zeigt. 

Strümpells  Schrift  ist  unter  der  Presse.  Der  Anhang:  Bachmanniana, 
mag  immerhin  mit  Hrn.  Rosenkr.  zusammen  wirken;  die  Misgriffe,  die 
Strümpell  dem   B.   nachweiset,   sind  kaum   zu   verzeihen. 

Weiter  kann  ich  heute  nicht  mit  meinem  wüsten  Kopf;  ich  muß  ins 
Freye.  Möge  Ihre  Frau  Gemahlin  Ihnen  in  diesen  Monaten  keine  Sorge 
machen,  damit  man  Ihnen  bald  einen  recht  heiteren  Glückwunsch  bringen 
dürfe!     Leben  Sie  recht  wohl!  Ihr  H. 

480.      An    Schubert.  Göttingen   10.  August  34 

Mein  hochgeehrter  Herr  College!  Zwar  nöthig  war  es  nicht,  um 
mich  an  Königsberg  zu  erinnern,  daß  uns  die  Frau  Prof.  Eisner  gestern 
besuchte,  —  aber  da  es  geschehen,  und  da  die  Trauer  um  meinen  Arzt 
sich  mit  mancher  Sehnsucht  anderer  Art  verbunden  eben  lebhaft  in  mir 
regt,  paßt  es  sich  um  so  besser,  daß  ich  gerade  heute  an  Sie  schreibe. 
Einen  Arzt  habe  ich  nun  wohl  wieder  gefunden  in  der  Person  unseres 
trefflichen  Conradi,  aber  ich  habe  ihn  auch  nöthig;  und  sehe  doch  nicht 
ohne  Sorge  auf  den  Winter.  Der  Himmel  hat  mir  gezürnt;  alles  was  ich 
nicht  gut  ertrage,  mußte  ich  ertragen;  im  verflossenen  Winter  die  heftigsten, 
hier  ganz  ungewöhnlichen  Orkane;  im  Frühling  unaufhörhchen  Nordwind, 
der  mich  auf  einer  schlecht  gelungenen  Gesundheitsreise  bis  nach  Darm- 
stadt hinauf  verfolgte  (wo  ich  den  trefflichen  Schacht  sprach,  der  Ihnen 
durch  seine  politischen  Kämpfe  bekannt  seyn  wird,)  und  nun  endlich  die 
wüthende  Hitze,  die  mich  und  meine  Vorlesungen  versengte;  denn  fast 
unmöglich  wars,  Nachmittags  um  4  Uhr  Einleitung  in  die  Metaphysik  zu 
lesen  —  und  zu  hören.  Das  Ende  davon  ist,  daß  ich  wieder  meinen 
bösen  Husten  habe,  da  bey  ewigem  Schwitzen  die  Erkältung  fast  so 
wenig  zu  vermeiden  ist  als  mitten  im  Winter.  So  gebts  mir,  während 
hoff"entlich  meine  Herrn  Collegen  in  Königsberg  Ihre  nicht  genug  zu 
preisenden   Hundstagsferien  zur  Stärkung  im  Seebade  benutzt  haben. 

Sonst  wäre  Göttingen  mir  recht;  und  besonders  an  den  treff~lichen 
Dahlmann,  den  Sie  mir  mit  verdientem  Ruhme  nannten,  —  an  Marx 
und  einige  Andre,  würde  ich  mich  wahrscheinlich  schon  näher  angeschlossen 
haben ,  wenn  ich  nicht  zwischen  fast  beständigem  Unwohlseyn  und 
dringender  Arbeit  in  der  Klemme  stände.  Die  Arbeit  rührt  von  den 
Vorlesungen  her.  Man  kann  rechnen,  daß  die  Somrnervorlesungen  hier 
doppelt  so  lang  sind  als  die  meinigen  in  Königsberg  waren.  Denn  man 
liest  hier  fünf  Stunden  die  Woche;  man  fängt  jede  Vorlesung  etwa  fünf 
Minuten  früher  an,  da   hier   keine  weiten  Wege  zu  durchlaufen  sind,  und 


August   1834.  97 


man  hat  keine  Ferien.  Auf  tüchtige  Zuhörer  muß  man  rechnen,  die 
keinen  breit  gezogenen  Vortrag  ertragen  würden.  Im  Ganzen  sind  bey 
mir  die  schwersten  Collegien,  Psychologie  und  Metaphysik,  am  regel- 
mäßigsten besucht  worden,  welches  unstreitig  auf  Göttingen  ein  rühmliches 
Licht  wirft,  denn  es  zeigt,  an  was  für  Vorträge  die  jungen  Leute  hier  ge- 
wöhnt sind.  Wenn  Sie  nun  überlegen,  was  dazu  gehört,  um  drey  Vor- 
lesungs-Pläne zu  gleicher  Zeit  so  auszudehnen,  daß  sie  ohne  Verlust  an 
Zweckmäßigkeit  philosophischen  Zusammenhang  das  vergrößerte  Maaß  ge- 
hörig ausfüllen:  so  wissen  Sie  meine  Arbeit. 

Und  der  Gewinn  dieser  Arbeit?  —  Daß  man  auf  einer  Universiät, 
wo  Philosophie  nie  besonders  hervortrat,  wo  sie  vor  meiner  Ankunft  fast 
gänzlich  zusammengesunken  war  (denn  eher  noch  als  Wendt  hatten  ein 
paar  junge  Hegelianer  ein  kleines  Publicum  gesammelt)  nicht  auf  einmal 
das  Wunder  einer  Umschaffung  hervorbringen  kann,  versteht  sich  von 
selbst.  Es  bleibt  hier  bey  einem  kleinen  Kreise;  obgleich  der  Name 
Logik  Anfangs  ein  ansehnliches  Auditorium  herbeizieht.  Indessen  bin 
ich  mit  einigen  recht  tüchtigen  und  durchaus  regelmäßigen  Zuhörern  sehr 
zufrieden;  und  weiß  überdies,  daß  die  Federn  von  Drobisch  und  Strümpell 
sich  rühren.  Nur:  fünfzehn  Stunden  die  Woche  zu  lesen,  wie  jetzt;  das 
werde  ich  schwerlich  wieder  unternehmen;  im  Winter  bleibts  bey  dreyzehn. 

Übrigens  —  während  von  Verhaftungen  in  Berlin  fortwährend  die 
Zeitungen  sprechen,  haben  wir  hier  Ruhe.  Im  Museum  —  eigentlich 
einem  Verein  wie  Ihre  Börsenhalle,  lesen  Professoren  und  Studenten  die 
Zeitung,  ohne  einander  zu  stören.  Merklich  bürgerlicher  ist  der  Ton  von 
Göttingen  geworden,  seitdem  es  von  Grafen  und  Baronen  wenig  bevölkert 
ist.  Wären  nur  die  Fremden  zahlreicher!  Doch  fehlen  sie  nicht  ganz; 
ein  paar  Straßburger,  ein  paar  Schweizer,  ein  Nordamerikaner,  ein  paar 
Engländer,  glaube  ich,  ein  ungarischer  Graf,  —  das  sind  einige  Spuren 
an  denen  man  die  ehemalige  Universalität  noch  wieder  erkennt.  Zwischen 
Berlin  und  hier  wird  hin  und  her  gewandert.  Wäre  ich  gesunder  als  ich 
bin,  so  wäre  ich  zufrieden;  und  würde  selbst  hoffen,  allmählig  auch  meine 
Frau  mit  Göttingen  auszusöhnen,  was  freylich  sehr  schwer  hält. 

Nun  wünschte  ich  wohl,  recht  viel  von  Königsberg  zu  erfahren,  — 
wäre  es  auch  das,  daß  mich  dort  die  Hegeische  Schule  schon  verdrängt 
habe.  Was  macht  Sachs?  Immer  hoffte  ich  auf  ein  Geschenk  »mit  der 
Schneckenpost«,  was  Taute  mir  angekündigt  hatte,  aber  es  kommt  nichts. 
Was  macht  Lobeck?  Was  —  ja  wieviel  wäre  zu  fragen!  —  Nothwendig 
muß  ich  noch  anzeigen,  daß  die  kleinen  Quitungen,  die  Sie  mir  nebst 
dem  Betrage  gütig  sandten,  von  der  Universitäts- Gasse  sind  abgefordert 
worden.  Zugleich  verlangte  dieselbe  meine  Quitung  über  die  rückständigen 
100  Thlr  vom  Rhodianum.  Die  Quitung  habe  ich  eingesandt,  das  Geld 
aber  ist  noch  nicht  hier.  Der  Brief  von  der  Universitäts -Gasse  ist  von 
dort  am  4.  Juli  abgegangen;  ich  habe  ihn  ein  paar  Tage  nach  der  An- 
kunft beantwortet;  vielleicht  dürfte  ich  Sie  bitten,  der  Sache  einmal  nach- 
zufragen, damit  ich  wenigstens  Gewißheit  habe,  daß  meine  Quitung  an- 
gekommen und  genügend  abgefaßt  befunden  worden. 

Von  Tautes  Schicksal  wünschte  ich  nicht  bloß  durch  ihn  selbst, 
sondern  auch  durch  Sie   das  Nähere  zu  erfahren.     Leider  hat  er  zu  lange 

Herbarts  Werke.     XVIII.  7 


g8  August  T834. 


gesäumt;  warum  könnte  es  ihm  sonst  nicht  wenigstens  eben  so  gut 
glücken  als  jetzt  dem  ehemals  ganz  verstoßenen  Beneke?  —  Wo  möglich 
schreibe  ich  ihm  noch  heute.     Mit  unveränderter  Hochachtung 

ganz  der  Ihrige!     Herbart. 

Eben  diesen  Augenblick  kam  der  Arzt.  Da  ich  einmal  über  meinen 
Gesundheitszustand  in  diesem  Briefe  geklagt  habe,  so  muß  ich  ja  wohl 
zur  Steuer  der  Wahrheit  hinzusetzen,  daß  der  Arzt  von  keiner  Besorgniß 
hören  will.  Sehr  sorgfältig  ist  er;  und  durch  den  Winter  hat  er  mich 
glücklich  genug  hindurchgeführt,  also  muß  ich  ihm   wohl  glauben. 

481.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig,  d.  18.  Aug.  34 

Mein  hochverehrter  edler  Freund!  Besten  Dank  für  das  Kernsprüchlein;  es 
enthält  einen  ßath,  der  nie  fehlleiten  kann.  Ich  freue  mich  aber  sagen  zu  können, 
daß  ich  schon  längst  darauf  gedacht  habe,  künftig  wo  möglich  nur  das  zu  thun,  was  ich 
mindestens  besser  als  andre  thun  zu  können  hoffen  dürfte.  Äußerungen  von  Göthe 
nach  seiner  Rückkehr  aus  Italien  haben  mich  besonders  ernst  dazu  ermahnt.  Nun 
kann  ich  Ihnen  denn  auch  melden,  daß  ich  vorgestern  das  Ende  des  Anfangs  vom 
Anfang  in  der  philosophischen  Schriftstellerei  gemacht,  nämlich  die  Vorrede  der 
kleinen  Schrift  über  Ihr  System  beendigt  habe,  und  dies  geschah  recht  feierlich 
Nachts  in  der  12ten  Stunde  des  Tages  mit  dem  sich  mein  32stes  Lebensjahr  schloß. 
Eine  neue  Aera  ist  also  festlich  eingeleitet.  Heute  ist  das  Manuscript  in  die 
Druckerei  gewandert;  es  wird  etwa  5  Bogen  geben.  Es  trägt  von  Anfang  bis  Ende 
nur  den  Charakter  der  Popularität  und  ich  habe  in  der  Vorrede  versprochen  auf 
Tieferes  künftig  einzugehen.  Vielleicht  kann  ich  Ihnen  schon  in  weniger  als  3  "Wochen 
ein  Exemplar  schicken. 

Was  mein  Buch  über  die  Gleichungen  betrifft,  so  erwarte  ich  ganz  und  gar 
nicht  das  Studium  desselben  von  Ihrei-  Seite;  es  Hegt  Ihren  Zwecken  zu  fern.  Aber 
schmälen  Sie  nur  nicht,  daß  ich  den  Gleichungen  Zeit  und  Kräfte  gewidmet.  Dies 
wird  auch  für  die  Philosophie  in  gewisser  Beziehung  nicht  verloren  seyn.  Ich 
wollte  ein  Buch  schreiben,  das  mir  bei  den  Mathematikern  und  bei  allen  denen,  die 
nur  auf  positive  Wissenschaften  etwas  geben,  werm  auch  nicht  Ansehen,  doch  Ach- 
tung verschaffen,  mit  dem  ich  mich  als  Professor  der  Mathematik  besser  als  mit 
den  vereinzelten  bisherigen  kleineu  Schi'iften  legitimiren  könnte.  Sollte  dies  ge- 
lungen- seyn,  so  wird  dann  auch  mein  Wort  in  der  Philosophie  besser  gelten,  auf- 
merksamer gehört  werden.  Der  Gedanke  war  mir  unerträglich,  von  den  Mathe- 
matikern den  Philosophen  zugeschoben  und  von  diesen  jenen  wieder  zurückgegeben 
zu  werden.  Das  scheint  nun  nicht  mehr  zu  befürchten  zu  seyn.  H.  v.  Lindenau, 
der  doch  ein  Kenner  der  math.  Wissenschaften  ist,  hat  mir  über  mein  Buch  einen 
sehr  aufmunternden  und  mir  erfreulichen  Brief  geschrieben.  Heute  aber  habe  ich 
einen  von  Gauß  erhalten,  der  meine  Erwartungen  sehr  übertroffen  hat.  Denn  nicht 
nvb-,  daß  er  dem  Werk  im  Allgemeinen  seinen  Beifall  bezeugt,  so  oft  er  auch  dabei 
auf  mehrere  interessante  wissenschaftliche  Erörterungen,  ja  sogar  auf  eine  Ver- 
theidigung  einer  ihm,  wie  er  fälschlich  meint,  von  mir  gemachten  Beschuldigung 
eingegangen,  die  mir  doch  zeigt  ||  daß  er  mich  nicht  für  einen  Dilettanten  sondern 
für  einen  Menschen  sui  generis  ansieht.  Mehr  wollte  ich  gar  nicht  von  diesen 
Herrn.  Und  dann  freut  mich  an  Gauß  doch  auch,  was  er  in  dem  Briefe  wiederholt 
anführt,  daß  er  philosophischen  Geist,  daß  er  Metaphysik  der  Mathematik  keineswegs 

1)  2  S.   40.     H.  Wien. 


August   1834.  gg 


gering  schätzt,  vielmehr  selbst  Forderungen  dieser  Art  immer  mit  fcjtrenge  zu  er- 
füllen sucht.  Freilich  von  einer  Theorie  der  imaginären  Größen  bis  zur  mathemati- 
schen Psychologie  ist  noch  sehr  weit,  und  ich  fürchte  ihn  da  so  schroff  zu  sehen 
wie  andre,  aber  ein  solcher  Empiriker,  wie  Ihr  berühmter,  früherer  College  B[essel?] 
ist  er  in  den  mathematischen  Theorien  nicht.  Im  Vertrauen  auf  Ihre  Güte  habe 
ich  ein  paar  ZeUen  an  Gauß  beigelegt,  die  Sie  wol  gefälligst  besorgen  lassen? 

Lindenau  ist  nicht  Cultminister .  sondern  Dr.  Müller,  ein  Mann  von  \-ielem 
Wohlwollen,  dem  indeß  etwas  weniger  Lenksamkeit  zu  wünschen  wäre.  Sein  Ur- 
theil  schrieb  ich  Ihnen  nicht  sowohl  als  eine  Anerkennung,  die  für  Sie  von  einigem 
Werth  seyn  könnte,  als  vielmehr  nur,  um  Ihnen  wissen  zu  lassen,  wie  man  bei 
unsrer  Regierung  über  Sie  denkt.  Sofern  Sie  aber  an  mich  noch  bei  Krug's  Stelle 
denken,  so  kommt  das  wohl  zu  spät;  man  hat  mich  heute  versichert,  Eitter  in  Kiel 
sey  erworben.  Es  hat  mich  nicht  betroffen  gemacht,  ich  werde  thun  quod  manet 
infectum  nisi  ipse  conficerem.  Zunächst  werde  ich  sehen,  ob  ich  zum  Winter  Zu- 
hörer finde.  Vor  Ostern  wird  R.  doch  wol  schwerlich  hier  antreten.  Die  Neuheit 
wird  ihm  anfangs  Zulauf  verschaffen,  hat  er  aber,  wie  man  sagt,  einen  schläfrigen 
Vortrag  und  ermangelt  er  der  Fähigkeit  anzuregen,  so  denke  ich,  das  wird  nicht 
lange  unbemerkt  bleiben  n.  s.  w.  Aber  auch  wenn  ich  nicht  mehr  Vorlesungen 
zusammenbrächte,  Avürde  ich  doch  über  Philosophie  zu  schreiben  fortfahreji.  — 
Was  machen  denn  die  pädagogischen  Briefe?  Sie  sind  mir  ganz  besonders  wegen 
der  zu  erwartenden  weitern  mathematisch  -  psychologischen  Entwicklungen  wichtig, 
mit  denen  ich  gar  gern  bekannt  werden  möchte. 

Haben  Sie  schon  in  der  I.  L.  Z.  die  Recens.  Ihrer  Einleit.  3.  Aufl.  gelesen? 
Es  ist  ohne  Zweifel  ein  befreundeter  Rec.  sogar  wol  am  Ende  ein  Schüler.  Ich 
erwarte  noch  den  Beschluß.  Er  sagt  viel  Ti-effendes,  aber  darin  scheint  er  Unrecht 
zu  haben,  daß  er  sich  schmeichelt,  mit  der  Anerkennung  des  Gegebenseyns  der 
Formen  sey  eigentlich  der  Idealismus  schon  entkräftet;  er  ist  es  ja  noch  nicht  ein- 
mal durch  die  ganze  Ontologie.  Mit  dem  Gegebenen  sind  wir  noch  nicht  einmal 
bei  dem  Realen. 

Man  hätte  denn  schon  in  der  Lehre  vom  Gegebenen  die  ganze  Metaphysik  in 
der  Tasche  und  alles  Folgende  wäre  bloßer  Luxus.  Ich  breche  ab,  um  noch  diesen 
Brief  heute  absenden  zu  können  und  empfehle  mich  zu  fernerer  Freundschaft 

Ihi-  aufrichtigst  ergebener    M.  W.  Drobisch. 

482.   An  Drobisch.  i)  Göttingen  24  Aug  34 

Unverzüglich  nach  Empfang  Ihres  Briefes,  mein  sehr  verehrter  Freund! 
muß  ich  Ihnen  mit  Bedauern  wegen  Ihrer  doppelten  Mühe  und  wegen 
der  Zögerung,  die  Einlage  zurücksenden.  Sie  sehen  das  Misgeschick  vor 
Augen.  Ihr  Siegel  klebte  am  Couvert;  es  war  nicht  möglich  die  Einlage 
herauszuziehn.  Daß  ich  diese  nicht  habe  lesen  können,  zeigen  zwar  die 
kleinen  Reste  des  Siegels;  aber  ich  kann  nicht  füglich  über  dergleichen 
mit  Gauß  reden;  und  Sie  werden  in  Beziehung  auf  ihn  die  Form  be- 
obachtet wissen  wollen. 

Uebrigens  bin  ich  froh,  daß  Sie  meine  Aeußerung  wegen  Ihres  Werkes 
über  die  Gleichungen  nicht  übel  deuten.  Möge  Ihnen  das  Werk  überall 
gebührend   verdankt  werden. 

Herzlichen  Dank  für  die  Beschleunigung  Ihrer  Feder  in  meinen  An- 
gelegenheiten!   Jetzt   darf  ich   wohl    hinzusetzen:    ich    war   wirklich   etwas 

»)  2  S.    8». 


lOO  August   1834. 


besorgt,  Sie  Selbst  möchten  Sich  von  Strümpells  Schrift  nicht  angenehm 
berührt  finden,  wenn  dieselbe  schien,  Ihnen  vorzugreifen.  Sie  behalten 
nun  sicherer  den  Faden  weiterer  Entwickelung  in  der  Hand;  unabhängig  || 
von  den  Eindrücken  die  Strümpell  im  Publicum  machen  wird. 

Uebrigens  ist  höchst  wahrscheinlich  die  Recens.  von  ihm,  die  Sie 
in  der  I.  A.  L.  Z.  gefunden  haben.  Denn  daß  er  —  ohne  mich  vorher 
zu  fragen,  eine  solche  aufs  Gerathewohl  an  Eichst,  geschickt,  —  dies  hat 
er  mir  geschrieben. 

Ob  und  was  aus  den  pädagog.  Briefen  werden  wird?  weiß  der 
Himmel.  Meine  Gesundheit  schwankt,  und  die  ungewohnte  Arbeit  — 
15  Stunden  wöchentlich  zu  lesen  ohne  Sommerferien  —  dabey  die  Hitze, 
—  das  Alles  erschöpft  mich.  —  Inzwischen  muß  ich  im  Winter  Päda- 
gogik lesen. 

Entschuldigen  Sie  gütig  die  höchste  Eile  dieser  Zeilen!  Mit  den 
besten  Wünschen  für  Sie  und  Ihre   Frau  Gemahlin  der  Ihrige!      H. 

483.  Drobisch  an  H.^)  Leipzig,  d.  26.  August  34 

Ich.  kann  nicht  nach  Göttingen  schreiben,  mein  hochverehrter  Herr  und  Freund, 
ohne  an  Sie  ein  paar  Zeilen  zu  richten.  Daher  wage  ich  es  lieber  noch  einmal, 
daß  das  Siegel  anklebt  und  mein  Brief  an  Gauß  in  tragikomischer,  aber  mit  diplo- 
matischer Genauigkeit  conservirter  Gestalt  zurückkehrt,  und  so  incommodire  ich 
Sie  auch  wiederholt  mit  der  Bitte,  den  Brief  besorgen  zu  lassen. 

Gut,  daß  der  erste  Bogen  meines  Schiiftchens  gedruckt  ist.  Ich  fürchte  ohne- 
dies, daß  solche  populäre  Rederei  meine  Person  bei  den  Philosophen  nicht  in  be- 
sonderen Credit  setzen  wird.  Was  Sie  mir  nun  über  Str.'s  Schrift  andeuten,  macht 
mich  vollends  besorgt.  Es  wäre  mir  unangenehm,  wenn  einer  von  uns  etwas  Über- 
flüssiges gethan  hätte,  und  das  würde  sicher  ich  seyn,  der  in  diesen  Schriftchen 
nicht  tief  eingeht  und  so  zuletzt  als  ein  rechter  Dilettant  erscheint,  indeß  Str.  sich 
auf  das  Einzelne  einläßt  und  durch  Polemik  würzt,  um  die  ich  ihn  indeß  nicht 
beneide.  Ich  will  indeß  meinen  Credit  gern  gefährden  ||  wenn  es  nur  etwas  im 
Pablicum  hilft.  Aber  wenn  man  über  Str.  und  mich,  über  beide  zugleich  herfährt, 
so  ist  der  Schade  für  die  Sache  nicht  gering,  denn  wir  haben  das  Vertrauen  ver- 
loren und  andern  den  Markt  verdorben. 

Doch  wu-  werden  sehen.     Jetzt  heißt  es  freilich  nur  alea  jacta  est! 

Mit  den  besten  Wünschen  für  Ihre  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  Gesundheit  und 
gute  Stimmung  Ihr  ergebenster     Drobisch. 

484.  Drobisch  an   H.-)  Leipzig,  11.  September  1834 

Hier,  mein  Verehrtester,  erhalten  Sie  noch  ganz  warm  und  weich  das  erste 
Exemplar  meiner  primitiae  philosophicae.  Ein  paar  andre  Exemplai'e  werden  noch 
durch  Buchhändlergelegenheit  zu  ihrer  Disposition  nachfolgen.  An  Griepenkerl, 
Strümpell,  Eöer,  Bobrik  will  ich  selbst  auf  demselben  Wege  dergleichen  schicken. 
Vielleicht  auch  an  Brandis-  in  Bonn,  der  mir  während  meiner  Redaction  der  L.  L.  Z. 
einen  sehr  wohlwollenden  Brief  schrieb,  aus  dem  seine  Bereitwilligkeit,  über  mehrere 
Puncto  Ihrer  Philosophie  sich  aufzuklären,  hervorleuchtete.  Sonst  wüßte  ich  keinen 
namhaften  Philosophen,  dem  ich  damit  eine  Freude  zu  machen  hoffen  dürfte. 

')  2  S.    8«.    H.  Wien. 
■')  4  S.    8».    H.  Wien. 


August  1834.  10 1 


Wollen  Sie  nun,  nachdem  Sie  es  gelesen,  mir  ein  paar  Zeilen  über  das  Ganze 

schreiben,  so  wird  es  mir  belehrend  und  beruhigend  seyn.     Schonung  verlange  ich 

nicht.     Ich  weiß,   daß  Alles   nur   von   der  Oberfläche   geschöpft,   aber  auch   daher 

vielleicht  für  Oberflächliche   nicht  ungeeignet   ist.     Ob  Sie   es  für   passend   halten 

wollen,  in  den  Gott.  Anz.  das  Schriftchen  namhaft  zu  machen,  muß  ich  Ihnen  ganz 

überlassen.     Ich  muß  meines  Theils  wünschen,  daß  es  wenigstens  Leser  finden  möge, 

und  zwar  zahlreiche:  denn  für  die  Auserwählten  ist  es  nicht  geschrieben.    Da  Krug 

und  Beneke  driu   nicht  gerade   mit  Beistimmung  genannt  sind   und    auf   Ritter  die 

Stelle  von  den  historischen  Philosophen   wenigstens    bezogen  werden  kann,   so  wird 

es  vielleicht   nicht   an    gemeinen  Menschen  fehlen,    die   in    den   jetzigen    Leipziger 

Verhältnissen  das  wahre  Motiv  der  Schrift  finden  werden.     Hierin   haben   Sie   eine 

Garantie,  daß  ich  foitfahren  werde  über  Philosophie  zu  schreiben,    damit  die  Welt 

sieht,  daß  mir  etwas  an  der  Sache  liegt.     Vielleicht  wird  sogar  mit  der  Metaphysik 

ein  Grundriß  der  Logik  erscheinen,  dessen  ich   für  die  Vorlesungen  bedarf.     Auch 

habe  ich  hier  einiges  Eigenthümliche,  was  ich  los  werden  möchte.    Übrigens  steht  die 

Logik  in  Sachsen  noch  in  sehr  gutem  Ansehen  und  wird  mich  empfehlen.  —  Über 

Krug's  Stelle  ist  wieder   alles   in  tiefen  Schweigen.  —  Hartenstein  geht  damit  um, 

zu  Gunsten  Ihres  Systems  ebenfalls  die  Feder  in  Bewegung  zu  setzen.     Den  habe 

ich  wirklich  genöthigt,  Ihre  Werke  zu  studiren  und  Ihr  Schüler  zu  werden.     Vor 

2  Jahren  sprach  er  in  seinen  Voriesungen   auch   noch  so  über  sie  wie  die  andern. 

Jetzt  klingt  das  ganz  anders.     Das  ist   mir  wichtig,   da  sein  Vortrag  den  Studenten 

gefällt,  und  also  durch   mehrfache   Kräfte    für  die  Aufrechthaltung  Ihrer  Philos.  in 

Leipzig  gesorgt  seyn  wird,  es  komme  was  da  will. 

Der  Geist  Ihrer  Philos.  paßt  auch  gut  für  manche  andre  Eigenthümlichkeiten 
Leipzigs.  Hermann,  ohnstreitig  der  eminenteste  Kopf  unter  den  Leipziger  Profes- 
soren, hält  in  seinem  Kreise  das  klare  logische  Denken  streng  aufrecht  und  be- 
kämpft alle  Träumereien  und  Einbildungen,  Anschauungen  etc.  (vide  seine  Recens. 
V.  Müllers  Eumeniden  in  den  Wiener  Jahrbüchern)^);  ganz  von  denselben 
Geiste  ist  Winer,  der  Angeseheudste  der  theologisch.  Facultät.  Unsre  Juristen, 
obgleich  ganz  positiv,  sind  doch  durchaus  für  eine  gediegene  Bildung  und  ein  be- 
sonnenes Denken.  In  der  medic.  Facultät  haben  Bestrebungen  wie  die  unsern 
-  an  Weber,  dem  einsichtigsten  und  scharfsinnigsten  unsrer  Mediciner,  einen  Gönner, 
wenn  auch  nicht  einen  Kenner.  Im  Allgemeinen  herrscht  bei  uns  der  classisch- 
philosophische,  nämlich  der  grammatischkritische  Geist.  Je  mehr  man  gewahr 
werden  wird,  wie  sehr  dieser  durch  eine  echte  Philosophie  geschärft  werden  kann, 
um  so  mehr  wird  diese  sich  wieder  in  ihrem  Ansehen  heben  und  endlich  vielleicht 
positiven  Einfluß  gewinnen. 

Möge  Ihre  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  Gesundheit  die  beste  seyn. 
Seit  14  Tagen  habe   ich  wieder  mit  einer  Augenentzündung  zu  kämpfen,  die 
micü  viel  Zeit  gekostet  hat.     Meine  Frau  ist  wohl  auf,  aber  ich  wollte  die  Zeit  der 
Erwartung  und  der  Gefahr  wäre  schon  vorüber. 

Von  ganzem  Herzen  der  Ihrige  Drobisch. 


M  Goti:fried  Hermanns  „ebenso  heftige  wie  umfangreiche"  Kritik  von  Otfried 
Müllers  Ausgabe  der  Eumeniden  in  den  Wiener  Jalirbüchern  Bd.  64  machte  damals 
in  der  gelehrten  Welt  viel  Aufsehen. 


I02  September  1834. 


485.     An    Drobisch.l)  Göttingen  22  Sept  34 

verspätet,  meist  durch  Unpäßlichkeit. 

Ihre  treffliche  Schrift,  mein  theurer  Freund!  ist  in  meinen  Händen; 
und  meine  Anzeige  für  die  hiesigen  gelehrten  Blätter  ist  auch  schon  in 
Heerens  Händen.  2)  Was  aber  soll  ich  daran  mäckeln?  Gewiß  dies,  daß 
die  letzten  zwey  Zeilen  hätten  wegbleiben  sollen;  schon  deshalb,  weil  mir 
daraus  das  Ungemach  erwächst,  daß  ich  dieses  Büchlein  Niemanden  ein- 
händigen darf;  —  doch  bey  meinem  alten  Freunde  Dissen  habe  ich  mich 
darüber  weggesetzt.  Ferner  S.  12  das  Wort  »meint«.  Doch  über  den 
Unterschied  zwischen  Wissen  und  Meinen  in  diesem  Punkt  bleibt  Ihnen 
das  Urtheil  vorbehalten.  Ferner  S.  48:  „daß  die  logische  Strenge  der 
Begriffe  etwas  vermindert  werden  möge".  Darüber  bin  ich  fast  erschrocken; 
und  habe  die  Citate  nachgeschlagen.  Ohne  Ihnen  einen  sehr  unnöthigen 
Commentar  darüber  zu  schreiben,  bitte  ich  zu  bedenken,  wie  die  Worte 
ohne  Zusammenhang  könnten  gedeutet  und  gemißbraucht  werden.  Habe 
ich  nun  genug  gemäckelt? 

Befände  ich  mich  wohl,  und  hätte  mich  nicht  die  wüthende  Hitze  so 
übel  zugerichtet,  daß  ich  nicht  weiß  wie  ich  durch  den  Winter  kommen 
werde  —  so  würde  ich  mich  jetzt  der  äußerlichen  Sorgen  entschlagen 
können.  Aber  da  ich  gar  nicht  absehe,  wie  viel  oder  wie  wenig  ich  noch 
auf  mich  selbst  zu  rechnen  habe,  so  muß  ich  Ihnen,  weil  Sie  fortfahren 
wollen,  über  Philosophie  zu  schreiben,  die  Lage  der  Sache  schildern  wie 
ich  sie  sehe.  Es  ist  noch  immer  periculum  in  mora;  und  noch  immer 
zu  wünschen,  daß  ein  paar  Stimmen  mehr  sich  hören  lassen.  Der  hiesige 
Boden  ist  keinesweges  rein;  vielmehr  begreife  ich  jetzt  die  Aeußerimg  des 
Ihnen  wohlbekannten  Hrn.  ...  in  B,  der  vor  etwa  einem  Jahre  geweis- 
sagt hat,  ich  würde  meinen  Gang  nach  Göttingen  bald  bereuen.  Man 
hatte  wirklich  einigen  Grund,  Göttingen  bald  als  eine  Vorstadt  von  B.  zu 
betrachten.  Die  Bürger  schauen  sehnsüchtig  auf  den  Zollverein  —  und 
die  Studenten  nach  B.  Der  Pantheismus  leuchtet  den  jungen  Theologen 
als  eine  „neue  Theologie",  und  ich  bin  deshalb  von  mehrern  wackern  Zu- 
hörern berichtet,  ja  fast  gewarnt  worden.  Sie  wissen,  wen  Rosenkranz 
als  Hegelianer  figuriren  läßt;  —  es  i's/  so,  ungeachtet  der  äußern 
Freundlichkeit;  und  auf  derselben  Seite  stehn  unter  den  Privatdocenten 
ein  Aesthetiker  und  ein  begeisterter  Theologe.  Mit  hiesigen  Gelehrten  des 
ersten  Ranges  giebts  enge  Freundschaftsverhältnisse  in  B.  Was  Sie  bey 
Gelegenheit  der  Eumenide72  sagen,  das  heißt  in  andrer  Sprache:  man  hat 
Göttingen  an  derjenigen  Stelle  angegriffen,  die  gerade  den  vestesten  Punct 
bildet.  M[üller]^)  ist  jung,  rüstig,  und  steht  schon  jetzt  auf  dem  höchsten 
Puncte  des  Ansehens  und  Einflusses^  so  weit  ich  schauen  kann.  Wäre 
ich  zwey  Jahre  früher  gekommen,  dann  hätte  ich  Manches  leichter  gehabt; 
zwey  Jahre  später,  — .und  ich  wäre  an  ein  Verhack  gestoßen.  —  In  B 
dagegen  ist  einiges  Sinken  bemerklich:  doch  das  können  Sie  genauer 
wissen. 


1)  2  S.    4". 

*)  S.  Bd.  XIII,  S.  271  fF. 

^)  Oftfried  Müller,  der  berühmte  Philolog  (1797  — 1840). 


Oktober  1834.  jq-i 


Ist  Hartenst[ein]  tüchtig,  so  haben  Sie  Ursach  ihn  zu  beschleunigen. 
Sollte  Strümpell  der  wieder  gen  Leipzig  zu  steuern  gedenkt,  dort  wirklich 
anlanden,    so    bitte  ich  daß  Sie  ihn   nicht  verschmähen,    quand   meme    — 

Was  dies  quand  meme  zu  bedeuten  hat,  errathen  Sie  wohl,  oder 
können  es  seiner  Schrift,  die  beynahe  fertig  gedruckt  ist,  bald  ansehn ;  ob- 
gleich ich  aus  den  Bachmannianis  am  Schlüsse,  fast  unglaubliche  Härten 
schon  ausgestrichen  habe.  Allzunah  bedeutet  es  Ihnen  gewiß  nicht;  das 
mögen  Sie  Ihrer  eignen  Schrift  glauben,  wenn  Sie  diese  neben  jene  legen. 
Aber  helfen  kann  er;   besonders  polemisch. 

Mit  den  besten  Wünschen  für  Ihre  Gesundheit!  und  für  Ihr  Hans   — 

von   Herzen   der   Ihrige      H. 

486.  An  Strümpell.  ^)  Ohne  Datum. 
Mit  meinem  besten  Morgengruße  muß  ich  zugleich  die  Bitte  ver- 
binden, daß  Sie  das  gestern  besprochene  unterlassen  mögen.  Denn  indem 
ich  von  neuem  einige  Blicke  in  Gr[iepenkerl]s  Schrift  werfe,  überzeuge  ich 
mich  nur  zu  sehr,  daß  er  es  gar-  zu  gut  mit  mir  gemeint  hat.  Wie  sorgfältig 
Sie  auch  die  Stellen  auswählen  möchten,  worin  er  selbst  hervortritt:  immer 
würde  man  vergessen,  daß  seine  Absicht  eigentlich  nur  dahin  ging,  mich 
gegen  arges  Unrecht  zu  verteidigen.  Also  bitte  ich:  Gehen  Sie  nicht  zu 
Hrn  V.  E.                                                                    Von   Herzen  Ihr     H. 

487.  Bobrik  an  H.-)  Zürich  d.  5ten  Octbr.  34 

Verehrtester  Herr  Hofrath!  Ihr  Wohlergehen  habe  ich  mit  vieler  Freude 
gestern  von  Herrn  Wunderlich  erfahren,  welcher  auf  seiner  Heimreise  hier  durch 
paßirend,  mir  die  freundlichen  Zeichen  Ihrer  gütigen  Erinnening  überreichte. 
H.  V.  Muralt  brachte  mir  im  Frühjahr  ebenfalls  ein  Paar  Größe,  aber  dabei  die 
Nachricht,  er  habe  bei  seiner  eiligen  Abreise  von  Göttingen  einen  von  Ihnen  mir 
bestimmten  Brief  dalaßen  müßen.  Leider  blieb  Herr  Wunderlich  nur  den  gestrigen 
Vormittag  und  Mittag  bei  uns,  und  die  kurze  Zeit  habe  ich  so  gut  benutzt,  als  mög- 
lich, um  Herrn  Wunderlich  einen  Cmriß  unsrer  Gegend,  und  mir  eine  Anschauung 
Ihres  dortigen  Befindens  zu  verschaffen.  Ueber  unser  hiesiges  Wirken  und  Hoffen 
will  ich  mich  aber  lieber  selbst  in  diesem  Briefe  ausführlich  erklären,  was  freilich 
ein  wenig  abweicht  von  dem  Briefe  und  Berichte,  den  ich  zuerst  von  hier  aus,  im 
Sommer  des  vorigen  Jahres  noch  nach  Königsberg  richtete  vmd  von  dem  ich  bis 
jetzt  noch  nicht  weiß,  ob  er  Sie  noch  daselbst  erreicht  hat  oder  iiicht.  Ihre  in 
jeder  Hinsicht  erwünschte  Aufnahme  in  Göttingen  habe  ich  mit  der  herzlichsten 
Freude  vernommen  und  selbst  bis  auf  den  wiederbenutzten  Garten  scheint  sich 
Alles  Ihnen  mit  alter  Zuneigung  wieder  genähert  zu  haben,  und  wenn  auch  schmerz- 
liche Erinnerungen  an  das  in  Königsberg  zurückgelaßene  die  verehrte  Frau  Gemahüu 
zuweilen  bewegen,  so  denke  ich  mir,  daß  der  Mittelpunkt  Deutschlands  mit  allen 
Gelegenheiten  zu  einer  angenehmen  Eeise  bald  ein  genügendes  Gegengewicht  hervor- 
bringen wird.  Vielleicht  führt  Sie  auch  dei  Weg  einmal  nach  Zürich,  dies  gehört 
wenigstens  zu  meinen  angenehmsten  Hoffnungen. 

Wir  müßen  uns  hier  auch  größtentheils  durch  den  Genuß  der  schönen  Gegend 
und  die  Benutzung  der  Reisegelegenheiten  schadlos  halten  gegen  die  mancherlei  Unan- 

^)  S.  A.  Spitzner-Strümpell,  Die  Psychol.  Päd.,  Leipzig,  E.  Ungleich,  S.  XXVIII  f. 

2)  27,  S.   4".     H.  Wien.  —  Über  Bobrik  s.  0.  S.  5. 


104  Oktober  1834. 


nehmlichkeiten,  welche  sich  durch  den  ungünstigen  Zusammenhang  der  Umstände  um 
unser  akademisches  Leben  angehäuft  haben.  So  war  ich  im  vorigen  Jahre  mit  meiner 
Frau  nach  Mayland  und  den  Lombardischen  Seen,  in  diesem  Sommer  'nach  dem 
Berner  Oberlande  gereist,  und  im  nächsten  Sommer  hoffe  ich  meine  Frau  und  unser 
jetzt  halbjähriges  Söhnchen  nach  Bonn  zum  Besuche  der  Schwiegereltern  zu  be- 
gleiten, und,  wenn  ich  dort  nicht  das  Glück  haben  sollte,  Sie  bei  der  Naturforscher- 
Versammlung  zu  finden,  so  dürfte  ich  einen  Versuch  machen,  das  mir  noch  unbe- 
kannte Göttingen  zu  besuchen. 

Unsere  Universität  wurde  von  Zürich  mit  geringen  Geldmitteln,  aber  mit  desto 
größeren  Hoffnungen  auf  die  Theilnahme  der  andern  Cantone  und  Deutschlands  ge- 
gründet. ^)  Diese  beiden  Hoffnungen  sind  zerstört.  Die  Frankfurter  Geschichte  brachte 
einen  Haufen  exaltirter  Flüchtlinge  hieher,  von  denen  eine  Anzahl  immatrikulirt 
wurde,  und  das  eiste  Verbot  von  dem  Bundestage  gegen  uns  hervorrief.  Der 
Savoyer  Zug  hatte  leider  mehrere  unserer  Immatrikulirten  zu  Theilnebmern,  wodurch 
das  Verbot  noch  mehr  geschärft  wurde.  Der  noch  immer  fortdauernde  Kampf  der 
Schweizer  Parteien  giebt  den  Exaltirten  immer  noch  einen  |j  Stützpunkt,  und  so  wird 
der  Boden,  auf  dem  das  zarte  Pflänzchen  unserer  jungen  Universität  gedeihen  sollte, 
zum  Kampfplatz  des  liicksichtslosesten  und  rohesten  Factionsgeistes.  Wenige  von 
ims  haben  sich  energisch  gegen  die  Zerstörung  unserer  wissenschaftlichen  Arbeiten, 
und  Hoffnungen  ausgesprochen,  dadurch  sind  wir  den  pöbelhaftesten  Preßangriffen 
hingegeben;  und  viele,  namentlich  der  jüngeren  Docenten,  schließen  sich  leider  dem 
radikalen  Unwesen  rücksichtslos  an.  Dadurch  wird  die  Hoffnung,  einst  das  Verbot 
von  Deutschland  aus  aufgehoben  zu  sehn,  immer  weiter  hinausgeschoben. 

Statt  der  gehofften  Theilnahme  der  übrigen  Cantone  ist  von  dem  größten  Theile 
derselben  Indifferentismus  eingetreten ,  und  von  Bern  sogar  eine  neue  Universität 
entgegengestellt  worden.  Die  ganze  Zahl  der  Studirenden  hat  in  jedem  der  drei 
vergangenen  Semester  einhundert  und  einige  sechzig  betragen,  davon  waren  einige- 
zwanzig  Deutsche,  von  den  übrigen  hundert  und  vierzig  waren  gegen  siebzig  aus 
dem  Canton  Zürich,  so  daß  die  Theilnahme  der  übrigen  Cantone  sich  auf  nur  siebzig 
beschränkte,  welche  durch  Bern  nothwendig  sich  verringern  wird. 

Auf  diese  Art  wird  also  die  kurze  Blüthe  kaum  zur  Frucht  gedeihen. 

Unterdeßen  hat  der  hiesige  Prof.  der  Medicin,  von  Pommer,  eine  Schweizerische 
Zeitschrift  für  Natur-  und  Heilkunde  errichtet,  und  mich  zur  Theilnahme  aufgefordert- 
Dieser  Aufforderung  glaubte  ich  entsprechen  zu  müßen  und  so  habe  ich  eine  An- 
wendung Ihrer  Psychologie  auf  die  Heilung  des  Wahnsinns  darzustellen  versucht. 
Herr  Wunderlich  überbringt  ein  Exemplar  des  ersten  Heftes.  -)  Nehmen  Sie  es  gütig 
als  ein  Zeichen  meiner  dankbaren  Bemühung  an,  trotz  so  mancher  äußern  Wider- 
wärtigkeiten als  treuer  Schüler  des  großen  Lehrers  mich  allmählig  öffentlich  xu 
zeigen.  Ich  bin  jetzt  eben  mit  dem  zweiten  Theil  dieser  Abhandlung  beschäftigt. 
Eines  andern  Versuchs  wage  ich  kaum  zu  erwähnen,  er  ist  rein  temporair  und  lokal. 
Im  vorigen  Winter  forderte  man  mich  auf,  Vorträge  über  Aesthetik  vor  einer  ge- 
mischten Gesellschaft  von  Männern  und  Frauen  zu  halten,  und  diese  drucken  zu 
laßen.  Dies  ist  nun"  auch  bald  beendigt.  ^)  Wie  viel  sich,  oder  vielmehr  wie  wenig, 
eigentlich  wissenschaftlich  in  dieser  Form  darstellen  ließ,  fühlte  ich  wohl,  habe  mich 
aber  vom  Strom  der  Umstände  tragen  laßen  und  gehe  der  nächsten  Zukunft  mit 
der  Hoffnung  ächter  Arbeiten  entgegen. 

1)  Vgl.  G.  v.  Wyss,  die  Hochschule  Zürich  i.  d.  J.  1833—83,  Zürich  1883. 
*)  Diese  Abhandlung  ist  in  der  Literatur  der  Schule  Herbarts  bisher  nicht  be- 
kannt gewesen. 

^)  Freie  Vorträge  über  Ästhetik,  gehalten  zu  Zürich  1834.   VIII  u.  415  S.   8".. 


Oktober   1834.  105 


Zu  Ibier  neuen  Auflage  der  Psychologie  und  Einleitung,  welche  sich  beide  in 
meinen  Händen  befinden,  gratulire  ich  mit  herzlichster  Theilnahrae;   und  sehe  der 
großen  Pädagogik  mit  voller  Erwartung  entgegen !  Wie  sehr  sich  in  Göttingen  schon 
in    den    beiden    Semestern    das    Studium    der    Philosophie    gegen    die    bis    dahin 
herrschende  Gleichgültigkeit,  gehoben  hat,   ist  duich  den   zahlreichen  Besuch  Ihrer 
Vorträge  schon  erwiesen,  und  muß  sicii  nothwendig  immer  mehr  erweitern.  1|  Auch 
ich  kann,  im  Verhältniß  der  hiesigen  Zahlen  und  Intereßeu  noch  ziemUch  zufrieden 
sein.     Ich  habe  in  jedem  der  drei  Semester  drei  philosophische  Collegien  zu  Stande 
gebracht,    und  daneben,    im  Winter   und  Sommer   der  beiden  letzten  Semester,    ein 
Englisches  CoUegiuin,  für  welche  Sprache  sich  kein  anderer  Lehrer  an  der  Universität 
findet.     In  dem  letzten  Sommer  habe  ich,  weil  mein  Special-College  L.  Snell,  nach 
Bern  gegangen,  eine  neue  Bahn,  die  der  Geschichte  der  Philosophie  betreten  müßen, 
und   werde    im    nächsten  Wmter   deren    zweiten  Theil,    und   im    nächsten  Sommer 
ihren  dritten  und  letzten  Theil  vortragen.     Mit  der  Hoffnung  nun  auch  bald  einige 
freundliche  Zeilen  von  Ihnen  zu  erhalten  schließe  ich   meinen  heutigen  Brief,    und 
wünsche  Ihnen  und  Ihrer  Frau  Gemahlin,   der  ich   mich   auf  das  Angelegentlichste 
zu  empfehlen  bitte,  ferneres  allseitiges  Wohlergehen. 

Mit  innigster  Hochachtung  und  Ergebenheit  Bobrik. 

488.    Schubert  an  H.')  Kgsbg.,  d.  1.5.  Oct.  34. 

Hochverehrter  Herr  College!  Wenn  auch  meine  beiden  letzten  Briefe  Sie  zu 
keiner  Antwort  aufgefordert  haben,  so  will  ich  dies  lieber  irgend  einer  zufälligen 
Veranlassung  zuschreiben,  als  daß  ich  es  einer  Veränderung  Ihrer  mir  so  überaus 
theueren  Gesinnung  gegen  mich  beimessen  sollte.  Ich  ergreife  also  mit  Freuden  die 
Gelegenheit,  welche  mir  die  Absendnng  von  21  Rthlr.  rückständigem  Honorar  dar- 
bietet, um  mem  und  der  Meinigen  Andenken  bei  Ihnen  aufzufrischen.  Diese  21  Rthlr. 
repraesentiren  sieben  Honorare,  die  wiederum  bis  jetzt  von  mir  für  Sie  in  Empfang 
genommen  sind.  Da  sie  sämmtlich  von  Leuten  im  Amte  herrühren  (großentheils 
Pfarrer)  so  hat  die  Quaestur  nach  dem  Ihnen  bekannten  Gesetze  7  Th.  für  die  ver- 
wickelte Einziehung  desselben  sich  zu  berechnen;  sie  hat  also  28  Rthlr.  eingenommen, 
zahlt  aber  nur  21  Rthlr.  an  den  Professor.  Gleichzeitig  bittet  die  Universitäts- 
' Gasse  um  einen  Empfangsschein  für  den  Antritts-Revers  bei  der  hiesigen  Wittwen- 
Casse  UDd  den  Wechsel  auf  150  Rthlr.,  sie  will  beides,  in  einem  Document  ent- 
halten und  von  ihr  aufbewahrt,  gern  an  Sie  zurücksenden,  kann  es  aber  nach  der 
Gassen-Vorschrift  nicht  anders,  als  gegen  vorherige  Einsendung  des  Empfangsscheines- 
Die  Papiere  sind  jetzt  zwai'  an  sich  werthlos,  aber  der  Ordnung  wegen  dürfte  es 
Ihnen  doch  selbst  angenehm  sein,  ein  auf  Geld  lautendes  Papier  zurückzuerhalten, 
das  Sie  ausgestellt  haben. 

Die  Aussicht,  uns  einmal  in  Königsberg  zu  überraschen  scheint  von  Ihnen 
ganz  aufgegeben  zu  sein  und  doch  würden  Sie  an  der  aufrichtigen  Freude  Ihrer 
vielen  hiesigen  Verehrer  über  einen  solchen  Besuch  ||  wahrlich  ein  wohlthuendes 
Gefühl  empfinden.  Aber  ich  verkenne  auch  nicht  die  vielfachen  Hindernisse  für 
eine  so  entfernte  Reise.  Merke  ich  es  doch  an  mir,  wie  ich  auch  alljährlich  in 
Ihre  Gegenden  reisen  will  und  zuletzt  mich  immer  entschließen  muß,  die  Reise  noch 
auf  ein  Jahr  aufzuschieben. 

Unsere  Universitätsangelegenheiten  haben  keine  besondere  Merkwürdigkeit  er- 
fahren. Das  Personal  ist  fast  unverändert  das  alte  Ihnen  bekannte:  einige  Lücken 
durch  den  Tod,  einige  durch  Versetzung,   aber  dies  alles  schon  seit  3  Jahren,   denn 


1)  4  S.    8".     H.  Wien. 


Io6  Oktober   1834. 


in  dieser  Zeit  ist  nicht  einmal  ein  neuer  Extraordinarius  ernannt,  oder  sonst  irgend 
eine  Versetzung  bewirkt  worden.  Aber  Ihre  alten  Freunde  haben  neue  Kräfte  ge- 
wonnen, und  dies  gilt  besonders  von  uuserm  verehrten  Lobeck,  der  seit  einem  Jahre 
sich  wieder  verjüngt  hat,  und  bei  seiner  unendlichen  literarischen  und  amtlichen 
Thätigkeit  allen  melancholischen  Hirngespiasten  von  Krankheit  und  baldigem  Ende 
das  coQsilium  abeundi  gegeben  hat.  Sieffert's  hartnäckiges  Augenübel,  das  seinen 
Sitz  im  Unterleibe  hat,  ist  nach  zweimaligem  Aufenthalte  an  der  See  und  zwei 
Brunnenkuren  doch  so  weit  bekämpft,  daß  er  wieder  vollständig  seine  amtliche 
Wirksamkeit  ausfüllt  und  auch  des  Abends  bei  Licht  schon  wieder  studiren  kann. 
Sanio  hat  jetzt  auch  nicht  selten  mit  seinem  Körper  mannigiache  Beschwerden,  aber 
seine  Docententhätigkeit  wird  mit  jedem  Semester  ausgebreiteter  und  ich  hoffe,  daß 
auch  bald  ein  größeres  literäi'isches  Unternehmen  seine  Bedeutsamkeit  als  Gelehrter 
documentireu  wird.  Könnte  |l  ich  doch  auch  dasselbe  von  Taute  sagen,  aber  dessen 
Zögern  wird  mir  immer  unbegreiflicher.  Seit  zwei  Jahren  spricht  er  von  einer 
fertigen  Religiousphilosophie,  der  Verleger  ist  auf  den  Druck  für  dieselbe  Zeit  schon 
gefaßt:  aber  dem  Verfasser  fehlt  das  Manuscript.  Seine  Vorlesungen  gehen  ihren 
sehr  mäßigen  Gang  fort.  Sachs  hat  jetzt  bei  uns  eine  medicinische  Dictatur  ge- 
nommen und  gefällt  sich  wohl  darin,  dieselbe  auch  als  ein  Alleinherrscher  zu  ge- 
brauchen. Er  ist  zufriedener  als  je,  das  will  aber  freilich  noch  nicht  sagen,  daß  er 
zufrieden  ist.  Gregor  ist  der  Universität  etwas  näher  getreten,  indem  der  academische 
Senat  im  vorigen  Monate  ihn  zum  Director  des  Polnischen  Seminars  an  des  ver- 
storbenen Woide  Stelle  gewählt  hat.  Storwe  ist  durch  den  jungen  Ellendt  ersetzt, 
der  bis  dahin  eine  Lehrstelle  an  dem  Domgymnasium  hatte:  er  ist  ein  tüchtiger, 
kräftiger  Lehrer  von  dem  Schlage  seines  Bruders,  nur  daß  er  denselben  an  Geist 
und  Gelehrsamkeit  nicht  erreicht.  Das  Altstädtische  Gymnasium  befindet  sich  aber 
gegenwärtig  in  einem  kläglichen  Verfalle  und  bedarf  einer  völligen  Umgestaltung. 

Dr.  Thomas,  der  Ihnen  näher  bekannt  sein  wird,  da  er  schon  bei  Ihrer  An- 
wesenheit in  Göttingen  zum  Doctor  der  Philosophie  promovirt  worden  ist,  hat  bis 
jetzt  als  Referendar  bei  der  hiesigen  Regiejung  gearbeitet.  Ei'  wiinscht  aber  jetzt, 
da  ihm  der  kleine  Dienst  nicht  zusagt,  zur  academischen  Thätigkeit  zu  übergehen, 
und  gedenkt  für  philosophische  und  staatswissenschaftliche  Vorlesungen  sich  zu 
habilitiren.  Da  er  aber  nicht  mehr  ganz  jung  ist,  so  wünscht  er  nicht  an  einem 
Orte  aufzutreten,  wo  der  Numerus  der  Studirenden  oder  der  Fachprofessor  in  der 
Facultät  ihm  Hindernisse  für  sein  weiteres  Fortkommen  in  den  Weg  legen  könnten. 
Er  hat  daher  mich  angelegentlich  ersucht,  bei  Ihnen  anzufragen,  ob  Sie  ||  Göttingen 
ihm  anrathen  würden,  um  hier  als  Docent  sich  zu  habilitiren.  Er  glaubt  als  Docent 
hier  auf  die  geringsten  Schwierigkeiten  zu  stoßen  und  bittet  darüber  um  eine  baldige 
geneigte  Auskunft. 

Meine  Gesundheit  hat  bis  jetzt  mir  immer  auf  ihre  Weise  bei  der  Arbeit  bei- 
gestanden und  so  hat  sich  meine  Arbeitslust  auch  beträchtlich  vermehrt,  so  daß 
dann  doch  nicht  immer  Wille  und  Körper  in  voller  Eintracht  sich  befinden  wollen. 
Meine  Frau,  die  sich  auf  das  angelegentlichste  Ihrer  verehrten  Frau  Gemahlin 
empfiehlt  und  derselben  das  treuste  und  dankbarste  Andenken  bewahrt,  bleibt  mir 
im  allgemeinen  Wohlbefinden  nicht  nach,  und  so  sind  denn  die  häuslichen  Leiden 
nur  bisweilen  im  Kreise  unserer  Kinder  eingekehrt.  — 

Conrad  ist  jetzt  16  Jahre,  und  mir  bereits  über  den  Kopf  gewachsen:  er  ist 
jetzt  1  Jahr  auf  Secunda.  Mein  dritter  und  jüngster  Sohn  Ernst,  bei  dem  Ihre 
Frau  Gemahlin  eine  Pathenstelle  gefälligst  übernahm,  scheint  die  günstigsten  An- 
lagen zu  besitzen;  aber  er  ist  zur  Kränklichkeit  geneigt. 

Mit  herzlichster  Hochachtung  und  Verehrung 

Ihr  aufrichtig  ergebener     Schubert. 


1^34- I07 

489.    Drobisch  an  H.')  Ohne  Datum. 

Mein    verehrungsw-iirdiger   Freund!    Nachdem    nun    Beängstigung    und   Sorge 
wieder  einmal  aus  meinem  Hause  gewichen  zu  seyn  scheint  (denn  eine  fast  drei- 
wöchentliche Krankheit   meiner  Kleinen  ist  glücklich   überstanden   und   meine  gute 
Frau  am  13.  d.  M.  von  einem  Knaben  zwar  schwer  aber  doch  glücklich  entbunden 
worden   und  bis  hieher  alles  glücklich  gegangen)  beantworte  ich  Ihren  lieben  Brief 
vom  22.  Sept.     Zuvörderst  also  meinen  besten  Dank  für  Ihre  Bemerkungen  so  wie 
ganz  besonders  für  die  so  beschleunigte  Anzeige,  die  wohl  freilich  noch  nicht  ab- 
gedruckt ist.     Gar  verschiedenartige  Urtheile  habe  ich  bereits  über  das  Schriftchen 
erfahren.     Unser  Hörmann  hat  es  gelesen  und  ihm  den  größten  Beifall  gezollt.    Es 
sey  klar,  meinte  er,   und  er  finde  nach  dieser  Skizze  in  Ihrer  Philosophie  alle  die- 
jenigen  Puncte   der   Kanfschen   berührt   und   beseitigt,    an  denen    er  selbst  einst 
beim  eifrigen  Studium  derselben  Anstoß  genommen;  könnte  er  mehr  Zeit  finden,  so 
%vürde  [er]  Ihre  Werke  selbst  studiren.   Freilich  sagt  mir  dagegen  ein  andrer  College, 
der  ein  unendlicher  Skeptiker   ist,   er  habe   die  Schrift   zwar  gelesen,   aber   nicht 
studirt,   daher  nicht   recht   verstanden   und   noch  weniger  begriffen.     Andre  sagen, 
ich  hätte  zu  wenig  Positives   gegeben;   andre  meinen,  ich  setze  schon  zu   viel  Be- 
kanntschaft mit  ihren  Werken  voraus.     An  allen  diesen  Äußerungen  mag  wohl  etwas 
"Wahres  seyn.     Fast  niederschlagend,  aber  nicht  unerwartet  kam  mir  die  briefliche 
Äußerung  unseres  v.  L[indena]u,    er  habe  die  Schrift   mit  Interesse  gelesen,  könne 
sich  aber  doch  nicht  recht  mit  der  Speculation  wieder  befreunden,  was  um  so  sonder- 
barer sey,  als  er,   bevor  er  Mathematik  und  Astronomie  studiert  habe,   ein   eifriger 
Kantianer  gewesen.     Wir   müßen   also   die  Hoffnung  aufgeben,   daß   die  Leute  von 
■der  französischen. Bildung,  die  Freunde  der  sciences  exactes,  sich  mit  uns  befreunden; 
ich  habe  das  immer   gefürchtet;    immer  nur  auf   die  Jugend   gezählt.     Der  Cultus- 
minister  hat  das  Büchlein  noch  nicht  gelesen,  verspricht  sich  aber,  wie  er  schreibt, 
viel  Genuß,  da  er  sich  von  Ihrer  Philosophie  sehr  angezogen  fühle  und  behält  sich 
nähere  mündliche  Rücksprache  vor;  er  wird  -nächstens  nach  Leipzig  kommen.     Ein 
College,  der  in  Dresden  war,   brachte  die  Nachricht  mit,   man  wolle  die  Krug'sche 
Stelle  vor  der  Hand  nicht    besetzen   und  abwarten,   ob  etwa   in  Leipzig   selbst  sich 
jemand  überwiegend  geltend  mache.     Ritter  hat  abgeschrieben  und  Weiße  erhält  die 
Stelle  nicht.     Vorgestern  besuchte  mich  Strümpell.     Es  thut  mir  leid  um  ihn.     Er 
ist  doch  ein  trefflicher  \l  Kopf,    scheint  aber  jetzt  ernster,   um   nicht  zu  sagen  ent- 
muthigter  gestimmt  als  früher.     Er  ist  mir  weit  bedächtiger   und  behutsamer  vor- 
gekommen.   Denken  Sie  aber  meine  Verwunderung,  als  ich  von  ihm  vernehme,  daß 
er  nach  Leipzig  gekommen  sey,  nicht  um  sich  zu  habilitiren,  sondern  um  noch  ein 
Jahr  besonders  Mathematik  zu  studiren !    AVaruni  hat  er  mir  odei  Ihnen  davon  nichts 
vorhergesagt?  Brandes  ist  todt,  Möbius  hat  wenig  Beifall;  werde  ich  ihn  befriedigen 
können?    Schwerlich!   Überdies  dauert  mein   mathematischer  Curs  3  Jahre   und  er 
schneit  nur  so  mitten  hinein,  und  das  was  er  besonders  wünscht,  Mechanik,  lese  ich 
jetzt   gerade   nicht.     Er   äußerte,    er   wolle    bei    mir   die   mathem.  Psychologie    mit 
hören.    Ich  mußte  lachen  und  ihm  sagen,  daß  dann  wahrscheinlich  Er  mir  zuweilen 
ein  CoUegium  würde  lesen  können.    Findet  er  sich  wrklich  ein,  so  ist  es  mir  freilich 
insofern  lieb,   als   ich  dann   einen  Zuhörer  habe,    dem   gegenüber   ich   mich   tüchtig 
zusammen  nehmen  muß.     Es    freut  mich  nunmehr,   über  die  Principien  der  math. 
Psych,  höchst  wahrscheinlich  für  immer  mit  Ihnen  im  Wesentlichen  übereinstimmen 
zu  können.    Die  Entscheidung  hat  folgender  Satz  gegeben,  den  ich  eigentlich  schon 
in  Weimar  äußerte,  als  Sie  meine  Zweifel  über  die  Mechanik  des  Geistes  abgelehnt 


*)  2  S.    4".     H.  Wien. 


Io8  Oktober  1834. 


hatten:  AVeil  in  der  Vorstellung  das  Vorstellen  von  dem  Vorgestellten  sich  nicht 
wirklich  trennen  läßt  sondern  nur  in  der  Abstraction  unterschieden  werden  kann, 
so  ist  auch  jede  Rechnungshypothese  ungültig,  die  beides  einander  gegenüberstellt 
wie  bewegende  Kraft  und  bewegte  Masse.  Wie  viel  Vorstellen,  so  viel  Klarheit 
des  Vorgestellten,  bei  allen  Graden  aber  einerlei  Beschaffenheit  des  Vorgestellten. 
Str.  hat  mir  gesagt,  er  halte  die  Äußerung  in  meiner  Schrift  S.  60,  die  "Wurzel 
der  Widersprüche  in  den  4  Hauptbegriffen  liege  in  dem  Begriffe  des  Seyns  =  ab- 
soluter Position,  für  unrichtig.  Da  diese  Äußerung  von  seiner  Seite  fiel,  als  wir  uns 
schon  etwas  müde  gesprochen  hatten,  so  behielt  ich  mir  die  Disputation  für  ein 
andermal  vor.  Ich  habe  mir  die  Sache  noch  einmal  überlegt  und  glaube  gerade 
recht  klar  darin  zu  seyn.  Was  sagen  Sie  dazu  ?  Eine  Ausstellung  haben  Sie  mir 
wenigstens  nicht  gemacht.  Daß  ich  S.  48  hätte  etwas  behutsamer  sprechen  sollen, 
begreife  icb.  Wenn  Vermuthung  über  die  Meinung  anderer  nicht  so  leicht  in  Ver- 
dacht und  Mißtrauen  ausartete,  so  möchte  ich  fast  vermuthen,  meine  Schrift  habe 
St.  vielfach  nicht  genügt.  Er  ist  mir  gar  nicht  recht  darüber  herausgegangen;  ich 
w^oUte  lieber,  er  hätte  mir  die  schärfste  Kritik  geübt;  oder  beurtheilt  er  sie  viel- 
leicht in  der  J.  L.  Z.  und  vermeidet  es  daher,  darüber  zu  sprechen?  Oder  ist  es 
auch  ihm  unangenehm,  daß  wir  gewissermaßen  einerlei  Weg  zu  betreten  angefangen 
haben?  Fichte  d.  j.,  meinte  er,  hätte  ich  viel  zu  gut  durchgelassen.  Er  mag  recht 
haben,  denn  ich  bin  zu  angreifender  Polemik,  wie  ich  merke,  ganz  verdorben.  Alles 
dies,  Verehrtester,  theile  ich  Ihnen  ohne  Arg  ganz  harmlos  mit.  Fern  sey  es  von 
mir,  Str.  zu  bekritteln,  den  ich  aufrichtig  hochachte,  und  von  dessen  Talent  ich  mir 
viel  verspreche.  Ich  hoffe  ihn  öfter  zu  sehen  und  werde  durch  ihn  gewiß  ge- 
fördert werden.  Mit  der  freundschaftlichsten  Gesinnung  mich  Ihnen  und  Ihrer  Frau 
Gemahlin  empfehlend  der  Ihrige     Drobisch. 

-190.    An  Drobisch.  1)  Göttingen  22  Oct  34 

Ein  Dichter  würde  Ihnen  wünschen,  daß  alle  neun  Musen  sich  um 
die  Wiege  Ihres  Kleinen  versammeln  möchten;  ich  wünsche,  daß  der 
Geist  seines  Vaters  auf  ihm  ruhe,  und  daß  er  die  Kinderkrankheiten 
glücklich  überstehe.  Damit  wird  Ihre  Frau  Gemahlin  wenigstens  zufrieden 
seyn,  der  ich  meinen  herzlichsten  Glückwunsch,  und  den  meiner  Frau  zu 
überbringen   bitte.  — 

Von  dem  was  mich  berührt,  war  mir  die  angenehmste  Nachricht 
Ihres  'so  reichen  Briefes  diese,  daß  wir  wegen  der  math.  Psycho),  im 
Reinen  sind. 

Die  Bewegung  die  Ihre  Schrift  in  Leipz.  hervorgebracht  hat,  wird 
nun  schon  fortgehn.  Die  Krugsche  Stelle  scheint  Ihnen  vorbehalten; 
thun  Sie  nur  was  Sie  schon  versprochen  haben,  um  Sich  dazu  nach- 
drücklich zu  melden. 

Meine  Anzeige  Ihrer  Schrift  ist  längst  gedruckt,  und  die  Anzeige  von 
Strümpells  Buch"  ist  unter  der  Presse.  Eine  Recension  eines  aus  Leiden 
von  Nieuwenhuis  mir  zugeschickten  metaphysischen  Buches  habe  ich 
gestern  an  Heeren  abgegeben. 

Strümpell  mag  sich  hüten,  daß  nicht  einmal  von  ihm  gelte  was 
Lobeck.  einst  von  einem  Königsberger  Schulmann  sagte:  er  ist  ein  ge- 
borner  Scharfrichter.     Sie  wissen  besser  als  er  und  ich,  daß  Widersprüche 

')  I  S.   4" 


Oktober  1834.  109 


auch  ohne  den  Begriff  des  Seyn  vorkommen.  Habe  ich  doch  von  Ihnen 
erst  erfahren  müssen  daß  Wurzeln  wie  a  -j-  b  y  —  i  nicht  alle  Con- 
struction  abschneiden,  sondern  nur  von  der  Ebene  der  x  und  y  aus- 
schließen! Es  scheint,  daß  Sie  Sich  im  Ausdrucke  etwas  vergriffen  haben; 
Sie  wollten  dem  Fichte  ohne  Zweifel  zu  Gemüthe  führen,  daß  der  Begriff 
des  Seyn  erst  den  Acutus  oder  Circumfiex  auf  die  Widersprüche  setzt, 
vermöge  dessen  sie  das  umwandelnde  Denken  herbey  führen.  Um  der 
Mückenseigerey  Str[ümpell]s  zuvorzukommen,  muß  ich  wohl  bemerken,  daß 
S.  58  Ihrer  Schrift  die  Widersprüche  im  absoluten  Werden,  der  äußern 
Einwirkung  und  der  Selbstbestimmung  dort  nicht  zu  erwähnen  waren,  da 
diese  ins  ontologische,  und  nicht  ins  synechologische  Gebiet  gehören.  — 
Str.  corrigirt  mich  so  gut  wie  Sie.  Sehen  Sie  nur  S.  106,  109,  iio 
seines  Buchs.  So  lange  er  im  Wesentlichen  Recht  hat,  kann  man  sich 
das  gefallen  lassen:  wenn  er  sich  aber  einmal  vergreift,  so  kann  es  Mühe 
kosten  ihn  zurecht  zu  führen. 

Von  Herzen  der  Ihrige!     H, 

Von  wem  ist  doch  die  Anzeige  Ihrer  Schrift  im  Brockhausischen 
Repertorium  ? 

An  diesem  verwünschten  Fliespapier  habe  ich  mich  auch  vergriffen; 
aber  soviel  will  ich  noch  hinzusetzen,  daß  ich  an  der  herzlichen  Freude, 
mit  der  ich  Ihren  letzten  Brief  gelesen  habe,  einige  Wiederkehr  meiner 
Gesundheit  spüre.  Hr  v.  L[inden]au  wird  wohl  nur  auf  seinen  Beyfall  einen 
hohen  Preis  setzen,  und  sich  Zeit  vorbehalten.  —  Von  Strümpelln  muß 
ich  Ihnen  doch  noch  hinzusetzen,  daß  er  sehr  vernünftig  über  Ihre  Schrift 
äußert:  er  werde  suchen,  sich  Ihren  Ton  anzueignen.  Bey  mir  wenigstens 
ist  er  nicht  mit  Mäckeleyen  Ihrer  .Schrift  aufgetreten.  In  meine 
Rechnungen  über  die  frey  steigenden  Vorstellungen  habe  ich  einen  Blick 
geworfen.  Der  bekannte  Factor  H  geht  dahinein,  und  verdirbt  mir  ein 
paar  wohlgeschlossene  Integrale:  indessen  läßt  sich  mit  Annäherungen 
helfen;   nur  giebts  wieder  eine  ärgerliche   Arbeit. 

491.    Verlagsvertrag  zwischen  H.  und  Dieterich.') 

Zwischen  dem  Herrn  Hofrath  Herbarth  Hocbwohlgehoren  und  der  Dieterich- 
schen  Buchhdlg.  hier  ist  nachstehender  Contract  geschloßen  worden.   . 

§1.  Herr  Hofrath  Herbart  giebt  der  Dieterich'schen  Buchhandlg.  sein  Mauu- 
script:  Umriß  paedagogischer  Vorlesungen  m  Verlag. 

§  2.  Der  Herr  Hofrath  Herbart  verzichtet  vorläufig  auf  Honorar,  sind  jedoch 
die  üruckkosten  inclusive  Papier  ä  Bogen  7  Ethlr.  12  g.  Gr.  Preuß.  durch  den  Ab- 
satz einer  Anzahl  Exemplare  gedeckt,  so  wird  dann  der  sich  ergebende  Ertrag 
aus  den  noch  übrigen  Exemplaren  unter  beiden  Contrahenten  zu  gleichen  Theilen 
vertheilt. 

§  3.  Der  Herr  Hofrath  Herbart  behält  sich  jedoch  vor,  nachdem  die  Druck- 
kosten durch  Verkauf  einer  Anzahl  Exemplare  gedeckt  sind,  über  den  Rest  der  Auf- 
lage stets  frey  disponiren  zu  können.  An  Freyexemplaren  erhält  der  Herr  Verfaßer 
12  Expl.  besseres  Druckpapier.     • 


')  Gütigst  zur  Verfügung  gestellt  durch  den  jetzigen  Inhaber  der  Dietrichschen 
Veriagsbuchhandlung  Hm.  Theodor  Weicher  in  Leipzig. 


HO  Oktober  1834. 


§  4.  Die  Dieterich'sche  Buchhdlg  ist  zu  eiüer  Auflage  von  500  Expl.  berechtigt 
und  verpflichtet  sich  zu  gutem  Druck  und  Papier. 

Zu  gegenseitiger  Sicherheit  ist  dieser  Contract  in  doublo  ausgefertigt  und  von 
beiden  Theilen  unterschrieben  worden. 

Göttingen  d.  30  Oetober  1834 

gez.  Herbart.  Dieterich'sche  Buchhandlg.  gez.  Schlemmer. 

492.    An  Griepenkerl.  ^)  Göttingen  31  Oct.  1834. 

Mein  theurer  Freund!  Als  Sie  Ihre  gedruckten  Briefe  nieder- 
schrieben, da  dachten  wir  beyde  noch  nicht  daran,  daß  drittehalb  Jahre 
später  diese  Briefe  fast  zugleich  von  Strümpelln  in  der  Jenaischen  L.  Z. 
und  von  mir  in  den  gött.  Blättern  würden  angezeigt  werden.  Letzteres 
hielt  ich  sogar  noch  vor  ein  paar  Wochen  für  rein  unmöglich;  allein 
Strümpells  Rec.  im  Septemberstück  S.  406  machte  mich  beym  ersten 
Lesen  unzufrieden,  das  trieb  mich  zum  Versuch,  und  Heeren  hat  nun 
meine  Rec.  angenommen.  Unterdeß  habe  ich  mich  bey  wiederhohltem 
Lesen  auch  mit  der  Strümpellschen  ausgesöhnt;  es  ist  am  Ende  noch  die 
Frage,  ob  mir  der  Wurf  besser  gelungen  ist?  Am  besten  ist,  von  Ihrer 
Güte  zu  hoffen,  daß  Sie  jede  von  beyden  für  eine  halbe  gelten  lassen; 
so  kommt  aus  zwey  Hälften  doch  wenigstens  Eine  ganze  Recension  heraus. 
Während  nun  Strümpells  Buch  die  Streitbaren  beschäfftigen  wird,  möge 
sich  Ihre  Schrift  die  Belehrbaren  gewinnen;  das  von  Drobisch  ist  eine 
zierliche  und  gehaltreiche  Vorrede  zu  beyden.  —  Meine  Sorge  war: 
Heeren  würde  die  Anzeige  eines  Buchs  aus  dem  Jahre  1832  jetzt  verspätet 
nennen,  und  mir  bey  seiner  großen  Friedensliebe  nichts  gestatten,  was 
nach  Streit  aussähe,  der  gegen  die  göttinger  Anzeigen  könnte  erhoben 
werden.  Diese  letzte  Besorgnis  fiel  aber  weg,  als  ich  sah,  daß  er  meine 
Anzeigen  von  Strümpells  Buch  unverändert  abdrucken  ließ.  Daß  ich  an 
letzteres  eher  ein  Experiment  wagte,  als  an  dem  Ihrigen,  bey  dem  ich  mir 
eine  abschlägige  Antwort  nicht  gern  hätte  gefallen  lassen  —  werden  Sie 
mir  nicht  verdenken;  denn  ein  Repuls  würde  Sie  mit  getroffen  haben.  — 
Wenn  künftig  etwas  von  Röer  erscheint,  so  werde  ich  es  vielleicht  weniger 
bedenklich  finden,  als  vor  einem  Jahre,  mich  in  den  hiesigen  Anzeigen 
darüber  auszulassen.  Von  Bobrik  ist  ein  ||  Aufsatz  über  Wahnsinn  zur  Er- 
öffnung eines  schweizerischen  Journals  für  Natur-  und  Heilkunde  das  ein 
Hr.  V.  Pommer  herausgiebt,  an  mich  gelangt;  etwas  ängstlich,  sonst  gut 
und  gehaltvoll.  Von  mir  ist  eine  Pädagogik  in  nuce  unter  der  Presse; 
zur  Ergänzung  der  alten;   nicht  viel,  aber  vielleicht  hie  und   da  anregend, 

3.  Nov.  Unterm  heutigen  Datum  werden  Sie,  glaube  ich,  meine  An- 
zeige Ihrer   Briefe   in  unsern  göttingischen   Blättern   finden. 

Die  Vorlesungen  sind  eröffnet.  Das  Auditorium  war  hinreichend 
gefüllt;  die  Meldungen  und  die  Einnahmen  sind  zu  gering.  Schwerlich 
wird  viel  nachkommen;  wenigstens  ist  doch  den  Lauerern  keine  sichtbare 
Gelegenheit  zur  Schadenfreude  gegeben,  was  sehr  schädlich  hätte  werden 
können.  Sie  wissen  wohl  wie  schwankend,  noch  Alles  steht!  für  heute 
nur  noch  meine  besten  Wünsche!  Mögen  Ihre  Söhne  Ihnen  ganz  ent- 
sprechen! H. 

')   172  S.    4".     H.  Wien.     Bei  Zimmermann  S.  92. 


November  1834.  i  i  i 


4,93.    Drobisch  an  H.')  Leipzig  6.  Novbr.  34 

Lange  schon,  mein  innig  verehrter,  würdiger  Freund,  würde  ich  Ihren  heitren 
Brief  vom  22.  Oct.  beantwortet  und  für  den  freundlichen  Glücliwunsch  (in  dem  Sie 
nur  leider  aus  Artigkeit  für  den  Vater  den  Sohn  zu   schlecht   bedachten)  gedankt 
haben,   was   nun   erst   auf   das  Herzlichste  geschieht,  wenn  ich  nicht  zuvor  einiger 
unangenehmer  Eindräcke   hätte  mächtig  werden   wollen.     Die  Bauptsache  war  der 
zwar  nicht    unerwartete,    aber    doch    unerwünschte    Erfolg    der    Eröffnung    meiner 
Wintervorlesungen.     Zur   Metaphysik    nämlich,   die   ich   das  vorige  mal  vor  44  Zu- 
hörern gelesen  hatte,   meldeten   sich  14.     Hartenstein  dagegen   hat  in  der  Logit  70 
Zuhörer,  in  der  Geschichte  der.  Philosophie  seit  Kant  80,  in  der  Moral  freilich  nur  8. 
Für  Alles  giebt  es  nun  zwar  Erklänangen  und  auch  dafür.     Wir  haben  nämlich  ein 
Quästurgesetz  erhalten,  das  auch  dem  Ärmsten  keinen  Erlaß,  sondern  nur  Gestun- 
dung gewährt.   Die  Folge  ist,  daß  die  Studenten  nur  hören,  was  sie  belegen  müssen 
und  wo  sie's   am  Wohlfeilsten   bekommen   oder  was   sie  umsonst  haben.     Das  sehe 
ich  auch  in  der  mathem.    Psychologie,    wo   ich  auf  6  gerechnet  hatte  und  jetzt  24 
dasitzen,    die  natürlich  nicht  bleiben  können  weil  sie  sicher  nicht  hinlängliche  Vor- 
kenntnisse haben.     Kurz   ich  erklärte,,  ich   würde  Metaphysik  nicht  unter  20  lesen 
und   habe  nun   diese  ganze   Vorlesung  gestrichen.     Daß   dies  mir  nun   nicht  etwa 
besonders  Lust   macht,   noch    an  Krugs  Nachfolge   zu  denken,   werden  Sie  glauben. 
Aber  dazu  gesellen   sich   wichtigere    Gründe.     Wie  lieb  mir   die  Beschäftigung  mit 
der  niath.  Psych,  geworden  ist,  kann  ich  Ihnen  nicht  sagen;  jetzt  erst  lerne  ich  in. 
ihr  gehen,  wenn  gleich  noch  ängstlich   und   sorglich  wie  ein  Kind,  aber  doch  nicht 
mehr  ganz  unsicher,  jetzt  erst  fängt  sie   an   auch  mein  Eigenthum  zu  werden  (Sie 
gestatten    doch   einen   kleinen    Antheil    an  dem  Besitz  zu  nehmen?)  ich  fühle  mich 
hier  ganz  in   meinem   Element,    denn  hier   findet  die  Spaltung  meiner  Natur  eine 
Einigung.     Denken  Sie  nicht,   daß   ich  in  diesen  Studien  schon  große  Dinge  gethan 
habe,  das  geht  bei  mir  so  rasch  nicht,  aber  klar  und  klarer  wird  mir  der  Gegenstand 
jeden  Tag;    ich   prüfe   die   Eechnungen,   ich  rechne   nach   meiner  Weise,   ich  con- 
struire  die  Formeln,  ich  schlage  kleine  Seitenwege  ein  u.  s.  w.  die  mathem.  Psych, 
allein  könnte  einen  Begabten  für  das  ganze  Leben  beschäftigen,  das  ist  meine  Über- 
.  Zeugung.     Sie  zu  ebenen,  fortzuführen,  so  weit  ich  vermag,  bei  den  Mathematikern 
durchzusetzen,   das  ist   dies  woran  ich  nun  zunächst  alles  Ernstes  denke;   aber  die 
Sache  wird  reifen   wollen    und  Brocken   werde   ich   dem   Publicum   nicht   so   leicht 
davon  auftischen.     Ich  habe   mir  ordentlich   einen  taktischen  Plan  zu  diesem  Feld- 
zug ersonnen.     Mit  den  „Gleichungen-'  habe  ich  erst  einiges  Vertrauen  zu  erwerben 
gesucht,  die  „Philosophie  und  Matheniatik"  hat  mich  mit  den  Gymnasiallehrern  der 
Mathematik  befreundet,  ein  Grundriß  der  Logik  in  mathematischer  Auffassungsweise 
soll  den  Verkehr  unterhalten    und   überleiten,   dann    mögen    Elemente  der  mathem. 
Psych,  folgen,  die  das  merkwürdigste  Factum  Ihrer  Philosophie  in  möglichster  Klar- 
heit enthüllen  sollen,  u.  s.  w.     Ganz   ähnliche  Arbeiten,    verbunden   mit   den   inter- 
essantesten, mathematischphysikahschen  V^orstudien  würde  später  die  Naturphilos.  1| 
veranlassen  können.     So  bliebe  ich  ganz  und  gar  was  ich   äußerlich  bin  und  wofür 
mich  die  Leute  nun  einmal  allein  nehmen,  Mathematiker  und  könnte  doch  der  Philos. 
die  wichtigsten  Dienste  leisten. 

Sie  schi-ieben  neulich:  quod  manet  infectum  etc.  Auf  nichts  kann  ich  dies 
besser  bezieheo  als  auf  diese  mathematischphilosoph.  Partien.  Für  Metaphysik  und 
praktische  Philos.  werden  Strümpell,  Köer  und  hoffenthch  Hartenstein  u.  a.  schon 
sorgen,    und    lassen    sie    mir  etwas  zu  thun  übrig,  so   komm"  ich  vielleicht  dereinst 


*)  4  S.    4».    H.  Wien. 


112  November  1834. 


auch  einmal  damit  nach.     Sehen  Sie  dies  ja  nicht  für  einen  Rücktritt  an,  ich  be- 
absichtige nur  zu  thun,  wozu  ich  vor  anderen  berufen  zu  seyn  meinen  darf. 

Mag    nun    einmal   Hartenstein    Krug's    Lehrstuhl    einnehmen    oder   vielleicht 
Strümpell  Glück  machen,  bin   ich   doch   immer  da,  um  die  Herren  nöthigenfalls  im 
Schach  zu  erhalten.     Wollte  ich  aber  ernstlich  daran  denken,  diese   Stelle  einzu- 
nehmen,  so   müßte   ich   alles   das   laßen,   vv^as   ich  jetzt  treibe  und  historisch  philo- 
sophische Quellenstudien  von  Plato  bis  Kant  machen,  ein  Tausch  der  Beschäftigung, 
der  mir  viel  Überwindung  kosten  würde,  und  wovon  ich  mich  doch  nicht  dispensiren 
könnte.     Ich  habe  Einmal  das  Gefühl  gekostet,  eine  Stelle  einzunehmen,  zu  der  man 
noch  nicht   reif   ist,    ich    sehne   mich   nicht    nach    der   Erneuerung   dieses   Gefühls. 
Könnte  dagegen  Str[ümpell]  Mittel  finden,  sich  hier  zu  habilitiren  und  sich  zu  halten  und 
zu  erhalten,  so  wäre  mir  das  recht  aufrichtig  lieb.     Meine  Achtung  für  sein  Talent 
ist  seit  seinem   Hierseyn  immer  gestiegen.     Er  besitzt  wirklich  speculativen  Geist 
und  Energie  imd  er  ist  gewiß  entschiedener  als  Hartenstein,  der  es  vielleicht  nicht 
gerne  mit  Jemand  verderben  will  und  da  zuweilen   zu  weltklug  seyn  könnte.     Wir 
haben  uns  schon  mehrmals  tüchtig  herunulisputirt,  aber  ich  wenigstens  habe  Freude 
daran  gehabt,  denn  wir  haben  uns  beide  nichts  geschenkt  und  sind  doch   zu  etwas 
gekommen.     In  der  Psychologie   ist   er   mir   ein   wahres   Glühfouer,  das  alles  noch 
einmal  durchschmilzt,  manches  anders   haben  möchte,   mich  im  Nachgeben  äußerst 
hartneckig  findet,   aber  mir  doch   seine  Zufriedenheit  bezeugt.     Von  seiner  Schrift 
habe  ich  einen  Theil  gelesen.     Vor  allem  wollte  ich,  sie  wäre  weniger  weitschweifig 
und  er  hätte    manche   Gespenster   in   ihren    Gräbern  gelassen,   da  sie  zu  sehr  ver- 
bleicht sind.     Dann  habe   ich   ihm  mein  Bedenken  darüber  mitgetheilt,  daß  er  der 
Einleitung  schon  zu  viel  Entscheidung  beizulegen  geneigt  ist,  die   meines  Erachtens 
erst  der  eigentlichen  Metaphysik  zukommen  darf,   die   sonst,   wenn    man  schon  das 
Resultat  in  der  Tasche  mitbringt,   eine    miserable   Rolle    spielt.     Diese  Art  der  Be- 
handlung kann,  meine  ich,  leicht  in  einen  so  hausbackenen  Realismus  ausarten,  wie 
der  Ihres  Voi'gängers   oder  Krug's  ist.     Thun   Sie   aber  Str.   meinetwegen  ja  nicht 
etwa  weh.     Ich  habe  ihn  nun  besser  kennen  gelernt,   ich  bin  nicht  mehr  empfind- 
hch  gegen  seine  Kritik;  was  mir  unhaltbar  erscheint,    weise  ich  so  entschieden  als 
möglich  zuiück,  und  wir  werden  nun  gut  miteinander  fertig.     Str.  ist  nicht  so  an- 
maßend wie  er  anfangs  scheint    und   für  tüchtige   Gegengründe  völlig  empfänglich. 
—  —  Der  Ausdruck  „daß    der  Begriff  des  Seyns   den  Acut  ||  oder  Circumflex  auf 
•die  Widersprüche  setze"  ist  vortrefflich  und  drückt  im  Wesentlichen  ganz  aus,  was 
ich  meine.     Der  gemeine  Verstand  weiß  freilich  nichts  von   der  absoluten  Position 
des  Seyns,  aber  er  bedient   sich  doch  ihrer.     Die  Analyse  des  Begriffs  des  Dinges 
z.  B.  zeigt,  daß  1)  die  gemeine  Auffassung  unter   dem  Dinge  ein  Etwas  sich  vor- 
stellt, das  weder  Empfindung,    noch  Verbindung    von  Empfindungen  ist  und   daher 
ganz  außerhalb  des  Kreises  alles  Wahrnehmbaren  liegt;    2)  daß  der  gemeine  Ver- 
stand auch  zu  dieser  Vorstellungsweise  berechtigt  ist,  indem  die  Empfindung  sowohl 
im  Einzelnen  als   ein   Vieles,   als   auch   die  Einheit  dieses  Vielen   ein  Relatives   ist 
lind  daher  das  Reale  nicht  wahrgenommen  werden  kann,  das  Wahrgenommene  also 
niclit   das  Seyende,  das  Seyende  das  Nicht -Erscheinende   ist.     Nun  kommt  3)  die 
Frage   hinzu:    ist  diese  Bestimmung  des   Realen  auch  denkbar?    Nein.     Denn   das 
Reale  um  i'eal  zu  seyn  ist  absolut  zu  setzen,  um  aber  als  Substanz  die  Accidenzen 
zu  vertreten,  für  dieselben    zu   seyn,    wäre    es   nur  ein   Relatives.     Es  ist   also  die 
reale  Substanz  absolut  und  relativ  zugleich  gesetzt,  was  widersprechend  ist.  —  Dies 
ist   ohngefähr   meine .  Entwicklungsart   des  Problems,  die  sich  auch  auf  die  übrigen 
Widersprüche   leicht   überträgt,   und   die   ich  längst  schwarz   auf  Weiß   in  extenso 
niedergeschrieben  hatte,  als  ich  die  kurze,  verdächtige  Stelle  in  den  Beiträgen  drucken 


November  1 834-  113 


ließ.  Bin  ich  auf  einem  Irrwege  ?  —  Für  die  Rüge,  S.  58  betreffend,  bin  ich  Ihnen 
aber  verbunden.  Daß  sie  gegründet,  liegt  auf  der  Hand.  —  Und  nun  erst  (was 
werden  Sie  von  meiner  Dankbarkeit  halten?)  statte  ich  Ihnen  für  die  höchst  feine 
Anzeige  meiner  kleinen  Schrift  den  herzlichsten  Dank  ab.  obwohl  ich,  im  Gefühl 
meiner  Armutli,  mich  bei  der  Anschuldigung  großer  Reichthümer  an  Gelehrsamkeit 
sehr  geschämt  habe.  Sie  haben  glücklich  Einiges  herausgesucht,  das  vielleicht  ein 
Publicum  anspricht,  an  dem  uns  so  viel  gelegen  ist,  und  das  es  nach  diesen  Proben 
einigermaßen  natürlich  finden  kann,  daß  sich  ein  Mathematiker  von  Ihrer  Philo- 
sophie angezogen  fühlt.  Die  Anzeige  im  Repertor.,  mit  der  ich  ganz  zufrieden  bin. 
ist  von  Hartenstein  (29). 

Philosophische  Bewegungen  zu  Gunsten  Ihrer  Sache  scheinen  nun  allerdings 
hier  eingeleitet  zu  seyn.  Ihre  Encyklopädie  und  praktische  Philos.  war  einige 
Wochen  beim  königl.  Commissar  bei  der  Universität  Hofrath  v.  Langener,  der,  von 
Hartenstein  angeregt,  danach  Verlangen  trug.  Jetzt  sind  beide  wieder  beim  Ordi- 
narius der  Juristenfacultät  D.  Günther,  der  vor  einigen  Tagen  Auskunft  über  die 
Stellung  des  Naturrechts  in  Ihrem  System  begehrte.  Beide  sind  höchst  angesehene, 
einflußreiche  und  gescheidte  Männer.  —  Unter  meinen  und  Hartensteins  Zuhörern 
zeichnet  .sich  jetzt  ein  junger  Philolög  ßohnitz  aus,  der  ein  höchst  penetrirender 
Kopf  und  ein  Mensch  von  vielen  Kenntnissen  ist. ')  Er  hat  gute  matliematische  Vor- 
kenntnisse, hört  Differential-  und  Integralrechnung  um  der  mathematischen  Psycho- 
logie willen  und  soll  ein  tüchtiger  Kenner  des  Plato  und  Aristoteles  seyn.  Ihre 
Ansicht  von  den  Platonischen  Ideen  ist,  wie  er  sagt,  jetzt  wie  ein  Funke  in  seinen 
Kopf  gefallen,  und  er  hat  gleich  für  die  philos.  Gesellschaft  Hartensteins  zwei  darauf 
bezügliche  Abhandlungen,  die  sich  an  platonische  Dialogen  knüpfen,  geschrieben. 
Nächstens  tritt  er  in  Hermanns  griech.  Gesellschaft  und  wird  da  vielleicht  auch  ein 
wenig  neu-philo-|lsophische  Aufregung  hervorbringen.  —  Vor  Kurzem  hat  H.  Leopold 
von  Henning  2),  der  große  Mann  von  Berlin,  aus  dem  Munde  zweier  meiner  CoUegen 
im  Dresdner  Eilpostwagen  zu  seinem  großen  Verdruß  erfahren  müssen,  daß  die 
Ht.sche  Philosophe  in  Leipzig  viel  Anklang  finde,  und  daß  ich  sie  aufgebracht  hätte. 
Was  hat  er  da  gesagt?  So  viel  er  wisse  sey  ich  Mathematiker,  und  da  erheische 
es  ja  schon  die  Dankbarkeit,  etwas  für  Sie  zu  thun.  Ob  wohl  die  Zuhörer,  die  uns 
ihr  Ohr  leihen,  auch  aus  bioser  Dankbarkeit  hören,  wie  ich  deshalb  lese? 

Frau  und  Kinder  befinden  sich  wohl.  Erstere  empfiehlt  sich  mit  mir  Ihnen 
und  Ihrer  Frau  Gemahlin  und  dankt  für  die  gütige  Theilnahme.  Bald  vielleicht 
unterhalte  ich  mich,  wenn  Sie  erlauben  wieder  einmal  mit  Ihnen  über  einen  positiv- 
wissenschaftlichen  Gegenstand.  Unterdessen  erbitte  ich  nicht  nur  für  mich  ein 
Zeichen  Ihres  Wohlwollens  und  Wohlbefindens,  sondern  auch,  aus  eigenstem  An- 
triebe, für  Strümpell.  Es  könnte  mir  nichts  unangenehmer  seyn,  als  wenn  ich,  im 
Ausdruct  einer  falschen  Empfindlichkeit,  Sie  wider  Willen  ungehalten  auf  ihn 
gemacht  hätte.  Er  verdient  das  wohl  nicht.  Er  fördert  mich  ungemein  und  ich 
habe  keinen  Menschen,  mit  dem  ich  so  haarscharf  disputiren  könnte  wie  mit  ihm. 
Wir  kochen  ordentlich  die  einzelnen  Partien  der  Psychologie  und  Metaphysik  mit 
einander  durch,  und  haben  am  Ende  die  Freude,  Ihr  Gold  immer  wieder  aus  dem 
Feuer  hervorblinken  zu  sehen. 

Ich  wünsche  Ihnen  Geduld  genug,  bis  hieher  zu  lesen  und  bin  von  ganzem 
Herzen  Hii'  aufrichtig  ergebener     Drobisch. 

>)  Der  Philoiog  und  Schulmann  Hennann  Bonitz  (1814—1888)  studirte  1832 
bis  1835  in  Leipzig. 

2)  Leop.  V.  Henning  (1791—1866),  der  das  einflußreichste  Organ  des  Hegehanis- 
nius  die  „Jahrb.  f.  wiss.  Kritik"  redigierte. 

Hbrbarts  Werke.     XVIII.  ^ 


IIA  November  1834. 

494.    An  Strümpell.  ^)  Göttingen  7  Nov  34 

In  Ansehung  ihres  letzten  Briefes,  Heber  Herr  Doctor!  möge  Ihr 
eignes  Nachdenken  mir  zu  Hülfe  kommen;  vielleicht  sind  Sie  schon  im 
Reinen,  doch  der  Sicherheit  wegen  bemerke  ich  etwas  Weniges. 

Zuerst  dies:  Hume  schon  war  in  die  Falle  gerathen,  Stärke  und 
Klarheit  zu  vermengen  (Psychol.  II  S.   316). 

Dann  muß  ich  die  Armuth  der  Sprache  anklagen.  Haben  Sie  Sich 
an  das  Wort:  Hemmungsgrad,  gehalten,  so  sagt  die  Sprache  freylich  nicht, 
daß  Hemmungsgrad  etwas  Anderes  sey,  als  der  Grad,  worin  eine  Vor- 
stellung gehemmt  wird.      Und  doch  sind  die  Begriffe  weit  verschieden. 

Sie  schreiben:  die  Stärke  einer  Vorstellung  trägt  zur  Vermehrung 
des  Gegensa/zes  nichts  bey  (richtig;  aber  wenn  zwey  Vorst.  zugleich  wachsen, 
so  wächst  das  Quantum  des  Entgegengesetzten).  Vom  Gegensatze  hängt 
ab  der  Grad  der  Hemmung  (richtig  vom  Hemmungsgrade.  Nur  halb- 
richtig vom  Grade  der  Hemmung  jeder  Vorst.).  Folglich  trägt  die  Stärke 
zu  diesem  nichts  bey.  (Das  brauchte  vom  Hemmungsgrade  nicht  erst 
gesagt  zu  werden,  denn  es  verstand  sich  von  selbst.  Von  der  wirklichen 
Hemmung  der  Vorst.  ist  es  falsch.) 

Was  sagen  Sie  zu  folgendem  Schlüsse:  Der  Regen  trägt  zur  Wärme 
nichts  bey;  von  der  Wärme  hängt  ab  das  Wachsen  der  Pflanzen,  folglich 
trägt  der  Regen  zum  Pflanzenwachstum  nichts  bey  —  ? 

Daß  Sie  in  Irrthum  gerathen  sind,  muß  ich  ungern  aus  einer  onto- 
logischen  Wendung  Ihres  Briefes  abnehmen:  „Das  Vorgestellte  ist  das 
Vorstellen  selbst,  folglich  der  Grad  seiner  Klarheit  nicht  verschieden  von 
der  Stärke"  u.  s.  w.  Was  soll  das  heißen?  —  Dies  ohne  Zweifel:  Als 
Selbsterhaltung  der  Seele  ist  jede  einzelne  Vorst.  ga7iz  klar,  d.  h.  die  Klar- 
heit so  groß  wie  die  Stärke.  Aber  die  Psychologie  faßt  die  Vorstellungen 
zusammen;  und  da  trennt  sich  die  Klarheit  von  der  Stärke.  Soll  ich  Sie 
nun  noch  ermahnen,  daß  Sie  nicht  im  Einzelnen  suchen  dürfen,  was  vom 
Zusammen  abhängt?  Diese  Bemerkung,  sollte  ich  denken,  muß  genügen, 
um  die  ganz  unrechtmäßig  eingemengte  Ontologie  zurückzuweisen.  Viel- 
mehr: den  Empirikern  in  der  Psychol.  muß  als  Hauptsatz  dieser  ent- 
gegengestellt werden:  während  erfahrungsmäßig  die  Klarheit  ab  und  zu- 
nimmt, bleibt  die  Stärke  der  Vorstellungen  unverändert.  —  Was  Sie  in 
der  Einleitung  in  d.  Philos.  sagen,  betrifft  eine  Form  der  Darstellung, 
worüber  ich  nicht  streite.  Der  Ihrige     H. 

495.     An    Drobisch.2)  Götüngen  30  Nov   1834 

Mein  theurer  Freund!  So  herzlich  mich  Ihr  letzter  Brief  durch 
manche  gute  Nachricht  erfreute:  so  liegt  mir  doch  jetzt  von  neuem  die 
Frage  im  Sinn:  ob  wir  noch  in  Hinsicht  des  Fundaments  der  mathemat. 
Psychologie  genau  zusammenstimmen?  Meine  Meinung  hat  sich  in  nichts 
geändert;  haben  Sie  während  Ihrer  jetzigen  Arbeit  irgend  etwas  zurück- 
genommen? 


»)  S.  A.  Spitzner-Strümpell,  a.  a.  O.  S.  XXIX. 
')   I   S.    4". 


Dezember  1834.  115 


Wie  ich  zu  der  Frage  komme  —  mögen  Sie  errathen  —  es  ist 
besser  daß  ich  schweige,  eben  weil  ich  noch  nicht  von  Ihnen  Selbst 
Nachricht  habe. 

Daß  Schelling  nach  B  berufen  sey,  ist  zwar  bis  jetzt  nur  Zeitungs- 
gerücht; allein  ich  finde  es  wahrscheinlich;  —  unter  andern  Gründen  deshalb, 
weil  Rsz  in  Kbgi)  nicht  besonders  gut  fortkommt  (darüber  habe  ich  selt- 
same Nachrichten),  und  meine  hiesige  Wirksamkeit  doch  etwas  besser 
geht,  als  gewisse  Leute  meinten.  Manches  wird  zusammen  gekommen 
seyn ;  —  man  läßt  die  Hegeley  also  fahren,  —  und  höhlt  sich  klüglich 
den  berühmten  Namen  Schellings.  Und  Schelling  hat  alle  Ursach  zu 
kommen.  Er  kann  in  B.  weit  mächtiger  werden  als  Hegel,  denn  er  ist 
weit  fähiger  zu  glänzen  und  die  Großen  an  sich  zu  ziehen.  Dann  folgen 
die  Kleineren  von  selbst.  Dann  aber  muß  Göttingen  gebeugt  werden,  — 
und  das  Verketzern  wird,  wenn  man  will,  durch  die  heutige  Frömmeley 
begünstigt  werden.     Nicht  wahr? 

Sie  werden  sagen  daß  ich  eine  Hypothese  auf  die  andere  baue. 
Thut  nichts!  Vorsicht  ist  gut.  Und  zur  Vorsicht  gehört,  daß  wir,  mein 
theurer  Freund,  einander  nicht  aus  den  Augen  verlieren.  Unsrer  Einigkeit 
kann  —  dies  und  jenes  —  entgegentreten;  ich  will  nicht  Alles  aus- 
sprechen was  ich  denke.  Aber  glauben  Sie  mir:  ich  wünschte  mit  Ihnen 
ein  Wort  unter  vier  Augen  reden  zu  können,  und  bitte,  daß  Sie,  ohne  von 
diesem  Briefe  mit  irgend  Jemandem  zu  reden,  mir  xvie  unter  vier  Augen^ 
baldigst  ein  paar  Worte  zurückschreiben.  Herzlich  Ihr     H. 

496.    Drobisch  an  H.-)  Leipzig,  d.  3.  Decemi'er  34 

Mein  edler,  innig  verehrter  Freund!  Sie  wünschen  eine  Unterhaltung  unter 
vier  Ä.ugen.  Nun  wohl  ich  bin  herzhch  gern  bereit,  sie  sogleich  zu  eröffneu,  aber 
erwarten  Sie  wenigstens  keine  Bekenntnisse  wichtiger  Differenzen,  die  ich  Ihnen 
bis  jetzt  vorenthalten.  Ein  Dritter,  der  mir  die  Ehre  erweist,  bei  mir  mathem. 
Psycbol.  zu  hören,  hat  mit  Ihnen  über  die  metaphysischen  Fundamente  der  letztern 
correspondirt.  Ihre  Antwort  hat  er  mir  mitgetheilt.  Aber  wahrhaftig,  die  Zweifel, 
die  er  Urnen  vorgetragen,  hat  er  bei  mir  nicht  gelernt.  Bekämpft  habe  ich  sie, 
darauf  hinweisend,  daß  die  Ontologie  für  die  Grundlegung  der  Psych,  noch  nicht  aus- 
reicht, sondern  das  neue  Erfahrungsprincip  des  Ich  dazu  genommen  werden  muß. 
wenn  ein  sichrer  Boden  gewonnen  werden  soll  und  es  genügt,  wenn  nur  nicht 
gegen  die  Ontologie  etwas  gelehrt  wird.  In  meinen  Vorlesungen  ist  gar  nichts  von 
der  metaphys.  Begründung  zur  Sprache  gekommen.  Mit  Euklideischer  Trockenheit 
habe  ich  den  Zuhörern  die  Voraussetzungen  entwickelt  und  gesagt:  wer  dies  an- 
nehmen kann  oder  will,  der  folge  mir.  Tiefere  Aufklärung  kann  nur  die  Metaphysik 
geben.  Meine  Rechnungen  sind  etwas  anders  angelegt,  aber  nur  in  mathematischer 
Hinsicht:   denn  es  wird  Ihnen   sicher  ganz  gleich  seyn,   ob  ich   mit  der  Proportion 

X  :  v  =  —  :  -;-  oder  mit  der   Gleichung  a  x  =  b  y  rechne ;    aber  meine  Resultate 
ab 

sind  fast  ünmer  vollkommen  die  Ihrigen.  Ich  verstecke  mich  nicht  hinter  dieses 
„fast".  Von  dem,  was  ich  bis  jetzt  vorgetragen,  trifft  die  Differenz  nur  die  Be- 
rechnung der  Hemmung  von  3  Coniplicationen,  wo  Sie  (§  .ö9)  nur  das  Hemniungs- 
verhältniß  bestimmt  haben,  das  ich  anders  finde,  indem  ich  die  Hemmungen  voll- 


^)  Rosenkranz  in  Königsberg. 
-)  4  S.    40.     H.  Wien. 


IIÖ  Dezember  1834. 


ständig  zu  berechnen  versucht  habe.  Weiter  bin  ich  noch  nicht  in  den  Vorlesungen. 
Die  unvollkommenen  Complicationen  werde  ich  für  jetzt  übergehen,  um  sie  als 
Übergang  von  der  Statik  zur  Mechanik  zu  benutzen.  Die  statische  Rechnung  über 
dieselben,  gestehe  ich,  hat  mich  nicht  überzeugen  können;  aber  es  ist  mir  auch 
noch  nicht  gelungen  etwas  an  die  Stelle  zu  setzen,  was  ich  für  besser  ausgeben 
könnte.  Ich  fürchte  über  den  Begriff  der  unvollkommenen  Complicationeu  noch 
nicht  im  Reinen  zu  seyn,  oder  es  liegt  daran,  daß  die  Bedingungen  des  Gleich- 
gewichts dieser  Complicat.  wegen  der  Veränderlichkeit  der  Hülfen  eigentlich  erst  in 
der  Mechanik  genügend  erörtert  werden  können.  In  den  Verschmelzungen  bin  ich 
vollkommen  mit  Ihnen  einig.  Nun  aber  in  der  Mechanik?  Da  bin  ich  ganz  ein- 
verstanden mit  dem  Vorstoßen  der  Psychologie,  nicht  aber  mit  dem  Briefsteller 
des  vergangenen  Sommers,  der  an  die  Stelle  von  d  h  =  (H  —  h)  d  t  setzen  will 
d  h  =  H  (fl  —  h)  d  t,  und  das  ist  der  Punct,  über  welchen  ich  mit  dem  oben  be- 
zeichneten Zuhörer  xtierst  in  dem  Sinne  gesprochen,  daß  ich  der  Neuerung  bei- 
stimmte, sodann  aber  seine  metaphysischen  Versuche,  nach  denen,  glaub  ich,  der 
Hemmungsgrad  die  Stärke  ersetzen  sollte  oder  umgekehrt,  bekämpfend  zu  einem 
weiteren  Nachdenken  veranlaßt  wurde,  das  mich  zur  alten  Formel  zurückführte. 
Ich  will  es  versuchen,  meine  Gründe  kurz  anzugeben.  || 

Im  Juni  schreiben  Sie:  ,,  Wenn  von  a  der  Theil  x  gehemmt  wird,  so  bedeutet 
X  die  Nöthigung,  wodurch  das  ganze  a  Kraft  wird.  Je  größer  diese  Nöthiguug, 
desto  mehr  wird  a  Kraft.''  Bis  hierher  bin  ich  völlig  einverstanden.  Nun  aber 
folgt:  ,,ünd  je  größer  a,  desto  größer  ist  das,  was  Kraft  wird.  Daher  a-  dt  im 
Anfange  der  Wiedererhebung  etc."  Dagegen  streite  ich,  obgleich,  wie  Sie  damals 
andeuteten,  ich  in  Weimar  mit  meinen  elastischen  Federn  dazu  selbst  die  Ver- 
anlassung gegeben    haben   mag.     Ich   glaube   nämlich  x  als  Nöthigung  zum  Kraft- 

X 

werden  nicht  absolut,  sondern  relativ  zu  a,  also  eigentlich  nicht  x,  sondern  —  als  die 

a 

Nöthigung  betrachten  zu   müßen,  die  a  zur  Kraft  macht.     Das  ist  die  Intensität  in 

X 

der  a  Kraft  wird,   und  das  was  von  a  Kraft  wird   ist  =1  —  a  ^  x.     Es  hat   dem- 

a 

nach  x  zweierlei   concrete  Bedeutungen,   Benennungen:    1)  x  ist  gehemmte  Thätig- 

kcit  des  Vorstellens  (noch  keine  Kraft);  2)  x  ist  =  — d.  i.    die    durch   Hemmung 

a 

des  Vorstellens  x  entstandene  Kraft  x.  Das  meine  Ansicht.  Ich  füge  noch 
iiinzu.  -Ich  glaube  schon  im  Juni  Ihnen  bemerklich  gemacht  zu  haben,  daß  ich 
mich  schlechterdings  nicht  hinein  finden  kann,  woher,  wenn  x  =  a,  die  Vorstellung 
zu  einem  Streben  =  a-  werden  soll;  es  kann  nicht  mehr  als  die  ganze  Vorstellung 
=  a  in  Streben  verwandelt  werden.  Ferner  muß,  nach  Ihrer  neueren  Ansicht, 
auch  das  Gesetz  des  Sinkens  der  Hemmungssunime  eine  Änderung  erleiden.  Ist 
qS  der  Antheil  von  a  an  der  HS.,  a  das  bereits  gehemmte,  so  nmß  es  nun  heißen 
da  =  (qS  —  ao)  dt,  wo  jedoch  q  ein  unbekannter  Bruch  ist  und  daher  die  Richtig- 
keit der  Dimensionen  nur    wird  künstlich  gerettet  werden   können,    statt  daß  nach 

der  älteren  Ansicht,  die  ich  vertheidige,  a  =  —  für  aa  gesetzt  die  alte  Formel  da 

=  (qS  —  a)  dt  wiederherstellt.     Auch  die  Formel  S.  254  mußte  sich   in   folgende 

verwandeln : 

,       (a^'c/?-  +  b^c«^)  o   ^  .,        . 

(C  —  c a  H ^^ — „        , „ -n — ->)  dt  =  d a, 

^    ■  ^  ac/?2  +  bc«^+  «V 

eine  Consequenz,  vor  der  ich  erschrocken  bin,  da  sie  eine  wahre  Dimensionen- 
verwirrung hervorbringt  imd,  wenn  sie  fest  gehalten  werden  mußte,  an  der  mathera. 
Psych,  verzweifeln  lassen  könnte;  u.  dgl.  m. 


Dezember  1834.  j  ly 


Nun  aber  habe  ich  Ihnen  das  Aergste  bekannt.  —  Hinzufügen  muß  ich  jedoch, 
daß  ich  in  meinen  Vorlesungen  meines  fiiilirereu  Versuchs,  math.  Psych,  auf  all- 
gemeine Mechanik  zurückzuführen,  gedacht,  dabei  natürlich  aber  erwähnt  habe,  daß 
ich  durch  die  Verhandlungen  mit  Ihnen  davon  zurückgekommen  bin.  Gegen  den 
Obigen  habe  ich  geäußert,  ich  würde,  wenn  ich  künftig  über  math.  Psych,  schreibe, 
zu  zeigen  suchen,  wie  weit  die  Analogie  mit  elastischen  Federn  getrieben  werden 
könne,  und  wo  sie  aufhöre.  Das  beabsichtige  noch  und  dies  wird  für  Mathematiker 
anziehend  seyn.  Fürchten  Sie  übrigens  ja  nicht  Üliereilung  von  mir.  Habe  ich 
mich,  wie  ich  manchmal  fürchte  gethan  zu  haben,  mit  den  „Beiträgen"  übereilt,  so 
erlauben  Sie,  Verehrter,  Ihnen  einen  kloinen  Theil  der  Schuld  beizumessen,  der  Sie 
die  Veröffentlichung  beschleunigten.  "Was  die  math.  Ps.  betrifft,  so  sehe  ich  sehr 
wohl  ein,  wie  wichtig  1|  es,  ja  wie  nothwendig  es  ist,  daß  die,  welche  sich  für  sie 
interessiren,  alle  Differenzen  untereinander  ausgleichen,  ehe  sie  dieselben  den  Heiden 
predigen.  Das  habe  ich  mehrmals  gegen  Str[ümpellJ  nachdmcklich  geäußert,  und  das 
ist  meine  feste  Überzeugung.  Auch  haben  Sie  ja  wohl  schon  diese  schriftliche  Ver- 
sichening  von  mir  selbst.  — 

Aber  Ihr  Brief  scheint  noch  mehr  Auskunft  zu  wünschen,  als  über  die  Funda- 
mente der  Psychologie.  Mit  vollem  Vertrauen  gebe  ich  mich  Hiuen  hin.  Fast 
scheint  es,  als  drohte  ein  Mond  mir  das  freundliche  Licht  der  Sonne  vorübergehend 
zu  entziehen,  oder  ein  Planet  (denn  ich  will  nicht  die  Erde  vorstellen,  die  fast 
50  mal  so  groß  ist  als  der  Mond)  dazwischen  zu  treten.  Diesmal  soll  er  mich  nicht 
irre  machen.  Ich  habe  keinen  Hinterhalt,  keine  Reservationen,  ich  will  nicht  schlau, 
nicht  politisch  seyn,  ich  kann  mich  frei  sprechen  von  persönlichem  Ehrgeiz  (gloria 
sequi  non  appeti  debet  war,  seitdem  ich  selbst  zu  denken  versucht,  mein  Wahl- 
spruch) —  und  ich  glaube  fest  daran,  daß  Sie  mich  so  nehmen,  wie  ich  mich 
Ihnen  zeige.  Sey  es  nun  aber,  daß  Sie  in  meinem  Briefe  eine  mit  emiger  Mühe 
beseitigte  verdrießliche  Stimmung  gefunden  oder  einen  andern  Brief  erhalten  haben, 
der  Sie  in  Zweifel  läßt  über  dies  und  jenes,  •  ich  will  mich  noch  näher  erklären. 
Daß  St.  nach  Leipzig  kommen  würde,  sich  hier  zu  habilitiren,  hatten  Sie  mir  wieder- 
holt gemeldet.  Als  er  ankam,  leugnete  er  diese  Absicht  bestimmt  ab.  Später  gab 
er  etwas  nach  und  schien  erst  hier  recognosciren  zu  wollen.  Jetzt  scheint  er  nicht 
gesonnen  seyn,  hier  zu  bleiben  —  vielleicht  weil  es  ihm  an  Mitteln  fehlen  mag. 
Ihn  für  etwas  veränderlich  in  seinen  Entschließungen  zu  halten,  habe  ich  nun  frei- 
lich schon  einige  Veranlaßung  gefunden,  doch  habe  ich  mich  ihm  weit  mehr  ge- 
nähert, immer  fi-ei  und  offen  mit  ihm  gesprochen  und  discutirt  und  von  seiner 
Seite  auch  kein  Versteck  befürchtet.  Seine  Ankunft  war  mir  d.  h.  nur  meinem  Ge- 
fühle, eigentlich  nicht  ganz  recht.  Kommt  er  um  dich  zu  beobachten,  auszukundschaften, 
zu  sehen  was  in  loco  an  dir  ist?  Hält  er  dich  für  unzulänglich,  in  Leipzig  H.s 
Philos.  zu  vertreten  und  aufrecht  zu  erhalten?  Glaubt  er,  daß  du  die  Lehren  viel- 
leicht mit  allerlei  fremden  Zusatz  verfälschst?  u.  dgl.  m.  das  waren  etwa  die  ersten 
Gedanken,  die  durch  den  Kopf  flogen. ') 

(Zudem  kam  er  in  die  Zeit,  wo  Krug  abgedankt  hatte.  Sie  erwiesen  mir  die 
Auszeichnung,  mich  zu  Krug's  Nachfolger  zu  prophezeien,  Str.,  mußte  ich  denken, 
schiene  ich  nicht  einmal  für  das  Interim  hinlänglich.  Auch  hat  er  nie  auch  nur 
entfernt  sich  geäußert,  als  könnte  ich  mich  um  Ki-ug's  Lehrstuhl  bewerben,  ebenso- 
wenig Hartenstein,  "Weiße  oder  irgend  ein  anderer.  Man  muß  mich  also  für  einen 
Dilettanten  der  unbedeutendsten  Art  halten.) 

Indeß  ich  mußte  seinen  Scharfsinn  anerkennen.  Er  hat  überdies  noch  einen 
feurigeren,  jugendlichen  Muth   als  ich,  der.   wenn    gleich   auch  noch  jung,   doch  in 

^)  Das  Eingeklammerte  ist  im  Briefe  ßandbemerkung. 


jxg  Dezember  1834. 


wenigen  Jahren  ungleich  mehr  menschliche  Erfahrungen  gemacht,   und  dadurch  im 
Hoffen  gemäßigter,   im  Streben  behutsamer  geworden  ist,  Eigenschaften,  die   nicht 
jugendlich   sind.     Jener  also   kann    vielleicht  im  Geist,   Schärfe,    Muth,  ja  allenfalls 
mit  Übermuth,  größere  Wirkungen  hervorbringen  als  ich.     Freiüch  zur  Concurrenz 
forderte   es  mich  nicht  auf,    sondern  eher,   wenn  es  seyn  müßte,  als  Lehrer  zum 
allmähligen,  ehrenvollen  Rückzuge.   Sonst  hat  er  mir  sicher  kein  Leids  gethan,  und  — 
Sie  sind  immer  in  unserem  Gespräch  der  Gegenstand  unserer  gemeinschaftlichen  Ver- 
ehrung gewesen.    Alles  würde  übrigens  anders  ||  stehen,  wenn  ich  die  Vorlesungen  über 
die  Metaphysik,  auch  selbst  bei  der  geringen  Zahl,  angenommen  hätte,  was  ich  schon 
hundertmal    bereut  habe.     Von   Hartensteins    Vorles.    habe    ich   diese  Tage    einige 
Blätter   in   den  Händen  gehabt,    die   mir   keine   große  Vorstellung   gegeben   haben. 
Größter  Mangel  an  Präcision,  Mischmasch,   allerlei  Brocken  von  Ihnen,   aber  weiter 
nichts  dabei  sagen  mir  einige  vertrautere  Zuhörer,  er  kritisire  die  neuere  Philos.  ganz 
nach  Anleitung  des   ersten  Theils   der  Metaphysik,   ohne  aber  anzudeuten,    wo  er 
seinen  Most  holt.     Nun,    er  wird  Sie  zwar  schon  noch  gebührend  erwähnen,    wenn 
er  zu  Ihrem  System  kommt,  aber  daß  er  gegen  mich  geäußert,  er  halte  es  von  mir 
nicht  klug,  daß    ich  Metaphysik  und  Psychologie  .,nach  Herbart"  angekündigt,   weil 
die  Zuhörer   nur   ein    einseitiges  System   kennen  zu  lernen  glaubten  (was   er   ver- 
muthlich  durch  allerlei  Eklekticismus  u.  d.  besser  macht)  hat  mir  nicht  gefallen.    Jetzt 
geht  die  Rede,  das  Ministerium,  dem  der  beste  Schwätzer  der  beste  Lehrer  scheint, 
habe  ihn  zum  künftigen  Nachfolger  Krugs  bestimmt.    Ich  habe  mich  der  Gewogen- 
heit des  Ministeriums  zu  erfreuen,  habe  sogar  eine  kleine  Zulage  erhalten,  über  die 
philos.  Angelegenheiten  der  Universität  hat  aber  der  Minister  sowohl  als  sein  Rath 
bei  ihrer  neuerlichen  Anwesenheit   kein  Wort   gesprochen,   und   mich   vorzudrängen 
ist  mir    nicht  gegeben.  —  Meine    Gedanken   sind   nun    schon   im   Sommersemester. 
Aus  allen  Kräften,  und  wenn  es  seyn  muß,    mit  Aufopferung,  muß  ich  wieder  ein- 
zubringen suchen,  was  ich  diesen  Winter  versäumt  habe.    Leider  wird  dies  Semester 
nur  sehr  kurz  seyn!    Und  das  jetzige  ist  so  lang! 

In  die  Besorgniß  ScheUing  betreffend  stimme  ich  ein.  Kommt  er  wirklich 
(was  ich  jedoch  bezweifle)  so  kann  er  in  Norddeutschland  einige  Jahre  wieder  die 
Köpfe  der  jungen  Leute  verdrehen.  Es  ist  ergötzlich:  nachdem  Seh.  in  der  be- 
rühmten Vorrede  zu  Cousin  Hegel  vernichtet,  ^)  wagen  die  Herren  vom  Berliner  Mini- 
sterium den  Hegelianismus  nicht  mehr  zu  halten:  „Seh.,  wird  es  heißen,  ist  nun 
wieder  über  Hegel  hinausgegangen,  darum  sey  er  unser,  die  «vir  überall  an  der 
Spitze  stehen.''  So  zieht  man  sich  aus  der  affaire  und  bekommt  eine  gut  kirchlich 
dogmaü'sche  Philosophie,  was  dem  Kronprinzen  auch  nicht  unlieb  seyn  wird.  Kommt 
eben  Seh.  nicht,  so  müssen  sie  in  Berlin  verzweifeln,  denn  jetzt  schläft  dort,  wie 
ich  höre,  die  Philosophie  ziemlich  ein. 

Meine  Ohrenbeichte  ist  zu  Ende;  ertheilen  Sie  mir  bald  eine  recht  trostvolle 
Absolution.  Ein  Wort  unter  väer  Augen  wäre  freihch  tausendmal  besser,  aber  die 
Jahreszeit  ist  zu  fürchterlich. 

Mit  unveränderlich  freundschaftlicher  Gesinnung 

Ihr  wahrer  Verehrer    Drobisch. 


1)  In  der  Vorrede  zu  H.  Beckers  Übersetzung  einer  Schrift  V.  Cousins  (1834) 
bezeichnet  Schelling  die  Hegeische  Philosophie  als  eine  bloß  negative. 


Dezember  1834.  iig 


497.     An   Drobisch.l)  Götringen  7  Dec  1834 

Mein  verehrter  theurer  Freund!  Recht  herzHchen  Dank  für  Ihren 
lieben  Brief,  den  ich  gleich  heute  beantworte  —  aber  mit  der  Bitte  um 
noch  eine  Mittheilung  —  wegen    der  vollkommnen  Complexionen. 

Ihre  Bemerkung  über  -.a  hat   mich   gleich    beym   Lesen    lebhaft  ge- 

3, 

trofifen.     Die    Sache    käme    auf    diese    Weise    in    neuer    Anwendung    auf 

Psvchol.  I,  S.  166  zurück,  wo  i.-  =  I.    Nur  hängt  davon  die  Darstellung 

1 

der  Hemmungsverhältnisse  bey  vollkommnen  Complexionen  nach  meiner 
Ansicht  so  unmittelbar  ab,  daß  ich  mich  nothwendig  erkundigen  muß, 
wie  Sie  etwas  Anderes  finden  können?  —  Was  Sie  über  Dimensionen- 
Richtigkeit   sagen,    würde  mich  nicht  bestimmen.     Sonst   hätte   schon   das 

Integral   von  =  H  d  t    mich    abschrecken    müssen ,    welches    H    im 

H  —  h 

Exponenten  bekommt,  obgleich  kein  Exponent  oder  Logarithmus  eine  be- 
nannte Zahl  seyn  kann.  Unser  a,  b,  c,  sind  nicht  Vorstellungen  sondern 
nur  Verhältnißzahlen  unter  Voraussetzung  eines  gemeinschaftl.  Maaßes. 
Auch  a-dt  ist=  i  .dt,  sobald  Sie  a=  i  setzen;  nur  in  der  Vergleichung 
mit  anderen  Vorstellungen  von  andrer  Stärke  hätte  das  quadratische  Ver- 
hältniß  seinen  Sinn.  Aber  machen  Sie  nur,  daß  ich  den  verwünschten 
Factor  H  aus  d.h  =  H(H— h)dt  mit  gutem  Gewissen  los  werden  könne; 
damit  er  mir  nicht  so  viele  alte  und  neue  Rechnungen  verwirre.  Die 
rechte  Spur  möchten  Sie  wohl  gefunden  haben,  wenn  Sie  mich  nicht 
wieder  durch  die  vollkomm.   Compl.  irre  machen. 

Ich  wäre  schon  längst  wieder  bey  der  math.  Psych,  beschäfftigt, 
wenn  nicht  meine  Vorlesungen  so  manche  Ergänzungen  ganz  andrer  Art 
foderten.  Einige  Bogen  „Umriß  pädagog.  Vorles."  sollen  Sie  bald  ge- 
druckt bekommen.  Andre  Arbeit  machen  Aesthetik  und  (noch  mehr)  prakt. 
Philos.  Denn  die  Collegien  dauern  hier  weit  länger  als  in  Königsberg; 
und  hiesige  Studenten  darf  man  durchaus  nicht  zu  lange  mit  Einerley  auf- 
halten.    Uebrigens  gehn  die  Vorlesungen  bis  jetzt  gut.  || 

Daß  Sie  die  Zahl  14  für  eine  doppelt  böse  Sieben  gehalten  haben, 
bereuen  Sie  mit  Recht;  und  diese  Reue  —  so  sehr  ich  Ihnen  alles  Gute 
gönne  und  wünsche  —  hatte  ich  Ihnen  in  meinem  Sinne  aufs  Bestimmteste 
prophezeihet.  Soviel  ich  mich  erinnere,  habe  ich  in  Königsberg  die  langen 
Jahre  hindurch  kaum  ein  paarmal  mehr  Zuhörer  für  Metaphysik  gehabt. 
Drey  tüchtige  Zuhörer  sind  dafür  schon  ein  hinreichender  Lohn,  und 
geben  dem  akademischen  Lehrer  eine  sonst  unersetzliche  Stütze  des  An- 
Sehens. 

Indessen  Alles  steht  noch  gut,  wenn  wir  über  die  Fundamental- 
Begrifife  und  Sätze  der  math.  Psych,  einig  bleiben.  Dann  mag  Sch[elling] 
kommen!  Inzwischen  ists  mir  sehr  lieb,  daß  Sie  die  Gefahr  nicht  gering 
achten;  um  so  mehr,  da  ich  aus  mehr  als  einem  Grunde  dran  glaube 
daß  er  nach  B  gehn  wird.     Die  Zeitungs-nachrichten  sind  von   München 

')  3  S.   4"- 


I20  Dezember  1834. 


datirt,  und  wahrscheinlich  fällt  ihm  das  dortige  schlechte  Gebäude  (ich 
meine  die  Universität,  an  deren  Einrichtung  er  vermuthlich  großen  An- 
theil  gehabt  hat)  vielfach  zur  Last.  Der  Glanz  von  B  ist  ganz  für  seinen 
Ehrgeiz  gemacht.  —  Können  wir  ihn  durch  fortgesetzte  Arbeit  über- 
flügeln, dann  sind  wir  sicher,  —  sonst  nicht;  denn  auf  welche  Polemik 
müßten  wir  uns  einlassen,  und  vor  welchem  Publicum!  —  Doch  vielleicht 
rührt  sich  Strümpell  gegen  Schelling:  für  einen  jungen  Mann  ist  die  Ge- 
legenheit sich  zu  zeigen,  und  einem  großen  Publicum  bekannt  zu  werden, 
in  der  That  nicht  ungünstig.  Er  kann  mit  gutem  Fug  Manches  von 
neuem  auf  die  Bahn  bringen  worüber  ich  schon  zuviel  gesagt  habe. 

Nach  Ihrer  Frau  Gemahlin  fragt  meine  Frau.  Ich  habe  geantwortet 
point  de  nouvelles  bonnes  nouvelles.      Das  war  doch  recht?  — 

Ganz  Ihr     H. 

[Auf  einem  beigelegten   Bogen:] 

Jetzt  noch  ein  paar  Worte  im  Vertrauen!  Schonen  Sie  die  bewußte 
dritte  Person,^)  auch  wenn  sie  etwas  unbequem  ist.  Unser  Verhältniß  ist 
durch  unsre  Offenheit  gesichert,  aber,  abgesehn  von  der  billigen  Nachsicht^ 
können  wir  unter  den  vorhandenen  und  zu  erwartenden  Verhältnissen 
keiner  Hülfe  uns   entäußern. 

Kann  denn  bei  Ihnen  ein  Privatdocent  unmittelbar  eine  angesehene 
ordentl.  Professur  bekommen?  —  Oder  —  werden  vielleicht  die  Vortheile 
der  dortigen  alten  Stiftungen  aufgehoben?  —  Wenn  Kr[ug]s  Platz  Ihnen 
zu  Theil  werden  soll,  so  müssen  Sie  meines  Erachtens  Sich  doch  höhern 
Orts  irgend  etwas  davon  merken  lassen,  daß  Sie  wohl  einen  Wechsel  des 
Faches  Sich  gefallen  lassen  möchten.  —  Ihre  »Beyträge«  sind  nicht  zu 
früh  gekommen,  aber  zu  spät!  —  Wer  lieset  bei  Ihnen  praktische  Philos. 
Moral,  Naturrecht?  Wer  lieset  Geschichte  der  Philos.?  Das  Alles  kommt 
in  Betracht.  Kr.  las  ohne  Zweifel  das  Alles,  —  und  wer  wird  glauben 
daß  Sie  für  ihn  einzutreten  geneigt  seyen,  wenji  Sie  nicht  Zeichen  geben, 
daß  Sie  wohl  auf  so  etwas  eingehn  möchten?  —  Es  kann  noch  immer 
res  integra  seyn,  we7in  Jemand  merkt,  was  Sie  vom  Mangel  an  .Präcision 
pp  bey  [Hartenstein]  vernommen  haben.  Aber  auch  dort,  denke  ich,  ist 
das  Verhältniß  zu  schonen;  wenn  es  schon  nur  ein  halbes  ist. 

Von  B  aus  ist  so  viel  ich  vernehmen  kann,  über  Sch[elling]  noch 
nichts  laut  geworden.  Doch  muß  ]tizi  die  Zeitungsnachricht  einige  Zungen 
lüften.  Wenn  Sie  etwas  hören,  bitte  ich  um  Nachricht.  —  Daß  Seh.  die 
mühsame  Arbeit  eines  ordentlichen  und  vollständigen  Lehr-Cursus  in  den 
verschiedenen  Theilen  der  Philos.  sollte  übernehmen  wollen,  ist  nach  Allem 
was  man  von  ihm  hört,  höchst  unwahrscheinlich.  Auch  kann  er  dort  in 
so  viele  verborgene  Gruben  fallen,  daß  er  auf  die  Länge  der  Zeit  schwerlich 
bedeutet  wird.      Dennoch   — 

498.    Drobisch  an  H.-)  Leipzig,  13.  Dezember  34 

Verehrter  Gönner  und  Freund!  Die  Revision  der  Rechnungen  über  die  voll- 
kommenen Complicationen  verspätigt  diesen  Brief  um  einige  Tage.     Aber  Sie  müssen 

')  Hartenstein. 

2)  2  S.    4".     H.  Wien. 


Dezember   1834.  12  1 


immer  Recht  haben,  das  ist  das  ohne  Aufhören  sich  wiederholende  Resultat  eines 
treuen  Studiums  Ihrer  Werke;  und  so  bin  ich  denn  nun  auch  über  die  vollk.  Compl. 
mit  der  Psychologie  einig;  ich  bin  durch  Ihren  Antrieb  jetzt  erst  gewahr  geworden, 
daß  noch  ein  Rest  vom  alten  Sauerteig  bei  mir  sitzen  geblieben  war,  den  ich  nun 
ausgefegt  habe.  Meine  Rechnungen  ergeben  nun  folgendes.  Sind  A  =  a  +  «1 
B  =  b  +  ^.   C  =  c  +  y  die   Complicationen,   deren   Gegensätze   aus   den   folgenden 

Schematen  erhellt: 

c  y 

n         m  V         (I,       \ 

a  11  b  a  TT  /? 

sind  ferner  die  Gesanimthemmüngen  dieser  Complic.  beziehungsweise  X,  Y,  Z,  sodann 
der   Anteil  des  X,  der  von  B  herrührt  X',    der  von  C  herrührt  X"  u.  s.  w.,  nach 

folgendem  Schema: 

Z 

c 

Z'  Z" 

X"  Y'     ,  so  daß  also 

A ^;    '  Y"     ^ 

X     ^  Y 

X  =  X'  +  X",  Y  =  Y'  +  Y",  Z  =  Z'  +  Z".    so    findet   sich,   wenn    zur  Abkürzung 

A[(b  +  c)m+'((S  +  y)^J  +  B[(a  +  c)n  +  («  +  y)»']  +C  [(a  +  b)  p  +  (a  +  ^)  ttJ  =  iV 

gesetzt  wird 

^,  _  C(bp  +  i=?^)(S  +  ^).  ^..  _  B(cn  +  yr)(S  +  ^) .  ^,3^ 

X  ^  [B  (c  n  +  y  »')  +  C  (b  p  +  ^  TT)]  (S  +  ^ 
iV  '' 

_  A(cm  +  y;t)(S+^).  Y„  _C(ap  +  «7r)(S  +  ^.  ^,g^  y^etc 
^   ~  N  '  N 

_  B(an  +  «.)(S  +  ^).      ,  _  A(cm  +  ?-^)(S  +  ^) ^,,  2  =  etc. 

Aber  mit  dem  Gleichgewicht  der  unvollkommenen  Complic.  bin  ich  noch  gar 
-nicht  im  Reinen.  Sie  schweigen  hierüber  in  Ihrem  Briefe.  —  Daß  die  Lehre  von 
den  Dimensionen  Sie  nicht  bestimmen  würde,  dachte  ich  wohl,  indeß  beweisen  Sie 
doch  wol  zu  viel:  auch  in  Geometrie  und  gemeiner  Mechanik  sind  a,  b,  c,  x,  y,  z 
nicht  Linien  und  Gewichte  etc.  sondern  Zahlen ;  aber  es  bleibt  doch  immer  noch  ein 
Unterschied,  ob  sie  Verhältnisse  von  Gewichten  oder  Linien  ausdrücken;  so  nun 
am  Ende   aber   auch   bei  uns,   obgleich    unsre  Lasten   nur  in  den  Gegensätzen  der 

Vorst.   liegen   und   Stärke   und  Klarheit   zusammenfallen.     In  x  =  ^^-j^  S  ist  ^       ^ 

gewiß    ein    unbenannter  echter  Bruch;    aber  x  von   derselben   Bedeutung  wie  S.  u. 
dgl.  m.  doch  das  wird  uns  keinen  Streit  machen. 

Da  unsere  Leipz.  polit.  Zeit,  wahrscheinlich  bei  Ihnen  nicht  gelesen  wird  (es 
auch  nicht  werth  ist)  so  schreibe  ich  folgende  Stelle  für  Sie  ab:  ..München  6.  Decbr. 
fPrivatmittheilung)  durch  Bestimmung  Sr.  M.  des  Königs  werden  die  Proff.  Breslau, 
Puchta  und  Schelling,  mit  deren  Verlust  unsere  Universität  bedroht  war,  derselben 
wieder  erhalten.  H.  v.  Seh.  der  hier  6000  fl.  Gehalt  bezieht  und  in  Berhn  6000  Thlr. 
beziehen  würde,  äußerte  sich  gegen  eine  Deputation  der  Studirenden,  daß  er  sich 
nicht  berufen  fühle,  vom  Katheder  herab  die  Anhänger  Hegels  zu  bekehren.  — 
Zwischen  Seh.  und  dem  durch  seine  vielen  Entdeckungen  auf  der  Mondoberfläche 
bekannten  Astronomen  Gruithuisen  wurde  in  der  letzten  Zeit  in  Broschüren  eine 
Fehde  ausgefochten.  die   der  letztere  mit  der  Erklärung  beendigte,  daß  Seh.  unter 


122  Dezember  1834. 


den  Literatoren  ein  Monarch  sey,  dessen  Person  nicht  verantwortlich  und  unver- 
letzlich wäre!"  Was  kann  nun  Seh.  in  B.  mehr  werden?  Höchstens  ein  absoluter 
Literaturkönig.     Der  Unterschied  ist  ja  nicht  so  groß.     Er  kommt  also  nicht. 

Sonach  steht  hier  jetzt  Alles  gut.  Ihr  ßath  über  das  zu  beobachtende  Ver- 
halten gegen  die  beiden  jüngeren  Herrn  hat  ebenfalls  meinen  ganzen  Beifall.  Ich 
werde  in  gutem  Vernehmen  mit  ihnen  bleiben.  Nur  ist  der  Fremde  gewiß  wissen- 
schaftlich weit  mehr  werth  als  der  Hiesige;  ob  sonst  auch  aufrichtiger  und  weniger 
weltklug,  diplomatisch,  dies  zu  beurtheilen  ist  meine  Bekanntschaft  zu  jung. 

Was  die  Vacanz  betrifft,  so  erinnern  Sie  mit  Recht,  womit  allem  ich  mich 
da  beschäftigen  müßte,  wollte  ich  sie  ausfüllen  —  besser  als  bisher.  Denn  worüber 
hat  K.  nicht  alles  mitgeschwatzt'?  Er  las  Jahr  für  Jahr  einen  Cursus  nach  seinem 
Handbuch,  und  Geschichte  d.  Philos.  unter  d.  Griech.  imd  Römer  nach  s.  Handbuch. 
Punctum.  Der  junge  Candidat  liest  Einleitung,  Logik,  Moral  Aesthetik,  neuere  Ge- 
schichte d.  Philos.  und  wol  auch  Metaphys.  —  Die  Professuren  alter  Stiftung  sind 
vor  vier  Jahren  aufgehoben.  Wir  haben  jetzt  genug  ordentl.  Profß.  zu  500  und 
600  Thlr.  Gehalt.  Man  liebt  das  Wohlfeile,  das  blos  Nützliche,  man  haßt  alles,  was 
Schwung  hat.  Fein  ehrbar  und  bürgerlich!  Am  Ende  ist  mirs  gleich.  Nur  nicht 
einen  Mann,  der  es  nicht  ehrlich  mit  der  Philosophie  meint  und  ohne  Charakter 
ist.  Auch  nicht  gern  einen  aus  der  Identitätsschule,  weil  dies  in  L.  wie  eine  Er- 
oberung betrachtet,  und  ein  großes  Triumphgeschrei  erhoben  werden  würde.  Über 
die  letztere  Gefahr  sind  wir  noch  nicht  hinaus.  Hier  geht  die  Rede,  Fichte  oder 
Weiße  werde  nach  Heidelberg  berufen  werden.  Träfe  es  W,,  so  könnte  dieß  Ver- 
anlassung geben,  ihn  hier  zu  befestigen,  Berufungen  wirken  wie  Zauberschläge. 
Man  erfährt  durch  solch  ein  Gebot  eigentlich  erst  den  Marktpreis  eines  Gelehrten! 
—  Es  giebt  übrigens  bei  uns  2  ordentl.  Prof.  der  Philos.,  emen  der  theoret.  einen 
der  praktischen  (Clodius).  Setzte  man  jetzt  vielleicht  einen  ein,  der  besser  für  die 
Aesthetik  und  Moral  taucht,  sO  wäre  es,  wenn  Gott  den  jüngeren  längeres  Leben 
giebt,  als  den  älteren,  allenfalls  einst  auch  noch  einmal  Zeit  eine  neue  Stellung  ein- 
zunehmen. Dann  wird  hoffentlich  auch  mehr  gethan  seyn.  Die  Antwort  auf  die 
Frage  Ihrer  Frau  Gemahlm  ist  richtig  für  die  Mutter  wie  für  die  Kleine.  Bestätigen 
Sie  dies  unter  Versicherung  unserer  innigsten  Hochschätzung.  Nehmen  Sie  eben 
dieselbe  aufs  Neue  hin  von 

Ihrem  aufrichtigst  ergebenen     Drobisch. 

499.    Grolp  an  H.')  Marienwerder,  d.  21t.  December  1834. 

Hochverehrter  Herr  Hofrath!  Zwar  haben  wir  seit  der  Trennung  von  Ihnen 
in  Marienwerder  täglich  Ihrer  gedacht,  und  recht  tief  empfunden,  wie  schmerzlich 
eine  so  weite  Entfernung  und  wie  gering  die  Hoffnung  ist,  Sie  noch  einmal  wieder- 
zusehen; aber  lebhafter  als  je  ist  die  dankbarste  und  liebevollste  Erinnerung  an  Sie 
in  mir  rege  geworden,  seit  ich  die  kleine,  leider  nur  zu  kurze  Schrift  des  H.  Prof. 
Drobisch,  die  so  eben  erschienen  ist,  gelesen  habe.  Ich  kann  es  mir  wohl  denken, 
daß  Sie.  gleich  dem  Copernicus  in  der  Ueberzeugung  von  der  Wahrheit  Ihrer 
Erkenntniße,  und  Ihres  Systems,  und  in  dem  Bewußtsein  Ihrer  Größe,  unbekümmert, 
um  das  Geschrei  einer  irre  geleiteten  und  stumpfsichtigen  Menge,  die  edelsten  und 
reinsten  Freuden  genießen,  die  höher  zu  achten  sind,  als  Menschengunst  oder 
vorübergehende  Anerkennung;  doch  kann  ich  mir  vorstellen,  daß  Sie,  bei  der  Durch- 
lesung der  herrlichen  und  gediegenen  Schrift  von  Drobisch  gewiß  einen  angenehmen, 
freudigen  Lebens-Moment  gefunden  haben,  der  Ihr  Gefühl  des  Wohlwollens  und  der 


»)  4  S.    4".     H.  Wien.     Mehrere  Stellen,  auch  das  Zitat,  fraglich. 


Dezember  1834.  123 


Theilnahme  gegen  einen  so  ausgezeichneten  Denker,  der  überdies  in  einer  so 
lichtvollen  Sprache  und  so  frei  von  jenem  gemeinen  Ton  seine  Gedanken  aus- 
gesprochen, II  in  einem  hohen  Grade  erwärmt  und  angeregt  hat.  Ich  las  die  Schrift 
des  Prof.  Drobisch  vor  einigen  Tagen,  und  habe  sie  wiedergelesen.  Ich  bedauere, 
daß  bei  derselben  nicht  die  beiden  Anzeigen  in  den  Blättern  für  literar.  Unter- 
haltung 1832.  Num.  295  und  1833  Num.  343  über  Griepenkerls  Briefe  und  Röers 
Schrift,  die  doch  gewiß  denselben  Verfasser  haben,  so  wie  die  Recensionen  von 
Drobisch  in  der  Leipziger,  und  in  der  Jenaischen  Liter.-Zeitung  (vom  J.  1830)  mit 
abgedruckt  worden  sind,  weil  sie  dazu  beigetragen  haben  würden,  den  Eindruck  des 
Ganzen  zu  erhöhen,  und  ^"ahrheiten,  die  nicht  oft  genug  wiederholt  werden  können, 
jetzt,  bei  geweckter  Empfänglichkeit,  auf  neue  gekannt  zu  machen.  Ich  wünsche 
nichts  sehnlicher,  als  daß  H.  Drobisch  recht  bald  Zeit  gewinne,  das  verheißene 
größere  Werk  (S.  52)  erscheinen  zu  lassen;  er  wird  Ihren  Freunden  und  der  Wissen- 
schaft damit  einen  wesentlichen  Dienst  leisten,  und  auf  sich  im  vollsten  Sinne  an- 
wenden können,  was  jener  alte  Dichter  sang: 

Serif  arbores  quae  alteri  saeculo  prosient. 
Die  Nachrichten,  welche  uns  über  Ihr  und  Ihrer  hochverehrten  Frau  Gemahlin 
Befinden  von  Königsberg  aus  zu  gehen,  sind  zu  spärlich  ||  unvollkommen,  als  d;iß 
sie  unser  Verlangen  befriedigen  könnten.  Wir  müßen  uns  mit  den  herzlichsten  und 
theuersten  Wünschen,  die  wir  Ihnen  recht  oft  aus  treuen  Herzen  wenn  auch  aus 
weiter  Entfernung  zusenden,  für  Ihr  Wohlergehen  begnügen,  und  hoffen,  daß  eine 
höhere  gütige  Hand  sie  erfüllen  werde.  Mögen  Sie  sich  einer  fortdauernden,  unge- 
trübten Gesundheit  erfreuen ! 

Mögen  Sie  Ihre  Lehren  und  Weisheit  in  recht  vielen  empfänglichen  Seelen 
befestigen,  und  einen  reichen  Ersatz  finden  für  alles,  was  Sie  in  Königsberg  ver- 
lassen haben!  Möge  Ihre  Frau  Gemahlin  sich  jetzt  in  Göttingen  besser  gefallen,  als 
es  anfangs  in  neuen  Verhältnissen  und  Umgebungen  zu  geschehen  pflegt,  und  in 
der  erwachenden  und  bildsamen  Geisteskraft  des  Otto  einen  reichen  Lohn  für  ihre 
edle  und  menschenfreundliche  Gesinnung  finden! 

In  Königsberg  bin  ich  seit  dem  Winter  1833  nicht  gewesen,  und  da  ich  keine 
Briefe  mehr  von  dort  empfange,  so  kann  ich  Ihnen  auch  über  die  Königsberger 
Verhältnisse  nichts  weiter  mittheilen,  ||  als  was  ich  selbst  vom  Hörensagen  weiß.  Auch 
intereßirt  mich  das  jetzige  philosophische  Treiben  des  Prof.  Rosenkranz  sehr  wenig 
und  ei-warte  ich  überhaupt  von  Königsberg  aus  nichts  für  Sie.  Der  Dr.  Rupp  ver- 
tritt einstweilen  an  dem  hiesigen  Gymnasium  die  Stelle  des  Prof.  Pudor,  welcher 
seiner  Pensionierung  entgegensieht.  Sonst  ist  hier  alles  beim  alten  geblieben,  in 
meiner  Familie  und  in  meinen  amtlichen  Verhältnißen.  Ich  habe  Ursache  fort- 
während darüber  zu  klagen,  daß  ich  vor  allen  Geschäften,  die  auf  mir  lasten,  nur 
dazu  kommen  kann,  flüchtig  und  abgerissen  für  mich  selbst  zu  sorgen,  sonst  aber 
darf  ich  zufrieden  sein.  Meine  Reise  nach  Berlin,  die  ich  jüngst  beabsichtigte,  habe 
ich  noch  nicht  ausgeführt.  Sollte  es  mir  nicht  vergönnt  sein,  mit  Ihnen,  theuerster 
Herr  und  Freund  einmal  in  Berlin  zusammen  zu  treffen?  Wüßte  ich,  wann  Sie 
einmal  in  Berlin  oder  Leipzig  wären  —  vielleicht  könnte  ich  es  möglich  machen, 
zu  derselben  Zeit  dort  zu  sein. 

Meine  Frau  und  Marie  haben  mir  die  herzlichsten  Gniße  an  Ihre  Frau  Ge- 
mahlin mitgegeben.  Wie  sehr  würden  Sie  uns  alle  erfreuen,  wenn  Sie  uns  durch 
einige  Zeilen  Ihrer  Hand  beglaubigen  würden,  daß  Sie  nicht  aufgehört  haben,  wohl- 
wollend an  uns  zuriick  zu  denken! 

Mit  unveränderter  Liebe  und  Hochachtung  bleibe  ich  für  immer 

Ihr  treu  ergebenster     Grolp. 


124  Dezember   1834. 


NB.  Der  Herr  Präsident  Meding  gedenkt  Ihrer  oft  mit  großer  Verehrung 
und  Theilnahme.  Er  läßt  sich  Ihoen  freundlichst  empfehlen.  Ich  bin  sehr  häufig 
in  seinem  Hause.  Ich  bin  sehr  erfreut  gewesen,  in  deu  Prolegomena  zu  der 
3ten  Auflage  der  Einleitung  einige  Winke  zur  Geschichte  der  Philosophie  von  Ihnen 
zu  lesen.  Doch  sind  sie  für  ein  größeres  Publikum  ohne  Ihre  Einleitimg,  zu  apho- 
i'istisch.  Möchte  es  Ihnen  gefallen,  in  ähnlicher  "Weise  darüber  zu  schreiben,  wie 
Schaller  in  dem  2.  Theile  seiner  Verstandes-  und  Gedächtnißübungen,  versteht  sich, 
daß  der  Gehalt  ein  ganz  anderer  sein  würde,  aber  der  Zuschnitt  könnte  ungefähr  so 
sein.  Der  Plan  von  Schaller  ist  gut;  er  wird  oberflächlich  unverständlich.  In  der 
größeren  Schrift  welche  der  Herr  Professor  Drobisch  zur  Erläuterung  Ihres  philo- 
sophischen Systems  herauszugeben  beabsichtigt,  wird  derselbe  doch  gewiß  auch  der 
Einwürfe  gedenken,  welche  denselben  von  andern  gemacht  worden  sind,  und  dieselben 
widerlegen.     Ohne  Polemik  kann  jene  Schrift  ihren  Zweck  nicht  erreichen! 

500.    Richthofen  an  H.')  ßrechelshof,  d.  24sten  Dec.  34. 

Mein  verehrter  alter  Freund !  Hätte  ich  nicht  zuweilen  von  Ihnen  durch  meinen 
Sohn  freundliche  Kunde  erhalten,  so  müßte  ich  fast  fürchten .  daß,  eben  an  dem 
Ort  wo  unsere  Verbindung  vor  24  Jahren  begann,  ich  bei  Ihnen  in  Vergessenheit 
gefallen  sey,  wiewoll  ich  das  aufrichtig  gesagt  nach  so  langer  Zeit  für  unmögliohr 
halten  würde,  selbst  wenn  mich  mein  Sohn  nicht  des  Gegentheils  versicherte. 
Seyn  Sie  mir,  mein  alter  Freund,  jedoch  nicht  minder  herzlich  wie  immer  gegrüßt! 
Auch  ich  bin  ein  ziemlich  nachlässiger  Korrespondent,  und  habe  mich  daher  kaum 
zu  beklagen;  auch  fällt  bei  mir  eben  nicht  viel  vor  was  der  Mittheilung  bedürfte^ 
und  Hauptsachen  sind  »icht  ohne  Ihre  Kunde  geblieben.  Meine  Zeit  wird  leider 
großentheils  von  Geschäften  absorbirt,  und  so  habe  ich  denn  noch  nicht  einmal  die- 
neue  Schrift  von  Drobisch  gelesen,  erwarte  sie  sogar  noch  vom  Buchhändler.  ||  Karl 
schreibt  mir  Sie  seyn  im  Ganzen  mit  Göttingen  zufrieden,  nur  Ihre  Frau  könne  sich 
noch  nicht  eingewöhnen,  und  Professor  Hofmann  aus  Breslau  hat  mir  dasselbe 
mündlich  gesagt.  Königsberg  muß  in  der  That  für  alle  Eingebohrnen  eine  große 
Anziehungskraft  besitzen;  meine  Tante,  die  Fürstin  Holstein,  die  diesen  Winter  dort 
zubringt,  schreibt  mir  ganz  erfreut,  und  Professor  Schubert,  der  diesen  Winter  vor 
einem  großen  militärischen  Kreise  historische  Vorlesungen  hält,  äußerte  sich  früher 
gegen  mich  auf  ähnliche  Weise. 

Diesen  Herbst  war  ich  8  Tage  in  Berlin ;  ich  wollte  meinen  zweiten  Sohn  auf 
seiner  Reise  nach  Göttingen  bis  dahin  begleiten,  und  mußte  ihn  wegen  verweigerter 
Erlaubniß  zu  meiner  großen  Betrübnis  dort  lassen.  Reichhelm  habe  ich  nun  auf 
der  Straße  gesehen,  da  ich  ihn  nicht  zu  Hause  fand;  Dieterici  war  sehr  freund- 
lich gegen  Sie;  er  beabsichtigt  als  Staatswissenschaftslehrer  noch  das  Katheder  zu 
besteigen."'')  Auch  Stägemann^)  äußerte  sich  freundlich;  und  von  Hedemann  hörte 
ich,  daß  Ihre  Entfernung  aus  Preußen  Alexander  Humboldt  sehr  misbiUigen  soll; 
mit  Hedemann  habe  ich  absichtlich  jedes  Gespräch  über  Sie  vermieden,  Nikolovius 
gehört  aber  zu  Ihren  dortigen  Freunden. 

Mein  ältester  Sohn  ist  in  Historie  und  Rechtswissenschaft  so  vergraben,  || 
daß  Sie  ihn  wohl  wenig  sehen  werden;  er  hat  eine  andere  wissenschaftliche  Rich- 
tung genommen,   aber  er  verfolgt   sie  mit  solchem  Eifer,  daß  ich  alles  Gute  hoffe; 

')  3  S.    4«.     H.  Wien 

■-)  K.  Fr.  W.  Dieterici  (1790—1859)  wurde  im  Dez.  1834  zum  0.  Prof.  der 
Staatswissenschaften  ernannt.  (S.  Allg.  d.  Biogr.  5,  160.)  Er  hatte  1809  bei  Her- 
bart in  Königsberg  studirt. 

3)  Fr.  Aug.  von  Stägemann  (1763—1840),  Staatsmann  und  Dichter. 


Dezember  1834,  125 


Eichhorn  in  Berlin  ist  so  eingenommen  von  ihm  und  seinen  Arbeiten,  daß  mir  die 
Unterredungen  mit  diesem  eine  wahre  Vaterfreude  waren.  Auch  mein  zweiter 
Sohn  wird  brav.  Wegen  der  Verlobung  meiner  ältesten  Tochter  habe  ich  Ihnen 
jüngst  eine  Karte  gesandt;  General  Lützow,  Bruder  des  gestorbenen  Freikorps- 
kommandanten, ist  einer  der  trefflichsten  Männer  die  ich  kenne,  und  in  meineni 
Alter  noch  jugendlich  rüstig.  —  Ein  unangenehmes  Ereignis  in  meiner  Familie  ist, 
daß  mein  alter  73 jähriger  Vater  noch  einmal  heirathen  will;  der  Grund  ist  wohl 
eben  Altersschwäche.  Gut  daß  ich  in  Vermögensaugelegenheiten  von  ihm  unabhängig, 
und  ihm  als  ältester  Sohn  für  seine  Hauptbesitzungen  substituirt  bin;  ich  bin  daher 
in  dieser  Hinsicht  weniger  dabei  interessirt,  aber  dennoch  betrübt  mich  die  Sache 
sehr.     So  mischt  sich  in  mancherlei  Beziehungen  Freude  und  Betrübniß. 

Möge  Ihnen  das  neue  Jahr  nur  die  erstere  bringen. 

Sie  fragen,  ob  ich  nicht  einmal  nach  Göttingen  komme?  Das  hängt  von  Um- 
''ständen  ab,  denn  ich  bin  mannigfach  gebunden!  Griißen  sie  meinen  Sohn  und 
bleiben  Sie  mein  Freund!  Der  Ihrige    ßichthofen. 

Bei  Durchlesung  des  Briefes  finde  ich,  daß  ich  seine  Haupt- Veranlaßuns?  die 
Einssendung  nicht  erwähnt:  mögen  Sie  daraus  abnehmen,  daß  ein  anderes  Band 
mich  auch  nach  24  Jahren  noch  an  Sie  fesselt.  R. 


1835. 

W.:  Über  die  Subsumtion  der  Psychologie  unter  die  ontologischen  Begriffe  (S.  Bd.  X. 
S.  197  —  206).  ■ —  Umriß  pädagogischer  Vorlesungen.  Erste  Ausgabe  (S.  Bd.  X.  S.  65 
bis  196).  —  Selbstanzeige  des  Umrisses  (S.  Bd.  XIII.  S.  280—282).  —  Rez.  von 
Griepenkerls  Briefen  über  Herbarts  Lehren  (S.  Bd.  XIII.  S.  278  —  279),  Kappes  Piatons 
Erziehungslehre   (S.  Bd.  XIII.     S.   282  —  284),    Hartensteins  Probleme   der  Metaphysik 

(S.  Bd.  XIII.     S.  286  —  289). 

501.     An    Drobisch.l)  Göttingen,   7  Jan  3S 

Mein  theurer  Freund!  Der  Brief  den  ich  Ihnen  hier  sende,  ist  vom 
Regierungs-  und  Schulrath  Grolp  zu  Marienwerder,  dem  Bruder  von  Reich- 
helms Frau.  Der  Präsident  Meding,  der  im  Briefe  genannt  wird,  ist  ein 
reicher  Mann;  unfreywiliig  pensionirt,  man  weiß  nicht  recht  warum;  er 
war  in  Königsberg  sehr  geachtet,  und  höchst  wahrscheinlich  hat  die  Zurück- 
setzung bloß  in  persönlichen  Misverhältnissen  ihren  Grund.  Er  besuchte 
(noch  als  Präsident)  meine  psychologischen  Vorlesungen  mit  großem  Eifer, 
und  hat  es  sehr  gemisbilligt,  daß  man  mich  gehen  ließ.  Der  Dr.  Rupp, 
der  jetzt  am  Gymnas.  zu  Marienwerder,  also  unter  Grolps  amtlichem  Ein- 
flüsse, arbeitet,  ist  ein  junger  tüchtiger  Mann,  ehemals  mein  Zuhörer,  der 
Kant  und  Spinoza  sehr  gut  kennt,  und  in  Königsberg  mit  vielem  Bey- 
fall  Vorlesungen  als  Privatdocent  (unter  anderm  über  Göthes  Faust)  ge- 
halten hat. 

Nun  bitte  ich  Sie  um  eine  Gefälligkeit,  die  wahrlich  nicht  die  größte 
ist,  welche  Sie  mir  schon  bewilligt  haben.  Schreiben  Sie  an  Grolp. 
Sagen  Sie  ihm,  daß  Sie  den  inliegenden  Brief  von  mir  zugeschickt  erhalten 
haben.  Sie  können  Sich  ||  zwar  nicht  absichtlich,  aber  wenn  günstige  Um- 
stände kommen,  sehr  leicht,  durch  einen,  ein  paar  Jahre  lang  fortzusetzenden 
Briefwechsel  mit  Grolp,  die  ganze  Gegend  der  Städte  Stolpe  (Grolps  Ge- 
burtsort), Marienwerder,  Marienburg,  Elbing,  Danzig  pp.  gewinnen.  Dort 
ist  eine  neue  Aufregung,  die  selbst  auf  Königsberg  zurückwirken  kann. 

Grolp  ist  eine  grundehrliche  Seele;  er  meint  es,  wie  er  schreibt.  Seine 
amtlichen  Verhältnisse  -bringen  ihn  fortwährend  mit  vielen  Personen  in 
Berührung.  Einige  Zeilen  von  Ihnen  werden  große  Freude  verursachen; 
einige  gute  Nachrichten  von  Ihrem  Wirken  in  Leipzig  werden  eine  höchst 
interessante  Neuigkeit  seyn,  besonders  wenn  Sie  hinzufügen,  daß  auch 
Hartenstein  gewissermaßen  mit  Ihnen  in  gleicher  Richtung  wirkt. 

*)  2  S.   8». 


Januar  1835.  127 


Sollten  Sie  gute  Gelegenheit  finden,  Sich  Alexandern  v.  Humboldt 
zu  nähern:  so  werden  Sie,  wenn  einer  Nachricht,  die  ich  von  einem  Orte 
außerhalb  Berlin  empfing,  i)  zu  trauen  ist,  Anklang  finden.  Sie  könnten  ihm, 
denke  ich.  Ihr  mathematisches  Werk  geradehin  zusenden.  Die  Nachricht 
betrifft  freylich  mich;  aber  sie  paßt,  denke  ich,  noch   besser  auf  Sie. 

Soviel  in  höchster  Eile.  Von  Hendewerk  habe  ich  ein  theologisches 
und  polemisches  Manuscript  empfangen,  was  wahrscheinlich  bald  gedruckt 
wird.  2)  Ihr     H. 

Sie  könnten,  wenn  Sie  Sich  in  Königsberg  eine  directe  Verbindung 
schaffen  wollten,  auch  an  den  Doctor  Taute,  meinen  vieljährigen  Gehülfen 
im  pädag.  Seminar,  schreiben.  Von  ihm  habe  ich  in  den  allerstärksten 
Ausdrücken  einen  Glückwunsch  zu  Ihrer  Schrift  empfangen.  Taute  würde 
das  sehr  hoch  aufnehmen;  aber  ich  kann  Ihnen  keinen  besonderen  Einfluß 
von  Tauten  versprechen, 

502.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig,  d.  10  Januar  1835. 

Hochverehrter  Herr  und  Freund!  Ich  beeile  mich,  Ihnen  den  Brief  des  H. 
RR.  Grolp  zurückzusenden.  Natürlich  mußte  mir  ein  so  günstiges  llrtheil  viel 
Freude  machen,  und  ich  danke  Ihnen  daher  herzlich  für  die  Mittheilung.  Freilich 
mag  es  leichter  seyn,  Ihre  persönlichen  und  literarischen  Verehrer  in  ihrer  Über- 
zeugung zu  bestätigen,  als  irgend  einen  Mann  von  Bedeutung,  der  bisher  der  Ent- 
wicklung Ihrer  Philosophie  mit  Gleichgültigkeit  oder  gar  mit  ^\"iderwillen  zugesehen, 
zu  gewinnen.  Das  würde  erst  den  wahren  Beweis,  liefern,  daß  man  sich  nicht  ver- 
geblich geregt  habe.  Doch  ich  bescheide  mich,  um  solchen  Preis  zu  gewinnen,  noch 
Viel  zu  wenig  versucht  zu  haben.  Da  Sie  so  lebhaft  wünschen,  daß  ich  mich  mit 
H.  RR.  Gr.  in  Briefwechsel  setze,  so  will  ich  darauf  denken  es  möglich  zu  machen. 
So  erfreulich  es  mir  nämlich  auch  seyn  wird,  mit  einem  so  trefflichen  Manne  in 
nähere  Berührung  zu  kommen,  so  sehr  muß  ich  befürchten,  gleich  von  vornherein, 
durch  die  Motiven  des  Briefes,  in  den  Verdacht  eines  eitlen  Menschen  zu  gerathen, 
.der,  noch  nicht  zufrieden  sein  Lob  aus  der  dritten  Hand  erfahren  zu  haben,  dessen 
nun  auch  auf  geradem  Wege  noch  mehr  begehrt.  Entschuldigen  Sie  daher  wohl- 
wollend, wenn  ich  mit  meinem  festen  Entschluß  Ihrem  Wunsche  zu  entsprechen, 
noch  etwas  zögere,  um  mir  jedenfalls  Reue  und  Scham  zu  ersparen.  —  Noch  weit 
mehr  trage  ich  Bedenken,  mich  an  fl.  Alex.  v.  H.  zu  wenden.  Hätten  Sie  mir 
diesen  Wink  unmittelbar  nach  Erscheinung  meiner  letzten  Schrift  gegeben,  so  hätte 
ich  ohne  Weiteres  diese  und  die  mathematische  ihm  übersandt.  Jetzt  geht  das 
nicht  wohl  mehr  an.  Er  kann  möghcher  Weise  in  der  einen  oder  der  andern  schon 
geblättei-t  haben.  Da,  scheint  es  mir,  tritt  es  nun  zu  stark  hervor,  daß  die  ver- 
spätete Sendung  nicht  ohne  Absicht  ist.  Vielleicht  verlohnt  es  sich  künftig,  wenn 
ich  über  die  mathem.  Psychol.  etwas  zu  Stande  gebracht  habe,  noch  einen  solchen 
Schritt  zu  thun.  Freilich  könnte  ich  mir  als  möghch  denken,  daß  ein  Mann  wie 
Humboldt,  wenn  er  erfährt,  daß  Sie  beabsichtigen  die  Philos.  „zur  exacten  Wissen- 
schaft zu  erheben"  stutzig  und  aufmerksam  wird.  Doch  dies  scheint  er  ja  schon 
geworden  zu  seyn. 

Ich  trage  jetzt  die  psychologische  Theorie  der  musik.  Consonanzen  vor,  und 
bin  zum  erstenmal  mit  diesem  Gegenstand,  der  mir  —  wahrscheinlich  hauptsächlich 

1)  S.  o.  S.  124. 

2)  S.  u.  Nr.  504. 

ä)  2  S.    4°.     H.  Wien. 


128 i835-  

wegen  unvollkommener  musik.  Kenntnisse  —  immer  viel  Schwierigkeiten  gemacht 
hat,  zu  meiner  Zufriedenheit  ins  Reine  gekommen.  Ich  habe  in  der  math.  Psych, 
in  der  That  einige  Zuhörer,  die  der  größten  Genauigkeit  des  Vortrags  werth  sind, 
vorzüglich  den  Ihnen  schon  einmal  namhaft  gemachten  Philologen  Bonitz,  mit  dem 
ich  in  diesen  Tagen  eine  zweistündige  Unterredung  über  mehrere  der  schwierigsten 
Puncte  der  Metaphys.  und  Psychologie  gehabt  habe,  in  der  er  mir  Zweifel  vorlegte, 
die  ihm  gewiß  alle  Ehre  machen,  die  aber  zu  beseitigen  mir  doch  gelungen  ist.  Er 
hat  vorzüglichen  Scharfsinn,  ich  beklage,  daß  er  nur  Philolog  werden  will.  Kennen 
Sie  vielleicht  ein  kürzhch  erschienenes  Schriftchen  „über  die  Natur  der  Musik  von 
W.  Opelt.  Lpzg.  34".  Es  ist  mir  sehr  interessant  gewesen,  indem  es  den  Zusammen- 
Jiang  zwischen  Consonnanz  und  Rhythmus  in  ein  helles  Licht  setzt,  obgleich  der  Vf. 
darin  sehr  im  Irrthum  ist,  wenn  er  den  Grund  des  Wohlgefälligen  im  ersteren  aus 
dem  letzteren  ableiten  zu  können  meint. 

Mit  vielem  Interesse  habe  ich  in  den  Gott.  Anz.  No.  193  die  Auszüge  aus 
Huygens's  Briefwechsel  gelesen.  Wie  philos.  bornirt  zeigt  sich  doch  immer  der 
alte  Huygens!  Als  echter  Holländer  schätzt  er  Methoden,  die  imaginären  Wurzeln 
zu  finden,  gering,  weil  diese  sich  nicht  essen  lassen.  In  der  Differentialrechnung 
läßt  er  sich  allenfalls  d  x  gefallen,  handelt  aber  sehr  mit  Leibuitz,  ob  er  des  d"'*  x 
etc.  nit;ht  überhoben  werden  könne.  Wenn  er  über  Newtons  Gravitationssystem 
spricht,  so  ist  mir's  fast  als  hörte  ich  unsern  Prof.  Weiße,  oder  ich  glaube,  es 
spräche  irgend  ein  Recens.  von  Ihrer  math.  Psychologie.  Es  war  mir  höchst  merk- 
wüi'dig,  und  ich  werde  tüchtig  von  diesen  wichtigen  Notizen  Gebrauch  zu  machen 
wissen,  wenn  ich  über  die  Psychol.  schreibe.  Leider  habe  ich  mich  in  dieser 
letzten  Zeit  sehr  abgespannt  und  zu  ernsten  Arbeiten  wenig  aufgelegt  gefühlt.  Die 
abnorme  Witterung  mag  einen  Theil  der  Schuld  tragen.  Vor  8  Tagen  hatte  ich 
den  Unfall,  in  der  Stube  hinzufallen  und  dabei  eine  Kopferschütterung  zu  leiden^ 
die  bis  vorgestern  mich  mit  sehr  unangenehmen  Empfindungen  verfolgt  und  ziem- 
lich untüchtig  gemacht  hat.  Nun  scheine  ich  die  Übeln  Folgen  überwunden  zu 
haben,  dafür  plagt  mich  aber  ein  ähnliches  Befinden  wie  im  April  in  Weimar. 

Mit  Strümpell  stehe  ich  in  gutem  Vernehmen.  Weiße  schreibt  an  einer 
Metaphysik  und  hat,  um  die  Grundbegriffe  der  Mechanik  kennen  zu  lernen,  weil 
sich  vermuthlich  eine  Naturphilosoph,  anschließt,  von  mir  ein  Handbüchlein  der 
Statik  sich  geliehen.  Mag  er  sich  immer  an  den  Naturwissenschaften  den  Kopf 
einrennen.  Wenn  er  die  Dreieinigkeit  dialektisch  entwickelt  zu  haben  meint  oder 
die  Auferstehung  des  Fleisches,  so  kann  ihn  freilich  keine  Erfahrung  und  Mathe- 
matik controliren ;  aber  hier  werden  wir  ja  sehen,  wenn  ihm  nicht  etwas  das  Kunst- 
stück gelingt,  den  Punct  zu  finden,  wo  die  Speculation  sich  selbst  überflüßig  macht, 
und  die  Empirie  emancipirt  wird. 

Gott  erhalte  Sie  in  diesem  Jahre  in  ganzer,  ungeschwächter  Kraft  des  Geistes  und 
Körpers  damit  wir  Ihre  Schüler  und  Anhänger  noch  lange  hinaus  in  Ihnen  unsern 
Mittelpunct,  unsern  festen  Grundstein  finden,  der  allein  uns  Halt  und  Einheit  giebt. 
Dies  zugleich  mit  den  besten  Wünschen  für  das  Wohl  Ihrer  Frau  Gemahlin  das 
von  Herzen  kommende  Bekenntniß 

Ihres  treu  ergebenen     Drobisch. 

503.    An   Drobisch.  i)  Ohne  Datum. 

In  Ihrem  gestrigen  Briefe,  mein  theurer  Freund,  findet  sich  eine  Zeile, 

die  mich  um  so  mehr  zu  einer  eiligen  Antwort  treibt,  da  ich  eine  gehörig 

')  2  S.    4^ 


1835.  129 

vorbereitete  noch  im  Laufe  eines  Jahres  schwerlich  werde  geben  können. 
Sie  nennen  eine  Schrift  über  die  Natur  der  Musik.     Diese  jetzt  zu  lesen 
ist    mir    schlechterdings   nicht    möglich,    denn   ich   habe   bey   andern  sehr 
nöthigen  Gegenständen  vollauf  zu  thun.     Aber  Ihr  Lob  dieser  Schrift:  es 
sey    darin    der   Zusammenhang    zwischen    Consonanz    und    Rhythmus    ins 
Licht   gesetzt,    nöthigt    mich    auf    der   Stelle,    Sie   um  Vorsicht   zu  bitten. 
Fragt  man  mich    nach  jenem  Zusammenhange,   so  antworte  ich,   es  giebt 
keinen.     Sondern    in    der   ganzen    Psychologie   kenne    ich    kaum    zwey   so 
disparate  Dinge,    als  Consonanz    und  Rhythmus.     Die    Consonanz    beruht 
auf   der  Verschmelzung    vor    der  Hemmung.     Der    Rhythmus   beruht   auf 
der  Wölbung    und    Zuspitzung.     Was    hat   aber  Wölbung   und  Zuspitzung 
mit    der  Verschmelzung    7<or    der  Hemmung    zu   thun.     Nicht   einmal    die 
Verschmelzung  7iac/i  der  Hemmung  ist  dabey  nöthig.     Der  Rhythmus  fängt 
an  bey  drey  Schlägen,  etwa  eines  fallenden  Tropfens.     Die  Untersuchung 
ist  so  zu  führen,    daß  man  erst  die  Wölbung  beym  ersten  Schlage,  dann 
die   Zuspitzung  beym  zweyten  ins  Auge    faßt,    und    nun    die    daraus    ent- 
stehende Reproduction  untersucht,   welche    dem  dritten  Schlage  entgegen- 
kommt.     Haben  Sie  davon   etwas  in  jener  Schrift   gefunden?    ich    zweifle 
bis  Sie  mirs  sagen.  —  Hiebey   ist   sogleich  zu  bemerken,    daß   der  dritte 
Schlag  erfahrungsmäßig  durchaus  verschieden  wirkt,  wenn  er  stärker  oder 
schwächer  ist  als  der  zweyte.     j  J  |  .•  wenn  der  dritte  Schlag  stärker  ist; 
'      wenn    er    schwächer    ist.     Jenes   führt   auf  die   Tactarten,    welche 
nach  Vielfachen  der  Zwey  fortgehn,  (Viervierteltact,  zweyvierteltact),  dieses 
auf  die  dreytheiligen.  || 

Um  Vorsicht  bitte  ich  nun  desto  mehr,  weil  die  ästhetischen  Gegen- 
stände gerade  zu  denen  gehören,  welche,  die  Psychologie  praktisch  wichtig 
von  einer  Seite,  und  von  der  anderen  den  Vergleichungen  mit  der  Er- 
fahrung zugänglich  machen. 

Wie  haben  Sie  denn  die  augenscheinliche  Zusammenstellung  der 
Symmetrie  (worauf  der  Rhythmus  beruht)  mit  der  Dissonanz  beseitigt? 
ich  sollte  meinen  diese  Thatsache  wäre  genug,  um  die  Consonanz  vom 
Rhythmus  fern  zu  halten.  Die  Octave  in  zwey,  drey,  vier  gleiche  Theile 
verschnitten,  dissonirt  ja  immer!  — -  — 

(Die  mitgetheilte  Nachricht  bekam  ich  erst  wenige  Tage  zuvor.)  Daß 
Sie  an  A.  v.  H[umboldt]  nichts  senden  wollen,  ist  mir  ganz  recht;  ich 
hätte  es  ungern  gesehen  wenn  Sie  ihm  die  kleine,  mich  betreffende  Schrift 
angeboten  hätten,  bevor  die  bekannte  Stelle  in  B.  besetzt  ist;  ich  befinde 
mich  hier  zu  sehr  an  meinem  Platze,  als  daß  ich  mir  die  Miene  eines 
Wunsches  geben  möchte.  Auch  mit  dem  Schreiben  an  Gr[olp]  hat  es  Zeit; 
ich  wünschte  Sie  nur,  indem  die  Gelegenheit  sich  darbot,  aufmerksam  zu 
machen,  daß  in  jenem  Nordosten  eine  sehr  beträchliche  Menge  Zunders 
liegt,  auf  den  Sie  Funken  werfen  können.  Zwanzig  Jahre  lang  gehörten 
in  Königsberg  meine  Voriesungen  zu  den  vorzüglich  besuchten.  Die  Leute 
waren  zwar  der  dortigen  Sitte  gemäß  nicht  regelmäßig  fleißig  (besonders 
scheute  man  den  weiten  Weg  bis  zu  meinem  Hause)  aber  meine  Ein- 
leitung begann  in  der  Regel  mit  mehr  als  100  Zuhörern;  die  prakt.  Philos. 
und  Pädagogik  mit  40  bis  60.     Bedenken  Sie  nun  die  Menge  der,  großen- 

Herbarts  Werke.     XVI]  I.  9 


130  Januar   1835. 


theils  jetzt  a«^(?stellten,  Individuen!  Und  erkundigen  Sie  Sich,  (wenn  es 
Ihnen  behebt,)  nach  der  Ursache,  weshalb  man  auf  Sie  geivartet  hat,  daß 
Sie  Sich  einer  Sache  annahmen,  die  meinen  Zuhörern  unstreitig  näher 
lag?  Eine  solche  Frage  geziemte  sich,  denke  ich,  wohl  gegen  manchen 
Unschlüssigen  und  Furchtsamen!  Nur  freylich,  Ihr  Zartgefühl  wird  die 
Frage  schwerlich  aussprechen!  —  Mit  Bedauern  und  nicht  ohne  einige 
Besorgniß  lese  ich  die  Nachrichten  von  Ihren  Gesundheitsumständen,  die 
Schonung  zu  lodern  scheinen.  Mit  mir  geht  es  wenigstens  besser  als 
vorigen  Winter.     Grüßen  Sie  Strümpelln  gelegentlich! 

Von   Herzen  der  Ihrige!     H. 

504.     An    Hendewerk.  1)  Göttingen,  den  31.  Januar  1835. 

Seien  Sie  nicht  böse,  mein  sehr  geehrter  Herr  und  Freund!  daß  die 
Angelegenheit  Ihres  Manuscripts -)  um  ein  paar  Wochen  isi  verzögert  worden; 
ich  habe  deshalb  um  Entschuldigung  zu  bitten,  und  hoffe  diese  um  desto 
leichter  zu  erhalten,  da  Sie  längst  wissen,  daß  die  jetzige  Jahreszeit  meiner 
Gesundheit  nie  günstig  ist.  In  den  Ferien  mußte  ich  zu  einer  noth- 
wendigen  Aibeit  jede  Stunde  benutzen,  so  oft  ich  einigermaßen  zum 
Denken  und  Lesen  tüchtig  war.  Herr  Professor  Gieseler  hatte  die  Güte 
gehabt,  Ihre  Schrift  in  wenigen  Tagen  durchzusehen;  er  bezeigte  sich  im 
Ganzen  wohl  zufrieden,  bemerkte  aber  doch  ein  paar  Punkte,  die  ich  im 
Zusammenhange  nachsehen  und  überlegen  mußte.  Folgendes  habe  ich 
nun  darüber  vorzulegen. 

i)  Sie  unterscheiden  Fol.  52   ein  nihil  negativum  und  positivum  etc. 

2)  Bei  weitem  wichtiger  ist  ein  anderer  Punkt,  welcher,  wie  es  Herrn 
Professor  Gieseler  und  mir  scheint,  großen  Anstoß  geben  kann,  wiewohl 
unnöthiger  Weise.  Sie  sagen  Fol.  65:  Gott  sei  nicht  unendlich.  Hier 
haben  Sie  ohne  Zweifel  den  metaphysischen  Begriff"  des  Realen  im  Sinn, 
welches  als  solches  nicht  unendlich  sein  kann.  Wird  denn  aber  Gott,  in- 
dem wir  ihn  verehren,  jemals  durch  diesen,  von  aller  praktischen  Be- 
deutung entblößten   Begriff  in    seiner  Nacktheit  und  Allgemeinheit  gedacht? 

Da  ich  nicht  unternehme,  mit  meiner  Feder  etwas  in  Ihr  Manuscript 
hineinzuschreiben  —  vollends  bei  einem  so  hochwichtigen  Gegenstande: 
so  erlaube  ich  mir  dagegen,  Ihnen  hier  einige  Gedanken  vorzuschlagen, 
wie  meines   Erachtens  über  den   Gegenstand  zu  reden  wäre: 

Gott  ist  nicht  blos  und  überhaupt  ein  reales  Wesen,  sondern  er  ist  ein 
Geist,  und  soll  als  solcher  von  uns  verehrt  werden.  Fragen  wir  uns  nun, 
ob  wir  auf  ihn  den  Begriff  der  Endlichkeit  und  Unendlichkeit  anwenden 
sollen:  so  ist  zuvörderst  klar,   daß  wir  ihn   rieht  als  einen  endlichen  Geist 

•)  Aus  „Herbart  und  die  Bibel.  Mitteilungen  u.  Andeutungen  von  K.  L.  Hende- 
werk,  Dr.  der  Philos.,  Lic.  der  Theol.  u.  Pfarrer  zu  Heiligen-Kreuz.''  Königsb.  1858. 
S.  4  fi.  —   In  dem   Anhange"  heißt  es  u.  a. : 

, Ich  habe  gesessen  zu  Herbarts,  des  Herrlichen  Fülten, 

Eines  Schülers  von  Kant,   denen  wohl  keiner  mehr  gleicht. 
Dort  hab'  gelernt  ich  die  Kunst  des  klaren  und  deutlichen  Denkens^ 
Um   zu  erfassen  das  Licht,   welches  vom   Ewigen  stammt." 
*)  Eine  Schrift  zum  Schutze  des  Christentums  etc.  gegen  Rosenkranz'  Habilitations- 
schrift gerichtet.     Vgl.    14.  Jahrb.  d.  Vereins  f.  wissensch.   Päd.,  Langensalza,  Hermann 
Beyer  &  Söhne  (Beyer  &  Mann),  S.  292,  wo  auch  der  Brief  noch  einmal  abgedruckt  ist. 


Januar   1835.  13I 


bezeichnen  dürfen,  da  wir  die  Größe  eines  Geistes  nach  dem  Umfange 
seiner  Intelligenz  und  seines  Wirkens  schätzen,  und  da  Gott  gedacht 
werden  soll,  als  überschauend  die  unendliche  Möglichkeit  des  Werdens, 
und  aus  dieser  heraushebend  das  endliche  Werden  in  unendlicher  Zeit. 
Anders  aber  verhält  es  sich  mit  der  Substanz  des  Geistes.  Wer  auf  diese 
den  Begriflf  der  Unendlichkeit  anwendete,  der  würde  theils  überhaupt  Ge- 
fahr laufen,  in  den  Spinozismus  und  Pantheismus  zu  gerathen,  theils  ins- 
besondere sich  in  das  Selbstbewußtsein  Gottes  die  Ungereimtheit  hineinzu- 
denken, als  ob  Gott  für  sich  selbst  unfaßlich  wäre.  Denn  das  Unendliche 
ist  unfaßlich.  Andererseits '  darf  doch  auch  nicht  gesagt  werden,  die  Sub- 
stanz Gottes  sei  endlich,  weil  nämlich,  wer  dieses  sagt,  sogleich  den  Miß- 
verstand veranlaßt,  als  trage  das  Endliche  einen  Mangel  in  sich,  da  endlich 
und  begrenzt  immer  als  verbunden  pflegt  angesehen  zu  werden,  und  das 
Begrenzte  so  vorgestellt  wird,  als  ob  ihm  etwas  fehlte.  Hieraus  ergiebt 
sich  also,  daß  keine  menschliche  Sprache  mit  Sicherheit  zu  einem  solchen 
Dogmatismus  hinreicht,  der  über  die  uns  völlig  unbekannte  Substanz  des 
höchsten  Geistes  etwas  würde  festsetzen  wollen.  Wir  müssen  also  vor- 
sichtig sein,  zugleich  aber  von  den  Gegnern  gerade  eben  so  viel  Vorsicht 
fordern. 

In  Folge  des  Vorstehenden  mache  ich  nun  den  unmaßgeblichen 
Vorschlag,  die  Stelle  Fol.  65  so  abzuändern: 

„Was  aber  das  Verhältniß  des  Endlichen  zum  Unendlichen  betrifft," 
so  wird  erstlich  zwar  mit  Recht  Gott  als  unendlicher  Geist  gedacht, 
der  aus  unendlicher  Möglichkeit  das  Endliche  der  Welt  durch  meinen 
Rathschluß  wählte,  und  mit  dem  menschlichen  Künstler  durch  keinen 
Maaßstab  kann  verglichen  werden,  indem  der  Mensch  nur  mit  Hülfe 
seines  organisirten  Leibes,  jedoch  auch  blos  zusammensetzend,  niemals 
organisirend  wirkt.  Dennoch  aber  darf  selbst  der  unendliche  Geist  nicht 
als  schlechthin  und  an  sich  unfaßlich  vorgestellt  werden;  sonst  würde  das 
Ungereimte  folgen,  daß  er  sogar  für  sich  selbst  unfaßlich,  mithin  keines 
wahren  Selbstbewußtseins  fähig  wäre.  Hiemit  verschwindet  nun  schon 
jene  vermeinte  Unzugänglichkeit  für  alle  Prädicate. 

„Zweitens  aber  ist  es  auch  mit  jenem  Endlichen-  (den  Prädikaten) 
„nicht  so  bestellt,  wie  gewähnt  wird''  u,  s.  w. 

Und  nun,  mein  sehr  geehrter  Herr!  wünsche  ich  noch  Eins  — 
nämlich,  daß  diese  Ausstellungen  Sie  nicht  verdrießen  und  nicht  unmuthig 
machen.  Im  Ganzen  werde  ich  mich  sehr  aufrichtig  freuen,  wenn  es 
dahin  kommt,  daß  Ihr  Manuscript  gedruckt  vor  mir  liege.  Eine  so  oflFene 
Gegenwirkung,  wie  Sie  zeigen,  gegen  den  immer  mehr  überhand  nehmenden 
Irrthum  ist  nach  Allem,  was  ich  höre  und  sehe,  höchst  nothwendig.  Mit 
meiner  hiesigen  Wirksamkeit  kann  ich  zwar  zufrieden  sein;  aber  es  ist 
auch  die  allerhöchste  Zeit,  daß  man  mir  zu  Hülfe  komme,  wenn  ich 
nicht  endlich  doch  unterhegen  soll,  und  in  die  Theologie  kann  ich,  wie 
Sie  wissen,  unmittelbar  nicht  eingreifen.  Möge  es  Ihnen  beschieden 
sein,  eine  heilsame  Anregung  hervorzurufen!  Und  wenn  Sie  nur  erst  mit 
einigem  Erfolge  in  die  literarische  Welt  eingetreten  sind,  dann  können  Sie 
weiter  wirken.  Die  Schleiermacher'schen  Schriften,  die  jetzt  herauskommen, 
werden  Ihnen  Stoff  und  Arbeit  geben,  und  die  Arbeit  wird  nicht  so  sauer 


132  Febraar  1835. 


sein,    wie    die    gegen    Ihre    jetzigen    Gegner,     denn    Schleiermacher    war 
wenigstens  ein  besserer  Kopf  als  jene. 
Antworten  Sie  nur  ja  recht  bald! 

Von  ganzem  Herzen  der  Ihrige!      H. 

505.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig,  1.  Feb.  1835. 

Hochverehrter  Herr  und  Freund!  Die  Besorgniß,  die  Ihren  letzten  Brief  rer- 
anlaßt,  isl  ungegrüudet.  Von  einer  psychologischen  Theorie  ist  in  dem  Buche  von 
Opelt  nirgend  die  Rede,  sondern  nur  von  Rhythmen  der  Schwingungen.  In  der 
Quinte  z.  B.  macht  der  untere  Ton  immer  2  Schwingungen  während  der  obere  deren 
3  macht.  Diese  Schwingungen  sind  freilich  so  schnell,  daß  an  das  Hören  der 
einzelnen  nicht  zu  denken  ist.  Aber  es  geht  doch  aus  dem  Verhältniß  2:3  ein 
bestimmter  Rhythmus  hervor,  der  ohne  Zweifel  in  den  Schwingungen  der  die  Quinte 
gebenden  Saiten  statt  findet  und  also  der  Quintenrhythmus  heißen  kann.  Fallen 
nämlich  die  ersten  Schwingungen  zusammen,  wie  dies  bei  gleichzeitigem  Anschlagen 

12    3    4 

der  Fall  seyn  muß,  so  entsteht  folgender  Rhythmus  i*  T  T  T'  "^°  •'-  ^^^  ^  Schwin- 

gungen  der  ersten,  1,  2,  3,  4  Schwingungen  der  zweiten  Saite  smd.  Diese  Be- 
merkung hat  0.  angewendet,  der  Latour  sehen  Sirene  eine  Erweiterung  zu  geben 
und  auf  ihr  alle  Consonanzen,  Dissonanzen,  consonirende  und  dissonirende  Accorde 
zu  construiren  und  hören  zu  lassen,  das  Mitklingen  der  Combinationstöne  zu  erklären 
u.  s.  w.  Jir  meint  nun  freilich,  die  Seele,  obgleich  unfähig  die  einzelnen  Schläge 
der  schwingenden  Saiten  wahrzunehmen,  bekomme  nicht  nur  diesen  verschiedenen 
Rhythmen  gemäß  verschiedene  Gefühlseindrücke,  was  wol  unzweifelhaft  ist,  sondern 
das  Wohlgefallen  und  Mißfallen  an  ihnen  beruhe  auf  der  Auffaßbarkeit  oder  ünauf- 
faßbarkeit  der  ihnen  zum  Grunde  liegenden  Rhythmen,  welcher  Meinung  beizutreten 
mir  natürlich  nicht  in  den  Sinn  kommen  kann. 

Aber  viel  wichtiger  ist  es  mir,  Ihnen  wieder  einige  psychologische  Zweifel 
vorzulegen,  über  die  ich  mir,  wenn  meine  Bitte  nicht  zudringlich  erscheint,  zum 
Behufe  meiner  Vorlesungen  recht  bald  eine  Belehrung  erbitten  möchte.  Sie  be- 
treffen das  2.  Kap.  der  Mechanik  S.  253  ff.  Ist  von  einer  Hemmungssumme  S 
bereits  a  gehemmt,  so  ist  S  —  a  allerdings  die  Nöthigung  zur  ferneren  Hemmung, 
jedoch  in  folgendem  Sinne.  Es  ist  von  der  Vorstell,  a,  b,  c,  etc.,  deren  HS  =  S  zu- 
sammengenommen a  Kraft  geworden,  Kraft  zum  Aufstreben,  welche,  wenn  nicht  S 
als  Gegenkraft  wirkte.  Steigen  hervorbringen  müßte ;  S  —  a  ist  also  der  Überschuß 
der  zum  Sinken  treibenden  Kraft  oder  Last  der  HS.  über  das  Aufstreben  der  Vor- 
stellungen. 

Ob  nun  a,  b,  c  etc.  vorher  ungehemmt  waren,  oder  ob  a  und  b  sich  bereits  im 
Oleichgewicht  befanden,  ist,  wie  es  mir  scheint,  im  "Wesentlichen  einerlei.  Es  muß 
im  letztern  Falle  nur  von  S  die  HS.  von  a  und  b,  etwa  S'  im  Allgemeinen,  in 
Abzug  gebracht  werden.  Dies  gäbe  dann  also,  wie  S.  253,  für  a,  b,  c,  wo  dann 
a  und  b  im  Gleichgewicht  und  verschmolzen,  anfangs  als  zu  hemmendes  Quantum 
S  —  S'  =  c.  Sey  nun,  wie  a.  a.  0.,  nach  der  Zeit  t  davon  a  gesunken,  so  wird  dies 
aus  3  Theilen  bestehen,'  die  ich  in  Beziehung  auf  a,  b,  c  durch  a',  a'\  a'"  be- 
zeichnen will,  a'  und  a"  bezeichnen,  wie  viel  a  und  b  unter  ihren  vorigen  Gleich- 
gewichtspunct  (der,  wenn  c  gegen  sie  auf  der  Schwelle,  es  auch  ferner  bleibt)  ge- 
sunken; a'"  bezeichnet,  wie  viel  von  dem  vorher  völlig  freien  c  gehemmt  ist.  In 
beiden  Fällen  ist  sowohl  a'  \md  a"  als  »'"  Kraft,  nämlich  zum  Aufstreben,  der  Last 


»)  2  S.    4».     H.  Wien. 


Februar   1835.  133 


der  HS.  c  entgegen.'  Da  nun  a'  +  o"  -j-  a'"  =  a,  so  scheint  mir  in  c  —  a  schon  das 
Aufstreben  von  a  und  b  enthalten,  das  S.  2ö4  oben  noch  einmal  in  Rechnung  ge- 
bracht wird.  —  Gesetzt  nun  aber,  Sie  belehren  mich,  daß  dieser  zweite  Ansatz  noth- 
wendig  ist,  so  stoße  ich  mich  wieder  an  sein  Pluszeichen.  Ich  gebe  zu:  die  Hem- 
mungsverhältniße  dürfen  nicht  verletzt  werden,  und  keine  einzelne  Yoi-stellung  kann 
geschwinder  sinken  als  es  ihr  Hemmungsverhältniß  zu  den  übrigen  zuläßt.  Aber 
das  Aufstreben  von  a  und  b  muß,  soviel  ich  jetzt  einsehe,  ebendeshalb  das  Sinken 
der  HS.  verzögern.  Dies  Aufstreben  kann  nicht  die  einzelnen  Vorstell,  a  und  b 
unverhältnismäßig  empor  halten,  aber  es  stemmt  sich  gegen  das  Sinken  der  HS.  und 
kommt  mit  a  und  b  auch  dem  c  zu  gute,  so  daß  diese  alle  drei  langsamer  sinken 
müssen.   —   Daß   beide  Vorschläge  zu  unerfreulichen  Consequenzen  führen,  indem 

c  c 

das  einemal  t  =  te ,   das  anderemal  t  =  tg kommen  würde,   wovon  die 

"'c  —  or  c  —  aa 

erstere  Formel  nie  zu  einem  Wiederaufsteigen  von  a  und  b  führen,  die  2te  aber 
gar  eine  imaginäre  Größe  geben  würde,  begreife  ich  wohl;  aber  den  geraden  Aus- 
weg zu  finden,  wollte  mir  bisher  nicht  gelingen.  Erlösen  Sie  mich  aus  dem 
Labyrinth.  Vielleicht  kommen  mir  die  absurden  Consequenzen  unterdessen  auch 
noch  zu  Hülfe. 

Bei  Ankunft  Dires  letzten  Briefes  hatte  ich  bereits  an  E.  R.  Grolp  geschrieben, 
daß  es  in  dem  Sinne  geschehen  ist,  wie  Sie  und  ich  zugleich  es  wünschen  können. 

Meine  mathem.  Psychologie  besuchen  jetzt  noch  8  Zuhörer.  Ich  bin  damit 
sehr  zufrieden:  denn  wir  sind  in  die  Mechanik  getreten,  und  es  sind  Leute,  auf  die 
etwas  zu  geben  ist. 

Jetzt  geht  stark  die  Rede,  Reinhold  v.  Jena  solle  herberufen  werden.  Daß 
man  mit  ihm  unterhandelt  scheint  ziemlich  zuverlässig.  Mein  Befinden  ist  jetzt 
gerade  gut;  aber  es  wechselt  wie  das  Wetter  und  in  den  verschiedensten  Formen. 
Man  muß  den  guten  Tag  benutzen. 

Str.  hat  mich  mit  einer  Abhandlung  von  Thomas  über  Spinoza's  System  in 
des  Vfs.  Namen  beschenkt;  Bobrick  mit  seinen  ästhetischen  Vorlesungen,  die  ohne 
Zweifel  in  Ihren  Händen  sind.  So  fängt  es  denn  an,  sich  überall  zu  regen.  Und 
.  wir  dürfen  immer  bessere  Zeiten  hoffen. 

Von  Herzen  der  Hinge  Drobisch. 

506.    An  K.  Reichhelm  in  Berlin. i)  Göttingen,  8.  Febr.  .833. 

Mit  Schrecken  habe  ich  Ihren  Brief  gelesen;  keine  Nachricht  hatte 
mich  vorbereitet:  vielmehr  erwartete  ich  seit  Monaten  von  Ihrem  Vater 
ein  Lebenszeichen,  da  ich  im  Herbste  dem  Herrn  Stud,  Leichhardt  einige 
Zeilen  an  ihn  mitgegeben  hatte. 

Ihr  Vater,  2)  der  einst  unter  meinen  Zuhörern  hervorglänzte,  war 
späterhin  einer  meiner  vertrautesten  und  geprüftesten  Freunde  geworden. 
Noch  oft  wird  es  mir  begegnen,  ihm  in  Gedanken  etwas  mitzutheilen, 
das  kein  Andrer  erfährt,  und  das  er  nicht  mehr  vernehmen  kann. 

Sie  wird  wohl  nur  der  Gedanke  trösten  können,  ihm  wenig  Sorge 
und  viel  Freude  gemacht  zu  haben. 

Ihren  Jahren  wäre  es  zu  gönnen,  daß  Sie  noch  lange  durch  keinen 
solchen    Verlust    getrübt    in    den    Wissenschaften    und    zum    Staatsdienste 


^)  Später  Consist.-Rat  in  Frankfurt  a.  O.  Von  ihm  ist  der  Brief  durch  Vermitteluag 
des  Herrn  Prof.  Curtius  in  Leipzig  Ziller  mitgetheilt  worden.  Hier  kommt  er  nach 
Zillers   Reliquien  zum  Abdruck. 

■-)  Der  oft  im  Briefwechsel  vorkommende  Regierungsrath  in  Berlin. 


134  Februar  1835. 


möchten  vorschreiten  können.  Diese  Ruhe  müssen  Sie  nun  entbehren; 
Ihre  Mutter,  Ihre  Geschwister  und  Verwandte  werden  nun  in  Ihnen  eine 
Stütze  suchen. 

Ihr  Vater  wird  Ihnen  einen  sehr  geehrten  Namen  hinterlassen  haben ; 
ein    solcher  Name  kann  Ihnen  zur  Stütze  und  zur  Aufmunterung  dienen. 

Wenn  vielleicht  Ihre  Frau  Mutter  daran  denkt,  eine  Reise  zur  Er- 
holung zu  machen,  so  wolle  sie  sich  gütigst  meiner  Frau  erinnern,  die 
sich  hier  noch  immer  fremd  fühlt,  und  der  das  Wiedersehen  einer  Freundin 
sehr  heilsam  sein  würde.  Meine  gehorsame  Empfehlung  an  sie  bitte  ich 
zu  bestellen.  Von  Beileid  kann  ich  kaum  reden;  der  Verlust  ist  für 
mich  selbst  zu  groß  und  der  Schmerz  zu  tief.      Leben  Sie  wohl! 

Herbart. 

507.    Hendewerk  an  H.^)  Kgbg.  d.  9ten  Febr.  35. 

Ihr  sehnlichst  erwartetes  Schreiben,  innigst  verehrter  Herr  Hofrath,  hat  mich 
sehr  erfreut  und  meinen  Muth  nicht  wenig  erhöht,  denn  im  Bewußtsein  der  Un- 
voUkommenheit  meiner  Arbeit,  wie  sie  mir  denn  an  manchen  Stellen  besonders  gar 
nicht  genügen  wollte,  und  durch  Ihr  langes  Schweigen  besorgüch  gemacht,  fürchtete 
ich,  daß  Sie  mit  dem  Ganzen  wenig  zufrieden  sem  würden.  Dieses  scheint  aber 
nicht  der  Fall  zu  sein.  Ihnen  daher  für  die  gemachten  Ausstellungen  zunächst 
meinen  innigsten  Dank  sagend,  erkenne  ich  dieselben  als  wohlbegründet  an,  wie  Sie 
die  verbesserte  Abschrift  der  beiden  Fol.  davon  überzeugen  wird.  "Was  insbesondere 
das  nihil  negativum  und  positivum  betrifft,  so  weiß  ich  davon  nur,  daß  Olshausen 
in  seiner  Dogmengeschichte  solches  als  eine  Unterscheidung  eines  Scholastikers  an- 
führte. Da  indessen  ich  oder  Olshausen  sich  vielleicht  geirrt  hat,  so  habe  ich  die 
fragliche  Stelle  ganz  ausgelassen.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  des  Apostel  Paulus 
ontologischem  Beweise  des  Daseins  Gottes,  da  ich  dieses  auch  nur  als  eine  Reminis- 
cenz  aus  meinem  Collegium  bei  Hrn.  Prof.  Lelmert  angeführt  habe.  Daher  bitte 
ich  Sie  diese  Stelle,  wie  auch  die  andere  von  Ihnen  angeführte,  wo  ich  Schmidt's 
Memung  anführe,  gütigst  wegstreichen  ||  zu  wollen,  so  wie  Alles,  was  Ihnen  sonst 
noch  etwa  verfänglich  scheinen  möchte.  Ich  werde  solches  nur  dankend  anerkennen 
können.  Nachdem  aber  dieses  geschehen,  bitte  ich  Sie  dringend,  für  das  baldige 
Erscheinen  der  Schrift  und  ihre  bestmögliche  Ausstattung,  da  ich  schon  gerne  auf 
alles  Henorar  Verzicht  leiste,  Sorge  zu  tragen.  Es  gilt,  mein  innigst  Verehrter, 
nicht  mein,  nicht  Ihr  Interesse,  es  gilt  die  Sache  der  Wahrheit,  der  Religion,  des 
Christentums.  Sollte  es  mir  vergönnt  sein,  Ihnen  in  dieser  Arbeit,  in  diesem  Kampfe 
einige  Hülfe  zu  leisten,  so  daß  ich  wahrhaft  werth  bin,  von  Ihnen  mit  dem  Namen 
eines  Freundes  geehrt  zu  werden,  so  wird  meine  Freude  über  die  Maaßen  groß  sein. 
Aber  das  Bewußtsein  eines  so  hohen  Berufes  kann  mir  nur  durch  das  Gelingen 
meiner  wie  immer  mangelhaften  ersten  Anstrengungen  erhalten  werden,  wird  durch 
jedes  Mißlingen  gaschwächt.  Denn  ich  bin  überzeugt,  daß  die  wahre  Philosophie 
nur  dann  allgemeine  Anerkennung  und  ||  Förderung  finden  wird,  wenn  ihr  inniges 
und  wesentliches  Verhältni-ß  zum  Christenthume  dargethan  sein  wird.  Darum  mögen 
Drobisch,  Strümpell,  Röer  sich  der  Naturwissenschaften  bemächtigen  und  auf  diesem 
Gebiete  Ihre  Philosophie  geltend  machen,  ich  will  die  Bahn  brechen,  ihr  auch  in 
der  Theologie  Geltung  zu  verschaffen.   Sie  sagen:  „die  Schleiermacherschen  Schriften, 


')  4  S.  40.  H.  Wien.  —  Die  Unterschrift  des  Briefes  ist  ein  unleserlicher 
Anfangsbuchstabe.  Sicher  rührt  der  Brief  von  Hendewerk  her,  es  ist  die  Antwort 
auf  Nr.  504. 


Febraur  1835.  135 


die  jetzt  herauskommen,  werden  mir  Stoff  und  Arbeit  geben  etc."  Wünschen  Sie, 
daß  ich  mich  hiemit  jetzt  beschäftigen  soll?  Ich  für  meiu  Theil  beabsichtige  jetzt  die 
Entwerfung  eines  Grundrisses  der  christlichen  Ethik  und  hoffe  in  ihm  den  Begriff 
der  sittlichen  Schönheit  als  in  der  Bibel  wesentlich  gegeben  geltend  machen  zu 
können.  Ein  Vorläufer  dieses  Grandrisses  soll  eine  Broschüre  mit  dem  Titel:  .,rf?e 
sittliche  Schönheit  ein  Hauptbegriff  des  N.  T."')  sein,  worin  ich  die  meinen  Piincipiis 
ethicis'^)  von  den  Recensenten  gemachten  Ausstellungen  erörtern  kann.  Daher  wollen 
Sie  die  Güte  haben,  auch  füi-  dieses  Schriftchen  an  einen  Verleger  bei  Zeiten  oder 
doch  bei  Gelegenheit  zu  denken. 

Damit  Sie  sehen,  welchen  Einfluß  Ihre  Philosophie  ||  auch  auf  meine  Kanzel- 
vorträge hat,  so  überschicke  ich  Ihnen  hier  eme  Predigi.  In  dem  Falle,  daß  Sie 
Ihnen  nicht  mißlungen  erscheint,  bitte  ich  das  zweite  Exemplar  der  Frau  Hofräthin 
mit  einer  freundlichen  Empfehlung  einhändigen  zu  wollen.  Im  Buchladen  ist  sie  nicht 
zu  haben  Alle  meine  bisherigen  Predigten  habe  ich  mehr  oder  weniger  von  dem 
Standpunkte  Ihrer  Psychologie  und  allg.  prakt.  Philos.  aus  verfaßt,  und  ich  hoffe, 
daß  auch  auf  diesem  Wege  Vieles  gewonnen  werden  kann. 

Nun  leben  Sie  wohl,  mein  unaussprechlich  verehrter  Lehrer,  und  erhalten  Sie 
mir  Ihr  Wohlwollen,  Ihre  Achtung,  ja  ich  kann  jetzt  auch  wohl  schon  sagen,  Ihre 
Freundschaft.  Gott  wolle  Ihre  theure  Gesundheit  und  Thatkraft  Ihnen  noch  lange, 
lange  erhalten,  wie  er  denn  auch  mich  und  alle  die  die  Wahrheit  lieben  kräftigen 
•wolle.  Verehrungsvoll     Ihr  H. 

508.    An  Drobisch.3)  9  Febr.  35. 

Entschuldigen  Sie,  mein  verehrtester  Freund!  daß  ich  nicht  sogleich, 
■wie  ich  gesollt  hätte,  geantwortet  habe.  Die  erschütternde  Nachricht  von 
Reichhelms  Tode  traf  zusammen  mit  einem  Besuch  meines  ältsten  Uni- 
versitätsfreundes, des  Bremischen  Bundestags -Gesandten  Bürgermeister 
Smidt,  mit  welchem  wir  noch  obendrein  in  ein  paar  Abendgesellschaften 
zusammen  eingeladen  waren  —  und  so  gings  fort;  daher  es  mir  aus  den 
Gedanken  kam,  daß  Sie  eine  schnelle  Antwort  gerade  diesmal  ausdrücklich 
verlangt  hatten.  Sonst  hätte  ich  doch  ein  paar  Zeilen  gleich  geschrieben, 
denn  die  Sache  ist  mir  nicht  im  geringsten  zweifelhaft,  obgleich  ich  ein- 
räume  daß    sie  auf  den  ersten  Anblick    etwas  Befremdliches    haben  kann. 

Sie  sagen:  a' -\- o" -\- a'"  =  n  ist  Kraft  geworden.  Ja  freylich  — 
nur  nicht  wirksame   Kraft  für  die  jetzige  Rechnung. 

Wie  auch  immer  eine  Hemraungssumme  entstanden  sey  und  sinke: 
so  ist  das  nach  Verlauf  der  Zeit  t  gesunkene  a  niemals  wirksam  gegen 
das  fernere  Sinken,  sondern  es  ist.  nur  das  Quantum,  um  wieviel  dem 
jetzt  überhaupt  nothwendigen  Sinken  Genüge  geschehen   sey. 

Das  Befremdliche  liegt  nun  darin,  daß  dennoch n   das 

Sinken  nicht  wie  Sie  sagen  verzögert  —  sondern  beschleunigt.  Diese  be- 
schleunigende Kraft  erscheint  nämlich  wegen  des  Buchstabens  n  dem  Auge 
so,   als  wäre   sie  ein  Theil   der  Hemmungssumme.     Das  ist  sie  aber  nicht, 

')  „Ästhetik  und  Christentum"  heißt  ein  Aufsatz  in  dem  0.  S.  130  genannten 
Buche  von  Hendewerk,  „Herbart  u.  die  Bibel''. 
■-)  Vgl.  den  vorhergehenden  Bd.  S.  22.5. 
")   3  S.    4".      Mit  ausgerissenen  .Stellen. 


136  Februar  1835. 


sondern  nur  eine  Kraft  deren  Größenbestimmung  von  n  abhängt.  Die 
wahre  Hemmungssumme  sinkt  immer  fort,  ihrem  Gesetze  gemäß;  daran 
läßt  sich  gar  nichts  ändern.  Der  Umstand,  daß  einstweilen  a  und  b  daran 
Theil  nehmen  müssen,  ||  vermehrt  nur  das  Gedränge,  worin  c  gegen  a  und 
b  geräth.  c  drängt,  und  wird  wieder  gedrängt;  durch  die  Reaction  wird 
es  selbst  genöthigt,  schleuniger  zu  sinken.  Das  geht  so  fort  bis  die 
Hemmungssumme  ganz  gesunken  ist.  Dann  ist  der  allgemeinen  Noth- 
wendigkeit,  daß  sich  das  Quantum  des  wirklichen  Vorstellens  vermindere, 
Genüge  geschehn,  und  nun  kommt  es  nur  noch  darauf  an,  daß  sich  das 
verletzte  Gleichgewicht  (da  a  und  b  unter  ihren  statischen  Punct  herab- 
gedrängt sind,)  wieder  herstelle. 

Es  kommt  nur  darauf  an,  den  Begriff  der  Hemmungssumme  gehörig 
vestzuhalten.  Diese  liegt  in  keiner  einzelnen  Vorstellung,  sondern  im 
Conflict  aller  wegen  ihres  Gegensatzes.  Dem  Conflict  muß  nachgegeben 
werden:  anfangs  gegen  die  Rechte  der  Einzelnen.  Denn  c  kann  nur 
sinken  indem  es  gegen  a  und  b  drängt;  daher  müssen  a  und  b  sich  ge- 
fallen lassen,  daß  bey  ihnen  eine  gezwungene  Anleihe  gemacht  wird;  allein 
sie  dringen  sogleich  und  immerfort  auf  Bezahlung,  und  dies  Dringen  muß 
c  sich  gefallen  lassen.  Das  ist  jene  Beschleunigung  welche  durch  das 
von  Ihnen  erwähnte  Pluszeichen  angedeutet  wird.  —  Wahrscheinlich  haben 
Sie  das  Alles  schon  Selbst  gefunden. 

Mit  dem  Hm  Opelt  scheints  doch  nicht  viel  zu  seyn.  Das  vermeinte 
Zusammenfallen  der  Schwingungen  ist  baare  Thorheit.  Es  setzt  voraus 
daß  die  Quinten  exact  gestimmt  seyen;  nun  ist  aber  diese  mathematische 
Genauigkeit  in  praxi  niemals  zu  erwarten,  und  so  würden  wir  wenn  es 
darauf  ankäme  niemals  wirklich  Musik  hören  und  verstehen  und  fühlen.  || 

Mit  Hrn  Thomas  ists  —  unter  vier  Augen  gesagt,  —  auch  nicht 
viel!  Lassen  Sie  aber  das  dem  Strümpell  nicht  merken;  er  weiß  es  schon 
zu  gut,  und  verdirbt  sich  damit  die  Verhältnisse  mit  Thomas,  während  er 
der  Mutter  des  Thomas  so  viel  Verbindlichkeiten  hat,  daß  er  durchaus 
nicht  undankbar  seyn  darf. 

Sollte  Reinhold  dorhin  kommen,  so  bedenken  Sie  wohl,  daß  Sie 
einen  Mystiker  bekommen;  wenn  er  auch  von  außen  dialektisch  genug 
aussiehf.  Es  wird  vergebliche  Mühe  seyn,  mit  ihm  zu  disputiren;  Sie 
werden  dennoch  im  Umgange  einen  wackern  und  gescheuten  Mann 
finden.  Aber  Theologie  ist  sein  letztes  Ziel,  und  darnach  bequemt  sich 
sein  Denken. 

Von  Königsberg  sind  gute  Nachrichten  da;  Taute  liest  Psycholog. 
[ — ]  Stunde  wie  Sie  und  ich;  er  lieset  auch  Logik  und  Pädagogik^  und 
ist  [mit]  dem  Fleiße  der  Zuhörer  im  Ganzen  wohl  zufrieden.  —  U7iter  vier 
[Auge/i']  setze  ich  hinzu,  daß  Rsz^)  in  der  Meinung  der  dortigen  Gelehrten 
immer  tiefer  sinkt.  Dies  darf  aber  nicht  von  uns  erzählt  werden,  weil  es 
sonst  meine  dortigen  Freunde  auf  eine  für  sie  gefährliche  Weise  com- 
promittirt.  Besser  ist:  Sie  fragen  einmal  Strümpelln,  ob  er  Nachricht  über 
Jisz  von  Königsberg  aus  erhalten  habe?  Dann  werden  wir  erfahren,  ob 
die  Nachrichten  gleich  lauten. 


^)  Rosenkranz. 


i835-  137 

Nächstens  schicke  ich  Ihnen  eine  kleine  pädagogische  Schrift;  aber 
nicht  jetzt,  damit  dieser  Brief,  der  eilig  ist,  nicht  aufgehalten  werde. 

L^nd  hiemit  sage  ich  freundlichst  guten  Morgen,  —  denn  ich  kann 
nicht  länger.  Ganz  Ihr     H 

509.    Drobisch  an  H.^)  (Ohne  Datum.) 

Hochverehrter  Herr  und  Freund !  Mein  Dank  auf  Ihre  gefällige  Auskunft  über 
meine  neulich  geäußerten  Scrupel  kommt  etwas  spät.  Ich  wartete  darauf,  ihn  mit 
noch  andern  Mittheilungen  verbinden  zu  können.  Die  Noth  hatte  mich  freilich  ge- 
zwungen mir  selbst  zu  helfen  und  es  freut  mich,  daß  es,  wie  ich  nun  einsehe,  auf 
eine  im  Wesentlichen  mit  Ihnen  zusammentreffende  Art  geschehen  war.  Das  zweite 
Capitel  der  Mechanik,  dessen  VoraussetzuBgen  ich  mit  einiger  Ausführlichkeit  ent- 
wickelt habe,  hat  mich,  da  ich  die  Sache  zu  erschöpfen  versuchte,  etwas  lange  auf- 
gehalten. Sehr  gute  Dienste  leistete  mir  in  der  Mechanik  die  Construction  der 
Formeln  der  Bewegung  durch  Curven  (logistische  Linien).  Man  übersieht  das  Steigen 
und  Sinken  der  einzelnen  Vorstellungen,  das  Stetige  und  Plötzliche  ihrer  Be- 
wegungen etc.  alles  auf  einem  Blick  -und  sie  helfen  so  fast  noch  mehr  als  Zahlen- 
beispiele. Ich  halte  diesen  Zusatz  für  sehr  vortheilhaft,  uni  dem  was  Sie  geleistet 
leichteren  Eingang  zu  verschaffen  und  recht  eigentlich  Evidenz  zu  geben.  Sonst 
würde  ich  mich  auf  Einzelheiten  einlassen  müssen,  wollte  ich  Ihnen  angeben,  was  ich 
Ihren  Untersuchungen  etwa  hinzuzufügen  versucht  habe.  Zunächst  kommt  es  noch 
nicht  hauptsächlich  auf  wichtige  Erweiterungen  sondern  auf  Erweckung  von  Zutrauen 
zu  dem  Gegebenen  an.  Es  ist  mir  übrigens  erfreulich  und  beruhigend,  daß  Strümpell 
mit  Eifer  und  Interesse  diese  Vorlesungen  besucht,  mit  Theilnahme  von  meiner 
Darstellung  spricht  und  einigen  Werth  darauf  zu  legen  scheint,  wie  denn  auch  die 
Aufmerksamkeit  der  übrigen  Zuhörer,  die  bisher  geblieben  sind,  sich  ungeschwächt 
zeigt.  Auf  Str.  muß  ich  aber  wirklich  etwas  geben.  Wir  haben  gegenseitig  zu  ein- 
ander Vertrauen  fassen  gelernt.  In  der  Meinung,  daß  er  ein  vortrefflicher,  scharf 
denkender  Kopf  ist  bin  ich  noch  keinen  Augenblick  wankend  geworden.  Ich  kenne 
Ihre  übrigen  Schüler  fast  alle  nicht  persönlich,  aber  einen  talentvolleren,  dünkt 
mich  haben  Sie  nicht.  Aber  auch  zu  seiner  Gesinnung  habe  ich  das  beste  Ver- 
trauen. Sie  wissen,  es  stieß  mich  in  seinem  Wesen  etwas  ab;  ich  weiß  nicht,  sollte 
ich  es  Arroganz  oder  Affeetation  oder  wie  sonst  nennen.  Sey  es  nun  daß  ich  mich 
daran  gewöhnt  habe,  oder  er  etwas  abgelegt  hat,  ich  habe  jetzt  ein  gutes  Zutrauen 
zu  ihm  und  fürchte  keinen  Hinlerhalt.  In  wissenschaftüchen  Dingen  habe  ich  ihm 
zuweilen  mit  größter  Freimüthigkeit  und  mit  Energie  seine  Ansichten  |l  bestritten, 
wo  sie  mir  ungegründet  schienen :  denn  er  drückt  sich  bestimmt  und  energisch  aus, 
daher  man  auch  ihm  wieder  die  Daumen  auf  das  Auge  setzen  muß;  aber  das  gute 
Verhältniß  hat  dies  nie  gestört.  Was  mich  aber  jederzeit  gefreut  hat,  das  ist,  daß 
er  es  mit  der  Philosophie  ernst  zu  nehmen  scheint  und  verlangt,  daß  sie  das  ganze 
Denken  und  Handeln  des  Menschen  durchdringe,  und  nicht  als  gelehrter  Staat  diene. 
—  Recht  sehr  beklage  ich  es  unter  diesen  Umständen,  daß  es  ihm  an  Mitteln  zu 
fehlen  scheint,  die  freilich  langgestreckte,  akademische  Laufbahn  einzuschlagen.  Von 
seiner  Habihtation  ist  noch  nicht  die  Rede;  er  hat  mit  Buchhändlern  anzuknüpfen 
gesucht  und  angeknüpft;  aber  freilich  ist  dies  nur  ein  kleiner  Zuschuß  und  er  denkt, 
gezwungen,  immer  noch  auf  irgend  ein  Fortkommen,  das  —  ihn  seinem  natürlichen 
Berufe  entziehen  muß.  So  ist  es  denn  auch  noch  ungewiß,  ob  er  länger  als  bis 
Ostern  hier  bleibt,  und  wohin  er  sich  dann  wenden  wird. 

')  2  S.    4".     H.   Wien. 


178  Febniar  1835. 


Hartenstein  hat  seine  außerordentliche  Professur  mit  einem  Programm  ange- 
treten, das  gewissermaßen  eme  Nachbildung  oder  Fortsetzung  Ihres  Göttinger  Pro- 
gramms ist. ')  Er  hat  mir  versprochen,  es  Ihnen  zu  senden,  vielleicht  haben  Sie  die 
Güte,  ihn  mit  ein  paar  Zeilen  zu  erfreuen.  Mir  kommt  die  Schrift  nicht  ganz  übel 
vor;  wenigstens  führt  er  eine  entschiedenere  Sprache  als  ich  erwartet  hatte.  Jedes 
Zeichen  von  Befestigung  Ihrer  Philosophie  hier  am  Orte  ist  mir  erfreulich:  denn 
ich  darf  mir  sagen,  daß  ich  dazu  zuerst  das  Signal  gegeben  habe.  Ob  die  weitere 
Förderung  durch  mich  oder  andre  geschieht,  ist  der  Sache  gleichgültig. 

Man  spricht  hier  von  der  Abdankung  Altensteins  und  der  Ersetzung  desselben 
durch  Ancillon.  Wie  wichtig  wäre  das  für  die  Philosophie!  Mit  dem  Prohibitiv- 
system zu  Gunsten  der  Hegeischen  Schule   dürfte  es  dann  mindestens  vorbei  seyn. 

Wohin  gedenken  Sie  denn  dieses  Frühjahr  Ihren  Wanderstab  zu  setzen?  Ich 
frage  nicht  ohne  egoistisches  Interesse.  Daran,  Sie  auf  einer  weiteren  Reise  zu  be- 
gleiten, kann  ich  nicht  denken;  aber  Sie  irgendwo  in  nicht  zu  fernem  Rayon  zu 
treffen,  würde  mir  großen  Genuß  gewähren.  Doch  halten  Sie  dies  für  nichts  mehr 
als  eine  bescheidene  Anfrage.  Zum  Jahre  1836  hat  mich  unser  Anatom  Weber 
schon  aufgesungen,  mit  ihm  zum  100jährigen  Jubiläutn  nach  Göttingen  zu  wandern. 
Was  der  Mann  für  Muth  hat;  eine  einjährige  Einladung  ergehen  zu  lassen.  Ich 
weiß  nicht,  ob  ich  in  14  Tagen  auf  den  Beinen  bin  oder  nicht.  Wenigstens  hatte 
ich  im  vorigen  Monat  wieder  einen  leichten  Anfall  von  Kopfgicht,  dem  jedoch  noch 
glücklich  und  schnell  Einhalt  gethan  wurde.  Aber  ich  habe  schon  bei  jungen  Jahren 
ein  paar  böse  Begleiter  durch  das  Leben  an  mir.  Doch  auch  dies  gehört  zu  dem 
Gegebenen;  wir  müssens  verarbeiten! 

Reichhelm's  Tod  hat  auch  mich  erschüttert.  Was  konnte  diesem  kräftigen, 
rüstigen  Manne  begegnen?  Daß  ich  unter  diesen  Umständen  von  Grolp  sobald  keine 
Antwort  zu  erwarten  habe,  ist  natürlich.  Empfehlen  Sie  mich  und  meine  Frau  ge- 
fälligst Ihrer  Frau  Gemahlin  und  bewahren  Sie  Ihre  Freundschaft 

Ihrem  aufrichtig  ergebensten     M.  W.  Drobisch. 

510.  Hoppenstedt  an  H.  "^)  Hannover  15.  Febr.  35. 

Euer  Hochwohlgebohren  danke  ich  auf  das  verbindlichste  für  die  gütige  Zu- 
sendungrdes  Umrißes  pädagogischer  Vorlesungen  und  freue  mich  zugleich,  von  Ihnen 
vernommen  zu  haben,  daß  Euer  Hochwohlgeboren  mit  dem  Fleiße  Ihrer  Zuhörer 
und  mit  dem  Interesse,  welches  dieselben  an  Ihren  Vorlesungen  nehmen,  zufrieden 
sind.  — '  Auch  kann  das  Curatorium  es  nui  dankbar  erkennen,  wenn  Sie  das  Inter- 
esse an  Ihren  geistvollen  Vorträgen  durch  Erweiterung  derselben  immer  mehr  zu 
fördern  suchen.  Ich  verspreche  mir  davon  die  günstigsten  Folgen  auch  für  den 
wissenschaftlichen  Sinn  der  Studierenden  im  Allgemeinen. 

Mit  den  hochachtungsvollsten  Gesinnungen  empfehle  ich  mich 

Euer  Hochwohlgeb.  gehorsamst    S.  Hoppenstedt. 

511.  An  Griepenkerl. 3)  Postst.:  Göttingen  20.  Febr.  [1835]. 

Was  macht  man  doch  mit  Ihnen,  mein  alter  Freund!  Sie  sind  auf 
allen  Seiten  gewappnet. '  Stellt  man  sich  eifersüchtig  auf  Spontini,  so  lassen 
Sie  das  fein  sachte  abgleiten.  Mahnt  man  Sie  an  Ihr  Versprechen,  so 
erklären  Sie  rund   heraus,   kaum   sey   der   Wille   dazu  in   Ihnen   fertig! 

')  De  methodo  philosophiae,  logicis  legibus  adstriosouda  finious  nun  tenniuanda. 

■')  IS.    4«.     H.  Wien. 

•')   2  S.    4".     H.  "Wien.  —  Bei  Zimmermann  S.  56. 


Febniar    1835.  13g 


Unter  solchen  Umständen  muß  ich  denn  wohl  anfangen  mich  zu 
entschuldigen.  Als  Sie  eine  Recension  meiner  Encykl.  —  und  wer  weiß 
wie  vieles  sonst  für  die  Jenaische  L.  Z.  versprochen  hatten,  und  nichts 
davon  erschien:  da  leistete  ich  im  Stillen  Verzicht.  —  denn  es  waren 
Sachen  die  mich  persönlich  betrafen.  Jetzt  aber  ist  von  Pädagogik  die 
Rede,  —  die  Sie  vermöge  eigner,  seltener,  langer  Erfahrung  als  Ihr 
eignes  Fach  ansehen:  so  daß  ich  wohl  eben  so  sehr  Ihr  Mitarbeiter  seyn 
würde,  als  Sie  der  meinige,  wenn  Sie  Sich  darüber  laut  vernehmen  ließen. 
Beschuldigen  Sie  mich  also  nicht,  als  ob  ich  —  Ihnen  zu  gute  —  eine 
andre  Darstellung  des  Faches  nicht  ausgeschlossen  hätte!  Nein  wahrlich, 
solche  Anmaaßung,  als  hinge  es  von  mir  ab,  Ihnen  zu  einer  andern 
Darstellung  Raum  zu  lassen  oder  nicht,  —  ist  mir  nicht  in  den  Sinn 
gekommen. 

Mein  neuer  Umriß  läuft  um  die  allgemeine  Pädagogik  herum,  er 
enthält  sie,  denn  das  halbe  Collegium  wird  nach  dem  alten  Buche  gelesen. 
Die  alte  Darstellung  meines  eignen  Buches  war  es,  die  ich  nicht  aus- 
schließen wollte,   weil  ich  sie  fortdauernd  nöthig  habe.  |' 

So  sehr  nun  auch  Ihr  letzter  Brief,  der  aus  lauter  „Vielleicht"  zu- 
sammengesetzt ist,  mich  abschreckt,  an  das  Zusammenwirken,  was  so  höchst 
nöthig  ist,  ernstlich  zu  denken:  so  kann  ich  mich  doch  nicht  enthalten 
zu  sagen,  daß,  wenn  Sie  es  einmal  bis  zum  Wollen  brächten,  das  Zu- 
sammenwirken sich  viel  leichter  von  selbst  finden  würde,  als  Sie  zu 
glauben  scheinen.  Daß  wir  nicht  unmittelbar  auf  die  Praxis  der  Schulen 
wirken  können,  daß  die  Odyssee  und  das  ABC  d[er]  Ansch[auungl  (was, 
bevläufig,  keiner  Tafel,  sondern  nur  hölzerner  Dreyecke  bedarf)  jetzt  zu- 
nächst nur  Nebensachen  sind,  liegt  uns  wohl  beyden  gleich  klar  vor  Augen. 
Aber  Sie  haben  die  Bedingungen  der  sittlichen  Charakterbildung  von  neuem 
überdacht!  Nun  wohl  denn!  Das  ist  eben  die  Hauptsache.  Dahin  zielt 
in  meinem  Schriftchen  der  §.  43  in  Verbindung  mit  §.  153  — 162.  Darüber 
wünsche  ich  Ihren  Commentar  oder  Ihren  Tadel  —  gleichviel:  denn 
Alles  kommt  darauf  an,  daß  diese  im  Publicum  gänzlich  in  Verwirrung 
gerathenen  Begriffe  zur  Sprache  kommen,  um  allmählig  aufgeklärt  zu 
werden.  Und  da  gilt  es  nicht  so  zu  schreiben  wie  in  Ihrem  Briefe  steht: 
„vielleicht  wäre  es  nützlich"  u.  s.  w.  sondern  es  ist  ganz  entschieden 
höchst  dringend  nothwendig,  daß  ein  Mann  wie  Sie  darüber  seine  Ge- 
danken auseinandersetze  und  verlautbare.  Auch  steckt  in  den  §§  144 
bis  152  des  Psychologischen  genug,  worüber  Sie  nach  Ihrer  Erfahrung 
würden  zu  reden  haben. 

Doch  —  ohne  weiter  in  Sie  zu  dringen  —  noch  Ein  letztes  Wort! 
Röer  sinkt.  Strümpell  hat  die  größte  Mühe  sich  zu  halten;  die  Honorare 
von  Jena  pflegen  =  o  zu  seyn.  Wird  mir  nicht  jetzt  —  ich  sage  jetzA 
eine  nachdrückliche  Hülfe  im  Publicum  geleistet:  so  sehe  ich  keine  Mög- 
lichkeit, jenen  beyden  meinerseits  zu  helfen.  —  Von  Königsberg  ist,  so 
weit  ich  in  diesem  Augenblick  sehe,  wenig  oder  nichts  zu  erwarten. 
Reichhelm  ist  plötzlich  gestorben.  —  Mit  ihm  geht  auch  die  Hoffnung  ver- 
loren, die  auf  Darlegung  seiner  pädagogischen  Erfahrung  gerichtet  seyn  konnte. 
Daß  Ihr  ewiges  Aufschieben  einem  völligen  Aufgeben  gleicht,  können  Sie 
Sich  Selbst  unmöglich  länger  verhehlen.    Die  rechte  Zeit,  die  Ihnen  noch  nicht 


IAO 1835- 

gekommen  ist,  wird  Ihnen  nie  kommen.  Aber  eine  zu  späte  Reue  könnte 
wohl  einmal  folgen.  Nicht  als  ob  ich  nicht  meine  Tonne  zu  wälzen  hier 
Raum  genug  hätte,  —  aber  so  lange  meine  Gedanken  mit  meinem 
individuellen  Stempel  bezeichnet  bleiben,  hilft  mein  Reden  und  Schreiben 
zu  nichts.  Sie  verschweigen  das,  was  Sie  —  nicht  in  meinem  Namen, 
sondern  in  Ihrem  eignen  Namen,  aus  Vollmacht  eigner  Erfahrung  zu 
sagen,  hinreichenden  Beruf  haben!  Doch  auch  so  —  unverändert  der 
Ihrige!  H. 

512.    An  Griepenkerl.  ^) 

Mein  theurer  Freund !  Ich  kann  fürs  Erste  nichts  Literarisches  weiter 
vornehmen.     Meine  Vorlesungen  geben  mir  übermäßig  zu  thun. 

Daß  Sie  gegen  Spinoza  etc.  die  Unmöglichkeit,  eine  Pädagogik  an- 
zuknüpfen, nachweisen  wollen,  ist  ganz  recht,  und  sogar  sehr  nöthig. 
Aber  dazu  müssen  Ihnen  nicht  blos  meine  Schriften  Hülfe  leisten,  sondern 
die  Schriften  der  Gegner  sollten  Ihnen  vor  Augen  liegen.  Um  meiner- 
seits zu  helfen,  so  gut  es  in  der  Entfernung  geht,  schicke  ich  hier  Aus- 
züge aus  Spinoza  und  Kant,  die  ich  gerade  liegen  habe;  aber  ich  muß 
die  Blätter  nach    14  Tagen  zurückhaben. 

Vergleichen  Sie  gefälligt  zuerst  den  §116  der  dritten  Ausgabe  meiner 
Einleitung.  Schon  dort  finden  Sie  Stellen  aus  Spinoza,  die  zum  Theil  zu 
Ihrem  Zwecke  dienen  können.  Näher  liegt  Ihnen  aber,  was  ich  Ihnen 
handschriftlich  aus  der  Ethik  des  Spinoza,  dem  Hauptwerk,  hier  vorlege. 
Sie  sehen  schon  aus  7,  daß  Spinoza  höchstens  eine  Erziehung  gege/i  die 
Affecte  veranstalten  würde,  ferner  aus  15,  daß  er  einen  stärkern  Affect 
gegen  den  schwächern  (das  stärkere  Gift  gegen  das  schwächere)  aufbieten 
würde,  dann  aus  21,  daß  er  die  Staatsgewalt  zu  Hülfe  ruft,  weil  die  Ver- 
nunft nicht  hinreiche;  ferner  aus  dem  Unsinn  28,  qui  corpus  ad  plurima 
aptum  habet,  is  mentem  habet,  cuius  maxima  pars  est  aetema,  daß  man 
die  Körper  umschaffen  müßte,  um  die  Geister  zu  erziehen  (vergleichen 
Sie  meine  Gespräche  über  das  Böse);  weiter  aus  24,  daß  er  von  dem 
Affect  eine  klare  und  deutliche  Vorstellung  fordert,  um  ihn  dadurch  zu 
zwingeo;  aus  26,  daß  alle  AfFectionen  des  Leibes  auf  Gott  bezogen  werden 
sollen;  aus  25,  daß  er  den  Fatalismus  oder  die  Erkenntniß,  Alles  sei 
nothwendig,  gegen  die  Afifecte  zu  Hülfe  ruft  —  und  aus  5,  daß  alle  Er- 
ziehung baare  Thorheit  sein  würde,  indem  jeder  Mensch  alles,  was  er 
thut,  ex  praedeterminato  naturae  ordine  —  id  est,  ex  singulari  Dei  voca- 
tione  thut ;  da  nun  unsere  Zöglinge  nie  aus  dem  göttlichen  Berufe,  d.  h. 
aus  der  vorbestimmten  Nothwendigkeit  herausweichen  werden  und  können 
(nach  der  fatalistischen  Ansicht),  so  brauchen  wir  uns  mit  der  Erziehung 
nicht  die  geringste   Mühe  zu  geben. 

Das  wäre  schon  Unsinn  genug,  wenn  auch  nicht  noch  1 1 ,  die  „ Vor- 
urtheile  vom  Guten  und  Bösen"  jede  Moral  zernichteten,  und  hiermit  den 

*)  Die  beiden  Briefe  an  Griepenkerl  Nr.  512  u.  513  werden  hier  eingefügt.  Sie 
sind  ohne  Datum.  Nr.  513  gehört  offenbar  in  eine  spätere  Jahreszeit.  Da  die  Originale 
nicht  mehr  aufgefunden  wurden,  dienten  Zillers  Reliquien  S.  218  ff.  als  Druckvorlage. 
Offenbare  Druck-  oder  Schreibfehler  sind  verbessert. 


1835^ 141 

Zweck  der  Erziehung  aufhöben.  —  Kurz:  nach  Spinoza  soll  man  ebenso- 
wenig erziehen  wollen,  als  man  es  nach  ihm  können  würde. 

Was  Kant  anlangt,  so  werden  Ihnen  die  angezeichneten  Stellen  (32 
bis  47)  zu  Hülfe  kommen,  um  die  „Grundlegung  zur  Metaphysik  der 
Sitten"  leichter  zu  benutzen.  Sie  müssen  aber  dies  kleine  Büchlein  selbst 
zur  Hand  haben. 

Was  Fichte  betrifft,  so  steht  es  mit  ihm  in  Ansehung  des  Zwecks 
der  Erziehung  freilich  nicht  so  schlecht,  wie  bei  Spinoza;  doch  kann  man 
sein  Sittengesetz  für  Kinder  nicht  gebrauchen;  denn  sie  sollen  gehorchen 
und  lernen;  nach  Fichte's  Sittenlehre  S.  66  liegt  aber  das  Sittengesetz 
in  dem  „noth wendigen  Gedanken  der  Intelligenz,  daß  sie  ihre  Freiheit 
nach  dem  Begriffe  der  Selbstständigkeit  schlechthin  ohne  Ausnahme  be- 
stimmen sollte".  Wie  irreligiös  dies  ist,  darüber  können  Sie  meine  Ency- 
klopädie  von  S.  319  an  —  besonders  aber  S.  360  und  da  herum,  ver- 
gleichen. Fichte's  ganze  Sittenlehre  beruht  auf  dem  Streben  des  Ich  gegen 
das  gesammte  Nicht -Ich,  d.  h.  gegen  die  Welt.  —  Daß  nun  überdieß 
nach  Fichte's  Idealismus  der  Zögling  dem  Erzieher,  und  der  Erzieher  dem 
Zöglinge,  7iur  Erscheinung  sein  würde,  daß  alle  Erziehung  selbst  nur  Er- 
scheinung —  keineswegs  eine  wahre  Causalität  wäre  —  daß  überhaupt 
die  zeitlose  transcendentale  Freiheit  keine  zeilliche  Besserung  gestattet 
(worüber  in  meiner  Einleitung  §  107  und  109),  ist  bekannt  genug.  Wollen 
Sie  aber  Fichten  selbst  auf  dem  pädagogischen  Felde  treffen,  wohm  er 
gerathen  ist.  ohne  daß  man  recht  sieht  wie?  so  müssen  Sie  nothwendig 
seine  Reden  an  die  deutsche  Nation  zur  Hand  nehmen.  Da  finden  Sie 
—  ganz  unabhängig  vom  System  —  eine  Masse  pädagogischen  Unsinns, 
gegen  welchen    recht  tapfer  zu  streiten,   gar  sehr  die  Mühe  lohnen  kann. 

Von  Hegeln  ist  kurz  zu  bemerken,  daß  er  seiner  Methode  nach 
Fichtianer  ist,  indem  er  aus  der  Fichte'schen  Thesis,  Antithesis  und  Syn- 
thesis  die  Methode  zu  machen  gesucht  hat,  und  in  seinem  Naturrecht  das 
Fichte'sche  Ich  überall  zum   Grunde  liegt. 

Unverändert,   und   in  Erwartung  Ihres  Sohnes  Ihr   H. 

513.    An  Griepenkerl. 

Mein  theurer  Freund !  Die  brennende  Hitze  hatte  mich  auf  der 
Reise  so  angegriffen,  daß  ich  zwar  gesund,  aber  entsetzlich  müde  von 
Fahren  und  Gehen,  hier  ankam;  daher  werden  Sie  gütig  entschuldigen 
daß  ich  mein  Versprechen  zu  schreiben  nicht  gleich  erfüllte. 

Anstatt  Ihnen  Kant's  Grimdlegung  zur  Metaphysik  der  Sitten  zu 
schicken,  welche  ich  doch,  um  Ihnen  das  Nachsuchen  nach  passenden 
Stellen  zu  sparen,  mit  einer  Bezeichnung  der  Stelle  begleiten  müßte  — 
und  da  das  Umhersuchen  nach  Parallelstellen  in  andern  Schriften  sehr 
aufhalten  würde  —  mache  ich  lieber  die  Sache  kurz  auf  folgende  Weise 
(aus  dem,  was  ich  von  hier  an  bis  zu  Ende  des  Blattes  niederschreibe, 
nehmen  Sie  nun  und  machen  Sie,  was  Ihnen  beliebt;  ich  schreibe  es  nur, 
um  mein  Versprechen  zu  lösen,  das  Unterstrichene  und  zugleich  mit  den 
,/'   Bezeichnete  sind  ipsissima  verba  Kantii): 

Wenn  man  gegen  Kanfs  Begründung  der  praktischen  Philosophie 
streitet,  so  bestreitet  man  damit  nicht  die  Forderung  der  Reinheit  sittlicher 


142 i835- 

Gesinnung;  diese  wird  vielmehr  als  bekannt  vorausgesetzt,  wie  sie  denn 
wirklich  schon  aus  Piaton  (im  Anfange  des  zweiten  Buchs  der  Republik) 
bekannt  sein  soll,  obgleich  Kant  gegen  das  Ende  der  Kritik  der  prak- 
tischen Vernunft  den  Erzieher  etwas  ganz  Neues  zu  lehren  glaubt.  {Da- 
selbst S.  272  lauten  seine  Worte:  „^0  diese  Methode  noch  niemals  in  Gang 
gebracht  worden^  so  katin  auch  die  Erfahrung  noch  nic/its  von  ihrem  Erfolg 
auf  zeigen. '■'■  Hätte  aber  Kant  wirklich  pädagogische  Erfahrung  gehabt,  so 
würde  er  so  nicht  reden.)  Man  streitet  dagegen  wider  die  falschen  Er- 
klärungen, die  Kant  überall  deshalb  einmischt,  weil  er  daran  gewöhnt  war, 
in  den  menschlichen  Geist  eine  besondere  Vernunft  als  eine  mythische 
Person  hineinzudenken.  So  z.  B.  spricht  er  (Kritik  der  reinen  Vernunft 
S..  583  der  dritten  Ausgabe):  ,^ob  man  gleich  die  Handlung  durch  Natur- 
ursachen  bestimint  glaubt,  so  tadelt  man  nichts  destoweniger  den  Thäter,  und 
zwar  nicht  ivegen  seines  unglücklichen  Naturells,  ja  sogar  nicht  wegen  seines 
vorhergeführten  Lebenswandels ;  denti  man  setzt  voraus.,  man  köntie  es  gänzlich 
bei  Seite  setzeti,  wie  dieser  beschaffen  gewesen."  Soweit  ist  Alles  richtig. 
Nun  aber  fährt  er  fort :  .„Dieser  Tadel  gründet  sich  auf  ein  Gesetz  der  Ver- 
nunft, ivobei  man  diese  als  eine  Ursache  ansieht  u.  s.  zü."  In  dieser  unter- 
geschobenen Erklärung  liegt  der  Fehler.  Untergeschoben  ist  dem  un- 
mittelbaren Tadel  (einem  ästhetischen  Urtheil)  das  eingebildete  Gesetz; 
untergeschoben  ist  abermals  dem  vermeinten  Gesetze  die  Vernunft;  unter- 
geschoben ist  nochmals  der  Vernunft  eme  Causalität;  welches  Alles  eben 
so  überflüssige  als  falsche  Zusätze  sind,  welche  nur  verhindern  können, 
dem  ächten  ästhetischen  Urtheile  seine  reine  Sprache  zu  lassen.  Schon 
der  Moral  wurde  dadurch  geschadet,  indem  statt  des  wahren  Gehalts,  der 
in  mehreren  und  ursprünglich  verschiedenen  ästhetischen  Urtheilen  liegt, 
der  leere  kategorische  Imperativ  hervortrat,  mit  der  Anmaßung,  aus  dieser 
Leerheit  Moral  und  Naturrecht  abzuleiten,  die  nicht  darin  liegen;  daher 
die  Versuche  des  Ableitens  bis  auf  den  heutigen  Tag  nichts  Haltbares  er- 
geben haben,  sondern  immer  andern  und  andern  Versuchen  Platz  machen 
mußten.  Noch  weit  schädlicher  aber  wird  eine  so  falsche  Vorstellung  von 
den  Bedingungen  der  Moralität  dem  Erzieher,  der  beim  ersten  Versuche, 
damit  etwas  anzufangen,  scheitern  muß;  während  ihm  die  wahre  Kenntniß 
der  Bedingungen  der  Moralität  dringend  nothwendig  ist.  Will  man  end- 
lich die  Kantische  Freiheitslehre  kennen  und  beurtheilen  lernen:  so  muß 
man  erstlich  wissen,  daß  nach  den  bestimmtesten  Erklärungen  Kant's  diese 
Freiheit  mit  dem  kategorischen  Imperative  unablöslich  verbunden  ist;  in- 
dem nach  §  5  und  6  der  Kritik  der  praktischen  Vernunjt  „die  gesetz- 
gebende Form  der  Maximen  das  Einzige  ist  —  ivas  einen  Bestimmungsgrund 
des  Wittens  ausmachen  kann''\  unter  der  Voraussetzung,  „«'o/ö'  dieser  Wille 
frei  sei."  Man  muß  ferner  aus  der  Kritik  der  reinen  Vernunft,  und  ganz 
besonders  aus  der,  hierbei  sehr  zu  beachtenden  Grundlegung  zur  Meta- 
physik der  Sitten  wissen,  wie  viele  Schwierigkeiten  sich  Kant  durch  seine 
Freiheit  selbst  geschaffen  hat,  die  ihn  unaufhörlich  in  Verwunderung  setzen, 
während  dem  praktischen  Erzieher  das  nil  admirari  höchst  nothwendig 
ist.  In  der  letztgenannten  kleinen  Schrift  S.  102,  nachdem  der  katego- 
rische Imperativ  schon  aufgestellt  worden,  fragt  er  sich:  „Warum  aber  soll 
ich    mich    diesem    Princip    untei  werfen  ?"     Bei  einem   evidenten  ästhetischen 


i835  143 

Unheil  wird   Niemand  fragen:    warum  soll  ich    es  gelten  lassen?    eben  so 
wenig  als  bei  einem  mathematischen  Satze,  etwa:  waruni  soll  ich  es  gelten 
lassen,  daß  im    ebenen    Dreiecke    die    Summe    zweier    Seiten   größer  sein 
muß  als  die  dritte?     Wohl   aber   konnte   gefragt  werden:    warum  soll  die 
leere  Gesetzlichkeit    der    einzige  Bestimmungsgrund    meines  Willens   sein? 
—   Sie    soll    es  wirklich    nicht  sein;    darum    ist  die  Frage   das   Bekenntniß 
der  Schwäche    des    kategorischen   Imperativs.      Weiter  will    Kant   einsehen, 
„wie    man    ein    Interesse    daran    nehmen    könne";    und     nach    allen    Unter- 
scheidungen  des  empirischen  und  intelligibeln  Standpunkts  kommt  er  doch 
nicht    weiter,    als    zu    der    vermeinten    ,^äii/iersten    Grenze    aller  praktischen 
Philosophie  (S.  113).   welche  überschritten  werden   würde,   wenn   „die   Ver- 
nunft sich  unterfinge,  zu  erklären,   wie  reine  Vernunft  praktisch  sein  könne, 
zuelches  völlig  einerlei   mit  der  Aufgabe  sein   würde,    zu  erklären,    ivie  Freiheit 
möslich  sei."      Und   diese   Unmöglichkeit,    die   Freiheit  des   Willens   zu   er- 
klären,    ist  ,  mit  der   Unmöglichkeit,    ein  Interesse  ausfindig  und  begreiflich  zu 
machen,   welches  der  Mensch   an  moralischen   Gesetzen  nehmen  könne,  einerlei?'''' 
Man   traut    seinen   Augen    kaum,    wenn    man    so    etwas  liest.      Daher  mag 
noch  folgende  Stelle  hier  abgeschrieben  werden,  um  das  Factum,  daß  Kant 
sich  wirklich    mit    einer    so    unbegreiflichen   Verwunderung  geplagt  hat,  ins 
Licht  zu  setzen:   S.   122;   ^^Uni  das  zu  wollen,   wozu  die  Vernunft  allein 
dem    sinnlich-afficirten    vernünftigen     Wesen    das    Sollen    vorschreibt,    dazu 
gehört  freilich   I !l   ein    Vermögen    der    Vernunft,    ein   Gefühl   der   Lust   oder 
des    Wohlgefallens   an   der  Erjüllung  der  Pflicht  einzuflöfien,   mithin    eine 
Causalität     derselben"    (was    zu    vollbringen?),    „<//e  Sinnlichkeit    ihren 
Principien  gemäß  zu  bestimmen.     Es  ist  aber  gänzlich   unmöglich,  einzusehen, 
d.  i.  a  prion   begreiflich   zu   machen.,   wie  ein   bloßer  Gedanke,   der  selbst  nichts 
Sinnliches   in    sich   enthält,   eine  Empfindung   der  Lust  oder    Unlust  hervor- 
bringe:   denn    das    ist   eine    besondere  Art    von    Causalität.^    von   der.,    wie  von 
aller  Causalität,    wir  nichts  a  priori  bestimmen   können,   sondern   darum   allem 
die  Erfahrung  befragen   müssen.     Da   diese  aber  kein    Verhält niß  der   Ursache 
zur    Wirkung,  a/s"    (soll   heißen:    außer)    ,,zwischen    zwei    Gegenständen    der 
Erfahrung.,    an   die  Hand  geben   kann,    hier  aber  reine    Vernunft  durch   bloße 
Ideen    (die  gar  keinen    Gegenstand  für  Erfahrung    abgeben)    die    Ursache  von 
einer    Wirkung,   die  freilich   in   der  Erfahrung  liegt,  sein  soll;    so   ist  die  Er- 
klärung,   wie    und   warum    uns    die  Allgemeinheit   der   Maxime  des    GesetzeSy 
mithin    die  Sittlichkeit,    interessire,   uns    Menschen   gänzlich   unmöglich."      Hier 
nun   sieht  man  auf  den  ersten   Blick,  daß  die  falsche  Meinung,  alles  Ge- 
fühl des  Wohlgefallens  sei  sinnlich  und  hierdurch  von  der  Vernunft  toto 
genere    verschieden,    den    ganzen    Grund    der    Verwunderung    ausmacht. 
Nimmt  man   diese  falsche  Psychologie  hinweg,   so   verschwindet  diese  Ver- 
wunderung.  —    Wer  vollends   das  Wort:   ästhetisch  für  sinnlich  nimmt,   also 
auch    etwa    das    Kunsturtheil    über    Tragödien    und    Komödien    abhängig 
glaubt    von    deren    Fähigkeit,   Weinen    oder  Lachen  zu  erregen,    der  wird 
nie  begreifen,   wie  ästhetische   Urtheile  die   Principien   der  Sittlichkeit  sein 
können.      Kant  freilich   benennt  seine   Lehre   von   Raum  und   Zeit,   in   der 
Meinung,  das  seien   Formen    der  Sinnlichkeit,    mit  dem   Ausdrucke:    tran- 
scendentale   Aesthetik,   heutiges  Tages  aber  gebraucht  Niemand  ,  das  Wort 
Aesthetik  in  diesem  Sinne. 


H4 ^ "^35^ 

Ihren  heutigen  Brief  empfing  ich  während  des  Schreibens;  ich  ver- 
danke ihn  sehr,  aber  kann  ihn,  nachdem  meine  Zeit  verlaufen,  nur  am 
Rande  beantworten.  Meine  Kraft  geht  zu  Ende.  Ihnen  möchte  ich  rathen, 
die  äußere  Welt  ins  Auge  zu  fassen;  darin  ist  noch  so  ungeheuer  viel  zu 
thun,  ehe  die  rechte  Wirksamkeit  der  Philosophie  beginnen  kann.  Ihre 
Frage  wegen  der  Gespräche  über  das  Böse  soll  mich  nicht  verleiten,  in 
jene  Schrift  mehr  Sinn  zu  legen,  als  sie  hatte.  Jener  Otto  mußte  im 
Disputiren  gegen  Andere  klüger  sein  als  für  sich  selbst,  damit  das  Ge- 
spräch leichter  ans  Ziel  geführt  werden  könnte. 

Ihre  pädagogische  Frage  ist  offenbar  die  ernsthafteste;  hier  aber 
fürchte  ich  ihren  Sinn  nicht  recht  zu  treffen,  und  muß  Sie  dann  wohl 
bitten,  die  Frage  anders  gestellt  zu  wiederholen.  Sie  sagen:  es  werde  für 
den  Zweck  der  ästhetischen  Beurtheilung  nicht  nothwendig^  aus  den  Be- 
gierden Willen  zu  machen.  Welchen  Zweck  der  ästhetischen  Beurtheilung 
meinen  Sie?  doch  nicht  den  Zweck,  welchen  wir  haben,  wenn  wir  prak- 
tische Philosophie  auf  dem  Katheder  vortragen?  Da  haben  wir  freilich  den 
Zweck,  in  den  Zuhörern  das  ästhetische  Urtheil  zu  wecken.  Zu  diesem 
Zwecke  reden  wir  von  Willen,  und  nicht  blos  von  schwankenden  Be- 
gierden, weil  wir  scharfe  Zeichnungen  aufstellen  müssen,  um  scharf  be- 
stimmte Urtheile  zu  erlangen.  —  Oder  meinen  Sie  den  Zweck  des  Er- 
ziehers, in  seinen  Zöglingen  die  ästhetische  Beurtheilung  zu  wecken?  Da 
sind  wir  nicht  an  Lehrstunden  gebunden,  die  Sache  geht  langsam  und  be- 
darf unzähliger  Wiederholungen.  Mit  wenigen  scharfen  Zügen  ist  da  nicht 
auszukommen,  wir  nehmen  also  ganze  Massen  poetischer  und  historischer 
Bilder,  die  allerdings  nicht  immer  entschlossene  Willen,  sondern  das  Begehren 
abwechselnd  in  den  mannigfaltigsten  Formen  vor  Augen  stellen.  Hiervon  ab- 
gesehen sehe  ich  kernen  Zweck  </^r  ästhetischen  Beurtheilung.  Diese  Beurtheilung 
ist  ja  an  sich  nicht  Zweck,  sondern  aus  ihr  gehen  die  sittlichen  Zwecke 
erst  hervor.  Und  welche  Zwecke?  Ohne  Zweifel  die,  welche  zusammen 
genommen  die  Würde  des  Menschen  ausmachen.  Diese  Würde  liegt 
nun  nicht  in  dem  unreifen  Begehren,  welches  schwankt  —  ebensowenig 
als  in  solchem  Begehren,  welches  zwar  in  ein  reifes  und  entschiedenes, 
aber  t9,delhaftes  Wollen  überging.  Die  Würde  liegt  im  Charakter,  also  im 
festen,  entschiedenen  —  und  zugleich  richtigen  Wollen.  Auf  dem  Wege 
der  Ausbildung  solches  festen  und  zugleich  richtigen  Wollens  liegen  auch 
die  Fertigkeiten,  nämlich  die  löblichen  und  nützlichen.  Wie  sollte  nun 
jemals  unnöthig  werden,  aus  den  Begierden  durch  solche  Fertigkeiten  das 
rechte  Wollen  zu  erzeugen?  Geschieht  das  nicht:  so  bleibt  der  Mensch 
schwach,  und  die  praktischen  Ideen  sind  schlecht  realisirt. 

Möchten  Sie  nur  einmal  kommen,  wie  meine  Frau  erwartete,  die 
keine  Facon  de  parier  kennt  —  und  meinen  RittmüUer'schen  Flügel 
probiren,  der  Ihnen,  Ailes  gegen  einander  gerechnet,  wohl  gefallen  würde 
(zudem  da  Rittmülier  Ehrgeiz  genug  hat,  um  sein  Werk  unter  Aufsicht  zu 
halten)  —  dann  würden  Sie  gelegentlich  auch  erfahren,  was  ich,  andere 
Sorgen  bei  Seite  setzend,  jetzt  treibe.  —  Leben  Sie  wohl.  Von  Herzen 
der  Ihrige!  H. 


März,  April   1835.  145 


514.  Hartenstein  an  H.')  Leipzig  den  16.  März  1835 
"Wohlgeborner   Herr,   hochziiverehrender   Herr   Hofrath!     So   leicht   auch  der 

Wunsch  des  Schülers,  dem  Lehrer  irgendwie  Dankbarkeit  au  den  Tag  zu  legen, 
Entschuldigung  finden  kann,  so  scheint  doch  das  für  den  Ausdruck  der  Gesinnung 
gewänlte  Mittel  in  einigem  Verhältnisse  stehen  zu  müssen  mit  der  Größe  der  Ver- 
pflichtung, welcher  das  Dargebotene  genügen  soll.  Wenn  ich  daher  so  frei  bin,  Ihnen 
anbei  ein  Exemplar  einer  vor  einiger  Zeit  von  mir  ausgegebenen  kleinen  akademi- 
schen Gelegenheitsschrift  zu  überreichen,  so  fühle  ich  dabei  sehr  wohl,  wie  unbe- 
deutend dieselbe  an  sich  ist  und  noch  vielmehr  Ihrem  Urtheile  gegenüber  ei-scheinen 
muß.  Dennoch  wollte  ich,  selbst  nach  einigem  Zögern,  diese  Gelegenheit  nicht  vor- 
übergehen lassen,  Ihnen  wenigstens  meinen  Namen  bekannt  zu  machen. 

Die  Abhandlung  ist,  wie  ich  kaum  wagen  sollte,  Ihnen  zu  bemerken  ||  nur  für- 
die  Lernenden  geschrieben,  bei  welchen  es  darauf  ankommt.  Vorurtheile,  welche 
oft  leichter  zu  verhindern,  als  auszurotten  sind,  gar  nicht  einwurzeln  zu  lassen, 
vielleicht  aber  wird  es  mir  im  Laufe  der  Zeit  möglich,  Ihnen  etwas  bessere  Beweise 
vorzulegen,  wie  sehr  ich  es  für  meine  Pfhcht  halte,  der  Begründung  und  Um- 
gestaltung der  Philosophie,  welche  wjr  Ihnen  verdanken,  nach  dem  Maaße  meiner 
Kräfte  auf  die  wissenschaftliche  Denkart  des  Zeitalters  Einfluß  zu  verschaffen. 

Wenn  es  einer  Bitte  um  Verzeihung  bedarf,  daß  ich  Ihre  Aufmerksamkeit 
einen  Augenblick  in  Anspruch  zu  nehmen  mir  erlaubt  habe,  so  spreche  ich  sie  noch- 
mals aus  und  verharre  mit  den  Gesinnungen  der  unverbrüchlichsten  Verehrung 

Ew.  Wohlgeboren  ganz  ergebenster     G.  Hartenstein. 

515.  Drobisch  an  H.-)  Leipzig,  5  April  35 

Hochverehrter  Herr  und  Freund !  Vor  einigen  Tagen  theilte  mir  Ihr  H.  College 
Weber  die  eifreuliche  Nachricht  mit,  daß  Sie  bereit  seyen  irgendwo  mit  mir  zu- 
sammenzutreffen und  von  mir  bestimmtere  Vorschläge  erwarten.  Ich  konnte  nicht 
genau  unterscheiden,  ob  es  seine  odep  Ihre  Meinung  war,  daß  Sangei hausen  ein 
passender  Ort  sein  würde.  Ich  habe  mir  aber  überlegt,  daß  es  von  mir  sehr 
unbescheiden  seyn  würde,  einen  so  nahen  Ort  anzunehmen  und  Sie,  wenn  Sie  nicht 
mit  der  Eilpost  fahren,  noch  zu  einem  Nachtquartier  auf  einer  Zwischenstation  zu 
veranlassen.  Ich  erkläre  mich  daher  sehr  gern  bereit,  bis  Nordhausen  zu  kommen, 
was  8  Meilen  von  Göttingen  entfernt  seyn  wird.  Zwar  liegt  noch  zwischen  Sangerhausen 
und  Nordhausen  Rosla,  wo  ich  vor  9  Jahren  auch  einmal,  bei  geringen  Ansprüchen, 
recht  leidlich  übernachtete.  Aber  um  Ihrer  Bequemlichkeit  willen  möchte  ich  es 
nicht  in  Vorschlag  bringen.  Es  wäre  ||  verdrießlich,  wenn  man  Ursache  hätte,  unzu- 
frieden zu  seyn.  In  Nordhausen  kehrte  ich  vor  9  Jahren  im  Berliner  Hof  ein,  der 
von  Kaufleuten  fleißig  besucht  wird  und  unbedingt  ein  anständiger  Gasthof  wenigstens 
damals  war,  wo  der  Wirth,  ein  geborner  Leipziger,  alles  gut  eingerichtet  hatte. 
Ich  würde  ihn  dem  römischen  Kaiser,  dem  Isten  Gasthof  der  Stadt  vorziehen,  weil 
ein  großer  Garten  am  Hause  ist,  der  uns  vielleicht  bei  veränderlichem  Wetter  zu 
statten  kommen  könnte.  Die  Stadt  selbst  ist  freilich  ein  altes,  winkliches  und 
räucherisches  Nest  und  in  der  Nähe  nicht  viel  zu  sehen  (der  Kyffhäuser  ist 
4  Stunden)  auch  ist  es  ein  geräuschvoller  Ort;  indeß  gewiß  nicht  so  arg  wie  Berhn, 
wo  wir  doch  auch  zusammengekommen  sind.  —  Mögen  Sie  Sich  aber  für  irgend 
welchen  Ort  auf  der  Straße  von  Halle  nach  Göttingen  entscheiden,  so  würde  ich 
die  Eilpost  dazu  zu  benutzen  wünsclien,   die   Cassel-Cölnische,  an  die   sich  ohne 

^)  l'/j  S.    4".    H.  Wien.  —  G.  Hartenstein  (1808—1890)  s.  Art.  von  M.  Heinze 
im  Nachtrai:  z    Allg.  D.  Biogr.  Bd.  50. 
')  4  S.    80.     H    Wien. 

Herbarts  Werke.     XVIII.  lO 


146 April   1835. 

Zweifel  eine  Eilpost  von  Göttingen  !|  anschließt,  wenn  Sie  sie  anders  benutzen  wollten. 
Diese  geht  von  Leipzig  ab  Montags  und  Donnerstags  früh  7  Uhr,  trifft  spät  Abends 
in  Sangerhausen  und  zwischen  2  und  3  Uhr  früh  in  Nordhausen  ein.  Da  nun  Ihre 
Vorlesungen  d.  27.  April  wieder  anfangen,  so  scheint  mir  der  grüne  Donnerstag 
zur  Abreise  nicht  ganz  ungeeignet.  Freilich  wird  dann  die  Rückreise  in  das  Fest 
fallen.  Ich  bin  daher  auch  bereit,  mit  der  Montagspost  (d.  20.  April)  anzulangen. 
Wahrscheinlich  würde  ich  dann  mit  einem  Freunde  D.  Kunze  die  vorhergehenden 
Tage  in  Halle  zubringen  und  von  da  erst  mit  der  Eilpost  fahren.  Belieben  Sie  nun 
die  letzte  Entscheidung  zu  geben.  Da  Sie  die  Wohnung  wechseln,  so  wird  auf  den 
Termin,  wo  dies  geschieht,  auch  viel  ankommen.  Mir  ist  jede  Zeit-  und  Orts- 
bestimmung recht,  ich  bin  völlig  frei  und  jetzt  auch  bei  gutem  Wohlseyn.  Mit 
Vergnügen  habe  ich  von  Ihrem  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  Wohlbefinden  gehört. 
Möge  die  neue  Wohnung  mit  dem  Garten  den  Aufenthalt  ||  in  Göttingen  noch  an- 
genehmer machen.  — 

Vor  8  Tagen  war  D.  Röer  aus  Berlin  hier.  Er  reiste  nach  einigen  Tagen 
mit  Strümpell  nach  Dresden.  Dort  werden  sie  sich  einige  Wochen  aufhalten  und, 
wenn  ich  recht  verstanden,  zusammen  eine  literarische  Arbeit  von  geringerem  Um- 
fang unternehmen.  Sie  trugen  mir  viele  Grüße  auf,  die  ich  Ihnen  denn  hiemit 
schriftlich  überbringe.  In  der  Hoffnung,  daß  unsrer  Zusammenkunft  kein  unüber- 
windliches Hinderniß  entgegen  treten  wird,  erwarte  ich  nun  mit  Freuden  von  Ihnen 
das  Ultimatum,  mich  bis  aufs  Wiedersehen  freundschaftlichst  empfehlend 

der  Ihrige     M.  W.  Drobisch. 

516.  Gauß  an  H.^)  April  8.  1835. 
Beigehend  beehre  ich  mich,   Ihnen  verehrtester  Herr  College,   die  mir  gütigst 

communicirten  Bücher  wieder  zuzustellen.  Mit  so  vielem  Vergnügen  ich  gelesen 
habe,  was  in  Ihrer  Metaphysik  mir  bei  meiner  geringen  Bekanntschaft  mit  der  so- 
genannten Geschichte  der  Philosophie  verständlich  gewesen,  so  wenig  habe  ich  in 
den  Schellingschen  Druckschriften  einen  Grund  finden  können,  mein  Urtheil  über 
dessen  Beruf,  über  naturwissenschaftliche  Gegenstände  zu  schreiben,  welches  sich 
früher  nur  auf  die  Lesung  seiner  Piece  über  Faraday's  Entdeckung  gestützt  hatte, 
abzuändern.  Ich  gehöre  daher  keinesweges  zu  denjenigen,  die  ihnen  einen  Vorwurf 
daraus  machen,  daß  Sie  derartige  Productionen  geringschätzen. 

Hochachtungsvoll  und  ergebenst     C.  F.  Gauß. 

517.  An    Drobisch.  2)  Ohne  Datum.     Postst:    10.  4. 

Wie  Sie  es  angaben,  mein  theurer  Freund,  so  habe  ich  meinen 
Wagen  bestellt,  nämlich  so,  daß  ich  am  grünen  Donnerstag  Abends  in 
Nordhausen  bin.  Hoffentlich  ist  Ihr  Aufenthalt  dort  nicht  auf  gar  zu 
kurze  Zeit  berechnet.  Ob  ich  zum  schärfern  Denken  aufgelegt  seyn 
werde,  kann  ich  nicht  voraussehn;  ich  bedarf  gar  zu  sehr  der  Erhohlung. 
Indessen  das  Nöthigste  werden  wir  doch  besprechen  können;  nur  muß 
ich  Ihnen  die  Initiative  überlassen.  —  Ein  paar  Tage  vor  Ihrer  Abreise 
wird  wohl  Herr  Lott  3)  aus  Wien,  der  den  Winter  hier  zubrachte,  und  von 


')  H.  Wien.    Bei  Zimmermann  S.  141.  —  K.  F.  Gauß  (1777—1855),  der  Mathe- 
matiker und  Astronom. 

2)  I  S.    4». 

3)  F.  K.  Lott  (1807— 1874),   später   Prof.    in  Wien,    Lehrer    von  Th.   Vogt.     S. 
Allg.  D.  Biogr.  u.  Th.   Vogt,  F.  K.  Lott,  Wien   1874. 


. April   1835.        147 

dem  Weber  Ihnen  kann  gesagt  haben,  bey  Ihnen  seyn;  ich  wünschte, 
er  spräche  auch  Hartenstein,  dessen  Dissertation  mich  sehr  erfreut  hat. 
Jedenfalls  sey  Lott  Ihnen  von  mir  aufs  beste  empfohlen.  Alles  Uebrige 
mündlich!  Ganz  der  Ihrige     H 

518.  An  Drobisch.  ^)  (Nordhausen,  römischer  Kaiser   16,  April  35)*) 
Mein   theurer  Freund!     Sie  finden  mich  hier  im  Hause;  die  Gründe 

weshalb  ich  nicht  gern  anders  wo  absteigen  wollte,  kann  ich  Ihnen  münd- 
lich sagen.  Morgen  früh  werde  ich  erfahren,  wo  und  wie  bald  ich  Sie 
sehen  kann,  wenn  Sie  nur  die  Güte  haben  wollen,  dem  Ueberbringer 
dies  Blattes  ein  Wort  der  Nachricht  für  mich  zurückzulassen.  In  Hoff- 
nung der  baldigsten  frohen  Begrüßung  der  Ihrige  H. 

Adr.:   Herrn  Professor  Drobisch  gleich  bey  seiner  Ankunft  einzuhändigen. 

519.  Drobisch  an   H.^*)  Leipzig  d.  24.  April  3.5 
Mein   hochverehrter  würdiger  Freund!     Voll   von   Gedanken   und  Plänen  und 

Lust  und  Muth  zu  deren  Ausführung  verließ  ich  Sie,  um  glücklich  an  meinem 
Heerde  wieder  angelangt  —  sogleich  in  den  Strudel  häuslicher  Sorgen,  Mühen  und 
Zerstreuungen  fortgerissen  zu  werden.  Das  Entwöhnen  des  Kleinen  war  übel  von 
statten  gegangen.  Er  hatte  anderes  Getränk  anzunehmen  hartneckig  verweichert, 
hierdurch  waren  Diätfehler  entstanden,  und  am  Dienstag  verfiel  er  zu  unserem 
größten  Schrecken  in  Krämpfe.  Diese  wiederholten  sich  nun  zwar-  nur  noch  zweimal 
und  sind  seit  mehr  als  48  Stunden  weggeblieben;  auch  nahm  sie  der  Arzt  leicht; 
aber  wir  kennen  dessen  medicinische  Politik,  die  den  gefahrvollen  Stand  der  Dinge 
verhehlt  und  die  furchtbare  Gewalt  der  Krämpfe  bei  Kindern  durch  die  früh^-r  ge- 
machten, traurigen  Erfahrungen.  Welche  unsägliche  Zeit  habe  ich  schon  durch 
Vatersorgen  verloren  und  doch  würde  mich  keine  menschliche  Macht  ihrer  über- 
heben können.  Denn  meine  üterarische  Thätigkeit  ist  nicht  wichtig  genug,  um  mich 
zu  entschuldigen,  wenn  ich  mich  jener  Sorgen  entschlagen  und  den  damit  ver- 
bundenen Aufopferungen  entziehen  wollte.  Daß  ich  ruhige  Stunden  meinem  Ge- 
schicke abstehlen  muß  gehört  auch  mit  zu  den  Hindernissen  Ihrer  Philosophie,  doch 
will  ich  thun,  was  ich  kann. 

Ihre  Aufträge  an  Hartenstein  hab'  ich  ausgerichtet.  Er  wird  Ihnen  nächstens 
schreiben.  Nach  Möglichkeit  habe  ich  das  Feuer  in  ihm  anzuschüren  gesucht, 
hoffentlich  nicht  vergeblich.  Zu  Hause  lag  ein  Brief  von  Bobrick.  Darin  findet 
sich  die  Ankündigung  emes  nächstens  erscheinenden  öffentlichen  Sendschreibens  an 
mich  und  Griepenkerl,  m  dem  „er  tiefer  in  unsere  Angelegenheiten  einzugreifen 
hoffe'\  Also  wieder  ein  Schuß  in  dem  großen  Lauffeuer,  das  wir  glücklich  zu  er- 
öffnen angefangen  haben.  Diesen  Brief  hatte  ein  junger  Schweizer  während  meiner 
Reise  überbracht;  er  gieng  durch  Leipzig  nach  Beriin.  Leider  konnte  ich  also  nichts 
Unmittelbares  über  Bobricks  Wirksamkeit  erfahren.  B.  verweist  mich  übrigens  auf 
p.  402—5  seiner  ästhetischen  Vorlesungen  mit  der  Bemerkung,  daß  er  daselbst  den 
Umriß  seiner  künftigen  Bearbeitung  Ihres  S>stems  niedergelegt  habe  und  fügt  hinzu: 
„Die  teleologische  Prädestination  könnte  den  Pantheisten  genügen,  die  Aesthetik 
soll  die  intellectuelle  Anschauung  ersetzen,   und  die  Hülfe  der  Mathematik  dieselbe 

^)  I  S.    4". 

^)  Von  Drobischs   Hand  vermerkt. 

3)  31/2  S.    40.     H.  Wien. 

IG* 


148  April   1835. 

Sicherheit  gewähren  für  die  partiellen  Erfahrungen  ||  und  Untersuchungen,  welche 
jene  Herren  in  der  Totalität  des  Absoluten  finden.  Dieses  vorläufig  als  Thema 
meines  Sendschreibens  etc."  Ich  zweifle  nicht,  daß  dies  alles  wohlgemeint  ist,  aber 
doch  wandelt  mich  dabei  einige  Bangigkeit  an:  theils  weil  mich  diese  Äußerungen 
entweder  einen  schwächlichen  Vermittlungsversuch  oder  wenigstens  eine  den  gang- 
baren Modesystemen  dargebrachte  Ehrenerweisung  befürchten  lassen,  die  sie  gar 
nicht  verdienen,  theils  weil  am  Ende  auch  B.  so  den  Kern  Ihrer  Lehre  versteht, 
daß  er  sie  da  aufzubauen  versucht,  wo  wenigstens  kein  streng  wissenschaftlicher 
Bau  mehr  Stand  finden  kann,  sondern  die  Philosophie  nothwendig  in  die  Poesie 
verfließt.  Es  ist  ohnstreitig  die  Liebhaberei  für  diese  schattigen  Partien  der  Philo- 
sophie sehr  verbreitet,  vielleicht  unter  anderen  weil  es  hier  keine  der  Controle  der 
Erfahrung  und  der  strengen  Wissenschaften  unterworfene  Arbeit  giebt  und  die 
Phantasie  in  der  Freiheit  ihrer  Schöpfungen  sich  so  behaglich  fühlt.  Ich  gestehe, 
daß  ich  manchmal  auch  gern  eine  naturphilosophische  oder  pantheistische  Phan- 
tasie lese,  wenn  sie  geistreich ,  ist,  natürlich  aber  allemal  nur  als  ein  Mährchen  oder 
einen  amüsanten  Roman  zur  Erholung.  Wenn  die  Damen  und  Herrn  unsern  Freund 
Bobrick  nur  nicht  mit  allzu  neugierigen  Fragen  belästigen;  er  kann  sonst  wohl  der 
Versuchung  nicht  wiederstehen  zu  antworten  und  muß  zu  viel  antworten.  — 

Es  war,  wie  ich  glaube,  eine  meiner  ersten  Bemerkungen  in  Nordhausen,  daß 
der  Trieb  thätig  zu  seyc  und  sich  hervorzuthun  künftig  vielleicht  auch  Ihrem  System 
unwillkommene  Anhängsel  bringen  könne;  ich  bin  allerdings  durch  B.s  Äußerungen 
wieder  daran  erinnert  worden.  Vielleicht  nehmen  wir  es  aber  zu  streng;  vielleicht 
bedarf  die  literarische  Welt  eines  Balls  zum  Spielen,  wozu  die  mathematischen  und 
naturwissenschaftlichen  Kanonenkugeln  der  Psychologie  und  Naturphilosophie  frei- 
lich nicht  taugen.  Werden  wir  darüber  nicht  böse,  sondern  arbeiten  ruhig  in 
exacter  Weise  fort,  so  wird  uns  jenes  so  viel  nicht  schaden. 

Was  die  noch  unerledigte  Frage  aus  der  Variationsrechnung  betrifft,  so  glaube 
ich  kurz  antworten  zu  können: 

in  der  Formel  ^^  ^x  +  ^  Jv  —  /  (d  ^_^-  ^x  -f  d  ^  ^y)  =  0  ist  der  Werth  außer 
ds  '    ds     -        /  ^    ds  ds 

und  unter  dem  Integralzeichen  jeder  füi"  sich  =  0  zu  setzen;  denn  so  wie  bei  den 

Max.  und  Min.  der  Differentialrechnung  ein  solcher  Werth  der  ||  Function  y  =  f  (x) 

so   zu   bestimmen,   daß  dy^=dxf'  (x)  =  0   werde  unabhängig  von   dem  Werthe 

und  Zeichen  von  d  x,  so  daß  f  (x)  =  0,  damit   jeder  vorhergehende   oder  folgende 

Nachbarwerth,  liege  er  nah  oder  fern,  resp.  kleiner  oder  größer  sey  als  der  gesuchte 

von  y ;  so  muß  auch  in  der  vorstehenden  Variationsformel  der  Werth  des  Max.  und 

Min.   zwischen    den   gegebenen   Grenzen   unabhängig  seyn    von  den   Veränderungen 

di'r  Relation  zwischen  x  und  y  (d"  x,  dy)  damit,  wie  man  diese  auch  annehme,  die 

gefundene  immer  größere  oder  kleinere  s  als  jede  andere   zwischen  den  gegebeneu 

Grenzen  gebe.    Ich  muß  übrigens  bemerken,  daß  für  die  Anwendung  auf  das  Problem 

von  der  kürzesten  Linie  in  der  Ebene  allgemein  ^x  =  0  ist,  also  V^i^y  —  /  d  -~^  ^'v 

^  '  ds     •'        /      ds     "^ 

=  0  seyn  muß,  indem  .nach  der  Natur  der  Sache  hier  blos  seithche  Veränderungen 
der  Ordinaten  vorkommen.  Liegt  dagegen  die  gesuchte  Linie  im  freien  Räume,  so 
kann  man  von  einer  willkührlich  zwischen  den  beiden  Grenzen  genommenen  Linie 
so  wohl  aufwärts  (äz)  als  seitwärts  (Jy)  ausweichen  und  die  Formel  würde  passender 
so  gesehrieben: 

^y  ÄY  4-  — —  5  z  —  /(d     ^  Av  -4-  d  —  ^2)  =  0;    cl'y  und  dz  sind  dann  als  näher 

ds     -^  ^    ds  j^    ■   ds     "^  ^     ds 

zu  bestimmende  Functionen  von  x  zu  denken.    Bei  Grunert  (Klügeis  Wörterbuch  V. 


April   1835.  I4Q 

672)  findet  sich  doch  eine  hübsche  Reihe  von  Beispielen  zur  Anwendung,  und  es 
scheint  mir  doch  bei  näherer  Ansicht  der  ganze  Artikel  nicht  unbrauchbar,  wie- 
wohl ich  wünschte,  daß  tiefer  auf  die  Begriffsauseinandersetzungen  eingegangen 
worden  wäre,  dagegen  die  Rechnungsführung  abgekürzter  seyn  könnte.  Lacroix  ist 
an  Beispielen  dürftiger;  auch  tritt  bei  ihm  das  allgemeine  Princip  der  Variations- 
rechnung weniger  klar  hervor. 

Hartenstein  hat  mir  auf  einige  Tage  Ihre  Umrisse  der  Pädagogik  geliehen, 
ich  habe  heute  schon  angefangen  hineinzulesen.  Zugleich  hat  mir  H.  eine  kleine 
satyrische  Schrift  eines  Anonymus  mitgebracht:  Entdeckungen  über  die  Entdeckungen 
unserer  neuesten  Philosophen,  worin  Schelling  und  Hegel  mitgenommen  werden. 
„Ein  Panorama  in  fünfthalb  Acten".  Der  Ite  ist  überschrieben:  Wie  der  von 
Schelling  noch  protegirte  Hegel  dem  Planeten  zwischen  Mars  und  Jupiter  sich  zu 
manifestiren  speculativ  verbietet,  während  seine  Stellvertreter  astronomisch  entdeckt 
werden.  Vielleicht  besinnt  sich  dabei  doch  mancher  der  die  Hegelei  bis  jetzt  für 
eine  Schatzkammer  verborgener  Weisheit  gehalten  hat. 

Mögen  Sie  glücklich  nach  Hause  gelangt  und  in  heitrer  Thätigkeit  seyn. 
Empfehlen  Sie  mich  und  meine  Frau   ehrerbietigstens  Ihrer  Frau  Gemahlin.     Ganz 

Ihr  treu  ergebener    M.  W.  Drobisch. 

(Bitte  umwenden)  II 

N.  S.  In  diesen  Tagen  war  ein  früherer  Zuhörer,  der  jetzt  in  Breslau  lebt 
und  in  Naumburg  und  Jena  gewesen  ist,  bei  mir.  Er  versicherte  mir,  daß  in  allen 
den  genannten  Orten  Ihre  Philosophie  sich  Platz  verschaffe.  In  Breslau  scheint  er 
selbst  dazu  beizutragen.  Wichtig  und  erfreulich  war  es  mir,  zu  hören,  daß  der 
Mathematiker  an  der  Domschule  zu  Naumburg  Müller,  den  ich  von  der  Universität 
her  näher  kenne  und  der  sich  durch  einzelne  Abhandlungen  und  Recensionen  als 
einen  sehr  geschickten  und  höchst  gründlichen  Mann  fortwährend  erweist,  Ihr  be- 
geisterter Anhänger  ist.  Ich  vermuthe  dasselbe  von  seinem  Freund  dem  Mathe- 
matiker Jacobi  in  Pforta,  bei  dem  ich  einmal  Ihre  kleine  Schrift  über  die  Möglich- 
keit und  Nothwendigkeit  etc.  beifällig  angeführt  gefunden  habe.  Das  ist  gerade  der 
Kreis  von  Männern,  auf  die  ich  für  math.  Psychologie  und  Naturphilos.  rechne,  bei 
denen  ich  eingeführt  bin  und  einiges  Vertrauen  besitze  und  die  durch  ihre  Teil- 
nahme uns  künftig  in  so  mancher  Hinsicht,  auch  selbst  durch  ihre  Stellung  zur 
Jugend,  wesentlich  fördern  können.  —  Bei  Absendung  dieses  Briefs  d.  24  Ap.  gab 
unser  Kleiner  die  erfreulichsten  Hoffnungen. 

520.    Langwerth  an  H.^  Stade  den  28.  April  1835. 

Wohlgeboren  Hochverehrter  Herr  Hofrath!  Als  ich  den  Ueberbringer  dieses, 
meinen  ältesten  Sohn  vor  18  Jahren  noch  auf  den  Knien  schaukelte,  ging  mir  wol 
zuweilen  als  eine  sehr  ferne  Möglichkeit,  deren  Annahme  man  zu  Zeiten  der  Phantasie 
.  vergönnt,  der  Gedanke  auf,  daß  mein  Erstgeborner  gleich  seinem  Vater  sich  in  Ihrer 
Nähe  für  die  Philosophie  und  für  das  Leben  ausbilden  könnte.  Dieser  Gedanke  hat 
sich  jetzt  wider  alle  damals  statthaften  Aussichten  verwirklicht,  und  so  mancher 
recht  bittere  Schmerz  und  so  manche  recht  bange  Sorge  diesen  ersten  Abschied 
von  einem  geliebten  Kinde  begleitet,  so  erfreulich  ist  es  mir  daß  ich  jene  Hoffnung 
vei-wirklicht  sehe  und  Sie  jetzt  mit  aller  Inbrunst  eines  väterhchen  Herzens  bitten 
kann,  sich  des  jungen  Mannes  eben  so  freundlich  wie  einst  meiner  anzunehmen. 
Ich  hoffe  und  erwarte  von  dem  Einfluße  Ihrer  Lehren  auf  seine  theoretische  und 


')  4  S.    4".     H.   Wien.      Über    Langwerth   s.    den   vorhergehenden  Bd.  S.  54, 
71.  153  u.  ö. 


150 April   1835. 

praktische  Bilduog  Alles  und  das  mit  so  größerer  Zuversicht  als  ich  —  und  wer 
nicht  in  der  reichen  Zeit  die  wir  vor  20  Jahren  durchlebten  —  Gelegenheit  gehabt 
habe,  die  Ansichten,  die  Sie,  direct  und  durch  entferntere  aber  eben  so  sichere 
Einwirkung,  in  mir  befestigt  haben  in  allen  Wechselfällen  einer  bewegten  Zeit  und 
eines  wo  möglich  noch  bewegteren  und  manigfach  erschütterten  Privatlebens  in 
jeder  Beziehung  zu  erproben  und  bewährt  ||  zu  finden  und  mir  einen  Innern  Frieden 
und  eine  Einigkeit  mit  mir  selbst  in  den  höchsten  und  ernstesten  Dingen  zu  ge- 
winnen, von  denen  die  nichts  ahnden  können  welche,  sey  es  im  Gebiete  des  Glaubens, 
oder  des  Schönen,  das  Innewerden  des  Idealen  nicht  von  den  täglich  wechselnden 
Einflüßen  verfehlter  Speculation  frey  zu  erhalten  vermögen  und  jede  ruhige  Emp- 
fänglichkeit für  das  was  den  Menschen  in  seinem  tiefsten  Innern  erhebt  den  un- 
ruhigen Theorien  preisgeben  müssen  in  welchen  sich  jetzt  alle  geistige  Thätigkeit 
dieser  scholastischen  Zeit  erschöpft  und  aufgeht. 

Der  Einfluß  dieser  Zeit  in  ihrer  Verstandeslustigkeit  hat  freilich  von  dem 
jungen  Menschen,  den  Sie  vor  sich  sehen,  nicht  ganz  abgewandt  werden  können. 
Er  hat  sich  auf  dem  hiesigen  Gymnasio  eine  bedeutende  Gelehrsamkeit  zugezogen, 
welche  die  jungen  Leute  unvermeidlich  etwas  aufbläht  und  sie  den  welschen  Hühnern 
ähnlich  macht  welchen  man  die  Nudeln,  wovon  sie  fett  werden  sollen  nicht  gehörig 
hinuutergestrichen  hat.  Aber  es  wird  sich  hier  das  mehrste  geben,  wenn  seinem 
Scharfsinn  —  den  ich  ihm  beimessen  darf  —  die  rechte  Bahn  angewiesen  wird, 
wozu  Ihre  ersten  Vorträge  zur  Einleitung  in  die  Philosophie  ganz  vorzüglich  die 
Hand  bieten  und  daneben  ihm  aus  eigener  Erfahrung  eine  Bescheidenheit  einflößen 
werden  von  dem  der  oberflächliche  Liberalismus  —  es  giebt  auch  außer  dem 
politischen  einen  gelehrten  in  dieser  Zeit  —  ||  der  sich  gern  in  breiten  und  flachen 
Sprüchen  ergeht  und  eine  Tiefe  unter  der  Überfläche  nirgends  auch  nur  ahndet, 
gar  nichts  weiß. 

Wenn  ich  noch  einige  Worte  von  mir  selbst  und  meinem  Treiben  hinzufügen 
darf,  80  kann  ich  leider  nur  melden,  daß  meine  Dienstgeschäfte  mir  in  dieser  Zeit 
der  Organisationen,  wo  zu  neuen  Bauten  Meister  und  Gesellen  und  Handlanger  an 
allen  Ecken  nöthig  sind  zur  Beschäftigung  mit  den  ernsten  Musen,  denen  ich  jedoch 
nicht  ganz  ungetreu  geworden  bin  nur  sehr  wenig  Muße  übrig  lassen.  Weil  Sie 
indessen  von  meinen  wenig  bedeutenden  Erholungsstudien  bey  einer  frühern  Ver- 
anlassung nachsichtig  Kenntniß  genommen  haben,  so  glaubte  ich  bey  dieser  Ver- 
anlassung nicht  mit  leeren  Händen  erscheinen  zu  dürfen  und  nehme  mir  daher  die 
Erlaubniß  zwei  kleine  Aufsätze  zur  gefälligen  Einsicht  anzuschließen.  Den  einen, 
welcher  eine  Integration  zur  Psychologie  enthält  habe  ich  aus  meinen  Arbeiten,  die 
ich  vor  längerer  Zeit  bey  der  Leetüre  der  ersten  Ausgabe  der  Psychologie  nieder- 
geschrieben, gezogen  und  bemerke  daß  ich  die  Rechnungen  damals  noch  weiter 
durchgeführt  aber  nicht  mit  beygefügt  habe,  da  sie  sich  von  selbst  ergeben.  Der 
zweite  Aufsatz  betrifft  einen  mir  vorzugsweise  interessanten  Gegenstand  und  enthält 
das  Allgemeine  über  eine  Bearbeitung  einiger  mathematischer  Sätze,  welche  wie  es 
mir  scheint  weitgr  geführt  ||  werden  muß,  wenn  die  Lehren  über  die  ästhetiscüen 
Auffassungen  die  nöthigen  Erweiterungen  erhalten  sollen.  Ich  glaube,  so  weit  ich 
Muße  gehabt  habe  die  -einzelnen  Anwendungen  zu  durchdenken  hinsichtlich  der 
Farben  und  ihres  Verhältnißes  zu  den  Tönen  so  ziemlich  auf  dem  Reinen  zu  seyn; 
vor  der  Hand  aber  habe  ich  nicht  alles  zur  vollen  Reife  bringen  können,  hoffe  in- 
dessen während  des  nächsten  Sommers  die  überraschenden  Aufschlüsse  die  ich  ge- 
funden zu  haben  glaube  weiter  ausbilden  zu  können,  wenn  ich  einige  einigermaßen 
geschäftsfreie  Abende  erschwinge,  woran  es  mir  zur  Zeit  leider  gebricht  wie  ich 
denn  auch  um  die  Anlagen  in  dieser  Form  zu  Stande  zu  bringen,  einen  Tb  eil  der 
Nacht  habe  zu  Hülfe  nehmen  müssen. 


Mai   1835.  151 

Ew.  TN'ohlgeboren  fernerem  freundschaftlichen  Andenken  mich  und  meine 
Hauptbitte  einer  freundlichen  Beräcksichtigung  empfehlend  beharre  ich 

Ew.  Wohlgeboren  gehorsamster  Diener  Langwerth. 

521.    Hartenstein  an  H.')  Leipzig  d.  6.  Mai  1835 

Wohlgeborner  Herr  Hofrath,  Hoclizuverehrender  Herr  Professor!  Obgleich 
ich  hoffe,  Ihnen  ganz  unumwunden  bekennen  zu  dürfen,  wie  sehr  ich  durch 
Ihr  verehrtes  Schreiben  vom  28.  März,  welches  am  6.  April  in  meine  Hände 
gekommen  ist,  mich  gefreut  und  geehrt  gefühlt  habe,  so  bedarf  doch  der  ziemlich 
lange  Zeitraum,  den  ich  seitdem  habe  verstreichen  lassen,  um  so  mehr  der  Bitte 
um  gütige  Entschuldigung,  je  mehr  mich  das  Ihrem  Schreiben  beigelegte  Geschenk, 
sowie  die  mehrfachen  Beweise  Ihres  wohlwollenden  Andenkens  an  mich,  welche 
mir  durch  H.  Lot  aus  "Wien  und  durch  Herrn  Prof.  Drobisch  zugekonmien  sind, 
verpflichteten,  Ihnen  meine  Dankbarkeit  schneller  als  nach  Verlauf  mehrerer  Wochen 
an  den  Tag  zu  legen. 

Eine  kleine  Reise  jedoch,  zu  welcher  mich  der  beginnende  Frühlung  ver- 
anlaßte,  möge  wenigstens  für  die  letzt  verflossene  Zeit  zu  meiner  Entschuldigung 
etwas  beitragen.  Ihrem  geneigten  Rathe  und  Wunsche  gemäß  habe  ich  von  der 
Dissertation,  bei  deren  Übersendung  ich  die  Ehre  hatte,  mich  zuerst  schriftlich  an 
Sie  zu  wenden,  wie  ich  hoffe  hinreichende  Exemplare  nach  Königsberg  und  Zürich 
an  die  mir  von  Ihnen  bezeichneten  Herren  abgehen  lassen.  Nach  Dorpat  bedaure 
ich  bis  jetzt  noch  keine  geeignete  Buchhäudlergelegenheit  haben  finden  zu  können.  || 

Sie  erzeigen  mir  die  Ehre  zu  bemerken,  daß  Sie  mit  mir  überlegen  könnten, 
wie  der  philosophirenden  Unphilosophie  des  Zeitalters  wirksam  entgegengetreten 
werden  könne  wenn  Sie  wüßten,  in  wie  weit  ich  mir  Ihre  Grundsätze  in  Beziehung 
auf  die  praktische  Philosophie  angeeignet  habe.  Ich  habe  mich  Ihnen  als  Ihr 
Schüler  vorgestellt,  sollte  ich  etwa  in  der  Belehrung,  Kräftigung  und  Erhebung, 
welche  ich  Ihrer  practischen  Philosophie,  oder  in  der  Beruhigung,  welche  ich  Ihren 
Bestimmungen  über  das  Verhältniß  des  religiösen  Glaubens  zu  dem  philosophischen 
Wissen  verdanke,  Grund  gefunden  haben,  hier  weniger  Ihr  Schüler  seyn  zu  wollen, 
.als  in  der  Untersuchung  theoretischer  Probleme?  Die  Begründung  des  Practischen 
durch  aesthetische  Ui-theile  war  für  mich  von  vorn  herein  in  der  That  keine  Dorn- 
hecke, in  der  ich  hängen  blieb;  und  der  Satz,  daß  aus  dem  Seyn  nie  ein  Sollen, 
aus  diesem  nie  jenes  abgeleitet  werden  könne,  war,  ehe  ich  noch  auf  das  anhaltende 
Studium  Ihrer  Werke  geführt  wurde,  eine  so  allgemeine,  wiewohl  trotz  meiner  Ver- 
ehrung für  Kant  fast  unbewußte  Voraussetzung  meines  gesammten  Denkens,  daß 
ich  ihr  allein  in  früherer  Zeit  es  verdanken  zu  müssen  glaube,  die  Identitätsphilo- 
sophie jeder  Art  nur  als  ein  Spiel  mit  leeren  Begriffen  betrachtet  zu  haben,  den- 
noch blendete  mich  Spinoza,  vielleicht  gerade  deshalb,  weil  er  es  so  wenig  auf  das 
Blenden  anzulegen  scheint.  Schleiermachers  cosmische  Sittenlehre,  Kants  angeborne 
Vermögen,  Begriffe  und  Gesetze,  Jacobis  metaphysische  Genügsamkeit  fingen  mir 
an  gefährlich  zu  werden;  und  ich  erfülle  nur  eine  Pflicht,  wenn  ich,  —  da  ich 
doch  einmal  so  kühn  gewesen  bin,  von  meiner  unbedeutenden  Person  zu  sprechen 
—  Ihnen  allein  es  zu  verdanken  gestehe,  daß  ich  aus  dem  Schlummer  eines  er- 
sclilafften  Denkens,  in  welches  sich  dann  und  wann  ||  sceptische  Träume  als  Nach- 
ahmungen der  wachenden  Untersuchung  mischten,  hoffentlich  für  immer  geweckt 
worden  bin. 

Was  die  practische  Philosophie  im  besonderen  betrifft,   so   hat  der  Gang  der 
Untersuchung,  wie  Sie  ihn   theils  systematisch  dargelegt,   theils  in  Ihren  übrigen 

')  (3  S.    4".     H.  Wien. 


152  Mai  1835. 

Schriften  erlaeutert  haben,  rnid  dfe  Resultate  derselben,  für  mich  in  allen  wesent- 
lichen Puncten  vollkommen  Kraft  der  Überzeugung.  Der  Satz,  daß  das  Gute  und 
Böse.  Schöne  und  Häßliche  nicht  im  Gebiete  des  ursprünglich  Realen  zu  suchen 
sind,  glaube  ich  in  seiner  Wichtigkeit  eingesehen  zu  haben,  was  freilich  ohne  Ihre 
ausdrückliche  Aufforderung,  darüber  selbst  nachzudenken  nicht  wohl  geschehen  seyn 
würde  und  ein  andrer  allgemeiner  Zweifel,  der  bei  mir  diu'ch  die  Frage  entstand, 
in  wie  fern  die  über  gewisse  Verhältnisse  .der  Dinge  und  der  Willen  unfehlbar  er- 
gehenden ürtheile  Anspruch  auf  Objectivität  und  Allgemeingültigkeit  machen  können^ 
da  das  aesthetische  Urtheil  selbst  doch  nur  Verhältnisse  eines  vollendeten  Vor- 
stellens,  also  etwas  Subjectives  ausdrückt,  —  ob  sie  mithin  nicht  blos  Maaßstab  der 
WeTthschätxu?ig,  sondern  auch  des  Werthes  seyn,  hat  sich  mir  nur  durch  Vergleichung 
mit  dem  Satze  erledigt:  daß  unsere  Begriffe,  falls  sie  nur  richtig  ausgebildet  und 
verbunden  sind,  eben  deßhalb  über  die  reale  Natur  der  Dinge  entscheiden,  weil 
wir  in  ihnen  ganz  und  gar  eingeschlossen  sind.  Denn  von  einem  Werthe  zu 
sprechen,  den  etwas  abgesehen  von  der  notb wendigen  Form  unsrer  Beurtheilung 
haben  könnte,  ist  ebenso  widersinnig,  als  den  Versuch  zu  machen,  sich  vorzustellen 
daß  die  reale  Natur  dei'  Dinge  von  unsrer  nothwendigen  Vorstellungsart  abweiche. 
Nur  einen  Punct  erlaube  ich  mir  zu  berühren,  an  welchem  ich  Anstoß  nehme. 
Die  Construktion  der  5t.  practischen  Idee  betreffend:  „die  absichtliche  Wohl-  und 
Wehethat  mißfällt,  so  lange  sie  un vergolten  dasteht;  in  ihr  liegt  also  schon  ein 
ganzes  ||  Verhältniß  vor :  das  zwischen  der  That  und  dem  Zustande,  welcher  ohne 
sie  nicht  würde  statt  gefunden  haben."  Das  glaube  ich  einzusehen ;  aber  die  allg. 
pract.  Philosoph.  S.  137  fährt  fort:  ,,Die  That  als  Störeriu  mißfällt,  ....  mit  dem 
Wohl  oder  Wehe,  das  in  der  Absicht  und  dem  Erfolge  gemeinschaftlich  anzutreffen 
ist.  wächst  das  Mißfallen  und  zwar  auf  gleiche  Weise  bei  der  Wohlthat  und  bei 
der  Wehethat;  .  .  .  die  That  als  That  festzuhalten  ist  nicht  ganz  leicht;  es  wird 
aber  leichter,  sobald  aus  der  praktischen  Weisung  das  Symbol  hervortritt,  in  welchem, 
das  Misfallen  an  der  That  seinen  Ausdruck  findet."  Hier  entsteht  mir  nun  schon 
die  Bedenklichkeit,  daß  das  hervortretende  Symbol  leicht  falsch  gedeutet  werden 
kann,  wenn  nicht,  bevor  es  hervortritt,  die  Beurteilung  des  Verhältnisses,  dessen 
Symbol  es  ist,  Gegenstand  einer  sichern  und  deutlichen  Einsicht  geworden  ist;  und 
für  mich  wenigstens  ist  es  bis  jetzt  unmöglich  gewesen,  das  MißiaWen  inne  zu 
werden,  welches  der  Gedanke  der  Wohlthat  als  einer  Störerin  nach  sich  ziehe. 
Wie  streng  die  Forderung,  von  dem  beabsichtigten  und  bewirkten  Wohl  das  Wehe 
zu  abstmhiren  und  die  That  rein  als  That  zu  fassen,  sey,  wage  ich  nicht  zu  be- 
stimmen; da  die  Stelle,  welche  ich  mir  erlaubt  habe,  anzufühi-en,  ausdrücklich  sagt: 
„Das  Mißfallen  wachse  auf  gleiche  Weise  bei  der  Wohlthat  und  bei  der  Wehethat"; 
genüge  ich  aber  der  Forderung,  so  verstummt  Beifall  und  Mißfallen  und  die  That 
als  That  erscheint  mir  als  ein  leerer  Begriff,  als  eine  Spitze,  nicht  ganz  so  hoch 
als  die  Idee  des  Guten,  aber  eben  so  hohl.  Mit  dem  Begriffe  'der  That,  durch 
welche  ein  wirklicher  Wille  absichtlich  eingreift  in  einen  andern  wirklichen  Willen, 
so  daß  dieser  das  .Beabsichtigen  empfindet,  Ist  mitgesetzt  ein  Was  der  Absicht; 
also  scheint  mir  das  Merkmal  der  Wohlthat  wie  Wehethat  unzertrennlich  mit  der 
Auffassung  des  Verhältnisses  verbunden  zu  seyn;  und  die  Abstraction  von  dem, 
tcas  beabsichtigt  und  was  bewirkt  ||  wird,  vernichtet  mir  das  Verhältniß  selbst,  welches 
sich  der  aesthetischen  Beurtheilung  darbieten  könnte.  Sie  erinnern  mich  jedenfalls, 
bei  der  Idee  des  Wohlwollens,  wo  von  der  Beschaffenheit  des  vorgestellten  Willens, 
bei  der  des  Rechtes,  wo  von  dem  Gegenstande  des  Streites  und  den  Größenverhält- 
nissen der  streitenden  Kräfte  zu  abstrahiren  sey,  trete  derselbe  Fall  ein;  allein  ich 
erlaube  mir,  um  Ihre  Geduld  durch  noch  größere  Weitläufigkeit  nicht  allzusehr  zu 


Mai   1835.  153 

ermüden,  zu  gestehen,  daß  mir  alle  geforderten  Abstraetionen  bei  beiden  gelingen, 
ohne  daß  Beifall  oder  Mißfallen  verschwindet;  während  das  Verhältniß  der  That  zu 
dem  Zustande,  der  ohne  sie  nicht  würde  eingetreten  seyn,  mir  nur  dann  eine  prac- 
tische  Bedeutung  erhält,  wenn  ich  das  Was  der  Absicht  und  der  Wirkung  mit  dem 
Begriffe,  der  That  verbinde ;  was  auch  fast  unwillkührlich  geschieht,  so,  daß  mir 
das  Verhältniß  der  Wohlthat  zu  dem  ihr  entsprechenden  Zustande  gefällt,  das  der 
Wehethat  zu  demselben  mißfällt.  Das  Symbol  für  beide  bleibt  dasselbe,  Vergeltung! 
Freilich  sehe  ich  dabei  nicht  ein,  worauf  nunmehr  der  Gedanke  des  Rückganges 
des  gleichen  Quantums  Wohl  sich  eigentlich  gründete,  da  mir  die  Deduction  der 
138  S.  nun  mehr  nur  auf  das  AVehe  passen  will. 

Möglich,  daß  Ihnen  diese  Bemerkungen,  die  ich  kaum  Einwurf  zu  nennen  wage, 
vorkommen,  wie  die  eines  Schülers  der  Differentialrechnung,  der,  wie  Sie  einmal  sagen, 
immer  geneigt  ist,  Einwürfe  zu  machen,  ohne  dadurch  etwas  mehr  zu  beurkunden,  als 
seine  Ungelenkigkeit  im  Denken;  einem  Mangel  meiner  Auffassung  habe  ich  bis  jetzt 
mit  vergeblicher  Mühe  nachgespürt;  und  der  Gegenstand  ist  mir  für  die  Festigkeit  und 
Klarheit  der  Überzeugung  wichtig  genug,  als  daß  ich  nicht  hätte  wagen  sollen,  Ihnen 
—  die  Stimmung,  will  ich  es  nennen,  über  welche  ich  in  Beziehung  auf  diese  Idee 
noch  niemals  habe  hinwegkommen  können,  mitzutheilen.  ||  Ich  muß  wohl  wegen  der 
unbescheidenen  Länge  dieses  Briefes  doppelt  und  dreifach  um  Verzeihung  bitten 
und  kann  nur  von  meinem  Vertrauen  auf  Ihre  wohlwollende  Gesinnung  die  Hoff- 
nung entnehmen,  nicht  umsonst  darum  gebeten  zu  haben. 

Ich  füge  dazu  nur  noch  die  zweite  die  Versicherung  meiner  unverbrüchlichen 
Hochachtung  gütigst  zu  genehmigen  und  mir  Ihr  Wohlwollen  zu  erhalten. 

Ew.  Wohlgeboren  ergebenster    Hartenstein. 

522.    Romang  an   H.'j  Kiesen  b.  Thun,  d.  20.  Mai  1835. 

Wohlgeborner,  Hochverehrter  Herr.  Sie  werden  es  einem  jungen  Literator 
ohne  alle  Verbindungen,  die  ihm  zur  Einführung  in  das  wissenschaftliche  Publicum 
nützlich  sein  könnten,  gewiß  verzeihen,  wenn  er  sich  die,  wie  man  sagt,  nicht  ganz 
ungewöhnliche  Freiheit  nimmt,  seine  erste  Schrift-)  dem  Mann  zu  überreichen,  dessen 
geistiger  Anregung  er  es  zum  großen  Theile  zu  danken  haben  würde,  wenn  etwas 
Gutes  sich  in  seinem  Buche  finden  sollte,  und  von  dem  er,  um  der  Zusammen- 
stimmung in  der  Hauptsache  willen,  am  ersten  ein  aufmunterndes,  sowie  seines 
seltenen  Tiefsinns  und  seiner  umfassenden  Gelehrsamkeit  wegen,  am  sichersten  ein 
belehrendes  Urteil  sich  versprechen  zu  können  glaubt.  Ich  habe  eine  Frage  mit 
Ausführlichkeit  behandelt,  welche  Sie  längst  in  beiläufigen  Bemerkungen  in  dem 
nämlichen  Sinn  beantwortet  haben,  und  die  nach  dem  Geiste  Ihres  Systems  gegen 
die  gewöhnliche  Ansicht  entschieden  werden  muß.  Bei  der  Hartnäckigkeit  der  ge- 
meinen Meinung  schien  jedoch  eine  ausführlichere  Darlegung  der  richtigen  Auf- 
fassung nicht  überflüssig  zu  sein. 

Ist  es  einmal  anerkannt,  daß  in  der  innersten  Tiefe  der  Seele  nicht  w^eniger, 
als  in  der  materiellen  Region,  alles  nach  fester  Gesetzmäßigkeit  und  nothwendiger 
Causalverknüpfung  vor  sich  geht,  dann  werden  sie  endlich  auch  allgemein  einsehen, 
was  Drobisch  längst  gesagt  hat,    „daß    es   hier   wirklich  etwas  zu  rechnen  gibt«   — 


')  2  S.  4».  H.  Wien.  —  Johann  Peter  Romang  (1802—1875)  war  1832-34 
Prof.  der  Philos.  an  der  bernischen  Akademie.  Vgl.  Sammlung  bernischer  Biogr.  III, 
24—27,  von  Blösch  u.  Schweiz.  Theol.  Zeitschr.  189(5,  25  —  43.  (Den  Nachweis 
der  Daten  verdanke  ich  Hrn.  Prof.  Dr.  R.  Steck  in  Bern.) 

■-)  Über  Willensfreiheit  u.  Determinismus,  Bern  1835.  Vgl.  Herbarts  Anzeige 
Bd.  Xni.  285. 


154  ^^35- 

und  jeder  würde  sich  von  der  Rechnung  nur  dadurch  vielleicht  abhalten  lassen,  daß 
das  einheitliche  Grundmaß  nicht  leicht  ||  allgemein  festgestellt  werden  dürfte,  und 
die  erforderlichen  Beobachtungen  immer  so  schwierig  bleiben.  Sollte  meine  Arbeit 
sich  einige  Anerkennung  erwerben  mögen,  so  würde  sie,  auf  ihre  Weise,  einen 
kleinen  Beitrag  leisten  zur  Verbreitung  der  Wahrheiten,  die  Sie  seit  vielen  Jahren 
verkünden.  Daher  hoffe  ich,  Sie  möchten  vielleicht  sich  die  Mühe  nehmen,  einen 
flüchtigen  Blick  hinzuwerfen,  und,  wenn  Sie  anders  einiges  Beachtenswerthe  darin 
fänden,  durch  Ihre  Verbindungen  irgend'  eine  Anzeige  davon  machen  zu  lassen,  die 
Güte  haben.  Indem  (ich  Ihnen  durch  diese  geringe  Darreichung  vor  allem  meine 
Verehrung  bezeugen  wollte,  würde  ich  Sie  um  die  erwähnte  Gunst  ernstlich  bitten, 
wenn  es  nur  nicht  gar  zu  zudringlich  wäre,  denn  vollkommen  wahr  sag"t  Goldsmith, 
daß  es  für  einen  Schi'iftsteller  das  Allerschlimmste  ist,  weder  Freunde  noch  Feinde 
zu  haben,  weil  er  in  diesem  Falle  gar  sehr  Gefahr  läuft,  gänzlich  übersehen  zu 
werden. 

Vielleicht  ist  es  Ihnen  nicht  gantz  unangenehm,  zu  erfahren,  daß  die  Familie 
Steiger,  mit  der  Sie  vor  30  Jahren  in  ähnlicher  Verbindung  standen,  wie  ich  gegen- 
wärtig, besonders  Hr.  Carl,  der  noch  in  Göttingen  in  Ihrem  Hause  lebte,  Ihr  An- 
denken mit  der  alten  Liebe  und  Verehrung  bewahrt,  sich  übrigens  auch  in  so 
blühendem  Zustande  befindet,  als  ein  adeliges  Haus  in  unsren  politischen  Verhält- 
nissen sich  befinden  kann. 

Mit  der  ausgezeichnetsten  Hochachtung  hat  die  Ehre  zu  beharren 

Ew.  Wohlgeboren  gehorsamster  Diener  Romang  V.  D.  M. ') 

523.    An  Drobisch.^) 

Mein  theurer  Freund!   Noch  nicht  seit  24   Stunden  zu  Hause,    finde 

ich  gleichwohl  nöthig  an  Sie  zu  schreiben^   weil  ich  vielleicht  nicht  so  bald 

wieder  dazu  kommen  möchte;    und   es  dennoch    nicht  gleichgültig  ist,  wie 

genau   wir  im  Einverständniß  über  einen   wichtigen  Punct  der  math.  Psych. 

r  p 
fortarbeiten.     Auf  Anlaß  Ihrer  Bemerkung  über  II  -j hab  ich  sogleich 

meine  Logarithmen  wieder  zur  Hand  genommen ;  allein  der  erste  Ver- 
such, so  sehr  auch  die  Zahlen  nunmehr  verändert  erscheinen,  giebt  doch 
keine  Hoffnung  auf  ein  solches  Resultat  wie  ich  es  erwartete;  vielmehr 
zeigt  sich  wieder  das  Nämliche,  was  früher  schon  vom  erfahrungsmäßigen 
Ablaufen  der  Vorstellungsreihen  abwich.  Wenn  Tl"  zum  Maximum  gelangt, 
so  ist  II'  noch  nicht  hinreichend  gesunken,  sondern  sein  Stand  bleibt  auch 
in  meiner  jetzigen  Rechnung  ein  wenig  höher  als  das  Maximum  von  II". 
Es   ist  nur   wenig,  aber  das   Wenige  bedarf  einer  Correctur. 

Jetzt  zögere  ich  nicht,  Ihnen  das  Wesentliche,  worauf  diese  nöthige 
Correctur  anzukommen  scheint,  mitzutheilen ;  in  Hoffnung,  daß  Sie  den 
Gegenstand  weiter  verfolgen  werden. 

II'  und  II"  sind  ohne  Zweifei,  während  eine  Reihe  sich  bildet,  theils 
in  Hemmung,  theils  in  Verschmelzung  eingegangen.  Beydes  bietet  ver- 
einigt die  Correctur  dar;  nur  wird  es  schwer  seyn,  sie  durch  Rechnung  zu 
verfolgen;  jedoch  sind  die  Begriffe  klar  genug. 


1)  V[erbi]  D[ivini]  M[inister]. 
n  4  S,    4°- 


1835-  155 

I.)  Was  die  Verschmelzung  anlangt,  so  wird  vermöge  derselben  11" 
beschleunigt  durch  FL',  während  letzteres  steigt;  und  das  Maximum  von 
JT"  kommt  dadurch  höher  zu  liegen  als  nach  bisheriger  Rechnung. 

2.)  Was  die  Hemmung  anlangt:  so  erhebt  sich  die  Hemmungssumme 
zwischen  \\  JT'  und  TI"  allmählig,  während  beyde  steigen.  Dieser  Umstand 
ist  Anfangs  wider  das  veriangte  Resultat;  nämlich  solange,  als  FL'  schneller, 
d.  h.  energischer  gehoben  wird,  muß  TT"  dadurch  verzögert  werden.  Da- 
bey  bleibt  es  aber  nicht.  Damit  ich  mich  deutlich  ausdrücke,  betrachte 
ich  zuerst  den  Augenblick,  in  welchem  11'  zum  Maximum  gelangt.  Jetzt 
ist  seine  Geschwindigkeit  =  o;  d.  h.  es  ist  keine  Energie  des  P  mehr 
wirksam,  wodurch  JT'  noch  höher  könnte  gehoben  werden.  Dagegen  wird 
um  diese  Zeit  JT"  noch  weiter  gefördert;  folglich  findet  jene  Hemmungs- 
summe bey  JI"  noch  Widerstand,  aber  nicht  mehr  bey  JT'.  Dies  zeigt 
an,  daß  JT'  vom  Maximum  schneller  herabgedrückt  wird  als  die  bisherige 
Rechnung  angeben  kann.  Eigentlich  aber  beginnt  das  Herabdrücken 
schon  früher.  Man  müßte  in  der  Rechnung  den  Augenblick  suchen,  wo 
die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  JT'  gehoben  wird,  kleiner  zu  werden 
beginnt  als  die  des  JT";  also  den  Augenblick,  wo  beyde  Geschwindigkeiten 
gleich  sind.  Früher  war  die  Wirkung  der  Hemmungssumme  zum  Nach- 
theil von  JT";  von  jetzt  an  aber  wird  dadurch  TZ'  zurückgehalten;  sein 
Maximum  wird  erniedrigt,  und  von  da  wird  es  her  abgedrückt,  so  lange 
JT"  noch  steigt.  —  Dies  modificirt  sich,  je  nachdem  zwischen  JT'  und  JT" 
die  Hemmung  größer  oder  kleiner,  und  jenachdem  die  Verschmelzung 
mehr  oder  weniger  zu  Stande  gekommen  ist. 

Empfangen  Sie  jetzt  noch  meinen  recht  herzlichen  Dank  für  Ihr 
sehr  gütiges  Kommen  nach  Nordhausen!  Empfehlen  Sie  uns  Ihrer  Frau 
Gemahlin  aufs  Beste!  Meine  Frau  hat  sich  um  Vieles  wieder  erheitert; 
sie  war  in  Nordhausen  kränker  als  sie  sagen  wollte;  daher  ihre  Ver- 
stimmung. Möchten  Sie  nur  gesund  nach  Leipzig  gekommen  seyn;  wir 
haben  mit  Sorge  Ihrer  gedacht,  daß  die  empfindliche  Kälte,  verbunden 
mit  dem  Nachtwachen,  Ihnen  schaden  möchte.  Meine  kleine  Schrift^) 
finden  Sie  hiebey.     In   Hoff"nung  auf  einen  baldigen   Brief  ganz  Ihr 

H.ll 

Mittlerweile,  während  dieser  Brief  liegen  blieb,  ist  der  Ihrige  an- 
gekommen. :Mein  Bedauern  des  häuslichen  Leidens  das  Sie  vorfanden, 
ist  zwar  an  sich  nicht  eigennützig;  dazu  fühle  ich  mich  Ihnen  zu  sehr 
persönlich  befreundet!  Aber  Ihr  Brief  thut  etwas  hinzu,  was  ich  nicht 
verschweigen  darf,  obgleich  es  in  die  Vatersorgen,  die  Ihnen  zunächst 
am  Herzen  liegen,  nicht  eingeht;  —  daher  ich  mich  nur  der  Hoffnung 
überiassen  kann,  die  Sie  am  Ende  des  Briefes  ausdrücken,  daß  es  mit 
Ihrem  Kleinen  besser  geworden  ist  —  ich  meine  die  Nachricht  von 
Bobrik,  und  die  Bemerkung,  die  Sie  selbst  daran  knüpfen.  Sie  sagen: 
Bobrik  werde  mit  Fragen  bestürmt  werden,  und  alsdann  zuviel  antworten. 
Das  ist  sehr  möglich.  Jedenfalls  muß  er  suchen,  Ansichten  auszubilden, 
deren  das  Publicum  bedarf;    denn    dies   Bedürfnis   ist  im  höchsten  Grade 


^)  Umriß  päd.  Vorlesungen. 


156 ^835. ^ __ 

dringend;  besonders  um  den  furchtbaren  Uebeln  der  falschen  Ansichten 
von  Fichte  bis  Hegeln  und  ihrem  Schweife,  Grenzen  zu  setzen  und  ein 
Gegengewicht  zu  geben.  Diese  Ansichten  müssen  schlechterdings  ver- 
drängt werden,  und  bessere,  wenn  sie  auch  nur  das  negative  Verdienst 
haben  nicht  spinozistisch  zu  seyn,  müssen  einstweilen  die  Lücken  aus- 
füllen, welche  die  wahre  Wissenschaft  offen  läßt.  Dadurch  aber  wird  sich 
theil weise  das  Frühere  wiederhohlen.  Kant  hatte  eine  ungeheure  Lücke 
gemacht;  darum  drang  der  Spinozismus  ein.  Hätte  ich  vor  vierzig  Jahren, 
da  ich  mit  Schelling  zugleich  jung  war,  so  schnell  seyn  können  wie  er, 
so  wäre  das  Unglück  nicht  geschehen.  Mich  retardirte  nicht  bloß  die 
Schwierigkeit  der  Sache;  anderes  Leiden  kam  hinzu.  Jetzt  sind  Sie  im 
ähnlichen  Falle.  Sie  werden  auch  retardirt.  Und  doch  liegt  es  völlig  am 
Tage,  daß  jetzt  auf  Ihr  Zuvorkommen,  als  auf  das,  was  einzig  helfen 
könnte,  die  Lage  der  Dinge  hinweiset!  —  Sie  können  und  dürfen  Bobrik 
nicht  hindern,  ich  kann  und  darf  es  eben  so  wenig.  Wohl  aber  würden 
Sie,  wenn  Sie  rasch  genug  wären,  ihm  jetzt,  da  er  noch  guten  Willen 
haben  wird,  etwas  anzunehmen,  den  Weg  sichern  können.  Was  von  ihm, 
gilt  von  Andern  vielleicht  noch  mehr.  Kommt  Strümpell,  kommt  Harten- 
stein, kommen  meine  jetzigen  Zuhörer  in  Gang:  so  bildet  sich  ein  Zug,, 
dem  nichts  widerstehen  kann;  denn  jeder  Irrthum  und  jeder  Streit  voll- 
endet seine  Geschichte;  und  wir  müssen  froh  seyn,  wenn  </,?r  Irrthum,  der 
sich  an  meine  Untersuchungen  hängen  kann,  weniger  schlimm,  weniger 
wahrheitswidrig  und  für  gesunde  Methoden  weniger  zerstörend  seyn  wird, 
als  der  jetzt  herrschende.  Die  Vorsicht,  die  wir  beyde  uns  zur  Pflicht 
gemacht  haben,  dürfen  wir  von  Andern  nicht  verlangen.  Es  geschieht 
sonst  nichts,  und  nach  unsrer  strengen  Weise  wird  nicht  mehr  Widerstand 
geleistet  als  die  Physiker  leisten,  die  im  Stillen  über  die  Thorheiten  der 
Zeit  lächeln. 

Die  Betrachtungen  sind  so  ernsthaft,  daß  ich  nun  doppelt  wünschen 
muß,  meine  neuliche  Mittheilung  und  die  vorstehende  des  gegenwärtigen 
Briefes  von  ihnen  erwogen  und  benutzt  zu  sehn;  denn  an  diese  Puncte 
werden  Sie  unfehlbar  stoßen.  Femer  wünsche  ich  der  Uebersicht  wegen, 
daß  meine  Pädagogik  als  Beylage  zur  Psychologie  in  Ihren  Händen  sey; 
das  Feld  muß  sich  Ihnen  erweitern,  damit  Sie  die  Anwendungen,  welche 
zu  suchen  sind,  überschauen.  Und  Hartenstein  muß  sich  der  praktischen 
Philosophie  wegen  mit  mir  in  Verbindung  setzen.  An  dieser  darf  vor  allen 
Dingen  nichts  verdorben  werden;  sonst  hilft  alles  Andre  nichts.  Endlich 
müssen  Sie  Sich  fortwährend  nach  einem  Physiker  umsehn,  der  mir  die 
Naturphilosophie  prüfe  und  fördere;  denn  auf  diesem  Felde  wird  die  Er- 
fahrung dereinst  entscheiden.  Lassen  Sie  keine  nutzbare  Zeit  ungenutzt; 
und    begreifen    Sie    endlich  einmal,  wie  viel  an  Ihrer  Wirksamkeit  hängt! 

II  23.  May.  Dieser  Brief  ist  nochmals  liegen  geblieben.  Unterdeß  hat 
auch  Hartenstein  geschrieben.  Daraus  sehe  ich,  daß  er  in  die  praktische 
Philosophie  wirklich  hinein  gekommen  ist;  eine  verhältnismäßig  geringe 
Differenz  hat  er  mir  aufrichtig  angezeigt;  und  diese  Offenheit  ist  die 
Hauptsache;  ich  habe  ihm  geantwortet,  und  er  wird  daraus  wenigstens 
gewiß  soviel  sehen,  daß  die  Differenz  noch  viel  kleiner  ist,  als  er  glaubte, 
denn  ein  Theil  davon  ist   bloßes  Misverständniß   meiner  Worte,   während 


Juni  1835- 157 

er  das  Rechte  schon  selbst  getroffen  hat,  so  daß  die  Beharrlichkeit,  womit 
er  dies  vesthielt  während  er  in  meinen  Worten  den  Sinn  nicht  traf, 
gerade  recht  erfreulich  ist. 

4.  Juni.  Endlich  noch,  —  um  doch  schnell  wenigsten  ein  Lebens- 
zeichen zu  geben,  und  zugleich  darzuthun,  daß  ich  habe  schreiben  wollen, 
—  sende  ich  dies  Blatt  ab;  im  Begriff  in  den  Wagen  zu  steigen,  um  in 
Hannover  Visiten  zu  machen  die  ich  eigentlich  schon  seit  anderthalb  Jahren 
dort  schuldig  bin. 

Möge  dies  Blatt  Sie  und  die  Ihrigen  in  guter  Gesundheit  finden! 
Gegen  meine  Unpäßlichkeit  werde  ich  in  Hannover  Urlaub  zu  einer, 
wenn  auch  nur  kurzen,  Brunnenkur  nachsuchen. i)  Herzlich  wünsche  ich 
Ihnen  Lebewohl!  Ganz  wie  immer 

Ihr      H. 

Ö24.    Hartenstein  an  H.  -)  Leipzig  9.  Juni  1835 

Wolilgebomer  Herr,  Hochzuverehrender  Herr  Hofrath !  Aus  der  wohlwollenden 
Geneigtheit,  mit  welcher  Sie  meine- Bedenklichkeiten  über  das,  was  durch  die  fünfte 
praktische  Idee  eigentlich  als  Gegenstand  des  Mißfallens  bezeichnet  werde,  zu  be- 
mcksichtigen  die  Güte  gehabt  haben,  hoffe  ich  schließen  zu  dürfen,  daß  meine  Ver- 
sichening,  durch  Ihr  verehrtes  Schreiben  vom  22.  Mai  über  die  Construction  der- 
selben vollkommen  aufgeklärt  worden  zu  seyn,  Ihnen  nicht  ganz  unerwünscht  seyn 
wird.  Indessen  auch  außerdem  würde  es  meine  Pflicht  seyn,  Ihnen  meinen  auf- 
richtigsten Dank  an  den  Tag  zu  legen. 

Den  ersteh  Anstoß  hatte  ich  an  dem  Ausdrucke  genommen,  welchem  Sie  selbst 
in  Ihrem  Schreiben  eine  nähere  Erklärung  hinzufügen,  „die  That  als  Störerin  mißfällt,'' 
und  an  der  S.  138  ausgesprochenen  Forderung,  die  That  blos  als  That  fest  zu  halten. 
Ich  bemerkte  wohl,  daß  der  Begriff  der  That  als  Störerin  schon  in  sich  selbst  ein  Ver- 
hältniß  bezeichnete;  aber  ich  gerieth,  wie  ich  mir  erlaubte  Ihnen  zu  bemerken,  in  den 
Irrthum,  daß  Sie  dieses  Verhältniß  durch  die  leere  Abstraction  der  That,  ohne  Rück- 
sicht II  auf  die  mit  ihr  verbundene  Absicht  und  Wirkung,  characterisirt  wissen 
wollten.  Die  Stelle  Ihres  Werkes  S.  204,  auf  welche  Sie  mich  verweisen,  war  mir 
freilich  im  Gedächtniß,  aber  sie  schien  mir  im  Widerspruche  zu  stehen  mit  der 
S.  138  ausgesprochenen  Forderung:  ohne  daß  ich  deshalb  so  voreilig  sejTi  wollte, 
mich  darauf  zu  berufen.  Die  ersten  Worte  Ihrer  gütigen  Antwort  beruhigten 
mich  jedoch  hierüber  und  alles  folgende  diente  dazu,  mich  nach  und  nach  mit  der 
steigenden  Deutlichkeit  der  Begriffe  des  Mißfallens  wirklich  inne  werden  zu  lassen, 
welches  das  Verhältniß  der  That  zu  dem  Zustande,  den  sie  abbricht,  unvermeidlich 
trifft  Dieses  Mißfallen  wächst  wirklich  gleichmäßig  bei  dem  Wohl  und  Wehe;  ob- 
wohl der  Gedanke,  uns  denn  nun  von  dem  Empfänger  auf  den  Thäter  zurückfallen 
soll,  sich  nothwendig  nach  der  Beschaffenheit  dessen  richtet,  was  in  der  Absicht 
und  dem  Erfolge  gleichmäßig  anzuti-effen  war;  eben  deshalb  nothwendig  richtet, 
weil  die  That  nicht  als  leere  That  aufgefaßt  werden  darf.  Das  Verhältniß,  auf 
welches  es  hier  ankommt,  springt  mir  jetzt  am  bestimmtesten  in  dem  Gedanken 
hervor:  ,.könnte  das  Mißfallen  als  eine  Kraft  wirken  auf  die  That,  so  würde  es  sie 
hemmen.-"  — 

Das  hielt  ich  vor  Empfang  Ihres  Schreibens  für  unmöglich,  wenn  nämlich  die 
That  Wohlthat  sev.    Den  Wunsch,  daß  eine  Wohlthat.  von  welcher  man  wisse,  was 


1)  S.  Bd.  XV.     S.  293. 
-)  3V2  S.    4^.     H.  Wien. 


158  Juni  1835- ^ 

sie  beabsichtige  und  bewirken  werde,  unterbleiben  möge,  für  unzulässig.  Er  ist 
wirklich  für  jeden  Dritten  unzulässig;  denn  er  enthält  eine  Verneinung  des 
Wohlwollens;  aber  zugleich  hat  mich  Ihr  Schreiben  veranlaßt,  mich  zu  besinnen, 
daß  der  Wunsch,  die:  Wohlthat  eines  Nicht -Wohlwollenden,  welche  man  über- 
zeugt ist,  mit  nichts  vergelten  zu  können,  zu  verhindern  sich  häufig  genug  ||  ein- 
stellt und,  falls  nur  jenes  reine  Mißfallen  an  der  unvergoltenen  That  das  Motiv  ist, 
keinem  sittlichen  Tadel  unterliegt.  Der  Wohlthat  des  Wohlwollenden  aber  bietet 
man  sich  unbedenklich  dar;  denn  ihren  Lohn,  den  Dank,  hat  man  in  seiner  Gewalt. 
Ihrer  Frage,  welchen  Zustand  ich  gemeint  habe,  da  ich  schrieb:  „Das  Yer- 
hältniß  der  Wohlthat  zu  dem  ihr  entsprechenden  Zustande  gefällt  mir,''  bin  ich^ 
freilich  zur  geringen  Ehre  meines  Scharfsinnes,  das  Geständniß  schuldig,  daß  ich  es 
nahe  bei  so  gemeint  hatte,  wie  Sie  vermuthen.  Ich  hatte  wirklich  vergessen,  oder 
vielmehr  mir  noch  nie  ganz  bestimmt  auseinandergesetzt,  daß  es  Wohlthaten  ohne 
Wohlwollen  gibt.  Daher  ich  Ihnen  ganz  besonders  dafür  verbunden  bin,  daß  Sie 
mich  auf  S.  130  und  135  Ihres  Werkes  aufmerksam  gemacht  haben,  indem  Ihre 
Andeutungen  hoffentUch  genügen  sollen,  die  Wichtigkeit  der  dort  angegebenen  Unter- 
scheidungen mir  in  dem  gehörigen  Lichte  zu  erhalten. 

Ich  muß  um  Verzeihung  bitten,  daß  ich  mich  nicht  mit  wenigeren  Worten 
begnügt  habe,  meinen  Dank  für  Ihre  Mittheiluugen  mit  der  Versicherung,  daß  sie 
nicht  vergeblich  gewesen  sind,  zu  verbinden.  Ich  woUte  zugleich  mich  versichern, 
daß  ich  Sie  nunmehr  wirklich  so  verstanden  habe,  wie  Sie  woUen.  Ist  dieß  der 
Fall,  so  liegt  die  Basis  der  practischen  Philosophie  für  mich  fest.  Derselben  in 
ihrer  ganzen  Ausdehnung  Einfluß  zu  verschaffen  auf  die  Gegenwart  ist  nicht  blos 
um  der  Philosophie  willen  nöthig  und  wünschenswerth ;  ich  zweifle  aber  an  der 
Möglichkeit,  so  lange  nicht  eine  weitverbreitete  Einsicht  in  die  Motive  und  Resultate, 
den  Umfang  und  die  Grenzen  der  Metaphysik  der  Verwirrung  der  Köpfe  Maaß  und 
Ziel  gesetzt  und  in  die  Fluth  speculativen  Geschwätzes  einen  Niederschlag  bewirkt 
hat,  der  einigermaßen  erkennen  macht,  in  welchen  Gewässern  man  bisher  gefischt 
habe.  Directe  Polemik  ist  nicht  möglich;  noch  ganz  vor  kurzem  erklärte  ein 
Hegehaner  in  den  ßerl.  Jahrbb.  sehr  naiv,  die  Philosophie  habe  eigentlich  gar  keinen 
Anfang,  sondern  jeder  Satz  aus  ihr  sey  der  Anfang;  wie  könnte  man  nun  hoffen, 
zu  Ende  zu  kommen,  wenn  der  Anfang  wirklich  fehlt V  Es  bleibt  nichts  übrig,  als 
den  Weg  der  nüchternen  Untersuchung  unverrückt  festzuhalten  und  nichts  nach- 
zugeben. 

Mich  der  Fortdauer  Ihrer  Wohlgeneigtheit  angelegentlichst  empfehlend,  ver- 
harre ich  mit  unverbrüchlicher  Verehrung 

Ew.  Wohlgeboren  ganz  ergebenster  G.  Hartenstein. 

525.     Richthof en  an  H.^)  Brecheishof,  d.  23ten  Juni  85. 

Mein  sehr  verehrter  Freund!  Statt  daß  ich  gehofft,  daß  Ihre  Rückkehr  nach 
dem  Innern  Deutschlands  uns  wieder  näher  zusammenführen  sollte,  scheint  unsere 
Korrespondenz  vielmehr  immer  mehr  zu  ermatten,  und  erhielte  ich  nicht  zuweilen 
Kunde  über  Sie  durch  ^meinen  ältesten  Sohn,  so  würde  ich  nur  auf  die  öffentlichen 
Nachrichten  beschränkt  seyn,  welche  nothwendig  das  innere  Leben  unberührt  lassen. 
Aber  auch  die  Mittheilungen  Karls  sind  dürftig,  und  so  mache  ich  es  denn  meinem 
alten  vieljährigen  Freunde  zur  angelegentlichen  Pflicht  endlich  einmal  ein  Stündchen 
mir  zu  diesem  Behuf  zu  schenken ;  möchten  Sie  doch  noch  lieber  dem  Beispiel  eines 
anderen  alten  Freundes  des  Grafen  Baudissin   einmal   folgen,   dessen  Besuch  ich  in 

1)  3  S.    40.     H.  Wien. 


Juni    1835.  159 

den  nächsten  Wochen  zu  meiner  großen  Freude  erwarte.  Leider  geht  so  manchei  dahin; 
auch  mit  Reichhelm  dem  braven  Berliner  Schulrath  war  dieß  jüngst  der  Fall;  ich 
hatte  ihn,  als  ich  im  Herbste  in  Berlin  war  verfehlt,  und  begegnete  ihm  später  auf 
der  Straße;  da  sah  er  freilich  sehr  verfallen  aus,  aber  ein  so  baldiges  Ende  hätte  ich 
doch,  nicht  erwartet!  "Wie  geht  es  Ihnen?  und  ist  Ihre  Wirksamkeit  als  Lehrer 
fortwährend  erfreuhch?  Vei-schiedene.  Schriften  früherer  Zuhörer  deuten  darauf  hin. 
daß  Ihre  Samenköraer  wenigstens  in  der  letzten  Zeit  nicht  in  Königsberg  auf  un- 
fruchtbares Erdreich  fiolen;  daii  man  daraus  (hoffend)  weiter  schließen,  so  ließe 
sich  freilich  vieles  envarten. 

Strümpell  bat  mir  sein  Buch  geschickt;  möge  es  nicht  nachtheilig  auf  seine 
wie  es  scheint  ungünstigen  Privatverhältnisse  zuiückwirken,  daß  er  zuerst  pole- 
misirend  aufgetreten  ist,  wenn  es  gleich  allerdings  manches  zu  polemisiren  giebt. 
Es  hat  mir  recht  leid  gethan,  daß  er  mir  seinen  Wunsch  nach  einer  Hauslehrer- 
stelle nicht  eher  mitgetheilt  hat,  da  ich  ihn  sonst  selbst  zu  mir  genommen  haben 
wurde;  später  war  ich  bereits  leidlich  versorgt.  Dieterici  ist  nun  auch  noch  zum 
Lehrer  geworden,  und  scheint  vielfach  Ihre  praktische  Philosophie  zu  benutzen; 
mein  zweiter  Sohn,  der  bei  ihm  hört,  ist  sehr  von  ihm  eingenommen;  ich  selbst 
habe  ihn  aber  persönlich  sehr  lieb,  und  achte  ihn  als  einen  vorzüglich  braven 
Mann.  Freilich  wird  wohl  seine  fortwährende  Stellung  als  Ministerial-  und  Kassen- 
warth  einen  großen  Theil  seiner  Kräfte  in  Anspruch  nehmen.  ||  Daß  die  mir  früher 
in  Berlin  eröffneten  Aussichten  wegen  der  Breslauer  Universitäts-Kuratel  gescheitert 
sind,  hat  Ihnen  wahrscheinlich  mein  Sohn  gesagt;  bedenke  ich  was  eine  solche 
Stellimg  seyn  konnte,  so  ist  mir  die  Sache  freilich  höchst  unangenehm,  aber  diese 
Ansicht  wird  allerdings  sehr  dadurch  gemildert,  daß  die  Wirklichkeit  von  dem  Mög- 
lichen sehr  abweicht.  Leid  thut  mir,  daß  man  das  Kuratorium  dem  Polizeipräsidenten 
überträgt,  was  wenn  der  Mann  dui'ch  seine  Persönlichkeit  auch  vieles  gutmacht, 
doch  eine  unerfreuliche  Vereinigung  verschiedenartiger  Wirkungskreise  herbeiführt,  und 
wie  die  Zucht  der  Erziehung  nachsteht  und  nur  ein  Mittel  derselben  ist,  so  erscheint 
mir  die  Sphäre  eines  üniversitätskurators  eine  ungleich  höhere,  und  eine  ernste  wissen- 
schaftliche Bildung  in  so  hohem  Grade  erfordernd,  daß  die  polizeiliche  Leitung  zuletzt 
eine  wenn  auch  keineswegs  zu  vernachlässigende  Nebensache  wird.  Wie  wären 
doch  an  mir  deinem  Freund,  alle  diese  Umtriebe  zur  Zeit  unseres  Universitätslebens 
völlig  abgeghtten,  und  wenn  man  in  neuerer  Zeit  behauptet  hat,  daß  just  die 
besseren  Jünglinge  in  dieser  Hinsicht  den  meisten  Gefahren  ausgesetzt  seyen,  so 
deutet  das  doch  wohl  offenbar  darauf  hin,  daß  solchen  wenigstens  alle  Charakter- 
bildung fehlte,  und  daß  sie  noch  obenein  durch  ihren  Lehrkreis  in  ein  falsches 
Element  versetzt  waren;  daß  die  ihnen  mitgetheilte  Begeisterung,  die  ziüetzt  wenn 
auch  unbewußt  von  den  Lehrern  ausgegangen,  eine  falsche  war;  und  so  kommen 
wir  denn  zuletzt  freilich  wieder  auf  die  Frage  welches  die  wahre  Philosophie  oder 
doch  die  wahrhaft  philosophische  Richtung  sey  zurück,  in  welcher  Hinsicht  wenig- 
stens zwischen  uns  beiden  kein  Streit  seyn  kann.  Schulz  wird  in  der  Sache  gar 
nicht  zugezogen. 

Leid  thut  mir,  daß  Sie  mit  Karl  nicht  in  regeren  Verkehr  gekommen  sind; 
daran  ist  aber  wohl  nur  der  Umstand  Schuld,  daß  das  von  ihm  erwählte  Studium 
'sehr  viel  Zeit  und  Arbeit  erfordert,  und  ein  Sichbeschränken  ist  allerdings  auch  in 
mancher  Beziehung  nicht  nur  zu  rühmen,  sondern  sogar  höchst  nothwendig.  Ich 
hoffe  an  ihm  Freude  zu  erleben,  und  das  von  Eichhorn  über  ihn  wiederhohlt  aus- 
gesprochene Lob  bestärkt  meine  Hoffnung.  Daß  es  meinem  zweiten  Sohn  nicht 
gestattet  worden  nach  Ihrem  verführerischen  Göttingen  zu  kommen  wissen  Sie; 
vielleicht  daß  wenn  jetzt   die  Bundestagsbeschlüße   wegen   der   Bevollmächtigten  in 


1 6o  Juli   1835- 

Göttiugen  gleichfalls  ||  zur  Ausführung  gekommen  sind,  man  jene  Anordnung  wieder 
abändert,  und  ich  glaube  kaum  daß  man  unsererseits  zweckmäßige  Verwendung  der 
abgescUoßenen  fremden  Universitäten  unbeachtet  lassen  sollte.  Allerdings  wäre  aber 
zu  bedauern,  wenn  während  Steuern  und  Handel  Deutschlands  Staaten  einander 
immer  näher  führen,  in  wissenschaftlicher  Beziehung  eine  fiüher  unbekannte  Spal- 
tung herbeigeführt  würde ! 

Persönlich  geht  es  mir  im  Ganzen  gut,  wenn  gleich  ein  an  sich  unangenehmes 
Übel  in  diesem  "Winter  meine  bisher  so  treffliche  Gesundheit  bedroht  hat;  bei 
meinem  einsamen  ruhigen  Leben  aber  glaube  ich  um  so  gewißer  alle  weitern  Fort- 
schritte desselben  verhüten  und  unterdrücken  zu  können,  da  ich  frühzeitig  dazu 
gethan  habe.  "Wahrscheinlich  wissen  Sie  von  Karl  ,  daß  sich  nämlich  Stein- 
beschwerden gezeigt  haben,  aber  gleichwohl  bis  jetzt  in  höchst  unbedeutendem  Grade. 
Ich  bin  im  Begriff  auf  einige  "Wochen  nach  dem  nahen  Salzbrunn  zu  gehen,  was 
dagegen  vortrefflich  wirken  soll. 

Eine  Eeise  nach  Göttingen,  wovon  wohl  vielfach  die  Rede  vorzüglich  bei  meiner 
Frau  gewesen  ist,  ist  für  dies  Jahr  wenigstens  aufgegeben,  und  allerdings  wäre  wohl 
Jühnde,  der  mir  selbst  so  liebe  Ort,  nicht  mehr  das  alte,  und  auch  Göttingen  hat 
sich  wohl  mannigfach  verändert.  Da  bin  ich  aber  unwillkührlich  bei  dem  Punkte 
meines  Ausgangs  wieder  angekommen ,  und  beweise  Ihnen  von  Neuem,  wie  sehr 
mir  daran  liegt,  und  Ihnen  als  einem  alten  Freunde  obliegt,  mir  von  Ihrem  Leben 
und  Befinden  ausführliche  Kunde  zu  ertheilen !  Leider  scheint  Ihre  Frau  dort  immer 
noch  nicht  recht  heimisch  geworden  zu  seyn! 

Beyghd  erhalten  Sie  die  fälligen  Zinsen  mit  13  Frdchsdor.  Grüßen  Sie  meinen 
Sohn,  und  bleiben  Sie  mein  Freund! 

Der  Ihrige     Richtliofen. 

-526.   An   Drobisch.  Ohne  Datum,  i) 

Mein  theurer  Freund!  Nur  in  Eile  kann  ich  Ihnen  melden,  daß 
ich  eine  Brunnenkur  in  Pyrmont  beabsichtige;  hätten  Sie  vielleicht  die 
'Güte,  noch  vorher  an  mich  zu  schreiben  ehe  ich  abreise,  so  würde  ein 
•Brief  von  Ihnen  mich  bis  Freytag  über  acht  Tage,  (heute  ist  Mittwoch) 
noch  hier  treffen. 

Mancherley  wünsche  ich  zu  wissen;  vor  Allem  wie  Sie  Sich  befinden, 
wie  es  in  Ihrem  Hause  und  in  Ihrem  Auditorium  steht.  Bei  mir  wird 
diesen  Sommer  bis  jetzt  mit  fast  ununterbrochenem  Fleiße  gehört.  "Von 
Hartenstein  habe  ich  einen  sehr  befriedigenden  Brief;  ich  bitte  mich  ihm 
zu  empfehlen,  und  mich  zu  entschuldigen  daß  ich  aus  Mangel  an  Zeit 
und  Gesimdheit  nicht  geantwortet  habe.  Schon  jetzt  trinke  ich  hier,  so 
weit  es  die  Umstände  gestatten,  den  Brunnen,  und  das  greift  an.  — 
In  Hannover  war  ich  um  Pfingsten,  und  fand  erwünschte  Aufnahme. 

Wer  kann  die  Recension  über  Strümpells  Buch  in  der  J.  A.  L.  Z. 
(im  Mayhefte)  geschrieben  haben?  —  Von  wem  kann  die  kleine  Schrift 
gegen  Schelling  'seyn,  —  ich  meine  jene  „Entdeckungen  über  die  Ent- 
deckungen unserer  neuesten  Philosophen,  von  magis  amica  veritas"  — ? 
Der  Verfasser  kann  kein  unbedeutender  Mann  seyn. 

Je  weniger  von  Strümpelln  für  Psychologie  zu  erwarten  ist,  (was 
Ihnen    nicht    verborgen   geblieben    seyn  wird)    desto    mehr  wünsche  ich  zu 


')  Poststempel  8.  7.  —  2  S.    4". 


Juli   1835. I^ 

wissen,  ob  1|  Sicherung  gegen  mögliche  Confusion  entweder  von  Ihnen,  oder 
von  andern  Seiten  her  zu  hoffen  steht?  —  Hier  in  G.  ist  alles  noch  zu 
neu,  als  daß  fürs  erste  von  hier  aus  etwas  für  uns  Bedeutendes  ins  Publicum 
treten  könnte.  Mir  ist  Ruhe  nöthig,  und  sehr  ungern  würde  ich  selbst 
die  Feder  ergreifen. 

Was  hört  man  von  Berlin  über  Gablern?  Hier  ist  darüber  noch  gar 
keine  Nachricht  zu  mir  gekommen.  Und  möglicherweise  könnte  ich  in 
Pyrmont  mit  Personen  zusammentreffen,  gegen  welche  mein  Benehmen 
durch  Umstände  zu  bestimmen  wäre,   wovon   ich  nicht  benachrichtigt  bin. 

Brockhaus  und  Perthes  haben  mich  bald  nacheinander  besucht.  Sollte 
sich  wohl  Strümpell  an  Brockhaus  angeschlossen  haben?  und  wie? 

Entschuldigen  Sie,  daß  ich  auch  diesmal  meine  kleine  pädagogische 
Schrift  nicht  beylege;  —  Sie  würden  Sich  wenig  dafür  interessiren ;  ich 
wünsche,  daß  dieser  Brief  gleich  mit  der  Reitpost  abgehe.  Von  Herzen 
sage  ich  Ihnen  Lebewohl!  H. 

527.    An  Strümpell.  1)  Göttingen  10  Jul  1835 

Wäre    der  mir  übersandte  Aufsatz  2)  von  einer  andern  Hand  als  der 
Ihrigen,    so  würde   ich  ihn  mit   der    einfachen   Bemerkung    zurückschicken, 
es  scheine   mir    nicht   zweckmäßig,   mich   darauf  einzulassen.     Er  ist  aber 
von  Ihnen;  und  im  Allgemeinen,  abgesehen  vom  Werthe  des  Inhalts  und 
von    der  Manier   des  Vortrags,   kann  ich  Ihnen  nicht  verdenken,    daß  Sie 
zu  wissen  wünschen,    was    ich    etwa   darüber  zu  sagen  habe;  vielmehr  ist 
in  so  weit  Ihr  Verfahren  den  Verhältnissen    ganz   angemessen.     Für  eine 
Antwort  aber  ist  der  Aufsatz  zugleich  zu  lang  und  zu  kurz.    Viel  zu  lang 
für  punctweise  Antwort;    zu   kurz    aber,    um  das  ganze  Gewebe  der  Mei- 
nungen, womit   er   zusammenhängt,    mit  Sicherheit   zu  übersehen.     Ferner 
kommt   gar    sehr   in    Betracht,    daß   der   Aufsatz   kein    Brief,   und   keines- 
wegs in  solcher  Form  abgefaßt  ist,  als  wäre  er  bloß  für  Sie  und  für  mich 
bestimmt.     Der    Brief   redet    von    einer    reifen  Frucht,    die   gegessen   seyn 
wolle.     Im    Aufsatz   ist   von   mir   als    einer   dritten    Person  gesprochen  — 
mit  Wem?    Es    werden    sogenannte    Beweise   als    schlagende  Beweise   ge- 
rühmt —   um   Wem  zu  imponiren?    Die  Frage,  ob  ich  den  Aufsatz  wohl 
geduldig  durchlesen  würde?  scheint  dem,  mit  seiner  Beredsamkeit  ander- 
wärts hingewendeten  Verfasser   gar   nicht  aufzufallen.     Unter  diesen  Um- 
ständen   müssen   Sie  Sich   nicht   wundern,    wenn    mir  etwan  ein  Ausdruck 
in  die  Feder  läuft,  als  ob  wir  nicht  allein  wären,  und  als  ob  ich  Jemandem 
laut  meine  offene  Meinung  sagte.    Auch  zweifle  ich,  ob  hier  das  principium 


*)  S.  A.  Spitzner-Strümpell,  Die  psychologische  Pädagogik  (Leipzig,  E.  Ungleich) 
S.  XXX  ff. 

-)  Über  das  Geschick  dieses  Aufsatzes  vgl.  ebenda  S.  XV  Anm.  Wenn  der 
Aufsatz  aber  auch  nicht  mehr  vorhanden  ist,  so  könnte  man  ihn  mit  Hilfe  des  vor- 
liegenden Biiefwechsels  und  der  Gegenschrift  Herbarts  (s.  Bd.  X,  S.  197  ff.)  rekon- 
struieren. Jedenfalls  handelt  es  sich  einzig  und  allein  um  ,, Angriffe  auf  die  metaphy- 
sischen Prinzipien  der  math.  Psych."  Herbarts,  um  „Übertreibung  eines  Begriffs"  (den 
der  Ontologie)  durch  Strümpell,  keineswegs  um  pädagogische  Fragen.  Herbart  war  es 
gerade  in  jener  Zeit,  in  der  eben  in  den  Berliner  Jahrb.  auf  die  Bedeutung  Herbarts  und 
seiner  Schule  für  die  Gegenwart  hingewiesen  worden  war,  daium  zu  thun.  bei  den 
Gegnern  nicht  etwa  die  2vleinung  aufkommen  zu  lassen,  es  herrsche  im  eigenen  Lager  Streit. 

Hbrbarts  Werke.     XVIII.  " 


l62 Juli   1835- 

exclusi  tertii,  dessen  der  Brief  erwähnt,  an  seiner  rechten  Stelle  sey. 
Überhaupt  verspreche  ich  niemals  unbedingt,  Geheimnisse  zu  hüten,  die 
mir  unverlangt  —  vollends  ohne  genaue  Beachtung  freundschaftlicher 
Formen  der  Mittheilung,  angeboten  werden.  Sie  sind  nicht  jung  genug, 
damit  man  sich  die  Voraussetzung  erlauben  dürfte,  Sie  hätten  Ihr  Ver- 
fahren nicht  von  allen  Seiten,  und  in  seiner  ganzen  Bedeutung,  wohl  er- 
wogen. Und  ich  bin  nicht  alt  und  nicht  schwach  genug,  um,  wo  ich 
schweige,  aus  bloßer  Gemächlichkeit  zu  schweigen.  Übrigens  bin  ich  eben 
jetzt  in  einer  Brunnenkur  begriffen,  die  nächstens  in  Pyrmont  soll  fort- 
gesetzt werden;  daher  werde  ich  für  diesmal  höchstens  diesen  Briefbogen 
voll  schreiben. 

Das  Erste,  was  ich  von  Demjenigen,    der  über  Psychologie  sprechen 
will,  unbedingt    fodere,   ist,   daß    er   noch    einige  andere  Gedanken  gegen- 
wärtig habe,  als  bloße  Ontologie.    Schrieben  Sie  für  mich:  so  war  zu  be- 
denken, daß  Sie   mich    mit  praktischer  Erziehung,    mit   physikalischer  Be- 
obachtung, —  kurz,  mit  Mancherley  beschäftigt  gesehen  hatten,  was  alles 
Andre  in  der  Welt  eher  ist  als  Ontologie.    Aber  Sie  finden  für  gut,  gleich 
von    vorn    herein   anzunehmen,    es   sey  Ihnen    zugestanden,    dem  ontologi- 
schen  Wege    stehe   sogar    wissenschaftlich    die  Untersuchung  nach,    welche 
vom  Ich   ausgeht!   —   Gegen    den    Anfang  Ihres    Aufsatzes   stelle    ich   die 
einzige   historische  Thatsache,    daß  ich   noch  im  vorigen  Jahrhunderte  die 
Fundamental -Rechnungen  der    Psychologie  abgeleitet    habe    aus  dem  Ich; 
erst  mehrere  Jahre  später,  nach  mancherley  Störungen,  wodurch  das  Ver- 
folgen des  frühern  Weges  unterbrochen    wurde,    folgte  die  Ontologie,   und 
namentlich    die  Lehre    von   den    Selbsterhaltungen.     Daß    dies   nicht  etwa 
so    zu    verstehen    ist,    als    müßte    vor    den    Schlägen    Ihres    ontologischen 
Räsonnements  die  Psychologie   in  Sicherheit  gebracht  und  geflüchtet  wer- 
den:   mag  sich  am  Ende    dieses  Briefes  finden.     Für  jetzt,    und  im  Falle 
des  Streits,  verlange  ich,  daß  die  ältere  Untersuchung,  welche  unabhängig 
von  der  späteren  entstand,  von  dieser  gesondert  werde.     Um  den  wahren 
Sinn    einer  Untersuchung   nicht   aus   den   Augen    zu    verlieren,   muß    man 
sich    auf  dem  Wege    halten,    auf    welchem    die    Grundgedanken    sind    ge- 
funden  worden;    nur   so    können    sie   mit   Sicherheit    reproducirt    werden. 
Meine  Schriften  zeigen,   daß  ich  nicht  etwa   so    viel    als  möglich,  sondern 
so  wenig  als  möglich  von  der  Ontologie  Gebrauch  mache.    Logik,  Ästhetik, 
Synechologie,  Eidolologie,  sollen  nicht  mit  ihr  stehen  und  fallen.    Vollends 
mathematische  Psychologie  hat  nicht  auf  Ontologie  gewartet,  so  wenig  als 
die  Mechanik    der    Körperwelt   beym    Eleaten  Zeno    um    Erlaubniß    bittet, 
von  der  Bewegung  zu  handeln.     So  ist  es  dem  Gesammtzustande  heutiger 
Wissenschaft   angemessen,   worin    die   Ontologie    eine   sehr    untergeordnete 
Rolle  spielt,   so  daß,    wenn    sie  mit  andern  Wissenschaften  in  Verbindung 
treten  will,    es  ihr  allein  obliegt,    die  Verbindung  zu  bewerkstelligen.      Be- 
hauptungen wie  diese:    Die  Untersuchung  über  das  Ich  könne  nicht  ent- 
scheiden,  weshalb    von    einfachen    Vorstellungen    ausgegangen    werde,    — 
und :   die  gegenseitige  Modification  der  Vorstellungen  könne  nicht  aus  dem 
Ich  gefunden  werden:  —  sind  eben  nur  Behauptungen.     Vom  Einfachen 
geht  man  immer  aus,    wo  man   Ursach  hat,    sich  in   Verwickelungen  nicht 
voreilig  einzulassen.     Und  der  Begriff  des  Strebens  entgegengesetzter  Vor- 


Juli  1835.  163 

Stellungen,  welcher  jene  Modification  bestimmt,  ist  gerade  ursprünglich  aus 
dem  Ich  gefunden  worden. 

Sie  sehen  nun,  daß  Sie  Sich  von  mir  noch  etwas  weiter  entfernt 
haben,  als  Sie  dachten.  Wollen  Sie  mich  in  meinem  psychologischen  Garten 
besuchen,  so  wird  nöthig  seyn  Sich  von  Ihrem  ontologischen  Lehrstuhl 
herunter  zu  bemühen,  denn  der  Garten  kommt  nicht  zu  Ihnen.  Vielmehr 
frage  ich,  ob  Sie  den  Beruf  Ihres  Lebens  darin  finden,  Ihre  Zeit  mit 
Gezänk  gegen  Fichtianer,  Schellingianer,  Hegelianer,  —  das  heißt  gegen 
Leute,  die  wie  Schneemänner  verschiedentlich  gestaltet  in  der  Ontologie 
erstarrt  sind,  hinzubringen..  Oder  ob  Sie  Sich  über  das  Gebiet  und  den 
Zustand  heutiger  Wissenschaft  und  Gelehrsamkeit  eine  freye  Übersicht 
geschafft  haben?  Meinen  Sie,  jene  Fichtesche  polemische  Welt,  die  Alles 
auf  Eine  Spitze  stellte,  anstatt  eine  möglichst  breite  Basis  zu  suchen  und 
zu  benutzen,  sey  die  wirkliche  Gelehrten- Welt?  Meinen  Sie,  ich  würde 
es  Ihnen  Dank  wissen,  wenn  Sie  alles  menschliche  Wissen,  als  bloße 
Consequenz  aus  meiner  Ontologie  darstellen  könnten?  Oder  bey  Wem 
hoffen  Sie  damit  Glück  zu  machen?  —  Das  Unglück  der  Einseitigkeit 
wäre  für  Sie,  und  Niemand  würde  es  Ihnen  vergüten  können. 

Erfahrung  suche  ich  bey  Ihnen  —  und  finde  statt  derselben  meine 
Psychologie  vergessen. 

