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Vierter Band.
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: THE NEW YORK
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ASTOR, LENOX AND
TILDEN FOUNDATIONS
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Mann ohne Voruirtheil,
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Sorrates mit dem Giftbecher in der
Hand, Camillus zu Vej os flüchtig und
der Ueberwinder Annibale unter einem -
Steine begraben, ber Rom bie Grauſam⸗
feit gegen feinen Netter vorwirft, und bem
undantbaren Daterlande feine Gebeine
mißgönner *), müffen die Blicke eines
jeden an fich ziehen, der hingeht, und
einer Geſellſchaft näglich werben, und bag
Licht der Vernunft in derfelben herumtra⸗
gen, und feinen Arm zu ihrer Vertheidi⸗
gung ausſtrecken, und ihre Sicherheit mit
feinem Leben loͤſen, und den Grundftein
ihres Ruhms, ihrer Gröffe, mit feinem
Blute einweihen wi. Die Gefchichte als
A3 | ler
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| ) Auf dem Grabe Scipiong welches in ei⸗
nem Weile wor, dem nicht einmal der Aüfe
enthalt diefes berünmten Mannes bekannt
machen Tonate, fund nad Teinem Berlangen
gefchrieben : ingrata Patria! ne offa quidem
mea habeas ! undankbares Vaterland! nicht.
einmal meine Geheine folk du befigen! —
6 Der Mahn
ler Menfchen , die irgend Staaten unter:
fcheidende Dienfte geleiftee haben, von den
Aikurgen, bis auf die Enciklopediſten,
son den Manliern, bie das fchon erſtie⸗
gene Kapitol den Galiern entreiffen, bis
auf - die durch Herfkellung einer
bereit8 getrennten Schladhtorbnung das
Schickſal eines Krieges und eines ganzen
Reiches entfcheiden, vom Clitus, welcher
den Alexander im Gewuͤhle der Schlacht
Yon dem fhon empor geſchwungenen Strei⸗
he fihert, bis auf den Höfling , welcher
das Degengehäng des Bafilius entzwey
hauet, um den Kaiſer von dem Geweihe
des Hirſchen zu befreyen, die Geſchichte
aller dieſer iſt eine und dieſelbe; Verfol⸗
gungen, Feſſeln, Verweiſungen, Tobten:
geruͤſte, oder wenigſtens unwuͤrdige Ver⸗
geſſenheit! Die Jahrbuͤcher der Verdienſte
ſind zugleich die Jahrbuͤcher des oͤffentli⸗
chen Undanks.
Soll dieß den Mann, der wie der
Sohn des Sophroniskus den Beruf von
oben ber empfangen hat, ſoll es ihn zu⸗
rüctreten machen? — Wenn er ſich ver⸗
dingen, und fein Tagmerf nad) dem Lohne
serrichten will, um den er am Abenbe ſei⸗
nes
ohne Bornerheit, y
nes Lebens bie gemietbete Hand ausſtre⸗
det; wenn er ein Söldner feiner Mitbuͤr⸗
ger werden will, da er Ihr Wohlthaͤter
feyn konnte, o fo kehre er, durch fo une
endliche Beiſpiele gewarnet, auf feinen
Wege um, und ſterbe in dem Schatten
ſeiner Huͤtte, unangefochten und unbe⸗
ruͤhmt!
Aber, wer ſich groß genug fahlet
auf jede Vergeltung, auch auf die ſchmei⸗
chelhaftſte Vergeltung bes Nuhmes, Ver⸗
giche gu thun; wer fih ſtark genug füh-
let, feinen Mitbirgern Aufklaͤrung, oder
Schuß aufzudringen, ber bleibe vor den
Denkmaͤlern der Undankbarkeit mit uner⸗
ſchuͤtterter Standhaftigkeit und dem Ente
ſchluſſe ſtehen, fich, wie ein Decius, zum
Dpfer des Vaterlandes einzuweihen, aber
den Schlund, aus welchem die verheerende
- Seuche berauffieiget , wenn «8 fo noth⸗
wendig ift, wie ein Kurtius, mit feinen
eigenen Leibe iu füllen! —
> Träumer! ſpricht hier, ber mich
lieſt, und legt das abermigige Blatt ber
mitleidend aus feiner Hand ; Träumer,
der entfernet vom Streite, ben Helden
foielt, und alle die Käden noch nicht few
Ag Me,
\
35 = Der Mann
net, durch die man an ber Gefellfchaft hängt,
und die man nicht mit lachenden Mun⸗
be entzweyreißt, um, einer Tugend, mels
- he man in unfern Zeiten Thorheit nennen
würde, und einem Ruhme, einem leeren
Nachhalle, der! einige Zeit in den Ohren
der Nachlommenfchaft tönet, und bald
unter bem übrigen Gelaͤrme nicht mehr ver⸗
nommen wird, einem Ruhme und einer
Tugend, Srau und Kinder, und Gluͤck,
und Gemächlichfeit und Verwandeſchaft
zum Opfer zu bringen! —
Wenn dieſe Anmerkungen Zabrhaft find,
wenn fie allgemein gemacht werben koͤnnen,
weſſen Händen follen die öffentlichen Angele⸗
genbeiten anvertrauet werben, bei deren Leis
tung aller Eigennug entfernet, wo ohne Ab⸗
fiht, ohne Anfehen , ohne Hoffnung und
Kurcht, ohne Leidenfchaft zu Nach gegan⸗
‚gen , überlegt, entfchloffen , ausgefuͤhrt
werden fol? — Wenn bie Privatverbin-
dungen, je näher fie ung an bie eingelnen
Gegenftände hinziehen, befto weiter ung
von dem Allgemeinen abziehen, in weſſen
- Seele wird man die mächtige. Triebfeber
ber fchönen und gemeinnägigen Handlun⸗
gen, ben Spirit public auffuchen, wovon
viel:
ohne Borurtbeil. , 9
vielleicht die einzige Nation, bie für den
felben einen eigenen Namen , auch von
‚ bemfelben den eigenthiämlichen und richti⸗
gen Begriff hat?
Diefer Spirit public, ben ich durch
Geſellſchaftsgeiſt uͤberſetze, wird mich in.
dieſer legten Abtheilung beſchaͤftigen, mit
welcher ich die gefahrvolle Muͤhe, meine
Mitbuͤrger zur Lektur einzuleiten, beſchluͤſ⸗
ſen werbe,
Meine Betrachtungen werden nicht als
einzelne Stuͤcke, von einer nur willkuͤhr⸗
lichen Verbindung, ſondern in einem Zu⸗
fanmenhange, davon bie Fäden ſichtbarer
feyn werden, erfcheinen.- Sich werde ben
Geſellſchaftsgeiſt in feinem eigenthuͤm⸗
lichen Wefen beobachten , und daffelbe
voraus feſtſetzen. Ich werde dann burch
alle Stände des gemeinen Wefens durch⸗
ziehen, und bei jedem Stande bie Folgen
feiner Gegenwart, und die. traurigen Fol
gen feiner Abtwefenheit wahrnehmen. ch
werde feinem Stande heucheln, fo weit
nämlich, als es die Achtung zugiebt, die
man-jedem Stande nad) dem Maffe feines
Beitrags zu der Sffentlichen Wohlfahrt
wicht verfagen Mann, ohne die Ordnung
A5 un
10 Der Mann
‚um und über zu ſtuͤrzen, an deren Auf⸗
rechthaltung dem Gluͤcke der Staaten uns
enblich mehr gelegen ift, ald an allenSchrifte
ſtellern und fchönen Geiftern in der Welt.
Ich verbitte bei dieſem meinen, voraus
angefündigten Plane gleichwohl recht fehr
die Erwartung eines muͤhſamen philoſo⸗
‚phifchen Syſtems, das fid mit Erklaͤ⸗
zungen bemenget , Zintbeilungen und
Untereintbeilungen madht, und indem
es fich gegen den Leſer einer gar zu ge⸗
soiffenbafeen Pünktlichkeit befleißt , ihm
ein efelhaftes Gerippe vorbält, von dem
er fein? Augen abfehret, bie es nicht ver⸗
ſchuldet Haben, fo unbarmhersig gequälet
gu werben. ich denke, wenn ich fo glüd«
lich feyn kann, ein Gebäude aufzuführen,
befien Pracht und Ebenmaß uͤberhaupt zu
gefallen fähig iſt; fo erläßt mir ber groffe
Theil den nadten Grundriß und Durch:
fhnitt, und die Vorrechnung aller ein-
zelnen Verhaͤltniſſe unter fi) und gegen
dad Ganze. Kritiker mögen ſich das
duͤrre Vergnügen ber Zerglieberung ſelbſt
machen! .
Doc mit welchem Danfe der Mitbuͤr⸗
ger ergreife ich ben Stab wieder, meine
| | 0 Hei:
ohne Vorurtheil. au
Reiſe fortzufegen ? - werde ich hefkdubig
wegen Unfälle aus Hinterhalt beforgt
ſeyn müflen? wird es mir nie vergönut
feyn, auf meinem Wege bie frohe Stimme .
des Wandererd hören zu laffen , beffen
Sorglofigfeit ber Lobfpruch der äffentli-
hen Wachſamkeit ii? —
Werde ich immer den Eigeunügigen
lärmen hören, wann ich von der Uneigens
nügigfeit Toreche ? wann ich Die Öteige:
rung ber Bebienungen, ober das Feilbie⸗
ten des Rechts erwaͤhne, wird der Aus:
rufer, den ich nicht genannt habe, ſeine
Stimme ſelbſt erheben, und ſich dadurch
kennbar machen? Freunde! wie unbehut⸗
ſam iſt das immer von ihnen gehandelt,
wann Sie durch ihr Zettergeſchrey es aller
Welt kund machen, daß Sie verwundet
ſind! Vielmehr ſprechen Sie mit einge⸗
biſſenen Lippen: ich bin es nicht! und
wenn Sie ja die Wunde rächen wollen,
fo fey der Gang ihrer Mache leife und im
Verborgenen, wie der Gang des mitter-
nächtigen Gefpenfies! die Handlung und
das Vorbild dazu find ihrer wuͤrdiger.
Ach fühle den Einfluß des Stoffes,
ben Ai behandle; er erhoͤhet mich gewiſ⸗
ſer⸗
12 Der Mann
fermaffen über mich felöft. Ich entſage
dem Beifalle meiner Zeitgenoſſen; ich geb
ihnen meinen kleinen Ruhm preis; bereit,
wenn das Opfer dem Vaterlande nuͤtzen
kann, ein gleiches mit meinem Gluͤcke zu
thun. Sie moͤgen, wenn ſie wollen, mei⸗
nen Namen vor meinen Zeitverwandten ge:
ringfhäßig machen! Aber ich fodre fie vor
den Richterſtuhl der Zukunft, die nicht be-
fiochen , nicht übertäubet wird , wo fie
nicht dag Necht , allein zu fprechen, an
fich sieben, wo .meine Stine vielleicht
unendlich läuter als die ihrige wird ge-
böret werden: dahin fodere ih Sie, und
rufe ihnen zu, mas Sie nicht gu beden⸗
fen fcheinen: die Seele des Menfhhen,
und das Andenken des redlichen man⸗
nes find unfterblich —
Po *
M, waren einzelne , abgefönberte
Gefchöpfe , und waren feine glücklichen
Geſchoͤpfe. Zu der Stufe von Gluͤckſelig⸗
keit wenigſtens, hatten wir uns nicht er⸗
hoben, fuͤr welche wir uns beſtimmt fuͤhl⸗
ten , und deren Nichterreichung wir als
einen ungluͤcklichen Zuftand anfehen mod)»
fen,
ohne Borurtheil. 13
ten , weil e8 die Abweſenheit eines Gutes
mar das für ung befchieben ift, das zu
ermerben, in unfern Kräften ſtund.
Wir vergefellten ung, und das brach
te ung dem Gipfel, den wir vor ung hat⸗
ten , je näher und näher. Es ward aus
dem gemeinfchaftlichen Zuthun, aus dem
wechfelweifen Beiftande , wenn ich fo
fagen barf , eine Maſſe des Wohle zu⸗
fammgefeßt, bie in ber Mitte lag, zwar
allen angehörte, aber von einem jeden als
fein Eigenthum durfte angefehen werben.
Wenn ich dieſes Gleichniß zur Allegorie
hinausfuͤhre, fo wird fie die Stelle einer
philofophifchen Erklärung vertreten — Geb
diefen Stein auf! fpreche ich zu einem
Menſchen. Es ift ein Stein von einigen,
wenigen Pfunben , er bringt ibn ge:
mächlich von der Stelle. Nun ifl eben
derfelbe Stein mit vielen andern, beren
feiner für fih am Gewichte mehr enthält,
in ein Gebäude, oder fonft auf eine Art
verbunden. ch fage eben zu dem Men
fchen : fchaffe diefen Stein beifeite ! Es ift
ihm unmöglich: die Schwere des ganzen
Klumpens widerfieht feinen Kräften; fie
iſt die Schwere des Theile geworden
34 Der Mann
Es war alfo der Vortheil eines: jeden '
Einzelnen, feinen Kleinen, und bem An-
laufe jeder geringen Kraft preisſtehenden
Antheil von Wohl, fo nahe als möglich,
an das Ganze anzufchmiegen, fo untrenn=
bar, als es nur bei ihm ſtand, mit dem⸗
felben zu verbinden. Aus diefer Verbin⸗
dung entfland eine Laft, die durch eigene.
Schwere unbemweglich warb.
Vielleicht war dieſes anfänglich weiter
nichts als ein Entwurf, eine Betrachtung :
Erfahrung , Vorfälle brachten fie big zur
Mebergeugung : und es marb nunmehr zu
einer genugfam erfannten , tief einge-
"prägten Wahrheit: das Zeil eines je=
den Bltedes der Gefellfcheft, if in dem
Seile der Geſellſchaft.
Se lebhafter biefe Ueberzeugung ifl, wo⸗
ferne fie bis zu dem Grade erhöhet wird,
daß fie gleichfam als ein. finnliches Bilb
allgegenmwärtig mit herumgetragen , auf
alle Fälle angepaffet, in jedem Gefchäfte
ſich felbft- vorgehalten wirb , deſto aus⸗
brechenber find ihre Wirkungen, defto haͤu⸗
figer die Verläugnungen einzelner Vor⸗
theile, die, fo großmuͤthig fie dem Auge
desjenigen erfcheinen mögen, ber daß ges
hei:
ohne Borurtheil. 15
heime Triebwerk derſelben verkennet, in
der That anders nichts ſind, als daß ein
kleiner Vortheil fuͤr einen groͤſſeren, ein
gegenwaͤrtiger, kurzer fuͤr einen ent⸗
fernteren, dauerhafteren dahin gegeben
wird. Eine mindere Eigenliebe wird durch
eine groͤſſere von ihrer Stelle verdraͤngt.
Geſetzgeber! vergeſſet nie, daß ihr
Menſchen zu fuͤhren habt! das iſt, Ge⸗
ſchoͤpfe, denen ihr eigenes Wohl das fuͤhl⸗
barſte, vielleicht darf ich ſagen, denen
nur ihr eigenes Wohl fuͤhlbar iſt, die
alles im Kreiſe um ſie herum, auf ſich als
den Mittelpunkt, zuruͤck fuͤhren, Geſchoͤpfe,
die auf einem unkennbaren Sandkorne der
Erde hochmuͤthig ſprechen: zu meinem
Dienſte welzen ſich oben die unzdhl-
baren Sonnen. Dei Gefchöpfen biefer
Art ſucht man vergeblich einen Beweger
ber gefellfchaftlidhen Tugend auffer dem
Herzen desjenigen, bei dem man fie her⸗
vorbringen will , und diefer Beweger iſt
ber Kigennug. Die Natur hat ung abge
föndert gefchaffen , der Eigennug hat ung
zuſammgebracht. Man folge diefem Ans
ftoffe der Natur! und fuche das Band ber
Geſelligkeit nach dieſer Nichtung fefter zu⸗
ſamm
6. Der Mann
ſamm zu ziehen! man wife bei denen, bie
man leiten fol, die lebhafte Ueberzeugung
hervor zu bringen: daß ihr ſelbſt eigener
Ylugen der Endzweck aller Anftalten,
aller Geſetze ift — und man bat ben
Gefelifcheftsgeift erfchaffen! —
Zwar bat er in‘der Geſtalt, in welcher
ich ihn erfcheinen lafle, ohne Zweifel vieles
von dem glänzenden Auffenmwerfe verloren,
unter welchem ihn der Redner erfcheinen
zu laffen, und wir , denen feine bilders
reiche Einbildungsfraft Vergnügen erwe⸗
det , denfelben ung allemal vorzuſtellen
gewohnt find. Aber ber Redner hat ſei⸗
nen Endzweck, wenn er. von dem Gefell-
ſchaftsgeiſt prächtig gefprochen hat, er⸗
reichet, ber Philofoph nur dann, wann
er ihn hervorgebracht hat. Der erſte
hat ein reiguolles Weſen dahin gezaubert,
und e8 dauert und, wann bie redneriſche
Hitze verflogen iſt, daß es nur ein Blend⸗
werf ſeyn fol. Der andere nimmt ein.
Mefen, deffen Anziehungen weniger fchmei=
cheln, aber wahrhaft find. Der erfte ſpricht:
Bewundre! und meiftens denkt er, mich,
Der zweyte fpriht : ahme nach! und
vielleicht fann er mit minderem Stolze
| ad
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ohne Borurtbeil. zur
auch denken, mich. Der Redner wii fele
ne Geſchicklichkeit, der untersichtende Phi⸗
Iofoph die Wahrheit geigen ; und wenn es
bem erſten je gelinget, dis zum Entfchluffe
zu begeiftern ‘, fo iſt dieſe Begeifterung
das Werf einer überbinfahrenden Aufwal⸗
lung , eine jaͤh auffchlagende , und —
ſchon wieder erloſchene Flamme; von dem
andern aber läßt man ſich aus Ueberzeu⸗
gung dahin fuͤhren, wohin man ſoll! —
. Die Klagen der Schriftſteller uͤber die
Verfſchwindung bed Geſellſchaftsgeiſtes
ſind daher ſehr ungerecht; und vielleicht
ſind wir mehr berechtiget, uns über fie
zu beflagen , und felbft alle Schuld dieſes
Uebels auf fie zu wälen —
Wie, wenn fie einem Menfchen zuru⸗
fen: gebe hin! Höre auf zu denken,
zu empfinden! opfere dich für das ge⸗
meine Beſte, an dem du Ferner Feinen
Theil nehmen Tannft! Derzehre dich
bei der nächtlichen Lampe durch Wa⸗
hen ımd Nachdenken! Stelle dich mit
Entfchlofienheit dem Schlunde der Kar
nonen entgegen! ſieh deinen Sohn dar
hin fallen, in der Blüthe feines Ale
ters, im Srüblinge deiner Hoffnungen,
IV, Sand, B und
128 Der Mann
und wende dein Aug davon nicht abt
Bieb es’ bin Sein Gut, und dente
daran nicht, daß dus deine Gattinn,
deine wimmernden Kinder hungern
werden ? Härte dich gegen den Schmerz !
das ift die Bürgerpflicht — Warum
Sagen fie dem Menfchen nicht : höre auf
ein Menſch, ein fühlbares, ſich ſelbſt
liebendes Gefchspf zu ſeyn! eben fo
leicht werden fie dieſes von ihm erhals
te: oder beffer , fie werden ihm dadurch
nichts , was von jenem unterfchieben iſt,
auferlegen. Wenn ja in der Sefchichte fol»
che Helden ung gezeiget werden, wer flieht
ung für Die Unfehlbarfeit diefer Erzaͤh⸗
lungen ? Es ift der Höchfle Grab ber Tu⸗
gend , zu deren Ausübung nur menige
Seelen ermähle find: oder follte ich nicht
vielmehr fagen duͤrfen: es iſt der hoͤchſte
Grad der Fuͤhlloſigkeit, die den Menſchen,
wenn ſie allgemein werden koͤnnte, in das
ungluͤcklichſte Geſchoͤpf in der Welt um⸗
geſtalten wuͤrde. Man ſagt: böre auf
dich zu lieben! Nun, wer ſich ſelbſt nicht
"Jiebet , was in der Welt ſollte der zu
lieben, fähig feyn? wenn ich mit meinem
eigenen Vortbeile nicht an der Gefelle
j ſchaft
ohbhne Vorurtheil. 19
Schaft hange, durch was fol Ich! feſter an
‚fie. verbunden werben ?
. Me diefe hochtrabenden Wortkraͤme⸗
reyen von Selbſtverlaͤgnung, von Auf⸗
opferung, Uneigennug, und wie bie
Schallwoͤrter immer heiffen mögen, lau⸗
fen dahinaus, daß Lnmögliche zu for
dern, und daher auch Nichts zu erhalten:
‚Nichts, oder etwas das feinen Kolgen
einen Sochmutcb , .ber fih Hinter ben
Begriff des Edelmuths dor der Entlars
vung fiher Hält — einen Hochmuth, dee
alles, womit uns bie Abficht des Schoͤ⸗
pfers zu unferm Daſeyn beflo untrenn«
Sarer verbinden, alles , durch was bie
Vorficht unfer Dafeyn glüdfelig und reis
zend machen wollte, zu Boden tritt, und
fich beinahe ſelbſt; — um einen Nanıen,
deſſen er nicht mehr genieffen wird, zu
erjagen. Itzt aus Hochmuth ein Schlächt-
opfer des Allgemeinen , wuͤrde das Alle
gemeine gewiß das Schlachtöpfer feines
Hochmuths fepn, mo er ſich dadurch eine
dauerhaftere und gemiffere Unſterblichteit
w verſchaffen glaubte.
Ha Un⸗
20 Der Mann
Anſtatt den Anfang sur Anfachung des
Gefelifchaftageiftee damit zu machen,
daß man ben Bürger von allem dem ab⸗
zieht , womit Ihm die Natur an das Ba-
terland geknuͤpfet hat, anflatt ihn gleich⸗
fam von ſich feldf gu trennen, Pi ich
diefe Bande vielmehr näher anziehen, unb
ihn ſelbſt durch diefelben an dem Altar
Hinfäffeln, an welchem er, unter gewiſſen
Umſtaͤnden fo koſtbare Opfer zu ſchlachten,
bemuͤſſiget ſeyn wird. Ich wuͤrde ſprechen:
ſeyd eiferfüchtig Üben euer Rigenthum!
die Srüchte euren Schweiſſes find Güter,
deren Befig euch ſchaͤgbar feyn muß! —
Lieber enre Gattinnen! die Liebe iſt
ein unſchaͤtzbares Gefchen? der Vorſe⸗
Yung, euch, bie Bitterfeiten des Lebens
zu verfüflen: ein zaͤrtliches Ser iſt ei⸗
ne Babe, womit fie ihre Lieblinge
unterfcheidet — Liebet eure Kinder!
fie find ein Theil eurer ſelbſt, ein Pfand
der reinften Slamme eurer keuſchen
Gattinn! — Wiffet das Leben, eure
Gefundheit, eure Gliedmaflen zu ſchaͤ⸗
gen! ihr feyd fo, wie ihr feyd, aus
der Werkſtaͤtte deu Bwigen geſendet
worden — Und dann, wenn ich dieſes
als
ohne Borurtheit. 21
alles gefprochen hätte, wenn ich die Fol-
gen meines Zuſpruchs fichtbar wahrnaͤh⸗
me, dann fegte ich hinzu: aber euer ein-
zelnes Ligenchum ift nicht ficher , wo
das Allgemeine es nicht if — Die
Llichtbefle&ung eures Phebettes hängt
von den unbefledten allgemeinen Sit⸗
ten ab — Wollt ihe eure Zinder, eure
Gattinnen, eure Büter, euer Leben der
Gefahr entreiffen, fee das Materland
aufler Gefahr! —
Nun mag fi der Fall ereignen‘, wo
nur blutige Schladjtungen das dräuende
Schickſal verföhnen fönnen! die Bereit⸗
willigkeit fi , und al das Seinige hiezu
gu weihen, muß in Allee Herzen auflos
dern; jedes: ift begierig,, ſich alles das zu
erhalten, was ihm ber natürliche Hang,
und die eingeflößte Denfungsart noch
thenrer machen: und er tft überzeugt, daß
er es, ohne die allgemeine Aufrechthaltung,
nicht erhalten kann. So made ih, daß.
‚dem Staate uneigennügige Bürger ‚.bie
ihr Vermögen willig. anbieten, daß ihm
tapfere, die nicht achten ihres Bluts und
Lebens, daß ihm folgſame, die feinen
Gefegen mit. blinder Unterroürfigfeit ges
33 hor⸗
22 Der Mann
borchen,, nicht fehlen werben — fo lange,
es ihm an Menfchen nicht fehlen wird,
bie fich lieben —
x 4
Wir. das Syſtem, melches von dem
Geſellſchaftogeiſt Hier angenommen toird,
auch gegen eine genaue philofophifche
Prüfung nicht ſtandhaft genug; fo wäre
ed immer dasjenige , daß fih mit dem
menfchlihen Wunfche am genauften vers
trägt, das ſich den. menfchlichen Neigun-
gen am fchicklichften anpaffen läßt, und
von darum auch In der Ausführung we⸗
niger Schwierigkeiten als jebes andre fin-
den wird. Es ift bag Syſtem, welches
die Menfchen glücklich machen wird, weil
es die Foderungen auf beiden Seiten gleich
fielet, da die flolgen Syſteme, welche
bis hicher immer noch als eine Stimme
in der Wille gerufen haben, die Buͤrde
sang und einzig auf den Nacken fih em-
pfindenver Geſchoͤpfe gewälzet haben.
Ich — fpreche nun zu ber Geſellſchaft:
ſey eiferfüchtig, die Rechte, das Gut,
die Perfon jedes einzelnen Mitgliedes
. zu
ohne Borurtheil. 23
zu bewahren! denn, wo das Ganze in
Sicherheit feyn fol, muß Fein einzel:
ner Theil Gefahr Iaufen — und dann
ſpreche ich gu den einzelnen Bürgern :
bewahret das allgemeine Wohl! denn.
808 eurige machet einen Theil deſſelben
aus, der für er nicht befteben Tann!
So wird die Geſellſchaft, um fich ſelbſt
gu erhalten, die Huterinn und Währmän-
ninn eines jeden Einzelnen; und fo jeder
einzelne aus eben dem Srunbe ber felbft
theilnehmende Vertheidiger des Ganzen.
Es werden nun weniger Winkelzuͤge,
Schmiegungen und Ausbeugungen noͤthig
ſeyn, um einige Erſcheinnngen des Ge⸗
ſellſchaftsgeiſtes zu erklaͤren. Sokrates
ſoll heute von den Athenienſern das Ur⸗
theil erhalten, den Giftbecher zu trinken;
ſeine Freunde beſuchen ihn. Ich bin ge⸗
kommen, ſpricht unter ihnen einer, dir
deine Säflel abzunehmen, und in dtefer
Bleidung beine Stucht zu erleichtern —
ch fliehen? fragt Sofrated. Ja Freund!
fliehen , dich der Verfolgung deiner
Seinde entziehen : Athen die Schande
und die Reue erfparen, daß es den
tugendhaftfien Mann ermordet babe.
B4 Ich
24 Der Mann
Ich fliehen ? fragt Sokrates abermal,
ja Sreund, fliehen; und dich Länger
. noch deinem Weibe, deinen Sreunden,
deinen Schülern, der Tugend erhal⸗
ten! Sind das Feine Beweggründe,
das Leben zu Lieben ? — Sa! aber Feine
Beweggründe, die Gefege kraftlos zu ma-
chen. Laß hören, mie fo vortrefflich dein
Rath iſt? Die Richter find gegen mich un«
gerechte! wenn ed dem Sokrates erlaubet
ft, die Geſetze des Unrechts zu. befchulbi:
sen, fo muß bag jedem Webelthäter eben
ſowohl erlaubt feyn, ober wer bat eurem
Sreunde vor feinen übrigen Mitbuͤrgern
ein Recht eingeräumt ? Nun denn, feht
die Geſetze, die Gerichte ihres Anſehens,
ihrer Gewalt entfeßet » das Anrecht zu
beſtrafen. Ich flerbe meine Freunde! es
es iſt beſſer ſterben, als in einer Stadt
leben, worin die Geſetze nichts vermoͤgen,
und jeder Boͤſewicht uͤber diejenigen ur⸗
theilet, die dazu geſetzt ſind, ihn zu ver⸗
urtheilen — | u
Sokrates gegen ben Freund fährt fort;
- du haft ein Weib, haſt eine Tochter und
Söhne, haft einen Mayerhof. Gewalt:
hat und Naub Ichen auf, wenn mein
| Bei:
obne Borurtheil. a
Belfpiel die Gefene toaͤdtet. Sieh eiuen
Knecht feiner geilen Luft beine Frau bes
flecken! einen andern beine Tochter ent⸗
ehren! fich deinen Sohn am hellen Mit-
tage in ein Schandhaus hinreiffen ! ein
mächtiger Nachbar treibet dich aus dem
Befige deines Gutes, und verpflüget den
Rain eurer angrängenden Aecker in fein
Seld. Laß deinen Freund ſterben, bamit
ben Geſetzen die Macht verbleibe, bein
Ehebett unbefleckt, beinen Sohn und beine
Tochter ungefchändet, und dich unverdrun⸗
gen von deinen angeerbten Felde gu ers
halten. *)
Soo fchlug der nachdenfende Griech die
angebotene Flucht aus, nicht aus Verach⸗
Bd 5 tung
MH Diefes Beine Geſpräch iR nicht aus den
bekannten Sefprachen des Sokrates, welche
von feinem Echller aufbewahret, oder
untergeſchoben worden. Es wären aus dent
Plato und Keno:hon ſchone Stücke anzufüh⸗
ven geweſen; aber ich Habe mir erlaubt,
mich ſelbſt in den Charakter und die Umſtünde
des erfien Martirers der Weltweisheit hinein
sn denken, und fo zu veden, wie cr wahr⸗
ſcheinlich geredet Haben würde.
26 Der Mann‘ —
tung des Lebens, noch fonft einer. Urfache,
die man insgemein den nicht täglichen
Handlungen anzubichten pfleger, fondern
aus Weberzeugung , daß fein Beifpiel Ges
fee und Gerichte Aber und umflürgen ,
und ihn, und feine Angehörigen und feine
Freunde Gemwaltthaten preis geben wuͤrde,
vor denen der Tod unendlich wuͤnſchens⸗
werth iſt. Das Verdienſt des Philoſo⸗
phen iſt nicht von Seite ſeiner Aufopfe⸗
rung. Man findet es nicht auſſerordent⸗
lich, daß ein Reiſender dem Raͤuber, der
ihn uͤberfaͤllt, feinen Beutel freywillig abz
giebt ,„. um das Leben zu retten, da er.
bei feinem Widerſtande verlieren, und fein
Geld dennoch nicht gerettet haben wuͤrde.
Sofrates machet fein Leben, das in eis
ner gefeglofen Stabt vor Aniten und
Meliten doch nicht geborgt geweſen waͤ⸗
re, zum Löfegelde feiner Samilie und
Freunde. Das Verdienſt ift in der Leb⸗
baftigfeit des Beweiſes, durch ‚welchen er
ſich und feine Schäler von bem Bande
des befondern Wohls mit dem allgemei-
nen, fo durch die Geſetze aufrecht erhal
ten wird, üÜbergenuget hat. Die Folge
at nothwendig; aber bie Urfache, aus
. wel⸗
ohne VBorurtheil. 27
welcher die Folge abfliefen mußte, biefe
war fein Wal.
Nah dem Philnfophen find vielleicht
Die drey hundert Lacebömonier , welche
ſich unter Anführung des Leonidas bei
dem Paſſe der Thermopilen den Perſen
entgegengefeßt , und burch ihren Tod bie
Freyheit Griechenlandes zu erfaufen be= .
reit waren, die Gepriefenften. Die That
ift groß, aber das Aufferordentliche: laͤßt
fich ohne fonderbare Mühe davon. abzie⸗
hen. Ich ſetze mich an die Stelle des
Koͤnigs von Sparta, und fuͤhre meinen
Haufen auf die Anhoͤhe des Berges Orte,
Hier geige ih ihm — vor ihm dag unuͤber⸗
fehbare Kriegäheer des Berres, welches
sang Phtiotis kaum faßt ; zu feiner
Rechte die ägeifche See, von der perfi⸗
(hen Flotte ganz bedecket. Ach babe es
mit Männern vor, welchen die Reize eines
wolluͤſtigen Lebens und einer wohlgenaͤhr⸗
ten Sflaverey unbekannt, und der Reich⸗
thum unnuͤtz if. Sie haben nichts als
ihre Hänfer , ihre Weiber und Kinder,
ihre Freyheit, und ihre Waffen , biefe
Freyheit zu vertheibigen : ich halte an fie
folgende Rede.
” Spar:
23 Der Mann
„ Spartaner! hier ſeht ihr die Feinde
Griechenlanbe, und eurer Freybeit, Tau⸗
fend gegen einen aus uns! ihre Menge,
was geht bie und an? ihr wiſſet nicht,
euch gu fürchten, ihr wißt zu ſterben —
Sterben wollen wir, ehe wir ber Barbaren
Knechte werden! Aber laßt ung fierben,
daß unfer Tod unfern Weibern und Kin⸗
bern die Frepheit erhalte! laßt uns ſter⸗
ben, daß unfer Tod den Horden der. Bar-
baren ein Schimpf, Griechenland heil⸗
fam, und ung rühmlich fey! Durch diefe
Enge wird ver Schwarm in Theſſalien ein»
dringen. Es ift leicht, mit einem Kleinen
Haufen ihnen den Eingang zu verbieten;
aber es ift nicht möglich, wo fie von.
dieſem Paſſe Meifter find, die ſchimpflich⸗
fie Dienftbarkeit zu vermeiden. Wir ge:
ben in den gewiſſen Tod ; aber wir fterben.
frey, und übergeben unfern Kindern dag.
Erbtheil, fo wir von unfern Vätern em⸗
pfangen baden , und ganz Griechenland.
wird unferm Sparta feine Rettung ſchul⸗
big. Doch wer nicht ald ein Spartaner
zu fierben Much bat, bier find Herren,
deren Knecht er werden kann. „
ohne Borurtbeil, 29
Eine foldye Anrede legt es harten, zum
Kriege und in Waffen groß gemorbenen
Männern, bie nichts fchägbareres ken⸗
nen, als eine unangetaftete Freyheit, nichs
ſchimpflicheres, als vor einem Könige fich
zu Eriimen, fie legt es ihnen nahe, und
giebt ihnen die Wahl, zwiſchen Tob, und
ihrer und ber Ihrigen Knechtſchaft. Die
Wahl if nicht zweifelhaft. - Keonidae
mit feinen Dreyhunderten bat nicht für
Griechenland den Tod gemäßlet, er bat
ihn der Knechtſchaft, dem ärgften, was
ein Dann von feinen Grundfaͤtzen zu er⸗
warten hatte, vorgezogen.
Auf eben dieſe Art wuͤrde ſich das
Raͤthſel aller unglaublich ſcheinenden Tha⸗
ten des Alterthums erklaͤren laſſen, wenn
man die Beziehungen und Umſtaͤnde derer,
an denen wir ſie bewundern, auseinander
ſetzte. Wir wuͤrden finden, daß alle, die
da ſcheinen fuͤr das gemeine Wohl etwas
auſſerordentliches gethan zu haben, es
bloß in Abſicht auf ihr beſonderes Beſte
gethan haben: ſie haben den Tod, die
Berroeifung, Armuth oder ſonſt eines von
den Uebeln gewaͤhlet, deren freywillige
Auffihnehmung uns in Erflaunen feget,
weil
30 Der Mann
weil wir bie erhabenfte. Stufe der Selbſt⸗
verläugnung damit zu vereinbaren gewohnt
find. Sie Haben diefe Uebel gemähler,
soeil fie dadurch entweder gröffere Uebel
vermieden, ober etwas ſich zueigneten,
deſſen Wuͤnſchenswuͤrdigkeit, waͤre es
gleich nur nach ihrem Begriffe, ſo unbe⸗
graͤnzt war, daß es ihnen um keinen Preis
zu theuer erkauft ſchien. —
Indeſſen wenn der Grund der Hand⸗
lung geaͤndert wird, der Koͤrper der Hand⸗
"lung bleibt immer derſelbe. Die Bewun⸗
derung faͤllt nach einer Zergliederung die⸗
fer Urt freylich hinweg. Defto beffer ! mag
ber Maffe der aufferordentlichen Handlun⸗
gen, wie ich mich gerne ausdruͤcken moͤch⸗
te, dadurch von der einen Seite abgezo⸗
gen wird, das waͤchſt von der andern der
Maſſe gemeiner und gleich nuͤtzbarer Pflich⸗
tenentrichtungen zu. Wer auſſerordent⸗
liche Handlungen hervorzubringen bemuͤht
iſt, muß ſich dazu verſehen, nur ſeltne
Folgen ſeiner Muͤhe zu erblicken. Nur weni⸗
ge Menſchen find dazu aufgelegt, ſich über
die Ratur wegzufegen. Aber Handlun⸗
gen, die in der Natur gegründet find,
Ä kom⸗
ohne Borurthbeil. 31.
kommen taͤglich vor, und ſolche iſt man
berechtiget, von jeberman zu fodern.
., FE
U. ben Gefellfhaftegeift unter den
Bliedern der Geſellſchaft anzufachen, was
alfo hat der Etaat zu thun? —
Er hat die Dortheile derfelben gu ver⸗
mehren; das ifl: er hat die Verhaltniſſe,
unter denen fie mit ihm zuſammenhaͤngen
fönnen, zu vervielfältigen. Jede gute
Anftalt, wovon ber Nutzen bis auf das
Einzelne fichtbar wird, jedes Geſetz, daß
die Sicherheit befeftiget, jede Verordnung,
wodurch die Wege der Befchäfftigung aus⸗
geſtecket, ober geebnet werden, jedes Bes
freben mit einem Worte, jedes Beftreben
. eine® Borgefegten „ das Wohl feiner Un⸗
tergebenen zu vergröffern, und dauerhaft
zu machen, legt dann gleichfam einen zu
den Faͤden hinzu, aus welchen das Band
ber Öffentlichen Verbindlichkeit dichter und
dauerhafter wird,
Wäre es wohl unmoͤglich, eine Art
von einen Mafftabe auszufinden, in wie
ferne ber Staat wit feinem Beſtreben bei
"Dee
2». Der Mann
diefem oder jenem Stande feinen Endzweck
erreichen kann ? wäre es unmoͤglich, wie
eine Art von Rangordnung unter ben ver>
fchledenen Ständen, aus welchen dag ge⸗
meine Weſen zufammgefegt iſt, zu bes
flimmen, und den Grad des Wohlmolleng,
bei dem jeder berfelben ordentlicher Weiſe
‚file ftehen wird, vorher zu bezeichnen ? —
Wenn fi) das irgend bei einem angenom⸗
menen Srunbfage vorher fagen läßt; fo
muß es bier feyn, und biefes faͤllt ficht-
bar in die Augen: denn bie Grade ber
Anhänglichfeit für den Staat, find ge-
rade biefelben mit den Graden ber ver-
fchiedenen Verhältnifle , worin jeber
Stand mit dem Allgemeinen ſteht.
Bevor ich meinen Weg verfolge, tft es
nothiwendig einem Mißverftändniffe aus⸗
ubeugen, das in meine fünftige Berech⸗
nung einen ungeheuren Irrthum verbrei=
ten dürfte. Die Verhaͤltniſſe, in welchen
nur einzelne Privatbürger fiehen, und auf
einem gewiſſen Zeitpunfte, auf einer ge⸗
wifien Lage der imftände beruhen ‚um als
les mit einmal zu fagen, bloß perfönliche.
Derhältniffe su Perfonen , kommen bier
nicht in Betrachtung : he böftehen nur
bitte ,
ohne Borurtheil; 33
Gtitweife ; fie find alfo ſchwankend, manche
mal die Frucht der Schwachheit, des Ei—
genfinnes, manchmal ein empoͤrender Bes
weis der gemißbrauchten. Gewalt begöbern, - - °
oder der bis zu der Aufferfien Sühllofige
keit geflählten Gebuld der Untergebenen. " . ".
Ich teil dem abgezogenen Gedanken
einen Körper geben, damit er auch dem ©
bloͤdern Ange fichtbar erfcheine. . In eis
nem Staate, wo das Erbgut des gemei⸗ 5
nen Wohle unter die Bürger mit vaͤter⸗
fichee Unpartheylichkeit vertheilet, und.
jede vorzügliche Gunft durch vorzuͤgliche
Verdienſte gerechtfertiget wird ; in’ einem
Staate, wo e8 ein Lobfpruch ift, ein
Guͤnſtling derjenigen gu feyn , die ihre
Gunſt nicht, mie ber Auswerfer bie
Schaumuͤnzen auf Geradewohl, jeman⸗
den, der es gar nicht vermuthet, an den
Hals werfen; in einem ſolchen Staate
darf man von den Günſtlingen ber Res
genten ohne Zurückhaltung fprechen. -
Sie fönnen freylich nicht in Betrach⸗
tung kommen , wenn ber angenommene
Mapftab in unferen Händen nicht. betrüs
gen fol. Diefe Gattung Mienfchen Fennen
ganz feinen Befellfchaftegeift ; fie find
IV. Theil. € bes
34 Der Mann
des einfachften Begriffs beffelben unfähig.
Die Vortheile, welche die Geſellſchaft ih⸗
nen gewähren fonnte, find unter denje⸗
nigen, mit denen fie die unterfcheibende
Gnade ihrer Fürften überfchiittet, ganz ver⸗
fchrounden. Ihre Eigenlicbe hat alfo auch
den Fleinen Faden gar bald fahren laffen,
um mit beiden Händen die Kette zu faflen,
an ber fie vielleicht nicht ſeltner fchleppen .
als gefchleppet werben. Sie leben alfo
nicht fir die Geſellſchaft; fie leben für
ihren Heren ; fie richten ihre Handlun⸗
gen dahin, nicht jener nüglich, ſondern
dieſem gefaͤllig zu werden.
Da ihre beſonderen und ſo aberwie⸗s
genden Vortheile nicht mit der Geſell⸗
ſchaft, ſondern der Perſon des Regenten
und ſeinem Leben verknuͤpft ſind; ſo hat
auch er nur ihre Zuneigung, ihre Dienſt⸗
fertigkeit, ihre Wuͤnſche. Sie wuͤrden es
mit unentfaͤrbtem Angefichte anſehen koͤn⸗
nen, daß das Gebaͤude der oͤffentlichen
Wohlfahrt zu Truͤmmern gienge, haͤtten
ſie nur nicht zu befuͤrchten, daß die Schutt
auch bie Quelle verſtuͤrzte, aus ber fie
bis hieher To ohne alles Maß zu ſchoͤpfen
gewohnt waren.
Die⸗
ohne Vorurtheil. 35
Dieſes Geſtaͤndniß wird uns in dem
Munde eines Mannes deſto mehr erſchuͤt⸗
tern, ber in eitter von den Ausſchuͤttungen
des Herzens, welche nur unter Leuten von
-”
gleicher Denkungsart flatt finden, feinen
Eharafter in der ganzen, fcheußlichen Ge⸗
ſtalt aufgedeckt hat. Ohne Zweifel war
dieſe Vertraulichkeit nicht beſtimmt, einſt
an das Licht gezogen zu werden: aber die
Vorſicht weis ſich der Werkzeuge ihrer
Zuͤchtigung auch zum Heilen gu gebrau⸗
chen, und in der Zeit, da es ihr gefaͤllt,
zu fuͤgen, daß der traurige Schein des
Irrwiſches, den Wanderer vor dem Sum⸗
pfe warne.
Brief des Marquis Boi...er an
den Grafen von Delap. ..re
Mein Freund!
* Laſen Sie mir noch einige Zeit dieſe
Gewohnheit hingehen, zu der mich unſre
ehmalige Vertraulichkeit wider meinen
Willen hinreißt! Sie haben mir es ein:
geprägt, daß ich in der Stellung, in ber
ich tht ſtehe, und ‚ ber Sie mir ohne
Zwei⸗
F
—
36 Der Mann .
Zweifel Stück wilnfchen, niemandes Freund
ſeyn muͤſſe. Ich hoffe in Furgem, mid)
: von diefer Unanftändigfeit vollends los⸗
zuwickeln —
„Es ift mir gelungen, ih habe den
Menfchen, den Ste wohl fennen, den ger-
fährlichen Menfchen , bei Seite gehoben.
Es war ein fchwerer Kampf — Mit
feiner fogenannten Uneigennügigfeit . und
Freymuͤthigkeit hatte er fich fo feſt gefeßet,
daß ich mich hinter feine eigene Kuͤnſte
zu flüchten nöthig hatte. Ich that eb.
Ich ſchlug einige Kleine Vortheile aus:
man fprach von meiner Uneigennigigfäit |
Ich fprach Hffentlih von... und von.
die nicht fehr geliebt find: das ifl ein
Mann , der feine Meinungen nicht
verPleidet : hörte ich hinter mir im Tone.
bes Beifalls zifchen. Das war ein
Schritt. ch that bald den zweyten. Ich
verfah vorfeglich in einem mir aufgetra=
genen Gefchäffte etwas, wodurch die eine
Parthey in einen Fleinen Schaden geſtuͤrzt
"ward. Nach einigen Tagen wird biefe
Parthey zu mir gerufen. Mein Here!
rede ich fie an, es thut mir Leid, daf
in ihrer Angelegenheit etwas verſehen
wor⸗
ohne Vorurtheil. 37
worden : ich habe mir den Vorwurf zu
machen. Dergeben Sie mir! wir find
Menſchen: die Unfehlbarteit ift unfer
Zoos nicht; aber ein reölicher Mann
muß feinen Sebler gefteben, und, wenn
er fann, ihn wieder gut machen ; fonft
wird fein Sebler Lafter — Hier langte
ich ein Roͤllchen mit funfzig Luisd'or her⸗
vor — So groß, fuhr ich fort, wird un⸗
gefdhr der verluſt ſeyn, den Sie durch
mich erlitten haben: nehmen Sie! ver⸗
geſſen Sie ihn! und ſeyn Sie mein
Zreund! Ehe er ſich von feinem Erſtau⸗
nen erholen konnte, war ich verſchwun⸗
den.
„Ich hatte die" Perſon zu dieſem Auf⸗
tritte vorſichtig gewaͤhlet: ſie war aus
der Kamer des Koͤnigs. In wenig Tagen
gelangte es bis an ihn; und nothwendig
mußte es fuͤr mich eine vortheilhafte Mei⸗
nung erwecken. Ich beklagte mich gleich⸗
wohl gegen den, welcher mir dieſen Dienſt
erwieſen, daß er dem Könige mein Vers
ſehen nicht verſchwiegen hätte. Dem Kö⸗
nige, verfegte er, müflen folche edel-
mütbige Sandlungen, und diejenigen,
:€3 . wel
28 . Der Mann
welche derfelben fähig find, nicht. uns
befannt bleiben! „,
„Ohne Zweifel! und bag war meine
Abſicht. Ich übte nun meine Freymuͤ⸗
thigfeit gegen ben aus, an bem andre
fie ſo ſehr bewunderten; und da ich dag
gute Vorurtheil, fo der König von mir
hatte, zu nügen wußte; fo machte ich
Über dag Berragen des. . . Anmerkun⸗
gen, die in dem Munde eines andern
Tadel wuͤrden geheiſſen Gaben ; aber in
dem Munde eines Menfchen, der mit fo
vieler Selbftverläugnnng eine Role mit
50 Louisd'or hingeben, und feinen Feh⸗
ler geftehen fonnte ; in meinem Munde
hieſſen fie Reblichfeit und Ueberzeugung. -,
„So machte ih den Grund, auf
dem ber Kolloffus errichtet war, erft von
Herne nur ungleich ; dann entzog ich da⸗
von mehr und mehr ;. bis eg mir endlich
nicht mehr ſchwer fiel, dem Sinfenden
ben legten Stoß zu geben — „
„ Doch die Gefchichte der wechſelwei⸗
fen Untergrabungen ber Höflinge iſt Ih⸗
nen feine unbemwanberte Gegend. Ich
war glücklich; ich Habe den Poſten, den
mein Vorfahrer durch Tugenden ermwor:
ben,
ohne Borurtheil. 39
Sen, durch den Schein berfelben behaup⸗
tet. Defto beffer! fagen Sie ohne Zwei⸗
fel; fo ift der Genuß davon von einem
weiterem Umfange : denn Gewiſſen und
wahre Reblichfeit machen ven Kreis befs
felben fo enge, daß es ber Muͤhe nicht
Iohnte, ein Guͤnſtling bed Negenten iu
‚fen. „
„ Sie follen mir nun ben Plan meir
ner fünftigen Aufführung entwerfen! Sie
find zwar in ihrem often verunglüder :
aber ich will die Klippen, ber ich auszu⸗
beugen habe, eben von einem Schiffer
bemerfet haben, dem fie feine eigne Ge⸗
fahr näher gegeiget. bat. Ich wuͤrde Ih⸗
nen noch andre Gründe, Sie zu bewegen
anführen, Verheiſſungen, Dankbarkeit u.
ſ. w. Aber Sie kennen dieſe Woͤrter in
dem Munde eines Mannes von unſerer
Denkungsart, und mehr noch eines Mans
nes an meinem Stanborte; fie beiffen fo
wenig als die gewöhnliche Unterzeichnung
der Briefe Ä
Ahr umterehänigfter Dr.
Marquis Bot..er.
C4 Ant⸗
+ - Der Mann
Antwort des Grafen Delav . ‚re
> Noch eine Umarmung! und bann
entfagen Sie auf ewig biefen Fleinen
PBertraulichfeiten , wo nicht befondre Ger
weggruͤnde biefelben rechtfertigen. Sie
ſehen, ich gehe ohne lange Umſtaͤnde, von
Gluͤckwuͤnſchen, von Erhebungen ihrer
Verdienfte, zur Sache felbft über. Der,
verdient allemal den Platz des Guͤnſtlings,
der ihn zu behaupten weis. „
„ Denfen Sie aber nicht, daß Sie
von nun an zu niemanden, mein Sreund !
ſprechen, niemanden in ihren Umarmuns
gen den Athem kurz machen dürfen. “Dies
fer Ausdruck giebt Yhnen das gewiſſe
Neufferliche der Leutfeligkeit, das fehr zu -
ihrem Vortheile einnimmt: die Worte
Sreundfchaft,, Dienfifertigkeit, Erge⸗
benheit, muͤſſen Ihnen unendlich geldu-
fig werden! vor der Sache nur, daß Sie
fi zu hilten wiſſen!
„ Aber auch felb vor Woͤrtern ger
gen gemiffe Leute! Gegen biejenigen ,
welche Geburt, Umflände, Rang und Be-
bienung tief unter Ahnen hält, gegen die
Ä er⸗
I
ohne Borurtheil. 41
erlauben Sie fi ohne Bedenken das
freundfchaftlichfie Betragen , die vertraus
lichten Ausdruͤcke! Sie werden Ihnen
dieſes als eine Herablafiung in die Rech⸗
nung bringen. Der Eitelkeit folcher Leute
soird durch ein natürliches Auflehnen auf
ihre Schulter, oder, wen Sie befonderg
unterfcheiden wollten, durch Einhangen in
den Arm fehr geliebfofet ; beſonders, wo
andre dieſe Anterfcheidung wahrnehmen
mögen : denn fie berechnen ihre Annäherung
zu dem Sürften, nach dem Grade ber Ans
näherung zu feinem Lieblinge. „,
„ Mit den Groffen haben Gie dieſe
Freyheit nicht. Dieſe wuͤrden ihrer Leut⸗
ſeligkeit die verhaßte Wendung einer De⸗
muͤthigung geben; oder wenigſtens ſich
mit Ihnen in gleichen Rang ſtellen. Nein,
Marquis, der Unterſchied zwiſchen beiden
ſey immer auf das in die Augen fallendſte
bezeichnet! freuen Sie ſich jeder Gelegen⸗
heit, wo Sie ihnen den Zwiſchenraum,
durch den ſie getrennet werden, ſichtbar
machen fönnen. „,
„» Die Kamer ihres Gebieters, lieber _
Marquis! muß ganz für Eie feyn. Die
Handgriffe, dieſer Leute ſich zu verſichern,
65 ſind
42 Der Mann
find leicht, aber unentbehrlich : denn uns
ter ihnen erfcheint der Zürft ale Menſch/
ber den Pomp von fich leget, und ſich
‚frenet, fein Herz mitzutheilen, und feinen
Meigungen und Schwachheiten ben freyen
Gang zu laffen, die er vor den Augen
ber Menge forgfältig zu vermänteln hat.
Diefer menfchlichen Augenblicke muͤſſen
Sie fih ganz bemeiftern! es find fonft
bie gefährlichften für Ste. Ein Wort
wider Ste machte bier mehr Eindrud,
als ganze Philippifen,, welche gegen Sie
gefchrieben, und deflamirt werben, und
fo ein Wort iſt bei der wechfelmeifen Aus⸗
ſchuͤttung des Herzens fehr Teiche entfah⸗
ten. Es fen niemand um ihren Herrn, ber
nicht auf irgend eine Art in ihrem Solde
fiehe, ber ihnen nicht irgend wofuͤr ver--
bunden wäre, oder menigftend von ihrer
Hand ehftens eine Wohlthat zu erwarten
babe. Xernachläffigen Sie biefe Erine
nerung nicht als unmichtig! ich habe mich
gegen die Vorſtellungen einer anfehnlichen
Landesftele erhalten: mein Sturz mar
bie Folge eines Sefprächs, fo man hielt,
soährend der König einem ber ungele-
gen-
ohne Borurcheil. 43
genfien Bedlrfniffe ber Natur Genuͤge
that. *) »
„Ich kann dieſe Zmoifchengeit nicht
verlaſſen, ohne fie Ahnen noch einmal
auf das nachdruͤcklichſte su empfehlen.
Sie ift ſchwer auszufüllen : denn ber
Herr bringt oft feinen Unmillen aus ben
Gefchäfften mit; und er will für den
Verdruß, den er anbermärtis empfieng,
hier entweder fchabloß gehalten werben,
ober er hätt fich felbft ſchadlos dadurch,
daß er ihn allen empfinden läßt, bie fich
ihm nähern. Legen Sie alfo immer et-
was von benjenigen Zerfireuungen bei, _
auf welche bie Leidenfchaft des Fuͤrſten
am begierigften fälle, um es zur beques
men Stunde hervorzulangen; ein befon=
dere Stuͤck Wild , wenn er bie Jagd
liebt, eine Sängerinn, wo Ihn bie Fer⸗
‚ tigfeit der Kehle ergoͤtzt, eine Schilderey,
100
*) In den franzbſiſchen Originalbrief ſteht Hier
ein ſehr natürlicher Ausdruck, der in ei=
nem Schreiben von zween fo vertrauten Man⸗
nee hingehen Bonnte , mit welchem aber
der Weberfeger die. Ohren feiner Leſer gu
fhonen , und alſo dafur die Heine Ums
ſchreibung zu fegen, fich verpflichtet hielt.
4 Der Mann
soo er ben Künften hold iſt, ein ſchoͤ⸗
ned Weib, eine Beftellung, wenigſtens
ein Handbriefchen, mo «er ein empfind⸗
liche8 Herz bat! Sie wiſſen ed, mas
unter diefen bei den Nachfolgern des Ca⸗
petus am ficherfien wirkt. Die Lieblinge
und Lieblinginnen von Frankreich haben
auch immer ungetrennte Vortheile gehabt.
„. Der Fürft wird einen Mann, ber
ſich feinen Neigungen mit Hergbaftigfeit
toiderfegt; wo biefelben bem genau erwoge⸗
nen Öffentlichen Nugen entgegen fteben, er
wird ihn ſchaͤtzen, aber Lieben wird er ihn -
nie. Ste — laſſen die falte, und un⸗
fruchtbare Sochachtung des Monarchen,
wen darnach lüfter. Sie mollen feine
Liebe. Ihr Nachdenken ſey alfo, feinen
Hang bei jedem Vorfalle aussufpähen,
und nach einem gefchickten Borfpiele immer
die Saite zu rühren, die ihm die ange:
nehmfte if ! „,
„ Manchmal geben Sie ihre Meinung
fogleih für dag, wohin fie vermutben ,
daß feine Neigung ihn leite! manchmal
feyn Sie auch mit Vorſatz gerade ber ent:
gegengefegten. Aber wiſſen Sie in ber
Zeit nachzugeben, und auf feinen Weg
| ein⸗
ohne Vorurtheil. 4
eingulenken! Im .erfien Falle fchmeicheln
Sie feiner Eitelfeit, da Sie gleihfam
feiner Einficht huldigen; im zweyten wird
er Ahnen für ihre Gefaͤlligkeit Rechnung
halten. FR ,
„ Und das allein muß auch ihre Ab⸗
ſicht ſeyn! Laſſen Sie die unbeugſamen
Kloͤtze mit ihrer altvaͤterlichen Denkungs⸗
art ſich immer groß duͤnken, und von ih⸗
ren Zeitgenoſſen, und wenn Sie ſo wol⸗
len, den Nachkoͤmmlingen bewundert wer⸗
den, welche durch eine uͤbelangebrachte
Freymuͤthigkeit ihr eignes Beſte verwahr⸗
loſen, und der Neigung ihrer Gebieter
gerade entgegen handeln, weil es das
Allgemeine ſo erfodert. Gleich als waͤre
das Allgemeine etwas fuͤr uns, wenn
unſer Beſonderes nicht davon einen Theil
ausmacht? und, gleich als koͤnnte dieſer
oft kleine, oft ganz unmerkbare und un⸗
gewiſſe Theil neben dem groſſen und zu⸗
verlaͤſſigen Vortheile wahrgenommen wer⸗
den, den uns eine leichte Gefaͤlligkeit,
eine kleine Verlaͤugnung unſrer Einſicht,
oder wenn Sie glauben, eine kleine Heu⸗
cheley, von der Hand des erden gel⸗
ten lann? |
n Ser
46 Der Mann
„ Ferne, gluͤcklicher Marquis! wo⸗
ferne Sie dieſes Gluͤckes Meiſter zu feyn
wiſſen, ferne alle DBebenklichfeiten von
Vaterland, Staat , Pflicht , Ueberzeu⸗
gung ! Sie haben nur eine Pflicht |
ſich felbft alle die Wohlthaten zu verfis
chern, die Sie können: und auch dieſe
Pflicht hat nur ein Geſetz — denjenigen
zu gewinnen, von deſſen Hand Sie der
Fuͤlle und Ueberſtroͤmung biefer Wohltha⸗
ten verſichert ſeyn koͤnnen. Dieſer, oder,
wie man unter Leuten von unſrer Den⸗
kungsart wohl ohne Verbluͤmung fprechen
mag, the Vortheil ift Ihnen Vaterland
und Staat. Nichts kann überzeugender
ſeyn, als daß man fich felbft alles Gute
ſchuldig if, wo man fich folches verſchaf⸗
fen fann. „
+ Daher, von dem Augenblicke an,
als Ste in die beneibere Stelle eines
Guͤnſtlings getreten find, machen Eie fi
von allen Beziehungen frey, melde ihre
Anftrengung zerfireuen , roelche ihre Red⸗
lichkeit fodern , welche die Srundfäge ih»
res gegenwärtigen Standortes durchkreu⸗
gen; mit einem Worte, fagen Sie fi
von allen Verbindlichfeiten frey, welche
She
ohne Borurtheil. 47
Ihnen eine andre Art zu benfen und zu
handeln auflegen duͤrften, als bie einzige,
bie fih mit ihrem Wohl verträgt: ihrem
Herren unbedingt zu Willen feyn, da:
mit er auch Ihnen uneingeſchraͤnkt
willfebre, „.
. Sein Wohlftand nur fey ihr Palla⸗
dium ; und alle Angelegenheiten , ale
Veränderungen, welche mit dem gemeinen
Weſen vor fich gehen, find für Sie gleich:
gültig, in foferne die Schugfdule Ihre.
Gluͤckes unbewegt bleibt. Wenn eg moͤg⸗
lich iſt, daß ihre Mitbuͤrger Sklaven,
und — *) | |
» Doch Ste verfichen mich: Ste wer:
den von nun an ohnehin fich fehr daran
gewoͤhnen miffen, aus zwey Wörtern bie
ganze Reihe, aus einem leichten Winfe
den Willen besjenigen gu errathen , an
deſſen Seele ihre Seele hänge, und mit
deſſen Schieffale ihr Schickſal unabſoͤn⸗
derlich verflochten iſt, wenn Sie anders
be⸗
Die Stelle, die hier wegbleibet, war zu
hartklingend und unverſchämt: ich habe
daher dem Zuſammenhang durch einige
Vorte nachzuhelfen gefucht.
438 Der Mann
behutfamer als ich und burch meinen
Sturz gewarnet feyn werben. Ich will
Ihnen die Urfache deffelben aufrichtig mit-
theilen. Es fol, um ihre Gleichniß mir
gu Nußen gu machen, eine Tonne fen,
die mit einem Stricke an der überfloffenen
Klippe befefliget, auf dem Waſſer fpielet,
und fie vor ber berborgenen Gefahr
warnet.
„ Ein Mann, ber das Ungläc hatte,
bem König lange fhon zu mißfallen,, an
dem ich aber eben ſo ungluͤcklicher Weiſe
mich nicht erwehren konnte, ſehr in die
Augen fallende, und ſeltne Eigenſchaften
hoch zu ſchaͤtzen, gab endlich ſeinen Fein⸗
den eine ſehr ſcheinbare, und ſehr ſehn⸗
lich gewuͤnſchte Bloͤſſe, ihn bei den Mo—
narchen vollends zu Grunde zu richten.
Er erhielt Befehl, ſich vom Hofe zu ent⸗
fernen. Er nahm ſeine Zuflucht zu mir.
So ſehr der Schein wider ihn war, ſo
ſichtbar bewies er mir ſeine Unſchuld, und
bewog mich, fuͤr ihn zu ſprechen. Doch
ſeiue Feinde hatten ihn ohne Wiederkehr
zu Grunde gerichtet, und anſtatt ihm zu
nutzen, machte ich mich ſelbſt bei dem
Herrn verdaͤchtig und ehe, Die Kalte
ſin⸗
ohne Borurtheil. 49
finnigfeit, womit er mich von fich wies,
ließ mir bald ale Folgen dieſer Unbe⸗
dachtſamkeit einfehen, bie nicht lange aus⸗
blieben, und legtlich meine Beurlaubung
nach ſich zogen. „,
„ Marquis druͤcken Sie fid zum '
Schluſſe diefe Lehre feft ein! fprechen Sie
für Menfchen, die belicht find, und von
denen Sie vorherfehen,, baß ber König
fie zu begänftigen geneigt if! Das. ift
das Mittel, fich Leute zu verbinden, ohne
bie Gnade feines Herrn abzunigen. Hi:
ten Eie fih aber fehr , jemals auf der
Seite des Elenden zu feyn ! überlaffen
Ste ihn feinem Schiekfale ! der Elende iſt
am Hofe immer verhaßt , fonft wäre er
nicht elend — Und dann bedenfen Sie,
daß Sie auf beiden Seiten gu viel zu
verlieren haben. Retten Sie ihn nicht,
f6 bat man einen Beweis, daß Sie nicht
ber Allvermögende find, für den angefehen
zu werden, Ihnen fehr daran liegen muß;
aber tft ihre Vermittelung glüdlih , fo
wird eine, nicht Ihnen ermiefene Gunft
doch auf ihre Rechnung gefchrieben: und
glauben Ste, ein ewiger Gnabenmerber
wird zulegt als ein Ungeſtuͤmer vermie⸗
IV. Tbeit, DD .. dm
her) “
*
50 Der Mann
den. Die Gnabenquelle des Fuͤrſten iſt
nicht grundlos. Der Sünftling muß fo
vorfichtig ſeyn, fo wenig als möglich) da⸗
son am andre abzuleiten, bamit er für
fih und die Geinigen fchöpfen möge,
ohne anf den Sand zu kommen. Ich bin.
u. f. w. |
unterthänig gehorfamer
Graf Delav..re. -
DE rn
Meridien, die wie Boi..rs und fein
Rathgeber denken, müflen immer als eine
Ausnahme betrachtet werben, wenn die
Stufen der gemeinen Antheilnehmung
berechnet werben.
Und es giebt noch eine andre Gattung
Menfchen, die allen Bemühungen, ben Ger
fellfchaftegeift in ihnen rege zu machen,
ſtets trogen werben. Man wird fie fennen
fernen, fobald man bie mancherlei Verbält-
niſſe wird überfehen haben , welche bie
bärgerlichen Gefelifchaften vereinbaren —
Here der Natur! eben fo weis im Er⸗
halten, als allmächtig im Erfchaffen , du
gehſt zu deinem Zwecke durch ein in,
v
ohne Borurtheil. 51
fo des Lebens mächtigfte Reizung wird,
"und beine Geföpfe glücklich machet, ins
dem es fie durch Jahrtauſende verewiget.
Wer taucht den Kiel des Schriftſtellers in
Flammen, ber dih, Liebe! fchildert,
‘wie du in den Herzen zwoer fühlbaren
Seelen entfiehft , wie dich Winfche und
Sehnſucht beim Urfprunge begleiten, wie
"Hinderniffe dich deſto Eräftiger anfeuren,
und Schtöierigfelten ſchmackhafter machen;
‚wie du aus ben Augen, aus ben Gebehr⸗
‘den vernehmlich fprichft, in jeder Hand»
fung bich offenbarefl ; wie beine unwider⸗
ſtehlige Kraft ohne Unterlaß nach dem ge:
wählten Segenftande binreißt, bi Ge⸗
genliebe dich befeliger , und bie. fanftfte
Vereinignng beine Wuͤnſche kroͤnet! —
Vergebens wird ſich hier Einbildung an
die Stelle des Gefuͤhls ſetzen: der dich nur
gedacht, nie empfunden hat, wird dein
Bild entweder durch eine froſtige Steife,
oder durch eine verzehrende Hitze und wil⸗
des Brauſen verunzieren.
Ungluͤcklicher, dem die Natur des Le⸗
bens reinſte Luft, ein fühlbares Yerz
verfager, dieſe Hitze, dieſe Steife iſt fie
wär, die Liebe! du zeichneft in der einen
Da NM
52 Der Mann
ihre tyranniſche Mitwerberinn, die der
ſanften Schweſter den Zepter uͤber die
Welt ſtreitig machet — die zuͤgelloſe Lei⸗
denſchaft, die nicht an dem Blumenbande
des Vergnuͤgens zu dem Gegenſtande ih⸗
res Verlangens hinleitet, die an diamant⸗
nen Ketten dich hinſchleppet; nicht zu einem
folgſamen Aufwaͤrter, ſondern zu einem
elenden Leibeignen dich machet; der Freu⸗
den, die jene gu gewähren wuͤnſchet,
Zerftöhrerinn , in beren Gefolge Reue,
Betrug, Untreue, Trennungen, Verach⸗
tung , oft der Tod und bie Verzweiflung
wandeln, die den. Untergang ber Welt bes
fördern würde, wäre die Welt ihrer Bots
mäffigfeit unterworfen —
Oder du zeichnet in der andern bie
feellofe Popanze, das ungelenffame Wefen,
bas Stuͤckwerk des Eigennuped und ber -
SZamilienabfichten, das, dem grünen Holze
ähnlich , Wolfen von Rauch ohne Flam⸗
me auffchlägt; wo bei den Sörmtichfeiten
der heiligften Betheurungen, die der Mund
ausfpricht, das Herz nicht erwaͤrmet wird,
100 die Bewerbung ein Veberfchlag , und
die Einwilligung ein Kaufvertrag, wo bie
Haushaltung eine gemeinfchaftlihe Mies
| a e,
ohne Vorurtheil. 53
the, und daß wechſelweiſe Liebkoſen ein
Feyertagsgepraͤnge iſt; wo bie Kinder
Pfaͤnder der Pflicht, nicht der Zaͤrtlichkeit
werden, und ihr Daſeyn gewuͤnſchet wird,
weil ein Erbe der zuſammgebrachten Si:
ter nothwendig if —
Nur.der, den die Erdebeglückerinn
Denus geroürbiget , in fichtbarer Geftalt
ſich ihm zu zeigen, ihr Liebling, ift fähig,
die Bildfäule zu vollenden, die in bem
Tempel von Gnidus den tugendhaften
Sterblihen zur Huldigung aufgeſtellet
werden ſoll.
Ein Mädchen, ſcheu wie ein junges
Reh, ſittſam, wie eine nur erſt geborſtete
Roſenknoſpe, heiter und lieblich wie die
im Fruͤhlinge ſich verjůngernde Natur — ſo
ein Maͤdchen geht bei dem Juͤnglinge vor⸗
über, Ahr Auge, woraus Unſchuld und
gauterfeit der Seele lächelt, ſieht ihn an,
und furchtſam faͤllt ihr Blick danieder.
Aber ein Trieb, deffen Kraft fie übermwäl:
tiget, und von dem fie nicht ungerne ſich
übermwältigen läßt, hebt ihn wieder empor,
richtet ihn abermal auf den Süngling ,
beffen dreifteres Aug von ihr befländig
unabgewendet blieb. Ihre Blicke begeg⸗
D3 nen
⸗
54 Der Mann 7
nen fich. "Der Juͤngling frohlocket, daß
das reisende Mädchen ihn bemerfet. Das
Mädchen erroͤthet; aber auch ihr pochet
dag Herz mit fehnellen Freubenfchlägen,
daß der Juͤngling fie fo aufmerffam be⸗
trachtet. Ihre Schritte werben, ohne ihr
Bewußtſeyn, langſam, um noch eine Weile
in dem Angefichte. des Jünglings zu ver—
barren. Ihm entroifcht das Zaubern bed .
Mädchens nicht, dag er ald eine gufe
Vorbedeutung anſieht, und vielleicht, als
bie erfie Gunft, womit es feinen Bin
fchen entgegen geht.
Nun find fie wechfelmeife ihren Blicken
entzogen. Aber wechſelweiſe hat ihr Bild
ſich ihrem Gedaͤchtniſſe, tief hat. es ihrem
Herzen ſich eingedruͤcket — O, fpricht der
Juͤngling mit regem Triebe. zu dem er⸗
ſten Geſpielen ſeiner Jugend, der ihm
entgegen koͤmmt — © welch ein Mäd—
chen ſah id) heute! welch ein Mädchen!
das fchönfte, fo jemals meinem Blide
entgetten kam, das fittfamfle — und,
Sreund! esmuß auch das tugendhaftſte
Mäschen fepn! ich wünfche es, und
mein Yerz fagt mir gut dafür, daf ich
nicht vergebens wünfche, So war die
| Ge⸗
ohne Borurtheil, 55
Geſtalt des Maͤdchens — und hier ma⸗
let er mit dem ſichern, aber auch ver⸗
ſchoͤnernden Pinſel der Liebe ſeine Ge⸗
ſtalt — Kennſt du es — ſagt er dann —
dieſes göttliche Mädchen — Ihm zau⸗
dert die Nacht, die ſeine Geliebte ihm in
Traume wiederzeigen wird; ihm zaudert
der Tag, an dem er ſie aufſuchen will,
an dem er ſie zu finden hoffet. Fuͤhre du
ihn an der Hand begluͤckende Liebe! da⸗
mit er bag reizende Mädchen bald finde,
bald wiederſehe!
Damit auch das Mädchen ben ſchoͤnen
Juͤngling wiederſehe! Schoͤn fand fie ihn:
obgleich ihr furchtfames Aug ihn nur ver⸗
ſtohlen anzubliden wagte , fo hatte fie
nicht weniger ihn liebreisend gefunden.
Mädchen fehen gefchmwind und richtig.
Aber fie durfte die neuen Empfindungen
niemanden anvertrauen: faum wagte fie,
da fie allein war, einen Blick in ihr Her.
Kaum — aber fie wagte ihn doch, und.
fand darin den Juͤngling mit allen Ans
giehungen der Liebe. Edel war fein
Wuche, fagt fie mit ungesffneten Lippen,
um nicht behorcht gu werden, edel feine
Mine; und auch feine Seele, mein
Ds Herz
56 Der Mann
.Serz ſagt es mir, auch feine @eele
“ gleiche feinem Gerzen. Und leifer noch,
als diefen Lobſpruch des Yılglings , fagt
fie, denkt fie nur ihren Wunſch: der,
dem fie einft beflimmet wäre, möchte
diefem edeln Jünglinge gleich feyn —
Der geheimgehaltene Wunfch des feh-
nenden Mäpchens verändert inbeffen ihre
Munterfeit in ein nicht weniger reizendes
Schmachten — eine Rofe , die bei der.
Hitze bed Tages ihr mattes Haupt ſen⸗
fe. Die eltern nehmen die Spuren
auf ihrem blaffenden Angefichte wahr,
und find für das geliebte Kind beforgt,
und waͤhnen hundert Urfachen diefer Ver⸗
änderung, und fuchen hundert Ergäglich-
feiten, ihre Munterfett wieder berzuftels
len. Vergebens! alle Sreude tft ihr un-
gefhmad, aller Umgang sur Laft: einfam,
kann fie wenigſtens ohne Stöhrung an
ihren Juͤngling denken.
Wie lange noch, ſagt endlich die
Mutter mit liebvollem Ernſte, wie lange
ſoll deine Traurigkeit dich und uns
verzehren du begleiteſt mich heute
Abends, um in der Geſellſchaft dich
zu zerſtreuen. Das beſte Mädchen weis
nicht,
ohne Borurtbeit. 7
nicht , Ungehorfam durch Borftelungen
zu bemänteln ; fie wird die Mutter bes
gleiten; aber, fie denft, auch ihr gebeis
mer Sram fie —
Du irreft, liebes Kind! der Eintritt
in den Befuchsort zeiget dir deinen jun⸗
gen , unvergeßlichen Freund. Die Liebe
dat feine Echritte Hieher geleitet, um euch
beide zu ihren Günftlingen gu machen.
ie viele vergebene Bänge mußte er thun,.
ebe ihm feine Mühe, feine Nachforſchun⸗
gen durch dieſe gluͤckliche Begegnung ſo
reichlich belohnt wurden. Eure Augen
begegnen ſich; eure Wangen faͤrben ſich;
und jeder lieſt in dem Antlitze des andern
das Erſtaunen, das Vergnuͤgen, ſich hier
zu treffen; jeder erraͤth aus den zufrie⸗
denen Blicken des andern, wie ſehnlich
gewuͤnſcht ihm dieſe Zuſammkunft muͤſſe
geweſen ſeyn. Nun dann, ſo werdet
ihr euch ſprechen; fo wird ber Juͤngling
feine Liebe beredtfam ſchildern; fo wird
das Maͤdchen durch fittfame und nicht
weniger beredte Blicke, dag Geftändniß
ablegen können, daß er ihrem Herzen nicht
minder heuer if.
DS Die
8 Der Mann
Die ſorgfaͤltige Mutter nimmt bie
Veränderung ihres werthen Mädchens,
fie nimmt auch die Aemſigkeit des Juͤng⸗
lings um daffelbe wahr; fie erräth bald
das Geheimniß , das ihr bie Gefchichte
ihres eigenen Herzens erneuert. Das La⸗
ſter nur Bat duͤſtre Schlupfmwinfel gu ſu⸗
chen: eine Liebe, auf Empfindung und
Zugend gegründet, darf den hellen Tag
nicht ſcheuen. Auch will der entzückte Lich-
haber feine Flamme nicht geheim balten.
Er bat in dem Geifte feiner Geliebten , in
ihrem anmuthvollen Betragen die Recht:
fertigung einer Neigung gefunden , die
ehehin nur bag Werk ihrer Eörperlichen
Reize war.
Und er, wie ſehr iſt er der Zaͤrtlichkeit
ſeiner Geliebten werth! ein eben ſo be⸗
ſcheidener, als dringender Liebhaber, zieht
er die Augen der Geſellſchaft auf ſich, und
den Neid aller Maͤdchen auf den Gegen—
fand feiner Nemfigkeit. Gab die männ-
fiche Geſtalt, und feine fittlichen Vorzuͤge
ihr eine Entſchuldigung, daß fie ihn fo
gelaffen anhoͤrte, fo war ber Sieg, ben
fie über ihre Sefpielinnen davon frug ,
ihrer Eitelfeit nicht weniger ſchmeichelhaft.
| Die
ohne Borurtheil. 59
Die Mutter wird bald die Vertraute
der Tochter; und ſoll auch immer die ein⸗
zige Vertraute derſelben ſeyn! Der Zu⸗
tritt ward dem Juͤglinge in das Haus
der Geliebten nicht erſchweret. Sie ſahen
ſich im Angeſichte ber beiderſeitigen Ael⸗
tern taͤglich, und beſtaͤttigten ihre wech⸗
ſelweiſe Hochachtung taͤglich durch neue
Eigenſchaften, welche an. Tag gu legen,
beiden Zeit und Umftände bie Gelegenheit
anboten. Ihre Liebe fchmachtete nach eis
ner untrennbaren Bereinigung.
Beide Verwandtfchaften fhäßten fi ch
gluͤcklich in dem Gluͤcke, daß die Ehe die⸗
ſem Paare zu verſichern ſchien. Aber um
gar keinem Zweifel Raum zu geben, ward
vorſichtig fo viele Zeit vorüber gelaffen.,
als erfodert wird , bie geheimeren Nei—
gungen zwoer Perfonen auszuforſchen, die
nicht immer in ber. Geſtalt der Liebhaber,
die füch fehr oft in ihren Menfchenftunden
ſehen, und auch ihre wechſelweiſen Swach⸗
heiten übertragen müffen. Das Mädchen
hatte Gelaffenheit und Sanftmuth genug,
die Hige , die ihren Liebhaber mandımal
übermältigen würde, . gu ertragen, und
zu mäffigen ; und er, hatte Selbfiverläug-
nung
6e Der Mann
nung genug, wenn das Aufbraufen vor⸗
über, feinen Fehler fich nicht zu verhoͤlen,
und ſich zu bemühen, ihn abzulegen.
Die Seele des Mädchens war helle
wie die Dberfläche einer ſtillen Duelle. Die
Fleinen Wirbelchen, welche manchmal diefe
Oberflaͤche verwirrten, waren nicht ihre
eignen, fondern die ihres Geſchlechts.
* * *
©, hatte die Vorſicht das Paar fir
einander beflinmt. Die eltern legten
unter dem Gchuge des Himmeld, und
ihrem Segen bie Hände ihrer Kinder in
einander, ben Wink der Vorſicht in Er:
fuͤllung zu bringen.
Könnet ihr euch die Bernichtung vor-
fielen, in, welche ihrem Wunfche über:
laffene Herzen für alles, was fie umgiebt,
verfallen, um einzig, um ganz dem Ver⸗
gnuͤgen anzugehoͤren, für das fie allein
Gefühl Haben? — Truͤget euch nicht, ihr !
bie ihr ehliget, um eure Leidenfchaft gu
befriedigen, und in der Befriedigung der⸗
felben die Liebe zu toͤdten, trüget euch
nicht! diefer wilde Taumel des Vergnuͤ⸗
gend, ber euch Faum durch einige Stun:
den
ohne Borurtheil. 61
den wirbelt, da er euch, zu bald ermuͤdet
dahin wirft, dieſe zu heftige Spannung
der Begierde, die das Herz nicht lang
anshält, weil fie zu gemwaltfam iſt, biefe
war ihr Zuftand nicht.
Die Hand der Angetrauten feſt in feis
ne Hand verfchloffen, ſeht ihn, unbewegt,
mit unerfärtlichem Auge auf feine Sattinn
blickend, fiten! hört ihn nach einem be⸗
beutendem Stilifchweigen endlich in dieſe
Worte ausbrechen — Ich befige Sie al-
foy ich befige dich — gleich, ald wag⸗
te er 68 nicht, den Gedanken ganz Plag
zu geben; fie fey fein Sur, gleich ale
wagte er ed nicht — Aber bie Neuver-
lobte entlediget ihn alles Zweifels durch
einen feurigen Kuß. Die blöden Maäd—
Ken find bershaft , fobald fie getrauet
find. Dieſe Veränderung ligt in dem
weifen Plane ver Natur. Die Blödigfeit
des Mädchens fchärfet die Wünfche, die
Sehnfucht des Juͤnglings: aber die Ehr- _
- erbietung , welche eine fittfame und tu⸗—
gendhafte Werlobte um fich herum ver-
breitet, toürde dem Wunfche bes Mannes
zu lange entgegen ſtehen, hätte nicht bag
theure Seſchopf den regen Trieb, ihm
durch
62 Der Mann
durch ihre Liebkoſungen vorzukommen, und
ihn gleichfam aufzufodern.
Sie ladete durch die liebenswuͤrdigſte
"Vertraulichkeit ihren zurückhaltenden Mann
zur Ausſchuͤttung feines Herzens ein. Und
‚nun drängten fich feine geheimften Gedan-
ken hervor ; nun firömten feine Lippen
von Liebe über — © thaure Gattinn!
ſagte er , feinen Kopf an ihren Bufen
Ichnend, fo bat die Vorficht unfer Ge:
ſchick denn vereinbaret! fo hat es mir
die füfle pflicht auferlegt, für dich zu
ſorgen! wie gütig weis ſie uns die
Bürde unſrer Bemühungen zu erleich-
tern ! welche Arbeit wird meine Kraͤf⸗
e übertreffen , meine BebarrlichFeit
ermüden, wenn ich denken werde, ich
"arbeite für Sie! — für dich — Zwey-
fach werde ich jeder Freude genieflen:
"denn du wirft mir mir dich Freuen —
"und auch der Schmerz — denn, Liebes
Kind! Sreude und Schmerz find wech-
felweife in unfer Leben eingeweber —
aber durch dich wird der Schmerz fei-
ne erbe verlieren. Ihn werde ich, ich
: werde alles, was mir Unangenehmes
wiederfaͤhrt, in dem Schoofle der teil:
neh:
ohne Borurtbeil. 63
nebmenden Gattinn ausſchütten: mei-
ne Wange wird durch eine Thräne dei⸗
nes zdrtlichen Mitleide beneget were
den, und diefe Thrane wird meinem
Kerzen Balfam ſeyn. Vielleicht aber
‚werde ich auch den Schmerz doppelt .
"empfinden ; meinen, und dann in dir —
Doch felbft diefe Empfindung wird Wol⸗
"Iuft für mich, für uns ſeyn — Eine
"Zähre, welche das weichmüthig gewordene
Mädchen, zum Pfande feiner Antheilneh-
mung, vorhinein flieffen ließ, hielt den
Mann in Mitte feiner Betrachtungen auf.
Er fab, eben fo gerührt, fein Gluͤck in
dem umwoͤlkten Auge, und beide ſchwie⸗
sen, weil eine angenehme Melancholen
‘ihre Seelen gleichfam in fich verſchloſſen
‚hielt.
Dieſer Trauungstag ‚ der fo ſehr von
der Gewohnheit folcher Tage, und von
dem übertäubenden Gepränge berfelben
abgeht, ift wirklich von einem gluͤcklichen
Paare gefegert worden; und fein lauteres,
fein niebliches Vergnügen bat , ſelbſt bei
einer langen Reihe der vergnuͤgtſten Tage,
noch feine Wuͤrze nicht verloren —
Wech⸗
64 Der Mann
Mechfelmeife Verbindlichkeiten, einan-
der zuvoreilende Gefälligfeiten bezeichnen
jede Stunde der fchönften Ehe. Heute,
riefen fie aus: das ift der fchönfte un:
frer Tage; und fagten eben daffelbe von
dem morgigen wieder. Der Himmel ver-
vielfältiget ihre Güter, und fegnet ihre
Liebe mit Erben diefer Güter.
Diefe find nun der Gegenfland ihrer
gemeinfchaftlichen Sorgfalt. Die Mutter
ltebet in ihren Kindern den Vater; und
er, der entzückte Vater wiederholt fich bet
jedem Kuſſe, den er den theuren Pfän-
dern aufdrädt: o Kinder des vortreff-
Lichften Weibes! Leber die Töchter fpricht
die Mutter täglich den groffen Wunfch
auß : werdet eines Mannes würdig,
wie euer Vater ift ! und finder ihn
auch, diefen Mann! Eben dieß tft der
tägliche Wunſch des Vaters über dem
Haupte feiner Soͤhne: möchter ihr er⸗
wachfen, der Zärtlichkeit eines Maͤd⸗
chens wertb, das eurer Mutter aͤhn⸗
Lich iſt! und der Himmel gewähre euch
einft diefes Kleinod, das größte, fo er
in feinen Schägen hat!
Dies |
ohne Borurtheil. 65
- Diefe frommen Geluͤbde find nicht un⸗
erhoͤrt. Jedes ihrer Kinder findet und
macht einen eben glücklichen Gatten, als
ihre Aeltern waren : und ihre Nachkom⸗
menfchaft verbreitet fich , wie die Aeſte
der Linde am öftlichen Eingange eines
ruhigen Landhauſes —
Ich habe diefes Paar mit allem Ver⸗
gznuͤgen der Liebe, mit allem Segen des
Eheſtandes nicht etwan bloß hergeſetzet,
wie Dirgil die ſchoͤne, aber mäffige Fabel
des Ariftäus ; um eine ſonſt oͤde Landſchaft
gu bevdlfern, und- ihr das Anſehen einer
bewohnten Gegend mitzuthellen: es find
bandeinde Perfonen , die das Gemälde
zu einem Hiſtorienſtuͤcke machen werden.
Ich mil Fe ſogleich Mm die Handlımg
verfeßen.
Der Hebhuber noch — . Das "Vaters
land hatte feines Armes zum allgemeinen
Schuge nöthig. Aber mit der Angelegen-
heit feines Herzens befchäfftiget , weis er
nichts, was auffer Ihm vorgeht. Man
ſpricht um ihn herum von Ruhme des
Helden , von der Ehre des Triumph,
vom fihönen Tede fürs Vaterland, von
den Belohnungen der Tapferfeit — Sein
IV: Theil, .. € Ruhm:
6 Der Mann
Ruhm, denft er, fey das Lob feiner Ge⸗
liebten, ihr Herz fein prächtigfter Triumph t
mit ihr zu leben, ſchoͤner noch, als für das
Baterland zu flerben ; und ihre Sunft mies
ge alle Belohnungen auf, die ibm Einnten
angeboten werden. Go denkt ber Liebha⸗
ber an der Seite des Mädchens, und
Hörer nicht die Stimme des Vaterlandes,
dag bie jungen Bürger zu feiner Verthei⸗
Digung aufruft; und verfennet, oder ach:
tet nicht den Winf der Ehre; achtet fogar
nicht den Verluſt, ber dem Staate bro=
bet. : Werde ich darum weniger frey
ſeyn, weniger meinen Weinftod Iefen,
in meinem Schatten fizen, wenn mein
Zürſt über einige hundert taufend Mor:
gen Pröreihe weniger zu gebieten ,
und mit feinem Titel eine halbe Zeile:
weniger auszufüllen hate ſo fpricht er,
und Sleibt bei allen Bewegungen bee Bar
terlandes ungerühret. |
- Die $einde nähern: die Gefahr waͤchſt:
man rufe die Bürger zuſamm, er iſt in
ihrer Mitte.
„Buͤrger! ihr ſeht, in welchem Zur
ſtande das Vaterland fich, befindet! das
Schickſal unſers Heeres iſt unglucug
| ß
ohne Vorurtheil. 67
Es ertraͤget die feindlichen Anfaͤlle nicht,
und iſt nicht ferne mehr, unter denen
Mauren Schub zu ſuchen, die es durch
feine Tapferfeie fchüßen ſollte. Glaubt
Ihr, fein Muth werde durch den Anblick
diefer Stadt wieder aufleben , unb bet
Tchlaffe Arm am Suffe diefer Mauren feine
Stärfe wieder erhalten? — oder erwartet
ihr , daß die Feinde Bier, Ihrem Siege
und der Zůgelloſſigkeit ver Eroberer Graͤn⸗
zen feßen werben?‘ Sehet umher! und
fehet in dem Schickſale bes Landes um
uns herum, das eurige vor. Der Rauch
. ber Flamme, welche die Saaten und
Wohnungen eurer Mitbürger verzehret ,
verhehlet und zwar einen groffen Theil
ber allgemeinen Verwuͤſtung, aber er hält
das Wimmern der Leidenden, das ver:
mengte Weheklagen ber Weiber, ber Kin:
der, bie Senfjer ber Sterbenden nicht
auf; und täglich hier ankommende Fluͤcht⸗
linge geben und die grauſamſte Gewißheit
von dem, was wir nur zufehr müth-
maffen Fonntn — Der Staat fodert neue
Vertheidiger, die er dem andringenden
Schwarmes eritgegen werfe — er fodert
Re weniger für na ‚is file euch ſelbſt:
en⸗
. 68 Der Mann
euren Häufern droht die Flamme, euren
Bräuten droht Schändung und Schmach. „,
Der Liebhaber bricht bei diefer Etelle
.. in ein- lautes Wuthgeſchrey aus , dag ben
Redenden inne zu halten zwingt. Geine
„Einbildung ſtellet ihm die ſeinem Herzen
grauſame Scene in feiner ganzen Gröffe
vor: feine händeringende, feine ihn um
Beiftand flehende, feine in den Armen ei⸗
nes bruͤnſtigen Soͤldners gefchloffene, und
soeil fie dem Räuber. widerſteht, gemiß-
handelte Braut — Nicht weiter 1 eine
soohlthätige Betäubung verfchließe vor ihm
‚bie noch fchrecklichere Ausſicht. Diefe
Betäubung bricht in eine. Begeiflerung
son Entfchloffenheit und Herzhaftigkeit
aus — Erruft auf: Laßt uns den rau:
beriſchen Ungebeuren entgegen flürzen,
Gefpielen! Laßt uns fiegen, oder fler-
ben, lieber, ale Zeugen der graufams
ſten That ſeyn — Seine Hiße theilet ih
ſchnell allen denen mit, welche um ihn her
fih verfammeln, Er wirft feinen Schild
an feine Linke, und mwaffnet feine Rechte
mit einem bligenderh Schwerte, und zieht
an der Epige eines durch fen Beifpiel
angefsifchten Haufens dem Feinde entgegen.
Die
ohne Vorurtheil. 69
Die Liebe macht ihn zum Helden. Air
jedem Feinde ſieht er einen Räuber der
Ehre feiner Geliebten, den fein unfehlba⸗
rer Streich dahin ſtrecket, um fein Maͤb⸗
hen von einer Gewaltthat zu befreyen.
Der Sieg wandelt ber Verzweiflung ber
Liebe nach): der Liebhaber-wird ber Ret⸗
ter feines Vaterlandes, weil er fein Mäbs
chen ber“ drohenden. Schmach entreiffen
will ⸗
%
G muntert zu ruhmvollen Thaten auf,
diefe Liebe; und fie hält mit gleicher
Kraft den ſchon ausgeftreckten Arm des
Verbrechers zuruͤcke: eine unmiberftehliche
Eirce, bie, wann es noͤthig iſt, aus dem
Zurchtfamen einen Löwen macht, und wis
ber den Wuͤtenden in’ ein zahmes Lamm
umgeflaltet.
- Enefchloffen, den ſchrechlichſten Streich
zu fuͤhren, gieng jener Arragonier mit eil⸗
fertigen Schritten dem Pallaſte des Al⸗
phonſus zu. Es war um das Leben des
Koͤnigs geſchehen. Der Juͤngling hatte
durch ſeine Geburt, ſeine Bedienung, durch
die Gunſt des Monarchen ſelbſt, freyen
E3 au
** —
70 Der Wann
Zutritt big in das innerfie Geheimzimmer.
Er war , oder hielt fich menigftens für
beleidiget, und die Rache waffnete feine
Hand gegen dag Waterland und feinen
Wohlthaͤter. An der Schmelle feines Vor⸗
zimmers führt bie. Liebe dem Juͤnglinge
feine Geliebte entgegen. Er will fie um»
armen, und dann fliehen, feinen Vorſatz
auszuführen — Wie fagt das Mädchen,
mehr nicht „ ale diefe Umarmung x
und hält ihn dann, mit zärtlicher Gewalt
in ihre Arme gefchloffen,, zuruͤck. Er
ſchweigt, will fih logwideln : nein!
ruft fie, ich Lafle dich nicht, Aber ich
babe Angelegenheiten — keine Finnen,
follen dir dringender feyn, als die Anz
gelegenbeiten der Liebe — Aber .diefe
“ mögen auf eine andere Zeit — ſie faͤllt
ihm in dag Wort — Vielleicht überlegt
werden? gehört die Fünftige nicht obs
nehin der Liebe any ift alfo das Jetzt,
wenn wir es ung entwifchen laſſen,
nicht Derlufty — Da der Liebhaber diefe
Häuglichkeit der Geliebten fehr ungelegen -
findet, und immer noch darauf beſteht,
feinen Weg zu, verfolgen; fo ermedt er
in ihrem Herzen den Verdacht einer Uns
— treue
⸗
ohne Vorurtheil. 71
treue — EKile, Derrätber! der Augen⸗
blick der Beſtellung möchte ſonſt ent:
fliehen : deine neue Leidenſchaft halt
ohne Zweifel Arenger über. die Pünkt⸗
lichkeit, ale ich „ deine zu nachſichte
volle Kiebbaberinn. Kile! flieg! ic
habe dich zu Lang ſchon zurück gehal⸗
ten. Diefe Vorwuͤrfe, von einer rühs
renden Thräne unterſtuͤtzet, auͤberwaͤltigen
ihn — Sch dich verratben? ih? Grau—⸗
fame ! als müßten bu nicht alle deine
Gewalt über mich! — Und nun befchäffr
tiget er ſich, ihren Argwohn zu gerfireuen
— Seine Angelegenheiten, find feine Anz
gelegenbeiten bed Herzens — Sie find vor
mir Geheimniſſe; fie müflen mir ver
dächtig werden — Aber ich werde, ich
Tann fie niemaden entbedien ; ber Aug:
gang , mein Leben, unfre Liebe, alles
ligt — unfre Liebe! dein Leben! und
es müßte vor mir ein Geheimniß blei⸗
benY was ift fonft in der Welt, was
ich zu wiſſen verlangen follte: alles
übrige mag vor mir geheim ſeyn —
Drohungen, Liebfofungen , Thränen, alle
Künfte der Ueberrebung, alle Bezauberun⸗
gen der Liebe werden angemyegbet; und
E4 dem
70 Der Mann
Zutritt bis in das innerſte Gebeimzimmer.
Er war, oder hielt ſich wenigſtens fuͤr
beleidiget, und die Rache waffnete ſeine
Hand gegen das Vaterland und ſeinen
Wohlthaͤter. An der Schwelle ſeines Vor⸗
zimmers fuͤhrt die Liebe dem Juͤnglinge
feine Geliebte entgegen. Er will fie um⸗
armen, und dann fliehen, feinen Vorſatz
auszufuͤhren — Wier fagt das Mädchen,
mehr nicht ,„ ale diefe Umarmung x
und hält ihn dann, mit zärtlicher Gewalt
in ihre Arme geſchloſſen, zurid. Er
‚fchweigt , will fi loswickeln: nein!
ruft fie,.ich Lafle Sich nicht, Aber ich:
babe Angelegenheiten — Feine Fönnen,
follen dir dringender feyn, ale die Un:
gelegenheiten der Liebe — Aber .diefe
“mögen auf eine andere Zeit — fie faͤllt
ihm in das Wort — Vielleicht überlegt
werden gehört die Fünftige nicht obz
nehin der Liebe any ift alfo das Jetzt,
wenn wir es ung entwifchen laſſen,
nicht Derluffvy — Da der Liebhaber diefe -
Häuslichkeit der Seltebten fehr ungelegen -
finder, und immer noch darauf beſteht,
feinen Weg zu. verfolgen; fo ermedt er
in ihrem Herzen ben Verdacht einer Uns
freue
ohne Borurfbeil. 71
treue — Eile, Verraͤther! der Augen:
blick der Beſtellung möchte ſonſt ent:
fliehen: deine neue Leidenſchaft hält
ohne Zweifel ſtrenger über. die Pünkt⸗
lichkeit, ale ich, deine zu nachſichte⸗
volle Liebhaberinn. Eile! flieg! ich
Habe dich zu lang ſchon zurück gehal⸗
ten. Diefe Vorwuͤrfe, von einer ruͤh⸗
zenden Thräne unterfilgee, uͤberwaͤltigen
ihn — Ich dich verratben ? dich? Grau:
ſame! als müßteft du nicht alle deine
Gewalt über mih! — Und nun beſchaͤff⸗
tiget er ſich, ihren Argwohn zu zerſtreuen
— Meine Ungelegenbeiten, find feine Anz
gelegenbeiten bes Herzens — Sie find var
mie Gebeimnifle; fie müflen mir ver=
dächtig werden — Aber ich werde, ich
kann fie niemaden entdedien ; ber Aus:
gang , mein Leben, unſre Liebe, alles
ligt — unſre Liebe! dein Leben! und
vs müßte vor mir ein Gebeimniß blei⸗
benz was iſt fonft in der Welt, was
ich zu wiflen verlangen follte: alles
übrige mag vor mir geheim ſeyn —
Drohungen, Liebfofungen , Thränen, alle
Künfte der Ueberredung, ale Bezauberun⸗
gen ber Liebe werden angemyenbet; und
E4 dem
72 Der Mann a
dem Liebhaber wird fein Geheimniß ent
riſſen — .
Du giengſt alſo, eine That zu
vollführen, die ung ewig trennen foll-
te! ac)! ale du den fihredenvollen
Entfchluß faßteſt, dachteſt du da wohl
daran, daß du eine Beliebte batteft,
die in wenig Tagen dir die and rei-
hen ſollte? Geh! ich will mich nicht
vergebens bemühen, dich zu entwaff-
nen! die Rache iſt taub. Ich wilf dir :
nicht zu Gemüth führen, daß der
Mord, den du in Sinn haſt, unter
allen Morden der ruchiofefte, derjenige
iſt, der deinen Ylamen am meiften mit
Schande und Such Überbdüfen wird.
Ich will die Schwierigfeiten nicht
überden?ten, die fih.deiner That ente
gegenfegen: einen Sürften , mitten in _
feinem Pallaſte — in der Mitte feiner
Hofbedienten — feiner Wache — und
wenn du über der That ergriffen wirft,
den Tod ‚auf dem Schandgerüfte der
Miſſethaͤter — Die geblehdete Rach:
ſucht bat alles diefes überfeben: fie
Hat dir den Ausgeng Leicht und ohne
1 Bindernifie vorgeſpiegelt. Nun, wenn
oo. e
ohne Borurtheil, 3.
fie dich nicht getäufcher Härte, wenn
du — ich will nichts weiter fagen, dir
verſteheſt mich: du wirft dann flieben,
wirft Arragonien, wirft mich verlaſſen
müſſen: dann werden meine Anver—
wendten mich dem Slüchtlinge ohne
Zweifel nachſenden —
Sie wuͤrde noch weiter fortgefahren
ſeyn; aber der Braͤutigam ertrug die
Vorſtellung der Entfernung nicht, welche
ihm ſeine Liebhaberinn als unvermeidlich
vorſtellte Die Liebe wand der Rache den
beinahe ſchon gezuͤckten Dolch aug den
Händen, und ward ber Schußgott Arra⸗
goniens — |
Aber ich eräffne ihrer Thaͤtigkeit ein
weiträumigeres Feld. “Die Geliebten find
num Ehegatten. Der Mann if in den
Beſitz der Rechte getreten, die in ber Nas
fur die heiligfien ſind. Diefe Rechte find
feine Gluͤckſeligkeit, : er eifert, fie unver:
lege zu erhalten: er Viebt die Gefege,
unter deren Schug fie beftchen ; fein Sur,
ſelbſt fein Leben iſt ihm weniger £oftbar.
Das Vaterland mag es ihm abfodern ,
wenn es derfelben bedarf? nur daß ce |
feinen Schild Aber die Gattinn breite,
I Es und
v
74 Der Mann
und non ihrem Leibe jeben Unfall, "jede
Schmach von ihrer und feiner Ehre. abs
halte!
Es wird meinem Herzen ſchwer, über.
das entzuͤckte Paar, fo ich felbft vereiniget
Habe, ein Ungluͤck herbei zu führen, und
den jungen Gatten. zu den betrübten Pflich⸗
fen aufzufodern, zu benen ich ihn bereit
weis, um non bem Haupte feines theus
ren Weibes die kleinſte Widerwaͤrtigkeit
abzuwenden. Der, welcher das zaͤrtliche
Gefuhl der Liebe in unſer Herz geleget,
der ſelbſt, raͤumet Neuverlobten eine Jahrs⸗
befreyung vom Kriegsdienſte ein. Ge⸗
nieſſet dann ungeſtoͤhrt des lauterſten Ver⸗
gnuͤgens! die Geſchichte wird es mir an
erörternden Beiſpielen von edlen Thaten
welche durch die eheliche Liebe veran⸗
laſſet worden nicht gebrechen laſſen.
Rom, das ſiegreiche Rom, welches
alle umliegenden Voͤlker ſich unterwuͤrfig
gemacht hatte, N ſeufzete unter dem ſchwe⸗
ren Zepter der Tarquinier. Dieſe ta⸗
pferen Arme, die den Feinden ſo oft den
Uns
*) Romanos homines, victores omaium ciren
populorum.
ohne Borurtbeil, 75
Untergang, und den Königen den Triumph
gebracht, murben in Steinbruͤchen, ober
anderen unwuͤrdigen Handgewerben. er⸗
muͤdet. *) Das Elend und die Laft bes
Volkes waren anf Das Xeufferfte geftic-
gen. *") Die Ueberwinder ber Albaner,
Dejer, Etrusker und Volfcer waren zu
der fchmäfigen Arbeit, Die Kloaken und
Wafferleitungen der Stadt zu reinigen ,
verurtheilet. *) Tullius, in bem Unger
fihte des Senats bei dem Antritte der
Regierung einer tyranniſchen Surcht ge>
-opfert; fo viele, fo offenbare Grauſam⸗
keiten einer fo allgemeinen Unterdruͤckung,
konnten dieſe .nicht einen Laut gegen bie
Zyrannen keinen Seufzer für bie Frey⸗
beit des Vaterlandes entreiffen ? und Bru-
tus und Valerius, und Poflumius und
ſo
) Opifices ac Lapicidas pro vicoribus factor.
**) Miſeriæ & labores plebis.
*#*) Plebis in foſſas cloncasque exhauriendas
demerfe, Dieſe Vorſtellung, weiche Bru⸗
tus, nach dem Geſchichtſchreiber Livius, nach⸗
her das Volk zur Vertheidigung feiner Frey⸗
heit aufzumuntern, machte, haͤtte ſich ihn
ſchon ehe anbieten können, da fie ſchon durch
fo lange Zeit vor feinen Augen ſchwebte.
6 Der Mann
fo viele andre Männer, beren republika⸗
niſcher Geift bald darauf in fo mancher .
merkwuͤrdigen That ausbrach, waren mit
in der Zahl der gemißhandelten Bürger.
Die Geduld diefer Männer hielt bei
‚allen Srevelthaten des folgen Taraninius
aus, fo lange fie nicht den zaͤrtlichſten
Nerven ihrer Empfindung erfchütterten.
Seine Sraufamfeit fchien ihnen erträglich, ©
fo lange fie bei den Guͤtern ihrer Mitbuͤr⸗
ser, oder bei ihrer Arbeitſamkeit ſtehen
blieb. Vieleicht dachten die Väter da⸗
mals noch eben fo, als die Soͤhne nachher
bachten : der Asnig wäre ein Menſch,
von dem möglich wäre, Rede und
auch Ausnahme zu erhalten, wo diefe
nügen könnte: bei ihm fände Yuld,
fände Wohlthaͤtigkeit flatt: er Tinnte
zürnen und vergeben. Aber die Ge⸗
fege wären ein taubes Wefen, uner⸗
bieelich, Heilfamer und gebeiblicher der
Armuth, als den Reichtbiimern : bei
ihnen ‚wäre. keine Ylachficht , Feine
Vergebung, wo man die Bränzen über,
ſchritte. Eo fey gefährlich, bei fo
mancherley menfchlichen Schwachheis
" ten,
ohne Borurtheil. 77
ten , bloß durch feine Unſchuld fich zu
erhalten. *)
Aber Ber Thronfolger Sextus treibt
feine Ungebundenheit fo weit, dag Ehebett
des Collatinus zu verunreinigen — ba fällt
die Binde, die bis hieher ihre Knechtſchaft
ihnen verbelet, hinweg. Die Anrede ber
übermältigten Lukretia: du findefl, Col⸗
letin! dte Spuren eines fremden Man⸗
nes in deinem Bette — diefe Anrede macht
bie feigen leidenden Römer zu Männern,
facht in ber Bruft des Brutus die edele
müthige ‚Begierde an, ber Befreyer fei-
nes Daterlandeg zu werden , und feinen
Namen bei den Tprannen der Nachwelt,
zu einem Schreckensworte zu machen „
welches oft den zur grauſamſten That
Thon empor gehobenen Arm mit Beben
finfen machen follte. Die Sreybeit Rome
iſt das Werk der beleidigen ehelichen
Liebe.
Ze Er
Des erfiemal war die Freyheit Roms
das Merk der chelichen Liebe, Da es
jum
*) Livius de. L L. e, M.
78 Der Mann
zum zweytenmale unterdrückt war, reichte
ihm bie Vaterliebe die. befreyenden Haͤn⸗
de. Die Stimme des Pirginius war das
Loſungswort. . Die Gefchichte ift bekannt;
aber fo bekannt fie auch ift, fo muß ein
Pater mit einem emporgehobenen Meffer,
das von dem Blute feiner Tochter träufet,
in deren Bruft er es felbft verfenfte, weil
ihm nur dieſes einzige Mittel, fie von
ber Schmach frey zu machen, uͤbrig blieb,
es muß immer fuͤr die Menſchheit ein
ruͤhrendes Gemaͤlde ſeyn, bei dem ſie be⸗
trachtungsvoll ſtehen bleiben, und den
Gipfel ber Gedulb, und den Gipfel der
Tyranney, vielleicht nicht ohne geheimen
Schauder „bewundern wird.
Die Geſetze, welche die Welt noch
lange nachher Kom unterwärfig machten,
als Rom von feiner ehmaligen Groͤſſe nur
noch den Namen und bie Herrfchfucht
übrig behielt, diefe Geſetze maren bie Ar:
beit der Anterbrädung Die Nation,
welche unter dem Zepter eines Königs ih-
ren Nacken nicht beugen wollte, ward von
zeben: Tarquinien sugleich gu, Boden ge:
treten. |
nr
yo:
ohne Vorurtheil. 79 |
goratius Barbatus wagte es, das
Hecht, von den Geichäfften des gemeinen
Weſens in der Rathsverſammlung zu fpre:
chen, gurückzufodern, aber ohne Wirkung)
und beinahe mit der Gefahr feines Lebens.
Seine Stimme war gleihfam der legte
Seufzer der fierbenden Freyheit. Die
Zehnmaͤnner übten nunmehr ohne Zu:
ruͤckhaltung dasjenige aus, wozu fie Hoch-
muth und Grauſamkeit fpornten. Die Krie⸗
ge mitden Sabinern und Aequern wurben
mehr mit Vorſatz ungefchickt ald ungluͤcklich
geführte. Siccius, ein angefehener,, tax
pferer , aber freymüthiger und ben Ty⸗
rannen darum verbächtiger Mann, warb
auf eine Hinterliftige Welfe aus dem Wege
geräumt. Das Lafter diefes Meuchelmorr
des war durch unzweydeutige Merfmale
bekannt; aber e8 fand Feinen Rächer un
ter einer Menge, die vor dem Haufen:
tiftoren , und hundert ihrem Nacken dro⸗
henden Beilen Fnechtifch zitterte. So rote
die Geduld der Bürger flieg, flieg immer
auch der Muth der Zehbnmänner, biefe
Geduld zu üben, bis fie gulege nicht mehr
bei öffentlichen Angelegenheiten allein ſte⸗
hen
Bo .Der Mann
hen blieben, fondern In dag Innere der
Familien drangen , und, mie fie vorhin
Allen furchtbar waren, nun auch jedem
Kinzelnen gefährlich wurden. |
Appius Claudius hatte feine Blicke
auf Pirginien, eine Berlobte des Jeilius
gervorfen. Er beſtimmte fie fich zum Rau⸗
be ; und eben die Gefege, die das Heilig»
thum der Sicherheit feyn ſollten, machte
er zum Werkzeuge feiner fchändlichen Ab⸗
fihten. Er trug feinen Pflegbefohlenen
M. Claudius auf, das Mädchen als eis
ne in feinem Haufe gebohrne Sflavinn
zurück gu fodern. - Ungeachtet die Geſetze
in einem zweydeutigen Falle, wo es zwi⸗
ſchen Freyheit und Knechtſchaft zu thun
war, den Ausſpruch für die Freyheit,
deutlich vorſchrieben, ſo ſetzte ſich der vor
Liebe entbrannte Appius über dieſe Vor⸗
ſchrift hinweg, und erkannt dem Claudius
das angeſprochene Maͤdchen zu.
Der roͤmiſche Geſchichtſchreiber macht
Die Anmerfung : gegen dieſen unge—-
rechten Yusfpruch bat vielmehr’ die
Menge gemurret, als jemand insbe:
fondere das Herz gehabt, demſelben
| = zu
ohne Borurcheil, 31
zu widerfprechen ,„ ) bi8 der Oheim
Dirginiens und Jeilius ihr Bräutigam
berbeteilten. Den Jeilius machte bie Lie⸗
be beredt , unb bie nahe Gefahr feinen _
Verlobten unternehmen — Du mußt
mid) mit dem Kifen von bier abhals
ten, Uppius , wenn bu ohne Wi:
derfpruch erhalten willſt, wornach du
ſtillſchweigend firebefl. Ich werde dies
fee Mädchen ebelichen ; und rein, und
ungefchändet verlange ich fie zu bes
figen — Ruf alfo immer alle Lit:
toren deiner Umtogefährten herbei !
heiß fie Ruchen und Beile bereis hal
ten! Iciliens Braut fol nicht auſſer
dem Saufe ihres Vaters bleiben — -
‚Diefe freyere Stimme batte einige
Wirkung; der -Nichter begnuͤgte fich, für
das Mädchen -Bürgen zu fobern , unb
verfchob den ferneren Ausfpruch auf Mor⸗
gen: würde aber, ſprach er , der Daten
| des
) Adverfas injuriam deoreti, eum malt
miagis fremerent, quam quiequam unus
mon maret.
Livius.
IV. Theil. F
mn
32 Der Mann
des maͤdchens dann nicht zugegen ſeyn,
ſo kündige er dem Icilius, und ſeines
gleichen an, daß der Geſetzgeber feine
Geſetze zu behaupten wiflen , und den
. Decemoir feine Beharrlichkeit nicht
verlaſſen werde. Er hatte indefien an
feine Amtsgefährten in das Lager melden
laſſen: fie ſollten dem virginius keinen
Urlaub nach der Stadt geben; viel-
mebr foBten fie ihn in genauer Der-
wahrung halten!
Der Bote des Decemvirs war von
Jeilius Brudern überholt, und virginius
fam mit Anbruch bes Tages in Non an.
Die Anrede, mit welcher er dag Mitlei⸗
ben feiner Mitbürger zu erwecken ſuchte,
verhehlt den Beweggrund nicht, der ben
Arm des Mannes zur Tapferkeit ftärfte.
Ih ſtehe für eure Zinder und Ehe⸗
weiber täglich in der Schlacht, und
man wird von Feinem andern Hanne
mehrere Fühne, und tapfere Thaten
‚ erzählen, ale von virginius. Was nügt
es mich, wenn meine Kinder bei der
Wohlfahrt der Stadt das Aeuſſerſte
38 ertragen haben, was man in ei=
| j ner
ohne Vorurtheil. 83
ner eroberten nur immer fürchten
Tann! *)
Mas nuͤtzt mich die Sicherheit ber
Stadt ohne die Meinige ? ohne die Si-
cherheit derjenigen, bie den theuerſten Theil:
von mir ſelbſt ausmachen, ohne die Sicher⸗
- heit meiner Kinder ? Diefe Erinnerung
ſollte die Väter zu einer Übereinfimmenden -
Rache empoͤret, jeder Römer follte in vir⸗
ginien: die Freyheit, die Keufchheit und. '
Tugend feiner eigenen Tochter beſchuͤtzet
baben. Aber die Zurcht hatte gu ſehr
diefen Eindrücken alle Zugänge ‚vertreten.
Appius Claudius warb burch bie
Ausrufungen des Schmergens weder von
dem Vorhaben abgeſchrecket, noch an der
Ausführung gehindert. Er war mit al-
len Schrecken der Gerichtsbarkeit , wit
aller Macht, diefelbe zu unterſtuͤtzen, ge⸗
F2 waff⸗
*) Se pro liberis eorum & conjugibus quo-
tidie in acie flare: nec alium virum efle,
cujus, firenue, ac feroriter Fa@a in belle
plura memorari poflint: gıöd prodefe, fi
incolumi uibe, que capta, ultima ti-
meantur , liberis fuis fiat patienda.
| Liviux.
|
34 Der Mann
waffnet, auf dem Markte erſchienen, und
ſprach — unter den heftigſten Drohungen
gegen jederman, der ſich zu widerſetzen
unterſtuͤnde — das ungerechte Urtheil ge⸗
gen die Tochter des Virginius aus.
Die Gerichtsdiener machten ſtch fertig,
die verurtheilte Virginia dem Sceygelaf:
fenen des Appius zuzuführen. Der Haus
fen der Annoefenden trat verſtummt us
ruͤcke; das Mädchen fland, eine dem La⸗
fter überlaffene Beute. Es war eine ges
waltſame Erfchätterung nothwendig, diefe
Beräubung zu zerſtreuen. Nur bie thaͤtige
Baterliebe hatte Stärfe genug „ dieſe Er
ſchuͤtterung zu verurſachen.
Da virginius nirgend her einige Huͤlfe
zu erwarten hatte, erbat er ſich von Ap⸗
pius die Erlaubniß, das Maͤdchen noch
einmal beiſeite zu nehmen, und in Gegen⸗
wart ihrer Saͤugmutter an ſie einige Fragen
zu thun, um ſich, ſprach er, wenigſtens darin
zu beſtaͤttigen, daß es ſein Kind nicht ſey.
Als er dieſes erhielt, fuͤhrte er ſie an die
jenige Seite hin, wo die oͤffentlichen
Fleiſchkramen gehalten wurden. Hier er⸗
griff er das zunaͤchſt liegende Meſſer: und —
Tochter, rief er ang — ich erhalte dir
die
ohne Borurtheit. 85
bie Srepheit auf die einzige Weite, die
mir noch übrig ift: mit weichen Worten
er unter Vergieffung einer väterlichen
Zähre den hoch erhobenen Etahl tief in
ihre Bruft verſenkte, dann fich gegen ben
Richterſtuhl wendend, hinzu fegte: dich
Appius, und dein ſchaͤndliches Zaupt
weibe ich durch diefes Blut zur Rache
ein. Aus der Wunde Pirginiene quoll
die Befreyung Roms von ber Unterdruͤ⸗
ung der Zehnmänner. Bon allen Seiten
erfhol bie Stimme: erzeugen wir zu
einem folchen Schilfale unfre Kinder Y
find diefes die Belohnungen der Keufch-
bHeit? Auf diefe Stimmen der gefränften,
ber beleidigten, rachfodernden Vaternei⸗
gung folgte der ſchnelle Entfchluß , fich
Einftig folche traurigen Begebenheiten ,
ſolche gräuliche Schaufpiele zu erfparen,
und die graufamen Urheber derfelben auf:
fer Stand zu feßen, bergleichen zum zwey⸗
tenmale auszuführen.
Theures, reizvolles Geſchlecht! du biſt
nicht nur dazu auserſehen, das Gluͤck
unſrer Tage zu werden, du biſt auch die
Triebfeder unſrer glaͤnzendſten, ruhmvoll⸗
ſten Handlungen, und du nahmſt oft
⸗ 3 dar⸗
0 En En s
86 Der Mann
daran mit Antheil. Weimsberg , ein
Fleiner Ort im Wirtenbergifchen, verbient
durch die Treue der Ehefrauen, die dem
Lande , feinem Regenten und bem Vater:
lande feine tapfern Vertheidiger erhielt ,
in den SJahrbüchern ber deutſchen Ge-
ſchichte merkwürdig gu werden. .
Conrad der Dritte, ſich wegen der
Hinderniffe zu rächen, welche der ‚Herzog
von Wirtemberg bei feiner Wahl zur Kai:
ferfrone erweckt hatte, überzog dag Land
diefes Fürften mit Kriege, und zwang den
ungläclichen, ſich mit feiner Gemahlinn
in dieſem unbeträchtlichen Orte zu ver:
ſchluͤſſen: Die Tapferfeit, mit welcher die
Belagerten aushielten, diente zu nichts
weiter , ald den Sieg des Kaifers um
einige Tage zu entfernen, und den Gie-
ger deſto unverföhnlicher gu machen. Die
Etadt gieng mit Sturme über, und alles
follte vom Echwerte und den Flammen
verheeret werden. Die eingigen Frauen
fanden im Angefichte, Conrads Verſcho⸗
nung, er erlaubte ihnen „ frey abzu-
ziehen, und dasjenige mit fi hinwegzu—
‚nehmen, was Ihnen das Koftbarfte war —
Die Herzoginn bedachte ſich keinen Augen⸗
blick:
ohne Borurtheil. 87
blick: fie ergeiff ihren Gemahl, fegte ihn
auf ihre Schulter, un® wanderte mit‘ der
theuren Laft durch die erfiaunten Leber»
‚ winder, Ihrem⸗ Beiſpiele folgten alle
übrigen Frauen, und die Männer, beren
Tapferkeit für die Rettung ‘der Grauen
vergebens war , ſahen ſich durch die Lies
‚be ifrer Weiber von dem Untergange ber
freyet —
en er"
FR ©. find in mancherley Streitigfei>
ten verwickelt gemefen,, und müffen ba-
ber fich auf ihrem Streitroffe mit vieler
Geſchicklichkeit zu tummeln wiſſen, weil
Sie niemand aus dem Sattel gehoben
hat. Indeſſen ſollte es Ihnen gewiß zu
Schaffen gegeben haben, es mit mir auf⸗
zunehmen — mit mir , einem Kämpfer
von ganz einer andern Art : oder vielmehr
einer Kaͤmpferinn; denn nun haben Sie
doc nach. ber Unterfchrift gefehen, um
den Rodomont zu Eennen, ber fo groß:
fprecherifch vor den Schranfen tritt, um
mit Ihnen — nicht zu freiten: denn mein!
Widerwillen if durch die Galanterie, mit
SS wel⸗
88 : Der Mann
"welcher Ihr letztes Staͤck geſchloſſen war;
entwaffnet. „
„ Zwar id) Babe mich durch Jahre
und Mühe über die Neigungen meines
Geſchlechts hinweggehoben: Ich habe bei
Der Abnahme meiner förperlichen Reize,
meinen Gelfte Anziehungen zu verfchaffen,
umb mid) dadurch bemerfungswerth in ben
Kreifen zu machen geſucht. Bei allen
dem lodert die weibliche Eitelkeit manch:
mal in bie Höhe, wie die mit Afche be:
deckte Kohle oft ploͤtzlich mit Geraͤuſche
eine Sunfe ſpruͤht. Ich blieb alfo gegen
ihr Theures, reizwvolles Gefchlecht ! nicht
gleichgültig, und anftatt, wie ich vorhin
ben Borfag hatte, wider Ste meinen
Streithammer zu heben , daß Sie unfe:
ter nicht gedachten, in einem Felde, das
von mir ganz Meifter ſeyn follten, ſtatt
defien werfe ich nim mit banfbarer Hand
Blumenkraͤnze nach ihrem Haupte, und
verſichere Sie im Namen des ganzen
Frauengeſchlechts, einer ewigen Verbind⸗
lichkeit.
Schmieret euch vor ibm ihr deut⸗
Ichen, ſchmieget euch ihr galliſchen
Schrifefteller — Ich habe Ahnen bereitd
at:
ohne Vorurtheil. 89
ungemerket, daß ich der hinfallenden Ge⸗
ſtalt nicht mit der Schminkbuͤchſe, ſon⸗
dern dem Witze aufzuhelfen ſuche; Sie
koͤnnen alſo Anführungen, und gelehrte
Ausſchweifungen von mit erwarten —
Noch einmal alfo : ſchmieget euch vor
ibm, ibr Schriftfteller Galliens, die ihr
eure Fedet der Liebe geweihet, aber fo
weit als er, euch nie gewaget, nie euch
habet einkommen laflen, die Liebe zu der
Duelle des biirgerlichen Heldenmuths, zu
einer Staatsfache, und mo ich mich recht
in ihre Denfungsart verfege, zu einem
fehr fruchtbaren Gegenſtande ber Geſetz⸗
gebung gu machen, „,
„ Ahr Siftem tft nach meinem Ge⸗
ſchmacke; es hat etwas aͤhnliches mit dem
verjaͤhrten Siſteme der Ritterſchaft, daß
es ſchon ſeines grauen Alterthums wegen
Verehrung und Beifall verdienet. Haͤtte
fid) Cervantes wohl jemals, auch nur in
der Unordnung eines Traumes beifommen
laffen, daß im Jahre 1768 ein flegmati>
| ſcher Dentſcher aufſtehen, und mit phi⸗
loſophiſcher Ernſthaftigkeit Don Quixoten
ju Ehren bringen wuͤrde.
65 Den⸗
90 Der Mann
„» Denken Sie, daß ich von dem
theuren reizvollen Gefchlechte bin, dem
das Vaterland den fiegenden Helden ver⸗
banfet , das in Rom und Weimsberg
Wunder gethan , dorten folge Männer
verfcheuchet, bier mit ben mwerthen Ge⸗
fhöpfen ‚davon wandert! Denken Sie,
daß ih davon ein Theil bin, und daß
Sie mit mir bie Ausdruͤcke nicht auf die
Probierwage legen, oder ihre galante
Denfungsart verläugnen miüffen! Glau-
ben Sie indeflen nicht, daß es Männer,
neibifche Männer geben wird, die ſich
nod) weit mehr, als diefen Ausdruck er-
lauben, die e8 zu einem fehr ernfihaften
Geſchaͤfte machen werden , ihr Lehrgebäu= -
de zu entkräften, nicht es lächerlich zu ma⸗
chen, fondern als gefährlich zu verfchreyen.
Ach kann Sie verſichern weil ich bereite
davon Zeuge war, und fuͤr die Lieblings⸗
lehre meines Geſchlechts, folglich auch
fuͤr Sie, bereits einen ſcharfen Gang ge⸗
than habe, wofuͤr Sie mir ohne Zweifel
in einem oͤffentlichen Schreiben danken
werden. ,,
„Ich verdiene ed: es war ein hartes
Sri Arbeit , mit. einem fürchterlichen
Ran
ohne Borurtbeit. 91
Tanne, dem bie göttliche Venus nie ge:
Jächelt, dem Mißgunſt mehr ald Nach:
finnen fünf groffe Furchen an die. breite
Stirne gegugen, und das Wachen bei der
mitternächtlichen Lampe, über fein gang
- Sefiht die Farbe des im Herbfte fallen:
den Laubes verbreitet hat. Seine Den:
fungsart ſtimmt mit dieſem Auſſenwerke
uͤberein. Eine weibliche Kreatur hat nie
fich Ihm auf zehn Schritte, wenigſtens
mit feinem Willen, nicht genaͤhert. Die
Stimme eines Kindes klinget ſeinem Ohre
ſchrecklicher, als dem verirrten Wanderer
der traurige Ruf des Nachtvogels: er
haͤlt Empfinden fuͤr Weichlichkeit, und Lie⸗
ben, beinahe fuͤr eine Suͤnde. Ich weis
nicht, durch welches unwiſſentliche Ver⸗
brechen ich verdient hatte, dieſem Manne
unter die Augen zu kommen. Er ſaß un⸗
gefaͤhr ſo weit von uns andern weiblichen
Ungeheuren entfernet, als, nach der ge⸗
wiſſenhaften Ausmeſſung der neueren Welt⸗
weiſen der Umkreis der Aushauchung reicht,
dieſes, wie er ſelbſt ſagte, aus der wei⸗
ſen Vorſicht, mit der Luft nicht etwan
ein verflogenes weibliches Koͤrperchen ein⸗
zuathuien. Die Frau von Haufe, eine
J | An⸗
, /
892Der Mann
Anverwandte von ihm, der ſeine Art zu
denken bekannt ſeyn mußte, legte die Une
terredung an.»
m Run ſagte fie — bier ift ein
Schriftſteller, den Sie in roth Saf⸗
fan gebunden, Schnitt und Rüden
vergüldet , in ihren Bücherſchranken
ftellen müffen. Er wird ihr Leibfchrifts
flellet werden, ganz gewiß! . ,
nn Wo nicht ihre gewöhnliche Lebhaf-
tigfeie Ihnen eine Thorheit in det Mund
legt, fo bitte ich Eie um den Namen.. —
„Den Llamen? der Namen thut
zur Sache wenig: Sie müſſen hö⸗—
ren! — und num fieng fie an: Berr der
Ylatur! eben fo weis im Erhalten u.f.
w. Als fie an die Wörter fam: wer
taucht den Kiel des Schriftftellere in
Stammen, der di Liebe fehildert u.
f. w. verbreitete ſich eine Nöthe, wie bie
gräuliche Roͤthe des Himmels bei einer
nächtlichen Feuersbrunſt, über feinem gan⸗
sen Gefichte —
„Ich dachte e8 — fiel er ein, es
würde einer von ben Spornftreichen ſeyn,
babet fi meine Muhme ſowohl gefällt —
Allein fie ließ fich durch diefe Höflichkeit
nicht
ohne Borurtheit, 93
nicht abhalten, und was auch immer ber
gute Mann für fürchterliche Gebehrden und
Verzuͤckungen machen fonnte, er mußte
den Lobfpruch ber Liebe, und das Gluͤck
ber Liebenden, und den Vortheil, den dag
gemeine Wohl daraus zieht „ nach der
ganzen Länge von einem Ende zum andern
anhören — „,
„» Glauben Sie — fieng fie nach ge
endigter Vorleſung an — glauben Sie
nicht, Haß diefer menfihenfreundliche
Schriftſteller ala ein klaſſiſches Buch
eingeführt „ und der Jugend recht bei
Zeiten ausgelegt werden follte — „,
» Ohne Zweifel, Madame! und id)
denfe, es fol auch nicht lange mehr feyn,
bis es gefchieht — Wie kann man diefe
Prediger der Verwuͤſtung im Staate herum
wandern, und fogar unter der Aufficht
der Cenſur den Saamen der Zuͤgelloſig⸗
keit ohne Schen ausfireuen laffen? Sie
baben ihr Töchterchen, und ihren Sohn
diefe Blätter natuͤrlich einigemal uͤberleſen
laſſen; und wenn bie erbaulidhe Samm⸗
lung alle feyn wird, wird e8 dann nicht
das Handbuch der theuren Jugend wer⸗
den ? . »
„Das
4 Der Mann
„ Das wird es — unterbrach fie ihn
tächelnd — jedo mie ihrer Genehm-
Beltung, Gere Obeim! „, |
„ Mit meiner Genehmhaltung zum
mindften nicht, das betheure ich Ihnen.
Giebt es nicht ohnehin der Triebfedern zum
Boͤſen genug ? ift die Jugend nicht ohne⸗
bin durch eigenen Hang, durch tägliche
Beiſpiele, felbft durch eine Art von Mode
zu Ausfchmweifungen geneigt, ohne das man
noch insbefondere , mie diefer Miffiondr
von Cythere, fie durch National oder
Staatsgrunigäige dahin treiben darf? „,
„» Nun fam meine Reihe, benn id}
hatte bis hieher nur gehöre. Ausſchwei⸗
fungenyY fagte ih — Sie nennen alſo
gefittete, auf Tugend gegründete Lie⸗
be, Ausfchweifungen Sie find ohne
Zweifel ein Rigorofifty „
„ Und Sie, Madame, "gab er mit der
fpöttenden Mine ber Verachtung zur Ant-
wort — find ohne Zweifel Feine Rigoroſi⸗
finn ? Sch habe Sie nie dafuͤr angefehen:
ich weis, daß die abgefpannte Sittenlehre
giemlich nach dem Geſchmacke des heutigen
Frauenvolks ift, und es thut wohl daran;
fie iſt toenigfens ſehr bequem. Indeſſen,
da
ohne Borurtbei. 95
da mir nun einmal darauf gefommen find,
ſo moͤchte ich in ihrem Munde gerne bie
Grundfäge ihres neuen Sektirers mit den
Grundfägen der Religion vereinbaret wiſ⸗
fen, melche den ehelofen Stand ale ben
volffommenen anpreißt — „, !
„Ich ließ ihm nicht vollenden: Sie
machen es — fiel ich ihm in die Rede —
wie alle diejenigen, die eine üble Sache
vertheidigen, wozu es ihnen an Grün⸗
den mangelt ; fie flüchten in die Sa⸗
kriſtey. Indeſſen ift zum Glücke Sie
Zappe St. Benito nicht mebr uͤhlich
Sie ſehen, ich weis ein Bisgchen von
dem Geheimniſſe, die Schriftſteller
ſchweigen zu machen, die man nicht
widerlegen kann, und doch Aber
was habe ich zu foren. %
daß die Liebe zur sehe führt ; \
Ehe von der Religion geheiliget IR;
daß fie im Angeſichte der Rirche hy
ſchloſſen wird, und ihr von derſelbe
befondere Vorzüge und Gnaden ver-
Heiffen find; und daß ich, da ich zu
wählen batte, Gnade für Gnade, der-
jenigen Lieber theilbaftig geworden bin,
die ich im Eheſtande, als derer, welz
che
96 Der Mann
(he ich in der. traurigen Einſamkeit
des ehelofen Standes zu erwarten hat»
te: und daß ich dem Staate zu dem
Gefellfchaftsgeifte, der aus dem Glüde,
und dern Segen der Ehe entfpringt,
recht vom gerzen Glück wünfche. „
„Alſo Madame. halten Sie dafuͤr
daß bie Stände — „
„ Kein alfo, mein gerr! ich balte
nichts dafür: und ich werde es nicht
zugeben , daß Sie dafur halten. Min
ift eure Art zu folgern nicht unbe: |
kannt —
* Aber die Vontommenheit —
„Aber, noch einmal, dieſe Doll:
kommenheit fodert zum wenigften von
Ihnen nicht , daß Ste gegen eine
Seauensperfon unartig fepn , und fie
zwingen , gegen Sie eine Streitrede
"aus der Gottesgelehrtheit abzuhalten.
Ich effe, ob ich. gleich die Ehe nicht
unter die verwerflichen Stände zähle,
fa gut ale Sie am Steptage feinen |
Kalbobraten, der fonft mein Gaum:
gericht ift, und ich glaube — „,
„Ich darf Ihnen wohl in bie Rebe
fallen, Madam, und Sie mit aller Hoch:
Me
ohne Vorurtheil. 97
achtung, die Sie auf das Anſehen Ihres
FZiſchbeinrockes vorausſetzen, verfichern ‚
daß davon hie Die Rede ſeyn wird, mad
Sie glauben, ſondern —
Sondern, was ie fiefgeleprten
- Serten ihrer Urs, durch einen alfgemei:
nen Rathſchluß ung zu glaͤuben por⸗
ſchreiben werben , nicht Babe ”
9% Sie ſehen, mein guter Schriftſtel⸗
ler, der Mann wollte anfangen, aus eis
hem fchershaften Tone zu fprechen 2 Ah
fürchtete den liebfofenden Huf des Sraus
thiers, und gab meiner Freundinn einen
Wink, unſre Unterredung zu unterbres
hen.
Indeſſen ſehen Sie durch alle bie
Umſchweife meines verwirrten Briefes,
was inan etwan qus ihrer Meinung, ge⸗
gen Sie fir Schlüffe ziehen möchte: Sie
find ein Miſſtonaͤr Eytherene, Ich wuͤn⸗
ſche Ihnen Gluͤck zu der Wuͤrde: ihr Hoͤr⸗
ſaal wird immer zahlreich ſeyn, fo lan⸗
ge — u
„ Sie verfichen bas übrige, und was
ich beſorge. Wäre es nicht gut, ein we⸗
nig vorhinein auf Ihre Sicherheit zu den⸗
fen, und allenfalls den Einwuͤrfen, die
IV, Theil. & Sie
J
98 Der Mann ohne Vorurtheil.
Sie vorherſehen, entgegen zu gehen? Ich
daͤchte. Kehren Sie fih an die ungleiche
Laune meines Briefes nicht! es wird mir
ſchwer, einen Gedanfen mwegzuftreichen ,
ber mir ein wenig huͤpfend vorkoͤmmt, er
mag nun paflen, mwo-er ſteht, oder nicht:
einmal ift er da. Er mag alfo bleiben.,
‚ohne der Verfiherung das geringfle von
“ihrer Stärke zu benehnien, daß ich mit
wahrer Achtung file ihre Bemuͤhungen
bin \
| Ihre eifrige Freundiun Rofalia.».
—
Therefie
und
, Eleonore
6: Ä ü \
8169317 A
Bielleicht wär” dieß Geſchlecht, das wis fo gern
| belagen,
Der gieniqtur der Edlen werch:
Bemuͤhten wie uns mehr, das, was die Geiker
ehe,
Behand und Witz, Grfchmad uud Tugend,
Den ähten Witz dee fhönm Jugend /
Dit ihm dertraulicher zu machen.
Wieland.
An die |
tugendhaftſte Srauensperfon.
Verebrun aswürdigſte
ihres
Gefſchtechts!
laͤtter, worin unter dem leichten
Schleyer des Scherzes vielleicht einige
von den wichtigen Lehren verhuͤllet lie⸗
gen, die Sie durch ihre anmuthvollen
Handlungen empfehlen; Blaͤtter, worin
vielleicht einige von den herrſchenden
Laſtern Ihres und des maͤnnlichen Ge⸗
ſchlechts entlarvet werden, deren Ab⸗
ſcheulichkeit durch die Abſtechung mit
Ihren Tugenden noch abſcheulicher ge⸗
macht werden; Blaͤtter, die wenigſtens
Ihren richtenden Blick, vor dem Un⸗
anſtaͤndigkeit und Sittenloſigkeit es nie
wagen werden, zu erſcheinen, nicht zu
ſcheuen haben; folche Blaͤtter koͤnnen
nur Ihnen zugeeignet, nur durch die
Aufſchrift Ihres Namens noch mehr
empfohlen werden.
Moͤge die gefahrbringende Deut⸗
ſacht, die Tochter der "allgemeinen Ver⸗
G 3 leum⸗
leumdungsbegierde, die fich bisher im⸗
mer 'geübet, entehrende Aehnlichkeis.
ten aufjufuchen, um Die Dennoch meis
ſtens nur die Linfe nach der Rechten
zu greifen gehabt hätte, möge dieſe
fih nun auch einmal. anflrengen , eine
Perſon zu bezeichnen „ die fie nicht
balder erkennen , als verehren wird.
Bielleicht aber find die Stimmen
der billigen Hochachtung nicht fo leicht,
als die Stimmen der Berläumbdung zu
vereinigen! Vielleicht auch iſt Die
Wahl unter ihren liebenswürdigen Ges
fpielinnen fo Teicht nicht zu treffen !
DBielleicht findet jeder Mann an feiner
Geite eine. Öattinn, jeder Liebhaber
eine Geliebte, jede Mutter in ibrem
Haufe eine Tochter, die die ehrenvolle
Bezeichnung meiner Zuſchrift anſpre⸗
‚hen koͤnnen! |
AIch hoffe es; wuͤnſche dann meinem
. Vaterlande und der Tugend hiezu
Gluͤck, und fehreibe entzückt meine Zus
eignungsfchrift auf folgende Weife um:
Allen tugendhaften Frauens⸗
perſonen ſeyn dieſe Blaͤtter zuge⸗
eianet!> . -
von dem Serausgeber.
an Herren
Hofrath von Born.
Verehrungswuͤrdiger Freund!
Wie? wenn ein Mann der Ver⸗
faſſer dieſer Blätter waͤre?) Durch
dieſe Worte wurden Sie in Ihrer
Muthmaſſung beſtaͤttiget, und wuͤnſchen
von mir ein Geſtaͤndniß — Nun denn!
Sie haber nicht geirret. Thereſie,
wie Sie wiſſen, iſt der Name der
theuren Perſon, welche die Vorſehung
zum Werkzeuge meiner Gluͤckſeligkeit
auserſehen hat; und Eleonore, der
Name ihrer Schweſter, deren Herz
beſtimmt zu ſeyn ſcheint, der Lohn ei⸗
nes geſitteten, tugendhaften Juͤnglings
zu werden —
‚Ah ſetze mich uͤber das Vorur⸗
theil weg, und habe das Herz, meiner
G 4 Gats
®) XLI. Erü om Ende. —
Gattinn und ihrer Schwefter vor aller
Melt zu fagen, was ich beiden, in
Ihrer Gegenwart, wuͤrdiger Freund, |
fo oft wieberholt habe, und wobei ich
Sie als einen Zeugen auffuͤhren kann,
daß es Feine Schmeicheley iſt.
Don dieſen mir fo werthen Pers
fünen Babe ich die Erlaubniß erhalten,
unter ihrem. Namen ihrem Gefchlechte
Wahrheiten zu fagen, und Erinneruns
‚gen zu machen, die es vielleicht fieber
Aus dem Munde feiner Gefpielinnen
hören würde. Und vielleicht habe ich
den Deifall, mit welchem diefe Blätter
aufgenominen wurden, größtentheils .
biefer Einkleidung zu verdanken.
Erlauben Sie mir nun aber, zum
Preife meiner Offenherzigkeit, daß ich
davon noch einen Gebrauch mache, und
tie biefelben bereits ber kugendhaſt⸗
ſten Frauensperfon zugeeignet find,
Ach fie auch noch Ihnen — dem beften,
redlichſten Manne — zuſchreibe.
| Sonnenfels«
Therefie und Eleonore.
Urpafie Abertraf in Ber Politif ben grofs
fen Perikles, in der Beredtſamkeit alle
Redner Ihrer Zeit, gählte unter ihren Zu⸗
hoͤrern den weiſen Sokrates, und hatte zu
ihrem Lobredner den goͤttlichen Plato,
Sapho war eine zärtlichere Dichterinn, als
feloft Unakreon. Dacier Überfegte une
gleich beffer ald ihr Mann. Sevigny in
ihren Briefen läßt den Großfprecher Ra⸗
butin weit hinter fih. Deshouillers iſt
nicht fo gernwitzig als Sontenelle. Wel⸗
cher Mann darf mit einer Graphygni,
mit einer Riccoboni in ber Zeichnung ber
Leidenſchaften, in ihren feinern Verfloͤſſun⸗
gen auftreten ? Gottſchedinn fogar, mar
mehr Dichterinn ald ihr treuer Eheſchatz,
ber gleichwohl fo manchen Lorbeer ausge:
theilet bar; und Unzerinn und Karſchinn
finb wenigſtens mehr werth, als bie gans
ge Schule der Reimreiche. Die Inſek⸗
65 ten⸗
1—
tengeſchichte hat gegen Merianinn mehr
Verbindlichkeit, als gegen was immer
fir Mückenfänger. Eliſabetha Cheron
machte durch ihre Talente in der Malerey
‚ihre Zeitgenoflen in Sranfreih, und Ro-
faloa die ihrigen in Italien gu unfern
Zeiten, eiferfüchtig. Die Krone unfers Ges
ſchlechtes, die Monarchinn The:
reſia, wird in allen Gefchichtbüchern ,
den ſtandhaftſten Regenten, unb ben weis
feften Geſetzgebern an bie Seite geſetzt
werden,
Wir — wollen ed verfuchen, ob The:
reſie und Eleonore es bem Jünglinge
und Manne, und Greifen *) gleich thun
fönnen. Wir hätten Luft zu fagen: dem
Manne ohne DVorurthbeil : aber. er. ift
ung zu ernſthaft, wir wollen ihn lieber
zum Freunde haben.
Das würde alfo eine Wochenfchrift
von Derfaflern weiblichen Geſchlechts?
— Sa! und für dag weibliche Gefchlecht!
denn an daſſelbe Hauptfächlich wollen wir
M | un⸗
°) Wochenblatter dieſes Namens.
N
unfre Betrachtungen richten, von demſel⸗
ben wuͤnſchen wir vorzüglich gelefen zu
werben. Erfchreden Sie nicht davor,
theuerſte Sefpielinnen! daß unfer Eingang
ein wenig gelehrt läßt; wir felbft find es
bei weitem nicht: wir find nnr den maͤnn⸗
lichen Schriftfielern auf die Spur gera=
then, haben ihnen ben Kunfigriff , ge⸗
lehrt gu thun, abgelernt; ein biftorifches
Wörterbuch hat uns biefen Dienft gelele
fiet , und wir hätten daraus noch viel
mehr abfchreiben innen. Doch, wir ge:
ben Ihnen unfer Ehrenwort; in Zufunft
fol unfre Miene gar nicht pedantifch, nicht
bie altjingferliche Miene ber vernünftigen
Tadlerinnen *) feyn! Keine Ängftliche -
Drdnung!. fo, roie fich die Gegenſtaͤnde
barbieten, alle Gegenftände , die ſich dar-
bieten, die auf die Sitten, ben Anſtand,
bie Artigkeit, die Tugenden unſers Ge=
ſchlechts eine Beziehung haben, werden
wir vor ung nehmen! Aber wir wollen
nicht unterrichten ! wir wollen über diefe
Ge:
*, Eine billig vergeſſene gottſchediſche Big,
Schrift,
I — —
Gegenſtaͤnde bloß einige unſrer Gedanken
mittheilen! Sie — behalten immer die
Freyheit, zu folgen, wenn Sie es fuͤr
gut befinden — Wo nicht, ſo werden wir
nicht zuͤrnen: denn wir haben kein Recht,
Folgleiſtung zu fodern. |
Daraus ungefähr koͤnnen Sie ben Ton
unfter Blätter vorſehen: Offenherzigkeit,
Vertraulichfeit, Laune; nichts Hergefuchs
tes, nichts Steifes! das erſte Work, fo
uns unter die Feder koͤmmt, wird uns
das liebſte, der Ausdruck, der am deut⸗
lichſten iſt, immer der beſte ſeyn. Dennoch
ſind wir nicht gut dafuͤr, ob uns nicht
manchmal eine kleine Ernſthaftigkeit an⸗
wandeln werde. Thereſie hat einen Mann,
Eleonore einen Liebhaber: das Betragen
dieſer Geſchoͤpfe gegen uns iſt nothwendig
von einigem Einfluſſe. Alſo, wenn wir
muͤrriſch find; fo ſagen fie: Thereſtens
Mann ſpielte heute den Eheherrn:
Eleonore bat ſich mic ibrem Liebhaber
überworfen : : Sie werden nicht geirret
haben.
The⸗
Therefie wird die DVertraute der
Frauen, oder Braͤute, Eleonore die
·Vertraute der Mädchen ſeyn: fo haben
wir ung in unſre kuͤnftigen Korreſponden⸗
tinnen getheilet. Sollten auch Männer
an uns ſchreiben, ſo wird es anſtaͤndiger
ſeyn, ſich an die erſte zu wenden.
Wir werden wechſelweiſe jede ein Blatt
geben, und unſre Anfangsbuchſtaben dar⸗
unter ſetzen. Wo die Buchſtaben T. oder
E. nicht ſtehen, das werden eingeſendete
Stuͤcke feyn ), denn wir weiſen auch fremde
Beitraͤge nicht zurück: beſonders werden
uns die von unſerm Geſchlechte ſchaͤtzbar
ſeyn.
Verſe, Proſa, Erzaͤhlungen, Uberſe⸗
tzungen, Fabeln, Geſpraͤche, alle Arten
von Einkleidungen werden uns gu Gebote
ſtehen, um die Einförmigkeit zu vermei⸗
den. Aber wir wollen und auf feine lan⸗
ge Zeit verbinden : ein halber Jahrgang iſt
genug, gegeneinander gu verfüchen : ob
wir
*) Es find keine fremden Sit an def
Sammlung aufgenommen,
wir den Leſern, ob bie Lefer ung anſte⸗
ben: und dann wollen wir fehen!
Wir werben beforgt feyn, daß Papier
und Drud rein gehalten werden. Die -
Korrektur und Nechtfchreibung , zu groffe
Kleinigkeiten für unfer Gefchlecht, haben
wir, dem Verleger zu beforgen, überlaffen.
Wien ben 20. Auguſt 1766.
Sperefte
und
Eleonore
I.
Ihr Schönen, ſchrenkt euch nicht auf Heinen
Anſpruch ein!
Erkennet uch! — und ſeyd zu ok, nie
| fon zu feyn!
Wieland.
Chriſale! wo Bift dur höre ich den
Schwarm der Lacher und Schönfchreiber
ung zum Willfomm entgegen rufen — Ich
verfiehe Sie, meine Herren! und ich will
Ihnen die Mühe erfparen, ung aus Mor .
liers gelebrten Weibern den Verweis de#®
haſtigen Alten vorzufagen. Ich will es an
ihrer Stelle felbft thun.
Chriſale alfo , hält feiner. Schwefter
ihr Tächerliches Gelehrtthun fehr nachdruͤck⸗
ih vor”) — „ Eure ewigen Buͤcher —
fpricht ee — find mir unerträglich. Einen
einzigen dicken Plutarch ausgenommen,
meine Halsfraufe aufzubewahren, folltet
ihr all den unnägen Plunder in dag Feuer
werfen! Weberlaße das Vielwiſſen den
Dofs :
) V. Auft. VOL Auftr.
132 Therefie und Eleonore.
Doktoren in der Stadt — Glaubt mir!
wolle ihr Elug handeln, fo ſchickt dag lan⸗
ge Sehrohr auf dem Boden , an dem fh
die Leute nur ſchrecken, und alle die hun⸗
bere Lumpereyen, die ich wicht mehr vor
Augen haben will, gum Geyer! und an⸗
ſtatt darnach zu gucken ; was man im
Monde thut, ſeht viel lieber ein wenig
zu, wie 18 bei euch hienieden ausfieht,
wo alles ziemlich bunt Über Eck geht —
Es flieht nun einmal nicht gut, daß ein
Weib fiubiert, und fo viel weis. Ihre
Kinder anftändig ersiehen, das Hauswe⸗
fen im Gange erhalten, das Aug auf ih⸗
rem Gefinde haben, bie Ausgaben der
" haugroirthfchaft beforgen, das muß bie
ganze Wiffenfchaft der Weiber, das muß
ihre Philoſophie ſeyn! — Umfre Väter
waren in dieſem Stücke ganz vernünftige
feute, Ein Weib, fagten fie, weis im⸗
mer genug, wenn es cin Wammes von
Deinkjeidern zu unterſcheiden weis. Ih⸗
re Weiber blaͤtterten nicht in Büchern,
aber fie lebten , wie ſichs gebuͤhret. Ihre
Haushaltung war ihr gelehrter Zeitper-
treib, und ihre Bibliothet beftund: in Sins
gerhut, Faden und Naͤhnadel, womit fie
vis
<herefie und Eleonore. 113
die Brautwaͤſche ihrer Tächter gu rechte
machen. Aber heute, ja doch! wie him:
melweit find unfre Weiher von ihren Sit-
ten abgefommen ! fchreiben wollen fie
foger! foger Schriftftellerinnen wer:
den! — „
Hier wären wir alfo bei der ungluͤckli⸗
chen Stelle! fchreiben wollen fie foger!
Sogar Schriftftellerinnen werden! Aber,
meine Schmweftern! bie Herren, bie ung
diefe troftreiche Stelle fo breifte unter bie
Augen balten, venfen nicht daran, daß
wir die Seder in her Hand haben, und
ung gegen fie und ben Komoͤdienſchreiber
vertheidigen können. Und, Moliere fol
bier eben ſowohl dag Kürgere ziehen, ale
Belife bei ibm, die er, iligflig genug,
zu ihrer Wertheibigung nichts als eine
froſtige Ausrufung thun läßt.
Ein Weib alfo darf nicht viel wiſſen!
und warum , wenn ich fragen darf ?
Weil fie dadurch von den häuslichen
Derrihtungen abgehalten wird, die ihr
eigenes Geſchaͤft ſeyn müſſen.
Mber, wenn fie num dadurch au ben
Pflichten der Hausſorge nicht gehindent
ww? tn Zu
IV. Theil. K > Aber,
114 :Therefie und Eleonore.
Aber, wie iſt das möglich.n .
Wie. das moͤglich iſt? fehr leicht! Fin-
den fie unter den Stunden einer Fran
von einem gemwiffen Stande — denn, von
denen Fann hier Feine Rede ſeyn, welche
ihren Kindern gemeinfchaftlich mit ihrem
Manne den Unterhalt erwerben muͤſſen —
‚anter den Stunden alfo einer Frau von
einem geroiffen Stande finden fie Feine,
die eben Feiner. Befchäftigung zugetheilt
find, oder vieleicht auch nuͤtzbareren Be⸗
ſchaͤftigungen zugetheilt werden koͤnnten ? —
Zaͤhlen ſie genau nach! von acht Uhr des
Morgens, bis eilf Uhr in die Nacht ſind
15 Stunden; ſind alle dieſe dem Hauswe⸗
ſen beſtimmet? — Iſt keine Morgenſtunde
uͤberfluͤſſig bei dem Anpuge ? find Feine
Abendftunden bei dem Spiele verloren ?—
Wohl denn! Nehmen fie an, eine Frau
breche fich etwas von dem Putztiſche ab!
oder auch fie pflege, während fie am Putz⸗
tifche fißt, fich mit einem Buche zu unter»
halten! Segen fie, das Spiel fen ihr feine
Zeitverkuͤrzung, fie entziehe fich demſelben,
wo es immer der Anſtand zulaͤßt, und
blaͤttre dafuͤr die langen Winterabende in
einem unterrichtenden Buche! Sehen Sie,
da
Thereſie und Eleonore. 115
da hätten wir vor der Hand eine Zeit ges -.
funden,, die nicht auf Köflen ber Haus:
gefchäfte geht! —
Wo aber iſt die grau, die ihre Zeit
lieber mie einem Emil, gle am Qua⸗
-deilientifche hinbringtY —
„Keine Satire! meine Herren! feine An
wenbungen! Es war hier die Frage nicht,
ob wir unfre Stunden fo verwenden ?
‚wir hatten zu unterfüchen, ob mir fie fo
verwenden Finnen v Aber, da ich Ste nun
‚einmal bis dahin gebracht habe, fo follen
Sie mir nicht wieder entwifchen ! ich will
Sie noch weiter eintreiben.
- Maß für eine Urfache hätten Sie wohl,
ung fo fehr von jedem Buche ferne zu halten * ?
Sch Habe den Spötter Juvenal in einer
Ueberfegung gelefen: ich weis, wie ſehr
er vor einem Weibe warnet, die Schluß⸗
reden drehet, und die Geſchichte von
der Kanzel lehren kann: und aufriche
tig, er bat nicht ganz Unrecht. Ein Weib,
bag den Grotius anführt, und Friedens:
. peälimingrien entwirft, iſt eben fo une
ausſtehlich, als ein Profeffor , der feiner
Geliebten bie Saarloden kämet, ober
ein Kath, der am Tambour naht. Aber
H 2 es
116 Thereſie unb Eleonore.
es giebt eine Mittelftraffe, und bie allen-
falls, follte ung doch wohl erlaubt feyn zu
wandern. Es giebt unentbehrlicye Kennt⸗
niffe, deren Mangel vor der Welt lächer-
lich macht. Es find nun drey Jahre, da
“fand ich mich in einer zahlreichen Gefell-
Schaft, wo unter andern von Pommern |
die Rede war, Man behauptete, Pommern
wäre groß, andre widerſprachen. Als der
Mortftreit lebhafter zu erden anfieng,
trat die Frau vom Haufe ganz ernfthaft
in das Mittel: wozu diefes Zanfen,
fieng fie an, ich. Laffe Ihnen meinen aus
dem Stalle heraufbringen : er ifl von
den größten, und ift dennoch nur wie
ein halbgewachſenes Schaf. Sie fin-
nen denfen, mit welchem innigen Ente
sücken der Mann feine Hausehre betrach-
tet haben muß, bie ihren Verſtand der
ganzen Geſellſchaft fo vortheilhaft auf:
führte — |
Wenn es nicht Guchftäblich wahr ſeyn
fol, was ein anmuthiger Dichter, den
- mein’ Mann immer den beutfohen Catull
nennet, von ung fihreibt:
Se
Therefie und Eleonore. 117
So find die Mädchen, wie Ihr meint,
Denn feine Menfchen ?
Ä Nein mein Freund !
Was find fie denn Herr Mädchenfenner ?
Kebend’ge Puppen für die Männer.
Wollen wir nicht bloß ald Lebendige
Puppen gelten, beftimmt, bie Tandeley
der Männer zu fen ; fo iſt es nothwen⸗
big, daß mir zu etwas mehr taugen, als
unferem theuren Eheberrn in einem Arm⸗
ſtuhle gegenüber zu figen, unfre Augen
gegen ihn mafchinmäflig fchmachten zu laſ⸗
fen, und von Zeit gu Zeit, der beliebten
Abwechslung wegen, bebachtfam zu gäb-
nen. Glauben Sie mir, meine Freun—
dinnen ! die fehönften , bie feurigfien Au⸗
‚gen find fiumm, wenn der Mund nichts
su fagen weis: und das Mort, das unſre
Abgoͤtterer, mann es daß erftemal über -
unfre Lippen fährt, vor Entzuͤcken auffer
fich ſelbſt feet, das Foftbare:: Ich Liebe
Sie! wird ihnen endlich ungefchmad, wenn
fie immer nichts weiters hören, als: ich
liebe Sie! ich Liebe Sie! und abermal,
ih liebe Sie. Sie werden es endlich
überdräffig,, die ſchoͤne Bildfäule zu bez
Ä 23 trach⸗
118 Thereſie und Eleonore.
trachten , und Ichnen fie irgend in einen
Winkel zu ihren übrigen Seltenheiten
und Antiken.
Es mag ſeyn, daß es genug iſt, ſchoͤn
zu ſeyn, um die Liebe eines Mannes an⸗
zufachen; aber, um ſie zu erhalten, iſt ne⸗
ben andern Eigenſchaften, die wir uns ſelbſt
ſchuldig ſind, wenigſtens ein Jewiſſes Maaß
von Verſtand nothwendig. Nicht wahr,
wir wuͤrden unendliche lange Weile haben,
wenn uns ein boͤſes Geſchick zu einer
ſtummen Reiſegeſellſchaft verurtheilte. Nun
wie langweilig muß ein Mann ſeine Zeit
finden, ber an eine unbeſeelte Venus auf
ewig gefäffele iR? der an Ihrer Seite ent⸗
weder ſchweigen, oder fic) erzählen laſſen
muß, wie lange die Schleppe ihrer Ro⸗
belonge ſeyn werdee
Eh! meine Srauen: wir geſtatten
Ihnen gerne vernunft zu haben! aber
fo viel, ale ‚yenug if, und nicht zu
viel!
Wir danken Zhnen für diefe guͤtige
Erlaubnig. Und wie viel iſt denn genug,
meine Herren? wo find die Graͤnzſteine,
die ie ung zu ſetzen belieben? und damit.
th) auch etwas von meiner Gelehrfamfeit.
- Therefie und Eleonore. 119
an Mann bringe, wo ſtehen bie Säulen,
bie das Non plus ultra ber weiblichen
Bernunft find? — Kann id) in ihre tiefe.
Einficht rathen, fo follen mir und an dem.
verninftigen Reden begnügen, und dag
Schreiben Ahrien überlaffen ? Ich koͤnnte
ihnen antworten: bie Foderung ſey bil:
Its : die Buchlaͤden flieffen ohnehin von
ungefhmaden männlichen Erfchaffungen
über !- aber ich bin fo boshaft nicht. Ach
hoffe, nachdem Sie ung einmal erlandt
haben, vernünftig zu .reben, wohl auch
die Erlaubniß gu fchreiben, von Ahnen zu
erbitten ; und baß eigentlid) um ihrer felbft
Willen. Es fann ſich fügen, daß Sie ab:
weſend find, daß Ste von ihrem Haufe
ſich die Neuigfeiten überfchreiben laſſen
muͤſſen. -Wollen Sie durchaus, baß alle
. von und einlaufenden Briefe mit einem:
Es freue mich, daß du gefund bift, ich
und Chrifloffel find es auch, ober. un:
gefähr auf diefe Art anfangen ſollen ? —
Nein! Sie können: fih kaum vorſtellen,
wie man die mohlgefchriebenen Briefe eis
ner Geliebten, einer Sattinn, einer Zoch:
ter gleichſam verfchlingt. Ste kännen nicht
glauben, um wie viel Sie une lieber ger
24 win⸗
120, Thereſie und Eleonore.
solnsien werden , wenn Sie in unfern
Schriften Reize des Geiſtes entdecken, bie
wir big ige gu entwickeln, feine Gelegen⸗
beit hatten —
. Wohl, wenn es Briefe find, aber
Wochenfchriften — :
ie unbillig Sie ind! Laffen Ste ung
hoch) die Iinterhaltung — da wir einmal das
Schreiben jedem andern Vergnügen vor⸗
ziehen — unfre Gedanken fiber diefen, über
jenen. Gegenfland nieberzufchreiben! Wir
thun es nicht, um drucken zu laffen. Aber
mein Mann, Eleonorens Liebhaber über:
rafchen ung: es tft zu fpät, daß wir un⸗
fre Auffäge verbergen können — Wie, Sie
fihreiben fo artig die Welt muß fo
fhöne Schriften nicht verlieren! — les
berlegen Sie doch, fagen wir ihnen, was
die Stadt fagen wird, wenn wir und ab⸗
geben, Schriftftellerinnen zu werden. Sie
hören nicht auf und : fie laufen. bin,
unfre Verfuche drucken zu laſſen. Sollen
wir gürnen ? Barum genen fo vteleSchrift-
fieller nicht, denen, mie fie wenigſtens in
ihren Vorreben gemeiniglich fagen, Sreun- _
de ihre Auffäge entwenben , und wider
ihren Willen zum. Drucke befördern ?
T.
Thereſee und Eleonore: 121
IL.
3 Höre meine Schweftern fügens-
Mon müſſe kein Gekändnig wagen.
Hagedorn.
Man frage und Mädchen: ob wir eis
nen Liebhaber haben? wir find offen:
herzig genug , ja! zu fagen — Man frage
ung: ob wie einen Mann wünfchen?
wir erräthen ; wir fchlagen bie Augen nie⸗
ber ; wir find verlegen, und thun alles,
einem Geftändniffe ausgumeichen, wodurch
wir, der Sittſamkeit unfers Gefchlechteg
zu nahe gu treten, glauben. Ein Mann,
defien Namen ich ſtets mit Ehrfurcht nen⸗
nen werde, that einmal biefe verfängliche
Srage an mich : und ich „ antwortete
nad) dm gerushnlichen Tone unfers Ge⸗
fchlehf®®. Das ift nicht vernünftig,
mein Rind! verfeßte er, und führte einen
Grund an, den ich mit feinen eigenen
Worten wiederholen will, fo gut ich dies
felben behalten habe. |
Wiſſen Sie, mar feine Rebe, wozu
diefe Ziererey näge iſt? zu nicht® weiter,
als, um von der Unfchuld eines Mädchens
nicht die befte Meinung zu befommen. Denn,
95 wars
122. Thereſie und Eleonore.
warum follte fie bei dem gleichgiltigen
Worte Mann erröthen, wenn ſie nicht
etiwan feine Bedeutung weiter auffuchet,
als es die Schambaftigfeit erlaube? Im
der That, fo lange ein Mädchen noch in
der glücklichen Unwiſſenheit if, Die fie oft
mehr, ald bie ſtrengſte Stttenlehre vom
Sebltritten bewahret, was Kann ihr dieſes
Wort anders beiffen, als: einen Lieb-
haber , der ebebin durch die fanften
Bande ihrer Reizeran fie gebefter mar,
und nun. durch die heiligen Bande der
Religion und Gefege unauflöslich an
fie gefäflelt , der unabfönderliche Ge:
fährte ihrer Tage feyn, dem feine Lie:
be zur Pflicht werden, der mit ihre aus
und Glück gemeinſchaftlich haben fol.
Sch finde in diefem Begriffe nicht, mad
die ſtrengſte Sittſamkeit beunruhigen, nichts,
was der reinſten Unſchuld den Wunſch um
einen Mann verbieten koͤnnte. Huͤten Ste
fich alfo , beſte Eleonore, ben Unterfchieb
zwiſchen einem Liebhaber und einem
Manne zu willen, und auf Köſten der
wahren Ehrbarkeit, dem Wohlftande
eine Grimaſſe zu machen! |
Set
Therefie und Eleonore. 123
Seit dieſem Unterrichte mache ich aus
meinem Wunfche fein Geheimniß; und ich
habe noch andere Gründe aufgeſuchet,
meine Dffenherzigfeie gu rechtfertigen.
Taͤuſchen mir ung nicht ſelbſt, meine
Befpielinnen ! wir ale ſuchen gu gefallen:
bie Wahl in unferm Anzuge, die Sorg⸗
falt für unſre Geſtalt, diefe geheime Be⸗
gierde, bei Zuſammkuͤnften, in oͤffentli⸗
chen Oertern nicht unbemerkt zu bleiben,
und hundert andre Dinge mehr, legen ein
geugniß wider und ab, auch mann wir
ſchweigen — Und wohin fol ung nun
diefe Begierde , zu gefallen, leiten? Die
Männer find fo gnaͤdig, einen guten Theil
Eitelkeit zum Beftandtheile unſeres We⸗
ſens zu machen; und vielleicht haben ſie
ſo unrecht nicht — Aber geſchieht alles das,
was wir" unternehmen, um dieſe SBitel-
keit gu befriedigen ? vieleicht auch biefer:
wegen , aber wenigſtens, nicht dieſerwegen
allein. Wir werden es vergebens läug:
nen: die Männer haben davon zu viele
Bereife, daß fie der groffe Gegenftand
aller unfrer Sorsfalt find, und Daß unfre
Eitelfeit felbft nur auf fie Beziehung bat.
, Be⸗
124 Thereſie und Eleonore,
Befennen wir es alfo! wir fuchen dem
männlichen ®efchlechte zu gefallen: unb
find unfre Bemühungen nicht unglücklich ‚-
fo umgiebt ung bald ein Kreis, ben un
fre Reise um ung ber verfammelt haben.
So fehr ſich die Eitelfelt in diefem Wirbel
der Schmeicheley gefällt, fo waͤhlet doch .
das Serz bald feinen Liebling, und freuet,
ih, ihm Zekatomben *) zuruͤckgewieſe⸗
ner Anbeter gu fchlachten. Wir verfieben
ung zwar nicht gerne zu einem förmlichen
Geftäudniffe unfrer Liebe, aber es läuft
immer auf daflelbe hinaus: unfre Hand:
ungen überzeigen ihn beffen , was mir gu
jungfraͤulich blöde find, wörtlich auszu⸗
fprechen.
Sobald unfer Herz einmal feine Wahl
getroffen, fo führen wir unfern Guͤnſtling
ber Welt auf. Mir befuchen die Schau⸗
buͤh⸗
*) Dieſes Wort, bus, ich weis nicht griechiſch
oder Latein ik, hat man mie untergefchoben‘s
and vermuthlich ſoll es fchöner feyn, als das:
Zu hunderten , fo vorher an dieſer Stelle
Kund.. Vielleicht duürfen ſolche Einfchaltun-
gen dfters gefchehen : aber wir erfuchen unſre
Leferinnen und Lefer , diefes fremde Gemeng
nicht auf unfee Rechnung gu fegen.
Tperefie und Eleonore. 125
buͤhne, er tft ung zur Seite. Wir bes
ſuchen öffentliche Spaziergänge , er be⸗
gleitee und. Wir befuchen Geſellſchaften,
er bat die Ehre, uns zu unterhalten.
Acherman giebt ihn ung zum Liebhaber,
ind wir mwiderfprechen nicht. Aber, was
wollen wir, daß man von unferem Ber:
ſtaͤndniſſe denke , wenn es Schande fenn
fol, zu geftchen, daß wie einen Mann
wuͤnſchen?
Werden wir daſſelbe ewig auf dem
Fuſſe fortſetzen, auf dem es zum Anfange
ſteht? — Unſre Liebe wird dereinſt ein ſehr
ſchoͤnes Winterſtück ausmachen. Es wird
ausnehmend luſtig laſſen, wenn ich in ei⸗
nem Alter von ſechzig, meinen ſieben⸗
Zzigiaͤhrigen Verehrer unterflügen werde,
Damit er fich zu meinen Fuͤſſen werfen kann,
jum vierzehn taufend fechs hunderten
male *) mich feiner unmwanbelbaren Liebe -
gu verfihern: wann mein Liebhaber, ber
in Rauchſtiefeln und einem Pelze sähnflap-
. . pe 0
IH nehme on, der Liebhaber fen dreyſſig
Jahre alt: bie in das fiebenzigkte Jade fiud
vierzehntauſend ſechshundert Sonnen uͤber
ihn aufgegangen, und wenigſtens wird er
viglich einmal feine Huldigung ernenert Haben.
"126 Thereſie und Eleonore.
pert, mich von feiner feurigen Leidenſchaft
unterhalten, und wann bei den Erhebun⸗
gen meiner Neige jungfräuliche Sittſam⸗
keit die Lilien meiner Wangen, die nur
erſt ein und ſechzig Fruͤhlinge geſehen,
roͤthen wird. Wenigſtens glaube ich nicht,
daß dieſes die Beflimmung unſrer ger:
sen fey.
ie denn ? ih werde dieſen Liebhaber
fortſchicken, wie ich ihn angenommen ha⸗
be — Waͤre es dann nicht auf jeden Fall
beſſer, ihn niemals angenommen zu haben?
Denn, bat die Eitelfeit gewaͤhlet, fo fand
fie ihre Rechnung mehr bei gunderten, als
einem. Sat aber dag Gerz die Wahl ge-
troffen, o! dann fcheint es mir nicht fo
leicht, den Goͤtzen zu ſtuͤrzen, und feinen
Altar zu zertruͤmmern. Wann er nun
aber ja fortgefchicht werben foll ; fo wird
‚ein andrer an feine Stelle fommen — um,
wieder verabfchiebet zu werben: und man
wird fo lange nehmen, und fortfchiden ,
bis zulegt Wie fortgefchickt , und nicht
‚mehr genommen werden. Diefe Aus—
ficht ift für mich zu traurig, ich will, fo
ſehr ich kann, davon meine Augen ab:
wenden. —
| Cs
‚Sherefie und Eleonore. 127
Es bleibt alfo einem Mäpchen , das
einmal einen Liebhaber angenommen bat,
feine Abficht.ibrig, als die Ehe. Warum
fol es nun Schande feyn , dasjenige
zu geſtehen, was allein dag rechimaflige
Zieh unfrer liebſten Sorgfalt, und gleich»
ſam bie eigene. Beſtimmung unfer$ Ge-
Schlechtes ik? Alles genau überlegt, wenn
irgend auf einer Seite etwas zu erröthen
wäre, fo ift e8 über eine Liche, deren End⸗
zweck die Ehe nicht iſt: und wenn. wir
"Die Antwort eines Mäbchens, welches laͤug⸗
net, daß fie einen Mann wuͤnſchet, recht
eigentlich uͤberſetzen wollen, ſo heißt fie:
ich will eine ewige Buhlſchweſter blei-
ben, welches Geſtaͤndniß eben nicht viel
Ehre bringen kaun.
| Zwar die Männer haben in ber That
. Mefache, zu verhindern, daß diefe Mei-
nung. nicht unter ung allgemein werde.
Sie auch find eg .,. bie ein offenherziges
Geſchoͤpf, welches etwan feinen®unfch nach
einem Manne nicht in fich ſelbſt verbarg,
als einfälcig verfchrieen haben. Das ifl
ein dummes Mädchen, mit der nichte
anzufangen iſt; fie denter sth aufs
eu:
128 Thereſie und Eleonore.
Yeurathen, Eh! meine Herren, worauf
wollt ihr denn, daß fie denken ſoll?
Alles genau uͤberdacht, liegt unſerem
Vortheile ſehr daran, oͤffentlich zu beken⸗
nen, daß wir einen Mann wünſchen ;3
und daß wir einen jeden, der ſich beige⸗
hen laͤßt, ſich fuͤr unſern Liebhaber zu
earklaͤren, auch dafür anfehen, als crklaͤr⸗
te er ſich, uns zu ehlichen ˖ Wir wer⸗
den uns dadurch auf einmal die ungeſtuͤ⸗
men Schwaͤtzer vom Haiſe ſchaffen, die
es itzt ſo wenig koſtet, uns Schmeiche⸗
leyen vorzuſagen, wovon fie feine Folgen
beſorgen: wir werden bie wahren Lieb⸗
haber von den Scheinbuhlern unterſchei⸗
‚den, die künftig, wie die Motte um dag
Licht, nur von ferne um ung herum flat
tern werben, aus Furcht, fich die Stügel
zu verfengen. Selbſt bie Angriffe auf
die Tugend unſeres Geſchlechtes werben
dadurch feltner werben.
. Sollte. es mir gelingen, bie ganze Re⸗
publik der Mädchen auf meine Seite zu
bringen, fo wird indem reiche der Liebe
eine erftaunliche Veränderung vorgeben.
Die Liebhaber von Gewerb, die von Putz⸗
tifch zu Putztiſch wahlfahrten, ibre aus⸗
| wen⸗
%
Therefie und Eleonore. 129
tenbiggelernten Schmeichelegen jeder oh⸗
ne Unterſchied vorzgubeten, werben , ihren
ganzen Katechiomus umzugieflen ges
swungen ſeyn. Wie Liebenswilrdig find
Sie doch! Wer kann ihren Reizen wi:
berfiebeny Ic) ſchwsre Ihnen die un:
veränderlichfte Treue! Ich ſterbe zu ih⸗
zen Füſſen, wenn ich ihr gerz nicht
erhalte — Sterben Sie nicht! werben
wir ihnen antworten: das wäre graufam,
wenn wir es zugäben. Sie follen es ha⸗
ben, biefeßgerz: aber es wird nicht ohne
die Zand weggegeben — Warum mit eins
mal fo ernfibaft? Wo iſt ihre Lebhaftig-
feit Hin? Ich mache Sie gluͤcklich; ich
gebe Ihnen mehr, als Sie baten, und
Sie ſterben nicht vor Entzuͤcken zu meinen
Fuͤſſen ? — Wie? Ste find ſtumm ? Sie ent-
fernen ih? — Schen Sie, Freundin⸗
nen, fo haben wir die Verräther entlars
ver! Mögen fie doch Fünftig ihre Vortreffe
lihfeiten , nach bem berrfchenden &e=
ſchmacke ihres Gefchlechteg, dahin tragen,
mo ihnen das Hirn wenigſtens nicht mit
Heurathsantraͤgen betäubet wird! ımfre
Einfamfeit fol und nicht erfchredden. Was
werben wir verloren baden? Leute, Die:
IV. Theil. 3 bie
130 Thereſie und Eleonore.
die Leichtglaͤubigkeit unſers Geſchlechtes
durch unwuͤrdige Luͤgen zu mißbrauchen
fuchten: Leute, die mit ihren ungeſchmack⸗
ten Schmeicheleyen auf unſre Ehre in
Hinterhalt lagen: Leute, die, wie mein
. Papagey, zu jeder weiblichen Poppanze
ſchönes Kind! fagen, und eben fo viel,
als er, dabei denken. Aber, bleibt -ung
dann noch, warn wir unfern Wunfch nicht
geheim halten, ein Freund zurüd ; fo
soiffen wir wenigſtens, daß er nicht ums
würdig ifl, ber Sreund unfers Herzens
. zu ſeyn.
E.
| III.
Romanen fliegen hier gethürmet in die Hbhe,
Voll ſchaler Zärtlichkeit, und ſuſſem Liebesweh.
Quartanten wälsten ſich auf ſeufzenden Qua
tanten,
und Frankreichs Clelie lag neben Atalanten.
Zacharia.
RL ,; Farin mich nicht ermwehren: ich be⸗
daure ſehr, daß die Romanen, bie ein
paar Gefchlechter vor uns , fo fehr Mo⸗
delektur geweſen, heute ſo ſehr ver⸗
ſchrie⸗
Therefie und Eleonore, 131
(chrieen find : und ich babe gegen ben
Ritter von der traurigen Geſtalt be-
fländig einen Groll im Herzen, daß er
fo viel beigetragen hat, fie aus ihrem An⸗
feben zu fegen. Sch habe mit einer Freun⸗
dinn, bie fi) nad dem Tode ihres Ge⸗
mahls auf dem Lande nieberließ, um fich
einzig der Erziehung einer Tochter zu wid⸗
men, über biefen Punkt Briefe gewech⸗
felt, nad) deren Durchlefung man vielleicht
mein Bedauren nicht mehr fo fonderbar
nden wird, ale es dem erfien Anfehen
nach fcheinen mag. Diefe verehrungs⸗
wuͤrdige Freundinn wird es mir gerne
vergeben, daß ich die Briefe, mit denen
fie mid) beebrte , zugleich mittheile, um
die Solge nicht zu unterbrechen. Die
Zärtlichkeit für das Andenfen ihres Ges
mahls, die mütterliche Sorafalt für eine
geliebte Tochter, die in jeder Zeile durch⸗
fcheinen, und gleihfam den Ton dieſer
Briefe ausmachen, fönnen, ba fie ihrem
Herzen Ehre machen, zugleich für bieje=
nigen, die fich im ihren Umftänden- befin-
den, ein lehrreiches Beiſpiel ſeyn.
J 2 J.
132 Thereſie und Eleonore.
| L.
Theuerſte Freundinn!
Warum mußten Sie ſo bald wieder
nach der Stadt zuruͤckkehren, nachdem Sie
mich die Suͤffigkeit ihres Umgangs kaum
verkoſten laſſen? Meine Einſamkeit iſt
mir dadurch, ſo zu ſagen, noch einſamer
geworden. Wo ich mich hinwende, per⸗
miſſe ich Sie. Der kleine Huͤgel, auf dem
wir, Sie, meine Conſtantine und ich,
manchmal die Abwechſelung des Lichtes
und der Finſterniß beobachteten, und die
ſichtbar werdenden Sterne zu zaͤhlen, be⸗
muͤhet waren, die kleine Quelle, deren
Geſchwaͤtz wir durch hingeworfenes Ge⸗
ſtraͤuch, uͤber welches ſie dahin rollen
mußte, vermehrten, unſer kleines Wind⸗
for, die Weingaͤrten, das Feld bleiben
unbeſucht. Bald wird die rauhere Wit⸗
terung uns ganz in unſerm Zimmer ge⸗
fangen nehmen. Die langen Winternaͤch⸗
te, fuͤr den arbeitſamen Landmann die Zeit
der Erquickung und des Genuſſes, find
auf dem Lande fuͤr die ſtaͤdtiſchen Muͤſ⸗
ſiggaͤnger die fuͤrchterlichſte Zeit. Ich ma⸗
che den Entwurf, wie ich dieſe kleinen
Ewigkeiten hinbringen werde. Ich denke,
mit
Therefie sind Eleonore. 133
mit dem Andenken meines theuerſten 2’,
mit meiner Zochter Über einem Buche,
und mit Brieffchreiben an Sie: das heit:
ich mill meine Zeit zwifchen dem Schmer:
gen und der Pflicht theilen, und dann mich
bei. Ihnen erholen — Geben Sie ihre Eine
willigung gu diefem Entwurfe, in ben Sie,
wie Sie ſehen, mit verflochten find ?
Meine Conſtantine fehnt ſich unausſprech⸗
lich nach Ahnen: fie nennet Sie Ihre
Schwefter. ergeben Sie ihr biefe Fleine
Erhebung! es ift ein Ausbruch ber Liebe.
Seyn Sie ihr eine Fuͤhrerinn durch ihren
Kath! Sie find es bereits durch ihr Bel:
fpiel, auf welches ich fie immer vermeife.
Sie koͤmmt, das theure Ebenbild ihres
Vaters! ich gebe thr diefen Brief zu le⸗
fen.: fie druͤckt ihren Dank durch Küffe
aus, und bittet mich um die Erlaubniß,
ein Wort unten gu feßen. Ich kann Ihr
nichts verfagen. Leben Sie wohl!
g 2% *
Ach habe Sie Schwefter zu nennen
gewagt: ich war gu frey. Senn Ste —
aber Sie können nicht meine Mutter ſeyn:
ich Fönnte der Liebe zwoer Mitter nicht -
gureichen. Sie haben ben zweyten Plag
3 in
134 Thereſie "und Eleonore.
In meinem Herzen: Eönnte in dem ihrigen .
nur einen geringen verdienen
| ihre Eonftantine,
II.
A n t w D r t.
Verehrungswuͤrdige 28
Ich habe einen groſſen Theil meines
Vergnuͤgens bei Ihnen, und in ben rei⸗
genden Gegenden gelaffen, an beren Ver—
luft Sie mich erinnern. Könnte ich meine
Winterabende in ber liebreichen Geſell⸗
ſchaft Eonftantineng , und ihrer würdigen
Mutter zubringen ! Aber ih bin zu dem
Geräufche verurtheilt, dem fie entfommen
find — Ob ich in ihren Entwurf: willige ?
ihr Anerbieten ift eine Wohlthat. Sch er⸗
halte Urfache mich den betäubenden Ver-
fammlungen zu entfchleichen, um mich mit
Ihnen zu befprechen. Zieleicht — und
wie fehr wünfche ich , daß es nicht bloß
vielleicht fey — kann ich auch auf einige
Tage zu Ahnen ganz entrinnen! Aber ich
werde dann moieder wur mit ſchwererem
Herzen zurickfommen. |
Meine Schwefter Eonftantine umarme
ih. Warum macht das angenehme Kind
Um⸗
Therefie und Eleonore: 1 35
Umfände, mich fo zu nennen? Dieſer
Namen wird mir ein Necht auf ihre Liebe.
geben : fie bat bereit$ die meinige ganz.
Bon nun an, Freundinn ! fobre ich
ihre Briefe als eine Schadloshaltung über
bie Entfernung von zwo fo ſchaͤrbaren
Seelen. |
| Cherxefie.
III. *)
Theuerfie Sreundinn!
Der Herbft hat ung unbereitet über=
raſchet. Wir find noch nicht ganz mit
unferm Entwurfe gu Stand. Seyn Ste
mit von unfern Rathsgliedern! Conſtan⸗
tine fol meine Borleferinn werben: aber
die Bücher follen für Sie, nicht für mich
gewaͤhlet ſeyn. Dieſes liebe, liebſte Kind,
34 das
) Die beiden erſten Briefe find nur eine Ark
von Einleitung. Ungecchtet fie nun zwar
nicht zur Sache ſelbſt mitgehbren, ſo glaub⸗
te man, ſie würden wenigſtens als deutſche
Originale von Frauenbriefen, wovon wir ei⸗
nen ſo groſſen Abgang haben, nicht ungerne
geleſen werden — Zwiſchen dem dritten
Briefe find noch mehrere geſchrieben worden,
bie mon hinwegläßt, wrif fie zur gegen
wärtigen Unterfuhung nichts britragen.
Der Herausg.
’
Dunn re
Den u
136 Thereſie und Eleonore.
das meine Sorgfalt burch ibre voreilende
Aufmerkfamfeit fo ſehr verdienet, befchäf:
tiget ſich den Tag uͤber mit ber Wirth⸗
ſchaft, und Sachen, die gu ihrem Unter-
richte gebören. Ich wollte alfo, daß die
Leftur zu ihrer Erholung diente. Könnte
diefe Erholung nicht zugleich mit einem
Unterrichte, wenn nicht für den Verftand,
boch fir das Herz, verbunden ſeyn ? Ich
waͤlze feit einiger Zeit einen Gebanfen in
meinem Gebirne: ich will ihn mit Ihnen
überlegnm. Conſtantine ift in einem Als
ter, wo die Herzen am fihlbarften, aber
auch am unbehutſamſten find. Die Liebe
fann ſich auch in unfre Einſamkeit fchlei:
chen. Das Herz meines Kindes if zaͤrt⸗
lich — fie wird lieben. Ich wuͤnſchte,
daß fie dieſe Leidenfchaft fennen lernte,
‚noch da ihr Herz in bem ruhigen Stande
iſt, mic Gehör zu geben. Ich habe den
Beweis, eine Liebe auf einen wuͤrdigen
Gegenſtand geworfen, ift dag größte Gluͤck.
Aber man flieht auch aller Orten Denf-
möler der Zerfiöhrung unglücklicher Liebe.
Ich kann den Weg der Aeltern unmöglich
gutheiffen,, die ihre Töchter am beften zu
Hüten benfen , wenn fie diefelben in ‚einer
gaͤnz⸗
Thereſie und Elesnore. 137
®
gänzlichen Unwiſſenheit erzalten. Gels
lerts Orakel, und Bruder Philipp ha⸗
ben die befarglichen Folgen davon zu
Leiche gezeichnet. Es giebt noch ſchreck⸗
lichere — Mein Kind fol ihre Tugend, .
nicht der Unwiſſenheit, es fol fie feiner
Wahl zu danken haben. Wenn ber Ber:
raͤther erfcheinen wird, fo fol Conſtan⸗
tine ihn erfennen, um ihn zu fliehen.
Aber Freundinn, wie fange ich es mit
ide an? Ich weis nur Bücher, bie ich
iu meinem Endzwecke wählen fann — Sind
Sie meines Sinnes ? meine Tochter ſoll
mir Romanen vorlefen! Ich werbe babei
Gelegenheit Haben, die notbwendigen Wars
nungen mit untergumengen, bie bei einem
Mädchen, das zum erftenmale auf folche
Bücher fällt, unentbehrlich find — Uber
nun ift unter Romanen felbft die Wahl
nicht Teiche. Ich babe vie Buͤcherſamm⸗
Iung meines Mannes burchgefehen: ich
finde Clarifien, Pamelen und Grandi⸗
ſonen, feinen einzigen fonft von neueren.
Aber in einer Ecke zum ausfuͤllen, ſteht
Arminius und Thusnelde , Banife, u.
d. gl. alte Romanen mehr, die zu nichts
taugen, als das Hirm der Mäbehen mit
35 aben⸗
138 Thereſie und Eleonore.
abentheuerlichen Entwuͤrfen anzufuͤllen,
und weibliche Don Quixoten aus ihnen
gu bilden ; von diefen alfo fann bie Frage
nicht feyn. Mit welchen von den dreyen
englifchen fol ich bei Conſtantinen den An=
fang machen? melden Sie ihre Meinung.
ihrer er.
IV.
Antwort.
Schäsbarfte E***!
Mit Teinem , weil Sie boch fo gütig,
find, mir gu erlauben , meine Meinung
darüber zu fagen. Ich fehe, wie Sie zu⸗
ruͤckfahren, eine Menge Fragen auf ein-
mal an mid) thun. Verwerfen Sie alle
Romener oder iſt diefes nicht: wie
dürfen Sie diefe Meifterflüde verwer-
fenY Pamelen, Rlariſſen, Genrietten,
Byron, diefe idealifchen, unerreichba=
ren Muftery welche andre dürfen Sie
an ihrer Stelle vorfchlagen? ch wer⸗
be nach der Reihe auf alle Kragen anf-
worten, als ob Sie dtefelben mwirflich an
mic) gethan hätten. Aber ich werde mehr-
als einen Brief dagu brauchen. Die erfte
Stage ift für diefen genug,
Sie
”
Therefie und Eleonore. 139
Sie haben ohne Zmeifel gegen bie .
Romanen überhaupt fehr losziehen ge⸗
bört:: fie vergiften das Herz, fie flöſſen
den zarten Bemüthern eine fchädliche
VUeigung ein. War das alles, mas man
gegen Sie zu fagen wußte? bei meiner
Treue! das iſt e8 alles, worauf daß viele
Geſchrey hinaus läuft. Man fagt mir, ein
gelehrter und frommer Bifchof in Frank⸗
reich babe für Ste Romane gefchrieben.
Ich Habe ihn nie gelefen: aber allenfalls
: wollen wir fein Anfehen Beraten entgegen
fielen. Fuͤr uns fündige Weltgefchöpfe
giebt es andere Gründe. Es koͤmmt ganz
allein auf die Fragen an: ob die Ziebe
eine ſchädliche Neigung ifiy oder, ob
die. Romane eine verwerflidde Liebe
einfloͤſſen — Ich war zugegen, wo eine
Mutter ihrer Tochter ben erfien Sag fehr
einfchärfte. Das Mädchen , fo bereits
Anmerfungen gu machen anfleng, fragte
ganz unfchuldig: aber Mama , baben
Papan ja geliebery welches die gute
Mutter ziemlich in Verwirrung bradıte.
Die eltern. können alfo ihren Kindern,
meines Duͤnkens, die Liebe nicht verdaͤch⸗
tig machen, ohne fich zugleich gegen fie
eis
° -
, — — 07
140 Thereſie und Eleonore.
eines uͤbeln Beiſpiels ſchuldig zu geben.
Ich weis nicht, ob es ſogar gut iſt, weun
man auf ber Kanzel dieſes Band der haͤus⸗
lichen Geſellſchaft, worauf die buͤrgerliche
fich gründet, herabſetzet. Wenn ich, als
ein Mädchen folche Ermahnungen hörte:
fagte ich bei mir felbfi, warum iſt die
Ehe denn ein Satramınry
Aber es giebt eine wilde Leidenfchaft,
bie den Namen der Liebe borget, vor der
die jugendlihen Herzen zu warnen find.
Die Romane flöffen biefe Afterliebe ges -
wiß nicht ein: vielmehr if ihr Ausgang
ſtets die Belohnung der tugendhaften Lie⸗
be; und wie mein Mann fpridht: ein
praftifcher Beweis ift überzeigender,
als alle Schlußreden der Schulen.
Zwar es giebt auch fehäbliche Bücher
unter den Namen Romane kehrbuͤcher
der fchändlichen Wolluſt; aber bie Cenſur
hält dieſe anſteckenden Schriften hinweg,
und Sie laufen feine Gefahr, fo lange
Sie bei den erlaubten ftchen bleiben.
Conſtantine mag alfo immer Roma⸗
ne lefen! aber von Ihnen gewählte, und
an ihrer Seite! Ich glaube fogar, daß
es nothwendig ift, ihr feinen in bie Hanb
gu
Therefie und Eleonore. 141
zu laſſen, ben nicht vorher Sie ganz über»
sangen haben — Sich Tchlüffe dieſen lan⸗
gen Brief, um Ihnen mit nächften einen
noch längeren zu fchreiben: benn ich wer⸗
de mich über die zweyte Frage gegen bie
halbe Welt auflehnen. Ich — Ä
T.
IV. ®)
Wie fieghaft geht er nicht mit feinen Schönen um!
Sie und wos ihrer iß, find bald fein Eigenthum.
Haller.
Schägbarfte *’* !
ier ift er, der verwegene Ausſpruch
Über Elariffen, Pamelen — ja! und
auch über Grandifonen, ihren, und wor⸗
über Sie fi) mehr noch wundern werden,
auch meinen Kiebling, Hier iſt er!