Da  sieht  man  Weißes.  Dann  werden  die  Augen  geschlossen,  —  und  nun 
große  Noth!  Denn  Plötzlich  sieht  man  kein  Weißes  mehr.  Es  sollte  doch 
bemerkbar  seyn,  wie  nun  fein  langsam  die  Vorstellung  des  Weißen  durch  die 
andern  Vorstellungen  gehemmt  würde.  Da  solle  es  ein  Beynahe  geben ;  ein 
Beynahe  noch  ohne  Augen  sichtbares  Weiß!  —  Wo  bleibt  denn  woM  die 
physiologische  Hemmung  durch  den  Sehenerven,  durch  das  Auge?  Soll  etwa 
die  sinkende  Vorstellung  diese  auch  noch  im  Zustande  des  Beynahe- 
Sehens  erhalten?  Oder  soll,  wenn  das  Auge  geschlossen  wird,  die  Seele 
zum  Leibe  heraus,  um  für  sich  allein  Vorstellungen  zu  haben?  —  Aber 
ein  Übergang  muß  doch  sein,  wie  sehr  auch  eine  Hemmung  die  andre 
verstärke!  —  Müssen  Sie  denn  auch  eine  Zwischenzeit  des  Bemerkens 
dazu  haben?  Wieviel  Zeit  bemerken  Sie,  während  das  Licht  eine  Meile 
durchläuft?  ,,Zweyter  Beweis''  —  ja  wer  da  einen  Beweis  finden  könnte! 
Eine  Behauptung  finde  ich,  der  man  Dreistigkeit  mit  Dreistigkeit  bezahlen 
muß.  „Die  Zustände,  wenn  wir  nicht  wirklich  empfinden,  besitzen  mit 
den  einfachen  Empfindungen  keine  Ähnlichkeit."  Umgekehrt:  nur  die 
beybehaltene  Ähnlichkeit  macht  das  Wieder-Erkennen  des  früher-Gekannten 
möglich.  Dritter  Beweis,  ein  Meisterstück  nach  Art  der  Hm.  Bachmann 
und  Beneke:  „ich  müßte  schwächer  hören  als  ich  wirklich  höre  oder  sehe, 
wenn  ich  zugleich  Entgegengesetztes  empfinde."  —  Liegt  denn  die  Hem- 
mung im  Empfinden?  War  nie  die  Rede  vom  Sinken  der  Hemmungs- 
summe? Aber  so  gehts,  wenn  vergessen  wird,  daß  die  Statik  des  Geistes 
nur  ideale  Gleichgewichtspuncte  angiebt.  Da  soll  denn  vermuthlich  eine 
Vorstellung  den  Punct,  auf  welchen  herabgedrückt  zu  werden  ihr  bevor- 
sieht, schon   indem  sie  entsteht,  eingenommen  haben\ 

So  stehts  mit  der  Erfahrung;  gehn  wir  also  nun  zur  gefromen  Onto- 
logie zurück!  Aber  da  kommen  gar  zu  betrübte  Dinge  zum  Vorschein. 
Z.  B.  .,Nun  läßt  sich  in  unsere  Frage,  ob  a  schwächer  oder  (!  !  !)  dunkler, 

II* 


i64 Juli  ^835- 

oder  das  Gegentheil,  heller  (!  !  !)  werden  kann"  —  ohe  iam  satis!  Aber 
zum  Überfluß  noch  die  Parenthese:  „denn  wenn  es  das  erstere,  kann  es 
auch  das  letztere  werden."   —    — 

Um  Geduld  zu  sammeln,  will  ich  ein  Gleichniß  niederschreiben.  Dies 
soll  sich  zugleich  auf  das  folgende  beziehen;  es  wird  nämlich  dort  von 
dem  unglücklichen  Hellerwerden  mit  fast  unbegreiflicher  Verwechselung 
der  verschiedensten  Begriffe  fortgesprochen,  nachdem  irgend  einem  Zwischen- 
redner, (welcher  sagt,  im  fortdauernden  oder  unvollk.  Zusammen  wachse 
der  Zustand  a)  geantwortet  ist:  „dann  wächst  a  nicht,  sondern  zu  a  kommt 
a',  a",  pp 

Hier  steht  ein  Licht.  Davor  ein  Lichtschirm,  der  Schatten  wirft. 
Jemand  philosophirt  über  den  Schatten,  und  will  die  Möglichkeit,  daß  nach 
Beschaffenheit  eines  Lichtschirmes  der  Schatten  mehr  oder  weniger  finster 
ausfallen  könne,  widerlegen.  Wie  fängt  er  das  an?  Redet  er  vom  Licht- 
schirm, der  dichter  oder  dünner  seyn  kann?  Nein,  er  beginnt  vom  Heller- 
werden. Und  wie?  von  welchem  Hellerwerden?  —  „Wenn  es  heller 
werden  sollte,  müßte  man  mehr  Lichter  anzünden.  Aber  —  merket  wohl ! 
Nicht  das  erste  Licht  wird  dadurch  an  sich  heller,  sondern  die  mehrem 
Lichter  thun  nur  eine  Helligkeit  zur  andern."  Jetzt  kommen  Varianten 
in  mein  Gleichniß,  zwischen  denen  Sie  wählen  können.  Erste  Lesart: 
^^Weil  hiedurch  das  erste  Licht  nicht  heller  wird  —  darum  kann  der 
Lichtschirm  nicht,  je  nachdem  er  dichter  oder  dünner  ist,  mehr  oder 
weniger  finstern  Schatten  machen."  Zweyte  Lesart:  „Der  Lichtschirm 
kann  keine  partielle  Dunkelheit  hervorbringen,  —  denn  —  sonst  müßte 
er  auch  umgekehrt  die  Helligkeit  des  Lichts  vermehren  können."  Fabula 
docet:  daß  Zweyerlei  nicht  einerley  ist.  Verhinderung  des  Leuchtens  ist 
etwas  Anderes  als  Verminderung  der  Anzahl  der  Lichter.  Letztere  läßt 
sich  umkehren;  man  kann  die  Anzahl  der  Kerzen  vermehren  so  gut  als 
vermindern.  Der  Lichtschirm  aber  wird  niemals  leuchten.  —  Damit  das 
unsaubere  Verwechseln  und  Vermengen  ja  nicht  zweifelhaft  bleibe,  rückt 
der  zweyte  Beweis  heran,  welcher  vorgiebt,  die  einzig  denkbare  Art  der 
Verdunkelung  darzubieten:  —  Die  Selbsterhaltung  gegen  M  B  sinke  herab 
zu  der  gegen  Ein  B.  Schweigen  wir  davon!  Denn  das  ist  Schwächung. 
Schwächer  heißt  aber  nicht  dunkler;  und  wenn  Jemand  das  Dimkler  nicht 
begreifen  kann,  so  soll  er  den  Begriff  wenigstens  rein  lassen,  und  nicht 
mit  andern  vermengen. 

Doch  jetzt  —  erhebt  sich  der  dritte  Beweis  mit  dem  Kraftworte: 
„Die  Selbsterhaltung  a  ist  „untheilbar;  ein  einfaches  actum".  Und  dann 
folgen  vier  Widersprüche  auf  einmal,  die  ganz  ernsthaft  als  „undenkbar" 
bezeichnet  werden.  An  dieser  Haupt-  und  Prachtstelle  des  Aufsatzes 
wäre  eine  wohl  -  abgefaßte  Anfrage  an  mich  zu  erwarten,  wenn  in  ernst- 
licher Absicht  zu  fragen,  der  Aufsatz  an  mich  gesendet  wäre.  Die  vier 
Widersprüche  sind  abel-  nicht  eine  Frage;  folglich  ist  an  mir  nicht  die 
Reihe  zu  antworten.  Wohl  aber  ist  an  mir  die  Reihe  zu  fragen.  Auch 
werden  vier  Fragen  gegen  vier  Widersprüche  nicht  zu  viel  seyn.  Um  den  Sinn 
der  Fragen  deutlicher  zu  machen,  stelle  ich  einen  allgemeinen  Satz  voran: 
Wenn  aus  einem  Begriffe,  der  im  ganzen  Gebiete  der  Begriffe  einzig 

in  seiner  Art  ist,   eine  Folgerung  herfließt,  die  nur  auf  ihn  allein  sich 


Juli    1835.  165 

stützen  kann:    so  ist   auch  diese  Folgerung  einzig  in  ihrer  Art;    und 

darf  auf  keine  Weise  copirt  werden;  indem  die  Copie,  verlassen  von 

jener  einzig  möglichen  Stütze,  ein  Wahn-  und  Trugbild  werden  würde. 

Frage   i.     Welcher  Begriff,   einzig  in  seiner  Art,  liegt  jedem  ontologischen 

Räsonnement  noth wendig  zum  Grunde? 

2.  Welcher  andere  Begriff  ist  aus  ihm  gefolgert,  der  lediglich  in 
ihm  die  nöthige  Rechtfertigung  finden  konnte? 

3.  Man  nehme  aus  der  Folgerung  den  rechtfertigenden  Begriff, 
mithin  die  Rechtfertigung  selbst,  hinweg.  Welcher  —  wohl- 
bekannte und  nicht  zu  verfehlende  —  Begriff  muß  nun  anstatt 
jener  Folgerung  hervortreten? 

4.  Wo  mag  doch  die  falsche  Copie  zu  finden  seyn,  welche  ent- 
stehen mußte,  wenn  man  Etwas,  jener  Folgerung  Ähnliches, 
nach  Art  eines  steif  gewordenen  Vorurtheils  auch  da  noch  vest- 
hielt,  wo  der  rechtfertigende  Begriff"  fehlte.  —  Der  Bogen  ist  voll. 

528.    Drobisch  an  H.')  .  Leipzig  12  Jul  35 

Hochverehrter  Herr  und  Freund!  Vorgestern  bin  ich,  nach  fast  Utägiger  Ab- 
wesenheit von  der  Schulconferenz  in  Dresden')  zui-ückgekelut  und  beeile  mich  Ihren 
werthen  Brief  zu  beantworten.  Meine  Gesundheit  so  wie  die  meiner  Kinder  ist  jetzt 
recht  gut;  mehr  hat  meine  Frau  an  ihren  Nerven  zu  leiden,  vielleicht  m  Folge  des 
Stillens  oder  auch  der  Besorgnisse  über  den  Gesundheitszustand  des  kleinen  Knaben. 
"Wir  wollen  indeß  von  der  schönen  Jahreszeit  noch  das  Beste  hoffen;  wenn  uns 
nur  die  nächste  Zeit  der  Himmel  vor  ferneren  Krankheiten  bewahrt.  In  meinem 
Auditorium  steht  es  sehr  gut:  über  70  in  der  Logik  und,  was  mehr  sagen  will, 
gegen  50  in  der  sogenannten  Encyklopädie  der  Philosophie!  Freihch  ist  es  nicht 
gut,  daß  ich  eine  Unterbrechung  von  14  Tagen  machen  mußte;  doch  vermehrt 
andererseits  das  dadurch  an  den  Tag  gelegte  Vertrauen  des  Ministeriums  zu  meinen 
geringen  Fähigkeiten  auch  das  Vertrauen  der  Studierenden  zu  mir.  In  Dresden  bin 
ich  wirkhch  mit  großer  Auszeichnung  empfangen  worden ;  ich  könnte  mir  etwas  dar- 
auf einbilden,  wenn  nicht  leider  allzubald  hervorträte,  daß  es  den  Herren  an  emem 
Maßstab  fehlt,  um  emen  Gelehrten  zu  messen,  und  daß  jeder,  der  nicht  ganz  un- 
beholfen ist  und  ein  wenig  gesunden  Verstand  bei  der  Hand  hat,  imponiren  kann. 
Alle  Wünsche,  die  ich  in  der  kleinen  Schrift  „Philologie  und  Mathematik"  aus- 
gesprochen hatte,  sind  mir  erfüllt  worden;  die  Mathematik  hat  in  allen  Classen 
wöchentlich  4  Stunden;  Physik  und  Astronomie  werden  2 stündig  in  den  beiden 
obersten  Classen  vorgetragen;  auch  eine  logische  und  empirisch-psychologische  Vor- 
bereitung ist  für  Prima  angeordnet.  Nichts  desto  weniger  haben  die  alten  Sprachen 
die  Hälfte  der  gesamten  Lehrstunden,  deren  Zahl  in  den  oberen  Classen  nicht  32,  in  den 
untersten  nicht  36  wöchentlich  überschreitet.  Auch  eine  Schulamts-Candidaten-  und 
Lehrer-Prüfung  wird  in  Leipzig  angeordnet  werden.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
werde  ich  Mitghed  der  Commission  seyn.    Interessanter  als  dies  alles  ist  Ihnen  aber 


^)  2'/2  S.    40.     H.  Wien 

2)  Dieser  Konferenz,  die  unter  dem  Vorsitze  des  Cultus-Mmisters  Dr.  Müller 
stattfand,  gehörten  außer  den  Rektoren  der  Gymnasien  noch  an :  Böttger,  Käuffer  u.  a. 
Vgl.  die  Selbstbiogr.  G.  L.  Schuizes  in  Hergangs  Päd.  Reai-Enc,  1847,  II.  Bd.  S.  656. 
Drobischs  Schrift:  „Philologie  u.  Math,  als  Gegenstände  des  Gymnasialunterrichts 
betrachtet,  mit  bes.  Beziehg.  auf  Sachsens  Gelehrtenschulen",  erschien  1832.  Zu 
vgl.  ist  auch  ein  Aufsatz  über  math.  Didaktik  in  der  Lpz.  Lit.  Ztg.  1832,   Nr.  297. 


i66  Juli  1835.  

vielleicht,  daß  ich  H.  v.  Lindenau  in  fünf  Minuten  einen  Begriff  über  mathema- 
tische Psychologie  gegeben  habe,  der  ihn  befriedigte  und  ansprach,  so  daß  er  meiner 
ausführUchen  Beschäftigung  mit  dieser  Disciplin  seine  volle  Billigung  gab.  Er  ver- 
sprach mich  diesen  Sommer  noch  in  Leipzig  zu  besuchen  und  fragte,  ob  ich  viel- 
leicht jetzt  über  math.  Psych,  läse,  in  welchem  Falle  er  hospitiren  würde.  Ich  er- 
bot mich  für  den  Fall  seiner  Anwesenheit  zu  einer  Extravorlesung  hierüber.  Das 
"Weitere  wollen  wir  ||  erwarten.  Freilich  bin  ich  jetzt  für  die  nächsten  Wochen 
durch  einige  für  das  Ministerium  zu  liefei-nde  Arbeiten  von  den  reinphilosophischen 
Beschäftigungen  sehr  abgehalten  und  auch  davon  mehrere  Wochen  vor  der  Con- 
ferenz  durch  abgesonderte  Gutachten  abgehalten  gewesen.  Indeß  wird  doch  bald 
wieder  eine  ruhigere  Zeit  kommen  imd  diese  mich  nicht  unthätig  finden.  — 

Der  Eec.  von  Strümpells  Buch  ist  so  viel  ich  weiß,  Eöer;  der  Verfasser  der 
„Entdeckungen"  etc.  ist  mir  unbekannt.  —  Mit  Str.  mag  es  allerdings  über 
Psychologie  etwas  confus  stehen,  aber  er  hat  wenigstens  gegen  mich  be- 
stimmt erklärt ,  daß  er  damit  durchaus  nicht  öffentlich  auftreten  will.  Thäte  er  s, 
so  würde  ich  gewiß  nicht  schweigen.  Vielleicht  legt  er  Ihnen  seine  Meinungen 
einmal  im  Zusammenhang  vor;  dann  bitte  ich  im  Voraus  um  Geduld  und 
Schonung  und  einige  Beantwortung,  damit  er  uns  nicht  ganz  verloren  gehe. 
Allerdings  gestehe  ich  es,  haben  mich  seine  Differenzen  betmbt,  aber  noch  will  ich 
ihnen  keine  üble  Deutung  geben.  Leugnen  kann  ich  nicht,  daß  sich  eine  Art  Kluft 
seit  einiger  Zeit  zwischen  uns  befestigt  hat ;  seit  er  nicht  mehr  in  meiner  Nähe 
wohnt,  kommen  wir  seltener  zusammen  und  seit  Eöer  hier  und  er  mit  ihm  auf 
Reisen  war,  hat  er  —  sey  es  zufälliges  Zusammentreffen  oder  Zusammenhang  — 
einen  hochfahrenden  Ton  angenommen,  der  mich  sehr  abgestoßen  hat.  Wahre,  auf- 
richtige Freundschaft  scheint  zwischen  uns  nicht  zustande  kommen  zu  wollen.  Wird 
Str.  einmal  äußerlich  glücklich,  so  mag  er  nur  über  sich  wachen,  daß  er  nicht  der 
anmaßendste,  hochfahrendste  herrschsüchtigste  Mensch  wird.  Bescheidenheit  scheint 
er  nicht  zu  kennen.  Doch  genug ;  Sie  kennen  seine  Licht-  und  Schattenseiten  besser 
wie  ich,  es  ist  rathsamer,  die  ersteren  ins  Auge  zu  fassen ! 

Über  Gabler  weiß  ich  nichts;  meine  letzten  Nachrichten  waren,  daß  er  noch 
nicht  angekommen  sey;  v.  Henning  ist  prof.  ord.  geworden. 

Der  Besuch  der  Buchhändler  bedeutet  Gutes;  ich  wünsche  Glück  dazu! 
Str.  ist  Mitarbeiter  au  Brockhaus  Unterhaltungsblättern,  und  bis  jetzt  in  einer 
Weise,  die  ich  nicht  tadeln  kann.  Freihch  sind  wir  über  einen  religionsphilosophi- 
schen II  Aufsatz  auch  einmal  hart  aneinander  gerathen.  Hier  differiren  unsere  An- 
sichten sehr;  denn  ich  erkenne  die  Kirche  und  die  Abhängigkeit  von  ihr  an,  so  gut 
wie  den  Staat  imd  das  Gebundenseyn  an  ihn;  Str.  aber  wirft  die  erstere  so  ziem- 
lich weg  wie  einen  alten  Aberglauben.  Wie  viel  Unheil  kann  er  stiften,  wenn  er 
solche  Dinge  drucken  läßt!  Er  versprach  mir's  zu  unterlassen,  aber  ich  habe  Grund 
zu  vermuthen,  daß  es  dennoch  geschehen  wird. 
Dixi  animamque  meam  salvavi. 

Wie  können  Sie  denken,  daß  ich  mich  nicht  für  Ihre  Umrisse  der  Pädagogik 
interessiere  ?  Das  stünde  mir  wohl  an !  Längst  habe  ich  sie  von  Hartenstein  erborgt 
und  mit  Vergnügen  und  Nutzen  gelesen.  Wäre  es  Ihnen  zuzumuthen,  mit  so  be- 
haglicher Breite  wie  Schw_arz  ein  Lehrbuch  der  Pädagogik  zu  schreiben,  was  für 
einen  Anhang  könnten  Sie  Sich  verschaffen.  Ihr  Lehrbuch  soll  aber  von  morgen 
an  neben  seinem  älteren  Bruder  in  meinem  Bücherschrank  stehen. 

Mögen  Pyrmonts  Heilquellen  Ihnen  Heil  und  Ihrer  würdigen  Frau  Gemahlin 
Erheiterung  bi'ingen;  dies  der  herzliche  Wunsch 

Ihres  innigen  Verehrers  —  M.  W.  Drobisch 


August   1835.  167 


529.  An    DrobiSCh.  Ohne  Datum,  i) 

Sehr  erfreut  und  dankbar  für  Ihren  gütigen  Brief,  wünsche  ich  Ihnen 
den  besten  Fortgang  der  häuslichen  und  öffentHchen  Angelegenheiten. 
Diese  höchsteiligen  Zeilen  haben  nur  den  Zweck,  Sie  um  Eins  zu  bitten. 
Sollten  nämlich  gewisse  Bedenklichkeiten  in  Ansehung  der  metaphysischen 
Begründung  der  mathem.  Psychologie,  irgendwie  auch  nur  im  Geringsten 
Eingang  bey  Ihnen  gefunden  haben:  so  theiien  Sie  mir  diese,  so  bald  es 
Ihre  Zeit  erlaubt,  so  vollständig  als  möglich  mit.  Alsdann  versteht  sich 
von  selbst,  daß  ich  es  als  meine  höchste  Schuldigkeit  betrachten  werde, 
Ihnen  so  bestimmt  ich  es  vermag,  meine  Gedanken  darüber  vorzulegen. 
Sie  werden  alsdann  Selbst  urtheilen.  Es  ist  höchst  nöthig,  daß  wir  unsere 
Zusammenstimmung  so  sorgfältig  als  wir  können,  aufrecht  halten.  Dies 
unter  vier  Augen!   Von  ganzen  Herzen  der  Ihrige!  H. 

530.  An  Strümpell.'-)  Göttingen  13  Aug  1835 

Vor  wenigen  Tagen,  lieber  Herr  Doctor,  kam  ich  von  Pyrmont,  und 
erst  vor  wenigen  Stunden  gewann  ich  Zeit  Ihren  Brief  zu  öffnen.  Was 
mir  zunächst  dabey  einfällt,  sollen  Sie  hier  unverhohlen  erfahren. 

Ihre  Empfindlichkeit  ist  nicht  geringer,  als  ich  vermuthete;  auch  das 
■mußte  ich  voraussehen,  daß  Sie,  in  Ihren  Augen,  ganz  recht  behalten 
würden.  Aber  die  achtungswerthen  Grundzüge  Ihres  Charakters  leuchten 
durch;  diese  schätze  ich  wie  ich  soll;  und  es  macht  mir  Vergnügen  Sie 
dessen  zu  versichern. 

Sie  wissen,  glaube  ich,  wie  sich  Andre  gegen  mich  benommen  haben. 
Hätte  ich  Sie  mit  diesen  Andern  verwechselt,  so  hätten  Sie  um  desto 
gewisser  gar  keine  Antwort  von  mir  bekommen,  da  Ihre  Entfernung  von 
mir  schon  seit  vorigen  November  am  Tage  lag. 

Die  Antwort,  die  ich  Ihnen  gab,  konnte  nur  kurz  seyn,  denn  ich 
hatte  eine  Brunnenkur  schon  hier  angefangen.  Der  Zweck  der  Antwort 
■mußte  seyn  zu  warnen,    falls  Sie  etwa  noch  auf  Warnung   hören   wollten. 

Daß  Ihr  Aufsatz  nur  für  Drobisch  und  mich  bestimmt  war,  sagen  Sie 
mir  jetzt\  Dem  Aufsatze  war  das  nicht  anzusehen;  dieser  schien  vielmehr 
gerade  ins  Publicum  zu  wollen.  Was  daraus  gar  leicht  entstehen  könne, 
davon  mußten  Sie  die  Probe  sehen. 

Sollte  ich  Ihnen  etwa  jetzt  etwas  Angenehmes  über  diesen  Aufsatz 
sagen,  so  könnte  es  dies  seyn,  daß  Sie  wie  ein  geschickter  Feldherr  die 
•Gegend  Ihrer  Stellung  gewählt  hatten;  denn  von  dieser  Seite  her  konnte 
■ein  Angriff  kommen,  den  ich  nicht  wie  so  viele  andre  verachten  durfte. 
Sie  wußten  wohl,  daß  ich,  sobald  meine  Psychologie  und  Metaphysik  in 
scheinbaren  Widerstreit  versetzt  wurden,  nicht  still  zusehn  konnte. 

Unstreitig  steht  es  Ihnen,  wie  jedem  Andern,  völlig  frey,  zu  prüfen, 
ob  meine  Behandlung  der  einen  und  der  andern  Wissenschaft  gehörig  in- 
einander greife,  oder  nicht.  Soll  aber  dabey  ein  freundliches  Verhältniß 
bestehn,    so  ist  die  größte  Behutsamkeit  sowohl   in    der  Form   der  Unter- 

^)  Poststempel   17,  7.   —   i  S.    4". 

-)  S.  A.  Spitzner,  a.  a.  O.  S.  XXXVI  ff.  u.  „Der  deutsche  Schulmann"  1900,  Juni. 


l68  August  1835. 


suchung  als  in  der  des  Vortrags  nöthig,  um  nicht  ohne  Grund  die 
Meinungen  zu  verwirren. 

Es  ist  wahrlich  nicht  meine  Schuld,  daß  Sie  mich  an  Bachmann  und 
Beneke  erinnert  haben.  Aber  dies  geschah  sogar  schon  im  vorigen 
November.  Damals  zerriß  ich  einen  Brief,  (den  ich  an  Sie  schon  ge- 
schrieben hatte,)  um  Ihnen  nicht  durch  eine  für  mich  selbst  schmerzhafte 
Vergleichung  lästig  zu  fallen.  Aber  damals  scheint  auch  mein  leiseres 
Warnen  fruchtlos  gewesen  zu  seyn.  -  Wie  wäre  es,  wenn  wir  uns  jetzt 
beyde  entschlössen,  von  jenen  beyden  Herrn  etwas  minder  ungünstig  zu 
denken?  Sie  können  von  beyden  Antwort  bekommen;  denn  an  Worten 
wird  es  beyden  nicht  fehlen;  und  alsdann  werden  Sie  doch  des  Anstandes 
wegen  genöthigt  seyn,  in  gemäßigten  Ausdrücken  zu  streiten. 

Wodurch  das  Bild  Ihrer  Persönlichkeit  in  mir  entstellt  sey,  ,.möge 
Gott  wissen"?  —  Es  muß  wohl  nicht  so  schlimm  entstellt  seyn,  als  Sie 
glauben;  jedenfalls  dürfen  Sie  keinen  Dritten  in  Verdacht  haben.  Das 
aber  ist  gewiß,  daß  ich,  noch  bevor  ein  gewisses  Blatt  von  mir  in  Ihren 
Händen  seyn  konnte,  aus  Ihren  eignen  brieflichen  Äußerungen  gegen 
mich,  es  mir  weissagte,  es  werde  eine  Zeit  kommen,  wo  ich  gegen  eine 
Strümpellsche  Philosophie  mich  würde  erklären  müssen.  Vielleicht  habe 
ich  das  früher  gewußt  als  Sie  Selbst. 

Erlauben  Sie  nur  mir,  als  Ihrem  alten  Freunde,  den  aufrichtigen 
Wunsch  und  die  Bitte,  daß  Sie  in  Ihren  Verhältnissen  vorsichtiger  werden 
mögen,  als  bisher.  Sie  können  anderwärts  schlimmer  anlaufen  als  bey 
mir.  Es  gelingt  nicht  immer  mit  der  Selbstvertheidigung  —  und  Selbst- 
erhaltung. Sobald  wir  das  Gebiet  des  eigentlichen  Realen  verlassen,  be- 
hauptet die  Störung  ihre   Rechte. 

Doch  über  diesen  Punct  will  ich  Ihrer  Entscheidung  nicht  vorgreifen. 
Wollen  Sie  meinen  Brief  noch  einmal  ansehn,  so  wird  unter  den  Fragen 
am  Schlüsse  die  dritte  Ihnen  zeigen,  daß,  wofern  Sie  dieselbe  beantworten 
wollten,  Ihnen  hiermit  der  Faden  einer  gegenseitigen  rein  wissenschaft- 
lichen Erklärung  zu  Gebole  stand. 

Zunächst  muß  ich  nun  um  Ihre  Adresse  bitten,  um  Ihnen  mit  Sicher- 
heit Ihren  Aufsatz  zurückzuschicken.  Ob  Sie  mir  alsdann  nähere  Aus- 
kunft über  die  Art,  wie  Sie  den  deutschen  Verkehr  verlassen  wollen,  mit- 
theilen werden,  muß  ich  erwarten.  In  der  That,  ich  habe  Mühe  daran 
zu  glauben,  da  Ihre  Feder  Ihnen  jetzt  wenigstens  eher,  als  früherhin,  eine 
literarische  Existenz  scheint  verschaffen  zu  können.  Brockhaus,  der  mich 
neulich  besuchte,  scheint  Sie  zu  kennen;  und  erst  noch  kürzlich  wurde 
von  hier  etwas  für  Sie  versucht,  wovon  ich  freylich  nicht  mehr  sagen 
darf,   weil  der  Erfolg  sehr  zweifelhaft  ist.  Der  Ihrige     Herbart. 

531.    Drobisch  an  H.O  Leipzig  14  Aug.  35 

Mein  hochverehrter,  würdiger  Freund !  Schon  seit  acht  Tagen  und  länger  habe 
ich  Ihnen  meinen  herzlichen  Glückwimsch  zu  der  Recension  abstatten  wollen,  mit 
der  unser  Weiße  im  Augusthefte  der  Berliner  Jahrbücher  (p.  25  ff.)  Sie  und  die 
Ihrigen,   die  bis  jetzt  sich  öffentlich  für  Sie  erklärt   haben,    mich   eingeschlossen, 

»)  3  S.    4«.     fl.   Wien. 


August   1835,  169 


beehrt  bat.    Es  ist  mit  diesem  Glückwunsch  mein  voller  Ernst;  was  Sie  dazu  denken, 
maß  ich  erwarten.     Höchst  interessant  war  es  mir  schon  Sie  und  Ihre  Angelegen- 
heiten, ja  sogar  uns  arme  Seelen  in  den  Berliner  Jahrbüchern  besprochen  zu  sehen, 
da  Sie  doch   in   Berlin   todt   sind    und   „wir  sehr   unrecht   gethan   haben,    Sie    in 
Ihrer  Grabesruhe   dui-ch   unsre   Schriftcheu  zu  stören".     Die   Berliner   Jahrbücher 
müssen  also   gewahr  worden   seyn,  daß  Sie   wenigstens  noch   zappeln.     Aber  nein, 
die  ßecension  sagt  weit  mehr:  sie  giebt  Ihnen  nicht  etwa  ä  la  Hinrichs  noch  einen 
Streich,  um  das  bischeu  Leben,  was  sich  noch  regt  auszulöschen,   nein!   sie  gesteht 
mit  den   klarsten  Worten,  daß  Ihre  Philosophie  im  kräftigsten  Aufblühen  begriffen 
ist,  daß  ihr  die  Kantianer  höchst  wahrscheinlich   alle  zufallen  werden,  daß  sie  eine 
science  exacte  ist,   daß  sie   den  Empirismus   vernichtet  hat,   daß  sie  höchst  wahr- 
scheinlicher Weise   mit  der  Zeit   sogar  den  Weg  ins  Ausland  finden  und  vielleicht 
mit  noch  mehr  Beifall   als   bei  uns  dort  aufgenommen  werden  wird,  daß  sie  eine 
kerngesunde   Geistesfrucht  ist,   —   aber   freilich   eine    bloße    Verstandesphilosophie. 
Ich   glaube,    auch   das   gereicht   uns   zu    größter    Empfehlung,    wenngleich    es    uns 
demüthigen,  unsre  .,Bornirtheit"  ausdrücken  soll ;  der  Unterschied  zwischen  uns  und 
den  Identitätsphilosophen   tritt  in    das   allergrellste  Eicht.     Es   kommt   nur   darauf 
an,    ob    da,   wo   unser   Wissen   aufhört    „Vemunftbegriffe--    oder    Einbildungen    an 
die    Stelle    treten.      Nur    einige    Noten    von    irgend    Einem    unter    uns    an    einige 
triumphirende  Stellen  von  Weißes  ßecension,  und  sie  wäre  für  alle  W^elt  der  alier- 
nachdrücklichste  Empfehlungsbrief  unserer  Bestrebungen  (Sie  werden  dieses  unserer 
mir  nicht  mißdeuten ;  ich  werde  nie  den  Urheber  dieser  Denkweise  vergessen,  aber 
die  meinige  ist  der  seinigen  zugefallen).    Wie  klar  liegt  am  Tage,  daß  wo  er  Ihnen 
die  Verblendung  nachweisen  will,  daß  Sie  nicht  sehen  sollen,  daß  wenn  das  Seyende 
eine  Qualität  hat,  es  ja  eben  mckt  das  ist,  was  ein  anderes  ist,  also  ein  Nichtseyn 
in  das  Seyn  gesetzt  sey,   daß  W.   als  echter  Identitätsphilosoph   so  verblendet  ist 
und    eicht   sieht,    daß   diese   Vergleichung    der   Qualitäten    dem   Seyenden    nur   in 
unserem  Denken  zukommen  kann.     Wie  verblendet  ist  er,  wo  er  Ihnen  Mangel  an 
Eritik,   Dogmatismus   vorwirft,   weil  Sie  Begriffe   brauchen,    ohne   es   zu  versuchen 
sich  zuvor  der  Organe  bewußt  zu  werden !    Wir  denken  wunder  wie  klug  wir  sind, 
zuvor  die  Instrumente  der  Begriffe  zu  prüfen,  bevor  wir  damit  ein  psychologisches 
.Götterbild  zu  schnitzen  versuchen •,  jetzt  erfahren  wir,  daß  dies  die  größte  Uubehut- 
samkeit  ist.     Was   mag  uns  dann   aber  „die  Vernunft''   über  Einheit,  Vielheit,   Zu- 
sammen etc.  viel  Vernünftiges  zu  sagen  haben?    Ferner  kommt  W.  nie  aus  seinem 
Begriffe  vom  Seyn  heraus  und  verwechselt  unaufhörlich  scheinbares  und  wirkliches 
Geschehen,   das  letztere  für  bloßen  Schein  haltend.     Natürlich  möchte    er  auch  die 
Eidolologie  und  Psychologie   auf  bloße  Ontologie  pfropfen.     Bei   alledem  berührt  er 
doch  die  Puncte,   über   die  man  sich   am  leichtesten  mißverstehen  kann,  imd  zeigt 
weit  mehr  Studium  Ihrer  Schriften  als  von  seines  Gleichen  zu  erwarten  ist;  über- 
haupt  auch  eine    höchst   achtbare  Ehrlichkeit,  Offenheit  und  Geradheit  der  Gesin- 
nung.    Wie   sehr  er   nach   meiner  Überzeugung  wenigstens,   durch  die   ßecension 
für   unseren  Vortheil  gearbeitet  hat,  wenigstens    bei    allen  Mathematikern,    Natur- 
forschern und   unbefangenen  Philologen,    Theologen  etc.,   das  weiß  er  sicher  nicht. 
Soll  auch  die  Summe  der  ßecension  nichts  anders  seyn  als:    H's  Philos.   ist  Ver- 
standesphilosophie, weiter  nichts,   sie  ist  daher  einseitig,  bornirt,  untergeordnet,  so 
sind  das  doch  in  den  Ohren  selbstdenkender   Leute  ebenso   viele  Lobsprüche,  und 
nach  meiner  Meinung  gehört  diese  ßecension   zu  dem  Besten,  was  für  Ihre  Philo- 
sophie geschrieben    worden  ist.     Jetzt  erst  werden  die  Ihrigen   Muth  bekommen, 
nach   dem    in   Berlin    solche    Geständnisse    gedruckt   worden    sind,    das   vornehme 
Schweigen  gebrochen,   das  Daseyn.  der  zunehmende  Beifall  vox  Dorther  anerkannt 


170  August   1835. 


worden  ist.  Das  ist  der  wahre  Wendepuuct.  Auch  H.  Rosenkranz  ist  neuerdings 
auch  schon  ein  paar  mal  die  Phrase  entfahren  „von  Plato  und  Aristoteles  bis  auf 
Hegel  und  Herbart",  schon  das  fiel  mir  auf,  denn  das  war  nicht  die  bisherige  Ber- 
liner Politik.  Wenn  die  Berliner  anfangen,  bescheiden  zu  werden,  so  haben  sie 
eine  Niederlage  erlitten  oder  sie  merken  mindestens,  daß  das  Wetter  heranzieht 
und  denken  auf  ehrenvollen  Rückzug.  —  Freilich  wäre  mirs  noch  lieber,  wenn  nicht 
AVeiße  sondern  etwa  Gabler  der  Verfasser  jener  Recension  wäre,  was  ich  anfangs 
meinte ;  indeß  ist  mirs  andererseits  ein  sehr  angenehmes  Zeugniß  nicht  ganz  miß- 
lungener Bestrebungen  Ihrer  Leipziger  ||  Freunde,  wenn  ein  andersdenkender  Leipziger 
Philosoph  eine  so  lebendige  Überzeugung  von  der  Existenz,  der  Fortdauer  und  dem 
Wachstum  Ihres  Systems  öffentlich  bekennt. 

W.s  Recension  veranlaßt  mich  doch  zu  einer  Bemerkung,  über  die  ich  mir 
Ihre  Ansicht  erbitte.  Ich  finde  nicht,  daß  Kant  in  der  Krit.  d.  r.  V.  den  physiko- 
theologischen  Beweis  damit  angegriffen  hätte,  daß  von  ihm  die  Subjettivität  der 
Form  des  Zweckes  hervorgehoben  worden  wäre,  sondern  er  sagt  nur,  er  sey  nicht 
unabhängig  von  dem  kosmologischen  und  ontologischen  Beweis.  Sie  aber  deuten 
immer  darauf  hin;  beziehen  Sie  sich  damit  auf  die  Kritik  der  Urtheilskraft,  in  der 
K.  allerdings  die  Beweiskraft  der  Teleologie  auf  die  Beschaffenheit  unseres  Er- 
kenntnisvermögens gründet  oder  vielmehr  beschränkt?  Diese  Beschränkung  fällt 
nun  bei  Ihnen  hinweg,  aber  die  Beschuldigung  des  Zusammenhangs  des  teleologi- 
schen Beweises  mit  den  ontologischen  Voraussetzungen  wird  dadurch  doch  nicht 
entkräftet.  Daß  Sie  auch  der  Teleologie  keinen  sinnlichen  Beweis  zuschreiben,  ist 
mir  sehr  wohl  bekannt.  Doch  meinen  Sie  damit  wol  nur,  daß  sie  blos  nach  Ana- 
logie schließt.  Mir  wäre  aber  daran  gelegen,  Ihre  Ansicht  über  die  mir  sehr  präcis 
scheinende  Zergliederung  der  Hauptmomente  des  teleol.  Beweises  bei  Kant  kennen 
zu  lernen. 

Das  gute  Vernehmen  mit  Str.  scheint  ja  nun  aufgehört  zu  haben;  ich  ver- 
muthe,  daß  Sie  seine  arrogante  Darstellungsweise  verletzt  hat.  Zwischen  ihm  und 
mir  ist  ebenfalls  eine  große  Kälte  eingetreten.  Ich  gestehe,  daß  ich  seit  seinen 
Angriffen  auf  die  metaphysischen  Principien  der  math.  Psychologie,  und  bei  der 
Art,  wie  er  sie  zur  Sprache  brachte,  kein  Herz  mehr  zu  ihm  fassen  konnte.  Er 
scheint  zu  merken,  daß  ich  zu  innig  mit  Ihnen  verbunden  bin  und  macht  nun  den 
Ceremoniellen.  Bei  Hartenstein  scheint  er  ebenfalls  kein  Gehör  gefunden  zu  haben. 
Vorgestern  betraf  unsern  Hermann  das  Unglück,  daß  sein  ältester  Sohn,  der  seine 
juristischen  Studien  fast  beendigt  hatte,  beim  Baden,  als  er  einen  Freund,  einen 
cd.  jur.  £dler  vom  Ertrinken  retten  wollte,  mit  diesem  zugleich  den  Tod  fand.  H. 
scheint  indeß  sein  herbes  Geschick  mit  antiker  Fassung  zu  ertragen. 

In  der  Hoffnung,  daß  Ihnen  und  Ihrer  Frau  Gemahlin,  die  Sie  ehrerbietigst 
von  mir  und  meiner  Frau  grüßen  wollen,  Pyrmont  neue  Kraft  und  Heiterkeit  ge- 
bracht haben  wird,  empfehle  ich  mich  Ihrem  fernem  freundlichen  Andenken. 

Drobisch. 

532.    An  Drobisch.  1)  Göttingen  zb  Aug  35 

Hier,  mein  theurer  Freund!  ist  Altes  und  ganz  Neues.  Nur  vom 
letztern  muß  ich  sprechen.  Die  nächste  Veranlassung  können  Sie  er- 
rathen;  sie  ist  übrigens  nicht  die  einzige.  Es  ist  nicht  bloß  die  Absicht 
dieser  kleinen  Schrift,  -)  ein  neues  Vorlegeschloß  an    meiner  Hausthür  gegen 

^)  2  S.    4". 

-)  Über  die  Subsumtion  der  Psychologie  unter  die  ontologischen  Begriffe. 
S.  Bd.  X,   197  ff. 


August   1835.  171 


Einbruch  anzubringen,  sondern,  da  ich  einmal  die  Vestigkeit  meines  alten 
Gebäudes  in  Frage  gestellt  sah,  überlegte  ich  mir  gleich,  ob  nicht  auch 
eine  kleine  Erweiterung  mit  den  Sicherheitsmaßregeln  könnte  verbunden 
werden?  —  Nun  müßte  ich  mich  sehr  irren,  wenn  nicht  jeder  Paragraph 
dieses  Schriftchens  in  Ihrem  Gedankenkreise  irgend  etwas  von  pro  oder 
contra  anträfe.  Schon  deswegen  habe  ich  „einstweilen"  die  nämliche  Art 
von  Arrest  über  meine  eigne  Schrift  verfügt,  die  der  sehr  ehrenwerthe 
Herr  mir  gegenüber  sich  vermuthlich  in  Beziehung  auf  seinen  Aufsatz 
einstweilen  wird  gefallen  lassen.  Doch  darüber  muß  ich  wohl  deutlicher 
sprechen. 

Sie  verlangten  in  einem  Ihrer  Briefe  für  Str[ümpell]n  Geduld,  Schonung, 
und  etwas  Antwort.  Daß  dieses  Alles  sehr  billige  Foderungen  waren, 
erkenne  ich  vollkommen,  aber  es  mußte  doch  vorher  auch  etwas  von 
deutlichem  und  fühlbarem  Widerstände  angebracht  werden.  Das  geschah 
—  und  zwar  besonders  in  Bezug  auf  etwanige  Publication,  wonach  es 
damals  den  Anschein  hatte.  Ob  nun  diese  gar  nicht  im  Project  lag,  oder 
ob  sie  nach  meiner  Antwort  unrathsam  gefunden  worden,  —  genug,  es 
wird  wenigstens  jetzt  wohl  keine  Eile  damit  haben.  Meinem  Aufsatze 
wird  ja  wohl  einige  Zeit  zur  Ueberlegung  gegönnt,  und  in  Folge  derselben 
das  jenseitige  opus  einigermaaßen  umgeformt  werden;  unterdessen  kann 
Dieser  und  Jener  aus  meiner  Schrift  wenigstens  ersehen  haben,  wovon 
eigentlich  die  Rede  sey.  Denn  die  dringendste  Besorgniß  war,  das 
Publicum  möchte  den  Ton  eines  einheimischen  Streits  vernehmen,  ohne 
zu  wissen  und  wissen  zu  wollen,  worüber  man  streite.  Dieser  j]  Ton  wird 
nun  wohl  jedenfalls  vermieden  werden,  nachdem  die  ersten  Stöße  und 
Gegenstöße  vorbey  sind;  —  möglich  ist  ja  auch,  daß  Str.  sich  etwas 
gründlicher  besinnt,  und,  wenn  er  ja  noch  zu  streiten  gedenkt,  sich  sorg- 
fältiger dazu  rüstet. 

Unterdessen  bleibt  dann  die  Lage  der  Dinge  öffentlich  für  ein 
Weilchen  so,  wie  Ihr  Herr  College  W[eiße]  sie  gestaltet  hat.  Seine  Recension  i) 
wird  sehr  berühmt  werden,  wenn  ich  aus  den  vielen  Relationen  schließen 
darf,  die  ich  darüber  bekommen  habe.  Nicht  bloß  stimmt  mit  der  Ihrigen 
die  von  Griepenkerl  zusammen;  sondern  auch  hier  in  Göttingen  scheint 
es,  so  weit  meine  Ohren  reichen,  bey  ähnlichen  Eindrücken  sein  Bewenden 
zu  haben.  Also  habe  ich  noch  nicht  für  nöthig  gefunden,  die  Recension 
mit  eignen  Augen  anzusehen. 

Das  Str— sehe  Unternehmen  dagegen  wäre  ganz  ernstlich  gefährlich, 
wenn  es  irgend  einigen  Erfolg  hätte.  Kein  boshafter  Gegner  könnte  etwas 
ärgeres  aussinnen,  als  meine  Psychologie  durch  meine  eigne  Metaphysik 
aus  dem  Fundamente  herauswerfen,  und  das  bloß  durch  Uebertreibung 
eines  Begrifis,  den  die  Metaphysik  zwar  darbot,  aber  an  dem  sie  selbst 
sterben  müßte,  wenn  sie  ihn  nicht  in  seinen  Schranken  zu  halten  ver- 
möchte. Str— n  zu  Gefallen  will  ich  glauben,  daß  er  von  dieser  Gefähr- 
lichkeit selbst  keinen  Begriff  gehabt  hat;  —  das  heißt  aber,  ihm  eine 
Blindheit  zutrauen,  die  seiner  Einsicht  wenig  Ehre  macht. 

0  S.  o.  S.  168. 


172  September  1835. 


Der  beste  Fall  nun,  daß  Str.  seine  Neuerungen  ganz  aufgebe,  ist  sehr 
unwahrscheinlich.  Also  umgekehrt:  sehr  wahrscheinlich  werden  dieselben 
wo  nicht  herausspringen,  doch  durch  allerley  Röhren  baldigst  ausfließen. 
Darum  ist  wichtig,  daß  Viele  durch  mich  vorläufig  erfahren,  wovon  die 
Rede  sey.  Darum  wünsche  ich  und  bitte,  daß  Sie  die  Güte  haben,  nach 
Gelegenheit  für  Austheilung  meines  Schriftchens  sorgen  zu  helfen;  — 
allein  vorher  muß  ich  hören,  ob  die  harmonia  praestabilita  unter  uns 
sicher  genug  ist?  Also  fürs  Erste  nur  zwey  Exemplare,  wovon  eins  für 
Hartenstein,  dem  ich  mich  empfehle.  Sehr  begierig  bin  ich  auf  Ihre 
Antwort  —  auf  die  Antwort  des  ältesten  und  in  jeder  Hinsicht  ersten 
Gönners  der  mathem.   Psychol. 

Strümpells  Namen  braucht  eben  nicht  genannt  zu  werden;  doch  kann 
es  ihm  wohl  auch  nicht  zum  Nachtheil  gereichen,  daß  Er  mich  zu  einer 
Druckschrift  veranlassen  konnte,  während  ich  gegen  so  Manchen  schweige. 
—  Allenfalls  ließe  sich,  wenn  es  durch  Discussionen  unter  uns  durchaus 
nöthig  würde,  meiner  Schrift  ein  Anhang  beyfügen,  vor  weiterer  Ver- 
breitung. Allein  das  wäre  mir  nicht  lieb.  Mögen  nun  mit  Ihrer  Antwort 
auch  andre  angenehme  Nachrichten  von  Ihnen  und  vom  Wohlbefinden 
der  Ihrigen  einlaufen!  Unverändert  der  Ihrige!    H, 

533.  Dissen  an  H/) 

Mit  dem  größten  Vergnügen,  mein  verehrter  Herr  Gönner,  habe  ich  den 
kleinen  Aufsatz  gelesen  und  finde  ihn  deutlich  und,  bei  der  Vorsicht  die  auf  diesem 
Felde  nöthig,  genügend.  Die  so  bestimmt  durchgeführte  Unterscheidung  des  Realen 
und  des  Geschehens  muß  jede  Verwechslung  und  falsche  Übertragung  abschneiden, 
die  in  diesem  Gebiete  sich  gar  leicht  einschleicht,  wie  ich  denn  mit  Überraschung 
gefühlt  habe,  daß  der  Begriff  der  Störung  ohne  Selbsterhaltung  und  ferner  aus  der 
Unterscheidung  des  Daß  und  Was  im  Geschehen  folgt  mich  nun  erst  vor  Verwechs- 
lung bewahren  wird.  Neugierig  bin  ich  was  Drobisch  sagen  wird.  Daß  übrigens 
die  gegebene  Untersuchung  bestritten  werden  könne,  Sie  meinen  doch  von  Kennern 
des  Systems,  fürchte  ich  nicht  und  möchte  daß  dieser  Schluß  weggeblieben  wäre.''^) 

Gehorsamst    Dißen. 

534.  Drobisch  an  HJ)  Leipzig,  9.  Septbr.  35. 
Ich  glaube  Ihnen,  mein  Hochverehrter,  meinen  Dank  für  das  gütigst  über- 
sendete nicht  besser  bezeigen  zu  können,  als  indem  ich  Ihnen  ohne  Umschweife 
meine  unvorgreiflichen  Bemerkungen  über  Ihre  Brochüre*)  für  Freunde  mittheile: 
Das  Exemplar  an  Hartenstein  habe-  ich  abgegeben  und  von  diesem  erfahren,  daß 
Sie  auch  eines  direct  an  Strümpell  gesandt  hatten.  Gesprochen  habe  ich  diesen 
noch  nicht.  Was  ich  Ihnen  schreibe  sind  daher  nur  meine  eignen  Gedanken :  Denn 
H.  unterhegt  bis  jetzt,  so  viel  ich  bemerkt  habe,  leichter  fremdem  Einflüsse  als  er 
dem  Gedankenzuge  Qines  Andern  Richtung  gäbe.  Damit  sage  ich  nicht  etwa,  daß  er 
Str.'s  Einfluß  sich  überließe,  sondern  nur  im  Allgemeinen,  daß  er  öfter  beistimmt 
als  Widerstand  leistet,  was-  sich  ja  wol  allmälig  ändern  wird.  Nach  §  3  soll  der 
Erfolg  gleichzeitiger  entgegengesetzter  Zustände  in  Einem  Realen  Störung  ohne  Selbst- 

1)  2  S.    80.     H.  Wien. 
'')  S.  Bd.  X,  S.  206. 
3)  4  S.     40.     H.  Wien. 
^)  S.  Anra.  2. 


September  1835.  17^ 


erhaltimg  seyn,  und   zwai-  deshalb  weil  hier  der  Begiiff  des  Seyns  fehlt.     So  groß 
kann  ich  aber  zwischen  dem  Realen  und  dem  wirklichen  Geschehen  den  Unterschied 
nicht  finden.     Im   §  11   ist   die  Zerlegung  des  Realen  in  Seyn  und  Qualität  in  Er- 
innerung gebraciit.    in  §  10   und  11  angedeutet,   daß   hierunter   das  Geschehen  und 
Geschehene  subsmnirt  werden  könne.     Ferner   sagt   §  15   von  der  Affirmation  der 
Zustände   ausdrücklich,   sie   bedeute    1)   AVirklichkeit   des    Geschehens,    und    2)    ein 
affirmatives  Quäle.    Ich  sehe  also  nun  in  beiden  Fällen  Daß  und  Was.   Es  ist  also 
nicht  etwa  im  Begriffe   des  Zustands  da  eine  leere  Stelle,   wo  in  dem  des  Realen 
das  Seyn  sich  befindet,  daher  erseheint  mir  schon  hier  die  Behauptung  einer  bloßen 
Störung  ohne   Selbsterhaltung  gewagt  und   nicht  hinlänglich  begründet.    Dies  finde 
ich  durch  die  nachfolgenden  Entwicklungen    selbst    bestätigt.     Denn   was  wird  denn 
im  Dinge  erhalten?  Die  Qualität.    Aber  auch  im  Zustand  des  Dinges  wird  das  Quäle 
erhalten;  für  den  Zustand  als  solchen  findet  also  Selbsterhaltung  statt.     Doch  dies 
ibt  vielleicht  nur  ein  "Wortstreit.     Ich   komme    noch    einmal   darauf  zurück.     §  18 
„Die  Störung  ist  part''al".     Das  scheint  zuviel  behauptet,  auch  will  mir  der  Beweis 
nicht  genügen.    Nicht  eine  einzige  Bestimmung  mehr  habe  ich  für-  den  Zustand  als 
die  Wirklichkeit  des  Geschehens  und  das  Quäle   des  Geschehenen.     Von  Quantität 
ist  noch  nicht  ein  Wort  gesagt.     „Partial"  kann  ich  aber  nur  auf  Quantität  deuten. 
Da  das  Quale,  nach  §  19,  ungestört  bleibt,  so  kann  es  auch  nicht  auf  eine  Zerlegung 
desselben  nach  zufälliger  Ansicht  bezogen  werden.     Nun   sehe   ich  wohl  aus  §  20. 
daß  es  die  Wirklichkeit  des  Geschehens  treffen  soll,  aber  ich  finde  doch:  es  schleicht 
sich  ein,  ohne  Stoß.     Denn  was  ist  das  Ä  und  B  in  §  18?    Doch  wol  nichts  anders 
als  das  Quale  der  Zustände:  denn  durch  nichts  anders  sind  sie  unterschieden.    Aber 
wie!  ich  sehe,  daß   es  nicht  so  seyn  soll,  denn  sonst  würde  ja  eben  bewiesen,  daß 
die  partiale  Störung  das  Quale  träffe,   was  §  19  zurückweist;   auch  wäre  dann  auf 
unstatthafte  Weise  die   Zerlegung   von  B  nach   zufäll.  Ansicht  in    — A  und   einen 
üeberschuß  wie  eine  wirkliche  Zerlegung  im  Beweise  behandelt.    Gleichwohl  macht 
es  mich  wieder  irre,  daß  derselbe  Beweis  davon  spricht,  daß  B  für  sich  affirmativ 
sey,  was  doch  nm-  vom  Quale  gesagt  werden  kann;  oder  soll  noch  ein  besonderes 
Quale  II  des  Geschehens  nicht  des  Geschehenen  gedacht  werden?   Ich  kann  das  nicht 
glauben,    denn    beides    muß    doch    wohl    zusammenfallen.      Gleichwohl    komme    ich 
-wieder  darauf,  wenn  ich  jene  ,,Art  zu  geschehen"  (§  12   und  21)   näher  ins  Auge 
fasse ;  denn  was  will  dies  anders  sagen  als  eine  Beschaffenheit  des  Geschehens  jedoch 
nicht   des  Geschehenen?    Nach    meiner   Ansicht   sollte  §   18    nur  behaupten:    Die 
Störung   ist   nicht  Aufhebung.     Wäre  sie  dies,  so  müßte  B  =  — A  also  negativ  be- 
stimmt seyn:   Das  Quale  ist  aber  stets  affiimativ.     Da  ich  nun  §  19  anerkenne,  so 
fragte  es  sich  in  §  20,  was  es  heiße:  die  Wirklichkeit  des  Geschehens  werde  gestört  aber 
nicht  aufgehoben.  Es  soll  nicht  bedeuten  eine  Störung  mit  strenger  Selbsterhaltung,  weil 
nicht  das  Reale,  sondern  nur  ein  Zustand  des  Realen  betrachtet  wird.  Es  soll  nicht  eine 
Verminderung  der  Wirklichkeit  des  Geschehens  seyn  (nach  §  20,  5)  die  Störung  soll 
daher  die  Art  xii  geschehen  treffen,   nämlich  die  absolute  verändern,    eben  nur  um 
einer  relativen  Platz  zu  machen,  und  dadurch  die  Integrität  des  Geschehens  zu  er- 
halten.    Aber  hiedurch  entzw^eie  ich  doch  die  Wirklichkeit  des  Geschehens  ohne  es 
zu  wollen.     Ein  wirkliches  relatives  Geschehen  scheint  mir  auch  nicht  denkbar.    Ist 
das  Wirkliche  auch   nicht  das  Seyende,    so    ist    es    doch   ein    von  dem   zusammen- 
fassenden Denken  unabhängiges,  welches  letztere  doch  wohl  allein  Relationen  giebt. 
Die  Relation  als  Bestimmung  des  Wirklichen  will  mir  nicht  in  den  Kopf. 
D.  10.  Septbr. 

Ich  gestehe  Ihnen  hiernach,   daß   mir  Ihre  kleine  Schrift   bis  jetzt  mehr  Un- 
ruhe gemacht  als  Ueberzeugung  gegeben  hat.     Die  Selbsterhaltung,   indem  sie  sich 


jT^  September  1835. 


zum  Theil  in  ein  Streben  veiTvandeit,  scheint  unvermeidlich  sich  in  Vorstellen  und 
NichtvorsteUeu  zu  entzweien.  Diesen  AViderspruch  als  zum  Behuf  der  Erklärung 
des  Gegebenen  fingirt  zu  betrachten,  ist  (nach  §  13)  verboten.  Ihn  zu  ertragen 
vFäre  Empirie.  Durch  den  Begriff  des  Ich  scheint  andrerseits  der  Begriff  der 
Hemmung  eidolo logisch  verbürgt:  aber  er  muß  doch  mit  der  Ontologie  im  Einklang 
stehen.  Läßt  sich  aber  die  Ontologie  nur  einmal  darauf  ein,  die  ersten  Begriffe  der 
Psychologie  zu  entwickeln,  so  scheint  nun  auch  nicht  mehr  die  Fortdauer  der  Selbst- 
erhaltung über  das  Zusammen  hinaus  ohne  Deduction  ontologischer  Art  angenommen 
werden  zu  können.  Da  dies  in  Ihren  §§  nicht  beriihrt  ist,  so  bliebe  hier  noch 
immer  eine  Lücke.  Ich  werde  sehr  froh  seyn,  wenn  Sie  mir  über  diese  Dinge 
mehr  Licht  geben  können.  —  Am  Ende  müssen  wir  es  Str.  noch  Dank  wissen,  seine 
Skepsis  auf  einen  Punct  gelenkt  zu  haben,  der  doch  früher  oder  später  von  Außen 
angegriffen  worden  wäre.  Einiges,  was  darauf  hindeutet,  können  Sie  allenfalls  schon 
in  "Weiße's  Eecension  finden.  In  jedem  Falle  aber  hat  Str.  durch  den  ihm  eignen 
titanischen  Ton  Sie  verletzt.  Den  Aufsatz,  den  er  Ihnen  geschickt,  scheine  ich  nicht 
gelesen  zu  haben;  aber  die  fragmentarischen  mir  mitgetheilten  Bemerkungen,  die 
3  Bggen  einnahmen,  konnte  auch  ich,  in  Folge  des  darin  herrschenden  Tones,  nicht 
ohne  einige  Gemüthsbewegung  lesen.  Als  Bosheit  will  und  kann  ich  aber  jenes 
Unternehmen  nicht  deuten,  sondern  nur  als  den  kecken  mit  Unvorsichtigkeit  und 
Anmaßung  zur  Darstellung  gebrachten  Versuch  eines  hartneckigen  aber  Ihrer  Meta- 
physik treu  ergebenen  Kopfes.  || 

D.  11.  Septbr. 

Bisher  sah  ich  die  Seibäterhaltungen  als  die  höchste  nur  mit  Mühe  festzu- 
haltende Abstraction  der  Ontologie  an,  der  ontologisch  nichts  weiter  mit  Sicherheit 
abzugewinnen  seyn  möchte ;  ja  der  ganze  Begriff  schien  mir  den  größten  Miß- 
deutungen ausgesetzt,  wenn  uns  nicht  außerhalb  der  Speculation  die  Erfahrung  in 
unsern  einfachen  Vorstellungen  ein  Beispiel  jener  Selbsterhaltungen  auf  positive 
Weise  gegeben  hätte.  Und  würde  uns  wohl  ohne  dieses  je  in  den  Sinn  gekommen 
seyn,  a  priori  die  Qualia  in  disparate  Eeihen  zu  ordnen?  Ja  ohne  diese  positive 
Wahrnehmung  der  Selbsterhaltungen  ist  sogar  Gefahr  vorhanden,  das  wirkliche  Ge- 
schehen nur  für  ein  höheres  scheinbares  zu  nehmen.  Dies  meine  ich  so:  Der  Be- 
griff der  Selbsterhaltung  entsteht  aus  den  zufälligen  Ansichten.  In  der  Störung 
ändert  sich  die  Qualität  nicht  im  mindesten;  für  das  Reale  geschieht  also  nichts. 
Gleichwohl  ist  das  Geschehen  nicht  blos  scheinbar:  Denn  auch  eine  Intelligenz,  der 
die  Qualitäten  der  Wesen  erkennbar  wären,  würde  Störung  und  Selbsterhaltung  an- 
erkennen müssen.  Hiedurch  wird  das  wirkliche  Geschehen  das  scheinbare  eines 
solchen  intelligiblen  Zuschauers,  ein  Ausdruck,  der  schon  in  Weimar  Ihre  Billigung 
erhielt.  Aber  es  ist  hier  Gefahr  vorhanden,  es  in  die  Sphäre  des  objectiven  Scheins 
zu  setzen.  Das  wirkliche  Geschehen  scheint  hiernach  unabhängig  von  jeder  Art  von 
Zuschauer  nichts  zu  seyn.  Gleichwohl  geschieht  es  auch  nicht  xwischen  den  Dingen, 
denn  hier  ist  nicht  mehi'  ein  Zwischenraum,  den  der  Zuschauer  den  Dingen  ver- 
liehe. Es  geschieht  aber  auch  nicht  in  den  Dingen:  Denn  die  Qualität  bleibt  un- 
berührt. 

Vielleicht  darf  ich  nun  sagen:  es  geschieht  an  den  Dingen.  Sie  drücken  sich 
irgendwo  aus:  es  geschehe  gleichsam  an  der  Oberfläche  der  Dinge.  Das  ist  ein 
Gleichniß,  wie  soll  ich  Ernst  damit  machen?  Bedarf  es  nicht  hierzu  wenigstens  der- 
selben Fictiou  wie  in  der  Construction  der  Materie,  nämlich  der  Kugelform  der 
realen  Wesen?  Andrerseits  scheint  das  Aneinander  hier  auch  nicht  am  Platze  zu 
seyn,  denn  Wesen,  die  in  Störung  und  Selbsterhaltung  begriffen  sind,  durchdringen 
sich,    sind    in   einander.     Ich    möchte    noch   manche    Frage    hinzufügen;    aber   Sie 


September  1835.  175 


würden  mit  Einemmale  mir  nichts  antworten  können.  Ich  will  daher  anders  aus- 
setzen, um  erst  zu  ei-warten,  was  Ihre  Gute  mir  auf  das  Vorstehende  erwiedert. 
Ihre  Metaphysik,  Ihre  Psychologie  ruht  auf  der  breiten  Basis  der  Erfahrung,  daher 
ist  ein  Umsturz  nicht  zu  fürchten,  wenn  man  sich  einmal  etwas  erschüttert  fühlt; 
aber  man  darf  doch  auch  nicht  auf  jene  Sicherheit  zu  viel  Werth  legen,  weil  sie, 
wenn  sie  nicht  mit  der  Speculation  in  Einklang  gebracht  werden  kann,  nur  die 
Sorglosigkeit  des  Empiristen  ist.  Wollen  Sie  sich  nun  meiner  mit  gewohnter  Güte 
annehmen,  so  erwerben  Sie  sich  nicht  nur  ein  Verdienst  um  mich,  sondern  auch 
um  meine  Zuhörer  im  Winterhalbjahr,  wo  ich  Metaphysik  lesen  und  hoffentlich  Zu- 
hörer finden  werde.  Denn  die  Skepsis  und  die  Entwicklung  der  Probleme  in  der 
Encyklopädie  scheint  sehr  gute  AVirkung  gethan  und  auf  die  Auflösung  begierig  ge- 
macht zu  haben. 

Da  auf  diese  Weise  gegenwärtig  metaphysische  Hauptfragen  unter  uns  aufs 
Neue  zur  Sprache  gekommen  sind,  so  wage  ich  auch  nicht  diejenige  zu  wieder- 
holen, die  ich  im  vorigen  Briefe  an  Sie  richtete,  bitte  aber  um  die  Erlaubniß  hierzu 
für  ein  andermal.  Ich  sehe  übrigens  der  ||  Beseitigung  meiner  Zweifel  mit  um  so 
mehr  Zuversicht  entgegen,  als  ja  auch  der  vorjährige  Briefwechsel  über  die  Grund- 
begriffe der  Psychologie  (freilich  mit  wenig  Rücksicht  auf  Ontologie)  zu  einem  Ab- 
schlüsse führte.  Hinsichtlich  meiner  etwaigen  Äußerungen  gegen  Str.  können  Sie 
der  größten  Vorsicht  von  meiner  Seite  versichert  seyn. 

Mein  und  der  Meinigen  Befinden  ist  gut;  ich  wünsche  recht  bald  dasselbe 
über  Sie  und  Ihre  Frau  Gemahlm,  die  Sie  ergebenst  von  mir  und  meiner  Frau 
grüßen  wollen,  zu  hören. 

Mit  Hochachtung  und  Freundschaft  der  Ihrige  Drobisch. 

535.    An  Drobisch.  1)  Ohne  Datum. 

Wirklich  mit  einer  Art  von  Schrecken  habe  ich  Ihren  Brief,  mein 
theurer  Freund,  gelesen;  denn  ich  hatte,  in  der  That  von  Ihnen  eine 
ganz  einfache  und  völlig  unumwundene  Beystimmung  erwartet;  so  wie 
ich  sie  hier  bey  meinem  alten  Freunde,  dem  Hofr.  Bissen,  gefunden  habe. 
Auch  von  Strümpelln  war  es  weit  weniger  der  Ton,  der  mich  verletzte, 
als  dies,  daß  ich  ihm  zugemuthet  hatte,  solche  Einwendungen,  wodurch 
ein  bloßer  Zustand  dem  Realen  gleich  behandelt  würde,  gar  nicht  machen 
zu  können.  Freylich  sollte  Str.  mehr  Uebung  haben,  als  irgend  sonst 
Jemand,  da  er  Gelegenheit  genug  gehabt  hat,  sich  in  meiner  unmittel- 
baren und  lang  dauernden  Nähe  in  den  ersten  metaphysischen  Elementar- 
begriffen vestzusetzen.  Es  ist  mit  ihm  überhaupt  nicht  gut  zu  disputiren; 
und  am  wenigstens  konnte  es  bey  einer  so  großen  Masse  von  Fehlern 
geschehen,  womit  er  mich  in  seinem  langen  Aufsatze  auf  einmal  über- 
schüttete. Darum  hauptsächlich  schrieb  ich  meinen  Aufsatz,  weil  vor 
allen  Dingen  die  Fragepunkte  mußten  mit  Präcision  hingestellt  werden. 
Ihnen  werde  ich  nun  versuchen,  der  Reihe  nach,  wie  Ihr  Brief  sie  an- 
giebt,   zu  antworten. 

I.)  Im  meinen  §  10  und  11  ist  nichts  angedeutet,  daß  die  Zer- 
legung des  Geschehens  und  des  Geschehenen  subsumirt  werden  könne 
unter  die  Zerlegung  der  Realität  und  Qualität.  Sondern  beyde  Zer- 
legungen fallen,  logisch  betrachtet,  unter  einerley  Bezeichnung  eines  noch 


')  4  S.    4". 


176  September  1835. 


unbestimmten  Daß  und  der  Bestimmung  des  Was.  Beyde  Zerlegungen 
sind  coordinirt  in  dieser  bloß  logischen  und  sprachlichen  Hinsicht;  und 
damit  wird  im  §  1 1  nur  das  angedeutet,  daß  Str.  sich  sogleich  hätte  er- 
innern sollen:  eine  Unterscheidung,  die  im  Begriffe  der  Selbsterhaltung 
noch  nicht  gemacht  war,  könne  de7i7ioch  bey  fortgehender  Untersuchung 
nothwendig  werden,  gerade  so  wie  im  Begriffe  des  Realen  die  Unter- 
scheidung des  Seyn  und  der  Qualität  nicht  liegt,  und  doch  hineinkommt, 
sobald  man  sieht,  das  Reale  sey  nicht  ein  Solches^  wie  das  Was  der  ge- 
gegebenen Dinge.  So  ist  auch  im  Geschehen  der  Selbsterhaltung  kein 
Unterschied  des  Geschehens  und  Geschehenen  zu  spüren,  solange  man 
irgend  eine  einzelne  Selbsterhaltung  für  sich  betrachtet;  der  Unterschied 
kommt  aber,  sobald  zwey  Selbsterhaltungen  desselben  Realen  zusammen- 
treten. ^) 

2.)  Im  Begriff  des  Zustandes  ist  allerdings  eine  leere  Stelle,  und 
zwar  die  allerwichtigste  die  es  geben  kann,  da,  wo  der  Begriff  des  Seyn 
fehlt,  der  in  der  Deduction  j]  der  Selbsterhaltung  seinen  ganz  unentbehr- 
lichen Platz  hat.  Belieben  Sie  meine  Metaphysik  aufzuschlagen!  Der 
§  234  bringt  zu  den  Begriffen.^  die  auf  Störung  führten,  den  Begriff  des 
Seyn.,  indem  er  erinnert,  es  sey  die  Rede  von  Wesen,  d.  h.  vom  Seyenden. 
—  Indem  ich  den  Paragraphen  wieder  ansehe,  finde  ich  leider,  daß  für 
diesen  Punct  in  den  Worten  nicht  so  viel  Nachdruck  auf  das  Seyn  gelegt 
ist,  als  wohl  geschehen  könnte;  lesen  Sie  also,  wenn  Sie  wollen,  die  ent- 
sprechende Stelle  in  den  alten  Hauptpuncten  der  Metaphysik.  Da  steht 
ganz  deutlich:  (S.  40,  41)  „Was  übrig  bleiben  sollte,  hat  für  sich  allein 
gar  keinen  Theil  an  der  Beziehung  atifs  Seyn.'-''  —  Der  ganze  Zusammen- 
hang der  Untersuchung  zeigt  übrigens  deutlich  genug,  daß  dem  Begriffe 
•der  Störung  durchaus  nicht  zu  entgehen  seyn  würde,  wenn  nicht,  —  einzig 
und  allein,  —  der  Begriff  des  Seyn,  —  für  diesen  einzigen  Fall,  der  sich 
schlechterdings  nirgends  im  Gebiete  der  Wissenschaft  wiederhohlen  kann, 
weil  nirgends  anderwärts  eine  unmittelbare  Beziehung  auf  diesen  Begriff 
eintrit,  —  die  Störung  zurückwiese,  und  dafür  die  Selbsterhaltung  herbey- 
führte. 

3.)  Das  quale  des  Zustandes,  sagen  Sie,  wird  erhalten?  —  was  heißt 
das?  Die  Qualität  wird  nicht  in  eine  andre  Qualität  in  dem  Sinne,  wie 
zwey  coordinirte  Qualitäten  verschieden  sind,  verwandelt,  z.  B.  nicht  roth 
in  blau,  oder  süß  in  sauer.  Aber  eine  andre  Art  zu  geschehen.,  (Sie  werden 
diesen  Ausdruck  bemerkt  haben,)  tritt  allerdings  ein,  daher  ist  allerdings 
hier  wie  Sie  sagen,  die  Gefahr  eines  Wortstreits  nahe;  denn  es  kommt 
darauf  an,  den  Sinn  der  Worte  aus  der  Untersuchung  zu  erkennen. 

4.)  „Von  Quantität  (sagen  Sie  gegen  §  18)  ist  noch  kein  Wort  ge- 
sagt; partial  ist.  aber  nur  auf  Quantität  zu  deuten."  —  Ja  freylich!  und 
das  heißt  eben :  Die  Untersuchung  selbst  dediicirt  hier  den  Quantitäts- 
begriff; sie  schafft  ihn,  -wo  er  nicht  war;  hatten  wir  ihn  nicht,  so  müssen 
wir  ihn  hier  erzeugen.  —  Ihrer  Einwendung  ist  die  Strümpellsche  ähnlich, 
der   meinte,    weil    im    ersten  Begriff  der  Selbsterhaltung   noch    kein  Unter- 

^)  Randbemerkung  von  Drobisch:  ,, Unterschied  ist  doch  wol  nur  eine  bloße 
formale  Bestimmung.     Briefwechsel  im  Sommer  34." 


i835^ 1/7 

schied^)  des  Geschehens  und  Geschehenen  zu  sehen  war,  so  könne 
er  auch  nicht  kommen.  Er  kommt  aber;  sobald  die  Untersuchung  fort- 
schreitet. —  Etwas  ähnliches  habe  ich  in  der  Logik  bemerkt  (im  Lehr- 
buch der  Einleitung  §  55),  wo  sich  findet,  daß,  wenn  man  vom  ||  Quantitäts- 
Unterschiede  der  Urtheile  noch  nichts  wüßte,  man  ihn  aus  der  Qualität 
der  Urtheile  würde  entnehmen  können. 

5.)  A  und  B  im  §  18  sind  die  Zustände  ganz  und  gar;  d.  h.  sowohl 
in  Ansehung  des  Geschehens  als  dessen  ivas  geschieht.  Verschiedene 
Namen  bekommen  sie  wegen  des  verschiedenen  quäle;  es  bleibt  aber  hier 
noch  unbestimmt,  in  welchem  Sinne  die  Störung  partial*  sey;  wie  man 
die  partes  machen  —  ob  man  vielleicht  das  quäle  theilen  solle,  oder  wie 
sonst;  fürs  erste  genügt  zu  wissen,  daß  die  Störung  nicht  total  seyn 
könne.  —  Nun  geht  der  Schluß  fort.  §  19  zeigt,  das  quäle  gehe  nicht 
in  der  Reihe,  worin  die  Qualitäts -Verschiedenheit  liegt,  in  ein  anderes, 
etwa  mittleres  über;  es  gehe  auch  nicht  in  ein  disparates  quäle  über,  wie 
man  sich  disparate  Qualitäten  vor  der  Untersuchung  vorher  denken  würde, 
als  ob  schon  mehrere  Reihen  von  Qualitäten,  wie  Töne,  Farben  pp.  vor- 
gelegen hätten,  und  nun  ein  Sprung  aus  einer  in  die  a?idre  Reihe  vorkäme, 
—  Daraus  folgt  dann  weiter,  es  müsse  eine  ganz  andre  Art  von  Partition 
eintreten,  —  wieder  ein  ganz  neuer  Begriff,  damit  Theile  von  neuer  Art 
unterschieden  werden  können,  die  uns  übrigens  durch  die  Psychologie 
schon  bekannt  war,  die  aber  für  die  Ontologie  neu  ist;  denn  eine  Theilung 
soll  und  muß  gemacht  werden.  2)  Haben  Sie  nicht  eine  ähnliche  Begriffs- 
erzeugung dort  deducirt,  wo  die  unmöglichen  Wurzelgrößen  nicht  in  ge- 
wohnter Art  construirt  werden  können,  und  doch  eine  Construction,  — 
also  eine  von  ganz  anderer  Art,  eingeführt  wird? 

6.)  Nochmals  muß  ich  mich  an  Sie,  als  an  den  Mathematiker  wenden. 
Was  ist  eine  Oberfläche  für  die  Größe  eines  Körpers?  Nichts.  In  diesem 
Sinne  steht  im  ersten  Bande  meiner  Metaphysik  S.  195:  für  das  Seyn  ist 
-die  Wirklichkeit  des  Geschehens  Nichts.  Werden  Sie  nun  (nach  Analogie 
Ihres  Briefes,  welcher  sagt:  das  wirkliche  Geschehn  ist,  unabhängig  von 
iedem  Zuschauer,  nichts,)  etwa  fortfahren  zu  sagen,  weil  die  Oberfläche  für 
die  Größe  des  Körpers  nichts  ist,  so  ist  auch  die  Oberfläche  überhaupt 
nichts  im  Gebiete  der  Größen?  —  ich  denke  doch,  Sie  werden  lieber 
sagen,  die  Flächengrößen  sind  andere  Arten  von  Größen,  auf  welche  die 
Mathematik  kommt,  indem  sie  vom  Körper  zur  Gränze  des  Körpers  über- 
geht. So  ist  auch  das  wirkliche  Geschehen  wahrhaft  wirklich,  nämlich  die 
Selbsterhaltung,  —  nicht  aber  die  Störung  des  Realen,  die  eben  durch  die  |j 
Selbsterhaltung  vermieden  wird,  auf  Geheiß  des  Begriffs  des  Seyn,  durch 
welchen  wir  vor  dem  Irrthum,  als  ob  eine  Störung  //;/  Rea/eti  als  solchem 
wirklich  geschähe,  gehütet  werden. 

Aber  die  Selbsterhaltung  itn  Realen,  und  die  Störung  in  den  Zu- 
ständen^ d.  h.  im  Geschehen^  —  beydes  ist  wirklich  ohne  Zuschauer.  Nur 
ist  eins   und  das  andere  vollkommen    disparat.     Hingegen   das  scheinbare 

^)  Randbemerkung  von  Drobisch:  „Unterschied  ja!" 

*)  Randbem.  v.  Drobisch:  ..gemacht,  also  eine  Fiction;  aber  §  13!  Das  Einfache 
soll  Theile  haben." 

Herbarts  Werke.     XVIII.  12 


jyS  September  1835. 


Geschehn,  also  Bewegung  und  materiale  Configuration,  diese  gelten  erst 
dem  Zuschauer.  Das  ist  die  dreyfache  Unterscheidung,  ohne  welche  alle 
Metaphysik  über  Kopf  geht.  Den  Unterschied  des  Seyn,  des  wirklichen 
Geschehens,  des  scheinbaren  Geschehens  kann  man  kaum  zu  groß  dar- 
stellen. 

Ob  ich  diesen  sehr  schnell  hinge-worfenen  Brief  absenden  soll? 
Darüber  war  ich  zweifelhaft,  allein  das  Säumen  taugt  in  solchen  Dingen 
nicht,  und  wegen  der  Form  vertraue  ich  auf  Ihre  Nachsicht.  Wegen  der 
Sache  hoffe  ich  mehr  von  Ihrem  eignen  ferneren  Nachdenken  als  von 
meinen   Erläuterungen.     Jetzt  muß  ich  eilig  schließen. 

Unverändert  der  Ihrige     H. 

536.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig  d.  29.  Sptbr.  35. 

Hochverehrter  Freund  und  Gönner!  Von  einem  kleinen  zur  Erheiterung  meiner 
Frau  angestellten  Ausfluge  nach  Thüringen  zurückgekehrt,  wende  ich  mich  sogleich 
zur  Beantwortung  Ihres  lehrreichen  aber  mich  doch  nicht  völlig  beruhigenden  Briefes, 
Unwesentliches  übergehend. 

Sie  schreiben:  „eine  Unterscheidung,  die  im  Begriffe  der  Selbsterhaltung  noch 
nicht  gemacht  war,  könne  dennoch  bei  fortgehender  Untersuchung  nothwendig 
werden,  gerade  so  wie  im  Begriffe  des  ßealen  die  Unterscheidung  der  Qualität  nicht 
liegt,  und  doch  hineinkommt,  sobald  man  sieht,  das  Reale  sey  nicht  ein  Solches^ 
wie  das  "Was  der  gegebenen  Dinge.''  Ich  gebe  dies  willig  zu,  aber  eine  Unter- 
scheidung ist  doch  wol  nur  eine  formale  Bestimmung  unseres  Denkens,  mehr  wird 
wohl  auch  von  jener  Zerlegung  des  Begriffs  des  Realen  nicht  behauptet.  So  nun 
auch  kann  doch  wol  das  Vorstellen  und  das  Vorgestellte  nicht  als  eine  wirkliche 
Zweiheit  angesehen  werden.  Ich  würde  dann  unsern  Briefwechsel  im  vorigen 
Sommer  für  verloren  erachten  müssen,  als  dessen  Resultat  ich  die  Emsicht  betrachte, 
daß  Vorstellen  und  Vorgestelltes  der  Wirklichkeit  nach  ein  und  dasselbe  ist,  so  daß 
die  Klarheit  des  Vorgestellten  der  Größe  des  wirklichen  Vorstellens  nicht  blos  pro- 
portional sondern  wörtlich  gleich  ist.  —  Die  Untersuchung  in  §  18  soll  ferner  den 
Quantitätsbegriff  deduciren;  ,,eine  Theilung  soll  und  muß  gemacht  werden!"  Ich  be- 
greife den  Gang  der  Speculation,  diese  Bewegung  des  Denkens,  diese  Begriffserzeu- 
gung sehr  wohl;  gerade  so  habe  ich  mir's  stets  gedacht;  aber  ich  werde  in  dem 
Sinne  wie  Sie  in  §  278  der  Metaph.  fragen:  das  Einfache  soll  Theile  haben? 
worauf  .dieselbe  Antwort  wie  a.  a.  0.  zu  geben  mir  jedenfalls  durch  §  13  der 
jetzigen  Abhandlung  (dessen  Schlußsatz  ich  eigentlich  nicht  verstehe)  verboten  ist. 
Hiermit  habe  ich  den  Grund-  und  Hauptanstoß  ausgesprochen,  den  ich  wol  auch 
mit  Str.  theile,  durch  dessen  Beseitigung  sich  alles  Uebrige  wol  von  selbst  geben 
wird.  Ich  erwarte  nicht  eine  Lösung  des  Widerspruchs,  sondern  eioe  Modiücation 
des  13.  §§. 

Das  Mißverständniß  über  „die  andre  Art  zu  geschehen"  habe  ich  nun  ein- 
gesehen und  finde  hier  keine  weitere  Schwierigkeit.  Anderes  was  ich  berührt  und 
Sie  beleuchtet  haben,  werde  ich  im  Laufe  des  Wintersemesters  im  strengen  Zu- 
sammenhang zu  durchdenken  Gelegenheit  finden. 

Wollen  Sie  übrigens  ja  nicht  meinen  Zweifeln  eine  falsche  Deutung  geben.  So 
lange  ||  man  sich  mit  Aengstlichkeit  an  Ausdruck  imd  Gedankenfolge  des  Erfinders 
hält,  wie  etwa  ich  in  der  Anzeige  der  Met.  in  der  Jen.  Lit.  Zeitung,  kann  man 
diesem  höher  zu  stehen  scheinen  als  später,   wo   man,   in   der  Absicht,  das  System 

1)  2  S.    40.     H.  Wien. 


November  1835.  170 


sich  freier  anzueignen,  es  nach  allerlei  Richtungen  durchläuft  und  Puncte  in  Be- 
ziehung zu  bringen  versucht,  die,  wie  man  sich  später  vielleicht  überzeugt,  ewig 
getrennt  bleiben  müssen. 

—  Was  Str.  Ihnen  zu  sagen  hat,  wird  er  selbst  vorgetragen  haben.  Sollten 
Sie  ihm  unterdessen  etwas  geschrieben  haben,  was  zugleich  mir  zur  Antwort  dienen 
kann,  so  werde  ich  es  von  ihm  erfahren.  Es  scheint  ihm  ein  Stein  vom  Herzen 
gefallen  zu  seyn,  seitdem  der  Verkehr  mit  Ihnen  wieder  eröffnet  ist  und  ich  kann 
nach  seinem  nun  auch  wieder  gegen  mich  freundhcheren  und  offenem  ßenehmpu 
nicht  andere  als  glauben,  daß  es  ihm  eben  so  sehr  wie  mir  eine  hochwichtige 
Angelegenheit  ist,  mit  Ihnen  in  voller  Übereinstimmung  bleiben  zu  können. 

Mit  innigster  Hochachtung  wie  immer 

Ihr  auflichtig  ergebener     Dr. 

537.  An    Strümpell.^)  Ohne  Datum. 

Ihren  heute  eingegangenen  Brief  kann  ich  auf  der  Stelle  beantwoiten. 
Was  den  ersten  Theil  anlangt:  so  habe  ich  mich  schon  dahin  erklärt,  daß 
langer  Disput  nicht  meine  Sache  ist.  Jeder  Streit  muß  einmal  einschlafen, 
und  mit  dem  unsrigen  kann  das  ganz  füglich  jetzt  geschehen,  so  daß  Sie 
das  letzte  Wort  behalten. 

Auf  die  Wahl  Ihres  Aufenthahs  will  ich  zwar  keinen  Einfluß  mir 
anmaaßen,  muß  aber  doch,  um  Sie  nicht  ohne  Nachricht  zu  lassen,  so- 
viel bemerken,  daß,  soweit  ich  absehen  kann,  Ihr  hiesiger  Aufentl;alt 
wohl  gänzlich  zwecklos  seyn  dürfte.  Göttingen  ist  klein;  ohne  hervor- 
ragenden Mittelpunct;  und  von  Gelegenheiten,  die  Ihnen  erwünscht  seyn 
könnten,  ist  mir  hier  nichts  bekannt  geworden. 

Berlin  kann  wenigstens  eher  Bekanntschaften  darbieten. 

D.  I.     H. 

538.  An    Drobisch.  ^)  Göttingen  9  Nov    1835. 

Mein  theurer  Freund!  Nicht  länger  kann  ich  mir  verzeihen,  daß  ich 
Sie  auf  einen  Brief  warten  lasse  während  Sie  mein  Stillschweigen  vielleicht 
-unrichtig  auslegen  könnten.  Vernehmen  Sie  zuerst,  daß  Sie  bald  eine 
gedruckte  Entschuldigung  in  Händen  haben  werden;  es  sind  nämlich  von 
mir  Briefe  an  Griepenkerl  über  die  Willensfreiheit  unter  der  Presse.  JNlit 
diesen  war  ich  ämsig  beschäfiftigt,  als  Ihr  letzter  Brief  ankam.  Die  prak- 
tische Philosophie  hat  mich,  seit  ich  in  Göttingen  bin,  am  meisten  in 
Arbeit  setzen  müssen,  denn  da  fehlte  am  meisten  für  den  Gebrauch  der 
Vorlesungen.  Auch  das  Publicum  muß  zunächst  wieder  hierauf  hin- 
gewiesen werden;  sonst  kann  das  Uebrige  leicht  eine  schiefe  Richtung 
nehmen,  —  besonders  wenn  ich  zu  Streitigkeiten  sollte  genöthigt  werden. 
Von  der  praktischen  Seite  muß  nothwendig  jetzt  der  Spinozismus  ange- 
griffen werden;  überdies  ist  die  Freyheitslehre  einer  von  den  Puncten,  die 
jetzt  von  mehrem  Seiten  angeregt  sind.  —  Was  nun  ihre  Aeußerungen  über 
meine  kleine  Druckschrift^)  anlangt,  so  schienen  mir  diese  zu  zeigen,  daß 
Sie  eigentlich  von  der  Strümpeley  des  verflossenen  Sommers  wenig  Notiz 
genommen    —    oder    bekommen    haben.      Die    Sache    schien   Sie   zu   be- 


0  S.  A.  Spitzner  a.  a.   O.,  S.  XXXVIII. 

')  3  S.    4"- 

^)  S.  o.  S.  170  Anm.  2. 


12' 


l8o  November  1835. 


fremden.  Meine  kleine  Druckschrift  war  aber  hauptsächlich  dadurch 
hervorgerufen,  daß  ich  von  Strümpelln  noch  mehr  Sie,  als  mich,  ange- 
griffen glaubte.  Darum  glaubte  ich  Ihnen  einen  Beytrag  anbieten  zu 
müssen,  um  jenen  desto  leichter  zurückzuweisen.  Strümpell  leugnet  die 
partielle  Hemmung  der  Vorstellungen;  er  hat  sich  dagegen  eine  Spannung 
ohne  Hemmung  ausgesonnen.  Das  ist  ein  Angriff  auf  die  ganze  mathe- 
matische Psychologie,  um  die  Sie  Sich  so  verdient  gemacht  haben;  und 
dieser  Angriff  trifft  Sie  direkt,  da  Sie  über  math.  Psych,  gelesen  haben; 
er  trifft  Sie,  weil  Sie  eben  an  dem  Orte  wirken,  wo  er  sich  aufhielt.  — 
Haben  Sie  davon  wenig  Notiz  genommen,  so  ||  vermindert  dies  die  Be- 
deutung der  Sache.  Meine  Grundsätze  sind  unverändert;  Strümpelln 
habe  ich  aufgegeben,  und  den  Briefwechsel  mit  ihm  abgebrochen.  Um 
aber  mit  Ihnen  in  Gemeinschaft  weiter  zu  arbeiten,  waren  3  Dinge  nöthig. 
Erstlich  mußte  ich  Muße  haben.  Zweytens  mußte  ich  Ihnen  Zeit  lassen, 
Sich  den  Gegenstand,  falls  Sie  wollten,  reiflich  zu  überlegen.  Und 
drittens,  —  was  nicht  das  Geringste  ist,  —  muß  ich  selbst  mich  wieder 
in  die  Fundamentalbegriffe  der  math.  Psych,  vertiefen.  Bedenken  Sie, 
daß  meine  gedruckten  Rechnungen  noch  aus  dem  Jahre  1813  her  sind! 
Zu  diesem  Behuf  nun  habe  ich  eben  in  den  letzten  Tagen  die 
unvollkommenen  Complexionen  vorgenommen,  worüber  Sie  in  Nordhausen 
mit  mir  sprachen.  Leider  wurde  ich  gleich  nach  meiner  Rückkehr  hieher 
so  abgezogen,  daß  ich  von  Ihren  Einwürfen  keine  genaue  Erinnerung  mehr 
habe.  Als  ich  nun  die  Sache  wieder  ansah,  glaubte  ich  Anfangs  das  Fehler- 
hafte meiner  alten  Rechnung  klar  einzusehn,  und  meinte  die  Rechnung 
ganz  kurz  abzuthun,  indem  ich  erst  nur  ein  Glied  der  Complexion  als 
betroffen  von  der  Hemmung  betrachtete,  dann  diese  Hemmung  auf  die 
Glieder  derselben  vertheilte.  Allein  unerwartet,  —  ich  kann  wohl  sagen 
ganz  gegen  meinen  Sinn  —  bin  ich  in  die  frühere  Rechnung,  ohne  deren 
Form,  sondern  auf  anderem  Wege,  zurückgetrieben,  indem  ich  die  unvoll- 
kommenen Complexionen  allgemein  untersuchte,  und  hiebey  so  genau  als 
möglich  die  Analogie  mit  den  vollkommenen  Complexionen  vestzuhalten 
suchte.  ^) 


^)  Randbemerkung:  Um  der  Sache  desto  gewisser  zu  werden,  ließ  ich  diesen 
Brief  ein  paar  Tage  liegen;  und  um  ihn  nicht  ganz  leer  von  wissenschaftlicher  Mit- 
theilung zu  lassen,  setze  ich  folgendes  her,  was  mir  unzweydeutig  scheint.  Es  fehlt 
in  meinem  Buche  der  Uebergang  von  den  vollkommenen  zu  den  unvollkommenen  Com- 
plexionen.   Der  Weg  dieses  Ueberganges  findet  sich  so.    Wir  theilen  S.  202  [Bd.  V,  310] 

meines    Buches    die    Größe  —  —  .  —  so,  wie  es  S.  208,  S  61   fodert,  nämlich  in 

B  A       '  '  ^ 

/bp    ,    Ä7r\        I  a        ,  ^    /bp    ,    3n\       i  a  . 

-f +  '--      .  —  .  für  a;  und  h?r  +  ^     •  —  ■    — , —   für  «- 

VB^B/      A      a+a  VB^B/      A      a -f- « 

wobey  ich  der  Erleichterung  wegen  noch  bemerke,  daß 

a  a-  ,     ,  a  «' 

und  ebenso 


a-f-a       a^-|-aa  & -{- a       a^-j-aa' 

es  verwandelt  sich  nämlich  a  «  in  r  (>  für  unvollkommene  Complexionen. 

I  a  a 


A       a  (a  -(-  a)       a{a.-\-  a) 
Jedes  der  B  verwandelt  sich  auf  besondre  Weise  nach  den  Hülfen;  auch  muß  am  ge- 
hörigen Orte  der  Factor  — ^  angebracht  werden.     Nun    ist    nur   nöthig  in  allen  Größen 

a  a 


November  1835.  181 


Wie  Sie  nun  auch  davon  denken  mögen:  soviel  sehn  Sie,  daß  ich 
weit  entfernt  bin,  auf  Strümpells  Argumente  irgend  einen  reellen  Werth 
zu  legen.  Er  kann  Schein  erregen,  und  höchst  unzeitigen  Streit  anfangen, 
wodurch  er  den  Boden,  auf  dem  er  steht,  untergraben  wird;  auf  jeden 
Fall  ist  er  ein  verlorner  Gehülfe,  ||  und  das  ist  für  mich,  in  meinen  Jahren, 
die  Ruhe  fodern,  ein  sehr  empfindlicher  Verlust.  Aber  seine  Gründe 
sehn  aus,  als  ob  ein  Schüler  meiner  Einleitung,  welche  in  usum  tironum 
dem  System  vorgeschoben  ist,  das  System  besser  zu  kennen  meinte  als 
ich  selbst.  Hat  denn  Strümpell  sich  in  Leipzig  mit  Mathematik,  mit 
Physik  beschäfftigt,  wie  er.  es  vor  einem  Jahre  wollte?  Hat  er  überhaupt 
gearbeitet?  Oder  womit  hat  er  die  Zeit  hingebracht?  Wahrscheinlich  ist 
in  ihm  das  Alte  erneuert,  was  ich  bey  andern  Zuhörern  schon  öfter  er- 
lebte. Die  Leute  wollen  in  die  Welt,  nämlich  in  die  literarische;  und 
indem  sie  allerley  durcheinander  lesen,  können  sie  dem  Strom  der  einmal 
verbreiteten  Irrthümer  nicht  widerstehen,  sie  meinen  erst  klug  zu  werden 
in  dem  Maaße,  wie  sie  die  Bewegung  des  großen  Haufens  annehmen. 
Das  vdrd  wahrscheinlich  bey  Strümpelln  noch  viel  weiter  gehn;  wenn  nicht 
etwa  die  Schrift  von  mir,  die  jetzt  unter  der  Presse  ist,  doch  von  einer 
Seite,  wo  er  noch  nicht  verdorben  ist,  entgegenwirkt. 

Das  mag  genügen,  mein  theurer  Freund!  um  unsern  Briefwechsel 
nur  erst  wieder  anzuknüpfen.  Hoffentlich  werden  Sie  mir  bald  antworten. 
Dann  wünschte  ich  wohl  zu  wissen,  ob  Sie  allgemeine  Untersuchungen 
über  die  unvollkomm.  Complexion.  angestellt  haben;  —  und  überhaupt, 
ob  wir  bald  etwas  Gedrucktes  von  Ihnen  zu  erwarten  haben?  Ein  junger 
Mathematiker  aus  Wien,  Namens  Krone,  der  sich  ein  privatissimum  bey 
Gauss  über  magnetische  Forschungen  genommen  hat,  hört  jetzt  meine 
Psychologie;  kann  ich  ihm  von  Ihnen  etwas  melden?  Das  würde  ihn 
ohne  Zweifel  mehr  interessiren,  als  meine  sehr  populären  Vorlesungen.  — 
Empfehlen  Sie  mich  Ihrer  Frau  Gemahlin,  und  geben  Sie  mir  Nachricht 
von  Hartenstein,  den  ich  achtungsvoll  grüße. 

Unverändert  der  Ihrige!     H. 

539.     Drobisch  an  H.\)  Leipzig  d.  20.  November  1835. 

Hochverehrter  Gönner  und  Freund!  Ihr  Brief  vom  9.  d.  M.  war  mir  um  so 
erfreulicher  und  beruhigender,  als  ich  durch  eine  Stelle  meines  letzten  Briefes  nur 
mir  selbst  Veranlassung  zu  einer  Annahme  gegeben  hatte,  die  ich  mm  widerlegt 
sehe  die  nämlich,  daß  der  Inhalt  des  letzten  Briefs  an  Str.,  der  mir  natürlich  nur 
im  Allgemeinen  bekannt  wurde,  auch  für  mich  Gültigkeit  haben  sollte.  Die  Er- 
öffnung, die  Sie  mir  nun  gegenwärtig  in  Beziehung  auf  den  ursprünglichen  Zweck 
der  kleinen  Druckschrift  machen,  ist  mir  überaus  unerwartet:  denn  so  gern  ich 
mich  immer  mit  dem  Interesse  Ihrer  Philosophie  identificire ,  so  weiüg  habe  ich 
mich  speciell  durch  Str.  angegriffen  geglaubt;   so   sehr  mich  anfangs  diese  Zweifel 

diejenigen  Abänderungen  vorzunehmen,  welche  entstehen,  wenn  die  vollkommene  Ver- 
bindung sich  auf  die  unvollkommene  durch  r  und  (),  desgleichen  r'  und  p'  für  b  und  ß 
beschränkt:  so  findet  sich  die  Sache  von  selbst.  Es  scheint  nun  auch  die  Erweiterung 
auf  drey  und  mehrere  Complexionen  oflfen  zu  stehen;  nur  die  Berechnung  der  Schwellen 
bleibt  schwer. 


»J  4  S.    4*.     H.  Wien. 


l82  November  1835. 


in  üble  Stimmung  versetzten  und  vpegen  der  äußern  Verhältnisse  unserer  philos. 
Angelegenheiten  besorgt  machten,  so  konnte  ich  doch  mich  um  so  weniger  dabei  be- 
teiligt sehen,  als  ich  den  Vortrag  der  math.  Psych,  da  angefangen  hatte,  wo  alle 
angewandte  Mathematik  anzufangen  pflegt,  also  Metaphysik  bei  Seite»  liegen  lassend, 
üusre  Privatdisputationen  gingen  nun  natürlich  auf  Metaphys.  ein,  aber  bis  zur 
Erscheinung  der  kleinen  Druckschrift  beruhigte  ich  mich  und  bestritt  Str.  mit  einem 
Argument,  das  mir  §  13  aufhob.  Von  da  an  wurde  ich  nun  selbst  zum  Zweifler, 
und  diesen  Zustand  hat  Ihnen  mein  letzter  Brief  offen  und  ehrlich  dargelegt.  Sie 
nun  scheinen,  mit  großem  Vertrauen  nicht  nur  zu  meinem  guten  Willen,  sondern 
auch  Vermögen,  es  für  besser  erachtet  zu  haben,  mich  mir  in  dieser  Angelegenheit 
selbst  zu  überlassen,  als  mir  weitere  Aufklärung  zu  geben.  Insofern  haben  Sie 
wenigstens  nicht  geirrt,  als  bald  nach  Absendung  meines  letzten  Briefes  mir  ein 
Gedanke  kam ,  bei  dem  ich  mich  beruhigt  fand  und  der  auch  Hartenstein ,  der  bis 
dahin  alle  jene  Zweifel  theilte,  ohne  sie  beseitigen  zu  können,  befriedigte.  Es  war 
der:  daß  quantitative  Bestimmungen  dann  doch  eigentlich  nur  auf  das  Reale  über- 
zutragen verboten  ist,  damit  die  auf  seine  Qualität  sich  beziehende  absolute  Position 
nicht  aufgehoben  werde;  daß  eben  das  wirkliche  Geschehen,  in  dem  wol  eine  Hin- 
weisuug  auf  das  Reale  liegt,  das  eben  nicht  selbst  absolut  gesetzt  wird,  diesem 
Verbot  nicht  unterworfen  sein  kann.  —  Mit  Str.  habe  ich  dariiber  nicht  weiter  ge- 
sprochen, da  ich  ihn  nur  noch  auf  einige  Minuten  sah,  als  er  nach  Berlin  gehen 
wollte;  auch  mir  sonst  sein  Wesen  in  gemüthlicher  Beziehung  durchaus  nicht  mehr 
so  zusagen  konnte  als  anfangs,  wo  er  sich  ||  ganz  anders  gab.  —  Hiernach  meine 
ich  mich  mit  Ihnen  wieder  in  Uebereinstimmung  zu  befinden  und  lese  in  diesem 
Glauben,  den  zum  Wissen  zu  erheben  nun  auch  von  Ihnen  abhängt,  mit  Lust, 
Liebe  und,  bis  jetzt  (am  Ende  der  Ontologie)  mit  großer  Befriedigung  meiner 
Ueberzeugung,  vor  25  sehr  aufmerksamen  Zuhörern  (wovon  die  große  Hälfte  zur 
Schande  der  Sachsen  Ausländer  sind)  Metaphysik.  Ich  habe  zu  diesem  Ende  noch 
einmal  besonders  den  ersten  Band  Ikres  Werks  studirt,  und  ich  kann  sagen  mit 
großer  Erbauung.  Was  Sie  von  Str.  sagen,  daß  er  die  Einleitung  als  Waffe  gegen 
das  System  zu  brauchen  versucht  habe,  ist  mir  in  so  fern  erklärlich,  als  ich  mich 
nie  mit  ihm  darüber  einigen  konnte,  daß  die  Widersprüche  in  dem  Gegebenen  zwar 
schon  klar  werden,  wenn  man  bemerkt,  daß  Eins  zu  vielem  gemacht  wird;  daß  sie 
aber  noch  ihre  systematische  Bestätigung  erhalten,  indem  man  zu  der  Einsicht  ge- 
langt, daß  jenes  gegebene  Eins  als  Reales  schlechthin  einfach  seyn  müsse;  so  findet 
er  nun  in  „dem  Geschehen  andrer  Art"  den  gleichen  Fall  wie  in  dem  Geschehen, 
dessen  'Ausdruck  die  Selbsterhaltungen  sind.  —  Str.  hat  übrigens  Hoffnung,  und 
zwar,  wie  ich  höre,  in  Folge  Ihrer  Empfehlung,  in  das  Haus  des  Grafen  Medem  in 
Curland  als  Erzieher  zu  kommen. ')  Auch  ich  bin  hier  über  ihn  noch  befragt  worden, 
und  es  war  mir  lieb,  die  an  mich  gestellten  Fragen  mit  gutem  Gewissen  bejahen 
zu  können. 

Mit  vielem  Interesse  vernehme  ich,  daß  wir  ein  neues  Werk  von  Ihnen  zu 
erwarten  haben.  Sollte  dies  wol  ein  Theil  der  schon  vor  mehreren  Jahren  beab- 
sichtigten pädagogischen  Briefe  seyn,  und  werden  sich  darin  die  Rechnungen  über 
die  frei  steigenden  Vorstellungen  finden?     Seit  Ende  der  Osterferien  bin  ich  nicht 

')  Durch  Vermittlung  von  Herbarts  Freund  Jäsche  in  Dorpat.  So  groß,  wie 
man  neuerdings  öfter  lesen  kann,  ist  demnach  der  Bruch  zwischen  Herbart  und 
Strümpell  nicht  gewesen.  Das  geht  u.  a.  auch  daraus  hervor,  daß  Strümpell  noch 
bei  seinem  Abschied  aus  Deutschland  sich  „unveiändert  als  eifriger  Anhänger  Her- 
barts" bekannt,  daß  er  seinem  Lehrer  noch  geschrieben  und  ihn  bei  einem  späteren 
Ferienaufenthalt  in  Deutschland  aufgesucht  hat.    S.  auch  S.  188,  191,  219. 


November  1835.  183 


weder  an  die  mathemat.  Psychologie  geküniraeo.    Da  ich  ohne  dies  Zeit  und  Kräfte 
zwischen   Mathem.   und   Philos.   theilen   muß,   (welches  Loos  mir  indessen  das  an- 
gemessenste zu  seyn  scheint),  so  finde  ich  es  immer  bequem  und  ersprießlich  mich 
möglichst  ungetheilt  mit  denjenigen  Theilen  der  Philosophie  zu  beschäftigen,  die  ich 
vortrage.     Das   war  im    Sommer   Logik   und   Einleitung.     Ueberdies    nehmen  mich 
Aibeiten  zur  Schulconferenz  in  Dresden  noch   in  freien  Stunden  mehrfach  in  Be- 
schlag.   In  den  Michaelisferien  und  in  den  jetzigen  Nebenstunden  war  und  bin  ich 
nun  beschäftigt,  ein  Lehrbuch  der  Logik  zum  Drucke  zu  befördern.     Diese  Absicht 
habe   ich   Ihnen  ||  längst   raitgetheilt.     Die  Vorträge  über  Logik   werden   mir  dann 
später  weniger  Zeit  und  Mühe  kosten;   denn   das   abermalige  Umarbeiten,   das  ich 
selten  untei-lassen  kann,   wird   nun   bleiben.     Auch  hoffe  ich  dadurch  mein  philos. 
Ansehen  hier  wenigstens   zu  befestigen,  wo  die  Logik  noch  etwas  gilt,  und  Einiges 
der  öffentlichen  Mittheilung  nicht  unwerthe,  findet  sich  ^nelleicht  doch  auch  darin. 
Ist  der  Di-uck  der  Logik  zu  Ende,  so  werde  ich  mit  neuem  Eifer  an  die  Psychologie 
zurückgehen,   und   auch   etwas   drucken   lassen.     Einige   Programme,   die   ich   von 
Ostern  an  als  Dekan    zu   schreiben  habe,   sollen   Rechnungen  aufnehmen  und  dann 
vereinigt  und  vermehrt  in   einer  kleinen  Anzahl,   die  jedenfalls  ausreichen  wird,  in 
den  Buchhandel  kommen.    Eine  deutsche  Schrift  über  die  verschiedenen  Seiten  der 
math.  Psych,  und  ihren  Zweck  soll  jene  begleiten  oder  ihnen  wenigstens  bald  folgen. 
—  Hartenstein,  der  sich  Ihnen  hochachtungsvoll  empfiehlt,   hat  eine  Schrift  in  die 
Metaphysik  einschlagend  unter  der  Feder;  er  wird  Ihnen  wol  selbst  nächstens  nähere 
Mittheilungen  machen.  —  Was  die  kurze  Andeutung  über  unvollkommene  Complexe 
betrifft,  so  sitze  ich,  wie  eben  gesagt,   jetzt  nicht  recht  tief  in   der  Sache;   so  viel 
ich  aber  verstehe  und  errathen  kann,  will  mir  der  Übergang  von  den  vollkommenen 
2u   den  unvollkommenen  Complexionen   durch  Vertauschung   des  aa  mit  rp  etwas 
gewagt  erscheinen;  daß  jener  der  specielle  Fall  von  diesem  ist,  das  ist  klar;   wahr- 
scheinlich   werden   Sie   aber   noch    andre   Grände   anzugeben   wissen   einen   solchen 
Cebergang  ganz  unbedenklich  zu  machen.    Wie  Sie  erzählen  zuerst  nach  der  Rück- 
kehr von  Nordhausen  gerechnet  zu  haben,  so  rechnete  ich  bisher  eben  auch. 

Noch  muß  ich  Ihnen  einen  Sieg  berichten,  den  wir  hier  errungen  haben. 
Die  philos.  Facult.  hatte  für  das  vergangene  Tniversitätsjahr  (zum  erstenmal)  auf 
-  Krugs  Vorschlag  die  frage  als  Preisaufgabe  gestellt:  possetne  idea  absoluti  summum 
et  unicum  philos.  principium  esse.  Da  Krug  durcii  Augenschwäche,  die  leider  in 
gänzliche  Blindheit  auszuarten  droht,  verhindert  war,  die  Schriften  zu  lesen,  so  war 
die  Beurtheilung  Clodius  und  mir  übertragen.  Es  waren  zwei  eingegangen,  eine 
pro,  eine  contra,  jene  in  Hegels,  diese  in  Ihrem  Sinne.  Auf  meinen  Antrag  hat  die 
letztere  den  Prei«  gewonnen.     In  Hermanns  Programme  heißt  es: 

Non  dubitavimus  eum  praemio  dignum  iudicare,  qui  hanc  posuerat  disser- 
tationis  suae  notam:  nihil  aliud  est  vera  auctoritas,  nisi  rationis  virtute  cooperta 
veritas.  Is  Herbarti  potissimum  sententiam  sequutus,  negavit  absoluti  dignitatem 
principii  concedendam  esse,  demonstravitque  id  caute,  ||  subtiliter,  sobrie,  atque  ita.  ut 
non  in  no\-issmiis  placitis  examinaudis  acquiesceret,  sed  ad  Platonem  et  Spinozam, 
ut  priraos  ideae  absoluti  fontes,  rediret.  omnia  iusto  ordine  et  sennone  piano  per- 
tractans.  (Bis  hieher  fast  wörthch  mein  Gutachten.)  Eum  esse  cognitum  est 
Hennanum  bomtz.  Longohalissa  Thüringum  etc.  Daß  es  nun  ferner  heißt:  Laudari 
tamen  etiam  placuit  alterum  etc.  der  freilich,  da  er  denn  doch  die  Frage  ungenügend 
beantwortet,  ungenannt  bleibt,  das  ist  nicht  meine  Schuld,  sondern  liegt  in  dem  be- 
kannten Leipziger  Liberalismus,  der  die  Indifferenz  hinter  dem  Schild  der  Humanität 
zu  verstecken  sucht.  Diesen  Bonitz,  einen  fleißigen  Zuhörer  Hartensteins  und 
meiner  Vorträge,   habe  ich  Ihnen  schon  einmal  genannt.     Er  ist  Philolog  und  jetzt 


j8^  Dezember   1835. 


in  BerÜD,  um  seine  Studien  zu  beendigen  und  sein  Examen  zu  machen.  In  der 
"vita,  die,  wie  ich  höre  von  letzterem  eingereicht  werden  muß,  hat  er  denn  nicht 
verhehlt,  außer  Plato  und  Spinoza  auch  Ihren  Schriften  ein  ernstes  Studium  zu- 
gewendet zu  haben.  Darauf  hat  ihm  Trendelenburg  als  Thema  einer  schriftlichen 
Arbeit  aufgegeben:  eine  Darstellung  und  Beurtheilnng  der  Meth.  der  Beziehungen 
zu  liefern.  Der  schlaue  Fuchs,  der  ein  höchst  gewandter  Kopf  ist,  und  dem  der 
lateinische  Ausdruck  ganz  zu  Gebote  steht,  will  nun  seine  Antwort  so  halten,  daß 
er  erstens  zeigt,  daß  wenn  Widersprüche  wirklich  gegeben  seyn,  die  Meth.  der  Bez. 
die  einzige  seyn  könne,  die  einen  Ausweg  darzubieten  vermöge.  Daß  aber  "Wider- 
sprüche gegeben  seyen,  müsse  wol  wahr  seyn,  da  nicht  blos  Sie  sondern  selbst  Hegel 
es  nachgewiesen  hätte.  Ich  bin  überzeugt,  er  wird  seine  Arbeit  mit  Geist  und 
Scharfsinn  auszustatten  wissen  und  sollte  etwa  den  Herren  Examinatoren  die  Lust 
zum  Disputiren  ankommen  und  jemand  stecken  bleiben,  so  ist  es  Er  nicht.  Dieser 
Mensch  geräth  zuverlässig  nicht  in  den  Strom  der  Hegeischen  Mode  und  wenn  er 
10  Jahr  in  Berlin  lebte.     Er  hat  Verstand  und  Willenskraft! 

Zu  dem  jungen  Wiener  mache  ich  Ihnen  meinen  Glückwunsch. 

Mit  unveränderter  Hochachtung  und  Ergebenheit  empfehle  ich  mich  Ihnen  und 
Ihrer  Frau  Gemalflin.  Der  Ihrige     Drobisch. 

540.    Hartenstein  an  H.^)  Leipzig  d.  6.  Dec.  1835 

Hochwohlgeborner,  Hochzuverehrender  Herr!  Die  Verpflichtung,  Ihnen  für 
die  wiederholten  Beweise  eines  wohlwollenden  Andenkens,  welche  Sie  mir  durch 
Übersendung  Ihrer  jüngsten  Schrift  über  die  Subsumtion  der  Psychologie  unter  die 
Ontologie,  so  wie  durch  einen  von  Professor  Drobisch  mir  überbrachten  Gruß  ge- 
geben haben,  meinen  Dank  abzustatten  ist  schon  seit  geraumer  Zeit  so  dringend  ge- 
wesen, daß  ich  jetzt,  wo  ich  mich  derselben  entledige,  kaum  anders  als  mit  der  un- 
umwundenen Bitte  um  Ihre  gütige  Verzeihung  beginnen  kann. 

Die  Discussionen,  welche  die  Opposition  des  H.  D.  Strümpell  herbeigeführt  hat, 
mußten  für  mich  um  so  belehrender  seyn,  je  mehr  durch  sie  die  Aufforderung  ge- 
geben war,  die  angeregten  Begriffe  und  Sätze  in  ihrem  metaphysischen  Zusammen- 
hange von  Neuem  durchzudenken  imd  je  mehr  die  Möglichkeit,  dieser  Forderung 
zu  genügen,  nächst  Ihrer  Schrift  auch  durch  einige  Erläuterungen  erleichtert  wurde, 
welche  Sie  Herrn  Prof.  Drobisch  in  einem  Briefe  an  ihn  und  dieser  mir  mitzu- 
theilen  die  Güte  gehabt  haben.  Die  ganze  Frage  war  für  mich  von  um  so  größerer 
Wichtigkeit,  da  ich  schon  im  vorigen  ||  Sommer  mit  dem  Plane  imiging,  den  ganzen 
Complex  , allgemein  metaphysischer  Untersuchungen  von  den  ersten  Anfängen  des 
Skepticismus  an  bis  dahin,  wo  die  Synechologie  in  die  Naturphilosophie,  die  Eidolo- 
logie  in  die  Psychologie  übergeht,  zusammenhängend  in  einer  Druckschrift  zu  be- 
arbeiten und  ich  erlaube  mir  in  dieser  Beziehung  Ihnen  sogleich  die  Frage  vorzu- 
legen :  in  wiefern  es  Ihre  Genehmigung  haben  würde ,  wenn  ich  von  dem  Inhalte 
Ihrer  letzten  Schrift  da,  wo  es  sich  um  die  metaphysische  Deduction  der  psycho- 
logischen Grimdlehren  handelt  (natür-lich  ohne  alle  Erwähnung  der  äußern  Veran- 
lassung) den  für  den  wissenschaftlichen  Zusammenhang  kaum  zu  vermeidenden  Ge- 
brauch machte?  — 

Wenn  ich  nun  auch  vielleicht  voraussetzen  darf,  daß  Sie  mir  Ihre  Zustimmung 
in  diesem  Puncte  nicht  versagen  werden,  so  liegt  doch  die  Frage:  also  eine  Ilias 
post  Homerum?  —  so  nahe,  daß  ich  darauf  sogleich  selbst  antworte:  nach  dem 
Homer  schreibt  man  überhaupt  keine  Iliaden  mehr.  Dennoch  glaube  ich  für  die 
Verbreitung  Ihrer  Philosophie  jetzt  gerade  dadurch  etwas  thun  zu  können,  daß  ich 

1)  2V2  S.   40.    H.  Wien. 


Dezember   1835.  185 


das,  was  Sie  in  der  Einleitung  der  Metaphysik  und  zur  Ergänzung  der  Eidologie  in 
der  Psychologie  gesagt  haben,  zu  einer  ununterbrochen  fortlaufenden  Reihe  von 
Untersuchungen  verbinde  und  dadurch  dem  Lernenden  —  denn  diesen  allein  habe 
ich  im  Auge  —  ein  Hülfsmittel  in  die  Hand  gebe,  welches  ihm  zum  Studium  Ihrer 
Werke  die  nötige  Vorbereitung  und  Anregung  mittheile.  Und  daran  könnten  sich 
dann  vielleicht  in  einigen  ausführlichen  Anhängen,  die  nötliigen  Bestimmungen  \iber 
das  Verhältniß  der  Metaphysik  zur  praktischen  Philosophie  und  Religionslehre  schließen, 
welche  geeignet  wären,  Vorurtheile  zurückzudrängen,  und  die  Empfänglichkeit  für  das, 
was  auf  dem  steinigten  Boden  der  Metaphysik  nicht  wächst  zu  sichern  und  zu 
befriedigen.  Mit  Rücksicht  auf  das  Bedürfnis  des  Anfängers  habe  ich  es  auch  für 
zweckmäßig  gehalten,  den  pro-paedeutischen  Theil  von  dem  abhandelnden  äußerlich 
zu  trennen  und  in  jenen  auch  den  Inhalt  der  Methodologie  mit  aufzunehmen,  so 
daß  er  die  Beschränkung  auf  das  Gegebene,  die  Sicherung  desselben  gegen  die 
Skepsis,  die  Entwicklung  der  Probleme,  die  Angabe  der  Hülfsmittel  der  Methode 
und  einen  allgemeinen  Yorblick  auf  den  Gang  der  Untersuchung  zum  Inhalte  hat, 
während  die  Ontologie,  Synechologie  und  Eidologie  die  Lösung  der  Probleme  selbst 
zu  besorgen  hat.  Einzelne  Theile  z.  B.  eben  die  Eidologie  würde  ich  vielleicht  so 
frei  seyn,  Ihrem  geneigten  Urtheile  vor  dem  Drucke  vorzulegen,  der  schon  aus- 
gearbeitete propädeutische  Theil  würde  sich  kaum  erlauben  dürfen,  Ihre  kritische 
Aufmerksamkeit  erst  in  Anspruch  zu  nehmen. 

Ich  höre  von  Herrn  Pr.  Drobisch,  daß  von  Ihnen  Briefe  über  die  Willens- 
freiheit unter  der  Presse  sind  und  ich  habe  wohl  nicht  nöthig  auszusprechen,  daß 
ich  ihrem  Erscheinen  mit  derselben  Sehnsucht  entgegensehe,  mit  welcher  ich  in 
früherer  Zeit  eines  Ihrer  Werke  nach  dem  andern  zur  Quelle  meiner  Beiehrung 
machte. 

Mich  Ihrem  fernerem  Wohlwollen  hochachtungsvollst  empfehlend,  verharre  ich 

Ew.  Hochwohlgeboren  ergebenster  Hartenstein. 


1836. 


W. :  Zur  Lehre  von  der  Freiheit  des  menschhchen  Willens  (S.  Bd.  X.  S.  207 — 313). 
—  Herbarts  Selbstanzeige  dieses  Werkes  in  den  Gott.  gel.  Anz.  1836  (S.  Bd.  XIÖ. 
S.  285- — 286).  —  Analytische  Beleuchtung  des  Naturrechts  u.  der  Moral  (S.  Bd.  X. 
S.  315 — 460).  —  Selbstanzeige  dieses  Werkes  in  den  Gott.  gel.  Anz.  (S.  Bd.  XIII. 
S.  301 — 303).  —  Rez.  von  Drobischs  Darstellung  der  Logik  (S.  Bd.  XIII.  S.  289  bis 
293),  Drobischs  Quaestionum  (S.  Bd.  XIII.  S.  293  —  297),  Suabedissens  Grundzüge 
der  Metaphysik  (S.  Bd.  XIII.     S.  297—300). 

541.  Lobeck  an  H.^)  Königsberg,  12.  Januar  1836. 
Hochverehrtester  Freund !  Die  Reise  des  H.  Paschley  nach  Göttingen  und  Ihre 

silberne  Hochzeit,  welche  morgen  in  meinem  Hause  gefeiert  werden  soll,  giebt  mir  die 
erwünschte  Veranlassung  mein  Andenken  bei  Ihnen  zu  erneuern  und  mich  Ihrem 
gütigen  Wohlwollen  zu  empfehlen.  Der  erstere  ist  ein  Landsmann  Ihrer  Frau  Ge- 
mahlin, ein  gelehrter  Reisender,  dem  wir  bald  eine  Beschreibung  von  Corfu  zu 
verdanken  haben  werden.  Zu  der  letzteren  statte  ich  meinen  herzlichsten  Glück- 
wunsch ab;  möge  die  goldene  zu  ihrer  Zeit  nachfolgen  und  Sie  beyde  in  frischem 
Alter  überraschen.  Im  ||  Sommer  machte  ich  eine  Reise  nach  Deutschland,  die  mir 
aber  übel  bekam,  so  daß  ich  bald  nach  Haus  zurückeilte,  wo  ich  mich  wieder 
befinde. 

Unterwegs  hörte  ich  viel  von  der  immer  zunehmenden  Ausbreitung  Ihrer 
Philosophie  und  hoffe  nach  einigen  Jahren  Ihrer  Wirksamkeit  in  Göttingen  meine 
Prophezeiung  erfüllt  zu  sehen.  Herr  Paschley,  der  einer  Vorlesung  Ihres  hiesigen 
Nachfolgers  für  Damen  beigewohnt  hat,  wird  Ihnen,  wenns  daran  liegt  —  davon 
erzählen  können;  die  CoUegen,  die  manchmal  ihre  Frauen  dahin  begleiten,  ||  berichten 
Wunderdinge  in  Gestalt  der  alten  Athenäumswitze  —  die  Musik  ist  eine  gefrorene 
Baukunst  —  der  Mann  ist  nichts  als  eine  potencirte  Frau  etc.  Tiefsinnige  Re- 
flexionen über  die  Berliner  Damen,  StiegHtz,  Rahel  und  Bettina  etc.  Unsere  armen 
Studenten,  die  diese  Zuckerbäckerei  für  Wissenschaft  hinnehmen! 

Mit  der  Versicherung  meiner  unwandelbaren  Verehrung  verbinde  ich  die  an- 
gelegentliche Bitte  um  die  Fortdauer  Ihres  freundschaftlichen  Andenkens  und  emp- 
fehle mich  und  meine  Frau  Ihrer  Frau  Gemahlin  herzlich 

Ihr  ergebenster    Lobeck. 

542.  Hartenstein  an  H.')  Leipzig,  d.  17.  Januar  1836. 
Hochverehrter  Herr  Hofrath!   Ich  würde  Ihnen  meinen  Dank  für  Ihr  letztes 

gütiges  Schreiben,  welches"  ich  Ihrem  Wunsche  gemäß  Herrn  Prof.  Drobisch  mit- 


')  3  S.  4".  H.  Wien.  —  In  dem  von  A.  Ludwich  1894  herausg.  Briefwechsel 
von  Lobeck  und  Lehrs  ist  Herbart  öfter  erwähnt,  der  obige  Brief  bildet  eine  Er- 
gänzung dazu.  —  Die' englischen  Bücherkatal.  jener  Zeit  verzeichnen:  Pashley  (Hob.), 
Travels  in  Crete  (1837). 

0  IV-  S.   40.    H.  Wien. 


Februar  1836.  187 


getheiJt  habe,  schon  früher  ausgesprochen  haben,  wenn  ich  nicht  gewünscht  hätte, 
Ihnen  zugleich  ein  Paar  Blätter  Manuscript  *)  beilegen  zu  können,  aus  welchen  Sie 
beurtheilen  möchten,  in  welcher  Weise  ich  die  angeregte  Frage,  welche  wenigstens 
für  mich  nunmehr  keine  Streitfrage  mehr  ist,  behandelt  habe.  Ich  erlaube  mir 
daher,  Ihnen  aus  meinem  Manuscripte  den  letzten  Paragraphen  der  Ontologie 
beizulegen,  über  welchen  ich  mir.  Ihr,  Urtheil  vielleicht  in  der  Art  erbitten 
darf,  daß  Sie  Ihre  etwanigen  Ausstellungen  an  den  Rand  des  Manuscriptes  wenn 
auch  nur  mit  wenigen  "Worten  zu  bemerken  die  Güte  hätten,  obschon  ich  nicht 
fürchte,  in  ein  wesentliches  Mißverständniß  verfallen  zu  seyn.  Ich  habe  einen 
Augenblick  Bedenken  getragen,  ob  nicht  die  ganze  Entwicklung  für  die  Eidologie 
verspart  werden  könnte;  indessen  sie  hat  ihren  wissenschaftlichen  Ort  in  der  Onto- 
logie und  soll  daher  auch  in  ihr  ihre  Stelle  finden. 

Die  von  Ihnen  gewünschte  Erwähnung,  daß  Ihrerseits  Privatmittheilungen  statt- 
gefunden haben,  finden  Sie  zwar  nicht  auf  den  beifolgenden  Bogen,  sie  würde  je- 
doch auch  ohne  Ihren  ausdrücklichen  "Wunsch  in  der  Vorrede  gegeben  worden  seyn. 
indem  ich  am  allerwenigsten  in  Ihren  Augen  als  ein  Plagiarius  würde  haben  erscheinen 
wollen.  Ihre  letzte  Drackschrift  glaube  ich  nicht  besonders  citiren  zu  können;  eben 
so  wenig  wird  über  Str[ümpell]s  Einwürfe,  dessen  Gedanken  Sie  jedenfalls  richtig  durch- 
schaut haben,  irgendwo  eine  Andeutung  stattfinden.  Außerdem  werden  Sie  finden, 
daß  ich  Ihre  gütigen  Mittheilungen  wirklich  so  vollständig  benutzt  habe,  als  es  die 
Sache  nöthig  zu  machen  schien.  || 

"S\'undern  soll  es  mich  übrigens  nicht,  wenn  die  Absoluten,  falls  sie  von  dem 
Entgegengesetzten  in  Einem  lesen  werden,  uns  als  ihre  blinden  Freunde  begrüßen 
werden,  welche  die  Yermmft  unbewußt  führe  und  leite,  obgleich  wir  es  mit  unserem 
abstracten  "V^erstande  niemals  zur  immanenten  Dialektik  bringen  können. 

Jedoch  ich  breche  ab,  weil  ich  mich  eben  erinnere,  daß  ich  Ihnen  ohnedieß 
zumuthe,  einen  sehr  langen  Brief  zu  lesen,  aus  welchem  Sie  obendrein  nur  Ihre 
eigenen  Gedanken  erfahren.  Herr  Professor  Drobisch  ist  in  dieser  "Woche  einige 
Tage  krank  gewesen  er  weiß  nicht,  daß  ich  in  diesem  Augenblicke  an  Sie  schreibe, 
außerdem  würde  ich  die  Ehre  haben,  Ihnen  seine  Empfehlungen  zu  überbringen. 

Ich  selbst  verharre  mit  der  Bitte  um  die  Fortdauer  Ihres  wohlwollenden  An- 
■  denkens 

Ew.  Hochwohlgeboren  ergebenster  Hartenstein. 

543.    Dissen  an  H.-) 

Mein  theurer  und  verehrter  Gönner!  Was  werden  Sie  wohl  gedacht  haben  daß 
ich  noch  immer  nicht  gedankt  habe  für  das  interessante  Buch  über  die  Freiheit. 
Aber  hören  Sie;  da  ich  leider  einen  Theil  der  lästigen  Funktionen  der  Professur 
der  Beredtsamkeit  zu  verwalten  habe,  so  mußte  ich  in  der  letzten  Zeit  unter  be- 
ständigen körperlichen  Leiden  ein  Universitätsprogi-amm  fertig  machen  für  den 
nächsten  Prorectoratswechsel  und  dazu  alle  guten  Stunden  zusammen  nehmen.  Dies 
wird  nun  so  eben  gedruckt  und  so  konnte  ich  erst  jetzt  dazu  kommen  Ihr  Buch  mit 
Mühe  und  Umstand  zu  lessen,  wonach  ich  sehnlich  verlangte.  Daher  schrieb  ich 
erst  nicht:  denn  erst  jetzt  bm  ich  damit  fertig  ||  und  statte  nun  mit  vollem  Herzen 
meinen  Dank  ab,  denn  das  Buch  halte  ich  für  einen  schönen  Beitrag  zu  Ihrem  guten 
Werke,  ein  Buch  das  alle  lesen  sollten,  sehr  ^^ele  lesen  werden  mit  großer  Be- 
lehrung.    Sie   haben   sich   darin  mehr   herabgelassen  zu  ausführlichen  Erörterungen 

^)  Aus  Hartensteins  „Probleme  u.  Grundlehren  der  allgemeinen  Metaphysik", 
Lpzg.  1836. 

^)  3  S.    80.    H.  Wien.     Ohne  Datum. 


l88  Februar  1836. 


und  fasslichen  Darstellungen  für  einen  größeren  Kreis  und  ich  bewundere  es  wie  Sie 
über  diese  schwere  Sache  so  natürlich  haben  schreiben  können.  In  mir  selbst  erregt 
dergleichen  immer  ein  wahres  Feuer  der  Begeisterung  für  Philosophie  wie  in  den 
Tagen  der  Jugend  als  ich  in  Ihrem  Auditorio  saß.  und  ich  beklage  es  bis  auf  den 
heutigen  Tag  daß  mir  nicht  mehr  Genie  zu  theil  wurde  um  ein  Philosoph  zu  werden 
und  ein  Apostel  Ihrer  tiefsinnigen  imvergleichlich  herrlichen  Lehren.  Für  das 
zweite  Buch  bitte  ich  dem  Verfasser  meinen  besten  Dank  zu  sagen.  Leider  bin 
ich  in  dem  Gesundheitszustand,  daß  ich  die  Eecension  nicht  übernehmen  kann,  und 
ich  denke  auch,  daß  unser  Griepenkerl  dazu  noch  besser  geschickt  wäre.  Und  er  thut 
es  gewiß  gern.  Denn  Sie  wollen  es  lücht  tbun,  wie  ich  wohl  denken  kann.  Doch 
wird  der  Herr  Verfasser  nicht  zweifeln,  daß  ich  mich  für  die  Sache  lebhaft  inter- 
essiere. Daß  Sie  wieder  hergestellt  sind  und  lesen  höre  ich  mit  großem  Vergnügen 
und  wünsche  dazu  Glück,  denn  ich  habe  Sie  sehr  bedauert.  Meine  Gesundheit  ist 
herzlich  schlecht,  wie  es  Einem  geht,  der  an  Nervenauszehrung  leidet  und  alle  Tage 
schlechter  wird.  Wenn  das  "Wetter  erst  wieder  gelinde  ist  und  es  sich  einmahl 
paßt,  muß  ich  Sie  bitten  mich  einmal  wieder  zu  besuchen,  wonach  mich  sehr  ver- 
langt, da  ich  nie  anders  als  mit  inniger  Verehrung  und  Bewunderung  au  Sie  denke. 

Vom  ganzen  Herzen  Bissen. 

544.  Geheimrat  Dieterici  an  Freih.  von  Richthofen.^)  Berlin,  2.  Febr.  1836. 
....  Wenn  Sie  dann  beim  Minister  von  Altenstein   Excellenz   (nachdem  Sie 

bei  Merckel  versucht)  vorsprechen-),  so  nennen  Sie  nicht  Heebaet,  sonst  aber  liebt 
Herr  v.  Altenstein  die  Philosophie,  und  es  wird  g-ut  tun,  wenn  Sie  über  Pädagogik 
in  allgemeine  Betrachtungen  und  philosopliische  Ansichten  eingehen  .... 

545.  An   Drobisch.-^)  Göttingen   7   Febr  36 

Mein  verehrter  Freund!  Zwar  außer  dem  Bette,  bin  ich  doch  noch 
halb  krank;  und  werde  nicht  im  Stande  seyn,  einen  zusammenhängenden 
Brief  zu  schreiben.  Aber  Sie  sind  auch  krank  gewesen,  das  weiß  ich 
durch  Hartenstein;  nun  wünsche  ich  mir  ein  paar  Zeilen  von  Ihnen  zu 
verdienen,  um  wo  möglich  von  Ihrer  eignen  Hand  zu  lesen,  daß  Sie  Sich 
wieder  wohl  befinden.  Darum  schicke  ich  Ihnen  wenigstens  mein  Büch- 
lein."*) Das  eine  Exemplar,  worin  ein  Brief  an  Hartenstein  Hegt,  bitte 
ich  an  diesen  abzugeben,  und  den  offenen  Brief  zu  lesen,  wenn  anders 
ein  paar  Worte  über  das  Büchlein  Sie  interessiren,  die  ich  mühsam  genug 
zusammengebracht  habe.  Hartenstein  hat  sich  große  Ansprüche  an  meine 
Dankbarkeit  erworben,  indem  er  den  Feuerfunken,  welchen  Strümpell  mit 
vornehmer  Unvorsichtigkeit  hinwarf,  auszulöschen  unternimmt  ehe  er 
zünden  kann;  und  indem  er  mir  eine  genaue  Mittheilung  macht,  wodurch 
auch  der  Schein  einer  unnötigen  Differenz  unter  uns  vermieden  wird. 
Aber  wir  müssen  weiter  vorrücken,  wenn  irgend  ein  Resultat  möglich  seyn 
soll.     Sie  werden- in  den    versprochenen   mathematisch  psychol.  Aufsätzen 

^)  Aus  dem  Leben  des  Karl  Ernst  Friedr.  Freih.  von  Eichthofen  auf  Brechels- 
hof.  Geschrieben  von  seinem  Sohne  Bolko  für  dessen  Kinder.  Als  Manuskript  ge- 
druckt.    1883.  S.  86  f. 

^)  Freih.  v.  ßichthofen  sollte  die  Leitung  und  Reorganisation  der  Liegnitzer 
Eitterakademie  übernehmen. 

3)  I  S.    40. 

*)  Zur  Lehre  von  der  Freiheit  — .     S.  Bd.  X. 


Februar  1836.  189 


feine  Arbeit  liefern;  ich  dagegen  habe  einmal  absichtlich  grobe  Schrift 
gebraucht,  für  die  blöden  Augen,  die  Spinozas  Ethik  für  eine  wirkliche 
Ethik  halten.^)  Sagen  Sie  mir  offenherzig,  was  Ihnen  an  der  Schrift 
misfällt;  und  denken  Sie  nur  nicht  an  eine  Eigenliebe  die  Sie  verletzen 
könnten;  solche  Schreiberey  wie  diese,  schreibe  ich  nicht  für  mich,  sondern 
für  allerley  Völkchen  das  mir  fern  steht.  Jetzt  muß  ich  mir  Ruhe  gönnen; 
mehr  wenn  ich  wieder  gesund  bin. 

Unverändert  der  Ihrige     H. 

546.    Drobisch  an  H.-)  Leipzig  d.  20.  Febr.  36. 

Mein  hochverehrter  würdiger  Freund!  Lassen  Sie  mich  vor  allen  Dingen  den 
herzlichen  Wunsch  aussprechen,  daß  dieser  Brief  Sie  wieder  vollkommen  hergestellt 
finden  möge  und  ich  brauche  Ihnen  wol  nicht  die  Versicherung  zu  geben,  daß  ich 
an  Ihrem  "^'ohl  den  innigsten  Antheil  nehme.;  Nehmen  Sie  zugleich  meinen  auf- 
richtigen Dank  für  Brief  und  Schrift  und  denken  Sie  nicht,  daß  ich  mir  mit  kauf- 
männischer Aengsthchkeit  die  Briefe  durch  Briefe  abkaufen  lasse.  Ihren  trefflichen  Brief 
an  Hartenstein,  den  Abschluß  der  von  Str.  angeregten  Bedenken  betreffend,  habe  ich 
allerdings  für  eine  Antwort  angenommen  und  exi-erpirt:  es  freute  mich  in  ihm  die 
Bestätigung  von  dem  zu  finden,  wobei  ich  zuletzt  stehen  geblieben  war.  "Was  nun 
Ihre  Briefe  über  die  "WiUensfi-eiheit  betrifft,  so  wollte  ich  sie  doch  erst  lesen,  ehe 
ich  Ihnen  antwortete,  und  ich  lese  etwas  langsam.  Halte  ich  nun  den  Gesichts- 
punct  fest,  den  Sie  in  der  Vorrede  und  in  dem  offenen  Briefe  an  Hartenstein  be- 
zeichnet haben,  so  finde  ich  sie  sehr  befriedigend,  zumal  in  der  zweiten  Hälfte,  je 
mehr  sie  sich  mit  der  positiven  Auseinandersetzung  beschäftigen;  nicht  als  ob  ich 
die  negative  Kritik  von  Wolff,  Spinoza,  Kant,  Jakobi,  Schleiermacher  für  weniger 
treffend  hielte,  sondern  weil  diese  zum  Theil  eine  so  große  Vertrautheit  mit  den 
Schriften  jener  Männer  vorauszusetzen  scheint,  wie  ich  sie  noch  nicht  besitze.  Eine 
große  Menge  von  Stellen  habe  ich  mir  angestrichen,  in  denen  die  wahren  Verhält- 
nisse wie  durch  Blitzfeuer  beleuchtet  werden.  Es  war-  jedenfalls  wichtig,  die  Art 
Ihres  Determinismus  in  ein  bestimmtes  Licht  zu  setzen,  und  dies  ist  geschehen  — 
für  den.  der  Ihre  andern  Schriften  kennt.  Das  setzt  eben  schon  die  Form  von  Briefen 
'  an  G[riepenkerlJ,  Ihrem  vertrautesten  Freund  und  Anhänger  voraus.  Es  mag  vielleicht 
nützlich  seyn,  wenn  andere  sich  der  untergeordneten  Arbeit  unterziehen  wollen, 
alles  was  aus  Metaphysik,  Psychologie  und  praktischer  Philosophie  zusammengenommen 
über  den  Begiiff  der  Freiheit  zu  sagen  ist,  zu  einem  Resume  zusammen  und  den 
herrschendeu  Zeitansichten  gegenüberzustellen.  Sie  nämlich,  Verehrtester,  pflegen 
in  Ihren  Schriften  nicht  leicht  ein  "Wort  zweimal  zu  sagen,  sondern  auf  die  andern 
zu  verweisen,  wenn  es  erforderlich  ist,  nie  aber  eigentlich,  wenn  auch  in  nuce,  das 
früher  Gesagte  zu  wiederholen.  Ohnstreitig  ist  dies  Ihrer  Würde  angemessen :  denn 
Sie  sind  nicht  oft  in  den  Fall  gekommen,  etwas  früher  Behauptetes  zurücknehmen 
zu  müssen:  so  reif  waren  Ihre  Productel  Für  die  Leser  aber,  die  aus  einer  der 
populäreren  Schriften  Sie  kennen  lernen  wollen,  erwächst  daraus  manche  Unbequem- 
lichkeit, weil  sie  finden,  daß  sie  nicht  so  kui-z  wegkommen  wie  sie  erwartet  hatten. 
Entschließen  Sie  sich  nun  nicht  auch  noch  das  zweite  und  3te  Buch  zu  lesen,  so 
erscheinen  sie  auf  dem  literarischen  Markte  als  Mißvergnügte,  die  wol  gar  über 
Dunkelheit  oder  wenigstens  das  Lnbefriedigende  Ihi-er  Doctrinen  klagen.  Sie  werden 
mir  nicht  aufbinden,  daß  ich  damit  indirect  einen  Tadel  aussprechen  will ;  denn  ich 

^)  Ibid.,  bes.  Brief  5. 
2)  4  S.    4°.     H.  Wien. 


jQO  Februar  1836. 


selbst  bin  ja  nicht  in  diesem  Falle.  Ich  meine  nur,  diese  Eigenthümlichkeit  Ihrer 
Schriften  gehört  mit  zu  den  Gründen  der  langsameren  Verbreitung  ||  Ihrer  Philo- 
sophie. 

Im  Vortrage  der  Metaphysik  bin  ich  nun  in  die  Eidologie  getreten  und  athnie 
freier  auf.  In  der  Synechologie  habe  ich  manchmal  wahrhaft  gerungen.  Der  Kampf 
mit  der  gewohnten  Anschauung  ist  gar  zu  groß;  die  eigenthümliche  Behandlung  der 
Widersprüche  höchst  delicat,  als  daß  man  nicht  vollauf  zu  thun  hätte,  Mißverständ- 
nisse zu  verhüten  und  eine  sichere  Ueberzeugung  in  den  Zuhörenden  hervorzubringen. 
Gar  oft  trat  der  Versucher  zu  mir  und  spiegelte  mir  vor,  es  könnte  anders  seyn; 
aber  die  Bilder  zerflossen  immer  wieder.  Ich  stehe  aber  nicht  dafür,  daß  er  noch 
mehr  als  einmal  vor  mich  treten  wird.  Ich  hoffe,  Sie  werden  hierin  nichts  weiter 
sehen  als  das  ernste  Streben,  die  Philosophie  nicht  blos  wie  ein  Kleid  anzuziehen, 
sondern  in  mein  Fleisch  und  Blut  aufzunehmen.  Wievielmal  ich  auch  noch  irren 
werde,  immer  können  Sie  versichert  seyn,  daß  ich  es  emst  und  redlich  meine. 

Da   Sie   mathematisch-psychologische  Untersuchungen   berühren,   so   will   ich 
Ihnen  hier  gleich  gestehen,   daß   ich    über  den   Unterschied  der   einfachen   Emp- 
findungen und  einfachen  Vorstellungen  noch  nicht  hinlänglich  im  Klaren  bin.    Natürlich 
ist  mir  die  Lehre  von  dem  zeitlichen  Entstehen  der  Vorstellungen  gegenwärtig,  und 
ich  weiß,  daß  die  einfache  Vorstellung  aus  einer  unendlichen   Menge  bereits  in  der 
Entstehung  gehemmter  und  verschmolzener  Empfindungen   entsteht.     Aber  es  fehlt 
mir  hier  noch  etwas.     Ich  höre  einen  Ton;    plötzlich  bricht   er  ab.     Ich  sehe  eine 
Flamme;  plötzlich  erlischt  sie,  —  oder  sie  verschwindet,   in  dem  ich  plötzlich  die 
Augen  schUeße.     Ich  glaube  nicht,  daß  dieses  Abreißen,  Abbrechen  ganz  allein  auf 
psychologische   Hemmung   zurückgeführt  werden  kann.     Ich   bin  mir  bewußt,  nun 
nicht  mehr  zu  empfinden,   sondern   nur  allenfalls   mir   noch  die   Empfindung  vor- 
zustellen oder  einzubilden.    Es  vermehrt  sich  nicht  nur  die  Empfindung  nicht  mehr, 
auch  vermindert  sie  sich  nicht  etwa  langsamer   oder  geschwinder,  sondern  sie  hat 
aufgehört.     Metaphysisch  betrachtet  erzeugte  doch  wol  jede  neue  Licht-  oder  Ton- 
welle eine  neue  der  vorigen  gleiche  Selbsterhaltung.    Das  Aufhören  der  Empfindung 
könnte  hiernach  doch  nur  bezeichnet  werden   als  das  sich   nicht  weiter  A^ermehren 
der  Selbsterhaltungen.     Ist  nun  das  Ganze,  was   die  letztern  ergeben,  gleich  lange 
nicht  so  groß  als  die  Summe  derselben,  so  kann  ich  mir  doch  hieraus  nicht  den  Ab- 
stand der  bleichen  nebligen  Vorstellung  von  der  frischen  Emi)findung,  das  Abreißen 
der  letztern  und  den   plötzlichen   Uebergang  in  das  Schattenreich   der   erstem  hin- 
länglich erklären.    Vom  Standpunkt  der  gemeinen  Ansicht  aus  kann  ich,  wie  es  mii- 
scheint, -sagen :   Empfinden  ist  Vorstellen   bei  Gegenwart  des  vorgestellten  Objects, 
beim  Vorstellen  im  engern  Sinne  fehlt  die  Gegenwart  des  Objects.    Die  Metaphysik 
aber  wird  hier,  wenn  ich  recht  sehe,  doch  auch  einen  Unterschied  finden:  nämlich 
Störung  und  Selbsterhaltung  in  der  Empfindung:  Fortdauer  der  Selbsterhaltung  nach 
Aufhebung  der  Störung  in  der  bloßen  Vorstellung,    Ist  nun  die  fortdauernde  Selbst- 
erhaltung noch  ganz  dieselbe  wie  bei  der  Störung,  so  ist  für  das  Wesen  kein  Unter- 
schied zwi.schen  ||  Empfindung  und  Vorstellung,    denn  von  der  Störung  weiß  es  nur 
etwas  durch  die  Speculation.    Die  Erfahrung  bezeugt  aber  den  Unterschied  als  einen 
in  die  Wahrnehmung  fallenden,   wie  erklärt   nun  die  Theorie  mit  hinlänglicher  An- 
gemessenheit nicht  blos  den  Unterschied,  sondern  auch  seine  Wahrnehmbarkeit? 

Liegt  diese  Frage  nicht  allzusehr  außer  dem  Kreise  Ihrer  gegenwärtigen  Medi- 
tationen, und  erlaubt  es  Ihr  Gesundheitszustand  wieder  sich  diesen  Beschäftigungen 
ohne  Nachtheil  hinzugeben,  so  würden  Sie  mir  durch  die  Beantwortung  einen  Stein 
vom  Herzen  nehmen.  ' 

Im  Januar  habe  ich  —  nach  Jahresfrist  —  einen  sehr  freundlichen  und  auf- 
munternden Brief  vom  R.R.  Grolp  erhalten. 


Februar   1836.  191 


Ohngefälir  um  dieselbe  Zeit  erhielt  ich  einen  Abschiedsbrief  von  Strümpell. 
Er  zeigt  sich  darin  ganz  wie  er  ist,  mit  Licht  und  Schatten;  aber  imverändert  als 
Ihren  eifrigen  Anhänger.  Merkwürdig  sind  darin  seine  Schilderungen  des  Zustandes 
der  Philosophie  in  Berlin.  Der  cum  gloria  berufene  Gabler  ohne  Zuhörer!  Die 
andern  mit  wenigen.  Steffens  und  Gans  aber  die  Tiradenmänner  mit  vielen!  u.  s.  w. 
Hartenstein  wird  also  nur  über  Metaphysik  schreiben.  Ich  habe  den  größten 
Theil  des  Mspts.  gelesen.  Er  besitzt  große  elementare  Deutlichkeit,  und  kann  ein 
recht  nützliches  Lesebuch  für  Studirende  und  andere  Freunde  der  Philosophie 
werden.  Ich  habe  ihm  aber  schon  selbst  gesagt,  daß  ich  um  seinetwillen  wünsche, 
er  hätte  seinem  Buch  etwas  mehr  Eigenthümlichkeit  der  Form  und  Auffassung  zu 
geben  gesucht,  von  seiner  sonstigen  philosophischen  Belesenheit  wenigstens  in  An- 
merkungen mehr-  Gebrauch  gemacht  u.  dgl.  m.  Jetzt  ist  es  doch  kaum  mehr  als 
eine  Compilation  aus  Ihrer  Einleitung,  Metaphysik  und  Psychologie,  und  er  wird 
noch  oft  genug  und  nicht  ohne  Grund  hören  müssen:  Das  Alles  hat  H[erbartJ  ebensa 
deutlich  und  viel  kräftiger  und  geistreicher  gesagt.  Fast  kommt  es  mir  vor,  als 
fehlte  seiner  Darstellung  zuweilen  philosophischer  Geist  und  als  wäre  sie  sich  des 
Zweckes,  eine  mit  sich  selbst  einstimmige  Weltansicht  zu  gewinnen,  nicht  recht 
klar  bewußt.  H[ai-tenstein]  ist  ein  gewandter  Kopf,  möge  ihn  seine  Gewandtheit  nicht 
allzu  biegsam  machen,  und  möge  es  ihm  mit  der  Philosophie  heiliger  Ernst  seyn. 
Glauben  Sie  ja  nicht,  daß  ich  ihn  verkleinern  will:  wir  stehen  einander  keineswegs 
im  Wege,  sondern  unterstützen  einander;  aber  ich  fürchte,  daß  er  Philosophie  be- 
treibt wie  andere  Gelehrsamkeit,  und  daß  sie  ihm  nicht  recht  Sache  der  Gesinnung 
ist.  Gut  ist  es  jedenfalls  für  ihn,  daß  er  sich  nun  öffentlich  zu  Ihrer  Schule  be- 
kennt: so  ist  seiner  Weltklugheit  wenigstens  Eine  Retirade  abgeschnitten  und  er 
muß  nun  mitfechten. 

Körperhöhe  Uebel  von  mancherlei  Art  haben  mich  imd  die  meinigen  diesen 
Winter  heimgesucht,  mit  deren  langer  Liste  ich  Sie  nicht  behelligen  will.  Ich  sehne 
mich  nach  dem  Schluß  ||  der  Vorlesungen,  denn  ich  fühle  diesmal  mein  sonst  ziem- 
lich starkes  und  helles  Sprachorgan  geschwächt.  Sey  es  die  überflüssige  Größe  des 
Auditoriums  oder  der  Wechsel  der  Witterung  oder  körperliche  Disposition  —  kurz 
ich  empfinde  eine  Schwierigkeit  im  Sprechen,  ein  Drücken  im  Halse,  das  ich  bis- 
.her  nicht  kannte,  und  das,  wenn  es  nicht  mit  der  milden  Jahreszeit  verschwindet, 
mich  bedenkhch  machen  muß.  Der  Arzt  hat  bis  jetzt  noch  nicht  für  nöthig  be- 
funden einzugreifen.  —  Ihr  College  Wendt  soll  ja  auch  bedenklich  kränkeln  ?  Unser 
Clodius,  der  andere  Prof.  d.  Philos.  scheint  die  Brustwassersucht  zu  haben. 

Es  steht  uns  also  eine  zweite  philosophische  Vacanz  bevor.     An  jungen  hoff- 
nungsvollen Philosophen  scheint  doch  jetzt  ein  großer  Mangel  zu  seyn. 

Was   m-theilen  Sie   über  Brzoskas   neuste  Schrift?   Sie  hilft  doch  auch   Ihre 
blanken  Thaler  in  Curs  setzen.*) 

Mit  der  treusten  Gesinnung  und  den  herzlichsten  Wünschen  für  Ihr  und  Ihrer 
Frau  Gemahlin  Wohl  Der  Ihrige     Drobisch. 

547.     An    Drobisch.i^)  Göttingen  26  Febr  36 

Ihr  Brief,  mein  verehrtester  Freund!    wurde    mit  Sehnsucht  erwartet; 

denn  die   letzte  Nachricht,    die   ich    von  Ihnen   hatte,    war  jene,    daß  Sie 

krank  seyen.    Dem  Uebel  was  Sie  im  Sprachorgane  noch  bemerken,  möge 


')  Die  Kothwendigkeit  päd.  Seminare  auf  der  Universität  u.  ihre  zweckmäßige 
Einrichtung.     (Neue  Ausg.  von  W.  Rein.  Lpzg.  1887.) 
')  3  S.    4"- 


IQ2  Februar  1836. 


nun  der  Arzt  ja  bald  abhelfen,  damit  Sie  nicht  in  meinen  Fall  gerathen. 
Mich  läßt  jetzt  endlich,  um  meinen  Husten  nach  einem  Vierteljahrhundert 
einmal  gründlich  zu  curiren,  der  Arzt  seit  6  Wochen  Carduus  benedictus 
und  dulcamara  trinken.     Wäre  das  früher  geschehn! 

Auf  Antwort  wegen  der  plötzlich  aufhörenden  Sinnes  -  Empfindung 
darf  ich  Sie  nicht  warten  lassen.  Der  Gegenstand  ist  physiologisch.  Be- 
denken Sie  zuerst  die  Geschwindigkeit,  womit  die  Bewegungsnerven  dem 
Willen,  ja  dem  Gedanken,  man  möchte  sagen  dem  Hauch  eines  Gedankens 
Folge  leisten.  Dasselbe  enge  Causalverhältnis  ist,  bey  scharfen  Sinnen, 
auch  in  Ansehung  der  Empfindungs  -  Nerven  vorhanden,  aber,  wie  die 
Empfindung  es  fodert,  in  umgekehrter  Ordnung.  Hier  gehorcht  die  Seele. 
Die  Nerven  gleichen  den  Dämpfern  des  Fortepiano.  Sonst  würden  Sie, 
bey  jedem  Gedanken  eines  sichtbaren  Gegenstandes,  zu  sehen,  bey  jedem 
Gedanken  eines  Tons  zu  hören  glauben.  Sie  könnten  nicht,  wenn  die 
Uhr  sieben  schlägt  während  Sie  meinten  es  sey  schon  acht  Uhr,  — 
sagen:  es  schlägt  erst  sieben;  das  können  Sie  nur,  weil,  indem  Sie  die 
Vorstellung  des  achten  Schlages  reproduciren,  diese  Vorstellung  (wie  bey 
Allem  was  vermißt  und  verneint  wird,)  durch  den  Gehörnerven  eine  Hem- 
mung erleidet;  denn  es  gelingt  Ihrer  Vorstellung  nicht,  den  Nerven  in 
den  Ihrer  Vorstellung  entsprechenden  Zustand  zu  versetzen.  —  Uebrigens 
wissen  Sie  ja,  wie  sehr  Sie  das  „Plötzlich"  zu  beschränken  haben.  Denken 
Sie  an  Feuerräder,  und  den  Kreisel  mit  den  sieben  prismatischen  Farben, 
die  beym  Umdrehen  weiß  erscheinen.  Und  wenn  Sie  das  Zeitmaß 
änderten,  —  wenn  Sie  zur  Zeiteinheit  die  Zeit  nähmen,  welche  die  Erde, 
welche  gar  das  Licht  braucht,  um  Einen  Fuß  zu  durchlaufen:  wo  bliebe 
das  „Plötzlich'"?  Darüber  berufe  ich  mich  auf  Sie,  als  Mathematiker.  Das 
wird  mehr  als  genügen. 

Was  Sie  über  mein  Buch  sagen,  dagegen  hüte  ich  mich  wohl  mich 
zu  vertheidigen.  Es  ist,  wie  Sie  sagen;  die  Mißvergnügten  werden  auf 
dem  literarischen  Markt  erscheinen.  [|  Das  Buch  ist  in  der  bestimmtesten 
Absicht  geschrieben,  den  leidlich  verständigen  Lesern  das  Nachlesen  meiner 
prakt.  Philos.  zur  Noth wendigkeit  zu  machen;  und  mindestens  zu  zeigen, 
daß  dies  Buch,  obgleich  vom  Jahre  1808,  doch  anzusehen  ist  als  wäre 
es  gestern  herausgekommen.  Erinnerungen  in  nuce  sind  nicht  möglich, 
denn  die  prakt.  Philos.  ist  selbst  eine  Nuß,  und  zwar  eine  sehr  dichte  und 
veste.  Ich  bin  im  öosten  Jahre,  meine  guten  Stunden  vermindert  die  zu- 
nehmende Kränklichkeit;  Rücksichten  zu  nehmen  ist  für  mich  zu  spät; 
was  ich  zu  sagen  habe  muß  schnell  und  geradeheraus  gesagt  werden. 
Alles  Andre  bleibt  für  meine  Freunde  zu  thun  und  zu  besorgen  übrig. 
Ihnen,  mein  theurer  Freund!  muthe  ich  in  Ansehung  der  prakt.  Philos. 
nichts  zu;  aber  •  Hartenstein  hat  schon,  unveranlaßt  durch  mich,  Hoffnung 
gegeben,  seiner  Schrift  am  Ende  etwas  in  Bezug  auf  prakt.  Philos.  bey- 
zufügen.  Darauf  rechne  ich.  Er  wird,  denke  ich,  schon  sehen,  daß  die 
neueste  Schrift  sich  zu  der  älteren  verhält  wie  der  erste  Band  der  Meta- 
physik zum  zweyten.  Möge  er  dem  gemäß  verfahren.  Sprechen  Sie 
nicht  von  untergeordneten  Arbeiten  des  Resumirens.  Nichts  ist  unter- 
geordnet was  nöthig  und  zweckmäßig  ist.  Was  ich  von  Hartenstein  ge- 
sehen habe,  ist  ganz  geeignet,  mein  Vertrauen  zu  verdienen. 


März   1836.  iQ^ 


Die  Lage  der  Dinge  wird  immer  dringender.  Die  Hegeley  kann 
nicht  einmal  den  Schein  länger  retten.  Den  miserabeln  Nachrichten  aus 
B.  entsprechen  die  aus  K.  Geschwätz  —  was  sich  mehr  und  mehr  der 
Verachtung  Preis  giebt.  Gestern  war  ein  Candidat  Waitz  aus  Gotha  bev 
mir.  Er  kennt  meine  Metaphysik,  —  aber  er  sagt:  in  seiner  Gegend 
dürfe  man  von  Philosophie  nicht  mehr  reden,  wenn  man  nicht  Befremden 
oder  gar  Lachen  erregen  wolle.  Dieser  Waitz  wird  vermuthlich  bald  nach 
Leipzig  wandern;  ich  habe  ihn  an  Sie  und  Hartenstein  gewiesen.  Er 
scheint  kräftiger  Natur  zu  seyn.  —  Bald  nach  ihm  kam  die  Fürstin  von 
Lippe-Bückeburg,  die  alle  paar  Jahre  Göttingen  besucht,  und  ||  ohne  Um- 
stände zu  den  Professoren  geht  um  sich  nach  dem  Fleiße  ihrer  hier 
studirenden  Stipendiaten  zu  erkundigen.  Diese  schickte  mir  ein  Buch: 
„Blicke  auf  die  Bildung  unserer  Zeit,  von  Tittmann".  Der  Verf.  soll 
Oberconsistorialrath  in  Dresden  seyn;  vermuthlich  ein  sehr  einflußreicher 
Mann,  da  fürstliche  Hände  sich  damit  befassen  seine  Exemplare  zu  ver- 
breiten. Hineinblickend  in  die  Blicke  glaubte  ich  sehr  vornehm-ungünstige 
Blicke  auf  die  Philos.  zu  bemerken.  Können  Sie  mir  vielleicht  das  Nähere 
sagen  ? 

Sie  erwähnen  einer  Vacanz.  Solche  Vacanzen  werden  den  Re- 
gierungen willkommen  se^Ti.  Man  wird  mit  der  Besetzung  zögern,  —  die 
Stände- Versammlungen  werden  gelegentlich  die  Kälte  des  Publicums  gegen 
die  Philos.  besprechen,  —  man  wird  die  vacanten  Gehalte  anderwärts 
brauchen.  In  Deutschland  [wird]  sehr  bald  die  Philosophie  in  die  Lage 
kommen  wie  in  England  und  Frankreich.  Wer  soll  das  verhindern?  Wer 
soll  zuvorkommen?  —  Ich  sage: 

Sie,    mein    theurer   Freund,    —    und    die,    welche   Sie    in    Bewegung 

setzen  werden. 

Es  ist  nicht  anders!  Sie  müssen  eilen,  anregen,  wirken,  —  ohne 
noch  lange  um  mich  und  meine  Interessen  Sich  zu  bekümmern.  Hier 
stehn  wichtigere  Interessen  auf  dem  Spiele,  als  persönliche  es  seyn  können 
und  dürfen.  Das  Studiu?n  der  Philosophie  muß  gehalten  werden,  gleich- 
viel woran  und  wie.  Daß  ich  nichts  Wesentliches  mehr  thun  kann,  ist 
klar.  Was  ich  auch  thue:  es  hat  den  Schein  des  Egoismus  für  mein 
System.     Bedenken  Sie  das  wohl! 

Unverändert  der  Ihrige!     H. 


548.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig  d.  2.  März  36. 

Ihre  gütige  Antwort  vom  26.  Febr.,  mein  hochverehrter  Gönner  und  Freund, 
hat  mir  über  die  Hauptfrage  meines  Briefes  eine  sehr  befriedigende  Antwort  ge- 
geben, so  daß  mir  hier  in  der  That  ein  neues  Licht  aufgegangen  ist.  Indeß  knüpfen 
sich  doch  hieran  fernere  Fragen,  die  in  die  allgememe  Metaphysik  zurückbeugen. 
"Werden  Sie  nur  nicht  ungeduldig  darüber,  und  lassen  Sie  mich  den  tiefen  Schacht 
Ihrer  Gedankenwelt  recht  tüchtig  ausbeuten.  Es  steht  doch  schon  so  manches  in 
Ihren  werthvoUen  Briefen,  was  in  Ihren  Werken  nicht  zu  finden  ist.  —  Empfinden 
ist  also  ein  Vorstellen  mit  einem  begleitenden  entsprechenden  leiblichen  Zustand. 
Bloßes  Vorstellen  findet  da  statt,  wo  diese  Begleitung  fehlt.     Dies  ist  wol  eben  nicht 


^)  4  S.    40.   H.  Wien. 

Herbarts  Werke.     XVIII.  Ij 


ig4  März   1836. 


vollkommen  streng  zu  nehmen.  Denn  die  Seele  ist  doch  wol  immerfort  in  einem 
wenn  auch  wechselnden  Zusammen  mit  Elementen  des  Gehirns  zu  denken  und 
unser  Denken  werden  daher  stets  leibliche  Zustände  begleiten,  woran  ja  die  Psycho- 
logie unter  dem  Titel  des  physiologischen  Druckes  spricht.  Ich  verstehe  indeß 
wohl,  daß  diese  leibUchen  Zustände,  die  unser  Denken  begleiten,  nicht  Affectionen 
der  Empfindungsnerven  seyn  werden,  eben  so  wenig  wie  sie  durch  von  der  Seele 
ausgehende  Affectionen  der  Bewegungsnerven  erregt  werden.  Also  1)  gibt  es  ein 
Vorstellen  (nicht  ein  Empfinden  oder  Wollen),  das  ohne  gleichzeitige  entsprechende 
leibliche  Zustände  vor  sich  ginge?  —  —  Von  hier  komme  ich  nun  aber  sogleich 
auf  den  allgemeinen  Satz  von  dem  Entsprechen  der  Innern  und  äußern  Zustände. 
Sie  würden  Sich  nicht  blos  um  mich,  sondern  auch  um  Hartenstein,  der  in  diesen 
Tagen  hierüber  mit  mir  sprach,  sehr  verdient  machen,  wenn  Sie  uns  über  diesen 
Satz,  der  uns  vor  der  prästabilirten  Harmonie  und  causa  transiens  schützen  sollen, 
noch  mehr  Licht  gäben.  Den  Satz:  jedes  Zusammen  entgegengesetzter  realer  Wesen 
führt  zur  Selbsterhaltung,  läßt  sich  mit  der  erforderlichen  Evidenz  deduciren.  Aber 
seine  Umkehrung  —  —  scheint  uns  vor  der  Hand  fast  das  Schicksal  von  Euklids 
lltem  Axiom  zu  theilen.  Da  die  Selbsterhaltungen  auch  nach  aufgehobenem  Zu- 
sammen noch  fortdauern,  so  liegt  schon  hierin  eine  Unabhängigkeit  der  einmal  ent- 
standenen Selbsterhaltung  von  dem  Zusammen:  warum  kann  nun  auch  nicht  das 
unvollkommene  Zusammen  mit  seinen  entsprechenden  gradweisen  Selbsterhaltungen 
fortbestehen  ohne  eine  scheinbare  Attraction  zur  Folge  zu  haben?  Zeigen  nicht  die 
fortdauernden  Selbsterhaltungen  nach  aufgehobenem.  Zusammen,  daß  Selbsterhaltung 
sogar  ohne  alles  Zusammen  bestehen  kann?  Dies  meine  2te  Frage.  —  3)  Die 
Metaphys.  giebt  §  342  die  Lehre  von  der  Repräsentation  der  Qualitäten  durch  ihre 
Gegensätze  gegen  andre  und  liefert  hier  das  Erklärungsprinzip  der  actio  in  distans. 
Da  steht  nun  S.  453:  a'  trifft  in  den  von  b  nicht  durchdrungenen  Theilen  von  a 
den  Gegensatz  von  b  gegen  a  an.  Dagegen  mache  ich  Einwürfe.  Die  Ontologie 
lehrt  mit  aller  Schärfe:  der  Gegensatz  liegt  nicht  in  den  Wesen,  sondern  xivisehen 
ihnen;  die  Qualität  leidet  nicht  das  Mindeste  bei  der  Selbsterhaltung.  Selbsterhal- 
tungen sind  blos  Affirmationen  der  eigenen  Qualität  gegen  die  Negation  in  den 
andern.  ||  Daher  kann  a'  in  a  nur  die  Qualität  von  a  und  nicht  das  mindeste  von  b 
finden.  Nur  den  Unterschied  kann  man  einräumen,  daß  a'  in  dem  a,  wenn  es  nicht 
mit  b  zusammen,  nur  die  absolut  gesetzte  Qualität  von  a  findet,  dagegen,  wenn  es 
von  b  theilweise  durchdrungen,  außer  jener  noch  dieselbe  in  Beziehung  auf  6,  also 
relativ,  gesetzte  Qualität  von  a  zu  finden  ist.  Allerdings  muß  nun  diese  relative 
Setzung  von  a,  als  eine  solche,  die  gerade  auf  b,  nicht  aber  auf  c,  d  etc.  sich  be- 
zieht, etwas  Eigenthümliches  haben  (das  Quäle  der  Selbsterhaltung).  Soll  dies  den 
„Gegensatz"  bedeuten,  so  wäre  hierüber  nichts  weiter  zu  sagen.  Aber  nun  kommt 
doch  noch  immer  ein  seltsames  Verhältniß  hinzu,  nämlich :  dann  wird  die  Qualität 
eines   Realen  (a')  durch    das    Quäle  einer  Selbsterhaltung   (von  a  gegen  b)  gestört. 

Wird  da  nicht  diese  letztere  Selbsterhaltung  wie  ein  Reales  behandelt? Nach 

diesen  Fragen  muß  ich  Ihnen  doch  mittheilen,  daß  ich  versucht  habe,  da  durch  Ihre 
kleine,    blos  für    den  Privatgebrauch   bestimmte  Schrift  einmal  die  Psychologie  der 
Ontologie  näher  gebracht  war,    auch   über   den   ontologischen    Grund  der  Fortdauer 
der  Selbsterhaltungen   eine  bestimmte   Rechenschaft  zu  geben,  und  zwar  so.     Wer 
behauptet  oder  meint,  daß  mit  dem  aufgehobenen  Zusammen  auch  die  Selbsterhaltung 
aufgehoben   sey,    der  hat   als   Obersatz    im   Hintergrunde:    cesssante   causa   cessat     , 
effectus.     Dieser  Satz   bat   aber  nur  für  diejenige  Art   von   Causalität  Geltung,  wo     ; 
von  einem  Thun  und  Leiden  die  Rede  seyn  kann,  also  ein  gehemmter  Zustand  statt     I 
findet,   in   welchem  das  Gehemmte  auch   eine   Befreiung  von  der  aufgelegten  Last    j 


März    1836.  log 


erwartet,  um  in  seinen  ursprünglichen  natürlichen  Zustand  zurückzukehren.  Da  nun 
aber  Selbsterhaltung  keine  Hemmung  kein  Leiden  ist,  sondern  vielmehr  eine  Affir- 
mation der  eigenen  Qualität  nur  in  bestimmter  Beziehung  zu  einer  andern,  so  findet 
jener  Satz  hier  keine  Anwendung,  ja  es  müßte  sogar,  wenn  er  gälte,  wie  es  mir 
scheint,  Negation  der  eignen  Qualität  in  gewisser  Beziehung  die  Folge  seyn,  was 
absurd  ist. 

Was  Tittmann  und  seine  Schrift  betrifft,  so  ist  er  selbst  ein  sehr  gescheidter 
und  elastisch  gebildeter,  mit  den  Richtungen  der  Zeit  größtentheils  unzufriedenei , 
beim  Ministerium  aber,  mit  dem  er  es  verdorben  zu  haben  scheint,  nicht  eben  ein- 
flußreicher Mann.  Er  sollte  es  sein,  denn  er  hat  weit  mehr  Einsicht  in  den  Geist 
und  das  "Wesen  der  Wissenschaft  und  des  Unterrichts  als  die  meisten  von  denen, 
welche  jetzt  bei  uns  diesen  Angelegenheiten  vorstehen.  Er  ist  ein  freidenkender 
Mann,  ohne  Vorurtheile  der  Zeit.  Sein  Vorurtheil  möchte  ich  seine  übertriebene 
Liebe  für  Griechenthum  nennen.  Er  eifert  gegen  die  materiellen  Tendenzen  dieser 
Zeit  und  ist  daher  leider  auch  der  Mathematik  nicht  hold,  die  er  zu  wenig  kennt. 
Nur  die  Hegeische  Philosophie  bekämpft  er  in  seinem  Buche  und  will  —  ganz  seiner 
Denkweise  gemäß  —  die  philosophischen  Studien  wieder  weit  mehr  auf  Plato  und 
Aristoteles  zurückgelenkt  wissen,  jedoch  nicht  um  da  stehen  zu  bleiben,  sondern  nur 
um  aus  den  Verirrungen  und  Verwirrungen  der  Gegenwart  heraus  zu  kommen;  in 
dieser  Hinsicht  empfiehlt  |1  er  auch  das  Zurückgehen  auf  Xant.  Der  Receus.  der 
Jen.  L.  Z.  (Scheidler?)  hat  ihm  schon  vorgeworfen,  daß  er  die  Identitätslehre  so 
ohne  weiteres  für  die  Philos.  unserer  Zeit  nimmt  und  Sie,  Fries,  Hermes,  Rein- 
hold u.  a.  unberiicksichtigt  läßt.  Seine  Äußerungen  über  die  Hegeische  Philos. 
sind  durchaus  in  unserem  Sinne,  und  wenn  der  Mann  auch  keinen  persönlichen 
Einfluß  ausübt,  so  wird  es  doch  seinem  Buche  an  Wirkung  nicht  fehlen.  Mancher 
von  denen,  die  von  Philosophie,  "Wissenschaft  und  Gelehrsamkeit  und  deren  gegen- 
wärtigen Stande  etwas  wissen  sollten  aber  nicht  wissen,  wird  T's  Büchlein  vor- 
nehmen, um  sich  ein  wenig  zu  orientiren,  und  ich  denke  wir  können  dies  sehr  wohl 
zufrieden  seyn.  Ich  theile  ganz  Ihre  Befürchtungen,  daß  wir  in  philos.  Beziehung 
dem  Zustande  Frankreichs  und  Englands  entgegen  gehen,  und  fühle  lebhaft,  was 
jetzt  die  Pflicht  eines  jeden  ist,  der  mit  der  Speculation  nicht  ein  bloßes  Spiel  treibt. 
Ich  begreife,  daß  wir  ein  Interesse  mit  der  classischen  Philologie  haben  und  werde 
daher  stets  und  entschieden  im  gelehrten  Unterrichtswesen  auf  der  Seite  derer 
stehen,  die  das  Utilitätsprincip  dem  Zwecke  formaler  Bildung  unterordnen.  Mögen 
aber  nun  die,  welche  diese  Zwecke  verfolgen,  darauf  bedacht  seyn,  alte  Sterilitätin 
und  Pedanterien  über  Bord  zu  werfen,  damit  sie  das  Geistvolle,  Gediegene  groß- 
artig Bildende  wollen.  Der  Mathematik  muß  meines  Erachtens  in  dieser  Zeit  eine 
Vermittlungsrolle  zufallen,  wie  ich  dies  auch  in  Dresden  in  einem  Toaste  an  der 
Tafel  eines  Geh.  Käthes  in  Gegenwart  von  zwei  Ministern  geäußert  habe.  Sie  ist 
einer  der  wichtigsten  Hebel  der  materiellen  Interessen,  aber  Archimed  sagt  bei 
Schiller:  willst  Du  Früchte  von  ihr  etc.  Ihr  wahres  Reich  ist  daher  keineswegs 
von  dieser  "Welt,  sondern  ihre  Heiraath  ist  dieselbe  wie  die  der  Philosophie  der 
Poesie,  der  Kunst.  Seyen  Sie  versichert,  ich  werde  es  zur  Aufgabe  meines  Lebens 
machen,  den  philosophischen  Sinn  so  weit  aufrecht  zu  erhalten,  als  meine  schwachen 
Kräfte  reichen,  "^'äre  nur  meine  physische  Kraft  jederzeit  ausdauernder,  daß  ich 
vom  Katheder  herab  donnern  könnte,  ohne  an  mich  denken  zu  müssen! 

Wenn  Cand.  Waitx  zu  uns  kommt,  so  ist  dies  ein  böses  Omen,  denn  dann 
fürchten  Sie  wahrscheinlich  zum  Sommer  nicht  lesen  zu  können.  —  Wir  haben 
jetzt  doch  mehrere  junge  Leute  hier,  die  Ihre  Philosophie  kennen  lernen  wollen 
und    deshalb   hergekommen   sind.     In   kleineren    Kreisen    fehlt    es    auch    nicht  an 

13' 


jg5  März   1836. 

geistigem  Leben.  Neulich  waren  einige  Leipziger  Studenten  nach  Halle  ge- 
wandert und  hatten  bei  Hinrichs  hospitirt,  der  miserables  Zeug  von  sich  gegeben 
hat.  Sie  waren  mit  Ihren  hallischen  Freunden  darüber  in  Disput  gerathen :  Diese 
haben  gesagt:  ihr  Leipziger  seid  Herbartianer ,  ihr  glaubt  an  keinen  Gott!  Da  hat 
einer  der  unsern  das  Lehrb.  zur  Einl.  aus  der  Tasche  gezogen  und  die  einschlagende 
Hauptstelle  vorgelesen,  was  denn  auch  mit  großer  Aufmerksamkeit,  und  Ver- 
wunderung von  den  Gegnern  augehört  worden  ist.  In  Halle  werden  auch  fortwährend 
Exemplare  von  Hartensteins  Programm  verlangt.  —  So  scheint  denn  auch  meine 
kl.  Schrift  „Beiträge  etc.*'  ||  nicht  ohne  Wirkung  zu  seyn.  Neulich  traf  ich  in 
einer  hiesigen  Gesellschaft  einen  refoimirten  Prediger,  den  sie  zu  einem  ausführ- 
lichen Studium  Ihres  Systems  bewogen  hat,  auch  ist  der  Buchhändler  mit  dem  Ab- 
satz zufrieden  imd  will  lieber  philosophische  als  mathematische  Bücher  drucken. 

Auch  was  Sie  über  philosophische  Vacanzen  sagen  ist  höchst  treffend.  Wenn 
man  zu  Mühlenbruch,^)  der  zu  Wächters  Nachfolger,  wie  Sie  längst  wissen  werden, 
engagirt  ist,  2500  Thl.  festen  Gehalt  braucht,  so  ist  freilich  für  philosophische  Prof- 
fessuren  kein  Geld  da.  Dazu  denkt  man:  Krug  leiert  ja  noch  immer  fort,  (der 
stumpfe  bedauernsweithe,  jetzt  auf  Einem  Auge  blinde  Mann,  dessen  geistige  Kurz- 
sichtigkeit und  einseitige  Erblindung  schon  ein  altes  Datum  hat,  hat,  weil  er  im 
Winter  geschwiegen,  für  den  Sommer  2  Curse  zur  Entschädigung  angekündigt),  d. 
Dr.  lattirt  [V],  Hartenstein  sti-ebt  mit  Glück,  jüngere  Leute  versuchen  ihr  Heil  ä  tout 
prii ,  d.  h.  gratis ,  oder  auch  nach  einem  bekannten  academischen  Witz-,  fru- 
stra-,  ob  Clodius  todt  oder  lebendig  ist  für  die  Philosophie  gleich  —  also  was  fehlt 
uns  noch?  Aber  Verehrtester,  ich  bitte  Sie  alles  Ernstes,  machen  Sie  nur  Voi-schläge, 
■wen  man  vorkommendenfalls  mit  gutem  Gewissen  denominiren  kann.  Ritter  hat 
schon  einmal  abgelehnt,  Remhold  wie  man  sagt  auch.  Brandis  ist  wohl  viel  zu  sehr 
an  Preußen  gekettet  etc.  etc.  Trendelenburg  hat  gute  historische  Kenntniß  und 
paßte  wegen  seiner  philologischen  Bildung  nach  Leipzig,  aber  Bonitz  —  der  Verf. 
der  philos,  Preisschrift  —  spricht  von  T's  verkapptem  HegeHanismus,  der  indeß  viel- 
leicht gerade  nur  soweit  reicht,  als  es  für  einen  Berliner  Professor  unumgänglich 
nötbig  zu  seyn  scheint.  Es  ist  mein  wahrer  Ernst:  zwei  Professuren  könnten  in 
kurzem  vacant  seyn,  geben  Sie  Ihren  Rath! 

Möge  Ihre  Arzenei  heilsam  wirken.  Bei  mir  scheint  es  ein  rheumatischer  Zu- 
stand des  Schlundes  und  Magens  zu  seyn.  Es  hat  sich  etwas  gebessert,  vielleicht 
thun  die  Ferien  das  Beste. 

Die  ehrerbietigsten  Grüße  an  Ihre  Frau  Gemahlin  von  mir  und  meiner  Frau. 

Ihrer  innigst  ergebener    Drobisch. 

549.    Hartenstein  an  H.*)  Leipzig  3.  März  1836. 

Hochverehrter  Herr  Hofi'ath!  Nachdem  ich  die  Beantwortung  Ihrer  beiden 
zuletzt  erhaltenen  Briefe,  von  welchen  der  erste  das  Ihrer  gefälligen  Beurtheilung 
vorgelegte  Fragment,  der  zweite  Ihre  neueste  Druckschrift  begleitete,  ungebührlich 
lange  Zeit  verzögert  habe,  muß  ich  freilich  um  so  mehr  auf  Ihre  gütige  Verzeihung 
Anspruch  machen,  je  mehr  die  Pflicht  der  Dankbarkeit  mir  zu  eilen  gebot.  Viel- 
leicht entschuldigt  mich  in  Ihren  Augen  der  Umstand,  daß  ich  anhaltend  und  un- 
ausgesetzt mit  meinem  Buche  beschäftigt  bin,  wenigstens  zum  TheUe.  Vor  allem 
andern  erlaube  ich  mir,  Ihnen  meine  herzliche  Freude  über  die  Wiederherstellung 


^)  Chr.  Fr.  Mühlenbruch  (1785  —  1843),  Rechtsgelehrter,  der  aber  dem  Rufe 
nach  Leipzig  nicht  Folge  leistete.     S.  Allg.  D.  Biogr. 
*)  3V2  S.    4».     H.  Wien. 


März   1836.  ig7 


Ihrer  Gesundlieit  auszusprechen,  welche  ich,  wenn  auch  nicht  in  Folge  Ihres  letzten 
Briefes  an  mich  doch  in  Folge  dessen,  was  H.  Pr.  Drobisch  vor  einigen  Tagen  mir 
mitzutheilen  die  Güte  gehabt  hat,  zuversichtlich  voraussetzen  zu  können  hoffe. 

In  Ihrer  Schrift  über  die  Freiheit,  die  ich  erst  einmal  habe  lesen  können,  tritt 
allerdings  der  Gegensatz  zwischen  dem,  was  Ethik  ist  und  was  man  so  zu  nennen 
beliebt  hat,  auf  eine  Weise  hervor,  daß  er  sich  stärker  wohl  kaum  dürfte  hervor- 
heben lassen.  Und  wenn  es  noch  nicht  fühlbar  geworden  wäre,  welche  Verwirrung 
das  unglückliche  Wort:  Freiheit,  nicht  blos  in  den  Staaten,  sondern  auch  in  den 
Köpfen  der  Philosophen  angerichtet  hat,  dem  mußte  es  hier  fühlbar  werden.  Freilich 
ist  zu  wünschen  daß  die  deutlichen  Winke,  welche  Ihre  Schrift  enthält,  den  Leser 
zum  Studium  Ihrer  praktischen  Philosophie  führen  oder  ihn  wenigstens  veranlassen 
mögen,  einen  an  sich  theoretischen  Begriff  nicht  zum  letzten  Entscheidungsgrunde 
über  praktische  Untersuchungen  zu  machen.  Ihr  Urtheil,  daß  unter  den  Spinozisten 
Schleiermacher  der  Gescheuteste  und  der  Gefährlichste  sey,  ist  schon  seit  Langem 
das  meinige  gewesen.  Er  insinuirt  einem  unbewachten  Denken  seine  Ethik  mit  einer 
dialektischen  Gewandtheit,  die  nach  Umständen  bald  groß,  bald  klein,  bald  kühn, 
bald  verzagt  au  thun  vortrefflich  versteht  und  allerlei  Interessen  ins  Spiel  setzt, 
die  das  Sittliche  bald  verschlingen,  bald  von  ihm  verschlungen  werden.  Seine  .,in 
allen  identische  Vernunft"  sclimeichelt  dem  Leser  zu  sehr,  als  daß  er  nicht  eine 
Sittenlehre  für  wahr  halten  sollte,  welche  die  ganz  von  selbst  vor  sich  gehende 
„Entwicklung  aller  Vernunft  zum  Bewußtseyn  und  alles  Bewußtseyns  zur  Vernunft" 
zu  einer  Aufgabe  macht,  von  welcher  jeder,  weil  er  nun  gerade  auch  mit  da  ist,  sein 
Theil  lost.  W^enn  Sie  übrigens  seiner  Ethik,  die  jetzt  nach  semen  Vorlesungen  heraus- 
gekommen ist,  eine  kurze  Aufmerksamkeit  schenken  wollen  so  werden  Sie  im 
Emzelnen  auf  Dinge  stoßen,  welche  das,  was  Sie  aus  seiner  Abhandlung  über  den 
Güterbegriff  anführen,  noch  wird  übertreffen.  Nun  habe  ich  zwar  die  Absicht,  seine 
sämmtlichen  zur  Ethik  gehörigen  Schriften  einer  Kritik  zu  unterwerfen;  ob  dieß 
aber  sogleich,  in  Form  eines  blosen  Anhanges  zur  Metaphysik  geschehen  wird,  ist 
mir  mehr  als  zweifelhaft.  Theils  ist  es  mir  äußerer  Verhältnisse  wegen  sehr 
wünschenswerth,  daß  mein  Buch  bald  erscheine,  theils  möchte  ich  ihm  nicht  eine 
allzugroße  Ausdehnung  geben,  da  es  ohnedieß  schon  nahe  an  30  engbedruckte 
.  Bogen  umfassen  wird.  Und  abgesehen  von  diesen  und  andern  subjektiven  Gründen 
mußte  die  Polemik,  wie  ich  sie  auszuführen  wünschte  auf  die  Geschichte  der  prak- 
tischen Philosophie  seit  Kant  im  allgemeinen  eingehen  und  dazu  würde  die  streng 
bei  der  Sache  selbst  bleibende  Art  der  Entwicklung,  in  welcher  ich  die  Metaphysik 
behandeln  zu  müssen  glaubte,  nicht  wohl  passen.  Ich  behielt  mir  also  diese  Arbeit, 
die  ich  als  einen  ehrenvollen  Auftrag  von  Ihnen  an  mich  betrachte  und  die  mir 
nicht  blos  im  Kopfe,  sondern  auch  am  Herzen  liegt,  für  die  nächste  Folgezeit  vor; 
von  welcher  ich  freilich  wünschen  muß.  daß  sie  mich  äußeren  Verhältnissen  ent- 
gegenführe, die  für  zusammenhängende  Studien  geeigneter  sind,  als  dieß  bisher  der 
Fall  gewesen  ist.  || 

In  der  Hoffnung,  Ihre  gütige  Aufmerksamkeit  noch  einen  Augenblick  in  An- 
spruch nehmen  zu  dürfen  erlaube  ich  mir,  Ihnen  noch  eine  Frage  vorzulegen,  für 
welche  ich,  obgleich  ich  die  Frage  nach  verschiedenen  Seiten  hin  gewendet  habe, 
noch  keine  recht  entschiedene  Antwort  habe  finden  können.  Die  Frage  ist:  ob  die 
allgemeine  Metaphysik  imd  zwar  die  Ontologie  einen  Beweiß  für  die  Fortdauer  der 
Selbsterhaltung,  auch  wenn  das  Zusammen  aufhört,  geben  kann?  Die  wie  mir 
scheint  sehr  vorsichtig  ausgedrückte  Stelle  in  den  Bauptp.  S.  44  ausgenommen  finde 
ich  sie  in  Ihren  Schriften,  so  viel  ich  mich  besinne  imd  abgesehen  von  dem  was  für 
sie  aus  dem  Begriffe  des  Ich  folgt,  nicht  allgemein  behandelt.    Die  Möglichkeit  des 


ig8  März   1836. 


Zweifels  liegt  aber  für  mich  in  der  ganzen  Art,  wie  der  Begriff  der  Selbsterhaltung 
deducirt  wird.  ,,In  der  Reihe  unseres  Denkens  ist  der  Begriff  des  Zusammen  die 
Bedingung  unserer  Annahme  der  Selbsterhaltung"  (Metaph.  II.  S.  197).  Wie  soll 
nun,  könnte  man  wenigstens  fragen,  das  Bedingte  nach  Aufhebung  der  Bedingung 
noch  bestehen  können?  —  Was  Strümpell  (Erläut.  S.  108—110)  sagt,  genügt 
schwerlich;  seltsam  genug  legt  er  da,  wo  es  sich  darum  handelt,  zu  beweisen,  daß 
die  Selbsterhaltung  nach  Aufhebung  des  Zusammen  fortdauern  könne,  ein  Gewicht 
darauf,  daß  wir  sagen  können:  „AVenn  A  und  B  sich  selbst  erhalten,  dann  müssen 
sie  zusatmnen  seyn;  aber  nicht  umgekehrt  daß,  wenn  sie  zusammen  sind,  sie  sich 
dann  auch  müssen  selbsterhalten."  Denn,  ist  der  erste  Satz  allgemein  gültig,  so  mag 
der  zweite  immerhin  richtig  seyn,  der  letztere  trifft  nicht  den  Fragepunct,  den  der 
erste  schon  verneinend  beantwortet  hat.  —  Die  beiden  Gründe:  die  Realen  geben 
und  nehmen  einander  nichts,  können  folglich  auch,  wenn  das  Zusammen  aufhört, 
nichts  verlieren  und  das  wirkliche  Geschehen  ist  zeitlos,  in  die  Zeit  fällt  der  Wechsel 
des  Zusammen  und  Nichtzusammen  (oder  auch:  sie  in  ihn)  aber  nicht  das  wirkliche 
Geschehen,  —  machen  die  Sache  immer  nur  möglich;  und  die  Selbsterhaltung  hängt 
doch  immer  ab  von  der  versuchten  Störung,  diese  vom  Zusammen;  das  wirkliche 
Geschehen  ist  kein  unbedingtes  und  die  Realen  begehren  nicht,  wie  die  endlichen 
Dinge  des  Spinoza,  in  ihrem  Seyn  zu  beharren.  — 

Ich  würde  Ihnen  sehr  dankbar  seyn,  wenn  Sie  mir  hierüber  eine  kurze  Be- 
merkung zukommen  lassen  wollten;  denn,  wären  die  Zweifelsgründe  gültig,  so  würden 
ihnen  auch  die  Folgerungen  unterligen,  welche  für  die  Dauer  der  Selbsterhaltungen 
aus  dem  Begriffe  des  Ich  abgeleitet  werden  könnten.  ||  Und  da  ich  Ihnen  einmal 
beschwerlich  geworden  bin,  so  erwähne  ich  noch  eine  Art  Corollarium,  was  mir  bei 
der  Construction  der  Materie  aufgefallen  ist  und  mich  wenigstens  bis  jetzt  in  Ver- 
legenheit bringen  würde,  wenn  es  ein  Fremder  als  Einwurf  ausspräche.  Mit  dem 
unvollkommenen  Zusammen  ist  Selbsterhaltung  in  allen  fingirten  Theilen,  aber  in 
einem  geringeren  Grade  gesetzt.  Daher  die  Attraction.  Geschieht  der  letzteren 
Genüge,  so  muß  der  Grad  der  Selbsterhaltung  wachsen.  Der  Grund  der  Attraction 
ist  das  wirkliche  Geschehen;  also  ist  ein  niederer  Grad  der  Selbsterhaltung  der 
Grund  eines  eintretenden  höheren.  Diese  Consequenz  überrascht,  weil  es  fast  den 
Anschein  hat,  als  vermöge  das  wirkliche  Geschehen  sich,  wenn  auch  nur  dem  Grade 
nach,  über  sich  selbst  hinauszutreiben. 

Mich  der  Fortdauer  Ihres  Wohlwollens  angelegentlichst  empfehlend  verharre  ich 
mit  imverbrüchlicher  Hochachtung         Ew.  Wohlgeboren  ergebenster  Hartenstein. 

550.    An  Drobisch.i)  G-  ^  März  36 

Es  mag  Ihnen  wohl  scheinen,  mein  theurer  Freund,  daß  ich  Ihren 
und  Hartensteins  Brief  zu  eilig,  und  darum  nicht  mit  gehöriger  Sorgfalt 
beantworte.  Aber  Eile  ist  nöthig,  denn  wir  leben  nicht  auf  einer  einsamen 
Insel,  wo  wir  uns  bloß  für  unser  Vergnügen  mit  wissenschaftlicher  Unter- 
haltimg  die  Zeit  vertreiben  dürften.  Jede  Dunkelheit,  auf  die  Sie,  wenn 
auch  nur  augenblicklich,  stoßen,  raubt  Ihnen  Zeit,  die  Sie  anderwärts 
brauchen;  darum  muß  ich  Sie  an  Dinge  erinnern,  die  Sie  wohl  wissen  oder 
sehr  bald  Selbst  finden  würden.  Sie  schrieben:  i.)  Giebt  es  ein  Vorstellen 
(nicht  ein  Empfinden  oder  Wollen),  das  ohne  gleichzeitige  entsprechende 
leibliche  Zustände  vor  sich  ginge?  —  Bey  dem  Fragezeichen  werden  wir 
es  lassen  müssen.  •    Aber  wahrscheinlich  giebt  es  im  irdischen  Leben  keine 


')  4  S,    4"- 


März   1836.  iQQ 


Solche  Vorstellungen:  die  außerordentlich  große  Verschiedenheit  der 
Talente  und  Individualitäten  erklärt  sich  am  leichtesten  aus  der  Ver- 
schiedenheit des  Widerstandes,  wodurch  der  Leib  die  psychische  Thätig- 
keit,  zwar  nicht  übernimmt,  aber  hindert,  beschneidet,  theilweise  verzögert 
oder  in  die  Länge  zieht  und  über  ihr  natürliches  Maaß  verlängert.  Es 
kann  kaum  anders  seyn,  wegen  der  einmal  vorhandenen  Einkörperung. 

Nun  aber  zu  Ihrer  zweyten  Nummer!  Bereiten  Sie  nur  nicht  dem 
Euklidischen  Axiom  ein  Schicksal,  das  Sie  nicht  wollen.  Den  Satz:  jedes 
Zusammen  entgegengesetzter  realer  Wesen  führt  zur  Selbsterhaltung,  haben 
Sie  ja  Selbst  zur  Umkehrung  ungeschickt  gefunden;  warum  denn  stellen 
Sie  beyde  zusammen,  als  ginge  dort  die  Umkehrung  besser  von  Statten 
als  hier?  —  Sie  sagen  Selbst:  die  Selbsterhaltungen  dauern  fort,  auch 
nach  aufgehobenem  Zusammen.  Lassen  Sie  es  doch  dabey!  Was  irrt  Sie 
denn?  —  Soll  ich  einmal  rathen?  Soviel  ich  aus  Ihren  Worten  errathen 
kann,  haben  Sie  wirklich  für  einen  Augenblick  die  scheinbare  Attraction 
als  eine  reale  Folge  der  Selbsterhallunoen  angesehn.  Eben  gestern  ver- 
anlaßt mich  Hartenstein,  ihn  zu  erinnern,  daß  die  Incongruenz  des  äußern 
Zustandes  gegen  den  innern  [|  der  Grund  der  Attraction  ist.  Das  können 
Sie  ja  am  besten  erläutern.  Zeichnen  Sie  doch  ein  paar  Kreise;  so 
/a  (i)  b)  (nur  ein  wenig  deutlicher  als  ich  hier  mit  meiner  ungeübten 
Hand  zeichne.)^)  Demonstriren  Sie:  Die  beyden  Kreise  sollen  gleiche 
Radien  haben;  sie  sollen  Kugeln  vorstellen;  diese  Kugeln  sind  in  der 
Fiction  entstanden,  als  hätten  im  unvollkommenen  Zusammen  ein  paar 
reale  Wesen  sich  so  weit,  als  der  Buchstabe  i  andeutet,  durchdrungen. 
Von  dieser  Raumbestwirming  ausgeheiid,  kommt  etwas  Ungereimtes  heraus, 
nämlich  als  ob  nur  im  Räume  i  die  Selbsterhaltung  statt  fände:  Da 
aber  in  Wahrheit  der  Theil  i  von  a  und  von  b,  keine  Verschiedenheit 
des  innern  Zustandes  von  dem  Ganzen  annehmen  kann,  so  ist  Selbst- 
erhaltung wirklich  ohne  solchen  Unterschied  vorhanden.*)  Man  construire 
also  die  räumliche  Fiction  dergestalt,  daß  dieselbe  der  Wahrheit  gemäß 
werde.  So  muß  sich  i  in  a,  und  auch  dasselbe  i  in  b  verwandeln.  Das 
heißt,  weil  i  =  a  und  auch  i^b  werden  soll,  so  fallen  a  und  b  zu- 
sammen. Was  ist  mm  der  Grund  der  scheinbaren  Attraction?  Die  noth- 
wendige  Correctur  einer  falschen  Zeichnung  oder  Raumbestimmung.  Daß 
sie  falsch  ist,  liegt  daran,  daß  sich  die  Selbsterhaltungen  nicht  ihr  gemäß 


*)  Bemerken  Sie  wohl,  daß  dieses  auch  dann  noch  unverändert  bleibt  und  gilt, 
wenn  vermöge  der  Anhäufung  die  scheinbare  Repulsion  eintrit.  Da  läßt  sich  die 
räumliche  Construction  nicht  genau  den  innern  Zuständen  gemäß  einrichten.  In  allen 
wirklichen  Moleculen  der  Materie  ist  nur  die  fehlerhafte  Abweichung,  die  Incongruenz 
des  äußern  Zustandes  zum  innern,  auf  ein  minimum  reducirt.  Damit  hängt  die  ewige 
Beweghchkeit  der  Materie  durch  Wärme  und  Kälte  zusammen.  In  Ihrem  Briefe  steht 
die  Frage:  warum  kann  nicht  das  unvoUk.  Zus.  mit  seinen  entsprechenden  Selbsterhal- 
tungen fortbestehen  ohne  Attraction?  Darauf  antworte  ich:  nicht  die  Selbsterhaltungen 
sind  Schuld  (Kräfte),  sondern  die  falsche  Construction  kann  nicht  bestehen.  Aus  ihr 
ioll  der  innere  Zustand  folgen;  darauf  muß  sie  selbst  sich  nach  Möglichkeit  einrichten, 
damit  das  geschehn  könne.      [Randbemerkung  von  Herbart.] 


^)  In  der  Urschrift  Herbarts  befinden  sich   2  gleichgroße  Kreise,  einer  umschließt 
a,  der  andere  b.     Beide  durchschneiden  sich  so,  daß  i  beiden  Kreisen' angehört:  (i). 


200  ^lärz   1836. 

einrichten,  sondern  anders  ausfallen  als  aus  ihr  folgte.  Daß  nun  aber 
die  Selbsterhaltungen  wachsen ,  geschieht  (wie  ich  gestern  schon  an 
Hartenstein  schrieb)  nicht,  weil  die  Bewegung  der  Kugeln  durch  Attraction 
entstand,  sondern  weil  überhaupt  Bewegung,  gleichviel  aus  welchem  Grunde, 
entstanden  war.  Der  Grad  der  Selbsterhaltungen  kann  der  Lage  ge- 
horchen, und  gehorcht  wirklich;  aber  ungehorsam  ist  das  wirkl.  Geschehen 
der  fingirien  Theilung.  Attraction  ist  für  die  Metaphysik  ein  leeres  Wort, 
das  wir  bloß  der  empirischen  Physik  zu  Gefallen  —  und  weil  unsre  ganze 
Sprache  auf  empirischem  Boden  gewachsen  ist,  beybehalten.  Unsre 
corrigirte  Construction  sagt  nur  voraus,  was  wir  beobachten  werden;  wie 
jede  Rechnung  oder  Construction  im  Gebiete  der  Mechanik  eine  solche 
Voraussagung  ist. 

Was  Sie  drittens  wegen  der  actio  in  distans  bemerken,  möchte  im 
Grunde  j|  wohl  mit  meiner  eigenen  Meinung  zusammentreffen.  Das  wird 
durch  Folgendes  deutlicher  werden:  Gesetzt,  von  b  gelten  zwey  zufällige 
Ansichten,  die  eine:  a  -\-  ß  -\-  y^  die  andere  x -[- y -|- z.  Von  a  gelte 
m  -j-  n  —  )'.  Gesetzt  ferner,  von  irgend  einem  P  gelte  R  -j-  S  —  y. 
Kommt  a  mit  b  in  unvollkommenes  Zusammen:  so  erhält  sich  b  als 
a  -\-  'ß  -\-  y.  Koramt  ferner  a'  mit  a  unvollkommen  zusammen,  so  ist  in 
der  Stelle,  worin  sich  a'  befindet,  soweit  als  das  unvollkommene  Zusammen 
des  a'  und  a  reicht,  ein  wirkliches  Geschehen,  welches  einem  Zusammen 
des  a  und  b  entspricht;  in  ihm  liegt  die  Relation  des  a  zu  b  so  voll- 
ständig, als  es  der  Grad  des  Zusammen  erlaubt.  Man  kann  also  (um 
das  Mindeste  zu  sagen)  nicht  behaupten,  hier  sey  ein  bloßes  Zusammen 
von  a  und  a',  sondern  man  muß  nach  der  Folge,  welche  b  haben  könne 
für  a',  wenigstens  fragen.  Dagegen :  wenn  statt  a'  nun  das  obige  P  in 
jene  Stelle  träte:  dann  gilt,  was  Sie  sagen:  hier  ist  nicht  das  mindeste 
von  b;  daher  wird  die  Selbsterhaltung  des  b  nach  x  -|-  y  -|-  z,  und  die 
des  P  nach  R  -)-  S  —  y,  welche  aus  einem  Zusammen  des  b  und  P  hätten 
folgen  müssen,  gänzlich  ausbleiben;  eine  solche  kann  nicht  durch  a  ver- 
mittelt werden,  weil  sie  nicht  auf  der  Relation  zwischen  a  und  b  beruht. 
—  Endlich  aber:  wer  soll  jene  nothwendige  iv-c^^  beantworten?  Die  Er- 
fahrung beantwortet  sie  durch  die  sonst  völlig  ungereimte  actio  in  distans, 
die  sonst  selbst  im  empirschen  Gebiete  eine  arge  Anomalie  bilden  würde, 
weil  ohne  allen  Vergleich  die  Mehrzahl  der  Erfahrungen  gegen  diese  actio 
distans  spricht,  indem  sie  die  Wirksamkeit  der  Dinge  an  das  räumliche 
Zusammen  bindet,  —  und,  wie  Sie  wohl  wissen:  weil  selbst  die  actio 
in  distans  an  die  Größe  der  Distanz  gebunden  ist.  |[ 

Die  vierte  Frage,  wegen  der  Fortdauer  der  Selbsterhaltungen,  haben 
Sie  mit  mir  einstimmig  beantwortet;  wie  Ihnen  mein  Brief  an  Hartenstein 
ausführlicher  zeijgen  kann. 

Für  Ihre  Nachrichten  bin  ich  Ihnen  sehr  verbunden;  nur  die  Kürze 
der  Zeit  hindert  mich,,  weiter  darauf  einzugehn;  nur  das  Nöthigste  noch! 
Auf  Rathschläge  für  Leipzig  würde  ich  nicht  eingehn  können,  selbst  wenn 
Ihr  Ministerium  mir  die  Ehre  der  Frage  erwiese.  Meine  Antwort  wäre : 
wo  Drobisch  und  Hartenstein  lesen,  da  ist  kein  Dritter  nöthig.  Harten- 
stein hat  mich  durch  seinen  letzten  Brief  noch  mehr  gewonnen,  als  zuvor. 
Möge  er  nur  schreiben !  Was  er  über  Sch[leiermacher]  sagt,  zeigt  lebhaftes  Gefühl 


April   183O.  201 

von  dem  was  der  prakt.  Philos.  noth  thul;  und  fast  möchte  ich  wünschen, 
er  hätte  Hterarisch  da  angefangen;  denn  von  da  aus  hätte  er  das  un- 
mittelbarste Bedürfniß  des  Zeitalters  schneller  getroffen.  Jetzt  darf  er  die 
Feder  nicht  weglegen  so  lange  seine  Kraft  aushält.  Sie  aber,  mein  theurer 
Freund  I  —  möchten  Sie  doch  lieber  die  nächsten  Ferien  zum  Schreiben 
benutzen  als  an  Denominationen  denken!  Brandis  hängt  an  Schl[eierraacher]n. 
Das  ist,  glaube  ich,  genug  gesagt!  Hätte  Bobrik  etwas  Klügeres  gethan., 
als  für  Damen  schreiben!  Hätte  Strümpell  seine  Zeit  besser  gebraucht! 
Hätte  nicht  Taute  in  Königsberg,  und  so  Mancher  Andre  dort,  sich  ein- 
schüchtern lassen!  Wie  mancher  wird  seine  Schwäche  zu  spät  bereuen. 
In   Hoffnung  baldiger  besserer  Nachricht  von  Ihrer  Gesundheit 

unverändert  der  Ihrige!      H. 

15.  Marx   bis  13.  Apr.:    H.  schreibt  die  „Analytische  Beleuchtung   des   Naturrechts''. 
S.   Br.   V.   8.  Juni   36. 

551.     Hartenstein  an  Herbart.')  Leipzig  d.  4.  April  1836 

Hochverehrter  Herr  Hofrath!  'Indem  ich  Ihren  letzten  Brief  vom  7.  März  zu 
beantworten  erst  jetzt  mir  die  Ehre  gebe,  mögen  Sie,  wenn  anders  die  Verzögerimg 
meines  Dankes  dadurch  entschuldigt  werden  kann,  darin  den  Beweiß  finden,  daß 
Ihre  gütigen  Mittheilungen  über  die  Ihnen  vorgelegien  Fragepuncte  ganz  geeignet 
gewesen  sind,  mich  im  Wesentlichen  aufzuklären.  Namentlich  gilt  dieß  in  Be- 
ziehung auf  das  Wachsen  der  SelbsterhaUung  bei  Gelegenheit  der  Attraction,  indem 
die  Erinnerung,  daß  jede  andre  durch  Nichts  veranlaßte  Bewegung  denselben  Erfolg 
haben  würde,  mir  als  Antwort  auf  meine  Zweifel  sogleich  einleuchtete. 

Nicht  ganz  dasselbe  kann  ich  in  Beziehung  auf  die  Fortdauer  der  Selbst- 
erhaltuug  nach  aufgehobenem  Zusammen  sagen.  Das  ontologische  Dunkel  hat  sich 
wenigstens  meiner  Speculation  noch  nicht  ganz  zerstreut.  Da  Sie  die  Aufrichtigkeit 
gegen  sich  selbst  in  diesen  Dingen  zur  ersten  Pflicht  machen,  so  erlaube  ich  mir 
dai-über  noch  ein  paar  Worte  zu  schreiben.  Nicht  die  Sache  selbst  ist  mir  zweifel- 
haft: dazu  spricht  das  Problem  des  Ich  und  das  Daseyn  organischer  Wesen  zu 
deutlich;  sondern  nur  die  ontologische  Formel  für  ihre  Bezeichnung.  Sie  bemerken 
dariiber:  „Das  Wiesen  B  gibt  für  A  den  Be.stimmungsgrund,  welcherlei  Selbst- 
erhaltung in  A  eintreten  müsse;  aber  der  ganxe  Realgrund  liegt  in  A  und  bleibt  in 
ihm."  Das  erstere  ist  unwidersprechlich ;  an  dem  zweiten  muß  ich  wenigstens  dem 
Ausdruck  nach  Anstoß  nehmen.  Läge  der  gnnxe  Realgrund  einer  Selbsterhaltung 
(=  a")  in  A,  so  müßte  in  der  absoluten  Setzung  von  A  auch  die  Selbsterhaltung  a 
enthalten  seyn.  Dem  ist  nun  nicht  so ;  A  erhält  sich  nicht,  wenn  es  nicht  zusammen 
ist  mit  B.  Nun  gebe  ich  zwar  sehr  gern  zu  und  hatte  diesen  Punct  auch  schon  in 
meiner  Ausarbeitung  hervorgehoben,  daß  A  nichts  von  B  auf-  oder  annehmen,  daß  es 
also  auch  Nichts  verlieren  kann,  wenn  B  sich  räumlich  entfernte;  aber  gerade  deshalb 
giebt  es  auf  die  Frage:  was  denn  in  A  geschehe,  wenn  es  zusammen  ist  mit  B? 
keine  Antwort  als:  das  Sichselbsterhalten  geschieht  und  zwar  |j  in  .«solcher  oder 
anderer  Weise,  je  nach  dem  Gegensatze  der  Qualitäten.  Der  ganze  Realgrund  dieses 
Sichselbsterhaltens  scheint  mir  noch  immer  das  Zusammen  der  Realen  von  entgegen- 
gesetzter Qualität,  nicht  aber  das  Reale  A  für  sich  zu  seyn;  nicht  nur  das  Was 
und  W^ie,  sondern  auch  das  Daß  der  Selbsterhaltung  gebunden  zu  seyn  an  die 
Voraussetzung  des   Zusammen.     Den  Satz:   cessante  causa,  cessat  effectus,  so  wie 


1)  2  ^.    4».     H.  Wien. 


202  April    1836. 


der  Gedanke  au  eine  restitutio  in  integrum  gebe  icli  übrigens  sehr  gern  auf;  dem 
ohnerachtet  liegt  mir  der  Fragepuuct  noch  so,  daß  man  ihn  in  der  Ontologie  für 
die  er  ohnedieß  kaum  unmittelbare  Bedeutung  hat,  dahingestellt  lassen  seyn  müsse, 
bis  andre  Thatsachen  der  Erfahrung  eine  bejahende  Antwort  nothwendig  machen. 
In  dieser  Weise  habe  ich  dabei-  auch  diesen  Gegenstand  in  meiner  Schrift  darstellen 
zu  müssen  geglaubt.  Ihre  gütige  Anfrage,  zu  welcher  Zeit  die  letztere  erscheinen 
werde,  glaube  ich  dahin  beantworten  zu  können,  daß  ich  mir  gegen  das  Ende  des 
Monats  Mai  das  Vergnügen  werde  machen  können,  sie  Ihnen  zu  überreichen.  Der 
vor  8  Tagen  eingetretene  Todesfall  des  Prof.  Clodius  macht  mir  die  Beschleunigung 
ihres  Erscheinens  in  höchstem  Grade  wünschenswerth,  weil  es  sehr  schmerzlich  für 
mich  sejn  würde,  wenn  eine  Verzögerung  in  diesem  Puncte  den  etwanigen  Vor- 
theilen,  welche  aus  dieser  Erledigung  einer  ordentlichen  Professur  für  mich  resul- 
tiren  könnten,  als  ein  Hinderniß  in  den  Weg  träte.  Dürfte  ich  voraussetzen,  daß 
Ihre  Meinung  von  mir  günstig  genug  wäre,  um  Sie  mir  eine,  auf  einer  sicheren 
Basis  ruhende,  äußere  Existenz  wünschen  zu  lassen,  so  würde  ich  sogar  die  Bitte 
wagen,  durch  ein  empfehlendes  Wort  meine  academische  Stellung  Ihrerseits  wohl- 
wollend zu  begünstigen. 

Vor  ein  Paar  Tagen  ist  auch  Cand.  Waitz  aus  Gotha  hier  gewesen;  er  hat 
mir  aufgetragen,  Ihnen  seine  hochachtungsvoUsten  Empfehlungen  zu  überbringen; 
diesen  die  meinigen  hinzufügend  verharre  ich  mit  immer  gleicher  Verehrung 

Ew.  Hochwohlgeboren  ergebenster    Hartenstein. 

552.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig  d.  5.  April  36. 

Hochverehrter  Freund  und  Gönner!  Auf  eine  tiefere  Erörterung  Ihrer  gütigen 
Mittheilungen  über  einige  Puncte  der  Metaphysik  und  Naturphilosophie  werde  ich 
heute  wol  nicht  eingehen  können,  da  ich  es  versäumt  habe  sogleich  darauf  zu  ant- 
worten. Die  metaphysische  Gedankenmasse  ist  mir  schon  wieder  etwas  in  den 
Hintergrund  getreten,  und  es  würde  mich  für  den  Augenblick  nicht  fördern,  sie 
wieder  hervorzurufen.  Nur  dies,  daß  Ihre  Beantwortungen  mir  sehr  werthvoll,  ob- 
gleich zum  Theil,  was  namentlich  die  Erörterungen  des  Grundes  der  scheinbaren 
Attraction  betrifft,  überraschend  waren.  Sie  erfordern  für  mich  noch  ein  wieder- 
holtes ruhiges  Nachdenken,  das  ich,  da  diese  Gegenstände  auf  das,  was  ich  jetzt 
thue  und  treibe,  keinen  Einfluß  haben,  für  die  Zukunft  aufspare.  Jetzt  will  ich 
Ihnen  nur  kurz  auseinandersetzen,  daß  ich  nicht  etwa  aus  bloßer  Liebhaberei  für 
akademische  Politik  mich  um  Denominationen  bekümmere,  sondern  theils  weil  ich 
amtlich  verbunden  bin  es  zu  thun,  theils,  weil  dies,  wie  Sie  gleich  erfahren  sollen, 
der  erste  und  nächste  Dienst  ist,  den  ich  der  Philosophie  erweisen  kann.  Vom 
ersten  Mai  an  führe  ich  nämlich  auf  ein  Jahr  das  Dekanat,  und  da  es  bei  uns  ver- 
fassungsmäßig ist,  für  jede  erledigte  Professur  dem  Ministerium  drei  Gelehrte  zu 
denominiren,  so  werde  ich,  da  vor  einigen  Tagen  Clodius  mit  dem  Tode  abgegangen 
ist,  und  jene  Denomination  vier  Wochen  nachher  erfolgt,  den  Bericht  darüber  zu 
fertigen  haben.  Unterdessen  ist  nun  aber  auch  unser  Cultusminister  D.  Müller, 
bei  dem  ich  in  Gunst  und  Ansehen  stand,  mit  Tode  abgegangen.  Die  Besorgnisse 
hierüber  haben  sich  indeß  zerstreut,  da  provisorisch  wenigstens  Hr.  v.  Lindenau  dies 
Ministerium  übernommen  hat.  Ich  besitze  sein  Vertrauen,  wie  ich  glaube,  auch  in 
philosophischer  Beziehung.  Vor  ein  paar  Wochen  schickte  er  mir  einen  jungen 
Mann  aus  Neuyork,  einen  angehenden  Diplomaten,  zu,  um  ihm  einen  kurzen  Begriff 
vom  gegenwärtigen  Stande  der  deutschen  Philosophie  zu  geben.     Daß  ich  diese  Ge- 


')  3  S.    4».     H.  Wien. 


April   1836.  203 

legenheit  benutzte,  Ihre  Schriften  nach  Amerika  zu  spediren,  können  Sie  denken. 
Der  junge  Mann  heißt  "Ward.  AVie  er  sagte,  interessirten  sich  in  seiner  Bekannt- 
schaft 5  Personen  lebhaft  für  deutsche  Philosophie  und  hatten  Studien  darüber  an- 
gefangen. H.  Ward  ist  der  Sohn  des  reichsten  Banquiers  in  Neuyork  und  ein  aus- 
gezeichneter Mathematiker.  ||  "Wie  ein  Unglücksprophet  haben  Sie  über  das  mögliche 
Schicksal  philosophischer  Professuren  gesprochen.  Nur  Ihrer  Verschwiegenheit  sey 
es  um  der  ewigen  Schande  willen  vertraut,  daß  in  der  ersten  Yei-samnilung  der 
philosophischen  Facultät  nach  Clodius's  Tode  von  zwei  Mitgliedern  dieser  Faeultät 
<Ier  Vorschlag  ausging,  eine  der  beiden  Professuren  der  Philosophie  einzuziehen,  um 
—  die  Naturgeschichte  in  diese  Stellung  rücken  zu  lassen.  "Wahrlich  es  chai-acteri- 
sirt  unsere  Zeit  nichts  besser,  als  daß  die  Naturgeschichte  Miene  macht,  die  prak- 
tische Philosophie  zu  verdrängen!  Daß  ich  mich  aus  allen  Kräften  diesem  Vor- 
schlag widersetzte,  bedarf  bei  Ihnen  wol  keiner  Versicherung;  auch  traten  alle 
andern  mit  Entschiedenheit  bei ;  aber  es  that  mir  tief  weh  und  war  mir  ein  nieder- 
schlagendes Zeichen  der  Zeit,  in  der  wir  leben,  einen  Mann,  der  der  Philosophie 
einen  guten  Theil  seiner  Bildung  und  seines  Ruhms  verdankt,  sie  so  mit  Füßen 
treten  zu  sehen.  In  derselben  Versammlung  mußte  ich  auch  noch  erleben,  daß  ein 
anderer,  einen  jüngeren  Professor  der  Staatswissenschafteu  bei  der  Denomination 
zur  Professur  der  praktischen  Philosophie  einschwärzen  zu  helfen  mich  bereden 
wollte.  So  steht  es  mit  dem  Ansehen  der  Philosophie  hier  bei  den  Lehrern,  die 
sich  nach  ihr  nennen.  Gottlob,  daß  es  mit  den  Hörern  sich  noch  etwas 
besser  verhält!  "Wie  müssen  aber  die  Philosophen  gewirkt  haben,  die  ihi-er 
"V\'issenschaft  einen  solchen  Nachruf  hinterlassen!  Muß  man  unter  solchen  Verhält- 
nissen nicht  anfangen  zu  meinen,  unsere  Bestimmung  könne  jetzt  nur  seyn,  echte 
Philosophie  in  der  Stille  fortzubilden.  Für  eine  bessere  Zeit,  auf  ein  Eingreifen 
von  Erfolg  auf  die  jetzige  aber  zu  verzichten.  Lebte  doch  ein  Brutus  als  die 
Republik  unterging,  und  ein  Tacitus  als  die  Sitten  verfielen.  Fürchten  Sie  indeß 
nicht,  daß  Betrachtungen  wie  diese  meinen  Muth  gänzlich  lähmen.  Seyen  Sie  viel- 
mehr versichert,  daß  ich  mich  beeifre,  die  schönen  "Worte  von  mir  sagen  zu  düiien, 
die  Sie  im  Jahi-e  1822  niederschrieben:  „Man  kann  das  Zeitalter  nicht  wählen,  in 
dem  man  leben  und  wirken  möchte;  ich  gebrauche  meine  Tage  nach  Gelegenheit 
und  Kraft;  wie  Andre  das  benutzen  werden,  was  ich  darbiete,  das  fällt  ihrem 
■^'illen  1!  und  ihrer  Verantwortung  anheim  I"  Ich  halte  es  für  bedenklich  der  Jugend 
allzudeutlich  merken  zu  lassen,  daß  man  mit  der  Zeit  und  ihren  Bestrebungen  zer- 
fallen ist.  Sie  läßt  sich  ungern  zurückven\-eisen  auf  eine  bessere  Zeit.  Will  man 
sie  zur  Opposition  gegen  die  Gegenwart  antreiben,  so  muß  man  sie  auffordern 
können,  eine  noch  unbetretene  Richtung  einzuschlagen.  Und  hierauf  beruht  meine 
Hoffnung  noch  hinsichtlich  der  möglichen  Erfolge  Ihrer  Philosophie. 

Unterdessen  hat  uns  hier  auch  der  Cand.  Waitz  besucht,  eine  kräftige  Natur 
allerdings,  aber  ich  glaube,  man  muß  ihn  bewachen,  daß  er  nicht  durch  theologische 
Bilderstürm erei  unsere  Sache  in  Mißcredit  bringt.  Er  scheint  auf  eine  handfeste 
Polemik  auszugehen  und  sich  an  einigen  theologischen  Notabilitäten  reiben  zu  wollen. 
Ich  kann  seinen  Unternehmungen  vor  allem  nur  Reife  wünschen.  Pauca  sed 
matura ! 

Hartenstein  ist  von  den  Mitgliedern  seiner  philosophischen  Gesellschaft  am 
Schluß  des  Semesters  aus  Dankbarkeit  mit  einem  Ringe  beschenkt  worden.  Die 
Gesellschaft  Theologiestudirender  aus  der  Lausitz  hat  ihn  zum  Präses  ihrer  psycho- 
logischen Übungen  erwählt.  Beides  Auszeichnungen,  die  beweisen,  daß  er  Verti-auen 
besitzt.  Und  so  wird  ihm  denn  hoffentlich  eine  festere  und  günstigere  Stellung 
nicht  entgehen!  Damit  Sie  doch  wissen,  daß  ich  nicht  müßig  bin,  wenn  ich  langsam 


204  -^P'^il   1836. 

vorwärts  zu  rücken  scheine,  muß  ich  Ihnen  noch  schreiben,  daß  ich  auch  gegen- 
wärtig d.  Procancellariat  d.  philos.  Facultät  (die  Leitung  der  Magisterprüfungen)  und  das 
Secretariat  der  Jablonowski'schen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  (beide  Functionen 
auf  ein  Jahr)  bekleide,  was  abzulehnen  nicht  in  meiner  Macht  stand.  Diese  Woche 
bin  ich  vom  Ministerium  beauftragt,  nach  Grimma  zu  kommen,  um  bei  der  Fest- 
stellung der  neuen  Einrichtungen  in  Beziehung  auf  den  mathematischen  Unterricht 
mitzuwirken.  —  Auf  diese  Weise  verfließeu  die  Ferien  nicht  so  ruhig  und  stetig, 
wie  ich  für  die  philos.  Arbeiten  es  wünschte.  Meine  Gesundheit  ist  aber  jetzt 
ziemlich  gut.  Ich  wünsche  dasselbe  von  Ihnen  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  zu  hören, 
der  ich  mich  ergebenst  empfehle. 

Mit  innigster  Verehrung  der  Ihrige     Drobisch. 

553.  Verlags-Vertrag  zwischen  Herbart  u.  Dieterich.  ^) 

Zwischen  Herrn  Hofrath  Herbart  Hochwohlgeb.  und  der  Dieterich'schen  Buch- 
handlung ist  nachstehender  Verlags-Contract  geschlossen  worden. 

§  1.     Der  Herr  Hofrath  Herbart  giebt  der  Dieterich'schen  Buchhandlung  sein 
Manuscript   „Analytische  Beleuchtung  des  Naturrechts   und   der  Moral"   in  Verlag. 

§  2.     Der  Herr  Hofrath  Herbart  erhält  für  den  in  8"  gedruckten  Bogen  Einen 
Louisd'or  Gold  als  Honorar,  gleich  nach  vollendeten  Druck. 

§  3.     Der  Herr  Verfaßer  erhält  20  Freiexemplare   und  zwar  12  Exempl.  auf 
besseres  und  8  Exempl.  auf  gewöhnlichen  Druckpapier. 

§  4.    Die  Dieterich'sche  Buchhandlung  ist  zu  einer  Auflage  von  750  Exemplaren 
berechtigt  und  verpflichtet  sich  zu  gutem  Druck  und  Papier. 

Bei  einer  neuen  Auflage  treten  neue  Contract-Bedingungen  ein,  der  vorliegende 
ist  zu  gegenseitiger  Sicherung  von  beiden  Theilen  unterschrieben. 

Göttingen  d.  15  April  1836 

gez.  Herbart.  Dieterich'sche  Buchhandlg.     gez.  Schlemmer. 

554.  Dissen  an  H.-)  Sonnabend. 
Es  ist  freilich  schon  einige  Wochen   her,    mein  verehrter  Gönner,   daß  ich  in 

Ihrer  Nähe  auf  dem  Garten  bin,  aber  das  Elend  wandert  mit  mir  und  die  Ver- 
zehrung meiner  Kräfte  nimmt  sehr  zu  und  das  schrecklichste  von  allem  die  Ver- 
zehrung der  Hautkraft;  es  ist  abscheulich,  so  umgehen  zu  müssen  als  habe  man 
keine  Haut.  Bisher  habe  ich  sie  noch  ausgehalten  aber  ich  werde  das  Feld  räumen 
müssen  allernächstens  und  mich  wieder  nach  Hause  begeben;  fast  bin  ich  so  weit, 
daß  ich'  nicht  mehr  in  der  Natur  existiren  kann.  Daher  konnte  ich  Sie  nicht  ein- 
laden, auch  ist  es  immer  heißer  bei  mir  als  bei  Ihnen,  aber  meine  treue  Verehrung 
bleibt  dieselbe.  —  Damit  ich  auch  von  Ihrem  Geiste  einigen  Gewinn  ziehe,  möchte 
ich  Sie  um  eine  Stelle  in  Piatons  Theaetet  fragen,  die  ich  in  dem  beifolgenden 
Exemplare  bezeichnet  habe  p.  282.  Piaton  ||  will  die  Fälle  angeben  wo  bei  Vor- 
stellung und  Wahrnehmung  Verwechslimg  und  Irrtum  unmöglich  und  möglich  sei. 
Er  fäng-t  an  (auf  der  vorigen  Seite)  von  den  Fällen  wo  bloßes  Vorstellen  oder 
Nichtvorstellen  stattfindet,  und  bloßes  Wahrnehmen  und  Nichtwahrnehmen.  Dann 
folgen  die  2  angestrichenen  Stellen,  die  ich  zu  vergleichen  bitte.  Er  combinirt 
nämlich  nun  Vorstellen  und  Wahrnehmen  und  jenachdem  die  Abdrücke  und  Wahr- 
nehmungen genau  sind  oder  nicht,  ist  Irrtlium  unmöglich  oder  möglich.  Wie  ich 
meine,  sollten  nun  jedesmal  4  Fälle  sein: 

')  Durch  Herrn' Th.  Weicher  in  Leipzig,  den  derzeitigen  Inhaber  des  Diete- 
richschen  Verlags,  in  dankenswerter  Weise  zur  Verfügung  gestellt. 
")  4  S.    8°.    H.  Wien. 


1836. 205 

Wissen  imd  AVahmehnien        —        Wissen  und  Wahrnehmen, 

Wissen  und  Wahrnehmen        —        Wissen, 

Wissen  und  Wahrnehmen         —        Wahrnehmen, 

Wissen  —  Wahrnehmen. 

Man  kann  die  drei  letzten  Reihen  freilich  auch  noch  formulieren  ||  wie  Piaton 
oben  auf  der  Seite  im  Anfange  der  ganzen  Stelle  zweimahl  thut,  weil  [es]  aber  doch 
nicht  darauf  ankommt,  läßt  er  dies  mit  Gnind  hier  weg.  Allein  die  Frage  ist  nur 
für  mich  die,  wanmi  von  den  vier  Fällen,  welche  seyn  sollten,  überall  nur  drei  da 
sind,  denn  in  der  ersten  der  angestrichenen  Stellen  läßt  er  den  letxten  Fall  weg 
(Wissen  —  Wahrnehmen),  in  der  zweiten  aber  welche  dieselben  Fälle  wiederholt 
nur,  ist  dieser  Fall  da  und  liegt  in  den  Worten:  i]  wv  fir]  oi§6v,  ala&ävizai  St, 
welches  aus  dem  vorhergehenden  vollständig  so  supplirt  werden  muß:  tj  tv  oh  oiSav 
oirj&r,vai  aird  triQ  'ärza  sivai  wv  fiij  oiSav  —  aia&ävtTai  8i,  SO  daß  wir  haben 
iv  Ol?  otdtv  ala^avsTai  8i,  Wissen  —  Wahrnehmen.  Dieser  Fall  ist  oft  hier  da. 
hingegen  fehlt  nun  der  Fall :  Wissen  und  Wahrnehmen,  welcher  in  der  ereten  Stelle 
stand.  Es  ist  mir  nun  noch  nicht  ganz  klar,  |1  warum  diese  Fälle  an  den  jedes- 
raahligen  Stellen  weggeblieben  sind,  und  ich  bitte  Sie  daher  gelegentlich  in  diesen 
Tagen  sich  die  Sache  einige  Augenblicke  anzusehn,  und  mir  zu  sagen,  ob  dieselben 
wirklich  als  durchaus  nicht  stattfindend  ausfallen  mußten,  was  Piaton  ohne  Zweifel 
gedacht  hat.  oder  ob  sich  Piaton  irrte.  Schleienuacher  in  der  Übersetzung  hat  das 
Verhältniß  dieser  Stellen  nicht  näher  erwogen  wie  man  aus  dem  Stillschweigen  in 
den  Noten  sieht;  doch  steht  etwas  hieher  bezügliches  in  den  Noten  in  der  an- 
gemerkten Stelle,  die  ich  auch  beischicke.  Nehmen  Sie  mir  meine  Bitte  nicht  übel ; 
in  einer  mäßigen  halben  Viertelstunde  werden  Sie  alles  leicht  erwogen  haben. 
Mit  innigster  Ergebenheit  der  Ihrige     Bissen. 

555.    An  Dissen.i)  [^^^  ^^^"'"•^ 

Das  wußte  ich  wohl,  mein  theurer  Freund,  daß  Sie  mich  nicht  ganz 
vergessen  hatten;  es  war  mir  nicht  bloß  richtig  bestellt,  sondern  auch 
ohnedas  rechnete  ich  auf  Ihre  mir  seit  so  vielen  Jahren  erhaltene  gütige 
Gesinnung.  Doch  habe  ich  mich  gefreut,  daß  Sie  auch  jetzt  noch  bey 
so  vielem  Leiden,  einen  Augenblick  gefunden  haben,  es  mir  schriftlich  zu 
bezeugen.  Könnte  man  nur  etwas  finden,  um  Ihnen  einige  Erheiterung 
zu  schaffen!  Aber  das  rauhe  Frühjahr  hat  gewiß  auch  auf  Sie  gewirkt. 
Gar  Viele  haben  gelitten;  ein  Vetter  von  mir,  der  vor  ein  paar  Wochen 
hier  als  Student  ankam,  hütet  das  Zimmer  fast  so  lange  als  er  hier  ist. 
Indessen  bald  muß  es  warm  werden.  Und  einige  Gunst  der  Jahreszeit 
wird  hoffentlich  auch  noch  zu  Ihnen  dringen.  Dann  mache  ich  mir  Hoff- 
nung, Sie  —  wenn  auch  nur  mit  Hülfe  des  trefflichen  Hugo  Grotius  — 
auf  ein  paar  Tage  zu  zerstreuen;  es  ist  nämlich  eine  analytische  Beleuch- 
tung des  Naturrechts  und  der  Moral  von  mir,  unter  der  Presse;  eine 
Arbeit  der  letzten  Ferien  für  meine  Zuhörer  der  prakt[ischen]  Philosophie. 
Ein  volles  Auditorium  ist  zu  solcher  Arbeit  ein  willkommener  Antrieb.  — 
Behalten  Sie  Geduld  in  Ihrem  Leiden!  Das  ist  mein  herzlicher  Wunsch 
für  jetzt;  —  und  bessere  Hoffnungen  wollen  wir  noch  nicht  ganz  auf- 
sehen!    Von  Herzen  Der  Ihrige     Herbart. 


H.  Wien.     Bei  Zimmermann  S.  61.     Dort  auch  ein  Faksimile  des 
Briefes. 


2o6  Mai   1836. 

556.  Drobisch  an  H.^)  Leipzig  d.  20.  Mai  1836. 
Hier,  mein  innig  verehrter  Herr  und  Freund,  folgt  mein  Lehrbuch  der  Logik.*) 

Ob  Sie  darin  einen  kleinen  Beitrag  zur  Förderung  echter  Philosophie  oder  eine  sehr 
unzeitige  Beschäftigung  sehen  werden,  an  deren  Stelle  eine  tiefer  eingreifende  hätte 
treten  sollen,  muß  ich  erwarten;  jeder  Tadel  über  das  Ganze  wie  das  Einzelne  wird 
mir  Belehrung  gewähren.  Beiträge  zur  mathematischen  Psychologie  in  akademischen 
Programmen  die  ich  am  Ende  des  Jahre§  zu  einem  kleinen  Volum  zu  sammeln  und 
in  etwa  150  Exemplaren  in  den  Buchhandel  zu  geben  gedenke,  werden  nächstens 
(im  Jixli)  beginnen,  ^)  Hartenstein's  Metaphysik  ist  fertig  und  wird  folglich  nächstens 
in  Ihren  Händen  seyn.  Er  selbst  reist  heute  nach  Dresden  um  sich  den  hoch- 
mögenden Herren  vorzustellen.  Diese  haben,  wie  man  hier  sagt,  daran  gedacht,  Sie 
zu  gewinnen.  Das  wäj'e  für  Leipzig  und  für  Ihre  Freunde  ganz  vortrefflich.  Aber 
nach  dem,  was  Sie  in  Weimar  äußeiten,  habe  ich  wenig  Hoffnung  zu  Ihrer  Ein- 
willigung. Nebenbei  trieben  sich  noch  ganz  andre  Gerüchte  hier  herum  von  viel 
weniger  erfreulicher  Art.  Ich  habe  daher  heute,  mit  Uebersendung  meines  Buchs 
an  Hr.  v.  Lindenau,  an  diesen  einen  sehr  ausführlichen  und  freimüthigen  Brief 
geschrieben,  worin  ich  ihm  das  Schicksal  der  Philosophie  ans  Herz  gelegt  habe. 

Die  Vorlesungen  sind  wieder  eröffnet.  Meine  Logik  ist  stärker  besetzt  als 
jemals;  weniger  Glück  habe  ich  mit  der  Encyklopädie  gehabt.  Hartenstein  liest  auf 
Verlangen  über  praktische  Philosophie  vor  einem  Viertelhundert  tüchtiger  Leute. 
Noch  also  geht  alles  hier  im  Ganzen  gut. 

Auch  muß  der  Bilderhändler  ßocco  aus  Göttingen  das  Herrschen  der  Her- 
bart'schen  Philosophie  hier  präsumiren,  denn  er  hat  öffenthch  bekannt  gemacht,  daß' 
Ihr  Bildniß  bei  ihm  zu  haben  ist. 

Die  besten  Wünsche  für  Ihr  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  Wohlseyn!  Mit  meiner 
Gesundheit  geht  es  leidhch,  eine  Bruonencur  ist  mir  aber  nothwendig. 

Von  Herzen  der  Ihrige    Drobisch. 

557.  Hartenstein  an  H.*)  Leipzig  den  27.  Mai  1836 

Endlich,  hochzuverehrender  Herr  Hofrath,  ist  es  mir  möglich,  Ihnen  ein 
Exemplar  meiner  Metaphysik  vorzulegen.  Wie  wenig  es  mir  geziemt,  sie  als  ein 
geistiges  Eigenthum  für  mich  in  Anspruch  zu  nehmen,  davon  bin  ich  selbst  so  sehr 
überzeugt,  daß  ich  nichts  mehr  wünsche,  als  daß  Sie  in  der  Existenz  dieses  Buches 
einen  Ausdruck  meiner  dankbaren  Gesinnung  für  die  Anregung  und  Belehrung  er- 
kennen mögen,  die  ich  Ihnen  verdanke.  Möchte  es  fähig  seyn,  etwas  für  die  Sache 
der  ruhigen  Forschung  zu  wirken  und  in  fähigen  Köpfen  die  Fundamente  wissen- 
schafthcher  Überzeugung  zu  befestigen! 

Vor  allem  bitte  ich  Sie  um  Ihr  Urtheil  über  die  Beschaffenheit  des  Buches. 
Vielleicht  halten  Sie  es  für  der  Mühe  werth,  darüber  ein  öffentliches  Wort  zu  sagen 
und  ihm  seine  Stellung  nach  Verdienst  anzuweisen.  Ich  würde  nicht  so  unbescheiden 
seyn,  Ihnen  diese  Bitte  als  solche  vorzulegen,  wenn  es  mir  nicht  wünschenswerth 
seyn  müßte,  daß  die  öffentliche  Aufmerksamkeit  durch  öffentliche  ürtheile  gerade 
auf  dieses  Buch  gelenkt  werde,  da  das  Urtheil  über  dasselbe  allerdings  einigen  Ein- 
fluß haben  wird  auf  die  Gestaltung  meiner  persönlichen  Lage.  Unser  Ministerium 
scheint  nicht  sehr  geneigt"  zu  seyn,  mir  jetzt  schon  eine  der  erledigten  Professuren 

')  1  S.    4".     H.  Wien. 

^)  Neue  Darstellung  der  Logik  nach  ihren  einfachsten  Verhältnissen.  (Mehr- 
fach neu  aufgelegt.)  • 

^)  Quaestionum  mathematico-psychologicarum  Speeimen  I.— V. 
*)  2  S.    4».     H.  Wien. 


Juni   1836.  207 

der  Philosophie  anzuvertrauen,  hauptsächlich,  weil  ich  noch  nicht  ein  paar  Lustra 
docirt  habe;  man  will  einen  Philosophen  aus  der  Fremde.  Ritter,  Fichte  oder 
sonst  wen;  ||  und  nur  wenn  die  Bemühungen  in  dieser  Beziehung  fehlschlügen, 
könnte  ich  hoffen,  eine  äußerlich  gesicherte  Stellung  zu  erlangen.  In  jedem  Falle 
wird  auch  dann  viel  von  dem  Urtheile  des  Publicums  über  mein  Buch  abhängen; 
und  da  zur  Zeit  noch  von  den  meisten  Seiten  Mißverständnisse,  "Widerspruch  und 
Tadel  zu  fürchten  ist,  so  werden  Sie  den  "Wunsch,  von  Ihnen  noch  auf  einem  andern 
Wege,  als  dem  der  Privatmittheilung  ein  gerechtes  ürtheil  zu  vernehmen,  wenigstens 
verzeihlich  finden,  selbst  wenn  Sie  abgeneigt  seyn  sollten,  mir  ihn  zu  gewähren! 

Es  würde  unbescheiden  von  mir  seyn,  wenn  ich  Ihre  Aufmerksamkeit  in 
diesem  Augenblicke  noch  länger  in  Anspruch  nehmen  wollte,  daher  schließe  ich  mit 
der  Bitte  um  die  Fortdauer  Ihrer  Wohlgewogenheit  und  den  erneuerten  Versiche- 
rungen meiner  innigsten  Verehrung  und  verharre 

Ew.  Hochwohlgeboren  ergebenster     Hartenstein. 

558.    Sieffert  an  H.')  Königsberg,  den  1.  Juni  1836 

Hochverehrter  Herr  Professor!  Vielleicht  haben  Sie  schon  öfter  mich  im  Stillen 
einer  undankbaren  Vergeßlichkeit  geziehen,  da  ich  Sie  seit  Ihrer  Entfernung  von 
Königsberg  noch  mit  keinem  Worte  von  hier  begmßt  habe,  und  auf  die  Erlaubniß 
dies  zu  thun,  wohl  im  Voraus  mit  Sicherheit  rechnen  konnte.  Indessen  müßte  ich 
gegen  jenen  Vorwurf  nach  gutem  Rechte  und  mit  voller  Wahrheit  protestiren,  und 
könnte  nur  insofern  eine  Verschuldung  eingestehn,  als  ich  vielleicht  verpflichtet 
gewesen  wäre,  auch  ohne  an  sich  bedeutende  Gegenstände  der  brieflichen  Mit- 
theilung zu  haben,  nur  die  Fortdauer  meiner  dankbaren  Ergebenheit  gegen  Sie, 
ausdiücklich  auszusprechen.  Aber  vor  inhaltsleeren  Briefen  habe  ich  mich  immer 
gescheut,  Mittheilungen  über  die  allgemeinen  Akademischen  Verhältniße  und  Zu- 
stände erhalten  Sie  gewiß  in  genügendem  Umfange  durch  Friedr.  Taute,  und  meine 
theologischen  Studien  liegen  ihrem  überwiegend  positiveren  oder  historischen  Ele- 
menten nach,  von  den  Sie  bewegenden  Interessen  wohl  weiter  ab,  als  daß  ich  Ihre 
Aufmerksamkeit  für  Jene  irgendwie  in  Anspruch  nehmen  dürfte.  Nun  aber  haben 
sich  so  nöthigende  Veranlassungen  ziun  Schreiben  gehäuft,  daß  ich  mich  denselben 
nicht  mit  gutem  Gewissen  entziehen  könnte,  wenn  ich  auch  überhaupt  daran  denken 
könnte,  es  nur  zu  wollen.  Durch  Ihre  Güte  ist  mir  unter  Vermittlung  des  Herrn 
D.  Taute  ein  als  Handschrift  gedruckter  Bogen  zum  Geschenk  geworden,  in  welchem 
Sie  die  psychologischen  Hauptbegi-iffe  unter  die  allgemeinen  metaphysischen  unter- 
zuordnen beabsichtigt  haben ;  bald  darauf  kamen  bei  den  hiesigen  Buchhändlern  Lire 
Briefe  an  Griepenkerl  über  die  Willensfreiheit  an,  und  indem  ich  mich  anschicke, 
nach  gehöriger  Kenntnißnahme  von  diesen  neuesten  Gaben,  mit  denen  Sie  das 
philosophische  Publikum  beschenkt  haben.  Ihnen  meinen  Dank  abzustatten,  kommt 
auch  der  4te  Juni  heran,  mit  dem  Sie  diesmal,  wenn  ich  nicht  irre,  wieder  ein 
neues  Decennium  in  Ihrem  Lebensalter  anfangen.  Solche  Zeiten  können  den  ent- 
fernter Lebenden  der  gern  eine  herzliche  Gratulation  darbrächte  wohl  manchmal  in 
Verlegenheit  sehen,  ob  er  nur  Glück  wünschen  solle,  weil  es  an  demselben  vielleicht 
gebricht,  oder  ob  er  auch  in  Wahrheit  seine  Freundesbezeugung  über  das  vor- 
handene Glück  darbringen  dürfe.  Hier  aber  dünkt  mich,  kann  diese  Verlegenheit 
nicht  Statt  fmden.  Ihre  hiesigen  Freunde  haben  wohl  manchmal  mit  ßetrübniß 
davon  gehört,  daß  Sie  zuweilen  durch  Kränklichkeit  daran  gehindert  worden  sind, 
so  ununterbrochen  als  Sie  selbst  es  wünschen,  sich  Ihrem  Berufe  widmen  zu  köimeu; 

^)  4  S.  40.  H.  Wien.  —  Sieffert,  ein  Schüler  Herbarts,  Prof.  d.  Theol.  in 
Königsberg. 


208  Juni  1836. 

wer  aber  aus  jenen  neuesten  Erzeugnissen  Ihrer  Mußestunden  die  lebendige  Frische 
und  Tätigkeit   Ihres   Geistes   ersehen   hat,  in   der  so  Mancher   auch  in  den  alier- 
kräftigsten  Mannesjahren  sich   durch  Sie  beschämt  sehn    muß,   der  muß  sich  wohl 
gedrungen  fühlen,  Ihnen  von  ganzem  Herzen   und  mit   wahrer  Freude  zu  dieser  so 
glücklich  erreichten  Lebensstufe  zu  gratuliren.  und  ich  bitte  Sie,  auch  meinen  Glück- 
wunsch   in    diesem  Sinne    freundlich    aufzunehmen.     Was    aber   jene    literarischen 
Novitäten  betrifft,  deren  ich  vorhin  erwähnte,  so  kann  ich  zwar  über  die  Briefe  an 
Oriepenkerl  mir  noch  kein  vollständiges  Urtheil  bilden,  weil  die  geringe  Anzahl  der 
hierher  gekommenen  Exemplare  es  veranlaßte,  daß  noch  ehe  ich  mit  dem  Lesen  bis 
zur  Hälfte  gekommen  war,  mir  schon  meine  Freunde,  namentlich  Taute   und  Sanio 
das  noch  ungebundene   Buch  wegholten,   um   schnell  davon  Kenntniß   zu   nehmen, 
indessen  glaube   ich   mir   doch  soviel   schon  daraus  abgenommen  zu  haben,  daß  es 
Ihnen   vornämlich  darauf  angekommen   ist,   den  LTnterschied  zwischen  allem  Spino- 
zistischen  und   demselben  ähnlichen  Determinismus  (der  doch  auch,  nur  in  anderer 
Manier,   in    unserer  neuesten    After-Philosophie   spukt)    einerseits,    und  derjenigen 
Polemik  gegen   transcendentale   Freiheit,   die   zuletzt  auf  der  Nichtigkeit  alles  ab- 
soluten Werdens    beruht,   andrerseit,   kräftig  hervorzuheben   und   jenen    mit   allen 
seinen  Consequenzen  in  seiner  Blöße  zu  zeigen,  —  ein  Endzweck,  den  zu  verfolgen 
hei  dem   gegenwärtigen    Zustande   unserer   Philosophie  ||  und   Theologie   gewiß   ver- 
dienstlich ist.     Ich  hege  nur,  soweit  ich  jetzt  vor  Lesung  des  Ganzen  darüber  ur- 
theilen   kann,    die    Besorgniß,    daß    die   gewählte    Briefform,    die    durch  ihre  Un- 
gezwungenheit und  Beweglichkeit  die  längere  Betrachtung  der  verhandelten  Gegen- 
stände leicht  und  angenehm  zu  machen  geeignet  ist,  dem  philosophischen  Publicum 
zum  Anstoß  werden  und  das  bereitwillige  Eingehen  in  die  dargebotenen  Gedanken - 
reihen  eher  hindern  als  fördern  wird,   weil  man  weit  und  breit  verstrickt  in  den 
Zauber,   welchen  der    scheinbar    streng    zusammenhängende  Schematismus  in   den 
neueren  philosophischen  Systemen  auf  Alle,  denen   die  eigne  Energie  des  Denkens 
abgeht,   ausgeübt  hat,    schon   von   vorneherein   gar  nicht  glaubt,   gerade   und   fest 
gehen  zu  können,  als  wenn  man  in  recht  massiven  eisernen  Schienen  einhergeht,  die 
wo   möglich   im  Dreischlage   gehämmert  sind.     Ich   fürchte  daher,   daß   diejenigen, 
welche   erst  gewonnen  werden    sollen,   weil  sie   noch   draußen  stehn  sich  darüber 
beklagen   werden,  in  dem  dargebotenen  sich  nicht  zurecht  finden  zu  können,  und 
die  Systematik  zu  vermissen,  deren  karikirtes  Idol  sie  anbeten.     Aber  fieilich  wird 
auch  überhaupt  kaum  auf   die   ganz   draußen   Stehenden  zu  rechnen  sein;  Gewinn 
genug,  wenn  Einige,  die  sich  aus  eigenem  Triebe  in  den  Gang  jener  Untersuchungen 
soweit  hineinbegeben  haben,  daß  sie  sich  selbst  haben  Fragen  vorlegen  müssen,  auf 
welche  Ihre  Briefe  Antworten  lehren,  hierdurch  Kunde  erhalten,  durch  die  es  ihnen 
wenigstens   erleichtert  wird,    in   einem   Gebiet,    in  welchem    sie   nicht  mehr  ganz 
fremd    sind,   sich    weitre    Aufklärung    zu    verschaffen.    —   Das    andre  Schriftchen 
scheint  zwar  bestimmte  Fragen  und  Bedenken  vorauszusetzen,  denen  Sie  Befriedi- 
gung haben  gewähren  wollen,    scheint   mir   aber   auch    ohne    nähere  Kenntniß  von 
jenen,  ganz   verständlich   und   annehmbar  für  alle  diejenigen  zu  sein,  die  in  Ihrer 
Metaphysik  und  Psychologie  zu  Hause  sind.     Ich  für  meine  Person  habe  zwar  die 
dort  gegebenen  Anweisungen  zur  gehörigen  Subsumtion  der  psychologischen  Begriffe 
des  Vorstellens,  der  Vorstellungen  und  verschiedenen  Verhältnisse  gleichzeitig  vor- 
handener Maße   und   Reihen   von  Vorstellungen   unter  die   metaphysischen  Begriffe 
des  Geschehens  und  der  damit  zusammenhängenden  Zustände,  der   Störungen  und 
Selbsterhaltungen  und  deren  mannigfache  Verkettung  in  den  einfachen  Wesen  ||  über- 
haupt nicht  gerade  Vermißt,    vielmehr  in   Ihren  bisherigen    Schriften    Andeutungen 
genug  gefunden,  die  mich  auf  ähnliche  Gedankenreihen  geführt   haben,   als  ich  nun 


Juni  1836.  209 

in  Ihrem  gütigst  mitgetheilten  Schriftchen  vorfinde;  aber  in  jedem  Falle  gebührt 
es  sich  gewiß,  daß  das  implicite  in  der  Consequenz  des  Systems  Enthaltene  auch 
explicite  und  ausdrücklich  ausgesprochen  werde,  theils  um  der  Sache  selbst  willen, 
theils  um  dererwillen,  welche  daran  gehen,  sich  in  das  Sj'stem  zu  vertiefen;  und 
hienach  kann  Ihnen  auch  für  diese  Gabe  der  Dank  Ihrer  Schüler  nicht  entzogen 
werden.  Vielleicht  wird  Taute  schon  über  einige  Bedenklichkeiten,  die  uns  geraein- 
sam aufgestoßen  waren,  Ihnen  unsre  Bemerkungen  mitgetlieilt  haben,  namentlich 
über  die  Zusammenfaßung  der  Störung,  dui-ch  welche  die  Selbsterhaltung  bedingt 
ist,  mit  der  Störung  in  dem  gerade  vorhandenen  Zustande  einzelner  Vorstellungen, 
unter  einen  allgemeinen  Begriff,  wie  es  scheint,  sowie  über  die  wenigstens  theilweise 
Uebertragung  des  Begriffs  des  Absoluten  auf  das  Geschehen  (im  Gegensatz  mit  dem 
relativen)  indessen  könnte  für  den  Einsichtigen  freilich  nur  ein  Wortstreit  daraus 
entstehen,  dem  durch  möglichst  scharfe  Bestimmung  und  Unterscheidung  des  wirk- 
lich Verschiedenen  begegnet  werden  könnte. 

Nehmen  Sie  also  nochmahls  meinen  herzlichsten  und  ergebensten  Dank  für 
Ihre  neuen  Mittheilungen  entgegen,  und  schelten  Sie  nicht  zu  sehr  wenn  in  dem 
vorhergehenden  Gerede  sich  Manches  finden  sollte,  was  Ihnen  zeigt,  daß  ich  mit 
diesen  Dingen  nicht  eigentlich  ex  professo  beschäftigt  bin,  wenn  mir  auch  niemahls 
das  lebhafte  Interesse  für  jene  Untersuchungen  entschwinden  wird,  welche  mehr 
wie  irgend  etwas  sonst,  meinem  Denken  ein  bleibendes  Gepräge  aufgedrückt  haben. 
Ich  setze  noch  die  Bitte  hinzu,  auch  Ihrer  Frau  Gemahlin  mich  angelegentlichst  zu 
empfehlen.  Unter  Ihren  theologischen  Collegen  nimmt  vielleicht  Lücke  ^)  einen  freund- 
lichen Antheil  an  mir;  bei  vorkommender  Gelegenheit  bitte  ich  ergebenst,  ihm 
meine  Hochachtung  zu  erkennen  zu  geben.  Leben  Sie  wohl  und  behalten  Sie  in 
freundlichem  Andenken 

Ihren  mit  .steter  Verehrung  Ihnen  ergebeneu  Sieffert. 

559.    An  Drobisch. -) 

Mein  theurer  Freund!  Von  Ihrer  Logik  und  Hartensteins  Meta- 
physik, für  die  ich  Ihnen  beyden  herzlich  danke !  liegen  die  Anzeigen 
von  meiner  Hand  schon  bey  Heeren,  und  werden  wohl  nächstens  beyde 
gedruckt  erscheinen.  ^)  Sie  müssen  aber  von  mir  nicht  viel  erwarten.  Mein 
Kopf  ist  sehr  angegriffen,  denn  ich  habe  mich  zerarbeitet.  Für  meine 
praktische  Philosophie  war  ein  zweytes  Hülfsbuch  neben  dem  alten  höchst 
nöthig;  unter  dem  Titel:  analytische  Beleuchtung  des  Naturrechts  und 
der  INIoral  habe  ich  es  mit  solcher  Anstrengung,  am  I5ten  März  an- 
gefangen, daß  am  15  April  schon  mit  dem  Verleger  der  Druck  konnte 
verabredet  werden;  beynahe  die  Hälfte  ist  jetzt  schon  gedruckt;  und  im 
August  etwa  wird  es  vielleicht  schon  in  Ihren  Händen  seyn.  —  Hat  Ihr 
Brief  nach  Dresden  geholfen?  Ein  paar  Zeilen  von  Hartenstein  lauten 
nicht  erwünscht.  Er  wird  sich  durcharbeiten  müssen.  Ihr  Ministerium 
kann  viel  verderben;  um  den  jüngeren  Fichte  scheint  man  sich  beynahe 
zu  reißen;  ich  weiß  noch  einen  Ort  wo  man  ihn  gewünscht  hat. 

Von  Fries  hatte  ich  kürzlich  einen  persönlichen  Besuch.  Darauf 
würde  ich  großen  Werth  legen,  wenn  Fries  mich  dazu  berechtigt  hätte.  — 
Aber  obgleich  wir  freundlich  mit  einander  waren,  ich  zweifle  doch,  ob  er 

^)  Fr.  Lücke  (1791—1855). 

*)   I  S.    4".   —  Ohne  Datum.     Poststempel:  8.  6. 

ä)  S.  Bd.  XIII.     S.  28q  ff. 

Herbarts  Werke.    XVIII.  H 


2IO  Juni    1836. 

begreift,  wieviel  er  noch  jetzt  helfen  könnte,  wenn  er  sich  auch  nur 
einigermaaßen  in  der  Sache  eines  Bessern  besonne.  Jedenfalls  bitte  ich 
jetzt  um  sorgfältigste  Verhütung  aller  unnöthigen  Reizung;  daß  Sie  ihn  in 
Ihrer  Logik  vielfach  benutzt  haben,  ist  in  meiner  Anzeige  ausdrücklich 
gesagt.  Von  Berlin  erfahre  ich  schon  lange  nichts;  in  Königsberg  scheint 
man  gutes  Muths  zu  seyn.     Entschuldigen  Sie  die  Eile  dieser  Zeilen! 

Ganz  der  Ihrige     H. 

560.    Fries  an  Drobisch  über  H/)  Jena  den  14  Juny  1836. 

Euer  Wohlgeboren  freundliche  Gabe  hat  mich  recht  sehr  erfreut  und  noch 
mehr  die  anerkennende  Weise,  mit  der  Sie  mir  sie  reichen.  Ich  wünsche  mir  wohl, 
Sie  persönlich  kennen  zu  lernen  und  mich  einmal  über  unsre  Wissenschaften  mit 
Ihnen  zu  unterhalten.  In  der  Philosophie  aber  sind  wir  wohl  seit  Ihrer  verhängniß- 
vollen  Anzeige  von  Herbai'ts  Psychologie  geschiedene  Leute !  So  fest  ich  überzeugt 
bin,  daß  Herbart  mich  nicht  bekehren  wird,  so  wenig  meine  ich  auch,  daß  ich  Ihre 
Meinung  ändern  werde.  Spinoza's  alter  Spruch:  scio  me  veram  intelligere  philo- 
sophiam  spricht  wol  die  Meinung  eines  jeden  Philosophen  von  sich  selbst  aus.  Ich 
bin  seit  mehr  als  dreißig  Jahren  Schriftsteller,  ich  habe  nach  und  nach  in  meinen 
Schriften  manchen  mathematischen  Fehler  gefunden,  aber  noch  nie  hat  mir  jemand 
einen  philosophischen  Fehler  in  ihnen  gezeigt.  ||  Ich  denke,  so  wird  es  Ihnen  auch 
gehen.  Dies  führt  nun  das  schlimme  Princip  mit  sich:  wer  nicht  für  mich  ist,  der 
ist  wider  mich.  So  erkenne  ich  in  Ihrer  neuen  Schrift  vollkommen  wieder  den 
Scharfsinn  an,  den  Sie  stets  gezeigt  haben,  aber  in  der  Sache  selbst  komme  ich  mit 
Ihnen  nicht  aus  der  Stelle.  Sie  haben  sich  einmal  von  Herbart  fangen  lassen,  und 
wiewol  Sie  ihm  jetzt  in  einer  Hauptsache  beym  hypothetischen  Urtheil  widersprechen, 
bleibt  mir  dariun  doch  Ihre  ganze  Fassung  der  Aufgabe  der  Logik  zu  eng  und  für 
die  tiefern  philosophischen  Interessen  ungenügend;  Ihre  Bestimmung  von  Begriff 
und  Urtheil  finde  ich  in  der  Grundlage  falsch  und  den  wahren  Interessen  der  Wissen- 
schaft entgegen,  indem  Sie  sie  meiner  Ansicht  nach  fälschlich,  von  der  Erkenntnis- 
lehre losgerissen  haben.  Bey  alle  dem,  was  Sie  gegen  mich  sagen,  scheint  mir,  als 
ob  Sie  mich  nicht  verstanden  hätten. 

So  schlecht  stehe  ich  also  mit  Ihnen  und  noch  schlechter  mit  Herbart.  Den- 
noch gebe  ich  Ihnen  im  übrigen  Inhalt  Ihres  Briefes  sehr  recht.  Ich  habe  mich 
abgesehen  von  der  Methode  der  Beziehungen  an  Herbarts  allgemeiner  ||  praktischer 
Philosophie  sehr  gefreut  und  habe  es  ihm  längst  gesagt,  daß  ich  keinen  Vernichtungs- 
krieg mit  ihm  wolle,  sondern  einen  Streit  zur  Aussöhnung,  während  ich  dem  phan- 
tastischen Schelling  und  dem  hölzernen  Hegel  auf  Leben  und  Tod  entgegen  stehe. 
Auch  darin  sympathisire  ich  ganz  mit  Ihnen,  daß  ich  von  Philosophen,  die  keine 
Mathematik  verstehn,  nie  etwas  gescheutes  erwarte. 

Rebus  sie  stantibus  verlangen  Sie  nicht,  daß  ich  mich  öffentlich  mit  Ihnen 
streiten  solle  —  kämen  wir  aber  mündlich  zusammen,  so  möchte  ich  wohl  zusehen, 
wie  weit  wir  es  mit  einander  brächten.  Bringt  dazu  nicht  vielleicht  dieser  Herbst 
eine  Gelegenheit?  Doch  mag  dies  früher  oder  später  glücken  immer  bleibe  ich  mit 
aufrichtiger  Hochachtung  Ihr  ergebenster    J.  F.  Fries. 

*)  3  S.  4".  Dieser  Brief  liegt  unter  den  Briefen  Herbarts  an  Drobisch  auf 
der  Leipziger  Universitätsbibliothek. 


Juni    1836.  211 

561.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig  d.  15.  Juni  36. 

Ihr  werther  Brief,  verehrtester  Herr  und  Freund,  brachte  mir  nicht  nur 
Freuden,  sondern  auch  Beruhigung:  denn  ich  fürchtete,  Sie  wären  bedenklich  krank. 
"Wie  vortrefflich,  daß  Sie  nur  an  einer  Productionskrankheit  gelitten  haben ;  mögen 
Sie  Muße  ziu-  Erholung  finden!  —  Fries's  Besuch  war  mir  überraschend  und  ich 
legte  auf  die  Erscheinung  dieses  denn  doch  immer  höchst  achtbaren  Mannes  bei 
Ihnen  viel  Gewicht.  Es  schien  mir  ein  Schritt  zur  Annäherung  wenigstens  in  Bezug 
auf  gewisse  Tendenzen  im  Großen,  wenn  auch  nicht  im  Einzelnen.  Sie  warnten, 
F.  vielleicht  irgendwie  zu  reizen.  Dies  war  bei  mir  nicht  nöthig.  Ich  ergriff  mit 
Fi'euden  die  Gelegenheit,  für  solche  Annäherung  etwas  mitwirken  zu  können,  schrieb 
einen,  wie  ich  glaube,  artigen  Brief,  in  dem  ich  mehr  darauf  aufmerksam  zu  machen 
suchte,  was  uns,  dem  modernen  Spinozismus  zumal  gegenüber,  gemeinsam  seyn,  als 
was  uns  trennen  könnte,  und  überschickte  meine  Logik.  Heute  bereits  erhielt  ich  Ant- 
wort :  ich  lege  sie  bei.  Jetzt  wissen  Sie  deutlich,  daß  Sie  von  Fr.  nur  in  der  prakti- 
schen Philosophie  auf  Zustimmung  zu  rechnen  haben,  daß  er  aber  in  seinen  theoi'eti- 
schen  Ansichten  nicht  ein  Haarbreit  nachzugeben  gemeint  ist,  was  ich  mir  schon 
dachte.  Er  wül  auch  nicht  die  Arbeit  von  30  Jahren  zurücknehmen;  er  kann  viel- 
leicht auch  nicht.  Beneidenswerth  ist  er  in  seiner  Ueberzeugung,  daß  ihm  noch  nie 
ein  philos.  Fehler  nachgewiesen  worden  sey.  "Was  F.  will,  wenn  er  sagt,  daß  ich 
Ihnen  beim  hypothetischen  ürtheil  widersprochen  habe,  weiß  ich  nicht,  so  wenig 
wie  weswegen  er  meine  Receüsion  Ihrer  Psychologie  mit  dem  Prädicat  ,,verhänguis- 
voll''  beehrt.  Im  Ganzen  bin  ich  jedoch  mit  dem  freimüthigen,  offnen  Ton  des 
Briefes  sehr  wohl  zufrieden.  Mit  Männern  von  so  gerader  Gesinnung  weiß  man 
woran  man  ist.  In  der  Sache  aber  bleibt  es  dabei:  nur  von  der  heran-  und  nach- 
wachsenden Generation  ist  etwas  zu  erwarten.  Sie  haben  wol  die  Güte  mii-  diesen 
merkwürdigen  Brief  gelegentlich  zurückzusenden.  ||  Was  mein  Brief  an  Hr.  v.  L. 
gewirkt,  weiß  ich  noch  nicht:  doch  scheint  es,  er  habe  gut  gewirkt.  Hartenstein 
ist  an  Pfingsten  in  Dresden  sehr  freundlich  empfangen  worden  und  v.  L.  hat  offen 
die  hohe  Achtung  ausgesprochen,  die  er  für  Sie  hege,  zugleich  aber  geäußert:  er 
erwarte  für  Ihre  Philosophie  weit  mehr  von  Engländern  und  Franzosen  als  von  den 
Deutschen.  Noch  vor  Absendung  meines  Briefs  an  L.  und  ehe  Hartenstein  nach 
-Dresden  kam,  erhielt  ich  (wahrscheinlich  im  Auftrage  L.'s)  von  einem  der  geheimen 
Kirchenräthe  die  Aufforderung,  im  Vertrauen  meine  Ansicht  über  Ritter  und  Fichte 
mitzutheilen.  Ich  habe  dies  mit  Ausführlichkeit  und  Nachdruck  gethan:  denn  bei 
dieser  Form  und  nach  dieser  Aufforderung  konnte  ich  vollkommen  frei  sprechen. 
Mein  Brief  ist  Hr.  v.  L.  übergeben  worden.  Wie  ich  höre  ist  von  der  Benifung 
Fichtes  gegenwärtig  nicht  mehr  die  Rede.  —  Der  Tod  des  Königs  hat,  da  L.  jetzt 
in  3  Ministerien  zugleich  Stellverti-eter  ist,  auch  hierin  einen  Stillstand  hervor- 
gebracht. 

Eichstädt  in  Jena  hat  mir  Hartenstein's  Buch  zu  recensiren  aufgetragen.  Es 
kommt  mir  nicht  recht  bequem,  doch  muß  ich  es  jedenfalls  um  der  Sache  willen 
thun.     Es  wird  mir  aber  Mühe  machen. 

Wir  freuen  uns  hier  schon  auf  Ihre  nächste  Schrift.  Hartenstein  ist  höchst 
erfreut,  gerade  über  diesen  Gegenstand  noch  etwas  von  Ihrer  Feder  sich  aneignen 
zu  können.  Denn  daß  Ihre  praktische  Philosophie  eine  Nuß  ist,  und  zwar  eine 
sehr  dichte,  harte,  das  scheint  seine  innerste  ueberzeugung  zu  seyn. 

Mit  inniger  Verehrung  Ihr  ergebenster     Drobisch. 


')  2  S.   4».     H.  Wien. 

14* 


212  Juni   1836. 

562.     An   Drobisch.  ^)  (Ohne  Datum,  Poststempel  „Göttingen   17.  6.") 

Hier  mein  theurer  Freund,  empfangen  Sie  die  Einlage  2)  zurück,  mit 
vielem  Danke  für  die  Mittheilung.  Es  ist  wohl  schwer,  etwas  wirklich 
Passendes  darüber  zu  sagen.  Etwas  mehr  Gewalt  über  sich  selbst  schien 
der  Mann  persönlich  zu  zeigen;  und  ich  dächte,  er  hätte  wohl  Ursache 
gehabt,  zu  überlegen  was  er  schrieb.  Wenn  er  dennoch  sich  gehen  ließ, 
so  möchte  das  wohl  auf  ein  starkes  Bedürfniß  schließen  lassen,  sich  ein- 
mal auszuschütten;  und  gerade  Ihnen,  weil  er  Ihnen  zutraut,  daß  Sie  ihn 
verstehen  können.  Daher  denn  wohl  auch  die  Erwähnung  des  Herbstes 
am  Ende.  Was  denken  Sie  zu  thun?  Möglich  ist,  daß,  wenn  Sie  ihn 
reden  lassen,  er  am  Ersten  erfährt,  wieviel  Hoffnung  er  hat,  etwas  aus- 
zurichten. Möglich  ist  aber  auch,  daß  er  sich  bloß  ereifert,  ohne  den 
Eindruck,  den  er  macht  zu  beobachten,  dann  redet  er  sich  vollends  vest. 
Im  ersten  Falle  wäre  etwas  gewonnen;  im  zweyten  wahrscheinlich  sehr 
wenig  verloren.  Soviel  schließe  ich  aus  Ihren  Aeußerungen,  daß  Sie  jetzt 
wohl  nicht  der  Erste  seyn  werden,  der  eine  neue  Annäherung  versucht. 
—  Möglich  ist  auch,  daß  er  mich  durch  Sie  wissen  lassen  will,  ich  solle 
mich  seines  Besuchs  nicht  rühmen.  Steht  es  so,  dann  ist  Alles  wohl 
überlegt  worden,  und  es  paßt  eins  zum  andern.  Es  ist  aber  nicht  nöthig, 
daß  Sie  Sich  auf  eine  solche  Auslegung  einlassen.  Vielleicht  wird  die 
Lage  der  Sachen  bald  heller;  besonders  wenn  Sie  das  Buch  von  Harten- 
stein recensiren.  Warum  aber  glauben  Sie,  diese  Rec.  könne  Ihnen  Mühe 
machen?  Diese  Stelle  Ihres  Briefes  macht  mich  aufmerksam;  und  ich 
frage  mich,  ob  meine,  sehr  unbefangen  hingeschriebenen  Anzeigen  Ihrer 
Logik  und  der  Metaph.  von  H.  wohl  etwas  Unpassendes  enthalten 
könnten?  Sollten  Sie  das  finden,  so  bitte  ich  es  mir  ganz  offen  zu 
schreiben;  für  jetzt  kann  ich  nicht  ausfinden,  daß  etwas  zu  verhüten  ge- 
wesen wäre.  Dann  kann  Ihnen  aber  jene  Recension  keine  Mühe 
machen.  || 

Von  meiner  neuesten  —  und  wahrscheinlich  letzten  Schrift  wird  es 
nicht  heißen:  finis  coronat  opus.  Genug,  wenn  Hartenstein  Stoff  und 
Anlaß  findet,  bald  etwas  Aehnliches  besser  zu  liefern.  Geschehen  mußte 
etwas,  das  foderten  schon  meine  Vorlesungen,  zu  denen  die  alte  prakt. 
Thilos,  nicht  Vorrath  genug  lieferte.  Hier  in  G.  muß  man  immer  an 
Masse  und  Mannigfaltigkeit  denken;  auch  so  noch  hält  sich  das  Anfangs 
sehr  zahlreiche  Auditorium  nicht  gut  zusammen ;  obgleich  ich  denke, 
mündlich  meine  Schuldigkeit  gethan  zu  haben  wie  vormals.  Es  hält  gar 
schwer,  Juristen  und  Theologen  unter  Einen  Hut  zu  bringen.  —  Sehr 
angenehm  war  mir,  was  Sie  von  Hm  von  L  schrieben.  Aber  —  steckt 
auch  wohl  Satyre  in  der  Aeußerung  über  Frankr.  und   England? 

Von  Bobrik,  von  Griepenkerln  sogar  habe  ich  lange  Nichts.  Hören 
Sie  etwas  von  Strümpelln?  Wenden  Sie  nur  bald  wieder  ein  paar  Augen- 
blicke an  mich ! 

Von  Herzen  der  Ihrige!     H. 

')  2  S.    4".     • 

*)  Den  Brief  von  Fries,  s.  o.  Nr.  560. 


Juni   1836.  213 

563.    An  Fr.  D.  Sanio  in  Königsberg. ')  Göttingen,  26.  Juni  1836. 

Ihr  gütiger  Brief  war  mir  sehr  schätzbar  als  ein  Zeichen  Ihres  An- 
denkens; er  war  es  nicht  minder  durch  seinen  Inhalt,  und  besonders 
durch  den  Schluß,  der  mir  künftige  Briefe  von  Ihnen  verspricht.  Mögen 
Sie  nur  dies  Versprechen  nicht  vergessen!  Sie  werden  bald  Anlaß  finden, 
es  zu  erfüllen,  denn  meine  analytische  Beleuchtung  des  Naturrechts  und 
der  Moral  ist  unter  der  Presse,  und  kann  bald  in  Ihren  Händen  sein. 
Dann  werden  Sie  bemerken,  wie  sehr  ich  mit  Ihnen  übereinstimme  in 
Ihrer  Behauptimg,  man  müsse  zeigen,  wie  jedes  Rechtsinstitut  in  das 
Ganze  des  gesellschaftlichen  Zustandes  eingreife.  Geben  Sie  uns  nur  bald 
auch  Proben  davon!  Es  ist  nicht  einerlei,  wie  bald  Sie  es  thun.  Wenn 
Sie  das  beachtet  haben,  was  Drobisch  früher  schrieb,  so  wird  Ihnen  seine 
jetzige  Leistung  in  der  Logik  auch  nicht  entgehn,  und  noch  weniger  dies, 
daß  Er  auf  Hartenstein  gewirkt  hat,  dessen  Metaphysik  mit  nicht  ge- 
ringem Talent  meine  Arbeiten  in  eine  bequemere  Zusammenstellung  bringt 
und  manche  bedeutende  Nebenbemerkung  enthält,  welche  zeigt,  daß  er 
den  Gegnern  gewachsen  ist.  Aber  —  diese  Männer  wundern  sich,  wie 
ich  so  wenig  von  Königsberg  aus  sei  unterstützt  worden,  und,  wenn  ich 
nicht  irre,  haben  sie  Ursache  dazu.  Ein  akademischer  Lehrer  hat  noth- 
wendig  das  Vorurtheil  gegen  sich,  wenn  an  dem  Orte,  und  von  dem 
Orte,  wo  er  lange  Jahre  hindurch  gesprochen  hat,  keine  Spur  seines  Thuns 
zum  Vorschein  kommt;  und  es  ist  nicht  zu  leugnen,  daß  Königsberg  mir 
stillschweigena  ein  schlechtes  öffentliches  Zeugniß  ausstellt,  welches  doch, 
wie  ich  aus  Ihrem  Briefe  mit  Vergnügen  sehe,  wenigstens  Ihre  Absicht 
nicht  gewesen  ist.  Was  Gegenwirkungen  anlangt,  so  sind  deren  an  jedem 
Orte  zu  überwinden,  und  wenn  wir  gerecht  sein  wollen,  können  wir  die 
preußische  Regierung  nicht  anklagen,  daß  sie  Schwierigkeiten  in  den  Weg 
gelegt  hätte,  die  sich  nicht  recht  füglich  überwinden  ließen.  Was  jetzt  in 
Leipzig  geschieht,  bedarf  Unterstützung,  oder  es  kann  bald  genug  stocken, 
und  kommt  es  dahin,  so  wird  es  zehnfach  schwerer  sein,  die  frühere  Be- 
wegung zu  erneuern,  als  es  jetzt  ist,  sie  fortdauern  zu  machen. 

Ganz  abgesehen  hiervon  hat  das  achtungswerthe  gelehrte  Publicum 
Königberg's  dringende  Veranlassung,  sich  vor  ganz  Deutschland  in  einer 
würdigen  Gestalt  zu  zeigen.  Denn  was  sollen  Diejenigen  denken,  die  nicht 
so  gut  wie  ich  wissen,  wie  vielerlei  sich  dort  neben  einander  mit  wunder- 
samer Behutsamkeit  bewegen  kann,  ohne  sich  zu  stoßen?  Das  hat  man 
allgemein  vernommen,  daß  die  Geburtsstadt  Kant's  zum  Sitze  der  an- 
stößigsten Schwärmerei-)  geworden  ist;  man  weiß  überdies,  daß  nicht  bloß 
die   niedere  Klasse   der  Sitz   eines   tmbegreiflichen  Taumels   geblieben   ist. 

^)  Bereits  veröftentlicht  durch  Zimmermann  in  den  Berichten  der  Kais.  Akad.  d. 
Wissensch.  zu  Wien,  phil.  hist.  Cl.,  1871.  69  b.  S.  233  ff.  u.  bei  Zimmermann  a.  a.  O. 
S.  104  fi.  —  Sanio  war  Prof.  der  Rechte  in  Königsberg. 

^)  Es  handelt  sich  um  die  als  „Königsberger  Mucker"  bekannte  Sekte,  eine 
pietistische  Veibrüdertmg,  an  der  sich  u.  a.  der  höchste  Adel  beteiligte.  Gerüchte  über 
geheime,  unter  dem  Deckmantel  der  Andacht  begangene  Ausschweifungen  führten  1835 
zu  einem  Prozeß.  Vgl.  P.  Konschel,  Der  Königsberger  Religionsprozeß  (Muckerprozeß), 
Königsb.  1909.  —  Die  obige  Stelle  verdient  deshalb  beachtet  zu  werden,  „weU  sie 
von  Herbarts,  den  manche  seiner  Gegner  orthodoxer  Sympathien  verdächtigten,  imge- 
heuchelter  Verachtung  des  Muckertums  Zeugnis  gibt.'' 


214  Juli   1836. 

Bei  dieser  Gelegenheit  frage  ich  mich  nun  nicht,  was  aus  meiner  Wirk- 
samkeit geworden  sei,  denn  diese  zu  überschätzen  —  dagegen  bin  ich 
wohl  genug  gewarnt;  aber  ich  frage,  was  für  Früchte  die  gelehrten  An- 
strengungen der  Schulen  seit  18 12  getragen  haben,  die  so  tief  in  das 
ganze  Publicum  der  Stadt  und  der  ganzen  Umgegend  einzugreifen  schienen? 
Sollte  es  wohl  auch  darin  am  Ueberlegen  und  Darstellen  der  Beziehungen 
gemangelt  haben,    die   Sie  sogar   in  der  positiven  Jurisprudenz   vermissen? 

—  Wie  lange  wird  ein  gelehrtes  Studium  noch  fortdauern,  das  sich  um 
seine  Beziehungen  nicht  bekümmert?  —  Und  hier  frage  ich  mich  endlich: 
wo  ist  der  Gewinn  meiner  Bemühungen  um  Pädagogik,  um  Lehrkunst? 
Das  ist  der  hoffnungslose  Theil  meiner  früheren  Arbeit,  den  man  in 
Leipzig  nicht  wieder  aus  dem  Schutte  aufgraben  kann.  Diese  Ruinen 
liegen  in  Königsberg. 

Sie  lesen  hier  Betrachtungen  eines  sechszigjährigen  Mannes,  der  einige 
Mühe  hat,  von  seinen  früheren  Sorgen  zu  scheiden,  der  es  aber  doch  nicht 
bereut,  solche  Sorgen  gehabt  zu  haben,  die  freilich  von  den  gewöhnlichen 
Lebensverhältnissen  ablenken.  Wer  etwas  wagt,  muß  sich  gefallen  lassen. 
Einiges  zu  verlieren.  Wer  nichts  wagt,  hat  es  sich  am  Ende  zuzuschreiben, 
wenn  ihm  nichts  bleibt,  als  die  Erinnerung  an  ein  verlebtes  Leben. 

Alles  dies  wollen  wir  bei  Seite  setzen,  sobald  es  Ihnen  gefällt.  Sich 
mir  über  die  jetzigen  Angelegenheiten  der  Rechtsphilosophie  weiter  mit- 
zutheilen.  Vermuthlich  wird  Hugo  Grotius  ^)  dabei  zur  Sprache  kommen, 
den  Sie  in  meiner  neuen  Schrift  dem  Spinoza  gegenüber  erblicken  werden; 

—  nicht  aber  blos  diesem,  sondern  auch  dem  neueren  Naturrechte 
gegenüber,  welches  eine  andere  Gestalt  würde  erlangt  haben,  wenn  man 
im  guten  Geiste  des  Grotius  fortgearbeitet  hätte.  Mir  ist  bei  einigen 
freilich  unvollständigen  Vergleichungen  dessen,  was  er  selbst  sagt,  mit  den 
Relationen  dessen,  was  Andere  von  ihm  angaben,  ein  Verdacht  aufgestiegen, 
als  hätte  man  nur  seine  prolegomena  gelesen,  und  die  dortige  Anknüpfung 
an  einige  bekannte  Stellen  des  Cicero  für  seine  wahre  Grundlegung  ge- 
halten. Jedenfalls  hätten  Kant  und  Schleiermacher  den  Grotius  lesen 
sollen;  von  Fichte  will  ich  nicht  sprechen,  dessen  Talent  bekanntlich  nicht 
das  war,  recht  zu  lesen,  was  Andere  geschrieben  hatten.  Nicht  Er,  aber 
wohl  -Jene  hätten  von  Grotius  lernen  können.  Am  lesbarsten  für  mich 
war  freilich  das  Capitel  de  poenis,  worin  ich  fand,  daß  mein  Capitel  vom 
Lohnsystem  nur  wiederholt,  was  ein  Anderer  und  Größerer  schon  gesagt 
hatte.  Herbart. 

564.    Hartenstein  an  H.^)  Leipzig  d.  3.  Juli  1836 

Hochwohlgeborner  Herr,  Eochzuverehrender  Herr  Hofratk!  Obgleich  es  mir 
noch  nicht  möglieh  gewesen  ist,  die  vor  einigen  Tagen  mir  richtig  zugekommenen 
Aushängebogen  Ihrer  [neuesten  Druckschrift  durch  wiederholtes  Lesen  vollkommen 
zu  durchdringen,  so  will  ich  doch  den  Dank  für  die  ganz  besondere  Güte,  mit 
welcher  Sie  mir  dieselben  haben  mittheilen  wollen,  nicht  länger  aufschieben.  Den 
Inhalt  derselben  schon  jetzt  benutzen  zu  können  ist  mir  besonders  wichtig,  weil  ich 
gerade  in  diesem  Semester  Sittenlehre   und  Geschichte   der  practischen  Philosophie 


^)  Die  Rechtsphilosophie  des  Grotius  hat  1850  Hartenstein  dargestellt. 
*)  3'/^  S,    40.    H.  Wien. 


Juli   1836^ 215 

lese;  und  ich  würde  daher,  falls  Ihnen  selbst  die  Aushängebogen  nicht  unentbehr- 
lich sind,  mir  die  Bitte  erlauben,  sie  behalten  zu  dürfen;  im  Gegenfalle  darf  ich 
wohl  von  Ihnen  auf  eine  kurze  Notiz  hoffen,  um  sie  Ihnen  dann  umgehend  zurück- 
zusenden. 

Die  analytischen  Betrachtungen,  mit  welchen  sich  dieses  Werk  beschäftigt, 
scheinen  mir  den  synthetischen  Untersuchungen  der  allgemeinen,  praktischen  Philo- 
sophie auf  eine  zweckmäßige,  für  die  Meisten  höchst  nothwendige  Weise  ergänzend 
entgegenzukommen.  Das  Verständiiiß  muß  dadurch  gefördert,  der  Blick  eben  so 
auf  die  Systeme,  als  auf  die  Verhältnisse  des  Lebens  geschärft,  beweglich  gemacht 
und  erweitert  werden.  Auf  Zusätze  und  Bemerkungen  von  meiner  Seite  haben  Sie 
wohl  selbst  nicht  im  Ernste  ||-  gerechnet  und  ich  darf  Ihrer  Erlaubniß  gewiß  seyn, 
auch  dieses  Buch  vorläufig  nur  zum  Gegenstande  meines  Studiums,  nicht  meiner 
Kritik  machen  zu  dürfen. 

Mir  selbst  liegt  allerdings  die  Ausbildung  der  practischen  Philosophie  am  Herzen. 
Dennoch  sehe  ich,  daß  ich,  um  auf  diesem  Gebiete  etwas  Ganzes  und  Ausgearbeitetes 
zu  liefern,  vor  allem  Zeit  brauche.  Nebenbei  auch  innere  Ruhe,  die  wiederum 
größtentheils  von  der  Gunst  der  Verhältnisse  abhängen  wird.  Ich  hahe  daher  nicht 
die  Absicht,  unmittelbar  auf  die  Metaphysik  ein  anderes  Buch  folgen  zu  lassen;  es 
könnte  das  für  den  Augenblick  entweder  nur  ein  abgerissenes  Stück  oder  etwas 
ganz  Polemisches  seyn  und  Polemik  will  ich  jetzt  vermeiden,  jwenn  auch  nur  des- 
halb, weil  für  mich  keine  besondere  Veranlaßung  vorliegt  und  sie  von  meiner  Seite 
kein  besonderes  Gewicht  haben  würde.  Hahe  ich  in  der  Vorrede  zur  Methaphysik 
Veranlaßung  zum  Streite  gegeben  und  ergreift  man  sie,  um  mich  oder  die  Sache 
zu  verdächtigen,  dann  würde  ich  die  Aufforderung  zur  Vertheidigung  zu  Entwick- 
lungen über  den  Stand  der  Dinge  benutzen ;  außerdem  würde  es  mir  für  die  nächste 
Folgezeit  lieber  sein,  im  Stillen  sammeln  zu  können,  als  öffentlich  zu  sprechen. 

Dennoch  kann  ich  den  Wunsch   nicht  unterdrücken,   daß  Sie   selbst  in  Ihrem 
Werke   die  kritische  Analyse  nicht  blos  bis  zu  Fichte  gefiüu-t,  sondern  namentlich 
auch  auf  Hegel  und  ebenfalls  auch  auf  die  Molhnina  des  neuesten  Schellingianismus 
ausgedehnt  haben  möchten.  Der  Grund  liegt  darin,  daß  unser  Zeitalter  sich  eben  durch 
den  Einfluß  Hegels,  der  mit  der  Gleichgültigkeit  gegen  die  Selbständigkeit  der  |1  Ethik 
-  in  auffallender  Wechselwirkung  steht,  überredet  hat,  über  alle  die  Systeme,  welche 
Sie  kritisch  zeriegen,  vollkommen  hinaus  zu  seyn.    Wer  nicht  sämtliche  Philosophen 
von  Plato  bis  Fichte  widerlegt,  dem  glaubt  man  heute  zu  Tage  nicht,  tiaß  er  etwas 
Neues  sage;   und  bei   der  Autorität  Ihres  Namens  würde   es   gerade  jetzt  von  der 
äußersten   Wichtigkeit   seyn,  wenn  Sie  gerade   in  den  Mittelpunct  derjenigen   A^n- 
sichten   dringen   wollten,    welche    die   Meinungen    des   Zeitalters   beherrschen.      Ein 
Wort  von  Ihnen  hat  mehr  Gewicht,   als  eines  von  mir  oder  irgend  einem  Andern 
Ihrer  Anhänger;  und  nichts   würde  mich  mehr  freuen,   als  wenn  ich  in  einem  An- 
hange zu  Ihrem  Werke  eine  Analyse  von  Hegels  Rechtsphilosophie,  in  welcher  noch 
obendrein  Ethik  und  Naturrecht  wieder  eins  geworden  sind,  fände.    Herr  Prof.  Dro- 
bisch  ist  hierüber  derselben  Meinung,  wie  ich;   ohnedieß   lassen  sich  Stimmen  ver- 
nehmen, welche  nicht  ohne  Seitenblicke  vom  „Ignoriren,  wenn  ein  Höherer  kommt^' 
sprechen  und  wenn  ich  Ihnen  mit  Citaten  beschwerlich  fallen  dürfte,  so  würde  ich 
mir  eriauben,  Sie  auf  eine  Recension  aufmerksam  zu  machen,   die  in  dem  Berliner 
Jahrbb.  Mai  No.  81—84  über  Fichte's  nachgelassene  Werke  erschienen  ist. 

Für  die  Güte,  mit  welcher  Sie  mein  Buch  in  den  Göttinger  Anzeigen  einer 
Erwähnung  gewürdigt  haben,  sage  ich  Ihnen  noch  meinen  besonderen  und  auf- 
richtigen Dank.  Könnten  freilich  die  Hindernisse,  die  dem  Abdrucke  im  Wege 
stehen,  weggeräumt  werden,  so  ^vürde  mir  das  sehr  erwünscht  seyn. 


2i6  1^36^ 

über  die  Besetzung  der  hiesigen  Vacanzen  verlautet  noch  gar  nichts.  Der 
doppelte  Ministerwechsel  und  andere  Umstände  mögen  dabei  zusammenwirken.  || 

Herr  Professor  Drobisch  hat  mir  viele  Empfehlungen  au  Sie  aufgetragen;  ich 
selbst  empfehle  mich  der  Fortdauer  Ihrer  Wohlgewogenheit  und  verharre  mit  der 
innigsten  Hochachtung  Ew.  Hochwohlgeboren  ergebenster    Hartenstein. 

565.    An  Drobisch.  1)  0^°^  Datum.  *) 

Mein  theurer  Freund!  Heute  bekomme  ich  einen  Brief  von  Harten- 
stein, der  mir  sagt,  auch  Sie  wünschten  von  meiner  neuen  Schrift  eine 
Analyse  des  Hegeischen  Naturrechts.  Das  kann  nun  zwar  nicht  seyn, 
—  aber  ich  vermuthe  daraus,  daß  Sie  von  den  an  Hartenstein  gesendeten 
Bogen  Kenntnis  genommen  haben.  Hierum  Sie  zu  bitten,  wollte  ich 
nicht  wagen,  weil  ich  glaubte,  Sie  seyen  jetzt  anders  beschäftigt.  Haben 
Sie  Sich  aber  schon  die  Mühe  genommen,  meine  Blätter  zu  durchlaufen, 
so  ist  jede  Bemerkung  die  Sie  mir  darüber  mittheilen  möchten,  will- 
kommen; —  besonders  in  den  nächsten  14  Tagen,  denn  so  lange  kann 
es  wohl  dauern,  daß  ich  Zeit  behalte,  am  Schlüsse  etwas  beyzufügen. 
Hartenstein  hat,  wenn  ich  nicht  irre,  mit  einiger  Zurückhaltung  geschrieben, 
die  bey  mir  gar  nicht  nöthig  war.  Daß  er  aber  der  heutigen  Gleich- 
gültigkeit gegen  die  Selbständigkeit  der  Ethik  erwähnt,  ist  doch  eine 
Erinnerung,  die  ich  vielleicht  benutzen  werde,  und  so  wird  auch  eine 
Zeile  von  Ihnen  mich  zu  einer  Überlegung  veranlassen  können.  Nur 
verweisen  Sie  mich  nicht  ||  auf  die  Berliner  Jahrbücher,  noch  auf  die 
Hegeley;  denn  diese  ignorire  ich  wirklich,  ohne  mich  dessen  zu  rühmen. 
Mein  Alter  dispensirt  mich,  und  für  meine  Person  bin  ich  außer  dem  Be- 
reiche dieses  Unwesens.  Es  fällt  mir  nicht  ein,  zu  herrschen;  und  Jeder 
Andre  mag  meinethalben  lehren  was  er  will;  nur  meiner  Arbeit  wünsche 
ich  so  viel  Kraft  zu  geben,  daß  sie  bestehen  könne.  Sollte  daran  etwas 
auffallend  Schwaches  zu  bemerken  seyn,  so  wünsche  ich  das  zu  wissen, 
weil  dann  vielleicht  noch  durch  Schluß  oder  Anfang  oder  Vorrede  zu 
helfen  wäre. 

Mir  geht  es  diesen  Sommer  nicht  besonders  gut.  Meine  Auditorien 
halten  sich  nicht  so  gut  wie  sonst.  Allein  ich  mache  mir  jetzt  so  wenig 
Sorgen  als  möglich,  denn  es  ist  nun  endlich  Zeit  daß  ich  mich  erhohle. 
Was  ich  für  die  Wissenschaft  thun  wollte  und  konnte,  ist  gethan;  Andre 
haben  das  Weitere  zu  verantworten.  Das  Alter  muß  der  Jugend 
weichen. 

Nachrichten  fehlen  mir  von  allen  Seiten;  außer  daß  Rosenkranz 
schon  darauf  gedacht  hat,  Königsberg  zu  verlassen:  dies  weiß  ich  von 
einem  ganz  Unbefangenen.  Von  Berlin  höre  ich  nichts.  Von  Strümpelln 
nichts,  seit  er  in  Rußland  ist.  —  Meine  Anzeige  von  Hartensteins  Metaph. 
ist  jetzt  gedruckt;  die  von  Ihrer  Logik  war  zugleich  mit  jener  abgeliefert, 
und  wird  also  wohl  auch  bald  zum  Vorschein  kommen.  Schenken  Sie 
mir  bald  ein  Blättchen,  wenn  auch  noch  so  flüchtig  geschrieben. 

Unverändert  der  Ihrige     H. 


')  2  S.    4". 

-)  Poststempel  9.  7. 


Juli    1836.  217 

506.    Drobisch  an   H.')  Leipzig,  17.  Juli  36. 

Hochverehrter,  würdiger  Freund!  Sie  erhalten  hier  die  erste  kleine  un- 
bedeutende Probe  von  den  Exercitien,  die  ich  im  Laufe  dieses  Jahres  zu  Tage  zu 
fördern  gedenke.  Es  werden  etwa  4  Programme  von  10  bis  12  Bogen  werden,  von 
denen  ich  für  den  Buchhandel  250  Seperatibdrücke  mit  fortlaufender  pagina  ab- 
ziehen lasse.  "Wollen  Sie,  wenn  sie  zusammen  vorliegen,  ein  paar  Worte  darüber 
in  den  Gott.  Anz.  sagen,  soll  es  mir  lieh  seyn;  diese  dürftige  Kleinigkeit,  die  ich 
Ihnen  heute  sende,  werden  Sie  aber  hoffentlich  mit  Stillschweigen  übergehen.  Sie 
werden  wieder  einmal  sehen,  was  Ihnen  auch  in  der  Logik  nicht  entgangen  seyn 
kann  —  von  der  die  Anzeige  mir  zur  Zeit  so  wenig  als  von  Hartenstein's  Meta- 
physik zu  Gesicht  gekommen  ist  — ,  daß  ich  ein  bloßer  elementarer  Geist  bin,  der 
nur-  allzuleicht  an  blos  logischen  Vervollkommnungen  hängen  bleibt,  oder  zum  aller- 
wenigsten nicht  eher  einen  kleinen  Schritt  vorwärts  zu  gehen  vermag,  bis  er  hinter 
sich  nach  seiner  Meinung  alles  ins  Reine  gebracht  hat.  Da  Sie  mich  nun  aber 
wieder  mit  psychologischen  Rechnungen  beschäftigt  sehen,  so  werden  Sie  mir  wol 
erlauben,  nächstens  die  Erörterungen  über  die  unvollkommenen  Complicationen 
wieder  aufzunehmen,  die  im  nächsten  Programm  (Advent)  an  die  Reihe  kommen 
können,  wenn  wir  zu  einem  Resultate- gelangen.  Für  die  nächsten  2  Wochen  werde 
ich  wol  noch  nicht  daran  können,  da  ich  eine  ßrunnencur  brauche  und  mir  mög- 
lichste L'nthätigkeit  empfohlen  ist.  Ohnedies  fehlt  es  an  zersti'euenden  amtlichen 
Geschäften  nicht,  durch  die  mir  die  Zeit  zerspüttert  wird.  Ueberdies  bemerke  ich 
mit  Schrecken,  daß  ich  in  Gefahr  bin,  in  der  Mathematik  ganz  zurückzubleiben  und 
einmal  werde  wieder  Supplementarstudien  machen  müssen.  Es  ist  doch  zwischen 
zwei  Stühlen  ein  schlechter  Sitz!  —  —  Schwer  ist  mir  nun  auch  Hartenstein's 
Metaphysik  geworden,  nämlich  die  Anzeige  davon  für  die  Jen.  Ztg.  Ich  glaube  fast 
ich  habe  mich  im  vergangenen  Winter  mit  Metaphysik  übernommen,  was  freilich 
an  meiner  schwachen  geistigen  Yerdauungskraft  und  körperlichen  Reizbarkeit  liegen 
mag.  Ich  sehne  mich  jetzt,  zur  Abwechslung  nach  einiger  empirischer  Breite,  und 
hoffe  künftigen  Winter  in  der  Psychologie  angemessene  Nahrung  zu  finden.  Wa.s 
ich  habe  über  Hartenstein's  Buch  sagen  können  wird  diesem,  seinem  Verfasser  und 
der  Sache  selbst,  wie  ich  hoffe,  von  Vortheil  seyn.  Aufs  Einzelne  einzugehen  schien 
.mir  weder  zw^eckmäßig  noch  klug.  Ich  wünsche  Ihnen  Glück  dazu,  daß  ||  Ihnen 
Jemand  einen  solchen  Dienst  erwiesen  hat.  Denn  Ihrer  Lehre  wird  dies  Buch  sehr 
vortheilhaft  seyn,  der  äußeren  Stellung  seines  Yfs  vielleicht  auch,  seinem  philo- 
sophischen Ruhme  aber  weniger.  Denn  unter  uns  gesagt,  es  reproducirt  denn  doch 
mit  etwas  zu  wenig  Selbständigkeit.  H.  hat  die  Stelle  Ihres  Wolff  übernommen,, 
was  Sie  sich  wohl  gefallen  lassen  können.  Er  hätte  aber  seine  Kenntniß  der  Philos., 
wenn  diese  so  groß  ist,  wie  ich  immer  gedacht  habe,  besser  benutzen  sollen,  um 
sich  und  den  Werth  Ihres  Systems  zu  zeigen.  Es  sollen  von  Heidelberg  aus  hier 
Erkundigungen  über  ihn  eingezogen  worden  seyn.  Erhält  er  einen  Ruf,  so  ist  sein 
Glück  hier  gemacht.  Dann  mag  ihn  der  Himmel  vor  Uebermuth  behüten.  Die  ihn 
persönlich  kennen  haben  ein  Recht,  dies  zu  wünschen.  —  Was  nun  seine  Äußerung 
über  Ihre  Schrift  betrifft,  so  verhält  es  sich  damit,  in  der  größten  Ehrlichkeit  ge- 
sprochen, so:  die  Ihnen  mitgetheilten  Bemerkungen  sind  nur  bei  H.  aus  Autopsie 
hervorgegangen;  er  hat  mir  sie  mitgetheilt,  und  ich' habe  es  im  Allgemeinen  bejaht, 
daß  ein  von  Ihnen  über  Schelling  und  Hegel  ausgesprochenes  Urtheil  von  weit 
größerem  Gewicht  seyn  müßte  als  wenn  ein  Jünger  Ihrer  Schule  dies  übernähme. 
Erst  seit  Ihrem  letzten  Brief  habe  ich  mir  die  Bogen   Ihrer  Schrift  Igeben  lassen, 

1)  2  S.    4».     H.  Wien. 


2lS Juli   1836. 

aber  nur  äußerst  flüchtig  darin  geblättert.  Bei  näherer  Ueberleguug  kann  ich  doch 
Ihre  Art  nur  billigen.  Sie  ignoriren  mit  gleichem  Rechte  Schelling  und  Hegel  wie 
Sie  von  jenen  ignorirt  werden.  Sie  würden  Sicli  durch  scharfe  Kritik  von  Hegels 
Naturrecht  eine  Menge  junges,  zum  Theil  sehr  gemeines  Volk  auf  den  Hals  hetzen, 
mit  dem  sich  herumzuschlagen  unter  Ihrer  Würde  wäre.  *)  H.  und  andre  mögen 
nun  auch  einmal  polemisiren,  ohne  ihre  Fechterposition  unmittelbar  in  Ihren  Fuß- 
tapfen  zu  nehmen.  Treiben  Sie  also  H.  immer  zur  Fortsetzung  an;  ich  habe  in 
meiner  Anzeige  auch  darauf  hingedeutet,  was  ihm  zunächst  zu  thun  Pflicht  sey. 
Irre  ich  nicht,  so  hat  H.  etwas  Vollständigeres  und  Bequemeres  erwartet,  wie  auch 
schon  bei  den  Briefen  über  die  Willensfreiheit,  wo  er  sich  auch  erst  meinem  Ur- 
theil  conformirte.  Schwäche  hat  er  in  keiner  von  beiden  Schriften  bemerken  wollen, 
sondern  eher  einen  allzuherzhaften  Ton,  der  Ihnen  jedoch  beim  Abschluß  Ihres 
Hauptzwecks  (möge  es  noch  lange  hinaus  an  Nebenzwecken  nicht  mangeln)  ganz 
wohl  steht. 

Von  Strümpelln  theile  ich  Ihnen  den  beiliegenden  Brief  mit  (den  Sie  mir  wol 
gelegentlich  zurücksenden).  Beantwortet  habe  ich  ihn  noch  nicht.  Er  bleibt  sich 
gleich.  Schade,  daß  der  jetzt  nicht  in  Heidelberg  ist!  Er  bleibt  der  beste  Kopf 
unter  Ihren  bisherigen  Schülern,  und  wie  oft  man  auch  an  seiner  Gesinnung  zweifel- 
haft werden  mag,  die  Philosophie  ist  ihm  tiefer  ins  Fleisch  gewachsen  als  manchem 
Andern ! 

V.  Lindenau  hat  das  Ministerium  des  Cultus  an  v.  Carlowitz  übergeben,  aber 
mir  brieflich  angezeigt,  daß  mein  Brief,  in  dem  ich  meine  Ansichten  über  den 
Stand  der  heutigen  Philosophie  und  die  erforderlichen  Eigenschaften  eines  Lehrers 
ders.  entwickelt,  von  ihm  seinem  Nachfolger  übergeben  sey,  „da  er  die  darin  ent- 
haltenen Fingerzeige  berücksichtigt  wünsche".  Bene  speremus,  bominum  enim 
vestigia  vides. 

Empfehlen  Sie  mich  und  meine  Frau  Ihrer  verehrten  Frau  Gemahlin  und 
erhalten  Sie  mir  Ihre  überaus  schätzbare  Freundschaft 

Drobisch. 

N.  S.  Was  Fries  betrifft,  so  glaube  ich,  daß  sein  Brief  ehrhch  gemeint  ist, 
aber  es  zieht  mich  nicht  sonderlich  ihn  zu  sprechen.  Wir  werden  nicht  weit  mit 
einander  kommen  und  ich  fühle  mich  durch  die  Pietät  gegen  einen  älteren  Mann 
obendrein  gehemmt.  Philosophische  Differenzen  gehen  nun  einmal  leicht  ins  Blut; 
es  will  dabei  keine  rechte  Freundschaft  gedeihen,  das  Gewirr  der  Naturforscher 
wird  mich  aber  auch  nicht  erbauen ;  ich  muß  mich  fremd  unter  ihnen  fühlen.  Wir 
sind  auf  die  Einsamkeit  und  die  Gesellschaft  unsrer  Schüler  angewiesen.  Dr. 

Von  dem  Programm  stehen  Ihnen,  wenn  Sie  begehren,  mehrere  Exemplare 
durch  Buchhändlergelegenheit  zu  Diensten. 

567.     An   Drobisch.  1)  Ohne  Datum. 

Mit  größtem  Danke,  mein  theurer  Freund!  habe  ich  Ihre  Sendung 
empfangen,  und  mit  wahrem  Vergnügen  Ihren  Brief  mir  zugeeignet,  — 
bis  auf  eine  kleine  Stelle,  die  mir  im  Kopfe  herum  geht,  und  über  die  ich 
mit  Widerstreben,  aber  genöthigt  durch  die  Lage  der  Dinge,  meine  Meinung 
sagen  muß.  Sie  sagen  von  Str[ümpell,]  dessen  Brief  ich  hiebey  zurücksende, 
es  sey  Schade,    daß  er  jetzt   nicht   in  Heidelberg   ist.     Meinerseits   gönne 

♦)  Auch  käme  .es  doch  nicht  über  einen  bloßen  Principienstreit  hinaus. 
')  4  S.    4". 


1836.  2  IQ 

ich  ihm  persönlich  alles  mögliche  Gute,  und  die  Nachricht,  daß  es  ihm 
jetzt  wohl  geht,  hat  mich  aufrichtig  gefreut.  Auch  will  ich  hinzusetzen, 
daß  er  sich  vielleicht  merklich  verändern  wird,  nachdem  der  peinliche 
Druck  seiner  frühern  dürftigen  Lage  aufgehört  hat,  der  an  seinem  Be- 
nehmen wohl  vielen  Antheil  haben  mochte.  Allein  wenn  ich  mir  denke, 
wie  sehr  Sie  Sich  getäuscht  finden  könnten,  wenn  Sie  durch  eine  Em- 
pfehlung, die  leicht  genug  von  Ihnen  ausgehen  kann,  ihm  jetzt  gleich  oder 
bald  Anlaß  gäben,  nach  Deutschland  zurück  zu  kommen:  dann  muß  ich 
mich  doch  zu  einiger  Warnung  bewogen  finden.  Was  mich  zuerst  von 
ihm  trennte,  war  seine  Geringschätzung  meiner  andern  Freunde  in  An- 
sehung dessen,  was  diese  für  meine  literarische  Angelegenheit  gethan 
hatten.  Was  die  Trennung  bevestigte,  waren  arge  Proben  eines  verkehrten 
Räsonnements,  woraus  ich  sah,  daß  man  auf  seinen  Scharfsinn  nicht  bauen 
kann.  Er  hat  zuviel  Ähnlichkeit  mit  Fichten,  wenn  wir  eine  für  ihn  noch 
zu  günstige  Ähnlichkeit  aufsuchen  wollen.  Als  Kant  nicht  Fichtes  Meinung 
war,  da  mußte  Kant  Unrecht  haben.  Und  das  Publicum?  Verstand  es 
nun,  aus  diesem  Conflict  herauszufinden?  — 

Überlegen  Sie  nun  die  ivahrscheinlichen  —  ich  sage  nicht,  gewissen  — 
Folgen!  \  Soweit  ich  entfernt  bin,  über  Str —  den  Stab  zu  brechen,  so 
muß  ich  doch  fragen,  wollen  Sie  die  Last  des  Streites  übernehmen,  der 
wahrscheinlich  sogleich  ausbrechen  wird,  wenn  Str,  sich  wird  geltend  zu 
machen  suchen?  —  Die  Aussicht  auf  diesen  Streit  war  ein  Theil  meiner 
Beweggründe,  zu  eilen  mit  dem  was  ich  über  Freyheit  und  prakt.  Philos. 
noch  vorher  zu  sagen  für  nöthig  erachtete.  Haben  Sie  denn  das  nicht 
errathen  ? 

Damit  hängt  auch  zusammen,  was  ich  —  übrigens  aus  andern  völlig 
hinreichenden  Gründen,  —  Hrn.  Hartenstein  rieth,  nämlich  sobald  als 
möglich  irgend  einen  Gegenstand  der  prakt.  Philos.  zu  bearbeiten.  Das 
wäre  weniger  nöthig,  wenn  er  die  Zahl  der  schätzbaren  widerlegenden  An- 
merkungen, die  in  seiner  Metaphysik  vorkommen,  um  ein  Dutzend  ver- 
mehrt hätte,  wie  es  ihm  leicht  genug  möchte  gewesen  seyn.  Zwar  was 
mich  anlangt,  so  erfreue  ich  mich  an  der  Reinheit  und  Zweckmäßigkeit 
seiner  Arbeit  um  desto  mehr,  da  ich  nur  zu  gut  aus  Erfahrung  weiß,  wie 
leicht  Andre  ihre  Schwäche  bey  solchen  Gegenständen  durch  eine  Menge 
kleiner  Fehler  verrathen,  und  mindestens  durch  ungleichmäßige  Auffassung 
der  verschiedenen  gleich  nothwendigen  Theile  des  Ganzen.  Allein  was 
ich  an  Hartensteins  Buche  schätze,  das  versteht  die  Menge  nicht  zu  be- 
urtheilen;  für  diese  muß  noch  etwas  hinzukommen.  Wenn  nun  Harten- 
stein sich  von  der  metaphysischen  Arbeit,  die  jeden  menschlichen  Kopf 
ermüdet,  erhohlt  haben,  und  zu  praktischen  Dingen  fortgeschritten  seyn 
wird:  dann  brauchen  wir  zunächst  keinen  vierten  Mann;  sondern  ||  während 
durch  Hartenstein  die  Theologen  erfahren,  daß  es  noch  außer  der 
Schleiermacherschen  Sittenlehre  eine  andere  giebt,  müssen  die  Naturforscher 
durch  Sie  erfahren,  daß  man  noch  andere  als  Schellingsche  Versuche  zur 
Naturphilos.   machen   kann.*)     Dies   aber   ist   durchaus   nothwendig,    denn 


*)  Können  Sie  denn  das  nicht  gelegentlich  Hrn.  von  Lindenau  bemerklich  machen? 
Ein  Minister    kann    sechs  Naturforscher    auf    einmal    antreiben,    er  braucht    nur  zu  ver- 


220  1836. 

Theologen  und  Naturforscher  sind  die  Empfänglichen  für  gute  und  schlechte 
Philosophie.  Von  Metaphysik  muß  nicht  mehr  als  das  Bedürfnis  erfodert^ 
die  Rede  seyn.  Die  Köpfe  verwirren  sich  zu  leicht  darin.  Die  Wege, 
die  ich  gegangen  bin,  sind  für  die  wenigsten  Menschen  gangbar.  Wahre 
Metaphysik  kann  sich  im  Publicum  nur  durch  ihre  Anwendungen  be- 
vestigen;  streitend  erreicht  man  höchstens  Gleichgewicht  gegen  andre 
Streiter,  aber  keinen  Sieg. 

Erlauben  Sie  mir  an  das  eben  Gesagte  eine  Bitte  anzuknüpfen; 
nämlich  um  noch  ein  paar  Exempl.  Ihrer  psychol.  Abhandlung.  Eins 
davon  möchte  vielleicht  dem  Hrn.  Krone  aus  Wien  willkommen  seyn, 
von  dem  ich  Ihnen  schon  einmal  schrieb.  Er  hört  wenigstens  ganz  regel- 
mäßig meine  Metaphysik  jetzt,  so  wie  vorigen  Winter  meine  Psychologie; 
obgleich  ich  überzeugt  bin,  daß  er  ohne  allen  Vergleich  ein  besserer 
Schüler  für  Gauss  ist,  als  für  mich.  Allein  er  ist  ein  wissenschaftlicher 
Mensch;  er  ist  kräftig;  er  ist  reich;  er  will  nach  Paris,  um  sich  unter  den 
dortigen  Gelehrten  einen  Platz  zu  schaffen.  Ein  andres  Exemplar  wäre 
für  Reiche^  den  einzigen  —  nur  zu  gelehrten  —  jungen  Mann,  den  ich 
bisher  unter  den  Hannoveranern  bestimmt  unterscheiden  konnte  von  der 
Menge;  und  der  unter  anderm  auch  Mathematik  versteht.  —  In  den 
Gott.  Anzeigen  hoffe  ich  über  Ihre  Abhandlung  j|  berichten  zu  können, 
sobald  Sie  Selbst  wollen;  aber  sagen  Sie  mir  nur  aufrichtig  ob  Sie  mit 
meiner  Art  zu  berichten  zufrieden  sind?  Kleine  Differenzen  bemerklich  zu 
machen  scheue  ich  gar  nicht;  Sie  sollen  um  desto  selbständiger  hervor- 
treten; es  ist  kein  Unglück,  wenn  wir  gemeinschaftlich  über  die  Leute 
lachen,  die,  wie  Fries,  über  Differenzen  erfreut  sind,  die  nicht  existiren. 
Möchten  Sie  nur  nicht  immer  den  Werth  Ihrer  Arbeiten  auf  das  minimum 
reduciren!  Damit  kommt  man  nicht  durch.  In  den  Jahren,  da  alle 
Journale  klüger  waren  als  ich,  bemerkte  ich  beständig,  daß  die  Leute  mir 
jeden  Ausdruck  schuldiger  Bescheidenheit  zum  Nachtheil  gebrauchten  und 
verdrehten,  so  wie  sie  überhaupt  im  Umdrehen  ihre  Stärke  hatten.  Ihre 
Logik  sollte  eine  andre  Vorrede  haben.  ,, Unter  allen  Sünden  Fichtes, 
Schellings,  Hegels,  ist  die  Sünde  wider  die  Logik  die  ärgste;  das  ist  die 
Sünde  wider  den  heiligen  Geist.  Nicht  eher  werden  alle  jene  anmaaß- 
lichen ,  Systeme  verschwinden,  als  bis  man  pünktlich  jedes  Wort,  das  ein 
Philosoph  schreibt,  auf  die  logische  Wagschale  legt,  deren  Geringschätzung 
die  absurdeste  aller  neuen  Moden  ist;  nachdem  Jahrhunderte  und  Jahr- 
tausende das  schwankende  Schifflein  der  Speculation  an  den  Ankern  der 
Definitionen,  Divisionen,  und  Syllogismen  zu  bevestigen  für  die  erste 
Pflicht  jedes  Steuermanns  auf  den  Wellen  des  Räsonnements,  für  die  erste 
Probe  der  speculativen  Tüchtigkeit  gehalten  hatten."  So  müßte  Ihre  Vor- 
langen, daß  sie  ihm  Bericht  erstatten  sollen.  Die  Herrn  werden  sich  alsdann  schon  der 
nöthigen  Metaphysik  wegen  an  Sie  und  Hartenstein  wenden;  die  übrige  Arbeit  macht 
jeder  für  sich  nach  seinem  Fache.  Bey  der  Gelegenheit  würde  ich  noch  etwas  zu 
lernen  bekommen,  dergleichen  mir  sonst  nicht  nahe  genug  kommt.  Daß  ich  mich  an 
mein  Ministerium  nicht  wenden  kann,  ist  klar.  Die  Sache  würde  wie  meine  Privat- 
angelegenheit erscheinen.  Indessen  ist  zu  überlegen,  ob  man  auf  eine  Masse  von  Ein- 
würfen gefaßt  sein  müßte,  infolge  von  Misverständnissen ;  und  ob  man  vielleicht  dieser 
Masse  nicht  würde  mächtig  werden  können,  wenn  Alles  auf  einmal  zu  beantworten 
wäre.     [Randbemerkung.] 


Juli   1836.  221 

rede  lauten.  Einige  würden  schreyen,  —  nicht  viel  lauter  als  jetzt;  Andre, 
und  bey  weitem  die  Meisten,  würden  ehrfurchtsvoll  glauben.  Solche 
Sprache  ist  noch  immer  nicht  die  jenes  Titels  einer  Fibel:  „Bitte  bitte 
lieber  Vater,  beste  Mutter,  theurer  Onkel,  schönste  Tante,  kaufe  mir  dies 
allerliebste  Buch;''  eine  Fibel,  die  wenn  ich  nicht  irre  zu  mehrem  Auf- 
lagen gelangt  ist.  Sie  hatten  vollkommnen  Beruf,  der  Logik  eine  wohl- 
verdiente Lobrede  zu  halten,  und  deutlich  gewissen  Leuten  zu  sagen,  daß, 
wenn  sie  jemals  hofften  sich  von  der  Mathematik  eine  mehr  als  höfliche 
Connivenz  zu  verschaffen,  das  bessere  Verhältniß  allein  von  strenger  Be- 
folgung der  logischen  Regeln  zu  hoffen  sey. 

Diesen  Brief  hatte  ich  geschrieben,  noch  ehe  ich  Zeit  fand,  Ihre  Ab- 
handlung ordentlich  zu  lesen.  Jetzt  erlaube  ich  mir  zuerst,  Sie  aufmerk- 
sam zu  machen  auf  eine  Stelle,  die  ich  für  einen  Schreibfehler  halte. 
S.  13  haben  Sie  die  Wurzelgröße  in  (i)  dividirt  durch  («t_(_i)-',  also  den 
Zähler  dividirt,  den  Nenner  multiplicirt.     Daher  wenn  ich  nicht  irre,  muß 

im   Nenner   stehn    i  +«k  +  i  (•  •  .)    statt    i  -| .       Eben    so    unten, 

«k  +  i 
I  4- «k  4-1  (.  •  •)  Die  Rechnung  geht  dann  richtig  fort.  —  Aber  nun 
bitte  ich  um  Erlaubniß,  von  dem  specimen  primum  sogleich  in  den  hies. 
Anzeigen  Bericht  zu  erstatten.  Ihre  Abhandlung  enthält  Stoff  genug;  man 
braucht  nur  auf  die  Wichtigkeit  der  Fundamentalbegriffe  hinzuweisen;  und 
schon  über  die  Kunstworte  läßt  sich  viel  sagen.  Lavoisier  machte  sich 
Bahn  durch  seine  chemische  Nomenklatur.  So  etwas  lernen  die  Leute 
auswendig. 

Wir  haben  sehr  dringende  Eile  aus  vielen  Gründen.  Sie  können 
nicht  wissen,  was  vielleicht  bald  geschieht;  Sie  dürfen  nicht  darauf  rechnen, 
daß  ich  nach  einigen  INIonaten  noch  im  Stande  seyn  werde,  Ihrer  Arbeit 
zu  folgen;  und  wer  soll  dann  Bahn  schaffen?  Häufen  Sie  erst  Formeln 
auf  Formeln,  so  wird  um  desto  weniger  Jemand  folgen.  Es  ist  höchst 
nöthig,  daß  ich  jetzt  die  Zeit  nütze  für  das  Wenige  was  ich  noch  thun 
kann.  Höchst  nöthig  daß  ich  eirmaal  so  öffentlich  als  möglich  über  math. 
Psychologie  spreche.  Also  erlauben  Sie  mir  zu  thun  was  sich  auf  den 
von  Ihnen  gegebenen   Anlaß  jetzt  gleich  thun  läßt. 

Mit  besten  Wünschen  für  Ihre  Brunnenkur 

der  Ihrige!     H. 

068.    An  Prof.  Schubert  in  Königsberg.  Göttingen  29.  jul.  1836. 

Mein  hochgeehrter  Herr  College  1  Als  im  Anfang  des  May  Ihr  sehr 
gütiger  Brief  ankam,  fühlte  ich  noch  die  Nachwehen  des  Winters,  und 
überdies  einer  literarischen  Arbeit,  die  wegen  der  nothwendigen  Eile  sehr 
anstrengend  geworden  war.  Mögen  Sie  es  hiemit  entschuldigen,  daß  ich 
mir  nicht  getraute,  so  im  Schlafrock  vor  Ihnen  zu  erscheinen!  Jetzt  aber 
ists  vor  allem  das  Ende  Ihres  Briefes,  was  mir  in  Gedanken  hegt.  Sie 
haben  Hoffnung  gemacht,  uns  im  September  —  „künftigen  Jahres''?  — 
auf  einige  Tage  zu  besuchen.  Erlauben  Sie  doch  meiner  Conjectural-Kritik, 
Ihnen  eine  Verbesserung  Ihrer  Federzüge  vorzuschlagen.  Nicht  wahr, 
Sie  haben  den  nächsten  September  gemeint?    Und  Sie  erlauben,  daß  wir 


I 


222  Juli   1836. 

Sie  in  sechs  oder  acht  Wochen  erwarten?  —  Hiervon  bitte  ich  nun  um 
Ihre  gütige  Bestätigung,  damit  mir  nicht  das  Unglück  begegne,  gerade 
dann  vielleicht  abwesend  zu  seyn.  Freylich  ist  meine  Conjectur  sehr 
unsicher,  denn  vielleicht  haben  Sie  gewußt,  daß  der  September  des  künf- 
tigen Jahres  hier  eine  Menge  von  Fremden  versammeln  wird,  weil  dann 
das  Jubiläum  der  hiesigen  Universität  eintrit.  Ob  nun  gerade  eine  solche 
Unruhe  den  freundschaftlichen  Mittheilungen  günstig  seyn  werde,  kann 
man  bezweifeln ;  und  ob  ich  noch  einen  Winter  durch  leben  solle,  ist  auch 
die  Frage.  Denn  ohne  ein  derbes  Fieber  komme  ich,  nach  bisherigen 
Proben,  nun  schon  nicht  leicht  durch  den  Winter,  und  darin  liegt  ein 
starkes  memento  mori.  Also,  lieber  kommen  Sie  jetzt  bald;  und  dann 
bitte  ich  um   Nachricht  im  Voraus,  so  fern  eine  solche  möglich  ist. 

Was  den  Verkauf  meines  Hauses  anlangt,  dessen  Sie  erwähnten,  so 
mag  ich  meiner  Frau  nicht  zuwider  seyn,  die  einmal  an  dem  Gedanken 
hängt,  in  Königsberg  noch  zu  Hause  zu  seyn.  Auch  war  der  gebotene 
Preis  nicht  verführerisch.  Sollte  meine  Gesundheit,  die  sich  im  Sommer 
noch  jedesmal  wieder  gehoben  hat,  sich  gründlich  bevestigen,  —  und  die 
einzige  Bedingung  möchte  wohl  die  seyn,  daß  ich  mich  entschlösse,  einmal 
recht  vollständig  zu  faullenzen  und  das  Zimmer  zu  hüten  sobald  ungünstiges 
Wetter  eintrit;  —  so  fände  ich  wohl  auch  noch  einmal  den  Weg  nach 
Königsberg;  und  besuchte  dann  gern  mein  Haus,  an  welchem  so  viele 
Erinnerungen  hängen.  Daß  ich  mit  gebührender  Dankbarkeit  diese  Er- 
innerungen aufrecht  halte,  davon  brauche  ich  Ihnen  hoffentlich  keine  Ver- 
sicherung zu  geben;  nur  durch  einen  Misverstand  könnte  daran  gezweifelt 
werden. 

Wir  beyde,  meine  Frau  und  ich,  können  von  Königsberg  nie  genug 
erfahren;  und  doch  war  es  zu  viel  an  den  Nachrichten  von  der  dortigen 
Schwärmerey;  die  mit  so  vielem  Andern,  nicht  unähnlichen  Inhalts,  was 
anderwärts  vorgeht,  zusammentrifft.  So  war  es  mir  denn  doppelt  angenehm, 
neulich  von  Hrn  Gutzeit  und  von  Hrn  Lewitz  [?]  kurz  nach  einander 
Besuch  zu  erhalten;  denn  in  den  Gesprächen  Beyder  bemerkte  ich,  daß 
jene  unerfreulichen  Geschichten  in  den  Hintergrund  treten,  wenn  man 
länger  über  Königsberg  sich  unterhält.  Manches  Interessante  habe  ich 
erfahren;  aber  Sie  werden  mir  doch  noch  Viel  zu  erzählen  haben.  Wie 
es  dort  im  Senate,  wie  in  der  deutschen  Gesellschaft,  wie  an  den  Kantischen 
Gedächtniß-Tagen  jetzt  hergehe,  weshalb  Hr  Rosenkranz  an  Heidelberg 
gedacht  habe  u.  s.  w.  wie  das  Verhältniß  der  Gymnasien  sich  gestalte, 
besonders  in  der  Altstadt,  seitdem  Ellendt  fort  ist  —  über  solche  Dinge 
bin  ich  noch  nicht  im  Klaren.  Werden  denn  im  nächsten  September  die 
Naturforscher  von  dort  her  nicht  reisen?  Da  hätten  wir  doch  um  so  mehr 
Recht  einen  Besuch  zu  erwarten,  je  mehr  die  Physik  dort  fortschreitet! 
Und  wenn  Lobeck  sich  einmal  mit  der  Frau  Geheimräthin  in  den  Wagen 
setzte,  so  möchte  sich  die  gegebene  Hoffnung  des  Wiedersehens  auch  wohl 
noch  erfüllen.  Versuchen  Sie  doch  einmal,  die  Damen  zu  bewegen; 
zuerst  Ihre  Frau  Gemahlin ,  der  ich  meinen  Respect  zu  bezeugen  bitte. 
Meine  Frau  empfiehlt  sich  Ihnen  beyden;  Ihrem  Conrad  wünschen  wir 
grüßend  einen  baldigen  Platz  in  Secunda. 

Mit  vollkommener  Hochachtung  der  Ihrige!  Herbart. 


August   1836.  223 


569.  An    Drobisch.  ^)  Ohne  Datum.     Postst.  6.  8. 
Mein  theurer  Freund!    Da  ich  einer  Entschuldigung   bedarf,    weil  ich 

den  hier  bevliegenden  Strümpellschen  Brief  neulich  beym  Siegeln  meines 
vorigen  Briefes  vergaß:  so  muß  ich  Ihnen  wohl  offen  —  aber  unter  vier 
Augen  —  s.agen.  was  mich  so  vergeßlich  machte.  Gerade  damals  schien 
es  sehr  ernst  zu  werden  mit  der  Krankheit  meines  Collegen  Wendt.  Er 
hat  kürzlich  Trauung  seiner  einzigen  Tochter,  und  Trennung  von  ihr, 
unmittelbar  nach  einander  erlebt,  und  ist  davon  außerordentlich  angegriffen ; 
so  daß  man  für  ihn  fürchtet.  Die  Tochter  ist  an  einen  Engländer  ver- 
heirathet.  Man  konnte  ihm  dazu  aufrichtig  Glück  wünschen;  aber  er 
leidet  so  sehr  an  den  Nerven,  daß  man  das  Ende  nicht  absieht;  —  ich 
mag  kein  Unglücksbote  seyn.  Soviel  weiß  ich,  daß  ich,  selbst  eigennützig 
die  Sache  angesehn.  keine  Veränderung  meiner  Collegialverhältnisse  zu 
wünschen  Ursach  habe.  Träte  eine  solche  wirklich  ein:  so  würde  ich  be- 
denken müssen,  daß  man  in  der  Welt  vorwärts  gehn  muß,  wenn  man 
nicht  will  rückwärts  getrieben  seyn.  Der  Schluß  heißt  wie  immer:  Wirken 
so  lange  es  noch  Tag  i.st!  .  Unverändert  der  Ihrige     H. 

570.  Langwerth  an  H.-)  Stade  den  11  Aug.  1836- 
Wohlgeborener  Herr  Hochverehrtester  Herr  Professor  Ew.  Wohlgeboren  wer- 
den sich  eines  aufmerksamen  Zuhörers  zu  Göttingen  aus  den  Jahren  1807  u.  8- 
schwerlich  noch  erinnern  und  muß  ich  es  daher  wagen,  mein  Anliegen  unbekannter 
Weise  an  Sie  zu  richten.  Es  betrifft  dasselbe  Ihre  psychologischen  Schriften  und 
namentlich  das  erst  neuerdings  in  2  Bänden  erschienene  Hauptwerk.  Ich  habe  alle 
diese  Schriften  mit  mehr  oder  weniger  Unterbrechung  in  meinen  Ueberstunden 
studirt  und  bin,  ungeachtet  das  Lehrbuch  von  1816  das  meiste  nur  andeutet,  schon 
früher  in  die  Hauptsätze  ohne  große  Mühe  eingedrungen,  wobey  mir  einige  Ver- 
trautheit mit  der  höhern  Mathematik  sehr  zu  statten  gekommen  ist,  die  ich  in  der 
Usurpat.  Zeit  fast  zu  meiner  Hauptbeschäftigung  gemacht  hatte.  So  bin  ich  denn 
auch  in  dem    neuesten  Werke  der  Fundamentalsätze,   wie   ich  meine,  völlig  Herr 

■geworden.  Allein  bey  weiterem  Fortgänge  und  namentlich  bey  der  Lehre  von  den 
Verbindungen  bin  ich  auf  Schwierigkeiten  gestoßen,  die  mir  den  zweiten  Theil  bey- 
nahe  zu  einem  verschloßenen  Buche  gemacht  haben,  und  deren  Auflösung  mir  aller 
beschwerlichen  Bemühung  ungeachtet  —  wozu  ich  freilich  nur  wenige  Mußestunden 
von  Zeit  zu  Zeit  habe  verwenden  können,  nicht  hat  gelingen  wollen.  Ich  kann  es 
auch  nicht  über  mich  gewinnen,  das  lebendige  Interesse,  was  diese  Theorie  in  mir 
erregt  hat,  die  für  das  Reich  der  Geister  das  zu  werden  verspricht  was  Newtons 
Lehre  für  die  Körperwelt,  niederzudrücken,  das  Buch  wegzulegen  und  die  Sache 
als  meinem  Berufe  fremd  auf  sich  beruhen  zu  lassen.  Das  ist  mir  schon  darum 
unmögUch  weil  diese  Forschungen  m  dieser  Gestalt,  entschieden  von  alle  dem  was 
die  neuere  Philosophie  hefert  einen  unmittelbar  practischen  Character  haben  und 
außerdem  die  höchsten  allgemein-menschlichen  Interessen  berühren.  Dazu  kommt 
daß  ich  mich  in  Hauptsätze  hineingedacht  habe  und  es  nicht  ohne  Pein  für  mich 
seyn  würde  eine  Art  von  Rume  in  meinem  Gedankenkreise  stehen  zu  lassen  deren 
Ausbau  vollzogen  werden  kann,  wenn  nur  ein  Lichtstrahl,  der  wahrscheinlich  alle 
meine  Zweifel  mit  einemal  beseitigt,  mir  das  Material  hefert.     Ich  nehme  daher  zu 


')  4S.    4'*- 

^)  4  S.    40.     H.  Wien. 


2  24  August   1836. 


Ew.  AVolgeboren  meine  Zuflucht  und  bitte  die  am  Schluße  zusammengestellten  Puncte 
gefälligst  durchzusehen  und  mir  die  Auflösung  dessen  was  für  mich  ein  Eäthsel  ist 
zu  geben.  Bedürfte  es  dazu  ausführlicher  Belehrungen,  so  würde  ich  Ew.  Wol- 
geboren  so  etwas  nicht  ohne  große  Dreistigkeit  und  Unbescheidenheit  ansinnen 
können.  Da  mir  aber  alle  Lehren  und  Sätze  beynahe  schon  im  Gedächtniß  liegen 
und  ich  schon  ||  eine  Unzahl  von  vergeblichen  Versuchen  in  allen  möglichen  Rich- 
tungen gemacht  habe  um  ,,das  Wort  des  Räthsels"  zu  finden;  so  bedarf  es  bey 
jedem  Puncte  nur  einer  entfernten  Andeutung  mit  wenigen  Worten,  um  so  mehr 
da  mir  die  mathematischen  Sätze  und  der  höhere  Calcül  vollkommen  geläufig  sind 
und  ich  namentlich  den  Beweis  in  jedem  Falle  leicht  finden  werde,  wenn  ich  mir 
über  das  im  Reinen  bin  was  eigentlich  behauptet  worden  iüt. 

Ich  habe  lange  bey  mir  angestanden  ob  ich  auf  diesem  Wege  mein  Ziel  zu 
•erreichen  suchen  sollte,  und  das  große  Vertrauen  auf  eignen  Scharfsinn  hat  mich 
•so  sehr  als  die  Besorgniß  zurückgehalten,  daß  Ew.  Wolgeboren  sich  nicht  berufen 
finden  würden,  einem  fremden,  von  dem  die  Wissenschaft  keine  Förderung  zu  er- 
warten hat,  mit  solchen  Erläuterungen  an  die  Hand  zu  gehen.  Gleichwol  wage  ich 
es  darauf  und  hauptsächlich  in  dem  Vertrauen  auf  Ihre  Humanität  und  Ihre  Geneigt- 
heit den  geistigen  Bedürfnissen  auch  solcher  abzuhelfen,  die  dabey  nur  ihren  eigenen 
geistigen  Frieden  zum  Augenmerk  haben.  Auch  werden  Sie  mir  die  Bemerkung 
erlauben,  daß  bey  der  jetzigen  Lage  der  Wissenschaft  keine  Lehre  schlechter  ge- 
bettet ist  als  bey  den  Philosophen  von  Profession  welche  sich  heut  zu  Tage  eine 
Schande  daraus  machen,  eine  andere  als  selbsterfuudene  Wahrheit  zu  beherzigen  und 
fortzubilden  und  welche  sobald  sie  ihr  Doktor-Diplom  erlangt  haben  sich  ex  officio 
auf  den  Dj'eyfuß  setzen,  ihre  eignen  Ideen  haben  und  mit  einem  System  hervor- 
treten müßen,  weil  ihnen  sofort  die  Unhaltbarkeit  aller  fremden  Gedanken  klar  ge- 
worden ist.  Sonach  glaube  ich  daß  man  sich  am  sichersten  an  die  "^Männer  wendet, 
die  mitten  im  Leben  stehen,  die  einen  edleren  Zweck  ihres  Daseyns  kennen  als  das 
vorgebliche  Haschen  nach  einer  löschpapiernen  Unsterblichkeit  und  die  die  Wahr- 
heit um  ihrer  selbst  willen  suchen,  nicht  um  ihr  Ich  in  einem  neuen  System  aus- 
geprägt in  den  Strudel  der  Litteratur  zu  werfen  in  der  eiteln  Hoffnung,  daß  dieses 
Oewässer  statt  sich  in  der  Steppe  zu  verlieren  sie  der  Nachwelt  wohlbehalten  über- 
machen werde. 

Ich  glaube  daher  auf  eine  baldgeneigte  Gewährung  meiner  dringenden  Bitte 
mir  Hoffnung  machen  zu  dürfen.  Solltea  indessen  Ew.  W.  demungeachtet  meinem 
Anliegen  nicht  willfahren  können  so  werden  mir  ein  paar  Zeilen  —  selbst  ein  leeres 
Couvert  —  ||  erwünscht  seyn,  damit  ich  nicht  durch  ein  längeres  vergebliches  Warten 
getäuscht  werde. 

Mit  der  innigsten  Hochachtung  und  Verehrung  empfehle  ich  mich 
Ew.  Wohl,  ganz  gehorsamster    Langwerth. 

Addr.:  An  den  Landdrostey  Secretair  v.  Langwerth  zu  Stade  im  Königreich 
Hannover. 

Fragen. 

I.  Nach  Psych.  I  270  steigen,  wenn  c  hinzukommt  alle  noch  sonst  neben  a 
u.  b  auf  der  Schwelle  befindlichen  Vorstellungen  und  das  ist  begreiflich.  Nach  I 
p.  366  steigen  nur  die,  welche  mit  c  mehr  oder  weniger  gleichwertig  sind. 

II.  Nach  den  Grundlehren  wird  die  Hemmung  unvollkommen  verbundener  Vor- 
stellungen gefunden;  wenn  man  die  auf  die  Totalkräfte  (a  -| — ^,  a  -| — -)  nach  ihrem 
umgekehrten  Verhältniße  fallende  Hemmung  auf  die  Bestandtheile  derselben  repartirt 


August   1836.  225 


lind  das  was  auf  a  u.  a  fällt,'  allein  nimmt.  —  Dies  ist  bey  der  Lehre  von  der  un- 
mittelbaren   und   mittelbaivn   Reproduction    nicht   befolgt;    die    auf   die   Totalkraß 

c  -) fallende  Henning  ist  als  auf  dem  Bestandtheil  c  ganz  lastend  angenommen. 

c 

Eben  so  bey  der  mittelbaren  Reproduction,  die  Hemung  welche  auf  II  fällt  als  ein 

Hinderniß  des  Voi-tretens  vor  II  (w)  da  doch  auf  II  nur  der  Theil    -   fallen   kann. 

UI.  Da  a,  b  (Cap.  3)  doch  nur  zu  einem  statischen  Punkt  aufsteigen  können, 

ZV  ZV 

der  Fall  aber  eintreten  kann,  daß  c  -] — ^  u.  H  +  -qr    nicht    gleich    sind    (wie    bey 

H  =:  c)  mithin  jede  dieser  Totaikräfte  dem   a  u.  b  einen  andern   stat.  Punkt  giebt; 
so  fragt  sich,  zu  welchem  stat.  Punkt  am  letzten  Ende  a  u.  b  aufsteigen. 

IV.  Wie  geht  es  zu,  daß  y  während  des  Aufsteigens  nicht  durch  d^s  Sinken 
des  verbundenen  z  vom  Anfang  an  zurückgehalten  wird,  wenigstens  nicht  von  der 
Zeit  an,  wo  das  Produkt  zy  sein  Maximum  erreicht  hat? 

V.  Wenn  P  u.  //  verschmolzen,  also  aus  demselben  Continuum  sind,  und  dann  ge- 
hemmt wei-den.  wie  ist  es  möglich,  daß  dann  P  u.  nicht  zugleich  auch  //  von  aller 
Hemung  frey  wird?  Denn  die  hemmenden  Kräfte  treffen  77  sowol  als  P.  und  wenn 
P  von  ihnen  frey  wird,  muß  auch  für  77  freyer  Raum  entstehen  u.  dasselbe  aus 
eigener  Kiaft  steigen  ohne  daß  die  Hülfe  zur  Wirkung  kommen  kann. 

VI.  Nach  p.  296  steigt  eine  verbundene  Vorstellung  entiveder  durch  eigene 
Kraft  oder  durch  die  Hülfe,  nie  durch  beides  zugleich.  Das  Gegentheil  davon  wird 
zum  Grunde  gelegt;  1.,  p.  354,  wo  alle  Glieder  der  Reihe  reproducirend  wirken 
(welches  nach  Ca{j.  IV  freyen  Raum  mithin  die  Möglichkeit  des  selbstkräftigen 
Steigens  voraussetzt)  u.  demungeachtet  auch  durch  Hülfen  gehoben  werden  sollen. 
2,  p.  355  wo  die  rückwärts  wirkenden  Hülfen  addirt  werden.  3.  11  p.  404  wo  ge- 
j'adezu  gesagt  wird  daß  die  Hülfe  d  u.  die  Kraft  von  c  gemeinschaftlicJt  die  Ge- 
schwmdigkeit  des  Steigens  von  c  bestimmen.  ||  • 

VII.  Nach  Cap.  4  wirkt  r  reproducirend  sobald  es  freyen  Raum  hat.  —  Nach 
I  p.  364  u.  II  p.  159  ist  aber  r  unwiiksam  sofern  es  nicht  hervorgetreten  ist,  also 
den  freyen  Raum  schon  eingenommen  hat.  Nach  dem  ersten  Satze  würde  von  dem 
hervortretenden  Pr  sogleich  wirken;  nach  dem  letztern  nur  das  in  der  Zeit  t  vor- 
getretene Quantum  p  =  P(l  —  c  — t)  (solange  nemhch  bis  p  =  r), 

(Nach  Lehrb.  d.  Psych,  p.  136  scheint  gar  der  freye  Raum  der  en/por- 
xuhebenden  Vorstellung  Bedingung  der  Möglichkeit  ihres  Hervortreibens  durch  die 
Hülfe  zu  seyn,  was  mit  den  Grundlehren  durchaus  unvereinbar  ist.) 

VIII.  II  p.  157.  Dadurch  daß  c  von  e  gehoben  wird,  soll  c  freyen  Raum  er- 
halten. Wie  ist  das  möglich,  da  c  gar  keinen  freyen  Raum  machen  kann  wenn  es 
nicht  direct  das  dem  e  entgegenstehende  hemmt,  wovon  hier  gar  nicht  die  Rede 
ist.  c  indem  es  gehoben  wird,  steigt  so  hoch  als  es  durch  die  Hülfe  ungeachtet  des 
Widerstandes  getrieben  werden  kann  u.  kann  mit  seiner  eigenen  Kraft  welche  durch 
das  entgegenstehende  aufgewogen  wird  (I  p.  294)  gar  nichts  ausrichten. 

IX.  In  dem  Aufsalz  über  die  Tonlehre  (Königsb.  Arch.  p.  184)  heißt  es:  indem 
d  erklingt,  sinkt  c  seinem  Hemungszwecke  gemäß.  Dabey  wird  die  Hemung  als  aus- 
schließlich auf  c  lastend  angenommen.  Wie  geht  das  zu,  da  nach  den  Grundsätzen 
beide  Vorstellungen,  sowol  die  des  Tones  d  als  die  des  Tones  c  im  umgekehrten 
Verhältniße  ihrer  Stärke  gehemmt  werden  müssen.  || 

Herbarts  Werke.     XVni.  15 


226  August   1836. 


571.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig,  d.  12.  August  1836. 

Sie  ahnen  wol  schwerlich,  mein  hochverehrter  edler  Freund,  in  welcher 
Lage  mich  Ihre  beiden  letzten,  wie  immer,  sehr  werthen  Briefe,  gefunden  haben? 
Der  eine  am  Sterbelager  meines  jüngsten  1^/^  Jahre  alten  Kindes  und  der  andie 
als  wir  so  eben  von  der  Beerdigung  zurückgekehrt  waren.  So  sind  uns  zum  dritten- 
mal freundliche  Hoffnungen  zu  Grabe  gegangen:  Denn  unser  kleiner  Emil  war  ein 
kluges  vielversprechendes  und  liebenswürdiges  Kind.  Leider  verfiel  er  einer  traurigen 
Anlage,  die  er  mit  auf  die  Welt  gebracht,  der  zum  Wasserkopf,  der  zuletzt  völlig 
ausgebildet  gewesen  zu  seyn  scheint.  Eine  zu  frühe  Entwicklung  des  Gehirns  ist  das 
Unglück,  das  uns  unsere  sonst  gesunden  Kinder  geraubt  und  das  Einzige,  was  wir 
besitzen,  in  öftere  Gefahr  gebracht  hat.  Der  Tod  unsers  Kleinen  war  fürchterlich, 
denn  er  lag  2V2  Tage  unter  den  heftigsten  Krämpfen  im  Sterben.  Er  gab  zuletzt 
das  grauenvolle  Schauspiel  eines  nicht  mehr  vom  Geiste  beherrschten  sich  selbst 
überlassenen  und  auf  seine  eigne  Hand  ein  wildes  Scheinleben  beginnenden  Organis- 
mus: denn  6  Stünden,  nachdem  alle  Zuckungen  aufgehört  hatten,  vollendete  das 
Blut  noch  in  unzählbaren  Pulsschlägen  seinen  Umlauf  und  setzte  sich  der  Mechanis- 
mus des  Athmens  in  seltsamen  pfeifenden  schauerlich  klingenden  Tönen  noch  fort, 
ohne  daß  eine  Spur  von  Empfindung,  noch  weniger  Bewußtsein  zu  bemerken  war. 
Welche  schwere  Träume  mögen  da  wol  die  schuldlose  Seele  des  guten  Kleinen  be- 
ängstigt oder  welcher  dumpfe  Druck  mag  da  auf  ihr  gelastet  haben !  An  diesem 
schauderhaften  Nachspiel  des  Lebens  war  aber  eingestandenermaßen  der  Arzt  schuld, 
der,  die  Krämpfe  zu  beiseitigen  und  einen  sanften  Tod  herbeizuführen,  das  Gefäß- 
system durch  Laudanum  übermäßig  imd  zwecklos  aufregte.  Dies  waren  verzweiflungs- 
volle Stunden !  —  Aber  fürchten  Sie  nichts :  Diese  Trauertage  haben  das  Bedürfnis 
einer  höhern  Vergeistigung  des  Lebens  nur  stärker  in  mir  angeregt,  und  von  ganzem 
Herzen  schlage  ich  ein:  Wirken  so  lange  es  Tag  ist! 

Ueber  meine  Ansichten  von  Str.  haben  Sie  Sich  nicht  das  mindeste  Bedenken 
zu  machen:  sie  kommt  im  Wesentlichen  ganz  mit  der  Ihrigen  zusammen.  An- 
fragen werden  au  mich  nicht  kommen  und  kämen  sie,  so  würde  ich  vorsichtig 
seyn.  |i 

Dagegen  sind  Anfragen  Hartenstein  betreffend  von  Heidelberg  aus  hierher  ge- 
langt, wiewohl  nicht  an  mich  noch  an  einen  andern  der  Philosophie  kundigen, 
sondern  an  einen  Mann,  der,  wie  jetzt  die  meisten,  die  Philosophie  literarisch  nimmt 
und  daher  den  Vielschreiber  Fichte  als  Nr.  1  ansetzt.  Dennoch  hoffe  ich,  daß  der 
Bericht  nicht  ganz  ungünstig  ausgefallen  seyn  wird  und  fürchte  nicht,  daß  ein  Ruf 
nach  fleidelberg  uns  Hartenstein  entziehen,  sondern  hoffe,  daß  er  ihn  hier  befestigen 
wird.     Sonst  herrscht  das  tiefste  Schweigen  über  die  vacanten  Professuren. 

Mit  den  psychologischen  Programmen  soll  meine  Thätigkeit  für  Psychologie  nicht 
abgethan  seyn:  denn  es  fehlt  denselben  um  nützlich  zu  werden  und  bei  Mathema- 
tikern Eingang  zu  finden,  noch  das  Beste,  nämlich  eine  recht  elementare  Erläute- 
rung der  Principien,  auf  welche  .sich  diese  Rechnungen  gründen.  Eine  solche  darf 
nicht  Metaphysik  enthalten,  aber  auch  nicht  blos  hypothetisch  in  der  Luft  schweben, 
da  es  sonst  aussieht,  als  sey  die  Statik  und  Mechanik  des  Geistes  nur  ein  zufällig 
aufgerissenes  Gleichniß,  das  ebenso  gut  durch  zehn  andre  Rechnungshypothesen  er- 
setzt werden  könnte.  Es  muß  daher  eine  empirischpsychologische  Musterung  der 
wichtigsten  geistigen  Erscheinungen  vorangehen,  wobei  sich  die  Hindeutung  auf  Be- 
wegung und  Gleichgewicht  schon  von  selbst  einfinden  wird  und  es  muß  so  scharf 
wie  möglich  durch  Analyse  der  bekanntesten  Phänomene  gezeigt  werden,  daß  unsre 


1)  4  S.   4«.     H.  Wien. 


August   1836.  227 


Rechnung  wirklich  von  der  einfachsten  und  natürlichsten  Annahme  ausläuft.  Mich 
dünkt  es  giebt  dabei  ganz  lehrreiche  Tergleichungen  mit  den  äußeren  Naturwissen- 
schaften: wie  die  Psychologie  zuerst  eine  Classification  des  in  die  innere  Wahr- 
nehmung fallenden  versucht,  gleich  dem  Naturhistoriker;  wie  sie  sodann  die  wechseln- 
den Erscheinungen  ins  Auge  zu  fassen  hat;  wie  hier,  wie  in  der  Astronomie,  schein- 
bare und  wahre  Bewegungen  unterechieden  werden  können  (z.  B.  wenn  unsre  Auf- 
merksamkeit Gedankenreihen  ||  zu  durchlaufen  meint,  während  es  doch  die  Gedanken 
sind,  die  laufen);  wie  die  Bewegungen,  die  bei  der  Ideenassociation  offenbar  werden, 
Bewegungen  sehr  zusammengesetzter  Vorstellungen  und  daher  zum  Anfang  einer 
Theorie  nicht  brauchbai-  sind,  die  nothwendig  von  den  Bewegungen  der  Elemente 
ausgehen  muß ;  wie  mir  die  Psychologie  eigentlich  zwei  Aufgaben  zu  haben  scheint, 
eine  niedrigere,  naturwissenschaftliche,  wodurch  die  Erklärang  der  allgemeinen  und 
gemeinen  Phänomene  des  Geistes  gegeben  werden  und  eine  höhere,  philosophisch- 
wissenschaftliche, freilich  auf  jene  gestützt,  durch  deren  Auflösung  das  geleistet 
werden  soll,  was  die  Vemunfikritik  beabsichtigte.  Ich  beabsichtige  nun  zuerst  blos 
jenen  niederen  Theil  zu  bearbeiten,  vielleicht  unter  dem  Titel:  Einleitung  zur  (oder 
Elemente  der)  Psychologie  als  Naturwissenschaft.  Ich  glaube  Sie  werden  mir  darin 
beistimmen,  daß  es  eine  Sphäre  in  der  Psychologie  giebt,  in  der  man  noch  gar  nicht 
Schulphilosoph  zu  sejTi  braucht,  so  wie  daß  es  eine  andere  giebt,  in  der  ohne  eine 
bestimmte  Metaphysik  und  praktische  Philosophie  sich  nicht  einmal  sagen  läßt,  was 
erklärt  werden  soll.  Diesen  gegebenen  oder  doch  zulässigen  Unterschied  gedenke 
ich  zu  benutzen,  um  für  vorurtheilsfreie,  der  Mathematik  und  Naturwissenschaften 
wenigstens  im  Allgemeinen  kundige  Männer  ein  Schriftcben  zu  schreiben,  das  ihnen 
unser  psychologisches  Unternehmen  in  dem  rechten  Lichte  zeigt.  Dies  wird  dann 
für  die  Zukunft  keinen  üblen  Uebergang  zur  Naturphilosophie  geben,  deren  Sache 
zu  führen  mir  jedoch  weit  schwieriger  scheint.  Hier  weiß  ich  keinen  so  bequemen 
Anfang  zu  finden,  bei  dem  man  die  Metaphysik  einigermaßen  entbehren  könnte. 
Einfache  ausdehnungslose  Atome,  ohne  leere  Zwischenräume  ausgedehnte  Materie 
gebend,  nachdem  man  die  Fiction  von  Kugeln  der  strengen  Einfachheit  substituirt 
hat:  wie  soll  man  solche  Voraussetzungen  außer  dem  Zusammenhange,  der  mit 
eiserner  Nothwendigkeit  auf  sie  treibt,  nur  einigermaßen  plausibel  machen  ?  "Werden 
nicht  die  Physiker  sagen,  wir  gäben  ihnen  damit  härtere  Widerspriiche  zu  verdauen 
als  wir  an  ihnen  riigen  wenn  wir  ihnen  kerne  Grundkräfte  und  keine  "Wirkung  durch 
das  Leere  zugestehen?  Geben  Sie  mir  nur  einen  Rath,  wie  ||  hier  der  Sache  bei- 
zukommen seyn  möchte;  wie  weit  z.  B.  ausgeholt  werden  müßte,  wenn  etw^a  in 
Gehler's  physikalischem  "\A^örterbuche  unter  dem  Artikel  „Materie"  von  Ihrer  Con- 
struction  dei-selbeu  eine  fassliche  Darstellung  hätte  gegeben  werden  sollen.  Muß 
da  nicht  bis  zum  intelligiblen  Räume  zurückgegangen  und  erst  erörtert  werden,  daß 
das  Stetige  nicht  das  Erste,  sondern  das  Zweite  im  Ausgedehnten  ist?  Da  müssen 
wir  nun  erst  das  Zugeständniß  der  Geometer  haben,  was  nicht  so  leicht  zu  erhalten 
seyn  wird.  Ich  fürchte  daher,  hier  kann  man,  ohne  die  größte  Vorsicht,  mit  seinem 
Credit  leicht  den  Hals  brechen.  Besser  stehen  wir  vielleicht  mit  den  Chemikern 
und  noch  leichter  könnten  wir  vielleicht  mit  den  Physiologen  in  ein  leidliches  Ver- 
hältniß  kommen,  da  diese  auf  ihre  Empirie  stolz  zu  seyn  wol  eben  noch  nicht  die 
größte  Ursache  haben.  "Wollen  Sie  mir  auf  diese  meine  skeptischen  Bemerkungen, 
die  sich,  wie  Sie  selbst  finden  werden,  nur  auf  den  Vortrag,  einem  die  Metaphysik 
ignorirenden  Publicum  gegenüber,  beziehen,  Rathschläge  geben,  so  bin  ich  Ihnen 
im  Voraus  ziim  größten  Dank  verpfhchtet.  Die  gehörige  Beleuchtung  und  Ebenung 
der  Psychologie  wird  uns  aber,  da  ja  damit  auch  der  Physiologie  vorgearbeitet  wird, 
sicher  den  Naturforschern  einen  Schritt  näher  führen;  denn  auch  Schellings  Natur- 

15* 


228 ^ 1836^ 

Philosophie  hatte  ja  unter  den  Forschern  der  organischen  Natur  den  meisten  Grund 
lind  Boden  gewonnen. 

Wenn  Sie  über  mein  Programm  berichten  wollen,  so  kann  ich  mirs  nur  zur 
Ehre  schätzen.  Der  angezeigte  Fehler  ist  gegründet,  aber,  wie  ich  aus  dem  Mspt 
ersehen  habe,  ein  bloßer  Druckfehler,  zu  dem  die  Symmetrie  veiiührt  zu  haben 
scheint.  Sollte  meine  Logik  eine  zweite  Auflage  erleben,  so  soll  Ihre  verbesserte 
Vorrede  zum  Scherz  abgedruckt  werden.  Zum  Effectmachen  kann  ich  mich  nicht 
recht  entschließen,  es  wandelt  mich  die  Schaam  vor  denen  an,  die  beurtheilen  können, 
daß  es  auf  Effect  augelegt  ist.  Ueberdies  eischeint  mir  eine  Arbeit  nur  etwas  werth 
seyn  zu  können,  so  lange  ich  noch  nicht  fertig  damit  bin,  hinterdrein  finde  ich 
immer  10 fache  Gründe,  mich  über  ihre  Unvollkommenheiten  zu  ärgern.  Ihre  An- 
zeige meiner  Logik  ist  mir  noch  nicht  zu  Gesicht  gekommen.  Wie  Sie  dieselbe 
auch  angelegt  haben  mögen,  sie  wird  schon  gut  und  belehrend  seyn. 

Daß  die  Wirkung  meiner  Brunnencur  durch  die  eingetretenen  Ereignisse  größten- 
theils  als  gestört  zu  betrachten  ist,  werden  Sie  glauben ;  indeß  ist  das  Befinden  noch 
leidlich,  so  auch  das  meiner  Frau,  die  sich  möglichst  zu  fassen  sucht,  was  um  so 
nothwendiger  ist,  als  sie  eine  neue  Hoffnung  unter  dem  Herzen  trägt.  Sie  emp- 
fiehlt sich  Urnen  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  auf  das  Herzlichste. 

Ganz  der  Ihrige     Drobisch. 

B72.     An    Drobisch.^)  Ohne  Datum. 

Mein  theurer  Freund!  Mit  Schrecken  sah  ich  Ihr  schwarzes  Siegel, 
und  mit  wahrer  Betrübniß  habe  ich  dessen  Erklärung  gelesen.  Meine 
Frau  hat  denselben  Eindruck  empfunden.  Man  kann  nicht  genug  be- 
dauern daß  Sie  und  Ihre  Frau  Gemahlin  an  der  empfindlichsten  Stelle 
so  wiederhohlt  verwundet  werden.  Nicht  bloß  Ihre  Gemüthsfassung 
sondern  auch  Ihre  Gesundheit  wird  auf  Proben  gestellt,  an  die  man  nur 
mit  Besorgniß  denken  kann.  Sie  sind  zum  Glück  in  den  kräftigsten 
Jahren.  Dennoch  haben  Sie  Ursache  Sich  zu  schonen.  „Wirken  Sie  so 
lange  es  Tag  ist"  sprechen  Sie  mit  mir;  aber  für  den  Augenblick  würde 
ich,  wenn  es  in  meiner  Macht  stände,  versuchen  Sie  zu  erheitern,  und 
fast  fürchte  ich  mich,  von  Dingen  zu  reden,  die  auf  geistige  Anspannung 
hinweisen.  Gleichwohl  enthält  Ihr  Brief  so  Manches  zu  gemeinsamer 
Überlegung! 

Recht  sehr  bedauere  ich,  so  unzeitig  den  Scherz  bombastischer  Aus- 
drücke in  den  Bemerkungen  über  Ihre  Vorrede  zur  Logik  eingemischt  zu 
haben.  Gewiß  waren  Sie  zum  Scherz  nicht  gestimmt;  und  in  Folge  Ihrer 
Erwiederung  darf  ich  nun  auch  nicht  mehr  wagen,  Ihrer  allzugroßen  Be- 
scheidenheit entgegenzutreten.  Einer  Stelle  Ihres  vorletzten  Briefes  aber, 
nach  welcher  Sie  nicht  eher  einen  kleinen  Schritt  vorwärts  gehen,  bis  Sie 
Ihrer  Meinung  nach  hinter  Sich  alles  ins  Reine  gebracht  haben  (und  diese 
Stelle  veranlaßte  mich  eigentlich  zu  jenen  Bemerkungen)  darf  ich  das 
beyfügen,  daß  ich  eben  auch  von  jeher  meiner  Meinung,  hinter  mir  sey 
Alles  im  Reinen,  mußte  genügt  haben,  wenn  ich  vorwärts  zu  gehn  mir 
erlaubte.  Im  Laufe  der  Jahre  ist  aus  vielen  kleinen  Schriften  der  zurück- 
gelegte Weg  entstanden;  vielleicht  erscheint  jetzt  Manches  gewagt,  da  es 
auf  einmal  vorliegt.     Wenn  ich  jetzt  Effecte  wünsche,  die  Sie  nicht  machen 

')4S.  4«. 


1836.  229 

wollen,  so  ist  ||  das  für  die  alte  Logik,  deren  Rechte  zu  schützen  Ihnen 
jetzt  vorzugsweise  zukommt.  Unsre  ganze  Differenz  über  diesen  Punct 
liegt,  glaube  ich,  bloß  daran,  daß  Sie  eine  Thatsache  anders  sehen  als 
ich.  Sie  schreiben  von  dem  Ansehen,  dessen  die  Logik  jetzt  noch  ge- 
nieße. Finden  Sie  das  so  in  Ihrem  Beobachtungskreise,  so  ist  es  wahr- 
scheinlich ein  Verdienst,  welches  Krug  sich  erworben  hat,  und  wofür  wir 
ihm  zu  danken  haben.  Meine  Beobachtungen  sowohl  in  K — g  als  hier, 
weichen  davon  weit  ab.  Gegen  mich  äußerte  der  alte  Med.  R.  Hagen  in 
K.  seine  Verwunderung,  daß  ich  noch  von  den  „veralteten"  syllogistischen 
Figuren  redete:  —  Kant  hatte  ja  von  deren  falscher  Spitzfindigkeit  ge- 
schrieben. Ganz  ähnlich  sprach  der  berühmte  Sprachforscher  Grimm  über 
die  ganze  Logik.  Und  immer  habe  ich  Mühe,  dafür  nur  während  vier 
Wochen  (mehr  Zeit  pflege  ich  dem  Vortrage  der  Logik  nicht  zu  geben) 
die  Aufmerksamkeit  der  Zuhörer  vestzuhalten.  Kein  bedeutender  Ge- 
lehrter ist  mir  vorgekommen,  von  dem  ich  glauben  könnte,  er  ziehe  bey 
irgend  einer  Arbeit  absichtlich  die  Logik  zu  Rathe;  jeder  meint,  aus 
freyer  Hand  vermöge  er  seine  Gedanken  hinreichend  zu  ordnen.  Und 
betrachten  Sie  nun  vollends  die  Willkühr,  womit  die  Hegelianer  pp.  ihre 
drey  Glieder  zusammenraffen,  wo  sie  solche  der  Methode  schuldig  zu  seyn 
glauben!  Höchst  nachtheilige  Effecte  sind  leider!  gemacht  und  weit  ver- 
breitet.    Doch  von  etwas  Anderem! 

Meine  drey  Anzeigen  sind  sämmtlich  gedruckt;  über  H.s  Metaph. 
datirt  vom  9  Jul  (wenn  ich  nicht  irre),  über  Ihre  Logik  vom  13  Aug. 
die  letzte  über  das  specimen  ganz  bestimmt  vom  29  August.^)  Alle  drey 
können,  denke  ich,  jetzt  in  Ihren  Händen  seyn.  Bald  werden  noch  zwey 
Anzeigen  von  mir  folgen,  die  eine  über  Brzoskas  Buch,'-')  woran  manches, 
besonders  Literaturkenntniß  zu  rühmen  ist;  und  endlich  die  Anzeige 
meines  eigenen  neuen  Buches, '')  das  jetzt  fertig  gedruckt  vorliegt.  Von 
diesem  muß  ich  nun  freylich  auch  anderwärts  einen  tüchtigen  Bericht  sehr 
wünschen.  Ihre  Rec.  von  H  [artenstein]  Metaph.  ist  noch  nicht  zu  mir  ge- 
langt. Daß  Rosenkranz  Ihren  Hrn.  Weisse  arg  angefahren,  [|  ist  mir  zwar 
nicht  zu  Gesicht  aber  zu  Ohren  gekommen;  vor  Schadenfreude  bin  ich 
sehr  sicher,  denn  der  Schaden  trifft  die  Philosophie  im  Allgemeinen, 
Heren  Ansehen  durch  solche  Scenen  immer  von  neuem  leidet. 

Möge  Ihre  Einleitung  zur  Psychologie  als  Naturwissenschaft  Sie  Selbst 
angenehm  beschäfftigen ;  der  Nutzen  ist  jedenfalls  nicht  zw-eifelhaft.  Was 
Sie  mir  über  den  Plan  sagen,  hat  mich  sehr  erfreut.  Wahrscheinlich 
wird  dieser  Plan  Sie  von  selbst  darauf  führen,  auch  über  Naturwissenschaft 
überhaupt  das  Nöthige  zu  sagen;  und  wenn  Ihre  Feder  erst  ins  Laufen 
kommt,  wird  das  Diminutiv  „Schriftchen",  dessen  sich  Ihr  Brief  bedient, 
sich  von  selbst  vor  der  Schrift  zurückziehn.  Sie  wünschen  aber  für  Natur- 
philosophie einen  Anfang,  bey  dem  man  die  Metaphysik  entbehren  könne. 
Darum,  möchte  ich  statt  der  Aufgabe,  die  Sie  stellen,  —  den  Artikel 
Materie    wie    für    ein    physikalisches   Wörterbuch    zu    bearbeiten,   —    einst- 

1)  Bd.  XIII,  286  ff. 
■')  Ebenda  S.  317  ff. 
')  Analytische    Beleuchumg  des  Naturrechts  und  der  Moral  etc.     Bd.  XIII,  301. 