Clariſſe tft ein Buch, das mir für
Mädchen, deren Denkungsart, um mid
fo
9) Diefe zwey Briefe find die Ausführung des
im vorigen Blatte angefangenen Satzes. Nee
benfachen und Antworten find hinweggelaſ⸗
fen, um diefe Maserie nicht anf das dritte
Blatt auszudehnen. |
142 Thereſie und. Eleonore.
fo auszubrüden, noch feinen feften Stand
gewonnen bat, von mehr als einer Seite
genommen, gefährlich fcheint. . Ich habe
nichts gegen den Satz, den ber Verfaſſer
diefer Gefchichte in ein Licht zu fegen,
fih vorgenommen : er ift an ſich ſelbſt
richtig. Aber ein junges Mädchen nimmt
fi die Mühe nicht , einen Lehrfag aus
einigen Bänden herauszuholen. Das ift fo
gar felten unfre Sache » wenn unfre Ver-
nunft ſchon ganz entwickelt und ausgebil-
det if. Das Ganze alfo eines Buches
ift für folche Leferinnen, anders, als in
fo ferne e8 das Schickfal der Hauptper-
fon betrifft, ohne Wirkung. Das iſt von
flüchtigen ‚Geiftern zu viel gefobert, daß
fie den weitgedehnten Faden der Gefchichte
beftändig in den Augen behalten, immer
die Ereignungen aneinander reihen, bie
vorhergehende als eine Urfache, die nach⸗
kommende, ald Folge und Urfache zugleich
betrachten , fchläffen, erwägen, urtheilen
ſollen. Fuͤr fie find eigentlich nur bie
einzelnen Auftritte der Gefchichte, wo bie
Folge mit feiner Urfache unmittelbar ver⸗
bunden, und daher auf ihre noch Tebhaft
geruͤhrte Einbildung zu wirfen, fühlen if,
- | ie
<herefie und Eleonore. 143
Die einzelnen Stellungen, merin fih
die Schwärmerinn Clariſſe befindet, find
in der That für Eonftantinen nicht fehr
lehrreich. Sie haben das Buch unter den
ihrigen, und es ift auch ſonſt in jeber-
mans Händen : ich darf alfo Feine beſon⸗
deren Beifpiele anführen., fonbern nur
überhaupt im Groffen mich darauf bezie⸗
hen. Diefes tugendhafte Mädchen, das
ſich fo viel auf feine Reinigfeit zu gut thut,
nimmt gleichwohl Briefe von einem Men-
fhen an, von beffen Tugend es fehr
ſchwankende Begriffe hat; und dag liebe
Kind weis wieder , ganz fünftlich , die
Antwort darauf in der Holzfammer, wenn
mir recht ift, hinzulegen. Ich möchte nicht
gerne, daß Eonftantine bächte, ein ſol⸗
her Briefmechfel Eönne neben ber Unfchuld -
eines Mädchens, oder neben feiner Pflicht
befiehen — Bald darauf wirft ſich die gu-
te Reinigfeit einem Kerle gar in die Ar⸗
me — Warum? um ber Graufamfeit ih⸗
rer Anverwandten zu entfliehen. Thörinn !
möchte ich ihr zurufen, du hatteſt andre
Wege, dich daraus zu reiffen, rechtmäf-
fige Wege; warum wollteft du lieber zu
"einer Entlaufenen werben ? Deine Sanfte
muth
144 Thereſie und Eleonore.
muth iſt Dummbeit. Die Tugend muß
fi) zumellen mit ihrem Rechte waffnen
um ſich zu unterſtuͤtzen.
Und, wenn dag Maͤdchen auch ſonſt
keinen Weg hatte, den Verfolgungen einer
Verwandtſchaft zu entrinnen; ſeit wann
iſt es denn erlaubt, um nicht unglücklich
su ſeyn, ſtrafbar zu werden? Wuͤnſchen
Sie, daß ihre Tochter die Lehre einſauge,
daß ein tugendhaftes Maͤdchen entlaufen
moͤge, wenn ſeine Neigung ſich nicht zu
ben Abfichten feiner Aeltern ſtimmet ? Ri⸗
chardſon mag immer bie Warnungen und
Lehren in den Mund ber Sreunbinn legen,
er fchildert Clariſſen zu liebenswerth, um
nicht auf ihrer Seite zu ſeyn; man läßt
Aennchen predigen, und benfet, Clariſſe
hatte Recht —
Was der frommen Entlaufenen nach⸗
her wiederfaͤhrt, ſind verbundene Folgen
ihrer erſten Unbeſonnenheit; aber man
bemitleidet ſie, man entſchuldiget ſie. Ich
will nicht, daß ein Mädchen die Schwach⸗
: beiten bemitleide ; daß es biefelben fo
anfehe, als verdienten fie Entſchuldi⸗
gung! es fol fich vor denfelben hüten ler⸗
an! Sch will Mufter ber ſiegenden Zus
gend
Therefie und Eleonore: - 145
. send zum Srundfteine ihres Lehrgebaͤudes.
Clariſſe, fo tugendhaft fie übrigens aus⸗
gezeichnet ift, wird ein Dpfer ver DVerz
führung. Schädliches Beifpiel! woraus
ein jugendliche® Herz vielleicht den After-
faß zieht: daß, auch was immer für
firenge Grundfäge, gegen die VNachſtel⸗
Lungen der Bosheit zu ſchwach fins.
Kenriette Byron, die in dem Fritifchen
Augenblicke gegen Sir Hargraven ringt,
ift ein mwaferes Mädchen. Co fehr mir
ihr unaufhoͤrliches Winfeln über die Eleine
Klemmung zroifchen der Thäre mißfaͤllt,
fo ſehr gefällt fie mir, menn fie durch
ihre Handlung beweiſet, daß bie Tugend
auch die Schwachen mit Muth und Staͤr⸗
fe begeiftert-
Noch etwas anders gefällt mir in die⸗
ſem Werfe durchaus nicht. Lovelace, der
fhändliche Lovelace ift mit fo Fräftigen,
und anmutbigen Farben gefchildert,; gik⸗
‚man aber, der tugenbhafte Hitman, mas
. für ein armfeliges Geſchoͤpf iſt er ge
gen ihn! Unter einer folchen Seftalt wird
das Lafter beliebt, und die Rechtſchaf—⸗
fenbeit lächerlih. Oder, macht ſich ein
Mädchen nach diefen Vorſtellungen ein
IV. Theil, K Bild
v
146. Therefie und Eleonore.
Bild von dem männlichen Gefchlechte, fe
wird fie jeden Tugendbaften für einen
Pinſel, jeden Verführer für einen arti-
gen Mann; ober auch umgekehrt, jeden
Pinfel für tugenöhaft, jeden artigen Mann
als einen Böfemicht betrachten. Diefen
Sehler hat der Schriftfteller im Grandi⸗
fon verbeffert. Zwar Gargrave hat Ume
gang genug, fo viel, baß er ben weinen⸗
den Orme, und Fowler aufjiehen kann:
aber fen ſchwaches Licht wird unfichtbar,
fobald die Sonne, Sir Tarl erfcheint.
Der tugendhaftſte Mann, ift auch der
artigfte Mann. Vorttefflich! da bie
Männer nun einmal beſtimmet find, dag
‚Haupt der Familie, und unſte gebieten:
ben Herren zu werden, fo balte ich da⸗
für, iſt es nothwendig, daß man ung von
Kindheit an, fie hochachten lerne. Yoch-
achten, nicht nur wegen ihres Verſtan⸗
des, ſondern aud) Ihres Herzens: boch-
achten alfo, und verebren. Elariffe wird
bet einem jungen Mädchen gerade bag. .
Gegentheil wirken: fie mache die Männer
verächtlich ; denn fie zeiget diefelben als
Boͤſewichte, ohne einen hervorſtechenden
Eontraft:
Ela:
v⸗
Thereſie und Eleonore. 147
Clariſſe noch einmal— hat eine Schluß«
ſcene, bei welcher ich vor einem Mädchen
in den Jahren Conſtantinens ven Bora
bang fallen laſſen möchte. Ich will durch⸗
aus nicht , daß man bie Verführungen
eher, als bie wahre, die tugendhafte Lie⸗
be fennen lerne. Einem gutgearteten Maͤd⸗
hen iſt ſchon dieſer Begriff von CLafter
zureichend: es ſey das, was nicht Tu⸗
vend iſt. Es iſt gefährlich, wenn fie es
anders, als verneinend, kennet.
Eben darum ſteht mir auch Pamela
nicht an. Die Dirne verliebt ſich in ihren
Herrn, der fo weit über fie iſt. Das iſt
ſchon nicht erbaulich. Dann, fo werden
dem Mäbchen gewiſſe Anträge gemacht,
es wird ein gewiſſer Auftritt gefpiele, wird
mir von ber abſcheulichen Dawres fo oft
von zwey Bettlacken gefprochen, und
noch von einem gewiffen Rinde des Bon-
fils, fo nicht Pamelens Kind iſt, daß
id) das ganze. Buch immer jebem Mäbr
hen aus den Händen zu reifen, verſucht
bin, nn
Solche Ichrreiche Stellen kommen zwar
auh.im Grandifon vor: aber hier zeige
ſich die Tugend in zu flarfem Lichte, als
8a daß
148 Thereſie und Efeonore,
daß diefe Nebenfchatten gefährlich ſeyn
-follten. Diefed Buch wuͤrde auch das Lehr»
buch deri Tugend für alle Mädchen feyn,
wenn nicht Byron bei aller ihrer Tugend
‚ein fehr eingebildetes , oft. nafenmeifes,
immer aber fehr fchnüppifches Mädchen
wäre, das auf feine Vernunft groffe Stücke
haͤlt, von Sachen, die weit über feinen
Gefichtsfreis find, entfcheidend urtheilet,
von andern ziemlich boshaft, von fich mit
zu vieler Eigenliebe fpricht, und von eis
nem reife vernarrter Verwandten um⸗
rungen ift, die dem beften gerzblaͤttchen
auf jedes Wort vorfagen : daß alles in
der Welt gegen Sie Thorbeit if. Je reis
gender die Tugenden Zenriettens, je an
Iodender ihre Eigenfchaften find , - beflo
gefährlicher find auch ihre Mängel, bie
gleichfam durch fo viele Tugenden empfoh⸗
len werden. Um eine Genriette zu feyn,
würde Eonflantine eben fo geprängreich,
wie fie thun. Sie fehe vielmehr ihre theure
‚Mutter, die alle Tugenden dieſer liebens⸗
würdigen Englänberinn hat, ohne , ſo
geziert, wie ſie zu ſeyn.
Thereſie.
VI
v
Therefie und Eleonore, 149
VI.
Rreundinn 2***!
Dächten Sie das? Conftentine foll
ſtatt aller neuen Romane, eine Arminie
Aramene, oder fo etwas aus dem alten
Sache leſen! — Es ift mein Ernft, befte
unter den Müttern! und ich will Ihnen“
mit wenig Worten melden, warum. Der
erfte Srundfaß, den eine angehende Lieb-
baberinn tief, tief in ihr Herz zu prägen
bat, ift, ſich felbfi zu ehren, und von
ihrem Liebhaber die firengfte IEhrer-
bietigfeit zu fodern. Das ift der Grund,
worauf die älteren Romane gebauet find.
Keine von den verhaßten Freyheiten, die
ſich unſre Liebesritter fo gerne heransnch»
men! feine von denen, bie unfre neuen
Heldinnen, ohne ihre Ehre’ zu beflecken,
erlauben zu koͤnnen, glauben; Feine Be⸗
ftellungen , ald unter einem begitterten
Senfter , feine Unterredbung, als in Ges
‚ genwart einer Zeuginn. Der reine, unbe⸗
fleckte Ruhm ift die gemeinfchaftliche Sor⸗
ge der beiden Liebenden. Der Berliebte
will lieber fterben , als feiner gelichten
Fuͤrſtinn Ruhm in Zweydeutigkeit fegen —
Ach, wie fehr find die Romane, bie uns:
83 fre
ı50 Thereſie und. Eleonore,
fie Liebhaber fpielen , von diefer edeln,
mwechfelweifen Hochachtung unterfchieden !
ihre Liebe fänge mit Freyheiten an, und
höre in der Ehe mir Verachtung auf,
Lügner find fie, bie Dichter , die Wochen»
‚fchrifefchreiber,, Die dem Stutzer Romane
son biefem Schlage in den Schranfen
feßen : Egaremens du coeur & de l’efprit,
Sophas, und mas weis ich, wie bie ab⸗
ſcheulichen Bücher mehr heiffen , das find
ihre Mufter : ihre Grundfäge find gar nicht
tomanbaft, fie find ausgelafien, un⸗
verfhämt , gerabe das Gegentheil von
dem, was fie durch die Leſung alter Ro⸗
mane feyn wuͤrden.
Sie fuͤrchten, ſolche Bücher wuͤrden
weibliche Don Muixoten bilden. Das iſt
unmoͤglich. Der Abſtand zwiſchen unſerm
Stanbe, und dem Stande ber Remen:
prinzeſſinnen wirb diefe Schwärmerey
von felbR zerflieben. Sie werben ihren
Liebhabern Feine Niefen gu befriegen, Feine
Reihe zu erobern aubefehlen, weil auch
fie Feine Erbinnen von dreyen Reichen find.
Aulles, was auf fie eine Anwendung ha⸗
“ben faun, wird ſeyn: baß fie Tugend
und > bel des Serzens bei ihren Rittern
viele
Therefie und Eleonore. 151
vielleicht mit einiger Uebertreibung, fobern
werben, Glädliche Zeiten! wenn wir die⸗
fe billigen Soberungen weicher aufleben ,
und ſtatt Vermögens, Range, oder einer
fliehenden Geftalt, mechfelfeitige Hochach⸗
tung den Srunb ber Liebe und der Ehen
werben fehen !
V.
Damon.
Du küſſeſt deinen Meinen Hund:
Worum? das müche ih willen?
IR eines jungen Schafere Mund _
Nicht reisender zu Elfen?
phyllis.
Sind Schäfer, wie der Heine Hund,
Auch teen? — das möcht ih wien?
Weiſſe.
Une Leſer follen entfcheiden , wer zwi⸗
ſchen uns beiden Recht hat! ich? — oder
ein gewiſſer Menſch, der mir ſeine Auf⸗
wartung zu machen glaubt, wenn er mir
beſtaͤndig widerfpriht ? — —
Schweigen Sie nur! ſchweigen Sie!
ich will ihre Gruͤnde in ihrer ganzen Staͤr⸗
fe, wenn ja welche darin ift, mit ihren.
KA, eis
152. Thereſie nnd: Eleonore,
eigenen Worten will ich fie vortragen — —
Noch nicht Recht ? was wollen Sie denn,
daß ich‘ thun fol? — — So? mißtraui—
fher ! Aber auch darin will ich Ihnen
willfahren: Sie follen es felbft Hinfchrei=
ben, was Sie zu. fagen haben !- defto
beſſer! wenigſtens dürfen Sie zukktzt die
Schuld nicht auf mich waͤlzen, wenn Sie
das Kürzere ziehen. Hier iſt die Feder!
Klagen Sie mid an!
„Sie, ſchaͤtzbare Bleonore! Ste Flage
ich nicht an, fondern ihr ganzes Gefchlecht.
Denn diefe unmäffige Liebe zu einem Sun-
de , einem Affen, einem Papagey, einem
Ranarienvogel haben Sie mit allen Frau⸗
ensperfonen gemein: es iſt der gemein
fehaftliche Sehler ihres Gefchlechtes. „
Fehler ? — Keine fo entfcheidenden
Ausfprüche! Warum Sehlery Eie werden
Mühe haben, eine Schwachheit heraus:
zubringen; eine ſehr vergebliche Schwach⸗
heit —
„Wenn man Sie hoͤret, fo machen
Sie zuletzt wohl noch eine Tugend daraus
— Wie? eine ſehr vergebliche Schwach⸗
heit wäre dieſe Liebe für ſolch ein Thier,
die oft bis zur Verehrung getrieben. wird ?
Schwach⸗
Thereſie und Eleonore. 153
Schwachheit, wenn Sie ihre ganze Sorg:
fale diefen vernunftlofen Geſchoͤpfen zu⸗
wenden, auf diefelben ihre erfien Gedan⸗
fen morgen® richten, und abends nur
mie ihnen befchäftiget , einfchlafen ?
Schwachheit, wenn ihre Laune einzig von
. dem theuren Wohlergehen ihres Sanfane
abhänger? Wenn fie ihre Mägde, ihre
Freunde, mich, mürrifch anlaffen, fobald
ihr Liebling den Kaffee mit weniger Ger
fräffigfeit verfchlingt , oder wohl gar dag
gefaute Zuckerbrod verfhmähet — Ach,
das demfte Thier ! wre mag dem Lich
ſten Gefchöpfe fehlen? — Nichts, fagt.
man Ihnen: e8 bat geftern viel gefreflen,
es bat noch feinen Hunger — Umſonſt:
Sie beruhigen fih nicht — Klein! rufen
* Sie: nein! der Kaffee wer fonft fein
Leben: es muß ibm etwas fehlen! das
arme Tbier! feben Sie feine Augen,
wie fie trieb find ; fonft find es die
feurigfien Augen t fühlen Sie feine
,Naſe! wie fie heiß if! follte diefem
liebſten Thterchen etwas geſchehen fepn,
alles foll mir dafiir fleben! alle follen
mirs entgelten! Heiffen Sie das eine
Heine Schwachheit „daß Sie nur für
K5 daſ⸗
154 Thereſie und Efeonore.
baffelbe fühlbar, nur für daſſelbe zaͤrtlich
find ? daß Ahnen eine vermeinte Krank⸗
heit des Fleinen Kläffers Thränen auspreſ⸗
fee? daß Sie fir feine koſtbaren Tage
Geluͤbde thun, und gegen ihn bie zaͤrt⸗
lichſten Namen verfchwenden , De nur ih⸗
sen Freunden vorbehalten ſeyn follen ?
Heiffen Sie das Schwachheit, daß man
den Weg gu ihrem Herzen nur burch ihn
finden fann ? und ein Lobgedicht auf ihren
Bolognefer Ihnen angenehmer iſt, ale
warn ihre eigerien Reize befungen wuͤr⸗
den? beiffen Ste — ,
Ich muß Ihnen die Keber entreiffen ;
Sie halten mir ba eine zu prächtige Lob⸗
rede. Wann babe ich denn bie fchönen
Auftritte ale gefpiet ? — Ach glaube
nicht, daß je irgend jemand feine Liebe
fo weit treiben wird — |
+ Roc) viel weiter, ich verfichere Sie.
Sp manche Srau bat für ihren Hund ober
Affen fo viele Zärtlichkeit, daß ihr Keine
fiir ihren Mann übrig bleibt. Ich habe
‚bie feurigften Augen über ven Verluſt ei-
nes lieben Sängers durch Thränenmwolfen
getrübet gefehen: ich Babe den fchönften
Mund an der Häßlichen Schnauze eines
| Moͤps⸗
Therefie und Eleonore. 15
Möpschen® ſich entweihen gefehen : ich
babe gefehen, daß eine Srau, bie gu nied⸗
lich war, die golduen Haare Ihres Fleinen
Engels von einem Kinde durchsufchen ,
einen unflättigen Affen mit eigenen Hän-
ben fämte, und von Ungeziefer reinigte.
Aber jenes ift auch nur ein Kind, und
dieſes ein allerliebſtes, Herziges Aeffchen—,,
Wenn ic Sie nicht umterbreche , fo
führen Sie mir wohl gar noch dag Mär-
hen von der Graͤfinn an, die fiir Hunde,
bie nirgend zu Mittag geladen waren, eine
offene Tafel gehalten, und für alte und
früppelhafte Hunbe ein reiches Spital ge⸗
Riftet Haben fol. Aber, wenn es jemals
Thörinnen gegeben, die in ihrer Neigung
zu weit gegangen find, fo mar von ihnen
Hier die Nede nicht. Ach gebe diefe ihrer
Satire gerne preis , und verlange nur
meine Neigung für ein unfchädliches Thier,
daB mir zugethan iſt, das ſo viel Gefuͤhl
hat, meine Liebkoſungen zu empfinden,
und nach ſeiner Art zu erwiedern, dieſe
Neigung verlange ich nur vor ihrer Spoͤt⸗
terey zu retten.
Was fuͤr ein Uebel iſt es, wenn ich
meinen Hund ſtreichle, und ein Vergnuͤ⸗
gen
156 Thereſie und Eleonore.
gen empfinde , daß dag danfbare Thiers
chen meine ftreichelnden Hände belecket? —
Was fiir ein Uebel ift eg, wenn mich bie
Gaufelen eines folchen Gefchäpfes, feine
Springe, womit eg mich bewillfämmt, und
feine Sreude an Tag legt, mic) wieder zu
fehen, wenn feine ſcheckerhaften Gebehr⸗
den, mit denen e8 vor mir fpielet, mich
ergögen? Was für ein Uebel ift eg, wenn
ich ihm neben mir auf dem Sopha einen
Pla gönne? wenn ich ihn mit Leckerbis⸗
chen nähre? wenn ich die ſchmerzhaften
Empfindungen eines lebenden Gefchöpfes .
bemitleide, dag fich nicht zu helfen, das
fein Weh nur mit feiner Traurigfeit, mit,
feinem ducchdringenden Winfeln auszudruͤ⸗
cken weis? wenn ich dem leidenden Thier=
- chen beizuſtehen, es von feinem Uebel zu
befreyen, einen Hang empfinde, und die⸗
fem Hange folge ? wenn id) das Gefinb
fchelte, welches dag. arme Thier muthwil⸗
lig mit Fuͤſſen ſtoͤßt? — Wen beleidige
ich dadurch ? weſſen Rechte werben baburch
verlegt ?
Eie getrauen fich einen Sebler zu heif-
fen, mag doch eine ber fchäßbarften Ei—
genfchaften-unferes Gefchlechtes iſt? Fr
e
<herefie und Eleonore. “157
fe Wohlthätigfett gegen Thiere hat ihren
Grund in der überflüffenden Güte unſeres
Hergeng, mit der wir alles, was ſich ung
nähert, gluͤcklich und froh zu machen für
hen. Der Umkreis unfrer Gutwilligkeit
ift ung zu enge, wenn fie bei vernünfti-
gen Geſchoͤpfen allein ftehen bleiben fol:
wir wollen ihn erweitern, und ung gleich-
fam unter allen Geſchoͤpfen Freunde er⸗
werben.
Ohne Zweifel, daß ihr Herren euch
einbildet, der Haas ſey erſchaffen, um von
euch gehetzet, der Hirſch, um todt gejagt,
ber Hund um geprügelt, und der Vogel
um auf dem Vogelherde in dag Garn ge=
Iodet, und mit mörberifcher Hand zer⸗
Inicket zu werben? In dieſer Abficht,
und um eure Graufamfeit zu bemänteln,
habet ihr das fchöne Lehrgebäubde erfun⸗
den, daß die armen Tbiere nur Me:
ſchinen find. Aber wann ein Rad an .
einer Mafchine bricht, fo giebt e8 feinen
Laut von ſich; wenn mein Hund getreten
soird , fo erfüllt er dag Haug mit feinem
Gefchrege. Mein Hund ift alfo feine Ma:
fhine : und ich glaube feſt, biefe empfin⸗
denden Geſchoͤpfe ſind gemacht, um in
ih⸗
—
158 Thereſie und SEleonore.
ihrer Art gluͤcklich zu ſeyn. Wenn wir
alſo etwas dazu beitragen, ihre thieriſche
Gluͤckſeligkeit gu befoͤrdern, wenn wir ge⸗
wiſſermaſſen zu den Abſichten des Schoͤ⸗
pfers beitragen, darf man das an uns
tadeln? —
Lernen Sie vielmehr dieſe Sanftmuth
hochſchaͤtzen, die die Natur in unſre Her⸗
zen geleget hat, und erkennen Sie daraus
unſeren Werth! Wenn bie Vorſicht es
euch zulaͤßt, ihre Werke zu verderben,
ſo hat ſie uns dazu erkohren, dieſelben
zu erhalten. Wir koͤnnen den Anblick
eines ausgehungerten Hundes nicht ertra⸗
gen; werden wir den Hunger von unſers
Gleichen zu ſtillen, ſaumſelig ſeyn ? Das
Heulen eines beſchaͤdigten Thieres locket
uns Thraͤnen in die Augen: wie groß wird
unſere Antheilnehmung ſeyn, wenn die
Zuͤckungen eines leidenden Menſchen un⸗
fer Mitleid auffodern? Wir beſchuͤtzen uns
fre Thiere gegen Gewaltthaten: wann es
bei ung ftehen wird „ Gewalt von dem
Haupte der Menfchen abzuwenden, glau⸗
ben Sie, daß mir es weniger thun wer⸗
ben? Wenn mir felbft gegen’ die Thiere
wohlthaͤtig, empfindungsvoll And ſo
gruͤn⸗
Iherefie und Eleonore. 159
geänden wir dadurch dem ganzen menfch-
lichen Geſchlechte auf unfre Wohlthaͤtig⸗
feit und Empfindung einen offenbaren und
ſtaͤrkern Anſpruch.
Was ſagen Sie nun? ich glaube, Sie
werden mich meinen Hund, meinen Vogel
nach meiner Weife lieben laffen ? vielleicht
verdienen fie es durch ihre Treue und Un—
ſchuld auch mehr, als gewiſſe männliche
Geſchoͤpfe, bie fie darum beneiden. Aber
ich bin Damit nicht zufrieden, unſre Schooß⸗
hunde gegen Sie in Sicherheit gefetzt zu
haben: ich wi mit allen meinen Geſpie⸗
linnen eine Verſchwoͤrung machen: wir
wollen alle Gemeinſchaft mit ſolchen Men:
fhen aufheben, bie umbarmberjig genug
find, fih an den Schmerzen eines armen
Thieres zu ergögen. Ein Menfch ,. der
aus Muthwillen ein wehrloſes Gefchöpf
quälet, was mird er thun, wenn er fich
beleidiget Hält? D meine Schweſtern! wer -
immer auch nur dag Bild des Schmer:
zens, ohne Erſchuͤtterung vor fich ſehen
kann, bat ein graufames Herz: fliebe ihn!
er wird ein Tyrann einer Gattinn, feiner
Kinder , feines ganzen Haufes ſeyn!
u E.r—
VI.
160 ° Thereſie und Eleonore.
VI.
Ein Gellert? — Bellert iſt zu matt!
Ein Gleim ? — Gleims Scherze find zu platt!
Ein’ Kleiſt? — if folpernd! Saller — Hart!- .
Kin iz? — fehe ungleich! Weiß niche zart!
Und Geffner ? — zu unedel laͤndlich!
Und Blopfiod? — ſchwülſtig, unverſtandlich!
Nur Frankreichs Dichter, fie allein
‚Eind neif, erhaben, wigig , fein.
Adbentels, daß ich vorgaͤbe, die Berfe.,
die ich heute zur Auffchrife gewaͤhlet, ſeyn
von meiner eignen Hand; fo getraue ich
mir vorher zu fagen, wie man fie finden
würde: fchlecht! — Aber fie find Du-
ſchens: der Namen des Verfaſſers giebt
"ihnen, ungefähr mie das Bruftbild des
Regenten einem Stüde Metalls, einen
. beftimmten Werth : man fieht nun erft
ein, wie ein mit unfern beſten Dichtern
ungufrieoner Ausländer fein Urtbeil in ei⸗
nem einzigen Worte zufammfaßt , unb
daß diefes Wort fehr Farafteriftifch iſt,
wenn eine Frauensperfon ein folches Kunſt⸗
wort wagen darf. ®
So viel hut das Vorurtheil! Gäbe
ih folgende Gedichte als deutfche Drigt-
na⸗
Therefie und @feonore, 161
nale, ich bin gut dafiir, ein groffer Theil
unſrer franzöfifden Partifane würde bie
darin Häufig angebrachten Schönheiten ,
den tändelnden , anmuthigen Wig , bie
Neuheit der Erfindung , und bie feine
Schmeicheley für Sophien, worein der
Verfaſſer das Gedicht durch den Schluß zu
veraͤndern wußte, verkennen. Aber, ſobald
ich ihnen vertraut haben werde, daß es
eine Weberfegung nach Greſſet iſt; fe
werden fie auf feine Schönheiten aufmerk⸗
ſam, und ich benfe , “auch begierig fenn
das Original ſelbſt zu fehen, das in der
Ueberfegung nothwendig vieles von feiner
urfpruͤnglichen Anmuth verloren haben muß.
Diefes Driginal iſt ungedruckt, uns
wird nur noch in ber Sandfchrife von
Freunden an Freunde gegeben. Ss iſt durch
einen befondern Zufall in meine Hände ges
rathen. Aber ich bin fo neibifch nicht, einen
ſolchen Schaß für mich allein zu behalten,
befonders. da mein Heberfeger — denn ich.
felbft war einer folchen Unternehmung nicht
getvachfen — mir geftanden hat, daB er
unmöglich ben Ausdruck feines Dichters
ganz in Verſen geben koͤnnen, und darum
gezwungen mar, Profe mit barein gu fli⸗
IV. Theil, g den,
162 Thereſie und Eleonore.
den. Wer alfo das Driginal zu leſen
wuͤnſchet, darf durch einige eingefendeten
Zeilen daffelbe bis heut über acht Tag von
mir abfodern.
| Amors Geburt.
Nach dem Franzöfifchen von Greſſet.
Nice erft in biefer Reih von Jahren
Schon da, als Menfchen Schäfer waren,
Bor Säflen fchon hab ih, Sophia dich
gekuͤßt:
Nur bloß dem Namen nach verſchieden,
Hab ich Sophien in Naiden,
Haſt du mich in Myrtill gekuͤßt —
awar biefe Bilder find an Lethens goldnen
| Wellen,
Der unter Trauben fich ergießt,
Wo ewig, wie aus Nektarquellen
Der Moſt aus Bachus Urne fließt —
Zwar find fie laͤngſt an Lethens golbnen
Wellen
Aus deiner Seel’ ertränft :
Nur aus dei Dichters Geiſt hat ſie kein
| Moſt ertraͤnkt,
Der,
Therefie. und. Efeonore. 163
Der, Thaten aus Prometheus Zeiten
So flar, wie ferne Kuͤnftigkeiten,
Am Agganipperbache denkt.
Ich ſeh, ich feh’ — o glaube dem Berichte! —
In jene Welt jzuruͤck von heil'ger Glut be⸗
ſeelt! >
D Liebe, höre bie Geſchichte,
In der dein Dichter. dir erzähle
Wie er vor Säflen fon dich und dein
Herz gewählt. —
Dein den von Zärtlichkeit, dein himmliſch
ve gewählt: .
e4
Es war im Anfange der Zeiten, da ich
gebohren ward.
Der Himmel trug noch wenig Götter, |
Den Zevs verfündigte Fein zornig Dons
nermetter,,
Halbastter kannte man noch nicht.
Vor wenigen, bolblächelnden Goͤttinnen
Entzüchte Cypria durch Bildung und Ber
ſicht —
Dir aber Maͤdchen, glich fie nicht —
Der ſpaͤtern Nachwelt Halbgoͤttinnen
Durchirrten noch als Schaͤferinnen
ta Die
164 Therefie und Eleonore.
Die bunte Flur, den jungen Hayn
Und nahmen keinen Schäfer ein,
Und fühlten nicht ber Liebe Pein:
Denn Amer ber Monarch ber Herzen
Schoß Hoch in Feine Bruſt glutvolle fie -
besfchmerzen.
Kein Wunder! I der Gott war noch nicht
gebohren — Ich war ſchon ein Juͤngling,
als Venus In gebabı.
Gingt Eypripors Geburt ihr Muſen! —
Aus einer Roſenknoſp' an Venus vollem
Buſen
Schlich unvermerkt der Gott hervor.
Auf ſeinem zarten Hals, durchſichtiger ale
Flor,
Den ſeidne Locken frey umflogen,
Hieng ſchon Der Köcher und der Bogen.
Saul ſprang der Schall auf Venus
Bruſt empor,
Sah von der Höhe ſtolz hernieder,
Und ſchuͤttelte fein artigeg‘ Gefieder ,
Und wagte, und flog empor —
D wie mußte ib Juͤngling lachen, als
ih den feinen Helden, Elein wie ein Rel-
lenblatt, auf dem Wattnen Bufen ſich blaͤ⸗
hen
Sherefie und Eleonore. 165
ben ſah! Iher ad! wer haͤtte es ge⸗
glaubt: ſchon damals bewies mir der Gott,
er fen nicht gebohren, um perlacht in werdea
Gewaltſam in der ſchnellſten Eile
Flog in mein Her ber größte feiner Bfeile:
Erſchrocken ſauk ih Bin;
Da ſah ich meine druß von Tropfen Blut
fi färben, ..
Und weine’ und glaybte nun zu flerben.
Doch Cyperns edle Königinn .
Entriß mich Huldreich dem Verderben —
Weine nicht lieber Juͤngling, ſprach bie
boldfelige: Amors Pfeile vermunben war,
aber fie toͤdten nicht. Sich! eines. von
biefen Mädchen aus meinem Gefolge fol
beine blutende Bruſt wieder heilen! Steh
auf und wähle! es fol dein Eigenthum
feyn — Und ich ſtand auf, und meinte nicht
mehr, Da ſtellten fich die Mädchen um
mich herum, daß ich wählen follte: aber—
aber glaube mir, Geliebte — ber Pfeil
hatte mich gelehrter gemacht, und ich uns
terfchieb itzt Reize, die ich vor dem faum -
bemerft hatte. |
83 Hier .
66 Therefie und Eleonore.
Hier winkte mir ein-Purpurmund ;
Dort eine Bruſt, gewoͤlbt, und rund;
Hier reisten ein paar volle Wangen,
Dort ein paar Augen mein Berlangen:
Mohin ich nur unfchläffig ſah,
Stand etwas mic) zu reisen da;
Bis ich ein holdes Kind entdecke,
Das meinen Blicken fich verſteckte,
Friſch, mie der Morgenthau , jung wie
ein Srüblingstag ,
Und heiter, mie ein Silberbach.
D meine Freundinn, du warſt es, bie
Liebenswuͤrdigſte unter den. Mädchen aus
dem Gefolge der Venus: mie hätte ich. .
dich überfehen können ? Dich, dich wählte
ich, meine Sophia, ber erfle der Liebha⸗
ber., und fprach zur Cythere: :
Dein gang Gefolge gönn ich Bir:
- Dieß Mädchen Goͤttinn fchenfe mir!
Die Goͤttinn lächelte ‚und winkte mir
Beifall gu, daß ich fo "vernünftig gemähs
Jet hatte.
: VII.
Therefie und Eleynore. 167
VII.
Bas ſagten Sie Papa? Sie Haben fi ver⸗
ſprochen:
Ich ſollt' erſt vierzehn Jahre ſeyn?
Nein, vierzehn Fahr und ſieben Wochen.
Gellert.
RN, haben zwey groffe Stufenjabre:
das eine können wir nicht bald genug er-
reihen; das andre wollen wir nie er:
. reicht haben. Einem Mädchen Friechen
die Sjahre : einer Frau fcheinen fie auf
den Echmwingen des Windes über fie hin-
zu fliehen; und wenn ber Lauf der Zeiten
von uns abhienge , fo wuͤrden wir vor
dem vierzehnten Jahre dem büffenben
Wolfe in der Fabel gleichen, und Tage
und Nächte wie die Augenblide über und
wechſeln lafien *) : nach dem dreyſſigſten
Jahre hingegen der Sonne, wie Joſue,
einen Stillſtand gebieten.
84 Wo
H Ich liebe nicht ſehr, meine Beleſenhetit aus=
azukramen, ſeit dem Thereſens Gemahl von
einem Citanten geſprochen: er machet ſeinem
Gedaͤchtniſſe auf Koͤſten der vernunft Ehre,
und da er uns zeiget, daß er viel geleſen
hat,
ı6g Thereſie und Eleonore.
Wo wäre Gellerts vortreffliche Erzaͤh⸗
lung von Fickchen geblieben, aus welcher
ih das Motto gewaͤhlet ? und wie fo
manches Sinngedicht der Dichter aller
Sprachen hätte feine Spige entbehren
muͤſſen, wenn uns die Männer biefe ent=
ge:
bat , 3eiget er uns zugleich, wie wenig
er felbft gedacht babe. Aber, da die Fabel,
auf welche Ach dee Gedanke gründet, wenig⸗
Kens meinem Geſchlechte nicht ſehr bekannt
it, fo muß ich fie mit eineg Verkllrzung
bier anfüpren. „Wolf Iſegrim warb von
dem Könige der Thiere, den Löwen, verur-
theilt, fie jedes lebende Thier, fo er erwuͤr
sen würde, zwey Jahre zu faſten: begnüge
dich, ſprach der Fuͤrſt, mit den todten Thie⸗
ren, die du auf dem Felde ſindeſt! Der
Wolf mußte fchwören. Bald darauf foh er
ein fettes Schaaf ungehlttet weiden. Der
Schwur! der Schwur ! zwey Jahre Fein
Sleifch eſſen! das ik ſchwer! Doc der
- Räuber war nicht Tange verlegen. Im je
dem Jahre find 365 Tage: Tag ift, wann
ich febe , Tiacht, wann ich nicht febe ; fo
oft ih alfo die Augen zuthue, ik Lacht,
und Sffne ich fie, ſo wirds Tag. Schnell
blingteee die Augen gu, und thas fie wieder .
‚auf, da ward aus Abend und Morgen der
er⸗
Sherefie und Eleonore, 169
gegengefegten Schwachheiten nicht. vorzus
werfen hätten?
Vetulla fchwärst ihr graues Haar,
Und ſagt: ihr Alter fen niche Über drepfs
fig Jadr.
votulla redet wahr,
Sie ſagt uns dieß ſchon mwaniis Jahr.
u Ewald.
Es kleidet Sie vortrefflich wohl, mei⸗
ne Herren, uns daraus einen Vorwurf
zu machen, ba Sie daran doch allein Schuld
ſind! ſo, wie Sie nach dem Grundſatze
der weiblichen Sittenlehre, uͤberhaupt an
allen unſern Schwachheiten und Fehlern
Schuld ſind —
Eilen Sie Lorchen, daß Sie bald
groß werden! Sich erinnere mich gang
genau, daß man immer fo gu mir fprach,
wann ich durch ein wehmuͤthiges Geſicht
begeugte , daß ich mich nicht gerne von
allen Lufibarfeiten ausgefchloffen fah. ch
bin alfo unbedeutend, dachte ich bei mir ;
ts : und
erſte Tag: fo zählte er zwey volle Jahre. Nun,
ſprach er, habe ich für die Suͤnde zum voraus
gebütſet, ergriff das Echunf, und wärgte
. &6. »
ı70 Thereſie und Eleonore,
mb bie-Zeit ward mir unerträglich lange,
bis ich e8 nicht mehr feyn wuͤrde. Meine
Wuͤnſche flogen bem glücklichen Zeitpunfte
entgegen , und ich wollte mit Gewalt älter
feyn , als ich wirflih war. Mein Ge,
burtstag fam. Sie haben heute das drey⸗
zehnte Jahr zum Vergnügen ibrer Ael-
tern erreichet: mer fo feinen Gluͤckwunſch
bei mir ablegte, dem warb fehr -Faltfinnig
gedanket. Aber wann es hieß: noch ein
Jahr, und Sie find groß genug, eine
Rolle in Befelifchaften zu fpielen: wann
‚mir diefer Geburtstag als.ein näheres Ziel
zu meinem groffen Hauptätele gegeiget ward,
fo empfand ich eben dag Vergnügen , wel⸗
ches ein Fremder , der eine ferne Reife
nach dieſer Hauptſtadt thun mußte, bei
Erblickung des legten Meilenzeigers em⸗
pfindet, auf dem er lieſt: daß er nur
noch eine halbe Meile von Wien entfer⸗
net iſt. |
Waren es die Luſtbarkeiten allein, bie
mir den Wunſch, älter zu werben, ab⸗
drangen ? Ich will mich nicht Finbifch zie⸗
ven, und zur Ungeit die Verſchämte fpie:
len: nein! bie Luftbarfeiten allein waren
e8 nicht, fondern, weil man mich, wann
Thereſie und Eleonore. 171
ich groß feyn würde, einen Mann hoffen
ließ. Sa! der Mann, den man mir in
der Ferne geigte, machte, daß ich fo fehr
eilte, und wohl hundertmal die Jahreszeit
träge hieß — Ach rede bier aus Gefällig-
feit von mir allein: aber ich hoffe, meine
Gefpielinnen werden fich in mir erfennen,
und mit gleicher Offenherzigkeit „als ich,
geſtehen, daß ihre Geſinnungen den mei⸗
nigen ſo aͤhnlich waren, als die Jahre,
von denen hier die Rede iſt.
Lachet nicht, ihre Herren! es war nicht
unfere Schuld, wenn wir einen Mann
für fo etwas wichtiges anfahen, nach bem
man fich fogar fehnen koͤnnte. Ihr ſor⸗
get, wie ich von fo mancher Frau fagen
höre, gar bald dafür, daß euren Sattinnen
der Irrthum nicht lange bleibt. Aber mag
‚wolltet ihr, daß man bamald anders
denfen follte, da unvorfichtige Kindsfrauen,
vielleicht auch unvorfichtige Mütter ung
den Befiß eines Mannes als bag hoͤchſte
Gut anpriefen? Lorchen wollte nicht ler⸗
nen — Lerne Töchterchen! ich will dir ei⸗
nen hübfchen Mann ausfuchen — Lorchen
toar nicht ordentlich: du mußt ordentlich
fenn, wenn du einen Mann befommen
font !
172 Therefie und Efeonore. -
ſollſt! — Lorchen Fleidete ſich übel; pfui
ſchaͤme dich, mie wirft du fo übel geklei⸗
det einem Manne gefallen !— Sogar wann
Lorchen nicht beten wollte, hieß es; bu
mußt beten, fon fchickt dir der Himmel
feinen Many! — So wird ben Mädchen
von ihren zartſten Jahren ber Beſitz ei-
nee Mannes, als das Koftbarfie , womit
die Welt und der Himmel ihren Gehorſam,
Selehrigfeit und Froͤmmigkeit belohnen
kann; fo wird ihnen bag Ungluͤck, feinen
Mann zu befommen, als dag Schredlidh-
was ber Himmel in feinem Zorne über
e verhängen kann, ald dag Schimpflich⸗
fie, was ihnen in ben Augen ber Welt
wieberfahren mag , gemwiefen: fo werben
ihre erfien ſtammelnden Töne ein Mann;
fo wird ber vortheilhafte Begriff davon in
dem kleinen Herzen eingeäßet , wachſet
. . barin anf, und wird immer fefter — wie
der von einem Daphnis in die zarte Rinde
ber jungen Buche eingefchnittene Name
feiner Phillis, mit bem Baume felbft aufs
wächft, und endlich nicht mehr auszuloͤ⸗
ſchen if.
Wenn man ung den Lohn wuͤnſchens⸗
werth machet, fo-ift e8 fehr natuͤrlich, daß
wir
Therefie und Eleonore. 178
wir die Zeit abgekuͤrzet wuͤnſchen, die ung
den erwünfchten Lohn gemähren fol!
Diefe Zeit koͤmmt endlich ; wir haben
die Jahre erreichet, wo ung die männli-
chen Schmetterlinge, gleich aufbrechenden
Roſenknoſpen umflattern ; die jahre des
Vergnuͤgens, der Scherze, ber Schmeichee
ley. Uns werben die Tage gefeyert ; wir
find die Königinnen ; wir herrfchen unum⸗
fchränft, durch unſre Worte, unſre Winke,
unſre Wuͤnſche. Das ſuſſe Geraͤuſch der
Schmeicheley betaͤubt ung; aber nur mes
nige Zeit. Je ſchaͤtzbarer un® alles das
it, was um ung ber vorgeht, bdefto em-
pfindlicher ftellen wir ung ben Verluſt da⸗
von vor — den Verluft! weg trauriger
Gedanke! werbe aus meiner Seele ver:
loͤſcht! — Doch ich bemuͤhe mich verge-
bens , die Stimme bes Wandelnden zu
überhören; er ruft mir wider meinen Wil⸗
len zu: |
Mädchen, deinen Wangen bluͤht
Nicht ein ewig jünger Frühling ,
Diele Lilien werden welken,
Diefe Rofen werben fallen —
Und die Schaͤar, die nun ſich draͤugt,
| Siutternd um dich her zu fpieln, -
Dei-
176 Thereſie und Eleonore.
Novm |
| Sig ekeln Deutſchen zu empfehlen,
Muß ſich der dentſche Wis in fremde Tracht
verheelen.
v. S.
2 babe mich in meiner Muthmaſſung |
nicht geirret; folgende zween Briefe, die
unter ben eingelaufenen vorzüglich mitge⸗
theilt zu werden verdienen. werden es
beweiſen.
Liebenswuͤrdige Sqriftſtellerinn!
„Geſtehen Sie es nur! es giebt gewiſſe
‚Gattungen des Witzes, worauf Deutſch⸗
land auf ewig allen Anſpruch muß fahren
laſſen. Ich weiß es nicht eigentlich, woran -
es Degen mag ; ift bie Luft, die mir ein-
athmen, vielleicht zu Dicht, zu Eörperlich ?
ober find die Werkzeuge, deren fich die
Seele zu ihren geifligen Berrichtungen be⸗
dienet, bei ung zu grob ?— Hätte etwan
das Waſſer ber Seine und Rhone eine
verdichternde *) Kraft, dergleichen bie
Pleiſ⸗
(* Vesdichtern , wie vergoͤttern: zum Gott,
zum Dichter machen.
Therefie und Eleonore. 177
Dleiffe, die Elbe, die Spree und Done
nicht haben ? fehlet es an ber Erziehung ?
oder woran fehlet es, daß wir in fo man:
chem Theile der Dichtkunſt, aber befons-
ders in den feinen Töndeleyen, den Fran⸗
zoſen fo fehr nachfiehen ? — >.
5Kann ich, ohne Sie zu ersäcnen ;
meine Meinug offenherzig fagen ? mir
ſcheint, unfre Sprache fey. gu arm, zu
ſchwerfaͤllig, zu ungelenkſam, etwas
Seines auszudrucken; fie ſey in der arti⸗
. gen Welt nicht uͤblich, und daher nicht
bearbeitet genug, uni fih Die Wendun ⸗·
gen zu geben, die dag Klaife, dag gewiſſe
Viedliche der Gedichte eines Chaulieis;
Greſſet und dergleichen ausmachen. Ich
will in Anſehen Ihrer eine Ausnahme ſtatt
finden laſſen: aber allgemein zu reden,
ſehen Sie nur, wie man zu ausländifchen
Wörtern und Redensarten feine Zuflucht
su nehmen gezwungen ifk, mann man im
geringſten fich mit Kürze, Beſtimmung,
Eigenthumlichkeit ausdruͤcken will!
' Sie felbft geben mir butch dag mit⸗
getheilte grefferfche Gedichtchen eine neue
Urſache an die Hand, mit meinen Natio:
haldichteen weniger zufrieben zu feyn. Wels
mM cher
IV. Cheil.
⸗
\
ı78 Thereſie und Efeonore,
cher von ihnen hat feiner braunen Doris,
ober blonden Chloris jemals eine fo feine
Schmeichelen gefagt , als der. Frangofe
feiner Sophie in ber eingigen Seile:
Dir aber Mädchen glich fie nicht,
fo. weit nämlich bie deutfche Sprache nicht
zu ungelenkffam geweſen feyn mag, Breflets
VNiiedlichkeit ohne Abbruch wieder gu ge⸗
ben? denn, ohne Zweifel muß dieſes Ge⸗
dicht im Franzoͤſiſchen ungleich artiger und
gärtlicher ſeyn, als in der Ueberfegung. So
ſehr auch der Ueberſetzer berfelben bie :Miene
ber Freyheit geben wollen, fo merkt man,
feiner Mühe ungehindert , ihr den Zwang
dennoch an — Es iſt ein Bürgersmäbchen,
bas bie Ungezwungenheit einer Stande:
perfon fopiren möchte ; alles, was fie thut,
if links, wenn ich fo ſagen darf, am un⸗
rechten Drte angebracht, zuſammgeſetzt,
fudsit — |
„, Ste haben daher , fhägbare There:
fie! fich ihre Leſer durch das Anerbieten,,
daß franzsfifche Original mitzutheilen, noch
mehr , als durch bie Ueberſetzung verbind⸗
lich gemacht; und ich bediene mich ber
gegebenen Freyheit, Sie zu bitten, daß
| es
Therefie und Eleonore. 179
es mir gegen biefen Brief abfchriftlich mit⸗
getbeilt werde! Wenn unfre Sprache duch
einen Mund, sie der ihrige u. ſ. w. —
Vieer folgen ein paar Schmeicheleyen,
burch welche der Verfaſſer dieſes Briefes
vielleicht zeigen wollte, daß er feine ge=
prieſenen Franzoſen nicht ohne Frucht ge:
lefen habe. Da fie bei einer gutartigen
deutfchen Doris nicht wohl angelegt find,
fo unterdruͤcke ich fie, und gebe ihm Er:
laubniß, dieſelben wieder irgend bei einer
franzoͤſirenden Schönen an Mann zu brin⸗
gen, too fie vielleicht mit mehrerem Wohle
gefallen angenommen werben duͤrften —
Sollte Phileten, wie er fich unter-
ſchreibt, nicht gleich eine folche beifallen,
fo will ich ihn an die Freundinn verwei—
fen , welche mich "mit folgendem lebhaften
.. Briefe beehret. .
Schriftfiellerifche Landsmaͤnninn!
„Gleim, Us, Weiffe, Gelleet — wie °
heiſſen die Leute alle, die in der Auffchrife
Ihres VI. Stuͤckes genennet find, wovon
ich feine Ehriftenfeele fenne, und die ohne
Zweifel ‘die witzigſten Schriftſteller ſind,
die Deutſchland von Ewigleit her geboh⸗
® 2 ven
180 Thereſie und Eleonore.
ren hat, die aber ohne Zweifel auch Feine
einzige Zeile gefchrieben haben, welche bei
einer flandhaften Unterfuchung Stich hält.
Wo find fie diefe unbehülflichen Goliats,
daß mein David mit feiner Hirtentafche
and dem Schaͤferſtabe fie in. den Sand
binftrede? wo find -fie? In ber That,
Madam! ich ſchaͤme mich, eine Deutfche
iu feyn, weil und fo ein geringer Antheil
von Wig geworben. Aber ich hoffe, mit
mir fol ein Bleiner Lofalfehler vorbeige⸗
gangen fenn. „ |
„ Wieder auf ihr Gedicht gu kommen,
es iſt artig, fein, iſt Frankreichs, eines
Greſſets würdig. Sie hätten es nicht erſt
dazuſetzen dürfen, daß es nicht urſprüng⸗
lich von deutſchem Gewaͤchſe iſt, man
haͤtte das fuͤr ſich ſelbſt wohl erkennet. Wo
ſollen einem deutſchen Barden ſolche ſche⸗
ckerhafte, launichte, taͤndelnde Gedanken
herkommen? Unſre Herren Poeten ſind
eitel Herren in us; und ein Herr in us,
iſt, wenn er artig thun will, gerade am
unausſtehlichſten. Ich habe zu meinem
Ungluͤcke davon in meinem achtzehnten
Jahre eine traurige Erfahrung gemacht.
Mein Bruder iſt, der Himmel weis wie,
auf
Therefie und Eleonore. 181
auf den Gebanfen verfallen , gelehrt zu
werben. Junge bift du toll, fagte ich
ihm wohl hundertmal, willſt du deiner
Samilie folche Schande antbun , die
fich feit undenklicher Zeiten von diefer
Deft rein und unbefleckt erbalten bat v
Meine Rede war in Wind, ber Purfche
lag unaufhörlich zwiſchen feinen Globuſen
und Solianten und andern folhem Plun⸗
derwerke big über die Dhren begraben ; fein
eingiger Umpang war gelehrtes Gewuͤrme,
wovon fein Zimmer mwimmelte, und wenn
ich) mich nicht feiner erbarmt, und ihn ein
wenig zugeftußet hätte, fo wäre er voͤllig
verwildert. Ein verwilderter Deutfcher
aber iſt weit ärger‘, als ein verwilderter
Srangofe; dag ſieht man an Rouſſeau,
ber, trotz allem dem, daß er an feinem
Gebirge auf Vieren herumkroch, feine
Julie dennoch recht galant und galanter
als ber artigfte Deutfche gu unterhalten
mußte. Mein Bruder würde ein deutfcher
Sauertopf geworden ſeyn, wozu Ich ihn
zu lieb hatte; und er war auch fonft zu gut
dazu; wohl gebildet, von ſchoͤnem Wuch⸗
fe, hatte einen feinen Fuß, fang , und
fpielte den Flügel gang artig, und mar
M 3 bei -
182 Thereſie und Eleonore.
bei Mädchen nicht fehr verlegen , brei=
fie genug, und zur Noth auch ein we⸗
nig unverfehämt: wäre e8 nicht ewig um
ihn Schade geweſen? Ach ſuchte ihn al-
fo meinen Freundinnen zu erhalten, 309
ihn öfters in meine Geſellſchaft, und be⸗
fuchte ihn fogar manchmal auf feiner ge⸗
Ichrten Werfftätte. Hier nun fah mich fo
ein lateiniſches Inſekt, fing Feuer, feuf-
gete dreymal, reifperte ſich zweymal, und
hatte zulegt body das Herz — Ja wenn
ich dag mythologiſche Zeug alles wußte,
mas er in feine Iuflige Licheserflärung
brachte. Aber ich werde Ste vielleicht mit
diefem Romane ein andermal zu unterhals
ten, Gelegenheit finden. Genug, die deut
fhen Dichter find wie bie beutfchen Lieb⸗
haber, fteif, gezwungen, froftig, traurig.
9 Die Srangofen , die Srangofen! In
ber Ueberfegung noch, ift Amors Geburt
ein Meifterftücdk ; wie muß es erft in ber .
Urfprache ſeyn! fo ein Linterfcheid , denfe
ich, ift gwifchen beiden, als zroifchen der
berühmten Bildfäule Pygmalions, und der
mahren Venus: ben Umriß, die Rundung,
die Geſchmeidigkeit konnte der nachahmen-
be Künftler geben, aber Wärme, Spiel,
J fe:
Therefie und Eleonore. 183
Leben, bag war in dem Urbilbe nit da⸗
bei. „ f
„ Gefchreind mein Schatz, (dicken Sie
mir das Original! Ich bin ein wenig un⸗
geduldig, nicht wahr, zu dringend, zu
lebhaft ‚für eine Deutfche? deſto mehr
Ehre für mich! das gefegte Wefen meines
Baterlandes , glaube ich, wuͤrde mich
fchlecht kleiden, wuͤrde mir eine groffe Luͤ⸗
cke in den dichten Kreis meiner Sklaven
machen. Ohne Zweifel bin ich ein vor⸗
treffliches Original, woräber Sie einmal
ein Blatt fchreiben können. Damit Sie
meinen Namen wiſſen, ich beiffe
ihre Dienerinn
Clarice,
Nicht zwar in eben dieſem Tone, abet
doch von ohngefaͤhr dieſem Inhalte ſind
die mehreſten eingefommenen Briefe: ba=
her ich alle zugleich mit einem fehr kurzen
Handbriefhen beantworten , und meine
Zufage erfüllen Fann.
Meine Leferinnen und Leſer!
„Die Auffchrift auf unferm VI. Stuͤcke
ift nicht von Duſch, fie ift von mir —
3 boffe, fie wird Ihnen nun mißfallen!
M4 Das
784 Thereſie und Eleonore.
Das Driginal von Amors Geburt, fins
den Sie in Gerfienbergs Tändeleynen ;
aber es ift nicht frangöfifch , es ift urs
fprängli von biefem feinen deutfchen
Dichter, ber die Meinung, als wäre unfte
Sprache zur tändelnden Dichtfunft wicht
gefchmeibig genug , durch die artigften
Gedichte widerleget bat. Vergeben Sie
mir die kleine Lift, der ich mich bedienet,
ein Vorurtheil zu widerlegen, das fo all-
gemein, befonbers bei meinem Gefchlechte,
“if! Vieleicht Habe ich der Sprache einen
Heinen Dienft geleiftee ? vielleicht werden
Sie die ganze Sammlung, woraus dieſes
ſchoͤne Gedicht genommen, zu lefen begie=
rig fenn? vielleicht wird es Fünftig nicht
mehr nothwendig ſeyn,
Sich ekeln Deutſchen zu empfehlen,
In frembe Tracht ſich zu verhelen.
T.
I
Therefie und Eleonore. 135 .
IX. |
Verachte Pets den Schmeichler, in der Larde
Der Freundſchaft, oder Liebe! feine Reben,
Sind ein beganderend Gift, den Ohren ſuß,
Der Unſchuld tödtlich.
wieland.
Eleonore an Criſpen.
© baben ihre Sache vortrefflich ges
macht: ich erkenne Sie daran, ob Sie ſich
gleich nicht nennen. Nun ja! ich babe,
wie Sie ſichs verfprachen, heute früh die⸗
fed Kaͤſtchen eröffnet, ich habe ihre Schmei-
cheley gelefen, ich leſe dieſelben noch einmal,
und hundertmal, wenn Sie es verlangen :
Sie werden mir immer gleichgültig, nie
‚gefährlich feyn; Sie werden durch dieſt
Mittel nicht einen Schritt vorwärts geben ;
wohl aber, wenn Sie ed noch einmal wa⸗
gen, mir folche Beleidigungen ins Geficht
zu fagen, innen Gie es bahin bringen,
daß ich Sie verachte — „,
„ Beleidigungen find es, guter Menfch !
förmliche Beleidigungen ! zwar will ich
| glauben, daß das nicht ihre Abficht war ,
| daß Sie aus Unwiſſenheit fehlten, und mil
m 5 Ih⸗
186 Thereſie und Eleonore.
ihnen dießmal vergeben. Uber huͤten Sie
fih vor einem Ruͤckfalle! ich werde hun⸗
dertmal geneigter ſeyn, bem zu vergeben,
ber mich Iäftert , als dem, der mich uns
verfhämt Iobt. „
„, Sie legen eine vortreffliche Meinung
von meinem Verſtande an Tag, wenn Sie
dag Herz haben, mir fo unverſchaͤmte Luͤ⸗
gen in dag Geſicht zu fagen, und wollen,
baß ich Ahnen glaube. GSonnengleiche .
Augen! wenigſtens darin fonnengleicdh ,
daß fie oft mit Wolken ummebelt werden,
und ordentliche Finſterniſſe Leiden — An:
betungswürdige Reize! mag fen; es
ift wohl nicht einmal ein Affe haͤßlich genug,
‚ber nicht von einem dummen Volke wäre
angebetet. worden — Blendende Weiſſe!
bis aufdie Sommerfproffen! gimmlifcher
Wuchs! Haben Sie denn irgenb bie Ju=
no, oder Minerva leibhaft geſehen, daß
Sie von ihrem Wuchfe fo guperläffig ſpre⸗
hen — Die ganze Welt müfle vor mir
auf den Anieen liegen! nein, bag ift gu
viel, daß it wahrhaft unverfchämt! Heißt
das nicht eben fo viel, als fagten Sie zu
wir :-tch fehe dich für Thörinn genug
an, daf du fo fühlbare Lügen für gute
Wehr:
Ü
Thereſie und Eleonore. 187
Wahrheit annehmen, und dir darauf
laͤcherlich etwas zu gut thun wirſt!
„Die Spoͤtter kleiden die Geſchichte
der Verfuͤhrung Evens in folgendes Maͤr⸗
chen ein. Satan, ſagen ſie, habe ſich un⸗
ſrer Stammmutter unter mancherlei Ge⸗
ſtalt genaͤhert; er habe als ein Haas vor
ihr Maͤnnchen gemacht, als ein Bologne⸗
ſer vor ihr gewaͤdelt, als eine Taube vor
ihr gegirret, als ein Affe vor ihr die Stel⸗
lungen gemacht, die ihm noch itzt gaukel⸗
hafte Maͤdchen in Marktbuden nachmachen,
und bie eines ſolchen Urhebers vollkommen
wuͤrdig find. Aber durch alle dieſe krum⸗
men Springe habe es dem Verfuͤhrer nicht
gelungen, die Aufmerkſamkeit Evens an
ſich zu ziehen, und mit ihr in ein Geſpraͤch
zu gerathen. Endlich habe er ſich in eine
von den Schlangen verwandelt, die ſo
groſſe und ſo glaͤnzende Schuppen haben,
daß ſich ein Frauenkopf ganz bequem darin
beſpiegeln kann. In dieſer Geſtalt habe
er ſich, Even gegenuͤber, an einen Baum
ſo gehangen, daß ſie gerade ihr eigenes
Geſicht erblicken mußte. Sie wußte nicht,
daß es ihr eigenes Geſicht war; aber die
aingemurteite weibliche Eigenliebe habe ſo⸗
gleich
188: Thereſie und Eleonore.
gleich Ihre Wirkung getban; fie fen davor
ſtehen geblieben, und Habe diefes Geſicht
mit Vergnügen betrachtet: Nunmehr hat-
fe ber. Verführer Gelegenheit, feine Schmei⸗
chelen anzubringen: fchönftes unter al-
len Geſchöpfen! babe er gefprochen ,
Gebieterinn diefer Welt, von der du
würdig bift, verehrt zu werden! dieſe
ſchne Geftalt, die du in dem Spiegel
meiner Schuppen bewunderfi , die —
bit du. Dieſe Böttergeftalt follte un-
ſterblich ſeyn! Der Baum, deflen ſchö⸗
ne Srüchte nur bier find, von der Ans
muth deiner Rofenwangen beſchaͤmt zu
werden , Tann dir diefe Unſterblichkeit
gewähren! Strede beine Zand aus,
Gottinn! — Eva habe dieſen Schmeiche-
leyen nicht widerſtehen koͤnnen, und habe
gegeſſen: und wir wären, mie inlandern
Städen, auch in dieſem, die wahren
Töchter Evens.
„Rein, das fol man ung nicht nach⸗
fagen! ich will meine Gefptelinnen gegen
biefen Kunſtgriff aufmerffam, argwoͤhniſch
machen: ich will ihnen and Herz legen, ..
daß fie den Schmeichler, wie eine Schlans
ge beſen, und fliehen. Wie ſollten fie ei=-
nen
&
Iherefie und ‚Eleonore. 189
nen Menfchen anhören, der es fo fehr
nicht verbirgt, daß er fie verachtet, da
er offenbar ſich über fie aufhält? denn
find folche uͤbertriebenen Lobſpruͤche, die
man ung ertheilt, nicht wahrhafte Späts
tereyen , gleich als wenn man einem
Krummbeinigten über feine fchönen Fuͤſſe
Komplimente machte! — „,
„ Der Rathgeber, den man ung im⸗
mer vorswirft, biefed Werkzeug. der Vers
führung Evens nach der luſtigen Ueberlie⸗
ferung, fo ihren kluͤgern Töchtern zu ei-
nem beſſern Gebrauche bienen. Ich rathe
meinen Freundinnen, zu thun, was nis
immer vortrefflich befommen if. Sobald
ihre Liebhaber , oder fonft heuchlerifche
Mönnergefchöpfe auf den Weg geratben,
ihnen Blümchen vorzufagen ; fo hören
Sie diefelben: nicht anders an, als mit
biefem Nathgeber in der Hand, und un-
terfuchen Sie nach. feinem Ausſpruche, wie
viel daran Wahrheit oder Luͤge iſt „,
„» Was glauben Sie, Erifpus! was
‚würde mein Spiegel fagen, wenn ic) ihn
Wort für Wort über ihre erzablung zu
Rath nabne?
Gbt⸗
®
© Sherefie und Eleonore.
Böttertind, auf deren Warten
Des Lenzes holde Schäge prangen!
Wo find fie dieſe Schaͤtze? ich fehe, ich
finde, um Reim für Reim wieber zu geben,
* Die Rofen und die Lilien nicht,
‚Bon denen Criſpus ſpricht! —
Sch wenigſtens ſehe keine Seralen: ein
paar Augen ſehe ich wohl, aus denen
Munterkeit, vielleicht auch Schalkheit bli⸗
cket, aber
Das Seuer, das fo ſicher Glut erreget,
Und eine Welt zu meinen Züſſen leget,
dieſes Feuer zu ſehen, da müffen Sie
wahrlich befiere Augen haben.
Gleich einer Muſchel SIffner ſich der
Hund,
Und zeiget eine Reih von Perlen.
Der Unverfhämte! fagt mein Spiegel;
ihre Zähne find nicht Perlen , fo wenig
ihr Mund einer Mufchel gleicht. Es find
gute, nicht eben ungefärbte Lippen, und
diefe Lippen find ganz guf angebracht,
zwo. Reihen nicht am beften gereihter Zaͤh⸗
ne zu bedecken — „
„, Kurz, guter Freund! nicht eine ein⸗
gige ihrer Schmeichelegen ift Wahrheit,
und ich gerathe auf ben Einfall, Sie ha⸗
ben
Iherefie und Eleonore. 191
den mir vielleicht Durch ihr Lohgebicht fa-
gen wollen, was ich nicht bin; wie man⸗
cher Eobrebner der Groffen in feinem Pa⸗
negyrifuß, oder einer Zueignung fagt, nicht
was fie find, fonbern was fie feyn follten,
„Alleufalls daß dieſes wäre „ fo koͤnn⸗
ten wir aus euren Schmeicheleyen viel-
Leicht immer einigen Vortheil ziehen. _ Je
mehr ihr ung Echmeichelhaftes vorſaget,
deſto groͤſſer wäre unfre Demuͤthigung;
und wann ihr ung ale vollkommen prei-
fet, fo hätten wir Daraus recht deurlich
gu verfiehen, daß wir in.allen Stuͤcken
unvollkommen find — „ :
„Sie find in der That nicht der ein:
zige, der feine Lobeserhebungen bis auf
einen gewiſſen Grad der Unverſchaͤmtheit
getrieben hat; ich habe mehr von ihrem
Gelichter geſehen, und unter denſelben ei⸗
nen, deſſen Schmeicheleyen von einer wuͤr⸗
digen Perſon, fo wie fie e6 verdienten,
aufgenommen wurden. Frau von E*,
eine Wittwe, hatte von ihrem Manne ein
beträchtliches Vermögen ererbet, und war’
ohne Kinder. Ein groffes Vermögen, und
ohne Kinder — das waren flarfe Anlo-
Eungen für manchen Srever, Es traten
Des
\
159 Iherefie und Eleonore.
deren mehrere auf, und einer ber briwe
gendften Mitwerber, war ein Offizier, der
durch eine ſolche Heurath feine verwirrten
Umftände wieder in Ordnung zu bringen
hoffte. Frau von E** war in bem Alter,
in dem, wie fie felbft zu fagen pflegte,
bie zweyte Ehe einer Thorheit, oder Un:
enthaltſamkeit ſchuldig machet, , über fünf
und vierzig hinaus, und fie machte aus
ihrem Alter gang fein Geheimniß: Det .
dringenden Zundthigungen ihrer Freyer auf
eine Iuftige Art los zu werben , erflärte
fie, daß, wenn fie fich wirflich gu einer
Heurath entfchläffen follte, fie nur einen
Dann mählen wuͤrde, der zehn Jahre
älter wäre, als fie — So find Sie die
Meinige, fagte der Offizier, und kuͤßte
ihr danffagend die Hände. Die ihrige Y
fragte fie erflaunt — Die Meinige, in;
ich bin bereits vierzig , und Sie —
Fonnen Faum acht und zwanzig haben,
anadige Stau! — Durch diefe Schmeiche:
ley glaubte er, die Eitelkeit diefer Frau
fo fehr gefäffele zu haben, daß es ihm un»
- möglich fehlen ſollte. Frau von E** gieng
auch mit einem vielverfprechenden Blicke
nach Ihrem Zimmer., und verhieß ſogleich
wie⸗
’
Therefie und Eleonore. 193
wieder zu erfcheinen. Sie fam mit einem
Papiere in der Hand. Lefen Sie! fagte
fie dem dreiſten Schmeichler : e8 mar ihr
Zaufbrief. Diefes Papier giebt mir 45
Jahre, und Sie 28. Eines von Ihnen
lügt: wer glauben Sie, daf ee unter
beiden feyn muß v Diefe Beſchaͤmung
war eine zu geringe Strafe für fo viele Un⸗
verfchämtheit — Huͤten Sie fich, Criſpus!
kuͤnftig unſre Geſtalt, ſo ohne Maaß und
Ziel zu erheben! wir werden Ihnen unſre
Geſichter im Spiegel zeigen, und ſprechen:
einer aus beiden muß Lügen, und die—
fer da kann es nicht „,
2 E.
X.
Unwürdig unſrer Gunſt, und des geringfien
j Blicks
Iſt der gemeine Schwarm der Heuchler.
Hagedorn.
Eleonore! die unwuͤrdigen Gefchäpfe ;
die Schmeichler, find bei dir zu leichten
Kaufs durchgefommen : fie wirben deiner
_ Rachficht mißbrauchen ; fo wie fie ber Un⸗
” erfahrenheit manches unfchulbigen lieben
Gefchöpfes mißbrauchen, ch will den
IV, Theil. N. Stoff
194 Thereſie und Eleonore.
Stoff noch einmal vornehmen, über ben
du mit fo flüchtigens Fuſſe weggeeilet bift,
daß von deinem Gange faum einige Fuß:
fiapfen im Sande zurückgeblieben find.
Die Sache verdient noch einmal betrachtet
zu werben,
Die Schmeicheleyen, die man bem
Srauengefchlechte vorfagt , gehen entwe⸗
der auf Eörperliche Eigenfchaften,, oder
fie ‚zielen auf bie wichtigeren Eigenfchaften
des Geiſtes, ber Seele.
Größtentheilg find es die erſtern; und
wir feldft geben Anlaß, zu glauben, daß
uns ein Lobfpruch. über unfre aͤuſſere Ge⸗
ſtalt werther ift, als ein Lobſpruch, den
man uns über die inneren Eigenfchaften
ertheilet. Zu dieſer erniebrigenden Mei-
nung geben wir Anlaß, da mir zur Ver:
vollkommung und Erhaltung biefer Reize
alle Mühe anwenden; hingegen jene edle⸗
ren ganz auffer Acht laſſen, vernachlaͤſſi⸗
gen. Sf es ein Wunder, wenn andre
von einer- Sache keine groffe Meinung ha⸗
ben, die wir felbft-nicht der Mühe werth
ſchaͤtzen, zu erhalten ?
Der Grund diefed Vorzugs der Geſtalt
vor dem Geiſte, ward ſchon in den zart⸗
ſten
Therefie und Eleonore. 195
fien Jahren In ung gelegt, worin wir von
unfren Aeltern nicht viel beſſer angefehen
wurden, als Affen, oder fonft Fleine Spiels
thiere,, beſtimmt, durch unfre Gaukeleyen
fie zu ergoͤtzen, und in welchen jahren
gleichwohl unſre Denfungsart gewiſſe Buͤge
annahm, die fie nicht wieder big in das
Grab ableget. Wenn bie Puppe unge:
behrbig iſt, und burch ihr Gefchren das
ganze Hans beunruhiget, welches find die
Morte, fie zu befänftigen: du haͤßliches
Mädchen, wenn du fo ſchreyſt — Und
ſchweigt fie dann; fo beißt es: fo bift dw
ein fchönes Kind! Verſieht es das Kind
-Ärgend worin, fo fchreyt die Mutter: ges
fchwinde fchafft mir den häßlichen Ran»
gen aus den Augen! Wil fie ed aber
wozu ermuntern, fo fpricht fie: geb TSch-
terchen, thue dieß oder jenes! fo bift
du ein fchönes Töchterchen.. Man trägt
wohl ber dieß dag kleine Schreymanul vor
ben Spiegel, und zeigt ihm feine verzerrte
Bildung darin: ſiehſt du das häßliche
maäschen!
Die Srüchte diefer wohluͤberdachten Er»
ziehung zeigen fi) auch bald. Wil man
ein Kind weinen machen, man fage Ihm:
Na du
196 <herefie und Eleonore.
du haͤßliches, abfcheuliches Kind! auf
der Stelle find die Augen vol mit Waſ⸗
fer , das Kind ſchluchzt, und nun bricht
es in unftilbare Thränen aus. Muͤt⸗
ter! ihr koͤnnet es fagen, ob. meine Be⸗
obachtung ridhtig iſt — Aber man lobe
das Kind über feine Geftalt; mie fich dag -
kleine hochmuͤthige Geſchoͤpf brüften wird!
Daher auch die Kinderwaͤrterinnen kein
kraͤftigers Mittel wiſſen, die Kinder, die
einen natuͤrlichen Abſcheu vor dem Wa:
ſchen haben, dazu zu bringen, als durch
die troſtbringende Verheiſſung: es werde
dadurch ſchön werden. Durch dieſe Art
von Betragen gegen Kinder ſetzet ſich der
Begriff ſchn, mit dem andern eines groſ⸗
fen Buten und Vorzugs vereinbaret, in -
ber erften Jugend feft, und eben fo der
Begriff baplich , von jenem andern eines
groflen Uebels vergefellfchaftet ; beide
wachſen mit und auf, werden mit ung
alt.
Es ift ung nicht eben fonderbar ruͤhm⸗
lich, daß ung die Männer, wann wir er=
reachfen find, eben fo behandeln, wie un⸗
fre Kindsfrau e8 mif ung machte , ba
wir noch an dem Weisbande hergiengen.
Mir
\
Therefie und Eleonore. 197
Wir würden uns fchämen, wenn wir noch
durch einen fchönen Apfel, oder irgend ein
buntfärbigtes Band wozu zu bringen waͤ⸗
ren; warum fchämen wir ung nicht, daß
soir ung burch einen Lobfpruch tiber unfre
Geſtalt beftechen laffen? daß Elarifien
der erwachfenen, wie Claͤrchen dem Finde
dad Wort fchön die Etirne aufheitern,
und das Wort haͤßlich Thränen auspref-
fen kann? Wollen wir nie aufhören Kin:
der zu feyn ?
Ich verdenke den Männern ganz nicht,
wenn fie fo mit ung. umgehen , wie fie ſe⸗
ben, daß wir e8 fodern. Sie fprechen: das
Mädchen bat einen mittelmäfligen Der»
ſtand! dag beleidiget ung nicht — fie fpre=
‚hen: dee Mädchen ift nicht wohl ges
"bilder! nimmermehr werden fie diefe Bes
leidigung ausſoͤhnen. Saget mir, meine
Freundinnen ! ift die Geftalt .euer befter
Theil?
Was wuͤrdet ihr dem Menfchen ant⸗
woorten, der in dem Lobe eures Kleides
unerſchoͤpflich, von feiner Farbe, von ſei—
nem Glanze, von feiner Schönheit ganz
bezaubert wäre ; aber bei dem Kleide ſtehen
bliebe, ohne eurer ſelbſt mit einem Worte
N 3 iu
98 Thereſie und Eleonore.
su gedenken? — Wie fich dag Kleid zu
eurem Körper verhält, eben fo verhält
ſich der Körper zu dem Geifte; wie könnt
ihr fo gleichgültig ſeyn, die uͤbertriebenen
Lobfprüche des erfleren anzuhoͤren, bie
nur auf Koͤſten des andern fo übertrieben
find ?
Wenn wir billig ſeyn wollen, fo koͤnnen
wir ung fein Wort von allem bem zueig⸗
nen, was man ung gu Ehren unfrer
Schönheit vorfaget; gefegt auch, daß al-
les nach dem Buchftaben wahr if. Was
“Haben wir dazu beigetragen, daß wir fo
find, wie wir find? haben wir ung felbft
gebildee ? haben wir dem, ber ung ges
bildet, vorgegeichnet, wie wir feyn woll⸗
ten? konnten wir anders feyn , alg wir
wirklich find? Man lobet ung alfo um
einer Sache willen, von ber ung ganz
nichts eigen iſt, worüber die Zeit, eine
Krankheit, ein Fall, oft ein geringer Um⸗
fand ihre Gewalt ausüben; und wenn
unfer Ruhm auf unfrer Geftalt beruht,
fo verlieren wir täglich einen guten Theil
befielben, und das Alter ift die Zelt ber
böchften Schande —
Hoͤ⸗
Therefie und Eleonore. 199
Höret ihr Mädchen die Klage bed Hir-
ten von Ida! er Hagte oft um fein Mäbd-
hen, das, in fich ſelbſt verliebt, oft fich
aus feinen Armen riß, und an den Fluß
eilte, der am Fuſſe des Berges Kin fi
fhlang, und ſich im Fluffe, beroundernd bes
ſah; fo klagte er über das eitle Mädchen:
„ Schön biſt du Chloe! ale Hirten
preifen dich, ale Mädchen am Ida be⸗
neiden dich, und fürchten, daß du ihre
Hirten untreu ihnen macheſt. „,
„Aber, o möchteft dis minder es wiſſen,
wie reisend du biſt! dann Chloe waͤreſt
du noch reigender ‚fir mich; die Hirten
wuͤrden dann noch mehr dich erheben , die
Mädchen am Ida noch mehr dich benei⸗
den! — „
„Nie finde der die labende Kühlung
bes Schattens, mann feine Schaaf’ in
dichtem Kreife gedrängt, im eignen Schatz
ten die Köpfe verbergen, dann grüne nir⸗
gend für ihn, ein breitbefchattender Baum !
„Nie finde der ein fittfames Mädchen,
das nur für ihn mit Blumen ſich Erönt,
für ihn die Haare fich lockt, für Ihn am
Fluſſe fih wäfcht, ſchoͤn, nur für ihn zu
ſeyn wuͤnſchet! fein Mädchen fey eitel— ».
I N4 „Da
ON
200 Thereſie und Eleonore.
3» Das Mädchen des Schmeichlerd,,
her Chloen, ehmal das fittfamfie Maͤd⸗
chen, mit feinem Lobe, wie dort die Maͤd⸗
hen von Cyzikus gerne e8 hören, mit
folchem Lobe fo eitel gemacht: es fey fo
eitel, als fie find! „,
„ Hier fiß? ich verlaffen, und klage,
indefjen fie unten am Bache, fich felbft zu
befehen, nicht ſatt wird. Verſieget ihr
Slutten des Simois , damit fie in euch
ſich nicht ſehe, um ſich zu’ fehen, mich
nicht verlaffe ! mich , der ich das eitle
Mädchen noch liebe — „,
„VWas fiehft du 0 Mädchen im Bache? 7?
ſprich! was gefaͤllt dir ſo ſehr, an dir
ſelbſt ? die Farbe der Wangen ? ber
Schmeichler verglich fie den Roſen. Sieh
bier diefe Rofe, ich habe für dich fie ge=
pfluͤckt! nicht gürne o Chloe! aber ihr
Noth befchämt deine Wangen — „ _ |
„ Der Glanz deiner Augen ift maͤch⸗
‚fig, ich hab? es gefühlet; doch mächtiger
nicht, als der Glanz des Lichtes, das ung
dın Tag miederbringt, an bem zur Nein
ih dich nur ke du aber, du ſiehſt
nichts, als dich —
2 on " 99 Ger
<perefie und Eleonore. 201
„ Gefällt dir dein lockigtes Haar ? die
Mole der Lämmer ift krauſer, und zaͤrter
ift das Sefpinnft des Gemürms, dag dort
der Stäbter ernährt, daraus ſich praͤch⸗
tige Kleider zu wirken, und darin ftolger
su ſeyn — 59
„Dein Fuß iſt fein: doch feiner iſt
noch der Fuß des fluͤchtigen Rehs: dein
Wuchs iſt edel und ſchlank; doch ſieh!
dort ſteht ſie vor dir, die Erle am Bache
iſt ſchlanker als du — „,
„Worauf denn o Chloe, worauf thuſt
du ſtolz? was immer der Schmeichler an
dir erhub „womit er dich immer verglich,
das — zürne nicht Über die Wahrheit!
das übertrifft dich fo weit, als du bie
Mädchen am Ida —
- Nur eines haben fe nicht, die Roſe,
ber Tag, die Wolle der Lämmer, die Sei-
de des Wurmes, das flüchtige Reh, und
bie Erle am Bach’ ; ein fühlbares Herz
und Treue für mih — „.
„O Chloe, Hab? du es für mich! ent⸗
«wend’ es mir nicht dag fühlbare Herz! und
liebe dich mehr nicht, ald mid —
N 5 9 Kehr
202 Thereſie und Eleonore.
„Kehr wieder an meine Seite zuruͤck,
und mache mich froh! und will bu je
beftändig dich fehen; fo feh in mein Aug!
bort auch erblidt du bein Bild —.
XI.
Ein edles Herz ik leicht gu hintergehen.
Weiſſe.
Eurener In Whranen Julie? 2 Sins
dieſe Augen zu Thraͤnen gefchaffen ? wuͤr⸗
de ihr Belidor —
Jul, Nennen Sie mir ben verhaßten
Kamen nicht —
Eleo. Verhaßt? er?
Jul. Verhaßt! der veraͤchtlichſte Menſch
in meinen Augen, werth von jederman
verachtet zu ſeyn —
Eleo. Sie ſprechen von ihrem Gelieb⸗
ten, Julie! Er koͤnnte das nicht ſeyn, was
Sie ſagen, ohne daß auch Sie durch ihre
Wahl es mit wären.
Zul, Schonen Sie meiner nicht! mei⸗.
ne Wahl war unbedachtſam — aber ich
konnte fie durch fo viele Gruͤnde rechtferti⸗
sen — Belibor war, er fchien es zu feyn,
ehr⸗
Therefie und Eleonore. 203
ehrerbietig , beſcheiden, zärtlich, ex fehlen
mich zu lieben.
leo. Er ſchien? diefer Menſch ſchien,
der aller Orten, wie ihr Schatten Sie
verfolgte, ber, wo er Sie ſah, niemans
den ale Sie fah, der alled that, die Welt
von feiner Liebe gegen Sie zu Überzeugen,
der Ihnen vor fo vielen Zeugen ewige
Treue ſchwur ? —
Jul. Ja, dieſer Menſch, der hundert⸗
mal auf den Knieen um mein Herz, um
einen guͤtigen Blick bat, der, ohne mei⸗
ne Gewogenheit, ſich den ungluͤcklichſten
unter allen Sterblichen nannte, dieſer
Menſch, nachdem er durch ſeine ungeſtuͤ⸗
me Aemſigkeit mir endlich das Geſtaͤndniß
meiner Schwachheit entriſſen, triumphiret
nun uͤber mich, und ruͤhmet ſich oͤffentlich
meines Geſtaͤndniſſes —
Eleo. Und darüber weinen Sie? da⸗
ruͤber muß der arme Belidor ſich alle die
ſchoͤnen Namen gefallen laſſen, mit denen
Sie ihn nur erſt beehrt haben? Ach weis
‚nicht Julie, wo ihre Grundſaͤtze bleiben.
Haben Sie vergeſſen, was Sie immer zu
ſagen pflegten: Sie haͤtten keine Geheim⸗
niſſe: denn Sie wollten nie etwas thun,
was
204 Thereſie und Eleonore;
was nicht jederman wiflen dürfte v Wars
um foll ihre Neigung gegen einen wuͤrdigen
Mann ein Geheimniß bleiben‘, unb viel
leicht eben durch die Miene bes Seheimnif-
fe8 Verdacht erregen ? —
Ach muß Sie ausfchelten Julie. Wie?
daß ihr Liebhaber fein Gluͤck nicht ver-
fchweigt, darüber fcheint er ihnen verächt-
lich? — Ich wuͤrde ihn tadeln, wenn er
ſchwiege: ich würde denken, er halte feine
Eroberung nicht für noichtig genug, um fich
berfelben zu rubmen: ich wuͤrde denken,
fein Herz halte ein Gluͤck nur fiir mittel-
mäffig, wenn es baflelbe verfchlüflen, ganz
in ſich faflen fann. Mein Liebhaber fol
aus meiner Gewogenheit fein Geheimniß
‚machen! er fol meine Kette sffentlich tra=
gen! er foll fi der. Erlaubniß rühmen,
. mein Sflave zu ſeyn. Nur mo bie Liebe
durch das Lafter entweihet wird, tft ihr
dag Geheimniß nothmendig : nur mann
unfre Wahl auf einen unwürbigen Gegen-
ſtand faͤllt, kann ung bie Offenbarung der»
ſelben Schande bringen —
Jul, Ich habe Sie eifern Taffen , wie
Sie gewollt haben; laſſen Sie mid) nun
auch, mich rechtfertigen! Wenn Belidor
Ä ſich
Therefie und Eleonore. 205
fi) meiner Liebe nur gerühmet hätte, fo
würde ich mich nicht beklagen: ich würde
dieſes Sffentliche Bekenntniß vielmehr alg
eine Feyerlichkeit angefehen haben , durch
die er fi in den Augen aller Welt gegen
mich zur unmandelbaren Treue verbinden
wollen. Sin der That, fobaldb ein Lieb-
haber fein Verſtaͤndniß mit einem Mäp-
chen befannt macht, fo muß er baflelbe,
wie ein Dichter feine Handlung, bie zum
Ende hinaugführen, oder, wenn er, ohne.
von ihr veranlaffet zu ſeyn, unbefländig
ift, fo brandmarfer er feinen guten Ruf
ſelbſt, und waget mwenigftens, für einen
fehändlichen Berräther angefehen, und von
unferm gangen Sefchlechte Fünftig als ein
Slatterhafter geflohen gu werden. Aber
Belidor ruͤhmet fi) meiner Liebe nicht,
er verhöhnet fie. Er fpricht Sffentlich von
mir al8 von einer unbefonnenen, von einer
verliebten Thoͤrinn, der man alled an⸗
ſchwaͤrzen koͤnne, die, fobald ihr ein Mann
von Liebe erzähle, voreilig glaube: kurz,
Belidor fpricht, er habe nie filr mich eine
Liebe empfunden, er babe mein Geftänd-
niß durch feine Berftelung mir nur ent⸗
locket, und ich werde durch. ihn dad Maͤr⸗
‚chen
206 Thereſie und Eleonore,
chen ber Stadt , die Lnterbaltung aller
Dugtifhe und Gefellfchaften —
leo. Freundinn ! Siehaben nun Recht,
Belidorn zu verachten, aber unrecht, fich
su betrüben. Wollen Sie, daß ber gute
Ruf eines Mädchens in den Händen ber
erſten, der beften Mannsperfon liege? in
der That, da Fönnte er nicht in ſchlech⸗
teren ſeyn. Aber was hat unfer Ruf mit
diefen Gefchspfen zu thun, wenn wir ih⸗
nen benfelben nicht felbft preig geben ?
Jul. Machen Sie unfre Häufer erft zu
Schulen ber Weisheit! aber ich fürdte,
ihre Mihe wird vergebens ſeyn: und fo
lange bie vorige Denfungsart herrſchet,
fo klebt einem Mädchen, bas von einem
Betrüger durch verabſcheuungswerthe Ver⸗
fiellung zum Beften gehabt worden, bes
ftändig eine Art von Schimpf an, und
die Welt hält fie geroiffermaffen für ent=
ebret — Ä
leo. Diefe Meinung der Welt gehört
gu den mehreren unbilligen, die der Ehre
beider Gefchlechter daran liegt, auszu⸗
reuten. Wenn jemand von feinem Bu⸗
fenfreund bintergangen toorben , auf wer
fällt der Anmilfen der Welt über de ver⸗
TE
Therefie und Eleonore. 207
feste Sreundfchaft ? auf ben Betrogenen
oder Betrüger ? Warum denn fol in der
Liebe Schande und Verachtung auf das
Mäschen fallen, wenn e8 einem Menfchen
trauet, deſſen Handlungen ganz nicht zwey⸗
deutig find , nicht ung nur und unfer
Herz, fondern felbft die Welt feiner Liebe
und Hochachtung gegen uns zu uͤberfuͤh⸗
ren, wenn e8 feinen heiligſten Betheu⸗
rungen , feinen hundert und hundertmal
toieberholten Verficherungen traue ? —
Iſt der Irrthum in der Liebe mehr Irr⸗
thum , als der Irrthum in der Freund⸗
fhaft? — Ja! wird irgend eine ausru⸗
fen , die fchon allen Foderungen längfl
entfagen müflen, ja, ibr tollen Mädchen !
warum ſeyd ihr fo gutherzige Befchs-
pfe, den Mannoperſonen alle Schmei-
heleyen zu glauben. Beinahe möchte
tch ber Ehrwuͤrdigen wieder gurufen : wenn
wir einft bis an ihre Stufe der weib⸗
lichen Vollkommenheit binangefliegen
feyn werden, fo werben wir über die-
fen Punkt fo unglaubig werden als fie
find — Aber in diefen Yahren , bie die
Natur zu den Jahren ber Blüthe und des
Reizes gemacht , in biefen anziehenden
Jah:
208 Thereſie und Eleonore.
Fahren, wo ung der Spiegel mwenisftens .
fo viel faget, es fey feine förmliche Un⸗
möglichkeit, daß wir jemanden gefallen,
in diefen Jahren, die Betheurungen eines
Menſchen anzuhören, den wir, Mann für
Mann gerechnet, endlich wohl noch werth
ſind, zwmiſchen welchen und ung fein Ab-
fand der Geburt oder des Standes tritt,
wo iſt da die tadelswuͤrdige Gutherzigkeit,
aus welcher ung ein Vorwurf gemacht
werben fann ? Uber ihr follt den Maͤn⸗
nern durchaus nicht glauben! Gut! ber
Sehler ift alfo darin, daß wir zu guͤtig
von dem Mannsgefchiechte geurtheilt, daß
wir nicht jeden unter ihnen für einen heu⸗
chelnden BSIfewicht , nicht jedes ihrer
Worte für Lüge, jeden Schwur fiir Mei⸗
neid, jede Handlung, jeden Schritt für fo
viel Rartufchftreiche angefehen haben ? —
Unvergleihlih! wenn unfer Umgang mit
unfern Fünftigen regierenden Herren auf
einen folchen Fuß gefeßt werden müßte —
Zul. Faſt follte es feyn, Bleonore!
Seit dem die Betrüger ſichs zum Geſetze
gemacht, aller Drten Liebe vorgugeben ,
und nirgend fie zu empfinden: feit dem
fie eine Art von Ruhm darin beftehen
laſæ
Therefie und Eleonore, 209g .
taffen, vielen vorgelogen ‚. und barunter
viele gefunden gu haben, die ihren Luͤgen
geglaubet ; feit dem, wie bie Eroberer ih⸗
se Siege, fie die erbaltenen Gegenlieben
sählen, und damit ben Erdkreis erfüllen,
und derjenige unter ihnen fich der Unſterb⸗
lichfeit am verfichertften bält, dem es ge⸗
lungen , Myriaden leichtgläubiger Mäde
chen gefunden ‚gu haben ; feit dem das
männliche Gefchlecht folche Grundſaͤtze an⸗
genommen , feit dem folte das unfte
diefen andern angenommen baben, fie
fämmtlich für fchändliche Betrüger an»
zuſehen, und auch auf biefen Fuß mit _
ihnen umzugehen —
Eleo. Ihre Wunde blutet noch, daher
iſt Ihnen ihre Empfindlichkeit zu vergeben.
Aber denfen Sie Iulie! mas mirde aus
unferem mechfelmeifen Umgange, was wuͤr⸗
de aus unfern Ehen werden, beren Grund
doch durch diefen vorläufigen lmgang ges
legt werben muß? Leute, bie fich fchon vor
ihrer Verbindung als Betrüger anfehen,
sverden fich nachher gewiß verachten. Nein
meine Sreundinn! wenn unfre Beſtimmung
gluͤcklich ſeyn ſoll, fo Föinen wir nicht zu
fehr die gegenſeitige Hochachtung belder
IV. Theil. O Ge⸗
210 Üherefie und Eleonore,
Befchlechter gegeneinander feflfegen; da⸗
mit wenigſtens, mo bie Liebe verlifcht,
die Hochachtung an die Stelle trete, und
das Band ber Ehe angenehm mache. Aber _
es ſteht ung: frey, und es follte zu einer °
Staatsmarime der weiblichen Politif an»
genommen werden, denjenigen des Soch⸗
verrathe gegen und alle fhuldig zus erfen-
men ,- ber es gegen eine unter ung gewor⸗
den. |
Jul. Sie haben da einen vortrefflichen
Bedanfen Eleonore! In ber That, war:
am follen mir durch. unfer Vorurtheil ge⸗
gen ung ſelbſt handeln ? warum follen mir
uns durch eine fchändliche Handlung des
Dritten befchimpft halten? die Schande fey
da, wo bie Uebelthat iſt, auf Seite des
Betrügers, nicht bee Betrogenen, ber im
Grunde nichts anders vorgeworfen wer⸗
den kann, ala daß fie gu redlich war, eis,
ven andern für unredlich zu balten. Ich
bin nun ganz beruhiget. Ich habe Beli:
dorn geliebt, weil ich ihm Sitten und
Denfungsart zutraute: er hatbeides nicht $
ein Herz, welches nur bedingt gegehen wor⸗
- den, ift es nicht, wenn das Bedingniß nicht
afütet wird; Nehmen Sie, beſte Freun⸗
®. . .. dinn,
Therefie und Eleonore. satt:
dinn, ben Stoff unfrer Unterredung din
mal zum Stoffe eines ihrer Blätter !
Ich kann nicht beifer thun, verſetzte
ich, als daß ich dieſe Unterredung ſelbſt gu
Papier dringe — Ich ſetze mich an Zus
liens Schreibtiſch, und ſchreibe bin, weil
mir noch alles im friſchen Andenken iſt —
%
XII.
Gabe Beinen anf mich Acht,
Als nur mein Herz mis Richterblicken;
So trug’ ih vor dem Herzen Schen.
Karſchinn.
Eine morgenlandiſche Erzaͤhlung.
| J. der Yrobinz Di⸗ al- -dEhen, bie an
dee oͤſtlichen Küfte von China liegt, aber
burd) eine unwegſame Wuͤſteney von dem⸗
felben geföndere wird, berrfchte vor fies
benzehntauſend Jahren, nach der di⸗ al⸗
dkhaniſchen Zeitrechnung, eine ganz be⸗
ſondere Krankheit unter dem weiblichen
Geſchlechte. Alte Maͤdchen und alle Frauen,
jede hatte für ſich ſelbſt eine tiefe Verach⸗
sung, bie für. beide Gefchlechter bald die
Ä Da nach⸗
ar2 Therefie und Eleonore,
nachtheiligften Folgen zeigte. Die Frauen,
wann ſie allein waren, hielten es der
Muͤhe nicht werth, ſich zu putzen: ſie ver⸗
nachlaͤſſigten ſich dergeſtalt, daß ſie den
Maͤnnern ekelhaft wurden, und kein Di⸗
al = dfhaner: wollte mehr. gu feinem Weibe
wiederkehren. Die Mädchen Nbten unge:
fehen allen Mutbwillen aus, und biefer
Muthwillen ward Ihnen zur Gewohnheit.
Sie maren nachher auch in Gefellfchaft
bis zur Ausgelaſſenheit Teichtfertig ; und
fein Di⸗al⸗dkhaner verlangte ein ſolches
leichtfertiges Geſchoͤpf zum Weibe. Wie
in den uͤbrigen aſiatiſchen und morgenlaͤn⸗
diſchen Reichen die ſtummen Männer
wegen der Geheimniſſe der Serrail uͤblich
ſind, fo find es in biefer. Provinz die
flummen Weiber. . Man bält fi ‚hier
aus einem partheyifchen Vorurtheile, der '
Verſchwiegenheit der Männer ohne das
verfichert ; aber die Weiber, fagt man in
Di⸗ al⸗ dkhan, waͤren nur dann verſchwie⸗
gen, wann ſie nicht reden könnten. In
Gegenwart dieſer Stummen nun, die man
nicht zu ſcheuen hatte, uͤberlieſſen ſich ver⸗
eblichte und unverehlichte, junge und be⸗
tagte Di⸗ al⸗dkhanerinnen allen moͤglichen
| Thor⸗
Thereſie und Eleonore 213
Shorheiten, allen ſchaͤndlichen Lüften Ihres
Herzens , und verderbten fid) in Kurzem -
fo, daß fie von Männern und Juͤnglin⸗
gen eben fo fehr, als von ſich ſelbſt ver⸗
achtet wurden.
Dieſe allgemeine weibliche Unfittliche
fett, fagen die Gefchichtfchreiber von Dis
al-dfban, kam von bem Zorne des maͤch⸗
tigen Zauberers Tſoro⸗xorotſo, dem feine
Ehrengemahlinn Zi⸗an, *) Die Tochter
des Königs von Di-al-bfhan, untreu ge⸗
werben. - Er hatte fie im neunten Jahre
gechliget, und von ihrem Bater für hun⸗
dert rothe Elephantenzähne, taufend Häute
von Soldtiegern , tauſend Teppichen aus
Colibrisſchweifen gewirkt, und zehutau⸗
ſend Crokodileyern erkauft. Den dritten
Tag nach der Trauung erhub er fie zu
feiner Ehrengemahlinn, welche Stelle
in den Serrailen biefer Reiche die vornehm⸗
fe, und mit einer beinahe unbefchränften
Freyheit verbunden iſt. Tſoro⸗- xorotſo
uͤberhaͤufte feine Zi⸗ an mit den praͤchtig⸗
ſten Sefchenfen, die er aus den Schlafge>
mächern von hunderte Königinnen durch
283 feis
29 3n der wachdrüdlichen Sprache, biefer Pro⸗
vinz, Wiederfchein der Sonne.
214 Thereſie und Eleonore:
feine untergebenen Dienkgeifter zuſamm⸗
. bringen ließ. Er blieb zehn Nächte hinz
tereinander bei ihr. Go lange hatte fonft
die Welt von feinen Zauberwerfen nie
Ruhe gehabt. .
- Sn der eilften Nacht mußte er, nach
bem Bunde ber orientalifchen Zauberer ,
Schaden zufügen, oder feiner Macht ver:
Iuftig werben, Er verlieh Zi⸗an mit vie»
ler MWiderfirebung feined Herzens. Sie
war jung, ſchoͤn, empfindlich, und er —
war fiebenhundert fieben und fiebenzig Jah⸗
se alte Er hatte Ahnungen. .Er übers
gab feine Neuvermählte einem feiner ger
treuſten Geifter in Verwahrung , befahl
einer Molke, niederzuſteigen, und eilte im -
Sturme davon, um befio eher wieder zu
kommen.
Die Reifen Tſorozxorotſos waren ſonſt
nie fürzer als Heben Stunden, Der Hi:
ter ber Zi⸗ an mußte dieſes, und baute
feine Verrätheren Darauf, Dem vom er:
fen Augenblicke an, hatte er gegen feines
VBefehlhabers Lieblinginn die beftigfte Nei⸗
gung gefaßt, Sieben Stunden ſchienen
ihm Zeit genug, die Treue einer neunjaͤh⸗
-Figen. Gemahlinn eines hetenhunder ſie⸗
en
Therefie und Eleonore 215
ben und fiebenzigjährigen Zauberers wan⸗
send zu machen. Er nahm in diefer Ab
fiht die Geftalt eines dreyzehnjaͤhrigen
Juͤnglings an, und fand, mit allen Reiz
zen der Jugend und Schönheit geſchmuͤcket,
mit einmal vor der bebenden Zi⸗ an. Sei:
ne Schönheit und fchmeichelnde Erflärung
gerfireute ihr Schrecken bald. Kurs, der
Geiſt mußte alle ihre Gewiſſensaͤngſtigun⸗
gen zu beruhigen , und fie erlaubte ihm
nun, an ihre Seite gu ſitzen, und fie zu
unterbalten. |
Dießmal blieb Tforo = gorotfo nicht
fieben Stunden lang abmwefend. Um deſto
eher wieder bei feiner Zi-an zu ſeyn,
begnügte er fih, im Voruͤberziehen bie
Saaten einer nördlichen Provinz durch ben
Hagel zu zernichten, und den Wetterfiral
in dag Vorrathshaus der Hauptftadt fal:
Ien zu laffen, davon die Stadt in Flam⸗
men aufgieng, und nur einige zwanzig⸗
- taufend Inwohner ihr Leben einbüßten.
Und igt — fand er plötlich vor dem Be⸗
quembette Zisane, eben da ber banfbare
Juͤngling feine Lippen entzuͤckt auf ihrer
Hand gehäftet hatte — Die Strafe fam ih⸗
tem Erſchrecken noch zuvor : eine entfeßlicht
O 4 Stra⸗
316 Thereſie und Eleonore.
Etrafe des beleidigten Liebhabers, der
ſich rächen will, und eines mächtigen
Zauberers, der ſich rächen Tann. Zi-an
ward augenblicklich zu dem haͤßlichſten al⸗
ten Weibe, das durch ihren Anblick Grauen
erweckte, aber ſie behielt ihre jugendlichen
Begierden. Ihr Liebhaber ſah die Ver⸗
wandlung, und wollte fliehen. Aber Tſo⸗
ro⸗ xorotſos Gewalt hatte ihn unbeweg⸗
lich gemacht: er war verurtheilt, ewig
ſeine Augen an der verunſtalteten Zi= an
zu martern, und überall, wo er feine Bli⸗
die hinwand, nur fie zu fehen. Der Zau⸗
berer war durch biefe Rache noch nicht ber
friediget. Um die Entehrung feines Eher
bettes unter der Menge gu verbergen,
verunftaltete er die Denkungsart bed ganz
sen weiblichen Geſchlechts in Di⸗al⸗dkhan;
‚ legte Seringfchägung für fich felbft in ihre
Herzen, und überließ es dann ihnen, das
Schickſal aller Männer mit dem feinigen
gleich zu machen.
Zwanzig Jahre lang verwarfen ſich al⸗
le Weiber an die haͤßlichſten Zwerge, wa⸗
ren alle Mädchen ohne Sittſamkeit, und
das ganze Gefchlecht ſchamlos, fobald es
ohne Zeugen handelte, waren alle Mittel,
die
en
L
Thereſie und Eleonore. 217
bie man verfuchet hatte, vergebens, ala
ber Priefter der Goͤttinn Zi⸗ ziz by um
Mitternacht ein Geſicht hatte, dag er vor
mehr als einen Traum hielt. Die Götz
tinn ſchien ihm, in der Geſtalt, wie fie
im Tempel verehret wurde, in bag Ge:
mach feiner Töchter zu treten, die, weil
fie allein waren, nach der zwanzigjaͤhrigen
Gewohnheit ihres Geſchlechts handelten.
Zi- zi⸗ by ward durch die Schmach, die
ihrem Prieſter zugefuͤgt ward, geruͤhrt,
und verwandelte durch ein kraͤftiges Goͤt⸗
terwort die Waͤnde des Gemachs in hell⸗
geſchliffenen Stahl, worin ſich die Prie⸗
ſterstoͤchter von allen Seiten erblickten.
Die Eigenſchaft der Spiegel war damals
noch unbekannt; die Maͤdchen wußten alſo
nicht, daß die Perſonen, die ſie ſahen,
fie ſelbſt waren. Sie ſcheuten ſich vor dem
Wiederſcheine ihrer eignen Geſtalt, als
vor Zeugen, waren aus Achtung gegen
dieſelben zuͤchtig, und beobachteten ‚den
Wohlſtand ihres Gefchlechtes — Hier en»
digte dad Geficht: die Goͤttinn war ver⸗
ſchwunden, und der Priefter wach, und
nachdenfend.
5 Mir
218 <herefie und Eleonore _
Mit dem anbrechenden Tage, nachdem
er zu dem Zuffe der Goͤttinn dreymal ge⸗
opfert hatte, gieng er hin, fein nächtliche
Geficht dem .groffen Rathe zu erzählen;
vieleicht hätte Zi⸗ zi⸗ by das Heilmittel
anzeigen wollen. Er ward aufmerffam
gehört ; und weil die Göttinn ihrem Elen⸗
de in der That ein Ende machen wollen,
fo mußte es fich fügen, daß eben ein groſ⸗
fer ſtahlener Schild zur Hand hieng, worin
der Priefter feine Geſtalt erblickte. Diefer
Zufall Heftättigte und erflärte dag goͤttli⸗
ce Mittel; und ale riefen aus: groß if,
Zi⸗zi-by, und gefegnet fen ihr Vriefter !
Bon Stund an wurden alle Gemächer
von allen Seiten mit ſtahlenen Spiegeln
besogen. Die Aermern biengen wenigſtens
ihre hellgeputzten Schilde, die von der Zeit
an fehr groß gemacht wurden , in bie
Srauengemächer , unb die weibliche Unart
börte auf. Anfangs fcheute man fich vor
den Geſtalten, die man als fremde an—
ſah. Nach langer Zeit erfannten fie zwar,
daß fie nur fich ſelbſt fahen. Allein die
Gewohnheit, anftändig zu handeln, und
vor ſich felbft eben fo viele Hochachtung
‚su baben, ald ob Fremde zugegen waͤren,
war
x
. Sherefie und Eleonore. 219
war bereits fo tief eingewurzelt, daß bie
Dial: fhanerinnen auch, von allen Zeu⸗
gen entfernet, immer anftändig handelten.
„ Denjenigen Dial: Ehanerinnen, des
nen lange nachher europäifche Reiſende erz
zählten, daß unter und in Geheim fo man⸗
che Unanftänbigfeit begangen werde, bie
gewiß unterbleiden würde, wenn ein Zeug,
auch ber geringfie, auch nur einer yon den
eigenen Bebienten zugegen wäre, fam bier
ſes unglaublich vor. Sie fagten, es waͤre
unmoͤglich, daß eine Frau fuͤr Fremde
mehr Hochachtung als fuͤr ſich ſelbſt ha⸗
ben, und ſich in ihren Augen ſelbſt ver⸗
aͤchtlicher ſcheinen koͤnne, als ihr eigenes
Dienfigefind, „
⁊.
XIII.
Auein was ſoll ich mic mit Schwägern lang
enteheen?
Das Närcchen lernte nie, und immer will 4
lehren.
Witthof.
UÜor Abhandlungen ſollen von allen An⸗
ſpielungen, und dadurch von dem Gifte
der Deutung unbefleckt erhalten werden,
Dies
=-
220 Thereſie und Eleonore. .
Dieſes Geſetz haben wir ung felbft ge⸗
macht; und felbfigemachte Geſetze find die
unverbrüchlichfien. So dachten wir, The⸗
zefie und ich; allein mir erfahren , daß
Deutungen zu vermeiden, und perfönlich
zu fcheinen, nicht von ben Schriftfiellern,
daß er nur von ihren Kefern abhängt.
Ich befand mich in einer Gefeifchaft,
wo mein Unftern wollte, daß ich für eine
der Lerfafferinnen Therefiens und Eleo⸗
norens befannt var. Ich mußte es nicht ;
man gab mir bald davon unangeneh-
me Beweiſe. An wen ich mich immer
. wenden mochte, von bem warb mir mehr,
als man es fonft gegen Mädchen pfleget ,
höflich, beinahe ehrerbietig begegnet. Aber
es berrfchte in diefem Betragen eine ge⸗
wiſſe Zuruͤckhaltung, ein gewiſſer Zwang,
der nur allzu ſichtbar war, und den man
zu verbergen, ſich auch nur wenige Mühe
sab. Jede Unferredung, die man einlei=
tete, ward mit furgen Antworten unter
brochen , und entweber geenbet, ober mir
überlaffen, fie allein hinauszuführen. Ich
lobte einen Kopfputz — Man Tann, bes
kam ich zur Antwort, fo vernünftig es
zuch wäre, dieſes pugwert abzuſchaf⸗
fen,
!
Thereſie und Eleonore. 221
fen, Hoch nicht offenbar mit der Ges
wohnheit und Mode brechen. ich bes
sounberte den Geſchmack, und die Wahl
eines Anzugs — Mein Mann, hieß eg,
zwingt mir dergleichen auf. Ich ˖ bes
greife wohl, daf der Schmud einer
Frau in ganz was andern beſtehen müſſe.
Die Rede vom Spiele kam an die Reihe —
Gewiß! nichts iſt weniger überlegt, ale
der Zeitvertreib des Spieles, wo man
ſich mit freudigem gerzen hinſetzt, ein⸗
ander die Börfen zu leeren. Man ſprach
von der Verbindung Dorinens — Das
Aradchen bat Flug gethan, fich einen
Sreund ihres gerzens zu verfichern —
und die Blicke aller Anweſenden fielen,
von einem bedeutenden Lächeln begleitet ,
mit einmal auf mich, und es ward in
meinem DVerftande licht.
Das mar alfo die Urfache diefer ſchoͤ⸗
nen Denkſpruͤche, daß man auf mich an-
fpielen wollte, oder daß man fich vor mir
(heute — But, dachte ich, Gleiches mit
Gleichem! ih wi thun, als ob ich diefe
Beziehungen nicht faßte, unb mir bie
Gelegenheit zu Nutz machen, das Urtheil,
über anfte Bfätter auszuholen.
Doa
252 Üherefie und Eleonore;
Dorine, antworteteich, würde nie .
- verlegen gewefen feyn, diefen Sreund -
zu ſinden. Bei fo vielen Vorzügen —
Vorzügen? fieng ein zunaͤchſt an mich
graͤnzender weiblicher Umfang von wenig—
ſtens drey Werkfchuhen im, Durchfchnitte
das Wort auf — welches find diefe Vor:
züge bei einem Mischen, das weder
reich, noch fchön, und ohne gerkunfs
ft a — Dorine, verfeßte ich, iſt vernünf⸗
tig, von untadelhaften Sitten. Ihre
Geſtalt mißfaͤllt gleich anfangs nicht .
und nachher wird fie durch Ihren ein⸗
nehmenden Umgang empfohlen. Den
Mangel ihres Vermögens wird ihrem.
Gatten ihre Genügſamkeit, ihregdus-
Licheit vergüten ; und eltern, deren.
Andenken bei aller Welt fo ſehr im
Segen find , find eine ebrenvolle ger:
Zunft. Die ganze Gefelfchaft zuͤckte über
meine Reden die Achfeln, und gab dadurch
zu verftehen, daß fie die Ehre hatte, ihr
zu mißfallen. Aber die leibichte Vorvede .
nerinn war damit nicht zufrieden, fondern - -
ſagte mir gefünftelt feife, daß es jederman
ganz wohl Hören konnte — das iſt fo:
vortrefflich geſprochen, daß es verdient,
| W fe,
an ms
N
Therefie und Eleonore. 223
st, an bie gelebrte SBleonore ale ein
Beitrag eingefendet zu werden. Ich
weis nicht, was ich bei diefer Rede fir
eine Saflung hielt; ich fühlte auffteigende
Die: bald aber war ich von meiner Be:
wegung wieder Meifterinn, und gab mit
einem Lächeln zur Antwort: ich glaubte,
das Mädchen würde ſich durch den Bei»
trag einer ſolchen Perfon, ale die wid:
se, die eben gefprochen hätte, ſehr ge⸗
ebret halten —
"Id möchte das Mädchen Tennen,
fagte fie, mir fehr fleif unter die Augen
blidend, eo muß ein ſchnaͤppiges Wefen
feyn. Die Sittenlehre in dem Munde
einer neimzehnjdbrigen Ratoninn, oder
ungefähr fo alt, flicht fonderbar ab.
9 Ih kenne das Mädchen, fo das
Unglück bat, Ihnen zu mißfallen — „,
Sie Fennen es: es ift vielleicht gar
von Ihren Steundinnenv o thuen Sie
ihm den Liebesdienfl, ihm zu fagen :
daß feine Moral ganz eigen iſt; daf eo
vanz fonderbar läßt, wenn ein Maͤd⸗
hen die Sehnſucht nach einem Manne
fo ſehr verräth, und fich daraus noch
ein Derdienft machen will — Ja doch}
ihr
224 Thereſie und Eleonore.
ihm zu Liebe werden die Männer wohl
feinen vaaſen hetzen, keinen virſchen
zu tode jagen ⸗
„Gnaͤdige Frau, ich koͤnnte fiir Eleo⸗
noren gut werden, daß die Sehnſucht nach
einem Manne eben nicht ihr groͤßter Feh⸗
ler iſt. Und ich denke, die Maͤnner nach
der heutigen Art, ſind auch nicht ſehr ein
Gut, wonach ſich viel zu ſehnen iſt. Wenn
ſie ſo etwas ſagte, ſo war es bloß eine
Wendung, die vielleicht etwas Munter⸗
keit in den Vortrag brachte, ohne der
Staͤrke ihrer Gruͤnde etwas gu benehmen. ;;
Sie wiflen das arme Kind fo gut
zu vertreten, daß fie es felbft nicht
beſſer hun würde, wenn fie zugegen
wäre. Nun fo rechtfertigen Sie denn
auch die Dreiftigfeit des Mädchens ,
fih zue Lebrerinn der Stadt aufzu⸗
werfen, und feine Träume für Grund:
vegeln auszuframen. Wiflen Sie, mein
Schatz! wie mir das vorfümmty ges
tade als wenn die Puppe , die noch
am Weisbende Läuft, unse lnter:
richt geben wollte , wie wir unfre
Süfle fegen follen. Weis denn das
Fhnäppergen noch nicht einmal, was
ke:
Therefie und Eleonore, 225
Keben it, und thut Orakelausſprüche,
wie andre Teben follen. Ich fürchte
befländig, das Kind wird Fein hohes
Alter erreichen, denn es ift für feine
Fahre zu Hug —
Bis hieher hatte ich Gelaffenheit genug,
fie niche gu unterbrechen. Aber ber ſpoͤt⸗
tifche Ton, mit dem fie diefe letzten Wor⸗
te begleitete , entfeffelte meine Lippen —
Sch will Eleonoren vertreten, als wäre
ich es ſelbſt, brach ich aus: und es folls
te mir wenigſtens nicht ſehr ſchwer fallen,
Spoͤtterey gegen Spötterey wieder gu ge⸗
ben. Aber das mag bie Zuflucht berer
feyn, denen es an Gründen mangelt. Eleo⸗
noren wird es ſich nie haben beigehen laf-
In, Srauen von ihrer Einfiht und Er⸗
fahrung Lehren gu geben. Sie mag fi
fogar nicht einmal einbilden, folches für
die Sefpielinnen ihrer Jahre zu thun. Aber
wo waͤre die Dreiftigfeit, wenige Beobach⸗
tungen mitzutbeilen, die ein junges Maͤd⸗
hen mit einiger Aufmerkfamfeit , fo leicht
als eine Frau, zu machen im Stande I}.
welches Uebel wäre es, eine Art von oͤf⸗
fentlichem Briefwechſel einzuleiten, wo noir
Mädchen ‚ einander unfre Vorfälle mitthei⸗
IV. Theil, „ len,
1
226 Thereſie und Eleonore
len, unter ung gleichfam gu Rathe gehen,
und fo oft im Vorbeigehen, Männern,
die der Leichtgläubigfeit eines unbehut⸗
famen Mädchens mißbrauchen wollen, eine
nicht immer verlorne Erinnerung geben ?
top waͤre das Uebel, zu jeigen , bag felbft
unfre Schwachheiten aus einer Quelle fliſ⸗
fen, die unferm Herzen. Ehre machet? _-
Das war bis hieher der Stoff aller ihrer
Blätter: ihre Einkleidung ift ihren Jah⸗
ren gemäß, munter, unbefonnen, wenn
Sie ja wollen, leicht, aber keinesweges
kann ihr aufgebürdet werben, baß fie, fich
das Lehreranfehen giebt . keinesweges,
daß ſie nachtheilge Anſpielungen machet —
galten Sie — fiel ein Dritter aus
der. Geſellſchaft ein, der bis igt nur einen
Zuhörer abgegeben. Von Anſpielungen
iſt ſie nicht ganz frey zu ſprechen: ihr
ganz letztes Blatt —
Run ihr ganzes letztes Blatt? frag⸗
te ich: erſtaunt, wie man darin etwas
finden koͤnnte, das eine- perfönliche Ber _
ziehung hätte. „,
‚Diefes leiste Blatt, verfeßte er‘, die⸗
fer Belidor , diefe Julie, haben: ihre
Bedeutungen —
\ . ...5 9. Die
Iherefie und Eleonore. 227
„» Die haben fie, fagte ich mit einer
Dige, die mich verrathen haben wuͤrde,
wenn ich es nicht ehe fehon geweſen waͤre.
Diefer Belidor ift ein Nichtswuͤrdiger,
dergleichen es unter ihrem Gefchlechte fo
manchen giebt, bie vor Haus zu Haus
berumsoandern , und Liebe lügen ; und
dann, wann fie Gegenlicbe erhalten ba=
ben, damit ruhmredig pralen. Diefe Julie
ift eine Leichtgläubige, dergleichen e8 un:
ter unferm Gefchlechte fo manche giebt, die,
ohne auf die Aufführung eines Menfchen
Acht zu haben, Berficherungen und Be⸗
theurungen glauben, bie gegen hundert
andre gleichfalls getban werden. Bell:
dor iſt ein verabfcheuungsmwilrdiger Ges
meinbuhler. Julie eine bedaurenswiülrs
bige Thorinn: dag ift die Bedeutung.
Ein gewiſſes Wochenblatt ) hat ehe fchon
unter diefem Namen einen folcben Geden
gefchildert , und: feinen Namen zu’ einem
allgemeinen gemacht, und Julie wirb
vielleicht kuͤnftig der aligemeine Namen
betrogener Mädchen werden —
93. | Sud:
”) Der Vertrauie. SE
228 Therefie.und Efeonore.
Gnädige rau!
Sie fehen , ich habe ihren Befehl voll
gogen: mie glücklich, weis Ich nicht. Es
war eine fehmere Aufgabe, die Auffchrift,
die Eure Gnaden mir vorſchrieben,
Beisuhalten, ohne in den fattrifchen Ton
gu verfallen , ber fo fehr verfchrieen if.
Nach dem Wege, den ich gemähler, bat
diefelbe eine Beziehung auf mich Teldft,
und ift gleichfam die Stimme derer, Die
durch meine Kuͤhnheit, in einer fo aufges
klaͤrten Stadt zu fchreiben, beleidiget wor⸗
den find. Ich bin froh, ihnen meine
Vertheidigung vorzulegen. Ich bin glück:
lich, wenn man fie für hinlaͤnglich Hält,
ein Unternehmen zu entfchulbigen, zu dem
mich nicht etwan eine kuͤhne Zuverſicht,
fondern ein partheyifcher Freund verleitet,
der mir Hilfreiche Hand zu reichen, ver =
beitten hat. |
Wie auch immer mein heutiger Aufſatz
ansfallen mag, fo hat er fein Verdienſt.
Der ic, als Schriftſtellerinn feinen Ruhm
erworben, fo habe ich einen andern erlan⸗
get, der mir nicht weniger ſchaͤtzbar iſt,
den Ruhm, der verehrungswuͤrdigſten Frau
gehorſamet zu haben.
> u Eleonore.
Therefie und Eleonore. a29
XLV.
Der Schatten eines Fehlers wird
Bei Hundert deiner Tugenden
Der Läſtrung graͤulichſtes Geſchrey
Oft hinter dir erwecken —
Fleiſt.
D.e Geſundheit Thereflens iſt nicht ſo
vollkommen hergeſtellt, daß es ihr erlaubt
waͤre, ſich mit etwas abzugeben, was eine
anhaltende Anſtrengung fodert. Ich ſoll
alſo an ihrer Stelle die Ehre haben, un⸗
fre Leſer gu unterhalten.
Von mehr dann einer Seite finb mei⸗
ner Gefährtinn. über bie morgenländifche
Erzaͤhlung des XIL Stuͤckes Lobfpräche
zugeſendet worden. Ich geſtehe es, ich
ward daruͤber eiferſuͤchtig, und konnte ber
Anfechtung nicht widerſtehen, in biefer
Art gleichfalls einen Verſuch zu wasen.
Sollte ich gluͤcklich genug ſeyn, damit Ehre
einzulegen, ſo mag ich es leiden, daß mir
ein paar Schmeicheleyen von Maͤnnern
daruͤber geſagt werden. Aber wäre ich
ungluͤcklich, ſo verbitte ich recht demuͤthig
alle Vorwuͤrfe, ober wenigſtens, daß man
ſie mir nur in das Ohr fliſtre —
J 3 . 2a
330 Thereſie und Eleonore.
Lariffe
Nicht immer waren Könige nur, ober
Königinnen der Sreundfchaft , und dee
Schutzes der mächtigen Feyen gemürdiget ;
nicht immer waren nur Prinzen und Prin-
zeffinnen bei der Geburt von ihnen mit
Weisheit, Reichthum/ Schönheit und
andern ſolchen Gaben begnäbdiget , mo:
durch die Menfchen ſich groß und gluͤck⸗
Ich ſchaͤtzen. Ihr Blick fanf auch auf
niedere Hütten , unter denen manchmal
ein tugendhaftes Paar mohnte , dag bie
Gaben verdiente , die oft, nur zu oft an
die Groffen verſchwendet, fie nicht gluͤck⸗
lich , nurdtolg machen.
Auf der berufenen Flur Thefaltene war
nicht lange ein folche® Paar unter bem
Segen ihrer Xeltern, und ben frohen Zu:
rufungen ihrer Sefpielinnen, in die Hoch⸗
zeitlaube geführt worden. Das Mädchen.
hieß Mirle, der Namen des Yünglinge
war Erador. Das Brautgefchenfe des
Mädchens, fo fie Eradorn zubrachte, war,
der Liebe größter Schatz, ein fuͤhlbares
‚Herz, und ber Bräute ſchoͤnſter Schmud,
Unſchuld und Tugend. Die Hochzeitgabe
| des
Thereſie und Eleonore. 231
des Juͤnglings war ein durch feine Lifte
entweihtes Herz, und bie befchwornt
Treue; Erador aber war nie noch mei»
neidbig geroorben. hr Vermögen beftand .
in Luft zur Arbeit, und ihre Genuͤgſamkeit
svar ihnen Reichthum. Erador und Mirle
giengen anfangs zufamm , das Geld zu
arbeiten, und ihre Arbeit warb ihnen zur
Luft, weil fie sufanım arbeiteten. Als aber
Mirle ihren Geliebten nicht mehr beglei=
ten fonnte , fo arbeitete er mit deſto groͤſ⸗
ferem Eifer, wm bald toieber bei ihr zu
ſeyn.
Viele Monate waren ſeit Ihres Hoch⸗
zeittages verfloſſen, und Brador war der
Gewohnheit nach auf dem Felde, als
Mirlen heftige Schmerzen anwandelten —
Ach Erador! ſeufzete ſie, ſich ſo einſam
und unbeholfen ſehend, Erador! wo biſt
du! eile dießmal, deiner Mirle beizu⸗
ſtehen! So ſagte ſie, als eben die Feye
Ciname über Ihre Hütte. dahinfuhr, und
ihre Seufzer vernahm. Ciname war eine
freundliche Feye, eine Wohlthaͤterinn der
Menſchen, eine Beſchuͤtzerinn der reinen
Unſchuld, und eine unverſoͤhnliche Ver⸗
folgerinn der Heucheley, welche unter den
34 Men⸗
332 Thereſie und Eleonore.
Menfchen mehr Verheerung machet, ale
das offenbare Lafer, und melde die Tu⸗
gend ſelbſt verhaßt machen kann, da ſie une
ter der Kleidung derſelben eigene Abſcheu⸗
lichkeit verhuͤllet. Die Feye ward durch
die Stimme Mirlens zum Mitleiden be⸗
wogen, und ließ ſich auf die kleine Huͤtte
nieder. In der Geſtalt einer nachbarli⸗
chen Hirtinn trat fie num hinein, und fand
die Verlaſſene mit dem Schmerzen ringen.
Sie ſah auf ihrer Stirne das Merkmal
ber Tugend, welches dio Feyen nie ver⸗
kennen, aber ſelten wo erblicken, und be⸗
ſchloß von Stunde an, ihre Freundinn zu
ſeyn.
Tugendhafte Mirle, rebete ſie die⸗
ſelbe an, du wirſt Mutter werden, ich
komme bir beizuſtehen. Und fie ruͤhrte
Mirlen an, und ſprach einige von den
kraͤftigen Worten uͤber ſie aus, da wich
der Schmerz augenblicklich von ihr, und
eine Tochter lag in ihrem Schooſſe, ſchoͤn,
wie Mirle als Kind war — Ciname nahm
nun das laͤchelnde Kind auf ihre Arme,
und beruͤhrte ſeine Lippen, und ſprach: ſey
immer wahrhaft! und befuͤhlte das Herz,
und ſprach: ſey immer tugendhaft!
koͤnn⸗
Sfierefie und Eleonore. 233°
koͤnnte ich dich nur auch immer glüd:
lich machen! aber ich habe für dich
nur zwey Geichente : wenn du aber
den Schlund des Tarifidifchen Wolfs
lieben wirft, fo. wirft du des dritten
von mir. entbebren Finnen. Bei bdiefen .
orten verſchwand Einame, und hinter:
lieg Mirlen aefund , und erflaunt über
daß, fo ihr begegnet.
Mit ihrer Tochter auf dem Arme gieng
fie nun Eradorn entgegen. Welche Sreu-
de empfand er über das Kind, unb die
ſchon genefene Mutter ! Sie ergählte ihm
dad Wunder , and bie Warnung. wegen
des Schlundes des Wolfs, und fie hieſ⸗
fen die Tochter zur ewigen Erinnerung
Larifie. Sie wuchs unter den Augen ib:
rer Aeltern auf; ihre Schönheit entzuͤckte,
ihre Wahrhaftigkeit nahm ein, und ihre
Zugend zwang zur Verehrung. Die Müt-
‚ser in ganz Theflalien fagten su. Ihren
Töchtern: ſeyd wie Mirlens ‚Lariffe !
Die Väter im ganzen Lande fagten zu ih⸗
sen Söhnen: fucher ein Mädchen wie
Larifie! und die Söhne gaben zur Ant⸗
wort, wo werden wir ein folches fin-
den? Aber diefe Unterfcheidung, und ber
P5 ale
234 Üherefie und Eleonore.
allgemeine Beifall erregten auch unter ben
theffalifchen Mädchen Neid. Lariffe warb
von allen Sefptelinnen mit fcheelen Blicken
angefehen.
Mitten unter den zaͤrtlichſten Liebko⸗ |
fungen rollten der gärtlichen Mirle Thrä-
nen die Wangen herab, fo oft fie an den
lariffäifchen. Wolf dachte. Meine Toch-
ter follte dem Ungeheuer zur Beute
werden ! Und fie befchleß fih von ben
Gegenden der Stadt Larifle ) ferne,
ferne weggubegeben, bis dahin, wohin ſich
kein Thier derfelben Gegend je verircen
würde: fie erhielt es auch.fehr gerne von
Eradorn, und’ beide begaben fich mit ih⸗
rer Tochter über den Fluß Peneus, der
neben dem Goͤtterwalde Tempe hinſchleicht,
und ſeiner Schoͤnheiten eine der groͤßten iſt.
Man entgeht dem Schickſale nicht, wenn
es uns zu pruͤfen feſtgeſtellet hat. Aber
der Pruͤfung zu unterliegen oder zu uͤber⸗
winden, das haben die Goͤtter in die Kraͤf⸗
te der Menſchen gelegt. Auch die Wan⸗
derung Eradors aͤnderte nichts an Lariſ⸗
ſens bevorſtehendem Schickſale, es befoͤr⸗
der⸗
zheſelient eine der 7 ben huten Staͤdte.
—
Therefie und Eleonore. 233
derte fogar daffelbe. Aus Furcht vor dem
Wolfe durfte Zarifie nie ihre Aeltern auf
das Feld hinaus begleiten: häusliche Be:
fhäftigungen, die fparfame Kuͤche, die
Reinlichkeit der Hütte, die Sorge für bie.
. Kleidung waren ihr überlaffen.
Als im fechszehnten Srüählinge, den La⸗
riffe erlebet hatte, eben Miele und Era⸗
dor zur frühen Arbeit nach dem Felde
giengen, verlieffen die Edeln von Larifſa
ihre Stadt, um be Frühlings auf dem
offenen Lande zu genieffen. Die Gefell:
fhaft war zahlreich, und fie fuhren in
£öftlich gezierten Schiffen den Peneus hin-
ab, bis fie in den Gegenden des Luſtwal⸗
des an daB fer trieben, und and Land
fiegen. Die Staͤdter, wann fie in bie
Wälder eilen, ftellen nicht immer nur dem
* Milde Rebe. Dft jagen fie nach Unfchuld,
die in Städten fo felten ift, als Gewild,
und die ihnen koſtbar ift, Damit fie dieſelbe
verderben mögen — Unter ben Ankoͤmm⸗—
lingen waren vielleicht mehrere diefer Art ;
aber den einen führte ein unglädlicher Pfad .
nach der Hütte Lariſſens zu.
Er erfiaunte über die Reize dieſes Land»
mäbchens, und beftimmte eg fich zur Beu⸗
fe.
[2
236 Therefie und Efeonore.
te — Es band eben die Ranfen bes Wein,
ſtockes auf, der in viele Arme getheilet,
das ganze Haus umſchlich, und von ben
Senftern bei der Hite des Sommers mit
wohlthätigem Laube die Stralen abhielt.
„ Schönes Mädchen, fieng er su La⸗
. ziffen an , deine Hände follten nicht biefe
Weinſtoͤcke binden, fie follten von Fuͤrſten
gekuͤßt werden —
Das arbeitende Moaͤdchen ſah ſich nach
ders Schmeichler um — und band mie zu⸗
vor den Weinſtock auf —
„Du hoͤreſt nicht auf mich, Goͤtter⸗
find! O wie beneide ich dieſes Gewaͤchs,
das bu befuͤhlſt, das unter deiner wohl⸗
thätigen Arbeit, dem fchönften Maͤdchen
auf Erden liebkoſen kann! Schmiege dich
fanft, du Weinftock, unter ibren Händen! —
Doch iſt es erlaubt, deinen Namen zu
wiſſen „,
Cariſſe war ſchuͤchtern, aber nicht un⸗
hoͤflich; fie verſetzte: ich heiſſe Lariſſe!
„VUnd beine Mutter? „
Mirle, die tugendhafte Gattinn Era-
dors, meines befien Waters —
„ Du bift alfo die Lariſſe, von berem
bezauberndem Reize ber Ruf bis nach La⸗
rifs
\
<herefie und Eleonore. 237
riſſe erfchallt, und alle Männer dir unter-
soorfen , und alle Weiber neidifch gemacht
bat?: — Aber wie Finnen beine Neltern
fo einfam dich Taffen *— und haft du denn
feinen Geliebten , der an der Seite bir
ſtehe, um der glücklichfte unter allen Men:
fchen zu feyn, und die Mißgunft der Goͤt⸗
ter zu erwecken?
Lariffe war wahrhaft; fie erzählte dem
Anfömmlinge, was fie von ihrer Geſchich⸗
te wußte, Eine Frau, die fie für eine
Goͤttinn hielten, hätte ihr bei der Geburt
vorhergeſagt, fie wuͤrde glücklich feyn ,
wenn fie den Schlund des lariffäifchen
Wolfs flichen wuͤrde. Meine Xeltern',
fuhr das offenherzige Mädchen fort, wa⸗
gen es daher nicht, mich gu Felde zu neh⸗
men, weil fie beforgen , ich wuͤrde ein
Raub biefes Thieres werben. Cie ver:
taufhten foger aus Liebe zu mir ihre --
Wohnung , und zogen über den Peneus,
weil ie glauben, das Ungeheuer, fo mie
gefaͤhrlich iſt, werde nicht über den Fluß
ſetzen; und das Leben ihrer Tochter ſey
deſto ficherer, je entfernter fie won Lariſ⸗
fens Mauren ſeyn wuͤrde —
Der
238 Thereſie und Eleonore.
- Der Bürger von Lariffe fand in den
Morten bed Mädchens den Grund gu ei⸗
ner boshaften Freude, Er fand in Ci-
Namens Worten einen Verſtand, ber ihm
fchmeichelte. Uber er verbarg feine Em:
pfindung , und forfchte aus dem Mäbchen
- die Zeit, warn immer ihre eltern fich
von der Hütte entfernten, wann fie wie⸗
der famen. Und nun baute er auf biefe
Nachrichten ‚feinen Entwurf.
€.
| XV.
— — Oft iſt Gelaſſenheit
Die Tugend unſers Bluts, und ſieget ohne
Streit.
Meine beſte Freundinn!
eute iſt der erſte Tag, an dem mein
Erretter mir erlaubet, mich mit etwas zu
beſchaͤftigen, und ich beſtimme ihn der
Dankbarkeit, fuͤr das freundſchaftvolle
Gefuͤhl, welches Sie mir in ihrer troͤſten⸗
den Zuſchrift bezeiget Haben — Noch fällt
es mir ſchwer, zuſammenhangend zu denken;
die- Schmachheit des Koͤrpers über ihre
Herrfchaft bis auf die Seele aus. Meis
ne
Therefie und Eleonore, 239
me Antwort wird dem Gange eines nur
- erft genefenden Menfchen gleichen, ver
immer nad) einigen Schritten ſtille fichen
muß, um Athen zu holen —
Die Gefchichte meiner Krankheit
wunſchen Sie von mir zu hoͤren? Was
kann ich Ihnen davon erzählen ? Das
Uebel ſchlich mit leiſen, unvernehmbaren
Schritten herbei, und uͤberfiel mich wie
ein mitternaͤchtlicher Dieb, da ich es am
wenigſten vermuthete. Ich ward bettlaͤg⸗
rig, aber ich erwartete nichts weniger als
eine Krankheit von einer fernen Ausſicht.
Doch bald fuͤhlte ich den Puls hoch ſich
erheben, bald mein Gebluͤt ungewoͤhnlich
. wallen, bie Hitze ſich des Kopfes, und
meiner Gedanken bemaͤchtigen. Man ſag⸗
te mir nachher, ich haͤtte manches unge⸗ |
zeimtes Zeug gefhmäget —
Doc wozu fol. Ihnen eine fo pinftli-
he Befchreibung ? ich will gleich auf bie
Gelaſſenheit kommen,, die Sie mir fo
freundfchaftlich empfohlen Haben , und wo⸗
von ich vielleicht in diefer Krankheit fo viel.
an mir blicken ließ, daß es mir nicht ſchwer
fallen follte, mich zu einer Philoſophinn
eufzuwerfen in dem obenhinnigen Ver—
ffan-
240 Thereſie und Eleonore,
ſtande diefes Modewortes zu reben — Als
fein, Sreundinn! ich will mir nichtd zueig⸗
nen, worüber mein eigened Herz mic) des
muͤthigen, und Ligen firafen fann. Mei⸗
ne Gelaffenheit war meniger Ueberlegung
ald Temperament, meniger Geduld als
Fühlloſigkeit; mie bei einer genauen Pruͤ⸗
fung die Selaffenheit ber meiften von uns
ſerm, und vieleicht auch dem männlichen
Gecſchlechte feyn wuͤrde. Laffen Sie mich
den befondern Fall von mir in einen als
gemeinen aller Menfchen verwandeln; und
überhaupt ung einige Betrachtungen über
das Verdienft der Gelaffenheit anftellen !
Was ift Gelnfienheit? — meine Er⸗
klaͤrung wird die ſtarken Denker vielleicht
zum Mitleiden bewegen, aber ich will da⸗
rum nicht weniger eine wagen. Ich glau⸗
be, die Gelaſſenheit iſt, eine gewiſſe
Gleichheit des Gemüthes bei den ver⸗
ſchiedenen Sällen, die auf unfre kör⸗
perliche, oder ſittliche Wohlfahrt ei-
ne merkwürdige Veränderung wirten.
So wenigſtens ſtelle ich mir biefelbe vor.
Einen Menſchen, ber jederzeit im Umgan⸗
ge aufgeweckt, ganz Freubigfeit "und .
Scherz war, beiffe ich dann 'gelaffen, wann
ae Ä er
Thereſie und Eleonore. 241.
er bei dem Sturme der Widerwaͤrtigkeiten
ſich den Geſellſchaften nicht entzieht, und
immer noch ſeine heitre Stirne behaͤlt.
Ein Schweiger mit finfterm Blicke, der
hie laͤchelt, dem fein Nachſinnen Immer
tiefe Furchen an die Stirne zieht, muß
durch auſſerordentliche Gluͤcksfaͤlle nicht be⸗
wogen werben, feine Ernſthaftigkeit abzu⸗
fchtosren , wenn er. bei mir den Namen
eines Gelaſſenen verdienen will. Es
giebt alſo eine Gelaſſenheit ber Freude, es
giebt eine Gelaſſenheit des Ernſtes, und
Aberhaupt fol es nach mir das Weſen
ber Gelaſſenhelt ſeyn, das Gleichgewicht
ſo zu erhalten, daß ein aͤuſſerer Umſtand
demſelben auf keine Seite den Ueberſchlag
zu geben vermoͤgend iſt —
Dieſen Stand des Gemuͤthes ſieht man
heute für- eine erhabene Stufe der aus⸗
übenden Weltweisheit an, und felbft unfre
Eibariten , und Sibaritinnen , die eine
fchlaflofe Nacht hiubringen, wann ein
Roſenblatt unter ihrem verzaͤrtelten Koͤr⸗
per ſich faltet, wollen es darin hoch gen
bracht Haben.
Arcinde bat ihren Mann verloren,
Das Gepraͤng unterwirft fie einer ſechsa
IV. Theil. Q me:
242 Thereſie und. Ekbonore—
monatlichen Trauer: Es ift nicht erlaubt,
fi) über das Gepraͤng hinauszuſetzen:
Aber ich ſehe ſie in ihrem Hauſe, weil
x th von ihren Freundinnen bin. Arcinde
bat eine mittibliche Saffung , die fehr phi⸗
loſophiſch iſt. Keine Thräne in ihrem Aus
ge! keine Spur des Harms in ihrem Ge⸗
ſichte! kein unterbtuͤckter Seufzer! Sie
wuͤhlet in dem Kleidergeraͤthe ihres Man-
nes, ohne ſchmerzhafte Erinnerung... Die:
ſes Kleid Ließ ihrem ‚Seligen überaus
ſchn: füge ih. Es lieg ihm gut: be-
kommie ich gut Antwort, und man mühle
weiter. Sie zieht einen Schüber, darid
Briefe von ihm aufgewahret find, Er
fchrieb in der That vortreffliche Bries
fe der Derfiorbene , fie verdienen auf
bewahrt 38 werden: Den Augenblid
reiche fie mir die ganze Sammlung, went
fie bei mie von einem Werthe find — Nun
wird das Ebenbtld feines Vaters, das
einzige Kind, ber zweyjaͤhrige Knab her:
Beigebracht , der nur wenige Töne ſtams
melt, Er erblickt das Portrate feined Bas
ters, er erfennet eg, und fobert ihn mie
wehmuͤthigen Wimmern bon feiner Mut:
Br; Papa! ſchreyt er; Papa! wo: iſta
\ Er pa⸗
Therefit und Eleonore 243
"Napa! Der Kindsfrau treten Thränen ih
die Augen , und auch mir: aber Arcinde —
befiehle das nicht zu befriebigende Kind
Hinaussubringen, und feger fich gleichmuͤ⸗
thig hin, Gold zu zupfen — Die Wittib
hatte nicht etwan den Verſtorbenen nicht
veliebet : thre Ehe war vergnuͤgt, ihre
Trennnng war ruͤhrend, an Ihrem Buſen
hauchte er den letzten Hauch — Woher
ruͤhret dieſe Gelaſſenheit ? iſt fie das Wert
uberdachter Troſtgruͤnde, der Steg über
Ihre Empfindung ?— Das Werk fhrer na⸗
tirlichen Leichtfinnigfeit iſt es, die Über
alle ſich anbietenden Betrachtungen dahin:
roffet, und Arcinden unfähig mache, bei
vinem Bilde fich fö lange zu verweilen, daß
ein Eindrud davon zuruͤckbleiben ſollte. Die
Welt faget von dieſem leichtſinnigen Wei⸗
be: fie weis ſich in Ihrem Salle zu
faſſen! |
Satire, ich bedaut⸗ Sie, daß Sie
jüngft ſo unglü icklich yefptelt haben! Ha
ba ha! — Ich höre , ihre Minerte if
verloren: es ift Schade; eu war ein
allerliebſtes Sünöchen — Da ba ha! —
Gewiß, des iſt undankbar "sihandele,
daß Alcimor aller Orten mic fo wenig
- 22 hr:
144 Thereſie und Elestiore,
Ehrerbietigkeit von Ihnen fpricht ! —
Ha ba ba! — Man ſagt, ihr Gemahl
ſehe täglich die ſchöne Tanzerinn! — Ha
ha ha! — er ſchleppe derfelben ihre Klei⸗
der, Edelgeſteine, alle ihre Koſtbarkeiten
zu: Ha ha ha! — es ſey eine Schlange,
die ſchon manchen bis auf den Grund
trocken geſetzt — Ha ha ha! er werde
zuletzt auch ſeine Geſundheit bei ihr
daran ſetzen: Ha ba ha! — Satire! ihr
Kind — Ha ba ba — ſoll todt ſeyn —
Ha ha Ha! — Nun, verzweifelt! Satire
hat e8 in der Gelaſſenheit bis am die Graͤn⸗
gen der ftoifchen Härte gebracht, ba fie
alles mit einem Ha ha ha! zu beantworten
fähig if. Aber ein wenig Aufmerkſamkeit
wird ung überführen, daß die Quelle ihrer
Sleichmütbigfeit natürliche Dummheit ift,
die fie unfähig machet, mit VBerfammlung
ihrer Gedanken ſich in fich felbft zu kehren,
ihr Nachdenken bis auf die Folgen hinaus
zu erſtrecken, und einen Vergleich zwiſchen
ihrem igigen und fünftigen Zuſtande an⸗
zuſtellen. Eine zum Lachen immer fertige
Lunge if ihre ganze Philoſophie. Und es
giebt Leute, die fo gut find, fie den. weib⸗
lichen Demokrit zu wennen -
| End:
Therefie und Eleonore. 245
Endlich hat bas Gluͤck aufgehört gegen
Krantorn ungerecht zu feyn! fein Ver—
dieuſt ift offenbar, und wird erfennet. Ein
threnvolles, einträgliches Amt fol ihn
über die lange Vergeſſenheit ſchadlos hals
ten , worin er vergraben lag. Die Xel-
tern feiner Delnde find nun. feiner Ver⸗
Bindung nicht weiter mehr entgegen. Es
ſcheint, das Schickſal will das Andenken
feiner Berfolgungen auf einmal aus feinem
Bedächtniffe verlöfchen, Seine Geſundheit
gewinnt einen feiten Stand: fein reicher
aber geijiger , und ohne jemals beleidiget
worden zu feyn, unverfähnlicher Oheim
ſtirbt ohne Teſtament, und muß feinen
Refien alles binterlaffen , wovon er ihm
bei feinen Leben wicht den geringfien Theil
gegännet. Slädticher Arantor! Seine
Sreunde beſuchen ibn, um ihn mit fo vie⸗
Ien angenehmen Neuigkeiten zu uͤberra⸗
fhen, und Zeugen ber freudigen Verwir⸗
rung gu ſeyn — Uber Krantor hört alles
mit eben und demſelben Geſichte an: feins
Miene bleibe finfer, nachdenkend, wie fie
immer war. Nicht einmal bei Delindens
Namen, bei ber ſchmeichelhaften Hoffnung
Ihres nahen Beſitzes tritt eine Spur ber
Q3 Freuz
| 246 Sherefie und Eleonore.
Freube ihm an die Stirne — O, ſagten
Krantors Freunde, ber. Mann barf den,
Epifteten an die Seite gefegt werden! Es
- gehört weit mehr Standhaftigkeit dazu, -
die Liebfofungen des Gluͤckes, als feine .
Schläge unbewegt und. unverändert zu er⸗
ragen. Der Römer , den bie Botfchafe
son bem Tode: feines Sohnes ,. uicht bin=
dern Eonnte, fein angefaugenes Dpfer zu
vollenden, würde vielleicht bei fo vielen
glücklichen Nachrichten aus feiner Faſſung
gerathen ſeyn — D Lobredner! erſt unter=
fuchet ! und dann nennet Krantore immer .
flast der Katone! Die Gewohnheit has.
die Finſterkeit feiner. Blicke unerheiterlich. .
gemacht. Go. viele Jahre haben über fein
Gemuͤth eine Schwuͤle gezogen ‚..die dem
fanften Stachel des. Vergnuͤgens undurch⸗
dringbar iſt; und feine zur Natur gemorz
bene Unempfindfamfeit macht ihn zu einem,
Bato feiner Zeitgenoffen — . .
Sehen Sie, Freundinn! fa nacht bie
Miſchung unfrer Säfte, oder ber Manget
von Vieberlegung und Einficht, oder. Ge—
soohnheit ung oft gu etwas, wozu. ung
Srinde und Betrachtungen fchmwerlich brin« | _
gen würden. Und, too iſt bapn dag gepriez
fe -
Therefie und Eleonore.’ 247
fene Verdienk ?. Nur dann iſt die Gleich '
heit des Gemuͤthes und als ein folches
anzurechnen, wann fie und aud) etwas zu
fiehen koͤmmt. Ein Hebekünftler Hat kei⸗
nen Anfpruch auf. Ruhm , wenn feine Laſt
durch ‚eigenes Gewicht das Hebergemicht
haͤlt. Aber menn ey: die gefährlichen
Schwankungen. einzuhalten, und ber hart-
naͤckigen Schwere feine Kunft entgegen zu
fegen, und fie zu übermwältigen weis, dann
Joben wir ihn, Eben: fo wenig gründet
und eine, von was immer für Urfachen hers
kommende Fuͤhlloſigkeit ein Necht auf den
Beinamen Gelaſſen, weil fie dad Werf
unfeer natärlichen Traͤgheit iſt, meil nie
auf der. einen.Seite ein Pebergewicht war,
dag wir zu übermältigen hatten. Wenn.
der. Stein nach. der Tiefe rollt, darf’ er
ſagen, diefes. Fallen it mein Werk?
So war meine Gelaffenheit, Sreundinn, -
denn es ift doch billig, daß mein Schrei:
ben dahin. wieder fonime, woher es aus:
gieng, ine angebohrne Gleichmüthigs
feit macht. es mir. Jeicht, mittelmäffige um:
pfindungen zu hemeiftern, Aber wuͤre «8
höher gefommen , hätte ich ‚die Vorboten
des Todes, hätte ich das ſchreckliche Ge⸗
Dar... präng
'
#48 Thereſle und Eleonore.
präng ber Verſoͤhnung, eine ſchmerzvolle
Trennung von meinem — Aber warum foll
ich folche fchauervolle Gedanfen in mie
felöft erwecken, da mich die Krankheit dar
mit verſchonet ? . Dank fey dem Himmel,
fund meinem Juſchitz! *) ich bin wieder
ihre geſunde Freundinn
Thereſie.
| x V J.
Der Schatten eines Fehlers wieh
Bei Hundert deiner Tugenden! -
Der Laftcung graͤulichſtes Geſchrey
ai binter dir erwecken .
Bleik,
. Sortfesung des XIV. Stuͤckes
Leon. — das war ber Namen des La⸗
riſſäers, jung, und aus einem der vorz
nehmſten Haͤuſer ber Stadt entſproſſen,
kehrte ſogleich zu ſeinen Gefaͤhrten wieder
um, und huͤtete ſich ſehr, ihnen von ben
gluͤcklichen Begegnung etwas merken zu
laſſen. Er fuͤtchtete, einer aus ihnen duͤrf⸗
te thm in-bem Safer invorlommen „dag
er beſchloſſen hatte.
| Yen
u Du Arzt ereken,
Therefie und Efgonore, 244
Jenſeits des Fluffes hatte Lykon ein
Landhaus, das von der Hütte Mirlene
nur einige Feldwege entfernet war, Es
war ganz verfallen, und darum ehe nie
pon feimem DBefiger hefncht worden. Run
aber wuͤrde er es gegen dag fchönfte ber
ganzen Gegend nicht vertaufchet haben,
Er mar faum mit der Geſellſchaft in der
Stadt angefommen „als er unbegleitet,
. noch felben Abend fich auf dieſes Landhaus
begab. Er wechſelte dafelbft feine Kleider
mie ländlichen, und war nun , dem dufz
feren Anſehen nach ein Landmann, unfennz
bar-, auch für feine eigenen Leute , wenn
fie ihn gu Geſichte befonmen follten,
" Um die Stunde, ba er Lariffens Ael—
teen abmefend wußte, fette er auf einem
Machen ber den Peneus, und: kam bis in
bie Gegend der Hütte, Er hatte einen Bund
Meifig auf feinem Rüden, und ſetzte fich,
gleich einem, ber ausruhen wollte, unferne
davon auf die Erbe bin — Als er Las
riſſen erblickte, rufte er ihr zu! fie möchte
ihm ‚Helfen, mit feiner Bärde fich- erheben,
und daß gutherzige Mädchen eilte auf den
erfien Ruf herbei — ., Habe Dank —
ſorach er — gutes, beſtes Mädchen! die
Q5 Goͤt⸗
25a Thereſie und Eleonore.
Bötter wollen dir auch einen Gehuͤlfen
geben „ der deine Arbeit die erleichtere! „,
Und uun gieng er mit ihr, als wäre fein .
eg eben berfelde , big fie an. die Hütte
famen. „, Sreundliched Kind! hub er an, .
reiche mir doch einen Trunk Waffer, mid
zu erquicken! ich habe diefen Hund heute _
gefammelt , und bin nun fehr durfiie. „ ..
Lariffe gieng eilfertig bin, und brachte ihm
einen Krug frifche Milch , und er tranf
ihn ang ihrer Hand. Kür den erften Tag
ſchien er fich gluͤcklich genug. Er wieder⸗
holte ſeinen Dank, und begab ſich mit ei⸗
nem Umwege zu feinem Nachen, von demn
er in ſein Landhaus eilte.
Als Erador und Mirle von ihrer Ar⸗
heit nach Haufe kamen, erzählte ihre
Tochter ihnen freudig, mie fie einem Juͤng⸗
linge ſeine Buͤrde aufgeholfen, und einen
Trunk gereichet habe; und ſie lobten ſie
wegen der Neigung, Nothduͤrftigen beizu⸗
ſtehen.
Lykon kam durch viele Tage immer.
denſelben Weg, und hatte taͤglich Gelegen⸗
beit mit dem Mädchen gu ſprechen: und
fie ward gegen ihn vertraulich , teil fie
Wr für einen Landjuͤngling hielt. — Aber
nn nn ih⸗
Therefle und Eleonore. 251
ihre Vertraulichkeit war nicht die Vertraus
fichfeit der Städte, welche alle Zuruͤckhal⸗
‚tung zwiſchen beiden Sefchlechtern aufhebt,
und ſich einander bald verächtlich machet.
Die Bertraulichfeit Lariffens war Offen:
berzigfeit und Unfchuld — Doc, zwiſchen
einem Juͤnglinge und fühlbaren Mädchen
find die Grängen der Vertraulichkeit und
Liche Feine andern, als die wechſelweiſe
Schuͤchternheit. Lykon batte war bie
Schuͤchternheit hei den Phrynen der Stadt
aͤngſt abgelegt, aber hier mar ihm menig-
ſtens ihr Schatten nothwendig, Als er
feiner: Gewohnheit nach einmal an der
Hütte Lariffens faß „ Die eben dem’ ihr
nacheilender Taubenvolke Futter ſtreute,
blickte er das Mädchen: mie einem Blicke
en, der beredter ift, als. alle Worte,
„Gluͤckliche Tauben, rufte er, die das
liebenswuͤrdige Mädchen täglich aus feinen
Händen -fpeifet! ich. kenne einen Juͤngling,
der euch fehr Barum beneidet, — und. nun
ſeufzete er, und fchien den Seufzer unter⸗
druͤcken zu wollen —
„Und wer iſt dieſer Juͤngling, der ſo
etwas fuͤr ein Gluͤck hält, das man bes
weis
252 Therefie nnb Eleonore.
neiden koͤnnte 2,, fagte das vielleicht mig
Vorſatz unbedachtſame Maͤdchen —
„Du wuͤrdeſt zuͤrnen, wenn ic) ihn
dir nennte, und dein Zorn wuͤrde ihn auf
jebenslang elend machen
Ich will niemanden elend machen, und
du magſt ihn mir alſo nicht nennen —
„ Gleichwohl kann er auch nicht laͤn⸗
ger ſchweigen, ohne eben fo ungluͤcklich
zu ſeyn: und kurz, Lariſſe! ber Juͤng⸗
ling — der — bin ich.
Eine ſittſame Roͤthe ſtieg auf die Wan⸗
gen des Maͤdchens, und ſie hielt einige
Zeit die Augen niebergefchlagen : ;. endlich
Aber blickte fie wieder auf, und mar nicht
sornig , daß der Juͤngling ſich genannt
hatte. Da kamen eben die Aeltern des
Maͤdchens zuruͤcke, und fanden fie bei dem
Juͤnglinge, und ſie erzaͤhlte ihnen das Ge⸗
ſtaͤndniß ſeiner Liebe, und daß ſie ihm
ebenfalls nicht abgen eigt waͤre; und Ly⸗
kon erzaͤhlte ihnen von ſeinen Aeltern und
Umſtaͤnden, eine Geſchichte, wie er es
ſchicklich fand, und Eariffene Vater und
Mutter willigten gerne, daß Hymen beide
vereinigen ſollte, ſobald die Saaten reif
ſeyn würden,
| Trium⸗
Therefie iind Eleonore 253
Triumphirend kam ber Stäbter nun zu
feinem Landhaufe zuruͤck, weil ihm bie
unbehutfamen eltern ihre Tochter felbit
überliefern wuͤrden. Er fehrte auf wenige
Zeit in die Etadt, um diejenigen Anftals
ten gu treffen, die zur Ausführung feines
Entwurfs nöthig fchienen, Er bereitete eig
eigenes Gemach, und ließ es mit Teppis
"chen ausſchlagen, worin die Diebftähle der
Liebe , welche, Jupiter, und andre Götter
an leichtgläubigen Nymphen begangen hat⸗
ten , gewebet waren. *) Er bereitete bie
£öftlichfien Rauchwerke, die prächtigften
Kleidungen , und zwanzig attifhe Ta⸗
Iente waren in einem Käftchen von Eben⸗
hol; mit Golde vergieret in dem Gemache
hingeſtellet, ein Geſchenk für Lariffen.
Nach dieſen Zubereitungen, bie, fo eil⸗
. fertig ald möglich, gemacht wurden, bamit
ſei⸗
2) Man fieht, daß die Verfaſſerinn nicht gerne
weitläuftig if. Was fuͤr eine ſchöne Gelt⸗
genheit ſich in das ganze Fabelreich auszu⸗
breiten, und von den Teppichen wenigfeng
fo eine ſchöne Beſchreibung zu machen, als
Homer von feinem Schilde. Schade! daß
es nicht einem ,. .. in die Haͤnde gerathen,
der würde befchrieben haben !
Der verausg.
254. Therefie und Eleonore,
feine längere Abweſenheit feinen Verbacht
erwecken möchte, kam er bei den frohen
eltern feiner Beſtimmten an, und fab
mit Sehnfucht immer , ob die Aehren fi ch
faͤlbten. Endlich war fie da, die laͤnge
ſchon gewuͤnſchte Aernte, die ihm ſein
Verbrechen verſichern ſollte. Mirle und
Erador wollten die Hochzeit ihres Kindes
um feine Etunde verzögern : fie dachten,
fie wuͤrden ihr Gluͤck verzoͤgern. Lykon,
der ſich ihnen für den Sohn Irins, des
Zuͤgenhirtens vom andern Ufer angegeben,
und Philemon genannt hatte, führte La⸗
ziffen , die thränend ‘von thraͤnenden Ael—
tern fchied, an ben Nachen, und fuhr hitt
an das gegenfeitige Ufer:
Sie wandelten nun eine Meile, bis fit
aus dem Angefichte ihrer immer noch zu>
winfenden Neltern kaͤmen, als fie eine
Kutſche mit rafchen Pferden auf ſich an-
fprengen fahen. Es war Lykons Kutſche;
und er trug das ſich ſtraͤubende Maͤbchen
in die Kutſche, und fuhr, wie auf den
Fluͤgeln des Windes mit ihm nach der
Stadt. Was half es dem Maͤdchen, daß
es ſeine Aeltern zu Hülfe rufte? fie waren
fer=.
Therefie und Eleonore, 357. |
ferne son ihm, und ahneten nicht bas
Ungluͤck ihrer Tochter —
Zu ſchnell fuͤr Lariſſen, den Wuͤnſchen
Zytons zu langſam, kamen fie da an,
Das Mädchen warb gleich einer Gefan⸗
genen in dag für fie bereitete Zimmer ges
fchleppet, und die fchandbaren Gehuͤlfen
ber, Entführung verſchwanden — IH bin
Lykon — hub nun der Räuber an — und
das Mädchen erfchrac fo geraltig, daß
fie in eine Schwachheit gefunfen wäre,
hätte nicht die gröffere Furcht ihr Stärfe
gegeben; denn Lykon fagt in ber Eprace
bed Landes Wolf — Du ſiehſt, das
Schickſal ſelbſt hat dich für mich bes
flimmer , und all dein Strauben if
eitel: mache dit aus deiner. Gefällig⸗
Feit ein Verdienſt, und fey glädtih,
wie ich es feyn werde! — Alles diefes
ift dein, einifältiges Mädchen! fuhr er
fort, als fie untroͤſtbar ihm zu Züffen lag,
und thm Vorwürfe machte: Dieſes Zimz
. mer ift ein Königreich gegen deinen
ebmaligen Stand: Wie manche. würde
Kytons Liebe gerne um diefen ‚Preiß
verdienen !— Ach! Hub nunmehr das kaum
athempolende Maͤdchen an; alles Perg
e⸗
256 Thereſie und Eleonore,
bedarf ich nicht, ich Bedatf nur Un⸗
ſchuld und Zufriedenheit, und dieſe
hoffte ich bei Philemon! — pPhilemon,
verſetzte er, iſt ip fon: und wenn dit
diefen tieb, fo Liebft du deinen phi⸗
lemon —
Er ſagte noch mehr; fie zu beftiedigen,
und ließ fie, ein Leben in Ueberfluß, in
Wolluſt und- Wonne vorherfehen , wenn
fie freywillig auf dem Fuſſe einer Liebha⸗
berinn bei ihm bleiben wollte — wo nicht,
fo wäre ſie in ſeiner Gewalt. Und er ſchick⸗
te ſich an, Der Widerſtrebenden einige Lich:
fofungen zu erweiſen, als Ciname, welcheé
die Unſchuld des Mädchens beſchuͤtzte, in
dem Zimmer erſchien — Lariſſe kaunte fie
nicht; doch es war eine Frau; bad geäng:
fligte Mädchen flog, ohne mehr zu beden⸗
fen, in ihre Arme. Aber dem Lykon zeige
se Rh Einame mit dem Blicke einer er⸗
‚zürnten Feye. Das Lüfter ik Immer feige:
Er erfannte leicht ihre Höhere Macht, ba
er fie fo plöglich In einem verfchloflenen
Gemache erblickte: er flehte, er bereite,
er verhieß. Bis hieher, fügte Die Feye
mit einem Tone, der den Strafbaten vor
Ihrer undengſamteit verſicherte — bis hier
her
. Therefie und Eleonore. 257
bee war es dem Lafter erlaubt, die
Tugend zu prüfen ! aber fährft du
weter fort, Lariflen zu verfolgen, fo
zittre vor Cinamen, der Schuyfeye
der Unſchuld — Mit diefen Borten fuhr
Vie im Dufte von Ambra dahin, und Hin-
terfieß Stärfe in dem Gemuͤthe Lariffene,
und Entfegen in dem Gemuͤthe Lykons.
Sobald er ſich erholet hatte, bat er
Cariſſen, fie möchte zu den Ihrigen zuruͤck⸗
Schren. Was ch der Preis der Schand⸗
that ſeyn ſollte, bot er ihr itzt zum Er⸗
ſatze der Beleidigung an. Aus Furcht
vor dem Zorne der Feye, ſchaffte er fie
noch ſelben Abend mit allem Geraͤthe des
Bemachs, und den zwanzig Talenten in
die Hütte Mirlens.
Das Erſtaunen ber Aeltern war unbes _
fchreislih. So find Has, fagten fie, die
Sitten ber Städte, und Zevs hat noch
Keile v Larifle erzählte ihnen ben Schuß
Einamens, und fie troͤſteten fi) und ihre
Tochter mit bem Bewußtſeyn ber Unfchulbd.
Aber die Eiferfucht der Sefpielinnen La—
riſſens fand bald ein Mittel, biefe Un⸗
ſchuld verdächtig zu machen. - Wollt ihre
prächtige Tapeten, fprachen fie , und
IV, Theil. R - Blei:
258 Thereſie unb Eleonore.
‚Bleider und koͤſtliches Rauchwert, und
zwanzig Talente! fo laſſet euch nach
ser Stadt fahren, wie Larifie! Sie
fpotteten auch über bie Begebenheit mit
der Feye, und liſpelten ſich gu: dns ift
eine gütige Seye, die ihre. Pflegbefoh⸗
Iene fo reich nach ‚Haufe fendet. Ge:
wiß, Lykon iſt aus Reue — ſehr freyge⸗
big! So breiteten fie über. Lariffens Tu⸗
gend einen vergiftenden Schatten, der ihr
ganzes Leben trůbte, und ſie zu aller Freude
unfaͤhig machte. Das ungluͤckliche Maͤdchen
verwuͤnſchte hundertmal die unſeligen Ge⸗
ſchenke, die man für einen Preis der Ent:
ehrung anfehen fonnte, und farb bald
vom Kummer verzehret — Ein lehrreiches
Beifpiel für gang Theflalien: daß, um
glücklich 31 Leben, eben fo. nothwendig
iſt, tugenöhaft zu ſcheinen als zu
ſeyn — | E
RE
‚Therefie und Eleonore. 259
. XVII
Denn für die kleine Philomele
Bar alles Ohr.
Man zieht gemeiniglich doch eine ſchöne Seele
Dem fhönfep Körper vor!
Enge Gleim.
Dis, Sreunbinn! gegen welche die frey⸗
gebige Natur alle Eörperlichen Reize ver⸗
ſchwendet, dich, aus deren Augen Amor
die verwundendſten Pfeile abſchuͤſſet, und
feine unbefchränfte Macht über den fühl
baren‘ Juͤngling, und. dag Herz des Grei⸗
fen .befeftiger,, dich betrachte ich oft, und
ergoͤtze mic an diefem edeln Baue, woran
alles fo fehr zur Schönheit übereinfiim=
met, ben ebeln Umriß des Geſichtes, We
blauen. gefchnittenen Augen, in denen bein
fanfte8 Herz fih malet, zu. deren Berzie;
tung fich zwey Augenbraunen regelmäffig.
woͤlben, welche Die blendende Weiffe der feinz;
fen Stirne beinahe braun fcheinen macht,
ob fie gleich die Farbe deiner Locken ha⸗
ben, bie auf das afchenfärbigte ziehen.
Die unmerfbar aus der Stirne hervorra⸗
gende Naſe giebt durch einen fanften Bug
beinen Reigen auch Majeftät, und theilee
| | Na Ä mie
260 Thereſie und: Eleonore.
mit Anmuth zwo Wangen, auf melchen
die Verlaufung der Lilien und Nofen dag
bezaubernde Leibfarb mifchet „ dag bie
Kunft vergebens nachahmet. Wann der
anmuͤthigſte Mund fich öffnet ‚fo ſehen
zwo Neihen Perlen aus einer Koralen:
mufchel, und dag Gange deines huldvollen
Geſichts endet in ein Kin, den gang beſon⸗
deren Sig der Grazien, und des bezau-
Bernden Lächelnd. Wäre ich ein Liebhas
ber, fo wiirde ich fortfahren, dich und
Denus Uranie gang zu :mälen, und nie:
manb follte die .... *) verfennen. Aber
ich bin nur bein Verehrer, ‚erlaube! daß
ich mich weniger bei dem Lobfpruche dei⸗
nes Körpers aufhalte — ich habe eine noch
ſchoͤnere Seele zu fchilbern.
Du allein weiſt es nicht, rote fchön bu
biſt. Denn vernachläfigeft: du gleich nicht
eine Geſtalt, bie beſtimmt if, die wuͤr⸗
bige Wohnung der Tugend zu ſeyn ſo
biſt
* gch würde die Sittſamkeit der verehrungs⸗
würdigſten Perſon beleidigen, die ich bier
mit einem nicht ſchmeichelhaften Pinſel ent⸗
worfen habe. Ich wunſche, daß Wien die⸗
ſelbe in der Menge derer, anf welche: dieſe
‚Schilderung paſſet, verfennen mbge —
Therefie und Eleonore. 261
biſt dus doch mit deinen Zügen fo bekannt,
daß du fie nicht bemunberfi — Du höre
alfo die Lobfprüche anderer Schönen ohne _
Mißgunſt, ohne Eiferfucht, ohne Errd⸗
then an, nnd bift ſtets die erfte, ihnen
folche zu ertheilen. Du haͤltſt nicht dafuͤr,
baß dir entzogen wird, was man andern
giebt, denn du macht feine Soderungen.
Indeſſen verkierft du nicht von dem,
was man dir fchuldig if. Die Hulbigun=
gen, nach denen bu nicht läuft, folgen
dir nah. Zwar man flattert nicht um
dich herum, aber man ſteht unbeweglich,
entzüdt, von ferne, und verehret dic).
Eine gewiſſe Entfernung ift dag wahre
Merkmal der Ehrerbietigkeit, rote die ver⸗
trauliche Annäherung das unträgliche
Kennzeichen der Geringfchägung If.
Gleich als unmoiffend, daß die Natur dein
Aeufferliches zum Gefallen gebildet, ſtrebſt
bu nach den ebleren und dauerhafteren Rei:
sender Seele. Man ficht dich bemuͤhet, mit
Kenntuiffen deinen Geiſt zu ſchmuͤcken, nicht
um anzuführen, fonbern um auszuüben.
- Mie befchäme beine Anfihhaltung die ge⸗
ſchwaͤtzigen Pedantinnen, die nur leſen,
um mit dem, was ſie geleſen, Staat zu
R3 mas
362 Thereſie und Eleonore.
machen: traurige Gefchöpfe ! die einem
Menfchen von übelm Magen gleichen, ber
feine Speifen nicht verbauet, fondern vom -
ſich giebt. Sie lefen, um belefen zu ſchei⸗
nen, du, um befler gu werden; fie haus
chen bie vortrefflichen Lehren aus , und
find zufrieden , fie wieder an ben Mann
gebracht zu haben; du prägft fie tief dei⸗
ner. Seele ein, aus der fie nie wieder
fommen follen ; fie Iefen für das Gedaͤcht⸗
niß, bu für das gerz —
So wird beine Ergsgung ſelbſt ein
Werkzeug deiner Vervollkommung. Indeſſen
die Geſpielinnen deines Standes an einem
Tiſche geheftet, die Zeit, und vielleicht
noch mehr verſpielen, nuͤtzeſt bu dieſelbe
zu deinem, und deines Hauſes Beſten —
Erſtaunet nicht, wie ſie mit einem mit⸗
telmaͤſſigen Vermoͤgen ein Hausweſen fuͤh⸗
re, worin nichts mangelt; wie ſie allen
Nothwendigkeiten des Wohlſtandes Genuͤ⸗
ge leiſten, und dennoch ſo viel eruͤbrigen
koͤnne, die Thraͤnen eines Duͤrftigen zu
trocknen, und ihre Hand dem Nothleiden⸗
den ſtets zu oͤffnen! Sie giebt nirgend zu
viel, um uͤberall genug zu haben. Die
Hrdnung ‚ und. eine geroife Einfsrmigfeit
herr⸗
t
Therefie und Eleonore, 263
berefchet, wie in allen ihren Handlungen,
alfo auch in ihrem Hausivefen : : und fie
bat ein Mittel gefunden, freygebig zu feyn,
ohne daß es auf ihre Köften geht; fie iſt
es auf Köften ded Spiele: In der Aus:
gabeneinrichtung hat fie einen gewiſſen
Theil auch dem Spiele ausgeſetzet; aber
fie ſpielt nie, als wenn es der Wohlſtand
unumgaͤnglich nothwendig machet. Das
übrige iſt ihr Erſparniß; und dieſes Erſpar⸗
niß iſt der beſtimmte Antheil, der Guͤte
ihres Herzens Genuͤge zu leiſten ⸗
Dieſes fuͤhlbaren Herzens, das eine
ihrer herrlichſten Eigenſchaften iſt, welche
macht, daß ſie von ihrem ganzen Hatiſe
angebetet wird. Welcher Unterſchied zwi⸗
ſchen dem Dienſte, den die Liebe verrich⸗
tet, und dem, welcher nur darum verrich⸗
tet wird, weil er verrichtet werben muß v
In ihrem Haufe ift diefer Unterfcheid ſicht⸗
bar. Ihre Maͤgde, ihre Bedienten hän=
gen an ihrem Blicke, beſtreben ſich, ihren
geheimſten Willen auszufpähen , um ihm
vorzueilen ; fein Haß ‚- feine Eiferfucht ;
feine Gtreitigfeit anders, ald um ihr beſ⸗
fer gu dienen! Gleichwohl erfauft fie ſich
. biefe dringende Dienftfertigfeit des Geſin⸗
N 4 des
264, <herefi ie und Eleonore.
des sche etwan durch übertriebene Beloh⸗ I
nungen, durch Rachficht, durch Vertrau⸗
lichkeit — Sie haͤlt dafuͤr, es ſey unbil⸗
lig, arbeitſamen Leuten es irgend woran
abgehen zu laſſen, und Menſchen, die ganz
zu ihren Dienſten leben, ſpricht fie, muͤſſen
auch ganz von meinen Dienſten leben. Sie
giebt ihnen genug, dieſer Urſache wegen:
ſie giebt ihnen nicht zu viel, ihrer ſelbſt
wegen. Einen Fehler, wobei kein Muth⸗
willen, keine ſtrafbare Nachlaͤſſigkeit, keine
Bosheit unterlaͤuft, vergiebt ſie gerne.
Wie dürfen wir, ſagte ſie juͤngſt zu einer
ihrer Freundinnen, die ſich ber eine Magd
wegen einer Kleinigkeit ſehr erboſte, wie
dürfen wir von Leuten ohne Erziehung
mehr ale von uns felbft fodern? fie ſol⸗
len nie fehlen! gleich ale ob wir ſelbſt
nie fehlten v Aber dieſe Nachficht hört
auf, fobald der Fehler nicht ein Sehler
ber Menfchlichfeik -,, ſobald es ein Fehler
des Herzens iſt.
Von Vertraulichkeit weis ſie gegen
Dienſtleute nichts. Es iſt, nach ihrer
Meinung, von der Bertraulichfeit nur ein
kurzer Uebergang bis zur Geringſchaͤtzung;
und eine Frau, bedarf der Vertraulichkeit
ih⸗
Therefie und Eleonore. , 265
ihrer Untergebenen nicht , ald wann fie
fich zu entehren Willens if — Wodurch
alfo wirkt fie dieſes Wunderwerk hei fo
algenseinem Verderbniſſe des Geſindes?
durch einen. ganz einfachen Weg : fie
frafet nie, ald mann fie ed verdienen;
und wann fie es verdienen, ſieht fie ihnen
nie nach. Uebrigens begegnet fie ihnen
ſtets mit einer liebreihen Gute , die für
Untergebene fo ſchmeichelhaft iſt, und bie
Herzen ganz gewinnet: fie fürchten diejent-
gen zu beleidigen , beren Güte ihnen fo.
foftbar iſt —
Ihre Freundfchaft ift ein Schag : aber
fie iR in der Wahl ihrer Freunde aͤuſſerſt
behutfam. Es ift fchon ein Lobſpruch, aus
ihrer Zahl zu feyn, weil fie nie jemanden
Darein aufnimmt, der e8 nicht verdienet.
Sie fennet die allgemeine Ausſchuͤttung
ber Herzen nicht, bie fi) dem erften, dem .
naͤchſtkommenden, ohne Unterfcheid , ohne
Pruͤfung anbieten, bei denen das Verzeich⸗
niß der Freunde fo groß ift, als das Ders
geichniß ihrer Belanntfchaften; die, nach
der Wahrheit zu reden, ganz Feine Sreune
be haben , weil fie deren zu viel haben
Verbindlich gegen jederman , bienfifertig
R 5 ſo⸗
266 Therefie und Eleonore.
fogar , behält fie fich einen gluͤclichen
Kreiſe weniger Freunde vor. Denn, fie
bält dafiir, die Freundſchaft habe zu viele
mefentliche Pflichten, als daß fie zureichen
koͤnnte, gegen eine Welt diefelben zu er:
füllen. Wenn ich ihre Denkungsart recht
fenne, fo will fie fi) auch durch Die Freund⸗
fchaft mancher Perfonen nicht verdächtig
machen: denn die Sreundfchaft zwoer Per:
fonen läßt auf eine gleiche Gemuͤthsart
derfelben ſchluͤſſen —
Sittſam ohne Zwang, freudig ohne
Ausgelaſſenheit, gekleidet mit Wahl, ohne
geputzt zu ſeyn, iſt ſie die Seele der Ge⸗
ſellſchaft, ohne es zu ſcheinen, ſelbſt ohne
es zu wiſſen; ſo wie das ſittſame Veilchen
im Graſe verborgen, ſeinen aromatiſchen
Geruch umherſtreuet, indeſſen geruchloſe
Blumen vergebens das ſtolze Haupt em⸗
portragen, und buhlhaft winken. Die
Biene fliegt vor dieſen voruͤber, und fliegt
jener zu —
Mit dieſen vorzuͤglichen Gaben zeigt
ſie fuͤr die Schwachheit des Nebenmenſchen
nicht eine boshafte Nachſicht, welche ver⸗
urtheilet, indem ſie entſchuldiget, und un⸗
ter dem Scheine der Menſchenliebe, der
Tri⸗
Therefie und Eleonore. 267
Triumph des Stolzes und ber Eigenliebe
tft. Sie bemitleider bie Gebrechen an⸗
derer nicht; fie ſchweigt davon, oder bes
decket fie —
Aber ich empfinde die Schwachheit mei:
nes Pinſels, und bie Ungulänglichkeit der
Karben , Schönheit und Tugend nad)
dem Leben gu malen —
„Wenn dieſe Skiſſe «6 verdienet, ver⸗
ehrungswuͤrdige Thereſie! fo gönnen Sie
ihr unter ihren anmäthigen Blättern ei⸗
nen Plag, fo wie manchmal der Verſuch
eines Lehrlings in einer prächtigen Bil-
derfammlung einen Winfel erhält, wohin
das Licht zu ſchwach fällt, um für bie
— der Kunſt eine wuͤrdige Stelle
zu ſeyn — |
XVII
Du bit dos Aeffchen auf der Bude?
Lichtwehr.
Fu meine eingetroffenen Wuͤnſche muͤſſen
Sie mir nun auch Erinnerungen zu Gut
halten, gutes Kind! Sie wiſſen, wie
ſehr ne Sie liebe, und wie nahe mir alles
das
.. unt
268 Therefie und Eleonore:
bas an der Seele liegt , was mit ihrem
Wohl verknuͤpfet IE —
So bat denn endlich auch einmal bie
Uneigennügigfeit eine Wahl getroffen? So
‚war denn einmal eine Che nicht nach Rech⸗
nungsgründen befchlefien , und ein Eher.
vertrag errichtet, ber feinem Wechfelbrief
ähnlich ift 2, Lygdame! der Fall ift fo fel-
ten, daß es nun nicht bloß ihrer Tugend
und dem Gluͤcke ihres Bräutigamg , fon=
dern. dem ganzen Mäpchenchore anliegen
muß, wie er ausſchlaͤgt — Ich glaube,
ich ſehe wuchernde Väter und geisige Muh⸗
men mit unabgewendetem Blicke alle: ihre
Schritte , ale Handlungen , jeden Blick
beobachten , menn fie daran etwas aus⸗
sufegen, wenn fie Ihnen Vorwuͤrfe zu mas
- chen, wenn fie zu ihren Söhnen und Nef⸗
fen zu fagen hätten: „, nun geht bin, jun⸗
ge Thoren , ehliget bie nackte Tugend,
und feht an Lygdamen dag Gluͤck einer
‚Ehe , wobei das Eingebrachte in ein paar
fchönen Augen, und einem guten Herzen
beficht !. — Machen Sie den Geiz ; bie
Abfichten zu Schande, und beweifen Sie,
dag Gluͤck der ehlichen Verbindungen gruͤn⸗
de fi) auf Tugend, und ein gutes Herz.
Ich
- Sherefie und Eleonore. 269
Ich will Sie, mein immer zärtlich ge⸗
liebtes Mädchen! in feine Predigt führen ;
die Pflicht der Tugend iſt immer diefelbe,
nur daß fie im Eheſtande ſtrenger gefodert
wird. Aber' ich will Sie über eine Sache
bei Seite rufen, worauf Sie in dieſen Zei⸗
ten der zaͤrtlichen Unruhe vielleicht ganz nicht
verfallen, worin gleichwohl ſo weſentliche
Fehler begangen werden; Fehler, die
mancher Frau Demuͤthigungen und Ver⸗
wirrungen zugezogen haben.
Haben Sie uͤber die ploͤtzlichen Veraͤn⸗
derung ihres Gluͤckes bereits einige Be⸗
trachtungen angeſtellet? Dieſe Veraͤnde⸗
rung iſt eine Belohnung ihrer Tugend:
aber, mie werden Sie ſich kuͤnftig dabei
betragen? haben Sie ſich einen Entwurf
Ihres kuͤnftigen Betragens gegen Höhere,
- gegen ihres gleichen , gegen Leute, deren
Stand, oder Umſtaͤnde dieſelben unter Sie
verfegen, haben Sie über dieſes Berragen
fi einen Entwurf gemacht? wollen Sie,
baß die. Welt fpreche: Lygdame iſt auch
noch eines gröfferen Gluͤckes würdig! „,
oder daß fie fpreche: „wir fannten bie
ſtolze Naͤrrinn noch als fie kalblederne
‚ Schuhe trug, und ein wollenes geftreif:
> tes
170 Thereſie und. Eleonore.
tes Kleid ihr Feyertagbutz war? ; » Bei:
bes hängt von Ihnen ab, je nachdem Sie
einen von biefen Wegen folgen, die num
‚ vor Ahnen liegen , wird Ahnen Gegen
oder Spott entgegen fehallen : wählen Sie!
Das Vermögen ihres Fünftigen Ger
mahls ift groß , ift beinahe unerfchäpfe
ich, und feine Liebe wird Ihnen nichts
verſagen. Sie können alfo in einer Kut⸗
ſche mit fieben Glaͤſern prächtig einher⸗
fahren , deren Hintertheil für die Menge
ihrer Bebienten zu flein wird. Sie koͤn⸗
nen eine halbe Milion Edelgefteine um ben
Hals, und in ihre Locken hängen. Sie
koͤnnen jede Mobe zuerſt haben , und
ihre Kleider, role ihre Wänfche , täglich
wechſeln. In ihrem Haufe kann alles
fürftlich prächtig feyn. Sie koͤnnen ihre,
Befuche in einem Eoftbaren Ruhegemache
annehmen, wozu man nur durch eine Rei—
be Zimmer gelangen wird, in denen Schnitz⸗
werke und Gold verſchwendet ſind. Ihre
Tafel kann die niedlichſte in der ganzen
Stadt, und taͤglich fuͤr zwanzig Fremde
gedeckt ſeyn. Ihr Spiel kann das ſtaͤrſſte
ſeyn, das jemand ſpielet. Sie koͤnnen,
mit einem Worte ‚ durch ihren Aufwand‘
‘ . ale
Thereſie und Eleonore. 271
ae Frauen ihres Standes verdunkeln,
und es mit den anſehnlichſten Haͤuſern in
der Verſchwendung aufnehmen — Es giebt
gewiſſe Gelegenheiten, wo das Geld uͤber
Geburt und Titel, Über Bedienungen und
Ehrenftelen den Vorzug behauptet. Sie
koͤnnen fich biefer Belegenheit, wo Sie fich
anbietet, bemächtigen, und manchmal den
Schritt über Fuͤrſtinnen behaupten, wenn
es ihnen beliebt. Sie können Frauen,
die weit über Sie find, mit einem Anſe⸗
hen von Gleichheit, Berfonen ihres Stan:
des mit Gleichgültigfeit , ober gar mit
fihtbarer Erhebung, Sie können Niedri⸗
gen mit Verachtung ‚ ober mit der Miene
einer Befchigerinn begegnen. Sie koͤnnen
fprechen: das ſchickt fich für Leute mei-
nes gleichen nicht ; oder : gemeine Leu:
te handeln fo! Sie fönnen auch viel von
Samilien , von Standesgepränge, Kti:
Tette , u. d. gl. fprehen. Wann Sie fih
mit Leuten treffen, mit denen Sie in ih⸗
rem vorigen Stande vertraute Freund⸗
ſchaft pflogen; fo Finnen Sie fi) anftel-
len, als kennten Sie biefelben nicht, und
fegt man es Jhnen zu nahe, wohl! fo
Fönnen Sie fich ohngefaͤhr bunfelerinnern,
fie >
272 Thereſie und Efeonore.
fie irgend einmal gefehen gu haben. Gie
fönnen vornehm Fränfeln, und manchmal
eine Nachbarinn beneiden, bie immer poͤ⸗
belmäffig gefund if. Sie Finnen ihrem
Gefinde mit Härte begegnen, ihr Hauswe⸗
fen einem Miethlinge überlaffen , wie die
Erziehung ihrer Kinder — und bamit Fein
Strich abgehe , dag vornehme Anſehen
berauszuheben, fo koͤnnen Sit zuletzt noch
gegen den Gemahl, der Ste aus dem
Staube erhoben ſich gleichgilltig betra⸗
‘gen, unb ihn von Zeit zu Zeit ein wenig
gebietriſch anlaſſen, damit er fieht, er
babe eine Gattinn gemäblt, bie fich zu
behaupten , an ihre Stelle zu verfeßen,
in ihre Groͤſſe zu ſchicken weis.
Sie können aber auch ihren Aufwand
fo abmeffen , daß man es deutlich ſieht,
Sie machen ihn nur um ber Ehre ihres
Gemahls nichts zu vergeben,’ die Sie zu
behaupten fchulbig find. Sie Fönnen, an⸗
fländig gekleidet feyn, ohne Staat zu
machen. Ihre Zimmer, kann Geſchmack,
nicht Pracht unterſcheiden. An ihrer Tas
Tel, können Freunde ihres Gemahls mwill-
kommen feyn , ohne tägliche Gaſtereyen
anzuflellen. Ihre gegebenen und empfans
ge:
Therefie und Eleonore. 273
genen Befuche, Finnen Befuche der Freund»
ſchaft, nicht Gepraͤnge des Stolzed, nicht.
Foderungen ſeyn. Ihr Spiel, kann ih
hach ihrer Gefellfihaft. richten ; ımd wie
es Ihnen nicht ſchwer fällen würde, bie
Mark um einen Gulden zu fpielen, fo koͤn⸗
nen Sie aus Gefaͤlligkelt ſich auch bis zu
einem Pfeninge berablaffen, ohne durch
die Zerſtreuung und Unaufmerkſamkeit zu
ſehr an Tag zu legen, daß Sie ein ſolches
geringes Spiel nicht beſchaͤfftiget. Auch
wo Sie ſich in bie erſten Reihen gu draͤn⸗
gen berechtiget wären, fönnen Sie bes
fcheiden zuruͤckſtehen. Sie koͤnnen, gegen
die, welche ber Sie erhaben find ; mit
Ehrerbietung, mit Hochachtung gegen die;
welchen Sie die Wähl ihres Gemahls gleich
gemacht, mie Höflichkeit gegen Leute unter
ihrer Range ſich betragen,
Sie können, manchmal einen Blick auf
ihre erſten Umſtaͤnde werfen, und, anſtatt
ſich uͤber ihre Gluͤckſeligkeit zu blähen, aus
ihren ehmaligen Stände einen Beweg⸗
grund zur Sittſamkeit ind Demuth heruͤ⸗
berbölen. Sie koͤnnen, fich Ihrer itzigen
Freunde auch nicht ſchaͤmen, und fich durch
ein Gedaͤchtniß, weiches die Erinnerung
IV. Theil, E wu
274 Thereſie und Eleonore.
voriger Bekanntſchaften behalten hat, nicht
entehret fchäten. Wenn einige diefer Freun⸗
Bihnen Sie nach dem gemeinen Schlage der
hochmuͤthigen Weiber beurtheilen, und zu
bloͤde ſeyn ſollten, ſich Ihnen zu nähern‘,
ſo koͤnnen Sie ihrer Bloͤdigkeit entgegen
gehen ‚und fie zur Vertraulichkeit gegen
ſich aufmuntern; Sie können‘, alle dag
Geſchwaͤtz vermeiden , das nichts weniger
als ſtandmaͤſſig if; fo fehr auch darin mit
Stand und Rang um fich gervorfen wird.
Sie können; ſich der Gabe der Geſundbeit
nicht ſchaͤmen, und fich verpflichtet glaus
ben, die Aufficht über ihr Haus‘, ‚über.
ihre Familie felbft zu führen. Sie können;
ihrem Gefinde ald Menfchen begegnen )
denen Sie ein ungünftiges Schickfal durch
liebvolles, leutſeliges Begegnen ertraͤglich
zu machen, auserſehen ſind. Sie koͤnnen
Aendlich, dafür halten, Sie ſeyn einem Gat⸗
ten, der Sie glücklich miachet, Gefälligkeit
“and ‚Liebe, Sie ſeyn ihm die gänzliche Un:
termwerfung ihres Willens, ein Betragen,
das diefe Unterwerfung aller Melt ‘vor
Augen ſtellt, Sie ſeyn ihm Ehrerbietung
und Dankbarkeit, und das Vergnügen, ſo
er in 3 ihrer Berbindung ſich verſprach,
wirk⸗
.
Therefie und Eleonore: 275
wirklich zu gewähren, und ‚dauerhaft zu
machen ſchuldig —
Sehen Sie ſich, liches Kind! ein we⸗
nig nach erörternden Beifpielen um, und
betrachten Sie das End zwoer ſich ſo ente
„gegen gefetten Strafen! Auf der .einen
soartet Verachtung ,. Haß, und oft em⸗
pfindliche Demithigung derer, welche dar⸗
auf wandern. Aber allgemeine Hochſchaͤ⸗
tzung und Liebe wird denjenigen zu Zheil,
bie die andere einfchlagen.
Eine Perſon, die von einem geringen
‚Stande zu. einem befferen Gluͤcke uͤberge⸗
‚gangen, bat den Neid ohnehin wider fi);
fie darf nicht erſt durch eigene Unbeſchei⸗
denheit der Tadelfucht eine Bloͤſſe geben,
Wer ift diefes Weibe ſagen bie folgen
Weiber, , die durch ˖ ihren gröfferen Stolz
beleidiget werden — und nun wird ihr
Herkommen, ihr Vermögen ‚: der geringfie
AUmſtand unterfucht. Man findet die Seite
bald, von der ber Hochmuth erniebriget
werben fann ; und man machet fich eine
wahre Feyer baraus, biefen beleidigenden
Hochmuth nieder zu fchlagen. Bis auf.
die geringften Leute dehnt fich die. Ber
glerde, zu erniedrigen , aus. Sie bar
N Sa ſchon
276 Thereſie und Eleonore;
. fon vergeflen, wie ſchwer das Dienen
ift: hörte ich die Magd hinter dem Ruͤcken
ihrer Stan murten, die vormals duch ein
Kammermaͤdchen war, und nun die Dienſt⸗
leute ſehr unbarmherzig hielt. Sey hoch⸗
muͤthig, und es iſt ganz natuͤrlich, daß
man die Urſachen des Hochmuths aufſucht,
der deſto laͤcherlicher wird, je weniger
man derſelben findet.
Hingegen fpricht jeberman zu der an⸗
dern: die würdige Perſon! wie febe iſt
fie des Glückes werth, das ihr zum
Theil geworden! Die Groͤſſeren feffelt
ihre Demuth, die Gleichen geminnt ihre
Beſcheidenheit, die Mindern ihre Leutfes
ligfeit und Güte. . Niemand fucht ihre eh⸗
maligen Umſtaͤnde hervor, weil ihre isigen
niemanden beleidigen... ind wenn jemand
derfelben ungefähr ermähnet , fo fchlägt
biefe Erwähnung ſelbſt zu ihrem Lobe aus.
Lygdame, behalten Sie von threr
wahren Freundinn die kurze Lehre, als
ein Brautgefchenf : .,, Befcheidenheit im
Glide vermindert die Zahl der Neider,
entwaffnet die Zadelfucht , und bag fi:
ſherſte Mittel, die Welt unferer ehmali⸗
gen Umſtaͤnde vergeflen- zu machen, iſt,
| .; En 17. SE
Therefie und Eleonore. 277
fich ſelbſt derſelben unaufhoͤrlich zu
erinnern. 90 2
XIX. |
Des Alter deugte Schon den abgelebten Rüden :
Doch brannte Liehe noch in den erſtorbnen Blicken.
Zachariaͤ.
Ms nur ein Wort an biefem muntern
Briefe zu Ändern, waͤre unvergebliche
Suͤnde. Gewiß, liebe Charlotte, ihre
gaune iſt nicht mie Gold gu bezahlen !
wenn fie nur nicht immer ein Bischen
boshaft mit unter wäre! denn Ich kann
nicht eigentlich abfeben , ob ihr Brief
Satire , oder Ernſt ik — So mögen
nun denn die Leſer urfbeilen ! Gutes
Mädchen! es iſt gefcheben;- ba ſteht er,
fies ihn, deinen Brief, gedruckt! —
„ Sqhwefſterchen! eine Neuigkeit! ein
Abentheuer! geſchwind ſtuͤtze mich! ich
kann vor Rachen nicht feſten Tritt hal⸗
gen — Ach muß mich erft fatt lachen, ehe
ich weiter rede! — Nun; ift er ein wenig
porüber der Anfall ; ich bin wieder Hei mie.
felöft! .,
S 3 92 Lie⸗
278.‘ ‚Therifie und Eleonore,
Liebenswuͤrdige Eleonore! wundern
Sie ſich nicht uͤber meine Vertraulichkeit,
da ich Sie, und Sie mich nicht kennen!