230 1836- 

weilen  eine  leichtere  wählen,  näralich  die,  mit  den  Physikern  in  ihrer  Art 
zu  reden;  ihnen  ihre  eigenen  Lücken  zu  zeigen,  und  hiebey  Vorschläge 
zu  Experimenten  zu  machen.  Neulich  fiel  mir  ein  solcher  Vorschlag  ein, 
um  die  verschiedenen  Grade  der  Fluidität  des  Tropfbaren,  oder,  was 
■dasselbe  ist,  umgekehrt  die  Cohäsion,  sofern  sie  sich  der  Molecular- 
Beweglichkeit  entgegensetzt,  zu  prüfen.  Gesetzt,  wir  versetzten  einen 
Wasser-Cylinder  in  Rotation :  so  ist  klar,  daß  sein  Moment  der  Trägheit 
kleiner  seyn  muß,  als  das  des  nämlichen  Cylinders,  nachdem  das  Wasser 
zu  Eis  gefroren  ist.  Denn  das  Eis  muß  sogleich  einerley  Winkel- 
geschwindigkeit annehmen.  Beym  Wasser  wird  das  Moment  der  Trägheit 
nach  Verschiedenheit  der  Temperatur  kleiner  seyn,  wenn  man  annehmen 
darf,  seine  Fluidität  wachse  mit  der  Wärme.  Es  käme  nun  darauf  an, 
ein  weites  und  hohes  Gefäß  rotiren  zu  lassen;  die  Adhäsion  des  Wassers 
an  den  Wänden  insbesondere  zu  bestimmen  um  sie  abzurechnen  (viel- 
leicht indem  man  vorläufig  nur  den  engen  Zwischenraum  zweyer  concen- 
trischen  Cylmder  mit  Wasser  anfüllte,  wobey  die  Adhäsion  beynahe  ver- 
doppelt wäre,  und  das  Zurückbleiben  des  Wassers,  also  die  Verminderung 
des  Trägheits-Moments,  den  Unterschied  zwischen  Adhäsion  und  Cohäsion 
zeigen  würde,)  dann  nicht  bloß  Wasser  bey  verschiedenen  Temperaturen, 
mit  gehöriger  Reduction  wegen  vermehrter  Adhäsion  bey  vergrößerter 
Berührungsfläche  an  den  Wänden  bey  größerer  Ausdehnung  des  warmen 
Wassers,  —  sondern  auch  andere  Fluida,  als  Weingeist,  flüssige  Säuren, 
u.  d.  gl.  zu  benutzen.  ||  Wegen  der  Art,  die  Rotation  zu  veranstalten,  die 
Reibung  einer  eben  so  schweren  Masse  zu  bestimmen,  das  Moment  der 
Trägheit  aus  der  Beschleunigung  während  gegebener  Zeit  zu  finden  pp. 
möchten  nun  die  Physiker  rathschlagen.  Wir  würden  dann  ferner  wünschen, 
daß  man  wegen  der  Compressibilität  nicht  bloß  des  Wassers,  sondern 
verschiedener  Flüssigkeiten  bey  verschiedenen  Temperaturen  uns  Bericht 
gäbe.  —  Außerdem  wünschte  ich  sehr,  über  meine  Versuche  —  zunächst 
über  den  des  §  400  meiner  Metaphysik  der  höchst  leicht  anzustellen  ist, 
etwas  zu  vernehmen.  In  solcher  Art  fragend  würde  man  die  Physiker 
beschäfftigen  können,  und  das  möchte  wohl  das  sicherste  Mittel  seyn  sich 
erst  Berührung  mit  Ihnen  zu  schaffen.  Meine  persönliche  Stellung  ist 
schon  meines  Alters  wegen  zu  isolirt,  als  daß  ich  mich  selbst  auf  der- 
gleichen einlassen  könnte;  ich  mache  nicht  bloß  einige  Ansprüche  sondern 
ich  scheine  deren  hundertmal  mehr  zu  machen  wo  ich  den  Mund  öfifne, 
und  daher  muß  ich  auf  gar  Manches  Verzicht  thun  was  sonst  leicht  genug 
zu  erreichen  wäre.  —  Auch  werde  ich  mich  von  Herzen  gern  bald  ganz 
und  gar  zurückziehn.  Wäre  nicht  die  amtliche  Thätigkeit:  vielleicht  be- 
gnügte ich  mich  bald,  mit  Händen  und  Füßen  Musik  zu  machen,  denn 
ich  besitze  jetzt  ein  Pedal  an  meinem  Fortepiano,  an  dem  ich  mir  die 
Zeit  vertreibe,  und  das  Faullenzen  ist  gesund.  Leben  Sie  wohl,  mein  sehr 
verehrter  Freund,  und,  haben  Sie  bald  einen  heitern  Augenblick  der  Muße, 
so  lassen  Sie  mich  wissen,  daß  die  Gesundheit  wieder  bey  Ihnen  ein- 
heimisch ist!  H. 


August   1836.  231 


573.    Bobrik  an  H.')  Zürich  den  Slten  August  1836 

Herr  Hofrath !  Verehrtester  Herr  und  Freund !  Herr  Dr.  Grube  aus  Königsberg 
kehi-t  aus  Sicilien  zurück,  und  hat  mir  bei  seiner  Durchreise  liieselbst  die  Freude 
gewährt,  seine  angenehme  Bekanntschaft  zu  machen.  Er  hofft  auch  durch  üöttingen 
zu  gehn,  und  deshalb  benutze  ich  diese  Gelegenheit,  um  wenige  Zeilen  Ihrer 
freundlichen  Aufmerksamkeit  zu  empfehlen.  Ohne  diese  Gelegenheit  würden  mich 
Zeit  und  Ort,  nächste  Vergangenheit  und  nächste  Zukunft  mehr  auffordern,  zu 
schweigen  als  zu  schreiben. 

Innerlich  bin  ich  durch  den  fortgesetzten  Vortrag  der  Geschichte  der  Philo- 
sophie in  ein  Quellenstudium,  insbesondere  der  Pythagoräischen  Schule  gerathen, 
was  mir  bedeutende  Aufschlüße  gewährt  von  denen  später  hoffentlich  die  Rede 
sein  kann.  Brandis  I  Bd  der  griech.  röm.  Philosoiihie  ist  vortrefflich.  Ich  lege  es 
fast  keinen  Tag  aus  den  Händen. 

Daneben  habe  den  öfters  von  Ihnen  ausgesprochenen  Gedanken  „Logik  als 
Moral  des  Denkers"  mehr  und  mehr  volutirt  und  evolvirt  und  hoffe  damit  eine 
antihegelianische  Logik  zu  Stande  zu  bringen.-)  Drobisch  hat  mir  die  seinige  zu- 
geschickt. 

Nächsten  Winter  werde  ich  nach.  Ihren  „Umrissen  Pädagogischer  Vorlesungen" 
die  Pädagogik  vortragen.  Logik,  Psychologie,  Pädagogik,  Moral  und  Geschichte  der 
Philosophie  sind  nämlich  jetzt  obligatorisch  für  die  Theologen  gemacht,  welche  vor 
den  Theologischen  Prüfungen  eine  philosophische  zu  bestehen  haben,  bei  denen  ich 
der  alleinige  Examinator  bin.  Doch  an  sich  ein  Strohhalm  in  der  Fluth.  Denn 
der  äußre  und  innere  Andrang  der  Zeitbegebenheiten  hat  unsre  junge  Anstalt  eigent- 
lich schon  aufgelöst  und  demoralisirt.  Jeder  sucht  sich  zu  erhalten,  wo  er  kann 
und  zu  retten  wohin  es  geht.  Von  einem  Zusammenwirken  ist  nirgends  die  Rede, 
und  schildbürgeiische  Eitelkeit  und  Willkührlichkeit  des  sogenannten  Erziehung srathes 
absorbirt  noch  die  letzen  Elemente  des  guten  "Willens. 

Z.  B.  hatten  -svir  nur  einen  theologischen  Dogmatiker  und  zugleich  Kirchen- 
historiker, Rettig,  dieser  starb  Osteni.  Statt  seine  Stelle  zu  besetzen,  machen  die 
Herren  zwei  neue  Profeßoren  der  Jurispitidenz,  ex  abrupto,  so  daß  für  10  juridische 
Studenten  jetzt  7  Profeßoren  sind,  und  creiren  einen  neuen  Medicinischen  Profeßor 
ordin.,  deren  schon  9  waren ;  u.  dergl. 

Mit  Oken,  stehe  ich  äußerst  freundschaftl.  im  Familienumgange,  und  wegen  des 
Antihegelianismus,  und  wegen  der  Angriffe  Fichte's  auch  in  wissenschaftlicher  Hin- 
sicht ziemlich  g-ut.  Er  leidet  auch  viel.  Z.  ß.  hat  er  in  diesem  Semester  nur  ein 
Collegiiim  zu  Stande  gebracht,  und  zieht  sich  vom  Umgange,  und  von  der  Theil- 
nahBie  an  Universitätsangelegenheiten  immer  mehr  zurück,  um  gleich  mir  von  allen 
Berührungen  mit  dem  radikalen  Gros  unserer  Herren  Coilegen  frei  zu  bleiben.  || 

Doch  diese  Jeremiade  würde  zu  lang  werden,  und  so  will  ich  nur  meine  heutige 
Bitte  vortragen:  Sollte  man  sich  von  Hamburg  aus  meinetwegen  an  Sie  wenden,  so 
bitte  ich  Sie  um  wohlwollende  Beurtheilung,  damit  ich  baldmöglichst  aus  diesem, 
zuweilen  selbst  äußeriich  gefähriichen  literarischen  Botanybay  komme. 

Hartenstein  hat  mir  einmal  im  Winter  Etwas  über  Psychologische  Zweifel 
Strümpells,  und  Ihre  Wideriegung  derselben,  aber  so  kurz  geschrieben,  daß  ich 
nicht  im  Stande  war,  das  punctum  quästionis  zu  verstehen.  Sollte  sich  eine  passende 
Gelegenheit  finden,  so  wünschte  ich  damit  bekannt  zu  werden.  Sollte  sich  übrigens 
die  Sache  in  Hamburg  realisiren,  so  könnte  Strümpell  es  hier  versuchen.  Vielleicht 
gelingt  es  ihm  besser,  als  in  Bonn. 

1)  P/o  S.    40.    H.  Wien. 

-)  Neues  praktisches  System  der  Logik.    Ersten  Theils  erster  Band.    Zunch  1838. 


2-12  August   1836. 


Fichte  ist  nun  —  S])iel  des  Schicksals  —  in  Bonn  an  meine  verlaßene  Esti-a- 
ordinarienstelle  gekommen,  während  ich  ilim  hier  in  den  Weg  trat.  An  Strümpell 
bitte  ich  jedoch  nichts  eher  zu  melden,  als  bis  ich  zu  Hamburg  sicher  bin,  damit 
hier  nicht  voreilig  bekannt  wird,  daß  ich  fortwill. 

Mit  ergebenster  Empfehlung  an  Ihre  Frau  Gemahlin  schließe  ich  für  heute 
mit  der  Versichemng  meiner  steten  Verehrung 

Ihr  Ergebenster    Bobrik. 

574.    Drobisch  an  H.')  Leipzig,  d.  31.  August  1836. 

Nehmen  Sie,  hochverehrter  Freund,  meinen  herzlichen  Dank  für  Ihre  lehr- 
reiche Recension  meiner  Logik,  die  ich  nun  gelesen  habe.  Es  freut  mich  ungemein, 
daß  Sie  Einiges  darin  gefunden  haben,  was  nach  Untersuchung  aussieht;  und  daß 
Sie  das  Buch  nicht  bloß  anzeigend  empfohlen,  sondern  auch  recensiren  wollten,  ist 
mir  doppelt  erfreulich  gewesen.  Ihre  Bemerkungen  geben  viel  Stoff  zu  fernerem 
Nachdenken  und  Forschen,  und  wenn  ich  wieder  einmal  mit  der  nöthigen  Geistes- 
frische an  die  Logik  komme,  werde  ich  sie  alles  Ernstes  vornehmen.  Sie  haben  in 
mir  das  Gefühl,  das  ich  schon  oft  gehabt  habe  und  von  dem  in  meiuei  Schrift  nur 
Proben  vorliegen,  erneuert,  als  könne  die  Logik  künftig  erst  recht  noch  Wissen- 
schaft werden.  Sie  kommt  mir  manchmal  vor  wie  die  Arithmetik,  wenn  sie  Gauss's 
und  Lagrange's  u.  a,  üntersuchimgen  über  die  Theorie  der  Zahlen  nicht  besäße. 
Doch  viele  Probleme  müssen  wiederholt  und  zu  ganz  verschiedenen  Zeiten  im  Leben 
vorgenommen  werden;  man  rückt  unterdeß  auf  einem  anderen  Flügel  des  Wissens 
wieder  ein  paar  Schritte  vorwärts.  Jetzt  wissen  Sie  mich  nun  auf  dem  Felde  der 
math.  Psychologie  beschäftigt.  Ich  lege  daher  ein  Blatt  über  die  unvollkommenen 
Complicationen  bei  und  bitte  mn  Ihr  ürtheil  und  Ihre  Berichtigungen.  Ich  kann 
noch  immer  nicht  von  dem  los  kommen,  was  ich  in  1)  und  2)  gesagt  habe  und 
3)  ist  nur  ein  hingeworfener  Versuch,  auf  den  ich  nichts  gebe.  Wenn  Sie  die 
Güte  haben  sollten,  das  Blatt  Punct  für  Punct  zu  beantworten,  so  bitte  ich,  mir  es 
sogleich  wieder  beilegen  zu  wollen,  da  ich  keine  Abschrift  besitze.  Das  ist  nun  die 
einzige  aber  ziemlich  alte  und  hartneckige  Differenz  mit  Ihrer  geistigen  Statik.  Sie 
müßte  im  nächsten  Programm  mit  andern  zur  Sprache  kommen.  Daher  wäre  mir 
viel  daran  gelegen,  wenn  Sie  jetzt  auf  Ihre  I^irörterung  eingehen  könnten.  Fürchten 
Sie  jedoch,  daß,  im  Fall  ich  mich  nicht  zu  Ihnen  bekehren  kann,  die  Differenz 
Scandal  geben  könne,  und  daß  wir  noch  zu  sehr  Ursache  haben,  der  Schwachen  zu 
schonen  —  so  können  wir  auch  von  etwas  anderm  reden.  Ich  habe  mich  nicht 
verbindlich  gemacht,  von  Allem  zu  sprechen.  Indeß,  offen  gestanden,  reiner  ist 
mir  das  Gewissen,  wenn  ich  alles  heraussagen  kann,  wie  ich's  meine. 

Nicht  zu  bezweifelnden  Privatnachrichten  zufolge,  die  von  mehreren  Seiten 
eingegangen  sind,  hat  Hartenstein  eine  ordentliche  Professur  und  Weisse  keine- 
Es  II  scheint  nun  nicJit  noch  die  Berufung  eines  Auswärtigen  vor  der  Hand  zu  er- 
warten zu  seyn,  theils  weil  man  ihm  dann  nicht  füglich  den  Rang  über  H.  anweisen 
könnte,  theils  weil  gleichzeitig  der  außerordentliche  Prof.  Bülau  (der  Staatswissen- 
schaften)  zum  ordentlichen  Professor  (vermuthlich  quasi  der  prakt.  Philos.  in  partibus 
infidelium)  befördert  worden  ist.  Bis  zu  Pölitz's  und  Krugs  d ereinstigem  Tode 
wird  daher  wahrscheinlieh  der  bisherige  Stand  unverändert  bleiben. 

Der  hiesige  Student  Beizer,  der  Sie  vom  Brocken  aus  aus  dem  Stegreife  be- 
sucht und  mir  Ihre  freundlichen  Grüße  gebracht  hat,  ist  von  Ihrer  Güte  entzückt 
und  hat  unter  den  jüngeren  Freunden  Ihrer  Philosophie  großen  Allarm  geschlagen. 
Es   wird  wol   zu  Ostern   eine   große  Auswanderung   unserer   besten   Schüler   nach 


')  2  S.    4».     H.  Wien. 


'836.  233 

Göttingen  stattfißdeh.  Beizer  gehört  gerade  nicht  ganz  darunter;  es  scheint,  er 
wird  nie  viel  über  den  Skepticismus  hinausrücken  und  dabei  liegt  ihm  die  liebe 
Theologie  wie  ein  Bleigewicht  in  den  Gliedern.  Könnte  er  dieses  Studium  ver- 
abschieden, so. würde  ihm  wohler  werden.  Denn  mit  der  Bibel  (neuen  Testaments) 
scheint  sich  unsere  Philosophie  ganz  wohl  zu  vertragen,  aber  wenn  sie  für  Alles 
stehen  soll,  was  die  liebe  Kirche  jemals  ausgeheckt  hat,  so  steht  es  schlimm.  Dem 
Protestautismus  scheiut  nur  geholfen  werden  zu  können,  wenn  er  nicht  nur  die 
alüatholiscfic  Tradition ,  sondern  auch  die  protestmitischkirchViche  Tradition  aus 
Auctorität  aufgiebt,  und  sich  nur  noch  an  Bibel  und  exacte  Philosophie  klammert- 
In  der  philos.  Religionslehre  scheint  fast  Kant  der  Erste  zu  seyn,  der  gar  nicht 
mehr  Scholastiker  ist,  aber  an  Scholastikern  nach  ihm  hat  es  nicht  gefehlt. 

Wer  ist  denn  der  Hr.  W.  M.,  der  in  den  Gott.  Anz.  Nr.  131  ff.  nicht  ohne 
Wohlgefallen  Hegels  vermischte  Schriften  angezeigt  hat?  In  den  Gott.  Anz.  war  mir 
diese  Erscheinung  neu  und  auffallend. 

Ganz  der  Ihrige     Drobisch. 

575.    An  Drobisch.^)  Ohne  Datum. 

Nicht  eher  als  jetzt,  mein  theurer  Freund,  da  sich  die  Collegien 
schließen,  konnte  ich  bey  meinen  jetzigen  Gesundheits- Umständen  dazu 
kommen,  die  von  Ihnen  in  Anregung  gebrachte  Frage  wieder  vorzunehmen. 
Gewiß  müssen  Sie  aus  freyer  Brust  reden ;  und  gewiß  auch  dürfen  Sie 
nicht  zögern,  denn  nichts  ist  uns  nachtheiliger  als  Stockung.  Aber  zugleich 
verdanke  ich  Ihnen  die  Behutsamkeit,  womit  Sie  das  Einverständniß  mit 
mir,  selbst  in  einem  für  jetzt  noch  wenig  bedeutenden  Puncte  zu  erhalten 
geneigt  sind.  Zwar  wir  beyden  werden  uns  nicht  entzweyen,  —  am 
wenigsten  wegen  der  unvollk.  Complicationen,  - —  aber  das  Völkchen 
draußen,  was  uns  beobachtet,  würde  hier  schon  großen  Lärm  schlagen, 
wenn  Einer  von  uns  bestimmt  verneinte,  was  der  Andre  bejahte.  Daher 
bitte  ich,  erstlich  von  Ihren  Untersuchungen  nichts  zurückzuhalten,  aber 
auch  zweytens  die  Differenzpuncte  als  Gegenstände  die  wohl  noch  fraglich 
seyn  möchten ,  zu  bezeichnen.  Bedenken  Sie  daß  wir  Leute  vor  uns 
haben,  die  von  unseren  Differenzen  rein  nichts  begreifen,  und  bloß  unser 
Benehmen  beobachten! 

Was  nun  die  Sache  selbst  anlangt:  so  scheint  mir  beym  Anstoßen, 
wie  hier,  immer  der  beste  Rath,  die  Untersuchung  von  einem  andern 
Puncte  aus  anzugreifen,  wo  man  noch  nicht  befangen  ist  in  vorgefaßter 
Meinung.  Schon  vor  einem  Jahre  überlegte  ich  das  allgemeinere  Problem 
zweyer  unvollk.  Complexionen,  was  man  kurz  so  bezeichnen  kann: 

a  r  o  « 

p  n 

h  r'Q'         ß 

Indem  ich  jetzt  darauf  zurückkomme,  finde  ich  folgendes:  |[ 

I.)  Was  jede  Vorstellung  gegen  die  andre  wirkt,  wird  gemäßigt  theils 
durch  den  Grad  ihres  Gegensatzes,  theils  durch  ihre  eigne  Stärke.  Ein 
Zusatz  zu  dieser  Stärke  ergiebt  Verminderung  der  Spannung,  worin  sie 
durch    irgend   welchen    Conflict    gesetzt    werden    kann.      Die   Hülfen   sind 

')  4  S.    4". 


234 


1836 


solche  Zusätze.     Daher  setze    ich   die  Energien,  womit  die  vier  Vorstel- 
lungen wirken  können: 

für  a  für  b       '  für  u                   für  ß 

ap  bp  «71                       ßn 


XQ  r-Q-  xo 

a  -) b  -)-  -—  a  -j- 


ab« 

2.)  Wird  eine  solche  Energie  gerichtet   gegen    eine,    mit    einer  Hülfe 

verbundenen,  Vorstellung:  so  muß  das  Leiden  von  dieser  Energie  sich  ver- 

theilen,    so  daß    die    letzterwähnte  Hülfe    ihren  Antheil    davon   trägt.     Ist 

r'p' 
zum   Beyspiel  -—  eme  solche  Hülfe,   welche  b  empfängt,  so  kommt  es  an 
b 

x'q' 
auf  das  Verhältniß  zwischen  b  und  — — ,    oder    b^ :  r'  q'.      Sey    also    irgend 

x:    so    zerfällt   das  durch    sie  bewirkte 
b2  .  r'  Q' 


eine,    auf  b    drückende  Energie 
Leiden    nach   dem    Verhältnis   x 


und  X 


Demnach 


b2  -|-  r'  q'  b2  -f  r'  q' 

gilt    für    die  Energie,    womit  a   auf  b    wirken    kann,    folgende  Vertheilung, 
welcher  die  andern  analog  sind: 


ap 


b2 


a  + 


XQ     h^  -\-  x'  q' 


und 


ap 


x'  q' 


XQ     b2  +  r'p' 

a-j 

a 


Eben  so 
nun 


bp 


b  + 


X'Q' 


bp 


a  n 


IP 


«  + 


XQ        ß^-\-X'Q' 


a 


«  71 


X'  Q' 


«  + 


XQ     fi^  +  r'  q' 


a 


ßn 

ry 


a.'^  -\-  X  Q 

Z^  -\-  X  Q 
«2 


ß-V 


«2  -j-  r  p 


ß 


ßjl  X  Q 


ß  + 


r'p'      «2-|-rp 

T 


3.)  Jede    der    vier   Vorstellungen    /eiste/   Hülfe;    daher    ist    sie    einem 

doppellen  Drucke  ausgesetzt,  aber  auch  jede  empfängt  Hülfe,  d.  h.  sie  ge- 

räth,  wie  oben  schon  erwähnt,   in  geringeres  Leiden,    da    sie   durch  einen 

Zusatz    verstärkt    ist.     Hätte  a  z.  B.    den  Druck  y    zu   leiden:    so    würde, 

falls  a  ohne  Hülfe   wäre,    hieraus  ein  Leiden  entstehn,    welches   jetzt,    da 

r-p  y  y  a 

mit  a  die  Hülfe  — ^  verbunden  ist,  nach  dem  Verhältnisse  von  —  zu  — — 

a  a       a^  +  rp 

vermindert    ist,    indem    es    auf    das    umgekehrte    Verhältniß    der    Größen 

ro 
a  -j-  a  -| — ^  ankommt, 
a 

4.)  Alles  zusamrnenstellend    finde   ich   nun    folgende  Verhältnißzahlen 
des  Leidens,  wobey  in  Bezug   auf  2.)   zu   erinnern    ist,    daß    der   helfende 


1836. 


235 


ap 


Rest  q'  von    /i  herrührt,    als    die    obige  Größe 


rp  . 


a4--^  ■  b2  +  r'()'' 
a 


einen 


Theil  desjenigen  Drucks  bestimmt,  der  auf  i'i  fällt;  und  nach  dieser  Ana- 
logie auf  a  ein  Druck  fällt,   der  von  ß  ausging,  und  die,  dem  «  geleistete 


o 
Hülfe  r  . "  treffen  muß. 
« 


I.  a  leidet  im  Verhältniß 


ap 


+ 


1^71 


TQ 


■^  b  ^"^  /y 

IL  b  leidet  im  Verhältniß 


a-  +  r? 


ap 


b2 


:7-7  + 


a  n 


T'Q' 


TQ    b2  +  r>'    '  XQ'lP  +  r'Q' 

a  +  — -  «H 

a  « 


III.  u  leidet  im  Verhältniß 


ßTl 


w 


b2  4-  r'  Q' 


a 


ß+'-f  "'  +  ^^'  b  +  ^ 


IV.  /?  leidet  im  Verhältniß 


an: 


/^2 


73  + 


ap 


r'p' 


,    r  p    /:/2   1    r' p'    '         ,    rp  "b2  +  r'p' 

«  -| a  -) ^ 

«  « 


/? 


/?2  +  r'  p'. 


5.)   Um    diese  Verhältnißzahlen    zu    leichterer   Übersicht    zu    bringen, 
setze  ich: 


a2 

+ 
b2 

rp 

b2 

+  1 

■'p 

«2 

«2 

+ 

rp 

LI 


/y2  -f.  r'  p' 

X 

so  wird  I:   [p?.  z -|- >^  »'  (i  — /^O]-""    II:  [p?v  x -}- ti  «  (i — >/)]b 

a 

III:     [tt^.u  +  pMi-x)].^     IV:   [.-z,u,'  +  px(i -/.)]. ^. 

6.  Es  [sey]  /j  =  o,  also  auch  p'  =  o,  ?.^i,  desgleichen  71  =  0,  so  wird 


I:  px2 


a 

oder  p  . 


II:  px 


III: 


P(i 


0- 


A' 


a 


a^ 


r  p  .  a 


(a2  +  rp)2    ^•(a2-frp)b     ^  *  (a2  +  rp) .  («2  +  r  p) 
wo  III  von  S.  218  der  Psychol.  abweicht. 


236 1836. 

Sie  hatten  also  Recht,  meine  frühere  Rechnung  zu  tadeln.    Sie  haben 

auch  jetzt  Recht    zu  sagen:    eine  Offensiv -Alliance    sey  nicht    vorhanden; 

darauf  beruht  das  Obige  gleich  Anfangs;    i.)  und  Hülfe  diene  nur  einen 

r  9 
Angriff  abzuwehren.     Nämlich  der  Factor  — — zeigt,  daß,  indem  a  an- 

a-  +  rp 

gegriffen  wird,  ein  Theil  des  Drucks,  von  welchem  a  leidet,   vermöge  des 

a 

helfenden  o  auf  «  übergeht,  der  Factor  — r— r aber  zeigt,  daß  «  wie  von 

«2  -)-  TQ 

jedem,    so   auch    von    diesem  Drucke,    nicht   ganz    in    dem  Verhältnisse— 

cc 

a 

sondern  in  dem  geringeren  — -— , leidet,    indem    es   überhaupt   weniger 

«2  _|_  r  p 

in  Spannung  geräth,  da  es  mit  a  verbunden  ist.  Der  Druck,  den  b  aus- 
übt, ist  schon  vertheilt,  indem  a  und  die  Hülfe  von  ihm  angegriffen 
werden;  und  es  kommt  kein  neuer  Druck  hinzu,  den  etwan  a  wieder  auf 
a  zu  übertragen  hätte,  sondern  das  robur  des  «,  wodurch  es  den  Druck 
wefiiger  an  sich  kommen  läßt,  ist  und  war  schon  im  Voraus  desto  größer, 

je  größer  r,  u.  je  vollständiger  dessen  Aneignung  durch  — .  ||  Dieselben  Be- 

griffe    lassen    sich    nun    auch    bey    I    und     bey    H    verfolgen.       Nämlich 


Der 


a^  .  a  a^ 

— -— —  zerfällt  in  die  beyden  Factoren  — und  — 

(a2+rp)2  ^  a^  +  rp  a^  +  r  ^ 

erste  zeigt,  daß  a  nicht  ganz  in  dem  Verhältnisse      ,  sondern    wegen  des 

durch   die   Hülfe    vermehrten    robur    nur    in    dem   geringeren   Verhältnisse 

a-  .  .  .     I 

— — — leidet,  welches,   wenn  r  oder  p  abnähme,  sich  wieder  in  —  ver- 

a^  -\-  I Q  a 

a-  r  p 

wandeln  würde.     Der  zweyte  Factor,    —- ,  macht  mit  : das 

a-  -|-  '^P  a-  -|-  r  p 

Ganze  des  vertheilten  Drucks  kenntlich,    wenn  man  zusammenfaßt   was  a 
und  was  a  leiden.      Aber  auch  b  leidet  weniger   als  in  dem  Verhältnisse 

— ,  weil  «  nachgiebig  ist,   dergestalt,  daß,  wenn  r  p  =  o  wäre,  alsdann  das 

ursprünglich  natürliche   Verhältniß  —     zurückkehren    würde.       Der    Factor 

b 

a2 


„   ,  bestimmt  hier  die  Vertheilbarkeit  (des  Conflictes  zwischen  a  und 

a''  -f-  r  p 

b)  wegen  u.      Die  Proben  für  r'  u.  p'  =  0,  für  r  =  a    und  p  =  «  u.  dgl. 

werden  Sie  leicht  anstellen.     Die  Sache  scheint  mir  nunmehr  hinreichend 

klar;    wenn    dies    sich    Ihnen   bewährt,    so    können    Sie   die  Untersuchung 

als    auf   Ihr   Geheiß    entstanden    ansehn,    denn    ohne    Ihre    wiederhohlten 

Mahnungen  wäre  ich  nicht  dazu  gekommen.     Die  Frage,  ob  eine  Schwelle 

möglich?    und  die  Erweiterung   auf  drey    unvollk.  Complexionen    muß   ich 

Ihnen  für  jetzt  überlassen. 

Durch  letztere  würde  der  Gegenstand  vielleicht    in  ein  noch  helleres 

Licht  treten;    wenigstens  scheint  vorstehendes,  im  Vergleich   gegen   meine 


a3 

a2 

b(a2  4-r(,) 

1836. 237 

ältere  Arbeit,  daran  zu  erinnern,  daß  man  nicht  immer  JNIühe  spart,  wenn 
man  zum  Anfange  den  Umfang  eines  Problems  beschränkt.  —  Auch 
möchte  ich  Sie  aufmerksam  machen  auf  dreygliedrige  Complexionen,  für 
die  noch  gar  nichts  gethan  ist.  Mit  herzlichen  Wünschen  für  Ihr  Wohl- 
seyn  der  Ihrige     H. 

576.    An  Drobisch.  O^^e  Datum.  0 

Erlauben  Sie,  mein  theurer  Freund,  daß  ich  meinem  letzten  Brief 
noch  ein  paar  bestätigende  Zusätze  nachsende.  Meine  gefundenen  Ver- 
hältnisse für  a,  b,  «  waren 

für  a 

für  b 

ISIan  kann  nun  sowohl  a,  als  b,  als  a,  unendlich  groß  annehmen, 
und  in  jedem  der  drey  hier  angenommenen  Fälle  muß  etwas  herauskommen, 
das  sich,  unabhängig  von  den  Formeln,  erwarten  läßt. 

i)  Es  sei  a  unendlich  groß.     Nun  fällt  tq  neben  «-  weg;  die  Ver- 

hältnißzahl  für  a  wird  —  . :  also  unendlich  klein,  wie  sich  gebührt. 

a      a.-  -\-  ro 

a  I 

Die  ersten    beiden    geben  das  Verhältniß  — :  —-,    also,    wie   natur- 
al -[-  r  p      b 

rp 

lieh,    das    umgekehrte  von  a  -| zu  b. 

a 

2)  Es    sei  b   unendlich    groß;    also    die    Hemmung    des  b  unendlich 

klein.     Nun  kommt 

a^  /        a  I     r? 

für  a,  — =a2  .  I — das  Umgekehrte   von  a  -| 

a-  -{-  Tg  \a"-  -j-  rp  a 

«rp  /  «  ,  TT  ,      1  >      ^P\ 

für  «,  =  ro  .    das  Umgekehrte  von  u  -\ 

'    «2-f  rp  ^     \«2  -f-  rp  "  ^   «/ 

Hier  kann  das  unendliche  b  doch  nicht  a  auf  die  Schwelle  drängen, 
denn  die  Hemmungssumme  (welche  =  a  seyn  muß)  vertheilt  sich  zwischen 
a  u.  M  nach  drey  Verhältnissen,  welche  sind  a  :  r,  a  :  p,  und  die  umge- 
kehrten der  Totalkräfte,  nach  welchen  letztern  sich  die  verminderte  Nach- 
giebigkeit sowohl  des  a  als  des  «  richtet.  Von  r  u.  p  im  Verhältniß 
gegen  a  hängt  dagegen  die  Innigkeit  der  Verbindung,  also  die  Compli- 
cation,  ab.  || 

3)  Es  sei  a  unendlich  groß.  Dadurch  wird  die  Verhältnißzahl  für 
a  unendlich  klein  in  der  ersten  Potenz,  die  für  a  unendlich  klein  in  der 
zweyten  Potenz,  wegen  des  doppelten  Verhältnisses,  worin  a  theils  gegen  r. 

theils  gegen  o  steht;  die  für  b  wird  — ,  und  die  Rechnung  wird  ergeben 

b 

')  2  S.    4".  —  Poststempel  12.  9. 


22g  September  1836. 


S  :  S,  d.  h.  b  muß  die  ganze  Hemmung  allein  tragen.   —  Noch 


I       I 

b"' V 

einen  vierten  Fall  füge  ich  hinzu: 

4)  a  =  b.     Dies   ändert   nichts    an    der   Verhältnißzahl    für  «,    allein 


a2 


die   Hemmung    des    a    zu   der    von    b  verhält    sich   nun  wie      .^      :  i 

o 

= :  a      also    umgekehrt    wie   das    durch    die    Hülfe   verstärkte   a 

a.^  -\-  TQ 

zum  einfachen  a. 

Ohne  Zweifel  konnten  Sie  diese  Bemerkungen  auf  den  ersten  Blick 
Selbst  machen;  allein  —  die  Dringlichkeit  unserer  Angelegenheiten  scheint 
zu  wachsen!  Schon  vor  einigen  Wochen  schrieb  ich  Ihnen  im  Vertrauen 
von  W[endt]s  Krankheit.  Es  geht  schlimm  und  immer  schlimmer.  Wie  lange 
ich  ihn  überleben  werde,  weiß  ich  zwar  nicht;  aber  je  weniger  ich  auf 
meine  Kräfte  zählen  kann,  desto  nöthiger  ist  Bevestigung  gegen  mögliche 
neue  Hindernisse  von  außen.  Eine  Vacanz  dicht  neben  mir  kommt 
zu  früh. 

Bald  werden  Sie  mich  hoffentlich  bestimmter  von  H [artenstein] s  An- 
stellung benachrichtigen  können.  Und  überhaupt  habe  ich  nun  wohl  baldige 
Mittheilungen  von  Ihnen  zu  erwarten.  Möchten  Sie  aus  Ihrem  eignen  Hause 
das  Erfreulichste  zu  melden  haben!        Unverändert  der  Ihrige!     H. 

Randbemerkung: 

Sie  fragen  nach  einem  W.  M.,  der  Hegels  verm.  Sehr,  hier  angezeigt 
habe?  Davon  weiß  ich  zwar  nichts;  aber  bald  nach  meiner  Ankunft 
wurde  mir  gesagt:  die  meisten  hiesigen  Privatdocenten  seyen  Hegelianer. 
Das  Mitmachen  in  mehr  als  Einer  Hinsicht  scheint  nahe  bevor  gestanden 
zu  haben.  Die  altern  Herrn  bekümmerten  sich  darum  nicht;  merkten 
nicht,  wußten  nicht,  —  —  daraus  mögen  Sie  auch  jetzt  noch  meine 
hiesige  Stellung  beurtheilen.  Übrigens  kann  jener  Rec.  auch  in  Hannover 
oder  sonst  wo  residiren.  —  Heute  geht  mein  Herr  Vetter,  seit  einem 
halben  Jahre  Student,  auf  eine  Wanderung  über  Leipzig  nach  Dresden. 
Es  ist  sein  eigner  Einfall,  daß  er  Sie  und  Hartenstein  begrüßen  will;  ich 
habe  bjoß  nicht  abgerathen.  Vielleicht  hätte  ich  ihm  doch  sagen  sollen, 
daß  nicht  jeder  Wanderer  das  Recht  habe,  Sie  zu  stören;  wollen  Sie  ihm 
indessen  ein  Viertelstündchen  gönnen,  so  wird  er  Ihnen  wohl  nicht  mis- 
fallen,  und  er  kann  seine  Neugier  befriedigen.  Aber  —  im  vollen  Ernste, 
mein  theurer  Freund!  ich  wünsche  nicht  daß  er  Ihnen  auf  irgend  eine 
Art  lästig  falle. 

577.    Drobisch  an  H. 'j  Leipzig  15.  Sptbr  36. 

Hochverehrter  Herr  und  Freund!  Sie  haben  die  Antwort  auf  3  Briefe  und 
eine  Recension  gut.  Aber  erfassen  sie  mir  für  heute  das  Eingehen  auf  die  Rechnungen, 
die  ich  nur  sehr  flüchtig  angesehen  habe.  Ich  bin  dazu  jetzt  schlecht  befähigt, 
denn  es  ist  uns  wieder  etwas  schlecht  gegangen,  trotz  Ihrer  guten  Wünsche.  Erst 
ward  ims  unser  Kind  krank,   in  Folge  einer  unbedeutenden  Erkältung,  und  bekam 

1)  4  S.    4».     H.  Wien. 


September  1836.  239 


ein  zwar  nur  einfaches  aber  ziemlicli  heftiges  Reizfieber,  das  anfangs  ein  kaltes  zu 
werden  drohte  und  uns  wegea  des  Blutandrangs  nach  dem  Kopfe  wie  immer  Be- 
sorgniß  machte.  Und  als  dies  vorüber  war,  kam  ich.  in  Folge  einer  ähnlichen 
unbedeutenden  Üelegenheitsui-sache,  an  die  Reihe,  mit  meinem  alten  üebel,  dem 
Kopfrheumatismus,  von  dem  mich  nur  die  ßlutigel  wieder  befreiten,  wovon  mir  aber 
doch  Abspannung  und  Abneigung  zu  größerer  geistiger  Regsamkeit  geblieben  ist. 
Ich  muß  mir  schon  also  etwas  Kühe  gönnen. 

Cm  über  die  Logik  noch  ein  'Wort  zu  sagen,  so  sind  Ihre  Beobachtungen  natür- 
lich auch  Thatsachen.  Indeß  dächte  ich  doch,  daß  man  allenthalben  die  Logik  wenn 
nicht  im  Kopfe  doch  gern  im  Munde  führte,  so  z.  B.  in  den  Kammern,  den  Jour- 
nalen etc..  ja  in  dem  neuen  phys.  Wörterbuch  Bd.  VII  S.  508  lesen  Sie  in  der 
ersten  Zeile  „daß  Logik,  Mathematik,  Chemie  und  Physiologie  für  das  Studium  der 
Physik  im  engern  Sinne  als  zunächst  liegende  und  wichtigste  Hülfswissenschaften 
genannt  zu  werden  verdienen,-'  und  daß  ein  Franzos  und  ein  namhafter  Mathematiker, 
wie  Gergonne,  sich  doch  noch  mit  einigen  logischen  Capiteln  die  Mühe  genommen 
hat,  sie  zu  bearbeiten,  hat  mich  recht  gefreut  und  ermuntert.  In  jedem  Falle  gebe 
ich  die  Ehre,  sie  hier  aufreclit  erlialten  zu  haben,  nicht  Krug,  sondern  schreibe  e& 
der  conservativen  Natur  der  sächsischen  Bildung  zu,  die  sich  nicht  leicht  entschließt, 
etwas  Erprobtes  übereilt  wegzuwerfen.  Unsre  Gelehrten  erkennen  allgemein  und 
willig  an,  daß  es  gut  und  nothwendig  ist,  die  Logik  einmal  gründlich  durchgemacht 
zu  haben,  wenn  sie  sie  auch  so  wenig  wie  andre  aufschlagen,  wenn  sie  über  Gram- 
matik oder  Criminalgesetzgebung  ||  schreiben  wollen.  Und  mich  dünkt,  diese  An- 
erkennung ist  schon  etwas  werth.  Für  Königsberg  hat  freilich  Kant  die  syllogisti- 
schen  Figuren  todt  geschlagen:  avxos  icpal 

Nehmen  Sie  nun  auch  meinen  herzlichen  Dank  für  die  Recension  des  Pro- 
grammes.  Ich  wollte  aber  doch,  ich  hätte  Ihnen  das  erste  erst  mit  dem  vierten 
gesandt,  denn  jetzt  übersehe  ich  erst  die  Dürftigkeit  der  paar  Blätter.  Auch  habe 
ich  mich  in  der  Vorrede  über  ihren  Zweck  doch  wol  noch  nicht  deutlich  genug 
ausgedrückt.  Der  Sinn  der  Programme  will  nicht  viel  mehr  bedeuten  als  ob  ich 
unter  das  Ende  des  ersten  Bandes  der  Psychologie  schriebe:  „gelesen  und  nach 
bestem  Wissen  und  Gewi.ssen  in  calculo  richtig  befunden!"  Es  sollen  diese  specimina 
.eine  Rechnungsrevision  darstellen,  mit  der  nicht  viele  zu  thun  haben  mögen,  die 
aber  doch  auch  gemacht  werden  muß.  Die  Mathematiker  sollen  und  können  sie 
nicht  locken,  da  hätte  ich  in  der  That  ab  ovo  anfangen  müssen,  was  erst  ein  ander- 
mal geschehen  soll.  —  —  Dazu  einiges  Einzelne.  — 

Das  Verdienst  des  Ausdrucks  imago  notionis  gehört  nicht  mir,   sondern  Ihnen 

(F.  de  att.  mens.   p.  5.) das  Versehen   am  Ende  des   Art.  3.  will  mir  nicht 

einleuchten,  wenn  ich  Sie  anders  nicht  ganz  mißverstehe:  die  summa  productorum 
e  gradibus,  quibus  singula  quaevis  notio  reliquis  omnibus  contraria  est,  in  robora 
earumdem  besteht  für  3  Vorst.  immer  nur  aus  zwei  Gliedern  und  für  u  aus  n  —  1; 
auch  ist  durch  das  minima  summa  allemal  die  rechte,  wenn  auch  nicht  immer  die 


II     m 


größte  Vorstellung  ausgeschlossen.  In  dem  Schema  a  p  1.  sind  die  Größenverhält- 
nisse von  m,  n,  p  beliebig,  nicht  immer  m>n>p  zu  denken.  Dann  läßt  sich 
was  sie  durch  6  Stellungen  von  m,  n,  p  zwischen  a,  b,  c  ausdrücken,  auch  durch 
die  6  Fälle: 

1)  m>n>p-,  2)  m  >p>n;  3)  n>m>p;  4)  n>p>m:  5)  p>m>n; 
6)  p  >  n  >  m  bezeichnen.  Dann  ist  doch  wol  die  kleinste  der  3  Summen  p  b  +  n  c, 
p  a  -|-  m  c,  n  a  -}-  m  b  die  H.  S.  V 

In  dem  was  in  den  Buchhandel  kommt,  habe  ich  dieser  Darstellung  noch  einen 
Artikel  gewidmet.  —  Durch  den  Tadel  über  die  Vorstellung  der  Bestimmung  der 


240  September  1836. 


H.  S.,  so  wie  über  die  Additiou  der  Hemmungszwecke  will  ich  Ihnen  nicht  zu  nahe 
getreten  seyn.  Ich  sprach  nur  damit  die  Thatsache  aus,  daß  ich  und  meine  Schüler 
zuerst  hier  stutzten  und  Schwierigkeiten  fanden,  die  bei  der  andern  Auffassungs- 
weise wichen,  vielleicht  nur,  —  weil  ich  die  erste  nicht  erfunden  hatte. 

Ihre  Fragen,  die  Sie  an  die  Physiker  zu  stellen  rathen,  anstatt  ihnen  eine 
faßliche  Auflosung  |1  des  Problems  der  Materie  anzubieten,  finde  ich  an  sich  höchst 
sinnreich.  Aber  die  Metaphvisik  würde  damit  nichts  gewinnen.  Persönlich  würde 
man  die  Metaphysiker  zwar  um  so  mehr  als  gründliche  Liebhaber  schätzen,  je  mehr 
sie  sich  um  das  Detail  der  Physik  bekümmern  und  dies  selbst  zu  mehren  suchen, 
aber  der  Handel  ist  gar  zu  ungleich:  die  Metaphysik  kauft  hier  immer  mit  baarem 
Geld  und  bringt  nichts  zum  Tauschhandel  jnit.  Denn  Sie  können  niemand  über- 
zeugen, daß  Ihnen  Ihre  sinnreichen  Voi'schläge  zu  Experimenten  und  Experimente 
nicht  auch  in  den  Sinn  gekommen  wären,  wenn  Sie  von  Metaphysik  nichts  wüßten. 
Jetzt  aber  will  mirs  oft  vorkommen,  als  sey  fast  die  Zeit  des  Wartens:  denn  es 
gährt  doch  in  der  Empirie  gar  zu  imgeheuer  und  zu  schnell.  Da  war  heute  der 
Professor  Ehrenberg')  aus  Berlin  bei  mir,  schon  von  früherer  Zeit  einer  meiner  Be- 
kannten, und  hat  mir  von  seinen  merk\TOrdigen  Entdeckungen  in  der  Welt  der  In- 
fusorien erzählt.  Wem  soll  es  nicht  schwindeln,  wenn  er  hört,  daß  es  als  Thatsache 
der  mikroskopischen  Beobachtung  vorliegt,  daß  Gebirgsarten  von  allen  Formationen, 
mit  größter  Bestimmtheit  aber,  Kalk,  Kreide.  Feuerstein  u.  a.  aus  den  Panzern 
todter  Infusorien  zusammengesetzt  sind,  deren  Organisation  vollkommen  wohl  er- 
halten ist  ?  Und  diese  Organisation  ist  keineswegs  eine  sehr  einfache  niedrige,  sondern 
eine  sehr  vollkommene.  Freilich  wird  damit  die  Schellingsche  Naturphilos.  vollends 
über  den  Haufen  geworfen,  die  da  Schleimklümpchen  und  unvollkommene  Organi- 
sationen suchte,  wo  man  jetzt  Thiere  mit  vielfachen  Entwicklungsstufen  mit  Freß- 
werkzeugen,  Magen,  Eingeweiden,  Sinnesorganen  und  allen  Kennzeichen  willkür- 
licher Bewegungen  beobachtet  hat?  Ich  habe  selbst  einmal  es  mit  angesehen,  wie 
Ehr.  seine  Infusorien  mit  Pflanzenfarben  füttert,  wie  die  Fischer  die  Karpfen  in 
den  Teichen,  und  wie  die  Verticellen  an  ihren  Korkzieherartigen  Stengeln  herbei- 
geschossen kamen  wie  die  Wasserratten.  —  —  Erinnert  nun  solch  ein  Besuch  an 
die  üebermacht  der  Empirie  auf  eine  für  uns  etwas  verdrießliche  Weise,  so  erfreute 
mich  in  ganz  andrer  Art  der  Besuch  Ihres  Freundes  und  ehemaligen  CoUegen  Prof. 
Sachs,  mit  dem  icli  mich  ein  paar  Stunden  recht  ausgesprochen  habe.  Hätten  nur 
alle  Empiriker  den  Sinn  dieses  Mannes,  der  nicht  Metaphysiker  seyn  will,  aber  doch 
das  metaphysische  Bedürfniß  empfindet,  ihr  Licht  nicht  verschmäht,  ihr  entgegen 
kommt  und,  wie  es  scheint,  seine  Schüler  zu  einem  philosophischen  Studium  seiner 
Wissenschaften  antreibt.  S.  ging  wie  E.  nach  .Jena  zur  Naturforscherversainmlung. 
Meine  Gesundheit  und  das  Wetter  haben  mir  für  meine  Person  das  Problem,  ob 
ich  hingehen  sollte  oder  nicht,  sehr  befriedigend  gelöst. 

Wenn  an  Ihrer  Seite  eine  Vacanz  eintreten  sollte,  so  ist  das  allerdings  zu 
früh,  insofern  Sie  entweder  in  Göttingen  noch  nicht  genug  die  öffentliche  Meinimg 
der  Universität  für  sich  zu  haben  glauben,  oder  doch  schwerlich  jetzt  schon  einen 
gleichgesinnten  und  in  derselben  Richtung  fortgehenden  Collegen  erwarten  können. 
Aber  würden  Sie  je  erwarten,  !|  daß  Ihre  Eegierung  zwei  Männer  Einer  Farbe  neben 
einander  anstellte?  Wir-  thun  was  wir  können  und  nach  bester  Ueberzeugung ; 
wenn  aber  die  Verhältnisse  mächtiger  weiden  als  wir,  so  verzichten  wir  für  unsre 
Person    auf  die  Freude,    den  Sieg  des  Guten   zu  erleben   und  halten  fest  an  dem 


')  Der  Naturforscher  Chr.  Gottfr.  Ehrenberg  (179.5-1876),  der  damals  eben 
•seine  Entdeckungen  über  die  Infusionstierchen  und  die  Bildung  der  Kreidefelsen  ge- 
macht hatte. 


September  1836.  24 1 


Glauben  an  eine  Vorsehung,  die  ihm  doch  endlich  sein  Recht  geben  wird.  Zuletzt 
muß  der  Einzelne  doch  häufig  genug  sagen :  „ich  danke  Gott  am  Abend  und  am 
Morgen,  daß  ich  nicht  hab'  fiir's  röm'sche  Reich  zu  sorgen." 

So  bald  ich  meinen  Kopf  freier  fühle,  schreibe  ich  Ihnen,  auch  ohne  alle 
weitere  Veranlassung,  über  die  psychologischen  Rechnungen.  Hai-tensteins  Anstel- 
lung ermangelt  zwar  noch  der  officiellen  Bestätigung,  aber  auch  keiner  andern  und 
ist,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  so  gut  als  gewiß.  Aber  unser  jetziges  Cultus- 
ministerium  ist  etwas  langsam. 

Ich  empfehle  mich  und  meine  Frau  Ilinen  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  fernerem 
"Wohlwollen.  —  Ihr  werther  Verwandter  soll  mir  willkommen  sej"n. 

Der  Ihrige    Drobisch. 

57(S.    Brzoska  an  H.')  [Ohne  Datum.] 

Hochwohlgeborner  Herr.  Hochzuverehrender  Herr  Hofiath.  Je  mehr  ich  im 
Fortgänge  meiner  Studien  von  Bewunderung  und  Verehrung  für  Sie  erfüllt  wnrde. 
jemehr  ich  täglich  kennen  lernte,  wie  unendlich  viel  ich  Ihnen  zu  danken  habe,  um 
desto  lebhafter  trat  in  mir  der  Wunsch  hervor,  Ihnen,  Herr  Hofrath,  meine  Ver- 
ehrung und  Dankbarkeit  auch  öffentlich  an  den  Tag  zu  legen.  Füllen  Sie  gütig  das 
Maß  der  mir  erwiesenen  Wohlthaten,  nehmen  Sie  den  von  mir  dargebrachten  wenn 
auch  unbedeutenden  Beweis  meiner  ergebenen  Gesinnungen  mit  dem  "Wohlwollen 
und  mit  der  Nachsicht  auf,  wie  sie  mir  einst  ganz  unverdient  zu  Theil  wurden. 
Was  Gutes  in  der  übeiTeichten  Schrift  ist,  gehört  doppelt  Ihnen;  ohne  Ihr  Schüler 
zu  sein  hätte  ich  mich  nimmer  zu  den  dort  niedergelegten  Ansichten  durchgearbeitet, 
wäre  mein  Blick  nie  geschärft  und  gerichtet  worden,  die  dazu  nöthigen  Erfahrungen 
zu  machen;  und  der  Gedanke,  Ihnen  das  Buch  zu  weihen,  welcher  mich  vom  ersten 
Augenblick  seines  Entstehens  belebte,  hieß  mich  meine  Kraft  aufs  äußerste  an- 
spannen, um  nicht  gar  zu  unwürdig  vor  Ihnen  zu  erscheinen;  ich  bin  zufrieden 
und  glücklich,  wenn  es  Ihren  Beifall  findet. 

Für  die  bei  meinem  Besuche  durch  Sie  und  Ihre  verehrte  Frau  Gemahlin  ge- 
fundene so  freundliche  und  gütige  Aufnahme  sage  ich  meinen  wärmsten  Dank.  Ich 
kann  versichern  daß  jene  wenigen  Stunden  gewiß  zu  den  schönsten  meines  Lebens 
gehöreo;  noch  immer  sind  Sie  der  Gegenstand  der  lebhaftesten  Unterhaltungen  mit 
meinem  guten  Weibe,  und  schon  wird  ein  Plan  entworfen,  meine  theuren  Wohl- 
thäter  wieder  einmal  zu  sehen.  Zwar  ist  dieser  ersehnte  Augenblick  aus  einfachen 
,.Natur"gründen  wenigstens  noch  auf  ".,  Jalir  hinausgesetzt  aber  um  so  mehr  Freude 
wird  uns  sein  endliches  Erscheinen  gewähren. 

Was  Jena  und  die  hiesigen  Verhältnisse  in  Bezug  auf  mich  anbetrifft,  so  lerne 
ich  täglich  immer  deutlicher  einsehen,  daß  in  dem  vielen  Verkehrten,  was  ich  gethan 
habe  einen  Hauptplatz  meine  Übersiedlung  von  Leipzig  einnimmt,  doch  tröste  ich 
mich  damit,  daß  auch  die  traurigste  Erfahrung  immer  eine  Erfahrung  bleibt,  daß 
Gott  nichts  giebt  das  nicht  zum  Besten  gereicht  und  uns  von  der  Last  befreit  wenn 
sie  zu  schwer  wird.  ||  Um  nun  etwas  von  meinem  Institute,  von  dem  der  Haupt- 
vortheil  für  mich  darin  besteht,  daß  es  mich  in  praktisch-pädagogischer  Übung  erhält 
und  Gelegenheit  zu  neuen  Versuchen  und  Erfahrungen  darbietet,  auch  in  pecuniärer 
Hinsicht  zu  gewinnen,  gebe  ich  in  demselben  täglich  5  Stunden  Unterricht. 
Außerdem  lese  ich  tägUch  1  Stunde  ein  privatißimura  über  Homer  und  zwar  schon 
zum  4ten  Male  in  Jena.     Dieses  Collegium  macht  mir  außerordentlich  viel  Freude, 

')  3  S.  40.  H.  Wien.  —  Brief  mit  einer  aufgedruckten  Ansicht  von  Jena, 
jedenfalls  mit  ßrzoskas  Buch  „über  die  Notwendigkeit  päd.  Seminare'*  an  Herbart 
geschickt. 

Herbarts  Werke.     XVIII.  16 


2A2  September  1836. 


meine  Zuhörer  sind  fleißig  und   voller  Theilnahme   und  so  kümmert's   mich  nicht, 
daß    mancher    der   Herrn    Fakultisten ,    besonders    Hand,    der    seit    längerer    Zeit       \ 
trotz  seiner  ästhetischen  Winke,  keine  Vorlesung  zu  Stande  bringt,  zuweilen  einen       | 
scheelen  Blick  auf  mich  wirft.    Auch  meine  Schulmeisterei  macht  mir  jetzt  nachdem       I 
ich  die  ganze  2te  Klasse  welche  mehrenteils  aus  erzfaulen  Bürschchen  bestand  und       \ 
jährlich  gegen  140  Rthlr.  kostete  und  Honorar  nur  auf  dem  Papier  bezahlte  entlassen       : 
habe,  nicht  wenig  Freude.     Vor  Weihnachten  stellte  ich  eine  Prüfung  meiner  Zog-       ; 
linge  an  zu  der  ich  die  Eltern  und  namentlich  den  Vater  meiner  beiden  Pensionaire       I 
eingeladen  hatte.     Das  Resultat  war  vollkommen  befriedigend;   selbst  meine  beiden 
Pensionaire,   die  bisher  gänzlich  verwahrlost  und   ohne  die   geringsten  Kenntnisse 
waren,   zeichneten  sich  in  der  Art  aus,   daß  ihr  Vater,   Baron  von  Metsch,   in  der      j 
Freude  seines  Herzens,   einmal  doch   etwas  Gutes   an   seinen  Jungen   zu   erleben       ■ 
jedem  meiner  Lehrer  2  holländ.  Dukaten  schenkte  und   mir  in  wirklicher  Rührung      j 
nur  durch   einen   festen  Händedruck  zu  danken   vermochte.     Ob  ich   jedoch  selbst      | 
bei    solchen    erhebenden    Aufmunterungen    lange    noch    den    großen    täglichen   An-      ' 
strengungen,   zumal  da  sie  mir  die  beste  Zeit  zu  meinen   eigenen  Studien  nehmen, 
werde  gewachsen  sein,   muß  ich  bezweifeln.     Was  soll  aus  mir  werden,  wenn  ich      | 
nicht  für  mich  fortarbeiten  kann?     Ich  glaube  hier  und  da  manche  ganz  gute  Idee      i 
zu  nähren,   aber  unter  solchen  Umständen  würde  ich  sie  wohl   nie  ins  Leben  ein- 
führen  können.     Und  was  nun  vollends  meinen  allersehnlichsten   Wunsch   betriff      j 
nämlich  ein  vom  Staate  autorisirtes  Paed.  Seminar  zu   haben,   so  wird  er  mir  hier      ' 
nie  erfüllt  werden.     Von  unserm  Consistorium  habe  ich  hierbei  nichts  zu  erwarten, 
wenn  gleich  ich  bei  ihm    recht  gut,  ich  möchte  sagen  in  einem  gewissen  Respect 
stehe,  denn  dasselbe  besteht  aus  Geistlichen  vom  vorigen  Jahrhundert,   welche  ihre 
Schule  für  ein  unbedeutendes  Ding  neben  ihrer  Kirche  ansehen,  das  nur  in  so  fern 
zu  beachten  ist  als  es  zum  Futterkasten  für  brodbedürftige  Candidaten  der  Theologie      ■ 
dienen    kann.      Und    Geld   für-    eine   solche   Anstalt   herzugeben    ist   ihnen   vollends      1 
unmöglich  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  sie  selbst  keins  haben  und  auch  keine      j 
Hilfsquellen  zu  öffnen  verstehn.     Doch  Gott  befohlen!  j 

Neben  dem  für  Sie,  Herr  Hofrath,  bestimmten  Exemplar  lege  ich  in  dem 
dümiern  Päckchen  ein  ||  Exemplar  für  Herr  Hofrath  Dißen  bei  indem  ich  Sie  er- 
gebenst  ereuche,  ihm  dasselbe  gütigst  einzuhändigen  und  ihn  zugleich  meiner  größten 
Hechachtung  zu  versichern.  Vielleicht  hat  derselbe  die  Güte  eine  Anzeige  von  der 
Schrift  zu  besorgen,  da  Sie  sich  derselben  enthalten  wollen.  Herr  Hofrath  würde 
gewiß  durch  diesen  Beweis  des  Wohlwollens  mich  außerordentlich  verpflichten. 
Mit  d^n  aufrichtigsten  und  wärmsten  Wünschen  für  Ihr  und  Ihrer  hochverehrten  ! 
Frau  Gemahlin  Wohlbefinden  empfehle  ich  mich  und  meine  Frau  beiderseitiger 
Gewogenheit  und  habe  die  Ehre  mit  der  höchsten  Verehrung  zu  verharren 

Ew.  Hochwohlgeboren  ergebener    Brzoska.  j 

P.  S.     Ich   ersuche  Sie   meinen   lieben  Landsmann  recht   herzlich  zu   gmßen.     I 

579.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig  d.  19.  Septbr.  36. 

Da  ich  mich  seit  gestern  etwas  freier  fühle,  obgleich  weder  in  den  Kopf 
noch  in  die  Beine  die  gewöhnliche  Kraft  zurückgekehrt  ist,  so  habe  ich  nun  Ihre 
gütigen  Mittheilungen  durchgegangen  und  kann  mich  damit  einverstanden  erklären. 

Bleibe  ich  zunächst   bei  den  Voraussetzimgen  der  Psychologie  stehen,  wonach     ' 
a  und  a  nach  den  Resten  r  nnd  q  complicirt  sind,   und  dem  a  im  Grade  p,  b  ent-     | 


1)  2  S.   40.     H.  Wien. 


September  1836.  243 


gegensteht   so  wäre,  wenn  die  Hemmungen  von  a,  b,  a  beziehlich  x,  y,  S  heißen, 
so  zu  rechnen : 

1)  b  wirkt  auf  a  proportional  seiner  Stärke  b,  dem  Gegensatz  p  und  der  Span- 

1     ,     bp 
nung  -^,  also  -^  =  P- 

2)  Aber  b  kann   nicht  auf  a  wirkea,  ohne   auf   seine  Complication  mit  o;  da 
also  letzteres  dem  a  die  Hülfe  —  leistet,  so  ist  die  Wirkung  von  b  als  Beiden  der 

Complication  von  aund  «im  Verhältniß  a:  —  oder  a*  :  rp  auf  diese  zu  vertheilen,  so 


daß  vermöge  der  Wirkung  des  "b. 


Q  *  T) 

a  proportional 


a'  +  rp' 


a^  +  re' 

o  proportional     „  ,    —  leidet. 
a*  +  re 

Aber  beide  leiden  auch  nach  Verhältniß  ihrer  Spannung,  also  a  prop. 

a  prop.  — r— :  daher  ist 

j,  «^p  arpp  aTQX  a'|       ,.. 

^  '■  S  =  ,  i  ,        VA  '■  TT-, ri-T—, r;  woraus  -j-, —  =  -i-j (1) 

(a*  +  rp)^      (a^  +  rp)  (o^  +  rp)  '  o^^  +  rg       a^  +  rp"' 

Femer  wirkt  a  auf  b  im  Verhältniß  seiner  Stärke  a,  seines  Gegensatzes  p  und 

seiner  Spannung  — — ,   also  proport.     ^   ,    — .  Dieser  "Wirkung  proportional  leidet 

a*  +  rp  a--f~rp 

b,   zugleich  im  Verhältniß  seiner  Spannung  -r-.    Da  nun  a  an  sich  gar  nicht  wirkt, 

sondern  nur  dem  a  hilft  so  ist 

a^p  a*p  X  ay        ,_^     „ 

X  :  y  =  ,  .    ,    — r-,  '•  irro—r — -^ ;   woraus  -^  =     „   / (2). 

^       (a=  +  rp)*    bCa^  +  rp)'  b        a^+rp   ^^     " 

Endhch  ist  noch,  wenn  S  die  Hemmungssumme  (==  pb,  wenn  b  <;  a), 
X  +  y  -f  ^  =  S  (3) 

Aus  diesen  drei  Gleichungen  ergiebt  sich,  wenn  wir  zur  Abkürzung 
a^b  (a^  +  rp)  +  «2  (a^  +  rp)  (a^  +  rp)  +  orpb  (««  +  rp)  =  N  setzen, 
a^b  (fx^-f-rp)  S 


"  ~              N 

^        aMa^  +  rp)(a^  + 

r?) 

S, 

y                          N 

^         arpb(««  +  rp)S 

N 

a' 

und  X  :  y  :  g  —   ^  „  , 

1? 

■  iTT 

2? 

,2    1 \ 

«rp 


(a^  +  rpf  ■  b(a-^  +  rp)  •  (a^'  +  rp)  (a^  +  rp)' 
wie  bei  Ihnen.    Denn  an  der  Richtigkeit  der  Gleichung  (3)  ist  wohl  nicht  zu  zweifeln, 
und  von  Verschränkungen,  die,  diese  Summe   der  HS.  gleich  zu   setzen,  nicht  er- 
lauben, kann  nach  jetziger  Rechnung  nicht  mehr  die  Rede. 

Ich  würde  gern  auf  Ihre  allgemeineren  Rechnungen  und  deren  Erweiterungen 
eingehen,  zumal  da  man  hier  symmetrischere  Formeln  erhält.  Ich  finde  andr.  aber  in 
deren  Voraussetzung  ein  Bedenken.  Sind  nämlich,  wie  hier  offenbar  angenommen 
wird,  a,  a,  b,  ß.  gleichzeitig  im  Bewußtsein  und  ganz,  wie  kann  da  noch  von  unvoll- 
kommenen Coraplicationen  die  Rede  seyn  ?    Sie  compliciren  sich  augenblicklich  voll- 

16* 


244  September  1836. 


kommen.  Darauf  würde  ich  mir  nun  noch  die  Antwort  erbitten.  Indeß  kann  ich, 
auch  wenn  sie  mich  beruhigt,  doch  noch  nicht  versprechen,  ob  ich  auf  die  weit- 
läufigeren, obwohl  kaum  schweren,  Untersuchungen  über  3  Complex.  jetzt  eingehe, 
schon  des  Raumes  wegen  und  um  die  Aufgabe  einer  bloßen  Revision  Ihrer  Rech- 
nungen nicht  zu  sehr  aus  dem  Auge  zu  verlieren. 

Mit  innigster  Freundschaft  und  Hochachtung 

Ihr  ganz  ergebener    Drobisch. 

N.  S.  Noch  Eins!  Daß  ich  die  Complexion  von  Vorstellungen  durch  complexus 
notionum  übersetze,  dagegen  ist  wol  nichts  einzuwenden:  was  sagen  Sie  aber  dazu 
wenn  ich  die  Verschmelzungen  durch  connexus  bezeichne?  Ein  den  deutschen  Aus- 
druck treuer  gebendes  Wort  in  leidlichem  Latein  habe  ich  nicht  finden  können.  Doch 
könnte  ich  jetzt  noch  ändern.  Dr. 

580.    Drobisch  an  H.')  Leipzig  d.  28.  Septbr.  36. 

Hochverehrter  Herr  und  Freund!  Ich  beeile  mich  Ihnen  zu  melden,  daß  vor 
10  Minuten  bei  mir  das  ßestallungsdecret  Hartensteins  zum  „ordentl.  Prof.  der 
theoretischen  Philcsophie"  eingegangen  ist.  Zugleich  haben  wir  aber  auch  einen 
Prof.  der  praktischen  Philosophie  erhalten  und  wen?  ßülau,  bekannt  durch  mancherlei 
Schriften  über  Staatswissenschaften:  denn  das  ist  sein  Fach!  Um  Moral  und  Natur- 
recht, um  Aebthetik  glaube  ich  hat  er  sich  in  seinem  Leben  nicht  bekümmert,  wol 
auch  kaum  um  die  philosophische  Lehre  vom  Staate.  "Woher  nun  üiese  Unpaslich- 
keit?  Er  hatte  einen  Ruf  nach  Kiel;  er  ist  Pölitz's  Schüler  und  Günstling  und  P. 
vermag  viel  in  Dresden.  Die  Sache  kommt  uns  aber  zu  gute.  Es  ist  weiter  nichts 
als  eine  AnwMi  tschaft  auf  Pölitz's  Professur.  Denn  so  wie  dieser  mit  Tode  abgeht, 
rückt  ß.  ohne  Zweifel  ein.  Unterdessen  treiben  H.  und  ich  unser  "Wesen,  und  er- 
leben wir  jenen  Zeitpunkt,  so  kommt  entweder  ein  Auswärtiger  in  die  vacante  Stelle 
oder  H.  übernimmt  die  Prof.  der  praktischen  Philos.  und  —  ich  bewerbe  mich  doch 
wol  noch  einmal  um  die  der  theoretischen.  Doch  das  sind  Sorgen  für  die  Zukunft, 
die  jetzt  bei  Seite  bleiben  mögen.  Factisch  ist  uns  diese  ßesetzung  günstig,  denn 
wir  behalten  das  Heft  in  den  Händen. 

Sie  werden  sich  wundern,  mich  etwas  anders  sprechen  zu  hören  in  Beziehung 
auf  die  Möglichkeit,  doch  noch  einmal  eine  Professur  der  Philosophie  zu  übernehmen, 
als  früher.  Theils  aber  ermuthigt  mich  der  Gedanke,  daß  ich  nun  zu  weiterer 
philosophischer  Ausbildung  Zeit  gewinne,  und  dann  hat  mich  ein  Besuch  Reinholds 
ganz  guter  Laune  gemacht,  der  auf  eine  solche  Weise  mit  mir  sprach,  disputirte  etc., 
daß  es  auf  mich  den  Eindruck  machte,  als  rechne  er  mich  zu  den  Philosophen  von 
Fach.  So  wohl  ist  ||  mir  hier  noch  nicht  geworden.  Ein  so  lieber  Mann  übrigens 
R.  ist,  und  so  beachtenswerth  mir  seine  Ansichten  insofern  sind,  als  sie  dienen 
können  an  die  einfache  natürliche  Auffassung  der  Dinge  zu  erinnern  und  deren  Be- 
wußtseyn  lebendig  zu  erhalten,  so  scheint  er  mir  doch  eigentlich  von  der  Kunst 
logischen,  mathematischen,  metaphysischen  Denkens  gar  nichts  zu  begreifen.  Die 
Nothwendigkeit  unsre  Erfahrungsbegriffe  und  Denkformen  in  ihre  ersten  Elemente 
aufzulösen,  um  'sie  aus  diesen  auf  eine  vollkommene  "Weise  wieder  zusammen  zu 
setzen,  wird  ihm  nie  einleuchten.  Eine  Kritik  der  Begriffe  hinsichtlich  ihrer  Denk- 
barkeit ist  ihm  schon  verkünsteltes  Unternehmen,  an  eine  Umarbeitung  kommt  er 
natürlich  gar  nicht.  Er  kommt  also  über  den  Standpunct  des  Empirismus  nicht 
hinaus.  Aus  diesen  Gränden  und  in  Beziehung  auf  seine  theologische  Nachgiebig- 
keit (der  hebe  Mann  hat  überhaupt  mehr  von  einem  Theologen  als  Philosophen  in 

1)  2  S.    40.     fl.  Wien. 


September  1836.  245 


seinem  "Wesen)  hielt  ich  seine  Em-erbung  für  Leipzig  nicht  gerade  für  einen  Ge- 
winn. Sein  weiches  Wesen,  seine  Tendenz  zu  einer  gewissen  Populär-  oder 
wenigstens  Menschenverstands-Philosophie  ist  nicht  geeignet  die  sächsische  Indolenz 
aus  dem  Schlafe  zu  riitteln.  —  Er  ist  in  Dresden  gewesen;  ob  mit  Beziehung  auf 
Leipzig,  weiß  ich  nicht,  für  dieses  Mal  kam  er  zu  spät.  Uebrigens  kann  man 
sich  wol  keinen  freundlicheren  CoUegen  denken. 

Meine  Gesundheit  steht  besser,  aber  der  entschiedenste  Müßiggang  allein,  der 
blos  Unterhaltung  suchte  und  alle  Arbeit  mied,  hat  mich  so  weit  wieder  hergestellt. 
Einen  Schnellarbeiter  werden  Sie  an  mir  nie  gewinnen.  Mein  Organismus  ist  zu 
schwach  und  reizbar,  um  lange  eine  affectvoUe  Thätigkeit  ertragen  zu  können.  Die 
größte  Gemüthsruhe  ist  die  erste  Bedingung  meiner  Gesundheit. 

Mit  innigster  Freundschaft  Ihr  ganz  ergebener    Drobisch. 

581.     An    Drobisch.  Ohne  Datum. >) 

Zu  den  unvollkommenen  Comp!.,  mein  theurer  Freund,  bitte  ich  einst- 
weilen Erfahrungen  hin7uzudenken.  Eine  solche  bietet  sich  mir  jetzt  nur 
zu  fühlbar  an;  versuchen  Sie  doch,  wenn  auch  mit  Scherz,  dem  ich  mich 
schon  Preis  geben  will,  —  in  meine  Verlegenheit  sich  zu  versetzen.  Da 
habe  ich  ein  Pedal  an  meinem  Fortepiano;  ein  zweytes  Instrument,  das 
mit  den  Füßen  gespielt  wird.  So  viel  haben  meine  Füße  bald  gelernt, 
daß  sich  die  Vorstellungen  der  Töne  mit  denen  der  Fußtasten  hinreichend 
compliciren,  um  bey  ruhenden  Händen  eine  langsame  Melodie  zu  spielen, 
allenfalls  ohne  hinzusehen.  Aber  die  Hände  sollen  zugleich  auf  dem 
oberen  Instrumente  ihren  Gang  gehen!  Also  unaufhörliche  Hemmung  der- 
jenigen Complexionen,  vermöge  deren  die  Hände,  und  vermöge  deren  die 
Füße  gehen  sollen ! 

Ähnliches  kommt  bey  allem  Lernen  und  Üben  vor.  Wenn  sich  voll- 
kommene Complexionen  so  leicht  bilden  ließen,  wie  Ihr  letzter  Brief  an- 
nimmt, so  wären  Vocabeln  bald  gelernt,  und  hafteten  unendlich  besser  als 
die  Erfahrung  einräumt. 

Doch  jetzt  zu  den  Begriffen,  denn  ich  muß  eilig  schreiben,  weil  ich 
auf  ein  paar  Tage  verreisen  will. 

Der  Grund,  weshalb  vollkommene  Complexionen  entstehen,  liegt  in 
der  Einheit  der  Seele.  Das  heißt:  in  der  Abwesenheit  eines  Hindernisses, 
denn  an  eine  Handlung  und  eigene  Kraft  der  Synthesis  denken  wir  nicht. 
Nun  ist  aber  die  Hemmung  ein  Hinderniß.  Ja,  werden  Sie  sagen,  wenn 
der  gehemmte  Zustand  schon  eintrat.  Aber  ich  antworte:  das  Hinderniß 
ist  schon  früher  da,  ehe  dieser  Zustand  allmählich  eintrit,  d.  h.  ehe  die 
H.  S.  sinkt.  Vergleichen  Sie  §  76  der  Psychol.  am  Ende.  Was  von  den 
Verschmelzungen  klar  genug  ist,  wird  auch  auf  die  unvollk.  Compl.  passen; 
denn  es  kommt  in  Bezug  auf  die  Isolirung  der  Vorstellungen  nicht  darauf 
an,  ob  gerade  eine  von  der  andern  die  Hemmung  erleiden  soll;  genug, 
wenn  überhaupt  Nothwendigkeit  da  ist,  einer  Hemmung  nachzugeben.  |] 

Wären  r  und  q,  desgleichen  r'  und  q\  kleiner  als  die  Hemmung 
zwischen  a  und  b,  a  und  ß  an  sich  erlaubt,  so  können  sie  beym  Zu- 
sammentreffen der  Compl.  a  -]-  «i   h  -|-  Ä    höchstens   soweit   wachsen,   als 

^)  2  S.    4".  —  Poststempel  29.  9. 


246  Oktober  1836. 


jene  Hemmung  gestattet.  Aber  das  ist  noch  das  Wenigste!  Bedenken 
Sie,  daß  nach  einigen  Lebensjahren  der  Mensch  die  allermeisten  Elementar- 
Vorstellungen  durch  die  Sinne  schon  erlangt  hat,  und  daß  wegen  der  ge- 
ringen Empfänglichkeit  die  Verbindungen  bey  fortschreitender  Erfahrung 
weit  weniger  das  Neu-Gegebene  betreffen,  als  vielmehr  das  reproducirte 
Quantum  der  altern  Vorstellungen.  Nun  braucht  aber  die  Reproduction 
Zeit,  und  der  Fluß  der  Gedanken  ist  viel  zu  verwickelt,  als  daß  einzelnen 
Vorstellungen  viel  Zeit  dazu  pflegte  gestattet  zu  werden.  Die  steigenden 
Vorstellungen  gelangen  während  dieser  Zeit  des  Steigens  nicht  dazu,  sich 
soweit  zu  verbinden,  als  sie  an  sich  wohl  könnten. 

Scheint  Ihnen  aber  dies  Alles  noch  nicht  klar  genug,  so  sage  ich 
dennoch:  rechnen  Sie  nur!  Denn  alle  Statik  des  Geistes  ist  überhaupt  nur 
Vorbereitung  und  Annäherung,  da  eigentliches  Gleichgewicht  niemals  wirk- 
lich eintrit.  Rechnen  Sie  wie  für  den  mathematischen  Hebel,  obgleich 
Sie  wissen,  daß  es  keine  bloßen  mathematischen  Hebel  jemals  in  der 
Wirklichkeit  gegeben  hat.  — 

Ihren  Ausdruck:  summa  productorum  —  gradibus  pp.  möchte  ich  doch 
anheim  stellen  nochmals  anzusehen.  Konnte  ich  ihn  misverstehen,  ob- 
gleich ich  den  Sinn  schon  wußte,  so  können  es  Andere  noch  viel  leichter. 
Wer  wird  errathen,  daß  singula  quaevis  notio  erst  geprüft  seyn  will,  und 
daß  auf  diese  Weise  verschiedeiie  Summen  verglichen  werden  müssen  um 
die  minimam  herauszufinden?  Das  Eigne  des  Gegenstandes  liegt  eben 
darin,  daß  Versuche  gemacht  werden  müssen,  um  die  Regel  zu  brauchen. 
Warum  nicht  lieber  so:  formentur  summae  etc.  videatur,  quaenam  harum 
summarum  sit  minima,  eaque  habeatur  pro  quantitate  jacturae. 

Es  wird  schön  Wetter.  Machen  Sie  es  wie  ich,  verreisen  Sie! 
Heitern  Sie  Sich  auf!  So  wünscht  von  Herzen  der  Ihrige  H. 

Noch  Eins!  Wissen  Sie  mir  zu  sagen,  ob  Herr  von  Lindenau  mit  seinen 
Untersuchungen  über  die  Differenz  der  Sonnendurchmesser  neuerlich  zu 
einem  Resultate  gekommen  ist?  Mir  sind  Gedanken  aufgestiegen,  nach 
welchen  gerade  so,  wie  er  früher  gesagt  hat,  der  Polardurchmesser  größer 
gefunden  werden  muß,  —  nämlich  der  Polardurchmesser  der  Sonnen- 
atmosphäre, welchen  allein  man  sehen  kann.  Daß  der  Äquatorealdurch- 
messer  des  Hauptkörpers  größer  seyn  muß,  versteht  sich  von  selbst;  aber 
die  Frage  ist  wegen  der  Leucht-  und  Erwärmungs- Ursache  wichtig.  Die 
Fadendicke  des  Mikrometer  hat  Hrn.  v.  Lindenau  oder  andere  Beobachter 
schwerlich  täuschen  können ;  denn  sie  gingen  mit  der  Erwartung  an  die 
Beobachtung,  der  Polardurchmesser  müsse  sich  kleiner  zeigen.  Wo  sich 
die  Beobachtung  der  Erwartung  widersetzt,  da  ist  Täuschung  nicht  so  leicht 
als  im  Gegenfalle.  —    Mein  neues  Buch  nächstens. 

582.    Hartenstein  an  H/)  Leipzig  deu  10t.  Octob.  1836. 

Vor  allem,  hochzuverehi ender  Herr  Hofrath,  erlauben  Sie  mir,  für  die  Übei'- 
sendung  Ihres  neuesten  "Werkes,  dessen  Schluß  ich  mit  Verlangen  entgegensah, 
Ihnen  meinen  besten  Dank  darzubringen.  Daß  ich  mir  die  Benutzung  desselben 
angelegen   seyn  lassen  werde,   werden  Sie  mn-  ohne  meine  Versicherung  glauben: 

*)  3  S.    4".     H.  Wien. 


Oktober   1836.  247 


und  ich  wünsche  nur,   daß  ich  Ihre  gute  Meinung,   daß  ich  aus  den  dargeboteneu 
MateriaHen  mehr  zu  macheu  im  Stande  seyn  werde,  wenigstens  zu  einem  kleinen 
Theil  rechtfertigen  möge.    "Was  Sie  am  Schluße  von  der  teleologischen  Richtung  der 
Moral  sagen,  hat  mich  sehr  befriedigt;  es  genügt  vollkommen  um  vor  Schleiermachers 
leeren  Allgemeinheiten,  und  vor  Hegels  Speculation,  sittlich-dumpfen  Träumereien  zu 
bewaliren.     So  stark  man  auch  dadurch  an  die  engen  Grenzen  unseres  theoretischen 
Wissens  erinnert  wird,    so  wichtig  ist  es,   sich   deutlich   zu  machen,   daß   die  Ethik 
zunächst  gar  nicht  nach  Plänen,  sondern  nach  Maximen  fragt,  und  daß  das  Wissen 
oder  Nichtwissen  vom  Weltsystem  gar  nichts  ändert  an  der  sittlichen  Verpflichtung. 
Die  Ethik  kennt  keine  andren  Pläne,  als  welche  aus  der  Anwendung  der  Ideen  auf 
das  Gegebene  hervorgehen;  gäbe  es  keinen  Weltplan,  sondern  nur  bestimmbare  Willen 
und  Raum  für  ihr  Handeln,  so  würden  die  Ideen  die  Stelle  der  Vorsehung  vertreten; 
nur  daß  sie  auch  dann  nicht  unmittelbar  für  eine  Macht  derselben  gehalten  werden. 
Merkwürdig  bleibt  es,  daß  in  der  Wissenschaft,  wie  im  Leben,  Pläne  die  Maximen 
immer  überflügeln,  und  wie  leicht  man,  auf  die  Abschätzung  des  Erfolges  hinnilend, 
die  Gesinnung  in  den  Hintergrund  stellt.    Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  Ihnen  noch 
eine  Frage  vorzulegen,  die  mir  für  eine  präcise  Ausführung  der  praktischen  Philo- 
sophie äußerst  wichtig  zu  seyn  scheint  und  für  welche  ich  offen  gestehe,  in  Ihren 
Schriften  keine  andre  als  eine  verneinende  Antwort  gefunden  zu  haben.     Die  Ideen 
sollen    vereinigt   dargestellt   werden.      Aber   sie   lassen    sich    nicht   immer   in   voll- 
kommenem Gleichgewicht  realisiren.     Nicht  als  ob  sie  als  Ideen  colhdirten,  sondern 
sie  collidiren  in  ihrer  Anwendung  auf  die  schon  bestehenden  und  durch  die  Ideen 
selbst   anderweit  schon    irgendwie  bestimmten  Verhältnisse.    Die  Stimme  des  Wohl- 
wollens soll  schweigen,  wo  ein  schon  bestehendes  Recht  verletzt  werden  würde  u.  s.  w. 
Gesetzt  nun,  eine  sittliche  Aufforderung   sey   von  der  Art,   daß  sie   von   mehreren 
Ideen  zugleich  ausgeht   —   und   streng  genommen  giebt  es  deren,   in   welche  alle 
Ideen  zugleich  reden  —  ohne  daß  doch  alle  zugleich  befolgt  werden  könnten,  giebt 
es  überhaupt  gar  keine  Regeln,    welche  diese  Collisionen,  die  sich,   so  geringer  der 
Grad  der  schon  vorhandenen  sittlichen  Bildung  ist,   desto  mehr  verwickeln  müssen, 
entscheiden  lassen?  giebt  es  nicht  Verhältniße  der  zweiten  Ordnung,  welche  über 
die  Stellung  der  Ideen  zu  einander  (als  der  Verhältniße  der  ersten  Ordnung)  etwas 
bestimmen?  der  naheliegende  Gedanke,  daß  erst  das  Mißfällige  und  Schändliche  zu 
meiden  sey,  ehe  man  an  die  Darstellung  des  Löblichen  denken  dürfe,  reicht  nicht 
aus;   aus  ihm  folgt  z.  B.   gar   nicht,   warum   das  rechtlich  Anerkannte   den  Foide- 
rungen  der  Billigkeit  vorangehen  soll.     Ja,  das  quantitative  Übergewicht  des  Lobes, 
welches  der  Äußerung  des  Wohlwollens,  bisweilen  einer  mit  der  eigenen  Überzeugung 
übereinstimmenden  Handlung  gebührt,  kann  so  groß  gedacht  werden,  daß  die  Stimme 
des  Tadels,   welche   von   der  Verletzung  einer   andern  Idee   ausgeht,   fast  wie  ein 
unendlich  kleines    verschwindet.     Giebt   es  hier  wirklich   keine  andre  Bestimmung, 
als  die  Hinweisung   auf  die  Abschätzung   der  sittlichen  Größenverhältnisse,   welche 
zuletzt  doch  nur  auf  der  schon  gewonnenen  sittlichen  Bildung   des  Handelnden  be- 
ruht und  allen  Fehlern   und  Unvollkommenheiten   des   letzteren   selbst  unterworfen 
ist?  Es  will  mir  scheinen,  als  vei-wickelten  wir  uns  hierdurch  in  ähnliche  Schwierig- 
keiten,   als  in  welchen  Fichte  (Sittenlehre  S.  213  folg.)  stecken  bleibt,  indem  er  an 
die  Stelle  der  sittlichen  Beurtheilung  das  unmittelbare  Gefühl  der  be.stimmten  Pflicht 
setzen  muß.     Endlich,   wenn   bisweilen   das  Wohlwollen  dem  Rechte  ||  nachstehen 
muß,  warum  nicht  auch  umgekehrt,  da  die  Würde  der  Ideen  für  alle  dieselbe  ist? 
Oder  wollte  man  sagen,  bestimmte,  sittliche  Verhältniße  seyen  von  einzelnen  Ideen 
vorzugsweise  beherrscht,   wie   etwa  die   Freundschaft  vom  Wohlwollen,   der  Staat 
aber  vom  Rechte  u.  s.  w.   so  widerstreitet  das  dem  Geiste  unserer  Ethik,  vermöge 


I 


248  November  1836. 


dessen  kein  sittliches  Verhältniß  dem  Ideale  als  der  Znsainmenfaßung  der  Ideen 
entspricht,  in  dessen  sittlichem  Begriffe  es  läge,  einzelne  Ideen  ganz  auszuschließen. 
Die  ganze  Frage  verzweigt  sich  besonders  in  der  Idee  der  beseelten  Gesellschaft, 
wo  die  Forderungen  der  Cultur,  der  Vei'waltung,  des  Rechts  in  Gleichgewicht  treten 
sollen  und  hat  mich  namentlich  in  dieser  Beziehung  während  des  Vortrages  der 
Sittenlehre  im  vorigen  Halbjahr  wie  eine  stille  Last  gedrückt;  auch  glaube  ich  an 
meinen  Zuhörern  bemerkt  zu  haben,  daß  sie  Aufschluß  über  dieselbe  vermißten. 

Von  Ihrem  Verwandten  die  Versicherung  Ihres  Wohlbefindens  erhalten  zu 
haben  ist  mir  sehr  erfreulich  gewesen.  Vielleicht  ist  auch  Ihnen  die  Nachricht 
nicht  ganz  gleichgültig,  daß  ich  zum  ordentlichen  Prof.  der  Philosophie  an  Krugs 
Stelle  ernannt  bin.  Die  andre  Stelle  der  praktischen  Philosophie  ist,  wenn  auch, 
vielleicht  nur  provisorisch  der  systematischen  Philosophie  entzogen  und  den  Staats- 
wissenschaften zugewiesen  worden;  es  hat  sie  H.  Prof.  Bülau  erhalten.  Da  somit 
alles  hier  in  statu  quo  bleibt  und  zunächst  die  turgescirende  Philosophie  keinen  wirk- 
samen Repräsentanten  bekommen  kann,  so  ist  die  Geltung  der  Ihrigen  hier  auch, 
nicht  einmal  von  außen  gefährdet.  Zum  Gegenstand  meiner  Antrittsprogramme  habe 
ich  eine  Abhandlung  de  fundamento  et  indole  Ethicae  a  Schleiermachero  propositae 
gewählt. 

Mit  immer  gleicher  Verehrung  verhaiTe  ich 

Ihr  ergebenster  Hartenstein. 

583.     Drobisch  an  H.')  Leipzig  d.  27.  Novbr.  36. 

Hochvererhrter  Herr  und  Freimd!  Wo  unsre  Correspondenz  stehen  oder 
stecken  geblieben  ist,  weiß  ich  in  diesem  Augenblicke  eigentlich  selb.st  nicjht.  Genug  ich 
erlaube  mir,  in  dem  dieses  Blatt  umschließenden  Programm  ein  kleines  Lebenszeichen 
zu  schicken,  das  sich  freilich  wol  noch  magerer  als  das  erste  ausnehmen  wird. 
Was  von  den  unvollkommenen  Complexionen  mitgetheilt  ist,  darüber  stimmen  wir, 
auch  sind  Sie  als  der  emendator  der  Rechnimgen  hinlänglich,  bezeichnet  und  ich, 
wie  sich's  gebührt  als  der  Zweifler. 

Der  bin  ich  aber  noch  zwar  nicht  in  Beziehung  auf  den  mitgetheilten  Fall, 
aber  hinsichtlich  des  allgemeineren,  den  Ihre  Rechnungen  behandelten.  Der  Wieder- 
anblick der  Rechnungen  über  vollkommene  Complexionen  und  über  Verschmelzungen, 
wie  ich  sie  hier  geführt  habe  (mögen  letztere  Ihren  Beifall  haben),  hat  mich  näm- 
lich daran  erinnert,   a  -j und  «  -| — -  nicht  in  zu  großer  Ausdehnung  als  passive 

dl  cx 

Kraft  zu  betrachten,   und  ich  meine,  das  p  in  —  q  und  das  r  in  —  r    muß    resp. 

a  a 

einem  ß  oder  b  gegenüber  allerdings  als  wiikend  in  Ansatz  gebracht,  aber  dann 
nicht  die  Summe  aller  Wirkungen  =--  der  HS.  gesetzt,  sondern  so  verfahren  werden, 
wie  Sie  bei  unvollk.  Complex.  und  Verschmelzungen  es  gezeigt  ich  bei  den  letztern 
wiederholt  habe.  Doch  ist  es  gar  nicht  meine  Absicht,  die  Sache  jetzt  weiter  zu 
verfolgen.  Die  nächsten  beiden  Programme  werden  vielmehr  der  Mechanik  ge- 
widmet seyn :  eins  ist  bereits  im  Mspt  fertig.  Dies  wird  ausgegeben  d.  23.  Januar, 
das  andere  in  der  ersten  Hälfte  des  Februar.  Dann  mag  der  erste  Fascikel  ge- 
schlossen seyn.  In  drei  -Jahren,  wenn  mir  Gott  Leben  und  Gesundheit  giebt,  werde 
ich  wieder  an  der  Reihe  seyn.  200  oder  300  Exemplare  kommen  in  den  Buch- 
handel, vielleicht  10 mal  so  viel  als  der  Begehr  seyn  wird;  also  die  Fortsetzung  eilt 
nicht  so    sehr;    aber  etwas  gemeinverständliches,   die  Elemente   beleuchtendes,   zu 


')  2  S.     40.     H.  Wien. 


November  1836.  24Q 


schreiben,  mag  ||  eher  lohnen  und  gesucht  werden.  Daran  will  ich  dann  gehen.  Jetzf: 
sind  mir  meine  gut  besuchten  Vorlesungen  über  Psychologie  (36  Zah.)  eine  passende 
Vorbereitung  dazu,  hinsichtlich  der  Gedankennnregung  und  dei  üebersicht  des 
Materials.  Hartensteins  einleitende,  logische  und  metaphysische  Vorlesungen  gehen 
auch  sehr  gut.  Er  schmeichelt  sich  mit  einem  Brief  von  Ihnen,  iu  dem  er  Sie,  wie 
ich  glaube,  über  einige  Veihältnisse  der  praktischen  Philosophie  befragt  hat.  Sonst 
hat  er  mit  seiner  bevorstehenden  Dissertation  und  Heirath  (er  macht  eine  reiche 
Partie)  zu  thun. 

Ich  hoffe  und  wünsche  daß  Sie  und  Ihre  Frau  Gemahlin  bei  bestem  Wohl- 
seyn  seyn  mögen,  und  daß  die  Besetzung  der  Stelle  Wendt's  Ihren  Erwartungen 
entsprechen  mag.  Aber  die  Leute,  die  den  schönen  Künsten  eine  detaillirte  und 
doch  philosophische  Aufmerksamkeit  gewidmet  haben,  und  zugleich  Historiker  der 
Philosophie  sind,  dürften  nicht  zahlreich  seyn.  Hätte  Griepenkerl  größere  literarische 
Thätigkeit  entwickelt,  wie  es  der  Göttinger  Ruf  erfordert,  so  könnte  er  Ihnen  jetzt 
zur  Seite  stehen.  Aber  so  habe  ich  wirklich  keine  Ahnung,  wie  die  Stelle  besetzt 
werden  soll.     Sie  wird  am  Ende  bleiben  wie  die  Thibaut's. 

Erfreuen  Sie  mich  bald  mit  ein  paar  Zeilen.  Mögen  meine  nächsten  Mit- 
theilungen in  heitrer  Stimmung  erfolgen  können.  Ich  gehe  nim  in  meinem  Häus- 
lichen unruhigen  und  beängstigenden  Tagen  entgegen. 

Ganz  der  Ihrige    Drobisch. 

N.  S.  Auf  dem  Wege  des  Buchhandels  schicke  ich  Ihnen  3  Exemplare  des 
Progi-amms  nach,  oder  wünschen  Sie  noch  mehr?  Haben  Sie  mehr  Liebhaber  ge- 
funden, so  stehen  auch  von  dem  ersten  Programm  noch  einige  Exemplare  zu  Diensten. 

584.  Dissen  an  H.>)  28.  Nov.  [1836?J 
Es  thut  mir  sehr  leid,  mein  verehrter  Gönner,  daß  Sie  gestern  mich  in  einem 

so  unerfreulichen  Zustande  hal)en  treffen  müssen;  es  war  aber  dem  Mädchen  vor- 
geschrieben die  Besuchenden  zu  bitten  nicht  herauf  zu  kommen,  leider  aber  ver- 
gessen worden.  Dennoch  würden  Sie  nicht  so  fortgekommen  seyn,  da  ich  Ihres 
gütigen  Besuchs  mich  stets  wahrhaft  freue,  wenn  es  eine  Möglichkeit  gewesen  wäre. 
•  Aber  mein  Nervensystem  ist  seit  etwan  zehn  Tagen  in  einem  erschrecklichen  Zu- 
stande, ßeiz  und  Erhitzung  hat  keinen  Nahmen,  die  Entkräftung  aber  ist  wie  wenn 
ich  mich  in  einer  beständigen  Ohnmacht  befände.  Ich  erschrecke  schon  wenn 
jemand  in  die  Stube  tritt  voll  unbeschreiblicher  Angst,  und  gestern  hatte  ich  das 
Zittern  in  allen  Gliedern,  während  ich  in  der  Ekke  des  Zimmers  stand.  Auch  diese 
Nacht  war  wieder  abscheulich.  Die  lange  Dauer  meiner  Krankheit  hat  sehr  natür- 
lich meine  Freunde  sicher  gemacht,  daß  sie  sich  das  üebel  nicht  so  groß  vorstellen 
wie  es  geworden  ist;  mir  ist  der  Zustand  nicht  unerwartet,  und  sollten  gewisse 
Umstände  eintreten,  so  kann  bald  noch  schhmmeres  folgen.  In  dem  ich  nochmahls 
bitte  diese  Entschuldigungen  sich  gefallen  zu  lassen,  verbleibe  ich  mit  treuem 
Herzen  der  Ihrige    Dissen. 

585.  Schubert  an  H.')  Königsberg,  den  11.  Dec.  1836. 
Hochgeehrter   Herr   College!     Sie    haben    durch   Ihr    liebes    Schreiben    vom 

29ten  Juli  mir  eine  sehr  große  Freude   gemacht,   und  da  Sie   nach   vielen  Königs- 
bergerangelegenheiten  mit  freundlicher  Theilnahme  sich  erkundigen,  so  will  ich  auch 

^)  2  S.    8".     N.  (=  Nachlaß,  s.  Vorwort). 
'')  4  S.    8°.    N.  (=-  Nachlaß,  s.  Vorwort). 


I 


2  CO  Dezember  1836. 


eifrig  meines  Amtes  als  treuer  Chronist  eingedenk  sein.  Zuerst  aber  will  icti  meine 
herzliche  Freude  bekennen,  daß  Ihre  Gesundheit  jetzt  schon  besser  an  die  Ver- 
änderungen des  Göttinger  Aufenthaltes  sich  gewöhnt  hat  und  Ihnen  verstattet,  eine 
so  absolute  Herrschaft  über  Ihre  Zeit  auszuüben,  daß  wir  in  jeder  Messe  durch 
neue  bedeutende  Erscheinungen  Ihrer  literarischen  Wirksamkeit  erfreut  werden, 
während  Sie  doch  zugleich  um  ein  Fünfte]  mehr  Zeit  für  Ihre  CoUegien  verwenden, 
wie  Sie  mir  früher  schrieben.  Der  aufriclitigste  Wunsch  Ihrer  Königsberger  Freunde, 
spricht  sich  nun  darin  aus,  mögen  Sie  diese  Freude  der  lebendigsten  Thätigkeit  und 
ihrer  wirksamsten  Folgen  noch  recht  lange  genießen  und  viele  Universitäten  dem 
Beispiele  Leipzigs  folgen. 

In  unserem  Königsberg  haben  die  drei  Jahre  doch  manche  wesentliche  Ver- 
änderung heiTorgebracht.  Zu  den  unerfreulichen  gehört,  daß  unser  trefflicher 
Lobeck  seit  Michael  ernstlich  kränkelt,  vielleicht  sich  noch  kränker  fühlt,  als  er  ist, 
aber  die  ersten  Wochen  dieses  Semesters  wegen  starker  Brustschmerzen,  steter 
Heiserkeit  und  schmerzhaften  Hustens  nicht  lesen  konnte,  was  bei  seiner  großen 
Gewissenhaftigkeit  in  der  Erfüllung  der  academischen  Pflichten  ihm  eine  peinliche 
Entbehrung  war.  Er  ist  zwar  jetzt  besser,  aber  keinesweges  hergestellt  und  be- 
darf sehr  großer  Schonung.  Uusre  medicinische  Facultät  hat  durch  Todesfälle  und 
Versetzungen  so  bedeutende  Verluste  erlitten,  und  so  mangelhaften  Ersatz  dafür 
erlangt,  daß  die  Facultät  in  ihrer  früheren  Bedeutsamkeit  nicht  mehr  dasteht.  Das 
Glücklichste  ist  dabei  noch,  daß  Sachs  jetzt  die  Clinik  erhalten  hat  und  daß  um  || 
ilin  die  Mediciner  sich  gruppiren.  Seerig,  L^ngers  Nachfolger,  hat  die  von  ihm  ge- 
hegten Eiwartungen  nicht  erfüllt,  und  Baers  Verlust  als  Docent  ist  unersetzlich  da 
er  die  Leute  fast  wider  ihi'en  Willen  zum  Lernen  und  Wissen  trieb,  während  sein 
Nachfolger  Rathke  ein  respectabler  Gelehrter,  aber  gar  kein  Docent  ist:  doch  sind 
wir  zufrieden,  daß  er  bei  uns  geblieben  ist,  da  er  schon  wieder  einen  Ruf  zur 
Rückkehr  nach  Dorpat  angenommen  hatte.  Rosenkranz  war  durch  Daub  nach 
Heidelberg  berufen,  für  welchen  er  eine  sehr  große  Anhänglichkeit  besaß.  Bei 
seinem  jugendlich  romantischem  Wesen  zog  ihn  auch  die  Erinnerung  an  seinen 
früheren  Aufenthalt  nach  dem  Rhein,  indem  er  ganz  vergaß,  wie  Heidelberg  ge- 
simken  und  durch  natürliche  Verhältnisse  gefesselt  zu  seiner  früheren  Bedeutsamkeit 
sich  schwerlich  mehr  erheben  kann.  Ein  ernsteres  Überlegen  seiner  hiesigen 
Stellung  hat  ihn  aber  doch  umgewandt.  In  voriger  Woche  erhielt  er  mirabile  dictu 
einen  Ruf  nach  Rostock  für  die  Literatur  der  neuern  Sprachen,  und  zwar  noch 
merkwürdiger  mit  dem  jungen  Hagen  zusammen,  so  daß  einer  von  beiden  kommen 
sollte,  *um  Huber,  der  nach  Marburg  gegangen  ist,  zu  ersetzen.  Rosenkr.  war  auch 
für  anfänglich  ein  wenig  gewonnen,  weil  sein  Vater  ein  geborner  Rostocker  war, 
aber  die  Totalsumme  der  120  Studenten  und  die  kleine  Stadt  schreckten  doch  bald 
zurück,  und  auch  Hagen  wird  nicht  gehen.  In  unserem  Senate  geht  es  nach  ge- 
wohnter Weise  etwas  stürmisch  zu,  aber  die  Ausführung  der  Arbeiten  überläßt  man 
wohl  in  der  Regel  nur  einem  Mitgliede.  Endlich  ist  eine  Einigkeit  fast  zwangsweise 
unter  den  Mitgliedei-n  über  die  Wahl  des  Locals  zu  einem  neuen  ||  üniversitäts- 
gebäude  zu  Stande  gekommen;  es  soll  auf  dem  Königsgarten  u.  in  der  Tragheimer 
Kirchenstraße  errichtet  werden.  Die  Sache  liegt  jetzt  dem  Könige  vor  mit  einem 
Anschlage  von  170000  Rthlr.  Man  hofft  mindestens  die  Vollendung  bis  zu  dem 
300jährigen  Jubiläum  der  Universität  (1844).  Und  damit  wünsche  ich  zugleich  eine 
frohe  Ankunft  des  Jubeljahres  für  die  Georgia- Augusta ,  die  ich  wahrscheinlich  in 
diesem  Jahre  begrüßen  werde.  Ihre  Interpretation  „des  künftigen  Jahres'',  vei- 
ehrter  Herr  College,  "konnte  ich  1836  nicht  bestätigen,  weil  ich  mit  der  Beendigung 
des  dritten  Bandes  meiner  Staatskunde  zu  sehr  beschäftigt  war.    Auch  verbinde  ich 


Dezember   1836.  2^1 


mit  dieser  Reise  einen  bestimmten  wissenschaftlichen  Zweck  für  die  Hansestädte 
und  die  Großherzogthümer  Mecklenburg.  Diesen  kann  ich  erst  nach  dem  Schlüsse 
der  Vorlesungen  im  Sommersemester  1837  ausführen  und  werde  dann  meine  Rück- 
kehr von  Bremen  über  Göttingen  im  September  oder  den  ersten  Tagen  des  Oktobers 
nach  Berlin  einrichten.  Es  wird  mir  natürlich  die  größte  Freude  sein,  wenn  ich 
Sie  dort  heiter  und  ungestört  von  einem  Jubiläums-Tumult  antreffen  könnte. 

Ihrer  hochverehrten  Frau  Gemahlin  bitte  ich  zum  18ten  December  meinen, 
meiner  Frau  und  meiner  ältesten  Kinder  Glückwünsche  auf  das  Herzlichste  abzu- 
statten. TN'ie  oft  erinnere  ich  mich  dieses  heiteren  Familientages  mit  Freude,  der 
zugleich  den  Schluß  Ihrer  academischen  Arbeiten  für  das  laufende  Jahr  zu  machen 
pflegte.  Conrad  ist  voller  Dankbarkeit  für  die  empfangene  Wohlthat  einer  sorg- 
fältigen Pflege  II  in  Ihrem  Hause.  Er  wächst  außerordentlich  heran,  hat  meine  Größe 
■erreicht,  wiewohl  er  erst  14  Jahre  ist.  Er  wird  im  nächsten  Jahr  Sekundaner.  Das 
Domgymnasium  blüht  unter  Lucas  Leitung  sehr  auf,  während  das  Altstädtische  nach 
EUendt's  Abgang  völlig  in  sich  zusammen  gesunken  ist.  Das  Friedericianum  ist  aber 
gleichfalls  mehr  im  Zunehmen  als  im  Abnehmen. 

Doch  ich  vergesse  Ihre  Zeit  und  Ihre  Gutwilligkeit  zum  Lesen. 

Leben  Sie  herzlichst  wohl,  hochverehrter  Herr  und  gedenken  mit  freundlicher 
Theilnahme  Ihres  treuergebenen  und  verpflichteten  Schubert. 

Darf  ich  Sie  bitten,  mich  an  Heeren  recht  angelegentlich  zu  empfehlen,  und 
ihm  meinen  Dank  für  seine  freundliche  und  mir  wohlthuende  Beurtheilung  meiner 
■Statistik  abzustatten.     An  Älbrecht  bitte  ich  auch  um  einen  freundlichen  Gruß. 

.586.     Gregor  an  U.^)  Königsberg,  ISten  December  1836 

Hochverehrter  Herr  Hofrathl  Für  Ihren  lieben  Brief  vom  29sten  July  d.  J. 
bin  ich  Ihnen  zum  innigsten  Danke  verpflichtet.  Er  hat  in  mir,  dem  tieferschütterten, 
■den  Glauben  an  die  unwandelbare  Fortdauer  Ihrer  freundlichen  Gesinnungen  gegen 
mich  neu  belebt,  und  nicht  wenig  zur  Rückkehr  des  allgemeinen  Interesses  bei- 
getragen. 

Ein  Tag,  wie  der  heutige  —  mögen  Sie  ihn  noch  recht  oft  in  froher  Gemein- 
schaft mit  Ihrer  verehrungswürdigen  Frau  Gemahlin  erleben!  —  versetzt  mich  in 
jene  schöne  Zeit  des  pädagogischen  Seminars,  in  die  Zeit  voll  blühender  Hoffnungen 
zurück.  Ja,  Sie  haben  Recht,  große  Erfolge  lagen  damals  in  unsern  Händen;  und 
wenn  irgend  einer  es  bedauert,  daß  sie  nicht  konnten  festgehalten  und  weiter  aus- 
gebildet werden,  so  bin  ichs.  Indessen  ist  der  ausgestreute  Samen  doch  nicht  ganz 
verloren  gegangen.  Die  Lehrer,  welche  im  pädagogischen  Seminar  ihre  Vorbildung 
genossen  haben,  bewegen  sich  wie  eingeengt  auch  immer,  doch  auffallend  richtiger 
als  Andre.  Um  nur  einen  anzuführen :  unser  Fabian,  früher  Oberlehrer  in  Lyk, 
jetzt,  seit  Michaelis,  in  Rastenburg,  hat  hier  binnen  ||  wenigen  Wochen  die  mit 
Vocabeln  und  Grammatik  und  philologischen  Excursen  bis  zum  Ekel  an  allen  Autoren 
erfüllten  Primaner  und  Secundaner  durch  gehöriges  Eingehen  auf  die  Sachen  und 
durch  Verknüpfung  derselben  mit  der  Geschichte  in  ein  ihnen  ganz  neues  Interesse 
erhoben;  dergestalt,  daß  der  unregelmäßige  Schulbesuch  in  einen  regelmäßigen,  das 
Sich-Gehen-Lassen  während  des  Unterrichts  in  gespannte  Aufmerksamkeit  über- 
gegangen ist.  Und  doch  leidet  der  philologische  Unterricht  dabei  nicht  im  Geringsten ; 
im  Gegentheil  der  Schwung,  den  der  Inhalt  auf  dem  Vehikel  lateinischer  Gespräche 
über  das  Gelesene  hervorbringt,  wirkt  auf  die  Beachtung  und  Behandlung  der  Form 
mächtig  zurück.    Nun  wundem  sich  die  Leute  noch,  daß  F.  mit  dem  ausgelassenen 


')  4  S.   4".     H.  Wien. 


I 


2^2  Dezember  1836. 


Volke  so  gut  fertig  wird.  Man  schreit  so  viel  über  die  Gefährdung  der  leiblichen 
Gesundheit  auf  den  Gymnasien;')  an  die  geistige  Gesundheit  aber  denkt  kein  Mensch. 
Ich  hätte  beinahe  Lust,  darüber  etwas  zu  sagen,  sollte  es  auch  ins  Wespennest  ge- 
stochen seyn. 

Meine  kleine  Privatanstalt  betrachte  ich  noch  immer  ||  als  einen  Keim  aus 
welchem  vielleicht  noch  ein  Mal  eine  gehörige  Schule  hervorgehen  kann.  Nur 
günstigere  Umstände !  Es  harrt  hier  eine  Masse  von  Predigiamts-Candidaten,  die 
jährlich  bedeutend  zunimmt.  Darunter  sind  sehr  Kenntnißreiche,  gut  gesinnte 
Männer,  die  große  Lust  haben,  dem  Schulunterricht  einige  Jahre  zu  widmen.  Diese 
dürfte  man  nur  durch  Ihre  Pädagogik  erwärmen,  so  hätte  man  die  herrlichsten 
Kräfte  beisammen.  Aber  —  wo  Schüler  hernehmen  bei  der  großen  Abneigung  des 
Publikums  gegen  das  Griechische  (und  mit  Homer  müßte  doch  nothwendig  angefangen 
werden)  einer  Abneigung,  die  durch  Lorinsers  angeregte  Klage  nur  noch  stärker 
geworden  ist?    Das  ist  die  große  Frage  und  muß  es  einstweilen  bleiben. 

Ich  hebe  die  Vorzüge  Ihrer  Pädagogik  nach  Kräften  hervor,  und  nicht  geringe 
Dienste  leistet  mir  dabei  Ihr  trefflicher  Umriß,  den  ich  schon  manchem  in  die 
Hand  gegeben  habe:  man  hört  mich  an,  sieht,  wie's  scheint,  das  Bessere  ein  und  — 
bleibt  beim  Alten.  Ohne  Zweifel  wird  die  größere  Anerkennung  Ihrer  Forschungen 
in  Deutschland  auch  hier  manches  Mißtrauen  verscheuchen;  und  Ihre  so  klar  und 
mild  geschriebene  Beleuchtung  des  Naturrechts  etc.  wird,  hoffe  ich,  jene  Anerken- 
nung sehr  fördern  helfen.  Hartensteins  Metaphysik  wird  vom  hiesigen  Prof.  Rosen- 
kranz für  ein  gutes  Buch  gehalten.  Ich,  für  mein  Theil,  habe  es  noch  nicht  näher 
ansehen  können.  Sauden,  erzählt  mir  Lucas,  der  sich  Ihnen  gehorsamst  empfiehlt, 
lernt  etwas  cavalierement.  Doch  haben  die  Schulwissenschaften,  namentlich  Ge- 
schichte und  Sprachen,  so  viel  Reiz  für  ihn,  daß  er  darin  Erfreuliches  leistet.  Nicht 
so  gut  hat  es  bei  ihm  die  Mathematik  und  was  damit  zusammenhängt. 

Unser  Osten  hat  Einen  Sohn,  gewiß,  wenn  nicht  zwei:  es  ist  schon  lange  her, 
daß  ichs  durch  seine  Mutter  erfuhr.  Er  soll  ein  guter  Hausvater,  ein  etwas  strenger 
Herr  und  ein  tüchtiger  Landwirth  seyn.  Die  Mutter  wohnt  in  einem  besonderen 
Häuschen  und  hält  sich  eine  besondere  Equipage. 

Mein  Hauswesen  wird  von  meinen  beiden  jüngsten  Schwestern  in  Ordnung 
gehalten,  die  sich  zugleich  um  die  Wette  bemühen,  meine  armen  Kinder  zu  be- 
muttern.    Ach,  und  doch!  —  —  — 

Nochmals  meinen  herzlichen  Glückwunsch  zu  dem  heutigen  Feste ! 

Mit  ganz  vorzüglicher  Hochachtimg  Ihr  Freund     Gregor. 

587.    An  Drobisch.2)  G  27  Dec.  36. 

Diesen  Brief,  mein  theurer  Freund!  beginne  ich  mit  einigen  Trost- 
worten für  mich  selbst.  Denn  erstlich  tröste  ich  mich  damit,  daß  Sie 
mich  gewiß  nicht  für  undankbar  gegen  Ihr  werthes  Geschenk  halten  können; 
und  zweytens  damit,  daß  Sie  in  Ihrem  Hause  etwas  viel  zu  Erfreuliches 
werden  empfangen  haben,  als  daß  Sie  viel  Zeit  gehabt  hätten,  an  mich 
und  an  das  lange  Ausbleiben  meines  Briefes  zu  denken.  Möge  nur  der 
Zuwachs  Ihrer  Familie  nicht  wieder  eine  Quelle  von  Sorgen  für  Sie 
werden!  Man  möchte  in  Ihrem  Namen  der  Hygiea  opfern,  wenn  das 
etwas  verspräche  und  verbürgte!  Übrigens  wissen  Sie  ohne  Zweifel  durch 

1)  Die  Schrift  von  K.  J.  Lorinser  (1796—1853):  „Zum  Schutz  der  Gesundheit 
in  den  Schulen"  war  damals  eben  erschienen.    Vgl.  Herbarts  Umriß  päd.  Vorl.  §  132. 
')  3  S.   4". 


Dezember  1836,  253 


Hartenstein,  daß  ich  an  meine  eigene  Gesundheit  zu  denken  hatte;  und 
in  der  That,  ich  bin  viel  mislauniger  gewesen,  als  man  sich  einem  Freunde 
gern  zeigt,  dem  man  so  viel  Heiterkeit  wünscht  als  ich  Ihnen  von  ganzem 
Herzen  wünsche.  Leider  weiß  ich  schon  von  Königsberg  her,  daß  Sachs, 
der  sich  Ihrer  Bekanntschaft  freut,  zugleich  bedauert  hat,  Sie  kränklich  zu 
finden.     Sorgen  Sie  für  Sich!   — 

Mit  meinem  neuen  Buche  bezeugen  sich  meine  Königsberger  mehr 
zufrieden  als  ich  dachte.  Hoffte  ich  viel  auf  Ihren  Beyfall,  so  hätte  ich 
wohl  mehr  Eile  gehabt  es  Ihnen  zu  schicken.  Aber  fast  eher  hoffe  ich 
Ihnen  einige  Aufmerksamkeit  für  die  neue  Auflage  meiner  Einleitung  ab- 
zugewinnen. Nicht  als  ob  dies  alte  Buch  so  ausgefeilt  wäre  wie  eine 
vierte  Auflage  billig  seyn  sollte;  aber  das  verschuldet  Unzer,  der  zum 
drittenmal  verfehlt  hat,  mich  von  der  Nothwendigkeit  einer  neuen  Auflage 
rechtzeitig  zu  benachrichtigen.  ||  Dennoch  halte  ich  das  Buch,  wiewohl 
ihm  aller  Glanz  fehlt,  für  eine  meiner  besten  Arbeiten;  und  bekenne, 
daß  ich  es  so,  wie  es  jetzt  ist,  unmöglich  auf  Einen  Schlag  hätte  liefern 
können.  Diese  Selbstzufriedenheit  äußere  ich  Ihnen,  um  Sie  zur  Kritik 
zu  reizen. 

Doch  zuerst  hätte  ich  sagen  sollen,  daß  ich  von  Ihrem  specimen  II  ^) 
die  Anzeige  für  unsere  Blätter  schon  niedergeschrieben,  wiewohl  noch 
nicht  abgegeben  habe.  Freylich  werden  Sie  eine  magere  Anzeige  finden. 
Heeren  erlaubt  keine  Formeln;  warum?  Aus  dem  sehr  trivialen  Grunde 
des  Formats.  Wirklich  sollten  die  Göttinger  Anzeigen  sich  in  diesem 
Puncte  schon  längst  renovirt  haben,  aber  wir  leben  nach  alter  Weise. 
Überdies  bin  ich  überzeugt,  daß  mathematische  Psych,  für  die  Leser 
unserer  Anzeigen  noch  heute  als  eine  terra  incognita  zu  betrachten  ist, 
und  daß  es  diesmal  wenigstens  noch  darauf  ankam,  ihnen  die  ersten 
Notizen  von  dem  zu  geben,  wovon  die  Rede  ist.  Sehr  nöthig  war.  zu 
sagen,  daß  auf  das  erste  specimen  ein  zweytes  gefolgt,  mithin  die  Arbeit 
im  Fortgange  begriffen  ist. 

Ein  redlicher  Königsberger  schreibt  mir  wörtlich:  „Hartensteins 
Metaphysik  wird  vom  hiesigen  Prof.  Rosenkranz  für  ein  gutes  Buch 
gehalten."  Ob  wohl  die  Berliner  Jahrbücher  es  auch  zu  den  bons  livres 
zählen  werden?  —  Ein  anderer  schreibt,  R.  habe  bey  seinem  „jugendlich 
romantischen  Wesen"  Lust  nach  Heidelberg  und  nach  Rostock  gehabt, 
sey  aber  ungeachtet  des  doppelten  Rufs  doch  an  Ort  und  Stelle  geblieben. 
Doch  das  unter  vier  Augen!  Meine  Königsberger  dürfen  nicht  klagen  daß 
ich  plaudere.  —  Wer  hierher  komme?  altum  silentium.  Brandis  geht 
nach  Griechenland  —  auf  Schellings  Empfehlung.  Was  denkt  wohl  Hr. 
V.  Altenstein,  der  ihn  gehn  läßt?  —  freylich  nur  auf  zwey  Jahre!  Und 
dann  zurück  nach  Bonn?  Neben  Fichte,  der  sich  unterdes  eingewurzelt? 
—  Hier  zu  lesen  hofft  ein  Hr.  Thiermann,  der  allerdings  Kopf  zu  haben 
scheint,  und  in  meinen  Büchern  einige  Hülfe  gegen  den  Nebel  gefunden 
zu  haben  äußert.  Was  daraus  werden  mag,  steht  dahin!  Meine  besten 
Wünsche  für  Sie  und  Ihr  Haus!  H.  || 

^)  M.  "W".  Drobisch ,  Ouaestionum  mathematico  -  psychologicarum  Specimen  II. 
Lips.   1836.     (Gott.  gel.  Aiiz.''i837,  N.   17,  vgl.  Bd.  XLU,  S.  304.) 


2  54  Nachtrag  zu  Februar   1836. 


3-  Jan.  37- 
Dieser  Brief  lag  in  meinem  Buche;  die  Post  aber  verlangt  eine 
Declaration  über  den  Inhalt  des  Paquets,  und  —  ich  weiß  nicht  was  für 
eine  Enveloppe;  ich  glaube  gar  von  Wachstuch  oder  dgl.  Lieber  mag 
ein  dortiger  Buchhändler  Ihnen  in  meinem  Namen  ein  Exemplar  senden; 
wozu  ich  nächstens  Auftrag  geben  werde.  Der  wunderliche  Strich,  welchen 
der  preußische  Zollverband  zwischen  uns  macht!   — 

Unterdeß  ist  ein  Brief  von  Strümpelln  eingelaufen.  Es  ist  mir  lieb,  zu 
sehn,  daß  er  sich  in  seine  Lage  zu  schicken  scheint.  Übrigens  sucht  er  wieder 
Vertrauen  zu  gewinnen.  Das  wäre  leicht,  wenn  er  nur  Persönlichkeiten 
auszugleichen  hätte.  Aber  seine  psychologischen  Meinungen  hat  er  nicht 
widerrufen.  Daher  bleibt  meine  Besorgniß,  er  werde  Confusion  anrichten, 
sobald  er  auftrit.  Inzwischen  scheint  ihn  das  Erziehungsgeschäfft  lebhaft 
zu  interessiren.  Vielleicht  hilft  ihm  die  Erfahrung  wenigstens  aus  der 
größten  Verkehrtheit  heraus.  Meine  große  Frage  ist  nun,  ob  Sie  Zeit 
und  Laune  gewinnen  werden,  um  durch  Ihr  projektirtes  —  gemein- 
verständliches psychologisches  Werk  Jenem  zuvorzukommen?  Wären  wir 
beyde  gesund,  so  wäre  keine  Sorge.  Aber  ich  schleppe  mich  nur  so  hin; 
und  lebe  fast  wie  ein  Einsiedler.  Daher  erfahre  ich  auch  nicht  was 
vorgeht.  Kommt  etwas  Bedeutendes  zum  Vorschein,  so  hoffe  ich  auf 
Nachricht  durch  Sie  oder  Hartenstein.  Nochmals  ein  herzliches  Lebe- 
wohl! 

4   Nachträge  zu    1836. 
588.     An    Taute.  1)  Göttingen  21  Febr   1836 

Mein  theurer  Freund!  Herzlich  erfreut  durch  Ihren  Brief  vom  9.  Dec, 
und  dankbar  dafür,  daß  Sie  statt  meiner  noch  durch  einige  philos.  Vor- 
lesungen in  K.  fortwirken,  möchte  ich  jetzt,  da  nach  5 wöchentlicher 
Krankheit  Vieles  nachzuhohlen  ist,  Ihnen  so  schnell  als  möglich  Vieles 
sagen;  und  wenn  ich  es  nicht  vermag,  so  ist  der  beste  Trost,  daß  im 
Grunde  so  gar  viel  nicht  zu  sagen  ist;  doch  aber  Einiges!  —  Nach  meiner 
Pyrmonter  Cur  im  Laufe  des  vorigen  Sommers  hatte  ich  wenigstens  neue 
Fähigkeit  zu  arbeiten;  ein  paar  Erfolge  davon  werden  Sie  gedruckt  sehen; 
beyde- unbekümmert  um  Schwärm erey  und  Hegeley,  woran  Sie  dort  leider 
Überfluß  haben.  Was  Sie  hiebey  finden,  ist  nicht  ohne  bestimmten  Anlaß 
geschrieben;  vielleicht  wissen  Sie  ihn;  wo  nicht,  so  mag  einstweilen  noch 
davon  geschwiegen  werden.  Wahrscheinlich  aber  werden  Sie  —  mit 
meiner  Zustimmung  —  Benutzung  des  inliegenden  Aufsatzes  in  einem 
Buche  von  Hartenstein  finden,  dessen  bestimmteren  Zweck  ich  noch  nicht 
kenne.  Außerdem  habe  ich  eine  Schrift  über  die  Willensfreyheit  in  den 
Buchhandel  gegeben.  Es  ist  möglich,  daß  Sie  diese  früher  dort  im  Buch- 
laden finden,  als  ich  sie  Ihnen  senden  kann;  der  Grund  liegt  alsdann 
lediglich  in  meiner  letzten  Krankheit  —  Fieber,  Husten,  leichte  Gicht- 
anfälle. Der  Grund  der  Krankheit  aber  ist  —  außer  Erkältung  — 
eigentlich  ein  sehr  angestrengtes  Arbeiten,  nicht  an  dem  Buche  über  die 
Freyheit,  denn  ||  das  ist  leichte  Waare,  die  mich  nur  durch  die  große  Eile 

*)  3  S.    4".     Die  folgenden  Briefe  Herbarts  wurden  noch  nachträglich    aufgefunden 
und  finden  hier  eine  Stelle.     S.  Vorwort. 


Nachtrag  zu  Februar   1836.  255 


anstrengen  konnte,  womit  sie  aufs  Papier  geschleudert  wurde,  —  sondern 
an  einigen  Problemen  der  mathem.  Psychologie  wo  eine  Schwierigkeit  die 
andere  drängt,  und  wofür  meine  Kräfte  jetzt  vielleicht  nicht  mehr  hin- 
reichen. Am  schlimmsten  ist,  daß  ich  noch  an  andere  Arbeiten  für 
Moral  und  Naturrecht  zu  denken  gezwungen  bin.  Denn  Sie  würden  Sich 
sehr  irren,  wenn  Sie  glaubten,  Göttingen  sey  eine  Universität  für  speculative 
Philosophie.  Göttingen  hat  den  gerechten  Ruhm,  daß  es  gar  kein  Studium 
mit  Ausschließung  anderer  begünstigt.  Alles  geht  hier  nebeneinander;  — 
aber  freylich  nehmen  die  Brodkollegien  für  sich  die  besten  Stunden  des 
Tages.  Gearbeitet  wird  hier  vielleicht  mehr  als  irgendwo.  Noch  kürzlich 
hatte  ich  den  allgemeinen  Fleiß  zu  beobachten  Gelegenheit.  Drey  Wochen 
lang  konnte  ich  der  Krankheit  wegen  nicht  lesen,  —  als  ich  wieder  auf- 
trat, fürchtete  ich  das  Auditorium  leer  zu  finden,  aber  in  allen  drey 
Vorlesungen  war  der  Verlust  an  Zuhörern  kaum  merklich.  Viel  Schlimmeres 
steht  mir  nächsten  Sommer  bevor.  Meines  eingewurzelten  Hustens  wegen 
muß  ich  es  für  ein  Halbjahr  aufgeben,  zwey  Vorles.  nach  einander  zu 
halten;  und  überhaupt  halte  ich ,  nicht  aus,  wöchentlich  15  Stunden  mit 
Anstrengung  zu  sprechen;  —  die  Folge  ist  aber,  daß  meine  besuchteste 
Vorlesung,  die  Logik  und  Einleitung,  ausfallen  muß.  Sollten  Sie  übrigens 
hören,  der  applausus  habe  abgenommen,  i^jelzt  werden  Sie  das  wohl 
noch  nicht  hören,  —  aber  im  Sommer!)  so  wissen  Sie  nun  im  Voraus, 
was  das  zu  bedeuten  hat.  Praktische  Philos.  und  Metaphysik  muß  ich 
aber  lesen;  zur  ersten  muß  ich  mir  ein  neues  Hilfsmittel  schaffen;  die 
gedruckte  prakt.  Philos.  reicht  nicht  mehr  aus;  —  darum  —  analytische 
Arbeit  für  Naturrecht  und  Moral,  ||  Wenn  Sie  Herrn  Pr.  Sachs  sehen,  so 
sagen  Sie  ihm,  daß  ich,  wenn  er  von  semen  hier  „verrufenen  Büchern" 
spricht,  das  für  einen  Scherz  halte.  Erst  neulich,  da  Conradi  mir  dulcamara 
und  Carduus  benedictus  verordnet  hat,  zeigte  ich  diesem  die  dahin  gehörigen 
Artikel  aus  Sachs  und  Dulks  Pharmakodynamik.  Nicht  die  geringste  Spur 
von  Animosität  war  zu  bemerken.  Existierte  aber  dergleichen,  so  versteht 
sich  von  selbst,  daß  ich  keine  Notiz  davon  nehmen  würde.  Wir  Leute 
hier  in  Göttingen  sind  nicht  so  voll  von  Rücksichten  wie  im  Lande  der 
Hegeley! 

Nothwendig  muß  ich  Ihnen  noch  erzählen,  daß  wir  um  Michael 
Besuch  von  Herrn  Professor  Brzoska  aus  Jena  hier  hatten!  Ja  noch  mehr! 
Er  hat  mir  seyn  Buch  über  die  Nothwendigkeit  pädagogischer  Seminare 
dedicirt  das  [Buch  ist]  so  voll  Belesenheit,  daß  es  ihm  einen  Namen 
machen  kann.  Er  hat  [in  Jena]  nicht  nur  selbst  eine  Erziehungsanstalt, 
sondern  er  erzählte  sogar  von  mehreren  durch  ihn  veranlaßten  Anstalten 
in  andern  sächsischen   Städten !   Die  Zeiten  ändern  sich ! 

Es  ist  die  höchste  Zeit  daß  ich  schließe.  Wenn  Sie  Herrn  Unzer 
sehen,  so  wünschte  ich  wohl,  Sie  möchten  ihm  meine  Bitte  vortragen,  mir 
von  dem  Absatz  meiner  Compendien  (von  den  größeren  Werken  hat 
er  mir  geschrieben;)  einige  Nachricht  zu  geben;  damit  man  ungefähr  weiß, 
ob  in  einer  gewissen  Gegend  davon  Gebrauch  stattfindet,  und  in  wieviel 
Jahren  auf  neue  Auflagen  zu  denken  seyn  könnte.  Die  neuen  Auflagen 
sind  mir  bisher  jedesmal  ungelegen  gekommen,  weil  ich  nicht  darauf  ge- 
faßt war;  und  ich  konnte  nie  die  Gelegenheit  vollständig  benutzen. 


I 


2c6  Nachtrag  zu  Februar  1836. 


[Am  Rande.]  Wie  die  dortigen  Verhältnisse  sich  in  Folge  der  eben 
so  traurigen  als  berüchtigten  Untersuchungen  gestalten  mögen  —  und  wer 
die  Untersuchungen  geführt  hat,  —  möchte  ich  wissen.  Am  meisten 
dauert  mich  Diestel. 

Erhalten  Sie  mein  Andenken  bei  allen  Freunden! 

Ganz  Ihr     H. 

589.    An  Taute,  i)  G  22  Febr  36 

Hier,  mein  theurer  Freund,  haben  Sie  den  Aufsatz,  welchen  gestern 
Abend  zu  couvertieren  keine  Zeit  blieb;  es  war  keine  Minute  zu  verlieren, 
die  Post  eilte,  ich  wollte  jedenfalls  den  Brief  abschicken.  Jetzt,  da  ich 
seit  mehreren  Wochen  zum  erstenmal  wieder  vortrefflich  geschlafen  habe, 
fasse  ich  guten  Muth,  finde  mich  weniger  gedrängt  durch  die  Geschäfte 
die  ich  vorhersehe  und  nehme  mir  gern  ein  Stündchen,  um  nochmals, 
nach  so  langer  Pause,  an  Sie  zu  schreiben. 

Den  Aufsatz  schicke  ich  in  drey  Exemplaren;  eins  ist  für  Sie,  eins 
für  unsern  Gregor,  (der  mich  neuerlich  durch  einen  Brief  sehr  erfreut  hat, 
obgleich  nicht  ohne  den  Schmerz  der  Theilnahme  wegen  der  Kränklichkeit 
seiner  Gattin)  und  ein  Exemplar  bitte  ich  an  Hrn.  Pr.  Sieffert  abzugeben, 
und  mich  ihm  bestens  zu  empfehlen.  Es  ist  wohl  nicht  überflüssig,  daß 
ich  den,  schon  im  Sommer  gedruckten  Aufsatz  jetzt  nach  Königsberg 
sende.  Man  kann  nicht  vorher  sehen  was  etwa  weiter  geschieht.  Daß 
darin  eine  Antwort  auf  etwas  Entgegenstrebendes  liegt,  was  Psychologie 
und  Metaphysik  entzweyen  würde  —  werden  Sie  leicht  bemerken.  Das 
Wesentlichste  finden  Sie  in  §  2  und  3.  —  Indem  ich  aber  die  drey 
Exemplare  absende,  fällt  mir  der  sehr  natürliche  Zweifel  aufs  Herz,  ob 
überall  in  Königsberg  noch  soviel  wirkliches  Interesse  für  meine  Unter- 
suchungen lebt,  daß  man  von  speciellen  Streitfragen  Notiz  zu  nehmen 
geneigt  seyn  könnte,  die  mit  der  Hegeley  nicht  zusamm-enhängen  ?  Darüber 
wünschte  ich  Ihre  offene  Meinung;  ich  möchte  nicht  gern  zudringlich  seyn 
wo  man  andre  Angelegenheiten  hat.  ||  Jetzt  erlauben  Sie  mir  ein  paar 
Worte  über  das  was  man  von  Ihnen  verlangt.  Ein  Hauptwerk?  —  Wer 
wird  denn  urtheilen,  ob  das,  was  Sie  bringen  werden,  ein  Hauptwerk  ist? 
Wollen  Sie  Sich  immer  an  einem  Faden  halten  lassen,  den  man  verkürzen 
oder  verlängern  wird,  je  nachdem  man  es  für  klug  erachtet?  —  Sie 
sprechen  von  einem  Werke,  der  Hegeischen  Philos.  gegenüber!  Je  nun, 
willkommen,  wenn  Sie  ein  solches  bringen!  Aber  weshalb  wollen  Sie  Sich 
so  gegenüber  stellen?  —  Meinerseits  möchte  ich  Ihnen  vorschlagen,  die 
Schleiermachersche  Form  des  Spinozismus  ins  Auge  zu  fassen.  Diese  hat 
für  das  Publicum  ein  weit  mehr  dauerndes  Interesse,  weil  Schleiermacher 
der  Klügste  d'er  ganzen  Parthey  seit  Fichte  war,  und  am  besten  zu 
schreiben  verstand.  Während  ich  mit  meiner  Schrift  über  die  Freyheit 
beschäftigt  war,  schickte  mir  Lücke  die  Abhandlungen  Schleiermachers 
über  verschiedene  ethische  Begriffe,  die  in  der  Berliner  Akademie  sind 
vorgelesen  worden.  Die  Spur  davon  werden  Sie  S.  184  u.  s.  w.  meines 
Buches   finden.      Und   wenn    Sie   die   Schriften   von   Schleiermacher   selbst 

')  2  S.    4».  —  N. 


Nachtrag  zu  Juni   1836.  257 


aufschlagen,  können  Sie  dort  Vorrath  zu  einer  reichen  Erndte  finden.  Da 
ist  Stoff  zu  einem  Hauptwerke,  wovon  allenfalls  mein  Buch  die  Einleitung 
seyn  könnte.  Und  ein  solches  Hauptwerk,  weil  es  praktische  Gegen- 
stände betreffen  würde,  könnte  ins  größere  Publicum  eingreifen.  Dann 
wären  Sie  gesichert.  Sonst  nicht!  Das  würden  Sie  mit  Hrn.  Pr.  Sieffert 
näher  überlegen  können.  Bedenken  Sie  insbesondere,  daß  außerhalb 
Preußen,  die  Hegeische  Hitze  sehr  wenig  gefühlt  wird.  Dem  größeren 
Publicum  braucht  man  nur  die  Meinung,  die  sich  zu  verbreiten  im  Begriff 
war,  als  sei  Hegeische  und  gegen7värtige  Philos.  einerley  —  dadurch 
zu  benehmen,  daß  man  davon  schweigt. 

[Am  Rande.]  Hartenstein  wird  über  Metaphysik  schreiben.  Drobisch 
hat  etwas  davon  gesehen,  und  rühmt  , .große  elementare  Deutlichkeit". 
Erst  gestern  noch  hatte  ich  von  Drobisch  einen  sehr  angenehmen  Brief. 
Möchte  er  nur  nicht  soviel  kränkeln!  —  Grüßen  Sie  ja  alle  meine  dortigen 
Freunde;  alles  was  mir  wohl  will.  Vergessen  Sie  auch  die  jetzt  Abwesenden 
nicht;  ich  meine  vor  allem  Hecht  und  Sauter.  Haben  Sie  dort  Nachricht 
von  Bobrik?  Seine  Ästhetik  wird  in  K.  nun  freylich  neben  den  sublimen 
Offenbarungen  des  Hrn.  R.  nicht  aufkommen.  Von  Studenten  hörte  ich, 
er  sey  in  Zürich  wenig  zufrieden,  und  das  läßt  sich  wohl  denken.  — 
Man  sagt,  der  jüngere  Fichte  werde  nach  Marburg  kommen.  —  Mühlen- 
bruch geht  von  hier  nach  Leipzig.  Die  Welt  rührt  sich.  Und  Sie  mein 
geehrter  Freund,  rühren  Sie  nun  vor  Allem  Ihre  Feder. 

Ganz  der  Ihrige!      H. 

590.    An  Taute.  1)  G.  26  Juni  1836 

Mein  theurer  Freund!  Da  ich  endlich  dazu  komme,  zwey  von  den 
Begrüßungen  zu  verdanken,  die  mich  im  vorigen  Monat  so  lebhaft  erfreuten, 
so  will  ich  den  Rest  der  Zeit  noch  mit  Ihnen  verplaudern,  obgleich  das 
was  zu  sagen  wäre,  schon  in  den  Briefen  an  Sieffert  und  Sanio  gesagt  ist. 
Denn  diesen  meinen  neuen  Correspondenten  mußte  ich  zu  erst  antworten; 
besonders  um  ihre  günstige  Absicht,  mir  noch  ferner  zu  schreiben,  nicht 
von  mir  abzuwenden.  Jetzt  aber  zuerst  ein  Wort  für  Hrn  Dr  Hendewerk, 
der  uns  durch  seine  Nachfrage  nach  seinem  Manuskript  in  Verwunderung 
gesetzt  hat.  Denn  ich  habe  es  an  Gieselern  gegeben,  wie  verabredet  war; 
Gieseler  hat  mich  geraume  Zeit  nachher  gefragt,  ob  es  denn  nicht  im 
Drucke  erscheine?  und  da  ich  ebensowenig  wußte  wie  er,  glaubten  wir 
beyde,  es  sey  zwischen  dem  Leipziger  Buchhändler  und  Hendewerk  eine 
unmittelbare  Correspondenz  eingetreten,  die  vielleicht  nicht  zum  Ziel 
geführt  habe.  Aus  Gründen,  die  sich  errathen  lassen,  ist  es  mir  sehr 
lieb,  daß  Hendewerk  sich  durch  meinen  jetzigen  CoUegen  Liebener  un- 
mittelbar bey  Gieselern  hat  erkundigen  lassen.  Übrigens  möge  ihn  doch 
das  Misgeschick  dieses  Manuskripts  welches  nur  von  augenblicklicher 
Wirkung  hätte  seyn  können,  nicht  von  andern  Arbeiten  abschrecken. 
Augenblicke  sind  in  unsern  Zeiten  kürzer  als  vielleicht  je  zuvor;  eins  wird 
über  dem  andern  vergessen  und  wer  dem  Augenblick  dient,  scheint  sich 
selbst  der  Vergessenheit  anheim  zu  geben.  ||  Das  Interessanteste,  was  ich 

»)  3  S.    4".  -  N. 

Herbarts  Werke.     XVIII.  17 


2c8  Nachtrag  zu  Juni  1836. 


Ihnen  erzählen  könnte,  wäre  wohl,  daß  ich  kürzlich  einen  persönlichen 
Besuch  von  Fries  gehabt  habe;  —  allein  ich  weiß  von  anderer  Seite,  daß 
ich  diesen  Besuch  als  eine  bloße  Höflichkeit  zu  betrachten,  und  ihm  keine 
besondere  Bedeutung  beyzulegen  habe.  Indessen  ist  es  mir  doch  angenehm 
gewesen,  eine  halbe  Stunde  im  freundlichen  Gespräche  mit  ihm  hinzubringen. 
Es  ist  immer  gut,  Proben  zu  haben,  daß  literarische  Mißhelligkeiten  nicht 
durchaus  in  persönlichen  Verdruß  ausarten  müssen.  Aber  daß  wir  heute 
nicht  mehr  auf  derselben  Stelle  stehn  wie  vor  dreißig  Jahren,  —  das 
können  manche  Köpfe  noch  durchaus  nicht  begreifen. 

Auch  meine  praktische  Philosophie  erfährt  das  hier  in  Göttingen. 
Zwar  hat  das  CoUegium  eine  größere  Zahl  von  Zuhörern  als  früher,  — 
es  waren  anfangs  ihrer  80  beysammen,  —  allein  ich  sehe  deutlich,  wieviel 
dazu  gehört,  den  Theologen  begreiflich  zu  machen,  daß  sie  um  Rechts- 
begriß~e,  den  Juristen,  daß  sie  nicht  bloß  um  diese  sich  bekümmern  sollen. 
Hier  wäre  nun  freylich  die  Hülfe  sehr  leicht.  Hätte  Jemand  ein  ähnliches 
Buch  für  praktische  Philosophie  geschrieben,  wie  Hartenstein  für  Meta- 
physik, so  würde  sehr  bald  soviel  Glauben  zu  meinen  Gründen  hinzu- 
kommen als  nötig  ist  um  deren  Gewicht  zu  ergänzen.  Aber  bloß  aus 
eigner  Überlegung  der  Gründe  etwas  zu  fassen  und  zu  verarbeiten  — 
dazu  bringe  ich  immer  noch  eher  den  kleinen  Kreis  meiner  Metaphysiken 
Unter  diesen  ist  jetzt  ein  Amerikaner,  —  desgleichen  ein  tüchtiger  junger 
Mathematiker  aus  Wien.  ||  Wenn  Ihnen  die  Zeitungen  sagen,  Göttingen 
sei  weniger  zahlreich  besucht  als  sonst,  so  hat  das  wenig  zu  bedeuten. 
Ausländer  sind  fast  in  gleicher  Anzahl  da,  (unter  andern  auch  Schweizer); 
daß  die  Zahl  der  Inländer  sich  vermindert,  hat  den  allgemeinen  Grund, 
daß  überhaupt  das  Gedränge  der  künftigen  Staatsdiener  zu  groß  ge- 
worden ist. 

Den  Rest  dieses  Blattes  möchte  ich  wohl  mit  Fragen  anfüllen.  Zunächst 
nach  Ihrer  Stellung  in  Königsberg  —  Ihren  Vorlesungen,  —  denen  Sie 
eine  literarische  Grundlage  zu  schaffen  noch  immer  nicht  nöthig  finden! 
Gut  für  meine  Lehrbücher,  wenn  diese  ausreichen,  —  aber  man 
muß  Sie  kennen  lernen,  und  zwar  im  Auslande.  Denken  Sie  denn  gar- 
nicht  an  die  vielen  Vacanzen  auf  den  philos.  Lehrstühlen?  Heidelberg, 
Marburg,  Leipzig?  —  Dann  möchte  ich  fragen  nach  unsern  ehemaligen 
Seminaristen.  Verstreut  sich  Sauter  ganz  in  Wehlau?  Läßt  Beneke  nichts 
von  sich  hören  und  Wiehert?  —  Dann  nach  dem  Stande  der  dortigen 
Gymnasien  und  [Abiturientenprüfungen]  und  nach  Gerlach  in  Braunsberg, 
mit  dem  ich  in  einem  angenehmen  Verhältniß  stand. 

Besonders  aber  habe  ich  noch  die  große  Bitte,  daß  Sie  meiner  Frau 
einige  Nachrichten  von  ihren  dortigen  Freundinnen  schaffen  möchten.  Es 
ist  ein  ganz  unerwartetes  Stillschweigen  von  dorther  eingetreten,  während 
gerade  einige  trifftige  Gründe  vorhanden  waren,  mehrere  Briefe  zu  erwarten. 
Meine  Frau  ist  deshalb  in  Sorgen,  und  ich  kann  nichts  sicheres  entgegen- 
setzen. Möchten  Sie  uns  wohl  von  der  Justizräthin  Hahn  und  deren 
Töchtern  ein  Wort  sagen,  —  nur  ob  sie  gesund  sind?  Meine  Anfrage 
wegen  des  Verkaufs  meiner  Lehrbücher  hat  auch  noch  keine  Antwort 
von  Unzern  erhalten.  —  Von  Ihnen  hoffe  ich  zwar  zunächst  nur  ein 
paar  Zeilen  um  meine  Frau  zu  beruhigen;    bald   darauf  aber  desto  mehr 


Nachtrag  zu  Juli   1836.  25g 


über  meine  neue  Schrift,  über  welche  Sie  Sich  doch  ja  oflfen  aussprechen 
möc^en!  Wie  immer  der  Ihrige!     H. 


■'e^ 


591.     An   Taute.  1)  Göttingen  zgjul  1836 

Lassen  Sie  uns  verhüten,  mein  theurer  Freund!  daß  sich  nicht  Mis- 
verständnisse  in  unseren  Briefwechsel  einschleichen.  Das  ist  ein  böses 
Unkraut,  wenn  es  unter  weit  entfernten  Freunden  einmal  aufschießt,  die 
sich  nicht  leicht  mündlich  wieder  verständigen  können.  Diesmal  besorge 
ich  wirklich,  daß  ich  eine  Stelle  Ihres  letzten  Briefes  nicht  recht  auffasse; 
und  desto  näher  liegt  mir  diese  Besorgniß,  da  Sie  Sich  aaf  einen  Brief 
von  mir  beziehen,  der  gar  nicht  an  Sie,  sondern  an  Hm  Prof.  Sanio 
gerichtet  war,  und  einen  Gedankenfaden  fortspann,  den  er  mir  —  mit 
ausgezeichneter  Güte  —  dargeboten  hatte. 

Nach  Ihren  Äußerungen  könnte  man  glauben,  Sie  hielten  mich  für 
undankbar  gegen  Königsberg,  als  ob  ich  nicht  mehr  wüßte,  daß  ich  dort 
so  lange  den  Schutz  der  Stadt  und  des  Staates  genossen,  ja  einen  ehren- 
vollen Platz  an  der  Universität  bekleidet  habe;  als  ob  ich  die  mannigfaltige 
Beehrung  vergessen  hätte,  mit  der  ich  bin  entlassen  worden,  —  weit 
hinaus  nicht  bloß  über  Ansprüche  die  mir  nicht  einfallen  konnten,  sondern 
auch  selbst  über  meine  Gedanken  und  Wünsche.  Worüber  habe  ich  denn 
geklagt?  Etwan  über  Dinge,  die  mein  individuelles  Daseyn  betreffen? 
Das  sey  ferne!  Noch  weniger  habe  ich  gemeint,  daß  die  Geschichte  (deren 
Sie  erwähnen)  sich  um  mein  Thun  und  Treiben  in  Königsberg  bekümmern 
werde;  und  am  wenigsten  verstehe  ich  den  Schluß  eines  Absatzes  in 
Ihrem  Briefe:  es  handele  sich  um  ein  praktisches  Urtheil.  Wen  hatten 
Sie  im  Sinne,  der  da  urtheilen  oder  beurtheilt  werden  solle?  Doch 
vielleicht  bedarf  das  nicht  einmal  einer  näheren  Erklärung  von  Ihnen; 
denn  es  ist  sehr  möglich,  daß  Hr  Pr.  Sanio  sich  nur  bloß  nicht  gleich 
an  dasjenige  erinnert  hat,  was  er  am  i  May  —  in  einem  von  Anfang 
bis  zu  Ende  mir  höchst  angenehmen  Briefe,  —  an  mich  geschrieben 
hatte.  Wenn  ich  ||  Ihnen  ein  paar  Worte  daraus  anführe,  so  wird  sich 
vermutlich  alles  von   selbst  aufklären. 

Hr  Prof  Sanio  schrieb:  „was  meine  Arbeiten  betriflft,  so  ist  mir  leider 
„zur  Zeit  noch  nicht  möglich  mit  einer  Schrift  aus  dem  Gebiete  der 
„Rechtsphilosophie  aufzutreten;"  dann  folgt  eine  gütige  Zeile,  welche  den 
Wunsch  ausspricht,  sich  mir  anzuschließen;  —  natürlich  im  Puncte  der 
Rechtsphilosophie.  Nun  wissen  Sie,  daß  ich  mit  dieser  gerade  jetzt  be- 
schäftigt bin,  und  daß  in  folge  dessen  eben  eine  Schrift  von  mir  unter 
der  Presse  ist.  Wahrscheinlich  meme  letzte;  denn  ich  sehe  nicht  ab, 
daß  meine  Kräfte  und  folglich  mein  Beruf  noch  weiter  reichen.  Wundern 
Sie  Sich  nun  noch,  daß  ich  auf  das  Anschließen  einen  großen  Werth 
lege,  und  daß  ich  mich  lebhafter  Ausdrücke  bedient  habe,  um  es  wo- 
möglich zu  beschleunigen?  Sie  wissen  ja  doch  wofür  ich  gelebt  habe! 
Sie  sehen  ja  vor  Augen,  in  welchen  Zeiten  wir  leben! 

Weil  man  die  Zeit  nicht  wahrnimmt,  weil  man  die  nothwendige 
Gleichzeitigkeit  dessen,    was   zusammen    wirken    soll,    geringschätzt,    darum 

1)  2  S.    4'*-  —  ^^ 


26o  Nachtrag  zu  Juli  1836. 


vereinzeln  und  schwächen  sich  die  Kräfte.  In  meinem  Alter  hat  man 
keine  Zukunft  mehr,  in  die  man  sein  Wirken  hinausschieben  könnte. 
Freylich  reichen  solche  Betrachtungen  weiter,  als  auf  bloße  Rechtsphilosophie ; 
sie  laufen  in  meinen  Gedanken  zu  allem  dem  fort,  was  ich  jemals  als 
meinen  —  und  als  Einen  zusammenhängenden  Wirkungskreis  betrachtete. 
Zu  demjenigen,  was  als  Hinderniß  in  Betracht  kommt,  gehören  auch 
solche  Dinge,  wie  die  Verlegenheit,  welche  Strauß  hervorgebracht  hat. 
Das  Alles  geht  immer  weiter.  Man  wollte  eine  Philosophie,  die  dogmatische 
Theologie  sey;  nun  hat  man  sie,  und  mag  sehen  wie  man  sie  ertrage! 
Doch  darin  wollen  wir  uns  nicht  vertiefen.  Ohnehin  muß  ich  abbrechen. 
Leben  Sie  wohl!  Unverändert  der  Ihrige!     H. 

[Am  Rande.]  Noch  ein  Wort!  Haben  Sie  Brzoskas  Buch  gesehen: 
über  die  Nothwendigkeit  pädagogischer  Seminare?  es  ist  mir  gewidmet. 
Brzoska  selbst  war  Michael  v.  J.  persönlich  hier.  Möglich  ist,  daß  ich 
mich  entschließe,  in  unseren  hiesigen  Anzeigen  darüber  Bericht  zu  erstatten. 
Wären  Sie  nicht  so  weit  ich  möchte  zuvor  mit  Ihnen  darüber  sprechen. 
Vielleicht  schreiben  Sie  deshalb  ein  paar  Zeilen  an  mich;  dann  bitte  ich: 
bald!  Seine  Art,  sich  mir  anzuschließen,  scheint  mir  im  Ganzen  die  rechte; 
wenigstens  finde  ich  nicht,  daß  er  es  mit  Partheymachen  und  polemisiren 
verwechselt  hätte,  sondern  er  läßt  das  Interesse  für  den  Gegenstand  reden. 
Eben  schickt  mir  Drobisch  eine  akademische  Gelegenheitsschrift:  quaestionum 
mathematico-psychologicarum  specimen  primum. 


1837. 


W^. ;  Vierte  Ausgabe  des  Lehrbuchs  zur  Einleitung  in  die  Philosophie  (S.  Bd.  IV. 
S.  I — 275).  —  Commentatio  de  realismo  natural!  (S.  Bd.  XI.  S.  i  —  26).  —  Rez.  von 
Drobischs  Quaestionum  —  2.  Teil  (S.  Bd.  XIII.  S.  304 — 306),  Hartensteins  de  ethices 
—  (S.  Bd.  Xm.  S.  306—311),  Drobischs  Quaestionum  —  Letzte  Hälfte  (S.  Bd.  XIII. 
S.  311 — 313),  Senoples  The  metaphysic  (S.  Bd.  XIII.  S.  313  —  316),  Brzoskas  Not- 
wendigkeit pädagogischer  Seminare  (S.  Bd.  XIII.  S.  311  —  319).  —  [Erinnerung  an  die 
Göttingische  Katastrophe  (S.  Bd.  XI.    S.  27 — 44).     (Erst  gedruckt   1842.)] 

592.    Drobisch  an  H.'*)  Leipzig  25.  Jaouar  37. 

Sie  werden  leicht  errathen,  was  meine  Arttwort  verzögert  hat:  Freude  und  — 
Schmerzen;  doch  von  den  letztern  nur  ein  wenig,  zur  Würze.  Am  4.  d.  M.  ist 
meine  gute  Frau  von  einem,  wie  es  scheint,  gesunden  und  wohlorganisirten  Töchter- 
chen, verhältnißmäßig  leicht  und  jedenfalls  glücklich,  entbundeu  worden.  Dies  war 
denn  die  Freude.  Aber  einige  Tage  drauf  kam  das  Leid,  nämlich  an  mich,  der 
wieder  von  einem  fatalen,  schmerzhaften  Hämorrhoidalfurunculus  heimgesucht  wurde, 
der  mich  in  diesem  bedrängten  Wintersemester  8  nicht  zu  ersetzende  Collegientage 
gekostet  hat.  Jetzt  ists  vorbei  und  Alles  wohl. .  Ich  bin  trotz  des  üblen  Wetters 
heute  zum  erstenmal  mit  meiner  Frau  ausgegangen. 

Meinen  herzlichen  Dank  für  das  durch  den  Buchhändler  mir  gütigst  zugestellte 
Exemplar  der  „Beleuchtung";  es  ist  beim  Buchbinder;  so  bald  ich  es  von  da 
zurück  und  nur  einige  Muße  habe,  werde  ich  es  mit  Begierde  lesen.  Deun  ich 
kann  zwar  vor  der  Hand  wenigstens  mir  kein  besondres  Geschäft  mit  der  prakt. 
Philos.  machen,  aber  ich  erweitere  doch  gern  meinen  Gesichtskreis.  Die  4te  Auf- 
lage der  Einleitung  wird  mich  aber  speciell  interessiren;  ich  gratulire  im  Voraus 
dazu:  das  ist  eine  Thatsache,  die  man  in  Berlin  nicht  leugnen  kann.  —  Über  die 
„Willensfreiheit"  hat  Eeinhold  in  der  Jen.  L.  Z.  eine  ziemlich  erbärmliche  Recen- 
sion  losgelassen.  Als  er  Ihr  System  in  seiner  Gesch.  d.  Philos.  schilderte,  hätte 
man  etwas  Besseres  von  ihm  erwarten  können.  Jetzt  stehen  Sie  seinem  Wunsche, 
selbst  |]  berähmt  zu  werden,  sehr  entgegen:  er  schlägt  auf  Sie  dort  los,  wo  er  kann, 
so  z.  B.  auch  in  seinem  vor  Kurzem  erschienenen  Lehrbuch  der  Geschichte  d.  Philos.. 
in  dem  es  ganz  anders  klingt  als  in  dem  großem  Werke  von  3  Bänden.  Harten- 
stein gedachte  jene  Recension  ein  wenig  durchzunehmen  La  seiner  in  3  bis  4  Wochen 
erscheinenden  Dissertation,  die  eine  Kritik  der  von  Schleierraacher  hinterlassenen 
und  von  Schweizer  herausgegebenen  Ethik  enthalten  und,  wie  ich  höre,  ziemlich 
ausführlich  seyn  wird.  Ich  verspreche  mir  etwas  Gutes:  ich  traue  H.  in  Kritik  und 
Polemik  mehr  zu  als  in  eigenthümlicher  Gestaltung.  Seine  Metaphysik  macht,  wie 
es  scheint,  Glück,  wahrscheinlich  mehr  als  meine  Logik.    Auch  die  Brockhausischen 

')  4  S.    4".    H.  Wien. 


202  Februar  1837. 


Unterhaltungsblätter  machten  das  Buch  zur  Grundlage  eines  nicht  geistlosen  Auf- 
satzes, der  zwar  wenig  von  H.  und  seinem  Buche,  aber  auf  eine  achtungsvolle  und 
uns  sicherlich  fördernde  Art  von  der  Sache  sprach.  Selbst  in  der  Berliner  literari- 
schen Zeitung  (v.  Buchen)  hat  H"s  Buch  viel  Gnade  gefunden;  dagegen  ist  meine 
Logik  in  einer  10  Zeilen  langen  Anzeige  erbärmlich  mitgenommen,  als  ein  opus, 
das  dem,  der  noch  nicht  die  TiOgii^  verachtete,  die  Verachtung  sicher  einflößen  würde  etc. 
Doch  konnte  ich  wohl  dazu  lachen,  denn  es  fehlte  zu  sehr  an  allen  Belegen  und 
jeder  sah  ein,  daß  es  auf  eine  gehässige  Schlechtmacherei  abgesehen  war.  Sonst 
habe  ich  außer  in  dem  Repert.  von  meinem  Buche  noch  ||  keme  Anzeige  gelesen,  viel- 
leicht theils  weil  es  eben  eine  Logik  ist,  theils  weil  mein  Verleger  die  Grille  hat, 
nichts  mehi-  an  die  Lit.  Zeitungen  einzusenden,  indem  er  behauptet,  das  Glück  oder 
Unglück  der  Bücher  sey  jetzt  von  Recensionen  ganz  unabhängig.  Indeß  werde  ich 
mit  den  Quaest.  math.  psych,  an  Eichstädt  noch  ein  Exemplar  einsenden.  Von 
diesen  folgt  nun  hier  das  3te  Specimen  und  in  14  Tagen  sollen  Sie  das  4te  erhalten, 
womit  der  erste  Fascikel  geschlossen  ist.  Die  von  Ihnen  erwähnte  Anzeige  von 
sp  IL  habe  ich  in  den  Gott.  Anz.  noch  nicht  abgedruckt  gefunden;  doch  danke  ich 
herzlich  zum  Voraus. 

Mit  der  „Einleitung  in  die  Psychologie"  sieht  es  noch  sehr  windig  aus.  Es 
fehlt  mir  diesen  Winter  gänzlich  an  zusammenhängender  Zeit  und  kräftiger  Gesund- 
heit. Vor  Weihnachten  war  mir  Nachmittags  der  Kopf  so  eingenommen  und  meine 
Nervenstimmuag  so  stumpf,  daß  ich  nur  früJi  etwas  Ordentliches  arbeiten  konnte. 
Jetzt  ist  es  etwas  besser,  aber  da  giebt  es  Examina,  Reden,  Redchen,  Disputa- 
tionen etc.,  die  alles,  was  die  Collegien  lassen,  verzehren  oder  zerstückeln.  Leider 
ziehe  ich  nun  auch  zu  Ostern  aus  und  verliere  damit  wieder  Zeit.  Dann  im  Sommer 
werde  ich  einige  Wochen  in  ein  Bad  müssen  und  ein  Schmellsegler  bin  ich,  wie  Sie 
wissen,  nicht,  —  also  ich  kann  mir  noch  keinen  Termin  setzen  und  mag  das  Buch 
auch  nicht  in  solcher  Embryonengestalt  wie  die  Beiträge  in  die  Welt  schicken:  ich 
möchte,  es  sollte  in  seiner  ||  Art  so  etwas  werden  wie  die  Logik,  obwohl  in  viel 
freierer  Rede,  nicht  in  der  Paragraphenkürze,  aber  köine  Flugschrift ! 

Von  den  Quaestionibus   weiß  ich,   daß  sie  jetzt  niemand  lesen  wird.     Sie  be- 
ziehen sich  zuviel  auf  Ihre  Psychologie  um  für  sich  verstanden  werden  zu  können, 
und  die  Ihre  Psychologie  haben,  kennen  nur  den  2ten  Band  und  glauben  oder  glauben 
nicht  an  den  Isten.     Indeß  mögen  diese  Programme   wie  ein  kritischer  Commentar 
mit   einigen  Excursen   betrachtet  werden,   wenn  das   nicht  zu  viel  gesagt  ist.     Ich 
denke  zur  Entwickelung  Ihrer  Philosophie   gehörte  gerade  auch  diese  Arbeit,  wenn 
sie  mir  jetzt  auch   nicht  gerade   viel  Dank    bringt.     Indeß    erläutere   ich  jetzt  |die    \ 
Hauptsätze   der  mathemat.   Psychologie  in   einer  Extrastunde,  die  ich   wöchentlich    j 
gebe,  und  habe  wol  20  höchst  aufmerksame  Hörer.    Die  allgemeine  Psychologie  hat    1 
den  besten  Fortgang.    Auch  fängt  man  schon  an,  von  den  Kathedern  herunter  diese    j 
Richtung  anzufechten ;  so  z.  B.  geschehen  von  Heinroth,  Lindner,  Winer.  Da  habe  ich    | 
mich  von  meinem  Katheder  herab  wieder  vertheidigen  müssen,  und  das  ist  geschehen,    i 
wie  es  scheint,  nicht  ohne  Ergötzung  der  Zuhöi'er,  übrigens  in  aller  Decenz.  ; 

Das  alles  sind  nur  die  Zeichen  der  wachsenden  Macht.  Zu  Ostern  will  eine  i 
kleine  Colonie  von  4  jungen  eifrigen  Männern  von  hier  nach  Göttingen  ziehen,  um  1 
Sie  selbst  zu  hören.  -Auch  wird  es  diesen  nicht  später  an  Nachfolgern  fehlen,  j 
Diese  mögen  Ihnen  dann  mehr  von  unserm  Treiben  erzählen.  Sie  werden  Ihnen  i 
wenigstens  sagen,  daß  wir  nicht  unthätig  sind. 

Von  Strämpell  liegt  leider  fast  seit  einem  Jahre  ein  unbeantworteter  Brief  bei  \ 
mir:  nächstens  will  ich  an  die  Antwort  gehen.  Schlimme  Streiche  wird  er  schon  ' 
jetzt  nicht  machen.  Ganz  der  Ihrige     Drobisch. 


i 


Februar   1837.  263 


593.  Dissen  an   H.')  [Ohne  Datum.] 
Eben  sagt  mir  der  Hofrath  Conradi   daß  Sie,  theuerster,  verehrtester  Gönner, 

vielleicht  mich  heute  besuchen  würden.  "Wie  sehr  würde  mich  das  freuen!  Aber 
durch  einen  unglücklichen  Zusammenfluß  von  Umständen  bin  ich  in  diesen  Tagen 
in  eine  so  ungeheure  Aufregung  der  Nerven  verfallen,  als  diesen  ganzen  Winter 
nicht  der  Fall  gewesen.  Daher  fürchte  ich  daß  die  gieße  Freude  Sie  wieder  zu 
sehn  mich  zu  gewaltsam  erschüttern  könnte,  ich  muß  still  ruhig  sitzen,  selbst  ohne 
zu  sprechen.  Erlauben  Sie  mir,  daß  ich  den  ersten  Tag,  wo  es  besser  geht,  eine 
Einladung  schickte.  Vielleicht  ist  es  denn  auch  besser  Wetter  für  Sie.  Möchten 
Sie  nur  still,  stark  und  gesund  seyn;  an  Ihrer  Erhaltung  ist  alles,  alles  gelegen, 
und  auch  meine  ganze  Seele  hängt  daran. 

Herziichst  der  Ihrige    Dissen. 

594.  An  Drobisch.  <^^°e  Datum.  2) 
Herzlichen    Dank    mein    theurer    Freund!    für  Ihr    drittes  Geschenk, 

und  für  Ihren  Brief,  der  mich  von  der  Sorge  wegen  Ihrer  Gesundheit 
wenigstens  für  den  Augenblick  befreyte  —  mehr  ist  es  leider!  nicht. 
Jetzt  aber  muß  ich  Ihnen  eine  angelegentliche  Bitte  vortragen,  deren  Er- 
füllung vielleicht  Hartenstein  noch  leichter  als  Sie  bewerkstelligen  wird, 
weil  Brockhaus  sein  Verleger  ist. 

Unzer  in  Königsberg,  der  mit  Brockhaus  sehr  befreundet  ist,  schrieb 
mir  unterm  ^4  Sept.  v.  J.:  zur  Ostermesse  1837  werde  eine  neue  Aufl. 
meiner  Einleitung  nöthig  seyn.  Unterm  22  October  v.  J.  kam  ein  andrer 
Brief,  worin  es  wörtlich  heißt:  „wie  mir  mein  Freund  Brockhaus  soeben 
meldet,  sind  dort  keine  Exempl.  der  Einleitung  mehr  vorräthig.  Aus 
Versehen  hatte  ich  ein  Paquet  (mit  75  Exempl.  bemerkt)  für  Exempl.  der 
Einleitung  zur  Philos.  gehalten,  aber  beym  Öffnen  haben  sich  soviel 
Exempl.  des  Lehrb.  der  Psychologie  in  besagtem  Paquet  befunden."  End- 
lich unterm  7  Januar  d.  J.  sendet  er,  von  Leipzig  durch  Brockhaus,  das 
Honorar  für  die  neue  Ausg.  der  Einleitung,  —  sagt  aber  kein  Wort  vom 
Lehrb.  der  Psycholog. 

Natürlich  muß  ich  nun  bey  Unzer  mich  erkundigen:  waren  noch 
andre  Paquete  mit  Exempl.  des  Lehrb.  der  Psychologie  vorräthig?  Oder 
bestand  der  Vorrath  von  diesem  Lehrb.  nur  noch  in  75  Exempl.?  Und 
sollte  von  dem  Buche,  wovon  noch  75  Exempl.  vorräthig  waren,  eine 
neue  Aufl.  veranstaltet  werden? 

Lagen  noch  andere  Paquete  mit  der  Aufschrift:  Psychol.  da;  so  be- 
greife ich  nicht,  woher  das  Versehen  kam.  Vermuthlich  las  Unzer  doch 
nur  einmal  falsch.  Sind  aber  wirklich  die  Exempl.  des  Lehrb.  der  Psycho- 
logie auch  soweit  vergriff"en,  so  laute  ich  Gefahr  der  größten  Verlegenheit, 
wenn  wiederum  plötzlich  Nachricht  kommt,  das  Lehrbuch  fehle!  j| 

Es  wäre  das  viertemal,  daß  ich  durch  Unzer  in  diese  Veriegenheit 
käme.  Als  ich  in  Königsberg  mein  letztes  Halbjahr  nutzen  wollte,  kam 
dieselbe  doppelt  über  mich,  denn  es  hieß  auf  einmal:  Beyde  Lehrbücher 
(zur  Einl.  u.  z.  Psych.)  fehlen.     Daher  die  eilfertigen  neuen  Ausgaben,  die 


')  2  S.    8".     N.  (=  Nachlaß,  s.  Vorwort.)  —  Dissen  starb  am  21.  Sept.  1837. 
"-)  2  S.    4".  —  Poststempel  6.   2. 


264  Febraar   1837. 


damals  schon  viel  besser  hätten  gearbeitet  werden  können.     Jetzt  ging  es 
eben  so  mit  der  Einleitung! 

Sie  aber,  mein  theurer  Freund!  begreifen  vollkommen,  was  es  mit 
einer  neuen  Ausgabe  des  Lehrb.  z.  Psychologie  jetzt  auf  sich  hat.  Sie 
begreifen  ohne  Zweifel  vollkommen,  daß  ich  Gefahr  laufe  meine  kostbare 
Zeit  zu  verlieren,  wenn  ich  darauf  warten  muß,  daß  Unzer  von  Königs- 
berg aus  sich  bey  Brockhaus  in  Leipzig  wegen  des  dort  lagernden  Vor- 
raths  erkundigt,  um  mir  alsdann  von  Königsberg  nach  Göttingen  Bescheid 
zu  geben.     Was  kann  da  alles  verzögert  werden? 

Nun  brauche  ich  meine  Bitte  wohl  kaum  noch  auszusprechen.  Die 
Bitte  nämlich:  Sich  gleich  an  Brockhaus  zu  wenden,  ihm  meinen  Dank 
für  gütige  Übersendung  des  Unzerschen  Honorars  mit  meiner  Empfehlung 
zu  bestellen,  und  ihn  um  Auskunft  wegen  des  Vorraths  an  Exempl.  des 
Lehrb.  der  Psychologie  zu  ersuchen,  wozu  höchst  wahrscheinlich  nur 
nöthig  ist,  daß  er  auf  dem  bey   ihm    befindlichen  Lager  nachsehen  lasse. 

Was  Reinhold  und  Michael  in  Leipzig  gewollt  haben  ist  nun  wohl 
klar,  er  hat  das  Terrain  recognoscirt.  Wir  haben  von  ihm  eine  syste- 
matische Opposition  zu  erwarten. 

Doch  ich  muß  abbrechen.     In  Hoffnung  baldiger  gütiger  Antwort 

Ihr     H. 

595.    Drobisch  an  H.')  Leipzig  13  Febr  37. 

Verehrter  Freund  und  Gönner!  Die  Antwort  von  Brockhaus  folgt  hier  im 
Original.  Es  sind  also  wol  kaum  noch  über  300  Ex.  der  Psych,  vorhanden,  und 
diese  2te  Auflage  könnte  also  wol  in  Jahresfrist  ziemlich  vergriffen  seyn:  können 
Sie  mehr  wünschen?  Ihre  Philosophie  wirkt  wie  eine  stille  Macht,  ohne  großes  Ge- 
schrei, aber  sicher.  Mehr  haben  Sie  schwerlich  jemal  gewünscht.  Eine  Periode  des 
Enthusiasmus  könnte  Ihnen  nicht  willkommen  seyn.  Ich  schreibe  heute  wieder 
sehr  kurz,  weil  mir  übermorgen  die  Disputation  mit  Hartenstein  bevorsteht,  vor  der 
Hand  hoffentlich  das  letzte  Geschäft,  das  mich  aus  dem  Geleise  bringt.  Er  hat,  wie 
mir's  scheint,  mit  vieler  Klarheit  und  Gewohnheit  geschrieben:  de  ethices  a 
Schleiermachero  propositae  fundamento.  Er  setzt  also  auch  in  diesem  Programm 
eine  von  Ihnen  eröffnete  Polemik  fort,  was  dankenswerth  ist.  Doch  die  Schrift 
kommt  wol  wenigstens  gleichzeitig  mit  diesem  |I  Blatte  in  Ihre  Hände. 

Für  die  4te  Ausgabe  der  Ein!,  meinen  herzlichen  Dank.  AUe  Zusätze  werden 
mit  Freuden  angenommen,  aber  um  das,  was  Sie  streichen,  ist  es  inmier  schade.  Ich 
halte  es  selbst  nicht  für  Recht,  daß  Sie  die  Vorreden  der  frühem  Auflagen  streichen 
und  damit  dem  Leser  die  Geschichte  des  Buchs  und  so  viele  Belehrungen  entziehen. 
Nächstens  werde  ich  eine  genauere  Vergleichung  anstellen:  jetzt  hat  es  Hartenstein 
von  mir  geliehen.  —  Es  folgt  nun  hier  auch  das  4te  Programm,  das  den  Isten 
Fasciculus  schließt.  Vom  3ten  habe  ich  noch  3  Exemplare  nachzuhefern,  die  mit 
3  an  vom  2ten  und  einem  vollständigen  Exemplare  für  den  Buchhandel  auf  dem 
Wege  des  letztern  an  Sie  gelangen  sollen. 

Meine  und  der  meinigen  Gesundheit  ist  gut;  doch  bedarf  ich  sehr  einer  Auf- 
frischung, einer  Beruhigung  meines  Nervensystems  und  einer  Stärkung  meiner  Ver- 
dauungswerkzeuge. 


^)  3  S.    80.     H.  Wien. 


Februar  1837.  265 


"Wie  geht  es  denn  Ihrer   verehrten  Frau  ||  Gemahlin?   Sie   haben   mich   lange 
davon  nichts  wissen  lassen.     Ich  hoffe  das  Beste  zu  hören. 
Empfehlen  Sie  mich  und  meine  Frau  verbindlichst. 

Von  ganzem  Herzen  Ihr  ergebener    Drobisch. 

596.    Hartenstein  an  H.')  Leipzig,  d.  18.  Feb.  1837. 

Ho'.-liverehrter  Herr  Hofrath,  Statt  aller  Entschuldigung,  daß  ich  Ihnen  auf 
Ihren  letzten  Brief  vom  27.  Sow  d.  v.  J.  bis  heute  noch  nicht  geantwortet,  ja  nicht 
einmal  mit  einem  Worte  gedankt  habe,  erlaube  ich  mir  Ihre  Aufmerksamkeit  sogleich 
für  die  beifolgende  Abhandlung  über  Schleiermacher,  System  der  Sittenlehre,  zu  er- 
bitten. Die  Vollendung  dieser,-  an  sich  nicht  großen  Arbeit  hat  sich  länger,  als  ich 
anfangs  erwartete,  verzögert  und  darin  liegt  der  Hauptgrund  meines  in  jeder  andern 
Beziehung  unverzeihlichen  Stillschweigens.  Sie  mag  Ihnen  wenigstens  zum  Zeugniß 
dienen,  daß  ich  die  Sittenlehre  unter  der  Zeit  nicht  aus  den  Augen  verloren  habe. 
Sollte  Ihnen  Schleiermachers  ,, System  der  Sittenlehre'"  noch  nicht  zu  Gesicht  ge- 
kommen seyn,  so  würden  Sie  aus  meiner  Abhandlung  wenigstens  einen  neuen  Be- 
weis für  die  Thatsache  entnehmen  können,  daß  ohne  Ihre  Bemühungen  die  Sitten- 
lehre wirklich  in  Gefahr  war,  entweder  ganz  vergessen  zu  werden  oder  in  der 
Seichtigkeit  des  gewöhnhchen.  theologischen  Geredes  zu  versauern.  Daß  ich  überaus 
unumwunden  gesprochen  habe,  werden  Sie  finden,  und  die  Redlichkeit  meiner  Ab- 
sicht ist  mir  dabei  um  so  mehr  bewußt,  da  ich  Schleierniachers  individuelle  Persön- 
lichkeit überall  liebe,  wo  es  sich  eben  um  nichts  handelt  als  um  diese  Persönlich- 
keit, während  mir  sein  wissenschaftlicher  Stil  immer  mehr  zuwider  wird.  Ich  er- 
laube mir  nur  noch  den  Wunsch  hinzuzufügen,  daß  Sie  mir  Ihr  Urtheil  über  diese 
Arbeit  ganz  ohne  allen  Rückhalt  mitzutheilen  die  Güte  haben  möchten. 

Für  Ihre  Bemerkungen  über  den  von  mir  in  meinem  letzten  Briefe  an  Sie 
berührten  Gegenstand  der  praktischen  Philosophie  kann  ich  Ihnen  nicht  anders  als 
sehr  dankbar  seyn,  indessen  erlauben  Sie  mir  doch  zu  sagen,  daß  sie  mich  über 
den  Punct  der  Frage  nicht  hinweggehoben  haben.  Sie  verweisen  mich  an  die  Kunst- 
lehre; die  Production  der  Kunstwerke  sey  viel  freier  vom  Zwange  gegebener  Um- 
stände als  das  sittliche  Handeln  und  müsse  sich  doch,  wie  z.  B.  die  Musik  bei  der 
Vermehrung  der  Stimmen,  Licenzen  gefallen  lassen.  Die  Licenzen  und  durch- 
gehenden Noten  in  der  Musik  zugegeben,  die  in  der  That  in  der  neueren,  roman- 
tischen Musik  allgemach  anfangen  die  Regel  zu  werden,  so  daß  eine  reine  Har- 
monienfolge eine  Ausnahme  ist,  könnte  immer  noch  gefragt  werden,  ob  nicht  diese 
Licenzen  unter  aesthetischen  Gesetzen  stehen,  ja  vielleicht  durch  sie  hie  und  da 
gefordert  werden;  so  dann  aber,  wenn  man  sie  blos  als  Licenzen  betrachtet,  habe 
ich  gar  nichts  gegen  poetische  und  musicalische  Licenzen,  aber  mit  sittlichen  Licenzen 
fürchte  ich  mich  doch  allzu  freigebig  zu  seyn.  Daß  demohngeachtet  im  Gedränge 
des  wirklichen  Handelns  immer  vieles  sittlich  unbestimmbar  bleiben  wird,  nämlich 
für  den  Handelnden  selbst,  sehe  ich  sehr  wohl  ein;  ob  aber  die  Sittenlehre  deßhalb 
die  Frage  nach  einer  Regel  der  Bestimmung  so  ganz  von  sich  weisen  dürfe  scheint 
mir  mehr  als  zweifelhaft.  Diese  Regel  kann  aber  nicht  in  den  Ideen  selbst  liegen; 
denn  diese  sprechen  jede  ihre  eigene  Sprache;  und  es  käme  dann  darauf  an,  das 
gegenseitige  Verhältniß  der  Ideen  selbst  zu  bestimmen  und  eine  Art  allgemeiner 
Grammatik  für  sie  zu  erfinden,  durch  welche  sie  sich  gegenseitig  verständigen 
könnten.  Das  meiste  von  dem,  was  z.  B.  Schleiermacher  über  die  durchgängige 
Bestimmtheit  des  sittlichen  Lebens  sagt,  liegt  ohnedieß  schon  in  der  Idee  der  VoU- 


»)  2'/2  S.    4".     H.  Wien. 


206  März    1837. 


kommenheit,  d.  er  weist  meiner  Meinung  nach  in  diesem  Puncte  allerdings  auf  ein 
sittliches  Ideal  hin,  welches  wir  nicht  ganz  von  der  Hand  weisen  können. 

Daß  die  vierte  Aufl.  Ihres  Lehrbuchs  zur  Einleitung  so  schnell  vollendet 
worden  ist,  hat  mich  sehr  angenehm  überrascht;  ich  hätte  nur  gewünscht,  daß  ||  es 
Ihnen  gefallen  haben  möchte,  die  Vorrede  zur  Ist.  u.  2t  wieder  einmal  mit  ab- 
drucken zu  lassen.  Diese  gehören  zur  Geschichte  des  Buches  und  würden,  nament- 
lich die  Iste,  für  viele  Ihrer  Verehrer  ein  wahres  Geschenk  gewesen  seyn.  Auch 
von  den  Anmerkungen  aus  der  2.  Ausgabe  hatte  ich  gewünscht,  n)ehrere  wieder  zu 
finden,  namentlich  die  längere,  (2t.  Ausgabe  S.  216  flg.)  ganz  und  unverkürzt;  ich. 
weiß  aus  vielfältiger  Erfahrung,  daß  gerade  diese  Anmerkung  außerordentlich  viel 
genützt  und  gewirkt  hat.    Doch  wird  hoffentlich  die  5.  Auflage  der  4.  bald  nachfolgen. 

Zu  Ostern  wird  eine  kleine  Colonie  junger  Männer'),  die  hier  durch  unsere  Be- 
mühungen in  Ihr  System  eingeführt  worden  sind,  nach  Göttingen  kommen,  um  statt 
der  Schüler  den  Meister  zu  hören.  Ich  darf  mir  wohl  dann  erlauben,  den  einen 
oder  andern  Ihrer  persönlichen  Aufmerksamkeit  zu  empfehlen.  Alle  haben  guten 
Willen,  die  Anlagen  und  anderweitigen  Zwecke  derselben  sind  natürlich  verschieden. 
Für  jetzt  empfehle  ich  mich  der  Fortdauer  Ihrer  Wohlgewogenheit  und  verharre 
mit  der  Bitte  um  Entschuldigung  meines  undankbaren  Stillschweigens 

Ew.  Hochwohlgeborner  ganz  ergebenster    Hartenstein. 

597.    H.  G.  Waitz  an   H.^)  Cobstädt  bei  Gotha  am  28  März  1837. 

Hochwohlgeborener  Herr  Hochverehrter  Herr  Hofrath!  Ew.  Wohlgeboren 
mögen  auf  Nachfolgendes  des  im  vorigen  Jahi-e  um  gegenwärtige  Zeit  in  Göttingen 
und  bei  Ihnen  Anwesenden  mit  Wohlwollen  und  Nachsicht  herabsehen.  Vorerst 
bringe  ich  Ihnen,  verehrter  Herr  Hofrath,  wie  persönlich  im  voi'igen  Jahre,  so  jetzt 
schriftlich  meine  innige  Achtung  und  Verehrung  dar.  —  Aber  warum  habe  ich  nichts 
wieder  von  mir  hören  lassen,  wozu  Sie  mich  doch  gütigst  mündlich  aufforderten, 
möchte  wohl  nicht  mit  Unrecht  Ihre  Frage  seyn.  Ihre  gütige  Aufforderung  ver- 
stand ich  nämlich  damals  so,  daß  mein  Nähme  an  der  Ötirne  eines  Libells  zu  Ihnen 
gelangen  möchte,  was  mir  aber  in  meinen  höchst  unangenehmen  Verhältnissen  bis 
jetzt  nicht  möglich  war,  zumal  der  vorige  Sommer  mir  noch  unter  dem  Studium 
Ihrer  Schriften  verstrich.  Dieser  W^inter  nun,  diese  fürchterliche  Zeit  für  mich 
Einsamen  auf  dem  Lande  gebot  mir  sogar  zu  ruhen,  weil  ich  mich  gleichsam  geistig 
ermüdet  und  erschöpft  fühlte  und  anfing  zu  kränkeln.  Neuere  Sprachen  (Byron) 
beschäftigen  mich,  ohne  jedoch  dabei  Ihre  Schriften  aus  den  Händen  zu  legen.  Als 
Bewei.s  hiervon  wollen  Sie  gefälligst  vernehmen,  daß  im  allg.  Anzeiger  vom 
15.  Dec.  1836  ||  „die  pädagogischen  Hauptiegeln  nach  Herbart"^)  von  mir  mitgetheilt 
wurden.  Der  Bedacteur,  Herr  Legationsrath  Hennicke,  mir  persönlich  bekannt  und 
befreundet,  will  recht  gern  auch  ferner  auf's  Praktische  Bezug  habenden  Mit- 
theilungen in  dieses  Blatt  aufnehmen.  Auch  Herr  Generalsuperintendent  Biet- 
schneider als  Redacteur  der  allg.  Kirchenzeitung,  wie  es  scheint,  Ihrem  System  noch 
entfremdet,  und  demselben,  durch  die  Opposition  des  Schulinspectors,  meines 
Nahmensvetters  Waitz  gegen  ihn,  nicht  ganz  günstig,  dürfte  gewiß  zu  gewinnen 
sein  für  Mittheilungen  in  sein  Blatt.  Solche  Mittheilungen  m  viel  gelesenen  Blättern 
scheinen  mir  aber,  verehrter  Herr  Hofrath,  bei  der  noch  großen  Unkenntniß  Ihrer 
Lehren  und  bei  den  schwankenden  und  zum  Theil  abgeschmackten  Urtheilen  über 


»)  S.  u.  S.  280. 

'■')  3S.  4".  N.  —  Heinr.  Georg  Waitz  (1804—77),  später  Pfarrer  in  Eckardsleben. 
Vgl.  M.  Schneider,  Die  Abiturienten  des  Gymn.  zu  Gotha,    1906. 

■'')  Diese  Arbeit  ist  bisher  in  der  Herbartliteratur  nicht  bekannt  gewesen. 


April   1837.  267 

sie   durchaus    nothweudig   zu   sein.     Erlaubt   Ihre   Güte   mir   also    dergleichen   Mit- 
theiluDgen   und    darf  ich   bei   etwaigen  Angriffen   auf  Ihren   secundireoden  Beistand 
und  den  Ihrer  trefflichen  Freunde    in  Leipzig  bauen?    —    Die  Bekanntschaft  dieser 
habe  ich  noch  im  vorigen  Jahre,  Ihrem   wohlwollenden  "Wunsche  gemäß,  gemacht, 
und  mich  innig  gefreut,  so  wackei-e  und  ausgezeichnete  Männer  in  Ihnen  gefunden 
zu  haben.    Ich  bitte,  Ihnen  mich  gelegentlich  zu  empfehlen.    Ihre  eben  erschienenen 
Schriften  sind  noch  nicht  in    meinen   Händen.  —  Allein  mein   anderer  Hauptzweck, 
in    Leipzig    einen   Wirkungskreis    zu    finden,    wollte    sich   nicht    realisieren    lassen. 
Direktor  Vogel,  an  welchen  ich  von  Gotha  aus  empfohlen  war,  hat  es  bis  jetzt  nur 
bei  glänzenden  Versprechungen  bewenden  lassen.      Auch   andere  Versuche  von  mir 
hatten  keinen  bessi-reu  Erfolg.     Da  ich  also  fast  noch  auf  derselben  Stelle,    wie  im 
vorigen  Jahre,  mich  befinde,  ||  was  beginnen'?  —  Ew.  Wohlgeb.  zu  bitten  um  wohl- 
wollende Verwendung  zur  Erlangung  einer  Stelle  an  einer  Unterrichtsanstalt  irgendwo, 
wage  ich  kaum,   aus  Furcht  eine   für  Sie   nur  höchst   unangenehme  Bitte   zu   thun. 
Zuversichtlicher  möchte  ich  daher  Hochverehrter  Herr  Hofrath,   die  innige  Bitte  an 
Sie  richten,  mir  behülflich  sein  zu  wollen  zur  Erlangung  des  Grades  eines  Dr.  l'hilo- 
sophiae,  um,   wenn  vor  jetzt  meine  Bemühungen  um    ein  Unterkommen    vergebüch 
sein  sollten,  erfolgreicher  bei  und  nach  Anlegung  einer  Erziehungsanstalt  nach  Ihren 
Grundsätzen   hier  m  Gotha  wirken   zu  können.     Indem   mir   nun  die  Erforderni.sse 
zur  Erlangung   dieses  philos.  Grades   durchaus   unbekannt   sind,    will    ich    bloß   be- 
merken, daß  ich  einen  großen  Geldaufwand  scheuen  muß,  daß  aber  im  Jahre  1831 
ein  Bändchon  Bayrischer  Geschichten  für  Dr.  Fiitsche  (dieser  hatte  es  nämlich  für 
den  Buchhändler  Flinzer  in  Erfurt  angefangen)  und  unter  dessen  Nahmen  von  mir 
erschienen  ist.  —  Möchten  doch.   Hochverehrter  Herr  Hofrath,   diese  meine  allzu- 
lästigen Bitten  Sie  in  Ihrem  mir  bewiesenen  Wohlwollen  während  memer  Anwesen- 
heit in  Göttingen  nicht  wankend   machen.     Nein,  Sie   mir  theurer   Mann,   ich   bitte 
Sie,  erhalten  und  bewahren  Sie  mir  dieses  mich  erhebende  Wohlwollen  auch  ferner 
auch  für  die  Zukunft.     Überzeugt  hiervon,  überlasse  ich  all[es]  Wissenschaftliche, 
meine  mich  quälende  Fragen  auf  so  Vieles,    Plane   auf  abzufassende  Schriften  und 
Polemik    einem   andern  Briefe   und   erwarte  sehnsuchtsvoll  baldigst  gütige  Antwort 
(beim  Candidat  Vogtmann  in  Gotha  abzugeben)  auch  von  Ihrem  Befinden  unter  der 
größten  Hocnachtung  als  Ew.  Wohlgeb. 

ergebenster  Waitz  Candidat  Theolog. 

598.    Drobisch  an  H.M  Leipzig  d.  10.  April  1837. 

Verehrter  Freund  und  Gönner!  Der,  meiner  Vermuthung  nach,  baldige  Wieder- 
anfang der  Göttinger  Vorlesungen  erinnert  mich  daran,  daß  ich  einem  mehr- 
jährigen sehr  fleißigen  Hörer,  dem  stud.  med.  Schilling  aus  Köthen'),  der  von  jetzt 
an  in  Göttingen  studiren  wird,  versprochen  habe,  seinen  Besuch  bei  Ihnen  durch 
ein  paar  empfehlende  Worte  vorzubereiten.  Ich  hoffe,  er  wird  Ihnen  gefallen,  er 
ist  ein  guter  Kopf  und  auch,  soweit  ich  ihn  kennen  gelernt  habe,  ein  sittHch  guter 
Mensch,  der  das  lebhafteste  Interesse  an  der  Philosophie  nimmt,  und  Ihre  Vor- 
lesungen gewiß  mit  dem  größten  Eifer  und  mit  Nutzen  besuchen  wird. 

Von  mir  selbst  habe  ich  Ihnen  nichts  zu  schreiben,  denn  was  kann  es  helfen 
über  meine  geistige  Abspannung,  die  mich  zu  keiner  tüchtigen  Arbeit  kommen  läßt, 
zu  klagen.  Der  beispiellose  Nachwinter  vernichtet  nun  vollends  die  Ferien,  die  sich 
also  weder  zur  Arbeit  noch  zur  Wiederherstellung  der  Gesundheit  brauchen  lassen. 


')  2  S.    40.     H.  Wien. 

«)  G.  Schilling  (1815— 1872\  später  Prof.  d.  Phil,  in  Gießen. 


268  April   1837.  

In  sofern  ist  es  mir  fast  willkommen,  daß  ich  durch  das  Beziehen  einer  neuen 
Wohnung,  die  ganz  neu  einzurichten  ist,  und  die,  da  sie  in  einem  Universitäts- 
gebäude liegt  und  die  geiäumig  und  heiter  ist,  ich  wahrscheinlich  und  hoffentlich  in 
meinem  Leben  nicht  wieder  verlassen,  das  Privilegium  habe,  ein  paar  Wochen  m 
Müßiggang  zu  leben. 

Vor  einigen  Tagen  war  Schenk  [?]  aus  Kiel  hier.  Er  läßt  sich  Ihnen,  als  ehe- 
maliger Zuhörer,  bestens  empfehlen.  Er  war  voll  vom  Lobe  Ritter's,  der  ja  nun 
der  Ihrige  wird.  Er  versicherte,  dieser  habe  in  Kiel  in  größtem  Ansehen  gestanden 
als  Lehrer  wie  als  Mensch.  Auch  unser  Wachsmuth  versichert,  R.  sey  durch  und 
durch  Charakter.  Das  ist  gewiß  höchst  erstaunlich  an  einem  Philosophen  und  in 
sofern  so  wie  als  Historiker  wird  er  Ihnen  willkommen  seyn.  Wie  weit  nun  der 
Schüler  Schleiennachers  hervortreten  wird,  steht  wol  noch  zu  erwarten.  Ein 
Mann  für  die  Theologen  wird  er  wohl  seyn.  Man  hat  hier  und  anderwärts  aber 
auch  nicht  verkannt,  welchen  schweren  Stand  R.  in  Göttingen  haben  werde.  |1 
In  Berlin  —  so  sagte  dieselbe  seinen  Charakter  rühmende  Stimme  —  fiel  ihm 
alles  zu,  was  Hegeln  perhorrescirte  oder  dessen  rauhen  Vortrag  nicht  goutiren 
konnte;  R.'s  Vortrag  dagegen  soll  etwas  Zauberisches  haben.  Ich  lege  einiges  Ge- 
wicht auf  diese  Äußerung:  denn  der  Mann  correspondirt  viel. 

Noch  habo  ich  Ihnen  für  die  analytische  Beleuchtung  etc.  meinen  herzlichen 
Dank  zu  sagen  unterlassen;  zum  Lesen  bin  ich  leider  noch  nicht  gekommen. 

Vor  einigen  Tagen  erhielt  ich  einen  Brief  von  Strümpell.  Er  scheint  noch 
ganz  der  Alte,  voll  von  beueidenswerther  Zuversicht  zu  seinen  Kräften,  von  großen 
Plänen  für  die  Zukunft  und  ein  wenig  hochmüthig;  mit  seiner  Lage  im  Ganzen 
zufrieden. 

Mit  der  Gesundheit  meiner  Familie  steht  es  jetzt  eben  gut.  Alle  zwei  Monate 
irgend  eine  Störung  derselben  steht  nun  bereits  auf  dem  Budget  und  muß  als  ein 
Ordinarium  angesehen  werden.  Ich  wünsche  von  Ihnen  und  Ihrer  Frau  Gemahlin 
(Gesundheit  die  besten  Nachrichten  zu  erhalten.  Empfehlen  Sie  letzterer  mich  und 
meine  Fi'au  ergebenst. 

Entschuldigen  Sie  diese  wenigen  hypochondrischen  Zeilen.  Mit  dem  Frühlings- 
wetter wird,  wie  ich  hoffe,  wieder  mehr  Elasticität  in  mich  hineinkommen. 

In  jedem  Falle  vom  Herzen  •        der  Ihrige     Drobisch. 

599.    Hartenstein  an  H.^)  Leipzig  am  25.  April  1837 

Hochverehrter  Herr  Hofrath,  Im  Vertrauen  auf  ihre  gütige  Verzeihung  er- 
laube ich  mir,  schon  wieder,  Ihnen  einen  jungen  Mann  zu  empfehlen,  welchen  die 
in  Leipzig  begründete  Liebe  zur  philosophischen  Forschung  nach  Göttingen  treibt., 
um  Sie  zu  hören.  Es  ist  derselbe  Dr.  Stoy^),  und  ich  hoffe,  daß  Sie  in  ihm  einen 
ernsten  und  namentlich  von  dem  wärmsten  Interesse  für  die  practische  Philosophie 
durchdrungenen  Jünger  finden  werden. 

Obwohl  ich  kein  Recht  habe,  Ihre  Zeit  und  Aufmerksamkeit  unbescheiden  in 
Anspruch  zu  nehmen,  so  brauche  ich  doch  diese  Gelegenheit,  um  die  Hoffnung  aus- 
zusprechen, daß  ich  vielleicht  recht  bald  das  Vergnügen  haben  werde,  einen  Brief 
von  Ihnen  zu  erhalten.  Ich  wünsche  ihn,  weil  ich  hoffe,  daß  er  mir  Ihr  Urtheil 
über  mein  Klaglibell  gegen  .Schleiermacher  nicht  vorenthalten  wird. 

Die  Beilage  dieses  Briefes  steht  zwar  in  keiner  Beziehung  zur  Philosophie,, 
indessen   hege   ich   die  Überzeugung,   daß  Sie   einem  Ereignisse,    welches   lediglich. 


1)  IS.    4".     H.  Wien. 

^)  K.  V.  Stoy  (1815—1855),  später  Prof.  in  Heidelberg  u.  Jena. 


Mai   1837.  269 

meine  Person  angeht,  Ihre  wohlwollende  Theilnahme  nicht  versagen  werden.  In 
meinen  Arbeiten  ist,  wie  ich  gern  gestehe,  dadurch  für  den  Augenblick  eine  Pause 
eingetreten,  die  aber  hoffentlich  nicht  allzu  lange  anhalten  soll. 

Mit  dem  herzlichen  "Wunsche,  daß  der  ungewöhnlich  spät  eintretende  Frühling 
Sie  in  vollkommenem  Wohlseyn  erhalten  möge,  empfehle  ich  mich  der  Fortdauer 
Ihres  wohlwollenden  Andenkens  und  verharre  mit  immer  gleicher  Verehrung 

Ew.  Hochwohlgeboren  ergebenster    Hartenstein. 

600.  An  Herbart. ^)  4.  Mai  1837. 
Zum  Vierten  Mai  des  Jahres  Achtzehn  Hundert  und  sieben  und  dreißig  dem 

Oeburtstage  Herbai-ts   des   für   die  Herzen   der  Unterschriebenen   Titellosen.     Am 

Himmelfahrtstage.  -) 

Maenner  und  Juenglinge  hier  versammelt  zu  froehlichem  Feste  — 

Sag'  wen  feiert  das  Fest?  wen  das  erklingende  Glas? 

Herbart  feiern,  den  Lehrer,  in  herzlichsten  Dankes  Erinnerung 

Heute  zu  traulichem  Kreis  Lehrer  und  Schueler  vereint. 

Heut  vollendete  eiust,  der  trefflichste  Lehrer  der  Menscnen, 

Um  sie  zu  bessern  gesandt,  das  ihm  befohlene  Werk: 

Stieg  dann  vor  den  Erstaunenden  auf  zu  dem  Vater  des  Lebens, 

Irdischer  Glorie  nichts,  ewigen  Ruhmes  gewiß: 
So  kann  Dir  auch  die  Welt  nichts  mit  ihrem  Lohne  vergelten 
Was  Du  nicht  uns  allein  —  allen  für  Segen  gebracht: 
Leichtsinn  des  Schuelers  hat  oft  Dich  betruebt,  der  Lehrenden  Irrthum, 
Oft  Dir  Muehe  gemacht,  oft  Dir  die  Stunden  geraubt. 
Mancher  erkennt  wohl  spaet,  erst,  jetzt,  was  Du  ihm  gewesen, 
Was  Du  für  Keime  gelegt  —  jetzt  da  ihm  reifet  die  Saat. 
Denn  wie  zoegertest  Du,  wo's  galt  mit  rüstigem  Muthe 
Und  mit  beharrlicher  That  Fehler  zu  bessern  an  uns: 
Herbartl  toent  es  darum,  lang  leb'  Er  in  glücklichen  Tagen! 
Lebe  gesund  und  froh!  kräftig  in  geistiger  Kraft! 
Sie  auch  lebe  mit  Ihm  bis  zum  aeußersten  Maaße  des  Alters 
Die  Ihm  mit  weiblicher  Huld  liebend  die  Tage  verscboent! 
Und  naht  einst  das  Geschick,  vererb'  dann  Herbart  den  Schuelern, 
Den  durchdringenden  Sinn  und  den  verbindenden  Geist! 

601.  Drobisch  an  H.^)  Leipzig  30.  Mai  37. 
Hochverehrter  Herr  und  Freund,  Der  hoffnungsvolle  Sohn  meines  unvergeß- 
lichen Freundes  und  Collegen  Brandes,  Hr.  D.  Brandes,  wünscht  durch  diese  Zeilen 
entschuldigt  zu  seyn,  wenn  er  sich  erlaubt,  eine  wissenschaftliche  Reise  antretend, 
Ihnen  seine  Aufwartung  zu  machen  und  seine  Hochachtung  zu  bezeigen.  Er  ist 
bei  hiesiger  Sternwarte  als  Amanuensis  angestellt,  hat  aber  unter  meiner  Leitung 
auch  an  den  Angelegenheiten  der  Philosophie  Theil  genommen.  Er  wird  von 
Göttingen  nach  Altena  und  dann  nach  England  gehen,  um  sich  einige  Anschauungen 
über  astronomische  und  physikalische  Apparate  zu  verschaffen.  Die  nächste  Ver- 
anlassung zur  Reise  gibt  ihm  aber  ein  Leipziger  Reisestipendium. 

Lange  habe  ich  nichts  Näheres  von  Hinen  gehört.  Mein  letzter  Brief  war 
freilich   wenig  geeignet,   Sie  zu  wissenschaftlichen  Mittheilungen   einzuladen,   denn 

')  2  S.   4».     N.  (=  Nachlaß,  s.  Vorwort). 
^)  Steht  auf  der  ersten  Seite. 
*)  3  S.   4«.    H.  Wien. 


270  Juni   1837. 

ich  erklärte  offen  meine  derzeitige  Stumpfheit.  Es  ist  auch  jetzt  noch  nicht  so 
wie  es  seyn  sollte,  die  Arbeit  geht  schwer  und  langsam  vorwärts,  die  geistige 
Elasticität  ist  gering.  Indeß  wäre  mirs  doch  lieb,  mich  von  Ihrem  Wohlseyn  über- 
zeugen zu  können,  an  dem  weit  mehr  gelegen  ist.  Die  Tauben,  die  aus  unsrer 
Arche  geflogen  sind,  haben  aber  leider  noch  keine  Oelblätter  zurückgebracht. 
Selbst  D.  flülße,  der  neulich  Sie  besucht  haben  wird,  hat  mir  noch  keine  mündliche 
Nachricht  gebracht. 

Mit  den  Collegien  geht  es  hier  fortwährend  gut,  nämlich  bei  Hartenstein  und 
mir;  l|  Weiße  aber,  entmuthigt  durch  gänzliche  Uebergehung  bei  Besetzung  zweier 
philosophischen  Professureri,  hat  seine  Entlassung  genommen  und  geht,  vor  der 
Hand,  so  viel  ich  weiß,  als  Privatgelehrter,  nach  Berlin.  Ob  er  dort  lesen  wird, 
weiß  ich  nicht.  Daß  man  dort  aber  viel  Wesens  von  ihm  macht,  habe  ich  erst  vor 
Kurzem  aus  guter  Quelle  gehört.  Er  scheidet  aus,  weil  er  für  uns  nicht  paßt. 
Seinem  Charakter  und  seinen  Kenntnissen  alle  Achtung  zollend,  wünsche  ich  ihm 
anderweits  Glück  nach  seiner  Weise.  Hätte  er  Aesthetiker  bleiben  wollen,  so  würde 
er  bei  uns  wol  auch  mehr  Berücksichtigung  gefunden  haben,  aber  er  wollte  Meta- 
physiker  seyn  und  hatte  sich  nicht  mit  der  besten  Sorte  von  Wissenschaft  ver- 
sehen; übrigens  gebricht  es  ihm  an  Lehrtalent.  Es  wird  nicht  an  Leuten  fehlen, 
die  rufen:  Das  ist  das  zweitemal,  daß  Leipzig  einen  großen  Philosophen  ausstößt. 
Denn  auch  Thomasius,  der  freilich  nur  Aufklärer  war,  mußte  einst  nach  Halle 
ziehen. 

Ritter  wird  wol  erst  zu  Michael  bei  Ihnen  anlangen,  daher  kann  ich  von  ihm 
jetzt  noch  nichts  zu  hören  hoffen.  Uebrigens  ist  man  wol  jetzt  in  Göttingen  mit 
großen  Zurüstungen  zum  Jubiläum  beschäftigt,  das  sich  mit  Prag  in  die  deutschen 
Gelehrten  theilen  wird.  Ich  beneide  Sie  nicht  um  diese  Festlichkeiten,  die  ich 
jedoch  weit  entfernt  bin  zu  tadelh,  da  in  unserer  Zeit  die  Wissenschaft  äußerliche 
Anerkennung  von  Seiten  der  Mächtigen  dankbar  hinzunehmen  Ursache  hat.  Ich 
wollte  aber  wenigstens,  daß  sie  nicht  in  die  Ferien  fielen  und  daß  ich,  anstatt  Ihre 
Gegenwart  in  Göttingen  für  ||  nothwendig  halten  zu  müssen,  mich  wieder  einmal  an 
einer  persönlichen  Zusammenkunft  mit  Ihnen  irgendwo  erfreuen  und  erheben  könnte. 
Doch  ich  bescheide  mich,  daß  dies  für  dieses  Jahr  ein  bloßer  frommer  Wunsch 
bleiben  muß,  und  begnüge  mich  wie  bisher,  im  Geiste  bei  Ihnen  zu  seyn. 

Ganz  der  Ihrige     Drobisch. 

602.     An    Drobisch.  Göttingen   I  Juni    1837. 

Was  werden  Sie  davon  denken,  mein  hochverehrter  Freund !  wenn 
ich  nach  langem  Schweigen  auf  einmal  so  schnell  als  möglich  Antwort 
von  Ihnen  begehre,  und  noch  obendrein  zugleich  Antwort  in  Herrn  Pr. 
Hartensteins  Namen  ? 

Aber  unser  Jubiläum  ist  ein  wunderliches  Ding,  es  setzt  uns  mannig- 
faltig in  Spannung  —  von  andern  Umständen,  die  mich  allein  angehn, 
kann  ich  füglich  jetzt  schweigen. 

Man  erwartet  mehr  Fremde  als  man  zu  lassen  weiß.  Wie  sich  die 
Polizey  dabei  benehmen  würde,  war  mir  lange  zweifelhaft.  Die  Zu- 
muthung,  eine  diplomatische  Person  aufzunehmen,  war  mir  höheren  Orts 
zugegangen ;  ich  hatte  sie  abgelehnt  und  bekam  keine  weitere  Antwort. 
Vor  ein  paar  Tagen  nun  erscheint  eine  Polizeyverfiigimg,  worauf  ich  die 
Hoffnung  baue,  daß  meine  Anzeige,  ich  erwarte  Gäste,  mich  wohl  von 
weitern  Zumuthungen  dispensiren  wird;  nur  werde  ich  sobald  als  möglich 
diese   Gäste  bestimmt  nennen   müssen. 


Juni   J837.  271 

Welche  Gäste  das  seyen?  —  Durch  Ihre  jungen  Leipziger  war  mir 
angedeutet,  daß  sowohl  Sie  als  Hartenstein  Hoffnung  gegeben  hätten,  uns 
beym  Jubiläum  zu  besuchen.  Nun  möchte  ich  Ihnen  ||  aber  nicht  rathen, 
zur  Zeit  des  Jubiläums  —  lö — 20  September  hier  auf  Platz  in  den  Gast- 
häusern zu  rechnen,  wollen  Sie  bev  mir  vorlieb  nehmen,  so  wie  es  als- 
dann  die  Umstände  erlauben  werden,  so  wird  dies  wohl  nicht  ganz  so 
unbequem  seyn  als  Sie  es  sonst  finden  möchten.  Darum  also  bitte  ich 
Sie  und  Hartenstein,  daß  Sie  mich  baldigst,  und  in  einem  ostensibeln 
Schreiben,  wissen  lassen,  ob  Sie  die  Güte  haben  wollen,  mich  mit  Ihrem 
Besuche  zu  beehren.  Nimrpt  die  Polizey  Ihr  Schreiben  an,  ohne  Beschlag 
auf  meine  Zimmer  zu  legen  für  unvermeidliche  Einquartirung,  so  ist  Alles 
abgemacht;  und  dies  dürfen  Sie  für  gewiß  annehmen,  wenn  Sie  nicht 
gleich  darauf  von  mir  einen  neuen  Brief  bekommen.  Wahrscheinlich 
kommt  noch  Schubert  aus  Königsberg;  ich  hoffe,  die  Herren  werden  in 
Rücksicht  auf  die  Umstände  Sich  etwas  behellen,  und  das  wird  sich  wohl 
noch  leidlich  machen  lassen. 

Unveränderlich  der  Ihrige !     Herbart. 

603.     Drobisch  an  H.\)  Leipzig  8.  Juni  37. 

Hochverehrter  Herr  und  Freund,  Obgleich  mir  meine  leider  fortwährend 
schwankende  Gesundheit  durchaus  nicht  erlaubt  auf  lange  Zeit  hinaus  Pläne  zu 
machen  (eben  mußte  ich  wieder  die  Vorlesungen  3  Tage  aussetzen),  so  macht  es 
doch  wol  die  Vorsicht  rathsam,  mir  eine  Anfrage,  die  auf  3  Monate  hinausgeht, 
zu  erlauben.  Als  wir  das  letzte  mal  in  Nordhausen  zusammenkamen,  äußerte  ich 
den  Wunsch  und  die  Absicht,  zum  Göttinger  Universitätsjubiläum  Sie  zu  besuchen. 
Für  diesen  Fall  waren  Sie  und  Ihre  Frau  Gemahlin  so  gütig  mich  einzuladen,  bei 
Ihnen  selbst  zu  logiren.  Darf  ich  nun  dieses  -freundliche  Anerbieten  von  2  Jahren 
her  als  ein  noch  heute  gültiges  Versprechen  ansehen,  so  hätte  ich  mir  jedenfalls 
doppelt  Glück  zu  wünschen,  indem,  wenn  es  mir  meine  Verhältnis.se  erlauben,  noch 
zu  kommen,  ich  nicht  nur  der  Verlegenheit  um  ein  Unterkommen  überhoben  seyn 
würde,  die,  wenn  den  Zeitungen  zu  trauen  ist,  groß  werden  zu  wollen  scheint^ 
sondern  auch  als  Ihr  Hausgenosse  mich  Ihres  persönlichen  Umgangs  so  viel  erfreuen 
könnte,  als  es  die  Zerstreuungen  des  Tages  nur  immer  zulassen  würden.  Weit 
entfernt  jedoch  zudringlich  seyn  zu  wollen,  bitte  ich  diese  Erinnerung  an  ein  früheres 
zuvorkommendes  Anerbieten  nur  als  eine  bescheidene  Frage  anzusehen;  in  keinem 
Falle  darf  Ihnen  meine  Gegenwart  Unbequemlichkeit  verursachen ;  daß  übrigens 
die  Summe  meiner  Ansprüche  oder  meinetwegen,  da  Gauß  Ihr  College  Ist,  die  Summe 
der  Quadrate  meiner  Anspräche  ein  Minimum  ist,  versteht  .'sich  ganz  von  selbst; 
d.  h.  logiren  Sie  mich,  wie  es  Ihnen  bequem  ist,  mir  wird's  schon  recht  seyn :  in 
eine  Diogenes-Tonne  werden  Sie  mich  doch  nicht  stecken.  —  Im  Voraus  will  ich 
Sie  davon  ||  avertiren,  daß  in  diesen  Tagen  wahrscheinlich  auch  Hartenstein  mit 
einem  devotesten  Logisgesuch  bei  Ihnen  submissest  einzukommen  sich  die  Freiheit 
nehmen  wird.  Muß  nun  einer  von  uns  beiden  den  Repuls  bekommen,  so  stütze  ich 
mich  auf  mein  gutes  historisches  Recht.  Sehr  möglich  indeß,  daß  nach  spinozisti- 
schen  Begriffen  dennoch  Hartenstein  Recht  behält,  dann  nämlich  wenn  er  die  Macht 
hat  zu  kommen  und  ich  nicht.  Vielleicht  coUidiren  wir  indessen  hier  so  wenig  als 
sonst;  vielleicht  ist  Ihr  Haus  nach  so  isoperimetrischen  Grundsätzen  gebaut,  daߣes 

1)  2  S.    40.    H.  Wien. 


2^2  Juni   1837. 

ein  Maximum  des  Raumes  enthält.  Doch  wie  dem  auch  sey,  ich  will  Hartenstein  in 
seiner  Anfrage  nicht  vorgreifen;  daß  ich  in  gleicher  Absicht  an  Sie  schreibe,  habe 
ich  ihm  mitgetheilt. 

Mich  und  meine  Frau  Ihnen  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  freundschaftlichst  emp- 
pfehlend  ganz  der  Ihrige     Drobisch. 

604.  Hartenstein  an  HJ)  Leipzig  d.  11.  Juni  1837 

Es  würde,  hochverehrter  Herr  Hofrath,  für  mich  unverzeihlich  seyn,  wenn 
ich  mem  langes  Stillschweigen  gegen  Sie  noch  länger  ausdehnen  wollte.  —  Denn  in 
der  That  haben  Sie  mich  durch  die  Güte,  mit  welcher  Sie  mein  Programm  über 
Schleiermachers  Ethik  zum  Gegenstände  einer  so  wohlwollenden  Beurtheilung  in 
den  Göttinger  Anzeigen  gemacht  haben,  zu  großem  Danke  verpflichtet;  theils,  weil 
der  Wunsch,  Ihr  Urtheil  zu  vernehmen,  dadurch  auf  eine  so  angenehme  Weise  er- 
füllt worden  ist,  theils  weil  die  darin  ausgesprochenen  Hauptgedanken  dadurch  eine 
weitere  Verbreitung  finden  müssen,  als  dieß  außerdem  bei  einer  blosen  Gelegenheits- 
schrift der  Fall  seyn  würde. 

Zugleich  muß  ich  aber  freilich  bekennen,  daß  diese  Pflicht  der  Dankbarkeit 
nicht  das  einzige  Motiv  ist,  aus  welchem  ich  diese  Zeilen  an  Sie  richte,  sondern 
■daß  dieß  zugleich  in  der  Absicht  liegt,  an  Sie  eine  Anfrage  und  Bitte  zu  thun,  füi- 
welche  ich  allerdings  Ihrer  gütigen  Verzeihung  in  nicht  geringem  Grade  bedarf. 
Indessen  hoffe  ich,  wenn  auch  nicht  auf  Gewährung,  doch  eben  wenigstens  auf 
wohlwollende  Entschuldigung  rechnen  zu  dürfen. 

So  viel  ich  weiß,  feiert  die  Georgia  Augusta  den  16 — 20  Sept.  ihr  Jubiläum. 
Es  würde  mir  in  hohem  Grade  wünschenswerth  seyn,  mit  der  Feier  dieses  glänzen- 
den Festes  zugleich  die  Ehre  Ihrer  persönlichen  Bekanntschaft  vereinigen  zu  können. 
Nun  bin  ich  aber  in  Göttingen  gänzlich  unbekannt  und  es  steht  wohl  mit  Gewißheit 
zu  fürchten,  daß  bei  dem  großen  ||  Zusammenfluß  von  Fremden,  der  wohl  nicht  aus- 
bleiben wird,  in  den  öffentlichen  Gasthäusern  ein  Unterkommen  zu  finden  platter- 
dings unmöglich  seyn  würde.  Ich  wage  also  die  Anfrage,  ob  ich  mir  wohl  würde 
erlauben  dürfen,  für  diese  Zeit  Ihnen  in  Ihrem  eigenen  Hause  mit  meiner  und  viel- 
leicht sogar  auch  mit  meiner  Frau  Gegenwart  beschwerlich  zu  fallen.  Indem  ich 
diese  Anfrage  wage,  setze  ich,  um  in  Ihren  Augen  nicht  als  allzu  unbescheiden  zu 
erscheinen,  voraus,  daß  Ihre  gütige  Antwort  durchaus  durch  keinerlei  ßücksicht  auf 
mich  bestimmt  seyn  werde;  indem  ich  die  etwanige  Gewährung  meiner  Bitte  nur 
dann  mit  gutem  Gewissen  würde  annehmen  können,  wenn  ich  fest  überzeugt  seyn 
könnte,  daß  Sie  und  Ihre  Frau  Gemahlin  durch  solche  ungebetne  Gäste  in  keinerlei 
Rücksicht  behelligt  werden  würden. 

In  dieser  Voraussetzung  Ihrer  gütigen  Antwort  entgegensehend  verharre  ich 
für  jetzt  mit  gleicher  Hochachtung  und  Verehrung 

Ew.  Hochwohlgeborner  ergebenster     Hartenstein. 

605.  An  Drobisch.  18  juni  1837. 
Mein    theurer    Freund!      Anfangs    nahm    es    mich    Wunder,    daß    Sie 

meine  Emladung  nicht  ernstlich  erwiedert  haben;  da  aber  Hartensteins 
doppelter  Brief  fast  ebenso  aussieht  wie  der  Ihrige,  bin  ich  auf  den  Ge- 
danken gekommen,  daß  Sie  ein  Ansehn  von  versammelter  Parthey  be- 
fürchten. Diese  Betrachtung  hält  mich  nun  zwar  ab,  meine  Einladung 
so    angelegentlich    zu    erneuern    als   es    außerdem   geschehen   würde.     Zu- 

^)  l'/j  S.    4°.     H.  Wien. 


August  1837.  273 


dringlich  will  ich  nicht  seyn.  Allein  so  gewiß  es  ist,  daß  wir  durch  ein 
unwissenschaftliches  Partheytreiben  nichts  gewinnen  können,  eben  so  vest 
bin  ich  überzeugt,  daß  hier  auch  nichts  zu  verlieren  und  zu  verhüten  ist. 
Auf  Klugheit  kommts  in  diesem  Augenblicke  nicht  an,  sondern  auf  Kraft. 
Daß  insbesondere  Hartenstein  die  Parthey  Schleiermachers  einmal  gereizt 
hat,  wird  ihm  eben  so  wenig  vergessen  werden,  als  daß  er  angestellt  ist; 
was  die  Hauptsache  ausmacht.  Gelingt  es,  mich  zu  drücken,  so  pflanzt 
der  Druck  sich  unfehlbar  auf  Sie  beyde  fort;  und  Sie  werden  ihn  länger 
zu  tragen  haben  als  ich.  Also  —  wenn  Sie  Lust  haben  zu  unserm 
Jubiläum  zu  kommen,  so  kommen  Sie  Beyde,  und  kümmern  Sich  um 
Nichts.  Meinen  Sie  aber,  einen  Schein  vermeiden  zu  müssen,  so  will  ich 
weiter  nichts  dagegen  sagen.  Nur  bitte  ich  um  meine  Empfehlung  an 
Hartenstein,  dem  ich  gleich  Ihnen  meine  Einladung  von  ganzem  Herzen 
erneuere,  so  weit  es  ohne  Zudringlichkeit  geschehen  kann.  Baldiger 
Nachricht  sehe  ich  entgegen.  Unverändert  der  Ihrige!      H. 

Einen  baldigen  Brief  von  Einem  von  Ihnen  beyden  wünsche  ich  um 
so  mehr,  weil  ich  wegen  Ihrer  Gesundheits- Umstände  in  Sorgen  gesetzt 
bin,  durch  einen  der  Studirenden  die  von  Ihnen  hieher  kamen.  Übrigens 
habe  ich  für  diese  jungen  Männer  alle  14  Tage  ein  paar  Abendstunden 
angesetzt,  von  denen  eine  schon  zu  einer  wissenschaftlichen  Unterhaltung 
benutzt  ist. 

606.    Brzoska  an  H.')  Ohne  Datum. 

Hochwohlgeborner  Herr,  Hochverehrter  Herr  Hofrath.  Vor  nicht  langer  Zeit 
überbrachte  mir  bei  einem  zufälligen  Zusammentreffen  H.  Geh.  Justizrath  Kartin 
Ihre  freundlichen  Grüße,  die  mir  und  meiner  guten  Frau  unendliche  Freude  be- 
reiteten. Ich  bin  stets  ganz  glücklich,  wenn  ich  von  Ihnen  etwas  höre  oder  lese, 
natürlich  um  so  mehr,  wenn  dies  mich  persönlich  angeht  und  ich  darin  Beweise 
Ihrer  wohlwollenden  und  gütigen  Gesinnungen  gegen  mich  erkennen  kann.  Sie  mit 
häufigeren  Zuschriften  zu  belästigen  wage  ich  nicht,  auch  ist  es  mir  selten  erlaubt 
einige  Augenblicke  meinen  drängenden  Arbeiten,  zu  denen  noch  meine  häuslichen 
Verhältnisse  anhalten,  zu  entziehn;  tritt  eine  kleine  Pause  ein  so  schreibe  ich  an 
Sie  und  meine  Mutter.  Von  H.  Kartin  erfuhr  ich.  daß  Ew.  Hochwohlgeboren  Sich 
wohl  und  zufrieden  fühlen.  So  große  Freude  mir  dies  gewährte,  so  sehr  betrübt  es 
mich,  daß  Ihre  Frau  Gemahlin  Königsberg  noch  nicht  vergessen  kann,  und  daß  hier 
in  der  That  keine  dauernde  Abhilfe  gefunden  werden  kann.  Ich  für  mein  Theil 
habe  wenige  freundliche  Erinnerungen  aus  meiner  Vaterstadt  und  überhaupt  aus 
meiner  Jugendzeit,  aber  eine  unter  ihnen,  die  mich  wahrlich  für  Alles  entschädigt, 
es  ist  dies  die  Erinnerung  an  die  Zeit,  in  der  in  Ihrem  Hause,  unter  Ihren  Auspicien 
meinem  geistigen  Leben  die  Basis  und  Richtung  wurde,  wodurch  ich  bei  Allem, 
was  mein  Gemüth  traf,  doch  immer  Zuversicht  und  Kraft  behielt,  propositi  tenax 
meinem  Ziele  zuzuarbeiten.  Gott  mag  Ihnen,  dem  ich  Alles  danke  dafür  lohnen! 
—  Ein  großes  Vergnügen  macht  es  mir,  daß  unsere  Schule,  doch  immer  mehr  Um- 
fang und  würdige  Anerkennung  findet;  die  Fortschritte  hierin  wachsen  täglich  immer 


I 


')  7  S.  8°.  H.  Wien.  —  Zu  den  Briefen  Brzoskas  an  Herbart  ist  zu  vgl. 
die  Vorrede  W.  Reins  zur  2.  Ausg.  der  ..Notwendigkeit  pädagogischer  Seminare  pp." 
Leipzig  1887.  Die  weitausschauenden  Pläne  Brzoskas  wurden  leider  nur  zum  ge- 
ringsten Teile  verwirklicht,  da  er  bereits  1839  im  32.  Lebensjahr  starb. 

Herbarts  Werke.     XVni.  l8 


2  74  August  1837. 


bedeutender,  wahrlich  kein  schlechtes  Zeichen  für  unsere  Zeit!  Leider  habe  ich  dazu 
wenig  oder  richtiger  gar  nichts  gethan,  weil  ich  auch  beim  besten  Willen  in  meiner 
Stellung  nichts  thun  kann,  aber  ich  hoffe  um  so  mehr  zu  leisten,  so  bald  ||  ich  den 
Platz  dazu:  ein  pädagogisches  Seminar  gewonnen  habe;  ja  dann  bin  ich  überzeugt 
der  guten  Sache  mehr  zu  nützen,  als  ein  ganzes  Dutzend  der  Gleich  gesinnten. 
Hier  ist  das  Haupthinderniß,  das  Geld,  was  nothwendig  da  sein  muß,  um  ein  solches 
Institut  zu  gründen  und  ganz  besonders,  um  es  in  gehöriger  Weise,  zu  erhalten  und 
fruchtbringend  zu  machen.  Um  diesem  abzuhelfen  hatte  ich  die  Idee,  einige  tüchtige 
Pädagogen  zu  bestimmen,  daß  jeder  eine  populäre  in  die  Erziehung  fallende  Schrift 
fertigen  solle,  deren  Ertrag  zusammen  den  ersten  Fond  zu  einem  P.  S.  bilden  sollte. 
Diese  Idee  theilte  ich  mehreren  in  der  Nähe  mit  z.  B.  unserm  Rector  Dr.  Graefe 
und  dem  Doctor  Vogel  in  Leipzig,  und  sie  wurde  wirklich  mit  einer  Art  Enthusiasmus 
aufgenommen.  Einstweilen  habe  ich  jedoch  ihre  Ausführung  in  die  Länge  geschoben, 
einmal,  weil  ich  auch  nicht  den  Schein  selbstsüchtiger  Absichten  bei  einer  so 
würdigen  Sache  auf  mich  laden  möchte,  und  zweitens,  weil  die  Basis  des  Studiums 
in  solchem  Seminar  nach  meiner  Überzeugung  historisch  sein  muß,  theils  Einseitig- 
keit in  den  Studirenden  zu  verhüten,  theils,  um  Selbständigkeit,  die  doch  allein  hier 
den  wahren  Erfolg  des  Thuns  sichert,  zu  begründen.  Um  diese  historische  Basis  zu 
schaffen,  gebe  ich  bei  meinem  Freunde  Barth  in  Leipzig  eine  vollständige  Sammlung 
aller  für  Erziehung  und  Unterricht  zu  beachtenden  Regeln  und  Rathschläge  sämt- 
licher Pädagogen  und  Pädagogiker  in  ihren  eigenen  Worten  von  der  ältesten  Zeit 
unter  allen  Nationen  bis  etwa  auf  d.  J.  1700  heraus.  Das  Ganze  wird  5  bis  6  ziem- 
lich starke  Bände  fassen;  im  Iten  das  Alterthum,  im  2ten  Mittelalter,  im  3ten  die 
Zeit  der  Reformatoren,  im  4ten  und  5ten  das  folgende;  im  6ten  endUch  soll  eine 
Sammlung  der  Rathschläge,  welche  sich  in  den  Schriften  der  Philologen  namentlich 
der  holländischen  und  deutschen  vor  1700  finden,  gegeben  werden.  Ich  habe  hieran 
bereits  7  Jahre  gearbeitet,  in  den  letzten  5  (in  Jena)  fast  ununterbrochen  Tag  und 
Nacht.  Die  Ausbeute  ist  unermeßlich  und  wird  gewiß  Staunen  erregen.  Abgesehen 
von  meinen  Absichten  auf  das  Seminar,  so  hoffe  ich  damit  ein  gründlicheres  Studium 
und  ein  überdachteres  und  kunstgemäßeres  Betreiben  der  Pädagogik  herbei  zu  führen. 
Kann  die  Pädagogik  Selbständigkeit  und  Sicherheit  erlangen,  so  ist  dies  der  einzige 
Weg.  II  Die  Erfahrung  mag  die  Schlakken  vom  gediegenen  Golde  sondern.  Die  Resultate 
aller  Erfahrungen  unterj  allen  Völkern  zu  allen  Zeiten,  versteht  sich  jede  einzelne 
eben  nach  der  Eigenthümlichkeit  der  verschiedeneu  Zeiten  und  ihrer  Bedürfnisse  ab- 
gewogen, will  ich  dann  mit  Zuratheziehung  der  neuen  pädagogischen  Lehren  und 
Leistuögen  zu  einer  Erziehungs-  und  ünterrichtslehre  zusammenfassen.  Ich  denke 
man  wird  dann  mehr  lesen  in  der  Pädagogik  und  weniger  schreiben.  Auf  diese 
Arbeiten  soll  ein  Compendium  der  Geschichte  der  Pädagogik  folgen,  in  der  Weise, 
wie  ich  es  als  nothwendig  und  allein  befriedigend,  in  meiner:  „Nothwendigkeit"  be- 
schrieben habe.  Den  Schluß  von  Allem  werden  Grundriße  zu  akademischen  Vor- 
lesungen machen  in  einer  Methode,  nach  der  die  Studirenden  in  ihnen  weniger 
positive  Belehrungen  finden,  als  durch  die  sie  vielmehr  zu  eigenem  tiefen  und 
ringenden  Nachdenken,  und  zwar  selbständigem  angeregt  werden.  Läßt  Gott  mich 
12  bis  15  Jahre  leben  giebt  mir  Gesundheit  und  läßt  mir  Muth  und  Kraft  nicht  im 
äußeren  Drucke  untergeh-n,  so  werde  ich  meinen  Vorsatz  gewiß  erfüllen.  Diese 
meine  Arbeiten  tragen  nicht  wenig  bei  mich  selbst  jetzt  recht  oft  sehr  froh  zu 
stimmen.  Es  ist  auch  wahrlich  kein  kleines  Ding,  wenn  man  die  Vergangen- 
heit zu  Rathe  zieht  und  in  ihr  Bestätigung  und  sicher  keine  herausgeklügelte  findet, 
für  das  was  man  selbst  in  der  Einfalt  seines  Sinnes  und  Herzens  dachte,  that,  lehrte. 
Es   ist  z.  B.   kein   Satz   in    meiner   ,, Nothwendigkeit",   der   nicht  hundertfältig  (ich 


August   1837.  275 


meine  es  buchstäblich)  bestätigt  wird.  0  Sie  fühlen  es  gewiß  mit  mir,  mein  ver- 
ehrter Meister,  wie  mein  Herz  da  schwillt,  wie  das  Selbstvertrauen  in  ihm  zunimmt 
und  die  Lust  \iel,  recht  viel  zu  nützen,  wächst,  wie  es  von  Bewunderung  zu  dem 
erfüllt  wird,  dem  es  das  Licht  der  Wahrheit  dankt,  der  aus  Einem  Geist  alles  das 
Erhabene  und  Schöne  auf  einmal  schuf,  was  Jahrtausende  hindurch  die  edelsten  Ge- 
müther, die  durchdringendste  Geisteskraft  allmählich  und  stückweise  fand.  —  Im 
Laufe  des  folgenden  Jahres  wird  der  3te  Band  des  Corpus  Paedag.  erscheinen,  und 
dieser  zuerst,  weil  die  Zeit  des  Wiederaufblühens  der  "Wissenschaften  auch  eine 
neue  und  schöne  Blüthe  der  pädagogischen  mit  sich  brachte  in  der  wir  den  Höhe- 
punkt aller  früheren  Bestrebungen  dieser  Art  erkennen  können  und  die  gleiclisain 
die  Nahrung  der  folgenden  Zeit  darbot;  dann  aber  glaube  ich  auch  gerade  durch 
diesen  Theil  am  meisten  die  Aufmerksamkeit  auf  das  ganze  Werk  leiten  zu  können. 
Mit  dem  genannten  Unternehmen  stehen  noch  2  andere  in  Verbindung,  das  ||  eine 
ist  bereits  in  halber  Ausführung,  das  andere  nur  erst  in  der  Absicht  vorhanden. 
Ei-steres  ist  eine  pädagogische  Zeitung,  unter  dem  Namen  Paedagogisches  Centralbiatt. 
Es  wird  in  2  Theile  zerfallen,  der  erste  wird  die  Statistik  der  Schule  geben,  der 
2te  die  pädag.  Literatur,  die  europaeische  und  nordamerik.  in  der  Weise,  daß  ganz 
kurz  der  Gedankengang  jeder  liter.  Erscheinung  bezeichnet  wird,  mit  einem  am 
Schlüsse  folgenden  Urtheil.  Es  soll  dieses  Blatt  eine  kurze,  doch  klare  Übersicht 
der  Zeitzustände  der  Schule  und  der  Lit.  geben  für  die  Gegenwart,  iind  der  Nach- 
welt als  Quelle  für  die  genannten  Punkte  dienen.  Die  Idee  zu  dem  geht  vom  Leipz. 
Dir.  Vogel  aus,  Barth  ist  Verleger  und  ich  sollte  Eedacteur  sein  nach  der  AVahl  der 
Leipziger  Herrn. 

Ich  habe  den  Prospect  ausgearbeitet,  so  daß  er  nächstens  gedruckt  erscheint. 
Da  mir  die  Arbeit  aber  zu  viel  wird,  so  habe  ich  Dir.  Vogel  einen  trefflichen  Paeda- 
gogen  und  einen  warmen  Freund  meiner  Wenigkeit  veranlaßt,  die  Redact.  der  Öchul- 
statistik  zu  übernehmen,  und  er  wird  es  wirklich  aus  Liebe  zu  mir  auch  thun.  Das 
2te  erst  noch  in  der  Idee  existirende  Unternehmen  ist  folgendes:  In  Verbindung 
mit  wenigen  aber  tüchtigen  Kennern  der  engl.,  französ.,  holländ.  und  italienischen 
Sprache,  die  zugleich  auch  tüchtige  Pädagogen  sind,  will  ich  jedes  paedag.  Werk  von 
Wichtigkeit  das  im  Auslande  erscheint  in  ausführlicher  Bearbeitung  des  Ideenganges, 
und  wo  die  Schönheit  der  Darstellung  oder  andere  Trefflichkeit  der  Steile  es  ver- 
langt in  wörtlicher  aber  gewandter  Übersetzung  möglichst  schnell  nach  seinem  Er- 
scheinen in  zwanglosen  Heften  zu  3  bis  4  Bogen  dem  Publikum  vorlegen.  Dabei 
soll  auch  auf  die  vorzüglichsten  Werke  der  früheren  Zeit  zurückgegangen  und  auch 
aus  deutschen  Werken,  die  in  Vergessenheit  gekommen  sind,  besonders  zu  be- 
achtende Ansichten  und  Rathschläge  mitgetheilt  werden.  Die  Gründe,  welche  mich 
zu  diesem  unternehmen  bestimmen,  sind  einmal  der  Umstand,  daß  jetzt  die  außer- 
deutsche Literatur  fast  allen  Schulmännern  unbekannt  bleibt,  entweder,  weil  sie  kein 
Geld  oder  keine  Lust  zum  Anschaffen  der  .stets  sehr  theuren  Werke  haben,  oder 
weil  ihnen  die  Kenntniß  fremder  Sprachen  abgeht,  oder  endlich  weil  ihre  Zeit  (oft 
neben  den  andern  Umständen)  zu  sehr  beschränkt  ist,  als  daß  sie  sich  mit  den 
Werken  des  Auslandes  in  aller  Ausführlichkeit  beschäftigen  könnten.  Mehr  aber 
als  alles  dieses  bestimmt  mich  wiederum  die  Rücksicht  auf  künftige  P[aed.]  Seminai-e. 
Die  Studirenden  .werden  dann  (neben  ihren  sonstigen  Arbeiten)  soviel  ||  zu  studiren 
bekommen,  daß  man  wohl  auf  jede  Erleichterung,  die  der  Gründlichkeit  keinen  Ab- 
bruch thut,  denken  muß.  Auf  die  angegebene  Weise  hoffe  ich  im  Verlauf  einigei- 
Zeit  eine  hübsche  Bibliothek  des  paedag.  literarischen  Auslandes  gebildet  zu  sehn, 
die  in  Verbindung  mit  meinem  corpus  Paedag.  keinen  geringen  Nutzen  stiften  soll. 

18* 


276  August   1837. 


So  habe  ich  Ihnen,  verehrter  Herr  Hofrath,  meine  wissenschaftlichen  Be- 
strebungen mitgetheilt.  Durch  diese  bin  ich  mit  den  Leipzigern  in  sehr  enge  Ver- 
bindung gekommen,  so  daß  diese  mich  zu  einer  Uebersiedlung  nach  Leipzig  zu  be- 
stimmen suchen,  und  in  der  That  würden  hieraus  für  meine  wissenschaftlichen 
Studien  und  Arbeiten  bedeutende  Vortheile  entspringen.  Am  meisten  interessiren 
sich  für  mich  Barth  und  Vogel;  beide  unterlassen  nichts  mir  einflußreiche  Freunde 
und  eine  sichere  Stellung  zu  verschaffen, überhaupt  meine  äußere  Lage  zu  verbessern. 
Ich  bin  auch  nicht  wenig  geneigt,  der  Einladung  nach  Leipzig  zu  folgen,  doch  ist 
mein  Entschluß  noch  nicht  entschieden.  Hier  in  Jena  werde  ich  wohl  nicht  in  den 
ersten  20  Jahren  eine  feste  Stellung  erhalten.  Zwar  habe  ich  manchen  Gönner, 
aber  was  hilft  der  Gönner  wo  nichts  zu  gönnen  ist.  Herr  Geh.  Hofr.  Stark  jun. 
der  Schwiegersohn  des  H.  Just.  R.  Kartin  hat  seinen  Einfluß  bei  der  Mecklenburg. 
Herrschaft  zu  benutzen  gesucht,  um  mir  dort  eine  Directorstelle  an  einem  Gym- 
nasium oder  dergl.  zu  besorgen,  aber  bis  jetzt  hat  sich  noch  kein  Erfolg  gezeigt. 
Gelingt  es  mir  irgendwo  eine  geziemende  Anstellung  zu  erhalten,  so  will  ich  mit 
meinen  Verhältnissen  ganz  zufrieden  sein  und  mich  bei  den  Gebrechlichkeiten  des 
Menschlichen  auch  für  glücklich  halten.  Was  fehlte  mir  auch?  Ich  bin  gesund, 
kann  arbeiten,  habe  Arbeiten  die  meine  ganze  Seele  erfüllen,  habe  ein  erzbraves  Weib 
und  —  wodurch  Gott  auch  für  Vieles,  Vieles  entschädigt  hat  —  ein  allerliebstes  Kmd. 
Am  23ten  April  wurde  meine  Anna  geboren;  sie  brachte  manches  bittere  Hausleiden 
mit,  das  aber  jetzt  überstanden  ist  und  möchte  ich  sagen,  leicht  überstanden  wurde 
bei  meinem  unerschütterlichen  Vertrauen  zu  Gott.  Glauben  Sie  nicht,  es  sei  die 
Sprache  aller  Väter,  wenn  ich  erzähle  meine  Anna  sei  ein  allerliebstes  Kind;  gewiß 
ein  schöneres,  größeres  klügeres  Auge,  eine  prächtigere  Stirn  und  einen  lieblichem 
Mund  habe  ich  nie  gesehen  ich  meine  bei  solch  kleiner  Person.  Sie  ist  die  Leb- 
haftigkeit selbst  und  geistig  wie  ich  fast  fürchte  schon  zu  weit  für  ihre  7  Monate 
vorgeschritten.  Ihr  ist  jede  Stunde  der  Erholung  geweiht;  sie  ist  mein  Trost  und 
Stecken.     0  möchte  Gott  sie  nur  mir  erhalten! 

Meine  „Nothwendigkeit"  —  hat  bis  jetzt  viel  Beifall  gefunden.  Sie  ist  bereits 
5  mal  angezeigt;  von  Herrn  Pölitz,  nach  pölitzischer  Weise,  —  von  Rector  ||  Graefe 
in  seinem  Archiv  mit  Enthusiasmus,  mit  nicht  minderem  Lobe  fast  von  Vogel  im 
Repertorium  und  mit  größerm  von  Röbitz  in  einer  preußischen  Volksschulzeitung; 
endlich  soU  auch  noch  eine  Recension  in  der  Darmstädter  Schulzeitung  ^)  stehn,  die 
ich  jedoch  nicht  zu  Gesichte  bekommen  habe.  Interessant  war  es  mir  wie  die 
Urthejle  stiegen;  zuerst  hieß  es  jeder  Mann  von  Fach  könne  meine  Schrift  nicht 
entbehren,  dann,  jeder  Gelehrte  und  Staatsmann  müßte  sich  mit  ihr  liekannt  machen 
oder  gar  studiren,  und  zum  3ten  jeder  Gebildete  müßte  sie  in  seiner  Bibliothek 
haben.  Solche  imd  ähnliche  Lobeserhebungen,  die  ich  auch  in  Privatbriefen  erhielt, 
haben  mich  recht  erfreut  und  ermuntert;  aber  ich  bin  doch  unzufrieden,  da  alle 
über  meine  Beweise  für  die  Nothwendigkeit  P.  S.  gerade  das  übersehen  haben, 
worauf  ich  für  mein  Theil  den  größten  Wert  lege,  weil  es  mir  die  meiste  Mühe 
machte  und  so  weit  ich  die  Literatur  kenne  auch  neu,  ganz  neu  ist,  ich  meine 
nämlich  die  Darstellung  des  inneren  Zusammenhanges  der  innern  Einheit  aller  päda- 
gogischen Disciplinen  mögen  sie  Grimd,  —  oder  Hilfsdisciplinen  sein,  —  welche  ich 
11)  der  ersten  Abtheilung  gegeben  habe.  Freilich  habe  ich  nichts  davon  auf  dem 
Titelblatt  gesagt,  aber  doch  in  der  Vorrede  darauf  angedeutet.  —  Auffallend  und 
zwar  unangenehm  ist  mir,  daß  in  keinem  größeren  Journal,  (die  genannten  sind 
doch  nur  quasi  Winkelkaupen)  eine  Anzeige  erscheinen  will.    In  unserer  jenaischen 

>)  Darmstädter  Allg.  Schulztg.  1837;  Diesterweg,  Rheinische  Blätter  XIX,  u.  s.  w. 


August   1837.  277 


Zeitung  wollte  Eiclistaedt  selbst  die  Anzeige  machen;  aber  es  bleibt  bei  ihm  wie 
überall,  wo  nicht  ein  Vortheil  herausspringt,  immer  beim  "Wollen.  Noch  einmal 
erinnere  und  bitte  ich  ihn  nicht;  er  hat  überhaupt  vor  mir  Ruhe,  denn  lernt  man 
ihn  genau  kennen,  so  erkennt  man  in  ihm  die  schmutzigste,  jämmerlichste  Seele,  die 
allein  von  Habsucht  regiert  wird.  Herr  Geh.  Rath  Kaitin  theiite  mir  mit,  daß  Sie 
vielleicht  eine  Anzeige  in  den  Göttinger  Anz.  machen  würden.  Fühi-en  Herr  Hof- 
rath  diesen  Vorsatz  aus,  so  bin  ich  überzeugt,  daß  Sie  gerade  bei  der  jetzigen  Stel- 
lung meiner  Verhältnisse  und  Aussichten  unendlich  viel  zu  einem  glücklichen  Ge- 
deihen derselben  beitragen  würden.  Ich  fürchte  fast  ein  Schweigen  von  Ihrer  Seile 
würde  von  Manchem  als  eine  Nichtachtung  oder  Geringachtung  meiner  Leistung  und 
als  eine  Zurücksetzung  meiner  Person  angesehen  werden.  Man  würde  sagen,  und 
hat  %-ielleicht  schon  gesagt,  wenn  die  Sache,  ihre  Darstellung  und  der  Mann  der  sie 
dargestellt,  der  Empfehlung  werth  wäre,  so  würde  Herbart  alle  3  zu  empfehlen  nicht 
unterlassen.  Ihnen  ist  gewiß,  wie  mir  bekannt,  daß  Ihr  ||  ürtheil  bei  aller  Welt  das 
entschiedenste  Gewicht  hat;  und  ich  glaube  daher  bei  dem  mir  so  gütig  sonst  be- 
wiesenen Wohlwollen  nicht  zu  viel  zu  wagen  wenn  ich  Ihren  Vorsatz  durch  eine 
recht  anliegende  Bitte  zu  beschleunigen  suche. 

Ehe  ich  nun  zum  Ende  meines  mir  unter  den  Händen  bei  der  Lust  mit  Ihnen, 
mein  verehrter  Herr,  zu  sprechen  zu  einem  Buche  fast  herangewachsenen  Briefes 
schreite  bitte  ich  Sie  um  gütigen  Rath  auf  welchem  Wege  ich  doch  aus  der 
Göttinger  Bibliothek  einige  Bücher,  die  hier  fehlen  und  auch  in  Leipzig,  zu  meinem 
corpus  Paed,  auf  kurze  Zeit  erhalten  kann. 

Verzeihen  Sie  gütigst,  daß  ich  in  der  Absicht,  eine  Erholungszeit  für  mich 
recht  angenehm  zuzubringen  Sie  mit  vielen  Weitläuftigkeiten  belästigt  habe.  Emp- 
fehlen Sie  mich  recht  angelegentlich  Ihrer  verehrten  Frau  Gemahlin  und  ebenso 
mein  Weib  und  Kind  und  erhalten  mir  Ihr  Wohlwollen  der  ich  mit  der  größten 
Hochachtung  und  Verehrung  verharre 

Euer  Hochwohlgeboren  ergebener    Brzoska. 

607.    Brzoska  an  H.*)  Jena,  1.  Aug.  1837. 

Hochwohlgeborner  Herr,  Hochzuverehrender  Herr  Hofrath.  Vor  mehreren 
Wochen  überschickte  ich  Ihnen  einen  Prospect  zu  einer  pädagogischen  Zeitschrift, 
welche  ich  herauszugeben  beabsichtige.  Seit  jener  Zeit  ist  es  mir  gelungen,  die 
nothwendige  Zahl  regelmäßiger  Mitarbeiter  zu  vereinigen ;  auch  haben  sich  mehrere, 
z.  B.  H.  Prof.  Drobisch  zu  einzelnen  Beiträgen  verbindlich  gemacht.  Um  ein  die 
Wissenschaft  möglichst  vollständig  umfassendes  Journal  ins  Leben  zu  rufen,  habe 
ich  noch  mehrere  Nummern  in  dasselbe  aufnehmen  müssen,  und  so  ist  beiliegender 
Prospect  entstanden,  welcher  sich  außerdem  noch  von  dem  vorigen  durch  eine 
Hervorhebung  des  Eigenthünilichen  und  Verdienstlichen  des  neuen  Journals  von  den 
übrigen  unterscheidet.  Ich  lege  Ihnen  auch  einen  Zettel  mit  den  bereits  zugesicherten 
Arbeiten  bei,  aus  denen  man  wohl  am  besten  den  redlichen  Eifer  der  Herrn  Mit- 
arbeiter erkennen  kann.  Besonders  hat  es  mich  gefreut,  daß  Dir.  Ellendt  sich  zu 
sehr  thätigem  Mitwirken  verbindlich  gemacht  hat.  Er  besuchte  mich  und  versprach 
die  historischen  und  philologischen  Angelegenheiten  zu  besorgen. 

Worauf  es  jetzt  ankommt  ist,  einen  tüchtigen  Verleger  zu  finden  welcher 
schon  durch  seinen  Namen  die  Sache  in  die  Höhe  bringt.  Herr  Geh.  Hofr.  Luden, 
der  sich  meiner  sehr  freundlich  jetzt  annimmt,  schlug  mir  die  Hahnsche  Buchhandl, 
in  Hannover  vor  und  rieth  mir  Sie,  verehrter  Herr  Hofrath,  um  eine  ||  Empfehlung 

^)  3  S.  8".  H.  Wien.  —  In  der  Datierung  des  Briefes  scheint  ein  Schreib- 
fehler zu  sein. 


278  August  1837. 


bei  derselben  zu  bitten.     Mir  liegt  außerordentlich  viel  an  dem  Gelingen  des  Unter-  1 
nehmens,  theils  weil  ich  dadurch  der  Wissenschaft  und  der  Schule  näher  zu  kommen  I 
glaube,   indem   das  Journal   gleichsam   ein   paed.  Seminar   bildet,    in   welchem    die  I 
Lehrer  alle  die  sind,   welche  etwas  vortreffliches  für  die  Pädagogik  leisteten  und  i 
leisten   und  die  Schüler  der  ganze  Haufe   der  Leser,   —   theils   weil   ich  bei   den  ; 
schlechten  Aussichten   hier   in  Jena   von  Seiten   der   Regierung   eine  Unterstützung  | 
zu  erhalten,  bedacht  sein  muß,  durch  eigenen  Fleiß,  das  was  meine  sich  vermehrende  i 
Familie   braucht,   herbeizuschaffen.     Ich   hoffe   zuversichtlich,   daß  Ew.  Hoch  wohl-  ■ 
geboren,  meiner  Bitte,  das  Unternehmen  durch  Ihre  Empfehlung  zu  fördern,  Gehör 
schenken  werden;  ich  hätte  diese  Bitte  Ihnen  persönHch  vorgebracht,  weno  ich  Sie  ; 
uicht  durch  meinen  Besuch  zu  belästigen  fürchtete.     In  welcher  Art  Sie  ein  emp-  ■ 
fehlendes  Wort  bei  Hahn  einlegen  möchten,  sei  es  durch  einige  jetzt  an  denselben  j 
gerichtete  Zeilen,  oder  durch  einen  Bescheid  auf  eine  von  Seiten  jener  geschehenen  j 
Anfrage,   muß   ich   Ihrem  Ermessen   und  Ihrer  Güte   überlassen.     Würden  Sie   zu  i 
ersterem  geneigt  sein,  so  müßte  ich  Sie  freundlich  bitten,  möglichst  bald  an  Hahn 
zu  schreiben,  indem  ich  gleichzeitig  mit  diesen  Zeilen  einen  Brief  an  den  genannten 
Buchhändler  schicke,  in  welchem  ich  ihm  das  Unternehmen  antrage,   und  ein  nicht 
gleichzeitiges  Eintreffen  der  Briefe  bei  der  schnellen  Art  sich  zu  entschließen,  wie  '. 
es  bei  Hahns  üblich  sein  soll,   der  Sache  wenigstens  nicht  förderlich  sein  würde.  ||  1 
Kürzlich  erfuhr  ich  zufällig,   daß  H.  Buchh.  Barth  in  seiner  Vielgeschäftigkeit  das 
für  H.  Oberschulrat  Kohlrausch  bestimmte  Exemplar  saramt  Brief  an  denselben  ab- 
zusenden vergessen  hat.     Ich  hatte  H.  Barth  diese  Besorgung  übertragen  müssen,  ; 
da  ich  in  den  auf  das  Erscheinen  meiner  Schrift  folgenden  Monaten  durch  Krank- 
heit zuerst   meiner  selbst   dann   meiner  Frau  und   meines  Kindes   daran  gehindert  ! 
wurde.     Um  den  Fehler  wieder  gut  zu  machen  habe  ich  neulich  H.  Kohlrausch  ein  1 
Exemplar  u.  s.  w.  zugeschickt.  j 

Ich  empfehle  mich  Ihrem  Wohlwollen  und  habe   die  Ehre  in  größter  Hoch- 
achtung zu  verharren  . 

Ew.  Hochwohlge boren  ergebenster    Prof.  Dr.  Brzoska. 

608.    Hartenstein  an  H.^)  Leipzig  d.  17.  August  1837     \ 

Hochverehrter   Herr  Hofrath,   Schon  längst  würde  ich  der  PfUcht,  Ihnen  auf     | 
das,  was  Sie  mich   durch  Herrn  Prof.  Drobisch  haben  wissen  laßen,   zu  antworten,     j 
nachgekommen  seyn,  wenn  mich  nicht  der  Inhalt  dessen,  was,  wie  ich  voraussehen     i 
konnte,   ich  Ihnen    würde    schreiben    müßen,    darum   fast  unwillkührlich  abgehalten     ! 
hätte,  weil  er  mit  meinen  Wünschen  sehr  wenig  zusammenstimmte.    Jetzt  darf  ich     , 
nicht  länger  zögern,  Ihnen   zuvörderst  meinen   aufrichtigsten  Dank  für  Ihre  ehren-     ' 
volle  Einladung   nach  Göttingen   zu  kommen,   zu  wiederholen.     Leider  aber  bin  ich 
genöthigt,   zugleich   mein  Bedauern  auszusprechen,   daß   es   mir  nicht  möglich  seyn 
wird,    davon  Gebrauch   zu   machen.     Die  Gründe   dafür    liegen   theils  in   Familien- 
verhältnißen,  die  mich  zu  einer  andern  kleinen  Reise  veranlaßen  theils  auch  in  dem 
Wimsche,  den  Rest  der  Ferien  zum  Arbeiten  benutzen  zu  können.    Ich  möchte  Sie     ' 
bitten,   in  dieser  "Beziehung  durchaus  kein  anderes,   näher  oder  entfernter  liegendes 
Motiv  bei  mir  vorauszusetzen ;  denn  wenigstens  an  ein  solches,  wie  in  der  etwanigen 
Rücksicht    auf  die  Stellung   der  philosophischen  Partheien  liegen  könnte,   habe   ich     | 
weder  früher  gedacht,   noch   denke  ich  jetzt  daran.     Ich  habe  mich  ent-||  schieden     { 
und  öffentlich    zu  Ihrer  Schule  bekannt,  aus  Überzeugung  und  ohne  Rücksicht  auf     I 
Äußerlichkeiten  und,  deßhalb  wird  eine  Bedenklichkeit  dieser  Art  selbst  dann  nicht     I 


')  2  S.    40.   H.  Wien. 


August   1837.  279 


auf  mich  wirken,  wenn  mir  das,  was  eine  Schule  blos  als  solche  und  abgesehen  von 
der  Sache,  die  sie  vertritt,  betrifft,  weniger  gleichgültig  wäre,  als  es  ist.  Die  "Wahr- 
heit eines  Systems  documeutirt  sich  nicht  durch  den  Umfang,  in  welchem  es  an- 
erkannt wird  und  deßhalb  bin  ich  für  meine  Person  sehr  ruhig  über  die  relativ 
langsam  vorwärts  schreitende  Ausbreitung  Ihrer  Philosophie.  Je  langsamer  und 
alimähliger.  desto  sicherer  und  nachhaltiger.  Wenn  Sie  geneigt  sind,  diesem  ein- 
fachen Ausdruck  meiner  Denkart  Glauben  zu  schenken,  so  darf  ich  wohl  auf  Ihre 
gütige  Verzeihung  hoffen  und  mir  die  Erfüllung  des  längst  mit  Innigkeit  gehegten 
Wunsches,  mich  Ihnen  persönlich  bekannt  zu  machen,  für  eine  andre  günstigere 
Zeit  aufsparen. 

Wir  haben  jetzt  in  Leipzig  einen  mir  sehr  werthgewordenen,  philosophischen 
Gast,  Herrn  Lott  aus  Wien,  der  in  der  Absicht  hierher  gekommen  ist,  um  mit 
Drobisch  die  synthetische  Psychologie,  mit  mir  die  practische  Philosophie  durch- 
zuai'beiten. 

Ich  habe  an  ihm  nicht  nur  einen  sehr  gründlichen  und  vorsichtigen  Denker, 
sondern  auch  einen  in  hohem  Grade  achtungswerthen  Menschen  kennen  gelernt. 
Schade  um  ihn  und  die  Wissenschaft,  daß  er  in  Oestreich  leben  muß!  Nächste 
Ostern  hat  er  die  Absicht,  mit  seiner  Familie  wieder  auf  ein  Jahr  nach  Göttingen 
zu  kommen. 

Mit  der  wiederholten  Bitte  um  die  Fortdauer  Ihres  wohlwollenden  Andenkens 
verbinde  ich  die  Versicherung  der  innigsten  Verehrung 

Ew.  Hochwohlge boren  ergebenster    Hartenstein. 

609.     An    Drobisch.  Göttingen   18  Aug  37 

Unter  den  widrigen  Dingen,  mein  theurer  Freund!  die  mich  nicht 
zimi  Schreiben  an  Sie  kommen  ließen,  stehn  zwar  meine  üblen  Gesundheits- 
Urastände  oben  an;  allein  es  fehlt  auch  sonst  nicht  an  trüben  Aussichten, 
und  das  Jubiläum,  was  Andre  zu  Ihrem .  Vortheil  benutzen  können,  wird 
mir  eine  Leidenszeit  werden.  —  R.^)  hat  nicht  an  mich  geschrieben; 
man  hat  mir  nicht  das  Geringste  über  ihn  mitgetheilt,  sogar  jetzt,  da  ich 
das  Decanat  führe,  und  die  Lectionszettel  in  meine  Hände  kommen 
sollten,  scheint  man  eine  Verspätung,  die  den  Geschäfftsgang  etwas  ver- 
ändert, vorzuziehen;  ich  weiß  noch  nicht,  was  und  zu  welcher  Stunde 
er  im  Winter  wird  lesen  wollen.  Eine  Parthey  zu  bilden  hat  er  nicht 
nöthig;  er  findet  sie  fertig,  und  zwar  die  mächtigste  die  es  hier  geben 
kann.  Als  überzähliges  Mitglied  trit  er  in  die  Facultät  gleich  bey  seiner 
Ankunft  ein.  Man  braucht  sich  keine  Mühe  zu  geben,  ihn  mir  gegen- 
über vestzustellen;  eine  Rücksichtlosigkeit,  dergleichen  früher  ein  andrer, 
sehr  verdienstvoller,  jetzt  alter  Mann  zu  seiner  Kränkung  hat  empfinden 
müssen,  wird  auch  gegen  mich  hinreichen.  Mein  körperliches  Leiden  er- 
laubt mir  nicht,  an  Vorkehrungen  zu  denken;  ich  muß  mich  geduldig 
fügen;  denn  ich  ertrage  keine  Anstrengungen  mehr.  Nur  das  ist  gewiß, 
daß  ich  nicht  gesonnen  bin,  Verbeugungen  zu  machen,  die  ich  unter 
meiner  Würde  halten  muß.  Vielleicht  werden  Sie  sagen,  man  wisse  nicht 
voraus  wie  R.  selbst,  und  wie  die  Studirenden  sich  benehmen  werden. 
Freylich  nicht;  aber  auf  das  Wahrscheinliche  muß  man  gefaßt  seyn. 
Darum   sage   ich   Ihnen,   wie  die  Zeichen  stehn.     Wenn    es    mit    mir    zu 


■)  H.  Ritter  (1791  — 1869J,  der   1837   nach  Göttingen  kam.     Vgl.  S.  268. 


28o  August   1837. 


Ende  geht  so  ist  das  ein  gewöhnliches  menschliches  Schicksal;  aber  zu 
wünschen  ist,  daß  nicht  der  Ertrag  dessen,  was  ich  mit  unsäglicher  Mühe 
gearbeitet  habe,  mit  verloren  geht. 

Eine  kleine  Schrift  über  den  natürlichen  Realismus  meines  Vor- 
gängers Schulze,  ^)  habe  ich  im  Namen  der  Facultät  als  Programm  zur 
Renunciation  der  Doktoren  aufgesetzt,  und  bin  durch  die  Wahl  des 
Gegenstandes  wenigstens  außer  dem  Bezirk  dessen,  was  zunächst  Ver- 
anlassung zu  Reibungen  geben  könnte. 

Alle  14  Tage  habe  ich  Ihre  ehemaligen  Zuhörer,  Stoy,  Dittrich, 
Schilling,  Meus  nebst  ein  paar  andern  bey  mir,  und  lasse  mir  Auf- 
sätze vorlesen.  Gevers  kommt  nicht;  er  scheint  anderweitig  beschäfftigt. 
Jene  vier  sind  meine  täglichen  Zuhörer,  und  zeigen  sich  als  gute  Köpfe. 
Wären  diese  jungen  Leute  um  3  Jahr  älter  und  reifer,  so  stünde  Alles 
besser. 

Hauptsächlich  wünsche  ich  nun  bestimmt  zu  erfahren,  ob  ich  darauf 
rechnen  darf  Sie  und  Hartenstein,  dem  ich  mich  zu  empfehlen  bitte,  hier 
zu  sehn?  Einen  großen  Zusammenfluß  von  Menschen  wird  das  Jubiläum 
bringen;  Bekanntschaften  werden  Sie  machen  können.  Daher  wiederhohle 
ich  meine  Einladung;  möge  Hartenstein  dieselbe  von  mir  durch  Ihren 
Mund  empfangen  und  gefällig  aufnehmen;  es  ist  mir  nicht  möglich  heute 
mehr  zu  schreiben.  Ganz  Ihr     H. 

610.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig  23.  August  37. 

Mein  hochverehrter  Freund  und  Gönner,  Ich  beklage  sehr,  Sie  in  etwas 
hypochondrischer  Stimmung  zu  finden.  Wohl  mögen  Sie  Ursache  dazu  haben,  aber 
ich  hoffe  Sie  sehen  die  Ereignisse  schwärzer  als  sie  wirklich  sind.  Was  hätte  man 
davon,  Sie  zu  kränken  oder  gar  zurückschieben  zu  wollen,  der  Sie  noch  in  voller 
Kraft  wirken  und  dessen  Anerkennung  offenbar  noch  in  vollem  Steigen  ist?  K[itte]'] 
wird  sich  freilich  Bedingungen  gemacht  haben.  Er  weiß,  daß  er  durch  seine  historische 
Richtung  in  Göttingen  begehrt  ist,  und  kann  fordern.  Die  Speculation  hat  bis  jetzt 
in  Göttingen  noch  nie  tiefe  Wurzeln  geschlagen,  am  wenigsten  unter  den  Lehrern. 
Die  scheint  nun  einmal  am  besten  zu  gedeihen,  wo  die  Institute  etwas  ärmlich  sind, 
wie  in  Jena,  sich  also  die  empirische  Gelehrsamkeit  nicht  allzu  breit  machen  kann, 
und  man  sich  manches  an  den  Fingern  abzählen  muß.  Bei  alle  dem  wirken  wir 
geräuschlos,  aber  sicher  fort.  Auf  Enthusiasmus,  auf  lärmendes  Aufsehen  haben  Sie 
doch  gewiß  nie  gerechnet.  Nie  hatten  Sie  es  auf  eine  Umwälzung  der  Wissen- 
schaften abgesehen.  Mathematik  und  Naturwissenschaften  sollen  in  ihrem  bisherigen 
Gleise  bleiben,  die  Geschichte  nicht  durch  Constructionen  verunreinigt  werden,  die 
Theologie  und  Philologie  exegesiren,  interpretiren,  kritisiren  ohne  von  unserer  Philo- 
sophie Störung  befürchten  zu  müssen  u.  s.  f.,  überall  kommt  nur  eine  Ergänzung 
hinzu  und  —  den  verkehrten  Eichtungen  in  den  Wissenschaften,  die  auch  ohnehin 
von  den  Gesunden  für  solche  gehalten  werden,  sind  wir  abhold.  Solche  nüchterne, 
wenn  auch  noch  so  solide  ||  Tendenzen  haben  sich  zwar  gewiß  der  Beistimmung  der 
Vernünftigen  und  Reifen  zu  erfreuen,  aber  keinen  Beifallssturm  der  Menge  zu  er- 
warten. Aber  —  R.  wird  den  noch  viel  weniger  erzielen.  Er  hält  sich  selbst 
nicht  für  einen  systematischen  Philosophen,  er  will  hier  nur  wahre  Meinungen 
geben  und  —  sein  Vortrag  soll  sehr  schläffrich  seyn. 

1)  In  dieser  Aus^j.  Bd.  XI.  S.  i  ff. 
')  3  S.    4".     fl.  Wien. 


August  1837.  281 


Wie  sehr  wünschte  ich  unter  diesen  Umständen  recht  frisch  und  kräftig  vor 
Ihnen  erscheinen  zu  können ;  aber  Sie  werden  mich  etwas  abgetrieben,  etwas  müde 
und  stumpf  finden,  und  wie  kann  es  anders  seyn?  Meine  Gesundheit  schwankt 
unaufhörlich  und  die  Stöße,  die  meine  Kraft  seit  Jahren  geschwächt  und  vielleicht 
gebrochen  haben,  nehmen  noch  kein  Ende.  Vielleicht  schon  in  sehr  kurzer  Zeit 
habe  ich  das  Ableben  eines  Schwagers  zu  l)efürchten,  der  sieben  Kinder  hinterlassen 
wird  und  ohne  Vermögen  ist.  Das  wird  für  mich  ohne  Zweifel  wieder  eineo 
schweren  Druck  geben. 

Je  weniger  ich  jetzt  der  Mann  seyn  werde.  Sie  zu  erheitern,  um  so  mehr  be- 
klage ich,  daß  Hartenstein  nicht  kommt,  der  in  der  frischesten  Kraft  des  Geistes 
und  Körpers  und  auch  sonst  als  in  jeder  Beziehung  von  Glück  begünstigt  jetzt  \ti 
heiterem  Muthe  dasteht.  Er  hat  versprochen  in  den  Michaelisferien  eine  kleine 
Schrift  „über  die  neusten  Beurtheilg.  der  H-schen  Philosophie"  zu  schreiben  und 
dabei  einige  Herrn  auf  die  Finger  zu  klopfen.  Das  versteht  er  gut,  und  die 
Schrift  wird  höchst  erwünscht  seyn.  Seit  3  Wochen  ist  Lott  aus  Wien  hier  um 
bei  mir  über  Psychologie,  bei  Hartenstein  über  prakt.  Philosophie  ein  Privatissimum 
zu  nehmen.  Er  hat  bei  jedem  von  uns  täglich  eine  Stunde,  und  wir  freuen  uns 
ausnehmend  ||  über  seine  Tüchtigkeit,  .seinen  Eeichthum  an  glücklichen  Einfällen, 
seinen  Scharfsinn  und  seine  treffliche  Gesinnung:  Er  geht  damit  um,  zum  Frühjahr 
mit  Frau  und  Kindern  auf  ein  Jahr  nach  Göttingen  zu  kommen.  Schade,  daß  er  ein 
Oesterreicher  ist:  ein  Wirkungskreis  für  ihn  ist  gar  nicht  abzusehen.  Lott  hat  mir 
wieder  allerlei  Noth  in  der  Psychologie  gemacht  und  ich  habe  mit  Schmerzen  wahr- 
nehmen müssen,  daß  ich  noch  nicht  im  Stande  bin  jeden  Zweifel  hinlänglich  zu 
beseitigen.     Davon,  wenn  Zeit  bleibt,  mündlich. 

Daß  Sie  die  Elite  unsrer  bisherigen  Zuhörer  in  Göttingen  haben,  merken  wir 
hier,  es  ist  für  den  Augenblick  eine  Lücke  entstanden ;  dieser  Sommer  ist  sehr  flau. 
Das  ist  eben  die  allgemeine  Klage :  man  erinnert  sich  seit  langer  Zeit  nicht  einer 
solchen  Schlaffheit,  Liederlichkeit  etc.  der  Zuhörer.  Ursachen?  Dampf-  und  Eisen- 
bahn, langer  Nachwinter,  schönes  Sommerwetter,  Badereisen  vieler  Professoren, 
steigendes  Industrieleben,  abnehmender  Studientrieb,  sinkendes  Ansehen  des  gelehi-ten 
Standes  und  der  Universitäten  insbesondere  etc. 

Ihrer  gütigen  Einladung  beabsichtige  ich  mm  so  zu  entsprechen,  daß  ich  Donners- 
tags d.  14.  Septbr.  früh  7  Uhr  mit  der  Cassel-Cölner  Eilpost  von  hier  abfahre,  also 
Freitags  d.  L5.  Vormittags  in  Göttingen  ankommen  werde. 

Wie  ich  Ihnen  schon  gesagt:  auf  das  Jubiläum  und  den  Menschenzusammen- 
fluß gebe  ich  nicht  viel;  ich  bin  nicht  dazu  gemacht  schnelle  Bekanntschaften 
zu  machen  und  fürchte  überall  eine  ungünstige  Meinung  der  Leute  über  mein  Thun 
und  Treiben.     Nun  vielleicht  finden  sich  doch  noch  ein  paar  ruhige  Stunden. 

In  der  Hoffnung  heitern  Wiedersehens  und  mit  den  ehrerbietigsten  Grüßen 
an  Ihre  Fi  au  Gemahlin  der  Ihrige    Drobisch. 

611.     An    Drobisch.  ^837.     Ohne  Datum.') 

Gut  daß  Sie  kommen,  mein  theurer  Freund!  Aber  Schade  d.ß 
Hartenstein,  der  Sie  erheitert  und  für  sich  Manches  vielleicht  nützliche 
bemerkt  haben  würde,  Sie  nicht  begleitet  —  ich  habe  gewagt  ein  paar 
Zeilen  an  ihn  deshalb  zu  schreiben,  jedoch  mit  sehr  geringer  Hoffnung, 
daß  er  Gewicht  darauf  legen  werde;  und  ohne  starke  Bitten,  weil  —  ich 
sehr  wenig  Platz  und  Bequemlichkeit  haben  und  anbieten  kann,  falls,  was 


^)   I  S.    4".  —  Poststempel  29.  8. 


282  August    1837. 

ich  als  möglich  annehmen  muß,  der  Eigenthümer  meiner  Wohnung,  der 
Präsident  Wedemeyer,  selbst  kommt,  dem  ich  alsdann  das  beste  Zimmer 
anweisen  muß.     Auf  Ihre  Nachsicht  hoffe  ich. 

Sie  glauben,  ich  sehe  die  Dinge  zu  schwarz?  Es  scheint  mir,  selbst 
nach  Ihrem  letzten  Briefe,  daß  Sie  auf  einer  glücklichen  Insel  leben.  Ist 
denn  bey  Ihnen,  ist  in  Dresden  pp.  der  Spinozismus  noch  nicht  in  die 
Mehrzahl  selbst  der  guten  Köpfe  übergegangen?  Und  glauben  Sie  wirk- 
lich, in  meinen  Untersuchungen  läge  keine  Zumuthung  zu  Veränderungen 
in  Schulen  und  Verhältnissen?  —  Wenn  nun  vollends  Ihnen  neue  Lasten 
zugewälzt  werden  (mit  lebhaftestem  Bedauern  lese  ich  von  dem  Verlust,  den 
Sie  als  wahrscheinlich  bevorstehend  ansehen):  so  wird  Hartenstein  wohl 
noch  etwas  Mehr  an  Vorkehrungen  zu  unsrer  gemeinsamen  Sicherheit 
nöthig  finden,  als  bloß  einigen  meiner  Beurtheiler  entgegenzutreten. 
Glauben  Sie  mir:  die  Übel  liegen  tief  und  sind  weit  verbreitet!  —  Hm. 
Lott  schätze  ich  persönlich  recht  sehr;  —  aber  —  kann  er  denn  für 
Psychologie  nichts  Besseres  leisten  als  Schwierigkeiten  machen?  —  ich 
habe  ihn  mit  seinen  Schwierigkeiten  schon  längst  an  sein  eigenes  Nach- 
denken verwiesen.     Doch  mündlich  Mehr!^)    Ganz  der  Ihrige         H. 


^)  Über  Drobischs  Teilnahme  an  der  Hundertjahrfeier  der  Georgia  Augusta  in 
Göttingen  und  seine  Eindrücke  vgl.  man  W.  Neubert-Drobisch,  M.  W.  Drobisch,  Leipzig 
1902,  S.  56 ff.  Das  Tagebuch  Drobischs  vermerkt  unter  dem  22.  Sept.:  „Psychologische 
Studien  mit  Herbart.  Zwei  mathematische  Abhandlungen  liegen  zur  Herausgabe  bereit 
und  geben  gar  manche  neue  Aufschlüsse.  Auch  über  Philosophie  der  Geschichte  und 
des  Staates  hofft  Herbart  bei  guter  Gesundheit  noch  etwas  zu  schreiben,  was  höchst 
wichtig  und  der  Verbreitung  seiner  Ansichten  förderlich  wäre.  —  Die  angefangene 
Opposition  gegen  Schleiermacher  müsse  er  durch  eine  umfangreichere  Schrift  vollenden. 
In  der  Spekulation  dürfe  man  nicht  darauf  jvarten,  daß  etwas  von  selbst  geschehe.  Der 
Pantheismus  müsse  stärker  angegriffen  werden,  man  müsse  den  Theologen  die  Sache 
ins  Gewissen  schieben,  indem  man  ihnen  zeige,  was  Moial  sei.  Göttingen  hat  jetzt 
wohl,  wie  die  meisten  Universitäten,  Lust,  sich  zu  berlinisieren.  Wendt  versuchte  es 
in  der  Philosophie,  ward  aber  von  Herbart  tot  gemacht.  Nun  kommt  Ritter,  der 
wenigstens  das  Schleiermachersche  Berlin  repräsentieren  wird.  Treffend  sagte  Herbart: 
„Wo  so  ein  paar  Leute  wie  Hegel  und  Schleiermacher  nebeneinander  stehen,  wie  dies 
in  Berlin  der  Fall  ist,  da  denken  die  mittelmäßigen  Köpfe,  es  seien  Extreme,  und 
die  Wahrheit  müsse  in  der  Mitte  liegen.''  Ob  solche  Tendenzen  in  Leipzig  je  Eingang 
finden,  werden,  weiß  ich  nicht:  Daß  aber  die  Leipziger  Unzugänglichkeit  mehr  Apathie 
als  Antipathie  und  daher  nichts  wert  ist,  bezweifle  ich  nicht.  —  Stirbt  Herbart,  bevor 
wir  Jüngeren  vollkommen  auf  eigenen  Füßen  stehen  und  festen  Grund  und  Boden  er- 
langt haben,  so  sind  nicht  nur  unsere  Personen,  sondern  es  ist  die  Sache  selbst  ver- 
loren." —  Hier  mag  gleich  noch  eine  Notiz  Drobischs  über  eine  frühere  Zusammenkunft 
mit  Herbart  Platz  finden:  „Herbart  hat  diesen  Winter  (34 — 35)  die  Sophokleischen 
Tragödien  und  die  besten  Werke  Schillers  und  Goethes  für  seine  Vorlesungen  ästhetisch 
analysiert,  um  ihre  Vorzüge  hinsichtlich  der  Charaktere,  Situationen  und  Handlungen 
zu  prüfen.  Die  beiden  Neueren,  zumal  Goethe,  hätten  da  gegen  den  alten  Meister 
doch  merklich  zurückstehen  müssen:  das  Vollendetste  sei  die  Antigone,  das  schwächste 
Produkt  die  natürliche  Tochter.  —  Auch  in  der  Musik  trafen  meine  Urteile  mit  denen 
Herbarts  zusammen.  Ganz  wie  ich  nannte  auch  er  Beethoven  den  Jean  Paul  der 
Musik  und  spendete  ihm  damit  Lob  und  Tadel  zugleich.  Höchlich  rühmte  er  Sebastian 
Bach,  der  mir  freilich  zu  unbekannt  ist.  Das  Forcierte  Webers  widerte  ihn  ebenso  an 
wie  das  der  Berliner  Modeliteraten,  der  Rahel  und  Konsorten.  —  Er  trieb  mich  zur 
Naturphilosophie  und  warnte,  sie  nicht  ad  Calendas  graecas  zu  verschieben.  Ohne 
Zweifel  sei  sie  das  Feld,  auf  dem  die  Entscheidung  über  seine  Metaphysik  erfolgen 
müsse.     Gewiß  hat  er  hierin  recht."' 


September  1837.  283 


•612.    Brzoska  an  H.')  Jeua  d.  1.  September  1837. 

Hochwohlgeborner  Herr,  Hoclizuverelireuder  Herr  Hofrath,  Für  die  in  den 
Berücksichtigungen  meines  Buches  mir  gegebeneu  so  schätzbaren  Beweise  Ihres 
Wohlwollens  sage  ich  Ihnen  meinen  ergebensten  Dank.  Unerwartet  war  es  mir 
dabei,  daß  Sie  manche  Übertreibungen  darin  gefunden  haben.  Bezieht  sich  dieser 
Vorwurf  auf  die  letzte  Abtheilung,  wenigstens  vorzugsweise,  so  glaube  ich,  daß  Sie 
mir  Unrecht  thun.  Allerdings  haben  denselben  Tadel  ein  Anonymus  in  der  berl. 
Lit.  Zeitung  und  H.  Schulr,  Chr.  "Waiß^)  zu  Mei'seburg  in  d.  Hall.  Zeitung  ausge- 
sprochen, doch  ist  ersterer  offenbar  ein  wenig  zu  beachtender  Tadeler  und  letzterer 
hat  sich  selbst  durch  d.  Zusatz  einer  Bemerkung  widerlegt.  Dagegen  haben  Vogel, 
Poelitz,  Graefe  und  Robitz  nichts  dergi.  auszusetzen  gehabt  und  H.  Prof.  Bonnel  in 
Berlin  hat  in  seiner  ausführlichen,  sich  durch  mehr  als  l'/g  Bogen  hinziehenden 
Recension  in  den  Schulblättern  für  Brandenburg  die  mich  leitenden  Grundsätze 
richtig  herausgestellt.  Ich  werde  übrigens  in  der  mir  von  vielen  Seiten  abgenöthigten 
Zusammenstellung  und  Prüfung  alles  dessen,  was  auf  den  verschiedenen  Universi- 
täten Deutschlands  und  in  Paris  für  Frankreich  (in  d.  Normalschule)  zur  Bildung 
der  Gymnasiallehrer  geschehen  ist  und  geschieht  hinlängliche  Gelegenheit  haben, 
auf  den  meiner  Schrift  gemachten  Vorwurf  in  Bezug  des  letzten  Theiles  einzugehen 
und  meine  Ansicht  aufrecht  zu  erhalten.  ||  Ihre  freundliche  Theilnahme  an  der  Central- 
Bibliothek  gibt  mii  die  beste  Bürgschaft,  daß  das  Unternehmen  das  erreichen  wird, 
was  ich  durch  sie  beabsichtige.  Ich  glaube  auch  dabei  vom  Geschick  begünstigt  zu 
werden,  indem  ich  bereits  einen  Verleger  gefimden  habe,  wie  ich  nur  wünschen 
konnte.  Ich  hatte  die  Wahl  zwischen  4  Verlegern;  ich  wählte  H.  Schwetschke  u. 
Sohn,  weil  diese  mit  Journalen  umzugehen  wissen  und  einen  leichten  Betrieb  der 
Sache  in  jeder  Weise  besitzen.  H.  Schwetschke  u.  Sohn  sind  für  das  Unter- 
nehmen außerordentlich  eingenommen  und  werden  es  aufs  großartigste  durchführen. 
Ich  besitze  ihr  unbedingtes  Vertrauen:  der  Contract  ist  vollkommen  abgeschlossen. 
Es  werden  nicht,  wie  ich  bestimmt  hatte,  12  Bogen  gedruckt,  sondern  zum  tvenigsten 
96;  ich  kann  diese  Zahl  dabei  bis  auf  116  Bogen  erweitern.  Der  Verleger  stellt 
den  Hterarischen  Apparat,  trägt  die  Transportkosten  u.  s.  w.  und  zahlt  mir  eine 
Gesammtsumme,  durch  die  ich  in  den  Stand  gesetzt  werde,  die  H.  Mitarbeiter  im 
■  Verhältniß  gegen  andere  paedag.  Journale  sehr  an.ständig  zu  honoriren,  ohne  daß  ich 
genöthigi  bin,  ihnen  die  üblichen  Frohndienste  aufzubürden.  Mit  den  Mitarbeitern 
glaube  ich  ganz  zufrieden  sein  zu  können.  Von  H.  Prof.  Dr.  Bobrick  verspreche 
ich  mir  viel  und  will  ihn  dringend  angehen,  mich  fleißig  mit  Abhandkmgen  für 
N  8  und  9  zu  unterstützen;  weniger  hoffe  ich  von  Ellendt.  Die  meisten  der  übrigen 
H.  Mitarbeiter  sind  im  pädagogischen  Publikum  anerkannte  Notabilitäten ;  sie  er- 
kennen die  hohe  Bedeutung  der  Central-Bibliothek  und  werden  ihren  Eifer  gewiß 
zu  bethätigen,  nicht  unterlassen.  Mein  Gemüt  ist  ganz  erhoben  durch  den  ge- 
wünschten Fortgang  der  Sache;  ich  fühle  mich  gestärkt  und  stark  genug  den  Platz, 
welcher  mir  offen  steht,  einzunehmen  und  zu  behaupten.  Fürchten  Sie  hoch- 
verehrter Herr,  von  mir  kein  rasches  Zufaliren,  keine  Unüberlegtheit.  Ich  habe 
«ine  II  gute  Schule  durchgemacht,  und  glaube  mein  Publikum  und  die  Wissenschaft, 
für  die  ich  lebe,  gut  zu  kennen.  Die  Erfahrung  denke  ich  soll  Sie,  so  Gott  mir 
Gedeihen  schenkt,  überzeugen,  daß  ich  meine  Absichten  gut  vorzubereiten  weiß, 
um  sie  so  weit  als  möglich  glücklich  durchzuführen.  Wie  ich  das  Vertrauen  meiner 
Mitarbeiter  in  hohem  Grade  jetzt  schon  besitze,  so   hoffe  ich  auch  das  des  ganzen 

^)  4  S.    4".     H.  Wien.     Brief  mit  einer  aufgedruckten  Ansicht  von  Jena. 
^)  Über  Chr.  Weiß  vgl.  R.  Hentzschel,  Langensalza,  Hermann  Beyer  &  Söhne 
(Beyer  &  Mann),  1911. 


284  September  1837. 


Publikums  zu  erringen.  Herrn  Direct.  Ranke  werde  ich  zum  Mitwirken  auffordern, 
und  mich  freuen,  wenn  er  einschlägt;  außerdem  werde  ich  noch  einige,  welche  mir 
besonders  tüchtig  scheinen  auffordern ;  Niemeyer,  Flügel,  Müller  sind  bereits  bei- 
geti'eten.  Jeder,  hoffe  ich,  wird  in  s.  Kreise  nach  Kräften  wirken;  soll  aber  d. 
Unternehmen  schnell  und  sicher  gedeihen,  so  müssen  Sonnenstrahlen,  wie  sie  nur 
Herbart  verbreiten  kann,  d.  Ganze  von  Zeit  zu  Zeit  erwärmen  und  erleuchten.  Ew. 
Hochwohlgeboren  werden  leicht  erkennen,  daß  im  Tempel,  wo  ich  Oberpriester  bin, 
Herbart  der  Gott  ist,  dem  im  tiefsten  Heiligthume  der  Weihrauch  angezündet  werden 
wird.  Mir  gilt  es  eine  Ansicht,  die  ich  für  wahr  erkannt  habe,  mit  Vorsicht  auch 
im  Publikum  geltend  zu  machen,  damit  das  Resultat:  gänzliche  Umformung  des 
Unterrichts,  wie  sie  eine  bessere  Psychologie  verlangt,  erreicht  werde.  Erkennen 
Sie,  verehrter  Herr,  recht  genau  meinen  Plan  und  d.  Bedeutung  des  Werkzeuges 
in  meiner  Hand,  und  versagen  dann  auch  nicht  eine  Beihülfe;  unterstützen  Sie  uns 
von  Zeit  zu  Zeit  mit  einer  kleinen  Abhandlung ;  ich  bitte  darum  aufs  inständigste ! 
Ihnen  macht  ein  Aufsatz  über  einen  interessanten  pädagogischen  Gegenstand  von 
einigen  Seiten  wenig  Mühe  und  uns  nützt  er  außerordentlich.  Erfüllen  Sie  meine 
Bitte  um  der  guten  Sache  und  meinetwegen.  Auch  Herrn  ||  Schwetschke  werden 
Sie  dadurch  sehr  verpflichten.  Wie  sehr  es  jetzt  Zeit  ist,  rüstig  von  allen  Seiten 
anzugreifen  sieht  man  zum  Theil  daraus,  daß  H.  Schwetschke  an  eine  2te  Auflage 
Ihrer  Encyclopaedie  denkt.  Haben  Sie  die  Güte,  mich  zu  benachrichtigen  ob  ich 
auf  Erfüllung  meiner  Bitte  rechnen  kann  und  ob  ich  bald  darauf  rechnen  kann. 

Sollte  H.  Prof.  Bobrick,  wie  er  mir  schrieb,  nach  Göttingen  zum  großen  Fest© 
kommen  so  haben  Sie  d.  Gewogenheit  ihm  mich  bestens  zu  empfehlen  und  ihn 
meiner  vorzüghchsten  Hochachtung  zu  versichern.  Ersuchen  Sie  ihn  gefälligst  in 
meinem  Namen  mir  einen  Besuch  auf  seiner  Heimreise  zu  schenken,  das  schöne 
Jena  wird  ihm,  hoffe  ich.  nicht  mißfallen.  Ich  habe  d.  Ehre  mit  der  größten  Ver- 
ehrung zu  verharren  Ew.  Hochwohlgeboren  ergebener  Prof.  Dr.  Brzoska. 

613.  Auerswaldt  an  H.')  "  Hannover  4  Sept.  1837. 

Hochwolgeborner  Herr,  Hochgeehrtester  Herr  Hofrath,  Euer  Hochwolgeboren 
habe  ich  die  Ehre,  für  die  Übersendung  Ihrer  neuesten  Schriften,  als  einen  Beweis 
Ihres  Wohlwollens  auf  gehorsamste  zu  danken.  Diese  fortgesetzten  Bemühungen, 
geprüfte  und  gründliche  Einsicht  im  Gegensatz  so  mancher  speculativen  Verirrung 
geltend  zu  machen,  sichern  Euer  Hochwohlgeboren  ein  Verdienst,  das  alle  Freunde 
philosophischer  Forschung  dankbar  erkennen  werden,  und  ich  freue  mich  des  wohl- 
thätigen  Einflusses,  der  Ihrer  erfolgreichen  akademischen  Wirksamkeit  in  dieser  Be- 
ziehung nicht  entgehen  kann. 

Indem  ich  mich  Euer  Hochwolgeboren  angelegentlich  empfehle,  habe  ich  die 
Ehre  in  größter  Hochachtung  zu  seyn 

Euer  Hochwolgeboren  gehorsamster  Diener    Auerswaldt. 

614.  Brzoska  an  H.^)  Jena  d.  22.  Septbr.  37. 
Hochwohlgeborner  Herr,  Hochzuverehrender  Herr  Hofrath,   Schon  in  meinem 

letzten  Briefe,  welchen  Herr  Geh.  Justizrath  Kaitin  Ihnen  zu  überbringen  die  Güte 
hatte,  bat  ich  Sie  ergebenst,  mich  mit  einer  Abhandlung  für  die  Central-Bibliothek 
zu  erfreuen.  Dieselbe  Bitte  erlaube  ich  mir  jetzt  zu  wiederholen.  Als  ich  Ihnen 
vor  2  Jahren  meinen  Besuch  abstattete,  sprachen  Sie  sich  über  die  Bearbeitung  der 


1)  IS.    4».     H.  Wien. 
')  2  S.    8«.     H.  Wien. 


September  1837.  28- 


Platonischen  Erziehungstheorie  von  Kapp  nicht  mit  Zufriedenheit  aus.  Derselbe 
Verfasser  hat  jetzt  ebenso  den  Aristoteles  bearbeitet,  und  ich  vermutbe,  daß  auch 
diese  Arbeit  Ihnen  nicht  ganz  zusagen  wird.  Je  wichtiger  nun  eine  richtige  Auf- 
fassung der  Theorien  des  Piaton  und  des  Aristoteles  sowohl  für  die  Theorie  der 
aligemeiuen  Pädagogik,  als  auch  für  die  Geschichte  derselben  ist,  lunso  mehr  muß 
ich  wünschen,  daß  durch  d.  Central-Bibliothek  die  richtigen  Gesichtspunkte  heraus- 
gestellt werden,  welche  Piaton  und  Aristoteles  verfolgten.  Diese  Arbeit  ist  nach 
meinem  Dafürhalten  von  außerordentlicher  Schwierigkeit,  und  es  möchte  sich  schwer 
Einer  finden,  welcher  ihr  gewachsen  sein  möchte,  wenn  Sie  dieselbe,  gewiß  nicht 
zur  Freude  aller  Pädogogen,  zu  übernehmen  nicht  geneigt  wären.  Erwägen  Ew. 
Hochwohlgeboren  wie  wenig  Mühe  eine  solche  Arbeit  Ihnen  machen  würde,  und 
welchen  unendlichen  Gewinn  Sie  dadurch  der  Wissenschaft  bereiteten  und  lassen 
Sich  dann  zur  Erfüllung  meiner  Bitte,  die  ich  Ihnen  aufs  dringendste  ans  Herz 
lege,  geneigt  finden.  |j 

Zugleich  bitte  ich  Sie  um  Ihren  gütigen  Rath,  ob  Sie  H.  Dr.  Taute  in  Kgsberg 
für  geeignet  halten  das  Paedagogische  was  sich  in  sämmtlichen  Werken  Kant's 
findet  gehörig  zusammenzustellen  und  nachzuweisen,  wie  dessen  paedagogische  An- 
sichten aus  seinen  philosophischen  namentlich  psychologischen  hervorgegangen  sind. 

Beiliegenden  Brief  bitte  ich  ergebenst  au  H.  Hofr.  Dahlmann  gefälligst  abgeben 
2u  lassen  und  verharre  mit  gewohnter  Hochachtung  und  Verehi-ung 

Ew.  Hochwohlgeboren  ergebenster    Prof.  Brzoska. 

61Ö.    An  Karl  Hartwig  Gregor  von  Meusebach  in  Berlin.^) 

Göttingen  25  Sept  1837 
Hochwohlgeborner  Freyherr!  Höchst  geehrter  Herr  geheimer  Ober- 
revisionsrath !  Die  hiesige  philosophische  Facultät  bittet  Sie,  ein  Zeichen 
der  Hochschätzung  Ihrer  Verdienste  in  üblicher  Form  von  ihr  anzunehmen. 
Demzufolge  habe  ich  die  Ehre,  Ihnen  beykommendes  Diplom  zu  über- 
reichen, von  welchem  noch  mehrere  Abdrücke  zu  Ihrer  Disposition  in 
der  Dieterich'schen  Buchhandlung  niedergelegt  sind.  Zugleich  empfehle 
ich  mich  ehrerbietig  als   Ew.   Hochwohlgeboren 

gehorsamster     Herbart. 

616.     Bonitz  an  H.')  Dresden,  den  27.  September  1837 

Indem  ich  mir  erlaube,  Ihnen,  verehrtester  Herr  Hofrath,  das  beiliegende 
Schriftchen  über  Piaton  ^)  zu  übersenden,  dessen  Abfassung  meine  hiesige,  amtliche 
Stellung  veranlaßte  und  mehr,  als  mir  lieb  ist,  beschleunigte,  ersuche  ich  Sie  zu- 
gleich, dasselbe  als  ein  kleines  Zeichen  des  aufrichtigsten  Dankes  anzusehn,  zu 
welchem  ich  mich,  gegen  Sie  verpflichtet  fühle.  Meine  Neigung  zu  philosophischem 
Studium,  die  auf  der  Schule  schon  geweckt,  mir  auf  der  Universität  blieb,  der  aber 
durchaus  und  in  der  Wahl  meines  Berufs  zu  folgen  ich  mich  weder  durch  meine 
äußeren  Verhältnisse  ermächtigt,  noch  durch  meine  Kräfte  befähigt  sah,  führte  mich 
nach  einem  unsteten  Herumsuchen  in  Schriften  aus  der  neuesten  Philosophie  und 
Herumhören  in  Vorlesungen  desselben  Sinnes,  mehr  durch  Zufall  als  durch  eigentliche 
W^ahl  zu  Ihren  Schriften;  in  diesen  fand  ich  die  Anregung  zu  eigenem  Denken, 
und  die  Bestimmtheit,  die  ich   bis  dahin  vergeblich  gesucht  hatte,  und  verwendete 

^)  Kgl.  Bibl.  zu  Berlin.  —  Meusebach  (1781  — 1847),  Bibliophile. 

2)  2V2  S.    4«.    H.  Wien. 

^  Disputationes  Platonicae  duae.     Dresdae  1837. 


286  Oktober  1837. 


von  da  an  alle  Muße,  welche  mir  die  zur  Vorbereitung  auf  das  höhere  Schulfacb. 
nöthigen  Beruf sstudien  ließen,  darauf,  theils  durch  das  Studium  Ihrer  Schriften, 
theils  durch  das  Anhören  der  dahin  einschlagenden  und  in  demselben  Sinne  ge- 
haltenen Vorlesungen  der  Herrn  Professoren  Hartenstein  und  ||  Drobisch  Ihrem 
philosophischen  Gedankengange  zu  folgen.  Fehlt  nun  auch,  wie  ich  mir  wohl  be- 
wußt bin,  noch  sehr  viel  daran,  daß  ich  hierin  zu  Ende  gekommen  wäre,  so  fühle 
ich  mich  doch,  so  weit  ich  habe  folgen  können,  zur  Beistimmung  genöthigt,  und 
habe  die  Zuversicht,  daß  ferneres  Studium  mir  möglich  machen  wird,  allmählich 
das  viele  mir  noch  fehlende  zu  ergänzen.  —  Für  meine  philosophischen  Be- 
schäftigungen, die  hauptsächlich  auf  die  platonischen  Schriften  gerichtet  waren  und 
zunächst  auch  gerichtet  bleiben  werden,  hatte  das  besondere  Wichtigkeit,  was  Sie 
theils  in  der  akademischen  Gelcgenheitsschrift,  theils  anderwärts  über  die  Grundzüge- 
seines  Systems  gesagt  haben,  indem  ich  aus  diesen  Andeutungen  mehr  Belehrung 
schöpfte,  als  aus  allen  andern  ausfühiUchen  Schriften.  Die  gegenwärtigen  beiden 
Abhandlungen  über  zwei  wichtige  Puncte  des  platonischen  Systems  kann  ich  selbst 
für  nichts  weiter  ansehn,  als  für  eine  weitere  Ausführung  der  von  Ihnen  dar- 
gestellten Ansicht  über  Piaton  und  eine  specielle  Anwendung  derselben  auf  zwei 
vielbesprochene  Fragepuncte.  In  diesem  Sinne  übersende  ich  Ihnen  dieselben,  der 
Aufforderung  meines  verehrten  Lehrers  und  Freundes,  des  Herrn  Professor  Harten- 
stein folgend,  und  bitte  Sie,  bei  nachsichtiger  Beurtheilung  der  Ausarbeitung  und 
Durchführung  —  die  Beschleunigung,  welche  die  äußern  Umstände  gegen  meinen 
"Willen  herbeiführten,  wird  diese  Bitte  um  Nachsicht  motiviren  —  die  Sache  selbst 
mit  Ihrer  gewohnten  Schärfe  zu  prüfen.  Sollte  mir  von  Ihnen  das  Zeugniß  werden, 
daß  ich  den  Piaton  nicht  mißverstanden  und  nicht  Fremdartiges  in  ihn  eingetragen 
habe,  so  wird  dieß  für  mich  die  wirksamste  Aufmunterung  zum  Fortarbeiten  in 
diesem  Gegenstande  sein;  Tadel  und  Zurechtweisung  aber  wird  mir  von  Ihnen  be- 
sonders werth  und  fruchtbringend  sein,  da  ich  in  der  Grundansicht  über  Piaton  der 
Ihrigen  durchaus  beipflichtend,  die  daraus  etwan  gezogenen  Folgerungen  werde  an- 
erkennen müssen.  Lassen  Sie  daher,  verehrtester  Herr  Hofrath,  meine  Bitte  um 
Mittheilung  Ihres  ürtheils  über  mein  Schriftchen  rücht  unerfüllt. 

Mit  wahrer  Hochachtung  und  Dankbarkeit       Ihr  ergebenster    H.  Bonitz. 

617.    Drobisch  an  H.')  Leipzig,  2.  Octobr.  37. 

Der  einzige  Zweck  dieser  Zeilen,  mein  innigst  verehrter  Gönner  und  Freund,, 
ist,  Ihnen  und  Ihrer  verehrten  Frau  Gemahhn  nochmals  den  innigsten  Dank  für 
alle  die  zahlreichen  Beweise  Ihres  gütigen  Wohlwollens  zu  sagen  und  Ihnen  die 
glücklich  erfolgte  Rückkehr  in  meinen  Familienkreis  anzuzeigen.  Den  Nachmittag 
nach  unserer  Trennung  genoß  ich  noch  die  herrliche  Aussicht  auf  Münden  von 
Andree's  Berge  aus,  wanderte  des  andern  Morgens  in  4  Stunden  nach  Cassel,  das 
mich  durch  das  Großartige  seiner  öffentlichen  Gebäude  und  Plätze  so  wie  seiner 
Umgebungen  eben  so  sehr  als  durch  die  Eleganz  seiner  BeM'ohner  überraschte. 
Herrn  Lang's  rasche  Pferde  führten  mich  Nachmittags  auf  die  bewundernswürdige 
Wilhelmshöhe,  Abends  besuchte  ich  das  Theater,  den  andern  Morgen  die  Au. 
Abends  T'/g  Uhr  gelangte  ich  (durch  meine  Füße)  nach  Witzenhausen,  dessen  schöne 
Gegend  mir  am  andern  Morgen  der  Nebel  etwas  verhüllte.  Am  3ten  Tag  kam  ich 
über  Allendorf  bis  Treffurth,  am  4ten  über  Eisenach  und  die  Wartburg  nach 
Glücksbrunn,  am  5ten  über  den  Altenstein,  Inselsberg  und  Reinhardsbrunn  nach 
Gotha,  dessen  reiche  Sammlungen  ich  mir  besah,   und  dann  am  vergangenen  Sonn- 


')  1  S.    4«.     H.  Wien. 


November  1837.  287 


abend  gegen  3  Uhr  auf  der  Eilpost  Leipzig  erreichte.  Das  Wetter  hat  mich  im 
Ganzen  begünstigt,  die  Bewegung  gestärkt,  die  schöne  Natur  erheitert.  Frau  und 
Kinder  traf  ich  in  erwünschtem  Wohlseyn  an,  und  so  sind  mir  vor  der  Hand 
wenigstens  die  nöthigsten  Bedingungen  zu  wissenschaftlicher  Thätigkeit  gegeben. 
Ich  werde  mich  beeilen,  den  Rest  der  Ferien  zu  benutzen.  —  Haiienstein  habe  ich. 
noch  nicht  gesehen,  er  wird  wol  auch  noch  verreist  seyn.  —  Daß  Göschen  so  bald 
Dissen  nachgefolgt  ist,  hörte  ich  bereits  unterwegs. 

Der  Himmel  erhalte  Sie  bei  guter  Gesundheit,  um  alles  das  noch  in  Aus- 
führung bringen  zu  können,  wozu  die  Entwürfe  und  Vorarbeiten  bereits  ge- 
macht sind. 

Ihnen  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  mich  und  meine  Frau  freundschaftlichst 
empfehlend  Ganz  der  Ihrige     Drobisch. 

618.  Wunderlich  an  H/)  Göttingen,  den  18.  Ociober  1837 
Ew.    Hochwohlgeboren   überreiche  ich  inliegend  Ihre  im  Nachlaß  des  Herrn 

Hofraths  Dißen  vorgefundenen  Briefe.  Wenn  ich  mir  zugleich  erlaubte,  die  des 
Herrn  Profeßor  Griepenkerl  hinzuzufügen,  so  geschah  dies  um  des  willen,  weil  ich 
glaubte,  daß  dessen  Briefe  für  Euer  Hochwohlgeboren  das  größte  Interesse  haben 
dürften.  Die  übrigen  Briefe,  welche  das  anliegende  Verzeichniß  enthielt,  sind  in 
den  Händen  des  Herrn  Hofraths  Müller  und  stehn  gleichfalls  zu  Euer  Hochwohl- 
geboren Disposition. 

Der  Herr  Hofrath  wird,  dem  Vernehmen  nach,  Einiges  über  des  Verstorbenen 
Leben  schreiben  wozu  Ew.  Hochwohlgeboren  gewiß  die  wichtigsten  Beiträge  zu 
liefern  im  Stande  wären. 

Mit  vollkommenster  Hochachtung  Ew.  Hochwohlgeboren 

gehorsamster     Wunderlich. 

619.  Voigdt  an  H.^)  Königsberg,  17  November  3? 
Verklungen  sind  nun  wohl  die  Jubelklänge,  auf   welche  jedes  Gebildeten  Ohr 

theilnehmend  lauschte,  als  die  Georgia  Augusta  davon  ertönte  und  so  werden  dann 
auch  wohl  die  ungeglätteten  Wörter  von  der  Pregelstadt  zur  Zeit  emtreffen,  in 
denen  der  alte,  geliebte  und  verehrte  Lehrer  ihnen  seine  Augen  zuwenden  kann, 
ohne  sich  gestört  und  belästigt  zu  finden. 

Den  neuen  Hofrath  wollen  die  alten  Lippen  nicht  gern  hinüberlassen  —  wenn 
mir  auch  Ihre  corrigirende  Köchin  dabei  sich  leibhaftig  wieder  gegenüberstellte  — ; 
denn  die  Selbstsucht  wird  auch  von  aller  Theologie  nicht  geheilt,  und  wenn  ich  Sie 
nun  Lehrer  nenne,  fühle  ich  gleich  den  lebendigsten  Causalnexus  zwischen  uns, 
der  vom  Verstände  zum  Herzen  gegangen  ist;  nenne  ich  Sie  Hofrath,  sind  Sie  mir 
so  ferne  imd  ich  werde  gleich  daran  unwillig  erinnert,  was  Ihr  Hof  haben  könnte 
und  nicht  hat!  —  Lange  ist  es  her,  daß  ich  das  Glück  genoß,  Sie  einmal  wieder 
zu  sehen  —  Stunden  bleibender  Freude  für  mich  —  und  oft  wollte  ich  seitdem  an 
■  Sie  schreiben.  Was  mich  abhielt?  Das  Gefühl,  Papiere  zum  Dnick  unter  dem  Arme 
haben  zu  sollen  —  und  sie  nicht  zu  haben;  Schamgefühl,  da  wo  ich  von  Ihnen  so- 
kräftigen  Impuls  erhalten  hatte,  noch  nicht  weiter  geschritten  zu  sein  zur  Kenntniß 
der  Welt,  gebe  ich  dem  aber  länger  nach,  werde  ich  Ihnen  ganz  undankbar  er- 
scheinen! Daß  aber  das  Herz  Ihrer  dankend  und  liebend  gedacht,  davon  mein  Ver- 
ehrtester Gönner  und  Lehrer  mögen  die  kleinen  Beilagen  Sie  überzeugen,  die  ich 
für  müßige  Minuten  Ihnen  beifüge !    Ob  ich  noch  als  Autor  mich  vor  Ihnen  präsen- 

1)  IS.    4«.     H.  Wien. 
^)  4  S.    40.     H.  Wien. 


2g8  November  1837. 


tiren  werde  ?  —  ich  hoffe  es,  aber  als  Anonymen,  mit  Beiträgen  zur  Hodegetik  des 
Religionsunterrichtes  auf  den  Gymnasien.    Ich  habe  damit  gezögert,  mit  dem  neuen 
Jahre  soll  der  Druck  beginnen,  doch  Anonym  oder  Pseudonym,  weil  mit  dem  Namen 
schon  das  AVerk  verurtheilt  wird.    Was  ich  davon  erwarte?  —  vielleicht  Einwirkung 
auf  manche  Lehrer  —  und   dann  bin  ich  zufrieden;   nach  oben  hin?  —  ach,  Ver- 
ehrtester, da   wird  es  düster,  nicht  wie    bei  Ihnen  doch  als   ordentliche  Wolke  mit 
Blitz  —  der  plötzlich  Licht  bringt,  auch  wo  es  fehlte  —  nein,  so  schwül  benebelnd, 
und   da    gehen   die    Köpfe   verloren!     Unter    allen   ein  Beispiel:    gestern    ging    ein 
Ministerialrescript  bei  uns  ein,   daß  das  Minister,  es  sehr  gern  sähe  wenn  in  Prima 
und  Secunda  —  der  Catechismus  Lutheri  wie  in  den  Elementarschulen  gelernt  würde; 
es  ließe  sich  der  sehr  geistreich  behandeln!    Dann   werden  belobend  einige  Männer 
genannt,  die  das  schon  gethan  haben ;  ihr  Werk  dem  Ministerio  angezeigt  haben  — 
dafür  honorirt    sind  —  und  nun  der  Provinz   zum  Muster   empfohlen   sind!  —  In 
Preußen  fragen  Sie?  ja,  sage  ich,   in  Preußen  und  so  wird  der  Schmerz  Ihnen  zu- 
gleich Trost  sein  können.    Ihre  hochgeschätzte  Gemahlin  wünschte  so  sehnlich  nach 
Roen.  zu  kommen:  ich  wünschte  seihst  diesen  Besuch  —  denn  Sie  würden  beiderseits 
sich  nach  der  Reise  heimiscüer  und  glücklicher  in  Goett.  fühlen:    es  ist  hier  alles 
anders  worden!   Verlieren   wir  noch  Herrn   von  Schoeu  —  dann   ist  alles  neu!  — 
auch  besser?  —  da  ruht  der  Schmerz  und  die  Sorge! 

Allgemeine  Schlaffheit,  Streben  nach  Gunst,  —  Winseln  um  die  Gnade  Gottes 
—  Liebeln  mit  Jesu  Christo  dem  Lamm,  Seligwerden  aus  Glauben  —  (ohne  Werke), 
allgemeiner  Argwohn  bei  geglätteter  Heiligkeit,  ||  Ambiren  in  Berlin,  Besetzung  fast  aller 
Stellen  von  da  aus,  Begünstigung  der  Äristocratie  —  da  haben  Sie  die  Cholera,  die 
hier  schon  manchen  getödtet  hat. 

Daher  möchte  ich  auch  wünschen,  Sie  kämen  nicht  wieder  her  und  es  ist  gut, 

daß  Sie  den  Greuel  der  Verwüstung   nicht   mit   ansehen.  —  Es   dauert  nicht  mehr 

lange,    wird    unser   Vater    Homer   verpönt   sein;    —  ein   Sophocles   und   Aeschylos 

schmachtet  bereits   im   Carcer  des   Nichtgelesenwerdendürfens  auf  Schulen.     Dem 

Propädeudium    der   Philosophie   droht   der  Tod!   —   Geschichte  wird  Erzählung  — 

Religion  Catechismus!  —  Lebte   Fichte  noch  einmal  auf  und  wollte  Reden  an  die 

deutsche  Nation  halten,  er  müsste  sich  sein  PubHcum  mitbringen.  —  Die  Philosophie 

wird  sehr  frequentirt  hier;  die  Wintervorlesung  über  Phaenomenologie  wird  in  Audi- 

torio    maximo  gehalten;  —  aber  diese  Philosophie   ist   eine  Garküche,   worin   jeder 

bald  mehr  als  seinen  Hunger  gestillt  hat.   ein  Kleidermagazin,   worin  jede  Eitelkeit 

bald  Flitter  genug  findet  um  damit  in  der  Conversation  zu  prunken.     Dabei  ergötzt 

ein  sehr  gewandter  blumenreicher  Vortrag  —  und  burschikose  Kotzebuiaden  geben 

die  Würze.     Der  Mann   selbst  ist  im  Umgang   höchst   ungenirt  und  recht  liebens- 

\vürdig  —  auch  ein    freier  Mann.     Von   unserm    geistlichen   Wesen   schweige  ich; 

Göttingen   hat  uns  einst  den    Generalsuperintendenten  gebildet;   —  das   gehört   zu 

dessen  Anklagepuncte !    Sonst  ein  netter,  freundlicher,  gesellig  gewandter  Mann  und 

ein  Geist  des  17.  Jahrhunderts! 

Sie  merken  wohl,  mein  Verehrter  Gönner  und  Lehrer'  wie  einem  dabei  hier 
so  zu  Muthe  ist,  .und  doch  versichere  ich  Sie,  fange  ich  nun  seitdem  ich  7  Jahre  am 
Fridric[ianum]  gearbeitet  habe  mit  dem  Wunsche  fortzukommen,  nundaranan  zuarbeiten 
mit  der  Absicht  länger  noch  zu  bleiben,  um  das  Catechismus-Edict  unschädlich  zu 
machen!  —  Lehnert  ist  ganz  orthodox  geworden  —  in  Folge  deß  zum  Superintendent 
der  Altstadt  ernannt  —  und  die  rechte  Hand  des  Generalsuper.  Aber  seine  Collegien 
und  Predigten  sollen  seitdem  sehr  an  Beifall  verloren  haben. 

Sonst  lebe  ich'  unverändert  im  Besitze  zweier  Töchter,  von  denen  die  jüngste 
jetzt  2  Jahre  alt  und  ein  ganzes  Jahr  viele  Sorgen  verursacht  hat,  da  sie  dem  Tode 


November  1837.  28Q 


nahe  war  und  noch  Jahre  lang  die  Spuren  jener  Krankheit  zu  überwinden  hat. 
Mein  Schwiegervater  ist  noch  immer  recht  wohl  und  heiter,  selbst  mit  seinen  Augen 
geht  es  besser  und  auch  mit  seinen  äußern  Verhältnissen  recht  gut.  Daß  er  Glücks- 
ritter in  den  Wettrennen  geworden  ist  haben  Sie  vielleicht  auch  schon  beiläufig  in 
den  Blättern  gefunden.  ||  Mein  Schwager  ist  Student  und  kommt  vielleicht  (doch  wird 
Berlin  wohl  abhalten)  im  nächsten  Herbste  nach  Göttingen.  Ich  wünschte  ich  könnte 
noch  einmal  mit  in  Ihre  Vorlesungen. 

Wie  sehr  haben  Sie  uns  alle  überrascht  und  erfreut  mit  Ihren  Beiträgen  zur 
Pädagogik:  auch  wer  sonst  nicht  Ihr  Freund  war,  hat  sie  doch  mit  großer  Bei- 
stimmung, ja  ich  kann  sagen,  Andacht,  gelesen!  überhaupt  ist  dies  das  Gebiet 
Ihres  AVirkens  wo  Sie  die  Gemüther  für  sich  entflammen!  —  Sie  sehen,  wie  nun  auch 
in  Leipzig  für  Ihre  Mühe  sich  in  Hartenstein  eine  neue  kräftige  Stütze  erhebt. 
Bobrick  in  Zuerich  hat  fortgehend  vielen  Beifall,  wie  unser  Lottermoser  geschrieben 
hat,  der  einer  Auszehrung  wegen  italienische  Luft  zu  versuchen  verurtheilt  ist  — 
aber  wohl  ohne  Erfolg!  Eines  gleichen  Uebels  wegen  weilt  Prof.  von  Bohlen  bei 
Toulon  diesen  Winter  und  kommt  von  da  nach  Ems  den  nächsten  Sommer.  Die 
letzten  Nachrichten  lauten  günstiger  von  ihm.  Mau  erzählt  jetzt  hier  daß  Duckmanu  ['?] 
ins  Ministerium  kommen  solle;  dieser  Mann  büßt  mit  jeder  hohem  Stufe  immer 
mehr  in  der  wahren  Achtung  ein.  Ein  allgemeines  Mißtrauen  umgiebt  ihn.  Frau 
V.  Ghard,  die  sich  Ihnen  aufs  herzlichste  beiderseits  empfiehlt  lebt  zurückgezogen 
fort  und  meint  oft:  kämen  Sie  zum  Besuche  her  —  wie  anders  würden  Sie  vieles 
finden  —  und  wie  würde  auch  Ihre  Frau  Gemahlin  Koenigsberg  in  Koenigsberg 
suchen. 

Aus  der  Zahl  Ihrer  Seminaristen  ist  alles  im  alten  Gange:  Storf  auf  seinem 
Oute  und  jetzt  mit  der  Tochter  des  H.  von  Groeben  auf  Rippen  verlobt;  dabei  nun 
ganz  jene  liebe  Seele,  wie  wir  von  seinen  Studentenstürmen  sie  in  ihm  liebten. 
Massenbach,  Sydow,  (sehr  achtungswerth  in  seinem  dankbaren  Betragen  gegen  seine 
Tanten  und  den  Onkel)  hier  als  Cürassirofficiere,  Bernhard  —  Dohna  Fähnrich  hier 
—  ganz  in  seinen  Standesstolz  versunken.  Oppeln  Studiosus,  und  Knoblauch  noch 
in  Kalthoff  —  verlobt  mit  der  Tochter  eines  hiesigen  mir  unbekannten  Consuls. 

Von  allen  andern  hoffe  ich  hat  Taute  Ihnen  Nachricht  gegeben  und  will  ich 
nicht  damit  wiederholen.  Ich  zweifle  noch,  ob  ich  einen  Band  Predigten  heraus- 
geben soll  oder  nicht?  es  wii-d  viel  geschrieben  dieser  Art  und  Parteisucht  kritelt; 
aber  ist  es  nicht  um  so  nöthiger,  daß  jeder  seine  Kraft  braucht  und  ihr  einen  Wir- 
kungskreis sucht  V  —  so  frage  ich  mich  oft  und  bin  bald  bis  zum  entschiedenen  Ja 
gekommen ! 

Vielleicht  bleibt  Ihnen  soviel  Muße  und  ich  bitte  noch  um  die  Großmuth  der 
Vergeltung,  daß  Sie  mich  mit  einigen  Zeilen  von  Ihrem  Leben  und  Streben  erfreuen, 
und  Sie  theilen  mir  Ihren  geschätzten  Rath  darüber  mit.  Stellt  man  sich  den 
Feinden  blos  gewinnt  man  auch  Freunde!  Wie  wird  es  mit  einer  Moral  werden? 
•  allerlei  tagt  in  mir  imd  Ihre  letzte  Schrift  vom  Naturrecht  ruft  mich  wieder  wie 
Glockentöne  zum  Gottesdienst  dieser  Arbeit.  Aber  immer  will  das  Vertrauen  in 
die  eigene  Kraft  mangeln!  Vielleicht  doch  kommt  mir  einmal  mehr  Muße.  Diese 
Arbeit  nenne  ich  jetzt  wirklich  einen  Gottesdienst,  weil  das  Glaubensgeschwätz,  wie 
es  nun  hier  ausartet  wirklich  die  Verehrung  Gottes  im  Geist  und  in  der  Wahrheit 
gefährdet.  Koehlers  kleines  Werk  ist  eine  fruchtbringende  Leetüre  —  vielleicht  zu 
reich  an  Geist  —  oder  an  Poesie,  um  ein  wissenschaftliches  Werk  zu  sein.  Was 
Beneke  in  Berlin  unternimmt  ist  zu  sehr  empirische  Beobachtung  nur  —  aber  doch 
gute  Steine  und  sichtbare  für  den  künftigen  Bau.  Etwas  Ähnliches  scheint  Schmidt 
in  Kiel  zu  unternehmen  mit    seinen  psychologischen  Skizzen;    wenn  die  erste  vom 

Hbrbarts  Werke.     XVIII.  I9 


2QO  November  1837. 


Mitgefühl  auch  nur  einige  gute  Beobachtungen  giebt.  Stehen  Sie  mit  dem  jüngeren 
Fichte  —  nun  in  Bonn  —  in  persönlicher  Beziehung  und  was  urtheilen  Sie  wohl 
von  ihm?  "Wie  ist  Ihre  Stellung  zu  Brandis  geblieben?  Seitdem  ich  dessen  Ge- 
schichte der  Philosophie  gelesen,  interessirt  mich  das  mehr,  denn  vorher. 

Nun  habe  ich  aber  noch  eine  Hauptbitte  an  Sie,  ob  es  Ihnen  nehmlich  wohl 
möglich  ist:  mir  ein  genaues  Verzeichniß  aller  Ihrer  gedruckten  Sachen,  auch  der 
Kleinsten  zukommen  zu  lassen;  kein  Werk  giebt  darüber -Auskunft  und  schon  jetzt 
streiten  wir  darüber.  "Wieviel  und  was  Sie  recensirt  wissen  Sie  gewiß  auch  nicht 
mehr  anzugeben ;  aber  darüber  belehren  Sie  uns,  in  welchen  Zeitschriften  Sie  mit- 
gearbeitet haben  —  damit  dann  eine  Jagd  veranstaltet  werde! 

So  lange  man  den  Mann  hat,  gelten  seine  Schriften  weniger;  entzieht  er  sich, 
läßt  man  auch  das  Geringste  von  ihm  nicht  ohne  Beachtung  und  Theilnahme. 

Kann  ich  Sie  nicht  sehen,  lassen  Sie  mich  die  theuem  Schriftzüge  Ihrer  Hand 
wieder  einmal  sehen:  und  geht  die  Beförderungsschnelligkeit  erst  über  Eisenbahnen, 
—  sehen  Sie  oft  viele  in  Liebesgefühl,  wenn  auch  in  sehr  veränderter  Gestalt  den 
geliebten  Lehrer  aufsuchen  und  ehren. 

Herzliche  innige  Grüße  an  Sie  und  Ihre  geehrte  Frau  Gemahlin  mit  der  An- 
wünschung  bleibender  Gesundheit  und  innerer  Freude  aus  dem  Dank  erfüllten  Herzen 

Ihres  Schülers  und  "Verehrers    Voigdt. 

[Am  Rande  des  Briefes  als  Nachschrift:] 

"Werden  die  Jubelreden  nicht  im  Druck  erscheinen?  —  und  so  auch  die  Ihrige? 
Geschieht  dies  nicht,  ist  eine  Copie  derselben  unerringbar?  — 

Kommen  keine  Programme  von  Ihnen  heraus?  —  auch  diese  wollen  wir  hier 
zu  erlangen  suchen.  — 

620.   Allihn  an  H/)  Halle  am  20.  Novb.  37 

Hochgeehrtester  Herr,  Insonders  zu  verehrender  Herr  Hofrath!  Sie  verzeihen 
meiner  Kühnheit,  wenn  ich  es  wage,  ein  Exemplar  meiner  jetzt  erschienenen  Schrift,  '^) 
Einleitung  in  das  Studium  der  Dogmatik,  zuzusenden,  mit  der  Bitte  den  längst  still 
gehegten,  jetzt  öffentlich  ausgesprochenen  Dank  für  die  besondere  "Wohlthat,  die 
Sie  durch  Ihre  unermüdlichen  und  überaus  durchgreifenden  Forschungen  auch  mir 
erwiesen  haben,  gütigst  zu  genehmigen.  Schon  längst  war  ich  unzufrieden  mit  dem, 
was  die  Theologen  in  der  systematischen  Theologie  philosophisch  geltend  zu  machen 
suchten,  ohne  irgend  wagen  zu  dürfen,  meinem  "Wunsche,  etwas  zur  Verständigung 
und  Berichtigung  irriger  Meinungen  beizutragen,  weiteres  Gehör  zu  geben.  Zufällig 
wurde  ich  mit  Ihren  Schriften  bekannt,  von  denen  man  mir  die  wunderlichsten 
Dinge  erzählte.  Sie  gaben  mir  unerwartet  das,  wonach  ich  mich  sehnte,  und  an 
Aufschlüssen  mehr,  als  ich  je  von  Seiten  der  Philosophie  erwarten  zu  können 
glaubte. 

Schon  in  dem  Feuer  des  ersten  Studiums  traten  mir  mehr  ahnend  als  deutlich 
erkennend  die  Gesichtspunkte  entgegen,  welche  zur  Sicherstellung  und  Förderung 
der  systematischen  und  praktischen  Theologie  von  bedeutendem  Einflüsse  sein 
mußten.  Ich  ging  nach  Leipzig,  um  mich  ein  Jahr  lang  ausschließlich  mit  Philo- 
sophie zu  beschäftigen.  Hier  wurde  ich  durch  die  ausgezeichnet  lichtvollen  und 
anregenden  Vorlesungen  der  Professoren  Drobisch  und  Hartenstein  in  die  Sache 
eingeführt.  — 

1)  2V2  S.  40.-  H.  "Wien.  —  Fr.  H.  Th.  Allihn  (1812  —  1885),  später  Dozent 
in  Halle. 

*)  Einleitung  in  das  Studiimi  der  Dogmatik.     Lpzg.  1837. 


Dezember  1837.  20 1 


Mag  es  nun  etwas  voreilig  sein,  oder  nicht,  ich  begann  alsbald,  durch  das 
große  Bedürfniß  der  Theologie -Studirenden,  das  ich  stets  ||  vor  Augen  hatte  und 
mir  meine  Examinatorien  noch  in  einem  besonders  groben  Lichte  zeigten,  bei- 
liegende Schrift  im  vorigen  Winter  zu  entwerfen.  "Wie  sie  überhaupt  nur  eine 
Einleitung  in  das  Studium  der  Dogmatik  sein  sollte,  so  konnte  in  ihr  noch  nicht 
eine  gehörig  umfassende  und  durchgreifende  Ausführung  Ihrer  Grundsätze  und 
Lehren  angewendet  werden,  sondern  ich  mußte  bei  dem  pädeutischen  Zwecke  mich 
mehr  an  die  herrschende  Behandlungsweise  anschließen,  etwas  Weiteres  z.  B.  die 
Anordnung  der  gesaraten  Dogmatik  in  einen  synthet.  und  analyt.  Theil  der  Zukunft 
aufsparend.  Mußte  mirs  doch  vorerst  genügen,  den  Anfang  gemacht  zu  haben,  um 
nothwendige  Erörterungen  zu  Veranlassen  und  Gelegenheit  zu  Belehrungen  mir  zu 
verschaffen,  deren  ich  jetzt  noch  sehr  bedarf.  Schüchtern  lege  ich  daher  meinen 
schülerhaften  Versuch  in  des  verehrten  Meisters  Hände,  um  gütige  Nachsicht,  und, 
wenn  mein  Begehren  nicht  zu  unbescheiden  ist,  um  einige  gelegentliche  Be- 
merkungen in  der  Hauptsache  bittend,  wo  falsche  Anwendungen  gemacht,  Berück- 
sichtigungen unterlassen,  Consequenzen  verfehlt  sind,  und  wo  etwas  Unwesent- 
liches auf  Kosten  der  richtigen  und  deutlichen  Auffassung  mehr  hervorgestellt 
ist,  während  die  Hauptpunkte  zu  sehr  in  den  Hintergrund  getreten  sind,  oder  ein 
falsches  Licht  zu  erhalten  Gefahr  laufen.  Jedenfalls  würde  ich  mich  bemühen, 
meinen  Dank  für  Ihre  Güte  durch  sorgfältige  Benutzung  und  Durcharbeitung  der 
gegebenen  Andeutungen  zu  beurkunden. 

Vornehmlich  lieb  aber  sollte  es  mir  sein,  wenn  ich  durch  dieses  Schriftchen 
das  erreicht  hätte,  die  sehi'  voreiligen  und  abgeschmackten  Behauptungen  mehrer 
nennensweilher  Theologen,  denen  ein  gründlicheres  Urtheil  zuzutrauen  wäre,  in 
ihrer  Flachheit  und  Unbegründetheit  factisch  darzustellen,  nämlich  die,  daß  Ihre 
philosophische  Auffassungsweise,  weil  sie  von  göttlichen  Dingen  speculativ  nichts 
wissen  wolle,  sich  nicht  mit  dem  Christenthum  vertragen  könne  und  überhaupt  für 
keine  befriedigende  Religionsphilosophie,  weil  sie  hier  einen  unaufhörlichen  Scepti- 
cismus  geltend  mache,  tauglich  sei  u.  dergl. 

Schließlich  erlaube  ich  mir  einem  geneigten  Interesse  anzuzeigen,  daß  ich  vor 
einigen  Monaten  eine  kritisch -synthetische  Abhandlung  über  sittliche  Principien  an 
die  Redaction  ||  der  theolog.  Stud.  und  Kritik,  von  Ulimann  und  ümbreit  eingesendet 
habe,  um  die  Sache  beim  theologischen  Publicum  ernster  zur  Sprache  zu  bringen. 
Überhaupt  ist  meine  Absicht  in  meinen  litterärischen  Arbeiten  auf  Verständigung 
und  genauere  Rücksicht  auf  Ihre  Forschungen  und  Resultate  beim  theol.  Publ. 
hinzuwirken,  und  sobald  die  Zeit  erlaubt  und  ich  noch  einige  genauere  Studien  ge- 
macht habe,  werde  ich  durch  einige  Abhandlungen  über  bedeutsame  Gegenstände, 
wie  auch  nächstens  durch  eine  besondere  Schrift  als  Inauguraldisseitat.  für  die 
theol.  Licentiatur:  de  ethices  Paulinae  fundamento  etc.  so  viel  es  mir  nach  meiner 
Individualität  und  Stellung  möghch  ist,  weiter  in  die  Theologie  einzugreifen  suchen. 

Mit  der  größten  Hochachtung  empfiehlt  sich  einem  geneigten  Wohlwollen 
Ew.  Wohlgeboren  ergebenster    F.  H.  Th.  AUihn  Dr.  Philos. 

021.    Drobisch  an  H.')  Leipzig  22.  Decbr.  37. 

Mein  hochverehrter  edler  Freund!  Unsre  Zeitungen  brachten  gestern  die 
Nachricht,  daß,  neben  andern  Zierden  Ihrer  nach  Ihrem  Isten  Jubiläum  so  hart 
betroffenen   Georgia  Augusta-),   auch  Sie  um  Ihre  Entlassung  eingekommen   wären. 

1)  2  S.    40.    H.  Wien. 

^)  Über  die  Göttinger  Katastrophe  sei  verwiesen  auf  0.  Flügel,  Herbart. 
Lpzg.,  Teabner,  2.  Aufl.  1912,  S.  154:    ..Nichts  ist  leichter,   als  die  Sieben  überall 

19* 


202  Dezember  1837. 


Ich  wage  nicht  die  "Wahrscheinlichkeit  oder  UnwahrscheinHchkeit  dieses  Schrittes  mit 
Sicherheit  zu  beurtheilen,  muß  aber  doch  bekennen,  daß,  wie  die  Sachen  sich  von 
hier  aus  betrachtet  ausnehmen,  ich  mich  nicht  verwundern  werde,  wenn  diese 
Nachricht  Grund  bat.  Für  diesen  Fall  nun  und  die  damit  wol  zu  verknüpfende 
Voraussetzung,  daß  Sie  nicht  länger  in  Göttingen  verweilen  werden,  an  das  sich 
nun  so  traurige  Erinnerungen  knüpfen,  erlaube  ich  mir,  wenn  Sie  nicht  anders  be- 
schlossen haben,  Ihnen  den  herzlichen  aus  der  freundschaftlichsten  Anhänglichkeit 
hervorgegangenen  Wunsch  vorzulegen,  wenigstens  bis  auf  bessere  Zeit  in  Leipzig 
zu  verweUen.  Was  meine  geringen  Kräfte  zulassen,  Ihnen  den  Aufenthalt  so  er- 
träglich zu  machen  als  er  unter  so  niederschlagenden  Verhältnissen  seyn  könnte, 
das  würde  mit  Freuden  geschehen,  und  wollten  Sie  es  nicht  verschmähen,  mein 
Gast  zu  seyn,  so  würden  Ihnen  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  ein  paar  Zimmer  mit 
dem  größten  Vergnügen  von  mir  und  meiner  Frau  eingeräumt  werden.  Auch  das 
glaube  ich  versichern  zu  können,  daß  man  Ihnen  hier  von  allen  Seiten  mit  der 
freundlichsten  Zuvorkommenheit  entgegen  kommen  würde.  —  Vielleicht  belächeln 
Sie  mein  Anerbieten,  vielleicht  sieht  Manches  in  der  Nähe  anders  aus  als  in  der 
Ferne,  indeß  über  Vifiles  kann  doch  selbst  die  Entfernung  nicht  täuschen.  Wie 
dies  aber  auch  ||  seyn  möge,  über  meine  Gesinnung  gegen  Sie  dürfen  Sie  in  einer 
solchen  Zeit  keinen  Augenblick  in  Zweifel  seyn,  und  ich  würde  mich  hoch  freuen, 
gerade  in  schwerer  Zeit  meine  treue  Freundschaft  Ihnen  bewähren  zu  können. 

Mögen  diese  Zeilen  glücklich  in  Ihre  Hände  gelangen.  Von  wissenschaftlichen 
Dingen  noch  zu  reden  will  mir  für  den  Augenblick  nicht  recht  gelingen  und  würde 
auch  Ihnen  vielleicht  nicht  zusagen.  Dennoch  fühle  ich  es  gerade  jetzt  recht  leb- 
haft und  dankbar,  daß  wir  in  wissenschaftlicher  wie  in  politischer  Hinsicht  noch 
immer  auf  „einer  glücklichen  Insel"  leben. 

Unter  den  theilnehmendsten  Grüßen  an  Ihre  Frau  Gemahlin  von  mir  und 
meiner  Frau  ganz  der  Ihrige     Drobisch. 

622.    Hartenstein  an  H.')  •  ■    Leipzig,  den  22ten  Decbr.  1837 

Hochverehrter  Herr  Hofrath,  Mein  langes  Stillschweigen  gegen  Sie  zu  brechen 
bewegen  mich  die  gestern  hier  bekannt  gewordenen,  wenn  auch  zum  Theil  recht 
unverbürgten  Nachrichten  aus  Göttingen.  Der  allgemeinen  Leipz.  Zeit,  zu  Folge 
haben  Sie,  verehrter  Mann,  sich  bewogen  gefunden,  Ihr  Amt  niederzulegen.  Er- 
lauben Sie  mir,  Ihnen  meine  innigste  und  aufrichtigste  Theilnahme  an  diesem 
Wechsel  Ihrer  Lage  nicht  nur  im  Interesse  der  Wissenschaft,  sondern  als  Beweis 
meiner  persönlichen  Gesinnung  gegen  Sie  an  den  Tag  zu  legen.  Sie  werden  in 
diesen  Tagen  einen  Brief  von  Drobisch  erhalten;  ich  vereinige  mich  mit  ihm  in 
dem  Wunsche,  daß  im  Fall  Sie  Göttingen  verlaßen.  Sie  auf  den  von  ihm  gemachten 
Vorschlag  eingehen  möchten.  Wissenschaftliche  Dinge  anlangend  verbinde  ich  damit 
nur  die  kurze  Nachricht,  daß  in  ohngefähr  drei  Wochen  eine  kleine  Schrift  über  die 
neuesten  Darstellungen  und  Beurtheilungen  Ihres  System  von  mir  erscheinen  wird. 
Der  Inhalt  derselben  wird,  da  ihre  apologetische  Tendenz  natürlich  auch  directe 
Polemik  veranlaßte,  ihre  Existenz  ||  in  Ihren  Augen  rechtfertigen;  Drobisch  wenigstens, 
der  das  Manuscript  gelesen  hat,  hielt  sie  weder  für  überflüßig,  noch  für  unnützlich. 
—  Möchten  Sie  das  bevorstehende  Fest,  wenn  auch  nicht  mit  festlicher,  doch 
mit  ruhiger  Stimmung  begehen. 

Mit  innigster  Verehrung  verharre  ich  Ihr  ergebenster    Hartenstein. 

mit  ihren  eigenen  Worten  zu  schlagen  und  zu  zeigen,  daß  der  Standpunkt  Herbarts 
sich  auch  heute  noch  im  vollen  Umfange  rechtfertigen  läßt".     So  schreibt  mir  der 
städtische  Bibliothekar  Dr.  Thimme  in  Hannover.     Er   wird  dieses  Urtheil  ausführ- 
lich begründen  in  einer  aktenmäßigen  Geschichte  des  Königreiches  Hannover. 
1)  P/2  S.   4».     H.  Wien. 


Dezember  1837.  293 


623.    An  Drobisch.i)  G.  23  Dec  37 

Mein    theurer    Freund!      Indem    ich    nach    längerer    Zeit    die    Feder 
ergreife,    um    mich   nach   Ihrem  Wohlbefinden    zu   erkundigen   und    Ihnen 
ein  Lebenszeichen  zu  geben,    überlasse  ich  Ihrem  Scharfsinn,   mancherley 
hinzuzudenken,  was  sich  nicht  füglich  schreiben  läßt;  und  ich  glaube,  Sie 
können   das    um    desto   eher,    da,    soviel   man   weiß,   jetzt   der   Held    des 
Tages-)  in  Ihrer  Mitte  verweilt;  mithin  die  Gespräche  des  Tages  Sie  von 
demjenigen,    worum    es    sich   jetzt    handelt,    in    Kenntniß   gesetzt    haben. 
Zwar   hatte   ich   schon  Jemandem,    der   sonst   wohl    auf  mich   hören  mag, 
etwas  Mündliches   an  Sie  rnitgegeben,    allein   —   man   muß,   um   nicht   in 
leeren  Allgemeinheiten  stehen  zubleiben,  das  Gesetz  von  1833   vor  Augen 
haben;    ein    Umstand,    den    Manche,    besonders    Ultra -Liberale,    zu    ver- 
gessen scheinen.     Daß  ich  darin  keine  hinreichenden  Gründe  für  die  be- 
kannte Protestation  gefunden  habe,  wissen  Sie  wahrscheinlich  schon;   man 
läuft   aber   heutiges   Tages  Gefahr,    selbst   von   seinen   nächsten    Freunden 
verkannt    zu    werden;    daher    wünschte   ich    wohl,    das   Gesetz    mit   Ihnen 
gemeinschaftlich   ansehen    zu    können.     Wir   würden    dann    zuerst  auf  das 
Patent    des   Königs    Wilhelm  IV    einen   Blick    hinwenden,    um    zu    unter- 
suchen, in  welchem  Sinne  der,    auf  das  Gesetz  geleistete  Dienst -Eid  der 
Staatsdiener   zu    nehmen   ist.     Es   wird  dort   ,, nicht  angemessen  gefunden, 
einen  Diensteid  nochmals  ableisten  zu  lassen,"  doch  wird  verordnet,  daß 
der  Diensteid  auf  Beobachtung  des  Gesetzes  „ausgedehnt"  werde.     Wenn 
man  nun  hiebey  drey  zählt,  nämlich    i.)  die  verpflichtende  Person,  2.)  die 
verpflichtete  Person,  3.)  das  Object,  wozu  verpflichtet  wird,  so  mögen  Sie 
zuvörderst    überlegen,    ob    i.)    sich    ändert,    wenn    3.)    eine    Ausdehnung 
erleidet.  1|  Die  Frage  ist  nämlich,  ivem  man  durch  den  Diensteid  eigentlich 
verpflichtet  sey?    und  Wer   deshalb    die  Expansion   wieder   in  Contraction 
verwandeln  könne?    Will   man   hierüber  sich  in  eine  Casuistik   einlassen,  so 
kommt  noch  etwas  Anderes  in  Betracht.    Jenes  Gesetz  nämlich  hat,  soviel 
ich  weiß  und  soviel  ich  höre,   für  den  leicht  vorherzusehenden   Fall,    daß 
es    nicht    anerkannt    werden   würde,    gar   nicht   gesorgt.     Niemand   ist   be- 
vollmächtigt,  in    dessen    Namen   aufzutreten.      Dabey   ist   mir   aus   meinen 
Jugendjahren  ein  Baumeister  eingefallen,  der  sich  selbst  ein  Haus  von  sehr 
buntem    Ansehen    baute,    aber    —    die   Treppe    vergessen   hatte,    so    daß 
während    des  Bauens   der  Plan    mußte   verändert  werden.     Was    soll   nun 
geschehn,    wenn    die   obige   Nro  3    wegen    der  Möglichkeit   ihrer    Existenz 
in  Zweifel  geräth?     Sind    etwa   die  Beamten   im  Staate  verpflichtet,    einen 
Senat    conservateur    zu   bilden?     Ich    für   mein   Theil   weiß   nichts   davon; 
ich  bin  verpflichtet,  philosophische  Vorlesungen  zu  halten,  die  mit  Tages- 
Begebenheiten  nichts  zu  thun  haben. 

Weiter  würden  wir  in  dem  Gesetze  selbst  uns  umsehen,  um  zu 
erforschen,  was  es  eigentlich  von  uns  fodere,  wenn  wir,  aus  Scheu  vor 
der  Casuistik,  uns  streng  an  demselben  halten.  Da  findet  sich  §  89: 
„Sollten  Zweifel   darüber    entstehen,    ob    bey   einem   gehörig   verkündigten 

1)  3  s.    4".  —  Zu  diesem  Briefe  vgl.  man  diese  Ausg.  Bd.  XI,    S.  27  ff   u.  den 

bisher  noch  unveröffentlichten  Brief  Herbarts  an  Taute  v.  8.  4.  39  im  folgenden  Bande. 

-)  Dahlmann,  der  des  Amtes  entsetzt  und  Landes  verwiesen  damals  in  Leipzig  weilte. 


204  Dezember   1837. 


Gesetze  die  verfassungsmäßige  Mitwirkung  der  Stände  hinreichend  be- 
obachtet sey,  so  steht  es  nur  diesen  zu,  Anträge  deshalb  zu  machen." 
Was  ist  hier  die  vermuthliche  ratio  legis?  Doch  wohl  diese,  daß  kein 
Unberufener  den  Staat  in  Unordnung  bringen  soll."  Vollends  aber  §  107 
sagt,  „die  Repräsentanten  dürfen  sich  nicht  durch  eine  bestimmte  Instruction 
des  Standes,  von  dem  sie  gewählt  sind,  binden  lassen.  Setzen  wir  nun, 
unsre  Universität  sey  der  wählende  Stand:  so  darf  sie  ihren  Repräsentanten 
nicht  binden,  sondern  Er  hat  nur  eine  Stimme;  aber  nicht  sie,  die  ihn 
wählte.  Wenn  nun  die  ganze  Universität  keine  Stimme,  sondern  nur  ein 
Wahlrecht  hat:  haben  denn  Einzelne,  die  nicht  einmal  gewählt  sind,  eine 
Stimme?  Und  wo?  Etwan  az^/ö'^r  der  Stände- Versammlung,  während  jener 
Gewählte  nur  innerhalb  der,  als  vorhanden  angenommenen  Versammlung 
eine  Stimme  haben  würde?  [| 

Es  möchte  also  wohl  der  bekannten  Protestation  nicht  sehr  zu 
Statten  kommen,  wenn  sie  sich  auf  den  geleisteten  Dienst -Eid  beruft. 
Dieser  kann  das  sehr  ungewöhnliche  Verfahren  nicht  erklären;  man  muß 
wohl  tiefere  Quellen  politischer  Weisheit  dabey  zu  ergründen  suchen. 
Hierüber  will  ich  mich  nicht  in  Vermuthungen  verlieren.  Sie,  mein 
theurer  Freund,  wissen,  daß  ich  auch  meine  Zeit  gehabt  habe,  wo  ich 
die  wahre  Natur  des  Staates  zu  ergründen  suchte:  —  ich  sage  absichtlich, 
die  Natur  des  Staats  und  nicht  bloß  die  Idee  des  Staats.  Von  einem 
Politiker  verlange  ich  nun  eigentlich,  daß  er  die  Natur  des  Staats  noch 
viel  besser  kennen  soll  wie  ich;  allein  ich  werde  an  der  Weisheit  desselben 
irre,  wenn  ich  ihn  das  Heil  des  Staats  in  einer  noch  sehr  jungen  Ver- 
fassung suchen  sehe,  und  wenn  ich  ihn  da  laut  reden  höre,  wo  ein 
Land  während  mehrerer  Monate  geschwiegen  hat. 

Aus  diesen  Andeutungen  werden  Sie  wenigstens  soviel  ersehen,  daß 
ich  die  Gewissensfrage,  die  hier  allerdings  eingetreten  schien,  und  die 
mich  mehrere  Tage  lang  beschäfftigte,  nicht  leichtsinnig  abgefertigt  habe. 
Übrigens  war  mir  auf  den  ersten  Blick  klar,  daß  eine  Universität  nicht 
zuerst,  sondern  zuletzt  sprechen  mußte.  Kirche  und  Schule  müssen  ruhig 
bleiben,  wenn  im  Staate  Bewegung  ist.  Das  Augenblickliche  ist  selbst  für 
die  Geschichte  nicht  reif;  andre  Lehrfächer  haben  vollends  nichts  damit 
zu  schaffen.  Meinestheils  will  ich  die  Philosophie  nicht  compromittiren. 
Es  thut  mir  leid,  daß  ich  Rittern,  der  mir  persönlich  sehr  wohl  gefiel, 
jetzt  schwerlich  näher  kennen  lernen  werde.  Sie  wissen,  wer  ihn  herbey- 
zog.  —  Allem  Parthey  treiben  bin  ich  jetzt  noch  mehr  als  sonst  abhold, 
und  mache  davon  die  Anwendung  auf  mich  selbst.  Einige  gute  Jahre 
habe  ich  glücklicherweise  hier  benutzen  können,  war  der  Erfolg  auch 
gering,  er  muß  mir  dennoch  genügen.  Haben  Sie  die  Güte,  Hrn.  Prof. 
Hartenstein^)  d^s  Nöthige  mitzutheilen  und  mich  ihm  zu  empfehlen. 

Unverändert  der  Ihrige     H. 
[Randbemerkung:] 

Bald  nachdem  ich  die  Feder  weglegte,  kam  ein  Brief  von  Harten- 
stein, dem  ich  für  seine  Theilnahme  herzlich  danke.     Ein  Wort  redlicher 


*)  Hartenstein  hat  in  seinen  „Nachträgen  u.  Ergänzungen"  (Bd,  13  seiner  Herbart- 
Ausg.  S.   265)  den  vorstehenden  Brief  teilweise  veröffentlicht. 


Dezember  1837.  295 


Theilnahme  ist  doch  in  trüben  Zeiten  recht  viel  wert!  —  Aber  woher 
jener  Zeitungs- Artikel  (der,  wie  Sie  sehen,  ganz  unrichtig  ist)?  Meint 
man,  ich  könnte  wohl  noch  zu  einem  Schritte  bewogen  werden  ?  —  Freylich, 
wenn  man  von  der  Action  auf  die  noch  zu  erwartende  Reaction  schließen 
müßte    —    von    dem    gewaltigen    Nothschrey   der   gelehrten    Welt,    (bevor 

noch  eigentliche  Noth  da  ist,)  auf was  ich  nicht  nennen  mag.   — 

Für  jetzt  wünschte  ich,  daß  von  mir  in  Beziehung  auf  die  Angelegenheit 
des  Tages  gar  nicht  gesprochen  würde.  Vielleicht  finden  Sie  Gelegenheit, 
den  Herrn  Dr.  Bonitz  und  Allihn  für  ihre  Schriften  zu  danken,  und  mein 
Schweigen  mit  den  Zeit-Uraständen  zu  entschuldigen. 

624.    An  Drobisch.i)  G.  26.  Dec  37 

Ihren  gütigen  Brief  vom  22  empfange  ich  so  eben  erst,  und  kann 
nicht  unteriassen  Ihnen  sogleich  für  diese  lebhafte  Theilnahme  meinen 
herzlichsten  Dank  zu  sagen.  Wäre  also  wirklich  Noth:  so  könnte  ich 
meiner  Frau  auf  die  Frage:  wohin?  doch  etwas  Bestimmteres  antworten, 
als  in  Betracht  möglicher  Fälle  geschehen  war.  Allein  noch  ist  nicht  ab- 
zusehen, daß  es  mit  der  Frage  Ernst  werden  könnte. 

Mein  vorgestriger  Brief  war  in  einiger  Besorgniß,  er  möchte  nicht 
unversehrt  in  Ihre  Hände  kommen,  geschrieben.  Doch  der  Ihrige  und 
ein  anderer  von  Griepenkerl,  den  ich  auch  heute  empfing,  scheinen  un- 
beschädigt. So  will  ich  Ihnen  wenigstens  soviel  sagen,  daß  ich  von 
Rothenkirchen,  wo  es  zwar  allerdings  peinliche  Augenblicke  gab,  doch 
mit  leichterem  Herzen  zurückgekommen  bin,  als  ich  hinging.  -)  Es  scheint, 
die  Sachen   werden  gehen;  obgleich  nicht  nach  dem  Tacte  von    1833. 

Ihre  Zeitungsnachricht  war:  ich  sey  um  meine  Entlassung  ein- 
gekommen? Glauben  Sie  mir:  wenn  ich-  mich  auf  ungewöhnliche  Weise 
hätte  rühren  wollen,  dann  wäre  ich  in  der  That  um  meine  Entlassung  ein- 
gekommen, —  hätte  aber  nicht  gepredigt  und  nicht  räsonnirt.  Jenes  hätte 
allenfalls  gewirkt;  aber  nicht  dies.  Jenes  hat  man,  soviel  ich  weiß,  unter- 
lassen. Jetzt  soll  es  schon  Bemühungen  geben,  die  Lücken  auszufüllen. 
Die  nächste  Gefahr  möchte  seyn,  daß  wir  mit  einem  Strome  von  Berlinismus 
überschwemmt  werden. 

Starke  Spannungen  unter  Collegen  werden  zurückbleiben.  Die 
Meinungen  sind  sehr  getheilt.  —  Ich  kann  mich  nicht  enthalten,  ein 
paar  Worte  von  Griepenkerl,  aus  seinem  letzten  Briefe,  herzusetzen:  „Ist 
es  so  schwer,  einzusehn,  daß  Beruhigung  der  Gemüther  in  unserer  Zeit 
fast  um  jeden  Preis  gekauft  werden  muß?  —  Wie  tief  die  falschen  und 
verderblichen  Geistesrichtungen  in  Deutschland  hinabreichen,  erfährt 
niemand  deutlicher  als  der  Schulmann.  Schon  Untersecundaner  von  12 
bis  14  Jahren,  sind  angesteckt"  u.  s.  w.  So  spricht  er  aus  seiner  Er- 
fahrung zu  mir;  ohne  weitere  Absicht!  Anderwärts  hört  man  dagegen 
von  einer  Ehre,    die,    glaube   ich,   für   wichtiger   gelten   soll   als   selbst  die 

^)  3  S.    80. 

^)  Bekanntlich  gehörte  H.  zur  Deputation  der  Professoren,  die  sich  nach  Ent- 
lassung der  7  protestierenden  Professoren  zum  König  nach  Rothenkirchen  begab.  Vgl. 
diese  Ausg.  Bd.  XI,  S.  42. 


2q5  Dezember   1837. 


Erhaltung  unserer  Universität!  Meinerseits  wundere  ich  mich  am  meisten 
über  Politik  ohne  Menschenkenntniß!  Danken  wir  dem  Himmel,  daß  die 
größte  Lebensgefahr  glücklich  vorüberging,  während  scharfe  militärische 
Befehle  gegeben  waren.  Unverändert  der  Ihrige!     H. 

625.    Drobisch  an  H.')  Leipzig  28.  Decbr  37 

Hochverehrter  Freund  und  Gönner!  Meinen  herzlichen  Dank  für  Ihre  Mit- 
theilung, in  der  Sie  mir  die  Auszeichnung  erweisen,  die  Gründe  zu  entwickeln,  die 
Sie  in  einem  wichtigen  Moment  zum  Handeln  bestimmt  haben.  Ich  weiß  recht 
wohl,  daß  darin  noch  keine  Aufforderung  liegt,  meine  Meinung  abzugeben,  indeß 
wenn  ich  einmal  nicht  kurzweg  bekennen  kann,  daß  ich  in  allen  Puncten  mit  Ihnen 
übereinstimme,  so  bleibt  mir  auch  nichts  übrig  als  meine  Ansicht  offen  darzulegen. 
Mögen  sie  aber  zum  Voraus  wissen,  daß  ich  allen  von  hier  ausgegangenen  Demon- 
strationen völlig  fremd  geblieben  bin :  denn  auch  ich  dränge  mich  nicht  zu  den  politi- 
schen "Wirren,  so  lange  ich  es  nicht  für  Pflicht  halte  als  Staatsbürger  Theil  zu 
nehmen. 

Die  Form^  in  welcher  die  Vereidigung  auf  das  Grundgesetz  von  1833  beliebt 
worden  ist,  würde  mich  zunächst  nicht  irre  machen.  Nachdem  die  „Ausdehnung" 
publicirt  war,  würde  ich  jeden,  der  nicht  einen  "Widerspruch  erhebt,  auf  das  Gesetz 
für  eidlich  verpflichtet  halten.  Entbinden  von  diesem  Eide  konnte,  meines  Er- 
achtens,  auch  König  "Wilhelm  nur  dann,  wenn  er  auf  verfassungsmäßigem  "Wege, 
d.  h.  unter  Mitwirkung  der  Stände  eine  neuere  Verfassung  als  die  von  1833  ge- 
gründet hätte  oder  zu  der  von  1819  zurückgekehrt  wäre;  jedes  Entbinden  von  Seiten 
einer  anderen  factischen  Autorität  würde  mich  in  meinem  Gewissen  nicht  beruhigen,, 
weil  es  nur  einseitig  geschieht  also  nur  de  facto,  aber  nicht  in  vollem  Sinne  de  jui-e. 
Der  Huldigungseid  gebührt  dem  Fürsten,  aber  bei  der  Verfassung  concurrirt  das 
repräsentirte  Volk.  "Wenn  der  Hannoverschen  Verfassung  die  Treppe  fehlt,  so  ist 
das  zu  beklagen,  und  kann  von  den  Machjthabern  allerdings,  wie  schon  geschehen, 
daher  manche  Gelegenheit  genommen  werden  ||  durch  die  Beschuldigung  verletzter 
gesetzlicher  Formen  zu  chikaniren,  ja  vielleicht  sich  sogar  äußerlich  einen  Schein 
von  Recht  anzumaßen:  das  bessert  aber  die  moralisch  unwürdige  Sache  nicht,  die 
für  das  ganze  constitutionelle  Deutschland  eine  höchstwichtige  Principfrage  ge- 
worden ist.  Und  zuletzt  fragt  es  sich  doch  gar  sehr,  von  welcher  Seite  aus  die  gesetz- 
liche Ordnung  eigentlich  gestört  worden  ist?  Unmöglich  können  doch  wegen  einer 
Lücke  in  der  Form  die  sonst  zum  Sprechen  Berechtigten,  die  Corporationen,  die 
"Wahlcdlegien,  die  Justizcollegien  etc.  sich  ewiges  Stillschweigen  auferlegen.  Eine 
Störung  der  öffentlichen  Ordnung  führt  nothwendig  die  andere  herbei.  Nur  hätten 
solche  außerordentliche  Schritte,  meines  Erachtens,  gleich  nach  dem  ersten  Patent 
erfolgen  sollen.  Die  Verfassung  selbst  mag  immer  sehr  mangelhaft  seyn,  auch  bin 
ich  kein  Enthusiast  für  papieme  Constitutionen,  aber  jeder  solcher  neuer  Vertrag 
ist  doch  in  gar  mancher  Beziehung  ein  guter  Schutz,  und  wohin  soll  es  kommen, 
wenn  jeder  Regierungswechsel  zu  einem  neuen  Staatsgrundgesetz  führen  soll?  —  Auch 
dem  kann  ich  nicht  beitieten,  daß  die  Universität  verurtheilt  seyn  soll  zuletzt  zu 
sprechen.  Sie  ist  die  Spitze  der  Intelligenz  im  Volke,  kein  bloßes  Regierungsinstitut, 
sie  muß  dem  Volke  mit  -dem  Licht  der  Einsicht  und  mit  dem  freimüthigen  Be- 
kenntniß  ihrer  Überzeugung  vorangehen.  Dazu  beschickt  sie  den  Landtag,  ist  also 
eine    politische    Corporation,    warum    soll   sie    als    solche    sich   später   äußern    als 


1)  1  S.    4".     H.  "Wien.     Das   wenig   vom   Original   abweichende   Konzept  des 
Briefes  liegt  auf  der  Leipz.  Univers. -Bibl. 


Dezember   1837.  2Q7 


andre  Corporationen,  deren  Glieder  von  der  Intelligenz  der  Universität  ein  Bei- 
spiel zur  Nachahmung  erwarten?  Ereignisse  wie  die  in  Hannover  kann  man 
denn  doch  wol  nicht  bloß  unter  die  Rubrik  der  Tagesbegebeuheiten  stellen,  ||  die  man 
gleichgültig  an  sich  vorübergehen  lassen  kann  oder  soll.  Ich  bin  Staatsbürger  und  habe 
auch  als  solcher  Verpflichtungen.  Die  Ruhe  im  Lande  ist  ein  großes  Gut,  das 
jeder  erhalten  zu  suchen  Ursache  haben  mag;  dennoch  würde  ich  mich  des  Uti- 
lismus  beschuldigen  müssen,  wenn  ich  es  für  das  höchste  im  Staatsleben  zu  be- 
wahrende Gut  hielte.  Wird  diese  Ruhe  durch  irgend  einen  gerechten  Widerstand 
gegen  die  bestehende  Macht  gestört,  so  komme  die  Schuld  über  die,  welche  die  erste 
Veranlassung  zur  Störung  gegeben  haben. 

Was  nun  speziell  den  Schritt  der  Sieben  betrifft,  so  konnte  ich  es  nicht  billigen, 
daß  sie  sich  von  ihrer  Corporation  losrissen  und  als  Privaten  handelten,  was 
weder  loyal  noch  klug  schien.  Wenn  übrigens  Reverse  wie  die  des  Osnabrücker 
Raths  angenommen  werden,  die  der  Person  des  Königs  huldigen,  ohne  der  Ver- 
fassungsfrage etwas  zu  vergeben,  so  schiene  mir  dies  die  gemäßigtere  Form,  die 
loyalere  und  darum  auch  wirksamere.  Die  sieben  Professoren  mußten  sich  sagen, 
daß  sie  durch  ihren  Schritt  die  Sache  auf  die  Spitze  trieben:  denn  sie  hatten  gänz- 
lich vergessen,  der  Regierung  einen  nicht  zu  extremen  Mitteln  schreitenden  Aus- 
weg übrig  zu  lassen.  Ihr  Gewissen,  wenn  sie  dies  beschwert  fühlten,  konnten  sie 
durch  einen  weniger  auffälligen  Schritt  entlasten.  Daß  sie  der  wissenschaftlichen 
Anstalt  von  kosmopolitischer  Wichtigkeit,  der  sie  angehörten,  auf  viele  Jahre  hinaus 
eine  unheilbare  Wunde  schlugen,  mußten  sie  wissen.  In  sofern  haben  sie, 
indem  sie  als  Menschen  und  Staatsbürger  redlich  zu  handeln  beabsichtigten,  durch 
eine  unbedachtsam  gewählte  Form  eine  Pflicht  gegen  die  Wissenschaft,  mithin  gegen 
die  Menschheit  verletzt.  —  Sie  sehen  hieraus,  Verehrtester,  daß  ich  in  meiner  An- 
sicht von  keinen  persönlichen  Sympathien  geleitet  werde,  und  ich  kann  Ihnen  ver- 
sichern, II  daß  man  mich  hier  auch  in  der  That  mehr  zu  den  Tadlern  als  zu  den  Ver- 
theidigern  oder  gar  Lobrednern  der  Protestirenden  zählt  und  daher  als  einen  der 
antiliberalen  Partei  angehörigen  betrachtet. 

Ich  fürchte  nicht,  daß  diese  freimüthigen  Bekenntnisse  mir  in  Ihrer  Meinung 
schaden  werden.  Meine  Gesinnung  gegen  Sie  wird  mein  unterdessen  angelangter 
Brief  bezeugen,  der  unverdienter  Weise  ein  Nachtreter  dessen  von  Hartenstein  ist, 
dem  ich  meinen  Entschluß  Ihnen  zu  schreiben  mitgetheilt  habe,  ohne  daß  er  mir 
ei^wiedert  hätte,  daß  er  das  gleiche  beabsichtige.  Mögen  Sie  aus  dieser  kleinlichen 
Bemerkung  wenigstens  abnehmen,  wie  eifersüchtig  ich  auf  den  ferneren  Besitz 
Ihrer  Freundschaft  bin,  die  Sie  mir  denn  im  neuen  Jahre,  das  uns  den  vollen  Innern 
Frieden  wiedergeben  möge,  erhalten  wollen:         Ihr  treu  ergebener    Drobisch. 

N,  S.    Sobald  Hartenstein  von  seiner  Weihnachtsreise  zurück  ist,  werde  ich  ihm 
sogleich  Ihren  Brief  mittheilen. 


1838. 


W. :     Rez,    von  Vogels    Schulatlas    (S.    Bd.  XIII.      S.    319 — 321),    Hartensteins    Dar- 
stellungen   der    Herbartschen   Philosophie    (S.    Bd.    XIII.     S.    321 — 322),    Reiches   De 

Kanti  etc.  (S.  Bd.  XIII.     S.   322—326). 

626.!  Hartenstein  an  H.^)  Leipzig  17. -Jan.  1838 

Hier,  verehrter  Herr  Hofrath,  erhalten  Sie  meine  Schrift  über  die  neuesten 
Darstellungen  und  ßeurtheilungen  Ihres  Systems.  Sollten  Sie  die  Bücher,  in  welchen 
diese  Darstellungen  enthalten  sind,  nicht  gelesen  haben,  so  dürfte  ich  hoffen,  daß 
für  Sie  manches  den  Reiz  der  Neuheit  haben  wird,  wenn  es  Sie  auch  Wunder 
nehmen  sollte,  daß  man  heut  zu  Tage  noch  so  sinnlos  über  Ihre  Philosophie  sprechen 
könnte,  wie  Ihnen  Proben  davon  theilweis  unter  die  Augen  kommen  werden.  Um 
an  solchem  theils  unwissenden,  theils  aufgeblasenen  Geschwätz  ein  Exempel  zu 
statuiren,  habe  ich  H.  Pr.  Michelet  an  die  Spitze  gestellt,  und  wenn  Sie  den  Ton, 
in  welchem  ich  mit  diesem  soi  disant  Gelehrten  spreche,  stark  finden,  vielleicht  zu 
stark,  so  schien  mir  dies  unumgänglich  nothwendig,  ebensowohl  iwegen  des  Hoch- 
muthes,  der  sich  in  Begleitung  des  Hegelianismus  überall  einzustellen  pflegt,  als 
weil  es  in  unserer  Zeit  überhaupt  und  fast  allgemein  nothwendig  ist,  nicht  nur 
Recht,  sondern  auch  Muth  zu  haben.  Meine  Schrift  ist  für  das  Publicum  geschrieben, 
man  darf  nicht  zugeben,  daß  es  von  solchen  Berichten,  die  nunmehr  sogar  in  die 
geschichtliche  Darstellung  übergehen,  praeoccupirt  wird;  wie  stark  die  Noth wendig- 
keit ist,  das  nicht  zuzugeben,  mögen  Sie  selbst  aus  den  hier  vorgelegten  Proben  ab- 
nehmen. Auf  jeden  Fall  glaube  ich  hoffen  zu  dürfen,  daß  Sie  mir  Ihr  Urtheil 
nicht  vorenthalten  werden.  Möchte  ich  bei  dieser  Gelegenheit  zugleich  die  Freude 
haben.  Von  Ihnen  eine  Nachricht  Ihres  "Wohlbefindens  zu  erhalten.  Mit  der  aus- 
gezeichnetsten Verehrung  verharre  ich 

Ew.  Hochwohlgeboren  ergebenster     Hartenstein. 

627.    Bobrik  an  H.^)  Zürich,  den  31ten  Januar  1838 

Verehrtester  Herr  Hofrath!  Vor  einigen  Wochen  habe  ich  mir  die  Ehre  ge- 
geben, Hinen  ein  Exemplar  des  eben  erschienenen  Bandes  meines  „Systems  der 
Logik''  zu  übersenden.  Hoffentlich  ist  es  nun  in  Ihren  Händen  und  ich  bitte  dieses 
Zeichen  meiner  ununterbrochenen  Verehrung  und  Hochachtung  wohlwollend  auf- 
zunehmen. Ich  füge  meinen  innigen  Wunsch  hinzu,  daß  der  Verlauf  des  neu- 
begonnenen Jahres  alle  trüben  Wolken  zerstreuen  möge,  die  das  vorige  Jahr  an- 
gehäuft hat.     Wenn  es  Ihre  Zeit  erlaubt,  so  würde  ich  um  eine  baldige  Recension 

1)  1  S.    4».     H.  Wien. 