ſo bin ich immer; und dießmal hat mich
ein Zufall, der auſſerordentlichſte Zufall
‘You der Welt, mitten in meine Munter⸗
teit mit Gewalt bineingefloffen. Wer ſoll⸗
te da nicht lachen? „,
„Ich bin nicht gang fiebenzehn Sabre
alt; wie Sie fehen, ein wenig boshaft,
das will Ich auch geſtehen; flüchtig , wie
ein Mädchen es in biefen Jahren feyn
kann, unbdefonnen, sie meine liebe Muh:
me ſpricht, artig, wie ich glaube, fchön;
sole mie Hundert. Jungen bei ihren Seelen,
und was weis ich dei was noch mehr,
zugefchwören haben — Diefem bosbaften,
fluͤchtigen, unbefonnenen Mädchen nun
bat ihre theure Muhme dag Gluͤck zuge:
dacht , die Frau eines liebenswuͤrdigen
Jinglings von — acht und ſechzig Jah⸗
ten zu werden, ber, wie fie gang weislich
hinzuſetzt, in ſeiner Kindheit ſtets maͤſſig
gelebt, nie eine Frau gehabt, geſund wie
ein Hirſch iſt, nur erſt anfaͤngt, auf das
Graue zu ziehen, und ein ſchoͤnes Kapitak,
nebſt einem Nittergute hat, das mein eiz
gen
‚Iherefie und Eleonore. 279
sen ſeyn fol ,. als ein Wochengeſchenk,
ſobald ich ihm einen Sohn gebe — Hören
Eie weiter! es ift noch das Side nicht
all, :,.
. 9 Mein. acht und fechzigjöhriger Greper,
mit jeiner Geſundheit wie ein Hirſch, will
im Heurathsvertrage ſeine edle Uneigen⸗;
nuͤtzigkeit auch noch dadurch ins Helle fer
gen, daß er fich. anheiſchig machet, nach
meinem Tode, mein ganzes Eingebrachte,
Schmuck, Kleidung, Waͤſche, & cætera,
meinen. rechtmaͤſſigen Erben juruͤckzuſtel⸗
len; und damit ich durch die Sorge fuͤr
unfre Liebespfaͤnder nicht etwan in einer
ruhigen Sterbeſtunde geföhret werben
möchte, ſo will er großmithig auf eine
zweyte Heurath Verzicht thun, und mei⸗
‚nen Kindern feine Stiefmutter in bag
Haus führen — 99
„Es wird mir da fo. viel von Ein-
bern und Leibeserben vorgefchmägt, daß
ich gang davon betaͤubt bin, und Immer
zuruͤckſehe, ab nicht irgend eine Fleine
Kreatur mich beim Kleide zupft und
Mama! ruft; da doch zu einer andern
Zeit meine theure Muhme ihre grauen
S4Au⸗
280° Thereſie und Eleonore.
Augenbraunen graͤßlich zuſammzog, wenn
mir unbedachtſamen Maͤdchen ſo ein Wort
entführt.
„Run, was denken Sie, Eleonore!
iſt nicht alles auf beiden Seiten vollfom=
men gleich ? und habe ich nicht ſehr Un⸗
recht, wenn ich folche Vortheile ausfchla=
ge? Ich will Ihnen eine Seene von die⸗
fer Komödie pieberfchreiben, wie fie in bee
Natur vor fich gieng: vielleicht weis ir⸗
gend einmal «einer unfrer Thentealfchrift:
ftelfee davon Gebrauch zu machen —
„Muhme Syllney figt aufbem Sopha, -
und. hat ihre Zupferen auf dem Schonffe:
ihre ſittſame Nichte fit Ihr gegenüber „
knipft Filet, und guckt von Zeit zu Zeig
in den Spiegel — „
+ Wird Ihnen denn bie Zeit bei mic
nicht lange, Lottchen? „,
„ Gnadige Iran! in ihrer Gefells
ſchaft lang v
„ Loſe Schmeichlerinn! und einen ſanfe
ten Kneipper an die Wange. Ich möchte
Sie gleichwohl gut gepaaret fehen — Die
richte huſtet ein Bißchen, fo zur Foͤrm⸗
fichfeit,, und Syllney fährt fort —
| * Ach,
Thereſie und Eleonore, 281
» Ach, es iſt heute fo Leicht nicht.
eine. anfländige Barthie zu finden ! bie
Männer find fo abgeneigt, eine Haushäls
fung. gu errichten, und find im Grunde
nicht zu verbenfen : bie Pracht iſt aufs
hoͤchſte geſtiegen! es iſt mit den Weibern
nicht auszuhalten, entweder die Schaͤtze
des Mogols, oder Schulden bis uͤber die
Ohren — Doch ich glaube, Lottchen wird
nicht ſo unbefriedlich ſeyn ——
„Sie werden mir immer das Vvor⸗
bild feyn, unsdige Frau! — Die Gute
ward ein wenig verwirrt über dag Kon:
pliment; denn es Fonnte fo eine Bedeu⸗
tung haben —
Ohne mir ein Gegenkompliment zu
machen, fährt fie alfo fort: „
" Und dann fo find auch die Mädchen
heut zu Tage fo niedlich, fo verwoͤhnt!
Alles kann man doch nicht zuſamm fin⸗
den. „ -
„Worauf wird das abtielen ? dachte
ich bei mir: dus muß ich aushoͤren —
Steylich, antwortete ich, muß ein Maͤd⸗
chen yon feinen Soderungen etwas ein-
gehen Lafien, wenn fie nicht figen biei-
ben will — „
BE BG ...n Rum
282 Thereſie und Eleonore.
„Nun, ich bachte immer, mein Muͤm⸗
hen wuͤrde vernünftiger denken. Sch ha⸗
be für Sie einen Vorfhlag—
„Fuͤr mich ? mit einer Besheugung —
‚And nun fam fie allgemach mit ihrem Har
geftolge angezogen ‚’ und wußte mir feine
Eigenfchaften , fein gutes Her, und- vor
allem, fein Vermögen, fo heraussuftreir
hen, daß ich genau merken konnte, wie
ſehr ihe diefe Angelegenheit am Herzen
Aiegt. Ach nahm mich indeffen wohl in.
Acht, mich gegen fie bloß zu geben. Ich
dankte ihr für die Sorgfalt, die fie mei⸗
netwegen ſich geben wollte ,. aber —..,
„Kein Aber! Mädchen! ſolches Gluͤck
wkoͤmmt nicht. alle Augenblicke wieder: man
muß es haſchen, wenn e8 da ift. „
‚5 Gefegt aber, ich hielte es für Fein
Glück . .
„„Geſetzt aber, fe waͤreſt eine The
rinn? und wenn du es fuͤr kein Gluͤck
haͤltſt, ſo iſt da kein Geſetzt — Einen
Maun mit hundert tauſend Thalern, mit
einem ſchoͤnen Gute, in beſten Jahren —.
| In beften —— amäbigest grau 4
mit Acht und ſechzig Zr
7 De:
v
Therefie und Eleonere. 283
„ Defto beffer für uns! fo wirft du
ine junge Wittwe, und bald Srau von
einem Gute und hundert taufend Thalern. „,
„ Bnädige Frau! wenn id) einen
Gatten wähle, ſo wähle ich, um ihr
3u haben, ‚nicht um ihn zu verlieren. „.
„Das iſt gut : du ſollſt feinen Tob
auch nicht befchleunigen: aber wenn es
nun der Himmel fo wollte — „
„So würde ich untroͤſtlich ſeyn:
denn ich werde meinen Gattenlieben.,
„ Defto beſſer für ihn ! liebe ihn alſo.
„ Rechnen Sie doch, theuerfie Muh:
me! acht und fechzig , ift gerade vier:
mal fiebenzehn: und fo wenigein Kind
von vier Jahren meine Sache wäre, fo
wenig kann ich die Sache eines Groß⸗
vaters von feinen Jahren feyn. Ich
würde ihn verebren — aber Lieben fol
ih ihn, wenn er mein Gemahl ſeyn
wird —
„ Meiner theuren Muhme mußte mein
Vernuͤnfteln, daß ſie ſo kurz faßte, nicht
anſtehen; ſie hub ſich ſchnell von ihrem
Sitze, und gieng zur Geſellſchaft in ein
anderes Zimmer. Inzwiſchen werde ich
pon der ganzen Verwandtſchaft verfolgt,
und
584 Thereſie und Efeonore,
und bin bei allen für eine Thoͤrinn aufges -
ſchrieben, die folche wichtige Vortheile
auszuſchlagen fähig iſt.
Ich weis mir ſonſt Feine Huͤlfe zu ſchaf⸗
fen, Eleonore, als daß ich Sie erſuche, in
ihren Blaͤttern einmal dieſe grauen Seufzen⸗
den mitzunehmen, und ihnen das Ungereimte
ihrer Anſpruͤche recht lebhaft vorzuhalten.
m Wie? dieſe Knochenhaͤuſer duͤrfen
fodern, daß wir fie liebenswuͤrdig finden ?
fie; die nun gu nicht8 weiter taugen, als
bie Hinfaͤlligkeit aller menfchlichen Dinge
vorzuftelen , und bie Munterkeit felbft
hypochondeifeh zu machen ? — Wie? fie
dürfen fih an ein Mädchen von meinen
Jahren —
m Aber um bes Himmeld Willen! ver=
geben Sie mir ich wollte Ihnen nur
meine Verlegenheit Flagen, und Sie um
Beiftand pitten , gleich ift meine Lebhaf—
tigkeit mit im Spiele, und ba fette ich.
mich beinahe hin, und ſchrieb die Antwort
ſelbſt nieder, um die ich Sie nur erſt bitte.
Laften Sie es gut feyn! die rafchen Mäd-
chen werben gute Weiber , und da "hoffe
ich, mern das Sprichwort nicht trügt, eis
neg von ben beſten zu werben, Nur muß
mein
Therefie und Eleonore. As
mein Mann, mir flatt der Jugend nicht
Geh , und flatt- der Liebenswuͤrdigkeit
fein Rittergut mitbringen , ſonſt ;;
„ Sobald Sie von acht und ſechzig⸗
jährigen Liebhabern handeln werben, wid
ich mit dem Blatte in der Hand zu meinem
Praͤtendenten eilen, und es Mm vsrlefen!
bamit — damit ich Ihnen die Wirkung
beffelben melden, und zugleich meine ewige
Verbindlichkeit zuſchwoͤren kann — Soaͤu⸗
men Sie nicht, ſie bald zu verdienen,
dieſe Verbindlichkeit
| ihrer Charlötte:
Die Freyſucht alter Männer kann wohl
durch kein wirkſameres Mittel hicherge=
fchlägen werben, als durch ihren Brief, lieb=
fie Charlotte! Alles ift Hier in das rechte
Licht gefetet : und ich denfe , Männer,
die man überzeugt, daß fie nur in der
Hoffnung genommen werben , weil mais
ſich verfpricht , fie werben fo viel Lebens⸗
art befigen, und fich zum Troſte ihrer jun-
gen Sattinnen, die nach ber Erlöfung ſeuf⸗
zen, bei Zeiten abführen , bie — ſollten
alle Lu zu einer Verbindung verlieren.
Hat dann eine fo vieljährige Erfahrung
ſie nicht überführen Finnen, daß fie nicht,
ge:
286 Üherefie und Eleonore.
gemacht find, um geliebt zu werbeny
und daß fie die Gefälligfeit, fich von
ihnen lieben zu laſſen, nicht gu zeitig
mit Hinterlaffung ihres Vermoͤgens be⸗
zahlen können? |
E.
* ud | .
u XX.
— — — Ein wüuͤrdiger Gemahl,
WVerſtandig, zärtlich und verbindlich,
Richt eigenſinnig, nicht empfindlich,
Er bat nur da, wo jener wild befahl.
- Gellert.
Fa, N Lieber: Didter!-finde mir diefen
Mann ! rief meine muntere Sreundinn
auf, als wir zufamm bie ſchoͤne Erzaͤh⸗
lung Gellerts, dag gofpital, laſen. hr
Gemahl war zugegen, und feine fich ver-
finfternde Stirne erinnerte fie, baß fie
eine’Unbedachtfamfeit begangen. Den Aus
‚genblick griff fie mit einer begaubernden
Lebhaftigfeit nach feiner Hand , und zog
rihn mit fanfter Gewalt nach ſich — Den”
‚einzigen, fagte fie, babe ich der ganzen
Melt entriffen. Ihr Mädchen mögt
euch den zweyten ſuchen! Ein Blick,
wor⸗
Therefie und Eleonore. 287
worin Zärtlichkeit und Reue gu leſen wa⸗
ven, fühnte fie wieder miteinander aus —
Die Betrachtung, worauf ich durch bie
Munterfeit meiner Freundinn gebracht
ward, iſt allerdings wichtig. Warum
‚giebt es fo wenig verbindliche Maͤnner 2
und — ic) fann auch meinem Gefchlechte
nicht heucheln: warum giebt es fo wenig
verbindliche SrattenY Ovid, Zacharid,
bie Verwandlungen ber Liebhaber in
Männer, der Geliebten in Ehegattin⸗
nen, find zurer Feder würdig — Der
Mann, der mit zuruͤckgeworfenem Haupte,
mie der wahren Miene eines Geſetzgebers
"eintritt, der trocken zu feiner Frau fpricht :
Madam, du wirft dief thun! und, dieß
wirſt Su nicht thun! der nur feinen Wil-
Ten zu Rath zieht, ‚und den firengfien
Gehorſam fobert , der beftändig wider⸗
fpricht, Feinen Widerfpruch ertragen fann ,
ber feine Frau Über jede Kleinigkeit wie
vor einen Richterſtuhl fodert, und fie un=
:gefähr auf dem Fuſſe der erften Dienft-
madg hält — der Mann wäre derjenige, der
noch vor Kurzem als Liebhaber, nur bat,
wur gehorchte, nur auf den. Knieen ver⸗
ehrte, nur die Winke feiner Geliebten und
ihe
288 Thereſie und Eleonore.
ihre geheiniſten Wuͤnſche ſtudierte, um ſie zil
uͤberholen, der ihre Laune, ihren Eigen⸗
finn feldft, unverdroſſen ertrug, der keinen
GKehler an feiner Gebieterinn-fah ;. der ihre
fichtbaren Unpglifommenbeiten nicht bloß
entfchuldigte, fondern gu Vollkommenheiten
machte — eben derfelbe Mann wäre e8?
Die Reihe koͤmmt nun an ung ; meitte
Steundinnen! find wir ald Ehegattinnen
auch noch die gefälligen Gefchöpfe , die
toir als Geliebte zu fenn fchienen ? zu
fcheinen alle unfre Kunft anwendeten ?: em⸗
pfangen wir unſre Maͤnner noch immer mit
dieſem Blicke der ſehnſuchtvollen Errsar-
tung , ‚ber unfern Aufmärterh entgegen -
fiel? Hören fie von und noch einſtens das
Girren ber Taube, einen gärtlicheit Vor:
wurf über eitie längere Entfernung ? fegen
wir Ahnen die Mühe „ die Sorgfalt fie
ins , fr das Hausweſen, auf das Ver⸗
zeichniß ihrer Verdienſte? Balten wir ihre,
Freygebigkeit gegen uns fuͤr Kennzeichen
ihreͤ Liebe? oder — für ihre Pflicht? find
wir Srauen? oder Freundinnen? —
Ich will das Band der Ehe nicht durch
weitergetriebene Vergleiche werächtlich ma=
en, nicht von Haushaltungen ſprechew/
u wo
Therefie und Eleynore. 289
wo jroifchen Mann und Weib, feine Kalte
finnigfeit,, fondern Haß, feine Gleichguͤl⸗
figfeit, fondern Verachtung .berrfchet, wo
man fich gegenfeitig nicht etwan unver-
bindlich; fondern mit Unhöflichkeit anlaͤßt,
wo bie Gegenwart fremder Zeugen die
wechſelweiſen Seindfeligfeiten nicht auf⸗
bebt, wo man fich die bitterften Spitzfin⸗
digfeiten, bie entehrenbften Vorwürfe vor
jederman alle Augenblicke wiederholet, wo
“man in nichts übereinftimme, als in dem
Willen, ſich vor aller Welt fo geringfchä=
big gu machen, als man einander in ſei⸗
nen eignen Augen felbft vorkoͤmmt. Von
dieſen Haußbaltungen will ich nicht ſpre⸗
chen. Indeſſen, tft Feine unfrer Leferin-
nen und Lefer, bie bei diefen Zigen einen
geheimen Vorwurf fühlen? die an ihre
ſchuldige Bruft Elopfen , und in dieſem
Blatte ihre offene Schub leſen Können ?
ich wuͤnſche, daß jedes auf meine Frage
mit vergnuͤgendem Selbftbeifaffe autworten
möge: ich bin es nicht — |
Die Urfache diefer beibfeitigen Ver⸗
änderung ift fange fchon entdeckt: es iſt
die Verſtellung ber Liebenden, mit wel⸗
&er fie eimander-ihre Fehler zu verbergen,
IV, Theil; T ſich/
290 Thereſie und Eleonore,
fi) nur von ber volfommenften Seite zu
zeigen, und gleichfam gu betrügen fuchen —
Nun find fie unauflöslich miteinander ver-
bunden, Sräulein N. if nun Baroninn,
wie fie es gewuͤuſchet, Herr vom N. iſt
Rath, oder Staabsoffigier, oder Herr von
dem groffen Vermögen , fo feine Braut
ibm eingebracht. Die Abficht beider Theile”
ift erreichet , weiter waͤre durch Verftel-
fung nichts mehr zu erhalten, wozu fol
fie nun Einftig dienen? man wirft ben
Zwang ab, zeigt fih in feiner natuͤrlichen
Geſtalt — Recht fo, wann man einmal
zu Haufe angelanget ift, warum fol man
die Keifefleider nicht ablegen —
Wenn den Ehleuten beftändig vonein⸗
ander etwas zu wuͤnſchen uͤbrig bliebe,
wenn ſie immer etwas voneinander zu hof⸗
fen, etwas zu erwarten haͤtten, mit / einem
Worte, wenn man die Urſache ihres vor⸗
laͤufigen Zwangs verewigen koͤnnte, ſo
wuͤrde wenigſtens eine Art von Gepraͤng
zwiſchen denſelben herrſchen, das die wech⸗
ſelweiſe Geringſchaͤtzung verhindern koͤnnte.
Es waͤre alſo vortrefflich ; ich rede nur
fuͤr mein Geſchlecht; wenn vermoͤgende
Aeltern ihre Toͤchter zu Frauen der Mit⸗
BE | A
>
Thereſie und Efeonore. 291
gabe machten, und ihnen die Gewalt ein
räumten, nach dem Maafle, als fich ber
Gemahl unftändig, oder ungebehrdig ge⸗
gen fie betragen würde, ‚gegen ihn frey⸗
gebig, oder fparfam zu fenn. Man wird
ſagen: bie Liebe und Achtung werden fo
zu einem reife des Geldes gemacht: ich
benfe, es ift beffer, fich derfelben auf bie-
fe Yrt gu verfihern, als aller Hoffnung.
Darauf zu entfagen, als für Geld fogar. ei⸗
nen Tyrannen über fich zu ſetzen.
Nichts iſt der Eigenliebe einer Fran
ſchmeichelhafter, nichts fähiger, Ihr in den
Augen ber ganzen Welt einen Werth zu
ertheilen , als wenn’ fie fich von ihrem
Manne in öffentlichen Oertern, vor Zeus
gen, mit einer gewiffen Unterfcheidung und
‚ Achtung begegnen ſieht. Sch Fenne einen
Mann, der feiner Bemahlinn in Gefell-
fchaften mit der Aemſigkeit eines Liebha⸗
—
bers aufwartet. Er unterhält fie befläns -
dig, ohne jemals den Ton ber Vertraus
lichkeit zu gebrauchen , der fonft zwifchen
Mann und Weib üblich iſt. Sie verlangt
etwas: was befehlen Sie Madam Y
fpricht er, und bann eilet er, ihren Be⸗
febl zu volluithen — Wollen wir geben ?
To fage
292 Thereſie und Efeonpre.
fagte fie jüngft in meiner Gegenwart —
Ich bin zu ihrem Befehle, mein Kind!
verfegte er, und fie reichte ihm fehr ver»
bindlich die Hand. Wuͤnſcht fie irgend
etwas, fo ift er eiferfüchtig darauf, daß
fie ihn nur, mit ihrem Auftrage beehren
fol — So iſt er auch hei ich zu Haufe.
Er koͤmmt nie, ohne feiner Gamahlinn eben
. fo eine Berbeugung gu machen, ober bie
Hand zu küffen, wie es Fremde thun: er
geht nie, ohne ſich auf eben diefe Art zu
beurlauben, In biefem Tone fpricht er
gbmwefend , fpriche er zu dem Dienfigefinde
von ihr. Erwartet die Befehle der Frau!
Fragt zuerft die Frau, ob es ihr fo be=
Liebe! Jch werde mich nach ihrem Ge:
fallen richten. So tft er auch in weſent⸗
lichen Stüden. Er hält feine Gemahlinn
nicht für zu wenig einfehend , um ihren
Rath In Familiengeſchaͤften einzuholen,
und er. eugreift jebe Gelegenheit, ihrem,
Verſtande, ihrer Einficht Ehre zu machen.
Lobt jemand den Geſchmack eines Kleideg,
eines Hausgerätbs — das iſt der Ge
ſchmack feiner Frau, das if ihre Erfin-
bung — Die Ordnung und Genauheit im
Haufe — das ift feine Frau, die fie eine:
. ‚ges
Therefie und Eleonore. 293
gerichtet hat, bie fie unterhält. Mit eis
nem Worte, er ſcheint einen wichtigen,
den größten Theil feines Verdienſtes in
dem Derdienfte feiner Frau zu fuchen, und
su finden —
Sch habe manchmal uͤber dieſen ehrer⸗
bietigen Gemahl ſpotten gehoͤrt, aber mit
welchem Rechte? — Dieß werde ich kuͤnf⸗
tig unterſuchen, um den noch uͤbrigen
Raum, einer ſchmer;vollen Zuſchrift vor⸗
zubehalten, womit ich bin beehret worden.
Verehrungswuͤrdige Thereſie!
„Mit der ſanften Stimme, durch bie
Sie ihrem Geſchlechte die Fehler verwei⸗
ſen, welche es verunzieren, wuͤnſche ich,
daß Sie einmal auch die unehrerbletigen
Toͤchter zurechte weiſen moͤchten. Ich habe
das Ungluͤck, eine ſolche zu haben, und
ich bete taͤglich, der Himmel moͤchte an ihr
die Sünde nicht rächen, die fie an ihrer
- Mutter dutch das ungezogenfte *) Betra⸗
‚gen begeht! „,
73 „Ber:
2) Dieſer Brief enthaält Erinnerungen an ein
Madchen, deren unehrerbietiges Bettagen
gegen eine uw zaͤttliche Mutter, alle Welt
beleidigte; und diefe bffentlichen Erinnerun⸗
gen waren nicht fruchtlos gegeben.
\ u .
294 Thereſie und Eleonore.
„Verweiſe, wobei mein Mutterherg
troftlos ift, weil meine Tochter fie ver-
bienet , freundfchaftlichen Rath, liebvolle
Erinnerungen, wie werben bdiefe von ihr
aufgenommen? wie? mit Hohn, Verach⸗
"tung, Undanf — Du bift wohl gebilder,
fagte ich gu ihr, das wird dir UNachſtel⸗
lung berbeiloden:. du bift jung und
unerfahren, das macht, daf du ihre
Gefahr nicht erkenneſt. Ueberlaſſe dich
der Leitung einer Liebenden Mutter !
wähle fie zu deiner Dertrauten! fie
will nur dein Glück — Geftelt, ohne
Tugend , ohne Sitten ift ein Uebel
mehr, weil es die Derführer vermeb:
ret. Ach daß mien von meinem Zinde
nicht fagen möge: Schade, daß fie fo
geftalter iſt! Ach daß BSfewichte nicht
. fagen mögen: für une ift fie fo fe:
ſtaltet.
„So ſuchte ich das unbehutſame Maͤd⸗
chen gu warnen, fo ihr Herz auf den Weg
‚der Behutfamfeit und Pflicht gu leiten.
Aber die Undanfbare I Unwiſſenheit der
Melt, mürrifche Strenge , wirft fie mir
vor, droht mir mit Schande , bie mid)
nicht ohne fie treffen fann ! Ach! bei eis
nem
Thereſie und Eleonore. 295°
nem Mäpchen , das ber Tugend fchon in
Morten entfaget, wie fchnell ft, big gu
den Thaten ber Uebergang — ,,
„ Mein Herz unterliegt bei ber Aus:
fiht, die ih mir Öffnet, wenn ein. un
danfbares , fchamlofes Mädchen auf dem
Mege , ben es bereits antritt , auf dem
Wege der Entehrung und des Untergangs
dahin läuft, und am Ende — Aber ich
soil meine Augen von dem fchrecklichen
Anblicfe abwenden. Vielleicht iſt noch nicht
alle Hoffnung dahin! vielleicht , daß ihre
Vorſtellungen, wuͤrdige Therefie! mehr
püßen, als die Vorflellungen ,
einer verachteten ‚ trofilofen
Mutter R’**
Gicht es denn Töchter, mie biefe un⸗
gluͤckliche Mutter eine anflaget ?
%,
T4 XXL
296 Thereſie und Efeonore.
XXL
— — — Die rauſchenden Feſte
Egwärwender Thoren, find nicht für Ste.
Sacharik.
Briefe
Schaͤtzbarſte Eleonore!
„ K ommen Sie zu uns! die Faßnaͤchte
ruͤcken mit groſſen, groſſen Schritten her—
an! das iſt die Zeit der Schmärmeren:
fommen Sie! — Es warten ihrer Bälle,
mit und ohne Mummereyen, eine muntfre
Geſellſchaft, wenn Ste ihr Leben geben
sollen; ein paar recht artige Juͤnglinge,
die fi) auf die Werfafferinn eines gewiſſen
Blattes aus einer gewiſſen Wochenfchrift
von ganzem Herzen freuen, und denen ich
e8 recht anfehe, daß fie zum Geufjen ges -
fhaffen find. Geben Ste biefen guten
©eelen, die ißt fo wenig reben, vermuth⸗
lich um ihre Einfälle für Ste beifamm zu
halten, diefen guten fanften Seelen etwas
zu thun! Wollen Ste kommen? — „,
„Nun! haben Sie noch nicht anfpans
nen laffen? zween Anbeter, gang unge⸗
zweifelt, die Sie ſich erſchrieben haͤtten!
das
Therefie und Eleonore. 297
oe das muß Sie beſtimmen! — Ach trete
nicht mehr vom Fenſter. Es kann bei fo
“ dringender Einladung nicht anders feyn,
Sie müffen in vollem Gafloppe baher
fprengen , es wartet ihrer mit offenen
Dirmen
ihre ...
Antwort,
. Gnädige Frau ! |
—„Ich will heute, mit ihrer Erlaubniß,
ein nafenmeifes Mädchen machen ; und ich
bin eben dazu aufgelegt, es recht fehr zu
ſeyn — Rein Wort von meinen erfchrie-
benen Anbetern ! Wenn ich komme, fe
fomme ich um Ihnen die Hand zu Füffen,
nicht der Bälle und Mummereyen wegen —
Aber Ste tanzen ja fonft gerne ! dag
laͤugne ich nicht, gnädige Frau, recht ſehr
gerne? — Doc, warum dürften meine
Fuͤſſe gerade nur in Faßnachtstagen un=
rubig werden? Wenn ich das Tanzen ald
eine Ergoͤtzung anfehen fol, fo verlangt es
mich das ganze Jahr hindurch von Zeit zu
Zeit nad) Ergoͤtzung: und fol ich es ale
sine Bemuͤhung betrachten! fo wünfche ich
% 5 noch
298 Thereſie und Eleonore.
noch einmal eine billigere Untertheilung e
und ſoll ich es von Seite derer betrachten,
die fi) das ganze Jahr hindurch beinahe
das Nothivendigfte abdarben, um einige
Kochen hindurch verfchwenden gu koͤn⸗
nen — Wahrhaftig! von biefer Seite iſt
e8 wahre, aufgelegte Thorheit. „
„Ich bin in der That mit dem Ka⸗
Iendermacher nicht zufrieden, baß er mir
die Zeit des Vergnuͤgens fo hintereinander
fest, und dann, das ganze Jahr. durch
alles traurig läßt. Warum fett er nicht
auch Regen drey Monate hintereinander,
und wieber drey Monate Sonnenfchein ?
nicht wahr, das fieht ihm nicht wohl an?
dag wuͤrde dem Wachsthume nicht ge⸗—
deihlich fenn ? glaubt er denn, das acht⸗
toschentliche Erfchüttern hintereinander ſey
unſrer Eleinen Welt fo nuͤtzbar? und bie
Mädchen werden bei einer fo gemaltfamen
Bewegung gut zu Stengel ſchieſſen ? „-
Die Herren Moraliften mögen eine \_
tieffinnige Abhandlung darüber fchreiben:
ob es gut iſt, der Verfchwendung und
Ausfchweifung einen eigenen Zeitraum
: in dem Jahre einzugeben, und folcher-
geſtalt den Müſſiggang gleichſam ein?
— ʒu⸗
—
\
—
Thereſie und Eleonore. | 209
zuladen , und eine Befreyung zu ge⸗
ben ? Bei mir ifl e8 feft befchloffen : das
ganze Jahr durch iſt es Zeit zu einem
gelitteten Vergnügen, wie man in ihrem
Haufe, gnädige Frau, anzutreffen pfleger:
und zu einem ungefitteten, oder auch nur
unmäfligen; wie ſich bie Mädchen ins⸗
gemein, auf das bloffe Wort Faßnacht,
erlauben, wo fie fich in einigen Wochen
fo fehr. zu Grunde richten , daß: fie faum
Bis folgende Faßnacht fih erholen, um:
goieber fich gu Grunde zu richten ; zu einer
folchen Raſerey fol nie eine Zeit feyn. „-
„Indeſſen werde ich dennoch ihr guͤ⸗
tiges Anerbieten mit Dank annehmen,
gnaͤdige Frau!
ihre ergebenſte
Eleonore.
XXII.
Wann die Beſellſchaft nicht bei Zotten lachen
will,
vo man Vernunft begehrt, da ſteht fein Sei
Schaͤtbarſte Thereſie!
enug Sanftmuth bis hieher! genug!
ergreifen Sie nun einmal auch die Geiffel,
und
300 Therefie und Eleonore.
und treiben Sie die elenden Gefchöpfe
aus unfrer Mitte, die für ung Mädchen -
und Srauen alle Derter unangenehm, nein!
nicht unangenehm, fürchterlich , abſcheu⸗
lich machen, wo fie fih nur immer befin=
den! „
„ Himmel! wo find die Zeiten hin, da
die jungen, Mannsperſonen fir unfer Ger
ſchlecht eine ſolche Ehrerbietung batten ,
baß fie , wo jemand davon zugegen war,
ohne wiederholtes Heiffen, es nicht gewa⸗
get haben wuͤrden, fich nur niebergufegen ?
wo find diefe Zeiten Hin ?_ Der Umgang,
fagt man iſt heute weniger gezwungen,
natuͤrlicher geworden — ja doch! weniger
anſtaͤndig, ausgelaſſen iſt er; unertraͤglich
einem ſittſamen Maͤdchen, unerträglich ei⸗
ner ehrbaren Frau! ſo unertraͤglich, daß
es beinahe nothwendig ſeyn wird, alle ge⸗
meinſchaftlichen Zuſammkuͤnfte beider Ge⸗
ſchlechter aufzuheben, oder das unſrige
wird feiner Zierde, der Eittfamfeit ent:
fagen muͤſſen —
„» Der größte Wig unfrer Mannsper⸗
fonen befteht in Zweydeutigkeiten: und
weil nun bie Zeiten ungemein witzig find,
fo beſteht Die Munterfeit unſerer Geſellſchaf⸗
ten
Therefie und Eleonore. 301
ten größtentheilg in folchen Blümchen, bie
oft noch , fogae nicht von der niedlichen
Seite find , daß fie beinahe Ekel und.
Grauen erweden. „
» Die Jungen find wie die Männer,
und die Männer, tie die Greifen, welche
in den Sahren, da die Sünde fie gang
serlaffen hat, wenigſtens bie Begierbe mit
ſich berumfchleppen, und wie ein abge⸗
lebter Jagdhund, den feine Fuͤſſe nicht
‚mehr zur Auffpärung des Wildes tragen,
wenigſtens gerne Laut geben, und bei ei=
nem Schuffe die Ohren fpigen , waͤdeln.
Sreundinn ! diefe abgezehrten Sünder find
in ihrer Art die unerträglichfien. Da fie
ſelbſt zu fehr Eis find, als daß fie jemals
die Hitze einer ſittſamen Errsthung am
pfinden follten, fo fhonen fie Fein Alter,
feinen Stand. Unſchuld dauert fie nicht,
und Ehrerbietung gegen Frauen. macht fie
nicht befcheiden. Sie bemühen ſich bie
Zucht und Ehrbarfeit fo aus allen Kreifen
zu verbannen, wo fie zugegen find, mie
beides aus ihren Herzen laͤngſt fchen, und
unmieberfchrlich verbannet if. „.
„ Lieſſe man und wenigſtens noch bie J
| heerben dieſe Laſttränger und een
en⸗
302 Therefie und Eleonore.
benfäyerze zu überhören! aber nein; fo
gut darf es ung nicht ſeyn! ihr Wis wäre
dann verloren. Alfo machen Sie e8, wie
ich dort irgendwo von einem römifchen
Tyrannen gelefen habe. Als man ihn zur
ſchmaͤhlichſten Hinrichtung mitten durch
daß frohe, ihn verfluchende Volk fchleppte,
und er aus Verwirrung die Augen niedere
ſchlug, da hielten "feine Begleiter ihm ei>
nen fpigen Dolch unter das Kinn, und
zwangen ihn , feine Beſchaͤmung mit em-
porgehobenem Haupte zu ertragen. Nur
daß das Gleichniß in Perfonen umgewen⸗
det it; fonft verhält fich alles vollkommen
gleich. Sobald ein ungebehrdiger Junge
aus dem Vorrathshauſe feiner Unflättig-
feit eine vollwichtige Zotte hervorgelanget,
fo iſt er Damit nicht etwan zufrieden, daß
er es getban, fondern er giebt mit einem
lauten Gelächter gleichſam dem ganzer
Heere der uns umlagernden Männer bie
Loſung, fogleich fallen ale Augen auf
uns, ımb bleiben hartnäckig unbemweglich
auf uns gerichtet, um über unfre Faſſung
ihre boshaften Anmerkungen gu machen. „,
„ Warum errötben Sie Irdulein !
ragen bie Muthwilligen zu einem Rinde,
bag
; \
Therefie und Eleonore. 303 °
das glücklich unmwiffend, noch nicht gewußt
hatte, daß etwas gefagt worden, woruͤber
bie Ehrbarfeit zu erröthen hätte — Sie
fhlagen die Augen nieder , weil Sie
es verſtehen! zifcheln. fie der andern ing
Ohr — Oder auch: weil Sie es verfles
ben, fo thun Sie böfe: wenn jemand
von ung feinen Unmillen über ihre Unan⸗
ſtaͤndigkeit merken läßt — Das Xergfie
unter allem ift, daß fie ung über ihren
ſchmutzigen Wis wohl gar zum Lachen
auffodern , alfo nicht nur unfre Ohren
und den Anftand beleidigen, fondern noch
dazu die uͤble Meinung an Tag legen , die
‚ fie von ung haben, als könnte und eine
Zotte nicht beleidigen, als koͤnnten wir an
einer ſolchen ein Vergnügen finden, als
fönnten wir ein-Betragen, dag wir durch
unfre aͤuſſerſte Verachtung noch viel gu ger
sing beſtrafen, burch ein beifallendes Laͤ⸗
cheln aufmuntern, ober belohnen — „
„„ Sagen Sie mir, theuerfle Sreundinn !
wie iſt ihr Betragen in einem folchen Falle
befchaffen ? fagen Sie mir, was wuͤrden
Sie einer Mutter empfehlen, ihrer Toch-
ter darüber fir einen Unterricht gu geben?
30 bin Mutter , und leider iſt dieſes Ue—
bei
304 . Thereſie und Efeonore.
bel fo allgemein eingeriffen, daß es wahre
Nacläffigkeit, wahre Bermahrlofung feyn
würde , wenn ich mein Kind in die Welt
‚ führte, ohne ihm bie Negeln mitzugeben ,
nach melchen es ſich in ſolchen Faͤllen zu
richten haͤtte.
„Verbinden Sie ſich durch eine oͤffent⸗
liche Antwort, den Auſtand, die Sitten,
unſer ganzes Geſchlecht, und insbeſondere
ihre wahre Verehrerinn
Erneſtine von **
Verehrungswuͤrdigſte Erneſtine!
Mit welcher unbedingten Unterwuͤrfig⸗
keit wird ihr geliebtes Kind Ihnen die
zaͤrtliche Sorgfalt vergelten, die Sie fuͤr
daſſelbe in dieſem Briefe an Tag legen,
der, ſo ſehr auch der Eifer einer das Ver⸗
derbniß der Sitten ganz fuͤhlenden Mutter
durchleuchtet, noch beiweitem nicht die
ſchwarzen Farben aufgetragen hat, mit
welchen dieſes Bild der Schaͤndlichkeit ent⸗
worfen werden ſollte! Waͤren alle Frauen
Erneſtinen, hätten ‚ale Maͤdchen das
Gluck, Erneſtinen zu Müttern zu haben,
fo würde biefe Unehre unferer Herzen
und unſers umgangs nicht ſo allgemein
ein⸗
Sherefie und Eleonore. 305
eingeriſſen feyn. Aber, tollen wir und die
Urfache des Uebels verhälen, wenn es und
Ernſt iſt, dem Uebel abzuhelfen? — Un⸗
ſre Nachficht, leider, vielleicht auch mehr
als Nachſicht, vielleicht Wohlgefallen, viel⸗
leicht Auffoderung hat die größte Schulb:
und, wenn ich einen ſo traurigen Anſpruch
wagen darf, mie duͤrfen wir anf Ehrbar⸗
feit und Eingezogenheit In-Worten Ans
fpruch machen, da wir diefelben aus uns
fern Sandlungen — koͤnnte ich zu meiner
- Beruhigung wenigſtens hinzuſetzen, viel-
Leicht — lange Thon verbannet Haben ?
Jedoch ich will bei ihrem Gesenflande al⸗
‚ein ftehen bleiben.
Es ift ung leicht, geliebte Erneſtine!
aus den maͤnnlichen Geſchoͤpfen zu machen,
was ung beliebet: und irh bin ſtolz genug
zu fügen, fic werden gut ſeyn, fo bald wir
ſte ſo haben wollen — wie ich auch mit De⸗
muͤthigung zu bekennen gezwungen bin, daß
fie dieſe ausgelaffenen Geſchoͤpfe groſſen⸗
theils nur darum ſind, weil es uns ange⸗
nehm iſt, daß ſie es find. Die Spartaner
waren tapfer ‚ well der Ruhm ber Tapfer-
feit daB einzige war, was beiden Tafanie
Then Söhnen empfahl. ME die Mädchen
IV, Teil, 4 - den
306 Therefie und Eleonere..
den Preis der Turniere austheilten, brach
jeder artige Herr durch ganz Franfreich und
' Deutfchland Lanzen. Agnes Sorel madı-
te aus. dem Weichlinge Karl. den Befleger
der Engelänber : und Maintenon mit ihren
verjährten Reizungen aus dem galantfien
Könige der Welt einen Betbruder — Ein
Schönes Mädchen darf ihren ‚Liebhaber nur
von ferne merfen laffen, daß ihr dieſes
oder jenes angenehm feyn wuͤrde; fo wird
er ben Entfchluß Don Quixots faflen, und
Abentheuer auffuchen,, und Rieſenkoͤpfe zu
‚Ihren Fuͤſſen legen sollen ; fo groß if
unſre Gewalt über fie, wir duͤrfen nur wol⸗
len, fo wird gehorſamet. So fol alfo
unfer Gefchlecht eine Verſchwoͤrung unter
fih maden, und von ben Männern die
zuͤchtigſte Ehrerbietigfelt, als den untrüg-
lichſten Beweis der Liebe und Hochadhz
tung fodern! ich bin es überzeugt, dieſe
ausgelaſſenen Gefchöpfe follen in. weniger
als einer Monatsfriſt ſo zuͤchtig, fo beſchei⸗
den, ſo ehrbar ſeyn, als immer die alten
Ritter es vor ihren Prinzeſſinnen waren.
Zwar wird ein ſolcher Entſchluß ihnen
anfangs unglaublich ſcheinen. Ich habe
Maͤnner ſagen gehoͤrt: wir waͤren nur ein⸗
ge⸗
Iherefie und. Eleonore. 307.
gezogen, um. fie gu reisen, biefe Eingezo⸗
- genheit gm beftreiten: und. diefe Männer
. wollen ihren Sag aus ber Erfahrung ab⸗
„gezogen haben. Aber ein und anders Bei⸗
ſpiel wird fie bald von dem Ernſte unſers
Vorhabens überführen. Wenn wir :ein
:. Paar berüchtigte Zottenreiffer. durch einen
allgemeinen Geſchlechtsſchluß aus allen
unſern Kreifen verbannen,, wann wir. alle,
die es wagen, durch Zweydeutigkeit ung
die Roͤthe in das Angeficht zu jagen, übel.
anlafien ;. wann wir biefen Pöbelwig
nicht nur nicht belachen,, fondern verach-
“ten; fo werden in Kurzem alle biefe Ein⸗
fälle verfcheucht,, und ftatt ihrer gefitteter
Witz und ehrbare Artigkeit. in unfern Zus .
ſammkuͤnften eingeführt werben. '
[2
XXIII.
Gedankt ſey es dem Gott der Ehen!
Was ich gewünſcht Hab’ ich geſehen.
| GWellert.
W. ſind die hochentſcheidenden Herren!
die da ſprechen: die Wochenſchriften,
ſind zu nichto weiter gut, als einmal
Wa ger
308 Thereſie und Eleonore.
gelefen , und dann auf ewig. werfitewor-
fen zu werden v_ bie ba fprechen : Vom
Zufchauer bis auf den . ... . . ‚, bet
nie je eine Nutzen geſchafft v fie follen
fommen, und hören , und an ihre Bruft
flopfen , und fprechen : Ygerr fey uns
Unwiſſenden barmherzig — Wir erhale
Aber das XX. Blatt einen Brief, ver als
deſſen verheiſſene Fortſetzung und Ausfuͤh⸗
rung angeſehen werden mag. Ungeachtet
er an beide gerichtet, und nach unſerem
erſten Verträge Thereflen zugetheller if;
fo habe ih, doch mit Ihrer Erlaubniß,
mir denfelben zugeeignet , bamit ich das
Vergnuͤgen haben kann, unfern Leferinnen
ein fo ſeltnes Stuͤck mitzutheilen. Es iſt
ein — Aber, wenn ich es voraus ſage, ſo
iſt das Vergnuͤgen der Leſenden nachher
nur halb ſo groß. Kein Wort weiter, hier
iſt er ſelbſt der Brief!
Meine lieben guten zwo) Srauen⸗
zimmer !
„ Senn Sie ja nicht ungehalten, daß
ich mich unterfange,, an Sie zu
H 55 habe mir erlanber, die grammatikali⸗
ſchen Sehler in dieſem Briefe iu verbeſſern;
nnd
Therefie und Eleonore. 309
Es if eine groſſe Verwoͤgenbeit, das fehe
sch ſelbſt wahl, an ſolche gelehrte Frau⸗
engimmer zu ſchreiben; aber ich ſehe ang
ihren anbern Blättern, daß ſchon andere
Leute auc an Sie gefchriehen haben, und
Sie haben «8 ihnen nicht nur nicht übel
genommen , ſondern wohl ihre Briefe gar.
drucken laflen. Das nun verlange ich eben
nicht, daß Sie auch mit dem meinigen
thun follen , denn ich bin nur eine ſchlechte
und gerechte Buͤrgerstochter, die wohl zur
Noth ein wenig fchreiben gelernet, aber
-beffee mit. den Spigflöppel als ber Feder
umfpringen kann = „ . |
„Ich bin, Ihnen aufzuwarten, eine
Braut mit einem buͤbſchen, feinen Men
fchen, möchte ich fagen, wenn es ſich
fchickte, daß ich mich felber lobte: feiner
Kunſt if er ein Wollenzeugweber, und wann
wir mit Sotfed Segen Er und Sie feyn
werden, fo hoffen wir mit Sorteshülfe
unſre eignen zween Etühle zu haben. Zum
Anfange immer genug. Sleiflig arbeiten,
43 und
und ich glaube, dem Briefe fonk dadurch
nichts an feiner Originalität benommen zu
haben. | |
Der Serausg.
i 310 Thereſie und Eleonore.
und mäöffig leben, iſt reich, fast das
Sprihiwort; und bie Sprichwoͤrter find
nicht immer wegzuwerfen. Mit der Zeit
hoffen wir es wohl höher zu bringen: alz
fo, lieber Wenzel, nur fleiffig! fage ich
Immer zu meinem Bräutigam. »
„ Mein Wenzel, wie gefagt, bat, ich
foeis nicht wo, ihr XX. Blatt befommen,
und. mir Abends mitgebracht. Denn, ob
wir gleich nur gemeine Leute find, fo lefen
wir gleichwohl auch gerne: und wann ich
fo eine ſchoͤne Hiſtorie, oder fonft ein ſchoͤ⸗
nes Buch zu leſen anfange, und ich muß
dann zu meinen Klöppelpolfter, da wünfche
ich mir immer, vornehm gu ſeyn, damit
ich nicht gu arbeiten brauchte, und beſtaͤn⸗
big Iefen koͤnnte. An dem Blatte nun habe -
ich recht meine Sreude gehabt. Sie muͤſ⸗
fen, babeich gefagt, wohl gar unfre Nach⸗
barinn kennen, und iſt wohl möglich;
denn fie ift eine Schuſterinn, vielleicht ar»
beitet ihr Mann in das Haug, und ihr
Mann ift fo genau getroffen, fo genau,
wie er im Haufe berumpoltert, und ihr
bas ganze Jahr Fein freundlich Wort giebt,
und nur beſtaͤndig feift, gewiß Sie müffen
ihn kennen!. *
ir Aber
Thereſie und Eleonore: 311
„> Aber der andre Herr, der immer,
was befeblen Sie! und ich bin zu ih⸗
rem Befehle! u. f. mw. fpricht ; tft aller=
licht. Was glaubt er, Wenzel, habe ich
ju meinem Kinftigen gefagt, muß daß .
nicht ein allerliebftes Leben feyn mit den -
zween Leuten? wollen wir es auch fo hal⸗
ten, wenn wir beifamm find — Närrifeh,
fagte er, das würde verzweifelt. laffen‘,
wenn du fagteft: Lieber Mann! geb ſpal⸗
te mir da den Stod, ich Fann ihn nicht
entzwey bringen, und ich ſagte zu dir:
wie du befiebleft mein Zind! nein, das
iſt für uns zu vornehm, unfte Nach⸗
barn würden uns auslachen — „,
„ Lachen oder nicht, dachte ich bei
mir , und gieng den andern Tag zu
dem Örundfchreiber, und ließ mir einen
Heurathsbrief machen , den ich Ihnen,
‚abgefchriebener mittheile. Haben Sie bie
Geduld, ihn zu leſen! er lauter:
Im Namen der all. Drenfakigfei, |
TTT Amen!
Kund- und zu wiſſen ſey biemit icbers
männiglich, daß anheut zu Ende geſetztem
Dato zwiſchen dem ehrbaren und wohl fuͤre
14 neh⸗
312 Thereſie und Eleonore,
uchmen Herren Wenzel Spinner an einem, -
benn der vielsehrsund tugenbfamen Jungs
frau Lucia Doͤrnerinn am andern Theil,
mit Wiffen und Einmilligung beiderfeits
Verwandſchaft eine chriftliche beſtaͤndige
Cheberedbung, in Belfeyn der Endes be-
nannten befonbers hierzu erbetenen beid«
feitiger Herren Gezeugen nachfolgender Ge⸗
flalt abgehandelt und geſchloſſen worden —
naͤmlich
Itens, daß ſtch beide Verlobte in Nas
men Gottes einander zur Ehe nehmen,
haben, behalten, und ſolches Eheverloͤb⸗
niß auf beidſeitige gleiche Unkoͤſten chriſt⸗
licher Ordnung nach vollziehen, und ins
Werk richten wollen. Ferner und
atens, hat beſagter Herr Wenzel Spin⸗
ner mit verbindlichen Worten verheiſſen
und zugeſagt, ſeine nunmehr vielgeliebte
Jungfrau Braut, auch in der Ehe zu lie⸗
ben, zu ehren, und hochzuachten; keines⸗
wegs aber nach der leider im Schwange
gehenden unchriſtlichen Gewohnheit ſogleich
nach vollzogener prieſterlichen Einſegnung
zu verachten, oder gar hart zu halten,
mit ſchimpflichen Scheltnamen, oder, wo⸗
fuͤr Gott ſey, mit Schlägen zu belaffen :
und
Thereſie und Eleonore. 313
und damit dieſer Punkt deſto unverbrüch-
Ucher gehalten werde, fo bebingt fich
gtend eröfterte Jungfrau Lucia aus⸗
deAcklich von ihrem Bräutigam aus, daß
berfelbe fie nach der gewöhnlichen Art. nicht
. wit Du benennen, fondern fie, nach wie
ist, immer liebe Zucia! mein Liebes
Weib ! oder wenigſtens, Sie nennen zu
muͤſſen, verpflichtet und gehalten feyn fol:
wie denn fie wieder ihrer Seite ihren Braͤu⸗
tigam beftändig Lieber Wenzel! oder Lie-
ber Hann! oder zum mindeften Er zu
beiffen, auf das nachdruckfamfte ſich anhei⸗
fihig macht: u. ſ. m.
„Das übrige, meine geachteften Frau:
engimmer! unfer Biſſel Armuth betreffend,
iſt nicht nothwendig herzuſetzen. Es hat
mich Mühe gefoftet, die Sache. mit dem
Srundfchreiber Ind Klare zu Gringen , ber.
alle feine Schriften, und ein dickes Buch
nachgefchlagen, und wir immer einge:
wendet hat, es feynirgend in feinem For⸗
mular fo was anzutreffen. Allein, ich habe
es ihm endlich begreiflich gemacht, daß alle
Sachen doch einen Anfang haben müßten :
und. ich hoffe, Fünftig wird diefes in allen
Denrathebriefen mit eingerÄckt werden.
v5 „Ich
314 Thereſie und Eleonore.
„ Ich’ bin ein wenig weitlauͤftig, mie
Sie fehen, mit meinem Schreiben, aber
Sie fcheinen fo gute Kinder zu ſeyn: Sie
werden mir e8 doch nicht übel nehmen,
daß ich noch etwas fage. Ich glaube, ich
habe fehr vorfichtig gehandelt, daß ich es
in den Heurathsbrief feßen laſſen, daß
mich mein Mann allezeit Lieben ſoll!
es ift bei diefer Zeit ſehr nothwendig, fich
in diefem Stücde vorzufehen. Aber igt
muß mein Mann wohl, denn «8 tft gar
su klar vorgefchrieben. „,
„ Eben fo, glaube ich, werden Sie“
e8 auch fehr gefcheid finden, daß ich mich
gegen hartes Verfahren durch einen aus⸗
drüclichen Punkt verwahre. Die Zeiten -
find ungleich, man weis doch nicht, was
etwan ſich ereignen koͤnnte. Nun aber fol
er mir fommen, gleich ruͤcke ich mit mei⸗
nem Heurathsbriefe heraus.
„Am allermeiſten aber freuet mich der
letzte Punkt, auf den ich eigentlich durch
ihre Schriften verfallen bin, und wofuͤr
ich mich alſo auch bei Ihnen zu bedanken
habe, wann er gut ausſchlaͤgt. Und das
muß er ja, es kann unmöglich anders
feyn! Die Höflichfeit ift eine gar su ſchoͤ⸗
ü ue
Therefie und Eleonore. . 315 °
me Sache. Wie werben mich imeine Dienfl-
leute, wie meine Nachbarinnen, und:die
Fremden fchägen, wann fie fehen werden,
daß mein Mann mich fo chret? Das muß
ein redhefchaffenes Weib ſeyn, werben
fie fprechen,, weil ihr Mann fie fo hoch .
haͤlt! — Und hauptfächlich, hoffe ich, foll
ung biefes Mittel vom Zanteh und Schelt⸗
woͤrtern bewahren. Denken Sie,. wenn
die Ehleute fich fo vertraulich dutzen, und,
sie es nicht allemal am Himmel Sonnen
ſchein iſt, fich manchmal miteinander zan⸗
ken, wie bald ſchluͤpſt einem nicht, du
S...! uͤber die Zunge ? aber, wenn man
eininal eine gewiſſe Höflichkeit unter fich
eingeführt, und fi zur Gewohnheit ges
macht hat, fo iſt es beimeitem nicht mehr
fo gefährlih: mein Liebes Weib S;.
wahrhaftig, bas würde fich fchlecht fi
den — \)
„Sehen Sie, meine beften Frauen⸗
zimmer! wie auch wir gemeine Leute uns
ihre Ermahnungen zu Nugen machen. Fah⸗
ren Sie fort, ung gu unterrichten! Vielleicht
find die Bornehmen nicht fo gelehrig, denn
fie find zu gefcheid. Wenigſtens ſchaffen
| \ Sie .
316 Thereſie und Eleonore.
Sie Gutes unter uns! Ich bin, wenn
Sie mirs zu Gutem halten, von nun ax
ihre beſtaͤndige Leſerinn
und demuͤthige Dienerinn
Lucie Dörnerinn.
€.
. XIV.
Die (hönen Kinder füpten lange Weile.
Karſchinn.
I⸗ habe Luft, das naſenweiſe Mds:
chen herumzunehmen, das an allen un⸗
fern Thun und Laflen etwas auszuſe⸗
gen bat, fprach eine rau bei Durchle⸗
fung ihres Blattes — Yliche, undbige
grau, antwortete ih, würdigen Sie das
ſchnaͤppiſche Wefen nicht ihres Zornes!
überlaſſen Sie es mir, Sie, und unſre
CLuſtbarkeiten zu rächen, wider welche
Eleonore ſich aufzulehnen waget —
Diefe. Blätter ſelbſt, die bas Unglück
Haben, Ihnen zu mißfallen, folfen mir
zum Werkzeuge dienen — Oder follten
die Verfaſſerinnen vielleicht meine Zu-
ſchrift unterdrücken, fo wird es mich
nicht gereuen , fie mit einem der beif-
| fend>
Therefie und Eleonore. 317
fendften Zufilge. insbefondre abdruͤcken,
"und nad) dem wohlbergebrachten Ge-
brauche den Sffentlichen Blättern bei:
legen zu laſſen.
Mann kann ans dieſem Eingange ur⸗
theilen, ob wir die Wahl hatten, folgen⸗
ben Auffaß gu unterdrücken, dem der Ver⸗
faffer felbft den Namen beileget:
Die vertheidigte Fafhingstu.
Eine Gewohnheit, die ſich durch das Bel»
fpiel aller Voͤlker, und das Alterthum em⸗
pfiehlt, eine Gewohnheit, die firh untet
allen Ständen fefigefeget, und, trotz aller
Widerſpruͤche, unerſchuͤttert erhalten hat;
eme ſolche Gewohnheit anzugreifen, dazu
gehoͤret entweder die aͤuſſerſte Verwaͤgen⸗
heit, oder die aͤuſſerſte Unwiſſenheit — Ver⸗
geben Sie mir die Freyheit meines Aus⸗
drudes! Derjenigen, die im Sachen fo
‚wenig zuruͤckhaͤtt, Tote Man Liefer wohl
in Worten zur genanften Zuruͤckhaltung
verbunden Feyn?
Werfen Sie ihre eingefchränften Blicke
auf daB. welfe Griechenland, das Bater-
land der Sol⸗ene „yrurge, ſo vieler
Phi⸗
318 Thereſie und Eleonoere.
Philoſophen, ſo vieler Geſetzgeber, ſo vie⸗
ler ſchoͤnen Geiſter! fie hatten ihre Diony⸗
ſta. Und dieſe Zeit war nicht etwan eine
Zeit, die nur dem gemeinen Manne zur
Luſtbarkeit beſtimmet war, ſie war ein
Weſentliches der griechiſchen Religion, man
glaubte, ein Gott ſtehe derſelben vor, und
man begieng die. größten Thorheiteu ums
ter dem Schutze bed Gottes der Trauben.
Das durch feine Athleten, feine Aerzte
den jilngern Orpheus und mehr noch durch
die Schule des Pythagoras berühmte
Kroton erhielt fogar feinen Namen von
der ſchwaͤrmenden Freude.
Die Elugen Römer , die von den Gries
en Geſetze, Künfle und Höflichkeit ange⸗
nommen hatten, huͤteten fich fehr , bie
Dionpfia derfelben hinweg zu laffen, die
ſie Bachanalia nannten. Die jungen Roͤ⸗
mer und Nömerinnen hatten überbieß bie
Saturnalien und Lupercalien, in wel:
eher fie, der Strenge der Eenforen zum
Trotze, ausfchweifen fonnten. Alle. bes
Sannten Bölfer haben ihre beftimmte Luft:
zeiten, und ich zweifle nicht im gering
fien, daß felbft Die gottentoten ihre Faß⸗
nächte haben: denn weiche Nation darf
ſich
—
Thereſie und Eleonore. 319
fi wohl einer Gefchmeidigfeit in Sitten,
und einer vollfommenen Polizirung ruͤh⸗
men, ber man noch den gegruͤndeten Vor⸗
wurf machen fann , daß fie Freude und
Vergnügen aus ihrer Mitse verbannet? —
In der That, was wollte man, baß ein
Gefeggeber mit einem Haufen fopfhängen-
ber Herakliten anfienge, bie, weil fie fich
mit fonft nichts zu befchäftigen müßten,
über alle feine Befehle mit ernfier Nuͤch⸗
ternheit nachgrübelten,, ſtatt, daß diejeni⸗
gen, die ihr Gehirn mit den vielbedeuten⸗
ben Laͤppereyen der Faßnaͤchte anfuͤllen,
zu jedem andern Nachdenken unfaͤhig, deſto
williger gehorchen, um einem beſſern End⸗
zwecke beſtimmte Augenblicke nicht zu ver⸗
lieren —
Ich ſehe, ihr in dieſer Urt von. Bes
weiſen nicht. geübter Kopf wird ihnen
ſchwindlicht. Ich muß mich bis zu Ihnen
herablaſſen, und Ihnen ſolche Gruͤnde vor⸗
legen, die ihrer Faſſung angemeſſener ſind.
Wie guͤnſtig find die Faßnachtzeit, und bie
bamit verknuͤpften Luftbarfeiten nicht dem
Neiche der Liebe? Wie manche Befannt-
ſchaft würde ohne bie günftige Gelegenheit,
welche die Bälle und Mummereyen an die
Hand
326 Thzereſie und Eleonore.
Hand geben, unterblieben feyn! wie man
ches Mädchen oder Weib , welches bie
unüberdachte Strenge der Aeltern, oder
des Mannes beinahe eingeferfert gehalten,
fand in dem Getuͤmmel des Vergnuͤgens
den langerfeufsten Zeitpunkt , fie endlich
zu bintergehen, unb alle ihre vorherge⸗
Hende Wachfamkeit in einem Augenblicke
su vereiteln ? — Es liegt meinem Gefchlech-
te zu ſehr daran, die Staarkoͤpfe von Vaͤ—
tern umd Männern nicht mit in bad Ge⸗
heimniß zu giehen , durch welche Veifptele
iennte ich fonft den Vorzug der Faßnächte
verherrlihen? Wie viele gesähmte Sproͤ⸗
den, betrogene Männer, geſchraubte Lieb⸗
haber, mit Fortgang befümpfte, und glůck⸗
lich beſiegte Unſchulden koͤnnte ich hier auf⸗
führen ? O laſſen Sie ſich von unſern
Siegern ſagen, wie geſchmeidig, wie
waͤchfern dieſe Luſtbarkeiten das Herz ei⸗
nes ſonſt ungelehrigen Maͤdchens machen!
Wollten Sie durch Abſtellung der Feſte
des Bachus die Triumphe der Venus ſelt⸗
ner machen? |
Laſſen Sie die Menſchen unvorſichtig ge⸗
nug ſeyn, auf Sie zu hoͤren! ſie werden
die Folgen ihrer Unvorſichtigkeit gar bald
eEm⸗e
Thereſie und Eleouore. 321
empfinden. So viele Elende, die ihren
Unterhalt mie diefen Zeiten verbanfen,
Stimper, die mehr nicht als eine Geige
erbaͤrmlich ftreichen gelernet, mäßten, wenn
bie Faßnaͤchte abgeſtellet wuͤrden, entwe⸗
der Hungers ſterben, oder ſtehlen, oder
vom Staate und dem gemeinen Mitleibe
ernaͤhret werden. Rechnen Sie den Ab⸗
gang fo vieler Familien, file welche bie
Thorheiten ber Faßnauͤchte ein ſicherer Grund
her Erhaltung find, rechnen Sie den Ab⸗
‚sang. fd vieler Familien, die bie Zahl der
Bürger glädlich vermehren, für kein Un⸗
glück? dieſes Ungluͤck wollen Ste gleiche
wohl ber und herbeiführen. .
Alle Gefege gegen Geiz, und Kargheit
find fruchtlos. Die Filze fcharren zuſanumn
und darben. Ihre Käfe gleicht ber Hölle,
in welche der Eingang offen Sicht, aber
woraus nie jemand wieder zuruͤcktoͤmmt —
Nun, was weber Befene, noch fort ir⸗
gend Mittel ber pelitifchen Klugheit erhal⸗
. sen wuͤrden, hat man der wohl überbachten
Beſtimmung der Faßnachtzelt zu verdanken.
Die Segierde, ber Luſt dieſer Zeit zu ge⸗
nieſſen, machet die Menſchen ſinnreich und
erfindſam. Sie ſuchen alles auf, Hier ein
IV, The, - | Eohn
223 Thereſie und Eleonore,
Sohn feinen Vater zu befiehlen , dort ein
Muͤndel feinen Vormund zu binterführen ,
bier ein Verſchwender einen Wucherer, det
das Thränengeld ber Armuth in eiſernen
Kuͤſten verfchloffen hielt, zu betruͤgen. Auf
ſolche Weiſe bringt eine kurze Zeit dem
Kreislaufe alles dag Geld wieder, was bag
ganze Jahr durch Filgigfeit oder unliber?
legte Sparfamfeit oder himmelſchreyender
Bucher demſelben entzogen hatten.
Selbſt der arbeitfamfte Mann, der font
‚ genaufte Hauswirth wird durch einen ges
heimen, unerklaͤrbaren Zug um: biefe. Zeit
zur Verſchwendung aufgefodert, Was er
in langer Zeit durch fauren Schweiß er⸗
worben , und für einen -unvorfehbaren
Nothfall, fuͤr fein Weib, für die beſſere
Erziehung feiner Kinder, ober um feine -
Arbeitfamfelt zu erweitern, ‚bei Seite ge:
legt, ‚muß verpraffet, verfchlenmet, an eier '
nem Tage verfchlemmet werben. Und biefe
allgemeine Verſchwendung gereichtnichtnur -
ber Arzneywiflenfchaft jur Aufnahme; da
die Menfchen fi) fo. manche Kanfheit an -
den Hals ziehen, die den Arzneyverſtaͤndi⸗
gen Gelegenheit.zur Erweiterung ihrer Er
fahrung, und mancher. neuen. nüglichen -
Ente -
Therefie und Eleonore: 323
Entdeckung, zugleich auch reichliche® Ver⸗ |
dienft verfchaffen , fondern es tft auch
leicht einzuſehen, wie viel dadurch der
Verzehrung, mithin den Acciſen, und oͤf⸗
fentlichen Einkuͤnften, mithin auch der alle .
gemeinen. Stärfe, der Öffentlichen Sicher
beit, der Ehre, dem. Anfehen des Staates,
des Regenten, der. Nation zuwaͤchſht.
Soll ich jenen groſſen Vortheil mit Stille
ſchweigen uͤbergehen, den die Maſſe des
Fleiſſes und der Arbeitſamkeit aus der auf
ſolche Weiſe beguͤnſtigten Schwelgerey na⸗
tuͤrlich gu hoffen hat? ? Wenn, nach voruͤber⸗
gegangenen Wirbel der Tohrheiten, der wie⸗
der nuͤchterne Arbeiter ſeine Baarſchaft, mit⸗
hin ſo manche Hoffnung verloren, ſo man⸗
he fröhliche Ausſicht verdunkelt fiehr‘, ſo
ermuntert ihn dieſer. Verluſt zu Verdoppe⸗
lung ſeiner Aemfigfeit; er biet allen ſei⸗
nen Kraͤften auf, um dieſen Verluſt zu er⸗
ſetzen, und widmet das ganze uͤbrige Jarr
unausgeſetzt einer fuͤr die Handlung nuͤtz⸗
lichen Beſchaͤfftigung, wodurch es ihm
gelinget, fich abermal fo viel zu fammeln, -
daß er bei wiederkehrender Zeit abermal
wie vorhin verſchwenden mag. Auf folche
Urt, wird der Kreis der Vergehrung und
a Aem⸗
224 Therefie und Eleonore. |
Aemſigkeit beſtaͤndig zum allgemeinen Vor⸗
theile der Handlung und Renten abge⸗
laufen —
Noch hundert und hundert eben ſo wich⸗
tige Vortheile, welche die buͤrgerlichen Ge⸗
ſellſchaften diefer werfen Eintheilung ber
Zeiten zu verdanken haben, koͤnnte ich ans
führen, wenn Zeit, und Raum Mir eine
goeitere Ausbreitung erlaubten. Aber ich
urtheile nicht uͤbel genng dot ihrer Geleh⸗
rigkeit, um zu gtauben, daß Sie nicht be⸗
reits uͤberfuͤhrt And. Weiſe Geſetzgeber
wuͤrden die Faßnachtzeit in den Laͤndern, wo
fie etwaͤn nicht üblich wäre, fo gar einzu⸗
führen bewogen werden; weit entfernet,
daß man ſich durch Abſchaffung derſelben,
ſo vieker, ſo einleuchtender Vortheile vor⸗
fetzlich berauben ſollte.
Dieſes einzige erlaube ich mir, zum
| Schluſſe, nicht zu Abergehen: Alle Men⸗
ſchen, ſpricht der Weiſe unker den Koͤni⸗
gen, und Koͤnig unter den Weiſen, alle
Menſchen find Thoren. ft es alſo nicht
mehr als platoniſche Weisheit, der Thor⸗
heit der Menſchen lieber einen gewiſſen ei⸗
genen Kreis auszuzeichnen, und ſie durch
dieſes Mittel den Ueberreſt des Jahres Flug
zu
Therefie and Eleonore. 325
zu erhalten ,. ald derfelben das ganze Jahr,
mithin dag ganze menſchliche Leben Preis
zu geben! —
VL
Wie Beat nicht dort ſein Geiß , und ſirbint
in Einfall aus:
Wie fa t und Tobt rian nit
— be ‚Haller.
VSortſetung des Xxu. Studer.
Dips, meine theure Exrnefline! were
ben wir noch viele Kälte und Hige über
ung wechſeln ſehen, ehe ein folcher allge:
meiner Schluß zu Stand koͤmmt: was
bat iugmifchen ein armes Mädchen, ober -
eine ehrbare Frau für Huͤlfsmittel wider
die Hummeln , die um fie herſummen?
Ich gefiche Ihnen ganz offenherzig meine
Berlegenheit, fo lange ſolche Anfpielungen
bie Lieblingeſcherze nicht nur ber Ge⸗
fenfchaft, die gleichwohl has Heri hat,
fih ‚die artige Geſellſchaft zu nennen,
—X gewiſſermaſſen ſelbſt der Natioy
ind.
Bon dieſem legteren iſt die Schaubuͤhne
der offenbart riet. Ein Schrifefteller,
£3 ein
326 Thereſie und Eleonore
u ein Schaufpieler koͤnnen verſichert ſeyn,
daß das Schauſpielhaus vom Haͤndeklat⸗
ſchen wieberfchallt, fo bald fie der Unar—
tigkeit der Zuſchauer etwas vormwerfen,
woran ſich Ihre Fefcenninifche Scharffinnig-
feit üben fann. Das ift ein unfeblbarer
Weg, einem Stuͤcke einen Schmung zu
geben : ein unfehlbarer Weg zum Beifalle,
und der theatralifchen Unſterblichkeit, ſo
weit nämlich Wien diefe verleihen kann —
Dei diefen Sffentlichen Ergögungen geht
man insbefondere mit den Zufchauerinnen
ohne Mitleid um, Man zwingt ſie, folche
Unanftändigfeiten nicht zu uͤberhoͤren; und
Deffentlichkeit de Ortes, die dem An⸗
“ Rande und Sitten am meiften zu Huͤlfe
fommen follten‘, vermehren die Ausgelaf⸗
ſenheit, und beguͤnſtigen ſie —
Iſt man ſo ungluͤcklich, ſey es in ei⸗
nem oͤffentlichen Orte, oder in einer Pri⸗
vatzuſammenkunft, von derlei Anfälten ver-
folget zu werben, fo glaube th, wird. dag
deichtfte Mittel, fich aus der Verwirrung
iu wickeln, dieſes feyn, daß man fie ganz
und gar nicht bemerke. Ich wollte, daß
es fogar.in unfrer Gewalt ſtuͤnde, der auf:
fteigenden Roͤthe des Unwillens und der
BEE 7530
Rherefie und Eleonsre. 327
Ehrbarkeit zu gebieten, und ohne das ge⸗
ringſte aͤuſſerliche Merkmal, die Silene nur
in dem innerſten unſrer: Seele zu: verachten,
und zu verabſcheuen. Denn ich habe be⸗
obachtet, daB die unfreywilligen Erroͤ⸗
thungen, und die ſichtbaren Ausbruͤche des
Verdruſſes zu nichts weiter nuͤtzten, als die
Elenden aufzumuntern, mit ihren Abſcheu⸗
lichkeiten fortzufahren, da ſie ſahen, daß
dieſelben die Wirkung, die ſie wuͤnſchten,
hervorbrachten — Im Gegentheile, ſobald
man ihre Spaßhaftigkeit verloren ſeyn
laͤßt, ſo ſchaͤmen ſie ſich; in ſo weit ihre
ſtahlene Stirne einer. Beſchaͤmung fähig.
iſt; und haben fie ja die Unverſchaͤmtheit,
ihre pöbelmäffige Jotte zu wiederholen, ſo
nimmt ihre Beſchaͤmung nach dem Maſſe
zu, als ber. Kinfal durch die Wiederho⸗
lung froſtiger, und die oͤfters gebrauchte:
: Spige flumpfer. wird. Der Dialog: hoͤrt
auf, wo niemand antwortet. . Ach babe
durch dieſes Mittel einen ber allerunver⸗
fhämtften Menfhen von brey Frauens⸗
perfonen dergeflalt aus feiner Faſſung brin«
gen gefehen, daß er zuletzt es noch für
fein fehr groffes Gluͤck hielt, unbemerkt zu
entfehleichen, und der Beſchaͤmung, bie
X4 fuͤr
428 Thereſu e und Eleonore.
fit ihn etwas ganz neues war, u ent⸗
fommen,
Hingegen iſt es die unuͤberlegtſte Bar:
then, die man nur immer ergreifen kann
wenn man feinen Unwillen daruͤber zeiget,
oder einen Menſchen, der mit der Sitt⸗
ſamkeit ſchon lange und auf ewig zerfal⸗
Ten iſt, durch Verweiſe sum Sktillſchweigen
zu briagen, verſuchet. Man biet ihm dar
durch vielmehr neue Gelegenheit an, ſelnen
ſchaͤndlichen Witz zu eatwickeln, und ſich
nicht mehr auf Koͤſten des allgemeinen Ans
ſtandes, Tondern auf Koͤſten unfret Ehr⸗
barkeit insbeſondre, luſtig zu Machen. Die
Einfälle eines Poffenreiffers gleichen dem
Seuer : fie erſticken, wenn man Ihnen keine
Luft Kühe
Vorzuͤglich will ich den Perſonen
miines Geſchlechtes in ſolchen Annſtaͤnden
bie Jaͤcherſchwingereben, vas gezwun⸗
gene Huflen, ſtudirce Gefichtsverzer⸗
zungen, oder ſolche Grimaffen mißra⸗
then, die man gewiß nicht ifo gutherjig
fern wird, auf Rechnung ihrer Tugend”
Bringen; Im Gegenehelle werden biefe
Dinge, den Spötferepen cin weites"! je
INT.
Thereſie und Eleondre. 229
Öfen; und am Ende wird es dahinaus⸗
laufen, daß man fie mit dem fchönen Ti⸗
‚sel einet Spröden berhren wird, welches
init einem anbera Worte eben fo viel fagt,
als Bublfdywefter, und , mad weiß ich,
"Db nicht vieleicht noch etwas weit aͤr⸗
geres — F
Alles alſo genau überlegt, kann eine
wahrhaft ehrbare Perfon, die ſich zum Un⸗
gluͤcke in einer nnartigen Gefellſchaft befin⸗
det, michts kluůügers han. 2 als ſchweigen.
Aber Erneftine ! Ste find Matter: ſollte
es ihrer Vorfichtigfet unmöglich Ferm,
ihre geliebte Tochter vor dem Ungluͤcke ei⸗
wer unartigen Geſellſchaft zu bewahren?
Ich finde in didſer nothwendigen Vor⸗
ſichtigkett, Im ber Wahl des Umgangs, in
der Wahl ver Geſellſchuft, In welche. eine
Mutter ihre Tochter Tringt, das haͤupe⸗
ſaͤchlichſte, weun dh fü fagen darf, das
einzigſte Bewuhrungemittel wider Die heu⸗
tige Ungezogenheit des Mannsvolkes. Sie
kann nicht, gleich einem Ulpſſes die Ohren
ihrer Gefaͤhrrinn mit Wachſe verkleben;
aber fie Tann, flüger als Alyſſes, fie an
feinen ſolchen Ort führen , wo ‘fie "die
E53 She
330 | Thereſie und Eleonore,
Ohren ihres Kindes gu verfchlüffen noͤthig
hätte.
Mütter , bie ihr fo ſehr eilet, eure
wohlgeſtalteten Toͤchter in die groſſe Welt
zu fuͤhren! habt ihr auch die Gefahr uͤber⸗
leget, ber ihr fie daſelbſt ausſetzet? habt
ihr alle die Anfälle erwogen, die auf bie
Keinigfeit ihrer Sitten, auf ihre Unſchuld
gefchehen werben ? habt ihr ihre Herzen,
ihre Denkungsart geprüfet, ob fie. auch
ftarf genung feyn werben, benfelben Wiz
derſtand zu leiften ? Erinnert euch — möchte?
ich beitändig ſolchen Weibern gurufen, die
ihren Töchtern nicht Zeit laſſen, groß zu
werben, um bei der Neige eigener Rei—
ge, durch die erſt aufblühenden Reize
ihrer Kinder den Kreiß um fich. gu erhal⸗
ten ‚,.in bem fie fich fo ſehr gefallen, ber
Mittelpunft gu feyn — erinnert euch eu⸗
ser Jugend , und laſſet eure Erfahrung
euren Kindern zu ſtatt kommen! —
Vergeben Sie, Ernueſtine! ich dachte
nicht, daß ich an Sie fchreibe, deren un:
ſchuldvolle Jugend Ihnen folche Erfahr
‚rungen wicht zumege bringen konnte. Ich.
ſelbſt Hin zu unerfahren, Ihnen Vvorſchrif⸗
ten
Thereſie und Eleonore. 331
‚sen zu geben; aber ich kann Ihnen ein
Beiſpiel zeigen, das allen Müttern zum
Muſter dienen follte, denen ‚die Vorſicht
reisende Töchter gefchenfet, und die die koͤr⸗
perlichen Reize derfelben durch dag Kleinod
der unfchuldigen Meinigfeit erhöhen, und
wahrhaft fehägbar machen wollen. Ste
fennen die verehrungswuͤrdige KR ==, und
ihre nicht ſchoͤnere als wahrhaft ſchaͤtzba⸗
re Tochter! ⸗
Dieſe Mutter fuͤhret ihr Kind aller Or⸗
ten mit ſich; und man weis es ihr unend⸗
lichen Dank, daß ſie den Geſellſchaften
dieſe Zierde nicht vorenthaͤlt. Aber ſehen
Sie, wie Sie das Maͤbchen, fo ſehr fie
ſich auch auf feine. Klugheit zu verlaſſen
bat, nicht einen Augenblick aus den Aus
gen verliert, und mie ihr von ihm unabges
wendeter Blick die ungeftimen Schlüpf:
redner in einer ehrerbietigen Entfernung
haͤlt. Die Ausgelaffenheit waget es nicht,
ſich ihm gu nähern: und wenn bie Anmuth
feiner Seftalt, und feines Umganges viel:
leicht die Wuͤnſche ber Wolluͤſtlinge erreget,
fo zwingt fie die Wachtfamfeit einer ſtets
gegenwärtigen Mutter, diefe Wünfche ges.
beim zu halten, und an ihrer. jemaligen
Ent⸗
N
322 Thereſie und Eleonore.
Sohn ſeinen Vater zu beſtehlen, dort ein
Muͤndel ſeinen Vormund zu hinterfuͤhren,
hier ein Verſchwender einen Wucherer, der
das Thraͤnengeld der Armuth in eifernen
Kuͤſten verſchloſſen hielt, zu betruͤgen. Auf
ſolche Weiſe bringt eine kurze Zeit dem
Kreislaufe alles das Geld wieder, was das
ganze Fahr durch Filzigkeit oder unuͤber⸗
legte Sparſamkeit oder himmelſchreyender
Wucher demſelben entzogen hatten.
Selbſt der arbeitſamſte Mann, der ſonſt
genauſte Hauswirth wird durch einen ge⸗
heimen, unerklaͤrbaren Zug um dieſe Zeit
zur Verſchwendung aufgefodert. Was er
in langer Zeit durch ſauren Schweiß ere⸗
worben , und für einen -unvorfehbaren
Nothfall, fir fein Weib, für die befiere -
Ersiehbung feiner Kinder, ober um feine -
Arbeitfamfelt gu erweitern, ‚bei Seite ge: °
legt, muß verpraffet, verfchlenmmet, an eie
nem Tage verſchlemmet werben. Und dieſe
allgemeine Verſchwendung gereicht nicht iur
ber Arzneywiſſenſchaft zur Aufnahme; da
die Menſchen fi) fo. manche Kanfheit an -
den Hals ziehen, die den Arzneyverſtaͤndi⸗
gen Gelegenheit.zur Erweiterung ihrer Er:
fahrung, und mancher. neuen. nüglichen -
. - Ente -
Therefie und Eleonore, 323
Entdeckung, zugleich auch reichliches Ver: |
dienft verfchaffen , fondern es ft auch -
leicht einzuſehen, wie viel dadurch der
Verzehrung, mithin den Acciſen, und oͤf⸗
fentlichen Einkuͤnften, mithin auch der alle .
gemeinen Staͤrke, ber Öffentlichen Sicher: _
beit, ber Ehre,. dem Anfehen des Staates,
bes Negenten, der. Nation zumächfl, . -
Sol ich jenen groffen Vortheil mit Stile
ſchweigen übergehen ,. den die Maſſe des
Fleiſſes und der Arbeitfamfeit aus der auf -
ſolche Weiſe beguͤnſtigten Schwelgerey na⸗
tuͤrlich zu hoffen hat? Wenn, nach vorüber: .
gegangenen Wirbel der Tohrheiten, der wie⸗
ber nüchterne Arbeiter feine Baarfchaft, mit⸗
bin fo manche Hoffnung verloren, fo man
che fröhliche Ausſicht verdunfeft fiebe, 6 -
ermuntert ihn bicfer. Verluſt zu Verdoppe⸗
lung ſeiner Aemſſgkeit; er biet allen ſei⸗
nen Kraͤften auf, um dieſen Verluſt zu er⸗
ſetzen, und widmet das ganze uͤbrige Jahr
unausgeſetzt einer für bie Handlung nüß:. -
lichen Befhäfftigung.., wodurch es ihm
gelinget, fich abermal fo viel su fammeln, .
daß er bei wiederfehrender Zeit abermal
. Wie, vorhin verſchwenden mag. Auf ſolche
Art, wird der Kreis der Verzehrung und
En Aem⸗
324 Thereſie und Eleonore.
Aemſigkeit beſtaͤndig zum allgemeinen Vor⸗
theile der Handlung und Renten abge:
Aufn —
Noch hundert und hundert eben fo wich⸗
tige Vortheile, welche die buͤrgerlichen Ge⸗
ſellſchaften bieſer weiſen Eintheilung ber
Zeiten zu verdanken haben, koͤnnte ich an⸗
führen , wenn Zeit, und Raum Mit eine
weitere Ausdreitung erlaubten. Aber ich
urtheile nicht bel genug von Ihrer Geleh⸗
rigkeit, um zu gtanben, daß Sie nicht be⸗
reits Aberfuͤhrt And. Weiſe Geſetzgeber
wuͤrden die Faßnachtzeit in den Ländern, wo
fie etwan nicht üblich waͤre, fo gar einzu⸗
führen bewogen werden; weit entfernet,
daß man ſich durch Abſchaffung derſelben,
fo vieler, To einleuchtender Vortheile vor⸗
fetzlich berauben ſollte.
Dieſes einzige erlaube ich mir, zum
Schluſſe, nicht zu aͤbergehen: Alle Men⸗
ſchen, ſpricht der Weiſe unker den Koͤni⸗
gen, und Koͤnig unter den Weiſen, alle
Menſchen find Thoren. Iſt es alſo nicht
mehr als platoniſche Weisheit, der Thor:
beit Der Menfchen lieber einen geroiffen ei:
genen Kreis auszuzeichnen, und fie durch
dieſes Mittel den Ueberreſt des Jahres klug
| zu
Therefi e und Eleonore. 325
zu erhalten, als derſelben das ganze Jahr,
mithin bag ganze menſchliche Leben Preis
zu geben? —
XVI.
Wie gralt gicht dort fein Geiß j und Sehr
in Einfal aus:
Wie lacht ab lobt jan nigg — — \
er . baller.
Fortſetzung des xxu. Stuͤdes.
Vaneicht, meine theure Erneſtine! wer⸗
den wir noch viele Kälte und Hitze über
ung wechſeln ſehen, ehe ein ſolcher allge⸗
meiner Schluß zu Stand koͤmmt: was
bat inzwifchen ein armes Mädchen, oder
eine ehrhare Frau fir Hilfsmittel wider
die Hummeln, bie um fie herſummen ?
Ich gefiche Ihnen ganz offenherzig meine
Berlegenheit, fo lange ſolche Anfpielungen
die Lieblingafcherze nicht nur ber Ge⸗
felifchaft, die gleichwahl had Hers hat,
fih die artige Geſellſchaft zu nennen,
Frag gewmiſſermaſſen ſelbſt der Natior
ind
Bon dieſem letzteren if die Schaubähne
der ofenbarie Bewels. Ein Schriftſteller,
£3 ein
326 Thereſte und Eleonore.
ein Schaufpieler können verfichert ſeyn,
daß das Schauſpielhaus vom Händeflat:
ſchen wiederſchallt, fo bald fie der Unar—
tigfeit der Zufchauer etwas vorwerfen,
woran fich ihre fefcenninifche Scharffinnig:
feit üben fann. Das iſt ein unfehlbarer
Meg, einem Städe einen Schwung zu
geben ; ein unfehlbarer Weg zum Beifalle,
und ber theatralifchen Unfterblichfeit, fo
weit nämlich Wien diefe verleihen kann —
Dei dieſen sffentlichen Ergoͤtzungen geht
man insbefondere mit den Zufchauerinnen
ohne Mitleid um. Man zwingt fie, folche
Unanftändigfeiten nicht zu uͤberhoͤren; und
Deffentlichfeit de8 Ortes, bie dem An⸗
Rande und Sitten am meiften zu Hilfe
fommen follten , vermehren die Ausgelaf⸗
ſenheit, und beguͤnſtigen fie —
Iſt man fo unglädlih, ſey es In ei:
nem öffentlichen Orte, oder in einer Priz
- satzufammenfunft, von derlei Anfälfen ver⸗
Ffolget zu werben, fo glaube Ich, wird dag
leichtſte Mittel, fi) aus der Verwirrung
zu wickeln, diefes ſeyn, daß man fie ganz
und gar nicht bemerfe. Ach wollte, daß
e8 fogar in unfrer Gewalt ftünde, der auf:
ſteigenden Röthe des Unwillens und der
[nn
<herefie und Eleonsre. 327
Ehrbarkeit zu gebieten, und ohne das ge=-
ringfte äufferliche Merkmal, die Silene nur.
in bem innerſten unfrer:Seele. zu: verachten,
und. zu verabſcheuen. Denn ich habe bes.
shachtet , daß die. unfreymilligen Erroͤ⸗
thungen, und die fichtbaren Ausbruͤche des
Verdruffes zu nichts weiter nügten, als bie
Elenden aufjumuntern, mit ihren Abſcheu⸗
lichkeiten fortzufahren, da fie fahen, daß
biefelben die Wirkung , ‚die fie wuͤnſchten,
bervorbrachten — Am Gegentheile, fobalb
man ihre Spaßhaftigfeit verloren ſeyn
läßt, fo. fchämen fie ſich; in fo weit ihre
ſtahlene Stirne einer Befchämung fähig.
iR; und haben fie ja die Unverfchämtheit,
ihre. pöbelmäffige Zotte zu wiederholen, ſo
nimmt ihre Befchämung nach dem Maſſe
zu ,. als der. Einfall durch die Wiederho⸗
lung: froſtiger, und die oͤfters gebrauchte:
Spitze ftumpfer. wird. Der Dialog hoͤrt
auf, wo niemand antwortet. Ach habe
durch dieſes Mittel einen der allerunvers
ſchaͤmtſten Menfhen von drey Frauens⸗
perſonen dergeſtalt aus ſeiner Faſſung brin⸗
gen geſehen, daß: er zuletzt es noch für
fein fehr groffes Gluͤck hielt, unbemerkt zu
entfehfeichen, und der Beſchaͤmung, bie
& 4 für
438 The reſie und Eleonore.
für ihn. ctwas ganz neues rear, u ent:
fommen, |
Hingegen R es die unaͤberlegtſte Par⸗
they die man nur immer ergreifen kann
wenn man feinen Unwillen daruͤber zeiget,
oder einen Menſchen, der mit der Sitt⸗
ſamkeit ſchon fange und auf ewig zerfal⸗
len iſt, durch Verweife zum Stillſchweigen
zu briagen, verſuchet. Man bier ihm da⸗
durch vielmehr neue Gelegenheit an, feinen
ſchaͤndlichen Witz zu eutwickeln, nad ſich
nicht mehr auf Koͤſten des allgemeinen Ans
ſtandes, fondern auf Koͤſten unfrer Ehr⸗
barkeit insbeſondre, luſtig zu machen. Die
Einfälle eines Poſſenreiſſers gleichen dem
euer : fie erſticken, wenn man Ihnen keine
Luft laͤßft.
Vorzuͤglich will ich den Perlenen
mieines Geſchlechtes in ſolchen Naſtaͤnden
bie FJaͤcherſchwingereyen, vas gezwun⸗
gene Suften, ſtudiree Geſtchtsverzer⸗
zungen, ober ſolche Grimaffen mißra⸗
then, die man gewiß nicht ifo authersig
feyn wird, auf Rechnung ihrer Tugend zu
bringen. Im Gegenthelle werden dieſe
Dinge den Spötferehen ein weites "Gelb
Hi
Thereſie und Eleonore. 229
Öffnen; und am Ende wird es dahinaus⸗
laufen, daß man fie mit dem fchönen Ti⸗
‚tel einer Sprdden berhren wird, welches
mit einem andern Worte eben fo viel fagt,
ale Bublfdywefter, und , was weiß ichy
db nicht vieleicht noch etwas writ äre
geres ¶·¶
Alles alſo genau überlegt, Tan eine
wahrhaft ehrbare Perfon , die ſich zum Un ⸗
gluͤcke in einer nnartigen Gefellſchaft befin⸗
bet, nichts Fhlgerd han, als ſchweigen.
Aber Ernefiine ! Ste find Matter: ſollte
es ihrer Vorfichtigfee unmoͤglich fſeyn,
ihre geliebte Tochter vor dem Ungluͤcke ei⸗
ner unartigen Geſellſchaft Zu bemahren.?
AIch finde in Dipfer wothtwenbigen Vor⸗
Fihtigfoit, Im ber Wahl des Umgangs, in
ber Wahl ver Geſellſchaft, In welche. eine
Butter ihre Tochter ringe, das haͤnpt⸗
laͤchlichſte, wenn IH fü ſagen darf, das
einsigfte Bwauhrungemitbel wider die heu⸗
tige ungezogenheit des Mannsvolkes. Sie
kann nicht, gleich einem Ulyſſes die Ohren
ihrer Gefaͤhrlinn mit Wachſe verkleben;
aber fie Tann, klůger als Ulyſſes, fie am
feinen ſolchen Drt führen ‚ wo fie die
E35 She
330 | Thereſie und Eleonore,
Ohren ihres Kindes zu verſchluͤſſen noͤthig
haͤtte. |
Mütter , die ihr fo fehr eilet, eure
wohlgeſtalteten Töchter in die groffe Welt
iu führen! habt ihr auch die Gefahr übers
leget, ber ihr fie dafelbft ausſetzet? habe
ihr alle die Anfälle erwogen, bie auf die
Keinigfeit ihrer Sitten, auf ihre Unſchuld
gefchehen werben ? habt ihr ihre Herzen,
ihre Denfungsart geprüfet, ob fie. aud)
ftarf genung feyn werden, benfelben iz
berftand zu leiften ? Erinnert euch — möchte
ich beitändig ſolchen Weibern gurufen, bie
ihren Töchtern nicht Zrit laſſen, groß zu
werden, um bei der Neige eigener Rei—
ge , durch die erſt aufblühenden Reize
ihrer Kinder den Kreis um ſich zu erhals
ten ,.in bem fie fih fo fehr gefallen, ber
Mittelpunkt zu ſeyn — erinnert euch eu⸗
ser Jugend, und laffet eure Erfahrung
euren Kindern zu flatt kommen! —
Vergeben Sie, Erneftine! ich dachte
nicht, daß ich an Sie fchreibe, deren un:
ſchuldvolle Jugend Ihnen folche Erfahr
‚sungen nicht zumege bringen konnte. Ich
ſelbſt Hin gu unerfahren, Ihnen Vorſchrif⸗
ten
Thereſie und Eleonare. 331
sen ju geben; aber ich kann Ihnen ein
Beiſpiel zeigen, das allen Müttern zum
Muſter dienen follte, denen die Vorſicht
reizende Töchter gefchenket, und die die för-
perlichen Reize derfelben durch dag Kleinod
der unfchuldigen Reinigkeit erhöhen, und
wahrhaft fchägbar machen rollen. Ste
kennen die verehrungswuͤrdige R ==, und
ihre nicht ſchoͤnere als wahrhaft ſchaͤtzba⸗
„te Tochter! —
Dieſe Mutter fuͤhret ihr Kind aller Or⸗
ten mit ſich; und man weis es ihr unend⸗
lichen Dank, daß ſie den Geſellſchaften
dieſe Zierde nicht vorenthaͤlt. Aber ſehen
Sie, wie Sie das Maͤdchen, fo ſehr fie
ſich auch auf feine. Klugheit zu verlaſſen
hat, nicht einen Augenblick aus den Aus
gen verliert, und wie Ihr von ihm unabger
wendeter Blick die ungeftimen Schlüpf:
redner in einer chrerbietigen Entfernung
haͤlt. Die Ausgelaffenheit waget es nicht,
ſich ihm zu nähern: und wenn bie Anmuth
‚feiner Geftalt, und feines Umganges viel:
leicht die Wuͤnſche der Wolluͤſtlinge erreget,
ſo zwingt ſie die Wachtſamkeit einer ſtets
gegenwärtigen Mutter, dieſe Wuͤnſche ges.
beim zu halten, und an ihrer. jemaligen
Ent-⸗
332 Therefie und Eleonore,
Entdeckung zu verzweifeln, Die Unver⸗
ſchaͤmtheit felbft wird in ihrer. Gegenwart
ſittſam. Ich babe bei ihr bie unterneh⸗
mendſten Buhler alle ihre Hershaftigfeie
verlaſſen gefehben. Um alfo unfchulbige
Mädchen vor dem Wegelauern der str
cendreſcher zu beſchuͤtzen, ſollen die Milk
fer ihren Rindern, nach einem ſolchen Bei⸗
fpiele, zur Schutzwehr dienen. Aber ich
feße voraus, daß die Mütter, fich ſelbſt
Ehrerbietigkeit zu erwerben fählg waren:
fonft wird ihre Gegenwert die Angriffe,
anfatt: fie abzuhalten , berbeirufen, und
gefährlicher machen,
825 aſt damit nihe sufsichen , ein
geliebtes Kind gleichfem beftändig unter
ihren Fluͤgeln gu txagen; fie waͤhlet auch
unser ben Geſellſchaften, die ſie ſammt dem
angenehmen Maͤdchen durch ihre Gegen⸗
wart beehren will. Es iſt ihr nicht gleich⸗
guͤltig, unter welchen Leiten fie ſich ber
findet: und mer auf das Gluͤck ihres Um:
Ganges einen Anfpruch machen mil, muß
dieſen Auſpruch auf die Anftänbigkeit feines
Betrageng „ und. die Unbefsholtenheit felr
ner Sitten gruͤrden. Ein zu freyes Wort,
sine bedeutende Miene finb Im |
nn e
Therefle und Eleonore. 333
fie auf ewig aus einem Haufe u verſchen⸗
chen: und welches Haus wuͤrde ihr Hin⸗
wegbleiben nicht fuͤr ein Ungluͤck halten?
Folgen Sie, ſchaͤtzbarſte Erneſtine!
dieſer Vorgaͤngerinn, die wohl einſt das
Herz hatte, einem Prinzen zu verſtehen zu
geben, daß fein Stand Über den Anſtand,
den man unferm Gefchlechte fehuldig Mt,
Binwegfege ! Wählen Eie für fich und ihr |
reizendes Mädchen nur Derter, bie fich
durch Eingezogenheit und Sitten von
andern unterſcheiden! fliehen ſie diejeni⸗
gen, wo man ausgelaſſen ſeyn, fuͤr artig
haͤlt, und eine Perſon unſers Geſchlechtes
recht ſehr zu ehren glaubt, wann man ſie
fuͤr eine Unverſchaͤmte anſieht, die an ei⸗
ner Beleidigung der Ehrbarkeit ein Wohl⸗
gefallen haben kann.
Es iſt kein Zweifel, wenn dieſes die
allgemeine Denkungsart unſers Geſchlech⸗
tes ſeyn wuͤrde, wenn alle artigen Per⸗
ſonen deſſelben, die Haͤuſer, wo die Un⸗
verſchaͤmten Ihre Tummelplaͤtze halten, wie
angepeſtete Oerter floͤhen, ſo wuͤrde es
bald zu einer fuͤr uns vortheilhaften Wech⸗
ſelwahl kommen; entweder, daß die Maͤn⸗
ner auf den Umgang mit allen artigern
grau⸗
J
334 Thereſie und Efeonore; |
Srauensperfonen — oder auf die Unger \ |
zogenheit verziehen müßten.
| 1.
Multa pudicitise vetetis veftigia forfan ,
Aut aliqua extiterint, & fub Jove, fed Jove.
aondum
Barbato —
Juvenal, ‘
er Man Sie mir da etwaß aus ihrem
Juvenal hingefett Haben, guter Menſch!
dag vielleicht auf unfer Sefchlecht eine Sa: |
tire ift, fo fol Sie's thener zu ſtehen kom⸗
men! — Was foll dieß unbefcheidene Se:
laͤchter? — Kann ich Feine vernünftige
Antwort aus Ahnen bringen? — Im—
merhin lachen Gie , wie ein Unbeſonne—
ner! Ich weis mir Rath, auch wohl ohne
Sie, zu ber Ueberfegung diefer britthalb
zeilen zu fommen.„ — So fprad) id)
zu meinem ...., und nunmehr fuchte ich
aus der alten franzoͤſiſchen Weberfegung
Juvenals, two der lateiniſche Tert gegen
über flieht , den Verſtand der Wuffchrift
herauszubringen. Es gelung mir nad)
langer Vemuͤhung, und ich habe Urſache,
mich
. Therefie und Eleonore, 33%
mich über die Bosheit dieſes Menfchen,
ben ich um bie Fleine Gefaͤlligkeit bat, mir
die Auffuchung einer Auffchrift zu erfpas
ren, gu befchweren. Hier, meine Sreun:
Binnen! haben Ste bie Verdeutſchung der
beiſſenden Stelle.
| „Es mag fenn, daß das Alterthum
viele Spuren ber Keuſchheit, ober eini⸗
ge wenigſtens aufzuweiſen hatte: aber
das muß ſehr lange ſehyn, wenigſtens
da Jupiter noch auf der Welt wandel⸗
te, und gewiß, da er: noch-ein ‚Kind
war —
Damals alfo, liebes feines Herrchen!
damals war noch einige Keuſchheit unter
ee ‚Srauenvolfe anzutreffen : und heu⸗
— Sa! nur da noch, als Jupiter am
—* gieng! — Wiſſen Sie, warum
nur damalo v Weil die Keuſchheit zu Fur
piterd Zeiten noch von einigem Werthe
war, weil bie Eingegogenheit und Tugend
den Mädchen noch ale eine Mitgabe ans
gerechnet wurden, ) weil eine unzuͤchtige
Weibs⸗
*) Wiſſen Sie die Antwort jene Syartane⸗
einn? Eine der reichſten Athenienſerinnen
hefand fich mit derſelben bei einem Gaſtmale.
Der
36 Thereſie und Eleonore,
Weibsperſon nicht nur von dem eigeneny
fondern auch dem männlichen Geſchlechte
geringgefchäßt, und verachtet wurde, weil
man bie Keuſchheit fo zur Ehre einer
Sranensperfon , sole bie Tapferkeit zur
Ehre eines Manne® unentbehrlich foher-
ke, weil man kluge Zurückhaltung nicht
- Dummbeit, Beruachläfligung bes Auſtan⸗
des, Unverſchaͤmtheit, Leichtfertigkeit, Un⸗
beſonnenbeit nicht Lebensart hieß — Sr
5
Dre Rang der Kacehiimonifgen Gaftgehote
war nicht fo puͤnktlich, wie gu unſeren Zei⸗
ten ausgemeſſen; aber in Athen wagte mon
{deu , mas oben oder unten an fisen wä-
ve, Die Spettanerion traf von Ungefähr -
ben Det , den ber Ehrgeiz der Athenien⸗
ſerinn foderte , welches dieſe fuͤr eine
Beleidigung anſah. Sie hoffte indeſſen,
die Gelegenheit, das Weib u demuthigen,
ſollte ſich ereignen — Während der ganzen
Tafel ward die Geſellſchaft durch die unbe⸗
ſonnene Munterkeit der Athenlenſerinn ber
lebt: und wie Ihre Leichtfertigbeit bald die⸗
fen bald jenen anſiel, fo fragte fie auch zu⸗
letzt mit ſpbttiſchem Lächeln die Spartane⸗
. tinn: was fle ihtem Manne zur Mitgift
gebracht babe? niit Takonifcher, kbraich⸗
em Küre xuſrir⸗ biefer Shen!
Therefie und Eleonore. 337
ben Sie, mein Herr! denn ich laſſe Sie
fhon heute nicht mehr aus dem Geſichte;
daß ift die Urfache, warum bie Sitten des
Alterthums bei unferm Geſchlechte reiner
waren: die Sitten des Ihrigen waren es
gleichfalld, und bag Verderbniß der Maͤn⸗
ner hat auch das Verderbniß der Weiber
nach ſich gezogen. Es iſt unmsglich, daß
ein Geſchlecht ſich allein verſchlimmert:
Sitten, Denkungsart, Gewohnheiten ſind
allzuſehr verflochten: es ſind zwey Pferde
nebeneinander geſpannet; wenn das eine
davon dem Abgrunde zuſtuͤrzt, ſo iſt es
unmoͤglich, daß das andre nicht mitgeriſſen
werde.
So koͤnnte ich denn nun den Verweis
gerade an Sie richten, und mit feyerli-
chem Anſehen auf ihr Geſchlecht losziehen.
Aber es wuͤrde einem Mädchen fehr übel
laffen, far la Dottora! Auch würde eg fehr
ungegründet feyn , wenn ich in der Be—
fhuldigung der Männer , die Rechtferti⸗
gung der Mädchen und Weiber fuchen
wollte, oder zu finden glaubte. Wenn ich
Alcibiades einen Verführer nenne, fo blei⸗
ben feine Liebhaberinnen doch immer die
Derführten. Die Gemeinfchaft hebt dag
IV. Theil. 9 Ver⸗
338 Thereſie und Efeonore.
Verbrechen nicht auf, es vermehrt nur
die Schuldigen —
Aber das werben Sie mir wenigftensd
erlauben’, daß es verzweifelt arg läßt,
wenn der Räuber den Dieb einen Galgen⸗
vogel ſchilt! Geben Sie ein wenig. mit
mir auf das Betragen der Männer Acht!
laffen Sie uns miteinander vergleichen !
Wir wollen bei ver Schaubühne anfangen!
Chrifatis hat eine einnehmende Seftalt.
Die Nettigkeit und Richtigkeit ihrer Schrit-
te, die Regelmaͤſſigkeit, nit der fie ihren
Leib, die Unmuth, mit der fie ihren Arm
trägt, mit der fie jede Wendung verrich-
"tet, die Leichtigfeit und Kunft ihres Tan-
ges entzücken. Ich begriff lange nicht, war:
um das arme Mädchen fi fo vergebens
martere, ohne irgend mehr, ale hie und
da einen einzelnen Danbflopfer gu erwer⸗
ben —
Thelmire hingegen, die gegen Chriſa⸗
tig, wie eine Folgemagd gegen ihre Ge:
bieterinn abſticht, mit dem Wuchfe einer
Schweizerinn , und einer ber befonderen
Bildungen , die man nicht ftückweife be:
frachten darf, wenn fie nur einen Augen-
blick nicht mißfallen follen, ohne Anftand,
. oh⸗
Therefie und Eleonore. 339
ohne Kunft, ohne Anmuth, träg mehr als
nachlaͤſſig, die nicht tanzet, ſondern baͤu⸗
riſch ſpringt, und wie ein Rlotz in die
Pfuͤtze mit zentnerſchwerer Laſt fällt, Thel⸗
mire laͤßt kaum das End ihrer Kleidung
bei der Schiebewand hervorragen, fo Balz
ten ſich hundert Hände fertig, Ihe Beifall
susuflopfen, den fie nicht verbienet, und
Bravo zuzurufen, wo man immer elend!
abſcheulich! aufzufchrenen, ſich kaum zu⸗
ruͤckhaͤlt. Sie ſelbſt haben mir das Raͤth⸗
ſel aufgeloͤſt. Chriſatio hat die Verſucher
mit einer Standhaftigkeit von ſich gewie⸗
fen, die um deſto mehr Erſtaunen machte,
ba es wider die Srundfäße der Gattung
Leute ift, den prächtigen Anerbietungen zu
widerſtehen. Thelmire mar gelebriger;
ihre Schluͤpfrichkeit it ihr ſtatt der Ge⸗
ſchicklichkeit —
Wenden wir und mit dem Ruͤcken ge⸗
gen die Schaubuͤhne, und fehen ein we⸗
nig unter den Zufchauern um! Melches
find die Perſonen, um die der dichtſte Kreis
ſich dränger? fehen Sie eine
nicht nur in Geheim, ſodern oͤffent⸗
lich Sitten kommi⸗
ſelbſt verhuͤtte,
N 2 mit
340 Thereſie und Eleonore.
/
mitten unter den Adel
unverfchämter Stirnlofigfeit
”) weichen muß?
Treten wir In das Innere unfrer Zu:
fammenfünfte! — Doc) nein, wir wuͤr⸗
den bier, wie aller Drten zur Schande
unfrer Zeiten, die Ausgelaflenheit vorge
zogen, die. Sittfamfeit überfehen, Meſſa⸗
Linen fih an Die erſten Pläge drängen,
und Sulpitien ſich der Tugend beinahe
ſchaͤmen fehen! — St es alfo wohl werth,
Wunder zu fchreyen , wenn eine Tugend
felten ift, die ihr Männer fürchtet, und
die nicht oft ein Hinderniß des Gluͤckes
iſt, dag fie befördern ſollte .
Denn was mist ed, die Augen zuzu⸗
drüden, wenn das Bild ſchon einmal in
un⸗
*) Güutigſte Eleonore! werden Sie es der Un⸗
geſchicklichkeit ihrer Drücker vergeben, daß
fie ſchon in der Preſſe, unglücklicher Weiſe
eine ganze Stelle verſchoben haben, die ſie
unmöglich wieder zurechte bringen künnen?
Sie Haben fon fo viele Menſchenliebe!
Bir verfehen uns, Sie werden nicht verlan⸗
gen, daß wir das Stuück von Neuem auf
unſre Köften fegen laſſen! |
Die Drücker.
Thereſie und Eleonore. 341
unfeer Vorſtellung legt? ein Mäpchen hat
feinen ſicherern Weg , fich Liebhaber an⸗
zulocken, ale wenn fie ihre Gefchlecht und -
feinen Anitand beifeite legt — —
„ Erlauben Sie, Eleonore, daß ich
Sie hindre, weiter fortzufahren! Es thut
mir leid, daß ich durch meine Auffchrift
Ihnen Gelegenheit gegeben habe, mir die⸗
« fe bittre Wahrheit, und fo unmwiderlegliche
Merkmale unfrer verberbten Sitten unter
die Augen gu rücken. Ohne Zweifel koͤmmt
es nur größtentheils auf Männer, an fels
ne untergefchobenen Kinder , Feine befleck⸗
ten Ehfrauen, feine entehrten Bräute und
Töchter zu haben. Ich erfenne es, und
da ich durch die Wahl der fpörtifchen Auf⸗
ſchrift mir ihren Unwillen billig zugezogen
habe, fo. erlauben Sie mir , daß id Ih—
nen durch das Geftändniß genug thue:
Männer, die die Tugend nicht zu ſchaͤ⸗
gen wiflen, find unwerth, fie irgend
wozu finden. „
342 Üherefie und Eleonore.
Il.
Mit ihtem eignen Reiz zieh euch bie Tugend an!
Wo hat die Welt ein Gut, das fie belohnen
kann?
Mus in den Zeiten, worin wir le:
ben, Eigennutz; alles, felbft bie Tugend,
und Elarine ift davon der nicht einzige
Beweis —
Es find nun fünf Fahre, dag Clarine
die Frau eines Mannes ward, der von
einnehmender Geſtalt, reich, im Umgange
angenehm ift, und feine Gemahlinn nicht
liebte, fondern anbetete. Auch war fie
feiner Ergebenheit vollkommen werth. Sie
war weniger ſchoͤn, wenn man fie ſtuͤck⸗
weiſe unterfucht hätte. Aber fie hatte ei⸗
ne von ben reizenden Bilbungen, die gleich⸗
fan den Gefegen der Negelmäfligfeit gu
Trotz gefallen, fobald man fie ſieht, und
ung nicht Zeit laſſen, fie erft ſtuͤckweiſe zu
unterfuchen. hr Umgang war lebhaft, fo
ſehr als es der Wohlftand erlaubte, beinahe
ein wenig unbefonnen,, welches an ‚einem
tugendhaften Mäpchen nicht immer ungerne
gefehen wird: kurz, Elarine war bes Gat⸗
ten, der fie um ihre Hand bat, ſowohl
ih⸗
Therefie und Eleonore. 343
ihrer törperlichen Gaben , als. ihrer fitt-
lichen Eigenfchaften wegen, werth. Sie
hatte, fprachen bie gewerbmäfligen Ge:
meinbubler, den einzigen Schler , aber
ber alle ihre Vorzüge verdunfelte., daß fie
ihren Bräutigam; mehr als des Geprdnge
halber liebte, und fchon siemlich deutlich
merken ließ , daß fie abgefchmackt-genug
ſeyn wurde, ihn noch ald Mann gu lies
ben — Diefe Vorberfehung traff vollkoni⸗
men ein. Elarine hatte, der Mode und des
Zifcheng der Spätter ungeachtet, das Herz,
fich von ihrem Manne sffentlic am Arme
führen zu laffen — Eh! gnädige Frau,
fagte ihr Belidor im Namen der ganzen
- Buhlerzunft: Ste richten mit ihrer alt=
fräntifchen Aufführung dte ganze Gerr-
(haft ihrer Reize zu Grund! Wiflen
Sie denn nicht, daß die Befchichte
Denelopens nur eine Erdichtung von
gomer ifte In der That, Sie laufen
Gefahr, nie ein einziges Wort , das
ihrer Bigenliebe fchmeicheln Fönnte, zu . .
bören! Wann wollen Sie dann, daf
wir es Ihnen fagen, wie reizend Sie
finds vielleicht an der Seite ihres un-
abfönderlichen Mannes? Beben Sie
X 4 we⸗
344 Thereſie und Eleonore.
wenigfiens auf die berrfchenden Sit⸗
ten! auf die Beifpiele aus ihrer Zeit!
Man muß — erlauben Sie, daß ich
mir um bie Welt das Verdienſt erwer:
be, Sie eines beflern unterrichter zu
haben! men muß nicht diter feyn, ale
fein Jahrhundert! Sie haben zu gaus
manches Bild ihrer Urgroßmätter ;
warum tragen Sie nicht, wie diefe
Matronen trugen , zwo fihöne runde
Loken an beiden Schlafen gegenein-
ander gefchnirdelt Diefe ZartlichFeis
gegen einen Mann wider die Sitten
der Zeitgenofien läßt eben fo altmüt:
terlich , als es immer Laflen würde,
wenn Sie die Trachten ihrer Samilien-
ſtücke Eopiren wollten! Was für ein
trauriges, einförmiges Leben müflen
Sie und ihr theurer SEhfcha wohl füh⸗
ren » immer das ndmliche Geficht !
Gewiß, Sie müffen fih ganz aus
gelernt haben: und ich wette, daß fie
einander voraus fagen Tonnen ,. was
das andre antworten wird. Macht Sie
denn die aufgewedte und glückliche
Eoramine nicht eiferfüchtig v Tonnen
Sie die Blüthe unfers Adels um fie
U her⸗
Therefie und Eleonore. 345
perumfiattern,, fie im Schaufpielbaufe,
bei Sffentlichen Lufibarkeiten , aller
Orten, von allen, was nur unter Maͤn⸗
nern artig iſt, umringt, begleitet,
verehrt ſehen, ohne daß es Ihnen nur
einmal einfällt, ihre Rechte gelten zu
machen, und ihr diefen Haufen von
Liebbabern zu entführen v gaben Sie
denn nicht den rühmlichen Stolz ihres
Geſchlechtes, Sürften und Grafen, und
— alle Welt an ihrem Biegeswagen
zu feben, und die durch fie zur Kin⸗
ſamkeit verurtheilten Weiber aus ei-
nem gewiſſen Stodwerfe raſend zu
machen — So und durch noch mehr ſuch⸗
te Belidor das junge Weibchen von ihrem
Manne abzuföndern, und ftet8 vergebens.
Das glüdliche Paar fchien die ſeltne Kunft
zu befigen , einander zugureichen , ohne
eines dritten dabei noͤthig zu haben; und,
was auch die gefegtfien Frauen nicht leicht
begreifen fonnten , Clarine konnte alle
Öffentlichen Luftbarfeiten , die mehr der‘
Eigenliebe, ald dem Vergnügen gewidmet
find, dieſe feyerlihen, in die Augen fal-
lenden Schlittenzüge , diefe ihr gu Ehren
gegebenen Baͤlle, dieſe und dergleichen
| » 5 Luſt⸗
346 Thereſie und Eleonore,
Luftbarfeiten konnte fie an ber Sehe ihres
theuren Gatten ruhig entbehren.
Was für ein Weib! ruften bie oft
sur Verzweiflung gebrachten Liebhaber aug;
nachdem fie alle Kuͤnſte dee Verführung er⸗
ſchoͤpfet Hatten; war für ein Weib! Bir
nen Mann, der wie an fie gefchmieber
iſt, und fie ift feiner nicht überdrüffig y
Jede andre würde eben diefe ungeftü:
me Aemſigkeit — die Aemſigkeit eineb
Mannes — uns deflo gewiffer überlies _
fern. Sie gaben gleichwohl noch nicht.
ale Hoffnung auf. Fuͤr ein in ihrer Zeit
fo ſeltnes Weib mußten ſeltne Mittel er:
griffen werben. Die Liebe, bie, sole Vol
täre fagt, alles zum Beften thut, gab
ihnen ein fonderbared an bie Hand. Die
Semahlinn eines der eifrigften Anbeter
Elerinens warb in biefen Gatten von
neuer Art Äufferft verlicht. Ste war in
einem Alter, wo fie noch Foberungen ma⸗
chen durfte; und da fie die geheime Flam⸗
me ihres Mannes fchon lange entdedet
hatte, fo beſchloß fie, feinen Wuͤnſchen
Borfchub ju thun, um ihre eigenen su be⸗
glücden. Sie machte mit Elarinen Be⸗
kanntſchaft. Artig genug, um ihren Um:
| gang
Therefie und Eleonore. 347
gang. wuͤnſchen zu niachen , waren Ihre
wechſelſeitigen Beſuche in kurzer Zeit haͤu⸗
figer; bald wurden ſie taͤglich, und nun
errichteten ſie unter ſich eine genaue Freund⸗
ſchaft, wodurch ihre Haͤuſer gleichſam in
eines zuſammgeſchmolzen wurden.
Clarinens neue Freundinn war von
der Art Frauen, die fuͤr die Tugend alles
gethan zu haben glauben, wenn ſie den
Schein davon erhalten, und ihre Seiten⸗
wege dem Auge der Welt und ber Ver⸗
läumdung zu verbeden wiſſen. Sie über:
ließ fi) den anmwanbelnden Schwachhei-
ten, aber fie beobachtete auf das genaufte
das Auffenmwerf des Wohlſtandes. In eis
ner der Ausfchüttungen bes Herzens, die
bei unferm Gefchlechte weniger felten find,
weil wir ungefähr die Gefchichte unfrer
Herzen gleich zu feyn glauben , bat fie
Clerinen, ihr doch das Merkmal ihrer
Dffenherzigfeit zu geben, und ihr zu bes
kennen, ob fie nie jemanden von fo vielen
liebensmwärdigen jungen Leuten, die fie be:
zaubert hätte, den Vorzug gegeben ? —
Liebenswürdige Elarine! rufte fie, waͤre
es möglich, Haß diefes gute Gerz, une
empfindlich, nie geliebet hätter — Wie,
ver⸗
348 Thereſie und Eleonore.
verfegte Elarine: ich denke, daß ich mei»
nen Mann liebev — Ihren Mann ha⸗
ben Sie geliebt, aber er iſt nun ſchon
in das fünfte Jahr ihr Mann! Es ift
genug, wenr Ste für ihn noch einige
Achtung behalten haben — Achtung!
fiel Elerine fehr feurig ein — Achtung !
nein! gewiß Liebe! ich wüßte nicht,
daß ich ihn am erflen Tage unfrer Der:
mäblung mebr geliebt hatte — Ganz
vortrefflich vor der Welt yefprochen,
meine Sreundinn! aber, und fie Flopf:
te Clarinen fanft an den Backen, mir
dürfen Sie ihr Gerz reden Laflen! Ich
will Ihnen den Fleinen Reſt von Miß⸗
trauen benehmen, und Sie durch mein
Beifpiel zur Offenberzigfeit auffodern.
Und nun fchickte fie fih an, ihr ihre ganze
Gefchichte gu vertrauen , die mit einer
Menge , begangener und erlittener Un⸗
treuen, erhörter und weggefchickter Liebha⸗
ber, Zänferenen und Verföhnungen durch⸗
flochten war. Sie befannte ihr zugleich,
ihr ‘Herz märe eben itt vergeben , ohne
daß fie wußte , ob fie auch Gegenliebe
erwarten dürfte !. Es fehlte wenig ,
bie geringfte Neugierde von Seite ihrer
Freun⸗
Thereſie und Eleonore. 349.
Sreundinn , fo hätte fie ihr den Gegen-
ftand ihrer igigen Schwachheit genennet —
Kun! fchloß fie endlich mit einer Umar:
mung , herzhaft Elarine! laſſen Sie
mich in ihr gerz ſehen, wie Sie in
das meinige geſehen haben ! Das iſt
Zeine Steundfchaft , wo man fich was
hinterbäle. Wenn wire uns unfte Ger
heimniſſe mitgetheilet haben ‚' fo find
wir einander in Stand zu unterflügen,
und das wollen wir auch —
Llein, Madam, fiel bier Elarine ein, _
ich werde nie von einem folchen Aner-
‚ bieten Gebraudy machen. Ich babe nur
für meinen Mann ein Gerz — Und, fe:
ben Sie einmal, Sveundinn ! würde ich
nicht die verabſcheuungswürdigſte Per⸗
fon, würde ich nicht felbft der Nach⸗
fiht, die Sie für die Schwachbeiten
unferes Geſchlechts haben, unwürdig
ſeyn, wenn ich jemal eine Untreue an
meinem Manne begeben folltev Mein
erz leitet mich genug, ihn zu Lieben.
Aber wäre auch mein Gerz nicht — bat
er mir nur einen Vorwand gelaſſen,
meine Untreue zu rechtfertigen Sehen
Site fein Betragen gegen mich! es ift
| ganz
850 Thereſie und Eleonore.
ganz Gefdilligkeit, ganz Liebe! Was
kann ich wünfchen, womit er meinem
Wunſche nicht zuvorksömmt — Und,
was einem Weibe beſonders ſchmeichel⸗
haft ſeyn, was ſie zwingen muß, ihre
Pflicht zu beobachten, ſehen Sie, ob
mein Mann den Weg aller Männer
gebt , und nach Eroberungen TäuftYv
Tänzerinnen, oder fonft koſtbare Mag⸗
Salenen, worin die Männer heute el⸗
nen groflen Ruhm befteben lafſen, un.
terhaͤlt 3 oder fonft irgend einem von
denen Wiodeabentheuern nachjagt e
VNichts iſt billiger, ale daß ich feine
Treue , feine ganze Ergebenheit mit
meiner vollkommenen Ergebenheit be
zahle, und daß derjenige, der mich nie
hintergebt, auch von mir nicht hinter⸗
Bangen werde —
Die Freundinn Elarinens empfand
über diefen Reden den äufferfien Verdruß :
fie fchlenen ihr eine Art von Trotz und
beleidigender Zuverfiht gegen die Macht
ihrer Reise — Nehmen Sie fih wohl
in Ache , verſetzte fie mit einem Laͤ⸗
‚chen, wovon ein guter Beftandeheil Hohn
war , daß niche gleichwohl irgend der
Eigen:
Therefie und Eleonore. 351
Eigeſinn des Schickſals dieſe unwan⸗
delbare und ſo wohl verdiente Treue
ihres Mannes wankend zu machen, ein
Vergnügen finde! Man bat ſolche un:
vermuthete Sälle fich einſt ereignen ges
fehen ! Vielleicht daß Sie dann mich
zu ihrer Vertrauten machen !
Und nun gieng fie , diefen Fall burch
Ihre Raͤnke zn befchleunigen —
III.
Du kannſt zwar nichts und ſitzeſt Aumm,
Doch niemand fol dich: höhnen!
Du bit mein Pappchen fehbn und dumm!
Sind das nicht viele Schbnen ?
Jachariä.
Geehrtſte Thereſie und Eleonore!
Gelehrte Schriftſtellerinnen!
Done Zweifel muß ihren Ohren der
Namen gelehrt eben fo fchmeichelbaft und
barmonifch klingen, als fonft unferm
Geſchlechte die Schmeicheleyen über bie -
Schönheit und Artigkeit. Ich ſchluͤſſe
dieſes“, mit vielen ihrer Landesleuten da⸗
raus, weil Sie ſich ſo viel Muͤhe geben,
ſich winden, und wenden, und mit fa
vie⸗
352 Thereſie und Eleonore.
vieler Aengſtlichkeit darnach laufen, ba
Sie fogar der Zurückhaltung unſeres Ge⸗
fchlechtes uneingedenf, ein Wochenblatt
ſchreiben, und an unferem Thun und Lafs
fen bald dieß, bald bag, bald im Zone
der Moraliften, Bald fchnäppifch genug,
zu tabeln , gu verbeffern , augsuftellen
wiflen.
‚ ch habe ed lange auf meinem Herz
gen, und ich muß es num einmal wegha⸗
ben — Ich bin nicht fo gluͤcklich, die bes,
wundernswuͤrdigen Schriftfielerinnen von
Derfon gu kennen: aber ich :getraue mir
beinahe meine Ehre zu vermetten, daß Sie
beide weder jung,’ noch fchön find; und
daß ihr Schriftfiellerberuf ungefähr eben
daher koͤmmt, moher die Sonderlichteit
des Anpuges bei fo manchem Mädchen
ober Weibe ihren Urfprung bat. Da dieſe
Durch ihre Geftalt die Aufmerffamfeit der
- Männer nicht an fich ziehen koͤnnen, fo
fol Ihnen die in die Augen fallende Klei⸗
dung den wichtigen Dienft leiften — Das
wird, denfe ich auch Eie auf ben verzwei⸗
felten Entfchluß gebracht haben, Schrift:
flellerinnen gumerden, damit Sie nicht fo
gang unbemerkt, durch dag Leben hin
ſchlei⸗
Therefie und Eleonore. 333
fhleichen, und ihren Lauf vollenden moͤch⸗
ten, ohne von der Welt vermißt gu wer⸗
den — Geftehen fie e8! habe ich nicht da
einen Bug ihres ‚Herzens mehr entfaltet,
als es Ihnen lieb ift? Wenigſtens iſt der
Weg, den Sie ergreifen, bie berrfchenbe
Neigung unfers Gefchlecht® zu befriedigen,
wenigfteng if er neu , und bringt ihrer
Erfindfamfeit Ehre. Bringt er Re aber auch
ihrem Herzen? „,
„ Ih will Ihnen ein Gefchichtchen
erzählen : Sie pflegen ihre Leferinnen
auch zumellen mit dergleichen zu unterhals
ten— Sin einer gewiſſen Stadt lebten zwo
Schweſtern von gang verfchledener Art,
Die eine war immer die erfte, alle neuen
Trachten mitzumachen, und oft wohl gar
zu erfinden. - Ihre Kleider vom erſten Ge⸗
ſchmacke waren unterfcheidend zierlich: fie
frug felten ein Halstuch , oder nur vom
durchfichtigften Zeuge, einen groffen Blu⸗
menftrauß vor dem Bufen, hohes Kopfjeug
auf den gethirmten Haaren. In Gefells
- fchaften warf fie immer Ihre Augen frey -
um fich, fprach fo laut, daß ihre Stimme
unter geben bervorfchallte, hupfte, fang,
teillerte: mit einem Worte, that alles,
IV, Tpeil 3 was
354 Thereſie und Eleonore.
wo. *) thut — Die Schweſter
war gang das Gegentheil. Ihre Kleider
waren vom großbluͤmichten Stoffe , mit
Haͤuſern und ganzen Bäumen darauf, vote
die Brauffleider unfrer Ururmuͤtter, wie
man noch hie und dort Leberbleibfel an
‚ Traghimmeln , oder Belpermänteln an:
trifft, und diefe Kleider mußten fo feſt
unter: dem Halſe paffen, daß fein Läft-
chen, geſchweige dann ein Aug — Sie ver-
Reben mich, und dieſe Kleider waren mit
einem Flberbefchlagenen Gürtel feſt an ih⸗
ven Leib geguͤrtet: auf ihrem Kopfe trug
fe eine Haube , mie fie auf den Bildern
des vorigen Jahrhunderts hie und dort
gefeben haben, müffen; oder fie fchlug bie
Haare etwan in Locken, mie die Kaifering
Claudia an ihrem Trauungstage getragen
haben mag. ie redete leife, recht un:
vernehmlich leiſe, nur abgebrochen Ja!
und VNein! batte bie Augen immer an.
dem
'*) Dan hat für nothwendig erachtet, den Na⸗
men, der bier ausgefchrieben war , wegsulafs
fen. Wir Haben das Zutrauen, jeber nnfeer
Lefer und Leſerinnen werden einen willen,
Der hineinnaſſet — |
Therefie und Eleonore. 255
dem Erdboden geheftet, wie ein Mäpchen,
daB eben tigt von ben Plotredamen aus
ber Koft getreten, und das erflemal- un:
fer einer zahlreichen Geſellſchaft fich fin=
det — Es meldete fih nach der Hand ein
Freyer, der, weil er fchon fo viele Son:
nen über feinem Haupte auf und nicher
gehen gefehen, nicht mit ganzem Herzen
an den Eidſchwur am’Altare glaubte, und
ber Treue feiner künftigen Chegattinn auch
auf andre Weiſe verfichere ſeyn mollte,
Ih will, fprach er zu einen feiner
Freunde, die fittfame wählen, ich wer
de bei ihr weniger Gefahr Iaufen — —
©, fiel ihm diefer groſſer Kenner des weib⸗
lichen Geſchlechts ein, das iſt gleich viel,
welche fie wählen: die eine zieht die
Augen ‚durch ihre Srepbeit, und die
andre durch ihre ſcheinbare Sittfam-
keit an ſich. Die eine hat die Eitelkeit
einer Kokette, die andere die Eitelkeit
einer Beate — |
f,, Und Sie, meine guten Schmeftern — .
denn nun koͤmmt bie Nutzanwendung ber
Erzählung — Sie haben die Kitelkeit ver
Schriftfteller ; und im Grunde iſt diefe ebene
falls von dem Gefchlechte ber Töchter Eveng,
32 und
356 Thereſie und Eleonore.
und will nichts anders ſagen, als ihr
Wanner , was Läuft ihr nach die
fen Mädchen und Weibern , die nichte _
andere find, als Spieltbiere, für das
Aug, die Sinnen bloß gefchaffen , die
euch Fein vernünftig Wort zu fagen,
von nichts welter ale einem Xleide,
einem Bande, einem Balle, einer Schlit⸗
tenfabrt , oder ihrer Flachbarinn zu
ſchwätzen wiflenY Sebet da an unfern
Schriften eine Probe, was ihr bei uns
zu erwarten baben werdet, wo ihr zu
uns euch wendet! ſeht da, Geiſt! Wig!
Kopf ! etwas für den Derftand!,,
- Ja! werden die Männer antworten,
daß ift vortrefflich ausgedacht, uleich
als wäre es uns bei dem weiblichen
Geſchlechte um Verſtand zu thun ? gleich
als wollten wir Yofmeifterinnen bes
fprecben, und nicht Geliebte wablen
und fo weiter!
„ Sa, meine vortreffiichen Kinder —
fo werden die Männer antworten, und ,
ihr werdet erfahren , daß ihr euch mit.
aller eurer. tiefen Weisheit buch geirret
habet/ da ihr glaubtet: ihr wuͤrdet durch
die⸗
Therefie und Eleonore. 357
dieſes Mittel Auffehen machen, und viel⸗
leicht in unſern Geſellſchaften eine Wuͤſte
und Leere zuwege bringen — Man ſieht
wohl, daß man aus ihren Buͤchern einen
‚guten Vorrath von veräfteten Sittenſpru—
hen, von Grundſaͤtzen, die ganz abſcheu⸗
lich ſchoͤn ſeyn mögen, aber niemand aus⸗
zuuͤben verlangt, daß man einen ſtar—
ken Vorrath davon beilegen, aber Welt,
und das fuͤr uns ſo nothwendige Kennt⸗
niß des maͤnnlichen Geſchlechts ſich nim⸗
mer mehr erwerben kann — Sie kommen
uns mit ihren Vernuͤnfteleyen uͤber dieſes
und jenes vor, wie die heutigen Agrono⸗—
men: auf dem Papiere, da macht ſo ein
Plaudrer die ſchoͤnſten Entwürfe : aber
wenn ihm ein Bauer fagte: da gerr, ſteht
ser Pflug, akert ein wenig! fo würde
das Mitglied von zehn Agrikultursſocitaͤ⸗
‚ten fehr in Berlegenheit gerathen *) Ich
soil mir eher fünf Anbeter erfafeln, als
33 : Sie
°) Hier hatte die verfaſſerinn ein anderes
Gleichniß, welches ich, da es mir nicht dem
Orte angemeſſen ſchien, nah der mir ein⸗
geräumten Freyheit herauswarf und dafür
dieſes hinſette.
Der 8erausgeb.
358 Iherefie und Fleonore.
Sie fih nur einen Geſellſchafter erſchrei⸗
ben werden — „
Nun unfre Leferinnen! haben Eie nicht
ein Bißchen ber Derfaflerinn dieſes Brier
fes beigeftimmet? haben Sie nicht In ihren
Herzen eine heimliche Sreube empfunden,
daß fich jemand gemaget , dasjenige zu
fchreiben, was Sie vielleicht ſchon lange bei
ſich gedacht, und nur nicht Muth genung
‚hatten, ung unter dag Geficht zu fagen ? —
Mäfligen Sie ihre Freude! der Brief ik
nicht eingelaufen: wir haben ung nur an
die Stelle gemwiffer unberufenen Kunſtrich⸗
terinnen gefegt, und ung das Vergnügen
‚gemacht, in ihre Seele zu denken.
Diefe gewiffen Perſonen können es frey⸗
lich nicht begreifen, mie es möglich feyn
foll, etwas anders, als eine feine Haut,
‚ein munteres Aug, einen Eleinen rubin-
farben Mund, ein rundes Kinn, ein Grüßs
‚hen an dem Backen, und ein anders neben
bem Munde, einen weiffen Hals, und eine
Hand, welche die Sonne noch nie beſchie⸗
nen hat, ſchoͤn und anziehend gu finden.
Fuͤr fie ift es freylich ein Raͤthſel, wie
ein Mädchen den traurigen Entfchluß faſ⸗
ſen, und etwas mehr als einen Roman,
der
‚Therefie und Eleonore. 359
der aber nicht über ſiugerdick feyn darf,
kefen, und — ſo gar fehreiben könne! —
Weil ſich nun aber dennoch zwey Gefchöpfe -
von einem fo abentheuerlichen Geſchmacke
bervorgethan, bie ſchon wirflich acht und
zwunzig Stücke niedergefährieben, und ang
den gewählten Auffchriften haben wahr⸗
nehmen laflen, daß fie mit Lafling, Gel⸗
lert, Kleift, Bleim, Wieland, Zacherid,
Weiße, Uz, und anderen guten beutfchen
Dichtern, und Schriftftellern befannt find ;
fie aber Freundinnen! — aus dem Triebe
zu urtheilen, nach welchen ihre Maäfchinen
aufgezogen find — nicht anders vermuthen
fönnen, als daß mwir gu einer, in ihren
Augen mehr als ftlavenmäfligen Arbeit,
nur von einem fehr thätigen Beweggründe
angefpornet, ung werden entfchloffen has
ben: und noch einmal, nach ihnen zu
urtheilen, da über ihre trägen Sinnen
nichts fo wiel vermag , als die Begierde,
den Männern gu gefallen ; fo konnten tie
ohne erft bei einer Wahrfagerinn Nath
einzuholen, ganz leicht darauf verfallen,
was man unferem Unternehnen für. einen
Grund leihen werde.
34 Aber
369 | Thereſie und Eleonore.
Aber es ſey mir vergoͤnnt, nicht mit mei⸗
nem ganzen Geſchlechte, ſondern nur mit
dieſen gewiſſen Perſonen, die ſich hier nicht
verkennen werden, einen Vertrag zu er⸗
richten! Wir wollen das Mannsvolk, da
fie doch darin bie hoͤchſte Gluͤckſeligkeit be⸗
fiehen laffen , unter uns theilen: fie —
- follen den groffen Haufen für fid) behal⸗
ten, ber von dem weiblichen Gefchlechte
unedel genug denfet, nach dem Auge, wie
bei einer Bildfaule, oder ungefähr nad)
dem Gefieder, wie bei einem Päppchen uns
fern Werth zu beflimmen — ng aber -
ſollen fie die Pleine Zahl der Auserwaͤhl⸗
ten nicht mißgoͤnnen, die an uns den uns
- vergänglicheren Werth, einen gebildeten
Geiſt und Sitten zu ſchaͤtzen wiffen.
N. S. Man erinnere fich deſſen, was in
- der Anfıindigung gefagt worden: Ele⸗
. " onore bat einen Liebhaber — das
Betragen diefes Gefthöpfes‘ ge:
gen uns wird von einem Einfluſſe
ſeyn — Ach denke, die bife Laune
Bleonorens, die in biefem Blatfe
berrſchet, iſt — doch ich kann irren.
Thereſie.
IV.
Thereſie und Eleonore. 361
IV. |
Mit ihrem eignen Reiz zieh tuch die Tugend an!
Bo hat die Belt ein Gut, das fie belohnen
kann?
Wieland.
Fortfegung des I. Stuͤcks.
©. unterließ es, durch einige Tage,
Clarinen nach ihrer Gewohnheit zu beſu⸗
chen, und ſo oft dieſe einen Beſuch bei
ihr abzuſtatten kam, ward ſie unter ver⸗
fchiebenen , und offenbar nur gefuchten
Vorwaͤnden, zuräckgewiefen — Sreun-
dinn ! fchrieb endlich fehr verbindlich Ele: Ä
eine an fie:
Freundinn!
„Ich ſehe Sie ſchon fo lange nicht bei
mir — auch bei Ihnen macht man ed mir
ſchwer, Sie zu umarmen! — Wenn Sie
ihrer Clarine fo leicht muͤſſig geben koͤn⸗
nen, Elarine kann dag fo leicht nicht mit
Ihnen. Ich muß Sie fehen! ich muß Sie
fprehen! Was haben Sie fo wichtiges,
das dieſes Vergnügen rauben foll u
5 Ihrer Elarine. |
35 Des
362 Thereſte und Eleonore.
Der Bediente, der dieſes Handbrief⸗
chen uͤberbringen mußte, brachte auch die
Antwort wieder:
„Was haben Weiber wichtigeres, als
die Angelegenheiten ihres Herzens 2? un⸗
gluͤcklicherweiſe habe ich eine. Aber ihre
Zuruͤckhaltung gegen mich über dieſen
Punkt, zwingt mich, Ihnen ein Geheim⸗
niß daraus zu machen — Ich muß ein Ges
heimniß vor ber Freundinn meines Her⸗
zens haben! ah! — Seyn Sie zufrieden,
Clarine! Sie find in fchonenden Händen:
ihr Verluſt fol nicht der größte fegn! —
Mas habe ich da unbebachtfam hingeſchrie⸗
ben? Meine Hand ift meiner Ueberlegung
zuvorgefommen! — Hand! fen nicht ge⸗
ſchaͤftig! Clarine muß hier gu ihrer, Ruhe
unmoiffend bleiben! — Ja dag mäffen Sie,
Clarine, und werben e8! das war bie .
Urfache , warum ich einige Tage. nicht
fihtbar war. Heute aber bin ich es fuͤr
Sie: denn ich habe mich einige Stunden
von meinem Ungeftimen frey gemacht —
Erine.
Dieſer Brief machte ſeine Wirkung.
Ihr Verluſt ſoll nicht der größte feyn !—
Elarine muß zu ihrer Ruhe unwiflend
. blei⸗
Thereſie und Eleonore. 363
bleiten! — Was für ein Verluſt! bachte
Clarine: warum ja meiner Mube? mag
babe ich mit den Angelegenheiten ihres
Herzens zu fchaffen ? Ich muß dieſes Ge⸗
heimniß aufflären. Argwohn ift tauſend⸗
mal folternder ale Gewißheit — Die Ta
fet war kaum aufgehoben, fo eilt fie gu
ihrer Sreundinn. |
Der Defuch mar vorgefeben, alled war
dazu bereitet. Gie fand Erinen an ihrem
Schreibtifche , bie, fobald fie eintrat, er⸗
ſchrocken that, unb gefliffentlich langwei⸗
Üg, ein paar Briefe unter dag übrige Par
-pier binfchleifte, — Ich hatte dich ſo
frühe nicht erwartet, mein Zind! —
Habe ich dich in einer angenehmen Bes
ſchaͤftigung geflöbre ? — Im gering:
fien nicht, Clarine! ich überſah nur
meine Sausredhmungen — hausrech⸗
nungen? wobei Clarine lächelte — Zaus⸗
zechnungen v mit einem Umfchlage an
Madame — Ach! unterbrach Erine ge:
zwungenverlegen: du baft Salfenaugen!
Sun, es maren Briefe von einer Freun⸗
dinn — Laß uns auf was andere Toms -
men! und num Ienften fie zu einer gleiche
gültigen Unterrebung ein. |
- | Auf
364 Üherefie und Eleonore,
Auf dem Tiſche Tag etwas, das einem
Gehäufe uber ein Portrait , ober einem
Schreibtäfelhen ähnlich war , welches
Clarine mit unverwanbten Augen anfab.
eben als fie darnach, gleich als nad) eis
ner Sache langen wollte, womit man uns
gefähr eine muͤſſige Hand befchäftiget, zog
es Brine eilfertig hinweg. Das iſt nichte
für Sie! fprach fie mit einem froftigen
Lächeln, und wollte e8 zu fich fchieben.
Elarine gab fchergend zur Antwort: nun
wollte fie ee durchaus feben, eben weil
es nicht für fie wire; und nach einigem
Hin und Wiederreden, Dringen von’ der
einen , Weigern und Sträuben von ber
andern Seite, ſah enblih Clarine ihren
Bortheil ab , nahm «8 ihrer Sreundinn
ans ben Händen, und eilte damit einem
Senfter zu. Oeffnen Sie es nicht! ruft
Erine ihr nad, es hängt bei einem Wei:
be von ihrer Denfungsart die Glüd-
feligfeit ihres Lebens davon ab — Cla⸗
zine wuͤrde es num nur beflo gewiſſer ge⸗
öffnet haben , fie thats, ed war — das
Bild ihres Mannes. g8ymen, als das
Ebenbild Elarinene , ruft ihn zu ſich,
aber er, rößt ihn mit abgewenbetem Ge:
fi:
Therefie und Eleonore. 365
fichte von fich, gang mit einem Liebesgotte
befchäftiget, der ihm das Bildniß Eri⸗
nens , mit Blumenbändern umwunden,
vorhält, und fich feines Sieges über den
Gott der Ehe zu freuen fcheint — Clarine
fprach fein Wort; Erflaunen, Schmerz,
MWidermillen hatten ihr die Stimme ges
bunden: fie fah bald das Bild, bald ihre
Freundinn an, und fanf zuletzt kraftlos
auf das Ruhebett hin.
Sie find an diefem Verdruſſe felbft
ſchuld, hub Erine mit untergefchlagenen
Augen an. Don mir hätten Sie diefes .
unglüdliche Geheimniß nie erfahren
follen! Aber dee Ungefähr hat es fo
gewollt. - Sie find nun einmal das
Opfer ihrer Leichtgläubigfeit. Trö—
ſten Sie ih! Wie, wenn ihr Mann
auf eines von den Foftbaren Abentheu⸗
ren geratben wäre, die, wie Sie felbft
fagten , fo febr Mode findv Se ift
immer Glück dabei, da Sie von ihrem
Manne bintergangen zu werden, be—
flimmt waren , daß Sie in die Hände
einer Sreundinn gefallen find !
Clarine fand biefen - Zroft beinahe
hoͤhnend. Aber Erine fuhr fort, ihr darin
| ei⸗
vo.
r
366 Therefie und Eleonore,
eine Beruhigung zu geigen, daß die Un⸗
freue ihres Mannes ihre Freundinn zum
Gegenftande gewaͤhlet. Ich babe , fagt
fie, da ich feinen Zunstbigungen Ge
ber Hab, ganz nicht Ste binterger
ben, fondern nur ihren Gemahl zu:
rüdbalten wollen, daß er feine Liebe
nicht. irgend an eine Perfon wende,
der Elarinens Vortheil nicht, wie mir
am gerzen läge. Dieſe kleinere Un—
treue follte ihn von einem gröfleren
Sehler zurückhalten. Webrigene, ſchloß
fie, Sie find mir. wertb : ich werde
ihren vortheil zu beobachten wiflen.
Werfen Sie in diefer erfien Wallung,
den Rath einer wohlmeinenden Sreun=
Sinn nicht von ſich! güten Sie fich, ih⸗
rem Manne über feine Untreue Vorwür⸗
fe zu machen! Vorwürfe würden vergem
bene ſeyn, und den Zwang aufbeben ,
dem er fich noch itzt unterwerfen muß,
um fich vor Ihnen zu verbergen. Aber -
bier umfchloß fie Clarinen auf dag zärı
lichfie — Sie find jung , bezaubernd
fhön; man betrügt ein Weib von it
ver Geſtalt nicht ungeftraft. Sehe
Sie — da fie ihr ein > Opiegelden 90
- hielt;
Thereſie und Eleonore. 367
hielt, sb es diefen Augen fehlen kann,
Ihnen Rächer zu erweden —
Der erfie Verdruß feßte fi; endlich in
dem. ‚Herzen Elerinens. Ihre empoͤrte
Miene ward ſaufter, ihr Aug heiterer;
nur noch eine kleine Finſterniß woͤlkte
ihren Blick, von der es ungewiß war,
ob Unwillen, ob die. Begierde, ſich zu raͤ⸗
chen, diefelbe verurfachte. SErinens Ge:
mahl trat in demfelben Augenblicke ein —
Ih habe eine Zreundinn zu befuchen !
Leben Sie wohl Elarine! mein Mann
wird Sie bie zu meiner Wiederkunft
unterhalten — Er Liebt Ste — Clarinen
in dag Ohr — ich laſſe Sie mir ibm,
und überlaffe ihrer Klugheit die Sor:
ge, fih zu rächen — Immer aber,
nehmen auch Ste meinen Dortbeil ein
Bifchen in Acht, wie ich den: ihriggen,
damit ich nicht zu viel dabei verliere —
Mit diefen Worten. verließ. fie beide in ei=
nem Augenblicke, der für Clarinens Tu--
gend nicht hätte gefährlicher feyn Finnen.
Ihre Treue war nicht auf die Leber-
zeugung von der Pflicht, nicht auf bag
Selbftgefühl der Ehre, nicht auf den ei:
genen Reiz der Tugend gegründet; es ˖war
Ä | J in
368 Thereſie und Eleonore.
in ihren Augen eine abzutragende Schuld,
eine Wiedervergeltung, eine Art von Taufch
gegen die Treue ihres Semahle. Es war
fein Wunder, daß die Ungluͤckliche ſich be⸗
rechtigee hielt, fie zuruͤckzuziehen, ſobald
fie von der Untreue ihreg Gemahls verge⸗
wolffert gu feyn glaubte. Erinens Mann,
der lange ſchon nach der Gelegenheit ges
feufjet, wo er Elarinen feine Leidenfchaft
entdecken koͤnnte, machte fich die Eoftbaren
Augenblicde zu Nuß , und warf bald bie
geringe Vormauer bed Wohlſtandes, und
einer weichenden Schambaftigfeit über ben
Haufen, die feine Geliebte nur noch allein
ihm entgegen fegen konnte, ba fie bie
Pflicht nicht mehr zurückhielt. Er fiegte,
und fein Sieg mar weniger dag Werf ber
Schwachheit, ald der Rache.
Es fey mir erlaubt, ehe ich Brinene
verabfcheuungsmürdigen Betrug entbede,
einige Sragen an Clarinen zu ſtellen, gleich
als ob fie felbft zugegen wäre. Freundinn!
ihr Gemahl, den Ste für untreu halten,
was that er, als er Sie betrog? —
Clarine. Line fchändliche That —
Wohl! dag ift-fie: aber vie Schand⸗
that, wen.entehret fie? J
Clar.
Therefie und Eleonore 369
Clar. Ihn ſelbſt —
Und nun, da Sie eben das, was Sie
an ihm Schandthat nennen, nachahmen,
haben Sie uͤberdacht, daß auch Sie da⸗
durch, nur ſich ſelbſt entehren?
Clarine wuͤrbe die Augen niederſchla⸗
gen, und ſchweigen. Aber, wuͤrde ſie
endlich ausbrechen: ich vergelte gleiches
mit gleichem —
Das heißt fo viel: weil ein Menſch ‚
den Ste ihrer Hochachtung werth hielten,
ſich in ihren Augen ‚verächtlich gemacht,
fo wollen Sie in ben feinigen wieder ver⸗
ächtlich werben ; ſo wollen Sie. ſich das
Vergnuͤgen rauben, ihm überlegen zu feyn;
fo wollen Sie, daß die Melt fpreche , Sie
find ber Beleidigung werth, die er Ihnen
jugefilgt. Und haben, Sie denn bie Art
ihrer Rache überlege ? T Wollen Ste ihre
Untreue offenbar werden laſſen ? ich denfe
nicht — In diefem Salle alfo verlieren Sie
das traurige. Vergnügen ber Wieberver:
geltung, weil Ihm ihre Schwachheit unbeo
. kannt if — Oder wollten Sie, daß er
feine Befchimpfung wiſſe, fo wuͤrden Sie
gleich nem Thoren dandeln, der, als ihn
ein Voruͤbergehender ungefaͤhr mit Koth
IV, Tel. Aa be⸗
370 Thereſie und Efeonöre.
befprigte , fih an ihm zu rächen, ihn beint
Leibte faßte , und mit ihm fich in eine
Pfüge warf —
V.
Mit ihrem eignen Reiz zieh euch die Tugend anf
Wo Has die Welt ein Gut, das fie belohnen
kann?
Wieland.
Dis Bild, dieſe vermeinte Untreue
von bem Gemahle Elarinens war ein
Kunftgrieff der verfchlagenen Erine, wel⸗
chen ihr die Vertraulichkeit mit der Be⸗
trogenen leicht machte. Denn, als fie
fi einmal allein in dem Zimmer ihrer.
Freundinn befand, hatte fie das’ Portrait
dieſes Mannes, ben fie fo ſehr untreu gu
‚machen wuͤnſchte, von dem Handbändchen
Clarinens abgeloͤſt, durch einen geſchickten
Kuͤnſtler ven Kopf eilends kopiren laſſen,
und war gluͤcklich genug, alles wieder uns
bemerkt an Ort und Stelle gu bringen,
Das übrige war nun leicht hinzugethan.
zu der Figur Gymens gab fie das Por-
trait Clarinens, welches fie che von ihre
ſelbſt empfangen hatte‘, und bie ganze be⸗
eidisende Gruppe ward dem Kuͤnſtler von
F ihr
<fierefie und Eleonore. 375
ihr angegeben — Aber ih will die Gw
fhichte zu Ende bringen. |
Erine war nun, fo fehr fie konnte, der
Liebe Ihres Mannes befoͤrderlich. Durch
dieſes Mittel wenbetefte feine Aufmerkſam⸗
feit von ihrer eigenen Aufführung ab, und
fonnte defto ungeftährter ihre Abſicht hin⸗
aus führen. Site gab gar bald den allge⸗
meinen Höflichfeiten, die Elarinens Ges
mahl ihr zu erweiſen, nicht Umgang neh⸗
men fonnte, eine Auslegung , die gu einer
näheren Dertraulichfeit einleitete — Es
fcheint mir , daß e8 einem Manne ſehr
fchwer fallen foQ , zu entfommen, wenn
ein Weib einmal ihn gu befiten , und von
ihrer Seite die erften Schritte gu thun, ente
ſchloſſen iſt. Die Höflichkeiten, zu-swele
hen die Männer gegen unfer Geſchlecht
verbunden find , nehmen leicht eine Wen⸗
bung an, die man ihnen geben will. Ein
ertiger Mann hat dann das Herz nicht,
dem erjroungenen Verflande, fo man in’
feine Worte zu legen, fir gut befand, zu
solderfprechen: er wird bis auf bie Haͤlf⸗
te des Weges, wenn ich fo fagen darf,
.geführet , und ich babe gehört, wann
die Halbfcheld des Weges einmal hinters
| Aa2 legt
372 Thereſie nnd Eleonore,
legt iſt, ſeyn die Männer Feine Gefchd-
pfe, frenmwillig mieber umzufehren, mon der
Begenftand nur ein wenig der leichten Mühe
werth zu feyn ſcheint, die fie fich noch zw
geben haben.
Prine hatte einmal die Eroberung dies
ſes Mannes befchloffen. Ich habe es fchon
gefagt , fie burfte noch Foderungen ma⸗
chen , und fie hatte ein untrüägliches Mit»
tel, wenn, wider Bermutben, der Mann
eigenfinnig fenn follte. Der Fall ereignete
fih wirklich, daß fie dieſes Mittel zur
Hand nehmen mußte — Woarbaftig !
fagte fie einmal, als er von ihr in bie
Enge getrieben, und es unmittelbar noth⸗
wendig war, entweber fie zu verachten,
oder eine geltende Urſache anzuführen ,
warum er gegen fo vielen Reiz unempfind-
lich fenn mußte, wahrhaftig! Sie find
3u bedauren! Sie fchlafen auf.die Treue
ihrer theuren gälfte vubig und zuver⸗
ſichtlich ein, Eh! wiflen Sie denn nicht,
daß die Zeiten vorüber find , wo die
Weiber auf die Gausebre hielten , und
fich mit ihrer eblichen Tugend breit
machten — das ihrige weis befler, was
Ihnen Ehre machen kann! Gewiß, ihr
| Ge⸗
Thereſie und Eleonore. 378
Geſchmack müßte ganz fonderbar feyn,
wenn ihre Stau nur Ihnen gefallen foll-
te — Aber in der That! was für eine
Soderung ! ein wohlgeflaltetes Weib zu
haben, und 3u glauben, daß niemand ale
ihr gefegter Eheherr Augen babe , die:
fes zu bemerfen, niemand einen Mund,
es ihr zu fagen! — und, feste fie mit
einem böhnenden Tone hinzu, die Pene⸗
lope auch Feine Ohren, es anzuhde
sen! —
Diefe Spötteren leitete nothwendig
auf weitere Erklärungen. Nun! fuhr
Erine fort, als man in fie drang, zufa=
gen, was fie zu folchem beiffenden Scherze
berechtigte: nun! die Männer find doch
immer die legten, von den Liebeshän=
deln ihrer Weiber etwas zu wiflen:
und daran thun fie auch ſehr weislich,
fie würden fonft unhöflich genug ſeyn,
fie daran zu hindern — Clarine alfo,
nicht wahr Elarine — Hier hielt fie mit
einmal inne, und betrachtete ihren Gelieb⸗
ten — Klein! ich werde mich wohl hü⸗
ten, fortzufahren, fo lange Sie diefen
Blick nicht ablegen , der ihrer Frau
Dervorife, Vorwürfe, und, was weis
Aaz3 ich,
374 Thereſie und Eleonore.
ich, was noch alles droht — Sie fine
ein junger, unerfahrner Ehmann: ich
muß mich ihrer erbarmen, und Sie ein
wenig in die Karte ſehen Laflen —
Wollen fie den Liferfüchtigen machen +
was wird es nügenY iſt Ihnen Ele:
zine unteren , fo iſt es zu fpae: iſt fie
es nicht, fo’ iſt es zu früb. Kin Bifer:
füchtiger gewinnt mehr nicht, als daß
er dem Liebhaber feines Weibes und
ihr ſelbſt die Sreude ſchmackhafter ma—
chet, und das Vergnügen der Liebe
durch das Vergnügen ihn zu verlachen,
vergreöflere. Sin heutiger Ehemann
muß ein Philofopb feyn! das Uebel
feben, und fiche nicht merken laſſen —
Aber ich bin wohl eine gutartige VUaͤr⸗
zinn mit meiner Lebre da! willen Ste!
daß es gar nicht artig läßt, vor einem
Weibe, die felbfi auf Reize Anſprüche
mache, den Eiferſüchtigen gegen feine
Srau zu fpielen — Ein ganz nicht zwey⸗
deutiger Blick fagte ihm dag Lebrige —
Ste follen! mich rächen , gnädige
Srau! aber laſſen Sie mich wenigſtens
wiflen, an wen Y $Brinen war baranye-
legen, aller wechfelfeitigen Erflärung zwi⸗
ſchen
Therefie und Eleonore, 375.
fhen Elarinen und ihrem Gemahle vor:
jufommen, wenn ihre Mifcheren verbor-
gen bleiben follte. In diefer Abficht Hatte
fie Elerinen zum Schweigen überredet,
und in biefer Abficht. foberte fie auch von
ihm die Geheimhaltung. Er verfprach
es ihr: und nun machte fie ihn auf
die Uemfigfeit ihres Mannes , auf alle
Schritte, auf alle Gelegenheiten aufmerf-
ſam, melche auf dad Betragen Elerinens
ein fo helles Licht warfen, daß ihm fein
Zweifel mehr übrig blieb.
Er tröftete fi mit Erinen, bie ihm
glauben machte , daß fie buch ihn auch
die Untreue ihres Gemahls räche, welche
- fie durch fo kuͤnſtliche Raͤnke doch ſelbſt
veranlaffer hatte.
Sch habe biefe Geſchichte von einer-
werthen Sreundinn, deren Einficht dag ver⸗
fhmigte Weib nicht betrog. Sie empfahl
mir diefelbe durch einen Brief, vol Bes
trachtungen über bie Begebenheit Clari⸗
nens, mit welchem ich befchläffen will.
Schaͤtzbarſte Freundinn!
„Die Untreue der Weiber iſt nicht im⸗
mer die Folge ihres aͤuſſerſten Verderbniſ—⸗
ſes: Clarinens Geſchichte, wozu ich Ihnen
ag ei⸗
376 Thereſie und Eleonore,
einen Fleinen Grundriß beilege, If ein
neuer Beweis davon: trauriger Beweis!
der zu gleich fchläffen läßt, daß ihre Treue
auch nicht immer dag Werk ihrer Tugend
iſt. Die unbefleckte Ehre ift ihre Pflicht:
aber man kann, .und fol die Pflicht auch
aus Tugend ausuͤben! Es iſt ein Irrthum,
den man den Mädchen von Jugend einpraͤ⸗
get, daß fie die Treue ihren Fünfigen
Gatten fchulbig find. Stein, liebe Kinder!
Die Treue in der Ehe, befteht in einer un⸗
befleckten Ehre, in der Reinigkeit der Sit⸗
ten, und diefe ſeyd ihr euch ſelbſt, feyb
ihr euch am meiften fchuldig. „,
„3 Wie fehr iſt Elarine zu bebauren!
Mit fo vielen Gaben der Natur und Erzie⸗
bung vorbereitet, wuͤrde fie tugendhaft ges
weſen feyn, wenn fie den wahren Begriff
der Tugend gefennet haͤtte. Aber man fagte
ihr: ihr fepd Eheleute: eure Pflichten
find wechfelweife — So fpricht ein zank⸗
füchtiger Rechtsgelehrter, ber fich freuet,
einen Vorwand fich vorzubehalten , eine:
Merbindlichkeit aufzuheben, die ihn drücket.
Die Tugend fpricht : wenn der Gatte feine
Pflicht nicht erfüllet, fo. ſaget dich dieß
von der deinigen nicht Ios — Wenn
el:
Pi
Iherefie und Eleonore. 377
eltern die Pflicht, bie fie ihrem Kinde
ſchuldig find, nicht erfüllten , wird man
. barum die Kinder weniger undankbar, Ie-
fierhaft nennen, die fich dadurch berechti-
get hielten, ihnen mit Verachtung zu bes
gegnen? — „, "
„ I glaube, dag Miittel, bie Tugend
unter allen Ständen, in allen Korfallen-
beiten feft zu fegen, iſt, ihren unerborge
ten Reiz in ein helles Licht zu bringen, ung
von ihrem eigenen Werthe zu uͤberzeigen,
und den Grundſatz in die Seele der Su:
gend, in die Seele aller Menfchen unaugs
loͤſchlich zu prägen: daß die Tugend auch
in einer zütte groß, auch im Klende
glüdlich macht; daß Feine Beleidigung
ihre Schönheit verunflalten ‚ Tein Dorz
wand irgend einem Laſter feine Abs
ſcheulichkeit benehmen Zann.
„Aber, was fagen Sie, Freundinn,
su Erinen? ich glaube, ihr gütiges, fanf-
tes Herz heiße Sie zur Ehre der Men
(hen, und unferg Geſchlechtes zweifeln,
ob es eine Perſon mit einer ſo niedertraͤch⸗
tigen Denkungsart geben koͤnne — Ich
wuͤnſche es mit Ihnen, daß wir zu die⸗
ſer haͤßlichen Abſchilderung nirgend ein Ur⸗
Mas bilb
⸗
378 Thereſie und Eleonore.
bild antraͤfen! Aber, wenn ich Sie nun
auf meine Ehre verſichere, daß es mehr
als eine Erine giebt, die auf die ſchaͤnd⸗
lichſte und hinterliſtigſte Art ber unbehuts
famen . Empfindlichkeit Schlingen legen ?
daß biefe Erine, die, um zu ihrem Ende.
zwecke zu gelangen, erft ein getreued Weib,
dem Abgrunde zuführte, Feine erdichtete
Perſon ift? Sie werben über die Gefahr,
der die Tugend ausgefeßt fe, ſeufzen,
wie
ihre Freundinn Cecilie.
7
vL
Sieh, wie der Heife Ernſt, der ekle Zwanz,
Die dumme Dürftigkeit , die nichts begehrt,
Als was fie Hat, der Vater Rauhigkeit
Und grobe Sitten ſich geändert hat.
Befreyung von Theben.
Di Alten Iobten die Zeiten ihrer Ju⸗
gend , bie Jugend ſchilt die Zeiten, die
vor ihrer Geburt hergiengen. Die erſtern
ſind fuͤr das, was ſie genoſſen haben, die
ietztere iſt für daß, was fie genieſſen will.
Wie wir es unſern Großaͤltern machen,
Beine | | f
Therefie und Eleonore. 379
fo haben fie es den ihrigen gemacht, und
unfre Enkeln werben e8 und auf eben
diefe Weiſe vergelten. Diefer Krieg ift fo
alt, ald dag Menfchengefchlecht: und nad)
einer gewiſſen verjährten Sage, wußte Kva
fhon fehr vieled dagegen einzumenden ,
daß Banana, ihre Späterentelinn, fich
die ſchoͤnen langen Haare geflochten, und
in einen Bund aufgefteckt hat. Die Welt
verfchlimmert fich mit jedem Befchlech" -
te, fpradh-fie zu Adam, die Menſchen⸗
töchter tragen foger geflochrene Yaaz
re — Die Ueppichteitspuppen trugen
ſogar blofie salfe, fagt eine Eva unfrer
Zeiten, weil ihre Zeit, den Hals bloß zu
fragen, vorüber if.
Man fagt, es babe fich-in der Unter:
welt zwiſchen Thusnelden, und der nicht
lange verflorbenen Serzoginn ... ein
beftiger Streit entfponnen, der die Auf⸗
merffamfeit des ganzen Bliffums an ſich
gezogen, und zuletzt big vor die Verſamm⸗
lung der Götter gebrungen wäre, Die
Zaͤnkerey diefer Weiber hätte für die Stille
des ruhigen Elifiums zu gefährlich wer:
den fönnen: daher ward im Olimp bes
fhloffen , Merkurn an fie abzuſenden,
da⸗
go Therefie und Efeonore.
damit er ihre beidfeitigen Gründe und
Beſchwerden aufnehmen, und dem oberen
Rathe zur Entfcheibung vorlegen koͤnnte.
Merkur verrichtete feinen Auftrag, hörte
die beiden Streitenden ab, und legte der
Goͤtterſchaar darüber ein Protokoll vor,
baven man fo gluͤcklich war, die erſte
Si tzung In Abfchrife zu erhalten.
Den 13. des Monats Thargelion.
„> Nachdem dem Goͤtterrathe bie Streit:
tigfeiten gu Ohren gekommen, bie ſich zwi⸗
fchen Thuenelden, der Sirflinn. der Wat
ten, und der Serzoginn +... . über ben
Vorzug ihrer Zeiten geäuffert bat, und
biefe Streitigkeiten fehr das Anſehen hate
fen, auf eine langwierige Spaltung bes
plutonifchen Reiche hinauszulaufen , bin
ich Merkur befehliget worben , die Ber
fihwerden und Gegenbefchwerben zu ver⸗
nehmen , und bieräber vor der hellglaͤn⸗
genden Verſammlung ber Götter unpar:
theyifchen Bericht abzuftatten. In biefer
Abficht babe ich fogleich meine geflügelten
Halbſtiefeln angezogen, und meine Nechte
mit dem Schlangenftabe bewaffnet: und,
nachdem ich meinen erfien Ausflug auf bie
. Spi⸗
Thereſie und Eleonore, 384
Spitze des Piko di Teneriffa genommen,
kam ich von da mit unausgeſetztem Fluge
‚an der Pforte des Erebus, den ih, fo
fehr ih Merkur bin, nicht ohne Schau
bern durchwandert. Enblich bin ich in
bem Eite ber glüdlichen Seelen ange⸗
langer — Hier fand ich alled in Bewer
gung, wovon ich die Urfache ganz Teiche
einfah; und, um fernerer Unordnung vor⸗
zubeugen, durch Stentorn, ”) den ich
zu diefem Ende eigens .mit mir hergebracht,
bie flreitenden Prinzeffinnen vor mich Ta=
den lief. „,
„ Sie famen, Thuonelde zuerſt, in
"Ihrer einförmigen Kleidung, ohne ander®
Gefolg, als eine Magd, auf die fie fich
"vertraulich Ichnte. Bald daranf erfchien
auch die Hergoginn , auf dag foftbarfte
angethan, von einem Kammerdiener des
führet , der nicht über achtzehn Jahre,
und in ihren Augen eben fo viel zu bedeu-
ten haben mochte,. als Gebe in den Augen
unferd Zevs. Ihre Kleidung fchleppte
u | weit
*) Ein Ausrufer beim Somer , der fo ſehr
ſchreyen Eonnte, dag frin Namen ein Aus⸗
druck, einen Schreyhals zu bezeichnen, ge⸗
blieben it —
282 Thereſie und Efeonore.
weit hinter ihr auf der Erde, und. fegte
den Boden, baß fih eine Staubmwolfe da:
von erhub. Aber als fie näher kamen,
hub der eine ihrer Begleiter das Aeuſſer⸗
fie ihres Kleides empor , und trug es auf
folche Weife hinter ihr ber. Ein Haufe
von Bedienten folgte ihr nach, alle wohl
gebauet, mit breiten Schultern, flarfen
Waden, jung, und gut genährt. Als
beide Damen einander im Gefichte flan-
den , drückte jebe Ihren Widermillen ge⸗
gen die andre auf verfchiedene Art aus.
Die altdeutfche Fürftinn fah mit ernſthaf⸗
tem Widermwillen auf ihre Gegnerinn, und
wendete von ihr fchnel des Geficht ab.
Die gerzoginn bingegen maß Thuenel-
den von Kopf bis zu den Züffen mit einem
verächtlichen, bemitleidenden Blicke. Man
ſah deutlich, daß die erftere unwillig war,
die andere fpottete. 4
„ Prinzeffinnen ,. hub ich darauf an,
der Bötterrath bat mich abgeorönet, -
ibre Streitigkeiten beizulegen , und,
‚wenn es möglich ift , fie miteinander
zu vergleichen, denn ihr Zwift iſt dem
ganzen Elyſium Uergernif. Aber da-
mit alles ordentlich vor ſich gebe, fo
| eve
Therefie und Eleonore. , 383.
erſuche ich Sie — ich glaubte nicht, dem
Unfehen eines Richters etwas vergeben zu
haben, wenn ich gegen das fchöne. Ger
Schlecht die Sprache der Höflichkeit brauch-
te — mir den Urſprung Ihres Streites
auf das Türzefle vorzutragen,, auch
übrigens auf dasjenige, was ich etwan
fragen möchte , Befcheid zu geben.
Thusnelde ! fügen Sie mir, wie fieng
fih ihre Uneinigkeit an „
Thusnelde. „, Diefed Weib, bie nicht
lange in unfern Gegenden angelanget ift,
nennte ſich eine Herzoginn der Deutfchen,
und ließ, ehe fie noch anfam, durch ei⸗
nen Abgeordneten , die erſte Stelle unter
ung verlangen. Man befchied ihn, in der
Unterwelt höre aller Rang auf; hier waͤ⸗
ren die Gemeinen und Fürftinnen gleich ;
nur die Tugend gäbe einen, von allen frey:
willig erfannten, uub gerne eingeraumten
Borsug. Der Abgeordnete fchüttelte den
Kopf, als ſchien er fuͤr feine Fran auf
diefes Bedingniß nicht eben den erſten Plaß
zu hoffen. Die ganze Gefellfchaft war bes
gierig, ben vangfüchtigen Schatten zu er=
blifen. Er fam in eben biefem fonder-
baren Anpuße, Merkur, wie du ihn hier
vor
384 Thereſie und Eleonore,
sor bir erblickeſt, mit einem Reifrocke,
der zwifchen den Gefträuchen, welche die
Felder diefes feligen Aufenthalts anmuthig
machen, nur mit Mühe und Angft hindurch
kriechen fonnte, und Ihrem ganzen Wuchfe
ein recht abentbeuerliches Anfeben gab..
Ihre Haare waren rückwärts empor ge⸗
fchlagen,, und an beiden Seiten in Klum:
pen sufamgerollet; an der Stirne flunden
fie in eine unebenmäflige Höhe gethuͤrmet
empor. Ob fie gleich fo gut als jede andre
von und tobt war, fo hatte fie dennoch)
nicht die blaffe Farbe, welche bie Entfeer
lung über unfre Gefichter zu verbreiten
‚pfleget ; fie mar, weis wie Kalk, und
roth, wie der Purpur, den ich in meinem
Leben. auf der Obermwelt zu tragen pflegte.
Kaum daß fie im Etande war, zu gehen, :
und fi) auf ihren Züffen zu halten; fie
hatte ihres Führers hoͤchſt nothwendig,
und als ich nach ber Urfache ſah, fand ich,
daß ihre Füffe. zu dem Leibe gang nicht im
Verhältniffe ftunden , und durch eine Art
von Schuhe auf eine recht jämmerliche Art
sufammgepreffet waren — Eie war faum
unter uns angelanget, als fie fich auf die
Nafenfige, welche hie und dort: errichtet
find,
Thereſie und Eleonore, 385
find, ntederwarf, und einen Sad von eis
nem aus ihren Gefolge reichen ließ, ben
fie auf ihrem Schoofle Hinbreitete. Sie _
öffnete den Sad, und that nichts anderg,
als daß fie glänzende Fäden zwiſchen ihren u
Singern bin und ber wälzte, und mit einer
ſteifen Miene uns übrigen Schatten, die
wir ung, bald auf biefe, bald auf jene
Art befchäftigen, zuſah. Die fonderbare
Aufführung der neuen Ankoͤmmlinginn zog
gar bald um fie einen Kreis zufamm, wor⸗
unter ich mich felbft befand. Sieh Thus⸗
‚nelde! fprady ein nachbarlicher Schatten
u mir, diefe fonderbare Perfon iſt aus
deiner Verwandtſchaft — Unmoͤglich,
gab ich zur Antwort, ich erfenne fein ein⸗
siged Merkmal meines Gefchlehte. Ich
ſprach nod) eben bie letzten Worte, als
.. fi eine Anzahl männlicher. Schatten her⸗
beifand , mit welchen dieſes Weib Im er⸗
ſten Augenblicke fo vertraulich that, als
waͤre ihre Befanntfchaft von jeher. Sie
Ichnte fich bald auf das freyefte auf den:
einen , ließ fih von dem andern etwas
in die Ohren fliſtern, und flifterfte ihm
ſogleich zuräcde ,„ aͤugelte mit einem
dritten , und mußte jedem in bie Reihe
IV. Theil, 9b et⸗
386 Therefie und Eleonore,
etwas gu thun, zu fagen, zu eigen, bag
ihre dringende Aemſigkeit, mit welcher fie
um fie bemühet waren, zu belohnen fchien.
Da der Schatten, ber mir Anfangs Ihre
Verwandtſchaft vorgeworfen Batte, noch
immer gegen mich fortfuhr, fo wollte ich
ihn enhlich feiner unbiligen Muthmaſſung
überführen. Ach näherte mich der Unbe⸗
fonnenen, und fragte fie auf bag verbind⸗
lichfte um Ihren Stanb, ihre Herkunft. „
Die Serzoginn. „ Unb ich gab zur
Antwort : ich fen aus dem rubmvollen
Gefchlechte der Fürften -... entfproffen.
Wie die Gipfel ner hoͤchſten Berge fich in
den Wolfen verlieren, fo verliert fich der
Adel meines Haufes in dem Alterthume,
und meine Ahnen fleigen big am die Ser=
manne jurüde —
Thusnelde. „, Das ſagteſt du: aber
hatte ich, o Merkur, nicht Grund, ihren
Reden keinen Glauben beizumeſſen, da ich
an ihr nicht die geringſte Spur von den
Sitten meines Geſchlechtes, nicht die ge⸗
ringſte Spur von den Sitten der Deut⸗
ſchen wahrnahm, die ſelbſt unſre Feinde,
die Roͤmer, zu bewundern, nicht Umgang
nehmen konnten ? — Dieſes ſagte ich ihr,
und
Therefie. und Eleonore. 387
und zog ihr Vorgeben, wie wohl auf eine
ganz beſcheidene Art, in Zweifel. Es iſt
nicht moͤglich, daß unſre Enkeln ſo ſehr
von den Sitten und Gewohnheiten ihrer
Vorfahren abgewichen ſeyn ſollten, daß
ich fie gang zu vetkennen, geroungen
wäre
Die. Herzoginn. „, Wir find von den
geöberen Sitten unfrer Vorfahren abge⸗
soichen , und haben ang verfeinert — gab
ich zur Antwort — Und id) bin uͤberzengt,
Thusnelde felbft, wenn fie zugegen waͤ⸗
De
Theme, ” Bun ich war es, und
ſagte es ihr — |
D v I J.
Der leere Franzmann pfeift und ſchneidet ta⸗
briolen,
Der romiſche Kaſtrate fingt,
Der Britte laßt am Strang ſich iltons Zeus
fel holen /
Der Deutſche was thut der 7 er trinkt!
Weiſſe.
Dos doch die Schriftſteller und Dichter
fo unabſoͤnderlich an der alten Sage kle⸗
ben bleiben, und immer einer den anbern
Bba wie⸗
390 <herefie und Efeonore.
ken , ba bie andre rudmärts eine volle
Geldboͤrſe in die Höhe hält; wornach ein
bejaͤhrtes Weib Ianget, die mit dem halb
vor den Mund gelegten Finger und einem
nad) der halhoffenſtehenden Tafche ‚bes
Mannes gewendeten lächelnden Blicke zu
erkennen giebt, woher diefed Geld ger
kommen fen. Auf dem Tiiche liegen Uhren,
Dofen „ und andre Eoftbare Gefchmeibe,
auf welche die Buhlerinn ihre Augen fleif
beftet. Der Liebhaber figt indeffen vor
Liebe trunken, feinen Blick gegen das An⸗
geſicht des Weibes gekehrt, und haͤlt mit
der Linken ſorglos einen Becher vor fi
enpor. Ich habe an biefer Vorſtellung
beſonders nach den Einfall des Malers
finureich gefunden, daß er unter den Tiſch
einen Affen, mis Knabenkleidern angetban,
Binfeget, der dem ganz gefühllofen Liebha⸗
ber die Schuhſchrallen auslaͤſt. Die fil⸗
zsichte Raubſucht diefer Harpyen könnte mit
feinem ausdruckvollerem Zuge bezeichnet
werben.
Es iſt Zeit, daß Deutſchland fick ſelbſt
uzn adeln anfängt, und dieſe gemeine, poͤ⸗
belhafte, wohlfeile Untugend des Trunkes,
gegen ei und Fafkkanene Laßer zu ver⸗
tau⸗
Therefie und, Eleonsre. 39:
sanfchen anfängt. Wir waren fange ge⸗
nug ber Spott ber Nationen, und bie
ſchon feit ihres guoften Ludwigs bis auf
dte hoͤchſte Stufe der Artigfeit geftiegenen
Sraugofen hielten lange genug. die beiben
Wörter dumm und bewefdh, für gleich⸗
bedeutend. Sure Sitten, fprachen Sie,
mie denen ihr .euch fo viel wiffer, find '
niche Sie Selgen eurer Tugend , fie
find Sie Wirkung eurer natürlichen lin»
witigkeit. Ihr feyb nicht fein genug,
Lafer zu begehen , welche verſchla⸗
genheit, Verbindung, Kunfigriffe, Ente
ſchloſſenheit und Beharrlichkeit, welche
Entwürfe zur Unternehmung, Kriegs⸗
liſten in der KAusführung fodern! 88re
men unter euch von den. ſeltnen Strei⸗
Gern, die die fransöfifche Galanterie
von einem Ende der Erde bie zu dem
andern berühmt, und felbfl dem Serail
des Großtütken zum einzigen Mufter
vemacht habene 888t man unter euch
vom fo fein henterführten Ehemaͤnnern,
‚von fo praͤchtigen, und ruhmvollen Un⸗
treuen, von fo glücklichen ale kühnen
Entehrungen der Lamilien, wovon man
dei uns täglich, nicht unter der Blü⸗
| Bb 4 the
392 Thereſie und Eleonore.
tbe und Bhre der Nation, dem Adel nur,
felbft unter dem saufen der gemeinern
Bürger tägliche Beiſpiele aufweifen .
: Fanny Sat ein ſchwerfälliger, bedachts
famer Deutfcher das Herz, fich unter
den gelden Cytherenso durch feine und
der Seinigen Zugrundrichtung eine
Bildfäule zu verdienen Y Bei uns ges
hören alle diefe Sachen zum Tone der
artigen Gefellichaft. Wern, man mit
etwas Rubm in. die Welt eintreten
will, fo muß man vorher fein Meiſter⸗
fü in dieſer Gattung abgeleget ha⸗
ben: und alles mit einem Worte zu
fagen: wir haben foger Lehrbücher da⸗
rüber, da der Deutfche nur feine ver⸗
altete Tugend in Spfteme bringt.
Man fol ung diefe Vorwuͤrfe nicht
länger machen. Der Augenblick fcheint ge=
fommen zu feyn, da mir, nicht nur unter
den polisirten Voͤlkern einen Rang bes
baupten, ba wir vielleicht bald mit Unter⸗
fheidbung das Haupt emporheben , und
ihnen den Vorzug ſtreitig gu machen, fähig
feyn werden. So eilen mir mit groffen
Schritten der Bollfommenheit zu. Die
Beweiſe durch Thatſachen überführen weit
mehr
Therefi e und Efeonore. 393
mehr als trockne Schluͤſe. Man laſſe die
Artigſten aus der artigſten Nation dieſen
eingeſendeten Brief leſen, und ſie werden
gerne geſtehen, daß wir Hoffnung haben,
unfre Vorgänger und Urbilber on iu uͤber⸗
treffen.
Geehrte Särifspekeinne Ä
33 Vielleicht lie meine Lukrezia diefe
Blätter, wenn fie anders von Tugend und
Züchtigkeit ſtrotzen, und zum Einfchlär
fern ehrbar find!. Laffen Sie mich einen
Gebrauch davon machen, ber ihrer erbau⸗
lichen Abficht ganz gemäß iſt, einer uns
ausſtehlich tugendhaften Gattinn Nach:
richt: von ihrem entwichenen und fuͤr fie
ewig verlornen Manne zuzubringen, und
fie ihres Ungluͤcks zu vergewiſſern, wovon
fie vielleicht wahrſagende Ahnungen ge:
habt, oder ach durch. einen ſchwankenden
Ruf etwas vernommen haben möchte...
„ Fa Madame! Sie därfen nicht mehr
anfiehen, e8 zu glauben, ihr Mann ift an
£eib und Vermögen zu Grund gerichtet,
Sie follen umftändlich von allem Meinigen
und dem Ihrigen Nechnung erhalten ; nicht
ale ob ich es bedauerte, nein!. hat ein
0 Bbz5 nicht.
394 Thereſie und Efeonore.
niche unerfchöpfliches Gluͤck meinen, wie
Sie es zunennen belieben werben, Aus⸗
fhweifungen Ziel gefegt, fo bat es mir
doch den Willen nicht rauben koͤnnen, dem
Vergnuͤgen der Liebe heute noch tauſend
Vermoͤgen, tauſend Geſundheiten aufzu⸗
opfern, und immer wieder don vorne an⸗
zufangen, wenn der Reichthum, wie ein
Antaͤus, auch neue Kraͤfte ſchoͤpfte, ſo oft
er zu Boden geſchlagen wird. Sie ſollen
nur darum von allem unterrichtet werden,
damit Sie niemanden an der Ehre, Sie
mit ihren zwey Kindern an ben Bettelftab
gebracht zu haben , Theil nehmen Ieffen.
Göttliche Cidaliſe! da tch auf deinen Als
taͤren niche mehr Gefchente wieder legen -
Tann, fo ſteh wenigſtens biefe rege Freude,
dir alles, was fonften Menſchen tbeuer
it, Ehre, Gefundbeit, Vermögen, und
ſelbſt mein Blut, meine Kinder geopfert
ju haben! „. |
„ Ste fnuen meine Gottheit: ich habe
ihr mit her vollklommenſten Selbftverläug-
uung altes: übergeben. Ihr Silber und
Dorzelanfernid, Madam, bienet nun zu
eblerm Gebräuche: und die guͤldne Schale,
bie Sie von Ihrem Water zum erfien Wo⸗
chen⸗
Tperehie und Eleonore. 395
chengeſchenke empfangen haben , ti’ zur
Opferſchale geheiliger, woraus Venus 2km-
broſie trinket. Ihre mit Brillianten ver⸗
ſetzte Uhr ziert die ſchoͤnen Huͤfte, und ihre
dazu gehörende Doſe wird ſtuͤndlich, und
augenblicklich! von den ſchoͤnſten Haͤnden
befuͤhlet. Durch ihre ſchoͤneren Kleider habe
ich die Reize verhuͤllet, die die Welt zu
erblicken unwuͤrdig iſt: und ihre Brabant-
ner Spitze ſind von dem Glanze der Haut
beſchaͤmet, die ich dadurch zu zieren glaub:
te.
„Zuͤrnen Ste immer Madame! ihre
Ringe, ihre Juwelen, und auch bie mei⸗
nigen, alle find in ben Händen Cidali⸗
fens. Sollte ich die Socken, bie ſchwaͤr⸗
geften Locken , den Hals von Alabafter,
bie Hände, die nur gekuͤßt zu werben ge=
ſchaffen ind , ohne dieſen Ziernth gelaffen
baben: und Cie, Cie Madame bätten
batin prangen follen? Eidalife fuberte «8:
ich war feinen. Augenblick unentſchloffen,
welche aus beiben derſelben entbehren
follte? ¶
„Ich wuͤrde Cibalifen dle Aufwar⸗
tung der ganzen Welt erkauft haben, wäre
mein Vörmoͤgen meinen Wuͤnſchen gleich
ge⸗
396 Therefle und Eleonore,
gemwefen. Ich habe gethan, was ich konnte,
Sie hatte ihre Bediente, ihre Kamer⸗
maͤgde und Jungfern, ihren Kamerdie⸗
ner, ihre Kutfche und Pferde, alles nicht
nach ihrer Würde, aber wenigſtens nach
meinen Kräften. Dis weinteſt, als ich bir
bie Pferde abſchaffte. Mabame! bu fonn=
teft mit deinen Kindern leichter zu Fuß
geben, al diefes Goͤtterkind, deren Fuͤſſe
täglich das Entzäcen der Welt waren —
War es etwan unbillig, baß ich bein Haus⸗
weſen bis auf eine Magb, und einen Be—
dienten berabfegte ; ich Fonnte nicht. für
beide zureichen — Was endlich an biefer
Bedienung mangelte, erfegte ih — ich,
Cidalifene Sklav, ber feine Gebieterinn
auf den Knieen bediente. „,
'„ Mit einem Worte: ich that was ich
fonnte, damit ihre Tafel, dem Gaſtmale
der Götter ,„ ihre Wohnung dem Auf:
enfhalte ber Goͤttinn von Gnidus menig-
fiend in etwas ähnlich Fam. Es war noͤ⸗
tbig, bie Sottheit mir vor andern durch
bie Groͤſſe meiner Gaben geneigt zu erhal⸗
ten, und alles das zu gewinnen, was ſich
ihr naͤherte. Ich erſchoͤpfte erſt mein Baa⸗
reg:
Pe |
,
Therefie und Eleonore. 397
res, dann verpfänbete, verkaufte ich, was
mein war, was bein mar, mag meinen
Rindern follte, fur; alles, was ich hatte,
und nicht hatte; und, Danf fen es ber
Liebe, und meinem Eifer, ich hatte bie
- weife Vorſicht, mich fo tief in Schulden
zu fielen, daß ich fie nie zu bezahlen im
Stande bin, mithin es mir nie an vers
gnigender Erinnerung an bie entzuͤckend⸗
fien Stunden fehlen kann, bie je ein Menfch
bienieden genoflen , und bie ein Vorge⸗
ſchmack des Eliſiums find. „,
„, Wenn Sie das Weinen ihrer Täch-
ter, die mine Verſchwendung — denn fo
werben Sie die wohl angebrachtfie Frey⸗
gebigfeit heiffen — zwingt, Dienfte zu
ſuchen; wenn Ihre Einſamkeit, ihr gegen
märtiges Elend, und ein Fünftiges noch
meit gröfferes, wenn Sie dag Anbdenfen
‘an mich , dem Sie mit zu gewiſſenhaf⸗
ter Treue zugethan waren, nieberfchlagen
will, fo richten Ste fi) mit dem Gedan⸗
fen auf: mein Mann bat Auffeben in
der Welt gemacht, und ee den urößten
Herren gleich getban! Diefer Nachruhm
AR mir unendlich theurer, als ber traurige
| Kar
398 Thereſie und Eleonore.”
Namen, eined Vaterd von tugenbhaften
Kindern , oder ber noch fraurigere .
ihres Mannes, 51.0,
ı Hellwing.
T,
VIII
Der Hoffuung Gbtzenbild wird dich zuletzt
betrlügen.
Drollinger.
Cine Erzählung
in smenfingerbreiten Verſen.
An Elianten.
reundinn! das Bergnügen
Iſt mit dir entfloben ;
Und an feine Stelle
Tritt am frühen Morgen, .
Wo ich fonft dir Fröhlich
An den Buſen eiltes
Sin den Abendflunden ,
Wo ich bir zur Geite
Unfers Freundes Lehren
Las und ftärfer fühlte;
In der dunfeln Laube,
Die
Therefie und Efeonore, 399
Die nun einfam trauert,
Und ohn' ihre Freundinn,
Auch für Eleonoren,
Sich vergebens woͤlbet,
In den oͤden Zimmern,
Wo ich dich vermiſſe;
In dem ganzen Hauſe,
Und in meinem Herzen,
Das nach dir ſich ſehnet,
Tritt itzt, ſtatt Vergnuͤgens
Gram und finſtre Laune —
„Maͤdchen! biſt du thoͤricht,
Sprach' ich, mich zu troͤſten,
Durfteſt du erwarten,
Daß ein ſchoͤnes Mädchen
Sich um deine Grille
Auf das Land vergruͤbe,
Und der Luſt entſagte,
Sid von Suͤßlern: ) Gôttinn!
Gra⸗
) Ich Habe auch einmal Luſt, mich um bie
Sprache durch einen Beitrag verdient zu ma⸗
hen, and dieſen Beitrag will ich dasu noch
aus der öfterreich’Tchen Mundart holen. Men -
Hat ein dm Volksdialekte gewühnlichee Wort '
Sienzler, welches einen Menſchen bedeutet,
der ſich einzuſchleichen, und Tone und Se—
behrden fanfe zu machen ſucht. Ich glaube
eis
'
‘
400 Thereſie und Eleonore,
Grazie! und Venus!
Dft genennt zu Hören,
iind von überftäubten
Auf und um belocten
Aber leeren Köpfen
Angeber’t zu fehen ?
Konnteft du erwarten —
Fuhr ich fort zu Eden,
Als ein fanftes Fächeln,
Wie der Hauch des Sephirs,
Der durch Blumen gaufelt,
Und. den Duft der Roſe,
‚Die er igt gekuͤſſet, |
Sau:
eine Xehnlicpkeit mit dem Worte Doueereux
darin zu finden , und nicht unrecht gu ur⸗
theilen, daß das Wort Süßler heiſſe, und
nur durch die Ausforache fo verſtaltet ſey —
Eleonorens Beitrag hat die Sprache wirk⸗
lich bereichert; denn das Wort Süßler iſt von
mehr als einem Schriftſteller aufgenommen
worden. Der von ihr gegebene Fingerzeig
kann noch weiter benliget werden. Das volk
gebraucht fich des Worte Sienzeln auch als
eines Zeitworts: Süſſeln alfo wäre eine.
portreffliche Erwerbung , um kbrnigt, eigen⸗
thümlich mit einem Worte u ſagen: faire
le doucereux.
Der Serausg
Thereſte und Eleonore. 401
Gaukelnd vor ſich hertreibt,
Meinen Blick an ſich zog —
Welch ein Schauſpiel! Amor,
Nicht der ſchlaue Krieger,
Der mit Pfeil und Bogen
Dft bei Tanz, und Spielen
-- Dfe auch vor dem Altar
Auf die Mädchen lauret;
Amor, unbewaffnet,
Sanft, vol Unſchuld, zärtlich,
Wie einft in der Kindheit
Diefer Welt, die Götter
Unſchuld vollen Menſchen
Ihn zum Troſt geſendet,
So fand Amor vor mir—
Dennoch ſchreckt fein Blick mich ,
Und ich wollte fliehen ;
Als mit heiterm Blicke
Er mich fanft zurdckhielt:
Slieh mi nicht, o Mädchen!
Sprad er — flied nicht Almoen !
Ihm entfömmt Fein Mädchen:
Er bat Elianten |
In der- Stadt ereilet,
Wohin fi die Stolze
Meinen Sieg zu trogen,
Nur umfonft geflüchtet;
IV. Theil, Cc Denn
402 Üherefie und: Eleonore.
Denn in ihrem Gerzen
Trägt fie tief die Wunde,
Steraubt ſich nur vergebens
Begen ihren Sieger —
Himmel! — ruft? ich zitternd ;-
Wer iſt er, der Sieger
Meiner Freundinn ? Lächelnd
Sprach der Gott der Lieber
Saft Hu nicht bemerker,
Mie ein fchöner Süngling,
Der mir Umorn gleichet,
Ihren Blick auf fich zog y
Doch fobald fein Auge
Ihrem Aug? begegnet,
Sanf ihr Bli zur Erde?
Denn das eitle Mädchen
Schämet fich zu Lieben,
Taͤuſcht fich ſelbſt, und pralt noch
Mir der tzüldnen Freyheit,
Die fie Iängft verloren —
Diefer ſchöne Füngling
Iſt der Meberwinder
Ihres flolzen Zerzens —
Amor Sprach noch weiter :
vüte dich o Mädchen,
Meiner Macht zu teogen!
Ungeftraft trotzt Amorn
| | Selbſt
Therefie und Eleonore. 403
Selbfi nicht Zevo; auf feinem
Güldnen Gotterthrone
Schützt ihn nicht der Donner
Gegen Amors Wunden —
Hier vesfchwand er, und ihre Freun⸗
binn meis nun die Urfache , warum Sie
nicht länger bag Niefeln der Bäche, und
dag Naufchen ber Wälder, und den Schmelj
der Zluren reigenb, warum Sie das Land:
leben zu einfoͤrmig gefunden , und fo ſehr
nach ber Stadt geeilet Haben; Unauf⸗
richtige Freundinn! man kann alfo hin
ter ihre Seheimniffe nicht: kommen, wenn
nicht ein Gott fich die Mühe giebt, Sie
zu verratben ? Sch will gleiches mit. gleis
chen vergelten, und Sie follen won mir
nicht erfahren, was feit ihrer Abweſenheit
mit mir fiir eine Veränderung vorgegan⸗
gen iſt. Sie follen in einer langen fol-
ternden Ungegißheit bleiben, durch wel⸗
ches Wunder ich fo plöglich gu einer Dich:
terinn gemorden, bie in einer halben Stun.
de hundert und einen Vers niebergefchrie
ben, und fogar fchon Göttererfcheinungen
bat — Was für eine finſtre Miene ?