2)  IV,  S.    40.    H.  Wien. 


Februar  1838.  299 


meines  Versuches  bitten,  da  mich  drei  Umstände  dringend  zu  einem  solchen  Wunsche 
nöthigen.  Zuerst  ist  vor  einigen  Tagen  der  Herr  Ziegler,  einziger  Chef  meiner 
Verlagshandlung  (Ziegler  &  Söhne  hieselbst)  plötzlich  gestorben,  und  die  Erben  sind 
noch  unentschlossen,  ob  sie  die  Handlung  fortsetzen  werden.  Damit  ich  nun  zur 
baldigen  Fortsetzung  meines  Werkes  einen  neuen  Verleger  baldigst  erhalte,  bedarf 
es  irgend  einer  gewichtvollen  Recension. 

Sodann  geht  unsere  junge,  schon  so  manchen  Angriffen  ausgesetzte  Universität 
heuen  Angriffen  entgegen.  Von  jetzt  ab  soll  die  Repräsentation  des  hiesigen  Can- 
tons  rein  demokratisch  nach  der  bloßen  Kopfzahl  vor  sich  gehen.  Ehrgeizige  Dema- 
gogen suchen  nun  bereits  dadurch  Popularität  zu  erhaschen,  daß  sie  gegen  die  Uni- 
versität und  die  dabei  angestellten  Fremden  rücksichtslos  und  hämisch  declamiren, 
und  auf  dem  schwankenden  Boden  des  Volkswillens  ist  der  Einsturz  des  leicht- 
gebauten Gebäudes  keine  Unmöglichkeit  Jedes  wissenschaftliche  Werk,  das  von 
unserer  Seite  aus  geht  und  in  Deutschland  einige  Anerkennung  findet,  ||  ist  \de  eine 
erwünschte  Stütze  gegen  den  allgemeinen  Einsturz  anzusehn. 

Drittens  endlich  ist  mein  Wunsch  nach  Deutschland  zurückzukommen  leb- 
hafter als  jemals,  und  der  erste  Schritt  dazu  wäre  eine  baldige,  billigende  Be- 
urtheilung  meines  Versuchs. 

Über  denselben  näher  einzutreten,  wage  ich  für  jetzt  nicht,  und  bin  so  frei 
auf  die  Vorrede  zu  verweisen. 

Unsere  hiesige  Frequenz  beträgt  in  diesem  Semester  194.  Ich  selbst  lese 
Logik,  Geschichte  der  neuern  Philosophie,  und  sogar,  mit  fünf  gut  eingeübten  Mathe- 
matikern, Anwendung  der  Diff.  und  Integr.  Rechnung  auf  Psychologie. 

Brzoskas  erstes  Heft  habe  ich  gestern  erhalten,  und  hoffe  bald  mit  einer 
Polemik  gegen  die  Seelenvermögen  in  seiner  Centralbibliotliek  aufzutreten. 

Indem  ich  mich  Ihrer  werthen  Frau  Gemahlin  zu  empfehlen  bitte,  zeichne 
ich  mich  mit  aufrichtiger  Hochachtung  und  Ergebenheit  Bobrik. 

628.    Schubert  an  H.')  Kg.  12.  Fbr  1838. 

Hochverehrter  Herr  College  Erlauben  Sie  mit  dem  Director  und  nunmehrigen 
Praesidenten -)  auch  den  Inhalt  des  Briefes  zu  vertauschen.  Wie  oft  ich  in  den 
let?ten  Monaten  in  meinen  Gedanken  den  Brief  an  Sie  gerichtet  habe,  vermag  ich 
in  derThat  kaum  aufzuzählen.  Es  kam  etwas  dazwischen  und  der  Brief  unterblieb. 
Im  Sommer  dachte  ich  auf  das  Sicherste  daran,  in  Göttingen  Sie  selbst  zu  sehen, 
aber  auch  das  sollte  nicht  sein.  Unabweisbare  literarische  Geschäfte  für  mein 
größeres  Werk  über  die  Staatskunde,  dessen  vierten  Band  ich  gerne  beendigen 
wollte,  hielten  mich  von  einer  größeren  Reise  ab,  und  als  ich  zum  Deputirten  für 
die  Göttiugensche  Jubelfeier  auf  Staatskosten  per  majora  gewählt  worden,  waren 
Cholera  und  Familienverhältnisse  dringende  Abmahner  von  der  Reise.  Wann  ich 
nun  das  Glück  haben  werde  Sie  in  Göttingen  zu  begrüßen,  ich  weiß  es  nicht,  ver- 
■  mag  jetzt  keine  festen  Pläne  zu  Reisen  mehr  zu  entwerfen,  der  ich  sonst  ziemlich 
eine  Schirrmeisternatur  für  das  Reisen  zu  haben  schien.  Ich  will  daher  auch  nicht 
eher  eine  Reise  zu  melden  wagen,  bis  ich  auf  der  Schnellpost  sitze  und  den  Tag 
meiner  Ankunft  bestimmen  kann.  Von  Lobeck  (Mann  und  Frau)  haben  wir,  so 
kurz  sie  miteinander  auch  in  Cassel  zusammen  gewesen  sind,  mit  großer  Freude 
Nachrichten   über  ihr  beiderseitiges  Ergehen   vernommen.     Lobeck  ist  diesmal  von 

1)  3  S.    40.     H.  Wien. 

*)  Voraus  geht  eine  gedruckte  Mitteilung  vom  Direktor  der  Königl.  Deutschen 
Gesellschaft,  gez.  Schubert. 


lOO  Februar   1838. 


der  Reise  bedeutend  erfrischt  zurücligekehrt  und  hat  einen  gesunden  "Winter,  trotz 
der  beispiellos  anhaltenden  Kälte,  wie  wenig  er  es  auch  selbst  wahr  haben  will. 

Aber  werden  Sie  verehrter  Herr,  gegen  mich  auftreten  mit  eiuem  verwunden- 
den Blicke,  daß  ich  trotz  meiner  übermäßig  oceupirten  Zeit  frech  genug  wage  mich 
in  philosophische  Angelegenheiten  hineinzumischen  und  sogar  einen  Hauptmeister 
derselben  in  der  ersten  Gesamtausgabe  herauszugeben.  Es  ist  ||  allerdings  wunder- 
bar und  noch  um  so  mehr,  als  ich  die  Ausgabe  mit  einer  recht  eifrigen  Wärme 
besorge.  Sie  kennen  meine  große  Vorliebe  für  mein  Vaterland  und  für  Alles  was 
aus  demselben  großartig  und  ehrenwerth  hervorgegangen  ist.  Kant  hat  immer  zu 
meinen  Heroen  gehört,  wiewohl  ich  ihn  nur  ganz  in  der  anthropologisch  praktischen 
Richtung  und  in  seinem  bedeutsamen  Emfluß  auf  die  gesamte  geistige  Cultur  zu 
würdigen  wußte.  Ich  besaß  von  ihm  vielleicht  die  vollständigste  Sammlung  der 
Originalausgaben  seiner  kleineren  Schriften  und  hatte  viel  für  seine  Biographie  ge- 
sammelt, da  die  schauderhaften  von  Jachmann  und  Wasianski  mich  bisweilen 
empörend  aufregten  und  auch  Borowski's  Abriß,  wenn  gleich  nur  auf  die  frühere 
Zeit  sich  beschränkend,  mich  selten  befriedigte.  So  vorbereitet  kam  ich  zu  der 
Kenntniß  mancherlei  Original-Papiere  und  Schnitzel  von  Kants  eigner  Hand  be- 
schrieben, die  ich  im  vorigen  Jahre  für  die  Königliche  Bibliothek  aus  Nicolovius 
Nachlaß  ankaufte.  Ein  genaueres  Studium  derselben  vertiefte  mich  so  in  Kants 
Wirken  und  Werke,  daß  ich  nun  nicht  mehr  von  dem  Gedanken  loskommen  konnte, 
sein  Biograph  zu  werden  und  zur  Gesammtausgabe  seiner  Werke  eifrig  anzuregen. 
Der  Aufsatz  für  Brockhaus  Taschenbuch  über  Kants  Verhältniß  zu  den  politischen 
Studien  ist  eine  weitere  Ausführung  eines  Vortrags  in  der  deutschen  Gesellschaft 
im  vorigen  Frühjahre.  .  Rosenkranz  beschäftigte  sich  gleichfalls  mit  dem  Gedanken 
einer  Gesammtausgabe,  Voß  trat  mit  freiwilligem  Anerbieten  ||  hinzu,  aber  Rosenkranz 
stellte  als  eine  conditio  sine  qua  non  mein  Mitwirken  auf.  Ich  gab  nach  und  lege 
in  vierzehn  Tagen  Ihnen,  Hochverehrter  die  ersten  beiden  Bände  dieser  Ausgabe 
vor,  den  ersten  von  R.  und  den  9ten  voii  mir,  um  Sie  um  die  wohlwollende  An- 
nahme dieser  Ausgabe  zu  bitten  und  zugleich  über  sie  das  Urtheil  zu  sprechen. 

Mein  Conrad  hat  jetzt  bereits  meine  Größe  erreicht,  obgleich  erst  15  Jahre 
alt,  aber  er  ist  doppelt  so  schwer  als  ich.  Er  sitzt  gegenwärtig  mit  Theodor  Toussaint 
auf  Secunda  im  Domgymnasium  unter  Lucas.  Ob  er  zu  den  Studien  kommen  wird, 
ist  mir  noch  zweifelhaft,  die  Eähigkeiten  besitzt  er,  aber  nicht  die  Lust  dazu  und 
ein  gewöhnlicher  Studirender  ist  mir  ein  Gräuel,  zumal  bei  ihrer  jetzigen  Aussicht 
in  der  amtlichen  Can-iere. 

Meine  Frau  empfiehlt  sich  Ihrer  verehrten  Frau  Gemahlin  mit  mir  angelegent- 
lichst; wir  beide  geben  aber  nicht  die  Hoffnung  auf,  Sie  zui-  Revision  Ihres  Eigen- 
thums  und  Ihrer  Freunde  nochmals  herzlichst  in  unserer  Mitte  zu  begrüßen.  — 
Herrmann  ßobrik  Ihr  Schüler  hat  bei  uns  ehrenwerth  promovirt  und  ein  achtbares 
Werk  über  Herodots  Geopraphie  geschrieben.  Dr.  Taute  kann  dagegen  mit  seiner 
schon  vier  Jahre  als  fertig  angekündigten  Religionsphilosophie  nicht  zu  Ende  kommen. 
Dabei  versinkt  er  ganz  in  sich  und  verliert  die  Freude  an  der  Lehrthätigkeit. 

Mit  wahrster  und  innigster  Hochachtung  Ihr  treu  ergebenster    Schubert. 

629.     An    Drobisch.')-  Göttingen    16  März  38. 

Qui  tacet,  consentire  videtur.     Also  scheine  ich  mich   Ihrem  letzten, 

politischen  Briefe  gefügt  zu  haben.     Sie  sehen,  mein  theurer  Freund!  wie 

wenig  Besorgniß  ich  hege,    einmal  um   ein  paar  Zoll  näher  bey  Ihnen  zu 


')  3  S.    4"- 


Februar  1838.  30 1 


stehn,   als  unsre  Übereinstimmung  eigentlich  mit   sich  bringt;    sonst   hätte 
ich    eilen    müssen   zu    antworten.     In    der  That   wollte  ich  der  Zeit  etwas 
überlassen;    die   nun    freylich   noch  nicht  sehr  deutlich  spricht,    doch  aber 
die  erste  Lust  in  lauten  Äußerungen  des  individuellen  Meinens  etwas  ab- 
gekühlt, und  gezeigt  hat,  daß  eine  Gewissenssache,  die  nothwendig  Vielen 
auf    ähnliche    Weise    ans    Herz    greifen     mußte,    nicht    überall    ähnliche 
Wirkungen  hervorgebracht  hat.     Um  mich  kurz  zu  fassen,  —  da  ich  das 
Disputiren   im    Briefe    nicht    für    rathsam    halte    —    versetze   ich    mich   in 
Gedanken  nach  Königsberg,  und  zurück  in  den  Anfang  des  Jahres  1833. 
Was  sollte  ich,  der  ich  zwar  in  Göttingen  Philosophie  zu  lehren  wünschte, 
aber  schlechterdings   nicht   an    ein  Ephorat  dachte,  und  ein  solches  unter 
keinerley  Bedingung  würde  angenommen  haben,  damals  thun?    Etwa  dem 
hannoverschen  Curatorium,  welches  mich  hieher  berufen  hatte,  folgende  Rede 
halten:  „Der  Verfassung,   an    der   man   bey    Euch  jetzt   arbeitet,    und    die 
ich  jetzt  noch  nicht  kenne,  mistraue  ich  im  Voraus,   wie  allem  Verfassungs- 
Papier    ohne    Ausnahme,    indem    ich    durchaus    nicht    daran    glaube,    daß 
solche  Charten,  wenn  sie  auch  redlich  gemeint  sind,  lange,  und  durch  sich 
selbst,    Wahrheit   bleiben    können;    sie    vielmehr    als    Zankäpfel    betrachte, 
welche  dem  nothwendigen  Gleichgewicht    der   wirklichen  Kräfte   im  Staate 
öfter  hinderlich,    seltener    förderlich   seyn    werden.     Damit   Ihr    nun    nicht 
mir  einen  neuen  Diensteid  vorschreibt,  von  dem  es  nachher  heißen  würde : 
qui  tacet   consentire  videtur   —    so   sage   ich    Euch    voraus:    „Verfassungs- 
Wächter  will  ich  bei   Euch  nicht  werden."  — ?  Was  hätte   das  Curatorium 
wohl  erwiedert?  Vermuthlich  dies:   Bleibe  du  in  Gottes  Namen  in  Königs- 
berg,   denn    du   hast   den  Verstand    verloren.  ||  Wenn   aber   heut  zu  Tage 
Einer   eine  Vocation   nach    einem   constitutionellen  Staate  bekommt,    dann 
mag    er   überlegen,   was  er  zu  thun  hat.     Das  kleine  blaue  Büchlein   vom 
24  Febr.  d.  J.  liegt  neben  mir,  und  ich  habe  S  26  und  z']  wohl  gelesen. 
Doch  auf  mich  paßt  das  nicht;  ich  bin  nun  zu  alt  um  noch  eine  Vocation 
zu  bekommen;  und  noch  vor  fünf  Jahren  fiel  so  etwas  keinem  Menschen 
ein.     In  dem  Garne  meines  Eides   aber,    den   man   wider   meinen   Willen 
ausdehnt  und  auslegt,  lasse  ich  mich  nicht  fangen. 

Übrigens,  mein  theurer  Freund!  finde  ich  mich  durch  die  neuesten 
Begebenheiten  wirklich  etwas  verändert.  Ein  Gefühl  von  Geringschätzung 
der  Generation  nimmt  mehr  als  sonst  überhand,  dem  ich  nur  eine  kalte 
Überiegung  entgegensetzen  kann.  Denn  der  Abgrund  eines  politischen 
Treibens,  was  am  Menschen  nicht  viel  Gutes  übrig  zu  lassen  pflegt,  hat 
sich  an  der  Stelle  geöffnet,  wo  ich  für  meine  Wirksamkeit  einen  vesten 
Stützpunct,  für  mein  Alter  einen  Ruhepunct  zu  finden  hoffte.  So  be- 
stimmt ich  weiß,  daß  die  Wissenschaft  höher  steht  als  der  Staat:  so  ge- 
wöhne ich  mich  doch  an  den  Anblick  der  Universität,  welche  sinkt,  weil 
man  eine  an  sich  haltungslose  Verfassung  halten  wollte;  —  (in  einer 
Manier,  die  an  Ephorat  und  Interdict  des  alten  Fichteschen  Naturrechts 
(daselbst  S.  208  u.  s.  w.)  erinnert;  diese  Stelle  gelegentlich  nachzuschlagen, 
wird  Ihnen  vielleicht  Unterhaltung  in  einer  müßigen  Stunde  gewähren.) 

Bey  dieser  meiner  Stimmung  möge  es  Sie  nicht  wundem,  wenn  ich 
bey  Dingen,  die  mich  näher  angehn,  gleichgültiger  bleibe  als  billig.  So 
habe  ich  Hartensteins  Schrift   eher   aus   den  Händen   gelegt   als   ich  viel- 


■3Q2  März   1838. 


leicht  sollte.  Die  Tüchtigkeit,  die  sich  darin  aeigt,  habe  ich  mit  Ver- 
gnügen erkannt;  solche  Tüchtigkeit  ist  selten;  und  sie  leuchtet  ||  durch  den 
Contrast  rait  Röers  Fortbewegung  zur  Idee,  i)  und  mit  Bobricks  Logik  nur 
noch  mehr  hervor.  Aber,  wenn  das  Völkchen,  mit  welchem  sich  Harten- 
stein beschäfftigte,  soviel  Aufmerksamkeit  verdient:  werden  dann  nicht 
Röer  und  Bobrik  noch  größere  Ansprüche  haben?  Und  welche  Arbeit 
kann  Strümpell  noch  machen,  der  sich  ebenfalls  jetzt  rührt;  wenigstens 
hat  er  mir  einen  kurzen  Brief  geschrieben,  von  solcher  Art,  daß  ich  mich 
zu  keiner  Antwort  verpflichtet  fühlte.  Bey  allen  diesen  Dingen  komme 
ich  bald  auf  die  Frage:  was  gehts  mich  jetzt  noch  an?  —  und  so  warte 
ich  auf  mich  selbst,  ob  mir  vielleicht  der  Sommer  einige  Lebenswärme 
wieder  geben  will. 

Aber  auch  bey  allem  dem  bitte  ich  Sie  um  einen  baldigen  Brief. 
[Haben]  Sie  mir  nicht  viel  Angenehmes  zu  melden,  je  nun,  das  Trübe 
paßt  zu  mir  und  wird  mich  nicht  viel  mehr  betrüben;  haben  Sie  Heiteres, 
—  so  werde  ich  eher  für  Sie  und  mit  Ihnen  empfinden  als  für  mich 
allein.  Auf  allen  Fall  lassen  Sie  bald  von  Sich  hören,  wie  Sie  durch  den 
harten  Winter  gekommen,  und  ob  die  Ihrigen  sich  erhohlen? 

An  Hartenstein  meine  besten  Empfehlungen!  Die  jungen  Leute,  die 
von  dort  hier  studiren,  habe  ich  diesen  Winter  fast  gar  nicht  gesprochen, 
sie  kamen  nicht,  und  ich  war  zu  leidend  um  mir  ihren  Besuch  aus- 
zubitten.  Unverändert  der  Ihrige!      H. 

630.    Drobisch  an  H.=)  Leipzig  d.  22.  März  1838. 

Mit  Vergnügen,  mein  hochverehrter  Gönner  und  Freund,  adoptire  ich  vor 
allen  Dingen  die  von  Ihnen  ausgesprochenen  Maxime,  in  unserem  Briefwechsel  (über 
Politik  wenigstens  und  Zubehör)  nicht  zu  disputiren.  Die  PoHtik  soll  uns  nicht 
trennen;  sie  ist  nicht  meine  Leidenschaft,  obgleich  ich  die  Ueberzeugung  habe,  daß 
man  zu  mancher  Zeit  nicht  politisch  indifferent  seyn  darf.  Das  Verfassungspapier 
kann  auch  mich  nicht  in  Begeisterung  versetzen  oder  in  den  Harnisch  bringen,  aber 
für  Gewaltschritte  und  Verletzung  der  Gerechtigkeit  habe  ich  ein  sehr  erregbares 
Organ,  das  ich  auch  nicht  stumpf  werden  zu  lassen  gedenke.  Verfassungen  sind 
mir  geschlossene  Verträge,  die  nicht  einseitig,  ohne  Zustimmung  des  andern  Theils, 
aufgehoben  werden  düi'fen.  Auch  wenn  sie  Zweckwidriges  enthalten,  müssen  sie 
doch  so'  lange  aufrecht  erhalten  werden,  bis  durch  eriaubte  Mittel  eine  Verbesserung 
möglich  wird.  In  Gewissenssachen  aber  bin  ich  um  so  entfernter,  über  andre  hart  richten 
zu  wollen,  je  öfters  das,  was  dem  Einen  als  das  vollkommene  Handeln  erscheint, 
dem  andern  auf  der  niedrigem  Stufe  steht,  dem  Einen  das  Intensive,  dem  Andern 
das  Extensive  als  das  größere  vorkommt  u.  dgl.  m.  In  Beziehung  auf  die  von  Ihnen 
erwähnte  Stellung  zur  Generation  aber  möchte  ich  doch  bemerken:  die  Generation, 
in  der  wir  leben,  ist  uns  gegeben;  wir  dürfen  mit  ihrem  Geiste  unzufrieden  seyn, 
wir  können  es  beklagen,  uns  immer  in  der  fruchtlosen  Opposition  finden  zu  müssen, 
aber  wir  müssen  mit  der  Generation  leben  und  nöthigenfalls  resignirt  seyn,  wenn 
uns  nicht  Recht  genug  zu  Gebote  steht.  Insbesondere,  dünkt  mich,  müssen  wir  uns 
daran  schon  gewöhnen,  daß  die  jetzige  Generation  dem  öffentlichen,  dem  Staatsleben 


1)  Röers    Schrift  ■  „Das    speculative    Denken    in    seiner    Fortbewegung    zur   Idee" 
(Berlin   1837)  bekundet  Röers  Fortbewegung  zum  Hegelianismus. 

2)  6  S.    4«.     H.  Wien. 


März   1838.  303 

weit  mehr  Interesse  zuwendet  als  dies  bei   uns   in  Deutschland  früher  gewöhnlich 
war.     Dies  läßt  sich,  wie  ich  glaube,   auf  keine  Weise  ändern.     Wir  ||  wollen  zu- 
frieden seyn,  wenn  es  uns  gelingt,  was  wir  mit  größter  Energie  zu  erstreben  suchen 
müssen,  die  Jugend  abzuhalten,  sich  früher  als  sie  ihren  Geist  durch  Wissenschaft 
gereinigt  und  gebildet,  den  Parteikämpfen  des  politischen  Lebens  hinzugeben.     Die 
Theilnahme  des  Volkes  an  den  Angelegenheiten   des  Staats  können  und  dürfen  wir 
wohl  auch  nicht  hemmen  wollen;  denn  nicht  immer  wohnt  alle  Einsicht  bei  denen» 
welche  den  IStaat  leiten,  nicht  immer  haben  sie  Klugheit  genug,  die  Einsichtsvollen 
im  Volke  in  das  Interesse  des  Staats  zu  ziehen,  dem  Staatsorganismus  zu  assimiliren. 
Dann  kommen  mir  die  Stimmen  aus  dem  Volke  gegen  die  Regierung  wie  Stimulantia 
vor,  die  die   moralische  Schwäche   der  Regierung  wohl   heilen   können.     Die  reine 
Wissenschaft   verliert  freilich,   bei   lebhaften  politischen   Bewegungen  an  Ansehen, 
aber  nur  vorübergehend.     Man  wird  endlich  des  wirren  Treibens  müde  und  erfreut 
sich  von  Neuem  der  ewigen  Wahrheit  der  Wissenschaft,  des   ewigen  Werthes   der 
Kunst.     Sodann  dünkt  mich  die   Zeit  politischer  Stürme  für  die  Wissenschaft  oft 
auch  eine  heilsame  Reinigungsperiode.     Sie  (die  Wissenschaft)  muß  sich  bestreben 
praktische  Früchte  zu  tragen.    Fällt  dabei  auch  manche  schöne  Blüthe  ab,  so  trifft 
die  Verderbnis  doch  vor  allen  die  tauben  Blüthen.     Aber  das  ist  wahr:   es  ist  eine 
unbehagliche  Zeit,  die  Zeit,  wo  die  Blüthen  welken  und  die  Früchte  noch  nicht  zu 
sehen  sind.    Ihre  gedrückte  Stimmung  befremdet  mich  um  so  mehr,  als  kurz  zuvor 
Stoy  —  der,  svie  Ihnen  ohne  Zweifel  bekannt,  einige  Wochen  um  der  math.  Psych, 
willen  hier  verweilen  wird  —  Ihre  Munterkeit  rühmte,  mit  der  Sie  „ein  unvergleich- 
liches Collegium  über  Psychologie"  diesen  Winter  gehalten  haben.    Freilich  begreife 
ich  es  recht  wohl,   daß  das  Sinken  Ihrer  Universität  Sie  niederdrücken  muß.     Und 
diesem  Sinken  scheint,  da   alle  Gelehrte  sich  scheuen,  die   vacanten  Plätze  wieder 
einzunehmen,   und  da,  z.  B.  bei   der  Bibhothek,  das  Curatorium  die  Unterhaltungs- 
mittel vermindert,  nicht  Einhalt  gethan  werden  zu  können,  wenn  nicht  |!  Unerwartetes 
eintritt. 

Der  Winter  hat  meine  Gesundheit  wenig  zerstört;  wohl  aber  in  dieser  letztem  Zeit 
die  meiner  Kinder.  Wir  waren  nahe  daran,  unser  jüngstes  Kind  wieder  au  Krämpfen 
zu  veriieren.  Ich  sehe  schon,  so  lange  ich  lebe  werden  —  mit  Hamlet  zu  reden 
—  für  mich  nicht  „das  Herzweh  und  die  tausend  Stöße  enden,  die  dieses  Fleisches 
Erbtheil",  und  zuletzt  werden  sie  mich  auch  nicht  zu  hohen  Jahren  kommen  lassen. 
Doch  bin  ich  darüber  ruhig.  —  Meine  Frau  befindet  sich  in  der  Hauptsache  wohl. 

Von  Röers  Buch  habe  ich  noch  keine  nähere  Kenntniß  genommen,  ich  behalte 
sie  mir  für  den  Sommer  vor,  wo  ich  Metaphysik  zu  lesen  gedenke.  Bobrik  hat  mir 
sein  Buch  geschickt  und  mich  um  eine  Anzeige  ersucht,  die  ich  dann  für  das 
Repertorium  geliefert  habe.  Sie  wird  wol  im  Februar  oder  März  abgedruckt  seyn. 
Sie  werden  sie  schonend  finden  und  mit  Recht;  aber  ich  möchte  den  Ausbruch  einer 
Spaltung  in  Ihrer  Schule  so  weit  wie  möglich  hinausschieben,  oder,  da  er  eigentlich 
schon  eingetreten  ist,  so  geräuschlos  wie  möglich  machen.  Die  Bücher  dieser  Pseudo- 
•  jünger  werden  noch  zu  wenig  gelesen;  schlägt  man  Lärm,  so  geht  es  wie  mit  den 
verbotenen  Büchern:  sie  werden  gesucht  und  der  Jubel  von  der  andern  Seite  fängt 
erst  recht  an.  Wie  Strümpell  an  Sie  geschrieben  hat,  kann  ich  freilich  nicht  wissen ; 
aber  könnten  Sie  ihn  durch  ein  paar  Zeilen  beruhigen,  so  wäre  es  doch  besser  als 
wenn  ihn  Ihr  Schweigen  noch  trotziger  macht.  —  Der  Wirrwarr  in  Bobrik's  Schrift 
ist  allerdings  groß;  der  Gedanke  aber,  das  logische  Sollen  auf  eine  ähnliche  Weise 
zu  behandeln  wie  das  ethische,  hat  mich  interessirt  und  zu  eigenem  Nachdenken 
aufgeregt,  das  mir  nicht  ganz  fruchtlos  gewesen  zu  seyn  scheint.  Der  Gedanke: 
die  Logik  ist  die  Lehre  vom  Denken  wie  es  seyn  soll;  setzt  eine  Gewalt  des  Willens 


204  März   1838. 


über  das  Denken  voraus,  die  natürlich  nicht  Herrschaft  der  "Willkür  seyn  darf. 
Daher  wird  auch  hier,  ||  wie  mir  scheint,  der  das  Denken  beherrschende  Wille  durch 
willenlose  Urtheile,  zwar  nicht  des  Beifalls,  aber  der  Anerkennung  gewisser  Ver- 
hältnisse des  Denkens  bestimmt  werden  müssen.  Daß  das  erste  dieser  Verhältnisse 
die  Einstimmung  des  Denkens  mit  sich  selbst  seyn  wird,  liegt  nahe.  Ich  habe  die 
Sache  aber  weiter  verfolgt  und  komme,  (nicht  auf  dem  Wege  der  Nachahmung  der 
prakt.  Philos.  jedoch)  allerdings  auch  auf  5  ursprüngliche  und  5  abgeleitete  Ideen, 
von  denen  jene  der  logischen  Elementarlehre,  diese  der  Methodenlehre  angehören. 
Aber  weit  entfernt,  wie  B.,  darin  einen  Keim  einer  Totalreform  zu  finden,  bestätigt 
sich  nur  dadurch  nicht  nur  die  üblige  Art  des  Vortrags  der  Logik,  sondern  gewinne 
ich  auch  die  Ueberzeugung  von  ihrer  Vollständigkeit  im  Wesentlichen.  Die  Arbeiten 
zur  Psychologie  rücken  nur  langsam  vorwärts.  Dies  und  jenes  habe  ich  aus- 
gearbeitet. Ganz  unter  uns  gesagt,  hat  mich  unser  Wiener  Skeptiker  etwas  ver- 
drießlich gemacht,  der  allerdings  oft  zu  wenig  behülflich  sich  zeigt,  Schwierigkeiten 
durch  gemeinschaftliches  Nachdenken  zu  beseitigen,  und  dem  es  zuweilen  Vergnügen 
zu  machen  scheint,  Knoten  zu  schürzen,  um  sie  Andere  lösen  zu  lassen.  Aber 
sehen  Sie  das  ja  nicht  als  eine  Anklage  des  trefflichen  Mannes  an.  Stecken  bleibe 
ich  übrigens  in  der  Arbeit  nicht;  wenn  ich  nur  den  Fundamenten  die  größtmögliche 
Evidenz  geben  kann. 

Wenn  ich  wieder  an  Roer,  Strümpell  und  Bobrik  denke,  so  begreife  ich  ihr 
Treiben  wohl,  das  mehr  aus  Ungeduld  als  aus  übler  Gesinnung  verkehrt  wird.  Sie 
wollen  sich  hervorthun  durch  Neues,  sie  raffen  allerlei  Gelesenes  zusammen  und 
kneten  einen  Teig  daraus;  der  erste  beste  Gedanke,  der  ihnen  in  den  Sinn  kommt, 
dünkt  ihnen  eine  Entdeckung  zu  seyn,  u.  s.  w.  Freilich  wer  mit  Ihnen  philosophiren 
will,  kann  alt  werden,  ehe  ers  zu  etwas  Neuem  bringt,  das  der  Mühe  lohnt;  das 
merke  ich  täglich  mehr;  wen  der  Ehrgeiz  beherrscht,  der  kann  nicht  lange  Ihr 
Jünger  bleiben.  Doch  wir  wollen  billig  seyn.  Die  Welt  will  Leistungen  von  den 
jungen  Leuten  sehen,  Neues,  Unerhörtes  ||  :  mundus  vult  decipi  etc.  Sie  wird  be- 
dient, wie  sie's  verlangt.  Müßte  man  nicht  schreiben,  um  das  Publicum  beim  Lesen 
zu  erhalten,  so  wäre's  genug,  über  Philosophie  nur  Einmal  zu  schreiben  —  im 
fünfzigsten  Jahre,  wenn  das  Leben  die  Gedanken  zur  Reife  gebracht  hat.  Aber 
nicht  jeder  darf  auf  das  50ste  Jahr  rechnen,  und  die  Welt  hat  nicht  Lust  zu  warten. 
So  geht's  denn  wie  es  immer  gegangen  ist.  Es  wird  an  dem  neuen  System  herum- 
geflickt bis  es  sich  nicht  mehr  ähnhch  ist.  Und  diese  Ausartung  scheint  in  unsrer 
industriösen  Zeit  immer  schneller  von  statten  zu  gehen.  Und  so  darf  auch  Ihnen 
Ihr  Fichte  jun.  und   Weiße  nicht  fehlen. 

Doch  genug  für  diesmal.  Sie  möchten  mich  sonst  daran  erinnern,  daß  meine 
Briefe  länger  sind  als  meine  Bücher  und  auch  viel  rascher  als  diese  fertig  werden. 
In  der  That,  es  wäre  vielleicht  besser,  ich  könnte  mich  hineinfinden,  Bücher  zu 
schreiben,  wie  Briefe,  d.  h.  zwanglos  alles  durcheinander  zu  schwatzen;  aber  es 
sitzt  mir  so  ein  Euklidischer  Zopf  im  Nacken;  vielleicht  laß  ich  mir  ihn  abschneiden 
—  wenn  ich  mit  der  Psychologie  fertig  bin.  Es  wäre  aber  nicht  wohl  gethan,  den 
Euklides  zu  vergessen,  wenn  man  die  Mathematiker  ins  Interesse  zu  ziehen  wünscht. 

Ihr  Brief  machte  einen  wehmüthigen  Eindruck  und  doch  hab  ich  mich  bei 
der  Antwort  ziemlich  heiter  geschrieben.  Ich  hoffe,  die  Heiterkeit  wird  auch  Ihnen 
bald  zurückkehren.  Haben  Sie  doch  alle  Ursache,  mit  Sich  zufrieden  zu  seyn. 
Wäre  Kant  nicht  mit  den  Aufklärungs-  und  Freiheits-Ideen  des  I8ten  Jahrhunderts 
gesegelt,  er  hätte  seiner  Zeit  auch  nicht  so  imponirt.  Aber  wir  sind  leider  jetzt  in  der 
Opposition.  Auch  Fichte  und  Schelling  segelten  mit  vollem  AVinde  und  Hegel 
wenigstens  mit  halbem.     Was  ist  für  uns  zu  thunV    Wir  warten  gar  nicht  auf  den 


April   1838. 305 

Wind;   nun  so  müssen  wir  die  Kraft  in  uns  selbst  suchen,  wir  müssen  mit  Dampf 
fahren!  Gewiß  das  ist  ganz  au  demier  goüt. 

.  Um  noch  eine  wenigstens  angedeutete  Frage  zu  beantworten,  so  kann  ich 
sagen,  daß  die  traurigen  Verhältnisse  der  von  meinem  Schwager  hinterlassenen  || 
Familie  sich  allmälig  ordnen  und  hoffnungsvoller  gestalten.  Es  ist  gelungen,  den 
ältesten  Knaben  in  ein  gutes  Haus  als  Handlungslehrling  zu  Ostern  unterzubringen, 
die  Wittwe  erhält  einige  Pension,  auch  für  jedes  Kind  eine  Erziehungsbeisteuer. 
Ich  thue  gern  zur  Unterstützung  was  in  meinen  Kräften  steht,  und  kann  dies  in 
sofern  ohne  Entbehrung,  als  ich  sehr  wenig  Bedürfnisse  habe.  Wie  klein  auch 
diese  Angelegenheiten  seyn  mögen,  ich  hoffe,  die  Vorsehung  wird  auch  hier  für 
einen  freudigen  Ausgang  Sorge. tragen,  wenn  nur  ein  Jedes  seine  Schuldigkeit  thut. 
Grüßen  Sie  von  mir  und  meiner  Frau  Ihre  verehrte  Frau  Gemahhn;  er- 
holen Sie  sich  möglichst  in  den  jFerien,  um  mit  erneuter  Kraft  in  Ihrer  persön- 
lichen Wirksamkeit  fortfahren  zu  können;  erhalten  Sie  endlich  Ihr  ferneres  Wohl- 
wollen Ihrem  treu  ergebenen     Drobisch. 

631.    Jäsche  an  O.  von  Mirbach»)  Dorpat  den  6t.  April  1838. 

Mein  vielverehrter  alter  Freund.!  Wenn  Sie  selbst  auch  mein  Theuersterl 
gleich  am  Eingange  Ihres  Schreibens  von  neuen  Hindernißen  sprechen,  die  sich 
Ihrem  löblichen  Vorsatze,  eine  Reise  zu  uns  nach  Dorpat  zu  unternehmen,  auch 
im  Laufe  dieses  bevorstehenden  Sommers  in  den  Weg  stellen  möchten :  soU  ich 
doch  die  Hofnung  nicht  aufgeben,  daß  es  Ihnen  auf  die  eine  oder  die  andre  AVeise 
doch  wohl  noch  gelingen  werde,  die  befürchteten  Schwierigkeiten  zu  beseitigen. 
Darnach  aber  eile  ich.  Ihrem  Verlangen,  die  Angelegenheit  unsers  würdigen 
Freundes  betreffend,  nun  Genüge  zu  leisten,  zumal  da  ja  auch  ich  mit  Ihnen  den 
Wunsch  theile,  daß  dem  talent-  und  kenntnißvollen  jungen  Gelehrten  recht  bald 
ein  seinem  höhern  wissenschaftlichen  Streben  zusagender  Wirkungskreis  sich  dar- 
bieten möge.  Welche  Aussichten  nun  dazu  für  unser  Dorpat  selber  in  Kurzem 
sich  eröfnen  dürften,  darüber  will  ich  Ihnen  denn  mein  theurer  alter  Freund! 
offen  und  ausführlich  meine  Gedanken  mittheilen. 

Mein  hiesiges  philosophisches  Katheder,  welches  ich  seit  Eröfnung  unsrer 
Universität,  d.  h.  seit  dem  21ten  April  des  J.  1802  im  Besitze  habe  wird  mit  dem 
Ausgange  dieses  Jahres  vacant.  Es  wird  Ihnen  nämlich  wohl  nicht  unbekannt  seyn, 
daß  zu  folge  neuerer  Allerhöchster  Vorschriften  vom  J.  1833  akademische  Pro- 
fessoren, welche  25  Jahre  hindurch  ihrem  Lehramte  vorgestanden,  von  ihrem 
Dienste  entlaßen  werden  mußten.  Dieser  ||  Verordnung  (vom  Aug.  1833)  ging  in- 
dessen meine  Dimission  nebst  der  zweyer  anderer  meiner Collegen,  der  Proff.  Bartels  und 
Deutsch  bereits  voran,  da  wir  selbst  darum  nachgesucht  hatten.  Ich  insbesondere  hatte 
ja  damals  schon  31  volle  Jahre  und  noch  etliche  Monathe  darüber  mein  Lehramt  ver- 
waltet. Morgenstern's  Dimission  folgte  etwas  später  nach.  Jener  Verordnung  gemäß 
konnten  wir  aber  wieder  aufs  Neue  für  5  Jahre  gewählt  werden  aber  durch  Ballottement. 
Zwar  traf  das  Loos  der  Majoriät  der  Stimmen  mich  und  Bartels  von  Seiten  unsrer  Collegen. 
Morgenstern  und  Deutsch  dagegen  hatten  die  Mehrheit  gegen  sich  und  mußten  dem- 


1)  4  S.  4».  H.  Wien.  —  Obwohl  sich  der  Brief  in  Herbarts  Nachlaß  befindet, 
ist  er  zweifellos  nicht  an  H.  gerichtet.  Aus  dem  letzten  Abschnitt  schließe  ich, 
daß  der  Empfänger  der  Kreismarschall  0.  von  Mirbach  ist,  dessen  Römische  Briefe 
in  den  Jahrb.  f.  w.  Kr.  1837,  899  ff.  angezeigt  sind.  Vielleicht  hat  Jäsche  den  Brief 
an  H.  geschickt,  um  ihm  zu  zeigen,  wie  er  für  Strümpell  eingetreten  ist.  Strümpell 
kam  erst  1843  an  die  Universität  Dorpat.  Vgl.  W.  Kahls  Aufsatz  über  Strümpell 
i.  d.  Allg.  D.  Biogr.  Bd.  54,  S.  623  ff. 

Herbarts  Werke.    XVIII.  20 


306  April   1838. 


nach  ausscheiden.  —  Meine  5  jährige  neue  Dienstzeit  hat  mit  dem  6  ten  Januar  1839 
an  welchem  Tage  (1834)  meine  Wahl  vom  Minister  bestätigt  wurde,  ihre  Endschaft 
erreicht.     Es  ist  jedoch  möglich,  daß   ich  mich  aus  manchen  Gründen  entschheße, 
noch  vor  der  Zeit,   etwa  mit  dem  Ausgange  dieses  oder  dem  Anfange   des   nächst- 
künftigen Semesters  freywillig  um   meine  Entlassung  einzukommen.     Mit  dieser  in 
Kurzem   zu  erwartenden  Vacanz   des  hiesigen  philos.  Lehrstuhles  beantwortet  sich 
demnach  im  Allgemeinen  schon   Ihre  Anfrage:   ob   es   auch   an   der   Zeit  sey,   für 
unsern  Freund  etwas  zu  thun?  —  Um  nun  aber  in  Beziehung  auf  einen  günstigen, 
mit    mehr    oder   weniger  "Wahrscheinlichkeit   zu    hoffenden   Erfolg   die   Frage    be- 
stimmter 'beantworten    zu    können,    muß    ich   Sie    einen   nähern   Blick    auf   unser 
akademisches  Terrain  (rebus   pro  tempore   sie  et  sie  stantibus)   thun  lassen,   indem 
ich  Ihnen  meine  nicht  ungegründete  Vermuthung  mittheile,  daß  das  Wahlgeschäft 
für   die  Wiederbesetzung  der   philos.   Professur   einen  Wettstreit  von   Differenzen 
und  Divergenzen  von  Seiten  mehrerer  Partheyen  in   unserm  Conseil  herbeyführen 
wird.    Eine  gewisse  Parthey,  nicht  gering  zu  schätzen  der  Zahl  und  dem  Gewichte 
nach,  wird,  wie  ich  schon  voraussehe,  für  Prof.  Erdmann  in  Halle,  einen  Hegeischen 
Philosophen,   sich  entscheiden.     Ob   aber  imser  Minister,   dem  das  Recht  des   veto 
zusteht,  sein  Siegel  der  Bestätigung  aufdrücken  würde  ||  für  diesen  Candidateu,  auch 
durch  die  Mehrheit  der  Votirenden  gewählt,  ist  mir  doch  problematisch,  wenigstens 
äußerte   er  einmal  gegen  mich,   die  Hegeische  Philosophie   mit  ihren  Speculationen 
passe  nicht  für  die  Bedürfnisse  unsrer  vaterländischen  philos.  Bildung.    Den  Philo- 
sophen Herbart   aber,    den   er  noch  von  Göttingen  her  persönlich  kennen  gelernt, 
schätzt  er  als  einen  scharfsinnigen  und  gediegenen  Denker.  —  Ein  Anhänger  und 
Bekenner  der  Herbartschen   Philosophie   dürfte   sich   also   mehr  Begünstigung  von 
Seiten  unsers  Curators  versprechen.     Zuvor  aber  müßte  freilich   der  Herbartsche 
Philosoph  bey  uns  erst  auf  die  Wahl  gekommen  seyn.     Nach  unsern  Statuten  hat 
diejenige  Facultät,  zu  welcher  die  zu  besetzende  Professur  gehört,  das  Vorrecht  der 
Präsentation  zur  AVahl  des  Candidaten.    Außerdem  hat  aber  auch  noch  jeder  einzelne 
Professor   für    sich    als  Mitglied    des  Cönseils,    das  Recht,    einen   Candidaten    vor- 
zuschlagen; nur  muß  er  seine  Empfehlung  in  wissenschaftlichem  Betracht  besonders 
motiviren.     Bey  dem  bevorstehenden  Wahlacte   meiner   eigenen,   durch  meine  Di- 
mission  vacant  gewordenen  Profeßur,    werde    ich   selbst   nun   freilich  keine  Rolle 
mehr  zu  spielen  haben.    Denn  mit  dem  Tage  meiner  Entlaßung  habe  ich  aufgehört 
Mitglied  des  Cönseils  zu  seyn,  und  mithin  kann  ich  direct  nichts  mehr  dabey  thun. 
Aber  ich  zweifle  doch  nicht,  daß  ich  im  Stande  seyn  würde,  einen  oder  den  andern 
meiner  CoUegen  durch  meine  Empfehlung  für  Hn.  Dr.  Str[ümpell]  als  einen  tüchtigen 
und  würdigen  Candidaten  zu  intereßiren  und  dahin  zu  wirken,  daß  er  auf  diese  Weise 
auf  die  Wahl  gebracht  werde.     Doch  kann  ich  auch  nicht  verschweigen,  daß   noch 
ein  Anderer,  der  schon  seit  etlichen  Jahren  hier  an  Ort  und  Stelle  als  Privatdocent 
in  der  philos.  Facultät  lebt  und  von  Zeit  zu  Zeit  philos.  Vorlesungen  hält,  Namens 
Posselt,  hiesiger  Censur-Secretair,   sich  emsig  um  die  Erlangung  einer  Profeßur  be- 
mühen werde.     Indessen  zweifle  ich  doch,  daß  es  ihm  gelingen  möchte,  da  er  bis 
jetzt  noch  durch  keine  philosophische  Schrift  (eine  lat.  Dissert.  pro  venia  legendi  und 
ein  Paar  Recensionen  in  der  allg.  L.  Z.  ausgenommen)  sich  bekannt  gemacht;  auch 
Ireinen  besondern  Applaus  mit  seinen  Vorlesungen  gefunden,    und   überhaupt  bey 
meinen  CoUegen  nicht  das  Vertrauen   sich   zu    erwerben    vermpcht,   daß    er   dem 
Berufe  eines  öffenthchen   akademischen  Lehrers  der  Philosophie    gewachsen   seyn 
möchte,  obgleich  er  ein  sonst  recht  wackerer  und  geschickter  und  gebildeter  Litterat 
ist,  der  sich  um  die  Jugendbildung  verdient  zu  machen  weiß.  —  Demohngeachtet 
glaube  ich  doch,  daß  er  befreundet  mit  mehreren  meiner  Collegen,  von  einem  oder 


April  1838.  307 

dem  andern  unter  ihnen  zur  Wahl  vorgestellt  werden  wird.  —  Bey  so  bewandten 
Umständen  muß  ich  demnach  vor  allen  Dingen  dazu  rathen,  daß  Sie  mein  ver- 
ehrter Freund!  es  doch  möglich  zu  machen  suchen,  diesen  Sommer,  und  zwar  ent- 
weder kurz  vor  oder  bald  nach  \\  unsrer  Sommerferienzeit,  uns  in  Begleitung  des 
Hn.  Dr.  Str.  mit  Ihrem  Besuche  zu  erfreuen.  Es  kann  und  wird  gewiß  für  unsern 
jungen  philosophischen  Freund  nicht  wenig  vortheilhaft  seyn,  und  von  günstigem 
Einfluße  für  seine  auf  unsre  Universität  gerichteten  Wünsche  und  Hofnungen, 
wenn  seine  Persönlichkeit  unserm  Curator  und  dem  Personal  unsrer  Profeßoren, 
insbesondere  den  Mitgliedern  unsers  Conseils,  bekannt  wird.  Auch  möchte  ich 
unserm  Freunde  rathen,  was  er  von  seinen  philosoph.  Arbeiten,  gedruckt  oder  ge- 
schrieben, besitzt,  mitzubringen  als  Supplement  zu  den  Schriften,  die  er  selbst  mir 
bereits  zugeschickt  hatte.  Gut  wäre  es  wenn  er  die  beyden  in  der  Mit.  literar. 
Gesellschaft  vorgelesenen  Abhandlungen,  vornehmlich  die  letztere,  im  Druck  vor- 
legen könnte.  Aber  dazu  möchte  es  doch  an  Zeit  und  auch  an  Auslegemitteln  ge- 
brechen. Ich  zweifle  übrigens  auch  nicht,  daß  unsre  vereinigten  Empfehhmgen  auf 
unsern  Curator  selber  für  unsern  Candidaten  vortheilhaft  einwirken  werden.  Sie 
besitzen  sein  besondres  Yertrauen,  verdientermaßen;  und  auch  mir  schenkt  er  seine 
Gunst  und  sein  Zutrauen.  Darum  besprgen  Sie  auch  nicht,  daß  mich  die  Geschichte 
mit  dem  exilirten  v.  ßahden  so  weit  habe  verleiten  können,  es  mit  dem  Curator 
zu  verderben. 

Der  übrigens  talentvolle  und  exemplarisch  fleißige  unglückliche  junge  Mann, 
ausgezeichnet  durch  ein  höheres  lebendiges  wissenschaftliches  Streben,  an  dem  ich 
eine  besondere  Freude  fand,  hat  sich  leider  nicht  ohne  alle  eigne  Schuld  das  über 
ihn  verhängte  Mißgeschick  zugezogen ;  so  daß  ich  jetzt  nach  später  hin  eingezogenen 
Nachforschungen  namentlich  bey  unserm  Rector  selbst  desgl.  bey  unserm  braven 
und  rechtlichen,  alles  Vertrauens  werthen  Oberpedell  Schmid,  Ihre  gegen  mich  ge- 
äußerte Meinung  von  E.  Ansichten  zu  theilen  keinen  Anstand  nehme.  Er  hätte 
bescheidener  und  behutsamer  sich  benehmen,  und  mit  bedachtsamer  Rücksicht  auf 
seinen  Zustand  als  Blinder  und  Unbemittelter,  auch  jeden  Schein  von  Verdacht 
eines  trotzigen  und  illoyalen  Verhaltens  von  sich  fern  halten  sollen.  Er  ist  von 
hier  nach  Riga  zu  seinen  dortigen  Verwandten  gegangen.  Vielleicht  können  Sie  in 
anderer  Absicht  zu  seiner  ferneren  Subsistenz  und  wissenschaftl.  Fortbildung  durch 
milde  Beyträge  etwas  thun.  —  — 

Am  Schlüsse  Ihres  Schreibens  erwähnen  Sie  der  Rec,  Ihrer  Römischen  Briefe 
in  den  Berl.  Jahrb.  Noch  habe  ich  das  Stück,  worin  sie  steht,  nicht  gelesen;  ich 
freue  mich  im  Voraus  des  Beyfalls,  den  Sie  auch  dort  wie  recht  und  billig  erhalten. 
In  nicht  eigentlich  philosoph.  Fächern  giebt  es  daselbst  wohl  auch  liberale  im- 
befangene  Kritiker.  Aber  die  metaphysischen  Recensenteu  sind  schnöde  gegen 
Alles,  was  nicht  in  ihren  Hegeischen  speculativen  Kram  paßt.  Zu  der  Vollendung 
der  beyden  letzten  Theile  Ihres  trefflichen  Werkes  wünsche  ich  Ihnen  mein  alter 
würdigster  gelehrter  Schüler  Glück;  nun  können  Sie  auf  Ihren  Lorbeeren  ausruhen. 
Mit  meiner  schriftsteiler.  Thätigkeit  muß  ich  nun  auch  wohl  bald  Basta  machen. 
Phantasie  und  Gedächtniß,  diesen  getreuen  Secundanten  der  höhern  Intelligenz  ver- 
sagen je  länger  je  mehr  dem  bald  76  jährigen.  im  Dienste  der  Dame  Philosophie 
grau  gewordenen  Alten  ihre  Dienste.  Dennoch  habe  ich  in  voller  Ueberzeugung  in 
acht  philos.  moralisch  rehgiösen  Sinn  in  Beziehung  auf  die  Fortdauer  meiner 
persönlichen  Intelligenz  unter  mein  Porträt  die  Worte  niedergeschrieben: 

non  omnis  moriar!  —  Vale  faveq. 

Freundlichen  Gruß  an  Ihren  Freund  D.  Strümpel.  Jäsche. 

20* 


308 Juni   1838. ^ 

632.  K.  D.  Hüllmann  an  H/)  Bonn  9  April  38 
Ich  schreibe  Ihnen  diesen  Brief  zwar  nicht  in  eigner  Angelegenheit,  mein  ver- 
ehrter Freund,  er  giebt  mir  aber  eine  willkommene  Veranlaßung,  Sie  und  Ihre  theure 
Gattin  meiner  unveränderten  herzlichen  Ergebenheit  zu  versichern;  auch  darf  ich  in 
Folge  dessen  hoffen,  nach  acht  Jahren  wieder  etwas  von  Ihnen  beiden  zu  hören. 
Mit  lebhafter  Theilnahme  habe  ich  besonders  in  der  letzten  Zeit  an  Sie  gedacht;  in 
die  Erschütterungen  aber,  die  das  so  fqst  und  hochstehende  Göttingen  getroffen, 
will  ich  nicht  eingehen,  da  ich  begreife,  daß  ich  hier  auf  keine  Erwiederung  von 
Ihnen  hoffen  kann. 

Folgendes  ist  die  Veranlaßung  meiner  Zuschrift.  Ich  stehe  mit  dem  Schwieger- 
vater des  Professors  Bobrik  in  Zürich  in  amtsgenossenschaftlichem  und  freundschaft- 
lichem Verhältniß.  Beide  Eltern  wünschen  ihn  und  die  Tochter  wieder  in  ihrer 
Nähe.  Sie  sind  auf  den  Gedanken  gekommen,  daß  sich  unter  den  obwaltenden  Um- 
ständen eine  Aussicht  in  Göttingen  eröffnen  ließe;  und  da  sie  wissen,  daß  Sie  mir 
wohlwollen,  so  haben  sie  mich  ersucht,  bescheiden  bei  Ihnen  anzufragen,  ob  eine 
geeignete  Stelle  entweder  schon  erledigt  sei,  oder  es  werden  könne,  und  welche 
Schritte  dann  zu  thun  seien.  Ich  bitte  Sie  um  eine  offene,  einfache  Erklärung  hierüber. 

Noch  einige  Worte  über  unsern  Brandis.  Er  schreibt  oft,  und  die  meisten 
seiner  Briefe  werden  mir  mitgetheilt.  Die  treffliche  Frau  hat  auch  ein  Mal  an 
meine  Schwägerin  geschrieben,  und  ich  ein  Mal  an  ihn,  worauf  ich  noch  keine  Ant- 
wort habe.  Daß  er  zurück  kömmt,  und  sehr  gern,  dies  unterliegt  keinem  Zweifel. 
Die  alterthümlichen  Attischen  Rosen  haben  nicht  weniger  Dornen,  und  wenn  Aristo- 
phanes  wieder  aufstände,  würde  es  ihm  nicht  an  neuem  Stoffe  fehlen.  || 

Mit  Innigkeit  grüße  ich  nebst  meiner  Schwägerin  Ihre  verehrte  Gattin.  Mit 
treuer  Freundschaft  immerdar  der  Ihrige  Hüllmann. 

633.  Gregor  an  H.^)  Königsberg  d.  9ten  Juny  1838 

Hochverehrter  Herr  Hofrath,  Theurer  Freund !  Glauben  Sie  nicht,  weil  zur  ge- 
wöhnlichen Zeit  kein  Brief  von  mir  angekommen  ist,  daß  meine  Theilnahme  für  Sie 
irgendwie  an  Innigkeit  verloren  habe:  es  gab  um  die  Zeit  des  4  May  viele  Geschäfte, 
die  keinen  Aufschub  litten;  und  erst  nun  nach  den  Pf ingstf eiertagen,  erlaubt  mir 
das  ruhigere  Gleise,  mit  den  werthen  Freunden,  in  deren  Gesellschaft  mir  die 
Lebensreise  noch  vergönnt  ist,  ein  Wörtchen  zu  plaudern. 

Zunächst  eile  ich,  Ihnen  zu  v^ersichern,  daß  ich  Ihnen  wie  immer  so  auch  in 
dem  neu  angetretenen  Lebensjahre  das  allerbeste  Glück  von  Herzen  wünsche.  — 
Denn  in  Zeiten  wie  diese  könnte  es  sonst  leicht  den  Anschein  gewinnen,  als  hätte 
einer  von  den  vielen  lockenden  Irrwegen  auch  mich  weit  von  Ihrer  ruhigen  Bahn 
hinweggeführt;  welches  vielleicht  Ihnen  nicht,  wohl  aber  mir  sehr  schmerzHch 
wäre.  —  Der  4te  May  hatte  eine  heitere  Gesellschaft  bei  mir  zusammengeführt. 
Voigdt,  Sachs,  Sanio,  Sieffert,  Taute  und  ich,  wir  feierten  Ihren  Geburtstag  im 
freundschaftUchsten  Andenken  an  Sie  mit  allerhand  philosophischen  Gespiächen.  Das 
jeweilige  Anstreifen  an  die  Tagespolitik  brachte  die  besten  Wünsche  für  Sie  und 
Göttingen  immer  -wieder  von  Neuem  zum  Vorschein.  Möchten  sie  doch  bald  in  Er- 
füllung gehen! 

Für  Ihr  werthes  Schreiben  vom  löten  Januar  sage  ich  Ihnen  den  verbind- 
lichsten Dank.  An  der  Vestigkeit  Ihres  Charakters  hab'  ich  nie  gezweifelt.  Nur 
möchte  man  zuweilen,  durch  Umstände  ||  veranlaßt,  die  Art  und  Weise  wie  die  Conse- 
quenz  aufrecht  erhalten  wurde  näher  kennen;   und  das  war  gerade  mein  Fall.     Es 

•)  IV2  S.    4".     N.  {=  Nachlaß,  s.  Vorwort). 
2)  4  S.    4°.     N.  (-=  Nachlaß,  s.  Vorwort). 


Juni    1838.  309 

hut  mir  leid,  wenn  ich  im  Feuer  der  Theilnahme  Ihnen  einige  unangenehme  Augen- 
blicke verursacht  habe,  und  bitte  deshalb  um  Verzeihung. 

Mit  philos.  Vorlesungen,  welche  das  Denken  in  Anspruch  nehmen,  und  nicht 
bloß  unterhalten  wollen,  ist  hier  jetzt  wenig  oder  nichts  zu  machen  (wenig  durch 
Taute,  nichts  durch  mich).  Es  hat  sich  die  Meinung  geltend  gemacht:  Philosophie 
sei  eigentlich  nur  Wenigen  Bedürfniß ;  den  Glücklichen,  die  ihrer  nicht  bedürfen, 
sie  aufzudringen  sei  eben  so  lieblos  als  thöricht;  da  nun  aber  doch  einmal  Philo- 
sophie gelehrt  werden  müsse,  so  lasse  man  Logik  und  Metaphysik  fahren,  und  be- 
handle das  Übrige  so,  wie  es  das  meiste  Interesse  (=  Unterhaltung)  gewähre.  Man 
will  also  aus  einer  gewissen  Gutmüthigkeit  den  Frieden  nicht  stören,  den  ein  armer 
Gymnasiast  von  Sexta  bis  Prima  mühsam  errang.  Im  Gegentheil:  hier  kommt  ihm  die 
Hegeische  Philosophie  mit  einem  Kategorien-Polster  entgegen,  dort  die  Kirche,  oder 
vielmehr  die  Theologie,  mit  einer  guten  Portion  Opium,  dort  die  Industrie  mit  ihrer 
praktischen  Dialektik :  kurz  er  muß  in  Frieden  bleiben,  oder  doch  bald  hineinkommen. 
Und  doch  ist  nichts  Erfreuliches  dabei.  Rosenkranz  hat  für  seine  Encyklopädie  der 
Philosophie  ein  überfülltes  Auditorium.  Kein  Wunder,  da  es  viel  leichter  ist,  Hegels 
Kategorien  u.  s.  w.  zu  den  gewöhnlichen  ||  Vorstellungen  hinzuzunehmen ,  als  diese 
selbst  durch  ein  consequentes  Denken  zu  berichtigen;  vollends  wenn  die  Sachen  so 
angenehm  dargeboten  werden,  wie  von  Rosenkranz,  dessen  Darstellungsgabe  wohl 
einer  besseren  Sache  zu  wünschen  wäre.  Er  weiß  das,  was  die  Leute  schon  kennen, 
so  hübsch  zu  bewegen,  daß  ein  angenehmes  Streifen  der  Vorstellungsmassen,  ein 
nicht  verletzendes  launiges  Knistern,  und  ein  romantisches  Phautasiren  entsteht; 
wie  denn  davon  seine  Vorlesungen,  die  er  diesen  Winter  auf  Verlangen  des  Herrn 
Oberpräsidenten  v.  Schön  Ex.  in  dessen  Wohnung  vor  einem  großen  aus  Damen  und 
Herren  bestehenden  Publikum  über  die  romantische  Schule  hielt,  ein  lebendiges 
Zeugniß  ablegten.  Alles  lobt  seinen  schönen  Ausdruck,  seine  gemüthliche  Laune, 
sein  großes  Gedächtniß  und  seine  ungemeine  Belesenheit.  Fragt  man  aber  nach 
dem,  was  vorgetragen  wurde,  so  erfährt  man  höchstens  einige  Schlagwörter.  Trotz 
allem  Reden  wird  das  Denken  zu  wenig  cultivirt.  Doch  ein  ähnliches  Schicksal 
trifft  auch  diejenigen  welche  sich  die  Anregung  des  Denkens  zum  ernstlichsten  Ge- 
schäfte machen.  Rosenkranz  will  Ihr  System  besonders  durchstudiren,  und  ich  soll 
ihm  dabei  seine  etwannigen  Zweifel  oder  Mißverständnisse  heben,  was  ich  ihm  auch 
versprochen  habe.  Er  hält  nicht  hinterm  Berge,  ich  auch  nicht:  das  wird  also  wohl  j| 
einen  tüchtigen  Disput  setzen;  ob  was  dabei  heraus  kommt?  Das  kümmert  mich 
nicht;  wird  man  sich  doch  Manches  wieder  lebhafter  vergegenwärtigen  als  es  sonst 
wohl  zu  geschehen  pflegt. 

Mit  meiner  Privatanstalt  gehts  nach  den  Umständen  gut.  Ich  habe  43  sekr 
nette  G — 9jährige  Knaben  aus  den  gebildetsten  Familien  der  Stadt,  und  ich  ver- 
säimie  es  nicht,  so  viel  gesunde  Begriffe  über  Erziehung  und  Unterricht  zu  ver- 
breiten als  möglich.  Seit  Michaeli  v.  J.  lese  ich  mit  16  Knaben  die  Äneide,  daß  es 
eine  Lust  ist.  Ich  begann  damit,  daß  ich  6 — 8  Verse,  je  nachdem  sie  zu  einem 
kleinen  Ganzen  sich  fügten,  auf  die  Tafel  schrieb,  sie  laut  und  rhythmisch  vorlas, 
übersetzte,  erläuterte,  dann  im  Chor  nachlesen  und  von  Einzelnen  nachübersetzen 
ließ.  Den  Tag  darauf  wurden  die  Vocabeln,  welche  nicht  waren  behalten  worden, 
aufgeschrieben,  und  einige  Sätze  grammatikalisch  analysirt.  Dann  rückte  das  Lesen 
weiter  vor.  Zum  Neujahr  d.  J.  hatte  sich  die  Befremduug  der  Eltern  soweit  ge- 
legt, daß  sie  den  Kindern  auf  meinen  Vorschlag  die  Äneide  anschafften.  Die 
Leetüre  geht  langsam;  (ich  bin  bis  jetzt  bis  zum  520sten  Verse  des  ersten  Buchs 
gekommen),  aber  sie  wirkt  gut:  das  Interesse  in  allen  seinen  Gliedern  ist  rege,  ob- 
gleich natürlich  nicht  in  dem  Maaße  als  es  meist  im  Seminar  bei  der  Odyssee  der 


3IO  Juni    1838. 

Fall  war.  Ich  muß  leider  auf  die  Gymnasien  soviel  Rücksicht  nehmen,  in  welche 
meine  Zöglinge  später  eintreten  sollen,  sonst  würde  ich  ganz  anders  verfahren. 
Selbst  Lucas  suchte  mir  die  Äneide,  so  viel  an  ihm  ist,  todt  zu  schlagen;  er,  der 
auf  seiner  Tertia  den  Ovid  liest,  der  doch  ohne  Vergleich  pädagogisch  tiefer  steht 
als  Virgil,  wenn  dieser  auch  nicht  an  die  hohe  Kindlichkeit  Homei's  heranreicht. 

Empfehlen  Sie  mich  gütigst  Ihrer  lieben  Frau  Gemahlin  und  bleiben  Sie  wohl- 
gewogen Ihrem  Sie  hochschätzenden  Freunde     Gregor. 

P.S.  Struve  ist  am  5ten  ds.  mit  Tode  abgegangen.  Diekmann  hat  eine  päda- 
gogische Gesellschaft  aus  hiesigen  Lehrern  gestiftet,  und  in  Übereinstimmung  mit 
diesen  auch  mich  zum  Mitgliede  erwählt.  Sie  hat  den  Zweck,  wichtige  pädagogische 
Fragen  schriftlich  und  mündlich  zu  erörtern;  dazu  kommt  sie  freilich  nur  4mal  des 
Jahres  zusammen.  Ich  habe  erst  einer  Sitzung  beigewohnt,  die  noch  ziemlich  viel 
mehr  Zungen  als  Ohren  hatte,  und  im  [Heckenjfeuer  agirte. 

634.  Richthofen  an  H.')  Brecheishof  d.  13ten  Juni  38 

Mein  verehrter  Freund!  Sie  haben  mir  auf  mein  letztes  Schreiben  nebst  Zinsen 
per  [unleserlich]  nicht  geantwortet,  und  ich  weiß  daher  nicht  ob  Sie  die  Zahlung 
der  3000  Thlr.  Gold,  die  ich  Sie  term.  Joh.  anzunehmen  bat,  haar  oder  wie  ich  Ihnen 
vorschlug  in  Staatspapieren  wünschen.  Erlauben  Sie  daher  daß  ich  Sie  deshalb  um 
Antwort  bitte,  indem  das  Geld  bereit  liegt.  Nehmen  Sie  meinen  Vorschlag  Staats- 
schuldscheine anzunehmen  an,  so  treten  Sie  sofort  wieder  in  sicheren  Zinsgenuß. 
Allerdings  wechselt  der  Kurs  sowohl  der  Papiere  als  des  Goldes  etwas,  aber 
3000  Thlr.  werden  wenn  keine  Kurswechsel  bis  dahin  eintreten,  ungefähr  3400  Thlr. 
Silbergeld  betragen,  und  das  Agio  der  Staatspapiere  mit  c.  2'/,  Prct  durch  die  fälligen 
Zinsen  gedeckt  werden.  Sollten  Sie  nicht  unter  8  Tagen  antworten,  so  würde  ich 
voraussetzen,  Sie  wünschen  Staatsschuldscheine;  doch  ist  es  mir  ganz  gleichgültig. 
Nehmen  Sie  nur  nicht  übel,  lieber  Freund,  ||  daß  ich  Sie  unter  meinen  jetzigen  Ver- 
hältnissen bat,  das  Geld  zurückzunehmen.. 

Leider  habe  ich  soeben  meinen  lieben  Freund  Unterhokner  verlohi'en;  voriges 
Jahr  war  ich  eines  Tags  vergnügt  bei  ihm,  noch  an  demselben  Abend  befiel  ihn 
eine  Herzensentzündung;  davon  erhohlte  er  sich  nie  ganz,  ahnte  aber  selbst  keine 
Gefahr.  14  Tage  vor  seinem  Tode  sah  ich  ihn  zuletzt;  da  hegleitete  er  mich  noch 
auf  ein  nahe  gelegenes  Gut,  und  schien  vollkommen  kräftig;  wir  scherzten  über 
Invalidität.  Zwei  Stunden  vor  seinem  Tode  war  er  noch  wohl;  wahrscheinlich  riß 
ein  Blutgefäß  des  Herzens.  —  Mein  Verlust  ist  unersetzlich;  wir  waren  30  Jahre 
wahrhaft  vertraute  Freunde,  waren  gegenseitig  oft  bei  einander. 

Möge  Gott  Sie  erhalten,  mein  Freund,  und  Sie  durch  die  Unruhen  Ihres 
Landes  glücklich  hindurchschiffen,  und  wenn  auch  unsere  Ansichten  etwas  ver- 
schieden sein  sollten,  Sie  doch  mein  Freund  bleiben.  Mir  steht  die  Sache  ohnehin 
sehr  fern;  es  ist  nur  das  allgemeine  Interesse. 

Meine  Familie  ist  wohl;  auch  mein  Göttinger  Sohn  ist  seit  länger  zum  Besuch 
bei  mir,  da  ihn  das  Heimweh  ergriffen.  Mit  meiner  Gesundheit  geht  es  nicht  gut, 
aber  doch  leidlich j  die  Organe  erschlaffen  allmählig.  —  Grüßen  Sie  Ihre  liebe  Frau! 

Ihr  Freund    Eichthofen. 

635.  Reiche-)  an  H. '  Adelebsen,  den  13ten  Jun.  38 
Hochwohlgeborener  Herr,   Hochzuverehrender  Herr  Hofrath.     Ew.  Hochwohl- 
geboren   geehrte   Zuschrift,  die   freimdliche   Gewogenheit,   mit  der  Sie  meine   be- 

1)  2  S.    4«.     N.  (=  Nachlaß,  s.  Vorwort). 

*)  2  S.    4".     N.  —  L.  Ph.  Aug.  Eeiche,  später  Consistorialrath  in  Bückeburg. 


Juli  1838.  3ti 

scheidene  Gabe  aufgenommen  haben,  und  nun  die  nachsichtige  Güte,  mit  der  Sie 
diese  schüchtei-nen  Blätter')  selbst  womöglich  einem  größereu  Publikum  vorführen 
wollen,  II  muß  mich  auf  das  dringendste  zu  tiefem,  ergebensten  Danke  auffordern. 
Schon  längst  würde  ich  mii-  die  Freiheit  genommen  haben,  Ihnen  die  noch  übrigen 
Exemplare  meiner  Abhandlung  ganz  zu  Ihrer  Disposition  zu  überlassen,  und  hoffte 
schon  vor  einigen  Wochen  Ihren  gewogen tlichen  Rath  hierüber  vernehmen  zu  dürfen. 

Jedenfalls  werde  ich  denn  in  den  nächsten  Tagen,  wenn  nicht  plötzliche  Hinder- 
nisse eintreten,  schon  am  Sonnabend,  auch  in  dieser  Hinsicht  von  neuem  Ihre  Güte 
in  Anspruch  zu  nehmen  mir  erlauben. 

Mit  vollkommenster  Hochachtung  habe  ich  die  Ehre  mich 

Ew.  Hochwohlgeboren  ganz  gehorsamst  zu  empfehlen     L.  Reiche. 

^36.    W.  Herbart  an  H.-)  Heidelberg,  den  19ten  Juli  1838 

Mein  lieber  Herr  Vetter!  Ich  würde  schon  längst  dem  Wunsche  Ihrer  Frau, 
hin  und  wieder  was  von  mir  hören  zu  lassen,  entsprochen  haben,  wenn  nicht 
Manches  mich  abgehalten  hätte,  unter  anderm  auch  eine  gewisse  Ängstlichkeit,  mich 
mit  Ihnen  schriftlich  zu  unterhalten;  daß  ich  diese  letztere  jetzt  überwimden  habe, 
werden  Sie  unmittelbar  aus  diesen  wenigen  Zeilen  ersehen.  Zuvörderst  sage  ich 
Ihnen  und  Ihrer  Frau  noch  einmal  Dank  für  die  freundliche  Aufnahme,  welche  ich 
in  Ihrem  Hause  gefunden  habe,  wenn  ich  gleich  nicht  umhin  kann,  zu  bemerken, 
■daß  es  von  Anfang  an  mein  Wunsch  war,  mit  Ihnen  selbst  in  ein  etwas  näheres 
Yerhältniß  zu  treten,  als  geschehen  ist;  daß  dieser  mein  Wunsch  nicht  erfüllt  worden 
ist,  wird  ohne  Zweifel  meine  Schuld  sein;  indessen  der  Einfluß,  den  Sie  und  Ihre 
Umgebung  auf  mich  gehabt  haben,  ist  doch  nicht  ohne  Wirkung  auf  meine  verwahr- 
loste Erziehung  geblieben  und  ich  kann  nur  schmerzlich  bedauern,  daß  ich  nicht 
das  Glück  gehabt  habe,  meine  Schulbildung  unter  Ihrer  Aufsicht  zu  vollenden.  Doch 
wozu  über  Gegenstände  sprechen,  die  doch  nicht  mehr  zu  ändern  sind! 

Die  schöne  Lage  Heidelbergs  hat  mich  sehr  entzückt  und  es  gefällt  mir  hier 
recht  gut,  zumal,  da  ich  auch  glücklich  in  der  Wahl  meiner  Lehrer  gewesen  bin. 
Das  Staatsrecht,  welches  ich  bei  dem  Dr.  Zoepfl  höre,  hat  mich  wieder  in  nähere 
Terbindung  mit  Ihrem  Naturrecht  gebracht,  mithin  auch  mit  der  praktischen  Philo- 
.  Sophie;  außerdem  beschäftige  ich  mich  mit  Ihrer  Einleitung  und  ich  nehme  jetzt 
Veranlassung,  Sie  um  eine  Erklärung  über  eine  Stelle  aus  Ihrer  Logik  zu  bitten, 
die  mir  noch  immer  unklar  geblieben  ist.     Es  heißt  nemlich  S.  53  daselbst  unten: 

Sollten  sie  aber  Eins  und  dasselbe  sein,  so  daß  auf  die  Frage:  was  oder 
welcherlei  ist  dieß  Eine?  geantwortet  werden  müßte,  es  ist  ein  solches  und  auch  ein 
anderes,  folglich  nicht  solches  —  also  solches  ||  und  nicht  solches  einerlei,  nemlich 
die  eine  Bestimmung  des  Was  jenes  Einen  —  alsdann  ist  der  Widerspruch  vorhanden. 

Ich  glaube  diesen  Satz  zu  verstehen,  die  Undeutlichkeit  scheint  mir  mehr  in 
■den  Worten  zu  liegen;  da  nun  quilibet  optimus  verborum  suorum  interpres  ist,  so 
wage  ich  um  eine  Auslegung  dieser  Worte  zu  bitten.  Außerdem  aber  stoße  ich 
doch  noch  ziemlich  häufig  beim  Studiren  Ihrer  Schriften  an,  namentlich  in  der 
Psychologie,  von  der  ich  leider  nur  das  kurze  Compendium  besitze.  —  Mit  der 
Philosophie  sieht  es  übrigens  hier  sehr  kläglich  aus,  philosophische  CoUegien  werden 
nur  von  einem  früheren  Professor  der  Katholischen  Theologie  in  Freibui-g,  Freiherrn 
von  Reichlin-Meldegg,  der  in  Folge  einer  Heirath  zum  Protestantismus  übergegangen 


1^ 


,  De  Kantii  antinomiis  quae  dicuntur  theoreticis.    Gekrönte  Preisaufg.  d.  Gott. 
Univ..  s.  Bd.  XHI,  S.  322  ff. 
«)  3  S.    40.  —  N. 


212  Oktober   1838. 


ist,  gelesen.  Die  Coryphäen  der  Heidelberger  Universität  sind  noch  immer  der  alte 
Thibaut,  bei  dem  ich  hin  and  wieder  hospitire  und  Mittermaier.  der  mein  Lehrer 
im  Civilprozesse  ist  und  dessen  ausnehmende  Gelehrsamkeit  ich  jeden  Tag  zu  be- 
wundern Gelegenheit  habe.  Im  Staatsrecht,  welches  der  Dr.  Zoepfl  nach  dem  Com- 
pendium  von  Maurenbrecher  liest,  finde  ich  ziemlich  häufig  Ihrer  erwähnt,  außerdem 
aber  auch  der  Philosophie  des  Rechts  von  Hegel;  welche  Geltung  hat  dies  Buch 
eigentlich?  Der  Dr.  Zoepfl  ist,  wie  mir  scheint,  ein  sehr  vernünftiger  Liberaler,  der 
wenigstens  den  Vorzug  vor  dem  alten  Zachariä  (welcher,  beiläufig  gesagt,  trotz 
seiner  Million  Vermögen  wie  ein  Pariser  Chiffonnier  über  die  Straße  geht),  hat,  daß 
er  seine  Meinung  gerade  heraussagt  und  nicht  die  kitzlichen  Punkte  mit  Papier- 
streifen umwickelt,  wie  Hegel  mit  den  metaphysischen  Widersprüchen  thut  und  der 
alte  Zachariä  mit  den  Verhältnissen  zwischen  Regenten  und  Unterthanen,  um  sich 
im  Notbfalle  doch  immer  noch  eine  Hinterthüre  offen  zu  halten." 

Wie  sieht  es  denn  eigentlich  mit  der  Hannoverschen  Angelegenheit  aus?  Die 
Zeitungen  habe  ich  seit  Ostern  kaum  gesehen.  Das  Curatorium  soll  ja,  wie  man 
hier  sagt,  an  Albrechts  Stelle  den  Professor  Vollgraff  aus  Marburg  berufen  haben^ 
eine  Acquisation  zu  ||  der  man  wohl  kaum  Glück  wünschen  darf,  wenn  man  nur 
oberflächlich  sem  Werk  „über  die  Systeme  der  praktischen  Politik  im  Abendlande"- 
hat  kennen  lernen.  —  Die  Bücher,  welche  Sie  die  Güte  hatten,  mir  zu  leihen 
(Romang,  über  AVillensfreiheit,  Krugs  Logik  u.  s.  w.)  werden  Sie  hoffentlich  wieder- 
erhalten haben;  sollte  dieses  nicht  der  Fall  sein,  so  bitte  ich  Sie,  mich  davon  zu 
benachrichtigen. 

In  Ihrem  Hause  wird  es  jetzt  wohl  besser  aussehen,  wie  im  vorigen  Winter; 
ich  wünsche  es  wenigstens  von  ganzem  Herzen,  namentlich  Ihrer  lieben  Frau,  die 
gewiß  unendlich  durch  eine  solche   grobe  Verletzung  des  Vertrauens   gelitten   hat. 

W^ollen  Sie  die  Gefälligkeit  haben,  mir  auf  diese  Zeilen,  mit  denen  Sie  übrigens 
Nachsicht  haben  müssen,  zu  antworten,  seien  Sie  überzeugt,  mir  dadurch  eine  Preudo 
zu  machen. 

Meine  Bitte  um  herzliche  Grüße  versteht  sich  von  selbst. 

Leben  Sie  wohl  Der  Ihrige     W.  Herbart. 

637.    Drobisch  an  H.')  Leipzig,  d.  11.  Octbr.  1838- 

Hochverehrter  Gönner  und  Freund!  Der  Ueberbringer  dieses  Briefs  Herr 
Dr.  ph.  Großmann,  der  Sohn  des  hiesigen  Professors  der  Theologie  und  Domherrn 
gleiches  Namens,  wünscht  einige  begleitende  Zeilen.  Ich  ergreife  mit  Vergnügen 
diese  günstige  Gelegenheit,  nach  einer  langen  Pause  wieder  etwas  von  mir  hören 
zu  lassen.  Was  zunächst  H.  Gr.  betrifft,  so  hat  er  sich  so  viel  als  ihm  die  Theo- 
logie zuließ  mit  Philosophie  beschäftigt  und  wünscht  nun,  nachdem  er  das  Candidaten- 
examen  im  Rücken  hat,  noch  einen  Cursus  der  Philosophie  bei  dem  Meister  selbst 
zu  hören.  Ich  habe  ihm  die  Mathematik  ans  Herz  gelegt,  in  der  er  nach  sächsischer 
Weise,  nicht  so  firm  war,  wie  zu  wünschen.  Er  hat  hier  in  der  letzten  Zeit  des- 
halb ein  Privatissimum  genommen  und  wird  dies  in  Göttmgen  ebenfalls  thun. 
Schilling  ist  sein  vertrauter  Freund;  ich  hoffe,  Sie  werden  einen  eifrigen  und  auf- 
merksamen Zuhörer  an  ihm  haben.  —  Was  mir  Hartenstein  von  Ihrem  und  Ihrer 
verehrten  Frau  Gemalilin  Wohlseyu  gesagt  hat,  war  mir  sehr  erfreulich,  wie  ich 
denn  auch  sonst  überhaupt  an  diesem  Besuch  H's  bei  Ihnen  lebhaften  Antheil  ge- 
nommen habe.  Mit  Vergnügen  habe  ich  auch  von  den  weitergreifenden  mathe- 
matischpsychologischen  Arbeiten  gehört.     Werden   diese  wohl  gemeinschaftlich  mit 


1)  2  S.    4».     H.  Wien. 


Oktober  1838.  313 


den  Abhandlungen  erscheinen,  die  Sie  vor  einem  Jahr  mir  im  Mspt  vorzulegen  die 
Güte  hatten?  Ich  hoffe  nun  auch,  Psychologie  lesend,  wieder  auf  meine  geringen 
psychologischen  Arbeiten  zurückzukommen.  Diesen  Sommer  hat  mich,  parallel  den 
Vorlesungen,  Logik  und  Metaphysik  beschäftigt,  namentlich  die  Vergleichung  der 
Logik  mit  der  Ethik.  Ich  habe  darüber  bis  jetzt  etwas  über  6  Bogen  Mspt  nieder- 
geschrieben, ohne  der  Abhandlung  zunächst  eine  öffentliche  Bestimmung  gegeben 
zu  haben.  Sie  werden  mir  zutrauen,  daß  ich  nicht  solchen  "\\^rrwarr  |1  in  die  Logik 
bringen  werde  wie  Bobrik,  dessen  Buch,  wie  ich  höre,  viel  Kopfschütteln  erregt, 
da  er  sich  noch  immer  wenigstens  als  Ihren  Schüler  bekennt.  Es  wäre  also  wol 
gut,  einmal  die  Scheidewand  zu  ziehen.  Denn  solche  wissenschaftliche  Freunde 
helfen  uns  nichts.  Ich  würde  aber  ganz  in  meinem  eignen  Namen  sprechen  müssen, 
denn  es  fragte  sich  doch  zuletzt  noch,  ob  Sie  mit  meinen  „logischen  Ideen"  ein- 
verstanden seyn  würden.  Dies  Zeugnis  kann  ich  mir  geben,  daß  ich  nicht  nach 
bloßen  Analogien  gehascht,  sondern  die  Logik  als  Logik  festzuhalten  gesucht  habe. 

Nun  entstände  zunächst  nur  ein  interessantes  architektonisches  Yerhältniß, 
nämlich  dies,  daß  die  Logik,  weil  Denken  ein  vom  Willen  regiertes  Vorstellen  ist, 
neben  die  Ethik  zu  stehen  kommt,  und  gar  Manches  mit  ihr  gemein  hat.  Sodann 
führt  mich  diese  Behandlung  dahin,  in  der  logischen  Methodenlehre  mancherlei  zer- 
streuten Stoff  unter  den  Titeln  der  Dialektik  und  Methodik  zu  verarbeiten  und  die 
Lehre  von  Grund  und  Folge  und  ihre  Entwicklung  nach  der  Methode  der  Be- 
ziehungen mit  aufzunehmen.  Doch  es  kommt  nicht  viel  dabei  heraus,  so  außer  dem 
Zusammenhange  von  solchen  Sachen  zu  reden.  Vielleicht  bitte  ich  einmal  um  Er- 
laubniß,  Ihnen  das  Mspt  zu  einer  ganzen  Abhandlung  zu  überschicken. 

Es  wird  mich  herzlich  freuen,  bald  einige  Zeilen  Ihrer  Hand  zu  erhalten. 
Meine  Frau  empfiehlt  sich  mit  mir  zugleich  Ihnen  und  Ihrer  verehrten  Frau  Ge- 
mahlin.    Wir  sind  nebst  unsern  Kindern  für  jetzt  gesund. 

Mit  der  aufrichtigsten  Versicherung  unveränderter  Verehrung  und  Anhäng- 
lichkeit der  Ihrige     Drobisch. 

638.     An   Drobisch.  1)  Göttingen  31   October  1838 

Mein  theurer  Freund!  Ein  Briefwechsel  stockt  leicht,  wenn  man  von 
beyden  Seiten  vermeidet,  sich  in  unnützen  Klagen  zu  ergießen,  und  eine 
Theilnahme  zu  veranlassen,  die  nun  einmal  nicht  thätig  seyn  kann.  Doch 
vielleicht  sind  wir  darin  zu  weit  gegangen.  Daß  Ihre  häusliche  Freuden 
wieder  vielfach  durch  Kränklichkeit  getrübt  werden,  habe  ich  inzwischen 
von  Andern  vernommen.  Mit  stillem  Bedauern  habe  ich  mich  gehütet, 
zudringlich  zu  erscheinen;  wie  es  meine  Briefe  an  Sie  fast  unwillkührlich 
sind,  weil  es  meinerseits  immer  etwas  zu  wünschen  giebt.  Jetzt  aber 
muß  ich  Sie  ausdrücklich  bitten,  das  Nachstehende  nicht  als  eine  Zu- 
dringlichkeit anzusehn.  Es  kommt  mir  nur  darauf  an,  benachrichtigt 
zu  werden. 

Sie  hatten  den  Plan,  eine  Einleitung  in  die  Psychologie  zu  schreiben. 
Ihr  Gespräch  mit  Gauß  schien  Sie  insbesondere  zur  Beleuchtung  der 
Fundamental -Begriflfe  aufzufodern;  und  bey  den  hiesigen  Umständen,  die 
sich  immer  kläglicher  offenbaren,  muß  ich  so  gut  als  Verzicht  darauf 
leisten,  mündlich  noch  irgend  etwas  zu  thun  um  vorzubeugen,  daß  nicht 
nach  einem  Jahre  mathematische  Psychologie  völlig  verschollen  sey.    Unter- 

')  4  S.  4"- 


314  Oktober  1838. 


dessen  geht  mir  doch  Einiges  im  Kopfe  herum,  oder  kommt  aus  meinen  || 
alten  Papieren  wieder  zum  Vorschein, 

und  da  kommt,  eben  indem  ich  an  Sie  schreibe,  Herr  Dr.  Großmann 
mit  Ihrem  werthen  Briefe,  —  dieser  Brief  sagt  mir,  daß  Sie  und  die 
Ihrigen  für  jetzt  gesund  sind.  Möge  es  denn  so  bleiben!  Ferner  sagt 
mir  Ihr  Brief,  daß  Sie  mit  ,, logischen  Ideen''  beschäftigt  sind.  Darüber 
kann  ich  gleich  aus  dem  Stegreife  soviel  sagen,  daß,  wenn  ein  Andrer  so 
spräche,  ich  mich  zu  einem  Fragezeichen  versucht  fände;  bei  Ihnen  aber 
hat,  wie  ich  vest  und  zuversichtlich  glaube,  die  Logik  nichts  zu  fürchten, 
sondern  nur  zu  hoffen.  Überdies  wollen  Sie  zu  Ihren  psychologischen 
Arbeiten  zurückkehren,  —  Schön!  aber  muß  ich  wohl  vermuthen,  daß  Sie 
über  die  Form  dieser  Arbeiten  noch  nichts  beschlossen  haben?  sondern 
noch  mit  bey  Seite  gelegten  Entwürfen  beschäfftigt  waren? 

Meinen  frühern  Faden  wieder  anknüpfend  muß  ich  anzeigen,  wovon 
ich  wünschte  benachrichtigt  zu  werden.  Davon  nämlich,  ob  ich  darauf  zählen 
dürfe,  daß  Sie  für  ein  solches  Publicum,  welches  von  mathematischer 
Psychologie  noch  keinen  rechten  Begriff  hat,  aber  für  Belehrmig  empfänglich 
und  derselben  werth  ist,  —  die  Feder  führen  wollen?  Geschieht  das 
nicht:  so  müßte  ich  wohl  noch  einmal  ab  ovo  anfangen,  allein  dann 
komme  ich  vielleicht  gar  nicht  mehr  dazu,  ||  noch  etwas  drucken  zu  lassen, 
(wo  nicht  gar  unsre  berühmten  Sieben  mir  noch  einmal  die  Feder  in  die 
Hand  zwingen  —  welches  Gott  verhüte!)  sondern  betrachte  mich  lieber 
als  einen  literarischen  emeritus,  der  mit  der  Welt  gebrochen  hat,  und 
bloß  noch  sich  selber  lebt.  Dafür  habe  ich  jedoch  noch  zuviel  Vorrath. 
Wäre  ich  aufgelegt  zum  rechnen,  (was  gerade  mir  meine  Gesundheits- 
Umstände  kaum  erlauben)  so  brächte  ich  es  leicht  noch  bis  zu  einer 
Reihe  von  Untersuchungen  parallel  derten,  die  in  meinem  Buche  gedruckt 
sind;  ich  meine,  im  ersten  Band  der  Psychologie.  Aber  neue  Künste 
der  Darstellung  anzuwenden,  um  den  Unkundigen  begreiflich  zu  machen, 
was  so  Viele  nicht  begreifen  wollten  um  ihre  Vorurtheile  nicht  aufgeben 
zu  müssen:  dazu  hat  mein  Alter  keine  Geduld  und  kein  Geschick.  Sie 
hingegen  könnten  Sich,  mit  dem  größten  Talent  der  Darstellung,  auch 
den  vollen  Beruf  zuschreiben,  in  lichtvoller  Kürze  das  Treffendste  und 
Nöthigste  zu  sagen;  —  und  dann  bekäme  ich  Muth,  die  neuere  Fort- 
setzung meiner  frühern  Arbeiten  niederzuschreiben,  soweit  es  noch  gehn  will. 

In  lebhaftere  Bewegung  kam  ich  vor  ein  paar  Monaten,  blätternd  in 
Lacroix's  traite  elementaire  du  calc.  diff.  et  int.  i)  als  ich  dort  im  §  286 
die  Methode  fand,  mehrere  Differentialgleichungen  für  mehrere  Ver- 
änderliche zu  behandeln.  Diese  war  mir  gänzlich  unbekannt  gewesen; 
ich  versuchte  sie,  und  fand  sie  ebenso  bequem,  als  glücklich  ausgesonnen. 
Es  war  ein  Fund,  gerade  wie  ich  ihn  nöthig  hatte.  —  Aber  was  mache 
ich?  Vielleicht  finden  Sie  Sich  ||  nun  zu  Erwartungen  berechtigt,  die  ich 
keineswegs  befriedigen  kann.  Bis  jetzt  habe  ich  nichts  als  einige  noth- 
wendige  Vorarbeiten;  von  eigentlichen  Aufschlüssen  über  bekannte  Fragen 
darf  ich   nichts  rühmen.     Indessen  Sie  wissen  ja,    wie   langsam  man  vor- 

^)  S.  F.  Lacroix  (1765 — 1843),  Trait6  du  calcul  differentiel  et  du  calcul  integral. 
Paris   1797. 


November  1838.  3  15 


rückt,  und  wie  man  auch  die  unscheinbarsten  Resultate,  als  vielleicht 
einmal  brauchbar,  sammeln  muß. 

Hat  Bobriks  Buch  irgendwo  Aufmerksamkeit  erregt?  Einige  Nachricht 
wäre  mir  erwünscht;  ich  selbst  lese  nichts  von  Zeitschriften  o.  d.  gl.  — 
Auch  mag  ich  nicht  wider  ihn  sprechen.  Vor  mir  muß  Jeder  seine 
Freyheit  behalten,  abzuweichen,  so  lange  er  nicht  betrübende  Verwirrungen 
durchzusetzen  vermag;  und  wenn  Sie  jetzt  mehr  als  früher  eine  starke 
Zurückweisung  nöthig  finden,  so  werden  Sie  doch  wohl  bemerklich  machen, 
daß  die  Neigung  zum  Synkretismus  nichts  Neues  ist,  auch  bey  Bobrik 
nicht  ohne  Gelehrsamkeit  zum  Vorschein  kommt.  Seine  Gewandheit  hat  ihn 
verleitet;  diese  ist  sein  Talent;   für  die  Wissenschaft  nicht  das  glücklichste. 

4  Nov.  Dieser  Brief  ist  ein  paar  Tage  liegen  geblieben.  Unterdeß 
sind  mir  Ihre  logischen  Ideen  wieder  eingefallen.  Möglich,  daß  Sie  damit 
gerade  das  trefien,  worauf  es  heutiges  Tages  am  meisten  ankommt,  das, 
was   man   bey   der  Speculation    beabsichtigen  soll.     Da   wäre   denn   Anlaß 

—  oder  vielmehr  höchst  nöthig,  auf  Schleiermachers  Dialektik,  die  wie 
ich  höre  eben  heraus  gekommen  ist,  desgleichen  auf  deren  Wurzeln,  die 
ältesten  Schellingschen  Schriften  (über  die  Möglichkeit  einer  Form  der 
Philos.  und  über  das  Ich),  ja  auch  auf  Fichte  —  über  den  Begriff  der 
Wissenschaftslehre  —  und  auf  den  Anfang  und  den  Plan  der  Hegeischen 
Encyklopädie,  Rücksicht  zu  nehmen.  Sorgen  Sie  nur,  daß  Sie  vollen 
Athem  haben,  und  lassen  Sie  nicht  wieder  ab!  Das  Aufschieben  taugt 
nichts.     Ich    wünsche   das  Werk   baldigst   gedruckt   in  Händen    zu  haben; 

—  nicht  aber  das  Manuscript.  Soll  ich  noch  zu  Etwas  kommen,  dann 
darf  nichts  Fremdartiges  mir  dazwischen  kommen. 

Unverändert  der  Ihrige!     H, 

Für  meine  psychologischen  Vorlesungen  ist  doch  noch  ein  kleines 
auditorium  zusammen  gekommen.  Es  wird  nun  auf  meinen  Gesundheits- 
zustand ankommen.     Viele  Empfehlungen  an   Hartenstein. 

639.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig,  d.  19.  Novbr.  38. 

Hochverehrter  Gönner  und  Freund!  Wenn  ich  Ihren  mir  höchst  erfreulichen 
Brief  heute  erst  beantworte,  so  glauben  Sie  ja  nicht,  daß  auch  ich  Ihre  Wünsche 
für-  Zudringlichkeiten  halte.  Das  was  Sie  so  nennen,  ist  für  mich  immer  eine  höchst 
erwünschte  Anregung,  und  einer  solchen  bedurfte  es  allerdings  für  die  Psychologie, 
denn  seit  Mai,  wo  mich,  die  Göttinger  HeiTen  verließen,  habe  ich  nichts  wieder 
daran  gethan.  Ich  muß  Ihnen  gestehen:  ich  schied  von  ihr  höchst  ermüdet 
durch  eine  Menge  mißlungener  Versuche,  Licht  in  Grundbegriffe  und  Materien 
andrer  Art  zu  bringen,  die  mir  nicht  genügten,  und  über  die  ich  bei  Andern 
keine  Ueberzeugung  hervorbringen  konnte.  Gleich  wohl  fiel  es  mir  nicht  etwa 
ein,  die  Sache  aufgeben  zu  wollen,  nur  wartete  ich  auf  bessere  Zeit  und 
starkem  Muth.  Mit  dem  Einzelnen,  das  großentheils  unter  uns  schon  Gegen- 
stand von  Erörterungen  gewesen  ist,  will  ich  Sie  nicht  behelligen:  nur  so  viel 
wiU  ich  sagen:  Die  Gaußschen  Einwürfe  waren  es  nicht,  und  der  Grund  meiner 
Unzufriedenheit  ward  durch  die  Parallele  mit  der  physischen  Statik  und  Mechanik 
gelegt,  da  ich  die  psychische  nicht  so  nahe  zu  bringen  vermochte,  als  ich  hoffte 
und  wünschte.    Ich  habe  nun  jetzt  wieder  meine  Arbeiten  durchmustert.    Sie  bilden 


»)  4  S.   4°.    H.  Wien. 


2i6  November  1838. 


fünf  oder  sechs  Abhandlungen.  1)  Ueber  die  Aufgaben,  Hülfsquellen  und  Methoden 
der  Psychologie.  2)  Abriß  der  empirischen  Psychologie  (wie  sie  dem  vorurtheils- 
freien  Beobachter  erscheinen  ||  mochte  und  sie  auf  eine  mathematische  Dynamik  des 
Geistes  führen  muß.)  3)  Entwickelung  der  Grundbegriffe  der  mathem.  Psych,  nach, 
den  Andeutungen  der  Erfahrung.  4)  Hauptlehren  der  psych.  Statik  und  Mechanik. 
Dabei  vielleicht  eine  Vergleichung  mit  der  physischen  Stat.  u.  Mech.  und  überhaupt 
einigen  Capiteln  der  mathem.  Physik.  5)  Zur  Geschichte  u.  Kritik  der  Seelen- 
vermögen bei  Aristoteles,  Wolf,  Kant,  Fries  pp.  An  allen  diesen  Abhandlungen 
habe  ich  abwechselnd  gearbeitet,  und  einige  kann  ich  als  fertig  ansehen.  Aber  jetzt 
fragt  es  sich,  ob  es,  um  der  guten  Sache  willen,  räthlich  ist,  damit  hervorzutreten. 
Ich  kann  das  Ihrer  Beurtheilung  überlassen.  Glauben  Sie,  daß  es,  um,  wie  Sie 
sagen,  zu  verhüten,  daß  die  mathem.  Ps;j'ch.  in  Vergessenheit  komme,  nothwendig 
sey,  bald  etwas  über  sie  zu  schreiben  damit  nur  die  Erörterung  in  Gang  komme, 
gut,  dann  kann  ich  hervortreten.  Fürchten  Sie  aber,  daß  etwaige  wissenschaftliche 
Differenzen,  in  Absicht  auf  Formeln  und  überhaupt  auf  den  mathematischen  Theil 
der  Sache,  hier  einen  üblern  Eindruck  machen  könnten  als  dies  in  den  Naturwissen- 
schaften der  Fall  ist,  so  werde  ich  schweigen  um  eine  reifere  Zeit  oder  vielleicht 
auch  reifere  Gedanken  zu  erwarten.  Denn  das  kann  ich  freilich  nicht  verhehlen, 
daß  ich  nicht  beim  Commentiren  stehen  bleiben,  sondern  eigne  Wege  versuchen 
würde  und  dabei  natürlich  die  Gründe  anzugeben  hätte,  die  mich  dazu  bewegten. 
Wir  beide  und  alle  Vernünftigen  würden  daran  keinen  Anstoß  nehmen,  die  Un- 
vernünftigen scheinen  ||  aber  der  Berücksichtigung  nicht  werth.  Doch  das  mögen 
Sie  eben  beurtheilen !  In  jedem  Falle  aber  muß  ich  Sie  dringend  bitten,  es  als  eine 
Verpflichtung  gegen  die  Nachwelt  anzusehen,  was  Sie  in  Ihrem  Pulte  oder  in  Ihrem 
Kopfe  über  mathematische  Psychologie  noch  besitzen ,  noch  zu  Tage  zu  fördern. 
Gesetzt  diese  Dinge  gingen  dereinst  mit  Ihnen  verloren,  so  würde  so  leicht  und  so 
bald  Niemand  zu  finden  seyn,  der  diesen  Verlust  zu  ersetzen  vermöchte,  denn  ge- 
setzt selbst,  es  wären  darunter  fehlerhafte  Theorien,  so  beherrschen  Sie  doch  viel 
zu  tief  das  Feld  der  psychischen  Phänomene",  als  daß  Sie  Theorien  aufstellen  sollten, 
die  nicht  jedenfalls  der  Erfahrung  sehr  nahe  sich  anschließen.  Wer  es  besser 
machen  will  als  Sie,  dem  werden  Ihre  Arbeiten  jedenfalls  zum  Maßstab  dienen 
müssen,  und  Sie  haben  ja  durch  Ihre  Metaphysik  gelehrt,  wie  selbst  Irrthümer 
methodisch  behandelt  zur  Wahrheit  führen.  Ob  ich,  für  jetzt  wenigstens  über 
Psychologie  schreiben  soll  oder  nicht  das  lege  ich,  wie  Sie  sehen,  in  Ihre  Hände; 
denn  die  Sache  ist  für  mich  kein  Gegenstand  des  Ehrgeizes,  und  es  sollte  mir  leid 
thun,  wenn  ich  Verwirrung  anrichten  zu  wollen  schiene,  wo  meine  Absicht  nur  die 
ehrlichste  ist.  Von  meinem  Schreiben  oder  Nichtschreiben  kann  und  darf  aber  das 
Ihrige  nicht  abhängen,  sondern  dieses  sind  Sie  der  Welt  schuldig. 

Was  die  Logik  betrifft,  so  liegt  es  allerdings  bei  der  weitern  Ausführung  in 
meiner  Absicht,  auf  die  Dialektik  unserer  Zeit  mit  Rücksicht  zu  nehmen. 

Schleiermacher's  Dialektik  ist  indeß,  so  viel  ich  weiß,  noch  nicht  heraus. 
Auch  wird  dies  noch  ernste  Vorstudien  nöthig  machen:  denn  ich  möchte  die  Schrift 
nicht  als  Gelegenheitsschrift  betrachtet  wissen,  wozu  ich  ganz  und  gar  nicht  tauge.  || 
Daher  werde  ich  wol  in  Absicht  auf  die  Zeit  der  Erscheinung  dessen,  was  ich  etwa 
zu  schreiben  vermag,  immer  hinter  Ihren  Wünschen  und  Erwartungen  zurückbleiben. 
Doch  hoffe  ich,  Eeifes  kann'  nicht  zu  spät  kommen. 

Bobrik's  Buch  ist  bis  jetzt  sehr  unbemerkt  geblieben,  also  Aufsehen  könnte 
mich  nicht  veranlassen,  das  zu  verbessern,  was  ihm  mißlungen  ist.  Mit  der  Gunst 
des  Zeitgeistes  zu  steuern,  kann  uns  überhaupt  wol  nicht  mehr  beikommen.  Man 
erkennt  nun  eine  Il.'sche  Schule  an,  aber  wir  bleiben  ecclesia  pressa.    Die  Hegelianer 


Dezember  1838.  317 


wuchern  wie  Unkraut,  zerfallen  unter  sich  in  Parteien,  die  sich  heftig  bekämpfen, 
machen  aber  damit  dem  Publicum  nur  um  so  sichrer  glauben,  daß  es  außer  ihnen 
nichts  giebt.  Mit  diesem  frechen  verwegenen  Volk  ist  nicht  mehr  fertig  zu  werden, 
und  wenn  Einer  käme,  der  eine  kritische  Keule  wie  Lessing  führte.  Die  Sprache 
haben  sie  in  der  Gewalt,  Leute  von  Geist  sind  auch  darunter,  zu  verlieren  haben 
sie  nichts,  und  so  gleichen  sie  den  Juden,  deren  scharfem  Witz  und  unverschämter 
Verwegenheit  nicht  beizukommen  ist.  So  etwas  amüsirt  das  große  Publicum  wie 
das  Gezanke  von  Marktweibern.  Die  neuen  Hallischen  Jahrbücher  von  Rüge  und 
Echtermeyer  sind  jetzt  der  Tummelplatz.  Wenn  man  denkt,  daß  solche  Parteiwuth, 
solches  Geräusch,  solche  conventionelle  Phraserei  Philosophie  seyn  soll,  so  sinkt  der 
Muth  tief.  Wenn  nur  der  Nachwuchs  unter  den  Docenten  der  Philosophie  besser 
wäre:  aber  unter  den  Jüngern  fast  nichts  als  Hegelianer.  Das  wird  auf  der  Zu- 
kunft lasten.  Darum  sollten  Männer  wie  Lott  nicht  zögern,  sich  zu  habilitiren. 
Zuletzt  bleibt  nichts  übrig  als  sein  Möglichstes  zu  thun  und  für  eine  bessere  Zeit 
zu  arbeiten. 

Mit  den  verbindlichsten  Grüßen  an  Ihre  Frau  Gemahlin  von  mir  und  meiner  Frau 

Ihr  innig  ergebener    Drobisch. 

640      An    Schubert.  Göttingen  am  Weihnachtsabend   1838 

Mein  hochgeehrter  Herr  College!  Eben  hat  meine  gute  Frau  mit 
wohlgewählten  Geschenken  und  freundlicher  Austheilung  das  Haus  und 
auch  mich  erheitert;  ich  ergreife  diesen  Augenblick,  um  etwas  minder 
trübe  an  Sie  zu  schreiben.  Freylich  nicht  ohne  unvermeidliche  Klagen! 
Solche  sind  nöthig  schon  um  mich  wegen  meiner  sonst  unverzeihlichen 
Brief-Schuld  bei  Ihnen  einigermaßen  zu  rechtfertigen. 

Correspondenzen  von  hier  aus  waren  in  dieser  Zeit,  wo  es  sich  um 
Besetzung  der  vacanten  Stellen  handelt,  eine  bedenkliche  Sache.  Im 
Sommer  wurde  unter  andern  Ihr  Name  genannt;  ich  durfte  nicht  zureden, 
nicht  abrathen.  Der  Parteigeist  soll  sich  in  Correspondenzen  dergestalt 
ergossen  haben,  daß  ich  an  den  Vorwürfen,  die  man  darüber  hört,  nicht 
den  mindesten  Theil  haben  mochte. 

Der  Unpartheyische  ist  in  der  Mitte  der  Partheyen  immer  schlimm 
gestellt.  Nicht  als  ob  ich  es  mit  Allen  verdorben  hätte,  —  ich  wurde 
ohne  das  mindeste  Zuthun  in  den  hier  wählbaren  Senat  wieder  gewählt, 
und  es  gab  Einige,  die  mich  noch  weiter  hervorziehn  wollten.  Allein 
ich  lebe  zurückgezogen  wie  eine  Schnecke.  Politische  Partheysucht  ist  mir 
im  höchsten  Grade  zuwider;  und  Sie  erinnern  sich  vielleicht  noch,  wie 
wenig  Werth  ich,  meiner  Überzeugung  nach,  auf  künstliche  Staatsformen 
legen  kann.  Vollends  aber  auf  einer  Universität!  Hier,  wo  nicht  bloß 
Inländer  studiren!  In  diesem  Lande,  wo  es  keine  großen  Städte,  folglich 
keinen  Städte -Geist,  sondern  eine  alte  Aristokratie  giebt!  In  dieser  Zeit 
des  Verdachts  und  der  Gegenwirkungen!  Das  Alles,  nachdem  man,  bey 
nahe  bevorstehendem  Thronwechsel,  sorglos  wegen  dessen  was  man  voraus- 
sehen mußte,  eine  Verfassung  hingestellt  hatte,  die  Niemanden  bevoll- 
mächtigte, für  sie  das  Wort  zu  nehmen!  Und  jetzt  —  Schmähungen  der 
Andersdenkenden,  als  ob  man  im  mindesten  berechtigt  wäre,  Einhelligkeit 
der  Meinungen  zu  fordern!  Da  ist  wahrlich  das  Schweigen  viel  schwerer 
als  das  Reden  seyn  würde. 


7i8  Dezember  1838. 


Und  doch,  —  für  wen  würde  man  scheinen  zu  reden!   —   — 

Selbst  jetzt  noch  muß  ich  Sie  bitten,  diese  meine  Äußerungen  nicht 
laut  werden  zu  lassen.  Wir  sehen  in  diesem  Augenblicke  um  nichts  klärer 
in  die  Zukunft  wie  früher. 

Für  die  Kantischen  Werke  meinen  herzlichen  Dank.  Nur  bedauere 
ich  die  Concurrenz  —  gerade  mit  meinem  Freunde  Prof.  Hartenstein, 
den  die  Herausgeber  der  andern  Edition  für  ihr  Geschäft  gewonnen 
haben.  —  Auch  Hrn  Prof  Rosenkranz  bitte  ich  nebst  meiner  Empfehlung 
meinen   Dank  abzustatten. 

Und  an  Sje  richtet  sich  noch  ein  zweyter  Dank  für  die  Sendung 
der  nachgelieferten  Honorare.  Was  aber  die  Quitung  und  den  Empfangs- 
schein wegen  des  von  Ihnen  erwähnten  Wittwen-Cassen-Reverses  anlangt, 
so  bin  ich  der  Formen  zu  wenig  kundig,  um  zu  glauben,  daß  ich  ohne 
weitere  Anweisung  der  Pünktlichkeit  Ihrer  dortigen  Universitäts- Gasse 
Genüge  leisten  würde,  daher  erlaube  ich  mir,  an  Ihre  Güte  mich  mit  der 
Bitte  um  das  Formular  zu  wenden,  welches  man  wird  beachtet  wissen 
wollen. 

Ihr  werther  Brief  sagt  mir  etwas  von  aufrichtiger  Freude,  die  mein 
Besuch,  wenn  ich  einmal  Königsberg  wieder  sähe,  dort  bey  einigen  mir 
Wohlgeneigten  hervorbringen  könnte.  Eine  solche  Sprache  wirkt  in  Zeiten 
wie  die  jetzigen,  besonders  erheiternd;  und  wenn  ich  Hoffnung  hätte,  daß 
meine  Gesundheit  sich  durch  eine  Reise  stärken  könnte,  so  möchte  ich 
den  Gedanken  nicht  ganz  aufgeben.  Von  Ihnen  erwarteten  wir  zur  Zeit 
des  Jubiläums  den  Besuch  so  sicher,  daß  wir  darauf  dachten,  Ihnen  ein 
freylich  enges  Plätzchen  in  unserer  Wohnung  anzubieten.  Spätere  Hoff- 
nungen —  doch  von  denen  wollte  ich  ja  schweigen!  und  muß  dieselben 
ja  wohl  jetzt  aufgeben,  da  ich  nichts  näheres  erfahre.  Ihre  angenehmen 
Nachrichten  von  Lobecks  Wohlseyn,  Siefferts  Wiederherstellung,  Sanios 
Thätigkeit  verdanke  ich  herzlich.  An  unsern  guten  Dr.  Taute  denke  ich 
bald  zu  schreiben;  nur  muß  ich  erst  ein  Manuskript  fertig  machen,  das 
mich  drängt.  Besser  wäre  eins  von  ihm.  Was  Hrn  Thomas  anlangt, 
so  werden  Sie  ihm  bessern  Rath  ertheilen  können  als  ich.  Staatswissen- 
schaftliche Vorlesungen  neben  Havemann,  —  vollends  nach  Dahlmann, 
den  man  ja  als  unersetzlich  betrachtet?  —  Philosophische  neben  Rittern, 
um  von  Bohtz  und  mir  nicht  zu  reden?  —  In  dieser  Zeit,  wo  Göttingen 
fortwährend  abnimmt,  und  man  nichts  Klares  vor  sich  sieht?  — 

Ihnen  und  Ihrer  Frau  Gemahlin  empfiehlt  sich  meine  Frau  nebst 
mir  aufs  angelegentlichste.  Lassen  Sie  uns  bald  von  Ihnen  und  den  Ihrigen 
das  Beste  und  Erfreulichste  vernehmen ;  erneuern  Sie  mein  Andenken  bey 
denjenigen  Herrn  Collegen  die  mir  zugethan  sind.  Mit  größter  Hoch- 
achtung der  Ihrige!  H. 

Von  Heeren  sage  ich  Ihnen  noch,  daß  er  mit  besonderer  Werth- 
schätzung  Ihrer  statistischen  Einsichten  zu  erwähnen  pflegt.  Der  treff- 
liche Mann  sinkt  leider  sehr  zusammen;  nur  auf  seinem  Sopha  ist  er 
noch  lebhaft  im  Gespräch;  aber  er  fühlt  sehr,  daß  er  Gegner  hat. 


Druck  von  Hermann  Beyer  &  Söhne  (Beyer  &  Mann)  in  Langensalza. 


Das  Herbartdenkmal  in  Oldenburg. 


JOH.  FRIEDR.  HERBART'S 

SÄMTLICHE    WERKE. 


JOH.  FR.  HERBART'S 

SÄMTLICHE  WERKE. 


IN  CHRONOLOGISCHER  REIHENFOLGE 


HERAUSGEGEBEN 


yoK 


tKARL  KEHRBACH  UND  OTTO  FLÜGEL 


NEUNZEHNTER   BAND. 


BEARBEITET 


VON 


THEODOR  FRITZSCH. 


LANGENSALZA 

HERMANN  BEYER  &  SÖHNE 

(BEYER  &  MANN) 

Herzogl.  Sachs.  Hofbuchhändler 

1912 


BRIEFE  VON  UND  AN 

J.  F.  HERBART. 

URKUNDEN  UND  REGESTEN  ZU  SEINEM  LEBEN 
UND  SEINEN  WERKEN. 


MIT  VIER  BILDERN. 
4.  BAND. 

(VON   1839 — 1842,  Nachträge  und  Register.) 

MIT  EINEM  BILDE  DES  HERBARTDENKMALS. 

VON 

THEODOR  FRITZSCH. 


. 


MiCROröRMEO  BY  ; 
DATH      ^^^  2  2  1990 


LANGENSALZA 

HERMANN  BEYER  &  SÖHNE 

(BEYER  &  MANN) 

Herzogl.  Sachs.  Hofbuchhändler 

1912 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Briefe  von  und  an 

J.  F.  Herbart. 

Urkunden    und  Regesten   zu   seinem  Leben   und   seinen   Werken. 


Von 

Theodor  Fritzsch. 

lY. 


Hs&BARTS  Werke.    XIX. 


»Ich  muß  wirken,  solange  es  noch   Tag  ist.« 

Herbart  an  Drobisch. 

»Mein  Schicksal  in  einem  schon  langen  Leben  war 
immerfort  desto  mehr  arbeiten  zu  müssen,  je  mehr  Andre 
verdarben.« 

Herbart  an  Griepenkerl. 


1839. 


W.:  Psychologische  Untersuchungen.  —   (S,  Bd.  XI.     S.  45 — 432.) 

641.    W.  Herbart  an  H.')  Heidelberg,  den  16ten  Februar  39. 

Mein  lieber  Herr  Vetter!  Ich  würde  es  nicht  gewagt  haben,  mich  noch  ein- 
mal schriftlich  an  Sie  zu  wenden,  da  mein  voriger  Brief  leider  unbeantwortet  ge- 
blieben ist,  wenn  nicht  der  Veranlässungsgrund  meines  heutigen  Schreibens  mich 
zur  Genüge  entschuldigt. 

Ich  machte  nämlich  heute  Morgen  einen  Besuch  bei  dem  Herrn  Geheimrath 
Mittermaier,  der  in  diesem  Semester  mein  einziger  Lehrer  ist.  Bald  kam  das  Ge- 
spräch auf  Göttingen  und  auf  Sie.  Das  Cultusministerium  hat  schon  lange  gewünscht, 
hier  in  Heidelberg  einen  Lehrstuhl  der  Philosophie,  die  hier  ziemlich  im  Argen 
liegt,  zu  errichten,  allein  theils  hat  es  bis  jetzt  an  den  Mitteln  gefehlt,  theils  haben 
sich  andere  Hindernisse  entgegengestellt.  Da  nun  gegenwärtig  Beides  gehoben  ist, 
so  bemüht  man  sich  aufs  Neue,  diesen  lange  gefaßten  Vorsatz  in  Erfüllung  ||  zu 
bringen.  V^on  dem  Herrn  Geh.  Rath  Mittermaier  erfuhr  ich  heute,  daß  man  längst 
auf  Sie  sein  Augenmerk  gerichtet  habe,  indessen  habe  man  bisher  immer  gefürchtet, 
Sie  würden  sich  nicht  bestimmen  lassen,  Ihre  jetzige  Stellung  zu  verlassen.  Ich 
selbst  halte  diese  Furcht  für  nicht  begründet  und  dieß  sprach  ich  denn  auch  offen 
aus;  Herr  Geheime  Eath  M.  fragte  mich  darauf,  ob  ich  diese  meine  Ansicht  für 
zuverlässig  hielte.  Da  ich  dieß  natüiiich  nicht  bejahen  konnte,  so  protestirte  ich 
gegen  jeden  Gebrauch,  den  man  von  dieser  meiner  Aeußerung  etwa  würde  haben 
machen  wollen,  vielmehr  erklärte  ich,  daß  ich  gern  bereit  wäre,  mir  selbst  dariiber 
Gewißheit  zu  verschaffen.  Ich  bin  nun  freilich  kein  Mandatarius  des  Herrn  Geh. 
Rath  M.,  bin  aber  doch  von  ihm  autorisirt  worden,  Sie  selbst  zu  fragen,  ob  Sie 
nicht  abgeneigt  wären,  den  Lehrstuhl  der  Philosophie  an  der  hiesigen  Universität 
einzunehmen;  sei  dieß  Ihren  Absichten  nicht  direkt  entgegen,  so  bedürfe  es  nur 
eines  Wortes,  um  auf  offiziellem  "NVege  eine  Berufung  an  Sie  gelangen  zu  lassen. 
Ist  Ihnen  nun  ein  solches  Anerbieten  nicht  unwillkommen,  wie  ich  kaum  bezweifeln 
kann,  so  ersuche  ich  Sie  nur,  mir  ein  ;|  paar  Worte  von  Ihrer  Bereitwilhgkeit  merken 
zu  lassen,  die  ich  dann  dem  Geh.  Rathe  M.,  der,  beiläufig  gesagt,  die  Seele  der 
Universität  ist,  mittheilen  werde,  worauf  dann  die  weiteren  erforderlichen  Schritte 
gewiß  sogleich  gethan  werden.  Außerdem  muß  ich  jedoch  noch  hinzufügen,  daß  es 
ohne  besondere  Bewilligung  und  Benehmen  mit  den  Ständen  nicht  möglich  sein 
wird,  einen  größeren  Jahrgehalt  als  2200  Gulden  zu  offeriren. 

Ich  selbst  kann  natürlich  nichts  thun,  um  Sie  zu  der  Annahme  dieses  An- 
erbietens zu  bewegen,  glaube  aber  doch  hinzufügen  zu   dürfen,   daß  Sie  hier  gewiß 

1)  4  S.   gr.  80.     H.  Wien. 


März   1839. 


in  diesem  glücklichen  Süden  und  vorzüglich  in  diesem  zufriedenen  Großherzogthum 
Baden  ein  angenehmeres  Leben  und  zugleich  ruhigeres  führen  würden  als  in  dem 
durch  politische  Ereignisse  neuester  Zeit  so  unglücklichem  und  unruhigem  Hannover. 
Jedenfalls  sehe  ich  mit  gespannter  Erwartung  Ihrer  Antwort,  die  hoffentlich  dieß- 
mal  nicht  lange  ausbleiben  wird,  entgegen. 

Was  meine  Aussichten  anbetrifft,  so  habe  ich  mich  entschlossen,  Ostern  noch 
ein  Jahr  nach  Berlin  zu  gehen,  ein  Entschluß,  der  übrigens  durch  die  Annahme 
des  Ihnen  ||  gemachten  Vorschlags  eine  Abänderung  erleiden  dürfte.  Sollte  dieß 
aber  nicht  der  Fall  sein,  so  habe  ich  wenigstens  das  Vergnügen,  Sie  um  die  Mitte 
April  in  Göttingen  persönlich  wiederzusehen,  ich  werde  daselbst  8 — 14  Tage  ver- 
weilen, wenn  ein  solcher  Aufenthalt  meine  Reisekosten  nicht  sehr  vermehren  würde. 

Ungern  verlasse  ich  übrigens  Süddeutschland  und  namentlich  die  herrliche 
Umgebung  Heidelbergs ;  Ihre  Hierherkunft  allein  würde  mich  hier,  da  Mittermaier 
den  nächsten  Sommer  nicht  lesen,  sondern  auf  den  Landtag  gehen  wird,  noch  einen 
Sommer  zurückhalten  können;  kommen  Sie  nicht,  so  wird  die  Rücksicht  auf  mein 
Studium  mich  bestimmen,  Ostern  nach  Berlin  zu  gehen. 

Ihre  liebe  Frau  wird  sich  in  dieser  wundervollen  Natur  gewiß  sehr  glücklich 
fühlen.  Ich  bitte  herzliche  Grüße  an  Sie  und  Otto  zu  bestellen  und  erwarte  Ihre 
baldige  Antwort.  Der  Ihrige     W.  Herbart. 

Randbem.:  Auch,  wenn  Sie  nicht  auf  den  gemachten  Vorschlag  eingehen 
sollten,  bitte  ich  um  ein  paar  Zeilen  Antwort. 

642.  F-  Ranke  an  H/)  Gott.  17  März  39 
Hochverehrtester  Herr  Hofrath,    Leider  habe  ich  doch   einen  Fehler  gemacht, 

als  wir  neulich  den  Dienstag  zu  ihrem  gütigen  Besuche  unserer  Anstalt  bestimmten, 
da  gerade  dies  bisher  der  einzige  Tag  war,  wo  keine  griechische  Stunde  fiel ;  ich 
hatte  soeben  den  Entwurf  für  das  Sommersemester  gemacht,  und  darin  auf  jeden 
Morgen  ohne  Ausnahme  eine  griechische  Stunde  gelegt:  dies  schwebte  mir  vor  und 
brachte  mich  zu  dem  Irrthum. 

So  sehe  ich  mich  denn  zu  der  ergebensten  Bitte  genöthigt,  wo  mögüch  nächsten 
Mittwoch  oder  Freitag  oder  Sonnabend  Sich  gütigst  auszuwählen;  an  diesen  drei 
Tagen  wird  es  uns  außerordentlich  erfreulich  sein,  Sie  bei  uns  zu  sehen.  Übrigens 
genügt  eine  mündliche  Antwort  vollkommen;  ich  würde  selbst  gekommen  sein,  und 
persönlich  meine  Bitte  vorgetragen  haben,  wenn  nicht  meine  vielfachen  Arbeiten 
mich  an  das  Zim  ||  mer  fesselten. 

Mit  herzlicher  Verehrung  und  Dankbarkeit  für  die  vielfache  Belehrung  und 
Anregung,  die  ich  Ew.  Hoch  wohlgeboren  freudig  verdanke,  verharre  ich 

Ew.  Hochwohlgeb.  gehorsamst  ergebener    F.  Ranke. 

643.  Brief  W.  Herbarts  an  H.  i  S.    4"  aus  Heidelberg,   23.  März  39  im  N. 

644.  An   Drobisch.2)  Göttingen  7  April  1839 

Hier,  mein"  verehrter  Freund!  empfangen  Sie  von  meinen  psycho- 
logischen Abhandlungen  3)  die  ersten  drey  Bogen.  Der  Druck  geht 
langsam;    und  ich  konnte  nicht  füglich  eher  an  Sie  schreiben,  als  bis  ich 

^)  2  S.  4".    N.  —  F.  Ranke,  damals  Dir.  des  Gott.  Gymn.,  an  dem  Griechisch 
nach  den  Vorschlägen  Herbarts  erteilt  wurde.     S.  unten  S.  6  u.  S,  53. 
')  I   S.    4". 
^)  Psychologische  Untersuchungen. 


April   1839. 5 

wenigstens  Etwas  hatte  um  es  Ihnen  vorzulegen.  Jetzt  überlasse  ich  Sie 
einstweilen  Ihren  Gedanken.  In  Erwartung  dessen,  was  Sie  mir  davon 
werden  mittheilen  wollen,  versichere  ich  Sie  nur  noch  von  dem  was  Sie 
ohnehin  wissen,  daß  jede  Nachricht  von  Ihnen,  und  was  Ihnen  Frohes 
oder  Leides  begegnet,  bey  mir  immer  eine  aufrichtige  Theilnahme  finden 
wird.  Hochachtungsvoll  der  Ihrige!     H. 

645.     An   Taute.  1)  Göttingen  8  April   1839 

Mein  theurer  Freund!  Wenn  Sie  geglaubt  haben,  ich  sey  todt,  oder 
eingeschlafen,  oder  in  böse  Träume  versunken,  so  ist's  kein  Wunder.  Aber 
es  ist  noch  nicht  so  schlimm;  obgleich  ich  oft  selbst  an  meinen  Kräften 
gezweifelt  habe.  Nicht  die  politischen  Umstände  allein  waren  mir  schwer; 
es  giebt  Dinge,  die  mir  näher  liegen.  Wo  ich  meine  Untersuchungen 
am  sichersten  geschützt  glaubte,  da  steht  nicht  alles  so  vest,  daß  ich  mich 
auf  Andere  verlassen  dürfte;  vielmehr  gilt  das  alte  Sprichwort,  wer  nicht 
vorwärts  kommt,  der  geht  zurück.  Nach  solchen  Wahrnehmungen  durfte 
ich  nicht  feyem ;  psychologische  Abhandlungen  sind  von  mir  unter  der  Presse. 
Auch  die  politischen  Umstände,  obgleich  noch  nicht  geordnet,  klären 
sich  doch  in  den  nächsten   Beziehungen   einigermaßen  auf. 

Ihrem  langen  Stillschweigen  kann  ich  kaum  eine  andere  Deutung 
geben,  als  daß  Sie  das  meinige  nicht  unterbrechen  wollten.  Neulich  war 
ich  in  Braunschweig;  Griepenkerl  sagte  mir,  er  habe  mich  oft  vertheidigen 
müssen.     Möglich,  daß  Sie  Sich  im  nämlichen  Falle  befunden  haben. 

So  lange  die  Universität  noch  kein  deutliches  Einverständniß  zeigte, 
ließ  sich  nicht  füglich  von  hier  aus  irgend  etwas  äußern;  man  war  den 
Misdeutungen  zu  sehr  ausgesetzt.  Jetzt  ist  mit  großer  Mehrheit  eine 
Deputirten -  Wahl  abgelehnt  worden,  ohne  daß  dabey  irgend  eine  Auf- 
regung stattgefunden  hätte;  es  scheint  also,  daß  wir  endlich  den  Stand- 
punkt der  Neutralität  erlangt  haben,  welcher  nach  meiner  vesten  Über- 
zeugung der  Universität  einzig  und  allein  angemessen  ist;  und  nun  kann 
ich  mich  freyer  äußern.  Hier  nur  Weniges,  so  viel  zu  sagen  wäre.  Ich 
habe  in  der  bedenklichsten  Zeit  das  Grundgesetz  von  1833  \\  freylich 
nicht  mit  Dahlmanns  Augen,  sondern  mit  meinen  eigenen,  vielfältig  durch- 
sucht, um  nachzusehn,  was  es  fordere,  denn  das  mußte  wenigstens  mit 
in  Erwägung  kommen ,  wenn  auch  nicht  unbedingt  entscheiden.  Der 
§  89  des  Grundgesetzes  sagt:  „Sollten  Zweifel  darüber  entstehen,  ob  bey 
einem  gehörig  verkündigten  Gesetze  die  verfassungsmäßige  ]Mitwirkung  der 
Stände  hinreichend  beobachtet  sey,  so  steht  es  nur  diesen  zu,  Anträge 
deshalb  zu  machen."  Daraus  folgt  buchstäblich,  daß  man  auf  die  Er- 
klärung der  Stände  warten  mußte,  —  und  abgesehen  vom  Buchstaben, 
liegt  in  der  Sache,  daß  man  warten  mußte,  bis  der  Wille  des  Landes 
deutlich  hervortrat.  Mit  Feuerfunken  um  sich  zu  werfen,  wo  zwey  Pulver- 
tonnen offenstehen,  kann  ich  niemals  für  erlaubt  halten.  Hier  in  Göt- 
tingen war  1831  offener  Aufruhr;  1837  waren  hier  900  Studenten.  Diese 
letzten  zwey  Zeilen  sollten  schon  allein  genügen,  wenn  auch  nicht  jener 
Ausspruch   des   Gesetzes  hinzukäme. 


')  3  S.   4".     ^^ 


April   1839. 


Es  ist  nicht  unmöglich,  daß  eine  Zeit  kommt,  wo  ich  noch  deut- 
licher sprechen,  ^)  und  gewisse  Allgemeinheiten,  bei  denen  man  die  näheren, 
in  der  Sache  liegenden,  Bestimmungen  aus  den  Augen  gesetzt  hat,  be- 
schränken werde.  Dazu  ist's  noch  nicht  Zeit,  denn  das  würde  gemis- 
braucht  werden.  Zeit  aber  wäre  jetzt  hinzuweisen  auf  Zürich,  um  das 
Verhältniß  zwischen  einer  Universität  und  dem  demokratischen  Geiste  zu 
zeigen.  (Was  wird  Bobrik  machen?  Ich  bedaure  ihn,  aber  ich  kann 
nicht  helfen;  seine  „praktische  Logik"  steht  mir  im  Wege.)  Auch  die 
deutschen  Universitäten  werden  zu  Grunde  gehn,  wenn  das  Dahlmannsche 
Beyspiel  zur  Maxime  wird.  Die  Wissenschaft  braucht  Ruhe;  und  Jugend- 
lehrer sollten  alles  Politische  vermeiden,  was  die  Jugend  aufregt.  Wo 
dies  nicht  beobachtet  wird,  da  ist  gewaltige  Herrschaft  des  Zeitgeistes, 
der  überall  Zwietracht  hervorruft,  überall  declamirt  und  schwatzt. 

Der  Zeitgeist  steht  mir  hier,  wie  überall,  im  Wege,  aber  doch  hat  er 
mir  bisher  noch  einige  Wirksamkeit  lassen  müssen.  Im  verflossenen  Winter 
hatte  ich  eine  kleine,  aber  ausgezeichnete  Zahl  von  Zuhörern  in  der  Psycho- 
logie, die  bis  auf  die  letzte  Stunde  unvermindert  beysamraen  blieb.  Auch 
die  Pädagogik  wurde  diesmal  mit  vorzüglicher  Aufmerksamkeit  gehört. 
Ihr  Aufsatz  für  Ranke  ist  nicht  fruchtlos  geblieben;  ich  war  neulich  im 
Gymnasium,  wo  die  Odyssee  von  kleinen  Knaben  mit  gutem  Erfolge  ge- 
lesen wird.  Andre  Verhältnisse  haben  |]  sich  wenigstens  nicht  verschlimmert. 
Daß  Ritter  hier  mit  großer  Vorgunst  aufgenommen  werden  würde  (Dahl- 
mann  hatte  ihn  ja  gerufen!)  war  vorauszusehn;  allein  ich  habe  nicht 
Grund,  mich  persönlich  über  Rittern  zu  beklagen.  Er  benimmt  sich  wie 
ein  wackerer,  ruhiger  Mann,  und  wirkt  gewiß  im  Ganzen  wohlthätig  durch 
seine  Gelehrsamkeit,  die  kein  oberflächliches  Schwatzen  begünstigt.  Nach 
allem  was  man  hört,  hat  Göttingen  immer  noch  den  Vorzug  des  Fleißes 
vor  andern  Universitäten;  nur  die  Verminderung  der  Frequenz  müssen 
wir  mit  Geduld   ertragen. 

Übrigens  begreifen  Sie  ohne  Zweifel  von  selbst,  daß  ich  in  meinem 
jetzigen  Alter,  und  nach  manchen  Widerwärtigkeiten,  mein  Interesse  mehr 
und  mehr  von  dem  Zeitalter,  in  das  ich  gefallen  bin,  abwende.  Mir  liegt 
daran,  einige  Arbeiten  noch  auszuführen,  die  Niemand  unternimmt,  wenn 
ich  sie  nicht  fördere.  Je  schlechter  das  benutzt  wird,  was  ich  längst  dar- 
geboten hatte,  desto  nothwendiger  ist,  denen,  die  nicht  von  der  Stelle 
kommen  zu  zeigen,  daß  die  Schuld  nicht  an  dem  eingeschlagenen  Wege, 
sondern  an  der  Trägheit  liegt,  die  das  Werk  nicht  an[greifen]  und  an 
der  Accomodation,  die  es  mit  den  lautesten  Geschwätz  nicht  verderben 
[möchte].  In  meiner  neuesten  Schrift  werden  Sie  die  Untersuchungen 
über  die  Tonlehre  ausgeführt  und  andere  über  das  Zeitmaß  beigefügt 
finden;  die  Absicht  ist,;  durch  Thatsachen  die  Theorie  zu  bestätigen. 
Im  zweiten  Hefte  der  Abhandlungen  sollen  (wenn  ich  leidlich  gesund 
bleibe)  die  Untersuchungen  über  die  freysteigenden  Vorstellungen  Platz 
finden;  desgleichen  vielleicht  eine  genauere  Entwickelung  des  Verhältnisses 
zwischen  allgemeiner   Metaphysik  und   Psychologie. 

^)  Vgl.  Herbarts  „Erinnerung  an  die  Gott.  Katastr.'"  im  11.  Bd.  S.  27  ff.,  die 
Taute  einem  Wunsche  Herbarts  entsprechend  nach  dessen  Tod  herausgegeben  hat. 


April   1839. 7 

Meine  Frau  befindet  sich  ziemlich  wohl,  bis  auf  einen  starken  Schnupfen, 
den  sie  sich  aus  Braunschweig,  und  vielleicht  von  der  dortigen  Eisenbahn 
geholt  hat.  Diese  Merkwürdigkeit  zu  sehn,  war  ihr  so  interessant,  daß 
sie  sich  von  der  Witterung  nicht  abhalten  ließ,  während  ich  mit  Griepen- 
kerl,  der  ein  ausgezeichneter  Musikkenner  (und  wenn  er  will  Musikdirektor) 
ist,  die  Tonlehre  verhandelte.  Seine  practische  Kenntniß  gab  mir  wichtige 
Bestätigungen. 

Viele  Empfehlungen  an  Hrn  Prof  Schubert,  dem  ich  meine  neuesten 
Nachrichten  aus  Kbg  verdanke.  An  Gregor  schreibe  ich  selbst.  Von 
Sieffert  und  Sanio  —  von  so  vielen,  die  Sie  ohne  besondern  Auftrag 
von  mir  grüßen  werden,  hoffe  ich  bald  durch  Ihre  Güte  mehr  zu  hören. 
Und  von  Ihnen,  —  soll  ich  von  Ihnen  noch  immer  nichts  Gedrucktes 
lesen?   —  Von  Herzen  der  Ihrige!     H. 

646.    Hartenstein  an  H.^)  Leipzig,  den  ISten  April  1839 

Hochzuverehrender  Herr  Hofrath,   Indem  ich  Ihnen   für  die  mir  unter  dem 
7t.   dieses  gütigst  übersendeten   Anfangsbogen  Ihrer  neuesten  Schrift  meinen  ver- 
bindlichsten Dank  abstatte,   bedauere   ich,  daß   es  mir  bis  jetzt   noch  nicht  möglich 
gewesen  ist,  sie  mit  der  Aufmerksamkeit  zu  studiren,  welche  diese  Untersuchungen  in 
Anspruch  nehmen.     Dennoch  will  icli  die  Beantwoiiung  Ihres  verehrten  Schreibens 
nicht  aufschieben,   da  ich  eben   im  Begrifie  bin  eine  kleine  Ferienreise  anzutreten, 
die  mich  auf  14  Tage   von  Leipzig  entfernen   wird,    um  nicht  durch  diese  Verzöge- 
rung den  Vorwurf  der  Unachtsamkeit  auf  mich  zu  laden,  vorzüglich  da  ich  in  Ihrem 
Schreiben  Besorgnisse  ausgesprochen  finde,  hinsichtlich  welcher  ich  vielleicht  etwas  dazu 
beitragen  kann  Sie  zu  beruhigen.     Vorerst  erlauben  Sie  mir  die  Versicherung,  daß, 
wenn  ich  Ihrem,  mündlich  gegen  mich  ausgesprochenen  Plane,  die  Polemik  für  die 
Zukunft  fallen  zu  lassen,  von  Herzen  beistimmte,  meinerseits  damit  durchaus  nichts 
gemeint  war,  als  die  Polemik  nach  außen,  indem  ich  namentlich  von  den  mathematisch- 
psychologischen Differenzen   des  H.  Pr.  Drobisch  damals  nichts  wußte.     Auch  jetzt 
ist  wohl  meine  Kenntniß  derselben  nicht  vollständiger,    als   die  Ihrige  und  ich  muß 
früheren  Äußerungen  des  Herrn  Pr.  Dr.  zufolge  bezweifeln,  daß  derselbe  in  seinen 
Mittheilungen  an  Sie  nicht  offen  gewesen  sey,  da,  soviel  ich  weiß,  die  betreffenden 
Papiere  sich   in  Ihren  Händen  befinden.     Was   Ihre  Befürchtung  anbelangt,  ij  Herr 
Pr.  Drobisch  werde    seine  Ansicht  von    den  ersten  Lehrsätzen  der  mathematischen 
Psychologie    unmittelbar   zu  einem  Angriffe  auf   die  bisher   von  Ihnen  entwickelte 
Foi-m  derselben  benutzen,  so  bin  ich  überzeugt,  daß  dies  nicht  geschehen  wird.    So 
viel  ich  weiß,  arbeitet  er  an  einer  empirischen  Psychologie  d.  h.   an  einem  Buche, 
welches  vorerst  die   psychischen  Phaenomene  vollständig  und  geordnet  aufzufassen 
und   zu   analysiren,   und  somit  als   Propaedeutik  für  die  weiteren  psychologischen 
Theorien  zu  dienen  bestimmt  ist;  und  so  viel  ich  von  dem  Plane  und  dem  Inhalte 
desselben  kenne,  bin  ich  überzeugt,  daß  es  ganz  besonders  geeignet  seyn  wird,  den 
ganzen  Standpunct  der  wahren  psychologischen  Untersuchung  auch  einem  größeren 
Publicum  näher  zu  bringen,  indem  schon  die  Analyse  der  Thatsachen  durchaus  auf 
den  Grundgedanken,   daß  die  Vorstellungen    selbst  die  wirkenden  Kräfte   sind,   von 
allen  Seiten   hinführt;    und  ich  würde   es   aufrichtig   bedauern,  wenn   Sie   von  den 
Bemühungen   des  H.  Pr.  Drobisch  gerade   für   die  Psychologie  mehr  fürchten,    als 
hoffen  zu  müssen   glaubten.     In  wie  weit  er,    was  die  eigentlichen  mathematischen 


*)  2V2  S.    4°.     H.  Wien. 


8  April   1839. 


Lehrsätze  betrifft,  durch  Ihre  eigene  Darstellung  sich  vollkommen  überzeugt  findet, 
ob  er  es  nicht  für  wünschenswerth  hält,  die  ersten  Grundbegriffe  sammt  den  dar- 
aus abgeleiteten  Formeln  mit  der  größtmöglichen  Evidenz  und  Einfachheit  zu  be- 
stimmen und  zu  entwickeln,  ob  er  nicht  vielleicht  in  späterer  Zeil  die  Resultate 
seiner  Untersuchungen  zu  veröffentlichen  gedenkt,  darüber  kann  ich  nichts  Be- 
stimmtes sagen;  jedenfalls  hat  er  in  diesem  Augenblicke  diese  Untersuchungen  wohl 
ausgesetzt  und  was  er  in  dieser  Beziehung  gearbeitet  hat  ist  wohl  für  ihn  selbst 
nur  Versuch,  aufgestoßene  Bedenklichkeiten,  zu  beseitigen.  Indessen,  wie  sich  dieses 
auch  verhalte,  jedenfalls  glaube  ich  hinzusetzen  zu  dürfen,  daß  H.  Pr.  Drobisch 
durchaus  von  der  aufrichtigsten  Gesinnung  für  die  Yer-||folguug  des  von  Ihnen  vor- 
gezeichneten, wissenschaftlichen  Weges  beseelt  ist,  und  muß  mich  bescheiden,  die 
Gründe,  aus  welchen  Sie  daliin,  wo  Sie,  wie  Sie  sagen,  sonst  offen  zu  fragen  pflegten, 
sich  nicht  mit  einer  Erkundigung  wenden  zu  können  glauben,  nicht  vollständig 
durchschauen  zu  können.  Da  Sie  jedoch  H.  Pr.  Drobisch  die  betreffenden  Bogen 
schon  zugesendet  haben,  .so  würde  meinerseits  jeder  weitere  Zusatz  überflüssig  seyn 
und  ich  verharre  mit  der  Bitte,  mich  Ihrer  Erau  Gemahlin  hochachtungsvoll  zu 
empfehlen,  mit  unverbrüchlicher  Verehrung 

Ew.  Hochwohlgeboren  ergebenster     G.  Hartenstein. 

647.    Drobisch  an  H.^)  Lpzg.  20.  April  39. 

Verehrter  Gönner  und  Freund!  —  Zuvörderst  meinen  verbindlichsten  Dank 
für  die  gütigst  übersendeten  Bogen,  die  mir  aufs  Neue  Gelegenheit  geben,  mich 
über  einen  so  wichtigen  Gegenstand  mit  Ihnen  zu  unterhalten,  der  das  Ergebniß 
Ihrer  vieljährigeu  Forschung  ist,  der  mich  seit  seinem  ersten  Eintritt  in  die  Öffent- 
lichkeit lebhaft  interessirte,  ja  in  dem  ich  sogar  eine  wie  für  mich  geschaffene  Auf- 
gabe erblickte,  mit  dem  ich  allerdings  aber  auch  viel  Zeit  und  Kraft  verbraucht 
habe,  die  ich  nicht  gern  als  verloren  betrachten  möchte.  Sie  werden  überzeugt 
seyn,  daß  ich  noch  vor  einem  Jahre  die  ernstliche  Absicht  hatte,  die  math.  Ps.  in 
unveränderter  Gestalt  zu  einer  möglichst  evidenten  Darstellung  zu  bringen.  Wenn 
ich  seit  etwas  mehr  als  einem  halben  Jahre  angefangen  habe,  darauf  Verzicht  zu 
leisten,  so  war  dies  nicht  das  Werk  des  Übermuths,  der  Willkür,  eines  falschen 
Ehrgeizes,  von  dem  ich  mich  ganz  frei  weiß,  sondern  der  sich  mir  aufdrängenden 
Nothwendigkeit.  Welchen  öffentlichen  Gebrauch  ich  davon  machen  dürfte,  darüber 
habe  ich  bis  jetzt  noch  keinen  Entschluß  gefaßt;  ich  habe  keinen  Grund  mich  zu 
übereilen,  ich  wül  meinen  Gedanken  Zeit  zur  Reife  lassen;  aber  komme  ich  zu 
keinen  andern  Ansichten,  so  gedenke  ich  damit  auch  nicht  zurückzuhalten.  Wollte 
ich  weiter  nichts  als  die  ganze  mathematische  Psychologie  mit  Stumpf  und  Stiel  aus- 
rotten, so  könnte  ich  damit  zu  Hause  bleiben:  denn  nur  ein  gefährlicher  Irrthum 
verdient  so  behandelt  zu  werden;  und  habe  ich  eben  nur  die  gute  Absicht  zu  ver- 
bessern, ich  glaube  also  seiner  Zeit  wohl  ohne  Erröthen  damit  hervortreten  zu 
dürfen.  Wir  können  es  uns  ja  doch  nicht  verhehlen,  daß  die  mathemat.  Ps.  bisher 
eine  so  geringe  Theilnahme  erlangt  hat,  daß  wir  eigentlich  nicht  recht  wissen,  ob 
außer  uns  Beiden  noch  ein  Dritter,  der  Mathematik  versteht,  sich  ernstlich  damit 
1  beschäftigte.  Eine  Verwirrung  in  den  Köpfen  würde  also  durch  Darlegung  einer 
differenten  Ansicht  schwerlich  hervorgebracht  werden,  und  was  müßten  das  auch 
für  unselbständige  Köpfe  seyn,  die  sich  verwirren  ließen;  es  bleibt  also,  wenn  ich 
dies  ohne  Anmaßung  sagen  darf,  wenigstens  die  Hoffnung  übrig,  daß  eine  Aus- 
führung der  Sache,  die  unendlich  weniger  ||  Verdienst  haben  wird  als  die  erste  mit 

')  6  S.  4°.  H.  Wien.  Das  Konzept,  vom  Original  wenig  abweichend,  in 
Leipzig,  Univ.-Bibl. 


April   1839.  g 

SO  großer  Energie  ausgeführte  Bearbeitung,  doch,  weil  sie  sich  bekannten  und  be- 
währten und  anerkannten  Vorstellungsweisen  enger  anschließt,  mehrseitiger  an- 
sprechen könnte.  Übrigens  scheint  der  Zeitpunkt  meines  Hervortretens  —  wenn 
es  noch  statt  findet  —  jedenfalls  noch  ziemlich  entfernt.  Ich  fand  im  vergangenen 
Winter  keine  Zeit,  mich  mit  der  Sache  zu  beschäftigen;  ich  bereitete  bisher  die 
„Einleitung  in  die  Psychologie  als  Naturwissenschaft"  vor,  die  blos  die  Idee  einer 
mathematischen  Psych,  enthalten  wird.  Erst  Ihre  Blätter  haben  mich  in  den  letzten 
8  Tagen  auf  das  alte  Thema  zurückgeführt.  Daß  ich  mich  nun  aufrichtig  freue, 
Sie  mit  rüstiger  Kraft  noch  einmal  einen  Gegenstand  vornehmen  zu  sehen,  der 
noch  "Wenigeren  zugänglich  ist  als  die  übrige  math.  Ps.,  weil  er  auch  theoretisch- 
musikalische Kenntnisse  voraussetzt,  die  nicht  Jedem,  z.  B.  mir  nicht,  in  ausreichen- 
dem Maaße  zu  Gebote  stehen,  darf  ich  versichern.  "Wenn  die  musikahschen  Tbat- 
sachen  auf  eine  ungezwungene  Weise  daraus  sich  erklären  lassen,  so  wird  dies  der 
höchsten  Beachtung  wert  seyn.  obwohl  auch  dadurch  nur  für  einen  speciellen  und 
einfachen  Fall  der  ersten  Elemente  der  Statik  eine  erfahrungsmäßige  Bestätigung 
gefunden  wäre.  Ich  bin  übrigens  gespannt  derauf,  wie  Sie  diesmal  Ihi-en  Lesein 
begreiflich  zu  machen  suchen  werden,  daß  die  Kräfte,  die  in  der  psychologischen 
Theorie  der  Musik  in  Rechnung  genommen  werden,  nicht  einfache  Vorstellungen, 
sondern  blos  ideelle,  nicht  wirklich  'zu  vollbringende  Zerlegungen  oder  Bestandtheile 
einzelner  einfacher  Vorstellungen  sind,  von  denen  zwei  mit  ihren  Vorstellungen 
nämlich  durch  diese  gesondert  sind,  zwei  aber  immer  in  einer  und  derselben  Vor- 
stellung ungesondert  beisammen  bleiben,  und  welches  hier  eigentlich  der  Erfolg  des 
Conflicts,  da  eine  Klarheitsverminderung  nicht  statt  findet.  Zunächst  aber  muß 
mich  von  dem  gütigst  Mitgetlieilten  die  Mitte  am  meisten  interessiren,  da  hier  nicht 
blos  in,  sondern  auch  xwtschen  den  Zeilen  Vieles  zu  lesen  ist,  was  mich  angeht. 
Ich  erlaube  mir  einige  Bemerkungen. 

Ich  stoße  zuerst  an  an  der  Frage:  wie  groß  ist  die  Xothwendigkeit,  daß  conträre 
Vorstellungen  an  Klarheit  verlieren?  Der  Ausdrack  ,,Xothwendigkeit"  scheint  mir 
nicht  ganz  glücklich.  Giebt  es  Grade  der  Nothwendigkeit?  Dann  müßte  es  auch 
Grade  der  Unmöglichkeit,  des  Widerspruchs  geben.  Es  giebt,  denke  ich,  nur  Eine 
absolute  Xothwendigkeit;  aber  eine  Xothwendigkeit  einer  Verdunkelung  in  ver- 
schiedenen Graden  hat  nichts  Widersprechendes.  Sie  haben  sich  nun  mit  dieser 
Nothwendigkeit  eines  sehr  abstracten  Ausdrucks  bedient,  um  den  concreten  zu  um- 
gehen, der  Kraft  gewesen  seyn  würde,  von  der  die  Nöthigung,  nach  dem  gemeinen 
Sprachgebrauch  ausgeht.  Ich  erkenne  es  noch  immer  an,  daß  Kraft  auf  Xoth- 
wendigkeit wird  zurückgeführt  werden  müssen,  aber  ich  glaube,  daß  nichts  damit 
gewonnen  ist,  den  allgemeinen  Begriff  zu  gebrauchen,  wenn  er  doch  nur  in  specieller 
Beziehung  in  Anwendung  kommt,  wohl  aber  kann  es  schaden,  weil  dadurch  Schwierig- 
keiten verhehlt  werden,  und  so  scheint  rair's  hier,  da  diese  Xothwendigkeit  später 
in  ein  mir  wenigstens  unklar  gebliebenes  Verhältniß  zur  Wirksamkeit  und  Spannung 
der  Vorstell,  tritt,  wenn  es  z.  B.  S.  22  heißt:  „wenn  nun  jede  Vorstellung  gleich 
stark  wirkt  gegen  die  anderen,  um  ihnen  die  allgemeine  Xothwendigkeit  des  Sinkens 
aufzuerlegen,  so  ist  Ruhe  mitten  in  der  Spannung."  In  der  Spannung,  der  Energie, 
der  Wirksamkeit  (obgleich  ich  die  letztere  für  mehr  als  verdächtig  halte)  erkenne 
ich  Kräfte;  ist  nun  die  Xothwendigkeit  des  Sinkens  eine  Wiikung  dieser  Kräfte, 
warum  noch  von  jener  so  in  abstracto  reden  ?  Ist  sie  aber  eine  Kraft  außer  diesen, 
so  verstehe  ich  den  Zusammenhang  mit  letzteren  nicht.  —  Gehe  ich,  hiervon  ab- 
sehend, weiter,  so  bei-uhigt  mich  die  Bestimmung  der  H.  S.  S.  20  keineswegs.  Der 
Gegensatz  des  a  gegen  b  und  c  belastet  letztern  mit  einem  Antheil  an  der  H.  S., 
der  >  c.  der  Gegensatz   zwischen   b  und  c  bringt  für  beide   noch  eine  Last  =  c, 


lO  April   1839. 

b  uud  0  haben  also  zusammen  inelir  als  2  c  zu  tragen,  was  sie  auch  ganz  wohl 
können.  —  Ich  bemerke  ferner,  ohne  großen  Werth  darauf  zu  legen,  daß  die  Gleich- 
heit der  Ausdrücke  S.  21  letzte  Zeile  sich  ohne  alle  Berechnung  der  Hemmungen 
schon  aus  den  bloßen  Ansätzen: 

11  11 

x:y:=  —  :— ;  x:z  =  —  :— ,  woraus 

ab  a     c 

a  X  =  b  y  und  a  x  =  c  z 

von  selbst  ergiebt;  und  hier  kommen  sie  nun  auf  das  Gleichgewicht,  von  dem  meine 
Entwickelung,  den  Begriff  der  Statik  festhaltend,  immer  auszugehen  gesucht  hat. 
Mit  der  Zerlegung  S.  23.  24  müßte  ich  mich,  Ihren  Standpunkt  festhaltend,  ein- 
verstanden erklären,  da  ich  in  meinen  Quaest.  math.  psych,  art.  8  im  Grunde  denselben 
"Weg  eingeschlagen  habe;  nur  bleibt  die  Frage  übrig,  ob  die  partiellen  Hemmungen,  die 
a  von  b  und  c  leidet,  sich  gerade  nothwendig  auch  durch  Addition  zusammensetzen; 
in  der  gemeinen  Statik  findet  Addition  der  Wirkungen  unter  unzählig  \äelen  Fällen 
nur  einmal,  nämlich  bei  identischen  Richtungen  statt.  —  Was  Sie  Spannung  nennen 

=  — Q.-  .1. 1    würde   ich  nach  Analogie    der  physischen  Statik  nur  Spannungsgrad 

nennen.  Wenn  zwei  an  den  Enden  eines  über  zwei  Rollen  gehenden  Fadens  be- 
festigte gleiche  Gewichte  Gleichgewicht  halten,  so  ist  die  Spannung  des  Fadens  dem 
ziehenden  (einfachen)  Gewicht  gleich.  Ebenso  die  elektrische  Spannung  der  aus 
einander  fliegenden  Korkkügelchen  des  Elektrometers  wird  durch  den  Theil  des  Ge- 
wichts derselben,  der  gegen  die  Linie,  welche  im  Gleichgewicht  die  Mittelpuncte 
der  letzteren  verknüpft,  gemessen.  Der  Spannungsgrad  wii'd  in  beiden  Fällen  größer, 
wenn  die  Gewichte,  ohne  Aenderung  der  äußeren  umstände  sich  vermehren  lassen 
(ohne  daß  der  Faden  reißt,  die  Kügelchen  ihren  Winkel  ändern).  Ihre  ,, Energie'' 
würde  nun  mir  Spminimg  seyn.  Die  „Wirksamkeit''  kann  ich  aber  in  diesen  stati- 
schen Problemen  gar  nicht  anerkennen;  es  giebt  hier  nur  Energien.  So  wenig  die 
gemeine  Statik  Geschwindigkeiten  oder  Bewegungen,  die  in  Folge  der  Wirksamkeit 
der  Kräfte  entstehen  könnten,  so  wenig,  dünkt  mich,  darf  die  psychische  Statik  von 
dem  Mehr  oder  Weniger  reden,  was  durch  die  Energie  nicht  sowohl  ,,zu  vollbringen 
ist"  als  vielmehr  nicht  vollbracht  werden  kann,  sondern  nur  zu  vollbringen  seyn 
tcürde,  wenn  nicht  Hindernisse  vorhanden  wären.  Auch  muß  ich  mir  erlauben  zu 
bemerken,  daß  die  S.  26  gefundene  Gleichheit  der  Wirksamkeiten  gar  nichts  für 
die  Formeln  beweist,  gar  nicht  zeigt,  daß  diese  und  keine  andern  das  Gleichgewicht 
erfüllen:  denn  diese  Gleichheit  liegt  in  der  gegebenen  Definition  der  Wirksamkeit, 
die  sich -nicht  im  mindesten  ändert,  wie  groß  und  mannigfaltig  verschieden  Stärke 
und  Hemmung  der  betroffenen  Vorstellung  seyn  mag;  denn  es  ist  per  definitionem 

St"rk         Hemmung 

-nr-  ,        ,    .^  Energie        Stärke  x  Spannung         '  Stärke 

Wirksamkeit  = 2 —  = 1 ^  = =  1 

Hemmung  Hemmung  Hemmung 

constant. 

Ich  müßte  fürchten  beschwerlich  zu  fallen,  wenn  icli  mit  Bemerkungen  fort- 
fahren wollte.  Es  würde  angenehmer  seyn,  Übereinstimmung  bezeugen  und  fröhlich 
fortbauen  zu  können.  Durch  diese  Differenzen  über  Grundbegriffe  und  Grundsätze 
zeigt  sich  doch  leider,  daß-  die  mathematische  Ps.  erst  dann  recht  Früchte  tragen 
wird,  wenn  wir  über  die  ersten  Ansätze  der  Rechnungen  hinaus  sind,  daß  aber,  so 
lange  hierüber  nicht  Einigkeit  zu  erlangen  ist,  sie  den  streitigen  Charakter  einer 
philosophischen  Discipliu  behält,  und  der  Versuch,  die  Psychologie  dem  Streite  der 
Philosophen  zu  entziehen  und  der  ruhigen  Fortbildung  der  Mathematiker  zu  über- 
eben,   noch  nicht   gelungen   ist.     Glauben  Sie  sicher,   daß   ich   unter  den  letzteren 


i839-  I  I 

weder  einer  der  hartnäckigsten,  noch  auch  hinsichtlich  der  Biegsamkeit  des  Ge- 
dankengangs nach  fremden  Formen  einer  der  unbeholfensten  bin.  Ich  muß  es  mir 
gefallen  lassen,  wenn  Sie  mich  zu  denen  rechnen,  „die  sich  in  die  Begriffe  nicht 
finden  können,"  und  werde  nun  weiter  sehen,  wie  weit  mich  das  Zusammentreffen 
der  Rechnung  mit  den  Thatsachen  noch  bekehren  kann.  Um  Eins  möchte  ich  noch 
im  Allgemeinen  belehrt  seyn.     Dies  ist  folgendes: 

Nicht  bloß  die  von  Ihnen  geschaffene  Psychologie,  sondern  auch  die  Umgangs- 
sprache bedient  sich  häufig  vom  Räume  und  der  Bewegung  in  demselben  her- 
genommenen Metaphern.  Man  maß  dies  natürlich  finden,  wenn  man  bedenkt,  daß, 
wie  Sie  uns  lehrten,  der  Raum  die  allgemeinste  und  ausgearbeitetste  Reihenform  ist, 
die  bei  jedem  zusammenfassenden  Denken  unwillkürlich  erzeugt  wird.  Nun  ist 
eine  psychologische  Theorie  doch  gewiß  ein  zusammenfassendes  Denken  über  die 
psychischen  Phänomene  und  die  ihnen  zum  Grunde  liegenden  Kiäfte  u.  dgl.;  sollte 
•sich  hier  nun  nicht  xusammenhäng ender  räumlicher  Schematismus  ausbilden,  durch 
den  die  an  sich  freilich  nur  intensiven  Vorgänge  eine  extensive  Veranschaulichung, 
eine  Construction  erhielten,  welche  die  Äuseinanderset%,unc/  ihrer  Gesetze  unumgäng- 
lich zu  erfordern  scheint?  Esgiebt  freilich  kein  Oben  und  Unten,  keine  Schwere,  keine 
Ein-  und  Ausgänge  in  der  Seele,  aber  in  den  Verhältnissen  und  Veränderungen  der 
Vorstellungen  giebt  es  unabweisliche  Analogieeu  dazu.  Wir  bedienen  uns  ihrer  im 
gemeinen  Leben,  man  kann  sogar  mit  ihnen  ein  Spiel  treiben;  die  math.  Ps.  macht 
aber  eigentlich  Ernst  daraus,  d.  h.  nicht  etwa:  sie  nimmt  Steigen,  Sinken,  Schwelle, 
Hemmung  pp.  im  eigentlichen,  grobsinnlichen  Verstände,  aber  doch  dies:  sie  führt 
consequent  zusammenhängende  Rechnungen,  von  denen  einige  in  den  gebrauchten 
Metaphern  ihi-e  anschauliche  Erläuterung  finden;  man  sollte  daher  wohl  erwarten, 
daß  es  ganz  allgemein,  sowie  ein  streng  zusammenhängendes  System  von  Formeln, 
auch  ein  ihnen  entsprechendes  System  von  Constructionen  geben  müßte.  Auch 
dies  scheint  mir  eine  billige  Forderung,  die  an  eine  math.  Ps.  gestellt  werden  kann. 
Ist  sie  gründlich  erfüllt,  so  sind  die  Mathematiker  mit  einem  Schlage  für  die  Sache 
gewonnen. 

Noch  berührt  Ihr  werther  Brief,  wie  es  mir  scheint,  außer  den  wissenschaft- 
lichen persönliche  Verhältnisse  in  seiner  Fragestellung.  Ich  freue  mich,  Ihnen  und 
Ihrer  verehrten  Frau  Gemahlin,  die  ich  nebst  meiner  Frau  ehrerbietigst  von  uns 
zu  gmßen  bitte,  melden  zu  können,  daß  sowohl  unser  als  unsrer  drei  Kinder 
—  alles  Mädchen  —  Gesundheit  im  abgelaufenen  Winter  und  bis  diesen  Tag  recht 
zufrieden  stellend  gewesen  ist,  und  hoffe  auch  von  Ihrem  Wohlbefinden  ferner  zu 
hören.     Mit  unveränderter  Verehrung  Ihr  aufrichtig  ergebener    M.  W.  D. 

648.    An  Drobisch.i)  1.0^°«  Datum] 

—   —    —    —    —    —    —    —    —    —    —  —  —  —   [Ich  gestehe,] 

daß  ich  mich  nicht  erinnern  kann,  das  Wort  Spatmung  jemals  in  dem 
Sinne  gebraucht  zu  haben,  worin  es  muß  genommen  werden,  wenn  Ihr 
Satz  bestehen  soll. 

Eine  Vorstellung  =  a  befinde  sich,  nachdem  sie  mit  andern  b^  <r, 
ins  Gleichgewicht  getreten  ist,  in  einem  solchen  Zustande,  daß  von  ihr 
-ein  Theil  =  x  sey  gehemmt  worden.  Desgleichen  von  b  sey  y  für  den 
Zustand  des  Gleichgewichts  gehemmt.  Das  Gleichgewicht  setzt  nun  aller- 
dings voraus,   daß  die  ganzen   Energieen   der  Vorstellungen,   d.  h.   die  Vor- 

^)  2  S.  4".  H.  Wien.  Bei  Zimmermann  pp.  S.  98  f.  Dieses  Bruchstück  scheint 
-nicht  abgesandt  worden  zu  sein,  an  seine  Stelle  ist  jedenfalls  der  folgende  Brief  getreten. 


12 i839- 

Stellungen,  so  fern  sie  während  des  bestehenden  Gleichgewichts  wirken, 
einander  nichts  weiter  anhaben  können,  sonst  würde  eine  fernere  Ver- 
änderung erfolgen,  und  es  wäre  also  kein  Gleichgewicht  da.  Hierin  be- 
steht Ihr  richtiger  Gedanke.  Nun  aber  fragt  sich:  was  wirkt  denn  a 
während  des  Gleichgewichts;  und  was  wirkt  darin  bl  Die  Antwort  ist: 
a  sucht  den  gehemmten  Theil  x  wieder  in  den  ungehemmten  Zustand 
zu  versetzen.  Hiernach  strebt  das  ganze  a,  so  groß  oder  stark  es  eben 
ist.  Also  im  Gleichgewichte  ist  die  fortwährende  Energie  des  a  =  ax. 
Eben  so :  Energie  des  b  =  by.  Nun  zeigen  meine  Rechnungen  (Psychol.  I, 
S.  170): 

bc  (b  4-  c)  ac  (b  4-  c) 

x= ^^ u.  jl'^ ^^ 

bc-\-  ac  -\-  ab  bc  -{-  ac  -\-  ab 

abc  [b  4-  c)  bac  ib  -\-  c) 

mithin  ax  = ■ — —-  u.  by  =  - — , ; r,  wie  gefordert  war,  woraus 

bc  -\-  ac  A^  ab  bc  -f-  ac  -\-  ab 

beyläufig  auch  fo'gt 

ax  -)-  by  ~\-  cz  =  3  ax^  aber  das  führt  nicht  weiter. 
Die    Frage   ist    nur   noch:    soll    die   ganze  Energie,    womit   eine  Vor- 
stellung   im    Gleichgewichte    wirkt,    ihre    Spannung    heißen?     Meines    Er- 
achtens    ist    Spannung    ein  Wort,    was  sich  ||  auf   den  Zustand    der  Vor- 

Stellung  bezieht,  und  ich  würde  eher  den  Quotient  —  die  Spannung  nennen, 

a 

während  ax  die  Energie  des  a  im  Gleichgewichte  ist. 

Nach  Analogie  Ihrer  Rechnungen  könnte  ich  übrigens  nun  schreiben: 

ax  —  by=^o^  denn  x^  y,   z   bedeuten    hier   die  gehemmten  Theile, 

deren  ganze  Summe 

ax — cz=o  eben  die  Hemmurigssumme  ist. 

ax        ax         ^  l bc  -\-  ac  -X-  ab\ 

X  +>'  +  z — xS'=  0.  oder  x  A — -  -\ =  S=x    ■ wobey 

b  c  \  bc  I 

aber   doch   noch    S^=^b  -\-  c   als    schon    bekannt   an- 
genommen   werden    muß,    um    ans    Ziel    zugelangen, 

bc  (h  4-  cV.        .     ,    , 
nämlich  x  =  - — , — — -  wie  bekannt. 

bc  -f-  ac  -f-  ab 

Die  Größen  ax,  by,  cz,  würde  ich  lieber  Momenle  nennen,  als 
Spannungen.  Die  Last  x  hängt  gleichsam  an  a  wie  an  einem  Hebelarm; 
eben  so  y  an  b,  und  z  an  c. 

Hiemit  hoffe  ich  nun  mich  hinreichend  erklärt  zu  haben;  und 
wünsche  nur,  daß  Sie  die  Eile  des  Schreibens  nicht  zu  sehr  spüren 
mögen. 

Eile  ist  nöthig!  wenn  es  Ihr  Ernst  ist,  mir  eine  Hoffnung  die  ich  in 
der  That  beynahe  aufgegeben  hatte,  noch  erfüllen  zu  wollen.  —  Meine 
Kräfte  sinken  fühlbar,  und  meine  hiesige  Lage  ist  gar  nicht  zu  einer  be- 
sondern Wirksamkeit  geeignet.  Woher  sollte  das  Wunder  kommen,  daß 
eine  Universität,  die  so  lange  Zeit  die  Philosophie  zu  entbehren  wußte, 
sich  ihrer  auf  einmal  beharrlich,  eifrig,  oder  nur  ernstlich  zuwendete?  — 
Aber  Einzelne  werden  sich  finden,  und  der  Königsberger  Provincialismus 
wird  sie  nicht  drücken!  So  wahr  dies  ist,  so  kommt  es  mir  doch  zu  spät, 
—   wenn  nicht  sehr  bald  Ihre  Arbeiten  sich  den  meinigen  zugesellen,  — 


April,  Mai   1839.  i^ 


Der  beständige  Nordwind,  den  ich  auf  der  Reise  hatte,  konnte  mich  nicht 
zu  wahrer  Erhohlung  gelangen  lassen;  ich  habe  den  schon  beseitigten 
Katarrh  wieder  mitgebracht;  zwar  ohne  Krampfhusten,  aber  erschöpft  bin 
ich  an  Kräften  des  Geistes  wie  des  Leibes.  Übrigens  hat  sich  das 
Auditorium  so  leidlich  gefüllt.  —  Was  die  Anlage  Ihrer  Beyträge  anlangt, 
so  zweifle  ich  nicht  im  mindesten  an  der  Zweckmäßigkeit;  vielmehr  ist 
es  ohne  Zweifel  gerade  dies,  was  das  Publicum,  so  weit  es  von  der  Sache 
Kenntniß  hat,  von  Ihnen  erwartet;  besonders  da  man  weiß,  daß  Sie 
philos.  Vorlesungen  halten  und  folglich  der  Philosophie  nicht  abhold  ge- 
worden sind.  H. 

649.  An   Drobisch.  1)  Göttingen  26  AprU  1839 

Nichts  ist  gewisser,  mein  Verehrtester!  als  daß  Sie  vollkommen  be- 
rechtigt sind,  nach  Ihrer  Weise  über  mathematische  Psychologie  zu 
schreiben.     Anzeigen  muß  ich  Ihnen  jedoch: 

I.)  daß,  wenn  Sie  in  der  Spannung  und  Energie  der  Vorstellungen 
Kräfte  erkennen,  und  dabey 

die  Nothwendigkeit  des  Sinkens  für  eine  Wirkung  dieser  Kräfte 
halten,  wir  uns  in  diesem  Puncte,  der  wohl  den  eigentlichen  Streitpunkt 
bilden  dürfte,  wie  Ja  und  Nein  gegenüber  stehn. 

2.)  daß  Sie  die  Meinung,  die  Nothwendigkeit  des  Sinkens  sey  selbst 
eine  Kraft  —  wohl  gar  „außer  diesen''  (vorerwähnten)  —  nicht  mir  zu- 
schreiben dürfen.  Ich  habe  die  Nothwendigkeit  des  Sinkens  weder  als 
Wirkung  noch  als  Kraft,  sondern  als  Folge  des  Gegensatzes  bezeichnet. 
Der  Gegensatz  ist  bekanntlich  kein  Ding,  dem  Kräfte  inwohnen  könnten, 
sondern  ein  Verhältniß. 

Leben  Sie  wohl!     Hochachtungsvoll  der  Ihrige  Herbart. 

650.  Gregor  an  H.*)  Königsberg  d.  4ten  May  1839 

Hochverehrter  Herr  Hof rath  und  Freund !  Es  vergeht  fast  kein  Tag,  an  welchem 
in  mir  ein  freundliches  Andenken  an  Sie  nicht  sollte  wach  werden,  und  wie  sollte 
mir  der  heutige  Tag  nicht  ein  Fest  seyn,  reich  an  den  besten  Wünschen  für  Ihr 
Wohl?  —  Ihnen  verdanke  ich's  ja,  daß  ich  Euhe,  Besonnenheit  und  Yestigkeit 
genug  gewonnen  habe,  um  mich  von  den  Wirren  der  Zeit  nicht  fortreißen  zu  lassen, 
und  doch,  so  weit  Kraft  und  Gelegenheit  es  gestatten,  für  das  Wahre  und  Gute 
zu  wirken.  Durch  Ihre  praktische  Philosophie  und  Aesthetik  ist  mir  der  hohe  Wert 
der  heil.  Schrift  recht  klar  und  deutlich  geworden;  das  Studium  Ihrer  Psychologie 
zeigt  mir  die  tiefen  Aufschlüsse  der  inneren  Welt,  wie  meine  warme  Theilnahme 
an  dem  Wohl  und  Wehe  der  Menschheit  es  anfangen  müsse,  um  auf  die  rechte 
Weise  ins  Leben  einzugreifen.  Ihre  Logik  hilft  mir  meine  Vorträge  ordnen;  Ihre 
Metaphysik  bewahrt  mich,  um  das  Mindeste  zu  sagen,  vor  den  Irrwegen  einer  ihrer 
Bedingungen  wie  ihre  Anfänge  verkennenden  Speculation  einer-  ||  seits,  und  vor  dem 
kläglichen  Versinken  in  die  bloße  Empirie  anderseits,  imd  erhält  mein  Interesse  an 
der  Erforschung  der  Wahrheit  lebendig.  Ich  lebe  der  Überzeugung,  daß  durch  die 
Arbeiten,  an  welche  Sie  Ihre  ganze  Kraft  so  treu  und  standhaft  und  tapfer  gesetzt 
haben,   die  Anfänge  des  ächten,   uns  Erdenbürgern  vergönnten  Philosophierens   aus 

')  I  S.    4°. 

2)  4  S.   40.     N. 


14  Juli   1839. 

der  Vergessenheit  hervorgeholt,  um  ein  "Wesentliches  ei'weitert  und  gefördert,  und 
zur  künftigen  Vollendung  vorbereitet  wo)den  sind.  J\Iir  scheints  daher  überflüßig, 
die  Kraft  etwa  an  Verdeutlichung  Ihres  Systems  durch  neue  Metaphysiken,  wenn 
auch  a  la  Hartenstein,  zu  setzen.  Vielmehr  ist  die  Aufgabe,  auf  dem  von  Ihnen 
nach  allen  fiichtungen  so  tüchtig  angebahnten  Wege  weiter  fortzuschreiten,  denn 
nur  so  bleiben  wir  im  Zusammenhange  mit  Ihnen,  ohne  doch  von  eben  ||  dem  so 
verpönten  In  verba  magistri  —  Schwören  getroffen  und  dem  imitatorum  pecus  bei- 
gezählt zu  werden.  Aber  freihoh  so  leicht  wie  die  Hegelianer  sich's  machen,  geht 
das  nicht:  im  Sturmlauf  ist  allenfalls  wol  ein  augenblickliches  Beifallklatschen  des 
Publikums,  aber  kein  Gewinn  für  die  Wahrheit  zu  erlangen.  Umfassendes,  durch 
Ihr  System  geregeltes,  gründliches  und  anhaltendes  Studium  der  Natur  und  Gesell- 
schaft, der  Mathematik  und  Geschichte,  sowie  des  einzelnen  Menschen,  ist  notli- 
wendig,  um  weiter  zu  kommen.  Das  aber  fordert  zu  große  Opfer,  um  nicht  alle, 
die  nicht  Kraft  und  Mittel  und  Entsagung  genug  besitzen,  abzuschrecken.  —  Doch, 
wozu  überlasse  ich  mich  diesem  Zuge  des  Flanderns?  Gerade  dies  ist  ja  mit  ein 
Bewegungsgrund  für  Sie  gewesen,  keine  Schule  zu  stiften !  Sie  wollen  ja  nur  ächte 
Forschung  in  Bewegung  setzen.  Ihnen  ist  mit  einem  Troß  von  Nachbetern  eben 
so  wenig  als  von  Kärrnern  gedient.  Ihr  Streben  war  ja  ||  immer  darauf  gerichtet, 
die  philosophische  Speculation  so  unabhängig  vom  Leben  und  seinen  Farteien  und 
Leidenschaften  zu  halten  als  möghch.  Auch  sehen  wir,  wohin  es  mit  der  Hegel- 
schen  Schule  kommt  —  trotzdem,  daß  sie  sich  mitten  in  die  Kirche  und  in  den 
Staat  hineinzusetzen  die  Anmaßung  hatte.  Diese  werden  durch  sie  wahrlich  nicht 
gefördert,  und  die  Fhilosophie  wird  zu  Grabe  getragen.  Die  Koryphäen  in  Berlin 
sind  reiche  Gutsbesitzer  geworden,  und  singen  den  armen  Studenten  nur  noch  un- 
lustig den  Marsch  vor:  »Seyn,  Daseyn,  Andersseyn,  Ansichseyn,  Fürsichseyn  etc.! 
Und  die  Kirche  zuckt  schon,  um  die  Anmaßungen  endlich  abzuschütteln.  Das 
Schlimmste  ist,  daß  bei  der  Sucht,  der  Philosophie  Einfluß  zu  verschaffen,  das  Inter- 
esse an  ihr  immer  mehr  erschlafft,  wie  z.  .B.  hier,  trotzdem,  daß  Rosenkranz  und 
Lehnert  sehr  gern  und  zahlreich  gehört  werden,  weil  sie  wohlmeinende  Männer  zu 
seyn  scheinen,  und  sehr  gut  sprechen  können.  —  Indessen  wird  auch  Ihre  aus- 
gestreute Saat  nicht  ohne  Wachsthum  und  Früchte  bleiben!  Nur  getrost!  — 

Für  ihren  lieben  Brief  meinen  herzlichen  Dank!  Empfangen  Sie  nochmals 
meinen  innigsten  Glückwunsch  zu  Ihrem  Geburtstage,  und  meine  wie  meiner  Kinder 
freundschaftlichste  Empfehlung  an  Ihre  liebe  Frau  Gemahlin.  —  Sie  müssen  jedenfalls 
so  lange  leben,  bis  meine  beiden  Söhne  ihren  philos.  Cursus  bei  Ihnen  gemacht 
haben !  --  Meine  ältere  Schwester  hat  im  vorigen  Sommer  in  Polen  geheirathet,  und 
meine  jüngste  Schwester  ist  vorgestern  abgereist,  um  sie  in  den  Wochen  zu  pflegen. 

Meine  Wirthschaft  n.  s.  w.  wird  von  einer  älteren  Freundin  meiner  seUgen 
Frau,  dem  Fräulein  Völsch,  gehörig  bedacht.  Taute  ist  kränklich,  liest  aber  doch. 
Mit  imwandelbarer  Hochachtung  und  Liebe  Ihr  Freund     Gregor. 

651.    Verfügung  an  H.i)  Hannover  15.  Juli  1839. 

Nachdem  das  Königliche  Ministerium  der  geistlichen  und  Unterrichts  Angelegen- 
heiten die  Herren  Hofräthe  Müller  und  Herbart  zu  Königlichen  Commissarien  für 
das  Gymnasium  in  Göttingen  auf  die  Dauer  des  Zeitraums  vom  1  Juli  1839  bis 
dahin  1842,  und  zugleich  mittelst  Rescripts  vom  6.  d.  M.  für  denselben  Zeitraum 
die  Herren  Consistorialrath  Lücke  und  Syndicus  Oesterlei  zu  Mitgliedern  der  für 
das  Gymnasium  in  Göttingen  niedergesetzten  Maturitäts-Prüfungscommission  wiederum 

1)  1  S.    Folio.    H.  Wien. 


Juli   1839. 15 

ernannt,  und  Uns  mit  der  Ausführung  dieser  Bestimmung  beauftragt  hat,  so  setzen 
Wir  die  Herren  von  letzterer  Ernennung  in  Kenntniß  mit  dem  Ersuchen,  die  ge- 
nannten Mitglieder  von  diesem  abermaligen  Beweise  der  Zufriedenheit  des  Königl. 
Ministerii  mit  dem  Antheil  welchen  dieselben  an  der  zweckmäßigen  Behandlung  der 
Prüfungen  genommen  haben  zu  unterrichten,  und  sie  so  wie  die  hiemit  von  Uns 
wiederum  zu  Mitgliedern  der  Commission  ernannten  Lehrer  dos  Gymnasii  zu  Göt- 
tingen welche  bisher  an  den  Prüfungen  Theil  genommen  haben,  unter  Bezeugung 
unserer  Zufriedenheit  mit  ihren  Bemühungen,  zur  Besorgung  der  der  Commission 
obliegenden  Geschäfte  einzuladen. 

Königl.  Ober- Schul  Collegium 
gez.  Kohlrausch. 

652.  Kahle  an  H.^)  Berlin  den  16ten  Juli  1839 
Sehr  verehrter  Herr!  Die  Meister  der  Wissenschaft  pflegen  zwar  wenig  ge- 
neigt zu  sein,  auf  die  Bestrebungen  des  Anfäugei-s  Rücksicht  zu  nehmen,  und  des- 
halb habe  ich  lange  gezweifelt,  ob  ich  mich  Ihnen  mit  meinen  ersten  schriftstelleri- 
schen Versuchen  nahen  dürfte,  zumal  ich  in  Betreff  eines  allerdings  sehr  wichtigen 
Punktes,  —  ich  meine  die  Freiheit , —  von  Ihren  bestimmt  ausgesprochenen  An- 
sichten ebenso  bestimmt  abweiche.  Auf  der  anderen  Seite  indessen  habe  ich,  w^enn 
es  nicht  zu  kühn  ist,  mich  auf  diese  Weise  auszudrücken,  eine  gewisse  Analogie 
zwischen  der  Art  und  Weise,  wie  Sie  die  Dinge  betrachten,  und  wie  sie  sich  mir 
zu  verhalten  scheinen  gefunden,  und  Ihre  Methode  der  Darstellung  ist,  wenn  auch 
nicht  in  den  äußerlichen  Beziehungen,  doch  dem  Geiste  nach,  das  Ideal  gewesen, 
dem  ich  nachgestrebt  habe.  Deshalb  will  ich  es  denn  darauf  ankommen  jl  lassen^ 
was  Sie  von  den  beiden,  in  der  Anlage  ganz  ergebenst  beigefügten  Abhandlungen 
urtheilen  werden. 

Mit   der  Versicherung   meiner  ungeheuchelten  Hochachtung  zeichne  ich  mich 
Ew.  Hochwohlgeboren  ganz  ergebenster     der  Justiz-Commissaiius  Dr.  Kahle. 

653.  Ungewitter  an  H.^)  Scheeßel  d.  12.  Aug.  1839 
Theuerster  Herr  Hofrath!     Eben  lese  ich  eine  Vorrede  des   sei.   Dr.   Sigism. 

Jac.  Baumgarten  zu  einer  im  Jahre  1746  in  Halle  herausgekommenen  Dissertation, 
von  Ant.  Friedr.  Büsching,  über  den  Brief  an  die  Philipper,  und  wurde  dadurch 
von  neuem  mit  Dank  und  Freude  erfüllt,  daß  ich  Ihr  Schüler  gewesen  bin.  Ach! 
was  haben  wir  doch  gegen  jene  traurige  Zeit  voraus,  wo  eine  freche,  franz.  englische 
Überweisheit  die  arglose  Christenheit  überfiel,  und  iji  ihrer  arglosen  Wehrlosigkeit 
ähnliche  Verwüstungen  (nur  im  Stillen)  darin  anrichtete,  als  wie  die  Jacobiner  über 
die  unvorbereitete  Königspartei  in  den  1790ger  Jahren  herfielen,  und  sie  ohne  Mühe 
zu  nichte  machten.  Gottlob!  Mitternacht  ist  vorüber!  was  auch  noch  durchzumachen 
seyn  mag.  Unter  allen,  die  für  das  Evangelium  Partei  nehmen,  ist  vielleicht  Keiner, 
der  so  mit  Absicht  alles  Geräusch  und  alles  unberufene  laute  Auftreten  vermeidet, 
als  der  Schreiber  dieses  Briefes:  aber  es  ist  das  Siegesgelüst  in  seiner  Seele,  und 
wird  mit  jedem  Tage,  möchte  ich  sagen,  stärker.  Das  verdanke  ich,  durch  Gottes 
Fügung,  unter  den  Menschen  Ihnen  am  meisten,  der  Sie  mich,  auf  eine  Art,  wie 
Sie  selbst  es  nicht  dachten,  und  wie  es  Ihnen  noch  immer  nicht  recht  seyn  mag, 
für  die  Sache  des  Evangeliums  ausrasteten,  daß  ich  noch  vor  Keinem  schriftlichen 
oder  mündlichen  Gegner  desselben  mich  habe  zu  fürchten  brauchen,  und  mit  stiller 


')  2  S.  40.     N. 
2)  1  S.   40.    N. 


l6  August   1839. 


Zuversicht  meine  Sache  fortführe,  die  Sache  Jesu  Christi  mit  Herbartischer  Nüchter- 
heit  und  Schärfe  —  und  damit  zugleich  in  lauterer  Energie  des  Herzens  innerhalb 
des  Kreises,  der  mir  ßerufssache  ist,  geltend  zu  machen. 

Ich  hatte  dieß  nur  gegen  Sie  auszusprechen,  und  ziehe  mich  nun  wieder  zurück, 
und  beharre  mit  bekannter  Verehrung  Ihr     J.  G.   üngewitter. 

•654.    Thomas  an  H.^)  Königsberg  den  29  August  1839 

Hochzuverehrender  Herr  Hofrath!  Schon  zu  lauge  wünschte  ich,  Ihnen  ein 
Zeichen  meiner  innigsten  Dankbarkeit,  Hochachtung  und  Verehrung  darzubringen, 
als  daß  ich  es  hätte  unterlassen  können,  Ihnen  diejenige  Schrift  zu  dediciren,  mit 
welcher  ich  meine  akademische  Laufbahn  beginne.  Möchte  sie  wenigstens  von  dieser 
Seite  eine  freundliche  Aufnahme  bei  Ihnen  finden,  möchte  sie  außerdem  dafür 
Zeugniß  ablegen  können,  daß  ich  nicht  vergebens  die  Bahn  verfolgte,  welche  Sie 
der  Philosophie  vorgeschrieben  haben.  Mein  ganzes  Bestreben  ist  nur  darauf  ge- 
richtet, einen  ehrenvollen  Platz  unter  Ihren  Schülern  zu  erhalten  und  der  Zweck 
•der  gegenwärtigen  Arbeit  ist  erreicht,  wenn  Sie  geneigt  sein  sollten,  mir  in  Folge 
derselben  die  Ehre  Ihrer  Anerkennung  zu  erweisen.  Die  Besorgniß,  daß  Sie  diese 
Arbeit  nicht  für  so  gelungen  erachten  werden,  als  ich  es  wünsche  und  hoffe,  hätte 
mich  abhalten  müssen,  sie  Ihnen  vor  erbetener  Erlaubniß  öffentlich  zu  überreichen, 
wenn  nicht  Mangel  an  Zeit  die  Ausübung  dieser  Schuldigkeit  unmöglich  gemacht 
hätten  —  denn  ursi^rünglich  sollte  nicht  dieser  Gegenstand  meine  Habihtations- 
dissertation  bilden,  sondern  erst  als  eine  andre  Arbeit  wegen  der  daran  sich 
knüpfenden  Persönlichkeiten  von  mir  zurückgezogen  ward,  benutzte  ich  schon  vor- 
bereitete Materialien,  um  mit  einem  andern  Thema  mir  den  Eintritt  in  die  Königsberger 
Fakultät  zu  erzwingen;  denn  leider  habe  ich  keinen  Schritt  bei  meiner  Inhabilitation 
machen  können,  ohne  dabei  auf  zum  Tlieil  widerwärtige  Schwierigkeiten  zu  stoßen, 
die  mir  jetzt  nur  insofern  angenehm  ||  sind,  als  ihre  glückliche  Überwindung  mir  das 
nöthige  Selbstvertrauen  gegeben  hat.  Ich  -darf  annehmen,  daß  weder  meine  Disser- 
tation noch  meine  Disputation  der  hiesigen  Fakultät  auch  nur  zur  mindesten  Schande 
gereichen.  Und  so  hoffe  ich  auch,  daß,  wie  auch  Ihr  Urtheil  über  meine  Arbeit 
ausfallen  werde,  Sie  mir  die  Kühnheit  vergeben  werden,  sie  ohne  weitere  Anfrage 
Ihnen  öffentlich  dargereicht  zu  haben.  Nur  unter  dieser  Voraussetzung  darf  ich  es 
wagen,  Ihre  Theilnahme  an  mir  als  Ihrem  Schüler  für  meine  künftigen  Bemühungen 
in  Ansi^ruch  zu  nehmen  und  Ihnen  schon  jetzt  eine  Eechenschaft  darüber  abzulegen. 
Die  gegenwärtige  Schrift  werde  ich  nicht  dem  Buchhandel  übergeben,  wohl  aber 
die  kritischen  Journale  zur  Berücksichtigung  derselben  auffordern.  Ich  werde  er- 
warten, ob  die  darin  aufzunehmenden  Beurtheilungen  mich  nöthigen  werden,  meine 
Ansicht  von  der  Lehre  Spinozas  bei  einer  Vergleichung  derselben  mit  der  Lehre 
Hegels  zu  ändern.  Dürfte  diese  Arbeit  sonach  erst  später  ihre  Vollendung  erreichen, 
so  liegt  die  einer  andern  bei  weitem  näher,  da  ich  nur  auf  Ihre  Erlaubniß  warte, 
das  Manuscript  Ihnen  zur  Durchsicht  und  Prüfung  vorzulegen.  Es  ist  dieses  ein 
Versuch  über  die  Grundbegriffe  der  Güterlehre  vom  Standpunkte  der  Statswirth- 
schaftslehre,  über  .welche  freilich  Herr  Professor  Hagen  ein  so  hartes,  zugleich  aber 
so  unbegründetes  Urtheil  ausgesprochen,  daß  ich  dessen  Erwidrung  versagen  konnte 
und  mußte,  was  dann  jdie  oben  erwähnten  Persönliclikeiten  zur  betrübenden 
Folge  hatte. 

In  diesem  Versuche  unternehme  ich  den  Begriff  gut  als  einen  allgemeinen 
nachzuweisen,  denselben  mit  dem  der  Werthschätzung,  oder  vielmehr  der  Schätzung 
zu  identificiren,  die  Beziehungen  desselben  auf  ein  schätzendes  Subject  und  ein  ge- 


^)  3V4  S.     4».     H.  Wien. 


September  1839.  17 


schätztes  Object  nachzuweisen,  und  nach  Maßgabe  der  formalen  Verschiedenheiten 
des  dui-ch  jene  Beziehungen  begründeten  Verhältnisses  zwischen  Personen  und  Sachen 
die  Reilie  der  Schätzungsbegriffe  aus  den  (Gliedern  der  Würde,  des  Wohles,  der 
Nützlichkeit,  der  Kosten  und  des  Preises  zu  konstruiren  ||  da  hie  bei  der  Begriff  der 
Würde  als  Repräsentant  Ihrer  praktischen  Philosophie  und  Ästhetik  auftritt,  der  des 
"Wohles  gleichzeitig  mit  jenem  in  die  Psychologie  hineingreift  und  bei  den  Begriffen 
der  Kosten  und  des  Preises  die  Ideen  der  Billigkeit  und  des  Rechtes  berührt  werden 
mußten,  so  würde  ich  über  das  Zuviel  und  Zuwenig  der  hiebei  zu  behandelnden 
Materien  sehr  gern  Ihres  Rathes  mich  bedienen,  um  bei  vielseitigem  theils  schon 
erfahrenen  theils  noch  zu  erwartendem  "Widerspruche  nicht  auf  mein  Urtheil  allein 
angewiesen  zu  bleiben.  Vielleicht  dürfte  es  nicht  unzweckmäßig  sein,  einen  kürzeren 
Abriß  dieser  Abhandlung  sowie  eine  deutsche  Bearbeitung  meiner  Dissertation,  welcher 
einige  andre  Aufsätze  noch  hinzugefügt  weiden  könnten,  schon  jetzt  unter  dem  Titel 
philosophischer  Studien  dem  Publikum  zu  übergeben.  Hier  ist  es  mir  leider  nicht 
gelungen,  einen  Verleger  für  mich  zu  interessiren;,  doch  würde  Ihre  gütige  Für- 
sprache mir  leicht  einen  solchen  in  Deutschland  besorgen  können.  Für  diesen  liegen 
auch  Materialien  zu  einer  Darstellung  der  kantischen  Lehre  in  meinen  Fächern, 
deren  Vollendung  mir  keine  so  bedeutende  Mühe  machen  würde,  daß  sie  nicht  der 
Geschichte  der  Kantischen  Philosophie  des  Herrn  Professor  Rosenkranz  bald  ent- 
gegentreten könnte.  Die  von  mir  angekündigten  Vorlesungen  über  Einleitung  in  die 
Statswissenschaften  und  über  die  Philosophemata  des  Cartesius,  Spinoza,  Leibnitz  und 
Wolff  will  ich  zu  einer  schriftstellerischen  Arbeit  über  den  Begriff  des  States  und 
über  die  Statswissenschaften  mit  Benutzung  der  praktischen  Philosophie  und  der 
psychologischen  Politik,  so  wie  über  jenen  Theil  der  Geschichte  der  Philosophie  be- 
nutzen, und  werde,  bei  mangelnden  Zuhörern  meine  Muße  ganz  auf  diese  Gegenstände 
verwenden.  Doch  ich  fürchte  schon  zu  sehr  Ihre  Güte  geraißbraucht  und  zu  lange 
Ihre  Muße  von  Arbeiten  abgehalten  zu  haben,  die  für  die  Nachwelt  bestimmt,  das 
Interesse  der  Gegenwart  vielleicht  in  Ihren  Augen  so  sehr  ||  verkleinert,  als  diese  es 
um  die  Verkenuung  Ihrer  unschätzbaren  Verdienste  und  Leistungen  verdienen  dürfte. 
Möchten  die  gegenwärtigen  Zeilen  dazu  gedient  haben,  Sie  zu  überzeugen,  daß  ich 
es  für  mein  einziges  Verdienst  erachte,  Ihre  Gedanken  gefaßt  zu  haben,  daß  es  das 
alleinige  Streben  meines  Lebens  sein  wird,  denselben  die  Anerkennung  zu  ver- 
schaffen, die  sie  nicht  allein  zu  Ihrem  Ruhme,  sondern  auch  zum  Heile  der  "S\^issen- 
schaft  und  der  Menschheit  einmal  nothwendig  erhalten  müssen. 

In  tiefster  Hochachtung  unterzeichnet  sich  Karl  Thomas. 

655.    Drobisch  an  H.')  Leipzig  14.  Sptbr  39. 

Erlauben  Sie  verehrter  Gönner  und  Freund,  daß  ich  Ihnen  die  beifolgende 
kleine  Abhandlung  psychologischen  Inhalts  übersende,  deren  zweites  Exemplar  ich 
Herrn  Lott  gefälligst  zukommen  lassen  zu  wollen  bitte.  Ich  darf,  wie  ich  glaube, 
ohne  Zudringlichkeit  diese  Schrift  Ihnen  zusenden,  da  sie  nichts  enthält,  was  Ihnen 
anstößig  seyn  könnte.  Was  der  erste  §  (55)  besagt,  das  ist  der  wahre  Stand  meiner 
Sache.  Ich  bin  mit  den  Principien  der  mathematischen  Psychologie  zu  einer  Capi- 
tulation  gekommen,  die  ich  zwar  nicht  für  einen  Abschluß  für  immer  halten  kann, 
die  mich  jedoch  über  die  meisten  Resultate,  wie  ich  hoffe,  für  immer  mit  Ihnen  in 
Einstimmung  setzt,  ohne  daß  ich  die  Einwürfe,  die  ich  mir  erlaubte,  zurückzunehmen 
habe.  Ausführlicheres  werden  künftig  die  „naturwissenschaftlichen  und  mathematischen" 
Anfänge  bringen.    Früher  aber  als  diese  dürfte  wol  eine  Abhandlung  über  Religions- 


')  1  S.    4°.     H.  Wien. 

Hersarts  Werke.     XIX. 


l8  Oktober   1839. 


Philosophie  zum  Drucke  kommen,  ein  Thema,  das  freilich  nicht  ganz  in  den  Grenzen 
strenger  Wissenschaft  liegt,  aber  gerade  deshalb  nur  um  so  mehr  das  Interesse 
derer  in  Anspruch  nimmt,  die  von  der  Philosophie  praktische  Resultate  verlangen. 
Ich  werde  Sorge  tragen,  daß  die  Leser  dieser  Schrift  meine  individuellen  Ansichten 
mit  ihren  etwaigen  Mängeln  nicht  Ihnen,  dem  Urheber  des  Systems,  in  dessen  Geiste 
ich  zu  philosophiren  glaube,  zur  Last  legen. 

Ihrer  verehren swürdigen  Frau  Gemahlin  mich  und  meine  Frau  bestens  emp- 
fehlend, bin  ich  mit  unveränderter  Gesinnung 

Ihr  aufrichtig  ergebenster     Drobisch. 

Für  die  jüngeren  Freunde  werden  unter  Ihrer  Adresse  (jedoch  beliebiger  Ver- 
fügung von  Ihrer  Seite)  durch  Buchhändlergelegenheit  einige  Exemplare  folgen. 

656.  Sachs  an  H.')  Frankfurt   a/M  d  15  September  39 

Verehrtester  College  und  Freund !  Zur  Herstellung  meiner  Gesundheit  habe  ich 
in  diesem  Jalire  mich  zum  Gebrauche  der  Teplitzer  Bäder  entschließen  müssen  und 
dann  es  noch  angemessen  gefunden  eine  Erholungsreise  zu  unternehmen,  die  mich 
nach  Wien,  ins  Salzburgsche,  nach  München,  und  von  da  hieher  gefühii.  Heute 
i'eise  ich  von  hier  nach  Pyrmont  zur  Versammlung  der  Naturforscher  und  Aerzte 
ab.  Dies,  Verehrtester,  erlaube  ich  mir  Ihnen  mitzutheilen,  um  daran  die  —  freilich 
etwas  kühne  Bitte  —  knüpfen  zu  können,  daß  es  Ihnen  gefallen  möge  auch  dahin, 
wenn  auch  nur  auf  wenige  Tage,  zu  kommen.  Wie  gern  wäre  ich  zu  Ihnen  nach 
Göttingen  geeilt,  um  Sie  von  Angesicht  wieder  zu  sehen  und  Ihnen  die  Versicherung 
meiner  innigen,  uuers'chütterlichen  Verehrung  zu  erneuern.  Aber  in  der  damaligen 
Lage  der  lieben  Georgia  augusta  (lesen  Sie  ja  nicht  angusta)  kann  es  nicht  zur 
reinen  Freude  kommen.  Sie  haben  ja  nun  auch  Ferien,  diese  Reise  nach  Pyrmont 
ist  jedenfalls  eine  unbedeutende,  für  Ihre  Erheiterung  und  Unterhaltung  wird  ge- 
sorgt sein,  manches  Interessante  bietet  sich  Ihnen  wol  dar  und  für  psychologische 
Bemerkungen  und  Beobachtungen  finden- Sie  da  reiche  Gelegenheit.  Vielleicht  also 
entschließen  Sie  sich  zu  diesem  Ausfluge  und  gewähren  mir  dadurch  die  Erfüllung 
eines  lange  gehegten,  sehnlichen  Wunsches.  Unseren  gemeinschaftlichen  Freund 
Jacobi  aus  Königsberg  finden  Sie  auch  in  Pyrmont. 

So  dringend  es  mir  auch  war  Ihnen  diese  Bitte  vorzutragen  und  so  sehr  ich 
deren  Gewährung  wünsche,  so  muß  ich  diese  doch  ganz  Ihnen  anheimstellen  und 
mich  wenigstens  vorbereiten  auch  die  Verweigerung  nicht  unwürdig  zu  tragen,  da 
ich  den  besten  Grund  habe  bei  Urnen  alles  auf  guten  Gründen  beruhend  vorauszu- 
setzeü.  Einstweilen  indessen  überlasse  ich  mich  der  fröhlichen  Hoffnung  auf  die 
Erfüllung  meines  Wunsches. 

In  treuester  und  verehrender  Gesinnung  der  Ihrige     Sachs. 

Meine  ehrerbietigsten  Empfehlungen  Ihrer  Frau  Gemahlin. 

657.  An    Drobisch.  2)  Göttingen  6.  Oct.  39 

Ihr  vorletzter  Brief,  Verehrtester!  brachte  mich  dahin,  Ihrem  Rechte, 
in  Ihrem  Geiste  über  mathematische  Psychologie  zu  schreiben,  meinen 
Respect  zu  bezeugen. _  Die  nämliche  Antwort  habe  ich  für  Ihren  letzten 
Brief;  muß  mir  aber  in  Bezug  auf  das:  narrabat,  se  coactum  rei  difficultate 
etc.  die  Freyheit  nehmen,  ein  kleines  Citat  beyzufügen.     Die  d'Alembert'sche 

')  IS.   4".     H.  Wien. 

-)  Bemerkung  von  Drobisch:  „Abschrift.  Das  Original  ist  im  Besitz  des  H.  Ober- 
postdirectors  v.  Hüttner,  dem  ich  es  geschenkt." 


Oktober   1839.  iq 


Methode  steht  bey  Lacroix  im  traite  clem.  d.  c.  d.  et  int.  2rn.  ed.  pag.  416. 
Nro.  286.  Dort  habe  ich  sie  vor  einem  Jahre  gefunden  und  schon  damals 
angewendet.   — 

Uebrigens  dankend  für  Ihre  Sendung,  erwiedemd  durch  die  meinige, 
erwarte  ich  Ihre  Abhandlung  über  Religionsphilosophie. 

Hochachtungsvoll     Herbart. 

658.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig  d.  15.  October  1839. 

Verehrter  Gönner!  Da  die  Zusendung  der  Abhandlung  über  Religionsphilosophie, 
welche  Sie  mir  erlaubt  haben,  wol  noch  einige  Zeit  sich  verziehen  kann,  indem  das 
Manuscript  noch  nicht  einmal  beendigt  ist.  so  will  ich  nicht  unterlassen,  Ihnen  sofort 
für  das  gütigst  mir  verehrte  erste  Heft  Ihrer  psychologischen  Untersuchungen 
meinen  verbindlichsten  Dank  zu  sagen.  Es  macht  mir  die  größte  Freude,  Sie  mit 
unverminderter  Kraft  aus  Ihren  Schätzen  Mittheilungen  machen  zu  sehen,  die,  wenn 
sie  die  Mitwelt  nicht  gebührend  wüi'digen  sollte,  für  die  Nachwelt  nicht  verloren 
seyn  werden.  Daß  auch  Sie  schon  vor  einem  Jahre  die  d'Alembert'sche  Methode 
in  Anwendung  gebracht  haben,  würde  mir  nur  ganz  einfach  interessant  seyn,  wenn 
Ihre  Mittheilung  nicht  eine  Art  Berichtigung  seyn  zu  sollen  schiene.  Ich  erinnere 
mich  aber,  daß,  als  ich  vor  zwei  Jahren  die  Ehre  hatte,  Ihnen  die  erste  Auflösung, 
die  im  Programm  nicht  ganz  ausgeführt  ist,  aber  vollkommen  zu  denselben  End- 
formeln  führt,  im  Brouillon  vorzulegen,  sich  Ihre  Aufmerksamkeit  auf  die  allgemeinere 
Behandlung  des  Problems  noch  nicht  wieder  zurückgewandt  hatte,  finde  es  aber 
sehr  natürlich,  daß,  als  dies  geschah,  der  Erfolg  nicht  fehlte,  und  Sie  Sich  dabei 
sogar  einer  bessern  Methode  bedienten  als  meine  zuerst  gebrauchte  war,  von  der 
Sie  nur  eine  flüchtige  Kenntniß  genommen  haben  werden,  so  daß  Ihnen  schwerhch 
etwas  mehr  in  der  Erinnerung  geblieben  seyn  wird  als,  daß  es  mir  gelungen,  die 
drei  Differentialgleichungen  ohne  Beschränkimg  auf  besondre  Fälle  zu  integriren. 
Da  ich  die  Methode  nicht  erfunden  habe,  so  kann  ihre  Anwendung  für  mich  gar 
kein  Gegenstand  des  Ehi'geizes  seyn,  und  daß  ich  die  unschuldigen  Worte: 
narrabat  etc.  hinzugefügt  habe,  werden  Sie  doch  hoffentlich  nicht  deuten,  als  wollte 
ich  mich  über  Sie  erheben,  da  es  in  keiner  andern  Absicht  geschah,  als  um  den 
Leser  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  hier  einmal  nicht  blos  ||  Prüfung  Ihrer 
Rechnungen,  sondern  ein  eigner,  wenn  gleich  auch  erst  durch  Sie  Selbst  veranlaßter 
Versuch  gegeben  sey. 

Allein  seit  ich  mich  zu  der  Prüfung  der  Principien  zurückgewendet  und  Ihnen 
das  offene  ßekenntniß  abgelegt  habe,  daß  ich  mir  in  der  Darstellung  derselben  noch 
nicht  völlig  genügen  kann  und  daß  ich  vermuthe,  dies  oder  jenes  werde  anders 
werden  müssen,  scheint  sich  Ihrer  ein  Mißtrauen  bemächtigt  zu  haben,  gegen  das 
ich  nichts  einzuwenden  haben  würde,  wenn  es  blos  meine  geistige  Fähigkeit  beträfe 
(wo  es  gar  wol  gegründet  seyn  könnte),  das  mich  aber  geschmerzt  hat,  weil  ich 
bemerkt  zu  haben  glaube,  daß  es  wenigstens  zugleich  gegen  meine  Gesinnung  ge- 
richtet ist.  Es  thut  mir  sehr  leid,  daß  Differenzen,  die  nur  sachlich  wissenschaft- 
hche  hätten  bleiben  sollen,  wenn  ich  nüch  nicht  ganz  irre,  auf  das  persönliche  Ver- 
hältniß  einen  störenden  Einfluß  zu  gewinnen  angefangen  haben.  Ich  meinerseits 
will  wenigstens  nicht  unterlassen,  hierdurch  auf  das  Bestimmteste  zu  versichern, 
daß  dies  ganz  außer  meiner  Eiwarümg  gelegen  hat.  Nochmals  versichre  ich  Urnen, 
daß  Sie  von  mir  keinen  Angriff  zu  erwarten  haben,  und  ich  füge  jetzt  hinzu: 
ich  leiste  darauf  Verzicht,  die  mathematische  Psychologie  fernerhin  zu  einem  Gegen- 


1)  3  S.    4".     H.  Wien. 


20  Oktober    1839. 


stand  einer  öffentlichen  Discussion  zu  machen.  Ein  einziges  Programm  wird  noch 
in  einigen  Monaten  erscheinen,  das  sich  auf  die  Anwendung  der  intensiven  Größe 
in  der  niath.  Psych,  bezieht,  worüber  ich  noch  sprechen  muß,  um  mich  gegen  Gauß 
und  Fries  zu  rechtfertigen.  Das  Uebrige  lege  ich  bei  Seite  und  werde  nur  eine 
ganz  populäre  empirische  Psychologie,  die  fast  beendigt  ist,  im  nächsten  Jahre  er- 
scheinen lassen.  Nie  habe  ich  mir  eingebildet,  in  der  mathematischen  Psychologie 
mit  Ihnen  rivalisiren  zu  können;  nur  eine  gründliche  und  leicht  faßhche  elementare  || 
Bearbeitung  gedachte  ich  fürs  Erste  zu  liefern.  Dies  gelang  nicht  in  solcher  Weise, 
daß  es  sich  Ihres  Beifalls  erfreuen  konnte,  woran  mir  doch  vor  allem  andern  ge- 
legen seyn  mußte;  Aufmunterung  von  andern  Seiten  könnte  mich  auch,  nicht  zur 
Fortsetzung  reizen,  denn  leider  hat  es  bis  jetzt  an  Theilnahme  gefehlt;  soll  mir  mm 
gar  Mißtrauen  in  die  Redlichkeit  meiner  Absichten  bei  diesen  Arbeiten  zum  Be- 
gleiter werden,  so  mögen  sie  docli  ja  lieber  unter  Bücherstaub  vergraben  liegen 
Diesen  Entschluß  erlaube  ich  mir,  Ihnen  hierdurch  mitzutheilen.  Nur  öffentlich 
gegebene  Veranlassungen  (wie  z.  B.  sie  eben  jetzt  Fries  geboten  hat)  könnten  mich 
etwa  nöthigen,  zu  meiner  Vertheidigung  mir  eine  Abweichung  zu  erlauben,  im 
Uebrigen  mag  die  Sache  ruhen. 

Mit  unveränderter  Hochachtung  Ihr  ergebenster    Drobisch. 

659.    An  Drobisch.^)  Göttingen  20  Oct  39 

Verehrtester!  Es  läßt  sich  nicht  füglich  vermeiden,  daß  ich  Sie  an 
einiges  Vergangenes  erinnere.  Gesprächsweise  hatte  ich  Hrn.  L[ott?]  ge- 
fragt, woran  Sie  Anstoß  nähmen?  Einige  Tage  darauf  bekam  ich,  unerwartet, 
von  ihm  ein  Schreiben,  worin  er  sagt:  —  „ich  versprach  mich  genauer 
daran  zu  besinnen,  —  das  Einfachste  war  wohl,  ihn  selbst  um  eine  Be- 
antwortung anzugehn.''  So  geschah  es,  daß  Ihre  Papiere,  nicht  unter  Ihrem 
Siegel,  ohne  eine  briefliche  Zeile  von  Ihnen,  ohne  Angabe  des  Zusammen- 
hangs, —  mir  zu  Gesichte  kamen.  Beygefügt  wurde  die  Bemerkung,  Sie  ge- 
dächten nicht,  diese  Papiere  drucken  zu  lassen. 

In  Ihrem  Briefe  vom  20  April  d.  J.  steht:  ,, Komme  ich  zu  keinen 
andern  Ansichten,  so  gedenke  ich  damit  nicht  zurückzuhalten.  Wollte  ich 
weiter  nichts  als  die  gesamte  mathematische  Psychologie  mit  Stumpf  und 
Stiel  ausrotten,  so  könnte  ich  damit  zu  Hause  bleiben,  denn  nur  ein  ge- 
fährlicher Irrthum  verdient,  so  behandelt  zu  werden,  nun  habe  ich  aber 
nur  die  gute  Absicht  zu  verbessern"  u.  s.  w. 

Am  15  Oktober  in  Ihrem  letzten  Briefe,  schrieben  Sie:  „Nochmals 
versichere  ich,  daß  Sie  von  mir  keinen  Angriff  zu  erwarten  haben,  und 
ich  füge  jetzt  hinzu:  ich  leiste  darauf  Verzicht,  die  math.  Psych,  fernerhin 
zu  einem  Gegenstande  einer  öffentlichen  Discussion  zu  machen.  —  Nur 
öffentlich  gegebene  Veranlassungen,  (wie  sie  z.  B.  eben  jetzt  Fries  geboten 
hat,)  könnten  mich  etwa  nöthigen,  zu  meiner  Vertheidigung  mir  eine  Ab- 
weichung zu  erlauben." 

Nur  soviel  von  Vielem  bringe  ich  in  Erinnerung;  und  nur,  damit 
Sie  II  gütigst  Selbst  bemerken  mögen,  wie  nöthig  es  war  und  ist,  daß  ich 
Ihrem  Rechte,  in  Ihrem  Geiste  über  math.  Psych,  zu  schreiben,  meinen 
Respect  bezeugte.  Denn  jenes  Verzicht -Leisten,  was  soll  es  bedeuten? 
vollends    nachdem  Sie    ein    halbes   Jahr    zuvor    in  Überlegung    genommen 


1)  2  S.    4 


0 


Oktober  1839.  2I 


hatten,  daß,  und  warum  Sie  die  math.  Psych,  nicht  ganz  mit  Stumpf  und 
Stiel  ausrotten  wölken !  Daß  jenes  Verzicht-Leisten  nicht  kann  angenommen 
werden,  versteht  sich  von  selbst;  daß  ich  dergleichen  nicht  wünsche, 
sollten  Sie  mir  zutrauen ;  daß  Sie  bey  solchem  Verzicht  nicht  beharren 
können,  daß  vielmehr  die  Regel  nur  der  Ausnahme  wegen  da  seyn  würde, 
bezeichnen  Sie  sogar  auf  der  Stelle  durch  Erwähnung  des  Fries.  Ja  neben 
Fries  finde  ich  in  Ihrem  Briefe  noch  Gauß  genannt.  Diese  Herren  pflegen 
bekanntlich  nicht  zu  scherzen;  und  noch  obendrein  wollen  Sie  Sich  über 
Religionsphilosophie  aussprechen.  Das  wird  zu  thun  geben;  Sie  werden 
Sich  frey  regen  und  rühren,  müssen ;  was  Sie  gegen  meine  Lehre  auf  dem 
Flerzen  haben,  wird  öfter  herauskommen;  selbst  wenn  Sie,  wie  ich  hoffe 
und  bitte,  in  Bezug  auf  ehemalige  Privat -Mittheilungen  behutsamer  seyn 
werden,  als  bei  dem  —  unnöthigen  narrabat.  Die  ,.gute  Absicht  zu  ver- 
bessern", die  ich  Jahre  lang  vor  der  förmlichen  Verkündigung  als  sich 
von  selbst  verstehend  voraussetzte,  ohne  ein  Rütteln  an  den  Fundamenten 
zu  besorgen,  —  gehört  überhaupt  nicht  zu  denjenigen  Absichten,  die  man 
aus  großmüthiger   Rücksicht  auf   Privatverhältnisse,   faßt  oder  aufgiebt. 

Übrigens  ist  im  letzten  Jahre  zwischen  uns  nicht  von  persönlichen 
Fähigkeiten  u.  d.  pp.  die  Rede  gewesen,  sondern  von  Dem,  was  zu  aller 
Zeit,  in  allen  philos.  Systemen,  eine  der  allerempfindlichsten  Stellen  aus- 
gemacht hat  und  ausmachen  wird.  Was  mich  persönlich  unangenehm  be- 
rührte, geht  vorüber,  da  Sie  es  wünschen. 

Hochachtungsvoll     Herbart. 


'O" 


660.    An  Griepenkerl.i)  Göttingen  20.  Oct.  1839. 

Empfangen  Sie  meinen  herzlichen  Glückwunsch,  mein  theurer  Feund! 
zu  Ihrer  Familienfreude!  IMöge  dieses  Ereigniß  einen  warmen  Sonnenschein 
über  Sie  und  die  Ihrigen  ergießen!  Meine  Theilnahme  ist  um  desto  voll- 
ständiger, da  ich  den  besten  Glauben  hege,  daß  Bremen  ein  rechter  Wohn- 
platz für  gute  Frauen  ist,  und  daß  die  dortige  FamiUe  Gildemeister, 
womit  Ihr  künftiger  Schwiegersohn  zusammenhängt,  zu  den  achtungs- 
werthesten  gehört.  Die  Schwester  Kotzebues  habe  ich  persönlich  gekannt; 
auch  ihren  Sohn,  der,  glaube  ich,  schon  seit  langer  Zeit  Senator  ist. 
Wahrscheinlich  wird  auch  eine  Bekanntschaft  mit  dem  Bürgermeister 
Sraidt,  2)  meinem  Universitätsfreunde,  bald  hinzukommen!  Übrigens  lag  mir 
eine  Art  von  Gedanken  in  der  Seele,  als  ob  ich  noch  in  diesen  Herbst- 
ferien wieder  zu  Ihnen  nach  Braunschweig  kommen  möchte,  allein  erst 
die  Kosten,  —  dann  die  Betrachtung,  daß  Sie  jetzt  andre  Dinge  zu  be- 
denken hätten,  die  ohne  alle  Frage  weit  nähere  Ansprüche  an  Ihre  Auf- 
merksamkeit haben  als  ich  mit  meinem  literarischen  oder  wissenschaftlichen 
Treiben,  —  dies  beydes  hat  mich  zurückgehalten.  Sie  werden  ja  wohl 
einmal  wieder  daran  denken,  daß  Sie  uns  hier  besuchen  wollten. 

Haben  Sie  Zeit  an  mich  zu  denken,  so  kann  ich  den  Artikel  im 
neuen  Conversationslexicon  der  Gegenwart,    I4tes  Heft,    der   meine  Lehre 

^)  272  S.  4".  H.  "Wien.  —  Bei  Zimmermann  pp.  S.  96  f.  Die  dort  weg- 
gelassenen Xamen  habe  ich  hier  ergänzt. 

2)  Vgl.  S.   5  und  Herb    Rel.  S.   24  und  öfter. 


22  Oktober  1839. 


betrifft,  mit  gutem  Gewissen  empfehlen.  Der  Aufsatz  ist  ohne  Zweifel  von 
Hartenstein;  nichts  Aufgeblasenes  aber  meinem  Urtheil  nach  viel  Treffendes; 
und  gewiß  Ersatz  gegen  unzähliges  Geschwätz.  —  Aus  einigen  kleinen 
Zügen  sehe  ich,  daß  Hartenstein  sich  selbst  dabey  nicht  vergessen  hat;  seine 
Metaphysik  ist,  der  Wahrheit  gemäß,  als  Reproduction  der  meinigen  be- 
zeichnet, aber  „der  Gang  der  Untersuchung"  soll  darin  „mit  größerer 
„Continuität",  als  von  mir,  wenigstens  „der  Form  der  äußern  Darstellung 
nach",  geschehen,  verfolgt  seyn.  Und  wenn  Sie  Ihre  Ästhetik  nicht  ge- 
hörig gewürdigt  finden,  so  trösten  Sie  Sich  gewiß  leicht  damit,  daß  auch 
meine  4  neuern  Schriften  kurzweg  „zu  fragmentarisch"  gefunden  werden, 
um  „systematischer  angelegte  Schriften  überflüssig  machen  zu  können". 
Was  dahinter  steckt  —  ein  eigner  Plan,  —  ist  leicht  zu  errathen.  Jeder 
sorgt  für  sich!  Drobisch  hat  nun  einen  überhöflichen  Brief  gut  gefunden, 
den  ich  nicht  eben  so  höflich  beantworten  konnte;  doch  wird  nun  wohl 
die  Reibung  etwas  vermindert  werden.  Wenn  die  Leute  mir  nur  möglich 
machen,  in  demjenigen  Thun  fortzufahren  was  ich  als  meine  Pflicht  be- 
trachte, —  wenn  nur  nicht  die  Ungunst  der  Außenwelt  mir  den  Boden 
unter  den  Füßen  verdirbt,  und  die  wenigen  Kräfte  die  ich  noch  habe,  in 
Fesseln  legt,  —  dann  will  ich  schon  zufrieden  seyn.  Mein  bisheriges 
Schicksal  in  einem  schon  langen  Leben  war  immer  fort,  desto  mehr  arbeiten 
zu  müssen,  je  mehr  Andre  verdarben.  Jetzt  bin  ich  bey  meinem  zweyten 
Heft;  es  giebt  noch  soviel  zu  thun,  daß  ich  noch  immer  manchmal  be- 
sorge, der  Zielpunct  laufe  vor  mir,  und  wolle  sich  nicht  erreichen  lassen. 
Mit  großem  Danke  für  die  Bachschen  Sachen 

Herzlich  der  Ihrige!      H. 

661.    Drobisch  an  H.^)  '         Leipzig  d.  23.  October  39. 

Wenn  ich,  verehrter  Gönner,  sofort  mich  beeile,  Ihren  Brief  vom  20.  d.  mit 
einigen  Zeilen  zu  erwiedern,  so  geschieht  es  nicht  zwar  in  der  Hoffnung,  daß  ich 
diesmal  in  dem  Versuch,  Sie  von  Ihrem  Mißtiauen  gegen  mich  zu  befi'eien,  glück- 
licher seyn  würde,  sondern  um  nur  das,  woran  Sie  mich  erinnern,  in  das  rechte 
Licht  zu  setzen.  Hätte  es  Ihnen  gefallen,  mir  Ihr  Mißfallen  über  das  in  Erinnerung 
gebrachte  im  April  unmittelbar  ganz  offen  zu  erkennen  zu  geben,  —  wo  ich  nur  einen 
Brief- erhielt,  dessen  kurzer  Inhalt  den  Wunsch  mit  mir  als  enfant  perdu  abzu- 
brechen, mir  zu  enthalten  schien  —  so  würde  ich  eben  so  unmittelbar  zu  meiner 
Rechtfertigung  das  geschrieben  haben,  was  jetzt  erst  geschehen  kann. 

H.  L.  wünschte  von  mir,  da  seinem  Gedächtniß  manches  entfallen  war,  eine 
Recapitulation  meiner  Bedenken.  Mit  diesen,  zum  Theil  durch  ihn  selbst  angeregt, 
wie  ich  Ihnen  das  schon  früher  schrieb,  hatte  ich  mich  lange  herumgeplagt,  d.  h. 
ich  hatte  nach  Darstellungen,  Entwicklungen,  Formeln  gesucht,  die  alle  Sciupel  be- 
seitigen sollten,  iiicht  nach  etwas  Neuem^  sondern  nach  Stützen  für  das  Alte,  z.  B. 
bei  der  Bestimmung  der  HS.  u.  dgl.  Da  ich  mir  nicht  genügen  konnte,  so  griff  ich 
zu  dem  Mittel,  das  mir.  sehr  häufig  gute  Dienste  geleistet  hat,  mich  wenigstens 
apagogisch  von  einer  Wahrheit  zu  überzeugen!  ich  versetzte  mich  in  die  Stellung 
des  Gegners  und  schrieb  alles  nieder,  was  ich  von  Einwürfen  aufbringen  konnte, 
uui  zu  sehen,  wohin  dies  führen  würde.  Als  diese  Blätter  in  Ihre  Hände  kamen, 
hatte  dies,  wenn  ich  mich  recht  erinnere,  nur  zu  einigen  andern  Bestimmungen  über 

^)  3  S.    4«.     H.  Wien. 


Oktober  1839.  2^ 


Spannung,  Gleichgewicht  pp.  geführt;  neue  Formeln  hatte  ich  nicht  zu  bilden  ver- 
sucht und  habe  ich  überhaupt  für  einfache  Vorstellungen  nicht  gebildet:  dean  es 
zeigte  sich  mir,  je  mehr  ich  die  Sache  durcharbeitete,  um  so  mehr,  daß  die  Ihrigen 
die  Erfahrung  am  besten  ausdrücken;  und  gar  vielmals  führten  mich  Principien,  die 
mir  tadelloser  schienen  als  die  Ihrigen,  zu  Consequenzen,  die  offenbar  unbrauchbar' 
waren  und  also  auch  die  Principien  aufgeben  hießen.  Daß  ich  mir  später  mit  einer 
Art  von  Provisorium  geholfen,,  indem  ich  die  Formeln  anerkannte,  1|  auch  ableitete, 
aber  der  Zukunft  eine  noch  tiefere  Begründung  vorbehielt  oder  zuschob,  das  habe 
ich  Ihnen,  wie  ich  glaube,  bereits  geschrieben.  Den  Ursprung  der  verhängnisvollen 
Blätter  kennt  nun  auch  Herr  Lott,  und  ich  muß  bedauern,  will  ihn  aber  nicht  an- 
klagen, wenn  er  denselben  Ihnen  nicht  ausdrücklich  mitgetheilt  hat.  Eben  weil  ich 
ein  gutes  Gewissen  hatte,  habe  ich  alle  ängstlichen  Vorsichtsmaßregeln  verschmäht. 
H.  L.  freute  sich,  wie  ich  glaubte,  Ihres  Vertrauens;  zu  mir  stand  imd  steht  er, 
ein  wenige  Jahre  jüngerer  Mann  von  Bildung  und  Kenntnissen,  nicht  im  Verhältniß 
eines  bloßen  Schülers,  sondern  eines  Freundes,  Ihrer  Freundschaft  hielt  ich  mich 
gewiß,  wie  konnte  ich  Arges  denken?  Wir  sind,  dachte  ich,  unter  uns.  Wenn  alte 
Bogen,  die  ich,  wie  für  die  Druckerei  zugerichtet,  geschrieben,  gedruckt  wären,  so 
wäre  das  von  mir  Veröffentlichte  doppelt  so  viel  als  jetzt.  Schien  Ihnen  nun  die 
Mittheilung  durch  Lott  eine  Indiscretion,  oder  glaubten  Sie  gar  hierdurch  unredlichen 
Absichten  auf  die  Spur  gekommen  zu  seyn,  nun  so  habe  in  der  ersten  Beziehung 
ich,  in  der  zweiten  haben  Sie  die  Verhältnisse  verkannt. 

Sie  führen  mir  eine  Stelle  aus  meinem  Briefe  vom  20.  April  zu  Gemüthe. 
Ich  erinnere  mich  gar  wohl,  daß,  als  ich  diesen  Brief  schrieb,  ich  bereits  das  Ge- 
fühl hatte,  unverdienter  Weise  von  Ihnen  mit  Mißtrauen  mich  beobachtet  zu  sehen, 
wox-über  mich  auszusprechen  jedoch  mir  nicht  erlaubt  war,  theils  weil  Sie  mir  er- 
wiedern  konnten,  daß  ich  mir  dies  blos  einbilde,  theils  weil,  auch  nur  davon  zu 
reden,  die  Freundschaft  nicht  fördert;  freilich  ist  es  mir  schlecht  gelungen,  meinen 
Unmuth  zu  verbergen.  Wenn  Sie  mir  aber  vorwerfen,  daß  ich  „in  Ueberlegung  ge- 
nommen habe,  daß  und  warum  ich  die  mathematische  Psych,  nicht  ganz  mit  Stumpf 
und  Stiel  ausrotten  wollte",  so  muß  ich  diese  Auslegung  meiner  Worte  auf  das  Be- 
stimmteste ablehnen.  Das  .,Wollte  ich"  heißt  nichts  anders  und  kann  nichts  anders 
heißen  als  „ginge  ich  damit  um"  oder  „Könnte  es  mir  in  den  Sinn  kommen!"  Im 
Zusammenhange;  ,, hätten  mich  meine  Untersuchungen  nur  zu  dem  negativen  Resultat 
geführt,  daß  es  keine  math.  Psych,  gebe,  so  könnte  ich  die  Veröffentlichung  dieser 
Ueberzeugung  füglich  unterlassen."  Es  würde  ja  die  elendeste  Heuchelei  seyn,  noch 
an  „Verbesserung"  denken  zu  wollen,  wenn  ich  mich  von  der  Nichtigkeit  der 
ganzen  Wissenschaft  zuvor  überzeugt  hätte.  Wo  habe  ich  je  Veranlassung  zu 
solchem  Verdachte  gegeben!  ||  Allein  Sie  scheinen  die  Verbesserungsidee  keineswegs 
auf  die  Fundamente  bezogen  zu  haben,  ich  auch  nicht  eher,  als  ich  glaubte  dazu 
genöthigt  zu  seyn. 

Dem  ironischen  „Respect"  mit  dem  Sie  mich  wiederholt  beehrt  haben,  glaubte 
ich  nun  einen  nichtironischen  entgegensetzen  zu  müssen;  als  dessen  Beweis  bitte  ich 
den  mitgetheilten  Entschluß  ansehen  zu  wollen.  Es  soll  keine  Großmuth  seyn,  die 
Sie  an  mir  Bettelstolz  zu  nennen  unter  diesen  Umständen  sich  eher  berechtigt 
finden  könnten.  Sie  haben  schon  Recht,  daß  sich  in  der  Philosophie  Sachliches  und 
Persönliches  nicht  ganz  trennen  läßt;  aber  daraus  würde  ich  eher  folgein  müssen, 
daß  ich  über  alles  Philosophische  fortan  ein  tiefes  Stillschweigen  schicklicher  weise 
zu  beobachten  habe,  denn  sind  einmal  Mißstände  eingetreten,  so  hat  der  Secundirende 
am  Ende  immer  noch  von  dem,  welchem  er  beizustehn  strebt,  ein  ,, Bewahre  uns 
Gott  vor  unsem  Freunden!"  zu  befürchten.     In  dieser  Lage  hoffe  ich  jedoch  Ihnen 


2A  Oktober   1839. 


gegenüber  noch  nicht  zu  seyn.  Mit  so  würdigen  und  berühmten  Männern,  wie- 
Gaiiß  und  Fries,  Scherz  zu  treiben,  werde  ich  mich  wohl  hüten.  Meine  Exposition 
soll  allein  der  Sache  gelten;  was  Gauß  betrifft,  so  verlangt  er  nichts  weiter  als  eine 
Exposition.  Ihr  Unwille  über  das  narrabat  schüchtert  mich  nur  noch  mehr  ein: 
denn  hier  fühle  ich  mich  ganz  unschuldig.  Hätten  Sie,  wie  Sie  beabsichtigten, 
Ihre  früheren  Rechnungen  ein  Jahr  zuvor  veröffentlicht,  und  zwar  ehe  Sie  die 
d'Alembert'sche  Methode  anwendeten,  so  würde  das  narrabat  einem  Citat  gewichen 
seyn,  aber  die  Sache  blieb  dieselbe:  Ihr  Verlust  an  Ruhm  war  gerade  so  unbedeutend 
wie  mein  Gewinn  daran.  Daß  ich  durch  Sie  zur  Rechnung  veranlaßt  war,  hielt  ich 
für  Schuldigkeit  zu  sagen,  sonst  hätte  ich  mir  mehr  angemaßt  als  mir  gehörte;  hätte- 
ich  mehr  verschweigen  sollen,  nun  so  bin  ich  wenigstens  blos  unklug  gewesen. 
Unter  diesen  Umständen  erlauben  Sie  mir,  in  Beziehung  auf  die  mathematische 
Psychologie  auf  meinem  Vorsatze  für  jetzt  zu  beharren  und  das  Weitere  von  den 
künftigen  Verhältnissen  abhängig  zu  machen,  die  sich  ja  häufig  anders  gestalten  als 
man  erwartet. 

Mit  der  größten  Hochachtung  Ihr  ergebenster     Drobisch. 

662.  An    Drobisch.^)  {Ohne  Datum,  Poststempel   28.   10.)    1839. 

Ein  neues  Gesetz,  welches  die  alten  declarirt  oder  abändert,  erlaubt 
nicht,  daß  man  die  frühern  dagegen  anführe.  So  darf  ich  denn  auch 
nicht  Ihre  altern  Briefe  gegen  den  neuesten  citiren;  ich  füge  mich,  — 
und  füge  mich  gern.  Nur  das  Gedruckte  macht  mir  noch  einiges  Be- 
denken; ich  meine  die  plura,  welche  nur  nicht  tanti  seyn  sollen,  wxa. plane 
novam  doctrinam  gegen  das,  was  meine  Statik  besagte,  aufzustellen. 

Sie  erlauben  mir  hoffentlich,  nicht  tiefer  ins  Einzelne  zu  gehn;  wir 
kämen  damit  nicht  weiter.  Eins  aber  muß  ich  berühren;  nämlich  meinen 
Respect  für  literarische  Freyheit.  Das  ist  keine  Ironie;  und  das  Wort  ist 
der  eigentlichste  Ausdruck  für  die  Sache.  Scheint  es  Ihnen  auch  für  den 
Augenblick  wirklich,  als  könnten  Sie  Sich  irgendwie  jener  Freyheit  ent- 
äußern, so  kann  doch  die  nächste  Stunde  etwas  bringen,  das  Sie  mahnt 
Sich  derselben  zu  bedienen.  Und  das  wird  unfehlbar  geschehn;  denn 
Sie  sind  öftentlicher  Lehrer  und  Schriftsteller.  Eine  gezwungene  Zurück- 
haltung leidet  die  Wissenschaft  nicht;  auch  hilft  eine  solche  weder  Ihnen 
noch  mir!  HochachtimgsvoU  der  Ihrige     H. 

663.  Richthofen  an  H.-)  ßrechelshof  den  25sten  Oct.  31^ 

Verehrter  alter  Ereund!  Unser  Briefwechsel  ist  so  ins  Stocken  gekommen, 
daß  Sie  Sich  meiner  Schriftzüge  kaum  noch  erinnern  werden,  und  doch  bin  ich 
wiederhohlt  im  Begriff  gewesen  Ihnen  zu  schreiben,  aber  mancherlei  Abhaltungen, 
Geschäfte,  Gemütsbewegungen,  waren  hinderlich;  mau  will  dies  oder  jenes  erst  ab- 
machen, beenden  und  darüber  vergeht  die  Zeit,  so  daß  die  Geschäftsleute  für  das- 
höhere  Loben  oft  über  dem  gewöhnlichen  Getreibe  keine  Zeit  übrig  behalten.  Da 
greift  aber  zuweilen  die  Hand  des  Schicksals  dazwischen,  und  alle  jene  Miserabili- 
täten  erscheinen  in  ihrer  wahren  Dichtigkeit.  In  einer  solchen  Gemüthsstimmuug 
befinde  ich  mich  eben  just  jetzt,  da  ich  leider  meine  älteste  Tochter  Therese  in 
Folgen  einer  glücklich  scheinenden  Entbindung  verlohren.  Ach!  es  ist  sehr  schmerz- 
lich sein  Kind  zu  verliehreu,  von  dem  man  umgekehrt  geglaubt,  daß  es  einem-  viel- 

')  I  s.  4».        ■ 

-)  3  S.    4".     N. 


Oktober  1839.  25 


leicht  die  Augen  zudrücken  werde.  Und  ich  besaß  eine  ausgezeichnete  Tochter, 
von  großen,  geistigen  Anlagen,  die  sie  schön  ausgebildet  und  zu  einem  schönen 
Ganzen  gerundet  hatte.  Sie  war  in  glücklichen,  äußeren  Verhältuißen,  hing  vor- 
züglich mit  inniger  Liehe  an  einem  zurückgelassenen  Sjährigen  Knaben,  und  den- 
noch starb  sie  mit  unendlicher  Kraft  bei  dem  vollsten  Bewußtseyn,  so  daß  mir  die 
Tochter  zum  Muster  geworden;  aber  dennoch  blutet  mein  flerz,  so  viel  Kinder  und 
gar  gute  Kinder  ich  j|  auch  außer  ihr  noch  besitze.  Zuletzt  bleibt  freilich  nichts 
übrig,  als  sich  möglichst  zu  fassen,  und  nach  dem  zu  greifen  was  jedem  nach  seiner 
Eigenthümlichkeit  die  möglichste  Beruhigung  giebt;  aber  auch  das  Herz  will  sein 
Eecht,  und  so  schweben  denn  und  bilden  die  alten  Freunde,  auf  deren  herzUche  Theil- 
nahnie  man  rechnet,  in  solchen  Momenten,  uns  besonders  lebendig  vor. 

Wie  ist  es  Ihnen  aber  in  dieser  langen  Zwischenzeit  ergangen?  Wahrschein- 
lich haben  auch  Sie  viel  unter  äußeren  Differenzen  gelitten!  üb  man  wählen  solle, 
oder  nicht;  ob  19  oder  34  die  Zahl  des  Glücks  das  aber  gewiß  weder  auf  die  eine 
noch  auf  die  andere  Weise  gefunden  wird.  Und  dennoch  wäre  ich  in  ähnlichen 
Verhältnissen  gewesen,  wäre  auch  ich  vielleicht  in  lebendigem  Interesse  entbrannt; 
aber  da  ich  eben  fem  stehe,  kann  ich  nichts  thun,  als  Ereigniße  beklagen,  die 
manches  Gute  vernichtet  oder  erschwert,  zugleich  unbefangen  genug,  um  kemen  zu 
verdammen,  der  in  dem  Gefühl  irgend  einer  Pflicht  gehandelt  hat.  Wie  oft  aber 
habe  ich  nicht  an  den  Oct.  37  zurückgedacht,  als  ich  Sie  zuletzt  in  Göttingen  sah^ 
und  zwischen  dui'ch  wieder  mit  jenen  braven  Männern  verkehrte,  die  bald  auch 
ein  Opfer  jener  Partheiungen  wurden.  —  Aber  gewiß  sind  Sie  bald  wieder  zu  einem 
andern  Gedankenkreise  zurückgekehrt,  und  haben  jene  Dinge  von  sich  gestoßen,  die 
wenigstens  für  Sie  von  einem  minderen  Interesse  waren.  Mein  ältester  Sohn,  der 
mich  nach  dem  Tode  meiner  Tochter  besucht,  und  jetzt  wieder  nach  Göttingen 
zurückkehrt,  versichert  mir  wenigstens  Sie  vor  einiger  ||  Zeit  gesehen  zu  haben,  und 
daß  Sie  damals  wohl  waren.  Auch  Ihrer  Frau,  die  ich  zu  grüßen  bitte,  geht  es 
hoffentlich  gut.  Wie  ist  aber  die  Empfänglichkeit  Ihrer  Zuhörer  ?  —  Der  Hegelianis- 
mus wird  jetzt  ja  auch  wieder  allmählig  versch^\änden ;  möge  nur  nicht  mit  ihm 
alle  Philosophie  mehr  oder  minder  unpopulär  werden! 

Ich  bin  in  diesem  Jahre  wenig  zu  Athem  gekommen;  außer  meinen  Amts- 
und Privatgeschäften,  ward  ich  in  diesem  Jahre  Mitglied  einer  Commission  über 
schlesisch  landschaftliche  Angelegenheiten,  doch  auch  dieses  Geschäft  ist  jetzt  ziem- 
lich beseitigt,  und  eine  Zinsenherabsetzung  von  40  Millionen  Schlesischer  Pfand- 
briefe ist  glücklich  durchgeführt,  außerdem  habe  ich  aber  vor  einiger  Zeit  mein 
Landrathamt  niedergelegt  und  kann  nun  wieder  mehr  mir  selbst  leben.  Aber  frei- 
lich ist  die  jugendliche  Kraft  und  jugendliche  Unbefangenheit  unterdeß  ziemlich 
vorübergegangen,  und  der  alternde  Körper  erzeugt  manchmal  Besch [werden]  und 
eine  Erfahrung,  wie  die  eben  gemachte,  der  Verlust  eines  lieben  [Kindes]  ist  eben 
nicht  gemacht,  um  zu  kräftigen.  Auch  ist  mir  mein  dießjähriger  Aufenthalt  in 
Warmbrunn  schlecht  bekommen;  nahmentlich  ist  mein  Blutsystem  so  aufgeregt,  als 
wenn  ich  meinen  Körper  umgetauscht  hätte ;  aber  auch  dieß  wird  sich  wohl  wieder 
allmählig  beruhigen.  —  Meine  arme  Frau  ist  sehr  betrübt  und  niedergebeugt  aber 
leidlich  wohl. 

Mögen  Sie,  lieber  Freund,  diesen  Bericht  bald  erwiedern,  und  meiner  bisweilen 
freundlich  gedenken  I 

Mit  Freundschaft  und  Ergebenheit  der  Ihrige    Richthofen. 

Am  Rande :  Entschuldigen  Sie  gelegentliche  Bitte  um  Rückgabe  der  bewußten 
Obligation. 


26  November  1839. 


664.    Tellkampf  an  H.^)  Hannover,  den  30.  Nov.  1839. 

Wolilgeborner  Herr,  Hoclizuverehrender  Herr  Hofrathl  Es  muß  Ilinen  höchst 
undankbar  erscheinen,  daß  ich  bis  heute  säumen  konnte,  für  das  mir  so  werthvolle 
Geschenk  Ihrer  neuesten  Schrift  meinen  innigsten  und  freudigsten  Dank  auszu- 
sprechen, und  -u-irklich  habe  ich  mir  wiederholt  Vorwürfe  daräber  gemacht,  diese 
Verpflichtung  nicht  unmittelbar  nach  dem  Empfange  derselben  erfüllt  zu  haben. 
Damals  war  ich  aber  durch  gehäufte  Berufsgeschäfte  und  die  Umsiedlung  in  eine 
andere  Wohnung  so  bedrängt,  daß  ich  alles  augenblicklich  nicht  Nothwendige  auf 
bessere  Zeiten  wiederkehrender  Ruhe  hinausschob.  Und  als  diese  nun  gekommen 
waren,  drängte  es  mich,  zunächst  das  rein  gewordene  Schatzkästlein  aufzuschließen, 
damit  mein  Dank  nicht  in  den  Verdacht  leerer  Worte  gerathen  möge.  Bei  diesem 
Aufschließen  ist  mir  nun  der  Werth  des  Inhalts  wohl  klar  geworden,  aber  ihn  in 
seinem  wahren  Umfange  zu  schätzen,  bin  ich  doch  nicht  im  Stande,  ehe  ich  nicht 
in  die  eigenthümliche  Auffassungsweise  der  Psychologie,  welche  die  Wissenschaft 
Ihnen  verdankt,  tiefer  einzudringen  versuche.  Denn  wenn  mir  auch  im  Allgemeinen 
Entwicklung  und  Sinn  der  Formeln,  welche  der  weiteren  Betrachtung  zur  Basis 
dienen,  wohl  verständlich  geworden  sind,  so  fehlt  doch  |l  noch  viel  an  jener  Klarheit 
des  Verständnisses,  wie  ich  sie  sonst  bei  mathematischen  Untersuchungen  zu  er- 
reichen gewohnt  bin  und  auch  hier  zu  gewinnen  mich  gedrungen  fühle.  Allerdings 
ist  mir  die  Erinnerung  statischer  Betrachtungen  behülflich  gewesen,  ohne  indessen 
ganz  auszuhelfen,  da  mir  Schwierigkeiten  über  den  Ausdruck  der  Hemmungssumme, 
namentlich  bei  drei  Vorstellungen  von  verschiedener  Intensität  bleiben.  Doch  mag 
dieser  Anstoß  sch'«nnden,  sobald  mir  Muße  wird,  mich  mit  dem  Hauptwerke  bekannt 
zu  machen.  Für  jetzt  erregt  mir  in  Absicht  der  so  höchst  anziehenden  Anwendung, 
welche  Sie  von  den  psychologischen  Formeln  auf  die  Tonlehre  machen,  ferner  noch 
der  Umstand  Bedenken,  daß  die  Tonlinie,  durch  welche  höchst  anschauhch  der  Ton 
an  Quantum  repräsentirt  wird,  in  Gegensatz  und  Gleichheit  zerfällt.  Vielleicht  ist 
es  aber  nur  die  letzte  Benennung,  woran  ich  mich  stoße,  da  mir  beide  Theile  als 
Oegensätxe  erscheinen,  bezogen  auf  verschiedene  Gränzpunkte,  etwa  wie  in  der 
Wahrscheinlichkeitslehre  ebenfalls  die  Einheit,  als  Ausdruck  der  Gewißheit,  in  die 
einander  enUiegengesetxten  Wahrscheinlichkeiten  zerfällt.  Abgesehen  aber  von  diesen 
Punkten  des  Anstoßes  hat  mir  Ihre  psychologische  Entwicklung  der  Tonlehre  das 
höchste  Interesse  erweckt  und  den  Gegenstand  von  einer  Seite  mir  vor  die  Augen 
gerückt,  die  mich  auf's  Äußerste  überraschen  mußte.  Denn  ich  war  freilich  des 
guten  Glaubens,  daß  man  die  eigentliche  Basis  unserer  Harmonielehre  nur  in  den 
Tonverhältnissen  suchen  könne,  welche  die  Akustik  uns  au  schwingenden  Saiten 
nachweist,  obgleich  mancherlei  Bedenken  damit  sich  nicht  wohl  vereinbaren  wollten. — 
Ich  II  gedenke  hier  namentlich  der  Erfahrung,  daß  Kinder  von  musikalischen  Anlagen 
so  leicht  die  Tonleiter  rein  singen  lernen,  ohne  daß  ihnen  ein  Instrument  dabei  zu 
Hülfe  zu  kommen  braucht,  womit  die  gewohnte  künstliche  Ableitung  der  Ton- 
verhältnisse sich  doch  nur  sehr  gezwungen  verträgt.  Es  möchte  daher  Leibnitzens 
bekanntem  Ausspruch  wohl  eine  ganz  andere  Deutung  unterzulegen  sein,  als  die  auf 
Schwingungszahlen  bezogene.  In  welche  Schwierigkeiten  man  sich  verwickelt,  wenn 
man  lediglich  auf  diese  die  Erklärungen  der  Tonlehre  meint  begründen  zu  können, 
ist  mir  durch  Ihre  Beleifchtung  erst  klar  geworden  und  würde  mir  noch  einleuch- 
tender geworden  sein,  wenn  ich  auf  dem  Gebiete  der  Musik  mehr  zu  Hause  wäre. 
Es  ist  gewiß  sehr  zu  bedauern,  daß  diese  durch  Scharfsinn  so  ausgezeichnete  Schrift 

1)  4  S.    40.     H.  Wien.    —    J.  D.  A.  Teilkampf   (1798-1869),   Mathematiker, 
Dir.  d.  h.  Bürgersch.  in  Hannover,  s.  Allg.  D.  Biogr. 


Dezember  1839,  2  7 


im  Ganzen  auf  wenige  Leser  wird  zählen  können,  die  ihrem  vollem  Verständniß  ge- 
wachsen wären,  da  sie  hiezu  dem  Verfasser  einigei-maßen  ebenbürtig  und  wenigstens 
in  philosophischer,  mathematischer  und  musikalischer  Bildung  begleich  auf  ange- 
messener Stufe  der  Einsicht  stehen  müßten.  Ich  besorge  aber,  daß  die  Anzahl 
solcher  nicht  gar  groß  ist.  — 

Was  mich  betrifft,  so  darf  ich  hoffen,  daß  eine  wiederholte,  genaue  Durch- 
lesung ungeachtet  dessen,  was  zu  jenem  vollen  Verständniß  mir  immerhin  abgehen 
möge,  mir  dennoch  manches  aufklären  wird,  was  für  den  Augenblick  mir  noch  in 
Dämmerung  liegt.  Was  mir  aber  schon  bis  jetzt  klar  geworden,  hat  mir  die  über- 
raschendste Befriedigimg  bereitet,  z.  B.  die  Entwickelung  der  beiden  Hauptaccorde 
und  die  wesentliche  Bedeutung  der  s.  g.  gleichschwöbenden  Temperatur,  welche  nach 
den  herrschenden  Ansichten  unerkannt  bleibt.  || 

Da  ich  einmal  in  der  Schilderung  des  Eindruckes,  welchen  der  Inhalt  Ihres 
geneigten  Geschenkes  auf  mich  gemacht,  so  weitläufig  geworden  bin,  mag  auch  noch 
das  von  mir  eingestanden  werden,  daß  allerlei  Bedenken  und  Fragen  während  der 
Leetüre  in  mir  entstanden,  auf  welche  ich,  sehr  angenehm  betroffen,  plötzlich  auf 
S.  132—142  mir  die  erwünschteste  Antwort  ertheilt  sah.  Und  so  mögen  jene 
„theoretischen  Bemerkungen"  auch  wohl  manchem  andern  Leser  zu  genauerer  Ver- 
ständigung höchst  willkommen  sein. 

Indem  ich  den  Wunsch  ausspreche,  daß  die  Länge  meines  Schreibens  vor 
Ihnen  Verzeihung  finde,  wiederhole  ich  meinen,  wärmsten  innigsten  Dank  für  die 
so  werthvolle  Gabe,  womit  Sie  Mich  beehrt,  und  verharre  mit  ausgezeichneter  Ver- 
ehrung und  Ergebenheit  als 

Ew.  Wohlgeboren  gehorsamster     A.  Teil  kämpf. 

665.    An   Taute.  1)  Göttingen   I   December   1839 

Mein  theurer  Freund!  Als  vor  einigen  Wochen  meine  psychol. 
Untersuchungen  aus  der  Presse  kamen,  da  wollte  ich  bei  Zusendung  einiger 
Exemplare  an  Sie  schreiben,  —  vertiefte  mich  aber  in  Rechnungen,  bald 
kamen  UnpäßUchkeiten ,  die  Collegien  fingen  an,  u.  s.  w.  So  ist  das 
Schreiben  bis  jetzt  verschoben,  und  die  Zusendung  des  Büchleins  stößt 
sich  an  zweyerley,  theils  daß  sich  das  Heft  wohl  schon  dort  wird  ein- 
gefunden haben,  theils  daß  es  sehr  wenig  interessiren  wird.  Denn  wer 
mag  Lust  haben  mit  mir  zu  rechnen  und  sich  von  mir  über  Tonlehre 
und  Zeitmaaß  unterhalten  zu  lassen?  —  Wenn  Sie  indessen  die  Schrift 
noch  nicht  haben  und  doch  zu  sehen  wünschen,  so  belieben  Sie  mir 
ein  Wörtchen  deshalb  zu  schreiben,  und  ich  besorge  es  Ihnen  dann  mit 
Buchhändler-Gelegenheit. 

Wie  es  in  Königsberg  jetzt  steht,  ist  mir  nicht  ganz  unbekannt,  da 
ich  von  dort  mehr  als  einen  Besuch  hatte,  Sieffert  und  Dieckmann  haben 
uns  erfreut;  beyde  sind  hoffentlich  wohlbehalten  zurückgekehrt.  Von  Sieffert 
wünsche  ich  indessen  bestimmt  zu  erfahren  wie  ihm  die  Reise  bekommen 
ist,  man  merkte  wohl,  daß  er  gelitten  hat.  Einen  längeren,  und  sehr  an- 
genehmen Besuch  hatten  wir  von  Dohna;  er  war  in  der  That  wie  ein 
alter  Hausgenosse;  dabey  so  unterhaltend  und  so  verständig,  daß  er  uns 
recht  erheitert  hat ;  —  möge  er  sein  Glück  genießen,  und  sich  in  seiner 
ganzen  Umgebung  so  willkommen  machen  als  bey  uns!  —  Aber  von  ein 

1)  3  S.    40.     N. 


28  Dezember  1839. 


paar  ehemaligen  Collegen  ist  es  mir  nicht  so  wohl  geworden.  Sachs  reiste 
nahe  an  Göttingen  vorbey,  und  beschied  mich  zu  spät  nach  Pyrmont  in 
die  Versammlung  der  [|  Naturforscher ,  zu  der  ich  nicht  gehöre ;  doch 
wäre  ich  dorthin  gereist  um  ihn  zu  sehen,  wenn  er  acht  Tage  früher  ge- 
schrieben hätte.  Jakobi  hat  es  noch  schlimmer  gemacht.  Er  ist  hier 
gewesen  und  hat  mich  nicht  mit  seinem  Besuche  beehrt. 

Daß  ich  im  Ganzen  die  Königsberger  Nachrichten  so  eigentlich  nach 
meinem  Geschmack  gefunden  hätte,  kann  ich  nun  eben  nicht  sagen;  — 
Sie  errathen  wohl  was  ich  meine.  Während  von  allen  Seiten  gemeldet 
wird,  daß  in  Berlin  die  Hegeley  immer  merklicher  schwindet,  scheint  der 
Königsberger  Ableger  recht  ordentlich  zu  grünen  und  zu  blühen,  und 
wenn  man  darin  wenigstens  Etwas  Heilsames  erblicken  möchte,  so  kann 
ich  ein  solches  Etwas  aus  dem  was  ich  vernahm,  doch  nicht  heraus 
destilliren.  Angenehme  Plauderey,  die  gern  gehört  wird,  kann  dort  gegen 
Philologie  und  Mathematik  nur  zum  Nachtheil  der  Wissenschaft  con- 
trastiren. Einen  anderen  Contrast  möchte  es  bilden,  wenn  der  dortige 
politische  Eifer  mit  unserem  hiesigen  Kaltsinn  könnte  zusammengestellt 
werden.  Die  hiesigen  Meinungen  bleiben  geteilt,  wie  sie  waren,  aber  die 
Universität  erhohlt  sich  einigermaaßen.  Mein  Auditorium  ist  jetzt  wieder 
gehörig  gefüllt,  während  Jedermann  weiß,  daß  nichts  von  Politik  darin 
durchscheint.  Mühlenbruch  und  Langenbeck  sind  sehr  stark  besucht,  ob- 
gleich die  Zeitungen  nach  bekannter  Weise  drein  reden.  Die  Universität 
hat  nach  neuester  Zählung  nahe  an  700  Studenten,  und  ist  vollkommen 
ruhig.  Ich  habe  guten  Grund  zu  hoffen,  man  werde  endlich  begreifen, 
daß  eine  akademische  Wirksamkeit  schlechterdings  nicht  mit  Tagespolitik 
vermengt  werden  darf.  Das  einzige  Unglück  ist,  daß  man  verkehrter 
Weise  der  Universität  das  Recht  beygelegt  hat,  einen  Deputirten  zur 
Ständeversammlung  zu  schicken,  —  freylich  geschah  das  in  Zeiten,  wo 
die  jetzigen  Umstände  nicht  vorherzusehen  waren.  ||  Um  Ihnen  zu  sagen, 
was  ich  treibe,  sage  ich  kurz,  daß  ich  ernstlich  dran  denke,  dem  ersten 
Heft  meiner  psychologischen  Untersuchungen  das  zweyte  folgen  zu  lassen; 
unbekümmert  ob  das  erste  Heft  Absatz  finde  oder  nicht.  Meine  Jahre 
setzen  mich  über  die  gewöhnlichen  Schriftstellersorgen  hinweg;  Material 
ist  noch  vorräthig;  ob  ich  noch  so  viel  gute  Stunden  gewinnen  werde  als 
nöthig  um  es  zu  verarbeiten,  ist  freylich  nicht  gewiß.  Aber  die  Leichtig- 
keit, womit  ich  das  erste  Heft  zu  Stande  brachte,  hat  mich  selbst  über- 
rascht. Hätte  ich  im  Voraus  daran  geglaubt,  die  Confusion,  in  welche 
Drobisch  gerathen  ist,  würde  mir  wenig  Sorgen  gemacht  haben.  Übrigens 
ist  nicht  viel  Hoffnung,  daß  Drobisch  aus  seiner  Grübeley  und  Schwan- 
kung herauskommen  wird.  Einige  Anfänger,  denen  er  Rede  stehen  sollte, 
machten  ihn  irre;  etwas  später  scheint  er  wirklich  gemeint  zu  haben  nun 
könne  er  mich  auch  irre  machen,  —  mit  der  Einbildung  wirds  nun  wohl 
[vorbey  seyn].  Etwas  Vestes,  das  er  mir  gegenüber  stellen  zu  können 
auch  nur  gedacht  hä[tte  fand]  sich  nicht;  bei  einigen  versuchten  Nega- 
tionen ists  geblieben.  Im  letzten  Jahr  habe  ich  hier  unter  meinen  Zu- 
hörern einige  junge  Mathematiker  gehabt;  es  giebt  deren  auch  jetzt;  es 
ist  wohl  möglich,  daß  davon  etwas  Haltbares  übrig  bleibt.  Freylich  wären 
wir   ohne    die  Dahlmannsche    Katastrophe    weiter  als  wir  sind ;   aber  man 


Dezember  1839.  2  g 


muß  sich  darüber  nun  zufrieden  geben.  —  Meine  Frau  hat  mit  dem  Otto 
zu  thun,  der  ein  großer  Junge  geworden  ist,  und  jetzt  bei  einem  Unter- 
offizier exerzieren  lernt,  —  um  —  trotz  seinen  verwachsenen  Füßen  gehen 
und  stehen  zu  lernen.  Könnte  er  auch  noch  sprechen  lernen,  so  würde 
er  wohl  durch  die  Welt  kommen;  an  gewöhnlichem  Verstände  fehlt  es 
eben  nicht;  er  hat  überdies  Unterricht  in  Geographie  und  Geschichte, 
und  es  geht  leidlich.  Freylich  ist  er  sehr  weit  hinter  seinen  Jahren  zurück. 
—  Nun  habe  ich  Ihnen  erzählt.  Erzählen  Sie  mir  wieder!  Auch  von 
Gregor,  dessen  Unterrichtsanstalt  sehr  gerühmt  ist;  davon  möchte  ich  gern 
viel  lesen.  —  Viele  Grüße  an  —  Gregor,  Sieffert,  Sanio  —  an  Hm  Prof. 
Schubert,  von  dem  ich  lange  nichts  habe,  während  ich  immer  seinen  Be- 
such erwartete,   —  an,  —  an  Alle  die  sich  meiner  gütig  erinnern. 

Von  Herzen  Ihr     H. 


1840. 

666.     An    Taute.  1)  Göttingen  3  Febr   1840 

Mein  theurer  Freund!  Sie  haben  mich  benachrichtigt,  daß  Ihr 
Manuscript  druckfertig  sey.  Hofifentlich  ist  es  schon  unter  der  Presse; 
allein  auch  davon  wünsche  ich  Gewißheit  zu  erhalten.  So  sehr  auch  Ihr 
Werk  sich  verspätet  hat,  (was  ich  nicht  genug  bedauern  kann)  so  möchte 
es  sich  doch  in  gewisser  Hinsicht  noch  mehr  verspätet  finden,  wenn  es 
nicht  jetzt  wenigstens  so  bald  als  möglich  erschiene.  Sie  wissen,  daß  eine 
andere  geschickte  Feder  eben  auch  mit  einer  Religionsphilosophie  be- 
schäftigt ist,  die  wohl  —  zum  Theil  wenigstens,  von  meinen  Grundsätzen 
ausgehen  wird.  Zu  Ihrem  Werke  habe  ich  jedoch  ein  größeres  Vertrauen, 
da  Sie  mich  versichern,  daß  Sie  genau  und  streng  im  Kreise  meiner 
Untersuchungen  geblieben  sind. 

Auf  den  äußersten  Fall,  daß  Sie  dort  wegen  des  Verlags  Schwierig- 
keiten fänden  —  kann  ich  zwar  nicht  große  Hoffnungen  machen,  denn 
unsere  Buchhandlungen  sind  gerade  jetzt  in  der  Klemme;  sie  haben  die 
bisherige  Portofreyheit  verloren.  Dennoch  ließe  sich  ein  Versuch  machen, 
wenn  Sie  mich  näher  in  Kenntniß  setzen  wollten:  wie  stark  das  Manu- 
script? Wie  der  Plan  des  Werkes  angelegt  sey?  welche  Bedingungen  Sie 
stellen  oder  annehmen  würden?  Selbst  eine  Inhaltsanzeige  möchte  nicht 
überflüssig  seyn.  Aber  lassen  Sie  Sich  ja  nicht  abhalten,  wenn  Sie  unter 
leidlichen  Bedingungen  dort  einen  Verleger  finden;  denn  hier  —  wäre 
es,  wenn  nicht  mislich,  so  doch  eine  neue  Zögerung,  die  Sie  durchaus 
vermeiden  müssen.  ||  Wegen  Ihres  Titels  habe  ich  eine  Frage  auf  dem 
Herzen;  Sie  erlauben  mir  vielleicht,  daß  ich  frey  herausspreche.  Sie 
sagen  mir,  das  Werk  könnte  heißen: 

Analytisch-kritische  Beleuchtung  der  Metaphysik,  Psychologie,  und 
praktische  Philosophie  von  Des  Cartes  bis  auf  die  neueste  Zeit,  vor- 
nehmlich mit  Beziehung  auf  religiöse  Begriffe. 

Nun  wohl, 'ein  Werk,  was  so  heißen  kann,  sollte  meines  Erachtens 
auch  so  heißen,  und  sich  nicht  mit  dem  aligemeinen  Namen  Religions- 
Philosophie  behelfen.  Ein  Titel  ist  wichtig  wegen  der  Recensenten  und 
wegen  der  Käufer.  Beyde  dürfen  nicht  zu  wenig  erwarten;  ein  gelehrtes 
Werk  muß  sich  an   Gelehrte  wenden. 

1)  2  S.    40.     N. 


März   1 840.  -i  i 

Mehr  kann  ich  heute  nicht  schreiben,  —  es  wäre  denn,  daß  mein 
zweytes  psychologisches  Heft  unter  der  Presse  ist,  und  vielleicht  zu  Ostern 
schon  fertig  wird.  —  Die  neuesten  Zeitungslügen,  die  Sie  von  hier  aus 
vielleicht  im  Hamburger  Correspondent  gelesen  haben,  sind,  soviel  ich 
weiß,  dem  größten  Theil  nach  aus  der  Luft  gegriffen.  Gieseler  hat  in 
der  Kasseler- Zeitung  eine  Gegen-Erklärung  drucken  lassen. 

Erwiedern  Sie  in  meinem  Namen  die  Grüße,  die  Ihr  letzter  Brief 
mir  brachte.     Leben  Sie  wohl!     Von  Herzen  der  Ihrige!      Herbart. 

ßß".     Brief  Kahles  an  H.,   2  S.  4*',  Berlin,    10.  Febr.    1840  im  N. 

"668.     An    Taute. ^)  Göttingen  8.  März  40 

Also  das  ertragen  Sie  geduldig,  mein  theurer  Freund,  daß  Ihr  Ver- 
leger um  Weihnachten  seinen  Contrakt  zeichnete,  und  gegen  Anfang  des 
März  noch  nicht  anfing  zu  drucken,  —  mit  der  Entschuldigung,  er  habe 
kein  Papier!  Wundern  Sie  Sich  wenigstens  nicht  über  mich,  der  ich 
weniger  geduldig  bin.  Denn  ich  muß  annehmen,  daß  ich  hart  an  der 
Grenze  meines  möglichen  literarischen  Wirkens  stehe;  ich  sehe  nicht  weiter 
als  bis  in  den  nächsten  Sommer  hinein;  und  ich  muß  bitten,  mir  noch 
vor  Johanni  soviel  gedruckte  Bogen  zukommen  zu  lassen  (nur  geradezu 
mit  der  Post,  denn  das  Postgeld  will  ich  übernehmen),  als  fertig  seyn 
werden.  In  den  nächsten  INIonaten  möchte  ich  vielleicht  noch  Gelegen- 
heit finden,  zur  Verbreitung  Ihres  Werkes  etwas  beyzutragen;  ob  später, 
das  weiß  ich  nicht. 

Sie  haben  Ihr  Manucsiipt  einem  jungen  Anfänger  des  Buchhandels 
anvertraut,  der  schwerlich  schon  in  die  Connexionen  der  Buchhändler 
Eingang  gefunden  hat,  und  vielleicht  in  der  Verbreitung  seines  Verlags 
Anderen  nachstehen  wird.  Übrigens  habe  ich  allerdings  von  seinen  hiesigen 
Verwandten  gehört,  daß  sie  in  gutem  Rufe  der  Solidität  ihrer  Geschäfte 
stehen. 

Sollte  aber  Herr  L.  noc/i  jetzt  zaudern:  so  setzen  Sie  ihm  einen 
kurzen  Termin  (so  lautet  der  Rath  eines  verständigen  Mannes,)  und  wenn 
er  diesen  nicht  einhält,  wird  er  wahrscheinlich  selbst  froh  seyn ,  Ihr 
Manuscript  zurückgeben  zu  dürfen. 

In  jedem  Falle  bitte  ich,  daß  Sie  mir  baldigst  die  Lage  der  Sache 
melden;  denn  ich  jj  habe  Ursache  zu  glauben,  daß  ich  im  Nothfalle  Ihnen 
hier  werde  zu  Hülfe  kommen  können,  wenn  auch  unter  einigen  näheren 
Bestimmungen. 

Die  Absicht  meines  vorigen  Briefes  scheinen  Sie  nicht  errathen  zu 
haben.  Es  war  ein  ostensibler  Brief,  auf  den  Fall,  daß  Sie  mit  einem 
der  dortigen  Buchhändler  in  Unterhandlung  begriffen  wären,  und  dienlich 
wäre  bemerklich  zu  machen,  man  könne  sich  noch  anderwärts  umsehen. 
Dies  hätten  Sie  immerhin  sagen  mögen,  denn  es  ist  kein  leeres  Gerede, 
obgleich  ich  nicht  gerade  ein  Versprechen  geben  konnte  und  auch  jetzt 
nicht  kann. 

Daß  ich  meinen  Vorschlag  wegen  Veränderung  des  Titels  zurück- 
nehme, versteht  sich  von  selbst;    was  ich  dabey  im  Sinne  hatte,    ist  jetzt 

')  2  S.    4^     N. 


-2  2  April   1840. 

nicht  nöthig  zu  entwickeln ;  an  bloße  Prävention  war  nicht  zu  denken. 
Sie  können  unmöglich  die  ziemlich  bunten  Verhältnisse  errathen,  die  mir 
vorschweben.  Genug  daß  die  politischen  Verwickelungen  dabey  nicht 
fremd  sind.  Solche  greifen  mit  ihren  entfernteren  Folgen  weit  um  sich. 
Mehr  kann  ich  heute  nicht  schreiben.  Dieser  Brief  ist  fiic/i/  osten- 
sibel ;  ich  bitte  das  hier  Geschriebene  als  unter  vier  Augen  gesagt  zu 
betrachten.  Ganz  Ihr     H. 

669.     An    Taute.  1)  Göttingen  20  AprU   1840 

Mein  theurer  Freund!  Eine  Angelegenheit  von  ganz  anderer  Art, 
als  die  zuletzt  besprochene,  führt  mich  mit  einer  großen  Bitte  —  für 
mich  und  meine  Frau,   —  zu  Ihnen. 

Der  Justizcommissarius  Wachowski,  bisheriger  Verwalter  unseres  Hauses 
und  Vermögens,  ist  gestorben;   ein  großer  Verlust  für  uns. 

Herr  Professor  Simson  war  es,  der  ihn  uns  empfahl,  da  ich  von 
Königsberg  abreiseie;  und  ich  glaube,  daß  seine  Verhältnisse  es  ihm  möglich 
machen,  uns  auch  jetzt,  da  wir  eines  neuen  Besorgers  unserer  Angelegen- 
heiten bedürfen,  zur  besten  Wahl  zu  leiten.  Da  ich  aber  seit  so  langer 
Zeit  mit  ihm  in  gar  keiner  Verbindung  gestanden  habe,  so  trage  ich  Be- 
denken, mich  direct  an  ihn  zu  wenden.  An  Ihre  Güte  wende  ich  mich 
mit  der  Bitte,  Sich  persönlich  zu  Herrn  Prof.  Simson  zu  begeben,  ihm 
meine  Empfehlung  und  meine  Anfrage  zu  bringen,  ob  er  uns  auch  jetzt 
wieder  Denjenigen  unter  den  dortigen  Justiz- Commissarien  zu  nennen  die 
Güte  haben  wolle,  der  in  Ansehung  der  Verwaltung  von  Grundstücken 
das  meiste  Vertrauen  besitzt  und  verdient. 

Die  Sache  ist  aber  eilig  und  dringend;  Herr  Pr.  Simson  könnte  || 
verreiset  oder  irgendwie  verhindert  seyn.  Deswegen  muß  ich  meine  Bitte 
noch  weiter  ausdehnen.  Ein  Jurist  muß  der  Rathgeber  sein;  ich  weiß 
nicht  wen  ich  jetzt  noch  nennen  könnte  außer  Hrn  Prof.  Sanio;  —  mit 
dem  Sie,  meines  Wissens,  in  so  naher  Bekanntschaft  stehen,  daß  Sie 
seinen  Rath  ohne  Beschwerde  für  mich  einziehen  könnten.  —  Also  auch 
an  ihn.  bitte  ich  Sie,  Sich  in  meinen  Namen  mit  der  nämlichen  Frage 
zu  wenden.  Mit  vielen  Personen  ists  nicht  gerathen  über  solche  Dinge  zu 
reden;  sollten  Sie  indessen  bestimmte  Gründe  haben,  noch  anderwärts  Er- 
kundigungen für  mich  einzuziehen,  so  würden  Sie  mich  durch  Ihre  Sorg- 
falt verpflichten. 

Nun  muß  ich  dem  hinzufügen,  daß  ich  Ihrer  Antwort  mit  Sehnsucht 
entgegenzusehen  alle  Ursache  habe.  Wer  kann  wissen,  was  unserer  Habe 
in  so  weiter  Entfernung  begegnen  könnte,  wenn  Niemand  ist,  der  deshalb 
Aufsicht  und  Verantwortung  übernimmt? 

Mit  den  besten  Wünschen  für  Ihr  Wohlseyn  hochachtungsvoll 

der  Ihrige     Herbart. 

.670.    Dieterici  an  H.^)  Berlin,  den  24  t.  April  1840. 

Ew.  Hochwohlgeboren  erlauben  einem  alten,  Sie  andauernd  verehrenden  Schüler, 

Ihnen  den  Überbringer,  Friedrich  v.  Stülpnagel,  einen  Sohn   eines   meiner  liebsten, 

')  2  S.    4".     N. 

2)  2  S.   4».     H.  Wien. 


Mai   1840.  33 

leider  zu  früh  verstorbenen  Freundes,  des  Praesideuton  v.  Stülpna^el,  ganz  ergebenst 
zu  empfehlen,  der  junge  Mann  ist  ganz  fremd  in  Göttingeu;  er  studiit  Jura;  ge- 
statten Sie  ihm  freundliche  Rücksprache  und  Belehrung! 

Was  mich  betrifft,  so  bin  ich  Ihnen  im  Lehrfach  College  geworden;  —  Sie 
wollten  mich  ja  schon  in  Königsberg  1809  dahin  haben;  —  ich  bin  es  freilich  nicht 
im  Felde  speculativer  Philosophie,  aber  die  Staatswissenschaften  sind  ohne  philo- 
sophisches Element  nicht  zu  bearbeiten;  und  ich  bin  im  Geiste  oft  mit  Ihnen  in 
Verbindung.  —  Eine  eigenthümliche  Berührung  habe  ich  in  dieser  Beziehung  vor 
Kurzem  mit  einem  Theologen,  mit  Twesten  gehabt,  der  in  Kiel  über  Ihre  praktische 
Philosophie  gelesen  hat.  —  Wissenschaftlich  geht  es  mir  glücklich;  ich  finde,  ||  da 
ich  in  positiver  Wahrnehmung,  von  der  Statistik  aus  (worin  sie  Ihren  mathematischen 
Freund  wieder  erkennen  mögen)  meine  Wissenschaft  aufbaue,  in  dem,  was  ich  in 
statistischer  Hinsicht  geschrieben,  unerwartete,  sehr  ehrenvolle  Anerkennung  in  Eng- 
land, Frankreich  und  dem  Yaterlande. ')  —  Schwer  gebeugt  und  daniedergehalten  ist 
mein  sonst  so  fröhliches  Streben,  durch  hartes,  außerordentlich  schweres  Familien- 
leiden. Ich  erfreute  mich  bis  zum  Herbst  1839  eines  Kreises  von  sechs  blühenden 
Kindern;  da  riß  der  unerbittliche  Tod  zwei  der  erwachsenen,  meinen  ältesten  Sohn 
von  19,  meine  älteste  Tochter  von  15  Jahren  in  einer  Zeit  von  vier  Wochen  mir 
von  der  Seite.  Noch  immer  kann  ich  in  Gottes  wunderbare  Fügung  nicht  mich 
finden,  unendlich  lief  bin  ich  geschlagen,  und  im  Gemüth  gerissen;  —  nur  in  der 
Arbeit  ist  mein  Trost.  —  Herr  v.  Stülpnagel  hat  meine  Verstorbenen  gekannt,  und 
ist  mit  ihnen  aufgewachsen.  — 

Verzeihen  Sie,  daß  ich  in  diese  Familienverhältnisse  Sie  führe;  ich  sollte  mit 
Ihnen  nur  wissenschaftlich  mich  unterhalten;  indessen  that  es  mir  wohl,  Ihnen,  dem 
ich  geistig  so  viel  verdanke,  alle  Saiten  anzuschlagen,  die  in  meiner  Seele  am  leb- 
haftesten sich  schwingen. 

In  treuer  Verehrung  und  herzlicher  Freundschaft 

Ihr  dankbar  ergebener  Schüler    Dieterici. 

671.     An    Taute.  2)  Göttingen  28  May   1840 

Mein  theurer  Freund!  Meinen  herzlichen  Dank  für  Ihre  Briefe, 
Ihre  Druckbogen,  Ihre  gütige  Besorgung  meiner  Angelegenheiten,  hätten 
Sie  längst  empfangen,  wenn  ich  nicht  einen  ganzen  Monat  und  darüber 
gekränkelt  hätte.  Ein  Anfall  von  Podagra,  der  ein  paar  Jahre  lang  aus- 
geblieben, auch  jetzt  nicht  besonders  heftig,  und  in  wenigen  Tagen  meist 
vorüber  war,  hat  dennoch  lange  und  lästige  Nach  wehen  hinterlassen;  be- 
sonders eine  so  große  Abspannung,  daß  ich  selbst  jetzt  noch  mit  Mühe 
die  Feder  führe.  —  Wegen  Ihrer  literarischen  Mittheilung  machen  Sie  Sich 
keine  Sorgen.  Es  thut  mir  bloß  leid,  daß  Ihr  Verbot  mich  an  jeder 
IMittheilung  an  irgendeinen  Dritten,  verhindert;  während  diese  Probe  doch 
wohl  nur  geeignet  wäre,  gerechte  und  Ihnen  nützliche  Erwartungen  an- 
zuregen. Jedermann  würde  bekennen  müssen,  daß  so  Etwas  nicht  könne 
ohne  lange  Studien  und  vorzügliche  Sorgfalt  niedergeschrieben  werden. 

Von  Drobisch  habe  ich  neuerlich  nichts  erfahren.  |]  Was  die  bevor- 
stehende Ministerial-Veränderung  bringen  werde,  wird  wohl  noch  ganz  im 
Dunkeln  schweben.  Und  wenn  ich  von  dem  sprechen  soll,  was  mir  nahe 
liegt,   so   sehe   ich   auch    noch  nicht,   welche  Bedeutung    es   haben   könne, 

*)  S.  AUg.  D.  Biogr.  5,  161. 

2)  2  S.    4".     N. 

Hbrbarts  Werke.     XIX.  3 


7  4  September  1840. 


daß,  wie  Sie  mir  melden,  Pr.  Moser  sich  um  meine  Tonlehre  bekümmert. 
Vielleicht  ists  jetzt  schon  wieder  vorbey.  Wäre  es  ihm  aber  freylich 
Ernst,  und  ist  er  wirklich  der  Musik  hinreichend  kundig,  dann  möchte 
sich  wohl  finden,  daß  sehr  Vieles  an  diesem  Faden  kann  hervorgezogen 
werden.  Der  Druck  meines  zweyten  Heftes  verzögert  sich;  das  Manuscript 
liegt  übrigens  fertig.  In  meinem  jetzigen  Alter  darf  ich  nicht  mehr  künsteln. 
—   Was  sagen  Sie  von  Strümpelln  ?   — - 

Nehmen  Sie  gütig  vorlieb  mit  diesen  wenigen  Zeilen;  ein  paar  Ge- 
schäftsbriefe, die  ich  heut  schreiben  mußte  —  kurz  wie  sie  waren,  — 
haben  mich  schon  angegriffen.  Meine  Frau  und  Otto  sind  auch  nicht 
ganz  wohl;  indessen  hat  es  hoffentlich  nichts  zu  bedeuten,  da  wir  endlich 
heute  warmes  Wetter  nach  langem  Regen  bekamen.  In  Hoffnung  guter 
Nachrichten   von  Ihrem  Befinden  Ganz  Ihr     Herbart. 

672.    Drobisch  an  H.^)  Leipzig  12.  Sptbr  1840. 

Hochverehrter  Gönner  und  Freund!  Sie  erhalten  hierdurch  meine  „Grundlehren 
der  Eeligionsphilosophie".  Ich  wünsche  von  ganzem  Herzen,  daß  dieses  Buch  sich 
Ihres  Beifalls  zu  erfreuen  haben  möge,  und  ich  wage  zu  hoffen,  daß  dies  in  der 
Hauptsache  der  Fall  seyn  wird,  denn  es  wird  genugsam  zeigen,  wie  vollkommen  ich 
noch  immer  in  allem  Wesentlichen  der  Philosophie  mit  Ihnen  in  Uebereinstimmung 
bin  und  mich  auf  Sie  stütze.  Daß  es  in  Bezug  auf  das  vorliegende  Thema  nicht 
ohne  Meinungen  und  Ansichten  abgeht,  versteht  sich  wol  von  selbst,  und  diese  habe 
ich  natürlich  allein  auf  mich  zu  nehmen.  Ich  bin  dabei  vor  allen  Dingen  von  der 
Ansicht  ausgegangen,  daß  in  unsrer  Zeit  Zurückhalten  einer  Meinung  mehr  schadet 
als  nützt,  indem  nur  zu  häufig  dadurch  nur  ein  ungerechtes  Mißtrauen  erweckt 
wird,  es  aber,  nachdem  das  Aergste  durch  Rede  und  Schrift  öffentlich  ausgesprochen, 
gefährliche  Meinungen  kaum  noch  giebt,  ^u  denen  übrigens  die  meinigen  schwerlich 
zu  rechnen  ||  seyn  würden.  —  Wie  ich  höre  ist  auch  von  H.  Dr.  Taute  ein  Werk 
über  Religionspbilosophie  unter  der  Presse,  dem,  nach  Allem,  was  mir  vorläufig 
davon  bekannt  geworden  ist,  das  meinige  an  Umfang,  wie  an  Gelehrsamkeit,  auf 
deren  Ruhm  ich  hier  gern  verzichte,  weit  nachstehen  wird.  Frei  von  aller  Eifer- 
sucht wünsche  ich  nichts  mehr,  als  daß  uusre  Schriften  friedlich  und  freundlich  zu- 
sammenwirken mögen,  dem  entschieden  Irrigen  entgegen  zu  treten,  die  wahren  Grenzen 
unsres  religiösen  Wissens  zu  bezeichnen  und  einem  vernünftigen  Glauben  freien 
Raum,  zu  verschaffen. 

Für  das  bevorstehende  Jahr  wird  meine  literarische  Thätigkeit  wol  ganz  ruhen, 
da  ich,  alles  Widerstrebens  ungeachtet  für  das  Univer.sitätsjahr  vom  31.  Octbr.  d.  J. 
bis  dahin  41  habe  das  Rectorat  übernehmen  müssen:  bei  unsrer  Universität  eine 
geschäftsreichere  und  schwierigere  Stellung  als  wol  bei  den  meisten  andern.  "Wünschen 
Sie  mir  dazu  Gunst  der  Umstände,  Klugheit  und  Gesundheit! 

Noch  weiß  ich  in  diesem  Augenblicke  nicht,  ob  ||  Sie  diese  Zeilen  durch  Freund 
Hartenstein  oder  die  Post  erhalten  werden.  Jedenfalls  wird  dieser  seinen  Besuch 
in  Göttingeu  machen  und  Sie  sprechen,  was  mir  außerordentlich  lieb  ist.  Ich  stehe 
mit  Hartenstein  fortwährend  in  wahrhaft  collegialischer  Verbindung,  und  er  kann 
Ihnen  von  mir  alles  das  sagen,  was  ich  nur  selbst  sagen  könnte.  —  Tief  ergriffen 
hat  mich  der  unerwartete  Tod  Ihres  berühmten  Collegen  0.  Müller.  Welch  ein  Ver- 
lust für  die  Wissenschaften  und  für  Göttingen  insbesondre. 


1)  3  S.    80.    H.  Wien. 


September  1840.  -ic 


Glückwünscheu  aber  kann  man  Ihrer  Universität  zur  Erwerbung  eines  Mannes 
■wie  Rud.  Wagner.  Ihr  Curatorium  zeigt  in  der  "Wahl  seiner  Männer  viel  Einsicht; 
es  muß  sehr  gut  berathen  seyn. 

Daß  Ihre  einige  Zeit  schwankende  Gesundheit  jetzt  wieder  hergestellt  ist,  hab 
ich  mit  innigster  Theilnahme  gehört. 

Ihrer  Frau  Gemahlin  bitte  ich  mich  und  meine  Frau,  die  ihrer  noch  mit  be- 
sonderer Anhänglichkeit  gedenkt,  ehrerbietigst  zu  empfehlen,  mich  selbst  aber  fort- 
während anzusehen  als 

Ihren  wahren  Freund  und  Verehrer    Drobisch.. 

14.  Sept.:  Verlagskontrakt  zwischen  H.  u.  Dieterich  über  die  Psychologischen  Unter- 
suchungen. 2.  Heft.  [Im  B.esitze  der  Dieterichschen  Buchhdlg:  (Th.  Weicher)  in 
Leipzig.] 

G78.    H.  Bobrik  an  H.')  16.  Sept.  1840. 

Hochverehrter  Herr  Profeßor!  Wenn  ich  so  kühn  bin,  gegenwärtige  Zeilen 
an  Sie  zu  richten  so  ermuthigte  mich  einerseits  die  Hoffnung,  ein  Fünkchen  des  in 
meiner  Jugend  mir  so  reichlich  geschenkten  Wohlwollens  möchte  vielleicht  den  langen 
Zeitraum  der  verfloßeuen  Jahre  überdauert  haben,  andrerseits  eine  von  Herrn  Pro- 
feßor Schubert  an  mich  ergangene  Aufmunterung.  Derselbe  theüte  mir  nemlich 
vor  Kurzem  brieflich  die  überraschende  und  traurige  Nachricht  von  Otfried  Müllers 
Tod  mit;  bei  seiner  so  außeiordentlich  regen  und  herzUchen  Theilnahme  für  mich 
knüpfte  er  manche  Pläne  daran  und  schloß  mit  dem  Bemerken:  ,, schreiben  Sie 
daher  sofort  an  Herrn  Profeßor  Herbart,  und  bitten  Sie  ihn  um  Bescheid,  ob  Sie 
als  academischer  Docent  für  alte  Geographie  und  Geschichte  auf  etwa  700  Rthlr. 
Gehalt  und  eine  Adjunctur  rechnen  können.'' 

Es  ist  dieß  ein  Rath,  hochverehrtester  Herr  Profeßor,  deßen  Befolgung  ich  bei 
meiner  jetzigen  Stellung  wenigstens  nicht  unversucht  lassen  darf.  Die  Aussichten 
bei  der  hiesigen  ohnehin  so  schwach  besuchten  Universität  sind  höchst  trübe,  und 
mein  Hauptfach,  alte  und  neue  Erdkunde,  ist  .von  jeher  viel  zu  sehr  unterdrückt 
gewesen,  als  daß  ich  auf  baldigen  Anklang  hoffen  kann,  zumal  es  nicht  zu  den  noth- 
wendigen  Fächern  gehört.  Freiüch  muß  ich  bei  dem  Gedanken  ||  erschrecken,  nach 
Müller  dociren  zu  wollen;  auch  ist  von  allem  andern  abgesehen,  mein  Studienkreis 
von  dem  Seinigen  verschieden,  allein  es  macht  mir  Muth,  daß  sein  Lieblingsgebiet, 
Griechenland,  auch  gerade  das  meinige  ist,  dem  ich  seit  den  Schuljahren  mit  dem 
größten  Übergewicht  meine  Thätigkeit  zuwendete;  und  was  den  andern  betrifft,  so 
ist  ja  auch  Müller  sehr  jung  nach  Göttingen  gekommen,  und  erst  allmählich  ge- 
worden, was  er  zuletzt  war!  Herr  Profeßor  Schubert,  sowie  mein  Vater  haben  die 
Güte  gehabt,  einige  Zeilen  beizulegen;  möchte  es  ihnen  doch  gelingen,  theils  Ihi-e 
Nachsicht,  hochverehrter  Herr  Profeßor,  für  meine  Unbescheidenheit,  theils  Ihren 
gewichtigen  Einfluß  bei  dieser  für  mein  Leben  so  entscheidenden  Angelegenheit  zu 
gewinnen.  Mit  den  wärmsten  Empfehlungen  an  Frau  Profeßorin,  deren  fast  mütter- 
liche Güte  und  Fürsorge  mir  noch  stets  vor  Augen,  wie  im  Herzen  steht,  habe  ich 
die  Ehre  mit  wahrhafter  Hochachtung  zu  verharren  als  Ew.  Hochwolilgeboren 

ganz  gehorsamster  Diener    Dr.  Hermann  Bobrik. 

674.    Schubert  an  H.^)  Kgbrg.  d.  16t.  Sept.  40 

Hochverehrter  Herr  College!  Das  Schreiben  des  Dr.  Bobrik,  Ihres  vormaligen 

Schülers,   begleite  ich  mit  einigen  Zeilen  und  dem  lebhaftesten  Wunsche,  es  möge 

1)  IV2  S.    4".     H.  Wien.  —  Herm.  Bobrik  (1814—1845),  Geograph. 
*)  2  S.   8*.    H.  Wien.     Beilage  zu  dem  vorherigen  Brief. 


5  0  September  1840. 


seine  Anfrage  von  Ihnen  mit  wohlwollender  Theilnahme  aufgenommen  werden  und 
kräftige  Unterstützung  finden.  Die  umfassende  Thätigkeit  Ihres  verewigten  Müller 
für  die  Universität  und  die  Wissenschaft  kann  durch  einen  Mann  schwerlich  ersetzt 
werden,  wenigstens  nicht  im  Interesse  der  Sache  selbst.  Für  seine  philologische 
"Wirksamkeit  ist,  soviel  ich  weiß,  schon  jetzt  bei  Ihrer  Universität  der  Ersatz  vor- 
handen. Aber  die  alte  Geschichte  in  der  von  ihm  erstrebten  Verbindung  mit  ge- 
nauer Kenntniß  der  Geographie  und  Archäologie  wird  bei  den  vielfachen  Arbeiten 
auf  diesem  Felde  doch  selten  von  einem  Gelehrten  seiner  Weise  aufgefaßt.  In 
Dr.  Bobrik  finde  ich  hiefür  nicht  nur  ein  entschiedenes  Talent,  sondern  er  hat  auch 
bereits  so  glückliche  und  gediegene  Proben  uns  vorgelegt,  daß  ich  keinen  Anstand 
nehmen  darf,  ihn  auf  das  wärmste  zu  einer  Anstellung  in  diesem  Fache  zu  emp- 
fehlen. Seine  Geographie  nach  Herodot  mit  einem  Atlas  von  9  Karten,  die  1838 
erschien,  seine  Dissertation  mit  einer  Karte,  welche  er  als  Habilitationsschrift  vor 
einem  Jahre  lieferte  dienen  ihm  als  tüchtige  Documente  zu  seiner  Empfehlung. 
Jetzt  hat  er  eine  ausgezeichnete  große  Karte  vom  alten  Griechenland  mit  einer  Be- 
schreibung (etwa  auf  18  Bogen)  fertig,  deren  Bekannt-  ||  machung  unzweifelhaft 
seinen  literarischen  Ruf  fördern  wird.  — 

Da  er  hier  seit  einem  Jahr  habilitirt  ist  und  seit  Ostern  Vorlesungen  versucht 
hat,  bei  den  hiesigen  Verhältnissen  aber  keine  Aussicht  zur  Anstellung  (wegen  der 
vollständigen  Besetzung  und  der  beschränkten  Mittel)  finden  kann,  Göttingen's  Biblio- 
thek mehr  wie  irgend  eine  Deutsche  für  sein  Fach  Hülfe  gewährt,  sein  Wissen  und 
seine  ausgezeichneten  Fähigkeiten  ihn  für  jede  Universität  als  einen  sehr  wünschens- 
werthen  Lehrer  bezeichnen,  so  glaube  ich,  es  würde  der  Göttinger  Universität  von 
wahrem  Nutzen  sein,  wenn  diesem  jungen,  kräftigen  Gelehrten  ein  geringer  Gehalt 
dargeboten  würde,  um  sich  in  diesem  Hauptfache  für  historische  Studien  dauernd 
niederzulassen.  Solche  Stellungen  sind  ja  bei  Ihnen  früher  und  auch  wohl  jetzt 
übhch.  Mit  der  angelegentlichsten  Bitte  mich  Ihrer  verehrten  Frau  Gemahlin  zu 
empfehlen  verharre  ich  in  der  vollkommensten  Hochachtung  und  Verehrung  als 

Ihr  treu  ergebenster    Schubert. 

675.    Bobrik  sen.  an  H/)  Königsberg,  d.  16.  Sept.  1840. 

Hochwohlgeborner  Herr,  Höchstgeehrter  Herr  Hofrath,  Schelten  Ew.  Hoch- 
wohlgeboren  doch  nicht,  wenn  ein  alter  Verehrer  von  Ihnen  sich  die  Freiheit  nimmt, 
die  beiden  anliegenden  Briefe  an  Sie  auch  noch  seiner  Seits  mit  einigen  Zeilen  zu 
begleiten  und  Ihnen  dadurch  einen  Theil  Ihrer  kostbaren  Zeit  zu  rauben.  Die  Ge- 
wogen-heit,  deren  Sie  mich  während  Ihres  Hierseins  zu  würdigen  die  Güte  hatten, 
und  das  freundliche  und  liebevolle  Interesse,  das  Sie  einst  meinem  Hermann  schenkten, 
mögen  sowohl  mich  als  meinen  Sohn  wegen  der  Belästigung,  die  wir  Ihnen  verur- 
sachen, entschuldigen.  — 

Als  ich  mit  wahrhaftem  Schmerze  die  betrübende  Nachricht  von  Ottfried 
Müllers  Tode  erfuhr,  dachte  ich  auch  nicht  entfernt  daran,  daß  dadurch  meinem 
Sohne  irgend  eine  Aussicht  zur  Anstellung  und  Wirksamkeit  ||  an  Ihrer  berühmten 
Georgia  Augusta  .eröffnet  sein  könnte.  Eben  so  wenig  wäre  wohl  ein  solcher  Ge- 
danke bei  meinem  Sohne  aufgestiegen  und  noch  weniger  würde  er  die  Vermessenheit 
gehabt  haben,  etwas  zur  ßealisirung  desselben  zu  unternehmen.  Herr  Prof.  Schubert 
ist  es,  der  ihn  zu  dem  Schritte,  welchen  er  jetzt  thut,  dringend  ermuntert  hat.  Er 
wiU  meinem  Sohne  wohl,  und  er  hat  eine  so  gute  Meinung  von  den  Fähigkeiten 
und  Kenntnissen  desselben,  daß   er  dadurch  die  Anfrage,   welche  sich  mein  Sohn 

')  4  S.    Kl.  Quart.     H.  Wien. 


Oktober  1840.  27 


bei  Ew.  Hoohwohlgeboren  erlaubt,  für  entschuldiget  erachtet,  ich  weiß  nicht  ob 
H.  Profeßor  Schuberts  Zuneigung  zu  meinem  Sohne  ihn  vielleicht  zu  weit  führe. 
Könnte  aber  etwas  die  Hoffnung  begründen,  daß  sich  von  Hermanns  Leistungen  mit 
der  Zeit  wohl  Gewinn  für  die  Wissenschaft  erwarten  laße,  so  dürfte  es  vor  allem 
des  verewigten  Müllers  eigenes,  und  gewiß  unbestochenes  Zeugniß  sein.  Denn  er 
schenkte  schon  dem  ersten  schriftstellerischen  Versuche  meines  Sohnes,  den  derselbe 
als  achtzehnjähriger  Gymnasiast  schrieb  und  der  im  Jahr  1833  in  den  ßerghausschen 
Annalen  abgednickt  wurde,  seine  Aufmerksamkeit,  und  hat  bei  Gelegenheit  der 
Kecension  eines  geographischen  Werkes  von  Puillon  de  Boblaye  in  Ihren  gelehrten 
Anzeigen  (Jahrg.  1838,  134.  135.  136.  Stück)  jenes  Versuches,  als  einer  ,, schätzbaren 
Arbeit"  erwähnt. 

Es  ist  mir  natürlich  völlig  unbekannt,  ob  die  dortigen  Verhältnisse  Ew.  Hoch- 
wohlgeboren  irgend  ein  Eingehen  in  den  Plan  des  H.  Prof.  Schubert  gestatten. 

Sollte  es  aber  der  Fall  sein,  dann  erlauben  Sie,  Verehrtester  Herr  Hofrath, 
daß  auch  ich  Ihnen,  im  Vertrauen  auf  die  Fortdauer  Ihrer  früheren  Gewogenheit,  das 
Wohl  meines  Sohnes  an"s  Herz  legen  und  Sie  ganz  gehorsamst  um  Ihre,  gewiß  sehr 
vielvermögende  Verwendung  bitten  darf. 

"V\'elches  auch  der  Erfolg  in  diesör  Angelegenlieit  sein  möge,  unendlich  würde 
es  mich  freuen,  wenn  sie  Veranlassung  gäbe,  daß  wir  einmal  unmittelbar  durch  Ew. 
Hochwohlgeboren  nähere  Nachrichten  von  ||  Ihrem  Wohlbefinden  empfingen.  Nur 
sehr  selten  kommt  mir  durch  andre  ungenügende  Kunde  darüber  zu,  und  doch  wüßte 
ich  so  gern  gewiß,  daß  der  Himmel  Sie  dort,  recht  heitere  und  beglückte  Tage  ver- 
leben lasse.  Wie  oft,  wenn  ich  bei  Ihrer  früheren  Wohnung  vorüberwandle,  erinnere 
ich  mich  dankbar  Ihrer  und  jener  so  genußvollen  und  lehi'reichen  Stunden,  in  denen 
ich  das  Glück  genoß,  Ihren  Abendvorlesungen  im  Hause  des  H.  Kanzlers  v.  Wegener 
beiwohnen  zu  dürfen. 

Ich  bitte  nochmals,  Höchstgeehrter  Herr  Hofrath,  entschuldigen  Sie  unsere 
Dreistigkeit,  darf  ich  auch  noch  die  gehorsamste  Bitte  hinzufügen:  mich,  so  wie 
meine  Frau,  Ihrer  Hochgeschätzten  Frau  Gemahlin,  die,  gleich  Ihnen,  hier  noch  in 
so  Vieler  lebhaftesten  Andenken  fortlebt,  angelegentlichst  zu  empfehlen"?  Mit  der 
ausgezeichnetesten  Hochachtung  und  Ergebenheit  habe  ich  die  Ehre  zu  beharren  als 

Ew.  Hochwohlgeboren  ganz  gehoi^samster 
der  Tribunalsrath  Bobrik. 

676.    Vertrag  zwischen  H.  u.  Dieterich.*) 

Göttingen  den  20sten  Oktober  1840. 

Zwischen  dem  Herrn  Hofrath  Herbart  hochwohlgeboren  und  der  Dieterich'schen 
Buchhandlung  hier  ist  nachstehender  Contract  geschloßen  worden: 

Herr  Hofrath  Herbart  giebt  der  Dieterich'schen  Buchhandlung  die  zweyte  Auf- 
lage der  „Umriße  pädagogischer  Vorlesimgen"  unter  folgenden  Bedingungen  in 
Verlag: 

§  1.)  der  Herr  Hofrath  Herbart  verzichtet  vorläufig  auf  Honorar,  sind  jedoch 
die  Druckkosten,  inclusive  Papier,  ä  Bogen  9  Rrthlr.  16  Gutegr.  Court;  durch  den 
Absatz  einer  Anzahl  Exemplare  gedeckt,  so  wird  der  sich  ergebende  Ertrag  aus  den 
noch  übrigen  Exemplaren  unter  beiden  Contrahenten  zu  gleichen  Theilen  getheilt, 
und  jedes  Jahr  nach  der  Leipziger  Ostermeße  (im  Juni)  Abrechnung  von  der 
Dieterich'schen  Buchhl.  abgelegt, 


')  Im  Besitze   des  Hm.  Th.  Weicher,    derz.  Inh.  der  Dieterichschen  Verlags- 
buchhandlung in  Leipzig. 


•3  8  Oktober   1840. 


§  2.)  der  Herr  Hofrath  Herbart  behält  sich  jedoch  vor,  nachdem  die  Druck- 
kosten durch  Verkauf  einer  Anzahl  Exemplare  gedeckt  sind,  über  den  Rest  der  Auf- 
lage stets  frey  disponiren  zu  können, 

§  3.)  an  Freyexemplaren  erhält  der  Herr  Hofrath  Herbart  12  Exemplare  auf 
Velinpapier;  die  Dieterich'sche  Buchhandlung  verpflichtet  sich  zu  gutem  Druck  und 
denselben  bis  Ende  Januar  1841  spätestens  zu  beendigen. 

§  4.)  Beide  Theile  sind  über  eine  Auflage  von  750  Exempl.  einverstanden. 

Zu  gegenseitiger  Sicherheit  ist  dieser  Contract  in  doublo  ausgefertigt  und  von 
beiden  Theilen  unterschrieben  worden. 

Dieterich'sche  Buchhandl. 
gez.  Schlemmer,     gez.  Herbart. 

677.    Reiche  an  H.')  Adelebsen,  d.  20t.  November  1840. 

Hochwohlgeborner  Herr,  Hochzuverehrender  Herr  Hofrath.  Mit  dem  er- 
gebensten Danke  habe  ich  die  Ehre,  Ew.  Hochwohlgeboren  die  Religionsphilosophie 
von  Taute  hierbei  zuriickzusenden.  Nach  dem,  was  ich  von  dieser  Schrift  jetzt 
kenne,  muß  ich  hoffen,  bei  einem  künftigen,  genaueren  Studium  der  Geschichte  der 
Philosophie  sehr  durch  sie  gefördert  zu  werden.  Ein  Buch,  welches  so  durchweg, 
wie  dieses,  das  Gepräge  der  Reife  an  sich  trägt,  ||  ist  gewiß  eine  seltene  Erscheinung. 
Schon  jetzt  sehe  ich  in  denjenigen  Theilen  der  Geschichte,  mit  denen  ich  selbst 
etwas  genauer  bekannt  bin,  Herrn  Dr.  Taute  mit  einer  beneidenswerthen  Präcision 
das  Gegebene  auffassen,  und  auf  eine  oft  überraschende  Weise  die  Haupt- 
beziehungen der  Begriffe  und  Systeme  unter  einander  darlegen.  Seine  Kritik  ist 
ein  kurzer  Dolch  vom  härtesten  Stahl,  den  er  den  Widersprüchen  gerades wegs  ins 
Herz  stößt.  Schade  nur,  daß  bis  jetzt  von  einer  positiven  Construktion  der  Religions- 
philosophie noch  so  wenig  gegeben  ist. 

Um  nun  Einiges  von  meinen  eignen  Besti-ebungen  zu  berichten,  so  beschäftigen 
mich  jetzt  zwei  Abhandlungen:  die  eine  über  das  leb,  die  andere  über  die  Materie. 
Als  Anhang  zu  beiden,  in  denen  nach  einander  das  wirkliche,  secundäre  und  schein- 
bare Geschehen  zur  Sprache  kommen  muß,  denke  ich  die  Frage  zu  untersuchen,  ob 
der  allgemeine  Begriff  des  Geschehens  könne  als  Prinzip  in  der  Metaphysik  be- 
behandelt werden. 

In  der  Abhandlung  über  das  Ich,  welche  hauptsächlich  den  Begriff  des  Strebens 
entwickeln  soll,  habe  ich  geglaubt,  den  Gang,  den  Ihre  Untersuchungen  über  den- 
selben Gegenstand  ||  in  der  Psychologie  genommen  haben,  etwa  in  dieser  Weise  ver- 
folgen zu  müssen: 

Nach  einer  auf  zwiefache  Art  geführten  Analyse  des  empirisch  gegebenen  Ich, 
deren  Resultat  das  reine  Ich  ist,  folgt  die  Entwickelung  der  in  diesem  liegenden 
Widersprüche,  mit  dem  Anhange  Ihrer  Lösung,  die  zunächst  noch  in  der  Aufgabe 
ruht,  das  mannigfaltige  Objective  als  in  gegenseitiger  Modification  verschwindend  zu 
denken.  Gleich  an  diesem  Punct  greift  die  Polemik  gegen  Strümpell  ein,  dem  die 
Methode  der  Beziehungen  auch  in  diesem  besondern  Falle  nur  ganz  im  Allgemeinen 
den  Begriff  der  Modification  des  Objectiven,  nicht  die  bestimmte  Art  derselben  an 
die  Hand  giebt. 

Darauf  folgt  die  metaphysische  Behandlung, 

1  )  des  individuellen  Ich,  dessen  Wiedereinführung  gerechtfertigt  wird.  Es 
wird  als  veränderliches  Ding  mit  mehren  Merkmalen  kenntlich  gemacht  und  die 
weitere  Behandlung  der  in  diesem  Begriffe  liegenden  Widersprüche  der  allgemeinen 

')  4  S.    4».     H.  Wien. 


November  1840.  7Q 


Metaphysik  überwiesen,  liier  tritt  dann  von  Neuem  die  Polemik  gegen  Strümpell 
ein  in  Bezug  auf  die  Rechtmäßigkeit  der  Subsumtion  des  Ichbegriffs  unter  den  Be- 
griff des  Dings  mit  mehren  Merkmalen.  —  Darauf  folgt  die  Auflösung  des  Wider- 
spruchs der  luhärenz  und  die  Deduktion  des  wirklichen  Geschehens  mit  beständiger 
Berücksichtigung  auf  die  von  Strümpell  gegen  sie  vorgebrachten  Ausstellungen. 

2.)  des  Subjects,  wie  es  in  der  oben  gegebenen  Auflösung  der  Widersprüche 
im  reinen  Ich  als  Träger  der  vielen  unter  sich  entgegen  ||  gesetzten  Vorstellungen 
hervorgegangen  ist.  Als  Schluß  dieses  metaphysischen  Ergußes  wird,  was  schon  im 
Lauf  der  Untersuchung  einige  Mal  berührt  werden  mußte,  der  Widerspruch  im  ge- 
gebenen Ich,  so  fern  es  das  reine  als  Forderung  in  sich  enthält,  und  damit  das 
Individuelle  sowohl  festhält  als  ausstößt,  offen  ausgesprochen  und  besonders  be- 
handelt: Theils  soll  dadurch  die  Aufmerksamkeit  auf  den  Hauptfaden  der  Unter- 
suchung zurückgelenkt,  theils  auch  die  Frage  dabei  beantwortet  werden,  inwiefern 
die  getrennte  Behandluug  der  Widersprüche  im  empirischen  und  reinen  Ich  vor  der 
Methodologie  zu  rechtfertigen  sei.  —  Das  Folgende  enthält  nun  die  Deduktion  des 
Strebens  in  fortlaufender  Polemik  gegen  Strümpell,  und  die  Rechtfertigung  dieses 
Begriffs  vor  der  Ontologie.  —  Als  Anhang  soll  noch  die  Frage  untersucht  werden, 
ob  die  Ontologie  befugt  sei,  in  Bezug  auf  die  Theorie  des  Geschehens  ihr  bisheriges 
Gebiet  zu  erweitern.  Außer  der  Schrift  von  Strümpell  habe  ich  Gelegenheit  ge- 
funden, an  einigen  Stellen  noch  zwei  andre  zu  berücksichtigen:  eine  kürzlich  von 
Neuem  herausgegebene  Abhandlung  über  das  Ich  von  Ritter,  der  zweite  Band  der 
Geschichte  der  Philosophie  von  Fries. 

Im  Verlauf  jener  beiden  Abhandlungen  über  das  Ich  und  die  Materie  hoffe 
ich  in  einem  verständlichen  Zusammenhange  die  Hauptpuncte  der  Strümpellschen 
Ausstellungen  berühren  zu  können.  Seine  Kritik  des  Inhärenzproblems,  welche  zu- 
sammenhängt mit  seinen  Ansichten  über  Eidologie,  denke  ich  m  einer  dritten  Ab- 
handlung über  den  wahren  Realismus  zu  behandeln. 

Mit  unbegränzter  Hochachtung  habe  ich  die  Ehre,  mich  Ew.  Hochwohlgeboren 
Gewogenheit 

ganz  ergebenst  zu  empfehlen     L.  Reiche. 

678.     An  Taute.  1)  Göttingen  27   November  1840 

Noch  habe  ich  Ihr  großes  Werk-j  nicht  durchgelesen,  mein  theurer 
Freund ;  aber  auch  nur  hineinzusehen  ist  nicht  möglich  ohne  Bewunde- 
rung dieser  Geduld  und  dieser  ächten  Gravität,  die  sich  überall  gleich- 
bleibt! Wie  Andere  das  aufnehmen  werden,  davon  wird  bald  genug  der 
Erfolg  Zeugniß  ablegen ;  was  mich  anbelangt,  so  weiß  ich,  daß  ich  eine 
solche  Sprache  nicht  führen  durfte;  von  mir  wäre  es  Egoismus  gewesen. 
Daß  ich  aber  Ihre  strenge  Polemik  nicht  etwa  misbilligen  darf,  weiß  ich 
auch;  im  Gegentheil,  ich  muß  mich  Ihnen  verbunden  achten,  daß  Sie 
eine  so  schwere  Last,  die  ich  so  nicht  anfassen  durfte,  und  die  zu  be- 
wegen Andere  viel  zu  bequem  sind,  so  weit  vorwärts  gewälzt  haben. 

Aus  einem  Briefe  des  Dr.  Reiche,  meines  besten  hiesigen  Schülers 
(oder  wenigstens  des  ältesten,  denn  die  von  jüngerem  Datum  sind  noch 
nicht  so  weit,  daß  man  deutlich  sehe  wo  sie  hinaus  wollen,)  der  jetzt 
hier  in  der  Nähe  Hauslehrer  ist,  und  dem  ich  Ihre  erste  Lieferung  geliehen 
hatte,  —    will  ich  Ihnen  eine  Stelle  abschreiben. 


')  3  S.    40.     N. 

^)  Die  Religionsphilos.  v.  Standp.  der  Philos.  Herbarts,  Elbing   1840,   "84  S. 


^O  November  1840. 


„Nach  dem,  was  ich  von  dieser  Schrift  jetzt  kenne,  muß  ich  hoffen, 
bey  meinem  künftigen  genauen  Studium  der  Geschichte  der  Philosophie 
sehr  durch  sie  gefördert  zu  werden.  Ein  Buch,  welches  so  durchweg, 
wie  dieses,  das  Gepräge  der  Reife  an  sich  trägt,  ist  gewiß  eine  seltene 
Erscheinung.  Schon  jetzt  sehe  ich  in  denjenigen  Theilen  der  Geschichte, 
mit  denen  ich  selbst  etwas  genauer  bekannt  bin,  Herrn  Dr.  Taute  mit 
einer  beneidenswerthen  Präcision  das  Gegebene  auffassen,  und  auf 
eine  oft  überraschende  Weise  die  Hauptbeziehungen  der  Begriffe  und 
Systeme  unter  einander  ||  darlegen.  Seine  Kritik  ist  ein  kurzer  Dolch 
vom  härtesten  Stahl,  den  er  den  Widersprüchen  geradewegs  ins  Herz 
stößt.  Schade  nur  daß  bis  jetzt  von  einer  positiven  Construction  der 
Religionsphilosophie  noch  so  wenig  gegeben  ist." 

Wenn  Sie  wegen  Verspätung  dieses  Briefes  meine  eigene  Arbeit  als 
Entschuldigung  wollen  gelten  lassen,  so  habe  ich  eine  solche  dreyfach. 
Das  zweyte  Heft  meiner  psychol.  Abhandlungen,  —  eine  neue  Auflage 
meines  Umrisses  pädagog.  Vorlesungen,  —  und  eine  neue  Auflage  der 
Encyclopädie.  Das  erste  liegt  fertig  gedruckt,  —  an  der  zweyten  wird 
gedruckt,  —  die  dritte  beschäfltigt  mich  eben  jetzt;  und  Ihr  Werk  kommt 
mir  dabey  in  so  fern  vortrefflich  zu  statten,  als  ich  jetzt  gar  nicht  nöthig 
finde,  den  rauhen  Ton  vestzuhalten,  der  mir  vor  zehn  Jahren  anstatt  der 
mir  unmöglichen  Polemik  dienen  mußte.  Nachdem  Sie  stark  gesprochen 
was  zu  sagen  war,  kann  ich  den  ruhigen  Vortrag  halten,  der  für  das 
Publicum  der  Encyclopädie  einzig  passend  ist.  —  Dennoch  habe  ich  der 
leidigen  Polemik  noch  ganz  kürzlich  auch  noch  meinen  Tribut  abtragen 
müssen,  nämlich  gegen  Fries.  Denn  diese  Polemik,  die  für  Drobisch  ohne 
Vergleich  besser  sich  würde  geschickt  haben,  blieb  mir  überlassen;  und 
konnte  —  gewisser  hiesiger  Beziehungen  wegen,  —  nicht  füglich  gespart 
werden.  Dagegen  hat  sich  Drobisch  mit  Hrn  Günther  zu  thun  gemacht 
—  was  sagen  Sie  dazu?  und  überhaupt  zu  seinem  etwas  dünnen  Buche? 
Reiche  scheint  damit  nicht  sonderlich  zufrieden. 

Hartenstein  dagegen,  der  in  den  Ferien  ein  paar  Tage  hier  zubrachte, 
hält  jl  vest  an  Dr[obisch]  obgleich  er  wenn  ich  nicht  irre,  wohl  sieht  was 
zu  sehen  ist.  Dem  sey  wie  ihm  wolle:  meinerseits  glaube  ich  die  Ge- 
fahr 6chon  durch  meine  beyden  psychologischen  Hefte  abgewendet  zu 
haben;  selbst  auf  den  Fall  daß  er  für  gut  fände  dagegen  aufzutreten. 
Übrigens  hat  Hartenstein  im  Sinne,  eine  Ethik  zu  schreiben,  ein  Seiten- 
stück zu  seiner  Metaphysik.  Auf  einige  Variationen  halte  ich  mich  da- 
bey gefaßt. 

Obgleich  dieser  Brief,  um  noch  heute  wegzukommen,  nur  kurz  sein 
kann,  so  muß  ich  doch  noch  aus  Rankes  letztem  Programm  ein  paar 
Worte  abschreiben.     Es  ist  die  Rede  vom  Homer. 

,,Den  Dank  dafür,  daß  uns  dies  gleich  Anfangs  nicht  mislungen 
„ist,  gebührt  nicht  bloß  dem  H[erbart]  sondern  demnächst  dem  Hr 
„Dr.  Taute  in  K  — ,  der  —  in  früherer  Zeit  [diesen]  griechischen  Unter- 
„richt  ertheilt,  und  die  Güte  gehabt  hat  auf  die  Fragen  —  [zu  antworten 
„und]  mit  wenigen  Zügen  den  Gang  des  Unterrichts  zu  bezeichnen,  den 
„wir  —   bisher   [durchaus]  bewährt  gefunden  haben. 


November  1840.  41 


In  der  That  benachrichtigte  mich  Ranke  noch  ganz  kürzlich,  es  gehe 
sehr  gut;  Schüler  und  Lehrer  fühlen  sich  fortgezogen.  Ellendt  in  Eis- 
leben ist  in  Correspondenz  mit  Ranke,  nachdem  sich  beyde  in  Gotha  ge- 
sprochen haben. 

Läßt  denn  Gregor  nichts  mehr  von  sich  hören?  Seine  Anstalt  soll 
ja  sehr  guten  Fortgang  haben;  und  daß  er  eine  sehr  gute  Feder  führen 
kann  wenn  er  will,  habe  ich  noch  in  frischem  Andenken.  —  Meine 
herzlichsten  Grüße  an  ihn  und  an  Sieflfert.  Und  an  Sanio,  an  Sirason,  i) 
an  Schubert,  an  —  —    —   —  —   die  Reihe  wird  zu  lang. 

Meine  Frau  ist  wohl.  Sie  hat  hier  ein  paar  falsche  Geburtstage 
mitten  im  Sommer,  die  gelegentlich  etwas  von  Kuchen  und  Blumen  bringen. 
Den  wahren  hält  sie  fortwährend  geheim,  um  sich  nicht  einem  Contraste 
hinzugeben,  der  noch  immer  schmerzen  würde.  Die  falschen  Geburts- 
tage, die  man  zu  errathen  geglaubt  hatte,  machen  uns  manchmal  zu  lachen. 

Ganz  der  Ihrige     H. 

679.     An    Taute.-)  Göttingen  29  Nov.    1840 

Mein  theurer  Freund!  Meinen  vorgestrigen  Brief,  der  nicht  so 
langsam  gehen  sollte  wie  ein  Packet,  werden  Sie  erhalten  haben.  Jetzt 
nur  wenige  Worte. 

Sie  finden  hier  in  der  Vorrede  Ihr  Werk  schon  angeführt  und  Hm 
Fries  darauf  verwiesen.  Ich  habe  geeilt,  die  erste  Gelegenheit  zu  nutzen, 
um  mir  öffentlich  Ihr  Werk  anzueigen ;  weil  ich  schwerlich  überhaupt,  ge- 
wiß aber  nicht  jetzt,  dasselbe  werde  anzeigen  können.  Sie  wissen  daß  ich 
nicht  Theologe  bin  und  niemals  war.  Die  Folge  ist,  daß  ich  bey  so  vielen 
andern  Verwickelungen  mich  in  theol.  Streitigkeiten  durchaus  nicht  einlassen 
kann.  Dazu  kommt  noch  zweyerley:  als  Geschichtswerk  würde  das  Ihrige 
Rittern  zur  Anzeige  zufallen;  —  und  überdies  darf  ich  keine  Paralelle 
zwischen  Ihrem  und  dem  gleichzeitigen  Buche  von  Drobisch  ziehen,  noch 
andeuten.  |j  Da  ich  nun  mit  Bedauern  wenigstens  jetzt  unthätiger  Zu- 
schauer seyn  muß,  —  und  es  für  mein  Alter  keine  wahrscheinliche  Zu- 
kunft des  thätigen  Eingreifens  giebt  —  so  begnüge  ich  mich  mit  frommen 
Wünschen,  die  aber  nicht  ganz  frey  von  Besorgnissen  sind.  Sie  werden 
mich  verbinden,  wenn  Sie  mir  Nachricht  geben,  was  Sie  von  der  Wirkung 
Ihres  Werkes  erfahren.  In  Berlin  wird  hie  und  da  wohl  der  junge  Doctor 
Großmann  aus  Leipzig,  der  es  schon  bey  mir  liegen  sah,  daraufhinweisen; 
ich  höre  daß  er  viel  bey  einem  der  dortigen  hohen  Geistlichen  aus  und  eingeht. 

Mit  großem  Bedauern  denke  ich  an  das  hohe  Postgeld  was  Ihre 
Sendungen  —  gegen  meine  Bitte  frankirt  —  gekostet  haben  müssen.  —  —  || 
Zu  meinen  Arbeiten  fehlt  nun  höchst  nöthig  ein  Jurist  und  ein  Physiker; 
letzterer  umsomehr  da  mir  sehr  zweifelhaft  ist,  was  Drobisch  weiterhin 
thun  und  lassen  wird.     Läßt  denn  Moser  etwas  von  sich  hören?  —  Für 

^)  Über  SimsoDS  (1810 — 1899),  des  späteren  Reichsgerichtspräsidenten,  Beziehungen 
zu  Herbart  vgl.  O.Flügel.  Herbart,  Lpzg.  1912  S.  116  u.  Lazarus"  Lebenserinnerungen. 
1906,  S.  466.  Simson  sagte  bei  der  Herbartfeier  1876:  „Wenn  es  mir  vergönnt  ge- 
wesen ist,  dem  Vaterlande  zu  nützen,  so  verdanke  ich  dies  .  .  .  der  Philosophie  Her- 
barts ...  Es  ist  einer  der  höchsten  Glücksfälle  meines  Lebens,  daß  ich  früh  u.  lange 
(1826  —  33)  zu  Herbarts  Füßen  habe  sitzen  können." 

')  3  S.    4'-     N. 


»2  November  1840. 


Ihr  Wirken  ist  es  fast  eben  so  bedeutend  als  für  das  Wirken  meiner 
Schriften,  daß  nicht  alles  auf  einmal  den  Theologen,  als  ob  sie  Richter 
des  Ganzen  seyn  könnten,  zufallen  möge.  Diese  Einseitigkeit  könnte  sehr 
schaden;  während  ich  es  als  ein  großes  Verdienst  Ihres  Werkes  schätze, 
daß  Sie  beynahe  die  ganze  Masse  der  Gedanken  auf  einmal  in  Bewegung 
gebracht  haben.  Doch  ich  muß  schließen;  und  bezeuge  Ihnen  nochmals 
meine  aufrichtigste  Achtung  für  Ihre  Energie  und  Beharrlichkeit  unter 
wenig  günstigen  Umständen.  Ganz  Ihr     H. 

680.     An    Schubert.  Göttingen   29.  November  1840. 

Hochwohlgeborener  Hochgeehrter  Herr  College!  Sie  haben  Hrn. 
Dr.  Bobrik  ein  sehr  gewichtvolles  und  für  mich  auch  mit  den  früher  schon 
wohlbegründeten  Erwartungen  völlig  übereinstimmendes,  Zeugniß  gegeben, 
indem  Sie  an  einen  Versuch  dachten,  ihm  hier  eine  gelehrte  Laufbahn  zu 
schaffen.  Wenn  Sie  jedoch  an  die  unglückliche  politische  Celebrität  denken, 
die  sich  Göttingen  muß  gefallen  lassen  —  und  die,  wie  vorauszusehen 
war,  keine  andre  Folge  haben  konnte,  als  daß  die  Universität  jetzt  von 
zwey  entgegengesetzten  Seiten  mit  ungünstigem  Auge  angesehen  wird:  — 
so  entgeht  Ihnen  gewiß  nicht,  daß  man  froh  seyn  muß,  wenn  Alles  bleibt 
wie  es  ist,  und  daß  man  von  hier  aus  nicht  leicht  um  ungewohnte  Gunst 
bitten  kann. 

Unser  früherer  Curator,  Hr.  v.  Arnswaldt,  der  ganz  den  Wissen- 
schaften lebt^),  hat  sich  schon  vor  ein  paar  Jahren  ganz  zurückgezogen; 
Hrn  Minister  v.  Stralenheim  sind  wir  zwar  vielen  Dank  schuldig,  allein 
er  ist  mit  Geschäften  überladen.  Wie  man  hört  ist  meistens  im  Cabinette 
der  Ursprung  der  Verfügungen,  welche  die  Universität  betreffen. 

Um  indessen  nichts  zu  versäumen,  wendete  ich  mich  an  meinen  alten 
Gönner  Heeren,  von  dem  ich  weiß,  daß  Ihi-  Urtheil  bey  ihm  viel  gilt. 
Und  war  irgend  zu  erwarten,  daß  von  hier  nach  Hannover  —  in  Bezug 
auf  das  historische  und  geographische  Fach,  —  eine  wirksame  Ver- 
wendung zu  erlangen  stehe,  so  mußte  eine  solche  von  Heeren  ausgehn; 
hier  konnten  noch  alte  Verbindungen  von  Einfluß  vermuthet  werden. 
Allein  Heeren  antwortete,  7venn  er  gefragt  würde  (in  Beziehung  auf  einen 
an  Hrn  Dr.  Bobrik  zu  erlassenden  Ruf,)  dann  wolle  er  gern,  auf  Ihr 
Zeugniß  sich  berufend,  eine  Empfehlung  aussprechen.  Und  über  diese 
Antwort  kann  ich   mich  nicht  im  mindesten  wundern. 

Übrigens  habe  ich  Gelegenheit  genommen ,  mit  Hartenstein  aus 
Leipzig,  der  mich  besuchte,  über  die  Sache  zu  sprechen.  Aber  auf 
Gehalt  —  auch  hier  nicht  die  mindeste  Aussicht! 

Sind  Sie  mit  Pertz  oder  Kohlrausch  in  Hannover  bekannt?  —  Das 
ist  das  einzige,  woran  ich  Sie  erinnern  könnte,  wenn  Sie  ja  für  Hrn.  B. 
noch  hierher  einen  Versuch  wenden  wollen;  Aussicht  erblicke  ich  jedoch 
auch  da  nicht.  Viel  eher  werden  Sie  in  Preußen  etwas  für  Hrn.  B.  er- 
langen. Hier  sind  ohnehin  Privatdocenten  von  Bedeutung,  namentlich 
Wappäus  für  Geographie,  Röscher  für  Politik.  —   — 

Erfreuen  Sie  mich  und  meine  gute  Frau  bald  mit  Nachrichten  von 
Königsberg,   an   denen  Sie   gewiß  jetzt  überreich  sind.     Die  angenehmste 

^)  Vgl.  Kohlrauschs  Erinnerungen  pp.,    1863,  S.  313. 


November  1840.  43 


für  mich  ist  freylich  das  große  Werk  unseres  Taute;  gewiß  nicht  bloß 
ein  Werk  langer  Jahre,  sondern  langer  und  angestrengter  Arbeit.  Wer 
wird  sie  lohnen?    —  — 

Mit  vollkommenster  Hochachtung  Ihr  ergebenster  Herbart. 

681.     An    Smidt.  1)  Göttingen  29  November   1840. 

Mein  hochverehrter  Freund !  Endlich  komme  ich  dazu,  meinen  Dank 
für  Dein  sehr  gütiges  Andenken  wenigstens  schriftlich  darzubringen,  nach- 
dem ich  die  Absicht,  es  mündlich  zu  thun,  einstweilen  habe  aufgeben 
müssen.  In  den  ]\Iichaelis- Ferien  war  ich  mit  meiner  Frau  in  Braun- 
schweig; dabey  lag  Anfangs  die  Absicht  zu  Grunde,  von  dort  geraden 
wegs  nach  Bremen  zu  kommen;  allein  der  Kutscher  protestirte;  er  wollte 
von  Braunschweig  über  Hildesheim  nach  Hannover  und  Bremen,  weil  — 
zwischen  Braunschweig  und  Bremen  keine  ordentliche  gerade  Chaussee 
laufe.  Ists  möglich?  Zwischen  diesen  berühmten  Handelsstädten  soll  man 
einen  Hildesheimer  Winkel  machen?  -  Aber  auch  das  wäre  am  Ende 
noch  herausgekommen,  wenn  ich  Griepenkerln ,  wie  ich  besorgte,  krank 
gefunden  hätte.  Nun  aber  —  hängen  Bremen,  Oldenburg,  und  Hamburg 
wieder,  wie  früher,  in  meinem  Kopfe  zusammen ;  das  ist  leider  etwas  weit 
und  theuer,  und  so  wird  das  Bessere  der  Feind  des  Guten;  sonst  wäre 
ich  längst  in  Bremen  gewesen.  || 

Die  neueste  Nachricht  von  Dir  und  deiner  Frau  Gemahlin  habe  ich 
durch  meine  Cousine,  die,  nachdem  sie  vierzehn  Tage  bei  uns  zubrachte, 
jetzt  in  Oldenburg  ihre  Geschäfte  besorgen  will,  aber  in  Bremen  sich, 
wie  sie  schreibt,  auf  die  angenehmste  Art  aufgehalten  findet.  Meine  Frau 
ist  sehr  gut  mit  ihr  zurecht  gekommen,  —  für  mich  eine  Beruhigung, 
denn,  aufrichtig  gesagt,  ich  besorgte  eini^ermaaßen  das  Gegentheil. 

Etwas  früher  las  ich  von  Bremen  nicht  die  lieblichsten  Nachrichten, 
sondern  solche,  die,  wie  es  mir  vorkommt,  meinem  verehrtesten  Freunde 
als  dortigem  Chef  der  kirchlichen  Angelegenheiten  wohl  einigen  Verdruß 
machen  mögen.  Man  möchte  ja  fast  m  den  Namen  ein  omen  suchen, 
wenn  man  solcher  Namen  wie  Schleiermacher  und  Krummacher  denkt. 
—  Und  mußte  der  alte  Sauerteig  der  dortigen  übergroßen  Domgemeinde 
noch  jetzt  in  neue  Gährung  gerathen!  —  Bald  könnte  ich  bange  werden, 
daß  es  wohl  auch  um  mich  herum  gähren  wird;  denn  so  wenig  ich  der 
Theologie  zu  nahe  gekommen  bin,  so  ist  mir  doch  kürzlich  nicht  wenig 
davon  ins  Haus  geschickt  worden,  was  an  sich  sehr  willkommen  ist,  denn 
es  kommt  aus  meiner  eignen  Schule;  —  nämlich  eine  Religionsphilo- 
sophie von  Dr.  Taute  in  Königsberg,  (meinem  langjährigen  dortigen  Ge- 
hülfen), und  eine  zweyte  von  meinem  Leipziger  Genossen,  Professor 
Drobisch.  Aber  beyde  können  gewaltigen  Lärm  ||  anrichten;  besonders 
das  erstere  dieser  Bücher :  ein  sehr  gelehrtes  Werk,  aber  voll  der  stärksten 
Polemik  gegen  Fichte,  Schelling,  Hegel;  so  stark,  als  hätte  alles,  was  ich 
in  dreyßig  Jahren  zurückgehalten  habe,  hier  auf  einmal  in  meinem  Namen 
sollen  ausgeschüttet  werden.  Findet  einer  Deiner  referirenden  Räthe  für 
gut,  Dich  mit  literarischen  Gegenständen  zu  behelligen,  so  darf  ich  für 
jene   Schriften,   besonders   für   Tautes  Werk   (woraus   zu   referiren   freylich 

1)  3  S.    4  °.  —  Aus  dem  Archiv  der  freien  Hansestadt  Bremen,  s.  Bd.  16,  S.  12  Anm. 


AA  November  1840. 


nicht  Jedem  gelingen  wird)  um  Deine  Aufmerksamkeit  bitten.  —  So  gehts 
uns  Leuten  vom  Katheder!  Mäßigt  man  sich  selbst,  so  finden  sich  Andre 
in  der  Nähe,  die  desto  ungestümer  drein  stürmen.  Doch  muß  ich  sagen, 
daß  Taute  durch  seine  Lage  (gegenüber  dem  Hegelianer  Rosenkranz) 
vollkommen  entschuldigt  ist;  er  mußte  entweder  durchdringend  sprechen 
oder  ganz  schweigen.  Das  ist  die  Folge  der  Hegeley  in  Berlin,  die  fast 
wie  eine  Hierarchie  wirkt;  und  das  ist  wieder  die  Folge  der  Kurzsichtigkeit 
des  Hrn  v.  Altenstein,  die  für  Preußen  noch  manche  Nachwehen  fühlen 
lassen  wird. 

Wie  Dir  Berlin  gefallen  hat?  möchte  ich  gern  wissen;  —  ich  denke 
etwa  so  gut,  wie  dem  Haupte  einer  Republik  eine  Königsstadt  gefallen 
kann.  Meinerseits  habe  ich  oft  gewünscht,  Montesquieu  möchte  das  heutige 
Berlin  besucht,  das  heutige  Preußen  gekannt  haben.  Die  heutige  Politik 
würde  dann  etwas  anders  aussehen. 

Deiner  Frau  Gemahlin  meinen  Respect!  Und  Dir  nochmals  recht 
herzlichen  Dank  für  Dein  freundschaftliches  Andenken!  Herbart. 

682.     An    Drobisch.  Göttingen  29  November  1840 

Zuvörderst  Sr.  Magnificenz,  dem  Herrn  Prorector  der  Universität  zu 
Leipzig,  meinen  ehrerbietigen  Gruß  und  Glückwunsch! 

Sie  haben  mich  beschenkt;  ich  statte  meinen  ergebensten  Dank  ab; 
ich  bringe  ein  Gegengeschenk,  und  bitte  um  gefällige  Aufnahme. 

Ob  dieser  neue  Austausch  von  Schriften  uns  wieder  einander  näher 
bringen  werde?  ich  weiß  es  in  der  That  nicht;  mid  möchte,  wenn  ichs 
wüßte,  auch  nicht  vorgreifend  darüber  sprechen.  Sie  sagen  Selbst,  daß 
es  in  Bezug  auf  das  religiöse  Thema. ohne  Meinungen  und  Ansichten  nicht 
abgehe;  die  Sache  wird  noch  verwickelter,  indem  zwey  Religionsphilo- 
sophieen,  deren  keine  ich  begehrte,  und  deren  keine  \\  meinen  Rath  ver- 
langt hat,  einander  gegenseitig  überraschen.  Kaum  läßt  sich  etwas  Anderes 
dazu  sagen,  als:   quod  Dens  bene  vertat! 

Nun  vollends  die  dreyfach  zusammentreffende  Polemik  nach  allen 
Seiten!  Daß  Reactionen  darauf  folgen  müssen,  versteht  sich  von  selbst. 
Doch  Ihre  und  meine  Polemik  verschwinden  fast  neben  der  des  Taute. 
Darüber  jedoch  dürfen  Sie  Sich  nicht  wundern.  Taute  ist  in  einer  so 
unbequemen  äußern  Lage,  daß  er  sich  entweder  ewiges  Stillschweigen  auf- 
erlegen, oder  gewaltsam  hervorbrechen  mußte;  und  dies  Letztere  steht  ihm, 
meines  Erachtens,  bey  so  großer  Gelehrsamkeit  wohl  an.  Durch  ihn  haben 
wir  jetzt  eine  kritische  Geschichte  der  neuern  Philosophie  für  uns,  wie 
wir  sie  wünschen  mochten;  und  ich  halte  mich  überzeugt,  daß  Mancher 
das  Werk  ausbeuten  wird,  der  nicht  zu  den  geneigten  Lesern  will  ge- 
zählt sein. 

Mein  Wunsch  ist  natürlich,  daß  Sie  Tautes  Werk  ebenfalls  von  der 
historischen  Seite  beträchten  mögen;  die  Differenz  der  Ansichten  wird 
dann  gemildert  erscheinen. 

Vielleicht  auch  werden  meine  Bedenklichkeiten  sich  vermindern,  wenn 
ich   beyde  Werke   erst   mit   mehr  Muße  vergleichen  kann.     Für  jetzt  war 

')  3  S.   8«. 


Dezember  1840.  4  c 


und  ist  an  zwey  neuen  Ausgaben  zugleich  zu  arbeiten,  denn  mein  päda- 
gogisches Lehrbuch  ist  wieder  unter  der  Presse,  und  die  Encyklopädie  ist 
ebenfalls  vergrififen.  Letztere  macht  mir  eine  Arbeit,  die  nicht  die  an- 
genehmste ist.  Das  Buch  trägt  die  Spuren  der  Eile,  mit  der  es  vor  zehn 
Jahren  hingeworfen  wurde;  und  der  nämliche  Grund,  weshalb  ich  damals 
nicht  viel  Zeit  daran  wendete,  findet  sich  von  neuem  ein,  um  mich  etwas 
ungeduldig  zu  machen.  Das  Buch  ist  zu  wenig  wissenschaftlich,  und  darf 
es  seiner  Absicht  nach  nicht  werden. 

In  Hoffnung  auf  erneuerte  Nachricht  von  Ihrem  und  der  Ihrigen 
Wohlseyn  empfehle  ich  mich  und  meine  Frau  hochachtungsvoll  und  ergebensl 

Herbart. 

083.    Hartenstein  an  H.^)  Leipzig,  7.  Dec.  1840 

Hochwohlgeborner  Herr,  Hochzuverehrender  Herr  Hofrath,  Durch  die  gütige 
Uebersendung  des  zweiten  Heftes  Ihrer  psychologischen  Untersuchungen  sind  Sie 
meiner  Absicht,  einige  Zeilen  an  Sie  zu  richten,  so  zuvorgekommen,  daß  ich  die 
Erfüllung  der  Pflicht,  Ihnen  dafür  meinen  ergebensten  Dank  abzustatten,  um  so 
weniger  verschieben  kann.  So  wie  ich  diese  Untersuchungen  als  ein  Vermächtniß 
an  die  Zukunft  betrachte,  welchem,  wie  keiner  durchgreifenden  und  wissenschaft- 
lichen Entdeckung,  der  gebührende  Einfluß  auf  die  Länge  nicht  entgehen  kann,  so 
muß  ich  das  Studium  derselben  auch  für  mich  auf  eine  spätere  Zeit  aufsparen.  Für 
uns  andre  gilt  es  zunächst,  die  großen  Schutthaufen  wegzuräumen,  die  der  ruhigen, 
nüchternen  und  strengen  Untersuchung  im  "Wege  Hegen,  und  indem  ich  selbst  für 
die  Ethik  etwas  dazu  beizutragen  beschäftigt  bin,  freue  ich  mich,  in  dem  Werke 
von  Taute  eine  in  dieser  Beziehung  sehr  wichtige  Arbeit  kennen  gelernt  zu  haben. 
Die  breite  historische  Unterlage,  von  der  er  ausgeht,  und  die  gedankenreiche,  gerade 
und  muthige  Kritik,  die  er  in  Beziehung  auf  die  verschiedenen  Systeme  ausübt,  ist 
imter  der  Voraussetzung,  daß  man  sich  die  Mühe  gibt,  sein  Buch  zu  lesen,  ganz 
geeignet,  die  Blendwerke  einer  gedanken-  und  nach  Umständen  sirmlosen  Bewunde- 
rung zu  zerstören,  mit  welcher  man  die  sogenannte  Entwicklung  der  Philosophie 
seit  Kant  anstaunt.  Hätte  Taute  diesen  historisch -kritischen  Theil  selbständig  er- 
scheinen lassen,  so  würde  er  vielleicht  eine  größere  Wirkung  sich  gesichert  haben; 
denn  allzu  starke  Bücher  haben  für  unsere  Zeit,  die  sich  Heber  redend  als  lesend 
sieht,  wenig  Anziehungskraft.  Das  Buch  ist  in  seinem  ersten  Theil  eigentlich  eine 
Enzyklopädie  Ihres  ganzen  Systems  nach  seiner  allgemeinen  Grundlage;  den  Titel 
Religionsphilosophie  kann  erst  der  zweite  Theil  rechtfertigen.  Um  so  mehr  gutes 
kann  es  stiften.  Fremde  Urtheile  darüber  sind  mir  noch  nicht  bekannt  worden;  ich 
werde  nicht  verfehlen,  sie,  wenn  es  geschieht,  Ihnen  mitzutheilen.  || 

Beifolgend  erlaube  ich  mir,  Ihnen  eine  kleine  akademische  Gelegenheitsschrift  ^) 
zu  überreichen,  deren  Unvollkommenheit  Sie  mit  den  engen  Grenzen  des  mh  dazu 
gegebenen  Baumes  entschuldigen  woHen.  Sie  erfüUt  Ihren  Zweck,  wenn  sie  den 
Hauptpunct,  die  schlaffe  Bequemlichkeit,  durch  welche  Aristoteles  zuerst  auf  den 
Begriff  der  Seelenrermögen  geführt  worden  ist,  ins  Licht  setzt.  Die  Verehrung 
des  Aristoteles  hängt  mit  der  philosophischen  Richtung  des  Zeitalters  sehr  genau 
ausammen;  die  Zweideutigkeit  und  geräumige  Unbestimmtheit  seiner  Grundbegriffe 
erlaubt  den  verschiedensten  Partheyen  Kantianern,  wie  Hegelianern,  sich  an  ihn  an- 

1)  IV2  S.    40.     H.  Wien. 

2)  De  psychologiae  vulgaris  origine  ab  Aristotele  repetenda. 


^5  Dezember   1840. 


zulehnen,   und  deßhalb   schien   es   mir   nicht  überflüssig,   diese   Mängel    einmal    an 
einem  speziellen  Beispiele  nachzuweisen. 

Mit  der  Bitte,  Ihrer  Frau  Gemahlin  von  mir  und  meiner  Frau  die  hochachtungs- 
vollsten Empfehlungen  zu  überbringen,  mir  selbst  aber  Ihre  Wohlgewogenheit  er- 
halten zu  wollen,  unterzeichne  ich  mit  der  größten  Verehrung 

Ew.  Hochwohlgeboren  ganz  ergebener     G.  Hartenstein. 

684.    An  Griepenkerl.  1)  Göttingen,  i6.  Dec.  1840. 

Mein  theurer  Freund!  Auf  einen  Brief  von  Ihnen  hoffe  ich  und  warte 
und  hoffe  wieder.  Jetzt  muß  ich  an  Sie  schreiben.  Gestern  kommt  die 
Nachricht  von  Königsberg  daß  Strümpell  auf  der  Reise  sey,  und  uns  be- 
suchen werde.  Weiter  kein  Wort!  AVas  er  will,  weiß  ich  nicht.  Möglich 
daß  er  schon  bey  Ihnen  ist  oder  nächstens  kommt.  In  solchem  Falle  bitte 
ich  zu  bemerken,  daß  meine  Äußerungen  an  Sie  über  Lott  und  Drobisch 
nur  im  höchsten  Vertrauen  geschehn  sind.  Es  wäre  übel,  wenn  Str. 
wüßte  daß  ich  über  jene  geklagt  habe.  Die  Verhältnisse  werden  ihm 
zwar  nicht  verborgen  bleiben,  aber  eben  diese  Verhältnisse  scheinen  noch 
beweglich,  und  jedenfalls  muß  er  nicht  durch  uns  benachrichtigt  werden, 
sondern  es  muß  sich  Alles  allmählig  entwickeln.  Erfahren  Sie  etwas 
Näheres  von  Strs.   Absicht,  so  bitte  ich  mich  zu  benachrichtigen. 

Überdies  muß  mein  Manuscript  zur  neuen  Auflage  der  Encyklopädie 
bald  abgehen,  Ihre  Erklärungen  wegen  der  Ästhetik  —  wenn  Sie  mir 
auch  sonst  nichts  mittheilen  wollen,  —  wünschte  ich  doch  zu  besitzen; 
ich  könnte  jetzt  noch  von  Einigem  Gebrauch  machen;  aber  die  Sache  eilt. 

Von  Hartenstein  ist  etwas  Erwünschtes  eingegangen.  Eine  kleine 
lateinische  Abhandlung  über  Psychologie  des  Aristoteles:  sehr  gut  ge- 
arbeitet, und  —  das  ist  endlich  einmal  ein  Anfang  am  rechten  Ende. 
Wenn  nur  die  Fortsetzung  dem  entspräche! 

In  Hoffnung  guter  Nachrichten  von  Ihnen  ganz  der  Ihrige!       H. 

^)  I  S.  4".  H.  Wien.  —  Bei  Zimmermann  pp.  S.  97  f.  Hier  sind  die  Namen 
ergänzt. 


1841. 

W. :    Kurze  Encyklopädie  der  Philosophie.     Zweite  Ausgabe.      S.  Bd.  IX.     S.    17  bis 
338.  —  Umriß  pädagogischer  Vorlesungen.    Zweite  Ausgabe.     S.  Bd.  X.     S.  65 — 196, 

685.  An  Schwetschke  u.  Sohn  in  Halle.  ^)  Götüngen  lo  Januar  1841. 
Ew.  Wohlgeb.  wissen,  daß  ich  vor  zehn  Jahren  in  andern  Verhält- 
nissen war  als  jetzt.  Meine  gedruckte  Vorrede  sagt,  daß  ich  damals  von 
mehrern  Seiten  aufgefodert  war,  eine  Encyklopädie  der  Philos.  zu 
schreiben.  —  Davon,  daß  jetzt,  im  Jahre  1841,  das  zum  Theil  veraltete 
Buch  einer  starken  Revision  bedurfte,  weiß  der  am  1 8  Januar  1 83 1  ge- 
schlossene Contract  Nichts;  gleichwohl  berechtigt  er  mich  zu  -/g  des 
frühern  Honorars!  Wie  nun,  wenn  Sie  nach  einigen  Jahren  nöthig  fänden,, 
mein  Buch  zu  herabgesetztem  Preise  auszubieten?  —  Ich  habe  das  Meinige 
gethan  um  das  zu  verhüten,  aber  der  Contract  hat  mich  nicht  dazu  ge- 
zwungen. Unsere  heutigen  literarischen  Verhältnisse  sind  nun  einmal  so 
wandelbar,  daß  man  zufrieden  sein  muß,  wenn  die  Bücher  einen  gesunden 
Kern  haben,  der  es  verdient,  daß  man  zu  Zeiten  die  verdorrte  Schale 
erneuere. 

Belieben  Sie  nun  die  2te  Ausg.  zu  drucken;  und  etwa  nach  einem 
Jahr  mich  wegen  des  Absatzes  zu  benachrichtigen.    Für  jetzt  empfiehlt  sich 

ergebenst     Herbart. 

686.  W.  Herbart  an  H.     .3  S.   4».  im  N.  Eutin,  21.  Jan.  1841. 

687.  An    Taute.  2)  Göttingen  31  Januar   1841 

Mein  theurer  Freund!  Seit  sechs  Wochen  hoffe  ich  auf  einen  Brief 
von  Ihnen;  und  besorge  mehr  und  mehr  irgend  eine  unangenehme  Ur- 
sache Ihres  Schweigens.  Das  zweyte  Heft  meiner  psychologischen  Unter- 
suchungen habe  ich  Ihnen  durch  die  Post  zugesendet;  Sie  müssen  es 
längst  erhalten  haben;  jetzt  sende  ich  ein  Büchlein  nach,  welches  mir 
hoffentlich  bald  einige  Auskunft,  wenigstens  Nachricht  von  Ihrer  Gesund- 
heit verschaffen  möge.  Daß  Sie  literarischen  Verdruß  gehabt  haben  können 
-     an  den  Sie  noch  nicht  gewöhnt  sind,   —   diese  Vermuthung  liegt  nahe. 

^)  Ohne  Adresse.  —  Aus  der  deutschen  Lehrerbücherei  durch  Hrn.  A.  Rebhuhn 
in  Berlin  fr.  zur  Verfügung  gestellt.  —  Faksimiliert  in  O.  Gramzows  Gesch.  d.  Philos. 
seit  Kant,   1905. 

*)   I   S.    40.     N. 


4  8  Februar   1841. 


Am  liebsten  würde  ich  hören,  daß  Ihre  Feder  anderwärts  beschäftigt  war 
und  für  Briefe  nicht  Zeit  hatte. 

Von  der  zweyten  Ausgabe  meiner  Encyclopädie,  die  ich  vervollständigt 
und  von  der  jetzt  unpassenden  Härte  der  Schreibart  befreyt  habe,  liegt 
bereits  der  erste  Aushängebogen  vor  mir.  —  Die  Frage  ist  nun,  was 
Fries  thun  werde,  und  was  sich  daran  weiter  knüpfen  wird.  Da  ich  schon 
seit  Jahren  keine  Literaturzeitung  lese,  so  kann  es  leicht  seyn,  daß  Sie 
mir  von  Königsberg  aus  berichten  können,  was  in  meiner  Nähe  geschieht. 
—  Wenn  wir  nur  in  politischer  Hinsicht  von  Sorgen  frey  seyn  könnten, 
so  möchten  die  literarischen  Knoten  sich  vielleicht  der  Lösung  nähern; 
die  natürlich  mehr  Sie  als  mich  in  meinem  Alter  interessirt;  denn  ich 
glaube  in  der  That  das  Meinige  gethan  zu  haben.  —  Jetzt  habe  ich 
Arbeit  oder  vielmehr  Störung  mit  der  Direction  der  wiss.  Prüfungs-Commis- 
sion:  Eben  diesen  Augenblick  kommt  deshalb  ein  officielles  Schreiben  an, 
was  mich  nöthigt  zu  schließen.  In  Hoffnung  baldiger  Antwort,  —  wo- 
möglich eines  recht  ausführlichen  Briefes  —  sonst  auch  nur  weniger 
Zeilen,  um  zu  erfahren  daß  Sie  gesund  sind,  — 

Ganz  der  Ihrige     H. 

688.    Schubert  an  H.')  Kgbg.  d.  8t.  Febr.  1841. 

Hochgeehrter  Herr  Hofrath!  ich  erlaube  mir  anliegend  die  im  Laufe  des  J.  1840 
und  bis  jetzt  eingegangenen  rückständigen  Honorare,  in  Summe  31  rth.  in  C.  Ä., 
wie  sie  von  der  hiesigen  Quästur  nach  und  nach  an  mich  eingezahlt  sind,  ganz  er- 
gebenst  zu  übersenden. 

Den  herzlichsten  Dank  für  Ihren  freundlichen  Brief,  der  mir  durch  Herrn 
Bobrik  überbracht  wurde.  Lange  ich  bei  dem  Schlüsse  Ihres  Schreibens  an,  der 
sich  auf  Taute  bezieht,  so  hoffe  ich  Ihnen  etwas  Gutes  berichten  zu  können.  Auf 
seine  Eingabe  an  das  Ministerium  hat  dasselbe  bestimmt,  es  möge  die  theologische 
und  philosophische  Facultät  gutachtlich  über  sein  Buch,  und  der  academische  Senat 
über  seine  mehrjährigen  Leistungen  als  Privatdocent  berichten.  Von  der  theologischen 
Facultät  hat  Sieffert  das  Gutachten  gemacht,  von  der  philosophischen  der  zeitige 
Decan  Rosenkranz  als  peritus  rei  so  gut  als  ein  Hegeling  sich  darüber  aussprechen 
mochte,  indem  auch  er  die  Ernennung  zum  außerordentlichen  Professor  forderte.  Den 
Bericht  im  Namen  des  Senats  zu  machen  ist  mir  aufgetragen  und  über  die  beiden 
Gutachten  werde  ich  übermorgen  im  Senat  Vortrag  halten,  ich  bin  überzeugt,  daß 
-eine  sehr  günstige  Majorität  seine  Ernennung  als  Professor  fordern  und  ihn  endlich 
dem  schwankenden  Schicksale  entziehen  wird,  nur  ein  Wartegeld  zu  besitzen  ||  aus 
dem  er  noch  in  ein  untergeordnetes  Schulamt  gedrängt  werden  konnte,  was  ich  bis 
jetzt  von  Jahr  zu  Jahr  verhindert  habe.  Leider  kränkelt  Taute  in  diesem  "Winter, 
namentlich  seit  Neujahr,  so  daß  er  jetzt  einige  Wochen  hat  die  Vorlesungen  aus- 
setzen müssen. 

Ihre  alten  CoUegen,  die  mit  der  wahrsten  Freundschaft  jede  Nachricht  von 
Ihnen  aufnehmen,  hoffen  immer  jeden  Sommer,  daß  Sie  uns  einmal  überraschen 
werden,  wie  Sie  früher  Selbst  uns  in  Aussicht  stellten.  Ihre  Frau  Gemahlin,  der 
sich  die  meinige  aufs  angelegentlichste  empfehlen  läßt,  wird  gewiß  auch  gern  Ihre 
zweite  Heimath  wieder  einmal  ansehen,  und  Ihr  Haus  ruft  beiden  so  Weljährige  Er- 
innerungen zurück. 


»)  4  S.     80.     H.  Wien. 


April,  Mai  1841.  ^g 


Die  Tage  des  vorigen  September  waren  glanzvoll  für  Königsberg,  aber  auch  ein 
Abschnittspunkt  des  früheren,  für  eine  große  Stadt  fast  innig  zu  nennenden  Ver- 
bandes der  verschiedenen  Stände.  Forderungen,  Ansprüche,  Hoffnungen,  Erhebungen 
und  abschlägige  Antworten  haben  auf  den  höchsten  Enthusiasmus  Mißstimmung, 
Unzufiiedenheit  und  Schadenfreude  zu  rasch  folgen  lassen.  Auch  die  Universität 
ist  davon  nicht  frei  geblieben.  Bei  der  ersten  Deputation,  die  aus  dem  Prorector 
Voigt.  Sachs,  Neumann  und  mir  bestand  wurden  wir  mit  dem  lautesten  Wohlwollen 
aufgenommen.  Neun  Gebäude  für  die  Auditorien,  Clinika,  die  noch  nicht  unter- 
gebrachten Institute  (^physicalisches,  chemisches)  ||  und  Sammlungen  verheißen,  durch 
eine  jährliche  Etatserhöhung  von  7000  rth.  auch  in  der  That  zur  Erhöhung  der  Be- 
soldungen ein  Könighches  Huldigungsgeschenk  dargereicht.  Aber  nun  kommen  die 
Besorgnisse,  Erhebung  der  Hyperorthodoxen  und  der  Junker,  Verdunkelung  der 
Charaktere,  einseitiger  Einfluß  an  sich  hochgestellter  Männer,  das  Urtheil  stellte  sich 
dem  Unbefangenen  heraus:  Allen  zugleich  ein  Eortschreiten  und  Zurückgehen  kann 
es  nicht  recht  gemacht  werden  —  daher  noch  Schweigen  und  Abwarten.  Lobeck 
ist  seit  seiner  letzten  Brunnenkur  in  Salzbrunn  wieder  recht  heiter  im  Umgange 
und  aufgelegt  zur  Arbeit.  Das  gleiche  kann  man  von  Sachs  sagen,  der  nun  auch 
zu  uns  heraus  auf  die  Königsstraße  zieht.  Sieffert's  gelehi-te  Thätigkeit  kann  nur 
die  Forschungen  andrer  genießen,  für  Selbstuutersuchungen  legen  seine  Augen  ihm 
unübersteigliche  Hindernisse  in  den  Weg.  Dabei  ist  er  aber  als  reformirtes  Mitglied 
in  das  Consistorium  eingetreten.  Sanio  ist  immer  auf  alle  Weise  fleißig  und  seine 
Studien  sind  von  bedeutendem  Umfange,  da  mindestens  alte  Philologie  und  Geschichte 
ernst  von  ihm  berücksichtigt  werden:  aber  in  eigenen  Arbeiten  brütet  er  nur  immer 
und  es  kömmt  zu  keinem  Product.  Gregor  hat  seine  Vorlesungen  aus  dem  Gebiete 
der  Philosophie  und  Pädagogik  eingestellt,  dafür  ist  er  aber  alleiniger  Director  des 
Polnischen  Seminars  geworden.  An  Prediger  Voigdt,  Ihnen  wohlbekannt,  hoffen  wir 
aber  einen  neuen  Docenten  für  die  theologische  Facultät  zu  gewinnen,  ||  was  um  so 
erfreulicher  ist,  da  Kahler  mit  Erlaubniß  des  Ministeriums  seine  Docenten-Thätigkeit 
aufgegeben  hat. 

In  der  Hoffnung  daß  Ihnen  diese  Nachrichten  einiges  Interesse  gewähren 
werden  und  bei  Gelegenheit  mir  vielleicht  wieder  einige  Zeilen  von  Ihrer  Hand  ge- 
winnen, bitte  ich  angelegentlichst  mich  Ihrer  Hochverehrten  Frau  Gemahlin  zu  emp- 
fehlen und  der  aufrichtigsten  Hochachtung  versichert  zu  sein 

Ihres  ganz  ergebenst  verpflichteten    Schubert. 

Seit  5  Tagen  haben  wir  anhaltend  unter  21"  R. 
GS9.    Schulmann  an  H.     (3  S.    4».     im  N.)  Hildesheim,  9.  April  1841. 

090.     An    Drobisch.  Göttingen  7  Mai   1841 

Magnifice!  Endlich  habe  ich  Nachricht  aus  Halle,  daß  die  neue  Aus- 
gabe meiner  Encyklopädie  an  Sie  abgesendet  ist;  ich  füge  nun  hinzu,  was 
hier  in  Göttingen  gedruckt  worden.  Zwar  könnte  ich  zweifeln,  ob  meine 
Schriften  jetzt  noch  —  oder  jetzt  wieder,  auf  Sie  als  auf  meinen  geneigten 
Leser  zu  rechnen  haben.  Allein  gerade  an  diesen  Schriften  haften  Er- 
innerungen aus  frühern  Jahren,  die  ich  in  Ehren  halte,  und  die  mir  zu 
gebieten  scheinen,  den  Zweifel  niederzuschlagen.  Nur  darum  bitte  ich, 
daß  Sie  nicht  versuchen  mögen,  zwischen  den  Zeilen  zu  lesen.  Sie 
würden  Sich  täuschen,    wenn  Sie  hier  etwas  zu  finden  glaubten,   was   be- 

Herbarts  Werke.     XIX.  4 


50 i84i- 

stimmt   sei,    gerade   von    Ihnen   bemerkt   zu   werden,    oder  Sie   zu   irgend 
Etwas  zu  veranlassen. 

Etwas  dreister  als  diese  Bücher  möchte  ich  wohl  selber  seyn.  In 
Ihrem  letzten  Briefe  ist  mir  das  aufgefallen,  was  Sie  über  den  heutigen 
Zustand  der  Journale  sagen.  Sie  stehen  an  der  Spitze  der  Universität 
in  Leipzig,  dem  Mittelpuncte  des  deutschen  Buchhandels.  Ihnen  möchte 
es  doch  wohl  nahe  liegen,  zur  Verbesserung  jenes  Zuslandes  irgend  etwas 
einzuleiten.  Hochachtungsvoll     H. 

691.    Drobisch  an  H.^)  1841. 

VerehiTingswürdiger  Herr  iind  Freund!    Ihr  erstes  Geschenk  —  die  2te  Aus- 
gabe der  Encyklopädie  —  war  eiuea  Tag  in  meinen  Händen,  als  schon  ein  zweites, 
die  2te  Ausgabe  der  pädagogischen  Umrisse  folgte.     Für  soviel  Güte  meinen  herz- 
lichsten Dank.     Zu   einem  Gegengeschenk  wird   es   bei  mir  sobald   nicht  kommen! 
Denn  ich  erübrige  jetzt  eben  nur  noch  so\iel  Zeit  als  die  Vorbereitungen  zu  den 
Vorlesungen  erheischen.     Trendelenburg's   logische  Untersuchungen  haben  mich  zu 
einer  Eevision  der  Logik  veranlaßt,  bei  der  sich  manches  anders  als  früher  gestaltet 
hat   und   wobei   ich   auf  Erweiterungen   bedacht  gewesen   bin,    aber   es  fehlt  mir 
durchaus   diejenige   zusammenhängende   ungestörte   Muße,    die    zu    solchen   Ueber-    > 
legungen  nöthig  ist.     Ob  ich  noch  zu  den    ,, geneigten  Lesern"  Ihrer  Schriften  ge-    • 
höre,  haben  Sie  auf  keine  Weise  zu  bezweifeln,  und  wüßte  ich  nicht,  wo  und  warum    ' 
ich  dazu  ||  Veranlassung  gegeben  hätte.     Meine  Eelphilos.  dürfte  wenigstens  keine    ' 
Veranlassung  zu  Mißtrauen  geben,     AVo  ich  in  der  Begründung  der  mathematischen 
Psychologie  unbefriedigt  geblieben  bin,  da  habe  ich  es  Ihnen  offen  mitgetheilt.     In    | 
den   Heften   über  die   Psychologie   war   die   Schrift   zwischen   den  Zeilen   ziemlich    | 
leserlich.     Sie  werden  aber  bemerkt  haben,   daß  ich  sie  nur  ganz  heimlich  gelesen    | 
habe,  und  Sie  wissen,  daß  was  ich  übea-  Psychologie  aufgesetzt  hatte,   nicht  in  der    ' 
Druckerei,  sondern  in  meinem  Pulte  sich  befmdet.     Hier  in  diesen  alten  Bekannten    I 
finde  ich,  der  Ergänzungen  ohngeachtet,  so  weit  ich  geblättert  habe,  nichts  von  dem, 
was  Sie  als  ,,zwischen  den  Zeilen"  bezeichnen,   es  müßte  denn  am  Ende  der  Vor-    ; 
rede  der  Encyklopädie   seyn,  wo  Sie  neben  Taute's  Schrift  die  raeinige  erwähnen    I 
und  wo  ich  die  Ungleichheit  bemerkt  habe,  daß  auf  Taute's  Seite  beschriebenes  auf 
meiner  leeres  Papier  sich  befindet,  und  dem  geneigten  Leser  überlassen  wird  davon    ■ 
zu  denken,   was  er  will.     Ein  offnes  Urtheil,   selbst  ein  ||  mißbilligendes  oder  auch 
nur -bedingt  billigendes  wäre  mir  lieber  gewesen.     Uebrigens  wollen  Sie  doch  ja 
nicht  mich  als  auf  der  Lauer  liegend  und  lauschend,  ob  eine  Aeußening  von  Ihnen 
mir  ,,zu   irgend   Etwas"  Veranlassung  geben   könne,   vorstellen.     Sie   könnten   bei 
näherer  Untersuchung  leicht  finden,  daß  ich  vielmehr  stets  dahin  gewirkt  habe,  daß 
das  Häuflein,  welches  sich  um  Sie  gesammelt  hat,  beisammen  bleibe  imd  sich  nicht 
spalte,   und   ich   sollte  selbst  Unfrieden  stiften  wollen?    In  der  Zeit  der  ersten  Er- 
scheinung der  Encyklopädie  waren  Sie,  laut  Vorrede,  geneigt,  jeden,   der  die  Diffe- 
renzen der  Ansichten  zwischen  uns  statt  für  Mücken  für  Elephaaten  halten  wollte, 
zurecht  zu  weisen.    Jetzt  scheinen  Sie  viel  ängstlicher  zu  seyn.    Es  ist  mir  übrigens 
lieb,  daß  Sie  Taute  nur  als  Kritiker  genihmt  haben,  was  er  ohne  Zweifel  verdient: 
denn   seine  finstere    altorthodoxe  Dogmatik   kann   ich   nicht  für   die  Ihrige    halten. 
Möglich  indeß,   daß  er  dadurch,   bei  der  jetzigen  "Wendung  der  Dinge  in  Preußen, 
sein  Glück  macht,  das  ich  ihm  gern  gönne,  da  er  ein  tüchtiger  Mann  ist.  || 

')  4  S.    80.     H.  Wien. 