Sch fehe wohl, es wird mir ſchwerer
werden, mein Geheimniß vor Ihnen zu
€ca2 ver—
404 Thereſie und Eleonore.
verbergen, als es Ihnen geworben, mit
ihrer ſtillen, heuchelnden Miene mir ihre
feimende Zuneigung zu bem fchönen Jüngr
linge zu verheelen —ſchoͤn nennte Ihn Amor,
und Eie koͤnnen über den. Lobfpruch, den
eine Gottheit ihrer Wahl ertbeilet , ein
wenig groß thun — Heitern Sie ihr Ge⸗
ficht auf! ich möchte nicht gerne eine Ver⸗
wäftung.in diefen liebreizenden Zügen an⸗
fielen! heitern Sie ſich alfo auf, und Sie
ſollen den. Augenbli erfahren , welcher
Zufall mich fo ſchnell in eine Dichterinn
umgeftaltet bat, mich, die ich ſonſt eben
fo wenig zu Verſen aufgelegt war, ale
Sie, mie Sie fagten, zum Lieben.
Ach war in einer Sefellfchaft von ſchrei⸗
. benden. Gefchöpfen. Sie wiſſen es, über:
haupt find biefe Art Leute nicht fehr ge⸗
fprächtg, wenn man fie ein wenig aus ih⸗
ren Kreife heraustreibt. Hingegen find fie
auch nicht zum Schweigen zu bringen,
wenn es auf Handmwerfsfachen ankoͤmmt.
Weil Ich mich nun eben zu ergößen Luft
hatte, jo öffnete ich durch eine hingewor⸗
fene Stage diefen Herren bie Laufbahn.
Alle liefen fi) aus den Athem. Da börte
ich weiter nichts, als von Gefprächen,
. Ge: .
Thereſie und Eleonore. 405
Gedichten, Fabeln (darunter wohl weder
Klopſtock, noch *** war) und was weis
ich, noch hundert andern Dingen mehr,
denen jeder, nachdem er ſich in einer oder
andern Gattung ſtark glaubte, einen Vor⸗
zug beilegte, oder ſie herunterſetzte. Vor
allen unterſchied ſich, ein ſich ſelbſt ſo nen⸗
nender anakreontiſcher Dichter, der dag
Herz hatte, Zomeren dem alten Tejer nach⸗
zuſetzen, und Klopſtocken gegen *"* einen
Schwaͤtzer zu ſchelten. Die ganze Schaar
von. oben fiel einmuͤthig über dieſen Un⸗
glücklichen ber, und es waͤre zuletzt vielleicht
zu einem Fritifchen Gefechte gelommen ;
wenn nicht zu allem Gluͤcke ſich jemand
aus dem Haufen der Zänfer befonnen
hätte, daß man wenigſtens meinem Ges
fchlechte einige Achtung bezeugen müßte.
Die gange Gefelfchaft wendete fidh
darauf einmäthig an mich: und weil fie
mir, als einem weiblichen ſchoͤnen Geifte,
unter ihnen Sig und Stimme ertheilt hat⸗
ten, fo erfohren fie mich zur Schieds⸗
richterinn , ihre Streitigfeit durch mein
Urtheil zu enden. Ich war vermegen ge⸗
nug, diefed Amt zu übernehmen; und nach
einiger Ueberlegung fiel mein Spruch dar
Cc3 hin
406 Thereſie und Eleonore.
hin aus: daß, da ich nicht das Herz. hät-
te, zwo Zeilen, wie Klopſtock, in meinem
ganzen Leben zu machen, ich folcher zwey⸗
fingerbreitent Verſe wohl hundert in eis
ner halben Stunde nieberfchreiben mwollte.
Der Anakreontiker hie dieſes vermeflen,
und foderte mich zur Erfüllung meiner Zu⸗
fage auf, Yundert und einen, fagte ich,
und hielt Wort — Sehen Sie! bag ift
die Gefchichte dieſes Briefs, der eben groß
genug ift, ein Blatt abzugeben; und zu
dem ich nur noch bie erfte, bie nächfte
Auffchrift zu mählen nöthig hatte, bie fo
wenig zu dem Inhalte ſchicklich feyn darf,
als die Titel der Bücher es gemähnlich
nd —
s . €,
| | IX.
Sieh, wie der Reife Ernſt, ber ekle Zwang
Die dumme Dürftigkeit, die nichts begehrt,
Als was fie hat, der Bäter Rauhigkeit
- und grobe Gitten fi geändert bat.
Befreyung von Theben.
gortfethung des VI. Stuͤckes.
* Tyuonelde. Meine Gegenwart machte
fe nicht verlegen. Sie maß mich recht vom
Ko⸗
Therefie und Eleonore. .40%
Kopfe bis zu den Füffen, und ein Lächeln
‚war ber Dolmetſch des Spottes, deſſen
fie eine deutfche Herzoginn wuͤrdig fchäßte,
deren Anpuß fich fo menig zu ihrem Stan
de zu ſchicken ſchien —
„ Die gerzoginn unterbrady Thue:
nelden mit einigem Gelächter. Aber, fagte
fie, gefluͤgelter Goͤtterbot! wie ift es moͤ⸗
glich bei dieſem Anputze ernſthaft zu blei⸗
ben? ſteh dieſes Kleid, das von einem
Kleide der alten beutfchen Männer fo wenig
unterſchieden ift *) , die man hie und da
noch zur Seltenheit auf Bildern aufbehal:
ten findet! Das ‚Kleid einer Herzoginn
von keinzeug, ohne allen anderen Zierrath
als einigen Scharlahhlappen, dag fo genau
€c4 an
*) Tacitus von den Sitten der Deutfhen 6.
Hauptſtück: Die Weiber haben Feine an⸗
dere Rleidung, als die Männer, nur, daß
fie Sfters ſich mit Leinenzeuge bededen ,
welches mit Purpurfireifen geziert if, and
daß der obere Theil des Kleides nicht in Aer⸗
mel ausgedehnt iſt, fondern die Arme und
den nächften Theil des Bufens frey laͤßt.
Er ſagt vorhero : fie unterfcheiden ih —
mit einem engen Rleide, das alle Glieder
genau ausdrüdt.
498 Thereſie und Eleonore,
am Leibe fit, daß es die ganze Bildung bes
Leibes ausdruͤckt, ohne Aermeln, und wos
raus zween nackte Arme hervorragen, die
ſich meine geringſte Folgemagd ſo unver⸗
ſchont zu haben, ſchaͤmen wuͤrde! — Glaubſt
du wohl, o Merkur! daß die ganze Prin⸗
geffin theurer als fir fünfzeben Gulden
gekleidet worden ? und fie wagt es, ihre
ungeſchlachten Zeiten mit den unfrigen in
Vergleich zu fegen , wo fie Bürgerinnen
finden kann, die den Werth von einigen
tanfend Gulden um ihren Hals, oder ih⸗
sen Kopf tragen , und es felbft unferem
Stande ſchwer machen, es ihnen im Ans
puge vorzutbun — „
Chusnelde, „, Tolles Weib! dur glatts
beft.alfo, deine Zeiten burch biefen unge
maͤſſigten Aufwand zu ehren? du fchimpfeft
fie und biejenigen , bie darin leben —
Wie? du bäftft dafür, der Schmuck einer
fuͤrſtlichen Gemahlinn beftebe darin, daß
fie den Werth eines Fuͤrſtenthums auf ib: -
ren Leib hänge, und bie niedrigeren Klaſ⸗
fen vergmeifeln macht, eg ihr jemals gleich
thun zu koͤnnen ? woher kann diefe Ver⸗
ſchwendung anders, ald von den Auflagen
bes Volkes beftritten werden, bie ein nach⸗
ſe⸗
Therefie und Eleonore. 409
ſehender Gemahl bis auf das unerfchmwing-
lichfie erböben muß? Das ift alfo der .
Vorzug , den bu mir fo fehr rühmeft,
daß die Unterthanen eurer Ehemänner bie
Weiber ihrer Herren. für ihr größtes Une
glück Halten muͤſſen, ba bie anfrigen die
Ehen ihrer Fürften fr den größten Segen
tes Himmels: hielten ? Bei uns mußte
bie Fuͤrſtinn Weibern das Benfpiel der
Sittfamfeit und Genuͤgſamkeit ſeyn, wie
ihr Gemahl Maͤnnern das Beiſpiel der
Tapferkeit, und Muſter, alles Ungemach
des Krieges zu ertragen, ſeyn mußte. „,
Die gerzoginn. „. Vergeben niir euer
Liebden, und du Göätterbott, wenn ich
öfters bei diefen Reden ein Gelächter nicht
unterdrücken kann, das diefe einfältigen,
fittenlofen Zeiten fo fehr verdienen! Was
für eine feltme Are, fi) von dem. Poͤbel
su unterfcheiden ift biefe Eittfamfeit und
Zugend , darin es jebes gemeine, gemein-
fie Weib ung gleich thun kann, und wor⸗
in fie es unfrem Stande wirklich fo weit
zuvor thun? ch hatte mir zwar von dem
Derftande der Alten nie vortheilbafte Be
griffe gemacht; aber , wag ich von Thus⸗
nelden höre, übertrifft weit die Vorſtel⸗
Ee5 0 dung
410 Therefie und. Efeonore.
lung, fo id) davon hatte — Wenn ich alfo
zu einem Haufen Weiber hinzutrat, fo
‚ mußte ich diejenige für die vornehmſte hal⸗
ten, welche am einfachften, am züchtigften,
gekleidet war ? Wenigftend, Fam ba ber
Schmud der Fuͤrſtinnen nicht fehr theuer
zu ſtehen: aber ich hätte auch um alles in
der Welt Feine Perfon von hohem Range
feyn mögen. Wie? ich hätte dem Vergnuͤ⸗
gen eutfagen müffen, alle vier Theile der
Welt zu meinem Putze zinsbar gu machen ?
ich hätte nicht Milionen auf meinem Ko:
pfe, Millionen an meinem Halfe, nicht die
augerlöfenften Stoffe zu meinen Kleidern
tragen, nicht durch meinen Anblick allein
Erfiaunen und Neid erwecken, nicht gu ..
wege bringen follen , Daß jedermann aus:
gerufen hätte: das ift fürſtlich! das
Tann fonft niemand, ale Sürftinnen x
Glauben Ste mir, meine werthe Thus-
nelde! Ste wuͤrden bey unferen ferneren
zeiten viele Mühe haben, daß -fich eine
von unferen Frauen bereben ließ, eine
Fuͤrſtinn zu werden, um Sen traurigen,
Preis, die’ genägfamfte unter dem ganzen
Volke zu fenn, und ſich nur durch Sitt⸗
ſamkeit gu unterfcheiben. Sch fehe wohl,
—— Sie
L
Therefie und Eleonore. 411
Sie find wegen unfrer Lebensart durchaus
im Irrthume: ich will die Mühe nehmen,
Eie darüber zu belehren, wenn Sie mid)
geduldig anzuhören verfprechen. Aber ich
fann mich fo lange nicht auf den Füffen
balten : fie fette fich, und fuhr fort. Der
gemeine Haufen urtheilt nicht anders, als
nach Dingen , die in die Augen fallen:
ed war alfo nothmendig fih nad) Merk⸗
malen umzsufehen, die von biefer Seite anf
ihn wirkten. Dieſes machte ung am erften
bie Pracht der Kleidung unentberlich. Der
Bibel erflaunfe , wenn er Schäße an ung
glänzen fah. Was fir einen Begriff mußte
er fi) nicht von dem Reichthume berjeni-
gen machen, bie eine Summe an ihren Leib
verwenden fonnten, welche alle feine Ein-
bildung überflieg! Weil der Reichthum
die Duelle alled Vergnuͤgens, und Ueber⸗
fluß des Vergnigend, der Maaßſtab ift,
nad) welchem die Einbilbung ber Mens
ſchen die Gröffe abmißt, fo hielt man ung
nach dem Maaffe über andre erhaben, alg
man unfer Vermoͤgen aus dem Äufferlichen
Aufrwande unerfchöpflich hielt — Darin
muß ich geftehen, haben unfre Männer ei⸗
nigermaflen einen Zehler ‚begangen , daß
fie
| 412 Thereſie und Eleonore.
fie ihren Gemahlinnen durch ausdruͤckliche
Geſetze nicht gewiſſe Dinge vorbehalten
haben, die ihnen zur Unterſcheidung von
den gemeineren Weibern haͤtten dienen
koͤnnen. In der That, man kann es nicht
ohne innigſten Verdruß anſehen, wann der
buͤrgerliche Stolz gang feine Schranken
haͤlt, und mit uns gleichſam wettlaͤuft,
wobei der Sieg nicht immer auf unſere
Seite faͤllt. Sollten Sie glauben Thus⸗
nelde, daß es heute etwas ganz gemeines
AR, Weiber aus den unteren Klaſſen mit
fo fofkbarem Schmufe und mit fo ansge-
fuchten Kleidern zu fehen, wodurch fie ung
anderen Frauen von Stand oft verdun⸗
feln — Nein! würden. fie felbft geſtehen,
es ift äufferft unerträglich, wann die Ord⸗
nung aller Stände vermenget, und einen
alten Haufe nichts mehr vorausgelaffen ift,
wodurch es fi) vom nenen Adel unter
ſcheiden koͤnnte. Kaum läßt: jemand aus
unferer Klafie fich mit einer Mode, oder
einem. koftbaren Aufwande irgendwo er⸗
blicken, fo muß man: gu feiner Seelen⸗
fränfung ſich am nächften Tage, von ei-
nem Weibe nachgeäfft finden, deren Mann
vor. gehen Jahren vielleicht noch in einge
| Äh Sur
Therefie und Eleonore. 413
Bude bie Waaren hervorlangte, oder bei
einer Gerichtfiele Schreiser war. Mir
haben vergebens zu Taufenden auf unfere
Mägen und Pferde verwendet, über die
Geftalt, die Zahl der Glaͤſer, und mag
weis ich, worüber noch gefünftelt. Die
Stau von, wie fie dann heißt, oder bie
Baronnin läßt fich gerade fo ein Fahr:
werk machen, und gebt mit mir in glei⸗
chem Schritte. Wir haben nur die Mühe,
die Erfindfamfeit unfrer finnreichften alt
adelichen Köfpe aufzubieten, damit diefe
geftrichen Edelleute kommen, und fi da⸗
mit, trotz der ältften Familie bruͤſten, und
blähen mögen, Vergebene haben mir eine
Unterfcheidung in ber Zahl unſers Gefol:
ges gefuchet, und auf unfere Wägen fo
viel Bediente gepacket , daß die armen
Dferde fie. Beinahe nicht beranfchleppen
konnten. Ich glaube, der Stolz des (eos
nifchen Adels bat die Hintertheile feiner
Waͤgen alles Sleiffes breiter und groͤſſer
machen laffen, damit er es ung auch da⸗
rin zuvor ober wenigſtens gleichthun koͤn⸗
ne. Ste werden auf Sffentlichen Spasier-
fahrten von Ferne Kutfchen erblicken, die
wegen ber jahlreichen Liverey das Anſehen
ba:
414 Thereſie und Eleonore.
haben, mwenigfteng eine Graͤfinn aus irgend
einem der aͤltſten Haͤuſer zu fuͤhren: die
Kutſche naht, und es ſitzt recht adelich
hijineingepolſtert darin die — Frau eines
...... Wir hatten ung verabredet, die⸗
ſen ſtolzen, nachaͤffenden Puppen zu Trotz
auf eine Zeit zu Fuß zu gehen, aber zum
Zeichen unſers Vorzugs unſre Bedienten,
auſſer eines einzigen, der die Schleppe
haͤlt, alle vor ums hergehen zu laſſen.
Wie lange blieben wir. in dem Befige die:
ſes Vorzugs? Urtheilen Sie noch ist aus
dem Dortrabbe der Liverey auf Die Würde
der Perſon! Sie werden fi) auf das haͤß⸗
lichſte betriegen. Wer ift fie, biefe Dame,
die dort ſich fo langſam heranwaͤlzet, daß.
man ſieht, wie fchwer ihr das Gehen an⸗
fommen, und, wie die Mühe, ihren Körper
auf eigenen Beinen ju fragen, gar nicht
ihre Gewohnheit feyn muͤſſe? wer ? eine...
rätbinn , vieleicht nur noch bloß beim Ti
tel nach. Eie treiben es bald fo meit, daß
das gemeinfte Weib, bag nur einen eingi-
gen ſchmutzigen Bedienten hat, dennoch fo
eitel ift, feinen ganzen Hofftaat vor ſich her⸗
treten, oder fich vieleicht von ihm gar an
ber Hand führen zu laffen, ba es doch nie
eig⸗
Therefie und Eleonore 413
‚eignes Fahrzeug gehabt, und oft, nur noch
vor ein paar Fahren nicht nur ohne Führer
gehen, fondern auch eine ziemlich fchwere
Laft auf feinen neugeadelten Schultern tra:
gen mußte. Selbſt das Innerſte unfree
Häufer it vor dieſen Affen nicht mehr fi:
cher. Wir haben offene Tafeln, fie des⸗
gleichen: wir geben Gefelffchaften, fie des:
gleichen : „solr fhielen zum Zugrundrichten
hoch , fie eben fo wohl: wir haben Em:
pfang und Befuchgepränge, fie haben bag
ihrige, nur daß es vielleicht noch fleifer ift,
als das unfrige: noir empfangen um Mit:
ternacht unfre Sreunde,. bei ihnen wird es
nicht früher ruhig: wir fchlafen big an
Mittag, fie frühftichen um zwölf uhr ihm
Bette: wir empfangen Befuche beim Nach⸗
tifche, fie desgleichen: wir haben eigene .
Yufwärter, bie und aller Orten begleiten,
fie haben die ihrigen:: bei ung iſt e8 Schans
be gefund zu feyn: fie lagen beftändig über
..... Wir ſehen unfre Männer felten an
bersmo, als an der Tafel, im Schau:
foiele, in einer Geſellſchaft, oder ſonſt an
einem dritten Orte; fie find uns feine Mi:
nute länger um die ihrigen: wir überlaffen
bie- Erziehung unfrer. Töchter fransöhfihen
. wir
416 Thereſie und Eleonore.
MWöäfchermägden , die wir durch den bei-
gelegten Titel zu Gouvernanten erhöhen;
fie entladen fich der mühfamen Pflicht auf
eben die Welfe: wir find um das Hans:
soefen unbefümmert; fie nehmen eben fo
wenig an allem, was Sorge machen kann,
Antheil: wir finden feit einer gewiſſen
Zeit einen befondern Geſchmack an wohlge-
bildeten Lafeyen; auch fie zahlen einem
„wohlgerundeten Nurfchen vierfach, um ihn
in ihre Dienfte zu befommen : wir machen
Schulden, und richten unfre Männer durch
geheimen Aufwand zu Grund: damit fie
ung in Nichts nachgeben; fo unterhalten
fie ebenfalld .... . und flärgen ihre Fa⸗
milien dadurch in Untergang — Und was
wir ung auch für Mühe gegeben, bei un:
fern Gemahlen einige Gefege zu bewirken,
welche diefer Nahahmungsfucht Einhalt
thun follten, fo baben noir, ich muß e$
zur Echande gefteben, doch itzt weniger
als jemals Hoffnung , fie zu erhalten, ba
es dem Flitteradel gelungen ‚ unſre Mäns
ner in ihre Häufer zu locken, und fie,
weis ichs wodurch, in ihren Vorthei in
ziehen.
Die
Therefie und Efesnore. - 417
Die gerzoginn war bei biefer langen,
ganz von ber Hauptfache ausfchmeifenden
Rede fo fehr in Eifer gerathen , daß: ihr
Athem und Etimme entgieng, und Merkur
fuͤr nothwendig erachtete, fie gu erfüchen,
bier die erfie Sigung gu befchliffen, und
ihre erfchöpften Kräfte filr die folgende In
etwas herzuſtellen — —
⸗ : X,
.60 oft ein zunger Menn ſich in ber Stadt
sermäßlt,,
Hört man Beturien mit grauem Haare fagen :
Auch der biels um mich an, auch dem hab
| ih gefehlt,
Auch dieſen hab’ ich auegefehlagen.
Ewald.
Te fenne ein Mäbchen , das bem Ver⸗
faffer de8 Grandiſon, den fie fonft fehr
hochfchägte, aus ber einzigen Urfache gram
geworden, daß er in feinem fchönen Ro⸗
- mane die gute Tante Lore mit aufführet.
Man wird fich erinnern, daß biefes Fraͤu⸗
fein von feiner Nichte Charlotte Gran⸗
difon manchmal fehr aufgezogen wird,
wie e8 überhaupt die Gewohnheit junger
- IV. Theil, Dd CLaf⸗
\
Ang Thereße und Eleonong,
Kaffianen N zu ſeyn pflegt , ein. Ziel,
mobin fie Taufe, », zu ſcheuen, eig Alten,
das fie zu erreichen wuͤnſchen., laͤcherlich
zn. finden: Beſonders iſt ein, unnerheus
rathetes Mädchen non. gewiſſem Inhren in,
den, Augen der ganzen, Welt ein Geſpoͤtt,
und, mis. ſind mehr hen. zwanzig Urbends
wirdige Kinder. bekannt, bie bet, ſich he⸗
fchloffen haben , lieber fich hinter den
Schleyer zu ſtecken, als, ein Nergerniß
- Bekannten und Unbefanntrn, mit acht und
zwanzig Jahren auf dem Rücken herums
zumanbeln „ ohne Ihren Namen, geändert,
und, bie, Schande, der Ehlofigfeit von ich
gewaͤut zu baben. | |
Unfre, Vegriffe ſind ſehr oft ein Wider⸗
ſpruch. Die Ehloſigkeit, wenn das Klo⸗
ſtergeluͤbd dazukoͤmmt, iſt Ehre, iſt Ver⸗
dienſt: die. Ehloſigkeit in. der, Welt: iſt.
Schande. Man kann es daher München.
W die
) Laffinnen, von dem Worte Laff, wie Tär⸗
rinn von are, So wenig das-Wort dur
ben, Gebrauch gerechtfertiget ik, fo richtig.
iß ea der Sprachlehre nad, und. noch. rich
tjagg, wyag, Me Vedentung dabei mitzin.Ere -
Ze Biel Anmerk. des ſexausg.
Therefid und Eleonore. 419
die ihren Fruͤhling überlebt Haben , nicht
derbenfen ; wenn fie Die Schande, menig-
ſtens in fo meit «8 fich thun läßt, von ſich
zu weiſen fuchen, und fi) der Eroberun⸗
gen Ihrer jugendlichen Wangen, und ber
Berheerung ihrer noch unverloͤſchten Augen
ruͤhmen — Ich dankte meinem Gott,
fagte Talemine, die unter allen Moben
die frangsfifchen Schläfhauben anpreiſt,
teil fie darunter ihre grauen Haare bem
Auge neugieriger Jugend entziehen kann,
ich danke meinem Gott, daß ich man⸗
cher Gefahr ſo vlücktich entgangen, und
mein Gerz wider die vetvielfdltigten
Anfaͤlle/ die man darauf gewaget, vers
theidiget habe! wie unglücklich würde
ich bei den heutigen Maͤnnern mit mei:
ten gutwilligen Geſinnungen gewefen
feon! Talemine beſtimmt nun Jahr, Mo⸗
nat, Tag, Stunde, und den Ort puͤnkt⸗
lich, wo Aleidanes Mann fie auf den
Knieen um ihre Hand bat, und zu ihren
Fuͤſſen gu flerben drohte, wo er fie nicht
erhielt — Beinahe wäre fie meichmütbig
geworden ; aber zum Gluͤcke hat fie fich
gewiſſer Liebeshaͤndel erinnert, bie ber fle⸗
hende Liebhaber mit . . . . gehabt, auf
D d 2 de:
420 Therefie und Eleonore,
denen. er fich nicht fehr zu feiner Ehre
berausgesogen; und fie bat fi) den Uns
geſtuͤmen mit einem befchämenben Bor:
wurfe vom Halfe gefchafft — Sie Fennen,
fagt fie euch im Vertrauen — den los
Keren Ballmondr wünfchen Sie mir
Glück! das fchöne Leben, das er nun
mit Dorianten fübret, hätte mir gelten
foßen. Aber ich Tannte den Knaben,
und ließ ibn laufen, denn ich hätte
mich nicht, wie feine weife Hälfte zu
Fi
entfchädigen gewußt. In diefem Tone
fährt fie fort zu erzählen , mie ſich zween
erbitterte Nebenbuhler um fie die Hälfe
gebrochen, und fie eben. diefe Schlägerey
sum Vorwande ergriffen, fich beide vom
Halfe zu fchaffen : wie ein Hauptmann,
den fie nicht nennen will, aus Verzweif⸗
lung, von ihr abgemiefen worden zu feyn,
‚a.la Trappe gegangen , wo er noch in
einem groſſen Nufe der Heiligfeit lebt:
wie ihre Anvermandten den einzigen Lieb—
haber , für den ihr Herz ſich erfläret hat,
nicht gebilliget hätten, weil feine Samilie
ein wenig modern , und fein Vermoͤgen
“nicht groß genug geweſen wäre. Indeſſen,
fegt fie gärtlich gerührt hinzu, wuͤrde ich
. j in
.
Thereſie und Eleonore. 421
in Geſellſchaft dieſes Menſchen, der allein
Gnade in meinen Augen zu finden gewußt,
unter einem Strobbache,, bei Milh und
Brod anmuthigere Tage verlebet haben,
als an der Seite des fröfugreichen Storr,
der mir Tempel zu erbauen, und mich mit .
Nektar zu verföften gelobte,:den man mir
mit aller Gewalt aufbrang, und-mit def-
fen Abmweifung ich alle Tanten und Bafen,
die mit im Spiele waren, auf dag em-
pfindlichfte vor den Kopf ließ. Telamine,
mit einem Worte, bat, wenn man fie-
hört, die halbe Schöpfung durch ihre
Graufamfeit verwuͤſtet, und fie ermangelt
nie, den unmiderleglichen Beweis hinzu
zu thun: es fep Leiche zu denken, daß
es einem Mädchen mit ihrem bißchen
Befiht, und zweymalhundet taufend
Gulden Vermögen -nicht an Sreyern
Fonne gefehlet haben.
Glücklich dag veraltelte Mädchen, bag,
wie Telamine, ben Beweis fo baar führen
kann, baß fie freywillig unverehliget geblie⸗
ben! Aber, zu welchem Gott nehmen dieje⸗
nigen ihre Zuflucht, denen diefe Aushilfe
verſagt it? Zwar fie wuͤrden ihrerſeits
auch: voy Entfuͤhrungen, von Zweykaͤmpfen,
Dd3 von
422 Therefie und Eleonore.
von Verzweiflungen erzählen, auch aus⸗
gefchlagene vortheilhafte Verbindungen am
führen , auch Liebeshiſtoͤrchen exdichten ;
aber wo finden fie jemanden, der guther⸗
jig.genug iſt, ihnen zuzuhoͤren, oder wohl
gar zu glauben; gefegt auch, baß fie bie
Hälfte davon mit Urkunden belegen koͤnn⸗
ten ? — Diefen unglädlichen Einſamen
fällt die ganze Laſt des Spottes auf ben
Hals, der unferem Gefchlechte fo empfind«
lich It, daß es wohl der Muͤhe lohnet,
ben Grund beffelben aufzufuchen.
- Warum muß ich ung die unangenehm⸗
fie Wahrheit durch einen neuen Beweis
beftättigen, daß dieſe hinfaͤllige Geſtalt,
dieſe mit jedem Jahre, mit jeder Minute
abnehmenden Reize das einzige, einzigſte
ſind, was bei uns ſelbſt ſowohl, als bei
dem Geſchlechte, dem zu gefallen wir un—
ſer wichtigſtes Geſchaͤft ſeyn laſſen, in
Arſchlag gebracht wird ? Es ſpreche je:
mand von unſerem Verſtande, von unfe:
ren Sitten, man ſpreche von unſrer Su⸗
gend zweydeutig; wir werden uns troͤſten.
Aber wer es waget, mit ſeiner Verlaͤum⸗
bung bis in dag Heiligthum unſers Ges
ſchlechtes zu dringen „ und die Vorzuͤge
| — un⸗
Therefie und Efeonore. 423
unſrer Geſtalt in Zweifel gu ziehen, zwi⸗
fchen dem und ung ift der Bruch auf ewig
befefliget. Wir vergeben eher Enitehrung,
als Verachtung — und duch hr, ihr Hei
ven, die iht dieſer Wahrheit „ welche I
meinem Geſchlechte mit To Weeler Dreiſtig⸗
fett Ind Geficht fu Tagen, das Herz habe,
die the darüber kachet, vuch hr nehmet
lieber Pyumaliond Silbfänte ats eine Ge:
fptelinn ang dem CLempel ber Göortiun
Arete *) ja eurer Bebieterinn an; auch
ihr zieht bei euren Wahlen mehr eurr
Augen, ald eure Herzen gu Rath. Ich
irre mich, ihr waͤhlet nur file eure Augen,
nicht für das Herz ; ihr wähler nur für
den Körper, weil ihr mit für die Begier⸗
den waͤhlet, und ihr wuͤrdet unbekuͤmmert
feyn, wenn der Gegenſtand 'eurer Sinn-
lichkeit gang Teine Seele Hätte.
>. Bei dem einem Geſchlechte ſowohl als
bei dem andern tft alfo bie Geſtalt das
ſchaͤtzbarſte. Eine vortheilhafte Bildung/,
eine feine Haut, eine lebhafte Farbe, ein
reiner Wuchs, machen Sitten und Ver:
Dd4 flänb
) Arete if die Gbttinn der guten Gitten, deren
Tempel alle ſchon verfallen find — "
“24 Therefie und Eleonore.
fand fehr entbehrlich : wozu auch find
Verſtand und Sitten?
‚Aber aud) der Borgug der Geſtalt wird
nicht immer nach feinem toahren Gehalte
abgemeffen. Dft bat es dem Ohngefaͤhr
gefallen, gewiſſen wunderbarlich gemodel⸗
ten Geſichtern einen Schwung zu geben,
und fie in Mode zu bringen. Die fhöns _
fien groffen Augen wurben nicht felten von _
Heinen verdunfeft, die man Taubenaugen
der Denus hieß. Ein fchlanfer Wuchs
mußte einem dicken Leibe, eine feine Bils
bung. männlichen Geſichtszuͤgen, eine Ma-
jorſtimme der entziickenden Stimme einer
Täuberinn *) weichen. In diefen Anwand⸗
lungen bes verliebten Eigenfinnes liefen
die Männer heerdenweiſe nach den klein
äugigten, dickleibigten, männlich geſtal⸗
teten, und grobſtimmigten Schönen. Die
Schönheit. beſtimmt den Werth des Maͤd—
chens, bie Zahl der Anbeter den Grab ber
Schoͤnheit. Und einem Mädchen, bag fich
von ganzen Heeren ber Liebhaber verehrer,
und von Wolfen ded Weyhrauchs beinahe
erſticket fah, Fonnte es einem ſolchen Mäbs
chen wohlan einem Manne gefehlet haben ?. u
| | So
I Die ältere, welche damals Wien entzucker.
—Thereſie und Eleonore. 425
So fhlüßt die Welt: und dann wen⸗
det ſie den Schluß um, und iſt boshaft
genug, zu urtheilen, daß ein Maͤdchen,
welches das fuͤnf und zwanzigſte Jahr er⸗
reichet hat, und noch immer Mädchen
ift, was es von feiner eigenen Geftalt,
und den Abenthenren feiner Augend auch
fprechen möge, niemanden in Verfuchung
geführet haben muͤſſe, um baffelbe Anwer⸗
bung zu thun —
Jede Wiederholung des Namens Fraͤu⸗
lein, iſt daher in gewiſſen Jahren ein
ſtillſchweigender Vorwurſ des Yinmwertheg
ihrer Reise, und es ift fein Wunder,
wenn Perfonen, die fich in diefem Sale
befinden, bei der. Erwähnung ihres Stan⸗
des ein zweyſchneidiges Schwert durch bie
Seele dringt, mie einem Handeldmanne
der Blick erfchrelih feyn muß, ben er
- auf einen Vorrath Waare wirft, die durch
die Unbeſtaͤndigkeit des Geſchmacks aus
der Mode gefommen, und auf.immer ein
verlegenes Gut ſind —
m
Dbdb5 | XI.
T.“
426 Therefle und Eleonore.
XI.
Veniunt a Dote ſaʒgittæ.
" Juvenalis. *)
Anbetenswuͤrdige Talemine!
“ W. Sie ſich auch immer befinden mö⸗
gen, empfangen Sie von mir bie Verſi⸗
cherung ber zärtlichften Ergebenheit! Ich.
babe nicht erft geprängmäflig einen Sam⸗
flag erwarten wollen, ebe ich an Sie ſchrieb,
aus Beforgniß, daß jemand mich uͤberho⸗
le, und ihren unmwiderftehlichen Reigen von
zweymal hunderttauſend Gulden vor mir
huldige, Die Eilfertigfeit ift an einen
Liebhaber Fein Fehler: und nad) der ge⸗
meinen Sage find diejenigen immer ans
alüucklichſten, die am dringendſten find. „
„ Enz
9) Diefee Brief hatte die Aufſchrift an den
Herausgeber diefer Blaͤtter. Der Verfaſſer
deſſelhen hat mich in den dringendſten Aus—
drücken beſchworen, die lateiniſche Aufſchrift
heisubebalten , ohne fie gu Überſetzen. Er
behauptet: Taleminens Einwilligung , und
folzlich ſtya Glück beruhe darauf, daß fie
nicht uͤberſetzt wuͤrde. Sollte ich fo grauſam
ſeyn, und ihn unglücklich machen wollen?
Det verausg.
Therefie und Eleonore, a0y
2 Engel von einem Maͤdchen! Goͤttinn
von einem Meafchenfinde! laſſen Ste ih⸗
ren Triumph nach den zwey und fieben-
sig Winden der Welt erfchallen! Oer
Eaffer und Mohr, der Chinefer und Zar
pinambous follen mich vor Ahnen auf den
Knieen feben! Sühren Sie mich allen Na:
tionen in Fäfleln zur Schau auf — Ah
ich ſchweife aus! Talemine! urtheilen
Sie von der Macht ihrer Reize! göttliche
Meise von zweymalhundert taufend — ,,
„ Lernen Ste, unvergleichliche Tales
mine! lernen Sie ihren Sklaven fennen,
und halten Sie feine Niederlage für ein
Werk, das nur Ahnen vorbehalten war ,
nur ihrer würdig ift! Der Wuchs eineg
Grenabdierd, ein paar funkelnde ſchwarze
Augen, Eie durch und durch zu fchauen,
Eippen , wovon bie Schmeicheleyen wie
ein Waſſerfall zu Ihren Fuͤſſen herabſtuͤr⸗
gen follen, Schultern, Ste, nicht wie ein
kaltſinniger Eneas feine Kreufa bei einer
Hand aus Troja zu führen, fondern mit
allen ihren Rouponen und Bankozeddeln,
als eine Fofibare Laſt bei der geringfien
Gefahr aufzufatteln, Arme, Ste zu erdruͤ⸗
fen, wenn meine Zärtlichkeit uͤberlaͤuft, und
Dei:
425 Thereſie und Eleonore.
Beine, wie die Beine des Herkules, die
Deianiren fo fehr gefäffele haben. Und
alle diefe männlichen Schönheiten follen
ihre feyn, wenn Sie mich zu dem gluͤcklich⸗
fen Menſchen von ber Welt machen, und
mir ihre zweymalhundert taufend —
werthe Berfon fchenfen,, und dafiir nein
Herz, meine Hand, und biefe Schultern,
und diefe Beine, und diefe Lippen, unb
diefen ganzen, nicht etwan baufälligen
Koͤrper, fondern einen Menfchen in ber
Stärke feiner Jahre, zwiſchen dreyffig und
vierzig, und, was insbefondere nicht auffer
Acht zu laffen ift, der nie eine Frau ge⸗
habt, und fonft wohl behalten if, in Em:
pfang nehmen wollen. Theuerfte Tales
mine! befahren Sie fich feiner Lift. von
mir! dieſer Brief fol in ihrer Hand flatt
einer Verfchreibung gelten, Kraft der ich
mid) anheifchig mache, Ihnen alles Obige
pünftlich einzuliefern, Zug für Zug, mei-
ne Geliebte! wir Leute vom Kriegeshands
werke wiſſen nicht , wie bie Cwiliſten zu
ſchikaniren —
„Vom Kriegeshandwerke, ja! und ich
hofſe, das ſoll mir in ihren Augen einen
neuen Werth zulegen. Schon bin ich Haupt»
mann,
Therefie und Eleonore. 429 -
mann, und was fann ich nicht. noch wer⸗
ben? wie hoch kann ich meine Talemine
nicht noch erheben ? bis auf Die Zinne ber
Ehre, wo Sie, alle ihre Sie beneidenden
Gefpielinnen zu ihren Fuͤſſen tief, tief im
Staube, unfennbar erblicken follen. Neb:
men Sie einen Staatsbedienten! feine Ber
foͤrderung hat Grängen. Wann er einmal
einen ‚geroiffen Punft erreichee bat, fo ftebt
er unbeweglich, als wäre er hingezau⸗
bert — Uber ein Soldat — die Reiter ber
Ehre, worauf der hinanzuflettern hat, vere
birgt ihre Spigen in bem Himmel ber ent-
ferntſten Unfterblichfeit : und wenn Eie
mid, durch den mächtigen Beiſtand ihrer
Baarfchaft einmal bis zu einer geroiffen
Stufe erhoben haben, fe fen das übrige
die Sorge meiner Tapferkeit, und Liebe,
die mich zum Helden machen wird. Man
hat wohl eher Beiſpiele gehabt, daß ſich
gemeine Soldaten auf den Thron geſchwun⸗
gen. Sollte ihren Reizen das Wunder un⸗
moͤglich ſeyn, meinen Arm zu beſeelen,
daß er Ihnen wenigſtens einen Komanbo-
ftab zu Fuͤſſen legte? und dann wird mei-
ne Talemine Ercellenz! o Wonne!
X Aber
430 Therefie und Eleonore.
Aber die Ehre iſt nicht ber eimige-
Vorzug, den die Martisföhne ihren Cy⸗
theten verſichern. Welch ein weltenweiter
unterſcheid zwiſchen dem Ehſtande eines
Seaatsbedienten und eines Kriegers! Das,
was meine — ſchon nenne ich Sie mein,
weil ich mir es einmal unveraͤnderlich vo⸗⸗
gensmmen habe; Sie zu erobern — das/
was meine Talemine vieleicht Bei einen
Soldaten fehenen möchte, was In der Zus
funft meiner Bruſt bie erſten Seufzer/
meinen Augen die erſten Thraͤnen entlocken
wird, das eben iſt durch die weiſe Reihung
ber Umſaͤnde das Gluͤck kriegeriſcher Ehen.
Euch, wuͤrdigen Schoͤnen, für welche bie
Schönheit der Natur, der holde Frühling,
die ſchrecklichſte Zeit if, weil er eure Ge:
liebte euren Armen entreißt , und eure
fenfchen Flammen zu einer halbjaͤhrigen
Wittibſchaft verdammet, euch, die ihre bei
der Erwähnung einer Schlacht bebet, in
jedem Kouriere einen Boten beß Todes
fürchtet, euch hat bie Liebe zum Erſatze fuͤr
diefe Leiden thre wahreren, ihre ſchmack⸗
haftſten Freuden vorbehalten. Dieſe fuͤrch⸗
kerlichen Abweſenheiten find vortheilhafte
Zwiſchenraͤume, bie beiden Theilen zur
‚Therefie und Sleenore. 431
Erholung nothwendig ſind, und der Er⸗
ſchoͤpfung der Zaͤrtlichkeit waͤhren, deren
Folge Immer mechfelfeitiger Ueberdruß und:
Ekel iſt. State, daß den, am bie Seite.
feiner unabfänperlichen Hälfte mit, eifernen
Ketten geſchmiedete Staatsmann bei dem
größten Vorrathe ber Zärtlichkeit bald aufi
dem Grunde. iſt, und nun bag; Paar: ger
fuͤhllos, gedanfenlpg. gegeneinander Ag,
fich nichts zu fagen. weis, als was ee.
hundertmgl geboͤret und geſagt, und tie:
der zu ſagen muͤde iſt, dreymal gaͤhnt,
und zuſetzt ſanft einſchlaͤft; ſtatt deſſen
hat die Mutter der Liebe, die noch ihrem
Lieblinge in. jehem Krieger hold fl, das
für geforget „ daß bei uns bag: Vergnügen
zu gelegener Zeif unterbrochen. werbe, che
wir deſſelben ſatt ſeyn koͤnnen. Die Ab⸗
meſenbeit fact dann die Zaͤrtlichkeit aufs
neue in: lichserlohe Flammen aufs und die
Gefahr, die Furcht, ung zu verlieren,
macht und: unſeren Geliebten theuner —
wie immer ein. Gut, das man verloren;
hält, und nun wieder finder, koſtbarer
wird ˖ So Ichen. wir, nicht einen eis
gen Ebſtand dahin, wovon man: fein End
abſieht, ſondern erneuern. mit jedem Ende
der
2 .Therefie und Eleonore
der Campangne eine Verbindung, bie wies
der länger nicht als fiir die Wintermonate
bauren fol — Wir leben nicht in einer,
wir leben in hundert Ehen, denen unfer
Stand ſelbſt nicht Zeit. läßt, jemals‘ zu
überreifen. Der Symen bes Staatsbe⸗
dienten ift ein alter Eopfhängender Kerl:
ber zymen des Eolbaten, ein hüpfenber,
muthwilliger Juͤngling ‚ auf deſſen Haupte
die Roſen im ewigen Lenze prangen. »
„ Reihen Sie mir die Hank, theure
Schöne ! und nehmen Sie dagegen’ die
. meinige an , die ich Ihnen mie wahrer
Borempfindung des innigften Vergnuͤgens
darreiche, workit ung bie Liebe Erönen
wird. Ich bin eiferfüchtig, Sie zu beſitzen:
ihre Vorzuͤge leuchten zu flarf in bie Au⸗
gen, als daß ich nicht Nebenbuhler zu-be=
fürchten haben follte. Ber ift im Stande,
neben bem blendenden Glanze von funfzigs
taufend Kremnigern der glatten Haut ei=
nes flatterhaften Wefens wahrzunehmen ?
und wer follte bei dem Silberklange ih⸗
rer Annehmlichkeiten für die fchmeichelnden
Zaubertoͤne der jüngften Kehle noch Ohren
haben? — Eagen Sie mir, angebetete
Talemine! ift die Vorſtellung, die ich mir
von
Therefie und Eleynore. 433
von ihrer Foflbaren Perſon mache, ein
Spiel meiner Einbildung ? ober bat mein!
Geiſt fih durch ein geheimes Zauberftüc
ihrer Baarfchaften, auf eine Zeit von mir
felbft Iosreiflen, und zu Ihnen eilen, und
bie Züge gu dem entzückenden Bilde ſam⸗
meln können , das ich mir zum Abgotte
meiner Wünfche erhoben habe? — „,
„ Gie find, denfe ich, über bie Unbe⸗
ftändigfeit. der Jahre hinweg , die einen
Mann immer noch Kinverpoden , ober -
einen andern Feind der Schönheit. fürdh-
ten, und vor einer traurigen Deränderung
feines jungen Weibeg zittern laffen. „Ueber
die Anmut, die Sie mir einmal einraͤu⸗
men, bat bie Zeit, mie ber Winter über
das unveränderliche Wintergruͤn, feine
sanze Herrfchaft verloren. Sie find von
unwanbelbarer,, unfterblicher Geftalt, wie
die Scttinnen des Olympus. WVerbergen
Sie immer Ihre Haare unter einer ſchuͤtzen⸗
den Nachthaube! die muthwilligen Purſche
verdienen fie nicht zu ſehen. Schon find
fie aſchengrau, aber bald werben fie vol⸗
lends die Silberfarbe des Mondes erreis _
chen: und welche Sarbe in der Welt darf
ſich mit filberfärbichten Locken in einen
IV, Theil. €e Bett:
y t
«
| 434 Thereſie und Eleonore.
Wettſtreit einlaffen ! Die Roſen ihrer
Wangen werden wicht bie vergängliche
Roͤthe der Frühlingsblumen haben ; es
werden dauerhafte Echarlachrofen ſeyn,
bie nicht von jedem Hauche ber Luft ver:
soehet werden. Nicht wahr? die Sorge,
ſich von der Ungeftäme Ihrer Liebhaber mit
Anftand los zu machen, hat auf ihrer
Stirne einige Furchen gezogen, bie ihrem
ganzen Gefichte ein ehrfurchterzwingendes
Anfehen geben? Wie wohl hat bie Natur
gethan, ihre Augen ein wenig zuruͤckzu⸗
"ziehen, und den Glanz derfelben durch bie
überhängenden Gefträuche der Yugenbräune
zu mildern! mer härte fonft ihre fliegenden
Blicke ertragen, role hätte ihr gluͤcklicher
Gemahl Sie ohne Blinden jemals betrach»
ten koͤnnen? Ihr Hals, und ihr Buſen —
Laſſen Sie mich davon wegwenden, da⸗
mit ich nicht In einem Meere bes Vergnuͤ⸗
gend erfäufe! Sie find, mit einem Worte,
sie die Bildfäule einer Goͤttinn, bie auf
einem gülbnen Fußgeſtelle erhoͤhet tft, mir
GSterblichen unerreichbar ‚, der ich mic
ehrerbietig begnuͤgen will, bag Sußgefen
gu umarmen. „,
Noch
.
Sherefie und Eleonore. 4335
X Noch einmal, goͤttliche Talemine!
reichen Sie mir ihre Hand, und machen
Sie mich durch den Beſitz aller ihrer Vor⸗
zuͤge zu demjenigen gluͤcklichen Sterblichen,
der den Neid aller Freyer verdienet, aber
auch an ihrer Seite verachtet! Bald ſoll
die Gluͤſeligkeit ihres Gemahls dem gan⸗
zen Erdenkreiſe ſichtbar in die Augen ſtra⸗
len! Bald will ich in einer praͤchtigen
Kutſche daherrollen, an deren Geitenftl:.
cken der Gott der Liebe ſich in einer Win⸗
terlandſchaft auf bag anmuthigſte gu er⸗
gzoͤtzen ſuchen wird. Bald will ich ihrem
Vermögen mit einer Eoftbaren unb zahl⸗
reichen Liveren Ehre machen. Bald fol
ihre Großmuth durch die nieblichften Saft:
gebote, durch die hoͤchſten Spiele berühmt,
bald ihr Haug ein Sammelplaß ber artig-
ften Geſellſchaft beiderlen Geſchlechtes, ein
offener Luſtort der Stadt werden. Ich
soil alles Fleiſſes nachfinnen, unfer Geld
mit immer neuen Ergößungen anzumerben.
Und da mid ihre Jahre der Sorge ent=
Übrigen , auf Nachfommenfchaft zu den⸗
fen, fo haben wir, ohne zu ber traurigen
Mühe der Berechnung und eines lieber:
€ eoa- ſchlags
436 Thereſie und Eleonore.
fchlags gehalten zu ſeyn, nichts zu thun,
als zu genieflen. „,
„ Das find die Bebingniffe unferes
Fünftigen Ehvertrags, gu denen ich mich
hiemit vor dem Angefichte der ganzen Welt
auf das feyerlichfte verpflichte , und zu
ben vorhergehenden nur noch biefe hinzu⸗
feße: daß ich ihre Schritte und Wege'nie
mit einer Nachforfcehung beleuchten , ihre
Freyheit in nichts hemmen, weder wegen
ihres Umgangs, noch ihrer Gefellfchafter
eine Ausnahme machen, und Sie, mit ei=
nem Worte, unbefchränfte Frau ihres ei⸗
genen Willens werde feyn laflen — mo:
für ich mir meinerfeits nichts meiter, als
eine gleiche Freyheit vorbehalten haben
will —
„Ich erwarte num bie förmliche Be:
ftärtigung von ihren Gätterlippen , und.
nenne mich fhon zum voraus mit der
regften Inbrunſt
ihren, ganz ihren EUwern.
XI,
Therefie und Eleonore. 437
XII:
In deinem, nicht wie Glas durchſichtgen Herzen
Eutſchütt ich mich auch der geheiniften Gorgen..
Ich halte dir dein Menſchliches zu gute,
Wie du meines deckeſt.
Lange.
Lalemine an Ellwern.
Mein Freund!
F Ihre Liebeserklaͤrung hat ihre Wir⸗
kung gethan: Sie haben die Funken, die
noch unter der Aſche glimmten, anzufa⸗
chen gewußt: ich bin ganz Feuer, ganz
Leben! Ellwern! die Falten meines Ge⸗
ſichts verſchwinden: mein ſchon zuſamm⸗
gezogenes Herz blaͤſt ſich auf, erweitert
ſich — Was alles fühle ich für Sie!— „
„Zwar folte ich mit mehrerer Foͤrm⸗
lichkeit zu Werfe gehen: ich follte Ihnen
das Erdreich Fuß für Fuß ſtreitig machen:
id) follte Sie ſeufzen, verzweifeln, Gri-
maffen machen laffen! Da ich noch, mie
Tomorren ”) Jungfrau bin; fo follte ich
€ez3, mich
*) Eine gemeinüblrche Redensart von einer Fe⸗
kung, die noch nie erobert worden, zu ſa⸗
gen:
\
438 herefie und Eleonore,
mich nicht fo auf Gnabe und Ungnabe er:
geben , fonbern wenigſtens vor meiner
‚ Nebergabe gereiffe Ehrenbedingniſſe zu er⸗
halten fischen. Aber, Freund meines Her⸗
send! wozu diefe Verſtellung? ich mil
Ahnen den Sieg nicht ſchwer machen, da .
es mich felbft gu viele Ueberwindung ko⸗
fien wuͤrde, den liebſten Wunfch meines
Herzens nur eine Minute zu verweilen — ,,
„9 Komm theurer, füffer Geliebter!
komm nur erſt in meine fllgeren Jahre, ba
weis man mit. feinen Augenbliden haus⸗
zuhalten! Wann ein Augenblick einen be⸗
trächtlichen Theil der Zeit ausmachet, bie
wir noch gu leben haben , verliere man fie
dann etwan gerne? „
„ Schalt! ſtuͤnden Ste da vor mir,
ich müßte Sie mit einem fanften Backen⸗
ſtreiche für Ihre Schmeichelen beftrafen, "
Ihre Abweſenheit koͤmmt mir gleichwohl in
biefem Augenblife fehr zu gut: ich wuͤrde
meine Verwirrung binter meinem Sächer
nur fchlecht verbergen. Ich bin gwar, mie
wir
gen: diefe Seftung if noch Jungfrau. Bes
ſonders ſagt man dieſes hier au Rande yon der
ungerifhen Feſtung Tomorren.
Therefie und Eleonore: 439
wir Mäschen ſaͤmmtlich, keine Selndinn,
daß man meine Neisungen ein Bißchen
übertreibt; aber man foll dabel Maaß hal:
ten, Lieber ! Sie gehen ein wenig gu weit-
Da wir vor. bem Angefichte der Liche nun
fhon Mann und Frau find, fo darf ich
mit Ihnen auch vertraulicher fprechen. Es
fleigen über dem Bilde, fo Sie fich von
‚mie machen, bei mir allerlei Bedenklich⸗
‚ keiten auf. Wie nun, wenn-ich nicht fo
wäre, wuͤrden Sie mich dann nicht fa
feurig lieben ? Wie, wenn vielleicht ihr
Pinſel fo fehr zu verſchoͤnern gewohnt if,
daß er auch bei ihrer eigenen Schilberung
. mehr nad) Phantafey, ald nach der Natur
gezeichnet hätte? Denfen Sie, daß Sie
mich berechtiget haben, alles von Ahnen
Stuͤck für Stuͤck in Empfang zu nehmen;
und daß man in meinen jahren nicht mehr
fo flatterbafe ift , über einem beftäubten
Kopfe, oder fonft einem erborgten zufällis
gen Sierrathe die wefentitcheren Reize eis
nes Mannes, die Beine oder bie Schule
tern zu vergefien! Zug für Zug fagten
Sie: ich nehme Sie beim Worte. „
So ſehr ich Überhaupt. auch für ih⸗
ven Stand eingenommen. bin ‚fo kann ich
@e4 mei⸗
440 Thereſie und Eleonore.
meinem liebſten Sreunde gleichwohl nicht
verbergen, baß ich bei demſelben, wenig-
ſtens file dag erfte Jahr ganz nicht meine
Rechnung finde. Die neun und vierzig
Winter, fo über mein Haupt dahin ver-
fioffen find , haben meine Lebhaftigfeit
nicht etwan getoͤdtet, oder mid) gelaffener
gemacht. Haben Ste nie die Sonne im
Winter beobachtet? der kalte Luftfreis Hält
alle ihre Stralen beifamm — Das iſt dag
Ebenbild ihrer Talemine , fie hat noch
ben ganzen Vorrath ihrer Zärtlichkeit, ih⸗
res Gefuͤhls, alle Stralen ihres lebhaften
Temperaments beifamm, und die Morgen»
vöthe unfrer Liebe fol nicht fo kurz feyn.
Ich will, wenn ich einmal die Ihrige ſeyn
fol , von Ihnen fo viel geliebt ſeyn, als
mir lieb ift; und Sie, Eie werben von
mir geliebt werben — mehr ale Ihnen lieb
fenn wird — Kommen Sie meiner Scham»
baftigfeit auf dem halben Wege entgegen,
und errathen Sie, mas ich über meine
- jungfräulichen Lippen zu bringen, nicht
vermoͤgend bin. Der Winter zwar iſt die
günflige Zeit der Liebe. Die Natur fcheint
ausdruͤcklich dafuͤr geforgt zu haben, daß
bie langen Winterabende ung nicht in uns
— .— end⸗
⸗
Therefie und Eleonore, 445
endliche Ewigkeiten ausarten. Ich werde,
"Ahnen zur Seite, folche kuͤrzer als bie
fürzeften Sommernächte finden: aber ſoll
mich. der Frühling freudenlos auf feinen
Fluren herumwandern, ſoll ich die Schoͤ⸗
pfung im Sommer traurig, und den Herbſt
mit allen feinen Fruͤchten geſchmacklos fin-
‚ ben? Sraufamer! wollten Sie, daß meine
- Seufzer am Ahrentwillen dem Himmel Ge⸗
walt chäten, damit die Grängen der Zei⸗
ten verriücket werden , damit ber Winter
dag geſetzte Ziel überhole, und ber zu⸗
frühe Braufende Nord mir meinen Gatten
zugleich mit den Schneeflocken herbeiſtuͤr⸗
me? Nein, liebes Leben! vereinigen wir
den Vortheil unfrer Zärtlichkeit mit dem
Bortheile der Natur ! Der Winter fey
unfer! aber dag fen auch Frühling, Som⸗
mer unb Herbſt! Die Jahrszeiten mögen
über ung hinwechſeln, unfer Vergnügen
fol es nicht! ung fon die feufche Liebe
ewigen Lenz bereiten ! „,
„Es iſt einer Zärtlichkeit wie ber mei:
nigen. nicht ſchwer, das Mittel dazu zu
finden — Es iſt fchon gefunden dieſes
Mittel, und Hier hören Ste e8; zugleich
mit dem ganzen Entwurfe unſrer kuͤnfti⸗
Ee5 gen
448 Sherefie und Efennore.
gen Haushaltung! denn ich babe Im der
That an bem ihrigen um unferes wechfel⸗
weiſen Beften Willen einige Beränberuns
gen zu treffen. Sie finb jung, und feurig;
mich zu lieben fol ihr einiges Gefchäffe
feyn! dag meinige für Ste und das Haus:
wefen zu forgen. »,
„ Sie follen , mein Sohn ! einen
Stand verlaffen, ber mich obne linterlaß
für dag, mas mir beinahe koſtbarer iſt,
als ich mir felbft bin, gu zittern zwaͤnge.
Warum follte id) Sie immer neuen Ge⸗
fahren Preis geben? — Um mir einen
Kommandoftab zu Süffen gu legen ? —
Kleiner Don QNuixote! biefed Romant:
firen gefälle mir! aber ich , Ich bin Feine
„ graufame Prinzefinn , ich erlaſſe Sie der
Verbindlichkeit, auf Abentbener auszuge⸗
ben: De Ehre Hat für mich feinen Stachel,
mein Herz ift nur für die Liebe fuͤhlbar;
nur für die Liebe, und das fol in Hinz
funft auch das ihrige ſeyn! ich ſey ihre
Kompagnie, ihr Regiment, ihr Komman-
do, das Ziel ihrer Ehrfucht! ihre Campa—
suen haben Sie bei mir zu machen — „, |
„Sie haben mich in einem einzigen
Briefe fchon fehr bie Liebe gelchret. Seyn
Ste
Therefie nnd Eleonore. 443
Sie Holz darauf! mein Herz war gu ande⸗
ver Zeit ſehr aufruͤhriſch — Willen Sie
nicht, wann man wahrhaft liebt, fo iſt
man argwoͤhniſch, fo fürchtet man. Ihr
isiger Stand wuͤrde oft Länder und Deere
sroifchen ung feßen. Junger Flattergeiſt!
ftünde Ihnen dag zu Geficht? nein, ich
will Sie nicht der Gefahr ausfegen. Wer
wäre. mir gut dafür, daß das Andenken
ihrer Talemine Sie immer gegen die Aus
fälle einer, ohne Zweifel nur unwillkuͤhrli⸗
chen Untreue ſchuͤtzen wuͤrde? Sie wiſſen
es, die Abweſenheit, die Gelegenheit, die
nicht ſtrengſten Grundſaͤtze — Glauben Sie,
da iſt es gut, wenn das Gegenmittel im⸗
mer bei der Hand if. —
„Ich will unberveglicher als ein Zeig
gegen alle Liebeserflärungen feyn. Die
Hälfte des menfchlichen Geſchlechts ſoll zu
‚meinen Fuͤſſen fierben, und e8 fo mich meis
nem Ellwern, nicht mit einem Gedanken
untreu werden feben. Diefe meine geroiffen-
bafte Treue giebt mir aber auch ein Recht
auf die ihrige, ich will Sie ausſchlüſſend
befigen. Ich will Sie daher als meinen
Augapfel bewahren, und, eine unabföne
. Dite
444 Thereſie und Eleonore.
derliche Gefäprtinn ihrer Schritte, Sie
aller Drten begleiten — „,
„ Ja, mein Goldkind! Sie follen mit
einem ftolgen Sefpanne daher fahren! abet
Sie werben mir die Freude nicht mißgoͤn⸗
nen, ihre Kutfche mit Ihnen zu theilen?
Ihre Liveren fol prächtig fenn! meine Be=
dienten den ihrigen beigefellet, werben ein
fehr zahlreiches Gefolge ausmachen, und
welches fürftlich in Die Augen fallen wird. „,
„Es wird meine Sorge feyn ‚ ihre
Tafel mit den niedlichfien Gerichten , mit
dem koͤſtlichſten Getränke zu befegen. Ich
werde Ihnen den befeelenden Goͤttertrank
in einer güldnen Schaale mit meinen Hän-
den reichen , und mit meinem Munde im-
mer den Drt zuvor berühren, mo Sie trin,
fen folen — linfrer Tafel follen angenehme
Säfte nicht mangeln: aber, Eie werben
doch mir die Wahl laſſen? nicht wahr ? ;,
„ Wozu Ellwern! fol uns das be⸗
täubende Geräufch der Gefelfchaft? Bin
ich nicht Ahnen, find Sie nit mir Geſell⸗
fchaft genug? Werben wir und nicht im⸗
mer etwas zu fagen haben? Wird unfre
wechfelfeitige Liebe ung nicht beftändig et⸗
was neues an die Hand geben? mögen
| fich
Thereſie und Eleonore. 445
fich die ungeltigen Geſchoͤpfe, die ehe heu⸗
rathen, , ehe fie Kinder zu ſeyn aufhören,
die mögen ſich nad) einem Dritten umfe-
hen, der das Leere ihres Faltfinnigen- Um⸗
gangs ausfülle! Talemine hat Erfahrung :
Beine Augen, mein lieber Ellwern! werden
mich berede machen : wir wollen dem ſtoͤh⸗
renden Lärmen der Gefellfchaft entfliehen,
die unferer Liebe nur Zwang auflegen
wuͤrde! Sch will dir meine Liebe erzählen,
du ſollſt mir. deine Liebe erzählen: fo
wollen wir und felbft zureichen! „,
„Das Spiel, nein mein Freund! dag
liebe ich eben nicht, das will ich mir ver⸗
bitten, und du ſollſt es gleich itzt wiſſen.
Ein Mann von Vermoͤgen waget alles,
und kann nichts gewinnen. Du kannſt dich
arm ſpielen. Aber wenn du gewinnſt, was
kannſt du mehr, als gut, vortrefflich le⸗
ben ? und das magſt du durch meine Vor-
forge ohne: Spiel — Alfo, Fein Spiel,
guter Mann, oder nur mit.mir! und der '
Preis find gegebene oder empfangene Lieb⸗
fofungen, da gemwinnft du immer. >.
„F Schon bin ich ganz vertraulich !. wa⸗
rum waͤre ichs nicht? werde ich es doch
noch mehr soerben, Weißt du mag, Hei:
| ner
446 Thereſie und Efeonore,
ner Schein! du folft ganz ohne andre
Sorge leben, als bie Sorge, mich zu lie:
ben. Ich werde bir deine Kleider, deine
Bedienung, beine Kleinodien, alles be⸗
ſorgen, alle Ausgaben beſtreiten: du ſollſt
dir feine Hand mit dem Gelde beſchmu⸗
‚gen — Ueberhaupt ift euch unerfahrnen -
Gefchöpfen das Geld nicht nuͤtz, ihr taͤn—
belt nur. Ich mache did) zum Herren über
mich, dag ſey dir genug — ich aber werde
Stau über meine Cuponen und Banfogeb-
dei bleiben. Ich möchte mir nicht gerne
durch undberdachte Verſchwendung die Mit-
tel aus Händen gehen laffen, deiner Be—
barrlichkeit immer einen Preis auszufegen,
und deine ZärtlichFeit zu belohnen. „
„ Das wäre alfo der, ein mwenig.von
dem Ihrigen abgehende Entwurf unſeres
Ehvertrags, den Sie für mich nicht zu
frühzeitig unterfertigen Eönnen. Mein Herz
wallet ihnen entgegen, tch fühle die ver—
- jüngernde Kraft der Liebe, ich fange nun.
erft zu leben an, und ich werbe, ſeyn
Sie verfihert , unſterblich ſeyn, und
immer „,
chre Talemine.
Ich
Therefie und Eleonore,‘ 447
Ich fehe die beiden Verliebten wie zween
Wettlaͤufer an, die einander den Bor:
‚ theil abzugeroinnen fuchen — 2üwern will
feine Zaͤrtlichkeiten theurer verfaufen: Tor
lemine will fich die Srenheit vorbehalten,
ihre Freygebigkelt nach dem Betragen ih⸗
xes Liebhabers abzumeffen. Talemine geht
vorſichtig zu Werke, und thut recht dar:
an. Sch vermuthe, fie werben fich beide
zu ihrer Dual zureichen. Und wehe El:
wern , wenn feine graue Geliebte bie
fchredliche Drohung , unfterblich zu ſeyn,
erfuͤllet!
Der Gerausgeber
XIII.
Benn ungewiß bei meiner Pflicht ich wanke,
Wie ftärkt mich oft der felige Gedanke:
Was that Ari bei diefer Pflicht?
Berfahre fo , als war” er ſelbſt zugegen —
So giebt ein Blick auf ihn mir ein Bermögen,
) Und der erfi wankte, wanket nicht —
Gellert.
Eleonore an den Herausgeber.
„Daes Vergnuͤgen. das Publikum zu
anterhalten ‚ muß bach aufferorbentlich
| hin⸗
448 <herefie und Eleonore.
hinreiſſen, weil Sie fih fo fehr davon
einnehmen laſſen. Aber mein guter ger:
ausgeber ! wiſſen Sie auch, daß es gar
nicht verbindlich laͤßt, wenn Sie nur
auf ſich — nicht auf ung fehen? wiſſen
Sie auch, daß biefe Blätter Srauenblät-
ter ſeyn follen, und bag Sie ba gleiche
wohl mit ihren wahren, oder untergefcho=
benen Briefen, Stüden und Erzählungen
fo oft herangiehen, daß wir Echriftftellerin=
nen, und insbefondere ich, ihre Dienerinn,
{bon eine ganze lange Zeit. nicht zur Ne:
de fommen? Vergeſſen Ste denn etwan
ben Lobſpruch ihres Sefchlechteg : daß ei⸗
nem Mädchen nichts fo fchwer fälle,
ale das Schweigen — Mit einem Wor⸗
te fo viel als mit hunderten, ich habe mich
. An das Recht geſetzt, oder gebrungen ,
wenn Sie lieber fo fprechen wollen, um:
sählig die Woche einmal mich Iefen gu laf-
fen, und Sie folen mich Fünftig nit
mehr um biefes Vergnägen bringen. Es
find ohnehin nur noch XIV. Blätter , die
wir nach unferem erſten Vertrage zu liefern
haben: davon find fieben mein Eigenthum,
darum mich gewiß niemand bringen fol.
Wenn Therefle eben fo eiferfüchtig auf
| ‚ bie
Therefie und Eleonore. 444
Die Ehre , das Publikum zu unterhalten,
haͤlt, fo mögen Sie nun fehen, wie Sie
ihre Serzoginn ganz ausfchwägen laffen ,
von ber ich mir bie Freyheit nehme, Ih⸗
nen im Vorbeigehen die offenhersige Anz
merfung zu machen, daß fie, dem größten
Theile zu mißfallen, die Ehre gehabt. „.
Das fihre Mittel,
junge Mädchen ämfig, artig und geſittet
su machen:
eine Erzählung
in meinem eigenen Sefchmade.
Enire⸗ war ſchon in das fuͤnfte Jahr im
Ehſtande, und war noch nicht Mutter.
Das junge Weibchen haͤrmte ſich daruͤber
ſehr ab. Die Urſache des groſſen Leidwe⸗
ſens, wenn ein junges Weib nicht Mutter
iſt, moͤgen die Leſer einſehen. Ich Maͤd⸗
chen kann nicht begreifen, worin die Ur⸗
ſache des Betruͤbniſſes liegen ſoll? — Aber
genug, Emire war äufferft betruͤbt. Wenn
fie ſich in Geſellſchaft befand, und andre
Grauen fie lächelnd fragten: ob fie noch
keine Samilie härter fo fab fie biefe
IV. Tell... Ff Sta:
»
450 Üherefie und Eleonore.
Stage immer als einen Vorwurf an, und
erroͤthete. Ihre Aeltermuhme erbaute fie
manchmal mit dem frommen Beifpiele der
Rachel, die fich eber den Tod gemünfche
babe, als ohne Kinder zu ſeyn: denn,
fagte die gute alte Tante, das iſt ber
Ehfegen; und Emire weinte fehr oft in
Geheim, daß fie der Himmel nicht fegnen
‚ wollte. Endlich wurde fie, nach manchem
frommen Seufzer, nach manchem Gelübde,
mancher Wahlfahre erhört: welche Freu⸗
de! — Die fünfjährigen Ehleute empfien-
gen den Gluͤckwunſch Über die Geburt ei:
ner Tochter.
Sie ward Emire genannt, weil fi ie der
Mutter wie aus dem Gefichte geriffen war,
und eine Schönheit vom erſten Range zu
werden verſprach — Die Töchter find für
die jungen Weiber eine Fundgrube von
Zeitvertreib. Indem fe das junge Püpp-
chen pugen, zieren, zarteln, fo thun _
fie ihrer eigenen Eitelkeit genug , und
"freuen ih, in dem zarten Gemuͤthe des
Heinen Geſchoͤpfes einen fo tiefen Eindruck
ihrer Sorgfalt wahrzunehmen — Die jun=
ge Emire war fonderbar gelehrig. Schon
im zweyten Jahre war ihr größtes Ber:
R gnuͤ⸗
Therefie und Eleonore. 451
gnügen, fih vor dem Epiegel zu befehen.
Sie meinte, wenn fie ein anderes Kind
fchöner als fie gekleidet fah; lobte man
eines in ihrer Gegenwart, ober zog es ihr
gar vor, fo fihrie fie vor Bosheit, und
hätte man fie gelaffen, fie hätte das Kind,
fo ihr vorgezogen ward , gefraget und
gebiffen — Die Mutter ergögte fih an
biefem liebenswuͤrdigen Neide : Mann,
fagte fie oft, wenn unſre Tochter fo fors
wähft, die wird Yliederlagen in Ser -
Melt anrichten! Noch waren bie Pocken
gu beforgen. Sie famen, und hatten die
Gefaͤlligkeit, keine andre Zerſtoͤhrung an
dem fchönen Geſichtgen anzuftellen , ale
baß fie die gewöhnlichen lecken hinter-
lieffen. Die junge Emire durfte, fo lange
diefelben fihtbar waren , nicht vor ben
Spiegel gelaffen werben Das einzigemal,
als es die Kindsfrau gewagt, ihr das
von Flecken verſtellte Geſicht zu zeigen,
haͤtte das Kind beinahe eine Krankheit da⸗
von gehabt. Man mußte dem unmanier⸗
lichen Spiegel die Schuld geben, und ihn
zur Genugthuung vor ihren Augen zerſchla⸗
gen. Zeit, Lilienoͤl, und andre reinigen⸗
ben Mittel verdbrangen endlich dieſe Ueber:
Sf2 bleib⸗
452 Thereſie und Eleonore.
bleibſel der Pocken ganz, und die junge
Emire glaͤnzte, wie ein junger Fruͤhlings⸗
tag nach einem Aprilgeſtieber.
Sie war der Abgott ihrer Mutter. Den
ganzen Tag uͤber hoͤrte ſie nichts als, wie
fchön fie waͤre — Alſo war dieß der ein⸗
zige Vorzug, den ſie kannte, der ſie ſtolz
machte. Die geringſte Muͤhe wurd ihr
nicht geſtattet: wie bald koͤnnten die ſchoͤ⸗
nen Händchen Schaden nehmen ? Sie ſtand
auf, fette fih bin, ließ fich anfleiden,
gieren , pugen, ohne fich gu regen. Dom
Hausweſen durfte ihrer Mutter niemand
erwähnen. Meine Tochter wird Feinen
Mann nehmen, bei dem fie nöthig
hätte, fich mit Saueforgen zu bemen⸗
gen — Ein Freund vom Haufe gab der
Mutter den wohlgemeinten Rath , den
Geift des Mädchens auszubilden, und ihm
ju den förperlichen Reizen, auch die Reize.
bes Geiſtes eigen zu machen. Mein Gott,
gab die Mutter zur Antwort, das bat
mein Rind nicht nötbig : ihr Mund iſt
fin; ein fchöner Mund fpricht ſtets
Orakelſprüche: auch wenn er Thorbei-
ten fprache, gefallen Thorbeiten beſſer,
ala die Weisheit felbfi aus dem Munde
ei⸗
Thereſie und Eleonore. 453
einer gemeinen Beftalt. Die junge Emi⸗
re hatte nie ein Buch gelefen, als viels
leicht Romane, worin fie aber die Lehren,
die aus den Vorfällen gesogen wurden,
ſehr langweilig fand, und gefchwind über:
ſchlug — Du bift ſchön, mein Kind!
fprich, was dir vor die Zähne Fommt!
handle, wie es dir beifällt! und fey
ficher zu gefallen. Das war ber ganje
Unterricht , den die Mutter der jungen
Emire gab.
Das Mädchen kannte bie uUebermacht,
die es uͤber ſeine vernaͤrrte Mutter hatte,
und bediente ſich derſelben, jeden Wunſch
ſeines Herzens genug zu thun. Sie war
unerſaͤttlich in Kleidern, und Putz; eigen⸗
ſinnig gegen jederman, auffahrend gegen
das Gefind , unwiſſend in allem, und
dennoch eingenommen, nie zu ſchweigen,
voll Zuverſicht zu ſich ſelbſt, voll Verach⸗
tung gegen ihre Geſpielinnen; fie foderte
über ihr ganzes Geſchlecht den Schritt,
und von allen Männern Verehrung. Wer
ſie nur anſah, war in ihren Augen ein
Leibeigener ihrer Schoͤnheit: in ihrer Mei⸗
nung mußte wenigſtens ein Prinz ſich gluͤck⸗
lich ſchaͤtzen ‚ wenn fie ihm gnaͤdig mar —
F f.3 So
454 Thereſie und Eleonore.
So wuchs fie heran, bewundert von
jeberman, aber auch von jederman gefärch-
tet. Man. mußte ihre Foderungen, und
niemand getraute fich venfelben genug zu
tbun, jederman bielt fich entferne. Wer
Hätte das Herz gehabt, eine hochmuͤthige,
verſchwenderiſche Tyranninn in das Haus
zu führen, bie alle Gefaͤlligkeiten als einen
fchuldigen Zins ihrer Schönheit angenom-
- men, die den Mann zu Grund gerichtet,
und doch fich uͤber Mangel beflaget ba:
ben würde ?— Bis hieher war der Vater
der jungen Thoͤrinn gleichfam in einem
angenehmen Traume der groffen Hoffnun=
gen gemwieget worden. Aber als Emire
in das Alter eintrat, wo biefe Hoffnungen
in Erfüllung gehen foten, und gleichwohl
nirgend ber bazu ein Anfang gemacht wur⸗
de, als fi zur Berforgung feiner Tochter
fogar rirgend ber einiger Anfchein zeigte,
ba öffnete er die Augen über den verwahr⸗
Ioften Gegenftand feiner Zärtlichkeit, und
entdeckte ohne viele Mühe die Mängel,
bie das ſchoͤne Bild verunftalteten — Der
Kehler war begangen ; er hielt fich nicht
erft lang mit Vorwürfen auf, fondern
dachte auf Wege, ihn gu verbeffern. Er .
oo. Ä . mad):
‚Therefie und Eleonore. 455
“machte einen Entwurf dazu, der vieleicht
allgemein auf unfer Gefchlecht anwendbar
ſeyn möhte. | =
Des Stolged ungeachtet, den die jun⸗
ge Emire in ihrem ganzen Betragen ge-
gen das männliche Gefchlecht blicken ließ,
. war ihr Herz gegen bie Liebe nicht unem⸗
pfindlih. Wie waͤre dieſes möglich gewe⸗
fen, ba es durch Feine ehren bewaffnet,
durch feinen Unterricht bewahret, nur den
ganz unausgebilveten natürlichen Regun⸗
gen nachhängen konnte. Ihre Augen waͤhl⸗
ten, und daß Herz wußte fich der getrof⸗
fenen Wahl nicht zu widerſetzen. Zum
Gluͤcke für fie. war diefe Wahl. auf einen
wuͤrdigen Gegenftand gefallen. Aront
hätte die Wahl der verftändigften Perſon
unſers Geſchlechts gerechtfertiget. Er hate
oft bei ſich bedauret, daß ſo viele Fehler
eine ſo vollkommene Schoͤnheit entſtellten.
Emirens Vater, der von der Zeit, als
er über bie Aufführung feiner Tochter Bes
trachtungen anzuftelen angefangen , auf
alles, was fie angieng, aufmerffam warb,
überrafchte nicht nur die Blicke Aronts,
die oft ſtundenlang an Emiren gehäf-
tet waren; er entdeckte ſogar, daß der
Ff54 Juͤng⸗
456 Thereſie und Eleonore.
Juͤngling, wenn er feine Blicke von ihr
wegwand, feine Seufzer nicht unterdrücken
konnte. Diefe Seufzer waren für den auf
merffamen Vater fichere Augleger ; er drang
in das Geheimniß Aronts ein, und wuͤnſch⸗
te fich über feine Entdeckung Gluͤck; nur
wollte er, ehe er fonft etwas unternahm,
auch die Sefinnungen feiner Tochter aus⸗
forſchen. |
Er batte dabei weniger Mühe. Das
Mädchen hatte die Kunft, feine Neigung
einem fpähenden Auge zu verbergen, nicht
gelernet. Sie hatte vielleicht nicht geglaubt,
daf fie es jemals noͤthig haben wuͤrde,
fich zu verbergen. Als der Vater fich mit
ihr ernftlich über ihre Verſorgung befprach,
‚und die verfchledenen Männer gleichfam '
durch die Mufterung geben ließ „ welche
zu einem ſolchen Gluͤcke ihre Foderungen
erheben duͤrften, blieb ihr Aug und Ge⸗
ſicht bei allen unveraͤndert. Der eine war
nicht edel, der nicht reich, der nicht wohl⸗
geſtaltet genug; kurz, ſie fand an jedem
mit vieler Freyheit dieſes oder jenes, und
immer etwas auszuſetzen — Aber Aront —
Hub endlich der Vater an — Aront —
wiederholte Emire, und erroͤthete, und
ſchlug
Therefie und Eleonore. 457
ſchlug die Augen nieder — Arone, fuhr
der Vater fort, bat er Feinen von den
gehlern, welche die andern fo unglück⸗
lich machen, bir zu mißfalleny — In
Wahrheit Pape, ich wüßte nidht, was
ich an ihm duezufegen hätte, als dat
er vielleicht zu unvorſichtig, vielleicht
:auch zu flolz if. Er biele fich immer
fehe von mir entfernee — Der Bater
‘wußte nun genug , und bielt nicht für
noͤthig, bie Unterrebung fortgufegen.
XIV.
Za , nach der Männer ihren Klagen
Sind wir durch widriges Betragen
An aller Dual der Ehen fchuld.
er Eben ſch Gell ert
D er Prinz von Ithaka, den meine Freun⸗
dinnen, wenigſtens von ihrem Sprachmei⸗
ſter aus, kennen werden, wenn ſie ſonſt
nirgend in der Fabellehre mit dem Sohne
des Ulyſſes bekannt geworden, kam auf
ſeiner Reiſe auf die berufene Inſel der
Goͤttinn Calypſo — Telemach war ſchoͤn
und jung; mehr war nicht noͤthig, ihn bei
einer verbuhlten Nymphe zu empfehlen,
und ihm zu Liebe das ſtrenge Geburt ein⸗
fs ge⸗
1
458 Thereſie und Eleonore.
gehen zu laſſen, durch welches von ihrem
Strande der Fußtritt eines jeden Mannes
abgehalten, und biefe Inſel, der Liebe un⸗
zugangbar gemacht werben follte — Der
Schriftſteller des Romans hat hier aleich-
fam einen Seitenzug gegen gewiſſe aͤltern⸗
be Spröden anbringen mollen, die, bei ei»
nem Herzen vol jugendlichen Gefuͤhls, ein
ernfthaftes Auſſenwerk annehmen, und Er-
Flärungen und Anträgen guvorfommen wol»
len, die ihnen — niemand gu thun Wil-
lens iſt. Wird nun aber ja einer unglüd-
licherweife von dem Sturme feiner unor⸗
bentlichen Regungen, an ihre Küfte ver⸗
ſchlagen, fo heitert fich die ernfihafte Stir⸗
ne auf, bie Blicke werben fanfter , ihre
Stimme füffer ,„ ihr Herz empfindet bie
Triebe bes Mitleides, bis fie endlich bem
unglüclihen Verirrten zu Liebe gang _
menfchlid werden. So machte es Caly⸗
pſo — Weißt du nicht Sremdling das Ge-
bot, welches jedem deines Gefchlechtes
die Infel zu betreten unterfagety Das
ift der Ton, die Sprache ber Spröden,
die nur darum fo gebieterifch ſpricht, da⸗
mit ſie von dem ſchoͤnen Juͤnglinge gebe⸗
ten werde, mit einem Verungluͤckten ge⸗
lin⸗
— *
\
\L
Therefte und Eleonore. 45%
Iinder zu verfahren, den nicht Kuͤhnheit,
oder, Neugierde — den der Götterzorn
an ihre Küfte getrieben hat, ber aber fich
noch in feinem Ungluͤcke preifet, da es ihm
Gelegenheit giebt, eine fo fhöne — er iſt
ungewiß, ob er fie eine Sterbliche oder
eine Göttinn nennen fol; nach ihrer Ges
ftalt wenigſtens eine Göttinn , gu vereh⸗
ren — Die Nymphe kann ſolchen Schmei:
cheleyen unmöglich widerftehen. Sie nigume
ben inglücklichen, den fie erſt den Tod droß-
te, leutfelig in ihre Grotte auf, und bald
findet fie feine Geſellſchaft fo liebreigend,
baß fie, um bderfelben nie beraubt zu mer-
ben, das Anerbieten thut, ihn an ihrer
Seite unfterblich zu machen.
Bis dahin Hat Senelon ziemlich - wie
ein Kenner unferes Geſchlechts gefprochen :
aber hier verräth er feinen Stand, als er
biefe Verſuchung der Unfterblichkeit fiir fo
wichtig anfieht, daß er es für nöthig hält,
Minerven in das Spiel zu bringen, um
den jungen Prinzen von der Dejauberung .
* Iogzureiffen. Der gute Bischof! man ficht
es, daß er nie eine Frau gehabt! —
Aber man fieht auch zugleich, daß Ca-
Ippfo in der Kunft, die Männer zu fäffeln,
eben
460 Thereſie und Eleonore,
eben nicht ausgelernet hatte! — Wenn
man anders von ben Herzen ber heutigen
Männer auf diejenigen fchlüffen darf, bie
vormals gelebt haben, fo hätte in der That
der weife Begleiter Telemachs, fo fehr
er Minerve war, fein wirffameres Ges
"genmittel, dad Blendwerk der Liebe zu
entzaubern, ausfindig machen fönnen, als
dag unbefonnene Anerbleten der Nymphe,
ihrer Liebe eine ewige Dauer zu geben.
Einfältig ! liebe Gättinn! hoͤchſt ein-
fältig! dich, die du fo manchen Liebhaber
gehabt, von fo manchem Liebhaber fchon
verlaffen worden, Sich hätte doch die Er⸗
fahrung ein wenig flüger machen follen.
Du hätteft, daͤchte ich, deinen Liebhabern
es wohl anmerken können, baß fie end-
lich in die Länge deiner immer uͤberdruͤſ⸗
fig geworden; und daß diefer Ueberdruß
weit mehr, ald alle die Horgefchüßten Ge⸗
(häfte an Ihrer Entfernung Schuld trus
gen, weil jedem nur erft dann, wann ihre
Vertraulichkeit ein wenig Balten ſchlug,
beifiel, daß fie Gefchäfte Hatten — Gera⸗
be fo ‚machte es auch ber Fromme Eneas
bei feiner Dido. Der gute Jupiter fendet
ihm den Befehl zur Abreife, weil bem
gus
Therefie und Efeonere, 461 -
guten Manne bei der Stifterinn von Kar:
thago die Zeit lang warb. |
’ Verfuchen Sie es ein wenig, meine
Damen aus ihrer heidnifchen Unſterblich⸗
keit! machen Sie ‚einem unfrer Ehmänner
den Antrag, daß Sie ihn an unfrer Seite
unfterblich machen wollen ? — Wie, Ma⸗
dame Calypſo! Wenn Ste mir allein
diefe Gnade erweifen wollen, de, da
will ich Ihnen dafür die gande Füllen —
Aber mit meiner lieben Sausehre zu⸗
gleih.v dann ein gehorfamer Diener
von ihrer Unfterblichkeit — Ich zaͤhle
ohnehin die Augenblicke unfrer Aufls-
fung: und wenn meine theure Sälfte
fich nicht bald wegtragt, fo babe ich
wohl eber Zuft, voran zu geben, als
mich noch Länger in ihrer Gefellfchaft
31 quälen —
Man: darf die Sache fo weit nicht trei⸗
ben. Sehen Sie ein Bißchen auf unſre
jungen Leute, wie ſie da nach der Reihe
find! Itzt ſtirbt der gute Junge vor Zaͤrt⸗
lichkeit zu den Fuͤſſen eines Maͤdchens, itzt
findet er die Stunden Jahre, die Jahre
Ewigkeiten, die er nicht an ihrer Seite
hinzubringen das Gluͤck hat; itzt beneidet
er
464 Thereſie und Efeonore:
be, an ben vielen Geluͤbden, welche Ver:
eblichte um ihre Erlöfung thun, und bie
fie, wenn ihre heiffen Seufger erhoͤrt find,
mit fodanfbarem Herzen entrichten — Sind
wir auch, wie wir feyn follten ,. die gefäl-
ligen Gefchöpfe , die dem Winke unfrer
Männer gehorchen, und bie geheimen
Wuͤnſche ausfpähen , um ihnen zuvorzu⸗
fommen? Sind wir au, wie wir feyn
follten, die genigfamen Geſchoͤpfe, die ben
Schultern unfrer Männer nicht mehr auf:
zulegen verlangen, als fie tragen fönnen?
die ihnen nicht gerade fo viel auflegen,
als fie tragen koͤnnen? die unſre Begier-.
de, es andern gleich zu thun, oder fie zu
übertreffen, unterdrücken? Sind wir aud),
wie wir feyn follten, die gelaffenen Ge⸗
fchöpfe, melche die üble Laune eines bes
fhäftigten Mannes entfchuldigen , und
übertragen? Sind wir auch, wie wir feyn
ſollten, bie forgfältigen Geſchoͤpfe, welche,
wenigſtens in ſo weit es ſich thun laͤßt,
den Mann der Hausgeſchaͤfte entladen, und
ihn bei feinen‘ wichtigeren Sorgen zum
minbdften überheben , ſich nach dem Preiſe
ber Butter zu erkundigen, ober Zuder aus
der Vorrathkammer zu langen ? Sind mir,
wie
Therefie und Eleonore. 465
» wie wir feyn ſollten, nachgebend, wenn
der Mann etwan worin einer andern Mei⸗
nung if, als wir ? Sind wir, mie wir
ſeyn ſollten, tugenphaft? und find mir es
ohne, wie eine Juno, mit unfrer Tugend
alle Augenblicke angezogen zu fommen, unb
aus unfrer Pflihe ung ein Verdienſt zu
machen? Sind mir, alles mit einmal zu
fagen , fo geartet, daß unfer Befig fuͤr
unfre Gatten ein Gluͤck, ein Vergnuͤgen,
ein Segen; unfer Verluſt für diefelben
wahrhaft ein Verluft iſt, den fie mie nicht
gelogenem Schmerzen dem Himmel vor⸗
werfen? daß fie an ung bie Gehuͤlfinn ih-
rer Sorgfalt, die Theilnehmerinn, die Ab⸗
mwenderinn ihres Verdruffed, die Bewah⸗
rerinn ihrer Geheimniſſe, die Wächterinn
über ihr Wohl, daß fie die Stüge ihres
Hausweſens, die Freundinn ihres Herzens
vermiften ? —
Wenn wir dieſes find, fo werben bie
Männer, bie mit ung unfterblich zu wer⸗
ben, nicht tauſend Geluͤbde thun , bie
ſchaͤndlichſten, verächtlichfien Geſchoͤpfe der
Erde ſeyn, zu deren Beſtrafung wir in
Geheim die Verſchwoͤrung anſpinnen wol⸗
⸗
len, ihnen unſre Liebe zu verſagen, als
IV. Theil. g ein
466 Therefie und Efeenore.
ein Gut, befien Werth fle verfennen, unb
befien fie in der Thorbeis ihres Herzens
wicht wuͤrdis Rab.
T.
XV.
Wenn ungewiß bei meiner Pflicht ich wanke,
Wie flͤrkt mich oft der ſelige Gedanke.
Waos that Ariſt Hei dieſer Pflicht?
Berfahre fo, als wär er ſelbf zugegen! —
So giebt ein Blick auf ihn mir ein Vermögen,
. Und die er wankte, wanket vicht —
| Gellert.
Fortſetzung des XIII. Stüdes.
Peine euch Hoch ihr Männer! Hier folgt
bie Geſchichte eured ZTriumpbs. Emi⸗
zens Vater zog wach feiner Entdeckung
Aronten in alle Geſellſchaften, zu allen
Luſtbarkeiten, wo der Yılngling die Ketje
feiner Tochter beobachten , wo eine erſt
feimende Neigung zur Liebe fprofien und
außreifen konnte. Er kam einer Schuͤch⸗
ternheit manchmal durch einen Scherz zu
Huͤlfe, und uͤbergab ihm das Maͤdchen bei
einem Spatziergange zu fuͤhren, und zu
unterhalten Bei diefem froſtigen Men⸗
fen,
Sm
Therefie und Eleonore. 467
(ben, fagte er lächelnd,, if für meine
Tochter Feine Gefahr : er Tennet nur
die Grazien der geftorbenen Griechen:
für ibn haben die Lebenden Deusfchen
Feine Aglaja.
Durch diefe Reden fachte er den Stol;
feiner Tochter an, daß fie ſich Muͤhe gab,
über die griechifchen Grazien gu triumphle
ren, und verfeßte Uronten in bie Noth⸗
wendigkeit, eine Befchulbigung. zu zer⸗
fireuen , bie ein artiger Dann „ wie er,
wirklich nicht anf fich konnte liegen laffen.
Aront fand alle Augenblicke Gelegen⸗
heit, die Gaben feines Geiſtes zu entwi⸗
deln. Die Anmuth, die Ungezwungen⸗
heit, mit melcher ex fprach und handelte,
der edle Anſtand, womit er auch ben
gleichguͤltigſten Handlungen Werth, und
Anziehung zu verfehaffen wußte, die uner⸗
ſchoͤpfliche Duelle feiner Unterrebungen,
die gleichwohl nie auf Wind und Wetter
ausfielen, alles dieſes, mit einer vortreff⸗
lichen Geſtalt vereinbaret, hätte auch ei⸗
nem Herzen, das nicht, wie GBmirens
Herz, ſchon vorher waͤre eingenommen ge⸗
weſen, gefaͤhrlich werden koͤnnen. Sie em⸗
pfand ihre Niederlage bald: aber es wuͤr⸗
G92 de
468 Thereſie und Eleonore.
de ihrem Stolge zu demüthigend gemefeit
feyn, wenn der Sieg nur einfeitig gewe⸗
fen wäre. Sie wollte auch von ihrer Sei⸗
te erobern.
Und ſie war nicht ungluͤcklich. Was ihr
Männer auch immer von der vergaͤnglichen
Schönheit des Geiftes für Aufbebend ma⸗
chen möget , eine glatte Haut, regelmäf:
fige Züge, eine ſchoͤne Farbe, ein edler
Bau bed Körpers verfehlen bei euch weni—
ger ihren Eindruck, als dieſe unfichtbaren
Reize, die ihr immer erft nachher auffu=
het, um eure Uebergabe an ein gleiſſendes
Auflenwert zu bemänteln. Erfi immer
locket euch die Farbe des Apfels, die
Hände darnach auszuſtrecken. If dann
auch das Fleiſch ſuͤſſe, fo ſprecht ihr zur
Ehre eurer Wahl: ihr Härter ihn um bes -
fegteren Willen gewaͤhlet.
Auch Aront fonnte Emiren nicht wi⸗
berftehen, ob er gleich ihre Fehler zu ſehr
fannte — Uber fie war ſchoͤn, mie eine
Venus : Pallas befam hier den Apfel
nicht. Er befannte ihr die Herrfchaft, die
ſie über fein Herz hätte, und wuͤnſchte —
Nach den gewoͤhnlichen Förmlichkeiten und
| Gegenfdemiichteiten, die unſer Geſchlecht
im⸗
Therefie und Eleonore, 469 -
innmer des Wohlſtandes wegen beobachten
muß, fagte ihm feine Emire fo viel, ohne
doch ein Wort zu fagen, daß er glücklich
war —
Wie Arontr Sie wollten ſich mit dies
fen fchönen Körper ohne Seele vermäh-
fen? Dermäblen y dachte auch ber Lieb⸗
baber bei fi „ und feine Liebe wankte.
Aber der Bater Emirens, der beide auf dag
genaufte ausgeſpaͤhet hatte, und als ein
Mann von Erfahrung aus ihrem gegen-
feltigen Betragen deutlich las, wie weit
feine Abſicht erreichet war, nahm, als fich
hiezu eine Gelegenheit anbot , Aronten
beifeite, und umarmte ibn — Ich febe
mit Vergnügen , ſprach er , daß Sie.
meine Tochter lieben. Sie find ihrer
wertb — Ich ſehe auch, daß Sie Emi⸗
ven nicht gleichgültig find. Wäre fie
nur auch Aronts werth! Ich bin De:
ter, aber ich habe auch für die Fehler
. meiner Tochter Augen. Aront! machen
‚Sie mich glücklich, da Sie fiche zu⸗
gleich machen. Laſſen Sie die Liebe
Wunder thun, und dann uns beide ei-
ne Opfertafel in dem Tempel Venus’
der mächtigen Serzenwenderinn , aufs
693 Jans
470 Thereſie und Eleonore,
hängen! mich für eine Tochter, Sie
für eine Gemahlinn.
Der rechtfchaffene Water verhelte gegen
ben Liebhaber feiner Tochter feinen won
den Mängeln, die fie entftellten, und gab
ihm das Mittel, fie davon frey gu ma⸗
chen, felbft an die Haud.
Aront ward in feiner Aemſigkeit dfe
fentliher, nachdem ihn Emirens Vater
Dazu berechtigte — Theure Emire, fagte
es ein nach einer langen Unterredung
zu ihre, ich werde zwar nicht meine
Zaͤrtlichkeit, aber die Ausdrücke derfels
ben bei Ihnen erfhöpfen. Lafien Sie
mich fremde gülfe zuziehen, und ers
Iauben Sie mir, Ihnen etwas vors
zulefen, was Sie wie die Schilderung
„meines Herzens, und meine eigenen
GBefinnungen anhören können — Hies
mit nahm er einige der beſten Schriften
ur Hand, und las ibe, bald eine Em⸗
pfindung, bald ein Geſpraͤch, bald einen
naifen Gedanken, bald eine Gefchichte
vor, welche fih unbemerkt in ihr Gedaͤcht⸗
niß einprägten, und von da fi in das
Herz ſchlichen, daß fie ſelbſt Luſt bekam,
dergleichen zu leſen. Beben Sie mir,
Ar⸗
Therefie und Eleonore. 471
Aront, eines von diefen Büchern, des
nen Sie ohne Zweifel die Ausdrücke ab»
gelernet, weldhe mir aus Ihrem Mun⸗
de fo ſchmeichelhaft Flingen. Ich will
Sie künftig mit gleicher Münze beloh⸗
nen! — Ach Emire! rufte ber enzuͤckte
Liebhaber, um wie viel noch wird ihr
Mund reizender werden, wenn er ſich
mit der Anmuth dieſer fchönen Geiſter
auodrücken wird! Mein Mund wird rei⸗
gender, dachte Emire; was thut ein Mäbd-
hen nicht, Ihre Reize zu erhöhen? Aront
traf fie, fo oft er kam, über ben Schrifte .
ſtellern an, die er ihr ſelbſt gewählt, und
die in ihre Neben eine gewiffe Lebhaftige
feit ber Wendungen, einen Adel des Aug:
drucks legten, der fie in den Augen Aronte
in ber That liebreisender machen mußte.