Mai,  Juli  1841.  ej 


Die  Aufforderung,  die  Sie  hinsichtlich  des  Zustandes  der  Journale  an  mich 
ergehen  lassen,  möchte  nicht  so  leicht  zu  erfüllen  seyn.  Die  Idee  der  allgemeinen 
Literaturzeitungen  scheint  verbraucht,  eine  neue  auf  ein  Bedürfniß  gegründete  ist 
noch  nicht  gefunden.  Journalthätigkeit  ist  nicht  Jedermanns  Sache,  am  wenigsten 
die  bedeutender  Gelehrten,  welche  ihreti  Forschungen  oder  Compositionen  leben. 
Dabei  sind  jetzt  die  Honoraransprüche  sehr  gesteigert  und  die  Buchhändler  in  der 
Unternehmung  einer  Zeitschrift  sehr  schwierig,  die  Regierung  bei  uns  zur  Unter- 
stützung einer  solchen  wenig  geneigt.  Jedenfalls  müßte  aber  ein  Mann  an  der  Spitze 
stehen,  der  sich  der  Sache  ganz  zu  widmen  gedächte,  sie  nicht  als  eine  Nebensache 
betrachtete;  wo  ist  der?  Endlich  eine  Universität  ist  ein  sehr  vielköpfiges  Wesen, 
von  dem  oft  jedes  einzelne  Glied  und  doch  nicht  das  Ganze  vernünftig  ist,  das  sind 
Hindernisse,  die  schwer  zu  überwinden  seyn  werden! 

Mich  und  meine  Frau  Ihrer  würdigen  Frau  Gemahlin  bestens  empfehlend  bin 
ich  —  ich  wiederhole  es  —  mit  unveränderter  Gesinnung 

Der  Ihrige     Drobisch. 

692.  Hartenstein  an  H.^)  Leipzig,  d.  23.  Mai  1841. 
Hochverehrter  Herr  Hofrath!    Sie  verzeihen  daß  ich  Ihre  geehrte  Zuschrift, 

welche  Sie  mit  der  neuen  Ausgabe  Ihrer  pädagogischen  Umrisse  begleiteten,  erst 
heute  beantworte,  um  Ihnen  meinen  Dank  für  diese  gütige  Zusendung  abzustatten. 
Ich  hätte  dies  um  so  mehr  schon  früher  thun  sollen,  als  ich  kurz  vorher  auf  Ihre 
Anordnung  auch  die  zweite  Ausgabe  der  Encyklopädie  von  Halle  aus  zugesendet  er- 
halten. Es  bedarf  neben  dem  Ausdruck  der  Dankbarkeit  meinerseits  wohl  nicht  erst 
der  ausdrücklichen  Versicherung,  daß  die  Bereicherungen  mit  welchen  Sie  beide 
Schriften  ausgestattet  haben,  meine  Aufmerksamkeit  schon  mehrfach  auf  sich  ge- 
zogen haben.  Daß  die  kleine  Arbeit  über  Aristotelische  Psychologie  Ihre  Zustimmung 
hat,  ist  mir  sehr  erfreulich.  Allerdings  lohnte  es  sich  der  Mühe,  den  ganzen  Aristo- 
telischen Gedankenkreis  auf  ähnliche  Weise  durchzuarbeiten  und  blos  zu  legen; 
vielleicht  komme  ich  später  einmal  darauf  zurück.  Für  jetzt  wünsche  ich  aber  mit 
der  praktischen  Philosophie  wenigstens  bis  auf  einen  gewissen  Punct  zu  Stande  zu 
kommen  und  möchte  mich  deshalb  nicht  zerstreuen,  zumal  ich  ohnedies  nicht  be- 
stimmen kann,  wie  viel  Zeit  die  Vollendung  dieser  Arbeit  in  Anspruch  nehmen  werde. 
Eriauben  Sie  mir  auch  meine  aufrichtigsten  Wünsche  für-  Ihr  Wohlbefinden 
und  die  Bitte  Ihrer  Frau  Gemahlin  die  achtungsvollsten  Empfehlungen  von  mir  und 
meiner  Frau  überbringen  zu  wollen,  hinzuzufügen,  und  genehmigen  Sie  die  erneute 
Versicherung  der  größten  Verehrung,  mit  welcher  ich  verharre 

Ew.  Hochwohlgeboren  ergebener    H.  Hartenstein. 

693.  L.  Rembold  an  H.-)  Wien,  26.  Juli  1841. 
Euer  Wohlgeboren !  Die  Verbesserungen,  die  Sie  im  zweiten  Hefte  Ihrer  psychol. 

Untersuchungen  angebracht,  haben  mich  an  Kechnungen  erinnert,  die  ich  ehemals 
vor  13—14  Jahren  vornalun,  und  die  einen  Punct  betreffen,  auf  welchen  Sie  etwa 
in  einem  der  folgenden  Hefte  zuriickkommen  dürften.     Ich  nehme  mir  die  Freiheit, 

1)  IS.   40.     H.  Wien. 

')  3  S.  4".  H.  Wien.  Bei  Zimmermann  pn.  S.  141  f.  —  L.  ßembold  (1787 
bis  1844),  Prof.  d.  Phil,  an  der  Univ.  Wien,  1824  seiner  Freisinnigkeit  wegen  in 
den  Ruhestand  versetzt,  urspiünglich  ein  Anhänger  Jacobis,  fühlte  sich  von  Herbarts 
mathem.  Psychol.  angezogen  und  wurde  als  Lehrer  Fr.  Exners  der  Begründer  einer 
Herbartschen  Schule  in  Österreich.  S.  Zimmermann  pp.  S.  XI,  u.  Zirngiebel,  Jacobis 
Leben,  Wien  1867,  S.  317.  rt-  ,  0         , 

4* 


52  Juli  1841. 

die  Skitze  meines  Aufsatzes  Ihnen  zu  Ihrem  beliebigen  Gebrauche  zu  schicken,  indem 
ich  voraussetze,  es  sey  zweckmäßiger,  daß  der  Erfinder  einer  Theorie  irgend  eine 
nöthige  Correctur  selbst  mittheile,  als  daß  ein  Nachrechner  dergleichen  bekannt 
mache.  Ich  setze  hiebei  allerdings  voraus,  daß  Drobisch,  dessen  Rechnungen  ich 
noch  nicht  gesehen,  die  Correctur  nicht  etwa  schon  gefunden  und  der  Welt  mit- 
getheilt  habe. 

Der  Anfang  der  Skitze  ist  vielleicht  zu  wortarm;  denn  gleich  auf  der  vierten 
Zeile  der  ersten  Seite  befindet  sich  der  Schlüssel  zur  ganzen  Correctur.  Das  Zu- 
sammentreffen des  Wendepunctes  wäre  wohl  nicht  so  oft  nachzuweisen  gewesen; 
aber  die  Freude  über  den  entscheidenden  Beweis  der  richtigen  Auflösung  des  Pro- 
blems veranlaßte  mich  wohl,  den  Nachweis  öfter  vorzunehmen,  als  gerade  nöthig 
war.     Nachdem  die  Rechnungen  nun  einmal  gemacht  siad,  so  mögen  sie  auch  hier 

/c'  T'  dt 
stehen.     Ich  habe  übrigens  / -73^ — nicht  =  Z,  sondern  =  Z'  gesetzt;  weil  sonst  jeder 

d  Z  T' 

Mathematiker,  dem  man  die  Gleichung  -—-  =  — — ; — — =  vorlegt, 

'  ^   dt       c'  +  c  9(1  —  e— pt)  — c.  c' Z  ^' 

zu  einer  Auflösung  veranlaßt  wird,  welche  dem  Sinne  der  Aufgabe  nicht  entspricht. 

d  Z  T' 

Hinterher  sehe  ich  aber,  daß  wenn  man  gleich  -5—  =  -— -7 -7=- 

'  *  dt       c' +  cy(l  — e— pt)  — c.  c'Z' 

setzen  muß ,  das  von  mir  gesetzte  Z'  doch  eigentlich  nichts  ist  als  —  c'  c  Z' 
= '    \} oder  == ^-^r^ und  daß  insofern  auch  die  Bezeich- 

nung,  die  ich  gebrauchte,  nicht  vollkommen  richtig  ist. 

Beim  Abschreiben  dieser  Rechnungen  ist  wohl  öfter  der  Wunsch  aufgetaucht, 
daß  meine  Verhältnisse  mir  gestatten  möchten,  auch  Etwas  zur  Förderung  der 
mathematischen  Behandlung  der  Psychologie  beitragen  zu  können.  (Ich  war  ehemals 
Professor  der  Philos.  in  Gratz,  dann  in  Wien,  wurde  im  Jahre  1824  pensionirt, 
studirte  dann  in  Pesth  ||  die  Medicin  und'  bin  nun  practischer  Arzt  in  Wien.)  Aber 
zur  Befriedigung  eines  solchen  Wunsches  ist  wohl  keine  Aussicht  vorhanden,  indem 
ich  für  meine  sehr  zahlreiche  Familie  zu  viel  erwerben  muß,  als  daß  mir  viel  freie 
Zeit  übrig  bliebe.  Nachdem  also  durch  Ihre  zwei  Hefte  der  Untersuchungen  das, 
was  ich  früher  gefunden,  bereits  von  Ihnen  selbst  so  ziemlich  erschöpft  ist  (obwohl 
Sie  auch  Mehreres  haben,  was  ich  nicht  gefunden);  so  kann  ich  nicht  einmal  den 
Antrag  hinzufügen,  in  der  Folge  Ihnen  noch  mehr  Beiträge  zu  beliebigem  Gebrauche 
zu  senden.  —  Um  so  lebhafter  wünsche  ich,  daß  Sie  noch  lange  Zeit  und  Kraft 
behalten,  diese  begonnene  mathematische  Behandlung  der  Psychologie  selbst  weiter 
zu  fördern. 

Mit  Achtung  Ihr  ergebener    Leopold  Rembold, 

Wien  (Filzgasse  Nr.  815).  Dr.  und  pract.  Arzt. 

694.    Braunschweig  an  H.^)  Mitau  i/Curland  im  July  1841 

Wohlgeborner  insonders  hochzuverehrender  Herr  Professor.  Sowohl  ich  selbst, 
als  die  Zeit  in  welcher  ich  in  Göttingen  die  Ehre  hatte,  Ihr  Zuhörer  im  pädagogi- 
schen CoUegio  zu  seyn,  dürfte  Ihnen  wohl  schwerhch  mehr  in  der  Erinnerung 
seyn.  Je  werther  mir  aber  jene  Zeit  ist,  desto  sehnlicher  wünsche  ich  auch,  als 
Ihr  würdiger  Schüler  in  Ihrem  Andenken,  in  Ihrer  Freundschaft  wieder  fort  zu  leben. 
Ob  mein  Wunsch  auch  meinen  Kräften  angemessen  war  entscheiden  Sie  selbst  aus 
der   beyliegenden  kleinen  Schrift  die  anzunehmen,    und   Ihrer  Aufmerksamkeit    zu 

1)  2  S.   40.     N. 


Juli,  August  1841.  •      "i^ 


würdigen  ich  Sie  recht  sehr  ersuche.  ||  Die  Achtung  würdiger  Gelehrten  und  das 
Vertrauen  meines  Vaterlandes  mir  zu  erwerben  führte  mich  auf  diese  Bahn,  die  so 
oft,  nur  zu  wenig  belohnend  ist.  Ihr  Beifall,  Herr  Hofrath  und  Ihre  Aufmunterung 
sollte  ich  so  glücklich  seyn,  beides  zu  erhalten,  würden  hinreichen  mich  manches 
Bittere,  daß  mir  hier  begegnen  könnte,  vergessen  zu  lassen. 

Ihrem  ferneren  "Wohlwollen  mich  empfehlend,  habe  ich  die  Ehre,  hochachtungs- 
voll mich  zu  unterzeichnen  als 

Euer  Wohlgeborner  ganz  ergebner    J.  D.  ßraunschweig. 

695.  Herbarts  Tod.^j 

Ferd.  Eanke,  der  Binder.  Leopold  Eankes  schreibt:  „Als  ich  1837  nach  Göt- 
tiogen  kam.  um  das  dortige  Gymnasium  zu  dirigiren,  setzte  ich  mich  sofort  unter 
die  Studenten,  welche  Pädagogik  bei  ihm  hörten,  um  pünktlich  und  eifrig  bis  Ende 
daran  theilzunehmen.  Ihm  und  seiner  trefflichen  bewundernswürdigen  Gattin  hänge 
ich  mit  der  hingehendsten  Liebe  an.  Auf  seinem  Grabsteine  stehen  einige  Worte 
von  mir.  Den  Adel  Herbarts  habe  ich  in  seinen  letzten  Tagen,  in  denen  er  mit 
vollem  Bewußtsein  seinem  Tode  entgegengieng,  am  herrlichsten  zu  beobachten  Ge- 
legenheit gehabt." 

696.  Auszug   aus   dem  Sterbe-    und  Begi-äbnisbuche    der  Parochie  St.  Albani    in 

Göttingeu.     Jahrgang  1841.     pag.  272.     Nr.  35. 
Name  des  Verstorbenen:  Herr  Johann  Friedrich  Herbart. 
Stand,  Gewerbe,  Abkunft,  Wohnort:  Hofrath  und  Professor  hies.  (Ehemann), 
gestorben:  d.  14.  August  Morg.  3  Uhr. 
begraben:  d.  16.  ejusd.  Abends. 
Alter:  65  Jahre  3  Monate  10  Tage. 
Bemerkimgeu:  Schlagfluß.     (Nota:   Geboren  zu  Oldenburg  den  4.  Mai  1776.) 

Nr.  208. 

69".    Grabinschrift,  verfaßt  von  F.  Ranke: 

„Der  Wahrheit  heilige  Tiefen  zu  durchdringen. 

Für  Menschenwohl  mit  Freudigkeit  zu  ringen 

War  seines  Strebens  Ziel;  nun  ruh  hier  seine  Hülle; 

Nun  schaut  sein  freier  Geist  bei  Gott  des  Lichtes  Fülle." 

698.  Herbarts  Testament. 

Am  7.  Juni  1831  hat  Herbart  auf  dem  Königl.  Preuß.  Stadtgericht  zu  Königs- 
berg ein  wechselseitiges  Testament  zu  Protokoll  gegeben.     Die  Schriftstücke  finden 

'■)  (K.  Strackerjan,  Das  Leben  J.  Fr.  Herbarts.  Oldenb.  Realschul-Progr.  1875. 
S.  5.)  —  Herbart  h?tte  am  11.  Aug.  noch  Vorlesungen  gehalten.  Prof.  Liebner 
hielt  ihm  am  11.  Sonntag  nach  Trinitatis  die  Gedächtnispredigt  über  1.  Petr.  5,  6. 
(Gedruckt  bei  Vandenhoeck  &  Ruprecht,  Gott.  18-11.)  Vgl.  Flügel,  Herbart,  Lpzg. 
1912,  S.  116;  VoiGDT,  Zur  Erinnerung  an  J.  Fr.  Herbart,  Worte,  gesprochen  am 
28.  Okt.  1841  in  der  ö.  Sitzung  der  K.  Deutschen  Gesellschaft  zu  Königsberg; 
Lobecks  Nachruf  findet  sich  in  Hartenstein,  Herbarts  kl.  phil.  Schriften  Lpzg.  1842, 
1.  Bd.  S.  XCVIII  ff.;  eine  Schilderung  von  Herharts  Persönlichkeit  ebenda  S.  XCIV  ff. 
Sanios  Prorektoratsrede  auf  Herhart  steht  in  Zillers  Herbartischen  Reliquien,  Leipzig 
1871,  S.  7  ff.  Ein  Verzeichnis  der  Bilder,  Büsten  etc.  bringt  Allihn,  Leben  und 
Schriften  Herbarts,  Zeitschr.  für  exakte  Philos.  1.  Bd.  Lpzg.  1861,  S.  77  und 
Flxjgel,  Der  Philosoph  Herbart.  Lpzg.  1905.  Über  die  Geschichte  des  Oldeaburger 
Herbartdenkmals  vgl.  Lazarus'  Lebenserinnerungen,  herausgeg.  von  N.  Lazarus  und 
A.  Leicht.     Berlin  1906,  S.  452—479. 


54  1842. 

sich  im  N.  Er  setzte  seine  Gattin  zur  „alleinigen  Erbin  ohne  irgend  eine  Beschränkung 
oder  Belastung"  ein.  Nach  dem  Tode  der  Frau  Herbart  wurden  von  dem  Ver- 
mögen die  Kosten  für  die  Versorgung  Otto  Stiemers  und  der  Dienerschaft  bis  zu 
ihrem  Ableben  bestritten.  Dann  fiel  das  Vermögen  an  die  Universität,  resp. 
Universitätsbibliothek.     Näheres  darüber  war  von  dort  nicht  zu  erfahren. 


• 


1842. 

699.    Von  Rist  an  Smidi^)  Schleswig,  24.  April  1842. 

Als  ich  das  starke  Brief  packet  ^)  von  Deiner  befreundeten  Hand,  mein  theurer 
Smidt,  empfing,  dachte  ich  natürlich  zuerst  an  Mittheilungen  aus  dem  reichen  Felde 
der  Politik,  in  dem  Du,  ein  unverdrossener  und  glücklicher  Säemann  und  Schnitter, 
mit  so  vielem  Erfolge  zu  arbeiten  fortfährst.  —  Doch  wie  sehr  ward  ich  überrascht  1 
Wie  viel  Anderes  und  Mehreres  fand  ich! 

Du  hast  eine  fast  schon  zu  sehr  in  den  Hintergrund  getretene  Vergangenheit 
wieder  hervorgerufen,  die  Bilder  der  frischen  Jugend  wieder  beleuchtet,  meinen 
unvergeßlichen  Herbart  in  aller  seiner  Unschuld  und  Liebenswürdigkeit  vor  mein 
Auge  gestellt,  wie  er  vor  40 — 45  Jahren  mir  zuletzt  erschien.  Es  hat  sich  über 
jene  Erinnerungen  so  viel  Glanz,  so  viel  Leid  und  Freude,  die  ich  ohne  ihn  genoßen 
und  durchlebt,  so  viel  Staub  einer  Reihe  von  Lebens  zuständen  gelegt  —  ach!  und 
wir  waren  einander  so  ganz  verstummt  —  daß  ich  seine  Todesnachricht  mit  der 
doppelten  Bekümmerniß  erfuhr,  ihm  nie  wieder  die  Hand  gereicht  zu  haben.  Unsere 
Wege  —  die  wir  zusammen  ausgewandert,   waren  so  weit  aus    einander   gegangen! 

Zuerst  habe  ich  Herbart  in  Dorndorf  gesehen,  wo  er  mit  seiner  tief  ins  Ge- 
sicht gedrückten  Kappe  und  schlotterndem  Gang  in  dem  Wirtshaus,  wo  er  sich  ein- 
gemiethet  hatte,  auf  und  nieder  ging.  Die  Burschen,  die  mit  mir  waren,  zeigten 
mir  ihn  wie  eine  gewaltige,  unnahbare  Größe,  tiefsten  Gehalts,  mit  der  ich  keine 
Beziehung  möglich  sah. 

Böhlendorf  w^ar  es,  der  im  Herbst  mir  Eröffnungen  zum  Eintritt  in  die  Liter. 
Gesellschaft  machte.  Wie  kümmerlich  an  Zahl  es  damals  mit  ihr  bestellt  war,  mag 
Dir  Herbart's  erster  Brief,  den  ich  beilege,  sagen.  Ihr  alle,  die  Lichter  und  Stützen, 
hattet  sie  verlassen;  Berger  und  Hülsen  waren  abwesend.  Da  lernte  ich  Herbart 
kennen;  erschloß  sich  mir  an,  zog  mich  zu  sich.  Mein  Tagebuch  nennt  den  Abend, 
wo  er  mich  nach  seiner  Gewohnheit  besuchte  und  zum  ersten  Male  die  Tiefen  der 
Abstraction,  die  Lehre  vom  Sein  und  dem  Ich  öffnete;  wie  ich  mit  frischer  Sinn- 
lichkeit widerstrebte,  mich  an  die  Wirklichkeit  klammerte,  wie  es  finster  ward  über 
dem  Gespräch,  und  ich  ihn  beschwor,  mich  doch  in  der  grausen  Einsamkeit,  in  die 
er  mich  getrieben,  nicht  allein  zu  lassen.  Sein  Sieg  war  vollkommen,  und  regel- 
mäßig wurden  diese  Unterhaltungen  später,  meist  von  5 — 6  Uhr  Nachmittags  fort- 

*)  Gedruckt  nach  Zillers  Reliquien  pp.  S.  238.  —  Die  Erinnerungen  Horns 
an  H.,  (Bremen,  Ende  März  1842,  4  S.  4«),  die  Smidt  z.  T.  für  die  „Er- 
innerungen pp."  (Bd.  I,  XXI  ff.)  benützt  hat,  befinden  sich  auf  der  Univ.-Bibl. 
zu  Jena. 

^)  Das  Material,  das  Smidt  an  Prof.  Hartenstein  für  Herbart's  Lebensabriß  ge- 
liefert hat. 


^^42-  55 

gesetzt,  während  ich  Fichte  hörte,  an  seinen  Conversatorien  Theil  nahm.  So  zu- 
gängUch  aber  \yie  ein  Jahr  vorher  für  Euch  war  er  nicht  mehr:  er  war  einmal  ver- 
letzt; er  ward  von  seinen  Collegen  heimlich  und  öffentlich  angefeindet;  er  fing  an 
sich  zu  verschließen.  —  —  Unschätzbar  vor  allem  war  Herbart  für  uns,  seine 
Freunde,  durch  die  unendliche  Treue,  Liebenswürdigkeit  und  Anspruchslosigkeit  und 
rechtliche  Tüchtigkeit  seines  Wesens. 

Im  Jahr  1803,  als  ich  auf  der  Reise  nach  Paris  und  Madrid  durch  Göttingen 
kam,  habe  ich  ihn  zuletzt  gesehen  (ich  deponirte  damals  ein  eben  geschenkt  er- 
haltenes Buch,  Martens,  droit  maritime,  für  das  ich  keinen  Platz  hatte,  bei  ihm, 
und  habe  es  nie  wieder  erhalten)  und  seitdem  habe  ich  nur  durch  dritte  Hand 
Grüße  von  ihm  empfangen.  "Wie  sich  sein  inneres  Leben  seitdem  gestaltet,  weiß 
ich  nicht;  aber  dafür,  daß  jede  seiner  Handlungen  aus  gewissenhaften  Motiven 
hervorgegangen,  will  ich  mich  unbedenklich  verbürgen:  hat  er  geirrt,  so  werde  nicht 
vergessen,  daß  wenige  so  innerlich  unschuldige  Menschen  über  die  Erde  ge- 
wandelt sind. 

H.  war  damals  umgeben  von  den  jungen  Leuten,  die  Du  nennst;  und  einen 
von  ihnen  habe  ich  im  Jahre  1827,  glaube  ich,  in  Hannover  in  Geschäften  als  einen 
eben  so  begabten  als  redlichen  Staatsmann  kennen  gelernt,  den  Geh.  R.  v.  Grote, 
und  mit  ihm  Herbart's  Andenken,  das  er  hoch  hielt,  erneuert. 

"Wir  müssen  uns  begnügen,  die  Reinheit  und  Liebenswürdigkeit,  ja  die  urspiüng- 
liche  "Weichheit  seines  Charakters  zu  behaupten  und  darzuthun.  "W'as  sich  nachher 
von  Starrheit  entwickelt  haben  mag,  davon  weiß  ich  nichts  zu  sagen.  Quo  nunquam 
candidior  fuit  auimus!  dabei  bleibt  es. 

Nun  Gott  befohlen,  lieber  Freund. 

Von  ganzem  Herzen    Dein  J.  E. 

700.    Herbarts  Frau  an  Smidt/)  Göttingen  den  18ten  [Aug.V|  1842. 

"Werthgeschätzter  Herr  Ober-Bürgermeister!  Nehmen  Sie  doch  den  herzlichen 
Dank  an,  den  ich  für  Ihren  Brief  und  für  Ihre  gütige  Bemühung  empfinde,  ich  bin 
so  frei  Ihnen  die  Einlage  für  Madame  Ruppel  zu  schicken,  so  wie  die  kleine  ver- 
sprochene Abhandlung,  die  vorläufig  Ihrer  Fürsorge  empfohlen  wird.  Hoffentlich 
werden  diese  Zeilen  nicht  dem  Zufall  preis  gegeben  werden,  obgleich  mir  Ihre  Adresse 
bei  unserer  großen  häuslichen  Umwälzung  abhanden  gekommen  ist.  Sie  sind  doch 
gewiß  als  Bundesgesandter  zu  finden.  Den  20sten  reisen  wir  hier  ab,  nachdem  wir 
wenigstens  70  Cntr.  gepackt,  und  Auction  gehalten  haben. '^j  Mir  wird  manchmal 
bange  bei  der  "^'eite  des  Weges;  ich  muß  mir  dazu  ein  sicheres  Geleit  von  Üben 
erbitten,  sonst  kann  ich  es  nicht  leisten,  den  Otto  zurück  zu  bringen.  Mit  den 
besten  "^^ünschen  für  Ihr  ferneres  Wohlergehen,  empfehlen  Otto  und  ich  uns  Ihnen, 
Ihi'er  Frau  Gemahlin,  Ihrer  Fräulein  Tochter.  Leben  Sie  gesund  und  froh!  kehren 
Sie  glücklich  in  Ihre  Heimath  zurück;  dieses  hofft  von  Herzen 

Ihre  ergebene  und  dankbare    M.  J.  Herbart. 

^)  2  S.    gr.  8«.     H.  Wien. 

^)  Das  AuktionsprotokoU  vom  15.  Aug.  1842  befindet  sich  im  N. 


Nachträge, 


Ergänzungen  und  Berichtigungen. 

(Mit  Unterstützung  von  Karl  Freye.)^) 

Druckfehler  in  Bd.  I. 

S.  3:  Herbarts  Mutter  starb  nicht  1803,  sondern  1802.     Vgl.  S.  259,  Anm. 
S.  68,  Z,  20  von  o.  muß  nach  „steht)."  ergänzt  werden:  „l)-',  dagegen  S.  68. 
Z.  21  von  0.  die  1)  gestrichen  werden. 

S.  134,  Z.  14  von  u.  muß  es  heißen:  „Vgl.  den  folgenden  Brief." 
S.  174  muß  es  heißen  bei  „Ziemssen  an  H."  N.  132  statt  Nr.  129. 

701.    Fleißzettel  für  H.-) 


äl 


Ji 


Ih 


A 


4, 


3um  ^Inbenfen 

für 

äohan^\^  S^r^ie9e^ic^  JCe^^Gat^t, 
tnegen  be§  in  ber  ^riöatfc^ule  betüiefenen 


Olbenburg 

Oftczn   1786. 


(S,  trufe. 


t^ 


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h 


gfeitV        v^tV        v(»^tV        'r(J^ ^(^<^        "^^        "^^        ^j^        "^SiS 


*)  Alle  mit  N.  bezeichneten  Schriftstücke  verdanke  ich  Hrn.  Dr.  K.  Freye  in 
Friedenau.     S.  Vorwort. 

^)  Da  neuerdings  Interesse  für  solche  Dokumente  vorhanden  ist,  wird  dieser 
Fleißzettel  in  ziemlich  getreuer  Nachbildung  mitgeteilt.  Namen  und  Zeit  sind  mit 
Euudschrift  in  den  Vordruck  geschrieben.  Auf  der  Rückseite  steht:  „N.  1."  — 
Bei  dieser  Gelegenheit  sei  noch  eine  Herbart -Reminiszenz  erwähnt,  die  sich  in 
M.  Lazarus'  Lebenserinnerungen  von  N.  Lazarus  und  A.  Leicht,  1906,  S.  463  be- 
findet: Im  Jahre  1781  überreichte  der  fünfjährige  H.  dem  Herzog  Feter  bei  seiner 
Verheiratung  Blumen.     Auf  dem  Bande  stand: 

„Darf  auch  ich  ein  Band  |  Um  die  teure  Hand  |  Meiner  Fürstin  schlingen?  | 
Alles,  groß  tmd  klein  |  Will  heut  Dichter  seyn.  |  Alle  Knospen  springen,  |  Auch 
ich  kleiner  Mann!  |  Wachs  ich  einst  heran,  |   Will  ich  besser  singen. 

J.  F.  Herbart." 


Nachtrag  zu    1789.  ey 


702.    W.  Ultzen  an  H.»)    (4  S.   8".    N.) 

E  nionasterio  Luccensi  d.  XVT  Calend.  Febrii.  anni  MDCCLXXXTX. 

£x  quo  primas  Cellis  scriptas  Tibi  dederam  litteras,  amice  suavissime,  tot 
tantasque  equidem  rerum  niearum  expertus  sum  vicissitudines,  ut  de  nova  ad  Te 
mittenda  epistola  hucusque  nullo  provisus  modo  cogitare  potuerim.  Quamvis  enim 
ardentissimo  animi  f lagrarem  desiderio  amorem,  quo  Te  amplector  semperque  am- 
plexurus  sum,  tenerrimum  atque  sincerissimum  iteratis  Tibi  declarandi  ac  demon- 
strandi  speciininibus;  adeo  tamen  modo  negotiorum,  modo  itinerum  modo  amicorum 
ten:bar  distractionibus  ut  vix,  quo  ounctis,  quae  necessitas  urgebat,  satisfacerem 
tempus  invenire  mihi  datum  fuerit. 

Qua  litteris  meis  benigne  respondere  voluisti  epistolam  Tuam  ex  Septem  fere 
hebdomadum  itinere  redux  Cellis,  ubi  plus  quam  quindecim  illa  me  expectaverat 
dies,  reperi,  nee  sine  gratissimo  animi  sensu  perlegi.  Equidem  ||  cuncta,  quae  ad  Te, 
ingenium.  doctrinam  fortunanique  Tuam  pertinent  fausta  atque  felicia  et  me  juvare 
ac  delectare  persuasum  diu  Tibi  esse  tarn  certum  habeo  quam  quod  certissimum. 
Macte,  juvenis  optime,  macte  ea,  qua  feliciter  adeo  ingrederis,  virtutis,  industriae, 
honorisque  via,  et  quin  brevi  sodales  omnes  eruditione  qualibet  superaturus  gloriaeque 
palmam  iis  praereptunis  sis,  qui  dubitare  possim,  non  video.  Laudo  quidem  illam, 
qua  caeteras  virtutes  ingeniique  acumen  ornas,  modestiam  ut  cuivis  aetati  sie  juvenili 
vel  maxime  accommodatani ;  attamen  debito  honoris  testimonio  stimulum  Tibi  addere 
justoque  diligentiae  praemio  ad  altiora  semper  Te  excitare  integerrimi  amici  ac 
praeceptoris  etiam  honorifico  nomine  meum  esse  duco.  Dandum  et  id  praecipue 
familiaritati  esse  arbitror,  ut  relicta  et  abjecta  plane,  quam  liominum  saepenumero 
consuetudo  vitaeque  communis  ratio  postulat  vel  postulare  saltem  plurimis  videtur, 
simulatione  ac  dissimulatione,  quae  laudanda  sunt  ||  in  amicis,  laudemus,  quae  vitu- 
perauda,  vituperemus,  indeque  adulationis  gratia  nullum  unquam  a  me  Tibi  dictum 
esse  aut  dictum  iri  verbum,  confidito. 

Accipies  his  litteris  juncta  de  instituenda  et  prosequenda  studiorum  Tuorum 
ratione,  quae  promiseram  olim,  bona  mea  consilia.  Quod  si  vitiis  scatent  illa  nee 
optimam  Tibique  accomodatissimam  demonstrant  viam,  sane  non  voluntati  meae  atque 
bene  de  Te  merendi  studio,  sed  ipsius  ingenii  mei  debilitati  scientiaeque  angustiis  id 
tribuendum  erit.  Judicem  habes  harum  rerum  Optimum  peritissimum,  patrem  summa 
pietate  venerandum,  cujus  sententiae,  prouti  fas  est,  libenter  ac  ingenue  meum  ego 
subjicio. 

Accipies  porro  instructionis  litterariae  novum  initium,  quo  de  veteris  Graeciae 
conditione  geographica  primum  agitur,  ac  si  hocce  Tibi  probabitur  specimen,  mox  de 
omni  graeca,  quam  dicunt,  antiquitate  fusius  paulo  atque  accuratius-  disputabitur. 
Hie  ubi  ad  metam  pervenerimus,  Deo  favente  et  Logices,  quam  ||  in  deliciis  adeo 
habes,  jimctim  permeabinms  provincias,  litteraturae  tandem  romanae  ac  graecae 
strictiorem  atque  exquisitiorem  adjacientes  notitiam. 

Mortuo  Wardenburgio,  sene  omni  honore  dignissimo,  quäle  vitae  genus  et  ubi 
id  jam  agat  juvenis  ille  vir,  qui  famulus  isti  olim  inservierat,  scire  valde  desidero, 
quo  institutionis  christianae  continuationes  ex  promissis  ipsi  exhibere  queam.  Scribas 
itaque  quaeso  quam  id  fieri  potest  celerrime;  quae  de  illo  Tibi  innotuerunt,  mox 
enim  continuationem  talem  simulque  et  aphorismorum  meoruni  continuatam  seriem 
ipsi  mittere  cupio. 


"■)  Herbarts  Hauslehrer  F.  W.  Fr.  Ueltzen  (1759—1808,  Hartenstein  nennt 
ihn  Uelze)  galt  später  als  größter  Kanzelredner  Hannovers.  Auch  als  Dichter  hat 
er  einen  Namen.  Sein  Lied  „Namen  nennen  Dich  nicht"  ist  als  „Jean  Pauls 
Liebhngslied"  bekannt.  Vgl.  Allg.  D.  Biogr.  39.  271.  Daß  er  Herbarts  Lehrer  war. 
ist  dort  nicht  erwähnt. 


t8  Nachtrag  zu   1789. 


Ut  matri  dulcissimae,  optimae,  patrique  honoi'atissimo  omni,  quem  invenire 
potes,  me  commendes  titulo,  cave  obliviscaris ,  eorum  enim  favore,  si  re  uUa, 
maxime  superbio. 

Sic  Te  valere  mihique  favere  jubeo.  Guilielmus  Ültzen. 

703.    Ein   Aufsatz   Herbarts    über    den   Beweis    für   die   Existenz 
eines  ewigen  Gottes.^)  [Sommer  1789] 

Nach  dem  Satze  vom  zureichendem  Grunde  muß  alles,  was  jemahls 
war  und  geschah^  und  seyii  und  gescheh?i  wird^  Wirkung  vorher  gegangener 
Ursachen  seyn. 

Will  man  von  diesem  Grundsatze  gar  keine  Ausnahme  machen,  so 
entsteht  die  Lehre  vom  sogenannten  Fortschreite?!  der  Ursacke?i  imd 
Wirkunge?!  ms  Utiendliche ,  oder  von  einer  Reihe  von  Ursachen  und 
Wirkungen,  die  nie  einen  Anfang  nahm.  *) 

Diese  Lehre  zu  widerlegen,  gebraucht  Basedow  (:  Philaleth.  i  Band 
§  209  folg.  :)  dies  Argument:  Es  sey  keine  Menge  geschehener  Dinge  an 
Zahl  unendlich;  wo  keine  erste  Ursache  sey,  da  komme  keine  2te,  ßte, 
4te  u.  s.  w,  eben  so  wenig  als  die  2te,  ßte,  4te  Umdrehung  der  Erde  um 
ihre  Axe  würde  geschehen  seyn,  wenn  nicht  die  erste  geschehn  wäre  u.  s.  w.  — 

Wir  müssen  also  eine  Ausnahme  von  jenem  Grundsatze  machen,  und 
folglich  zuerst  einmal  eine  erste  Ursache  aller  Dinge  und  Begebenheiten 
vestsetzen.  || 

Von  einer  solchen  ersten  Ursache  läßt  sich  ihre  Ewigkeit  nicht 
trennen.  Denn,  sollte  sie  einmal  einen  Anfang  genommen  haben,  und 
doch  ohne  Ursache  entstanden  seyn  so  müßte  sie  ihn  dem  Ohngefähr 
zu  danken  haben,  diese  Hypothese  aber  würde  schon  in  sich  selbst  einen 
Widerspruch  enthalten;  unter  einem  Ungefähr  **)  denke  ich  mir  wenigstens 
das  Zusammentreffen  mehrerer  vorher  in  gar  keiner  Verbindung  mit 
«inander  gestandenen  Dinge  oder  Begebenheiten,  da  man  denn  dem  Un- 
gefähre, oder,  welches  einerley  ist,  dem  Zufalle  nur  in  so  fern  Wirkungen 
zuschreiben  kann,  als  die  zusammentreffenden  Dinge  gemeinschaftlich  dies 
oder  das  gewirkt  haben.  War  also  noch  nichts  da,  was  den  zusammen- 
treffenden Dingen  den  Ursprung  gab,  so  konnte  noch  gar  kein  Ungefähr 
existiren,  vielweniger  etwas  bewirken.  —  Aber  auch  aller  Menschen  Er- 
fahrung und  die  ganze  Geschichte  beweist,  daß  nie  ein  Ungefähr  etwas 
auch  nur  einigermaaßen  ordentliches,  regelmäßiges,  und  vernünftiges  hervor- 
bringen könne,  welche  Eigenschaften  man  doch  einer  ersten  Ursache  auf 
keine  Weise  würde  absprechen  können.  —  Mit  ihrer  Ewigkeit  würde  also 
auch  ihr  ganzes  Daseyn  widerlegt  seyn. 


*)  Daß  sie  auch  nie  ihr  Ende  erreichen  werde,  geht  mich  hier  nichts  an;  auch 
iiabe  ich  hieran  no.ch  niemals  gezweifelt. 

**j  nämUch  als  ein  Substantivum  genommen,  denn  sonst  würde  wenigstens  der 
Sprachgebrauch  diese  Erklärung  nicht  leiden.  || 

*)  4  S.  8".  N.  —  Da  dieser  Aufsatz,  wie  aus  dem  folgenden  Brief  hervorgeht, 
1789  enstanden  ist,  ist  er  als  erster  uns  erhaltener  Aufsatz  Herbarts  anzusprechen;  der 
von  Hartenstein  und  Kehrbach  (I,  S.  3S9)  mitgeteilte  Aufsatz  „über  die  Freiheit" 
fällt  ins  Jahr  1790.  Eine  Erwiderung  Ültzens  liegt  in  Königsberg  bei  den  Herbart- 
Manuskripten.     (Ms.   2384.    I.) 


Nachtrag  zu   1789.  cn 


Gegen  den  Begriff  von  Ewigkeit  aber  dürfte  sich  fast  der  nämliche 
Einwurf  wie  beym  Fortschreiten  der  Wirk,  und  Urs.  ins  Unendl.  machen 
lassen.  Wäre  näm/ic/i  nicht  ein  Zeitpund  der  Existenz  des  Wesens  dem  die 
Ewigkeit  zugeschrieben  zvird^  der  eiste  gewesen,  so  rvürde  nie  der  2te,  j/^, 
4te  u.  s.  w.   erfolgt  seyn. 

Die  Welt,  mit  allen  Dingen,  "Wesen,  und  Begebenheiten,  ist: 

Entweder   durch    etwas    vorhergehendes  oder  nicht  durch  etwas 

bewirkt  worden.  bewirkt  worden 


Sie  ist  entw.  ein  Werk  oder  sie  ist  von  Ewigkeit 

des  Zufalls  her  gewesen 


Entw.  durch  sich  selbst.  Od.  durch  äußere 

Ursachen 


Diese  gehn  entw.  ins  Un-  Od,  eine  von  ihnen 

endliche  zurück.  ist  die  erste 


'  Diese  erste  Ursache  ist  Od.  Sie  ist 

entw.  durch  den  Zufall  ewig. 

entstanden,  |{ 

Hier  wird  die  Vernunft  in  ein  Chaos  von  Widersprüchen  verwickelt. 
Entw.  die  Welt  hat  sich  selbst  geschaffen;  od.  eine  Kette  von  äußeren 
Ursachen  und  Wirkungen,  die  nie  einen  Anfang  nahm,  od.  eine  erste 
durch  den  Zufall  entstandene  Ursache,  od.  eine  erste  ewige  Ursache,  oder 
der  Zufall  hat  sie  hervorgebracht,  od.  sie  ist  von  Ewigkeit  her  gewesen.  — 
yEin   zufälliges  Ding  kaiin  sich   nicht  selbst  schaffeii.'''' 

Dies  stößt  schon  den  ersten  Fall  um.  Probandis  argumentis  an- 
tecedentibus,  würden  auch  alle  übrigen  zu  verwerfen  seyn.  Mehr  Mög- 
lichkeiten sind  aber  nicht,  also  muß  eine  wahr  und  die  andern  alle  falsch 
seyn.  Hier  würde  also  jeder  nach  seiner  Vernunft,  was  ihm  [am]  wahr- 
scheinlichsten ist,  wählen  müssen.  Vielleicht  verdient  das  Fortschreiten  der 
"Ursachen  und  Wirkungen  ins  Unendliche  den  Vorzug,  denn  die  erste 
ewige  Ursache,  die  sonst  noch  der  Wahrheit  am  nächsten  kommen  dürfte, 
würde  ihm  denselben  wol  nicht  streitig  machen  können  da  sie  eine  Aus- 
nahme bey  einem  allgemeinem  Grundsatze  voraussetzt.  Wenigstens  könnte 
das  Argument  hier  wol  nicht  gelten,  der  Verstand  könne  sich  eine  erste 
ewige  Ursache  leichter  denken ;  denn  dies  könnte  ebenso  gut  die  Wirkung 
des  von  Jugend  auf  ertheilten  Unterrichts  seyn. 

704.    W.  Ültzen  an   H.     (4  S.    8°.     N.)        Bremen  den  8ten  Weinmonds  1789. 

Fast  hätte  ich  Lust  mit  Ihnen  zu  schmollen,  lieber  Fritz,  daß  Sie  den  Ge- 
danken, ich  glaubte  mich  in  irgend  einem  IStücke  von  Ihnen  beleidigt,  bey  dem  noth- 
wendigen  Gefühle  Ihrer  Unschuld  nur  einmal  in  Sich  aufkommen  lassen  konnten, 
und  nicht  eher  auf  alle  andern  mögliche  Ursachen  meines  wirklich  langen  Still- 
schweigens schlössen.  Diesmal  war  es  körperliches  Übelbefinden,  Folge  einer  tiefen 
Kränkung  meiner  Seele, ^)  das  mich  Ihnen  fräher  zu  schreiben  hinderte,  und  vielleicht 

^)  Ültzen  war  zum  Erzieher  der  oldenburgischen  Prinzen  Peter  und  Paul  ge- 
wählt worden,  hatte  aber  tags  vorher  (Juni  1787)  aus  unaufgeklärten  Gründen  Olden- 
burg verlassen. 


5o  Nachtrag  zu  1789. 


ist  es  Ihnen  Trost,  wenn  ich  Sie  auf  Ehre  versichere,  daß  ich  ein  Paar  nothwendige 
Geschäftsbriefe  abgerechnet  in  dieser  ganzen  Zeit  keine  einzige  Zeile  von  Bedeutung 
geschrieben  habe.  Um  mich  zu  zerstreuen  und  den  Rath  des  Arztes  zur  Bevestigung 
meiner  wiederhergestellten  |j  Gesundheit  zu  befolgen  habe  ich  meine  lange  vorgehabte 
Eeise  hieher  jetzt  gemacht,  und  es  war  gestern,  da  ich  hier  durch  eine  gütige  Auf- 
merksamkeit des  Postbedienten  ganz  unerwai-tet  Ihren  lieben  Brief  vom  4ten  d.  M. 
erhielt.  Urtheilen  Sie  nun  selbst,  ob  ich  Sie  in  Loccum  ganz  vergessen  hatte,  da 
ich  schon  heute  die  für  Sie  bestimmten  Anlagen^)  abschicke,  die  ich  hier  unter  den 
Zerstreuungen  meiner  Freunde  aufzusetzen  unmöglich  Zeit  und  Gelegenheit  ge- 
funden hätte. 

Ich  wünsche,  daß  meine  Beantwortung  Ihres  Aufsatzes  über  den  Beweis  für 
die  Existenz  eines  ewigen  Gottes  Ihnen  Genüge  thun  möge,  und  lege  über  denselben 
auch  ein  Paar  Zeilen  meines  verdienten  Freundes  und  Collegen  des  Herr.  Bornträger, ^) 
bey,  der  über  die  Eantische  Philosophie  mit  vielem  Ruhm  geschrieben  hat.  Wundern 
Sie  Sich  nicht,  daß  Sie  auf  die  Art  zu  der  Bekanntschaft  dieses  Gelehrten  kommen. 
Ich  konnte  die  ]|  Freude  und  den  ehrebiingenden  Triumph  einen  solchen  Schüler  zu 
haben  vor  meinem  Freunde  nicht  verschweigen,  und  theilte  ihm  Ihren  Aufsatz  mit; 
Er  aber  wünschte  Ihnen  dann  durch  Mittheilung  der  hiebey  erfolgenden  Zeilen  einen 
aufmunternden  Beweis  seiner  Achtung  zu  geben,  von  dem  ich  mir  schmeichle,  daß 
er  Ihnen  nicht  ganz  mißfallen  wird.  — 

Ich  schreibe  Ihnen  heute  aus  dem  Meeneischen  Hause,  und  es  ist  also  wol 
nichts  natürhcher,  als  daß  ich  Ihnen  vor  allem  um  mich  her,  und  zumal  von  Ihrem 
lieben  Freunde  Diederich  recht  sehr  viele  herzHche  und  angelegentliche  Empfehlungen 
zu  bestellen  habe. 

Mein  Plan  ist,  von  hier  aus,  in  der  gemeinen  Lebenssprache  zu  reden,  einen 
kurzen  Abstecher  von  einem  Posttage  bis  zum  andern  nach  Oldenburg  zu  machen, 
und  ich  habe  zu  dieser  kleinen  Reise  nächsten  Freytag  über  acht  Tage  den 
16ten  II  d.  M.  angesetzt.  Wenn  ich  dann,,  wie  ich  hoffe,  das  Vergnügen  habe  Sie 
mündlich  zu  sprechen,  so  schmeichle  ich  mir  Ihnen  mein  letztes  Stillschweigen  nicht 
blos  entschuldigen  sondern  auch  rechtfertigen  zu  können,  und  Sie  noch  mehr  zu 
überzeugen,  wie  ich  Ihnen  mit  ganzer  Seele  zugethan  bin. 

Sagen  Sie  Ihren  würdigen,  mir  äußerst  schätzbaren  Altern  die  wiederholte  Ver- 
sicherung meiner  UDgeheuchelten  Ehrfurcht,  die  ich  so  sehr  gern,  wenn  ich  nur 
könnte,  mit  Thaten  zu  beweisen,  nicht  blos  mit  Worten,  deren  ganze  Nichtigkeit  ich 
fühle,  zu  bezeugen  wünschen  möchte.  Gebe  der  Allgütige,  daß  die  edelmüthige 
Aufopferung  eigner  Kräfte,  die  so  ganz  im  Charakter  Ihrer  über  mein  Lob  weit  er- 
habenen Frau  Mutter  war,  für  die  Gesundheit  der  Theuren  von  keinen  nachtheiligen 
Folgen  sey,  und  Ihr  vielmehr  den  schönsten  Segen  Seiner  Vorsicht  bringe.  — 

Empfehlen  Sie  mich  allen  meinen  Gönnern  und  Freunden,  besonders  dem  vor- 
trefflichen Herrn  Cammerrath  Schleifer,  und  lieben  Sie  ferner 

Ihren  ganz  ergebenen     Wilhelm  Ültzen. 

705.    Studienplan  für  Herbart  von  Ültzen.^)  [1789?! 

Studien-Plan-  für  meinen  lieben  Fritz.     Ich   lasse  mich  hier  natürlich  auf  die 

Geschaffte  der  öffentlichen  Schule,  und  die  zu  denselben  erforderliche  Präparation  und 

')  Jedenfalls  die  Entgegnung  auf  Herbarts  Aufsatz  und  der  folgende  Studienplan. 

^)  J.  Chr.  Fr.  Bornträger  bekannt  durch  ein  Buch  über  das  Dasein  Gottes  in 
Beziehung  auf  Kant  und  Mendelsohn. 

^)  4  S.  80.  Königsberger  Univ.-Bibl.  (Ms.  2384.  2).  Mit  der  Bemerkung: 
,,Von  unbekannter  Hand."  Durch  Schriftenvergleichung  habe  ich  festgestellt,  daß 
W,  Ültzen  der  Verfasser  des  Plans  ist. 


Nachtrag  zu   1789.  5l 


ßepetition  nicht  ein;  sondern  ich  spreche  nur  von  Ihrem  eigenen  Studiren  in  Ihren 
Nebenstunden,  spreche  mit  individueller  Rücksicht  auf  Sie  und  Ihre  mir  hinlänglich 
bekannten  Fähigkeiten  und  jetzigen  Kenntnisse.  Ich  weiß  daher  gar  wohl,  daß  mein 
Plan  für  hundert  junge  Leute  Ihres  Alters  nicht  paßt,  und  bitte  Sie  daher  recht 
sehr  diesen  unmasgeblichen  Vorschlag  Niemanden  sehen  zu  lassen,  der  mit  Ihrem 
Kopfe,  und  dem,  was  Sie  schon  wissen,  nicht  eben  so  vertraut  ist,  als  ich  es  zu 
meiner  herzlichsten  Freude  bin. 

Zur  Ei-weiterung  und  Berichtigung  Ihrer  Religions-Kenntnisse  rathe  ich  Ihnen, 
wenn  keine  besondern  Hindernisse  eintreten,  jeden  Sonntag  ein  Paar  Stunden  zu 
widmen.  Ich  kann  Ihnen  hier  kein  besseres  Buch  vorschlagen,  als  D.  Johann 
Christoph  Döderleins  christlichen  Religionsunterricht  nach  den  Bedürfnissen  unserer 
Zeit  nach  dem  Lateinischen  vom  Verfasser  selbst  ausgearbeitet,  |]  ein  wahres  Meister- 
werk, das  unserem  Zeitalter  die  größte  Ehre  macht.  In  der  Folge  lesen  Sie  nach 
dem  von  mir  vorgetragenen  Grundsatze  alles  für  und  wider,  was  Ihnen  zu  Händen 
kömmt,  prüfen,  so  gut  Sie  können,  und  wählen  jedesmal  was  Ihnen  als  das  Beste 
erscheint.  Es  versteht  sich,  daß  ich  bereit  bin,  so  oft  Sie  mir  Fragen  oder  Zweifel 
vorlegen,  dieselben  nach  meinem  eignen  besten  Vermögen  zu  beantworten. 

In  Ansehung  der  lateinischen  .und  griechischen  Sprache  lesen  Sie  täglich 
wechselsweise  eine  Stunde  für  sich  einen  Autor  cursorisch  für  sich.  Im  Lateinischen 
rathe  ich  mit  dem  Justin  den  Anfang  zu  machen,  weil  dieser  zugleich  manche 
historische  Kenntnisse  zuführt,  und  im  Griechischen  auf  Gedike's  Lesebuch  die 
Chrestomathie  von  Stroth  folgen  zu  lassen.  Sind  diese  bald  zu  Ende,  und  Sie  zeigen 
es  mir  an,  so  werde  ich  zeitig  genug  die  Nachfolger  in  Vorschlag  bringen. 

Um  mit  dem  römischen  Alterthume  etwas  bekannter  zu  werden,  studiren  Sie 
sobald  es  seyn  kann,  in  Xebenstunden,  ein  Werk,  wovon  ich  den  ganzen  Titel  her- 
setze: Niewpoordt  rituum,  qm  olim  apud  Romanos  obtinuerunt  succincta  expü- 
catio,  cum  Jo.  Math.  Gesneri  prolusione  et  accessionibus  Schoepflini  et  Reizii  ||  Berlin 
bey  Voß  1751,  Preiß  1  rthl.  —  Sind  Sie  damit  durch,  so  lassen  Sie  für  die  ge- 
sammte  alte  M%thologie  folgen :  Handbuch  der  Mythologie  aus  Homer  und  Hesiod 
als  Grundlage  zu  einer  richtigem  Fabellehre  des  Alterthums,  mit  erläuternden  An- 
merkungen von  M.  G.  Hermann.  Mit  einer  Vorrede  des  Herrn  Hofraths  Heyne. 
Berlin  bey  Nicolai  1787. 

Für  die  Kenntniß  des  griechischen  Alterthums  will  ich  Ihnen  selbst  Beyträge 
liefern,  und  mache  damit  sogleich  den  Anfang.  Sind  wir  hiermit  durch,  so  will  ich 
eine  etwas  ausführlichere  Übersicht  der  Logik,  dann  der  römischen  und  griechischen 
Literatur,  und  endlich  der  Aesthetik  folgen  lassen,  weil  Ihnen  in  diesen  Stücken  der 
öffentliche  Unterricht  abgehen  wird,  und  nach  Endigung  alles  dessen  werden  Sie 
mit  Nutzen  eine  Academie  beziehen  können. 

Für  die  Universalhistorie  en^fehle  ich  Ihnen:  Des  Abts  MiUot  üniversal- 
historie  alter,  mittlerer,  und  neuerer  Zeiten,  übersetzt  mit  Zusätzen  von  Christiani, 
ein  Werk,  das  in  allem  10  Theile  begreifen  wird,  von  denen  der  letzte  noch  fehlet, 
und  also  freilich  etwas  kostbar  wird,  aber  dafür  Sie  auch  allein  zu  einer  hinreichenden, 
gründlichen  und  pragmatischen  Kenntniß  leiten  wird.  |j 

In  den  mathematischen  "Wissenschaften  entschließt  sich  vielleicht  Ihr  würdiger 
Herr  Vater  Ihnen  bald  einige  Anweisung  zu  geben,  wobey  Sie  des  Abt  Häseler 
Anfangsgründe  der  Arithmetik^)  u.  s.  w.  wegen  ihrer  großen  Deutlichkeit  mit  viel- 
fachem Nutzen  gebrauchen  können.  — 


)  J.  Fr.  Häseler  (t  1797)  Anfangsgründe  der  Arithm.,  Algebra,   Geom.   und 


Trigon.     Lemgo  1776  ff. 


52  Nachtrag  zu   1795. 


Physik  soll  Herr  Rector  Manso  sehr  gut  vortragen,  also  sage  ich  kein  Wort 
davon.  Recht  sehr  bitte  ich  aber,  nun  auch  mit  der  sogenannten  schönen  Leetüre 
in  französischer  und  deutscher  Sprache  den  Anfang  zu  machen,  um  Ihren  Styl  nach 
den  besten  Mustern  auszubilden.  Lassen  Sie  Sich  dabey  ganz  von  den  reellen  Ein- 
sichten und  dem  gebildeten  Geschmacke  Ihres  Herrn  Vaters  leiten,  der  alle  meine 
etwanigen  Erinnerungen  hier  überflüssig  macht.  ■ 

Endlich  wiederhole  ich  mein  Erbiethen  Ihnen  über  Fragen  jeder  Art,  die  Sie 
etwa  an  mich  erlassen,  so  gut  ichs  kann,  Bescheid  zu  ertheilen,  wenn  Ihnen  bey 
Ihrem  Studiren,  eine  Schwierigkeit  aufstößt,  die  Sie  nicht  lösen  können.  Haben  Sie 
auch  Zeit  und  Lust  mir  Aufsätze,  lateinisch  oder  deutsch,  oder  in  einer  anderen 
Sprache  zu  schicken;  so  sage  ich  Ihnen  gern  mein  Urtheil  darüber.  —  Vor  allen 
Dingen  bitte  ich  Sie  aber  Nicht  zu  fleißig  zu  seyn,  und  täglich  einige  Stunden,  oft 
aber  einen  ganzen  Tag  der  nothwendigen  Erhohluug  der  Seele  und  des  Körpers  zu 
gönnen,  denn  —  omne  nimium  nocet.  — 

706.  Breuning  an  H.     (2  S.    8°.     N.)     Nur  teilweise  hier  abgedmckt. 

Götting.  d.  7ten  Juüus  1795. 

Lieber  Herbart!  ...  Es  ist  ein  großer  unterschied  zwischen  manchen  Dingen, 
das  wirst  du  selbst  einsehen,  und  ich  versichere  dir,  daß  ich  einen  großen  zwischen 
Jena  und  göttingen,  so  viel  mich  betrifft,  fühle. 

Smidt  hat  mir  geschrieben  daß  du  dich  für  die  gesellschaft  der  f[reien] 
M[änner]  interessirst  —  ich  bitte  dich  dieses  immerfort  zu  thun,  ich  weiß  und  fühle 
zu  sehr,  wie  viel  mir  diese  Verbindung,  genüzt  hat,  um  nicht  zu  wünschen,  daß 
mehrere  diesen  vortheil  haben  mögten  —  man  lernt  erst  dadurch,  daß  man  sich 
vertheidigen  und  angreifen  muß,  seinen  vorrath  kennen,  sieht  seine  schwächen  und 
stärken  ein,  und  sucht  seinen  vorrath  von  kenntnissen  so  sehr  zu  vermehren  als 
man  kann.  Besonders  hat  eine  solche  Unterhaltung  den  größten  nutzen  für  die- 
jenigen, welche  in  ihren  betrachtungen  durch  viele  beschäftigungen  unterbrochen 
werden.  Dort  knüpfen  sich  manche  fäden  ||  wieder  an  und  man  beginnt  neue  Unter- 
suchungen. —  ihr  habt  itzt  Berger  wieder  unter  euch?  —  schreibe  mir  doch  wie 
er  dir  gefällt,  und  was  er  macht?  —  Floret  ist  auch  unter  euch  getreten?  wie  ge- 
fällt er  dir,  auch  dieses  mögt  ich  wissen so  mögt  ich  dich  auch  noch  fragen, 

wenn  ich  dich  nicht  zu*  erzürnen  füi-chtete,  was  Fromm  macht,  und  wie  es  mit 
unsrer  lesegesellschaft  sich  verhält?  .... 

707.  JV\een  an  H.   (12  S.  8".  N.)   Hier  wird  nur  der  Anfang  des  Briefes  mitgeteilt. 

Bremen  d.  I6ten  July  1795 
Bester  Freund !  Meinen  letzten  Brief  wird  Hr.  Schmidt  Dir  richtig  überbracht 
haben;  seitdem"  habe  ich  durch  die  Güte  Deiner  lieben  Mutter  ein  paarmal  Nachricht 
von  Dir  gehabt,  wo  mir  denn  besonders  die  letzte,  daß  Du  nun  gegründete  Hoffnung 
habest  bald  völlig  von  Deinem  Backenübel  frey  zu  werden  außerordentliche  Freude 
gemacht  hat.  Mögte  doch  diese  frohe  Hoffnung  bald  recht  bald  Gewißheit  werden! 
Dich  selbst  wird  dann  kaum  Deine  erneute  Gesundheit  nait  mehr  frohen  dankbaren 
Empfindungen  erfüllen  können  als  mich,  der  ich  so  warmen  Antheil  an  alles  nehme 
was  meinen  lieben  Herbart  betrift.  —  Ich  kann  es  mir  aus  meiner  vorjährigen  || 
Erfahrung  lebhaft  denken,  wie  sehr  unangenehm  es  ist  wenn  man  durch  körperliche 
Schwächen  gehindert,  durchaus  unthätig  seyn  muß,  und  wie  viel  schlimmer  war  es 
noch  für  Dich,  da  Dich  grade  Deine  Krankheit  in  einem  Zeitpunkt  iiberfällt,  wo 
Du  von  Deiner  Geistesthätigkeit  Dir  den  größten  Nuzen  versprechen  kannst.  — 

Ich  habe  von  Deiner  lieben  Mutter  den  Auftrag  erhalten  Dir  für  Herrn  Hof- 
rath   Loder   einen  geräucherten   Bremer  Lachs   zu  überschicken,   den   Du   in   bey- 


Nachtrag  zu   1795.  63. 


I 


kommenden  Kasten  finden  wirst.  Ich  -wünsche  daß  er  ihm  recht  willkommen  seyn 
möge;  Auch  soll  ich  ||  Dir  gelegentlich  75  ß  auszahlen  lassen.  Da  ich  aber  für  jetzt 
dazu  keinen  sichern  Weg  weiß  so  erhältst  Du  diese  Summe  einliegend  in  einem 
Wechsel  aiif  den  dortigen  Kaufmann  Job.  L.  Beyer,  dem  Du  denselben  nebst  dem 
Briefe  an  ihn  sogleich  vorzeigst  und  Dir  darauf  schreiben  läßt,  daß  er  ihn  Dir  in 
14  Tagen  bezahlen  wolle.  Wenn  Du  dann  das  Geld  bekömmst  so  schreibst  Du  auf 
der  Rückseite  des  Wechsels  Deinen  Namen  unter  dem  Meinigen  zur  Quittung. 
Sollte  der  Wechsel  wider  Erwarten  nicht  bezahlt  werden,  so  muß  ich  ihn  gleich 
zurückhaben,  denn  sonst  würde  er  als  Wechsel  seine  Kraft  ||  verlieren,  weil  von 
dem  Tage  an  daß  Hr.  Beyer  ihn  zu  bezahlen  annimmt  und  dessen  Datum  er  Dir 
auch  darauf  schreiben  muß,  die  14  Tage  angehn  auf  die  der  Wechsel  lautet,  und 
ich  dann  wenn  nachher  zu  viel  Zeit  verläuft,  nach  Wechselrecht  die  75  ß  nicht 
wieder  fodern  könnte,  wenigstens  müßte  ich  erwarten  daß  man  mir  Schwierigkeiten 
machte.  —  Doch  ich  denke  der  Wechsel  wird  gewiß  bezahlt,  und  ich  schreibe 
Dir  obige  Vorsichtsregeln  nur  auf  den  Nothfall  weil  ich  weiß  daß  Dir  Wechsel- 
sachen völlig  fremd  sind.  .  .  .  [Es  folgt  nun  eine  Belehrimg  über  Wechsel-  und 
Wechselrecht.] 

708.    Langreuter  an  H.     (4  S.   4«.    N.)  Tängstädt  am  24sten  Aug  1795 

Lieber  Herbart !  Doppelte  Freude  verursachte  mir  ihr  Brief,  denn  erstlich  war 
es  ein  Brief  von  Ihnen,  gab  mir  die  Versicherung  Ihrer  unveränderten  Freund- 
schaft, und  zweytens  war  er  mir  ein  Beweis  wenigstens  des  Wohlbefindens  Ihrer 
Augen.  Ich  habe  es  nicht  gewußt  lieber  H.  daß  Sie  so  vieles  gelitten  haben;  wie- 
sehr bedaure  ich  Siel  Ein  recht  trauriger  Zustand  muß  es  gewesen  seyn,  in  welchem 
Sie  sich  befanden.  Gottlob  daß  er  vorüber  ist;  wenden  Sie  den  nun  aber  auch 
alles  an  1.  H.  daß  er  nicht  \vieder  zurückkehi-t.  Verzeihen  Sie  mir  die  Bitttel  ich 
kann  sie  zu  oft  thun;  suchen  Sie  Ihren  Geist  nicht  auf  Kosten  Ihres  Körpers  zu 
bereichem;  seyn  Sie  nicht  ungerecht  gegen  sich  in  Beurtheilung  Ihrer  Selbst,  und 
Ihrer  Kenntnisse.  Es  mag  immer  seyn,  daß  manche  Ihrer  Freunde  in  einzelnen 
Wissenschaften  weiter  sind  als  Sie,  übertreffen  Sie  dieselben  denn  aber  nicht  wieder 
in  anderen  Stücken?  und  wäre  dieses  auch  nicht;  ist  es  denn  gerade  nothwendig 
■alle  Andere  zu  übertreffen?  Auch  ist  ja  Ihr  Aufenthalt  auf  Universitäten  ja  nicht 
an  gewisse  Jahre  gebunden;  ein  Jahr  etwas  mäßiger  studirt,  sich  viele  Bewegung 
gemacht,  dies  stärkt  vielleicht  Ihren  Körper,  und  sichert  Ihnen  das  Vermögen,  viele 
Jahre  nach  Herzenslust  studiren  zu  können.  Ihre  Freundschaft  pflegte  wohl  ehe- 
mals einiges  Vertrauen  auf  meinen  Rath  zu  setzen;  thun  Sie  das  auch  jetzt  noch 
einmal  lieber  Herbart;  Sie  haben  schon  früh  angefangen,  für  Ihren  Geist  zu  leben, 
leben  Sie  wenigstens  den  noch  übrigen  Theü  des  Sommers,  einmal  bloß  für  Ihre 
körperliche  Gesundheit;  verbannen  Sie  Beschäftigungen  welche  vieles  xS'achdenken 
erfordern;  machen  Sie  Sich  Vergnügungen,  wenn  diese,  wie  das  freylich  oft  der 
Fall  ist,  Ihnen  auch  kein  Vergnügen  gewähi-en.  Sollte  Ihnen  eine  Reise  nicht  zu- 
träglich seyn  ?  Haben  Sie  auch  nur  einige  Wahrscheinlichkeit  dafür,  lieber  Herbart, 
so  lassen  Sie  sich  doch  durch  keine  Collegia  davon  abhalten.  Ich  hoffe  nicht  daß 
Ihre  Backe  Ihnen  daran  hinderlich  seyn  wird.  Sie  schreiben  mir  nicht  wie  es  damit 
geht?  —  Was  Sie  mir  von  Ihrem  Umgange,  und  von  Ihrer  litterärischen  Gesell- 
schaft erzählen,  hat  mich  sehr  gefreut ;  schade,  daß  Sie  sich  Michaelis  davon  trennen. 
Aus  den  Zeitungen  sehe  ich,  daß  die  Unruhen  in  Jena  wieder  beygelegt  sind,  nach- 
dem es  vorher  zu  blutigen  Auftritten  gekommen  ist.  Das  Betragen  des  Herzogs 
scheint  mir  sehr  inconsequent  zu  seyn;  es  verlangt  mich  sehr,  die  nähern  Um- 
stände zu  erfahren.    Ich  hoffe  nicht,  daß  Sie.  für  Ihre  Person   weiter  unangenehme 


64  Nachtrag  zu   1795. 


Folgen  dav'on  werden  gehabt  haben;  den  Auszug  werden  Sie  doch  indessen  schon 
haben  mitmachen  müssen.  —  [1  Wohl  erinnere  ich  mich  noch  Dorneburgs,  des  hohen 
Felsens,  und  der  Säle,  welche  so  bescheiden  an  seinem  Fuße  vorbey  fließt.  Ich 
freute  mich  recht  diesen  Namen  bey  dem  Datum  Ihres  Briefes  zu  finden.  — 

Von  meiner  Lage  verlangen  Sie  nähere  Nachricht?  hier  ist  sie:  Sie  wissen, 
seit  einigen  Wochen  vor  Ostern,  bin  ich  mit  der  Gräfin  und  mit  meinen  Eleven  in 
Eutin;  Wahrscheinlich  bleiben  wir  auch  diesen  Winter  dort,  weil  die  Absicht  des 
Bischofs  ist,  den  Winter  in  Eutin  zuzubringen;  es  mögte  denn  seyn,  daß  die  Ein- 
quartierung den  W^inter  über  in  Oldenburg  bliebe  und  ihn  zurückhielt.  So  an- 
genehm nun  auch  der  Sommer  in  Eutin  ist;  so  muß  ich  doch  gestehn,  daß  ich 
den  Winter  lieber  in  Oldenburg  zubrächte.  —  Sie  haben  Recht,  lieber  Herbart, 
wenn  Sie  sagen,  daß  meine  Lage  gerade  nicht  zu  den  bequämsten  gehört;  in  der 
That  ist  es  nicht  ganz  leicht,  von  des  Morgens  um  6  bis  des  Abends  um  10  Uhr, 
wovon  nur  eine  Stunde  ausfällt,  einen  Knaben  bey  sich  zu  haben  und  zu  be- 
schäftigen. Indessen  wird  mir  meine  Lage  durch  den  edlen  rechtschaffenen  Cha- 
rakter der  Eltern  und  durch  ihr  würklich  gütiges  Betragen  gegen  mich,  sehr  er- 
leichtert; auch  habe  ich  den  Sonntag  Nachmittag  für  mich,  und  kann  jeden  Abend, 
wenn  die  Gräfin  zuhause  ist,  ausgehn.  Daß  ich  nicht  viele  Zeit  für  mich  selbst 
übrig  behalte,  dieses  lieber  H.  können  Sie  leicht  denken;  indessen  ist  es  mir  doch 
sehr  angenehm,  daß  ich  mich  mit  meinem  Eleven  schon  mit  Dingen  beschäftigen 
kann,  die  mich  selbst  interessiren ;  so  lese  ich  zum  Beyspiel  jetzt  mit  ihm  den 
Yirgil  und  den  Cicero  von  der  Freundschaft;  letzteres  lese  ich  selbst  zum  ersten 
Male  und  freue  mich  oft  über  die  wahrhaft  schönen  und  edlen  Gedanken,  die  darin 
vorkommen. 

Mein  vorzüglichster  Umgang  erstreckt  sich  in  Eutin  auf  Holwags.  Auch 
komme  ich,  besonders  mit  meinem  Eleven,  oft  bey  Voß,  welcher  Kinder  von  gleichen 
Jahren  mit  ihm  hat.  Den  Sonntag  Nachmittag  pflege  ich  mit  dem  H.  v.  Berger, 
welcher  ein  starker  Fußgänger  ist,  zu  einem  Spaziergange  anzuwenden,  wozu  die 
Gegend  so  sehr  einladet. 

Vor  einigen  Wochen  machte  ich  eine  kleine,  sehr  angenehme  Eeise  nach 
Kiel  und  Schleswig.  An  einem  Sonnabend  fuhr  ich  nüt  der  Gräfin  und  mit  meinem 
Eleven  nach  Kiel,  welches  5  Meilen  von  Eutin  liegt.  Der  Weg  dahin  ist  schön, 
Kiels  Lage  an  der  Ostsee  vortrefflich.  leb  kannte  in  Kiel  den  ||  jungen  Professor 
Hensler  und  einen  jungen  Wardenburg,  welcher  dort  studirt.  Diese  machten  mich 
am  Sonntage,  so  viel  es  die  Zeit  erlaubte,  mit  Kiel  und  mit  der  umliegenden  Gegend 
bekannt.  Besonders  gefiel  mir  Düsternbrock,  ein  nahe  vor  der  Stadt  liegender  mit 
dichten  Buchen  bewachsener  Hügel,  dessen  steilen  Fuß  die  Ostsee  bespült.  Auf 
dem  Gipfel  hat  Hirschfeld,  welcher  hier  ein  mitten  im  Holze  liegendes  Haus  be- 
wohnte, eine  große  Baumschuhle  angelegt,  welche  noch  jetzt  durch  seinen  Nachfolger, 
-dem  Professor  Moldenhauer  sehr  gut  im  Staude  gehalten  wird. 

Am  Montage  Morgen  erinnerte  ich  mich  einmal  recht  lebhaft  an  meine  aca- 
deraischen  Jahre;  ich  hospitirte  bey  Eckermann,  Hensler  dem  Aeltem,  Professor 
der  Medizin ;  und  .bey  Hegewisch,  Professor  der  Geschichte. 

Letzterer  laß  Reichsgeschichte,  sowohl  sein  lebhafter  Vortrag,  als  auch  das 
was  er  sagte,  gefiel  mir.  -Voß  hatte  mir  einen  Brief  an  ihn  mitgegeben;  ich  fand 
an  ihm  einen  sehr  gefälligen  und  zuvorkommend  gütigen  Mann,  welcher  mit  vieler 
Wärme  von  seinem  Fache  sprach.  Eckermann,  Ehlers  und  Hensler  hatte  ich  schon 
in  Eutin  kennen  gelernt.  Ich  erinnere  mich  nicht  leicht,  einen  bejahi-ten  Mann 
gesehen  zu  haben,  dessen  Gesicht  beym  gleich  ersten  Anblick  so  viele  Achtung  und 
Liebe  einflößte,  als  das  Gesicht  und  das  ganze  Wesen  des  älteren  Henslers.     Ehlers 


Nachtrag  zu  1795.  65 


freut  sieh  noch  immer,  wena  er  einen  Oldenburger  sieht.  Und  Reinhold  hospitirte 
ich  nicht?  —  Reinhold  lieset  nur  des  Nachmittags,  und  am  Nachmittage  wurde  ich 
<]urch  eine  Einladung  nach  dem  Kieler  Canal[?]  zu  fahren  davon  abgehalten.  Rein- 
hold hat  in  Kiel  unter  Studenten  sowohl  als  unter  Professoren,  vielen  Beyfall. 
Haben  Sie  unsern  Reinhold  schon  gehört  ?  haben  Sie  unsern  Reinhold  schon  ge- 
hört? —  Diese  Fragen  hatte  ich  in  Kiel  sehr  oft  zu  beantworten.  —  Die  Kieler 
Professoren  stehen  hier  allgemein  in  dem  Rufe  der  politischen  und  theologischen 
Ketzerey.  —  Die  Anzahl  der  Studenten  beläuft  sich  in  Kiel  auf  etwas  über  Zwey- 
hundert;  einige  welche  ich  von  ihnen  kennen  lernte,  schienen  sehr  gesittete  Leute 
zu  seyn.  Durch  ein  ||  selbst  errichtetes,  aus  Studenten  und  Professoren  bestehendes 
Ehrengericht,  haben  sie  alle  Duelle  abgeschafft:  ob  keine  Ausnahmen  davon  ge- 
macht werden,  weiß  ich  nicht. 

Am  Dienstag  Mittag  bestieg  ich  einmal  wieder  einen  Phylistergaul,  um 
einen  Bruder  meines  sei.  Vaters,  welcher  im  Schleswig  sehen  zu  Norbi  4  Meilen 
von  Kiel  Prediger  ist,  und  bey  der  Gelegenheit,  auch  Schleswig  zu  besuchen.  Eine 
Stunde  von  Kiel,  wo  eine  Biücke  über  den  Kanal  führt,  verließ  ich  die  Gränze  des 
deutschen  Reichs.  Mem  Weg  ging  über  Eckernförde  ganz  nahe  an  der  Küste  der 
Ostsee.  Außerordentlich  viele  Freude  machte  es  mir,  in  dem  Gesicht  meines 
Onkels,  Züge  meines  Vaters  zu  erkennen.  Gerne  wäre  ich  hier  länger,  als  bis  zum 
Mittewochen  Mittag  geblieben;  aber  wollte  ich  Schleswig  noch  sehen,  so  mußte  ich 
eilen.  Der  Weg  führte  mich  durch  die  fruchtbare,  kleine  Provinz  der  Angeln  den 
Nachkommen  der  Eroberer  Englands.  Sie  vmterscheiden  sich  noch  jetzt  durch  eine 
eigne  Sprache,  welche  aus  dem  Dänischen  und  Deutschen  zusammengesetzt  ist. 
Sehr  auffallend  unterscheiden  sie  sich  durch  ihre  Wohlhabenheit,  und  durch  ihren 
frohem  und  freyem  Blick,  von  ihren  dürftigen,  niedergedrückten  Nachbarn,  welche 
sämtlich  Leibeigene  sind!!  Schleswig  ist  ein  sehr  weitläufig  gebaueter  Ort  an  der 
Schley.  Bey  der  Stadt  liegt  das  Schloß  Gottorp,  berühmt  als  Stammhaus  der  Holstein- 
Gottorpischen  Linie,  und  durch  den  großen  Gottorpischen  Globus,  welchen  es  ehe- 
mals besaß.  Ich  brachte  den  Nachmittag  und  Abend  hier  sehr  angenehm  in  der 
Gesellschaft  eines  Capitains  Horbo,  dessen  Frau  eine  Verwandtin  von  mir  ist,  zu; 
ritt  darauf  noch  einige  Meilen  im  Mondschein,  war  am  Donnerstag  Mittag  wieder 
in  Kiel,  und  am  Donnerstag  Abend  mit  der  Gräfin  und  meinem  Eleven  wieder  in 
Eutin.  Seit  8  Tagen  sind  wir  in  Tengstedt,  Tengstedt  liegt  3  Meilen  von  Hamburg 
in  einer  flachen  sandigten  Gegend ,  doch  ist  beym  Hause  ein  kleines  Holz.  An 
Umgang  fehlt  es  hier  ganz,  doch  fühlt  man  dieses  Bedürfniß  auf  dem  Lande  weniger 
als  in  der  Stadt.  Bis  14  Tage  bleiben  wir  noch  hier.  Nun  ists  denn  auch  Zeit 
■daß  ich  schließe.  Leben  Sie  recht  wohl  lieber  Herbart  und  überzeugen  Sie  davon 
bald  durch  einen  Brief  Ihren     C.  Langreuter. 

709.  0[ldenburg]  d.   i.  Oct.  1795 

Antwort  auf  des  Herrn  Professors  Fichte  Frage  an  die 
Mathematiker,  die  Natur  der  geraden  und  krummen  Linie  be- 
treffend,    in  desselben  Begriffe  der  Wissenschaftslehre  S.  42.^) 

(4  S.    4°.     N.)      Überschrift    von    Herbart.    —   Ob   diese  „Antwort"'    in  Fichtes  Hände 

gekommen  ist,  ist  unbekannt. 

Linie  als  Geschlecht  begreift  unter  sich  gerade  Linie  als  Gattung. 
In   dem  Begriffe   der  Linie  liegen  vollständig  die  gemeinsamen  Merkmale 

^)  In  Fichte  „Über  den  Begriff  der  Wissenschaftslehre",  Weimar  1794,  heißt 
es  S.  42  Anm.:  „Eine  Frage  an  die  Mathematiker.  —  Liegt  nicht  der  'Begriff  des 
•Geraden  schon  im  Begriffe  der  Linie  ?    Gibt  es  andere  Linien    als  gerade  ?    und  ist  die 

Hkrbarts  Werke.     XIX.  5 


66  Nachtrag  zu  1795. 


der  geraden  und  aller  nicht  geraden  Linien,  aber  durchaus  nicht  die  be- 
sondern Merkmale,  wodurch  die  geraden  und  alle  nicht  geraden  Linien 
sich  voneinander  unterscheiden:  es  giebt  allerdings  andere  als  gerade 
Linien,  und  nicht  allein  die  krumme,  sondern  jede  Linie  überhaupt  ent- 
hält (ist  nicht)  eine  Zusammenreihung  unendlich  vieler  unendlich  naher 
Puncte. 

Es  giebt  ein  noch  höheres  Geschlecht  von  Ausdehnung  in  die  Länge 
ohne  Breite,  das  außer  den  Linien  die  Zusammenreihungen  einzelner 
abstehender  Puncte  als  Gattung  unter  sich  begreifft;  eine  solche  nicht 
stetige  Zusammenreihung  ist  entweder  gebogen  oder  ungebogen,  je  nach- 
dem sie  eine  durch  alle  ihre  Puncte  zu  ziehende  gerade  Linie  möglich 
oder  unmöglich  macht :  der  Begriff  des  Geraden  wäre  also  mit  dem  auf 
die  Linie  angewandten  Begriffe  der  ungebogenen  Länge  einerley,  und 
letzterer  setzt  den  Begriff  von  Länge  ohne  Breite  aber  nicht  den  Begrifi 
von  Linie  voraus,  sofern  solche  ein  Stetiges  ist.  Unter  dem  Begriffe  des 
Ungebogenen  überhaupt  steht  auch  der  Begriff  des  Ebenen,  wo  jener  auf 
die  Fläche  angewandt  ist. 

Es  lassen  sich  außer  den  Flächen  noch  andere  Ausdehnungen  in 
die  Länge  und  Breite  gedenken,  welche  Zusammenreihungen  von  Linien, 
die  nicht  in  eine  gerade  Linie  fallen,  enthalten,  oder  statt  der  zusammen- 
gereiheten  Linien  bloße  Zusammenreihungen  von  Puncten,  und  jene  ge- 
hören zusammen  mit  den  Flächen  unter  ein  höheres  Geschlecht  von  Aus- 
dehnung. 

Auf  eine  ähnliche  Weise  sind  Ausdehnungen  in  die  Länge,  Breite 
und  Höhe,  die  also  nicht  in  eine  ebene  Fläche  fallen,  und  durch  Zu- 
sammenreihungen II  von  Flächen,  oder  von  andern  Ausdehnungen  in  die 
Länge  und  Breite  vorgestellt  werden,  mit  dem  Körper  unter  einem  höheren 
Geschlechte  begriffen. 

Diese  Betrachtungen  führen  auf  Elemente  von  Zusammenreihungen, 
welche  bey  Linien,  Flächen  und  Körpern  als  stetigen  Ausdehnungen  nicht 
statt  finden:  nemlich  a.\ii  Lä)igemveite  zwischen  zwey  Puncten,  dMi  Flächen- 
weite  zwischen  drey  Puncten,  die  nicht  in  gerader  Linie  liegen,  und  auf 
Körperweiie  zwischen  vier  Puncten,  die  nicht  in  einer  Ebene  liegen. 

Auf  ähnliche  Art  lassen  sich  die  Winkelausdehnungen  behandeln ;  die 
letzte  Grenze  aller  Winkelausdehnung  ist  der  Radius,  der  Strahl,  d.  i. 
eine  gerade  Linie,  die  vom  Winkelpuncte  aus  ohne  Aufhören  verlängert 
werden  darf;  zwischen  zwey  Strahlen  eines  Winkelpuncts  ist  die  Winkel- 
fläche nweite ;  sie,  und  Zusammensetzungen  aus  mehreren  ihrer  Art,  und 
die  Winkelflächen  gehören  unter  ein  Geschlecht;  zwischen  zwey  Winkel- 
ausdehnungen dieses  Geschlechts  oder  zwischen  drey  Strahlen,  die  nicht 
in  Einer  Ebene-  liegen,  ist  die  Witikeikör perweite;  diese  Weite  als  Element, 
nebst  Zusammensetzungen  von  Elementen  dieser  Art  und  die  Winkelkörper 
gehören  abermals  unter  Ein  Geschlecht.     Es  ist  eine  vollständige  Theorie 

sog.  krumme  Linie  'itwas  andres,  als  eine  Zusammenreihung  unendlich  vieler,  unendlich 
naher  Punkte?  Der  Ursprung  derselben,  als  Grenzlinie  des  unendlichen  Raumes  .  .  . 
scheint  mir  dafür  zu  bürgen;  und  es  wird  daraus  klar,  daß  und  warum  die  Aufgabe, 
sie  durch  eine  gerade  Linie  zu  messen,  unendlich  ist,  .  .  .  Gleichfalls  wird  daraus  klar, 
warum  die  gerade  Linie  nicht  definieren   läßt.'' 


1 


Nachtrag  zu   1795.  6? 


dieser   Elemente    möglich,    welche   mit    Recht    ein    System   der    Elementar- 
geometrie  heißen   könnte.      Hiebey   ein    Bruchstück   aus   der   Theorie  der 


geraden   Linie, 


1.  Erklärung.  Ungebogen  ist  eine  aus  zwey  Längenweiten  AB,  BC 
zusammengesetzte  Strecke  ABC,  wenn  die  Längenweite  A C  gegen  die 
Längenweiten  AB,   BC  ein  Größtes  ist;  gebogen,  wenn  sie  kein  Größtes  ist. 

2.  Erklärung.  Ein  Größtes  ist  ein  Großes,  das  kleiner  aber  nicht 
größer  werden  kann. 

Anmerkung.  AC  ist  entweder  >  AB  +  BC,  oder  <AB  +  BC, 
oder  =AB  +  BC;  einen  vierten  Fall  giebt  es  nicht,  weil  AC,  AB,  BC 
von  gleichartiger  Größe  sind.  ||     , 

I.  Axiom.     AC>AB  +  BC  ist  unmöglich 

1.  Postulat.     AC<AB  +  BC  ist  möglich 

2.  Postulat.     AC  =  AB-|-BC  ist  möglich. 

1.  Lehrsatz,  AC  ist  ein  Größtes  gegen  AB,  BC,  wenn  AC  =  AB 
+  B  C;  denn,  wenn  AC  =  AB-1-BC,  so  kann  AC  <AB  +  BC 
werden,  also  überhaupt  kleiner  werden;  aber  nicht  >  AB  +  BC,  also 
überhaupt  nicht  größer. 

2.  Lehrsatz.  AC  =  AB  +  BC,  wenn  AC  gegen  AB,  BC  ein  Größtes 
ist;  denn  alsdann  ist  AC  nicht  <AB-f-BC,  sonst  könnte  es  =AB 
-[-  BC  also  überhaupt  größer  werden,  gegen  die  Voraussetzung;  und  AC 
ist  auch  nicht  >AB  +  BC,  weil  solches  unmöglich;  folglich  ist  AC, 
als  Größtes,  =  AB  +  BC. 

Coroll.  Also  ist  ABC  ungebogen,  wenn  AC  =  AB-j-BC,  und 
■A  C  =  A  B  4-  B  C,  wenn  ABC  ungebogen  ist. 

3.  Erklärung.  Eine  Linie  ist  gerade^  wenn  jede  drey  Puncte  auf 
ihr  eine  ungebogene  Strecke  bestimmen;  krumm,  wenn  sie  keinen  geraden 
Theil  hat. 

2.  Axiom.  Es  ist  nur  Ein  Punct  B  möglich,  der  AC  =  AB-|-BC 
macht,  bey  gegebener  Lage  AC,  und  gegebenen  Längen  AB,  A  C,  oder 
BC,  AC. 

3.  Axiom.  Es  ist  nur  Ein  Punct  C  möglich,  der  AC  =  AB-[-BC 
macht,  bey  gegebener  Lage  AB,  und  gegebenen  Längen  AB,  BC. 

Coroll.  In  einer  ungebogenen  Strecke  ABC  ist  demnach  die  Lage 
jeder  zwey  Weiten  unveränderlich,  sobald  die  Lage  der  übrigen  Weite 
unveränderlich  ist,  und  wird  nothwendig  verändert,  sobald  jene  ver- 
ändert wird. 

Die  mancherley  Erklärungen  der  geraden  Linie  lassen  sich  sämtlich 
aus  der  hier  gegebenen  Erklärung,  und  aus  der  Theorie  der  ungebogenen 
Strecke  herleiten. 

INach  Euclid  ist  linea  recta,  quae  ex  aequo  {l'i  \oov)  sua  interjacet 
puncta;    das  kann  nicht  von  der  Lage,    sondern  muß  von  der  Größe  der 


68  Nachtrag  zu   1795. 


Linie  verstanden  werden ;  die  gerade  Linie  ist  hiernach  gleich  dem  ||  Ab-  ' 
Stande  ihrer  Grenzpuncte  voneinander,  zwischen  welchen  sie  liegt,  da  ' 
hingegen  jede  nicht  gerade  Linie  größer  als  dieser  Abstand  ist. 

Nach  Archimedes  ist  die  gerade  Linie  die  kürzeste  zwischen  zwey  1 
Puncten,  weil  AB  +  BC<AC  unmöglich,  also  AB4-BC=AC  für  i 
jede  drey  Puncte  A,  B,  C  in  der  geraden  gegen  AC  nothwendig  ein  ' 
Kleinstes  ist. 

Plato's  Erklärung,  recta  est,  cujus  media  obumbrant  extrema,  setzt 
gerade  Lichtstrahlen  voraus,  ist  also  nicht  theoretisch,  sondern  empirisch. 
Nach  WoLFF  ist  in  einer  geraden  Linie  jeder  Theil  dem  Ganzen  ähnlich, 
wenn  nemlich  im  Ganzen  AC  =  AB-)-BC,  und  ein  Theil  AB  =  ab 
+  bc;  und  ab:bc=AB:BC,  so  ist  ac  :  ab  :bc=  AC  :  AB  :  BC.  I 

Eine  gerade  Linie  ist  ferner  diejenige,  deren  Theile  alle  nach  einerley 
Richtung  sich  erstrecken,  nach  Karsten  ;  deren  Puncte  alle  nach  einerley 
Gegend  liegen,  nach  Kästner,   welche  man  nur  auf  einzige  Art  zwischen 
zwey    Puncten    sich   gedenken   kann,  nach  Klug  EL;    welche   nach  einerley      j 
Strecke    zwischen  ihren  Grenzen  liegt,   nach  Joh.  Carl  Schulze;  welche      ; 
von   ihrem   Anfang   bis   zu   ihrem    Endpunct   einerley    Richtung  hat,    nach       1 
Mönnich;  welche  als  Grenze  einer  Fläche,  die  um  ihre  zwey  Endpuncte       ; 
sich  dreht,  gedacht,  in  allen  Puncten  unbeweglich  bleibt,  nach  J.  H.  Voigt.       i 
Diese   sechs  Erklärungen   beziehen  sich  sämtlich  auf  die  Lage  der  Theile, 
und  lassen  sich  aus  dem   2   und  3ten  Axiome  herleiten.        H[erbart.]  | 

710.    Nachtrag  zu  Nr.  1.^) 

Die    12    ersten   Stifter   der    Oesellschaft  der  Freien  Männer   sind,    in    alpha-       ' 
betischer  Reihenfolge  ||  aufgezählt,  folgende:  Baernhoff  aus  Riga,  Berger  aus  Copen-       j 
hagen,  Krüger  aus  Lüneburg,   Lindner  aus  Mitau,   Meister  aus  Bremen,  Porret  aus       | 
Dijon,   Pesarovius   aus   Livlaad,  Petersen  aus   Livland,  Pohrt  aus  Riga,  Smidt  aus 
Bremen,  Stegemann  aus  Riga  und  Vegesack  auch  aus  Livland. 

Dann  sind  weiter  m  die  Gesellschaft  aufgenommen  | 

1794:   Juni  18   Möller   aus   Copenhagen,   Juli  2   Pfeiffer  aus  Bonn,   August  6       1 
Breuning  aus  Bonn,  Sept  17  Hörn  aus  Livland,  Nov  12  Gramer  aus  Zürich,  Tripplin       ' 
aus  Weimar,  Nov  26  Koppen  aus  Lübeck,   Rerhart  aus  Oldenburg.     1795:  Jun  29 
Morn   aus  Braunschweig,   Rosenkranz   aus  üdensee,   Pebr  10  Reimers  aus  Livland,       ' 
März  12  Kaufmann  aus  Danzig,   Juni  1   Spiegel  aus  Braunschweig,   Juni  19  Floret 
aus   Bonn,   Äug  13   Böhlendorff   aus   Cuiiand,   Nov  25   Rist  aus   Holstein.     1796:       ; 
Jan  13  Thiel  aus  Livland,   Jan  27  Gries  aus  Hamburg,    Febr  11  Remer  aus  Braun-       ' 
schweig.   Mai  28  Meyer  aus  Holstein,   Juni  9  Meinert  aus  Böhmen,   Juni  80   Steck 
aus  Bern,  Fischer  aus  Bern.     1797:  Muhrbeck  aus  Pommern,  Eschen  aus  Holstein, 
März  20  Schildner  aus  Pommern,  März  22  Mai  aus  Bern,   Juni  29  Hofmeister  aus       1 
Braunschweig,  Nov  1  Erichson  aus  Pommern.     1798:  März  7  Hülsen  aus  Pommern,       | 
Juli  4  Callisen  aus  Holstein,  Aug  8  Germar  aus  Holstein,  Sept  12  Kocher  aus  Kiel.       | 
1799:  Febr  11  Ziemfen  aus  Greifswald,  Febr  27  Dresler  aus  Nassau. 

Noch    wird    im   Protokoll    bemerkt,    daß    Herbart    am    22.    März    1797    bey       ; 
seiner   damaligen  Abreise  in  die  Schweiz   eine   Abschiedsrede   an   die   Gesellschaft 
gehalten.  i 
j 

^)  Nachträglich  ist  ein  Protokollauszug  ans  Licht  gekommen.  Ich  verdanke  j 
ihn  Hrn.  Richter  Dr.  Smidt  in  Bremen.  ■ 

i 

1 


Nachtrag  zu   1795.  69 


711.     Breuning  an   H.     (4  S.    S".     N.)  Mergentheim  d  29ten  Oktober  1795. 

Lieber  Herbart!  wenn  icii  deiner  Nachsicht  nicht  gewiß  wäre,  so  würd'  ich 
in  der  größten  Verlegenheit  seyn.  ich  würde  mein  langes  stillschweigen  zu  ent- 
schuldigen suchen,  ohne  doch  vielleicht  mir  einen  trifftigen  grund  vorzubringen. 
Doch  ich  kenne  deine  gute  imd  ich  versichere  dir  nur,  daß  mein  langes  schweigen 
keine  Wiedervergeltung  des  deinigen  seyn  sollte. 

Deinen  Brief  hab'  ich  Ende  September  in  göttingen  erhalten,  und  gegen  den 
8ten  Oktober  reiste  ich  ab.  Ich  bin  für  itzt  noch  in  mergentheim  u.  werde  wohl 
noch  einige  wocheu  dort  bleiben,  doch  weiß  ich  nichts  gewiß;  eben  so  wenig  weiß 
ich  gewiß,  ob  ich  nach  wien  gehe,  vielleicht  reis'  ich  nach  wezlar.  diejenigen 
von  denen  doch  einestheils  die  entscheidung  abhängt,  wissen  selbst  was  das  beste 
ist.  heute  meynen  sie  dies  morgen  jenes,  ich  befinde  mich  indessen  noch  ganz 
wohl  hier,  zwar  schläft  meine  denkkiaft  hier  beynahe  ganz  dafür  aber  üb"  ich 
meine  empfindung.  spaß  bey  seite  —  mich  freut  mein  leben  hier,  und  auf  eine 
kurze  Zeit  ist  es  mir  sehr  angenehm.  —  ||  ich  werde  daher  auch  hier  keine  philo- 
sophische Unterhaltung  mit  dir  anknüpfen,  denn  für  nun  sind  keine  ideen  in  mir 
rege:  auch  kannst  du  leicht  denken,  daß  bey  jneinen  vielen  andern  beschcäftigungen 
mir  wenig  zeit  zu  einem  zusammenhängenden  denken  bleibt,  ich  sehe  aber  gar 
nicht  ein,  was  dich  abhalten  könnte,  mich  auf  deine  Spitzenwege  zu  leiten,  besonders 
auf  den,  der  weiter  zu  führen  scheint.  Du  bist  den  weg  schon  gegangen  hast  ihn 
dir  aufgezeichnet,  und  würdest  mir  auch  einen  kurzen  Riß  eine  general  charte  darüber 
vorzulegen  im  stände  seyn.  wie  viel  vergnügen  du  mir  dadurch  verheißen  würdest, 
will  ich  dir  nicht  sagen,  bedenke  aber  nur.  durch  wie  viele  dinge  meine  philo- 
sophische ideenreihe  immer  unterbrochen  werden  muß,  so  kannst  du  leicht  ein- 
sehen, welchen  dienst  mir  der  erweiset,  der  eine  mir  wieder  anknüpft,  ich  weiß 
nicht,  ob  ich  dir  es  schon  gesagt  habe,  daß  mir  in  dieser  rücksicht  die  litterairische 
gesellschaft  besonders  wehrt  war.  aber  ich  versichere  dir,  daß  ich  oft  in  ihr,  und  |[ 
ihren  oft  nichtssagenden  Unterhaltungen  viele  ideen,  die  mich  weiter  geführt  erhascht 
habe.  Das  ist  auch  die  Ursache,  warum  ich  ihre  erhaltung  wünsche,  warum 
Berger  ihre  trennung  anräth  ist  mir  ganz  begreiflich.  Es  ist  dieselbe  Ursache  mit 
derjenigen  aus  welcher  er  mir  nicht  mehr  schreibt  er  sieht  daß  weder  ich  noch 
die  litterarische  gesellschaft  seinen  revolutionairen  sinn  annehmen  werden.  Schon 
bei  Abfassung  der  Gesetze  hatte  ich  darüber  streit  mit  ihm,  er  wollte  die  gesell- 
schaft so  eingerichtet  wissen,  daß  in  ihr,  die  mitglieder  für  das  künftige  leben  zu 
einem  thätigen  wirken  verbunden  würden,  ich  glaubte,  daß  so  aller  nutzen  würde 
weggefallen  seyn,  und  hintertrieb  die  Sache,  ich  sprach  überall  dagegen,  und  nach 
meinem  willen  wurden  die  gesetze  nach  einem  andren  plane  entworfen,  von  dieser 
Zeit  aber  waren  alle,  außer  Smidt  und  Bärnboff  gegen  mich.  Stegmann  moller  be- 
sonders . . .  ersterer  wollte  Stclair*)  und  Consorten  hinembringen,  welche  mich  wieder- 
sprach: jetzt  haben  sich  diese  wie  du  schreibst  zurückgezogen,  und  Berger  rathet 
euch  auseinander  zu  gehen ....  sie  sehen  daß  ihr  euch  ihren  Absichten  nicht 
fügen  wollt.  II  Floret  sagte  mir  in  Göttingen,  daß  Schellenberg  die  gesellschaft  für 
die  ich  im  winter  gesetze  entworfen  zu  stände  gebracht  habe,  du  würdest  mich 
verbinden,  wenn  du  mir  davon  nähere  und  mehrere  nachricht  geben  wolltest,  ich 
mögte  gar  zu  gerne  wissen,  was  unter  der  anleitung  eines  solchen  menschen 
möglich  wäre.  —  und  hiennit  lebewohl,  ich  habe  dir  für  heute  nichts  mehr  zu 
schreiben,  es  müßte  dann  die  Versicherung  seyn,  daß  ich  eine  baldige  antwort  von 
dir  wünsche.  Christoph  von  Breuning  Candidat  en  droits  ä  Mergentheim. 


^)  Stclair  =  Saint  Clair,   falsche  Schreibung  für  Sinclair,  Hölderlins  Freund. 


«70  Nachtrag  zu   1795. 


Da  sich  dieser  Brief  bis  auf  den  1.  9ber  verspätet,  so  muß  ich  auf  eine 
baldige  Antwort  von  dir  verzieht  thuen  und  dich  bitten,  mir  erst  zu  schreiben,  wenn 
du  durch  Floret  meinen  Aufenthalt  und  meine  Adresse  erfahren  haben  wirst.  Sonst 
mögte  mir  Dein  Brief  verloren  gehen,  denn  auf  das  Nachschicken  von  hier  kann 
ich  so  sicher  nicht  rechnen;  auch  weiß  ich  daß  es  unbescheiden  ist  und  wäre  zu 
fordern  daß  du  mit  umgehender  Post  antwortetest.     Also  warte! 

712.     Fntz  Hörn')  an  H,     (3  S.    4°.     N.)       Braunschweig  den  20  Dezemb.  95 

Soll  ich  mich,  lieber  Herbart,  wegen  meines  langen  Seumens  entschuldigen, 
oder  Dir  Vorwürfe  machen,  daß  Du  eigensinnig  mir  nicht  eher  etwas  von  Dir 
hören  lassen  willst,  bis  ich  es  der  Regel  nach  vorher  gethan?  Floret  wird  mich 
schon  entschuldigt  haben;  denn  als  ich  an  ihn  schrieb,  überraschte  mich  die  Zeit, 
die  ich  zu  einem  Briefe  an  Dich  be.stimmt  hatte;  ich  trug  es  ihm  deshalb  auf,  Dich 
zu  bitten,  mich  nicht  darunter  leiden  zu  lassen,  und  mir  zugleich  mit  Floret  etwas 
Nachricht  von  Dir  zu  geben.  Hierauf  rechnete  ich,  bis  ich  von  Floret  einen  Brief 
allein  bekam.  Jetzt  muß  ich  dann  wohl  nachgeben  und  Dich  bloß  bitten,  es  bald 
wieder  einzubringen,  und  mir  recht  umständlich  von  Dir  und  alle  dem,  was  mich 
in  Jena  interessirt,  zu  referiren.  Hierunter  rechne  ich  vorzüglich  den  Zustand 
unserer  Gesellschaft,  Fichtens  Kollegien  besonders  sein  Naturrecht  und  Deine  Er- 
wartungen von  demselben.  Ihr  Jenenser  müßt  unser  einen  wie  den  auf  ein  wüstes 
Eiland  Verschlagenen  ansehn,  der  kümmerlich  sein  Leben  von  den  Trümmern  ge- 
scheiterter Schiffe  erhalten  muß,  die  der  Wind  ans  öde  Ufer  treibt.  Könntet  Ihr 
nicht  einmal  von  Eurem  Überflusse  ein  Schiffchen  befrachten,  und  es  uns  zuschicken? 

Wie  ich  hier  lebe?  Im  Ganzen  gut,  so  gut  als  es  sich  bei  der  Trennung  von 
dem  Cirkel  solcher-  Menschen  und  bei  dem  Entbehren  solcher  Kost  leben  läßt.  Ich 
habe  hier  manchen  ehemaligen  Freund  wiedergefunden,  der  mir  noch  werth  ist; 
verschiedene  Beschäftigung,  Glaube  und  Interesse  haben  sich  aber  zwischen  einige 
gedrängt.  Von  Natur  zwar  nicht  unfähig-  zu  Ideen,  haben  sie  leider  das  Alter  der 
Zeugungskraft  doch  ungenutzt  vorüber  gehen  lassen;  und  die  etwa  erzeugten  sterben 
wieder  ab  aus  Mangel  an  Pflege.  Jetzt  halten  sie  frühen  Tod  für  das  unvermeid- 
liche Schicksal  dieser  liebUchen  Kinder  und  sind  gutmüthig  genug,  wegen  des 
künftigen  Schmerzes  den  zu  bedauern,  der  noch  mit  Vaterliebe  an  ihnen  hängt, 
und  sie  groß  ziehen  will.  Mögte  ich  doch  nie  dieses  Unvermeidliche  fühlen  und 
kinderlos  mich  selbst  überleben  lernen.  Wer  ohne  sie  leben  soll,  muß  nie  mit 
ihnen  gelebt  haben.  —  Verschiedene  meiner  Freunde  können  sich  doch  des  Wunsches 
nicht  erwehren,  zu  irren,  und  hierauf  würde  ich  meine  Hoffnung  bauen,  wenn 
nicht  die  Zerstreuungen  des  bürgerlichen  Lebens  im  Wege  ständen.  Ich  muß 
Bergern  beistimmen;  unser  bürgerliches  und  gesellschaftliches  Leben  scheint  ganz 
dazu  eingerichtet,  um  den  Menschen  in  seinem  Wachsthum  Einhalt  zu  thun.  ||  Den 
Vortheil  desselben  müssen  wir  zu  theuer  erkaufen;  um  das  Unsrige  zu  sichern 
müssen  wir  dem  Wächter  mehr  geben,  als  uns  die  Diebe  nehmen  können.  — 

Man  hat  seit  einiger  Zeit  von  dem  Vortheile  der  Aufhebung  aller  Akademien 
gesprochen.  —  Ich  kann  unmöglich  beistimmen.  Sollte  nicht  der  Vortheil:  eine 
Weile  ganz  von  der  gewöhnlichen  bürgerlichen  Lebensart  entfernt,  und  von  ihrem 
Zwange  und  von  ihren  Zerstreuungen  dispensirt,  sich  selbst  und  seine  Kräfte  erst 
einmal  zu  sammeln,  um  bei  der  Rückkehr  in  dieselbe  als  ein  Fremder  und  nicht 
mehr  als  Parthei  in  eigner  Sache  sie  betrachten  zu  können,  sollte  dieser  Stutzen 
nicht  wenigstens  für  den  überwiegend  sein,    der   seiner  Beschäftigung   nach   sein 

^)  Der  0.  S.  54  Anm.  1  und  in  Bd.  I,  S.  XXXII  erwähnte  spätere  Senator  in 
Bremen. 


Nachtrag  zu   1795.  71 


ganzes  Leben  in  und  mit  ihr  zubringen  muß?  Die  Macht  der  beständigen  Ge- 
wohnheit (vis  inertiae)  der  ich,  um  nicht  mit  Kant  ein  böses  Prinzip  im  Menschen 
anzunehmen,  gern  alles  Übel  zuschreiben  möchte,  macht  uns  sonst  gewiß  blind 
gegen  alle  Mängel. 

Daß  ich  Euch  in  dieser  Rücksicht,  wenn  ich  das  Glück  des  Umganges  auch 
nicht  mitzählen  wollte,  meine  jenischen  Freunde  und  unsere  litterärische  Gesellschaft 
sehr  vermisse,  wiret  Du  mir  leicht  glauben.  Schon  die  lebendige  Mittheilung  gegen- 
wärtiger Freunde,  deren  Denk-  und  Handlungsweise  wir  kennen  ist  doch  ganz  etwas 
anderes,  wirkt  kräftiger  und  lebendiger  als  —   wie  Lessing  so  walir  sagt  — 

die  kalte  Buchgelehrsamkeit,  die  sich 

mit  todten  Zeichen  ins  Gehirn  mir  drückt. 

Dieses  ist  freilich  für  die  meisten  von  uns  jetzt  dahin!  —  Sollen  wir  aber 
mit  ihm,  auch  alle  andern  Vortheile,  die  vielleicht  eine  Fortdauer  oder  eines  Er- 
satzes fähig  sind  auch  aufgeben?  Das  gute  verschmähen,  weil  wir  das  Beste  nicht 
mehr  haben  können?  "Weil  die  schnelle  Wechselwirkung  aufgehört  hat,  soll  sie 
darum  ganz  gehemmt  sein?  —  werden  und  müssen  wir  uns  einmal  nicht  fremd 
werden,  wenn  wir  nicht  mehr  miteinander  gehen,  ja  wenn  einer  nicht  einmal  den 
"Weg  weiß,  den  der  andere  jetzt  wandelt?  haben  wir  uns  einmal  aus  den  Augen 
verlohren,  so  möchte  das  Wiederfinden  schwer  sein!  —  Diese  Gedanken  haben 
mich  schon  oft  beschäftigt,  und  ich  wünschte,  daß  die  Gesellschaft  es  mal  zum 
Vorwurf  ihres  Nachdenkens  machte,  ob  und  wie  diese  —  ich  darf  voraussetzen  für 
uns  Alle  unangenehme  Folgen  unseres  Zerstreutweidens  aufgehalten  werden  könnten. 
Ein  Mittel,  dis  wie  mir  scheint,  wenigstens  einige  derselben  auf  Hielte,  will  ich  Dir 
zur  Prüfung  mittheilen;  vielleicht  wird  es  Veranlassung,  daß  Du  oder  ein  anderer 
ein  zweckmäßigeres  findet. 

Wenn  bisher  Einer  von  uns  ein  Buch  oder  auch  nur  eine  Stelle  darin  vor- 
züglich merkwürdig  und  allgemein  interessant  fand,  so  theilte  er  freudig  diesen 
Fund  sogleich  den  übrigen  mit,  denen  es  sonst  vielleicht  beständig  ein  verborgener 
Schatz  geblieben  wäre.  Wie  viel  die  dadurch  veranlaßten  Gespräche,  und  selbst 
die  sich  einander  oft  widersprechenden  ürtheile  zur  Aufhellung,  Berichtigung  und 
Erweckung  der  Ideen  beitrugen,  wird  ein  Jeder  sich  selbst  am  besten  sagen;  das 
Urtheil  eines  jeden  unserer  Freunde  wurde  schätzbarer  und  nützlicher,  als  das 
eines  Fremden  uns  je  sein  konnte;  denn  wir  |j  kannten  seine  eigenthümliche  Vor- 
stellungsart und  konnten  deren  Einfluß  auf  sein  Urtheil  eher  berechnen.  —  So 
wurde  alles  Gemeingut;  man  hielt  Emdte,  auch  wo  man  nicht  gearbeitet;  durch 
Nehmen  wurde  man  reicher,  ohne  durch  Geben  ärmer  zu  werden.  —  Nun  dächte 
ich,  dieser  Vortheil  würde  größtentheils  bleiben,  wenn  auch  in  Zukunft  ein  jeder 
von  uns  die  ihm  vorkommenden  vorzüglich  merkwürdigsten  Bücher  oder  Stellen 
derselben  anmerkte,  ein  kurzes  nur  auf  das  Auszeichnende  desselben  sich  be- 
ziehendes Uxiheil  (also  keine  Recension  des  Buches)  beifügte,  und  am  Ende  eines 
Vierteljahrs  nach  Jena,  so  lange  die  Gesellschaft  dort  fortdauert,  schickte.  Diese 
sammelte  dann  die  Verzeichnisse  auch  von  den  anwesenden  Mitgliedern ;  und  dann 
würden  sie  au  die  Abwesenden  von  einem  zum  andern  geschickt.  Die  Auslagen 
für  Poilo  könnten  am  Ende  eines  jeden  Jahres  vertheilt  werden  —  Ich  denke  mir 
den  Nutzen  immer  wichtig  genug,  um  bei  der  Lektüre  die  kleine  Mühe  des  An- 
merkens  zu  übernehmen.  Auf  manches  merkwürdige,  sonst  vielleicht  unbekannt 
gebliebene  oder  durch  sein  Alter  schon  vergessene  Buch  würde  man  durch  die  Ver- 
zeichnisse der  übrigen  aufmerksam  gemacht;  fände  sein  eignes  Urtheil  oft  bestätigt 
oder  berichtigt;  und  verlöre  keinen  unter  uns  und  seinen  Gang  ganz  aus 
den  Augen. 


72 


Nachtrag  zu   1796. 


Solltest  Du  mir  beistimmen,  so  schlage  dieses  der  Gesellschaft  zur  Prüfung^ 
vor,  welche  den  Plan  weiter  ausführen,  ihn  berichtigen  und  das  nöthige  hinzu- 
fügen, und  dann  die  andern  abwesenden  Mitglieder  zur  Theilnahme  auffodern 
könnte.     Genugsam. 

AVie  lebst  Du  sonst?  doch  vergnügt?  Denkst  Du  noch  lange  in  Jena  zu 
bleiben;  wie  ist  der  Ton  jetzt  da;  hat  fichte  jetzt  viel  Beifall;  (empfiehl  mich  doch 
ihm  bestens).  Diese  Fragen  beantworte  mir  doch  bald,  grüße  alle  Freunde  herz- 
lich von  mir  und  vergiß  nicht,  Deinen     F.  Hörn. 

Hast  Du  keine  Nachricht  von  Smidt,  Bärnhoff,  Krüger,  Koppen?  u.  s. 

(Adr.  des  Briefes:    Dem  Herrn  Herbart  d[er]  R[echte]  Bef[lissenen]  in  Jena.) 

713.    Smidt  an  H.  (2  S.    4».     N.)  Bremen  d.  28.  Februar  1796. 

Lieber  Herbart!  Vor  ein  paar  Tagen  erhielt  ich  einen  Brief  von  Deiner 
Mutter  —  sie  schreibt  mir  daß  sie  in  Hinsicht  Deiner  jetzt  wieder  völlig  beruhigt 
sey  und  ladet  mich  ein  sie  um  Ostern  zu  besuchen  —  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  werde  ich  die  Einladung  annehmen,  doch  erst  nach  den  Festtagen  oder  in  der 
vollen  Woche  nach  Ostern.  Hast  Du  nun  noch  mündlich  Aufträge  an  Deine  Eltern 
oder  andere  Oldenburger  und  Oldeühwrgerinnen  (doch  —  Du  bist  noch  nicht  im 
40ten  Jahre!  — )  so  will  ich  es  getreulich  ausrichten  wenn  Du  mir  nur  zu  rechter 
Zeit  deswegen  schreibst.  —  Die  Einlage  war  mir  sehr  willkommen  —  Hörn  hatte 
mir  auch  schon  selbst  deswegen  geschrieben.  Es  freut  mich  daß  ihr  die  Gesellschaft 
nicht  wollt  untergehn  lassen,  ich  bin  mit  der  ganzen  Einrichtung  recht  wohl  zu- 
frieden —  nur  hättet  ihr  besser  gethan  die  Aufsätze  der  Auswärtigen  erst  um 
Johannis  anzusetzen  —  denn  schwerlich  werden  um  Ostern  viele  einlaufen  —  ich 
schicke  euch  gewiß  einen  aber  vor  Pfingsten  kann  ich  wohl  nicht.  Denn  meine 
Augen  sind  noch  so  arg  wie  in  Jena  —  ich  kann  nichts  rechts  arbeiten  —  aus- 
Minervas Tempel  bin  ich  eine  Zeitlang  exihrt  dagegen  hat  mich  aber  Apollo  in 
seinen  Schutz  genommen.  —  Alles  was  'ich  nur  sonst  zu  sagen  weiß  kann  ich 
jetzt  auch  in  Hexametern  und  Pentametern  sagen  —  ich  habe  hier  einen  Freund 
der  durch  mich  von  dieser  Seuche  angesteckt  ist,  und  dem  ich  täglich  nacheifern 
muß  wenn  er  nicht  einen  Vorsprung  vor  mir  gewinnen  soll  —  auch  erbaue  ich 
[zuweilen]  die  Bremer  durch  meine  Predigten  —  Orthodoxie  und  Heterodoxie  sind 
mir  gar  keine  gefährlichen  Klippen  mehr,  ich  spreche  immer  von  ernstlich  mensch- 
lichen Angelegenheiten  und  so  steure  ich  glücklich  mitten  ||  hindurch.  Für  unsre 
Gesellschaft  taugt  indeß  eine  Predigt  nicht  —  ihr  werdet  nichts  neues  daraus 
lernen  ^—  wenn  lauter  Theologen  drin  wären,  so  könnte  sie  euch  vielleicht  der 
Methode  wegen  interessant  seyn  —  das  ist  aber  für  die  anderen  langweilig.  Wenn 
mich  der  Geist  einmal  ergreifen  sollte,  so  schicke  ich  euch  vielleicht  ein  Gedicht 
oder  einen  anderen  Aufsatz  —  mein  Genius  will  aber  nicht  forcirt  seyn  deswegen  gönnt 
ihm  ein  wenig  Zeit  —  Von  Breuning  habe  ich  vor  14  Tagen  einen  Brief  aus  Wien 
gehabt,  ich  hätte  ihm  schon  geantwortet  aber  er  hat  mir  seine  Adresse  zu  schreiben 
vergessen.  Weiß  Floret  sie  nicht?  weiß  nicht  etwa  ein  Ungar  oder  Siebenbürgner 
Phlepsens  [Vj  Adresse?  Der  ist  auch  in  Wien  und  kömmt  bisweilen  zu  Breuning. 
Ich  will  über  acht  Tage  einen  Einschluß  an  Breuning  an  Floret  schicken  der  besorgt 
ihn  wohl  —  Grüß  alles  was  sich  mein  erinnert  von  Deinem  Smidt. 


Besorge  mir  das  Heft  von  Lossius  doch  bald!  —  Und  daß  es  leserlich  und 
vollständig  geschrieben  ist.  Schreib  mir  doch  etwas  von  Fichte  —  ich  hab  ihm  mit 
Haushalter  Wein  geschickt  —  hatte  aber  nicht  Zeit  dabey  zu  schreiben.  Grüß  ihn 
doch  und  seine  Frau. 


Nachtrag  zu   i;96.  -j-i 


714.    Rist  an  H.    (b  S.    4».    N.)  Kiel,  den  4ten  Mai  [1796]. 

Mein  Herbart  —  bist  Du  es  noch?  0  —  so  komm,  komm;  ehe  noch  mehrere 
Tage  und  Stunden  vergehen,  laß  mich  eilen,  mein  Herz  auszuschütten  gegen  Dich. 
Schon  zu  lange  entbehre  ich  Deines  trauten  Gesprächs  und  Freundesblicks;  und 
bedurft  ihrer  nie  fast  mehr,  als  in  den  Tagen,  da  sie  mir  fehlten. 

Gar  mancherlei  ist  mit  Deinem  Freund  vorgegangen,  seit  Du  ihn  nicht  ge- 
sehen hast,  und  mancherlei  in  ihm.  Nicht  war?  Das  hast  Du  vermuthet  und  hast 
recht  viel  an  ihn  gedacht?  —  Du  sollst  auch  wissen,  wie's  ihm  gewesen  ist.  Und 
ich  brauche  ja  nicht  zu  fragen:  Magst  Du's  auch  wissen.  Dir  ist  ja  nicht  gleich- 
gültig, was  mir  wichtig  ist.  Auch  wähle  ich  und  feile  nicht  sorgfältig,  fändest  Du 
auch  manches  zu  tadeln;  das  wäre  ja  ich  nicht,  wie  ich  bin  — ;  und  ich  versprach 
dies  Du  solltest  mich  ganz  so  haben  wie  ich  bin.  Meine  Sinnen,  meine  Gefühle 
sind  die  ganze  Zeit  her  immer  in  einer  gewissen  Spannung  gewesen,  die  zum  Theil  noch 
fortdauert,  mich  noch  —  Dank  dem  Himmel  —  nicht  ganz  den  akademischen  Frost 
fühlen  läßt.  —  Es  mag  eine  schöne,  reine,  stärkende  Kälte  seyn  —  aber  kalt  ists 
doch;  und  Frühliugsmilde,  Sommerwärine  weht  nur  in  den  AVohnungen  der  Menschen, 
wo  Kinder,  Greise,  Männer,  T\'eiber.  Jünglinge  und  Jungfrauen  mit  und  durcheinander 
hinleben  und  weben.     Tnd  hätt  ich. das  nie  gewußt,  ich  hält'  es  izt  gelernt. 

0,  Herbart,  wie  ist  mir  so  wohl  gewesen  in  den  väterlichen  Gefilden!  und 
wie  so  anders  wohl  als  sonst!  Was  hätt  ich  darum  gegeben,  Du  wärst  bei  mir  ge- 
wesen, hättest  theilen  können  meine  Ciefühle,  meine  Gedanken  —  ich  die  Deinigen. 
—  Denn  ich  habe  anders  gedacht  und  gefühlt,  als  sonst,  habe  in  meiner  vollen 
kräftigen  Menschheit  gelebt.  —  Du  hast  mich  nicht  recht  gekannt;  in  Jena  war 
ich  sehr  gednickt,  als  Du  mich  kennen  lerntest  —  an  Dir  —  an  Euch  richtete  ich 
mich  nach  und  nach  mehr  auf;  aber,  zehnmal  habe  ich  Dirs  gesagt;  ich  war  in 
Jena  immer  gedmckt,  —  durch  das  Cliina,  die  Gegend,  die  Lebensart,  die  Ab- 
geschiedenheit von  allen,  als  von  Euch.  —  Und  doch,  und  eben  darum  bin  ich  in 
Jena  viel  gewordan,  was  ich  sonst  nicht  geworden  wäre  und  doch  werden  mußte; 
und  darum  lieb'  ichs  und  danke  ihm.  Du '  weißt  ja,  was  in  mir  vorgegangen  ist 
unter  Deinen  Augen,  unter  Deinen  Händen,  mögt  ich  sagen;  aber  das  hast  Du  viel- 
leicht nicht  gesehn,  wie  das  nach  und  nach  alles  in  mir  lebendig  geworden  ist; 
denn  ich  konnte  nicht  handeln  —  kann  man  in  Jena  handeln?  Aber  als  ich  wieder 
in  die  "Welt  kam,  da  hättest  Du  mich  sehen  Ij  sollen,  wie  ich  anders  war,  als  .sonst, 
wie  ich  allenthalben  fester  und  sicherer  hintrat;  mit  Gefühl  von  mir  selbst,  das 
ich  mir  ernmgen  hatte;  wie  stolz  und  wie  demütig;  wie  viel  strenger  und  wie  viel 
duldender  und  bescheidener,  als  sonst.  0  wie  leicht  wird  man  einig  mit  andern, 
wenn  man  nicht  ewig  mit  sich  selbst  im  Zank  liegt. 

Du  kennst  meine  Alt;  ich  ging  still  und  gutmüthig  unter  den  Leuten  hin;  und 
so  waren  sie  mir  fast  alle  gut.  Ich  bin  lustig  mit  den  Frohen,  ernst  mit  den  Ernsten, 
und  weine  mit  den  Traurigen;  ich  schwatze  mit  dem  Weibe  und  räsonnire  mit 
dem  Mann;  und,  ich  würde  mich  schämen  es  zu  gestehen,  wenn  das  Zwang  oder 
Verstellung  wäre.  Nein  —  es  ist  warmer  Antheil,  und  Freude  an  allem  mensch- 
lichen, Freude  an  Übereinstimmung;  und  eine  gewisse  Vielseitigkeit,  die  mir  wenig 
Gefühle,  Zustände,  Leiden  und  Freuden  unbekannt  seyn  läßt.  Wohl  mir,  aber  daß 
ich  mir  selbst  in  allen  Lagen  unverkennbar,  und  in  meiner  ganzen  Ichheit  bleibe, 
und  nach  jeder  Unterredung,  jeder  Zusammenkunft  mir  zurufen  kann,  daß  ich  Mensch 
mit  Menschen  gewesen  bin.  — 

Mit  einem  Wort,  ich  war  von  allen  Seiten  offner,  empfänglicher  —  mein  Ich 
nach  allen  Seiten,  mit  allen  Kräften  thätiger,  es  mogte  in  der  wimmelnden  Stadt 
oder  im  schweigenden  Walde  seyn,  in  dem  ich  manche  Jugendstunde  verspielt  hatte, 


>!  A  Nachtrag  zu   1796. 


\vo  ich  als  Gespielen  und  mit  mir  aufgewachsne  Freunde  die  Stauden  und  Bäumchen 
—  als  ehrwürdige  Väter  und  G-reise  die  tausendjährigen  Eichen  begrüßte.  —  Die 
Pfarrkinder  meines  Vaters  freuten  sich  mich  wiederzusehn  und  boten  mir  treuherzig 
die  Hand.  Unter  dem  Namen  Johannes  kennen  sie  mich  noch  immer.  Und  nun 
mein  Vater  —  0,  ich  wollte,  Da  kenntest  ihn;  ein  edler,  thätiger  Mann;  warmer 
Freund  der  Vernunft  und  der  Aufklärung,  wenn  gleich  selbst  in  der  ärgsten  Barbarei 
erzogen.  Sage  mir,  mußt  es  nicht  unaussprechlich  angenehm  seyn,  über  Gegen- 
stände, über  die  ich  erst  mit  mir  einig  geworden  war,  auch  mit  ihm  mich  zu  ver- 
ständigen. —  Er  zwingt  nicht  und  räth  mir  nur.  Gewiß  was  ich  könne,  werd'  ich 
immer  auch  dürfen.  — 

Wahrlich  hier  vergingen  mir  3  "Wochen  schneller  als  Dir  die  Zeit  in  der  Du 
das  liesest.  An  Arbeiten  ward  nicht  gedacht;  ich  schrieb  mehrere  Briefe;  aber 
lesen  mögt  ich  auch  nicht  viel;  verdenkst  Du  mir  das?  Bei  meinem  Vater,  der  froh 
ist,  sich  wieder  aussprechen  zu  können  mit  dem  Sohn  —  in  und  bei  Niendorf 
interessante  Hamburgische  Familien,  wo  ich  gut  gelitten  bin,  Hambui-g  eine  Stunde 
von  mir;  und  rundum  mich  meine  liebe  väterliche  Gegend,  daß  ich  da  nicht  viel 
lesen  mogte.  —  0,  Dir  würde  gewiß  in  Oldenburg  auf  eine  Zeitlang  das  Lesen 
auch  vergehn!  — 

Begreiflich  find"  ichs  nun  aber  auch  sehr  wie  man  so  verschlungen  werden 
Kann  in  die  Freuden  und  Annehmlichkeiten  des  Philisterlebens,  daß  man  sie  zum 
Hauptzweck  macht,  ||  seines  Selbst  darüber  vergißt,  es  wenigstens  vernachlässigt. 
Darum  thut  jeder  der  wissen  will  wer  er  ist,  wohl  auf  eine  Zeitlang  mit  Christo  in 
die  Wüste,  oder  auch  auf  die  Akademie  zu  gehen;  aber  40  Tage  und  40  Nächte 
sind  auch  schon  für  lange  Zeit  genug  —  3  Jahre  zu  viel.  Sollte  in  3  Jahren  nicht 
einmal  der  Versucher  die  Oberhand  behalten?  An  dem  Verfall  desjenigen,  den  die 
Reize  des  gemeinen  Lebens  zum  gemeinen  Menschen  machten,  glaube  ich,  wären 
wohl  hauptsächlich  die  Frauenzimmer  schuld,  die  so  gern  und  so  leicht  ihre  Freunde 
in  ihre  angenehme  und  liebenswürdige  Beschrenktheit  hineinziehen,  ihnen  auch 
allenfalls  des  Opfer  auf  eine  andre  Art  zu  vergüten  wissen.  Lieber  sind  mir  aber 
immer  noch  diese  artigen  Wesen,  als  die  weiblichen  Stark-  und  Schöngeister  von 
Profession,  die  mit  einigen  Drachmen  der  erbärmlichsten  Poi^ularphilosophie  sich  für 
allgenugsam  halten.  Zum  Glück  kenne  ich  aber  doch  auch  einige  sehr  angenehme 
Frauenzimmer,  die  bei  weniger  Prätension  für  meine  liebsten  und  edelsten,  wenn 
gleich  etwas  ungewöhnlichen,  und  nicht  naheliegenden  Ideen,  nicht  nur  sehr  emp- 
fänghch  sind,  sondern  sie  fassen,  schmücken  und  weiter  führen  mögen.  Und  so, 
lieber  Herbart,  philosophirt  sichs  nicht  übel;  ich  denke  jeder  Philosoph  müßte  eine 
hübsche 'und  geistvolle  Frau  haben,  und  alles  erst  mit  ihr  überlegen,  dann  würden 
wir  ganz  andre  Dinge  zu  sehn  bekommen.  —  Die  Wissenschaftslehre  würde  auch, 
glaub  ich,  etwas  anders  aussehn,  und  das  reine  Ich  etwas  liebenswürdiger  seyn. 

Ich  übersende  Dir  hier  auch  so  ein  Wesen,  das  wie  eine  Spekulation  aussieht; 
wenn  ich  es  als  Zuschauer  von  fern  ansehe,  weiß  ich  nicht  recht,  was  ich  davon 
denken  soll;  wenn  aber  als  Ich,  so  muß  ich  bekennen,  daß  meine  völligste  Über- 
zeugung darin  herrscht.  Die  Idee  und  der  Anfang  der  Ausführung  entstand  schon 
in  Niendorf;  hier  erst  schritt  ich,  weil  ich  meine  —  wie  soll  ich  sagen  —  meine 
Regheit  und  Unruhe  nicht  zu  lassen  wußte,  —  zur  Eudigung.  Es  ist  das  Werk 
einiger  Stunden*);  was  kann  ich  auch  weiter  thun,  als  mich  darstellen  und  darnach 
priifen,  ob  ich  es  richtig  gethan  habe;  beides  hab'  ich;  vortheilhafter  hätt  ich  es  viel- 
leicht darstellen  können;  aber  durch  zu  vieles  Wiederkäuen  wird  mir  ein  solcher, 
an  sich  trockner  Gegenstand,  leicht  zuwider.    Sonderbar  ist,  daß  ich  wünschte  oder 

*)  Vgl.  Bd.  I,  362  ff.,  Herbarts  Bemerkungen  dazu  ebenda  S.  5  ff. 


Nachtrag  zu   179Ö.  75 


ahnte;  das  Resultat  werde  dahin  ausfallen,  wo  hin  es  gefallen  ist;  im  Fortgang 
meiner  Ideen  schien  gerade  das  Gegentheil  zu  resultiren ;  aber  das  war  mir  gleich ; 
dennoch  kam  es  zuletzt  wieder  auf  Vereinung  der  Ideale  hinaus.  Wenn  ich 
Schillere  ästh.  Br.  gelesen  hätte,  würd  ich  vielleicht  manches  anders,  vielleicht  alles 
nicht  geschrieben  haben;  ^^elleicht  aber  ist  es  auf  der  andern  Seite  gut.  Ihr  habt 
hier  itzt  mein  eigenstes  Produkt  u.  könnt  mich  darnach  beurtheilen.  Schreib  mir 
Deine  und  der  Gesellschaft  Meynung  daräber.  Glaubt  aber  nur  nicht,  daß  ich  ihr 
damit  meine  Schuld  für  dieses  Halbjahr  abgetragen  zu  haben  dächte.  || 

Ich  bin  diesen  Abend  gerade  8  Tage  in  Kiel,  die  mir  wunderschnell  vergangen 
sind.  —  Ganz  in  der  regsten  Fülle  meiner  Lebensgeister  kam  ich  hieher.  Solang 
ich  noch  kein  Zimmer  hatte,,  und  den  ei-sten  Tag,  als  ich  eins  hatte,  ging  das  alles 
gut  u.  ich  hatte  Unruh  und  Zerstreuung  die  Menge;  aber  nun  darnach,  als  ich 
einen  ganzen  Vormittag,  einen  ganzen  Nachmittag  so  ganz,  ganz  für  mich  allein 
hatte,  meynst  Du,  daß  ich  mich  zu  lassen  wußte.  Erst  ward  mir  so  trübe  —  dann 
auf  einmal  so  froh  und  so  stark  und  so  sehnend,  daß  ich  nach  Raum  suchte  für 
meine  Kraft.  Ich  wußte  vor  lauter  Begierde  zu  arbeiten,  oder  vielmehr  zu  wirken, 
nichts  anzufangen,  lief  im  Zimmer  umher.  Meine  wenigen  Bücher,  die  doch  aber 
alle  classisch  sind  und  so  reichen,  schönen  Stof  enthalten,  mögt  ich  nicht  ansehn, 
—  ich  konnte,  u.  kann  überhaupt  noch  nicht  gut,  und  habe  nie  recht  gut  gekonnt, 
über  fremder  Arbeit  ausdauern,  wo  ich  nur  auf  mir  spielen  lassen  muß  von  einem 
andern  Geist.  —  Und  nun  hatt"  ich  keinen  erträglichen  Menschen  den  ich  herrufen, 
an  dem  ich  mich  auslassen  konnte.  Ich  rief  so  ängstlich  alle  die  Guten  und  lieben 
her,  die  ich  eben  verlassen  hatte.  —  Ich  lief  im  Sturm  am  Meeresufer  hin  und 
her  — ;  endlich  fing  ich  aus  Verzweiflung;  aber  mit  vollem  warmem  Gefühl  an  zu 
philosophiren  über  Stof  und  Form  etc.  In  meinem  Muthwillen  fing  ich  nachher 
an,  den  dritten  Titel  des  ersten  Buches  von  —  Hellfelds  Pandekten  —  zu  studirenV 
Xein  —  auswendig  zu  lernen?  —  Nein  —  In  Hexameter  und  Pentameter  zu 
bringen,  so  gut  es  gehen  wollte.     Es  begann. 

Singe  iuristische  Muse  den  Sinn'  und  die  hohe  Bedeutung 
Der  dreimalheiligen  Lex,  weiche  uns  Roma  geschenkt. 
So  gings  fort;  der  §  83  fing  so  an: 

Nenne  sie  auch  die  zwei  Arten  des  nicht  geschriebnen  gesetzes! 
herkommen  so  heißet  die  eine;  man  nennet  die  andre  gewohnheit. 
Du  siehst  lieber  Herbart,  wie  schön  man  auch  die  trockensten  Gegenstände 
bearbeiten  kann.  Kurz  ich  war  ganz  ein  andrer  Mensch  als  sonst  —  wirklich  so 
voll  Drang  und  Kraft;  daß  ich  nun  nicht  mehr  über  diese  gemißbrauchten  ^^örter 
spotten  werde;  aber  woher  kams?  meinem  Streben,  meiner  Menschheit  fehlten  izt 
wieder  die  süssen  Abieiter  derselben;  andre  Menschen:  sie  mußte  sich  ganz  in  sich 
concentriren  und  in  sich  aufreiben.  —  Noch  izt  will  mir  kein  Buch  schmecken; 
u.  mir  ist  nicht  wohler,  als  wenn  ich  schmiere. 

Ah  --  ad  vocem  pandecten;  nicht  wahr,  Du  und  Gries,  ihr  hört  sie  doch 
auch?  —  Ich  höre  sie  frischweg,  bei  Gramer  von  8—10  in  einem  fort;  der  Mann 
ist  aber  so  vernünftig  nur  1  ^'^  Stunde  zu  lesen  und  sehr  oft  auszusetzen ;  so  reiste 
er  am  Montag,  mir  nichts,  dir  nichts  weg,  wir  erwarten  ihn  am  Dienstag  und  heute 
im  Auditorium;  er  kömmt  nicht;  endlich  hören  wir,  daß  er  bis  Sonnabend  verreist 
ist.  —  So  müssen  Pandekten  gelesen  werden!  —  Zu  dem  höre  ich  noch  Morgens 
von  7—8  4  Stunden  die  Woche  Cameral  Encyclopädie  bei  Niemann;  etwa  noch  ein 
publicum  u.  damit  holla!  Nach  10  Uhr  ist  ||  der  ganze  Tag  mein.  Um  1  Uhr  esse 
ich  allein  auf  meinem  Zimmer  zu  Mittag  —  mit  einem  Wort  —  ich  thue  alles  allein. 
Ich  habe  zwar  schon  einige  zufällige  Bekannte,  u.  ich  merke  überhaupt,  man  macht 


^5  Nachtrag  zu   1796. 


sich  hier  gern  an  einen  Jenenser;  aber  die  Leute  sind  mir  auch  so  zufällig,  daß  sie 
mir  nie  nothwendig  werden  können.  Mit  der  Zeit  hoffe  ich  ein  paar  von  den 
Leuten  an  die  mir  Berger  Grüße  auftrug,  kennen  zu  lernen;  bis  dahin  muß  ich 
mich  wohl  fügen.  .  —  Lieber  Herbart,  —  was  sind  das  hier  für  Menschen,  die 
Kieler  Studenten,  —  doch  gerade  auch  fast  alle  so  plump,  so  ungesittet  und  so 
trotzig  wie  ein  Bauernjunge  der  ein  halb  Jahr  in  der  Stadt  gewesen  ist.  Un- 
beschreiblich widrig  ist  mir  so  ein  Hörsaal  voll  solcher  Menschen,  wogegen  Kümmel- 
türken u.  Ungarn  Götter  sind.  Bei  ßeinhold  habe  ich  so  ein  120 — 30  zusammen- 
gesehn.  0  armer  Eeinhold,  wie  muß  Dir  zu  Mute  werden,  wenn  Du  denkst,  daß 
Schmid  in  Jena  ein  honorigeres  Auditorium  hat,  als  Du! 

Eeinhold  liest  seine  Aesthetik  2  Stunden  wöchentlich  publice  u.  ich  bin  schon 
2 mal  in  seinen  Vorlesungen  gewesen.  Er  hat  hier  großen  Beifall;  aber  ich  —  auch 
von  allem  was  ich  vorher  von  ihm  gehört  hatte,  abstrahirt  —  ich  mag  ihn  nicht. 
—  In  seinem  ganzen  Wesen  ist  mir  so  etwas  schlaffes,  ich  mögte  beinah  sagen  — 
schleichendes.  —  Sein  Ton  ist  nicht  menschlicher  Conversationston  wie  Fichtes 
sondern  wirklich  affektirt,  gedehnt,  schleppend  und  klagend.  Die  Verzerrungen 
seines  Gesichtes  zeigen  Kränklichkeit  und  Schwachheit  an,  —  und  seine  Aussprache 
ist  so  widrig  wieuerisch-weimarisch,  daß  sie  unausstehlich  wird.  Ueber  das  was  er 
sagte  will  ich  noch  nicht  urtheilen;  er  muß  sich  auch  wohl  sehr  zu  seinen  Za- 
hörern  herunterlassen,  wenn  er  verstanden  seyn  will,  vieles  wenigstens  hätte  Schmid. 
nicht  weitläuftiger  und  ausführlicher  erklären,  wiederholen,  umschreiben  können,  — 
Ehe  er  zum  Zweck  kömmt  holt  er  gewaltig  weit  aus.  Ueber  alles  das  aber  ein 
andermal  mehr,  wenn  ich  selbst  mehr  davon  weiß.  —  Aergern  mußte  es  mich  aber 
als  gestern  ein  paar  alberne  Kerle,  die  Fichtes  Glocken  mogten  in  der  Ferne  summen 
gehört  haben,  ganz  ernsthaft  versicherten:  gegen  Fichte  sei  ßeinhold  doch  gar  nichts, 
wenigstens  durchaus  kein  systematischer  und  spekulativer  Kopf.  Ich  antwortete: 
Ich  hätte  geglaubt,  daß  er  gerade  nur  das  wäre.  —  Es  scheint  mir.  als  ob  Reinhold 
hier  nicht  so  sehr  affabel  ist  wie  in  Jena,  wenigstens  wüßte  ich  nicht,  daß  Studenten 
Zutrit  bei  ihm  hätten;  er  ist  dafür  desto  mehr  in  Gesellschaft;  läßt  sich  aber  noch 
izt  Morgens  durchaus  nicht  sprechen. 

Daß  ich  auch  noch  keine  Briefe  von  Euch  habe!  Gries  muß  meinen  Brief 
doch  längst  schon  erhalten  haben.  —  Ich  bin  neugierig,  ob  Ihr  ausgereist  gewesen 
seid  oder  nicht.  —  || 

So  spät  es  auch  hinterher  kommen  mag,  lieber  Herbart,  ich  muß  immer  noch 
bedauern,  daß  Du  nicht  noch  den  letzten  frohen  Tag,  Abend  und  Morgen  bei  uns 
in  Gotha  mit  uns  theilen  konntest  —  daß  Du  uns  fehlen  mußtest!  —  Aber  freilich, 
der  Montag  Abend  war  der  herrlichste  aller  seiner  Brüder  —  ein  unvergeßlicher, 
unaussprechlicher  Abend,  —  wie  gewiß  wenigen  einer  geworden  ist.  —  Danke,  danke 
doch  noch  einmal  und  oft  noch,  allen  den  Guten  und  Lieben,  die  dabei  waren,  die 
ihn  verschönern  halfen.  — 

Vermuthlich  und  wenn  nicht  besondre  Hindernisse  mir  in  den  Weg  kommen 
wandre  ich  in  Pfingsten  nach  Plön  u.  Eutin,  u.  spreche  dort  Deinen  Freund  Lang- 
reuter.    Bis  dahin  gedulde  Dich  —  dann  schreib  ich  Dir  von  ihm. 

Herbart  —  wann  werd'  ich  Dich  wieder  sehn?  0  —  wärst  Du  hier,  nur  einer 
von  Euch  —  wie  wollt  ich  hier  glücklich  loben;  wie  viel  fester  würden  wir  uns 
aneinander  schließen.  —  Komm,  komm  hieherl.  Ich  habe  Dir  noch  soviel  zu  sagen; 
und  es  ist  hier  besser  Leben  als  in  Jena,  wenn  man  nur  einen  Freund  hat.  —  Es 
ist  hier  alles  kräftiger  und  freier  als  dort;  das  Land,  die  Menschen.  Hier  erst,  in 
Holstein  erst,  fühl'  ich  mich  körperlich  stark  und  kräftig  wieder.  In  Jena  war  ich 
niemals  krank,  konnte  mich  aber  auch  keiner  ächten  Gesundheit,  keiner  Lebensfülle 
freuen.  —  Komm  —  komm!  —  Ach,  Du  kömmst  doch  nicht!  — 


Nachtrag  zu  1796,  77 


I 


Ich  muß  dich  bitten,  ob  ich  gleich  hoffe,  daß  es  überflüssig  ist,  —  schreib 
mir  ja  nicht,  antworte  mir  nicht  —  bis  Du  mit  völliger  Freiheit  und  Freude,  bis 
Du  mit  gestärktem  Auge  es  ohne  Beschwerde  kannst.  Aber  w^enn  Du  schreibst,  so 
schreibe  mir  auch  von  unsrer  (xesellschaft  —  was  mit  ihr  vorgegangen;  ob  jemand 
aufgenommen  ist? 

Liebe  mich,  lebe  wohl,  grüße  unsre  Freunde.  J.  Rist. 

P.  S.  Deine  Briefe  schicke  nur  geradeswegs  nach  Kiel  mit  der  reitenden  Post 
Montag  u.  Freit.  Abends.  An  J.  Rist,  addr.:  H.  Iverßen  am  Markt.  Nicht  wie  ich 
Ories  geschrieben  hatte,  erst  an  meinen  Bruder  in  Hamburg;  das  würde  doppelte 
Weitläuftigkeit  geben.  —  Sage  das  Grießen  auch.  Inliegende  Briefe  darf  ich  Dich 
ja  wohl  bitten  zu  bestellen.  ^-  Den  für  Hörn  gib  allenfalls  nur  an  Gries;  u.  ich 
lasse  ihn  bitten  daß  er  ihn  ihm  zustellt.  — 

715.  Ricklefs  an  H.    (2  S.   4°.    N.)  Oldenburg  1.  Nov.  1795 

716.  An    Gries.      (i    Zettelchen.     N.)  (Ohne  Datum.      1796?), 
Lieber  Gries!    Ich  war  gestern  Abend  auf  Deinem  Zimmer  der  Gast 

eines  Dritten;  bey  der  Gelegenheit  hoffte  ich  einmal  w^ieder  —  wenigstens 
eine  von  den  Kleinigkeiten  von  Dir  zu  erhalten,  durch  die  man  es  sich 
zu  sagen  pflegt  wenn  man  einander  gut  ist;  Du  weißt  warum  ich  jetzt 
dieser  Kleinigkeiten  bedarf.  Die  Hoffnung  täuschte  mich.  Indessen  was 
Du  nicht  von  selbst  giebst,  das  versagst  Du  doch  vielleicht  nicht,  wenn 
ich  Dich  darum  bitte. Floret  und  Böhlendorf  sind  diesen  Nach- 
mittag bey  mir.  Ist  Dirs  recht,  mit  uns  zu  trinken,  so  sage  der  Über- 
bringerin daß  ich  Dich  um  halb  2  Uhr  erwarten  dürfe.  —  Wäre  es  nicht, 
so  bitte  ich  Dich,  mich  so  bestimmt  als  möglich  die  Ursache  davon  wissen 
zu  lassen.  Dein  Herbart. 

717.  Groninger  an  H.     (2  S.    4«.    N.)   •  Berlin  4.  Febr.  96 

718.  J-  P.  E.  Greverus  (1789—1859)  an  H.    (10  S.   8°.    N.) 

(Ohne  Datum.    1796?) 

719.  F-  Fromm  an  H.     (4  S.    8».     N.)  Göttingen,  1.5.  Febr.  1796. 

(Einladung  zu  einer  gemeinschaftlichen  Rheinreise.) 

720.  Rist  an  H.     (3  S.    4«.    N.)  Kiel,  1.  Juni  [1796] 

721.  Reimers  an  H.     (3  S.    4°.    N.)  Dre.sdeti,  5.  Aug.  96. 

722.  Smidt  an  H.     (8  S.    4».     N.)  Bremen  10.  Aug.  96 
Lieber  Herbaitl     RecM  ärgerlich  ists  mir  daß  Deine  Briefe,  samt  dem  theuern 

Haushalter  der  nun  schon  2  mal  hier  gewesen  ist  ohne  daß  ich  ihn  mit  einem  Auge 
gesehen  Labe,  grade  um  die  Zeit  ankommen  mußten  wo  ich.  des  schönen  Nach- 
sommeis  auf  dem  Lande  genoß  und  mich  um  alles  was  in  der  Stadt  vorfiel  nicht 
bekümmerte  —  Wie  ich  vorgestern  hereinkam  war  H.  langst  fort,  ich  gehe  in 
einer  Stimde  auch,  wieder  hinaus,  und  will  bis  meine  Schwester  und  Schwager 
mich  abhohlen  die  noch  übrige  Zeit  mit  Dir  verplaudern.  Zu  einem  ausführ- 
lichen Briefe,  den  Dein  erster  langer  Brief  herausfordert  und  der  sich  auch 
stellen  soll  —  habe  ich  jetzt  nicht  Muße  —  genug  —  er  soll  nachkommen  —  jetzt 
nur  einige  flüchtige  Beantwortungen  Deiner  3  Episteln,  wie  mirs  grade  einfällt  — 
Haushalter  wird  denke  icli  bald  wieder  kommen.  Dann  wiü  ich  alles  besorgen  — 
es  ist  mir  selbst  verdrießlich,  denn  ich  hätte  Fichte  zu  seiner  Kindtaufe  auch  wohl 


yg  Nachtrag  zu   1796. 


etwas  geschickt  —  Ich  habe  Dich  schon  einmal  gebeten  Dich  doch  zu  erkundigen 
ob  ein  Vis  Mallaga  und  ^^g  ^^t^^'  Franzwein  das  ich  diesen  Frühling  durch  Haus- 
halter an  Fichte  schickte  richtig  angekommen  ist,  ich  babe  den  Blitzkerl  hernach 
gar  nicht  wieder  gesehen  —  den  Sack  denke  ich  lassen  wir  so  lange  ruhig  bey 
Elt.  Xirchhoff  liegen  oder  soll  ich  ihn  in  meinen  Gewahrsam  nehmen  so  befiehl  nur. 
Recht  sehr  freut  michs  daß  Du  Deine  gute  Mutter  bey  Dir  hast.  Ihr  seyd 
mir  immer  vorgekommen  wie  ein  paar  Verliebte  ||  wo  jeder  ganz  in  den  andern  weg 
ist,  aber  aus  Furcht  der  andere  mögte  kälter  werden,  es  sich  nicht  will  merken 
lassen  wie  lieb  er  ihn  hat,  und  weil  es  doch  unmöglich  ist  das  zu  verbergen  seiner 
Feder  Gewalt  anthut  um  durch  ein  paar  ernsthafte  Worte  alles  wieder  ins  gehörige 
Gleichgewicht  zu  setzen  —  aber  so  bald  so  ein  ernstes  Wort  auch  ein  wenig  kühler 
zu  machen  scheint,  so  muß  ein  Mißverständniß  daraus  werden,  man  muß  sich 
zanken  damit  die  warme  Temperatur  wieder  da  sey  —  daß  der  Zank  nur  die  Hülse 
eines  Vertrags  ist  ahnt  jeder  wohl  heimlich,  macht  aber  beym  finden  des  Kerns 
doch  ein  Lob  davon  als  ob  sich  so  etwas  gar  nicht  hätte  ei warten  lassen  —  — 
Dabey  ist  aber  gar  keine  Spur  von  Affeetation,  es  geht  alles  ganz  natürlich  zu  — 
ihr  seyd  verliebt  in  einander,  das  ist  der  Schlüssel.  So  habt  ihr  euch  den  ganzen 
Winter  hindurch  vexiit,  so  habe  ich  die  Sache  immer  angesehen,  und  so  kannst  Du 
und  kann  aitch  Deine  Mutter  jetzt  wohl  begreifen,  daß  es  nicht  Gleichgültigkeit  war, 
wenn  ich  auf  die  ernsthaften  Briefe  und  auf  ihre  ernsthaften  Gespräche  nicht  so 
ernsthaft  antwortete,  wie  ihr  es  beyde  zu  erwarten  schient  —  ehe  ihr  euch  aber 
gesprochen  hattet,  konnte  ich  das  aber  nicht  sagen  —  Sag  das  doch  auch  Deiner 
Mutter,  wenn  Du  es  für  gut  findest,  versteht  sich  auf  eine  feine  und  höflichere 
Art,  damit  sie  auf  keine  Weise  an  mir  irre  sey.  —  Solche  Situation  gibts  nicht  blos 
in  der  Liebe  y.ar  iio%7]v  sondern  auch  in  der  Freundschaft,  unter  Geschwistern, 
Eltern  und  Kindern  etc.  Ich  habe  das  auch  oft  erfahren.  |1  Nun  auch,  etwas  von 
mir,  und  zwar  fürs  erste,  daß  Du  Dich  mit  mir  freuen  mußt,  weil  meine  Augen 
seit  4  Wochen  völlig  wieder  in  statu  quo-  sind  —  Dreyvierteljahr  hindurch  habe 
ich  doch  kein  einziges  Buch  durchlesen  können  nicht  mehr  wie  höchstens  2  Octav- 
seiten  hintereinander  so  schlimm  ists  mit  Dir  doch  nie  gewesen.  —  Daher  kannst 
Du  nun  auch  begreifen  —  wie  es  mit  meinen  philos.  Studien  bis  jetzt  sehr  gestockt 
hat  —  Die  Lust  dazu  ist  mir  aber  gar  nicht  vergangen,  ich  werde  mich  diesen 
Winter  wieder  mit  allem  Eifer  darauf  legen.  Du  thust  mir  den  größten  Gefallen 
von  der  Welt  wenn  Du  mir  von  Deinen  Arbeiten  der  Art  einiges  schicken  willst  — 
ich  habe  hier  da  ich  nicht  lesen  konnte  nicht  den  mindesten  Anstoß  der  Art  gehabt, 
denn  unter  allen  meinen  hiesigen  Freunden  ist  kein  einziger  der  in  diesem  Punkte 
gleiches  Bedürfniß  mit  mir  fühlt  —  Von  Fichtes  Naturrecht,  Hülsens  Prüfung 
Niethammers  Journal  usw.  habe  ich  noch  nichts  gelesen  —  es  wird  aber  alles  an 
die  Reihe  kommen  —  ich  schreibe  Dir  über  die  Aufsätze  gewiß  vtel  ivieder  und  so 
gut  ich  kann  —  ich  werde  doch  auch  Anstoß  bekommen  —  Aufsätze  für  die  Ge- 
sellschaft zu  verfertigen  —  sieh!  ich  kann  mich  nicht  so  hinsetzen  und  sagen  ich. 
will  jetzt  darüber  einen  Aufsatz  machen  —  wenn  er  nicht  alltäglich  werden  soll, 
so  müssen  die  Ideen  eine  Zeitlang  in  meinem  Kopfe  herumgegangen  und  sich  da 
fertig  gemacht  haben,  und  sich  nur  noch  ein  Stück  Papier  suchen  um  gesetzt  zu 
werden.  ||  Fichte  soll  wie  jch  höre  Moral  lesen  —  kannst  Du  mir  nicht  ein  Heft 
oder  Diktat  davon  besorgen  —  ich  bin  äußerst  begierig  darauf  —  Auch  über  seine 
Freyheitslehre  schreib  mir  etwas  —  ich  weiß  nicht  wie  sie  jetzt  aussieht,  da  er 
sie  wenigstens  schon  3  x  geändert  hat.  Das  letzte  was  ich  in  Jena  von  ihm  hörte, 
war  daß  er  mit  seinen' bisherigen  Ideen  darüber  nicht  ganz  mehr  zufrieden  sey  — 
was  er   an   deren   Stelle   setzen  würde,    wußte  er  damals  noch,  selbst  nicht.     Im 


Nachtrag  zu  1796.  yg 


Sohelling  habe  ich  iu  Jena  mir  flüelitig  etwas  gelesen  —  er  gefiel  mir  damals  nicht 
ganz  —  es  schien  mir  als  ob  das  absolute  Ich  noch  etwas  in  seinem  Kopfe  herum- 
spuke  ohne  eine  eigentliche  Gestalt  zu  haben  —  ich  glaubte  er  sey  zu  sehr  Idealist 
—  indeß  noch  einmal  —  ich  habe  ihn  nicht  durchgelesen  —  sondern  nur  etwa 
50  Seiten  darin  durchblättert  —  Das  Niethammersche  Journal  habe  ich  längst  bei 
"Willmanns  bestellt  aber  die  vis  inertiae  steht  in  dieser  Buchhandlung  auf  der  Tages- 
ordnung —  kurz  ich  komme  mit  allem  etwas  später,  aber  so  werde  ich  mich  der 
"Welt  nie  ergeben,  wie  Du  fürchtest  —  fürs  erste  werde  ich  freylich  noch  nicht 
recht  daran  kommen  —  denn  ich  gehe  jetzt  wieder  auf  14  Tage  noch  auf  Vorck  — 
wo  wir  von  mehreren  Verwandten  Gesellschaft  haben,  so  daß  ich  nicht  viel  zu 
einsamen  Studien  kommen  werde  —  dann  denk  ich  auf  14  Tage  |1  eine  Reise 
nach  Hamburg  zu  machen  —  und  dann  habe  ich  vollauf  zu  thun  um  von  meines 
Vaters  Büchern  einen  Catalogus  zu  verfertigen  —  ehe  wir  umziehn,  welches  um 
Freymarkt  geschieht  —  wobey  es  allerley  häusliche  Geschäfte  gibt  —  dann  werde 
ich  aber  auch  Muße  genug  haben,  und  ich  denke  Du  wirst  noch  Freude  an  mir 
erleben  —  Sag  doch,  was  will  Kant  eigentlich  mit  seinem  Aufsatz  über  den  vornehmen 
Ton  in  der  Phil,  in  der  Berliner  Monatsschrift  worauf  zielt  das  eigentlich? 

Es  freut  mich  daß  Fichte  ein  Kind  bekommen  hat;  ich  hoffe  die  Philosophie 
wird  dadurch  gewinnen  —  Du  verstehst  mich !  —  AVas  macht  Floret  ?  Es  ist  nicht 
erlaubt  daß  er  mir  nicht  schreibt  —  Den  Kopfputz  womit  ich  Dicii  vor  einiger 
Zeit  begabte  bitte  ich  an  ihn  zu  cediren  und  wünsche  er  möge  dort  auch  so  gute 
"Wirkung  thun.  Sag  ihm  daß  ich  mich  außerordentlich  danach  sehne  einen  Brief 
von  ihm  zu  sehen  —  Kannst  Du  mir  nicht  Nachrichten  von  Breuning  verschaffen, 
wenigstens  seine  Adresse  in  Bonn  —  Ich  habe  ihm  nach  Wien  einen  langen  Brief 
geschrieben  —  eä  könnte  aber  wohl  seyn,  daß  er  schon  nach  seiner  Abreise  dort 
angelangt  sey  —  Hast  Du  von  Berger  ||  kürzlich  etwas  gehört?  —  Du  hast  mich 
nicht  recht  verstanden.  Daß  der  Jacobinismus  bey  ihm  gefallen,  daß  die  Freund- 
schaft mit  Möller  aufgehört  hatte  er  mir  vorher  schon  geschrieben  —  aber  ich 
wünschte  theils  die  Ursache  dieser  Veränderung  zu  wissen  — ,  theils  was  au  dessen 
Stelle  jetzt  vorzüglich  Platz  in  seinem  Kopf  und  Herzen  bekommen  habe  — 

Deine  Verse  gefallen  mir  —  schicke  mir  doch  mehr,  und  besorge  mir  auch 
.  welche  von  Floret  Gries,  ßoehlendorff  etc.  —  Ich  habe  neulich  an  Floret  einen  Ein- 
fall der  Art,  Amor  ein  Mahler  betitelt,  geschickt.  Das  mag  er  Dir  mittheilen,  schreib 
mir  doch  Dein  Uriheil  daräber  —  Vor  einigen  Wochen  habe  ich  es  zum  erstenmal 
versucht  ein  kleines  lyrisches  Gedicht  zu  machen  —  einer  meiner  besten  Freunde 
in  Bremen  hielt  mit  einer  meiner  besten  Freundinnen  Hochzeit.  —  Die  Schwester 
der  letzteren  bat  mich  in  ihrem  Namen  doch  ein  Gedicht  zu  machen  —  wenn  mich 
der  Geist  vielleicht  einmal  treiben  sollte,  ich  schlug  es  ab  —  bis  den  Tag  vor  der 
Hochzeit  wo  ich  noch  einen  Einfall  bekam  und  so  wurde  das  Ding  in  aller  Ge- 
schwindigkeit fertig  —  dies  zur  Entschuldigung  der  vielen  Mängel  die  Du  darin 
finden  wirst,  ich  will  es  Dir  mittheilen  —  wenn  ich  noch  Zeit  habe  es  weiter  ab- 
zuschreiben II  halb  habe  ich  es  schon  gethan  —  Vorzüglich  über  das  möchte  ich 
euer  Urtheil  haben  —  denn  das  lyrische  Gedicht  ist  doch  wohl  vorzüglich  der  Prüf- 
stein für  alles  dichterische  Genie.  Kommt  auch  wieder  ein  Scbillerscher  Musen- 
almanach heraus,  und  wann?  Schicke  mir  ja  Deine  Compos. :  die  Würde  der 
Frauen  —  ich  lebe  hier  jetzt  unter  lauter  musikalischen  Leuten  —  Pesarov[ius]  kann 
Dirs  bezeugen  daß  ich  wohl  mehr  als  eine  hübsche  Kehle  und  wohl  mehr  als  IQ 
zarte  und  geläufige  Finger  dafür  zu  finden  weiß  —  Die  Reichhardtsche  Compos. 
dieses  Stückes  hat  auch  hier  gar  keinen  Beyfall  gefunden  —  Pesarov[ius]  kann  Dir 
von  einem  der  Zirkel  worin  ich  hier  vorzüglich  mein  Wesen  treibe  viel  erzählen  — 


8o  Nachtrag  zu   1796. 


Du  lerost  durch  ihn  wenigstens  das  Personale  kennen  und  ich  kann  Dir  dann  ein 
andermal  mehr  davon  schreiben  —  An  Pes.  bin  ich  hier  etwas  irre  geworden  — 
obgleich  nicht  ganz  —  laß  Dir  Reimers  davon  erzählen.^)  —  Sag'e  Reimers  —  P  hätte 
das  Geld  an  meinen  Freund  %iim  Theil  bezahlt  ■ —  übrigens  hätten  wir  die  4  Legenden 
aus  Höflichkeit  wohl  glauben  müssen  —  da  er  nachdrücklich  die  Wahrheit  derselben 
vertheidigte  —  Unmöglich  ists  zwar  nicht  daß  man  auf  einer  Reise  4 mal  seinen 
Geldbeutel  verliert  oder  sich  stehlen  [läßt]  ||  wärs  in  England  und  nicht  grade  in  Deutsch- 
land gewesen  —  so  wärs  noch  glaublicher,  aber  das:  si  fabula  vera  liegt  mir  doch 
immer  dabey  in  Gedanken  —  Hast  Du  nichts  von  Döschtg  .  .  .  gehört?  Du  bist 
-doch  mit  Deiner  M[utter]  nach  Schwarz  bürg  gewesen?  Hat  sie  ihren  Wohnsitz  jetzt 
in  Uhlstedt  aufgeschlagen?  —  Wirst  Du  mit  ihr  nach  Carlsbad  reisen  —  Warum 
hat  Hufeland  gesagt  daß  ich  nicht  nach  der  Schweiz  soll.  Künftigen  Sommer?  —  Hat 
niemand  Nachrichten  von  Bärhof?  —  Wißt  ihr  ihm  keine  Stelle  in  Deutschland  zu 
verschaffen  ?  —  Laß  mir  doch  einige  interessante  Aufsätze  aus  der  Gesellschaft  ab- 
.schreiben  und  schicke  sie  mir^)  ich  bezahle  Abschriftkosten  und  Porto  mit  Freuden  — 
Ich  kann  jetzt  nicht  länger  —  Meine  herzlichsten  Grüße  an  Deine  Mutter  — 
wenn  ich  könnte  so  schriebe  ich  ihr  jetzt  —  aber  nächstens  wirds  geschehn  —  daß 
■sie  bey  Dir  ist  ahnt  niemand,  wie  ich  glaube  —  Ich  habe  mehrmals  ein  dummes 
Gerücht  gehört  als  ob  sie  und  Dein  Vater  sich  getrennt  hätten,  dem  ich  aber  nach- 
drücklich wiedersprochen  habe.  —  Den  Brief  habe  ich  besorgt  —  leb  herzlich  wohl 
Bester  —  Grüß  Fichte  und  seine  Frau  herzlich  und  sage  ihm  daß  ich  viel  Antheil 
nehme  —  schreib  bald  und  beantworte  alles  ausführlich  Dein  Smidt. 

Sag  Ldsch  ich  würde  ihm  nächstens  schreiben  —  geh  doch  zu  Putsche^  Loders 
Informator  und  sage  ihm  seine  Sachen  und  Briefe  wären  richtig  angekommen,  und 
ich  hätte  seinem  Auftrag  gemäß  schon  alles  besorgt. 

*)  Pesarovius'  Besuch  in  Bremen  wiid  Bd.I,  S.XX  VII,  fälschlich  später  angesetzt. 

-)  Auf  der  Universitäts-Bibliothek  zu  Jena  finden  sich  Papiere,  die  unzweifel- 
haft ursprünglich  dem  Senator  Smidt  in  Bremen  gehörten.  Da  es  z.  T.  Abschriften 
sind,  vermuthe  ich  in  diesen  Schriftstücken  die  Papiere,  von  denen  hier  die  Rede  ist. 
Leider  ist  es  bisher  nicht  möglich  gewesen,  die  Verfasser  festzustellen,  da  das 
Protokollbuch  der  Gesellschaft  der  fr.  Männer  abhanden  gekommen  ist.  FjS  sind 
folgende:     1.  Aphorismen  aus  der  Transcendentale.     (11  §§,  8  S.    8°.) 

2.  Die  Fortdauer.     Thoma  und  Thebaldo.     (Ein  Dialog.     8  S.    4».) 

3.  Erinnerungen.  An  Ulrich  Sprecher  von  Bernegg,  zu  Jenins  in  Graubündten. 
[Über  Ulrich  Sprecher  v.  B.  vgl.  Allg.  D.  Biog.  35,  281.]    (Eine  Dichtung.    24  S.    8».) 

Dabei  liegen  auch  eine  Anzahl  Schriftstücke  von  Herbarts  Hand,  Papiere,  die 
Kehrbach  für  den  1.  Band  dieser  Ausgabe  vergeblich  gesucht  hatte,  weshalb  er  nach 
2illers  Reliquien  drucken  ließ,  nämlich  folgende: 

1.  Über  philosophisches  Wissen  etc.  S.  Bd.  I.  S.  84  ff.  (Das  Manuskript 
hat  keine  Überschrift.     25 7^  S.    4".) 

2.  Über  den  Unterschied  von  Kantschem  und  Fichteschem  Idealismus.  S.  Bd.  I, 
S.  115  (Überschrift  fehlt  im  Manuskript,  2  S.    4«^). 

3.  Zur  Kritik  der  Ichvorstellung  (Manuskript  ohne  Überschrift)  (4  S.    4°). 

4.  Einige  Blätter  von  Herbarts  Hand. 

5.  Mehrei-e  Briefe,  die  in  diesem  Baude  mit  abgedruckt  worden. 

6.  Abschriften  von  folgenden  Aufsätzen  Herbarts: 

a)  Versuch  einer  Beurtheilung  von  Schellings  Schrift  über  die  Möglichkeit 
einer  Form  der  Philosophie  überhaupt  (S.  Bd.  I,  S.  12  ff.,  14  S.    4"). 

b)  Über  Schellings  Schrift  vom  Ich  (S.  Bd.  I,  S.  17  ff.). 

0)  Einige  Bemerkungen  über  den  Begriff  des  Ideals  (S.  Bd.  L  S.  5  ff.    IV2  S.  4».) 
d)  Über  das  Bedürfniß  der  Sittenlehre  etc.     (Ohne  Überschr.  mit  der  Bemerk.: 

..Angeblich  von  Herb,  gehalten.")     (S.  Bd.  I,  S.  IIG  ff.     36  S.    8°.) 

Außerdem  liegt  an  selbein  Orte  das  Manuskript  von   Herbarts  Abhandlung  de 

iittentionis  meusura  pp.  (s.  Bd.  V,  S.  41  ff.),  das  Kehrbach  nicht  bekannt  war. 


Nachtrag  zu   1 796.  8  I 


723.  C.  Breuning  an  H.  (4  S.   8".    N.)    [Bruchstück.]       Bonn  20.  Aug.  1796 

724.  Rist  an  H.  (6  S.  4^    N.)       Niendori  in  den  ersten  Tagen  des  Octobers  [1796] 

Auch  Dich  hab  ich  also  wieder,  mein  Herbart  —  und  ich  triumphire  — .  Ich 
halte  Deine  Worte  in  meinen  Händen  und  fühle  nun  keine  Lücke  mehr  unter  den 
Bildern  meiner  der  theuern  Entfernten,  in  dem  Heiligthum  meines  Herzens.  —  Ich 
fühle  nun,  daß  es  unfreundlich  war,  Dir  so  diese  "Worte  abzufordern ;  aber  ich  freue 
mich  daß  ich  es  that,  denn  ich  habe  sie.  —  Dein  Andenken  bekleidete  mich  in  die 
Einsamkeit,  wo  ich  Dich  zu  mir  wünschte  —  in  die  Gesellschaft  der  Menschen  wo 
ich  Dich  vermißte.  —  Die  letzte  Nacht  träumte  ich  sehr  lang  und  lebhaft  von  Dir 

—  Dein  Schatten  ging  neben  mir  her,  wir  sahen  uns  an;  aber  wir  redeten  nicht; 
er  glich  Dir  noch,  aber  er  war  verändert;  seiner  W^ürde  und  Kraft  entkleidet,  etwa 
wie  die  Alten  uns  die  Schatten  malen,  die  ängstlich  an  den  Ufern  des  Styx  umher- 
wanken. Als  ich  erwachte  ward  meine  Sehnsuclit  nach  Dir  nur  stärker,  —  und 
Dein  Bild  wich  den  ganzen  Tag  nicht  von  mir  —  da  erhielt  ich  am  Nachmittag 
Deinen  Brief,  und  frohlockte;  ich  erbrach  ihn  mit  der  unruhigen  Freude,  wie  der 
Liebende  den  Brief  der  Geliebten  — .  Was  soll  ich  Dir  es  beschreiben,  wie  ruhiger 
und  vollständiger,  wenn  ich  so  sagen  darf,  —  es  in  meinem  Herzen  wurde,  als  ich 
von  Deiner  Hand  es  las,  daß  ich  auch  in  dem  Deinigen  noch  lebe. 

So  komm  denn  her,  mein  theurer  Herbart  —  laß  mich  die  ganze  Fülle  des 
Herzens  ausschütten,  wie  sonst:  Du  hast  mir  geklagt  Dein  Leid  und  was  Deine 
Seele  ti-übt  —  ich  habe  es  mit  Dir  empfunden;  nicht  lauter  Freude  hat  mir  Dein 
Brief  gebracht;  manche  Stellen  haben   mich  unruhig  und  traurig  gemacht.  —  Ach 

—  wer  könnte  ohne  Schmerz  einen  Freund  zu  den  Todten  zählen?  Rähtst  Du  nicht 
schon  von  wem  ich  rede?  —  Alles  was  Du  mir  von  G.[ries]  schreibst  und  mehr 
als  das  wird  mir  durch  andre,  die  ihn  noch  dazu  von  einer  ganz  andern  Seite  be- 
trachten, dennoch  bestätigt.  —  Er  muß  sehr  —  fast  ganz  verändert  seyn.  Nicht 
mehr  unser  G.  —  Bald  nach  meiner  Abreise  .änderte  er  in  seinen  wenigen  Briefen 
den  Ton  schon  sehr;  ich  begrif  ihn  nicht  mehr:  aber  izt  freilich  ahne  ich  ungefähr, 
wa.s  geschehn  seyn  mag.  —  Ich  habe  mich  des  Gedankens  nicht  erwehren  können, 
daß  es  für  gewisse  Geister  eine  unübersteigbare  Grenze  gebe,  innerhalb  der  sie  sich 
vielleicht  vortheilhaft  auszeichnen,  und  vielleicht  manches  trefliche  leisten,  über  die 
sie  zu  erheben  aber  auch  keinem  möglich  ist;  sie  sinken  zurück:  denn  die  Fittige 
ihrer  Psyche  sind  von  Wachs.  Liege  es  an  früherer  Bildung;  oder  seien  es  körper- 
liche Ursachen  —  genug  Gs.  Beispiel  scheint  den  Gedanken  zu  bestätigen.  —  Du 
hattest  immer  \-iel  Hofnung  zu  |[  ihm  —  gabst  sie  auch  mir  —  hast  sie  vielleicht 
noch;  aber  ich  fürchte:  es  ist  alles  vorbei.  —  Der  zarte  Bogen  seines  Geistes  ward 
zu  stark  gespannt  durch  Deinen,  Bergers,  Hülsens  Umgang,  durch  die  Art  und  den 
Geist  unsrer  Verbindungen  vmd  Unterhaltungen  —  Eitelkeit  hielt  ihn  vielleicht 
noch  eine  Zeitlang  straff;  aber  da  erschlaffte  er  plötzlich,  und  —  sank  hinab  in  die 
bequeme  Sphäre  der  Witzlinge  und  Kartenfreunde,  wo  freilich  auch  er  ein  Wort 
mitzusprechen  hat.  —  Hab'  ich  hart  geurtheilt?  —  Nun,  geben  die  Götter,  daß  ich 
einst  ihm  diese  Worte  abbitten  müsse,  daß  ich  geirrt  habe;  ich  werd  es  mit  Freuden 
thun;  denn  was  kann  mehr  den  Geist  niederschlagen  und  trüben,  als  solche  Beweise 
von  der  Ohnmacht  und  Hinfälligkeit  der  Menschenkraft  und  Würde.  —  Aber 
dennoch  lebe  ewig  in  unsern  Herzen  dies  Andenken  jeder  schönen  Stunde  die  wir 
mit  dem  Lebenden  genossen  —  laß  ruhn  die  Todten!  — 

Auch  was  Du  von  unsrer  Gesellschaft  mir  schreibst,  lieber  Herbart,  ist  nicht 
tröstlich.  —  Diesen  Zirkel  dem  ich  so  sehr  viel  verdanke  mögt  ich  beständige  Blüthe 
und  zunehmende  Würde  und  Vortreflichkeit  gewünscht  haben  —  und  einzelne  Mit- 

Herbarts  Werke.     XIX.  ^ 


82  Nachtrag  zu   1796. 


glieder  sind  unfrei  genug  gewesen  um  Parteigeist  einreißen  zu  lassen  statt  des  Ge- 
meingeistes! —  Ich  werd  es  immermehr  gewahr  —  eine  solche  Verbindung  kann 
nur  iinter  einer  kleinen  Zahl  Auserlesener  bestehn.     Wird  sie  das  wieder  werden? 

—  Wird  die  Veränderung,  die  ihr  itzt  bei  dem  Abgang  so  mancher  Glieder  be- 
vorsteht, Einigkeit  zurückbringen?  —  Oder  wäre  es  besser,  als  fortzuvegetiren  in 
dieser  kränkelnden  und  ärgerlichen  Gestalt,  wenn  sie  sich  trennte,  und  dann  in  Dir 
und  zwei  oder  3  auserlesenen  und  achtungsivürdigen  —  nicht  blos  hoffnungsvollen 
und  guten,  oder  gar  nur  witzigen  —  Männern,  wieder  zusammenträte?  —  Eure /re^- 
willigen  mit  vollem  Interesse  gelieferten  Arbeiten,  nebst  den  Beiträgen  Entfernter 
würden  gewiß  unendlich  mehr  "Wehrt  und  Nutzen  haben,  als  die  itzigen  gezwungenen, 
ohne  Interesse  vorgelegten  und  oft  ohne  Einsicht  und  mit  Parteiligkeit  beurtheilten 
Aufsätze.  Der  Tag  der  Zusammenkunft  (dieser  müßte  beständig  fest  bleiben)  der 
keine  schriftliche  Arbeit  lieferte  würde  dennoch  sehr  nützlich  werden,  angewandt 
zu  bestimmter  und  weitläuftiger  Unterhaltung  über  einen  wissenschaftlichen  Gegen- 
stand, oder  zu  einer  bedachten  und  absichtlichen  Kritik  eines  Geisteswerks.  —  Aus 
der  Leichtigkeit  und  Nachsicht  bei  der  Aufnahme  vieler  neuer  Mitglieder,  die  oft 
aus  Rücksichten  auf  eins  der  älteren  ratbsam  —  oder  wegen  sonst  zu  gehäufter  be- 
stimmter Arbeiten  nothwendiger  war,  enstanden  die  meisten  Mängel  der  Gesellschaft. 
Durch  Ereiwilligkeit  der  Arbeit,  wobei  man  in  einer  kleinen  ||  und  für  sich  selbst 
mit  Interesse  und  Achtung  beseelten  Gesellschaft,  keine  Gefahr  laufen  würde,  — 
könnten  diese  ünbequemhchkeiten  am  ersten  gehoben  werden.  —  —  Doch  darüber 
wage  ich  izt  nicht  mehr  abzusprechen.  Du  mußt  das  ja  am  besten  an  Ort  und  Stelle 
beurtheilen  können. 

Darf  es  mich  wundern,  daß  das  alles  Dich  verstimmt  und  unruhig  gemacht 
hat,  da  schon  die  lebhafte  Beschäftigung  mit  diesen  Ideen  mich  so  verstimmte,  daß 
ich  erst  ein  paaiTnal  im  Garten  umher  laufen  und  nach  den  Thürmen  von  Hamburg 
sehen  mußte,  ehe  ich  wieder  mich  an  den  Tisch  setzen  konnte.  —  Alles  Nicht-Ich 
scheint  sich  ja  verschworen  zu  haben  Dich,  mein  Theurer,  unbehaglich  zu  machen, 

—  mit  Deinem  Körper  hattest  Du  immer  zu  kämpfen  —  sollten  nun  auch  noch 
äußere  Verhältnisse  hinzukommen?  —  Aber  freue  Dich  —  daß  Du  Kraft  in  Dir 
selbst  hast  um  das  alles  zu  bezwingen  und  Dein  Haupt  aus  den  "Wellen  empor- 
zuheben. —  Ja  ich  erkenne  Dich  —  Du  bists  noch;  reiner  Sinn  für  jede  Freude, 
und  Gefallen  an  allem  Schönen  lebt  immer  in  Dir.  —  Deine  ledernen  Hosen  und 
Sporen  und  Deine  englischen  Tänze  haben  mir  eben  so  viel  Freude  gemacht,  mich 
eben  so  in  Dein  "Wesen  und  Seyn  einen  Blick  thun  lassen,  als  Deine  edelsten  Worte, 
Deine,  schönsten  Gedanken.  So  hab  ich  Dich  Heb  gewonnen;  das  "Walzen,  das  Du 
damals  lerntest,  machte  Dir  Spaß  —  Du  freutest  Dich  an  der  Hoheit  uüd  Schönheit 
Deiner  Dianenherme  —  und  verlorst  Dich  in  die  tiefsten  Speculatiouen  über  Seyn 
und  Nicht  Seyn.  Für  alles  Menschliche  war  in  Deinem  Herzen  ein  Berührungs- 
punkt. Darum  lieble  ich  Dich;  —  aber  nicht  nur:  ich  liebte  Dich  —  —  wie  viele 
Edle  und  gute  Menschen  hab  ich  nicht  schon  lieben  müssen!  —  ich  durfte  und  ich 
mußte  Dich  auch  hochachten-^  und  nur  das  konnte  mich  zu  Deinem  Freund  machen. 

—  In  so  mancher  Geisteskraft  mir  überlegen,  in  so  mancher  Kenntniß,  machte  das 
Herz  Dir  mich  wieder  gleich.  Dir  gefiel  die  Lebendigkeit  meines  Innern,  so  unstät 
und  ungerichtet  sie  auch,  war  —  und  ich  durfte  gegen  Dich  sie  wirken  lassen,  denn 
Du  verdammtest  nicht  engherzig  und  beschränkt  irgend  eine  Äußerung  des  unver- 
dorbnen Menschensinnes;  und  darum  konnte  ich  mich  auch  an  Dich  anschließen, 
wie  an  keinen  zuvor  oder  nachher  —  mit  allen  Seiten  und  Kräften  meines  "Wesens, 
darum  halte  ich  Dich  noch  so  fest,  wie  je,  und  werde  nie  von  Dir  lassen.  —  Einige 
solche   Freunde   (es   ist   ein  großes   sie  gefunden  zu  haben)   mögen  dem  Menschen 


Nachtrag  zu  1796.  g. 


denn  zur  Stütze  dienen;  er  kann  dann  dreist  hintreten  unter  die  übrigen  Menschen, 
mit  ihnen  leiden  und  sich  freuen,   sie  klug  zu  machen  suchen,  und  von  ihnen  sich 
bethören   lassen,  —   er   wird   bei   allem   ziemlich   ruhig  seyn,   denn   er  weiß,   daß 
Bessere   ihn   vei-stehen   und  lieben.  —  So,   mein  Herbart,   darf   ich  Dir  auch  ohne 
Furcht  alles  vertrauen  was  mir  ||  nahe  liegt,   oder  begegnet  ist.     Ich  fürchte  keine 
Misdeutung,  sondern  hoffe  auf  Erinnerung,  auf  Warnung,  wo  sie  Dir  nöthig  scheint. 
Dein  Freund  ist  einen  Theil  der  Zeit  die  ihn  von  Dir  trennt  recht  glücklich 
gewesen  —  und   zwar  den   größten    und    letzten  Theil.     Die  Sehnsucht  nach  einer 
Veränderung,    der   beschränkten   und   in  mancher  Rücksicht  so  zweckwidrigen  Lage 
des   Studirenden,  —  nach   ausgebreiteter  Würksamkeit   unter  Menschen,   und   die 
dadurch   veranlaßte  tiefe  Unzufriedenheit  mit  mir  und  allen  andern,  die  mich  an- 
fangs  plagte,    ward  nach   und   nach   abgeleitet   oder  gefesselt  durch  sanftere  Bande 
der  Freundschaft   und   der  Liebe,    die   mein   Herz    auch   in   Kiel   wieder  an   einige 
liebenswürdige  und   edle  Menschen  knüpften,    und   durch  meine  eigne  Lebenskraft, 
die  mich   selten  lange  ohne  Stütze  läßt.  —  Mein  Herz  athmete  freier  —  es  öfnete 
sich  den   reizenden  Gegenständen,    den   sanften  Gefühlen  die  daßelbe  wirkten;    und 
die  Morgenröthe   der  Schönheit  und   der   stillen  Vernunft  ging  wieder  in  mir  auf. 
Ich    ward   wieder   für  alle  Freuden  empfänglich,    obgleich  die  Ursache  meiner  Un- 
zufriedenheit, die  mir  noch  immer  sehr  gegründet  scheint,  nicht  gehoben,  nur  palliirt 
war.  —  Die  Gegenden  von  Kiel  sind  sehr  reizend,  lieblicher,  aber  nicht  so  erhaben 
und  groß,    als  die  von  Jena:    das  Wesen   und    der  Umgang  der   Bewohner  i.st  ont- 
müthig.    offen,    und   vernünftig.  —  meine    neuen  Freunde   sind  größtentheils  frohe, 
gutmüthige,  treue,  und  gebildete  Menschen;   zum  Theil  voll  reger  Fülle  von  Natur- 
genie und  gefühl.  —  Alles   dies  trug  dazu  bei,   oder  vielmehr  bewirkte  nothwendig, 
daß   ich  die  Nachmittage  und  Abende   des  Sommers  sehr  angenehm  meist  auf  dem 
Lande,   außer  der  Stadt  —  häufig   auf   den  klaren  Fluten  der  Ostsee,  die  Kiel  an- 
lockend, und   sanftrauschend  umspülen,  —  zubrachte.     Bald   erhielt  meinen  natür- 
lichen  Sinn   wieder  —  und   konnte   wieder   ernstlich   an   das  Fortschreiten   meines 
Geistes  denken,  das  mir  izt  einzig  wichtig  war.  —  Schon  durch  die  Aufklärungen 
des  letzten  halben   Jahrs  in  Jena  hatte  mein   ganzes  Wesen  und  meine  Thätigkeit 
eine  bestimmtere  Richtung  angenommen;  meine  erste  Sorge  war  meine  Zwecke  mir 
nochmehr  zu  verdeutlichen;  und  ich  studirte  die  W[issensch.]  L[ehre|  nun  mit  eignem 
Fleiß    und  eigner  Thätigkeit,   die    mir  leider  oft  fehlte,    als   ich  sie  mit  Dir  las.  — 
Alles  erhielt  izt  mehrere  Deutlichkeit  für  mich;  ich  drang  tiefer  in  das  Veretändniß 
und  den  Zusammenhang,    der  mir  vorher  oft  so  dunkel  war;   und  wenn  ich  gleich 
nicht  an  allen  Stellen  dem  Gange  der  Spekulation  durch  das  LabjTinth  der  höchsten 
Antithesen  und  Synthesen  folgen  konnte,  so  hoffe  ich  doch  in  der  Hauptsache  den 
Genius  der  W.  L.  gefaßt  zu  haben.     Dein  Talent  für  die  strenge  Spekulation  werde 
ich  nie  besitzen,   es  ist  eine  seltne  Gabe;   überdem  schien  mir  die  ins  uuendliche 
mögliche  Fortsetzung  des  Labyrinths  von  Idealismen  ||  und  Realismen  auf  den  ver- 
schiednen  Reflexionspunkten  für   meine  Zwecke  noch  nicht  so  nothwendig,   dieses, 
sowie  die  Vollendung  einer  deutlichen  Einsicht  in  das  Ganze  der  W.  L.,  deren  Ge- 
schlossenheit so  wie  sie  da  ist,  —  und  deren  Einheit  bei  ihrer  Dreispaltigkeit,   wie 
ichs  nennen  mögte,  mir  allerdings  noch  nicht  einleuchten  will,  -    bleibt  dem  neuen 
Studium   dieses  Winters  vorbehalten;  dann  werde  ich  dies  Dir  vielleicht  deutlicher 
atiseinandersetzen  können,  als  ich  es  izt  selbst  einsehe. 

Mein  eigentliches  Treiben  und  Streben,  wie  Du  noch  wohl  weißt,  war  immer  aufs 
Praktische  und  auf  mein  Verhältniß  zu  mir  und  andern  Menschen  gerichtet.  Dies 
zu  regeln  und  zu  richten  war,  was  mir  Interesse  für  das  Theoretische  gab,  das  ich 
immer  für  ein  unumgängliches  Erforderniß  zu  der  Selbstständigkeit  und  Zweckmäßig- 


3^  Nachtrag  zu   1796. 


keit  jenes  halte.  So  ists  mir  noch.  Meine  Empfänglichkeit  und  Reizbarkeit  treibt 
mich  aus  mir  hinaus  in  die  Welt  — .  Diese  wieder  auf  mich  zurück,  Ich  mich 
wieder  unmittelbar  in  die  "Welt.  Ich  spekulire  nur  um  zweckmäßig  zu  wirken; 
alles  also  was  ich  auf  theoretischem  "Wege  errungen,  trage  ich  gleich  als  einen 
wichtigen  Schatz  aufs  Praktische  über,  wirke  darnach,  suche  andern  es  mitzutheilen, 
und  was  ich  von  andern  empfange  darnach  zu  ordnen.  Auf  diese  "Weise  —  ich 
gesteh  es,  bin  ich  ziemlich  in  Uebereinstimmung  mit  mir  selbst  gekommen,  das 
praktische  Ich  schlichtet  völlig  die  nothwendigen  Kämpfe  des  theoretischen;  vielleicht 
bin  ich  »^*  unbefangen  dabei;  aber  es  genügt  mir  allem  Geforderten  nachzustreben 
—  dann  thue  ich  das  Memige  und  bin  Eins  mit  mir,  wenn  ich  gleich  —  gewiß  bin 
das  geforderte  nie  zu  erreichen.  Aber  so  gewiß  es  ist,  das  das  Ideal  nie  wird 
vollendet  oder  aufgestellt  werden,  so  nothwendig  halte  ich  es  doch,  jeden  Schritt 
den  wir  ans  ihm  genähert  haben,  außer  uns  oder  an  uns  zn  realisnen;  nur  so  kann 
einst  etwas  ganzes  werden  —  nur  so  opfern  wir  unsre  Menschheit  nicht  dem  Ideal 
auf  — .  ich  bedaure  die  Menschen  die  nur  die  Theorie  vergeblich  vollständig  zu 
machen  suchen  und  dann  im  Leben  so  nackt  und  verlassen  dastehn;  wer  wird  denn 
auch  noch  immer  wirken  können  —  ohne  zugleich  von  außen  so  viel  möglich  nach 
allen  Seiten  zu  wirken.  —  Bei  mir  hat  zum  Glück  der  Kreis  meiner  Ideen  so  ziem- 
lich den  Kreis  meiner  Handlungen  bestimmt,  und  gerichtet.  Aber  freilich  fühlte 
ich  bald  das  Bedürfniß  näherer  Bestimmungen  meiner  Freiheit;  zunächst  also  stieß 
mich  der  Gang  meines  Geistes  auf  die  besonderen  Wissenschaften,  die  in  ihrer 
itzigen  Gestalt  so  gut  als  gar  nicht  für  mich  da  sind.  —  Eine  besondere  Ver- 
anlassung kam  dazu.  Berger  theilte  mir,  wie  er  auch  Dir  gethan  haben  wird  — 
seinen  Plan  zu  einer  zweckmäßigen  kritischen  Verbindung  mit;  der  Gedanke  ist 
schön,  nothwendig,  und  ausführbar.  —  Daß  ich  nicht  die  Kräfte  dazu  fühlte,  ver- 
steht sich;  aber  ich  verzweifle  an  nichts;  ich  sagte  ihm  —  ich  woUte  mich  tüchtig 
zu  machen  suchen  und  dann  gern,  Antheil  an  einem  so  edlen  "Werke  nehmen,  das 
freiüch  gar  manche  Bedenküchkeiten  und  Schwierigkeiten  hat,  die  aber  billig  nicht 
in  zu  große  Betrachtung  kommen  ||  sollten.  (Im  Vorbeigehn  —  ich  wünsche  Deine 
Gedanken  darüber  zu  hören)  Dieses  Unternehmen  nun  erfordert  neben  wissenschaft- 
licher Bildung  überhaupt,  vorzügliche  Rücksicht  auf  Kunst.  Eine  "Wissenschaft  der- 
selben war  mir  schon  längst  Bedürfniß  gewesen;  und  ich  suchte  also  aus  meinen 
eignen  Fond  mir  den  Grund  zu  einer  zu  legen.  —  Ich  glaubte  das  befriedigend 
gethan  zu  haben,  ward  aber  so,  natürlich  auf  die  Deduktion  und  Anknüpfung  aller 
besondern  "Wissenschaften  geleitet.  —  Meine,  freilich  noch  unausgearbeiteten  Ideen 
darüber  —  die  ich  selbst  vielleicht  in  der  Folge  umwerfen  muß,  erhältst  Du  hiebei. 
bis  izt  noch  scheinen  sie  mir  nothwendig.  aber  ich  hänge  nicht  ängstlich  an  irgend 
einer  Idee.  Was  ist  denn  auch  unser  Wissen  und  Wirken  als  von  einem  Stand- 
punkt auf  den  andern  sich  stellen  —  Bauen  und  Einreißen? 

Die  übrigen  Beschäftigungen  meines  Geistes  bestanden  meistens  in  dem  Genuß 
und  dem  Studio,  so  wie  es  mir  niöghch  war  —  treflicher  Kunstwerke,  und  Geistes- 
produkte. Mehr  zu  leisten  war  mir  unmöglich  denn,  wisse,  ich  hörte  die  Pandekten 
und  ein  andres  Collegium  von  7—10  Uhr.  Dann  war  ich  abgespannt  und  unlustig; 
dazu  schien  nun  die  Sonne  unerträglich  heiß  bis  zum  Abend  auf  mein  Zimmer,  — 
so  daß  ich  oft  darum  allein  es  meiden  mußte  —  manche  gute  Idee  —  und  alle  Er- 
quickung und  Erhebung  ward  mir  auch  im  Freien.  Dieser  Winter  soll  mir  das 
wieder  einbringen.  Fichte,  Schiller,  womöglich  Kant  sollen  meinen  Geist  beschäftigen; 
Eine  der  ersten  Arbeiten  wird  das  Studium  Schellings  seyn,  auf  den  mich  die  mir 
von  Dir  gegebne  äußerst  interessante  und  wichtige  Ansicht  sehr  begierig  macht.  — 
Die  eigenthche  Kunst  werde  ich  auch  soviel  möglich  —  sowohl  redende  als  bildende  — 


Nachtrag  zu  1797.  85 


unter  den  treflichen  Meistern  Lessing,  Winkelmann  etc.  etc.  studiren ;  aber  mehr 
noch  —  ich  will  nach  meinen  eignen  Grundsätzen  auch  soviel  ich  kann,  davon  aus- 
üben. Mit  der  Musik,  die  ich  am  liebsten  gewählt  hätte  ists  für  mich  wohl  in 
vollem  Ernst  schon  zu  spät,  aber  zeichnen  tvill  ich  lernen  —  und.  —  lächle  immer 
und  freue  Dich  —  tanzen !  —  und  so  nach  und  nach  mehr.  —  Ich  bin  entschlossen 
den  ganzen  Morgen  völlig  für  mich  zu  haben,  und  da  kann  ich  ziemlich  viel  aus- 
richten. — 

Herzlichen  Dank  Dir,  bester  Herbart,  für  das  Übrige,  was  Du  mir  von  Deinen 
Arbeiten  schickst.  —  es  hatte  ungemeines  Interesse  für  mich  —  besonders  der  schöne 
„Augenblick  Deines  Lebens".^)  Ebenso  das  was  Du  über  meinen  Dir  geschickten 
Aufsatz*)  sagst.  Ich  erwarte  die  Fortsetzung  mit  Ungeduld.  —  wahrscheinlich  ist 
auf  meinen  itzigen  Gesichtspunkt  manches  unhaltbare  darin;  aber  gewiß  auch  viel 
Wahres,  denn  damals  war  ich  völlig  überzeugt  davon.  —  Wir  reden  weiter  darüber.  — 
Gries  hätte  gut  gethan  mir  seine  Xritik  zu  senden;  ich  brauchte  sie  am  ersten;  aber 
er  schreibt  mir  nicht  —  und  izt  würd'  ich  auch  fürchten,  einen  Brief  von  ihm  zu 
erhalten. 

Und  nun  zum  Schluß  des  Gemäldes  muß  ich  Dir  noch  sagen,  Du  trauter 
Freund,  daß  ich  mich  wieder  in  der  Heimath  glücklichen  Gefilden  befinde  —  und 
recht  in  meinem  Element  lebe,  Liebe  und  Freude,  und  alles  Gute  und  Schöne,  von 
Menschen  aller  Art  zu  empfangen  und  ganz  zu  geben  —  so  viel  ich  nur  vermag.  — 
Wann  willst  denn  Du  einmal  wieder  glücklich  seyn  —  ?  —  Wann  sollen  wir  uns 
wieder  sehn?     Lebe  wohl  Dein  J.  R[ist.] 

725.    E.V.  Bergerund  Hülsen  an  H.    (lOS.   4».    N.)       Zürich  Uten  Jana.  1797 

Endlich  also,  Heber  Herbart,  ist  meine  Feder  in  Bewegung.  Könntest  Du 
sehen,  wie  unthätig  sie  überhaupt  diesen  Winter  daliegt,  Du  wüi-dest  Dich  über 
mein  langes  Stillschweigen  weniger  wundern.  Stillschweigen  —  so  sollte  es  eigentlich 
nicht  heißen.  Die  Feder  spricht  doch  nicht.  Eher  spricht  der  Geist,  wenn  er  Ge- 
danken an  einen  Freund  bewegt  und  das  that  der  meine  oft  und  immer  an  Dich. 
Und  wenn  vollends  2  Freunde  beisammen  sind,  da  wird  doch  wohl  über  den  Ab- 
wesenden und  an  den  Abwesenden  gesprochen!  Dein  Brief  gab  uns  eine  solche 
Freude  Hülsen  und  mir!  Er  kam  spät,  und  kam  doch  gleich  nach  unserm  letzten 
Händedruck  beim  Thüringerwald !  Denn  er  war  wie  dieser  Händedruck  —  und  ich 
reiche  Dir  hier  auch  wieder  meine  Hand  und  lasse  die  Feder  fallen. 

Tausend  tausend  Gedanken  schweifen  umher  in  meiner  Seele,  als  Antworten  auf 
die  Deinen.  Wie  mache  ich  es,  daß  Du  zwei  oder  drei  davon  zu  Gesichte  be- 
kommst? Sie  müssen  aber  doch  wohl  durch  ein  geistiges  Band  in  einander  gewebt 
seyn,  und  so  will  ich  nur  frei  imd  ohne  Richtung  fortdenken  und  fortschreiten, 
und  wenn  nicht  alle  Götter  zürnen  erhältst  Du  doch  wohl  einige  lebendige  Funken 
meines  Daseyns.  Ich  will  Dir  aber,  ehe  ich  weiter  schreibe,  gleich  sagen,  daß  ich 
wohl  wahrscheinlich  mehr  auf  Deinen  Brief  als  auf  den  beigefügten  Aufsatz  ant- 
worten werde.  Welches  von  beiden  liegt  Dir  selbst  wohl  mehr  am  Herzen? 
—  Ich  hätte  gi-oße  Lust  über  so  einen  Brief  und  über  so  einen  Philos.  Aufsatz 
und  über  beide  in  ihrem  Yerhältniß  zu  einander  viel  schönes  und  beherzenswerthes 
zu  Philosoph  Iren.  Aber  da  ist  eine  Stelle  in  Deinem  Briefe:  wenn  wir  nur  über 
die  Philosophischen  Principien  einig  werden  könnten;  und  eine  andre.  Du  er- 
waitest  von  uns  nicht  i-oti  der  Theorie  an  den  goldncn  Baum  des  Lebens  ver- 
tciesen  xu  tverden.  —  Wenn  Du  mich  jetzt  sähest,   lieber  ||  Herbart,    Du   würdest 


1)  Vgl.  Bd.  L  S.  34  f. 

-)  Vgl.  Bd.  1,  S.  LXXII,  S.  5,  362  ff. 


86  Nachtrag  zu  1797. 


Dich  vielleicht  in  mir  nicht  mehr  zu  finden  wissen  —  und  doch  solltest  Du  es 
bald,  so  denke  ich,  wenn  wir  nur  viele  Tage  nach  einander  beisammen  wären. 
Ich  lese  nicht  in  Kant,  noch  in  Fichte  noch  in  Hülsen  noch  in  Schelling,  seit  ich 
hier  bin  und  lasse  alle  meine  angefangenen  Systeme  im  Pult  ruhig  liegen  ohne  sie 
anzusehen,  und  bin  über  den  ersten  Grundsatz  der  Philos.  in  der  seligsten  Ruhe, 
und  doch,  meine  ich,  würden  wir  uns  bald  und  klar  verstehen.  Ich  sorge  durchaus 
nicht  um  einen  Wirkungskreis,  und  habe  es  auch  nicht  nöthig,  weil  ich  mitten  in 
diesem  Kreise  inne  stehe  und  auch  in  ihm  wirke.  Ich  setze  so  großes  Vertrauen  in 
mich  selbst  wie  in  irgend  einen  andern.  Meine  Ahndungen  sind  keine  Träume, 
sondern  alle  Tage  hellere  und  mächtigere  Wahrheiten  und  Wirklichkeiten.  Kein 
Etwas  will  ich  seyn,  sondern  ein  Alles,  und  weder  ein  Großes  noch  ein  Kleines, 
sondern  ein  Unendliches,  wie  die  Welt,  welches  ich  auch  zuweilen  wirkHch  bin, 
nur  nicht  immer.  Ueber  den  politischen  Stempel  habe  ich  vollkommen  mit  meinem 
Geist  abgeredet,  und  erkenne  ihn  für  sündliche  Abgötterei.  Am  wenigsten  würde 
ich  mich  zu  einem  Lehrer,  und  am  allerwenigsten  zu  einem  Lehrer  der  Philosophie 
stempeln  lassen.  In  meinem  60sten  Jahre  werde  ich  mit  Dir  und  mit  allen  meinen 
Freunden  ins  Grüne  wandern  und  mich  freuen  des  Vielen  Nützlichen  was  wir  oder 
doch  die  Menschen  überhaupt  auf  dieser  Welt  zurücklassen,  wenn  ihre  Augen  sich 
schließen.  —  Lauter  Gedanken,  lieber  Herbart,  von  denen  ziemlich  das  Gegentheil 
in  Deinem  Briefe  steht  —  und  doch  —  ich  sage  es  wieder  —  wir  würden  uns  bald 
und  klar  verstehen.  Ich  kann  es  also  nicht  lassen,  über  die  Theorie  und  über  den 
Lebensbaum  zu  sagen,  was  ich  nun  sage: 

Theorie  heißt  Beschauung.  Beschauung  aber  ist  das  Wesen  des  ||  Menschen, 
und  ist  sein  Leben:  Die  Beschauung  nämlich,  durch  die  der  Gegenstand  zugleich 
ist  und  wird.  Wenn  Du  unter  Theorie  das  Gleiche  verstehst,  so  grüßen  wir  uns, 
Kreund!  unser  Wesen  ist  für  die  Ewigkeit  Eins.  Ob  wir  das  Gleiche  darunter  ver- 
stehen? So  viel  ist  gewiß,  über  mein  Icli  das  schaut^  habe  ich  Dir  nichts  weiter 
zu  sagen,  weil  es  eben  das  Einzige  ist,  ivorüber  sich  nichts  weiter  sagen  läßt. 
Über  den  Gegenstand.,  den  wir  beide  beschauen  das  ist  etwas  anders!  Alle  Philo- 
sophie als  Thätigkeit  unseres  Geistes  betrachtet,  ist  dieselbe,  ist  Versuch  die  Welt 
anzuschauen.  Die  Verschiedenheit,  der  Qr-ad  ihrer  Wahrheit  und  Uebereinstimmung 
liegt  im  Gegenstand,  in  der  hervorgebrachten  Natur.  Frage  einen  Bauern,  einen  recht 
einfältigen,  über  irgend  einen  Gegenstand  des  Wissens.  Ich  denke  was  er  Dir  ant- 
wortet, wird  Dir  ihn  gleich  von  dem  Gehörnten  Gesellen  da,  der  seinen  Pflug  zieht, 
deutlich  genug  unterscheiden.  Freue  Dich  Lieber.  Der  arme  Bauer  denkt  also 
doch.  Darin  seyd  ihr  Eins.  In  dem,  tvas  ihr  denkt,  seyd  ihr  freilich  weit  —  weit 
auseinander.  Alles  kömmt  nun  darauf  au,  welches  von  beiden  denn  am  Ende 
entscheidet,  das,  worin  ihr  Eins,  das  worin  ihr  verschieden  seyd.  Ich  meine,  jenes. 
—  Du  wolltest  uns,  schreibst  Du,  noch  etwas  mittheilen  über  die  Bestimmung  — 
des  Raums;  erst  aber  müßtest  Du  sehen,  welche  von  beiden  Partheien  ihr  System  auf- 
opfern werde. Lieber,  lieber  Herbart  —  in  jeder,  jeder  Minute  meines  Daseyns 

macht  ein  System  in  mir  einem  neuen  und  schönern  Platz.  Willst  Du  es  kennen? 
Es  ist  die  unendliche  Welt.  Die  sucht  mein  Gedanke  hervorzubringen  ob  er  es 
gleich  nie  vollenden  wird.  Alles  opfere  ich  auf,  was  ||  Du  willst  —  und  was  sich 
aufgeben  läßt.  Hätte  ich  .aber  einst  etwas  hervorgebracht,  das  wirklich  Ewigkeit 
hätte  —  da  brauchte  ich  es  denn  auch  weiter  nicht  zu  schützen,  es  würde  sich 
selbst  schützen.  Die  Quelle  dieses  Allen  aber,  die  schaffende  Kraft,  meinen  Gedanken, 
oder  mich^  wenn  Du  willst,  kann  ich  nicht  einmal  aufopfern  wenn  ich  auch  wollte. 
Wenn  ich  kein  Wort  ■  sage  oder  schreibe,  treibe  ich  mein  Wesen  vielleicht  gerade 
am  ärgsten.    Ich  möchte  jedem  rathen  keine  Bücher  zu  schreiben,  dem  es  um  freie 


Nachtrag  zu   1797.  87 


und  ewige  ßlikko  in  die  Welt  zu  thun  ist!  Mao  könnte  mir  auch  mit  einem  Hammer 
ein  wenig  auf  den  Kopf  schlagen  —  denn  viel  brauchts  für  eine  Menschenstirue 
nicht  —  da  sagte  ich  denn  gewiß  kein  "Wort  mehr  das  in  dieser  Ohrenwelt  zu 
hören  wäre.  "Was  ich  sonst  wo  noch  sagte  —  und  also  dächte  —  würde  kein 
Mensch  wissen.  Es  ist  mein  voller  Ernst,  lieber  Herbart  —  wir  peinigen  uns  ohne 
Noth.  In  jedem  Menschen  ist  ein  ewiges  Sehnen  und  Ringen  nach  einem  all- 
mächtigen Gedanken,  und  dies  Sehnen  und  Ringen  löst  sich  am  Ende  in  diesen 
allmächtigen  Gedanken  wirklich  auf.  Nimm  den  ersten  den  besten  und  sieh  ihm 
ins  A.uge.  Nimm  dann  auch  uns,  die  wir  zusammen  waren  und  die  wir  so  immer 
unsre  jung  feurigen  Gedanken  umher  sandten  durch  die  wirklichen  Sterne  am 
Himmel  und  durch  die  vorgeblichen  Sterne  und  Hoheiten  unter  den  Menschen  und 
durch  die  neue  tragikomische  Republik  mit  den  fünf  Sternen  über  den  Ufern  der 
Seine  —  warum  so  kleinmüthig,  oder  sind  wir  etwa  groß-  und  /wcÄ-müthig?  Frei- 
müthig  soll  der  Mensch  seyn,  freien  Muth  soll  er  haben  —  ||  also  auch  freien  philo- 
sophischen Muth.  Gewiß,  Du  hast  darin  zu  wenig  Ruhe.  Mir  ist's  ein  schöner 
und  fruchtbarer  Gedanke,  daß  alle  und  jede  endliche  Vernunft  nothwendig,  weil  sie 
Vernunft  ist,  sich  erweitern  und  stärken  müsse  zur  unendlichen,  die  Schöpferin 
des  Weltalls  und  der  Menschen  ist.  Ich  weiß  wohl,  daß  das  nun  eben  geschehen 
sollte,  und  Da  kannst  mit  Recht  fodern  von  dieser  Weisheit  und  diesem  ewigen 
Wissen  denn  etwas  zu  sehen.  Aber  siehst  denn  Du  wirklich  nichts?  Ich  sehe, 
dünkt  mich,  viel  —  und  ich  selbst  so  scheints  mir,  ergreife  nie  mehr  Wahrheit, 
als  wenn  ich  am  unbefangensten  bin  und  am  wenigsten  suche.  Wunderbar!  Der 
Geist  treibt  sich  und  findet  nichts,  und  kaum  einen  Trost.  Er  ist  still  und  fühlt 
sich  nicht  —  da  fliegen  die  Sonnen  um  ihn  hin  und  verherrlichen  ihn.  Die  un- 
endliche Schöpfung  singt  ihm  Lob.  —  Was  liegt  nicht  —  um  wieder  die  Sonnen 
und  die  Welt  zu  vergessen  so  schwer  es  mir  wird,  denn  ich  soll  mit  einem  Wort 
von  7  Buchstaben  zu  thun  haben,  das  sich  auf  dem  Papier  durchaus  nicht  schön 
ausnimmt  —  was  liegt  nicht  für  reine  AVeisheit  in  dem  Wort  Theorie  in  seiner 
ersten  Sprachbedeutung;  und  wie  schändlich  haben  es  uns  die  Mönche  und  ihre 
Nachkommen  die  deutschen  Professoren  der  Philosophie  —  ich  frage  jeden  ver- 
nünftigen Menschen  ob  es  etwas  seltsameres  geben  könne  als  eine  Professur  der 
Weltweisweit  in  terminis  —  wie  schändlich  und  süudlich  haben  sie  es  uns  ver- 
dorben! Denke  ich  vollends  an  die  Distinktion  ||  zwischen  der  Theorie  und  der  Praxis, 
und  namentlich  au  diese  selbe  in  Niethammer  und  seinem  Journal,  so  klappern  mir  die 
Zähne  (welches  jetzt  gar  ein  großes  Unglück  für  mich  ist,  weil  sie  mir  seit  einiger 
Zeit  viel  Schmerzen  machen  und  erbärmlich  stumpf  und  wund  sind).  Ich  wende 
mich  aber  geschwind  gegen  den  Baum  des  Lebens,  dessen  herlicher  Anblick  mein 
Pieber  sogleich  wegjagt!  Du  hast  ihn  zweimal  in  Deinem  Brief  geschrieben  und  ich 
nun  auch  und  nun  wollen  wir  ihn  besingen.  Aber  die  Theorie  muß  im  Liede  auch 
vorkommen,  oder  wenn  Du  lieber  willst,  unser  Lied  muß  selbst  eine  Theorie  des 
Baumes  vom  ewigen  Leben  seyn.  Ich  liebe  diesen  Gedanken  und  übergebe  ihn 
Deiner  Liebe.  —  Unter  Theorie  verstehe  ich  das  bloße  Sehen  meines  leiblichen 
Auges.  Du  weist  es.  Gegen  Deine  Einwendungen  baue  ich  diese  Mauer:  mein 
leibliches  Auge  ist  zugleich  ein  geistiges,  welches  daraus  folgt,  daß  ich  in  meinem 
Körper  ein  Geist  bin.     Ich  habe  präludirt,  Lieber,  und  mein  Lied  fällt  ein. 

Alle  Wesen  der  grünbekränzten  Erde  tanzen  in  fröhlicher  Reihe  um  seinen 
himmlischen  Wuchs.  Es  fehlt  keines,  keines  aus  dem  unendlichen  Umkreis.  Sein 
stolzer  Wipfel  winkt  weit  umher  und  seine  stille  Umschattung  kühlt  jeder  Stirne 
Glühen.  Seines  Lebens  ätherischer  Duft  fliegt  auf  Zephyrschwingen  durch  alle 
Himmel   und   durch   jedes    blühende  Thal   im  Schutz    der    prangenden   Berge.     In 


88  Nachtrag  zu  1797. 


finstren  Höhlen  weckt  er  die  hingebeugte  Schwermuth;  sie  wandelt  mit  auf- 
gerichtetem II  Haupt  zu  seinem  Feste;  im  ewigen  Tanz  der  Freude  lächelt  ihr  Blick. 
Durch  des  Baumes  liebende  Zweige  tönen  die  Stimmen  der  Ewigen,  es  schimmert 
heller  die  Blüthe  und  milder  ruhet  das  Grün.  Sieh,  wie  Blikke  ihn  lieben.  Blikke 
des  Geistes  der  Welt!  Sie  schufen  seine  Herrlichkeit,  und  sie  umschattet  und 
kränzt  den  Geist  der  sie  schuf.  Der  Blick,  der  liebend  sie  rief,  den  ergötzet  und 
rühret  sie.  Wo  warst  du.  Blick,  als  die  umkränzte  Welt  in  dir  nicht  lebte?  AVo 
warst  du  prangende  Welt,  als  nicht  der  Blick  dich  umfing?  —  — 

Ich  habe  doch  nichts  gesungen.  Lieber.  Meine  Kehle  ist  todt  und  verstimmt. 
Ich  habe  nur  etwas  geschrieben,  und  gesagt  es  sey  ein  Lied.  So  kann  der  Mensch 
Dinge,  die  eigentlich  kein  vernünftiger  Mensch  träumen  sollte.  Denke  Dir  die 
Träume  eines  Menschen,  wie  wir  leider  keine  sind!  Welche  Hebliche  Sache!  Ich 
lobe  mir  die  Träume!  —  Alles  recht  überlegt,  der  Theoretiker,  und  so  etwas  bin 
ich  auch  so  gut  als  Du,  der  Theoretiker  also  leht  doch  wohl  immer  fort  in  und 
während  seiner  Theorie?  Du  räumst  es  ein.  Ich  möchte  also  fragen,  was  Dich 
denn  Deine  Freunde,  die  lebenden,  an  jenen  himmlischen  Baum,  Bich^  den  lebenden, 
erst  zu  verweisen  brauchen?  Trinkst  Du  doch  stündlich  seinen  Balsam!  Ich  weis 
wohl,  was  Du  meinst,  und  habe  auch  darüber  ein  Wörtchen  auf  der  Zunge.  Von 
dem  vielen  und  verwickelten  Leben,  das  man  Welt  zu  nennen  pflegt,  von  dem 
vielen  Thun  und  Genießen  etc.  soll  die  Rede  seyn.  Da  meine  ich  aber  auch,  daß 
um  II  aller  Götter  willen  davon  die  Rede  seyn  müsse  und  nicht  blos  die  Rede.  Nur 
das  Ding  gerade  und  natürlich  genommen.  Ich  für  mich  greife  seit  einiger  Zeit 
nach  Leben,  wie  ein  Hungriger,  und  fühle  deutlich  daß  Leben  ohne  Leben  Tod  ist. 
Was  man  da  vor  Augen  sieht  ist  nun  nicht  gerade,  was  ich  am  nöthigsten  brauche, 
sondern  folgendes  ist  es:  Ich  selbst  mit  meinem  Körper  und  seinen  Theilen  und 
Oliedern^  wie  man  zu  sagen  pflegt.  Mich  will  ich  vor  allen  Dingen  recht  haben 
und  fühlen,  —  und  also  sehen  (etwas  'schönes)  hören  und  singen.,  was  immer 
zusammengehört  dann  springen  tanzen,  schwimmen,  Traubensaft  u.  s.  w.  —  So 
alleine  bin  ich  nun  aber  auch  nichts;  Ich  will  auch  herzlich  lieben  und  dann 
eine  schöne  Hütte   bauen.     Aber   da   brauche   ich   nicht   weiter   zu   gehen.     Ueber 

nichts  sind  vernünftige  Menschen  einiger  als  über  die  Liebe. Mit  dem  übrigen 

bin  ich  bald  fertig:  Ich  will  die  Sterne  kennen  und  ihre  Bahnen.  Ich  will  die  Erde 
betrachten  und  sie  mit  meiner  Hand  abbilden.  Die  unendlicJien  Thiergeschlechter, 
die  schattenden  Bäume,  die  schmükkenden  Blumen.  Luft  und  Feuer  und  Wasser 
will  ich  untersuchen.  Ueber  die  Menschen  habe  ich  eigentlich  die  wenigste  Sorge. 
Es  sind  alle  meine  Freunde  und  sie  thun  alle  dasselbe,  was  ich  thue.  Dieser  und 
jener  Nachbar  stößt  mich  zwar  zuweilen  an  den  Arm  und  fragt:  „was  machst  Du 
da  in  Deiner  Hütte?  Wir  machen  das  alles  anders.  In  meiner  Werkstatt  mußt 
Du  die  Kunst  lernen."  Ich  lache  dann  oder  weine:  Der  arme  Mann  geht  in  Ge- 
danken und  stört  meinen  Frieden.  Aber  Friede  über  ihn  und  über  mich!  Die 
Götter  werden  uns  schützen  und  schützen  uns. 

Ich  habe  Dir  etwas  über  das  Leben  gesagt.  Du  verstehst  mich.  Ein  armer 
und  willkührlicher.  Stoff  ist  für  den  Denkenden  das  größte  Unglück.  Ich  hab'  es 
gefühlt.  II 

Und  hier  komme  ick  denn  auch  an  das:  tvie  gehts  Dir?  das  uns  in  Deinem 
Briefe  so  viel  Freude  machte.  Ich  will  Dir  etwas  von  unserm  Thun  und  Lassen 
erzählen.  —  Was  mich  angeht,  so  muß  ich  von  mir  sagen  seit  einiger  Zeit:  ich 
athme  auf  lebe  auf.  Es  ist  buchstäblich  wahr.  Ich  war  immer  ziemlich  gesund 
und  hatte  also  nur  'so  gerade  fortleben  können.  Aber  wie  konnte  ich?  Meine 
Phantasie,  meine  Vernunft  oder  wie  Du  es  nennen  willst,  schuf  immer  Ungeheuer, 


Nachtrag  zu  1797.  8q 


Chimären.  "VN'ie  lebt  sichs  in  solcher  Gesellschaft!  Es  fehlte  mir  durchaus  an 
natürlichem  Muth  zum  Leben.  Nur  in  meiner  Chimärenwelt  war  ich  ein  Held, 
und  freilich  ein  stattlicher.  Wie  wohl  that  mir  die  Reise,  und  besonders  jetxt^  da 
ich  recht  zusehe,  wie  schön  alles  ist,  und  da  ich  unter  einigen  guten  Menschen  so 
herzlich  froh  seyn  kann.  Es  sind  holde  Freundinnen  und  sie  sind  weiser  als  alle 
wir  Theoretiker.  Ich  hörte  es  oft  sagen  —  aber  so  etwas  muB  man  selbst  fühlen. 
—  Meine  Beschäftigung  wenn  ich  allein  bin,  ist  mein  Fortepiano  —  aber  leider 
Gottes  meine  Finger  wollen  nichts  Rechtes  lernen  so  lebendig  ichs  fühle!  —  und 
dann  Bäume  und  Menschengestalten,  die  ich  nachzubilden  versuche.  Die  Kunst 
öfnet  doch  erst  recht  die  Schranken  des  Lebens.  Der  Mensch  soll  Schöpfer  einer 
Welt  seyn.  In  den  Paragraphen  da  schaft  man  auch  Sachen!  Wie  man  nur  darauf 
gekommen  ist!  Doch  das  muß  auch  seine  Bedeutung  haben.  Ich  weis  nicht  ob  ich 
noch  etwas  für  den  Sinn  —  Aug  und  Ohr  —  zur  Wirklichkeit  bringe.  Aber  ich 
weis  doch  daß  ich  es  begehre  und  das  bloße  Bedürfniß  schon  ist  mir  unendlich 
viel  mehr  als  mein  vormaliger  eingebildeter  Reichthum.  Ich  wandre  nun  künftigen 
Sommer  noch  recht  in  der  schönen  Schweiz  umher,  und  kehre  dann  zu  einem 
guten  Vater  zurück,  dem  ]]  ich  nah  leben  möchte.  Ich  hoffe  mich  durch  kluge 
Beschränkung  und  durch  die  hülfreiche  Hand  der  Freundschaft  von  der  Staats- 
gewalt unabhängig  erhalten  zu  können,  und  werde  mich  am  wenigsten  über  einen 
Wirkungskreis  ängstigen.  Ist  er  doch  überall  wo  Menschen  sind.  Es  ist  das  auch 
eins  von  den  pralenden  Worten  ohne  Sinn  und  Inhalt.  Wir  sehen  uns  dann  wohl 
noch  im  Herbst  in  Deutschland. 

Wenn  dies  Blatt  vollgeschrieben  ist,  sende  ich  den  Brief  an  Hülsen,  der  denn 
wohl  etwas  beilegt  und  von  sich  erzählt.  Mit  seinen  Vorlesungen  ists  nichts  ge- 
worden, und  mir  ists  recht.  Doch  —  er  wird  noch  vorlesen  in  Zürch  in  einer 
großen  Gesellschaft  von  Damen  und  Herren,  die  sich  alle  Woche  einmal  von  ver- 
schiedenen Gelehrten  vorlesen  läßt.  Es  heißt  sogar,  ein  junges  hübsches  Mädchen 
werde  auch  vorlesen.  Ich  kenne  die  Grazie  und  habe  sie  3  mal  am  Arme  geführt 
und  einmal  im  Mondschein.  Ob  ich  in  sie  verliebt  bin,  wollte  ich  Dir  wohl  sagen. 
Aber  ich  weis  es  selber  nicht,  und  so  kannst  Du  nichts  mehr  fodern.  Rist  und 
ich  korrespondiren  fleißig  über  die  Liebe,  und  werden  uns  nächstens  an  Einem  Tage 
beide  todtschießen,  er  am  Ufer  des  tobenden  Meeres  und  ich  in  einer  Berghöhle.  — 

Lieber  Herbart,  ich  habe  die  Beurtheilung  von  ScheUing*)  mit  Aufmerksamkeit 
gelesen,  und  wie  ich  glaube  oft  Wahrheit  darin  gefunden,  besonders  in  Hinsicht  einer 
gewissen  leeren  Unendlichkeit^  die  mir  in  S's  Schrift  zu  herrschen  scheint.  Im 
Ganzen  aber  macht,  wie  ich  glaube,  Dein  freier  und  kühner  Geist,  ich  weis  nicht 
durch  welchen  Zauber,  zu  viel  Umwege,  und  beunruhigt  sich  ohne  Noth.  Ich 
möchte  Dir  immer  zurufen:  Du  hast  es  ja,  sey  umfrieden'.  —  Meine  Philos.  geht 
nun  einmal  von  keinem  ISatxe  aus,  sondern  von  mir,  und  anders,  denk  ich  kann  es 
keiner  machen.  —  Daß  ich  Dir  übrigens  eine  andre  Antwort  auf  Deinen  Aufsatz 
schuldig  bleibe,  versteht  sich.     Nur  für  heute  sey  zufiieden. 

Ich  grüße  Steck  und  Fischer  herzlich,  bis  im  Aug.  oder  Septbr.  bleibe  ich  in 
ihrem  schönen  Lande,  wenn  sie  etwa  binnen  der  Zeit  heimkehrten,  und  mich  in 
Zürich  aufsuchen  wollten.  —  Ich  grüße  noch  alle  übrigen  Freunde  die  noch  bei- 
sammen sind.  Sag  mir  doch  auch  etwas  von  Smidt.  Du,  Boehlendorff  kömmst 
doch  gewiß,  wenn  die  Bäume  grünen?  Schreibe  mir  doch  zuvor.  Im  Hause,  wo 
ich  wohne,  wäre  gerade  für  Euch  3  Freunde  Platz,  wenn  Ihr  den  Sommer  lieber 
in  Zürch  bliebet.  Ich  bliebe  dann  auch  wenigstens  einen  guten  Theil  des  Sommers 
hier.     0  kommt  doch,   ohne  Fehl.    —  Schreib    bald    Herbart,    und    laß    uns    beide 


I 


^)  S.  Bd.  I,  S.  12  ff. 


QO  Nachtrag  zu  1797. 


fleißiger  seyn.  Ich  schließe  den  Brief  und  habe  so  wenig  gesagt.  Ich  glaube  einen 
schönen  Lebensplan  zu  haben  und  möchte  von  Dir  gerne  ganz  verstanden  werden 
und  mit  Dir  übereinstimmen.     Leb  wohl.     Grüß  Fichte  Dein     E.  Berger. 

[Am  Rande:]    Schreibe  mir  unter  der  Adresse  der  Geßner sehen  Buchhandlung. 

—  Solltest  Du  Jena  vor  meiner  Zurückkunft  verlassen,  so  übergiebst  du  wohl  die 
zurückgelassenen  Bücher  einem  sichern  Mann. 

725b.  Einlage  von  Hülsen  an  Herhart.  Lieber  Herbart;  Sey  mir  noch  besonders 
herzlich  gegrüßt!  und  nimm  meinen  Dank  für  Deine  gegenwärtige  Beschäftigung 
mit  meinem  Buche. ^)  Ich  höre  nehmlich  von  Gries,  daß  es  in  Deinen  Händen  ist. 
Nun  darf  ich  also  wol  bald  Deine  Bemerkungen  ei-warten.  Ist  es  wahr,  daß  Fichte 
■damit  zufrieden  ist,  so  bin  ich  etwas  ||  getröstet.  Als  ich  einliegenden  Brief  schrieb, 
wußte  ich  das  noch  nicht.  So  bald  ich  wieder  arbeite,  sollst  Du  von  mir  erhalten. 
Aber  erst  Deine  Bemerkungen!  Sie  sind  mir  gewiß  in  mehr  als  einer  Eücksicht 
wichtig.  Schreib  bald.  Ich  hätte  Dir  einen  besonders  langen  Brief  geschickt, 
"wenn  wir  heute  nicht  gerade  auszögen,  und  die  Post  warten  wollte.     Adieu 

Hülsen. 

726.    Smidt  an  H.     (4  S.    4«.     N.)    Nur  zum  Teil  hier  gedruckt. 

Bremen  d.  16  t  Februar  1797  Abends 
Lieber  bestei'  Herbart!  Auch  ohne  ausdrückliche  Erinnerung  daran  sagte  mirs 
die  erste  Hälfte  Deines  heutigen  Briefes  deutlich  genug,  daß  ichs  nur  gar  zu  lange 
versäumt  haben  muß  an  Dich  zu  schreiben  —  Was  ich  da  nicht  alles  von  mir  zu 
lesen  bekam  —  Kaum  daß  ich  mich  selbst  drin  erkennen  konnte  —  Ich  der  ich 
mich  jetzt  so  gesund  so  lebendig  so  kraftvoll  fühle  wie  Du  mich  vieleicht  nie  in 
Jena  gesehen  hast,  soll  mit  Schwindsuchtsideen  schwanger  gehen,  auf  das  Bergsteigen 
resigniren,  nach  "Wind  und  Luft  und  Wetter  sehen  und  mir  von  einem  CoUegium 
medicum  ein  Bedenken  darüber  ertheilen . lassen  —  obs  wohl  rathsam  für  mich  sey 
in  die  Schweiz  zu  reisen  —  Meine  Augenkrankheit  soll  mir  vielleicht  ein  wichtiges 
llinderniß  seyn  —  und  nie  sind  meine  Augen  seit  der  Dresdener  Reise  besser  ge- 
wesen wie  gerade  jetzt.  Habe  ich  doch  seit  November  so  manchen  Octav-  und 
Quartanten  durchlesen  müssen  —  um  von  vier  Wochen  zu  vier  Wochen  unser 
Museum  mit  meinen  Vorlesungen  über  die  Geschichte  der  Jesuiten  unterhalten  zu 
können  —  und  kein  Rückfall  hat  mich  im  vorigen  Sommer  belehrt  daß  ich  so  etwas 
noch   nicht  wagen  dürfe.    —   Endlich  bemühst  Du  Dich  mich  zu  etwas  zu  bereden 

—  indem  ich  im  nämlichen  Augenblick  alle  Gründe  aufsuche,  durch  die  ich  Dich 
dazu  willig  zu  machen  versuchen  will.   — 

Kurz  lieber  H.  ich  freue  mich  und  bin  fröhlich  daß  die  Sachen  so  stehen  und 
Du  wirsts  auch  seyn  wenn  ich  Dich  anders  kenne.  Wärst  Du  doch  hier  gewesen 
diesen  Morgen  und  hättest  es  gesehen  wie  ich  auf  meiner  Stube  herumsprang,  die 
Feder  zum  schreiben  |i  in  die  Hand  nahm  und  vor  Jubel  nicht  dazu  kommen  konnte. 
Große  Lust  hatte  ich  meinen  Stab  zu  ergreifen,  über  Feld  zu  wandern  und  vor 
Abend  nicht  wieder  heim  zu  kehren  —  aber  euere  Aufträge  hielten  mich  und  es 
erschien  auch  gleich  ein  Eilbote  der  mich  nach  Langes  Haus  citirte,  —  unterwegs 
traf  mich  ein  zweyter  der  mir  L — s  Brief  an  seine  Eltern  bringen  sollte  —  ich 
wußte  nicht  wie  ich  sie  gestimmt  finden  würde,  aber  meine  Stimmung  war  so  daß 
es  mir  unmöglich  schien  daß  mir  heute  irgend  etwas  fehl  schlagen  könnte.  Und 
so  gings  denn  auch  —  in  weniger  als  5  Minuten  war  die  Sache  entschieden.  Wir 
können  nicht  darüber  urtheilen,  sagten  sie  und  fragten  ob  ich  den  Vorschlag  billige. 

—  Nach  meiner  Ansicht  antwortete   ich    wird   der  Aufenthalt  in  der  Schweiz    zu 

')  S.  0.  Bd.  I  der  Briefe  S.  31. 


Nachtrag  zu   1797.  gi 


Ihres  Sohnes  Vortheil  gereichen,  wenn  ich  Ihnen  meine  Gründe  näher  darlege  so 
werden  Sie  wahrscheinlich  eben  so  urtheilen.  —  Könnten  Sie  mir  das  glauben  auch 
ohne  sogleich  zu  schauen  —  so  sollten  Sie  lieber  jetzt  noch  ein  paar  Zeilen  schreiben 
da  die  Post  gleich  abgeht  —  und  Ihren  Sohn  durch  Ihre  Einwilligung  aus  der  Ver- 
legenheit reißen  —  hernach  sprechen  wir  weiter  darüber  —  das  war  ein  gewagtei' 
Schritt  —  aber  er  glückte  —  "Was  die  700  Thl.  betrifft  und  den  verlängerten 
Aufenthalt  in  Bern,  so  will  ich  das  alles  schon  machen  —  Lange  kann  sich  getrost  drauf 
verlassen  —  daß  seine  Eltern  nicht  bloß  nachgeben  sondern  auch  billigen  werden,  jj 
Du  beurtheilst  Langen  sehr  richtig  . . . 

727.    G.  A.  von  Halem  an  H.    (4  S.   S".)  Old.  1797  März  14 

Ich  höre  diesen  Morgen  von  Ihrem  Herrn  Vater  daß  Sie  diesen  bevorstehenden 
Sommer  die  große  Natur  in  ihrer  Werkstatt  aufsuchen  wollen.  Von  Herzen  Glück 
dazu!  Bios  die  Erinnerung  an  die  hehren  Scenen,  die  den  fühlenden  dort  um- 
drängen, blos  die  Erinnerung  belebt  mich  und  hebt  meinen  Geist  über  die  Urkunden- 
Siegel  und  den  Acten-Staub  auf  die  Höhen  des  Albis  und  des  Saleve.  Wie  er- 
quickend für  Geist  und  Körper  wird  Ihnen,  liebster!  dann  die  Wirklichkeit  seyn! 
In  Zürich  sehen  Sie  gewiß  den  verehrungswürdigen  Hirzel.  Sagen  Sie  ihm,  daß 
ich  über  seine  ausgebhebene  Antwort  auf  meinen  letzten  Brief  nicht  zürne,  sond. 
traure.  Für  Lavatern  würd'  ich  Ihnen  Geld  mitgeben  (denn  ich  bin  wegen  der 
Hand.  Bibliothek  in  seiner  Schuld)  wenn  Sie  direct  von  hier  gingen.  Ich  bin  be- 
^orig,  welche  Wirkung  er  auf  Sie  machen  werde.  Von  irgend  einem  Flecke  aus 
der  Schweiz  ein  Briefchen  von  Ihnen  zu  ||  empfangen,  würde  mir  Freude  machen. 
Ich  wünschte,  daß  meine  —  oft  flüchtigen  Reise-Briefe  Sie  daran  erinnerten.  Dann 
hätten  sie  doch  ihr  Verdienst. 

Die  Versuche  über  die  Krumme  Linie^  auf  die  Hellwag  begierig  ist,  bleiben 
mm  wohl  hegen;  so  wie  die  Fichtische  Philosophie  unterm  Cataracten  -  Donner 
schweigen  wird.  F— s  Naturrecht  habe  ich  noch  nicht  gelesen.  Was  Wrede  mir 
von  den  Ephoren  sagt,  läßt  mich  vermuthen,  daß  sie  ungefähr  die  von  Siej-es^) 
vorgeschlagene  jurie  constitutionnaire  ausmachen  sollen.  SchHmm  nur,  daß  alle 
solche  Stellen  doch  von  Menschen  bekleidet  werden,  und  also  jede  Einrichtung  den 
Mißbrauchen  unterworfen  sind.  Sollen  die  Ephoren  kräftig  über  die  Constitution 
wachen  kö7inen,  so  sind  sie  die  Herren.  Doch  was  Sieyes  und  Fichte  sagen  ist 
immer  äußerst  der  Beherzigung  weith.  Von  Kants  Naturrecht  las  ich  die  letzte  Hälfte 
mit  unendl.  Interesse.  Gesichert  hinter  der  Aegide  seines  Systems  über  die  Unrecht- 
mäßigkeit jeder  Insurrection,  sagt  er  die  herrhchsten  Wahrheiten,  die  nirgends 
so  11  kurz  und  so  bündig  zusammengestellt  sind.  Beredter,  oh  nil  supra,  stehn  sie 
freyüch  schon  großentheils  in  Fichtes  erstem  Buche  über  die  Fr.  ßevol..  einem 
Buche,  was  ich  außerordentlich  schätze. 

Die  Utt.  Z.  hat  in  den  letztverwichenen  Monaten  sich  mit  mir  beschäftiget. 
Sind  Sie  mit  der  Critik  der  Poesie  und  Prosa  zufrieden?  Der  E.  versteht  ziemlich 
mit  der  einen  Hand  zu  nehmen  was  er  mit  der  andern  gab.  In  Schlegels  Critik 
üb.  Vossens  Homer  ist  wie  ich  nicht  läugne,  manches  mit  meiner  Vorstellung  über- 
einstimmend ;  und  der  Gedanke,  daß  wenn  sich  das  Vorzügliche  der  zweyten  Voßischen 
Übers,  der  Od.  mit  der  gröfeern  Simplicität  in  Ton  und  Sprache,  so  in  der  ersten 
herrscht  vereinigen  ließe,  ein  vollkommenes  Werk  entstehen  würde,  ist  mir  aus 
dem  Herzen  geschrieben.  Ich  habe  Voßen  redlich  vor  den  Verrenkungen,  die  er 
mit  imsrer  Sprache  vornimmt,  gewarnt.  Er  hat  nicht  hören  wollen.  Nun  ist 
Theokrit  unter  der  Bracke.  —  Ad  voceiii  Theokrit  fällt  mir  Geßner  ein.    Suchen  Sie 


1)  E.  J.  Sieyes  (1748—1836),  franz.  Staatsmann. 


Q2  Nachtrag  zu  1797. 


doch,  ja  in  Zürich  seine  Zeichnungen,  davon  jede  eine  Idylle  ist,  zu  sehen.  Große 
Compositionen  von  Raphael,  Lebrun,  Wouwerman[s]  sind  mir  nicht  so  lebendig  im 
Andenken  geblieben,  als  diese  gemahlten  Idyllen.  || 

Ihre  Frau  Mutter,  der  ich  meinen  ßespect  bezeuge  werden  wir  also  um  Ostern 
wieder  sehen.  Mit  welcher  freudigen  Empfindung  wird  sie  ihren  genesenen  Sohn 
verlassen!  Mit  welchem  "Vergnügen  werden  wir  gemeinschaftl.  ihn  auf  seinem 
schönen  Alpenzuge  begleiten!  Herzlich  der  Ihre     Halem. 

728.  Zu  Herbarts  Aufenthalt  in  der  Schweiz  teilt  R.  Steck  im  Berner 
Taschenbuch  aufs  Jahr  1900  S.  29  u.  50  aus  den  Aufzeichnungen  Karl  von  Steigers^) 
noch  folgendes  mit: 

„Erst  im  Frühling  1797,  als  Herbart,  der  spätere  Professor  und  berühmte 
Philosoph,  von  Jena  her  als  Hauslehrer  bei  uns  eintraf,  kam  ein  anderes,  ein  regeres 
Leben  in  unsern  Unterricht.  Er  wußte  denselben  so  interessant  zu  machen,  daß 
die  Zöglinge  den  größten  Nutzen  davon  hatten.  Mit  mir,  damals  9^/^  Jahr  und 
Rudolf  7  Vo  J^i-hi"  3.1t,  machte  er  den  ersten  Versuch  mit  dem  Griechischen  und  zwar 
sogleich  mit  der  Odyssee  anzufangen,  was  auch  vollkommen  gelang,  worauf  der 
Hesiod  folgte.  Mich  ließ  er  viel  Mathematik  treiben  und  las  mit  mir  u.  a.  den. 
Kriton ,  das  Symposion,  die  Apologie  und  Phädon  von  Plato,  den  Philoktet  von 
Sophokles  u.  s.  w.  Auch  lehrte  er  uns  Chemie  und  zwar  zugleich  praktisch  mittelst 
eines  kleinen  Apparates.  Die  Arbeitsstunden  begannen  im  Sommer  um  5  und  im 
Winter  um  6  Uhr.  Herbart  war  nicht  bloß  Lehrer,  sondern  mehr  noch  eigentlicher 
Erzieher  und  zwar  nach  der  Methode  des  Sokrates,  indem  er  nicht  eintrichterte, 
sondern  die  Intelligenz  der  Zöglinge  vorzüglich  weckte  und  sich  so  von  selbst  ent- 
wickeln ließ."  —  —  —  — 

„Alle  diese  großen  und  kleinen  Ereignisse  hatten  indessen  den  Studien  keinen 
Eintrag  gethan.  Allein  als  eben  alles  im  besten  Zuge  war,  wurde  unser  vortrefflicher 
Lehrer  Herbart  unglücklicherweise  Ende  des  Jahres  1799  nach  Hause  berufen,  was 
besonders  auf  mich  wie  ein  Donnerschlag  wirkte.  Er  blieb  jedoch  in  fortwährendem 
Briefwechsel  mit  mir  und  suchte  aus  der  Ferne  auf  meine  Bildung  einzuwirken. 
Ich  mußte  ihm  mathematische  Aufgaben  lösen  und  Aufsätze  über  Werke  von  Plato, 
Xenophon,  Plutarch,  Herodot  und  andern  Klassikern  zusenden.  Pestalozzi  kam  oft 
zu  Herbart.  '^)  Nach  des  letzteren  Abreise  brachte  ich  ihm  nach  Burgdorf  einen 
schriftlichen  Aufsatz  desselben,  wo  ich  aufs  freundschaftlichste  aufgenommen  wurde 
und  den  ganzen  Tag  zubringen  mußte."  ^) 

Von  Hrn.  Prof.  Dr.  Steck  in  Bern  erhielt  ich  nach  Drucklegung  des  1.  Bandes 
noch  einige  Angaben  über  Familien  in  Bern,  die  in  Herbart's  Briefwechsel  vor- 
kommen und  hier  noch  mitgeteilt  werden  sollen: 

1.  ZehendeR;  Albrecht  Nikiaus,  verheiratet  mit  Marianne  v.  Graffenried,  Kinder: 
Albertine  Marianne,  geb.  1.  August  1795,  Rudolf  Friedrich,  geb.  21.  Febr.  1797, 
Bernhard,  geb.  7.  Juni  1800,  flSOl,  Karl  Albert,  geb.  21.  Jan.  1808,  Marie. 
Amalie,  26.  März  1810,  Cecilie  Henriette  Sophie  geb.  5.  April  1812. 

^)  Hr.  Prof. "Steck  hatte  die  Güte,  sich  neuerlich  zu  bemühen,  noch  mehr  da- 
von ans  Licht  zu  ziehen,  leider  vergeblich. 

*)  Im  Frühjahre  1793  hatte  sich  Fichte  in  Zürich  mit  einer  Freundin  der  Frau 
Pestalozzi,  Johanna  Rahn,  der  Nichte  Klopstocks,  fürs  Leben  verbunden.  Bei  dem 
freundschaftlichen  Verhältnis,  das  Herbart  und  seine  Mutter  mit  dem  Fichte  sehen 
Haus  verband,  wars  Herbart  leicht,  in  Pestalozzis  Haus  Eingang  zu  finden. 

^)  Zur  Literatur  ist  zu  ergänzen:  ,,Wie  kam  Herbart  zur  Pädagogik?  Eine- 
kritische Studie  von  Dr.  Jon.  Kretzschmar  in  Leipzig."  Allg.  Deutsche  Lehrerzeitung, 
Lpzg.  1905,  Nr.  14  u.  15. 


Nachtrag  zu    1797.  q^ 


2.  V.  Frischin&,  Joh.  Rudolf,  Herr  zu  Rilmligen,  verh.  mit  Elisabeth  Sophie 
geb.  V.  Frisching.  Kinder:  Albrecht  Karl  Rudolf  geb.  1791,  3.  März,  Alleta  Sophie, 
geb.  2.  Febr.  1793. 

8.  V.  SixxEE,  Abraham  Friedrich,  Landvogt  zu  Wiflisburg  (Avenches)  verh. 
mit  Marianne  Tscharner.  Kinder;  Abr.  Ferd.  Rudolf,  geb.  10.  August  1790,  Albert 
Friedrich  Eduard,  geb.  20.  März  1794,  (Karl  Ludwig,  geb.  7.  Dezember  1786, 
Friedlich  Johann  geb.  24.  Mai  1784).  — 

729.    E.  von  Berger  an  H.    (6  S.    4°.    N.)  Lausanne  20  Jul.  97 

Lieber  Herbart,  wie  lebst  Du?  —  Eben  fiel  mir  Rists  Schreiben  an  Dich  in 
die  Hände,  worin  er  Dir  mit  feiner  Unterscheidung  6  nothwendige  AVissenschaften 
deducirt.  "Wenn  ich  an  Dich  denke,  so  denke  ich  immer,  daß  die  Welt  nach  und 
nach  durch  Dich  viel  wissen  wird,  oder  besser,  daß  Du  selbst  schon  viel  weißt,  was 
andre  noch  nicht  wissen.  Ich  wollte  schon  lange  etwas  an  Dich  schreiben.  Die 
6  Wissenschaften  geben  mir  heute  bestimmtere  Veranlassung.  Ich  denke  Rist  hat 
jetzt  auch  selbst  nicht  soviel  Wissenschaften^  und  ich  hoffe.  Du  und  ich  begegnen 
uns  in  der  Beurtheilung  seines  Versuchs.  Die  Reise  öfnet  sehr  meinen  Sinn,  und 
wekt  in  mir  manche  neue  bessere  Bedürfnisse.  —  Besonders  aber  fühle  ich  mich 
täglich  mehr  zu  einer  recht  ernsthaften,  wissenschaftlichen  Thätigkeit  für  die  Zu- 
kunft aufgefodert,  und  das  wirst  Du,  denk  ich,  gerne  von  mir  hören.  Ich  sehe 
immer  mehr,  wie  nur  der  recht  thätige  ganz  und  mit  Vei"stand  genießen  könne,  und 
daß  es  überhaupt  eins  sey,  ob  man  Ihätigkeit  sagt  oder  Genuß.  Aber  je  mehr  ich 
das  sehe,  und  je  heller  ich  in  gewissen  Augenblicken  meine  ganze  Sphäre  über- 
schaue, desto  schwerer  wird  mir  auch  der  Anfang  im  Einzelnen  und  bestimmten. 
Ich  bin  mit  dem  Wissen  \\  des  Wissens  so  ziemlich  ins  Reine,  und  sehe,  daß  man 
sich  diese  Bemühung  ersparen  kann,  und  weis  und  begreife,  daß  das  Auge  nicht 
sich  selbst,  sondern  nur  ein  anderes  Auge  und  eine  Welt  zwischen  beiden  sehen 
kann.  Aber  in  diesem  Gefühle  meiner  Freiheit  bin  ich  an  Wirklichkeit  arm,  und 
finde  es  sonderbar,  daß  mein  ganzes  Thun  beinahe  nur  in  Behandlung  und  Bestimmimg 
und  Ordnung  der  Zeichen  der  Dinge  bestehen  solle.  Ich  weis  wohl,  daß  das  Zeichen 
zur  Sache  führt,  aber  dies  geht  oft  gar  zu  langsam,  und  wir  können,  durch  bloße 
Zeichen  nicht  bestehen.  Ich  könnte  zum  Beispiel  dahin  kommen,  die  Welt  richtig 
zu  mahlen,  aber  was  sollte  ich  mit  einer  gemahlten  Welt?  Die  Dichter  sind  auch 
nur  zu  oft  bloße  Mahler,  und  die  Philosophen  bloße  Messer.  Es  ist  wohl  gut,  daß 
man  Zeichnungen  und  Risse  macht.  Aber  es  ist  doch  nicht  genug,  und  es  ist  dem 
Menschen  nicht  wohl  dabei,  wenn  immer  nur  andre  für  seine  täglichen  natürlichen 
Bedürfnisse  sorgen.  Ich  könnte  mich  in  diesen  Gedanken  so  vertiefen,  daß  ich  mir 
gleich  dies  metaphysische  Instrument,  die  Feder,  wegwerfen,  und  hier  in  dem  in- 
dustrieusen  Lausanne,  irgend  ein  wirklich  physisches  Instnmient  ergreifen  möchte, 
ein  II  Weberschiff,  eine  Feile,  einen  Hobel.  Du  hobelst  mit  Ludwig.  Du  thust 
etwas  sehr  kluges.  Hast  Du  auch  wohl  darüber  nachgedacht,  was  denn  Deine 
Rand  eigentlich  sey?  —  und  wozu  Du  sie  hast?  — 

Ich  will  dies  thun  und  jenes,  tausend  Dinge,  ins  Unendliche  hinaus.  Aber 
immer  frage  ich  mich,  wie  fängst  du  an?  —  Eigentlich  hat  man  immer  schon  an- 
gefangen, indem  man  nachfragt,  irgend  etwas,  und  jeder  findet  in  seiner  Erfahrung 
irgend  einen  Fortschritt  im  Wirklichen.  Von  den  Ideen  spreche  ich  nicht.  Was 
kann  ich  mir  bis  zum  nächsten  Augenblick,  der  jetzt  schon  nicht  mehr  da  ist,  nicht 
alles  denken?  —  Jeder  sollte  auf  seine  entwickelten  bestimmten  Fähigkeiten  recht 
aufmerksam  seyn,  und  sich  immer  sagen:  ich  bin  und  vermag  doch  schon  etwas. 
Es  soU  mir  heilig  seyn,  weil  es  aus  meiner  eignen  freien  Kraft  hervorging.  Diese 
Kraft   bleibt  mir   für  immer,   und  ich   fühle  es,  sie  und  die  Welt,  die  sie  schaft. 


Q4  Nachtrag  zu  1797. 


werden  sich  ewig  erhöhen.  —  Man  wäre  dadurch  zufriedner  mit  der  Gegenwart 
und  zugleich  thätiger  für  sein  Bedürfniß.  Man  würde  sein  ganzes  Wesen  mehr 
fühlen,  und  in  ihm  harmonischer  fortschreiten.  !|  Schlimm,  daß  man  diese  Weisheit  so 
oft  vergißt  und  wie  es  scheint  vergessen  muß.    Aber  man  kann  auch  über  sich  wachen. 

Boehlendorff  wird  Dir  vielleicht  erzählt  haben  von  meinen  Freundinnen  in 
Bern,  die  er  nun  auch  gesehen  hat.  Du  siehst  sie  wahrscheinlich  einmal  bei  Louise 
Stapfer;  sie  kennen  Dich  schon  durch  mich,  und  ich  bitte  Dich,  auch  ihre  nähere 
Bekanntschaft  zu  suchen ;  sie  wird  Dir  überhaupt  angenehm  seyn  können,  und  dann 
noch  besonders  meinetwegen.  Wenn  Du  in  dieser  Freundschaft  noch  etwas  mehr 
siehst  und  durch  Boehlendorff  erfährst,  so  bleibe  um  desto  mehr  mein  Freund,  und 
sey  behutsam  unter  fremden  Leuten.  Ich  bin  dem  Schreiben  oft  so  abhold.  Aber 
wir  sehen  uns  ja  noch  im  August  oder  Septbr.  und  wir  kennen  uns  ja.  Wir 
wollen  das  um  gewisser  äußerer  Erscheinungen  willen,  die  man  nicht  immer  richtig 
beurtheilt,  nie  unter  uns  vergessen  werden  lassen,  dies :  das  wir  uns  wirklich  kennen. 
Es  ist  ein  großes  Wort,  Lieber.  Aber  wer  kann  sich  scheuen,  es  auszusprechen? 
Du  wirst  mich  für  die  Zukunft  ziemHch  bestimmt  und  entschlossen  finden.  Aber 
Festigkeit  eines  jeden  in  sich  \\  muß  gewiß  die  Freundschaft,  bei  aller  anscheinenden 
Verschiedenheit,  endlich  einmal  für  immer  bewähren.  Fest  ist  man  auch  immer 
nur  in  der  Wahrheit,  und  eine  blos  individuelle  Wahrheit  kann  es  nicht  geben. 
Wenn  zwei  Freunde  jeder  auf  seine  Art  fest  sind,  so  sehen  sie  beide  die  Wahrheit 
und  beide  dieselbe  Wahrheit.  —  Du  wirst  mit  dem  Gange  meines  Lebens  und  meiner 
Wirksamkeit  auch  wohl  einig  werden.  Denn  dieser  Gang  ist  nicht  willkührlich,  und 
es  wohnt  in  meiner  Brust  Liebe  zu  den  Mensehen  und  ein  Trieb  für  sie  zu  handeln, 
der  nicht  ruhen  wird.  Die  schwere  Frage  ist  nur  immer  die :  wie  und  wodurch 
wird  dieser  Trieb  befriedigt.  Eine  sehriftstellerische  Laufbahn  war  sehr  lange  mein 
einziger  Gedanke;  auf  die  Art  glaubte  ich  alles  thun  zu  können.  Jetzt  erscheint 
mir  diese  Thätigkeit  oft  so  leer  und  so  arm.  Die  Mittheilung  an  Mehrere  ist  indes 
wichtig,  und  ich  könnte  es  doch  vielleicht  einmal  versuchen  einigen  Menschen  be- 
greiflich zu  machen  durch  Schrift,  wie  wenig  Schrift  eigenthch  sey,  und  daß  der 
Mensch  lebe.  So  lange  die  Denkenden  das  vergessen  und  mit  einer  solchen  ge- 
dachten !|  Entwickelung  ihrer  Kräfte  zufrieden  sind,  wird  ihr  Beispiel  wenig  fruchten; 
und  das  Beispiel  ist  es  doch  eigentlich,  was  in  der  Gesellschaft  wirkt.  Wie  soll 
man  dem  Worte  von  Harmonie  der  Welt  mit  unserm  Geiste  glauben,  wenn  keiner 
diese  Harmonie  durch  lebendige  Kraft  auf  die  Xatur  in  seinem  eigenen  bestimmten 
Kreise  wirklich  hervorbringfi  Was  wären  wir,  was  wäre  unsre  Freude  am  Daseyn, 
wenn  wir  einzelnen  sogenannten  Wissenden  nichts  seyn  sollten,  als  das,  wenn  die 
wirkliche  Kraft,  durch  welche  die  Natur  unserm  Geiste  huldigt,  frag-m entarisch 
unter  Millionen  vertheilt  bliebe?  Aber  so  ist  es  für  einen  Augenblick.  Der  Geist 
ist  durch  seine  Thätigkeit  selbst  unthätig.  Er  sucht  ein  Bild  seiner  selbst,  und  er- 
schafft todte  Gestalten.  Das  lebendige  unendliche  Bild  seines  Wesens,  das  da  ist, 
kann  er  für  einen  Augenblick  übersehen.  Aber  auch  nur  für  einen  Augenbhck,  der 
keine  Dauer  hat.  Die  Macht  der  Natur  strömt  ewig  auf  uns  ein.  Wir  leben  alle 
in  ihr.  Sie  ist  nur  eine.,  und  unsre  Vereinigung  ist  sichtbar  für  einen  jeden,  der 
die  Natur  versteht. 

Lebe  wohl,  lieber  Herbait.  Wenn  wir  uns  noch  im  Septbr.  sprechen,  wollen 
wir  uns  manches,  was  uns  jetzt  schon  verbindet,  deutlicher  und  verständlich  sagen  und 
nur  so  eine  Zukunft  bereiten,  die  Deine  seyn  wird  und  meine.         Dein     Berger. 

730.  E.  von  Berger  an  H.    (8S.  4".  N.)     Bern.  [Ohne  Datum.  Winter  1796/97 ?] 

731.  Bonus  an  H.     (1  S.   4".    N.)  Zwischenahn  28.  Aug.  97. 


Nachtrag  zu   1797.  g; 


732.  Gries  an  H.  (12  S.  8°.  N.)  Jena,  den  löten  Septbr.  1797. 
Kein  Brief  für  mich?  rief  ich  gestern  nach  gewohnter  Weise  dem  Briefträger 
zu,  ohne  mich  durch  seine  ewigen  Negationen  abschrecken  zu  lassen.  „Ich  habe 
ihn  schon  abgegeben.,,  erwiederte  der  treundliche  Manu,  und,  als  sähe  er  meine  Ge- 
danken von  Ferne,  setzte  er  hinzu:  ,,Es  war  ein  Schweizer.,,  Ein  Schweizer? 
jubelte  ich,  und  ehe  noch  der  staunende  Sohn  der  Post  die  demüthig  abgenommene 
Hauptbedectung  wieder  aufsetzen  konnte,  hatte  ich  mein  Haus  ergriffen,  flog  die 
75  Stufen  hinan  und  stürmte  mein  Zimmer,  als  ob  ich's  den  Franken  abnehmen 
sollte.  Schon  sah  ich  das  schwellende  Packet  von  Ferne  auf  dem  Tische  liegen,  ein 
Ruck  und  —  Dank  Dir,  Herbart!  Dank  Dir,  Böhlendorff!  ich  hielt  Euch,  Euch.' 

d.  23sten  Oktbr. 

Komme  ich  nicht  fast  in  Deinen  Orden,  lieber  Herbart,  da  ich  über  einen 
Monat  zwischen  diesen  beiden  Absätzen  meines  Briefes  vergehen  ließ?  Aber  glaube 
nicht,  daß  es  absichtlich  geschehen  sey;  ich  weiche  in  meiner  Theorie  der 
Korrespondenz  so  weit  von  Dir  ab,  daß  es  wirklich  mein  völliger  Ernst  war.  Dir 
gleich  nach  Empfang  Deines  Briefes  zu  antworten.  Mancherlei  Umstände  ver- 
hinderten es,  und  ich  eile  jetzt  nur,  Dir  vor  Anfang  der  Kollegien  zu  schreiben, 
weil  ich  diesen  Winter  außer  der  Logik,  Chemie  ||  und  den  Institutionen  des  ge- 
samten Rechts,  ein  Privatissimura  über  Mathematik,  und  ein  anderes  —  Deinem 
Wunsche  gemäß  —  über  die  griechische  Sprache  hören  will.  Dennoch  aber  soll  es 
mir  nicht  an  Zeit  fehlen  Deine  Briefe  zu  beantworten,  sobald  sie  aus  dem  Reiche 
der  Möglichkeiten  in  die  Wirklichkeit  übergegangen  seyn  werden,  und  meine  Arbeitsam- 
keit —  si  Diis  placet  —  diene  Deiner  Läßigkeit  nicht  zur  Entschuldigung! 

Du  fürchtest,  daß  Dein  Brief  mich  nicht  in  Jena  treffen  würde ;  er  kam  aber, 
wie  Du  gesehen  hast,  lange  vor  den  Ferien  an,  und  obwohl  meine  Kollegien  mich 
diesen  Sommer  nicht  sehr-  genirten,  so  würde  ich  doch  den  Wohlstand  nicht  so  sehr 
aus  den  Augeu  gesetzt  haben,  daß  ich  eher  fortgereist  wäre,  als  meine  Herren 
Dozenten  ihre  resp.  Kollegien  geschloßen  hätten.  Indeßen  war  eine  Reise  nach 
Dresden  wirklich  mein  Plan.  Schon  war  alles  dazu  eingerichtet,  als  ich  zwei  Tage 
vor  meiner  praesumtiven  Abreise  einen  Brief  —  rathe  von  wem?  —  bekam,  der 
meinen  ganzen  Plan  umstieß.  Ja,  Lieber,  unser  Berger  schrieb  mir,  ganz  un- 
erwartet, er  werde  in  den  ersten  Tagen  des  Oktobers  hier  seyn.  Daß  nun  an  die 
Reise  nach  Dresden  nicht  mehr  gedacht  wurde,  versteht  sich  von  selbst;  doch 
machte  ich  noch  mit  Hufelands  eine  kleine  Ausflucht  nach  Dessau,  Wörlitz  und 
Halle,  und  wie  ich  zurückkehrte,  fand  ich  Bergern  zwar  nicht  in  Jena,  aber  er  war 
schon  dagewesen  ||  und  nur  auf  einen  Tag  zu  Wieland  nach  Osmannsstädt  geritten. 
Ungeduldig  lief  ich  zu  Möllern.,  denn  ich  hörte,  B,  sey  bei  diesem  gewesen  und 
vermuthete  also  eine  Art  von  Aussöhnung.  M.  sagte  mir,  er  erwarte  Bergern  noch 
an  diesem  Abend.  Was  in  mir  vorging,  beschreibe  ich  nicht;  nach  einer  anderthalb- 
jährigen Trennung  sollte  ich  ihn  wiedersehen,  das  war  mein  einziger  klai'er  Ge- 
danke, aber  wie?  das  begriff  ich  nicht.  Bis  10  Uhr  hielt  ich  diese  peinliche  Lage 
aus.  Jetzt  sprang  die  Thür  auf,  und  ich  lag  in  seinen  Armen.  Nichts  mehr!  Du 
fühlst  mit  mir.  —  —  —  — 

Unser  Beisammenseyn  war  kurz.  Hülsen  war  mit  Fichte  nach  Leipzig  gereist, 
Berger  wollte  ihnen  am  andern  Tage  folgen.  Ich  entschloß  mich  bald,  ihn  zu  be- 
gleiten. Ich  sah  auch  Hülsen  Avieder  und  fand  ihn  ganz  wie  ehmals,  offen  und 
heiter.  Berger  aber  war  viel  lebendiger  wie  sonst;  es  schien  daß  Trennung  und 
Wiedersehn  uns  einander  viel  näher  gebracht  habe.  Zwei  Tage  verlebten  wir  mitten 
im  Geräusche  der  Messe,  still  und  einsam  und  herrlich.  Cnendliches  haben  Wn 
beredet  und  doch  schien  es  uns  werüg.     Berger  ließ   die  Möglichkeit   blicken,   den 


Q^  Nachtrag  zu   1797. 


Winter  in  Jena  zu  bleiben;  daß  ich  mein  Alles  that,  um  diesen  Gedanken  zur 
Wirklichkeit  zu  bringen,  begreifst  Du  leicht.  Mit  mehr  Besorgniß  als  Hoffnung 
schied  ich  von  ihm.  Zwei  Tage  hernach  schrieb  er  mir,  ich  ||  solle  ihm  ein  Zimmer 
miethen  und  Anatomie,  Physiologie  imd  Chemie  für  ihn  belegen.  Nun  erwarte 
ich  ihn  alle  Tage-,  er  wird  mir  schräg  gegenüber  wohnen,  auf  dem  Zimmer,  welches 
ehemals  Deboor  bewohnte.  „Wir  wollen  uns  freuen  mit  einander,  schreibt  er  mir  — 
tagtäglich  einige  Monden  lang.,,  Auch  Hülsen  kommt  Weihnachten  wieder.  Ja, 
wir  -wollen  das  Leben  erneuen,  von  dem  Du  sprichst,  das  Leben  jener  zauberischen 
3  Monde,  aber  nicht  auf  immer  entschwunden,  wie  Du  wähnst,  denn  sie  kehren 
uns  wieder,  schöner,  lieblicher.  Ja,  sie  sollen  mir  eine  neue  Periode  des  Lebens 
bereiten,  diese  glücklichen  Monde;  selbst  ehemaliges  Mißlingen  hat  nicht  die  Kräfte 
gehemmt,  nur  geprüft  und  gestärkt,  den  Muth  vei-mehrt,  und  von  neuem  soll  er 
sich  nähren  von  den  Aufmunterungen  des  gegenseitigen  Beispiels.  Ich  will  diese 
Periode  an  jene  ehemalige  anknüpfen,  aber  ich  will  nicht  undankbar  seyn  gegen 
die,  welche  zwischen  beiden  liegt,  sie  hat  mir  diese  Zukunft  bereitet  und,  wenn- 
gleich in  trüben  Stunden,  mir  gezeigt,  welche  unendliche  Macht  in  der  Freiheit 
liegt,  die  sich  siegend  über  die  Gewalt  der  Zeit  erhebt. 

Ich  gehe  von  hier  unmittelbar  zur  Beantwortung  eines  der  wichtigsten  Punkte 
Deines  Briefes  über,  zum  Unterschiede  zwischen  ehmals  und  jetzt.  Du  fragst,  ob 
ich  diesen  nicht  bemerke?  ||  Es  wird  mir  schwer  werden,  Dir  diese  Frage  deutlich 
zu  beantworten,  weil  das,  worauf  sie  sich  bezieht,  schwerlich  von  uns  beiden  in 
demselben  Sinne  genommen  wird.  Ich  müßte  mich  sehr  irren,  oder  Du  verwechselst 
hier  wieder  unsre  Gesinnungen  für  einander,  und  das  —  wie  soll  ich  es  nennen?  — 
das  System  unsrer  beiderseitigen  Meinungen.  Bezieht  sich  Deine  Frage  auf  erstere, 
so  ist  meine  Antwort:  Nein!  Mag  ich  es  bei  Deinem  Herzen  zu  verantworten  haben, 
wenn  meine  Behauptung  zu  kühn  ist;  das  meinige  rechtfertigt  sie  vollkommen. 

Du  liebtest  mich  ehmals,  das  weiß,  ich,  wußte  ich  längst,  ehe  noch  Deine 
schriftliche  Erklärung  in  jenem  zweiten  Briefe,  den  Du  mir  an  dem  Abende  der 
Katastrophe  schriebst,  und  den  ich  als  ein  heiliges  Unterpfand  der  Treue  aufbewahre, 
mir  sagte,  Du  habest  es  auf  eine  Art  gethan,  die  ich,  wie  ich  Dir  schon  mündlich 
gestand,  mit  Deiner  kalten  Vernünftigkeit  und  Deinem  gesetzten  Karakter  für  un- 
verträglich hielt.  Jene  unglückliche  Periode,  die  auf  Alles,  was  in  ihr  vorging,  ein 
so  falsches  Licht  warf,  bestärkte  mich  vielmehr  in  der  Meinung,  daß  eine  Freund- 
schaft, die  ich  so  bald  in  Gleichgültigkeit  übergehen  zu  sehen  glaubte,  sich  mehr 
auf  eine  gewiße  Werthschätzung  des  Kopfes,  als  auf  Empfindung  des  Herzens 
gründe.  Ich  hatte  mich  geirrt,  aber  es  lag  in  der  ganzen  Verkettung  der  Um- 
stände,'daß  ich  nicht  wohl  aus  diesem  Irrthum  anders  als  auf  eine  so  gewaltsame 
Art  herausgerißen  werden  ||  konnte.  Mein  Fall  war  anders.  Die  Achtung,  welche 
Deine  erste  Bekanntschaft  mir  abnöthigte,  ward  bei  näherem  Umgange  sehr  bald 
w^ahre  Freundschaft,  welche  nie  Sache  des  Kopfes  allein  seyn  kann.  Aber  der 
Ernst  Deines  Karakters  ließ  diese  sich  nie  zu  jener  idealischen,  vielleicht  schwärme- 
rischen Höhe  erheben,  wovon  ich  seit  meiner  frühesten  Jugend  geträumt  hatte. 
Wie  hernach  unsere  Freundschaft  einen  so  harten  Stoß  zu  leiden  schien,  schob  ich 
die  Schuld  Deiner  Kälte  mehr  auf  das  Schicksal,  welches  Dir  nun  einmal  nicht  mehr 
Empfänglichkeit  gegeben  hatte,  als  auf  Dich.  Meine  Gesinnungen  blieben  im  Ganzen 
unverändert;  ich  gab  Dir  'den  Bundesbrief  zuräck,  ohne  den  meinigen  zu  zerreißen. 
Und  was  sollte  jetzt  eine  Aenderung  derselben  bewirkt  haben,  jetzt  nachdem  der 
ti-ügerische  Schleier  unsre  Augen  nicht  mehr  verhüllt?  Kaum  war  dieser  gefallen 
so  war  Wiederherstellung  des  alten  Verhältnißes  etwas,  das  uns  sehr  natürlich  seyn 
mußte.     Bald  kam  die  Trennung;   aber  ich  wenigstens  schied  mit  der  vollen  Über- 


Nachtrag  zu   1797.  07 


I 


Zeugung,  daß  unsre  Freundschaft,  fester  gegründet  -wie  jemals,  seitdem  eine  un- 
angenehme, aber  heilsame  Erfahrung,  gleichsam  eine  Kritik  ihres  Grundes  geliefert 
hatte,  nur  einer  ununterbrochenen  gegenseitigen  Mittheilung,  —  der  conditio  sine 
qua  non  aller  Freundschaft,  —  bedürfe,  um  auf  die  ganze  Folge  unsrer  Jahre  ihren 
himmlischen  Glanz  zu  verbreiten.  || 

Laß  mich  jetzt  Deine  Frage  aus  der  zweiten  Ansicht  betrachten.  ^^Ehmals 
sagst  Du,  hielten  wir  einander  für  rasche  Läufer  in  der  gleichen  Bahn;  jetxt  sind 
Einem  von  uns  die  Augen  aufs  seltsamste  verblendet,,;  und  der  Zusatz:  „Er  sagt, 
wir  sind  am  Ziel  und  lacht  über  mich  Keuchenden,,  zeigt  deutlich  genug,  daß  ich 
dieser  eine  Verblendete  seyn  soll.  Lnmerhin,  Lieber;  wenn  Du  mir  nur  deswegen 
nicht  die  Freundschaft  aufsagst;  aber  ich  wenigstens  wüßte  nicht,  was  diese  damit 
zu  thun  hätte. 

"\A'enn  es  nach  einem  bestimmten  Ziele  nur  eüien  rechten  Weg  giebt,  und 
zwei  bestimmte  Läufer  zwei  verschiedene  Wege  wählen:  so  folge!  daraus  klar  wie 
die  Sonne,  daß  jeder  glaube,  der  Andere  gehe  den  unrechten  Weg.  Wenn  aber 
der  Eine,  der  geht,  dem  Andern,  der  auch  geht,  zuruft:  Warum  gehst  Du  denn 
nicht?  so  scheint  dieser  Zuruf  er  eben  der  Verblendete  zu  seyn,  es  sey  denn,  daß 
er  dafür  halte,  ein  Gehen  auf  einem  andern  Wege  als  auf  dem  seinigen,  sey  — 
gar  kein  Gehen.  Vergieb  mir,  Lieber,  wenn  ich  einen  Augenblick  glauben  muß.  Du 
seyst  in  diesem  Falle.  Oder  was  kann  Dir  ein  Recht  geben,  mich  für  den  „Ein- 
gewurzelten am  Eingange  der  Bahn,  Zeit  und  Kräfte  Verlierenden,  gegen  die 
drohenden  üngewitter  Blinden,,  anzusehen,  wenn  es  nicht  diese  Meinung  vom  allein- 
seligmachenden Wege  ist,  die  von  jeher  ein  gemeinschaftliches  Eigenthum  der 
Religion  und  —  der  Philosophie  war.  ||  Wenn  möglichst  extensive  und  intensive 
Bildung  das  Ziel'  ist,  dem  wir  beide  nachstreben,  so  sehe  ich,  ohne  von  dem  freilich 
nur  langsamen  Erfolge  meines  Strebens  zu  reden  doch  nicht  gerade  ein,  warum  Du 
mich  für  stillstehend  hältst  weil  ich  nicht  gerade  Deinen  Weg  gehe.  Nicht  Alle 
können  wir  Alles,  ist  eine  Wahrheit,  deren  frühere  Kenntniß  mir  manche  verlohrene 
Stunde  erspart  hätte.  Die  Abgründe  dei-  Spekulation  sind  nicht  mein  Element,  das 
habe  ich  endlich  erfahren,  nachdem  ich  mir  fast  zwei  Jahre  hindurch  die  undank- 
bare Mühe  gegeben  habe  —  das  Kameel  durch  'das  Nadelöhr-  bringen  zu  wollen. 
Wir  haben  beide  gelacht  über  den  ehrlichen  Meyer  —  strebenden  Andenkens  — 
welcher  sagte:  Morgen  will  ich  ein  Gedicht  machen;  aber  noch  tausendmal  be- 
lachensvverther  wäre  ich,  wenn  ich,  der  ich  mir  durch  die  vollständigste  Induktion 
beweisen  kann,  daß  es  mir  ganz  an  philosophischem  Genie  fehlt,  welches  doch 
ebensowohl  eine  Gabe  der  Xatur  ist.  wie  das  Dichterische,  wenn  ich  mich  hinsetzen 
wollte,  um  den  ersten  Grundsatz  zu  entdecken.  Nur  eins  ist  Noth,'  Allen  die  auf 
Menschenwerth  Anspruch  machen  wollen,  zu  wissen  was  recht  sey  und  gut^  und 
sich  dies  zu  beantworten  verstanden  die  Sokrate  und  Aristide  aller  Zeiten,  d.  h.  die 
eigentlichen  Menschen,  lange  vorher  ehe  der  berühmte  Satz  entdeckt  wurde,  —  daß 
zehn  nicht  zwölf  sey.  — 

Es  sey  fem  von  mir,  und  —  sieh.  Lieber,  in  Stücken  zerriße  ich  gleich  dies 
ganze  Geschreibe  wenn  ich  fürchten  müßte,  Du  könnest  glauben,  daß  es  mir  an 
Achtung  fehle  für  jene  erhabene  Wissenschaft,  die  ||  ich  wenigstens  genugsam 
kenne,  um  zu  wissen,  daß  ihr  Gebiet  das  umfassendste  des  menschlichen  Geistes 
sey,  und  um  diejenigen  zu  beneiden,  denen  die  Natur  die  Herrschaft  in  demselben 
verlieh.  Ja,  ich  würde  noch  jetzt  keinen  Augenblick  anstehen,  ApoUons  Lorbeer, 
wenn  er  mir  geboten  würde,  gegen  Minervens  Eule  zu  vertauschen,  wenn  der  gött- 
liche Vogel  anders  noch  im  Besitze  der  Eigenschaften  ist,  welche  die  Alten  ihm 
zuschrieben.     Doch  vergeblicher  Wunsch!    Gönne  mir  also  die  Provinz,  an  welcher 

Herbarts  Werke.     XIX.  7 


qg  Nachtrag  zu  i'J'^'J. 


die  Natur  mir  vielleicht  einen  kleinen  Antheil  vermacht  hat,  und  verstatte  mir, 
mich  zuweilen  in  glücklichen  Stunden  auf  meinem  behenden  Rosse  für  eben  so  reich 
und  mächtig  zu  halten,  als  Du  auf  Deinem  goldenen  Tkron  es  zu  seyn  Dir  immer 
a  priori  deduziren  magst.  —  —  — 

Steck  hatte  wohl  Recht,  mir  war  nicht  wohl  in  Hamburg.  Du  fragst:  ob  denn 
mein  Vaterland  ärmer  geworden  sey?  0  Lieber,  konnte  ich  denn  nicht  reicher  ge- 
worden seyn?  Und  das  war  es,  daß  meine  Münze  —  verrufen  war  in  Hamburg. 
Was  ich  empfand  habe  ich  in  dem  Gedichte,  die  Elbe^),  zu  schildern  versucht.  Du 
hast  so  wenig  dieses,  wie  eins  der  andern,  welche  ich  Dir  schickte,  Deiner  Auf- 
merksamkeit würdig  gefunden,  sonst  würdest  Du  mir  wohl  das  Urtheil,  warum  ich 
Dich  bat,  nicht  vorenthalten  haben,  und  vielleicht  hättest  Du  in  diesen  Tönen 
meines  Herzens  manche  Antwort  auf  manche  Fragen  gefunden,  die  Dein  Brief  mir 
vorlegt  und  die  ich  längst  beantwortet  zu  haben  glaubte.  Schiller  hat  seitdem 
einem  meiner  Gedichte  auf  eine  für  mich  ehrenvolle  Art  einen  Platz  in  seinem 
Alraanache  angeboten  ||  aber  selbst  das  schmeichelhafte  Lob  des  Dichters  vergütet 
nur  nicht  das  Stillschweigen  des  Freundes,  aus  dessen  Munde  ich  hören  wollte, 
ob  ich  auf  meiner  Bahn  Fortschritte  gemacht  habe  und  der  mir  nun  sagt,  ich  sey 
am  Eingange  eingewurzelt.  Oder  zähltest  Du  mich  vielleicht  zu  jenen  Schwäch- 
lingen, von  denen  ein  neuerer  Schriftsteller  sagt,  daß  sie  jede  Untersuchung  eine 
anatomische  Zergliederung  nennen  und  kein  anderes  Kunsturtheil  wollen  als:  Potz- 
tausend ! 

Ich  lese  Deinen  Brief  noch  einmal  durch  und  finde  einige  Mißdeutungen  ver- 
schiedener Aeaßerungen  von  mir,  über  die  ich  nicht  mit  Stillschweigen  hinweg  gehen 
kann.  Meine  Briefe,  sagst  Du,  scheinen  Dich  zum  Schuldner  machen  zu  wollen. 
Ob  sie  dies  wirklich  zu  thun  scheinen^  darüber  kann  ich  nun  nicht  mehr  urtheilen, 
aber  daß  sie  es  nicht  thun  sollten^  das  weiß  ich  mit  festester  Gewißheit.  Es  ist 
überhaupt  ein  sehr  zartes  Kapitel,  das,  über  die  Schuldigkeit  in  der  Freundschaft. 
Meine  Meinung  ist  die:  Mittheilung  ist  Mittel  und  Zweck  der  Freundschaft.  Wer 
Freundschaft  will,  muß  Mittheilung  wollen,  er  ist  es  also  sich  selbst,  als  dem  der 
den  Zweck  will,  schuldig,  das  Mittel  zu  wollen,  also  Mittheilung  zu  unterhalten  und 
zu  befördern.  Etwas  Anderes  haben  meine  Briefe  nicht  sagen  wollen,  nicht  sagen 
können,  und  ich  fürchte,  es  sey  irgend  eine  geheime  Stimme  Deines  Gewissens  ge- 
wesen, die  Du  in  meinen  Briefen  zu  vernehmen  glaubtest.  Dies,  glaube  ich, 
demüthiget  unsre  Freundschaft  nicht;  aber  das  demüthiget  sie  sehr,  daß  Du  sie  für 
ein  Produkt  des  Fleißes  anzusehen  scheinst  und  vom  Eriverben  der  Freundschaft  [| 
redest,  als  beträfe  es  eine  Anwendung  irgend  eines  modi  adquirendi.  Nein,  Lieber, 
nichts  von  jener  Freundschaft,  die,  wie  Jakobi  sagt,  alle  ihre  Gründe  weiß,  sich 
ganz  durchschaut  und  das  deutlichste  Bewußtseyn  hat  von  ihrem  eigenen  —  Nichts  ! 
Achtung  wird  erivorben  sie  wird  abgenöthigt,  es  giebt  ein  Zwangsrecht  darauf; 
Freundschaft  giebt  sich  freiwillig,  sie  schenkt  sich.  Nicht  was  Du  hast^  was  Du 
Dir  vorrechnen  kannst,  macht  Dich  zum  Freunde  des  Freundes,  sondern  was  Du 
bist^  abgesehen  von  jenen  Gütern  des  Erwerbes.  Sey  es  auch  uns  eine  tabula  votiva, 
die  unsre  Achtung  bestimme  und  unsre  Liebe: 

Hast  Du  etwas,  so  gieb  es  her  und  ich  zahle  was  recht  ist; 
Bist  Du  etwas,  o  dann  tauschen  die  Seelen  wir  aus! 

Über  meine  Schilderung  des  Werdens  und  Seyns  in  dem  Briefe  an  Böhlen- 
dorff,  brauche  ich  jetzt  wohl  nichts  mehr  zu  sagen.  Alles  bezog  sich  auf  die  falsche 
Meinung  vom  Seyn,   wo  noch  das  Werden  nicht  einmal   eine   sichere  Richtung    be- 

1)  Gedruckt  als  „Der  Fluß"  in  Gries'  „Gedichten  und  Poetischen  Übersetzungen'^ 
(1829)  I,  87. 


Nachtrag  zu    1797.  gg 


kommen  hat.  Auch  ich  traue  dem  Seyn,  so  wenig  wie  Du,  und  bin  überzeugt,  daß 
kein  Mensch,  der  weiß,  was  er  sagt,  in  diesem  Sinne  davon  reden  wollen  kann. 
Auch  Berger  sicher  nicht,  obgleich  Du  ihm  dies  fast  Schuld  zu  geben  scheinst; 
aber  ich  müßte  mich  sehr  irren,  wenn  ich  nicht  schon  in  den  wenigen  Stunden 
UBsers  Beisammenseyns  gemerkt  hätte,  daß  er  mehr  auf  meiner  Seite  sey,  als  auf 
der  Deinigen.  Bald  werden  wir  diese  Dinge  in  Muße  abhandeln  können;  wie  freue 
ich  mich  darauf!  Aber  wie  freue  ich  mich  auch  des  Haders  unter  den  Freunden, 
des  eigentlichen  Lebens  ||  der  Freundschaft,    die  beim  Unisono  —  zu  Bette  geht! 

Wir  wollen  uns  recht  fleißig  zanken  diesen  Winter  hindurch  und  in  der  Folge, 
und  ich  sehe  einem  neuen  Fehdebriefe  von  Dir  mit  Verlangen  entgegen. 

Otth  hat  mir  vor  kurzem  Deine  Reisebeschreibung  raitgetheilt  und  ich  danke 
Dir  herzlich  dafür.  Ach!  warum  durfte  ich  nicht  auch  wallfarthen  zu  der  heiligen 
Vestalinn  die  in  ewig  reinem  Gewände  das  heilige  Feuer  ernährt,  das  schöner  von 
ihrer  Stirne  zurückstrahlt!  —  — 

d.  30sten  Oktbr  97. 

Doch  diesen  Winter  wenigstens  will  ich  mich  hier  schon  zufrieden  geben. 
Berger  ist  wieder  da  und  Hülsen  kommt  "Weihnachten  und  Ihr  Schweizer  werdet 
auch  fleißig  kommen  und  so  ist  alles  wieder  wie  vor  zwei  Jahren,  und  die  beiden 
Enden  meines  Jenaischen  Lebens  reichen  sich  freundlich  die  Hände  und  das  Ganze 
wird  ein  schön  geschlungener  Kranz,  wenn  gleich  in  der  Mitte  hie  und  da  einige 
Blumen  fehlen.  —  — 

Die  Einlage  an  Böhlendorff  von  Berger,  Eschen  und  mir  wirst  Du,  lieber 
Herbart,  wohl  bald  besorgen.  Du  solltest  sie  auch  lesen  und  darum  schicken  wir 
sie  Dir,  denn  wir  glauben  fast,  daß  auch  Du  Bohlend,  nicht  immer  ganz  richtig 
behandelt  hast.  Ich  freue  mich  darauf,  ihn  bald  bei  Dir  wissen;  Du  kannst,  Du 
wirst  ihm  viel  seyn.     Lebe  wohl  und  komme  bald  zu  den  Freunden  in  Jena. 

Dein  Gries. 

733.  E.  von  Berger  an  H.    (4  S.   4".    N.)  Zürich  17.  Sept.  97. 

734.  Böhlendorff  an  H.  u.  Fischer.    (16  S.  4".    N.)  Bürsine),  22.  Okt.  97 

735.  Rist  an    H.     (4  S.    4".     N.)  Kiel  d.  6ten  November  [1797] 
Dein  letzter  Brief  vom  14  Jun.,  lieber  Herbart,  war  mir  der  erfreulichste  von 

allen  die  ich  noch  von  Dir  empfing;  und  ich  weiß  nicht,  ob  ich  nicht  vielleicht. 
mir  selbst  unbewußt,  darum  nicht  mehr  eilte  ihn  zu  beantworten,  weil  er  mich 
Deinetwegen  so  ruhig  machte.  Ich  begreife  wohl  die  unangenehme  Seelenstimmung, 
in  die  Dich  das  beständige  zuletzt  unerträgliche  jeuensische  Universitätsleben,  nach 
und  nach,  wie  in  eiserne  Klammern  einpreßen  mußte,  und  noch  besser  begreife  ichs, 
wie  frei  Deine  Brust  athmete,  da  ein  mäßig  beschränkter  Spielraum,  nun  allen 
Deinen  Kräften  gerade  soviel  Freiheit  und  soviel  Zwang,  als  sie  zur  geistigen  Ge- 
sundheit bedurften,  gab.  Du  bist  in  mancher  Rücksicht  als  Erzieher  gerade  am 
rechten  Platz,  vorzüglich  bei  einem  rohen  Subjekt,  wo  Du  genöthigt  bist,  das  Fort- 
schreiten des  Menschengeists  zum  Selbstbewußtseyn  und  zur  Freiheyt,  das  Du  sonst 
deducirtest,  in  der  Erfahrung  zu  belauschen,  und  zu  befördern.  —  Wenn  alles  wie 
Du  schreibst.  Dir  zu  Deinen  Absichten  und  Deinen  Arbeiten  an  Deinem  Ludwig 
die  Hände  bietet,  so  freue  ich  mich  seiner  schon  zum  Voraus.  Wahrlich  die  Schweiz 
muß  frei  werden,  wenn  freie  Deutsche,  ihre  Jugend  zu  bilden,  das  Vaterland  ver- 
laßen. Ich  selbst  sähe  mich  einst  wohl  dunkel  im  Hintergrund  unter  ihnen,  es 
reihten  sich  an  die  Alpen  und  Seen,  unter  denen  ich  mich  erblickte,  so  viele  herr- 
liche Bilder;  ich  würde  geeilt  haben,  den  schönen  Traum  zu  realisiren,   wenn  nicht 

7* 


jOO  Nachtrag  zu    1797. 


das  Bild  der  Kinder,  die  neben  mir  standen  und  von  mir  forderten,  was  ich  mir 
selbst  schuldig  war,  —  mich,  lieblich  wie  es  an  und  für  sich  ist,  zurück  gescheucht 
hätte.  —  Wie  geht  es  zu  Herbart "?  —  ich  kann  —  ich  darf  noch  nicht  erziehen; 
ich  fühle  daß  ich  einst  vielleicht  Erzieher  meiner  eignen  Kinder  gern  und  gut  seyn 
werde;  aber  izt  traue  ich  mir  die  imendliche  Selbstverleugnung  nicht  zu,  meine 
Kräfte  willig  zu  beschränken,  um  Wesen  die  erst  Menschen  werden  sollen,  mit 
Liebe  und  Eifer  in  meinen  Kreis  zu  ziehn ;  und  traute  ich  mir  die  Kraft  zu,  — 
ich  glaube,  ich  dürfte  es  nicht.  —  ich  nicht  —  mit  dem  ewigen,  heftigen  Streben 
nach  außen,  mit  einer  eher  zu-  als  abnehmenden  Lebhaftigkeit,  ausgerüstet  mit 
Kraft,  mir  selbst,  und  Menschen  zu  leben  die  mir  gleich  sind;  aber  allenthalben 
voll  einzelner  keimender  oder  halbgebildeter  Kräfte  die  laut  Ausbildung  fordern,  um- 
geben von  abgerißnen  oder  ungesponnenen  Fäden,  die  mich  mit  der  Außenwelt  ver- 
binden sollten,  und  angeknüpft  oder  fortgeführt  werden  müssen . . .  ich  dai'f  nicht 
—  Aber,  wirst  Du  sagen  „ —  nach  der  Schweiz  dai'fst  Du  ||  kommen,  —  das  Er- 
ziehen wollen  wir  Dir  erlassen;  —  0  lieber  Herbart,  damit  wenigstens  schmeichelte 
ich  mir ;  —  Euch  dort  zu  sehn  war  der  liebliche  Traum  der  mich  vom  Wachen  in  die 
Welt  des  Schlafs  begleitete  und  der  wieder  beim  Eingang  in  diese  Welt  mich,  ein 
lieber  Gefährt,  empfing.  —  Aber  —  hör  es,  und  schüttle  Dein  Haupt;  aber  ich 
kann  so  bald  nicht.  —  Das  Vaterland  verlaß  ich  bald  —  in  einigen  Wochen;  aber 
nach  der  Schweiz  komme  ich  nicht;  ich  gehe  nach  Norden,  und  werde  den  nächsten 
Sommer,  statt  auf  den  Alpen,  an  den  blauen  Fluten  des  Oeresunds  und  im  An- 
gesichte der  schwedischen  Kiiste  zubringen.  Wundre  Dich  Herbart;  aber  nicht 
über  mich,  wundre  Dich  über  den  leisen,  aber  gewaltigen  Gang  des  Schicksals,  das 
unserm  Willen  und  unserm  Vorsatz  zum  Trotz,  sicher  und  unvermerkt  nicht  nur 
die  Erfüllung  des  Wunsches  unserer  Seele  hindert,  —  das  wäre  wenig,  und  hier 
würde  ich  siegen,  —  das  selbst  den  Wunsch  leise  aus  unsrer  Brust  windet,  und 
die  Sklaven  durch  eigne  Willkür  feßelt.  ■~-  Hier,  hier  erst  ist  die  Kraft  des  Menschen 
zu  Ende  —  nur  hier  erliegt  er  wirklich  den  Umständen.  — 

Und  was  ists  denn?  Wir  ändern  die  Lage,  wir  ändern  den  Ort.  Wonne  und 
Schmerz  rinnen  aus  neuen  Quellen  über  die  lechzende,  verdurstete  Seele.  Wir 
streben,  wir  kämpfen,  —  wir  freuen  uns,  wir  schaffen  und  wir  zerstören  anderswo ; 
weiter  und  weiter  zu  neuen  Fernen  treibt  uns  Hofnung  und  Ungeduld,  —  was  in 
uns  ist  bleibt  dasselbe ;  es  kann  äußerer  Gewalt  erliegen ;  aber  in  sich  selbst  waltet 
und  wirkt  es  nur  selbst;  und  da  scheidet  sich  das  Zufällige  vom  Nothwendigen.  — 
Jenes  soll  nicht  beständig  seyn,  und  dieses  kann  sein  Wesen  nicht  ändern.  —  Das 
macht  mich  ruhig  und  froh  jedes  Looß  aus  der  Urne  des  Schicksals  ziehn;  zog  ich 
auch  eine  Niete  —  so  spiele  ich  nicht  länger,  harre  und  hoffe  nicht  länger  —  und 
meinen  Einsatz  bekomme  ich  heraus.  —  —  Ich  verlasse  Deutschland  ruhig  —  was 
ich  mitnehme  ist  Mein-,  ob  ich  das  zurückbringen  werde  weiß  ich  nicht;  aber  etwas 
Eignes  bringe  ich  wieder  hieher  —  es  geht  alles  mit  mir  was  ich  habe  —  und  ich 
brauche  es  nicht  zu  hüten.  Wir  werden  uns  nun  fürs  erste  wohl  nicht  sehen,  mein 
Herbart,  das  ists  was  mich  bekümmert;  das  allein  —  denn  die  Natur  ist  allenthalben 
Mutter;  ich  brauche  sie  nicht  in  der  Schweiz  zu  suchen;  sie  lächelte  mir  manch- 
mal hier,  und,  da  wohin  ich  gehe  ist  sie  auch  groß  und  freundlich.  —  Traure 
Herbart,  daß  wir  uns  nicht  sehen  sollen;  aber  mehr  auch  nicht;  sei  ruhig  um  mich; 
ich  glaube  daß  mir  wohl  seyn  wird,  und  daß  ich  selbst  nicht  verderben  werde. 
Aenderung  der  Lage  ||  war  nachgerade  auch  für  mich  Bedürfniß ;  —  ich  sehnte  mich 
in  die  Welt;  —  neue,  mannigfaltigere  Verhältniße  des  Lebens  waren  mir  noth- 
wendig,  selbst  um  das  innere  Leben  aufzufrischen  —  ich  wollte  einen  raschern, 
mannigfaltigem  Wirkungskreis  als  der  Deinige,  als  derjenige   ist,  den  sich  Berger 


Nachtrag  zu   1797.  joi 


I 


und  Hülsen  —  zu  früh  —  erkohren.  Ich  habe  ihn  gefunden;  gern  wäre  ich  erst  zu 
Euch  gewandelt  und  hätte  mich  gelabt;  aber  er  stieß  mir  zu  frühe  auf,  und  ich 
durfte  ihn  nicht  fahren  lassen.  —  Seit  einigen  "Wochen  lieber  Herbart,  bin  ich 
Privatsekretär  bei  dem  Staatsminister,  Gr.  Schimmelmann,  in  Kopenhagen:  halte 
mich  hier  und  in  meiner  Heimath  nur  noch  einige  "Wochen  auf  —  und  —  trete 
dann  über  in  die  Welt  und  ins  Geschäftsleben.  —  Aber  sorge  nicht  um  mich, 
Herbart;  eben  darum  ist  meine  neue  Lage  mir  angenehm  weil  immer  noch  der 
größte  Theil  meiner  Zeit  den  Musen  gewidmet  seyn  wird.  Meine  eigentlichen  Ge- 
schäfte mit  und  für  den  Grafen  werden  etwa  ein  Dritttheil  meiner  Zeit  wegnehmen, 
vielleicht  weniger  noch,  weil  ich  ziemlich  schnell  arbeiten  kann;  und  dann  bin  ich 
frei,  bis  auf  einige  Abendstunden,  die  ich.  häufig  mit  dem  Grafen  und  der  Gräfinn, 
die  Abends  nie  ausgehn,  werde  zubringen  müssen,  und  die  der  Unterhaltung  über 
interessante  Gegenstände  und  der  Lektüre  gewidmet  sind.  Der  Graf  ist  ein  all- 
gemein anerkannt  rechtschaffner  Mann,  und  wirklich  Mensch,  er  achtet  und  Hebt 
die  "Wissenschaften,  die  Philosophie,  und  die  Freiheit;  eben  so  seine  Prau;  sie  haben 
keine  Kinder  und  suchen  in  ihrem  Sekretär  also  zugleich  einen  Hausfreund.  Ich 
glaube  ich  durfte  nicht  zaudern,  den  Platz  der  mir  angeboten  ward,  anzunehmen. 
Ich  habe  kein  Vermögen  um  unabhängig  zu  seyn;  —  ich  hatte  ein  Brodstudium 
gewählt,  das  mich,  wenn  es  Ernst  mit  der  Ausübung  geworden  wäre,  —  unglücklich 
gemacht  hätte,  das  mir  zwar  dem  Namen  nach  hier  nützlich  geworden  ist,  weil  man 
wenigstens  gern  halbweg  einen  Juristen  zu  haben  wünschte,  das  ich  aber  von  nun 
an  ganz  und  gar  nicht  mehr  brauchen,  nicht  mehr  cultiviren  werde,  da  ich  von 
nun  an  mir  mein  Schicksal  für  die  Zukunft,  vielleicht  auf  eine  sehr  angenehme 
"Weise  werde  bereiten  können,  das  ist  eine  große  Sorge  vom  Halse  gewälzt.  —  Nimm 
dazu  die  Annehmlichkeit  dieses  Platzes ;  den  "^^irbel  der  Menschen  und  ihrer  Leiden- 
schaften, Entwürfe  und  Pläne  in  der  Nähe  ruhig  ansehn,  und  dennoch  vielleicht 
selbst  manches  Gute  bewirken  zu  können ;  die  Gesellschaft  mancher  vorzüglicher 
Köpfe,  die  der  Graf  gern  um  sich  versammelt;  eine  ausgesuchte  Bibliothek  unter 
meiner  Aufsicht;  vmd  was  mir  vorzüglich  lieb  ist,  der  Sommeraufenthalt  auf  einem 
Gut  des  Grafen,  Seelust  ||  ein  paar  Stunden  von  der  Stadt,  in  einer  herrlichen  Gegend 
am  Sunde,  nimm  dazu  daß  ich  einige  biedre  und  trefliche  Freunde  in  Kopenhagen 
habe  (Thaden  unter  andern)  und  daß  zur  Abwechselung  auch  die  glänzenden  Freuden 
einer  Residenz  vorlieb  zu  nehmen  sind,  —  etwa  auf  ein  paar  Jahre,  —  nimm  dazu 
daß  ich  bisher  ernährt  ward  —  izt  mich  selbst  ernähre  (das  ist  viel !)  daß  ich  meinen 
alternden  "Vater  eine  unaussprechliche  Freude  mache,  durch,  diese  Gewißheit  einer 
sichern  Subsistenz ;  wenn  er  sich  gleich  weil  er  mich  kannte,  schon  darin  gefunden 
hatte,  —  mich  ,.nie  mein  Glück  machen,,  zu  sehen.  —  Und  nun  sage  mir  würdest 
Du  in  meiner  Stelle  gethan  haben  was  ich  that?  Besonders  wenn  der  Platz  Dir,  wie 
mir,  ohne  die  geringste  Bewerbung  angetragen  wäre?  —  Ich  war  zum  Vergnügen 
zu  Michael  auf  ein  paar  "S\*ochen  mit  einigen  Freunden  nach  Kopenhagen  gereist; 
die  Stelle  war  gerade  offen.  Ein  dortiger  Freund  von  mir,  den  man  um  ein  taug- 
liches Subjekt  befragt,  nennt,  ohne  daß  ich  es  weiß,  mich  — .  ich  werde  zum 
Grafen  gebeten,  speise  bei  ihm  —  und  werde  2  Tage  nachher  engagiri,  ohne  daß 
man  Erkundigungen  einzieht,  ohne  daß  man  mich  weiter  kennt.  —  Das  ist  äußerst 
sonderbar;  aber  ein  ächter  Kosmopolit  muß  so  ankommen;  empfehlen  läßt  er  sich 
nicht.  —  Kurz  da  der  Graf  izt  keinen  Sekretär  hat,  so  kann  ich  nicht  einmal  mein 
sechstes  Halbjahr  auf  der  Akademie  zubringen,  sondern  gehe  mit  27^  Jahren  von 
dannen.  —  in  5 — 6  "Wochen  bin  ich  sicher  in  Kopenhagen  und  dann  schreibst  Du 
mir  nach  dem  Schimmelmannschen  Palais :  bleib  ja  nicht  lange  aus.  Ich  glaube  ich 
werde  Freundeszuspruch  bedürfen.  Dir  will  ich  dafür  treulich  erzählen  wie  es  mir 
geht,  was  iuh  erfahre  und  empfinde. 


I02  Nachtrag  zu   1797. 

Und  so  —  Herbart  —  reiche  mir  denn  die  Hand  —  um  noch  einmal  und 
noch  weiter  mich  von  Dir  zu  entfernen.  —  Ich  habe  der  Abschiede  viel  —  und 
schwere  zu  nehmen;  sie  mahnen  mich  der  längst  vergangnen,  unvergeßlichen  — ; 
bei  jeder  Zeile  brüte  ich  starr  aufs  Papier  geheftet  halbe  Stunden  lang  über  der 
Vorzeit.  —  "Was  hilft  das  Reden?  Lebe  wohl  —  bleibe  mir  getreu.  — 

d.  lOt.  November  Ganz  der  Deinige     J.  Rist. 

736.    Böhlendorff  an  H.  Bürsinel  Dienstag  Abend.     [November  1797] 

Lieber  Herbart,  hier  ist  das  Verlangte.  Ich  hätte  noch  einen  halben  Ld. 
hinzugefügt,  wenn  ich  das  Porto  mit  Laubthalern  hätte  beschweren  wollen.  Dein 
Brief  traf  mich  reich  and  machte  mich  reicher.  Aus  der  Fülle  der  Wahrheit  hat 
Deine  gute  Mutter  geschrieben,  und  in  meinem  Auge  hast  Du  manchmal  gelesen, 
wie  ich  Deine  Krafft  in  mein  Wesen  aufnehme  und  sie  so  ehre.  Die  Wirkung 
haben  immer  Deine  Worte  auf  mich,  daß,  wenn  ich  trübe,  oder  heiter  bin,  sie 
meinen  Trübsinn  oder  meine  Heiterkeit  stärken  und  in  beyden  Fällen  ists  reich- 
licher Gewinn,  Verstärkung  zu  finden,  denn  entschiedner  Verlust,  ist  besser,  als 
zweifelhafter  Vortheil.  Entschiedenheit  macht  das  Herz  groß  und  die  höchste  Fülle 
ist  nichts,  ohne  das  herrschende,  ordnende  Prinzip,  das  ihrem  Daseyn  Wirklich- 
keit giebt. 

Du  hast  Recht,  mein  Freund,  wenn  Du  Selbst,  in  Deinem  guten  Leben,  ein 
besseres  ansprichst,  wenn  ein  Miston  von  außen  Deiner  Harmonie  in  den  Weg  tritt; 
aber  Du  hast  Unrecht,  den  Fehler  davon  so  gar  sehr  außer  Deinem  eignen  Wesen 
zu  setzen.  Dein  Wesen  ist  Mann.  Du  bist  zu  Kämpfen  geboren  —  Deine  Mutter 
hütete  Dich,  daß  alle  Krafft  zum  Kämpfen  Dir  aufbewahrt  werde;  daß  Du  nicht 
zerstreuet  wurdest,  das  hast  Du  ihr  zu  danken;  und  dieses  erreichen,  und  zugleich 
in  iener  Lage  die  physische  Mobilität,  die  Du  wohl  am  meisten  vermissest  — 
Mobilität  des  Sinnes  imd  Organs,  war '  unmöglich.  Jetzt  aber  ist  es  in  Deine 
Hand  gegeben  —  in  die  Hand  des  Kämpfers,  aber  in  die  Hand  des  Siegers. 
Ordnung,  Zweckmäßigkeit,  Mäßigkeit  steht  in  Deinem  Willen.  Du  wirst  doch  nicht 
über  diese  Freiheit  klagen,  mit  dem  Geist,  sie  zu  gebrauchen?  Ich  sehe  sehr  wohl, 
was  fehlt;  wir  gehen  nicht  so  schnell,  als  wir  denken.  Und  hier,  mein  Bester, 
stehe  ich  gegen  Deine  Hauptbeschäftigung  auf,  um  Dir  zu  sagen,  was  Du  mir  sonst 
wohl  in  anderem,  unwürdigem  Sinne  sagen  mußtest;  daß  Dein  Genius  zu  sehr  Dich 
von  dem  Etwas  entfernt,  wodurch  allein  Du  dem  hohen  Reinen,  Dich  näherst, 
welches  er  fordert.  Nichts  ist  größer  als  iene  Aussage  des  Menschengeistes,  lebe^ 
ohne  Hoffnung!  aber  nichts  ist  schöner,  als  was  in  des  Menschen  Wesen,  im  Ge- 
folge iener  Größe  nachtönt:  Vertraue  Deinem  Leben!  Herbart!  Dein  Herz  sagt  Dir 
hierüber  mehr,  als  ich  Dir  sagen  kann.  Aber  siehe  nur  getrost  um  Dich.  Es  lebt 
um  Dich  her  —  und  durch  Dich,  und  mit  Dir  —  Fülle  immer  von  neuem  den 
Becher  aus  dieser  Quelle  —  Fülle  und  trinke!  —  Die  Todten  zu  wecken  ist  kein 
Werck  des  Zeitmoments.  Es  ist  Werck  des  Göttlichen  und  entsteht,  wie  ein  Blitz 
sich  entzündet  in  den  Wolcken.  — 

Das  Wahre,-  Heilige,  Große  ist  uns  immer  nahe,  wenn  wir  es  suchen.  Wie 
nahe?  das  möchte  der  Mensch  so  gern  entscheiden,  gewiß  und  sicher  wissen  — 
quält  sich  offt  darum,  und  weiß  nicht,  was  er  will.  Das  Wirken  der  Wahrheit 
fühlen,  ist  besser,  als  darüber  grübeln.  Aus  dem  Gefühl  dieses  Wirkens  handeln, 
ist  größer,  als  fragen,  wie  bald  bin  ich  weise?  Du  bist  keiner  von  denen,  welche 
die  Weisheit  mit  Scheffeln  messen.  Du  sollst  keiner  von  denen  seyn,  die  klagen, 
daß  sie  nicht  genug  haben.  Du  hast  genug;  reine  Wahrheitsliebe  und  unerschöpf- 
liche Krafft  —  Stoff  eine  Welt  hervorzubringen.    Daß  diese  Welt  Gestalt  gewinne, 


Nachtrag  zu   1797.  103 


das  ist  das  Maaß,  das  Du  verlangst.  Aber  fürchte  nichts.  Vollendung  der  Gestalt 
ist  gleichfalls  kein  Werck  des  Zeitmoments,  sondern  sie  entsteht  gleichfalls,  wie  ein 
Blitz  sich  entzündet  in  den  Wolken Dein     Boehlendorf f. ') 

737.  Fr.  Muhrbeck  an  H.    (4  S.    S".    N.)  Lausanne  3.  Nov.  1797. 

738.  Böhlendorff  an  H.     (8  S.    8".     N.)  Bürsinel  4.  Dez.  97. 

739.  Gräfin  Kameke  geb.  Lynar  an  H.    (4  S.   8'J.  N.) 

Neu-Dietendorf  d.  28  X  br  [Dez.]  97. 

Schon  lange  glaubte  ich,  lieber  junger  Freund  auf  die  Erfüllung  Ihres  Ver- 
sprechens, verzieht  thun  zu  müßen,  und  wenn  Ihre  liebe  Fr.  Mutter  mich  nicht 
Ihres  Andenkens  versichert,  so  wäre  ich  vollends  durch  Ihr  Stillschweigen  betrübt 
worden,  urtheilen  Sie  nun,  wie  angenehm  mir  die  Erscheinung  Ihres  Briefes  vom 
oct.  wai'.  Mit  aufrichtigen  theilnehmen  vernehme  ich  daß  Sie  ganz  glückl.  sind 
—  in  dem  lieben  schönen  Lande,  daß  ich  wohl  nie  wieder  sehen  werde,  auch  die 
Bewohner  Ihres  Hauses  machen  Ihnen  das  Leben  angenehm  —  ich  segne  sie  dafür, 
aber  wie  wird  Ihnen  das  platte  Oldenb.  Land  schmecken?  und  ich  denke  immer 
Sie  werden  Sich  nie  wieder  hinbegeben  —  und  mama  wird  müßen  Schweizer- 
reisen thun.  — 

Den  H.  Schwärmer  Lange  stelle  ich  mir  ganz  lebhaft  vor,  und  gönne  ihm 
das  Vergnügen  daß  er  jetzt  genießt  —  der  Sommer  wird  zu  den  Schwärmerischen 
Streif ereyen ,  und  der  Winter  zur  Vermehrung  seiner  Kenntnisse  bestimmt  seyn 
vermuthe  ich  —  grüßen  Sie  ||  den  lieben  Jüngling  recht  mütterl.  von  mir.  wenn  er 
mir  schreiben  will,  sehe  ichs  gern.  Über  des  vortrefl.  Fischers-)  fehlgeschlague 
Hofnungen  habe  ich  mich  recht  geärgert  doch  wer  weiß  wozu  es  gut  ist  —  viel- 
leicht lebt  er  als  Pfarrer  glücklicher,  dieses  wünsche  ich  ihm  recht  herzlich  — 
versichern  Sie  ihn  ja  meiner  freundschaftlichen  Theilnahme.  Über  H.  Stets 
Heirath  werden  Sie  Sich  wohl  eben  wie  wir  alle  gewundert  haben,  0  könnte  er  so 
glücklich  werden,  als  er  es  verdient  —  von  May  weiß  ich  jetzt  nichts,  aber  des 
guten  sanften  Oths  Besuch  habe  ich  hier  gehabt  und  mich  recht  darüber  gefreut. 
Ihre  liebe  Mutter  schreibt  mir  zuweilen  Briefe  die  mich  vollends  den  Verlust  ihrer 
Gesellschaft  doppelt  fühlen  lassen,  auch  die  Fr.  v.  Schüttorff  hat  mir  sehr  freund- 
lich geschi'ieben.  Nun  von  mir  lieber  Herbart  kan  ich  Ihnen  mit  völliger  Wahrheit 
versichern,  daß  ich  hier  so  glückl.  und  zufrieden  lebe  —  als  ich  noch  nirgends 
gelebt  habe  —  Mein  Vergnügen  nimmt  tägl.  zu  ||  ich  bin  diesen  Sommer  häufig  be- 
sucht worden,  denn  von  Fremden  wird  es  hier  nicht  leer,  und  bin  2  mahl  in  Jena 
gewesen  auch  in  Gotha  —  auch  seit  dem  es  Winter  ist  fehlt  es  nicht  an  Besuch, 
und  die  Tage  verfliegen  wie  Augenblicke,  meine  Corpulentz  zeigt  von  meiner  Ge- 
sundheit und  Ruhe  —  von  meinen  hiesigen  Freundinnen  sind  seit  kurzen  2  ver- 
heirathet,  die  letzte  meine  tägl.  Gesellschafterin  hat  einen  bildschönen  klugen  guten 
Mann  ein  holsteiner  Arzt  in  der  Gemeine  zu  Ebersdorf  9  Meilen  von  hier  —  er  ist 
ein  geschickter  und  passionirter  Ciavier  Spieler  und  componist  —  da  haben  wir 
viel  zusammen  gesungen  —  abends  kommen  jetzt  oft  junge  Schwestern  die  mir 
etwas  vorspielen  und  mit  mir  singen  —  was  mich  außerordentl.  freut  ist  das  genie 
das  meine  Kl.  Amelie  zur  musik  hat  —  dieses  bewog  mich  ihr  jetzt  schon  ob  sie 
gl.  erst  7  Jahr  wird  Unterricht  geben  zu  lassen  —  und   zum   wunder   profitirt   sie 

^)  Näheres  über  Boehlendorff  und  seine  Beziehungen  zu  Herbart  bei  K.  Freye 
„C.  U.  Boehlendorff,  der  Freund  Herbarts  und  Hölderlins'',  Langensalza,  Hermann 
Beyer  &  Söhne  (Beyer  &  Mann)  1913. 

2)  Über  ihn  vgl.  R.  Steck,  J.  R.  Fischer,  Bern  1907. 


I04 


Nachtrag  zu    1798. 


—  ihre  aplication  ist  groß  —  und  ihre  kl.  zarten  Finger  sehn  recht  geschickt  auf 
dem  Claviere  ans  —  dabey  hat  sie  viel  Gehör  Takt  und  ||  reine  richtige  Stimme  — 
sie  kan  alle  Melodien  von  den  Chorälen  fertig  singen  —  überhaupt  lernt  sie  alles 
sehr  begierig  und  gründlich  ohngeachtet  ihrer  tägi.  zunehmenden  Wildheit  —  sie 
wächst  erschrekl[ich]  und  war  diesen  Sommer  als  ich  sie  mit  in  Jena  hatte  —  dort 
nicht  vergnügt  —  sie  verlangte  hier  her  —  weil  sie  hier  mehr  Freiheit  hat.  Von 
Tscharners  haben  Sie  noch  nichts  gesehn  weil  Sie  in  Aigle  wohnen  —  meiner 
Freundin  Stillschweigen  macht  mich  sehr  ängstlich,  laßen  Sie  Langen  mir  etwas 
von  ihr  schreiben  wenn  er  etwas  erfahren  kan  —  Ihre  muntre  Knaben,  noch- 
mehr aber  die  vortrefl.  Eltern  derselben,  mögte  ich  wohl  kennen  —  ich  habe  auch 
die  große  Freude  gehabt  meinen  liebsten  Bruder  Rochus  aus  Schleswig  hier  zu  sehn 

—  den  8t.  nov.  hat  mich  mein  Sohn  mit  einem  Enkel  beschenkt  —  den  ich  gern 
sehen  mögte^  und  nicht  sehe,  adieu  guter  Herbart  —  schonen  Sie  Ihre,  nicht  sehr 
feste  Gesundheit,  durch  die  Mäßigkeit  im  Arbeiten,  schonen  Sie  vollends  Ihre  Augen 
bey  Lichte,  fahren  Sie  fort  recht  sehr  glücklich  zu  leben  aber  auch  im  Glücke  ver- 
gessen Sie   nie  Ihre  alte  redliche  beständige  mütterl.  Freundin  Kameke  geb.  Lynar. 

Dr.  Zickler  empfiehlt  sich  Ihnen  bestens,     ich   bitte    mir   sagen  zu  lassen  ob 
dieser  Brief  in  der  That  an  Sie  gelangt  ist. 

740.  Gries  an  Steck.  Jena  d.  8.  Januar  1798 
....  Es  war  ebenso  wenig  das  Gute,  was  Böhlendorff  von  der  Frau  v.  Simmer 

[statt:  Sinner],    als  das  Schlimme,  was  er  von  ihrem   Gemahle  schrieb,   was  mich 

fest  entschlossen    machte,   mich  zu  dieser  Stelle  anzubieten Ein  einstes  und 

schreckliches  Wort  aus  Herbarts  letztem  Briefe  brachte  mich  bald  von  der  üeber- 
eilung  zurück  die  ich  zu  begehen  in  Gefahr  stand.  „Ich  weiß  nicht,  wann  ich  den. 
Freunden  schreiben  kann  —  so  schreibt  er  an  Eschen  —  alle  meine  Zeit  gehört 
den  Kindern.'-^ 

741.  Ludwig  Steiger  an  H.  (2S.  40.  N.)   Grains[=Grengb.Murten]d.8.Febr.98. 
Lieber  H  Herbart    Sie    haben    mich    mit    Ihrem    Brief  angenehm   überrascht. 

Konnte  ich  Ihnen  nur  öfters  schreiben  aber  ich  finde  kaum  einen  Ort  wo  ich  mich 
ruhig  hinsetzen  könnte.  Denn  unser  Quartier  ist  eine  Scheune.  Ich  wollte  gerne 
ich  könnte  Zeit  finden  wo  ich  mich  imgestört  an  meinen  Horaz  setzen  könnte. 
Aber  bald  zieh  ich  auf  die  Wacht  wo  ich  einen  Tag  und  eine  Nacht  zubringen 
muß.  Ich  habe  das  Glück  bey  Soldaten  zu  seyn  die  dem  Trunk  sehr  wenig  ergeben 
sind  und  was  noch  mehr  das  Spiel  haßen  bis  hieher  ist  keine  Karte  noch  berührt 
worden  es  ist  mir  so  recht  wohl  bey  ihnen,  am  Morgen  früh  etwa  um  4  Uhr  — 
werden  wir  aufgeweckt.  Dann  gehen  wir  zu  dem  Wachtfeuer  und  sind  auf  unserer 
Hut.  Denn  die  Franzen  wie  wir  sie  nennen  pflegen  um  diese  Zeit  auszurücken; 
um  7  Uhr  gehen  wir  je  drey  und  4  und  laßen  uns  Frühstück  bereiten,  unsere 
zweite  Mahlzeit  ist  so  nachmittags  von  zwey  Uhr  da  eßen  wir  unser  Fleisch  und 
Brod  das  uns  täglich  zukommt.  Um  7  Uhr  leg  ich  mich  ins  Stroh  schlafen,  wir  be- 
kommen täghch  3  Batzen  37^  Kreuzer  Sold  und  2  bz.  für  Besorgung  der  Kleider  diese 
beziehen  wir  alle  3  .Tag  so  daß  ein  jeder  wöchentlich  43  bz.  bekommt.  Einen  Spaß 
muß  ich  doch  beyfügen  ||  den  ich  mit  ein  paar  Franzosen  gehabt  habe.  Mittwoch 
Nachts  war  ich  auf  der  Wache  und  stand  auf  dem  äußersten  Vorposten  Schild- 
wache morgens  um  7  Uhr  kamen  4  Franzosen  etwa  200  Schritt  von  meinem  Posten 
mit  einer  Wasserkeßel  und  waschten  Hemder  diese  ruften  mir  allerhand  Grobheiten 
zu  darauf  stellte  ich  mich  ich  wollte  auf  sie  schießen  welches  uns  aber  scharf 
verboten  ist  und  schlug  auf  sie  an  sobald  sie  es  sahen  glaubten  sie  es  sey  Ernst  und 
pakten  alles  auf  und  liefen  davon,    ich  wußte  mich  vor  Lachen  nicht  zu  faßen.  — 


Nachtrag  zu   1798.  105 


Grüßen  Sie  mir  ßöhlendorf  und  Mourbek  —  wenn  ich  Zeit  hätte  so  wollte 
ich  ihnen  auch  schreiben  vielleicht  werden  wir  abgelößt  daß  wir  an  einen  be- 
quemem Ort  einquartiert  sodaß  ich  dann  meine  Arbeiten  fortsetzen  kann.  Grüßen 
Sie  nur  meine  Eltern  und  Geschwisterten  und  sagen  Sie  ihnen  ich  befinde  micli 
recht  wohl.  Ihr    Ludwig  Steiger. 

Adr.  des  Briefes:  An  Herrn  Herbart  Hauslehrer  bey  Herrn  alt  landvogt 
Steiger  von  Interlaken  in  Bern,  abzugeben  am  ersten  Haus  unter  der  Möhreti. 
[oder:  uuterher  Möhren  =  Haus  der  Zunft  zum  Mohren,  Kramgasse  12.] 

742.    Eschen  an  H.     (7  S.    8".    N.)  Jena  den  19ten  Febr.  1798. 

Lieber  Herbart,    Daß  ich  dem  Herrn  von  "Watteville  schon  längst  geantwortet 
habe,    weißt  Du   wahrscheinlich  schon  durch  ihn  selbst.     Jezo  harre   ich  seit  ge- 
raumer Zeit  schon  auf  seinen  letzten  Entschluß,  und  Du  kannst  denken,   daß  mir 
die  Ungewisheit,   worin  ich  schwebe,  sehr  peinlich  ist.   da  ich  nicht  weiß,   was  ich 
thun  soll,  wenn  die  jezigen  Umstände  der  Schweiz  meinen  besten  V\^unsch,  für  jezt 
wenigstens,    vereiteln  sollten.     Hier  in  Jena  zu  bleiben   könnte   ich  nur  mit  großer 
Überwindung  mich  entschließen,     ßerger,   Gries,   Schildner,   Otth  pp.   keiner   von 
diesen  wird  mich  einsamen  dann  auf  meinem  Gange  begleiten,  und  wohin  ich  nur 
sehen  und  gehen  werde  wird  mich  alles  an  die  erinnern,    die  nicht  mehr  um  mich 
sind,  und  ich  werde  meiner  Einsamkeit  dann  nur  gewißer  werden.     Von  den  besten 
Freunden  entfernt  wird  man  es  erst  am  lebhaftesten  inne  wie  sehr  man  ihrer  auf 
dem  Gange  durch  das  Leben  bedarf.     Ohne  sie   wird  man  nur  zu  leicht  entweder 
kleinmüthig   oder  anmaßend  und   ganz    auf    seine   eigene   Individualität  beschränkt. 
Bey  ihnen,  indem  man  sich  einander  ||  mit  der  größten  Liebe  und  mit  dem  größten 
Zutrauen  hingiebt,  lernt  man  es  schnell,  was  man  nicht  ist  und  wie  viel  dessen  ist 
gegen  dasjenige  was  man  ist,   und  was  man  sein  Eigenthum  nennen  darf.     Diese 
Einsicht    erweckt   und    erhält   in   uns   fortdauernd    jenes   Streben    und   unabläßiges 
Handeln  auf  uns  selbst,   was  unser  eigenes  und   wahres  Leben  ist.     Du  weißt  es, 
Lieber,    wie  ich  hier  zu  Euch  kam.   Euch  kennen  und  lieben   lernte.     Ihr  habt  es 
gesehn,   daß  ich  mein  eigentliches  Leben  noch  nicht  begonnen  hatte,    und   ihr  habt 
mir  freundlich  den  'Weg  dahin  gezeigt.    Deshalb  danke  ich  euch  immer,  wenn  meine 
schönsten  Gedanken  bey  euch  verweilen  und  ich  vmifange   euch  mit  der  treuesten 
Liebe  und  Freundschaft.     Diese   kann  durch  nichts  geschwächt,  durch  nichts  ver- 
ändert werden,   und  wenn  ich  daher,   welches  Dir  von  mir  zu  hören  leid  that  und 
deshalb  an  mir  tadelst,  in  meinem  Briefe  an  Bölendorf  nur  vom  Verkennen  sprach 
oder  gesprochen  hätte  —  denn  dies  that  ich  nicht  blos  —  so  war  es  deshalb,   weil 
ich  wohl  wußte,  und  von  Bölendorf  so  gut  wie  von  mir,   daß  unsere.  Freundschaft 
das  nicht   betreffen  ||  konnte,   was  unsere  gegenseitige  Ansicht  von  einander  und 
unsere  verschiedene  "Weise  durch  das  Leben  zu  gehen  betraf.     Des  Menschen  Thun 
und  Handeln  ist  unendlich  mannichfaltig,  aber  mögen   die  Wege  noch  so  sehr  von 
einander   abzuweichen  und   von   einander   sich   zu  entfernen  scheinen,   sie   führen 
dennoch   zu  Einem  Ziele   an  dem  die  ganze  Men.schheit   zusammen  trifft.     Einen 
Freund  auf  den  Weg  hinüber  zurufen,    den  der  rufende  giade  wandelt,   wäre  an- 
maßend, und  das  hat  keiner  von  uns  noch  von  dem  andern  verlangt,  und  verlangen 
können.     Ob  mein  Freund  würklich  mein  Freund  ist,  das  weiß  ich,  aber  den  Geist 
des  Freundes  und   den  Weg  zu  berechnen,   den  er  geht  und   gehen  wird  ist  un- 
möglich: denn  die  Kraft  des  Geistes  ist  unendlich  und  äußert  sich  auf  die  mannich- 
faltigste  Art  und  in  den   verschiedensten  Formen.     IS^ichts  könnte   daher  thörigter 
seyn.  als  die  Anmaßung  Bölendorf  behandeln  zu  wollen  wovon  Du  in  Deinem  letzten 
Briefe  redest,  und  die  Du  mir  oder  Gries  Schuld  giebst.     Daß  ich  meinem  Freunde 
aber  meine  Meinung  über  sein  Thun  und  Handeln  sage,  wenn  ich  dieses  \\  zu  kennen 


Io6  Nachtrag  zu   1798. 


glaube^  dazu  sollte  die  Freundschaft  doch,  wohl  ein  Recht  geben.  Hätte  auch  der 
Freund  falsch  gesehen,  so  wird  sein  Freund  ihm  dennoch  danken  und  auch  hierin 
den  Freund  erkennen  müßen,  wie  ich  es  bey  Bölendorfs  erstem  Briefe  that,  und 
Bölendorf  bey  dem  nieinigen.  Daß  solche  Erörterungen  immer  früli  genug  kommen, 
glaube  ich  daher  nicht,  wenn  man  nur  irgend  vermuthen  kann  etwas  erörtern  zu 
können,  denn  verloren  kann  hierdurch  nichts  werden,  aber  manchmal  wohl  vieles 
gewonnen.  Ich  habe  nimmer  geglaubt  daß  durch  das,  was  Bölendorf  mir  und  was  ich 
Bölendorf  schrieb,  eine  Malier^  oder  ein  elender  leicht  übersteiglicher  Steinhaufen 
zwischen  uns  geworfen  wäre,  und  es  würde  mir  leid  thun,  wenn  einer  von  euch 
dies  hätte  glauben  können.  Daß  Bölendorf  es  nicht  glaubte,  davon  überzeugt  mich 
sein  lezter  Brief  hinlänglich,  den  ich  erst  vor  einigen  Tagen  erhielt.  Doch  hier- 
über wie  über  vieles  andere  werden  wir  Tielleicht  bald  mit  einander  freundschaftlich 
reden,  und  auch  darüber,  inwiefern  der  Freund  gegen  den  Freund  unbescheiden 
seyn  könne,  wie  Du  es  an  meinem  ||  vorlezten  Briefe  mit  Recht  tadeln  zu  müßen 
glaubst,  und  weßen  man  sich  dann  im  Urtheilen  zu  bescheiden  habe.  Bis  dahin 
wollen  wir  kein  Wort  mehr  darüber  reden,  es  möchten  uns  sonst  die  Nemesis 
und  die  Grazien  zürnen. 

Ich  sehe,  daß  ich  von  dem,  was  ich  am  Anfange  meines  Briefes  Dir  sagen 
wollte,  mich  gänzlich  entfernt  habe.  Wenn  Du  irgend  kannst,  so  mache,  daß  ich 
von  des  Hr.  v.  Watte ville  Entschluße  sobald  wie  möglich  Nachricht  erhalte.  Ich 
habe  ihm  bestimmt  über  alles  geschrieben,  wozu  ich  mich  verpflichten  könnte,  über 
die  Zeit,  welche  ich  für  mich  selbst  frey  haben  müßte,  daß  ich  auf  sittliche 
Bildung  meinem  Plane  gemäß  nicht  unmittelbar  wirken  könne,  dann  über  das 
Honorar,  das  Reisegeld  pp.  Hr.  v.  Watteville  erwartete  freilich  keine  Antwort  mehr 
von  mir,  sondern  mich  selbst  sobald  wie  möglich.  Da  ich  ihm  aber  über  alles  be- 
stimmter geschrieben  hatte  verlangte  ich  seinen  lezteu  Entschluß  sobald  wie  möglich 
zu  vernehmen.  Ich  glaube  wohl,  daß  je'zo  alle  diese  ||  Henen  in  ziemlicher  Un- 
ruhe sind,  und  ich  bitte  Dich  deshalb,  wenn  Du  des  Hr.  v.  W.  Entschluß  weißt, 
und  er  nicht  Zeit  und  Ruhe  genug  finden  sollte,  daß  Du  mir  davon  Nachricht  gebest. 
Auch  mein  Freund  den  ich  als  Hauslehrer  bey  der  Frau  von  Sinner  vorgeschlagen 
habe  wartet  begierig  auf  Nachrichten  aus  der  Schweiz.  Du  wirst  es  wißen,  daß 
Bölendorf  mir  es  aufgetragen  hat,  nach  einem  solchen  mich  umzusehen,  der  fähig 
wäre  eine  solche  Stelle  zu  übernehmen.  Ich  schrieb  deshalb  an  einen  Freund  in 
Halle,  Liebich,  den  ich  in  der  dortigen  litterär.  Gesellschaft  hatte  kennen  lernen 
und  der  mir,  wie  Gries  der  ihn  auch  kennen  lernte,  sehr  lieb  ward.  Ich  trug  ihm 
die  Stelle  an  und  er  glaubte,  daß  er  von  seinen  Eltern  und  seinem  Freunde,  dem 
Rektor  Fischer,  deßen  Schüler  er  ist,  keine  Hinderniße  in  dem  Wunsche  diese 
Stelle  anzunehmen  finden  würde.  Ich  schrieb  dieses  in  meinem  lezten  Briefe  an 
Bölendorf  und  bat  ihn  um  |]  die  baldigste  Nachricht.  Gestern  schreibt  mir  Liebich 
aus  Halle  wieder,  daß  man  seinem  Wunsche  keine  Hinderniße  entgegenseze  und  daß 
der  Rektor  Fischer  ihm  geschrieben  habe:  i  quo  te  virtus  vocat  tua:  er  erwarte  daher 
nur  noch  Nachrichten  aus  der  Schweiz,  um  dann  mit  mir  die  Reise  dahin  anzutreten. 

Von  Steck  jhaben  wir  lange  nichts  durch  ihn  selbst  gehört.  Durch  andere 
nur  hörten  wir  neulich,  daß  er  jezo  sehr  thätig  ist,  und  wir  haben  uns  sehr  darüber 
gefreut.  Von  Fischer  haben  wir  ebenso  lange  nichts  gehört.  Wenn  Du  mir 
schreibst,  so  sage  uns  doch  von  beyden  viel  Gutes  und  Freundliches.  Berger  und 
Gries  geben  euch  allen  Tausend  Grüße.  —  Lebe  wohl  und  denke  meiner  mit  Liebe 
und  Treue  Dein  Eschen. 

Eben  spreche  ich  Berger.  Auch  er  bittet  Dich,  bald  zu  schreiben.  Er  meint.  Du 
müßest  von  der  Zeit  für  die  Erziehung  auch  einige  für  Deine  Freunde  übrig  behalten. 


Nachtrag  zu  1798.  107 


743.  Manuskript  von    Böhlendorff  mit  der   Überschrift:    „Ein    neuer 

Lorenz  Starck."  (IG  S.  S->.  X.) 
Boehlendorff  (dessen  Handschrift  unbedingt  vorliegt)  hat  mit  dem  ältesten 
"Steiger sehen  Sohn  Ludwig  in  seinen  Mußestunden  Engels  ,,L.  Starck"  gelesen  und 
mit  ihm  zusammen  (als  Übung  für  Ludwig  Steiger)  den  Inhalt  des  Lorenz  Stark  in 
Aufsatzform  erläutert.  Herbart,  als  Lehrer  des  Ludwig  Steiger,  hat  den  Aufsatz 
durchgelesen  und  zufällig  zurückbehalten. 

744.  Brief  Fr.  Muhrbecks  an  H.     (4  S.    8^.    N.)  Sept.  1798. 

745.  F-  Muhrbeck  an  H.     (8  S.    8".     N.)     Mit  Auslassungen  gedruckt. 

Strasburg,  Sept.  98. 

Ich  habe  heute  wieder  Menschen  gesehen,  bei  denen  man  sich  ansiedeln  kann, 
•die  fest  stehen  im  Hintergrunde,  fest  in  der  Verwirrung  des  Zeitalters,  wenn  der 
Gedanke  den  Forscher  dem  Leben  entreißt,  zu  Fernen  hinführt,  unabsehbar  dem 
Auge  der  Gegenwart,  und  er  fremd  mit  allen,  was  ihn  umgiebt.  was  Menschen 
schon  thaten  zurückkehrt.  Ich  sähe  heute  einen  Mann,  Adel  und  Kraft  blickte  aus 
seiner  wohlwollenden  Miene,  er  faßte  scharf,  sprach  bestimmt,  wenig,  voll  Energie 
und  Drang  des  Herzens,  dort  blieb  manches  Wort  zm-ück.  —  Thätig  im  Anfange  || 
der  Franz.  Revolution,  opferte  er  die  Vortheile  seiner  Geburt,  einen  Theil  seines 
Vermögens,  wagte  den  andern  —  für  den  Staat  hatte  er  aus  Patriotismus,  aus  Be- 
gierde nützlich  zu  seyn,  Kenntnisse  gesammelt  —  er  ward  proskribirt  benutzte 
diese  Zeit  in  Erlangen  sich  für  seine  Zwecke  zu  bereichern  er  lebte  stille  dort  mit 
seiner  Familie  und  besuchte  mit  seinem  Sohne  die  Collegien  der  Kameral-  und 
ökonomischen  "Wissenschaften  —  Nach  einigen  Jahren  durfte  er  zurückkehren, 
hoffte  sich  jetzt  dem  Staate  widmen  zu  können,  was  ihm  die  Muße  seines  Exils 
gegeben  —  Überall  sieht  er  sich  von  Schurken  umgeben,  überall  findet  er  von 
Niederträchtigen  Thorhütern  einer  ||  tyrannischen  Regierung  die  Wege  zum  Wirken 
versperrt,  er  kehrt  zum  alten  Geschäfte  —  an  Thätigkeit  hing  sein  Leben  —  ward 
—  wie  er  sich  nannte  —  wieder  ein  Geldwucherer,  und  suchte  sein  Glück  in  dem 
Schooße  seiner  Familie  —  Ich  sah  eine  Familie,  die  sich  zur  Liebe  zur  häuslichen 
Glückseligkeit  geflüchtet,  jetzt  aber  auch  alles  von  ihr  zu  verlangen  schien  —  Ge- 
schäft des  Tages  zerstreute  sie,  jedes  Verhältniß  das  sich  weiter  unter  die  Menschen 
ausdehnte  ekelte  sie  an  —  nur  einigen  Freunden  stand  ihr  Kreis  offen,  und  wissen- 
schaftüche  und  angenehme  Lektür  seJimückte  ihn  —  Meine  Gegenwart  mochte  os 
bewirken  ||  daß  die  Unterhaltung  unter  dem  politischen  Druck  seufzte  —  man 
wünschte  etwas  näheres  von  der  braven,  so  allgemein  bedauerten  Schweitz  zu 
wissen,  überall  brach  eher  Unmuth  über  ihr  eignes  Schicksal  hervor  —  Klagen 
hörte  ich  nicht  mehr  —  der  Mann  bekannte  sich  einen  Deutschen,  bedauerte  sein 
Vaterland,  das  nun  schon  hundert  Jahre  den  Druck  fühle  einem  Fremden  an- 
zugehören, von  seinem  Einfluß  beherrscht  zu  werden  —  „mein  Vaterland  ist  nicht 
in  Paris"  —  sagte  er,  einige  Worte  bezeichneten  die  Thaten  der  Obern,  dann 
wandte  er  sich  in  Eckel  von  ihnen 

Man  findet  hier  überall  noch  ganz  den  Deutschen,  nichts  haben  weder  die 
Gelehrten,  noch  Geschäftsleute,  noch  Kaufleute,  jung  und  alt,  wie  ich  sie  sah  den 
Franzosen  abgelernt  —  hervorgepreßt,  verschroben  drangen  sie  sich  oft  dem 
Franzosen  vor,  wenn  seine  Schnelligkeit,  seine  Gewandtheit  sie  überflügelte,  wunder- 
bar, daß  die  nothwendige  Mischung  beider  Nationen  nirgends  glücken  will  —  der 
Deutsche  muß  sich  vollenden,  dann  wird  er  das  Feuer  des  Franzosen  im  Innern 
beleben  und  seine  Schnellkraft  erhöhen  —  dann  werden  ihre  elektrischen  Funken 
zur   raschen   Handlung  schlagen   können  ||  können   und   die    verweiteten   Blicke   in 


I08  Nachtrag  zu   1799. 


bleibende  Ferne  auf  einen  Punkt  fixiren  können.  —  jetzt  erschrecken  sie,  sie 
bringen  sie  aus  der  Fassung,  sie  werden  in  Falten  gezogen,  wenn  der  Französische 
Strudel  sie  ergreift  — .und   sie    schämen   sich   fest   zu  stehen  —  weil  sie  leer  sind 

—  mir  kommen  Sie  vor  wie  Dein  Rudi,  wenn  er  Gesichter  schneidet  und  sich  an 
den  Beinen  zupft  und  liinkt,  und  stottert,  und  eilt,  und  endlich  gewaltig  laut  und 
gefährlich  spricht.  — 

746.  Brief  Fr.  Muhrbecks  an  H.     (10  S.    8°.    N.)  Rast[att]  Dez.  1798. 

747.  Ein  von  C  Steiger  [?]  verfaßter  Aufsatz  über  den  Zustand  Roms 

zur  Zeit  Tiberius'.    (2'4  S.    4».    N.) 

748.  Muhrbeck  an  H.     (8  S.    8°.     N.)     Hier  wird  nur  der  Anfang  des  Briefes 

mitgeteilt.  [1799  Homburg  v.  d.  Höhe] 

Lieber,  unaussprechlich  geliebter  —  nimm  diese  "Worte  für  die  wärmste  Um- 
armung —  • —  Boehlendorf  schrieb,  er  brachte  mir  Dein  Testament  —  0  Freund 
Dein  Brief  sagt,  daß  die  "Welt  einst  ein  unsterbliches  Testament  erhalten  werde. 
Ich  darf  für  ihn  nicht  blos  danken  —  Du  hast  Dich  mir  in  ihm  selbst  gegeben  — 
Du  bist  tiefer  inniger  in  mich  gekommen  —  ich  kann  Dich  nur  wärmer  noch  an 
mein  Herz  drücken  —  und  durch  meine  Achtung  für  Dich  meinen  Eifer  beseelen.  — 
Sinclair  bath  mich  (ihm  und  Hoelderlin  habe  ich  Deinen  Brief  vorgelesen)  daß  ich 
Dir  schreiben  mögte,  wie  sehr  er  Dich  achte  —  sich  freue  einen  solchen  Menschen 
gefunden  zu  [haben]  —  er  hoffe  Dir  einst  mit  Dir  selbst  reden  zu  können.  Hoelderlin 
sagte:  es  muß  ein  herrlicher  Mensch  seyn.  Ich  schreibe  Dir  wies  war,  solche 
Worte  II  aus  der  Ferne  —  auch  von  nichts  andern  begleitet  thun  doch  wol  im  Augen- 
blick in  der  Einsamkeit.  —  Ich  habe  Dir  noch  nichts  von  diesen  Freunden  ge- 
schrieben. Boehlendorf  schreibt:  Die  Liebe  zu  Dir  laße  ihm  den  Versuch  eines 
Gemäldes  wagen.  Ich  liebte  ihn  in  diesen  Worten  und  sie  erschütterten  mich, 
warum  schwieg  ich  denn  so  lauge  von  ihnen?  —  warum  faß  [V]  ich  überhaupt  so 
selten  zu  den  fernen  Freunden.  Daß  ich  oft  und  viel  um  Euch  bin,  das  weiß  ich 
das  könnt  ihr  glauben  —  und  daß  ich  fühle,   daß   es  nicht  genug  ist  dies  zu  sagen 

—  werdet  Ihr  auch  glauben  —  aber  ich  gestehe  es,  daß  noch  oft  die  Reflexion  und 
der  Wille  (der  sich  oft  vielleicht  zur  Unzeit  einstellt)  etwas  vollständiges  zu  thun 
die  Äußerung  meiner  Liebe  schwächt  —  und  ihi-[eni]  Leben  und  Weben  ||  auch  im 
Innern  Einhalt  thut  —  aber  eine  Trauer  und  eine  Hofnung  —  vereinigen  sich  mir  zu 
trösten  und  mir  Muth  zu  geben  —  wenn  ich  in  ungehemter  Thätigkeit  fortgehe  — 
es  wird  einst  besser  seyn  —  und  das  erste  wenn  ich  wieder  mit  ganzer  Seele  sage- 
es  ist  besser  liegt  vielleicht  nicht  ferne.  Ich  sage  dies  in  Ruhe  und  Festigkeit  zu 
mir,  wenn  ich  vergesse,  daß  noch  ein  Schicksal  über  mich  ist  —  dann  fürchte  und 
lasse  die  Furcht  in  mich  kommen  (gleich  dem  Spartaner  der  ihr  einen  Tempel  baute) 
und  hoffe  und  bitte  ich  von  den  Göttern  —  —  —  das  Oebeth  der  Inbrunst  kann 
ja  nur  aufschweben  —  wenn  frei  die  Seele  sich  der  Endlichkeit  mitschwingt  ||  Deinen 
Aufsatz,  Theurer  habe  ich  mir  noch  zu  lesen  versagt  —  in  kurzer  Zeit  —  vielleicht 
in  einigen  Tagen  werde  ich  sein  Studium  unternehmen. 


749.    G.  A.  von  Halem-an  H.    (4  S.    8».    N.)  Oldenb.  1799  Jan.  8. 

Ja,  Lieber!  icli  habe  mir  wieder  eine  innige  Freundin  und  Gefährtin  auf  dem 
Lebenswege  gewählt,  und  wundere  mich  jetzt  in  dem  VoUgenusse  des  Glücks,  wie 
ich  es  so  lange  entbehren  konnte.  Aber  freylich  muß  uns  auch  dies  Glück,  wie 
jedes  andre  überraschen;  denn  gesucht  sinkt  es  uns  selten  in  die  Arme.  —  Die 
Blüthen   aus  Trümmern  keimten   und  blühten  auf  mit  der  Liebe.     Es  würde  mich 


Nachtrag  zu  1799.  109 


freuen  wenn  sie  Ihren  Beyfall  fänden,  und  gefallen  sie  nicht  in  Helvetiens  Flui-en, 
in  dem  Lande  der  Einfalt  und  Natur,  so  sind  sie  sicher  keines  Beyfalls  werth. 

0  daß  das  schöne  Land  mit  dem  Blute  seiner  Einwohner  gefärbt  werden 
mußte!  Innig  habe  ich  über  dies  grausame  Schicksal  getrauert,  |'  und  doch  —  wäre 
nie  die  so  nöthige  Einheit  in  der  Regierung  zur  Reife  gekommen  ohne  den  Sturm, 
<ler  dem  treibenden  "Willen  die  eine  Richtxmg  gab.  Ich  vergleiche  die  Schweizer- 
Catastrophe  mit  der  Wasserfluth  von  Anno  17.  Ein  jeder  erkannte  schon  vorher 
die  Nothwendigkeit  einer  Deich-Reform.  Aber  es  blieb  beym  alten,  und  es  mußte 
erst  recht  arg  werden,  ehe  es  besser  ward.  Die  Eluth  von  17  riß  mit  einemmal 
alle  Deiche  nieder,  und  Tausende  von  Menschen  wurden  ein  Raub  der  vorigen  Nach- 
läßigkeit.  Jetzt  erhob  sich  das  Volk  in  Masse;  und  durch  die  Comunion-Deichung 
die  nun  begann,  erhielt  das  Land  eine  Brustwehr,  die  seit  80  Jahren  den  Stürmen 
trotzet.  Mit  inniger  Theilnahme  lesen  wir  noch  jetzt  die  Leiden  der  Ertrunkenen 
und  Geretteten,  mißbilligen  die  ||  Versäumniße  der  vorigen  Machthaber;  klagen  über 
■die  scüwachen,  unentschlossenen,  od.  durch  Xeid  und  Partheygeist  getrennten 
Menschen;  aber  gestehen  uns  zugleich,  nur  durch  eine  Landes-Calamität  konnte  das 
"werden,  wessen  wir  uns  erfreun. 

Auf  Ihrer  Frau  Mutter  Veranlassung  entstand  hier  neben  der  alten  litter.  Ge- 
sellschaft noch  eine  andei-e,  die  den  Damen  geweiht  ist.  Aber  die  Veranlasserin 
selbst  floh  uns  diesen  Winter.  Der  Lenz  bringt  sie,  denke  ich,  zurück ;  und  mit  ihr, 
hoffe  ich,  auch  Sie.  Ihr  vortreflicher  Vater,  einer  der  besten  Menschen  die  ich 
kannte,  wünschet  es  sehnlich;  und  Sie  können  denken,  wie  sehr  ich  meine  Wünsche 
mit  dem  seinigen  vereine.  Ihre  Sehnsucht,  Helvetien  zu  sehn,  ||  und  Ihr  "Wohl- 
gefallen, diese  Sehnsucht  zugleich  mit  der  Cultur  Ihres  Geistes  durch  Jugend-Unter- 
richt befriedigen  zu  können,  habe  ich  mir  leicht  erklärt,  habe  es  schon  gefunden. 
Aber  —  est  modus  in  rebas,  sunt  certi  denique  fines.  Ihr  Vaterland,  Ihre  Freunde, 
Ihre  Eltern  haben  Ansprüche  an  Sie,  die  Sie  nicht  täuschen  müssen,  die  Sie  nicht 
täuschen  werden.  Ich  wiederhole  es,  der  Lenz  bringt  Sie  in  unsre  Anne;  und 
dann  läßt  sich  über  so  manches  reden,  was  zu  schreiben  zu  weitläuftig  ist. 

"Weltmann  treibt  sich  in  Berlin  herum,  wo  er  bey  dem  Verleger  seiner  Werke, 
Unger,  wohnt.  Er  schreibt  dort  an  der  Geschichte  Englands  und  brütet  Pläne  zu 
Reisen  in  das  südhche  Europa.  Seine  Briefe  an  mich  sind  voll  treffender,  epi- 
grammatischer Urtheile.  Ein  Roman:  Mathilde,  der  um  Ostern  erscheint,  ist  die 
Frucht  seiner  Muße  des  vorigen  Winters,  den  er  hier  zubrachte.^) 

Wer  mag  Verf.  des  Büchleins:  Bemerkungen  üb.  die  Schweiz  etc.,  von  einem 
Schweizer  Otficier,  das  mit  großer  Sachkunde  geschrieben  ist?      Ihr    Halem. 

750.    Rist  an  H.     (8  S.    4°.     N.)  Kopenhagen  d  19  Januar  99. 

Geliebter  Herbart,  es  sind  14  Tage  verflossen  seit  ich  Deine  mir  unbeschreib- 
lich kösthchen  Worte  erhielt,  die  mein  Wesen  mit  einer  Freude  und  Erquikkung 
durchdrangen,  daß  ich  nicht  an  das  Schreiben  denken  konnte,  und  heute  noch,  da 
ein  ruhiger  Morgen,  ganz  der  Unterhaltung  mit  Euch  Ihr  Theuern  gewidmet,  er- 
scheint und  ich  nun  die  Feder  ergreife,  verwirrt  mich  das  Uebermaaß  mancher 
Empfindung  so  daß  ich  wieder  aufhören  mögte,  und  doch  nicht  kann  — .  Laß  mich 
es  Dir  nur  gleich  sagen  daß  ich  nicht  weiß  ob  ich  mich  dem  herrhchen  Genuß  von 
Euch  wie  immer  mit  so  reiner  Treue  geliebt  zu  seyn,  oder  dem  beschämenden  Ge- 
fühl, daß  Ihr  mehr  in  mir  seht  und  hebt,  als  ich  bin  und  habe  —  hingeben  soll, 
daß  aber  immer  der  Gedanke  an  Eure  Freundschaft  die  Oberhand  gewinnt,  und 
mich  alles  andre  gern  vergessen  macht;  daß  in  mir  für  Euch  eine  ganze  Welt  von 


'■)  Dieser  Roman  ist  Ut. -historisch  unbekannt. 


jjO  Nachtrag  zu  1799. 


Leben  die  ich  durchwandert  und  die  sich  in  mir  erzeugt,  seit  ich  Euch  nicht  sähe,, 
drängt  um  vor  Euch  zu  treten  und  wie  jede  einzelne  Erscheinung,  die  Eurer  wehrt 
ist,  für  Euch  ans  Licht  zu  kommen  strebt,  wie  auch  hier  mich  Menge  und  Gehalt 
der  Erscheinungen  verwirrt,  und  wie  ich  dann  doch  immer  wieder  zurückkomme  auf 
den  Schluß  Deines  Briefs:  Unsere  Herzen  sind  auf  immer  vereint!  —  Sie  sinds. 

Ich  mag  nicht  mehr  über  Unsterblichkeit  grübeln  und  sprechen,  wie  ich  diese 
Zeit  viel  mit  den  Freunden  gethan,  nachdem  ich  diese  "Worte  geschrieben';  und 
wollten  die  Götter  die  mein  eignes  Daseyn  mir  zum  Räthsel  aufgegeben  haben,  mir 
das  Gefühl  das  mich  in  diesem  Augenblicke  erfüllt,  in  seiner  ganzen  Fülle  erhalten, 
ich  würde  ewig  nicht  wieder  grübeln  und  davon  viele  Worte  machen.  —  Aber 
wahrlich  —  mir  stehn  zween  Geister  zur  Seite.  Einer  ist  der  Geist  des  Lebens; 
er  offenbart  sich  in  sanftleuchtenden  ||  Feuerflammen  und  im  Säuseln  des  Windes; 
er  gibt  Kraft  zum  muthigen  Handeln,  er  löst  alle  Räthsel  und  es  blühet  was  er  be- 
rührt; aber  der  aodre  Geist  steht  mir  zur  Seite  in  bösen  Stunden,  wenn  keine  Er- 
quickung nahe  ist,  und  wenn  die  Freude  sich  weggewandt  hat.  —  Aus  seinem  Munde 
geht  ein  kalter  Hauch,  der  das  Leben  in  seinem  Mark  erschüttert;  die  freundlichen 
Gestalten  erstarren  vor  ihm  in  ihren  lieblichen  Bewegungen,  und  die  Lust  des  Lebens 
flieht  vor  ihm:  er  höhnt  die  Hofnung  und  verschmäht  den  Trost.  Dieser  Geist  ist 
mir  das  unbegreifliche  in  der  Natur;  aber  ich  hoffe  noch  ihn  zu  vertilgen,  denn 
nun  ist  der  gute  Geist  mächtig  in  mir,  und  ich  will  seinen  bösen  Gesellen  nicht 
durch  Grübeln  citiren.    Er  war  schon  im  Anzüge  und  meine  Stirn  faltete  sich  schon. 

Ich  werde  Dir  viel,  recht  viel  schreiben  müssen,  und  freue  mich  recht  dazu, 
um  mich  Dir  zu  zeigen  wie  ich  bin,  in  meinem  ganzen  Wesen,  in  allen  meinen 
Formen  und  den  Verhältnissen  des  Tags.  —  Wisse  nur  zuvor,  daß  der  alte  treue, 
rechtliche  Sinn,  der  mit  mir  unter  den  Linden  und  hohen  Eichen  meines  väterlichen 
Dorfs  aufwuchs,  den  Du  kennst,  und  die  unbefangne,  furchtlose  Vertrautheit  mit  allen 
Erscheinungen  des  Lebens,  die  Du  einst  an  mir  liebtest,  noch  die  Hauptbestandtheile 
meines  Wesens  ausmachen,  daß  sie  mit  mir  auf  alle  Ebenteuer  ausgezogen  sind,  und 
indem  sie  mir  meist  eine  gute  Aufnahme  verschafften,  wohin  ich  kam,  mir  wenigstens 
zeigten,  daß  die  Menschen  nicht  so  sehr  aufgehört  haben  es  zu  seyn,  um  nicht  wirkliche 
Menschheit  zu  lieben  oder  wo  sie  das  nicht  mehr  konnten,  doch  zu  achten.  —  So  können 
die  verschiedensten  äußeren,  selbst  oft  für  das  Bessere  in  uns  für  den  angebohrenen 
Geist  gefährliche  Lagen,  wenn  dieser  erst  eine  männliche  Reife  erlangt  hat,  wenig 
Einfluß  auf  uns  haben;  es  zeigen  sich  neue  und  fremde  Gestalten,  ungewohnte  ][ 
Thätigkeiten  werden  gefordert,  unnatürliche  Rücksichten  werden  nothwendig  —  aber 
es  bleiben  die  alten  Neigungen,  die  alten  Gesinnungen  und  Gewohnheiten,  und  Hand- 
lungsweisen, und  im  tiefsten  Herzen  die  alten  Wünsche;  Schmuck  und  Schönheit 
mit  der  Tünche  der  großen  Welt  bleiben  meiner  Liebe  fremd.  Ich  hänge  an  der 
Natur  mehr  wie  je.  Ein  einzelner  Baum  der  grünend  aufstrebt  in  seiner  Kraft 
und  in  seiner  Pracht  und  seine  blättrigen  Äste  wiegt,  entschädigt  mich  für  das 
Geschwätz  von  der  Zeitung  und  von  der  Gesellschaft,  heilt  mich  von  Eitelkeit  und 
Begierde,  die  die  Thorheit  rege  gemacht  hat.  —  Das  Licht  der  Sonne,  die  mir  immer 
das  Urbild  des  Lebens  und  die  Quelle  der  Freude  bleibt,  erquickt  mich  desto  mehr, 
da  ich  oft  in  diesen-  Jahrszeit  hier  Wochenlang  ihren  Anblick  entbehren  muß,  wenn 
sie  gegen  meinem  Fenster  emporsteigt;  zwar  sie  geht  mir  nicht  über  den  Schnee- 
gebirgen auf  die  ich  oft  auf  La  Eive's  und  Heßens  Gemälden  bei  der  Fr.  Brau,  in 
Duft  und  Ferne  gehüllt  mit  unbeschreiblicher  Sehnsucht  betrachte,  wie  Dir,  Du 
Glücklicher;  aber  sie  steigt  mir  aus  dem  Meer  auf  und  röthet  verschönernd  und  ver- 
kündigend die  hohen  Schlösser  von  Amalienburg.  Mit  ihr  heben  sich  meine  Ge- 
danken  froher,   und    sie    befahl   mir  heute  Dir   zu   schreiben.  —  Aber  der  heutige 


Nachtrag  zu    1799.  m 


Tag  ist  mir  aus  noch  einem  Grunde  festlich;  er  ist  der  Nachtag  eines  Festes  das 
verdiente  gefeiert  zu  werden,  und  gefeiert  ward,  wie  es  verdiente.  Berger  und  ich 
wir  begingen  gestern  das  Fest  unserer  Bekanntschaft  vor  3  Jahren.  Du  erinnerst 
Dich  jenes  Abends  in  T\'eimai  und  Hamlets;  —  daß  Gries  und  ich  dort  zuerst  Berger 
und  Hülsen  sprachen,  daß  wir  Champagner  tranken,  und  in  der  lautesten  Begeiste- 
rung II  mit  Floret  nach  Kötschau,  von  dort  später  nach  Jena  fuhren?  Und  höre  nun 
wie  wir  den  Tag  feierten ;  so  hast  Du  zugleich  ein  Beispiel  eines  7-echt  guten  Tages 
hier  in  Kopenhagen;  —  auch  die  mittelmäßigen  und  schlimmen  sollen  Dir  nicht 
vorenthalten  werden.  —  Ich  hatte  mich  frei  gemacht  um  den  ganzen  Tag  mit  den 
Freunden  leben  zu  können;   gegen  11  Uhr  Morgens  war  das  Rendez- Vous  auf  dem. 

—  Fechtboden,  den  wir  wöchentlich  einigemal  zusammen  besuchen,  bestimmt.  Bergers 
jüngerer  Bruder,  der  Husar  (Du  solltest  ihn  kennen  —  ich  nenne  sie  nur  die  Dios- 
kuren)  war  allein  unser  dritter  Mann,  —  Hier  nun  begannen  wir  nach  griechischer 
Art  mit  Kampfspielen  allerlei  Art  in  der  Gesellschaft  mancher  kampflustigen  Jüng- 
linge die  Fever;  drauf  ward,  um  dui'ch  ein  [maiges?]  Spiel  die  ästhetische  Stim- 
mung zu  erhöhen,  bis  zu  Mittag-  Billard  gespielt;  und  dann  von  uns  Dreien,  unter 
Scherz  und  Ernst  bei  freundlichen  Gesprächen  ein  Bundesmal  gehalten,  wo  wir  an- 
dächtig bei  des  Rheinweins  milder  Kraft  der  fernen  Freunde  gedachten,  und  wo 
der  feurige  Portwein  den  Cirkel  schloß.  —  Nun  ward  ein  Spaziergang  in  der  seit 
langer  Zeit  zum  erstenmal  wieder  frischen  belebenden  Luft  gemacht;  vom  Walle 
sahen  wir  im  Westen  die  rothe  Scheibe  der  Sonne  sinken;  und  eilten  nun  nach 
Bergers  Zimmer,  wo  beim  Kaffe  die  Stunden  uns  hinschwanden.  Von  dort  —  ja 
wundre  Dich  nur  w^ie  geistig  und  sinnl.  sybaritisch  wir  auf  unser  Vergnügen  raf- 
finiert halten  —  gingen  wir  zu  dem  gemeinschaftlichen  Freunde  Wolff,  auf  dessen 
Zimmer  wir  bei  der  freundlich  dampfenden  Friedenspfeife,  wohlschmeckenden  Thee 
einnahmen  bevor  wir  uns  nach  7  Uhr  nach  der  Scene  des  Hauptdrama  begaben, 
das  heißt  nach  Thadens  Stube,  wo  wir  6  Freunde  zum  Tranke  des  Bischofs  ver- 
sammelt hatten.  —  Was  soll  iehs  Dir  sagen  daß  hier  hohe  Lieder  gesungen  wurden^ 
wie  einst  ||  in  Jena  „von  einem  glücklichen  Volk  ahnender  Sterblicher,, :  —  daß  mich 
vor  allem  die  schöne  Wiederkehr  der  guten  Stunden  und  der  höhern  Genüsse  des 
Lebens  vertrauend  in  die  Zukunft  blicken  ließ  und  daß  ich  zufrieden  war  in  dem 
BewußtsejTi,  der  wohlacgewandten  schönen  Zeit  der  Vereinigung,  die  auch  hier  im 
-Norden  einen  Kreis  vou  Angehörigen  umschließt.  — :  denn  schon  wieder  naht  die 
Trennung  von  einigen,  mit  dem  Früling.  Bergern  treibt  der  unstete  Geist  des 
Lebens  abermal  in  das  heil.  röm.  Reich,  und  wer  weiß  wo  son.st  hin:  ich  bleibe 
fürs  erste  noch  hier;  aber  es  ist  eine  große  Frage,  ob  ich  ihm  hier  wieder  begegnen 
werde.  —  Denn  ich  werde  mein  Geschick  nicht  an  diesen  Ort  binden., 

,,Und  was,  fragst  Du  mich,  —  willst  Du  denn  beginnen?  wohin  treibt  Dich  Dein 
Sinn?,,  Und  Herbart  —  mit  einem  Seufzer  antworte  ich  Dir.  —  Auf!  fort!  ruft 
es  oft  in  mir.  ., Wohin  —  wohin?  frage  ich  sehnsuchtsvoll;  ach  —  und  vor  mir 
liegt  dann  die  ganze  Welt,  —  liegen  die  sonnigen  Gefilde  der  Kindheit  in  weiter 
Ferne,  —  liegt  alle  Schönheit,  liegt  das  Land  der  Freundschaft  —  die  Haine  der 
Liebe,  aus  denen  mir  süße  Töne  rufen.  —  Alles  was  ich  großes  und  Schönes  je 
gesehn  und  geahnt  —  der  erste  Frühlingstag  —  die  Morgenröthe,    Berg  und  Thäler 

—  das  Meer  und  die  Alpen  —  geträumte  Heldenthaten  —  alles  —  alles  was  ein 
Menschenherz  erfüllen  und  zersprengen  kann  schwebt  in  dunkeln  Bildern  mit  Blitzes- 
schnelle vor  mir  auf.  Ich  strecke  meinen  Arm  aus  —  ich  stehe  vor  dem  Universum, 
fühle  daß  es  unendlich  ist  —  fühle  daß  es  mein  ist,  und  ich  Kraft  habe,  es  zu  er- 
messen. —  Hie  fallen  alle  Bande,  alle  Verhältnisse!  —  mich  fesselt  keine  Gewalt;, 
mich  kann  nicht  der  enge  Raum  Eines  Landes,    der   enge  Kreis  weniger  Menschen. 


JJ2  Nachtrag  zu   1799. 


halten;  luid  wollte  |1  die  Mode,  wollte  die  Klugheit  auch  immerhin.  —  Was  ist  Klug- 
heit, wo  es  um  etwas  Höheres  geht,  wo  das  Leben  und  seine  Bestimmung,  seine  Natur, 
auf  dem  Spiel  steht?  —  Ich  habe  noch  keinen  ökonomisch-politischen  Plan  —  wiU 
keinen  haben;  —  ich  zittere  wenn  man  von  meinen  Aussichten  spricht,  und  lache  wenn 
man  fragt,  in  welchem  Collegium  ich  angestellt  seyn  mögte?  Dieses  Treiben  und  Drängen 
nach  Veränderung,  nach  Mannigfaltigkeit  —  besser  wohl  nach  Allheit  und  Unendlichkeit 
in  meinem  Innern  nehme  ich  für  einen  Bürgen  meiner  Bestimmung;  —  ich  werde 
diesem  Geiste  folgen,  werde  auf  seiner  Bahn  gern  zu  Grunde  gehn,  wenn  er  es 
heischt.  —  Du  verstehst  mich  Herbart,  (Du  ahnetest  sonst  die  Wahrheit  manches 
unvollkommenen  Gedanken  in  mir)  es  ist  lächerlich  von  Unendlichkeit,  von  aus- 
gedehnter Wirksamkeit  und  andern  Hofnungen  oder  Postulaten  eines  andern  Lebens 
zu  sprechen,  wenn  wir  uns  hier  schon  früh^  eh  es  uns  noch  Bedürfniß  wird,  ein- 
bannen wollen  in  einen  engen  Kreis  der  uns  die  Hälfte  uusers  Daseyns  in  halbem, 
trostlosen  Bewußtseyn  hinhält.  —  Ich  fühle  nun  daß  mein  inneres  Leben  durch  die 
Mannigfaltigkeit  und  den  periodischen  Wechsel  äußerer  Lagen  und  Gegenstände  ge- 
weckt wird;  hätt  ich  die  Alpen  bestiegen,  Euch  umarmt  und  eine  Zeitlang  in  Eurem 
Kreise  zugebracht,  —  ich  weiß  es,  so  war  ich  schon  mehr  —  vollendeter,  als  ich 
es  izt  bin,  und  wüi'de  stärker  einem  andern  Himmelsstrich  —  vielleicht  mit  Euch 
zuwandern.  Und,  wie  Viele  trefliche  leben  nicht  noch  uns  unbekannt  in  ihren 
Kreisen!  Auch  sie  müßten  wir  kennen!  —  Das  Ziel  meiner  Sehnsucht,  —  die  Be- 
friedigung —  II  ich  weiß  es.  —  sie  find  ich  nirgend ;  —  Freiheit  wird  mir  im  Fleische 
nicht  zu  theil;  kein  möglicher  Kreis  kann  sie  mir  bieten  aber  im  Wechsel  werd' 
ich  mich  ihrer  bewußt.  Einst,  wenn  meine  Pulse  langsamer  klopfen,  meine  Ge- 
lenke sich  zu  verknöchern  beginnen,  werd  ich  nach  Stille,  und  Einförmigkeit  mich 
sehnen  —  gut;  ich  werde  dann  entsagend  den  schönen  Kranz  von  meinem  Haupte 
nehmen  und  dem  Ruf  der  Natur  folgen.  —  Aber  bis  dahin  will  ich  auch  die  Be- 
stimmung meines  Wesens  verfolgen.  — Und  warum  sollte  ich  denn  nicht  zu  Euch 
kommen  r  Ich  werde  es.  Und  warum  komme  ich  nicht  schon  izt?  Mir  fehlt  nichts 
als  politische  Unabhängigkeit;  aber  die  ist  auch  beinah  moralische  Unmöglichkeit.  Ich 
ergebe  mich  in  die  Nothwendigkeit,  besonders  da  mir  mein  dermaliger  Kreis  noch 
nicht  so  alt  und  enge  geworden  ist,  daß  er  keine  Abwechslung,  keine  Anregung 
mehr  gäbe.  —  Immer  aber  betrachte  ich  meine  itzige  Existenz  nur  als  einen  Auf- 
tritt in  einem  der  ersten  Acte  eines  Schauspiels  von  dem  ich  —  der  Schauspieler 
und  Zuschauer  in  eioer  Person,  noch  uicht  weiß  —  ob  es  Lust-  oder  Trauerspiel 
werden  will.  Einerley!  —  weiß  ich  doch,  daß  ich  auf  keinen  Fall  un belohnt  ab- 
treten werde.  —  Dir  wUl  ich  nun  noch  in  aller  Kürze  einen  Abriß  von  dem  Schau- 
platz, wo  dies  Drama  vorgeht  und  den  Decorationen  geben.  . 

Die  fünf  schönen  Monate  lebe  ich  2  Stunden  von  hier  auf  einem  reizend  ge- 
legenen Landhause  des  Grafen:  Seelust.  Es  liegt  am  Sunde  und  aus  den  Bosketts 
die  sich  bis  ans  Ufer  erstrecken  sehe  ich  die  schwedische  Küste,  und  die  unzäh- 
ligen meerdurchwallenden  Schiffe;  ein  schöner  Wald  dicht  dahinter.  Höchstens  alle 
8 — 14  Tage  reite  ich  einmal  zur  Stadt,  und  lebe  übrigens  so  angenehm  als  möglich, 
und  zieml.  ungebunden.  —  Zerstreuter,  aber  in  Rücksicht  meines  Umgangs  auch 
angenehmer  im  Winter,  hier.  ||  Graf  Schimmelmann  ist  einer  der  seltenen  höheren 
Menschen,  die  Güte  und  Unschuld  der  Kindheit  mit  ins  Grab  nehmeu,  die  alle 
Schlechtigkeit  der  Menschen,  alle  Thorheit  der  Welt,  alle  fehlgeschlagenen  Ver- 
suche zu  ihrem  Besten,  und  ein  hingeopfertes  Leben  nicht  müde  oder  unwillig 
machen  können.  Ich  achte  ihn  unbeschreiblich  und  liebe  ihn  wie  meinen  Vater. 
Schade  nur  daß  er  Minister  ist,  daß  seine  unendlichen  Geschäfte  seine  beßre  Kraft 
großentheils   verzehren,   und  —  daß   ich  ihm   nicht  helfen  kann;    er  verdiente  ein 


Nachtrag  zu  1799.  j  j -? 


besseres  Schicksal.  Ton  ihm  unmittelbar  erhalte  ich  meine  Geschaffte,  die,  weil 
alle  Fächer  im  Staat  besetzt  sind,  sehr  mannigfaltig,  und  weder  bestimmt  noch 
mechanisch  und  drückend  sind.  Sie  bestehen  außer  dem  vorlesen  von  einer  end- 
losen ilenge  Briefe,  Vorstellungen  u.  s.  w.,  die  er  selbst  wegen  Augenschwäche  und 
Mangel  an  Zeit  nicht  lesen  kann,  und  einem  Theil  seiner  Geschäftscorrespondenz 
meistens  in  Arbeiten,  die  ihm  die  seinigen  nur  erleichtern:  Durchsehen  und  Refe- 
riren  von  eingelaufenen  Papieren,  Extracte  aus  weitläuftigen  Sachen  oder  Berichten, 
Anmerkungen  und  Bedenken  zu  andern,  Uebersetzungen,  Dechiffrirangen,  CalcüJs 
Tabellen  —  mitunter  auch  wohl  im  Abschreiben  von  Sachen,  die  nicht  jeder  sehen 
soll.  Kurz  —  weil  er  ältester  und  erster  Minister  ist  und  2  Departements,  das 
Finanz-  und  das  Commerz  CoUegium  dirigirt,  und  außerdem  noch  in  unzähligen 
Commißiouen  (unter  andern  der  Schul-  und  Armencommißion  sitzt)  so  geht  eine 
unendliche  Menge  von  Gegenständen  —  meistens  sehr  cursorisch  —  durch  meinen 
Kopf  —  noch  mehr  aber  durch  meine  Hände;  vieles  interessante  aber  auch  nebenher 
über  innere  Staatsverwaltung  und  äußere  Verhältnisse,  das  er  mir  nicht  verhehlt 
weil  ich  sein  Vertrauen  besitze.  Gewöhnlich  arbeite  ich  Morgens  von  7  od.  8  bis 
10  Uhr  bei  ihm.  Dann  fangen  seine  anderen  öffentlichen  Arbeiten  —  Audienzen  u.  s.  w. 
an.  Ich  sehe  ihn  nicht  wieder  als  3-ühr  Nachm.  bei  Tische.  Bis  dahin  habe  auch 
ich  Zeit  für  mich  zu  arbeiten  —  die  Posttage  ausgenommen  arbeite  ich  Nachmitt. 
nicht  gern  sondern  gehe  nach  3  Uhr  aus  oder  die  Freunde  kommen  zu  mir.  Wenn 
ich  abends  nicht  mit  ihnen  bin  gehe  ich  gegen  9  Uhr  hinunter,  wo  man  sich  in 
dem  Zimmer  der  Gräfin  versammelt,  wo  wir  oft  allein  sind,  oft  kleine  Gesellschaften 
von  Hausfreunden  sich  einfinden.  —  Daß  ich  schon  gar  mancherlei  Menschen  kennen 
gelernt,  nachgerade  assez  coulamment  französisch  spreche,  daß  mein  alter  Adam 
aber  hartnäckig  ist  und  sich  nicht  will  aus  seinem  Paradiese  treiben  lassen,  obgleich 
er  viel  von  der  Klugheit  leiden  muß,  brauch  ich  Dir  nicht  zu  sagen.  —  Genug  für 
heute  —  lebe  wohl  theurer  Herbart  —   ja  wir  sind  auf  immer  vereint 

Dein    J.  Rist. 

751.    L.  Otth  an  H.  [JenaJ  10.  6.  99. 

Mein  theurer  Herbart;  ich  fühle  mich  gedrungen,  diesen  Brief  nicht  länger 
.anstehen  zu  lassen,  obgleich  er  Dir  und  mir  höchst  unangenehm  fällt.  Magst  Du 
mir  es  verzeihen,  daß  ich  als  entfernter  Freund  es  wage.  Dich  über  Deine  Familien 
Verhältnisse  zu  sprechen?  —  ich  muß  es  dahingestellt  seyn  lassen,  und  meiner 
Überzeugung  folgen,  die  mir  zu  reden  gebietet.  —  Nur  noch  Ein  Wort  zur  Ent- 
schuldigung: ich  fühle  das  Beleidigende  und  undehcate  einer  solchen  Einmischung, 
und  würde  schweigen,  wenn  ich  nur  ahnden  könte,  daß  Dich  jemand  davon  be- 
nachrichtigen würde,  was  ich  zu  sagen  habe. 

Ich  glaube  Dich  lieber  Herbart  auch  so  zu  kennen,  daß  weil  ich  reden  muß, 
ich  auch  ohne  Schonung  es  thun  solle. 

So  glücklich  ich  war,  Deiner  Mutter  Gewogenheit  hier  immer  mehr  zu  er- 
fahren, und  dadurch  mit  meinem  ganzen  Herz  in  das  Wohlseyn  und  öchicksaal 
Deiner  Familie  verweben  wurde,  so  sind  mir  doch  nie  die  häuslichen  Verhältnisse 
durch  den  Mund  Deiner  Mutter  selbst  entdekt  worden,  sondern,  —  meist  nach  ihrer 
Abreise,  —  durch  meinen  vortrefflichen  Harbauer,  ihrem  Arzte. 

Deine  Mutter,  —  fasse  Dich  für  einen  harten  erschütternden  Bericht,  mußte 
hier  kaum  erstanden  aus  einer  tödtlichen  Krankheit,  sich  aufraffen  heimzureisen, 
weil  sie  von  Deinem  Vatter  durch  Rückbehalt  alles  Geldes  darzu  genöthigt  wurde; 
denn  bereits  kam  es  so  weit,  daß  sie,  da  Fichte  auf  seiner  Abreise  nicht  mehr 
darum  zu  ersuchen  war,  bey  dem  armen  Harbauer  borgen  mußte  biß  Dietendorf  wo 

Herbarts  Werke.     XIX.  8 


11^  Nachtrag  zu   1799. 


sie  von  der  Gräfin  Kameken  Hülfe  erhielt.  ||  Sie  war  fast  auf  jeden  Empfang  in 
Oldenburg  gefaßt,  aber  er  überstieg  doch  alle  Erwartung;  sie  wurde  in  ihr,  von 
Eeuchtigteit  und  Salpeter  verpestetes  Zimmer  geführt,  wo  alles  was  sie  von  jeher 
besessen,  theils  zerstreut  herumgeworfen ,  und  großentheils  fortgeschafft  war,  ja 
sogar  an  allem  Leinzeug  gebrach.  Sie  fand  keine  Bedienung  mehr  für  sie,  —  als 
ein  Mädchen  das  nun  herbeygeschafft  ward,  und  noch  nie  gedienet  hatte.  Mit  einem 
"Worte  der  Empfang  Deines  Vatters  war  der  eines  entfernten  Bekannten:  —  und 
gegenwärtig  sehen  sie  sich  außer  der  Gesellschaft,  nicht  mehr. 

Dazu  kam  noch  die  Krankheit  der  Antonie,  die  ihrer  Sorge  noch  unbegreiflicher- 
weise, ganz  allein  anvertraut  bleibt;  Deine  Mutter  die  so  schwer  krank  ist,  muß 
jetzt  noch  diese  kranke  Tochter  und  eine  kranke  alte  Magd,  —  und  die  Küche 
besorgen ! 

Was  ich  gesagt,  und  besonders  jezt  noch  zu  sagen  habe  wäre  schwarze  Ver- 
leumdung des  Vatters  meines  Freundes,  wenn  ich  etwas  mehr  unternähme,  als  Dir 
wiederzuerxählen  was  mir  gesagt  ist.  Dein  Vatter  verzehrt  das  Vermögen  Deiner 
Mutter  allein;  und  für  alle  Kosten  des  Hauses  und  der  Familie;  Entzieht  ihr  vieles 
was  er  ihr  auf  alle  weise  schuldig  ist.  Die  300.  Thlr  die  Dein  Vatter  Dir  senden 
sollte,  sendet  Dir  immer  und  allein  die  Mutter,  aus  ihrem  Vermögen. 

Doch,  es  war  nicht  sowohl  meine  Absicht,  eine  Aufzählung  von  unglücklichen 
Vorfällen  zu  versuchen,  als  um  Dir  einige  Bitten  einzureichen. 

Es  thut  mir  weh,  Dir  zur  Warnung  sagen  zu  müssen  ||  daß  zum  Theil  auch  Du 
die  Veranlassung  zu  ihrer  gefährlichen  Krankheit  warst,  durch  einen  Brief  wo  Du 
um  niittheilende  Rechenschafft  der  Handlungen  Deiner  Mutter  batest;  Deine  Mutter 
handelt  —  jezt  unglücklicherweise  —  nach  dem  Gruudsaze,  was  sie  thue,  das  solle 
von  Deinem  Vatter  und  Dir,  stets  als  eine  Handlung  angesehen  werden,  die  gut 
und  rechtschaffen  gemeint,  und  aus  Überzeugung  gethan  worden;  —  sie  könne  da- 
her hinwiedrum  verlangen  daß  Ihr  nicht  Rechenschafft  davon  gefordert  werde.  Es 
ist  nicht  an  mir,  darüber  zu  sprechen,  aber  Dich  zu  bitten,  für  immer  diesem  Ver- 
fahren zu  entsagen,  indem  Deine  Mutter  nicht  nur  auch  immer  auf  diesem  Ver- 
halten verharren  wii-d,  sondern  sich  so  unendlich  dadurch  gekränkt  fühlt,  daß  ihr* 
Leben  dabey  durch  ihre  äusserste  kranke  Reizbarkeit,  in  Gefahr  kommt. 

Wundre  Dich  nicht  wie  Harbauer  dieses  volle  Zutraueu  geschenkt  werden 
konte.  Als  Arzt  soll  ers  haben,  und  als  der  würdige  Harbauer  verdient  er  es. 
Seiner  unermüdeten  Sorgfalt,  die  wirkl.  über  alle  Beschreibung  geht,  verdankt 
Deine  Mutter  ganz  und  vielfach  ihr  Leben;  er  war  gerade  der  Mann,  der  es  nicht 
nur  um  der  Arzney  und  Besorgung  willen,  sondern  um  der  Beruhigung  und  Ab- 
wälzung des  gefährlichen  ängstigenden  Gemütszustandes  bedorfte.  Fichte  hatte  ihr 
ihn  zugesandt,  und  es  war  seine  Pflicht,  das  Zutrauen  das  er  sich  erwarb,  und  das 
man  ihm  unwillkürlich  schenkt,  wen  man  ihn  kent,  —  darzu  anzuwenden,  daß  er 
die  Quelle  der  Krankheit  erfahre,  um  ihr  entgegenzuwirken.  Endlich  kan  es  seyn 
daß  er  Dir  mit  einiger  Härte  schreibt,  halte  es  seiner  Redlichkeit  zu  gut!  Die 
Briefe,  die  er  von  Deiner  Mutter,  und  weit  schlimmer  noch  von  Antonie  erhält, 
enthalten  Dinge  die  sein  Herz  empören,  und  indem  er  Dich  nicht  genug  kennt, 
glaubt  er  gegründete  Unzufriedenheit  ||  gegen  Dich  zu  haben.  Deine  Mutter  hat  nun 
einmahl  in  Oldenburg  niemand,  wem  sie  sich  öffnen  mag;  und  ihre  Denkungsart 
gestattet  es  ihr  auch  nicht,  Mittheilung  zu  suchen,  zu  welcher  sogar  Harbauer  nur 
mit  Mühe  gelangt  ist.  Ich  erwarte  nicht  von  Dir  den  Anspruch,  daß  Du  als  Sohn 
hierinn  den  Vorzug  vor  Harbauer  habest,  es  ist  nun  einmahl  so;  Du  würdest, 
aller  Liebe  Deiner  Mutter  zu  Dir  ohngeacht,  nicht  dazu  gelangen,  und  durch  die 
Fordrung,  Deine  Mutter  in  Gefahr  sezen.     Auch  an  Deinen  Vatter  wende  Dich  um 


Nachtrag  zu  1799.  115 

Gottes  willen  vreder  bittend  noch  mit  Vorwurf,  alles  fiele  wieder  auf  sie  zurück. 
Ich  wünsche  also  durch  diesen  Brief  nichts  weiter  zu  erreichen,  als  Ruhe  für  Deine 
Mutter  von  Deiner  Seite,  und  daß  Dir  ihre  Lage  näher  bekannt  seye.  0  daß  doch 
ein  Ausweg  sich  zeigte,  wie  Deine  Mutter  aus  dieser  Lage  herauszureissen  wäre; 
denn  es  ist  fast  unniögl.,  daß  sie  nicht  bald  unter  diesem  Zustande  erhege. 

In  den  lezten  Tagen  besuchte  uns  Hörn  auf  seiner  Rückreise  von  Rastatt, 
mit  Dohm.  Bald  verlieren  wij-  unsern  unersezlichen  Fichte,  mein  Bruder  wird  Dir 
gesagt  haben  wohin  wir  seine  Reise  vermuthen;  gegen  das  Ende  dieses  Monats  kan 
ich  endl.  auf  die  ankunft  Böhlendorfs  und  Murbeks  hoffen;  meine  Freude  kan  ich 
Dir  nicht  genug  dai'über  ausdrüken;  Ich  bin  hier  sehr  vergnügt;  meine  Arbeiten 
gelingen  wenn  schon  nicht  nach  Wunsch,  doch  zum  Theil;  und  wer  in  Jena  nicht 
unschäzbare  Freunde  gefunden,  der  muß  wahre  Freunde  nie  gesucht  haben. 

Bleibe  mir  gut,  geschäzter  Herbart!  Dein  L.  Utth. 

752.  Jenner  an  H.     (2  S.    4».     N.)  Schottland  am  27.  Jul  99. 

753.  Böhlendorff  an  H.')  Jena  30.  Jul.  1799. 

Indem  ich  eilen  muß,   einen  Brief  an  Freund  Fischer   abzusenden,   sinds  nur 
wenige  Worte,  die  mein  Herbart  diesmal  erhalten  kann  —  und  grade  in  dem  Augen- 
blick, da  ich,  um  etwas  zu  schreiben  durchaus  sehr  viel  schreiben  müßte.    Braucht' 
es  nur  nicht  bey  mir,   um  Gedanken,   Seele  wahr  auszudrücken,   noch  immer  einer 
leidigen    sorgfältigen  Wortkunst,   so  schüttete   ich's   mit  einem    Male   vor  Dich  hin, 
und  in  Dich  hinein.    Deinen  Brief  habe  ich  hier  erhalten  und  daraus  gesehen,  worin 
Du  arbeitest  —  und  daß  Du  immer  rüstig  und  herrlich  bist.    Ich  stelle  Deinem  kühnen 
objektiven    Bau,    einen    stillern,   innern,    subjektiven    entgegen,   und   wenn   ich    mir 
wünsche,    von  iener  äußern  Welt  (die  durch  das  objektive  Bauen  wird)  soviel  zu 
ergreifen,  als  mein  u-irklickes,  festes  Eigentlmvi  werden  kann,  so  wünsche  ich  für 
Dich,  daß  Deine  objektiv  errungene  Wahrheit, .  in  ihrem  ganzen  Umfang  und  Tiefe 
—  auch  Dein  subjektives  Eigenthum  werde.  ||  Deine  Mutter  in  Oldenburg  zu  wissen, 
hältst  Du  mit  Unrecht  für  ein  Glück.    Die  kranke  Mutter,  die  ihr  ganzes  Leben  Dir 
zum  Opfer  brachte,   brachte  Dir  auch  mit  diesem  Hingehen    ein  Opfer  —  und  ich 
muß  fürchten,  daß  Du  mein  Freund,  viel  mehr  dadurch  verlieren  kannst,  als  mögl. 
Gewinn  sich  erwarten  läßt.     Dein  zweydeutiger  Vater  hat  sie  mit  Hausherrnwürde 
empfangen,  in  em  nasses  Dachstübchen  geführt  —  die  Thüre  hinter  ihr  zugeriegelt 
und  sich  entfernt.    —    Antonie   schrieb  dies  Faktiun   und  Thränen   waren   auf  dem 
Blatt.  —  Daß  der  Mann  sich  übrigens  nicht  um   sie  kümmert,  ist  gut.     Seit  einer 
etwa  vierwöchentl.  Abwesenheit  desselben  in  Pyrmont  —  hat  die  Mutter  sich  etwas 
erhohlt.    Harbauer,  ein  reiner,  edler  Mensch,  den  ich  hochachte,  weil  er  der  Hoch- 
achtung  für  Deine  Mutter   eine    ihm    sehr   theure,    wichtige   Zeit,   fast  gänzl.   hin- 
giebt,  ist  nach  Oldenburg  gereiset,   und  will  versuchen,  was  noch  zur  Erleichterung 
der    herrlichen   Frau,    die    in    ihrer    Krankheit    erst,    ganz    groß    und    fürwahr  be- 
wunderungswürdig geworden  ist,  der  Arzt  thun  kann.    Ich  werde  mit  Muhrbeck  sie 
höchst  wahrscheinl.  besuchen  können.  —  |1  Fichte   hat   mich  mit  Freundschaft  und 
Wärme  empfangen,  sein   edles  Benehmen  in  semer  entsetzlichen  Lage,   voll  Ernst 
und  Würde,  hat  ihm  mein  ganzes  Herz  wieder  erobert.     Jakobis  herrlicher,   merk- 
würdiger Brief  an  ihn,  der  in  einiger  Zeit  mit  seiner  Antwort  herauskommen  wird, 
hatte  sichtbar  auf  ihn  gewirkt.     Dir  war  er  ein  wenig  böse,  und  beschuldigte  Dich, 


1)  4  S.    8".    N.    Vgl.  hierzu  K.  Freyes  Buch  „C  U.  Boehlendorff,  Der  Freund 
Herbarts  und  Hölderlins''.   Langensalza,  Hennann  Beyer  &  Söhne(Beyer  k  Mann),  1913. 

8* 


jl5  Nachtrag  zu   1799. 


ihn  gänzl.  misverstanden  zu  haben.  Er  versprach,  Dir,  statt  einer  bestimmten  Ant- 
wort, seine  Antwort  an  Jakobi  zu  übersenden.  Jak.  Brief,  den  ich  im  Manuskripte 
las,  hat  mir  große  Epoche  gemacht.  Mehr  hievon  zu  sagen,  behalte  ich  einem 
längern  Briefe  vor,  wo  ich  auch  die  geforderten  Federzüge  zur  Vollendung  der 
(lemälde  Hölderlins  und  Sinclairs  versuchen  werde.  —  Fichte  ist  jetzt  in  Berlin. 

Hier,  in  Jena  kömmt  durch  Stahl  das  mathematische  Studium  sehr  in  Auf- 
nahme. Ein  CoUeg  von  90  Zuhörern,  ist  seit  lang  bey  dieser  "Wissenschaft  un- 
erhört. Sein  Ansehen  außer  Jena  ist  gleichfalls  außer ordentl.  gestiegen.  —  Goethe, 
der  ihn  sehr  auszeichnet,  hat  ihn  ||  zur  Professur  befördert.  Ich  lebe  hier  täglich 
mit  Stahl.  Wäre  der  treffliche,  geistreiche  Mann,  im  übrigen  mehr  zu  seiner  eignen 
Zufriedenheit  —  nach  seinem  starken  Bedürfniß  ausgebildet,  so  wäre  seine 
Wissenschaft,  der  er  sich  gänzlich  opfert,  seiner  noch  sicherer,  da  sie  jetzt 
oft  schwere  Kämpfe  mit  seinem  JkferascZ/ewbedürfniß  zu  kämpfen  hat.  Er  wünscht 
Dir  und  Steck  und  Fischern  sehr  empfohlen  zu  seyn  —  wie  auch  den  andern 
Schweizern.  — ■ 

Sage  unserem  trefflichen  Zehender,  mit  meinem  innigsten  Gruß  und  Dank  für 
seinen  Brief,  den  ich  gewiß  nächstens  beantworten  werde,  daß  sie  selber  meine 
Bücher  tasiren  mögen,  wovon  der  Preis  nicht  dasteht.  Ich  werde  mich  ihrem  Aus- 
spruch gern  unterwerfen.  Die  Hälfte  vom  Kaufpreis  mag  bey  denen,  um  welche 
Anfrage  geschehen  ist,  die  Grundbestimmung  seyn. 

Muhrbeck  ist  noch  nicht  hier.  Ich  bin  ihm  ein  wenig  ziivorgelaufen  —  aber 
er  läßt  zu  lang  auf  sich  warten,  und  ich  warte  mit  Ungeduld.  Indessen  fürchte  ich 
hier  keine  Langeweile;  das  alte  Jena  steigt  mir  aus  seinem  Grabe  hervor  und  die 
Gesellschaft  der  Schatten  ist  zuweilen  lebendig.  Im  Kochschen  Garten  habe  ich 
mit  ein  paar  Jünglingen,  die  ich  liebe,  unser  Bekanntwerden  mit  Weinchocolade  und 
traul.  Gespräch  gefeiert.  Rist  und  Berger  und  Rosencranz  sind  z.  Besuch  in  Holstein 
wo  wir  sie  wahrscheinlich  sprechen. 

Gruß  und  HändedruckI  Dein    B. 

754.  Muhrbeck  an  H.  (4  S.  8«.  N.)  Der  Schluß  des  Briefes  wird  nicht  mit 
abgedruckt.  Berlin  d.  Uten  Db.  99 

Lieber  Herbarth,  Daß  ich  Dir  seil  Frankfurth  nicht  geschrieben,  ist  unrecht  — 
Entschuldigungen  die  ich  aufbringen  könnte  sind  zu  klein  um  mich  zu  rechtfertigen. 
Ich  will  ganz  schweigen  und  der  Zukunft  meine  Vergebuug  anvertrauen,  wenn  Du 
zürnst  —  wie  Du  es  ürsach  hast.  Aufschub  der  Art  zeigt  die  Unordnung  in  dem 
Charakter  meines  Lebens  —  Vernachlässigung  der  Freundschaft  durch  überspannten 
höheren  Trieb  —  aber  weiter  auch  nichts.  —  Daß  ich  mich  bessre  ist  eben  so  ge- 
wiß —  als  dieses  Bekenntniß  von  der  Vergangenheit  war.  —  Dieser  Brief  hier  den 
ich  mich  ||  in  geengter  Zeit  zu  schreiben  und  —  so  kurz,  —  wie  Du  ihn  siehst 
abzusenden  entschlossen  —  mag  schon  Zeugniß  seyn,|  das  einzige,  was  ich  jetzt 
geben  kann.  — 

Keinen  habe  ich  in  Jena  gefunden,  den  ich  Dir  als  Nachfolger  vorschlagen 
könnte  —  ein  Landsmann  dazu  tr.  Freund  von  mir:  Schwarz  hatte  es  mir  gewisser- 
maßen zugesagt  —  nahm  nachher  aber  sein  Wort  zurück.  In  Greifswald  werde 
ich  mich  von  neuem  bemühn,  und  Dir  Nachricht  geben,  und  von  Dir  Antwort 
erwarten.  — 

Ich  habe  Fichte  hier  gesprochen  —  ich  spare  auf  eine  Muße  im  Vaterland 
die  Resultate  unsers  Zusammenseyns.  Mir  waren  sie  sehr  wichtig.  F.  fand  un- 
aussprechlich erhöht  —  wie  nie  ergriff  mich  sein  Wesen  —  eine  religiöse  Heiter- 
keit hat  sich  mildernd  über  den  gewaltigen,  ||  schneidenden  Ernst  verbreitet  .  .  . 


Nachtrag  zu   1 800.  117 


755.  Reisepaß  für  Herbart. ') 

N.  2530.     Freyheit.     (Wappen)     Gleichheit. 
Helvetische  Republik, 
ein  und  untlieilbar. 
Canton  Bern.  —  Distrikt  Bern. 
Lasset  frey  und  ungehindert  paßiren,  den  Bürger  Johann  Friedrich  Herbart^ 
gebürtig  von  Oldenburg,  alt  23  Jahr,  von  Statur  rakner'^),  5  FuJ3  und  2  Zoll  hoch, 
hellbraune  Haare,  gleiche  Augenbraunen,  graue  Augen,  spixe  Nase,  mitlerer  Mund, 
rufides  Kinn  und  in  der  rechten  Backe  eine  Narbe;   welcher  willens  ist  zu  reisen 
durch  Strasburg  und  Mainz  nach  Hause^   daß  ihme  keinerley  Art  von  Uebel  und 
Verhiudernng,  weder  an  seiner  Person,  noch  an  seinen  Effekten,  zugefügt,  vielmehr 
alle  benöthigte  Hülfe  gereicht  werde;    welches  wir  von  hier  aus  gegenseitig  zu  er- 
wiedern  uns  erbieten. 

Der  gegenwärtige  Paß,  unterschrieben  von  obengenannten  Reisenden,  ist  nach 
dem  Gesetz,  auch  vom  Unterstatthalter  des  Distrikts  unterzeichnet,  und  mit  seinem 
Siegel  versehen. 

Bern,  den  24ten  Xbr.  1799 
Unterschrift  des  Reisenden  {Siegel)  Unterstatthalter  des  Distrikts  Bern 

gez.  Joh.  Fr.  Herbart.  gez.  Anton  Caderas. 

756.  Gries  an  Steck.  Göttingen  d.  9.  Mai  1800 

Herbart  war  vor  einigen  Monaten  bei  mir.     In  den  zwei  Tagen  unsers  Bei- 

sammeuseyns  hat  er  mir  viel  erzählt,   viel  von  Dir Vor  8  Tagen  bin 

ich    von    Jena    zurückgekehrt,     wo     ich     einige     Wochen     mit  Böhlendortf     und 
Schildener  lebte. 

757.  Böhlendorff  an  H.     (4  S.   8".    N.)  Dresden  20.  Apr.  1800 

758.  Eschen  an   H.     (4  S.     8".     N.)  Bern  d.  I2ten  Jun.  1800. 
Es  war  den  Abend  vorher,  daß  ich  die  Nachricht  bekam,  unser  theurer  Fischer 

sey  entschlummert  und  sein  Geist  schwebe  unter  den  Sternen  über  seiner  Schlummer- 
stätte. Den  andern  Morgen  erhielt  ich  aus  unsers  Zehenders  Hand  Deinen  Brief, 
"geliebter  Herbart,  diesen  herrlichen  Zeugen  des  Lebenden;  ich  ward  wieder  muthiger, 
sah  muthiger  die  Bahn  des  Lebens  entlang,  und  ging  sie  mit  Dir  rüstiges  Ganges, 
die  Menschen  freudig  anblickend,  und  freudig  Hand  und  Geist  zum  Werke  rührend. 
Mag  dann  die  längere  Nacht  kommen,  aus  welcher  wir  staunend  mit  anderen  Augen 
erwachen:  sie  ist  uns  willkommen,  als  der  Ruf  in  das  ferne  Land,,  das  oft  un- 
bekannt und  wunderbar  vor  unserer  Sehnsucht  daliegt;  in  das  Land  der  Vereinigung. 
Über  dem  Grabe  des  gestorbenen  laß  uns  fester  die  Hand  drücken,  und  größere 
Lebenslust  unsere  Brust  füllen,  daß  unsere  Kraft  zum  Guten  dadurch  dauernder 
und  lebendiger  werde;  daß  wir  einst  gerne  von  den  Sternen  ins  verlaßene  Thal 
hinabblicken.  —  || 

Den  Abend  nahm  ich  wieder  Deinen  Brief  und  ging  auf  die  herrlichste  Höhe 
von  Rümligen,  vor  welcher  die  ganze  Reihe  der  Berge  alle  ihre  leuchtenden 
Häupter  hinzieht:  ich  rief  Dich  zu  mir.  wie  sie  in  allem  Lichte  dastanden,  und 
mein  Herz  lief  von  Freude  über  und  mein  Auge  ward  feucht.     Ich  weilte  nicht  bis 


^)  2  S.  2".  N.  Rückseite  mit  Visen  verschiedener  Orte,  zuletzt  steht  das 
im  1.  Briefbaude  S.  130  erwähnte  darauf.  Die  kursiv  gedruckten  Wörter  sind 
handschriftlich  eingefügt. 

"■)  Von  düi-rer,  schlanker  Gestalt. 


1 1 8  Nachtrag  zu   1 800. 


der  goldne  Schleier  sich  entfärbt  hatte,  und  ich  trug  durch  den  dunkleren  Wald 
alle  Freude  mit  mir  heim.  0  theurer,  theurer  Herbart,  warum  müssen  wir  in 
unsern  schönsten  AugeDblickeu  so  stumm  seyn,  warum  kann  ich  Dir  nicht  mit  allen 
Tönen  meines  Gefühls,  die  in  Freude,  Wehmuth  und  Sehnsucht  durcheinander  in  mir 
stilrnien,  Dir  zurufen,  was  Du  mir  bist  und  was  ich  Dir  seyn  möchte.  Diese,  diese 
Töne,  und  andere  gleiche,  sind  die  Boten,  welche  mir  so  oft  und  so  schön  die 
Unsterblichkeit  der  Seele  verkündigen,  denn  sie  sind  nicht  der  Ausdruck  des  ge- 
sehenen, gehörten  und  gedachten,  sondern  der  überirdischen  Welt  in  und  außer 
uns.  In  ihnen  finde  ich  die  heiligsten  Stunden  meines  Lebens,  und  ich  habe  mir 
oft  gewünscht,  daß  mein  Tod  in  einer  solchen  Stunde  niu'  mir  die  Augenlieder 
berührte  —  || 

Der  Gedanke  an  eine  mögliche  engere  Vereinigung  zum  Wirken  auf  die 
Bildung  der  Menschheit,  worüber  Du  mit  Schmidt  sprachst,  hat  mir  und  meinem 
Freunde  Ziemßen  schon  manche  frohere  Stunde  gemacht,  selbst  indem  wir  den  Ge- 
danken blos  als  Gedanken  mit  dem  Flügel  der  Einbildungskraft  verfolgten.  Was 
wäre  herrlichei',  als  eine  solche  unmittelbare  Vereinigung  zum  unmittelbaren  Nuzen, 
und  unter  Freunden,  die  einem  so  ähnlichen  Ziele  in  ihrem  Wirken  zuzustreben 
scheinen,  und  unter  einem  Himmel,  der  jede  Freude  über  Gelungenes  im  Guten 
imd  Schönen  lachender  aufnimmt!  Wenn  der  Gedanke  an  diese  Möglichkeit  uns 
so  hinreißt,  was  würde  nicht  die  Wirklichkeit?  welch  ein  Altar  der  Freundschaft 
würde  nicht  in  dem  Kreise  sich  erheben,  voll  von  Blumen  und  Früchten,  die  unter 
der  Pflege  der  Freundschaft  schneller  und  reicher  aufwuchsen!  Die  Bekanntschaft 
mit  Pestalozzi  und  das  Anschauen  seiner  Kraft  und  AVirkung  machte  uns  die  Idee 
noch  lebendiger  und  wir  streiften  über  das,  was  im  Wege  zu  stehen  schien,  leichter 
und  schneller  hinweg.  —  ■ —  —  || 

Von  den  Deinen  im  Steiger  sehen  Hause  und  von  Segelken  schreibe  ich  Dir  in 
meinem  nächsten  Briefe.  Denn  seit  Segelken  bey  ihnen  ist  habe  ich  sie  wegen 
lange  anhaltenden  schlechten  Wetters,  wegen  einer  kleinen  Reise,  die  sie  nach 
Bern  machten,  und  wegen  meines  jezigen  Aufenthaltes  in  Bern,  nicht  gesehen. 
Segelken  habe  ich  deshalb  auch  nur  eine  kurze  Zeit  bey  seiner  Ankunft,  in  Rümligen 
und  in  Rickisberg,  gesprochen,  doch  nicht  so  Tiel  um  über  ihn  irgend  ein  XJrtheil 
schon  fassen  zu  können.  Da  ich  heute  wieder  meinen  Rückweg  nach  Rümligen 
nehme,  so  werde  ich  in  einigen  Tagen  über  Segelkens  Verhältniß  zu  den  Deinen 
reichere  Auskunft  erhalten.  Ziemßen  wird  Dir  von  Segelken  vielleicht  bestimmteres 
schreiben  können,  weil  dieser  bey  seiner  Ankunft  und  auch  nachher  sich  einige 
Tage  in  Bern  aufgehalten  hat  und  viel  mit  Ziemßen  zusammen  war.  — 

Du  aber,  theurer  Herbart,  erfreue  uns  bald  wieder  und  sage  uns,  wo  unsere 
Gedanken  Dir  nachgehen  sollen  und  welche  Arbeiten  Dir  gelingen,  und  daß  Du  oft 
Deine  Blicke  und  Dein  Herz  zu  uns  wendest.  Je  herrlicher  die  Gegend  ist,  in  der 
ich  lebe,  je  glücklicher  die  Arbeiten  mit  meinem  Roudy  fortgehen,  um  desto 
lebendiger  fühle  ich  die  Gabe  der  Freundschaft  und  segne  die  Stunden,  in  welchen 
sie  mir  ward.  Dein  Eschen.^) 

759.    Th.  Zieifissen  an  H.    (12  S.   8".    N.) 

Auf  meinem  Landhause  d.  29  Aug.  1800 

Betiübniß  und  Schwermuth  umhüllen  noch  immer   mein  tiefstes  Innere,   und 

Schwäche  und  Kränklichkeit  lähmen  meinen  Körper;  das  einzige  woran  ich  noch  mit 

Vergnügen  hänge  ist  die  Hoffnung,   Dich  wiederzusehen;    möchte   doch  dieses  Eine 


1)  Ein  genauer  Bericht  über  Escbens  Tod   von  Ziemssen   und   den  Schweizer 
Beamten  steht  in  Halems  Zeitschrift  „Irene",  Jahrgang  1801. 


Nachtrag  zu   1 800.  j  i  g 


I 


tniv  noch  gelingen !  Ich  suche  mich  zu  zerstreuen,  ich  arbeite,  nehme  niancherley 
vor,  woran  ich  sonst  mit  Interesse  hing,  ich  treibe  mich  unter  Menschen  herum, 
nehme  die  Miene  des  Frohen  an,  und  suche  lustig  zu  seyn,  wie  andere  Leute,  ja 
ich  schwinge  mich  durch  Phantasie  und  momentane  Begeisterung  über  den  ge- 
meinen Erdenstaub  empoi ;  aber  der  Hintergrund  bleibt  unveriückt  immer  derselbe 
in  mir,  und  ich  falle  nachher  nur  desta  tiefer  in  den  alten  Kummer  zurück.  — 
Ich  sage  mir:  es  hat  eine  höhere  Macht  geboten,  die  Du  ja  verehrst;  und  doch 
kömt  in  der  folgenden  Minute  der  schwache  Mensch  mit  seinem:  aber  es  war  doch 
hart,  sehr  hart,  nach.  —  Dazu  bin  ich  denn  noch  so  allein  mit  meinem  Kummer; 
zwar  haben  unsere  Freunde  herzlichen  Antheil  genommen,  und  meiner  gepflegt, 
und  hauptsächlich  der  herzlich  gute  Zehender,  den  ich  schon  lange  sehr,  sehr|| 
lieb  gewann,  mit  seiner  ganzen  Familie,  zu  dem  ich  jetzt  auch  auf  einige  Tage  auf 
den  Gurniggel  gehen  werde,  aber  dabey  bin  ich  denn  doch  mit  meinem  eigentlichen 
tielern  AVesen,  mit  dem  was  mir  am  innigsten  am  Herzen  liegt  ganz  allein;  und 
fühle  dieses  Alleinseyn  nur  desto  drückender,  je  inniger  ich  in  dieser  Hinsicht  vor- 
her mit  Dir  und  dann  mit  unserm  Theuren  Eschen  verbunden  war.  Mehr  als  ich 
nur  noch  hoffte,  fand  ich  hier  in  Euch  die  schönen  Bilder  und  Ahndungen  meiner 
jugendlichen  Seele  realisirt,  ich  lebte  ein  Götterleben;  aber  jetzt  bin  ich  wieder 
hinaogestoßen  aus  dem  Olymp  und  auf  eine  zwar  immer  noch  schöne,  aber  einsame 
Inse  verbannt,  woraus  Du  mich  nur  wieder  zu  erlösen  vermagst.  —  Nimm  deshalb 
Früs;hings  Anerbieten  an,  und  kehre  zu  uns  zurück,  und  mache  dann  dadurch  diese 
Fortsetzung  meines  vorigen  Briefes  unnöthig;  die  ich  Dir  deshalb  mehr  in  der  Er- 
warting,  daß  es  ihrer  nicht  bedürfen  werde,  als  daß  Du  Gebrauch  davon  machen 
niüi5est  schreiben  will.  Ich  sagte  Dir  am  Ende  meines  vorigen  Briefes,  daß  ich,  im 
Fall  I"u  noch  nicht  wiederkommen  könntest,  meine  Stelle  gegen  die  Dir  angetragene 
verfälschen  wüi-de;  ich  konnte  es  Dir  nur  mit  wenig  Worten  sagen,  warum,  und 
weiß  licht  ob  Du  mich  verstanden  hast.  Freylich  ist  das  auch  eine  der  schönsten 
Gaben  der  innigem  ||  Freundschaft,  daß  man  sich  größtentheils  schon  durch  halbe 
Worte  versteht,  wo  man  andern  kaum  durch'  ganze  Reden  deutlich  wird,  und  daß 
man  seh  glaubt,  auch  wo  man  noch  nicht  sieht.  Aber  ich  wünsche  Dich  hierüber 
<ioch  aisführlicher  zu  benachrichtigen,  theils  um  Deines  Rathes,  theils  um  Deiner 
Beyhüfe  willen,  wenn  Du  nicht  durch  Deine  persönliche  Gegenwart  beydes  über- 
flüßig  nachen  willst. 

E  war  eigenthch  ein  sehnliches  Verlangen  nach  ruhiger  Muße  und  nach 
l'nabhä  gigkeit  von  den  Meinungen  und  Vorurtheilen  meines  Vaterlandes  und  meiner 
Vaterstalt  haupts.,  um  über  manche  Dinge  so  viel  möglich  durch  eignes  und  freyes 
Xachfo rohen  zu  einer  Entscheidung,  und  in  meinem  ganzen  Seyn  zu  einer  höheren 
Einheit  vid  Übereinstimmung  zu  gelangen,  und  zugleich  um  einige  bis  dahin  ver- 
nachlässige Keime  meines  Wesens  noch  zur  Entwickelung  zu  bringen,  —  was  mir 
<lie  Idee  eingab,  in  die  Schweiz  zu  gehen;  wo  ich  zugleich  durch  Reisen  und 
Wechselwirkung  mit  andern  Menschen  mich  auf  manchen  Seiten  auszubilden  und 
Kraft  zu  t^winnen  hoffte.  Ich  fand  diese  Ruhe  und  Muße  in  meiner  Lage  nicht, 
wie  ich  si  erwartete;  aber  ich  fand  unendlich  viel  mehr,  als  ich  nur  noch  zu 
finden  hoff3,  ich  fand  zwey  Freunde,  was  mir  mehr  ward  und  mir  mehr  half,  als 
mir  vielleict  ||  je  etwas  in  der  Welt  werden  oder  helfen  wird.  Durch  Deinen 
Eifer  und  .'ein  Beyspiel  begeistert,  und  durch  eignen  Innern  Antrieb  darin  be- 
stätigt, fielch  über  mein  neues  Verhältniß  mit  meiner  ganzen  Kraft  her,  und 
suchte  darin ',u  seyn,  was  ich  nur  vermochte.  Ich  hatte  wahrlich,  Du  weißt  es 
ja  selbst,  scher  zu  kämpfen,  aber  mein  Pflichtgefühl  und  Dein  Beyspiel  erhielten 
mich  standhal  und  tapfer;   und   mein  Ringen  ist  gottlob  lücht  vergebens  gewesen. 


j  2  o  Nachtrag  zu    1 800. 


ungeacMet  ich  auf  so  wenig  Mitwürkung  um  mich  her  rechnen  durfte.  Du  sahst, 
wie  ich  Fritz  fand,  und  du  sähest  meine  ßetrübniß  darüber,  und  jetzt  ist  Fritz  ein 
Mensch  geworden,  den  ich  liebe,  der  sich  an  mich  anschließt  und  mir  schöne 
Hoffnungen  erregt.  Noch  mehr,  als  Du  es  selbst  sehen  konntest,  habe  ich  nachher 
noch  gefunden,  wie  sehr  die  beyden  Jüngern  nicht  blos  vernachlässigt,  sondern  in 
mancher  Hinsicht  schon  nach  Berner  Art  verdorben  waren,  und  wie  sehr  beyder  AVesen 
der  Bildung  wiederstrebe;  und  dennoch  fangen  mir  in  bej^den  sowohl  in  Rücksicht 
der  innern  Bildung,  als  in  Rücksicht  der  "Wissenschaften  —  schon  an  schöne 
Hoffnungen  aufzukeimen.  Hiedurch  sollte  mir  also  mein  Verhältniß  immer  lieber 
und  interessanter  werden;  und  das  wird  es  mir  allerdings  auch;  aber  ich  bin  nun 
bald  24  Jahre  alt,  und  die  besten  Jahre  voll  der  lebendigsten  Kräfte  zum  ent- 
scheidenden Würken  sind  und  kommen  jetzt,  und  ich  ||  muß  also  wohl  mit  Erist 
daran  denken,  welches  ich  zu  meinem  Hauptwürkungskreise  machen  will,  um  meine 
besten  Kräfte  dahin  zu  richten.  Soll  ich  die  Erziehung  dieser  meiner  Zöglinge 
dazu  machen?  Dagegen  streitet  erstlich,  daß  H.  [SJinner  nicht  der  Mann  ist  auf  iea 
ich  mich  hiebey  genug  verlassen  kann;  ferner  daß  ich  sowohl  der  äußern  Um- 
stände, der  ganzen  innern  Lage  dieser  Familie  wegen,  als  der  Kinder  selbst  wegen, 
hiebey  nicht  sicher  auf  einen  durchaus  glücklichen  Erfolg  rechnen  darf;  und  daß 
Fritz  doch  schon  sehr  alt,  und  dafür  noch  ziemlich  zurück,  und  überhaupt  doch 
nicht  ein  Mensch  von  großem  Genie  ist;  daß  Ludwig  ein  sehr  langsamer  Kopf  und 
schwach  ist;  und  daß  Ferdinand  noch  sehr  jung  ist,  und,  wenn  etwas  rechte»  aus 
ihm  werden  sollte,  fast  durchaus  in  einen  andern  häuslichen  Kreis  versetzt  werden 
müßte,  welches  freylich  für  alle  zu  wünschen  wäre,  weil  H.  S.  zwar  ein  sehr  gut- 
müthiger,  aber  auch  ein  sehr  schwacher  Mann  ist;  dagegen  streitet  ferner,  daß  ich 
eine  große  Familie  zu  Hause  habe,  denen  ich  ihre  gerechten  Ansprüche  auf  mich 
nicht  absprechen  kann  und  mag,  und  daß  Fälle  eintreten  könnten,  wo  ich  hnen, 
wenn  ich  in  keiner  andern  als  dieser  Lage  wäre,  zu  Hülfe  eilen  und  mein  Inter- 
nehraen  halbvollendet  zurücklassen  müßte;  und  dann  könnte  mein  Vater  mir  nicit  mit 
Recht  sagen,  ich  habe  Deiner  mit  Sorgfalt  gepflegt,  und  Dich  im  Schweiße  neines 
Angesichts  großgezogen,  ||  und  mir  selbst  vieles  versagt,  um  Deine  Nothdurt  und 
Deine  Wünsche  zu  befriedigen,  warum  willst  Du  jetzt  nicht  lieber  Deine  eignen 
Geschwister,  als  fremde  Kinder  erziehen?  Und  dann  endlich  was  sollte  dem  nach- 
her aus  mir  werden,  wenn  ich  unter  diesem  Geschäfte  freylich  manche  Vollkimmen- 
heiten  erworben,  mich  aber  dafür  auch  abgestumpft,,  und  mich  aus  allen  Ver- 
bindungen zu  meiner  Beförderung  herausgerissen  hätte?  —  Ich  muß  also  vohl  auf 
einen  weitern  Kreis  zu  denken  anfangen;  und  da  die  schönen  Pläne,  wvon  ich 
Dir  in  meinem  vorletzten  Briefe  sprach,  jetzt  wohl  unmöglich  in  der  Art  und  un- 
mittelbar zu  realisiren  sind,  so  muß  ich  wohl  noch  immer  in  mein  Vaterlan  zurück- 
denken, wo  sich  mir  ein  herrlicher  Würkungskreis  zu  eröffnen  scheint,  vovon  ich 
Dir  vielleicht  sonst  schon  redete  und  in  der  Zukunft  mehrreden  werd.  —  Wie 
lange  darf  ich  aber  denn  noch  in  dieser  Lage  bleiben,  worin  ich  jetzt  bin?  Den 
eigentlichen  Zweck  meines  Hierseyns,  wovon  ich  Dir  oben  redete,  kann  ch  in  der- 
selben nicht  erreichen,  weil  mir  dazu  durchaus  keine  Zeit  übrig  bleibt,  tud  ich  muß 
hier  also  in  der  That  schon  ein  eigenthches  Geschäftsleben  führen.  Wa  kann  mich 
hier  also  noch  anders  festhalten,  als  das  Interesse  an  meine  Zöglinge;  lad  da  hoffte 
ich  nun  Fritz  den  Winter  hindurch  so  weit  zu  bringen,  daß  meine  G^enwart  ent- 
scheidend für  sie  gewesen  sey ;  und  Ludwig  und  Ferd.  ||  hoffte  ich  während  der 
Zeit  auf  eine  solche  Stufe  zu  leiten,  wo  mein  Nachfolger  sie  mit  Vrgnügen  und 
guten  Hofnungen  au§  meinen  Händen  annehmen  könnte;  wenn  H.  S.sie  mir  nicht 
mitgeben  wollte,    woran  aber  wohl  nicht  zu  denken  wäre;  —  und   dnn  dachte  ich 


Nachtrag  zu   1800.  121 


im  folgenden  Frühling  zu  den  Meinigen  zurückzukehren,  den  Sommer  und  Herbst 
über  mich  zu  sammeln,  und  mit  mir  selbst  zu  beschäftigen ;  und  dort  mir  dann 
einen  Würkungskreis  zu  verschaffen  zu  suchen,  worin  wenigstens  die  Lenkung  der 
Erziehung  meiner  Geschwister  mit  inbegriffen  seyn  würde.  Und  diesen  Plan  werde 
ich  walirscheinlich  befolgen,  wenn  Herr  Früsching  die  Erziehung  seines  Sohnes  einem 
andern,  als  mir  übergibt  oder  übergeben  muß;  es  sey  denn,  daß  Du  sie  übernimmst, 
und  daß  das  Leben  mit  Dir  mich  hier  noch  länger  festhielte,  und  mich  für  den 
Zeitaufwand,  den  meine  jetzige  Lage  erfordert,  entschädigte.  —  Könntest  Du  aber 
nicht  kommen,  mir  aber  doch  einen  jungen  Mann,  etwa  den  erwähnten  Hörn,  ver- 
schaffen, der  Lust  und  Geschicklichkeit  hatte,  meine  Stelle  einzunehmen;  so  würde 
ich  alles  aufbiethen  mit  meinem  Nachfolger  in  Freundschaft  und  Wechsel würkung 
zu  kommen,  und  dadurch  auf  meine  Zöglinge  einen  Einfluß  zu  behalten,  der  ihnen 
vielleicht  mehr  nützen  würde,  als  wenn  ich  selbst  bey  ihnen  noch  einige  Zeit  bliebe 
und  dann  mit  einem  male  mich  von  ihnen  trennte.  Ich  aber  käme  auf  diese 
"Weise  in  ein  schönes  Verhältniß,  wo  ||  mir  nicht  nur  die  besten  Hoffnungen  schon 
vorausgingen,  sondern  wo  ich  auch  dabey  noch  Muße  und  Ruhe  genug  behielte,  um 
selbst  weiter  zu  kommen,  um  meine  Nachforschungen  fortzusetzen  und  mich  auf 
mein  künftiges  Leben  vorzubereiten,  wozu  mir  haupts.  das  Landleben  im  Sommer, 
wonach  ich  mich  von  Kindheit  an  sehnte,  sehr  behülflich  und  heilsam  seyn  würde. 
Und  in  dieser  Lage  könnte  ich  denn  eher  bleiben  bis  bestimmte  Geschäfte 
mich  in  mein  Vaterland  zurückriefen  und  würde  auch  wahrscheinlich  bis  dahin 
darin  bleiben. 

Die  Lage  dieser  Familie  wirst  Du  wahrscheinlich  eben  so  gut  zu  schildern 
wissen  als  ich.  Es  hat  sich  mir  noch  immer  mehr  bestätigt,  daß  H.  S.  zwar  viele 
Schwächen  hat,  aber  im  Grunde  doch  ein  herzlich  guter  Mann  ist,  der  alles  gute  an 
seinen  Kindern  gerne  befördern  hilft,  und  dem  Lehrer,  auf  den  er  Vertrauen  setzt, 
hierin  so  ausgedehnten  freyen  Willen  läßt,  als  er  ihn  selbst  will;  und  dessen  aus- 
gezeichnetes, höfliches  und  artiges  Benehmen  gegen  mich  immer  mehr  zu  als  ab 
nimmt.  So  daß  ein  Erzieher  der  mit  eigner,  selbstthätiger  Kraft  zu  handeln  gedenkt, 
hier  einen  guten  Würkungskreis  findet. 

Fritz  ist  jetzt  durchaus  willig  zu  allem  Guten,  sucht  selbst  besser  und  voU- 
kommner  zu  werden,  und  wird  seinem  Erzieher,  wenn  er  sich  selbst  dazu  zu  quali- 
ficiren  weiß,  gewiß  bald  mehr  Freund  als  Zöghng  seyn  können.  Nur  in  ||  den  Wissen- 
schaften ist  Fritz  freylich  nach  seinem  Alter  immer  nicht  weit,  doch  hat  er  einen 
ziemlichen  Grund  in  Arithmetik  und  Geometrie  (worin  er  jetzt  Euklid  studirt  und 
schon  einige  Bücher  durch  hat)  gelegt;  heßt  den  Livius  im  Lateinischen  ziemlich 
gut;  ist  in  Geschichte  und  Geographie  ziemlich  bewandert,  und  wünscht  diesen 
Winter  bei  einem  Sprachmeister  Englisch  oder  Italienisch  zu  lernen.  Französisch 
hest  er  wie  Deutsch,  und  spricht  ziemhch.  —  LuD\\aGS  häßliche  Leidenschaftlichkeit 
habe  ich  besiegt,  und  den  dicken  Nebel,  der  um  seinen  Verstand  zu  liegen  schien, 
zu  zerstreuen  gesucht;  sein  Fleiß  und  guter  Wille  ist  auszeichnend,  aber  sein  Genie 
sehr  langsam.  —  Ferdinand  ist  noch  immer  der  lebhafte  Knabe  voll  von  Genie  und 
Herz,  dessen  Lenkung  und  Bildung  aber  in  diesem  Hause,  wo  es  an  einem  rechten 
Mittelpunkt  der  Familie  fehlt,  natürlich  sehr  schwer  werden  muß.  —  Beyde  haupt- 
sächhch  Ludwig  fängt  jetzt  nach  grade  an,  seinen  Homer  ziemlich  zu  verstehen;  doch 
geht  es  freylich  noch  nicht  gar  zu  rasch.  Beyde  haben  einen  kleinen  Hintergrund  für 
die  Mathem.,  haupts.  für  die  Geometrie  gelegt;  wissen  in  der  Geographie  schon 
ziemlich  Bescheid,  und  haben  einige  Anfänge  der  Botanik  inne;  diesen  Winter  wollten 
■wir  Lateinisch  anfangen,  Ludwig  liest  auch  schon  ziemlich  französisch.  In  diesejn 
Kreise  werde  ich,  wenn  ich  noch  darin  bleiben  maß,  gewiß  noch  mit  Interesse  und 


122  Nachtrag  zu   1800. 


Freude,  obgleich.  ||  auch  nicht  ohne  viele  Anstrengung  und  Mühe,  welche  mein  Nach- 
folger auch  nicht  scheuen  müßte,  fortarbeiten,  bis  ich  ihn  veilasse.  Wenn  Du  mir 
aber  einen  Nachfolger  in  demselbea  verschaffen  kannst,  wie  ich  ihn  wünschen  muß, 
so  möchte  ich  ihn,  wie  ich  jetzt  denke,  aus  den  angeführten  Gründen  mit  der 
hindern  Stelle  vertauschen.  Da  ich  aber  meinen  Entschluß  bis  dahin  noch  ändern 
könnte,  so  bitte  ich  Dich  einmal,  weder  meinen  noch  Hrn.  S.  Namen  meinem  Nach- 
folger zu  nennen,  sondern  ihm  blos  zu  sagen,  sein  Vorgänger  wäre  Dein  Freund, 
wünschte  auch  der  seinige  zu  werden  und  würde  selbst  noch  in  der  Schweiz  bleiben, 
wozu  Du  ihm  etwa,  wenns  nöthig  ist  geradezu  sagen  kannst,  warum  ich  die 
Stelle  verlasse.  Damit  mein  Entschluß  nicht  zu  meinem  Nachtheil  vor  seiner  Reife 
bekannt  werde.  Doch  keine  Regel  ohne  Ausnahme;  ich  verlasse  mich  auf  Deine 
Eeurtheilung;  mag  es,  wie  Du  es  gut  findest.  Ferner  muß  ich  Dich  bitten,  meinen 
Nachfolger  zu  fragen,  ob  er  im  eintretenden,  obgl.  weniger  zu  erwartenden  Fall, 
auch  die  Stelle  bey  Fr.  annehmen  möchte,  wenn  ich  meine  etwa  behalten  wollte. 
Fehlt  ihm  eine  oder  die  andere  Wissenschaft  für  meine  Stelle,  so  gib  mir  davon 
Nachricht,  und  bitte  ihn  sich  dadurch  nicht  gleich  ganz  abschrecken  zu  lassen.  Wahr- 
scheinlich würde  Hörn  wohl  die  Foderungen,  die  mit  dieser  ||  Stelle  verbunden  sind 
befriedigen  können.  Auf  jeden  Fall  wünschte  ich,  daß  wenn  Du  nicht  selbst  komst, 
derjenige  der  kommen  will,  sich  bereit  halten  könne,  auf  die  Beantwortung  Deines 
nächsten  Briefes,  womit  wir  hier  nicht  zögern  werden,  abreisen  zu  können,  doch 
kömt  es  nicht  durchaus  auf  ein  paar  Tage  oder  Wochen  an.  Das  Gehalt,  das  S.  mir 
gibt  sind  26  Carolin,  außerdem  würde  er  wenigstens  wohl  einen  Theil  des  Reise- 
geldes ersetzen,  haupts.  wenn  er  Hoffnung  hätte,  seineu  neuen  Hausgenossen 
nicht  gar  zu  bald  wieder  zu  verlieren;  was  er  wohl  sehr  wünschen  würde,  und 
ich  mit  ihm. 

Noch,  habe  ich  bis  jetzt  in  der  Hoffnung,  daß  Du  kommen  werdest,  weder 
Hrn.  Fr.  noch  Hrn.  S.  von  meinem  Eütschlusse  geredet;  aber  ich  zweifle  nicht, 
daß  H.  Fr.  mein  Anerbieten  nicht  annehmen,  noch  daß  H.  S.  meine  Gründe  nicht 
triftig  genug  finden  sollte. 

Daß  ich  Dir,  wenn  Du  jetzt  gleich  oder  in  einigen  Wochen  kommen  kannst 
und  willst,  nicht  meine,  sondern  die  Stelle  bey  Hrn.  Fr.  antrage,  habe  ich  Dir  ge- 
sagt und  wahrlich  in  vollem  Ernste.  Und  ich  hänge  hier  noch  die  Bitte  an,  nicht 
daran  zu  denken  für  mich  hierin  eine  Aufopferung  zu  machen,  weil  ich  sie  nicht 
will,  und  Du  mich,  wenn  ich  je  eine  Ahndung  davon  bekommen  sollte,  mehr  da- 
durch kränken,  als  erfreuen  würdest,  weil  ich  dadurch  sehen  würde,  daß  Du  meiner 
Bitte  Jiicht  geachtet  hättest.  Aber  ||  solltest  Du  würklich  eben  so  gern  meine  Stelle, 
als  die  andere  nehmen,  was  doch  nicht  zu  erwarten  steht,  so  würde  ich  freylich 
gerne  tauschen;  aber  ich  bitte  Dich  sey  hier  recht  offen  gegen  mich,  und  kränke 
mich  nicht  dadurch,  daß  Du  mehr  für  mich  thun  willst,  als  mir  lieb  seyn  könnte. 
Ich  verlasse  mich  auf  Deine  Aufrichtigkeit  gegen  mich,  sonst  hätte  ich  wahrlich 
einen  so  zweydeutigen  Punkt  besser  zu  verkleistern  und  zu  v^erhehlen  suchen  wollen. 
—  Komme  Du  nur  selbst,  so  bin  ich  auf  jeden  Fall  mehr  als  befriedigt. 

So  muß  ich  Dir  mein  unordentliches  und  verwirrtes  Geschreibe,  das  ich  kaum 
zu  beendigen  vermochte  hingeben,  und  Deine  Freundschaft  ersuchen,  selbst  Sinn 
und  Zusammenhang  herauszusuchen.  Ich  lebe  der  Hoffnung  Dich  bald  zu  umarmen 
»  Dein    Th.  Ziemssen. 

Wie  herzlich  ich  an  Deiner  dasigen  Lage  Antheil  nehme  weißt  Du;  auch 
Steck  und  Zehender  nehmen  herzlich  Theil  ohne  das  genauere  zu  wissen.  —  Du 
schreibst  mir  aber:  „Ich  werde  diesen  Briefe  ein  Blatt  beylegen,  das  bey  meinen 
., dortigen  Fieunden  circuliren  soll,  tmd  worüber  ich  mir  eines  jeden  Meinung  aus- 


Nachtrag  zu  l8oo.  123 


..bitte,   ich   werde  es,   in  möglich  vorkommenden  Fällen,   mit   jedem  seinem  "Willen 
^.gemäß  halten  pp.'' 

Welches  ich  durchaus  nicht  zu  enträtseln  weiß,  da  ich  ein  solches  Blatt  in 
meinem  Briefe  nicht  fand.  — 

7(50.    Böhlendorff  an  H.    (32  S.   8^.    N.)  Dresden  10.  Sept.  1800. 

761.    Fritz  Hörn  an  Ziemssen  und  H.')  Braunschw.  17.  7br.  1800. 

Abschrift.  Unser  gemeinschaftlicher  Freund  Herbart  hat  mir  einen  offenen 
Brief  für  meinen  jüngsten  Bruder  Franz  zur  weiteren  Beförderung  zugeschickt, 
worin  er  diesen  fragt,  ob  er  Neigung  habe,  an  Ihrer  Stelle  bey  den  Kindern  des 
Hn.  Siuner  Hauslehrer  zu  werden,  und  ihm  dabey  die  Schilderung  mittheilt,  die 
Sie   in  einem  Briefe  an  H.  von  Ihren  jetzigen  Zöglingen  gemacht  haben. 

Mein  Bruder  wird  in  wenigen  Tagen  von  Leipzig  zum  Besuch  bey  uns  ein- 
treffen und  ich  behalte  deswegen  jenen  Brief  bis  zu  seiner  Ankunft  bey  mir.  Da 
ich  ihn  seit  länger  als  einem  Jahre  nicht  gesprochen,  so  suspendire  ich  auch  noch 
meme  Meynung  darüber,  ob  er  sich  schon  für  diese  Lage  passe  und  ob  sie  seinen 
Fähigkeiten,  Neigungen  und  Charakter  gemäß  sey.  Indessen  muß  ich  doch  immer 
<iiese  Angelegenheit  als  wichtig  für  sein  ganzes  Leben  ansehen.  —  und  da  von  ihrer 
Entscheidung  es  wahrscheinlich  abhängen  wird,  ob  er  nach  dem  Schluße  der  Ferien 
wieder  nach  Leipzig  zurückkehrt,  so  wünschte  ich,  daß  noch  vorher  jene  Frage  ent- 
schieden werden  könnte,  und  theile  Ihnen  deshalb  vorläufig  einige  Nachrichten  über 
meinen  Bruder  mit. 

Er  hat  itzt  erst  V/^  Jahre,  und  zwar  zuerst  in  Jena,  und  nachher  in  Leipzig 
studiert.  Seine  Studien  sind  Philosophie,  Aesthetik,  Geschichte  und  Sprachen  und 
er  hat  die  Absicht  sich  dem  akademischen  oder  dem  Schulleben  zu  widmen.  Wie  tief 
er  eingedrungen,  darüber  wage  ich  aus  oben  angeführten  Gründen  noch  kein  Urtheil, 
doch  kann  ich  so  viel  sagen,  daß  er  gut  vorbereitet  auf  die  Academie  i|  ging,  vor- 
zügUche  Fähigkeiten  und  Anstrengung  nicht  scheut.  Übrigens  weiß  er  seine  Kennt- 
nisse selbstthätig  zu  gebrauchen.  Diese  letztere  Eigenschaft,  der  ich  allerdings  den 
ersten  Rang  gebe,  hat  indeß  den  Nachtheil,  daß  die  Lükken  in  seinen  Kenntnissen, 
so  wie  Andern  auch  ihm  weniger  bemerklich  werden,  und  dieser  Schaden,  glaube 
ich,  würde  sein  Gegenmittel  am  sichersten  in  den  Beschäftigungen  eines  Erziehers 
und  Lehrers  finden.  Da  ich  ihn  für  den  Menschen  halte,  der  es  ernsthaft  mit  sich 
meynt,  so  glaube  ich  auch,  daß  er  sich  bestreben  wird,  Lükken  auszufüllen,  so  bald 
sie  ihm  wichtig  erscheinen,  wozu  gleichfalls  solche  Beschäftigungen  vorzüglich  ge- 
eignet seyn  dürften. 

Übrigens  ging,  [früher]  wenigstens,  seine  Neigung  vorzüglich  zu  den  schönen 
Künsten,  und  die  Aesthetik  hat  ihn  erst  zur  Philosophie  geführt. 

Seine  Ansicht  der  Lebens  Verhältnisse,  und  sein  Benehmen  im  selbigen  scheint 
auch  mehr  auf  musikalischem  Gefühl,  welches  indeß  Wohl-  und  Mißlaut  drin  emp- 
findet, als  auf  dem  bestimmten  Blikte  des  Zeichners,  der  für  Alles  einen  Maßstab 
hat,  zu  beruhen. 

Sein  Character  ist  gut  und  wird  durch  Niedrigkeit  jeder  Art  empört.  Sonst 
äußerte  sich  letzteres  zu  sichtbar  und  lebhaft. 

Ich  glaube,  daß  dieses  noch,  wiewohl  in  geringem  Grade  der  Fall  ist,  und 
würde  er  daher  als  ||  Erzieher  mehr  über  sich  wachen  müssen. 

^)  4  S.  4".  H.  Wien.  —  Vgl.  den  1.;  Bd.  dieser  Briefe  S.  178  und  den 
Aufs,  von  K.  Freye,  Euphorien  1912,  in  dem  mit  Hilfe  dieses  Briefes  Goedekes 
Grundriß  mehrfach  ergänzt  wird. 


12A  Nachtrag  zu    1800. 


Seine  Sitten  sind  in  jedem  Betracht  rein.  Hienacli  werden  Sie  ohngefähr 
beurtheilen  können,  ob  mein  Bruder  sich  für  Ihren  Zögling  paßt.  Sobald  er  hier 
ist,  wird  er  Ihnen  selbst  schreiben. 

Auch  muß  ich  noch  bemerken,  daß  er  sich  sonst  zwar  mit  der  englischen 
Sprache  etwas  beschäftigt,  auf  der  Academie  aber,  so  viel  ich  weiß,  die  Sprache- 
noch  nicht  wieder  angefangen,  und  hierin  so  wenig  als  in  der  italiänischen  Sprache^ 
welche  ihm  noch  ganz  unbekannt  seyn  wii'd,  Unterricht  ertheilen  kann. 

In  der  Mathematik  hat  er  sich  ganz  vernachlässigt,  weil  seine  Tendenz  zur 
Kunstschönheit  ilim  ehemals  diese  Wissenschaft  als  etwas  dem  Menschen  Hetero- 
genes ansehen  ließ,  wozu  freylich  die  Persönlichkeit  seines  Lehrers  viel  beytragen 
mochte.  Ich  hoffe  indeß,  daß  das  Bedürfniß  nach  dieser  Wissenschaft,  wenn  es. 
noch  nicht  erwacht  seyn  sollte,  bey  seiner  übrigen  Gesundheit,  sich  bald  zeigen 
wird,  —  verkenne  jedoch  die  Inconvenienz  nicht,  die  der  itzige  Mangel  in  Kück- 
sicht  Ihres  ältesten  Zöglings,  der  in  der  Mathematik  schon  einen  ziemlichen  Grund 
gelegt,  haben  würde  —  ein  Hindeiniß,  welches  vielleicht  nur  durch  Ihre  Gefälligkeit^ 
diesen  Unterricht  noch  wenige  Monate  fortzusetzen,  gehoben  werden  könnte.  — 

Bald  hätte  ich  das  Wichtigste  vergessen,  nemlich  ||  daß  mein  Bruder  sich  von. 
jeher  gern  mit  Kindern,  wenn  solche  nicht  ganz  uninterssant,  beschäftigt  hat. 

Sollten  Sie  nach  diesen  Eröffnungen  noch  an  die  jetzige  Ausführbarkeit  einer 
Idee  glauben,  wegen  welcher  Herbart  und  ich  uns  vor  einigen  Monaten  besprochen,  so- 
würden  Sie  mir  einen  Gefallen  thun,  wenn  ohne  auf  meines  Bruders  Brief  zu  warten, 
Sie  mir  gleich  die  Frage  beantworteten,  wann  die  Ankunft  des  neuen  Hauslehrers- 
gewünscht würde  V  Im  Falle,  daß  mein  Bruder  Neigung  zu  der  Stelle  hätte,  dürfte 
er  freylich  vorziehen,  noch  einige  Monate  sich  vorbereiten  zu  können;  jedoch  würde 
eine  so  weite  Reise  im  Winter  den  Seinigen  Besorgnisse  erregen  und  darum  würde 
ich  wünschen,  daß  sie  nicht  später  als  in  November  fiele.  —  Sie  werden  auch 
pact-mäßig  halten,  eventuell  in  der  Sache  .vorzurükken,  damit  nach  Berichtigung  des- 
Hauptpuncts  Nebendinge  nicht  aufhalten.  Ein  Paß  vom  dortigen  französischen  Ge- 
sandten würde  wohl  erforderlich  seyn,  und  eventuell  bemerke  ich  deshalb  das  Signal- 
ment  meines  Bruders:  •/• 

Ich  fühle  es  übrigens  ganz,  wie  tieferschütternd  die  erste  Veranlassung  dieser 
Correspondenz  für  Sie  seyn  mußte.  Ich  habe  Eschen  nicht  gekannt,  aber  ich  schätza 
ihn  als  den  Freund  von  Mehreren,  die  mir  theuer  sind.     Mit  Achtung  •/• 


Lieber  Herbart,  Ich  habe  den  Brief  an  Ziemssen  für  Dich  abgeschrieben, 
damit  Du  ganz  Bescheid  weißt.  —  Meinen  herzlichen  Dank  für-  Deine  Erinnerung: 
meines'Wunsches.  —  Gieb  mir  doch  bald  mehr  Nachricht,  was  Sinner  für  ein  Mensch 
vor  und  nach  der  Revolution  war.  —  Mein  Bruder  Franz  ist  Verfasser  des  Trauer- 
spiels: Der  Fall  der  ScJnceitz.  Ich  habe  davon  an  Z.  nichts  schreiben  mögen,  weil 
in  dem  Fall  der  Brief  erbrochen  würde,  diese  Notiz  meinem  Bruder  in  der  Schweiz, 
schaden  könnte. 

Gern  wüßte  ich  ob  mein  letzter  Brief  wieder  nachtheilig  auf  Deine  Mutter 
gewirkt  hat,  welches  ich  doch  aus  Deinem  Stillschweigen  schließen  muß.  —  Jeder 
hat  seine  Sorge.  Dohm  schreibt  mir  gestern,  mein  Bruder  sey  krank  und  wünsche- 
von  meinem  Bruder,  dem  Arzt,  behandelt  zu  werden.  Morgen  hohle  ich  ihn  auf 
halbem  Wege  ab  und  bange  sehe  ich  dem  morgenden  Tage  entgegen.  In  Halberstadt 
giebt  es  keinen  vernünftigen  Arzt. 

Erinnere  doch  Steck,  daß  er  das  Kansontische  Magazin  an  Dohm  als  Bremer 
Bürger  schicke! 

762.    Holz  an  H.     (1  S.  4«.    N.)  Bern  7.  11.  1800 


Nachtrag  zu  1801/1802.  125 


763.  Walte  über  H') 

Der  spätere  Dr.  jur.  J.  E.  Walte  in  Bremen,  der  Bd.  I,  S.  188,  203  und 
■öfter  erwähnt  ist,  schrieb  nach  Herbarts  Tod  u.  a.  folgendes  über  Herbart: 

„Wenn  ich  zwar  des  jetzt  verewigten  Herbart  oft  und  mit  freudiger  Anerken- 
nung des  Einflusses,  den  er  auf  meine  Ausbildung  gehabt,  gedacht,  und  daher  auch 
stets  mit  Interesse  ihn  auf  seiner  Bahn  zum  Ruhme  im  Auge  gehabt  habe,  so  sind 
doch  nun  schon  bald  40  Jahre  verflossen,  während  welcher  ich  ihn  weder  je  wieder 
gesehen,  noch  irgend  in  direkter  Beziehung  zu  ihm  gestanden  habe,  so  daß,  zumal 
da  meine  frühere  Verbindung  mit  ihm  nur  kurz  und  ich  während  derselben  noch 
sehr  jung  war,  meine  Erinnerung  nicht  mehr  ausreicht,  um  zur  Auskunft  über 
diesen  würdigen  Verstorbenen  irgend  etwas  Bedeutendes  oder  nur  Interessantes  bei- 
tragen zu  können. 

Sofern  es  aber  auf  etwas  nur  Factisches  aus  jener  Zeit  ankommt,  kann  ich 
als  durchaus  bestimmt  und  zuverlässig  angeben,  daß  Herbart  im  Laufe  des  Jahres 
1800  hier  in  Bremen  mein  Privatlehrer  wurde,  indem  er  mir,  —  die  neueren 
Sprachen  vmd  Musik  ausgenommen,  —  in  allem  zu  meiner  Ausbildung  Erforderlichen 
semen  strengen  und  höchst  ernsten,  jedoch  von  aller  Pedanterie  und  Unfreundlich- 
keit freien  Unterricht  ertheilte,  seihe  übrige  Zeit  aber  nur  seinen  eigenen  philo- 
sophischen Studien  widmete  und  nur  im  Umgang  mit  hiesigen  Gelehrten  und  Ge- 
bildeten und  am  Ciavier,  auf  welchem  er  Meister  war,  Zerstreuung  suchte. 

Am  Schlüsse  meines  I9ten  Lebensjahres,  um  Ostern  1805,  bezog  ich  in  Herbarts 
Begleitimg  die  Universität  Göttingeti,  woselbst  mein  bisheriges  Verhältniß  zu  ihm 
zwar  vorerst  noch,  soweit  es  passend  sein  würde,  fortdauern  sollte,  jedoch  bereits 
im  Laufe  des  ersten  Semesters  meines  juristischen  Cursus,  zwar  freundschaftlich, 
jedoch  in  Folge  der  durchaus  verschiedenartigen  beiderseitigen  Sa2<p^beschäftigungen, 
sich  ganx,  auflöste." 

764.  J-  Fuesli  [Füßli]  an  H.    (4  S.   4«.    N.)  Göttingen  21.  11.  1801. 

765.  Zehender  an  H.    (8  S.   8«.    X.)  d.  6.  März  1802 

Schreibe  es  mein  theurer  Herbart  einzig  den  traurigen  Umständen  zu  worinn 
ich  Deinen  Brief  vom  Sept.  erhielte,  —  daß  ich  nicht  eher  darauf  geantwortet  habe. 
Der  Tod  meines  jüngren  Knaben  der  mir  eben  damals  entrißen  wurde,  schwächte 
den  Eindruck  welchen  der  Inhalt  Deines  Briefs  sonst  auf  mich  gemacht  hätte 
—  in  diesem  Augenblick  nicht  wenig.  Der  größte  Theil  meiner  Lebensfieuden 
schien  mir  mit  dem  holden  Kinde  für  immer  verloren;  ich  ward  zurückgezogener 
in  mich  selbst,  und  auch  stumpf  für  freundschaftl.  Verhältniße.  Zu  meinem 
Schweigen  gegen  Dich,  mochte  es  auch  etwas  beytragen,  daß  ich  Dir  in  meinem 
kurz  vorher  geschriebenen  Brief,  eine  ausführliche  Schilderung  von  dem  kleinen 
Bernhard  und  meinen  Hofnungen  von  ihm,  gemacht  hatte;  —  und  nun  so  schnell 
getäuscht  —  eben  so  schnell  wiederrufen  zu  müßen;  —  das  vermochte  ich  nicht. 
Noch  mehr;  —  Du  weißt  daß  ich  immer  den  Grundsatz  hatte  gegen  meine  von  mir 
geachteten  Freunde  wahr  zu  seyn;  —  wärest  Du  auf  meinen  Brief  vom  August 
damals  angekommen.  Du  würdest  mir  weit  weniger  willkommen  gewesen  sejTi,  als 
wenn  der  Kleine  noch  gelebt  hätte.  Der  große  Reiz  den  ich  mir  von  unserm  Um- 
gange versprochen  hatte  —  Unterhaltung  über  die  Erziehung  —  war  für  mich  ver- 
schwunden, und  für  eine  andere  Beziehung  Deiner  persönl.  Nähe  auf  mich,  hatte  ich 
in  meiner  damaligen  Stimmung,  so  wie  für  manches  andere,  keinen  Sinn.  Bald  zer- 
streuten mich  indeß  meine  landwirtschaftl.  Beschäftigungen  im  G[umigelj  für  welche 


^)  Gütige  Mitteilung  bes  Hi-n.  Richter  Dr.  Smidt  in  Bremen. 


J26  Nachtrag  zu   1802. 


ich  ein  lebhaftes  Intereße  faßte.  Nach  meiner  Zurückkunft  fand  ich  eine  andere 
Zerstreuung  in  öffentl.  Geschäften,  welche  nun  beynahe  alle  meine  Zeit  und  zwar 
auf  eine  Art  verschlangen,  die  mir  sowenig  Disposition  als  Zeit  zu  freundschaftl. 
Briefwechsel  übrig  ließen;  und  dieses  ist  eigentlich  die  Ursache,  warum  ich  Dir  in 
den  letzten  2  Monaten  nicht  geschrieben;  jener  aber  bleibt  immei  der  Hauptgrund 
meines  Schweigens,  weil  ich  Dir  ohne  denselben,  auf  der  Stelle,  und  in  einem 
Moment  geantwortet  hätte,  wo  es  mir  weder  an  Lust  noch  Zeit  dazu  gefehlt 
haben  würde. 

Nach  dieser  nothwendigen  Erklärung  meines  Stillschweigens,  habe  ich  nichts 
angelegentlicheres  als  Dir  zu  sagen,  daß  Du  mich  mißverstanden  hast,  wenn  Du 
glaubtest,  ich  mache  eigentl.e  Unterrichts  Ansprüche  für  meine  Kinder,  an  Dich. 
Unter  dem  was  ich  Dir  darüber  schriebe,  dachte  ich  mir  bloß  den  mittelbaren 
Nutzen,  den  ich  für  den  Unterricht  und  die  Behandlung  der  Kinder  aus  Deinem 
Umgang  schöpfen  würde.  "Wir,  die  Eltern,  wollten  von  Dir  unterrichten,  oder  viel- 
mehr erziehen  lernen.  Wenn  nun  auch  diese  Absicht,  seit  dem  Verlust  meines 
Jüngern,  weit  minder  lebhaft  bey  mir  ist,  so  ist  hingegen  mein  Verlangen  nach 
einem  persönl.  engen  Umgange  mit  Dir  mein  Theurer  nicht  weniger  stark,  als  es 
im  August  wäre,  da  ich  Dir  mein  Haus  zu  Deinem  Aufenthalt  anböte,  wenn  Du 
wieder  in  Dein  zweytes  Vaterland  zurückkehren  wolltest.  Zu  den  Gründen,  die  ich 
Dir  damals  anführte,  kömmt  jetzt  noch  die  nähere  Aussiebt  auf  die  Errichtung  einer 
Nationaluniversität,  wenn  anders  unsere  polit.  Existenz  gesichert  bleibt,  was  wir  nächstens- 
erfahren werden.  Körnt  eine  solche  Einrichtung  zu  Stand  —  und  die  Frage  ob 
und  wie,  liegt  bereits  in  Untersuchung;  so  ist  bey  dem  eigentl.n  Mangel  an  inn- 
ländischen  Lehrern,  wohl  kein  Zweifel  daß  Du  nicht  eine  Lehrstelle  erhieltest;  und 
Dich  zum  Besten  meines  Vaterlandes  —  an  einem  solchen  Plaz,  wirken  zu  sehen, 
ist  einer  meiner  sehnlichen  Wünsche.  Da  überdem  die  Rede  von  Bern  ist,  so 
würden  wir  noch  dazu  ungetrennt  bleiben. 

Von  den  übrigen  Gründen  welche  nach  meiner  Meynung  auf  Deinen  Entschluß 
wirken  sollten,  wiederhole  ich  keinen.  Du  hast  mir  Hofnung  zu  diesem  Entschluß 
gemacht  und  mir  Stillschweigen  darüber  aufgelegt.  Dieses  habe  ich  gehalten,  von 
jener  erwarte  ich  jetzt  die  Verwirklichung.  Lieber  Herbart,  gieb  mir  bald  Nachricht 
von  Dir;  —  schreibe  mir  daß  Du  kömmst,  oder  wenn  Du  diß  nicht  bestimmt  thun 
kannst,  so  entziehe  mir  wenigstens  die  Hofnung  nicht,  daß  es  noch  geschehen 
könne.  Schließe  ja  nicht,  ich  bitte  Dich  darum  —  bey  unserer  Freundschaft,  von 
meinem  Schweigen  auf  meine  Gesinnungen;  —  diese  sind  gewiß  immer  die  nemlichen; 
keiner  Deiner  Landsleute  die  ich  kennen  lernte,  die  ich  zwar  auch  liebe  und  schäze, 
theilt  sie  mit  Dir;  —  Du  bist  mir  weit  mehr  als  alle;  und  gerade  in  dem  Augenblick 
wo  wir  uns  mehr  näherten,  wurden  wir  von  einander  gerißen.  Wie  oft  bedaure 
ich  es  Deine  Gegenwart  nicht  mehr  genoßen  zu  haben.  Doch  ich  kann  den  Ge- 
danken oder  vielmehr  eine  Art  v.  Ahnung  nicht  verwerfen,  daß  wir  uns  wiederfinden. 

Ueber  unsere  polit.  Lage  mag  ich  jetzt  weniger  eintretten,  als  je.  Sie  ist  um 
so  drückender  als  sie  wohl  ihrem  Entscheid  nahe  ist.  Viele  glauben,  unsere  Existenz 
seye  dahin  —  wir  —  Bern  wenigstens  werde  jnit  F[rankreich]  vereiniget.  Wie  nur 
der  bloße  Gedanke  schmerzt,  seine  Nationalexistenz,  einen  Namen  wie  den  unsrigen 
zu  verlieren,  das  fühlst  Du  gewiß  ohne  Beschreibung.  Doch  habe  ich  noch  nicht 
alle  Hofnung  aufgegeben.  Ohngeacht  sich  von  der  Cabinets  Politik  alles  ärgste  er- 
warten läßt,  so  sehe  ich  nicht  Data  genug  um  auf  Inkorporation  oder  Theilung  zu 
schließen,  und  gegen  die  Ansichten  von  andern  bin  ich  immer  mißtrauischer.  Ge- 
schieht es  indeß  so  ist  es  zum  Vortheil  von  Deutschland;  und  in  diesem  Fall,  wie 
ungleich  ist  das  Opfer;  —  in  D.d  wäre   es  bloß  ein  Wechsel  in  dem  Personal  der 


Nachtrag  zu  1802.  127 


I 


Reg.g  wobey  noch  mancher  kleine  Staat  eher  gewinnen  als  verlieren  würde,  wenn 
er  z.  B.  von  geistlicher  unter  weltliche  Oberherrschaft  käme.  Die  Schweiz  würde 
einen  Herrn  erhalten  den  sie  bis  dahin  nicht  hatte  (die  franz.  Herrschaft  kömmt 
hier  nicht  in  Anschlag)  und  Regs-Fonnen  die  sie  nicht  kannte;  —  selbst  in  demj. 
Theil  der  unter  einer  solchen  Herrschaft  eine  eigene  Existenz  behielte,  würde  sich 
bald  alles  nationelle  verlieren  und  in  kurzem  existierte  kein  Schweizer  mehr. 
Dieser  kann  nur  unter  republikanischer  eigener  Verfaßung  gedeihen,  und  in  dem 
Augenblick  wo  sich  eine  solche  Verfaßung  unter  liberaleren  Formen  als  bisher 
—  erwarten  ließe,  —  sollte  mit  einem  Federzug  unser  Daseyn  und  unser  Name 
vernichtet  wäre  [!],  das  wäre  schrecklich  und  die  größte  Infamie  deren  sich  noch  das 
franz.  Cabinet  jo  schuldig  gemacht  hätte,  in  meinen  Augen  weit  größer  als  unsere 
Invasion  selbst,  die  sich  noch  durch  milit.  Absichten  entschuldigen  ließe.  Mein 
innerstes  empört  sich  bey  diesem  Gedanken;  ohne  cosmopolitische  Ideen  und  Grund- 
sätze, oder  Sinn  für-  die  Fortschritte  der  Cultur  und  Wahrheit  im  allgemeinen, 
wüßte  ich  ihn  nicht  zu  ertragen.  Mit  unserem  St.  wünsche  ich  indeß  daß  wir 
noch  eine  lezte  Anstrengung  versuchen  möchten  ehe  wir  vertilget  werden,  wenn 
sich  auch  kein  Erfolg  davon  erwarten  ließe.  Nichtwahr,  Du  bist  Deutsch  gesinnt, 
nimmst  wahres  Intereße  an  Deinem  Vaterland;  aber  auf  Unkosten  der  Schweiz, 
möchtest  Du  doch  die  Beybehaltg  seiner  jezigen  Einrichtung  nicht  verkaufen? 
Melde  mir  doch,  was  man  von  uns  spricht  und  wie  man  unsere  Lage  ansieht.  Die 
neue  Constitution,  so  wie  Reding  sie  von  Paris  brachte,  ist  nun  publicirt;  sie  ist 
ihrem  Wesen  nach,  ganz  föderalistisch;  ist  aber  so  eingerichtet  daß  sie  beständige 
Zwietracht  zwischen  den  Cantonen  und  der  Central  Reg.  veranlaßt;  und  für  die 
Ausübung  ein  eigentliches  Unding  ist;  indeß  so  sehr  wir  der  Ruhe  bedörfen  will 
ich  mir  doch  lieber  noch  Jahre  von  innerm  politischen  Krampf,  als  gänzliche  und 
bleibende  Unterwerfung  unter  fremde  Herrschaft  gefallen  laßen. 

Ziemßen  giiißt  Dich;  —  er  studiert  an  demjenigen  so  Du  überschikt  hast;  ich 
soll  Dir  aber  beyfügen  daß  sein  Kopf  noch  schwach  seye;  nächstens  werde  er 
Dir  schreiben. 

Steck  lebt  immer  auf  dem  Lande  und  der  Landwirthschaft.  Kürzlich  hat  er 
indeß  eine  Stelle  in  dem  obersten  Gerichtstribunal  unsers  Cantons  angenommen; 
welche  ihn  wöchentl.  mehreremale  in  die  Stadt  ruft.  Du  winst  wißen,  daß  seine 
"Familie  sich  mit  einem  Mädchen  vermehrt  hat. 

Sowie  Du  Grüße  von  ni einer  Frau  durch  Böhlendorf  erhältst,  so  grüße  ich 
hingegen  ihn  durch  Dich.  Sag  ihm  daß  er  mir  Unrecht  that  wegen  der  Stelle  bey 
F[risching]  —  und  daß  ich  ihm  bald  eine  Rech,  über  seine  Bücher  schicken  zu  können 
hoffe.  Ich  habe  aus  deren  Erlös  eine  Rech,  für  Muhrb.  v.  L.  50  bezahlt  die  B. 
zu  gut  kämen.    "Wenn  ich  solche  überschickte,  könnte  sich  B.  nicht  bezahlt  machen. 

Bist  Du  in  Correspondenz  mit  M.b  — ?  in  diesem  Fall  gieb  mir  doch  Nach- 
richten von  Ihm ;  ich  wünschte  sehr  ihm  bald  zu  schreiben,  mag  es  aber  nicht 
direkt  thun. 

Lebe  wohl  —  mein  theurer  Herbart  und  schreibe  bald 

Deinem     Z.  v.  Gl.     [Zehender  vom  Gurnigel.j 

Empfiehl  mich  bestens  Deinem  Freunde  Schmidt,  deßen  obwohl  nur  kurze 
Bekanntschaft,  ich  mich  immer  mit  Freuden  erinnere. 

766.    Ziemssen  an  H.     (6  S.    8».     N.)  Bern  14.  März  1802 

Theurer  Freund  Obgleich  ich  mich  noch  immer  in  meinem  alten  Übel  gleich- 
sam nur  wie  ein  Vogel  mit  eelähmten  Flügeln  herumschleppe,  und  nur  sehr  selten 
einzelne  Versuche  machen  kann,  mich  vom  Boden  zu  erheben  und  zu  den  Regionen» 


128  Nachtrag  zu   1802. 


worin  Dein  Geist  jetzt  wie  in  seinem  Elemente  leben  wird,  emporzuschwingen;  so 
kann  ich  mich  doch  nicht  länger  enthalten.  Dir  doch  wenigstens  einige  Worte  zu- 
zurufen, nicht  blos  um  Deinen  Blick  auf  mich  herabzuziehen,  sondern  um  mich 
auch  durch  Mittheilung  selbst  noch  mehr  in  der  Hoffnung  herannahender  Genesung 
zu  bestärken.  —  Die  gegenwärtige  Jahrszeit  ist  freylich  auch  grade  der  übelste 
Zeitpunkt  für  die  Rheumatismen,  und  mein  Arzt  sagt  mir  mit  der  ganzen  Kälte 
seines  Pflegma  und  seiner  Abgestumpftheit:  ich  müßte  jetzt  noch  eine  Zeitlang  ge- 
duldig aushalten,  ehe  man  Bäder  gebrauchen  und  Molken  trinken  könne,  sey  nichts 
zu  thun.  Ich  fange  aber  an  zu  fürchten,  daß  er  mich  falsch  behandelt  und  dadurch 
nur  noch  tiefer  hineingebracht  habe.  Alle  seine  Mittel  haben  mich  sehr  geschwächt, 
weil  sie  immer  nur  auflösend  und  abführend  waren,  und  er  hätte  vielleicht  mehr 
darauf  hinarbeiten  sollen  den  ganzen  Körper,  und  dadurch  das  Nervensystem  zu 
stärken;  denn  ich  glaube  der  wahre  Grund  meines  Übels  liegt  in  durch  zu  heftige 
Spannungen  geschwächten  Nerven.  —  Ich  werde  m  diesen  Tagen  einen  andern 
Arzt  consultiren  ||  Je  ärmlicher  ich  mich  diese  Zeit  über  hingeschleppt  habe,  desto 
reichlicher  ist  bey  Dir  die  Erndte  gewesen.  Dein  Abc  der  Ansch.  Dein  Aufs,  über 
Charakterbildung,  und  Deine  mathematischen  Unterhaltungen  mit  Karl  sind  nicht 
vergebens  in  meine  Hände  gefallen,  wenn  es  mir  gleich  noch  unmöglich  gewesen 
ist,  Dir  darüber  würdig  zu  antworten.  Ich  habe  alles  gelesen  und  wieder  gelesen, 
und  Deinen  Aufsatz  über  Charakterbildung  abgeschrieben,  um  ihn  im  Schreiben 
selbst  sowohl,  als  auch  nachher  mit  aller  Muße  studiren  zu  können.  Aber  ich  darf 
es  nicht  wagen,  mein  ganzes  Gemüth  sehr  anhaltend,  ausschließend  für  einen  solchen 
Gegenstand  zu  sammeln;  welches  [ich  nicht  so  sehr  im  Denken,  als  im  Versuche, 
das  Gedachte  schriftlich  mitzutheilen  fühle.  Du  erhältst  deshalb  auch  nur  einige 
wenige  abgebrochene  Gedanken,  die  Dir  vielleicht  nur  dazu  dienen  werden.  Dir  einen 
Beweis  von  meiner  gegenwärtigen  Schwäche  zu  geben. 

In  Deinem  Aufs,  über  Charakterbildung  habe  ich  Dich  ganz  in  Deinen  besten 
Seyn  wiedererkannt,  und  je  mehr  ich  ihn  lese,  desto  treflicher  finde  ich  ihn  auch; 
und  mit  jedem  Male  daß  ich  ihn  wiederlese,  verschwinden  mir  die  etwanigen  An- 
stöße und  Scüwierigkeiten,  die  ich  anfangs  nicht  gleich  ganz  entfernen  konnte, 
immer  mehr;  sodaß  ich  beynahe  ganz  furchtsam  geworden  bin,  nur  ein  Wort  dar- 
über zu  sagen.  || 

Ende  Marx 

....  Dein  Aufsatz  über  Charakterbildung  ist  mir  außerordentlich  wichtig  in 
philosophischer  Hinsicht  sowohl,  als  auch  ganz  besonders  in  pädagogischer  Hinsicht. 
Ich  trage  Deine  Ideen  in  meinem  schwachen  Kopfe,  soviel  er  jetzt  zu  halten  ver- 
mag, beständig  mit  mir  umher,  und  kehre  dann  immer  wieder  zur  Quelle  zurück. 
So  bald  ich  mich  stark  genug  fühle,  mich  einmal  mit  ganzer  Andacht  auf  diesem 
Punkt  zu  sammeln,  so  will  ich  versuchen,  mich  genauer  mit  Dir  darüber  zu  unter- 
halten. Solltest  Du  mir  aber  von  Deiner  Seite  bis  dahin  noch  etwas  mittheilen 
können  und  wollen,  was  mich  haupts.  in  den  letzten  Theil  Deines  Aufsatzes  noch 
mannigfaltiger  hinein  versetzen  könnte,  so  weißt  Du,  daß  Du  meines  innigsten 
Dankes  dafür  gewiß  seyn  könntest.  —  Die  tiefere  und  festere  Begründung  einer 
wahren  Erziehungskunst  ist  der  Hauptpunkt,  worum  mein  weniges  Denken  sich  jetzt 
dreht.  Herbart,  Rousseau,  Pestalozzi  und  meine  eigenen  wenigen  Erfahrungen  und 
Gedanken  hierüber  gehen  in  dieser  Beziehung  immer  nach  einander  und  mit  einander 
in  mir  auf  und  unter.  Wozu  ich  noch  wohl  das  rechnen  darf,  was  ich  in  der 
Schule  ll  einer  seltenen  Mutter,  eines  Weibes,  das  Einzig,  und  meine  innigste 
Freundinn  ist  (was, ich  hiemit  natürlich  nur  meinem  innigsten  Freunde  gesagt  habe) 
—  lerne;  kurz  was  ich  aus  des  guten  Geßners  Familie  und  haupts.  von  Wielands 
Tochter  mir  zu  eigen  machen  kann. 


Nachtrag  zu   l8o2.  j2Q 


Da  ich  von  Rousseau  redete;  Du  hast  seinen  Emil  gelesen?  Antworte  mir 
doch  auf  ein  paar  Worte,  die  ich  Dir  ins  Ohr  sagen  möchte.  Gesetzt  den  Fall,  die 
oeconomica  und  einige  andre  Umstände  wünschten  eine  Spekulation,  die  bey  speciellen 
und  allgemeinen  Nutzen  einträglich  und  ohne  Mühe  ins  Werk  zu  richten  wäre, 
was  würdest  Du  sagen,  wenn  ich  den  Emil  übersetzte,  (im  Fall  ich  einen  Verleger 
fände).  Die  Cramersche  Übers.  ^)  wäre  doch  wohl  nicht  schwer  zu  übertreffen,  die 
noch  dazu  durch  den  Mißmasch  von  Anmerkungen  fast  unbrauchbar  geworden  ist. 
Die  ganze  Arbeit  würde  mir  sehr  leicht  werden,  so  daß  ich  sie  als  ein  Mittel  ge- 
brauchen würde,  mich  in  den  Stunden,  wo  ich  zu  eignen  Arbeiten  nicht  mehr  ganz 
fähig  wäre,  (welches  bey  mir  oft  der  Fall  ist)  in  Thätigkeit  zu  erhalten.  —  Emil 
ist  nicht  als  eigentlicher  Leitfaden  für  einen  Erzieher  anzusehen,  sondern  nur  das 
Mittel  einen  Erzieher,  haupts.  wenn  er  jung  ist,  auf  den  Weg  zu  helfen  seinen 
Leitfaden  selbst  zu  finden;  imd  also  in  dieser  Hinsicht  mehr  werth,  als  der  Leit- 
faden selbst;  weil  er  den  Erzieher  für  sein  Fach  denken  lehrt.  —  Für  mich  würde 
diese  Arbeit  mannigfaltigen  Nutzen  haben;  ich  wäre  dabey  immer  in  dem  Mittel- 
punkte meiner  Sphäre,  und  würde  meine  Ideen  mit  diesen  gleichsam  in  Wechsel- 
würkung  setzen,  und  dadurch  hoffentlich  läutern  und  befestigen.  Ob  es  dann  ge- 
rathen  seyn  könnte,  einen  Band  mit  .Anmerkungen  und  Abhandig.  dem  Werke  an- 
zuhängen, oder  ob  es  besser  wäre,  meine  Erndte  fürs  erste  noch  für  mich  zu  be- 
halten, müßte  für  jetzt  noch  unentschieden  bleiben.  —  Gelesen  ist  Emil  in  Deutsch- 
land nach  meiner  Ansicht  noch  immer  nicht  genug,  denn  Theils  enthält  er  sehr  viel 
tief  begiündetes  Wahre,  wogegen  sich  selbst  unsere  Pädagogen  gröblich  versündigen; 
Theils  sollte  die  Stufe,  worauf  man  von  ihm  aus  gelangen  muß,  doch  wohl  nicht 
die  sej-n,  worauf  unsere  Pädagogik  steht.  Sollten  unsere  eignen  Versuche  nicht  als 
Versuche  diese  Stufe  zu  finden  anzusehn  seyn?  Sollte  uns  deshalb  eine  neue  Über- 
setzung desselben  nicht  viel  willkommener  als  neue  Auflagen  unsrer  Pädagogiken 
seyn,  die  doch  größten  theils  nichts  anderes,  als  steif  frisirte  Perüken  mit  großen 
Haarbeuteln  sind?  --  Du  lebst  jetzt  in  Deutschland  und  mußt  also  besser  wissen, 
ob  dieses  Unternehmen  rathsam  wäre,  oder  nicht,  und  ob  man  wohl  in  Deutschland 
einen  Verleger  dafür  fände,  denn  hier,  (wo  man  ohnehin  mehr  französisch  als  deutsch 
ließt)  ist  der  Druck  (wie  alles  andre)  theurer,  und  dazu  müßte  der  Verleger  noch 
den  Transport  berechnen,  da  man  hiebey  haupts.  das  nördliche  Deutschland  im 
Auge  haben  würde. 

P.  S.  Der  Bremenser  [s.  S.  131]  ist  bey  Pestalozzi  angekommen,  der  wohl 
mit  ihm  zufrieden  ist;  ich  werde  nächstens  suchen  ihn  selbst  kennen  zu  lernen. 
Es  geht  P.  sonst  wohl  und  das  Interesse  für  ihn  wird  hier  immer  allgemeiner. 

Die  Gemähide,  die  mit  den  Rietesche  nach  Bremen  kamen,  waren  auf  Zehenders 
Gefahr  mitgesandt,  wie  ich  Dir  schon  gleich  anfangs  schrieb,  welches  Du  aber  ver- 
gessen zu  haben  scheinst.  Da  ich  Z.  sagte,  daß  Schmid  sie  nicht  wolle,  bat  er 
mich  Dir  zu  schreiben,  es  werde  ihm  eine  große  Freude  machen,  wenn  Du  sie  als 
ein  Andenken  von  ihm  annelimen  wolltest.  Er  bittet  Dich  ferner,  mir  zu  schreiben, 
ob  Du  seinen  Brief  erhalten  habest. 

767.    An  [den  Minister  von]  Gr[ote],  H[annnver].'')   Bremen,  März  1802 

Statt  meiner  sollte  sich  eigentlich  ein  Mann  vorfinden,    der  jede  Art 

von    Gewicht   besäße,    um    mit  Nachdruck    zu    wirken,    der    sich    überdas 


^)  Im  Revisionswerk  von  Campe  mit  Anmerkungen  von  Trapp  u.  a. 

^)  4  S.  30.  N.  Bruchstück,  Entwurf  eines  Briefes.  —  Nach  gütigen  Mitteilungen 
des  Hrn.  Graf  Grote,  K.  Kammerherrn  auf  Breese,  scheinen  die  Briefe  Herbarts  an  die 
Familie  von  Grote  nicht  mehr  vorhanden  zu  sein. 

Herbarts  Werke.     XIX.  9 


j  30  Nachtrag  zu  1802. 


ganz  und  einzig  Ihren  Aufträgen  widmete.  Ein  gewöhnlicher  Aufseher 
auf  einer  Universität  ist  ein  armer,  verlegener,  hülfloser  Mensch,  —  und 
mein  Aufenthalt  in  G.  würde  damit  ich  meine  Zwecke  erreichte,  eigent- 
lich eine  ganz  geschäftslose,  unzerstreute  Muße  erfordern,  i) 

Indessen  nach  dem  zu  schließen,  was  mir  von  Ihrem  Hn.  Sohn  be- 
kannt geworden  ist,  kann  sein  reizbares  Gemüth  wol  nur  zufällig,  nur 
für  eine  Zeit  lang,  den  wahren  Gegenständen  seiner  Liebe  und  seines 
Strebens  entfremdet  worden  seyn;  seine  Aufmerksamkeit  dem  Ruf  der 
Pflicht  wieder  zu  gewinnen,  wäre  ein  Versuch  den  ich  eben  so  freudig, 
als  schüchtern  angreifen  möchte. 

Was  ich  vermag,  —  das  weiß  ich  nicht,  ich  werde  es  erst  allmählig 
erfahren  müssen. 

Die  nothwendigen  Ausgaben,  als  Tisch,  Logis  u.  s.  w.  ||  zu  besorgen, 
und  die  Quittungen  zu  übersenden,  —  überdas  ein  Collegium,  wenigstens 
Anfangs,  mit  zu  hören,  und  die  Wiederholungen  in  Gang  zu  bringen:  diese 
Aufträge  könnte  ich  bestimmt  übernehmen.  Aber  schon  vor  Ostern  von 
hier  zu  reisen,  werden  mir  meine  hier  übernommenen  Arbeiten  schwer- 
lich erlauben.  Auch  scheint  mir  alles,  was  peinlichen  Zwang  verursachen 
könnte,  mit  meinen  Kräften  und  Mitteln  in  keinem  Verhältniß  zu  stehen. 

Von  einer  Veränderung  des  Aufenthaltes  dürfte,  meiner  Meinung, 
wol  kaum  ein  wesentlicher  Vortheil  zu  erwarten  seyn ;  da  den  verirrten  Nei- 
gungen ihr  Hauptgegenstand  schon  entzogen  worden  ist.  Neue  Gegen- 
stände könnten  sich  aller  Orten  finden,  und  fänden  sich  wol  nur  leichter 
am  fremden  Ort,  als  da,  wo  die   Beobachtung  schon  rege  ist. 

Wenn  die  bisherigen  Bemerkungen  Ew.  Excellenz  nicht  mißfallen, 
und  wenn  Ihr  Zutrauen  zu  mir  groß  genug  ist,  um  mich,  mit  wenig 
anderen  Kräften  als  denen  des  guten  Willens  und  einer  geringen  Er- 
fahrung im  Umgange  mit  Jünglingen,  —  mit  keiner  anderen  Festigkeit, 
als  welche,  das  ||  Bewußtsein  meiner  selbst  und  meiner  Unabhängigkeit, 
mir  einflößen  kann,  —  mit  keiner  anderen  Autorität  als  der,  welche  etwa 
aus  der  Zuneigung  und  Folgsamkeit  von  ein  paar  jungen  Leuten,  die  ich 
schon  hier  unterrichtete,  entspringen  möchte,  —  um  mich  unter  diesen 
Umständen  gleich  wol  an  den  Versuch  gehn  zu  heißen:  dann  freylich  muß 
die  Bedenklichkeit  weichen,  welche  bei  dem  Blick  aaf  die  Sache,  und 
wieder  auf  mich,  sich  gar  zu  natürlich  aufdringt.  Wenn  aber  Ew.  Ex. 
bei  weiterer  Ueberlegung  mich  zu  schwach  für  Ihre  Aufträge  finden:  so 
werde  ich  dennoch  es  mir  stets  zur  hohen  Ehre  schätzen,  daß  ich  auch 
nur  einen  Augenblick  daran  denken  durfte,  Verwirrungen  lösen  zu  helfen, 
welche  Ihr  Herz  so  nahe  angehn. 

Ich  darf  wol  nicht  vergessen,  noch  anzuzeigen,  daß  ich,  meiner  Ge- 
sundheit wegen,  darauf  rechne,  mich  einen,  oder  ein  paar  Monate  lang 
auf  dem  Harze  aufzuhalten.  Dies  würde  indes  erst  die  späteren  Sommer- 
monate seyn,  da  ich  .mich  schon  wegen  eines  jungen  Bremers,  der  mir 
noch  einigen  Einfluß  auf  seine  Studien  gestatten  wird,  nicht  sobald  An- 
fangs von  Göttingen  entfernen  darf.  ||  —  Solche  Hindernisse  würden  bey 
meiner   Ansicht    überhaupt    nicht    in    Betracht    kommen.      Kann    ich    den 


^)  Vgl.  dazu  den   i.  Band  der  Briefe  S.  254  f. 


Nachtrag  zu  1802.  131 


Geist,  das  Gemüth,  nich  so  fassen,  daß  die  beständige  Gegenwart  ent- 
behrlich wird:  so  werde  ich  nie  glauben,  etwas  gethan  zu  haben. 

768.  Smidt  an  H.     (1  S.  4".    N.)  [Ohne  Datum.] 
Meine  Mine')  die  jetzt  alle  Tage  darauf  sinnt,  wie  sie  für  die  erste  Erziehung 

ihrer  Kleinen  nichts  zweckmäßiges  versäume  —  und  wie  unsre  Hanne-)  in  dem  bis- 
herigen guten  Gleise  fortzuleiten  sey,  hat  mir  folgende  drey  Bitten  an  Dich  auf- 
getragen. 

1)  Du  mögest  ihr  gütigst  doch  noch  einmal  deutlich  beschreiben,  was  Du  ge- 
legentlich einmal  von  Triangel,  vom  blinkenden  Nagel  etc.  die  in  den  Gesichts- 
punkte eines  kleinen  Kindes  zu  stellen  seyen,  gesagt  habest.*) 

2)  Ob  Du  auch  wieder  an  die  Kinderorgel  gedacht  habest;  ob  dort  eine  solche 
zweckmäßig  verfertigt  werden  könne,  und  was  sie  etwa  kosten  dürfte.*) 

3)  Wenn  Du  Deinen  vergebens  an  Böttiger  gesandten  Aufsatz^)  nicht  bald 
irgendwo  drucken  lassen  werdest  —  wünscht  sie  denselben  auf  eine  kurze  Zeit  von 
Dir  zu  leihen,  um  ihn  was  schon  zur  Hälfte  geschehen  sey,  völlig  abschreiben 
zu  können. 

Ewald  "^j  hat  einen  Brief  von  Pestalozzi  erhalten  —  worin  er  die  Ankunft  des 
von  hier  zu  ihm  gesandten  Blendermann '')  meldet,  sehr  wohl  mit  ihm  zufrieden  ist, 
und  versichert,  er  werde  bey  seiner  Zurückkunft  diese  Methode  so  gut  inne  haben, 
wie  er  selbst.  ^  Auch  Blendermann  hat  voll  Enthusiasmus  für  die  neue  Lehre  an 
Ewald  geschrieben.  —  Ich  hoffe  Häfeli*)  kommt  bey  seiner  Rückreise  mit  ihm  über 
Göttingen  —  wo  ich  denn  sehr  wünschte,  daß  Du  ihn  sähest. 

Meine  Schwester  die  wie  meine  Frau  herzlich  grüßen  läßt  erheitert  sich  nach- 
gerade etwas  aber  doch  sehr  langsam.  —  Es  würde  ihr  große  Freude  machen,  wenn 
Du  ihr  einmal  ein  paar  Zeilen  schreiben  könntest.  —  Ganz  Dein     S. 

Daß  Doct.  Iken,  den  Du  bei  Stolz  kennen  lerntest,  an  die  Stelle  seines  Vaters 
hier  in  den  Eath  gewählt^)  ist,  wirst  Du  gehört  haben.  —  Wir  haben  eine  gute 
Aquisition  an  ihm  gemacht.  — 

769.  Gries  an  H.     (4  S.  8°.    N.)  Jena  2.  JuK  1802 

770.  Ziemssen  an  H.    (4  S.  8«.    N.)  Rümligen  19  Jul.  1802 
Theurer  Herbart     Vielleicht  wirst  Du  des  nachlässigen  Freundes  seines  ewigen 

Stillschweigens  wegen  zürnen,  wenn  Du  Dich  nicht  selbst  erinnerst,  wie  unangenehmer- 
es einem  ist,  in  so  einer  langwierigen  halben  Krankheit  mit  gelähmten  Kräften  vor 
einem  kräftigen  Freunde  zu  erscheinen.  Ich  verschob  das  Schreiben  immer  von 
einer  Woche  zur  andern,  in  der  Hoffnung,  Dir  von  merklichen  Fortschritten  in  der 

1)  Smidts  Frau. 

■^)  Smidts  ältestes  Kind,  geb.  3.  Dez.  1798. 

^)  In  Pestalozzis  Idee  eines  ABC  der  Anschauung,  vergl.  Bd.  I  dieser  Aus- 
gabe S.  187. 

*)  Allg.  Päd.  (Bd.  II,  S.  62):  „Ich  bringe  eine  kleine  Orgel  in  die  Kinder- 
stube und  lasse  darauf  einfache  Töne  und  Intervalle  minutenlang  erklingen." 

')  Um  den  Aufsatz  über  Pest,  neuste  Schrift  „Wie  Gertiiid  --"  (Bd.  I,  S.  137) 
kann  sichs  nicht  handeln,  sondern  wohl  um  „Pestalozzis  Idee  eines  ABC  der  Anschauung". 

*)  J.  L.  Ewald,  1796—1805  Geistlicher  und  Prof.  in  Bremen  (s.  Bremische 
Biographie  1912,  S.  129),  war  dort  für  die  Einführung  der  Methode  Pestalozzis 
tätig.     Vgl.  0.  Willmann.  Herbarts  pädagogische  Schriften,  Osterwieck,  1913. 

')  Vergl.  den  1.  Bd.  der  Briefe  S.  258  u.  286.     (Bremische  Biogr,  S.  36.) 

*)  1793—1805  Gei-stücher  und  Prof.  in  Bremen,  s.  Brem.  Biogr.  1912,  S.  198. 

^)  Am  29.  Mai  1802;  darnach  kann  man  den  Brief  datieren. 

9* 


JT2  Nachtrag  zu   1802. 


Besserung  reden  zu  können,  und  betrog  mich  von  einer  Woche  zur  andern.  Dazu 
kam  noch  ein  andrer  Umstand,  der  mich  zurückJiielt.  Es  steht  mir  eine  Unter- 
haltung mit  Hn.  Fr[isehing]  bevor  (wozu  ich  einen  Aufsatz  von  mehreren  Bogen  beynahe 
schon  ausgearbeitet  habe)  die  sehr  vieles  für  mich  entscheiden  wird;  ob  ich  in  der 
Schweiz  bleibe,  oder  zurückgehn  werde;  ob  für  meinen  Rudi  irgend  einige  Hoffnung 
ist,  u.  s.  w.  Die  Sache  ist  mir  an  sich,  meines  Rudis  und  der  ganzen  Frs.  Familie 
äußerst  wichtig,  und  liegt  mir  mit  innigster  Wärme  am  Herzen;  aber  außerdem 
entscheidet  diese  Unterredung  auch  vieles  über  mein  künftiges  Leben.  Deshalb 
zögerte  ich  immer,  um  Dir  den  Erfolg  derselben  und  meine  damit  zusammenhängen- 
den Pläne  mittheilen  zu  können.  Wenn  ich  nicht  wieder  einen  üblen  Rückfall  aus- 
halten muß,  und  also  physisch  verhindert  werde,  so  ist  die  Sache  in  ein  paar  Wochen 
entschieden.  ||  Aber  zur  Sache  für  meinen  heutigen  Brief,  den  Du  nicht  als  eigent- 
lichen Brief  von  mir  ansehn  darfst,  sondern  nur  als  eine  Benachrichtung ^  die 
ich  dir  mit  fliegender  Feder  zu  ertheilen  eile,  weil  Du  ihrer  schnell  be- 
dürfen könntest. 

Hr.  Steiger  hat  mit  einem  doppelten  Plan  sich  schon  seit  einiger  Zeit  herum- 
geschleppt. Der  eine  ist  misxuwandern^  und  der  andere  den  Ludwig  in  Militärdienst 
zu  geben.  Er  wollte  sich  in  der  Gegend  von  Wien  niederlassen  und  Ludwig  in  Wien 
anstellen.  Das  war  im  Winter  bestimmt  f e.stgesetzt ;  jetzt  aber  hat  er  seinen  Ent- 
schluß geändert  und  macht  mit  Ludwig  und  Henriette  eine  Reise  durch  Deutsch- 
land (über  Göttingen)  nach  Holland,  wxa  sich  dort  umzusehen,  wie  man  dort  leben 
könne,  und  den  Ludwig  irgend  wo  unterzubringen.  Diese  Reise  hat  er  gestern  an- 
getreten. Gestern  Nachmittag  ging  ich  nach  Riggisberg  zu  Segelken,  der  mir  dann 
noch  folgendes  als  ein  Geheimniß  dazu  anvertraute.  H.  St.  sey  vorgestern  zu  ihm 
gekommen,  mn  noch  einiges  über  Ludwig  mit  ihm  zu  sprechen,  und  habe  ihn  dann 
unter  andern  gefragt,  was  er  davon  halte,  wenn  er  den  Ludwig  noch  einige  Zeit 
in  Göttiugen  ließe,  und  ihn  suche  Deinöi-  Aufsicht  anzuvertrauen.  —  Das  war  mir 
in  Deiner  Person  ein  Donnerschlag.  |!  Lebhaft  schwebte  mir  unsere  sich  hierauf  be- 
ziehende Unterhaltung  wieder  vor;  und  wenn  Du  damals  Ursache  hattest.  Dir  den 
Ludw.  nicht  auf  den  Hals  laden  zu  wollen,  so  hättest  Du  es  jetzt  nach  meiner  An- 
sicht gedoppelt.  Seine  Rohheit  hat  in  Genf  nur  ein  andres  Gewand  angezogen.  Er 
hat  dort  nichts  gelernt,  als  etwas  Hörn  blasen,  und  seine  Kleider  nach  der  neusten 
Mode  machen  zu  lassen,  dazu  hat  er  viele  Schulden  gemacht,  und  sich  in  einen 
solchen  Ruf  gebracht,  daß  Vorsteher  andrer  Institute  ihren  Zöglingen  untersagt 
haben  mit  ihm  umzugehn.  Kurz  er  ist  nach  derselben  Richtung  fortgelaufen,  die 
du  ihn  nehmen  sähest,  und  ist  jetzt  wohl  unmöglich  mehr  davon  abzubringen, 
wenigstens  müßte  man  dann  ganz  andre  Sprünge  mit  ihm  machen,  als  Du  jetzt 
können  und  wollen  wirst.  —  Er  gefällt  hier  auch  niemand,  wenn  nicht  etwa  seiner 
Frau  Mama;  Segelken  denkt  über  ihn,  wie  ich,  und  hat  es  Hn.  St.  wohl  eben  nicht 
verhelt,  der  selbst  über  ihn  sehr  in  Kummer  und  aufgebracht  ist.  —  Segelken  hat 
Hrn.  St.  auch  ofenherzig  gesagt,  daß  er  glaube,  es  werde  Ludwig  nicht  gar  viel 
helfen,  wenn  er  ihn  auch  noch  eine  kurze  Zeit  in  Göttingen  lasse. 

Dich  habe  .ich  aber  hievon  doch  benachrichtigen  wollen,  damit  Du  im  voraus 
hierüber  Deinen  Entschluß  fassen  und  Deine  Verfügungen  treffen  könntest;  denn 
daß  Du  diesen  Vorschlag  annehmen  werdest,  daran  glaube  ich  eben  nicht;  aber 
eher,  daß  er  dich  etwas  in  Ver-  ||  legenheit  hätte  setzen  können,  wenn  er  Dir  so 
mit  einem  male  über  den  Hais  gekommen  wäre.  —  Du  kennst  aber  Steigers  wich- 
tiges und  geheimnisvolles  Wesen;  weshalb  es  mir  aus  Diskretion  gegen  Segelken  lieb 
wäre,  wenn  Du  ihm  wenigstens  das  nicht  merken  zu  lassen  gebrauchtest,  daß  Du 
es  gewußt  habest,  er  werde  Dir  einen  solchen  Antrag  machen. 


Nachtrag  zu   1802.  j^^ 


Kall  wäre  gerne  mitgereist,  aber  bei  Hn.  St.  scheint  gar  nicht  Question  dar- 
über gewesen  zu  sein;  er  muß  jetzt  gleichsam  seine  Stelle  vertreten  und  dem  ganzen 
Hause  vorstehen.  Segelken  würde  es  nicht  gewünscht  haben,  weil  er  fürchtet,  es  werde 
ihn  zu  sehr  zeretreuen.  Mit  mir  hat  H.  St.  gar  nicht  darüber  geredet;  wie  gerne 
hätte  ich  gewünscht,  er  hätte  Dir  ihn  statt  des  Ludw.  gebracht,  und  gelassen;  denn 
ihn  nur  auf  einen  halben  Tag  zu  sehen,  würde  Dir  auch  nicht  gar  viel  geholfen 
haben.  —  Er  ist  noch  immer  der  Liebling  aller  Menschen,  die  ihn  kennen. 

Nächstens  mehreres.  Ich  lege  Dir  ein  veraltetes  Blatt  bey,  damit  Du  siehst, 
daß  ich  Deiner  gedachte.  —  Mein  Arzt  ist  jetzt  der  trefliche  Rengger  —  den  Du 
als  Staatsmann  kennst;  und  der  die  Achtung  aller  redlichen  (nicht  blind  wüthenden) 
genießt.  Es  geht  aber  fast  unmerklich  mit  der  Genesung,  doch  fange  ich  wieder 
an  zu  ai'beiten.  Von  meinen  Arbeiten,  Plänen  u.  s.  w.  nächstens.  Willst  Du  mir 
die  Freude  machen,  mich  durch  ein  paar  freundschaftl.  Zeilen  zu  erheitern? 

Immer  ganz  Dein    Th.  Ziemssen. 

771.  Ziemssen  an  H.  (über  seine  Erziehungsresultate  im  Frischingschen  Hause). 
(6  S.    8«.     N.)  Rümligen,  Mitte  Sept.  1802. 

772.  N.  Kulenkamp  an  H.     (3  S.    40.     N.)       Bremen  den  18t.  Septbr.  1802. 

Lieber  Herr  Herbart  I  Daß  meine  Frau  und  ich  unsere  Reise  glücklich  geendigt, 
und  munter  und  vergnügt  hier  eingetroffen  sind,  werden  Sie  gewiß  von  unseru  lieben 
Walte  schon  gehöret  haben.  Auch  sind  Sie  meinetwegen  sehr  bald  durch  die  münd- 
liche Nachricht  des  zurückgekommenen  Fuhrmanns  beruhigt  worden,  w-eshalb  ich 
auch  meine  damalige  Unpäslichkeit  nicht  weiter  berühre. 

Wie  wir  am  Freytag  um  5  Uhr  hier  angekommen,  bewillkommten  uns  sogleich 
viele  Verwandte  und  Freunde,  worunter  auch  Senator  Smidt  war,  den  wir  Gottlob 
vollkommen  gesund  antrafen. 

Die  mannigfachen  Zerstreuungen  woiin  man  in  den  ersten  Tagen  der  Rück- 
kehr lebt,  und  die  vielen  Geschäfte  die  sich  gehäufet  haben,  sollten  bald  eine  Ver- 
anlaßung geworden  seyn,  mein  Schreiben  noch  etwas  auszusetzen;  aber  ich  habe 
es  Ihnen  fest  versprochen  es  nicht  zu  verschieben,  und  Sie  könnteu  auch  beim  Aus- 
bleiben einliegender  zwey  Hundert  Thaler  Ihre  Promotion  verzögern  müssen,  welches 
.ein  unangenehmer  Zeitverlust  wäre,  den  ich  nicht  gern  verursachen  möchte.  Sobald 
Sie  ein  mehreres  bedürfen,  können  Sie  auf  mich  rechnen. 

Mit  Walte  seinen  Eltern  habe  ich  ausführlich  gesprochen,  ||  und  es  wegen  der 
nicht  fortzusetzenden  Stunden,  unserer  Verabredung  gemäs,  also  eingelenkt  und  er- 
läutert, daß  sie  völlig  zufrieden  sind.  Beyde  und  vornehmlich  die  Mutter  äußerten 
die  Besorgnis,  daß  hierdurch  das  freundschaftliche  Verhältniß  zwischen  Ihnen  und 
W.  nun  gänzlich  mögte  aufgehoben  werden,  und  W.  Ihreu  lehrreichen  Umgang  nicht 
weiter  würde  genießen  und  benutzen  können.  Ich  erwiederte,  daß  Sie  es  mir  in  der 
Hand  versprochen,  Sie  wollten  sich  ihres  Sohnes  mit  Freuden  ferner  annehmen, 
wenn  er  Ihnen  nur  sein  Vertrauen  schenken  wolle,  Sie  hegten  auch  die  Hoffnung, 
daß  nach  und  nach  die  eingetretene  Spannung  sich  verlieren,  und  er  sich  in  der 
Folge  fester  an  Sie  schließen  würde.  Sie  wissen  lieber  Herr  Herbai t!  wie  sehr  mir 
Walte  am  Herzen  liegt,  und  wie  Sie  meiner  Frau  und  mir  keine  größere  Freund- 
schaft erweisen  können,  als  wenn  Sie  jede  sich  darbietende  Gelegenheit  ergreifen, 
auf  seine  moralische  und  wissenschaftliche  Bildung  zu  würken;  wie  dieses  beim  zu- 
nehmenden Alter  und  wachsenden  Selbstgefühl  anzugreifen  ist,  wird  Ihnen,  da  Sie 
unsern  jungen  Freund  so  genau  kennen,  nicht  schwer  werden. 

Meine  liebe  Frau  die  noch  immer  von  unserer  Reise  ganz  entzückt  ist,  läßt 
Sie  herzlich  grüßen,  sie  nekkt  mich,   daß   ich  mich  endlich  habe   bequemen  müßen 


I 


ITA  Nachtrag  zu   1802. 


an  Sie  zu  schreiben.  Daß  ich  dieses  bis  dahin  nicht  ohne  Grund  zu  vermeiden 
gesucht  habe,  davon  überzeuget  Ihnen  dieser  j|  schwerfällige  von  Sprachfehlern 
wimmelnder  Brief.  Ich  verlasse  mich  aber  darauf,  Sie  werden  ihn  keiner  strengen 
Kritik  unterwerfen. 

Leben  Sie  wohl  lieber  Herbait!  Schreiben  Sie  uns  doch  sobald  es  Ihre  Zeit 
erlauben  will,  denn  Sie  wissen  es  ja,  wie  frohe  Stunden  Sie  uns  mit  Ihren  Briefen 
machen. 

Ich  schließe  mit  der  Versicherung  meiner  innigsten  Hochschätzung 

N.  Kulenkamp. 

773.    von  Grote  [V]  an  H.    (4  S.  S».    N.)    Bruchstück.     Hannover,  d.  27  Sep.  1802. 

Lieber,  guter  Herbart!  Jetzt  erst  komme  ich  dazu,  Ihnen  zu  schreiben,  ob- 
gleich ich  schon  3  Tage  hier  bin,  und  viel  früher  von  Braunschweig  abreißte,  als 
Sie  und  ich  es  vermutheten.  Als  ich  von  Salzdalem  zurückkam,  fand  ich  den 
Gr.  Wittgenstein  in  dem  AVirthsliause,  er  brachte  mir  ein  Entrebillet  zu  einem  Herren- 
club, wovon  auch  H.  Hofmeister  Mitglied  war.  Er  fragte  nach  Ihnen,  und  ich  ent- 
schuldigte Sie,  wie  wir  es  abgeredet  hatten.  In  dem  Clube  war  nicht  viel  Unter- 
haltung, ein  jeder  setzte  sich  stumm  hin,  und  laß  die  Zeitung,  ohne  nachher  ein 
Wort  darüber  zu  wechseln.  Am  Abend  nahm  mich  Wittgenstein  mit  zu  einem 
Traiteur  um  dort  zu  Abend  zu  essen,  hier  errichteten  die  H.  bald  eine  Farobank 
wobey  es  ziemlich  scharf  herging.  Man  ||  wollte  mich  durchaus  zum  Spiel  bewegen, 
ich  entschuldigte  mich  aber  damit,  daß  ich  nie  gespielt  hätte,  und  ein  viel  größeres 
Vergnügen  im  Zusehen  fände.  Bey  diesen  Beschäftigungen  kam  die  Rede  unter 
den  jungen  Leuten  auf  den  Göttinger  Orden,  ein  Jenaer  Student  und  Bekannter  des 
jungen  Grafen,  bezeugte  seine  laute  Freude  darüber,  daß  die  Ordensbrüder  so  ritter- 
lich alles  abgeschwohren  hätten,  und  sagte,  daß  dieser  Orden  mit  Recht  den  Namen 
CONSTANTIA  verdiene;  ich  konnte  es-  nicht  lassen,  ihm  zu  widersprechen,  und 
wurde  vielleicht  zu  heftig.  Der  Herr  wurde  aufgebracht,  doch  ich  blieb  bey  meinem 
Satze,  daß  dies  Abschw Öhren  immer  schändlich  bleibe,  und  als  Wittgenstein  auf  meine 
Seite  trat  und  meinen  Gegner  zu  besänftigen  suchte,  ging  alles  in  Frieden  ab.  Wie 
sehr  ich  mich  von  Braunschweig  wegwünschte,  nach  diesen  so  unangenehm  hin- 
gebrachten Stunden,  können  Sie  sich  denken,  und  wie  ||  sehr  ich  mich  allein  und 
fremd  fühlte,  als  ich  Sie  nicht  fand  und  keinen  mit  dem  ich  freundschaftlich  hätte 
sprechen  können.  Zum  Glück  fand  ich  schon  am  nemlichen  Abend  ein  Pferd  aus 
Hannover  für  mich,  (doch  ohne  meinen  Bruder)  ich  beschloß  gleich,  früh  am  anderen 
Morgen  wegzureisen,  um  sobald  wie  möglich  Menschen  wieder  zu  finden,  die  ich  so 
sehr  entbehrte. 

Sie  können  sich  vorstellen,  wie  sehr  meine  Empfindungen  bey  der  Erblickung 
der  Thurmspitzen  von  Hannover  von  denen  verschieden  waren,  welche  ich  bei  der 
Erblickung  von  Magdeburg  empfand.  Ich  eilte  und  fand  mich  bald  mitten  unter 
meinen  Verwandten,  die  sich  alle  mit  mir  freuten.  Die  ersten  Paar  Tage  meines 
Hierseyns  fand  ich  es  sehr  unruhig  in  unserm  Hause,  es  geht  noch  nicht  alles 
seinen  ordentlichen  Gang,  ich  konnte  weder,  meine  Schwester,  meine  Mutter  noch 
meinen  Bruder  eine  halbe  Stunde  lang  sprechen.  Gestern  |i  zuerst  ist  es  mir  ge- 
lungen, ruhiger  und  länger  mit  den  beyden  Erstem  zu  bleiben,  August  ist  einen 
großen  Theil  des  Tages  in  Hannover  mit  Lewis,  um  dort  seine  Reitstunden  wahr  zu 
nehmen,  er  hat  viel  mit  seinem  Lewis  zu  thun,  doch  hat  er  mir  versprochen,  den 
SOjälirigen  Krieg  von  Schiller  mit  mir  zu  lesen.  Er  thut  alles,  warum  ich  ihn  bitte, 
sucht  sich  nach  mir.  zu  richten,  und  folgt  mir  auf  jeden  Schritt  —  ich  weiß,  was 
ich  daher  für  eine  Pflicht  auf  mir  habe. 


Nachtrag  zu   1802.  i^c 


Mit  meiner  Mutter  habe  ich  gestern  lange  über  August  gesprochen,  sie  äußerte, 
daß  P.  Rump  noch  garnicht  bestimmt  geschrieben  habe,  ich  möchte  Sie  aufmuntern, 
Ihren  angefangenen  Brief  abzuschicken. 

Mit  meiner  Schwester  war  ich  gestern  Abend  ein  paar  Stunden,  wir  sprachen 
viel,  auch  worüber  ich  mit  Ihnen  oft  sprach,  wobey  ich  mich  oft  an  Woldemar  er- 
innerte. Gewiß  sie  will  ebenso  gern  weiter,  wie  ich  es  will,  ich  wünschte  ihr  herz- 
lich Ihren  Umgang,  und  Sie  beneidet  mich  täglich  darum.  Sie  sehen  was  ich  darum 
gebe,  wenn  Sie  hier  wären,  und  ich  gebe  den  Gedanken  ||  [noch  nicht  auf.] 

774.    Gries  an  H.     (4  S.   8°.    N.)  Jena,  d  Isten  Oktbr  1802 

Ich  beantworte  Deinen  Brief  ein  wenig  spät;  aber  ich  hoffe,  daß  Du  mir 
diese  Verzögerung,  theils  um  der  Ursache  willen  nachsehen,  theils  um  des  einliegen- 
den Schlüssels  willen  verzeihen  wirst.  Dieser  Schlüssel  ist  nemlich  kein  andrer, 
als  der  zu  Deinem  Klaviere,  das  in  diesen  Tagen  die  Reise  nach  Göttingen  antreten 
wird.  Ich  habe  die  erste  Gelegenheit  benutzt,  die  sich  seit  Deinem  Briefe  dar- 
geboten hat,  und  sende  Dir,  wie  Du  verlangt  hast,  Deinen  alten  Freund,  wohl  ein- 
gepackt und  verwahrt.  Es  wird  Dir  gewiß  lieb  seyn,  ihn  wieder  zu  sehen.  Der 
Kasten  freilich  war  sclilechterdings  nicht  aufzufinden,  und  wird  vermuthlich  längst 
in  irgend  einem  Ofen  des  Fichtischen  oder  Zicklerschen  Hauses  verbraucht  worden 
seyn.  Ich  habe  also  einen  neuen  machen  lassen,  und  doch  werden  die  gesamten 
Unkosten  des  Transports  etc.  nicht  viel  mehr  betragen,  als  Du  in  Göttingeu  für  die 
halbjährige  Miethe  eines  Instruments  bezahlen  mußt.  || 

Was  die  Ursache  meines  laugen  Stillschweigens  betrifft,  so  hast  Du  sie  für 
diesmal  —  seltsam  genug  —  bloß  in  meinem  unmäßigen  Fleiße  zu  suchen.  Ver- 
schiedene Umstände  —  hauptsächlich  ein  sehr  ungebetener  Rival,  der  mir  den  ganzen 
Tasso  auf  einmal  fix  und  fertig  vor  die  Thür  setzte  —  trieben  mich  an,  meine  Über- 
setzung bald  möglichst  zu  Ende  zu  bringen.  Ich  fing  erst  im  Junius  mit  der  Aus- 
arbeitung des  letzten  Theils  an,  und  siehe  da!  in  wenigen  Tagen  wird  der  Druck 
beendigt  seyn.  Du  kannst  also  denken,  daß  ich-  den  Sommer  über  nicht  viel  Anderes 
habe  thun  können,  als  übersetzen  und  korrigiren;  Du  kannst  aber  auch  denken,  daß 
ich  mich  jetzt  nicht  wenig  freue,  eine  so  langwierige  und  schwierige  Arbeit  wenigstens 
zu  Ende  gebracht  zu  haben.  Denn  freilich  muß  auch  ich  jetzt,  wie  Göthe's  Tasso, 
aus  vollem  Herzen  sagen : 

„Noch  bleibt  es  unvollendet, 
„Wenn  es  auch  gleich  geendigt  scheinen  mögte!,. 
Vielleicht  läßt  sich  das  Werk  künftig  einmal  über  das  Ende  hinaus,  und  der 
Vollendung  näher  bringen.  Für  jetzt  bin  ich  zufrieden,  wenn  mein  Bestreben  nicht 
ganz  unerkannt  bleibt.  Dein  Beifall,  mein  Freund,  gehört  mit  zu  den  süßesten  Be- 
lohnungen, die  ich  für  meine  Arbeit  empfangen  habe.  Ich  danke  Dir,  Herbart; 
Du  weißt,  für  wen  ich  am  liebsten  gearbeitet  zu  haben  wünschte.  ||  Vergeblich  habe 
ich  Deinen  Namen  in  dem  neuen  Göttinger  Lektionskatalog  gesucht.  Hoffentlich 
ist  indessen  Dein  Plan  nur  aufgeschoben  und  nicht  aufgehoben.  Ich  habe  gar  nichts 
dagegen,  daß  Du  G.  zu  Deinem  Aufenthalte  gewählt  hast,  wenn  Du  Jena  nicht 
wählen  wolltest  oder  konntest.  Bei  allem  Stolze,  mit  welchem  die  Jenenser  auf  G. 
herab  zu  sehen  pflegen,  bin  ich  doch  sehr  der  Meinung,  daß  G.  als  Universität  gar 
manche  Vorzüge  hat.  Es  läßt  sich  gewiß  nirgends  in  der  Welt  besser  arbeiten,  wie 
ich  aus  eigner  Erfahrung  weiß,  und  jich  wäre  sehr  geneigt,  meinem  Bruder  (der 
in  wenig  Wochen  nach  G.  kommen  wird)  dahin  zu  begleiten  und  den  Winter  bei 
Dir  zu  bleiben  —  wenn  nicht  die  verwünschte  Oekonomie  mich  hier  fesselte.  Der 
Gedanke,  einige  Monate  mit  Dir  und  meinem  guten  Heise  (der  Deiner  nähern  Be- 
kanntschaft gewiß  würdig  ist)  in  Ruhe  zu  verleben,   würde  mich  schon  allein  nach 


Io5  Nachtrag  zu   1802. 


G,  ziehen,  wenn  auch  die  dortige  Bibliothek  mir  nicht  so  große  Unterstützung  bei 
meinen  Arbeiten  verspräche.  Sehr  ungern  habe  ich  diesem  Gedanken  entsagt.  Ich 
werde  diesen  Winter  sehr  einsam  zubringen.  Mein  Bruder  geht  fort;  sogar  mein 
alter  Stahl,  der  bis  diesen  Augenblick  so  treulich  bei  mir  ausgehalten  hat,  wird  in 
wenigen  Tagen  nach  Coburg  abgehen.  Ich  habe  hier  keinen  Freund  mehr,  nicht 
einmal  einen  nahen  Bekannten.  || 

Ich  läugne  es  nicht,  daß  unter  diesen  Umständen  der  Gedanke  an  die  Noth- 
wendigkeit  der  itnmittelbaren  Thätigkeit  für  bestimmte  Menschen  (den  auch  Du 
mir  in  Deinem  Briefe  an's  Herz  legst)  oft  in  mir  sehr  lebhaft  wird.  Aber  das 
gewisse  Gut  der  goldnen  Freiheit  hingeben  für  einen  ungewissen,  immer  be- 
schränkten Zustand;  meine  liebsten  Beschäftigungen  verlassen,  mich  in  das  Joch 
des  bürgerlichen  Lebens  schmiegen  —  —  kannst  Du  mirs  verdenken,  wenn  mir 
dabei  ein  Grauen  ankommt?  Da?u  kommt,  daß  ich,  um  irgend  einen  bestimmten 
Wirkungskreis  zu  wählen,  ein  völlig  neues  Leben  anfangen,  ein  ganz  andrer  Mensch 
werden  und  —  von  neuem  in  die  Schule  gehen  müßte,  denn  Du  kannst  wohl 
denken,  daß  mir  die  nützlichen  Wissenschaften  ein  wenig  fremd  geworden  sind. 
Und  so  lebe  ich  denn  so  fort,  ohne  zu  wissen,  wohin  mich  dies  Leben  eigentlich 
führen  wird.  —  Aber  am  Ende  —  —  wer  weiß  es? 

Gönne  mir,  Lieber,  zuweilen  einige  Augenblicke  Deiner  Zeit.  Du  wirst  mir 
eine  große  Wohlthat  erzeigen;  denn  von  nun  an  wird  schriftliches  Gespräch  allein 
mich  für  den  Verlust  des  mündlichen  entschädigen  können.      Dein     J.  D.  Gries. 

N.  S.  Du  könntest  mir  einen  recht  großen  Gefallen  thun,  wenn  Du  eine 
Clementische  Sonate  für  mich  abschreiben  lassen  wolltest,  die  ich  ehemals  oft  von 
Dir  gehört  habe.  Sie  geht  aus  Finoll,  wenn  ich  nicht  irre,  und  i.st  außerordentlich 
schön.    Ich  habe  sie  hernach,  aller  Mühe  ungeachtet,  nie  wieder  auftreiben  können. 

2te  N.S.  Noch  eine  Bitte:  Sey  doch  so  gut,  für  meinen  Bruder  auf  diesen 
Winter  ein  recht  gutes  Klavier  zu  miethen.  Vielleicht  hast  Du  selbst  eins  gehabt, 
das  Du  ihm  nun  überlassen  kannst.     Vergieb  die  Mühe. 

775.  Bonus  an  H.     (2  S.    4°.     N.)  Oldenburg  Oct  7.  [1802?] 

776.  Am  7.  Mai  1802  war  H.  in  Göttingen  immatrikuliert  worden  (Matrikel  im  N); 
im  Okt.  erfolgte  die  Promotion  (,.post  adprobatam  examine  et  disputatione  eruditionem 
•  .  .  .  summos  in  philosophia  honores  ac  privilegia  ....'•  heißt  es  im  Diplom  v. 
22.  Okt.,  das  sich  im  N.  befindet). 

777.  An  Frau  Doct.  C.  Castendyk,  Mad.  Noltenius  und  Smidt  [in 

Bremen].  1)  [Herbst  1802] 

Meine  theuern,  meine  sehr  verehrten,  und  unvergeßlichen  Freundinnen! 
Ich  sende  Ihnen  mein  Erstgebornes,  und  empfehle  es  Ihrer  Pflege. 
Die  Freunde,  welche  so  gütig  seyn  wollen  es  zu  überbringen,  haben  mir 
eine  sehr  angenehme  Überraschung  durch  so  viele  gute  und  heitere  Be- 
richte von  Ihnen,  noch  angenehmer  gemacht.  Sie  leben  glücklich,  und 
immer  glücklicher!  So  muß  es  fortgehn,  und  das  wird  es!  —  In  der 
Hoffnung  daß  mein  Andenken  bey  Ihnen  nicht  erloschen  ist,  werde  ich 
Ihnen  mehr  ausschütten,  so  bald  die  ersten  Arbeiten  einer  unerwartet 
früh  angetretenen  Laufbahn  ein  wenig  minder  drängen.        Ganz  Ihr     H. 

^)  1  S.  4".  Univ.-Bibl.  Jena.  —  Adr.  nicht  von  Herbarts  Hand.  Obwohl  mit 
Bleistift  vermerkt  ist:  „Vermuthlich  1804  aus  Göttingen^'  verlege  ich  den  Brief  in  den 
Herbst  1802,  als  H.  seine  Schrift  „Pestalozzis  Idee  eines  ABC  der  Anschauung" 
(s.  Bd.   I,   151  ff.)  den  3   Frauen  übersandte. 


Nachtrag  zu   1802.  1^7 


778.  Ziemssen  an  H.     (4  S.    8".     N.)  Rümligen,  Ende  Nov.  1802, 
(Mit  Mitteiluugen  über  Zehender,   die  Familie  Geßner,  bei  der  er  den  "Winter 

über  zubringen  will.) 

779.  Ziemssen  an  H.')    (4  S.   8".    X.)  [Dez.  1802] 

Theurer  Freund,  es  ist  besser,  ich  sende  diese  Blätter  so  ab,  wie  sie  da  sind, 
als  ich  warte  die  Zeit  ab,  wo  ich  sie  fortsetzen.  Dir  bestimmter  über  mich  selbst 
schreiben,  und  es  versuchen  kann,  Dir  zu  zeigen,  wie  Du  aus  üubekanntschaft  mit 
den  Umständen  in  Deiner  Ansicht  der  Lage  der  Dinge  in  der  Schweiz,  wenigstens 
nach  meinem  und  aller  unsrer  hiesigen  Freunde  (etwa  den  älteren  Otth,  der  seit 
er  verheyrathet  ist,  täglich  engherziger  wird  ausgenommen)  —  ürtheil  ganz  den 
rechten  Gesichtspunkt  verfehlst,  und  danach  in  Deinen  Briefen  an  Steigers  einige 
bedeutende  Mißtritte  gemacht,  die  eben  so  verderblich  in  Beziehung  auf  Deine 
höhern  Zwecke  mit  den  Kindern  dieses  Hauses  würken,  als  sie  compromittirend 
und  ich  darf  wohl  sagen  beleidigend  für  Deine  hiesigen  Freunde,  besonders  für 
Segelken  und  mich  sind.  —  Segelken  sagte  sehr  bescheiden  von  Deinem  ersten 
Blatte  an  Karl:  es  war  wenigstens  sehr  unvorsichtig  von  H.  Und  unsre  Freunde 
wiederhohlten :  es  war  sehr  unvorsichtig.  —  Audiatur  et  altera  pars;  —  das  ist  Dir 
freylich  bis  jetzt  nicht  wohl  möglich  gewesen;  aber  wer  hätte  nicht  erwarten  sollen, 
daß  Du  Dein  Urtheil  bis  zu  dieser  Möglichkeit  aufschieben  würdest.  —  Freund,  ich 
gestehe  Dir,  ich  finde  fast  keine  Worte,  Dir  zu  schreiben.  Ein  hoher,  von  aller 
Eigensüchtigkeit  entfernter  Geist  lebte  bis  jetzt  in  unserm  Bunde;  0  Herbart,  wird 
er  auch  an  dieser  Klipppe  nicht  zu  scheitern  Gefahr  laufen?  Wirst  Du  es  dulden 
können,  daß  ich  so  zu  Dir  rede ;  daß  ich  Dir  aufdecke,  was  in  meinem  Innern  vor- 
geht V  —  Ich  kann  irren;  aber  ich  rede  aus  fester  Uberxeugung  und  uohlyemeinter 
Absicht.  II  Wenn  Du  Dich  überzeugt  glaubst,  daß  ich  irre;  so  halte  Dich  an  meinem 
In-thum.  und  laß  meine  Person  denselben  nicht  weiter  entgelten.  —  Dein  letzter 
Brief  an  Karl  ist  in  jeder  Hinsicht  vielleicht  das  allerverderblichste,  was  Du  an 
ihm  hättest  thun  können;  seinem  Verlorenseyh  für  ein  wahres  höheres  Leben  ist 
dadurch  Aielleicht  das  Siegel  aufgedrücket.  Hättest  Du  meinen  Brief  über  Ludwig 
beantwortet,  und  nicht  demselben  grade  entgegengehandelt,  ohne,  ich  will  nicht  sagen, 
Dich  darüber  bey  mir  zu  rechtfertigen,  sondern  ohne  mich  nur  irgend  einer  Be- 
nachrichtigung in  dieser  Hinsicht  zu  würdigen,  so  hättest  Du  schon  eher  mehr  über 
Karl  gehört.  —  Karl  wird,  wenn  er  nicht  sehr  bald  von  Hause  kömmt,  ein  zwar 
gutgesinnter,  aber  bornirter,  knausriger  Hausverwalter,  der  zwar  mancherley  höhere 
Dinge  durch  seine  geistigen  Hände  hat  gehen  lassen,  die  aber  nicht  in  ihn  selbst 
eingreifen,  und  in  sein  eigens  inneres  Leben  übergehen.  —  Der  Feldzug,  die  ganze 
Lage  der  Gegenwart,  und  am  allermeisten  Deine  Briefe  haben  ihm  ganz  den  Kopf 
verdreht,  und  S —  vielleicht  fast  außer  Einfluß  auf  ihn  gesetzt.  —  Hast  Du  es  so 
ganz  vergessen,  wie  Du  von  der  Schiefheit  und  Engherzigkeit  dieser  Menschen  auf- 
gehalten und  entgegengewürkt  wurdest,  daß  Du  oft  niedergeschlagen  mit  dem  Ent- 

')  Im  Herbst  1802  war  in  der  Schweiz  der  sog.  Stecklikrieg  ausgebrochen,  ein 
Aufstand  der  Altgesinnten  gegen  die  helvetische  Regierung,  der  mit  ihrer  Vertreibung 
(!>kt.  1802  endete.  Karl  Steiger  wai-  offenbar  mit  zu  Felde  gezogen.  AVährend. 
Herbarts  Freunde  mit  den  Neuerern  und  Demokraten  sympathisierten,  stand  Herbart 
auf  Seite  der  Alten.  Daß  nun  Herb,  in  seinem  Briefe  vom  16.  Nov.  1802  (s.  Bd.  I,. 
S.  257)  Karl  wegen  seiner  Haltung  lobte,  ja,  daß  er  erklärte,  er  wäre  selber  gern 
mit  ins  Feld  gezogen,  veranlaßte  Ziemssen,  den  obigen  erregten  Brief  zu  schreiben; 
vielleicht  ist  auch  sein  körperliches  Unwohlsein  mit  Schuld  an  den  starken  Aus- 
drücken. —  Diese  Notiz  und  die  Datierung  verdanke  ich  Herrn  Prof.  Dr.  Steck  iuBern^ 


1^8  Nachtrag  zu  i8o2. 


Schluß  rangst  Deine  Stelle  mit  allen  ihren  schönen  Hofnungen  aufzugeben?  und 
jetzt  kannst  Du  so  leichtfertig  Deinen  eignen  Planen  das  Messer  an  die  Kehle 
setzen?  —  Und  hast  Du  vergessen,  wie  Du  B[öhlendorff]  tadeltest,  daß  er  Fritz 
Sinner  durch  eine  falsche  Erhebung  ||  seines  Verhältnisses  mit  ihm  auf  eine  Höhe 
[hinaufschraubte],  deren  Schwindel  der  Kopf  deßelben  noch  [nicht]  ertragen  konnte,  daß 
Du  selbst  diesen  Fehler  auf  einer  viel  gröbern  und  einschneidenderen  Art  begehst? 
—  —  —  Ich  bin  erstaunt,  ich  habe  meinen  Ohren  nicht  trauen  wollen,  und  noch 
zweifle  ich  aller  Versicherungen  ungeaöhtet  gewissermaßen,  da  ich  den  Brief  nicht 
selbst  in  Händen  gehabt  habe.  Aber  Ihre  triumphirende  Miene  haben  diese  kurz- 
sichtigen, engherzigen,  eigensüchtigen  Menschen  gegen  uns  erhoben;  und  uns  es 
gleichsam  freygestellt,  iinsern  Freund  von  uns  zu  weisen,  uns  von  ihm  loszusagen, 
oder  uns  selbst  demuthsvoU  erniedrigend,  ein  pater  peccavi  zu  singen.  —  Theurer, 
Edler,  Hellsehender  Freund,  das  kränkt  mich  tiefer  als  alles  Übrige,  daß  die  Un- 
bekanntschaft mit  den  Umständen  dir  Äußerungen  entlocken  konnte;  die  Dich  zum 
Helden  der  engherzigsten  Stockorthodoxen  und  Oligarchen  machen,  und  Dich  nur 
einen  Augenblick  in  manchen  Augen  ihnen  gleichsetzen  konnte!! 

Theurer,  lieber  Freund,  es  ist  spät  in  der  Nacht  und  ich  schreibe  unter  phy- 
sischen Schmerzen ;  ich  muß  abbrechen.  Furchtsam  und  begierig  werde  ich  Deine 
nächsten  Zeilen  durchlaufen:  ob  mir  noch  ein  Sehimvier  der  Hofnung  eines  Ein- 
verständnisses unter  uns  hierüber  leuchtet.  Ich  hoffe  Du  schenkst  mir  doch  einmal 
wieder  einige  Minuten,  und  das  recht  bald  nach  Empfang  dieses  Briefes.  Wünscht 
Du  es  und  kann  es  etwas  helfen,  so  erhälst  Du  eine  gedrängte  Darstellung  ||  meiner 
auf  vierjähriger  [ausgebreiteter  Erfahrung  und  ernsten  Nachdenken  gegründeten 
Ansicht  der  Sclureix ;  die  ich  wahrscheinlich  auch  dem  Publikum  einmal  mittheilen 
werde.     (Aber  das  bleibt  unter  uns.) 

Meine  Gesundheit  habe  ich  noch  lange  nicht  ganz  wieder,  und  werde  sie,  wie 
mehrere  Ärzte  meinen,  in  diesem  Klima  auch  wohl  nicht  ganz  wiederfinden;  bis- 
weilen werden  meine  Beschwerden  empfindlich  und  hemmend;  indessen  wächst 
Muth  und  Kraft  mir  wieder;  und  ist  selbst  durch  das  Mislingen  mit  meinem  Rudi 
gewissermaßen  erhöht;  sowie  ich  dadurch  mannigfaltig  belehrt,  auf  festere  Punkte, 
und  zu  klarer  Überzeugung  über  den  Gegenstand  meiner  Thätigkeit  gebracht  bin. 
Ich  bin,  so  viel  physisch  möglich,  thätig.  Meine  alten  Plane  erwachen  mit  der 
alten  Lebhaftigkeit  ihres  Interesses  für  mich,  aber  mit  mehr  Bestimmtheit  itnd 
Festigkeit.  Einige  Arbeiten  gelingen  vielleicht  schon  jetzt  meiner  Hand.  Hierüber 
nächstens  melir.  Ich  erwarte  mit  Sehnsucht,  den  Posttag',  wo  ich  Antwort  von  Dir 
haben,  kann.  Gute  Nacht  Dein     Z. 

780.     Gries  an  H.     (4  S.    8».     N.)  Jena,  den  22sten  Dezbr.  1802 

Der  Ueberbringer  dieses  Briefes  ist  mein  Freund  Möller  aus  Norwegen,  der  sich 
einige  Tage  in  Göttmgen  aufhalten  wird  und  Deine  Bekanntschaft  wünscht.  Ich 
brauche  Dir  nichts  weiter  von  ihm  zu  sagen;  er  trägt  seine  beste  Empfehlung  in 
seinem  Angesichte,  das  der  treue  Spiegel  einer  reinen  und  freien  Seele  ist.  Da 
Philosophie  sein  Hauptstudium  ist,  so  werdet  ihr  bald  miteinander  Berührungspunkte 
finden.  Uebrigens  sage  ich  Dir  nur  noch,  daß  er  Steffens  genauer  Freund  ist  und 
auch  mit  unserm  Böhlei^orff  eine  Zeit  lang  in  Dresden  gelebt  hat.  —  — 

Ich  hätte  Dir  schon  längst  geschrieben,  lieber  Herbart,  um  Dir  für  die  schönen 
Stunden  zu  danken,  die  Du  mir  zum  zweiten  Male  in  Göttingen  geschenkt  hast, 
wenn  ich  Dir  nicht  memen  Dank  auf  eine  thätigere  Weise  hätte  darbringen  mögen. 
Dies  konnte  ich  aber  nicht  vor  der  Beendigung  des  Tasso,  dessen  Schluß  Du  hiebei 
erhältst.     Geendigt  ist  das  Werk  nun  freilich;    wie  wenig  ich  es  indessen  als  voll- 


Nachtrag  zu   1802.  j^g 


endet  ansehe,  wirst  Du  vielleicht  bei  einer  künftigen  Auflage  erfahren,  wenn  die 
Götter  es  dazu  kommen  lassen.  || 

Wie  sehr  hätte  ich  gewünscht,  Deinen  Umgang  länger  genießen  zu  können, 
als  jene  wenigen,  kurzen  Stunden !  Gewiß,  wenn  irgend  etwas  in  der  Schöpfung 
eine  verjüngende  Kraft  besitzt,  so  ist  es  das  Wiedersehn  eines  Freundes.  Die 
Schatten  jener  glücklichen,  zu  schnell  entschwundenen  Tage,  die  wir  einst  in  Jena 
zusammen  verlebten,  umschwebten  mich  hell  und  lebendig;  und  wenn  es  nur 
Schaffen  waren,  so  lag  die  Schuld  gewiß  an  mir,  der  so  lange  unter  Träumen  und 
Bildern  gelebt  hat,  daß  ihm  oft  die  Wirklichkeit  selbst  zu  Traum  und  Schatten  wird. 

Du  wirst  wohl  am  Ende  gemerkt  haben,  daß  ich  selbst  in  Deiner  und  Deiner 
jungen  Freunde  Gesellschaft  mich  in  einer  Art  von  Verlegenheit  befand,  die  ich  nur 
übel  verhehlen  konnte.  Du  hegtest  Erwartungen  von  mir,  die  ich  nicht  befriedigen 
tonnte:  Du  kündigtest  mich  Deinen  Freunden  mit  einem  gewissen  Pomp  an,  der 
mich  mehr  beschämte  als  erfreute.  Wie  lange  hätte  ich  diesen  Kothui'n  behaupten 
können?  Wie  bald  hätte  die  Heroenmaske  fallen  müssen,  die  Du  mir  geliehen 
hattest  und  in  die  ich  mich  so  schlecht  zu  schicken  verstand!  |j 

Glaube  mir,  mein  Freund,  es  war  gut,  daß  ich  Göttingen  verließ  und  auf 
diesen  alten  Schauplatz  meiner  Leiden  und  Freuden  zurückkehrte.  Eine  Heimat 
muß  der  Mensch  haben,  und  diese  habe  ich  mir  gewühlt.  Es  kommt  mir  vor  wie 
ein  Verbrechen  gegen  das  Vaterland,  wenn  ich  den  Ort  ganz  verlassen  könnte,  dem 
ich  so  Vieles  und  Großes  verdanke.  Auch  fühle  ich  es  lebhaft,  daß  es  nicht  bloß 
Gewohnheit  ist,  was  mich  hier  fesselt.  Diese  Gegenden  waren  mir  wieder  neu  ge- 
worden in  den  wenigen  Tagen  der  Trennung.  Der  schönste  Herbst,  den  ich  jemals 
erlebte,  lieh  ihnen  ungewöhnliche  Reize.  Alles  erinnerte  mich  an  jenen  fast  eben 
so  schönen  Herbst,  der  mich  vor  sieben  Jahren  in  dieses  Elysium  einführte.  Mit 
welchem  Entzücken  strich  ich  auf  den  Bergen,  in  den  Thälern  umher! 

Wie  schimmernd  wand  sich  in  des  Thaies  Mitte 

Durch  Erlen  hin  des  Flusses  Silberglanz ; 

Wie  lachte  bei  des  Herbstes  frohem  Tritte 

Im  Rebenschmuck  der  Hügel  bunter  Kranz! 

Wie  neu  war  alles  den  erstaunten  Blicken; 

Durch  meine  Brust,  vom  Ahnungshauch  geschwellt, 

Fühlt  ich  den  Strahl  des  schönero  Lebens  zücken, 

Und  offen  lag  vor  mir  die  Welt.  —  || 
Und  wie  lebst  Du,  mein  Freund,  bei  Deinen  neuen  Beschäftigungen?  Wie 
gefällt  Dir  der  Katheder?  Wie  steht  es  mit  Deinen  Vorlesungen?  Billig  hätte  ich 
schon  längst  von  Dir  wenigstens  eine  schriftliche  Gegenvisite  für  meinen  letzten 
sowohl  schriftlichen  als  persönlichen  Besuch  haben  sollen.  Aber  leider  ist  die 
Epistolophobie  bei  Dir  ein  so  eingewurzeltes  Uebel,  daß  ich  fast  zufrieden  seyn 
muß,  wenn  ich  auf  zwei  Briefe  immer  nur  Eine  Antwort  von  Dir  erhalte.  Ueber- 
haupt  bin  ich  jetzt  ziemlich  übel  daran  mit  meinen  Korrespondenten.  Hast  Du 
Nachricht  von  Deiner  Mutter?  Wo  ist  sie?  Wie  geht  es  ihr?  Weißt  Du  von  den 
Freunden  etwas,  von  Eist,  Berger,  Böhlendorff?  Es  herrscht  jetzt  ein  allgemeines 
Stillschweigen,  und  es  kommt  mir  manchmal  vor,  als  wäre  alles  aus  und  vorbei. 

Lebe  wohl.  Bester,  und  gedenke  meiner  bei  Deinen  jungen  Freunden.  Be- 
sonders empfiehl  mich  dem  freimdlichen  Füßli  und  dem  wackern  Gildemeister  und 
-dem  schönen  Steiger,  dessen  Gestalt  mich  an  den  Gott  von  Belvedere  erinnert  hat. 
Plato  müßte  ganz  Unrecht  haben,  wenn  nicht  noch  irgend  etv?as  in  ihm  verborgen 
läge,   was  Dir  ^•ielleicht  entgangen   ist.     Noch  einmal,   lebe  wohl   und  schreibe  bald 

Deinem     J.  D.  Gries. 


I40  Nachtrag  zu   1803. 


781.  Aus  einem  Briefe  Ziemssens  an  H.    (10  S.   8^.    N.) 

Schloß] i  b.  Bern  20.  Jan  1803 
.  .  .  Ferner  wünsche  ich  noch  ein  Angeu-Zeugniß  über  Pestalozzi  für  Deutschl. 
abzulegen,  wo  Du  eigentl.  das  einzige  treffende  Wort  über  ihn  geredet  hast.^)  Aber 
es  scheint  nicht  zu  aller  Ohren  zu  kommen,  und  nicht  allenthalben  fruchtbaren 
Boden  zu  finden.  Die  Urtheile  Deutschlands,  die  hier  täglich  von  Regierung, 
Kirchen-  und  Schulräthen,  Rectoren  u.  s.  w.  einlaufen,  sind  unter  aller  Kritik-,  die 
einen  erheben  ihn  als  den  Einzigen  Propheten  ohne  zu  wissen,  warum  ||  es  zu  thun 
ist,  und  thun  der  guten  Sache  im  Ganzen  vielleicht  mehr  Schaden,  als  die  andern, 
die  s.  Lehre  als  Unsinn  oder  abgeschmaktes  Zeug  verschreien.  Glaubst  Du  einige 
Worte  als  darstellenden  Bericht  1.  zweckmäßig  oder  nicht?  —  2.  nicht  über  meine 
Kfte?  Ich  bitte  um  baldige  Antivort.  —  A'orarbeiten  dazu  liegen  da.  —  Ich  stand 
in  der  Nähe,  und  hoffe  aus  der  Ferne  zugesehen  zu  haben  .  .  .  "j 

782.  Böhlendorff  an  Smidt  aus  Berlin.  8.  Febr.  1803 

,,Wie  erfährt  man  etwas  von  Herbart.  Den  Tod  seiner  Mutter  wird  er,  wenn 
ich  ihn  recht  kenne,  schwer  fühlen.  Aber  sie  wird  der  Ruhe  froh  seyn  —  Sie 
war  eine  seltne  Frau,  aber  sie  konnte  nie  glücklich  seyn.^' 

783.  Ziemssen  an  H.     (4  S.    8«.     N.)  Schlößli  bey  Bern  April  1803. 

Mein  theurer  Herbart,  es  war  in  Burgdorf,  wo  ich  vor  einigen  Tagen  Deine 
Zeilen  erhielt,  die  ich  wenigstens  mit  einigen  Nachrichten  beantworten  muß. 

Mein  Vater  ist  in  eine  ordentliche  theol.  Professur  hin  aufgerückt,  dadurch 
eröffnen  sich  für  mich  allerhand  Aussichten.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  der  Magistrat 
von  Gr[eifswald]  mir  seine  ziemlich  annehmliche  Prediger -Stelle  übertragen  wird. 
Ferner  hat  der  General-Gouverneur  von  Pommern  und  Rügen  meinem  Vater  das 
Versprechen  gethan,  mir  das  Schulmeister -Seminarium  des  ganzen  Landes,  (worin 
Jeder  Landschulmeister  ohne  Ausnahme  gebildet  seyn  muß,)  zu  übergeben;  und  sich 
einen  Bericht  über  Pestalozzi  von  mir  erbeten.  Endlieh  hat  derselbe  meinem  Vater 
noch  versprochen,  wenn  er  mich  dazu  tüchtig  finde,  mir  auch  die  erledigte  Ad- 
junctur  der  theol.  Fakultät  zu  ertheilen.  Obgleich  nichts  von  allem  dem  nun  ganx 
sicher  ist,  da  ich  es  nur  mündlich  von  dem  Hn.  habe,  so  muß  ich  doch  in  meinen 
Einrichtungen  darauf  Rücksicht  nehmen.  —  Nach  dem  Wimsche  meines  Vaters  gehe 
ich  von  hier  (wahrscheinlich  im  May)  nach  Paris,  und  von  da  nach  Deutschland 
zurück,  wo  ich  entweder  in  Jena  oder  Göttingen  in  der  Philos.  promoviren  muß.  )| 
Ich  werde  hierin  wahrscheinlich  Jena  den  Vorzug  geben,  theils  weil  ich  mehrere 
Professoren  dort  einmal  genauer  kenne,  theils  aber  auch  weil  ich  glaube,  daß  mir 
dort  das  Exam  en  selbst  leichter  fallen  wird,  weil  man  in  Jena  wohl  eher  mit  dem 
Geiste  zu  befriedigen    ist   ohne   die  größte  Genauigkeit  im   Buchstaben   zur  unum- 

^)  Über  Herbarts  Verhältnis  zu  Pestalozzi  ist  noch  zu  vergl. :  „Wie  Gertrud  — 
in  der  Beleuchtung  eines  zeitgenössischen  Verehrers  Pest.",  Vortrag  von  Th.  Wiget 
(Schw^eiz.  Päd.  Zeitschr.  1912.  Heft  11);  ferner  Th.  Wiget,  Pest,  und  Herb.  (Jahrb. 
des  Vereins  für  wissensch.  Päd.  1891  u.  92),  Dort  sind  (23.  Jahrg.  S.  200)  noch 
folgende  Notizen  aus  den  Protokollen  der  literarischen  Gesellschaft  in  Bremen  mit- 
geteilt: „Nov.  1801:  Herb,  las  einen  Auszug  aus  Pest.  Schrift  ,Wie!  Gertr.',  be- 
gleitet von  Erläuterungen.  Er  legt  dann  der  Gesellschaft  einen  eignen  Entwurf 
vor.  —  Dez.  1801:  Herb,  zeigte  versch.  Hilfsmittel  zur  Ausführung  der  Ideen  des 
Pest,  zur  Päd." 

^j  Ziemssens  Bericht  ist  erschienen.  —  Leider  ist  es  nicht  möglich  gewesen,, 
die  Briefe  Herbarts  an  Ziemssen  und  Muhrbeck  trotz  vielfacher  Nachfrage  auch  bei 
den  noch  lebenden  Nachkommen  dieser  Männer  aufzufinden. 


Nachtrag  zu   1803.  j^j 


gänglichen  Bedingung  zu  machen,  als  in  Göttingen.  Könnte  ich  mich  einige  Zeit 
ruhig  darauf  vorbereiten,  so  wüi-de  dies  weniger  bey  mir  in  ErwägTing  kommen, 
als  jetzt  da  ich  diese  Sache  mitten  unter  Reise  und  tausenderley  andern  Zer- 
streuungen abmachen  muß.     Auch  würde  ich  in  Gott,  vielleicht  disputiren  müssen, 

was  in  Jena  wegfällt.    Vielleicht  sind  auch  die  Kosten  in  G.  beträglicher. 

Willst  Du  die  Gefälligkeit  haben,  mir  über  diese  Punkte  einige  nähere  Auskunft  zu 

geben. Um  desto  länger  bey  Dir  zu  seyn,  würde  ich  sonst  G.  vorziehen. 

Wenn  keine  unerwartete  Umstände  mich  nöthigen  meinen  Plan  zu  ändern,  so  hoffe 
ich  etwa  im  August  bey  Dir  zu  seyn;  doch  bin  ich  noch  unschlüssig,  ob  ich  vor- 
her oder  nachher  nach  Jena  gehen  werde,  wenn  ich  dort  promovire. 

Am  Rhein  werde  ich  einige  Zeit  verweilen.  Ich  habe  neulich  in  Burgdorf 
seit  Jahren  eine  |der  interessantesten  Bekanntschaften  in  einem  jungen  Manne 
Namens  KLEiNscHiHD  von  Heidelberg,  (jetzt  in  Kreutznach)  gemacht;  ||  mit  dem  ich 
mich  durch  Interesse  des  Kopfes  und  Herzens  gleich  innig  verband,  und  den  ich 
besuchen  werde ;  er  will  mein  Gesellschafter  am  Rhein  seyn.  Er  lebt  der  Erziehung, 
der  Philos.  und  den  Musen,  und  gehört  in  unsre  unsichtbare  Kirche;  Pestalozzi 
liebt  und  schätzt  ihn.  Von  dem  edlen,  verehrungswürdigen  Pestalozzi  kann 
ich  mich  fast  nicht  losreißen.  Er  -wird  mir  nach  gerade  in  Wahrheit  heynahe 
ein  Heiliger;  Du  kannst  keine  Idee  davon  haben,  wie  tief  dieser  Mann  den  Sinn 
des  Lehens  aufgefaßt  hat.  wovon  das,  was  er  für  Erziehung  thut  nur  eine  einzelne 
Ausströmung  ist.     In  ihm  habe  ich  doch  wenigstens  einmal  ein  achtes,  hohes  Genie 

ganz  in  der  Nähe  gesehen  und  an  mein  Herz  gedrückt. AVas  ich  von  seiner 

Einseitigkeit  ehemals  faselte,  nehme  ich  jetzt  größtentheil  zurück;  es  ist  bey  ihm 
durchaus  nicht  von  bloßem  Unterricht^  sondern  von  der  ganzen  Erziehung  die 
Rede.  —  —  —  — ^ 

Doch  wirst  Du  hoffentlich  nicht  glauben,  daß  ich  zu  einem  iiherschicänglichen 
Verehrer  geworden  sey  (wie  Jacobi  sich  auszudrücken  pflegte).  —  Doch  darf  ich 
Dir  nicht  verhehlen,  daß  wir  hier  mit  Deiner  Rec.  über  Ith  und  P[estalozzi] ')  nicht 
ganz  zufrieden  sind.  Ith  mbnite  sie,  setzte  aber  hinzu  der  Rec.  hat  den  Nagel 
durchaus  nicht  auf  den  Kopf  getroffen.  Zehender  und  einige  andere  sagten:  sie  sey 
wenigstens  unbedeutend  und  in  der  Eile  hingegossen;  und  mehr  dergl.  Urtheile.  || 
Meine  und  I'estalozzis  Einwendungen  und  Antworten  sind  etwas  weitläuftiger,  so 
daß  ich  sie  vielleicht  bis  zur  mündhchen  Unterhaltung  verschieben  muß,  wo  ich 
mich  schmeichle  von  Dir  angehört  und  beantwortet  zu  werden.  Theurer  H.  ich 
freue  mich  unendlich  auf  die  seligen  Stunden,  die  meiner  in  diesen  so  lange  er- 
sehnten Tagen  harren,  wo  ich  mit  Dir  die  Ansichten  des  Lebens,  der  Welt  und  ins- 
besondere der  Gegenstände  unserer  eigentlichen  Beschäftigungen  austauschen,  läutern 
und  erhellen  kann.  Wir  waren  lange  getrennt,  wir  werden  in  manchen  Dingen 
eine  von  einander  verschiedene  Richtung  genommen  haben,  und  anfangs  über 
manches  verschiedener  Meinung  seyn,  laß  dies  kein  Hinderniß  zwischen  uns  werden. 
Laß  uns  mit  dem  festen  Bewußts.  daß  wir  zu  einander  gehören,  und  mit  dem  Zu- 
trauen und  der  Innigkeit,  womit  wir  als  ewig  verbunden  hier  von  einander  schiedeni 
uns  wieder  einander  in  die  Arme  fallen;  laß  uns  nicht,  einer  sich  an  die  äußeren 
Ecken  des  andern  stoßen,  da  unsre  Herzen  sicli  doch  gewiß,  so  bald  wir  uns  ver- 
stehn,  gleich  sind;  laß  uns  womögl.  nicht  anders  und  nicht  eher  wieder  von  ein- 
ander scheiden,  als  bis  dieses  unser  Zusammenseyn  uns  die  innigste  Harmonie  mit 
einander  von  neuem  documentirt,  und  die  Fäden  für  die  Erhaltung  und  Benutzung 
ders.  angeknüpft  hat. 


1)  s.  Bd.  xn,  S.  3  ff. 


j^2  Nachtrag  zu  1803. 


784.    Zehender  an  H.    (4  S.    8^    N.)  Bern,  d.  11t.  Aug.  1803. 

Endlich  mein  theurer  Herbart  komme  ich  dazu,  Dir  wegen  Deinem  Auftrag  in 
Ansehen  Deiner  Bücher  —  zuzuschreiben.  Daß  es  erst  jetzt  geschieht  könntest  Da 
füglich  einem  Mangel  freundschaftlicher  Aufmerksamkeit  zuschreiben,  wenn  Ziemßens 
plötzliche  Abreise  und  meine  eigene  dreymonatliche  Abwesenheit  von  der  Stadt, 
mich  nicht  bei  Dir  entschuldigen  würden.  Als  Du  Zß.  schriebest  von  Deinen  Büchern 
hier  zu  verkaufen  was  Absatz  fände,  nahmen  wir  uns  vor,  einen  Catalog  Deiner 
Bücher  zu  machen;  —  uns  nach  den  gangbaren  Preisen  zu  erkundigen,  und  Dir 
solchen  dann  zu  überschreiben,  ehe  wir  etwas  veräußerten.  Nun  mußte  aber  Zß. 
weit  eher  abreisen  als  er  im  Sinn  hatte,  und  zu  gleicher  Zeit  nahm  ich  meinen 
Aufenthalt  im  G[urnigel]  bis  vor  einigen  Wochen,  so  daß  ich  nicht  früher  dazu 
kommen  konnte,  Deine  mir  von  Zß.  zugestellten  Bücher  zu  durchgehen  und  auf- 
zuzeichnen. Ich  benutze  nun  die  gute  Gelegenheit  Dir  dieses  Verzeichniß  durch 
Herrn  Seegelken  zukommen  zu  laßen  und  ersuche  Dich  mir  sobald  möglich  zu  melden, 
ob  ich  Dir  Deine  ganze  Bibliothek  durch  einen  hiesigen  Handelswagen  nach  ||  Göttingen 
spediren  laßen  solle  oder  ob  ich  einen  Theii  davon  hier  verkaufen  solle.  Im  letzten 
Fall  ersuche  ich  Dich,  die  zu  veräußernden  Bücher  zu  bezeichnen,  und  die  Preise 
beyzusetzen,  um  welche  Du  dieselben  lieber  verkaufen  als  behalten  willst.  Mangel 
an  Zeit  verhinderte  mich  die  Preise  der  hiesigen  Antiquaren  zu  vernehmen;  doch 
verlierst  Du  nichts  dadurch  indem  solche  Taxationen  so  niedrig  ausfallen,  daß  man 
sich  gar  nicht  darnach  richten  kann ;  —  und  was  Dir  verkäuflich  ist,  bei  Partikularen 
angebracht  werden  müßte. 

Die  Frachtpreise  bis  Frankfurt  sind  circa  7.  Gld.  der  Centr.  Von  dort  bis 
Göttingen,  wirst  Du  solche  am  letztern  Ort  erfahren.  Du  wirst  bemerken  daß  einige 
Werke  inkomplet  sind;  —  vielleicht  daß  Du  mir  sagen  kannst,  wo  ich  den  Defekten 
nachfragen  kann.  Den  Atlas  zu  Anacharsis  vermisse  ich  besonders;  —  weder  Zß. 
noch  S.n  wollten  wißen  solchen  gesehen  zu  haben.  Ob  Nr.  109.  inkomplet  ist,  weis 
ich  nicht  bestimmt;  —  es  könnte  seyn  daß  ich  den  2t.  Theil  übersehen  hätte. 
Nr.  98.  ist  in  jedem  Fall  wegen  seinem  Gewicht  kaum  des  Transports  werth  und 
wird  hier  noch  einen  Liebhaber  findea.  || 

Mit  den  Büchern  wirst  Du  denn  wohl  auch  Deine  Musikalien  zurückverlangen, 
welche  ebenfalls  bey  mir  liegen;  —  melde  mir  ein  Wort  darüber  und  auch  ob  ich 
Dir  die  Violine  zusenden  solle.  Es  ist  mir  hier  von  einem  Liebhaber  1.  Louisdor  dafür 
geboten;  er  sagte  mir  wenn  sie  r[epariert]  wäre,  könnte  sie  2.  gelten;  —  die  Reparatur 
könnte  aber  auch  2.  Laubthaler  kommen.  Willst  Du  sie  hier  laßen,  so  ist  es  wohl 
das  beste  sie  in  guten  Stand  sezen  zu  laßen  und  dann  gelegentl.  zu  verkaufen. 

Soviel  Deinen  Auftrag  betreffend  worüber  ich  Dich  bitte  mir  bald  zu  ant- 
worten, damit  die  allfällige  Spedition  noch  vor  dem  Winter  vor  sich  gehen  könne. 
Zwar  besorge  ich  dieselbe  mit  Wiederwillen  weil  ich  Deine  Bibliothek  immer  noch 
als  ein  Unterpfand  für  Deine  Rückkunft  in  die  Schweiz  betrachtete.  Leider  sehe 
ich  aber  jezt  auch  gar  nichts  was  Dich  dahin  ziehen  könnte;  und  indem  Dir 
C.  Steiger  nun  übergeben  wird  —  sezst  Du  Dein  Verdienst  um  uns  auch  im  Aus- 
land fort.  Möchten  sich  bis  zu  seiner  Rückkunft  solche  Auspicien  in  unserm  Vater- 
lande zeigen,  die  Dich  bewegen  könnten,  auch  dann  seyn  Begleiter  zu  seyn!  Das 
ist  alles  was  ich  ||  vorjezt- wünschen  darf. 

Du  wirst  wißen  daß  Steck  nun  eine  ehrenvolle  und  seinen  Talenten  an- 
gemeßene  Stelle  hat;  —  er  ist  Mitglied  des  obersten  Appelationsgerichts  des  Cantons. 
Auf  künftigen  Winter  gedenkt  er  mit  seiner  Familie  in  die  Stadt  zu  ziehen;  eine 
Aussicht  die  mir  große  Fi'eude  macht.  May  kehrt  eben  von  einem  Smonatl.  Aufent- 
halt in  Italien  zurück;   wir  hoffen   er  werde  auch  eine  angemeßene  Anstellung  er- 


Nachtrag  zu   1803.  142 


halteu.  Wenn  kein  Landkrieg  ausbricht,  so  können  unsere  Angelegenheiten  erträg- 
lich gehen;  nur  fürchte  ich  alles  von  dem  Geist  des  Obskurantismus  der  bey  vielen 
Regsgliedern  herrscht;  worunter  sich  wahrlich  auch  St.[eiger]  befindt.  Es  bedarf 
wirklich  des  ganzen  Credits  des  Auslandes  um  P.[estalozzi]  bey  uns  zu  dulden. 
Suche  ja  gelegentl.  den  trefl.  Mann  und  seine  Anstalt  St[eiger]  zu  empfehlen;  den 
Gesichtspunkt  dazu  wirst  Du  schon  zu  wählen  wißen;  —  überflüßig  wird  gewiß 
Deine  Bemühung  nicht  seyn.  Was  treibt  Böhlendorf;  —  kannst  Du  uns  nichts 
näheres  von  ihm  melden?  Du  mein  Lieber  bist  wohl  mit  Deiner  jetzigen  Lage  zu- 
frieden; etwas  näheres  von  Deinen  Arbeiten  und  Beschäftigungen  zu  wißen,  würde 
Deinen  Freund  sehr  intereßiren. 

Meine  Frau  und  ich  grüßen  Dich  herzlich  —  Steck  ebenfalls;  —  wir  reden 
oft  von  Dir.     Auf  immer  Dein     Zehender. 

785.  Hoene  an  H.     (4  S.    4".     N.)  Huntlosen  7.  Okt.  1803 

786.  Zehender  an  H.^)    (4  S.    4«.    N.)  Bern  den  30.  Dez.  1803 

Du  wirst  wohl  mein  theurer  Herbart  die  Bücher  Eiste,  seit  langem,  und  wie 
ich  hoffe  wohlbehalten,  empfangen  haben.  Billig  konntest  Du  mit  derselben  einen 
Brief  erwarten  seyn ;  —  allein  kleine  Abwesenheit,  Unpäßlichkeiten  und  häusliche 
Zerstreuungen  verursachten  von  einer  Woche  zur  andern  Aufschub,  und  nun  kann 
ich  wohl  das  Ende  des  Jahres  nicht  wohl  beßer  anwenden,  als  mich  mit  Dir  mein 
unvergeßlicher  Freund,  zu  unterhalten.  Zuerst  von  den  Büchern;  es  sollen  keine 
fehlen  als  10.  Stück  von  den  Hören  1795.  —  Böhlendorf  hatte  einen  defekten  Jahr- 
gang 1796.  Diß  veranlaßto  mich  beyde  zu  kompletiren  und  zu  behalten,  voraus- 
sezend  von  einem  einzelnen  defekten  Jahrgang  wüi'de  keiner  von  Euch  Nuzen 
ziehen  können.  Ich  entnchtete  für  den  Deinigen  die  Fracht  der  Kiste  bis  Basel  mit 
66.  Bazen,  auf  Deine  Genehmigung  dieses  kleinen  Kaufhandels  hin,  infolg  desselben 
Du  die  Fracht  nur  von  Basel  weg,  zu  zahlen  hattest.  Sodann  fand  ich  lezthin  mit 
einiger  Bestürzung  unter  meinen  Büchern  die  kl-eine  Schrift  von  Gaspari,  über  das 
Studium  der  Geographie,  das  ich  zum  lesen  in  meinen  Bücherschrank  genommen 
und  bey  Absendung  der  Kiste  vergeßen  hatte.  Sollte  Dir  noch  mehreres  fehlen  so 
sey  so  gut  ||  es  mir  zu  melden,  damit  ich  auf  meinem  Verzeichniß  nachsehen  könne. 
Die  Violine  ist  wirklich  bey  einem  meiner  Freunde  der  sie  in  Stand  sezen  wiid  und 
vielleicht  bald  verkaufen  kann. 

Und  nun  habe  ich  nichts  angelegentlicheres  als  Dir  zu  sagen,  daß  ich  um- 
ständliche mündhche  Nachricht  von  Dir  gehabt,  —  mich  des  langen  und  breiten 
nach  Dir  erkundiget  habe,  und  innige  Freude  hatte,  Fragen  über  Dich,  thun,  und 
Antworten  Dich  betreffend  —  hören  zu  können.  Du  erräthst  wohl,  daß  es  durch 
den  jungen  Wyß  geschehen,  mit  welchem  ich  erst  diesen  Winter  bekannt  wurde 
und  deßen  Bekanntschaft  mir  nun  noch  einmal  so  lieb  wäre,  da  sie  mir  zu  einer 
Art  von  näheren  Umgang  mit  Dir  verhalfe.  Ich  hatte  noch  nie  so  stark  gefühlt, 
wie  anziehend  und  erfreulich  es  ist,  jemand  zu  sehen  und  zu  hören,  der  mit  ent- 
fernten und  theuren  Personen  in  Verbindung  gestanden  und  uns  Dinge  von  ihnen 
erzählt,  die  wir  gerne  zu  vernehmen  gewünscht  hatten. 

So  viel  ich  daraus  schließen  kann,  so  gehst  Du  auf  Deiner  philosophischen 
Laufbahn,  mit  immer  gleichem  Muth,  Schärfe  des  Geistes  und  mit  Erfolg  vorwärts, 
und  Deine  äußere  Lage  ist  so  angenehm  ||  als  Du  .sie  bey  Deinen  Ansprüchen  wohl 
wünschen  wirst.  Nach  dem  Resultat  Deiner  Forschungen  in  der  Philosophie,  fra^e 
ich  nicht,  sie  gehen  auf  ein  tief  begründetes  System,  das  ich  erst  in  seiner  An- 
wendung werde  kennen  lernen  können;  aber  ob  Du  den  Liebhabern  der  prakt.u 
Philosophie  nicht  bald  Deine  Meinung  über  einen  Theil   dieser  Anwendung  auf  die 


IAA  Nachtrag  zu  1805. 


Erziehungslehre  —  mittheilen  werdest,  ist  hingegen  eine  Frage  die  mich  um  so  mehr 
intereßirt,  seit  Schwarz  und  unser  Zieraßen,  wie  mir  scheint,  eine  ganz  neue  Bahn 
in  diesem  Falle  betretteu  haben,  und  mehr  auf  den  in  der  Tiefe  des  Menschen 
wohnenden  Geist,  auf  das  Innere,  Lebendige,  Individuelle,  in  demselben  Rücksicht  ge- 
nohmen,  als  die  von  Basedow  herkommende,  bis  auf  Pest[alozzi]  wohl  allein  herrschende 
Schule.  Noch  habe  ich  Schwarz  nur  flüchtig  durchgangen;  aber  die  Seele  dieser 
Schrift,  so  weit  über  dem  Geist  von  Salzmann  und  andern  diese[r]  Schule  gefunden, 
daß  wohl  ein  bedeutender  Fortschritt  dieser  Wissenschaft,  durch  jene  Schrift  mir 
unverkennbar  scheint.  Ton  Ziemßen  habe  ich  die  pädag.  Vorlesungen  angehört  ||  die 
jezt  wie  ich  höre  im  Druck  erschienen  sind,  und  die  mir  auch  ein  ganz  neues  mit 
Schwarz  übereinkommendes  Licht  aufstecken.  |  Seit  July  hat  niemand  hier  ein  Wöii- 
chen  Nachricht  von  ihm  erhalten ;  nicht  zweifelnd  daß  Ihr  in  einem  wissenschaftl.n 
Briefwechsel  steht,  ersuche  ich  Dich  ihm  zu  melden  daß  wir  seinen  Nachrichten 
mit  Ungeduld  entgegensehen.  |  Wenn  Du  also  auf  jene  Fragen  mir  antworten  wolltest, 
so  würdest  Du  wahren  Dank  von  mir  verdienen. 

Nun  eine  andere  Frage,  die  weniger  eigennüzig  ist;  was  hast  Du  für  Nach- 
richten von  unserm  Böhlendorf;  —  wo  ist  er  —  was  tüut  er.  Wir  waren  hier 
schon  lange  sehr  um  ihn  bekümmert,  und  Deine  letzten  Äußerungen  haben  imsere 
Besorgniße  noch  vermehrt.  Nun  wirst  Du  doch  etwas  näheres  von  ihm  wißen,  und 
bist  so  gut  uns  auch  davon  zu  benachrichtigen;  es  ist  uns  besonders  daran  gelegen 
wegen  einem  Brief  den  Steck  schon  im  Sommer  an  ihn  schriebe. 

Wie  befindt  sich  Carl  Steiger?   meine  besten  landsmännischen  Grüße  an  ihn. 

Eine  Unpäßlichkeit  hindert  mich  ausführlicher  zu  seyn.  Meine  Frau  und  Steck 
■der  mit  seiner  Familie  ganz  wohl  ist,  —    sagen  Dir  alles  freundschaftliche  durch 

Demen  ergebensten     A.  Z. 

Die  Bücher  Kiste  ist  Anfangs  Nov.  durch  das  Haus  Rathnau  Schwarzkopf 
V.  Frankf.  nach  Gott,  spediert  word.     [ßandbem.  d.  4.  Briefseite.] 

787.1)    Folgende  Summen,  deren  Gebrauch  ich  der  Güte  des  Hrn.   Elter- 
mann N.   Kulenkamp  verdankte,  als: 

seit   1802   den   i8ten  Sept.  rthlr.   200 
—    1803     „      I3ten   April      „      200   — 
erkenne   ich  hiemit   als  eine  Schuld  an,   deren  Rückzahlung   im  Lauf   des 
nächsten  Sommers  erfolgen  wird. 

Bremen    i8ten  April    1804  Joh.   Friedr.  Herbart. 

Daß  Herr  Senator  J.  Smidt  Wohlgeb.  mir  heute  obige  dem  Herrn  Doctor 
J.  F.  Herbart  angeliehenen  Rthr.  Vierhundert  in  Golde,  richtig  ausbezahlt  haben,  be- 
scheinige hiedurch.     Bremen  den  30  t.  Juny   1804.     N.  Kulenkamp. 

788.    J-  P.  A.  V.  Feuerbach  an  H.-)  Landshut  in  Bayern  d.  4.  Sptmbr  1805. 

Wohlgebohrner  Herr!  Hochzuverehrender  Herr  Professor!  Ohne  alle  Vorrede 
und  Einleitung,  wozu  mir  doch  so  manches  z.  B.  daß  ich  vor  mehreren  Jahren  als 
ich  eben  meine  Laufbahn  als  Lehrer  anfmg,  neben  Ihnen  in  Jena  zu  leben,  Sie  da 
zu  sehen  und  Sie  schon  damals  hochschätzen  zu  lernen  das  Glück  hatte,  Stoff  geben 


^)   I   S.    4".     Univ.-Bibl.  Jena.  —  Adr.:  Hm  Senator  Smidt  Wohlgebohren. 

2)  3  S.  4".  N.  —  Mit  Hilfe  dieses  Briefs  des  Kriminalisten  Feuerbach 
(1775 — 1833)  an  Herbart  ist  festzustellen,  daß  die  Antwort  Herbarts,  die  im  1.  Brief- 
bande S.  279  mitgeteilt  ist,  an  Feuerbach  in  Landshut  (nicht  in  München)  gerichtet 
war  und  jedenfalls  im  Sejjtember  1805  geschrieben  ist. 


t 

1 

1 


Nachtrag  zu  1806.  14  c 


könnte  —  kurz:  ohne  alle  Umschweife  dieser  Art  wende  ich  mich  sogleich  zum  Haupt- 
thema meines  Briefes. 

Schon  vor  etwa  einem  halben  Jahre  nahm  ich  mir  die  Freyheit,  Sie  als  Lehrer 
der  Philosophie  auf  der  Universität  Landshut,  meiner  Regierung  vorzuschlagen. 
Gewisse  Hinderniße,  die  Sie  vielleicht  —  möge  doch  dieses  der  Himmel  so  fügen!  — 
einst  mündlich  von  mir  hören  können,  traten  in  den  Weg  und  meine  schöne  Hoffnung 
schien  mir  für  immer  verschwunden  zu  seyn.  Jezt  sind  alle  "Wege  geebnet  und 
nur  Sie  Selbst  können  den  Wunsch  vereiteln,  den  mein  Freund  Jacobi  auf  das 
innigste  mit  mir  theilt  —  daß  auch  Sie  der  Unsrige  werden,  daß  Sie  es  für  eine 
schöne  Bestimmung  ||  halten  mögten,  an  dem  großen  und  schönen  Werke,  das  uusre 
•weise  Regierimg  begonnen  hat-,  an  dem  Werke  der  Bildung  und  Veredlung  einer 
unverdorbenen  kräftigen  Nation,  vereinigt  mitzuwirken  durch  Wort  und  That.  Finden 
Sie  überhaupt  diesen  Antrag  nicht  verwerflich,  so  melden  Sie  mir  gütigst  —  aber 
unverzüglich  Ihre  Bedingungen.  Keine  Regierung,  keine  Universität  kann  Ihnen  in 
öconomischer  Rücksicht  gewähren,  was  die  unsrige  Ihnen  leisten  kann.  In  keinem 
Staat  ist  auch  für  Witwen  und  Waisen  so  gesorgt,  als  hier.  Die  Stadt  Landshut 
ist  schön,  die  Gegend  umher  könnte  der  Jenaischen  zuverlässig  den  Rang  streitig 
machen.  Wegen  der  Religion  dürfen -Sie  unbesorgt  seyn:  wir  Protestanten  haben 
zu  viel  Intolleranz,  als  daß  wir  uns  nicht  den  Katholicismus  noch  viel  intolleranter 
denken  —  dann  aber  am  Ende  uns  doch  betrogen  finden  sollten.  Ueberdieses  sind 
in  Landshut  außer  mir  und  meiner  Familie,  noch  drey  protestantische  Lehrer,  Prof. 
Breyer,  Ast  und  Dr.  Butte, ')  wovon  nur  der  erste  ohne  Familie  ist.  Die  Zahl 
unsrer  Studirenden  ist  etwas  über  550:  doch  dürfen  Sie  nicht  sehr  viel  auf  Honorarien 
rechnen.     Daher  muß  die  Besoldung  ersetzen,  was  in  jener  Rücksicht  mangelt. 

Es  wird  nicht  fehlen;  man  wird  Ihnen  in  Göttingen  manches  gegen  Landshut, 
gegen  Bayern  überhaupt  sagen.  Aber  entscheiden  Sie  doch  ja  nicht  gleich:  denn 
die  Verläumdung  sagt  oft  weit  mehr,  als  die  Wahrheit.  Trauen  Sie  nicht  genug 
Unbefangenheit  oder  ||  Redlichkeit  mir  zu,  so  wenden  Sie  Sich  nur  an  den  ehr- 
würdigen Piaton  der  Deutschen,  imsern  Jäcobi.  Er  wird  zwar  die  Uebel  nicht  ver- 
decken oder  vei-schönern,  die  noch  hier  und  da  das  Gemähide  des  neugeschaffenen 
Bayerns  beflecken:  aber  Er  wird  Ihnen  zugleich  sagen  oder  Sie  Selbst  werden  finden, 
daß  diese  Uebel  theils  überall  oder  auf  allen  Universitäten  einheimisch,  theils  aber 
nur  kleine  vorüberziehende  Wolken  sind,  welche  blos  auf  Augenblicke  die  unüber- 
windliche Sonne  verdunkeln. 

Sobald  ich  von  Ihnen  Ihre  vorläufige  günstige  Erkläiung  habe,  werde  ich  Ihnen 
sagen  dürfen,  in  welcher  Eigenschaft  ich  diese  Anfrage  schrieb. 

Jacobi.  der  nun  seit  14  Tagen  in  München  ist  und  mit  dem  ich  vor  einigen 
Tagen  die  schönste  Zeit  meines  Lebens  zubrachte,  grüßt  Sie  durch  mich  und  ver- 
sichert Sie  Seiner  Freundschaft  und  Hochachtung. 

Mit  ausgezeichneter  Hochachtung  und  Ergebenheit  Eurer  Wohlgebohren 
gehorsamster  Diener     J.  P.  A.  Feuerbach  Hofrath  u.  Professor. 

N.S.  Darf  ich  fragen:  ob  Sie  auch  Xaturrecht  lesen?  denn  dieses  ist  hier 
ein  großes  Bedürfniß. 

789.    Graf  George  Sievers  an  H.    (4  S.   8".    N.)  Leipzig  d.  25.  Jan.  6. 

Mein  theurer  Freund  und  Lehrer  Dank,  innigen  Dank,  für  Ihr  letztes  liebes 
Andenken.^)     Die  Zeilen   von  Ihrer  Hand  hat  mir  mein  P[later?]    überlassen.     Ich 

')  K.  W.  Fr.  Breyer  (1771—1818).  der  Historiker  und  spätere  Prinzenerzieher. 
W.  Butte  (1772—1833),  Cameralist. 

■-')  Die  AlJg.  Päd.?     Vgl.  Bd.  I  der  Briefe  S.  283. 

Herbarts  Werke.     XIX.  lO 


j^5  Nachtrag  zu   1806. 


hoffe  sie  jedesmal  ohne  innren  Vorwurf  lesen  zu  können.  Mich  schreckt,  was  meine 
Ueberzeugung  und  meine  Grundsätze  anlangt,  die  "Wandelbarkeit  der  menschlichen 
Natur  nicht  mehr.  Ich  fürchte  nicht  mehr  ein,  von  Grund  aus,  andrer  Mensch  zu 
werden.  Sie  und  Ihre  Lehren  werden  mir  ewig  theuer  und  heilig  seyn.  Das  Streben 
den  letzteren  gemäß  zu  handeln  soll  nie  in  mir  erkalten.  —  Von  Ihrem  Werke 
den  zweckmäßigsten  Gebrauch  zu  machen  werde  ich  mir  eine  liebe  Pflicht 
sein  lassen. 

Erlauben  Sie  mir  dessen  was  mir  hier  vorzüghch  interessant  war,  mit  ein 
paar  Worten,  zu  erwähnen.  Mit  Carus  habe  ich  öfters  lange  Spaziergänge  gemacht. 
Sehr  angelegentlich  erkundigte  er  sich  nach  allem  was  Sie  betrifft.  Besonders  inter- 
essierte er  sich  für  Ihre  theoretischen  Ansichten;  erscheint  mit  den  seinigen  noch 
gar  nicht  aufs  Reine,  doch  dem  Schelling  nicht  abgeneigt.  Indessen  bin  ich  über- 
zeugt er  wird  Ihre  Schriften  mit  offnem  ||  Sinne  auffassen  und  mit  Unbefangenheit 
prüfen.  —  Daß  er  ihnen  angerauthet  Tilligs  Arithmetik  zu  recensiren,  müssen  Sie 
ihm  verzeihn.  Er  hat  von  diesem  eine  sehr  günstige  Meinung,  ohne  seine  mathe- 
matischen Kenntnisse  gehörig  würdigen  zu  können.  Tilligs  Methode,  die  Lindner 
in  der  Bürgerschule  practisch  übt,  bewährt  sich  trefflich.  Auffassung  der  Zahl- 
verhältnisse durch  die  Anschauimg  ist  der  Grundgedanke  dabei.  Die  Ausführung 
ist  von  der  Pestalozzischen  verschieden  und  scheint  zweckmäßiger.  ^) 

Gedikes  Bekanntschaft  ist  mir  ungemein  schätzbar.  Er  vereinigt  mit  der  Er- 
fahrung und  der  Festigkeit  eines  alten  Scholarchen  die  größte  Unbefangenheit  für 
Neuerungen.  Dabei  hat  er  den  Grundsatz,  die  freie  Thätigkeit  der  Lehrer  so  wenig 
als  möglich  zu  beschränken.  Er  achtet  den  Eifer  derselben  und  die  Liebe  für  ihr 
Geschäft  höher,  als  Mängel  und  Fehler  in  der  Methode,  wenn  sie  nicht  sehr  be- 
währt und  ei'heblich.  —  Mir  hat  er  viel  Zutrauen  bewiesen.  —  Er  forderte  mich 
sogar  auf,  ihm  mein  Urtheil  über  sem  Institut  ohne  Hehl  mitzutheilen.  Ich  war 
aufrichtig,  ohne,  wie  ich  hoffe,  gegen  -die  Bescheidenheit  zu  verstoßen.  Auf  die 
schmeiclielhafteste  Art  würdigte  der  edle  Mann  meine  Bemerkungen  zu  erwägen 
und  die  stattfindenden  Mängel  zu  motiviren.  Daß  ich  Ihnen  das  sage  ||  werden  Sie 
nicht  mißdeuten.  Am  meisten  haben  mir  Krugs  Verstandesübungen  und  Lindners 
Religionsunterricht  mißfallen.  Der  erstere,  der  zwar  sehr  eifrig,  aber  ein  unbieg- 
samer und  bornirter  Kopf  ist,  führt  den  Kindern  ein  ganzes  Heer  von  Kräften  vor, 
ohne  selbst  einen  andern  Begriff  von  Kraft  zu  haben  als  den  einer,  durch  und  für 
sich  selbst,  wirkenden  unergründlichen  Ursache.  So  wird  mit  dem  zuversichtlichsten 
Selbstvertrauen  von  einer  toten  Kraft,  von  einer  Thierkraft  einer  Bemerkungs- 
kraft etc.  etc.  gesprochen.  Diese  trefflichen  Ideen  stehen  in  dem  genauesten  Zu- 
sammenhange mit  den  religiösen  Vorstellungen  Lindners.  Alle  jene  Kräfte  sind  nur 
Modificationen  einer  einzigen  allgemein  verbreiteten  Urkraft  und  diese  ist  die 
Gottheit.  Lassen  Sie  Sich  doch  diese  Vorträge  von  meinem  Bruder  etwas  mehr 
ausführen.  Dem  Unfuge  muß  gesteuert  werden.  Ihre  Metaphysik  wird,  hoffe  ich, 
ein  Radicalmittel  abgeben.  —  Doch  muß  ich  Sie  bitten  die  ganze  hiesige  Bürger- 
schule nicht  nach  dem  nächst  Vorhergehenden  zu  beurtheilen.  Im  ganzen  ist  sie 
doch  eine  sehr  erfreuUche  Erscheinung,  besonders  wenn  man  darauf  Rücksicht 
nimmt,  daß  sie  erst  seit  2  Jahren  existirt  und  daß  das  Streben  nach  Vollkommenheit 
das  Grundprinzip  dei'selben  ist.  || 

Gedicke  hat  die  Gefälligkeit  gehabt  uns  mit  einem  i-aisonirten  Verzeichniß  der 
Berliner  Unterrichtsanstalten  nebst  einer  Menge  Adressen  zu  versehen.  Auch  nach 
Halle  gab  er  uns  die  besten  Empfehlungen. 

')  Vgl.  Th.  Fritzsch,  E.  Tillich.  Langensalza,  Hermann  Beyer  &  Söhne  (Beyer 
&  Mann),  1908. 


Nachtrag  zu   1806.  147 


Ich  ersuche  Sie  sehr  angelegentlich,  wenn  Sie  herkommen,  der  hiesigen  so 
genannten  Bewahr-  und  Vorbereitungsanstalt,  für  Kinder  von  3 — 6  Jahren/)  Ihre 
Aufmerksamkeit  zu  würdigen.  Zunächst  finden  die  Kinder  hier  Spielkameraden  und 
Aufsicht.  Der  Unterricht  unterbricht  eigentlich  nur  die  Spielstunden  und  währt 
nicht  länger  als  es  der  Aufmerksamkeit  dieses  Alters  angemessen  ist.  Er  ist  be- 
schränkt auf  die  Auffassung  der  Maaß  und  Zahl  Verhältniße.  auf  Analy.sis  der  Er- 
fahrung (wozu  man  sich,  da  die  gewöhnlichen  Gegenstände  im  Zimmer  bald  er- 
sphöpft,  eines  großen  Yorraths  kleiner  Modelle  von  allerlei  "Werkzeugen  und  Geräthen 
bedient;)  im  Sommer  wird  die  Botanik  diese  Stelle  besetzen.  Außerdem  wird  auch 
das  Ohr  und  die  Stimme  für  die  Musik  geübt.  Hr.  Heinze,  der  ehemalige  Associe 
von  Tillig,  hat  dieses  Institut  angelegt;  die  Aufsicht  und  der  Unterricht  der  Kinder 
ist  einer  Prediger  Wittwe  übertragen,  die  mit  beharrlichem  Eifer  für  die  gute  Sache, 
die  nöthige  Geduld,  Geschmeidigkeit  des  Geistes,  zweckmäßige  Bildung  und  ein  ge- 
fälliges Aeußere  verbindet.  In  einer  Stadt,  wo  die  Sitten  so  verderbt  und  wo  so 
wenig  gute  Mütter  wie  in  Leipzig  muß  eine  solche  Anstalt  höchst  willkommen  seyn. 
Leben  Sie  wohl.     Unverändert  Ihr  herzlich  ergebner    Sievers. 

790.    F-  A.  Carus  an  H.     (3  S.    8".    N.)  Leipzig  am  18.  Jan.  1806. 

Sie  konnten,  mein  theuerster  Herr  Professor,  keinen  beredtem  und  liebens- 
würdigem Vertreter  Ihres  Stillschweigens  in  Hinsicht  meines  letzten  Briefes  an  Sie 
wählen  als  den,  Ihren  bildenden  Einfluß  ebenfalls  sehr  ehrenden,  noch  bei  uns  und  auf 
unsern  Schulen  weilenden,  Graf  Sievers.  Ich  traue  Ihrem  Wort  —  das  Sie  noch 
lebendiger  durch  Ihn  mir  zusicherten  —  Sie  werden  mir  baldda.fi  Vergnügen  machen, 
recht  bald,  Ihre  combinirende  Kritik  der  neuesten  philos.  Morallehrbücher  zu  er- 
halten und  zu  lesen. 

Dazu  füge  ich  nun  noch  eine  Bitte,  von  deren,  ebenfalls  nicht  zu  später,  Er- 
füllung ich  schon  im  Voraus  gewiß  zu  seyn  wage,  da  auch  der  treffliche  Gr.  Sievers 
meine  Hoffnung  bereits  bestätigt  hat.  Der  Ihneo  bekannte  P.  Tillich  in  Dessau 
hat  nehmlich  ein  ganz  neugeformtes  Lehrbuch  der  Arithmetik  so  eben  herausgegeben, 
auf  welcher,  wie  er  sagt,  den  längsten  und  ernstlichsten  Fleiß  verwandt  und  welches 
er  durch  mehrfache  pädagog.  Versuche  bewährt  hat.  ||  Dieser  hat  sich  nun  eben  Sie 
zu  seinem  Recensenten  ausdrückhch  erbeten.  Da  ich  nun  wie  gesagt,  hoffe,  daß 
Sie  dies  ihm  und  mir  nicht  abschlagen  werden,  da  Sie  für  dessen  Kritik  vollkommen 
geeignet  sind,  so  lege  ich  zugleich  eine  andre  Anweisung  zum  ßechnen  von  Hörn  mit 
bei,  welche,  obschon  [sie]  weniger  Eigenthümlichkeit  hat  als  das  Tillichsche  Lehrbuch, 
doch  sogleich  schicklich  mit  der  letztem  in  Einer  Eecension  combinirt  werden  könnte. 
Endlich  kann  ich  Ihnen  nicht  sagen,  wie  sehr  ich  mich  Ihrer  „Pädagogik"  ent- 
gegenfreue, zu  der  mir  Hr.  Gr.  Sievers  bereits  die  angenehme  Hoffnung  gemacht 
hat.  Ist  es  möglich,  so  recensire  ich  sie  selbst.  Geht  es  durchaus  nicht  an,  so 
wählen  Sie  sich  einmal  —  Ihnen  vergönne  ich  es  gern  —  unter  Schwarze  in  Heidel- 
berg (der  eben  auch  eine  Pädag.  geschrieben)  und  Tiluch  in  Dessau  Ihren  Recen- 
senten. Sobald  ich  Ihren  "Wunsch  erfahre,  so  soll  einer  von  beiden  die  Rec.  des- 
selben erhalten.  || 

Und  nun  meine  besten  Wünsche  für  Ihr  Wohl  im  neuen  Jahre,  meine  Bitte 
um  gefällige  Besorgung  der  Inlage,  und  die  um  die  Erhaltung  Ihres  sehr  schätzbaren 
Wohlwollens  für  Ihren  Sie  hochschäzzenden  Freund     Carus. 

Die  beiden  arithmet.  Bücher  folgen,  wenn  sie  nicht  gleich  iezt  mitgesendet 
werden  können,  dennoch  mit  nächstem. 

^)  Vgl.  dazu  Fritzsch,  Tillich,  S.  9  und  die  „Beiträge  zur  Erziehungskunst" 
von  Weiß  und  Tillich ;  ferner  G.  Müller,  Die  ersten  Kindergärten  in  Leipzig  (Leipz. 
Zeitung,  1912,  Nr.  197.) 


j^g  Nachtrag  zu  1806 


791.    Casimir  Plater  an  H/)  Schloßberg  den  5  Märtz  1806 

Theurer  geehrter  Freund!  Endlich  sind  wir  zu  Hause,  George  [Sievers]  in  der 
Mitte  seiner  Familie,  ich  bey  meinem  Bruder  Micheln ;  ich  weiß  lieber  Herr  Professor 
wie  sehr  Sie  unser  Glück  theilen   und   sage  Ihnen  recht  herzlichen  Dank  dafüi'  — . 

Doch  schon  vor  dem  Wiedersehen  sollte  mir  noch  eine  andre  Freude  werden, 
ich  habe  schon  einen  kleinen  Schritt  machen  können  zur  Ausführung  unserer  Ideen, 
und  um  mich  in  einem  Punkte  Ihnen  wieder  zu  nähern.  In  dem  Hause  eines 
meiner  Onkeln  braucht  mann  emen  Hofmeister,  mann  hat  Zutrauen  zu  mir,  und  ich 
habe  den  Auftrag  mich  an  Sie  zu  wenden  —  Bedingungen  undj  Umstände  der 
Familie  werden  Sie  aus  dem  folgenden  Zettel  ersehen  aus  welchem  Sie  ohngefähr 
den  Geist  des  Hauses  lesen  können  —  Zu  diesen  mir  aufgetragenen  ||  Punkten  will 
ich  noch  selbst  hinzufügen  was  ich  nöthig  zu  seyn  glaube,  damit  Sie  noch  genauer 
das  Bedürfuiß  des  Hauses  beurtheilen  können.  — 

Mein  Onkel  ist  ein  Mann  von  ohngefähr  40 — 50  Jahi'en,  hat  nie  gedient,  aber 
gereiset,  etwas  geschrieben  über  Naturgeschichte  und  in  schönen  "Wissenschaften 
imd  hält  auf  seinen  Autorruhm,  —  Er  ist  nicht  im  Hause  diese  Autorität,  welche 
ruhig  und  imposant  wie  das  Gesetz  Muster  und  Zügel  für  den  Zögling  wird,  man 
hat  bey  ihm  zuweilen  Launen  auszuweichen,  doch  der  Erziehung  unbeschadet,  weil 
er  sich  beynahe  gar  nicht  mit  dieser  abgiebt. 

Meine  Taute  ist  nicht  gelehrt,  aber  vernünftig,  die  Seele  der  Hausregierung, 
eine  wahre  Mutter  für  alle  Hausgenossen,  zu  liebreich  vielleicht  für  ihre  Kinder, 
doch  empfänglich  für  jeden  guten  Rath  —  Das  Präsidium  über  die  Erziehung  ist 
ihr  durch  Vertrag  völlig  abgetreten  —  ||  Der  7  jährige  Knabe  ist  lebhaft,  faßt  leicht, 
behält  gut,  ist  lenksam  wenn  man  ihn  mit  vernünftiger  Autorität  behandelt,  be- 
herrscht aber  seine  Mutter  die  ihm  nichts  abschlagen  kann.  Er  hat  viel  theil- 
nehmendes  in  seinem  Charakter,  eine  Folge  seiner  Umgebung,  — •  2  ältere  Schwestern 
sind  ihm  ein  Gegenstand  der  Liebe  und  Muster  einer  feinen  sittlichen  Aufführung  — 

Dies  in  wenig  Worten  ist  eine  Schilderung  des  Hauses  von  meinem  Onkel  als 
Ergänzung  der  beygefügten  Darstellung  desselben  die  mir  von  meiner  Tante  selbst 
gegeben  worden. 

Ich  schmeichele  mir,  daß  Sie  getrost  in  dieses  Haus  einen  Ihi-er  Schüler  selbst 
würden  schicken  wollen,  und  mein  Wunsch  hat  schon  selbst  Ihrer  Wahl  vorge- 
griffen. 

Wie  sehr  wünschte  ich  Ungewittern  an  diesem  Platze  zu  sehen.  Ich  kenne 
meine  Tante  zu  gut,  den  großen  Werth  den  sie  auf  die  Erziehung  ihrer  Kinder  legt, 
die  liebreiche  Art  mit  welcher  sie  alle  behandelt  die  zu  ihrem  ||  Hause  gehören,  die 
Freundschaft  die  sie  für  mich  hat  und  daher  das  Zutrauen  in  die  für  welche  ich 
mich  interessire,  zu  sehr  um  es  je  bereuen  zu  können  wenn  es  mir  gelingt,  Un- 
gewittern den  ich  so  sehr  schätze  in  meine  Nähe  zu  bringen. 

Ich  erwarte  Ihre  Antwort,  sollte  sie  nicht  bald  erfolgen  können,  so  bitte  ich 
Sie  mir  dieselbe  durch  Alexander  |  Sievers]  zu  geben  — . 

Ich  hoffe  und  denke  —  leben  Sie  wohl  —  mögen  Sie  doch  mit  einigem  An- 
denken erwiedeim  die  Gefühle  von  Erkenntlichkeit  und  Hochachtung  Ihres  ewig 
treuen  Casimir  Plater. 

Meine  Tante  will  meinen  Brief  besorgen  und  Ihre  Antwort  unter  ihrer  Adresse 
erhalten.     Diese  ist:  Mad.  la  Comtesse  de  Borch  nee  Comt.  de  Browne  ä  Riga. 

^)  4  S.  8".  N.  C.  Plater,  den  Herbart  im  Widinungsschreiben  zu  seiner  Allg. 
Päd.  an  Smidt  erwähnt.  S.  Bd.  I  der  Briefe  S.  283.  —  Gleich  hier  sei  bemerkt, 
daß  sichs  wohl  auch  im  Briefe  Niemeyers  an  H.  (Bd.  I,  S.  286)  um  diesen  Hrn. 
von  Plater  handelt,  nicht  um  Hrn.  von  Platen,  wie  dort  steht. 


Nachtrag  zu  i8o8.  x^g 


792.    Smidt  an  H.     (4  S.    4».     N.)  Bremen  d.  27  Jan  1808 

Meinen  vorgestrigen  Brief  liebster  H. !  wirst  üii  richtig  erhalten  haben  —  mit 
diesem  erhälst  Du  die  gewünschten  375  Thaler  —  Nach  mehreren  vergeblichen  Ver- 
suchen sie  für  Dich  zu  erhalten,  habe  ich  sie  für  mich  von  einem  Bekannten  zu 
5  Procent  angeliehen  der  sie  indeß  über  3  Monate  zurückbegehrt.  —  Hoffentlich 
kannst  Du  gegen  die  Zeit  Anstalt  machen,  wo  nicht,  so  müssen  wir  suchen,  sie 
gegen  die  Zeit  sonstwo  aufzubringen.  Bey  dem  hiesigen  Geldmangel  kommt  die 
Creditlosigkeit  aller  die  wegen  der  Hannoverschen  Contribution  Geld  hieselbst 
suchen  hinzu  indem  man  sich  einbildet,  daß  wegen  Rückbezahlung  solcher  Summen 
man  mit  Publizirung  eines  Indults  oder  dergi.  —  fertig  bey  der  Hand  seyn  dürfte  — 
Ich  weis  daß  sehr  bemittelte  Personen  aus  dem  Hannoverschen  hier  8,  10  Procent 
Zinsen  geboten  haben  ohne  Geld  erhalten  zu  können  —  ||  Meine  Frau,  Schwestei', 
Thulesius  und  Noltenius  gräßen  Dich  herzlich  und  lassen  Dich  dringend  bitten  doch 
dieses  Jahr  nicht  verstreichen  zu  lassen  ohne  hier  einige  Wochen  bey  uns  zu- 
gebracht zu  haben.  Mehrere  Stellen  Deines  Briefes  lassen  mich  glauben  daß  aucli 
Dir  eine  solche  Äußerung  sehr  wohlthätig  seyn  dürfte  —  ich  lade  Dich  deshalb 
dringend  ein  die  Osterferien  dazu  zu  benutzen  —  Sind  die  Tage  dann  irgend  an- 
genehm ,  so  sollst  Du  in  unserm  zwischen  dem  Oster  und  Heerdenthor  an  der 
Contrescarpe  liegenden  Gartenhause  bey  uns  logireu,  und  wir  wollen  uns  alle  be- 
streben Dir  es  aufs  neue  heimisch  bey  uns  zu  machen,  —  Wenn  alles  wie  ich  hoffe  || 
und  wünsche  gut  geht,  so  siehst  Du  uns  dann  mit  4  Kindern,  da  meine  Frau  im 
März  ihre  Niederkunft  erwartet  —  Hanne  wirst  Du  sehr  herausgewachsen  aber  doch 
noch  mehr  Knaben  als  mädchenhaft  finden  —  Unsre  beyden  Knaben  sind  ebenfalls 
ein  paar  sehr  muntere  lebhafte  Jungen,  die  Dir  gewiß  Freude  machen  werden  — 
Mit  Petri  geht  es  sehr  gut  —  Meine  Schwester  ist  außerordentlich  mit  ihm  zu- 
frieden und  auch  wir  andern  sehen  ihn  äußerst  gern  in  unsern  geselligen  Zirkeln  — 
Glaube  nicht  daß  wir  Günthers  Verdienste  verkannt  haben,  das  war  sicher  nicht 
der  Fall  —  aber  er  war  jederzeit  so  einsylbig  daß  nichts  mit  ihm  anzufangen  war. 

Thulesius  arbeitet  an  der  Schule  noch  immer  mit  Lust  und  redlichem  Fleiß,  er 
läßt  Dich  herzlich  grüßen,  Hörn  desgleichen,  der  in  seinem  Würkungskreise  auch 
das  Seine  thut  || 

Daniel  Noltenius  (Friederikens  Mann)  der  Dir  sonst  ein  wenig  indolent  er- 
schien, ist  sehr  solide  geworden  —  Er  ist  seit  einem  Jahre  Actuarius  oder  Secretair 
des  Criminalgerichts  und  muß  von  Morgen  bis  in  den  Abend  sauer  arbeiten  welches 
er  sich  nicht  verdrießen  läßt.  Er  hat  einen  niedlichen  Knaben,  von  dem  Alter 
meines  kleinen  Heinrichs. 

Kulenkamp  hat  seit  dem  Tode  seiner  Frau  deren  langwierige  Krankheit  ihn 
sehr  drückte  an  Gesundheit  und  Heiterkeit  gewonnen.  Ich  besuche  ihn  etwa  alle 
4  Wochen  einmal  —  Thulesius  hat  aus  unserm  Zirkel  den  meisten  Verkehr  mit  ihm. 

Unter  unsern  weiblichen  Erzieherinnen  hat  sich  ein  wahres  Genie  aufgethan  — 
Es  ist  Demoiselle  Gleim,  eine  Freundin  von  meiner  Frau  und  ihrer  Schwester  — 
die  sie  im  Scherz  den  weiblichen  Herbart  nennen,  weil  sie  alles  mit  dem  größten 
Ernst  und  mit  seltner  Gründlichkeit  betreibt.  Unsere  Hanne  hat  Stunde  in  der 
deutschen  Sprache  bey  ihr,  und  ist  in  den  Capiteln  die  sie  mit  ihr  vorgenommen 
schon  so  fest,  daß  sie  sich  mit  jedem  Tertianer  examiuiren  lassen  könnte. 

Aber  komme  zu  uns,  so  sollst  Du  noch  allerley  mehr  sehen  und  hören. 

Hzl.  Dein     S. 

Ende  dieser  Woche  gehe  ich  wahrscheinlich  auf  14  Tage  in  Geschäften  nach 
Hamburg  —  Schreib  mir  aber  darum  nur  unter  meiner  Adresse  nach  Bremen,  ob  das 
Geld  richtig  übergekommen  —  Wenn  ich  nicht  hier  bin,  wii-d  mir  tägl.  alles  nachgeschickt. 


I  CQ  Nachtrag  zu    1808. 


793.  An  Freih.  von  Richthofen  in  Barzdorf.  ^)     Göttingen,  Ende  Sept.  1808. 

Der  Auftrag  einer  Dame  gibt  mir  die  willkommene  Gelegenheit,  Sie 
durch  ein  paar  Zeilen  an  mich  zu  erinnern.  Die  Frau  Ministerin  Grote 
hat  den  Gedanken  gefaßt,  auf  ihrem  Landgute  den  Versuch  mit  der 
Fabrikation  des  Runkelrübenzuckers  zu  machen.  In  Schlesien  sollen 
Fabriken  der  Art  existiren;  unter  andern  wird  ein  Major  von  Koppy 
(wenn  ich  nicht  irre)  genannt,  der  sich  der  Achard  sehen  Methode'-^)  mit 
Vortheil  bedient.  Es  käme  nun  darauf  an,  sichere  und  zureichende  Nach- 
richten von  dort  zu  erhalten.  Vielleicht  würden  Ihre  Verbindungen  Sie 
in  den  Stand  setzen,  uns  dergleichen  zu  verschaffen.  Dürfte  ich  in  diesem 
Falle  auf  Ihre  Gefälligkeit  hoffen?  Runkelrübenzucker  ist  zwar  kein  be- 
sonders reizender  Gegenstand  für  Ihre  Aufmerksamkeit ;  käme  es  aber 
darauf  an,  Sie  zu  reizen,  so  dürfte  ich  Ihnen  nur  sagen,  daß  die  treffliche 
Frau,  von  der  ich  Ihnen  öfter  sprach,  den  Winter  hier  in  der  Stadt  zu- 
bringen will,  und  daß  die  Bekanntschaft  ihres  Hauses  denn  wohl  eine  der 
angenehmsten  sein  möchte,  die  hier  in  Familien  gemacht  werden  können. 

Was  aber  eigentlich  in  Frage  komme,  nach  welchen  und  wievielen 
Dingen  man  sich  zu  erkundigen  hätte,  dies  hüte  ich  mich  Ihnen  näher 
zu  bestimmen.  —  Ohne  Zweifel  weiß  man  in  der  Fabrik  selbst  am  besten, 
was  alles  demjenigen  zu  wissen  noth  thut,  der  eine  ähnliche  anlegen  will. 
Nur  eines  fällt  mir  doch  ein,  zu  fragen:  Sollte  wohl  ein  Arbeiter  zu  er- 
halten sein,  der  mit  allem  umzugehen  wüßte,  wenn  etwa  die  Frau  Ministerin 
einen  solchen  verlangt?  —  Der  nächste  Monat  wird  Sie  uns  hoffentlich 
gesund  und  heiter  zurückbringen.  Dann  sprechen  wir  uns  weiter  über 
andere  Dinge.  Bis  dahin  wünsche  ich  Ihnen  alle  Freuden  des  heimischen 
Bodens  und  des  väterlichen  Hauses.  Der  Ihrige     Herbart. 

794.  Auerswald  an  H.^)  Königsberg,  den  2Sten  Novbr.  1808. 

Wohlgeborner  Herr!  Besonders  hocliEuehrender  Herr  Professor!  Ew.  Wohl- 
geborn  gefälliges  Schreiben  vom  24.  v.  M.  [vgl.  Bd.  XIV,  S.  7  ff.]  ist  mir  um  so 
angenehmer  gewesen,  da  es  meine  Hofnung,  Sie  hieher  versetzt  zu  sehen,  und  zu- 
gleich meine  Erwartung,  von  dem  für  die  hiesige  Universität  dadurch  entstehenden 

'•)  Aus  dem  Briefwechsel  ergibt  sich,  daß  eine  Anzahl  von  Briefen  Herbarts  an 
Karl  Ernst  Friedrich  Freiherrn  von  Richthofen  vorhanden  sein  muß.  Meine  Nach- 
forschungen führten  mich  zu  Hrn.  Freiherrn  von  Richthofen-Damsdorf  auf  Kohlhöhe. 
Er  hatte  die  Güte,  mir  mehrfach  Mitteilungen  zukommen  zu  lassen.  Leider  aber  wurde 
ich  von  dem  vermutlichen  derzeitigen  Besitzer  der  Briefe  ohne  Antwort  gelassen.  Ich 
muß  mich  daher  begnügen,  mit  fr.  Erlaubnis  des  Herrn  von  Richthofen  aus  einem  als 
Manuskript  gedruckten  Buche  die  Stellen  auszuziehen,  die  sich  auf  Herbart  beziehen. 
Die  Schrift  führt  den  Titel:  ,,Aus  dem  Leben  des  Karl  Ernst  Friedr.  Freih.  v.  Richt- 
hofen auf  Brecheishof.  Geschrieben  von  seinem  Sohne  Bolko  für  dessen  Kinder.'' 
Aufmerksam  wurde  ich  auf  das  Buch  durch  Hrn.  Oberlehrer  G.  Krusche  in  Leipzig  und 
durch  Hrn.  Rektor  B.  Clemenz  in  Liegnitz,  der  in  einem  interessanten  Buch  (Wandern 
und  Schauen  in  der  Heimat.  Dorf-,  Stadt-  und  Landschaftsbilder  aus  Schlesien.  Lieg- 
nitz, Krumbbaar)  einiges  aus  jener  Biographie  mitteilt.  In  Zukunft  werden  die  betr. 
Stellen  ohne  Quellenangabe  zitiert 

^)  Ein  Exzerpt  Herbarts  über  Rübenzuckerfabrikation  findet  sich  bei  den  Königs- 
berger  Manuskripten.  , 

3)  3  S.    4».    N.  —  H.  J.  V.  Auerswald  (1757—1833),  Kurator  der  Univ.  Königs- 


berg (1806—19). 


Nachtrag  zu   1809.  j  c  j 


Gewinn,  vermehrt  und  beinahe  zu  völliger  Gewißheit  gebracht  hat.  Desto  mehr 
freut  es  mich  Ew.  Wohlgeborn  jetzt  benachrichtigen  zu  können,  daß  des  Königs 
Majestät  Ihre  Berufung  hieher  völlig  und  unter  sämtlichen  vorgeschlagenen  Be- 
dingungen durch  die  Cabiuets  Ordre  vom  18.  d.  M.  allergnädigst  genehmigt  hat. 

Um  Ew.  "Wohlgeborn  Wünschen  nach  Möglichkeit  zu  willfaliren,  ist  die  Ein- 
richtung getroffen,  daß  Sie  nur  das  eine  von  Ihnen  vorgeschlagene  Publicum  über 
Logik  und  eine  damit  verbundene  Einleitung  in  die  gesammte  Philosophie  zu  lesen 
verpflichtet  werden,  statt  des  unentgeltlichen  in  Ihren  Lehrplan  nicht  passenden 
Collegii  über  Xaturrecht  oder  Moral  aber  das  Collegium  über  Pädagogik  publice  über- 
nehmen müssen,  und  hiefür  die  in  meinem  ||  Schreiben  vom  3.  v.  M.  erwähnten 
150  Rthlr.  erhalten. 

Ew.  Wohlgeborn  Idee  eines  pädagogischen  Seminarii  wird,  wenn  gleich  unab- 
hängig hievon,  hoffentlich  ausgeführt  werden  können,  da  dieselbe  mit  dem  jetzigen 
Plan  zu  Verbesserung  der  hiesigen  Universität  sehr  glücklich  zusammentrift. 

Als  Reisegeld,  dessen  Ew.  Wohlgeborn  erwähnen,  sind  Ihnen  300  Rthlr.  be- 
stimmt, und  es  wird  von  Ihnen  abhängen,  wenn  und  auf  welche  Weise  diese 
Summe  Übermacht  werden  soll. 

Zu  Beantwortung  der  übrigen  in  Ihrem  Schreiben  enthaltenen  Fragen  bemerke 
ich  noch,  daß,  nach  der  Verfassung  der  hiesigen  Universität,  jedes  Mitglied  der  philo- 
sophischen Facultät  alle  zu  derselben  gehörigen  Wissenschaften  vorzutragen  be- 
rechtigt ist,  mathematische  Vorlesungen  zE.  Ew.  WohJgeborn  also  unbedenklich 
frey  stehen  werden.  Und  ferner:  daß  gewöhnlich  zu  den  zwey  zu  haltenden  Dis- 
putationen zwey  Dissertationen  geschrieben  werden;  doch  möchten,  meines  Erachtens, 
auch  bloße  Theses  hinreichen. 

In  Absicht  der  Einkünfte  der  Professur  bleibt  es  ganz  bei  dem  Innhalt  meines 
Schreibens  vom  3.  v.  M.  Daß  die  Thaler  nach  dem  ||  hiesigen,  nicht  nach  dem 
hannoverischen  Münzfuß  zu  verstehen  sind,  bedarf  wohl  kaum  einer  Erwähnung. 

Ausdrücklich  und  auch  auf  höhere  Vorschrift  muß  ich  aber  noch  die  Bedingung 
anführen,  daß  Ew.  Wohlgeborn  gleich  am  Anfange  des  Sommer  Halbenjahrs  Ihre 
Vorlesungen  eröfnen,  Ihre  Reise  also  darnach  einrichten  müßten. 

Alles  Vorstehende  wird  Ew.  Wohlgeborn  beweisen  können,  mit  welcher  Bereit- 
willigkeit die  etwanigen  Hindernisse  entfernt  werden.  Um  desto  mehr  darf  ich  wohl 
einer  baldigen  und  den  hiesigen  Wünschen  ganz  entsprechenden  Antwort  ent- 
gegen sehen.   . 

Mit  der  vorzüglichsten  Hochachtung  habe  ich  die  Ehre  zu  seyn  Ew.  Wohlgeborn 

gez.  ganz  ergebenster  Diener     Auerswald. 

795.    Auerswald  an  H.     (2  S.    4".     N.)      Koenigsberg  den  19ten  Januar  1809. 

Sehr  angenehm  ist  es  mir  gewesen,  in  Ew.  Wohlgebornen  Schreiben  vom 
30ten  Dezbr,  das  ich  heute  erst  erhielt,  das  Versprechen  der  Uebernahme  der  Ihnen 
übertragenen  Professur  der  Philosophie  auf  der  hiesigen  Cniversität  bestimmt  wieder- 
holt zu  finden. 

Die  Vorlesungen  für  das  nächste  Sommerhalbjahr  nehmen  hier  den  17ten  April 
den  Anfang:  ich  wünsche  und  rechne  darauf,  daß  Ew.  Wohlgebornen  sich,  wenn  es 
angeht,  zu  dieser  Zeit  hier  einfinden  werden;  die  Rücksicht  auf  Conservation  Ihrer 
Gesundheit  geht  dabei  indessen  freilich  allen  übrigen  vor.  In  jedem  Fall  bitte  ich 
Ew.  Wohlgebornen  aber  mir,  und  zwar  mit  umgehender  Post,  das  Verzeichniß  der 
Vorlesungen  zu  schikken,  die  Sie  hier  halten  wollen,  um  dies  dem  Lections  Catalog 
einrükken  zu  lassen.  Das  unentgeltliche  Collegium  über  Logik  muß  Verfassungs- 
mäßig des  Morgends  von  7  bis  8  gelesen  werden,   die   Stunden   zu   allen   übrigen 


JC2  Nachtrag  zu   1809. 


Vorlesungen  hängen  aber  ganz  von  Ihrer  Wahl  ab.  Ew.  Wohlgebornen  Reisegeld 
betreffend;  so  würde  die  Uebersendung  nach  Göttingen  kostbar  und  schwierig  seyn: 
ich  würde  es  Ihnen  daher,  wenn  Sie  es  wünschen  ||  in  Berlin  anweisen,  und  behalte 
mir  alsdann  vor  Ihnen  das  Handlungshaus  oder  die  Kasse  wo  die  Zahlung  geleistet 
werden  soll,  noch  näher  anzuzeigen.  gez.  Auerswald. 

796.    An  A.  Kühnel  in  Leipzig  [?]i)  Göttingen  sosten  Jan.  1809. 

Ew.  Wohlgeboren  erhalten  hiebey  wiederum  das  Manuskript  einer 
Sonate;  die  mit  der  aus  Adur  zusammen,  oder  auch,  wenn  Sie  lieber 
wollen,  einzeln  kann  gestochen  werden.  Diese  hier  hat  besonderen  Eey- 
fall  gefunden,  vielleicht  zum  Theil  wegen  des  Rondo's,  das  aus  Variationen 
auf  ein  bekanntes  Liedchen  zusammengesetzt  ist. 

Für  die  übersandten  Nachrichten  über  Fortepiano's  nehmen  Sie 
meinen  Dank,  Ich  hatte  die  Idee,  mein  jetziges  ein  Schanzisches  zu 
verkaufen  und  ein  neues  mit  nach  Königsberg  zu  nehmen;  da  aber  ihre 
Antwort  sich  verzögerte,  schickte  ich  mein  Instrument  zu  dem  Herrn 
Krämer,  und  ließ  eine  Verbesserung  des  Mechanismus  versuchen,  die 
recht  gut  ausgefallen  ist.  Ein  besseres  Wiener  Instrument  zu  bekommen 
habe  ich  nicht  viel  Hoffnung,  mein  jetziges  ist  durch  die  Güte  des  Herrn 
Musikdirektor  Müller  zu  Leipzig  ausgesucht,  und  ich  hätte  Ursache  ge- 
habt sehr  für  die  Wahl  zu  danken,  wenn  nicht,  was  Herr  Müller  wahr- 
scheinlich nicht  wissen  konnte,  der  Kasten  des  Instruments  so  nachgiebig  || 
gegen  die  Einflüsse  der  Kälte  und  Ofenwärme  gewesen  wäre,  daß  im 
ersten  Winter  tausend  Risse  entstanden,  die  stärksten  Balken  sich  zogen, 
und  alle  Theile  aus  der  rechten  Lage  kamen.  Dabey  war  freilich  der 
Mechanismus  sehr  plump  gearbeitet,  und  nachdem  dieser  Fehler  durch 
Krämern  gehoben  ist,  bleibt  noch  der  zurück,  daß  das  Instrument  nicht 
Stimmung  hält,  obgleich  es  einen  guten  Platz  hat  und  immer  hatte.  Dies 
soll  bey  den  meisten  Wiener  Instrumenten  der  Fall  seyn. 

Ob  ich  noch  dazu  kommen  werde,  ein  neues  Instrument  zu  ver- 
schreiben: dies  steht  jetzt  in  mehr  als  einer  Hinsicht  in  Ihrer  Gewalt. 
Zuerst  kommt  es  darauf  an,  ob  meine  Compositionen  mir  bey  Ihnen  ein 
bedeutendes  Honorar  verdienen  können,  was  dann  gegen  den  Preis  des 
Fortepiano  aufgerechnet  werden  würde.  In  diesem  Falle  stehen  Ihnen 
noch  -mehrere  Sonaten  zu  Diensten.  Dann  ferner  würde  ich  um  ein  seht 
vorzügliches  Instrument  bitten  müssen,  \  vom  stärksten  und  schönsten  Ton, 
dem  feinsten  touchement,  und  der  dauerhaftesten  und  zuverlässigsten  Bauart, 
Würden  Sie  mir  ein  solches  mit  völliger  Zuversicht  anzubieten  haben,  so 
fände  ich  wohl  noch  in  Königsberg  Gelegenheit,  mein  jetziges  gut  zu 
verkaufen;  und  alsdann  würde  ich  auch  sehr  gern  alles  anwenden,  um 
dort,  und  wo  ich  sonst  Bekannte  habe,  den  Ruf  Ihrer  Instrumente  zu 
verbreiten. 

Wegen  der  Sonaten  erbitte  ich  mir  nun  vor  allen  Dingen  nächstens 
Nachricht.     Die   beykömmende   kann   übrigens,    so    wie    die   vorige,    ohne 


*)  3  S.  4".  Univ.-Bibl.  Jena.  Ob  der  Brief,  der  an  den  Verleger  der  Sonate 
Herbarts  (s.  o.  Bd.  II,  S.  13)  gerichtet  zu  sein  scheint,  überhaupt  abgegangen  ist,  war 
nicht  zu  ermitteln.  Noten  von  Herbart,  die  Bagier  (s.  o.  Bd.  II,  S.  13  Anm.)  noch 
nicht  kannte,  finden  sich  im  N. 


Nachtrag  zu  1809.  i^^ 


Verabredung  des  Honorars  gestochen  werden.  Ich  bin  es  gern  zufrieden, 
daß  meine  Compositionen  sich  Zeit  nehmen,  um  zu  versuchen,  ob  sie 
sich  im  Publikum  einen  Weg  machen  können.  Auch  Ihren  Tadel,  wenn 
Sie  solchen  nöthig  finden,  werde  ich  mir  gern  gefallen  lassen,  und,  falls 
Sie  diese  Sachen  der  Herausgabe  nicht  werth  finden,  mögen  dieselben 
immerhin  unterdrückt  werden.  Ergebenst      Herbart. 

[Randbemerkung  auf  der  Schlußseite:]  Ich  reise  vielleicht  schon  bald 
von  hier,  und  muß  um  so  eher  um  schnelle  Antwort  bitten. 

797.  Unterholzner  an  Frh    von  Richthofen  über  Herbart. 

„Daß  Herbart  Göttinseo  verläßt,  muß  Dir  freilich,  äußerst  unangenehm  sein, 
wie  gut,  daß  Du  noch  alle  seine  Vorlesungen  hast  hören  können.  Am  politischen 
Horizont  sieht  es  trübe  aus!" 

798.  Gries  an  H.     (1  S.    4".     N.)  Jena  d.  17ten  Februar  1809 

Vor  wenigen  Tagen,  lieber  Herbart,  erhielt  ich  unter  andern  noch  in  Heidel- 
berg zurückgebliebenen  Sachen  Deinen-  Brief  vom  16teu  Julius  vorigen  Jakrs  nebst 
einem  zweiten  Exemplar  Deiner  Sonate.  Letztere  ist  also  nun,  durch  Deine  freund- 
liche Sorgfalt,  gedoppelt  in  meinen  Händen,  und  es  steht  gänzlich  bei  Dir.  ob  und 
wie  Du  über  das  Eine  Exemplar  weiter  disponiren  willst. 

Der  in  Deinem  Briefe  enthaltene  Auftrag  in  Ansehung  des  Verlags  Deiner 
Schrift  gegen  Niethammer  läßt  es  mich  sehr  bedauern,  daß  Du  ihn  nicht  ein  wenig 
früher  absandtest;  denn  ich  verließ  Heidelberg  erst  am  Isten  Julius.  Da  Du  in 
Deinem  letzten  Briefe  vom  22sten  Xovbr.  dieses  Auftrags  mit  keiner  Silbe  erwähnst, 
so  ist  es  mir  sehr  wahrscheinlich,  daß  Du  bereits  einen  Verleger  gefunden  hast. 
Ich  habe  indessen,  um  Deinem  Auftrage  noch  jetzt,  so  weit  ich  konnte,  ein  Genüge 
zu  leisten,  mit  Frommann  gesprochen,  aber  von  ihm  die  Antwort  erhalten,  die  ich 
voraussah.  Du  hast  nemlich,  wie  ich  vermuthe,  nicht  gewußt,  daß  Frommann  selbst 
Verleger  des  Niethammerschen  Buches  ist,  also  nicht  wohl  eine  Schrift  in  Verlag 
nehmen  konnte,  die  gegen  dieses  Buch  gerichtet  ist,  zumal  bei  dem  persönlich,  freund- 
schaftlichen Verhältniß,  in  welchem  er  mit  Niethammer  steht.  Indessen  sagte  er 
mir,  daß  die  •  Erscheinung  Deines  Werks  ihm  sehr  angenehm  sein  würde,  weil  er 
davon  einen  bessern  Absatz  der  erstem  Schrift  hoffte,  womit  es  bis  jetzt  noch  ein 
wenig  zu  hapern  scheint. 

Meinen  Brief  vom  23sten  Januar  hast  Du  doch  bekommen?  Ich  hoffe,  bald 
von  Dir  einen  zu  erhalten.  Leb  wohl  und  vergib  die  sündliche  Eile,  mit  welcher 
ich  heute  schreiben  muß.  Dein     J.  D.  G. 

799.  Richthofen  an  H.     (2  S.    4».     N.)  Göttingen  d.  5ten  Juni  1809 

Es  sind  bald  3  Monden  her,  daß  Sie  von  uns  sind,  mein  theurer  Herbart,  und 
noch  immer  erhielten  wir  nicht  das  geringste  von  Ihrer  Hand.  Ich  kann  nicht 
glauben  daß  Sie  mich,  daß  Sie  uns  alle,  die  wir  mit  so  reiner  Liebe  an  Ihnen 
hängen  vergessen  haben:  mein  Herz  sagt  es  mir,  es  ist  nicht  möglich,  daß  Sie  mein 
Freund  zu  seyn  aufgehört  haben.  Sie  müssen  mismuthig  seyn  da  Sie  nicht  schreiben, 
aber  um  so  mehr  bekümmert  es  mich;  ich  glaube  das  Recht  zu  haben  auf  Ihr  Ver- 
trauen Anspruch  machen  zu  dürfen,  und  gewiß  in  keinen  treuem  Busen  als  den 
meinen  können  Sie  Ihren  Schmerz,  es  sey  was  es  sey,  ausschütten.  Auch  hat  Ihr 
Bedienter  her  geschiiebeu,  daß  Sie  nicht  zufrieden  seyen,  also  ums  Himmels  willen 
schreiben  auch  Sie.     Verachten  Sie  eine  Bitte  nicht,   die  so  sehr  von  Herzen  geht. 


ICA  Nachtrag  zu    1809. 


Kann  Ihnen  mein  Briefwechsel  auch  sonst  nichts  seyn,  so  hat  doch  auch  das  Herz 
seine  Rechte,  und  ich  bitte,  nehmen  Sie  mir  den  Glauben  nicht,  daß  das  Ihrige 
mich  liebt. 

Auch  an  die  Grotesche  Familie  oder  wenigstens  an  sie,  müssen  Sie  einige 
Worte  richten;  alle  und  vorzüglich  Therese  und  ihre  Mutter  sind  herzlich  ||  besorgt 
um  Sie,  und  falls  Sie  nicht  eilen,  erhalten  Sie  auch  von  ihnen  einen  zweiten  Brief. 

Übrigens  ist  die  Familie  wohl,  und  die  gute  Mutter  so  heiter  als  es  ihr  ein 
tiefer  und  bleibender  Schmerz  erlaubt.  Nur  Therese  kränkelt  zuweilen  und  geht 
auf  meine  Bitten  mit  Tante  Wilhelmine  und  August  diesen  Sommer  auf  einige  Wochen 
nach  Pyrmont.  Ich  werde  sie  daselbst  besuchen,  und  0  könnte  ich  doch  auch  zu 
Ihnen  auf  eine  gleiche  Weise! 

Tief  geschmerzt  hat  mich  des  edlen  Müllers  Tod;  auch  Sie  fühlten  ihn  gewiß 
tief;  immer  weniger  werden  der  edlen  Männer  um  uns  her.  Wir  haben  hier  in 
Göttingen  doppelt  an  ihm  verlohren;  wer  wird  seinen  Platz  erhalten?  man  sagt 
Leist,  und  selbst  das  wäre  vielleicht  noch  zu  wünschen.  Wie  geht  es  in  Preußen? 
Ach,  könnte  ich  Ihnen,  doch  sagen  wie  ich  Sie  liebe. 

Allein  leben  Sie  wohl,  und  schreiben  Sie  bald  dem,  der  ewig  der  Ihre  bleibt. 

C.  Freiherr  v.  Richthofen. 

800.  W.  von  Grote  an  H.     (1  S.    4P.    N.)  Medsen  d.  5.  Jul.  1809. 
Theuerster  Freund !     Nur  wenige  eilige  Zeilen  kann  ich  Ihnen  heute  schreiben, 

nachdem  Sie  solange  von  mir  nichts  gehört  haben;  aber  diese  wenigen  Zeilen  sagen 
Ihnen,  daß  ich  so  glücklich  bin,  als  Menschen  es  nur  werden  können.  Julie  ist 
mein!  Gestern  habe  ich  auch  die  Einwilligung  des  Vaters  erhalten,  und  weniger 
Schwierigkeiten  gefunden,  als  ich  glaubte.  Der  unglückselige  Prozeß  mit  dem  älteren 
Bruder  ist  noch  nicht  beendigt,  und  das  ist  das  Einzige,  was  uns  noch  Hindernisse 
in  den  Weg  legt.  Mein  Ferdinand,  der -mich  schon  in  Petersburg  aufsuchte,  hat 
sich  bei  allen  Gelegenheiten  als  mein  wahrer  Freund  gezeigt.  Er  empfiehlt  sich 
Ihnen  herzlich.  Gestern  gab  er  mir  mehrere  Briefe,  welche  Sie,  Bester!  damals  in 
meiner  Angelegenheit  geschrieben  hatten.  Ich  habe  es  von  neuem  gefühlt,  wie  viel 
ich  Ihnen  zu  verdanken  habe,  mein  lieber,  lieber  Freund!  Möchten  Sie  doch  recht 
zufrieden  seyn,  in  Ihrem  neuen  Würkungskieise.  AYann  ich  Sie  dort  besuchen 
werde,  weiß  ich  noch  nicht  bestimmt.  Schreiben  Sie  mir  bald  ein  paar  Zeilen, 
auch  wo  ich  Sie  finde  in  der  großen  Stadt.  Leben  Sie  wohl,  Theuerster!  und  freuen 
Sie  sich  mit  Ihrem  glücklichen     W.  Grote. 

801.  'F-  Kohlrausch  an  H.     (3  S.   4».    N.)    Göttingen,  den  8ten  Octbr.  1809. 
Indem   einige   meiner   hiesigen  Bekannten   zu  Urnen    nach    Königsberg  reisen, 

hochgeehrter  Herr  Professor,  erinnere  ich  mich  Ihrer  gütigen  Versicherung  bei 
Ihrer  Abreise  von  hier,  daß  Sie  nicht  ungern  etwas  weiteres  von  mir  schriftlich 
hören  würden.  Zugleich  beschäftige  ich  mich  eben  jetzt  mit  einer  Arbeit,  zu  der 
Sie  im  vorigen  Jahre  die  Veranlassung  gaben,  und  vielleicht  ist  es  Ihnen  lieb,  von 
der  Fortsetzung  derselben  Nachricht  zu  haben.  Es  ist  dieses,  wie  sie  vermuthen 
werden,  das  Lesebuch  aus  dem  A.  Test.,  und  obgleich  ich  noch  keinen  Verleger 
dazu  habe,  so  bin  ich  doch  in  diesen  Ferien  von  Neuem  eifrig  daran  gegangen,  und 
denke  den  ersten  Theil  deeselben,  nebst  dem  dazu  gehörigen  Bande  mit  Anmerkungen 
für  den  Lehrer,  noch  vor  Weihnachten  zu  vollenden.  Die  Arbeit  [interessirt  mich 
außerordentlich,  und  je  mehr  ich  darin  einheimisch  werde,  desto  mehr  sehe  ich 
unseren  Grundgedanken  bestätigt,  welcher  diese  Elemente  an  die  Spitze  eines  Haupt- 
zweiges der  jugendlichen  Bildung  stellte.  In  meiner  gegebenen  Probe  ist  manches 
noch  nicht  gehörig  herausgehoben,  wie  ich  bei  weiterem  Studio  jetzt  sehe;  und  ich 


Nachtrag  zu  1 809.  j  r  c 


hoffe,  der  Theil,  welcher  für  die  Lehrer  bestimmt  ist,  soll  die  Aufmerksamkeit  der 
Erzieher  für  die  ganze  Arbeit  am  meisten  gewinnen.  Ich  sammle  jetzt  alles,  aus 
einer  Menge  von  Büchern,  die  mir  die  Bibliothek  liefert,  was  die  Gestalt  des  Lebens 
in  jenem  Kindesalter  der  Welt  recht  anschaulich  machen  kann,  sodaß  ein  nicht 
ganz  ungeschickter  Lehrer  mit  leichter  Mühe  das  Kind  hinein  versetzen  wird.  Zu- 
gleich soll  die  Einleitung  zu  dem  Ganzen  den  Standpunkt  klar  machen,  auf  welchem 
der  Lehrer  selbst  stehen  muß,  um  dieses  einzelne  Element  gerade  als  ein  solches 
und  in  dem  Ganzen  der  Erziehung  zu  sehen.  Gelingt  die  Arbeit  nur  überhaupt,  so 
kann  sie  zugleich  als  ein  Beispiel  dastehen,  wie  nun  auch  für  so  viele  andere 
classische  Schriften,  die  wir  beim  Unterrichte  gebrauchen  müssen,  pädagogische 
Commentare  auszuarbeiten  sind;  eine  Arbeit  die  nützlicher  seyn  möchte,  als  die 
meisten  philologischen,  die  jetzt  geliefert  werden.  (| 

Eür  dieses  mein  erstes  literarisches  Auftreten,  sowie  für  mein  ganzes  Schicksal, 
ist  Müllers  Tod  sehr  nachtheilig  gewesen.  Er  war  noch  wenige  Wochen  vor  seinem 
Tode  hier  in  Göttingen;  ich  machte  ihm  meine  Aufwartung,  und  er  empfing  mich 
gleich  außerordentlich  freundlich  mit  einem  Lobe  meiner  kleinen  Schrift,  und  zwar 
auf  eine  Weise,  daß  ich  sah,  er  habe  sie  gelesen  und  billige  sie  würklich;  er  ver- 
sicherte mich  mehr  als  einmahl,  sie  sey  ganz  im  Geiste  des  Alteithums  gedacht, 
und  so  recht  seynen  eignen  Ansichten  gemäß;  ich  möge  ja  den  Gedanken  ausführen. 
Darauf  erkundigte  er  sich  nach  meiner  Lage  und  Aussichten,  und  bot  mir  unauf- 
gefordert an.  auf  jede  Weise  für  mich  zu  sorgen,  wenn  ich  eine  Anstellung  wünsche. 
Ich  wollte  ihm  eben  von  dem  Schullehrer-Seminario  reden,  welches  er  hier  an- 
zulegen dachte,  als  mehrere  Menschen  dazu  kamen;  er  wiederhohlte  mir  aber  noch- 
mahls,  ich  solle  mich  nur  an  ihn  wenden,  wenn  ich  etwas  wünsche,  und  ich  wai" 
im  Begriff,  ihm  zu  schreiben,  als  sein  unerwarteter  Tod  dazwischen  kam,  welcher 
auch  meine  mit  so  vieler  anderer  Hoffnungen  zerstörte.  Die  Ursache  desselben 
verdient  einen  Platz  in  der  künftigen  Geschichte  unserer  Tage;  der  Überbringer 
-dieses  Briefes  wird  Ihnen  wohl  etwas  näheres  darüber  sagen  können.  —  Zunächst 
wäre  es  mir  schon  durch  Müllers  Verwendung  leicht  geworden,  einen  Verleger  zu 
meinem  Lesebuche  zu  bekommen,  welches  mir  jetzt  schwer  wird;  die  hiesigen  Buch- 
händler unternehmen  Nichts  mehr.  Ich  habe  mich  nun  an  Frommann  gewandt, 
aber  noch  keine  Antwort. 

Die  Aufhebung  der  übrigen  westfälischen  Universitäten  außer  Göttingen  und 
Halle  hat  im  Staats-Rath  die  Mehrzahl  der  Stimmen  gegen  sich  gehabt,  und  ist  dann 
füi-s  Erste  aufgeschoben;  ganz  unerwartet,  denn  der  König  hatte  schon  bei  seinem 
letzten  Hiersein  bestimmt  erklärt,  sie  sollten  aufgehoben  werden,  und  zwar  auf 
Leist's  Vorschlag,  denn  Müller  sey  gar  zu  gut  gewesen,  er  habe  nicht  nur  alle  er- 
halten wollen,  sondern  ihm  gern  noch  ein  paar  dazu  aufgeschwatzt.  Es  freut  mich 
außerordentlich,  daß  doch  auch  hierin  Müllers  Manen  gesiegt  haben;  obgleich  sich 
für  die  Aufhebung  manches  sagen  ließ.  |l 

Gehört  habe  ich,  daß  Sie  Fichte  in  Berlin  gesehen  haben,  aber  nicht,  wie  Sie 
ihn  gefunden,  wie  es  ihm  geht,  und  ob  er  irgend  etwas  für  den  Druck  arbeitet; 
ich  möchte  gern  etwas  von  ihm  wissen,  und  wenn  Sie  mir  ja  einmahl  von  sich 
einige  Nachricht  geben,  so  bitte  ich,  mir  auch  von  Fichte  etwas  näheres  zu  sagen. 
Auch  habe  ich  noch  eine  große  Bitte  an  Sie,  die  Sie  vielleicht  ohne  große  Un- 
bequemlichkeit erfüllen  können.  Ich  habe  bey  meiner  Abreise  von  Berlin,  im  Sommer 
1805  ein  Heft  über  Fichte's  Vorlesungen  über  Theologie  Moral  und  Rechtslehre  an 
■den  Hofmeister  des  Kronprinzen,  H.  Delbräck  geliehen  und  nicht  wieder  erhalten. 
Der  Krieg  führte  Delbrück  von  Berlin  weg  und  ich  habe  nachher  wenig  Gelegen- 
heit gehabt,  ihn  fragen  zu  lassen,    ob  jenes  Heft   noch  existirt;   und   auf    ein  paar 


j  c5  Nachtrag  zu   1809. 


solcher  Anfragen  habe  ich  keine  Antwort  erhalten.  Doch  ist  mir  an  dem  Hefte 
würklich  etwas  gelegen,  und  wenn  Sie  vielleicht  Gelegenheit  haben  sollten,  H.  Del- 
brück zu  sehen,  so  würden  Sie  mir  einen  sehr  großen  Gefallen  erzeigen,  sich  da- 
nach zu  erkundigen.  Ist  es  noch  vorhanden,  so  nehmen  Sie  es  gütigst  m  Empfang 
und  Verwahrung,  es  findet  sich  dann  wohl  eine  Gelegenheit,  es  mir  zu  senden.  Da 
Fichte  jene  Vorlesung  nie  hat  drucken  lassen,  so  begreifen  Sie  wohl,  daß  jenes  Auf- 
geschriebene Werth  für  mich  haben  kann,  und  verzeihen  gewiß  meine  dreiste  Bitte. 
Von  Ihren  hiesigen  Freunden  haben  Sie  gewiß  bessere  Nachricht,  als  ich 
Ihnen  geben  könnte;  ich  bin  diesen  Sommer  genau  mit  dem  vortrefflichen  Grote- 
schen  Hause  und  mit  Richthofen  bekannt  geworden,  und  theile  vollkommen  Ihre 
Liebe  und  Achtung  für  diese  Menschen,  die  Ihnen  gewiß  dort  in  Königsberg  fehlen, 
so  zufrieden  Sie  übrigens,  den  Briefen  zufolge,  dort  zu  sein  scheinen.  Graf  Bau- 
disin  und  Richthofen  sind  sehr  vertraute  Freunde  geworden;  und  Ersterer  empfiehlt 
sich  Ihrem  Andenken  sehr  angelegentlich.  Auch  ich  bitte  um  ihre  fernere  Freund- 
schaft, theuerster  Herr  Professor  und  bin  Ihr  ergebenster  F.  Kohlrausch. 

802.  C.  W.  Pape,  Cand.theol.,  anH.    (9S.   4«.   N.)        Flögein  21.  Aug.  1809. 

803.  Catharina  Castendyk  an  H.     (4  S.    4°.    N.)       Bremen  22.  Sept.  1809. 

804.  Wardenburg  an  H.     (8  S.   8°.    N.)  Neuenburg  4.  Nov.  1809. 

(Mit  Abschriften  den  Nachlaß  des  Vaters  betr ) 

805.  Unterholzner  an  H.     (4  S.   4».    N.)  München,  den  6  Nov.  1809. 

Wohlgeborner  Herr  Hofrath!  Da  ich  weiß,  daß  Sie  an  meinem  Schicksale 
theilnehmen,  so  kann  ich  hoffen,  daß  es  Ihnen  nicht  ganz  gleichgültig  sein  wird,  wenn 
Sie  hören,  wie  es  mir  geht.  Vermuthlich  .werden  Sie  mich  schon  in  voller  Thätigkeit 
glauben,  begriffen  im  schönen  Wirken  für  die  Wissenschaft  und  die  Wahrheit. 
Leider  aber  bin  Ichs  noch  nicht,  wenigstens  nicht  in  dem  Grade,  wie  ich  es 
wünschte.  Nach  meiner  Riickkehr  von  Heidelberg  hemmte  der  verderbliche  Krieg 
meine  Aussichten.  Ungewiß  über  mein  Schicksal,  kämpfend  für  meine  Existenz, 
mußte  ich  daher  den  Sommer  in  München  zubringen,  zwar  nicht  in  gänzlicher  || 
Unthätigkeit  lebend,  aber  doch  auch  bei  weitem  das  nicht  wirkend,  was  ich  unter 
günstigeren  Verhältnissen  hätte  thun  können.  Jetzt  freilich  sind  die  Nebel,  die  über 
meinem  künftigen  Schicksale  schwebten,  verschwunden,  und  die  Aussicht  hat  sich 
geöffnet,  wenngleich  minder  heiter  als  ich  es  wünschte.  Meine  Hoffnung,  sogleich 
als  außerordentlicher  Professor  angestellt  zu  werden,  hat  mich  getäuscht,  und  ich 
gehe  morgen  als  Privatlehrer  nach  Landshut,  zwar  durch  eine  königliche  Unter- 
stützung der  dringendsten  Nahrungssoi-gen  enthoben ;  aber  denn  doch  ohne  sehr  er- 
freuliche Aussichten  auf  baldige  Beförderung.  Was  noch  überdieß  meine  Heiterkeit 
trübt,  ist  die  Furcht  vor  Chicanen,  vor  denen  in  Landshut  auch  diejenigen  nicht 
geschützt  sind,  deren  Glück  eben  nicht  beneidenswerth  ist,  und  die  bange  Er- 
wartung, ob  sich  mir  auch  sogleich  ein  hinreichender  ||  Wiikungskreis  für  meine 
Thätigkeit  darbieten  wird.  Ich  gedenke  diesen  Winter  Philosophie  des  Rechts  und 
Institutionen  zu  lesen.  Finde  ich  Zuhörer  und  Empfänglichkeit  für  meine  Vorträge, 
so  will  ich  nicht  weiter-  klagen;  und  wie  sehr  mich  auch  meine  Hoffnungen  ge- 
täuscht haben  mögen  —  ich  will  zufrieden  sein,  wie  ein  Gott. 

Erlauben  Sie  mir,  daß  ich  Ihnen  hiemit  meine  juristischen  Abhandlungen 
überschicke.  Es  soll  mir  schmeichelhaft  sein,  wenn  sie  einigennaßen  Ihren  Beifall 
erhalten,  und  Sie  mit  das  Zeugniß  geben,  daß  ich  den  Geist  Ihrer  Vorträge  richtig 
verstanden  habe. 


Nachtrag  zu   1810.  j  ry 


Durch  Eichthofen  erfahre  ich,  daß  es  Ihnen  in  Königsberg  recht  wohl  geht. 
Wie  sehr  ich  an  Ihrem  Glücke  Antheil  nehme,  brauche  ich  Ihnen  nicht  zu  sagen. 
Mögen  Sie  immerhin  recht  viel  Einfluß  erhalten;  der  Einfluß  eines  solchen  Mannes 
muß  nothwendig  der  Menschheit  ||  und  der  "Wissenschaft  wohlthätig  sein. 

Leben  Sie  wohl  und  verschließen  Sie  mir  nicht  Ihr  Andenken  und  Ihr  Herz. 
0  wären  doch  Sie  in  Landshut  oder  könnte  ich  anstatt  nach  Landshut  nach 
Königsberg  gehen.  Ihr  Umgang  wüi-de  mich  entschädigen  für  das  Ungemach  des 
Lebens.  Wie  so  \ieles  hätte  ich  Ihnen  zu  sagen.  Sie  würden  meine  Ueberzeugungen 
befestigen,  meine  Zweifel  lösen.     Noch  einmal  leben  Sie  wohl. 

Mit  innigster  Verehrung  Ihr  dankbarer  Schüler  Dr.  Unterholzner. 

806.  Wardenburg  an  H.*)  Neuenburg  am  1.  Dec.  1809. 
....  Die  Nachrichten  vom  Kronprinzen,  welche  Ihr  Brief  enthielt,   erfreuten 

besonders  meine  Frau  recht  herzlich.  Sie  —  eine  ehemalige  Unteithanin  des 
Königs  —  ist  noch  eine  sehr  treue  Auhängerin  desselben,   wie  fast  alle  Ostfriesen. 

Die  ungünstigen  Eecensionen  machen  doch  auf  die,  welche  die  Sache  nicht 
verstehen  —  und  dieß  sind  ja,  in  Ansehung  eigentlich  philosophischer  Werke,  fast 
alle  Geschäftsmänner  —  immer  Eindruck  und  schwächen  das  Vertrauen.  Ich 
wünschte,  ein  Dritter  ließe  eine  ruhig-gründliche  Widerlegung  erscheinen. 

Ihre  dortigen  gesellschaftlichen  Verhältnisse  sind  wirklich  neidenswerth.  Hrn 
Humboldt  habe  ich  schon  vorher  sehr  geschätzet;  nach  Ihrem  Briefe  verehre  ich 
ihn  aber  noch  weit  mehr. 

Darf  ich  mir  noch  eine  Frage  erlauben?  —  VTeßhalb  haben  Sie  unsern  Herzog 
bey  seinem  Aufenthalt  in  Königsberg,  bey  Gelegenheit  seiner  Petersburger  Eeise, 
nicht  gesehen?  Mir  ward  dieß  neulich  als  eine,  vielleicht  absichtliche  Ver- 
nachlässigung erzählt  und  ich  konnte  nicht  widersprechen,  weil  ich  die  Umstände 
nicht  kannte.  Nur  um  dieß  gelegentlich  zu  können,  steht  meine  Frage  hier,  welche 
Sie,  das  weiß  ich,  auf  jeden  Fall  nicht  mißdeuten  werden.  Ihre  Briefe  bitte  ich 
nicht  weit  zu  frankiren,  weil  doch  der  Name  des  entfernteren  Ortes  nur  ausgestrichen 
und  ein  näherer  an  dessen  Stelle  gesetzt  wird  .... 

807.  Dorn  an  H.     (3  S.    4».     N.)  Königsberg,  den  13.  Januar  181Ü. 
Ew.  Wohlgebohrn  kennen  zu  lernen,   war  schon  mein  Wunsch,  als  ich  Ihre 

in  Leipzig  gestochne  Sonate  zu  Gesicht  bekam,  und  Ihren  hiesigen  Aufenthalt  er- 
fuhr. Da  ich  indeß  nichts  mehr,  als  Zudringlichkeit  hasse,  so  wartete  ich  eine 
günstige  Gelegenheit  ab.  Diese  fand  sich  zwar,  als  ich  Herrn  Eiel  veranlaßte,  Ew. 
Wohlgebohrn  zu  einer  seiner  musikalischen  Versammlungen  einzuladen';  allein,  ob- 
gleich ich  dadurch  den  Zweck  erreichte,  Ihr  treffliches  Pianoforte  Spiel  zu  hören, 
so  konnte  ich  doch  nicht  in  nähere  Berührung  mit  Ihnen  kommen.  Jetzt  bietet 
sich  mir  eme  zweite  Gelegenheit  dazu  dar.  [Folgt  eine  Aufforderung  zur  Gründung 
eines  „Vereins  wahrer  Musikfreunde".] 

Ich  wünsche,  daß  diese  Veranlassung  der  Faden  seyn  möge,  der  mich  Ihnen 
näher  biingt,  da  ich  so  gern  einem  Mann  mich  nähern  möchte,  dessen  Bekannt- 
schaft mir  in  der  Kunst,  die  ich  leidenschaftlich  hebe,  soviel  Nutzen  verspricht. 

Ich  empfehle  mich  als  Ew.  Wohlgebohren  ergebenster  Dorn, 

wohnhaft  am   schiefen  Berge,  neben   der  franz.  Schule  bei  Herrn  Eector  Merguet. 

808.  Hasse  an  H.     (3  S.    40.     N.)  Markmen  den  3.  Februar  1810. 

^)  6  S.  8".  N.  Voraus  gehen  Mitteilungen  über  den  Nachlaß  des  Vaters,  den 
Wardenburg  zu  ordnen  hatte. 


j  cg  Nachtrag  zu    1810. 


809.  Casimir  Plater  an  H.     (3  S.    4».    N.)        St.  Petersburg  d.  2  April  1810 
Nach  Jahren   eine   Gelegenheit   wieder,   meinem   theureu   geschätzten  Lehrer 

einen  Wiak  des  Lebens  zu  geben,  Ihn  meiner  gedenken  zu  lassen.  Welche  un- 
ruhige, Unglück-  und  gehaltreiche  Zeit  hat  sich  zwischen  uns  während  der  Jahre 
unserer  Trennung  gelegt  —  wie  viel  habe  ich  seitdem  lernen,  wieviel  Sie  vergessen 
müssen  — . 

Es  sind  nun  schon  4  Jahre  geworden  aus  den  zweyeu  die  ich  dem  practischen 
Leben  widmen  wollte,  und  noch  lieber  Freund  noch  kann  ich  mich  der  gehoffien 
Muße  nicht  erfreuen !  — 

Und  Sie  fern  von  den  Gegenden  wo  Familie  und  Freunde  Sie  auf  immer  zu 
fesseln  schienen  —  nicht  freye  Wahl  hat  sie  gewiß  dahin  verweht  —  —  Sie 
scheinen  sich  den  äußersten  Ort  gewählt  zu  haben  wo  noch  Deutschlands  Genius 
ruhet  doch  schon  beynahe  außer  der  Sphäre  des  schweren  Nebels  der  es  jetzt  um- 
hüllt — .  II  Und  auch  hier  gewiß  —  auch  diese  unnatürliche  Lage  hat  ihr  Geist 
schon  gewiß  in  seine  Begriffe  in  seine  Formen  gefaßt,  auch  hier  haben  Sie  gewiß 
schon  viel  gewürkt,  viel  geschaffen.  Sollen  aber  Ihre  Freunde  nichts  von  Ihnen 
erfahren?  —  Schreiben  Sie  nicht  an  einen  Ihrer  Zuhörer  die  sich  in  unserem  Lande 
befinden  —  an  wen?  —  wo  kann  ich  Nachrichten  über  Sie  einziehen?  oh  nur  das 
melden  Sie  mir  mit  ein  paar  Zeilen  —  zu  Sievers  etwa  nach  Petersburg  — . 

Ich  schreibe  Ihnen  jetzt  aus  dieser  Hauptstadt  —  nicht  wohnhaft  bin  ich  hier 

—  auch  nicht  angestellt,  ich  lebe  nicht  dem  Staate  —  habe  aber  seit  unserer 
Trennung  ihm  einen  Augenblick  gedient  —  es  war  im  Aufgebote  als  die  französi- 
schen Truppen  die  Grenzen  des  Reichs  bedrohten  —  von  der  Zeit  aber  bin  ich 
wieder  wie  vom  Anfange  meines  Hierseyns  im  Lande  Landwirth  und  Geschäfts- 
führer meiner  Familie  —  Und  in  dieser  stürmischen  Zeit,  bey  dem  gänzlichen  Kuin 
unserer  Provinzen,  bin  ich  auch  nur  Landwirth  und  Geschäftsführer.  Dennoch 
sind  sie  nicht  verloren  für  mich  die  wohlthätigen  Eindrücke  des  deutschen  Himmels. 

—  Die  Stimme  meiner  ehrwürdigen  Lehrer  hallt  noch  in  meinem  Gemüthe  nach; 
und  die  Erinnerung  der  theuren  Freunde  die  ich  unter  Ihnen  zählte,  bleibt  mir  ein 
werthes  Erbtheil  jener  Zeiten,  das  mir  noch  enger  anzuhören  scheint  als  meine 
Existenz,  weil  ich  an  ihr  erst  gelernt  habe  mein  Leben  zu  schätzen.  —  Oh  bleiben 
Sie  mir  immer  dieser  werthe  unschätzbare  Freund  und  laß  [!]  in  Ihrem  Andenken 
nie  vergehen  Ihren  treuen  und  ergebenen  Schüler  Casimir  Plater. 

810.  G.?  an  H.     (1  S.    40.     N.)  Königsberg,  den  4.  Mai  1810. 
Ich   kann    nicht    anders    —   ich   konnte   nicht   anders.     Was  ich  ersticken  zu 

müssen  und  zu  können  glaubte,  weil  ich  so  oft  mich  getäuscht  sah,  die  Glut  meines 
Busens,  wenn  sich  das  Bild  eines  herrlichen  Menschen  in  ihn  drängte,  brach  heute 
in  einen  seit  Jahr  und  Tag  zurückgehaltenen  Händedruck,  in  einen  warmen  Dank, 
in  kindliche  Ergebung  und  Verehrung  gegen  Sie  aus.  Und  jetzt,  hier  einsam 
sitzend,  mich  fremd  fühlend  unter  den  Menschen,  mit  denen  ich  unter  einem 
Dache  wohne,  treibt  mich  mein  Herz,  Ihnen  zu  sagen:  Mann  des  Geistes  und 
des  Lebens,  nimm  mich  an  Deine  Brust!  —  Ich  bin  Ihrer  nicht  unwerth.  Eine 
andere  Welt  steht  mit  Klarheit  und  Bestimmtheit  vor  meinem  Geiste,  als  die 
ist,  von  der  mir  Menscheji  und  Bücher  reden,  ein  höheres  Leben  hat  sich  mir  aus 
der  Todtenasche  der  Welt  entwickelt.  Ich  danke  es  der  Liebe  —  nehmen  Sie  als 
Pfand  meiner  grenzenlosen,  vertrauungsvollen  Hingebung  das  Geständnis  meines 
heiligsten  Geheimnisses  hin  —  und  Ihnen.  Ich  bedarf  eines  höheren  Menschen, 
eines  Menschen,  der>  denkt  und  fühlt  wie  Sie,  und  ich  trete  Sie  flehend  an,  nicht 
achtend  Weltsitte  und  W^eltsinu.    Sie  werden  mich  nicht  verstoßen.    Sie  vernichten 


Nachtrag  zu  i8lo.  159 


dadurch  freilich  nicht  mein  Leben  —  ich  bin  in  einem  zu  sichern  Besitz  meines 
Lebens;  das  muß  ich  Ihnen  auch  sagen  —  aber  Sie  lassen  mich  verschmachten  in 
meiner  Sehnsucht  die  so  ewig  ist  wie  meine  Welt  und  meine  Liehe.  Sagen  Sie 
nicht  zu  mir:  Sonderbarer  Mensch,  wer  bist  Du?  Sagen  Sie  zu  mir:  Lieber  Mensch, 
ich  verstoße  Dich  nicht!  G- 

Adr.:  Herrn  Professor  Herbart,  Wohlgeboren. 

811.    Griepenkerl  an  H.')     Bruchstück  aus  d.  J.  ISIO  [?]  Aus  Hofwyl? 

....  Gestalt  hätte  ich  dem  Ganzen  geben  können,  wußte  ich  von  Ihren  Planen!  — 
Schleiermacher  hält  etwas  auf  die  Familie,  diese  spielt,  wie  hillig,  in  meiner 
Dai-stellung  (im  2ten  Theile)  eine  große  Rolle  —  sollte  er  nicht  gewonnen  werden 
können  ?  —  Wolf  ist  der  größte  Philologe  —  ich  fürchte,  nicht  \iel  mehr  —  sollte 
es  nicht  ein  Mittel  geben,   ihn  durch   eine  entgegen  kommende  Darstellung  zu  ge- 
winnen?    Beide  Männer  können   nicht  etwas  gar  unvernünftiges   wollen,   wenn  sie 
ii-gend   wollen  —  es   kommt   nur   darauf   an,   daß   man  sich  verständige.     Ist  dazu 
keine  Gelegenheit?     Ließe  sich  diese  Gelegenheit  nicht  machen?  —  Freilich  wenn 
sie   weiter  nichts   wollen   als   hindern^   so  müssen   sie   durch   sich  selbst  zu  Falle 
kommen.  —  Ihre  Pädagogik  ist  so  allgemein,  daß  Alles,  was  man  gutes  pädagogisches 
machen  kann,  mit  in  ihr  enthalten  ist.    Sollte  man  das  den  Leuten  nicht  begreiflich 
machen  können?     Freilich   wenn  sie  nicht  hören   wollen,   so  muß  man  über  ihren 
Köpfen  wegschreiten.  —  Die  Form   wird  dieser  und  jener  anders  haben  wollen,  er 
wird  in  Einzelheiten  stecken  bleiben  —  könnte  man  sich  über  die  Form  nicht  ver- 
einigen?   Freilich,  wenns  niemanden  Ernst  ist,  wenn  er  nicht  denken  will,  wenn  er 
die  Hand  nicht  bieten  will  —  so  mag  Gottes  Erde  sich  öffnen  und  die  Unwürdigen 
verschlingen.     Besser  dann  noch,  daß  der  Xrieg  sie  zusammen  mähe,  daß  National- 
Ehre   und   alles   ihnen  verloren  gehe,   damit   sie  unfähig  werden,   diese   auch  dem 
künftigen   Geschlechte,   das   noch   im  Mutterschooße  ruht,    zu  rauben.  ||  ich  glaube 
nicht,  daß  sich  Wolf  und  Schleiermacher  so  weit  herabsetzen  können,   um  mit  ein- 
seitigem Eigensinne    eine    so   wichtige  Sache    zu   betreiben.     Beide  haben   durchaus 
kein   pädagogisches  Gewicht,   sie   ließen  besser  ihre  Nasen  daheraus.     Wollen  Sie, 
daß   es  ihnen  gesagt  werde?     Wünschen  Sie   einen  anständigen  Sturm   in   öffent- 
lichen Blättern?  —  Soll  ich  meinen  Schwager,  den  Staatsrath  Ribbentrop  mit  Feuer 
für  Ihre  bessere  Sache  erfüllen?    Hilft  es,  wenn  solcher  Männer  auf  Ihrer  Parthei 
mehrere   sind?     Wollen  Sie   überhaupt   eine  Parthei?     Kann  ich   dazu   helfen?  — 
Schreiben  Sie  mir  augenblicklich,   was  ich,  und  wie  ich  es  thun  soll,    ich  habe  bei 
dem  allen  nicht  Ihre  Person,  sondern  Ihr  großes  Werk  im  Auge.    Für  dieses  große 
Werk  nehmen  Sie  mich  in  Anspruch,  wenn  ich  etwas  Wüi'diges  dazu  thim  kann. 
Thun  Sie  das,  nicht  um  meiner  Person  dadurch  irgend  etwas  Gutes  zu  erzeigen,  ich 
befinde  mich  hier  wohl  und  habe  nicht  Ursache  es  anders  zu  wünschen.    Kann  aber 
ein  Mal  meine  Person  dort  mehr  nützen,  als  hier,  so  gehe  ich  dem  größeren  Werke 
nach.  —  ich  kann  unter  Ihnen  arbeiten;  aber  niemanden  als  Sie  leide  ich  über  mir; 
ich  kann  keine  anderen  Gedanken  ausführen,  als  die  Ihrigen  und  die  meinigen. 


^)  6  S.  40.  N.  Vielleicht  ist  dieser  Brief  das  im  1.  Bd.  der  Briefe  S.  60  erwähnte 
lange  Schreiben.  Die  Antworten  Herbarts  sind  leider  nicht  mehr  vorhanden.  Prof. 
Lazarus,  Griepenkerls  Schüler,  hat  sie  im  Auftrage  semes  Lehrers,  wie  er  mir  selbst 
erzählte,  vernichten  müssen.  S.  auch  N.  Lazarus  u.  A.  Leicht,  Lazarus'  Lebens- 
erinnerungen, Berl.  1906.  —  Zu  den  Briefen  Griepenkerls  an  Herbart  ist  zu  vergl. 
G.  WiGET,  Das  pädagogische  Leben  an  der  höheren  wissenschaftlichen  Anstalt  zu 
Hofwvl.  Jahrb.  d.  Vereins  für  wissensch.  Päd.  Bd.  11  u.  14.  Langensalza  1879, 
1882."^  Die  Briefe  Griepenkeris  bilden  eine  wertvolle  Ergänzung  dieser  Arbeit,  auch, 
des  Aufsatzes  „Fellenberg-'  in  Reins  Enz.  Handbuch. 


l()Q  Nachtrag  zu   1810. 


Aber  wie?  wenn  Sie  nun  mit  einem  Male  an  die  Spitze  des  ganzen  Preußischen 
Kultursystems  (denn  etwas  geringeres  will  ich  nicht  hoffen  daß  es  werde)  gestellt 
würden  —  sind  Sie  mit  allem  gerüstet,  was  im  Augenblick  ||  dazu  nöthig  wird? 
Haben  Sie  Männer  die  mit  Ihren  Ansichten  vertraut  sind,  und  denen  Sie  sogleich 
verschiedene  Zweige  übergeben  könnten?  Sind  die  Unterrichtsmittel  im  ganzen 
nach  Ibren  Ansichten  ausgearbeitet,  so  daß  mit  einem  Schlage  die  Reform  über  die 
ganze  Preußische  Kinderwelt  ausgebreitet  werden  könnte?  Besitzen  Sie  Männer, 
denen  der  ganze  Bestand,  die  ganze  Art  und  Weise  des  bisherigen  Schulwesens  in 
Preußen  bis  zur  Lokalkenntniß  hinab,  genau  bekannt  ist? 

Nicht  langsam,  um  Gottes  Willen,  nicht  langsam!  Es  sei  alles  vorher  in  Ge- 
danken völlig  fertig  —  ich  schwärme  nicht  —  und  dann  mit  Blitzes  Schnelle. 
Mögen  Konvenienzen  dabei  zertrümmern!  Was  sind  Konvenienzen  gegen  den  Un- 
geheuern Werth  der  Sache! 

Aber  hat  auch  der  König  Geld?  Es  wird  dessen  viel  erfordert.  Ist  auch  die 
übrige  Organisation  des  ganzen  Staates  so,  daß  jene  beabsichtigte  Einrichtung  sich 
Dauer  versprechen  kann?  Lieber  gar  nicht  angefangen,  wenn  mau  nicht  den 
ungehinderten  Fortgang  auf  wenigstens  fünfzig  Jahre  voraus  berechnen  kann.  — 
Sie  tadeln  mich  dieser  Äußerungen  wegen?  Sie  meinen  „lieber  etwas  als  nichts''-  — ? 
0,  ein  so  glücklicher  Zufall  ereignet  sich  in  Jahrhunderten  nicht  wieder,  er  muß 
ganz,  ganz  genutzt  werden,  ||  alle  Gegner  müssen  vor  der  Gewalt  der  guten  Sache 
verschwinden,  siegend  muß  sie  auftreten  in  Riesengestalt,  daß  der  schwache  Haufen 
erzittert.  —  So  etwa  sagte  ich  neulich  dem  Regierungsrath  Minuth  aus  Berlin,  er 
war  hier  und  besuchte  mich.  Der  Mann  riß  die  Augen  weit  auf  und  war  aus  seinem 
gewohnten  Gleise  geschüttelt.  Was  würde  geschehen,  wenn  man  die  Kollegien  alle 
mit  völligem  Übergewichte  angriffe?  Die  Weltklugheit  wagt  es  nicht,  ihre  Stimme 
dagegen  zu  erheben,  sie  ist  still  und  besinnt  sich  —  unterdessen  aber  ist  der  Sieg 
erfochten.  Der  ehemalige  Regierungspräesident  von  Vincke  war  auch  hier,  zwei 
Tage;  er  hat  sich  ganz  für  meine  Meinung  erklärt.  Sie  sehen,  mit  solchen  Männern 
geht  es,  der  Ton  ist  nicht  zu  stark.   —  —  —  —  —  ^-  —  —  —  —  —  — 

Nun  ein  weniges  von  unserem  Institute.  Alle  die  es  besuchten,  erklären  es 
für  das  Beste,  was  sie  sahen.  Der  General  Graf  von  Wrede  besuchte  vor  acht 
Tagen  seine  Söhne  und  uns,  und  wurde  bewogen,  seinen  dritten  Sohn  auch  zu  uns 
zu  senden.  —  Die  Anschauungsübuugen  haben  eigentlich  erst  vor  einem  halben 
Jahre  mit  den  jüngeren  Zöglingen  begonnen;  von  der  Lektüre  des  Homer  schrieb 
ich  Ihnen  schon.  Der  analytische  Unterricht  hatte  bisher  die  Hauptrolle  gespielt, 
weil  wir  ||  erst  den  ganzen  geistigen  Besitz  unserer  meist  ganz  verdorbenen  Kinder 
in  uns'ere  Gewalt  bekommen  mußten;  und  er  geht  noch  immer  neben  der  Synthesis 
sehr  ausgedehnt.  Letztere  aber  gewinnt  ein  immer  breiteres  Feld,  und  bald  werden 
beide,  besonders  bei  den  jüngeren  Kindern,  im  völligen  Gleichgewicht  miteinander 
sein.  Auf  Ihre  Fortführung  der  Anschauung  bis  zu  sphärischen  Dreiecken')  bin 
ich  sehr  begierig,  auch  möchte  ich  gern  die  analytischen  Übungen  für  7— 8jährige 
Knaben  schon  besitzen.  Außerdem  habe  ich  über  Musik  etwas  gearbeitet,  was  viel- 
leicht den  Anfang  zur  Bildung  des  ästhetischen  Urtheils  am  besten  macht.  Mit 
den  Farben  habe  "ich  etwas  Ähnliches  im  Sinn.  Vielleicht  wissen  Sie  schon,  was 
ich  nur  noch  ahnde,  daß  die  Gesetze  des  ästhetischen  Urtheils,  welche  Sie  in  den 
Hauptpunkten  einer  künftigen  Psychologie  entwickelten,  auf  Krümmungen  angewandt, 
eliptiselic  Krümmungen  geben:  ich  habe  im  Sinn  das  durchzufuhren  und  daraus 
eine  Lehre  der  ästlietischen  Formanschauung  hervor  zu  spinnen.  Für  körperliche 
Anschauung  habe  ich  ein  Mittel  gefunden,  welches  zwar  bei  weitem  nicht  die  große 

^)  Anschauungslehre  der  sphärischen  Formen,  in  dieser  Ausg.  Bd.  XX. 


Nachtrag  zu   i8lO.  i6l 


Bedeutung  hat,  wie  ihre  Dreiecke,  doch  aber  gute  Dienste  leistet.     Meine  weitesten 
Mathematiker   führe  ich    nach   Schiceins  System   der  Geometrie.     Zugleich  ||  haben 
diese   üfflackers  Exempelbuch,   herausgegeben   von   ELellwig.  ganz   durchgerechnet 
und  sind  mit  der  Berechnung   der  Logarithmen  und   ihi'er  Behandlung  fertig  ge- 
worden.    Wenn  das  Ganze  noch  einmal  revidirt  ist,  sollen  sie  nach  Eulers  großem 
Werke  zu  den  Funkzionen  übergehen.  —  Von  dem  übrigen  was  wir  treiben  würde 
die  Beschreibung  zu  weitläuftig.  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  — 

An  Ihrer  pädagogischen  Zeitschrift  ^)  will  ich  mitarbeiten,  schreiben  Sie  mir 
nur  was?  und  wie?  —  Schacht  taugt  noch  nicht  dazu.  —  Mit  meinen  hiesigen 
Freunden  gebe  ich  selbst  eine  pädagogische  Zeitschrift  heraus,  in  welcher  alle  Zweige 
der  Pädagogik  nach  meiner  aufgestellten  Ansicht  nach  und  nach  weitläuftig  bearbeitet 
werden  sollen,  so  daß  es  ein  Ganzes  giebt.  —  Ist  das  W^erk  im  Gange,  so  werde 
ich  wohl  zu  einigem  literarischen  Ansehn  kommen,  wie  Sie  es  zu  der  vorgeschlagenen 
Vereinigung  wünschen  müssen.  —  Kenne  ich  das  Publikum  recht,  so  macht  mein 
jetzt  erscheinendes  Werk  Glück.  Warten  Sie  mit  Ihrer  Zeitschrift,  bis  es  in  öffent- 
lichen Blättern  zur  Sprache  gekommen  ist,  welches  gewiß  gleich  vor  oder  nach 
Neujahr  geschehen  wird.  —  Stellen  Sie  uns  dann  ve?-eimgt  dar.  Wie  Sie  sich  die 
Art  dieser  Vereinigung  denken,  wie  Sie  sie  machen  wollen,  überlasse  ich  ganz 
Ihnen;  denn  ich  möchte  Ihnen  ganz  augehören.  F.  Griepenkerl. 

812.  -iui  11-  Juli  1810  wird  H.  o.  Mitglied  der  Königl.  Deutschen  Gesellschaft  zu 

Königsberg.     (Urkunde  darüber  im  N.) 

813.  A.  H.  L.  Heeren  an  H.  (3  S.  4».  N.)  Göttingen  d  23  Juli  1810. 
Ich  nütze  die  schöne  Gelegenheit,  die  sich  darbietet,  mein  theurer  unver- 
geßlicher Freund,  Ihre  beyden,  mir  so  angenehmen  Briefe  zu  beantworten.  Mit 
Freuden  sehe  ich  daraus,  daß  es  Ihnen  in  Königsberg  gefällt:  daß  Sie  in  angenehmen 
Verhältnissen  leben.  Ich  habe  das  im  voraus  nicht  bezweifelt;  denn  Sie  verstehn 
die  Kunst  sich  einen  Kreis  zu  bilden,  wo  keiner- war;  allerdings  hat  aber  auch  das 
Glück  das  seinige  gethan,  da  es  Ihnen  so  würdige  CoUegen  zuführte.  Keinen  von 
diesen  kenne  ich  persönlich:  der  Hr.  Prof.  Vater  gehört  zu  denen,  um  die  ich  Sie 
beneide;  oder  beneiden  würde,  wenn  es  keine  Sünde  wäre. 

Nun  zu  Ihrer  Anfrage  wegen  D.  Meyer').  Ich  kenne  diesen  Mann  sehr  genau, 
da  er  in  meinem  Hause  wohnte.  Er  ist  ein  Mann  von  einem  durchaus  reinen  und 
untadelhaften  Gemüthe;  hüch.st  gewissenhaft  in  der  Erfüllung  seiner  Pflicht  1|  und  so 
verträglich,  daß  man  keinen  Streit  mit  ihm  haben  kann,  wenn  man  nicht  durchaus 
will.  Er  ist  ohne  Zweifel  einer  unsrer  gelehrtesten  Theologen;  vor  allem  in  der 
Exegese;  aber  auch  in  andern  Fächern  der  Theologie.  Auch  ist  er  gar  nicht  ohne 
Sinn  für  practische  Theologie;  und  würde  für  ein  Predigerseminar  oder  ein  ähn- 
hches  Institut  brauchbar  seyu.  Er  hat  als  Docent  einen  sehr  klaren  und  deuthchen 
Vortrag;  und  eben  dieß  ist  auch  der  Character  seiner  Predigten,  auf  die  er  immer 
vielen  i^leiß  verwendet.  Nur  Eins  muß  ich  hinzusetzen.  Man  muß  sich  bey  diesem 
Allen  nichts  Brillantes  denken.  Aber  daß  er  einer  der  gelehrtesten,  fleißigsten  und 
brauchbarsten  Theologen  seyn  würde,  dafür  stehe  ich  ein.  Seine  jetzige  Lage  könnte 
vielleicht  seine  Berufung  erleichtern.  Er  hat  zwar  in  Altorf  seine  Einkünfte  be- 
halten; allein  seine  F'reunde  sind  versetzt  worden;  wie  ich  von  seinem  lüesigen 
Schwager  höre. 

^)  Von  diesem  Plane  Herbarts  ist  sonst  nichts  bekannt  geworden. 

^)  Gemeint  ist  wohl  G.  W.  Meyer  (1768—1816),  seit  1805  Prof.  in  Altorf, 
der  Verfasser  der  Geschichte  der  Schrifterklämng.  S.  Perthes.  Handlexikon  f.  ev. 
Theol.     Bd.  IL     S.  574. 

Herbaüts  Werke.     XIX.  II 


l52  Nachtrag  zu   i8lO. 


Daß  es  hier  noch  so  ziemlich  beym  Alten  ist,  werden  Sie  durch  H.  Mulert 
hören.  Meiners  ist  gestorben.  Um  eben  die  Zeit  kam  Schulz  aus  Helmstädt  her; 
der  mit  ||  Beyfall  lieset.  Als  Sie  weggegangen  waren,  war  hier  in  philosophicis 
eine  völlige  Pause  eingetreten;  wenn  nicht  der  wackere  Bissen  die  Köpfe  in  Übung 
gehalten  hätte.     Auch  jetzt  bleibt  ihm,  wie  ich  höre,  fortdauernd  sein  Kreis. 

Ihre  ZusammenwirkuDg  mit  andern  tüchtigen  Männern  für  practische  Bildung 
muß  viel  dazu  beytragen,  Ihnen  Ihre  Lage  angenehm  zu  machen.  Bey  dem  vielen 
Vortrefflichen,  das  ich  von  Hrn.  Nicolovius  höre,  befürchte  ich  nicht,  daß  der 
Abgang  des  Hrn.  von  Humboldt  Veränderungen  machen  werde.  Möge  das  Eeich 
der  Philosophie  fortdauernd  in  Königsberg  blühen,  wo  sie  ja  ihren  Thron  sich  er- 
richtet hat. 

Meine  Theilnahme  an  Ihren  Arbeiten  kennen  Sie.  Wenn  Sie  Ihren  Plan  für 
die  Psychologie  durchgeführt  haben,  so  haben  Sie  eine  Aufgabe  gelöset,  deren  Folgen 
nicht  zu  berechnen  stehn. 

Von  meiner  Frau  soll  ich  Ihnen  die  herzlichsten  Empfehlungen  bestellen.  Sie 
erinnert  sich  Ihrer  immer  am  Fortepiano.  Das  müssen  Sie  sich  selber  zuschreiben, 
Sie  haben  es  darnach  gemacht.  i 

Heyne   ist  gottlob!    diesen   Sommer   recht  munter.     Leben    Sie   wohl,    mein  [ 
theurer  Freund!     Ganz  der  Ihrige  Heeren.  \ 

814.  Nicolovius  an  H.     {2  S.    40.     N.)  Berlin  d.  6.  Oct.  1810.   i 
Sie    werden   es    mir  erlauben,   daß   ich  den    üeberbi'inger  dieses,    Hrn.   Prof.   1 

Zachariä,   Ihrer  freundlichen  Aufnahme   und  Theilnahme   empfehle.     Er  freut  sich,  i 

da  er  Sie  kennt  und  sehr  hochschätzt,'  mit  Ihnen  in   collegialische  Verbindung  zu  ' 

treten.     Bewirken  Sie  durch  Ihren  Umgang  und  die  Bekanntschaft  Ihrer  Freunde,  j 

daß   er  sich    nicht  in    einer  Wüste    fühle,    wozu   seine    nächste  Umgebung   in   der  i 
Facultät  leicht  Anlaß  geben  könnte.     Er  gehört  zu  den  Beßern  und  wird  gern  und 
ganz  diesen  sich  anschließen. 

Ihr  letztes    Schreiben   bedarf  wohl   keiner  Antwort  mehr,  da  seitdem   Vieles  ' 

durch  neuere  Anordnungen  der  Section  sich  aufgeklärt  haben  wird,  was  Ihnen  zwey-  '■ 

deutig  und  beunruhigend  oder  verwerflich  schien.     Rechtfertigt  die  Section  sich  bey  ' 

Ihnen  aber  nicht  durch  den  Zusammenhang  ihres  Verfahrens,  so  würde  jede  Recht-  i 

fertigung  durch  Worte,  die  ich  etwa  versuchen  möchte,  wenig  bedeuten  und  wirken.  | 

Auf  meinem    Staudpunkt   gehört    die    Erfahrung  unbilliger   Beurtheilung   und   Mis-  ■ 

deutung  zwar   zu  den  alltäglichen,   und   ich  habe  sie  tragen  gelernt.     Doch  ||  leugne  j 

ich  picht,  daß  Ihr  Schreiben  meinen  Gleichmuth  anfocht,  Theils  weil  Sie  einer  Be-  ■ 

hörde,  deren  reines,  rücksichtloses,  und  von  jeder  beschränkenden  Föi'inlichkeil  un-  < 

befangenes  Verfahren  mir  täglich  klar  vor  Augen  liegt,  das  hölzerne,  sinnlose  Wesen  i 
eines  gottlob!  aussterbenden,  weiland  gepriesenen,  aber  immer  verderblich  gewesenen 

Geschlechts  von  Reformatoren  beylegten;  Theils  weil  Sie  mir,  einem  (wie  Sie  wollen,  ' 

gottlob  oder  leider!)    der  unwandelbarsten  menschlichen  Wesen,   flüchtigen  Wechsel  ; 

von  Ueberzeugungen  zuschrieben,  Thoils  weil  Ihre  Heftigkeit  mir  Ihr  mit  Liebe  aus-  . 

gebildetes  und  im  Herzen  getragenes  Bild   etwas  zu  entstellen  drohete.     Jetzt  aber  ; 

ist,  hoffe  ich,  Wohlwollen  wieder  in  Ihnen  herrschend,  und  ich  darf  mit  altem  Ver-  ■ 
trauen   an  Sie  denken.  _  Möchte   Muth   und  Freude  Ihr  Geschäft  begleiten    und  der 

Kreis  durch  Sie  zu  höherm  Leben  geweckter  Jüngünge  sich  immer  erweitern!  , 

Nicolovius.  I 

* 

815.  Halem  an  rt.     (1  S.   4«.    N.)  Old.  1810.    Nov.  17.   \ 
Unser  Wardenburg  wird  Ihnen  sagen,  mein   verehiter  alter  Fi'eund!    daß  ich    1 

lebe  und  gesund  bin,   umringt  von  fünf  Kindern,  10  bis  1  Jahr  alt.     Da  ich  Ihnen    i 


Nachtrag  zu   1 8 1  o.  j  5  ^ 


keines  der  leiblichen  Kinder  schicken  kann  (vielleicht  doch  den  Ältesten  nach 
8  Jahren)  so  kommt  hiebey  ein  geistiges,  das  letzte,  was  ich  zeugen  werde.  Die 
Idee  dazu,  od.  manche  Bruchstücke  daraus  kennen  Sie  schon.  Möchte  auch  das 
Ganze,  das  ich  mit  Liebe  dichtete,  Ihr  Inneres  ansprechen!  Lesen  Sie  Ihrer  lieben 
Braut,  vielleicht  schon  Frau,  die  Stelle  Ges.  IV  v.  151  bis  248  und  reden  Sie  ein 
Wort  der  Freundschaft  von  mir.  Möchte  ich  die  Gefährtin  Ihres  Lebens  persönlich 
kennen  lernen!  Aber  dazu  rauben  mir  die  100  Meilen  Zwischenraums  und  mein 
Sechziger  Alter  fast  die  Hoffnung.  Einen  Schattenriß  verlange  ich  von  Ihnen,  und 
mit  dem  bischen  Phantasie,  das  mir  noch  blieb,  will  ich  ihn  schon  zu  beleben 
suchen.     Sie  leben  ganz  in  meiner  Erinnerung.     Vergessen  auch  Sie  nicht 

Ihres    Halem. 

816.  A.  Luber  an  H.     (4  S.    4«.    N.j  Tilse,  28.  Dez.  1810. 

817.  Graff  an  H.')  M[arieuwerder],  4t.  Jan.  1811. 

Ich  muß  in  Bezug  auf  meinen  letzten  Brief  an  Sie  Ihnen  einen  2ten 
schicken  —  Sie  haben  wahrscheinlich  die  Anzeige  von  der  Einrichtung  des  Luisen- 
thums*)  gelesen.  Sollte  sich  dergleichen  nicht  in  K.  zu  Stande  bringen  lassen  und 
ich  dabei  mein  LTnterkommen  finden?  Kennen  Sie  Klewitz  oder  Janke,  Sack,  Rosen- 
stiel, Nolte,  die  die  Stifter  sind?  Wollen  Sie  in  diesem  Falle  nicht  diesen  o.  jenen 
auf  mich  aufmerksam  machen,  mit  dem  Wunsche,  mir  die  Stiftung  und  Leitung 
einer  solchen  Anstalt  in  Königsberg  zu  übertragen  —  denn,  wenn  der  Vorsteher 
nicht  wirklich  Erzieher  von  Wissenschaft  und  Each  ist,  so  gehts  doch  nicht  — 
Möge  mein  Hintreten  zu  Ihnen  so  ganz  ohne  Umstände  und  Einleitung  Ihnen  sagen, 
wie  hoch  ich  Sie  schätze,  wie  innig  ich  Sie  liebe,  wie  fest  ich  Ihnen  vertraue  — 
möge  aber  auch  meine  offene  Darlegung  meines  mich  allein  rettenden  Entschlusses, 
nach  K.  zu  gehen  Sie  thätig  für  mich  wirken  lassen  —  Ich  kenne  alle  Reize,  die 
meine  jetzige  Lage  für  Hunderttausende  haben  muß;  aber  ich  kann  nur  in  K.  und 
überhaupt  nur  an  einem  Orte  mich  vor  mir  selbst  retten,  wo  ich  wahrhaft  nützlich 
wirken  kann  —  Diese  Flickereien,  diese  unvernünftigen  Halbheiten  und  Widersprüche 
reizen  durch  ihre  ärgerliche  Seite  mein  Inneres  zu  sehr,  als  daß  es,  an  sich  schon 
der  Zeriiittung  nahe,  nicht  über  kurz  oder  lang  zerstört  würde  — .  Theilen  Sie 
diesen  Brief  Bobrik  mit  und  überlegen  Sie  gemeinschaftlich  mit  ihm  und  mit  den- 
jenigen, die  helfen  können  — .  Zunächst  beten  Sie  zum  Himmel,  daß  er  nur  V*  Jahr 
noch  meine  [Gesundheit]  erhalte;  dann  hoffe  ich.  wirds  heller  vor  mir  seyn  — . 
Ich  drücke  Sie  an  mein  Herz  und  sauge  aus  Ihren  blauen  Augen  Kraft  und  Muth  — 

Ihr    G[ra]ff. 

Ich  bitte  Sie  dringend  um  eine  baldige,  baldige  Antwoi-t!  — 

818.  ^)  Daß  der  Professor  der  Philosophie  an  der  hiesigen  Universität  Herr 
Johann  Friedrich  Herbart,  mit  Demoiselle  Mary  Jane  Drake  des  Negocianten  Herrn 
James  Laurence  Drake  eintzigen  ehelichen  Tochter  in  der  hiesigen  reformiiien 
Parochial  Kirche  drei  Mahl  ohne  Behinderung  proclamirt  worden  sei,  bescheinige  ich 

^)  ]  S.  4».  N.  E.  G.  Graff  (1780—1841),  erst  Schulrat  in  Marienwerder, 
dann  in  Arnsberg  und  Koblenz,  später  Prof.  der  deutschen  Sprache.  Die  beiden 
Briefe  Grafts  sind  sehr  schwer  zu  lesen. 

*)  Luisenstiftung  zur  Erziehung  junger  Mädchen,   am  10.  März  1811  eröffnet. 

*)  IS.  4".  N.  Die  Hochzeit  Herbarts  mit  der  Tochter  des  Kaufmanns  und 
Konsuls  Drake  hat  am  13.  Jan.  1811  in  Memel  stattgefunden.  (Dahin  muß  Bd.  11, 
S.  80,  Anm.  1  berichtigt  werden.)  Ein  Hochzeitsgedicht,  datiert  13.  Jan.  1811,  ist 
im  Besitze  der  Frau  Geh.  Rat  Albrecht,  der  wir  diese  Mitteilung  verdanken. 

II* 


j54  Nachtrag  zu   1811. 


hierdurch,  behufs  der  anderweitigen  Copulation,   mit  herzlicher  Anwünschuiig  einer 
glücklichen  und  gesegneten  Ehe. 

Königsberg  den  7ten  Januar  1811. 

A.  Weyl 
Köuigl.  Preuß.  Hofprediger  und  Superintendent. 

819.  ^lai  1811. 
Herbart    bietet   Eichthofen   (wie  in  dessen  Biographie   mitgeteilt  wird)    schon 

in  dieser  Zeit  sein  eignes  Vermögen  (6000  Thaler)  an,  daß  es  mit  zu  dem  Ankauf  des 
Gutes  diene,  um  dann  daselbst  ,,eine  echte  Erziehungsanstalt  gründen  zu  helfen".  — 

820.  J-  A.  Gotthold  an  H.     (1  S.    2».    N.)  Königsberg  4.  Mai  1811. 

821.  Richthofen  an  H.     (3  S.    40.    N.)      Dammsdorf  bei  Jauer  d.  12.  Mai  1811 

Aeußerst  erfreulich  war  mir  Ihr  Brief  vom  3ten  Mai  als  ein  neuer  Beweis 
Ihrer,  mir  schon  so  oft  an  den  Tag  gelegten,  vielen  Güte  für  mich.  Dankbar  nehme 
ich  Ihr  gütiges  Versprechen  an,  indem  ich  keinesweges  den  neulichen  Plan  aufgegeben 
habe,  und  wenn  er  auch  misglücken  sollte,  ich  doch  bei  den  so  vielen  vortheilhaften 
Gelegenheiten,  die  sich  mir  jetzt  darbietheu,  irgend  etwas  anderes  unternehmen 
würde,  wenn  auch  für  meine  Zwecke  kein  anderer  Ort  so  geeignet  wäre  als  Wahl- 
statt (derselbe  Ort  wo  1241  die  Tartaren  schlugen,  und  später  fronmie  Mönche 
beteten).  Auf  einer  fruchtbaren  Höhe  ragt  weit  ins  Land  hinaus  das  Klostergebäude, 
25  Fenster  in  der  Fronte;  16  die  Seiten;  75  Gemächer,  ungeheure  Säle  und  Kreuz- 
gänge enthaltend;  im  fernen  Halbkreis  von  ||  den  blauen  Riesenbergen  umringt.  Wie 
lebendig  steht  jnir  oft  das  Bild  v^or  Augen,  wie  die  Schaar  der  munteren  Buben 
darinnen  herumtobt!  Vielleicht  gelingt  die  Erfüllung  meines  Wunsches,  weil  vielen 
das  Gebäude  lästig  wäre. 

Haben  Sie  dalier  theuerster  Freund  die  Güte  das  versprochene  Geld  sobald  als 
möglich  abzusenden;  noch  diese  Woche  ist  der  Biethungstag.  Ich  würde  Ihnen 
sogleich  die  nöthigen  Papiere  zusenden,  aber  theils  bestimmten  Sie  die  Summe  nicht 
ganz  genau,  theils  kenne  ich  nicht  alle  nöthigen  Förmlichkeiten;  darum  warte  i(;h 
noch.  Meine  Adresse  ist  ganz  so  wie  Sie  sie  jüngst  bezeichnet;  das  Geld  aber 
würde  ich  lieber  bitten,  wenn  es  Ihnen  gleichgültig,  an  ||  meinen  Freund,  den  Dok- 
toren der  Medizin  Herrn  F.  F.  Guttentag  zu  Breslau,  Nikolaistraße  Nr.  161  zu 
schicken,  da  alle  Zahlungen  dort  gethan  werden. 

-An  Assessor  Wardenburg  werde  ich  sogleich  schreiben;  sollte  vielleicht  selbiger 
Ihnen  einige  Bedenklichkeiten  vorher  noch  geäußert  haben,  so  sind  Sie  wohl  so 
gütig  dieselben  so  schnell  als  möglich  zu  beseitigen,  da  mir  viel  darauf  ankömmt. 
Jede  Nachsendung  wird  mir  immer  willkommen  seyn,  da  natürhch  vieles  auch  erst 
später  gezahlt  wird;  ich  nehme  daher  auch  dieß  mit  Dank  an. 

Innig  freut  mich  daß  Sie  eine  brave  Frau  gefunden,  und  die  Ueberzeugung 
haben,  daß  Sie  noch  ebenso  handeln  würden.  Es  kennen  wenig  Menschen  eheliches 
Glück  in  so  voUem  Maaße  wie  ich,  und  darum  freut  sich  auch  unmöglich  jemand 
herzlicher  über  das  Ihre.  Von  mir  und  Theresen  die  herzlichsten  Grüße  für 
Ihre  Marie. 

Die  Damen  empfehlen  sich.  Auch  Heinrich  liebt  den  Mann,  dem  er  verdankt, 
was  ich  ihm  bin.  Ihr  Freund     C.  Freiherr  von  Richthofen. 

822.  Witt  an  H.     (3  S.    4".     N.)     [Bitto  um  ein  Darlehn.] 

Königsberg,  den  15ten  Juni  1811. 


Nachtrag  zu   i8if.  165 


823.  Richthofen  an   H.     (4  S.    4».     N.)  Damsdorf  d.  20ten  Juni  1811. 
Ich   habe  Ihuen,  liebster  Herbart,   eine  selir  traurige  Nachricht   mitzutheilen, 

von  der  ich  weiß  Sie  werden  sie  nicht  ohne  die  innigste  Betrübniß,  nicht  ohne  die 
herzlichste  Theilnahme  an  meinem  traurigen  Looß  vernehmen.  Es  ist  fürchterlich  wie 
nahe  Freude  und  Schmerz  aneinander  grenzen;  wie  alles  auf  Erden  so  schwankt, 
wie  uns  nichts  bleibt  als  das  Gefühl  unserer  Selbst,  und  die  Erinnerung  an  die 
Freuden  der  Vergangenheit.  "Was  könnte  mich  jetzt  wohl  vor  Verzweiflung  schützen, 
wäre  es  nicht  die  üeberzeugung,  daß  wenn  auch  das  Glück  von  mir  geschwunden, 
mir  doch  die  Hoffnung  bleibt,  wenn  auch  später,  Gutes  zu  wirken,  und  dem  Vater- 
land auch  mein  Theil  von  Kraft  redlich  zu  seinem  besten  zu  weihen.  Wahrlich 
ich  habe  nicht  geglaubt  daß  es  soviel  Unglück  in  der  Welt  geben  könne.  || 

Am  SOsten  vergangenen  Monaths,  schenkte  mir  Therese  zur  Vollendung 
meines  Glückes  einen  blühenden  gesunden  Knaben;  und  am  7ten  verlohr  ich  sie  die 
mir  alles  war.  Alle  Anstrengungen  der  Aerzte  waren  vergeblich,  und  immer  brach 
ein  neues  Uehel  hervor,  bis  ihre  Kräfte  unterlagen.  Alle  Verwaisten  und  Ver- 
wittweten  rülimen  ihre  Verlohrenen,  aber  wer  hat  mehr  Grund  dazu  denn  ich? 
0  es  war  ein  herrlicher  Engel,  wie  es  vielleicht  keinen  zweiten  mehr  giebt;  ich 
habe  an  ihrer  Seite,  durch  meiner  Therese  innige  Liebe  das  höchste  menschliche 
Glück  genossen,  wir  waren  ein  Herz  und  eine  Seele,  ganz  eins,  und  jetzt  bin  ich 
getrennt  von  ihr  und  soll  ohne  sie  ein  langes  Leben  noch  hinbringen,  denn  erst 
24  Jahre  zähle  ich;  es  ist  unendlich  schwer  dieß  zu  tragen,  ohne  zu  Boden  sinken, 
ohne  irgend  einen  Punkt,  auf  den  ich  mich  stützen  könnte.  |j 

Mit  meines  holden  Weibes  Tode  bin  ich  wieder  in  die  weite  Welt  hinaus- 
geworfen: die  unglückliche  Mutter  und  Großmutter  gehen  mit  meinem  Knaben 
nach  Jülinde,  ich  nach  der  Schweiz  von  dort  nach  Italien  oder  wo  mich  sonst  das 
Schicksal  hinführt. 

Mein  Bruder  begleitet  mich;  seine  Bildung  und  einige  philosophische  Bücher 
werden  mich  ausschließend  beschäftigen.  Alle  P.läne  (nur  mein  großer  Erziehuugs- 
plan  nicht)  sind  fürs  erste  aufgegeben.  Schreiben  Sie  mir  liebster  Freund  bald,  so 
ist  es  möglich  daß  Sie  mich  noch  treffen,  sonst  schicken  mir  meine  Eltern  den 
Brief  nach;  bitte  senden  Sie  mir  doch  einige  empfehlende  Worte  an  Steiger  in  der 
Schweiz,  und  [wenn]  Sie  dort  sonst  Freunde  haben,  deren  Bekanntschaft  Sie  mir 
wünschen.  Bei  Pestalozzi  und  Fellenberg  werde  ich  länger  verweilen.  ||  Was 
unsere  Geldangelegenheit  betrifft,  so  bedarf  ich  für  mich  gegenwärtig  nichts;  ich 
bin  aber  zu  Ihrem  Besten  mit  meinen  Eltern  über  folgendes  übereingekommen. 
Meme  Eltern  nehmen  statt  meiner,  Ihr  Geld,  und  zwar  gegen  6  pr.  ct.  jährliche 
Zinsen,  da  Sie  sonst  wahrscheinlich  nur  4  oder  5  erhalten  haben.  Es  steht  Ihnen 
frei  ob  ich  oder  meine  Eitern  Ihr  Schuldner  seyn  soll;  aber  da  Sie  wahrscheinlich 
lieber  mit  mir  als  einem  Fremden  zu  thun  haben  so  erbiethe  ich  mich  dazu ;  die 
Sicherheit  ist  die  größte,  da  meiner  Eltern  jährliche  reine  Einkünfte  ungefähr 
20000  Thlr.  betragen  dürften  (dieß  versteht  sich,, bleibt  unter  uns).  Wenn  Sie  das 
Geld  aber  noch  nicht  abgeschickt  haben,  so  müßten  Sie  es  mit  umgehender  Post  an 
Guttentag  senden,  weil  eben  jetzt  ein  Zahlungstermin  ist,  und  sonst  meinen  Eltern 
das  Geld  weniger  nützen  würde.    Nach  Oldenburg  werde  ich  von  Neuem  schreiben. 

Möge  Sie  Gott  vor  einem  ähnlichen  Unfall  schützen  als  mir  begegnet;  es  ist 
das  größte  Unglück;  erhalten  Sie  mir  wenigstens  Ihre  Freundschaft  und  Liebe 

ßichthofen. 

824.  An  Freih.  von  Richthofen.  [M  '^ii] 
„Sie  wollen  reisen?    Da  Sie  Vater  sind,  werden  Sie  es  da  lange  aus- 
halten zu    reisen?     Ein    Ausflug    in    die  Schweiz   und   zu  Fellenberg    und 


l66  Nachtrag  zu  1811. 


Pestalozzi  wird  Ihnen  wohltun.  Ernste  Dinge  und  eine  ernste  Natur 
können  Ihren  Schmerz  lindern.  Aber  Italien?  Sagen  Sie:  Jühnde!  Möchten 
Sie  es  sagen!  Vielleicht  wäre  es  auch  so  der  Mutter  und  Großmutter 
leichter  zu  tragen,  die  zwar  geübt  sind  im  Leiden  bis  zum  Übermaß.'' 

825.    Carl  Steiger  an  H.     (3  S.    4".     N.)  Appelterea  Ende  August  1811. 

Nach  einem  so  langen  Stillschweigen,  bester  Herbart,  wirst  Du  nichts  ge- 
ringeres von  mir  zu  vernehmen  gewärtig  seyn,  als  daß  ich  zum  wenigsten  iu  den 
Stand  der  heiligen  Ehe  getreten  bin,  —  und  diesmal  wirst  Du  wohl  gerathen  haben 
—  denn  bereits  schon  seit  dem  Monat  Aprill  wandele  ich  an  der  Seite  einer  lieben 
ja  innig  geliebten  Gattin  die  mich  uneudlich  glückhch  macht,  was  Du  mir  nun  um 
so  eher  glauben  sollst,  da  ich  es  Dir  nicht  mehr  in  dem  sogenannten  ersten  Taumel 
der  Liebe  schreibe.  Hier  kurz  meine  Geschichte.  Du  erinnerst  Dich  wohl  mein 
Theurer  einer  Reise  die  ich  vor  fünfthalb  Jahren  von  Göttingen  aus  nach  Holland 
machte  und  auch  daß  ich  damals  einige  Wochen  im  Hause  der  Gräfin  von  Rechteren 
zubrachte.  Nun  schon  zu  der  Zeit,  ohne  jedoch  an  weitere  Folgen  zu  denken, 
konnte  ich  mir  selbst  nicht  verhehlen,  daß  dießer  zweyte  Schwester  einen  tiefen 
Eindruck  auf  mich  machte,  der  sich  selbst  bei  meiner  Zurückkunft  im  Vaterlande 
erhielt  und  auch  dort  durch  keinen  anderen  verdrängt  wurde.  Als  ich  vor  emem 
Jahr,  wie  ich  Dir  zur  Zeit  schrieb,  eine  zweyte  Reise  nach  Holland  unternahm  um 
unseren  83jährigen  Oheim  in  Nimwegen  |1  abzuhohlen  erneuerte  ich  diese  alte  Be- 
kanntschaft und  fand  mich  nun  vom  Gegenstand  meiner  Liebe  so  angezogen  und 
gefesselt  daß  mein  einziger  Wunsch  dahin  ging  mich  mit  ihr  auf  immer  zu  ver- 
einigen. Ich  war  glücklich  genug  nicht  zu  mißfallen.  Im  Herbst  führte  ich  den 
alten  Onkel  nach  der  Schweiz  und  kehrte  im  Januar  an  die  Ufer  der  Maaß  zurück, 
wo  ich  mich  zu  jeder  andern  Zeit,  nur  nicht  damals  an  den  Nordpol  versetzt  ge- 
glaubt hätte.  —  Die  flüsse  waren  eben  ausgetreten  und  hatten  das  ganze  Land 
überschwemmt,  so  daß  nichts  als  Himmel,  Wasser  und  Eis  und  nur  wenig  trockene 
Stellen  zu  sehen  waren.  Dies  wilde  Element  hatte  uns  noch  nicht  verlassen  als 
meine  Schicksale  an  die  meiner  treuen  Gefährtin  geknüpft  wurden  die  mir  innig 
zugethau  ist.  —  Von  Mutter  Natur  nicht  vernachläßigt  vereinigt  meine  neue  Freundin 
eine  hmimlische  Sanftmuth  und  Güte  mit  einer  gewißen  Festigkeit  des  Charakters 
der  mir  vielleicht  auch  deswegen  so  sehr  gefiel,  weil  er  wirklich  viel  überein- 
stimmendes mit  dem  Meinigen  hat  —  eine  Äholichkeit  welche  Andere  sogar  auf 
unser  Aeußeres  ausdehnen  wollen.  Als  Musikliebhaber  muß  ich  noch  für  Dich 
hinzufügen  daß  sie  eine  ||  sehr  hübsche  Stimme  hat.  Unser  Plan  war  dieses  Jahr 
noch  nach  der  Schweiz  zu  gehn,  allein  allxunatürliche  Ursachen  und  Folgen  ver- 
schieben diese  Reise  fürs  erste  noch.  Indessen  lebe  ich  hier  sehr  angenehm  im 
Hause  meiner  Schwiegereltern  auf  einem  ihrer  Güter  drey  Stunden  von  Nimwegen. 
Von  Hause  habe  ich  gute  Nachrichten:  meiner  theuren  Mutter  bekommt  ein  Auf- 
enthalt zu  Interlacken  sehr  wohl,  dessen  ihre  zerüttete  Gesundheit  sehr  bedurfte.  — 
Rudolf  ist  immer  in  Sizilien  und  Ludwig  verheyrathet  in  London:  ohne  daß  wir  aber 
etwas  näheres  von  Letzterm  wissen. 

Sehr  gerne  mein  Lieber  vernehme  ich  nun  auch  bald  wieder  etwas  von  Dir 
und  Deinen  Verhältnissen.  Mögest  Du  so  glücklich  und  zufrieden  seyn  als  Du  es 
verdienst  und  es  von  Herzen  für  Dich  wünscht       ganz  der  Deinige     Steiger. 

P.  S.  Rechteren  empfiehlt  sich  Deinem  Angedenken.  —  Was  machen  die 
Grote,  Rahden  u.  s.w.  —  Meine  Adresse:  N.  N.  aux  soins  de  P.  v.  Aalst.  Rue  des 
moulins  ä  Nimegue. 


Nachtrag  zu   i8i2.  157 


826.  Graff  an  H.    (1  S.    4».    N.) 

Eben  habe  ich  die  2.  Hälfte  der  Recension  Ihrer  Pädagogik')  gelesen.  Nein, 
es  ist  zu  arg!  Da  ist  Dummheit,  Unwissenheit  und  Bosheit.  Ich  bitte  Sie,  lesen  Sie 
dies  Pasquill  der  Jenaei-  Zeitung  und  fertigen  Sie  kurz  und  derb  die  boshaften 
Dummereien  ab,  oder  lassen  Sie  in  die  gelehrten  Zeitungen  eine  dringende  Auf- 
forderung an  den  Redakteur  der  Jenaer  Zeitung  ergehen,  nicht  jedem  Burschen  eine 
Recension  anzuvertrauen,  der  sich  dazu  drängt.  Ich  wette,  das  ist  hier  der  Fall 
gewesen.  Übrigens  könnte  man  den  Recensenten  durch  eine  Zergliederung  seiner 
Recension  prostituiren,  wie  so  leicht  keinen  —  so  verargt  er  Ihnen,  daß  Sie  es  Ver- 
tiefung nennen  wenn  mau  sich  mit  Liebe  irgend  einem  Gegenstand  der  Kunst  hin- 
gibt und,  wünscht,  auch  die  Natur  mit  begriffen  —  Ich  glaube,  der  Kerl  ist  ein 
Hurenbock!  verzeihen  Sie  das  Wort,  ich  bin  wirklich  ärgerlich.  Die  herrlichsten, 
geistreichen  Stellen  Ihrer  Bücher  übergeht  er  mit  Stillschweigen  oder  macht  sie  ver- 
dächtig und  schließt: 

Schiiften,  über  deren  Inhalt  ihre  Verfasser  auf  öffentlichen  Lehrstühlen  Vor- 
träge halten,  machen  eine  starke  Kritik  nothwendig  und  es  war  daher  verdienstlich, 
„die  Hülle,  mit  welcher  dieses  Buch  bisher  bedeckt  zu  sein  schien,  zu  lüften  und 
es  den  Männern,  welche  die  Pädagogik  studiren  und  praktisch  üben,  in  seiner  wahren 
Gestalt  vor  Augen  zu  stellen".  ^) 

Sie  müssen  etwas  sagen,  nicht  Sich  und  Ihr  Buch  zu  vertheidigen,  sondern  den 
Menschen  an  den  Pranger  zu  stellen  und  Redaktionen  und  Leser  gelehrter  Zeitungen 
zu  warnen.     Ich  wette,  der  Kerl  ist  ein  Bekannter.  Ihr     Graff. 

827.  Richthofen  an  H.    (1  S.    4'.    N.)  Barzdorf  den  I2ten  März  1812 

Schon  vor  längerer  Zeit  habe  ich  an  Sie  geschrieben,  mein  verehrter  Freund, 
aber  noch  keine  Antwort  erhalten;  nun  ist  zwar  keineswegs  meine  Sitte  Sie  mit 
Briefen  zu  bestürmen,  aber  da  es  möglich  wäre,  daß  Sie  meine  Bitten,  mir  wenn 
Sie  jene  Geldsummen  noch  vorräthig  haben  selbige  zu  leihen,  erfüllt  hätten,  und 
das  Uebersandte  verlohren  ging,  so  halte  ich  es  für  meine  Pflicht  Ihnen  zu  schreiben, 
Sie  deshalb  zu  fragen,  Sie  nochmahls  um  die  Ueberseudung  zu  bitten,  da  ich  dessen 
bedarf.  —  Wozu  Ihnen  schreiben  wie  es  mir  in  meinem  Vaterlande  geht?  Die  Ver- 
gangenheit war  schön,  die  Gegenwart  ist  trübe,  die  Zukunft  wird  vielleicht  wieder 
freundlich  seyn;  drum  lebe  ich  in  der  ersten  und  letzten,  gedenke  mit  Liebe 
meiner  Geliebten,  meiner  Freunde  und  Pläne!         Ewig  der  Ihre     Richthofen. 

Am  Rande:  An  den  Freiherrn  v.  R.  auf  Brecheishof  zu  Barzdorf  bei  Strigau 
in  Schlesien. 

828.  An  Freih.  von  Richthofen.  20.  Mai  1812. 
[Herbart  schreibt,  er  sei  entschlossen,   seine  Professur  in  Königsberg 

aufzugeben  und  zu  von  Richthofen  nach  Brecheishof  zu  kommen,  um  dort 
an  dessen  pädagogischer  Schöpfung  thätig  zu  sein.]  „Regen  Sie  das  päda- 
gogische Interesse  des  Departements  auf!  —  Zeigen  Sie  sich  als  einen 
Freiwilligen  im  Dienst  der  allgemeinen  Angelegenheit,  „Volk.sbildung'"  ge- 
nannt. Sie  werden  Beifall  und  Unterstützung  (wenn  Sie  sie  brauchen) 
vom  preußischen  Gouvernement  eher  gewinnen,  als  Fellenberg  und  Pesta- 
lozzi vom  bayrischen.  Ich  wollte  und  will  nicht  zudringlich  sein.  Ihre 
Schöpfung   kann    und    muß    das   Werk   Ihres    Geistes    und    Ihres    Willens 


^)  Von  Jachmann.     Bd.  11,  S.  146  ff. 
')  In  dieser  Ausg.  Bd.  II,  S.  162. 


l58  Nachtrag  zu   1812. 


sein.  Sehe  ich  mich  aber  jemals  im  Fall,  entweder  auf  Ihren  Gütern, 
oder  an  irgend  einer  Schulanstalt  ein  häusliches  Unterkommen  zu  suchen, 
so  rechne  ich  dabei  zunächst  auf  die  Lehrstunden,  die  ich  gebe,  auf  die 
wirkliche  und  unmittelbare  Tätigkeit,  die  ich  bringe,  nicht  auf  meine 
Ideen,  sondern  auf  meine  Arbeit.  Brauchten  Sie  jetzt  schon  mehrere  Lehrer, 
so  könnte  ich  vielleicht  auf  Michaelis  oder  auf  Ostern  ein  paar  talent- 
volle junge  Leute  schaffen.  Ich  könnte  in  Berlin  allenfals  auf  ein  Jahr 
Urlaub  bitten.'' 

829.    Richthofen  an  H.^)         Brecheishof  bei  Jauer  in  Schlesien  den  2ten  Juni  12. 

Könnte  ich  Ihoeu  doch  beschreiben,  Geliebtester,  in  welchen  Taumel  der  mannig- 
faltigsten Gefühle  mich  Ihr  mit  letzter  Post  eingetroffener  Brief  versetzt  hat;  mir 
ist  als  hätte  ein  Zauberschlag  mich  plötzlich  aus  dem  tiefsten  Todesschlaf  erweckt, 
zu  einer  Zeit  da  ich  eben  traurig  der  Erinnerung  lebte,  wie  ein  Jahr  früher  mir 
das  Herbste  wideifuhr.  Ich  fühle  ich  muß  kurz  seyn,  aber  womit  beginnen?  von 
Ihnen,  um  dann  freiem  Herzens  von  mir  und  meinem  Besten  reden  zu  können. 

Sie  wollen  Ihren  Standpunkt  verlassen,  vielleicht  zum  Besten  von  uns  allen 
und  der  guten  Sache  zugleich;  aber  warnen  muß  ich  Sie  dennoch,  muß  Sie  an 
Johannes  Müller  erinnern,  der  an  meinem  Vaterlande  verzagte,  wie  Sie  an  Ihrer 
Stadt,  und  dann  erst,  wenn  auch  seine  Lage  sonst  mit  der  Ihrigen  nicht  zu  ver- 
gleichen, mit  seinem  Vermögen  in  die  vergeblich  gefürchtete  Zerrüttung  kam,  da 
das  'gesunkene  Pr.[eußen]  einzelne  Gelehrte  mit  6000  Thlr.  fortwährend  besoldete; 
muß  Ihnen  vorzüglich  den  schnellen  Lauf  unserer  Kriege  zu  bedenken  geben,  daß 
meist  die  Gefahr,  ehe  der  Flüchtling  entronnen,  vorüber  ist.  Auch  die  ungewohnte 
Stille  des  Landes  ist  einem  Mann,  der  nach  tiefen  Studien,  an  den  Mittelpunkt 
einer  größeren  ||  Anzahl  junger  feuriger. Männer  gewöhnt  war,  vielleicht  oft  lästig, 
wenn  auch  zu  anderer  Zeit  wohlthätig.  Das  Geschäft  des  Erziehers  auf  einem 
weiteren  Standpunkt  ist  in  meinen  Augen  das  Kösthchste,  aber  es  wirkt  langsam, 
überall  sind  Steine  des  Anstoßes,  und  an  eine  Entzückung  wie  sie  der  Vortrag  der 
Katheder  erregt,  und  oft  plötzlich  den  Mann  umwandelt,  ist  bei  Knaben  nicht  zu 
denken.  Aber  in  Breslau  wäre  Ihre  Lage  wie  dort?  Noch  ehe  Sie  nach  Königsberg 
gingen  gab  ich  mir  Mühe  Sie  dorthin  zu  ziehen,  allein  die  Errichtung  der  Universität 
verzögerte  sich,  und  als  sie  nun  wiiklich  gegründet  ward,  glaubte  ich  Sie  duich 
Ihre  Gattin  gefesselt,  waren  alle  Gerüchte  ungewiß,  bis  endlich  mit  dem  Tode 
meiner  GeHebten  mir  Schlesien  fremd  ward  wie  jedes  andere  Land,  ich  in  der  Un- 
ruhe einzig  Ruhe  finden  zu  können  wähnte.  Vielleicht  hätte  ich  doch  etwas  ver- 
sucht, wären  nicht  alle  Ernennungen  in  Berlin  geschehen  wo  ich  gänzlich  unbekannt 
bin;  vielleicht  auch  daß  ich  Ihren  Anblick  scheute,  der  Sie  mich  in  besserer  Zeit 
kannten.  Ist  auch  eine  neue  Universität  für  einen  Lehrer  der  Philosophie  zu 
wünschen?  war  nicht  bei  leicht  excentrischen  jungen  Leuten  Steffens  zu  fürchten, 
schon  früher  in  Schlesien  von  Halle  her  bekannt?  Sonst  ist  Niemand  von  Bedeutung 
dort,  und  ich  bin  zweifelhaft  ob  ich  nun  nicht  gradezu  an  ||  Nikolovius  schreiben 
soll,  wiewohl  ich  ihn  nicht  kenne,  wollte  Sie  aber  zuvor  fragen.  Mit  welcher 
Stirn  hätte  ich  aber  mich  und  mein  dereinstiges  Beginnen  als  einen  Grund  anführen 
können?  Noch  habe  ich  nichts  gethan,  das  Zutrauen  der  Eltern  zu  verdienen; 
einzelne  Knaben  fänden   sich  wohl,  aber  ein  Institut  das  nicht  von  vorn  seine  Er- 

*)  4  S.  40.  N.  Im  2.  Bande  der  Briefe  S.  80  ff.  steht  ein  Bruchstück 
eines  Briefes  ohne  Datum.  Ich  habe  es  mit  „Juni  1812''  datiert.  Jetzt  findet  sich 
im  N.  der  Anfang  des  Briefes.  "Wie  sich  ergibt,  war  die  Datierung  richtig,  er  ist 
am  2.  Juni  1812  geschrieben. 


Nachtrag  zu   1812.  j5q 


Ziehung  beginnt  scheint  mir  wie  das  von  Fellenberg  einzig  dadurch  verdorben,  und 
weiche  ausgebreitete  Bekanntschaft  gehört  nicht  dazu,  nur  ein  Dutzend  von  gleichem 
Alter  zusammenzubringen!  Wäre  ich  jetzt  so  wohlhabend  als  ich  es  einst  wahr- 
scheinlich seyn  werde,  wäre  nur  mein  Gut  in  gehöi-igem  Stande,  so  würde  ich  unter 
die  Kostgänger  ärmere  Knaben  mischen,  aber  das  kann  ich  jetzt  nicht,  bei  zwanzig 
Tausend  Thaler  die  mir  als  Aussteuer  gegeben  wurden,  und  wenn  ich  auch  bei 
meinem  Gutskauf  vielleicht  das  Doppelte  gewonnen,  so  ist  dieser  Gewinn  doch  erst 
dann  möglich,  wenn  ich  dem  König  meine  Schulden  bezahlt,  dem  ich  bis  dahin 
seine  niedrigen  Papiere  zu  4pr.ct.  verzinße,  und  Brecheishof  sich  durch  eine  höhere 
Kultur  auszeichnet,  wo  es  denn  freilich  mich  einzig  und  allein  reich  macüen  könnte. 
Büchei-  schreiben,  aus  fremdeni  Grund,  um  bekannt  zu  werden,  mag  ich  nicht,  und 
überdieß  scheinen  mir  meist  alle  Bücher  so  weitschweifig,  daß  mich  Niemand  lesen 
würde.  Ich  hatte  mir  daher  vorgenommen  ||  einstweilen  aufs  Frühjahr  eine  Armen- 
sehule  zu  errichten,  und  durch  höhereu  Landbau  wie  Fellenberg  die  Aufmerksamkeit 
meiner  Mitstände  zu  erregen,  zugleich  auf  bessere  Zeiten  und  mehr  Geldkräfte 
wartend;  ich  hätte  überdieß  dann  mehr  Kenntnisse  und  vielleicht  auch  eine  bessere 
Stimmung  besessen.  Wie  nahe  mir  aber  mein  Plan  jederzeit  war,  davon  sey  Ihnen 
die  Freude  Zeuge  in  die  mich  Ihr  Vorschlag  versetzt.  Gern  und  freudig  trete  ich, 
wenn  Sie  noch  wollen,  mit  Ihnen  zusammen,  wenn  es  möghch  ist  etwa  ein  Dutzend 
gleichaltriger  Knaben  aufzutreiben;  in  die  Geschäfte  der  Direction  theilen  wir  uns, 
ich  übernehme  überdieß  alle  ökonomischen  Angelegenheiten,  während  Sie  möglichst 
viel  Zeit  für  Ihre  Studien  retten,  wenig  Stunden  geben,  dafür  aber  in  Zeiten  der 
Muße  einzelne  Unterrichtsfächer  vorläufig  ausarbeiten,  und  die  nöthige  Schriftstellerei 
des  Instituts  übernehmen.  Für  mich  würde  ich  die  ersten  religiösen  und  histori- 
schen Vorbereitungen  und  den  Homer  den  ich  schon  einmabl  mit  meinem  Bruder 
las,  wünschen,  Ihnen  übrigens  völlig  freie  Wahl  überlassend,  selbst  diese  zwei  Dinge 
nicht  ausgenommen.  Unfähig  bin  ich  vielleicht,  zu  den  früheren  Vorbereitungen 
der  Mathematik,  würde  mir  aber  Gewalt  anthun;  Musik,  Zeichnen,  Naturkunde  ver- 
stehe ich  nicht.    Neben  uns  noch  zwei  Lehrer  (Fortsetzung  Bd.  IL  S.  80  ff.j. 

830.  Karoline  von  Grote  an  Freih.  von  Richthofen  über  Herbart.') 

„Mit  welchem  Verlangen  ich  auf  Herbarts  Antwort  harre,  kann  ich  Dir  gar 
nicht  beschreiben.  Mir  ist  nur  vor  einer  Sache  bange,  daß  nämhch  Herbarts  Frau, 
an  das  Stadtleben  in  Königsberg  gewöhnt,  Herbart  mehr  ab-  als  zuraten  und  so 
doch  wenigstens  die  Sache  in  die  Länge  ziehen  wird,  wodurch  auch  Dir  die  Freude, 
recht  bald  in  diesem  erwünschten  Kreise  zu  leben,  geraubt  wird.  .  .  . 

Ich  habe  nur  einmal  mit  der  Großmutter  von  Herbarts  Vorschlägen  gesprochen 
sie  freute  sich  darüber,  weil  wenn  alles  zu  Stande  käme,  dies  Dir  ein  recht  lebendiges 
Interesse  geben  würde,  nur  fürchtete  sie  mit  mir,  daß  es  doch  Herbart  vielleicht 
schwer  werden  würde,  diesen  festen  Entschluß  zu  fassen.'' 

831.  Freih.  von  Richthofen  an  Karoline  v.  Grote  über  Herbart. 

2.  Juni  1812. 

„Ich  muß  gestehen,  daß  ich  manches  von  Herbart  übel  Berechnetes,  manches 

Chimärische  darin   zu   sehen  glaube,    aber  Du  kannst   leicht   denken,    mit   welchem 

Entzücken  ich  auch  nach  dieser  leisesten  Hoffnung  hasche.    Meinen  heutigen  Morgen 

habe  ich  verwandt,  Herbarts  meist  nur  angedeutete  Vorschläge  ausführlich   zu  be- 


•)  Nr.  830,  831.  832.  834  sind  der  oben  S.  150  Anm.  1  erwähnten  Biographie 
ßichthofens  entnommen. 


I70  Nachtrag  zu    i8l2. 


antworten,  und  wenn  es  geht,  wie  es  doch  nicht  unmöglich  ist,  so  bin  ich  übers 
Jahr  bereits  in  dem  schönsten  Wirkungsijreise.  Daß  ich  auch  auf  Dich,  mein 
süßestes  Kind,  dabei  rechne,  wie  bei  allem,  begreifst  Du.  Vielleicht  reiht  sich  dann, 
unter  der  weiblichen  Leitung  einer  tüchtigen,  kinderlosen  Vorsteherin,  auch  eine 
weibliche  Anstalt  an  die  größere  an,  und  mannigfache  Versuche  mit  Armenschulen 
gehen  daneben  fort.  Ich  weiß,  es  sind  wahrscheinlich  Phantasieen,  aber  wenn  ich 
bedenke,  was  ich  mit  Herbart  leisten  könnte,  so  schwillt  mein  Herz  in  der  schönsten 
Hoffnung,  so  sehe  ich  im  Geiste  Brecheishof  als  einen  ijädagogischen  Mittelpunkt 
von  hoher  Bedeutung  für  das  Wohl  der  Menschheit.  Du  fragst,  wie  Herbart  darauf 
gekommen?  (Alles  sind  nur  noch  leise  Andeutungen.)  Bedeutender  Verlust,  den 
das  Vermögen  seiner  Frau  erlitten,  der  drohende  Krieg  mit  seinen  Übeln,  ein  ihm 
verderbliches  Klima  (in  Königsberg),  der  Wunsch,  mancherlei  pädagogische  Er- 
fahrungen zu  machen.  —  —  —  Aber  ich  fürchte,  er  kann  die  Stadt  und  den 
Katheder  nicht  entbehren!  Das  Institut  kann  seinen  Unterhalt  nicht  bestreiten,  und 
die  Regierung  wird  jetzt  nichts  darauf  verwenden  können,  und  so  zerschlägt  sich 
wohl  das  Ganze;  —  auch  auf  meinen  Vater  ist  Rücksicht  zu  nehmen.  —  Aber  was 
sagst  Du  dazu?  Du  hast  meine  Pläne  gewußt.  Du  hast  mein  Zusammentreten  mit 
mehreren  Männern  erwarten  müssen;  was  solltest  Du  gegen  meinen  und  Eures 
Hauses  alten  Freund  haben?  Seine  Frau  scheint  sehr  liebenswürdig,  und  mein 
Glück  wiegt  die  Unbequemlichkeiten  gewiß  auf.  Ich  bin  fortwährend  in  der  höchsten 
Bewegung.  Freude  und  Trauer  und  Sorgen  und  Gleichgültigkeit,  alles  geht  durch- 
einander." 

832.  An  Freih.  von  Richthofen.  i5-  Juni  1812 
,,Der   treue  Ausdruck   echt   freundschaftlicher  Gesinnungen,  in   Ihrem 

gedankenreichen  Briefe,  mein  Teurer,  hält  mich  dafür  schadlos,  daß 
fürs  erste  wenigstens  die  Möglichkeit  verschwindet,  aus  meinen  neulich 
hingeworfenen  Gedanken  einen  Plan  zu  bilden.  Wir  haben  in  diesem 
Augenblick  Beide  nicht  die  nöthigen  Mittel  in  'den  Händen.  Zweierlei 
ließ  sich  denken:  entweder  Sie  errichten  eine  große  Anstalt,  die  mir 
einen  Platz  und  die  gewünschte  Gelegenheit  darböte,  Ihr  Wirken  zu 
fördern,  oder  aber  ich  wagte  eine  Unternehmung,  wozu  ich  denn  außer 
meinen  Kapitalien  noch  beträchtliche  Vorschüsse  von  Ihnen  bedurft  hätte, 
deren  Erstattung  mir  der  Gewinn  der  Anstalt  nach  einigen  Jahien  mög- 
lich gemacht  haben  müßte.  Auf  beide  Fälle  wäre  die  Last  einer  ersten 
Auslage  auf  Sie  gefallen.  Daß  Sie  diese  jetzt  nicht  tragen  können,  legt  mir 
Ihr   Brief  klar  vor  Augen." 

833.  Richthofen  an  H.     (1  Kärtchen.     N.)  [Ohne  Datum,  Juni  1812?] 

Tages  darauf 
Ich  schrieb  gestern  in  solcher  Bewegung  daß  es  sich  wohl  ziemt  heute  noch 
ein  ern.stes  Wort  hinzuzufügen.  Der  Gedanke  Sie  wollten  eine  Zeitlang  meinem  Ziel 
gemeinschaftlich  leben,  es  befördern  und  mir  die  nöthige  Hilfe  schenken,  hatte  mich 
entzückt,  das  Gegentheil  betrübte  mich;  aber  wenn  dieser  Entschluß  Ihnen  nur  leine 
Stunde  lang  ernst  war,  so-  müssen  Sie  denke  ich  darauf  zurückkommen.  Zusammen 
können  wir  mehr  wiiken  als  allein,  und  Sie  können  sich  mit  nichts  als  den  Wissen- 
schaften beschäftigen  ||  alle  widrigen  Aeußerlichkeiten  sind  nicht  für  Sie.  Pestalozzi 
kam  dadurch  in  die  größte  Verlegenheit,  sah  sein  Vermögen  verlohren,  seine  Wirk- 
samkeit vernichtet,  war  dem  Wahnsinn  nahe!  Sie  sind  freilich  der  Gefahr  nicht  aus- 
gesetzt.    So  glaube  ich  denn  noch  nicht  alles  aufgeben  zu  müssen;  höchstens  wäre 


Nachtrag  zu  1812.  jyj 


die  Saclie  verschoben,  aber  womöglich  nicht  zu  lange;  möge  Sie  Ihnen  fortdauernd 
am  Herzen  liegen,  und  sie  in  die  Wirklichlceit  eingeführt  werden. 

In  Jühnde  siehts  traurig  aus;  ich  war  jüngst  einige  "Wochen  dort.  Die  Groß- 
mutter steht  am  Rande  des  Grabes,  eine  der  herrlichsten  Frauen.  Wilhelms  Frau 
erhohlte  sich  langsam  von  gleicher  Gefahr.    Augusts  Brust  ist  sehr  angegriffen.     R. 

834.  Karoline  v.  Grote  an  v.  Richthofen. 

„Wie  leid  hat  mir's  gethan,  daß  Herbarts  Antwort  so  wenig  Deinen  Wünschen 
und  Hoffnungen  entspricht.  Ich  gestehe,  daß  ich  nicht  recht  begreife,  was  Herbart 
darunter  versteht,  Du  könntest  nicht  hinlänglich  darauf  verwenden.  Er  kannte  ja 
Deine  Umstände,  warum  zweifelt  er  denn  nun  auf  einmal?  Der  Himmel  gebe,  daß 
die  zweite  Antwort  besser  ausfällt;  ich  wünsche  es  von  ganzem  Herzen  nach  allem 
Betrübten,  was  Du  erlebt!" 

835.  Carl  Steiger  an  H.    (4  S.   8*.    N.) 

Appelteren  bey  Nimwegen  d.  lOten  Juliy  1812 
Bester  Freund!  Obschon  ich  keiner  Antwort  mehr  von  Dir  gewürdigt  werde, 
kann  ich  nicht  umhin  mich  dieser  Gefahr  noch  einmal  auszusetzen.  Im  Begriff 
dies  Land  mit  Frau  und  Kind  zu  verlaßen  um  nach  der  Heymath  zurück  zu  kehren, 
muß  ich  Dich  dessen  berichten  in  der  Hoffnung  Deine  Briefe  werden  vielleicht  den 
alten  Weg  nach  der  Schweiz  besser  finden  als  nach  HoUand.  —  Bald  wird  unsere 
Familie  wieder  beynahe  ganz  in  Riggisberg  vereinigt  seyn  mit. Ausnahme  des  guten 
Rudolf,  der  noch  in  Cadix  ist  und  uns  letzthin  von  Tanger  aus  geschrieben  hat. 
Er  ist  übrigens  zufrieden  und  gefällt  sich  in  der  belagerten  Stadt,  wo  BäUe,  Concerte, 
Maskeraden  und  Lustbarkeiten  dieser  Ait  keineswegs  durch  das  Bombardement  der  |j 
Franzosen  gestört  werden.  Der  Junge  ist  nun  schon  weit  in  der  Welt  herum  ge- 
kommen. Jedermann  der  ihn  gesehen  hat  spricht  mit  sehr  viel  Lob  von  ihm,  er 
soll  sich  unter  den  Offizieren  seines  Eegiments  auf  das  Vortheilhafteste  auszeichnen 
von  denen  er  geschätzt  und  geliebt  wird.  In  Messina  wollte  ihn  der  dort  comman- 
dircnde  Engl.  General  eben  zu  seinem  Guide  de  Camp,  machen  als  unglücklicherweise 
das  Regiment  Befehl  erhielt  sieh  einzuschiffen.  —  Ludwig  ist  endlich  mit  Frau 
und  Kind  auf  dem  Continent  angekommen,  vor  ein  paar  Tagen  erhielt  ich  einen 
Brief  von  ihm  mit  dieser  Nachricht  von  Paris,  wo  er  einige  Wochen  sich  auf- 
zuhalten dachte  ehe  er  seine  Reise  nach  dem  Vaterlande  fortsetzen  würde.  Er 
scheint  in  jeder  Rücksicht  auch  glücklich  verheyrathet  zu  seyn.  Du  kannst  Dir 
denken,  mein  Lieber,  wie  sehr  unsere  ||  heben  Eltern  sich  auf  den  Augenblick  freuen 
so  viel  Kinder  und  Kindeskinder  in  ihre  Arme  zu  schließen.  Mein  guter  Vater  ist 
letzten  Winter  hindurch  sehr  krank  gewesen,  und  beginnt  erst  seit  wenigen  Monaten 
sich  wieder  zu  erhohlen.  Die  Gesundheit  meiner  Mutter  wechselt  immer  noch  sehr. 
Die  bevorstehende  Vereinigung  der  Ihrigen  wird  die  beste  Arzney  für  sie  seyn.  — 
In  dieser  ganzen  Zeit  habe  ich  nur  indirecte  Nachrichten  von  Dir  gehabt,  durch 
einen  jungen  Menschen  aus  Gotha  den  Professor  Benecke  als  Hauslehrer  für  meinen 
jüngeren  Schwager  hieher  geschickt  hat.  Dieser  sagte  mir  Du  seyest  heftig  von 
Deinen  Gegnern  angegriffen  worden,  daß  aber  Dissen  und  Thiersch  sich  anschickten 
Deine  Vertheidigung  zu  übernehmen.  Ich  hörte  übrigens  mit  \-iel  Freude  daß 
Dissen  ||  fortfährt  Deine  Collegien  mit  großem  Beyfall  in  Göttingen  zu  lesen  und 
unter  den  philosophischen  Docenten  der  geschätzteste  ist.  Was  ist  doch  aus  Tölken 
geworden?  ich  dachte  er  würde  nicht  so  lange  wai-ten  in  der  literarischen  Welt 
aufzutreten.  Ich  frug  Dich  auch  schon  mehrmal  nach  Grote  und  Rahden;  aber 
vor  allem  nur  frage  ich  nun  nach  Dir  und  Deinen  Verhältnissen  von  denen  ich 
nichts  weiß.     Ich  fange  beinahe  an  zu  glauben  Du  seyest  auch  verheyrathet,  oder 


j-2  Nachtrag  zu  i8i2. 


wenigstens  im  Begriff  es  bald  zu  seyn.  Du  würdest  vielleicht  noch  mehr  eilen 
in  diesen  Stand  zu  treten,  wenn  Du  wüßtest  wie  glücklich  ich  mich  darin  befinde. 
Meine  kleine  Sophie  wird  alle  Tage  artiger  und  verspricht  sehr  viel.  Sie  entzückt 
Vater  und  Mutter  gleich\iel.  —  Möge  der  alte  Lehrer  doch  einmal  dem  Beyspiel 
des  alten  Schülers  nachfolgen.  Ganz  der  Deinige     Steiger. 

836.    E.  H.  Toelken^)  an  H.  Göttingen  den  20.  Juli  1812. 

Hochzuverehrender  Herr  Professor,  Schon  anderthalb  Jahre  bin  ich  jetzt  aus 
Italien  zurück,  und  von  Monat  zu  Monat  habe  ich  seitdem  es  verschoben  Ihnen 
Nachricht  von  mir  zu  geben.  Je  lebhafter  ich  fühle,  was  ich  Ihnen  verdanke,  um 
so  schwerer  wird  es  mir  nach  so  langer  Trennung  den  ersten  Brief  anzufangen  und 
mein  Stillschweigen  zu  entschuldigen.  Vor  drei  Jahren  schrieb  ich  Ihnen  indeß  aus 
Kom,  welcher  Brief  aber  mit  noch  zwei  anderen  an  Dissen  und  noch  einen  Freund 
verloren  gegangen  seyn  muß.  —  Die  fünf  vergangenen  Jahre  waren  die  glücklichsten 
meines  Lebens,  reich  an  Erfahrungen  und  Freude;  jetzt  kommen  Arbeit  und  Ernst 
an  die  Reihe.  Seit  der  Veränderung  des  Schicksals  meiner  Vaterstadt  habe  ich  den 
Entschluß  gefaßt,  ganz  den  V^issenschaften  zu  leben  und  bin  jetzt  in  der  Absicht 
hier,  Collegia  zu  lesen,  und  zwar  diesen  Winter  insbesondere  die  praktische  Philo- 
sophie nach  Ihren  Grundsätzen.  Vorigen  Winter  las  ich  über  einen  Zweig  der 
Archäologie  öffentlich.  || 

Jetzt  muß  ich  wegen  eines  kleinen  Geschäftes  von  Ihnen  mir  Auskunft  er- 
bitten. Der  Hej'r  Prof.  Dissen  hatte  bei  seinem  Abgange  nach  Marburg  mir  auf- 
getragen, eine  kleine  Summe,  welche  der  Jude  Meyer  seit  mehreren  Jahren  Ihnen 
schuldig  gewesen,  für  Sie  einzukassiren.  Ich  habe  Mos  das  Kapital,  40  Thlr.  Münze^ 
erhalten  können;  Zinsen  zu  bezahlen  weigerte  er  sich  durchaus,  weil  er  bei  den 
Staatspapieren,  die  er  damals  von  Ihnen  gekauft,  ganz  entsetzlichen  Schaden  gehabt 
habe.  Jetzt  bin  ich  aber  in  Verlegenheit, 'wie  ich  dies  Geld  Ihnen  übermachen  soll. 
Es  baar  der  Post  anzuvertrauen,  ist  wol  nicht  zu  wagen,  und  dazu  würden  die 
Eeisekosten  das  kleine  Sümmchen  beinahe  verzehren.  Ich  bitte  Sie  also  mir  doch 
ein  Königsberger  Haus  zu  nennen,  welches  Verbindungen  in  einer  Westphähschen 
Stadt  hat,  um  Ihnen  einen  Wechsel  senden  zu  können. 

Mein  Leben  hier  ist  nicht  eben  das  erfreulichste.  Seit  Dissen's  Abgang  hatte 
ich  nur  noch  einen  herzlichen  Freund  hier,  den  Prof.  Goede.  Seit  3  Wochen  hat 
der  Tod  mir  ihn  entrissen.  Diesen  Winter  lebte  ich  sehr  glücklick  im  Umgang  mit 
dem  ältesten  H.  v.  Grote  und  seiner  liebenswürdigen  Gemahhn,  welche  ihn  hier  mit 
einer  zweiten  Tochter  erfreute.  Jetzt  sind  beide  Brüder,  der  jüngere,  August,  nach 
Wiesbaden,  Wilhelm  nach  Driburg  ins  Bad  gereist;  so  daß  auch  Jühnde  verfassen 
ist.  ;|  Die  gewöhnliche  Gesellschaft  in  Göttingen  kennen  Sie,  wie  kalt,  wie  ab- 
schreckend sie  ist.  Dies  macht,  daß  ich  beinahe  Lust  hätte,  Göttingen  zu  veriassen 
und  nach  Berlin  zu  gehen.  Außerdem  hat  noch  manches  mich  hier  gekränkt.. 
Diesen  Sommer  wollte  ich  Archäologie  lesen;  allein  man  machte  mir  so  viele  Be- 
schwerden, wegen  des  Benutzens  der  Kupferstiche  auf  der  Bibhothek,  daß  ich  meinen 
Plan  lieber  aufgab.  Auch  wissen  Sie,  wie  fest  eingewurzelt  hier  der  Gebrauch  ist, 
daß  jeder  sich  nur.  auf  seine  Brodstudien  beschränkt,  so  daß  selbst  mit  philosophi- 
schen Vorlesungen  ich  einen  ausgebreiteten  Wirkungskreis  mir  schwerlich  ver- 
sprechen darf.  In  der  That  in  Beriin  zu  leben,  und  dort  dem  immer  überhand 
nehmenden  philosophischen  Traum-  und  Schaumwesen  nach  bester  Kraft  mich  zu 
widersetzen,   erscheint  mir   mit  jedem  Tage  wünschenswerther.     So  vieles,  was  ich 


1)  4  S.    4°.    N.  —  E.  H.  Tölken  (1789—1869),  später  Prof.  der  Kunstgeschichte- 
und  Abteilungsdirektor  am  Königl.  Museum  in  Berlin. 


Nachtrag  zu  1812.  lyi 


mit  großer  Anstrengung  in  mir  auszubilden  gesucht  habe,  muß  hier  gänzlich  ver- 
gehen. Machen  vielleicht  Ihre  Verbindungen  es  Ihnen  möglich  mir  einen  ßuf  dort- 
hin zu  verschaffen,  wenn  auch  mit  noch  so  geringem  Gehalt,  oder  selbst  mit  dem 
bloßen  Titel  als  Professor:  so  würden  Sie  nicht  blos  mich  glücklich  machen,  sondern 
ich  schmeichle  mir  auch,  einen  angemesseneren  Wirkungskreis  zu  finden,  als  ich 
hier  hoffen  darf. 

Vielleicht  erinnern  Sie  sich  in  der  Jenaischen  Zeitung  eine  Erklärung  gelesen 
zu  haben,  daß  zwei  Ihrer  ||  Schüler  Ihre  Pädagogik  gegen  eine  hämische  Recension 
vertheidigen  würden.  Es  waren  Dissen  und  ich.  ^)  Wir  glaubten,  es  sey  irgend  ein 
berühmter  Mann,  der  diese  Kränkung  Ihnen  bereitet  hätte,  und  dachten  gegen  einen 
ehrenvollen  Gegner  die  Sache  der  Wahrheit  aufs  beste  zu  verfechten.  Seitdem 
aber  ein  so  obscurer  Mensch  wie  der  Jeukauer  Rector  sich  zu  dieser  Recension 
öffentlich  bekannt  hat,  so  sind  wir  fast  der  Meinung,  daß  es  sich  nicht  der  Mühe 
verlohne,  durch  eine  ernsthafte  Antwort  jenem  leeren  Gerede  eine  unverdiente 
Wichtigkeit  zu  geben.  Auch  macht  der  Buchhändler  H.  Röwer  mancherlei  Schwierig- 
keiten. Indeß  soll  es  auf  Ihre  Entscheidung  ankommen ;  und  auf  jeden  Fall  bitte 
ich  mir  Ihren  Rath  aus,  auf  welche  Art  Sie  glauben,  daß  den  Lehren  Ihrer  Päda- 
gogik, durch  eine  neue  Darstellung  ,am  besten  Eingang  zu  verschaffen  wäre.  Es 
ist  mein  einziger  Wunsch  wenigstens  die  wissenschaftliche  Ehre  unserer  Nation  zu 
retten;  denn  wie  jetzt  die  Dinge  verhandelt  werden,  ist  sehr  zu  fürchten,  daß  wir 
im  Glauben  der  Ausländer  auch  diese  letzte  Ehre  verlieren. 

Meine  Wünsche  wegen  eines  Rufes  nach  Berlin  empfehle  ich  Ihrer  Freund- 
schaft,  und   bin   mit  der   herzlichsten   Verehrung   und   Liebe   der  Ihrige 

E.  H.  Toelken,  Dr. 

Den  plötzlichen  Tod  Heynens  werden  Sie  aus  öffentlichen  Blättern  wol  schon 
erfahren  haben. 

837.    Clemens-)  an  H.    (4  S.    4«.    N.)  Gumbinnen  d.  9.  Novb.  12. 

Verehi'ungswürdigster  Herr  Professor!  Mein  ausführlicher  Entwurf  des  Lehr- 
plans für  die  hiesige  Schule  wird  Ihnen  wohl  schon  zu  Gesicht  gekommen  sein. 
Ich  wünsche,  daß  der  Aufsatz  wenigstens  einigermaßen  Ihren  Beifall  erhalten  möge. 
Mühe  habe  ich  mir  zwar  gegeben,  verschiednen  Lehrfächern  eine  andre  Stellung  an- 
zuweisen und  auch  die  Lektionen  in  eine  genauere  Verbindung  zu  bringen;  aber 
noch  ist  alles  nicht  so,  wie  ich  es  wünsche.  Es  war  durchaus  meine  Absicht,  der 
Odysee  wenigstens  eine  Stelle  in  Tertia  in  4  St.  wöchentl.  einzuräumen;  aber  auch 
das  ließ  sich  vorläufig  noch  nicht  thun.  In  Quarta  wünschte  Beckers  Erzählungen 
aus  der  alten  Welt  zu  benutzen;  aber  da  mußte  ich  noch  auf  die  Erzählungen  aus 
dem  alten  Testament  in  historischer  Beziehung  Bedacht  nehmen. 

Man  hat  in  der  That  in  öffentl.  Schulen  mit  sehr  großen  Schwierigkeiten  zu 
kämpfen,  die  noch  größer  sind,  wenn  mit  den  unteren  Klassen  zugleich  eine  höhere 
Bürgerschule  verbunden  seyn  soll. 

Hoffentlich  wird  doch  auch  durch  den  von  mir  entworfenen  Lehrplan  schon 
sehr  viel  Gutes  bewirkt  werden,  und  ich  werde  mich  sehr  freuen,  von  der  wissen- 
schaftlichen Deputation  Belehrungen  zu  erhalten.  Es  wird  mir  auch  sehr  angenehm 
sein,  wenn  Sie  die  Güte  haben,  mir  noch  besonders  ||  Ihre  Bemerkungen  mitzutheilen. 

Das  mir  vorgesteckte  Ziel  die  Odyssee  wenigstens  in  Tertia  lesen  zu  lassen, 
hoffe  ich  nach  einiger  Zeit  zu  erreichen;  denn  ich  bin  ganz  überzeugt,  daß  Homers 

^)  Dahin  sind  Kehrbachs  Bemerkungen  in  Bd.  IT,  S.  X  zu  berichtigen,  bezw. 
zu  ergänzen. 

-)  An  den  Reg.-  und  Schul-Rath  Clemens  in  Gumbinnen  hat  Herbart  die  Bei- 
lage zur  2.  Ausg.  der  Einl.  i.  d.  Phil,  gerichtet.     S.  Bd.  IV,  S.  271  ff. 


jjA  Nachtrag  zu  1812. 


Odyssee  io  Betreff  des  erziehenden  Unterrichts  bei  einer  zweckmäßigen  Behandlung 
von  der  größten  Wichtigkeit  ist. 

Es  wäre  nur  zu  wünschen,  daß  mit  dem  Griechischen  in  öffentlichen  Schulen 
noch  vor  dem  Lateinischen  der  Anfang  gemacht  werden  möchte:  Alles  ließe  sich 
dann  im  Lehrplan  besser  anordnen. 

Der  Rec.  der  Geschichten  und  Lehren  von  Kohlrausch  in  dem  31ten  Stück 
der  Göttinger  Anzeigen  meint  zwar,  daß  das  Latemische  schon  deshalb  früher  an- 
gefangen werden  müsse,  weil  es  nach  dem  ganzen  Zustande  unserer  wissenschaft- 
lichen Kultur  bei  der  lat.  Sprache  Bedürfniß  ist,  sie  nicht  blos  zu  verstehen,  sondern 
auch  zu  sprechen  und  zu  schreiben;  das  Bedürfniß  dieser  größeren  Fertigkeit  setze 
auch  ein  früheres  Anfangen  des  Erlernens  voraus.  Ich  kann  dem  wol  nicht  ganz 
beistimmen  und  bin  auch  überzeugt,  daß  durch  das  Griechische  dem  Lateinischen 
sehr  vorgearbeitet  wird. 

Möchte  die  wissenschaftliche  Deputation  nur  die  Güte  haben  in  ihrem  Ant- 
wortschreiben das  frühere  Anfangen  der  griechischen  Sprache  sehr  zu  empfehlen, 
damit  ich  mich  auf  dieses  Urtheil  auch  hier  bei  der  Regierung  berafen  kann.  Denn 
es  gibt  in  dieser  Provinz  leider  gar  zu  viele  graecarum  litterarum  rüdes. 

Noch  bemerke  ich,  daß  Kohlrauschs  Geschichten  und  Lehren  nebst  dessen  An- 
leitung für  Volksschullehrer  auf  meine  Veranlassung  in  allen  Volksschulen  des 
Departements  g-braucht  worden  sollen  und  daß  zu  diesem  Behuf  voriäufig  bereits 
200  Exemplare  aus  der  Waisenhausbuchhandlung  |]  für  einen  etwas  wohlfeileren  Preis 
verschrieben  worden  sind.  Die  Geschichten  werden  aber  auch  mit  Benutzung  des 
Handbuchs  in  den  gelehrten  Schulen  gebraucht  werden. 

Da  durch  die  Beförderung  des  Gebrauchs  die  erste  Auflage  bald  vergriffen 
sein  wird:  so  werden  Sie  sich,  verehrungswürdigster  Herr  Professor  ein  großes  Ver- 
dienst um  die  gute  Sache  erwerben,  wenn  Sie  die  Güte  haben,  den  Verfasser  noch 
auf  einige  Verbesserungen  aufmerksam  zu  machen  und  ihn  zu  einer  genauen  Revision 
aufzufordern. 

Doch  ich  komme  zu  dem  eigentlichen  Zweck  meines  Schreibens. 
Ich  habe  bereits  die  wissenschaftliche  Deputation  ersucht  für  die  Ausmittelung 
Tüchtiger  zu  sorgen.  Da  die  hiesige  Regierung  glaubt,  daß  im  Königreich  Westphalen 
vielleicht  geschickte  Subjekte  werden  zu  haben  sein;  so  habe  ich  den  Auftrag  er- 
halten, mich  deshalb  mit  einer  Bitte  an  Sie  zu  wenden,  da  Sie  vielleicht  mehrere 
von  den  ehemaligen  Mitbürgern  der  Göttinger  Universität  kennen  werden,  die  als 
geschickte  Männer  zu  empfehlen  sind  und  die  auch  einen  auswärtigen  Ruf  annehmen 
möchten.     Es  sind  hier  jetzt  3  Lehrstellen  zu  besetzen. 

1.  eine    Oberlehrerstelle    mit    600  Thlr.  fixierten  Gehalt  für  die  griechische  und 
lateinische  Sprache  und  Religion. 

2.  eine  ünterlehrerstelle  mit  500  Thlr. 

3.  eine  Unterlehrerstelle  mit  400  Thk. 

Es  gibt  aber  keine  Emolumente  weiter.  Die  Lebensmittel  sind  hier  aber  nicht 
sehr  teuer.  Für  einen  freien  Postpaß  wie  für  Reisegeld  wird  auch  noch  gesorgt 
werden.  || 

Vielleicht  würde  H.  Doktor  Lünemann  in  Göttingen  die  Oberlehrerstelle  an- 
nehmen. Vielleicht  sind  auch  in  Ihlefeld  tüchtige  Subjekte,  denen  es  auch  nicht  an 
Erziehertalent  fehlt. 

Weil  die  baldige  Besetzung  der  Stellen  sehr  dringend  ist:  so  habe  ich  auch 
schon  früher  an  den  alten  Professor  Heyne  geschrieben. 

Ihre  Verwendung  wird  aber  für  unsere  Friedrichsschule  am  wohltätigsten  sein, 
w-eil  Sie  am  besten  wissen  was  für  Eigenschaften  tüchtige  Schulmänner  haben  müssen. 


Nachtrag  zu   1812.  17  s 


Ich  bitte  Sie  nochmals  recht  sehr,  sich  unsrer  Schule  anzunehmen  und  für 
tüchtige  Lehrer  mit  zu  sorgen. 

In  der  Hoffnung,  daß  Sie  meine  gehorsamste  Bitte  erfüllen  werden,  habe  ich 
die  Ehre  mit  größter  Hochachtung  zu  sein  Ihr  ganz  ergebener    Clemens. 

838.    Richthofen  an  H.    (4  S.    4».    N.)    Berlin  Hotel  de  Russie  28stenDec.  1812. 

Fast  sollte  ich  mich  schämen,  Ihnen  theuerster  Freund  so  lange  kein  Wörtchen 
gesagt  zu  haben  ungeachtet  Ihres  so  freundlichen  Geschenks,  allein  anfänglich 
raubten  mir  verschiedene  Reisen  die  zu  einem  solchen  Buch  nöthige  Ruhe,  und  bald 
darauf  traf  mich  ein  Unfall,  der  meinen  guten  Muth,  ohne  den  ich  ungern  vor 
Ihnen  erscheinen  wollte,  niederdrückte.  Kaum  war  meine  erste  Erndte  geborgen, 
so  verzehrten  Flammen  meine  sämtlichen  Oekonomie-Gebäude  mit  ihrem  Inhalt, 
und  ich  sehe  mich  nicht  nur  um  20  000  Thlr.  ärmer,  sondern  auch  in  den  alier- 
unangenehmsten  Verlegenheiten.  Vergeblich  hatte  ich  mich  in  eine  Assekuranz- 
Gesellschaft  begeben;  erst  emige  Wochen  später  würde  ich  davon  Vortheil  gezogen 
haben;  mein  reizendes  Brecheishof  ist  ein  Aschenhaufen.  Eine  Reise  nach  Berlin 
war  unvermeidlich;  Sie  wissen  wie  wenig  ich  zu  dergleichen  geeignet  bin,  und 
schon  treibe  ich  ||  mich  seit  drei  Monden  in  widrigen  Kreisen  umher.  Der  Zeitpunkt 
meiner  Erlösung  sollte  auch  der  eines  Briefes  an  Sie  seyn;  aber  noch  trat  sie  nicht 
ein.  Unterdeß  ist  Weihnachten  herbeigerückt;  und  mit  ihm  der  Termin  meiner 
Zahlungsverbindlichkeiten.  Ich  eile  um  so  mehr  Sie  zu  befriedigen,  da  die  jetzigen 
Zeitverhältnisse  auch  für  Sie  wahrscheinlich  bedeutende  Opfer  herbeiführen,  und  da  durch 
die  leidige  Vermögenssteuer  auch  Ihre  Forderungen  an  mich  geschmälert  wurden,  so 
glaubte  ich  Ihnen  einen  Gefallen  zu  erweisen  wenn  ich  die  Interessen  des  nächsten 
halben  Jahres  praenumerando  hinzufügte.  Sie  werden  laut  beiliegender  Berechnung 
die  Summe  von  231  Thlr.  12  ggr.  courant  gegen  Quittung  von  Herrn  Wolf  Oppen- 
heim ohne  weiteres  ausgezahlt  erhalten.  Weil  die  Wege  vielleicht  nicht  mehr  ganz 
sicher  seyn  dürften  ||  so  schien  dieß  das  zuverläßigste  Mittel  der  üebersendung. 
Ich  habe  das  Geld  hier  an  das  Haus  Oppenheim  und  Wolf  gezahlt,  und  dieß  bereits 
an  das  obengenannte  seine  Anweißung  an  Sie  ertheilt.  Haben  Sie  die  Güte  das 
Geld  bald  möglichst  einzufordern,  und  mich  mit  umgehender  Post  von  der  erfolgten 
Zahlung  zu  unterrichten.  Verzeihen  Sie  doch  ja  daß  ich  die  bewußte  Obligation 
über  die  neuen  eilfhundert  Thaler  Ihnen  noch  immer  nicht  sandte;  sie  sollte  jenen 
Brief  begleiten,  und  dieß  schien  mir  heute  gefährlich.  Sobald  die  Wege  wieder 
sicher  sind,  sollen  Sie  sie  gewiß  erhalten,  bis  dahin  sind  Ihnen  meine  Briefe,  mein 
und  der  Meinigen  Leben  Bürge. 

Um  Sie  und  Ihre  Frau  ist  mir  sehr  bange;  möge  es  Ihnen  gut  gehen  mögen 
Sie  weder  von  Freund  noch  Feind  Ungemach  erleiden.  Das  Übelste  sind  Krank- 
heiten, die  Ihnen  bei  Ihrer  Kränklichkeit  leider  so  sehr  drohen:  aber  Sie  müssen 
noch  leben,  Geliebtester,  um  Ihres  Werkes  und  um  Ihrer  Freunde  willen;  vielleicht 
daß  auch  uns  ein  günstiges  Geschick  dereinst  noch  zusammenführt.  Es  ist  mir 
gelungen  hier  manche  Bekanntschaft  anzuknüpfen,  die  vielleicht  auch  für  meine 
Pläne  für  die  Zukunft  gut  seyn  mögen.  Zwar  neigt  sich  manches  zu  Grabe,  das 
nun  schon  so  viele  meiner  Geliebten  umschließt,  aber  in  der  Ferne  leuchtet  ein 
gutes  Gestirn.  Es  ist  schwer  sich  der  Melankolie  zu  erwehren,  und  zugleich  schlägt 
die  Brust  voll  Hoffnungen  der  Zukunft  und  Gegenwart. 

Leben  Sie  wohl,  Freund,  seyn  Sie  glücklich  im  Stillen,  und  lieben  Sie  Ihrea 
herzlichen  Freund.  C.  FreiheiT  v.  Richthofen. 

An  Ihre  Frau  herzliche  Grüße. 


j-^  Nachtrag  zu    1813. 


S39.     Frau  Herbart  an  H.     (2  S.    4°.     N.)     Memel,  den  Datum  weiß  ich  nicht 

der  Tag  ist  aber  Dienstag  1813. 

Liebster  einziger  Herbart  Zuerst  will  ich  Dir  erzählen,  daß  ich  Sonntag  Abend 
glücklich  in  Memel  angekommen  bin,  und  denn  um  Entschuldigung  bitten  wenn  ich 
in  meinem  Briefe  Sprachfehler  mache,  ehe  ich  weiter  schreibe;  ich  wollte  morgen 
mit  dem  alten  Herrn  Ruppel  zurückreisen,  aber  meine  Geschäfte  sind  so  im  Hinter- 
grunde, daß  es  mir  unmöglich  ist.  Diese  Woche  muß  ich  noch  hier  bleiben,  weil  Herr 
Wolfgram  verreist  ist,  und  ich  bitte  sehr  um  einen  Brief,  und  himmelhoch  am 
etwas  anderes;  nemlich  Meines  Vaters  Bruder  will  mir  seine  älteste  Tochter  in 
Pension  geben,  sie  kann  bei  dei  Anna  in  der  Stube  schlafen,  und  muß  das  auch 
weil  sie  nicht  allein  sein  kann,  ich  habe  nur  eine  mäßige  Forderung  gemacht,  aber 
eine  die  mich  unterstützt;  es  ist  ein  liebes  Mädchen  von  acht  Jahren,  und  hättest 
Du  meine  Freude  gesehen  Du  könntest  es  unmöglich  abschlagen  —  Das  Kind  hat 
Fähigkeiten  ist  aber  krank  gewesen  —  und  hat  wenig  gelernt,  sie  hat  viel  Talent 
und  Lust  zur  Musik.  Anna  möchte  doch  sagen  lassen,  wie  es  dem  Herrmann  geht, 
wir  sind  beide  gesund  wie  es  mir  weiter  geht,  werde  ich  Dir  mündlich  sagen,  und 
aufhören  muß  ich,  weil  ich  bei  Madam  Hölsche  zum  Kaffee  bin.  Du  Einziger 
ängstige  Dich  ||  nicht,  ich  muß  noch  bleiben  und  kämpfen,  denn  sie  wollen  mit 
Gewalt  Vermögens-Steuer  von  den  Zinsen  bezahlen.  Lebe  wohl  Du  Guter,  wenn 
ich  komme,  habe  ich  vieles  zu  erzählen;  ach  Gott,  wie  werde  tch  gerne  kommen. 
Schreibe  doch  nur  und  sage  wie  es  Dir  geht,  ich  verbleibe 

Deine  Marie  bis  in  den  Tod,  lieber  lieher  Herbart. 

Adr.:    Des  Herrn  Professor  Herbart  auf  dem  Roßgärtschen  Markt  No.  31   bei 
dem  Stadtrath  Wittulski  Königsberg. 

840.  A.    Luber   an    H.     (4  S.    4".     N.)     [über   eine    von    ihm    verfaßte   Meta- 

physik]. Libau  den  I9ten  Märtz  1813. 

841.  Richthofen  an  H.     (4  S.    4".     N.)  Barzdorf  den  5ten  Apr.  1813. 
Ihren  Brief  mein  verehiter  Freund   und  Lehrer,    habe   ich  empfangen,    mich 

herzlich  darüber  gefreut,  und  danke  Ihnen  nunmehr  auf  das  innigste  dafür.  So 
erfreulich  mir  auch  seine  Beilage  war,  so  versteht  sich  wohl  von  selbst  daß  dieser 
Dank  vorzüglich,  die  Versicherungen  Ihres  Wohlwollens  betrifft;  seyn  Sie  mein 
theurer  Herbart  überzeugt,  daß  ich  Ihre  Freundschaft  zu  schätzen  weiß,  und  daß 
ich  nie  aufhören  werde  Ihnen  im  Innern  meiner  Seele  zu  danken,  gleich  sehr  für 
die  Einführung  in  den  Tempel  der  Philosophie  und  die  in  das  Grotesche  Haus. 
Aber  herzlich  wehe  thut  es  mir,  daß  Sie  die  Welt  aus  einem  so  getrübten  Gesichts- 
punkt anzusehen  scheinen;  auch  Sie  haben  manches  traurige  erfahren,  aber  Ihnen 
ist  noch  viel  geblieben,  Sie  besitzen  eine  geliebte  Gattin,  und  das  Bewußtseyn  Ihre 
Wissenschaft  gefördert  zu  liaben,  und  sejm  Sie  überzeugt  es  wird  so  mancher 
Keim  sich  entwickeln  und  Früchte  tragen;  freilich  thut  uns  Ihre  Hülfe  noch  Noth, 
und  müssen  Sie  darum  Ihr  Leben  schonen.  || 

Es  wird  mich  freuen  Ihre  gegenwärtigen  Arbeiten  kennen  zu  lernen,  mich 
beschäftigen  jetzt  .welche  anderer  Art,  die  wenn  auch  freilich  nicht  von  gleicher 
Höhe,  doch  vielleicht  ein  Mittel  zu  künftiger  Wirksamkeit  sind,  ßrechelshof  erfreut 
mich  sehr,  und  ganz  vorzüglich  weil  seine  üpi)ige  Fruchtbarkeit  eine  Gelegenheit 
geben  wird  nach  Fellenbergs  glückhchem  Beyspiel  arme  Kinder  zu  beschäftigen  und 
zu  erziehen;  ich  werde  damit  vielleicht  schon  künftiges  Jahr  beginnen,  wo  vielleicht 
auch  mancher  andere  Plan  näher  rückt.  Ueberall  giebt  es  so  viel  zu  thun;  alle 
meine  Kraft  will  ich  dem  Vaterland  weyhen,  aber  sie  ist  oft  sehr  schwach,  und 
die  Mattigkeit  groß. 


Nachtrag  zu   1813.  177 


Pestalozzi  thun  Sie  wohl  Unrecht,  wenn  Sie  Zeller  der  dort  verachti-t  wird, 
als  einen  Sprößling  seines  Instituts  betrachten ;  erinnern  Sie  Sich  wohl  wie  einst  Ihr 
Abc  der  Anschauung  zu  einem  Linienmessen  herabgewürdigt  worden?  Sonderbar 
daß  man  diesen  glücklichen  ||  Einfall  später  im  Institut  so  ganz  verkannt,  daß  er 
erst  jetzt  wieder  eingeführt  werden  soll. ')  Kein  Pädagog  scheint  mir  leicht  erbärm- 
licher als  jener  Schmidt. 

In  Breslau  hat  Steffens  viel  Aufsehen  gemacht;  ein  Philosoph  ist  aber  noch 
nicht  da;  wie  glücklich  würde  ich  mich  achten,  wenn  Sie  die  neue  Universität  mit 
dem  kriegerischen  Königsberg  vertauschen  wollten.  Dann  sollte  mein  Institut  unter 
Ihrer  Leitung  emporbiühen,  und  es  wird  einer  Meisterband  bedürfen,  denn  wie  un- 
endlich viel  ist  noch  zu  thun,  um  die  Stufen  der  Zeit  und  die  der  Kultur  der  ver- 
schiedenen Völker  auszugleichen  —  vieles  ist  ganz  unmöglich  zu  erreichen! 

Mein  Vater  läßt  sich  entschuldigen,  daß  er  nicht  antwortet,  da  ich  es  über- 
nommen. Der  Wechsel  ist  zwar  acceptirt  aber  noch  nicht  ausgezahlt;  gelegentlich 
sende  ich  Ihnen  das  weitere.  Wenn  Sie  noch  mehr  haben  und  schicken  wollen,  so 
soll  es  mich  freuen,  ich  ||  bedai-f  dessen  noch  viel,  sowohl  jetzt  als  auch  später. 
Als  Freund  kann  ich  Ihnen  die  Versicherung  geben,  daß  Sie  mir  Ihr  Vermögen 
ruhig  vertrauen  können.     Haben  Sie  Dank  für  das  Übersandte. 

ünterhülzner  hat  Ihre  Idee  des  Rechts  zur  Begründung  einer  Einleitung  ins 
Recht  worüber  er  liest,  recht  brav  benutzt,  wiewohl  es  nicht  schwer  war.  Da  er 
jetzt  in  Breslau  ist,  so  hoffe  ich  ihm  einige  begangene  Irrthümer  gelegentlich  dar- 
legen zu  können. 

Grüßen  Sie  Ihre  Frau,  und  sagen  Sie  Ihr  daß  ich  gern  nach  Königsberg 
kommen  möchte,  Sie  zu  bitten,  meinen  Freund  recht  glücklich  zu  machen.  Wohl 
dem,  dessen  Glück  so  gesichert  ist!  Ewig  der  Ihre     Richthofen. 

Am  Rande:  Breslau  ist  auch  darum  eine  gute  Universität,  weil  sie  so  sicher 
fundirt  ist. 

842.    Richthofen  an  H.     (4  S.    4°.     N.)  Altwasser  d.  löten  August  13 

Vor  einigen  Tagen  erhielt  ich  von  Ihnen  verehrter  Freund  einen  gütigen  Brief, 
und  ich  eile  Ihren  Wünschen  gemäß  Ihnen  das  verlangte  Dokument  zu  senden. 
Schon  früher  würde  es  geschehen  seyn,  hätte  ich  nicht  vergeblich  auf  eine  Antwoii 
von  Ihnen  auf  meinen  Brief  Ende  Dezembers  gewartet,  von  dem  ich  auch  jetzt 
noch  nicht  weiß  ob  Sie  ihn  erhalten  haben.  Er  enthielt  zugleich  eine  Berechnung, 
vermöge  deren  die  Ihnen  heute  unter  dem  vorjährigen  Dato  übersandte  Obligation 
zur  Ausgleichung  der  Ihnen  schuldigen  Summe  um  100  Thlr.  höher  ausgestellt  ist, 
wie  wir  früher  ausgemacht,  und  aus  der  hervorging  daß  ich,  weil  ich  glaubte  Sie 
könnten  damahls  wegen  dem  Krieg  in  Geldverlegenheiten  gerathen  zugleich  die 
diesjährigen  Johannis-lnteressen  praenumerando  berichtigt  und  die  Vermögenssteuer 
nicht  in  Anrechnung  gebracht  habe.  So  weit  von  unseren  Geldgeschichten.  Eine 
für  meinen  Freund  wichtige  Nachricht  habe  ich  Ihnen  über  mich  selbst  mitzutheilen. 
Als  ich  meine  unvergeßliche  Therese  verlohr  machte  mich  ein  Freund  aufmerksam, 
wie  sie  sichtbar  eine  Verbindung  mit  ihrer  Schwester  gewünscht,  und  wiewohl  mich 
dazumahl  der  Gedanke  einer  neuen  Verbindung  empörte,  so  vermochte  mich  doch 
die  Ueberzeugung  daß  wenig  Familien  solche  Frauen  ||  aufzuweisen  vermöchten  wie 


*)  Die  Biographie  Richthofens  (s.  0.  S.  150  Anm.)  ist  bisher  in  der  Pe.stalozzi- 
literatur  nicht  bekannt  gewesen,  auch  Israel  führt  sie  in  seiner  Pest. -Bibliographie 
nicht  mit  auf.  Das  Buch  enthält  einen  Brief  Pestalozzis  und  Mitteilungen  über 
Richthofens  Aufenthalt  bei  dem  großen  Schweizer. 

Hfrbarts  Werke.     XIX.  12 


jyg  Nachtrag  zu    1813. 


die  meiner  Therese,  überdieß  die  sichtbaren  Fortschritte  Linchens  und  ihre  Neigung- 
für  mich,  desgleichen  Rücksichten  auf  mein  Kind  und  gleich  große  Scheu  ihm  eine 
Fremde  zur  Mutter  zu  geben,  als  mein  Schmerz  mäßiger  geworden,  mich  schon 
vor  längerer  Zeit  mit  ihr  zu  verloben.  Die  Sache  blieb  ein  Geheimniß,  weil  mir 
das  Gerede  der  Menschen  widrig  ist,  und  ward  erst  bekannt,  als  sie  sich  ent- 
schlossen da  mir  die  politischen  Verhältnisse  eine  Reise  unmöglich  machten,  selbst 
zu  kommen,  und  wir  am  6ten  August  unsere  Verbindung  vollzogen. 

Meine  treffliche  Schwiegermutter  und  die  brave  Tante  Karoline  haben  sie  be- 
gleitet, die  herrliche  Tante  Mine  und  die  von  Ihnen  nicht  genug  geschätzte  ja  sogar 
verkannte  über  alles  ausgezeichnete  Großmutter  sind  nicht  mehr.  Vor  allem  erfreut 
mich  mein  Knabe;  die  Lieblichkeit  und  Lebendigkeit  selbst,  der  mir  stündlich  das 
Andenken  der  vielgeliebten  Mutter  zuräckruft,  und  mir  die  schönsten  Hoffnungen 
macht.  Linchen  ist  so  daß  ich  glaube  Ihnen  zurückschreiben  zu  dürfen,  was  Sie 
mir  einst  über  Ihre  Verbindung  schrieben,  mein  vielgeliebter  Freund!  || 

Sonst  ist  es  mir  freilich  nichts  weniger  als  gut  ergangen ;  als  ich  voriges  Jahr 
meine  Erndte  in  die  Scheunen  gebracht,  brannten  sie  mit  allen  Vorräthen  nieder, 
und  ich  sah  mich  in  einer  Nacht  um  20000  Thlr.  ärmer.  Ein  langer  Aufenthalt 
in  Berlin  um  den  Schaden  zu  mildern,  war  meist  ohne  Folgen,  und  gab  mir  nur 
Menschenkenntniß.  In  dieser  Hinsicht  war  es  freilich  interessant  den  Winter  als 
Rußland  triumphirte  dort  zuzubringen;  aber  seine  Armee  war  zu  schwach  und 
unsere  Rüstung  noch  zu  wenig  zum  erwünschten  Ziele  gelangt  um  den  Franzosen 
zu  wehren.  Sie  drangen  in  Schlesien  ein  und  auch  Brecheishof  ward  von  ihnen 
und  den  w-ilden  Kosakenhaufen  aufs  Neue  verwüstet.  Ich  ward  flüchtig  und  bin 
es  jetzt  bei  Wiederausbruch  der  Feindseligkeiten  von  Neuem,  doch  mit  der  Hoffnung  | 
jetzt  werde  alles  gut  gehen.  So  mannigfach  auch  die  Unfälle  sind  die  mich  ge-  ■ 
troffen  so  kann  ich  dennoch  wohl  sagen,  daß  nur  Theresens  Verlust  meine  Gemüths- 
ruhe  auf  längere  Zeit  zu  stören  vermochte.  Alles  andere  trug  ich  ruhig  und  es 
war  mir  meist  nur  in  sofern  schmerzlich  als  meine  Erziehungspläne  dadurch  ver- 
zögert wurden.  ||  Doch  habe  ich  die  Gewißheit,  daß  sie  mir  einst  möglich  seyn 
werden,  und  nur  von  dem  Früheren  oder  Späteren  ist  die  Rede.  j 

Ich  habe  Ihnen  mein  theuerster  Hei  hart  manches  über  mich  geschrieben;  1 
möchten  auch  Sie  mir  über  sich  recht  vieles  und  erfreuliches  schreiben.  Zum  ' 
wenigsten  wurde  Ihnen  nicht  Ihre  Zeit  wie  mir  durch  Erbärmlichkeiten  geraubt.        ' 

Meine  Verwandten  lassen  Sie  vielraahls  grüßen,  und  meine  Schwiegermutter  I 
Sie  um  gütige  Besorgung  des  inliegenden  Briefes  an  ihre  älteste  Tochter  Lotte  ] 
Palmedo  bitten.  Ihre  Freundschaft  für  uns  wird  Ihnen  gewiß  Mittel  an  die  Hand  ■! 
geben,  diesen  Brief  sicher  nach  England  und  von  dort  nach  Sardinien  zu  bringen.  . 
Sollten  Sie  Briefe  von  Lotte  erhalten,  so  haben  Sie  wohl  die  Güte  das  Porto  aus-  1 
zulegen  und  mir  sie  nach  Brecheishof  zu  senden,  wohin  ich  hoffentlich  in  einigen 
Tagen  zurückkehre,  da  man  versichert  die  Franzosen  zögen  sich  zurück.  , 

Leben  Sie  wohl  und  seyn  Sie  ferner  mein  Freund!  | 

Der  Ihrige     Richthofen  zu  Brecheishof  bei  Jauer.  ; 

843.    Richthofen  an  H.     (4  S.   4«.    N.)  Brecheishof  den  3ten  Dec.  13. 

Wahrscheinlich  haben  Sie,  verehrter  Freund,  schon  oftmahls  auf  meine  Nach- 
läßigkeit  gescholten,  ehe  Sie  endlich  meinen  Brief  und  das  verlangte  Attest  erhalten   | 
werden.     Hievon   war  der   einzige   Grund   daß   der  Kommissarius  gegenwärtig  das   | 
Eichsfeld    verwaltet,    und    sein   Stellvertreter   in    die    etwas    verworrenen    Papiere 
keine  Ordnung  zu  bringen  wußte;  bis  ich  endlich  das  nöthige  Attest  selbst  aufsetzte,    1 
und    er   nach   einigen  Wochen  hin  und  her  redens   sich  zu  dessen  Unterzeichnung   , 


Nachtrag  zu  1813.  17g 


entschloß.  Wenn  Sie  nicht  etwa  nöthig  Geld  brauchen  werde  ich  Ihnen  daher 
dieß  Mahl  nichts  senden:  das  nach  Abzug  der  2 7.2  '^'on  den  sämtlichen  3  noch 
übrige  72  P'"-  ct.  ist  wohl  nicht  der  besonderen  Sendung  werth.  Doch  bin  ich 
auch  zu  Vorschuß  wie  Sie  wissen  erböthig.  Es  ist  mir  dieser  Abzug  sehr  un- 
angenehm, und  ich  sehe  mich  nur  durch  die  Betrachtung  dazu  bewogen,  daß  wenn 
auch  Ihr  Geld  noch  in  Oldenburg  stünde,  Sie  doch  dasselbe  zahlen  müßten. 

Daß  es  mir  sehr  übel  gegangen  darin  haben  Sie  allerdings  Recht.  So  wieder- 
hohlte  Verluste  konnten  nicht  anders  als  mich  in  große  Verlegenheit  bringen,  und 
was  dabei  übler  ist  als  alles  andere  ||  ist  der  große  Geldmangel,  so  daß  unter  keinen 
Bedingungen  hier  Geld  zu  haben  ist,  so  sehr  ich  mir  auch  Mühe  gegeben.  Dabei 
betrübt  mich  hauptsächlich  meine  einst  schon  so  nahen  Pläne  ganz  ins  Unbestimmte 
hinausgeschoben  zu  sehen.  Doch  sind  sie  darum  falls  ich  meinen  Vater  überlebe 
nicht  minder  gewiß,  und  gelingen  durch  meine  alsdann  hervorgehende  Fälligkeit 
zu  desto  gi-ößeren  Opfern  um  so  schöner.  Oft  schwebt  mir  auch  jetzt  noch  das 
schöne  Bild  eines  vielleicht  gemeinschaftlichen  Arbeitens  mit  Ihnen  vor  meiner 
Phantasie,  für  deren  Lebendigkeit  ich  dem  Schöpfer  nicht  genug  dankeu  kann. 

Haben  Sie  ja  die  Güte  liebi'ter  freund  mir  alles  was  sie  schreiben  und  drucken 
lassen  sogleich  zu  senden ;  ich  nehme-  an  allen  Ihren  Arbeiten  den  größten  Antheil, 
und  der  Buchhandel  liegt  jetzt  ganz  danieder.  Wie  glücklich  sind  Sie,  während 
ich  mich  in  verdrießlichen  Dingen  umhertreibe!  ||  Sie  wünschen  uns  Glück  zu  dem 
herrlichen  Sieg,  und  ich  freue  mich  mit  Ihnen;  wird  aber  je  das  alte  Deutschland 
hervorgehen?  Napoleons  Beispiel,  die  Kraft  seiner  Tyrannei,  werden  auch  nach 
seinem  Falle  noch  fortleben.  Ich  kenne  zu  viele  Verhältnisse  zu  genau,  habe  zu 
viel  selbst  gesehen,  um  nicht  in  diesen  Betrachtungen  ein  starkes  Gegengewicht 
meiner  sonst  unbegrenzten  Freude  zu  finden.  Gott  gebe  daß  wir  einen  wahren 
Freiheitskampf  kämpfen,  denn  in  meinen  Augen  ist  fremde  Knechtschaft  nicht  das 
einzige  Uebel. 

Karl  Grote,  wohl  der  ausgezeichnetste  seiner  Brüder,  steht  bei  dem  Wall- 
modenschen  Korps;  "Wilhelm  ist  nach  Oldenburg  zurückgekehrt,  während  die  übrigen 
dem  Herzog  treu  gebliebenen  Räthe  sich  noch  in  Eutin  befinden.  Ich  freue  micli 
daß  er  endlich  wieder  thätig  geworden,  denn  er  versteht  nicht  die  Muße  zu  nützen. 
August  steht  an  der  Spitze  der  zu  Göttingen  errichteten  ||  Provinzialbehörde;  seine 
sehr  üble  Gesundheit  bessert  sich.  Wilhelms  Frau  bleibt  diesen  Winter  noch  in 
Jühnde,  und  vielleicht  thut  auch  diese  Trennung  gut,  nachdem  der  erste  Rausch 
der  Liebe  längst  verflogen. 

Unsere  herrliche  Mutter  und  Tante  Karoline  werden  hoffentlich  für  immer  bei 
uns  bleiben,  schon  meines  Kindes  wegen,  das  die  Lieblichkeit  selbst  und  der  Mittel- 
punkt unseres  kleinen  Kreises  ist.  So  lange  dieser  währt,  wenn  ich  mein  Kind 
täglich  an  mein  Herz  drücken  kann,  kann  ich  alles  ertragen,  und  dieß  liebster  Freund 
war  wohl,  der  Trefflichkeit  meiner  Frau  unbeschadet,  der  Hauptgrund  der  Heiterkeit 
meines  vorigen  Briefes! 

Empfangen  Sie,  und  bestellen  Sie  die  herzlichsten  Grüße;  leben  Sie  wohl  und 
glückÜch  und  heben  Sie  Ihren  Freund     Richthof en. 

844.    A.  H.  Niemeyer  an  H.     (1  S.    4".     N.)  11.  Dez.  1813 

Heute,  mein  hochgeehrtester  Herr  und  Freund,  das  ist  d.  11t.  Dec.  1813,  er- 
halte ich  Ihren  heben  Brief  vom  20  Dec.  1812.  Eine  lange  Reise!  Wundern  Sie 
sich  demnach  nicht,  daß  Sie  vielleicht  kaum  noch  in  diesem  Jahre  eine  Antwort  er- 
halten. Der  Brief  begleitete  das  Buch,  dessen  Ankündigung  Sie  dem  Brief  beygelegt 
hatten.     [Das  Lehrbuch  zur  Anleitung  in  die  Philosophie.] 

12* 


jgQ  Nachtrag  zu   1814. 


Auch  nach  diesem  langen  Verzug  hat  mir  Ihr  gütevolles  Andenken  wohl  ge- 
than  und  ich  danke  Ihnen  aufs  herzlichste  für  jeden  Ausdruck  Ihres  Wohlwollens. 
Gewiß  haben  Sie  auch  in  der  Ferne  an  allem  was  uns  in  diesem  verhängnißvollem 
Jahr  Gutes  und  Böses  wiederfahren  ist,  Antheil  genommen.  Gott  lob  daß  es  besser 
endet  als  es  begonnen  und  —  wenn  man  nicht  an  allem  irre  werden  soll  —  das 
kommende   noch   mehr  die  Leiden   der  Vergangenheit  ins  Vergessen  bringen  wird. 

Nach  der  Ihnen  gewiß  schon  durch  die  Zeitungen  bekannten  Cabin.  Ordr.  darf 
auch  unsere  Univ.  die  der  letzte  Bannstrahl  Napoleons  traf,  sich  wieder  an  ihre 
Schwestern  anreihen.  Wir  werden  wohl  mit  sehr  Wenigem  anfangen  müssen;  aber 
auch  das  haben  wir  ja  nun  mit  ihnen  gemem.  Überhaupt  dürfte  zunächst  alles, 
was  Materie  und  Form  der  Wissenschaften  betrifft  wenig  zu  Worte  kommen.  Aber 
das  Bedürfnis  kann  nicht  untergehen,  und  wird  vielleicht  bey  denen  die  übrig  bleiben, 
um  desto  mehr  wieder  erwachen. 

Ich  kann  —  erst  seit  4  Stunden  im  Besitz  Ihrer  Ankündigung  und  Ihres 
"WTerks  —  heute  gar  nichts  daiüber  sagen.  Aber  es  wird  ein  hohes  Interesse  für 
mich  haben.  0  wie  ganz  einig  bin  ich  vorläufig  mit  Ihnen,  daß  bei  allem  Lehren 
viel  zu  sehr  die  Methode  des  Lehrens  unbeachtet  bleibt,  und  daß  auf  Schul-  und 
ak.  Kathedern  oft  die  meisten  genuch  von  der  Sache,  viel  zu  wenig  von  der  Lehrart 
verstehen,  in  ihrem  Wissensdünkel  über  alles  weg  sind,  was  sie  darüber  belehren 
könnte,  nur  sich  hören,  aber  nicht  nachfragen  was  sie  wirken,  wie  sie  verstanden 
werden  und  was  der  Anfänger,  der  oft  wildfremd  zur  Wissenschaft  kommt  mit  dem 
anfangen  soll,  was  sie  ihm  vortragen.  Ich  bin  oft  verstimmt,  wenn  ich  aus  den 
Katheder-Heften  der  herrlichsten  Gelehrten  gesehen  habe,  was  sie  bey  ihren  Schülern 
voraussetzen,  und  wie  sie  sie  betäuben.  Daß  dies  den  spekulativ.  Phl.  am  ersten 
begegnet  liegt  in  der  Natur  der  Sache. 

Über  Zeller  habe  ich  nachdem  ich  s.  Schriften  gelesen  nie  anders  urtheilen 
können,  als  das  Pub!,  nun  urtheilt.  Das  ist  aber  eben  traurig  daß  die  Scherze  so 
viel  Eingang  finden  und  auch  die  Wackern  bethören,  worüber  dann  die  Verständigen 
aber  Ruhigen  zurückgesetzt  und  muthlos  werden.  —  Geben  sie  acht,  das  Niederer- 
Pestal.  Wesen  wird  nicht  lange  bestehen,  und  wir  werden  zu  dem  durch  alle  Er- 
fahrung bewährten  zurückkehren.  In  diesem  Fach  bin  ich  des  Sieges  der  Empirie 
über  die  Spekulation  gewiß,  weit  entfernt  der  letzten  ihren  wahren  Werth  am  rechten 
Ort  schmälern  zu  wollen. 

Ihre  Pädagogik  wird  eben  weil  sie  spekulativer  ist  als  eine  populäre  Erziehungs- 
lehre weniger  gelesen;  aber  gewiß  von  den  Kennern  nicht  weniger  gesehätxt^  und 
sie  wird  unvergessen  bleiben,  wozu  ich  in  meinem  kleinen  Kreise  mit  aller  Kraft 
mitwirke.  —  Mit  H.  Jachmann  und  dem  ganzen  Journal  würde  ich  mich  nie  in 
einen  Streit  einlassen,  so  wenig  als  mit  Niederer,  so  nahe  er's  mir  gelegt  hat.  Wie 
bald  wird  solcher  Zan[k]  vergessen!  Gehe  es  Ihnen  ferner  wohl,  und  möge  uns,  die 
nun  wieder  durch  eine  Regierung  vereinten,  bald  das  Aufblühen  alles  Geistigen 
erfreuen. 

Mit  warmer  Ergebenheit  Niemeyer. 

845.    F.  Rahden  an  H.    (4  S.   4".     N.)  Libau,  den  2  Julius  1814 

Sie  haben  sich  ein  neues  Verdienst  um  mich  erworben,  kann  ich  schweigen? 
Wenn  die  Stimme  meines  Inneren,  was  ich  Ihnen  als  Lehrer  und  Freund  danke, 
lebendig  mahnend  ausspricht;  so  ruft  mir  auch  der  Einfluß,  den  Sie  sichtbar  auf 
meinen  Schwager  übten  zu  ,,die  Entfernung  hemmt  den  Edlen  nicht,  Dir  auf  die 
dauerndste  Weise  wohlzuthun". 

Sie  haben  den  jungen  Mann,  mit  Ihren  geistigen  Armen  mächtig  ergriffen, 
für  das  Gute,  Wahre  und  Schöne  gestärkt,  von  Irrthümern   befreit  und  so  kräftig 


Nachtrag  zu    1 8 14.  181 


an  sich  gefesselt,  daß  ich  um  den  Erfolg  unbekümmert  bin.  Ich  spreche  nicht  für 
mich  allein,  mein  Schwiegervater  ein  trefflicher,  kräftiger  Greis,  hat  sich  mit  Vater- 
sinn der  Veränderung  gefreut,  Sie  aus  meines  Schwagers  Briefen  als  die  Ursache 
kennen  gelernt  und  fordert,  daß  ich  Ihnen  seinen  Dank  biinge,  rein  und  innig,  wie 
den  des  Vaters,  dem  ein  teures  Kind  gewonnen  wurde  für  Wahrheit  und  Welt. 

Das  Gute  hat  mein  Schwager  immer  gewollt  —  der  Einfluß  der  Zeit  zeigte 
sich  bei  ihm  —  es  mangelte  ihm  an  Klarheit  beim  Auffassen  der  Erscheinungen  in 
der  politischen  Welt,  an  Bestimmtheit  des  Willens  und  an  Kraft,  sich  selbst  heraus- 
zuhelfen aus  Irrthum  und  Finsterniß.  Er  bedurfte  der  Nähe  eines  mit  sich  einigen, 
lichten  Denkers,  auf  den  die  Begebenheiten  unserer  Tage  nur  als  Bestätigung  längst 
erkannter  Wahrheiten  wirken  .konnten,  der  über  alles  Schwanken  erhaben  mit  Ge- 
wissenhaftigkeit und  Strenge,  den  längst  bezeichneten  Weg  wandelte.  Ich  wünschte 
ihn  in  Ihre  Nähe.  Mir  schien  es  für  ihn  entscheidend:  ob  Sie  ihn  bildsam  finden 
und  fortleiten  würden?  Es  währte  lange,  ehe  ich  es  erfahren  konnte.  Jetzt  weiß 
ich  es  —  freue  mich  dessen  und  danke  es  Ihnen  wahrhaft.  ||  Er  will  in  Königsberg 
bleiben  um  Sie  nicht  zu  verlieren.  Er  wiid  Ihre  Mühe  lohnen  durch  Erfolg  und 
Dankbarkeit  —  widmen  Sie  ihm  besondere  Sorge,  die  Stunden  welche  Sie  ihm  opfern, 
sind  nicht  verloren.  Hält  Sie  nicht  Beruf  oder  eine  wichtigere  Beschäftigung  ab, 
so  schildern  Sie  mir  in  ein  paar  Zeilen  meinen  Schwager;  sie  werden  in  mir  zu- 
gleich den  Glauben  erneuern,  daß  mein  Andenken  bei  Ihnen  nicht  erloschen;  einen 
Glauben,  dem  ich  nicht  entsagen  kann.  Sie  haben  mir  in  Göttingen  gesagt,  „daß 
die  Liebe  mich  entweder  beglücken  oder  vernichten  werde".  Das  Erstere  ist  ge- 
schehen. Freuen  Sie  sich  Freund  meines  Glückes,  es  ist  selten,  mein  Wirkungskreis 
klein  aber  schön. 

Mir  ist  keine  Kunde  von  Ihren  Verhältnissen,  die  den  Freund  interessiren, 
geworden.  0  wie  gern  hätte  ich  genaue!  Daß  Sie  verheirathet  sind,  habe  ich  erfahren, 
ich  entsinne  mich  auch  der  Gefährtin  Ihres  Lebens.  Sie  sang  zu  Ihrer  Begleitung 
bei  der  Consistorial-Eäthin  Hasse  und  war  dort  in  Pension.  Hat  Ihre  Psychologie 
schon  durch  den  Druck  Publicität?  Wie  steht  es'  um  Ihren  Wirkungskreis  in  Königs- 
berg? Wenn  man  mir  gleich,  das  Horazische  „beatus  ille  qui  prooul  negotiis"  zu- 
rufen kann;  so  ist  doch  das  Interesse  für  Wissenschaften  und  ihre  Fortschritte  in 
mir  lebendig  geblieben  und  schmerzlich  fühle  ich  die  Abgeschiedenheit  vor  der 
literarischen  Welt  zu  der  wir  hier  verdammt  werden. 

Bruschius  und  Günther  sind  die  einzigen,  deren  Nähe  ich  mich  in  dieser  Rück- 
sicht freuen  darf.  Beide  betreiben  noch  mit  Liebe  ihre  Geschäfte.  Leben  Sie  wohl 
Freund  —  wer  ein  so  reiches  Leben  führt  wie  Sie,  dem  ist  nur  Gesundheit  und 
Dauer  zu  wünschen. 

Erhalten  Sie  mir  Ihre  Freundschaft  und  glauben  Sie  an  meine  Dankbarkeit 
und  herzhche  Anhänglichkeit.  Ferdinand  Eahden. 

846.     Richthofen  an  H.     (2  S.    40.    N.)      Brecheishof  bei  Jauer  d.  ITten  Juli  14 

Nur  wenige  Worte,  verehrter  Freund,  zur  Begleitung  der  an beyf olgenden  Inter- 
essen. Bei  Abrechnung  der  2^2  pr.  ct.  Vermögenssteuer  war  ich  Ihnen  wegen  der 
zum  besondern  Schicken  allzugeringen  Summe  mit  '/^pi.ct.  im  Rest  geblieben; 
daher  sende  ich  Ihnen  dießmahl  S'^  pr.  ct.  oder  140  Thlr.  in  Golde. 

Mir  geht  es  recht  gut,  denn  ich  bin  in  meinem  Hause  recht  glücklich,  aber 
sehr  drücken  mich  äußere  Verhältnisse  und  Mangel  an  Muße.  Auch  i.st  das  sieg- 
reiche Preußen  meinem  Herzen  noch  nicht  genügend;  so  mancher  faule  A.st  [?]  läßt 
mich  wenig  Glück  für  die  Zukunft  ahnden;  und  nun  erst  dieser  Friede,  dieser  Apfel 
dei-  Zwietracht,  der  zugleich  alle  alteuropäischen  Verhältnisse  untergräbt,  der  Oestei- 


jg2  Nachtrag  zu    1814. 


reich  das  Jalirbunderte  für  Teutschland  standhaft  gefochten  trotz  aller  Bündnisse 
nur  zu  Teutschlands  und  Preußens  Feinden  zu  machen  scheint,  weil  ihr  Interesse 
nicht  mehr  dasselbe  seyn  wird  —  ich  mag  daran  nicht  denken,  ich  mag  nicht 
denken  an  die  überallumsichgreifende  Fürstenmacht,  die  1|  schon  durch  Napoleon, 
und  jetzt  durch  die  Hingebung  aller  Guten,  und  die  patriotische  Larve  aller 
Schlechten,  zu  wahrer  —  Tyrannen  Macht  emporgewachsen  ist,  aber  dennoch  plagt 
mich  dieses  alles  täglich  und  stündlich.  So  entbehre  ich  die  rosenfarbigen  Hoff- 
nung so  vieler,  bin  aber  um  nichts  ruhiger  als  sie. 

Von  meiner  Frau  von  meiner  Schwiegermutter  die  herzlichsten  Orüße. 

Ihr  P>eund     Richthofen. 

847.    Graf  George  Sievers  an  H.     (3  S.   4«.    N.)       Hofwyl  d.  2.  Aug.  1814 
Verehrter  Freund.     Durch  meinen  Bruder,    dem   ich  aufgetragen,    Ihnen  alles 
mitzutheilen   was   mich   betrifft,    werden   sie    erfahren   haben,    daß  ich  von  unsrem 
Kaiser  die  Erlaubniß  erhalten  habe,  die  vorzüglichsten  Unterrichts-  und  Erziehungs- 
Anstalten  in  der  Schweitz  und  in  Deutschland  zu  besuchen.    In  Folge  derselben  bin 
ich  seit  einigen  Tagen  hier  bei  dem   trefflichen  Fellenberg,  der   sich  das   wichtige 
Frobiem   der   Verbesserung   der  Cultur   des   Menschengeschlechts   in   ihrem   ganzen 
Umfange  vorgelegt  und  die  Auflösung  desselben,  mit  Einsicht,  Wohlwollen  und  Be- 
harrlichkeit, zum  Zweck  seines  Lebens  gemacht  hat.    Es  ist  mir  eine  unbeschreiblich 
wohlthätige  Freude   gewesen  ihn   und  was  er  gethan  kennen   zu  lernen.     Zur  Be- 
förderung seiner  edlen  Absichten,  die  so  sehr  mit  den  Ihrigen  übereinstimmen,  mit- 
zuwirken, wäre  mir  das  höchste  Gut.     Ich  werde  meine   gegenwärtige  pädagogische 
Reise  mit  mehr  Muße  ausführen   als  die  erste   und  hoffentlich  auch  mehr  Gelegen- 
heit haben  von  den  Resultaten  derselben  Gebrauch  zu  machen,  da  der  Kaiser  meinen 
Zweck  kennt  und  ihn  auf  eine  sehr  erfreuliche  und  für  die  Zukunft  viel  versprechende 
Weise  billiget.  ||  Hier  werde  ich   mehrere  Wochen  zubringen,    dann  Pestalozzi  und 
Türk   besuchen,    wieder   herkommen  und  dann  nach  Deutschland  gehn,   um  die  Er- 
ziehungsanstalten   in  Bayern,   Sachsen  und  Preußen  kennen  zu  lernen,  von   denen 
einige  ich  schon  früher  gesehen  habe.    Wie  freue  ich  mich  Sie  dann  wiederzusehen, 
Ihnen  die  Resultate  meiner  Reise  vorzulegen  und  mit  Ihnen  über  die  zu  nehmenden 
Maßregeln    Rücksprache    zu    nehmen.     Doch   früher   schon  erwarte  ich   von  Ihnen 
einige  Anleitung  und  manche  Winke,  so  wie  auch  manche  Empfehlungen  zur  zweck- 
mäßigeren Bewerkstelligung  meiner  Reise.  —  Ausnehmend  erfreulich  ist  es  mir  ge- 
wesen hier  die  Bekanntschaft  von  Hrn.  Griepenkerl  zu    macheu.     Er  ist  unstreitig 
einer  Ihrer  talentvollsten  und   eifrigsten  Jünger  und  zugleich  Ihr  großer  Verehrer, 
wiewohl  Sie  in  Folge  eines  Mißverständnißes,  wie  es  scheint,  seiner  —  Persönlich- 
keit etwas  zu  nahe  getreten  sind  und  wenn  ich  nicht  irre,  ist  er  auf  diesem  Punkte 
etwas  zu   empfmdlich.     Dem  ungeachtet   erinnert  er  sich  Ihrer  mit  hoher  Achtung 
und  innigem  Dankgefühl,  ist  ganz  von  Ihrem  Geiste  und  Ihren  philosophischen  An- 
sichten durchdrungen  und  realisirt  mit  außerordentlichem  Erfolg  Ihre  pädagogischen 
Ideen.     Fellenberg  hat  volles  Vertrauen   zu  ihm  und  läßt  ihm   fast  unbeschränkten 
Willen  in  i|  seiner  Wirksamkeit   an   der  Spitze   des  Erziehuugs-Instituts   für  höhere 
Stände.     Für  dieses  giebt  es  jetzt  Ferien,  daher  ich  mich  jetzt  fast  ausschließlich  mit 
der  Anstalt   für   arme  Kinder   beschäftigt  habe.     Um  diese  ganz  kennen  zu  lernen 
empfehle  ich  Ihnen  den  eben  bei  Cotta  herauskommenden  „Bericht  über  die  Armen 
Erziehungs  Anstalt  in  Hofwyl,  von  Renggei"'. 

In  Carlsruh  habe  ich  eine  sehr  gute  weibliche  Erziehungs  Anstalt  kennen 
gelernt.  An  ihrer  Spitze  steht  die  Frau  v.  Graimberg,  eine  geb.  Budberg,  deren 
Vater  General  in  preußischen  Diensten  war;  sie  ist  die  Stifterin  dieses  noch  neuen 
Instituts,    eine  vortreffliche  Frau  von  hellem  Geiste,   zartem  Gefühl  und  voll  hoher 


Nachtrag  zu   1 8 14.  183 


h'eligiösität.  Sie  ist  von  der  Würde  ihres  schönen  Berufs  durchdningen,  erfüllt  ihn 
mit  Liebe  und  gänzlicher  Hingebung  und  fühlt  sich  höchst  glücklich  dabei.  Auf 
mich  hat  ihre  Bekanntschaft  ausnehmend  wohlthätig  gewirkt.  Einer  der  vor- 
züglichsten Lehrer  an  diesem  Institute  ist  der  wackre  Ewald.  — 

Erfreuen  Sie  mich  bald  durcli  einen  Brief,  den  ich  nach  Basel  an  Hrn.  Jean 
Jacques  Merian  zu  adressiren  bitte.  Ihrer  lieben  Frau  Gemahlin  bitte  ich  mich 
bestens  zu  empfehlen  und  den  Gruß  der  innigsten  Verehrung  zu  empfangen  von 
Ihrem  herzlichst  ergebnen  Freund  '  George  Sievers. 

848.    Grote  an  H.     (4  S.    4«.     N.)  Oldenburg,  den  21.  Oktob.  1814. 

Sie,  mein  Theurerl  haben. mir  eine  große  Freude  gemacht,  ohne  es  zu  wissen. 
Vor  8  Tagen  erhalte  ich  durch  '^"ardenburg  Ihren  Brief  an  ihn  vom  11.  v.  M.  und 
—  die  mit  übersandten  Werke.  Detmers  den  ich  gleich  nach  seiner  Rückkunft  aus 
Königsberg  nach  Ihnen  fragte,  konnte  mir  ebenso  wenig  etwas  Befriedigendes  sagen, 
als  der  gute  Zehender,  der  Sie  im  vorigen  Jahre  oft  dort  gesehen  hatte.  Nun  er- 
fahre ich  endlich,  wonach  ich  mich  lange  sehnte,  Sie  sind  wohl  und  zufrieden,  Sie 
haben  mächtige  Schritte  gethan,  aui  Ihrer  herrlichen  Bahn.  Im  Drange  der  wichtigsten 
Geschäfte  und  mitten  im  Wogen  und  Strudeln  einer  neuen,  seit  dem  ersten  d.  M. 
eingeführten  Staats-Organisation,  habe  ich  Ihre  Einleitung  gelesen.  Mehr  darf  ich 
nicht  sagen.  Aber  doch  war  manches  mir  nicht  fremd,  und  es  traten  klar  und 
deutlich  Erinnerungen  jener  glücklichen,  unvergeßlichen  Zeit  vor  meine  Seele,  wo 
ich  an  Ihrer  Seite  da.s  schöne  Leinethal  durchwandelte,  wo  Sie  mir  Aussichten  und 
Blicke  in  das  Leben  zeigten,  Ahndungen  und  Ideen  in  meinem  Geiste  erweckten,  die 
kein  Schicksal  und  keine  Zeit  und  keine  Erfahrung  zu  zerstören  vermögen.  Die 
Resultate  Ihrer  Speculatiou  haben  mich  unbeschreiblich  interessirt,  hätte  ich  nur 
Verstand  und  Muße  genug,  um  auch  der  Speculatiou  selbst  folgen  zu  können !  Wäre 
ich  bey  Ihnen,  so  würde  ich  nicht  verzweifeln,  so  aber  muß  ich  fürs  erste  mich 
begnügen,  zu  glauben.  Die  mir  merkwürdigsten  Stellen  des  Buches  habe  ich  mir 
ausgeschrieben,  weil  ich  nicht  weiß,  ob  ich  das  von  Wardenburg  mir  mitgetheilte 
Exemplar  behalten  darf,  oder  ob  das  Werk  schon  jetzt  in  hiesigen  Buchhandlungen 
zu  haben  ist.  Gern  möchte  ich.  daß  Sie  oder  ich  dem  Herzog  ein  Exemplar  mit- 
theilten. Ich  möchte  ihm  einige  Stellen  anstreichen,  und  mir  diese  zu  lesen,  von 
ihm  verlangen.  Ich  habe,  sonderbarer  Weise,  vorigen  AVinter  mit  ihm  sehr  eifrig 
drei  volle  Stunden  über  methaphysische  Gegenstände  disputirt.  Wie  wir  eigentlich 
dazu  kamen,  weiß  ||  der  Himmel;  daß  wir  beyde,  ungeübt  im  höheren  Denken,  end- 
lich nicht  ein  noch  aus  wußten,  ist  natüj-lich;  aber  jeder  hatte  seine  fixe  Idee  und 
blieb  unerschütterlich.  Es  war  eine  sternhelle  Decembernacht,  wo  ich  allein  mit 
dem  Herzog  von  Bremen  hierher  fuhr;  für  mich  eine  höchst  merkwürdige  Nacht, 
denn  das  freye  Gespräch  und  die  Vertiefung  in  dasselbe  hatte  die  strengen  Ver- 
hältnisse der  Etiijuette  vergessen  lassen,  und  ließ  mich  die  tiefsten  Blicke  thun  in 
den  herrlichen  Geist  dieses  Mannes.  Ich  dachte  oft  an  Sie,  ich  wollte  Sie  wären 
unsichtbarer  Zeuge  unserer  Gespräche  gewesen.  Der  Herzog  hat  viel  gedacht,  er 
hat  sich  selbst  Prinzipien  gebildet,  aus  denen  sein  edles,  consequentes  Handeln  fließt; 
er  ist,  ich  bin  es  fast  überzeugt,  der  vollkommenste  Regent  seines  Zeitalters.  Darf 
ich  mich  nicht  unbeschreiblich  glücklich  schätzen,  grade  unter  diesem  Regenten, 
unter  der  speciellen  väterlichen  Leitung  dieses  Fürsten,  einen  Würkungskreis  gefunden 
zu  haben,  der  meinen  Wünschen  völlig  entspricht?  Mein  früheres  Ideal  vom  Regenten, 
vom  Staate,  von  der  Würksamkeit  des  Staatsdieners,  ich  sehe  es  fast  in  der  AVirklich- 
keit  vor  Augen.  Durch  die  Wiedergeburt  unserer  Verfassung,  wobey  die  alten  Mängel 
leichter  vermieden  werden  konnten,  hat  der  kleine  Staat  in   seiner  ganzen  weisen 


j84  Nachtrag  zu  1814. 


Oi'ganisation  große  Vorzüge  vor  allen  seine  Nachbarn  bekommen,  und  er  wird  bald  als 
ein  reizendes  kleines  Modell  zu  neuen  Organisationen  aufgestellt  werden  können, 
und  die  Aufmerksamkeit  des  übrigen  Deutschland  auf  sich  ziehen.  Doch  ich  darf 
wohl  nicht  weiter  loben,  es  möchte  zu  partheyisch  scheinen,  weil  ich  selbst  nun 
bald  ein  Jahr  lang  angestrengt  mit  daran  gearbeitet  habe.  Hier  geht  zwar  alles 
Gute  aus  vom  Centro  und  wir  Handlanger  und  Gesellen  haben  gewöhnlich  nur  die 
kostbaren  Materialien  in  die  gehörige  Form  zu  bringen.  —  Im  November  v.  .T. 
suchte  ich  den  Herzog  in  Berlin  auf;  ich  hatte  einen  Brief  verfehlt,  worin  er  mich 
zum  Regierungs-Rath  ernannt  und  mich  eingeladen  hatte  mit  ihm  sobald  als  möglich 
nach  Oldenburg  zurückzukehren.  Um  so  willkommener  war  es  ihm,  daß  ich  miclv 
auch  unaufgefordert  einfand.  Eine  Einladung  von  Hannover  aus,  im  Göttingschen 
die  erste  Ordnung  wieder  herzustellen,  mußte  ich  ausschlagen,  weil  ich  noch  immer 
in  Dienstverbiudung  geblieben  war  mit  meinem  Fürsten.  Im  November  kam  ich 
hier  in  Oldenburg  an;  ||  ich  begleitete  den  Herzog  von  Berlin  aus.  Je  mehr  wir 
uns  dem  Lande  näherten,  je  lauter  und  herzlicher  ward  der  Jubel  des  Volkes, 
schon  im  Hannoverischen.  Eine  herrliche,  unvergeßliche  Reise.  Ich  habe  einen 
alten  Bauern  mit  grauem  Haare  gesehen,  der  mit  Thränen  im  Auge  seinem  Fürsten 
entgegen  rief:  „Herr!  es  ist  uns,  als  ob  der  liebe  Gott  sich  herabließe  unter  das 
Volk!-'  Jeder  war  tief  erschüttert,  und  in  meinen  Gedanken  schwebten  die  Heroen 
der  griechischen  Zeit  vorüber. 

Gleich  nach  unserer  Ankunft  ward  unter  dem  Vorsitze  des  Herzogs  eine 
provisorische  Regierungs  -  Commission  niedergesetzt,  deren  Mitglied  ich  wuide. 
Es  vereinigte  sich  hier  die  ganze  Landesregierung  um  das  Geschäft  der  Organi- 
sation. So  schwierig  die  Arbeiten,  so  interessant  und  vielseitig  waren  sie  auch. 
"Wie  oft  habe  ich  hier  die  Weisheit  und  hohe  Tugend  unseres  Fürsten  zu  be- 
wundern Gelegenheit  gehabt.  An  Trauer  und  Sorge  fehlte  es  mir  aber  auch  nicht 
in  dieser  Zeit.  Ich  mußte  mich  trennen"  von  meiner  geliebten  Frau,  weil  es  hier 
noch  zu  unsicher  und  der  Feind  uns  in  der  Zeit  noch  zu  nahe  war.  Sie  blieb  fast 
6  Monathe  in  Göttingen  zurück.  Ich  selbst  unterlag  im  März  der  Anstrengung  und 
ward  recht  ernstlich  krank.  Kaum  war  ich  etwas  hergestellt,  so  mußte  ich  zu 
meiner  armen  Julie  eilen ,  um  sie  aufrecht  zu  erhalten  in  dem  härtsten  Schicksale 
was  Aeltern  erleben  können.  —  AVir  verlohren  unsere  zweyte  Tochter.  —  Nachdem 
wir,  um  uns  von  so  tiefem  Schmerze  zu  erholen,  den  schönen  May  in  Jühnde  zu- 
gebracht, führte  ich  meine  Frau,  meine  älteste  Tochter  und  meinen  Carl  (das  Klee- 
blatt meiner  Kinder  war  zerrissen)  nach  Oldenburg  zuräck;  von  wo  wir  vor 
3  Jahren  mit  Gefahr  geflohen  waren.  Meine  Gesundheit  und  auch  die  meiner  Frau, 
hat  sicih  wieder  bevestigt,  und  ich  habe  diesen  Sommer  tüchtig  arbeiten  können. 
Seit  dem  1.  d.  M.  ist  die  Regierungs -Commission  in  eine  permanente  Landes- 
regierung (^getrennt  von  der  Jufiti:ü-K&nz\ei)  verwandelt  worden,  deren  Mitglied  ich 
geworden  mit  einem  Gehalte  von  1000  Thir.  Ganz  viel  im  Vergleich  mit  meiner 
Arbeit,  aber  viel  zu  wenig  um  hier  ohne  Sorgen  mit  einem  ansehnlichen  Haushalt 
leben  zu  können.  Die  Teuerung  nimmt  hier  täglich  zu  und  Geldnoth  ist  fast  das 
Einzige,  was  mich  bisweilen  ernsthaft  plagt.  Mit  und  hauptsächlich  sind  daran  die 
seit  Jahren  ausgebliebenen  Zinsen  meiner  Frau  schuld.  Mein  Schwager  Ferdinand 
ist  zu  sehr  mit  seiner  Frau  beschäftigt,  um  unsere  Angelegenheiten  dort  ernsthaft 
zu  betreiben,  und  so  müssen  wir  uns  plagen,  von  einem  Tage  zum  anderen, 
schreiben,  und  hoffen,  daß  endlich  Geld  ankomme.  —  Die  übrigen  Mitglieder  der 
Regierung,  welche  bis  jetzt  ernannt  sind,  zu  erfahren,  interessirt  Sie  vielleicht. 
Als  Oberlanddrost  der  Baron  von  Brandenstein,  ein  sehr  braver  und  gescheuter 
Mann,  der  sonst  Landvogt  in  Delmenhorst  war;  der  alte  Consistorial-Rath  Lentz;  der 


Nachtrag  zu   1 8 14.  jg^ 


Geheim-Kamaier-Rath  Mentz  und  der  Justizrath  Runde.  ||  Die  Letzteren  sind  zugleich 
Directoren,  respective  in  der  Kammer  und  Justizkanzlei.  Halem.  der  Justiz-Rath,  ist 
als  solcher  in  die  Regierung  nach  Eutin  versetzt.  Der  Justiz-Rath  Scholz  ist  an  des 
sei.  Bergers  Stelle  Landvogt  in  Oldenburg  geworden.  Der  Kriegs -Rath  Halem  ist 
seiner  in  der  franzs.  Zeit  begangener  Verbrechen  wegen  landesflüchtig  geworden,  und 
der  Concours  über  sein  sonst  so  großes  Vermögen  erkannt.  Der  ehemalige  Secretair 
und  nacliraalige  Auctions- Verwalter  Halem  hat  auch  Concours  gemacht,  wird  aber 
wieder  Bibliothekar  werden.  Der  Dichter  Gramberg  ist  wieder  Kanzlei-Assessor 
neben  Onder  und  Cordes  geworden,  welche  Kanzlei -Räthe  sind.  Der  Geheim- 
Kainmer-Rath  Romer  ist  mit  ansehnlicher  Pension  in  den  Ruhestand  versetzt.     Er 

hätte  das  nicht  verdient. r  Die  Geschäfte  der  Regieraug  ist  [!]  hauptsächlich  die 

Aufrechterhaltung  der  ganzen  Verfassung,  die  Controlle  des  gesamten  Dienstes,  die 
Dienstanstelluugs-  und  Gesetzes- Vorschläge,  die  Entscheidung  über  Dienstverbrechen 
und  Vergehen,  die  Hoheits-Rechte,  innere  und  äußere,  alle  Verhandlungen  mit  dem 
zu  erwartenden  deutschen  Bunde,  die  höhere  Landes-Polizei  im  weitesten  Umfange. 
Die  Verwaltung  der  Letztem  ist  mir  ausschließlich  zu  theil  geworden;  die  übrigen 
Geschäfte  sind  aber  größteutheils  nach  Distrikten  verrheilt.  Die  Kammer  (sonst 
die  Allmächtige)  hat  jetzt  nur  mit  Fipanz-,  Steuer- Wesen  und  Staats-Oekonomie  zu 
thun.  Die  Justiz-Kanzlei  ist  nur  mit  Civil  und  Crimminal -Justiz  beschäftigt,  und 
die  letzte  Instanz  bildet  das  ganz  neu  geschaffene  Ober -Appellations- Gericht.  Für 
die  Beamten,  die  auf  fixes  Gehalt  gesetzt  worden,  ist  eine  sehr  zweckmäßige 
Instruction  ausgearbeitet.  Ein  neues  Strafgesetzbuch  ist  eingeführt,  welchem  das 
Baiersche  zum  Grunde  legt.  Hieran  hat  besonders  Feuerbach  gearbeitet,  weswegen 
hier  manches  hat  gemildert  werden  müssen.  Im  Ganzen  ist  es  das  Vollkommenste 
was  ich  von  einer  neuen  Legislation  dieser  Art  kenne.  Ich  wünschte  Dir  Urtheil 
darüber.  Die  ausführliche  Bearbeitung  eines  allgemeinen  Hypotheken -Concours- 
und  Vergantungs-Gesetzes  nebst  den  dabey  nöthigeu  transitorischen  Bestimmungen 
ist  mir  zutheil  geworden,  ich  habe  die  Sache  in  3  Monathen  geliefert  und  bin  nun, 
nachdem  alles  geprüft  und  wieder  geprüft  und  verbessert  worden,  mit  der  Correctur 
des  Druckes  beschäftigt.  —  Da  haben  Sie  allerley  von  Oldenburg  und  von  unserem 
hiesigen  Treiben  und  Wirken ;  belohnen  Sie  mich  dafür  recht  bald  durch  einen  Brief, 
den  ich  mit  Sehnsucht  erwarten  werde.  In  Hannover  sieht  alles  unordentlich  aus, 
und  Alles  ist  mißmutbig  über  den  grenzenlosen  AdelstoU  und  Nepotismus.  Mein 
Bruder  August  ist  noch  Titulardrost  ohne  Gehalt  in  Göttingen.  Mein  jüngster 
Bruder  Carl  wird  ein  ganz  ausgezeichneter  herrlicher  Mensch.  Er  hat  glücklich 
und  tapfer  mitgefochten  zur  Wiedereiiangung  deutscher  Freyheit.  Jetzt  ist  er  zu  den 
Studien  nach  Göttingen  zurückgekehrt.  Er  sucht  für  die  Zukunft  eine  Anstellung  auf 
dem  Harz.  Ich  hätte  ihn  sehr  gern  hier  her  gehabt.  Daß  meine  Schwester  Caroline, 
Richthofen  mit  einem  Sohn  beschenkt,  werden  Sie  wissen.  Meine  gute  Mutter  ist 
jetzt  in  Schlesien.  Richthofens  Lage  und  Abhängigkeit  von  einer  nie  glücklichen 
Oeconomie  will  mir  eigentlich  garnicht  gefallen.  Er  kommt  nicht  weiter.  Wissea 
Sie  etwas  von  Carl  Steiger?  ich  schriebe  ihm  gern,  wenn  ich  wüßte,  wo  ich  ihn 
suchen  sollte.  Ist  es  gegründet,  daß  der  älteste  Sievers  tot  ist?  Es  wäre  mir  sehr 
leid!  —  Meine  Julie  trägt  mir  auf,  Ihnen  viele  Empfehlungen  zu  bestellen;  Sie 
möchte  Ihnen  gern  meine  Lotte  zeigen  und  den  derben  Jungen.  Erstere  ist  nun 
bald  4  Jahr  alt  und  verräth  viel  Verstand  aber  auch  bey  großer  Lebhaftigkeit  viel 
Zerstreutheit.  Es  ist  ein  wundei-schönes  Kind  und  unsere  größte  Freude.  Möchten 
wir  sie  nur  gut  erziehen  können!  Empfehlen  Sie  mich  Ihrer  Frau,  und  behalten 
Sie  lieb  Ihren  h'euesten  Freund*  Grote. 


l85  Nachtrag  zu   1815. 


849.    Griepenkerl  an  H.     (3  S.    40.    N.)  Hofwyl  am  3teii  Jenner  1815 

Lieber  Hei-i'  Professor,  ich  wartete  nur  darauf,  daß  der  Graf  Sievers  über 
Königsberg  hinaus  sein  möchte,  um  Ihnen  anzuzeigen,  daß  ich  im  October  1814 
von  dem  Preußischen  Ministerium  des  Inneren  die  Versicherung  einer  passenden 
Anstellung  in  Preußen  erhalten  habe,  und  zwar,  wie  mir  dies  Ministerium  schreibt, 
besonders  durch  Ihre  Empfehlung.  Sievers  darf  dies  nicht  erfahren,  weil  er  sonst 
Fellenbergen  Nachricht  davon  giebt,  dem  es  aus  guten  Gründen  noch  Geheimniß 
bleiben  muß.  —  Weshalb?ich  Hofwyl  verlasse,  würde  Ihnen  Sievers  am  besten  haben 
sagen  können,  wenn  er  ein  scharfes  Auge  für  die  hiesigen  Verhältnisse  mitgebracht 
hätte.  Auch  wäre  es  ihm  ein  Leichtes  gewesen,  die  Misverständnisse,  die  zwischen 
Ihnen  und  mir  obwalteten,  zu  zerstreuen;  ich  werde  dies  durch  einen  Brief  nicht 
versuchen,  besonders  da  Ihi'e  harten  und  auffallenden  Äußerungen  über  mich  mir 
gegenüber  stehen.  Ein  wenig  mehr  Rücksicht  auf  etwanige  Umstände,  die,  Ihnen  zwar 
unbekannt,  aber  dennoch  eintreten  und  vieles  verspäten,  ja  ganz  verhindern  konnten, 
wie  sie  es  denn  gethan  haben  —  hätte  Ihnen  und  mir  diese  grundlose  Zerwürfniß 
ersparen  können,  die  mir  unter  mancherlei  Widerwärtigkeiten  nicht  die  geringste 
war.  ich  lasse  die  Sache  so  lange  auf  sich  beruhen,  bis  Sie  mir  Geneigtheit  zeigen, 
meine  Erklärung  zu  vernehmen. 

Vor  einem  Jahre  war  mein  Entschluß  reif,  Hofwyl  zu  verlassen.  Zuerst 
wandte  ich  mich  nach  Braunschweig.  Wie  aber  die  Sache  sich  dort  verzögerte  und 
zuletzt  nicht  nach  meinem  Wunsche  ausfiel,  so  schrieb  ich  am  4ten  Oktober  an 
Hr.  von  Schuckmann  in  Berlin,  der  mir  durch  das  Ministerium  des  Inneren  mit 
umgehender  Post  die  oben  genannte  Erklärung  geben  ließ.  Sehr  bemerkenswerth 
scheint  mir,  daß  Ihre  Empfehlung  darin  namentlich  aufgeführt  wird.  Hat  dies  eine 
weiter  greifende  Bedeutung,  so  muß  ich,  der  guten  Sache  wegen,  ein  Glück  rühmen, 
das  ein  lästiges  Bestreben  des  BeifallerwerJ^s  für  Sachen  und  Personen,  die  darüber 
hinaus  sind,  überflüssig  macht.  Wissen  Sie  nähere  Auskunft  darüber  zu  geben  und 
vermögen  Sie  es,  Ihren  Entschluß  ||  mir  nicht  früher  zu  schreiben,  als  bis  Sie  von 
mir  ein  tüchtiges  pädagogisches  Werk  in  Händen  haben,  um  der  größeren  An- 
gelegenheit willen  zu  ändern,  so  theilen  Sie  mir  alles  mit,  damit  ich  im  Stande  sei, 
richtig  zu  handeln.  Vermögen  Sie  es  nicht,  ist  ein  bloßer  Aufruf  nicht  hinreichend, 
Ihr  Vertrauen  wieder  zu  gewinnen,  das  doch,  wie  sich  zeigen  wird,  grundlos  ver- 
sagt wurde  — :  so  geben  Sie  dem  Graft  den  Auftrag,  mir  zu  schreiben,  ich  will 
mit  Ihnen  und  den  Ihrigen  verbunden  bleiben  und  blieb  es,  der  Gesinnung  und  der 
That  nach,  bis  auf  diesen  Tag.  Stoßen  Sie  mich  immer  aus  der  vorderen  Thür 
hinaus,  ich  komme  durch  die  hintere  wieder  herein  und  zwar  so  lange,  bis  Sie  ge- 
lernt halben,  treuen  Eifer  nicht  mehr  zu  verschmähen.  Zeigt  sich  dieser  auch  nicht 
immer  Ihrem  Sinne  gan%  gemäß  und  verhindern  auch  die  Umstände  den  ganzen 
Erfolg  der  Ihnen  gegebenen  Ei  Wartungen;  so  darf  das  für  unser  Verhältniß  im 
Ganzen  nicht  viel  verschlagen.  Auch  solch  eine  Abhängigkeit  wie  sie  Ihr  Brief  an 
Sievers  von  mir  zu  fordern  scheint,  ist  wohl  unerreichbar;  ohne  daß  ich  die  Gründe 
dafür  anzuführen  bedürfte. 

Tölken  und  Dyssen  hatten  Unrecht,  die  verheißene  Schrift  gegen  die  unred- 
liche Rezension  Ihi'er  Pädagogik  von  Jachmann  nicht  erscheinen  zu  lassen;  denn 
diese  hatten  indeß  keine  Erziehungsanstalt  durch  die  That  selbst  vor  dem  inneren 
Verkommen  zu  sichern,  ihnen  konnte  das  Thun  nicht  übers  Schreiben  gehen,  wie 
mir.  Neulich  ist  wieder  eine  solche  Rezension  in  der  Hallischen  Literaturzeitung 
gewesen  von  Jhrer  Einleitung  in  die  Philosophie.  Auch  über  diese  muß  ein  Buch 
geschrieben  werden.  Penn  die  Leute  wissen  gar  nicht,  wie  sie  mit  Ihrer  Philo- 
sophie daran  sind.     Statt  ehrlich  zu  bekennen:    „wir  verstehen  nichts  davon,  gebt 


Nachtrag  zu   1815.  i8r 


uns  nähere  Auskunft"  tadeln  sie  lieber  auf  so  bemitleidensweithe  Weise.  Gewiß 
schriebe  ich  dies  Buch  gegen  jene  Eezension,  wenn  ich  nicht  eben  jetzt  mit  der 
endlichen  Vollendung  meines  Erziehungsplanes  für  die  hiesige  Anstalt  beschäfftigt 
wäre,  der  vor  meinem  Abgange  gefertigt  sein  muß.  Ich  beklage  dieses  widerwärtige 
ZiLsaninioiitref  f  eu . 

ich  kann  nicht  umhin  zu  bemerken,  daß  Ihre  Art  des  Philosophirens,  welche 
die  Kantischen  und  Fichteschen  |j  Bestrebungen  zu  einem  großen  Ziele  führt,  in  die 
unglü(;klichste  Zeit  gefallen  ist,  die  nur  zu  ersinnen  gewesen  wäre.  Die  nach- 
ahmenden Köpfe  waren  mit  der  schweren  Arbeit  noch  nicht  fertig  Kants  Weise 
und  Grundsätze  durch  die  übrigen  Wissenschaften  zu  verbreiten,  als  Fichtes  un- 
geheurer Scharfsinn  aus  einem  einzigen  Probleme  hervorbrach,  viel  zu  gewaltig,  als 
daß  er  nicht  viel  mehr  hätte  abschrecken,  denn  gewinnen  sollen.  Und  dieser  Starke 
glaubte  noch  nicht  die  letzte  Hand  an  sein  Werk  gelegr  zu  haben,  als  Sie,  scharf 
trennend,  unbetretene  Pfade  zeigten  und  verfolgten  und  die- Vorgänger  und  ihre  Arbeiten 
als  Vorübungen  hinter  sich  zurück  ließen.  Wie  konnte  der  Haufe  von  so  unerwarteten 
und  gewaltigen  Fortschritten  Notiz  nehmen!'?  Viel  mehr,  einmal  geblendet  zog  er 
sich  in  den  unteren  Nebel  zurück,  in  welchem  sich  eine  dunkle  GäJiiung  indeß  er- 
zeugt hatte,  die,  als  bloßes  Phantasienspiel,  aller  ernsten  Wahrheitsforschung  bar, 
um  so  leichter  ergötzen  und  bethören  konnte.  —  Und  dazu  noch  Deutschlands 
Unterjochung  und  Befreiung,  welche  alle  edleren  Gemüther  unfehlbar  für  sich  hin- 
raffte   .    Lassen  Sie  uns  dieses  als  ein  Schicksal  tragen  und  einander  nicht 

zürnen,  wenn  so  gewaltige  Streiter  in  kleineren  und  größeren  Kreisen  unsere  ernst- 
lichen Bemühungen  erechweren!  Mir  hat  man  in  meinem  kleinen  Kreise  nichts  ab- 
gewonnen als  Zeit;  aber  wahrlich,  viele  Wunden  trage  ich  aus  dem  Streite.  Eine 
Bitterkeit  des  Gefühles,  herrührend  von  so  manchem  vereitelten  Bestreben,  vom 
vergeblichen  Kampfe  gegen  Dünkel,  Dummheit  und  Schlechtigkeit,  von  Ihrer  Mis- 
billigung  —  —  eine  Bitterkeit,  die  erst  spät  vernai'ben  wird.  Und  selbst  der 
1200  Thlr.  die  ich  zusetzte,  weil  ich  mit  meinem  Gehalte  nicht  auskommen  konnte, 
darf  ich  nicht  vergessen,  weil  meine  Familie  unter  deren  Verluste  leidet. 

ich  reiche  Ihnen  die  Hand  zu  herzlicher  Versöhnung  und  Ausgleichung.  Ver- 
sagen Sie  die  Ihrige  nicht  Ihrem  treuen     F.  Griepenkerl. 

-850.  Richthofen  an  H.  (4  S.  4".  N.)  Brecheishof  den  26sten  Febr.  1815 
Wenn  jemand  in  Hinsicht  des  allerfreundlichsten  Briefes  ein  Recht  auf  baldige 
Erwiederung  hat,  so  sind  Sie  es  mein  vielverehrter  Freund;  und  wenn  jemand 
wegen  Nichtschreibens  Vorwürfe  verdient,  so  bin  ich  es;  darum  gar  keine  Ent- 
schuldigung! 

Ihr  letzter  Brief  regte  aber  einige  politische  Punkte  an,  und  deshalb  wünschte 
ich  mein  gegenwärtiges  Schreiben  bis  zur  Bekanntmachung  der  Resultate  des  Kon- 
gresses zu  verzögern.  Fürs  erste  dennoch  meine  Erklärung,  daß  ich  nie  an  ein 
Supremat  Österreichs  als  etwas  wünschenswerthes  gedacht,  im  Gegentheil  wäre  in 
meinen  Augen  die  Unterjochung  unserer  kleineren  Staaten  das  Mittel  die  Reste  des 
wahrhaft  teutschen  Geistes  völlig  zu  vernichten;  ja  vielleicht  ist  schon  das  Ueber- 
handnehmen  dieses  Wunsches  ein  Beweis,  daß  diese  Ueberbleibsel  nicht  mehr  allzu 
groß  sind ;  und  vielleicht  reichen  eben  danim  auch  andere  Mittel  zu  diesem  Ziele 
schon  hin  !  Ja  ich  läugne  nicht  daß  wenn  die  Wendung  die  die  Dinge  genommen, 
auch  nicht  die  schlechtmöglichste  ist,  sie  mir  doch  eine  sehr  üble  scheint.  Oesterreich 
ist  in  Wahrheit  keine  teutsche  Macht;  so  wenig  als  ich  die  teutsche  Nation  in 
Siebenbürgen  eine  teutsche  nennen  kann;  nicht  weil  andere  Völker  mit  Oesterreich 
verbunden  sind,  sondern  weil  es  in  jedem  Stück  hinter  Teutschland  zurück  und 
mit  ihm   außer  Verbindung  ist,    und  verweigerte  doch  auch  Sparta  und  Athen  dem 


jgg  Nachtrag  zu    1815. 


syrakuschischen  Könige  im  persischen  Kriege  den  Oberbefehl !  ||  So  lange  Oesterreich 
aber  die  Niederlande  besaß,  und  dort  Teutschland  vertheidigte,  war  wenigstens  ein 
Grund  der  Vereinigung,  jetzt  ist  aucli  dieser  verschwunden.  Darum  ist  Preußen  an 
Oesterreichs  Stelle  nunmehr  wirklich  getreten,  nachdem  es  schon  lange  darnach  ge- 
strebt. In  dem  Verhältnisse  Preußens  mit  den  kleineren  Fürsten  Teutschlands  scheint 
mir  aber  einige  Ähnlichkeit  mit  den  Verhältnissen  Englands  zu  liegen.  So  lange  als 
die  Stuarts  dort  gegen  den  Willen  und  die  Vortheile  des  Volkes  kämpften,  war 
England  schwach  und  verächtlich;  jetzt  haben  Englands  Könige  eine  heilige  Ehr- 
furcht vor  den  Rechten  eines  jeden,  und  haben  ihre  Entwicklung  befördert,  seitdem 
ist  England  mächtig  und  stark.  So  würde  es  Teutschland  seyn  [und  wer  eben  da- 
durch wiederum  mehr  als  Preußen?)  wenn  jeder  teutsche  Bürst  bei  uns  die  Politik 
fände,  die  nur  Friedrich  der  Einzige  in  den  letzten  10  Jahren  seines  Lebens  befolgt; 
aber  leider  sind  wir  auch  jetzt  noch  nicht  dazu  zurückgekehrt.  Dann  wären  alle 
Arrondissements  unnütz,  denn  Preußen  und  Teutschland  wäre  eins.  Um  dahin  zu 
gelangen  müßte  die  alte  teutsche  Verfassung  möglichst  wieder  hergestellt  werden, 
(natürlich  mit  Verbesserung  des  Militärwesens,)  und  zwar  eben  darum  weil  in  ilir|[ 
viele  Keime  lagen,  und  hier  dasselbe  gilt,  was  Savigny  bei  einer  anderen  Gelegenheit 
so  trefflich  gesagt,  weil  neue  Gesetzgebungen  die  Möglichkeit  des  Fortschreitens  so 
leicht  abschneiden,  und  wir  jetzt  dazu  nicht  reif  sind.  Auch  war  hiezu  vor  allem 
nöthig  das  ein  längerer  Zeitraum  den  hier  projektirten  neuen  Geist  der  preuß. 
Regierung  dem  gesammten  Volke  darthat.  Statt  dessen  haben  wir  uns  Sachsens  be- 
mächtigen wollen,  und  dadurch  weil  es  nicht  gelungen  ist,  noch  außer  dem  Mis- 
trauen  die  Ueberzeugung  unserer  Schwäche  geweckt.  Statt  daß  sonst  jeder  teutsche 
Fürst  unsere  Macht  vermehren  helfen  mußte,  haben  wir  nun  in  Sachsen  einen  Feind,  der 
vielleicht  nur  scheinbar  schlummert,  und  gehen  die  projektirten  Protektorate  wirklich, 
hervor,  so  steht  von  nun  an  jedes  für  sich  im  europäischen  Staatensystem ;  und 
wiewohl  ich  einzelne  Kriege  in  Teutschland  und  das  vergießen  des  Bruderbluts  nicht 
wie  manche  andre  scheue,  so  kann  ich  doch  ein  Institut  nicht  billigen,  das  vielleicht 
unter  dem  Schein  anfänglicher  Eintracht  das  Prinzip,  ewiger  Spaltung  verbirgt. 
Allein  leider  scheint  die  Vernichtungssucht  des  Bestehenden  noch  immer  das  endemische 
Uebell  II  In  meinem  letzten  Briefe  beklagte  ich  mich  über  die  zunehmende  Despotie 
der  einzelnen  Regierungen;  seitdem  hat  die  darin  ausgezeichnetste,  Würtenberg 
seinem  Volk  eine  freie  Verfassung  gegeben,  demungeachtet  nehme  ich  meine  Be- 
merkung nicht  zurück.  Es  scheint  mir  nähnilich  überall  in  Teutschland  ein  sonder- 
barer Zwiespalt  zu  seyn;  während  das  Volk  von  einem  neuen  Geiste  beseelt  wird, 
stehen  häufig  Männer  an  der  Spitze  die  in  der  franz.  Revolution  ihre  Bildung  ge- 
funden;' von  der  Zeit  lebt  in  ihnen  noch  die  Verachtung  des  bestehenden,  sind  sie 
selbst  noch  immer  die  Sklaven  einzelner  Ansichten ;  beides  spricht  sich  in  der  Sucht 
Gesetze  zu  machen  und  in  ihrer  Beschaffenheit  aus,  und  so  kann  es  durch  die  Ein- 
wirkung der  jetzigen  Zeit  wohl  kommen,  daß  sie  selbst  freie  Verfassungen  schaffen, 
die  sie  aber  ganz  unvermögend  sind  und  sein  werden  durch  ihr  Benehmen  in  den 
ersten  Decennien  zu  bekiäftigen,  und  leider  ist  just  dieß,  das  was  noth  thut.  Ich. 
könnte  dieß  mit  Beispielen  belegen ! 

Was  mich  und  die  Meinen  anbetrifft  so  leben  wir  still  und  zurückgezogen 
aber  glücklich;  auch  hat  mir  meine  Frau  im  Herbst' einen  zweiten  Knaben  geschenkt! 
Alle  empfehlen  sich  Ihnen  'und  Ihrer  lieben  Frau. 

Zugleich  übersende  ich  Ihnen  die  Weihnachtszinsen  mit  120  Thlr.  Gold.  Ver- 
zeihen Sie  daß  es  erst  jetzt  geschieht,  aber  die  Verzögerung  meines  Briefes  war 
Schuld.  Zeitlebens  Ihr  Freund     C.  Freiherr  v.  Richthofen. 


Nachtrag  zu  1815.  ign 


851.    Remer  an  H.')  Breslau  d  11.  Novbr.  1815. 

Hoffentlich  sind  Dir,  mein  lieber  Herbart,  meine  bisherigen  Briefe  nach 
Königsberg,  so  weit  sie  die  Geschichte  meines  hiesigen  Aufenthalts  betreffen,  mit- 
getheilt,  und  Dir  folglich  mein  bisheriger  hiesiger  Zustand  nicht  fremd.  Vielleicht 
mögte  mein  Brief  an  Willudraus  [?]  davon  eine  Ausnahme  machen,  indem  dieser 
manches  enthielt,  was  nur  für  den  Empfänger  bestimmt  war,  und  der  unglückliche 
Zustand  des  annen  Mannes,  wenn  er  überhaupt  noch  lebte,  als  mein  Brief  ankam, 
ihn  gehindert  haben  wird,  Mittheilungen  zu  machen.  Ich  bin  aber  auch  nicht  eitel 
genug,  um  zu  verlangen,  daß  Du,  und  überhaupt  irgend  einer  meiner  dortigen 
Freunde  gerade  fordern  solle,  jede  Kleinigkeit  von  mir  zu  wissen,  wenn  ich  gleich 
Eurer  Freundschaft  für  mich-  es  zutrauen  darf,  daß  Ihr  jede  von  diesen  Kleinig- 
keiten gerne,  wenigstens  willig  leset. 

Im  Allgemeinen  habe  ich  bisher  mein  hiesiges  Leben  mit  Zufriedenheit  ge- 
schildert, und  muß  dieses  auch  ferner  thun,  denn  ich  finde  in  Vielem  meine  Er- 
wartungen erfüllt,  in  Manchem  übertroffen.  Daß  nicht  Alles  gut  und  trefflich  seyn 
würde,  konnte  ich  vorher  wissen;  so  habe  ich  es  auch  gefunden.  Krause,  dem  ich 
Vieles  über  das  Personal  und  über  manche  Einrichtung  bei  der  hiesigen  Universität 
geschrieben  habe,  wird  Dir  dieses  mrtgetheilt  haben;  ich  fahre  darin  fort. 

Im  Ganzen  ist  wenig  gelehrtes  Treiben  bei  uns.  Die  Größe  der  Stadt,  die 
mancheilei  Vergnügungen,  die  vielen  Gelegenheiten  zum  Essen,  welche  sich  hier 
finden,  zerstreuen  uns  zu  sehr,  als  daß  wir  Zeit  zum  Arbeiten  hätten.  Auch  merkt 
man  es  an  der  Art,  wie  jeder  von  seinen  Vorlesungen  redet,  daß  es  ihm  mehr  um 
das  Honorar  dafür,  als  um  das  was  er  damit  ausrichtet  zu  thun  seyn  mag.  Ich  will 
nicht  sagen,  daß  dieses  ganz  ohne  Ausnahme  Statt  finde,  aber  wenigstens  scheint  es 
ziemlich  die  Regel  zu  sejTi.  Da  nun  die  hiesigen  Studenten  auf  eine  beispiellose 
Weise  dreist  in  dem  Freibitten  der  CoUegien  sind,  so  wird  manches  darum  nicht 
gelesen,  wie  z.  B.  v.  Raumer  zwar  sein  Publikum,  Reformationsgeschichte,  gedrängt 
voller  Zuhörer  hat,  sein  Privatum,  neuere  Geschichte,  aber  gar  nicht  zu  Stande 
brachte.  Augusti  hat  in  4  Jahren  überhaupt  104  rthr  für  Collegia  aufgenommen. 
Ich  selbst  habe  ein  Beispiel  davon.  In  meiner  allgemeinen  Therapie  habe  ich 
14  Zuhörer,  allein  nur  5  haben  bisher  bezahlt,  im  Clinico  sind  etwa  12,  und  bis 
jetzt  hat  sich  noch  keiner  mit  dem  Honorar  eingefunden.  Man  hat,  um  diesem 
Unwesen  Einhalt  zu  thun,  die  Anordnung  getroffen,  daß  alle  Studenten  sich  bei 
dem  Quästor  melden,  und  zu  dem  Collegio  unterschreiben  müssen,  hier  sollen  sie 
auch  das  Honorar  entrichten,  und  von  da  wird  es.  mit  einem  geringen  Abzüge,  der 
dem  Quästor  zu  Gute  kommt,  an  uns  gezahlt.  Allein  das  hilft  fast  gar  nichts,  da 
sich  manche  der  Herrn  Coilegen  durch  große  Freigebigkeit,  oder  durch  öffentliche 
Vorlesungen  über  Hauptcollegien  Zuhöi-er  verschaffen,  auf  Kosten  der  übrigen.  So 
wird  z.  B.  jetzt  Materia  medica.  privatim  von  Benedict,  und  publice  von  Wendt  ge- 
lesen. Das  Unangenehme  daran  springt  in  die  Augen,  das  Schädliche  wird  uns 
selbst  wohl  fühlbar,  aber  schwerlich  den  Personen  einleuchtend  seyn,  die  wohl  den 
Befehl  zur  Errichtung  von  Universitäten  geben  können,  aber  selbst  nicht  ganz  deutlich 
zu  wissen  scheinen,  was  und  wie  eine  Universität  seyn  soll.  Am  wenigsten  werden 
wir  selbst  dagegen  vornelimen  können,  denn  wir  können  überhaupt  nicht  viel,  be- 
sonders wenn  wir  etwas  gemeinschaftlich  thun  sollen,  weil  wir  kein  Gemeinschaft- 
liches haben.  Das  ist  hier  wenigstens  eben  so  arg,  als  in  Kbrg,  und  wird  nicht 
abnehmen,  sondern  sich  vermehren. 

^)  3  S.  4".  N.  —  W.  H.  G.  Remer,  Studienfreund  Herbarts  aus  Jena,  später 
Kollege  an  der  Universität  in  Königsberg,   dann  in  Breslau  Geh.  Medizinalrat  usw. 


IQQ  Nachtrag  zu    1815. 


Wenigstens  höii  und  sieht  man  das  ziemlich  an  allen  Ecken.    Zwar  klagt  alles  über 
Mangel  an  Gemeinsinn,    und   findet  das  peinlich   Drückende,    was   daraus   entsteht, 
aber  ich  sehe  nicht,  daß  irgend  einer  einen  Schritt  dazu  thut,  um  diesem  Übelstande 
abzuhelfen.     Die    fehlerhafte    Art,    wie    unser    Senat   construirt    ist,   der   beständig 
wechselt,    trägt    vieles  dazu   bei   diesen  Zustand   von  Unsicherheit  ||  zu  unterhalten. 
Ich   habe   indessen   nicht   viel  Lust  mich   viel  um    diese  Dinge  zu  grämen,  ich  will 
sehen,  wie  ich  für   mich  fertig  werde.     Denn,   ist  eine  solche  Schlaffheit  bei  einer 
neu  gegründeten  Universität,  man  kann  sagen,  mit  ihr  gegründet,  wie  soll  ein  Ein- 
zelner, besonders  wie  soll  ich  das  abändern,  oder  zu  dessen  Abänderung  beitragen? 
Ein   deutlicher  Beweis    von   diesem   trägen  Geiste   zum  Guten   ist  die  geringe  Lust, 
welche  man  hier  hat,   etwas  Öffentliches  zu  thun,   und  wenn  man  es  ja  thun  muß, 
ihm  den  rechten  Anstand  zu  geben.    Gewiß  bin  ich  weit  entfernt  von  aller  Pedanterie, 
aber  hier  ist's  doch  gar  zu  arg.     In  einem  Saale,    dem  man,    wenn   er  ein  kleines 
wenig  minder  bunt  wäre,   wahrlich  keine  Zierde  mehr  hinzufügen  könnte,    um  ihn 
sehr   schön    zu  nennen,    in   unsrer  Aula  Leopoldina   —    Du   kennst  die  Berechnung 
nach  welcher  die  sämmtlichen  Londner  Kirchen  Platz   in   der  Peterskirche   zu  Rom 
finden,  und  man  dann  bequem  die  Paulskirche  unter  den  Hochaltar  schieben  kann; 
so  etwa  würde  man  das  Auditorium  maximum  Academiae  Albertinae  auf  den  Kaum 
stellen,    welchen    hier   die  Rednerbühne    cum    pertiuentiis  einnimmt;    —    in  diesem 
Saale    wohnte    ich    neulich    einer  medicinischen   Disputation    bei.     Der  Präses,    der 
Doctorand    und   beide   Opponenten   erschienen   in    Stiefeln,    in   langen   Beinkleidern, 
kurz  in  ihren  gewöhnlichen  Kleidern,  ein  extra  ordinem  Opponirender,  der  D.  Guttentag 
den  Du   kennst,   saß   eine  Zeitlanp;  zwischen   den  Studenten,   auf  den  Stufen  die  zu 
den   Tribünen    führen,    welche    für   die   Piofessoren    bestimmt  sind,    und   die  Sache 
selbst   war  innerlich   auch  schlecht.     Kurz  die  ganze  Historie  mißfiel  mir  gewaltig. 
Der  Rector  war  da,  ohne  Ornat,  kein  Pedell,  kein  Scepter,  kurz  Nichts,  was  einiger 
Maaßen  den  summis  in  utraque  medicina  honoribus  oder  der  Würde  des  Ortes  ent- 
sprach.    Das  ist   so  ohne  Zierde  von  der  rustiken  Universität  zu  Frankfurt  zu  dem 
alten   Jesuitenwesen  in  Bieslau  gekommen,  von  welchem  letzten,  da  die  sonst  zier- 
lichen Jesuiten    nicht  mehr  existirten,   nicht   viel  Gutes  und  nichts  Elegantes,   aber 
alles  Schlimme  übrig  geblieben  ist,  und  nun  ist  die  Sache  gemacht. 

Unsre  Hörsaale  auf  dem  Universitätsgebäude  sind  groß  und  schön.  Es  ist 
etwas  Bequemes  für  die  Studenten  darin,  daß  sie  nicht  in  der  ganzen  Stadt  umher- 
zulaufen brauchen,  um  Collegien  zu  hören,  allein  für  uns  ist's  höchst  beschwerlich, 
daß  wir  dort  lesen  müssen.  Denn  es  ist  verboten  in  seiner  Wohnung  zu  lesen, 
und  wird,  selbst  wenn  man  darum  nachsucht,  nicht  nachgegeben,  wovon  Beispiele 
vorgekommen  sind.  Wer  nun  gerade  dort  wohnt,  dem  ist  dabei  recht  wohl,  aber 
wer  weit  davon  sein  Logis  hat,  wie  mehrere  von  uns,  der  hat  keine  Freude  dabei. 
Ueberhaupt  hat  man  es  hier  eben  so  gut  verstanden,  die  Institute  weitläufig  aus- 
einander zu  legen,  als  in  Kbrg.  So  habe  ich  z.  B.  20  Minuten  gebraucht,  um  von 
dem  Universitätsgebäude  bis  zum  chirurgischen  Clinico  zu  gehen,  und  das  medi- 
cinische  Clinicum  liegt  von  dem  letzten  gewiß  noch  weiter  ab.  Da  man  hier  alles 
neu  geschaffen  hat,  so  sind  Fehler  dieser  Art  nicht  zu  verzeihen. 

Dagegen  aber  haben  wir  recht  Vieles,  und  recht  viel  Gutes.  Es  existirt  hier 
ein  reiches  physikalisches  Cabinet,  eine  wohlversehene  Sternwarte,  ein  schönes 
mineralogisches  Cabinet,  ein  gut,  jedoch  noch  nicht  ganz  vollständig  versehenes 
chemisches  Laboratorium,  außer  der  bändereichen  und  nicht  ganz  armen  Bibliothek. 
Ein  zoologisches  Museum  ist  angelegt,  und  soll  —  selbst  gesehen  habe  ich  es  noch 
nicht  —  schon  recht  artig  seyn.  Dagegen  hat  die  Universität  kein  eignes  anatomisches 
Theater,  sondern  muß  sich  mit  dem  behelfen,  was  der,  nicht  gar  freundhch  gegen 


Nachtrag  zu   1815.  igr 


uns  gesinnten  Regierung  gehört,  auch  —  sag'  doch  dieses  unserm  Freunde  Burdach, 
zum  Tröste;  solamen  niiseris,  socios  habuisse  maloruml  —  keinen  Prosector,  wenn 
gleich  die  Regierung  einen  solchen  hat.  Sie  steht  in  demselben  Verhältnisse,  in  An- 
sehung des  Entbindungshauses.  Der  Professor  Andree,  dessen  Vorsteher  ist  halb 
akademischer,  halb  Regierungs-Officiant.  Schwerlich  wird  es  möglich  seyn,  hierin 
jemals  eine  Änderung  zu  treffen,  die  Sachen  mögen  sich  stellen,  wie  sie  wollen.  || 

Auf  der  andern  Seite  ist  hier  auch  nianches  recht  Gute.  Es  ist  z.  B.  vorteil- 
haft, daß  die  uns  zunächst  vorgesetzte  Person,  der  geh.  Reg.  Rath  Neumann  ein 
Bürgerlicher,  und  nicht  von  so  hohem  Range  ist,  daß  man  sich  zu  weit  unter  ihm 
fühlt.  Es  läßt  sich  mit  ihm  vertraulich  reden,  wie  ich  in  dem  Augenblicke  in 
welchem  ich  dieses  schreibe,  .erfahren  habe.  Meine  Collegen  glauben  das  nicht  alle, 
vielen  von  ihnen  geht  es  wie  den  Fröschen  in  der  Fabel,  die  einen  König  ver- 
langten; sie  wollen  durchaus  einen  excellenten  Curator  haben.  Es  kann  sich  etwas 
der  Art  machen,  aber  ich.  glaube  nicht,  daß  die  Weisheit  eine  nothwendige  Eigen- 
schaft der  Excellenz  ist.  —  Indessen  ist  es  just  nicht  räthlich,  jetzt  viel  über  diesen 
Gegenstand  zu  reden,  weil  gerade  eine  Krise  dieser  Gattung  \ielleicht  mit  dem 
nächsten  Neujahr  eintritt.  Es  ist  sehr  bequem,  daß  die  Institute  keine  eignen 
Rechnungen  ablegen,  sondern  daß  dieses  durch  die  Quästur  geschieht,  auf  welche 
die  Anstalten  bloß  Anweisungen  schreiben.  Man  erspart  uns  auf  diesem  Wege 
viele  unangenehme  Arbeit,  und  überhebt  uns  einer  Responsabilität,  welche  höchst 
drückend  ist. 

Doch  genug  davon  für  heute!  Noch  ein  Paar  Worte  von  mir  selbst,  die  Deine 
Freundschaft  gütig  aufnehmen  wird.  Im  Ganzen  gefalle  ich  mir  hier,  und  glaube, 
wenn  die  Fortsetzung  meines  hiesigen  Aufenthalts  dem  Anfange  entspricht,  daß  ich 
zufrieden  seyn  werde.  Das  Klima  ist  deutlich  müder  als  das  Preußische,  wir  haben 
den  ersten  Schnee  am  2ten  Nov.  gehabt,  und  den  ersten  [Frost?]  am  5ten.  Beides 
ist  aber  wieder  fort;  es  regnet.  Nur  zuweilen,  sagt  man  mir,  gebe  [der  Winter] 
einen  Monat  hindurch  Schhttenbahn,  und  im  März  blühen  die  Veilchen.  Das  Obst, 
die  Gartenfrüchte  sind  trefflich  und  wohlfeil, '  wobei  ich  mir  sehr  gefalle.  Ich  bin 
von  meinen  Collegen  freundlich  aufgenommen,  imd  werde  fortwährend  so  behandelt. 
[Dein  Freund]  und  Schüler,  Unterholzner,  ist  ein  vorzüglicher  Mann,  dessen  Ge- 
wogenheit ich  mir  zu  erwerben  hoffe.  Er  ist  verheirathet,  ob  ganz  glücklich,  kann 
ich  noch  nicht  wohl  bestimmen,  seine  Frau  scheint  mir  nicht  ganz  seiner  Weise  zu 
entsprechen,  und  man  will  wissen,  daß  er  viel  außer  dem  Hause  sey.  Doch  ist 
das  leider  hier  Sitte  bei  vielen,  läßt  sich  folglich  auf  den  Einzelnen  nichts  daraus 
schließen.  Meine  Frau  leidet,  seit  ihrer  Entbindung,  noch  immer  viel  an  rheumatischen 
Schmerzen  am  Kopfe,  und  Marie  hustet  viel,  so  daß  ich  sie  in's  Zimmer  sperren 
muß.  Julius  ist  auf  die  Empfehlung  des  alten  Schneiders,  den  ich  sehr  hochachte 
und  dem  ich  viel  Dank  schuldig  bin,  in  eine  Unterrichtsanstalt,  zu  einem  Prof. 
Reiche,  Lehrer  am  Maria-Magdalena-Gymnasium  gebracht,  wo  er  zum  Gymnasium 
vorbereitet  wird.  Der  vormalige  Untersecundaner,  als  er  10  Jahr  alt  war,  kann 
jetzt,  da  er  13  alt  ist,  noch  nicht  auf  Secunda  kommen.  Du  siehst,  daß  mein 
Jammern  über  die  Treibhauszucht  im  Fridericiano  nicht  ohne  Grund  war,  denn 
dieses  ist  weder  des  Knaben,  noch  seines  bisherigen  Lehrers  Schuld.  Hannchen 
habe  ich  nicht  so  gut  versorgt  als  in  Kbrg,  das  fühle  ich  täglich,  und  weiß,  da  wir 
hier  keine  sonderhche  Töchterschule  haben,  mir  doch  nicht  besser  zu  helfen.  Doch 
ist  diese  Parthie  noch  zu  neu,  als  das  ich  urtheilen  dürfte.  Uebrigens  fahren  beide 
Kinder  fort  mir  Freude  zu  machen,  Julius  mehr,  als  ich  gehofft  habe.  Hierin  hast 
Du  wieder  recht.  Die  beiden  ganz  kleinen  sind,  bis  auf  etwas  Husten,  gesund. 
Hannchen  und  Marie  grüßen   Deine  Natahe  herzlich.     Meine  Frau  und  ich  Deine 


2Q2  Nachtrag  zu    1816. 


liebe  Frau  und  Dich,  und  alle  unsre  dortigen  Freunde.  Besonders  bitte  ich  Dich 
Krause  und  Hüllmann  herzlich  zu  grüßen,  und  dem  letzten  zu  sagen,  daß  ich 
nächstens  an  ihn  schreiben  würde. 

Die  Einlage  empfehle  ich  Dir,  zu  gütiger  Besorgung.         Dein     W.  Remer. 

Du  verlangtest,  ich  solle  Dir  genau  schreiben,  was  mich  die  Reise  gekostet 
habe,  um  vielleicht  danach  einen  Etat  für  künftige  eigne  Reisen  zu  machen.  Ich 
bin  dabei  zu  lebhaft  interessirt,  als  daß  ich  es  nicht  pünktlich  erfüllen  sollte.  Ich 
habe  beständig  5  Pferde  bezahlt,  auf  einer  Station  6,  und  habe  passende  Menschen 
im  Wagen  gehabt,  in  jedem  Gasthofe  wo  ich  übernachtete  2  Zimmer  und,  wo  sie  zu 
haben  waren  ö  Betten  gebraucht,  bin  9  Tage  unterwegens  gewesen,  und  habe 
235  rthr  19  ggr.  ausgegeben.  Dieses  beträgt,  3  Kinder  für  einen  Erwachsenen  ge- 
rechnet, auf  die  Person  noch  nicht  voll  48  rthr  für  die  Person.  Merke  Dir  das, 
und  vergiß  die  Nutzanwendung  nicht! 

852.    Süvern  an  H.     (2  S.  4°.    N.)  d.  12t.  März  1816 

AVohlgeborener  Herr,  Hochgeehrtester  Herr  Professor!    Ew.  Wohlgeboren  danke 
ich  recht  sehr  für  Ihr  Lehrbuch  zur  Philosophie,    so    wie  ich   es  erhalte,    weil  ich 
einen    freien    Augenblick    Ihnen  zu   schreiben,   habe.     Daß    ich    Ihnen    noch    mehr 
Dank   wissen   werde,    wenn   ich   es    gelesen  habe,    weiß  ich  im  voraus.  —  In  Ihre 
Klage   stimme  ich  mit  voller  Ueberzeugung  ein.     Es   sind  die  Aussichten  sehr  ge- 
trübt!   und  wohin  die  Verwirrung  enden  wird  ist  nicht  zu  sagen.  —  Indeß  kommt 
es  uns  zu,    uns  um  jenes  inconsequente  Wesen  nicht  weiter   zu   kümmern,    als  es 
uns  widerstrebt  und  wir  es  nicht  zu  bezwingen  vermögen,    da  aber  auch   nur  uns 
zurückzuhalten   und  fest  in   unserm  System   zu  handeln.     So   erscheint  doch   noch 
manches,    obwohl  fragmentarische,  Gute.   —   Daß  Ihr  Aufsatz   über  den  Unterricht 
in  der  Philosophie  auf  Schulen   irgend    einen  ungünstigen  Eindruck  gemacht  hätte, 
wüßte   ich    nicht.     Vielmehr   ist    er   beherzigt   und   wird    nicht    unbenutzt    bleiben. 
Antworten    wir   auch   nicht   auf   alles,    was   von   der  wissensch.  Deputation  kommt, 
so    ist    es    darum    doch    nicht  in   den  ||  Wind  geredet.     Wenn    mau    uns    nur    die 
wissensch.  Deputation   noch    stehn   läßt,    und    nicht  die   lieben  Consistorien   mit  an 
ihre   Stelle   setzt,   wozu   der  Anschein   ist.     Zwar  wird  entgegengearbeitet   —   aber 
leise,  leise,  denn  wir  treten  jetzt  gewaltig  sacht  auf!  —  Um  Ihnen  doch  etwas   An- 
genehmes zu  sagen  —  der  König  hat  der  dortigen    Universität   einen  bedeutenden 
jährlichen  Zuschuß  bewilligt.    Davon  wird  Ihr  didaktisches  Institut  den  gewünschten 
Zuschuß  von  500  Thlr.  jährlich   erhalten,   der  Sie   in   den  Stand  setzen  wird  es  zu 
einem  .pädagogischen,    nach   Ihren    Gedanken,    zu    erweitern.     Ein    sehr    geeignetes 
Wohnungsgelaß    dazu   bemühen    wir   uns    zuvor   auch    Ihnen    zu   verschaffen.     Ich 
zweifle  aber  sehr  daß  es  gleich  gelingen  wird.     Doch  soll  der  Gedanke  daran  nicht 
aufgegeben  werden.  —  Graff  habe  ich  zu   einer  Schulrathsstelle  vorgeschlagen,  ich 
weiß   noch   nicht   ob   etwas   daraus   wird.     Sagen  Sie  ihm   noch  nichts.     Es  gefällt 
mir,  daß  er  sich  nicht  mehr  so  unruhig  regt,  und  ich  lasse  ihn,  gern  dabei. 
Leben  Sie  recht  wohl  und  meiner  aufrichtigen  Hochachtung  versichert. 

Süvern. 

853.  Graf  George  Sievers  an  H.  (4  S.  8".  N.)  St.  Petersb.d.  1/13  Juni  1816. 
Theurer  innigst  geehrter  Freund.  Erlauben  Sie  mir,  um  die  Beförderung  der 
Inlage  und  um  Unterstützung  des  in  demselben  eröffneten  Vorschlages,  Ihre  freund- 
schaftliche Gefälligkeit  in  Anspruch  zu  nehmen.  Der  letztere  besteht  darin,  ob  Hr. 
Lottermoser  nicht  Theil  nehmen  will,  an  der  hiesigen  Erziehungsanstalt  des  Hrn. 
Muralt.    Lassen  Sie  Sich  meinen  Brief,  an  den  mir  von  Ihnen  empfohlenen  jungen 


Nachtrag  zu   1816.  iq^ 


Mann,  mittheilen.  Ich  brauche  den  Inhalt  desselben  nicht  zu  wiederholen.  —  Wohl 
aber  muß  ||  ich,  im  Vertrauen,  zu  Ihrer  Notiz,  die  Aeußerung  hinzufügen,  daß,  ob- 
gleich ich  mit  der  Anstalt  des  Hrn.  Muralt  sehr  wohl  zufrieden  bin,  ich  doch,  so- 
wohl zum  allgemeinen  Besten,  als  auch  insbesondere,  da  ich  meinen  Neven  dort 
erziehen  lassen  will,  den  Wunsch  hege,  einen  Ihrer  würdigen  Schüler  als  Mitglied 
dieser  Anstalt  zu  sehn.  Dazu  kömmt,  daß  Hr.  Muralt,  durch  seine  Amtsgeschäfte 
als  Prediger,  nicht  ungetheilt  sich  der  Anstalt  widmen  kann  und  nicht  ungeneigt 
scheint,  seine  Stelle  in  derselben,  noch  mehr  als  bisher,  durch  einen  wackren 
Pädagogen,  vertreten  zu  lassen,  ja  ihm  mit  der  Zeit  sie  vielleicht  ganz  einzuräumen. 
Sie  können  Sich  denken  wie  sehr  es  mir  am  Herzen  liegt  einen  solchen  Wirkungs- 
kreiß  für  einen  Mann  zu  gewinnen,  der  mit  mir  in  einer  Schule  gebildet  sey. 

Meine  bisherigen  Bemühungen  für  Begründung  einer  zweckmäßigen  National 
Bildung  in  meinem  Vaterlande  haben  zwar  noch  keinen  bestimmten  Erfolg  gehabt. 
Ich  habe  aber  nicht  nachgelassen  meinem  Ziele  mit  desto  größerer  Besonnenheit 
und  Beharrlichkeit  entgegen  zu  gehn.  Ich  bin  fest  überzeugt  ||  meine  Bemühungen 
für  einen  so  schönen  und  großen  Zweck  werden  nicht  ohne  Erfolg  bleiben.  Mein 
Eespect  für  den  Begriff  der  Causalität  gestattet  in  dieser  Rücksicht  keine  ängstliche 
Besoigniß. 

Zur  zweckmäßigeren  Anordnung  des  mathematischen  und  des  damit  in  Ver- 
bindung stehenden  Unterrichts  biethet  mir  die  Direction  der  Ingenieurschule  eine 
sehr  günstige  Veranlassung. 

Empfehlen  Sie  mich  gefälligst  dem  Andenken  der  würdigen  Männer  die  mir 
so  viel  Beweise  ihres  Wohlwollens  gegeben,  vorzüglich  Krause,  Scheffner,  Weiß.  Mit 
inniger  Verehrung  und  herzlicher  Ergebenheit        Ihr  Freund     George  Sievers. 

Ihre  Antwort  bitte  ich  nach  Riga  an  Hrn.  Klein  zu  addr. 

Ihrer  vortrefflichen  Frau  Gemahlin  meinen  achtungsvollsten  Gruß.  Wie  ist 
es  mit  ihrem  Befinden?  Ist  Ihr  häusliches  Glück  nicht  durch  neue  Gefühle 
erhöht  worden? 

854.  Schläger  an   H.     (2  S.    4».     N.)  Lauterberg  9  Junii  1816 

855.  Richthofen  an  H.     (2  S.    4».     N.)  Brecheishof  d.  17ten  Juni  16. 

Unser  dereinstiger  Briefwechsel  mein  verehrtester  Freund  ist  dermaaßen  ins 
Stocken  gerathen,  daß  es  fast  aussieht,  als  wäre  unsere  Verbindung  eher  auf  der 
Hamburger  Börse,  als  unter  den  Dächern  der  Georgia  Augusta  geschlossen  worden, 
wiewohl  freilich  die  Zeit  Ihres  dortigen  Lehrens  ausgenommen,  beiden  die  wahr- 
hafte Philosophie  gleich  fremd  seyn  mag.  Auch  ich  bin  durch  Widerwärtigkeiten 
mancherlei  Art  ihr  allerdings  auf  eine  Zeitlang  ziemlich  entrissen  worden,  aber  noch 
sind  beide,  die  Wissenschaft  und  ihr  Lehrer,  meinem  Herzen  und  meinem  wieder 
emportauchenden  Geiste  gleich  nah;  und  darum  dräckts  und  betrübts  mich  doppelt 
von  Ihnen  so  gar  nichts  zu  hören. 

Ihre  angekündigte  Psychologie  hat  mich  mit  Begierde  erfüllt;  es  wird  mich 
freuen  wenn  ich  sie  recht  bald  selbst  zu  Händen  kriege. 

Gegenwärtig  gehe  ich  mit  meiner  Frau  nach  Reinerz.  einem  schlesischen  Bade 
und  Molken-Ort.  Wenige  Tage  nachdem  sie  mir  diesen  Winter  ein  Mädchen,  mein 
drittes  Kind  gebohren,  trat  zu  manchem  andern  Uebel  eine  Lungenentzündung,  so 
daß  wir  lange  für  ihr  Leben  und  mein  wiederhergestelltes  Lebensglück  fürchteten; 
möge  Reioerz  ihr  völlige  Wiederherstellung  geben.  ||  Im  Herbst  mache  ich  mit 
meiner  Frau  einen  Besuch  in  Jühnde,  wo  ich  seit  vier  Jahren  nicht  war.  Vorher 
erhalte  ich  von  Ihnen  hoffentlich  noch  Nachricht,  was  mich  sehr  freuen  würde. 
Anbei  die  dießmaligen  Johannis  Zinsen.     Auf  immer  der  Ihre!  Richthofen. 

Herbarts  Werke.     XIX.  13 


jQ.  Nachtrag  zu    1816. 


856.  Süvern  an  H.  (1  S.  4°.  N.)  Berlin,  d.  7ten  Jul.  1816- 
Ew.  Wohlgeboren  mir  äußerst  schätzbare  Zuschriften  würde  ich  früher  be- 
antwortet haben,  hätten  die  Geschäfte  mir  dies  erlaubt,  und  hätte  ich  den  Gedanken, 
Sie  an  Delbrücks  Stelle  an  die  dortige  Regierung  zu  ziehn,  so  ersprießlich  seine 
Ausführung  auch  gewesen  seyn  würde,  für  ausführbar  halten  können.  Jetzt 
wünschen  Sie  meine  Meinung,  über  die  Möglichkeit  eines  nicht  zu  verzinsenden 
Vorschusses  zum  Ankauf  eines  Hauses  aus  der  Universitätskasse,  zu  erhalten,  ich 
will  Sie  mit  falschen  Hoffnungen  nicht  hinhalten.  Denn  wiewohl  ich  weder  die 
Möglichkeit  noch  die  Unmöglichkeit  zu  verbürgen  im  Staude  bin,  so  ist  mir  doch 
die  letztere  aus  manchen  Gründen  viel  wahrscheinlicher.  Ich  glaube,  daß  selbst 
das  Curatorium  zu  einem  solchen  Antrage  schwer  zu  bewegen  seyn  würde.  Da- 
gegen halte  ich  es  viel  wahrscheinlicher,  daß  Ihnen  ein  Miethsersatz  eines  Gelasses- 
für  das  pädagogische  Seminanum,  welches  doch  zugleich  Ihre  Wohnung  wäre, 
würde  bewilligt  werden.  Wenn  Sie  darum  anhalten,  so  bedarf  es  etwa  der  Er- 
wähnimg des  Planes  mit  dem  Kypkiano,  den  ich  Herrn  Graft  nur  vertraulich  mit- 
getheilt  habe,  durchaus  nicht.  Sollte  dies  einmal  offen  werden,  so  wird  sich  das 
Weitere  finden.  Es  ist  mir  aber  lieb,  daß  ich  für  diesen  Fall  von  Ihren  Wünschen 
unterrichtet  bin.  Seyn  Sie  überzeugt,  daß  ich  gern  alles  fördern  werde  was  zu 
Ihrer  Zvifriedenheit  gereichen  kann,  und  meiner  unveränderlichen  Hochachtung 
versichert.  Süvern. 

857.  Reichhelm  an  H.     4  S.    4".     N.  Bromberg  den  13ten  Juh  1816^ 
Wenn   ich,    mein  höchst   verehrter  Gönner   und  Freund   nicht   länger  warten 

kann,  um  ein  freundliches  Wort  mit  Ihnen  auszutauschen,  so  schieben  Sie  diese- 
Ungeduld  theils  auf  die  übergroße  Güte,  mit  welcher  Sie  mich  in  unserem  früheren 
Zusammenseyn  fast  verwöhnt  haben,  theils  auf  den  natürlichen  Drang  meines  Herzens, 
das  im  Schriftwechsel  doch  einigen  Ersatz  suchen  will  für  das,  was  es  in  Ihrer 
Person  verlor. 

Bromberg  gewährt  durch  örtliche  Lage  und  innere  Wohlhabenheit  einen  an- 
genehmen Aufenthaltsort  für  den  Gewerbetreibenden;  für  den  Offizianten  werden 
diese  Vorzüge  durch  die  bedeutende  Theuerung,  durch  den  Mangel  der  kaum  zu  er- 
haltenden Wohnungen,  und  durch  eine  gewisse  Zurückgezogen heit  sehr  geschwächt, 
welche  sich  zwischen  den  Einsassen  und  den  Fremden  erzeugt  hat.  Gründe  genug 
zum  Mißfallen  für  Viele. 

Zu  der  Zahl  dieser  gehöre  aber  ich  nicht;  ||  denn  die  schmerzhafte  Rück- 
erinnerong  an  das  Verlorene  macht  mich  anderer  Seits  nicht  stumpf  für  die  Auf- 
fassung des  Gewonnenen. 

Zunächst  sind  unsere  collegialischen  Verhältnisse  nicht  aufmunternd;  die  erste- 
Abtheilung  der  Regierung,  in  welcher  ich  sitze,  wird  während  der  Abwesenheit  des 
Directors,°  H.  v.  Leipziger,  vom  Chef.-Praesid.  unmittelbar  geleitet  und  zählt  einige 
recht  helle  Köpfe.  Die  Formen  des  Geschäftsganges,  welche  im  Ganzen  nur  auf- 
merksame Achtung  erfordern,  habe  ich  bald  erlernt;  und  die  Geschäfte,  welche  jetzt 
freilich  überhäuft  sind,  werden  sich  hoffentlich  mindern,  wenn,  was  Gott  gebe,  eine 
bessere  Gestaltung  der  Dinge  herbey  geführt  seyn  wird. 

Denn  freilich  in  meinem  eigentlichen  Wirkungskreise  sieht  es  unbeschreibbar 
wunderlich  aus.  Während  der  Superint.  und  landräthl.  Offizial  die  Schulen  in 
der  Provinz  vorläufig  untersuchen,  laufe  ich  täglich  in  allen  Straßen  umher,  und 
finde  statt  der  Schulen  recht  närrische  Gebilde.  Da  giebt  es  keine  städtischen 
öffentl.  Anstalten,  wohl  aber  16—18  höhere,  niedere,  niedrigste  Knaben  und  Mädchen- 
Privat  II  Institute  für  alle  Religions-  und  National-Parteien.    Soeben  bin  ich  mit  einer 


Nachtrag  zu  i8l6.  jq^ 


ausführlichen  Schilderung  dieses  unerhörten  Gemisches  beschäftigt,  welcher  ich  einen 
Plan  für  die  Einrichtung  des  Elementar- Schulwesens  der  Stadt  Br.  anfügen  will. 
Der  höhern  Genehmigung,  auch  durch  die  Zusicherung  d.  Hrn.  Jerbori  di  Sporetti 
gewiß,  hoffe  ich  die  thätigste  Unterstützung  der  Einwohner,  weil  das  Bedürfnis  fast 
schreiend  ist.  Jedoch  die  Fonds  abgerechnet,  macht  hier  uns  wieder  die  Noth- 
wendigkeit,  in  beiden  Sprachen  unterrichten  zu  müssen,  große  Schwierigkeiten.  Aber 
Zeit  und  Eifer  vermögen  viel,  wenn  die  Noth  drängt. 

Nicht  besser  steht  es  um  unser  Gymnasium:  mein  Bericht  über  den  inneren 
Zustand  desselben  klingt  unglaublich.  Etwas  Mathematik  wird  gelernt,  aber  Ge- 
schichte und  vomämlich  Sprachen ! !  Dabey  in  den  beiden  obern  Classen  (die  unteren 
zählen  nur  deutsche)  das  Gemisch  beider  Fnterrichtssprachen ,  gehandhabt  von 
Männern,  denen  Paedagogik  eben  so  fremd  ist,  als  deutsche  Gelehrsamkeit.  Sie 
mögen  erachten,  wie  viel  ich  in  dem  entworfenen  Etat  habe  fordern  müssen;  ||  einen 
Director,  3  Oberlehrer,  3  Unterlehrer,  einen  für  den  technischen  Unterricht.  Und 
wenn  alles  gewährt  werden  könnte,  will  ich  zunächst  Gott  danken,  wenn  aus  Prima 
ein  ziemliches  [Teitia]  wird.  Die  Sachen  sind  bald  zum  Abgange  nach  Posen  und 
Berlin  reif;  allein  der  gute  Wille  hilft  hier  nicht,  es  kommt  auf  Geld  an.  Wir 
hatten  Hoffnung  den  Finanzminister  hier  zu  sehen,  aber  sie  scheint  nach  neueren 
Nachrichten  zu  schwinden.  Große  Hoffnung  ist  von  dem  Bedürfniß  zu  hegen^ 
welches  die  Offizianten  selber  haben.  Bitten  muß  ich  Sie  aber,  diese  unsere 
Umstände  alle  für  Sich  zu  behalten;  die  Politik  befiehlt  hier,  zart  aufzutreten  und 
zu  sprechen,  aber  wahr  und  stark,  doch  geheim  zu  schreiben.  Über  den  Erfolg  für 
die  Zukunft;  halten  Sie  nur  hin  und  wieder  ein  Subjekt  im  Auge. 

Zum  Schluß  eine  Bitte:  empfehlen  Sie  mich  doch  an  [WalsJ;  lassen  Sie  meinen 
Schwager  kommen  und  sagen  Sie  ihm,  daß  ich  auf  Nachricht  von  ihm  harre,  die 
er  gemeinschaftlich  mit  Diestels  Bruder,  doch  sobald  als  möglich  ertheilen  möge; 
Sie  selbst  schreiben,  wenn  es  irgend  angeht,  auch  wohl  über  den  paedag.  Stand  der 
Dinge  seit  der  neuen  Regierung  Hrn.  Schulraths  Beweis.  —  vornämlich  aber  empfehlen 
Sie  Amalien  aufs  herzlichste  Ihrer  theuern  Gattin  und  vergessen  Sie  nicht  Ihrem 
dankbar  verpflichtetsten  Keichhelm. 

N.  S.  Literarisches  Leben  ist  hier  herzlich  wenig,  vielmehr  bei  natürlich  guten 
Köpfen  Entgegenstellung  gegen  das  streng  —  Wissenschaftliche  vorherrschend.  Die 
Einlage  sind  Sie  wohl  so  gütig  sogleich  zu  befördern.  —  Leben  Sie  doch  recht  wohl, 
körperlich  und  geistig  wohl.  R. 

858.  Reichhelm  an  H.  (4  S.  4«.  N.)  Bromberg  den  2lsten  Novbr.  1816 
Mein  innigst  verehrter  Gönner  und  Freund!  Fast  verdanke  ich  es  nur  Hrn. 
L.  K.  Scheffner,  wenn  ich  hin  und  wieder  eine  fröhliche  Kunde  über  Sie  und  Ihr 
Wirken  vernehme.  Und  doch  ist  der  Gedanke  an  Sie  oft  so  recht  lebendig  in  mir, 
daß  es  mir  vorkömmt,  als  triebe  es  mich  zu  Ihnen  zu  eilen,  um  so  wie  sonst,  aus- 
zuschütten, wovon  meine  Seele  voU  ist.  Lassen  Sie  mich  mit  Einigem  anfangen, 
was  Ihre  eigne  Person  berührt. 

Kürzlich  empfing  ich  von  Nicolovius  und  von  Süvern  Briefe.  Der  letztere 
sagt:  „ich  habe  um  so  bereitwilliger  mitgewirkt,  als  Hm.  Prof.  Herbait  Empfehlung 
mir  viel  gilt."  Obgleich  N.  viel  gütiger,  ich  darf  sagen,  zutraulicher  an  mich  ge- 
schrieben, S.  dagegen  nur  beabsichtigt  zu  haben  scheint,  mir  seine  Zufriedenheit 
wegen  der  Einrichtungen  in  Bezug  auf  das  hier  beabsichtigte  Gymnasium  zu  er- 
kennen zu  geben  und  hauptsächlich  einen  Director  und  die  Oberlehrer  für  dasselbe 
zu  empfehlen,  so  hat  doch  die  obige  Äußerung  S.  Brief  mir  ||  unendlich  lieb  ge- 
macht.   Seme  Wünsche  in  Hinsicht  des  Gymn.  werden  wohl  für  mich  Befehle  seyn; 

13* 


jq5  Nachtrag  zu   i8iti. 


ungeachtet  mein  Schwager  mir  leid  thut,  den  ich  werde  aufgeben  müssen,  da  S.  mir 
sehr  dringend  den  Dr.  Zumpfs,  Oberl.  am  F.  Werd.  Gymn.  in  Berlin,  als  Philologen 
nahmhaft  gemacht  hat.  —  Der  Minister  des  Innern  und  der  Finanz  Minister  haben  den 
König  in  einem  Immediat  Bericht  um  3000  Thlr.  jährl.  Zuschuß  für  die  hiesige  gelehrte 
Schule,  meinem  Antrage  gemäß,  gebeten  und  zwar  vom  Iten  Jan.  h.  ab,  weil  eben 
4000  Thlr.  zum  Ausbau  des  Gebäudes  nothwendig  sind.  —  Die  hiesigen  städtischen 
Schul- Anstalten  warten  von  Woche  zu  Woche  auf  die  Gewährung  des  Carmeliter- 
Kloster-Gebäudes,  ohne  welches  mein  Plan,  der  Fonds  wegen,  nicht  würde  ausführbar 
seyn.  Ungern  möchte  ich  ihn  verdrängelt  sehen.  Herrn  Junker  habe  ich  zwar 
der  städtischen  Schul. -Dep.  mit  vorgeschlagen,  aber  ich  fürchte  sehr  für  ihn  und 
kann  nichts  mehr  thun,  denn  sein  Zeugniß  ist  zu  schlecht  und  überdieß  meinen  die 
Leute  hier:  das  Polnisch  was  er  könne,  sey  kein  achtes  Polnisch  und  doch  darf 
dieß  mein  einziger  Unterstützungs- Grund  seyn,  denn  für  die  Stellen,  wo  Polnisch 
nicht  II  gefordert  wird,  sind  bessere  da.  — 

Die  Hälfte  unseres  Regier.  Bezirkes  bin  ich  durchreiset  und  an  die  andere 
geht  es  binnen  einigen  Wochen.  In  den  Kreisstädten,  vornämlich  in  Gnesen,  habe 
ich  Schul.  -  Confr.  mit  den  Geistlichen  abgehalten.  Im  Ganzen  sind  sie  herzlich 
dumm  und  überdies  die  kathol.  und  die  prot.  in  heftiger  Reibung  gegen  einander,  nur 
an  dem  Bischof  Szieminrei,  Official  des  Erzbischofs,  habe  ich  glücklichen  Beistand 
gefunden;  freilich  auch  mehr,  weil  er  meine  Persönlichkeit  lieb  gewann,  und  die 
Wissenschaften  achtet,  als  aus  paedag.  Neigung. 

Hier  muß  alles  erst  lernen;  Schul -Inspektor,  Pfarrer  und  Schullehrer.  Wie 
das  zu  machen  sey,  habe  ich  kürzlich  unserm  Praesidenten  auseinander  gesetzt,  der 
dies  pro  memoria  dem  Ober-Praes.  persönlich  übergeben  wird,  damit  es  durch  ihn, 
der  nach  Berlin  reiset,  gehörige  Unterstützung  fände.  Mein  Vorschlag  reiht  sich 
an  die  erbetene  und  im  allgemeinen  versprochene  Errichtung  eines  SchuUehrer- 
Seminariums  für  unsere  Provinz  an;  er  geht  von  dem  Grundsatz  aus,  daß  Männer, 
wie  ich  sie  vor  mir  habe  (und  wie  sie  überall  wohl  nicht  viel  besser  seyn  mögen) 
das  Bessere  schauen  müssen. 

Jeder  andere  Versuch  würde  vergeblich  seyn,  und  sonst  werden  meine  an- 
zustrebenden Schul-Inspectoren  auch  nichts  helfen,  da  sie  wissen  müssen  ||  was  sie 
sollen  und  wozu  sie  Prediger  und  Lehrer  zu  ernmntern  haben.  Wie  gräulich  es 
mitunter  aussieht,  sähe  ich  vorzüglich  in  Pakocc ').  Ein  Gymn.  von  300  Z.  (zwischen 
8 — 25  Jahren)  in  den  Händen  von  Franziskanern;  der  Prof.  gram,  in  [Ima]  las 
etwas  von  Cicero  ohne  Sicherheit  in  den  Formen  des  Latein;  der  Prof.  mathes.  war 
bis  zu  den  arithm.  und  geometr.  Proport,  gekommen!  Aber  das  ist  ein  Wespennest, 
wo  man  sehr  behutsam  zu  Werke  gehen  muß.  Hin  und  wieder,  besonders  in  den 
deutschen  Kreisschulen,  fand  ich  es  besser,  —  etwa  ähnlich  den  höheren  Büi'ger- 
schulen  in  K. 

Seit  mehreren  Wochen  hüte  ich  die  Stube  einer  Fußwunde  wegen,  die,  ich 
weiß  nicht  wie,  entstanden  ist.  Das  hat  mir  denn  vergönnt,  um  einen  Ruck  in 
meinem  Schreiben  vorwärts  zu  kommen,  was  bei  den  überhäuften  Geschäften,  den 
Geschäftsreisen  und  den  mancherlei  Planen,  die  sich  in  meinem  Kopfe  kreuzen, 
eine  Wohlthat  für  mich  war. 

Mein  übriges  Leben  in  Br.  ist  gerade  nicht  sehr  erfreulich;  ich  muß  vielen 
Popanz  mitmachen,  der  Zeit  und  Kosten  nicht  werth  ist.  Nur  bey  sehr  überdachter 
häusl.  Einschränkung  wird   es  mir  möglich  auszukommen  und  wenn  meine  Familie 

•)  Pakocc,  Pakosch  oder  Pakose,  Stadt  im  Reg.-Bez.  Bromberg  a.  d.  Netze, 
mit  Kloster. 


Nachtrag  zu   1817.  jgy 


sich  mehrt,  wozu  nahe  Hoffnung  vorhanden  ist,  so  muß  ich  für  die  Zukunft  auf 
die  Liberalität  des  Min.  rechnen.  Der  Himmel  gebe  nur,  daß  an  den  Veränderungen 
in  demselben,  wovon  man  viel  spricht,  wenig  Wahres  sey. 

Nun  rechne  ich  mit  Sicherheit  auf  ein  freundliches  Wort  von  Ihnen;  vor 
allem  darf  nicht  fehlen,  was  Ihr  didakt.  Institut  macht.  Meine  Frau  schreibt  der 
Ihrigen,  der  icli  mich,  so  wie  Krause's  herzlich  empfehle. 

Mit  ganzem  Herzen  Ihr  treuer    Reichhelm. 

N.  S.  Was  macht  Stiemer?  Von  S.  aus  habe  ich  zuletzt  an  ihn  geschrieben, 
ohne  eine  Erwiedening  empfangen  zu  haben.  Fast  hoffte  ich,  er  würde  sich  zum 
Rectoral  der  städtischen  Schulen  melden;  er  hat  es  nicht  gethan.  R. 

N.  S.  vom  22.  Der  König  hat  das  Geld  fürs  Gymn.  bewilligt;  ich  soll  meinen 
Plan  zu  seiner  Einrichtung  (nach  den  Principien  der  Ihnen  bekannten  Ministerial 
Verfügung)  entwerfen  und  Vorschläge  für  die  Lehrerstellen  thun.  Die  Ober- 
lehrer  hat,    wie   gesagt,    Hr.   Süv.   mir   genannt   —    unter  den    Cnterlehrern   muß 

wenigst,  einer  polnisch  können  und  kathol.  seyn. Auch  eine  erfreuliche 

Nachricht  wegen  Überlassung  des  Carmeliter  Gebäudes  für  die  Stadtschule  und  des 
Kloster-Vermögens  für  den  Gymnasial-Fond  ist  eben  angekommen.  Wüßte  ich  nur, 
was  mit  den  gegenwärtigen  Lehrern  zu  machen? 

859.    Reichhelm  an  H.     (4  S.    4«.     N.)         Biomberg  den  I6ten  Januar  1817. 

Mein  höchst  verehrter  Gönnerl  Ihre  beiden  sehr  lieben  Briefe  v.  26ten  Decbr. 
V.  und  9ten  Januar  d.  J.  habe  ich  mit  Freude  empfangen.  Sie  vergönnen  mir 
wohl,  um  Herrn  Zauder  nicht  in  Ungewißheit  zu  lassen,  Ihnen  zuvörderst  zu 
eröffnen:  Daß  die  Wahl  der  hieher  zu  berufenden  städtischen  Elementar -Lehrer 
bereits  Ausgangs  Novbr.  v.  J.  vollzogen  worden.  Die  Rector-Stelle  ist  Hr.  Prof. 
Müller  in  Biaunsberg  (auf  Krause's  und  Scheffner's  an  mich  gerichtete  Empfehlung) 
angetragen  worden;  zwar  hat  sich  derselbe  noch  nicht  bestimmt  erklärt,  vielmehr 
unterhandelt  er,  wie  ich  weiß,  mit  dem  Ministerio  um  die  etwanige  Verleihung  einer 
Director- Stelle  an  einem  Schles.- kathol. -Gymn.,  indessen  wenn  auch  Hr.  Müller, 
was  immer  nicht  wahrscheinlich,  die  Stelle  ausschlagen  sollte,  ||  so  haben  nach  der 
getroffenen  Wahl-Einrichtung  seine  beiden  Mit-Canditaten,  Herr  Latzel  aus  Bieslau 
-und  Hr.  Dr.  Kühner  aus  Berlin,  unausweichbares  Recht  an  die  Stelle.  So  bin  ich 
außer  Stande,  für  Herrn  Zander  wirksam  zu  seyn;  hätte  derselbe  seinen  Wunsch 
Ihnen  vor  ein  paar  Monaten  eröffnet,  so  würde  auf  Ihre  Empfehlung,  deren  ent- 
scheidendes Gewicht  bei  mir  Sie  kennen,  die  Wahl  wahrscheinlich  ihn  getroffen 
haben.  Für  das  Gymnasium  kann  ich  natürlich  auf  Herrn  Zander  nicht  rücksichtigen; 
und  ihn  als  Elementar-Lehrer  anderswo  eben  so  vortheilhaft.  wie  hier  in  Bromberg, 
anzustellen,  dürfte  mir  sehr  schwer  werden.  Indessen  ist  die  Notiz  selber,  da  ich 
den  Mann  achte,  mir  heb,  und  wer  weiß,  wie  die  Um.stände  es  fügen.  — 

Die  Nachricht  über  H.  v.  N.  ist  mir,  ich  weiß  selbst  nicht  recht,  ob  mehr 
niederschlagend  oder  mehr  lächerlich  gewesen.  Was  ist  doch  der  Mensch,  wenn  er 
andern  zum  Spielballe  dient?  Freilich  steht  |1  es  um  die  Wissenschaft  tief  beträbend, 
wenn  das  Ihre  öffentlich  redenden  Zöglinge  sind.  Ein  Glück  für  uns,  daß  Gedanken, 
welche  eine  Zeit,  wie  die  unsrige,  leicht  unbeachtet  läßt  oder  absichtlich  miß- 
verstehen will,  nicht  verloren  gehen,  vielmehr  die  Hoffnung  einer  Erfolgreicheren 
Wiederanknüpfung  gewähren.  Wir  kranken  überall  sehr;  Schwindel  und  Ver- 
zückung sind  die  Hauptcriterien  des  ansteckenden  Fiebers.  Gott  sende  bald  den 
Arzt,  sonst  folgt  dumpfe  Ermattung!  Em  gewisser  Harnisch  der  sich  von  Breslau 
aus  mit  mir  in  Briefwechsel  gesetzt  hat.  will  durch  die  Herausgabe  „eines  fünfzig- 
jährigen Hauslehrers",  die  veralteten  Niemeier  und  Pestalozzi  todt  machen  — 


jgg  Nachtrag  zu    i8i; 


Meine  amtlichen  Arbeiten,  die  mitunter  von  ungemeiner  Schwierigkeit  sind, 
haben  so  überhand  genommen,  seit  ich  überall  gerührt,  daß  ich  kaum  die  nöthige 
Zeit  für  eine  Bewegung  im  Freien  gewinnen  kann.  Je  weniger  ich,  außer  dem 
Nothwendigsten,  lesen  kann,  um  so  mehr  sehne  ich  mich  nach  einer  Zeit,  wo  ich  |1 
einen  freiem  Spielraum  für  mein  Selbst-Studium  gewinnen  kann.  Etwas  verspreche 
ich  mir  von  den  künftigen  Lehrern  am  Gymnasio;  mindestens  dürfte  mir  dadurch 
einiger  wissenschaftlicher  Umgang  werden,  der  mir  jetzt  ganz  fehlt  und  den  ich 
schmerzlich  entbehre. 

Mein  Schwager  hat  mir  soeben  geschrieben;  er  ist  in  seiner  Wahl  sehr  un- 
schlüssig, und  wahrlich  es  wird  schwer,  ihm  zu  rathen.  Denn  die  erste  Oberl. 
Stelle  kann  ich  ihm  aus  Gründen,  die  ich  ihm  mittheilen  werde,  nicht  geben;  bey 
der  zweiten,  für  die  ich  ihn  vorzuschlagen  gedachte,  hat  er  620  Thlr.  und  ^/j^  des 
Schul-Geldes.  Aus  eigner  Erfahrung  weiß  ich,  was  es  heißt,  sich  hier  mit  800  Thlr. 
durchstümpern  und  fast  kann  ich  es  nur  mit  Hülfe  meines  Pensionairs.  —  Besser 
fast  sind  die  beiden  ersten  Unterlehrer-Stellen  dotirt  wegen  der  freien  Wohnungen, 
die  sie  genießen 

Meine  Frau  und  ich  wünschen  herzlichst,  daß  Ihre  Gattin  wohl  seyn  möge; 
unserer  verehrenden  Liebe  sind  sie  gewiß. 

Ihr  treu  gehors.  Freund     Reichhelm. 

Zur  Direktion  der  2.  l'rüf.  Commission  wünsche  ich  Glück;  mir  thut  es  nur 
doppelt  leid,  daß  unsere  armen  Cand.  statt  nach  K.,  nach  Breslau  zum  gel.  Schul. 
Cand.  Ex.  gewiesen  sind.     R.     Einen  herzl.  Gruß  an  Krausen. 

860.    Graf  George  Sievers  an  H.    (4  S.  8".    N.)     St.  Petersburg  d.  24  Jan.  1817. 

Verehrter  Freund.  Obgleich  ich  auf  zwei  meiner  Briefe  an  Sie  vom  2.  Juni 
und  vom  8.  Nov.  v.  J.  noch  keine  Antwort  erhalten  habe,  muß  ich  Ihnen  doch 
wieder  schreiben.  Jene  Briefe  betrafen  vorzüglich  Hrn.  Lottermoser,  der  gegen- 
wärtige betrifft  Sie  Selbst.  Fellenberg  hat  nehmlich  bei  mir  angefragt,  ob  Sie  Sich 
wohl  entschließen  würden  Ihren  jetzigen  Aufenthalt  gegen  den  in  der  Schweitz  zu 
vertauschen?  und  welche  Bedingungen  wohl  zu  diesem  Zweck  vorzuschlagen  wären? 
Ich  glaube  diese  Anfrage  nicht  besser  ||  beantworten  zu  können  als  indem  ich  mich 
an  Sie  selbst  wende.  F.  wünscht  Sie  bei  seiner  Erziehungsanstalt,  die  durch  die 
Gegenwart  mehrerer  deutschen  Fürsten  Kinder,  für  einen  deutschen  Vateriands- 
freund  ein  höheres  Interesse  gewinnt,  zu  fixiren.  Sind  Sie  nicht  abgeneigt  den 
schönen  Wirkungskreiß,  der  sich  Ihnen  dort  darbiethet  anzutreten,  so  bitte  ich  Sie 
mir  als  Freund  freimüthig  darüber  zu  schreiben.  Sie  können  das  um  so  unbedenk- 
licher', als  ich  F.  Ihre  Forderungen  als  die  meinigen  (für  Sie)  vorschlagen  würde 
und  Sie  auf  diese  Weise  keineswegs  gebunden  wären,  sondern  es  Ihnen,  wenn  || 
sich  F.  hierauf  an  Sie  wenden  würde,  völlig  frei  stünde,  nach  Ihrem  dermaligen 
Gutdünken  die  Vocation  zu  erwiedern. 

Damit  dieser  Brief  Ihnen  sicher  zugestellt  werde,  schicke  ich  ihn  unter  Adresse 
des  Hrn.  Beetz.  Ihre  Antwort  adressiren  Sie  gefälligst  unmittelbar  au  Ct.  S.  General 
Major  commandant  le  corps  des  Ingenieurs  ä  la  le  armee  ä  St  Petersbourg.  Mit 
Ungeduld  werde  Ich  derselben  entgegensehen. 

Empfehlen  Sie  meinen  Bruder  und  mich  bestens  Ihrem  vortrefflichen  Freunde 
Krause.  Die  Sache  des  ersteren  ist  endlich  vom  Senat  zu  seiner  völligen  Recht- 
fertigung entschieden.  —  Bald  wird  sie  dem  K.  vorgestellt.  ||  Ich  lebe  gesund  und 
meinem  Berufe,  der  mir  Freude  gewährt,  treu.  Durch  die  mich  getroffene  Wahl 
eines  Patrons  der  hiesigen  lutherischen  Gemeinde  der  Petri  Kirche  an  die  Stelle 
des  verstorbenen  Prinzen  von  Oldenburg,  habe  ich  auch  Einfluß  auf  die  sehr  wohl- 


Nachtrag  zu   1817.  jqq 


thätig  würkcnde  Schule  derselben  erhalten.  Durch  Beharrlichkeit  und  Benutzung 
jeder  günstigen  Gelegenheit  hoffe  ich  noch  manche  Schwierigkeiten  zu  beseitigen. 
Ihrem  und  Ihrer  werthen  Frau  Gemahlin  Andenken  mich  bestens  empfehlend  bin 
ich  mit  herzlicher  Verehrung        Ihr  innigst  ergebener  Freund     George  Sievers. 

861.    C.  Steiger  an  H.    (6  S.   8".    X.)  Riggisberg  Ende  März  1817 

Bester  Freund!  Unsere  alten  Verhältnisse  so  Jahrelang  vernachlässigen  —  nein 
das  kann  länger  nicht  gehn!  —  Vieles  mag  wol,  durch  äußere  umstände  veranlaßt, 
zu  dieser  Unterbrechung  beygetragen  haben;  indessen  zu  rechtfertigen  ist  sie  doch 
im  Grunde  nicht,  nur  zu  verzeih'n,  wohin  wenigstens  ich  meinerseits,  mein  Lieber, 
die  Zuflucht  nehme.  —  Womit  soll  ich  nun  aber  anfangen  ?  —  Von  Dir  oder  den 
Deiniyen  weis  ich  nichts,  ^-  nichts  von  Deiner  gegenwärtigen  Lage.  —  Auf 
egoistische  "V^'eise  bleibt  mir  also  nur  übrig  Dich  indessen  von  mir  selbst  zu  unter- 
halten, von  meinem  Treiben  und  Lassen  und  was  mich,  sonst  etwa  umgiebt,  und 
Dich  interessiren  mag.  — 

Ersteres  erstreckt  sich  nicht  weit.  Es  war  wider  meine  Grundsätze  und  Ge- 
fühle unter  der  Mediation  irgend  eine  Anstellung  anzunehmen.  Diese  Regierung 
zu  stüi-zen  bin  ich  in  den  Jahren  1813  und  14  in  den  Augen  |i  Vieler,  beyläufig 
zwar  auf  Gefahr  meines  Kopfes,  zu  -eifrig  und  zu  thätig  gewesen,  der  Hoffnung 
mit  ihrem  Sturtz  würde  auch  der  alte  Geist  wieder  erwachen,  zu  rächen  die 
Schmach,  die  langerduldete.  Allein  der  "^'echsel  der  Form  zog  den  des  Geistes 
nicht  nach  sich;  denn  an  gleicher  Stelle  blieben  die  Machthaber,  gegen  deren 
förmlichen  Willen  und  Streuben  die  Veränderung  geschehn.  So  in  meinen  schönsten 
Hoffnungen  getäuscht,  die  Schweiz  und  voran  Bern  am  heiligen  Kampf  theilnehmen 
zu  sehen,  zog  ich  mich  heraus  aus  dem  kleinsichtig  politischen  Wirrwar,  zu  ver- 
schmerzen meinen  Gram  im  häuslichen  Glück  und  der  freyen  Natur.  —  Ich  warf 
mich  in  mein  altes  Lieblingsfach  die  Landwirtschaft,  und  fand  darin  die  gesuchte 
Befriedigung;  denn  zuwider  war  mir  alles  was  nur  auf  Politik  von  weitem  Bezug 
hatte.  Bios  speculative  Wissenschaften  ohne  Anwendung  wollten  meinem  Alter 
auch  nicht  mehr  genügen.  —  Oft  war  ||  ich  im  Begriff  die  Feder  zu  ergreifen,  den 
beßeren  Theil  der  Nation  in  den  Augen  der  Nachwelt  zu  rechtfertigen;  allein  die 
großen  Schauspieler  sind  noch  sämtlich  auf  der  Bühne,  sowol  hier  als  im  Auslande 
.und  Klugheit  gebietet  einstweilen  noch  Stillschweigen.  (Ich  befand  mich  damals  im 
groß.  Hptquartier  der  Allirten  in  direkten  Unterhandlungen  mit  den  Ministern.) 

Im  Jahre  1815  stand  ich  mit  meinen  drey  Brüdern  mit  auf  französischem 
Boden.  —  Die  Stimmung  hatte  sich  in  der  Zwischenzeit  merkUch  gebessert.  Be- 
sonders fingen  unsere  hochv.-eisen  Herren  in  Bern  endlich  an  einzusehn  das  Ver- 
säumte; allein  der  rechte  Moment  war  vorüber  um  nicht  wiederzukehren.  —  Eine 
nothweudige  Folge  war,  daß  man  begann  minder  ungerecht  zu  .seyn  gegen  mich; 
es  blieb  nur  noch  ein  Gefühl  von  verwundeter  Eitelkeit.  Doch  blieb  fest  mein 
Entschluß  mich  zu  keiner  öffentl.  Stelle  zu  melden.  —  Indessen  da  man  mich 
seither  |]  mehrmal  selbst  darum  anging,  habe  ich  ohne  mich  zu  binden,  die  Relationen 
beym  Obersten  Justiz  Tribunal  über  mich  genommen.  —  Bey  der  vorjährigen  Er- 
gänzung der  200,  um  einige  Monate  zu  jung  um  direkt  einzutreten  ward  ich  ein- 
hellig unter  die  Zahl  der  Candidaten  aufgenommen,  die  bey  erledigten  Stellen  dem 
Alter  nach  in  den  großen  Rath  einrücken.  — 

Dies  ist  alles  was  ich  Dir  von  meinem  öffentl.  Leben  sagen  kann.  —  Glück- 
licher bin  ich  in  meinem  häuslichen.  Ein  munterer  Junge  und  3  ebenso  muntere 
Mädchen  lassen  mich  mit  ihrer  zärtlichen  Mutter  hierin  nichts  zu  wünschen  übrig. 
—  Mein  Yater  seit  1814  wieder  im  Kleinen  Rath  und  daher  an  die  Stadt  gebunden 
ist  noch  immer  gleich  thätig  und  rüstig,  obgleich  ein  vor  l^a  Jahren  durch  FaiUite 


200  Nachtrag  zu    1817. 


eines  Hauses  in  London  erlittener  Veilust  von  Hunderttausenden  ihn  stark  an- 
gegriffen hat.  Von  meinen  Brüdern  lebt  der  älteste  mit  ||  seiner  Familie  in  Paris 
wo  er  großes  Haus  hält  und  eine  Stelle  in  der  Schweizer  Garde  bekleidet.  Rudolf 
seit  1815  zurück  aus  Englischem  Dienst,  in  dem  er  Wellingtons  Feldzüge  mit  Aus- 
zeichnung und  Glück  mitgemacht  hat,  ist  nun  auch,  in  den  heiligen  Ehestand  ge- 
treten und  bereits  Vater.  Seine  Gemahlin  eine  Neuenburgerin.  Du  würdest  ihn 
ebensowenig  wiedererkennen  als  Ludwig,  beyde  völlig  Engländer  aber  vom  gebildeten 
Schlag,  von  Innen  und  Außen  und  dabey  so  corpulent  daß  ich  daneben  winzig  dünn 
aussehe.  Franz  ein  guter  Junge  von  viel  Geist  und  Verstand,  treibt  sich  seit 
einigen  Jahren  in  Deutschland  herum  zur  Erlernung  des  Forstwesens  und  Camerale. 
In  Göttingen  hat  er  ein  Jahr  zugebracht  und  diesen  "Winter  in  Berlin.  Durch 
einen  unglücklichen  Pferdesturz  verlor  er  einen  guten  Freund,  den  Sohn  des 
Deinigen  Zehender.  ||  Fellenberg  in  Hofwyl  dessen  persönl.  Bekanntschaft  ich  erst 
vor  ^4  Jahr  machte,  sagte  mir  gleich  viel  Schönes  über  Deine  Pädagogik,  gestand 
aber  die  Metaphysik  nicht  verstanden  zu  haben.  Erstere  scheint  er  mir  in  seinen 
Erziehungsanstalten  zum  Theil  zu  benutzen.  Ich  kenne  den  weltberühmten  Manu 
noch  zu  wenig  um  ihn  zu  beurtheilen.  Bis  jetzt  kommt  er  mir  aber  noch  so 
ziemlich  als  ein  Compositeur  vor. 

Nun  mein  Bester,  nun  erwarte  ich  auch  von  Dir  mit  Verlangen,  ein  Näheres 
zu  hören,  vorzüglich  sollte  es  mich  unendlich  freuen  zu  vernehmen,  daß  Du  zu- 
frieden und  glücklich  bist  und  es  Dir  ivohlergehe.  im  praktichen  Leben  doch  nicht 
zu  verachtende  Dinge.  Ganz  der  Deinige     C.  Stgr. 

862.    Fr.  Thiersch  an  H.    (1  S.    4'J.    N.)  München  d.  12  April  1817 

Mein  Bruder,  der  Dr.  Bernhardt  Thiersch,  geht  über  Königsberg  nach  Gum- 
binnen  als  Lehrer  an  das  Gymnasium  daselbst,  und  ich  nehme  durch  ihn  Ver- 
anlassung, mein  Andenken  bey  Ihnen,  vielverehrter  Herr  und  Freund,  zu  erneuern, 
zugleich  auch  Sie  für  den  Bernhardt  bey  semem  kurzen  Aufenthalt  in  Königsberg 
um  eine  gütige  Aufnahme  zu  bitten.  Ich  habe  zuweilen  von  Reisenden  aus  Ihrer 
Gegend,  zuletzt  von  Berner  Collegen  [Vj  über  Sie  erfreuliche  Nachrichten  eingezogen, 
und  freue  mich,  daß  ich  Ihnen  ähnliche  von  mir  geben  kann.  Ich  bin  seit  dem 
Anfange  dieses  Jahres  glücklich  verheirathet,  und  lebe  fortdauernd  in  sehr  an- 
genehmen Verhältnissen.  Die  Krone  und  die  Vereinigung  unseres  Kreises  bleibt 
immer  der  ehiwürdige  Jacobi,  und  ich  wünsche  mir  Glück,  zu  einem  engen  Verein 
von  Familien  zu  gehören,  der  sich  um  ihn  gebildet  hat.  Sein  Alter  ist  im  Ganzen  noch 
frisch,  obgleich  öfter  von  den  unzertrennlichen  üebeln  der  siebziger  Jahre  getroffen. 
Schelling  scheint  von  seiner  herben  Stimmung  vieles  nachgelassen  zu  haben,  und 
ist  in  einer  glücklichen  Ehe  und  als  Vater  von  nun  schon  3  Kindern  um  vieles 
menschlicher  geworden.  Seine  Frau  ist  die  älteste  Tochter  von  Gotter  aus  Gotha, 
die  meinige  eine  Tochter  des  sei.  Löffler  eben  daselbst,  und  das  gute  Verhältniß 
zwischen  beyden  sehr  vorzüglichen  Frauen  hat  auch  die  Männer  einandei'  näher 
gebracht.  —  Meine  Wirksamkeit  für  Philologie  wird  leider  durch  die  falschen 
Maasregeln  der  oberen  Behörden  vielfach  gehemmt.  Doch  habe  ich  nie  Hoffnung 
und  Vertrauen  verloren.  —  Von  Dissen  bekomme  ich  seltener  Nachricht,  als  ich 
wünsche,  aber  was  seine  litterarische  Thätigkeit  anbelangt,  immer  gute.  Allgemein 
gilt  er  als  eine  Zierde  .der  Universität  von  Göttingen.  Schade  daß  Griepenkerl 
seine  größte  Kraft  in  der  Sache  eines  Mannes  verwendet  hat,  der  am  Ende  doch 
ein  Charlatan  ist,  und  vorzügliche  M.  zu  egoistischen  Zwecken  misbraucht.  Ich  habe 
noch  Auftrag,  Sie  auf  das  angelegentlichste  von  unserem  Jacobi  zu  grüßen.  Leben 
Sie  wohl  und  seyen  Sie  meiner  fortdauernden  unbedingten  Verehrung  versichert. 

Fr.  Thiersch. 


Nachtrag  zu   1817.  201 


863.  Graf  G.  Sievers  an  H.  (4  S.  8».  N.)  St.  P(etersburg)  13/25  Aprill  1817 
Für  Ihr  freundschaftliches  Schreiben  vom  17.  Febr.  eile  ich  Ihnen  meinen 
herzlichsten  Dank  zu  bezeugen.  Ich  bin  abgehalten  worden  mir  dieses  Vergnügen 
früher  zu  gewähren,  durch  eine  Arbeit  die  mich  ganz  in  Anspruch  genommen.  In 
meinem  letzten  Briefe  glaube  ich  Ihnen  gesagt  zu  haben,  daß  ich,  nach  meiner 
Zurückkunft  aus  dem  Ausland,  zu  Anfang  des  vorigen  Jahres,  einen  Bericht  über 
die  Benutzung  der  im  Auslande  bewährten  Verbesserungen  des  Elementarunterrichts 
zur  Reorganisation  unserer  ßildungs-Anstalten  der  Soldatensöhne,  deren  Anzahl  sich 
auf  80  beläuft,  gemacht  habe.  Vor  6  Wochen  erhielt  ich  vom  Kaiser  den  Auftrag 
ein  Reglement  zu  diesem  Zweck  zu  entwerfen.  Nach  Beendigung  desselben  ist  es 
von  mehreren  fachkundigen  Männern  geprüft  und  vollkommen  gebilligt  ||  worden. 
Ich  darf  erwarten,  daß  es  bald  auch  die  Genehmigung  des  Kaisers  erhalten  werde. 
Wie  Sie  Sich  leicht  denken  werden,  ist  die  wesentlichste,  zur  Ausführung  unum- 
gängliche Maßregel  die  Errichtung  eines  Seminars.  Aber  auch  zu  diesem  fehlt  es 
uns  an  Lehrern.  Ich  habe  vorgeschlagen,  sechs  junge  Leute,  die  sich,  mehr  durch 
Fähigkeiten  und  Sittlichkeit  als  durch  Kenntnisse,  auszeichnen,  zur  Erlernung  einer 
besseren  Methode,  auf  ein  preußisches  Seminar  zu  schicken.  Es  kömmt  hier  alles 
darauf  an  eine  gute  Wahl  zu  treffen  und  da  bitte  ich  mir,  verehrter  Freund,  Ihren 
gütigen  Rath  aus.  Seit  vorigem  Jahre  ist,  unter  H.  Türks  Leitung,  eine  neue  Anstalt 
dieser  Art  in  Frankfurth  a.  d.  0.,  sowie  auch  ein  Seminar  in  Bunzlau,  entstanden. 
Erweisen  Sie  mir  die  Freundschaft  mir,  sobald  wie  möglich,  zu  ||  schreiben,  was  Sie 
von  diesen  Anstalten  wissen  und  ob  Sie  irgend  einer  anderen  den  Vorzug  vor  ihnen 
geben?  —  Mit  innigem  Vergnügen  vergegenwärtige  ich  mir  jetzt  das  lebhafte 
Interesse,  mit  dem  ich,  vor  11  Jahren,  das  Lehrer -Seminar  in  Hannover  und  die 
Industrie  Schulen  in  Göttingen,  besuchte,  da  ich  jetzt  dem,  damals  nur  sehnsuchts- 
voll geahndeten,  Ziele,  ähnliche  Anstalten  in  meinem  Vaterlande  zu  errichten,  wahr- 
scheinlich nahe  stehe  und  wenigstens  gewiß  bin,  in  meinem  Streben  nach  diesem 
Ziele,  nie  nachzulassen.  Das  lebhafte  Vergnügen,  welches  mir  diese  Ueberzeugung 
gewährt,  vereinigt  sich  in  meinem  Gemüthe  mit  dem  innigsten  Dankgefühl  für  Sie 
meinen  verehrten  Lehrer  und  Freund. 

Aber  bei  meinem  lebhaften  Wunsche  eine  bessere  Bildung  der  Jugend  in 
meinem  Vaterlande  zu  befördern,  darf  ich  mich  nicht  blos  auf  ||  die  niedrige  Klasse 
Beschränken.  Die  Bildung  der  höheren  Stände  erheischt  nicht  minder  Verbe.sserung. 
Und  da  muß  ich  noch  mehr  Ihre  gefällige  Mitwirkung  in  Anspruch  nehmen,  wenigstens 
in  so  fem,  als  Sie,  mehr  als  irgend  jemand,  geeignet  sind,  mir  Männer  zu  empfehlen, 
deren  Hülfe  mir  unentbehrlich  ist.  Mit  meinem  Antrage  an  H.  Lottermoser  ist  es 
mir  sehr  Ernst;  ich  wiederhole  ihn  nochmals.  Es  ist  mir  au.snehmend  wichtig  einen 
Ihrer  würdigen  Schüler  in  meiner  Nähe  zu  haben.  Ich  bitte  Sie  inständigst,  H.  L. 
zu  bereden  die  Stelle  anzunehmen.  Sie  verdient  einen  solchen  Mann,  sowohl  un- 
mittelbar, als  auch  in  so  fern  als  er,  durch  Rath  und  Muster,  sich  einen  noch  aus- 
gebreiteteren  Wirkungskreis  schaffen  würde.  Auch  unsere  Petri  Schule,  die  bis 
■  jetzt  das  vorzüglichste  deutsche  Gymnasium  in  Rußland  war,  erfordert  bedeutende 
Verbesserungen,  die  nicht  ohne  Wechsel  des  Personals  Statt  finden  können.  Würden 
Sie  mir  nicht  z.  B.  einen  tüchtigen  Lehrer  für  Geschichte  und  Geographie  vor- 
schlagen? Das  bisherige  Gehalt  ist  zwar  nur  1500  R.  B.  A.  gewesen;  der  Posten 
wird  aber  durch  eine  schöne  Wohnung  in  der  Schule  selb.st,  welche  die  Gelegenheit 
gewährt,  Pensionaire  anzunehmen,  sehr  einträglich.  —  Ich  begreife  sehr  wohl,  daß 
es  eigentlich  eine  sonderbare  Anmuthung  scheinen  könnte,  die  ich  mir  erlaube, 
indem  ich  Sie  bitte  mir  tüchtige  Lehrer  zu  empfehlen,  die  Sie  in  Preußen  selbst 
brauchen    können.     Allein    ich   rechne  dabei  auf  Ihre  cosmopolitischen  Ansichten, 


2Q2  Nachtrag  zu  i8i8. 


•welche  die  Menschlieit  umfassen  und  die  Sie  auch  für  Ihre  eigene  Person  nicht 
auf  immer  an  den  preußischen  Staat  fesseln  —  nicht  minder  aber  auch  auf  Ihre 
freundschaftlichen  Gesinnungen  für  mich,  der  ich  mit  ganzer  Seele  bin  Ihr  ergebenster 
Freund  George  S. 

864.    An  Fr.  Thiersch.i)  Königsberg  15  Jul  1817 

Ihr  Herr  Bruder  hatte  vor  ein  paar  Monaten  die  Güte,  mir  einen 
Brief  von  Ihnen,  mein  hochgeschätzter  Herr  Professor!  zu  überbringen, 
den  ich  jetzt  auf  ähnliche  Weise  erwiedern  kann,  indem  ich  Ihnen  einen 
jungen  Gelehrten  zuführe,  der  Ihnen  von  dem  Zustande  des  philologischen 
und  mathematischen  Studiums  auf  unserer  Anstalt  keinen  Übeln  Begriff 
geben  wird.  Herr  Lottermoser  geht  in  die  Schweiz  zu  Fellenberg, 
wohin  der  Prof.  Schweigger,  mein  College,  ihn  empfohlen  hat.  Sie  scheinen 
in  München  besondere  Nachrichten  über  den  berühmten  Mann  zu  haben, 
von  denen  Sie  Herrn  Lotterm.  wohl  nur  das  Gewisseste  mittheilen  werden. 

Wenn  es  Ihnen  möglich  ist,  Herrn  Lottermoser  als  einen  Reisenden 
mit  dem  was  München  einen  solchen  darbietet,  einigermaaßen  bekannt  zu 
machen,  so  werden  Sie  mich  verbinden.  Er  mag  Ihnen  dagegen  von 
Königsberg,  und  falls  Sie  wollen,  von  meiner  hiesigen  Lage  erzählen. 

Von  Ihrem  Herrn  Bruder  habe  ich  zwar,  seit  er  in  Gumbinnen  ist, 
nichts  gehört;  ich  kann  aber  vermuthen,  daß  es  ihm  wohl  geht,  denn  ich 
kenne  sowohl  den  Director  des  dortigen  Gymn.,  Hrn.  Reg.  R.  Clemens, 
als  einen  sehr  würdigen  Mann,  wie  auch  die  Anstalt  selbst  als  eine  solche, 
die  in  allgemeiner  Achtung  steht.  Auch  die  Gegend  ist  angenehm,  so 
fern  das  auf  flachem   Boden  möglich  ist. 

Jakobi'n  bitte  ich  meine  Ehrerbietung  zu  bezeugen.  Sollten  Sie 
Koppen  aus  Landshut  sehn,  so  ersuche  ich  Sie,  mich  auch  diesem,  freund- 
schaftlich zu  empfehlen. 

Mit  den  besten  Wünschen  für  Ihr  Wohlseyn  und  Ihr  Wirken,  und 
mit  der  Bitte  um  Ihr  ferneres  gütiges   Andenken  —  ganz  der  Ihrige 

Herbart. 

865.    Richthof en  an    H.     (4  S.    4».     N.)        Brecheishof  d.  25sten  Maerz  1818. 

Wie  eine  freundliche  Erscheinung  ans  früherer  Zeit  war  mir  Ihr  Brief;  denn 
wenn  auch  ein  freundschaftliches  Verhältniß  der  Gemüther  ohne  jVIittheiluug  fort- 
bestehen kann,  so  ist  doch  der  wechselseilige  Verkehr  gewiß  eins  der  Haupt-Elemente, 
dessen  gänzliches  Aufhören  vielleicht  zuletzt  nur  noch  eine  liebliche  Erinnerung 
zurückläßt.  Dabei  schwebte  mir  zuweilen  eine  von  Ihnen  einst  gemachte  Aeuße- 
rung  vor,  daß  niemand  Sie  ganz  kenne,  wiewohl  Sie  jederzeit  Freunde  gehabt,  denen 
Sie  Sich  für  die  Gegenwart  hingegeben  und  vertraut.  Aber  Ihr  Brief  ist  mir  ein 
Beweis  daß  Sie  mich  auch  jetzt  noch  lieben,  und  daß  wären  wir  vereint,  unser 
früheres  Verhältniß  vielleicht  bald  noch  inniger  werden  würde. 

Auch  um  Ihretwillen  thut  mir  Ilir  früheres  Nichtschreiben  sehr  leid;  als  ich  im 
letzten  Frühjahr  mit  Nikolovius  sprach,  und  ihn  fragte  warum  man  Ihnen  nicht  Fichtes 
Stelle  gebe,  und  ihm  auf.  die  Erklärung  „man  bedürfe  Sie  in  Königsberg"  erwiederte, 
dort  würden  Sie  vermuthUch  nicht  bleiben,  sondern  eher  ins  Ausland  gehen,  meinte 
er  jetzt  seyen  Sie   zufrieden,    und  würden   ein    Institut  errichten;   mußte  es  nicht 

1)  I  S.  4".  K.  Hof-  und  Staatsbibliothek  in  München.  -  Adr.:  Herrn  Prof. 
Thiersch  in  München. 


Nachtrag  zu   1818.  203 


fast  scheinen  als  habe  ich  mich  fälschlich  Ihrer  Freundschaft  gerühmt,  da  er  mir 
dieß  zuerst  niittheilte?  uud  konnte  ich  nun  noch  ein  Wort  sagen?  Übrigens  ist 
allerdings  die  Frage  ob  Sie  Sich  in  Berlin  glücklich  fühlen  würden.  In  einem  Zeit- 
alter  der  Frömmelei  ist  Schleiei-maoher,  der  ja  zugleich  eleganter  wiewohl  nicht  mehr 
ganz  modischer  Prediger  ist,  ein  gefährlicher  Gegner;  während  dieß  die  Mystiker  be- 
sticht, gewinnt  er  durch  witzige  Dialektik  in  Streitschriften  (imd  darin  scheint  er  mir 
allerdings  meisterhaft)  die  Verstandesmenschen;  und  dazu  noch  sein  Schutz-  und 
Trutzbündniß  mit  andern  Häuptern  der  Universität,  die  durch  gemeinsamen  Kampf 
abgeschlossene  Parthei,  die  dann  nothwendig  in  allem  helfen  muß.  Mit  Solger 
fi-eilich  wäre  der  Kampf  für  Sie  leicht,  wiewohl  er  auch  ein  Frömmler  ist.  ||  Für 
jetzt  also  wollen  Sie  in  Königsberg  bleiben!  Dennoch  bitte  ich  Sie  jetzt,  sowie  vor 
einigen  Jahren  nicht  an  Ihrer  Stadt  zu  schnell  zu  verzweifeln,  sich  nicht  gai-  zu 
sehr  zu  binden.  Vorzüglich  muß  ich  Sie  davor  warnen,  in  Geldsachen  keiner  Behörde 
zu  trauen.  Ich  selbst  bin  gegenwärtig  iu  einen  unangenehmen  Prozeß  verwickelt, 
wo  in  Gemäßheit  von  Hardenbergschen  Verfügungen  von  einer  Behörde  mit  mir 
ein  Contrakt  abgeschlossen  ward,  den  bei  dem  ewigen  Behördenwechsel,  zwar  die 
zweite  billigte,  aber  die  dritte  nach  ganz  veränderten  Umständen  plötzlich  brechen 
will;  es  betrifft  eine  Zahlungssache  voa  Brecheishof,  und  eine  vor  fünf  Jahren 
^geschehene  Umwandlung  einer  Schuld  iu  Staatspapieren  in  Geld  nach  dem  damahligen 
Kurs  und  Ueberweisung  an  andere  Kreditoren.  Da  die  Ministerien  nur  Organe  der 
niederen  Behörden  sind,  und  die  arbeitsscheuen  Minister  die  Geschäfte  nicht  selbst 
einsehen,  so  ist  mir  zuletzt  nichts  übrig  geblieben  als  es  auf  den  richterlichen  Aus- 
spruch ankommen  zu  lassen,  wenn  nicht  wie  es  jetzt  scheint,  unsere  hiesige  Re- 
gierung wieder  einmahl  umgestaltet  wird,  weil  es  in  der  That  nicht  länger  so  geht. 
Welcher  Schmerz  für  den  Freund  seines  Vaterlandes!  Sie  sprechen  vom  Ersatz 
von  Bauunkosten;  das  scheint  mir  höchst  gefährlich,  besser  die  Eegierung  baute 
selbst;  auf  jeden  Fall  würden  Sie  davon  sehr-  viel  Unannehmlichkeiten  haben. 
Ueberhaupt  kann  ich  Ihren  Hauskauf  nicht  ganz  billigen,  Sie  schneiden  Sich  dadurch 
zu  sehr  andere  Auswege  für  die  Zukunft  ab. 

Wann  ich  mein  pädagogisches  Ziel  erreichen  werde  weiß  ich  nicht,  aber 
aufgegeben  ist  es  keineswegs.  Mein  Vater  ist  durchaus  dagegen,  und  weil  er  sonst 
so  sehr  freundlich  gegen  mich  ist.  und  mir  in  so  hohem  Grade  in  allen  Dingen  sein 
unbedingtes  Vertrauen  schenkt,  endlich  meiner  Mutter  wegen,  mag  ich  nichts  wider 
seinen  Willen  thun.  ||  Sie  wissen  ja  selbst,  theurer  Freund,  wie  Eltern  ihre  Kinder 
in  ihren  Handlungen  binden,  und  wie  nirgends  mehr,  als  wenn  Kinder  sich  von 
ihnen  geliebt  sehen.  Vermögensrücksichten  finden  dabei  nicht  statt,  indem  ich 
schon  jetzt  durchaus  unabhängig  bin,  und  ich  nach  meines  Vaters  Tode  ein  Majo- 
rat Ton  250000  Thlr.  Kaufwerth  auf  jeden  Fall  erbe.  So  bin  ich  denn  also  ent- 
schlossen wenn  sich  nicht  ein  anderer  Ausweg  darbiethet  für  jetzt  noch  zu  warten, 
und  wenn  sich  dann  kein  Hinderniß  findet  wenigstens  später  einen  Versuch  zu 
machen.  Da  ich  die  Zusammensetzung  eines  neuanfangenden  Instituts  von  Kindern 
von  allen  Altern  und  Bildungsstufen  für  die  Pest  einer  solchen  Anstalt  halte,  und 
auf  eine  hinlängliche  Anzahl  von  Zöglingen  anfänglich  nicht  glaube  rechnen  zu 
können,  so  will  ich  denn  diese  Zahl  aus  armen  Kindern  auf  meine  Kosten  ergänzen, 
und  wenigstens  eine  Klasse  durchzuführen  versuchen;  von  dem  Publikum  würde  es 
abhängen  ob  es  meine  uneigennützige  Gesinnung  dadurch  belohnen  woUte,  daß  es 
mir  Gelegenheit  böthe  jährUch  neue  Klassen  aufzunehmen.  Vielleicht  nur  zu  sehr 
ins  praktische  Leben  eingetreten,  kommt  es  mir  dabei  doch  vorzüglich  auf  die  Kunst 
und  Wissenschaft  an,  und  ich  möchte  deshalb  fast  bedauern,  daß  Sie  mir  den  Vor- 
sprung abgewinnen  wollen.     Im  Gegentheil  hatte  ich  bishei-  stillschweigend  gehofft, 


204  Nachtrag  zu   1819. 


wir  wollten  uns  dereinst  noch  einmahl  dazu  vereinigen,  und  lassen  Sie  michs  nur 
gestehen,  auch  jetzt  gebe  ich  die  HoffnuDg  noch  nicht  auf,  sondern  habe  sie  nur 
um  so  fester  auf  den  traurigen  Pfeiler  Ihrer  Unzufriedenheit  mit  Königsberg  ge- 
gründet. Ich  bin  zwar  nur  ein  Privatmann  aber  für  unsere  Zwecke  habe  ich  mehr 
Geld  als  die  Regierung. 

Eine  andere  Aussicht  mein  Ziel  zu  erreichen  biethet  mir  eine  3  Stunden  von 
mir  gelegene  Anstalt  die  Ritterakademie  zu  Lignitz  dar.  Mit  einem  Fond  von  mehr 
als  II  30000  Thlr.  Revenuen  ausgerüstet  war  diese  Anstalt  so  tief  gesunken,  daß 
kein  Vater  mehr  für  seine  Söhne  die  Freystellen  wollte.  Leider  etwas  zu  zeitig 
für  mich  im  Jahre  10  wurde  die  Anstalt  etwas  gehoben.  Jetzt  ist  sie  einerseits  in 
eine  recht  gute  Schule  verwandelt,  wenn  man  auf  einzelne  Lehrer  und  Schüler  sieht, 
aber  der  Geist  der  "Wissenschaft  hat  noch  nicht  über  die  edle  Reitkunst  gesiegt; 
andrerseits  ist  sie  eine  Ei  Ziehungsanstalt  in  der  14  Schüler  sehr  splendid  frei  ge- 
halten werden,  und  noch  einige  Pensionäre  sind,  die  den  Eltern  sehr  viel  kosten. 
Wie  viel  ließe  sich  hier  nicht  ausrichten!  Leider  hat  man  den  Fehler  begangen 
einen  besonderen  Studiendirektor  neben  dem  (adlich  seyn  sollenden)  Akademie- 
direktor anzustellen  und  dadurch  sogar  der  Zukunft  Fesseln  angelegt;  dennoch  würde 
ich  mich  im  Fall  einer  Vakanz  um  diesen  2ten  Posten  bewerben,  um  mit  dem 
Studiendirektor  einen  Kampf  zu  versuchen,  der  hoffentlich  das  Resultat  haben  sollte 
Sie  wenn  Sie  wollen  auf  diesen  einträglichen  Platz  zu  bringen.  Vielleicht  lachen 
Sie  über  dergleichen  Pläne,  aber  die  Möglichkeit  statt  14  schlecht  gezogener  arro- 
ganter Burschen  100  Knaben  dem  Vaterlande  fortwährend  unentgeltlich  aufzu- 
ziehen, und  noch  mehreren  andern  eine  wohlfeile  Gelegenheit  zu  biethen,  ist  der 
Luftschlösser  werth ! 

Staunen  würden  Sie  freilich  wenn  Sie  jetzt  hier  nach  mir  f rügen!  „Er  hat 
unter  mir  Philosophie  studiert;"  „davon  weiß  ich  nichts,  aber  er  ist  ein  ziemlich 
bekannter  Oekonom;"  „er  will  ein  Erziehungsinstitut  errichten;"  ,,auch  das  ist  mir 
unbekannt,  aber  seine  Schafzucht  ist  im  ganzen  Lande  bekannt,  und  seine  Schafböcke 
sind  von  vorzüglicher  Schönheit;"  und  dennoch  mein  Freund  bin  ich  wahrlich  noch 
derselbe  wie  sonst.  Ich  habe  aber  gefunden,  daß  der  Landbau  doch  besser  ist,  als  ich 
früher  geglaubt,  und  es  ist  eine  große  Freude,  auf  einer  Flur  die  doppelten  Früchte 
gegen  sonst  prangen  zu  sehen,   und  mein  Geldbeutel  befindet  sich  dabei  sehr  wohl. 

866.  Am  23.  Juni  1818  wird  H.  Bürger  der  Stadt  Königsberg  (Bürgerbrief  im  N.). 

867.  Richthofen  an   H.     [2  S.   40.     N.)  Breslau  d.  28sten  Nov.  1818 

868.  '  Richthofen  an  H.     (4  S.    4".     N.)  Brecheishof  d.  25sten  April  19 
Verehrter  Freund!    Ihrem  Wunsche  gemäß  empfangen  Sie  beigehend  300  Thlr. 

Gold,  mit  der  Bitte  die  durch  eine  meinerseits  vergeblich  erwartete  Zahlung  ver- 
anlaßte  14tägigte  Zögerung  zu  verzeihen.  Rechnen  Sie  wie  Sie  wollen;  aber  wenn 
Sie  das  alte  Kapital  wieder  herstellen  wollen,  so  summt  es  sich  wohl  am  bequemsten 
durch  die  Zinsen  wieder  auf.  Möge  Ihnen  in  Ihrem. Garten  ein  recht  glückliches 
Frühjahr  aufgehen,  und  Sie  die  Philosophie  der  Peripatetiker  wiederherstellen.  Wie 
würde  ich  mich  freuen  ein  wenig  an  Ihrer  Seite  herumwandeln  zu  können!  Schreiben 
Sie  mir  doch  recht  viel  von  Ihren  Arbeiten,  vorzüglich  von  Ihrer  Einführung  der 
Pädagogik  in  die  Praxis.  Wie  geht  es  nahmentlich  mit  dem  Abc  der  Anschauung? 
In  diesen  Tagen  habe  ich  mit  meinem  ältesten  Knaben  den  Homer  angefangen. 

Entschuldigen  Sie  daß  ich  Ihnen  nichts  wegen  Holäufer  geschrieben;  ||  Ihr 
Brief  verrieth  durchaus  keine  Eile,  ich  verschob  also  die  Sache  auf  eine  mündhche 
Unterredung,  und   bin  zufällig  in  der  ganzen  Zeit  nicht  nach  Breslau  gekommen; 


Nachtrag  zu  1819.  20S 


zuerst  wegen  der  Entbindung  meiner  Frau  von  einem  Mädchen  (meinem  4ten  Kinde), 
dann  wegen  dem  Tode  meines  von  mir  früher  erzogenen  Bruders,  zu  dem  eine  gleich- 
zeitige gefährliche  Krankheit  meiner  Schwester  Auguste  sich  gesellte,  so  daß  ich 
sehr  oft  bei  meiner  armen  Mutter  war.  Auch  muß  ich  mich  noch  genauer  über 
Holäufers  Zahlungsfähigkeit  erkundigen,  gegen  die  ich  jüngst  einen  Zweifel  hörte;  das 
soll  alles  geschehn  sobald  er  von  der  Messe  zurückkehrt.  Ihre  Worte  über  die  Bres- 
lauer Tollheiten,  hat  seitdem  Kotzebues  Tod  bewährt;  ich  zweifle  nähmlich  gar  nicht, 
daß  wir  die  Sache  aus  gleichen  Gesichtspunkten  betrachten.  Nicht  als  hätten  die 
Professoren  den  Mord  angestiftet,  aber  der  Mysticisnius  und  die  Deutschheit  hätten 
nimmermehr  die  Köpfe  der  Jugend  dergestalt  verrückt,  wären  die  Alten  nicht  mit 
dem  üblen  Beispiel  vorangegangen.  Welche  Verdrehtheit  ||  Knaben  zu  Richtern  zu 
machen.  Eine  Viertelstunde  von  hier  ward  voriges  Jahr  die  Schlacht  an  der  Katz- 
bach von  Deputationen  aller  schlesischen  Turner  gefeiert;  der  Professor  Scholz  aus 
Lignitz  hielt  eine  vortreffliche  Rede,  die  mich  wahrhaft  begeisterte,  weil  sie  über 
das  Unglück  der  Unterdrückung  aller  Freiheit  mit  Kraft  und  Würde  sprach;  ge- 
hörte sie  aber  vor  das  Forum  der  Knaben?  Und  nun  erst  diese  unausstehlichen 
Breslauer  Klatschereien,  die  verwichenen  Herbst  die  Gemüther  aller  erfüllten,  und 
feindselig  in  alle  Verhältnisse  eingriffen.  Denn  der  bittere  Passow,  der  leidenschaft- 
liche Wachler,  der  charakterloß  geschwätzige  Steffens,  der  schwulstige  unsinnige 
Kayßler,  (unbegreiflicher  Weise  ein  sehr  guter  Schulmann,)  der  eitle  eingebildete 
Menzel  und  verschiedene  andere,  standen  sich  nicht  allein  gegenüber,  sondern  die 
ganze  Stadt,  wenigstens  alle  Gelehrten  theilten  sich  in  zwei  Partheien.  ^)  Und  so 
wird  denn  vieles  Gute  und  Schöne  vergeblich  vorübergehen,  und  die  schöne  Begeiste- 
rung unserer  Jugend,  wegen  dem  durch  ihre  Verführer  nöthig  gewordenen  Druck 
von  Außen,  sich  in  eine  unglückliche  Erbitterung  ihrer  Gemüther  umgestalten.  ||  Ich 
lebe  ziemlich  still  und  glücklich ;  meine  Schwiegermutter  ist  diesen  Winter  wieder 
bei  mir.  Auch  Karl  Grote  ist  hier,  um  sich  von  einer  Knie  Geschwulst  durch 
einen  hiesigen  Bauern  heilen  zu  lassen,  nachdem  sie  den  Bemühungen  der  hannoveri- 
schen und  Bremer  Aerzte  getrotzt.  Die  Sache  war  sehr  übel,  aber  bessert  sich  jetzt 
durch  die  Behandlung  dieses  wirklich  merkwürdigen  Mannes.  Meine  beiden  Schwäger 
Wilhelm  und  August  Grote  betrauern  diesen  Winter  den  Tod  jeder  von  einem 
Kind;  Wilhelms  Kleine  ging  gesund  schlafen,  und  ward  todt  im  Bette  gefunden. 
Das  sind  Leiden  die  Sie  zugleich  mit  unendlichen  Freuden  entbehren;  könnte  ich 
Ihnen  doch  einmahl  meine  Kinder  zeigen,  die  mir  die  schönsten  Hoffnungen  machen. 
Meine  Frau  ist  ziemlich  wohl  und  wird  sich  hoffentlich  noch  mehr  durch  das  Früh- 
jahr erhohlen;  alles  blüht  und  grünt,  nur  ist  es  seit  einigen  Tagen  wieder  kälter; 
Ihr  Königsberg  denke  ich  mir  aber  recht  frostig. 

Viele  Gi-üße;  leben  Sie  wohl  und  bleiben  Sie  mein  Freund,     v.  Richthofen. 

Weil  sich  Professor  Remer  früher  sehr  über  Ihr  Stillschweigen  beklagt,  so 
habe  ich  ihm  jüngst  Ihre  Grüße  aus  dem  Briefe  an  mich  ausgeschnitten  und  zugesandt. 

869.    Richthofen  an  H.     (4  S.    4«.     N.)  Brecheishof  d.  9ten  Juli  19. 

Verehrter  Freund !  In  Ihrem  Briefe  liegt  eine  Unbestimmtheit,  die  mich  ver- 
anlaßt Ihnen  das  Geld  noch  nicht  zu  schicken,  sondern  Sie  erst  nochmahls  zu  fragen. 
Sie  fragen  mich  nähmlich  er.st,  ob  Sie  auf  mich  in  Hinsicht  neuer  300  Thlr.  nach 
Ihrem  Ausdruck,  zählen  können  ?  Soll  das  heißen,  Sie  haben  das  Geld  von  mir 
nöthig,  so  werde  ich  es  Ihnen  schicken;  liegt  aber  der  Sinn  drunter,    wenn  es  mir 

^)  Vgl.  Herbarts  Anzeige  der  Schriften  zur  Turnkunst  Bd.  XIII,  S.  343  f.,  wo 
dieses  Streites,  der  sog.  „Breslauer  Turnfehde'',  gedacht  wird. 


2o5  Nachtrag  zu    1819. 


nicht  wohl  thulich  sey,  so  würden  Sie  es  sich  lieber  von  jemand  anders  geben  lassen^ 
so  wünsche  ich  das  letztere.  Der  Grund  ist,  daß  hier  alle  Preise  dieß  Jahr  so 
niedrig  gewesen  sind,  daß  meine  Einnahmen  schon  darum  weit  geringer  waren,  als 
sonst,  daß  zweitens  ich  an  den  2  Eubriken  Branntwein  und  Wolle  auf  meinem 
einzigen  Gut  wegen  Mangel  ao  Absatz  für  circa  9000  Thlr.  Waren  liegen  habe,  und 
endlich  aus  demselben  Grunde  alles  Geld  in  diesem  Augenblick  sehr  selten  ist,  lun- 
somehr  da  jetzt  soeben  wieder  ||  der  2.  Haupttermin  des  ganzen  Jahres  gewesen. 
Also  nochmahls  wenn  Sie  Sich  anderw.eitig  arrangiren  können,  so  ist  es  mir  lieb, 
wenn  aber  Ihnen  viel  dran  liegt,  so  werde  ich  Ihnen  das  Geld  schicken,  warte  dann 
aber  natürlich  noch  einen  Brief  ab,  und  auf  jeden  Fall  bin  ich  überzeugt,  daß  Sie 
mir  über  meine  Offenherzigkeit  nicht  böse  sind. 

Was  sind  Sie  für  ein  echter  Königsberger  geworden;  ich  bin  begierig  ob  Sie 
die  bekannte  Stelle  Kants  über  Königsberg  nicht  aus  seiner  Anthropologie  in  Ihre 
Psychologie  aufnehmen  werden,  da  Sie  sich  schon  so  offenbar  zum  Hassenschen 
Königsberger  Paradiese  hinwenden.  Wer  könnte  sein  Land  mit  den  glückseligen 
Hügeln  der  Nehrung  vergleichen;  unsere  Berge  waren  Anfang  Juni  noch  weiß! 

Ihr  Schriftchen  ^)  habe  ich  gelesen,  nachdem  ich  mich  offenherzig  gesagt  über 
seine  Erscheinung  ein  wenig  geärgert  hatte;  denn  Sie  glauben  nicht  was  mich  die 
geschwätzige  Flachheit  dieses  Steffens  und  endlich  nun  erst  der  Turnstreit  schon 
lange,  geärgert  nie,  aber  doch  angeekelt  hatte.  Es  war  mir  daher  verdrießlich  Sie 
in  die  Schranken  treten  zu  sehen ;  |1  um  so  mehr  hat  es  mich  gefreut,  daß  Sie  den 
Streit  so  und  nicht  anders  geführt  daß  heißt  sich  in  der  Wissenschaft  gehalten 
haben,  nicht  aber  das  jetzige  Unwesen  berührten;  empfangen  Sie  dafür  meinen 
herzlichen  Dank;  denn  wahrlich  der  Turnstreit  ist  tief  unter  Ihnen.  Darinn 
stimme  ich  mit  Ihnen  vollkommen  überein,  daß  Steffens  zu  den  Sündern  gehört, 
wenn  er  auch  jetzt  statt  pro  contra  ist;  das  einmahl  ausgestreute  Unkraut  läßt  sich 
nicht  wohl  unterdrücken,  um  so  mehr  wenn  man  täglich  neuen  Samen  in  alle 
Winde  wirft. 

Ich  war  mit  Steffens  am  selbigen  Tage  in  einer  ganz  kleinen  Gesellschaft  zu- 
sammen als  ich  Ihre  Schrift  gekriegt;  er  weiß  wohl  daß  ich  Ihr  Freund  bin;  ich 
mochte  aber  nicht  davon  anfangen,  denn  wo  ist  der  Punkt,  von  dem  man  ausgehen 
kann?  auf  den  sich  stützen?  und  er  unterließ  es  auch.  Aber  seyen  Sie  überzeugt 
er  wird  nicht  unterlassen  einigen  Unsinn  zu  schwatzen,  und  stolz  und  verächtlich 
zu  thun. 

Herzlich  amüsirte  ich  mich  dagegen  jüngst  als  einer  unserer  würdigsten  Be- 
amten im  Staat,  der  aber  Turnfreund  ist,  und  mich  mit  seiner  Freundschaft  ehrt, 
(und  zur  Ehre  rechne  ich  mir's  aus  vielen  Giünden,  wenn  er  auch  in  der  ||  einen 
Sache  seltsam  irrt,)  mir  gutmüthig  sagte,  er  habe  Ihr  Buch  gelesen,  aber  es  enthalte 
nichts  für  (wie  er  meinte)  unsere  Sache. 

Mit  Hohläufer  ist  es  nichts ;  er  hat  vorige  Messe  nicht  ordentlich  bezahlt  und 
unternimmt  zu  vielerlei. 

Seyen  Sie  mir  ja  fleißig  über  Ihrer  Psychologie;  darauf  warte  ich  seit  vielen 
Jahren,  aber  doch  will  ich  lieber  noch  länger  warten  als  daß  Sie  es  zu  sehr  sind. 
Reiten  Sie  auch  noch?  das  ist  die  köstlichste  Bewegung  ohne  die  ich  schon  längst 
zum  Hypochonder  geworden  wäre;  damit  erhalte  ich  mich  gesund,  nur  jetzt  bin  ich 
ein  wenig  krank,  zum  erstenmahl  seit  unserer  Trennung,  mir  tun  so  unangenehmer 
da  meine  Frau  verreist  ist.    Doch  ist  wie  gewöhnlich  meine  Schwiegermutter  bei  mir. 

Leben  Sie  wohl,  seyn  Sie  glücklich  und  ferner  mein  Freund.       ßichthofen. 


0  Über  die  gute  Sache,  Bd.  IV,  S.  557  ff. 


Nachtrag  zu   1819.  207 


I 


870.    Richthof en  an  H.    (4  S.    4«.    N.)  Brecheishof  d.  20sten  Dec.  19. 

Sehr  verehrter  Freund!  Beigehend  erhalten  Sie,  Ihrem  Wunschgemäß,  wiederum 
150  Thlr.  Gold.  Dabei  bemerke  ich  um  der  Sicherheit  willen,  daß  ich  Ihnen 
Michaelis  eine  gleiche  Summe  übersandt  habe,  welche  auch  ohnfehlbar  in  Ihre 
Hände  gekommen  seyn  wird.     Die  nöthige  Abrechnung  nächstens. 

In  IhrtMu  letzten  Schreiben  wünschten  Sie  Nachrichten  über  die  Grotesche 
Familie,  die  ich  wegen  zu  großer  Eile  zur  Zeit  meiner  Antwort  verschob.  Die 
Mutter  lebt  seit  einem  Jahre  wiederum  bei  mir,  und  altert  zwar,  ist  aber  doch 
ziemlich  wohl,  und  wenn  sie  auch  noch  dem  Andenken  Ihres  Mannes  lebt,  so  wissen 
Sie  ja  wie  jeder  Schmerz  sich  mildert,  und  bei  frommen  Gemütheru  die  noch 
manches  andere  Interesse  belebt  eine  heitere  Ruhe  nicht  ausbleibt. 

Ihre  älteste  Tochter  Lotte,  lebt  fortdauernd  in  Korsika  wo  ihr  Mann  Petri 
(genannt  Palmedo)  englischer  General  Konsul  ist.  ||  Sie  scheint  die  sorgsamste  vor- 
trefflichste Mutter  zu  seyn,  und  in  der  Hinsicht  für  ihre  Unruhe  und  Lebendigkeit 
unglaubliches  zu  leisten.  Der  A'erlust  3er  Kinder  hat  sie  tief  gebeugt:  doch  besitzt 
sie  deren  noch  4.  Auch  die  beiden  ältesten  Brüder  haben  mit  ihren  Kindern  Un- 
glück gehabt,  voriges  Jahr  ging  ein  Mädchen  Wilhelms  gesund  zu  Bett,  und  war  todt 
als  es  des  Morgens  geweckt  werden  sollte;  ein  Kind  Augusts  starb  fast  ebenso 
plötzlich.  Außerdem  geht  es  beiden  gut.  Wilhelm  ist  in  einer  sehr  angenehmen 
Lage,  fortdauernd  in  Delmhorst,  wiewohl  er  von  einem  Onkel  ein  Gut  bei  Braun- 
schweig geerbt,  und  August  scheint  eine  sehr  glänzende  Laufbahn  zu  machen.  Er 
war  jüngst  im  Vorschlag  zum  Präsidenten  des  Obersteuerkollegii,  und  ist  auch  ein 
anderer  ernannt  worden,  so  giebt  dieß  doch  Hoffnungen  für  die  Zukunft.  Leider  ist 
er  sehr  kränklich,  sonst  ganz  gut  zum  Geschäftsmann  gemacht  und  auch  das  ist 
ein  eigenthümliches- Talent.  Er  war  diesen  Sommer  mit  Frau  und  Kindern  bei  uns 
zu  Besuch. 

Der  jüngste  Karl  litt  lange  an  einem  Knieschaden,  ist  aber  durch  einen  Bauers- 
mann in  der  hie.sigen  Nähe  meist  hergestellt  worden,  ohne  diesen  hätte  ihm  sein 
Uebel  \ielleicht  zuletzt  den  Fuß  gekostet.  Dieser  Bauer  ist  mir  in  Verrenkungen 
und  dergleichen  lieber  als  alle  Chirurgen.  ||  Karl  i.st  ein  tüchtiger  Mann  geworden, 
und  ein  leidenschaftlicher  Mineralog  und  Chemiker,  er  envartet  täglich  eine  Anstellung 
als  Drost  auf  dem  Harz,  und  wird  dort  gewiß  sehr  gut  wirken.  Unsere  liebe  Philo- 
sophie ist  ihm  leider  fremd  geblieben. 

Indem  Sie  diesen  Nahmen  lesen,  machen  Sie  vielleicht  über  mich  die  Bemerkung, 
daß  wenn  Sie  mich  auch  in  ihr  eingeweiht,  ich  sie  dennoch  fast  vergessen  zu  haben 
scheine.  Aber  wenn  Sie  erwägen,  wie  durch  Zurückgezogenheit  von  allen  Gleich- 
gesinnten ein  solches  Studium  wenig  gefördert  wird,  wie  nachtheilig  zumahl  manche 
äußere  Störungen  darauf  einwirken  so  entschuldigen  Sie  mich  gewiß.  Und  habe 
ich  auch  für  die  Philosophie  nichts  gethan,  so  bin  ich  ihr  doch  im  wahren  Sinne 
des  Wort  wahrlich  nicht  untreu  geworden.  Diesen  Winter  beschäftigt  mich  aber 
fast  ausschließend  Mathematik. 

Unter  den  kleineren  Schriften  die  Sie  in  der  letzten  Zeit  bekannt  gemacht  haben, 
hat  mich  vorzüglich  Ihr  Gutachten  über  Schulklassen  erfreut,  weil  ich  darin  so 
manchen  eignen  Gedanken  bestätigt  gefunden.  In  manchem  divergire  ich  freilich 
etwas,  so  z.  B.  was  die  Übungsklassen  betrifft.  Derjenige  der  seinen  Mitschülern 
auch  überall  möglichst  grade  zu  schreiend  nicht  Schritt  halten  kann,  thut  besser  zu 
entsagen,  oder  sich  privatim  lehren  zu  lassen.  Und  was  die  Haupt-  I|  schulen  an- 
betrifft; meinen  Sie  denn  wohl,  daß  ein  deutscher  Homer  jemahlen  den  griechischen 
so  weit  ersetzen  werde,  um  nicht  größeren  Nachtheil  zu  erzeugen,  als  die  Last  der 
zu  erlernenden  Sprachen  beträgt?   In  diesem  Augenblicke   wenigstens   giebt  unsere 


2o8  Nachtrag  zu   1820. 


üebersetzungskuDst  dazu  wenig  Hoffnung.  Ist  denn  endlich  die  Zeit  der  Kindheit 
wirklich  dermaaßen  beschränkt,  daß  nicht  vieles  vielleicht  weniger  nützliche  un- 
schädlich in  den  Lehrkui'sus  aufgenommen  werden  könne?  Gesetzt  auch  es  würde 
für  eine  Masse  Realien  Zeit  gewonnen  ist  denn  der  Nutzen  wirklich  so  groß?  Das 
glauben  Sie  gewiß  nicht  und  zur  Ausbildung  aller  Arten  von  Interesse  bleibt  Zeit 
genug,  wenn  das  Kind  nähmlich  seine  ganze  Zeit  seiner  Bildung  widmen  kann. 
Aber  wie  vieles  haben  Sie  mir  nicht  wie  aus  der  Seele  geschrieben!  Haben  Sie 
denn  aber  ganz  verschworen  jemahls  etwas  über  Frauenbildung  zu  sagen?') 

Mir  und  den  Meinen  geht  es  leidlich  gut;  aber  manchmahl  wird  einem  freilich 
das  Herz  schwer,  wenn  es  so  rings  um  immer  finsterer  wird;  wo  ist  die  schöne 
Zeit  der  Begeisterung  von  13  hin !  Wahrlich  ich  gehöre  nicht  zu  den  Stürmern  aber 
dennoch  blutet  mir  mein  Herz  über  so  manche  gebrochene  Blüthe  unseres  Volkes. 
Schon  ist  die  Zeit  für  vieles  vorüber,  und  das  ersehnte  Gute  nicht  mehr  anwendbar; 
denn  selbst  unser  Ministerium  sagt,  die  Unzufriedenheit  sey  zu  einer  Wahlverwandschaft 
der  Gemüther  geworden:  AVehe  denen  die  es  verschuldet!  Die  Turner  haben  manches 
Ueble  gethan,  aber  dennoch  halte  ich  sie  hieran  für  unschuldig,  denn  sie  haben  nicht 
jene  Unzufriedenheit  erzeugt;  so  wenig  als  der  oder  jener  die  französische  Revolution; 
sie  selbst  sind  erst  Sprößlinge  einer  allgemeineren  Saat.  Doch  lassen  Sie  mich  ab- 
brechen und  bleiben  Sie  mein  Freund.  Wenn  das  Ganze  bricht  muß  ein  um  so 
festeres  Band  die  einzelnen  umschlingen.  Der  Ihrige  Richthofen. 

:871.    Am  17  März   1820  wird   Herbart  0.  Mitgl.  der  Ostpr.  Physikalisch  -  Oekono- 
mischen  Gesellschaft  zu  Königsberg.     (Patent  iin  N.). 

872.    Aus  einem  Briefe  G.  Bielensteins  an  H.    (3  S.    4".    N.) 

Mitau  4/16  Juli  1820 
. .  .  Die  Saat,  die  Sie  vor  15  Jahren  in  Göttingen  ausgestreuet,  hat  gewiß  auch 
■durch  mich  hier  seit  10  Jahren  viel  Gutes  hervorgebracht,  das  darf  ich  mit  edlem 
Stolze  und  erlaubtem  Selbstgefühl  sagen.  Seit  mehr  als  3  Jahren  verbinde  ich, 
neben  meinen  Lehrergeschäften  an  zwei  verschiedenen  Anstalten,  auch  noch  die, 
eines  2.  Predigers  der  hiesigen  lettischen  Gemeine,  die  gegen  13  000  Seelen  zählt, 
Ueberall,  soviel  nur  frommt,  Licht  und  Wärme  zu  verbreiten,  dahin  strebe  ich  aus 
allen  Kräften ;  und  Ihr  Unterricht  gab  mir  dazu  die  Liebe  und  in  der  Liebe  die 
Kraft,  ihm  schreibe  ich  vorzüglich  die  Anordnung  meines  Lebens  zu,  und  er  führte 
mich  zu  dem  Urquell  himmlischer  Weisheit,  aus  dem  ich  nun  zu  schöpfen  und  mit- 
zutheilen  berufen  bin.  Zürnen  Sie  nicht,  mein  würdiger  Freund,  daß  ||  ich  rede, 
wie  mir  das  Herz  eingiebt;  Sie  lehrten  mich  ja  selbst  der  Wahrheit  vor  allem  die 
Ehre  geben.  Aber  nicht  blos  Thätigkeit  und  ein  großes  Maß  von  Kraft  zur  Arbeit, 
auch  ein  großes  Maß  von  Geduld,  zu  tragen,  was  sich  nicht  ändern  läßt,  verdanke 
ich  Ihnen.  Noch  blutet  die  Wunde,  die  der  Tod  mir  durch  den  Verlust  meiner 
innigstgeliebten  Gattin  geschlagen,  der  mich  so  früh  zum  Wittwer  und  meinen 
einzigen  Sohn,  einen  Säugling,  zur  Waise  gemacht.  Ueberbriuger  dieses,  der  meiner 
seligen  Emilie  Pflegevater  gewesen,  kann  Ihnen  sagen,  wieviel  ich  durch  ihren  Tod 
verloren!  Sie  sehen,  mein  hochgeschätzter  Freund,  dessen  Theilnahme  ich  anspreche, 
in  welcher  Stimmung  mein  Gemüth  ist,  und  daß  ich  kein  Schmeichler  sein  kann,  wenn 
ich  bekenne,  daß  ich  nächst  dem,  was  die  Religion  mir  Tröstliches  sagt,  ich  solchen 
Schmerz  auch  durch  Ihre  Grundsätze  und  Ansichten  sehr  vermindert  habe.  .  . 

^)  Richthofen  selbst  hat  eine  Abhandlung  über  Frauenbildung  auf  Grund  der 
Pädagogik  Herbarts  geschrieben;  sie  ist  mitgeteilt  von  Th.  Fritzsch  in  der  Zeitschr. 
„Frauenbildung"  1912,  Heft  1. 


Nachtrag  zu   1820.  200 


873.  21.  Juli  1820.  Vertrag  zwischen  Herbart  und  der  Societaet  der  Unter- 
nehmer der  Jenaischen  Allg.  Lit.-Zeitg.  (gez.  „Dr.  H.  K.  A.  Eichstädt,  Großh.  S. 
Geh.  Hofrath,  0.  Prof.  und  Oberbibl.  zu  Jena"),  Rezensionen  in  dem  Fache  der 
Philosophie  zu  liefern.     (Urkunde  im  N.) 

874.  Reichhelm  an  H.    (4  S.   4«.     N.)  Bromberg  den  Iten  Ootbr.  1820 
Mein    hoch    verehrter   Lehrer   und    Freund!    Der   Landgerichts    Referendarius 

Koenig  will  nach  Königsberg  reisen,  und  erbietet  sich,  ein  paar  freundliche  Worte 
an  Sie  mitzunehmen. 

Daß  das  Schreiben  keinen  vollständigen  Ersatz  für  die  mündliche  Mittheilung 
darzubieten  vermag,  das  erfahre  ich  an  mir  im  Verhältniß  zu  Ihnen.  Nicht  selten 
ist  mir  so,  als  möchte  ich  nach  alter  Weise  Sie  suchen,  um  mich  auszusprechen, 
und  ein  belehrendes  Wort  von  Ihnen  zu  hören.    Aber  viva  vox  und  littera  scripta! 

Meine  Amts -Verhältnisse  sind  fortdauernd  dieselben.  Die  Arbeit  ist  vermehrt 
worden  seit  mir  die  Errichtung  eines  Stadt-  und  Landschullehrer -Seminars  für  das 
Departement  gelungen.  Noch  fehlt  es  an  Gelde,  um  das  Institut  dem  Bedürfnisse 
angemessen  zu  erweitern;  und  mindestens  so  lange,  bis  wir  etwa  einen  Klosterschatz 
erbeuten,  muß  ich  den  Commissarius  .und  Director  der  Anstalt  in  einer  Person  un- 
entgeldlich  spielen.  Doch  darf  ich  nicht  leugnen,  daß  die  Sache  mir  große  Freude 
bereitet,  weil  der  Anfang  sehr  glücklich  ||  geht  und  ich  hoffen  darf,  mittelst  des 
Seminars  nach  und  nach  auf  das  Innere  des  hiesigen  Volksschulwesens  ähnlich  ein- 
zuwirken, als  ich  es  bisher  hauptsächlich  auf  das  Äußere  nur  zu  thun  vermochte. 
Könnte  ich  nur  mit  meiner  ökonomischen  Lage  und  mit  der  Abgeschiedenheit  von 
allem  wissenschaftl.  Leben  zufriedener  seyn!  Vor  etwa  einem  Jahre  war  mir  eine 
Versetzung  mit  400  Thlr.  Zulage  angetragen,  allein  der  von  mir  genau  gekannte  Ort 
(Posen)  schreckte  mich  zurück.  Zu  einiger  Ansicht  des  hiesigen  paedagogischen 
Treibens  lege  ich  Ihnen  das  letzte  Programm  des  Directors  Müller  bei.  Einiges, 
-was  Sie  am  Lektions-Plan  vielleicht  vermissen  oder  verändert  wünschen  werden, 
habe  ich  umzustalten  nicht  vermocht,  weil  die  Herren  von  der  Wissenschaftl. 
Commission  in  Breslau  (wohin  ich  den  Lektions-Plan  zur  Prüfung  senden  muß)  und 
im  Ministerio  ihre  eingewurzelten  Ansichten  haben,  denen  man  sich  fügen  muß. 
.Bei  den  Bürger-  und  Landschulen  habe  ich  freien  Spielraum;  aber  da  fehlt  es,  mit 
Ausnahme  der  Bromberger  Stadtschule,  hauptsächlich  am  Gelde  i|  und  Lehrern.  So 
suche  ich  seit  mehrer  Zeit  vergebens  nach  einem  zweiten  Seminar-Lehrer,  dem  ich 
nur  500  Thlr.  bieten  kann,  der  aber  Catholik  und  des  Polnischen  kundig  seyn  muß. 

Sie  rathen  mir  wiederholt  zum  Schreiben.  Aber  was  soll  man  denn  heute 
schreiben,  sofern  es  nicht  etwas  Philologisches  oder  Mathematisches  ist?  Philosophie, 
Geschichte,  Politik,  Paedagogik  —  alles  ist  bedenklich,  und  obenein  fehlt  es  an  Zeit 
und  vornehmlich  an  Büchern.  So  lange  ich  in  dieser  geistig  armen  Gegend  ver- 
bleibe, werde  ich  mich  beschränken  müssen,  zu  lesen,  was  ich  irgendwo  bekommen 
kann,  und  in  praktischer  Thätigkeit  das  Mögliche  zu  leisten.  Leider  stehe  ich  auch 
in  letzterer  Hinsicht  vereinzelt,  denn  um  Schul-  und  Erziehungs- Wesen  bekümmert 
sich  hier  niemand;  es  sei  denn,  daß  man  einmal  Auctorität  bewirken  will.  Hier 
habe  ich  begreifen  gelernt,  was  ich  in  K.  niemals  verstand:  wie  leidlich  gescheute 
Leute  Stock  -  Philologen  (im  bewegten  Sinne  des  Worts),  wie  redliche  Menschen 
Mystiker  werden  können!  Sie  kennen  meine  Ansichten  in  beiderlei  Hinsicht.  Und 
so  vermuthen  Sie  denn  wohl  nicht,  daß  man  mich  hier  für  einen  ausgemachten 
Humanisten  in  paedagogischer,  ||  und  für  einen  etwas  bewegten  Mann  in  religiöser 
Beziehung  halten  mag.  — 

Herbarts  Werke.     XIX.  ^4 


2  I  o  Nachtrag  zu   1 8  2 1 . 


In  meinem  Hause  ist  alles  wohlauf.  Meine  Frau  empfiehlt  sich  herzlichst  der . 
Ihrigen,  die  auch  meinen  ehrerbietigen  Gruß  gütigst  aufnehmen  möge.  "Wie  sehnlich 
verlangt  uns  Sie  wieder  zu  sehen.  Aber  sollten  auch  meine  Finanzen  im  künftigen 
Sommer  eine  Reise  erlauben,  so  werde  ich  die  Frau  mit  ihren  Kopfschmerzen  in's 
Seebad  nach  Stolpmünde  schicken  müssen.  Vielleicht  würde  ich  in  diesem  Falle 
Schlesien,  sein  Gebirge  und  seine  Unterrichts- Anstalten  besuchen;  welches  letztere 
mir  in  mehrfacher  Beziehung  nützlich  zu  seyn  scheint. 

H.  Vater  ist  nach  Halle  gegangen?  Der  berühmte  Mann.  Hörte  ich  doch  statt 
dessen,  Sie  seien  nach  Berlin  versetzt.  Die  kleine  Zahl  der  Studirenden  in  K.  muß 
Ihnen  widerlich  sein,  und  alles  größere  Wirken  hemmen. 

Habe  ich  nicht  Hoffnung,  bald  eine  erquickende  Zeile  von  Ihnen  zu  lesen? 

Mit  innigster  Ehrerbietung  und  Liebe        ihr  treu -gehorsamer     Reichhelm. 

N.  S.  Ein  paar  Tage  vor  seinem  Tode  hat  Krause  an  mich  sehr  liebevoll  ge- 
schrieben. Auch  Scheffner  ist  dahingegangen!  —  [Kopp?]  hat  an  mich  geschrieben; 
er  spricht  viel  von  Ilinen. 

875.  Aus  einem  Briefe  Richthofens  an  H.    (2  S.   4".    N.); 

ßrechelshof  den  28sten  Dec.  1820 
.  .  .  Haben  Sie  wohl  zufällig  die  Vorrede  zur  zweiten  Ausgabe  von  Fischers 
mechanischer  Physik  gesehen?  Ohne  Ihr  System  zu  kennen  ertheilt  er  Ihnen  den 
Preis,  indem  er  mit  wenigen  Worten  die  jetzt  allgemein  vernachläßigte  Nothwendigkeit 
der  Übereinstimmung  der  Natur  mit  den  philosophischen  Systemen  hervorhebt,  und 
mit  mehrei-en  gegen  die  Misbräuche  der  sogenannten  Naturphilosophie  eifert.  Und 
eben  darauf  baue  ich  meine  Hoffnung,  daß  Ihre  Philosophie  dereinst  noch  in 
verdientem  Glanz  strahlen  werde,  während  das  Geflacker  der  Naturphilosophie  nur 
vorübergehend  blenden  kann.  Daß  Ihre  Schüler  sich  von  jeher  mit  wachsendem 
Eifer  den  mathematischen  und  philologischen  Studien  zugewandt,  ist  der  schönste  i 
Prüfstein  Ihrer  Lehre  ...  ; 

876.  Richthof en  an  H.    (2  S.  4".  N.)  Brecheishof  d.  24sten  Juni  21 

877.  Richthofen  an   H.     (3  S.    4°.     N.)  Brecheishof  den  26sten  Dec.  21.  ; 

Gewiß  werden    Sie    mein   verehrter  Freund,    mein  dießmahliges   Begleitungs-  ; 
schreiben  der  gewöhnlichen  Geldsendung,  nicht  ohne  innige  Theilnahme  lesen.    Zwei  | 
Todesfälle  haben  uns  tief   betrübt.     Nach   langem  Leiden  ging  am  7ten  Dec.  meine 
geliebte  Schwiegermutter   zu  einem    besseren  Leben   über.     Sie    haben  Sie   gekannt, 
Lieber,  und  begreifen  unsern  Verlust;  und  seitdem  die  lindernde  Zeit  ihien  Schmerz 
um  den  vorangegangenen  Gatten  besänftigt,  war  sie  um  so  viel  theilnehmender  ge-  i 
worden,  daß  durch  ihre  Freude  am  Leben  auch  unser  Besitz  und  jetzt  unser  Ver- 
lust um   so  größer   ward.     Auch  war  sie  meist  immer  bei    uns;  in    den   mehr  als  j 
8  Jahren  meiner  jetzigen  Ehe  nicht  den  4ten  Theil  abwesend,   sie  war  mit  meinem 
Hause  verschmolzen;   meine  Frau   fast  nie  ohne   sie  gewesen,   meine  Kinder  unter 
ihren  Augen  emporgeblüht.  ||  Einige  Monathe  früher  ging  ihr  ihre  älteste  Tochter  in 
Genua  voran;  eine  schlechtbehandelte  Brustentzündung  hatte  einen  tödtlichen  Absceß 
gebildet.     Fünf  verwaiste  Kinder  beklagen  kaum  noch  ihren  unersetzlichen  Verlust. 
Wenn  sie  früher  von  den  Regeln   des   gewöhnlichen  Lebens  hin   und  wieder  abge- 
wichen, so  hatte  sie  es  später  auch  in  der  Ertragung  großer  Entbehrungen,   in  der 
unermüdesten  Sorgfalt  für  ihre  Kinder  gethan ;  zumahl  ihre  äußere  Lage  fortdauernd 
ungünstig  war,  und  die  Scham  sie  zurückhielt  Hülfe  zu  fordern.    Petri,  der  Pseudo- 
Palmedo,   ist  noch   immer  Konsul   im  unwirthbaren  Korsika,  jetzt  zugleich   bei  der 
Gesandtschaft  in  Turin.    Er  glaubt  die  Kinder  ohne  weibliche  Hülfe  zumahl  in  seiner 


Nachtrag  zu   1823.  211 


Lage  nicht  erziehen  zu  können,   und   wird  sie   zu  den  Verwandten   nach  Deutsch- 
land bringen.  || 

Dagegen  hat  meine  Frau  mir  abermahls  einen  blühenden  Koaben,  mein  fünftes 
Kind  geschenkt,  und  die  bei  ihrer  Kränklichkeit  sehr  gefürchtete  Gefahr  glücklich 
überstanden;  meine  beiden  Mädchen  w^aren  sehr  krank  am  Kroup,  und  haben  be- 
deutende Gefahr  glücklich  überwunden. 

So  wechselt  das  Leben  in  Freude  und  Leid,  und  wären  die  allgemeinen  Er- 
eigniße  der  Weltgeschichte  nicht  hinreichend  uns  zum  Blick  nach  etwas  höhern 
zu  zwingen,  so  gäbe  das  eigne  Haus  täglichen  Grund.  In  welcher  großen  Zeit 
leben  wir  nicht;  mit  dem  Gedanken  an  das  sich  freikämpfende  Griechenland  ent- 
schlummerte meine  gute  Schwiegermutter. 

"Wir  leben  einsam  und  still  nur  die  Krankheit  meiner  verewigten  Mutter  hat 
uns  diesen  Sommer  den  Besuch  Ihres  ältesten  und  jüngsten  Sohnes  verschafft. 

Möge  es  Ihnen  besser  und  so  gut  gehen  als  es  herzlich  wünscht 

Ihr     Kichthofen. 

878.    Richthofen  an  H.     (4  S.   4^.    :n.)  [Ohne  Datum.     1823?] 

Mein  sehr  geliebter  und  verehrter  Freund!  Mein  Dank  für  Ihren  so  freund- 
lichen und  unterrichtenden  letzten  Brief  kömmt  ziemlich  spät  und  doch  ist  das  ihm 
zu  Grunde  liegende  Gefühl  recht  innig  und  herzlich.  Ein  großer  Theil  meines 
ganzen  Seyns  ist  durch  Sie  begründet  worden,  und  zahllose  Ennnerungen  an  eine 
der  schönsten  Zeiten  meines  Lebens  führen  Ihr  Bild  mir  unaufhörlich  vor,  und  trotz 
Ihrer  Psychologie  und  Mathematik  glaube  ich  doch,  daß  hier  die  Schwellenberech- 
nung über  Ihre  Kräfte  gehen  möchte,  und  wie  viel  mehr  werde  ich  nicht  eben  in 
Kurzem  wieder  in  ihrem  Andenken  leben,  da  ich  in  diesen  Tagen  eine  Reise  an- 
treten werde,  die  mich  auch  durch  Göttingen  führen  wird;  Sie  werden  der  Gegen- 
stand meiner  liebsten  Gespräche  mit  Dissen  sein,  von  dem  ich  leider  höre,  daß  er  viel 
kränkeln  soll.  Von  Göttingen  aus  will  ich  dann  nach  Stuttgardt  und  an  den  Rhein, 
vielleicht  wenn  ich  Zeit  habe  in  einige  Theile  Frankreichs  und  der  Niederlande.  Im 
Monath  October  ||  denke  ich  dann  über  Delmhorst  und  Hannover,  wo  sich  indeß 
meine  Familie  aufhalten  wird,  zurückzukehren.  Wollen  Sie  mich  vielleicht  einmahl 
in  dieser  Zeit  mit  einigen  Zeilen  erfreuen,  so  bitte  ich  Sie  an  meine  Frau  nach 
Claußthal,  Delmhorst  oder  Hannover  zu  senden,  wo  sie  von  Mitte  Juli  der  Reihe 
nach  an  jedem  Ort  einen  Monath  bleibt.  Vielleicht  ließen  Sie  mich  dann  zugleich 
wissen,  wo  gegenwärtig  Ihr  alter  Zögling  Steiger  ist;  im  Fall  nähmlich  es  wahr  ist, 
daß  er  sich  in  Holland  aufhält. 

Ihre  Recension  über  Steffens')  hat  in  Breslau  den  größten  Eindruck  gemacht,  wenn 
auch  Hr.  St[effens]  sich  auf  seine  gewohnte  vornehme  Weise  darüber  geäußert  hat.  Seit- 
dem hat  er  fortdauernd  alles  mögliche  gethan  um  seinen  philosophischen  Bewunderern 
den  Staar  zu  stechen ;  das  Nähere  werden  Sie  in  seinem  Buch  über  das  Abendmahl 
finden,  und  ich  fordere  Sie  auf  in  dem  Buch  gleichen  Inhalts  seines  Apostels 
Scheibel  die  interessante  Darstellung  der  Scheibeischen  Philosophie  in  der  Vorrede 
nachzulesen.  Es  ist  unbegreiflich  wohin  ein  so  gescheiter  Mann  als  Steffens  kommen 
kann.  Scheibel  ist  der  ärgste  Zelot,  den  es  giebt.  Seine  Vorlesungen  öffnet  und 
schUeßt  er  mit  Gebet;  dabei  hat  er  öffentlich  die  reformirte  Kirche  eine  babylonische 
Hure  genannt.  Wissenschaftlich  ist  er  völlig  nichtig,  als  Redner  weiß  er  seine  Zu- 
hörer zu  ergreifen;  dabei  ist  er  fortdauernd  (nach  vertraulichen  Mittheilungen  seines  | 
alten  Arztes)  dem  Wahnsinn  nahe,  und  für  diesen  tritt  Steffens  als  Köhder  [?]  auf! 
zugleich  hat  dieß   Veranlassung    zu    der   Erneuerung   eines    durch   alle   Tagblätter 


')  S.  Bd.  XU,  S.  189  ff. 

14^ 


212  Nachtrag  zu    1824. 


gehenden  Streites  mit  Schulz  gegeben,  der  beide  erniedrigt.  Dennoch  ist  Steffens 
golden  gegen  Hinrichs.  Wie  das  auf  die  Breslauer  Studenten  wirkte,  können  Sie 
denken.  Leider  ist  die  schlechte  Beschaffenheit  der  vielen  katholischen  Theologen 
ohnehin  höchst  traurig,  und  nun  solche  Philosophen,  als  Steffens,  Hinrichs,  Thilo, 
Keisler,  Rochowski!  auch  dauert  das  Partheiwesen  noch  immer  mehr  oder  minder 
fort;  jetzt  soll  Groß  ein  Schleiermacherscher  Theologe  zu  ihnen,  wogegen  er 
sich  sträubt. 

Erlauben  Sie  mir  in  betreff  Ihrer  Mittheilungen  über  das  umgewandelte  ABC 
der  Anschauung  die  Frage,  ob  Sie  wohl  daran  gedacht  haben,  dadurch  die  Geometrie 
descriptive   der  Franzosen   pädagogisch  zu  begründen?    Diese  scheint  mir  weit  be- 
deutender in   wissenschaftlicher  und   vielleicht  auch  pädagogischer  Hinsicht  als  die 
sphärische  Trigonometrie ;  aber  freilich  muß  man  sie  nicht  aus  dem  etwas  trivialen 
Lacroix  beurtheilen,   in   dem   sie   zu  einzeln  steht;   vielleicht   kennen  Sie   aber    des 
herrlichen  Poisson  Mechanik,  in  der  alles  darauf  gebaut  ist.    Vielleicht  wäre  es  eine  : 
passende  Aufgabe,   für  einen   geneigten  Schüler  Herbarts  und  Bessels  dieselbe  mit  ; 
Rücksieht  dessen    was  Sie    im  Seminar  leisten,    zu    bearbeiten.     Wenigstens  scheint  .; 
mir  daß  Ihre  Anschauungslehre,   die  Geometrie   descriptive  und  die  Mechanik  ||  ge-  ; 
hörig    aneinandergereiht    eine    ebensowohl  pädagogisch    als   wissenschaftlich   schöne  > 
Reihe  bilden  würden.  1 

Auf  die  Odyssee  lasse  ich  bei  meinen  Kindern  die  Anabasis,  und  den  Arrian 
folgen;  bei  den  Römern  halte  ich  Cäsar  für  eines  der  Hauptbücher.  Die  Gründe 
leuchten  ein.  Überall  der  Gegensatz  der  Kultur  und  Unkultur,  der  Sieg  der  Ord- 
nung, Tugend  und  Tapferkeit.  Es  ist  eine  Reisebeschreibung  aus  verschiedenen 
Zeiten.  Bei  Heiodot  ist  mir  die  Sprache  zu  hinderlich,  bei  dem  unendhchen  Reich- 
ihum  an  vielen  trefflichen  Dingen.  Was  den  [Kampf?]  der  [Gracchen?]  anbetrifft, 
so  füllt  der  Kornel  die  historische  Lücke  ziemlich  aus,  und  ist  mindestens  erträg- 
licher als  Eutrop. 

Meine  Kinder  gedeihen  insgesammt  aufs  beste,  und  nachdem  mir  das  Leben 
in  mancher  Hinsicht  etwas  Resignation  gelehrt,  fühle  ich  mich  zufiieden.  Auf  daß 
aber  die  Lebensgeister  wieder  einmahl  durcheinander  gerüttelt  werden,  will  ich 
einige  Monathe  Deutschland  durchstreifen,  und  bedaure  nur  daß  Ihr  Königsberg 
jenseits  der  Wüste  liegt.  Möge  es  wenigstens  Ihnen  jederzeit  eine  glückliche  Oase 
seyn.  Und  mögen  auch  Ihre  Rückerinnerungen  zuweilen  freundlich  den  großen  Raum 
überfliegen.  Mit  wahrer  Freundscnaft  der  Ihrige    Richthofen. 

879.  J-  Osten  an  H.     (1  S.    4".     N.)  Königsberg  den  1  sten  April  1824 

[Osten  jr.  war  in  dem  Herbartischen  Pensionat.] 

880.  Eio  nicht  abgesandter  Brief  Boehlendorffs  an  Herbart  vom  2.  April  1825 
aus  Marggrafen  in  Kurland  ist  zu  finden  in  Freyes  Schrift  über  Boehlendorff. 
(Original  im  Provinzialmuseum  zu  Mitau.) 

881.  Richthofen  an  H.     (1  S.    4o.     N.)  Brecheishof  den  19ten  Juni  24. 

882.  Süvern  an  H.    (1  S.   40.    N.)  Berlin  Sten  Febr.  1825. 

Wohlgeborner  Hochgeehrtester  Herr  Professor!  Den  verbindlichsten  Dank 
sage  ich  Ew.  Wohlgeborn  für  Ihre  mir  gütigst  zugesandten  Schriften,  die  ich  mit 
derselben  Aufmerksamkeit  wie  Alles,  was  von  Ihnen  ausgeht,  lesen  werde.  Jetzt 
eile  ich  nur  die  in  Ihrem  Schreiben  enthaltene  Anfrage  zu  beantworten,  kann  dies 
aber  nach  dem  bisher  befolgten  Grundsatze  der  Behöide  nicht  bejahend  thun.  Ein 
officieller    Antrag   deshalb    würde,    soviel    ich  urtheilen   kann,    nicüt   angenommen 


Nachtrag  zu   1811.  213 


werden  und  wie  sehr  ich  ihn  auch,  der  großen  Erwartung  wegen,  die  ich  gerade 
von  Ihrer  speculativen  Psychologie  hege,  unterstützen  mögte,  so  würde  dies  doch 
wahrscheinlich  fruchtlos  seyn.  Tndeß  werde  ich  die  nächste  schickliche  Gelegenheit 
nutzen,  die  Behörde  von  der  Existenz  dieser  Schrift  zu  unterrichten,  von  welcher 
ich  nicht  deu  mindesten  Zweifel  hege,  daß  sie  auch  auf  anderem  Wege  nach  Ihren 
Wünschen  zu  Tage  werde  gefördert  werden.  —  Hoffentlich  wird  das  jetzt  an- 
gefangene Jahr  auch  Ihre  Wünsche  in  Ansehung  einer  Pflanzschule  für  Erzieher 
erfül'en,  da  wieder  für  die  Universität  etwas  Bedeutendes  geschehn  soll.  Möge  der 
Friede  uns  nur  erhalten  werden!  —  Wie  gern  ich  Graff  helfen  möchte  weiß  der 
Himmel!  auch  wie  ich  mich  darum  bemühe.  Aber  noch  zeigt  sich  mir  keine  Aus- 
sicht. Man  muß  abwarten  bis  sich  die  Eingenommenheit  des  Herrn  Ministers  gegen 
ihn  etwas  gelegt  hat,  die  von  anderen  angefacht  ist;  ich  schöpfe  Hoffnung,  daß 
dies  bald  geschehn  werde.  Leben  Sie  wohl  und  seyn  Sie  meiner  größten  Hoch- 
achtung versichert.  Süvern. 

883.    G-  E-  Schulze  an   H.^)  Göttingen  den  1.  Junius  1825. 

Wohlgeborner,  hochverehrter  Herr  Professor,  Die  Gesinnungen  gegen  mich, 
welche  Sie  in  Ihiem  Schreiben  zu  erkennen  geben,  haben  in  meinen  Augen  einen 
ganz  vorzüglichen  Werth,  daher  Sie  mir  auch  große  Freude  machten.  Denn  ob- 
gleich unsere  Ansichten  von  manchen  Dingen  in  der  Philosophie  bedeutend  von 
einander  abweichend  seyn  mögen,  so  habe  ich  doch  Ihre  Untersuchungen  dieser 
Dinge  von  ieher  als  Erzeugnisse  eines  ächten  und  tiefeindringenden  philosophischen 
Geistes  betrachtet.  Zum  Beweise  hievon  kann  ich  anführen,  daß  ich  fast  alle  Ihre 
philosophische  Schriften  besitze;  ich  schaffe  mir  aber  kern  philosophisches  Werk 
an,  worin  ich  nicht  Belehrungen  oder  fruchtbare  Anregungen  zu  weitern  Nach- 
forschungen über  Gegenstände,  die  mich  interessiren,  antreffe.  || 

Über  den  Dr.  Beneke  denken  wir  wohl  ziemlich  übereinstimmend.  Der  Mann 
trägt  in  schnell  aufeinander  folgenden  Schriften  bekannte  Dinge  sehr  breit  vor  und 
bildet  sich  ein  darüber  ein  neues  Licht  angezündet  zu  haben.  Wie  er  dazu  ge- 
kommen ist,  eine  Recension  des  ersten  Theils  Ihrer  neuen  Bearbeitung  der  Psycho- 
logie für  die  hiesigen  Anzeigen  zu  verfertigen,  ob  er  darum  gebeten  hat,  oder  sie 
ihm  vom  G.  J.  R.  Eichhorn  aufgetragen  worden  sey,  ist  mir  unbekannt.  Mein  Antheil 
an  den  hiesigen  Anzeigen  ist  ein  sehr  geringer.  Das  Recensiren  war  nie  für  mich 
ein  angenehmes  Geschäft.  In  unsern  gelehrten  Anzeigen  muß  man  sich  überdies 
kurz  fassen,  und  da  kann  es  eben  keine  Freude  gewähren,  selbst  über  interessante 
Schriften  als  Rpcensent  oder  Referent  zu  sprechen.  Auch  ist  es  in  unsern  Anzeigen 
noch  nie  geschehen,  daß  die  frühere  und  nicht  gut  ausgefallene  Recension  eines 
Werkes  dui"ch  eine  spätere  von  einem  anderen  Verfasser  1|  berichtiget  worden  wäre, 
und  Eichhorn  würde  wohl  nicht  zugeben,  daß  die  Recension  des  2ten  Theils  Ihrer 
Psychologie  eine  Zurechtweisung  des  Recensenten  des  Iten  Theils  enthielte.  Der 
Dr.  Beneke  würde  aber  ein  solches  Verfahren  als  eine  aus  feindseliger  Gesinnung 
gegen  ihn  herrührende  Kränkung  ansehen.  Und  obgleich  sein  philosophisches 
Treiben  mir  garnicht  gefällt,  so  mag  ich  doch  nicht  der  Urheber  irgend  einer 
Kränkung  für  ihn  seyn,  für  ihn,  der  in  Berlin  durch  einen  Machtspruch  schon  so 
sehr  gekränkt  worden  ist. 

Nach  Erwägung  des  Vorgeführten  werden  Sie  es  gewiß  entschuldigen,  daß  ich 
Ihren  Wünschen  in  Ansehung  der  Recension  des  2ten  Theils  der  Psychologie  zu 
entsprechen    mich    nicht    entschließen    kann.     Seyn   Sie    aber    versichert,    daß    ich 

')  4  S.  8».  N.  Aenesidemus-Schulze  (1761—1833),  dessen  Nachfolger  Herbart 
in  Göttingen  wurde. 


214  Nachtrag  zu  1826. 


llinen  mit  der  aufrichtigsten  Hochschätzung  zugetlian  bleiben  und  mich  für  alle  Auf- 
klärungen in  den  verschiedenen  Theilen  der  Philosophie,  die  wir  noch  von  Ihnen 
zu  erwarten  |i  haben,  aufs  Lebhafteste  interessiren  werde.  Erhalten  Sie  mir  Ihr 
werthes  Andenken.  G.  E.  Schulze. 

884.  Richthofen  an  H.    (2  S.   4».    N.)         Brecheishof  den  23sten  Dec.  1825 

885.  Richthofen  an  H.     (1  S.    4«.     N.)         Brecheishof  den  24sten  Juni  1826 

886.  An  Freih.  von  Richthofen.  9-  Sept.  1826. 
„So  leicht  kommen  Sie  diesmal  nicht  los,  obgleich  Sie  meine  Psycho- 
logie weggeschenkt  haben  und  sich  nun  mit  naivem  Ernst  zu  den  Gewerb- 
leuten zählen.  Wo  treiben  Sie  denn  Ihr  Gewerbe?  Vermutlich  an  sechs 
Orten  zugleich;  auf  Berg  und  Thal,  beim  Zink  und  bei  den  Schafen,  ist 
es  nicht  so?  Und  daß  Zmk  und  Wolle  zugleich  im  Preise  gefallen  sind, 
ist  vermuthlich  ein  großes  Unglück  für  Sie?  Verschmähen  Sie  nur  nicht 
über  dem  Gewerbe  einen  Dank  dafür,  daß  Sie  meine  Abhandlung  ,de 
attentionis  mensura'  zu  rezensiren  bereit  waren.  Haben  Sie  meine  Psycho- 
logie gelesen?  so  werden  Sie  mich  desto  mehr  verbinden,  je  offener  Ihre 
Rede  fließt.  Geben  Sie  mir  in  Ihren  Briefen  Ersatz  für  die  versprochene, 
aber  durch  Eichstätts  —  fast  möchte  ich  sagen,  —  Inkonsequenz  nicht 
zu  Stande  gekommene  Rezension.  Mein  Manuskript  liegt  nur  in  zwei 
Bänden  geschrieben,  aber  nicht  gedruckt  und  kann  noch  manche  Be- 
richtigung annehmen." 

887.  V.  Wrangel  an  H.     (2  S.    4».     N.)  Posen  den  25ten  Oktober  1826 
Ew.  Wohlgebohren  danke  ich  so  innig  als  ganz  ergebenst  für  die  (!]  mir  in  Ihrem 

gefälligen  Schreiben  vom  17ten  d.  gemachten  umstäudJichen  Bericht  über  meinen 
Sohn,  aus  dem  ich  mit  wahrer  Freude  ej'sehen  habe,  daß  sich  Gustav  doch  in  den 
mehrsten  Forderungen,  Ihre  Zufriedenheit  erworben  hat.  Ihre  unausgesetzte  sorg- 
same Berücksichtigung  von  Gustavs  Körper -Kräften,  was  mich  und  meine  Frau  so 
sehr  beruhigt,  verpflichtet  uns  zum  wärmsten  und  innigsten  Dank,  und  gerne  werde 
ich  es  einzuleiten  suchen  das  Gustav  während  den  nächsten  Sommer  in  den  Hunds- 
tagferien, auf  3  AYoclien  das  See-Bad  zu  besuchen  Gelegenheit  erhält.  — 

Jetzt  komme  ich  noch  mit  einer  neuen  Bitte,  ||  die  darin  besteht,  ob  Sie  wohl 
die  Geneigtheit  hätten,  auch  meinen  zweiten  Sohn  Carl,  der  jetzt  10  Jahre  alt  ist, 
in  Ihrer  Erziehungs-Änstalt  aufzunehmen. 

Carl  ist  in  den  zwei  ersten  Jahren  seines  Lebens,  sehr  kränklich  gewesen, 
wodurch  er  im  Wachsthum  zurückgeblieben  ist,  nach  der  Zeit,  ist  er  aber  immer 
gesuud  gewesen  und  hat  jetzt  Gott  sei  Dank  eine  feste  und  eiserne  Körper- Be- 
schaffenheit; von  seinen  Kenntnissen  kann  ich  bei  dem  höchst  mangelhaften  Schul- 
wesen der  hiesigen  Provinz  nicht  viel  rühmliches  sagen;  —  doch  könnte  und  müßte 
er  auch  in  seinem  Wissen  weiter  sein,  wenn  er  [!]  nicht  durch  meine  öfteren  Eeisen 
nach  P]-(iußen  und  im  Bade,  wie  in  diesem  Jahre,  sein  Unterricht  unterbrochen 
wäre.  Sollten  Sie  meinen  Wunsch,  wegen  Annahme  von  Carl  gütigst  willfahren, 
welches  mich  unendlich  glücklich  machen  würde,  so  sehe  ich  Ihrer  weiteren  Be- 
stimmung wegen  der  Zeit  seiner  Annahme  entgegen,  und  bin  ich  so  wohl  jetzt,  als 
auch  im  nächsten  Frühjahr  bereit,  meinen  Sohn  Carl  persönlich  Ihren  Händen  zu 
übergeben.  — 

Ihrer  Frau  Genjahlin  bitte  ich  meine  Hochachtung  zu  versichern,  mit  der  ich 
die  Ehre  habe  zu  sein  Ihr  ganzergebenster    v.  Wrangel. 

N.  S.     Meinen  Sohn  Gustav  bitte  ich  herzlich  zu  grüßen. 


Nachtrag  zu   1827.  215 


888.  Konflikt  mit  K.  Lehrs. 

Der  Philolog  K.  Lehrs  hatte  in  seiner  Lebensbeschreibung  im  Progr.  des  Colleg. 
Fridericianum  zu  Königsberg  1S26  gesagt,  er  wäre  vor  dem  Abwege  bewahrt  ge- 
blieben, „seine  Zeit  mit  dem  Studium  der  Pädagogilc,  wie  sies  nennen,  zu  zersplittern 
oder  zu  verschwenden. '^  Auch  sonst  war  er  ausfällig  gegen  Herbarts  Thätigkeit  ge- 
worden, ohne  dessen  Namen  zu  nennen.  Herbart  scheint  sich  darüber  beim  Ministerium 
beschwert  zu  haben,  worauf  die  Behörde  ihr  Mißfallen  an  der  Stelle  des  Programms 
dem  Verfasser  Lehrs  gegenüber  aussprach.  Unterm  23.  Jan.  1827  richtete  nun 
Lehrs  an  das  Ministerium  ein  Schreiben,  das  in  seinem  Wortlaut  mitgetheilt  ist  in 
den  „Ausgew.  Briefen  von  und  an  Lobeck  und  Lehrs"  (von  A.  Ludwich,  Leipzig, 
1894,  I.  Bd.  S.  82  ff.)  Uerbart  habe  sich,  schreibt  er,  weder  erlaubter  noch 
würdiger  Mittel  bedient,  um  das  Urtheil  des  Minist,  gegen  ihn  einzunehmen.  Er  sei 
Herbart  nicht  zu  Dank  verpflichtet.  Dieser  habe  die  Stelle  aus  dem  Zusammenhange 
gerissen,  nicht  verstanden  und  ihre  Konstruktion  verfehlt!  Übrigens  hätte  H.  keinen 
Anstand  genommen,  Kant  Ungereimtheiten  vorzuwerfen.  —  Es  scheint,  als  habe 
sich  Lehrs  bei  Abfassung  dieser  Beschwerdeschrift  selbst  in  „gereizter  Stimmung" 
befunden,  wie  er  von  Herbart  behauptet.')  —  —  K.  Bachmann  schreibt  am 
3.  Apr.  33  an  Lehrs:  „Daß  Herbart  nach  Göttingen  ging,  war  für  ihn  gut  und  für 
Oöttingen,  wie  Sie  auch  aus  alter  Freundschaft,  meinetwegen  auch  mit  Recht,  über 
ihn  urtheilen  mögen."     (Ebenda  S.  148,  s.  auch  S.  191  u.  0.) 

889.  F-  Nasse  an  H."')  Bonn  den  18.  Maerz  1827 
Verehrtester  Herr  College!   Ich  nehme  mir  die  Freiheit,  Ihnen  ganz  ergebenst 

das  beiliegende  Heft  zu  überreichen,  worin  ich  meinen  physiologischen  Collegen, 
denen  Ihre  Psychologie  etwa  noch  unbekannt  geblieben,  von  diesem  herrlichen  Quell 
der  Belehrung  und  frei  machenden  Erhebung  zur  Erkenntuiß  berichtet  und  dort 
tiefer  zu  schöpfen  —  nach  meinen  Kräften  —  und  zunächst  für  den  Gesichts  Kreis 
des  Physiologen,  sie  anzuregen  mich  bemüht  habe.  Nehmen  Sie  die  Sendung  gütig 
auf  und  schenken  Sie  den  Bemerkungen,  die  ich  dem  von  Ihnen  raitgetheilten  bei- 
zufügen so  dreist  gewesen,  freundliche  Nachsicht. 

Das  Dankgefühl  für  alles  das,  was  mir  Ihr  Buch  geworden,  die  innige  Ver- 
ehrung für  den  Mann,  aus  dessen  tiefen  Forschungen  es  hervorgegangen,  treibt  mich 
"  noch  eine  Bitte  hinzuzufügen.  Wem  möchte  eine  der  Anthropologie  gewidmete 
Zeitschrift  ü  ehrenvoller  für  diese,  darzubringen  seyn,  als  dem,  der  den  Anthropologen 
und  Physiologen  Licht  gebracht  hat,  der  ihnen  den  Weg  zeigt,  um  sie  heraus- 
zuführen aus  den  psychologischen  Verwirrungen,  worin  sie  befangen  sind?  —  Ver- 
gönnen Sie  denn  gütigst,  daß  ich  den  diesmaligen  Jahrgang  der  Zeitschrift  mit  der 
verehrungsvollen  Zueignung  an  Sie  zieren  darf! 

Gehngt  es  mir  dann,  Ihrer  gütigen  Aufmerksamkeit  ein  Unternehmen  näher 
zu  bringen,  für  das  ich  mir  recht  viel  Belehrung,  wenn  auch  tadelnde,  von  Ihnen 
■wünschte,  so  nähere  ich  mich  vielleicht  der  Erfüllung  einer  anderen  Bitte,  die 
schon  in  den  ersten  Zeilen,  die  ich  mir  an  Sie  zu  richten  erlaube,  zu  gestehen  zu 
dreist  seyn  würde.  Möge  mir  nur  erst  aus  den  Ihnen  ganz  Fremden  in  den  Kreis 
derer,  die  sich  Ihres  Wohlwollens  erfreuen,  wenn  auch  nur  in  ||  dieses  Kreises  äußersten 
Bing,  zu  treten  vergönnt  seyn!  Verehrungsvoll  Ihr  ergeben.ster     Nasse. 

1)  Vgl.  dazu  Paulsens  Gesch.  des  gel.  Unterrichts  IL  Bd.  S.  275  Anm.:  „Lehrs' 
Verantwortung  an  das  Mmisterium  ist  voll  übermütigen  Hohns."  —  Paulsens  Buch 
enthält  auch  sonst  vielfach  Stellen,  die  zum  Briefwechsel  herangezogen  werden 
können,  z.  B.  II  S.  274  eine  Notiz  von  Prutz,  Univ.  Königsberg  (1894),  betr. 
Herbarts  Verhältnis  zu  den  Studierenden  und  Kollegen  u.  a. 

■')  3  S.    4".    N.    Über  den  Prof.  der  Medizin  Nasse  s.  Bd.  II  der  Briefe  S.  257. 


2i6  Nachtrag  zu   1827. 


890.  An  Freih.  von  Richthofen.  3°-  März  1827. 
„Länger  warte  ich  nun   nicht   auf   Ihre  Rezension.     Sie   haben   tiefer 

in  meine  Psychologie  eingehen  wollen.  Ich  wünsche,  daß  Sie  über  meine 
Psychologie  schreiben.  Wenn  Sie  nicht  über  meine  Psychologie  schreiben, 
so  kann  ich  demjenigen,  der  mir  weissagt,  in  zehn  Jahren  werde  meine 
Hauptarbeit  vergessen  sein,  nicht  viel  entgegensetzen.  Wenn  Sie  aber 
darüber  zu  schreiben  Lust  haben,  so  lassen  Sie  sich  nur  ja  nicht  durch 
irgend  eine  Besorgniß  abhalten,  als  könnte  mir  irgend  ein  Widerspruch 
empfindlich  sein." 

891.  An  Freih.  von  Richthofen.  29.  Apr.  1827. 
,, Unterdessen   ist   Ihre   Rezension  in    meine   Hände    gelangt,    und    ich 

sage  Ihnen  meinen  herzlichen  Dank.  Ihre  unveränderte  Freundschaft,  spricht 
darin  fein  und  klug.  Habe  ich  etwas  zu  vermissen,  so  liegt  das  an  Ihrem 
Skeptizismus,  und  dieser  liegt,  glaube  ich,  an  Ihrer  nicht  häufigen  Be- 
schäftigung mit  bloßer  Philosophie."  (Worauf  eine  kurze  Gegenrezension 
folgt,   die  leider  nicht  mit  in   Richthofens   Biographie  abgedruckt  ist.) 

892.  Frau  v.  Wrangel  an  Frau  Herbart.    (4  S.   8".    N.) 

Posen  deu  4ten  Mai  1827. 
Meine  verehrteste  Frau  Professorin,  die  vielfachen  Beweise  von  Liebe,  mit  welchen 
Sie  meinen  Sohn  Gustav  überhäufen,  und  wovon  mein  Mann  sich  erneut  bei  seiner 
letzten  Anvv-esenheit  in  Königsberg  überzeugt  hat,  erlauben  es  meinem  Herzen  nicht 
länger  Ihnen  meinen  innigen  Dank  dafür  unausgedrückt  zu  lassen;  nicht  genug  hat 
er  mir  davon  erzählen  können,  wie  wahrhaft  Mütterlich,  Sie  Sich  seiner  annehmen, 
und  an  ihm  handeln,  daß  dies  der  wohlthuendste  Balsam  für  mein  Herz  und  der 
einzige  Trost  und  Ersatz  für  die  Trennung  von  diesem  lieben  Kinde  für  mich  ist, 
werden  Sie  begreifen,  auch  könnte  ich  sonst  wohl  keinen  ruhigen  Augenbhck  haben, 
wüßte  ich  ihn  bei  Ihnen  nicht  so  gut  aufgehoben;  nie  werde  ich  also  genug  es  Ihnen 
danken  können,  was  Sie  an  ihm  thun,  und  die  Ueberzeugung,  das  Sie  mit  Freuden 
und  aus  Liebe  es  thun,  macht  mich  nun  auch  noch  so  dreist,  eine  Bitte  an  Ihnen 
zu  wagen  —  um  dem  Wunsch  llires  Herrn  Gemahls,  dem  ich  ||  mich  sehr  zu  empfehlen 
bitte,  nachzukommen,  daß  Gustav  diesen  Sommer,  das  Seebad  während  den  Ferien 
gebraucht,  welches  auch  ganz  mit  unseren  Wünschen  übereinstimmt;  von  hier  aus, 
es  uns  aber  beinah  unmöglich  ist  eine  recht  passende  Gelegenheit  dazu  zu  finden, 
wo  wir  überzeugt  wären,  daß  er  phisisch  und  moralisch  gut  aufgehoben  wäre;  ich 
hatte  'gehofft,  daß  sich  vielleicht  eine  Gelegenheit  mit  meiner  Tante  dazu  finden 
würde,  durch  die  Kränkhchkeit  meiner  armen  Mutter  bin  ich  hierüber  leider  aber 
noch  ganz  ins  Ungewisse,  und  möchte  doch  nicht  gern,  daß  die  Zeit  ein  arrangement 
dazu  zu  treffen  verlohren  ginge.  Die  Obersten  Groeben,  welche  sich  Ihrer  Freimdlich- 
keit  gegen  sie  noch  lebhaft  erinnert  und  mir  die  herzlichsten  Empfehlungen  für 
Sie  aufträgt,  emphahl  mir  in  dieser  Hinsicht  einen  Doktor  Ebert  Lehrer  am  CoUegium 
Fridricianum,  der  dies  Jahr  wiederhohlentlich  das  Seebad  in  Kranz  gebrauchen  würde, 
wenn  er  sich  dazu  verstünde  meinen  Gustav  unter  seiner  Aufsicht  dahin  zu  nehmen. 
Da  weder  ich  noch  mein  Mann  diese  Familie  kennen,  so  wage  ich  meine  liebe  Frau 
Professorin  an  Ihnen  die  Bitte,  ob  Sie  es  gütigst  übernehmen,  entweder  auf  diese  || 
oder  eine  andre  Weise,  es  einrichten  zu  wollen,  wie  Sie  es  am  Besten  finden  werden; 
ich  bin  überzeugt  daß  ich  vertrauungsvoU  die  Wahl  in  Ihre  Hände  legen  kann,  da 
Sie  ja  immer  so  mütterlich  an  ihn  gehandelt  haben,  ich  fühle  aber  auch  ganz  das 
imbescheidene  meiner  Bitte,   Ihnen   noch    eine  neue   Sorge    und  Verantwortlichkeit 


Nachtrag  zu  1827.  217 


aufzulegen,  aber  ich  weiß  mich  wirklich  nicht  anders  zu  helfen,  da  gerade  ein  Kind 
während  einer  Badekur  eine  so  große  Aufmerksamkeit,  sowohl  während  des  Bades 
als  auch  während  der  übrigen  Tageszeit  bedarf.  Nicht  wahr  meine  liebe  Frau 
Professorin,  Sie  sehen  meine  Verlegenheit  ein,  in  einer  Entfernung  von  50  Meilen 
.so  etwa'*  passend  abzumachen,  und  schlagen  mir  die  Bitte  nicht  ab;  —  und  sollte 
Herr  Ebert  oder  wen  Sie  passend  dazu  bereit  finden,  darauf  eingehen,  so  hätten 
Sie  auch  wohl  die  Güte  alles  Uebrige  mit  ihm  abzumachen,  da  wir  zu  jeder  Kosten- 
vergütigung  höchst  dankbar  bereit  sind,  und  so  bald  wir  den  Betrag  erfahren  es 
gern  und  gleich  erstatten  werden. 

Mein  Mann  der  schon  wieder  auf  Reisen  ist  hat  mir  noch  seine  ergebenste 
Empfehlung  für  Sie  und  Ihren  Herrn  Gemahl  aufgetragen,  und  Sie  meine  liebe 
Frau  Professorin,  sehen  ||  mein  unbegrenztes  Vertrauen,  welches  ich  in  Ihre  Güte 
setze,  ich  kann  daher  nur  bitten  meinem  Gustav  immer  so  gewogen  zu  bleiben  da 
ich  hoffe,  daß  er  es  immer  mehr  einsehn  und  zu  verdienen  suchen  wird;  noch 
füge  ich  hinzu,  daß  ich  keine  Antwort  von  Ihnen  erwarte.  Gustav  kann  mir  das 
Resultat  mittheilen,  ich  konnte  aber  nicht,  nachdem  was  Wrangel  mir  von  Ihrer 
innigen  Liebe  und  Güte  für  meinen  Gustav  als  Beweise  mitgetheilt  hatte,  länger 
schweigen,  und  verzeihen  Sie  mir  schon  den  Erguß  meiner  Dankbarkeit,  der  nur 
ein  schwacher  Abdruck  meiner  Gefühle  für  Sie  ist,  mit  welchem  ich  Hochachtungs- 
voll mich  unterzeichne  als 

Ihre  ergebenste  und  ewig  dankbare  L.  [oder  B.]  v.  Wrangei  geb.  v.  Below. 

893.    An  Freih.  von  Richthofen.  9-  JuH  1827. 

„Sie  wollen  sich  auch  der  Herausgabe  meiner  Metaphysik  annehmen? 
Gewiß  erkenne  ich  Ihre  Freundschaft,  und  gut  wird  es  für  mich  sein, 
wenn  ich  die  Last  abwälzen  darf,  denn  meine  Gesundheit  leidet.  Warum 
aber  schreiben  Sie  nicht  ein  Buch?  Mir  ahndet,  ich  werde  das  noch  erleben; 
Sie  werden  nicht  immer  die  Welt  gleichgültig  mit  ansehen.  —  Die  große 
Neuigkeit,  Schelling  habe  auf  sein  System  resignirt  zu  Gunsten  des  Evan- 
gelii,  wird  Ihnen  schon  bekannt  sein.  —   Mein  Werk  ist  getan." 

.894.    Ferdinand  Rahden  an  H.    (4S.  4".    N.)     Funkenhof  d.  21.  August  1827 

Jahre  sind  verflossen  seitdem  wir  nicht  unmittelbare  Kunde  von  einander 
haben  und  dennoch  hoffe  ich  zuversichtlich,  daß  Sie,  mein  hochverehrter  Freund 
und  Lehrer,  dessen  Andenken  ich  ehrend  bewahre,  auch  immer  freundlich  meiner 
gedenken  und  mir  Ihr  Wohlwollen  erhalten  haben.  Diese  meine  Zuversicht  ist  so 
stark,  daß  ich  zu  Ihnen  in  einer  großen  Verlegenheit  meine  Zuflucht  nehme.  Ein 
trefflicher  Mann  leitete  die  Erziehung  meines  Sohnes,  meine  Wunsche  waren  auf 
die  schönste  Weioe  erfüllt;  er  muß  mich  aber  verlassen,  weil  es  sein  Vater  ver- 
langt, der  ihm  im  Vaterlande  (Hannover)  wo  er  Superindendent  ist,  eine  ehrenvolle 
Anstellung  verschafft  hat.  Kennen  Sie  Niemand,  den  Sie  verehrter  Freund,  mir 
zum  Erzieher  meiner  Kinder  vorschlagen  könnten  und  der  gesonnen  wäre,  eine 
sorgfältig  begonnene  Erziehung  fortzusetzen  und  durchzuführen?  Die  preußischen, 
besonders  die  ostpreußischen  Schulen,  sollen  ja  jetzt  vortrefflich  seyu  —  es  müssen 
also  vorbereitete  junge  Männer  die  Academie  beziehen  und  sicher  haben  Sie  welche 
für  das  paedagogische  Fach  erzogen  oder  gebildet  oder  unter  Ihren  vielen  Zu- 
hörern Subjekte  gefunden,  die  auch  der  Gewissenhafte  empfehlen  kann.  |!  Ihnen  Ver- 
ehrter braucht  Ihr  vormaliger  Schüler  nicht  zu  sagen,  was  er  von  dem  Erzieher 
seiner  Kinder  fordern  zu  müssen  glaubt ;  noch  bedarf  es  zwischen  uns  der  Ver- 
sicherung, daß  der  Lehrer  meiner  Kinder  die  Stellung  in  meinem  Hause  einnehmen 


2i8  Nachtrag  zu   1827. 


■werde,  die  zum  Gedeihen  seynes  mühevollen,  aber  ehrenvollen  Geschäftes  unumgäng- 
lich erforderlich  ist.  Er  wird  der  geachtetste  Freund  unseres  Hauses  seyn  und 
■darf  der  kräftigsten  Unterstützung  von  Seiten  der  Aeltern  unfehlbar  gewiß  sein. 
Mein  ältester  Sohn  ist  13  Jahre  alt;  ein  glückliches  Gedächtniß,  schnelles  und  scharfes 
Auffassen  zeichnen  ihn  aus  und  seine  Interessen  haben  bereits  (es  ist  dadurch  nicht  ■ 
zu  viel  gesagt)  eine  streng  wissenschaftliche  Richtung  genommen.  Aeltere  Sprachen 
scheinen  mir  die  Basen  aller  wissenschaftlichen  Bildung;  er  hat  sie  also  gründlich 
erlernt;  frülier  den  Homer  imd  Xenophon  jetzt  den  Herodot  gelesen;  sowie  er 
Livius  und  Virgil  mit  Leichtigkeit  lieset.  Geschichte  und  andere  Schulwissenschaft 
sind  ihm  von  frühester  Jugend  an  gelehrt.  Arithmetik  und  Buchstabenrechnung; 
äowie  Geometrie  ist  ihm  nicht  fremd  geblieben. 

Mein  Pflegesohn  ist  einige  Monathe  jünger  —  lernt  nicht  griechisch,  weil  der   I 
Vater  es  nicht  will  —  ein  guter  lieber  Knabe,   aber  oft  zerstreut  —  dem  es  nicht  | 
an  gutem  Willen  fehlt  —  sowie  an  Fleiß.    Er  kann  nicht  in  ||  eine  Klasse  mit  meinem 
Sohn  gestellt  werden,   theilte  aber  den  Unterricht  in  deutscher  Sprache,  Geschichte   i 
und  Geographie  mit  meiner  9jährigen  Tochter,   die  ein  talentvolles,    fleißiges,  guth- 
niüthiges  Kind  ist.     Diesen  Kindern    würde  der   Erzieher  Unterricht  zu    ertheilen 
haben,  Französisch  lehrt  oder  braucht    der  Lehrer    nicht   zu   lehren,   oder   zu   ver-   1 
stehen,    da    diese   uns   sehr   wichtige  Sprache   sowie  die   russische  meinen  Kindern   | 
von  einer  Schweizerm  und  einem  Russen  gelehrt  worden  sind  und  gelehrt  werden.    ' 
Die    Kenntuiß    der  englischen   Sprache  ist   für   uns    keine   nothwendige    Bedingung  . 
wie  es  die  gründliche  Kenntniß  der  älteren  Sprachen   und  der  Mathematik  ist,    die    \ 
wir  machen,  wäre  aber  eine  erwünschte  Zugabe  träfe  man  sie  bei  dem  gewünschten   1 
Lehrer  an.  I 

Da  H.  Brackebusch,   so   heißt   der  Lehrer   meiner  Kinder,   welcher  mich  ver-    j 
läßt,  sobald  als  möglich  abzureisen  wünscht;  so  muß  ich  Sie,  verehrter  Freund,  er-   I 
suchen  mir  baldmöglichst  gefällige  Auskunft  zu  ertheilen,  was  ich  von  Ihren  freund-   | 
schaftlichen  Bemühungen  für  mich  zu  hoffen  habe!     0  möchte   es  Ihnen   gelingen!    ■ 
Sie  würden    der  Wohlthäter  der  Aeltern    und   Kinder.      Vierhundert    Rubel    Süber 
jährlich,    freie    Station,    Bedienung   und  Equipage    biete   ich    an,    bemerke,  daß    in 
meiner    Nähe    treffliche    Bibliotheken    zur    freien     Benutzung    offen    stehen    und 
mancher  Verkehr  mit  gelehrten  und  gebildeten  Männern  sich  leicht  eröffnen  lassen 
wird.  II  Die  Ungewißheit,  wie  und  durch  wen  ich  den  gießen  Verlust,  den  ich  durch   j 
Brackebuschs  Fortgehen  erleide,   ersetzen  kann  und  werde,   setzt  mich  in  die  pein-    1 
liebste  Lage.     Gott!   ich  lebe  nur  der  Erziehung  meiner  Kinder,    meine  Frau  theilt 
mein  Interesse  und  fördert  alles  auf  die  kräftigste  Weise   und   nun  sollte   alles  in   ^ 
Stocken  gerathen  und  das  schön  Begonnene  aufhören?    Dringend  bitte  ich  Sie,   mir   i 
Ihre  Theilnahme  nicht  zu  vei'sagen.  >i 

In  meinem  Gewühl  von  Geschäften,  ist  mir  Ihre  Psychologie  nicht  fremd  ! 
geblieben  —  sie  die  Jean  Pauls  letztes  Studium  war')  und  er  eine  Terra  incognita  1 
nannte,  die  Sie  erobert  haben  und  eine  spätere  dankbare  Nachwelt  anbauen  wird,  | 
den  neuen  Columbus  dadurch  das  würdigste  Denkmal  setzend.  „Den  Bessern  seiner  1 
Zeit  genügt  zu  haben,  dies  heißt  gelebt  zu  haben  für  alle  Zeit.'' 

Wie  sind  Sie,  verehrter  Freund,  mit  Ihrer  academischeu  Wirksamkeit  zu- 
frieden? wie  mit  Ihren  Collegen?  giebt  es  ein  gemeinsames  Wirken? 

Ihre  Gemahlin,  die  ich  sah,  als  Sie  mich  einmal  zu  der  Cons.  R.  Hasse  führten, 
obwohl  ich  damals  nicht  wußte,  daß  ein  so  inniges  Band  Sie  verknüpfen  werde, 
bitte   ich  mich  gehorsamst   zu   empfehlen.     Als  Gatte    und  Vater  bin  ich  glücklich. 

1)  Vgl.  R.  0.  Spazier  „J.  P.  Fr.  Richter  in  s.  letzten  Tagen"  (1826),  S.  44.       j 


Nachtrag  zu   1827,  2  lg 


Erhalten  Sie   mir   verehrter  Freund   Ihr  Wohlwollen    und  denken   Sie    zuweilen  an 
Ihren  aufrichtigsten  Freund  und  Verehrer  Ferdinand  Raliden. 

Nochmals  die  Bitte  um  baldige  Autwort. 

894:  b.     Beilage  xu  dem  vorhergelienden  Brief.  ^) 

Jean  Paul  über  Herbart.  Unter  die  originellsten  Ausnahmen  gehört  Herbart 
in  Königsberg,  ein  kecker,  auf-,  um-  und  einblickender,  mathematisch  und  philologisch 
gewappneter  Perlentaucher  und  Goldbergsteiger  mit  seinem  philosophischen  Muster- 
stii.  Besonders  die  Psychologie  —  welche  zu  Fichtes  Zeiten  und  später  als  unwissen- 
schaftlich verachtet  wurde,  als  ob  nicht  alle  äußeren  Erscheinungen  uns  nur  ver- 
mittelst unserer  innern  etwas  angingen  und  darstellten  —  hat  an  Herbart  in  Rück- 
sicht auf  das  Entstehen,  Wachsen,  Verdichten  und  Versinken  der  Voi'stelluugen 
einen  seltenen  Landmesser  und  Physiokraten  ihres  Gebietes  gefunden.  Die  Nach- 
welt wird  sein  erobertes  Reich  anbauen. 

895.  An  Freih.  von  Richthofen.  9-  Sept.  1827. 
„Von  Jena  schreibt  man  mir,    Ihnen   sei  die  Rezension  eines  meiner 

Bücher  übertragen  —  wahrscheinlich  des  größeren  psychologischen  Werkes. 
Ich  muß  Sie  bitten,  mich  jetzt  nicht  zu  vergessen.'' 

896.  Richthofen  an  H.     (3  S.    4».     N.)  Brecheishof  den  6ten  Nov.  27. 

.  .  .  Von  Eichstädt  habe  ich  noch  keine  Antwort. 

Wenn  Sie  einen  Augenblick  Muße  haben,  so  schreiben  Sie  mir  doch,  wie  Sie 
mit  den   Folgen  unserer  neuern  Schul-Einrichtungen   zufrieden   sind.     AVenn  auch 
nicht  zu   läugnen   ist,   daß  unsere  Gymnasien    seit  den  letzten  20  Jahren,    sich   be- 
deutend gebessert  haben,  so  höre  ich  doch  manche  Klagen,  die  mir  gegründet  scheinen. 
Unsere   Schulen   sind  und   bleiben  nur  Unterrichts- Anstalten.     Die   vei langte  Viel- 
seitigkeit besonders  in  den   sogenannten  Wissenschaften,  und   die  Langsamkeit  des 
alten  Schlendrians  zu  Gunsten   der  Faulen  und  Dummen,  macht  die  Fortschritte  so 
langsam,  daß  auch  der  bessere  Kopf  erst  spät  die  lange  Laufbahn  durch  alle  Klassen 
zurückgelegt  hat,  während  sonst  die  auf  die  Sprachen  \\  konzentrirte  Kraft   ihn   bei 
aller  nnläugbaren  Einseitigkeit  schneller  förderte.     Wir  alle  kennen  die  wunderbare 
Einwirkung  die  die  Universität  auf  bessere  Köpfe  hat,   und   wissen   wie  beschränkt 
darin  die  Mittel  der  meisten  Schulen  sind.    Diese  Einwirkung  ist  aber  nur  in  einer 
gewissen  Lebeusperiode  möglich;   ist  diese  auf   der  Schule    bereits  vorübergezogen, 
so  neigt  sich  auf  der  Universität  der  Geist  zu  sehr  auf  das  Nützliche,   er  verfolgt 
nur  noch   den  Brodt-Erwerb,   und   wird  höchstens  ein  gelehrter   Philister.     Danach 
würde  auch  der  beste  Schuhmteiricht   durch  Anhäufung   noch  so  vieler  Kenntnisse 
(mit  denen  es  übrigens  auf  unseren  Schulen  noch  nicht  so  gut  steht,  als  man  glauben 
sollte;)  wenn  er  zu  lange  ausgedehnt  wird,  mehr  schaden   als  nützen.     Ich  fürchte 
wir  untergraben   in  Preußen,    durch   die   verbesserten  Schulen,    das  durch  die  Uni- 
versitäten  bedingte    Eigenthümliche  [desj    deutschen   wissenschaftlichen  Sinnes;    wir 
gehen  unabsichtlich  zu   den   französischen  Einrichtungen  über,  indem  wir  unseren 
Jünglingen  in  der  wichtigsten  Periode  die  Universität  entziehen,  und  sie  diese,  mit 
Surrogaten    wahrer  Wissenschaft  auf  der  Schule   wohl   ausgerüstet,    nur   noch   als 
Special-Schulen  betrachten  machen.     Sind  doch   selbst  die  in  den  Brodtfächern  zu 
gut  besetzten  Universitäten  der  Philosophie  selten  förderlich  gewesen!    Aber  genug 


^)  Die  Beilage  ist  von  anderer  Hand  geschrieben.  Das  Exzerpt  entstammt  dem 
1822  im  Morgenblatt  veröffentlichten  Aufsatz  Jean  Pauls  „Vermählung  der  zwei 
höchsten  Mächte  der  Erde". 


2  20  Nachtrag  zu  1828. 


von  einer  Ansicht,   die    vielleicht  falsch   ist,   weil  ich   nicht  genug  Schulen  kenne,   j 
und  endlich  weil    ich  selbst  das   Glück   hatte,    meine  Schuljahie   unter   den  Augen 
eines  Eektors  zuzubringen,  wie  es  deren  gewiß    wenige  gibt,  und  der  mich  als  Ge- 
lehrter   und    väterlicher   Freund    auf   das   Kräftigste    anregte.   —   Leben   Sie   wohl, 
Lieber!  Der  Ihrige     Richthofen. 

897.  V.  Wrangel   an  H.     (2  S.    4».     N.)  Posen,  den  5ten  November  1828 

Ew.  Wohlgebohren  im  letzten  Sommer,  an  meiner  [!]  jetzt  verstorbenen  Schwieger- 
Mutter  gemachten   freundlichen   Mittheilung,   in  Rücksicht   des  Stufen   Grades   der  j 
Kenntnisse  meines  Sohns  Gustav  hat  mir  viel  Freude  gemacht  zu  empfangen,  indem   j 
ich  aus  selbigen  mit  besonderem  Vergnügen  ersehen  habe  —  daß  Gustav  im  nächsten 
Jahr  so  weit  sein  wird,    um    in  Secunda    eintreten    zu  können  —  und    erkenne   ich 
hierin    einzig   Ihre  Mühe    und    unausgesetzte  Sorgfalt,    mit    der  Sie   die   Erziehung  | 
meines    Sohnes    geleitet    haben.  —  Ja    mein    verehrter  Herr  Professor  Worte    des 
Dankes   vermögen   nicht,    die   Gefühle    meiner   aufrichtigen  Erkenntlichkeit  so   aus- 
zudrücken, als  ich  mich  von  selbigen  durchdrungen  fühle  —  und  kann  ich  mir  die 
Freude    nicht  \ersagen,    selber   nach  Königsberg    zu    kommen,    um    mir    aus  Ihren 
Händen  meinen  Sohn  zu  erbitten  —  denn  da  nach  Ihrem  Urtheil  Gustav  kommendes  , 
Jahr  soweit  sein  wird  um  in  Secunda  eintreten  zu  können,   so  beabsichtige  ich  ihn  ; 
im  Monat  September  k.  J.  in  das  hiesige  Gymnasium  eintreten  zu  lassen.   —  j 

Zuförderst  wünschte  ich  jedoch  daß  er  in  Königsberg  eingesegnet  werden  1 
möchte  —  und  bitte  ich  das  einliegende  Schreiben  an  den  Hr.  Prediger  Weil  ein-  , 
händigen  zu  lassen  ||  und  mit  Letztern  über  die  dem  Gustav  zu  gebenden  Religions-  I 
stunden  —  das  Weitere  gefälligst  verabreden  zu  wollen  —  Meine  Frau  empfiehlt  i 
sich  Ihnen  auf  das  angelegentlichste  und  wollen  Sie  gütigst  Ihrer  verehrten  Frau  | 
Gemahlin  die  Versicherung  meiner  aufrichtigen  Hochachtung  erneuern  mit  der  «ich  j 
die  Ehre  habe  zu  seyn 

Ew.  Wohlgebohrn  ganz  ergebenster  Freund  und  Diener  v.  Wrangel.  ; 

898.  Eichstädt  an  H.    (2  S.   4P.     N.)  Jena,  8  December  1828  1 

Verehrtester  Herr  Professor,  in  der  letzten  Michaelismesse  habe  ich  Hn.  Drobisch  I 
in  Leipzig  selbst  aufgesucht,  und  die  Wünsche  Ihres  letzten  gütigen  Briefes  vom 
20.  Sept.  ihm  in  meinem  Namen  neuerlich  vorgelegt.  Er  hat  mir  auch  versprochen, 
den  2ten  Band  der  Metaphysik  zu  übernehmen.  Daß  Hr.  v.  Richthofen  in  dem  an- 
gefangenen nicht  fortgefahren  hat,  ist  unsere  Schuld  nicht;  er  ist  gebeten,  er  ist 
erinnert  worden.  Vielleicht  könnten  Sie  selbst  bey  Beiden  durch  ein  Privat-Compelle 
mehr  ausrichten,  als  durch  unsere  officiellen  Mahnungen. 

Es  liegt  mir  selbst  sehr  daran,  daß  Ihren  Schriften  auch  in  unserer  A.  L.  Z. 
volle  Gerechtigkeit  widerfahre.  So  wenig  ich  auch  in  das  Innere  Ihrer  Wissenschaft 
eingedrungen  bin:  so  habe  ich  doch  die  Alten  insoweit  kennen  lernen,  daß  ich  Klar- 
heit im  Denken  und  Vortrag  von  räthselhafter  Dunkelheit,  Gründlichkeit  von  Schiefheit 
zu  unterscheiden  weiß;  und  darum  ist  mir  alles  werth,  was  Sie  schreiben. 

Ihre  Recensionen  sind  nun  sämtlich  abgedruckt,  und  wir  bitten  um  baldige 
Einsendung  neuer.  Schlegels  Vorlesungen  sind  von  einem  anderen  Hr.  Rec.  an- 
gezeigt worden:  aber  von  Bachmanns  Logik  möchten  wir  Sie  nicht  gern  entbinden. 
Sie  können  ganz  freimüthig  und  unverhohlen  Ihr  Urtheil  aussprechen.  Ebenso  werden 
zur  Rec.  theils  angetragen,  theils  erinnert: 

Schlegels  Philosophie  der  Geschichte,  2  Bde.,  Beneke  psychologische  Skizzen, 
Krug,  Geschichte  der  Philosophie,  Michelet  über  die  Nikomach.  Ethik,  Dirz  An- 
wendung der  Moral,  Betrachtungen  über  das  Wesen  des  Menschen.     Und  vielleicht 


Nachtrag  zu  1829,  22  1 


haben  Sie  auch  selbst  eins  und  das  andere  philosophische  AVerk,  das  Sie  vorzüglich 
anziehet  und  zu  einer  BeurtheiluDg  einladet. 

Mit  der  aufrichtigsten  Hochachtung    Eichstädt. 

899.  V.  Wrangel  an  H.    (2  S.   4».    N.)  Posen  den  8ten  Dezber.  28 

900.  Richthof en  an   H.     (3  S.    4".)  Brecheishof  den  Uten  Dec.  28. 
...  Sie   haben   also  Ihr  Institut  wieder  aufgegeben;    Schade  und    unerwartet! 

Was  hatten  Sie  für  Grände?  nach  früheren  Briefen  zu  urtheilen  veimuthlich  öko- 
nomische. Soll  dergleichen  recht  gelingen,  so  muß  man  vermögend  genug  seyn, 
um  eine  größere  Zahl  wenigstens  anfänglich  auf  eigne  Kosten  zu  erziehen.  Nur 
durch  eine  Mehrheit  von  Schülern  geht  ein  größeres  Gemeinwesen  und  damit  ein 
Gemein -Geist  hervor;  (das  engere  Familienleben  ist  doch  ia  keinem  Institut  zu 
ei-setzen)  nur  durch  eine  Menge  von  Schülern  können  die  Kosten  erleichtert  werden.  . . 

901.  An   Freih.  von  Richthofen.  ^9-  Dez.  1828. 
„Soll  ich   meine   Zudringlichkeit    an   Sie  wiederholen?    Daß   Ihre   jetzt 

übernommenen  Geschäfte  meinem  Wunsche  sehr  entgegenstehen  werden,  weiß 
ich,  und  bei  allem  Vertrauen,  was  ich  auf  Ihre  lang  gehegte  Freundschaft 
für  mich  setze,  ist  es  doch  schwer  und  kaum  erlaubt,  um  das  zu  bitten, 
was  Sie  mir  früher  schon  zugedacht  hatten.  Nur  das  will  ich  Ihnen  sagen, 
daß  in  diesem  Augenblick  für  mich  vieles  auf  dem  Spiele  steht.  Sie  selbst 
und  Drobisch  haben  schon  vorgearbeitet.  Nun  gerade  bedarf  ich  Hilfe. 
Sagen  Sie  mir  nicht,  Ihr  Skeptizismus  stehe  mir  im  Wege.  Sehr  hilfreich 
wäre  es  mir,  wenn  eine  Rezension  der  Psychologie  von  Ihnen  in  Jena 
mit  dem  Märzstück  könnte  ausgegeben  werden." 

902.  Gruber  an  H.     (3  S.   4».     N.)  Halle  d.  17.  Jan.  29. 
Ew.  Wohlgeboren  sage  ich  für  die  eingesendete  Rec.  über  Troxlers  Metaphysik 

meinen  verbind'ichsten  Dank.  Weit  entfernt  dieselbe  nicht  aufnehmen  zu  wollen, 
habe  ich  vielmehr,  wie  Sie  an  der  Beilage  sehen,  den  Jahrgang  mit  ihr  eröfnen 
lassen.  Mit  Vergnügen  sehe  ich  Ihrer  Rec.  über  Mehrings  Schrift  entgegen.  Von 
neu  erschienenen  philosophischen  Schriften  würden  Sie  vielleicht  die  in  der  Beilage 
verzeichneten  nicht  ungern  zu  recensiren  übernehmen,  ich  aber  von  Ihnen  sie  sehr 
[gern]  recensirt  sehen. 

Über  Recensionen  Ihrer  Schriften  gestehe  ich  Ihnen  offen,  mich  ia  Verlegenheit 
zu  finden,  weil  der  rechte  Mann  dafür  so  schwer  zu  finden  ist.  Der  erste  Band 
ist  einem  Mann  übertragen,  zu  welchem  ich  ein  großes  Vertrauen  habe;  wie 
es  aber  mit  dem  zweiten,  der  nicht  blos  einen  Kenner  der  Geschichte  der 
Philosophie  erfordert,  ergehen  werde,  weiß  ich  nicht.  Es  würde  mir  daher 
sehr  lieb  seyn,  wenn  Sie  selbst  mir  einige  namhaft  machen  wollten,  denen  die 
Anzeige  Ihrer  Schriften  anzuvertrauen  wäi-e.  Herr  Griepenkerl  ist  von  Ihren 
Principien  ausgegangen.  Eine  Re(;.  seiner  Schrift  ist  in  meinen  Händen;  obgleich 
aber  der  Rec.  nach  bestem  Wissen  und  Gewissen  verh  hren  ist,  so  weiß  ich  doch 
nicht,  ob  er  Sie  zufrieden  gestellt  haben  wird.  Er  ist  |i  indeß  mit  Hochachtung  für 
Sie,  und  mit  Unparteilichkeit  gegen  Hrn.  Gr.  zu  Werke  gegangen.  Auf  alles  solche 
Einzelne  kommt  es  nun  aber  nicht  an,  wenn  von  Beurtheilung  Ihi-er  Schriften 
die  Rede  ist,  sondern  darauf,  daß  Ihr  richtig  aufgefaßtes  System  dargestellt  weide. 
Wen  halten  Sie  dessen  fähig?  Zu  einer  Anzeige  Ihrer  Abb.  de  atientionis  mensura 
—  die  übrigens  meines  Wissens  nicht  an  die  Expedition  der  A.  L.  Z.  eingesendet 


222  Nachtrag  zu    1829. 


worden  ist  —  wünschte  ich   dies  zu  wissen.     Auf  jeden  Fall  ist   bei  jedem  Nicht-  j 
Mathematiker  Misverständniß  Ihres  Systems    zu    besorgen,   und  diesem   möchte   ich 
um  der  Sache  und  um  Ihretwillen  gern  vorbeugen. 

Hier  unterbrach  mich  Freund  Wegscheider,  der  mir  aufgetragen  hat,  Sie 
herzlieh  zu  grüßen. 

Mit  ausgezeichneter  Hochachtung  Ew.  Wohlg.  ganz  ergebener     Gruber. 

Bormann,  Die  metaph.  Lehre  v.  d.  Verh.  des  AU. 

Heinroth  über  die  Hypothese  der  Materie  [Fußnote  Herbarts:  „Nur  diese 
habe  ich  übernommen"].  Mußmann,  Grundlinien  der  Logik  etc.  Hinrichs,  Grund- 
linien der  Phil..  Bachmann,  System  der  Logik. 

903.     Graf  Buquoy  an  H.     (4  S.    4".     N.)  Prag  d.  12t  Märtz  1829. 

Euer  Wohlgebohren  I  Mit  innigem  Vergnügen  las  ich  in  der  Leipziger  Litteratur- 
zeitung  die  mit  Ihrer  Unterschrift  gezierte  Recension  meiner  Anregungen  für  phil.  \ 
iviss.  Forschung})    Es  freute  mich  dieß  umsomehr,  als  ich  seit  ganz  kurzer  Zeit  an- 
gefangen  hatte,    mich   mit   Ihrer  Psychologie   ernstei'  zu   beschäftigen.     Sie   hatten 
zwar  vor   einigen  Jahren   schon  die  Giite  mir  selbe  einzusenden  \  allein  ich  konnte  j 
damals  dieselbe  nur  durchblättern,  und  mußte  auf  ruhigere  Augenblicke  das  Studium  ] 
eines  so  wichtigen  und  gediegenen  Werkes  verschieben,  da  ich  seit  mehreren  Jahren 
an  einem  sehr  abstrakten  reinmathematischen  Werke  arbeite,  das  ich  späterhin  (denn  1 
geschwindschreiben  ist  meine  Weise  nicht)  bekannt  zu  machen  gedenke,  und  wodurch  ; 
ich  eine  ganz  neue  Methode,  der  bisherigen  weit  vorzuziehen,  für  die  höhere  analytische  i 
Dynamik  der  Welt  mittheilen  werde,  da  ich  kühn  behaupten  darf,  daß  erst  ich  die  j 
analytische  Dynamik,    die   höhere  Mechanik,    zu    einer   systematischen    in   sich    ge-  \ 
schlossenen  Wissenschaft   umgeschaffen    habe,    das    selbst    einem  Delagrange    nicht 
gelingen  mochte.     Klinge    dieß    meinerseits   auch   noch   so   anmaßend,    so  wird   die 
Folge  lehren,  daß  ich  kein  Windbeutel  oder  Großsprecher,  sondern  daß  ich  nur  ohne  i 
Rückhalt,    ohne   falsche   Modestie,    die   auch  in    Ziererey  ausarten  kann,    ankündige, 
was  mir  zu  leisten  geglückt  ist. 

Da  ich  aber  nun  der  Vollendung  meines  streng  mathematischen  Werkes  mich  ' 
nähere,   so  biethe  ich  mich  Ihnen,    mein  hochzuverehrender  Herr  Professor,    durch  I 
Ihre  Recension  dazu  ermuthigt,    treuhei-zig  an,  j|  noch   nicht   für   diesen  Augenblick,  j 
wo  ich   noch   zu   sehr   mit    meinem  Werke  beschäftigt  bin,    aber  für  die  Folge,    als  ! 
Ihr  Waffenbruder  mit  dazu  beizutragen,  der  Philosophie  in  Deutschland  einen  mehr  i 
mathematischen  Kaiakter   zu    ertheilen,   unter   welcher  Bedingniß    allein,   sie    etwas  | 
Tüchtiges  werden  kann.    Wenn  ich  mich  nicht  ganz  mit  Ihrer  Methode  gleich  anfangs  | 
verständigen    konnte,    und   mich   darüber    freimüthig   äußerte,    so   geschah  Letzteres 
eben  aus  Hochachtung  für  Sie,    und  weil    ich   Ihre    Art    zu    philosophiren   als    die 
einzige  hielt,    die   einer  Beachtung  weith   zu  halten  ist,    für  emen    von  Jugend    an  : 
das  strengste   mathematische  Denken   Hingegebenen,   wie   ich  Emer   bin.     Ich   habe 
mir  vorgenommen,  für  die  Zukunft  eine  Arbeit  zu  unternehmen,    bei  der  ich  mich  \ 
recht  nahe  an  Sie  anschheßen  will  und  wo  ich  Sie  bitte,    mich  redlich    und   kräftig  ] 
zu  unterstützen;  , diese  Arbeit  soll  nehmlich  darin  bestehen,  auf  ähnliche  Weise  als  | 
Neuton   seine  philosophiae   naturalis   principia  mathematica  schrieb,   meinerseits  ein  '•. 
Werk   zu    verfassen,    das   dahin   gehen    soll   die   principia  mathematica  einer  syste-  j 
tnati.sch   streng  wissenschaftlichen  Psychologie,   mit  allen  Kunstgriffen   der  höheren 
Analysis  und  des  höhern  Kalküls  durchzuführen. 


')  S.  Bd.  Xlir,'S.  97  ff. 


Nachtrag  zu   1829.  22 


O 


In  einem  früheren  Werke  unter  dem  Tittel:  Ideelle  Verlierrliehung  des 
mpyrisch  erfaßten  Katurlehens,  habe  ich  manchen  Wink  zu  einer  einstmaligen 
Bearbeitung,  der  Philosophie  im  ||  Geiste  der  Mathematik,  gegeben.  Sehr  freuen 
■würde  ich  mich,  wenn  Sie  jenes  Werk  Ihrer  Aufmerksamkeit  würdigen,  und  etwa 
einiges  darüber  als  Würdigung,  bekannt  machen  möchten.  Wenn  meine  Schriften 
durch  die  Mitwirkung  irgend  Jemandes  an  Verbreitung  und  Eindringen  gewinnen 
sollen,  so  kann  es  mir  durch  Niemanden  willkommener  seyn,  als  durch  einen  Mann 
wie  Sie,  dessen  Wissen  und  Karakter  ich  in  hohem  Grade  achte,  der.  des  wahren 
Forschei-s  würdig,  auf  der  Bahn  der  Wahrheit  fortschreitet,  ohne  sich  darum  zu 
kümmern,  wie  dieß  dort  oder  da  aufgenommen  werden  möchte.  Soll  ich  Ihnen  bei 
dieser  Gelegenheit  ein  offenes.  Bekenntniß  ablegen,  so  gestehe  ich  Ihnen  ganz  un- 
verhohlen, daß  mir,  seit  Napoleons  Sturz,  und  dem  wieder  hervorgesuchten  und  mit 
aller  Gewalt  den  Menschen  aufgedrungenen  Veralterten,  die  deutschen  Gelehrten 
und  Philosophen,  im  Durchschnitt  genommen,  im  hohen  Grade  verächtlich  geworden. 
Ich  klage  sie  ohne  weiteres  einer  Untreue  eines  Verrathes  gegen  Philosophie  und 
Wissenschaft,  und  eines  niederträchtigen  üebertretens  dahin,  an,  wo  Geld,  Güter, 
Würden,  Tittel,  Auszeichnungen  die  die  Geschichte  einst  verachten  wird,  etc.  um 
feile  Worte  erhalten  werden  können.  |J 

Also  nochmals  trage  ich  mich  Ihnen  zum  Waffenbruder  an,  und  versichere 
Sie  wiederholt  meiner  ausgezeichnetsten  Achtung,  womit  ich  verharre  Ihr  ergebener 

Graf  Buquoy. 

P.  S.  Wenn  Sie  mich  zuweilen  mit  einem  Schreiben  erfreuen  wollen,  so  bitte 
ich,  es  nicht  durch  die  Post  zu  thun,  sondern  an  die  Buchhandlung  Breitkopf  und 
Härtel  Ihr  Schreiben  zu  senden,  mit  dem  Auftrage  an  jene  Buchhandlung,  Ihren 
Brief  an  mich  nur  durch  H.  Cobler  in  Chemnitz  zu  schicken.  Bei  uns  werden  die 
Briefe  aufgemacht,  und  von  den  naseweisen  Polizeiagenten  beschnüffelt,  was  für 
Jeden  sehr  unangenehm  ist,  der  mit  jenem  schlechten  Volke  nicht  unter  einer 
Decke  steckt. 

904.    Taute  an  H.     (S'/a  S.    40.)  Königsberg  den  Slsten  März  1829 

Höchstverehrter  Herr  Professor.  Offen  und  unumwunden,  wie  ich's  mündlich 
den  Tag  vor  Ihrer  Abreise  auf  Ihrem  Zimmer  gethan,  will  ich  mir  erlauben,  da  ich 
auf  gütiges  Gehör  bei  Ihnen  zu  rechnen  habe,  noch  ein  Paar  Worte  in  meiner  Sache 
an  Sie  zu  schreiben. 

Das  Mißliche,  welches  es  hat.  Jemand  beim  Ministerium  zu  empfehlen,  der 
noch  nichts  geschrieben,  erkenne  ich  vollkommen  an;  sowie  aber  meine  Bitte  an 
Sie  eine  durchaus  gelegentliche,  durch  Ihre  Reise  nach  Berlin  veranlaßte,  gewesen, 
so  erwartete  ich  Gewährung  auch  nur  in  so  fern,  als  Sie  selber  fänden,  daß  sich 
etwas  dafür  thun  ließe,  und  die  Umstände  in  Berlin  einem  solchen  Unternehmen 
Raum  geben,  oder  es  gar  begünstigten. 

Daß  das  Ministerium  auf  Ihre  gütige  Fürsprache  sich  entschließen  sollte,  mir 
eine  Unterstützung  von  dreihundert  Thalern  zu  bewilligen,  erschien  mir,  gestehe  ich 
offen,  wenn  ich  das,  was  das  Ministerium  seit  einigen  Jahren  für  Privatdocenten 
und  junge  Gelehrte  überhaupt  zu  thun  gewohnt  ist,  überdachte,  sehr  unwahrschein- 
lich; eher  wollte  ich  glauben,  würde  es  gesonnen  sein,  wenn  bei  dem  Gewicht,  mit 
welchem  Sie  in  Berlin  auftreten,  bei  der  so  großen  allgemein  bekannten  Willfährig- 
keit des  Ministeriums  gegen  Gelehrte  von  bedeutendem  Rang,  bei  der  Sorgfalt,  mit 
welcher  dasselbe  die  Studien  auf  Universitäten  zu  fördern  bemüht  ist.  die,  Herr 
Professor,  es  irgend  wünschten,  einen  i|  Gehülfen  für  Logik,  Geschichte  der  Philo- 
sophie, Religionsphilosophie  u.  s.  w.  neben   sich  in  Königsberg  zu  sehen,   daß,  sage 


2  24  Nachtrag  zu   1829. 


ich,  das  Ministerium  Ihnen  einen  solchen  beiordnen  würde:  denn  im  ersten  Falle 
geschähe  etwas  Außerordentliches,  was  man  nicht  gern  tliut,  in  diesem  zweiten  aber 
gäbe  es  nur  einen  Professor  extraordinarius  mehr  in  Königsberg,  und  mit  denen 
pflegt  man,  wenn  sie  auch  nichts  Bedeutenderes,  als  eine  Habilitirungsdissertation 
haben  drucken  lassen,  eben  nicht  sparsam  zu  sein. 

Seit  Jahren  gehe  ich  mit  einer  größeren  dem  ■  philosophischen  Publikum  zu 
übergebenden  Arbeit  um,  bin  aber  bisher  von  der  Ausführung  theils  durch  die 
Studien,  die  ich  schlechterdings  machen  mußte,  theils  durch  den  Wunsch,  Ihre 
Metaphysik  zuvor  gelesen  und  noch  einmal  Ihr  System  im  Zusammenhang  und  in 
seiner  ganzen  Vollendung  übersehn  zu  haben,  abgehalten  worden.  Ich  betrachte 
den  transcendentalen  Idealismus  als  den  Tummelplatz  der  Philosophen  seit  Kant; 
steht  Ihrem  System  ein  Kampf  bevor,  so  glaube  ich,  wird  er  besonders  auf  diesem 
Gebiete  geführt  werden.  Seine  metaphysische  und  historische  Herleitung,  wie  das 
philosophische  Denken  auf  ihn  kommen  mußte,  und  auch  wirklich  gekommen  ist, 
seine  Umgestaltungen,  seine  Unzulänglichkeit,  die  Widersprüche,  in  welche  er  geräth, 
die  daraus  hervorgehende  Noth wendigkeit  einer  Umformung  desselben;  dieß,  giebt 
den  Stoff  für  meine  Arbeit  und  bestimmt  die  zu  lösende  Aufgabe.  Wie  Sie,  Herr 
Professor,  von  dem  Gegebenen,  von  den  Formen  der  Erfahrung  ausgehen  und  deren 
Umarbeitung  vollziehen;  so,  glaube  ich,  könne  man  umgekehrt  von  den  Höhen  des 
durch  Kant  und  ||  seine  Nachfolger  ausgebildeten  und  dem  Denker  fertig  und  klar 
vorliegenden  Idealismus  die  Nothwendigkeit  seiner  Umgestaltung  darthun  und  zur 
Erfahrung  hinabsteigend  ihn  mit  Naturphilosophie  und  Psychologie  aussöhnen.  Hat 
die  Philosophie  bei  Begriffen,  wie  die  des  Seins  und  Werdens,  den  sogenannten 
Kategorien  überhaupt,  die  sämmtlich  nicht  gegeben,  sondern  gedacht  sind,  eben  so  auch 
bei  den  Formen  der  Anschauung,  die  psychologische  Richtung  genommen,  scheint 
dieser  Weg  sogar  in  der  Natur  der  Sache  zu  liegen;  so  begegnet  man,  wird  die  Be- 
arbeitung jener  ßegiiffe  und  Formen  von  diesem  Standpunkte  bewerkstelligt,  den 
Freunden  und  Anhängern  der  Transcendentalphilosophie  auf  ihrem  eignen  Gebiete 
und  hat  somit  leichteres  Spiel.  Erst  nach  einem  vollkommen,  mehrfach  dargethanen 
\md  auch  von  den  Gegnern  zugestandenen  Umsturz  des  transcendentalen  Idealismus, 
bildete  ich  mir  ein,  werde  Ihr  System,  Herr  Professor,  seine  Triumphe  feiern. 

Daß  sich  das  Ministerium  von  der  Zweckmäßigkeit  einer  solchen  Arbeit  über- 
zeugen, oder  gar  Geld  auf  ein  AVerk,  das  sein  Risiko  hat,  werde  anlegen  wollen,  be- 
zweifelte ich  wiederholentlich.  Nachdem  ich  also  meine  Lage  nochmals  überschaut; 
wenn  ich  fühle,  daß  es  mir  angenehmer  sein  würde,  keine  Verpflichtungen  zu  über- 
nehmen, sondern  aus  eignen  Kräften  und  auf  eigne  Gefahr  etwas,  das  brauchbar, 
hinzu-stellen;  wenn  ich's  tiberdieß  ganz  in  der  Ordnung  finde,  daß,  wer  ein  öffeat- 
liches  Lehramt  in  Anspruch  nimmt,  sich  zuvor  müsse  gezeigt  und  bewährt  haben: 
so  denke  ich  daran,  Hochgeschätzter  Herr  Professor,  Sie  ganz  ergebenst  zu  bitten, 
für  mich  keine  Schritte  beim  Ministerium  zu  thun,  namentlich  ||  aber  auf  keine  Geld- 
unterstützung anzutragen.  Indem  ich  nichts  Außerordentliches  zur  Hebung  meiner 
Verhältnisse  erwarte,  werde  ich  mich  freuen  und  glücklich  schätzen,  wenn  diese 
Zeilen  nur  zugleich  eine  Rechtfertigung  wegen  dessen  enthalten,  was  ich  fortan  für 
mich  zu  thun  genöthigt  bin. 

Aber  wie  sehr  wünsche  ich,  daß  Sie,  Herr  Professor,  den  Zweck  Ihrer  Reise 
vollkommen  erreichen  mögen!  Der  Ruhm  des  Lehrers  und  Meisters  hat  Glanz  genug, 
um  auf  die  Schüler  und  Nachfolger  einige  Strahlen  zu  werfen!  Vergeben  Sie,  wenn 
auch  ich  mich  dazu  dränge,  einige  derselben  zu  erhaschen.  Schon  darum  wünsche 
ich  Ihnen  den  besten  Erfolg  und  verbleibe  mit  vorzüglichster  Hochachtung  und  Ehr- 
erbietung Ihr  ganz  ergebener  Taute. 


Nachtrag  zu    1829.  22^ 


905.  Süvern  an  H.    (1  S.   4».    N.)  B.  11/4  29 
Ew.  Wohlgeborea   hatte  ich   so   sehr  gewünscht  einmal  in  Ihnen   angenehmer 

Geseilschaft  bei  mir  zu  sehn.  Unpäßlichkeit  meiner  Frau  und  andere  häusliche  Un- 
ruhe, die  aus  dem  auf  übennorgen  oder  Mittwoch  uns  angekündigten  Ankunft  meiner 
Schwägerin  aus  Marienburg  entsteht,  hindern  mich  leider  daran.  Macht  es  Ihnen 
aber  nicht  zu  viel  Mühe,  mich  außerdem  zu  besuchen,  so  werde  ich  Sie  übermorgen, 
Dienstag,  um  10  Uhr  erwarten,  ich  möchte  Sie  doch  zu  gern  sprechen  und  habe 
Sie  auch  schon  aufgesucht,  aber  nicht  gefunden.  Vorläufig  meinen  herzlichsten 
Dank  für  Ihre  Psychologie  und  Metaphysik,  in  deren  ersterm  Theile  sich  allenfalls 
noch  blättern  läßt,  was  ich  auch  so  oft  ich  Muße  habe  und  aufgelegt  bin  thue. 

Hochachtungsvoll     Süvern. 

906.  Kamptz')  an  H.     (1  S.    4°.     N.)  Berlin  d.  11  1829 
Euer  Wolgeboren  bezeige  ich  den  verbindlichst-gehorsamsten  Dank  für  die  so 

interessanten  literarischen  Geschenke,  womit  Sie  mich  heute  so  reichlich  zu  er- 
freuen, die  Güte  gehabt  haben.  Wenn  die  mir  verehrten  Werke  mir  schon  wegen 
ihres  gediegenen  Inhalts  unendlich  schätzbar  sind,  so  wird  ihr  Werth  so  bedeutend 
dadurch  erhöht,  daß  sie  mir  zugleich  Beweise  des  mir  so  unschätzbaren,  wohl- 
wollenden Andenkens  des  hochverehrten  Verfassers  sind.  Mit  dankbarer  An- 
erkennung desselben  werde  ich  diese  Werke  stets  nur  zur  Hand  nehmen.  Ew. 
Wolgeb.  bezeige  ich  wiederholendlich  meine  Freude  über  die  Ehre  Ihre  persönliche 
Bekanntschaft  gemacht  zu  haben  und  hoffe,  wenn  meine  Gesundheit  es  mir  irgend 
gestattet,  Ihnen  diese  Freude  noch  einmabi  persönlich  auszudrücken  und  der  Fort- 
dauer Ihres  gütigen  Andenkens  mich  zu  empfehlen. 

Mit  der  ausgezeichnetsten  Hochachtung  ganz  ergebenst    Kamptz. 

907.  Richthofen  an  H.    i,3  S.    4«.    N.)     Ohne  Datum.   Poststempel  28.  April  [29 ?] 
Mein   sehr  verehrter  Freund!    Mit   wahrem  Vergnügen    habe   ich   Ihr   letztes 

Schreiben  empfangen  und  mich  durch  dasselbe  für  Ihr  langes  Stillschweigen  voll- 
kommen entschädigt  gefühlt.  Sie  haben  mir  dadurch  wiederhohlt  bewiesen,  daß  Sie 
zu  der  kleinen  Zahl  derer  gehören,  bei  denen  es  nicht  täglicher  Erinnerung,  nicht 
eines  täglichen  Verkehrs  bedarf,  um  die  alte  Herzlichkeit  ungeschwächt  zu  bewahren; 
daß  Sie,  was  so  selten,  Tiefe  des  Gefühls  mit  philosophisch-mathematischem  Tiefsinn 
vereinigen.  Aber  vielleicht  erschrecken  Sie,  während  ich  Ihren  Brief  rühme,  über 
den  meinigen,  beklagen  Sie,  daß  auch  in  mir  jene  alte,  vielgescholtene  Psychologie 
spucke,  und  daß  ich  noch  oben  ein  statt  den  gereichten  Finger  die  ganze  Hand  fasse, 
und  nicht  nur  Ihre  Schrift  sondern  Sie  selbst,  meinen  philosophischen  Freund  der 
Kritik  unterwerfe.  So  möge  Sie  denn  die  schnelle  Versicherung  trösten,  daß  ich 
zwar  bereit  bin,  Ihre  Schrift,  wenn  es  die  Redaktion  begehrt,  in  der  Jenaer  Zeitung 
anzuzeigen,  daß  das  gewöhnliche  Meistern  des  Kecensenten- Volkes  gegen  meinen 
alten  Freund  und  Lehrer  mir  aber  völlig  unmöglich  sein  würde.  Zwar  fühle  ich 
daß  ich  auch  hiezu  keineswegs  ganz  geeignet  bin,  nahmentlich  bin  ich  im  Philo- 
sophiren zu  wenig  geübt,  um  mich  einer  Gedankenfolge  mit  dem  entschiedenen 
Vertrauen  ||  hinzugeben,  daß  der  mangelnde  Ausweg  ein  jederzeit  schlagender  Beweis 
der  Richtigkeit  des  erwählten  Pfades  sey;  indem  ich  an  mir  selbst  zweifle,  will  ich 
mich  von  der  Richtigkeit  der  Gedanken  reihe  auch  objektiv  überzeugen;  aber  ich 
würde  mich  bemühen  auf  das  Eigenthümliche  Ihrer  Psychologie  hinzuführen,  was 
so  leicht  hervorspringt,  und  vorzüglich  die  Freunde  der  Mathematik,  die  schon  durch 


^)  K.  Chr.  A.  H.  von  Kamptz  (1769—1849),  preußischer  Staatsmann. 

Herbarts  Werke.     XIX.  1 5 


2  2()  Nachtrag  zu   1829. 


Bessels  Äußerung  gewonnen  werden  müßen,  auf  Ihr  Bestreben  aufmerksam  zu 
machen,  die  Psychologie  ihrem  Gebieth  zuzugesellen.  Ich  glaube  übrigens  nicht 
daß  hiezu  eine  große  Weitläuftigkeit  Noth  thue,  ja  vielleicht  würde  sie  sogar  schaden; 
lange  Recensionen  werden  in  der  Regel,  wenn  sie  nicht  zänkischer  Art  sind,  nur 
von  denjenigen  gelesen,  in  denen  das  Interesse  nicht  erst  erweckt  werden  soll, 
sondern  die  es  schon  besitzen;  demungeachtet  würde  ich  einiger  Zeit  bedürfen,  um 
mich  in  Ihrer  Philosophie  erst  wieder  hinlänglich  zu  befestigen,  zumahl  es  im 
Sommer  nicht  an  Unterbrechungen  fehlt.  Endlich  finde  ich  soeben  in  Becks  Reper- 
torium  daß  in  den  Göttingischen  Anzeigen  eine  von  mir  nicht  gesehene  ausführliche 
Beurtheilung  Ihrer  Schrift  durch  Herrn  Beneke  steht.  Sollte  Ihnen  vielleicht  diese 
zu  mehreren  Bemerkungen  Anlaß  geben,  so  bin  ich  gern  erböthig,  wenn  Sie  es 
wünschen,  selbige  in  die  von  mir  gewünschte  Anzeige  zu  verflechten;  versteht  sich 
wenn  die  Wahl  der  Redaktion  auf  mich  fällt,  und  sie  bei  dem  Nahmen  eines  Land- 
mannes nicht  ein  horror  vacui  ergreift.  |1 

Noch  erwünschter  als  Ihr  erster  gütiger  Vorschlag  war  mir  freilich  der  zweite ; 
es  würde  ein  von  mir  längst  gehegter  Wunsch  dadurch  in  Erfüll ang  gehen,  und  die    i 
kleine   Entfernung   ist   durchaus   kein   Hinderniß.     Aber   lieber  Freund,   im    letzten    1 
Drittel  des  Juli  erwartet  meine  Frau  eine  abermahlige  Entbindung;   Sie  wissen  ich    ■ 
habe  früher  bei  dieser  Gelegenheit  meine  unvergeßliche  Therese  verlohren,  und  noch    1 
vor  Kurzem    meine   jüngste  Schwester  in   der  Blüthe   der  .lugend.     Selbst   zu   mir   : 
kann  ich  Sie  daher  in  dieser  Zeit   nicht  einladen,    aber  herzlich  würde  ich   mich    1 
freuen  wenn  Ihre  Geschaffte  Ihnen  erlaubten  Ihre  Reise  in  den  Herbst  zu  verlegen,    i 
und  dann  bin  ich  erböthig  Sie  überall  diesseits  der  Wüste  zu  empfangen.     So  sehr    I 
sollte  Sie  Ihr  Seminar  doch  nicht  hemmen !    Aber  vielleicht  geben  Sie  noch  manchen 
Rückerinnerungen  Raum,  und  frohlocken  würde  ich  wenn  die  etwas  komplicirte  Vor- 
stellung  des  Seminars    dennoch    hinlänglich   verdunkelt  würde,    um    mir  möglich  zu    1 
machen  Sie  persönlich  meiner  alten  Freundschaft  zu  versichern.  : 

Ganz  der  Ihrige     Richthofen.  ' 

908.  Richthofen  an  H.     (1  S.    4".     N.)  Brecheishof  den  20sten  Juni  29.   j 

909.  An  Freih.  von  Richthofen.  9-  Juli  1829.    ! 
„Wenn  Sie  meinem  Schweigen  ein  wenig  zürnen,  so  schieben  Sie  die    : 

Schuld  auf  eine  unrichtige  Ursache.     Ich  brüte  nicht  über  einer  Antikritik  j 

und   bin   auch  nicht  darum,   weil   Ihre  Rezension   mich  nicht  mehr  in  Berlin  ' 

erreichte,  minder  dankbar  dafür.     In  Berlin  fand  ich  die    größte  Gefällig-  ; 

keit  von  meinen  alten  Bekannten  bis  zum    Minister  und   zum  Kronprinzen  | 

hinauf.      Auch  bei  Schulz   und   Altenstein.     Es  schien   Absicht,  mir  zu   be-  ; 
weisen,  daß  man  bei  der  Gunst  für  Hegel  nicht  unbillig  gegen  andere  sei. 
Da  ich    den  Wunsch    ausdrückte,    zu   Drobisch    und   Brandis    (in   Bonn)   zu 

reisen,    wurden    dazu   gleich  300  Thaler  bewilligt.    —    Doch    ist    es    Zeit,  '; 

daß   ich    von  Ihrer  Rezension    spreche.     Da   ich    an   Reichhelm,    der   alle  ; 

Verhältnisse  in  Berlin  sehr  genau  kennt,  wegen  der  Schwierigkeiten  schrieb,  j 

die    eine    Reise    in    diesem    Herbste   nach    Frankfurt   a.   M.    (wohin    mich  ' 

Brandis    auf    den    6.   Oktober    bestellen    wollte)    für    mich    haben    würde,  ' 
antwortete  er   mir:    ,Sofern  Sie    es  wünschen,    wird  man  Ihnen  statt  einer 

Reise  nach  Frankfurt  wohl  eine  zu  Herrn  von  Richthofen  gestatten.     Denn  j 

Richthofens    Rezension    hat   im    allgemeinen   hier    Anerkennung    gefunden.  ' 

Gegen    Einzelnes    werden    Bedenken    geäußert.'      Mit    Bedauern    muß     icn  j 

hinzufügen,    daß   ich    zu    einem    Reiseplan    nach    Brecheishof   mich    —    sa  ] 


Nachtrag  zu  1829.  22' 


gern  ich  käme  —  noch  nicht  berechtigt  finde.  Eine  Reise  zu  meinem 
ahen  Freunde  wäre  eine  Reise  in  meinem  ahen  Kreise,  wenigstens  möchte 
sie  leicht  so  angesehen  werden.'-  —  [Herbart  schlägt  deshalb  Richthofen 
vor,  nächstes  Jahr  mit  ihm  und  Drobisch  in  Leipzig  zusammen  zu  kommen. 
Eine  persönhche  Zusammenkunft  Herbarts  mit  seinen  philosophischen 
Freunden  war  nämlich  deshalb  gewünscht  worden,  um  dem  ausgezeichneten 
aber  in  seiner  Tätigkeit  als  Professor  und  Leiter  seines  pädagogischen 
Seminars  in  Königsberg  in  allerlei  Verlegenheiten  und  Mißverhältnisse  ge- 
ratenen Gelehrten  zu  raten  und  ihn  zu  neuer  wissenschaftlicher  Tätigkeit, 
vielleicht  auch  durch  eine  Versetzung,  anzuregen.  Eine  solche  Zusammen- 
kunft erschien  aber  besser  in  Berlin  als  in  Leipzig.] 

910.     Bräuer')  an  H.     (3  S.    4«.     N.)  Breslau,  den  2.  August  1829. 

Hochzuverehrender  Herr!  Ew.  "Wohlgeboren  werden  verzeihen,  daß  ich  mir 
die  Freiheit  nehme  an  Sie  zu  schreiben.  Gänzlicher  Mangel  an  Unterstützung 
machten  es  mir  unmöglich,  meinem  Fach,  der  Historienmalerei  frei  nachzugehen. 
Der  mir  inne  wohnende  Ernst  und  die  Liebe  für  Kunst  trieben  mich  daher  auf 
eine  andere  "Weise  thätig  zu  sein,  nämlich  für  allgemeine  Bildung  des  Kunstsinnes 
den  Weg  des  Unterrichts  zu  verfolgen.  Seit  Jahren  beschäftige  ich  mich  mit  Zeichen- 
unterricht, und  ich  fühle  einen  Beruf,  meine  Unterrichtsweise  öffentlich  mitzutheilen. 

Ihr  ABC  der  Anschauung  ist  mir  auf  meiner  Bahn  ein  großer  Schatz  geworden, 
es  ist  mein  Lehrbuch,  welches  mich  fortwährend  anregt  —  Oft  habe  ich  mich  in 
Ihre  Nähe  gewünscht,  um  Sie  über  dieses  und  jenes  zu  fragen,  Ihnen  meine  beim 
Unterricht  gemachten  Erfahrungen  und  meine  Zeichnungen  (Studien  für  den  Unter- 
richt) vorzulegen  —  || 

Ich  gebe  nun  von  meinem  ABC  der  Anschauung  denjenigen  Theil,  welcher 
den  elementarischen  Unterricht  befaßt,  mit  12  Bogen  Lithographie  heraus;  ich  habe 
mir  die  Freiheit  genommen,  an  verschiedenen  Orten  Stellen  aus  Ihrem  Werk  ein- 
zurücken, und  bin  sehr  begierig,  ob  und  wie  Sie,  hochzuverehrender  Herr!  damit 
zufrieden  sein  werden. 

Da  es  mit  dem  Druck  meines  elementarischen  Unterrichts  so  langsam  geht, 
kann  ich  nicht  länger  warten,  mich  Ihnen  schriftlich  vorzustellen,  und  Ihnen  einst- 
weilen einige  Proben  von  meiner  Bestrebung  mitzutheilen. 

Es  sind  folgende  drei  Sachen:  Erstens:  Ein  kurzer  Aufsatz  über  Zeichenunter- 
richt in  Dr.  Hoffmanns  schlesischer  Monats.schrift,^)  zweitens,  der  Leitfaden  zu  meinem 
Unterricht,  drittens,  ein  Entwurf  zu  einer  Arbeit,  die  ich  dem  elemeutarischen 
Theil  meines  ABC  der  Anschauung,  unter  dem  Titel  Zauberschrank  nachzusenden 
gedenke.^)  || 


')  Karl  Bräuer,  Zeichenlehrer  a.  kath.  Schullehrerseminar  und  a.  d.  Wilhelms- 
schule m  Breslau.  Daß  er  der  Erste  gewesen  ist,  der  Herbartische  Grundsätze 
auf  den  Zeichenunterricht  anwandte,  war  noch  nicht  bekannt,  bisher  galt  Flinzer 
als  solcher. 

■^)  Monatschrift  von  und  für  Schlesien,  herausg.  von  H.  Hoffmann.  Breslau, 
Jahrg.  1829.     I,  S.  31.5—320. 

^)  Von  diesen  Arbeiten  scheint  nur  erschienen  zu  sein:  „Die  Theorie  der 
freien  Auffassung.  In  einer  lithographischen  Übersichtstafel  enthaltend  die  wesent- 
lichsten Hilfsmittel  beim  Unterricht  im  Zeichnen."  (Breslau,  ohne  Jahr.)  Dort 
wird  S.  31  auf  Herbarts  Buch  „Pest.  Idee  eines  ABC  pp."  verwiesen.  Dem  Buche 
„verdanke  er  die  meiste  Anregung  fürs  freie  Zeichnen,  es  handle  so  viel  und  klar 
von  der  künstlerischen  Tätigkeit  beim  Auffassen  und  von  der  Auffassung  einer  ver- 
wickelten Form  durch  Hauptpunkte". 

15* 


2  28  Nachtrag  zu   1829. 


Ich  bitte  Sie,  hochzuverehrender  Herr!  diesen  Dingen  einige  Aufmerksamkeit 
zu  schenken,  und  mich  recht  bald  mit  einigen  Worten  darüber  zu  erfreuen. 

Ihrem  Wohlwollen  mich  bestens  empfehlend,  verbleibe  ich  mit  der  größten 
Hochachtung  Ihr  ganz  ergebenster     Karl  Bräuer. 

Zeichenlehrer  in  Breslau  (Wohnhaft  Katharinenecke  am  Neumarkt). 

QU  Berlin,  9.  Aug.  1829 

„Patent  für  den  Prof.  Herbart  in  Königsberg  als  Schulrath  und  Ehrenmitglied 
des  dortigen  Consistorü  und  Provinzial-Schul-Collegü"  („mit  Sitz  und  Sthume,  jedoch 
ohne  Gehalt").     N.^) 

912.    Bobrik  an  H.     (2  S.    4".     N.)  Berlin  den  26.  Septbr.  29. 

Herr  Professor!  Indem  ich  mir  die  Freiheit  nehme,  mit  dem  ganzen  Gefühle 
der  innigsten  Verehrung,  das  mich  gegen  Sie  stets  erfüllt  hat  und  beseelen  wird, 
schon  eines  von  den  hier  vorgefundenen  Exemplaren  zu  überreichen,  habe  ich  zu- 
gleich das  ausgezeichnete  Vergnügen,  Ihnen  die  ausgezeichnete  und  wohlwollende 
Aufmerksamkeit  zu  berichten,  mit  der  sich  sämmtliche  Herren  Ministerialräthe  nach 
Ihrem  Befinden  erkundigten,  und  mir  auftrugen  Ihnen  ihre  Empfehlungen  zu  sagen. 
Der  Staatsrath  Süvern  war  ein  wenig  zu  kränklich,  um  über  die  äußersten  Anfangs- 
punkte eines  Gesprächs  hinauszugehn,  dennoch  trug  er  mir  dasselbe  auf;  von 
St.  Nicolovius  war  die  alte  freundschaftliche  Stimmung  zu  erwarten,  mit  der  er 
Ihrer  stets  zu  gedenken  pflegt;  Hr.  v.  Kamptz  übertrug  mir  mit  seiner  grandiosen 
Feinheit  in  den  schmeichelhaftesten  Ausdrücken  seine  Empfehlung  an  Sie;  Geh.  R. 
Schulze  aber  unterhielt  sich  fast  eine  Stunde  mit  mir,  und  gab  mir  in  dem  herz- 
lichsten Tone,  in  den  er  allmälilig  gerathen  war,  nicht  nur  die  freundschaftlichsten 
Empfehlungsausdrücke  an  Sie,  sondern  auch  den  Auftrag  „Sie  zu  einer  baldigen 
Wiederherkunft  aufzufordern''.  Den  Minister  selbst  habe  ich  nicht  abwarten  können, 
da  man  seiner  Ankunft  erst  gegen  Ende  dieses  Monats  entgegensieht. 

Herren  Reg.  Reichheim  habe  ich  nur  erst  einmal  sprechen  können,  da  die 
Abiturientenexamen  der  hiesigen  Gymnasien  ihn  jetzt  zu  sehr  beschäftigen.  Dies 
hindert  ihn  vielleicht  auch  Ihren  Brief  sogleich  selbst  zu  beantworten,  und  in  dei 
Voraussetzung,  daß  ich  früher  das  Vergnügen  haben  würde  mich  schriftlich  mit 
Ihnen  zu  unterhalten,  hat  er  mir  über  zwei  Angelegenheiten  seine  Meinung  Ihnen 
mitzutheilen  aufgetragen.  Ueber  die  erste,  mir  völlig  unbekannte,  sprach  er,  natür- 
lich für  mich  räthselhaft,  daß  er  wisse:  die  Sache  sei  bei  dem  Minister  eingelangt, 
aber  durch  dessen  Krankheit,  Verlust  des  Sohnes,  Krankheitsrückfall,  und  Abreise 
wabrscheinlich  ins  Stocken  gerathen,  und  also  erst  nach  seiner  Rückkunft  resultorisch 
erkenntlich.  Die  zweite  wegen  Voigt,  stellte  er  so  dar:  Es  liege  außer  dem  Be- 
reiche des  Ministeriums  irgend  einem  Consistorium  in  der  Wahl  eines  Predigtamts 
Candidaten  Einspruch  zu  thim,  wenn  keine  gesetzlichen  Hinderniße  vorhanden  sind. 
um  so  weniger  werde  sich  der  Minister  der  etw  anigen  Renitenz  der  dortigen  Regie- 
rung aussetzen,  daher  habe  nur  das  unglückliche  Zusammentreffen  der  beiderseitigen 

■)  An  dieser  Steile  sei  Herbarts  Anteil  an  der  Einrichtung  einer  neuen  Schui- 
gattung  mitgeteilt.  Die  Anregung  ging  1828  von  Bessel  aus.  „Herbart,  mit  dem 
über  die  Sache  ausführlich  verhandelt  wurde,  schlug  vor,  die  neue  Schule:  ,Hohe 
Volksschule'  zu  nennen.  Wie  die  Gymnasien  vorzugsweise  die  Aufgabe  haben, 
Leiter  und  Führer  des  Volks  für  die  Universität  vorzubereiten,  so  wäre  die  Auf- 
gabe dieser  hohen  Volksschule,  den  edleren  Teil  des  Volks  selbst  zu  bilden.  .  .  , 
Alexander  von  Humboldt  erkannte  die  Notwendigkeit  der  Errichtung  solcher  Schulen 
vollständig  an  und  verlangte  die  Publikation  des  Plans.  .  .  ."  Nach  „Aus  den  Papieren 
des  Ministers  Th.  von  Schön"  2.  Teil,  3.  Bd.  S.  103  f.  (Berlin  1876.)  —  S.  0.  Bd.  U 
der  Briefe  S.  251. 


Nachtrag  zu    1829.  220 


"Wahl  diese  Schwankung  herbeigeführt.  Doch  glaube  er  daß  Ihre  Anzeige  von  Voigts 
interimistischen  Anstellung  im  Seminar  (bis  das  Wonndittische  Gehalt  regulirt  ist) 
und  die  Sorge,  während  seiner  Anwesenheit  ein  anderes  Subjekt  zu  finden  und  vor- 
zuschlagen, die  nächstzuergreifenden  Maaßregeln  wären.  Daß  das  lebhafteste  [Wohl- 
wol]len  für  Sie  bei  dem  Ministerium  vorherrsche  ||  meinte  er  eben  so  sicher  behaupten 
zu  können,  als  ich  es  jetzt  glaube  bei  den  persönlichen  Aufwartungen  erfahren 
zu  haben. 

Uebermorgen,  Mondtag,  setze  ich  meine  Reise  fort,  hoffe  bald  von  Bonn  aus 
mich  wieder  bei  Ihnen  zu  melden,  und  empfehle  mich  für  jetzt  mit  dem  Wunsche 
Ihrer  vollkommensten  Gesundheit,  in  kindlicher  Ehrfurcht      Ergebenster     Bobrik. 

913.  Bobrik  an   H.     (2  S.    4".    N.)  Bonn  den  17  Nvbr  1829. 
Verehrtester  Herr  Professor!     Mit  dem   ergebensten  Danke   habe  ich  so  eben 

Ihr  gütiges  Schreiben  vom  9ten  dies.  Mon.  gelesen,  und  erkenne  die  väterliche 
Sorgfalt  für  mich  darin,  doch  hebt  es  meine  Hoffnung  nicht  wieder  auf.  Doch  ehe 
ich  damber  meine  Ueberzeuguug  ausspreche  erlaube  ich  mir  anzuzeigen,  daß  ich  in 
der  Logik,  4  und  in  der  Einleitung  10  Zuhörer  bekommen  habe.  Auch  habe  ich 
auf  mehrseitige  Veranlaßung  die  Mathematische  Bearbeitung  der  Psychologie  an- 
gekündigt und  schon  zweimal  gelesen,  20  Mathematiker  haben  bei  mir  unterschrieben 
aber  in  beiden  bisherigen  Vorträgen  waren  über  30  Zuhörer. 

Dieses  Gelingen  macht  mich  insofern  ruhiger,  als  ich  nun  weiß,  wie  ich  bei 
günstigem  äußeren  Verhältnissen  jetzt  auf  meinem  Platze  stünde,  und  daß  ich  ohne 
weitere  eigne  Schuld  dem  äußern  Drange  nachzugeben  gezwungen  sein  werde.  Da 
hier  in  der  Philos.  Facultät  einige  Extraordinarien  ohne  Gehalt  sind,  so  darf  ich 
von  Seiten  des  Ministeriums  gewiß  nichts  erwarten,  selbst  wenn  der  Minister  auf 
Augenblicke  vergessen  könnte,  daß  ich  kein  Schüler  Hegels  bin.  H.  Geh.  R.  Hüll- 
mann ist  durch  sein  häusliches  Unglück  zu  sehr  darnieder  gedrückt,  als  daß  er 
irgend  tiefere  TheiJnahme  an  einen  fremden  Hülfsbedürftigen  nehmen  könnte,  doch 
selbst  in  diesem  Falle  könnte  er  nicht  helfen,  da  die  hiesige  Universitätscasse  in 
keiner  Rücksicht  schnelle  Hülfe  zu  leisten  vennag. 

An  H.  Prof.  Brandis  werde  ich  die  erfreuliche  Empfehlung  noch  heute  bringen. 
^-  In  Berlin  sowohl  als  hier  hörte  ich,  daß  das  Ministerium  zur  Absicht  gehabt 
habe,  an  die  Stelle  des  zuletzt  von  hier  abgegangenen  Elvenich,  einen  Schüler 
Hegels  herzuschicken,  welcher  Absicht  ich  wahrscheinlich  unwillkommen  entgegen- 
getreten bin,  und  daher  von  dort  keinen  Halt  zu  erwarten  habe.  Den  eigentlichen 
Werth  des  Faches,  dem  ich  mich  ergeben,  habe  ich  nun  zu  sehr  schätzen  gelernt 
als  daß  ich  ohne  die  höchste  Noth  davon  mich  sollte  abdrängen  laßen.  In  die  vorige 
Art  des  gedrückten  Zustandes  mag  ich  unmöglich  zurück,  vorwärts  kann  ich  vorm 
ersten  des  nächsten  Monats  nicht,  mich  zu  vergeblichem  Hülfeflehen  ||  auszusetzen 
halte  ich  mich  zu  gut,  und  würde  meine  hiesige  Stellung  dadurch  in  jeder  Hinsicht 
.verderben.  Daher  muß  ich  ruhig  und  mit  möglichster  Fassung  dem  Herannahen 
des  nächsten  Monats  entgegensehen,  bis  dahin  wird  mich  nie  der  Wille  verlassen 
mich  hier  Ihrer  würdig  zu  zeigen,    wie  es  bisher  mir  gelungen  zu  sein  scheint. 

Mit  aller  Ergebenheit  Ihr  gehorsamster    Bobrik. 

914.  E.  Erdmann  an  H.^)  Wohnar  6  Dec./24  Nov.  1829. 

Hochwohlgeborener  Herr  Professor  Hochverehrter  Herr  Doctor  Mit  dem  herz- 
lichsten Dank  für  Ihr  geehrtes  Schreiben   beginne   ich   diese  Zeilen,  die   Ihnen    zu 

*)  3  S.  40.  N.  —  J.  E.  Erdmann  (1805—1892),  später  Prof.  in  Haue,  wai- 
damals  Geistlicher  in  seiner  Vaterstadt  Wolmar  in  Livland. 


2XO  Nachtrag  zu   1829. 


senden  ich  umsoniehr  für  meine  Pflicht  halte  als  ich  Ew.  Hochwohlgeboren  nicht 
nur  in  Ihren  Geschäften  unterbrochen,  sondern  auch  in  einer  Unpäßlichkeit  gestört 
habe.  Den  herzlichsten  Dank  bin  ich  Ihnen  aber  schuldig,  theils  überhaupt  der  er- 
langten Auskunft  wegen,  theils  aber  und  insbesondere  über  Ihre  Ansicht  den  In- 
halt meiner  Dissertation  betreffend.  Kann  ich  nun  gleich  eine  Scheidung  der 
Theologie  und  Philosophie  nicht  für  möglich,  viel  weniger  für  rathsam  achten,  so 
ist  es  ja  offenbar,  daß  ein  solches  Vorurtheil  —  denn  das  ist  ja  meine  Meinung 
solange  ich  sie  nicht  erwiesen  habe  —  mir  nicht  das  Recht  giebt  mit  einer  Disser- 
tation solchen  Inhalts,  wie  die  meinige  hat,  mich  zur  Erlangung  einer  philosophi- 
schen Würde  zu  melden.  Ich  kann  also  nicht  anders  als  Ew.  Hochwohlgeboren 
meinen  herzlichen  Dank  abstatten,  daß  Sie  mir  das  Zurückschicken  der  Abhandlung 
erspart  haben,  und  ich  denke  ich  kann  meines  Dankes  Aufrichtigkeit  nicht  besser 
zeigen  als  wenn  ich  Ihnen  das  mittheile,  daß  ich  gewiß  mit  einer  ganz  andern 
Dissertation  mich  bei  Ihnen  melden  werde.  Thut  es  mir  gleich  leid,  daß  die,  zu- 
nächst für  mich  selbst  ausgearbeitete  Abhandlung,  wenn  auch  nicht  für  mich  unnütz, 
so  doch  ohne  den  gewünschten  Zweck  zu  erreichen,  eine  gänzliche  Umarbeitung 
erlitten  hat,  so  kann  mich  das  nicht  hindern  eine  andere  Abhandlung  die  zum  Theil, 
wenn  auch  noch  nicht  ganz  scliriftlich,  schon  entworfen  ist,  zu  beginnen,  und  ich  halte 
es  für  meine  Schuldigkeit,  Ew.  Hochwohlgeboren  den  Inhalt  derselben  anzuzeigen, 
umsomehr,  da  eben  Ihr  geehrtes  ||  Schreiben  der  Wahl  gerade  dieses  Gegenstandes 
den  Ausschlag  gegeben  hat.  Seit  lange  nämlich  schon  beschäftigte  ich  mich  mit 
dem  so  viel  besprochenen  Gegensatz  von  Glauben  und  Wissen,  und  wenn  ich  nun 
auch  dieses  Thema  in  seiner  ganzen  Ausführung  für  ein  zu  weitschichtiges  ansehe, 
das  einer  ausführlichen  und  streng  systematischen  Ausführung  bedarf,  so  ist  doch  ein 
Gegenstand  mir  dabei  sehr  wichtig  geworden,  den  ich  eben  zu  bearbeiten  längst 
vorhatte,  und  nun  der  Prüfung  Ew.  Hochwohlgeboren  |vorlegen  will  und  das  ist 
eben:  Ob  und  welchen  Unterschied  es  zwischen  Philosophie  und  Theologie  gäbe.  — 
Ich  bin  fest  überzeugt  Ew.  Hochwohlgeboren  werden,  wenn  ich,  nach  Ihrem  werthen 
Schreiben,  ein  solches  Thema  wähle,  in  meinem  Entschluß  nur  das  sehen,  was  wirk- 
lich darin  liegt,  theils  die  gerechteste  Hochachtung  gegen  Sie,  die  mich  nicht  zweifel- 
haft oder  ängstlich  werden  läßt,  eine  Arbeit  zu  beginnen,  und  Ihrem  ürtheil  zu 
überlassen,  in  der  ich  vielleicht  von  Ihrer  Ansicht  sehr  abweiche,  theils  aber  auch 
eine  Rechtfertigung  für  meine  früher  angekündigte  Dissertation,  in  dem  ich  nämlich 
durch  Darlegung  meiner  Ansicht  Ihnen  zu  zeigen  hoffe,  wie  ich  darauf  kam  eine 
so  theologisch  klingende  Arbeit  Ihnen  einsenden  zu  wollen.  Wenn  nun  auch  Ew. 
Hochwohlgeboren  vielleicht  ungehalten  darüber  sind  daß  ich  ein  solches  Thema  er- 
wähle, so  halte  ich  es  umsomehr  für  meine  Pflicht,  gerade  mit  solch  einer  Arbeit 
bei  Ihnen  einzukommen,  als  mir  sehr  viel  daran  liegt,  bei  Ew.  Hochwohlgeboren 
nicht  in  den  schlechten  Credit  zu  kommen,  als  wollte  ich  zwei  ganz  heterogene 
Gegenstände  mechanisch  miteinander  zusammen  mengen,  oder  auch  nur  amalgamireu. 
Und  so  hoffe  ich  denn  auch  daß  bei  dieser  Arbeit  mich  der  Vorwurf  nicht  treffen 
wird  als  sei  dies  eine  theologische  Abhandlung,  denn  sollte  ich  auch  Ihrer  Meinung 
nach  den  Unterschied  zwischen  Philosophie  und  Theologie  —  den  ich  übrigens  sehr 
anerkenne  —  zu  gering  anschlagen,  so  könnte  ich  doch  zu  meinem  Resultate  nimmer- 
mehr auf  theologischem  Wege  gelangen.  Ich  fürchte  kaum,  daß  dieser  Titel  als 
nicht  in  ||  die  philosophische  Sphäre  gehöi-end,  von  Ihnen  verworfen  werden  sollte, 
sonst  indeß  könnte  ich  allerdings  vielleicht  einen  anderen  wählen,  der  indeß  kaum 
etwas  ändern  würde. 

Und   so   hoffe  .ich  denn,   in   nicht  gar    langer  Zeit    mich  wiederum  bei  Ihnen 
zu  melden,  indem  ich  die  Dissertation  mit  gerichtlich  anerkannter  Handschrift  Ihnen 


Nachtrag  zu   1830.  23  I 


einsende,  ich  kann  dabei  nur  wünschen,  in  Ew.  Hochwohlgeboren  einen  nachsichtigen 
Beuitlieiler  zu  finden,  der  wenn  auch  nicht  ganz  und  gai-  meint,  in  magnis  voluisse 
sat  est,  so  doch  auch  das,  was  mich  überhaupt  bewegt,  den  Trieb  nach  Walirheit  und 
den  Duret  nach  "Wissenschaft,  als  die  beste  captatio  benevolentiae  ansieht.  Kann 
ich  doch  so  keine  andere  bei  Ihnen  anwenden,  da  ich  wohl  schon  durch  meinen 
vorigen  Brief  kein  günstiges  Vorurtheil  bei  Ihnen  erregt,  und  durch  den  itzigen 
meinen  Fehler  vielleicht  nicht  gut  gemacht  habe. 

Mit  Wiederholung  meines  Dankes  für  die  mir  gefälligst  gegebene  Auskunft, 
und  die  "Winke  über  die  Beschaffenheit  einer  solchen  Arbeit  bin  ich  mit  der  ge- 
rechtesten Hochachtung  Ew.  Hochwohlgeboren  gehorsamster  Diener 

E.  Erdmann. 

915.    F.  Osten  an  H.     (4  S.    4".     N.)  Jannewitz  den  17ten  Decbr.  29. 

[Eine  Schilderung  seiner  Erlebnisse  seit  seinem  Fortgang  von  Königsberg,  wo 
er  Herbarts  Schüler  und  Zögling  war.] 

<)16.     Richthofen  an  H.     (2  S.    4".     N.)  Brecheishof  den  22sten  Dec.  29. 

Mein  verehrter  Freund!  Ich  ha'be  manchmal  mich  über  Ihr  seltenes  Schreiben 
zu  beklagen  Grund  gehabt,  dießmal  haben  Sie  es;  denn  auf  ein  sehr  freundliches 
Schreiben  das  ich  diesen  Sommer  erhielt,  habe  ich  Ihnen  noch  immer  nicht  ge- 
antwortet. Eine  kleine  Entschuldigung  möge  mir  gewähren,  daß  ich  hoffte  wenn 
die  von  Ihnen  beabsichtigte  zweite  Reise  nach  Deutschland  vollführt  würde,  Sie 
mir  davon  Anzeige  machen  würden,  und  dann  hatte  ich  einen  von  mannigfachen 
Geschäften  höchst  bewegten  Sommer. 

"V\"as  jene  wissenschaftliche  Zusammenkunft  anbelangt,  da  finde  ich  mich  frei- 
lich nicht  geeignet,  unter  riiilosophen  zu  sprechen  und  mit  Ihnen  zu  deliberiren ; 
ein  anderes  Ding  ist,  den  nicht  philosophischen  Leuten  von  einem  Denker  zu  sagen, 
den  ich  innig  verehre,  wenn  ich  auch  manchmal  ein  ,,ich  kann  nicht  veretehen'- 
einschalten  muß.  Fremde  |1  sagen  dann  vielleicht,  warum  schweigt  er  nicht  lieber; 
aber  Sie  mein  Freund  wissen  wohl,  daß  mich  nicht  Anmaaßung  zum  Sprechen 
treibt.  Aber  mit  großer  Freude  würde  ich  Sie  wiedersehn,  würde  Sie  hören,  und 
-  mich  belehren  lassen,  wenn  ich  auch  manchmal  einen  kleinen  Zweifel  einschieben 
sollte.  Daß  dadurch  aber  für  die  "\A^issenschaft  nicht  viel  gewonnen  wird,  darin 
haben  Sie  freilich  vollkommen  Recht ;  suum  cuique  .  .  . 

917.    An  Freih.  von  Richthofen.  3i-  Jan.  1830. 

,,Nach  Drobischs  Benachrichtigung  erscheint  Berlin  lür  die  Zusammen- 
kunft genehmer.  Ich  fürchtete,  er  wüide  als  Mathematiker  meine  Meta- 
physik kaum  lesen  oder  durch  die  scheinbar  antigeoraetrischen  Begriffe 
zurückgestoßen  werden,  aber  im  Gegentheil,  er  ist  zugänglich  für  alles  und 
ich  darf  in  den  reinen  Spiegel  eines  unbefangenen,  aber  durchaus  fähigen 
Geistes  zu  schauen  hoffen,  indem  ich  seine  mündlichen  Zweifel  oder  weiteren 
Vorschläge  vernehmen  werde.  Mögen  Sie  nun,  mein  alter  f'reund,  der 
dritte  Mann  sein,  so  kommt  doch  noch  einigermaßen  zustande,  was  ich 
wünschte  und  wollte.  Reisen  Sie  mit  nach  Bonn,  so  würden  wir  gemein- 
schaftlich erst  Drobisch,  dann  Brandis,  den  besten  Kenner  der  Geschichte 
der  Philosophie,  sprechen.  Ihre  große  Güte,  auf  meine  "Veranlassung  nach 
Berlin  zu  kommen  und  dort  die  alte  persönliche  Bekanntschaft  zu  erneuern, 
was  nach  zwanzig  Tahren  wahrlich  Noth  thut,  kann  ich  nicht  genug  danken." 


2^12  Nachtrag  zu    1830. 


[Zugleich  schickte  Herbart  an   Richthofen  seine  Encyklopädie. 

Solchem  tiefen  Vertrauen  glaubte  Richthofen  freudig  nachkornmen  zu 
sollen  und  reiste  nach  Berlin,  wo  ihn  nicht  bloß  jene  Zusammenkunft  mit 
den  Männern  der  Wissenschaft,  sondern  auch  mit  den  Räten  des  Ministe- 
riums, namentlich  mit  den  Geheimen  Räten  .Schulz  und  Nicolovius,  in 
nähere  Berührung  brachte,  welche  ihm  mit  großer  Hochachtung  entgegen 
kamen.] 

918.  Schwatio  an  H.     (28  S.   4».    N.)      Schippenbeil  10.  X.  1829.     6.  I.  30. 

919.  Hüllmann  an  H.     (1  S.    4".    N.)  Bonn  6  Febr.  30. 

Es  hat  den  erfreulichen  Anschein,  sehr  verehrter  Freund,  daß  der  junge  Ge- 
lehrte, an  dem  Sie  eine  so  väterliche  Theilnahme  beweisen,  sich  hier  einen  Wirkungs- 
kreis bilden  werde.  Schon  in  der  kurzen  Zeit  ist  ihm  gelungen,  sich  unter  Jer 
Schaar  von  Privatdocenten  bemerkt  zu  machen;  seine  Vorträge  werden  von  den 
"Wenigen,  mit  denen  er  allerdings  den  Anfang  machen  mußte,  gern  gehört.  Auf 
den  nächsten  Sommer  kömmt  es  entscheidend  an,  ob  sein  Stuhl  fest  stehn  werde. 
Mit  seiner  Kasse  steht  es  freilich  nicht  sonderlich.  Ich  habe  ihm  kürzlich  16  Thlr. 
geliehn.  Er  ertheilt  Privat -Unterricht  an  einen  Engländer,  und  an  Brandis  Bruder, 
wodurch  er  sich  Einiges  verdient.  Die  bewußten  50  Thlr.  wird  er  nicht  zurück- 
zuzahlen haben:  dafür  ist  gesoi-gt.  Ihren  Wunsch,  von  ihm  selbst  bald  Nachricht 
zu  erhalten,  habe  ich  ihm  bekannt  gemacht.  Er  besucht  mich  zuweilen;  ich  habe 
ihm  Schneiders  Wörterbuch  gegeben,  da  er  Plato  lesen  will.  Dann  bin  ich  auch  in 
eine  Art  von  literarischem  Verkehr  mit  ihm  gekommen.  In  Gesellschaften,  und  bei 
den  Frauen,  ist  der  philosophische  Seemann  wohl  gelitten. 

Soviel  über  den  Schüler,  nun  über  den  Lehrer.  Führen  Sie  nur  aus.  wozu 
Sie  in  Ihrem  vorgestern  eingegangenen  Briefe  Hoffnung  machen.  Ich  will  Sie  so 
herzlich  und  freundlich  empfangen,  Theuerster,  als  ich  Sie  ungern  vor  beinah  13 
Jahren  verlassen  habe.  Auch  andere  werden  sich  Ihres  Hierseyns  freuen,  darunter 
Delbrück.  In  dieser  frohen  Aussicht,  und  mit  der  Bitte,  die  Einlage  gefälligst  abgeben 
zu  lassen,  ganz  der  Ihrige.  Hüllmann. 

920.  Eichstädt  an  H.     (3  S.    40.    N.)  Jena,  17  Februar  1830 
Euer    Wohlgeboren     gütige     Zuschrift    vom    7    d.  M.  hat  mich    sehr    erfreut, 

vorzüglich  auch,  weil  ich  aus  derselben  auf  Ihre  hergestellte  Gesundheit  schließen 
zu  können  glaube.  Der  Himmel  erhalte  Ihnen  dieselbe  noch  recht  lange,  zur 
Freude  Jhrer  Freunde  und  zum  Besten  der  Wissenschaften! 

Der  kleine  Aufsatz,  den  Sie  nicht  gern  eine  Anticritik  nennen  wollen,  ist  sofort, 
ohne  alle  vorherige  Mittheilung  an  den  Hr.  Rec,  in  die  Drukkerey  gegeben  worden. 

Eine  ßecension  der  Bachmann -Logik  wird  uns  noch  jetzt  willkommen  sein, 
Sowie  auch  anderer  Bücher,  welche  auf  dem  Rückblatt  verzeichnet  sind.  Es  sind, 
dünkt  mich,  unter  denselben  auch  einige,  die  Sie  bereits  früher  abgelehnt  haben. 
Vielleicht  entschließt  sich  Herr  Dr.  Taute,  te  auspice,  einige  davon  zu  übernehmen. 
Jedenfalls  ersuche  ich  Sie,  ihn  zur  ||  Beurtheilung  eines  dieser  Bücher  bald  zu  ver- 
anlassen, damit  wir  dann,  wie  ich  hoffe  und  wünsche,  eine  genauere  Verbindung 
mit  Ihnen  eingehen  können. 

Würden  Sie  oder  Er  vielleicht  auch  die  neue  Gesch.  der  Philosophie  von  Ast 
und  Ritter  zu  recensiren  geneigt  seyn?  Die  neue  Ausgabe  von  Tennemann  sen.  von 
Wendt,  sowie  die  von  Reinhold,  sind  zwar  schon  vertheilt,  aber  leider  noch  nicht 
recencirt,  sodaß  auch  diese,  wenn  die  Recension  bald  erfolgte,  mit  dazu  genommen 
werden  könnten. 


Nachtrag  zu  1830.  233 


Mit  unserem  Her.  Prof.  Keinhold  kam  ich  neulichst  fa.st  in  einige  Differenz. 
Er  hatte  von  Beneke's  Skizzen  ebenfalls  eine,  aber  sehr  lobpreisende,  Rec.  geliefert, 
nachdem  die  Ihrige  bereits  abgedruckt,  aber  ilim  noch  nicht  zu  Gesicht  gekommen 
war.  Vielleicht,  daß  er  künftig  eine  andere  Gelegenheit  wahrnimmt,  sein  Urtheil 
über  Hr.  B[eueke]  zu  publiciren.  Jeder  der  Herren  Recensenten,  möge  dann, 
wenn  es  nöthig  sein  sollte,  sein  Urtheil  vertreten:  ich  für  meine  Person  kenne 
Herrn  B.  blos  aus  einigen,  von  ihm  gefertigten  Recensionen  und  stimme  Ihnen  bei 
—  Hr.  Drobisch  möge  nur  wegen  der  Metaphysik  "Wort  halten!  Uns  soll  es  recht 
erfreulich  sein.  Hochachtungsvoll     Eichstädt. 

872 
37  963     Bachmann,  System  d.  Logik.     Leipzig,  b.  Brockhaus  1829.    (3  Thlr.) 
40  122     Briefe    gegen    die   Hegeische   Encj'clopädie    der  philosoph.  Wissenschaften. 

Berlin,  b.  Enslin  1829,    (10  gr.) 
40  5.Ö4     Metz,  über  den  Begriff  der  Naturphilosophie.     "Würzburg.    (6  gr.) 
40  626    Schirlitz,  Propädeutik  d.  Philosophie.     Cöslin,  b.  Hendeß  1829.    (8  gr.) 

39  730     Schubarth  u.   Carganico,    über    Philosophie    überhaupt,    und   Hegels  Ency- 

clopädie.     Berlin,  in  d.  Enslinschen  Buchhdlg.  1829.    (1  Thlr.     6  gr.) 

40  579  Ueber  Seyn,  Nichtseyn  und  Werden.  Berlin,  b.  Mittler  1829.  (1  Thlr.  4  gr.) 
40  583  A.st,  Hauptmomente  der  Geschichte  der  Philosophie.  München,  b. Weber,  (8  gr.) 
40116  Ritter,  Geschichte  der  Philosophie  I.  Hamburg,  b.  Perthes  1829.  (3  Thlr.) 
27  245     Salat,  die  Religionsphilosophie  1821. 

33  773     Krugs  System  der  theoretischen  Philosophie  1825. 
33  774     Ohlert,  Grundriß  der  allgem.  Logik  1825. 

921.    Drobisch  an  H.    (3  S.    40.    N.)  Leipzig  d.  2.  März  1830. 

Hochverehrter  Herr  Professor!  Der  Grund,  der  mich  heute  veranlaßt,  mich 
noch  einmal  schriftlieh  an  Sie  zu  wenden,  liegt  in  dem  Umstände,  daß  ich  nicht 
durch  längeres  Stillschweigen  eine  freundschaftliche  Verpflichtung,  die  Sie  mir 
in  Ihrer  letzten  Zuschrift  gütigst  aufzulegen  versuchen,  wirklich  zu  übernehmen 
scheine  —  die  Recension  Ihrer  Metaphysik.  Ich  glaube  nämlich  dieses  Werk  nun 
so  weit  kenneu  gelernt  zu  haben,  daß  mir  zugleich  mit  der  aufrichtigsten  Bewunde- 
rung des  eindringenden  Scharfsinns  und  der  umfassenden  Gelehrsamkeit  seines  Ver- 
fassers meine  eigene  Untauglichkeit  zu  einer  Anzeige  desselben  völlig  klar  geworden 
ist.  Beides  bitte  ich  nicht  für  Eedensart.  sondern  für  meine  wahre  Überzeugung 
zu  halten.  Wer  sich  zum  Recensenten  eines  Buches  auf  wirft,  muß  sich  entweder 
ein  vollständiges  Urtheil  darüber  abzugeben  getrauen,  d.  h.  über  dem  Buche  zu  stehen 
glauben,  oder,  wenn  er  sich  auf  eine  Anzeige  beschränkt,  dasselbe  in  allen  seinen 
Theilen  mehr  als  andre  zu  verstehen  meinen  und  durch  Erläuterungen  und  Auf- 
stellung von  lichten  Ansichten  über  Zweck  und  Gehalt  desselben  zur  Aufnahme 
desselben  behülflich  zu  sejTi  suchen;  jede  andre  Art  von  Recension  ist  Buchhändler- 
anzeige oder  literarische  Sünde.  Es  bedarf  keiner  Erörterung,  daß  ich  in  Bezug  auf 
Ihre  Schriften  immer  nur  der  zweiten  Art  zu  recensiren  mich  habe  für  fähig  halten 
können;  allein  bei  der  Metaphy.sik  kann  ich  auch  nicht  einmal  diese  Stelle  einnehmen. 
Um  bei  diesem  Werke  au  fait  des  Verständnisses  zu  seyn,  bedarf  man  dreierlei, 
wie  mir  scheint:  1.  hinlängliche  philosophische  Ausbildung,  um  die  gegebenen  neuen 
metaphysischen  Theorien  mit  Klarheit  auffassen  und  sich  aneignen  zu  können ; 
2.  philosophisch  historische  Kenntnisse,  um  den  Standpunkt  des  neuen  Unternehmens 
gegen  die  früherer  und  gleichzeitiger  Vei'suche  gehörig  zu  würdigen;  3  genaue  Kennt- 
niß  des  gegenwärtigen  Zuslandes  der  Naturwissenschaften,  namentlich  der  Physik, 
Chemie  und  Physiologie.  Es  fehlt  mir  aber,  wenn  ich  nicht  Sie  und  mich  täu.schen 
will,   in   allen   drei  Punkten  gar  Vieles;  und   obgleich  ich  weiß,  daß  in  dem  ersten 


2  7,4.  Nachtrag  zu   1830. 


durch  Anstrengung  Vieles   beseitigt   werden  kana,    so    bin    ich   doch,  seit  mehreren    1 
Jahren  vorzugsweise  dem  so  reißend  vorwärts  schreitenden  Studium  ||  der  Mathematik   ; 
aus  Beruf  und  Neigung  zugewendet,  im  zweiten  uud  dritten  Punkte  zu  weit  zurück- 
geblieben, als  daß  ich  die  Stirn  haben  könnte,  mich  zum  Eecensenten  einer  Schrift 
aufwerfen  zu  wollen,  die  so  viel  voraussetzt.    Was  namentlich  die  Naturphilosophie 
betrifft,  auf  deren  Beurtheilung  oder  Exposition  Sie  vorzüglich  gerechnet  zu  haben 
schienen,  so  muß  ich  offen  bekennen,  daß  ich  in  den  neuern  Ansichten  über  Wärme, 
Elektricität,  üalvanismus  etc.  viel  zu  sehr  zurück  bin,  als  daß  ich  eine  Vergleichung 
zwischen   Ihren  Erörterungen   und  den   neuern  Erfahrungen  und  Lehrsätzen  anzu- 
stellen  im  Stande   wäre.     Ich   kann   aus  Ihrem  Buche  nur  lernen,  aber  nichts  be- 
urtheilen;  ich  bin  hier  nicht  auf  einem  mir  bekannten  Terrain,  und  ich  kann  mich 
daher  auch  nicht  anbieten,   um  andre  orientiren  zu  wollen.     Dies  gilt  in  steigender 
Progression   von  dem   chemischen  und  physiologischen  Theile  der  Naturphilosophie.  , 
Mit  diesen  Zweigen  habe   ich   mich   nie   viel  beschäftigt  und  meine  Kenntnisse  von  ■ 
ihnen  sind  daher  die  oberflächlichsten.    Mein  Wissen  von  dieser  Seite  zu  erweitern,  j 
daran  kann  ich  jetzt  nicht  denken.     Sie  werden   vielmehr  es  selbst  billigen,  wenn  \ 
man  seine    Kräfte    bei    dem    gegenwärtigen   Fortschritte  der   Wissenschaften    mehr  \ 
konzentrirt  als  dilatirt.     Meine  Ablehnung,  hoffe  ich,  werden  Sie  nicht  ungütig  auf-  '■ 
nehmen.     Sie  werden  erkennen  daß  ich  es  mit  dem  Recensiren  redlich  meine,  und' : 
daß  mir  die  Grenzen   meiner  Fähigkeit  nicht  fremd   smd.     Erinnern  Sie  .sich,   wie  i 
ich  in  den  psychologischen  Anzeigen  alles  Metaphysische  bei  Seite  geschoben  habe,  1 
weil  ich  mich  da  weniger  heimisch  fühlte,  wie  ich  nur  eine  Darstellung  des  Statischen  | 
und  Mechanischen  versuchte  etc.,  so  wird  Sie  mein  Geständniß  und  mein  Entschluß  : 
nicht   befiemden.     Sollten    auch   wie  Sie   fürchten,    einige   Federn   über   Ihr  Werk  ; 
Urtheile  niederschreiben,  wie  sie  Partheisucht  eingeben  mag,  so  muß  doch  die  Wahr-  ] 
heit  endlich  durchdringen.    Ein  Werk  wie  Ihre  Metaphysik  zu  verstehen,  zu  kommen-  ; 
tiren,   zu   prüfen   ist   nicht  die  Sache  einer   auf  Nebenstunden   beschränkten  ||  Lieb-  j 
liaberei,  es  erfordert  vielmehr,  wie  mich  dünkt,  die  ganze  Aufmerksamkeit  desjenigen,  ■ 
der  sich  ungetheilt  dem  Interesse  der  Philosophie  gewidmet  hat.     Einzelnes  besser  , 
Verstandene  aber  herauszuheben  und  daraus  ein  kümmerliches  Machwerk  zusammen- 
zusetzen kann  niemand  frommen.    Es  ist  dies  der  erste  Weg,  die  Sachen,  aus  ihrem  , 
Zusammenhange  gerissen,  zu  entstellen.    Also:  ne  sutor  supra  ciepidam !  Dies  lassen] 
Sie  mich  mir  selbst  zurufen,  ehe  ich  es  vielleicht  von  andern  hören  muß.  j 

Mit  ausgezeichneter  Hochachtung  Ihr  ergebenster     Drobisch. 

922.  Jäsche  an  H.')  Dorpat  den  20ten  März  1830.^ 
Hochverehrter  Herr  Professor!  Soeben  war  ich  in  den  Morgenstunden  eines  , 
Sonntages  mit  der  Leetüre  der,  in  die  allgemeine  Litter.  Ztg.  eingerückten  Recension  ( 
vom  ersten  Bande  Ihrer  Metaphysik  beschäftigt  gewesen,  und  hatte  mir  auch,  mit  j 
lebhaftem  Intereße  und  aus  eigener  innerer  Ueberzeugung  theilnehmend  an  den  ] 
Äußerungen  von  gerechter  und  unbefangener  Würdigung  des  vielfachen  und  viel-  ; 
bedeutenden  Worthes  Ihrer  tief  eindringenden  kritischen  Untersuchungen  im  Gebiete  | 
der  metaphysischen  Spekulation,  einige  Auszüge  aus  der  gedachten  Recension  gemacht,  , 
als  ein  Diener  aus  einem  hiesigen  Handlungshause,  welches  mit  der  Deubnersclien  ' 
Buchhandlung  in  Riga  in  Geschäftsverbindung  steht,  mir  den  zvveyten  Band  Ilirer 
Metaphysik  einhändigte,  welchen  ich.  gleich  dem  ersten,  als  ein  mir  überreichtes,  1 
und  mir  überaus  werthes  Geschenk  Ihrer  Güte  verdanke.  —  Mein  bisheriges  sorg-  ' 
fältiges  und,  so  viel  mir,  dem  alten,  am  Leitfaden  der  kritischen  Methode  in  dem  , 
. ^ ( 

^)  4  S.    40.     H.  Wien.  i 


Nachtrag  zu  1830.  2^5 


langgewohnten  Gleise  der  metaphysischen  Speculationen  einhergegaogenen  Kantianers, 
nur  immer  möglich,  auch  unbefangenes  Studium  Ihrer  Metaphysiic  läßt  mich  nun 
auch  ohne  Bedenken  in  den  von  Ihrem  Kecensenten  laut  und  öffentlich  ausge- 
sprochenen Zuruf  des  freudigen  Willkommens  Ihres  "Werkes  einstimmen.  Denn 
auch  ich  mag  zu  denjenigen  mich  bej'gesellen,  welche  wie  unser  Reo.  sich  aus- 
drückt: „nach  altvaterischer  Weise  dafür  halten,  die  meta|)hysischeu  Begriffe  seyen 
zuerst  thatsächlich  in  der  Erfahrung  aufzufinden,  dann  als  vollständige  und  noth- 
wendige  Bedingungen  derselben  nachzuweisen,  und  durch  Lösung  der  Widersprüche, 
die  sich  ihnen,  wie  auch  immer  —  angesetzt  haben,  denkbar  zu  machen.'"  Wie 
dieses  günstige  Urtheil  über  ein  metaphysisches  System,  das  in  der  Erfahrung  die 
Anfangspuncte  metaphysischer  Untersuchungen  findet,  um  reale  Begriffe  anstatt 
leerer  Abstractionen  zu  erhalten;  so  unterschreibe  ich  im  Gegentheil  auch  das 
ungünstige  Urtheil  der  Mißbilligung  und  Verwerfung,  welches  derselbe  Recensent 
über  diejenigen  unter  unsern  modernen  Metaphysikern  fällt,  die  als  absolute  AU- 
wissenslehrer  im  Besitz  einer  Dialektik  zu  seyn  wähnen,  mit  deren  Hülfe  sie  sich 
zu  dem  Standpuncte  von  ihrer  sogenannten  metaphysischen  oder  absoluten  Idee 
erhoben  haben,  welche  sie  in  das  Himmelreich  der  absoluten,  die  Einheit  und  Iden- 
tität der  Erkenntniß  und  des  Gegenstandes  begreifenden  Wahrheit  und  Gewißheit 
einzuführen  verheißt.  Kenntlich  genug  hat  Ihr  Reo.  mit  w'enigen  Grundzügen  die 
speculative  Denkart  und  Manier  derjenigen  Schule  bezeichnet,  in  deren  Geiste  die 
in  den  Berliner  Jahrb.  für  wiss.  Kr.  befindliche  Recension  Ihrer  Met.  verfaßt  wor- 
den. Auch  wenn  der  Vf.  dieser  Rec.  sich  nicht  genannt  hätte,  würde  man  doch 
sogleich  haben  errathen  können,  bey  welchem  Meister  dieser  Jünger  in  die  Schule 
der  Logik  und  Metaphysik  gegangen  sey.  —  Diese  ganze,  ihrem  Tone  und  ihrem 
Inhalt  nach  mir  gleich  widerwärtige  Kritik  hat  mich  eben  auch  in  der  schon  ge- 
faßten Ueberzeugung  bestärken  müssen,  wie  wenig  oder  gar  nichts  man  mit  allem 
nüchternen  und  besonnenen  Philosophiren  gegen  solche  transscendente  Metaphysiker 
auszurichten  vermag,  in  deren  Köpfen  eine  fixe  Idee  herrschend  geworden,  die  sie 
unfähig  macht,  aus  ihrer  Gedankensphäre  herauszutreten  und  in  die  Denkart  und 
Methode  Anderer  einzugehen,  um  deren  Ansichten  und  Grundlehi-en  auch  nun  richtig 
auffassen  und  auf  eine  gründliche,  anständige  und  liberale  Weise  beurtheilen  zu 
■können.  Also  unsre,  mit  speculativer  Blindheit  geschlagene  Reflexionsphilosophie 
soll  sich  über  ihren  beschränkten  Standpunkt  erheben,  das  abstracte,  unterschieds- 
lose Seyn,  als  ein  Gedankenloses  von  sich  werfen,  und  statt  dessen  die  speculative 
Idee  emes  von  dem  Begriffe  selbst  erfüllten  Seyns  ergreifen.  Mit  dem  Ergreifen 
und  Zueignen  dieser  Idee  würde  dann  unfehlbar  wohl  die  speculative  Blindheiti 
welche  uns  der,  von  der  Willkühr  der  Abstraction  geborne  und  darin  verhärtete 
Verstand  der  kritischen  Philosophie  zugezogen  hat,  augenblicklich  von  uns  genommen 
werden,  und  wir  würden  nun  in  klarem  Licht  die  absolute  Wahrheit  und  Gewißheit 
jener  Idee  des  allein  wahren  Seyns  erblicken,  als  eines  Seyns,  welches  selbst  sich 
in  den  Gedanken  hineinlegt,  im  Gegensatze  mit  unserm  Kantischen  durch  Abstrac- 
tion von  allem  Wechsel,  und  von  aller  Veränderung  und  Bewegung  festgehaltenen 
Seyn,  welches  ja  nur  eine  abstracte,  aber  nicht  die  concreto  unterschiedene  Einheit, 
welche  allein  die  wahre  J'.inheit  ist,  zuläßt.  Mit  der  Dialektik  der,  beym  Lichte 
jener  speculativen  Idee  des  allein  wahren  Seyns,  welches  sich  selbst  mit  dem  Ge- 
danken erfüllt,  alles  so  klar  und  hell  sehenden  Metaphysiker,  ausgerüstet,  würden 
wir  dann  auch  wohl  das  Kunststück  verstehen  lernen,  ja  selbst  ausüben  können; 
wie  der  Ge^  ensatz  und  Widerspruch  durch  sich  selbst  sich  müsse  auflösen  lassen,  so 
•daß  die  entgegengesetzten  und  widersprechenden  Bestimmungen  als  solche  erkannt 
"Werden,  die  durch  sich  selbst  zu  Momenten  einer  und  derselben  Einheit,  oder  zu  ihrer 


2:2  6  Nachtrag  zu   1830. 


innern  Einheit,  sich  auflösen.  — Doch  wir'kennen  ja  nur  zu  gut  schon  die  Kunstgriffe 
der  neuesten  Dialektik  und  ihrer  wunderthätigen  Kraft;  sie  sind  uns  noch  in  ganz 
frischem  Andenken  aus  der  Zeit  der  Fichteschen  und  vornehmlich  der  Scheiling'schen 
Art  und  Methode  der  Speculation.  Es  ist  doch  immer  dieselbe  Leyer  auf  welcher  die 
Speculation  ihr  altes  Lied  von  der  Einheit  der  Einheit  und  des  Gegensatzes,  fortspielt. 
Das  Lied  ist  in  der  neuesten  Schule  des  absoluten  Wissens  durch  die  Logik  derselben 
nur  prosaischer  und  die  Melodie  härter  und  unmelodischer  geworden.  Leider  aber 
ist  zu  besorgen,  daß  dieses  Lied  in  derselben  Melodie  noch  eine  lange  Zeit  wird 
fortgesungen  werden  von  den  andächtigen  Jüngern  der  Schule.  Man  wird  —  um 
mich  Ihres  Gleichnißes  zu  bedienen  —  mit  des  Columbus  Ey  noch  lange  ein 
wichtiges  Spielwerk  treiben,  ehe  man  zur  Besinnung  und  zur  Einsicht  kommen 
wird,  daß  es  geknickt  werden  müsse,  um  es  zum  Stehen  zu  bringen.  Auch  sucht 
man  ja  recht  geflißentlich  das  speculative  Lied  zu  einem  altgläubigen,  erbaulichen 
Kirchenlied,  einzurichten.  Hat  doch  bereits  der  Meister  der  Schule  selbst  in  der 
Schrift:  Aphorismen  über  Nichtwissen  und  absolutes  Wissen,  als  Referent  derselben, 
gar  freundlich  und  freudig  die  Morgenröthe  des  Friedens  zwischen  der  Philosophie 
(der  seinigen  versteht  sich)  und  dem  christlichen  Glaubenserkentniße  begrüßt,  und 
bey  dieser  Gelegenheit  dem  Rationalismus,  als  dem  gemeinschaftlichen  Antipoden 
der  Philosophie  und  des  Glaubens,  sein  nahes  Verscheiden  angekündigt.  —  Bey  all 
dem  tröste  ich  mich  indessen  mit  der  Hofnung,  welche  Deuerlichst  auch  der  nun 
verewigte  Bouterwek  in  einem  Schreiben  an  mich  äußerte:  daß  aus  der  Verwirrung, 
in  welche  die  Philosophie  durch  ihre  speculative  Tendenz  als  Trausscendenz,  unter 
uns  Deutschen  gerathen  ist,  am  Ende  doch  noch  etwas  herauskommen  werde,  das 
für  Gewinn  gelten  kann''.  —  Das  Preußische  Ministerium  ehrt,  wie  Sie  in  Ihrem 
letzteren  Schreiben  mich  versichern,  in  Hegel  die  Wissenschaft.  Diese  Gesinnung 
ist  gewiß  höchst  achtungsw erth ;  wie  wohl  freilich  so  manche  Gelehrte,  als  Männer 
von  Welt  und  von  gründlichen  und  vielumfassenden  Kenntnißen  im  Gebiete  der 
Naturwissenschaften  in  das  Urtheil  unseres  berühmten  Humboldts  einstimmen 
möchten,  welches  derselbe  neuerlichst  gegen  uns  über  die  Hegeische  Philosophie 
als  eine  solche  aussprach,  die  doch  gar  ivenig  wissenschaftlichen  Werth  habe:  Daß 
das  Preußische  Ministerium  Ihren  wahrhaft  wissenschaftlichen  und  eben  darum  auch 
verdienstlichen  und  fruchtbringenden  Bemühungen  Gerechtigkeit  widerfahren  läßt, 
gereicht  ihm  zur  Ehre,  und  bestärkt  mich  auch  in  der  guten  Meinung  von  der 
Liberalität  seiner  Denkungsart  in  Begünstigung  und  Beförderung  eines  freyen  wissen- 
schaftlichen Strebens.  Und  gewiß  thun  Sie,  Verehrtester!  wohl  daran,  daß  Sie  dieser 
Gesinnung  zu  entsprechen  suchen.  Was  würde  auch  eine  bittere  und  beyssende 
Polemik  helfen  zum  Behuf  einer  direkten  Bestreitung  der  Dogmen  einer  Schule, 
welche  im  stolzen  Selbstgefühl  ihrer  Unfehlbarkeit  des  Alleinbesitzes  absoluter 
Wahrheit  und  Herrlichkeit  sich  rühmt.  Die  prüfende  Aufmerksamkeit,  worauf  Ihre 
für  die  Wissenschaft  bisher  unternommenen,  und  auch  guten  Theils  schon  aus- 
geführten Bestrebungen  so  wohl  gegründete  Ansprüche  machen  dürfen,  werden  sie 
mit  der  Zeit  ohnfehlbar  schon  finden,  wenn  nur  unsre,  von  ihrer  absoluten  Idee 
trunkenen  und  bethörten  Schwindelköpfe  erst  ausgebraust  haben  werden. 

Was  meine  eigenen  geringen  Bemühungen  betrifft,  die  im  Wesentlichen  von 
bloß  negativem  Werthe,  auch  nur  auf  eine  Darstellung  und  Bestreitung  eines  specu- 
lativen  Hauptirrthums  abzwacken:  so  darf  ich  mir  sicherlich  für  die  Gegenwart  und 
auch,  die  nächste  Zukunft  noch  weit  weniger  versprechen ,  die  transscendenten,  von 
der  absoluten  Idee  ergriffenen  und  gefesselten  metaphysischen  Dogniatiker  imsrer 
Zeit  zur  Erkenntniß  und  zu  unbefangener  Revision  ihrer  speculativen  Dogmatik  zu 
veranlassen.     Das  soll   mich  indessen   nicht  abhalten,  das  bereits  Angefangene  und 


Nachtrag  zu  '1830.  2^7 


bis  zu  einem  gewissen  Puncte  auch  bereits  Ausgeführte  zur  Vollendung  zu  bringen, 
so  schwierig  das  Letzte,  was  noch  dabey  zu  thun  übrig  ist,  mir  auch  immer  werden 
möge.  Genug  zu  meiner  Aufmunterung,  daß  ein  Denker  von  Ihrer  energischen 
und  von  reichen  und  gründlichen  reellen  Kenntnißen  jeder  Art  unterstützten  Denk- 
kraft, meinen  Bemühungen  seinen  Beyfall  nicht  versagt  hat.  Diesen  Bej-fall  er- 
höüen  Sie,  mein  Verehrtester  nun  noch  durch  die  Äußerung  eines  für  mich  höchst 
schmeichelhaften  Vertrauens,  als  könne  auch  meine  öffentlich  verlautbare  Stimme 
über  Ihre  Arbeit  dazu  beytragen,  daß  derselben  eine  prüfende  Aufmerksamkeit  zu 
Theil  werden  möge.  Sollte  denn  auch  meine  Stimme  nicht  vernommen  werden, 
von  denen  allen  wenigstens  nicht,  die  so  hoch  über  uns  sich  erhaben  dünkeu:  so 
werde  ich  es  mir  doch  angelegen  seyn  lassen,  so  viel  nur  immer  in  meinen  Kräften 
steht,  und  so  weit  meine  geprüften  Ueberzeugungen  es  verstatten  die  Anspmche 
auf  unbefangene  und  sorgfältige  Prüfung,  welche  die  bisherigen  Erzeugniße  Ihrer 
wissenschaftlichen  Untersuchungen  in  so  vielen  Rücksichten  verdienen,  von  meinem 
genommenen  kritischen  Stai;dpuncte  gegen  die  absoluten  Allwissens  Lehrer  geltend 
zu  machen,  indem  ich  dabey  nur  den  Forderungen  meines  eigenen  "Wahrheitstriebes, 
und  des  reinen  Intereße  für  Wahrheit  folgen  darf.  Zu  diesem  Vorhaben  bietet 
sich  mir  dann  von  selbst  die  schicklichste  Gelegenheit  dar  in  der,  an  ||  meine  geschicht- 
liche Darstellung  des  Pantheismus  sich  anschließende  Kritik  der  verschiedenen  miß- 
lungenen Versuche,  auf  diesem  Wege  die  Grenzen  unseres  Wissens  zu  überschreiten. 
Aber  ich  muß  mir  dazu  nur  noch  mehr  Zeit  nehmen,  und  vornehmlich  ein  noch 
genaueres  und  gründlicheres  Studium  auf  Ihre  Metaphysik  verwenden,  als  es  bis 
jetzt  bey  mancherley  Störungen,  theils  durch  meine  gewöhnlichen  Berufsgeschäfte, 
theils  durch  die  Familienangelegenheiten,  theils  durch  eine  Krankheit,  die  vor  kurzem 
mich  betroffen  und  meine  litterarische  Thätigkeit  eine  Zeitlang  unterbrochen,  hat 
geschehen  können,  üeberdies  begreifen  Sie  mein  Verehrtester'  auch  gar  wohl,  daß 
man  in  einem  Lebensalter,  welches  dem  7ten  Decennium  bereits  nahe  gerückt  ist, 
die  Leichtigkeit  und  Gewandtheit  nicht  mehr  besitzt,  sich  auf  den  Standpunct  Anderer 
zu  versetzen,  und  mit  ihrer  eigenthümlichen  Denkens-  und  Gedankensphäre  sich 
vertraut  zu  machen.  In  Ansehung  der  wesentlichen  Hauptpuncte,  worin  unsre 
philosophischen  Ansichten  und  Ueberzeugungen  zusammentreffen,  glaube  ich  jedoch 
schon  im  Reinen  und  Klaren  zu  seyn.  Zu  Ihrem  Bekenntniße  (ausgesprochen  in 
den  in  der  Isten  Au.sg.  Ihres  Lehrb  z.  Eltg.  i.  die  Philus.  befindlichen  Dedication  an 
Ihren  verewigten  Collegen  Krause):  „Mein  Erstes  kann  es  nicht  seyn,  nach  dem  in  der 
höchsten  Höhe  Verborgenen  zu  greifen''  u.  s.  w.  spreche  ich  mit  voller  Ueberzeugung 
mein  Ja  und  Amen!  Auch  für  meine  philosophische  Wissens-  und  Glaubenslehre  ist  das 
Höchste  nicht  der  teiTninus  a  quo,  sondern  der  terminus  ad  quem.  Ihr  genommener 
religiöser  Standpunct  ist  auch  der  meinige,  indem  ich  die  Ueberzeugung  mit  Ihnen 
theile,  daß  alles  das  Wissen,  welches  sich  über  die  Sokrat.  und  Piaton.  (teleologische) 
Vorstellungsart  erheben  will,  theils  übel  begründet  und  nichtig,  theils  mit  einen? 
Mißverständniß  behaftet  ist.  ja  überhaupt  —  wie  man  wohl  noch  hinzusetzen  düi-fte 
—  aller  Schwärmerey,  allem  Aberglauben,  aller  Idololatrie  und  Bigotterie  ein  weites 
Thor  öffnet.  —  Was  Sie  in  den  Umrißen  der  Naturphilosophie  gleich  am  Eingange 
(S.  428 — 432)  zur  Ehrenrettung  der  Teleologie  sagen,  hat  mir  darum  auch  besonders 
gefallen  müssen.  Wohl  war  diese  Betrachtungsweise  der  Natiir-  und  Menschen- 
Welt  schon  von  Kaut,  weit  mehr  aber  noch  von  Fichte  herabgesetzt  worden;  auch 
Fries  läßt  ihr,  in  gewisser  Beziehung  wenigstens,  nicht  genug  Gerechtigkeit  wider- 
fahren. Und  doch  wird  die  Teleologie  nach  allen  ihren  Seiten  und  Beziehungen  als 
physische,  aesthetische  und,  auf  ihrer  Vollendungsstufe  als  ethische  Teleologie  ge- 
wiß immer  die  sichere  Grundlage   unsrer  religiösen  Ansichten  und  Ueberzeugungen 


238  Nachtrag  zu    1830. 


bleiben.  Noch  möchte  ich  über  den  einen  und  den  andern  Punct  von  besondrer 
Bedeutung  und  Wichtigkeit  für  die  Begründung  und  Ausbildung  Ihres  metaphysischen 
Systems  mich  weiter  mit  Ihnen  besprechen,  in  bestimmter  Beziehung  auf  die  Haupt- 
aufgabe dieses  Systems;  nämlich  die  Kluft,,,  welche  Kant  zwischen  der  Erscheinung 
und  dem  Realen  befestigt,  auszufüllen  durch  Erklärung  des  Bunten  in  der  Er- 
scheinungswelt aus  dem  Einfachen,  und  der  äußern  Zustände  der  realen  Wesen 
aus  ihren  Innern  Zuständen.  Aber  ich  muß  mir  dieses  für  ein  anderes  Mal  vor- 
behalten, wenn  Sie  mir  anders  vergönnen  wollen,  gelegentlich  wieder  einmal  mit 
einer  philosophischen  Zuschrift  Sie  zu  behelligen.  Hier  nur  noch  die  Bemerkung: 
daß  Ihre  Syuochologie  mich  an  ein  Urtheil  Kants  wieder  erinnert,  welches  Er  in 
seinen  metaphysischen  Vorlesungen  (S.  329)  über  Zeit  und  Raum  ausgesprochen, 
als  aus  welchen  wir  unsere  Begriffe  nicht  herausbringen  können.  — 

Leben  Sie  wohl!     Ihr  aufrichtiger  Verehrer  Jäsche. 

923.  C.  H.  Froelich  an  H.     (4  S.   4".    N.)  Danzig  22.  März  1830. 

924.  An    ?  1)  Potsdam   8  Juni  30. 

Noch  ehe  mich   Berlin    nach  verschiedenen   Richtungen    auseinander- 
zieht,   schreibe    ich    an   Sie,    hochgeehrter    Herr    Professor!    ein  Wort    des 
aufrichtigsten   Danks  für  die  so  sehr  gütige  Aufnahme  die    ich    bey  Ihnen 
gefunden!    Daß    dies    Licht    durch    einen    dunkeln  Schatten    stark    hervor- 
gehoben wird,  mag  meine  eigene  Schuld  seyn;  allein  da  es  einmal  so  ist, 
so  wünschte  ich  nur  um  desto  lebhafter,  unsre  Bekanntschaft  hätte  bis  zu 
einiger    Gemeinschaft    des   Forschens    und    Wirkens    durchdringen    können. 
Wer   so   lange  Jahre   hindurch    allein    gestanden    hat  wie  ich:    der    müßte 
von    Natur    ganz    hölzern    oder    steinern    seyn,     wenn    er    nicht    Wohlthat    ! 
darin   fände,  sich  anschließen  zu  können ;   —  und  verlassen  von  aller  Welt-    : 
kenntniß,   wenn  er  nicht  einsähe,  wie  ungereimt  es  ist,  sich  absondern  zu    , 
wollen,    um,    so  Gott  will!    Mehr  zu    sevn    als  andre  Sterbliche.   —  Doch    : 
davon  ein  andermal.     Für  jetzt  bin  ich  froh,  überall  wohin  ich  kam,  eine    ■ 
zuvorkommende  Güte  über  Erwartung  gefunden   zu  haben,   und  mich   den 
Empfindungen  einer  vielfachen  Dankbarkeit  einmal  ganz  hingeben  zu  können. 
Selbst  TiEK  in  Dresden  hat  daran  Theil;  und  zwar  einen  ganz  vorzüglichen    ; 
Theil  —  vielleicht  weil  mir  Jean  Paul  einige  Gunst  verschafft  hatte.     Ihnen    1 
wünsche  ich  diese  Bekanntschaft.     Möchten  Sie  auch  Drobisch,  den  Mann    ' 
vom   vielseitigsten   speculativen   Talent,   näher  kennen   lernen!    Nicht  weiter    ; 
kann  ich  für  heute.    Leben  Sie  recht  wohl;  empfehlen  Sie  uns  angelegentlich    ' 
Ihrer  Frau  Gemahlin!  Hochachtungsvoll  Ihr     Herbart.  '< 

925.  J-  L.  Ideler  an  H.     (2  S.    4".    N.)  Königsberg,  den  3.  9.  1830.    ! 

926.  Hendewerk  an  H.    (3S.    4».    N.)  Wittenberg  den  13ten  Octbr.  30. 

Hochgeschätzter  Herr.     Hochzuverehrender   Herr  Professor.     Es   war  schon    j 
längst  mein  Wille,  an  Sier  zu  schreiben;  theils  weil  Sie,  als  ich  Königsberg  verließ, 
noch  nicht  von  Ihrer  Reise  heimgekehrt  waren,  und  es  mir  so  nicht  vergönnt  war, 

I 
^)  S.     4*^.     Groß.  Hof-  und  Landesbibliothek  Karlsruhe  i.  B.  —  Der  Empfänger     i 

des  Briefes  war  nicht  zu  ermitteln,  doch  scheint  einer  der  im   2.  Bd.  des  Briefwechsels 

S.  214  ff.  genannten  Herren  in  Frage  zu  kommen.  ; 


Nachtrag  zu   1830.  2^0 


auch  von  Ihnen  Abschied  zu  nehmen,  verbunden  mit  dem  innigsten  und  aufrichtigsten 
Danke  für  all  das  Wohlwollen,  daß  Sie  so  reichlich  und  so  schön  mir  schenkten; 
theils  weil  ich  mir  hier  immer  klarer  und  deutlicher  des  hoiien  Glückes  bewußt 
wurde,  von  Ihnen  in  die  höchste  Wissenschaft  eingeweiht  zu  sein.  Darum  sage  ich 
Ihnen,  theurer  Herr  Professor,  jetzt,  wenngleich  spät,  so  doch  mit  einer  umso 
tieferen  Hochachtung  und  Verehrung  meinen  innigen  Dank  für  alles  Schöne  und 
Gute,  welches  mir  durch  Sie  in  Gesinnung,  That  und  Lehre  zu  Theil  geworden 
ist,  und  bitte  Sie  inständigst,  daß  Sie  stets  sich  dieser  meiner  gebührenden  Gesin- 
nung gegen  Sie  versichert  halten  mögen.  Denn  nie,  nie  werde  ich  es  vergessen, 
welch  ein  erhabenes  Leben,  welch  ein  reger  Eifer  für  alles  Schöne,  Große  und 
Gute,  welch  eine  wahre  Begeisterung  für  alles  Göttliche  und  Heilige  durch  Sie  in 
mir  erweckt  wurde,  als  ich  Sie  hörte.  Auf  welche  Höhe  ||  des  Bewußtseins  ward 
ich  nicht  durch  Sie  gehoben!  Welche  Klarheit  des  Erkannten,  welche  Bestimmtheit 
der  Ueberzeugungen.  welche  Festigkeit  des  sittlichreligiösen  Glaubens,  welche  herr- 
liche Aussicht  für  meine  wissenschaftliche  und  reinpraktische  Thätigkeit  ward  mir 
nicht  durch  Sie  gegeben,  sodaß  ich  in  manchen  Stunden  hochseligen  Lebens  die- 
jenige künftige  Generation  glücklich  pries,  welche  den  segensreichen  Einfluß  Ihrer 
Lehre  in  Verbindung  mit  dem  christlichen  Glauben  allgemein  erkannt  und  an  sich, 
erfahren  haben  wird.  Freilich  diesen  christlichen  Glauben  und  das  in  ihm  be- 
gründete tief  religiöse  Leben  muß  jeder  schon  in  sich  tragen,  wenn  er  den  hohen 
Werth  und  d'e  tiefe  Bedeutung  Ihrer  Wissenschaft  vollkommen  erkennen  will,  denn 
das  kann  ihm  keine  Philosophie  geben,  am  allerwenigsten  der  Pantheismus,  der  von 
neuem  mit  kecker  Vermessenheit  unter  der  Larve  eines  sogenannten  Idealrealismus 
so  recht  in  Ihrer  Nähe  aufgetreten  ist.  und  mich,  als  ich  das  neue  Büchlein  las,  mit 
Unwillen  erfüllte  und  den  Verfasser  desselben  ob  seiner  Denkkraft  nicht  sehr 
bewundern  ließ.  Ist  aber  in  Jemands  Gemüthe  der  christliche  Glauben  lebendig 
entzündet,  wie  es  bei  mir  durch  meinen  unvergeßlichen  Lehrer  im  Christenthume 
geschehen  war,  als  ich  zu  Ihnen  kam,  dann  treten,  wenn  die  gewaltigen  Stürme 
der  ersten  Zeit  ausgehalten  und  die  unvermeidlichen  Stunden  großer  Bangigkeit 
überstanden  sind,  die  wahrhaft  christlichen  Ideen  nach  Absondernng  aller  Schlacken 
eines  Afterchristenthums  in  einer  Klarheit  und  Bedeutsamkeit  hervor,  daß  man  Ihre 
Wissenschaft  in  der  Form,  wie  Sie  sie  neu  begründet  und  ausgebildet  haben,  für 
die  zweite  ||  wesentliche  Seite  der  christlichen  Offenbarung  und  so  erst  beide  zu- 
sammen für  ein  vollständiges  Ganzes  halten  könnte  und  mögte.  Es  war  daher  schon 
auf  der  Universität  in  mir  der  Plan  entstanden,  ein  ächtwissenschaftliches  Werk  zu 
liefern  unter  dem  Titel:  Principia  ethica,  a  priori  reperta,  in  libris  sacris.V.  et  N.  T, 
obvia,  an  welches  sich  dann  noch  so  manches  andere,  wenn  es  die  Umstände  erlauben 
würden,  anschließen  sollte.  Wären  Sie  demnach,  inniggeliebter  Herr  Professor, 
vielleicht  geneigt,  meinem  wissenschaftlichen  Streben  einige  Theilnahme  zu  schenken, 
so  würde  mich  dies  mit  unendlicher  Freude  erfüllen,  sodaß  ich  Sie  um  die  Erlaubniß 
.  bitten  mögte,  Sie  noch  über  so  manchen  Punkt  befragen  zu  dürfen.  Nie  aber  wei- 
den mich  der  Friesianismus  des  Herrn  Rödiger.  dessen  Recension  über  Ihre  Meta- 
physik ich  sorgsam  gelesen,  rühren,  und  noch  viel  weniger  der  schon  genannte 
Ideal realismus,  dessen  schauende  Vernunft  Widersprüche  nicht  zu  kennen  scheint 
und  sich  etwas  ungeziemend  gebärdet,  weil  (Ihre)  Metaphysik  nicht  auch  zugleich 
praktische  Philosophie  ist;  sondern  von  dem  hohen  Werte  eines  nüchternen  und 
gediegenen  Denkens  nur  zu  sehr  überzeugt,  werde  ich  mich  stets,  wenn  es  die 
Wissenschaft  gilt,  an  dieses  halten,  andern  ihr  Schauen  gern  überlassend.  Um  Ihr 
ferneres  Wohlwollen  bittet  in  größester  Hochachtung    C.  Hendewerk. 


240  Nachtrag  za  1830. 


D27.    Hendewerk  an   H.     (3  S.    4".     N.)  Wittenberg,  den  6ten  Nobr.  30.\ 

Hochgeschätzter  Herr.  Hochzuverehrender  Herr  Professsor.  Eben  notirtei 
ich  zu  dem  Ihnen  nun  schon  bekannten  Zwecke  eine  Stelle  aus  dem  Propheten' 
Jesaias  auf,  als  ich  Jhr  Antwortschreiben  vom  20sten  v.  M.  erhielt,  das  mir 
einen  herrlichen  Genuß  gewährt.  Das  Sittliche  und  Religiöse,  mit  einem  Worte 
■das  Heilige,  in  seiner  tiefspeculativen  Auffassung  ist  so  sehr  der  Lieblings- 
gegenstand meines  Denkens  und  Sinnens,  daß  alle  meine  Studien  sich  mehr  oder 
weniger  darauf  beziehen,  und  mich  wohl  nichts  so  sehr  erfreuen  und  erheitern 
kann,  als  neue  Anregungen  und  belehrende  Winke  in  dieser  tiefern  Erforschung 
der  ewigen  Wahrheit.  Darum  danke  ich  Ihnen  innig  und  aufrichtig  für  das,  was 
Sie  in  Ihrem  Briefe  mir  gegeben,  und  kann  Sie  nur  bitten,  mir  noch,  fernerhmj 
Ihre  Unterstützung  gütigst  angedeihen  lassen  zu  wollen.  Freilich  wollen  Sie  keine 
Stelle  unter  den  gelehrten  Theologen  einnehmen,  und  keine  Stimme  haben,  wo  die 
Rede  von  christlicher  Offenbarung  ist,  doch  dieses  kann,  wie  ich  glaube,  von  Ihnen; 
nur  formell,  nicht  aber  materiell  gemeint  sein.  Oder  sollten  Sie  wirklich  zugeben,, 
■daß  der  Inhalt  des  Gedankenkreises,  der  die  christliche  Religionserkenntnis  aus-' 
macht,  bei  einem  wahrhaften  Theologen  ein  anderer  sein  könne  und  dürfe,  als  bei; 
Ihnen,  und  umgekehrt?  Und  sollten  Sie  wirklich  meinen,  daß  man  historische! 
Thatsachen  von  reintheologischem  Standpunkte  aus  anders  auffassen  werde,  wie  von| 
dem  Ihrigen,  als  wären  beide  specifisch  verschieden?  Ich  für  mein  Theil  muß  ge- 
stehen, daß  nach  meiner  Ueberzeugung  in  dem  Begriffe  des  Theologen  der  der 
tiefesten  und  gesundesten  Speculation  ||  ein  wesentliches  Merkmal  ist,  und  nur  voa 
dieser  Seite  her  mit  der  tiefesten  und  hellsten  Einsicht  zugleich  auch  Eintracht  und 
Einheit,  soweit  sie  nur  möglich  ist,  unter  die  Theologen  kommen  kann.  In  diesemj 
Glauben  habe  ich  mich  der  Speculation  unter  Ihrer  Leitung  hingegeben  und  ich 
kann  sagen,  ich  bin  in  meinen  Erwartungen  nicht  getäuscht  worden,  im  Gegenteil 
•eröffneten  mir  Ihre  praktische  Philosophie  und  rationale  Psychologie  die  glänzendsten. 
Aussichten,  da  ich  bei  dem  hitzigen  Kampfe  der  rationalistischen  und  supranatura- 
listischen Theologen  inne  wurde,  wie  jene,  was  auch  Sie  in  ihrem  Schreiben  hinsicht-1 
lieh  der  Psychologie  bemerken,  beim  Mangel  acht  systematischer  Speculation  so  vieles! 
in  der  christlichen  Religionslehre  verflachen  und  anderes  ganz  niederreißen,  ohnei 
es  richtiger  und  schöner  wieder  aufzubauen,  wie  diese  dagegen  bei  ihrer  Eugherzig-i 
keit  wenig  oder  nichts  für  die  freie  wissenschaftliche  Entwickelung  derselben  leisten,^ 
sodaß  nicht  nur  der  Plan  zu  der  genannten  Arbeit  in  mir  entstand,  sondern' 
ich  mich  noch  außerdem  beschäftige  mit  dem  Entwurf  zu  einer  wissenschaft-j 
liehen  Dai-stellung  der  christlichen  Ethik  als  einer  Aesthetik  des  Willens  oder  einer 
Kunsttheorie  des  menschlichen  Lebens,  die  in  zwei  Theile,  die  reine  und  angewandte,: 
zerfallen  soll.  Natürlich  weiden  Ihre  praktische  Philosophie  und  Ihre  Psychologie; 
die  Grundlinien  zu  dieser  Darstellung  hergeben,  jedoch  beide,  namentlich  letzterej 
"weiter  ausgeführt  und  durch  ihre  innige  Verschmelzung  mit  der  Bibellehre  mehr 
ins  Licht  gesetzt  werden.  Daß  Ihre  Psychologie  der  weiteren  Ausführung  fähig; 
sei,  ja  sie  zum  Theil  bedürfe,  namentlich  in  sittlicher  und  religiöser  Hinsicht,  ist; 
.gewiß  und  wodurch  könnte  man  jungen  Theologen  als  einstigen  Seelsorgern  und| 
Seelenärzten  mehr  zu  Hilfe  kommen,  als  gerade  durch  Arbeiten  dieser  Art,  die  mir  für| 
unsere  Zeit  ein  nothwendiges  Bedürfniß  zu  sein  scheinen.  Denn  es  ist  doch,  streng, 
genommen,  arg,  heutzutage  sich  noch  Seelenarzt  nennen  zu  wollen,  ohne  die  eigent-i 
liehe  Natur  des  Sitthchen  und  |1  den  Organismus  des  Menschengeistes  zu  kennen  und] 
so  eigentlich  gar  keinen  Begriff  zu  haben  von  dem,  worin  die  Kunst  eines  wahrenj 
Seelsorgers  und  Seelenarztes  besteht.  Zu  demselben  Zwecke  beabsichtige  ich  auch, 
inoch  bei  meinen    Studien    einen   prautischpsychologischen  Kommentar  zum  Römer-! 


Nachtrag  zu   1831.  241 


briefe.  wobei  ich  Sie  beiläufig  fragen  mögte,  ob  man  nicht  auch  von  der  Rom.  2,  7 
{7,  20  0.  1,  20?]  angegebenen  Thatsacbe  des  Bewußtseins  ausgehend  zu  denselben 
Gi-und begriffen  der  Psychologie  gelangen  könnte,  als  wenn  man,  wie  Sie,  vom  Ich 
ausgeht?  Ich  habe  es  noch  nicht  versucht,  es  würde  aber  für  mich  ungemein  er- 
freulich sein,  wenn  es  anginge. 

Genug!  Sie  sehen,  theurer  Herr  Professor,  zu  wie  reicher  wissenschaftlicher 
Thätigkeit  Sie  mich  geführt  haben,  und  ich  sollte  mich  nicht  verpflichtet  fühlen? 
nicht  gegen  die  Wahrheit?  nicht  gegen  Sie?  denn  daß  manche  Sie  für-  einen 
bloßen  Theoretiker  halten,  wäre  noch  wenig  im  Verhältniß  zu  dem,  daß  einige 
Ihre  Lehre  als  feindselig  dem  Christenthum  betrachten  und  ich  gewarnt  würde, 
mich  ihr  nicht  zu  eifrig  hinzugeben.  Oder  wie?  War  es  nicht  Kleinert,  hier 
an  Ort  und  Stelle,  wo  ich  jetzt  bin,  der,  wie  Sie  mir  einstens  sagten,  noch  im 
Streite  mit  sich  liege  hinsichtlich  seiner  sittlichreligiösen  Ueberzeugungen?  Und 
was  war  der  Grund  ?  Nichts  anderes,  als  weil  er  Ihre  Lehre  nicht  mit  dem  Christen- 
thume  vereinigen  konnte.  Darum  hat  er,  um  nur  zum  inneren  Frieden  zu  ge- 
langen, Ihre  Lehi-e  verworfen  und  so  einen  Gewaltstreich  der  Verzweiflung  gethan 
gleich  dem  von  Bouterwek.  Doch  mir  ist  es  gelungen  vom  inneren  Brausen  zur 
Klarheit  hindurchzudiingen.  weil  ich  'fest  und  entschlossen  war,  die  Wahrheit  also 
zu  nehmen,  wie  ich  sie  erkennen  würde  und  nicht  wollte,  daß  sie  sei,  wie  ich  sie 
etwa  zu  finden  wünschen  mögte.  So  habe  ich  denn  von  Neuem  ihr  mein  Leben 
geweiht  und  ihre  Klarheit  in  vielen  tausend  Seelen  zu  begründen,  ist  der  einzige 
Zweck  meines  zeitlichen  Daseins  und  das  Ziel  alles  meines  Strebens.  Wie  viel  ich 
freilich  von  alledem,  was  ich  mir  vorgenommen,  zu  Stande  bringen  werde,  weiß 
ich  nicht  und  ebenso  wenig,  wie  glücklich  es  gelingen  werde.  Was  ich  zunächst 
zu  liefern  gedenke,  wissen  Sie,  und  ich  behalte  mir  eine  weitere  Rücksprache  dar- 
über, die  Sie  gütigst  gestatten  wollen,  noch  vor,  nachdem  Sie  mich  freundlichst  wissen 
lassen  haben  werden,  was  Sie  zu  diesem  allem  sagen. 

In  reiner  Liebe  und  Hochachtung    Hendewerk. 

928.    Gerlach  an   H.     (2  S.    4».     N.)  Braunsberg  7.  Jan.  31. 

[Empfehlungsschreiben  für  einen  Studenten.] 

■929.     Hendewerk  an  H.     (3  S.    4".     N.)  Wittenberg  d.  13ten  Febr.  31 

Hochzuverehrender  Herr.  Theurer  Herr  Professor.  Ihr  Schweigen  auf  meinen 
letzten  Brief  an  Sie  macht  mich  schon  lange  besorgt,  und  läßt  mich  befürchten, 
daß  ich  etwas  in  demselben  versehen  habe,  was  Sie  hindert,  mich  weiterhin  noch 
mit  einem  Schreiben  zu  erfreuen.  \\  irklich  finde  ich  nun  auch,  daß  allerdings 
manches  sowohl  in  materieller  als  formeller  Rücksicht  Ihnen  hat  mißfallen  können. 
Dieses  beunruhigt  und  schmerzt  mich,  so  oft  ich  daran  denke. 

Bei  der  freudigen  und  erhebenden  Stimmung,  in  die  mich  Ihr  höchst  schätz- 
barer Brief  versetzte,  und  durch  den  ich  mich  noch  mehr  zu  Ihnen  hingezogen 
fühlte,  mogte  ich  mich  wohl  leicht  etwas  zu  frei  ausgesprochen  haben,  und  nicht 
überall  ganz  angemessen  verfahren  sein.  Namentlich  könnte  wohl  der  Schluß 
meines  Briefes  einen  unangenehmen  Eindruck  auf  Sie  gemacht,  und  er  vorzugsweise 
Sie  zu  schweigen  bestimmt  haben,  wenn  Sie  nicht  nachsichtsvoll  berücksichtigt 
haben  mögen,  daß  das  sichere  Zutrauen  zu  Ihnen  und  die  feste  Hoffnung,  auch 
auf  diesen  Brief  mit  einer  wertheu  Antwort  von  Ihnen  beehrt  zu  werden,  wie  ich 
sie  unbefangen  in  jenen  Worten  aussprach,  durch  Ihr  schönes  Zuti-auen  und  durch 
den  Reichthum  Ihrer  Güte  und  Freundlichkeit,  die  Sie  mich  von  Anfang  an,  da  ich 
Ihr  Schüler  ward,  und  noch  zuletzt  in  Ihrem  schönen  Schreiben,  so  unverdient 
and  doch  so  reich  haben  erfahren  lassen,  hat  erzeugt  werden  können.     Doch  viel- 

Herbarts  Werke.     XIX.  16 


242  Nachtrag  zu   1831. 


leicht  hat  Ihnen  auch  mißfallen,  wie  ich  Ihrer  Anfrage  hinsichtlich  eines  Buch- 
händlers in  Leipzig,  der  etwa  Ihr  Verleger  sein  könnte,  zu  genügen  gesucht  habe. 
Hier  fürchte  ich  allerdings,  Sie  mißverstanden,  und  überhaupt  zu  leichtfertig  ge- 
handelt zu  haben,  sowie  es  mir  auch  leid  thut,  Sie  nicht  um  die  Correctur  der 
ersten  Druckbogen  gebeten  zu  haben.  Indessen  schien  ich  mir  in  dieser  An- 
gelegenheit II  nur  wenig  thun  zu  können,  und  wie  hätte  ich  auch  glauben  mögen, 
daß  es  Ihnen  auch  nur  die  allergeringste  Schwierigkeit  machen  sollte,  einen  ge- 
eigneten Verleger  zu  finden,  zumal  da  Sie  schon  einen  Brief  dieserhalb  geschrieben 
hatten;  wiewohl  ich  nicht  weiß,  welche  Anforderungen  Sie  in  dieser  Beziehung 
machen.  "Wie  hätte  ich  aber  nicht  auch  in  dieser,  wie  in  jeder  anderen  Rücksicht 
auf  Ihre  gütige  Nachsicht  rechnen  dürfen,  ohne  welches  Vertrauen  ich  mich  Ihnen 
wohl  nie  so  hätte  nahen  mögen,  wie  ich  es  zu  thun  den  Muth  gehabt  habe. 

In  der  festen  Zuversicht,  Sie  werden  mir  Ihr  volles,  mir  so  theures  Wohl- 
wollen nicht  entziehen,  kann  ich  nun  nicht  umhin,  Sie,  hochzuverehrender  und 
wahrhaft  hochgeschätzter  Herr  Professor,  um  die  Erlaubniß  zu  bitten,  Ihnen  und 
meinem  theuern  und  iuniggeliebten  Religionslehrer  die  wissenschaftliche  Arbeit,  die 
ich  bei  meinem  jetzigen  Schriftstudium  zunächst  bezwecke,  zum  öffentlichen  Aus- 
druck meiner  ganzen  Ehrerbietung  und  innigsten  Dankbarkeit  gegen  Sie  Beide, 
meine  theuersten  und  hochgeehrtesten  Herren  Lehrer,  zueignen  zu  dürfen.  Denn 
was  des  Wahren,  Schönen  und  Guten  in  mir  auch  sein  und  werden,  oder  durch 
mich  geschehen  möge,  der  größte  Theil  davon  mögte  doch  wohl  nur  durch  Sie  beide, 
trefflichste  Männer,  veranlaßt  sein.  Die  Idee  zu  jener  Arbeit,  wie  ich  Sie  schon 
gegen  Sie  ausgesprochen  habe,  erscheint  mir  zu  nothwendig  und  bedeutungsvoll,  als 
daß  ich  nicht  glauben  sollte,  sie  werde  auch  ohne  mich  einst  früher  oder  später 
ihren  Bearbeiter  finden.  Doch  will  ich  es  zuerst  versuchen,  und  allen  Fleiß  darauf 
verwenden,  daß  nicht  nur  der  Gedanke,  sondern  auch  seine  Ausführung  so  hoher 
und  mir  theurer  Namen  würdig  sei. 

Schleiermachers  Kritik  der  Sittenlehre  und  Fichtes  System  der  Sittenlehre  be- 
schäftigen mich  schon  seit  längerer  Zeit  in  meinen  frühesten  Morgenstunden,  und  der 
Gedanke  einer  Geschichte  der  Ethik  von  dem  heutigen  Standpunkte  der  Wissenschaft 
aus  [ist]  durch  jenes  Werk  vorzüglich  in  mir  veranlaßt  und  höchst  anziehend  für  mich 
geworden  Wenn  ich  Ihnen  aber  offen  gestehe,  daß  ich  selber  nicht  üble  Lust 
habe,  auch  dies  noch  auszuführen,  so  werden  Sie  es  wohl  nicht  schwer  haben,  dem 
jugendlichen  Unterneh-  ||  mungsgeiste  das  etwanige  Zuviel  zu  Gute  zu  halten,  selbst 
wenn  ich  noch  hinzufüge,  daß  ich  auch  den  orientalischen  Boden  neben  dem  Felde 
der  Speculation  nicht  verabsäumen  darf,  sollte  ich  auch  nicht  gerade  Willens 
sein,  im  Koran,  den  zabischen  Büchern,  und  vielleicht  noch  anderen  Religionsurkunden 
des  Morgenlandes  durch  Aufsuchung  und  Nachweisung  der  praktischen  Ideen  den 
etwanigen  Walzen  aus  der  übrigen  Spreu  herauszusondern  und  so  ihr  reelles  Ver- 
hältnis zu  unserer  heiligen  Schrift  zu  bestimmen.  Denn  jene  ewigen  Richter  über 
Wahrheit  und  Irrthum  werden  ja  stets  die  wesentlichsten  und  fast  einzigen  Kriterien 
des  Richtigen  und  Falschen  in  jeglicher  Religionslehre  sein,  unbeschadet  der  vollen 
Richtigkeit  Ihrer  Erinnerung,  daß  philosophische  Kritik  in  ihrem  Haupttheil  allemal 
theoretisch  ist.  Hiernach  darf  ich  Sie,  theurer  Herr  Professor,  wohl  nicht  noch 
erst  bitten,  für  meine  sittlichen  und  religiösen  üeberzeugungen  doch  ja  nicht  auch 
nur  irgend  etwas  von  meinem  Aufenthalt  in  dieser  Anstalt  zu  befürchten. 

Wie  sehr  aber  auch  schon  jene  beiden  Felder  meine  Thätigkeit  in  Anspruch  nehmen, 
so  werde  ich  doch  auch  nie  das  Interesse  für  die  anderen  Zweige  der  Kunst  und 
Wissenschaft,  das  Sie  so  lebhaft  in  mir  angeregt  haben,  verleugnen  können.  So 
war   es    für  mich    höchst    befremdend,    wie   die  Entdeckung   des  Herrn   Professor 


Nachtrag  zu   i<?3i.  24^ 


Schulz  aus  Berlin  hinsichtlich  der  Säftehewegung  in  den  Pflanzen  in  Paris  so  be- 
sonderes Aufsehen  erregen  konnte.  Die  Sache  scheint  mir  auch  ohne  sie  durch 
ein  noch  so  herrliches  Mikroskop  gesehen  zu  haben,  wie  z.  B.  Herr  Dr.  Meyen 
das  Wollastonsche  preist,  mit  welchem,  sowie  mit  der  Sapphirlinse  ihm  Herr 
Schuhmacher  in  Hanihurg  die  selbstbeweglichen  (?)  Moleculen  des  Herrn  Rob.  Brown 
zeigte,  so  natürlich  und  die  mannigfachsten  Beziehungen  zwischen  der  Pflanzen- 
und  Thierwelt  so  wesentlich,  daß  gewißlich  Ihre  Metaphysik  und  Naturphilosophie 
das  Auge  der  Herren  Physiker  wird  werden  müssen,  um  auch  das  zu  sehen,  was 
ihnen  kein  Mikroskop  zeigen  kann.  Vielleicht  ist  diese  Zeit  nicht  mehr  weit  ent- 
fernt. "Wenigstens  werden  Sie  mit  der  ßecension  Ihrer  Metaphysik  in  der 
Jenaischen  A.  L.  Z.  zufriedener  sein  können,  als  mit  der  Ihrer  Psychologie  in  der 
Hallischen,  (die  in  der  Leipziger  habe  ich  nicht  gelesen)  ohschon  sie  von  einem 
Ihrer  werthen  Jugendfreunde  ist.  Wer  freilich  noch  in  dem  Glauben  an  die  tran- 
scendentale  Freiheit  befangen  ist,  und  in  ihr  jene  Eechnungen  findet,  der  muß  wohl, 
wie  es  auch  bei  Ihrem  Herren  Eecensenten  der  Fall  gewesen  zu  sein  scheint,  einen 
geheimen  horror  empfinden.  Für  mich  aber  wird  es  stets,  wenn  andere  Sie  und 
den  Geist  Ihrer  Speculation  verkennen,  eine  um  so  innigere  Freude  sein,  mit  un- 
verkünsteltem  Verstände  und  redlichem  Willen  zu  Hinen  gekommen  zu  sein,  sodaß 
ich,  Ihnen  meine  ganze  höhere  Geistesbildung  verdankend,  Sie  nur  wiederholentlich 
bitten  kann,  die  Versichening  meiner  lebhaftesten  Hochachtung  und  Verehrung, 
Liebe  und  Dankbai'keit  gütigst  annehmen  zu  wollen.  Hendewerk. 

930.  Richthofen  an   H.     (3  S.    4».     H.  Wien.)  Brecheishof,  21.  Juni  81. 

931.  Hendewerk  an  H.     (3  S.    40.     N.)  Wittenberg,  7ten  August  31. 

Hochzuverehrender  Herr.  Mein  theurer  und  inniggeliebter  Herr  Professor. 
Möge  Sie  dieser  Brief  in  vollkommenem  Wohlbefinden  antreffen,  und  Sie  ihn  gütigst 
und  nachsichtsvoll  entgegen  nehmen;  es  ist  vielleicht  der  letzte,  den  ich  an  Sie  in 
dieser  verhängnißvollen  Zeit  und  meiner  sorgen-  und  kummervollen  Lage  zu  schreiben 
im  Stande  bin. 

Zunächst  habe  ich  an  Sie  noch  aus  den  Pfingstferien  her  einen  schönen  Gruß 
zu  bestellen  von  Herrn  Professor  Hahn  in  Leipzig,  der  mit  hoher  Achtung  und 
herzlicher  Liebe  von  Ihnen  zu  mir  sprach  und  sich  in  Sonderheit  auch  Ihrer  ge- 
meinschaftlichen Wirksamkeit  im  Schulwesen  mit  vieler  Freude  erinnerte. 

Zugleich  und  vor  allem  entledigte  ich  mich  auch  in  jenen  Ferien  Ihres  ehren- 
vollen Aufti'ages  an  Herrn  Professor  Drobisch');  in  der  That,  ein  vortrefflicher  Mann. 
Ich  besuchte  ihn  zweimal  und  nach  meinen  Unterredungen  mit  ihm  kann  es  mir 
wohl  nicht  mehr  zweifelhaft  sein,  daß  nicht  blos  übler  Wille  Ihrer  Zeitgenossen  die 
Ursache  ist,  daß  man  nicht  mehr  auf  Ihr  System  eingehen  mag,  sondern  auch  die 
gi'oße  Schwierigkeit,  Ihnen  auf  Ihrer  neuen  und  ganz  ungewöhnlichen  Bahn  zu 
folgen.  Nun  muß  ich  zwar  gestehen,  daß  auch  mir  das  Verständniß  Ihrer  metaphysi- 
schen Vorlesungen  ungemein  schwer  geworden  ist  und  ich  würde  auch  vielleicht 
nie  etwas  davon  verstanden  haben,  hätte  ich  nicht  die  einzelnen  Gedanken,  wie  sie 

^)  Zu  Herbarts  Brief  an  Drobisch  v.  26.  Aug.  31  im  2.  Briefbande  S.  252 
sei  hier  nachgetragen,  daß  die  dort  erwähnte  Zeitschrift  den  Titel  führt:  ., Pallas. 
Staats-  und  Naturwissenschaft,  Philosophie  und  Praxis.  Satynsche  Handgranaten.'- 
Herausgeg.  von  F.  E.  Johannes  Müller.  Leipzig,  E.  Klein.  Im  1.  Heft,  Juli  1831. 
S.  20  steht  folgender  Pa-ssus  über  H.:  „Und  der  Scharfsinn ig,ste  und  nüchternste  allei- 
jetzt  lebenden  Metaphysiker,  Herbaet  in  Königsberg,  leugnete  gleichfalls  den  Be- 
griff Kraft.  Wir  werden  sehen,  daß  indem  dieser  tiefe  Denker  den  Begriff  Kraft 
gänzlich  abzuweisen  meinte,  er  dessen  Definition  am  nächsten  kam.-' 

16* 


244  Nachtrag  zu    1831. 


Ihr  Vortrag  in  mir  veranlaßte,  mit  der  größten  Anstrengimg  festzuhalten  und  be-  j 
stimmt  aus  einander  zu  halten  gesucht,  sodaß  Sie  mir  in  ihren  gegeuseitigen  Be-  ' 
Ziehungen  die  Gestalt  bestimmter  Figuren  und  Bilder  anzunehmen  schienen,  die  ich 
mir  leichter  und  sicherer  vergegenwärtigte,  um  beim  Beginne  der  nächsten  Vor- 
lesung meine  Gedanken  schon  gehörig  disponiert  zu  haben,  und  neue  Bestimmungen 
für  sie  aufnehmen  zu  können.  Indessen  glaubte  ich  immer,  daß  jeder  andere,  der 
schon  anderweitige  philosophische  Bildung  erhalten  hätte  und  besonders  in  der 
höheren  Mathematik  gut  bewandert  wäre,  es  viel  viel  leichter  haben  müßte.  Es  be- 
fremdete mich  daher  nicht  wenig,  als  ich  von  Herrn  Professor  Drobisch  erfuhr,  wie  I 
ungemein  schwer  es  ihm  geworden  ist,  in  Ihre  Metaphysik  einzudringen  und  selbst ' 
Ihre  mündlichen  Unterstützungen  in  Berlin  lange  nichts  fruchten  wollten.  "Wie  gut  I 
er  sie  aber  bald  da-  ||  rauf  verstanden  hat,  davon  zeugt  die  Recension.  Indessen  I 
war  ihm,  wie  Sie  vielleicht  noch  wissen  werden,  bei  dem  Verhältnisse  der  Folgen  ; 
zu  den  Gründen  noch  etwas  dunkel  geblieben,  dessen  Beleuchtung  ihm  wünschens- 
werth  schien.  Es  freute  mich,  auch  insofern  den  Zweck  meines  Besuches  erreicht  ■ 
zu  haben,  als  ich  diesen  Wunsch  des  trefflichen  Mannes  erfüllen  konnte,  indem  ich 
ihn  hinwies  auf  den  Unterschied  zwischen  Ideal-  und  Realprinzipien,  Ideal-  und ; 
Eealfolgen.  Bei  diesem  kann  von  keinem  Widerspruche  und  dessen  Aufhebung  durch ! 
Ergänzungsbegriffe  die  Rede  sein,  sondern  nur  bei  jenen,  da  die  Widersprüche  nicht; 
in  den  Dingen,  sondern  nur  in  unseren  ursprünglichen  Begriffen  von  denselben  | 
liegen.  Nun  verhalte  sich  N.  allerdings  als  Folge  zu  (den)  M.,  aber  als  Eealf olge  i 
zu  seinem  Realgrunde,  sodaß  hier  gar  kein  Widerspruch,  der  durch  eine  Ergänzung  j 
des  Grundes  als  Folge  aufzuheben  wäre,  Statt  findet.  Dagegen  ist  der  Begriff  A.  | 
das  Idealprinzii«,  der  gegebene  sich  widersprechende  Begriff,  da  er  nach  seiner! 
Gültigkeit  die  Identität  von  M.  und  N.  fordert  und  nach  seiner  Denkbarkeit  ihrej 
Verschiedenheit,  sodaß  der  hierin  liegende  Widerspruch  nur  durch  den  nach  der! 
Methode  der  Beziehungen  als  (Ideal-)Folge  sich  ergebenden  Begriff  des  Zusammens , 
der  mehreren  M.  ergänzt  und  aufgehoben  wird,  welcher  also  gewonnene  Begriff  zu- | 
gleich  den  Realgruud  der  Erscheinung  bezeichnet,  denn  von  dieser  muß  ja,  als  demj 
allein  uns  ursprünglich  Gewissen,  ausgegangen  werden,  um  durch  gesunde  Schlüsse] 
zur  Kenntnis  des  Realen  zu  gelangen,  von  dem  wiederum  auf  einem  ganz  anderen; 
Wege  zur  Erscheinung  zurückgekehrt  werden  muß.  Kaum  hatte  ich  diese  Aus-j 
einandersetzung  beendigt,  so  war  schon  alles  klar  und  deutlich,  und  diese  gegen-! 
seitige  Aussprache  und  Uebereinstimmung  war  mir  so  angenehm  und  erfreulich,  daßi 
es  augenblicklich  mein  sehnlicher  Wunsch  wurde,  mich  nach  vollendetem  Examen; 
in  Berlin  in  Leipzig  zu  habilitiren  und  dort  theologische  und  philosophische  Vor- 1 
lesuDgen  zu  halten.  Dazu  schienen  mir  auch  die  akademischen  Verhältnisse  daselbst 
sehr  günstig  für  meinen  Zweck  und  —  doch  ist  es  wohl  nur  ein  frommer  Wunsch, ' 
ein  schöner  Traum,  denn  es  verläßt  mich  immermehr  die  Hoffnung,  in  dieser: 
schweren  Zeit  einen  ||  vermögenden  Mann  für  mich  und  meine  wissenschaftlichen ! 
Bestrebungen  also  zu  gewinnen,  daß  er  mich  solange  unterstützte,  bis  ich  irgend! 
wohin  berufen  ihm  dankbar  alles  entgelten  könnte.  Dazu  droht  die  bösartige  Krank-  j 
heit  noch  vor  der  Zeit  mich  auch  der  ruhigen  Muße  zu  berauben,  wie  ich  sie  hierj 
nur  haben  kann",  denn  sobald  sie  hier  ausbricht,  wird  unser  Seminargebäude  ein ! 
Lazarett.  Ich  will  daher  so  schnell  als  möglich  die  beiden  angefangenen  Arbeiten! 
(ich  weiß  nicht,  ob  ich"lhnen  von  der  zweiten:  Die  christliche  W^iedergeburt  in: 
Ihrer  Entstehung,  Entwicklung  und  Vollendung,  ein  psychologischer  Versuch,  schon , 
etwas  mitgetheilt  habe?)  zu  Stande  zu  bringen  suchen,  um,  wenn  auch  ich  ein  Opfer! 
werden  sollte,  oder. meine  künftige  Lage  mir  jede  ernstliche  Beschäftigung  mit  der! 
Wissenschaft  unmöglich  machen  sollte,  wenigstens  einen  Nachfolger  anzuregen,  das] 


Nachtrag  zu   1831.  2A'\ 


angefangene  Werk  ganz  zu  vollenden,  wie  es  der  vollständige  Begriff  desselben  und 
sein  Zweck  erfordert,  oder  auch  dieses  noch  selbst  bei  einer  zweiten  Bearbeitung 
unter  günstigeren  Umständen  [zu  EndeJ  fiihren;  sowie  ich  stets  alle  meine  Kraft 
daran  setzen  werde,  meine  [wissen-Jschaftliche  Laufbahn,  wenn  es  irgend  möglich 
sein  sollte,  zu  vervol[gen  ich]  will  daher,  wenn  es  angeht,  das  theologische  Licentiaten- 
Examen  in  Berlin  [in  einem]  Jahr  zu  machen  suchen,  und  da  wir  vor  diesem  schon 
das  philosophische  [Doktor  Examen]  gemacht  haben  müssen,  so  mögte  ich  mich  in 
dieser  Beziehung  vorerst  mit  der  ergebensten  Frage  an  Sie  wenden,  welche  un- 
erläßliche Forderungen  ich  zu  erfüllen  hätte,  um  von  Ihnen  und  Ihrer  Facultät  das 
philosophische  Doctordiplom  zu.  erhalten;  ich  will  sehen,  ob  ich  Ihnen  genügen  kann. 
Sollte  mir  indessen  mein  eigentlicher  Plan  nicht  gelingen,  so  mögte  ich  mich  wohl 
am  liebsten  dem  Schulfache  für  einige  Zeit  widmen  und  in  einem  Gymnasium  den 
Religionsunterricht,  sowie  den  hebräischen  und  philosophischen,  wenn  es  je  zu  einem 
solchen,  wie  Sie  ihn  schon  so  lange  laut  wünschen,  irgend  wo  kommen  sollte,  geben 
zu  können,  würde  mir  dann  höchst  erwünscht  sein.  Ich  bitte  Sie  daher,  Herr 
Professor,  inständigst,  wenn  irgendwo  eine  Gelegenheit  dieser  Art  sich  Ihnen  dar- 
bieten sollte,  mich  gütigst  berücksichtigen  zu  wollen. 

Der  Ausbruch  der  Cholera  in  meiner  theuren  Vaterstadt  hat  mich  mit  leb- 
haftem Schmerz  erfüllt  und  verursacht  mir  vielen  Kummer.  Möge  der  Herr 
Himmels  und  der  Erden  Sie  und  Ihr  ganzes  Haus  wohl  bewahren,  dies  ist  die  innige 
Bitte  und  das  aufrichtige  Gebet  Ihres  in  voller  Hochachtung  und  Liebe  Sie  hoch- 
verehrenden Hendewerk. 

932.     Behnisch  an   H.     (3  S.    4»,     N.)         Bartenstein  den  20ten  August  183L 

Wohlgeborner  Herr  Hochzuehrender  Herr  Schul -ßath!  Euer  Wohlgeboren 
nehmen  es  einem  Ihrer  ersten  Zuhörer  in  Königsberg  und  stets  dankbaren  Verehrer 
wohl  nicht  übel,  wenn  er  sich,  in  einer  Angelegenheit  des  hiesigen  Schulwesens  mit 
voller  Zuversicht  an  Sie  wendet  und  um  Ihren  Eath  ganz  gehorsamst  bittet.  Wahr- 
scheinlich ist  Ihnen  bekannt,  daß  unsere  Stadt  eines  Eectors  für  die  hiesige  Bürger- 
schule bedarf.  Durch  die  Empfehlung  des  hiesigen  Predigers  und  zweiten  Lehrers 
der  BiLi'gerschuie  HeiTn  Siugelmann  wurde  ein  gewisser  Herr  Mex  vorgeschlagen, 
der  mir  weiter  nicht  bekannt  ist,  von  dem  ich  aber  um  des  Herrn  Singelmanns 
Willen  eine  gute  Meinung  faßte,  nach  dem  bekannten  Grundsatze:  noscitur  ex  socio 
etc.  und  hatte  gegen  die  Wahl  desselben  nichts  einzuwenden,  ob  er  gleich  keine 
Probelexionen  hier  gehalten  hatte.  Die  Hohe  Königl.  Regierung  hat  aber  vor  der 
Hand  die  Wahl  des  Gedachten  H.  Mex  nicht  genehmigt,  weil  er  sein  Examen  noch 
nicht  gemacht  hat  und  daher  noch  nicht  prä.ssentations-  und  wahlfähig  sey.  Sie 
schlägt  uns  aber  mehrere  andere  Herren  vor,  die  uns  am  hiesigen  Orte  völlig  un- 
bekannt sind.  Es  sind  folgende:  Herr  Hecht,  welcher  zugleich  Candidat  i-st,  ||  Herr 
Dr.  Jacobi,  Herr  Witt  und  Herr  Castell.  Da  ich  nun  weiß,  daß  kein  Schulamts- 
candidat  von  der  Köuigl.  Regierung  vorgeschlagen  wird,  der  nicht  in  dem  Seminar 
gebildet  ist,  welches  unter  Ihrer  Leitung  steht,  und  weü  ich  selbst  aus  Ihren  päda- 
gogischen Collegien  weiß,  daß  derjenige  gewiß  ein  tüchtiger  Lehrer  ist,  welcher  den 
Anforderungen  genügt,  welche  Sie  an  einen  Lehrer  machen:  so  gehet  meine  gehor- 
samste Bitte  dahin,  mir  unter  den  gedachten  4  Herren,  oder  vielleicht  sonst  einen 
von  Ihrer  Bekanntschaft  nahmhaft  zu  machen,  unter  dessen  Leitung  als  Rector 
unsere  Stadt -Schule  am  besten  gedeihen  würde  und  auf  welchen  ich  die  Wahl  beim 
liiesigen  Magistrate  leiten  könnte. 

Diese  "Vorsicht  ist  hier  um  so  nothiger,  weil  der  vorige  Rector,  welcher  in 
Kreutzburg   und  Drengfurt   sich  Lob   von   der  Behörde    erwarb,   hier  alle  Achtung 


246  Nachtrag  zu   1832. 


verlor,  wegen  seiner  Oberflächlichkeit,  sodaß  die  Bürger  ihre  Kinder  lieber  in  der 
Elementarschule  zurückhielten,  als  sie  in  die  Bürgerschule  schicken  wollten,  sodaß 
er  im  vergangenen  Jahre  hat  emeritirt  werden  müssen,  ob  er  gleich  erst  in  den 
ersten  vierziger  Jahren  ist.  Sein  College,  der  Conrector  wurde  1803  hier  angestellt 
zwar  auch  Litterat  aber  ||  von  so  geringen  Lehrergaben,  daß  er  schon  lange  ein 
Spott  der  Schüler  war  und  der  sei.  H.  C.  R.  Dinter,  schon  vor  ein  paar  Jahren 
von  ihm  berichtete,  daß  er  schon  vor  10  Jahren  hätte  emeritirt  werden  sollen,  weil 
er  seit  der  Zeit  der  Schule  nur  geschadet  habe.  Aus  diesen  Gründen  ist  Vorsicht 
in  der  Wahl  doppelt  nöthig.  Das  Gehalt  wird  anfänglich  400  Thlr.  seyn,  es  wird 
aber  bey  Benutzung  der  Zinsen  eines  Kapitals  von  8000  Thlr.  welches  vor  einigen 
Jahren  unserer  Schule  vermacht  ist,  und  worüber  noch  Verhandlungen  stattfinden, 
weil  es  in  Schlesien  aussteht,  noch  ansehnlich  erhöhet  werden.  Demnach  wiederhole 
ich  meine  obige  Bitte  um  einige  Zeilen  über  diesen  wichtigen  Gegenstand.  Bitte 
zugleich  um  Vergebung  dieses  geäußerten  Wunsches  in  der  Ueberzeugung,  daß  es 
gewiß  zu  Ihren  ersten  Wünschen  gehört,  das  Schulwesen  unserer  Provinz  möglichst 
zu  heben.  Endlich  füge  ich  noch  hinzu,  daß  da  am  hiesigen  Ort  sonntägl.  3  Predigten 
gehalten  werden  und  zuweilen  wohl  eine  Unpäßlichkeit  einem  Prediger  begegnet, 
so  wäre  es  wünschenswerth,  wenn  der  künftige  Rector  —  ceteris  paribus,  denn  das 
Schulwesen  muß  Hauptsache  sein  —  licentiam  concionandi  hätte.  i 

Mit  den  Gesinnungen  wahrer  Hochachtung  empfehle  ich  mich  Ihnen  und  habe  I 
die  Ehre  zu  sein  Ew.  Wohlgeboren  gehorsamster  Diener  1 

der  Pfarrer     Behnisch.  j 

933.  Gerlach  an  H.     (1  S.    4".     N.)  Braunsberg  den  7ten  October  1831  ! 

Verehrtester  Herr  Schulrath!  Beigehend  habe  ich  die  Ehre  die  Zeugnisse  für  | 
die  Abiturienten  zur  gefälligen  Unterschrift  ganz  ergebenst  zu  überreichen,  ich  bitte  ; 
mir  dieselben  durch  die  Post  geneigtest  zurücksenden  zu  wollen,  und  erlaube  mir  ; 
zu  bemerken,  daß  die  Censuren,  für  die  einzelnen  Lehrgegenstände  mit  pfhchtmäßiger 
Berücksichtigung  der  bei  dem  Unterrichte  bemerkten  Fortschritte  und  der  Ergebnisse  ! 
der  Endprüfung  entworfen  worden  sind.  j 

In  freudiger  Erinnerung  an  die  schönen  Stunden,  welche  Sie  uns  geschenkt  ' 
haben,  erfülle  ich  die  angenehme  Pflicht.  Ihnen  nochmals  meinen  gefühltesten  j 
Dank  auszusprechen  für  die  gütige  und  nachsichtsvolle  Weise,  auf  welche  Sie  unsere  ' 
geringen  Bemühungen  und  die  Leistungen  unserer  Abiturienten  beurtheilt  haben.  '■ 
Ihre  Gegenwart  hat  äußerst  wohlthätig  und  einflußreich  gewirkt;  mir  aber  gereicht  , 
es  zu^  wahrer  Freude,  einem  Manne  haben  näher  treten  zu  können,  dessen  Geist  und 
ausgezeichnete  Wirksamkeit  für  die  Wissenschaft  mich  schon  längst  lebendig  ; 
angezogen  hat.  ich  muß  es  sehr  bedauern,  daß  Ihr  Aufenthalt  bei  uns  so  kurz  : 
gewesen  ist,  lebe  aber  in  der  angenehmen  Hoffnung,  daß  wir  öfter  das  Vergnügen  ' 
haben  werden,  Sie  hier  zu  sehen. 

Mit  wahrer  Hochachtung  und  treuer  Anhänglichkeit  habe  ich  die  Ehre  zu  seyn  ; 

Ew.  Wohlgeboren  ergebenster     Gerlach.  j 

934.  Hendewerk  an  H.     (3  S.    40.     N.)     Wittenberg,  den  16ten  Januar  1832  i 

Hochverehrter  Herr.  Theurer  und  inniggeliebter  Herr  Professor.  Für  Ihren  letzten  ! 
Brief  muß  ich  Ihnen  noch,  wie  spät  es  auch  ist,  meinen  innigsten  und  aufrichtigsten  , 
Dank  sagen.  Er  ist  mir  ein  neuer  Beweis  Ihres  reichen  und  schönen  Wohlwollens  gegen 
mich  gewesen.  Dieses  Ihres  hohen  Wohlwollens  finde  ich  mich  nun  zwar  nicht  I 
unwürdig,  denn  auf  die  Universität  gekommen,  habe  ich  stets  nur  nach  dem  Höchsten  | 
und  Schönsten  mit  so  hoher  Begeisterung  gestrebt,  wie  sie  nur  ein  Jüngling  in  dieser  I 
Zeit  für  Religon   und  Tugend,    Kunst  und  Wissenschaft   in   sich  bergen  mag;    und 


Nachtrag  zu   1832.  24' 


dieselbe  hat  mich  noch  so  wenig  verlassen,  daß  es  nur  auf  die  Umstände  und  Ver- 
hältnisse ankommt,  um  sich  von  neuem  lebhafter,  denn  je  zuvor,  zu  zeigen.  Doch 
die  Besorgnis,  Ihren  Erwartungen  von  mir,  ja  Ihren  gerechten  Ansprüchen  an  mich 
vielleicht  garnicht,  oder  doch  wenigstens  nicht  in  der  Art  und  sobald,  wie  Sie  es 
wohl  wünschen  durften  und  fordern  könnten,  genügen  zu  können,  ist  mir  oft  recht 
schmerzlich,  wie  denn  auch  der  von  Ihnen  ausgesprochene  Gedanke:  „Es  ist  kein 
"Wunder,  wenn  eine  Kraft  sich  verzehrt  und  erschöpft,  indem  sie  arbeitet,  ohne  die 
nothwendigsten  Hilfsmittel  zu  besitzen,"  so  oft  ich  ihn  auf  mein  wissenschaftliches 
Streben  anwende,  mich  nur  zurAVehmuth  stimmt,  doch  keinen  Trost  mir  giebt.  — 
Gleich  nachdem  ich  meinen  letzten  Brief  an  Sie  abgeschickt  hatte,  that  es  mir 
fast  leid,  es  gethan  zu  haben.  Denn  nach  wiederholter  Ueberlegung  meiner  Ver- 
hältnisse und  der  mir  zu  Gebote  stehenden  Mittel  d.  h.  deren  gänzlichen  Ermangelung 
wollte  es  mir  ganz  unmöglich  erscheinen,  das  Ziel,  das  mir  so  schön  vorschwebte,  und 
wozu  mir  die  philosophische  Doctor-AVürde  ein  Mittel  sein  sollte,  je  zu  erieichen, 
oder  es  wenigstens  so  direkt,  wie  bis  dahin,  länger  verfolgen  zu  können.  Um  also 
in  der  mir  hier  geschenkten  MuEe  doch  noch  etwas  wenigstens  einigermaßen  ganzes 
zu  Stande  zu  bringen,  machte  ich  mich  unverdrossen  an  meine  Principia  Ethica, 
und  habe  diese  Arbeit  bis  auf  sehr  Weniges  zu  Ende  gebi'acht.  Es  hat  sich  auch  || 
ein  Leipziger  Buchhändler  auf  mündliches  Anfragen  für  bereit  erklärt,  dieselbe  zu 
verlegen.  Wie  groß  indessen  auch  mein  Verlangen  ist,  sobald  als  möglich  meinen 
innigen  Dank  und  meine  hohe  Verehrung  gegen  Sie  öffentlich  auszusprechen,  auch 
vielleicht  hoffen  darf,  durch  Veröffentlichung  dieser  meiner  Arbeit  Ihren  Bestrebungen 
für  die  Wahrheit  ein  Weniges  zu  Hülfe  zu  kommen,  so  darf  ich  beides  doch  nicht 
auf  eine  zu  unvollkommene  und  voreilige  Weise  thun  woUen;  daher  ich  denn,  wenn  ich 
auch  nicht  schon  diesmal  die  horazische  Norm  für  mich  in  Anspruch  nehmen  mögte, 
doch  nur  zu  gern  Ihnen  die  ganze  Arbeit,  ehe  sie  öffentlich  erscheint,  vorzulegen 
wünsche,  zumal  da  ich  noch  vor  Ostern  in  meiner  lieben  Vaterstadt  wieder  ein- 
zutreffen gedenke.  Das  Ganze  ist  zu  einem  Handbuch  für  eine  ethisch  biblische 
Vorlesung  bestimmt  und  ich  kann  es  vielleicht  auch  für  mein  theol.  Licentiaten- 
Examen,  wenn  ich  es  soweit  noch  werde  bringen  können,  gebrauchen.  Mit  der 
Erlangung  der  philosophischen  Doctor- Würde  werde  ich  es  auch  noch  einige  Zeit 
-anstehen  lassen  müssen,  indessen  habe  ich  mir  de  libertatis  notione  eine  Dissertation 
zu  schreiben  zu  diesem  Zwecke  vorgenommen.  Vor  allem  aber  drängt  es  mich 
innerlich  wie  äußerlich  einen  bestimmten  und  sicheren  Wirkungskreis  zu  gewinnen 
zu  suchen,  und  zu  dem  Ende  zuerst  mein  2tes  Candidaten  -  Examen  zu  bestehen,  um 
eine  Anstellung  als  praktischer  Geistlicher  in  meiner  Vaterstadt,  wenn  es  möglich 
ist,  abwarten  zu  können.  Durch  Privatstunden  und  Schulunterricht,  vielleicht  auch 
als  Hauslehrer  gedenke  ich  mir  bis  dahin  meine  Subsistenz- Mittel  ei-werben  zu 
können.  Es  tritt  jetzt  fürmich  die  höchste  Nothwendigkeit  ein,  meine  Studien  und  Arbeiten 
um  des  lieben  Brodes  willen  zu  bestimmen,  womber  ich  mich  bis  jetzt  zu  erheben, 
noch  immer  den  Muth  gehabt  habe.  Diesen  Muth  werde  ich  freilich  in  seiner  freien 
und  kräftigen  Erhebung  durch  Religion  und  Wissenschaft  stets  in  mir  zu  erhalten 
suchen,  obschon  ich  auf  eine  Unterstützung  des  hohen  Ministerii,  selbst  im  günstigsten 
Falle  nicht  glaube  rechnen  ||  zu  können;  hat  es  mir  doch  nicht  einmal  eine  halb- 
jährige Prolongation  meines  Aufenthalts  in  dieser  Anstalt,  um  mein  wissenschaftlich 
praktisches  Streben  zu  unterstützen,  bewilligt,  obschon  ich  ihm  die  von  mir  bezweckten 
wissenschaftlichen  Arbeiten  selbst  nannte  und  näher  bezeichnete,  auch  an  Xicolovius 
mich  noch  ganz  besonders  wandte  tmd  ihm  ganz  aufrichtig  meine  Bestrebungen 
und  meine  Lage  darstellte.  —  An  Herrn  Professor  Drobisch  mich  näher  anzuschließen 
wäre  nur  dann  möglich,  wenn  ich  den  von  mir  geäußerten  Wunsch  in  Leipzig  mich. 


248  Nachtrag  zu   1832. 


habilitiren  zu  können,  um  dort  unter  andern  auch  philosophische  Vorlesungen  nach 
Ihren  Lehrbüchern  zu  halten,  welche  Aeusserung  der  ausgezeichnete  Mann  mit  vieler 
Freude  aufnahm,    ausführen  könnte.     "Wie  aber  die  Sachen  jetzt  stehen,    kann    ich     \ 
nur  den  bezeichneten  Weg  einschlagen  und  ich  werde  mich  noch  glückhch  schätzen,     ' 
wenn  Sorge  und  Arbeit  es    mir   erlauben  werden,    mich   noch   einmal    so    manches 
schöne  Stündchen  zu  ihren  Füßen  zu  setzen,  obschon  ich  Sätze,  wie  z.  B.  der  Ihres 
Jenaischen  Rec.  in  seiner  Erklärung  gegen  Ihre  Bemerkungen:   „Durch  apriorische, 
meth aphysische  Behandlung  wird  der  Psychologie  mehr   geschadet  als  aufgeholfen"    ' 
nicht  mehr  in  ihrer  Absurdität  kennen  und  verstehen  zu  lernen  nöthig  habe,  wenn- 
gleich ihre  Encyclopädie  mich  noch  Manches  zu  fragen  wünschen  ließe. 

Dieses  ungefähr  wünschte  ich  Ihnen,    mein   inniggeliebter   und    hochverehrter    1 
Herr  Professor,  noch  mitzutheilen,  ehe  ich  vor  Ihnen  wiederum  erscheine,  was  für    , 
mich  gewiß  einer  der  freudenreichsten  Lebens -Momente  sein  wird,  wenn  ich  mich 
der  Hoffnung  sicher  hingeben  darf,  Sie  werden  auch  unter  solchen  umständen  einen    J 
kleinen  Theil   Ihres  Wohlwollens   und  Ihrer  Achtung  mir   erhalten.     "Wie  Sie   aber 
auch  immer  mich  betrachten  mögen,  so  wird  doch  stets  meine  Seele  an  Ihnen,   als 
einem    meiner    theuersten    und    höchstzuverehrenden    Lehrer,    hangen,    in    treuer    j 
Liebe  und  Dankbarkeit,   sodaß  ich,   für  Ihre  Encyclopädie  Ihnen  noch  meinen  ganz    i 
besonderen  Dank  sagend,  in  diesem  Sinne  stets  sein  und  bleiben  werde 

Ihr  ganz  ergebenster    Hendewerk. 

I 
935.    Reichhelm  an  H.     (1  S.   4».    N.)  Berlin,  d.  18.  Juli  1832.    : 

Auch  jetzt,  mein  verehrter  Freund!  schreibe  ich  nur,  weil  ich  Ihre  fr.  Zeilen    | 
v.  5.  d.  M.  nicht  ohne  Erwiederung  lassen  mag.     Neues  habe  ich  nicht  zu  melden,    j 
Für  Hrn.  Steffens  ist  eine  Art  Professur  der  Physik  neu  fundirt,  und  Hrn.  Gablers 
Angelegenheit,  in  Bezug  auf  die  "Wiederbesetzung  der  Hegeischen  Stelle,  noch  immer 
nicht  entschieden.     Vielleicht   soll  der  Mann   sich   erst  der  gelehrten  "Welt  bekannt 
machen. 

Man  kann  nur  abwarten,  daß  der  Krug  solange  zu  "^"asser  gehen  werde,  bis 
er  bricht.  Inzwischen  hat  Hr.  G.  in  Königsberg  den  Orden  fest,  den  man  Ihnen 
seit  vielen  Jahren  schuldig  ist;  und  Hr.  G.  in  Jena  kann  Hegels  Platz  einnehmen, 
sofern  nicht  anderweitige  Besorgnisse  höchsten  Ortes  entstehen  sollten. 

Kleinmuthig  bin  ich  deshalb  nicht,  aber  ärgerlich,  zumal  ich  nicht  erkennen 
kann,  daß  auch  die  Besseren  den  Bruch  mit  der  Macht  mehr  scheuen,  als  die  Lau- 
heit im  Bekenntniß  ihrer  Grundsätze.  Habeat  sibi.  Griepenkerl  gefällt  mir;  und 
auch  sein  Buch  ist  nicht  ohne  einige  Aufmerksamkeit  verblieben.  Möge  Drob[isch] 
Ihre  Hoffnungen  ganz  erfüllen.  Von  außenher  muß  der  Stoß  jetzt  kommen,  der 
die  Leute  zur  Wachsamkeit  und  zum  Nachdenken  aufrütteln  soll.  Was  Sie  mir 
über  Sich  zu  sagen  gebieten,  ist  längst  und  laut  gesagt.  Ihre  Würde  ist  überall 
gesichert.  Schade  nur,  daß. meine  Zeit  seit  dem  neuen  Stadt-Regiment  so  übermäßig 
in  Anspruch  genommen  wird,  daß  ich  an  manchen  Tagen  kaum  eme  freie 
Viertelstunde  enibrigen  kann.  Aber  niemals  werde  ich  Ihre  Sache  aus  den 
Augen  verlieren. 

Gesund  sind  wir  im  Hause,  trotz  des  schlechten  AVetters.  Auch  habe  ich  von 
dort  aus  die  Herren  Ulrich,  Dieckmann  und  [Weismisch?]  gesprochen.  Der  erste 
geht  nach  Cöslin,  der  zweite  kömmt  zu  Michael  nach  Kgsbg. 

Die  herzlichsten  Empfehlungen  an  ihre  1.  Frau 

Mit  treuer  Verehrung  Ihr    R. 

Hrn.  Hinrichs  L^ngezogenheit  verdient  eine  ernste  Züchtigung.  —  Der  junge 
V.  R[ichthofen]  studirt  jetzt  hier,  und  hat  uns  einige  Male  besucht.    Die  eigentliche 


Nachtrag  zu    1832.  249 


Gesinnung  des  Vaters  ist  zweifellos  die  alte,  aber  er  hofft  auf  Neumann's  Abgang 
in  Breslau  und  Anstellung  als  Eeg.  Bevollmächtigter  bei  der  dortigen  Universität. ') 

936.  von  Sanden  an  H.    (4  S.   4».    N.)        Tussainin  b.  Ragnit  28.  Aug.  1832 

l\\\\[  seinen  Sehn  Herbart  zur  Erziehung  übergeben.] 

937.  An    Brandis.-)  Königsberg  3   Nov.  [1832?] 
Sie  schon  wieder   zu  stören,   mein  hochverehrter    Herr  und  Freund! 

ist  eine  offenbare  Unbescheidenheil;  die  jedoch  durch  den  Anlaß  ent- 
schuldigt wird. 

Eine  Tante  meiner  Frau,  Madame  Ruppel  aus  Memel,  ist  wegen 
ihres  jüngsten,  etwa  17jährigen  Sohnes,  der  in  Bonn  bey  einem  Professor 
logiren  soll,  in  Sorgen.  Sie  hat  von  Berlin  aus,  wo  sie  sich  im  Frühjahr 
einige  Wochen  aufhielt,  den  jungen  Mann  einem  Offizier,  den  sie  Bruns- 
wiKER  nennt,  zur  Führung  anvertraut;  jetzt  erfährt  sie,  der  Offizier  sey 
durch  die  eingetretenen  Umstände  genöthigt  worden,  wieder  in  eine  Activität 
zu  treten,  deren  er  sich  schon  überhoben  glaubte;  und  so  fehle  ihrem 
Sohne  der  Führer.  Hätte  sie  nun  den  Namen  des  dortigen  Professors, 
bei  welchem  der  junge  Ruppel  logiren  soll,  anzugeben  gewußt,  so  ginge 
mein  Brief  an  diesen.  Statt  dessen  kommt  nach  einem  kurzen  Gespräch, 
was  ich  mit  der  ^Nladame  Ruppel  führte,  ohne  gerade  um  eine  Erkundi- 
gung von  ihr  gebeten  zu  seyn,  —  jetzt  meine  Frau,  die  ihre  durchreisende 
Tanie  ein  paar  Stunden  später  sprach,  mit  der  Bitte,  ich  möge  doch 
nach  Bonn  schreiben,  und  mich  nach  dem  jungen  Ruppel,  nach  dem 
Hause  wo  er  sev,  nach  seiner  dortigen  Lage,  erkundigen.  Meine  Hoff- 
nung ist,  daß  Sie,  Yerehrtester,  wenn  Sie  die  Pedellen  sprechen,  diesen 
auftragen  werden,  den  Professor  auszumitteln,  bey  welchem  sich  der  junge 
Ruppel  aufhält,  —  und  daß,  wenn  etwas  Umständliches  darüber  zu  sagen 
seyn  sollte,  etwan  Hr.  Dr.  Bobrick  die  Gefälligkeit  für  mich  haben  wird, 
mich  davon  in  Kenntniß  zu  setzen.  Wäre  ich  gewiß  genug,  daß  Bobrick 
noch  in  Bonn  ist,  so  hätte  ich  Sie  um  desto  weniger  belästigt,  da  mir 
eine  Veranlassung,  an  Hm  Bobrick  zu  schreiben,  ohnehin  angenehm  ge- 
wesen wäre.  Bekomme  ich  aber  weder  auf  diesem  noch  auf  einem  andern 
Wege  Nachricht,  so  werde  ich  im  Stillen  voraussetzen,  daß  sich  Ihnen 
nichts,  was  der  Mutter  des  jungen  Mannes  gemeldet  werden  niüßte,  dar- 
geboten hat;  meine  Sache  ist  in  diesem  Augenblick  nur,  daß  ich  nicht 
ungefällig  gegen  meine  Frau  und  deren  Tante  seyn  will.  —  Möchten  Sie 
Sich  einigermaßen  erhohlt  haben.  Doch  nichts  weiter.  Meinen  früheren 
Brief  nach   Bonn  werden  Sie  empfangen  haben. 

Hochachtungsvoll      Herbart. 

938.  Hendewerk  an  H.    (2  S.    4".    N.)  Kgsbg.  d.  2.  Decbr.  32 
Verehrungswüi-diger  Herr  Professor.    Hätte  ich  es  mit  Gewißheit  vorhersehen 

können,  wie  große  Schwierigkeiten  sich  meinem  wissenschaftlichen  Bemühen  ent- 
gegenstellen würden,  so  würde  ich  mich  wohl  gehütet  haben,  Sie,  meinen  mir  so 
theuem   und    unaussprechlich   werthen    Lehrer,    zu   etwaigen    Hoffnungen   zu   ver- 

^)  Näheres  darüber  in  Richthofens  Biographie. 

-)   I  S.    4".  —  Durch  Hrn.  Dr.  Brandis  in  Jena.    S.  Bd.  II  der  Briefe  S.  186  Anm. 


250  Nachtrag  zu   1833. 


anlassen,  die  zu  erfüllen  mir  so  schwer,  wo  nicht  gar  unmöglich  gemacht  wird,  ob- 
schon  der  Ausspruch  jenes  alten  Weisen:  6  fis?J.aig  ngazzaiv^  firj  npolsys-  dnotv/ojv 
yaQ  ytXaa&Tjatj-  in  diesem  Falle  wohl  schwerlich  eine  Anwendung  finden  dürfte. 

Nachdem  ich  die  Arbeit,  die  Sie  von  einem  Ihrer  Schüler  schon  so  lange  und 
mit  Recht  erwartet    haben,    mit    möglichster  Ausdauer  und  Sorgfalt  zu  Stande   ge- 
bracht, übergab  ich  sie  der  hiesigen  theol.  Facultät,  um  mich  auf  Grund  derselben 
zum    theo!.  Licentiat  -  Examen  zulassen  ||  zu  wollen,   wenn   meine  Bitte  um    einst- 
weilige Stundung  der  Gebühren   auch   statthaft  wäre.     Hier  nun  ganz  rücksichtslos 
zurückgewiesen,   übergebe    ich  Ihnen   die  Arbeit,   um   zu   erfahren,   wie  Sie  mit  ihr 
zufrieden  und   ob  Sie   wohl    geneigt  sind,   mich  in  der  Veröffentlichung   derselben 
durch  den  Druck  huldreichst  zu  unterstützen,   wobei  ich  aber  noch  bemerken  muß, 
daß  mein  Religions  Lehrer  nicht  irgend  ein  akademischer  Lehrer,  sondern  der  Pre- 
diger Ebel  gewesen  ist,  ohne  den  ich  wohl  weder  zum  Studium  überhaupt  gelangt, 
noch  auch,  selbst  wenn  dieses  geschehen  wäre,  Ihr  Schüler  insbesondere  geworden  .: 
wäre,  woraus  Sie  leicht  entnehmen  werden  können,  wieviel  wohl  von  den  Urtheilen  ■ 
und  Sagen,  die  über  ihn  ergehen,  begründet  sein  möge.    Doch  was  die  Welt  und  die  ' 
Befangenheit   von  ihm   wie   auch  von  Ihnen   immer  sagen  möge,  ich  ward   es   nie  ' 
vergessen,  was  er  und  Sie,  verehrungswürdige  Männer,  mir  geworden  und  es  auch  i 
gern  vor  aller  Welt  bekennen.  Ihr    Hendewerk.  ] 

939.    Jäsche  an   H.     (3  S.    4«.     N.)  Dorpat  d.  6/18.  Januar  1833. 

Hochzuverehrender  Herr  Professor!    In  den  ersten  Tagen  des,   nach  unserni  \ 
alten  Calender  erst  am   letzt  vergangenen  Sonntage   begonnenen  neuen  Jahres,   ge-  '' 
denke  ich  vornehmlich  auch  Ihrer,  mein  Verehrtester!    mit  inbrünstigen  Wünschen  , 
für  die  ungestörte  Fortdauer  Ihres  Wohls,  Ihrer  Heiterkeit  imd  Zufriedenheit;  und 
zugleich    mit   den    Gesinnungen   und    Empfindungen    aufrichtiger   Hochachtung   und 
Dankbarkeit,  die  ich  Ihnen,  theils  überhaupt  im  Namen  der  Wissenschaft,  um  welche  ' 
Sie  sich  bis  hieher  so  ausgezeichnete  und  gewiß  auch  bleibende  Verdienste  erworben,  ■ 
theils  für  meine   eigene  Person   ganz   insbesondere,    als   einen   schuldigen  Tribut  zu  ' 
entrichten,    mich  aufgefordert  fühle.     Zugleich   erinnere  ich   mich  aber  auch,   nicht  : 
ohne  Bedauern,  wiederum  an  Ihren,    neuerlichst  gegen   mich  geäußerten  Entschluß 
.,daß  von  Ihrer  schriftstellerischen    philosophischen  Thätigkeit  hinfort,  in  einem  ge- 
wissen Falle,    nichts   mehr   zu    erwarten    sey".     Fast    muß  ich  befürchten,   daß  Sie  1 
diesen  Vorsatz  in  aller  Strenge  erfüllen  wollen;  wenigstens  habe  ich  seit  dieser  Zeit  j 
Ihre  öffentliche  Stimme  in  keinem  litterarischen  Blatte  mehr  vernommen,  und  eben 
so  II  wenig  haben  Sie  unsere   philosophische  Welt,   mit  einem  neuen  Producte  Ihres 
wissenschaftlichen  Genius   beschenkt.     Sie   haben    freilich  Ihre   litterarischen  Ange- 
legenheiten in  wüi'dige  Hände  niedergelegt,   indem  Sie  Herrn  Strümpel  die  weitere  ' 
Fortführung  des  Werkes  Ihrer  bisherigen  philos.  Leistungen  anvertrauen.    Auch  wird 
jener  andere  ältere  Freund  und  gründliche  Kenner  Ihrer  Philosophie,^  welcher,  als  ~ 
Verfasser  der  kleinen,  in  Briefform  verfaßten,  überaus  interessanten  Schrift,  welche   , 
ich  vor  kurzem,  sowie  mein  Freund  und  College  M orgenstei'n,  mit  ungemein  vielem 
Vergnügen    gelesen,    von    seiner   Kennerschaft   Ihres    Systems,    und    von    seinem 
lebendigen  Interesse  für  dasselbe,   dem  Publicum   eine   vortheilhafte  Probe  gegeben    ^ 
hat,    gewiß  auch    mit  Gesichicklichkeit   und  Eifer   das  Werk  Ihrer   vieljäbrigen   und    ' 
angestrengten    philosophischen    Leistungen    zu   fördern   sich   bestreben.     Ich    werde    ! 
mich  dessen  innig  freuen,  und  an  jedem  günstigen  Fortgänge  Ihres  Werkes  den  leb- 
haftesten und  aufrichtigsten  Antheil  nehmen,  da  auch  ich  ja  den  hohen  Werth  und 
gediegenen   Gehalt   Ihrer  Philosophie,   in   theoretischer,   wie   ganz   insbesondere   in 


^)  Griepenkerl. 


Nachtrag  zu   1833.  2^1 


praktischer  Beziehung  zu  schätzen  weiß;  obschon  ich,  wie  ich  Ihnen  selbst  bereits 
offenherzig  bekannt,  mich  unfähig  fühle,  in  die  Tiefen  Ihrer  psychologischen  und 
metaphysischen  Foi-schungen  Ihnen  zu  folgen.  Dieses  Ungeschicks  ohngeachtet 
haben  Sie  doch  auch  meinen  bisherigen  Arbeiten  an  dem  "Werke  der  Wahrheit  und 
Wissenschaft,  meinen  selbsteigenen  philosophischen  Ansichten  und  Ueberzeugungen 
angemessen,  Ihre  thätige,  öffentliche  Theilnahme  ||  und  Billigung  nicht  versagt.  Darf 
ich,  zutrauungsvoll  hierauf  gestützt,  die  nicht  unbescheidene  Bitte  an  Sie  wagen: 
mir  Ihr  freymüthiges  Urtheil  auch  über  den  3ten  Theil  meiner  pantheistischen 
Schrift  zu  meiner  eigenen  Belehrung  und  Zurechtweisung  nicht  vorzuenthalten; 
sollten  Sie  mir  auch  sagen  müssen,  daß  dieser  Schlußtheil  des  Ganzen,  seiner  vielen, 
und  wesentlichen  Mängel  und  Gebrechen  wegen,  weit  unter  Ihren  Erwartungen  und 
Forderungen  von  Ihnen  befunden  worden.  —  Ein  Exemplar  davon  muß  längst  schon 
in  Ihren  Händen  seyn,  von  meinem  Verleger  Ihnen  zugesandt  zufolge  meines  ihm 
ausdrücklich  deshalb  gegebenen  Auftrags.  Leider  nur  ist  der  Druck  des  Buches 
durch  so  viele  grobe,  den  Sinn  so  sehr  entstellende  Fehler  verunstaltet  worden, 
worüber  ich  auch  gegen  Reimer,  dem  ich  ohne  Verzug  eine  Anzeige  der  nöthigsten 
Verbesserungen  zugeschickt,  gerechte  .Beschwerde  geführt.  — 

An  jene  soeben  an  Sie  gerichtete  Bitte  schließe  sich  nun  auch  die  an  die 
fernere  Fortdauer  eines  freundlichen  und  wohlwollenden  Andenkens  an  Ihren  auf- 
richtigen Verehrer  Jäsche. 

Noch  eins!  meinen  letzten  Brief  an  Sie,  Verehrtester!  vom  August  oder  Sept. 
—  denn  des  bestimmten  Datums  kann  ich  mich  nicht  genau  mehr  erinnern  — 
haben  Sie  doch  auch  mit  der  Post  richtig  erhalten?  — 

940.  Bei  der  Feier  des  Krönungs-  und  Ordensfestes  vom  18.  Jan.  1833  erhält  H. 
den  roten  Adler-Orden  4.  Klasse.     (Patent  vom  24.  Jan.  33  im  N.) 

941.  Hendewerk  an  H.     (3  S.    4".     N.)  Kgsbg.  den  2ten  März  33. 

Verehrungswürdiger  Herr  Professor,  indem  ich  Ihnen  noch  einmal  meine 
Arbeit  zusende  verbunden  mit  einem  Schreiben  an  die  Facultät,  erlaube  ich  mir, 
auch  an  Sie  noch  ins  besondere  mich  zu  werden,  und  Sie  um  Ihre  gütige  Nachsicht 
■zu  bitten,  wenn  ich  etwas  in  der  Form  versehen  haben  sollte.  Auch  muß  ich  be- 
merken, daß  Ihre  letzten  Worte  zu  mir  mich  so  zuversichtlich  gemacht  haben,  daß 
ich  meine  Arbeit  Herrn  Professor  Lobeck  noch  nicht  mitgetheilt  habe.  Sie  werden 
dieselbe  nur-  um  sehr  weniges  verändert  finden;  doch  ist  mir  der  Gedanke,  im 
zweiten  Theile  derselben,  statt  des  hebräischen  und  griechischen  Grundtextes  nur 
die  lateinische  Uebersetzung  zu  geben,  mit  Einschaltung  der  einzelnen  Worte,  auf 
die  es  vorzugsweise  ankommt,  so  wesentlich  erschienen,  daß  ich  diese  Veränderung 
alsbald  nach  glücklich  überstandenem  Examen  vornehmen  und  die  Veröffentlichung 
des  Ganzen  durch  den  Druck  bei  Ihrer  so  theilnamsvoilen  Unterstützung  auf  das 
eifrigste  betreiben  will.  Ein  Tentamen,  ||  von  dem  ich  einst  gesprochen,  erscheint 
mir  nicht  mehr  nöthig,  ich  hoffe,  Sie  werden  mich  auch  ohne  dieses  in  den  Haupt- 
sachen Ihres  Systems,  das  ich  noch  immer  für  die  wahre  Philosophie  halten  zu 
können  mich  freue,  wohl  begründet  finden,  was  nach  meiner  Ansicht  auch  ohne 
tiefe  mathematische  Kenntnisse  geschehen  kann,  auf  die  Sie  bei  mir  ja  nie  rechnen 
konnten,  üeberdies  wissen  Sie,  wie  sehr  ich  die  Philosophie  liebe  und  achte,  wie 
sollten  Sie  mir  also  nicht  das  Zutrauen  schenken,  daß  ich  ihr  fort  und  fort  obliegen 
werde,  soviel  es  mir  vergönnt  ist?  Ich  werde  nicht  den  Muth  verlieren,  solange 
noch  ein  Funke  wahrer  Begeisterung  für  Religion  und  Wissenschaft  in  mir  auf- 
blitzen mag,  aber  ich  bitte  Sie  auch,  mein  hochverehrter  Herr  Professor,  mir  Ihre 
■wohlwollende  ||  Unterstützung  auch  fernerhin  nicht  zu  versagen.    Um  diese  bitte  ich 


2^2  Nachtrag  zu   1833. 


Sie  zunächst  für  meine  bevorstehende  Promotion,  die  mir  jetzt  wünschenswerth  im 
höchsten  Grade  sein  muß.  Sollten  Sie  dieselbe  vielleicht  schon  künftigen  Sonnabend 
vollziehen  können,  so  würde  mich  solches  sehr  freuen.  Sie  werden  mir  diese  An- 
deutung wohl  verzeihen,  da  ich  die  Schulstunden  im  altstädtischen  Gymnasium  nicht 
gern  dieserhalb  ausfallen  lassen  mögte;  doch  ergebe  ich  mich  gerne  auch  hierin 
Ihrem  Willen  mit  vollestem  Vergnügen,  wie  ich  ja  stets  sein  und  bleiben  werde  in 
aufrichtiger  Hochtung  und  Verehrung  Ihr     Hendewerk. 

942.     Hoppenstedt  an  H.i)     (4  S.    4".     N.)  Hannover,  d.  28.  Apr.  1833. 

Hoch  Wohlgebohiner  Herr,  Hochzuverehrender  Herr  Schulrath  und  Professor. 
Mit  großer  Freude  habe  ich  von  dem  Herrn  Professor  Dißen  in  Göttingen  die  be- 
stimmte Nachricht  erhalten,  daß  Euer  Hoch  Wohlgebohren  die  definitive  Ent- 
schließung gefaßt  hätten,  den  Ruf  nach  Göttingen  anzunehmen.  Obwohl  ich  nun 
den  H.  P.  Dißen  bereits  ersucht  habe.  Euren  Hoch  Wohlgebohren  zu  erwiedern,  daß 
das  K.  Universitäts  Curatorium  mit  Gewißheit  nunmehr  darauf  rechne,  daß  Sie  nach 
Göttingen  kommen  und  Ihr  Amt  daselbst  um  Michaelis  d.  J.  antreten  ||  werden;  so 
ist  diese  Sache  doch  zu  wichtig  und  für  unsere  Georg  Augusts  Universität  zu  er- 
freulich, um  darin  nicht  eine  Aufforderung  zu  tiuden,  mich  unmittelbar  an  Sie 
gegenwärtig  zu  wenden,  und  Ihnen  Namens  des  K.  Curatorii  zu  bezeugen,  wie  höchst 
angenehm  es  demselben  ist,  daß  Eure  Hoch  Wohlgebohren  Sich  jetzt  fest  dafür  ent- 
schieden haben,   der  Universität  Göttingen   künftig  wiederum   angehören   zu  wollen. 

Je  mehr  in  der  bewegten  Zeit,  in  welcher  wir  leben,  die  studirende  Jugend 
geneigt  ist,  ihre  wahre  Bestimmung  zu  verkennen  und  ohne  gründliche  Kenntnisse 
und  ohne  Einsichten  und  Erfahrungen  in  das  Gebiet  der  Politik  sich  zu  verirren, 
um  so  mehr  thut  es  noth,  den  Sinn  für  die  höheren  Ideale  des  Lebens  durch  geist- 
volle, kenntnißreiche  und  wohlgesinnte  Lehrer  bei  den  Studirenden  zu  erwecken 
und  zu  II  beleben  und  sie  für  ein  acht  wissenschaftliches  Studium  immer  mehr 
empfänglich  zu  machen.  Das  feste  Vertrauen,  welches  das  Curatorium  hat,  daß 
Eure  Hoch  Wohlgebohrn  in  allen  Beziehungen  Großes  und  Vorzügliches  leisten 
und  daß  Ihre  Wirksamkeit  in  Göttingen  von  allgemein  wohlthätigem  Einflüsse  seya 
werde,  hat  den  Wunsch,  Sie  für  Göttingen  zu  gewinnen,  in  uns  erregt  und  erfüllt 
uns  jetzt,  da  wir  denselben  erreicht  sehen,  mit  lebhafter  Freude.  Auch  hoffe  ich. 
mit  Zuversicht,  daß  von  anderer  Seite  auch  Ihnen  es  nicht  gereuen  wird,  nach. 
Göttingen  gekommen  zu  seyn.  Ist  auch  mancher  von  denen,  die  früher  hier  die 
Zierde  von  Göttingen  waren,  dahin  geschieden,  so  sind  doch  auch  andere  Männer 
von  Geist  und  Herz  wieder  an  deren  Stelle  getreten  und  Göttingen  enthält  noch 
immer  einen  Verein  ausgezeichneter  Gelehrter,  denen  es  um  die  Wissenschaften 
Ernst  ist.  Kommen  denn  auch  Sie  mit  Vertrauen  ||  zu  uns.  —  Ich  darf  voraus- 
setzen, daß  der  H.  Prof.  Dißen  Euren  Hoch  Wohlgebohren  den  Inhalt  meines  an  ihn 
gerichteten  Schreibens  vom  28ten  Feb.  d.,  welches  die  Bedingungen  des  an  Sie  er- 
gangenen Rufes  enthält,  vollständig  migetheilt  haben  wird;  es  wird  daher  genügen, 
solche  Namens  des  K.  Curatorii  hiemiit  ausdrücklich  zu  bestätigen  und  damit  die 
Anheimgäbe  zu  verbinden,  nunmehr  um  Ihre  Entlassung  aus  dem  K.  Preußischen 
Dienste  nachsuchen  und  mich  davon  gefälligst  in  Kenntniß  setzen  zu  wollen.  Es 
wird  sodann  von  hiesiger  Seite  sofort  an  des  Königs  Majestät  nach  London  be- 
richtet werden,  um  Ihre  "förmliche  allerhöchste  Ernennung  zu  erwirken,  indessen 
darf  ich  versichern,  daß  solche  einem  Zweifel  überall  nicht  unterliegt. 

—  Mit  wahrhaftem  Vergnügen  ergreife  ich  diese  Veranlassung  zur  Bezeugung 
der  vollkommensten  Hochachtung,  mit  welcher  ich  die  Ehre  habe  zu  verharren 
Eurer  Hoch  Wohlgebohren  gehorsamster  Diener     Hoppenstedt. 


')  Ergänzt  das  im  XV.  Bd.  S.  271  ff.  Mitgeteilte. 


Nachtrag  zu  1833.  253 


943.  Richthofen  an  H.     (2  S.    4».     N.)  Brecheishof  den  18ten  Juni  1833. 

.  . .  Herzlich  freut  mich  daß  Ihnen  in  Königsberg  noch  freundliche  Beweise  der 
Anerkennung  zu  Theil  wurden ;  die  Stimme  der  Universität  d.  h.  der  Professoren 
und  Studenten  ist  überall  die  werthvoUere.  Leider  werden  die  neuen  Studenten- 
überspannungen zwischen  Preußen  und  dem  Auslande  für  jetzt  eine  unangenehme 
Scheidewand  aufführen.  Auf  meinen  ältesten  Sohn  der  schon  in  Göttingeu  ist,  wird 
es  zwar  hoffentlich  keine  Folgen  haben,  da  einem  älteren  Studenten,  der  bestimmte 
wissenschaftliche  Zwecke  verfolgt,  man  eine  solche  Erlaubniß  wohl  nicht  abschlagen 
kann.  Was  freilich  den  Fleiß  der  Studenten  und  bessere  Sitte  anbetrifft,  so  scheint 
auch  Göttingen  in  den  letzten.  20  Jahren  nicht  gewonnen  zu  haben;  es  ist  unglaub- 
lich welche  Männer  dort  oft  ohne  Zuhörer  sind,  wenn  auch  bei  einzelnen  die  Dar- 
stellung Mitursacbe  seyn  mag.  Karl  schreibt  ||  mir  vorzüglich  entzückt  über  Otfried 
Müller,  meinen  Landsmann,  dessen  Bruder  auch  einmal  bei  mir  Hauslehrer  war; 
und  dann  über  Ribbentrop,  zu  dem  er  in  ein  näheres  freundschaftliches  Verhältniß 
^getreten.  Dissen  ist  leider  durch  Krankheit  und  Hypochondrie  vernichtet,  was  mich 
von  dem  trefflichen  lieben  Mann  in  der  Seele  schmerzt.  Unsere  älteren  Be- 
kannten sind  freilich  zum  Theü  sehr  a\i  geworden.  Um  Karls  willen  hat  mir  Leid 
gethan  daß  Sie  nicht  schon  Ostern  hingegangen,  wie  ich  geglaubt;  bleibt  er  auch 
länger  in  Göttingen,  so  wird  ihn  später  die  herannahende  Zeit  der  Promotion  doch 
immer  mehr  an  sein  specielles  Fach  fesseln;  dazu  kommt  daß  Grimm  und  Benecke, 
wegen  denen  er  eigentlich  großentheils  nach  Göttingen  ging,  dieses  Semester  nicht 
lesen,  und  Herbart  fand  er  noch  nicht  dort!  —  Wenn  Sie  in  Göttingeu  Aufträge 
haben,  wird  er  sie  Ihnen  gewiß  gern  und  nach  Kräften  gut  besorgen. 

Nach  Zürich  zu  gehen,  wüi'de  ich  doch  keinem  jungen  Manne  rathen ;  ich 
fürchte  die  Schweizer  Händel  lassen  nicht  viel  Guts  aufkommen;  die  Schweiz  trennt 
sich  von  Deutschland,  und  zeifällt  in  ihre  einzelnen  Kantone.  Endlich  soll  Zürich 
schlecht  dotirt  seyn;  wird  Bern  nicht  eifersüchtig  seyn?  und  dann,  wie  wenig 
Schweizer  studiren  überhaupt! 

Leben  Sie  wohl,  lieber  Freund,  und  zürnen  Sie  weder  Preußen  noch  lassen 
Sie  mich  den  Unmuth  theilen;  Gegebenenfalls  reisen  Sie  zur  Abwechslung  doch 
einmal  über  Schlesien.  Ihr  Freund     Richthofen. 

944.  Gerlach  an  H.     (1  S.    4».     N.)  Braunsberg,  den  4ten  Juli  1833. 

Verehrtester  Herr  Schul rath  !  Ew.  Hochwohlgeboien  haben  mir  meinen  letzten 
Aufenthalt  in  Königsberg  so  angenehm  und  genußreich  gemacht,  daß  mir  die  Er- 
innerung daran  immer  lebendig  bleiben  ^\4rd. 

Erlauben  Sie,  daß  ich  meinen  Dank  noch  in  dieser  Zeile  ausspreche.  Diesen 
zu  bethätigen  wird  mir  zu  meinem  größten  Bedauern  die  Gelegenheit  nicht  mehr 
zu  theil :  aber  tieu  will  ich  nach  meiner  schwachen  Kraft  mitwirken,  die  Ideen, 
■welche  ich  Ihnen  verdanke,  ins  Leben  zu  führen.  Ihr  Abgang  ist  ein  unersetzlicher 
Verlust  für  unsere  Provinz,  und  wir  können  uns  über  denselben  nur  mit  der  Hoff- 
nung trösten,  daß  unsere  Wünsche  für  ein  Ihnen  in  jeder  Hinsicht  zusagendes 
Leben  in  Erfüllung  gehen  mögen. 

Beigehendes  Heft  bitte  ich  an  v.  Sauden  mit  meinem  Danke  gefälligst  abgeben 
zu  wollen,   ich  werde  dasselbe   mit  Direr  Erlaubniß  bei  dem  Unterrichte  benutzen. 

Meine  Frau  versichert  mit  mir  Ihnen  und  Ihrer  verehrten  Frau  Gemahlin  die 
tiefgefühlteste  Hochachtung.     In  unwandelbarer  Treue     Ihr  ergebenster    Gerlach. 

^45.    Am  1.  Aug.  1833  wird  Herbart  vom  Könige  von  Großbritannien  und  Hannover 
zum  Hofrat  ernannt.     („Patent,  geg.  Windsor  Castle"  —  N.) 


2  54  Nachtrag  zu   1833. 


946.  Hoppenstedt  an  H.     (2  S.    4".     N.)  Hannover  d  19t  Aug.  33 
Hochwohlgebohrner    He)T,    Hochzuehrender   Herr   SchulRath   und   Professor, 

Eurer  Hochwohlgebohrn  gefällige  Zuschrift  vom  6  t.  d.  M  und  13  t  d.  M.  habe  ich, 
und  zwar  die  letztere  heute  zu  erhalten  die  Ehre  gehabt  und  ich  beeile  mich,  darauf 
zu  erwiedern,  daß  das  K.  Cabinets  Ministerium  bereits  wegen  Ihrer  Berufung  nach 
Göttingen  an  des  Königs  Majestät  berichtet  hat.  Ich  habe  solches  nach  Empfang 
Ihres  Schreibens  ||  vom  6  ten  d.  M.  sofort  veranlaßt,  da  ich  nach  dem  Inhalte  des- 
selben mit  einiger  Zuversicht  glaubte  darauf  rechnen  zu  dürfen,  daß  Eure  Hoch- 
wohlgebohren  binnen  kurzem  definitiv  acceptiren  würde.  —  Ich  freue  mich  aus 
Eurer  Hochwohlgebohren  späterer  Zuschrift  zu  ersehen,  daß  wir  dieser  Hoffnung 
uns  in  der  That  überlassen  dürfen.  —  Da,  wie  ich  schon  letzthin  angeführt  habe, 
die  Königliche  Genehmigung  gewiß  eifolgen  wird,  so  zweifle  ich  nicht,  binnen  wenigen 
Wochen  Eurer  Hochwohlgebohren  die  förmliche  und  officielle  Vocation  mittheilen 
zu  können.     Mit  der  ausgezeichnetsten  Hochachtung  empfehle  ich  mich 

Eurer  Hochwohlgebohren  ganz  gehorsamst     Hoppenstedt. 

947.  2  Briefe  an  Griepenkerl.  i) 

I  Kgsb.  6  Sept  33. 

Nur  wenige  Worte,  wahrscheinlich  die  letzten  von  hier,  mein  theurer 
Freund!  um  Sie  nicht  länger  auf  Nachricht  warten  zu  lassen. 

Mein  Wagen  aus  Berlin  soll  am  11  oder  12  d.  M.  hier  ankommen; 
dem  gemäß  reise  ich  vermuthlich  am  14,  15,  oder  16  ab.  Acht  Tage 
brauchen  wir  bis  Berlin.  Dort  rechne  ich  drey  oder  4  Tage;  dann  gehe 
ich  wahrscheinlich  gerade  über  Magdeburg  und  Braunschweig. 

Genaueres  kann  ich  nicht  sagen.  Unaufhörlich  bin  ich  belagert.  Ein 
großer  Studentenaufzug  kommt  in  wenigen  Stunden,  darauf  folgt  die 
nächsten  Tage  in  der  buntesten  Reihe  der  Genuß  des  Abendmahls  und 
ein  Gastmahl  das  mir  die  Mehrzahl  der  Professoren  giebt;  die  Auction 
und  die  Abschiedsvisiten.  Möchte  ich  erst  ruhig  in  Göttingen  sitzen!  In 
Berlin  gebe  der  Himmel  nur  Geduld,  und  möge  meine  Frau  den  Ab- 
schied aushalten!  Auf  baldiges  Wiedersehen!     Ihr     H. 

II  [Ohne  Datum.     1839?] 

Mein  theurer  Freund!  Schon  seit  ein  paar  Wochen  erwarte  ich 
entweder  Sie,  oder  einen  Brief,  der  mir  Ihre  Ankunft  meldet  .  .  Haben 
Sie  die  Güte  uns  Nachricht  zu  geben. 

')  Gütigst  zur  Verfügung  gestellt  von  Frau  Nahida  Lazarus.  Der  erste  Brief  ist 
bereits  gedruckt  in  M.  Lazarus'  Lebenserinnerungen.  Von  N.  Lazarus  und  A.  Leicht, 
Berlin  1906,  S.  479.  Dort  finden  sich  auch  S.  476  f.  nähere  Aufschlüsse  über  die 
Vernichtung  der  Briefe  Herbarts  an  Griepenkerl.  „Sie  waren  durchweg  von  so  intimem 
Inhalt  durchsetzt  .-.  .,  auch  von  kritischen,  vielleicht  stellenweis  allzu  herben  Be- 
merkungen über  Universitätsangelegenheiten  u.  a.  erfüllt,  daß  die  Gefahren  einer  Irre- 
führung und  eines  Mißbrauchs  nahe  lag.  .  .  .  An  eine  Veröffentlichung  war  schon  aus 
dem  Grunde  nicht  zu  denken,  weil  nicht  bloß  die  in  politischer  Beziehung,  sondern 
auch  sonst  ungeeigneten  Details  über  die  Versetzung  Herbarts  nach  Göttingen,  die 
Handhabung  drückender  bureaukratischer  Tyranneien  mit  einer  Bitterkeit  zur  Sprache 
gebracht  waren,  die  man  sonst  an  Herbart  nicht  kannte.  Es  schien  wohlüberlegt  und 
wahrhaft  pietätvoll  von  Griepenkerl,  daß  er  das  harmonische  Charakterbild  seines 
Lehrers  nicht  durch  nachträgliche  Indiskretionen  entstellt  sehen  wollte." 


Nachtrag  zu   1833.  255 


Inzwischen  habe  ich  Ihre  Bemerkungen  drucken  lassen,  und  so  lang- 
sam auch  diesmal  die  Presse  gewesen  ist  —  es  soll  an  Papier  gefehlt 
haben,  mirabile  dictu,  denn  davon,  sollte  man  meinen  sei  heutigen  Tages 
niemals  und  nirgends  Mangel:  —  so  ist  doch  endlich  wenigstens  der  Auf- 
satz über  die  Tonlehre')  fertig. 

An  Ihren  Bach  bin  ich  wohl  nicht  viel  gekommen.  Das  Meiste 
muß  ich  bloß  lesen.  Kein  Instrument  und  keine  Finger  stehen  mir  da- 
für zu  Gebote.     Aber  tausend  Dank  für  die  schöne  Mittheilung! 

Die  letzten  Wochen  waren  unfruchtbar  bey  mir;  bald  Hitze,  bald 
Kälte;  für  solchen  Wechsel  bin  ich  zu  alt.  Komme  ich  indessen  noch 
einmal  mit  dem  zweyten  Heft  meiner  psychol.  Abhandlung  zu  Stande,  so 
leidlich  wie  mit  dem  ersten,  so  werde  ich  mir  auf  meine  eigene  Hand 
einbilden,  etwas  gethan  zu  haben,  wäre  auch  wiederum  das  Ganze  vor- 
läufig nur  Futter  für  Polemik.  Nun,  bitte  bitte  —  um  erfreuliche  Nach- 
richt von  Ihrem  Kommen!  Ganz  Ihr     H. 

948.  ■  Königsberg  den  25ten  Aug.  1833. 
Beim   Abschiede  Herbarts  von  Königsberg  überreichten    die    Freundinnen  der 

Frau  Herbart  dieser  einen  Haarkianz.  Im  N.  befindet  sich  ein  Bogen  mit  Proben 
von  den  Haaren,  wovon  die  Blumen  im  Kranz  gemacht  sind,  mit  den  Namen  der 
betr.  51  Damen  imd  Kinder.  Darunter  steht:  „Für  meine  innig  geliebte  und  ge- 
schätzte Fr.  Herbart,  von  Ihren  zurückgelassenen  Lieben  Freunden  und  Bekannten 
gesammelt  von  Ihrer  dankbaren  Amalie  Toussaint." 

949.  Königsb.    13.  Sept.  33 

Bei  Mitnahme  Otto  Stiemers  nach  Göttingen  hat  Herbart 
folgendes  Schriftstück  -)  aufgesetzt : 

,,Die  Frau  Oberlehrer  Stiemer  hat  im  Sinn,  ihren  unglücklichen  Sohn 
Otto  Stiemer  meiner  Frau  zum  Mitnehmen  nach  Göttingen   anzuvertrauen. 

Indem  ich  dies  zulasse:  erkläre  ich  ausdrücklich  und  auf  das  Be- 
stimmteste, hiemit  auf  keine  Weise  eine  Verpflichtung  der  Sorge  für 
künftiges   Fortkommen   des  Knaben  übernehmen  zu  wollen. 

Vielmehr  hat  die  Frau  Oberlehrer  Stiemer  schon  jetzt  Ursache  darauf 
zu  denken,  auf  welche  Weise  sie  den  Knaben  nach  Einem  oder  zwey 
Jahren  von  Göttingen  wieder  abhohlen  lassen  wolle;  indem  der  Zweck, 
einige  Fähigkeit  zum  Lernen  in  dem  Knaben  zu  erwecken,  in  ein  paar 
Jahren   muß  erreicht  seyn,  falls  er  überhaupt  kann  erreicht  werden. 

Überhaupt  behalte  ich  mir  vor,  den  Knaben  lediglich  nach  meinem 
Willen  aus  meiner  Wohnung  zu  entfernen,  welches  auch  der  Grund  davon 
•se}Ti  möchte;  jedoch  versteht  sich  von  selbst,  daß  ich  alsdann  der  Frau 
Oberlehrer  Stiemer  oder  ihren  Verwandten  oder  Bekannten  Nachricht 
geben  und  Anstalt  treffen  werde,  damit  anderweitig  für  den  Augenblick 
das  Nöthige  geschehe,  und  für  das  Abhohlen  des  Knaben  gesorgt  werden 
könne.  || 

Frau  Oberlehrer  Stiemer  giebt  hiezu  ihre  Zustimmung;  sie  bescheinigt 
dieselbe  durch  eigenhändige  Unterzeichnung  ihres  Namens. 

^)  S.  Bd.  XI,  S.  50  ff.,  gedruckt   1839,  darnach  kann  man  den  Brief  datieren! 
-)  3  S.    Fol.     N. 


256  Nachtrag  zu    1833. 


Sie  sorgt  überdies  dafür,  daß  zwey  angesehene,  in  öffentlichen 
wichtigen  Ämtern  stehende  Herrn  mit  unterzeichnen  und  siegeln,  welche 
hiemit  erlauben,  daß  ich  mich  in  Angelegenheiten  dieses  Knaben  an  Sie 
wenden,  wenn  dessen  Abhohlung  nöthig  wird,  mit  ihnen  correspondiren, 
und  das  Erforderliche  verabre  len  könne." 

Frau  Stiemer  bemerJct  daxu :  Königsberg,  13.  Sept.  1833. 

„Indem  ich  dieses  mit  dem  tiefgefühltesten  Danke,  welchen  ich  weder  schriftlich 
noch  mündlich  auszudrücken  vermag,  den  aber  Gott,  der  die  tiefsten  Tiefen  des 
Herzens  durchschauet,  kennet,  unterzeichne:  erkläre  ich  hiemit  noch  freywillig 
und  aus  eignem  Antriebe,  daß  ich  zu  dem,  was  Herr  oder  Fj'au  Prof.  Herrbarih  je 
2um  Wohl  meines  unglücklichen  Kindes  beschließen  mögen,  nicht  allein  aus  Grund 
meines  Herzens,  auch  ohne  vorheigeliende  schriftliche  Anfrage,  meine  Zu-  ||  Stimmung 
gebe,  sondern  auch  alles,  was  sie  hiezu  von  meiner  Seite  beyzubringen  bestimmen 
werden,  auf  das  genauste  befolgen  will;  da  ich  das  felsenfeste  Vertrauen  zu  dem 
selten  edlen  Herzen  meiner  und  meines  Kindes  "Wohlthätern  habe,  daß  sie  nur  das 
wählen  werden,  was  zu  dem  uahren  ^^'ohle  meines  geliebten  Kindes  führt. 

Charlotte  verw.  Stiemer  geb.  Wiebe." 

Mitunterschrieben  und  gesiegelt  von  Cons. -Rat  Kaehler  und  Prof.  Hagen. 

950.     H  ende  werk  an  H.     (3  S.    4».     N.)    Königsberg,  den  29sten  Septbr.  1833 

Es  darf  Sie,  mein  hoch  und  theuer  geachteter  Herr  Professor,  nicht  Wunder 
nehmen,  daß  ich  Ihnen  sobald  ein  Briefchen  nachschicke.  Sie  vor  Ihrer  Abreise 
nicht  noch  einmal  gesprochen  zu  haben,  der  ich  Sie  vielleicht  nicht  mehr  wieder- 
sehen werde  auf  diesem  Planeten,  wai'  mir  zu  schmerzlich  und  die  Hinterlassung 
Ihres  werten  Geschenkes  war  als  ein  neues  Zeichen  Ihrer  mir  so  feuern  Liebe,  für  mich  zu 
erfreulich,  als  daß  ich  nicht  in  der  Rückkehr  meines  lieben  Nachbars,  Hrn.  Steinhaus, 
die  günstige  Gelegenheit  wahrnehmen  sollte,  indem  ich  Ihnen  wohl  noch  so  manches 
mitzutheilen  hätte.  Einmal  nemlich  mögte  ich  Sie  fragen,  was  Sie  wohl  von  einer 
Arbeit  halten  würden,  die  unter  dem  Titel  erschiene:  ,,Herbart  und  Hegel  in  ihrem 
Verhältnisse  zueinander  als  systematische  Denker."?  Eine  solche  Darstellung  zu 
beabsichtigen,  wage  ich  kaum  zu  sagen,  da  meine  äußere  Lage  zu  bedrängt  ist,  um 
■die  zu  solchem  Unternehmen  nöthige  Ruhe  imd  Muße  zu  besitzen,  indessen  der 
Gedanke  derselben  hat  mich  in  der  letzten  Zeit  Ihres  Hierseins,  wo  er  zuerst  deutlich, 
hervortrat,  lebhaft  beschäftigt,  und  thut  solches  jetzt  fast  noch  mehr,  da  mir  der 
Prediger  Ebel  vor  einigen  Tagen  ßachmanns  Schrift:  „lieber  Hegels  System  und  die 
Nothwendigkeit  einer  nochmaligen  Umgestaltung  der  ||  Philosophie"  zuschickte.  Stimmte 
ich  nun  freilich  mit  Herrn  Bachmann  darin  überein,  was  er  über  Ihr  System  S.  152 
sagt,  so  müßte  wohl  alle  Lust  mir  schwinden,  Ihren  Gedankenkreis  der  Welt  näher 
zu  bringen.  Indessen  dergleichen  Ansichten,  wie  sie  auch  dort  ausgesprochen  sind, 
haben  für  mich  immer,  von  einem  Manne,  wie  Bachmann  ausgesprochen,  etwas 
fratzenhaftes  an  sich.  Sollte  der  Gedanke:  Es  habe  der  menschliche  Geist  deswegen 
mehrere  Jahrtausende  forschen  sollen,  um  mit  Ihrer  Philosophie  zu  endigen,  für 
den,  der  Sie  und  Ihr  Verhältniß  zur  christlichen  Offenbarung  wirklich  kennt,  etwas 
schreckliches  haben,  so  könnte  es  nur  die  Vorstehung  der  laugen  Zeit  sein,  die  der 
Menschengeist  brauchte,  um  selbständig  auf  den  richtigen  AVeg  zur  Erkenntniß 
■der  Wahrheit  zu  kommen,  wodurch  natürlich  der  Werth  des  Christenthums  für 
ihn  um  so  bedeutsamer  werden  muß.  So  oft  mich  daher  in  manchen  trüben  Stunden 
der  Gedanke  kränkt,-  nichts  in  der  Art,  wie  Sie,  für  die  Wahrheit  thun  zu  können, 
dann  rufe  ich   mir  immer  scheinbar  tröstlich  zu:    Nun  wohl!    so  wollen  wir  denn 


Nachtrag  zu  1833.  2^7 


doch  ganz  stille  sein  und  warten,  was  denn  für  eine  Gestalt  die  Philosophie  durch 
Herrn  Bachmann  und  die  anderen  gewinnen  werde,  um  endlich  die  wahre  zu  sein. 
Ich  dente  überdies,  ein  paar  Jahrtausende  wird  es  wohl  nicht  mehr  dauern,  bis 
man  das.  was  Sie  geleistet  haben,  vollkommen  anerkennen  und  in  der  von  Ihnen 
angegebenen  Richtung  fortarbeiteu  wird.  Ilir  ||  jetziges  Wii-ken  in  Göttingen  muß, 
so  hoffe  ich  mit  frohem  Herzen,  Hirer  Sache  wohl  bald  ein  entschiedenes  üeber- 
gewicht  verschaffen,  und  diese  Hoffnung  erhebt  mich  oft  recht  sehr  und  thut  mir 
wohl,  wie  schmerzlich  mir  auch  auf  der  anderen  Seite  die  weite  Trennung  von  Ihnen 
sein  muß.  Nun  kann  ich  ja  wohl  nicht  mehr  über  Christus  und  sein  wahres  Wesen, 
über  die  christliche  Wiedergeburt  und  Ähnliches  zu  Ihnen  reden.  Indessen  wie 
dem  auch  immer  sei,  so  werde  ich  doch  nie!  nie!  vergessen,  wie  tief  ich  alles  dieses 
durch  Sie  zu  tieferm  und  geordnetem  Denken  angeleitet,  in  meinem  Geiste  bewegt, 
[und]  wie  oft  Sie  mich  daher  begeistert  und  beseligt  haben,  so  [daß]  ein  neues 
Licht  auf  diese  Gegenstände  durch  Ihre  Worte  und  Gedanken  unerwartet  fiel. 
Mögte  es  mir  nur  nicht  an  Kraft  fehlen,  die  gewonnenen  Gedanken  in  ihrer  vollen 
Klai-heit  festzuhalten,  um  sie,  wenn  die  rechte  Zeit  für  mich  gekommen,  vollständig 
zu  entwickeln.  Da  denke  ich  denn  bisweilen,  ob  es  nicht  auch  in  dieser  Beziehung 
besser  wäre,  wenn  ich  die  academische  Laufbahn  aufgebend,  mich  um  eine  Land- 
pfarre bewürbe,  um  da  meine  ländliche  Muße  in  stiUer  Einsamkeit  schriftstellerisch 
zu  nützen. 

Indem  ich  Ihnen  nun  noch  für  Ihr  liebes  mir  sehr  teures  Geschenk,  bei  dem 
es  mir  nur  leid  thut,  daß  ich  doch  vielleicht  nicht  den  würdigsten  Gebrauch  von 
ihm  werde  machen  können,  meinen  muigen  Dank  bezeuge  und  Ihnen  zu  gestehen 
mir  erlaube,  daß  ich  sehr  gerne  auch  noch  ein  Bildniß  von  Ihnen  hier  zurück 
behalten  hätte,  rufe  ich  Ihnen  noch  aus  tiefer  Seele  ein  Lebewohl!  nach  und  darf 
wohl  kaum  noch  versichern,  daß  Sie  stets  bis  an  das  Ende  meiner  Lebens -Tage 
sein  und  bleiben  werden  der  unvergeßliche  Lehrer  Ihres  Sie  hoch  und  innig  ver- 
ehrenden -  Hendewerk, 

951.  Hoppenstedt  an  H.    (1  S.   4".    N.)  Hannover  11  Oct.  33. 

Eurer  Hochwohlgebohren  bezeuge  ich  meine  Freude  über  Ihre  glückliche  Ankunft 
zu  Göttingen  und  -«-iederhole  den  angelegentlichen  Wunsch,  daß  Sie  stets  mit  größter 
Zufriedenheit  des  Tags  gedenken  mögen,  an  welchem  Sie  zu  unserer  Georgia  Augusta 
wieder  zurückgekehrt  sind.  —  Wegen  der  Anweisung  der  Umzugsgelder  habe  ich 
das  Erforderliche  sofort  besorgt  und  Sie  dürfen  auf  deren  unverzügliche  Übersendung 
rechnen.     Mit  ausgezeichnetster  Hochachtung  empfehle  ich  mich 

Eurer  Hochwohlgebohren  ganz  gehorsamst    Hoppenstedt. 

952.  Dissen  an  H.    (2  S.  klein  4°.    N.)  den  7ten  Dec.  [1833] 

Was  Sie  mir  von  den  Plänen  und  Wünschen  des  Hm.  Doctor  Stümpel*)  mit- 
theilen, mein  verehrtester  Herr  Hofrath,  interessirt  mich  sehr  und  ich  würde 
mich  recht  freuen,  wenn  ich  zur  Realisirung  derselben  etwas  beitragen  könnte. 
Was  nun  erstlich  die  ausgearbeitete  Schrift  betrifft,  so  wünschte  ich  wohl  eine 
nähere  Ansicht  davon  zu  haben,  nicht  aus  Mistrauen  gegen  Hrn.  Stümpel,  sondern 
weil  sonst  nicht  möglich  ist  allerlei  wahrscheinliche  Fragen  des  Verlegers  zu  be- 
antworten. Dann  wäre  allerdings  sehr  wünschenswerth,  wenn  Hr.  Stümpel  bald 
■einen  Platz  für  seine  Tbätigkeit  finden  könnte;  da  er  aber  nirgends  durch  bloße 
Yorlesungen  anfangs  eine  unabhängige  Stellung  finden  wird,  so  wäre  eine  Auskunft 

1)  statt  ,,Sü-ümpell". 

Herbarts  Werke.     XIX.  17 


258  Nachtrag  zu  1833. 


vielleicht  da,  wenn  er  zugleich  etwa  an  dem  Gymnasium  der  Universität  Unterricht 
geben  möchte.  Für  diesen  Fall  müßten  wir  dann  Hrn.  Stümpel  fragen,  ob  und 
was  er  an  einem  solchen  Gymnasium  zu  lehren  geneigt  sei.  Es  sind  ein  paar  süd- 
liche Universitäten,  wo  sich  vielleicht  auf  diese  Weise  ein  Platz  eröffnen  ließe. 

Gehorsamst    Bissen. 

953.    Taute  an  H.     (3  S.    4».     N.)  Königsberg  den  Uten  December  1833 

Hochverehrtester  Herr  Hofrath,  Meinen  vorigen  Brief  hatte  ich  mich  bemüht, 
zusammenzudrängen,  und  doch  war  er  kaum  auf  die  Post  gegeben,  als  ich  mich 
erinnerte,  wesentliche  Dinge,  von  denen  ich  hätte  sprechen  müssen,  übergangen  zu 
haben.  Das  Wichtigste  davon  war,  daß  ich  keine  ausdrücklichen  Empfehlungen  an 
die  Frau  Hofräthin  meinerseits  hinzugefügt.  Womit  ich  also  hätte  schließen  sollen, 
fange  ich  dießmal  an.  Einigermaaßen  konnte  ich  mich  trösten,  weil  mein  Brief 
einem  großen  Theile  seines  Inhaltes  nach  als  eine  Empfehlung  augesehen  werden 
mochte.  Aber  wie  lebhaft  muß  ich  die  Schuld  fühlen,  als  der  18 te  December 
heranrückt,  an  welchem  sich  unsere  ganze  Anhänglichkeit  an  die  Frau  Hofräthm 
kundzugeben  pflegte,  und  wie  sonst,  so  besonders  an  diesem  Tage  sich  concentrirte 
und  ihren  Ausdruck  suchte.  Die  große  Gesellschaft,  die  von  selbst  zusammentrat, 
Freundinnen,  Schüler  und  Schülerinnen,  Ihre  eigene  Familie  möchte  man  sagen, 
die  unter  Ihren  Augen  und  Ihrem  Einfluß  aufgewachsen,  und  von  Ihnen  liebevoll 
gehegt  wurde ;  die  lange  Tafel,  mit  ihren  Blumen,  Aufsätzen,  bunt  und  reich  durch- 
einandergeschichteten Speisen;  die  Gesundheiten  und  Wünsche  welche  dargebracht 
wurden,  Spiel  und  Tanz,  die  sich  unbefangen  regten,  Sie  selbst  Herr  Hofrath,  der 
Beredteste  unter  Allen,  immer  neu  und  groß  in  der  Weise,  wie  Sie  Sich  gaben,  und 
die  Frau  flofräthin  mit  jedem  Jahre  liebenswürdiger  und  verjüngt  für  uns,  weil 
unser  Gefühl  Ihnen  immer  näher  treten ,  sich  stärker  und  unumwundener  aus- 
sprechen durfte  —  alles  dieß  tritt  heute  so  lebendig  vor  meine  Seele,  daß  Sie  die 
Erinnerung  daran  als  Glückwunsch  zu  dem  Tage  annehmen,  und  meine  innige  Theil- 
nahme  mögen  genehmigen  wollen.  Das  Fest  ist  für  uns  in  seiner  Größe  dahin  — 
wer  hätte  es  vor  Einem  Jahre,  da  wirs  zum  letzenmale  begingen,  glauben  sollen? 
—  aber  gefeiert  wird  es  auch  hier  in  kleinern  Zirkeln  werden,  und  sein  Andenken 
uns  nimmermehr  erlöschen.  Und  wir  dürfen  darauf  rechnen,  daß  Sie  künftigen 
Mittwoch  lebhaft  gedenken  werden,  wie  wir  uns  in  Ihren  Zimmern  herumtummelten 
und  uns  Ihres  Glückes  freuten. 

Auch  über  unser  pädagogisches  Seminarium  hätte  ich  Ihnen  Mehreres  mit- 
theilen können.  Es  ist  wirklich  seelig  entschlafen.  Der  Plan  des  Consistoriums  ist 
als  unsinnig  bei  Seite  gelegt.  Die  Herren  forderten  8000  Rthlr.  zu  seiner  Dotirung 
und  das  bot  Grund  genug  dar,  die  Sache  abzulehnen.  Gewiß  nur  ein  Vorwand; 
denn  wie  wollte  doch  ein  Herrscher,  der  seinen  Willen  hat,  eine  Macht  dulden 
und  begründen,  die  seine  Eifersucht  so  stark  erregt?  Er  mußte  fürchten,  was  wir 
hofften,  daß  sich  Gelegenheit  darbieten  würde,  unserer  Wissenschaft  irgend  einen 
Eingang  zu  verschaffen.  Von  allem  Anfang  schien  mir  die  ganze  Sache  nur  eine 
Spiegelei  zu  sein.  Die  Art  wie  der  Minister  sich  darüber  an  Schubert  ausgesprochen, 
der  für  die  Beibehaltung  des  Seminariums  in  seiner  früheren  Weise  sich  angelegent- 
lich verwendete,  zeugt  davon.  Ein  naturhistorisches,  ein  mathematisches  Seminarium 
will  uns  der  gnädige  Herr  schaffen,  und  dazu  werden  wahrscheinlich  imsere  Fonds 
verwendet  werden.  Reusch  ist  bereits  aufgefordert,  darüber  zu  berichten.  So  wenig 
Vernunft  giebt  es  in  Preußen,  ||  das  sich  rühmt,  seine  Augen  aufs  Bessere  gerichtet 
zu  haben!    Es  ist  blind  geworden  aus  Leidenschaft  und  Eifersucht! 

Hier  in  Königsberg  scheint  man  darauf  gespannt  zu  sein,  welchen  Einfluß  die 
in  unsere  Mitte  verpflanzte  Hegeische  Philosophie  gewinnen,  wie  weit  und  in  welcher 


I 


Nachtrag  zu  1833.  25Q 


Art  sie  wirken  werde.  Vor  allen  Dingen  glaubte  man  Reibungen  zwischen  Ihren 
Anhängern  und  den  Hegelianern  erwarten  zu  dürfen.  Etwas  der  Art  ist  auch  wirk- 
lich vorgefallen.  Herr  Dr.  Freystadt  hat  die  erste  Opposition  gegen  Herrn  Rosen- 
kranz geübt.  Er  hörte  bei  letzterem  die  anfängliche  Vorlesung  über  Logik  und  Ein- 
leitung zur  Philosophie,  und  Herr  Rosenkranz  war  so  unvorsichtig,  irgend  welche  Be- 
leidigungen gegen  das  Judenthum  auszusprechen.  Die  Sache  wird  verschieden  erzählt, 
und  mit  Freystadt  bin  ich  nicht  zusammengekommen,  um  sie  von  ihm  zu  hören. 
Einige  sagen,  R.  habe  den  Standpunkt  der  gemeinen  Erkenntniß  mit  der  philosophi- 
schen verglichen,  jene  als  die  Gotteserkenntniß  eines  geboren  Juden  bezeichnet,  die 
zu  einer  höheren  werde,  wenn  der  Jude  zum  Christenthum  übergehe.  Philosophie 
und  gemeine  Erkenntniß  also  gleich  der  christlichen  und  jüdischen  Gotteslehre, 
beide  dasselbe  nur-  auf  verschiedene  Weise  enthaltend.  Andere  dagegen  erzählen, 
daß  einem  Juden  wahres  Christenthum  abgesprochen  wurde,  wenn  er  sich  auch 
taufen  lasse.  Kurz,  Herr  Freystadt  machte  die  Sache  öffentlich,  indem  er  ein  paar 
Distichen  gegen  Herrn  Rosenkranz  in  das  hiesige  Haberlandsche  "Wochenblatt  ein- 
rücken ließ :  so  wurde  sie  zum  Skandal.  Einen  anderen  veranlaßte  Herr  R.  selber. 
Nämlich  bei  einer  Zusammenkunft  mit  Prof.  Jacobi,  dem  Mathematiker  nahm  dieser 
den  Universitätskatalog  zur  Hand  und  sagte:  Nun  Herr  CoUega,  wir  wollen  einmal 
sehen,  was  Sie  für  Genossen  unter  uns  vorfinden.  Dieser  Erste  hier  ist  ein  Esel,  dieser 
—  ein  halber  Esel  —  und  so  heißt  es,  kamen  noch  Viertel  und  Fünftel  Esel  und 
wer  weiß  welche  andere  Brüche  der  Art  vor.  Rosenkranz  war  auch  hier  wieder 
vorlaut  und  erzählte  die  Geschichte  weiter.  Damit  gab  es  einen  zweiten  Skandal, 
der  übles  Blut  setzte. 

Nehmen  Sie  nicht  ungütig,  daß  ich  Sie  mit  dergleichen  Dingen  unterhalte.  Aber 
der  Fortgang  der  Begebenheiten  hat  oft  sehr  gemeine  Wiu'zeln.  Die  hiesigen  Facultäts- 
gelehrten  versichern,  daß  Herr  R[osenkranz]  und  die  Hegelei  sie  nicht  leicht  bekehren 
werde.  Gleichwol  ist  die  Weltherrschaft  der  Hegeischen  Philosophie  hauptsächlich  auf 
Herrn  R.  gegründet:  „Ich  gebe  Euch  Königsbergärn.  glaubt  es  mir,  das  Beste,  was  ich 
habe"  sagte  Herr  S[chulze]  zu  Schubert.  Ebenderselbe  hat  Henning  und  Hotho  auf- 
gegeben, sprach  von  Hinrichs  geringfügig  und  von  Michelet  sehr  übel.  Nach  Aussage 
des  Prof.  Sachs,  der  beim  Verein  der  Naturforscher  in  Breslau  gewesen  und  seinen 
Rückweg  über  Berlin  genommen,  wird  Hegeische  Philosophie  in  Berlin  zum  Gespött. 
Zerstören  ist  leichter  als  Bauen.  Doch  spricht  der  Minister  selbst  von  Philosophie 
in  hohem  Tone.  Alle  Wissenschaften  müßten  von  ihr  ausgehen  und  durch  sie  be- 
gründet werden.  Es  spukt  ihm  wie  man  meint,  die  Fichtische  Wissenschaftslehre 
im  Kopfe;  denn  von  Hegelscher  Lehre  soll  er  eben  nicht  viel  verstehen. 

Auf  die  öffentUche  Disputation  des  Herrn  R.  ist  die  Erwartung  ebenfalls  ge- 
richtet. Man  wirft  Fragen  ||  auf,  wie's  wol  da  hergehn  werde.  Nun,  ich  glaube, 
die  Sache  wird  recht  solenn  abgemacht  werden,  wenn  Herr  Prof.  Jacobi  oder  sonst 
ein  Facultist  dem  sie  gleichgültig  ist,  die  Opposition  übernimmt,  und  dem  Ritus 
•Genüge  geschieht.  R.  wird  im  März,  wie  es  verlautet,  disputiren  und  den  heiligen 
Abälard,  wies  ihm  von  BerUn  aus  insinuirt  worden,  zum  Gegenstand  nehmen.  Über 
speculative  Theologie,  Trinität,  Vemunfterkenntniß  Gottes  werden  wir  dann  etwas 
zu  hören  bekommen.     Die  Philosophie  wird  pfäffisch. 

Auch  Ihre  höherstehenden  Freunde  erfahren  die  Ungunst  des  Ministeriums. 
So  ist  es  Prof.  Schubert  ergangen,  er  ist  seiner  Function  bei  der  Prüfungscommission 
eben  entbunden  worden.  Dieß  wäre  an  sich  nichts  Erhebliches;  denn  der  Minister 
übt  das  Recht,  jährlich,  werm's  ihm  beliebt,  neue  Mitglieder  zu  ernennen.  Aber 
unmittelbar  nachdem  Seh.  von  Berlin  gekommen  und  dort  für  die  gute  Sache  frei- 
müthig  gesprochen  —  kann  man  sich  der  Nebengedanken  kaum  erwehren. 

17* 


25o  Nachtrag  zu   1834. 


An  Herrn  v.  Schön,  den  Kanzler  v.  Wegnern  und  Reusch  habe  ich  nicht  ver- 
säumt, Ihre  Empfehlungen  darzubringen.  Sie  wurden  nicht  bloß  sehr  gnädig  auf- 
genommen, sondern  man  schien  auf  die  Aufmerksamkeit  gerechnet  zu  haben.  Alle 
die  Herren  sagten  fast  einstimmig:  Wir  haben  den  Herrn  Hofrath  ungern  verloren, 
wenn  es  aber  geschehen  mußte,  so  wünschen  wir  daß  es  demselben  in  jeder  Hinsicht 
wohlgeh n  möge. 

Auch  von  Gregor  und  Vogdt  habe  ich  angelegentliche  Empfehlungen  zu  be- 
stellen, sowie  von  anderen  Herren  die  ich  bereits  in  meinem  vorigen  Briefe  ge- 
nannt. Wie  ich  hoffe,  werden  diesmal  mehrere  Briefe  von  hier  aus  bei  Ihnen  an- 
kommen. Lobeck  sagte  mir,  er  werde  nächstens  an  Sie  schreiben  und  seine  Frau 
müßte  dann,  wenn  nicht  einen  besonderen  Brief,  so  ein  tüchtiges  Postscriptum 
dazu  fügen. 

Sowohl  neulich  als  heute,  Herr  Hofrath,  habe  ich  mir  erlaubt,  Namen  zu 
nennen  und  Thatsachen  anzuführen,  die  sich  auf  Ihre  früheren  Verhältnisse  zum 
Preußischen  Ministerium  beziehen.  Aber  dergleichen  sind  wie  glühende  Metall- 
stücke ;  man  darf  sie  mit  bloßen  Händen  nicht  berühren 

Mit  größtem  Dank  für  Ihren  letzten  Brief,  der  mich  so  sehr  überraschte,  da 
ich  kaum  den  meinigen  in  Göttingen  wähnte ;  mit  treuester  Anhänglichkeit  und  dem 
lebhaftesten  dankbaren  Gefühle  für  Sie  und  die  Frau  Hofräthin  schließe  ich  und 
empfehle  mich  Ihrer  fortwährenden  Gewogenheit.  Ihr  ergebenster    Taute. 

954.  Strümpell  an  H.    (IS.   4».    N.)  Braunschweig  d.  29.  Dec.  1833. 

Verehrtester  Herr  Hofrath !  Durch  die  Güte  des  Herrn  Professor  Griepenkerl 
habe  ich  die  Summe  von  30  Rthlr.  erhalten,  und  erlaube  mir,  Ihnen  nochmals 
meinen  erkenntlichsten  Dank  dafür  zu  sagen. 

Bei  meiner  Anwesenheit  hier  in  Braunschweig  war  Gr.  ferner  so  gütig,  mir 
den  an  ihn  geschriebenen  Brief  von  Ihnen  vorzulesen.  Obgleich  ich  die  Noth- 
wendigkeit  dabei  fühlte,  für  jede  Zeile  meines  frühern  Schreibens  an  Sie  um  Ent- 
schuldigung zu  bitten  und  es  lieber  ungeschrieben  zu  wünschen  — :  so  giebt  mein 
Bewußtsein  mir  doch  keine  Veranlassung,  mir  eine  solche  Lehre  zu  fernerm  Ge- 
brauche anzueignen,  wie  Sie  die  Güte  hatten  durch  Ihre  Briefprobe  in  jenem 
Schreiben  anzuempfehlen.  Ich  könnte  das  Misverstehen  bei  jedem  Satze  darin  nach- 
weisen: aber  ich  befürchte,  sowohl  langweilig  zu  werden  wie  das  Verhältniß  da- 
durch noch  ärger  zu  machen,  abgesehen  davon,  daß  ich  gern  jede  Schuld  auf  mich 
nehme,  um  der  Unlust  einer  Rechtfertigung  überhoben  zu  sein.  Meine  Hochachtung 
gegen-  Sie  beruht  auf  zu  sehr  unpersönlichen  Gründen,  als  daß  diese  jemals  leiden 
könnte;  daher  bewegt  mich  nur  das  Gefühl,  Urnen  so  vielfach  und  so  sehr  ver- 
pflichtet zu  sein,  zu  der  nochmaligen  Bitte,  sowohl  jenen  früheren  wie  auch  diesen 
Brief  entschuldigen  zu  wollen. 

Mit  vollkommener  Hochachtung  und  Ergebenheit  verbleibe  ich,       Ihr    Str. 

955.  Schubert  an  H.     (4  S.    4".    N.)  Kgsbrg,  d.  10t.  Jan  1834 

Hochgeschätzter  Freund  und  Herr,  WLr  haben  in  diesen  Tagen  mit  wahrer 
Bangigkeit  auf  eine  Nachricht  aus  Göttiugen  geharrt,  denn  mit  großer  Betrübniß  hatten 
wir  aus  einem  Briefe  des  Hr.  Thomas  von  Ihrer  heftigen  Krankheit  in  den  Weihnachts- 
feiertagen gehört  und  die  daran  geknüpfte  tröstliche  Beruhigung  über  Ihre  Genesung 
wurde  leider  durch  ein  Gerücht  aus  anderer  Quelle  widerrufen.  Indeß  erfahre  ich 
soeben  zu  meiner  größten  Freude,  daß  dieses  zweite  Gerücht  lediglich  aus  einem 
Mißverständnisse  durch  Verwechselung  des  Namens  sich  herschreibt,  und  so  zögere 
ich   keinen   Augenblick   durch  Absendung  dieses   Briefes   eine  Antwort  von  Ihrer 


Nachtrag  zu   1834.  26 1 


eigenen  Hand  herbeizulocken,  in  der  zuversichtlichsten  Hoffnung,  Sie  werden  meine 
Zeilen  schon  völlig  wiederhergestellt  lesen  können. 

Ihr  ausführlicher  Brief  vom  löten  Dec.  hat  Ihre  früheren  näheren  CoUegen 
sehr  erfreut,  denn  er  gab  uns  allen  den  lebhaftesten  Beweis,  in  welchem  guten 
Andenken  wir  bei  Ihnen  stehen  und  wie  gern  Sie  auch  jetzt  noch  an  unser  früheres 
Zusammenleben  und  Zusammenwirken  Sich,  erinnern  lassen,  ich  habe  von  allen  den 
angelegentlichen  Auftrag  er-  ||  halten,  herzUche  und  treu  ergebene  Empfehlungen 
bei  Ihnen  auszurichten.  Daran  schließt  sich  auch  der  Oberregierimgsrath  Reusch 
an,  der  überdies  mir  beiliegenden  Brief  schon  vor  14  Tagen  hat  zustellen  lassen, 
um  ihn  gelegentlich  an  Sie  abzusenden. 

Neuigkeiten   kann  ich  Ihnen   von  hier  aus  wenig  senden.     Olshausens  Recht- 
fertigung   über    seine    Mitwirkung    bei    der    hiesigen    Prediger- Conferenz,    die    er 
schon   im    Sommer   noch    bei    Ihrer    Anwesenheit   geschrieben   hat,    erzeugt   noch 
immer  eine  sehr  scharfe   Gegenwirkung  sowohl  der  Rationalisten,    wie  der  Ortho- 
doxen   und    Ebelianer.      Namentlich    hat    von    der    letzteren    Seite    der    Prediger 
Diestel    eine     bittere     und     an    manchen    Stellen    tief    verwundende    Replik    ge- 
richtet.    Olshausen  hat  sich  selbst  durch   unüberlegte   Äußerungen   und  gehässige 
Insinuationen  sowohl  hier  als  in  Berlin  geschadet,  das  ist  gewiß.    Er  scheint  auch 
jetzt  dringend  zu  wünschen,  aus  seiner  hiesigen  Stellung  versetzt  zu  werden:  doch 
dürfte  ihm  das  wohl  nicht  so  leicht  gelingen,  da  er  in  Preußen  kaum  eine  passendere 
Stellung   vom  Ministerium    erhalten   würde   und    außerhalb    unseres   Landes    seine 
exegetischen  Ansichten  jetzt  schwerlich  Beifall  finden  dürften.     Kahler  hat  nicht 
die  Stelle  des  General-Superintendenten  erhalten,   sondern  es  wird  zu  Ostern   ein 
Herr  Müller  aus  Erfurt,    ein  ganz  unbekannter   Mann,    für   dieses    einflußreichste 
Kirchenamt   unserer  Provinz    erwartet.     Lehnerdt   ist   in    Olshausens   Stelle   in   die 
wissenschaftliche  Prüfungs-Commission  |1  getreten,  sowie  auch  Professor  Rosencranz 
sogleich   seine  Stelle  in  diesem  Geschäfte  statt  Gotthold   gefunden   hat,   selbst  mit 
Umgehung  des  vorhandenen  Gesetzes,   das  einen  practischen  Schulmann  in  diesem 
Quinquevirate  verlangt.     Dr.  Taute  habe  ich  in  diesen  Wochen  zu  einer  Professur 
nach  Dorpat  vorechlagen  können,   da  der  alte  emeritirte  Jäsche  nicht  mehr  wieder 
gewählt  ist,  und   ein  neues  Russisches  Gesetz  bei  den  emeritirten  Professoren  dem 
-Universitäts-Conseil   die   jährliche  Erneuerung   ihrer  Wahl   anbefiehlt.     Möchte   es 
ihm  gelingen  hier  anzukommen,  vielleicht  daß  ein  ihm  anvertrautes  Lehramt  eine 
ersprießlichere  Regsamkeit  in   ihm    erweckt  und  ihn  auch  literarisch  thätig  macht. 
Von  Bobrick  aus  Zürich  habe  ich  in  diesen  Tagen   einen  Brief  gehabt;   er  schreibt 
zufrieden  und  giebt  kein  unerfreuliches  Bild  von  dem  Zustande  der  neuen  Universität, 
ich  will   hoffen,  daß   dieses  Bild   ein   wahres  ist  und  er  sich  nicht  selbst  täuscht. 
Wir  haben  auf  seinen  Wunsch  den  von  ilim  vorgeschlagenen  Prof.  Hottinger,  einen 
tüchtigen  Historiker,  der  mir  persönlich  achtungswerth  bekannt  ist,  zum  Dr.  unserer 
Facultät  proraovirt. 

Von  mir  selbst  weiß  ich  kaum  etwas  Bemerkenswerthes  zu  melden;  meine 
Reise  äußert  noch  ihre  gute  Wirkung  für  meine  Gesundheit  fort  ich  lasse  jetzt  ein 
Handbuch  der  Staatskunde  Europas  in  2  Bänden  bei  Bornträger  drucken  und  habe 
in  diesem  Winter  viel  zu  dociren,  da  ich  außer  14  academischen  Stunden  noch  vor 
einem  gemischten  Auditorium  von  160  Zuhörern  im  Hause  des  commandirenden 
Generals  über  vaterländische  Geschichte  lese.  Es  geschieht  ||  dies  wöchentlich  am 
Montage  in  anderthalb  Stunden  ohne  Unterbrechung,  und  ich  freue  mich,  daß  der 
Obei-praesident  und  alle  übrigen  Praesidenten,  Generale  und  Staabsofficiere  so  eifrige 
und  aufmerksame  Zuhörer  sind,  daß  ich  mir  nur  einmal  auch  von  meinen  Commili- 
tonen  ein  ganzes  Halbjahr  hindurch  ein  Gleiches  erbitten  würde. 


202  Nachtrag  zu  1834. 


Beiliegende  66  Thlr.  sind  die  Getreidegelder  für  ^4  Jahre,  die  Sie  bis  Michael 
noch  zu  beziehen  gehabt  haben,  der  Scheffel  ist  diesmal  mit  1  Thlr.  3  ggr.  bezahlt. 
Wegen  der  Reste  des  Rhodiani  werden  im  nächsten  Monate  Zahlungen  erwartet. 
Frau  Oberlehrer  Stiemer  legt  den  Brief  an  Ihre  Frau  Gemahlin  bei. 

Mit  den  angelegentlichsten  und  herzlichsten  Empfehlungen  von  Seiten  meiner 
Frau  an  Ihre  hochverehrte  Gemahlin,  denen  ich  mich  mit  allen  meinen  Kindern 
von  ganzer  Seele  anschließe,  bitte  ich  recht  sehr  und  bald  um  eine  freundliche 
Erwiederung  und  verharre  ganz  der  Ihre     Schubert. 

Der  alte  v.  Knobloch.  Ihr  Einwohner,  ist  vorige  Woche  im  90ten  Jahre  ge- 
storben. —  Eine  Quittung  für  die  Getreidegelder  ist  nicht  nöthig,  da  ich  in  Ihrem 
Namen  und  Auftrag  ein  umgehendes  Circular  quittiren  muß.  Nur  gelegentlich  den 
Empfang  im  Briefe  zu  vermerken  bitte  ich. 

956.  Richthof en  an  H.    (2  S.   4».    N.)  Brecheishof  den  IGten  Jan.  1834. 

So  oft  ich  in  meinem  Leben  auf  Sie.  mein  verehrtester  alter  Freund,  im  Stillen 
gescholten,  daß  Sie  in  Ihrer  Korrespondenz  ziemliche  Lücken  nicht  achteten,  so 
nehme  ich  doch  jetzt  in  ähnlicher  Noth  wegen  meinem  Sohn  zu  Ihnen  meine  Zu- 
flucht. Sonst  ein  fleißiger  Briefschreiber  und  wissend  wie  leicht  ich  in  Sorgen 
gerathe,  wenn  mich  meine  Lieben  ohne  Kunde  lassen,  hat^er  doch  dießmahl  auf  zwei 
Briefe  nicht  geantwortet,  und  da  sonst  14  Tage  die  gewöhnliche  Schreihperiode  unter 
uns  ist,  4  Wochen  vergehn  lassen.  Ich  fürchte  daher  in  der  That,  er  sey  krank,  und 
ein  an  ihn  unmittelbar  addressirter  Brief  sey  vielleicht  vergeblich;  also  die  doppelte 
Bitte,  wenn  er  gesund  ist,  so  schelten  Sie  ihn  in  meinem  Nahmen  etwas  aus,  wenn 
er  aber  krank  ist,  so  nehmen  Sie  sich  seiner  freundväterlich  an,  und  geben  Sie  mir 
selbst  schleunig  Nachricht  über  ihn,  und  veranlassen  Sie  dazu  möglichst  oft  alle  die 
mir  und  ihm  wohlwollen;  freilich  wäre  das  Uebel  bedeutend,  was  Gott  verhüten 
wolle,  so  hätte  ich  nichts  Eiligeres  zu  thun,  als  selbst  nach  Göttingen  zu  eilen.  Aber 
Sie  sind  ja  dort,  mein  alter  Freund,  meine  treffliche  Schwieger,  Minna  Grote  ist  in 
der  Nähe,  und  der  liebe  Junge  hat  so  vielfache  Freunde  gefimden,  daß  er  gewiß 
nicht  verlassen  seyn  würde;  vorzüglich  hat  er  mir  Ribbentrop  vielfach  als  seinen 
Freund  gerühmt;  —  hoffentlich  thut  aber  alles  das  noch  nicht  Noth;  auch  würde 
ich  weniger  ängstlich  ||  seyn,  wenn  er  nicht  so  überaus  vollblütig  und  auch  sonst 
reizbar  wäre.     Gott  erhalte  mir  ihn!    Mit  dem  herzlichsten  Gruße  der  Ihrige! 

Richthofen. 

957.  Ungewitter  an  H.     (4  S.    4».     N.)  Schenssel  d.  21.  Januar  1834. 

!  .  .  So  lächerlich  es  Ihnen  auch  erscheinen  mag,  so  muß  ich  es  Ihnen  doch 
bekennen,  daß  früher  (ich  glaube  im  Jahre  1832)  ich  mich  veranlaßt  fand,  als  ich 
in  den  Zeitungen  las,  daß  Hegels  Stelle  in  Berlin  noch  nicht  besetzt  sei,  mich  nach 
Berlin  in  Ihrer  Angelegenheit erschrecken  Sie  nicht!  —  an  den  Professor  Heng- 
stenberg II  (den  einzigen  der  dortigen  academischen  Lehrer,  dem  ich  eingermaßen 
bekannt  war)  zu  wenden  und  ihn  auf  Sie  aufmerksam  zu  machen  und  auf  Ihre 
Schriften  hinzuweisen,  indem  ich  mit  besonderer  Heiterkeit  und  Klarheit  Ihr  System 
in  metaphysischer  und  moralischer  Hinsicht  ihm  darstellte  und  frei  Ihren  Gegensatz 
gegen  Hegel  und  Schleiermacher  aussprach.  Damit  verband  ich  denn  die  Bitte  von 
meiner  Darstellung  möglichst  Gebrauch  zu  machen,  und  dahin  mitzuwirken,  daß  Sie  nach 
Berlin  berufen  würden.  —  Auf  diesen  Brief  habe  ich  gar  keine  Antwort  bekommen. 
—  Ich  aber  freue  mich  noch  darüber,  daß  ich  eine  so  schöne  Gelegenheit  gehabt 
habe,  für  Sie  zu  zeugen,  wenn  es  auch  für  den  Augenblick  nicht  anerkannt  seyn  mag. 

In  diesen  letzten  14  Tagen  hat  mich  Wolfs  Leben  von  Körte,  das  ich  mit  dem 
lebhaftesten  Interesse  und  zu  großer  Belehrung  gelesen  habe,  oft  an  Sie  erinnert. . . 


Nachtrag  zu  1834.  263 


958.     Taute  an  H.     {3  S.    4".     N.)  Königsberg  den  5ten  März  1834. 

Hochverehrtester  Herr  Hofrath,  Wunderbar  wurde  ich  von  Ihrem  gütigen,  so 
sehnsüchtig,  ich  möchte  sagen,  so  schmerzlich  erwarteten  Briefe  überrascht!  Denn 
eben  den  gegenwärtigen,  den  ich  die  Ehre  habe,  Ihnen  zu  überschicken,  und  ihn  nun 
bloß  mit  ein  paar  Abänderungen  umschreibe,  in  der  Tasche  und  zur  Thür  hinaus- 
tretend, um  ihn  selbst  auf  der  Post  abzugeben,  wird  mir  der  Ihrige  überreicht. 
Das  Stillschweigen  mußte  ich  endlich  brechen,  und  versuchen,  ob  es  vielleicht 
möglich  wäre,  durch  eine  dringende  Bitte  Ihre  gütige  Aufmerksamkeit  wieder  auf 
Königsberg  zu  wenden  und  siehe  da,  Sie  kommen  mir  so  erfreulich  entgegen! 

Herrn  Prof.  Schubert  hatte  ich's  zu  Anfange  des  Jahres  überlassen,  Ihnen  zu 
melden,  wie  sehr  wir  durch  üble  Gerüchte,  Ihre  Gesundheitsumstände  betreffend, 
hier  gequält  wurden,  und  wie  man  sich  von  allen  Seiten  an  Schubert  und  an  mich 
wendete,  um  bestimmte  Kachrichten  über  Sie  zu  erhalten.  Die  Gerüchte  sowohl, 
als  die  Anfragen  bewiesen  mindestens,  welches  Interesse  man  an  Ihnen  fortwährend 
bei  uns  in  Königsberg  nimmt.  Höhere  Beamte,  Professoren,  Studenten,  Bürger  aus 
allen  Ständen  sprachen  von  Ihnen;  wir  mußten  schweigen,  und  trösteten  uns  damit, 
was  auch  der  Erfolg  bestätigt,  daß  Sie,  wohl,  wie's  im  Winter  oftmals  der  Fall  war, 
leiden  vmd  darum  nicht  aufgelegt  sein  möchten,  an  uns  zu  denken.  Unter  solchen 
Umständen  wollte  ich  Ihnen  meinerseits  mit  Briefen  nicht  beschwerlich  werden, 
aber  schon  dachten  wir  daran,  uns  in  Göttingen  einen  Korrespondenten,  unabhängig 
von  Ihrem  Hause,  für  Ihr  Haus  zu  bestellen. 

So  vielen  und  so  stark  aufgeregten  Erwartungen  konnte  ich  bei  dem  Hm.  Geh. 
R.  Lobeck  und  Prof.  Schubert  nur  dadurch  genügen,  daß  ich  diesen  Herrn  Ihren 
Brief  ganz  mittheilte.     Das,  bitte  ich  Sie  ergebenst,  mir  nicht  übel  zu  nehmen. 

Unsere  Stadt  ist  die  alte,  weiB  wenig  von  Wechsel  und  bedeutenden  Ereignissen ; 
die  Leute  leben  still  fort  und  wundern  sich,  wenn  mal  Einer  aus  dem  gewöhnlichen 
Gleise  heraustritt  und  laut  spricht  oder  öffentlich  handelt.  Eines  interessanten  Auf- 
trages muß  ich  mich  indessen  zunächst  an  Sie  entledigen.  Hrn.  v.  Schön  hatte  ich, 
Ihrer  Aufforderung  gemäß,  besucht  und  war  nochmals  bei  einem  seiner  Abendthees 
zugegen.  Herrn  Jachmann  fand  ich  mit  andern  Herrn  anwesend,  und  wir  sprachen 
über  Philosophie,  besonders  die  neuern  Systeme  seit  Kant.  Jener  erste  Herr  tmg 
kein  Bedenken,  rücksichtslos  seine  Unkunde  an  den  Tag  zu  legen  und  über  alle 
Fortschritte  der  Wissenschaft  abzusprechen.  Er  ist  Kantianer,  Herr  v.  Schön  *)  gleich- 
falls. Aber  auch  aus  Kant  machen  sich  die  Leute  gewöhnlich,  was  sie  wollen;  seine 
Ideen  gefallen  ihnen  mehr,  als  die  Kategorien  und  Verstandesgrundsätze;  Erfahrungs- 
erkenntniß  bedeutet  wenig,  man  liebt  das  Gebiet,  wo  man  schwärmen  und  sich  eine 
Welt  willkührlich  ausbauen  kann.  Vornehmlich  staunte  ich  auch  über  die  Unwissen- 
heit des  Hm.  v.  Schön  in  Ihren  Lehren.  „Wieviel  praktische  Ideen  giebt  es?*' 
„Ja,  wamm  nicht  Eine  bloß?  Warum  nicht  zehn?''  „Da  kommt  ein  anderer  Philo- 
soph, der  Eine  mehr  oder  weniger  nach  Gefallen  aufstellt!"  ,,Der  Eine  nennts  Häns- 
chen,  der  Andre  nennts  Fritzchen,  und  am  Ende  gehts  auf  dasselbige  hinaus." 
Solche  Fragen  und  Bemerkungen  wurden  nacheinander  gemacht,  ohne  mal  Antwort 
II  und  Gegenvorstellung  abzuwarten.  Mit  Nachdruck  versicherte  Hr.  v.  Schön,  sich 
nicht  den  mindesten  Begriff  davon  machen  zu  können,  wie  Mathematik  auf  geistige 
Thätigkeiten  anzuwenden  sei.  Ich  erlaubte  mir  von  Vorstellungen  als  Kräften  zu 
reden,  fand  aber  wenig  Eingang.  —  Doch  das  will  ich  lassen  und  zu  meinem  Auf- 
trage kommen.  Mit  dem  lebhaftesten  Interesse  äußerte  sich  Hr.  v.  Schön  über  einen 
Vortrag,  den  Sie,  Herr  Hofrath,  bei  der  letzten  Feier  des  Kantischen  Geburtstages 

^)  Vgl.  „Aus  den  Papieren  des  Ministers  Th.  von  Schön''. 


264  Nachtrag  zu  1834. 


hierselbst  gehalten  —  eine  Zusammenstellung,  wenn  ich  nicht  irre,  philosophischer 
Streitfragen.  Nun  sagte  Hr.  v.  Schön,  er  habe  Sie  ersucht  und  Sie  ihm  nicht 
völlig  abgeschlagen,  einen  förmlichen  Krieg  der  Philosophen  niederzuschreiben  und 
das  nächstemal  vorzulesen;  mir  aber  trug  er  bestimmt  auf,  Sie  von  ihm  recht  sehr 
zu  grüßen  und  in  seinem  Namen  an  das  Versprechen  zu  mahnen,  die  Schrift  würde 
dann  hier  bei  der  bevorstehenden  selbigen  Festfeier  vorgetragen  und  das  Andenken 
an  Sie  dadurch  lebendig  und  dankbar  aufgefrischt  werden.  Ob  Sie  wol  dem  Hrn. 
V.  Schön  den  Gefallen  thun  und  mich  beehren  wollten,  ihm  den  besagten  Krieg  auf 
harmlosem  Papier  zu  überreichen  V 

Die  hiesigen  Mystiker  führen  auch  noch  fortdauernd  Krieg  und  liefern  einander 
Schlachten  mittelst  Di-uckschriften.  Sie  erinnern  Sich  gewiß,  Hr.  Hofrath,  noch  an 
die  berühmten  100  Thlr.  und  die  Geisteszerrüttung,  die  dadurch  soll  verschuldet 
worden  sein.  Andere  Fälle  der  Art  kamen  bekanntlich  mehrere  vor;  das  Publikum 
schien  eine  üble  Meinung  von  der  Frömmigkeit  zu  fassen,  worauf  sich  Olshausen  ver- 
anlaßt gefunden,  eine  Broschüre  in  die  Welt  zu  schicken,  in  welcher  er  unter  Mehrerem 
den  Satz  aufstellt,  daß  das  Christentum  kein  Freibrief  gegen  den  "Wahnsinn  sei.  Da- 
gegen schrieb  Prediger  Diestel,  behauptete  gerade  dieß,  griff  Olshausen's  Persönlichkeit 
stark  an,  indem  er  dessen  unchristlichen  Sinn  aufzudecken  meinte.  Vor  einigen 
Tagen  erschien  nun  wieder  eine  ßeplik  von  Olshausen,  mit  gleicher  Münze  zahlend, 
so  daß  der  Streit  ganz  individuell  und  persönlich  wird.  Der  Hauptvorwurf  ist  der, 
daß  Diestel *ein  Schüler  des  bekannten  Sch'önherr  sei,  dessen  System  in  Olshausens 
Schrift  breit  auseinander  gesetzt  sein  soll.  Vielleicht  platzt  das  Geschwür,  wenn 
er  sich  rührt. 

Auch  unser  Hr.  Prof.  Eosenkranz  bereitet  einen  Krieg  vor,  nämlich  ein 
polemisches  "Werk  gegen  Bachmann  als  Erwiederung  auf  dessen  neuliche  Angriffe 
der  Hegeischen  Schule.  Die  Arbeit  mag  nicht  schwer  auszuführen  sein.  Sonst 
giebt  Eosenkranz  wenig  von  sich  zu  hören;  selbst  von  einem  lebhaften  Besprechen 
Hegelscher  Wahrheiten,  die  er  lehrt,  habe  ich  nichts  vernommen. 

Ihr  Programm,  Hr.  Hofrath,  über  das  princ.  excl.  med.  habe  ich  mit  großem 
Vergnügen  gelesen;  nur  fürchte  ich  fast,  Ihre  Gegner  möchten  die  Feinheit  und 
Milde  der  Behandlung  kaum  zu  schätzen  wissen. 

Ihre  Wohnung  hierselbst  ist  nach  dem  Tode  des  Hrn.  von  Knobloch  aufs 
Neue  vermiethet  und  zwar  an  den  Landstallmeister  Hrn.  von  Burgsdorf,  das  Mittel 
und  Dachgeschoß  zusammen  mit  456  Thlr.  von  Michaelis  ab. 

Dann  muß  ich  Ihnen  ergebenst  anzeigen,  das  es  dem  Auctionskommissarius 
Lockmann  durchaus  unmöglich  ist,  die  Tische  und  Bänke  Ihres  Auditoriums  los- 
zuschlagen, es  bleibt  fast  nur  übrig,  sie  als  bloßes  Material  an  einen  Tischler  zu 
verkaufen,  wobei  freilich  wenig,  kaum  das  Stück  mit  5  Slbgr.  herauskommen  wird. 
Mögen  Sie  darüber  gefälligst  bestimmen  wollen,  damit  endlich  auch  der  Erlös  für 
die  bereits  verkauften  Möbeln  von  Lockmann  eingehe. 

Hr.  Unzer  freute  sich  sehr,  von  Ihnen  zu  hören.  Brockhaus  ist  bereits  an- 
gewiesen, 6  Ex.  auf  ;Druck-  und  ebensoviel  auf  feinem  Papier  an  Sie  zu  verab- 
folgen. Hrn.  Unzer  mußte  ich  alles  von  Ihnen  und  Ihrem  Hause  mittheilen,  was 
ich  nur  wußte.  "Selbst  nach  Ihrem  Hunde,  den  Sie  von  hier  aus  mitgenommen,  er- 
kundigte er  sich  und  meinte,  Sie  würden  eine  Anfrage  gewiß  nicht  übelnehmen,  ob 
denn  der  wirklich  todt  sei.  „Es  war  doch  ein  gutes  Thier;  zum  ersten  Mal  bellte 
es  den  Fremden  an,  wer  aber  zum  zweiten  oder  dritten  Mal  kam,  dann  behandelte 
es  die  Gäste  als  Bekannte  und  Freunde." 

Von  Dorpat  wird  wol  für  mich  nichts  werden.  Sonst  müßte  ich  den  Euf 
schon  haben.  Wäre  er  gekommen,  so  hätte  ichs  als  eine  Nothwendigkeit  angesehn, 
ihm  zu  folgen;  nun  freue  ich  mich,  hier  bleiben  zu  können. 


Nachtrag  zu   1834.  26 K 


Grüße  habe  ich  von  allen  Ihren  hiesigen  Freunden  aufs  Angelegentlichste  zu 
bestellen,  und  nenne  besonders  die  Herren  Lobeck  und  Schubert  und  deren  Damen^ 
die  sich  recht  herzlich  und  recht  innig  an  die  Frau  Hofräthin  empfehlen  lassen. 
Lobeck  leidet  körperlich  sehr,  namentlich  an  den  Augen,  sodaß  ihm  der  Arzt  das 
Lesen  untersagt.  Schubert  hofft  im  April  den  Rest  des  Ehodianum/)  einziehn  und 
Ihnen  zustellen  zu  können. 

Mit  der  festesten  Hoffnung,  daß  wir  recht  bald  erfreuliche  Nachrichten  über 
Ihre  Gesundheitsumstände  hören  werden,  gehorsamste  Empfehlungen  meinerseits  an 
die  Frau  Hofräthin  hinzufügend,  verbleibe  ich  Ihr  treuergebenster  Taute. 

Noch  eine  ergebenste  Anfrage.  Wer  ist  wol  der  Erfinder  des  Multiplikators, 
nicht  des  elekti'omagnetischen,  von  Schweizer  angegebenen,  sondern  des  zur  "Wahr- 
nehmung geringer  Grade  der  Elektricität.  Dulk  wußte  mir  nichts  Bestimmtes  darüber 
zu  sagen,  er  meinte  aber,  Sie  selbst,  Hr.  Hofrath. 

959.    Schubert  an  H.    (4  S.   40.    N.)  Königsberg  d.  4ten  Mai  1834 

Hochgeehrter  Herr  College,  Gerade  an  dem  heutigen  Tage,  an  welchen  im 
vorigen  Jahre  ich  im  Kreise  Ihrer  vormaligen  Amtsgenossen  zuerst  die  traurige 
Stimmung  des  Abschieds  bei  dem  herzlichsten  Glückwunsche  fühlte,  kann  ich  mir 
eine  schriftliche  Unterhaltung  mit  Ihnen  nicht  versagen.  Mögen  Sie  den  heutigen 
Tag  in  kräftig  emeuter  Gesundheit  genossen  haben,  wie  ich  das  sicher  von  Ihrer 
Reise  nach  dem  Rhein  in  dem  diesjährigen  so  ausgezeichnet  schönen  Frühlinge  er- 
warten darf,  mögen  Sie  durch  das  freundlichste  und  angelegentlichste  Entgegen- 
kommen von  Seiten  Ihrer  jetzigen  Collegen  und  Zuhörer  überzeugt.  Sich  jetzt  schon 
so  einheimisch  in  Göttingen  fühlen,  wie  bei  uns,  aber  mag  auch  dieser  theui-e  Tag 
in  seiner  noch  recht  oft  erneuten  Wiederkehr  Sie  jedesmal  recht  lebhaft  daran  er- 
innern, daß  in  Königsberg  das  ehrenwertheste  Andenken  Ihrer  gesegneten  Thätigkeit 
Ihnen  stets  rein  erhalten  bleiben  wird.  Dies  ist  mein  innigster  Wunsch,  indem  ich 
mich  und  die  Meinigen  auch  heute  Ihrem  wohlwollenden  Andenken  herzlichst 
empfehle. 

Auf  unserer  Universität  geht  es  auf  die  Ihnen  bekannte  Weise  ohne  irgend 
eine  wesenthche  Veränderung  weiter  fort.  Geh.  R.  Reusch  war  in  diesen  Tagen  in 
Berlin,  indem  er  mit  Bessel  die  Reise  dorthin  gemeinschaftlich  machte.  Er  wünschte 
mehre  Universitäts-Angelegenheiten  ||  zu  finalysiren,  unter  andern  auch  die  all- 
gemeinen Statuten  unserer  Universität  und  das  vielfach  besprochene  Universitäts- 
gebäude. Er  hatte  nobis  invitis  das  alte  Schauspielhaus  in  Vorschlag  gebracht  und 
die  Pläne  zum  Ausbau  schon  mitgenommen.  Das  Ministerium  ist  aber  darauf  nicht 
eingegangen.  —  Unter  den  Professoren  sind  ic  den  letzten  Monaten  viele  heftige 
Krankheiten  gewesen;  Ihr  treuer  Arzt  Elsuer  ist  leider  nach  einer  nur  fünftätigen 
Bettlägerigkeit  am  Nervenfieber  vorigen  Sonntag  erlegen.  Olshausen  kämpft  schon 
seit  mehreren  Wochen  mit  heftigen  Rückfällen,  stets  mit  Lebensgefahr.  Mit  einem 
Blutsturz  hat  seine  Krankheit  begonnen,  ein  nervöses  Fieber  ist  dazu  getreten.  Mehr 
als  gewöhnlich  kränkelt  jetzt  Lobeck;  und  wenn  auch  nicht  gefährlich,  so  ist  er 
doch  dadurch  fast  immer  in  eine  sehr  trübe  Gemüthsstimmung  versetzt,  da  seine 
Augen  stets  mitleiden,  und  ihm  den  Trost  der  Erholung  in  der  Arbeit  versagen. 
Der  diesjährige  Sommer  wird  bei  uns  sehr  unruhig  werden,  da  bereits  den  16ten 
Juni  der  Kronprinz  mit  seiner  Gemahhn  nach  Königsberg  kommen  und  hier  volle 
drei  Tage  sich  aufhalten  wird.  Von  hier  geht  er  zu  Lande  nach  Memel  und  dann 
mit   dem   Dampfboote   nach  Petersburg,  wo   er  gegen   6  Wochen   verweilen   wird. 


^)  Vgl.  den  folgenden  Brief. 


2  66  Nachtrag  zu  1834. 


Wahrscheinlich  kehrt  er  in  Begleitung  der  kaiserlichen  Familie  in  der  zweiten  Hälfte 
des  August  hieher  zurück,  wo  dann  eine  Zusammenkunft  unseres  Königs  mit  || 
Kaiser  Nicolaus  einige  Tage  lang  stattfinden  soll.  Die  Anwesenheit  des  Königs  ist 
aber  noch  von  seiner  Gesundheit  abhängig,  da  ein  Anschwellen  des  rechten  Fußes 
den  Leibarzt  "Wiebel  wegen  der  Reise  bedenklich  gemacht  haben  soll. 

Herr  Ohlert  hat  sich  „wegen  seiner  großen  Verdienste  um  das  Schulwesen" 
auf  Antrag  des  hiesigen  Schul-Collegii  vom  Ministerium  das  Prädicat  eines  Professors 
geben  lassen,  ist  aber  aus  der  Reihe  der  Docenten  bei  der  Universität  getreten. 
Taute  verharrt  ungeachtet  alles  freundlichen  Zuredens  in  seiner  schriftstellerischen  Un- 
thätigkeit;  er  geräth  aber  vregen  seiner  bürgerlichen  Lage  in  peinliche  Verhältnisse, 
da  das  Schulkollegium  die  Aufforderung  erhalten  hat,  ihn  in  der  ersten  besten 
Lehrerstelle  zu  versorgen,  die  einen  Gehalt  von  400  Thlr.  abwirft.  Er  könnte  also 
leicht  in  eine  Stellung  kommen,  wo  einer  seiner  früheren  Schüler  als  höher  ge- 
stellter Lehrer  ihm  voransteht.  Schaub  hat  mir  zwar  versprochen,  es  so  lange  als 
möglich  hinzuhallen ;  vielleicht  daß  es  ihm  inzwischen  noch  möglich  wird,  die  Stellung 
eines  Extraordinarius  zu  erhalten.  Rupp  ist  nicht  ohne  Glück  als  Docent  und  auch 
jetzt  mit  einer  kirchenhistorischen  Monographie,  „Gregor  von  Nyssa"  als  Schrift- 
steller aufgetreten. 

Doch  Sie  dürften,  verehrter  Herr  und  Freund,  der  Thatsachen  selbst  vom 
Historiker  genug  haben  und  ich  wende  mich  daher  zum  Berichte  über  die  inzwischen 
bei  mir  eingegangenen  Gelder,  welche  Sie  noch  bis  Michaelis  zu  beziehen  hatten. 
Es  ist  leider  diesmal  sehr  wenig,  da  die  Hauptsumme  der  letzte  Rest  des  Rhodiani 
erst  im  Juni  vom  Gerichte  gezahlt  werden  soll.     Es  sind 

4  Thlr.  25  gr.     9  Pf.     [Gröh?] 

6      „      28    „       6    „      Fischer 

25    „     —    „      Gert  Jans, 

12  Thlr.  18  gr~ 

welche  ich  in  zwölf  Thaler  C.  Anweisungen  beilege,  das  kleine  Geld  habe  ich  dem 
Ueberbringer  Borchard  überlassen.  Die  Casse  hat  mir  zugleich  kleine  Schemata  ||  zu 
Quittungen  ausgestellt,  die  ich  zu  unterschreiben  und  mir  recht  bald  mit  einem  aus- 
führlichen Briefe  zu  senden  bitte.  Es  liegt  außerdem  noch  eine  Quittung  über  die 
Getreidegelder  bei,  welche  ich  bereits  vor  zwei  Monaten  gesandt  habe,  auch  diese 
bitte  ich  mir  unterschrieben  mitzusenden. 

Mit  der  ergebensten  Bitte,  mich  und  die  Meinigen  bei  Ihrer  hochverehrten 
Frau  Gemahlin  angelegentlichst  empfehlen  zu  wollen,  verharrt  Verehrter  Herr  und 
Freund  Ihr  ganz  ergebenst  verpflichteter  Schubert. 

960.    Strümpell  an  H.    (IV2  S.   4«.    N.)  Wolfenbüttel  d.  1.  Juü  1834. 

Ihr  letzter  Brief,  verehrtester  Herr  Hofrath,  hat  mir  eine  Freude  gemacht, 
wie  ich  sie  lange  nicht  empfunden  habe,  und  stimmte  mich  dadurch  nicht  allein  zu 
einer  neuen  Danksagung,  sondern  auch  zum  Verlangen,  meine  Arbeit  möglichst 
bald  zu  Ende  zu  bringen. 

Ich  erlaube  mir,  Ihnen  das  M.  S.  zum  ersten  Heft  druckfertig  zu  überschicken, 
mit  der  Bitte,  dasselbe  doch  gütigst  weiter  zu  befördern. 

Titel  und  Vorrede  fehlen  noch.  Den  erstem  überlasse  ich  ganz  der  Wahl 
des  Verlegers,  nur  daß  er  ihn  nicht  gar  zu  unwissenschaftlich  nehmen  möchte. 
Sobald  ich  ihn  weis,  werde  ich  zur  Vorrede  nur  noch  wenige  Worte  niederschreiben, 
die  sich  zugleich  auf  die  Reihenfolge  der  Hefte  beziehen  sollen.  Der  Inhalt  muß 
noch  seitenweise  markirt  werden. 


Nachtrag  zu   1834.  267 


Ihren  Rath,  das  Alte,  soweit  es  anging,  beizubehalten,  habe  ich  befolgt. 
Schneidende  Schärfe  wird  man  nirgends  finden.  Das  Ganze  hat,  wie  schon  der 
Inhalt  zeigen  kann,  einen  überwiegend  didaktischen  Charakter.  Nur  das  letzte 
Kapitel  ist  eigentlich,  auch  nur  gelind,  polemisch:  wer  aber  das  Vorangehende  ge- 
lesen hat,  wird  es  nicht  niisdeuten  können. 

Nun  hätte  ich  über  das  Äußere  des  Drucks,  abgesehen  von  dem  "Wunsche  daß 
er  selbst  möglichst  bald  möchte  angefangen  werden,  noch  manches  Andre  zu  erinnern: 
doch  wußte  ich  noch  nicht,  an  wen  ich  mich  deshalb  zu  wenden  habe,  und  ich 
möchte  Sie  hierüber  um  eine  gelegentliche  Nachricht  ersuchen.  So  z.  B.  würde  ich 
gern  sehn,  daß  das  Format  groß  oktav  sei,  die  Lettern  etwas  zusammengedrängt 
(mindestens  40—44  Zeilen  auf  der  Seite)  und  wenn  der  Herr  Verleger  mir  zu  Ge- 
fallen sein  wollte,  würde  er  auch  lateinische  Lettern  nehmen.  Und  noch  manches 
Andre,  sowie  ich  auch  nicht  weis,  wie  es  mit  der  Korrektur  wird. 

Zugleich  möchte  ich  mir  noch  eine  Frage  erlauben:  würden  Sie  es  für  werth 
halten,  daß  ich  mich  bemühte,  durch  diesen  Verleger  zugleich  noch  meine  Disser- 
tation in  den  Buchhandel  zu  bringen?  und  würde  derselbe  sich  wohl  dazu  verstehn, 
sie  in  Kommission  zu  nehmen?  Sie  hat  mich  viel  Geld  gekostet,  und  ich  möchte 
gern  wenn  auch  nur  Etwas  davon  wieder  haben.  Sollte  es  geschehen,  alsdann  würde 
ich  S.  9  wieder  die  Anmerkung  hinzufügen,  die  ich  deshalb,  weil  ich  über  diese 
Sache  noch  nicht  gewiß  war,  so  lange  ausgestrichen  habe. 


Endlich  bin  ich  so  frei,  in  diesem  Briefe  zugleich  noch  eine  andere  Sache  zu 
erwähnen,  welche  meine  Person  betrifft.  Es  ist  nämlich  vielleicht  möglich,  daß 
sieb  meinetwegen  in  dieser  Zeit  an  Sie  eine  Frau  von  Grothe(?)^)  wendet.  Ich  hatte 
einen  Freund  in  Braunschweig  um  seine  Verwendung  wegen  einer  Hofmeisterstelle 
gebeten:  dieser  schreibt  an  jene  Dame  und  erwähnt  (aber  ohne  mein  Wissen),  daß 
man  von  Ihnen  würde  über  mich  näheres  Zeugniß  bekommen  können ;  die  Dame 
schreibt  zurück,  und  macht  die  Hoffnung,  daß  sie  in  dieser  Angelegenheit  meinem 
Wunsche  nicht  unwahrscheinlich  würde  genügen  können.  Sollte  dies  nun  der  FaU 
sein,  und  sollte  man  sich  an  Sie  wenden,  so  möchte  ich  Sie  nun  wohl  bitten,  des- 
halb nicht  ungünstig  für  mich  zu  stimmen,  da  an  der  Erreichung  dieses  Wunsches 
mir  mehr  als  je  gelegen  ist.  — 

Von  Professor  Drobisch  habe  ich  kürzlich  einen  Brief  erhalten.  Ich  hatte 
auch  ihm  in  der  zuletzt  genannten  Angelegenheit  geschrieben.  Er  klärt  mich  über 
den  Grund  seines  Nichtantwortens  auf  meinen  ersten  Brief  an  ihn  auf,  und  sein 
Ton  ist  so  freundlich,  wie  ich  es  erwarten  konnte;  er  hat  mir  gleichfalls  seine  Be- 
mühung versprochen,  meinen  Wunsch  zu  befriedigen.  — 

Ich  schließe  mit  der  Bitte,  daß  Sie  mich  bald  mit  einer  gütigen  Antwort  er- 
freuen möchten,  und  mit  der  Versicherung  meiner  unveränderlichen  Hochachtung 
und  Ergebenheit.  Strümpell. 

P.  S.  Verzeihen  Sie  mein  flüchtiges  und  undeutliches  Schreiben:  ich  wollte 
nicht  gern  noch  einen  Posttag  vorüber  lassen. 

961.  Keber  (?)  an  H,    (3  S.   4«.    N.)    [Bittschrift.]       Bromberg  26.  JuU  1834 

962.  L.  Strümpell  an  H.    (IV4  S.   4".    N.)      Braunschweig  d.  14.  Aug.  1834. 

Ich  nehme  mir  die  Freiheit,  verehrtester  Herr  Hofrath,  Ihnen  ein  Buch  vor- 
zulegen, mit  der  Bitte,  demselben,  wenn  es  Ihre  Zeit  erlaubt,  einige  Aufmerksam- 
keit zu  schenken.     Meine  Gründe  dazu  sind  folgende: 

')  Das  Fragezeichen  steht  im  Original. 


208  Nachtrag  zu  1834. 


Der  Verfasser,  ein  noch  jüngerer  Mann  und  bis  jetzt  Lehrer  in  Oldenburg, 
ist  einer  Seits  von  der  Schelling  sehen  sowie  von  der  Hegel  sehen  Naturansicht 
durchaus  entfernt,  zeigt  aber  anderer  Seits  in  einer  Reihe  eigener  Reflexionen  aufs 
deutlichste,  daß  er  sich  mit  dem  gewöhnlichen  Empirismus  ebensowenig  begnügen 
kann:  er  hat,  mit  Einem  "Wort,  philosophische  Bedürfnisse. 

Aus  vielen  Stellen  glaubte  ich  auf  einen  solchen  Zustand  in  ihm  schließen  zu 
dürfen,  daß  es  meistens  schon  durch  eine  geringe  Anstrengung  dahin  gebracht 
werden  könnte,  sein  Denken  völlig  auf  unsere  Bahn  zu  führen.  Er  ist  sich  allein 
überlassen  gewesen:  daher  noch  das  Unentschiedne  und  Ungewisse,  womit  er  viele 
der  vortrefflichsten  Überlegungen  abbricht,  und  andrerseits  noch  in  falschen  Be- 
griffen stecken  bleibt.     Dies  aber  grade  ist  es,  was  günstig  könnte  benutzt  werden. 

Diese  Yorzüglichkeit  aber  ist  es  nicht  allein,  welche  mich  zu  dem  Wunsche 
gebracht  hat,  daß  Sie  insbesondre  dies  Buch  einer  näheren  Ansicht  würdigen 
möchten:  auch  die  Persönlichkeit  des  Verfassers  und  seine  wahrscheinliche  künftige 
Stellung  hier  in  Braunschweig  trägt  dazu  bei.  Sie  würden  überall  die  entschiedenste, 
offenste  und  vorsichtigste  "Wahrheitsliebe  finden,  die  sich  sehr  gern  belehren  läßt. 
'W&s  ich  aber  mit  seiner  künftigen  Stellung  meinte,  bei-uht  darauf,  daß  er  höchst 
wahrscheinlich  als  Direktor  einer  neuen  Anstalt  wird  hierher  berufen  werden;  das 
Gerücht  ist  wenigstens  allgemein  für  ihn.  Diese  Anstalt  wird  aus  dem  hiesigen 
CoUegium  herausgebildet,  und  soll  insbesondre  mit  den  Naturwissenschaften  und  der 
Mathematik  zu  thun  haben.  Sie  werden  mir  darin  gewiß  beistimmen,  daß  diese 
Sache  für  die  Folge  unter  gewissen  Bedingungen  wichtig  werden  könnte. 

Bis  jetzt  ist  mir  noch  keine  Recension  des  Buchs  zu  Gesichte  gekommen: 
würden  Sie  Sich  nicht  zu  einer  solchen  entschließen?  Es  würde  mich  freuen,  wenn 
Sie  mein  Urtheil  als  wahr  finden  sollten,  noch  mehr  aber,  wenn  dadurch  Vortheil- 
haftes  bewirkt  würde.  —  Die  Vorrede  sowie  die  Einleitung  möchte  ich  bitten  an- 
fangs ganz  zu  überschlagen,  wenn  Sie  das  Buch  näher  ansehn  sollten.  — 

In  der  angenehmen  Erwartung,  daß  Sie  mich  bald  mit  einer  Antwort  erfreuen, 
grüße  ich  aufs  Herzlichste! 

Mit  unveränderlicher  Ergebenheit  Ihr    Strümpell. 

963.  Dissen  an  H.    (1  S.   4».    kl.  F.    N.) 

Da  auf  jeden  Fall  ein  Versuch  gemacht  werden  muß  dem  Doctor  StümpeP) 
zu  helfen,  so  habe  ich,  verehrtester  Gönner,  gestern  an  Jacob  Grimm  geschrieben, 
nur  gleichsam  anfragend,  wie  es  wohl  zu  machen  sejTi  düiite,  daß  der  Minister 
Hassenpflug  auf  den  Doctor  Stümpel  aufmerksam  würde.  An  eine  Vocation  als 
Professor  ist  sofort  noch  nicht  zu  denken,  ich  habe  daher  die  Sache  nur  erst  so 
gestellt,  daß  ihm  eine  Unterstützung  möchte  gegeben  werden  um  zuerst  als  Privat- 
docent  auftreten  zu  können.  Grimm  schreibt  mir  heute,  er  wolle  es  unternehmen 
an  den  Minister  zu  schreiben,  in  diesem  Sinne;  es  sei  vor  der  Hand  nur  ein  catho- 
Uscher  Professor  Senger  mit  der  Philosophie  beauftragt,  und  das  gehe  doch  nicht. 
Nun  wollen  wir  also  sehen.  D. 

964.  L.  Strümpell  an  H.     (1  S.    4".     N.)         Braunschweig  d.  10.  Sept.  1834.- 

Ich  erlaube  mir,  verehrtester  Herr  Hofrath,  Ihren  letzten  Brief  sogleich  zu 
beantworten,  und  zwar  zuerst  dadurch,  daß  ich  Ihnen  für  den  mir  darin  gütigst 
mitgetheilten  Rath  danke.  An  der  Ausführbarkeit  desselben  zweifle  ich  nicht,, 
dennoch  aber  kann  ich  mich  nicht  darauf  einlassen,  aus  dem  Grunde,  weil  dadurch 


^)  statt  ,, Strümpell''. 


Nachtrag  zu  1834.  269 


Doch  nichts  Andres  gewonnen  und  die  Hauptsache,  die  Möglichkeit  nämlich,  mich 
für  etwas  Höheres  und  Nützlicheres  vorzubereiten,  immerhin  noch  verfehlt  wäre. 
Das  Dilemma,  wenigstens  entweder  zu  bleiben,  wo  mein  Denken  jetzt  steht,  oder 
in  einen  Zustand  zu  kommen,  von  wo  man  sich  einer  academischen  Thätigkeit  nähern 
oder  wenigstens  sonstwie  forträcken  tonnte,  wäre  dadurch  nicht  gelöst.  Das  Erste 
würde  ich  mit  Anstrengung  auch  hier,  das  Zweite  wahrscheinlich  in  Leipzig,  das 
Dritte  vielleicht,  wenn  ich  es  mit  Bedacht  anfinge,  in  Rußland  können. 

Es  bedarf  gewiß  der  Versicherung  nicht,  daß  nach  Rußland  zu  gehen,  das 
letzte  seyn  wird,  da  mir  das  Üble  dieser  Sache  vollkommen  einleuchtet;  dennoch 
aber  sehe  ich  bis  jetzt  noch  nicht  ein,  wie  ich  dieses  letzte  vermeiden  soll.  Für 
den  Augenblick  suche  ich  es  noch  möglich  zu  machen,  den  Gedanken  mit  Leipzig 
auszuführen,  und  wenn  mir  dies  gelingen  sollte,  so  würde  ich,  wie  mir  scheint,  das 
Heilsamste  gethan  haben.  Alles  würde  bleiben,  wie  es  jetzt  ist,  die  Hauptrichtung 
meines  Denkens  und  meiner  Erstrebungen,  die  mir  liebste,  wäre  noch  dieselbe,  ja 
ich  hätte  die  Mittel,  sie  zu  vervollkommnen,  dadurch,  daß  ich  mit  Männern  von 
Geist  und  Kenntnissen  zusamenkänie,  daß  mir  die  Bücher  jeder  nöthigen  Art  zu 
Gebote  ständen,  daß  ich  in  der  philosophischen  Welt  jeder  Zeit  einheimisch  bliebe, 
daß  ich  endlich  mit  vollkommen  sicherem  Selbstvertrauen,  wenn  das  Glück  mir  wohl- 
wollte, den  Beruf  eines  öffentlichen  Lehrers  erfüllen  könnte. 

Unter  dieser  Unbestimmtheit  und  stets  kann  ich  mich  nur  bemühen,  nach 
meiner  möglichen  Einsicht  und  möglichst  gut  zu  handeln.  Indem  ich  um  die  Er- 
haltung Ihres  mir  so  werthen  Wohlwollens  bitte,  empfehle  ich  mich  mit  dem  herz- 
lichsten Gruße  als         •  Ihr  Strümpell. 

965.    Hendewerk  an  H.    (3  S.   40.    N.)  Königsberg,  den  14ten  Sptbr.  34. 

Mit  einer  Schrift  gegen  Herrn  Prof.  Rosenkranz  und  0.  F.  Gruppe  beschäftigt, 
wende  ich  mich  an  Sie,  hochgeehrter  Herr  Professor,  mit  der  ergebenen  Anfrage,  ob 
Sie  mich  wohl  in  der  Veröffentlichung  derselben  unterstützen  mögten,  da  ich  hier 
doch  wohl  keinen  Verleger  finden  werde? 

Es  wird  Ihnen  wohl  schon  die  Dissertation  unseres  Hegelianers  über  die 
Integrität  der  Natur  bekannt  sein.  Ich  opponirte  ihm  bei  seiner  Disputation  darüber 
mit  allem  nur  möglichem  Nachdruck,  indem  ich  ihm  und  allen  Anwesenden  die 
gröbsten  "NViderspi-üche  bemerklich  machte.  Indessen  der  Decan  entzog  mir  bald 
das  Wort  und  da  Herr  Rosenkranz  meine  gewünschte  Fortsetzung  der  Disputation 
privatim  abzumachen  nicht  geneigt  war,  so  blieb  mir  nichts  übrig,  als  gegen  ihn  zu 
schreiben.  Hiemit  kaum  beschäftigt,  fällt  mir  die  neueste  Schrift  des  Herrn  Gruppe 
in  die  Hände,  der  bekanntlich  gegen  alles,  was  bis  dato  Philosophie  geheißen,  los- 
zieht und  daher  auch  zwischen  Ihnen  und  Hegel  nicht  den  geringsten  Unterschied 
macht.  Bei  der  Durchlesung  dieses  Buches  wurde  mir  nun  recht  klar,  ||  wie  innig 
das  Christenthum  mit  der  alten  Logik  verbunden  ist,  sodaß  jede  Verwerfung  dieser 
auch  eine  Lossagiing  von  jenem  nothwendig  zur  Folge  hat.  Dieses  Verhältniß 
zwischen  beiden  in  seinen  einzelnen  Beziehungen  zu  einander  ausführlich  darzu- 
stellen, verbunden  mit  einer  Nachweisung,  wie  jede  Sünde  gegen  die  Logik  auch 
eine  Sünde  wider  das  Christenthxmi  zur  Folge  hat  und  dieses  am  grellsten  bei  Hegel 
und  seinen  Schülern  sich  zeigt,  wäre  in  der  That  eine  interessante  Aufgabe.  Ein 
kleines  Vorspiel  hievon  soll  nun  meine  jetzige  Schrift  sein,  die  unter  dem  Titel: 
„Die  Logik,  die  Natur  und  das  Chiistenthum  gerechtfertigt  gegen  Herrn  Prof. 
Rosenkranz  und  0.  F.  Gruppe"'  erscheinen  zu  lassen  von  mir  beabsichtigt  wurde. 
Sollten  Sie  sich  dafür  interessiren  und  vielleicht  einen  Verleger  gewinnen  können, 
so  würde  ich  sie  Ihnen  mit  dem  größten  Vergnügen  zuschicken  und  Sie  zugleich 


2  70  Nachtr^  zu    1834. 


bitten,  zu  ändern  und  hinzuzufügen,  was  Ihnen  noch  passend  1|  erscheint.  Könnte 
ich  ein  kleines  Honorar  für  meine  Arbeit  erhalten,  so  wäre  es  mir  sehr  lieb,  da 
meine  Lage  hier  etwas  kümmerlich  ist;  geht  es  indessen  nicht  an,  so  ergebe  ich 
mich  auch  schon  gern  darein. 

Mit  Herrn  Dr.  Freystadt  bin  ich  auch  hart  zusammen  gerathen,  wie  Sie 
solches  aus  meinen  beiden  Aufsätzen  in  dem  diesjährigen  August-  und  Oktober- 
Heft  der  [preuß.]  Provinzial  -  Blätter  ersehen  können.  Es  wäre  mir  sehr  lieb,  Ihre 
Meinung  darüber  zu  vernehmen,  obschon  ich  nicht  fürchten  darf,  an  Achtung  und 
Wohlwollen  bei  Ihnen  verloren  zu  haben,  da  ich  weiß,  wie  hoch  Sie  die  christliche 
"Wahrheit  achten,  sodaß  ich  mich  mit  voller  Aufrichtigkeit  unterzeichnen  kann  als 
Ihr  Sie  innigliebender  und  hochverehrender  Hendewerk. 

966.    Hendewerk  an  H.     (3  S.    4».    N.)         Königsberg,  den  29.st.  Octbr.  34 

Die  Absicht,  innigstverehrter  Herr  Professor!  mit  meinem  zweiten  Briefe  an  Sie 
die  Arbeit  gleich  mitzuschicken,  hat  meine  Antwort  auf  Ihren  ersten  mir  sehr  werthen 
Brief  bis  jetzt  zuiiick  gehalten,  doch  Ihr   zweites  Schreiben  läßt  mich  nicht  länger 
schweigen,  obschon  ich  meine  Absicht  noch  nicht  ausführen  kann.     Zunächst  sage 
ich  Ihnen  meinen  innigsten  Dank  für  das  Interesse  sowohl  und  die  Theilnahme,  die 
Sie  meinen  Bemühungen  schenken,  als  auch  für  die  Eathschläge,  durch  die  Sie  jene 
zu  unterstützen  suchen,  und  die  ich  als  meiner  vollsten  Beachtung  werth  anerkenne. 
Aber  es  geht  mit  meinen  Arbeiten  etwas  langsam  und  ich  fürchte,  ich  werde  Ihnen 
zu  saumselig  und  zu  träge  erscheinen.    Nun  muß  ich  gestehen,  daß  ich  die  günstige 
Gelegenheit,  die  sich  mir  durch   Ihre  große   Güte  dai'bietet,  nicht  gerne  voiiiber 
gehen  lassen  mögte,  aber  ich  mögte  mich  auch  nicht  gerne  bei  meiner  Arbeit  über- 
eilen, da  ich  ihr  doch  gerne  mehr  als  einen  blos  ephemeren  Werth  verschaffen  mögte 
und  meine  Zeit  durch  das  Stundengeben  so  in  Anspruch  genommen  wird,  daß  mir 
nur  wenige  Stunden  zur  productiven  Thätigkeit,  wenn  ich  sie  so  nennen  darf,  übrig 
bleibt  [!].    Indessen  will  ich  schon  gerne  einen  Theil  der  Nächte  zu  Hülfe  nehmen, 
wenn   die  Eile   so   noth  thut.     Wenigstens  habe   ich   so   einiges  verstanden.  ||  Was 
meine  Arbeit  außerdem  so  sehr  verzögert  hat  ist  der  Umstand,  daß  sie  mir,  als  ich 
meinen  Brief  an  Sie  absendete,  in  der  ganzen  Anlage  mißfiel,  sodaß  ich  sie  um  der 
Form  willen  verwarf  und  wieder  von  vorne  begann.    Sie  zerfällt  jetzt  in  drei  Theile, 
von  denen  der  erste  über  die  Logik,  der  zweite  über  die  Natur  und  der  dritte  über 
das  Christenthum  handelt,  und  es  ist  mein  Streben  dabei  gewesen,  sie  so  reichhaltig 
als  möglich  zu  machen;  denn  es  gelingt  mir  vielleicht,  Ihren  Beifall  zu  gewinnen, 
und   auf  lir  Urtheil  lege   ich   einen   sehr  großen  Werth.     Sollte   die  Arbeit   auch 
Herrn  Prof.  Gieseler   zusagen,   so  würde   dieses  meine  Freude  erhöhen.     Indessen 
jetzt  kann  ich  darauf  noch  nicht  achten,  sondern  arbeite  nach  bestem  Wissen  und 
Vermögen.     Das  Schwerste  habe  ich,   wie  ich  glaube,   bereits  hinter  mir,  indessen 
die  gänzliche  Beendigung  des  dritten  Theils  und  das  Abschreiben  des  Ganzen,  sowie 
das  Aufschlagen  mehrerer  Bücher  wird  wohl  noch  einen  Monat  erfordern,  sodaß  Sie 
jedenfalls  zum  Anfange  des  December  meine  Arbeit  fertig  erhalten  werden.     Zehn 
Bogen  stark  wird  sie  schwerlich  werden,  indessen  behalte  ich  es  mir  vor,  bei  einer 
zweiten   Bearbeitung   derselben   mich   nicht   blos   mit  Herrn  Prof.  Eosenkranz   imd 
Herrn  Gruppe  abzugebeni  sondern  mich  gegen  überspannte  Speculation  und  miß- 
verstandene Empirie  überhaupt  zu  richten.  || 

An  Herrn  Prof.  Gieseler  werde  ich  schreiben,  wenn  ich  meine  Arbeit  schicke, 
wenn  ich  Sie  aber  darum  bitten  darf,  so  bezeugen  Sie  schon  jetzt  dem  wohlgesinnten 
Manne  meinen  aufrichtigen  Dank;  und  wenn  er  etwas  im  Ausdrucke  zu  bessern 
finden  sollte,  so  kann  ich  solches  nur  mit  Dank  annehmen.    Sie  aber,  Herr  Professor, 


Nachtrag  zu   1835.  27  I 


würde  ich  bitten,  an  der  Arbeit  soviel  zu  streichen,  oder  hinzuzufügen,  als  Ihnen 
angemessen  erscheint. 

Was  Hr.  Dr.  Taute  macht,  weiß  ich  nicht  zu  sagen,  da  ich  mit  demselben 
weiter  in  keiner  Verbindung  stehe  und  ihm  nur  auf  Spaziergängen  bisweilen  begegne, 
doch  will  ich  ihn  besuchen,  um  Ihnen  soviel  ich  erfahren  kann,  mitzutheilen.  Womit 
der  Mann  sich  beschäftigt  und  was  er  anstrebt,  ist  mir  ein  ßäthsel.  Ob  Sie  und 
Ihre  theure  Gemahlin  vergessen  sind,  weiß  ich  nicht,  glaube  es  aber  nicht,  wenigstens 
kenne  ich  Jemanden,  der  Sie  nie  nie  vergessen  wird  da  ihn  zuviel  an  Sie  erinnert. 
Bleiben  Sie  nur  demselben  wohl  geneigt,  es  bittet  Sie  darum 

Ihr  Ihnen  sehr  ergebener    Hendewerk. 

967.  30.  Jan.  [35]   meldet  Carl  Eeichhelm   den  am  25.  Jan.   erfolgten  Tod  seines 

Vaters.     Der  Brief  (3  S.  4°)  befindet  sich  im  N. 

968.  Taute  an  H.    (3  S.   4».    N.)  Königsberg,  den  Isten  Febr.  35. 

Hochverehrtester  Herr  Hofrath,  Frau  Justizräthin  Hahn  ist  ganz  Nachbarinn 
von  mir,  gleich  die  erste  Thür;  darum  bin  ich  im  Stande,  obgleich  ich  Ihren  gütigen 
Brief  nur  eben  vor  Einer  Stunde  erhalten,  die  gestellten  Anfragen  sofort  zu  be- 
antworten. Hr.  Dr.  Thomas  ist  Ursache  der  Ungewißheiten  und  Besorgnisse,  in 
welche  die  Frau  Hofräthin  versetzt  worden;  die  Briefe  nach  Göttingen  sind  von 
den  hiesigen  Damen  bereits  vor  drei  Wochen  geschrieben  und  an  H.  Th.  zur  Ver- 
sendung übergeben.  Aber  Th.  hat  seine  Dissertation^)  drucken  lassen,  schickt  davon 
Exemplare  an  Sie,  und  so  mag  er  mit  der  Expedition  nicht  schnell  fertig  geworden 
sein,  oder  die  Sachen  gehen  vielleicht  gar  durch  ßuchhändlergelegenheit,  —  daher 
die  Verzögerung. 

Daß  Frau  Justizräthin  Hahn  ihren  Sohn  verloren,  lange  schon  vor  Weih- 
nachten, ist  Ihnen  ohne  Zweifel  gemeldet.  Fräulein  Hahn  hat  darauf,  oder  ziemHch 
gleichzeitig,  die  Masern  gehabt,  hat  nur  langsam,  sich  erholen  können,  und  darf  auch 
jetzt  noch  dem  üblen  Wetter,  wie's  diesen  Winter  bei  uns  herrschend  ist,  nicht 
trotzen.  Gleichwol  ist  das  Fräulein  ziemlich  wiederhergestellt,  und  scheinbar  ganz 
munter;  eben  sprach  ich  selbst  mit  dem  Fräulein.  Die  übrigen  Frauen  aus  dem 
Umgange  der  Frau  Hofräthin  sind  sämmtlich  wohl  auf;  im  Namen  aller  habe  ich  von 
der  Frau  Justiziäthin  Giüße  und  Empfehlungen  zu  bestellen.  —  Mittheilungen  aus 
den  Briefen  der  Frau  Hofräthin  habe  ich  vor  einiger  Zeit  H  und  neuerdings  wieder 
erhalten.  Den  größten  und  gehorsamsten  Dank  dafür!  Jene  Briefe  sind  die  er- 
freuliche Quelle,  aus  der  wii  Königsberger  Beruhigung  über  Ihi-  beiderseitiges  Be- 
finden geschöpft.  Durch  die  Sendung  des  H.  Th.  wird  die  Güte  der  Frau  Hof- 
räthin reichlich  vergolten  werden! 

Neuigkeiten  gibts  hier  vor  der  Hand  nicht.  Der  akademische  Senat  weiß  noch 
immer  nicht,  wo  Er  sein  Universitätsgebäude  anbringen  soll:  Die  Stadt  scheint  zu 
groß,  um  zum  Entschluß  zu  kommen,  oder  vielleicht  auch  zu  klein ;  denn,  ich  glaube, 
es  fehlte  wenig  daran,  so  hätte  man  es  bis  über  den  sogenannten  Butterberg  hinaus 
placirt.  Gegenwärtig  ist  man  für  die  Königsstraße  gestimmt,  Kalthöfsche  Straßen- 
ecke, so  daß  das  Czudnochowskische  Gebäude  mit  dazu  gezogen  wird.  Doch  will 
ich  nicht  bürgen,  daß  es  dabei  verbleibt.  —  Hr.  Prof.  E[o]s[enkran]z  hat  uns  am 
18ten  Jan.  wieder  eine  höchst  wunderliche  Vorlesung  in  der  Deutschen  Gesellschaft 
gehalten,  über  die  Verdienste  der  Deutschen  tmi  die  Philosophie  der  Geschichte; 
Dietze's  berufenes  Buch  galt  als  Pröbchen  einer  solchen  Philosophie !  Bs.  R.  scheint 
sich  in  der  Meinung  der  Gelehrten  vollkommen  ruiniren  zu  wollen! 


^)  Spinozae  systema  philosophicum  delineavit. 


272  Nachtrag  zu   1835. 


Ihre  gütigeü  Mittheilungen,  Herr  Hofrath,  sind  für  mich  von  größtem  Inter- 
esse. Wäre  es  mir  doch  vergönnt  gewesen,  Ihre  ästhetischen  Vorlesungen  mit  an- 
zuhören! Wenigstens  sehe  ich,  was  zu  thun  sei!  —  Daß  Prof.  Drobisch  Psychologie 
liest,  sogar  in  derselben  Stunde,  wo  ich  diese  Vorlesung  halte,  an  den  4  Haupttagen 
von  11 — 12,  wußten  mir  meine  eignen  Zuhörer  zu  erzählen.  Meine  Psychologen 
sind  gereifte  junge  Männer,  die  mit  größter  Aufmerksamkeit  dem  Vortrage  folgen, 
von  den  Rechnungen  habe  ich  mehr  geben  ||  müssen,  als  das  Compendium  enthält. 
Außerdem  lese  ich  Logik  4  St.  und  Pädagogik  2  St.,  und  bin  im  Ganzen  mit  dem  Fleiß 
zufrieden. 

Empfehlungen  von  Ihren  hiesigen  Verehrern  kann  ich  heute  nicht  anbringen, 
weil  ich  schleunig  schreibe;  aber  schon  freue  ich  mich  auf  den  Empfang,  der  den 
neuen  Nachrichten  von  Ihnen  zu  Theil  werden  wird. 

Indem  ich  denn  von  der  gütigen  Erlaubniß,  mit  flüchtigen  Zeilen  nahen  zu 
dürfen,  Gebrauch  gemacht,  empfehle  ich  mich,  wie  immer,  der  Frau  Hofräthin  und 
Ihrer  eigenen  Gewogenheit.  Ihr  treuergebenster    Taute. 

969.  An   Taute,      (i   S.    4".     N.)  [Ohne  Datum] 

Nur  ein  flüchtiges  Lebenszeichen,  mein  theurer  Freund!  kann  ich 
Ihnen  heute,  gleich  nach  Empfang  Ihres  lieben  Briefes,  geben,  ich  muß 
es  noch  mit  einer  Bitte  beschweren. 

Umstehend  finden  Sie  ein  Attest,  welches  die  Frau  Oberlehrer  Stiemer 
sehr  nötig  haben  wird,  um  das  Erziehungsgeld  für  den  Otto  zu  heben. 
Belieben  Sie  ihr  dabey  zu  sagen,  Sie  möge  es  7iicht  hieher  senden;  meine 
Frau  verlangt  es  nicht  für  sich,  aber  sie  hat  bestimmt,  daß  es  in  die 
Hände  der  Frau  Justizräthin  Hahn  abgegeben  werde;  welcher  letztern,  so 
wie  der  Frau  Oberlehrer  Stiemer  wir  uns  bestens  empfehlen. 

Otto  nimmt  zu.  Er  hat  rothe  Backen,  und  plaudert  viel,  freylich  in 
einer  Sprache  ohne  Flexion,  aber  die  Wortstärome  weiß  er  doch  anzu- 
bringen. Mit  dem  Lesen  quält  sich  meine  Frau  täglich;  irgend  einmal 
wird  er  soweit  kommen.    Seine  Phantasie  ist  die  eines  fünfjährigen  Kindes. 

Meine  Gesundheit  stärkt  sich  allmählig.  Meine  Vorlesungen  gehn 
diese  Woche  zu  Ende.  Die  Psychologie  hat  sich  von  allen  am  Besten 
gehalten.  Die  Einleitung  verhältnißmäßig  am  schlechtesten;  doch  waren 
vor  ein  paar  Wochen  noch  60 — 80  Zuhörer  beysamen,  und  im  Ganzen 
bin  ich  nicht  unzufrieden. 

"Nur  immer  mehr  Königsberger  Nachrichten,  mein  theurer  Freund! 
Alles  ist  willkommen.  Nächstens  denke  ich  Griepenkerl  und  später  Drobisch 
auf  ein  24  Stunden  zu  sehen.  Dann  gehts  zu  den  Verwandten  meiner 
Frau  am  Rhein. 

[Am  Rande:]  Herrn  Unzer  viele  Empfehlungen;  vielen  Dank  für  die 
Frey exemplare ;  aber  ich  wünsche  er  möge  es  so  einrichten,  daß  er  Ihnen 
eins  verschaffe;  ich  möchte  daß  Sie  die  Veränderungen  ansehen,  ohne  sich 
in  Kosten  zu  setzen.  Viele  Empfehlungen  an  Lobek,  Schubert,  Gregor, 
Sauter,  Hendewerk,  Voigt  —  an  wen  nicht?  Wo  man  einen  Gruß  von 
mir  annehmen  und  mich  in  gutem  Andenken  behalten  will. 

970.  K.  Thomas  an  H.     (2  S.    4".     N.)  Königsberg  den  14ten  April  1835. 

Hochverehrter  Herr  Hofratii!  Sehr  betrübt  hat  es  mich,  der  nicht  ganz  schuld- 
lose Grund  einer  Beunruhigung  Ihres  ganzen  von   mir   so  sehr  geachteteu  Hauses 


Nachtrag  zu  1835.  27^ 


gewesen  zu  sein,  und  ich  fürchte,  Sie  werden  die  Vorwürfe,  die  ich  mir  deswegen 
gemacht  habe,  nicht  für  die  alieinige  Bestrafung  meines  langen  Zögerns  gelten 
lassen.  Doch  hoffe  ich  noch  nicht  ganz  das  "Wohlwollen  Ihrer  Frau  Gemahlin  und 
das  Ihrige  verscherzt  zu  haben,  und  diese  Hoffnung  möge  die  Freiheit  entschuldigen, 
die  ich  mir  nehme,  Ihnen  wiederum  zu  schreiben.  Durch  eine  Undelikatesse  eines 
Freundes  wurde  ich  vor  einigen  Monaten  verleitet  meine  baldige  Abreise  nach  Peters- 
burg lange  Zeit  für  gewiß  zu  halten.  Es  wurde  mir  nemlich  unter  vortheilhaften 
Bedingungen  eine  Hauslehrerstelle  daselbst  angeboten,  die  ich  annahm.  Mit  der 
Nachricht  hiervon  wurde  aber  gleichzeitig  der  Entschluß  eines  andern,  jene  Stelle 
unter  weniger  vortheilhaften  Bedingungen  anzunehmen,  dorthin  gemeldet,  und  ich 
hiervon  erst  unterrichtet,  als  ich  nach  langem  Warten  es  nöthig  achtete,  mich 
nach  der  Antwort  aus  Petersburg  zu  erkundigen.  Ich  hatte  keine  Lust  noch  weniger 
zu  bieten,  und  ließ  die  Sache  sich  also  zerschlagen.  Ich  leugne  nicht,  daß  ich  sehr- 
gerne  dorthin  gegangen  wäre.  Jetzt  habe  ich  mich  zum  Eeferendariatsexamen  bei 
der  Regierung  gemeldet,  und  werde  zum  Behufe  desselben  einige  Monate  auf  das 
Land  gehen.  Lieber  wäre  mir  es  freiUch,  wenn  meine  Verhältnisse  mir  erlaubten 
noch  mehrere  Jahre  ganz  unabhängig  den  Studien  zu  leben,  doch  bin  ich  leider 
gezwungen  einer  anderen  Nothwendigkeit  nachzugeben,  und  den  praktischen  Staats- 
dienst meinen  Neigungen  angemessener  gefunden  [!]  als  das  Verhältnis  eines  Schul- 
lehrers, bei  welchem  wahrscheinlich  ich  und  die  Schüler  bei  weitem  mehr  Un- 
annehmlichkeit als  Nutzen  haben  würden.  Jedoch  gebe  ich  die  Absicht,  einmal 
als  akademischer  Lehrer  auftreten  zu  können,  keineswegs  auf,  und  betrachte  das 
Arbeiten  bei  der  Eegierung  in  dem  Verhältniß  zur  praktischen  Philosophie,  in 
welchem  das  Studium  der  Naturwissenschaften  zur  Naturphilosophie  sich  befindet. 
Ob  sich  mir  darin  die  Mittel  darbieten  werden,  muß  ich  freilich  von  der  Zukunft 
erwarten.  Was  nun  andere  Verhältnisse  anbetrifft,  so  wünschte  ich  Ihnen  schreiben 
zu  können,  daß  Königsberg  mir  besser  gefällt,  als  ich  es  erwartet  habe.  Der 
Göttinger  Kuhreigen  wäre  im  Stande  Gefühle  -der  Sehnsucht  in  mir  zu  erwecken, 
und  ich  glaube  beinahe  jeder  wird  durch  eine  Reise  nach  Königsberg  von  dem 
Göttinger  Mißbehagen  geheilt  werden  können.  Jetzt  kommt  mir  Göttingen  lange 
nicht  mehr  so  übel  vor,  als  damals,  und  ich  wünschte  nur,  ich  könnte  auch 
in  Rücksicht  auf  Königsberg  von  dieser  Krankheit  des  Mißbehagens  geheilt 
werden,  da  die  Wahrscheinlichkeit  eines  langen  Aufenthaltes  daselbst  nur  zu 
gewiß  ist. 

In  Königsberg  selbst  ist  alles  beim  Alten.  Rosenkranz  hat  in  seiner  Aesthetik|| 
eine  große  Zuhörerzahl  gehabt,  und  viele  mit  einem  Enthusiasmus  beseelt,  der  eine 
bewunderungswürdige  Standhaftigkeit  erregte.  Hat  er  sie  in  Art  seiner  Geschichte 
der  Poesie  gehalten,  von  der  er  es  selbst  sag-t,  daß  sie  die  Ansprüche  der  Hegel- 
schen  Schule  am  wenigsten  befriedigen  werde,  so  ist  der  ihm  gespendete  Beifall 
nicht  ganz  grundlos.  Als  ich  ihn  neulich  sprach,  meinte  er,  Bobrik  hätte  in  seinen 
Vorlesungen  über  Aesthetik  die  ganxe  Aesthetik  geliefert,  und  eine  gute  Metajjhysik 
der  Ästhetik  aufgestellt.  —  Ohlert  ist  in  seiner  Religionsphilosophie  mit  dem  Be- 
kenntniß  aufgetreten,  daß  Christenthum  Pantheismus  sei,  die  Pfarre  aber,  die  er 
erhalten,  ist  von  einem  bedeutenden  Brande  beschädigt,  der  Heiligenbeil  in  die  Reihe 
der  Dörfer  setzen  wird.  So  wird  ihm  ja  Zeit  bleiben,  noch  öfter  seinen  Ideal- 
Realismus  in  eignen  Büchern  zu  citiren,  da  noch  kein  anderes  ihn  einer  solchen 
Benutzung  werth  gehalten.  Die  besten  Genüsse,  die  mir  in  Königsberg  zu  Theil 
geworden,  habe  ich  dem  Lesen  Ihrer  Schriften  zu  danken.  Soweit  ich  es  wage, 
mich  mit  denselben  zu  beschäftigen,  denn  die  mathematische  Psychologie  muß  leider 

Hbrbarts  Werke.     XIX.  18 


2  74  Nachtrag  zu   1835. 


aus  dem  Kreise  meiner  Bemühungen  entfernt  bleiben,  wünschte  ich  gern  ganz  in 
ihr  Verstäadniß  eindringen  zu  können,  so  muß  ich  doch  gestehen,  daß  ich  bei  dem- 
jenigen Punkte  der  Synecholugie  mich  aufgehalten  finde,  der  zur  Construction  des 
intelligibelen  Raumes  den  untheil baren  Punkt  als  Bild  des  realen  Wesens  voraus- 
setzt. Ich  verzweifle  daran,  durch  eigne  Anstrengung  über  diesen  Punkt  hinaus 
zu  kommen,  und  möchte  gern  fremde  Hilfe  in  Anspruch  nehmen. 

Gerne  würde  ich  Ihnen  aus  Königsberg  Nachrichten  von  Ihren  Freunden  und 
Bekannten  mittheilen,  zwängen  mich  nicht  die  mangelnden  Berührungspunkte  mit 
denselben  ihnen  die  Erfüllung  dieser  Pflicht  selbst  zu  überlassen.  Das  wissen- 
schaftliche Leben  ist  hier  noch  das  regste,  und  läßt  nicht  unbedeutende  Resultate 
erwarten.  Neumann  droht  durch  die  Entdeckung,  daß  das  Kochsalz  zur  Wärme 
sich  ebenso  verhalte,  wie  das  Glas  zum  Lichte,  die  üblichen  Theorien  von  der 
Wärme  umzustoßen ,  und  Jakobis  elektro-magnetische  Maschine  eine  ähnliche  Re- 
volution im  Maschinenwesen  vorzubereiten.  Außerdem  ist  ein  physikalisches  Seminar 
in  der  Entstehung  begriffen,  die  Erbauung  des  üniversitätsgebäudes  durch  Zurück- 
weisung des  dazu  bestimmten  Platzes  in  eine  unbestimmte  Zeit  verschoben.  Sämann 
wird  zu  Pfingsten  das  zweit-erste  Ostpreußische  Musikfest  geben,  da  Riel  ihm  mit 
dem  ersten  zuvorgekommen.  Man  hofft,  der  Kronprinz  werde  es  mit  seiner  Gegen- 
wart beehren. 

Ich  schließe  diese  Zeilen  mit  der  nochmaligen  Bitte,  mir  nicht  zu 
zürnen  und  verbleibe  mit  der  innigsten  Hochachtung 

Ihr  ergebenster    Karl  Thomas,  Dr. 

971.    An    Taute.      (3   S.    4».     N.)  Göttingen  20  Aug  35 

Nichts  Angenehmeres  kann  ich  vornehmen,  mein  theurer  Freund! 
als  Ihnen  Nachricht  geben  von  der  Art,  wie  Drobisch  sich,  einstimmig 
mit  Ihnen,  über  die  bekannte  Recension  —  die  ich  zwar  nur  aus  Be- 
richten Anderer  kenne,  —  geäußert  hat.  Er  findet  darin  Ehrlichkeit,  und 
mehr  Studium  meiner  Schriften,  als  man  von  jener  Parthey  erwarten  sollte; 
aber  auch  die  gewöhnliche  Verblendung  deren,  welche  die  Vergleichung 
der  Qualitäten  realer  Wesen,  die  nur  im  Denken  geschieht,  für  Be- 
stimmung des  Realen  selbst  nimmt.  Übrigens  betrachtet  er  die  Recension, 
in  Ansehung  ihrer  wahrscheinlichen  Wirkung,  als  durchaus  vortheilhaft; 
und  als  ermuthigend  für  meine  Freunde.  Möge  dies  auch  bey  Ihnen  die 
Wirkung  seyn!  So  kann  ich  ruhig  seyn  wegen  der  Besorgniß,  daß  Sie 
mehr  als  Ihren  Verhältnissen  zuträglich  wäre,  für  mich  hervorgetreten 
seyen.  Dabey  vergesse  ich  nicht,  daß  Sie  wirklich  hervortraten  zu  einer 
Zeit,  wo  es  mislich  genug  aussah!  —  Aber  wem  möchte  man  nun  diese 
Ermuthigung  lieber  gönnen,  als  Strümpelln!  Und  wie  hat  er  sich  sein 
Verhältniß  verdorben!  Drobisch  geht  leicht  darüber  weg;  er  bemerkt, 
auch  bei  Hartenstein  scheine  Str.  kein  Gehör  gefunden  zu  haben.  — 
Sein  opus  habe"  ich  theilweise  wieder  angesehn;  es  liegt  noch  bey  mir,  weil 
ich  seine  Adresse  nicht  weiß;  schickt  er  diese  nicht  selbst,  wie  ich  be- 
gehrt habe,  so  muß  ich  Sie  darum  bitten,  da  ich  mögliche  Irrungen  der 
Post  nicht  veranlassen  will.  Auch  hatte  ich  mir  vorbehalten,  nochmals 
die  Sache  in  Betracht  zu  ziehen;  aber  leider,  der  erste  Blick  zeigt  mir 
eine  solche  Schwäche,  daß  ich  nur  die  Meinung  fassen  kann,  Strümpell 
würde    diesen    Aufsatz,    falls    ihn    irgend    ein    Anderer    geschrieben    hätte, 


Nachtrag  zu  1835.  275 


[selbst]  leicht  zu  widerlegen  wissen.  Ein  schlimmer  Umstand  ist  der 
überflüssige  Wortreichthum.  Gesetzt  einmal,  es  wünsche  Jemand  wirklich 
mein  Gutachten:  so  muß  nicht  ein  Langes  und  Breites,  sondern  etwa  ein 
Quartblatt  ohne  Vornehmthuerey  an  mich  gesendet,  und  ||  dann  erwartet 
werden,  ob  ich  unmittelbar  antworte,  oder  mich  fragend  näher  erkundige, 
wie  mau  dies  und  jenes  verstanden  wissen  oder  beweisen  wolle.  Bequemte 
sich  Strümpell  noch  jetzt  zu  solcher  Mittheilung:  so  würde  ich  ihm  ant- 
worten; wiewohl  ich  der  Meinung  bin.  das  minimum  von  Nachdenken, 
was  gegen  seine  sogenannten  Beweise  nöthig  ist,  könnte  man  füglich  von 
ihm  erwarten.  Wie  die  Sache  mir  jetzt  vorliegt,  kann  ich  nur  seine  Ver- 
kehrtheit und  seine  Schwäche  gleich  groß  schätzen.  —  Wem?  Röer,  wie 
ich  vermuthe,  von  der  Sache  schon  durch  St[rümpell]n  selbst  unterrichtet 
ist,  so  brauchen  Sie  ihm  von  dem  was  ich  hier  geschrieben  habe,  kein 
Geheimniß  zu  machen.  Übrigens  wird  Röer  wohl  von  selbst  wissen,  daß 
man  den  Begriff"  des  Ich  als  ein  selbständiges  Problem  behandeln  muß, 
welches  die  Unterscheidung  zwischen  Vorgestelltem  und  Vorstellendem 
nicht  erst  aus  der  Ontologie  entlehnt,  sondern  üi  dieselbe  als  nähere 
Bestimmung  der  dortigen  Begriffe  einzuführen  gebietet;  ferner,  daß  lediglich 
da,  wo  unmittelbar  der  Begriff  des  Seyn  paßt,  von  Selbsterhaltung  die 
Rede  seyn  kann;  hingegen  unter  entgegengesetzten  Zuständen  des  nämlichen 
Realen  nothwendig  eine  Störung  des  wirklichen  Geschehens  eintreten  muß. 
die  gar  nicht  abgelehnt  werden  kann,  sondern  wobey  bloß  die  Frage  offen 
bleibt,  ob  man  den  Begriff  dieser  Störung  aus  rein  ontologischen  Gründen 
näher  zu  bestimmen  unternehmen  dürfe,  oder  sich  begnügen  müsse,  dem 
genus:  StöTiwg  hier  für  den  Fall  des  Ich  die  species:  Verdunkelimg,  und 
zwar  aus  bekannten  Gründen  parliale  Verdunkelung,  zu  subsumiren.  Hätte 
sich  Strümpell  das  Wenige,  was  ich  hier  hingeschrieben,  selbst  gesagt:  so 
hätte  er  nun  einen  Versuch,  die  rein  ontologische  Betrachtung  weiter  zu 
führen,  daran  knüpfen  können;  und  dann  möchte  sich  wohl  gefunden 
haben,  daß  die  ontologische  und  die  psychologische  Betrachtung  so  genau 
als  man  wünschen  mag  zusammentreffen.  Statt  dessen  hat  er  |[  nicht  bloß 
die  ersten  Fundamente  der  Psychologie  umzustürzen  gesucht,  sondern  auch 
die  Metaphysik  dergestalt  auf  die  Seite  des  reinen  Seyn  hinübergeneigt, 
als  ob  er  die  Vermengung  des  reinen  Seyn  und  des  wirklichen  Geschehens 
dadurch  erneuern  wollte,  daß  er  das  wirkliche  Geschehen  wie  reines 
Seyn  behandelt,  während  die  Zeitphilosophie  das  Seyn  wie  ein  Ge- 
schehen behandelt.  Nun  frage  ich  Sie:  was  soll  ich  von  einem  ehe- 
maligen Zuhörer  denken,  der  mit  solchen  Dingen  quasi  re  bene  gesta  vor 
mir  auftritt? 

Wenn  Röer  den  Strümpellschen  Aufsatz  noch  nicht  gesehen  hat:  so 
können  Sie  ihm  auch  vom  Vorstehenden  nichts  mittheilen.  Es  dient  dann 
bloß  für  Sie  zur  Nachricht.  Verfahren  Sie  nach  eignem  Ermessen;  ich 
will  nur  nicht  Strümpelln  in  den  Weg  treten,  wofern  er  es  noch  nicht 
selbst  nothwendig  gemacht  hat.  Will  er  noch  umkehren:  desto  besser. 
Das  aber  ist  klar,  daß,  wenn  Str.  nicht  umkehrt,  und  wenn  er  irgendwo 
Anklang  findet  oder  gefunden  hat,  die  Sache  zur  Sprache  kommen  muß. 
Denn     aus    bloß    persönlichen    Rücksichten     verschweigt    Niemand    seine 


276  Nachtag  zu  1836. 


spekulativen  Meinungen,  und  soll  es  auch  nicht.  Gefälligkeiten  der  Art 
will  ich  nicht;  aber  wer  meine  Arbeiten  in  Verwirrung  bringt,  der  mag 
sich  vor  mir  hüten!  Was  anderes  kann  nun  daheraus  kommen,  als  öffent- 
licher, lebhafter  Streit?  Und  dennoch,  welche  Thorheit  für  die,  welche 
mich  aus  meinen  Principien  bestreiten,  noch  ehe  diese  Principien  ein 
allgemeines  Interesse  im  Publicum  gewonnen  haben ?i)  Dadurch  schwächen 
sie  den  Fußboden,  auf  dem  sie  selber  stehen!  sie  schaden  mir;  aber  sich 
selbst  noch  weit  mehr.  Und  das  alles,  warum?  Weil  es  Strümpelln  nicht 
beliebt  hat,  nachzudenken! 

Zur  Berichtigung  einer  Stelle  in  Ihrem  Briefe  muß  ich  übrigens 
sagen,  daß  weder  Bachmann  noch  Beneke  je  meine  Zuhörer  waren;  auch 
habe  ich  nie  mit  diesen  Leuten  im  Privatverhältnisse  gestanden.  —  Von 
Herzen  wünsche  ich,  daß  die  Nachwirkung  Ihrer  Brunnenkur  Heiterkeit 
an  die  Stelle  der  Abspannung  setzen  möge.  Der  Pyrmonter  macht  heiter 
für  ein  paar  Tage;  er  überspannt;  und  hintennach  folgt  Schwäche,  von 
der  man  sich  erst  wieder  erhohlen  muß.  Indessen  haben  sich  Schlaf 
und  Appetit  bey  mir  gebessert;  und  Ihre  Briefe,  nebst  dem  von  Drobisch, 
halfen  mir,  den  Str[ümpelljschen  Verdruß  zu  überstehen.  Die  merkwürdige 
Stelle  in  den  Zeitungen,  wonach  Gabler  in  B.  wenig  Beyfall  finden  soll, 
werden  Sie  wohl  gelesen  haben.  Jedenfalls  ein  indiskretes  Geschwätz; 
worüber  wir  ja  nicht  triumphiren  wollen.  Vielleicht  ist  Gabler  im  Nach- 
denken begriffen,  und  vielleicht  hat  man  einen  ganzen  Hegel  gefodert, 
während  leicht  der  halbe  besser  sein  kann  als  der  ganze.  Möglich  wäre 
aber  auch,  daß  der  Nachdruck,  der  Hegeln  von  außen  erhob,  matt  ge- 
worden wäre.   —  Unverändert  Ihr     H. 

972.    Dissen  an  H.    (2  S.   4«.    kl.  F.    N.)  [Febr.  36?] 

Mit  der  allergrößten  Freude  erfahre  ich,  mein  theurer  verehrter  Gönner,  daß 
Sie  wieder  oben  auf  Ihrem  Zimmer  sind  und  es  nun  doch  entschieden  besser  geht. 
Tag  und  Nacht  habe  ich  Sie  in  Ihrem  Unfälle  mit  innigster  Theilnahme  begleitet 
und  lange  schon  schmerzlich  Ihre  Gegenwart  entbehrt;  aber  doch  bitte  ich  Sie  nun 
auch  nicht  zu  rasch  vorwärts  zu  gehn,  sich  nicht  zu  schnell  hervorzuwagen,  und 
besonders  beunruhigt  es  mich  sehr  daß  Sie  mit  einemmahl  drei  CoUegia  lesen  wollen. 
Die  Studenten  sind  es  überall  gewohnt  daß  man  in  solchen  Fällen  allmählich  wieder 
anfängt.  Thun  Sie  es  doch  auch.  Ueberall  hat  man  lebhaften  Antheil  an  Ihrem 
Unfall  genommen,   und   es  war  eine  Freude  für  mich  zu  hören  von  vielen,  wie  so 

^)  Hier  wird  bestätigt,  was  0.  Bd.  III  der  Briefe  S.  161  Anm.  angegeben  ist. 
Zur  Differenz  zwischen  Herbart  und  Strümpell  sei  noch  folgendes  bemerkt:  Sowohl 
in  Reins  Enc.  Handbuch  der  Päd.  (2.  Aufl.  Art,  „Strümpell")  als  in  der  2.  Aufl.  der 
Psychol.  Päd.  von  Strümpell  wird  von  einem  Schriftstücke  gesprochen,  das  durch 
Kehrbach  verloren  gegangen  sei.  Nun  hat  aber  Kehrbach  im  8.  Bande  vorliegender 
Ausg.  S.  440  f.  ein  Schriftstück  Strümpells  mit  Herbarts  Gegenbemerkungen  ver- 
öffentlicht. Nach  S.  Xli  dess.  Bandes  hat  Strümpell  das  Origmal  zur  Verfügung 
gestellt.  Es  bestand  aus  einem  Quartbriefbogeu,  „dessen  erste  3  Seiten  fast  ganz 
von  Strümpells  Text  eingenommen  werden.  Unmittelbar  darunter  beginnt  Herbarts 
den  übrigen  Raum  ausfüllende  Entgegnung."  Es  fragt  sich  nun,  ob  noch  ein  anderes 
Schriftstück  dieser  Art  vorhanden  war,  oder  ob  das  eben  erwähnte  das  vermißte 
ist.  Nach  dem,  was  sonst  über  die  Differenz  zwischen  den  beiden  Gelehrten  be- 
kannt geworden  ist,  scheint  die  letztere  Annahme  die  richtige  zu  sein. 


Nachtrag  zu   1836.  277 


allgemein  man  sieh  für  Ihre  Gesundheit  und  glückliche  Wirksamkeit  interessirt. 
Seyn  Sie  denn  recht  vorsichtig  anfangs,  so  werden  Sie  bald  in  rüstiger  Kraft  wieder 
dastehn.     Mit  der  größten  Liebe  der  Ihrige  Dissen. 

973.  Brief  eines  Vetters  von  H.  an  H.    (2  S.   2».   N.)  Eutin  3  März  1836 

974.  Ungewitter  an  H.    (4  S.   4°.    N.)  Scheessel  d.  25.  April  1836. 
,.Fustem  tarn  durum  non  invenies  quo  me  a  te  abigas,"  sage  ich  mit  Diogenes 

in  Bezug  auf  Ihr  Stillschweigen.  —  Neulich  hörte  ich,  verehrtester  Herr  Hofrath, 
daß  Sie  bedenklich  krank  gewesen  seien,  und  daß  Ihr  Kranksej'n  große  Besorgniß 
und  Theilnahme  in  Göttingen  erregt  habe,  was  ich  nicht  ohne  Freude  hören  konnte, 
so  wie  es  mir  erfreulich  war,  von  Ihrer  Genesung  zu  hören,  wiewohl  ich  im  eigent- 
lichsten Sinne  mir  deßhalb  keine  großen  Sorgen  habe  machen  können,  weil  ich  es 
mir  nicht  denken  konnte,  daß  Sie  jetzt  schon  aus  diesem  Leben  .scheiden  würden. 
Es  ist  noch  zu  viel  unaufgelöset  in  Ihrem  Wirken.  —  Diesen  Morgen  kam  ||  der 
Gedanke  an  Sie  zu  schreiben  in  mir  auf,  als  ich  Heynens  2ten  Salon  las,  der  mich 
ergötzt  und  stärkt.  Ich  suchte  vergebens  nach  Ihnen.  —  Was  er  über  Luther, 
über  Spinoza  usw.,  namentlich  über  Fichte  noch,  sagt,  hat  mir  wohlgethan,  wenn 
gleich  manches  bizarre  dabei  zu  übersehn  ist.  Es  ist  viel  schlagendes  bei  diesem 
Manne.  Ich  freue  mich,  daß  er  das  alte  Christenthum  so  zusammenschlägt:  dem 
echten  hat  er  damit  nur  den  falschen  Ueberbau  genommen.  In  wie  fern  er  der 
echten  Philosophie  Dienste  gethan,  vermag  ich,  -wenigstens  jetzt  nicht,  zu  ||  be- 
urtheilen:  mir  aber  hat  er,  über  manches  viel  Licht  gegeben. 

Ich  lese  jetzt  Ihre  Umrisse  zu  pädagogischen  Vorlesungen  und  freue  mich 
über  den  gesunden  Sinn,  der  mir  so  oft  aus  dem  frischen  Leben  heraus  darin  ent- 
gegentritt. —  Meinen  13jährigen  Knaben,  dessen  Gesundheit  sich  verbessert,  der 
aber  meine  ganze  pädagogische  Umsicht  und  Gewandtheit  fortwährend  in  Anspruch 
nimmt,  wird  es  mir  nach  Ihren  Darlegungen  sicherer  zu  behandeln.  Sie  sind  mir 
hier  näher,  als  in  Ihrer  früheren  Schrift.  Herrlich  ist  das,  was  Sie  über  den  Ge- 
schichtsvortrag sagen.  Vortrefflich  das  über  Erdkunde.  —  Ich  bin  noch  nicht  ||  zu 
Ende  mit  dem  Buche.  —  Ich  habe  mir  kürzlich  die  apologetischen  undj  erleuternden 
Schriften,  die  über  Ihre  Philosophie  herausgekommen  sind,  verschrieben  —  mit  Aus- 
nahme von  Griepenkerl,  den  ich  schon  kenne,  der  mir  bei  großer  Feinheit  zu  wenig 
Macht  und  Gewalt  hat,  als  daß  er  viel  wirken  könnte  —  und  werde  mit  Interesse 
vernehmen,  was  diese  Vertheidiger  mir  darbieten.  Wir  haben  in  meiner  Nähe,  in 
Kotenburg,  schon  eine  kleine  Schaar  von  Verehrern.  Ihre  (meine)  Encyclopädie  ist 
dort  mit  großer  Anerkennung  aufgenommen.  —  Im  ganzen  höre  ich  nur  zu  Un- 
befriedigendes von  Ihnen.  —  Sie  sind  noch  immer  der  unerkannte  Prophet.  — 
Neulich  sagt  mir  jemand:  Herbart  verfährt  zu  .sprungweise  in  seiner  Philosophie. 
—  Ich  bin  kein  Freund  von  Schriftstellerei ;  aber  ich  mag  doch  gern  bei  Vertrauten 
mich  aussprechen  und  hören  lassen.  So  lassen  Sie  es  denn  gelten,  daß  ich  Ihnen 
auch  ohne  weitere  Erwiederung  darauf,  einen  kleinen  Aufsatz  mittheile,  den  ich 
kürzlich  in  einem  Rotenburger  Cirkel,  der  hier  zu  Tische  war,  vorlas,  und  der  An- 
klang fand,  und  über  den  meine  kleine  Tochter  mir  nun  interessante  Noten  gab. 

Mit  Verehrung  Ihr     J.  G.  Ungewitter. 

[Am  Rande:]  Nachdem  ich  nochmal  in  Heyne  gelesen  und  mit  Lachen  und 
Wehmuth  sein  2tes  Buch  beendigt,  kann  ich  nicht  umhin  mit  Börne  Ihnen  zu- 
zurufen: Ach!  warum  schweigest  du  immer?  Laß  doch  mal  etwas  von  dir  hören, 
imd  schweige  nicht  länger  —  wie  ein  Diplomat! 


278  Nachtrag  zu   1836. 


975.    Schubert  an  H.    (2  S.    8».    N.)  Königsberg  d.  27st.  Apr.  183ü. 

Hochverehrtester  Herr  College!  Wie  lange  ich  auch  schon  die  unverzeihliche 
Sünde  auf  mich  geladen  habe,  Ihren  letzten  Brief  ein  ganzes  Jahr  lang  unbeant- 
wortet gelassen  zu  haben,  so  war  doch  in  der  That  mein  Wille  zum  Schreiben 
ohne  Schuld  dabei,  und  nur  die  mit  jedem  Jahre  mehr  bei  mir  sich  häufenden 
literarischen  und  academischen  Arbeiten  machen  das  Verschieben  der  liebsten 
Wünsche  zur  leidigen  Gewohnheit.  Darum  aber  bleibt  nicht  minder  die  regste 
Theilnahme  an  Ihrem  allerseitigen  Ergehen  bei  mir  und  den  Meinigen  stets  dank- 
bar erhalten,  und  als  eine  theure  Erinnerung  wird  jedes  Ihrer  und  Ihrer  verehrten 
Frau  Gemahlin  Jahresfeste  an  meinem  Tische  mit  einem  kräftigen  Lebehoch  jährlich 
gefeiert.  Und  solch  ein  kräftiges  Lebehoch  dem  wahrhaft  von  mir  innig  verehrten 
und  hochgefeierten  Manne  zu  dem  nahen  4ten  glücklichen  Mai!  Ist  das  sechszigste 
Jahr  ein  Stufenjahr,  so  mag  es  Ihnen  noch  ein  Paar  Zehner  in  gleicher  Fülle  der 
Kraft  zur  Beglückung  der  Ihrigen,  zur  wahren  Förderung  der  Wissenschaft,  zum 
Segen  der  Ihres  Unterrichts  sich  erfreuenden  Studirenden  reichlichst  verheißen! 
Wir  Königsberger,  die  wir  fünf  und  zwanzig  Jahre  des  Glücks  theilhaftig  geworden 
sind,  Sie  als  den  Unsrigen  zu  ehren,  wollen  vor  allem,  da  es  nun  einmal  nicht 
anders  sein  sollte,  ohne  Eifersucht  ein  gleiches  Glück  den  Göttingern  wünschen. 

Bei  unserer  Universität  geht  es  namentlich  in  unserer  Facultät  den  stillen 
wissenschaftlichen  Gang  ruhig  fort.  Außerdem  daß  mit  dem  früheren  Eifer  von  den 
Studierenden  in  Philologie  und  Geschichte  gearbeitet  wird,  bemerkt  man  jetzt  nicht 
minder  angestrengtes  Arbeiten  in  den  mathematischen  und  Naturwissenschaften,  wo 
neben  dem  alten  bewährten  Meister,  jetzt  Jacobi,  Neumann  und  Moser  auch  im 
Unterricht  besonders  durch  das  neu  errichtete  mathematisch-physicalisohe  Serninarium 
sich  trefflich  bewähren.  Moser  hat  die  Aussicht  nächstens  als  zweiter  Ordinarius 
der  Physik  ernannt  zu  werden.  In  Bezug  auf  das  gegenwärtige  philosophische 
Studium  bei  uns  wird  Taute  besser  und  begründeter  Bericht  erstatten  können,  ich 
schweige  daher  ganz-  ||  lieh  damber,  und  bemerke  nur,  daß  es  noch  ganz  ungewiß 
ist,  ob  Rosencranz  nach  Heidelberg  geht,  oder  hier  verbleibt.  Von  Ihren  ehemaligen 
Schülern  hat  Händewerk  jetzt  sich  entschlossen  zur  theologischen  Facultät  über- 
zugehen, wo  er  als  Lehrer  des  Hebraeischen  sich  recht  nutzbar  machen  wird; 
Lehmann  aus  Danzig  ist  Gymnasial  Direktor  in  Marienwerder  geworden;  Rupp  hat 
das  Amt  des  Ellendt  an  dem  Altstädtischen  Gymnasium  erhalten;  Prediger  Voigt 
wird  wahrscheinlich  das  Friedericianum  verlassen  und  eine  Divisionspredigerstelle 
annehmen,  zu  seinem  Nachfolger  ist  der  junge  Dr.  Simsen  bestimmt. 

-Es  freut  mich  recht  sehr,  daß  sich  jetzt  eine  angemessene  Gelegenheit  dar- 
bietet, Ihr  Haus  zu  einem  guten  Preise  zu  verkaufen.  Der  General-Superintendent 
Sartorius  wünscht  es  zu  haben  und  die  Regierung  wird  darauf  eingehen,  da  oben 
jener  und  in  der  unteren  Etage  der  zweite  Schloßprediger  wohnen  soll.  Ich  höre 
aber  auch,  daß  der  jetzige  Miether  Oberlaudforstmeister  v,  Burgsdorf  wohl  die  Absicht 
hat,  das  Haus  zu  kaufen.  Bei  dieser  Rivalität  dürfte  Ihr  Geschäftsführer  wenigstens 
den  von  Ihnen  festgesetzten  Preis  halten  und  erlangen  können.  Auch  sprach  man 
von  dem  Ankauf  -des  Gebäudes  als  Haus  des  Gouverneurs,  da  jetzt  die  Aussicht  vor- 
handen ist,  auf  Herzogs  Acker  den  Paradeplatz  hinzuverlegen.  —  |In  diesen  Tagen 
habe  ich  seit  der  letzten-  Geldsendung,  das  erste  Honorar  für  Ihre  Rechnung  emp- 
fangen, aber  leider  nur  ein  einziges  von  Herrn  Jensen,  das  nach  Abzug  der  Tantieme 
des  Rendanten  auf  3  Thlr.  24  gr.  gezahlt  ist.  Ich  habe  es  bei  der  Geringfügigkeit 
der  Summe  wegen  des  Portos  nicht  mitgesandt  und  denke,  es  würde  am  bequemsten 
sein  wenn  ich  es  ah  Ihren  hiesigen  Geschäftsführer  zur  gelegentlichen  Absendung 
auszahlte.     Ich  wünschte  nur,  daß  es  mehr  sich  häufen  möchte. 


Nachtrag  zu  1836,  270 


All  Ihre  hochverehrte  Frau  Gemahlin  bitte  ich  von  mir,  meiner  Frau  und 
Kindern  die  angelegentlichsten  Empfehlungen  zu  machen.  Mein  Conrad  der  dankbarst 
Ihrer  treuen  Fürsorge  sich  zu  erfreuen  hatte,  lebt  jetzt  wieder  in  meinem  Hause  und 
ist  nun  ein  Jahr  Tertianer  im  Friederioianum.  Älit  der  herzlichsten  Bitte  um  Er- 
haltung Ihres  mir  unschätzbaren  Wohlwollens  Ihr  ergebenst  verpflichteter 

Schubert. 

Im  September  künftigen  Jahres  hoffe  ich  einige  Tage  in  Göttingen  zu 
verleben. 

076.    Gregor  an  H.    (3  S..  4».    N.)  Königsberg  d.  4ten  May  1836. 

Hochgeehrter  Herr  Professor!  Was  könnte  ich  Ihnen  zu  Ihrem  werthen  Ge- 
burtstage dies  Mal  wol  besseres  wünschen,  als  daß  der  Allgütige  Sie  und  Ihre  Ver- 
ehrungs würdige  Frau  Gemahlin  für  einander  noch  recht  lange  gesund  und  wohl  er- 
halten möchte?  Ich  für  mein  Theil  bin  durch  den  Tod  meiner  innig  geliebten  Gattin 
noch  zu  sehr  gebeugt,  um  anderen  W'ünschen  einen  angemessenen  Werth  beilegen 
zu  können;  aber  von  Ihrer  stets  gleichen,  freundlichen  Theilnahme  darf  ich  ja  Ver- 
zeihung hoffen.  Meine  liebe  Frau  schlummerte  am  28sten  März  d.  J.  gegen  10  Uhr 
Abends  nach  einem  zweijährigen  Leiden  an  der  Abzehrung  sanft  ein  —  für  sie 
zur  Befreiung  von  vielen  Schmerzen;  für  uns  zur  tiefsten  Trauer.  Die  seltene 
Frische  des  Geistes,  und  Gemüths,  die  sie  bis  zum  Abschied  am  Morgen  ihres  letzten 
Tages,  bewahrte,  erleichtert  mir  das  freundliche  Andenken  an  sie,  bringt  mir  aber 
auch  den  unersetzlichen  Verlust  immer  wieder  auf  das  Lebhafteste  in  Erinnerung. 
Ja,  ich  leide  unaussprechlich;  es  ist  mir  oft  zu  Muthe,  als  müßte  mich  diese  Wunde, 
die  nicht  aufhören  will,  zu  bluten,  endlich  tödten.  So  lange  sie  lebte,  ließ  mich|| 
die  Sorge  um  sie  nicht  zum  Bewußtsein  der  Öde  und  Leere  kommen,  die  mich  nun 
so  furchtbar  umfängt,  da  mir  das  Liebste  überall  fehlt.  Um  so  wohlthuender  ist 
es  für  mich,  von  dem  Bilde,  das  sich  in  alle  meine  Gedanken  mischt,  auch  durch 
Ihr  und  Ihrer  lieben  Frau  Gemahlin  Wohlwollen,  welches  sie  der  Verstorbenen 
schenkten,  Übergänge  zu  finden,  die  mich  dem  Leben  allmälig  wieder  zuwenden 
werden.  Ach,  sie  hoffte  noch  den  4ten  May  zu  überleben,  fragte  mich,  ob  ich  an  Sie 
schreiben  wüi'de;  rrug  mir  schon  im  Voraus  herzliche  Grüße  auf;  und  erging  sich 
sehr  heiter  in  den  Erinnerungen  an  die  Festlichkeiten,  die  Ihre  liebe  Frau  Gemahlin 
zu  dem  Tage  zu  veranstalten  pflegte.  Das  geschah  ein  Paar  Tage  vor  ihrem  Tode. 
Mir  liegt  nun  zwiefach  die  ernste  Pflicht  ob,  für  die  Erziehung  der  vier  Kinder, 
die  sie  mir  hinterlassen  hat,  zu  sorgen:  dadurch  will  ich  ihr  Andenken  ehren,  so 
lang  es  Gott  gefällt.  Meine  Schwester,  die  mir  ||  während  der  Krankheit  meiner  sei. 
Frau  so  treulich  zur  Seite  stand,  will  mich  auch  nun  nicht  verlassen,  sondern  die 
Häuslichkeit  aufrecht  erhalten,  und  damit  zugleich  auch  mich.  Wäre  sie  selbst  nur 
gesünder!  Heilung  suche  ich  jetzt  vor  allen  Dingen  im  Arbeiten,  so  uninteressant 
es  mir  auch  meistens  vorkommt,  dann  in  der  frischen  Luft,  im  Umgange  mit  meinen 
hiesigen  Freunden,  in  stillen  Erhebungen  zu  Gott,  in  dessen  Macht  auch  die  Dahin- 
geschiedenen bleiben;  —  kann  sie  aber  noch  nicht  finden.  Wie  weit  schwächer 
bin  ich  doch  als  ich  es  mir  vorgestellt  habe!  —  Dessenungeachtet  erhalten  Sie  mir 
gütigst  Ihr  so  äußerst  schätzbares  Wohlwollen  und  nehmen  Sie  meinen  herzlichen 
Glückwunsch  freundlich  auf.  Ihr  Sie  hochverehrender  Freund     Gregor. 

977.    Richthofen  an  H.    (4  S.   4».    N.)  Brecheishof  den  24sten  Juni  36. 

Mein  verehrter  Freund!  Der  wiedergekehrte  Johannistermin  mahnt  mich  an 
eine  andere  lange  aufgeschobene  und  doch  angenehme  Verpflichtung,  —  die  Antwort 
auf  Ihi-en  freundlichen  Brief,   vom   5ten   März,    wie  ich  mit  Schrecken  und  Ver- 


2  8o  Nachtrag  zu  1836. 


wuDdenmg  über  die  flüchtige  und  immer  eiligere  Zeit  ersehe!  Sie  schrieben  damals 
besorgt  um  ihre  Gesundheit,  und  auch  mein  Sohn  hat  mir  einmal  darüber  weniger 
gute  Nachrichten  ertheilt,  doch  hoffe  ich  aus  dem  Mangel  fernerer  Mittheilungen, 
daß  das  Uebel  wieder  vorübergegangen  sey.  Soll  doch  wie  Sie  selbst  mein  ver- 
ehrter Freund  bemerkten,  die  Gicht  eine  wenn  an  sich  auch  nicht  erfreuliche  Bürg- 
schaft eines  höheren  Alters  seyn;  aber  allerdings  werden  Sie  wohl  thun  dieß  Jahr 
an  die  Stelle  Pyrmonts  ein  Schwefelbad  treten  zu  lassen,  oder  auch  beide  Mittel  zu 
verbinden.  ||  Mir  geht  es  diesen  Sommer  so  gut,  daß  ich  mich  genüge  meine  vor- 
jährige Brunnenkur  in  meinem  eignen  Garten  zu  wiederhohlen,  und  rücksichtlich 
der  Bäder  der  Apotheker  die  Natur  vertritt;  und  auch  dieß  ist  vielleicht  unnütz. 
Ich  bin  nach  Jahren  wieder  zum  Reiten  zurückgekehrt,  und  das  bekommt  mir  so 
auffallend  gut,  daß  ich  die  Abweichung  einzelner  Organe,  durch  dieses  allgemeine 
die  Lebenskraft  aufregende,  und  ins  Gleichgewicht  setzende  Mittel  auszugleichen 
hoffe,  —  überdieß  ist  es  aber  wohl  ein  Beweis,  daß  meine  vorjährige  Nieron- 
Entzündung  ein  mehr  zufällig  erzeugtes  Uebel  seyn  mochte,  und  wenn  mein  Körper 
auch  zu  jener  Abnormität  hinneigen  sollte,  diese  doch  wenigstens  noch  nicht  aus- 
gebildet ist.  Von  meinem  Schwager  Wilhelm  nach  dem  Sie  fragen,  weiß  ich  wenig 
oder  nichts;  da  sein  Sohn  wieder  in  Göttingen,,  so  werden  Sie  wenigstens  mehr  als 
ich  von  diesem  erfahren  können.  Ihr  Urtheil  über  diesen  bestätigte  das  frühere 
meiner  Söhne;  wohl  möglich  daß  später  das  praktische  Leben  mit  seinen  kräftigen 
Einflüssen  der  Erziehung  nachhilft;  doch  freut  mich,  daß  mir  gelang  meinen  Kindern 
schon  von  früh  an  einen  ernsten  und  wissenschaftlichen  Sinn  einzuflößen;  wenigstens 
in  dieser  Hinsicht  haben  Sie,  mein  Freund,  sich  Ihres  alten  Schül&rs  nicht  zu 
schämen.  || 

Ob  aber  die  Kraft  der  Jugendbildung  nicht  eine  vorübergehende,  mit  der  eignen 
Jugend  zusammenhängende  seyn  sollte?  Bei  meinen  Kindern  merke  ich  Gott  sey 
Dank  noch  nichts  davon ;  aber  allerdings  bildet  sich  allmählig  ein  bestimmter  Familien- 
sinn, der  das  Erziehungswerk  überaus  erleichtert. 

Dagegen  machen  mir  meine  mancherlei  Geschäfte  eine  anderweitige  bessere 
Thätigkeit  unmöglich,  oder  sie  ist  es  wenigstens  bei  dem  Grade  der  Kraft,  der  mir 
zu  Theil  geworden  ist;  denn  leider  entgeht  mir  die  Gabe  mich  nach  mancherlei 
Störungen  sofort  gleich  wieder  sammeln  zu  können.  So  sind  mir  denn  auch  die 
neuesten  Arbeiten  Ihrer  Schüler  noch  unbekannt  geblieben,  wenn  ich  ihren  Nahmen 
nicht  schon  vorher  kannte;  Sie  erwähnen  eines  Hr.  Hartenstein?  Theilen  Sie  mir 
wenn  Sie  Muße  haben  darüber  und  die  eignen  Arbeiten  doch  Näheres  mit. 

Gewiß  haben  Sie  auch  die  neuen  Forschungen  über  Optik  beachtet;  vor  mir 
liegt  „Schwend  über  Beugungserscheinungen."  Die  Undulationstheorie  dürfte  doch 
allmählig  wohl  allgemein  Anerkennung  finden;  wie  ist  es  mit  Ihnen?  und  haben 
Sie  wohl  Ihre  Aufmerksamkeit  auf  die  merkwürdigen  Erscheinungen  einer  Farben- 
oktave gerichtet,  oder  vielmehr  auf  die  Wiederkehr  dieses  Schwingungsverhältnisses 
der  Töne  bei  den  Farben;  aber  freilich  nur  eine  Oktave?  ||  Hält  die  Sache  Stich  so 
müßte  man  auch  andere  Farbenharmonien  nachweisen  können;  aber  wie  die  Musik 
mit  einer  einzigen  Oktave  eine  wenig  genügende  Kunst  seyn  würde,  so  auch  die 
Farben.  Dieß  würde  dann  auch  vielleicht  eine  psychologische  Weisung  über  die 
Einwirkung  der  Harmonie  geben,  als  durch  wechselsweise  kommensurable  Intervalle 
beförderte  Auffassung  und  vermiedene  Hemmung;  derselbe  Punkt  worauf  ja  auch 
die  praktischen  Ideen  hinzuweisen  scheinen.  Aber  trage  ich  nicht  Holz  in  den 
Wald,  oder  noch  schlimmer  muthe  ich  Ihnen  nicht  ungeachtet  Ihres  Reichthums 
zu,  einen  schlechten  von  einzelnen  Pflanzenfasern  [hergestellten]  Torf  zu 
brennen. 


Nachtrag  zu   1838.  28 1 


Der  arme  Bissen!  wie  leid  thut  er  mir  doch!  auch  Sie  klagen  über  Hypo- 
chondrie? wer  ist  wohl  ganz  frei  davon,  aber  das  Maaß  entscheidet;  ich  fühle  selbst 
wie  viel  von  Nebenumständen  abhängt.  Ihr  Göttingen  wird  für  Preußen  wohl  wahr- 
scheinlich wieder  geöffnet  werden;  unterdeß  ist  mein  zweiter  Sohn  zu  alt  geworden; 
ich  habe  den  allerdings  nachgewiesenen  Funken  bei  unserem  Mangel  an  Brennstoff 
nie  für  so  gefährlich  gehalten. 

Im  Herbst  habe  ich  Lust  einmal  eine  Reise  zu  machen,  um  mit  meinen  beiden 
ältesten  Söhnen  einige  Alpenthäler  zu  durchwandern;  ohnehin  kenne  ich  bis  jetzt 
nur  die  Schweiz.  Meine  Frau  hatte  allerdings  Lust  einmal  nach  Göttingen  zu 
kommen,  aber  auch  ihr  würde  dort  wohl  manches  Fremde  begegnet  seyn.  Die  alte 
Zeit  kehrt  nicht  mehr  zuriick,  und  ich  bin  leider  etwas  unbeweglich.  Dieß  soll 
aber  hoffentlich  nicht  für  immer  der  Fall  seyn! 

Mit  Freundschaft  der  Ihrige     v.  Richthofen. 

978.  An  Doctor  Reiche  zu  Adelebsen,  i)  8  Juni  38. 
Ihr   gütiger  Besuch    hat    mich    verfehlt,    darum    statte    ich    schriftlich 

meinen  Dank  ab  für  Ihr  Geschenk!  und  frage  zugleich  an,  wem  ich  das 
Hauptexemplar  Ihres  Diploms  abliefern  solle?  Am  liebsten  Ihnen  Selbst, 
falls  Sie  bald  wieder  nach  Göttingen  kommen. 

Um  Ihnen  für  eine  deutsche  Schrift  (durch  welche  Sie  sich  ohne 
Zweifel  bald  dem  größten  Publicum  bekannt  machen  werden)  Bahn  zu 
schaffen,  —  vor  allem  einen  willigen  Verleger:  —  muß  Ihre  Dissertation 
angezeigt  werden,  und  ich  zweifle  nicht,  daß  Heeren  eine  Anzeige  von 
mir  für  die  hiesigen  Blätter  annehmen  wird,  wenn  dies  gleich  jetzt  ge- 
schehen kann.  Es  fehlt  an  einer  Kleinigkeit;  Sie  haben  keine  Buch- 
handlung bestellt,  welche  die  noch  übrigen  Exemplare  (nach  Seemanns 
Angabe  50)  in  Commission  hätte.  Eine  ordentliche  Buchhandlung  aber, 
wo  die  Dissertation  zu  haben  sey,  muß  ich  in  der  Anzeige  nennen; 
daher  möchte  ich  Ihnen  anheim  geben,  hierüber  so  bald  irgend  möglich 
zu  bestimmen.  Wenn  Sie  die  Dieterich  sehe  Buchhandlung  wählen,  so 
können  Sie  sich  auf  mich  berufen,  und  ich  werde  nöthigen  Falls  selbst 
mit  Hrn.  Schlammer  darüber  sprechen.  Ganz  ergebenst     Herbart, 

979.  Herbarts  Tagebuch.  Wo  mag  es  geblieben  sein?  Es  ist  wohl  wie  so 
vieles  andere  der  Vernichtung  anheim  gefallen.  Herbarts  Frau  hat  versucht,  Aus- 
züge davon  zu  machen.  Von  diesen  befinden  sich  sechs  Blätter  im  N.  Nur  eine 
Notiz  daraus  ist  für  uns  von  Wert.  „H.  wurde  Anfangs  März  1798  ins  Oberland 
geschickt.  Im  Städtchen  L'nterseen  konnte  er  mit  seinen  Knaben  fortarbeiten. 
Einmal  mußte  er  eines  blinden  Lärmes  wegen  mit  einigen  Listen  der  Frau  Steiger 
über  den  ßrienzersee.  Bei  der  Gelegenheit  machte  er  einen  Spaziergang  nach 
Meyringen.     Den  2L  März  war  er  wieder  zurück  in  Bern." 

980.  bn  N.  befinden  sich  noch:  1.)  Einzelne  Blätter  von  Herbarts  Hand  aus 
Manuskripten  zu  seinen  Werken.  2.)  Exzerpte  oder  eigne  Entwürfe,  von  ihm  und 
anderen  geschrieben.  —  Zum  Schlüsse  sei   darauf  hingevriesen,   daß   sich   auf  der 

^)  Fr.  zur  Verfügung  gestellt  von  Herrn  Leo  Liepmannssohns  Antiquariat  in 
Berlin  SW.   1 1 ,  Bemburgerstr.   1 4. 


282 


Nachtrag. 


Universitäts  -  Bibliothek  zu  Königsberg  folgende  Manuskripte  befinden,  die  noch 
nicht  verwendet  worden  sind:  1)  Aus  Herbarts  frühester  Zeit  in  Jena:  Betrachtung 
über  das  Ich  und  Nicht-Ich  (2609,  VI).  2)  „Kurze  Sätze"  aus  der  Metaphysik  mit 
..Fragen"  (2609,  VII).  3)  Die  ältesten  Aufzeichnungen  über  die  Grundlagen  der 
Psychologie  und  die  ersten  Versuche  psychologischer  Rechnungen  (24  S.  4".  2609,  XI). 
(Vergl.  dazu  Hartensteins  Herb.  KI.  Schriften  I,  S.  LIV). 

—  Hr.  Dr.  P.  Schumann  macht  mich  noch  aufmerksam  auf  K.  Fr.  Burdach, 
Rückblick  auf  mein  Leben.  (Leipzig  1848.)  Dort  finden  sich  auf  S.  325 — 327  und 
353   Bemerkungen  über  Herbart. 


Namen  -  Register. 


Die  römischen  Ziffern  bezeichnen  den  Band  der  Briefe,  die  arabischen  die  Seiten.    Stehen 

zwei  römische  Ziffern  beieinander,  so  bezeichnet  die  erste  den  Band,  die  zweite  die  Seite. 

Band  I — TV  der  Briefbände  entsprechen  Band  XVI — XIX  der  sämtlichen  Werke. 


A. 

Achard  IV,    150. 

Achelis  I,  58. 

Aeschylos  III,  288. 

Agelander  11,  320. 

Ahlwardt  II,    11. 

Albrecht  III,   251,   312.   —  IV,    163. 

Albrecht,  Frau  Geh.   Rat  I,  XIV. 

d"Alembert  TV,   18,   19,  24. 

Allihn  II,    161,   195.  —  III,  290,  295. 

AUwUl  I,   108. 

Altenstein  v.,  Minister  II,  119,  190,  319.  — 

m,  7,   138,   188,  253.   —    IV,  44,  226. 
Anacharsis  I,    174. 
Ancillon  II,   261,   297,   299,   306,  312,  316. 

-    III,    17,    138. 
Andree  IV,   191. 
Antigene  III,  282. 
Apel  II,   102. 
-Apollo  IV,   72,  97. 
Archimed  III,   195.  —  IV,  68. 
Argand  I,    130. 
Ariost  I,  304,  305.   —  II,  12,  25,  26,  116, 

198,  201. 
Aristoteles    11.    213,    224,    268,    291,    323, 

325.  —  ni,  4,  35,   113,    170,   195,  285, 

316.  _  IV,   51. 
Arrian  IV,  212. 
Ast  rV,   145,  232,  233. 
Attila  II,    115. 
Auerswald  v.    II,    28,    30,    62,   64,  92,   94, 

103.   —  IV,    150,    151,    152. 
Amswaldt  HI,  284. 
Augusti  n,  318,  322.  —  III,  5.  —  IV,  189. 

B. 

Baader  II,    145. 

Bach,    Seb.    H,    50,    168.    —    III,    282.   — 

rv,  255. 
Bachmaim  ET,  97,  119,  180,  201,  220,  297. 
-  in,  42,  94,   163,    168.    —   IV,    215, 

222,  232,  233,  256,  257,  264,  276. 
Bader  I,    126. 


Baer  LEI,  26,  28,  250. 
I  Baerensprung  v.  11,  261. 
'  Ba^esen  I,  57. 
Bagier  II,   13.  —  IV,   152. 
Bardili  II,    29. 
Bartelmann  I,   3. 
Barth  III,  274,  275,  276,  278. 
Bardielemy  I,    103. 
Bartels  III,  305. 
Basedow  IV,   144. 
Basse  I,  251. 
Baudissin  III,    158. 
Baumgarten  IV,   15. 
'  Baumann  I,   188. 
Bay  I,    lOi. 
Bäre'nhoff  oder  Baerenhoff  I,  15,  20,  26,  29. 

—  IV,  68,  69,  72,  80. 
Beck,  Ch.  D.   11,   16,   120.    —  HI,  41.  — 

TV,  226. 
Becker  III,  4,   118. 
Beer  I,  XI. 
Beethoven  m,  282. 
Behnisch  IV,   245,   246. 
Beier  II,   221. 
Beindorf  I,   22. 
Bekedorf  I,    15,  34.  35. 
Bekenn  I,    193.  —   II.    14. 
Below  IV,   195,  217. 
Beizer  III,  232,  233. 
Benedict  IV,   189. 
Beneke  II,    50,    120,    126,    127,    130,  203, 

207,  321.  —  ni,  56,  98,   loi,  163,  168, 

258,    289.  —  IV,    171,    213,    220,    226, 

233'  253,  276. 
Berg  II,  46. 

Berger  v.,  Kanzleidirektor,  I,  4. 
Berger,  J.  E.  v.  I.  6,  8,   17,  26,  33,  34,  35, 

36,  50,  52,  56,  61,  63,  64,  67,  73,   76, 

79,  113,  122,  126,  254,  305.  —  n,  25, 
26,  40,  216,  224,  276,  304.  —  rv,  54, 

62,  64,  68,  69,  70,  76,  79,  81,  84,  85, 
90,  93.  94.  95.  100.  i05>  106,  HO,  116, 

139.  185. 


284 


Namen-Register. 


Bergmann  I,  306. 

Berghaus  IV,   37. 

Bergler  II,  88. 

Bernhard  III,   289. 

Bemoulli  I,   286,   287. 

Bernstorff  v.   II,    129. 

Bertheau  II,    134. 

Bessel  II,  119,  132,  154,  166,  232,  245, 
274'  275,  303,  317.  —  III,  26,  28,  99. 
IV,  212,  226,  228,  265. 

Beßer  II,   274. 

Bettina  III,    186. 

Bey,  P.  I,  XI. 

Bever,  H.  I,  IX. 

Beyer,  J.   L.   IV,  63. 

Beyme  II,   324. 

Bielenstein  IV,  208. 

Bigeleben  I,    15. 

Bilh-oth  III,  69,  86,  94. 

Blankenburg  v.   II,   47. 

Blendermann  I,  258,  286.  —  IV.    131. 

Blösch  III,    153. 

Blume  111,   37. 

Blumenbach  II,  5. 

Bobrik  II,  195,  196,  198,  200,  204,  223, 
259.  306,  307,  312,  315,  317,  318,  322. 
323.  —  III,  5,  8,  9,  31,  32,  34,  43,  45, 
100,  103,  105,  HO,  133,  147,  148,  155, 
156,  201,  212,  231,  232,  257,  283,  289, 
298,  299,  300,  302,  303,  304,  308,  313, 
315,  316.  —  IV,  6,  35,  36,  37,  42,  48, 
163,   228,  229,  249,  261,  273. 

Boccaz  11,   117. 

Bohlen  v.   II,   317.   —  III,   26,   28,   289. 

Bohtz  V.   III,   318. 

Boimelburg  I,    143. 

Bonaparte  I,   57.   —   II,  98. 

Bonitz  III,    113,    128,    183,    196,   285,   286, 

295- 

Bonnel  III,  283. 

Bonus  I,    18.   —  IV,   94,    136. 

Borchard  IV,   266. 

Bormann  IV,  222. 

Bomträger    II,    109,    229.   —   IV,   60,   261. 

Borowsky  II,   302.   —   III,   300. 

Bossuet  II,    118. 

Bouquoi  II,  133,  183,   190.  —  IV,  222,  223. 

Bouterweck  I,  280.  —  II,  5,  16,  46,  68. 
131,  143,  169,  171,  180,  184,  236,  300. 
—  III,  24.  —  IV,  236,  241. 

Böckh  II,  3,  29,  42,  49. 

Boehlendorff  I,  XI."  —  I,  6.  27,  31,  34, 
35,  36,  38,  44,  47,  50,  53,  54,  55,  58, 
65,  66,  72,  73,  74,  75,  79,  80,  81,  82, 
91.  97,  98,  99.  ioi>  102,  112,  113,  115, 
117,  118,  119,  122,  123,  126,  128,  138, 
149,  151,  171,  178,  188,  201,  204,  214, 
215,  218,  226,  234,. 237,  253,  259,  261, 
267,  301,  305.  —  II,  25,  26.  —  IV,  54, 
68,    79,   89,  94,  95,  98,   102,   103,   104, 


105,  106,  107,  108,  115,  117,  123,  127, 
138,   139,   140,   143,   144,  212. 

Böttger  III,   165. 

Böttiger  IV,    131. 

Börne  IV,  277. 

Brandes  H.  W.  I,-  306.  — II,  30,  165,  166, 
175,  216,  273.  —  ni,  69,  70,  71,  107, 
269. 

Brandenstein  IV,    184. 

Brandis,  Chr.  A.  II,  157,  158,  184,  186,  187, 
188, 190, 191, 192, 193,  195. 196, 197, 198, 
199,  200,  203,  214,  218,  221,  222,  225, 
226,  231,  232,  233,  235,  246,  248,  252, 
253.  257,  258,  261,  264,  265,  266,  268, 
273,  274,  276,  277,  282,  285,  286,  287, 
296,  297,  298,  306,  323,  325.  —  III, 
4,  5,  7,  13,  20,  32,  35,  144,  100,  196, 
201,  231,  253,  290,  308.  —  IV,  226, 
229,  232,  249. 

Brandis,  K.  G.  I,  X.  —  I,  5.  —  II.  186, 
215,  218,  257,  259,  263,  264,  269.  — 
IV,   249. 

Brakebusch  IV,   218. 

Braumüller  I,   IX. 

Braun  II,   71. 

Braunschweig  IV,   52,   53. 

Bräuer  IV,   227,   228. 

Bredenkamp  I,  278. 

Breitkopf  II,  309. 

Breslau  III,    121. 

Bretschneider  III,  266. 

Breuning  I,  15,  26,  29.  —  IV,  62,  68,  69, 
72,   79,  81. 

Breyer  IV,   145. 

Brockhaus  II,  104,  io6-,  107,  108,  iii, 
112,   113,    114,   297,  299,  309,    314.    — 

III,  14,  15,  40,  109,  161,  166,  168,  261, 
263,  264,  300.  —  IV,  264. 

Brohm  I,   134,    139,   143. 

Brohme  I,    151. 

Brown  II,    137.   —   IV,   243. 

Browne  II,   316. 

Brun  IV,    1 1  o. 

Brunswirker  IV,   249. 

Bmschius  I,  296,  298.  —  II,  68,  304.  — 

IV,  181. 
Brussius   III,   4. 
Brutus  III,   203. 

Brzoska  II,  242.  —  III,  191.  229,  241, 
242,  255,  260,  261,  273,  277,  278,  283, 
284,   285,   299. 

Buchen  v.  III,  262. 

Buchner  II,   1 1  o. 

Budberg  IV,   182. 

Buffon  II,   118. 

Buhle  II,   153. 

Burdach  II,   20I. — IV,   282. 

Burgsdorf  IV,   264,   278. 

Büß  I,    164. 

Butte  IV,    145. 


Namen-Register. 


285 


Bülau  III,  232,  244,  248. 
Bühlniann  I,   81. 
Bülow  V.  II,   167. 
Büsching  IV,   15. 
Byron  III,  266. 


Calderon  II,   117,  201. 

Calka  II,  316. 

Calker  II,   120,   131. 

Callisen  I,  283.  —  II,    16.  —  IV,  68. 

Campanella  11,  278. 

Campe,   Elise    I,    54,    55,  253.    —    II,    12, 

201,  224. 
Campe  IV,   129. 
Campenhausen  v.  II,  67. 
Cai^anico  II,   203,   220. 
Carl  der  Große  II,   115. 
Carlblom  U,  319. 
Carlowitz  III,   218. 
Cartesius  II,   136,   138.  —  IV,    17. 
Carus,   F.  A.    I,  277,  281,  282,  284,  285, 

290,    292,    293,    294,  297.    —  IV,   146, 

147. 
Caspari  II,  64. 
Castendyk  I,    150,    202,  204.    —    IV,   136, 

156  (s.  auch  Kastendyk). 
Castell  IV,  245. 
Cäsar  IV,   212. 
Chamisso  11,  259. 
Cid  II,   117. 

Cicero  III,  214.  —  IV,  64. 
Clauren  II,  242. 

Clemens  II,    iio,    —    IV.    173,    175,  202. 
Clemenz  IV,   150. 
Clement!  s.  Kiemen ti. 
Clodius    III,    42,    55,    86,    122,    183,    191, 

196,  202,  203. 
Cnobloch  II,  227. 
Cobler  IV,   223. 
Cochet  I,  21. 
Colsmann  I,   176. 
Columbus  IV,  236. 
Conrad!  III,  96,   255,   263. 
Copemicus  III,    122. 
Cordes  IV,   185. 
Cotta  II,  59. 

Cramer  I,   15.  —  IV,  68,  75,    129. 
Creuzer  I,  268,  273.   —   II,  42. 
Curtius  III,    133. 

D. 

Dahlmann  III,    11,  96,  285,  293,  318.    — 

IV,  5,  6,  28. 
Dankwerts  I,   303,   304. 
Dante  II,    1 16. 
Daub  m,   250. 
Da\'id  II,    128. 
Deboor  IV,  96. 
De  Borch  IV,   148. 


Deetz  II,  98.  —  IV,   198. 

Delagrange  IV,   222. 

Delbrück  11,  62,  63,  64,  84,  85,  198,  199, 

259,  261.  —  IV,   155,   156,   194. 
Des-Cartes    II,    156,    159.    —    III,    16.    — 

IV,  30. 
Deuerlich  III,   82. 
DeukaUon  III,  63. 
Deutsch  III,  305. 
Diekmann  II,    iio,    133.    —   III.    310.  — 

IV,  27,  248. 
Diestel  III,  256.  —  IV,   195,  261,  264. 
Diesterweg  III,  276. 
Dieterici  III,   7,    17,  35,  47,  124,  159,  188. 

—  IV,  32,  33- 
Dietrich  III,  24. 
Dieterichsche  Buchhandlung  III,   83,  84,  87, 

90,   109,    HO,  204,  285.  —  IV,  35,  37, 

38,  281. 
Ditrich,  Dittrich  III,  94,  280. 
Dietze  IV,  271. 
Dilthey  II,  41. 
Dinter  11,   246.   —  IV,   246. 
Diogenes  IQ,  271.  —  IV,  277. 
Dirz  IV,  220. 
Dissen  I,   299,   307.   —  II,   30,   36,   37,  41, 

44,   45,  46,   47,  49,   50,   52,   54,   55,   57, 

58,  61,  67,  68,  69,  73,  82,  88,  91,  94, 
95,  98,  100,  122,  128,  146,  147,  148, 
153,  194,  213,  299,  300,  304.  — 
ni,  3,  4,  5,  7,  8,  9,  10,  II,  12,  18, 
19,  20,  22,  24,  35,  36,  37,  58,  82,  102, 
172,  175,  187,  188,  204,  205,  242,  249, 
263,  287.  —  IV,  162,  171,  172,  173, 
186,  200,  211,  252,  253,  257,  258,  268, 

276,  280. 
Dittes  II,   153. 
Dix  I,  61. 

Dohn  rV,   1 15,    124. 

Dohna,  Graf  v.  II,  319.  —  III,  289.  — 
IV,  27. 

Dobritzsch  II,  221. 

Dom  IV,   157. 

Dorther  III,   169. 

Döderlein  IV,  61. 

Drake  II,  84,  93.  —  IV,   163. 

Dresler  IV,  68. 

Drobischl,  IX,  XIV;II,  161, 162,  165,  166, 
172,  175,  177,  181,  187,  188,  189,  190, 
191,  192,  193,  198,  203,  204,  205,  207, 
208,  211,  214,  216,  217,  219,  220,  221, 
224,  226,  230,  231,  241,  244,  245,  247, 
248,  250,  254,  269,  271,  273,  274,  275, 

277,  281,  282,  285,  306,  311,  313,  318, 
323.  —  III,  5,  9,  13,  2T,  32,  34,  40, 
41,  43,  45,  48,  49,  51,  52,  53,  55,  56, 

59,  61,  64,  65,  67,  69,  70,  71,  12,  73, 
74.  75.  77.  80,  85,  87,  89,  90,  91,  92, 
93.  95.  97.  98,  99.  100.  loi-  ^o^,  107, 
108,  HO,   III,  113,  114,  115,  118,  119, 


286 


Namen-Register. 


I20,  122,  123,  124, 

133,  134.  i35>  137, 

149,  .151,  153,  154, 

168,  170,  172,  175, 

181,  184,  185,  186, 

193,  196,  197,  198, 

209,    210,  211,  212, 

218,  223,  226,  228, 

238,  241,  242,  244, 

253-  257,  260,  261, 

267,  268,  269,  270, 

279,  280,  281,  282, 

292,  293,  295,  296, 

112,  313,  315,  31; 


126,  127,  128,  132, 
138,  145,  146,  147, 
160,  165,  166,  167, 
176,  177,  178,  179, 
187,  188,  189,  191, 
200,  202,  204,  206, 
213,  215,  216,. 217, 
231,  232,  233,  237, 
245,  248,  249,  252, 
262,    263,   264,   265, 

271,  272,  277,  278, 
286,  287,  290,  291, 
297,    300,    302,    305, 

—  IV,  2,  4,  7,  8, 

20,  22,  24,  28,  33, 
46,  49,  50,  51,  52, 
231,    233,    238,    243, 

272,  274. 


274. 
240. 


II,  13,  17,  18,  19, 
34,  40,  41,  43,  44, 
220,  221,  226,  227, 
244,    247,    248,    267, 

Droste  v.   II,  316. 

Droz  II,    183. 

Diigend  I,  21. 

Duckmann  III,   289. 

Dulk  III,   28,   48,   255.    —   IV,   265 

E. 

Ebel  IV,   250,   256,   261. 

Ebell  I,   251. 

Ebert  IV,  216,  217. 

Echtermeyer  III,  317. 

Eckermann  IV,  64. 

Edler  III,    170. 

Edelsheim  v.  I,  269,  273, 

Ehrenberg  II,   97.   —  III, 

Ehrhardt  II,    13 1. 

Eichhorn   I,    299.    —    III,    125,    159.    — 
IV,  213. 

Eichstädt  II,  131,  132,  133,  148,  155,  I 
177,  183,  184,  187,  198,  201,  202, 
207,  211,  213,  219,  274,  275,  297, 
318.  —  III,  5,  85,  89,  100,  211, 
277.  —  IV,  209,  214,  219,  220, 
232,  233. 

Eilers,  G.  I,   139.  —  II.    132. 

Ehlers  IV,  64. 

Eisner  III,   71,   96.   —  IV,   265. 

Ellendt  III,    106,    222,    251,    277, 
IV,  41,  278. 

Eltermann  IV,   144. 

Engel  IV,    107. 

Erdmann  III,   306.   —  IV,   229, 

Erichson  I,  66.  —  IV,  68. 

Erlach   v.   I,  226. 

Eschen  I,  38,  56,  64,  74,  78, 
116,  121,  128,  131,-132, 
137,  138,  140,  143.  144. 
151,    154.    155-  156,  167, 

209,    2X1,    240.    II,    25 


206, 

314. 
262, 
221, 


83- 


231- 


ii3> 
135, 
147, 
207, 
IV, 


79> 

1X2, 

133, 

134. 

145, 

146, 

172, 

177, 

22S 

.    

68,   99, 
119,   X24. 
Eschen biirg  IT, 


104,    X05,    X06,    117,    118, 


'DJ- 


Eschenmayer  11,    X07,   108,   112,   1x3,   X31, 

132,  238,  300. 
Euklid  I,    106.   —  III,    194,    199,   304. 
Eulers  IV,   161. 
Eutorp  IV,  2x2. 
Ewald,    H.    I,    202,    287.    —    II,    3x9.    — 

IV,    13X. 
Exner  IV,   5X. 
Eychsen  v.  II,  49. 

F. 

Fabian  III,  25  x. 

Fabri  I,  40. 

Faradey  III,   X46. 

Fellenberg  I,  307.  —  II,  8,  9,    xo,  23,  24, 

37,  45,  87,  90,  103,  152,  153,  308.  — 
IV,  159,  165,  X67,  X69,  176,  182,  186, 
X98,  200,  202. 

Feuerbach,    P.  A.  v.  I,    273,    279.    —    II, 

38,  57.   —  IV,   144,   145,    X85. 

Fichte  I,  5,  7,  8,  9,  10,  X5,  17,  19,  22, 
24,  2-],  28,  29,  31,  32,  37,  38,  40,  4X, 
42,  43,  44,  46,  50,  54,  55,  57,  63,  66, 
68,  72,  73,  74,  76,  -]-],  84,  94,  95,  97. 
lox,   102,   X06,   107,  109,  110,  1x5,  121, 

X22,  X28,  129,  2-]\,  280,  29X,  292,  294, 
298,    303,    308.      —     II,      X6,     2X,     22,    24, 

29,   30,   41,   42,    53,    68,    71,    97,    121, 

X47,     163,    2X9,    22X,    238,    240,   250,    282, 

284,  293,  296,  298,  3x0,  314,  3x6.  — 

III,   6,  14,  89,  93,  108,   X09,  122,   X41, 

X56,     163,    207,    209,    2XX,    214,   215,    219, 

220,  226,  231, 232,  247, 253, 256, 257, 

288,  290,  300,  304,  3x5.  —  IV,  43,  55, 

65,  70,  72,  76,  ll,  78,  79,  80,  84,  86, 
90,  9X,  92,  95,  X13,  X14,  X15,  1x6,  X35, 
X55,  156,  X87,  202,  2x9,  236,  237,  242, 

259,  277- 

Fichte,  Frau  I,  33,  58. 

Fichte,  Sohn  I,  29,  41,  43,   74. 

Fick  V.  II,   X5X. 

FioreUi  II,  50. 

Firks  V.  I,  55,   72,  301.  —  II,  26. 

Fischer  I,  29,  31,  38,  39,  48,  49,  51,  52, 
53,  54,  55,  56,  57,  58,  60,  62,  65,  66, 
71,  74,  75,  76,  80,  81,  91,  94,  99,  xoi, 
116,  X17,  X2X,  X28,  X59,  167.  —  II,  25, 
325.  —  IV,  68.  89.  99,  X03,  106,  115, 
X16,   1x7,  2x0,  266. 

Fleischer  II,    i  xo. 

Flinzer  III,   267.  —  IV,  227. 

Floret  I,    6,    15,    20,    26,    27,    31,    35,    36, 

66.  —  IV,  62,  68,  69,  70,  72,  -]-],  79,  II I. 
Florian  I,    187. 

Flügel,    O.    II,  21,   2x4,  228.    —    III,  284, 

29X.  —   IV,  4X,  53. 
Focke  II,  36. 
Fortlage  III,   70. 
Forkel  II,  50. 
Förster  IT,    149,    150. 


Namen-Register. 


287 


Frank  III,   87. 

Franke,  F.  I,  XHI. 

Frankh  II,   182. 

Freye,  K.  I,'XI;  IV,  56,  103,  115,  123,  212. 

Freystadt  IV.  259,  270. 

Friedländer  II,   279. 

Friedrich  August,  GrolJherzog  von  Olden- 
burg I,  V. 

Friedrich  der  Große  IV,   188. 

Friedrich  Wilh.  IV.  II,  84,  261.  —  UI, 
293,  296. 

Friedrich  Wilhelm,  Kronprinz  \on  Preußen 
IV,  274. 

Fries  I,  120,  275,  298.  —  II,  8,  17,  45, 
HO,   120,   131,   133,  157,  162,  171,  179, 

180,  198,  201,  208,  216,  235,  237,  275, 
300.  —  m,  6,  14,  195,  209,  210,  211, 
212,  218,  220,  258,  316.  —  IV,  20,  21, 
24,  39,  40,  41,  237. 

Frisching  I,  136,  137,  175,  176,  207,  209, 
219,  227,  228,  236.  —  IV,  93,  119, 
121,   127. 

Fritzsch,  Th.  I,  261,  284.  —  II,  108,  300, 
IV,   146,   147,  208. 

Fritzsche  III,  267. 

Fromann  II,   12.  —  IV,   153,    155. 

Fromm  I,  6.  —  IV,  62,   77. 

Fröhlich  H,   133.  —  IV,  238. 

Fuchs  m,  86. 

Funke  I,  252. 

Füessli  II.  127,  128,  130.  —  IV,  125,  139. 

Fürstin  von  Lippe-Bückeburg  III,    193. 

G. 

Gabler  U,  285,  311,  312,  320.  —  UI,   17, 
161,   166,   170,    191.   —   IV,   248,   276. 
Gall  I,  277.  —  II,   153. 
Galilei  11,  275. 
Gans  III,   191. 
Garve  II,  244. 
Gaspari  II,  66. 
Gauß  II,   166.  —  III,  7,  98,  99,  100,  146, 

181,  220,  232,  271,  313,  315.  —  IV, 
20,  21,  24. 

Gebier  III,  227. 
Gedike  IV,  61,   146. 

Gerlach  III,    258.    —   IV,    241,    246,    253. 
■  Germar  IV,  68. 
Gert  Jans  IV,  266. 
Gesner  IV,  61. 
Geßner   I,     163,    207,    210,    211,    218.    — 

IV,  90,  91,   128,   137. 
Georg  I,  264. 
Gerard  II,    128. 
Gergonne  III,   239. 
Gesehen  I,  21. 
Gether  I,   16,   17,  20,  31. 
Gevers  EU,  280. 
Geyer  C.  I,  XIV. 


IV,  21,    139. 
—  IV,  270. 


216.  — 

135- 
-   IV, 


Ghard,  v.   III,  289. 

Gildemeister  I,  253.  — 

Giese  I,   17,  56,  59. 

Gieseler  III,   130,  257. 

Gilhes  I,   103. 

Glayre  I,  214. 

Gleini  IV,    149. 

Glöckner  II,    iio. 

Goedeke  IV,   123. 

Goethe  I,  2,   10,  32,  40,  46,  47,    71,    167, 

262,  265,  276. —  II,  2,21,143, 

III,  98,   126,  282.  —  IV,   116, 
Gotthold  II,  56,  57,  64,  68,   1 10. 

164,  261. 
Gotter  IV,  200. 
Gognetius  II,  66. 
Goldsmith  I,    174. 
Goumocns,  v.  I,  92,  204. 
Göde,  Chr.  Aug.  Gottl.  II, 
Görres  II,  42. 
Göschen  III,  287. 
Graefe  III,  274,  276,  283. 
Graff  n,   106,  107.  —  IV, 

192,   194,  213. 
Graffenried  IV,  92. 
Graimberg,  v.  IV,   182. 
Gramberg  IV,   185. 
Gramzow  IV,  47. 
Gräbner  I,  X. 
Gregor  II,    156,    157,    159; 

ni,    63,    64,    106,    251, 


3/  ■ 


IV,  172. 


163,  167,  186, 


160,    166.    — 


2^2, 


256, 

IV,  7.   13.   i4>  29,  41,  49, 


308. 
260, 


310. 
272,  279. 
Gretry  I,    130. 
Grevenis  IV,  77. 

Griepenkeril,  307.  —  11,  8,  9,  10,  23,  24, 
32,  37,  41,  52,  54,  58,  60,  69,  72,  76,  82, 
84,87,88,  114,  120,  142,  143,  144,  151, 
153.  154'  155.  159.  160,  166,  168,  182, 
265,  293,  299,  300,  301,  302,  305,  307, 
313,  314,  318,  323.  — 
,  25,  30,  34,  38,  43,  44, 
52,  84,  87,  100,  103, 
140, 
208, 
21, 


308,  311,  312, 
III,  3,  4,  7,   18 

45.  46,  49>  51. 
138, 


141,  147,  171,  179, 
212,  249,  287,  295. 


43. 


123,   126 
188,   189,  207, 
—  IV,  2,    5,    7, 
182,   186,   187,  200,  221, 
272,  277. 
Gries  I,  7,   15,  20,  26,  27,  31,  35,  44 
55.  56,  59.  65,  66,  72.  73,  94,  103, 
119,   121,   122,  123,  126,  128,  135, 


46, 
250, 


159, 

254. 


161, 
260, 

54. 
"3. 
149. 


150,   196,  240,  253,  254,  261,  265,  276, 

300,  304,  305.  —  n,  12,  13,  25,  26, 
38,  40,  197,  198,  201,  216,  224.  — 

IV,  68,  75,  76,  77,  79,  81,  85,  90,  95, 
98,  99,   104,   105,    106,    III,    117,   131, 


136, 


138,   139,   153. 
Grimm  III,    11,   229.   - 
Groeben  IV,  216. 
Groeber  III,  289. 


IV,  253,  268. 


288 


Namen-Register. 


Grolp  II,  HO,  134,  318,  319.  —  III,  29, 
30,  122,  123,  126,  127,  129,  133,  138, 
190. 

Groninger  IV,   77. 

Groß  IV,  212. 

Großmann  III,   312,   314.   —  IV,   41. 

Grote,  V.  I,  XIV;  I,  252,  253,  254,  262, 
274,  277,  280,  301,  306,  307,  308.  — 
II,  5,  7,  10,  12,  14,  27,  36,  43,  44,' 47, 
50,  52,  57'  58,  64,  65,  94,  95,  105, 
129,  130,  148,  155.  —  III,  38,  40, 
88.  —  IV,  55,  129,  134,  150,  154, 
156,   166,  169,  171,  172,  179,    183,  185, 

205,  207,  262,  267. 
Grotius  III,  205,   214. 
Gröh  IV,  266. 
Groninger  I,   31. 
Gröning  I,   214. 
Gmbe  III,  231. 

Gruber  II,  216,  274,  275,  285.   —  III,  85, 

—  IV,  221,  222. 
Grüner  I,   loi. 
Gmnert  III,    148. 
Gruppe  IV,  269,   270. 
Gutzeit  III,  222. 

Guttentag  II,    45,    149.    —   IV,    164,    195. 
Günther  I,    264,    278,    286,    300,    306,    — 
II,  5.  —  III,   113.  —  IV,  40,  149,  181. 
Gwinner,   W.   v.  II,    113. 

H. 

Haack  II,   62. 

Haberland  IV,   259. 

Haedenkamp  II,  251,  252,  300. 

Hagen  von  der  II,   115. 

Hagen  III,  28,  229,  250.  —  IV,   16,  256. 

Hagenauer  II,  98. 

.Hahn  III,  258,  277,  278.  —  IV,  243,  271, 

272. 
Halem  v.  I,  5,  9,   18,  20,  45,   77,  92,    196, 

214,    215,    246,  250,  251,  255,  260.  — 

II,   10,   II,  32,  36.  —  IV,  91,  92,    108, 

109^    118,   162,    163,    185. 
Haller  II,    11,    136.   —  III,  95. 
Hammerstein  v.   II,    12. 
Hamlet  III,  303. 
Hand  (Herndt)  III,   242. 
Harbaur  I,  115,  119,  125,  126.   --  II,  128. 

—  IV,    113,    114,    115. 
Hardenberg  IV,  203. 
Harnisch  II,    149. 

Hartenstein  I,  XIV;  I,  3,  6,  10,  11,  98.  — 
n,  7,  27,  54,  161,  216,  308.  —  III,  42, 
69,  86,  88,  loi,  103,  III,  112,  113,  117, 
118,  120,  126,  138,  145,  147,  149,  153, 
156,  157.  158,  160,  166,  170,  172,  183, 
184,  185,  186,  187,  188,  189,  191,  192, 
I93i   196,   198,  199,  200,  201,  202,  203, 

206,  207,  209,  211,  212,  213,  214,  216, 
217,  219,  220,  226,  229,  231,  232,  238, 


241,  244,  246,  248,  249,  252,  253,  254, 
257,  258,  261,  263,  264,  265,  266,  268, 
269,  270,  271,  272,  273,  278,  279,  280, 
281,  286,  287,  289,  290,  292,  294,  297, 
298,  300,  302,  312,  318.  —  IV,  7,  8. 
22,  34,  40,  42,  45,  46,  51,  53,  54,  57, 
58,  274,  280,  281. 

Hartmann  I,   5.   —  II,    179. 

Hase  II,   214. 

Hasse  IV,    157,    181. 

Hassenpflug  IV,  268. 

Haushalter  I,    16,    22,    29,   30,   38.   —  IV, 

72,  77- 

Hausmann  III,  23. 

Havemann  III,  318. 

Häfeli  IV,    131. 

Härtel  III,  82,  86. 

Häseler  IV,  61. 

Hecht  III,  257.   —  IV,  245. 

Hedden  I,    19. 

Hedemann  III,   124. 

Heeren  I,  271,  273,  280.  —  II,  5,  38,  46, 
49,  57,  61,  65,  67,  84,  92,  93,  214, 
306.  —  III,  7,  24,  ro8,  HO,  209,  251, 
253,  318.  —  IV,  42,   161,   162,  281. 

Hegel  II,  119,  120,  124,  125,  169,  180, 
183,  184,  191,  193,  195,  198,  201,  203, 
208,  215,  219,  223,  224,  231,  232,  234, 
235,  236,  238,  239,  240,  241,  243,  246, 
250,  260,  263,  266,  271,  275,  281,  285, 
286,  291,  293,  296,  297,  298,  303,  305, 
308,  310,  313,  320,  323,  324.  —  III, 
4,  6,  7,  17,  21,  30,  31,  35,  42,  43,  63, 
64,  70,  94,  97,  115,  118,  121,  138,  141, 
149,  156,  163,  170,  183,  184,  193,  195, 
196,  210,  215,  216,  217,  218,  220,  229, 

...233,  247,  254,  255,  256,  257,  268,  282, 
298,  304,  306,  307,  309,  312,  315,  316, 
317.  _  IV,  14,  25,  28,  43,  44,  48, 
229,  233,  236,  248,  256,  258,  259,  262, 
264,  268,  269,  273,  276. 

Hegekorn  I,  20. 

Hegewisch  IV,  64. 

Heidel  I,  XIV. 

Heiden  v.  II,  95,  96. 

Hein  I,  XI. 

Heine,  H.  IV,   279. 

Heinrich  II,    199. 

Heinroth  II,    190,   191,  203,  209,  300.  — 

III,  262.   —  IV,  222. 

Heinze  II,  309.  —  III,    145.    —  IV,   147. 
Heise  I,    268,    269,    272,  273.   —  III,  23. 

IV,  135- 
Hellfeld  IV,  75. 

Hellwag  I,  37,  45.   —  IV,  91. 
H6ndewerk  II,    224,    232,    242.  —  III,  3, 

127,   130,    134,    135,  257. 
Hengstenberg  IV,   262. 
Henke  II,  257. 
Henning  III,    113,    166.   —   IV,   259. 


Namen-Register. 


289 


Hennicke  III,  266. 

Hensler  II,    17,  23. 

Henseler  IV,  64. 

Hentzschel  III,   283. 

Her  II,   46. 

Heraclit  II,   100,  206. 

Herbarts  Frau  I,  3.  —  IV,  55,  176,  255. 
(s.  auch  Drake.) 

Herbarts  Mutter  I,   15,    17,    18,  20,  23,  24, 

30,  32,  38,  41,  44,  47,  53,  54,  55,  56, 

57.   58,   70,   71.   79.    81,  82,  117,  119, 

135.   139.  193.  195.  259- 
Herbarts  Vater  I,  19,  54,  58,  82.  —  II,  46. 

Herbarts  Vorfahren  I,   3, 

Herbart,  W.  III,  300.  —  IV,  3,  4,  47. 

Herder  I,  32. 

Hermann  III,  'loi,    113,    170,    183,    300. 

IV,  61. 
Hermes  II,  316.  —  III,   195. 
Herrmann  I,   181. 
Herodot  I,   200,    257,  306.  —  II,  64,  68, 

—  III,  300.  —  IV,  36,  92,  212. 
Herzc^  von  Oldenburg  II,  27. 
Herzog  von  Weimar  I,  9. 
Hesse  II,  82,  83,  84,   120,   121,   122. 
Heße  IV,    HO. 
Hesiod  IV,  61,  92. 
Hey  II,  214. 
Heydenreich  II,    1 1  o. 
Heyne  I,  278,  299,  307.  —  II,  5,   10,  28. 

30,  45,  46,  49,  57,  60.  —  IV,  61,   162, 

173.   174- 
Hildebrand  II,   120. 

Hillebrand  II,  203. 

Hindenburg  I,  285. 

Hinrichs  II,  232,  233,  271,  302,  303,  306, 
307.  312,  320.  —  III,  85,  169,  r96.  — 
IV,  212,  222,  248,  259. 

Hippokrates  II,   137. 

Hirzel  I,  78.  —  IV,  91. 

Hitzig  II,  259. 

Hoene  IV,   143. 

Hofer  I,  269,  272. 

Hofmann  III,    124. 

Hoffmann,  E.  T.  A.  II,  259.  —  IV,  227. 

Hofmeister  I,  65.   —  IV,  68,   134. 

Hogarth  II,  75. 

Hohn,  J.  I,  5. 
'  Holäufer  IV,  204,  205,  206. 

Hollenbach  I,   3. 

Hollinger,  Julchen  II,  318. 

Hollmer,  Graf  I,   252. 

Holstein  III,   124. 

HoUwag  IV,  64. 

Holz  IV,   124. 

Homer  I,  102,  118,  146,  170,  229,  231, 
284,  299.  —  II,  24,  37,  49,  60,  64, 
68,  81,  82,  88,  94,  115,  152.  —  III, 
241,  252,  288,  310.  —  IV,  40,  61,  91, 
160,   173,  204,  207,  218. 

Hbrbarts  Werke.     XIX. 


Hoppenstedt  III,    9,    10,    12,    18,    19,    32, 

36,  40,  41,   138.  —  IV,  252,  254,  257. 
Horbo  IV,  65. 
Hern    I,    30,    40,    79,    81,    94,    102,    178, 

179,  263,    264,    300.    —    II,  5.    —    IV, 

54,    68,    70,     72,    77,    115,    121,    122, 

123,   149. 
Homeyer  II,    159,   160,    166,   198. 
Horaz  I,    134.  —  IV,    104,    181. 
Hotho  IV,  259. 
Hottinger  IV,   261. 
Hölderlin  I,  IX;    IV,   69,    103,    108,   115, 

116. 
Hölsche  IV,   176. 
Hörmann  III,   107. 

Huber  I,  307.  —  II,  8,  9.  —  HI,  250. 
Hufeland  I,    17,    31,    32,    38,    46,    47,    50, 

73.  218,  307.  —  II,   137,  310.    —   IV, 

80,  95. 
Hugo  I,    252.    —    II,  38,    214,    310.    — 

m,  7,  37.  38. 

Hume  IT,  206,  315.  —  III,    15,   114. 
Humboldt,  v.  II,   61,  62.   —  III,  35,    124, 
127,   129.  —  IV,    157,    162,    228,    236. 
Hunziker  II,   53. 
Huygens  III,   128. 
Hüffel  I,  7. 
Hülle  I,  258. 
Hüllmann  II,  62,   164,  200,  201,  223,  259. 

—  III,  32,  308.  —  IV,    192,  229,  232. 
Hülsen  I,   8,   26,   31,   33,  34,  37,  42,  56, 

64,  68,  73,  74,  76,    79.    —   II,   25,  26. 

—  IV,   54,  68,  78,  81,  85,  86,  89,  90, 

95.  96,  99.  loi,  III- 
Hüße  III,  270. 
Hüttner  v.  IV,   18. 

I. 

Ideler  H,  218.  —  IV,  238. 

Iffland  I,  58. 

Iken  IV,   131. 

Israel   II,  98.   —  IV,    177. 

Ith  I,  248. 

Iverssen  IV,  77. 


Jablonowsky  III,  204. 

Jacob  II,  88. 

Jacobi  s.  Jakobi. 

Jachmann  II,  91,  92,  94,  319.  —  III,  300. 
—  IV,    167,    180,   263. 

Jahn,  Julie  I,    193. 

Jakobs  I,  55. 

Jakobi  I,  37,  58,  66,  67,  106,  108,  112, 
115,  121,  122,  279,  281,  298,  307.  — 
II,  8,  88,  89,  170,  171,  232,  251,  274, 
275.  —  III,  28,  42,  149,  189.  —  IV, 
18,  28,  98,  115,  116,  141,  145,  200, 
202,  245,  259,  274,  278. 

19 


290 


Namen-Register. 


Janke  IV,   163. 

Jäsche  II,  151,  168,  172,  179,  181,  183, 
193,  194,  233,  234,  241,  249,  250, 
281,  284,  296,  300,  319,  322.  —  III, 
182,  305,  307.  —  IV,  234,  238,  250, 
251,  261. 

Jean  Paul  II,  143,  167,  215.  —  III,  282. 
—  IV,   57,   218,   219,   238. 

Jenner  IV,   115. 

Jerbori  di  Sporetti  IV,    195. 

Jessel  III,  29. 

Joinvilles  II,    116. 

Jördens   I,    11,   82,   83. 

Jung  I,    130. 

Junker  IV,   196. 

Jupiter  III,    149. 

Just  I,  3.  —  III,  276. 

K. 

Kahl,  W.  III,  30,  305. 

Kahle  IV,   15,  31. 

Kaiser  I,  278. 

Kalka  II,   199. 

Kalker  II,    198. 

Kameke,  Gräfin  I,  32,  39,  44,  54.  — 
IV,   103,    104,   114. 

Kamptz  II,  167,  199.  —  IV,  225, 
228. 

Kant  I,  IX;  I,  32,  37,  46,  84,  97,  109, 
110,  129,  277.  —  II,  20,  28,  29,  30, 
42,  64,  68,  69,  92,  106,  120,  125, 
133,  136,  147,  157,  162,  163,  166, 
170,  171,  179,  180,  183,  191,  206, 
207,  212,  217,  221,  228,  233,  235, 
236,  237,  238,  240,  262,  267,  284, 
292,  293,  301,  310,  314,  316,  320, 
322.  —  III,  2,  15,  16,  22,  24,  29,  63, 
107,  III,  126,  130,  140,  141,  142, 
143.  151.  156,  169,  170,  189,  195, 
197,  213,  214,  219,  222,  229,  233, 
239>  300,  304,  316,  318.  —  IV,  47, 
60,  71,  79,  80,  84,  86,  91,  187,  206, 
215,  224,  235,  237,  238,  263. 

Kappe  III,    126. 

Karabacek,  Ritter  v.  I,  XI. 

Kartin  III,   273,  276,  277,   284. 

Karstein  IV,  68. 

Kaskorbi,  Felix  II,    149. 

Kastendyk  I,   233,   264   (s.  Castendyk). 

Kayssler  II,   97,    108.   —  IV,   205. 

Keisler  IV,   212. 

Kahler  II,    110.  —  IV,  49,  256,  261. 

Kästner  I,  94,  95,    130.  — '  IV,  68. 

Käuffer  III,   165. 

Keber  IV,  267. 

Kehrbach  I,  42.  —  11,  269,  308.  — 
IV,  58,  80,   173,  276. 

Keller  I,  308.   —  II,  311,  317,  322. 

Kepler  II,   164.  — 


Keppler  III,  33. 

Kiesewetter  II,   17,    131,   151. 

Kilian  II,    138. 

Kirchhoff  I,   30.   —   IV,   78. 

Kirnberger  I,   249. 

Klein    I,    277.    —    II,    252.    —    IV,    193, 

243- 
Kleinert  II,  319.  —  IV,  241. 
Kleinschmidt  IV,    14 1. 
Klementi  I,   59,   126. 
Klopstock  IV,  92. 
Klewitz  IV,    163. 
Klügel  III,    148.  —  IV,  68. 
Knack  I,  XI. 
Kneschke  II,  221. 
Kniewel  II,   106,   107. 
Knigge  I,   202. 
Knoblauch  III,  289. 
Knobloch  IV,  262,  264. 
Knös  I,  308. 
Kocher  IV,  68. 
Koehler  III,  289. 
Koenig  IV,  209. 

Kohlrausch  II,    7,  44,  50,  52,   73,  82,  86, 
87,  88,  90,   122.  —   III,  3,  9,  278.    — 
IV,   15,  42,   154,   156,   174. 
Konschel  III,  213. 
Kopp  III,  285.  —  IV,  210. 
Koppy  IV,   150. 
Kornel  IV,  212. 
Korthaus  II,   260. 

Kotzebue  I,   58,  263.  —  IV,  21,  205. 
König  I,  256,  278,  279. 
König  von  Preußen  II,  30. 
Koppen  I,  6,    15,  30,  51,  55,  58,  63,  113, 
284,    298,    299,    300,    301,    302.    —    II, 
5,   13,  91.   —  IV,  68,  72,  202. 
Körber  II,    1 10. 
Körte  IV,  262. 
Kraus  II,   94. 
Krause,  G.  I,  3. 

Krause    II,     64,    88,    92,    109,    iio,    144, 
172,    203.    —    IV,    189,    192,   193,   197, 
198,  210,  237. 
Krämer  IV,    152. 
Kretzschmar,  J.   IV,  92. 
Kriton   IV,   92. 
Krone  III,    181,   220. 

Krug    II,    28,    106,    HO,    112,    120,    163, 
171,   191,   198,  214,  216,  218,  231,  233, 
235.  243.  275.  285.    —   III,  6,  34,  41, 
42,   54,  56,  61,  69,   70,  85,  86,  92,  95, 
99,   loi,   107,   108,   III,   112,   117,  118, 
120,   183,   196,  229,  232,  239,   312.    — 
IV,   146,  220,  233. 
Krummacher  IV,   43. 
Krusche  IV,    150. 
Krule  II,  23. 
Kruse  I,  4.  —  IV,  56. 
Krüger  I,   15.  —  IV,  68,  72. 


Namen-Register. 


2gi 


Kulenkamp  I,  202,  234,  248,  253,  254, 
258,  263,  264,  279,  284,  294,  302.  — 
n,  4,  5.  —  IV,   133,   134,    144,   149. 

Kummer  II,  98. 

Kunze  III,   146. 

Kühn  I,  9. 

Kühnel  11,   13.  —  FV,   152. 

Kühner  IV,   197. 

Kaufmann  IV,  68. 

Kvaöala  II,   168. 

L. 

Lachmann  II,    127. 

Lacroix  III,  314.  —  IV,  212. 

La  Eive  IV,    iio. 

Lamberts  I,  94. 

Lang  in,  286. 

Lagrange  III,   232. 

Lange,  J.  G.  L    38,    39,    4°,    41,    43,    S^. 

52,  53.  58,  63,    72,    74,    81,    119,    249, 
—  IV,  90,  91,   103,   104. 

Langenbeck  IV,  28. 

Langener  v.  III,   113. 

Langreuter  I,    32,    34,  37,  38,  47,  71,  78, 

247.  —  rv,  63,  65,  76. 
Langx^-erth  v.    H,    54,    71,    153,    299,  300, 

301.  —  in,    149,   151,  223,  224. 
Lantsch  I,   19,  24. 
Laplace  II,  288. 
Lassert  II,   127. 
Latour  HI,   132. 
Latzel  IV,   197. 
Lavater  I,   67,   78.   —  IV,   91. 
Lavoisier  III,   221. 
Lazarus  I,    XFV.   —   II,    155.   —  IV,    41, 

53.  56,   159.  254. 
Lebrun  IV,  92. 

Lehnerdt  II,  201.  —  FV,  261. 

Lehnert  EU,   134,  288.  —  IV,   14. 

Lehrs  III,   186.  —  IV,  215. 

Leibniz  I,  X;    I,    31.    —  II,  20,  53,   164, 

275.  -  m,   15,    128.  -  IV,   17. 
Leichhardt  m,   133. 
Leicht  IV,  53,  56,   159,  254. 
Leist  II,  49.  —  IV,   154,   155. 
Lengerke  v.  HT,  28. 
Lentz  IV,   184. 
Leopold  III,   113. 

Lessing  I,  X;   11,   256.   —    IV,   71,   85. 
Leukippos  II,   164,  280. 
Lewitz  m,  222. 
Lewis  IV,    134. 

Lichtenberg  II,    121.   —   III,   24. 
Lichtenstein  II,   218. 
Liebener  III,   257.   —  IV,   53. 
Liebich  IV,    106. 
Liedelof  v.  I,  24. 
Liepmannsohn  IV,   281. 
Linne  II,    136. 


Lindenau  v.   U,    249.    —    III,  95,  98,  99, 

107,    109,    202,    206,    211,    212,    218, 

219,  246. 
Lindner    I,     15,    35,    60.    —    II,    119.    — 

III,  262.  —  IV,  68,   146. 
Livius  I,   133,   187,  200,  201.  —  rv,  121, 

218. 
Lobeck  11,    132,    154,    186,    219,   223.   — 

III,  26,    28,    97,    106,    108,    186,    222, 

250,  299,   318.   —   IV,   49,    53,    215, 

251,  260,  263,  265,  272. 
Locke  II,  315.   —  III,   15. 
Lockmann  IV,  264. 

Loder  I,  31,  32.  —  IV,  62,  80. 

Lorenz  II,   274. 

Lorinser  III,  252. 

Lossius  rv,  72. 

Lot  III.    151. 

Lott   III,    146,    147,    279,    281,    282,  317. 

—  IV,   17,  20,  23,  46. 
Lottermoser    II,     T03.     —     HE,    289.    — 

IV,  192,   198,  201,  202. 
Lovzow  n,   II. 

Löffler  IV,  200. 

Luber  IV,   163,   176. 

Lucas  III,  251,  252,  300,  310. 

Luden  III,  277. 

Ludwich  III,   186.  —  IV,  215. 

Luise,  Königin  v.   Preußen  II,   63,   85. 

Luther  IV,  277. 

Lücke  III,  209,  256.  —  IV,   14. 

Lünemann  IV,   174. 

Lützow  III,   125. 

Lykui^  L   103,  233. 


M. 

Mably  I,    103. 

Machiavelli  II,   116. 

Mai  IV,  68. 

Mais  III,   17. 

Mann  I,  IX. 

Manso  J.  S.  I,  4,  5.  —  IV,  62. 

Marheinecke  II,   125,  302,  303. 

Martens  IV,  55. 

Martin  II,   216. 

Marotzky  III,  38,   56,   58. 

Mars  III,   149. 

Massenbach  III,   289. 

Maurenbrecher  III,   312. 

Max  II,    155,    158. 

May  I,  65,  66,   126,  204,  211.  —  II,  25. 

—  IV,   103,   142. 
Mayer  II,  65,  68,   119. 
Mechehi  v.  I,  277. 
Medem  III,   182. 
Meding  III,    124,    126. 

Meen  I,    15,    18,  19,  24,  38.  —  IV,  60,  62. 
Mehring  II,   182,  203.   —    III,    9.    —    IV, 

221. 

19* 


292 


Namen-Register. 


Meier  III,  28. 

Meiners  I,   19.   —  IV,   162. 

Meinen  IV,  68. 

Meisner  I,  204. 

Meister  I,   15.  —  II,   128.  —  IV,  68. 

Mellin  I,  37.   —  II,   133. 

Mencik  I,  XI. 

Mendelsohn  IV,  60. 

Mentz  IV,   185. 

Menzel,  W.  II,  284.   —  IV,  205. 

Merckel  III,   188. 

Mereau,  Sophie  I,  6,  22,  32. 

Merguet  IV,   157. 

Merian  IV,   183. 

Metsch  III,  242. 

Metz  II,  203.  —  IV,  233. 

Meus  III,  280. 

Meusebach  v.   in,   285. 

Mex  IV.   245. 

Meyen  IV,  243. 

Meyer  I,  31,  36,  lOO,  203.  —  II,  57,   147. 

—  III,  24.  —  IV,  68,   161,   172. 
Michael  III,  264. 
Michel  I,  204. 

Michelet  III,  298.  —  IV,  220,   259. 
Millot  I,   133.  —  IV,  61. 
Minerva  IV,   72,  97. 
Minuth  IV,   160. 
Mirbach  III,  305. 
Mitscherlich  11,  45,  218. 
Mittermaier  III,   312.   —  IV,   34. 
Mohr  II,  26. 
Moier  11,   181. 
Moldenhauer  IV,  64. 
Moliere  I,    130. 

Montesquieu  II,  118.  —  III,  44.  —  IV,  44. 
Morgenstern    11,    169,    179,    284.    —    III, 

305.  —  IV,  250. 
Moser  III,  28.  —  IV,  34,  41,   278. 
Mozart  I,   126.   —  II,  26. 
Möbius  III,    107. 
Möller  I,  26,  35,  73.    —   IV,  68,  69,  79, 

Mönnich  IV,  68. 

Muhlert  I,  293,  294.  —  IV,   162. 

Muhrbeck  I,  4,  44,  50,  51,  54,  58,  60, 
63,  66,  72,  73,  74,  75,  76,  79,  80,  81, 
82,   91,   94,    102,    103,    112,    117,    118, 

121,  122,  127,  227.  —  n,  25.  —  IV, 

68,   103,   105,   107,   108,   115,   116,  127, 

140. 
Mundt  II,   110. 

Muralt  I,  39.  —  III,  103.  —  IV,    192,  193. 
Mußmann  IV,  222. 
Muthesius  I,  X;   II,    186. 
Mühlenbruch  III,  23,  196,  257.  —  IV,  28. 
Müller,  A.  11,  97. 
Müller,  E.  I,   125,   167.  ' 
Müller,  F.  E.  J.,  IV,  243. 
Müller,  Georg  IV,   147. 


Müller,  Hofrat  III,   287.   —  IV,   14. 
Müller,  Joh.  II,   7,  28,  30,  37,  44,  45,  46. 

—  IV,   168. 
Müller,  Mathem.  III,    149,  284. 
Müller,  Sachs.  Minister  III,    99,    165,    202. 
Müller,  Musikdir.  IV,   152. 
Müller,  Ottfried  III,    lOi,    102.  —    IV,  34, 

35.  36.  37,   154.   155,  253. 
Müller,  Prof.  IV,    197,  209. 
Müller,  Gen.-Sup.  IV,  261. 
Müllner  II,   143,    152. 
Münchow   V.   II,    199. 


N. 


n,  98. 


^v^  179, 

IV,  215. 


Napoleon    I,    57. 

180,  223. 
Nasse  II,    198,  199,  257,  299. 
Nägeli  II,  53,  317,  322. 
Neander  III,   57. 
Neubeck  I,  46. 
Neubert-Drobisch  II,    161,    162,   177,   189, 

217.  —  III,   282. 
Neumann    III,    28.    —    IV,    49,  249,    274, 

278. 
Newton  I.   106.  —    II,  275,   288.    —    III, 

128. 
Nicolovius  II,  62,   64,  65,    loi,   102,    103, 

187,  261,   299,  306,  317.  —  III.   7,  35, 

124,  300.    —    IV,    162,    168,   195,  202, 

228,  232,  247. 
Niebuhr  II,  219,   223,   232,  233. 
Niederer  I,    261.    —    II,    24,    53,    87.    — 

IV,    180. 
Niehans  I,   179. 
Niemann  IV,    75. 
Niemeyer,  A.  H.  I,  286,  287,  291.  —  II, 

5,  58.  -    III,    284.    -    IV,    148,    179. 

180,   197. 
Niethammer  I,    10,   31.    —  II,    II,    13,   29. 

IV,   78,   79,    153. 
Nikolai  II,   183.  —  IV,  61. 
Nikolaus,  Kaiser  IV,  266. 
Nieuwenhuis  III,  45,  51,   108. 
Nolte  IV,   163. 
Noltenius  I,  202,    204,  244,  261,  279.    — 

II,   5.  —  IV,   136,   149. 
Nowenschiht  v.   II,  319. 

o. 

Oelrich  I,    150,   202,   263. 
Oelsner  I,  251. 
Oesterlei  IV,   14. 

Ohlert  II,   145.  —  IV,  233,  266,  273. 
Oken  II,  40,   139.  —  III,  5,  231. 
Olbers  I,  23,  263,  300. 
Olivier  I,   285. 

Olshausen  III,  28,   134.  —   IV,  261,   264, 
265. 


Namen-Register. 


293 


Onder  IV,   185. 

Opelt  III,   128,   132,   136. 

Oppeln  III,  289. 

Oppenheimer  IV,   175. 

Orelli  II,  317. 

Ossian  II,  39. 

Osten  V.  der  II,  318.  —  ITI,  252.  —  TV, 
212,  231. 

Otth,  C.  I,  56,  65,  74,  126,  128,  144, 
151,  152,  211,  212,  218,  236,  237.  — 
n.  25.  —  IV,  99,   103,   105,   113,   115, 

137- 
Otto  III,   144. 
Ovid  III,  310. 


Palmedo,  Gräfin,  II,  27,  40,  94.  —  IV, 
178,  207,   210. 

Pape  IV,    156. 

Parmenides  I,   289.    —  II,   206. 

Paschley  in,   186. 

Passow  II,  92,    108.   —  IV,  205. 

Paul  Friedrich  August,  Großherzog  von 
Oldenburg,  I,  83. 

Paulsen  IV,  215. 

Paulus  I,    II,  285. 

Pauw,  K.  V.  II,  88. 

Pavenstedt  I,    176. 

Paw  II,  88. 

Pätz  I,  268,  273. 

Peinemann  I,  306. 

Pfeiffer  IV,  68. 

Perthes  n,  214,  249,  315.  —  III,  161.  — 
IV,    161,  233. 

Pertz  IV,  42. 

Pesarovius  IV,  68,   79,  80. 

Pestalozzi  I,  29,  78,  156,  157,  158,  159, 
163,  164,  176,  210,  216,  220,  225,  236, 
24b,  247,  248,  254,  255,  256,  257,  258, 
261,  262,  287.  —  II,  8,  9,  10,  II,  24, 
37,  41,  45,  52,  53,  62,  69,  71,  82,  83, 
86,  87,  90,  98,   106,   107,   127,   149.  — 

rv,  92,  118,  128,  129,  131,  136,  140, 
141,  143,  144,  146,  165,  166,  167,  177, 
180,  182,  197. 

Peter,  Herzog  von  Oldenburg  I,    XIV.   — 

IV,  56,   198. 
Petersen  IV,  68. 
Petrarca  II,    116. 
Petri  I,    306,    307.  —  II,  5,    149.  —  III, 

59.   —   IV,   149,  207,  210. 
Petz  II,  46. 
Pfnor  III,  9. 

Pfrogner  I,   292,   293,  294. 
Phädon  I,    170,   289. 
Pictet  n,  70. 
Pindar  11,   46. 

Planck  I,   300,   304.   —   n,   5. 
Platen  v.  I,  286.  —  IV,   148. 


Platter  I,  204. 

Plater  I,  283.  —  U,  24,  38.  —  IV,   145, 

148,   158. 
Plato    I,    115,    118,    136,    141,    170,    181, 

200,  256,  268,  281,  287,  288,  289,  290, 
292,    293,    306.    —   n,    22,  27,  29,  62, 

99,  100,  157,  213,  230.  —  m,  112, 
113,  126,  142,  170,  184,  195,  204,  205, 

2x5,  285,  286.  —  IV,  68,  92,  139,  232, 

237- 
Plotin   I.   293. 
Plutarch  I,    136,    140.    141,    170,    187,   200, 

201,  257.  —  rv,  92. 

Poel,  G.  V.  I,  6,  33. 

Pohl  I,  3. 

Pohrt  IV,  68. 

Pommer  III,   104,   iio. 

Poppe  I,  93. 

Porret  IV,  68. 

Posselt  m,  306. 

Pölitz  m,  41,  47,  232,   244,  276,  283. 

Pöschmann  II.  66. 

Presse,  v.  I,  285. 

Preus  II,  65. 

Protagoras  I,  289. 

Proteus  II,   141. 

Prutz  IV,  215. 

Puchta  in,    121. 

Pudor  III,   123. 

Pustkuchen  11,   107. 

Putsche  IV,  80. 


Racin  I,  276. 

Radzivil,  Fürst  II,  63. 

Rahel  III,   186,  282. 

Rahden  v.  I,  82,  262,  263,  264,  265, 
266,  267,  275,  277,  301.  —  n,  38, 
44,    47,    64,    94,    95,     105,     130.     — 

III,  307.    —  IV,    166,    171,    180,    181, 
217,  219. 

Rahn  II,   129.  —  IV,  92. 

Raison  I,  51,  63. 

Raumer  v.  II,  215.  —  FV,    189. 

Ranke  III,  284.  —  IV,  4,  6,  40,  41,  53. 

Raphael  IV,  92. 

Ratho  III,  250. 

Ratjen,  H.  I,  6. 

Rauschelbach  I,  249. 

Rebhuhn  IV,  47. 

Rechteren  IV,   166. 

Re^ger  IV,   133. 

Rengger  IV,   182. 

Reichard  I,  22,  55,  74.   —  FV,  79. 

Reiche     HI,     220,     298,     310,     311.     — 

IV,  38,  39,  40,   191,  281. 
Reichhelm   II,    iio,    134,    188,    260,    261, 

298,    299,    306,    318.    —    III,    17,    18, 
'9.    40.    45.    124,    126,    133,    135,    138, 


2Q4 


Namen-Register. 


139.  159-  —  IV,  194,  195,  197,  198, 
209,  210,  226,  228,  248,  271. 

Reicke,  R.  v.  II,   113. 

Reichlin-Meldegg  III,  311. 

Reimers  I,  27,  34.  —  IV,  68,  77,  80. 

Rein  II,  161,  207,  242.  —  III,  30,  191, 
273.  —  IV,   159,  276. 

Reinhold  I,  76,  97,  298.  —  II,  14,  16, 
17,  21,  22,  27,  29,  151,  166,  198,  201, 
216,  232,  235,  262,  267,  292,  297.  — 
in,  2,  133,  136,  195,  196,  244,  261, 
264.  —  IV,  65,   76,  232,  233. 

Reiz  IV,  61. 

Rehberg  III,  47. 

Rehfus  II,   199,  316. 

Rembold  IV,  51,  52. 

Remer   II,    38,  62.    —    IV,  68,    189,    192. 

Rettig  III,  231. 

Reusch  IV,  258,  260,  261,  265. 

Ribbentrop  II,  54.  —  III,  39.  —  IV, 
159,  253,  262. 

Richelot  III,  28. 

Richter,  J.  P.  Fr.,  s.  Jean  Paul. 

Richthofen  v.  II,  8,  38,  42,  43,  45,  50, 
51,  52,  57,  58,  60,  61,  68,  82,  86,  87, 
89.  90,  91.  94.  96,  122,  123,  133,  147, 
149,    150,    154,    156,    158,    159,    183, 

184,  187,  203,  206,  211,  306,  311,  312. 
—  in,  7,  17,  33.  39.  49,  50,  88.  124, 
125,  158,  160,  188,  310.  —  IV,  24, 
25,  150,  153,  154,  156,  157,  164,  165, 
167,    168 — 171,    175 — 179,    181,    182, 

185,  187,  188,  193,  202,  204 — 208, 
210 — 212,  214,  216,  217,  220,  221, 
225—227,  231,  232,  248,  253,  262, 
279,  281. 

Ricklefs  I,  256.  —  IV,  77. 

Riel  IV,   157,  274. 

Rist,  J.  G.  I,  6,  15,  26,  30,  33,  36,  55, 
58,  60,  TZ,  73,  97,  98,  99,  126,  188, 
305.  —  II,  26,  59,  224.  —  IV,  54, 
68,  73.  77.  81,  89,  93,  99,  102,  109, 
113,  116,   139. 

Ritscher  I,  250. 

Ritter  II,  71,  171,  180,  183.  —  III,  56, 
86,  99,  107,  196,  207,  211,  268,  270, 
279,  280,  282,  294,  318.  —  IV,  6, 
39,  41,  232,  233. 

Rittmüller  III,   144. 

Rocco  III,  206. 

Rochowsky  IV,  212. 

Roer  II,  144,  154,"  157,  160,  166,  168, 
296,  301,  304,  308.  —  III,  5,  9,  31,  34, 
41,  49,  89,  100,  110,  lii,  123,  134, 
139,  146,  166,  302,  303,  304.  —  IV,  275. 

Rohde  I,  204. 

Rohde,  Metta  I,  278. 

Rohde,  Wilhelmine  I,   79. 

Rohmeder  II,   153. 

Romang  HI,   153,   154,  312. 


Romer  IV,   185. 

Röscher  IV,  42. 

Rosencrantz  I,    189. 

Rosenkranz  III,  63,  70,  94,  96,  102,  123, 
130,  170,  216,  222,  229,  250,  252, 
253,  300,  309,  318.  —  IV,  14,  17, 
44,  48,  68,  116.  259,  261,  264,  269, 
270,  271,  273,  278. 

Rosenstiel  IV,   163. 

Roth  II,   121. 

Rougemont  II,   128,   129,    130. 

Rousseau  I,  154.  —  II,  33,  118.  -- 
IV,   128,   129. 

Roux  I,  37. 

Röbitz  III,  276,  283. 

Rödiger  IV,   239. 

Röhr  II,  216. 

Römer  v.  I,    195.  —  II,   11. 

Röwer  IV,   137. 

Rüge  III,  317. 

Rump  I,   145.  —  n,    129.   —  IV,   135. 

Rumpf,  A.  F.  I,  5,  9. 

Runde  I,    126.  _  n,   11.  —  IV,   185. 

Runge  I,    17. 

Runike  II,   128. 

Rupp  III,  123,  126.  —  rv,  266,  278. 

Ruppel  IV,  55,   176,  249. 
Rückert  II,   151,  300. 


Saalfeld  I,  296. 

Sachs,  L.  II,  135,  142,  210,  246,  286, 
297.  324-  —  III.  14.  26,  28,  97,  106, 
240,    250,    253,    255,    308.    —    IV,   18, 

28,  49,  259. 
Sack  IV,  163. 
Sacken,  v.  I,  306. 

Salat  II,    131,    151.   —  IV,   233. 
Sallust  I,    133,    166,    187. 
Sallwürk  v.   I,   61,   269. 
Salzmann  IV,   144. 

Sauden  v.  III,   252.  —  IV,  249,  253. 
Sander  I,   244. 
Sanders  I,   244. 

Sanio  II,  200.  —  III,  14,  16,  28,  106, 
208,  213.  257,  259,  308,  318.  —  IV,  7, 

29,  32,  41,  49,  53. 
Sartorius  I,  266.  —  IV,  278. 
Sauerländer  II,  73. 

Sauter  III,  257,  258.  —  IV,   272. 
Savigny  II,    149,    187,    218.    —    III,   7.  — 

IV,    188. 
Sämann  IV,   274. 
Schacht  II,    54,     153,    299,    300,    304.   — 

III,  69,  96.   —  IV,    161. 
Schaller  III,   124. 
Schalpe  II,  319. 
Schaub  II,  319.  —  IV,  266. 
Scheibel  IV,  211. 


Namen-Register. 


295 


Scheidler  ITI,   195. 

Scheffner,  J.  G.  II,  62,  85,  109.  —  IV,  193, 
195,   197,  210. 

Schellenberg  IV,  69. 

Schelling  I,  12,  31,  36,  37,  39,  42,  43, 
44,  66,  73,  74,  94,  97,  293.  —  II,  21, 
22,  88,  94,  96,  104,  106,  107,  133, 
137,  147,  169,  180,  210,  215,  219,  221, 
238,  239,  240,  250,  271,  291,  293,  299, 
311,  312,  313.  —  III,  6,  21,  45,  63, 
70,  115,  118,  119,  120,  121,  146,  149, 
156,  160,  163,  210,  217,  218,  219,  220, 
227,  240,  253.  304,  315.  —  IV,  43,  79, 
80,  8;^,  86,  89,   146,  200,  236,  268. 

Schenk  IH,  268. 

Schepp  II,  318. 

Scherer  I,    121. 

Schick  III,  24. 

SchiferH  I,   loi. 

Schildener  I,    65,    66,    73,    112,    122,    149. 

—  IV,  68,   105,   117. 

.Schiller  I,  10,  17,  31,  32,  40,  46,  73, 
123,  125,  126,  167,  262,  265,  275.  — 
n,  21,  290.  —  III,  195,  282.  —  IV,  75, 
79,  84,  98,   134. 

Schilling  III,   267,   280. 

Schimmelmann,  Graf  I,  98.  —  IV,  10 1, 
112. 

Schirhtz  IV,   233. 

SchlabemdoriF  I,  277. 

Schläger  IV,    193. 

Schlemmer  III,    iio,  204.  —  IV,  38. 

Schlegel  I,  46,  47.  —  H,  163,  199,  215, 
282,  317.  —  rV,  91,  220. 

Schleiermacher  I,  282,  308.  —  II,  48,  58, 
174.  323-  —  ni,  42,  57,  93,  131,  132, 
151,  189,  197,  200,  201,  205,  214,  247, 
256,  261,  264,  268,  272,  273,  282.  316. 

—  I'^^  43-   159,  203,  212,  242,  262. 
Schlichtegroll  l,  55. 

Schleifer  I,  21.  —  IV,  60. 

Schmauß  III,  37. 

Schmedes  I,  22. 

Schmid  I,  5.  —  II,  24,  53,  69,   120,  171. 

—  III,  307.  —  IV,  76,   129. 
Schmidt,  Eduard  II,  309. 

Schmidt,  H.  I,  263.  —  III,    134,  289.  — 

IV,  62,   127. 
Schmit  V.  I,  233,   234. 
Schnaubert  I,   11. 
Schneider  I.    133.   —  IV,   232. 
Schoen  III,  288,  309. 
Schoepflin  IV,  61. 
Scholz  II,    II.  —  IV,   185,  205. 
Schopenhauer  II,    108,    109,    iii,  112,  I13, 

114. 
Schön  V.  IL  317,    319.   —  IV,    228,    260, 

263,  264. 
Schönherr  IV,   264. 
Schröder  I,    17,    18,   24. 


Schröder,  G.  I,  31. 

Schröder,  Annette  I,   19,   54. 

Schubarth  II,  203,  220.   —   IV,  233. 

Schubert,  Mlle.  I,  55. 

Schubert  II,  229,  288.  —  III,  26,  28,  46, 
49,  92,  96,  105,  106,  124,  221,  249, 
251,  271,  299.  300,  317.  —  IV,  7,  29, 
35—37,  41,  42,  48,  49,  258  —  260,  262, 
265,   266,  272,  277,  278. 

Schuckmann  IV,   186. 

Schuhmacher  IV,  243. 

Schulmaim  IV,  49. 

Schulrath  II,   317. 

Schultheis  11,  304. 

Schulz  II,  57,  100,  166,  214,  236.  — 
III,    31,    159.    —    IV,    162,    226,    232, 

243- 
Schulze  II,  68,   147,   260,   261,    281,   316. 

—  III,  4,  5,   17,  30,  46,    165,   280.  - 
rV,  68,  213,  228,  259. 

Schuster,  Georg  II,  62,  63,  64,  84,  85,  10 1. 

Schüttdorf  IV,    103. 

Schüu  I,   II,  32,  47,  78. 

Schwarz  I,  268.  —  II,  275.  281,  305.  — 

III,  166.  —  rv,  116,  144. 

Schwatlow  IV,  232. 
Schweigger  IV,  202. 
Schweins  II,  69. 

Schweizer  III,  261.  —  IV,   265. 
Schwetschke  11,    224,  227,  231,  245,  275, 
285.  -    III,    283,    284.    -    IV,    7,    27, 

29,  41,  48,  49- 

Scott  II,  242. 

Seckendorf  II,   153. 

Seemann  IV,  281. 

Seeny  III,   250. 

Segelken  I,  143,  144,  150,  151,  152,  155, 
165,  166,  168,  171,  187,  189,  197,  201, 
206,  211,  218,  223,  232.  241,  249,  257. 

—  IV,    118,   132,   133,   137,    142. 
Seidel  II,   145. 

Seidler  1,  37. 

Seien  II,   147. 

Senger  IV,  268. 

Sengsten,  H.  I,   176. 

Shakespeare  II,  50,  53,    117,  215. 

Sieffert    III,    16,    28,    48,    106,    207,    209, 

256,  257,  308,  318.  —  IV,  7,    27,    29, 

41,  48,  49. 
Sieges  IV,  91. 
Sieveking,  K.  II,  40. 
Sievers    I,    277,    283,    284,    293,    296.  — 

II,  8,  37,  44,  45,  65,  67,  97,   98,    105. 

—  III,  59.  -  IV,  145,  147,  148,  158, 
182,  183,  185,  186,  192,  193,  198,  199, 
201. 

SigA^art  n,    120,    131. 

Simon  II,   131. 

Simson  IV,   32,  41,   278. 

Sinclair  II,   loi.  —  IV,  69,   108,   ii6. 


296 


Xamen-Register. 


Singelmann  IV,   245. 

Sinner  v.   1,    138,    155,    176,     178,    212.   — 

IV,  93,   104,   106,   120,   123,    124,    138. 
Skrczecka  II,  318. 
Smidt,   Richter,  Dr.  I,  XIII;   I,  17,  33,  60, 

97,  180,  193,  244.  —  II,  163.  —  IV,  68, 

125- 
Smidt  I,  XII;    I,   6,    11,    12,    13,    15,    17, 

19,  22,  23,  24,  25,  26,  29,  30,  38,  39, 
40,  42.   43,   50,   53,   54.   58,   63,   79.   82, 

93,  94,     102,    113,     116,     117,     121,     126, 

\27,  139,  149,   150,  158,  187,  193,  202, 

203,  204,  213,  214, 216,  223, 226, 234, 
252,  257,  262,  263, 264, 278, 279, 283, 

285,  293,  299.  —  II,  3,  5,  13,  33,  129. 

—  ni.  39,  135.  —  IV,  21,  43,  54,  55, 
62,  68,  69,  -jz,  77,  80,  89,  90,  131, 
133.   136,  140,  144,   148,  149. 

Snell  II,   16.  —  III,   105. 

Sokrates  I,   115,    181.   —  IV,  92,   237. 

Solger  II,  215.  —  IV,  203. 

Solor  I,   103. 

Sonnenschein  I,    130,   139,   203.    212,    233, 

234- 
Sophokles  I,   118.  —  II,  85.  —  III,    282, 

288.  —  IV,  92. 
Spazier  IV,  218. 
Speransky  II,  67. 
Spiegel  I,  6,   11,  30.  —  IV,  68. 
Spinoza  I,    12,    in,    285,    291,    293,    294. 

—  II,  157,  169,  194,  217,  221,  240.  — 
ni,  16,  47,  126,  133,  140,  141,  151, 
184,   189,   198,  210,  211,  214,  256,  282. 

—  IV    16    17    277. 

Spitzner,  A.  I,  X;  III,  30,  69,  82,  84,  88, 

89,  90,   103,   114,   161,   167,   179. 
Stackeiberg,    Otto   Magnus  v.    II,    27,    216. 

-  ni,  59. 

Sprecher  IV,  80. 

Stahl  I,  245.  —  IV,   116,   136. 

Stapfer  IV,  94. 

Stark  III,   276.   —  IV,    107. 

Starklof  II,    II. 

Stäudhn  II,  5. 

St^emann   III,    124. 

Steck,   Prof.  Dr.    R.    I,    XIII;    I,    29,    61, 

68,  78,  213,  218.    —  II,  37,   129,  317. 

—  III,    153.  —  IV,  92,   103,   137. 
Steck,  Joh.    Rud.  I,    29,    31,   33,   38,    39, 

44,  47,  53,  54,  55,  56,  58,  60,  64,  68, 

69,  72,  73,  74,  75^  76,  79,  80,  81,  91, 

94,  97,  99,  100,  loi,  112,  113,  121, 
126,  128,  150,  166,  167,  2.10,  213,  214, 
232,  235,  236,  237,  259,  261.  —  II,  25. 

—  IV,  68,  89,  98,   103. 
Steffen  IV,   138. 

Steffens  II,  108,  120,  299.  —  III,  63,  64, 
191.  —  IV,  168,  177,  205,  206,  211, 
212,  248. 

Stefiens,  Maler  I,  XIV. 


Stegemann  IV,  68,  69. 

Steibelt  I,  39. 

Steiger  1,4,  48.  49,  51,  54,  61,  62,  63, 
68,  71,  74.  77,  78,  79,  81,  82,  86.  87, 
88,  90,  92,  94,  99,  118,  119,  121,  129, 
131,  132,  133,  134,  136,  139,  140,  146, 
147,  151,  152,  153,  154,  155,  156,  165, 
166,  167,  170,  171,  174,  175,  180,  189, 
200.  201,  203,  206,  207,  208,  211,  217, 
223,  233,  237,  241,  248,  250,  252,  256, 
262,  264,  265,  277,  294,  295,  298,  305, 
307.  —  II,  6,  26,  37,  40,  46,  47,  61, 
92,  93,  103,  128.  —  III,  154.  —  IV,  92, 
104,  105,  107,  108,  118,  132,  137,  139, 
142—144,  165,  166,  171,  172,  185,  199, 
200,  281. 

Stein,  L.  I,  61. 

Steinacker  II,    107. 

Steinhaus  IV,  256. 

Steinworth,  Gymn.-Dir.,  I,  4. 

Süeglitz  III,   186. 

Stiemer  II,  iio,  133.  —  III,  47  — 
IV,  54,   197,  255,  256,  262. 

Stock  I,   17,  30. 

Stollberg  II,   148. 

Stolle  I,  23. 

Stolz  I,  143,  151,   166.  —  IV,   131. 

Stolze  I,  41,  2x8. 

Storf  III,  289. 

Storve  III,   106. 

Stoy  III,   268,  280,  303. 

Strackerjan  I,  259.  —  IV,  53. 

Strahl  II,   199. 

Strahlenheim  v.  III,   10.  —  IV,  42. 

Stroth  IV,  61. 

Struve  II,   HO,   168,  229.  —  III,  310. 

StrümpeU  I,  X;  II,  251,  252,  263.  265, 
279,  286,  296,  300,  301,  302,  303,  304, 
306,  308,  312,  318,  319,  320.  — 
III,    5,    8,    9,    17,    19,    22,    26,    27,    30, 

31,  33,  34,  35,  43,  44,  4^,  51,  69,. 
82,  84,  86,  87,  88,  89,  90,  91,  92,  96^ 
97,  100,  103,  107,  108,  109,  110,  III, 
1X2,  X13,  114,  117,  120,  128,  130, 
134,  136,  137,  139,  146,  X56,  159, 
x6o,  161,  166,  X67,  168,  171,  172, 
175,  176,  179,  180,  181,  182,  184, 
187,  188,  189,  191,  198,  201,  212,. 
216,  218,  2x9,  223,  231,  254,  262, 
268,  302,  303,  304,  305,  306,  307. 
—  IV,  34,  39,  46,  250,  257,  260,  266 
bis  269,  274 — 276. 

Studenroth  II,   124,   126,   173,   175. 

Stuerke  II,  260. 

Stülpnagel  IV,  32,  33. 

Suabedissen  III,   x86. 

Sulkowsky  I,  262,   263,   264. 

Suphan,  B.  II,  21,  216,  2x8. 

Süvem  II,  41,  62.  —  IV,  192,  194,  195, 
X97,  212,  213,  225,  228. 


Namen-Register. 


297 


Sydow  in,  289. 
Szieminrei  IV,   196. 
Szykler  I,  39,  54. 


Tacitus  I,   170,   174.  —  in,  203. 

Tappolet  II,  317. 

Tasso  I,  253,  305.  —  n,  25,  116.  — 
IV,   138. 

Taute  II,  207,  220,  315,  318.  —  ni,  5, 
4/'  63,  97,  106,  127,  13.6,  201,  207, 
208,  209,  254,  256,  257,  259,  285,  289, 
293,  30O'  308,  309,  318.  —  IV,  5,  14, 

27,  30—34,  38—41.  43—45,  47,  48, 
50,  223,  224,  232,  258,  260,  261,  263, 
265,  266,  271.  272,  274,  278. 

Telesio  II,  278. 

Teilkampf  IV,  26,  27. 

Tennemann    I,    287,    290,    291,    293,    298. 

—  n.  92,  131,  145.  —  IV,  232.  ■ 

Thaden  IV,    loi,   ili. 

Thibaut  I,  266,  271,  273,  280.  —  n,  67. 

—  in,  4,  24,  249,  312. 
Thiel  I,   15.  —  IV,  68. 
Thil  n,  91. 

Thilo  II,    119,   149.  —  IV,  212. 

Thienemann  I,  X;  II,   186. 

Thiermann  HI,   253. 

Thimne  III,  292. 

Thiersch   II,    41,    54,    58,    73,    88,  89,  92, 

94.  —  IV,   171,  200,  202. 
Thomas    III,    47,    106,    133.     136,    318. 

—  IV,   16,   17,  260,  271,  272,  274. 
Thomasius  III,  270. 

Thucydides  I,  306. 

Thulesius,    Heinr.  I,    39,    149,    150,    158, 

202,    299,    300.    —    II,    5.    —  IV,   149. 
Thune  n,  47,  61. 
Tiberius  IV,   108. 

Tieck  II,  215,  218,  219.  —  IV,  238. 
Tieftrunk  I,   283.   —   II,    16. 
Tillich    I,    261,    284,    291,    293,    294.    — 

IV,   146,   147. 
Tischbein  n,  60. 
Tittmann  III,    193,    195. 
Toelken   I,    296,    299,    308.    —    H,   8,  27, 

49,    54,  58,  68,   71,  83,  92,  93,  94,  95, 

96,    100.   143,   153,   160.  —  m,  59.  — 

IV,   171  — 173,   186. 
Tomman  TL.   129. 
Toussaint  in,  300.  —  IV,  255. 
Tralles  I,  53. 

Trapp  I,  261.   —  IV,    129. 
Trechsel  v.  I,    179. 

Trendelenburg  UI,    184.    196.    —   IV,    50. 
Tripplin  IV,  68. 

Troxler  n,  181,  183,  284,  300.  —  IV,  221. 
Tschamer  IV,   104. 
Türk  V.  n,   II.  —  IV,   182.   201. 
T Westen  n,    199.  —  IV,  33. 


u. 

Ulimann  III,  291. 

Ulrich  I,  32.  —  IV,  248. 

ÜlUen  I,  4,  216.   —   IV,   57—60. 

Umbreit  III,  291. 

Unger  II,   107.  —  IV,    109. 

Ungewitter  I,  296,  299,  302.    —   II,    163, 

301,  306.  —   III,  59.    —    IV,    15,    16, 

148,  262,  277. 
Ungleich  III,  30,  69,  82. 
Unterholzner  I,  307.  —  n,  8,  38,  41,  42, 

52,    57,    61,    95,    149.    —    III,    30.    — 

IV,   153.   156,   157,   177,   191. 
Unzer  U,   108,   109,    112,    113,    126,    131, 

166,   172,   179,  229,    309,    315.    —    III, 

253'  255,  258,  263,   264.    —    IV,    264, 

272. 


V. 

Vasari  II,   116. 

Vater  II,  56,  64.  —  IV,   161,  210. 

Vegesack  IV,  68. 

Velthusen  I,    15. 

Viebes  II,   134. 

Vierling  I,  249. 

Vieweg  II,   154.  —  III,  83. 

Villani,  Giovanni  II,   116. 

Vincke  v.  n,   119,   122.  —  IV,   160. 

Virgil  I,   166,   187.    200.    —   III,    310.    — 

IV,  64,   218. 
Vogel  III,    267,  274,    275,  276.  283,  298. 
Vogt,  Th.  I,  X;  ni,   146. 
Vogtmann  ni,  267. 
Voigdt  III,  63,  287,  290,  308.  —  IV,  49, 

53,  260. 
Voigt  in,    24,  26.    —    IV,    49,    68,    228, 

229,  272,  278. 
Vollgraf  m,  312. 
Voltaire  I,   154.  —  II,   118,  293. 
Voß  I,  21,  25,  46,  47,   78,  167,  218,  229. 

240,   265,    276.    —    in,    300.    —    IV, 

64,  91. 
Voßmann  I,  273. 
Völsch  IV,   14. 


w. 

Wachler  II,   149,   150.  —  IV,   205. 

Wachowsky  IV,  32. 

Wachsmuth  III,   268. 

Wademeyer  in,  23. 

Wagemann  I,  250,  252. 

Wagner  I.     loi.    —    II,    119,    133,    154. 

IV.  35' 

Wahn  II,  317,  323.    —   III,   5. 
Wahnig  TI,   161. 

Waitz  m,    193,    195,   202,    203,   266,   267. 
Wals  IV,   195. 


298 


Namen-Register. 


Walte  I,    i88,    235,    247,    250,   252,   254. 

—  IV,   125,   133. 
Walter  v.  II,    196. 
Wappäus  IV,  42. 
Ward  m,   203. 

Wardenburg  I,   16.  —    II,    3,   13,    29,    34. 

—  IV.  64,    156,   157,    164,    183. 
Wasiansky  III,  300. 

Wattenwyl    v.    Montbenay    I,    74.    —    IV, 

105. 
Wächter  III,   196. 
Weber  III,    11,    24,    loi,    138,    145,    147, 

282. 
Wedemeyer  III,   282. 
Wegener,  Ph.  II,  244. 
Wegener  v.  IV,  37,  260. 
Wegscheider   II,    216,    221,    225,    226.    — 

IV.  222. 
Weicher,  Th.  III,   109,  204.  —  IV,  35,  37. 
Weil  IV,  220. 
Weyl  IV,   164. 
Weiller,  Cajetan  v.  II,  89. 
Weineke  I,  4,  249. 
Weiße  II,  281,    296,    305,    308,    324.    — 

III,  42,  55,  69,  86,  94,   107,   117,   122, 

128,    169,    170,    171,  174,  229,  232,  270, 

304- 

Weismisch  IV,   248. 

Weiß  I.   261.   —  III,   283.   —  IV,    147. 

Welcker  II,   199.   —  III,  58. 

Wellington  II,    103. 

Wendt,  H.  II,  iio,  131,  214.  —  III,  4, 
23,  37.  40,  42,  47,  54-  86,  90,  94,  97, 
191.  223,  238,  249,  282.  —  IV,  189, 
232. 

Werner  II,    109,  259. 

Wiehert  II,   113.   —  HI,  258. 

Widersprecher  I,   23,   45,   72,   251. 

Wiebe  IV,  256. 

Wiebel  IV,  266. 

Wiedemann  I,  218. 

Wiget,  Jh.  IV,   140,   159. 

Wiek  III.  82,  86,  88,  91,  93,  94,  95. 

Wieland  I,  25,   32,   2IO.  —  IV,  95. 

Wilhelm  I.,  II,  84. 

Willmann,   O.   II,   73,    107.    —  IV,    13 1. 

Willmanns   IV,   79. 

Willudraus  IV,    189. 

Windischmann  II,    199,   316. 

Winer  III,    loi,  262. 

Winkelmann  IV,   85. 

Winterl  II,  22. 

Wirz  II,    129. 

Witt  IV,   164,  245. 

Wittgenstein  IV,    134. 

Woide  III,   106. 

Woldemar  IV,   135. 

Wolf  I,  31.  —  II,  71,  153-  —  in,  63, 

189,  217,  316.    —  IV,    159,    175,   262. 
Wolff,  C.  F.  II,    136.  —  IV,   17,   III. 


Wolff,  Nelly  I,  XI. 

Wolfgramm  IV,   176. 

Wollaston  IV,  243. 

Wolmerange  II,  98. 

Weltmann  I,    10,    11,   16,    17,    19,  22,  40, 

55,   196.  —  IV,   109. 
Wouvermann  IV,  92. 
Wörlein  II,  281. 

Wrangel  v.  IV,  214,  216,  217,    220,  221. 
Wrede  IV,  91,   160. 
Wunderlich  I,  299.   —   II,   99.   —  III,  23, 

24,  35.  36,  103,  104,  287. 
Wundt,  W.  I,  290. 

Wuttiiiski  rv,  176. 

Wünsch  I,   133. 

Wyhs,  G.  V.  II,  317.    —    III,  5.    —    IV, 

143- 
Wyttenbach  I,   10 1.  —  II,  26. 


Xenophon  I,  136,  141,  166,  170,  174, 
182,   187,  256,  257.   —  IV,  92,  218. 

z. 

Zachai-iä  III,  312.  —  IV,   162. 

Zander  IV,   197. 

Zedelius  I,   22. 

Zeender  I,  49,  62,   179. 

Zehender  I,  33,  56,  74,  81,  91.  99,  100, 
loi,  128,  139,  166,  167,  174,  176,  178, 
207,  210,  211,  212,  218,  219,  223, 
224,  226,  232,  235,  236,  259.  —  II, 
46,  47.  —  IV,  92,  116,  117,  119,  122, 
125,  127,  129,  137,  141— 143,  183,  200. 

Zeerleder  I,  93.    loi. 

Zeise  III,  37. 

Zeller  II,  10,  41,  52,  53,  58,  76,  152.  — 
IV,    177,    180. 

Zeno  III,   162. 

Zerrener  III,  87. 

Zickler  IV,   104,   135. 

Ziegler  III,  299. 

Zielinski  II,   250. 

Ziemssen  I,  103,  121,  130,  131,  132,  135, 
137,  140,  143,  144,  145,  147,  150,  156, 
157,  167,  170,  172,  174,  180,  191, 
204,  214,  216,  218,  225,  226,  231, 
235,  237.  239,  246,  249.  —  IV,  56, 
68,  118,  122—124,  127,  131,  133,  137, 
140,   144. 

Ziller  I,  X;  I,  4,  9,  45,  55,  61,  78,  82, 
92,  97,  127,  129,  215,  252.  —  II,  30, 
31.  73,93.  155.  —  in,  133,  140.  — 
IV,  53,  54,  80. 

Zimmer  II,    12,   71. 

Zimmer,  Hans  II,   16,  219. 

Zimmermann,  R.  I,  IX,  X;  I,  73,  76,  lOi, 
102,     115,     119,     144,     146,     171,     189, 


Namen-Register.  200 


279,  286,  287.    —    n,   12,    17,    38,  55,  iZippcl  ir,  97. 
88,  91,   126,   145,   197,    213,    293,    299,    Zoephl  III,  311,  312. 
301,  302.   —  III,   5,   7,    14,    18,  20,  22,    Zöllich  n,    145. 
25'  45^  51,  52,  84,  87,   HO,   138,    146,    Zschokke  I,  99,    100, 
205,  213.  —  rV,    II,  21,  46,  51.  Zumpf  n\   196. 

Zimmermann,  Hans  II,   120.  | 


Berichtigung: 

Bd.  III,  S.   284  muß  es  Arnswald  statt  Auerswaldt  heißen. 


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Druck  Ton  Hermann  Beyer  A  Söhne  (Beyer  A  Mann)  in  Langensalza. 


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1887 
18-19 

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