Das Lefen hatte noch) eine andre Wirfung.
Es machte ihr den Unterfchetd zwiſchen bem
wahren Wiße, ber wahren Munterfeit,
ben feinen und nicht beleidigenden Erbes
bungen ihres Liebhabers, und den froftie
gen Spisen, den fchaalen Einfaͤllen, und
dem plumpen , übertriebenen Lobe bes
Schwarms zu erkennen, ber fi um fie
herdrängte. Es erhöhte alfo auch Aronten
694 in
472 Thereſie und. Eleonore.
in ihren Augen. Sie fagte fehr oft: ſeit
dem fie leſe, ſey ihr die Munterkeit
Aronts gegen die Spaßhaftigkeit der
meiften übrigen Maͤnner, wie das freus
dige güpfen eines Zammes, gegen bie
muthwilligen Springe der Bde —
Emire war nun im Stande, auch in
Aronts nothwendiger Abmwefenheit die Zeit
nicht lange zu finden. Das war ein glüd
licher Anfang.
Er hatte fehr bald vortheilhaftere Fol⸗
sen. Das ungefittete Betragen Emirens,
ber Stolz, mit dem fie alle Welt beleis
bigte , daß fchnippifche Wefen, womit fie
ale Welt anließ, kam von der Wichtig-
feit ber, die fie fich felbft wegen ihrer Rei⸗
ge beilegte. Schon fieng fie an zu empfin-
den, baß es auffer den Eörperlichen noch
andre Anziehungen gebe: fie fuchte ſich
biefelben zu erwerben , um ihren Liebhaber
mit allen möglichen Banden zu fäffeln.
Aber ein Zufall brachte fie vollends zurech⸗
te. Sie begegnete einer Perſon, gegen -
welche die Natur farg mit den Gaben des
Leibes, aber deſto frengebiger mit den Ga⸗
ben des Geifles gewefen , in Aronte Ger
genwart ſehr veraͤchtlich. Das war ein
| Ruͤck⸗
Therefie und Eleonore. 473
Ruͤckfall, den der aufmerkfame Freund
nicht wollte aus Händen laffen, um fie
kuͤnftig auf immer davon zu befreyen. Er
begegnete alfo ber beleidigten Häßlichen
mit fo fichtbarer Unterfcheidung, daß Emis
re darüber fogar beunruhiget warb — Ich
babe, gab er ihr mit einem verweifenden
Blicke zur Antwort, als fie ihn zur Rede
ftellte — ich babe das unartige Verfab:
ten , fo diefe Perfon von Ihnen ertra-
den mußte , einigermaflen wieder gut
zu machen gefucht — Sie verfland ihn,
und war feit der Zeit von einer einneh⸗
menden Höflichkeit gegen alle Welt.
Menn fie fi) auf Rechnung ihrer Ges
ſtalt Thorheiten erlaubte , fo feufjete ihr
Liebhaber, und ſchlug die Augen nieder.
Seine Traurigfeit war ihr eine empfind⸗
Eiche Beftrafung, denn er war ihrem Her⸗
sen theuer ; under brachte eb zuletzt da=
bin, daß fie, wenn fie fih fehr munter
fühlte, immer in ven Blicken ihres Uronts
entweder. ihren Verweis fuchte,, ober bie
Erlaubniß, fich ihrer Munterkeit weiter zu
überlaffen. Mit einem Worte „ da ihr
böchfter Wunfch war , ihrem Liebhaber zu
gefallen, fo nahm fie fich fehr vor allem
685 in
Sn
474 Thereſie und Eleonore
in Acht, mas ihm mißfallen konnte. Bein
Beifall, oder feine Mißbilligung war ihre
Richtſchnur. Er zeigte einen Gefallen am
ber Muſik; fie gab ſich Muͤhe, ihn dadurch
zu verbinden, daß fie den Flügel fchlagen
lernte. Sie überrafchte ihn fogar mit eis
ner ganz netten Zeichnung von ihrer Hand,
da er einſt von ungefähr. die Gefchicklich-
keit im Zeichnen an einem Mädchen fehe
erhub. J
Noch war bie Sorglofigkeit, eine ges
wiſſe CLaͤſſigkeit, unb eine Unwiſſenheit
in allen Geſchaͤften des Hausweſens das
einzige, was ihr zu wuͤnſchen war, um
eine der liebenswuͤrdigſten Perſonen ihres
Geſchlechtes zu ſeyn. Die Liebe machte
dieſen letzten Pinſelſtrich, um ihr Werk
zu vollenden. Emirens Vater zeigte ſich
geneigt, ihre Verbindung mit Aronten zu
unterzeichnen, mit der ſie nicht laͤugnete,
daß ihre Gluͤckſeligkeit verſiegelt wuͤrde —
Emire! ich würde durch ihre Band der
glücklichſte Menfch ſeyn, war des Lieb⸗
habers Antwort, aber da meine Verrich-
tungen mich ganz fodeen, fo wird meis
ne Gattinn die Sausforgen über ſich
nehmen müflen, wofür Sie einen uns
| über:
Tperefie und Eleonore. 475
überwindlichen Abſchen zu haben ſchei⸗
nen. Wer wahr mehr, ald Emire, be:
müßt, zu zeigen, baß fie ihm su Liche
jeden Abfchen überwinden koͤnne! Sie eil
‚ te, dieſes einzige Hinderniß ihrer mechfel:
feitigen Slückfeligkeit aus dem Wege zu
raͤumen. In fehr kurzer Zeit war fie die
ämfigfte , verfiändigfte Baushälterinn,
Ich will den Schluß im Idyllen Tone
machen: biefes Wunder that Amor; und
nun frönte er die Liebhaber vor feinem Al⸗
tare, und fein Bruder Hymen führte fie
in die hochzeitliche Laube. Aber die an.
der Seite Aronts glüdliche Emire erzoaͤhl⸗
te oft Flagenden Müttern und leichtfinnie
gen Mäpchen Ihre Gefchichte, und ſchloß
immer mit der Lehre: Mütter habet ihr
Töchter, bie euren Lehren trogen ; wollet
ihr fie ämfig, artig und gefittee machen,
- wäblet ihnen einen Liebhaber, mie mein
Aront! Ya! wären fie nur nicht fo ſel⸗
ten, bie Aronte! antworteten bie Mit-
ter ¶
E.
XVI.
476 Thereſfie und Eleonore.
XVI.
Ep ich von euch mich rühmen Höre ,
Eh wollt' ich noch geſcholten ſeyn.
Haller.
Uure. Gewiß allerliebſt! — eine Wo
chenſchrift von Weibern gefchrieben !
fagen Sie mir doc) , Terander, laufen
bie Wifche fchon lange in der Stabt ber:
um? —
Terander. Hiſch, gnäbige grau! ſol⸗
che Fragen thut man nur ins Ohr. Wie
kann man zu der artigen Welt gehoͤren,
und nicht alle Blaͤtter halten, die in der
Stadt gehalten werden, und waͤren es
auch hundert? —
Miſe. Und muß man alle die hundert
Blaͤtter auch leſen? u
Terander. Lefen ? wenigftens bin ich
nicht gut dafür, Haß man fie überall lieſt, wo
fie gehalten werden. Aber einmal iſt daß
Mode geworden, daß ein Wochenblatt un⸗
ter die Geräthe ber Pußtifche mit gehöret.
Alife. Wohl! (zu dem Kamermädchen)
Daß man die Wochenblaͤtter Eiinftig or⸗
dentlich beſtelle! — (zu Terandern) Sie
beiffen —
Ters
- Therefie und Eleonore. 47
Terand. Therefie und Eleonore.
Alife. Das nenne ich einen vortreff⸗
lichen Gedanken! Therefle und Eleonore!
Die guten Gefchöpfe werben, durch ihre
Blätter wenigſtens, fich verennigen wollen,
fonft. würden fie fi) aus der Welt ge:
fhlichen haben , ohne daß man müßte,
daß fie da geweſen. Kennen Ste die lie⸗
ben Seelen? ich wette, fie find.von Her⸗
zen haͤßlich, weil fie fi durch das Ges
lehrtſeyn aushelfen wollen. ’
Terand. 8ußlich nicht eben — aber
von einem Schlage‘, der nicht fehr auch
groffes Auffehen macht. *) Das Mädchen
ein gut einfältigtugendhaftes Geficht, und
das Weib, mit einer Miene, die gerne
für wichtig gelten möchte — Aber wie war
es möglich, gnädige Frau, daß Ste nichts
von dieſen Blättern gehört härten ? 2—
Ali⸗
=) Die Verfaſſerinn des Geſprächs Hat hier den
Korakter des männlichen Zwiſchenredners vor⸗
trefflich beobachtet. Sie wußte ohne Bwei-
gel, daß mon es einem Manne nicht verges
ben würde, wenn er mit einer Sean von
der Gehalt einer andern vortheilhaft fpräce.
‘ Der Herausg.
-
478 Thereſie und Eleonore.
Aliſe. Aber wie mar es möglich, daß
diefes ungefchmade Zeug fi) in bie arti-
ge Sefellfchaft eingedrungen ? — Wozu es
gie ift, in dem Wagen, auf einer Spas
zierfahrt ein Buch in der Hand zu haben,
das fehe ich ein, aber ein folches Blatt —
Terand. Iſt die bequemfle Lektur von
der Welt; das auch hat ihnen ben Schwung
gegeben. Der muß viel Muth befigen, ber
ein dickes Buch vor fich liegen ſieht, und
darnach greift, im Vorſatze, es durch zu
leſen. Aber folche Eleine Broſchuͤren — in
einer Biertelfinnbde bat man fit ber — und
gleichwohl —
| Aliſe. Gut! weil es einmal Wochen:
blätter feyn muͤſſen, fagen Ste mir in
Auszug, was haben denn bie Schwaͤtze⸗
rinnen, tin dem Wuſte ba, alles ausge⸗
kramt? Thun fie auch ſehr gelehrt — oder
hängen fie vielleicht Moral und Tugend
an allen: Eden aus? — bas wäre für
mich zu erbaulih —
Terand. Fuͤrchten Sie nichts, gnaͤdige
Frau! die Moral if ziemlich abyeſpannt —
der Foͤrmlichkeit halber ein wenig Tugend
hie und port, mit groffer Schrift gebrudt,
nimmt
. Iherefie und Efeonore. 479
nimmt fich erflaunend gut aus, laͤßt fich
auch leicht uͤberhuͤpfen — fonft find es —
Aliſe. Nur feine Stadtgefchichten!' —
Es mag Leute geben, die ſich dabel bie
Gicht an Hals Tachen, dag kann ſeyn;
ich, zuͤrne mich nur daruber; denn man
muß immer in Sorgen fichen, daß man
mit an bie Reihe mm —
Terand. Verfprechen Ste mir, gebul-
Dig zu ſeyn! fo will ich bie Blaͤtterchen
vor Ihnen ein wenig durchlaſſen, bamit
‚Sie nicht nöthig haben, weit zuruck aus
zuholen. | j |
Alife, Ich will wie verſteinert da ſitzen.
Vielleicht bringt mich das erbauliche Ge⸗
plauder in einen fanften Schlaf. Das
follte mir lieb ſeyn: ich habe dieſe Nacht
mic) ohnehin — ”) Ach, biſt du es Eiante!
Geſchwind in meine Arme — Konnteft du
ſo lange nad) dir feufzen laſſen? Aber,
du koͤmmſt eben, mie gerufen ; wir wollen
da über dieſe Schwägereyen zu Gericht fi-
' Ben,
I Men muß ſich vorfellen: Afife Habe jeman-
den kommen gehört, und erwartet, wer ein⸗
treten wurde. Nun fie ihre Freundinn ers
kennet, ruft fie: Ach bi du u. ſ. w.
480 Therefie und Eleonore,
gen, du follft deine Stimme zur Verur⸗
theilung mit geben!
Terand. Um des Himmelswillen, gnd-
dige Frau! Sie wollen mich zu Grund
richten. Liante tft die Kampfhälterinn
dieſes Wochenblattd. Ich trete gegen fie
nicht in den Schranfen — Da — ruht fanft
ihr Blätter! kein rauher Norbwind ver⸗
wehe euch —
CLiante. Spotten Sie nicht, Teran⸗
der! Sie ſollen damit nicht los kommen.
Ohne Zweifel dat er bir viel zum Nach⸗
theil diefer Blätter vorgefagt? weißt du
warum? er war einmal ſtark in ber Per:
fon eines’ Belidors auf die Schulter ge⸗
klopft, das wird er Eleonoren big in die
Grube nicht vergeffen.
Terand. Aber, muͤſſen denn unfre Be:
gegnungen immer blutig feyn , anbetens⸗
wuͤrdige Liante! Sie wollen ed: wohl,
die Blätter find ſchoͤn, unnachahnlid)
göttlich !
Ciante. Ich erlaffe Sie des Zwangs,
mir eine Schmeichelen zu fagen — Sie be=
deutet nichts in dem Munde eines Papa
geys — Doch, troß ihrem hoͤhnenden Tone
fol Alife die Blätter i übel nicht fin-
Ä den
[4
.
Therefie und Efeonore. 483
den — Oder find Sie im Stande, bewel⸗
ſen Sie das Gegentheil!
Aliſe. Terander, das iſt eine Auffo⸗
derung nach allen Regeln; die koͤnnen Sie
mit Ehren nicht abſchlagen.
Terand. Aber, gnaͤdige Frau, ſehen
Sie denn nicht, wir kaͤmpfen mit unglei⸗
chen Waffen! Liante ſchießt aus ihren Au⸗
gen toͤdtende Pfeile —
CLiante. (Mitelner Berbengung) Dies
fes Nitterblämchen haben Sie ohne Zwei⸗
fel ihrem Handbuche, der vortrefflichen,
Elelie abgeborgee — Um Ahnen nichts
fhuldig zu bleiben: fegen Sie dem toͤd⸗
tenden Pfetle meiner Augen ben Diamant:
nen Schild der unübertrefflichen Reize ih⸗
rer Nachtigall — *) Aber ich. bin müde,
in diefem ungeſchmacken Zone: fortzufah⸗
ren — Ohne ſich von meinen Augen irren
‚zu laffen ,. was fanden Sie denn in den
- Blättern fo unausflehliches ? :
Ä Ce:
H Ich vermuthe, unser der Nachtigall fey Hier .
eine Sängerinn verflanden, und «8 habe anf
. eine Anekdote mit Terandern feine Bizie*
vos Der geransg.
1V. Theil. 2b.
432 Thereſie und Eleonore. -
Terand. Lindern Sie. den Ausdrud,
fchöne Freundinn! unausſtehlich nicht
eben , aber langweilig, meil Eie fo be⸗
fehlen, gekünftele in der Sprache, alle
täglich in der Draterte ; manchmal ein wer -
nig freyer, ale es Veftalen suftchen mag.
Alife. Eben babe ich ein. Blatt im
Durchgehen ergriffen , welches Terandern
uͤber daß letzte vielleicht einen Beleg geben
fann: das Mittel, die Mädchen areig,
ämfig , und gefittet zu machen, eine
Erzählung in meinem Geſchmacke —
Ciaante. Und diefe Erzählung —
Terand. Sie haben nicht geirret, gnaͤ⸗
bige Frau ; willen Sie , mas bag, in
meinem Befchmade, bedeutet ?
Liante. In dem Munde eines Gall:
fächtigen wird alles bitter — Nach ber
Iöblihen Denfungsart der Männer. diefer
zeit wird es freylich, was weis ich, be—
deuten: in dem Munde der Schriftſtellerinn
bedeutet es, den Wunſch, einen liebens⸗
wuͤrdigen, geſitteten, aufrichtigen Freund —
einen Menſchen, der gerade das iſt, was
Sie nicht find — zu finden, ber ung big
Fehler unfrer Erziehung verlernen, helfe.
Was finden Sie darin Freyes ? -
. e3
J
<herefie und Eleonore, 4883
Terand. O ganz und gar nichts, bei
einem Moaͤdchen, das ihren Karakter fo
gleich Anfangs offenherzig anfündiget — —
nicht geheim hält , daß es einen Mann
wuͤnſchet —
Liante. Und ihn durch Sitten und
Tugend zu verdienen ſuchet, dieſen Mann,
der, wenn man die Verfaſſerinn fraget,
Ihnen ſehr ungleich ſeyn muß —
Terand. Ein ſchuͤchternes, kleines We⸗
ſen, das in der Unſchuld ſeines Herzens
bekennet: ed habe einen Liebhaber — _
Alife. Vortrefflich, Terander! es waͤ⸗
re alfo Schande, einen Licehaber zu ha⸗
ben? — |
Terander. Nein! _ aber rs zu be⸗
kennen —
Ciante. Das iſt ein Grundſatz, der
ſehr tief in ihrem Herzen eingepraͤget ſeyn
‚muß: ſich viel gu erlauben, welches Scham
de ſeyn würde, zu bekennen. Aber Sie
haben Recht , es ift beides Echande, einen
Liebhaber zu. haben, und es zu bekennen,
da ihr heutigen Männer unfter Wahl fo
wenig -Ehre macht —
Aliſe. Merken Sie fich diefe. Ausle⸗
gung zu ihrem Texte, Terander!
Hh 2 Te⸗
434 Thereſie und Eleonore.
Terand. Ich babe nie an Liantens
Mige gezmeifelt —
KZiante, Aber ich fehr oft an dem ih⸗
sigen , und diefe Beobachtungen ſtrafen
mich wenigſtens nicht des Unrecht — Les
fer ohne Kopf, ohne Beurtheilung! wiſſen
Ste denn gar nichts von Einfleidungen ,
von Schriftfiellerwmendungen! — Iſt denn
da herum bei Ahnen fo fehr Finſterniß,
daß Sie nicht durchſehen Fönnen, bie Ver⸗
faflerinn babe in ihrem Namen gefagt,
was auf unfer ganzes Gefchlecht anpaflend
iſt? — Muß denn die Sache gerade fo,
wie fie liegt ‚wahr feyn ? iſt keine Dich
tung erlaubt? — Senelone Todten haben
alfo die Befpräche wirklich gehalten, bie
er Ihnen in Mund lege? Die Gefchichte.
des Tforororotfo Bat fich alfo In der That
ereignet? Und wie, wenn vieleicht ein
Mann der Verfafler diefer Blätter waͤ⸗
re? — Uber ihe habet Necht , folche
Maximen zu verfchregen : fie würden
euren Betrügeregen, die ihr Galanterien
nennet, zu ſehr Einhalt thun — Alife!
man erzaͤhlet wirklich eine artige Anekdote
von dem II. Stücke des I. Quartals. Ein
Mädchen lieſt daffelbe ihrem Anbeter vor -
| Sind
Therefie und Eleonore. 485
ind Sie mit der Derfaflerinn eines
Sinnes v fragte biefer — Vollkommen! —
Von der Stunde hat der Menſch nicht
mehr das. Haus betreten. Es war. der.
Mühe werth, nur um einen einzigen fol
chen Heuchler gu entlarven, das Blatt
gefchrieben zu haben. | "
Bin Bedienter. Gnädige Frau, ber
Freyherr v...... will feine Aufwartung
machen. |
Alife, Eine Ehre — Wir innen viel⸗
feicht den Faden einmal wieder fnüpfen,
wo wir Ihn ist abreiffen malen. °
543 XV,
486 Thereſie und Eleonore,
XVII.
Armbänder, Palatin, Egrekten,
Schönpfieker , Ohrgehaäng, Manſchetten,
Pompons, Bondläge, Garnituren,
Mantille, Reifrock, Handſchuh, Uhren‘,
Schmink, Esklavagen, Flor, Brillanten,
GStrickbeutel, Schnürbruſt, Angaſchanten,
Halsſchleifen, Kappen und Bukette,
Saloppen, Hauben und Planſchette,
Glasfedern, Roben, Müffe, Schmelzwerck,
Karkaſſen, Spitzen, Ringe, Pelzwerck —
Dieß alles hat nur einen Namen,
Und heiſſet *** zuſammen.
J Ewald.
Wie wollen unſerem Bruder nun
auch unſre gerrlichkeit Zeigen! ſprach
der Monarch der noͤrdlichen Wildniſſe, der
Bar, als von dem Löwen aus Afrika
zur Erneurung des alten Bündniffes , bei
ihm ein ſchoͤn gefleckter Tieger als Bott⸗
ſchafter anlangte, den Fuͤrſt Petzens gan⸗
ze Hofſtadt auſſerordentlich bewunderte —
Und er befahl dem Suchfen, feinem Ge⸗
beimfchreiber , unter allen Vafallen , bie
ber brummenden Majeftät huldigten, den⸗
jenigen auszuloͤſen, deſſen Haut die Augen
durch feine Schönheit anziehen, und def-
fen
Therefie und Eleonore. 497
fen Groͤſſe ihm zugleich bei der loͤwiſchen
Pforte Anſehen verſchaffen koͤnnte. Der
Fuchs verließ die Reſidenz des Baͤren, und
beſchloß nicht ſobald wiederzukehren, ſon⸗
"dern einen Abgeſandten, nach dem Willen
feines Fuͤrſten auch am Ende ber Welt
aufjufuchen —
„Er trabbte von Wald zu Wald,
fab den Luchfen, den Marder und ande⸗
re Thiere mit ſchoͤnem Pelzwerke; fie find
ſchon, aber nicht anſehnlich! und trabb⸗
te weiter.
„ Ein Luſtwald, der zunaͤchſt an ei⸗
ner Hauptſtadt liegt, deſſen Alleen bis an
das Thor der fuͤrſtlichen Burg reichten,
fuͤhrte den Fuchſen ganz von ungefaͤhr
nach der Stadt — Dieſes war fuͤr ihn
ein gefahrvoller Ort: aber in welche Ge⸗
fahr wagt man ſich nicht aus Eifer fuͤr den
Herrendienſt, und um gute Liefergelder? j
Der ſchlaue Bevollmächtigte mußte feinen
Schlich einzurichten , daß er von Men—
ſchen nicht geſehen, von Hunden nicht ge⸗
rochen ward.
m Eben war es Winter, der unge
beure Schnee, der gefallen war, foderte
bie ganze Stadt zu Euffahrten in Schlit⸗
354 tem.
438 Thiereſie und Eleonore.
ten auf — Reinecke fah eine berfelben,
und erftaunte über die Pracht und Schoͤn⸗
beit des Thiers, fo vor dem Schlitten ge⸗
fpannet war — Welche Sierde bes Zaupts
und Kalfes! dachte er bei fich ſelbſt —
. welche koſtbare Sleden der gaut! wel
ches Anfehen! Bier habe ich mehr ge;
funden, als ich geſucht: und fehon über=
dachte er, was er für eine Belohnung
von feinem Herren filr ben wichtigen Dienft
fodern würde, den er ihm mit Auffindung
eines fo prächtigen Abgefandten, wuͤrde
geleifiet baben — Er wählte nun unter eir
ner langen Reihe Pferde, die an Schlitten
bei ihm vorüber gieng, dasjenige, dag ihm
am meiften gefiel, und folgte ihm von fer⸗
ne bis nach feinem Stalle, um ihm ba
die Ehre fund gu machen, welche feiner
am Hofe wartete. „
„ Der Schlitten ward bineingefährt.
Es kam ein Stallknecht, der Petzens be-
flimmten Bottfchafter abfpannte : der Fuchs
wartete mit Ungeduld , feine Anwerbung
‚anzubringen — Nun trat der Knecht here
bei, hub den prächtigen Federkamm vom
Dale, j0g die koſtbare Decke vom Leibe ,
und ,
⸗
Thereſie und Eleonore. 489 |
‚und ber Fuchs fah traurig, ſtatt des an⸗
febnlichen Thieres, das dem Bären an
dem. Hofe feines Bundsgenoſſen fo viel
Anfehen verfchaffen follte , ein — gemei:
nes, dickleibigtes Zutfchepferd. „
Ich laſſe Polititern gerne eine eigne
Anwendung diefer Erzählung, welche aus
den Jahrbuͤchern von Urſomanien entlehnt
if, und mache fie nach meiner Weife, wenn
fie nichts dawider eingumenden haben.
Damis ſucht eine Stau: er hat in
Geſellſchaften beobachtet , wie gerne die
Männer fchöner Frauen gefehen find, wenn
ander8 diefe Männer ein wenig gefälig,.
die Frauen nicht altdeutfchtugendlich fenn
wollen. Nun fpricht Damis: ich fuche
W eine Stau auch zum Anſehen! man
ſollꝰ wo ich eintrete, fprechen: Damis
ift zlücklich! Damis hat eine ſchöne
Sau! Vieleicht war Damis auch in der
‚Schule des Weifen geswefen, und hatte dag
demuͤthigende: Benne dich ſelbſt! über
der Schwelle des Tempels gelefen, und
da er befcheiden feine eigene Unwichtigkeit
fühlte, wollte er ſich durch die Reize feiner
grau, zu einer wichtigen, zu einer noth⸗
9 695 wen⸗
— — en en nn m — ——
r
—
490 Thereſie und Eleonore.
wendigen Perſon in Geſellſchaften aufſtuͤ⸗
tzen. Man gebe mir nicht Schuld, daß
ich perſoͤnliche Anſpielungen einmenge: ich
rede im allgemeinen ; denn man werfe ſei—
ne Augen umher! findet man nicht mehr
als einen Damie, deffen ganges Verdienſt
in der Geflalt feiner Frau befteht? ber
darum alfer Orten millfomm tft , weil er
nie ohne feine fchöne Frau koͤmmt? — Da:
mis nun mollte, mit einem Worte eine
Frau haben, die Ihm Anfehen, Freunde,
Verehrer verfchaffe —
Er ſah Lifinden, ein Mädchen von
vortrefflichem Herzen, und flillee Schön-
beit — Er fah fie, aber diefe Stile war
feine Rechnung nicht. Er fah — kurz, er
ſah wohl zehen verehrungsmwerthe, liehegs⸗
wuͤrdige Kinder, welche die Neigung Aneg
vernänftigen Menfchen zu fäffeln fähig
feyn follten. Aber Damis überfah fie,
fein Auge blieb lüftern, mit einer der Ue—
berlegung zuvorfommender Wahl ‚an Tin⸗
darinen gehaͤftet —
Tindarine, welche reizende Geſtalt!
Farbe, Wuchs, Gang, Gebehrden, Klei⸗
dung, alles ſtimmte verraͤthriſch gegen den
armen Damis uͤberein: er war ein Sklav,
noch
. Therefie und Eleonore. 491
noch ehe er mußte, ob feine Knechtfchaft
von der Sultaninn feines Herzens genehm
gehalten würde — Er eilte fich ihr gu Fuͤſ⸗
fen zu mwerfen. Ich will immer, diefen ro»
manmäffigen Ausdruck mitnehmen: benn
der Liebhaber. Tindarinens fpielte in der
That einen Roman, der würdig wäre von
einer Skudery befchrichen zu werden, nur
auf zehn Bände würde fie es hart bringen:
denn ber Ritter fhchte feine Abentheuer
auf, um in den Augen feiner Gsttinn wir:
dig zu erfcheinen. — Er griff unmittelbar
Tindarinene Herz an: wenn ich fie be-
ſitze, ſprach er, dann follen dee Erztes
würdige Thaten unfern Namen verei⸗
nigt der Nachwelt überliefern. Er that
ſo gleich die Anwerbung. |
Es war Stadt befannt, daß Damis
von feinem Vater ein groſſes Vermögen
ererbet, und von einem drey und. achbigs
jährigen Oheim ein chen fo groſſes zu er⸗
warten babe. Wie der Ruhm vor dem
fiegreichen Helden hergeht, und ihm Staͤd⸗ |
te öffnet, und Voͤlker unterwirft; fo wan⸗
delte vor Damifen der Ruf feines Reich-
thums her, und Tinderine brarhte ihm die
Schlüfel zu ifren Herzen auf halben We-
u ge
492 <herefie und Efeonore,
ge entgegen. - Der Mann, fagten Tins
darinens Aeltern, Tann dich reichlich
ernähren — Der Mann, dachte Tinda⸗
eine bei fh, kann dich prächtig hal-
gen. Das war, wie es bei den meiſten
Ehen ift, der Beweggrund, ber ihm ein
eilfertigs Ja gumege brachte. Aber Damis
mar verninftig genug, ihn in feinem per:
fönlichen DVerdienfte gu finden , und auf
guten Glauben biefes Irrthums von der
- Zeit an auf ſich groffe Stücke zu halten.
Die Liebesgoͤtter führten dem entzürften
Bräutigam bie holdſeliggeſchmuͤckte Braut
zu — |
Nach dem Ehrentage wurden bie Slüd-
mwinfche angenommen; wobei man in ben
Augen bes neuen Ehmanns jene ruhige -
Freude nicht. wahrzunehmen glaubte, bie
fonft eine: orbentliche Kolge des Beſitzes
zu ſeyn pfleget. Gleichguͤltigkeit am erſten
Tage der Ehe iſt noch mehr als Unzufrie⸗
denheit: man gerbrach ſich den Kopf über
diefe unerwartete Veränderung. Nach eis
ner Zeit, ald Neue und Mißvergnuͤgen fich
in dem Herzen bed Damis feſt geſetzt hat⸗
ten, machte er ſelbſt kein Geheimniß dar⸗
aus: es wanderte von Hand zu Hand ein
Brief⸗
Therefie und Eleonore 493
Briefchen.herum, darin er einem Freunde
das Kaͤthſel erklaͤret. Ich theile bier eine
öffentliche Abfchrift mit, fo darf man ſich
diefelbe nicht mehr verholen mittheilen. Es
tft kurz, aber es ift Die Sprache des Here
send — |
Freund
„Schlagen Sie ale Verbindungen aus,
fo vortheilhaft fie auch ſcheinen mögen. Da»
miſens Beifptel muͤſſe Sie warnen! Alle
Mädchen find Puppen, bie nur durch ge
borgte Schönheiten fäffeln; fle Iegen dag,
wodurch fie ung gefielen , abends vor ih⸗
rem Nachtifche ab. Da liegt die Farbe in
einer Schminkbuͤchſe, der Wuchs in elen⸗
hohen Abſaͤtzen! Ach! ich will den Ver⸗
druß nicht erneuern: Ich babe an meinem
Weibe ven Ausfpurch des Dichters zu fehr
bewaͤhret gefunden : das Weib if der
.Fleinfte Theil feiner ſelbſt — Ekel und
- Grauen ift für den Mann; die Reize ſind
nur für Frembe und die Geſellſchaft —
Zraurige Thellung,, vor der Sie fich noch
huͤten koͤnnen = und werden 1 wenn ſie
felgen; ”
iSrem Damis, |
\ | XVIIL
494 Thereſte und Eleonore, -
xXVIIL
Ber nie beſeſſen bat, empfinde nicht den
Verluſt.
Ranitz.
An Eleonoren.
SG follen unferen Zwiſt entfcheiben ; ’
Fraͤulein Schrififtelerinn! Ich bin nicht
eben eine Denus; mein Spiegel erinnert
mich diefer fraurigen Wahrheit nur zu oft,
und die Einſamkeit, bie um mich berfchet,
beweiſt mir deutlich genug, dag Glas mei-
nes Spiegelg entſtelle mic) nicht. Alidan⸗
te ift ſchoͤn, aber gewiſſe Umftände haben
alle ihre Anbeter von ihr entfernet. Unfere
Haͤuſer find nun von Männern unbefucht.
Wir wären unglüdlidh, wenn mir ung
nicht ſelbſt gureichten. Zum Gluͤcke koͤnnen
wir ihrer Gefellfchaft muͤſſig gehen: un⸗
ſre Umſtaͤnde waͤren alſo fuͤr itzt auf glei⸗
chem Fuſſe. So glaubt Alidante — nicht
ich. Mich martert kein Andenken deſſen,
was ich war, und nun — nicht mehr bin.
Ich habe nie den Mittelpunkt ausgemacht,
um den ſich einſt der ganze Wirbel ber
männlichen Gefelifchaft gedrehet hat; ich
babe ı nie seherriget — Alſo babe ich aud)
kei⸗
—
\/
-
e
Thereſie und Eleonore. 495
feinen Zepter verloren, wie meine Freun⸗
dinn, die von einer Höhe, auf welche fie
die Schmeicheley vor wenigen jahren ers
boben , herabgeſtuͤrzt, fehr oft in Geheim
nach ihrem ehmaligen Standorte zurück
fchielen, und fich, und die vorüber gegan⸗
genen zeiten — umfonft bebauren wird,
Ich vergleihe mich und fie immer mit
zween itzt zwar gleich elenden Landleuten ,.
davon aber der eine feine elende Koft von
Augend auf gewohnet ift, der andere lange
zeit in der Stadt Leckerbiffen genoffen bat.
Dem einen fchmeckt fein trocken Brod, —
nicht eben vortrefflich , aber auch nicht
ſchlecht, weil er nichts Beſſers Fennet:
der andre hingegen fiellt immer Vergleiche
an, und fein Saum findet feine gegenwaͤr⸗
tige Nahrung ungleich elender. Ueberhaupt
befteht alle Gluͤckſeligkeit oder Ungluͤckſelig⸗
keit fehr viel in unfrer eignen Einbildung,
die unaufbörlich gefchäfftig ift, Bilder zu⸗
fammzuftellen, und Mafftäbe zur Ausmefe
ſung des einen, und andern ausfindig zu
machen. — „,
Sagen Ste ung , liebes Mädchen,
wen fallen Sie bei? mir? oder Alidan⸗
ten, die immer haͤrtnaͤckig behauptet: bag
Ans
496 CThereſie und Eleonore.
Andenken eines auch Thon verlornen Gutes
fey file? — Sträuben Ste fi nit,
kleine Heuchlerinn, als ob die Srage über
ihre Faſſung gienge! Sie find In dem, was
die Zufriedenheit des Herzens betrifft, mes
higftens nach ihren Blättern zu urtheilen,
feine Schülerinn. Ich befehle Ihnen alfo,
Kraft dieſes Anſehens, daB ſich auch das
dummfle Weib auf ihren Frauenſtand,
gegen bag kluͤgſte Maͤdchen giebt; Kraft
dieſes Anfehens befehle. ich Ihnen, mir. zu
antworten: was wollen Sie: lieber nie
geliebt werden r ober aufhören es zu
fen? „
| Silviane.
Gebietriſche Splviene.
Ich wuͤrde vielleicht gegen ihr ange⸗
maßtes Recht, mir Maͤdchen gu befehlen,
Einwendungen machen; und uͤberhaupt has
ben Sie es errathen , Ihre Frage reichet
* Über ben engen Kreis meiner Faſſung hin⸗
aus. Aber ich kann zum guten Gluͤcke ge:
borchen, ohne es auf Unkoͤſten meiner Ein»
ficht gu thun, und vielleicht auch ohne mich
ben Lachern anszufetzen. Einer ber ſchoͤn⸗
ſten Geiſter Frankreichs bar diefe Frage
feiner Unterſuchung nicht unwuͤrdig gehal⸗
ten.
r
Thereſie und Eleonore. 497
ten. Sch will ihn unfre Mutterfprache re=
den lehren: und dann werden Sie fich lie:
ber durch den Ausfpruch eines Bifchoffs,
als das Urtheil eines leichtfinnigen , feich-
tem Mädchens gu einem Vergleiche beiwes
gen laſſen.
Ariadne und Sapho ein Befpräd.
Ariadne. Nach dem Tone zu urtheilen,
aus dem Phaon mit ihnen fprach, hat eg -
zu allen Zeiten, folche glänzende, unbe=
deutende und eingebildete Geſchoͤpfe gege-
ben, die fie heute in der Obermwelt Klein⸗
meifter, Etuger, nennen : eine Benen⸗
nung, die zugleich ihre unendliche Klein
heit, und ihre Kitelkeit bezeichnet ?
Sapho. Es gab zu allen Zeiten Köpfe,
die recht dazu gemacht waren, fich mit
Unbefonnenheit zu füllen / und mit Eigen:
duͤnkel gu gieren. —
Ariad. Aber mie fonnten Sie, nad‘ Che
ner fo unfchmeichelhaften Schilderung ſich
von ihm bintergehen laffen? -
| Sapho. Kennen Sie denn allein ben
Eigenfinn der Liebe, und deg menfchlichen
Herzens nicht ?
IV, Theil. J1 Ari⸗
498 : ÜTherefie und Eleonore.
Ariad. Ich würde Aber fees Mädchen
wich weniger wundern, als über Sie —
Mit fo vieler Vernunft, ſolchem Geiſte,
feto mit fo vielem Genie — ¶
Sapho. Iſt die Seele darum weniger
ſchwach? Die Vernunft gränzt fo nahe an
die Thorheit, daß fie ung derfelben weit
miehr nähert, als un® dawider bewahret.
Sir unterſtuͤtzt das Herz in ſeinen Vor⸗
ſpieglungen: und Sie konnten aus meinen
‚Gedichten abucehmen, daß ich zu allen Ver⸗
ierungen aufgelegt war.
Ariad. Diefe Gchichte find in der That
von einer unnachehmlichen Stoͤrke. Aber
ich vergebe es Ihner nicht, ſich wegen ei⸗
nes tollen , undakbaren. —
Sapho. Eine vernünftigere Liebe wuͤr⸗
be vielleicht: nicht. fo ausdruckvoll geweſen
fenu. Doch, warum erinnern. Sie mich mei⸗
ner Schwachheit? warum wachen Sie mir
deswegen Vormuͤrfe? Hat mein Todt nicht
alles ausgeloͤſcht? Ich babe mich ſelbſt we:
gen einer unglidlichen Leidenfchaft beſtra⸗
fet : dad Leukadiſche Vorgebuͤrg if be⸗
ruͤhmt durch meine Verzweiflung.
Ari:
Therefie und Eleonore. 499
Ariad. Und durch Ihre Thorheit. Das
war: file Phaon ein neuer Triumph, fich
um feiwetroegen in bie See gu ſtuͤrzen.
Sapbo; Wie? iſt es Ariadne, die mir
dieſe Aufbraufung vorwirft ꝰ Hätten Sie
die Inſel Naxos vergeſſen?
Ariad. Es iſt wahr, ich nahm. wir ba
freywillich daB Leben : aber bie Yrfache
rechtfertiget mein Verfahren. Thefeug
flatterhaft, ungetreu, eidbruůchig. — —
Sapho. Verdiente nur ihre Verachtung.
Ariad. Theſeus, ber fo. ſehr mich Holm
te; den ich noch anbetete ; er, den meine
Lebe tauſendmal ber Wuth meines Baterd
entriffen hätte, piötlich undbanfbar , un⸗
beftändig — — Was für eine Beleidi⸗
sung kann einem Weibe graufemer, wel⸗
che Styllung fir fie empfimblicher ſeyn ?
pho. Rein! diefes Unrecht I dem
meinigen nicht zu vergleichen. Was hatte
ich nicht gewagt, einen Grauſamen gu bez
wegen , einen Gleichgültigen zu rühren ?
Hatte ic etwas: unterlaffen, was ein jun⸗
ges, geiſtreiches, gefählooes Wetb, thun,
fagen, erfinden fan — — ..
Ariad. Mit weicher vuſt fah ich mei⸗
nen Geliebten an dem Hofe meines Va⸗
312 ters
N
soo Therefie und Eleonore.
ters anlangen ! Mit welcher Entzuͤckung
nahm ich die erfien Merfmale feiner Liebe
auf! In welche Angft flürzten mid, die
Gefahren , benen ich ihn ausgeſetzt fah !
Wie dringend war ich, ihnen vorzufome
men, ihn dagegen zu ſchuͤtzen, ober we⸗
nigftens fie mit ihm zu theilen ! Stolz,
von. dem fchreckbarften Feinde ihn befreyet
zu haben, eile ich dem Sohne bed Egeus
auf feinen Schritten nach : Ich folge ihm,
in dem bezauberenden Gebanfen, die Tage
meines Geliebten erhalten gu haben. Ich
vereinige mein Schickſal mit dem feini=
gen — Der Undankbare — er verläßt mid),
um fich einer rieuen Liebe zu überlaffen,
bie ihn der meinigen vergeffen macht ....
Konnte ich meine Entehrung, und mehr
noch, mein Unglück überleben?
Sapho. Ich hatte meinen Phaon nicht
gegen den Minotaurus zu vertheidigen:
aber ich wollte für ibn, er follte für mich
Ieben. . Meine Gedichte, .die Ihnen ganz
euer. fchienen, waren nur noch ſchwache
Qusleger meiner Empfindung. Die Lob-
ſpruͤche, fo man gegen mich verſchwen⸗
dete, waren mir gleichgältig, wenn ich fie
‚nicht mit Phaon theilte. Hätte felbft fein
Bei:
Therefie und Eleonore. 501
Beifall meinem Herzen zureichen koͤnnen?
es foderte Liebe, und der Undankbare —
die hatte er nicht. Kaum nahm er wahr,
daß er ſie mir eingefloͤßt — Noch itzt wuͤr⸗
de ich vor Schmerz und Verzweiflung ſter⸗
ben, wenn ich es nicht bereits waͤre
Ariad. Sollte ich itzt wieder mein Les
ben erhalten, ſo wuͤrde ich es fuͤr meinen
Undankbaren noch einmal hingeben — Sa—
pho! Sie hatten ſolche Urſachen nicht,
den Entſchluß des Todes zu faſſen —
Sapho. Ach, ich hatte ſtaͤrkere —
Ariad. Iſt es fuͤr ein Weib nicht tau⸗
ſendmal ſchmerzhafter, tauſendmal demuͤ⸗
thigender, wenn ſie aufhoͤrt, geliebt zu
ſeyn, als wenn ſie es nie war?
Sapho. Ueberlegen Sie einen Augen
blick unfre Vorzuͤge! Sie werden anders
denfen. Man muß das sugefligte Unrecht
nad) unfern Anfprächen, nach unfern Vor⸗
zuͤgen abmeſſen. Sind wir nicht geboh:
ven, um geſucht, gedrungen, angebetet
zu werden? Wenn wir zuerſt lieben, ſo
haben wir unſerm Geſchlechte, unſrer Wuͤr⸗
be vieles vergeben; und lieben wir ver⸗
gebens, fo ift es das Uebermaß unfrer
Demütbigung.
Fiz Ari⸗
J
502 Therefie und Eleonore,
Ariad. Ach fehe darin gar feine Ur⸗
fache zur Verzweiflung, zum Tode. Was
verliert man, wenn man einem Gegenſtande
entfagt, deſſen Eroberungen man nie ge⸗
macht hat? Kann man fo lebhaft ein
Gut bedauren, das man nie befeffen bat?
Aber, wann man fi der Gewohnheit zu
gefallen, der Säffgkeit; geliebt zu feyn,
: Sberlaffen bat; wenn man bie graufame
Hintanfegung mit der Tchmeichelhäften
Stellung vergleicht , darein man und vers
feßet hatte , wie koͤnnen wir biefe grau⸗
ſame Vergleichung ertragen ? Ach Babe
für Thefeus alles gethan ; Ihnen — hat⸗
te Phaon nichts zugefagt. Stund es auch
fonft in feiner Gewalt Sie zu lieben ?
| Sapbo. Stund es in Theſeus Gewalt,
nicht unbeſtaͤndig zu ſeyn?
Ariad. Waͤhlt man nach Willkuͤhr?
Sapho. Verlaͤßt man freywillig? Phaon,
ſagen Sie, hatte nichts zugefaget ? Sagt
nicht ein voohlgebildeter Menfch ung im⸗
mer etwas zu, fobald wir ihn lieben? und
wenn .er gleichgültig bleibe, hebt er da
nicht die Verbindlichkeit auf, die unſre
Eitelfeit ihm auflegt ?
Ur:
Thevefie und Efeonere, 603
Ariad. Sie hatten wenigſtens bie Zu⸗
flucht, zu denken, jedes andre Weib wuͤr⸗
de ihrem IUmempfindlichen eben Tb menig
gefallen. er ein unbeſtaͤndiger Liebha⸗
ber beweiſt den Vorzug einer andern, und
biegen Vorzug vergiebt unfre Figenliche
nie —
Sapho. Es ıft fo ſcht gewoͤhnich;
vielleicht liegt es ſelbſt ꝛn der Natur, daß
gluͤckliche Liebhaber unbeſtaͤndig ſind; und
man kann ſich Aber fein beſonderes Un⸗
gluͤck, durch das allgemeine unfers Se:
ſchlechts troͤfen. Aber es tt fo etwas
aufferordentliches, nicht geliebt gu merben,
daß man nirgend dawider Trofigriinde auf⸗
ſuchen kann. Es iſt, mit einem Worte,
ſehr gemein, einen Liebhaber zu verlieren,
Aber feinen gu haben —
Ariab. Auch dieſes kann für gewiſſe
Gemuͤthsarten gleichguͤltig ſeyn. Ein wahr⸗
haft zaͤrtliches, und nur zaͤrtliches Weib,
wird in beiden Fällen gleich ungluͤcklich
feyn. Ein Weib, die viel Eitelkeit, und
wenig Liebe befitst,, wird in beiden Fällen
fehr leicht Tröftung finden.
ia XIX,
504 Therefie und Eleonore,
XIX.
Nun Heute führe man mich zur Tran,
Und morgen bin ich eine Sran.
Gleim
Uns morgen bin ich eine Stau! fo ruft
das Mädchen entzückt, wirft einen fehn-
fuchtvollen Blick in die anmuthige Zufunft,
und fieht nur fcheu , und mit fchlefem Aus
ge, gleich einer jungen Dryade, hinter
der ein ſcheußlicher Saun berjagt, nad
dee vergangenen Zeit ihrer Mädchentage
zurüde — Mein Gott ! fagte einft ein
lebhaftes Töchterchen, als fie in der Ge:
fhichte an die Begebenheit der Tochter
Jephte fam — die yute Ifraelitinn ift
in ihrem Sterbeflündchen wabnwigie
geworden ! ihren Mädchenſtand bewei⸗
nen! das lohnte der Mühe — Eie wir:
den alfo um ihren Mäpchenftand nicht fehr
traurig fenn ? nahm jemand, der zugegen
war, das Wort auf — Im gerinuften
nicht: und ich febe alle die ale Thö⸗
rinnen oder geuchlerinnen an, die bei
der Trauung fo ungebehrdig tbun, wie
nicht einmal JIpbigenie gethan, ale
man fie in der Oper zum Würgelter
fhlepp=
Therefie und Eleonore. 505
fchleppte — Sie find. fehr offenhersig,
Fräulein! — Eh! warum follte ich es
micht ſeyn? warum beuratbet die Thor
rinn, wenn fie darüber weinen maß y
oder warum weint fie, wenn fie gerne .
beuratbetY —
Der erſte Schein ift flarf wider das of⸗
fenherzige Mädchen, welches ich hier ſpre⸗
chen ließ; und doch duͤrfte es im Grunde
weniger zu ſchelten ſeyn, als es das An:
ſehen hat — Der Wunſch, aus dem Maͤd⸗
chenſtande zu treten, iſt unſerm ganzen
Geſchlechte gemein: die es laͤugnet, macht
Grimaſſen, oder — hat vielleicht dieſen
Wunſch nicht mehr zu thun. Aber es iſt
nicht immer Mannſucht, in der Bedeu⸗
tung, swelche dem Worte die Kopfſchuͤttler
beilegen, und die- unferem Gefchlechte we⸗
nig Ehre bringt: es iſt meiftens ein un=
fchuldiges Verlangen, welches bie ordent-
liche Art, womit den Mädchen zu Haus,
und auffer demfelben, von und Weibern
begegnet wird , in ber That fehr verzeih⸗
lich macht.
„ Grüß dich der Zimmel, meine
Zouife! Laß did umarmen — Wan:
delfi du unter der Erde, daß man dich
315 gar
506 Thereſte und Eleonore; .
gar nicht zu ſehen befömme , Teit dem
du beine eigne Frau biſt — „
Se&ülein Ninette — fagt bie fünf
tägtge Fran gang ſteifnuͤckigt, indem fie
der angebotenen Umarmung geſchickt aus⸗
weicht ; ich babe Sie —
„ Sedulein Ninette! ich babe Sie!
was iſt das für eine froſtige Sprache
unter fo sten Sreundinnen , ale ih.
und du —
Waren — —
Und nun — —
Und nun — liebes Scünlein! ih
muß Sie erfachen, mich zu nennen,
wie ich Sie nenne. Es wird mir im:
mer eine Freude ſeyn, wenn Sie bei
mie einfprechen. Ich werde freylich
Sie nicht felb unterhalten Finnen.
Sie wiffen es, eine Srau, muß bie
Seauen unterhalten. Aber ich werde
fhon dafür Torgen, daß Ste Gefell-
ſchaft vun $räulein finden.
Die Stau, die einem Maͤdchen, mit
der fie vor wenig Tagen Schweſter war,
und die bei ihrer Standesveraͤnderung noch
fo kuͤhn iſt, fih daran gu erinnern , bie
"Stau, bie einem fo breiften Mädchen nur
kalt⸗
Iherefie und Eleonore. 607
Beltfinnig mitfäher, iſt noch fehr gnaͤbig;
and die Beiſpiele damen werden nicht eben
alltaͤghich ſeyn —
Bei den meiſten wird das ber Zon ſeyn,
‚and bem fie fptechen werben — eine
gute Ylimerte! du weiſt vielleidye woHl
nicht, daß ich eine Frau binv In der
That Mädchen, das bin ih — Du
weift vielleicht. wohl auch nicht , die
Ehrerbietigkeit, die du mir Thuldig
biſte Vun, ich wall an dir das Werk
der Liebe thun, und dir Unterricht ge⸗
ben! Sobald du rintrittſt, müche mie -
fein eine Verbengung bie auf die Erde,
und wiederhole fie ein paarmal, che du
ganz zu mir an Se Sopha kommſt,
von der ih mid nicht im gering:
flen heben Bann ; &enn des ſchickt ſich
nicht für eine Iran gegen ein Mäd⸗
Ken — Nahere dich dann nreinem Pla⸗
ge mit Ehrfurcht, um mir die Sand zu
küſſen! Tritt ja nicht gerade vor mich,
das läßt zu vertraulich, Zuͤbſch von
der Seite herangerreten , und nah der
Hand gegriffen — Wenn ih dir auch er .
nen Kuß anbiete , beileib laß Ste yand
nicht fahren! es iſt nur Gepraͤng, wenn
men
506 Thereſte und Eleonore, .
gar nicht zu ſehen befömmt , ſeit dem
du beine eigne Srau biſt — „,
Sräülein Uinette — fagt bie fünf-
tägtge Frau ganz fteifnädige, indem fie
ber angebotenen Umarmung geſchickt aus⸗
weicht; ich habe Sie —
„Fraäulein Ninette! ich babe Sie! _
was ift das für eine froflige Sprache
unter fo ysten Sreundinnen , ale. ih.
und du —
Waren — —
Und nun — —
Und nun — Liebes Lrdslein! ich
muß Sie erfachen, mich zu nennen,
wie ich Sie nenne. Es wird mir im-
mer eine $reude ſeyn, wenn Sie bei
mie einfprechen. Ich werde freplih
Sie nicht ſelbſt unterhalsen Finnen.
Sie wiſſen es, eine Stau, muß ‚die
Srauen unterhalten. Uber ich werde
fhon dafür forgen, daß Sie Gefell-
Haft von Sräulein finden.
Die Stau, bie einem Maͤdchen, mit
der fie vor wenig Tagen Schweſter war,
und die bei ihrer Standesveraͤnderung noch
fo kuͤhn iſt, fich daran zu erinnern, bie
Frau, die einem fo breiften Mädchen nur
kalt⸗
Therefie und Eleonore. 507
Baltfinnig mitfaͤhrt, ift noch ſehr gnaͤbig;
und dir Beiſpiebe davon werben nicht ‚chen
altaͤghich ſeyn —
Bei den meiſten wird bad der Ton ſeyn,
aus dem fie fptechen werben — Meine
gute Ninette! du weit vielleidye wohl
nicht, daß ich eine Frau binv In der
Chat Mädchen , das bin ih — Du
weift vielleicht wohl auch nicht , die
Ehrerbietigkeit, die du mir Thuldig
biſte Vun, ich will an die das Werk
der Liebe tbun, und dir Unterricht ge⸗
ben ! Sobald du rintrittſt, mache mir
fein eine Derbengung bis auf die Erde,
und wiederhole fie ein paarmal, ebe du
ganz zu mir an die Sopha Fimmft,
von der ih mich nicht im gering:
fien heben Bann ; denn des ſchickt ſich
nicht für eine Stau gegen ein Maäd⸗
hin — Nähere dich dann nreinem Pla⸗
ge mit Ehrfurcht, um mir Sie Sand zu
küſſen! Tritt ja nicht gerade vor mich,
dns laͤßt zu verwanlich, Labſch von
der Seite herangerreten, und nah der
Hand geuriffen — Wenn ich diranch ei⸗
nen Ruß anbiete, beileib laß die Hand
nicht fahren! es iſt nur Gepraͤng, wenn
mean
508 Therefie und Efeonore,
man fich firduber , ale wollte man es
nicht gefcheben Laften: Die Schuldigfeie
des Mädchens wird darum nicht aufs
gehoben, weil die Srau aus göflichteie
ein wenig Umflände macht — Lach dens
vandkuſſe eritt ebrerbietig, und mit eis
ner Derbeugung zurück, und erfundige
dich mit unterhrüdter Stimme, damit
es fittfam berausfömmt, wie Ihre
Gnaden fi befinden? Wieder:
hole das Ihre Bnaden fein oft!denn
das iſt die guldigung, die du meinem
neuen Stande ablegft —
, Ich werde. dann ganz gütig, und
buldvoll zu Sir fprechen: Yiinette, es
ift mir zu viel Zwang, wenn ich Sie
immer Sträulein nennen foll.: nicht
wahr, du bleibfi mein Du, wie vor:
ber? — Gefhwind Füfle mir die Sand
für die Gnade, die ich dir erweife, dich _
öu, und Tinette ohne Umſtand zu nen:
nen. . a
Wenn ich fpreche: fege dich, Ninet⸗
te! — fo tunke recht tief, aber nimm
ja keinen Sig an, ob ich dich gleich
etlichemal figen gebeiflen babe! Sage
immer — SEo-ift meine Schuldiuteir,
Bus
A
men wuͤrde.
Therefie und Efeonore. s09
Eurer Gnaden aufzumwarten. Flur
dann erſt, wann ich fpreche : fege did),
Klinette! ich befeble dire — fine Der:
beugung, und: weil es Eure One:
den befehlen ! |
Reden, liebes Mädchen, mußt du
„ je nicht anders, ale warn du gefragt
wirft; und auch damals nur, Ja, und
flein, und immer einen Tunfer dazu.
Vergiß niemals, daß ein Weib alles,
und ein. Mädchen nichts weis. Wenn
du einmal Stau fepyn wirft, fo wird die
Reihe auch an dich Fommen , von den
Mäschen Ehrerbietigkeit zu fodern.
Vieleicht hat manche Srau, und mans
ches Mädchen hier einen Auftritt gelefen,
den fie wirklich felbft gefpielet haben; und
alsdann wird das Mädchen, wenn fie mit
zween Fingern auf der Bruft ausfagen fol,
was in ihrem Innerſten vorgegangen ift,
befennen: das Herz fen ihr erbärmlich ger
preßt worden , in Ermartung , daß ber
Augenblick erfcheinen möchte, gleiches mit
gleichem zu vergelten., und ba, in recht
eigentlihem Verſtande, die Schande bes
Mäschenftandes von ihr hinwes genom⸗
Ich
310 Thereſie und Eleonore.
Ich bin orbentlichermeiße sum Mitleide
geneigt, und ich babe diefed fehr oft deu
liebenswuͤrdigen Rindern gefdyenfet , die
ich von ſtolzen Weibern von Kopf Bid zum
Fuͤſſen kunſtrichteriſch betrachten, und vecht
boßhaft habe Hein machen fehen — Sie
werden es beſſer verfieben, Die Sie eine
Frau werben — und — fo dachte auch
ich, da ich noch ein mverfländiges
Mädchen war — Wie. oft fagt fo, ober
ungefähr fo ein Weib, bad: noch ald Weib
fo ſehr Gans iſt, ala fie ed vor ihrer
Vermaͤhlung war; und das auch bis m
dag chriftliche Sterbeftiindlein, fo fehr es
Weib if, immer Gans feyn wird.
‚Wären doch mie diefer Demuͤthigung
wenigſiens nicht wirkliche Nachtheile ver:
knuͤpfet! Aber mas für ein unbelebtes
Maſchinenwerk And fie die armen Geſchoͤ⸗
pfe! Sie mollen in das Schaufpiel ger
hen, Fraͤulein! bitten Sie eine Frau, daß
fie Ste dahin führet — Sie wollen irgend
einen Spaziergang machen! Haben Sie
eine Frau, Die Sie mit fih nimmt? —
Ste wollen einen Befuch abſtatten? Beh
Edhre und Leben nicht, wenn Sie feine
‚Gran iur Begleiterinn haben — Alfo le⸗
ben
‚Iherefie und Eleonore, sıı
ben bie Möbdjen unser dem ungelegenſten
Zwange, bürfen ſich wicht regen , nicht
wenden, wicht geben, kaum Athem fchä-
»fen , menu es nicht unter ber Yuffiche
einer Frau gefchieht! Und man wundert
ſich, und man darf es ihnen übel austen-
ten, wenn ſie von biefem Zwange fich zu
befreyen, wenn fie den Gebrauch ihrer
Hände und Züffe fih eigen zu machen,
wenn fie, mit einem Worte alles zu fagen,
Srauen zu werben begierig find, denen
alles ohne Unterſcheid erlaubt „ die dag
Joh wicht nur dieſes unbequemen Wohl-
ſtands, ſondern beinahe die Herrſchaft des
Anſtands und der Sittſamkeit abgeſchuͤttelt
"su haben ſcheinen; wenigſtens, wenn es
erlaubt iſt, nach dem Betragen gewiſſer
Weiber zu urtheilen, die gleichſam nur
darum ſo ſehr geeilet haben, in den Eh⸗
ſtand zu treten, damit ſie deſto geſchwin⸗
ber über die Graͤnzen, zum mindſten der
Gufferlihen Tugend auszuſchweifen, be-
vechtiget ſeyn möchten. on
Iſt Ihnen, beträbte Muster, iſt Ihnen
nun die Unheſonnenheit, noch ein Raͤthſel,
mit welcher fich ihre liebenswuͤrdige Toch⸗
cer einem Manne faft an den Hals gewor⸗
— fen,
N
512 Thereſie und Eleonore.
fen , der von grauenerweckender Geſtalt
it, von Jahren, die den Efel feiner Per:
fon noch vermehren , bei dem Sie vorber
fahen, daß ihr Kind unglücklich, daß es,
was ihrem zärtlichen und tugendhaften
Herzen.noch unendlich empfindlicher fallen
muß, daß es untugendhaft werben wird ?
Sehen Sie den Sklavenfland an , darin
unfre Mädchen nach eineni gewiſſen alt--
bergebrachten Erjiehungsgepränge gehal-
ten werden! und ed wird nicht nur dag
Betragen ihrer Toͤchter, fondern über:
haupt, fo manche unbebachtfame Heurath
Ihnen und der Welt aufhören ein Raͤthſel
zu feyn — Der gebrädte Gefangene, ber
nach der Befreyung ſeufzet, mählet ver
wohl einen Augenblid , wann er feiner
Dienfibarfeit durch einen unflättigen Ras -
nal entfliehen kann ? Die wenigſten Ehen --
bat vielleicht die Liebe , und Ueberlegung,
die meiften bat das brennende Verlangen
geftiftee, alle diejenigen Freyheiten gu ge⸗
nieffen, davon den Mätichen der unfchuls
dige Gebrauch, den Weibern auch fogar
der Mißbrauch nicht unterfagt iſt —
XX.
Therefie und Eleonore. 513
XX.
Du gabft mir ihn, geneigtes She;
Doch willſt du mis geneigten ſtyn,
Timm Belten wiederum zurück,
o Heben Stu!
Wernite:
WW, bat Ihnen, Schwerter Therefie,
bas angehäftet, daß ein Mädchen eine Gris
maffe macht , wann es feinen Mädchens
‚Hand werth Hält? — Ich babe es zwar
felbft irgend an einem Orte geflanden :
unſer hoͤchſter Wunfch fey den Männern
gu gefallen, und diefer Wunſch müffe ein
ehrbares Mädchen zur Ehe führen, fonft
fey er — Bofettsrie wenigſtens, wenn
es nichts aͤrgeres if. Indeſſen, fehen Sie
nur ein Bißchen unter den Maͤnnern her⸗
um! ſehen Sie das erfeufite Gluͤck, eine
Scan zu ſeyn, genauer an! wahrhaftig,
die Chetyrannen, und die männlichen Un⸗
thiere, die noch etwas Ärgeres find, als
Ehetprannen , die find in ber That bie
Geſchoͤpfe nicht ‚- für Die e8 der Muͤhe lohn⸗
te, einen Seufzer aus ber Bruſt zu flofs
fen! So fehr. vielleicht dag unholde Ver⸗
fahren der Frauen gegen arme Mädchen,
\
s14 Thereſie und Eleonore.
ung den Srauenflanb wuͤnſchenswerth ma=
chen könnte, fo fehr muß die Bettachtung
deffen, mas im Eheftande felbft vorgeht,
uns dieſes Wunfches gereuen machen —
Ach, rufte ein Menſch, der Lebenslang
nie eine See gefehen,, nie in einem Schiffe
gefahren war, was für eine Luft muß
es ſeyn, fo in einem Lahrzeuge fanft
gewiegt zu werden ! fo Über die Wellen
dahinzugleiten! Tönnte ich in meinem
Leben doch eine Serfahrt than! — Sein
Wunſch ward ihm gewähret; er flieg vor
Bergnügen trunfen in dag Schiff, man
entfernte fih vom Lande — Er flieg
bald einen Berg von Waſſer hinan, fiel
bald in einen Abgrund zwiſchen dem ge⸗
thuͤrmten Wogen hinunter. Das, was ihm
von ferne fanftes Wiegen fehlen, war ein
gewaltfames Hin und Wiederwerfen, wo⸗
bei er ſich nicht auf den Fuͤſſen halten
konnte, das ihm die gewaltſamſten Er⸗
ſchuͤtterungen verurſachte — Wäre ich wie⸗
der am Lande! ſchrie er, und flehte den
Himmel an, ihm nur dieſen einzigen Wunſch
in feinem Leben zu gewaͤhren — Umfonf:
er war einmal am Borde, unb mußte bie
Fahrt bis an das End aushalten — Die
kLeh⸗
Sherefie und Eleonore. 515
Lehre iſt aus dieſer Erzählung fehr Teiche
Beraussubolen. Die Schiffahrt iſt der Eh:
fand, das Mädchen iſt der unüberlegte
Wuͤnſcher. Es iſt eingefchifft, es wuͤn⸗
ſchet ſich zuruͤcke an das Geſtad des Maͤd⸗
chenſtandes: aber es muß die Reiſe fort⸗
ſetzen, bis ein willkommener Tod derſelben
ein Ende machet —
Ich will das Gleichniß fortſetzen. Der
Wahn iſt vielleicht ſehr vergeblich ‚ wenn
ein Menfch der die See nur in ihrer
‚Stile gefehen, fi) gu einem voreiligen
Wunfche hat verleiten laffen. Aber für was
wuͤrden fie, theure Geſpielinnen, benjeni=
gen halten, der das ſtuͤrmende Meer in der
Naͤhe betrachtet, der das Schrecken ber:
jenigen mit angeſehen, welche feiner Unge⸗
ſtuͤme Preis gegeben waren; der ein Au⸗
genzeuge geweſen, wie die empoͤrten Wo⸗
gen ein Schiff an die Klippen geſchleudert;
zu deſſen Fuͤſſen die Wellen ſchwimmende
Truͤmmer, die traurigen Merkmale ihrer
Wuth, hinſpuͤlen; der gleichwohl noch,
den Augenblick, zu Schiff zu gehen, mit
Ungeduld erwarten wuͤrde? — — —
Sie haben ſo Unrecht nicht, mit der
Verurtheilung ein wenig an ſich zu halten,
Kk2 = weil
5316 Thereſie und Eleonore,
weil Sie dieſelbe doc) nicht ausfprechen
Finnen , ohne sugleich , wenigfieng zwey
Drittheile unter uns in dem Bannſpruche
mit zubegreifen. Denn, wie viele ſehen
nicht um und neben ſich taͤgliche Schlacht⸗
opfer ihrer Leichtſinnigkeit „Schlachtopfet
unbebeutender, auswendiggelernter, ohne
Andacht hergebeteter Schmeicheleyen, Ver⸗
heiſſungen, Eidſchwuͤre? — Sie ſehen ſie,
bedauren ſie, und treten bald darauf an
den Altar bin, um bald wieder von aus
dern bebauret gu werben —
. Woher kommen dir diefe ropfhan⸗
geriſchen Gedanken, flatterhaftes Maͤd⸗
en! Du haft wenigſtens bie Beifpiele
nicht in der Naͤhe, die dich darauf brin⸗
gen Tonnten — -
Das iſt zwar wahr ‚ liebe Therefiel
aber nur eine glückliche Ehe kann mich
ſchon traurig machen: ‚und wenn ich bann
ein paar wohlgerathene Verbindungen hin»
. tereinander erfähre, fo iſt es beſchloſſen:
ich finge mein Schwanenlieb , und huͤlle
mich mit Standhaftigfeit auf ewig In mei⸗
nen Mäbchenftand ein.
Das wäre grilfenbaft — ſprichſt du? —
Etwas weniger als du denkeſt. Wenn in
ei⸗
Therefie und Eleonore: 517
einem Gluͤckstopfe nur wenige Treffer find,
und bu fiebft, daß von diefen wenigen ei⸗
nige hintereinander ausgehoben werben ,
waͤchſt dir da wohl der Muth fehr, gu wa⸗
sen, da natürlich nicht viel gute Loofe für
dich übrig find ?— AS Jupiter durch die
ewigen Zäntereyen feiner Juno gegen un
fer ganzes Geſchlecht aufgebracht warb,
ſchwur er bei dem Styr fi) an demfelben
zu rächen. pn jedem Uenfchenalter, fagte
er , follen euch nur drey gute Männer
zu Theil werden! alle übrigen follen
ihren Weibern feyn , ‚was Juno mir
it — Alſo geſchahs, denn die Schmwüre
Aupiters find unwiderruflich. Nun, wann
drey gute Männer hintereinander heraus⸗
gehoben find, fo mögen wir Mädchen alle,
lieber ung einen Stein an Hals hängen,
als heurathen, benn es ift fein. Treflooe
mehr für ung im Topfe — |
Lieber, Gefpielinnen,, laßt ung unfer®
Fruͤhlings genieffen, ehe er verbläht! Denn
bie Unterwuͤrfigkeit, worin man ung als
Mädchen erhält, hat gleichwohl eine ange⸗
nehme Seite, die Therefie in ihrem Blat-
te fi) in Acht genommen hat, zu zeigen,
voofür mir in der That Urfache haben,
| Kfz ihr
N
518 Therefie und Eleonore.
ihr verbunden gu feyn. So eingefchränft
mir auch an allen Eden find ,„ fo giebt
es dennoch Augenblide, wo fich diefe Steif⸗
hälfe von Frauen — wie ich fie, nach ei⸗
ner Srau zu nennen, mir Die Freyheit herr
ausnehme — wo alfo die guten Frauen,
die nichts Über ſich, nicht unter einem
armen Mäbdchen erblicken, wo fie fich viel⸗
“ Teiche recht ſehr an unfre Stelle wuͤnſch⸗
ten. Ich will im Vertrauen unter ung ein
Schreiben herumgehen laſſen, welches mir
ein muntered Wefen von einem Mädchen
noch Dienfiag Abends sugefendet. Ihr wer⸗
bet aus dem Inhalte fehen, es liege un:
ferm Vortheile daran , dieſes Briefchen
nicht gemein gu machen, damit fauerfeben:
be Mütter nicht auf die Spur geleitet wer-
den, auf die fie nie fommen müflen, wo
fie ung Mädchen nicht auch das einzige
entreifien follen , was uns für bie übrt-
ge Serinsfchägung gewiſſermaſſen fchablos
balten kann — Lefet alfo diefes Schrei
ben auf bem ..., wo fonft insgemein
des Mädchen geheime Kanzelen ift.
Schweſter Schriftftelerinn !
„Das war ein Schrecken, ald ich
CThereſiens letztes Blatt gu Geficht ber
fam !
”
Tperefie und Eleonore. 519
kam! Ich zitterte, wie ein Efpenlaub, da
ich es meiner Mutter vorlefen mußte —
Nun, dachte ich alle Augenblick, nun wird
e8 kommen — Mit jeder Zeile gieng mir .
‚ein Stich an die Seele, und erfi am En⸗
de — erſt am Ende haste ich das Herz,
aus freyer Bruft Athem zu holen — „
„ Locchen! das wäre ein verzweifel⸗
tee Streich geweſen, wenn bie gutbersige
Cherefie, aus Mitleiden gegen ung, ung
villeicht ungluͤcklich gemacht hätte — Es
war fo nahe, fo nahe daran — Aber ein
gaufelnder Sylphe, der Schußgott des
jugendlichen Vergnuͤgens, hat ohne Zwei⸗
fel fein Gefieder uͤber den Luſtort gebreitet, -
und ihn ihrem Auge verdeckt gehalten —
Es wäre um uns , und dag Vergnügen
gefchehen geweſen. "
„Was daͤucht dir ? wenn Therefie bie
Saite von unferer Abſoͤnderung ia Gefell-
ſchaften ein wenig ftärfer gegriffen, wenn
fie eine beleuchtende Betrachtung darauf
geworfen hätte, daß man und Mädchen
fonders und ſämmtlich, wie mein Va⸗
ter fpricht , in ein Zimmer. ſperret, mo
niemanb nad) ung ſieht, ‚nach ung fragt,
als etwan ein Bedienter mit Erfrifchungen
Kk4 der
«20 Thereſie und Eleonore.
der man ſeine ungelegene Dienſtfertigleit
gerne erlaſſen wuͤrde?
„Gewiß, da fuͤhle ich erſt bad Ver⸗
gnuͤgen meines Standes, und beneide die
Frauen an ihren Spieltiſchen, und auf ih⸗
ven Sophen im geringſten nicht , weil ſie
ſo gewogenheitvoll ſind, mir freye Hand
zu laſſen, um mich mit den jungen Leuten
zu unterhalten, die ſich natuͤrlich zahlreich
bei uns einfinden, da ihnen der Eintritt
nicht verwehrt iſt. Wie viel wird hier ge⸗
lacht, geſchwaͤtzt, geſchaͤckert, und ſonſt
Albernheit getrieben! welches alles unter⸗
bleiben wuͤrde, wenn die Muͤtter nicht die
weiſe Vorficht haͤtten, uns von ſich zu ent⸗
fernen, und zwiſchen ihren Argusaugen
und unſeren Scherzen ein paar undurdz
fichtige Wände zu fegen. „ |
„Wie fehr entfchädiget man fich in
biefen Augenblicken der Freyheit über ben
unbeguemen Zwang , den ung ihre emige
Gegenwart auferleget ! und mie glücklich
wird bier in einigen Minuten ihre fonft imz
merwaͤhrende Aberläftige Aufficht vereitelt!
Das find vielleicht,die fogenarinten Schaͤ⸗
ferfiunden , bavon ic, fo oft das Wort
höre, ohne Haß mir jemand den Sinn ers
| kllaͤ⸗
»
Therefie und Efeonore. Zar
Hören will — Doc) Hiſch! das find unfre
Cogen, aus denen wir nicht fchwägen
dürfen — Das Aug der Mütter fey davon .
beftändig ferne! — .,
m Senn Sie, wenigſtens aus Liebe zu
ihren Sefptelinnen auf der Hut, daß Ihrer
Schreibgefährtinn nicht etwas entfahre,
was und um bdiefe Foflbaren Augenblicke
bringen Eönnte!
Ihre Armine.
E.
XXI.
Sellicet expedtas ut tradat mater honeflos
Aut alios mores, quam quos habet —
Fuvenalis. )
As, Madame! \ wie aluelich ſind Si,
eine fo gefittete Tochter zu haben! —
| 85 Ich
*) Sn dem Augenblicke, da dieſes Blatt zum
Irucke abgegeben werben fell, fah ich, daß
Thereſie die Auffchrift darlber zu ſetzen ver⸗
geſſen hatte. Es war nicht mehr an der Zeit,
‚ in den deutſchen Schriftſtellern darnach zu
ſuchen; und mein Gedachtniß bot mir eben
keine ſchicklicheve an, als dieſe Stelle des
| I.
s22 Thereſie und Eleonore.
Sch geſtehe es, daß ich es bin; una
wenn alle Mütter eben die Empfindungen
baben, bie fich bei mir fo oft erneueren,
als ich meine Tochter aublide , ſo zweifle
ich , ob der Himmel in feinen Schägen et⸗
was foftbareres zu verleihen babe, als:
den Mutternamen —
„Das iſt vielleicht das. erſtemal in mei⸗
nem Leben, daß mir das Vergnuͤgen mei⸗
nes Nebenmenſchen Seufzer auspreſſet —
Nicht, meine Freundinn, als mißgoͤnnte
ich Ihnen ein Gluͤck, deſſen Sie fo wuͤr⸗
dig ſind, und das Ihnen die Guͤte des
Himmels ſchuldig war, fuͤr ihre zaͤrtliche
Sorgfalt, der Welt ein Beiſpiel, und un⸗
ſerm Geſchlechte eine Krone zu erziehen,
ſondern, weil ich mir ſelbſt, mir nur ak-
lein den Vorwurf zu maihen babe —
- Halten Ste ein, und reiffen Sie mit
vergweifelter Hand nicht eine Wunde auf,
| | . über
lateiniſchen Satirikers, die id für die Les
ferinnen hiemit hberfege: Erwarteſt du viel:
leiht, die Murten werde ihre Tochter zu
ebrbaren, ober anderen Sitten anführen,
‘ale ihre eigenen find ? |
Der Serausg. °
Thereſie und Eleonore. 523
uͤber welche die Zeit nun ſchon eine Schwuͤ⸗
le gezogen hat.
„Nein, Freundinn! die Zeit bat bei
meinem Schmersen ihre lindernde Kraft
verloren. Ich trage ben Geyer, ‚der mir
das Herz abfrißt,, immer mit mir herum.
Ich fehe fie jeden Augenblick vor mir, diefe
Unglädstochter , die nun meine Schande
tft, und die fo leicht mein Stol; ſeyn
konnte — „
So Ienften Sedamine, und ihre be⸗
daurenswuͤrdige Sreundinn eine Unterre-
dung «ein, welche die ganze Gefchichte ei⸗
nes verunglückten Mädchens in ſich ent:
bielt ,. deren Namen Ihre Anverwandten
nicht ohne Erroͤthen ausfprechen bören,
und deren Betruͤbniſſe ich die Verfchonung
ſchuldig bin, ihn nicht Hergufegen.
Sedamine war die gluͤckliche Mutter ;
fie hatte mit der ganzen Stabt Beinahe bes
weifende Vermuthungen von ber Begeben⸗
heit, die ihrer Sreumbinn fo viele, fo ge⸗
rechte Thraͤnen voftete. Aber fie verfiand
nicht, warum ſich bie Mutter felbft mit
Vorwuͤrfen überhäufte —
Sie haben fich vieleicht zu groffe Nach⸗
ficht gegen eine lebhafte Tochter zu ver:
wei⸗
524 - Therefie und Eleonore
weifen — fuhr. Sedamine im Tone der -
Tröftung fort — Auch diefe Nachficht if
nicht gang ohne Schuld ; aber es iſt eine fehr
muͤtterliche Schuld , wegen welcher fie in
ver Bufen aller Muͤtter, ja beinahe aller
Menfchen einen Vertreter finden —
„ Möchte ich nur gegen mich felbft eben
‘fo gütig ſeyn koͤnnen, als Eie es find!
möchte ich mir weiter nichts, als Nachficht
vorzumerfen haben! Aber, Freundiun —
wenn ich Sie anders. nad) biefem ernie-
drigenden Geftändnifle fo nennen, wenn
ih meine Augen noch gegen die tugend⸗
bafsfte Mutter auffchlagen darf — ich ha⸗
be — mein Beifpiel bat mein Kind zu
Grund gerichtet: das elende Mädchen iſt
auf den Zußftapfen ihrer Mutter ber. Ent⸗
ebrung zugewandert.
Ein Thränenguß, der ihre lange An:
fihhaltung nun übermwältigte , zwang fie,
bier in ihrer Rebe einen kleinen Stillſtand
zu machen — Als fie endlich ihre ganze
Standhaftigfeit aufgeboten, und in etwas
ſich erholet hatte, fuhr fle fort —
„ Bürdigen Ste mich anzuhören, befte -
Sedamine! und wenn Sie aus der offen-
Ä beriigen Erzählung zwar mein Verbrechen
era
Thereſie und Eleonore. 525
erkennen werden , fo erfennen Ste menig:
ſtens daraus zugleich die lebhaftſte Ver:
zweiflung, welche meine Bruſt gerfleifcher, -
welche mein Kind, und die Tugend an mir
mit unaufbörlichen Dualen rächet ! — Mei⸗
ne Zochter verlor, zu frühe für ihre Ehre
und Wohlfahrt ihren Bater , als fie nur
erft neun Jahr alt war. Ihre ganze Er⸗
ziehung war alfo mein Werk: trauriges
Geſtaͤndniß! auch ihre Schande iſt nun
ungetheilt mein! Da fie die einzige Frucht
einer glädlichen Ehe war , umd ihre fich
entroicdelnden Reise. eine fehr vortbeilhaf:
te Geſtalt verhieſſen, fo lebte meine Seele
einzig, ganz in diefem Kinde. Ich ließ
fie nicht einen Augenblick von meiner Set
te, und ihre Sitten fchmiegten fich durch⸗
aus an bie meinigen an.
9 War es nicht natürlich , daß eine
Zochter ſich nach- ihrer Mutter mobdelte ?
‚und fann es der Unglädfeligen nicht ger;
wiſſermaſſen zur Verringerung ihres Ver⸗
brechens dienen , baß fie nur dadurch dem
Lafter in die Arme gelaufen, weil fie mich
. nachgeahmer hat? —. Mit note vieler De⸗
muͤthigung muß ich es vor Ihnen beken⸗
nen, daß meine Sitten durchaus unor⸗
dent⸗
ee — — — —— —— — — — .- -
.
526 Üherefie und Eleonore,
bentlich , meine Aufführung unbedachtſam,
eitel, frey , mithin das Beiſpiel, fo das
arme Kind unaufhoͤrlich vor ſich ſah, Auf-
ſerſt verderblih war? Da mein Gemahl
mich durch feinen Tod in den Genuß eines
anſehnlichen Gutes gefeuert, fo hatte ich
wicht noͤthig, mich um meined Nußens
Willen zu befchäftigen. Aber ich Erich die
fe Gemächlichkett fo weit, daß ich jede
Arbeit zur Schande machte, und von Zeus
ten, welchen das Glück nicht fo wie mic
ginftig geweſen, von Leuten, die fich ihres
Unterhalts wegen zu befchäftigen gezwun⸗
gen waren, nicht anders als mit Verach⸗
tung, nicht anders als von Unglücklichen
und Elenden ſprach. Meine kleine Nach⸗
ahmerinn gewoͤhnte fich ſehr an meine
Sprache. Sie hielt Muͤſſiggehen fuͤr eine
Gluͤckſeligkeit, die ihr ihre Mutter nicht
mißgoͤnnen wollte. Sie hielt alfo Knot⸗
tenfchlagen, oder fonft ein Taͤndelwerk für
bie einzige Arbeit, bie fie nicht zum Poͤ⸗
bel Hinabbräckte. „
„ Womit konnte eine Perfon, bie ihre
Stunden mit feiner Arbeit ausfuͤllet, den
Tag hindringen ? womit anders, als mit
Ettelteit, der anerſchaffenen Schooßſuͤnde
un⸗
Shereie und Eleonore 52%
unferes Geſchlechtes. Die Mutter brachte
den Morgen an ihrem Pußtifche, ven Nach»
mittag mit Umfleidung und der Wahl neuer
Ziergeräthe bin, und fo wurden gehn Stun⸗
den des Tages dazu verwendet, um zwo
in Geſellſchaften zu ſchimmern, und andre
Weiber zu verbunfeln. „,
„ Der Gefchmad meiner Tochter ge=
woͤhnte fich fehr.leicht an dieſe Unterhaltung.
Ihre Mutter war noch dazu unbefonnen
genug, fie in ber Wahl der Stoffe fehr oft
gu Rath gu sieben, und ihr in allen ben
fogenaunten Raffinimens der Eitelfeit Un⸗
terricht gu geben. Damals ergoͤtzte ich mich
ſehr daran, weil ich bie Folgen davon nicht
einſah, wann dag wwoͤlfjaͤhrige Mädchen
mit feiner Einſicht in das Pug und Pracht:
wefen bie erfahrenften Frauen beſchaͤmte —
Ich ſelbſt ſchaͤtzte nichts ber einen praͤch⸗
tigen Anzug; und ich erzaͤhlte ſehr oft mit
dem Stolze einer Siegerinn, daß von funf⸗
zig Frauen, die alle mit Neid auf mich
geſehen, keine ſich mit mir vergleichen
durfen. Das Kind theilte aus einer finde
lichen Regung den Triumph feiner Mute
ter ; aber feine Denkungsart faltete fich
sang unvermerkt nach ber meinigen: es
| ward -
825 Üherefie und Eleonore.
ward eben fo begierig, das unter feinen
Gefpielinnen zu ſeyn, mas ich im groffen
Kreife war: und bie eitle Thörinn, feine
Mutter, unterſtuͤtzte es leider zu gutwil⸗
lig in biefer Begierde, . |
„ Der Müffiggang und die Eitelfeit war
ren noch bie Eleinften Untugenden, die mei⸗
ne Tochter aus meinem Beifpiele an fi
nahm. Die Eitelkeit eines Weibes ift der
Magnet, der die Schmeichelei ber Maͤn⸗
ner gewaltig an fich zieht. Sie wiſſen es
nur gu ſehr, daß fie bei einem eitlen Weibe
natuͤrlicherweiſe ſehr willfommen find. So
ward mein Haus ein Sammelplag (him:
mernder Gecken, die mir ohne Unterlaß von
‚meinen bezaubernden Reizen, von meiner
unumfchränften. Macht über ihre Herzen
vorfchwägten — Und ich, ich ward ganz
von dem Dampfe bed Welhrauchs, den fie
mir ſtreuten, betäubt — Meine Tochter
ließ feine Sylbe von allem auf die Erbe
fallen. Sie wieberholte mir fehr oft Wort
für Wort, alle die Albernheiten,, die mir
den Tag über vorgebetet worden. Aus
dem Vergnügen ihrer Mutter ſchloß fie
natürlich, daß diefer Wirbel von Vereh⸗
rern für unfer Gefchlecht ein koſtbares Gut
Ä ſeyn
Tperefie und Eleonore. 529
feon müße; und ihe Her; , das fo ſehr
burch die Eitelkeit porbereitet war, ſeuf⸗
zete nach dem Beſitze biefes Gutes. „
„Laſſen Ste mich mein Geſicht in ih⸗
ren Bufen verbergen! ich war ſchwach ges
nug — ich ließ mich in einem unglücklichen
Augenblicke von dee Leidenfchaft uͤberra⸗
fhen — Ich that mit einem Worte den größ-
ten Fehltritt, deſſen unfer Gefchlecht fähig
iſt — Ach erniedrigte mich felbft in den Au»
gen. desjenigen., der mich dazu verleitet
"hatte, und mar babei fo unbehutfam , daß
ich meinem Liebhaber manche Freyheiten
erlaubte, daß ich mir felbft dergleichen her⸗
ausnahm , ohne ‚den Blick derjenigen zu
fcheuen, bie ich nicht zu Lange in einer vor⸗
theilhaften Unwiſſenheit hätte erhalten koͤn⸗
nen. Dadurch nun begab ich mich gleich⸗
ſam mit einmal meines Rechtes; ich begab
mich des mütterlichen Anſehens, und der
Gewalt , etwas an ihrer Aufführung aus⸗
zufegen. Mit welcher Stirne follte ich ihr
etwas vermweifen, noorüber fie mir anftwor-
ten fonnte : ich thue dad, wozu ich von
Ahnen fehr oft Beifpiele geſehen? —
„ Hier nun fing das Verderbniß meis
nes Kindes an, Ein unglüdklicher Weges
IV, Theil, gt - lau⸗
356 Thereſie und Eleonore.
laurer der unbehutfamen, ober unbewahr-
ten Tugend, dergleichen leider nur gu viele,
und an allen Drten auf der Warte fichen,
war gu meinem und meines Kindes Elende
nur zu fcharffichtig: durch Schmeicheley ,
durch Nahrung der Eitelfeit, fand er den
Meg zu ihrem zu fühlbahren Herzen; und
ich weiß es, mir zur ewigen Zolter , nur
ju gewiß , daß er den letzten Wiberſtand
des Maͤdchens hauptfächlich durch bag Bei⸗
fpiel einer Mutter, dag feinen Schritt recht⸗
fertigen Eonnte, übermwältiget babe — ,»
Ein neuer Thränenguß erſtickte ihre
Worte, und zwang fie inne zu halten: kaum
hatte fie noch die Kraft, den Wunſch. auge
zuſtoſſen: möchte wenigftens mein Fall,
Mütter, wo nicht wegen ihrer eigenen
Ehre, werigftens um ihrer Rinder Wil-
Len, in ihrer Aufführung behutſamer
machen!
T.
XXU.
— — — — — — —— —— — —
Therefie und. Elednore. 538%
XXII.
” Der Schöuheit ewigs Recht, wer hat es ie
gegeben ?
valler.
D ie maͤnnlichen Geſchoͤpfe haben ſich uͤber
einen kleinen Vortheil, den wir ihnen ir⸗
gend wo eingeräumt haben *), zu viel her⸗
ausgenommen: ich muß ihre aufbraufen⸗
den Geiſter ein wenig niederſchlagen, und
fie zu ihrer vorigen Unterwuͤrfigkeit und
Pflicht zurück meifen —
Sehet denn, ihr folgen Herren ber
Schöpfung , nicht etwan einen jungen,
unausgebildeten Wildfang von einem ſchoͤ⸗
nen Mädchen zahm gemacht: nein! ſeht
den weifeften Sterblichen, Sokrates felbft;
zu ben Füffen eines Weibes das Bekennt⸗
niß ablegen , daß er ihrer Schönheit @e
Schäge feiner Weisheit zu verdanfenhabe !
Welcher Triumph für unfer Gefchle
Ja Vaͤter, habt ihr ungezogene Söhne,
die wie Möuler und Pferde find, in denen -
fein Verſtand, Fein Wis, Fein Anſtand /
feine Stetten zu finden , uͤbergebet einem
" gIa ge⸗
—*
*) XV, er ck.
—
532 Thereſie und Sleonore.
gefitteten, verſtaͤndigen, artigen Maͤdchen
ihre Heilung — entweder bier, oder nir—
gend wird fie zu hoffen feyn —
Sollen euch Beifpiele zu diefem Vers
fuhe Muth machen, lefet ven Brief ei:
nes Juͤnglings, den feine Thorheiten un⸗
ter den drey vornehmften Thoren ber Stadt
berühmt gemacht haben, und freuet-euch
mit feinen Sleltern , bie dieſes Zengniß ſei⸗
ner Wiederkehr zur Einräckung angelegen
empfohlen haben : mit biefen nun glückli-
chen Aetern, freuet euch über die Rückkehr
eines Menfchen, ber ohne die Erbauung
der Liebe zu Grund gerichtet, verloren
war!
Theuerſte Mutter!
„Nun darf ich, mit einiger Zuverſicht
auf ihre Guͤte, dieſen Namen ausſprechen,
Mid, wenigſtens nicht mehr fo unwuͤrdig
bin „; „ihr Sohn zu heiſſen, da Sie felbft .
mis Meiner MWiederfebt in den Schooß der
Rechtſchaffenheit, mich in daB Recht ihres
Kindes mieder einzufegen, Fein Bebenfen
tragen werden — „
„3 E8 war eine Zeit, nicht lange noch,
da fie e8 war, wo Befchämung ihre Wan-
gen roͤchete, wenn mein Name genennet
ward,
Therefie und Eleonore. #33
ward, wo die Schande, die meine beruͤch⸗
tigten Streiche mir zugog , fich fo. gar hie
auf Sie verbreitete — Wie gluͤcklich bin
ich, wie glücklich find Sie, daß ich fagen
darf: es war — Denn fie iſt nicht mehr,
Danffey es dem Himmel! der langmuͤthig
genug war , mid Elenden. iu ertragen,
und dem tugendhafteften Möbdchen, von ſei⸗
ner Guͤte zu dem foftbaren Werkzeuge mei»
ner Bekehrung auserfehen. Die Tugend
eines Mädchens , war auch) ſonſt immer
eine Reizung fürlmich , aber, um fie zu
verderben, und gu meinem Ungluͤcke, mar
ih nur zu gluͤcklich — oder zur Schande
der Menfchheit fand ich vielmehr nirgend,
wahre Tugend zu zerſtoͤhren; ich fand nur
ihr Geſpenſt, Ziererey *) und heuchle-
213 ri⸗
Wir haben in der gemeinen öfterreichſchen
.. Mundart das Wort, eine Zerinn, Zererey,
welches dem franzoſiſchen Precieufe zufagt.
Zererey if offenbar nichts, ale die verborhene
Ausiprache des von fich zieren abgeleiteten
Wortes Ziererey. Go künnten wir in unfrer
Mundort viele ausdrüdende Wörter Auffue
"hen, wenn wir darauf mehr zu merken, Be⸗
dutd hetten.
u Der Serausgeb.
.
534 Thereſie und Eleonore.
riſche Srimaffen, bie bei einem ernſten Ans
griffe, wie die Irrwiſche bei Annäherung
des Hauchs zerſtiebten — Die aͤchte Tu⸗
gend iſt ſtandhaft, iſt Siegerinn im Strei⸗
te , wenn das Laſter ſich ihr zu nähern,
Das Herz hat — AR Siegerinn, und wird
zugleich Wohlthaͤterinn an denjenigen, bie
fie fich untermwirft — „
„ Diefe ftandhafte, fiegende Tugend hat
mich Mirane, fie nur hat mich diefe Tu⸗
gend Fennen gelehret — Ich fah fie. Die
Natur muß Miranen in einer ber arbeitſa⸗
men Stunden gebildet haben , in benen fie
ſich felbft uͤbertreffen, und Sterblichen zei⸗
gen will, was fie zu thun fähig wäre,
wenn Menfchen ihre Foftbaren Geſchenke
nicht fo oft mißbrauchten. Die bildenden
Künfte diirfen die Mufter zur Vollkommen⸗
heit des Baues, des Ebenmaffes, ber Fein⸗
heit ver Züge nicht in Griechenland und Nom
ſuchen: Mirane waͤre für fie mehr, als die
mebichtfche Venus — Ihr erfter Blick mach⸗
te mich ihr unterwuͤrfig! aber ich nahfe mich
ihr in firafbarer Begierde , und beflimmee
fie zum Opfer meiner Sinnlichfeit — „
„Ich babe oft gehört „. derjenige,
welcher die Abficht hat, Goͤtterſaͤulen und
Al:
Thereſie und Eleonore. - 535
Altaͤre zu: berauben, empfände bet feiner
Annäherung, in fich einen geheimen Schau⸗
der , gleihfam als wollten die Gottheiten
ihn dadurch gurücd halten, das vorgenom⸗
mene Bubenflüd auszuführen. Ich has
be dieſes immer für ein Märchen gehal⸗
gen, das man ganz fchidlid) erfunden, bie
Boͤſewichte von ihrem Unternehmen abzu⸗
ſchrecken. Aber, es iſt mir kein Zweifel
mehr uͤbrig, da ich dieſen Schauder ſelbſt
empfunden, als ich mich in goͤtterſchaͤnde⸗
riſchen Abſichten Miranen naͤherte. Ich
kam, um fie zu entehren, und ihre fanfte,
“aber unwiderſtehliche Majeſtaͤt wang mich,
fie anzubeten —
„Ich war anfangs verwegen genug,
der geheimen Zuruͤckhaltung Gewalt zu
thun, und Sie mit der zutraulichen Miene
anzuſprechen, die ich mir eigen gemacht
habe, da ſie aller Orten unter dem Namen
der Ungezwungenheit fo willkommen war —
Es war ein einziger Blick zureichend, mich
zurecht zu meifen. In dem Augenblicke -
fühlte ich deutlicher als jemals, bie Leber»
macht der Tugend. Ich war burch biefen
Blick wie zernichtet. Ach wagte es faum,
ein Aug gegen fie erheben; ich bebte vor
| Lig ibr,
4556 Thzereſie und Eleonore,
Ihr wie ein Miffethäter vor feinem Richter,
und ich fuͤrchtete, fie möchte. die Schänb:
Uchkeit meiner Abfichten in dem Innerſten
meines Herzens lefen , unb mich auf ewig
ans ihrer Gegenwart verbannen. Ich ſuch⸗
te alfo, gleich als in dem Angefichte einer
Gottheit, meine Gedanken zur Anftändig-
keit einzurichten, um ihr naͤher treten zu
durfen. Wie war ich nicht von Ihrem
Geiſte, von ihrer gefitteten Lebhaftigkeit,
son ihren feinen und finnreichen Scher-
zen, von ihrer leutſeligen Herablaffung
die fie mit der Würde Ihres Gefchlechtes
fo wohl zu vereinbaren mußte, entzuͤckt!
Ich gieng von Ihr, aber mein Herg, meine
Freyheit, Ich, blieben ganz bei ihr zuruͤck.
Ach that dad Geluͤbd, ihr beftändiger Ber:
ebrer zu fenn.
„ Meine Zerſtreuungen Iöfchten indeſ⸗
fen bald einen groffen Theil der Ehrerbie-
‚tigkeit wieder aus, die ich mit mir gegen
fie Hinweggenommen’ hatte; und in dem
: Zaumel wilder Begierden, der mich bin
und wieder trieb, durfte ich fo gar, meine
ehrloſen Entwürfe wieder hervorſuchen —
"Da ich’ aus der erften Unterredung geler ⸗
bet hatte, daß ich hier mit ſtaͤrkeren Waf⸗
| fen
x
Thereſie und Eleonore. 537
fen den Angriff zu machen haben wuͤrde,
fo war ich boshaft genug, den Vorſatz
der Heucheley zu faffen , und mich unter
dem Scheine der Tugend in ihrem Herjen
einzufhleihen — ,,
Es gelang mir: Mirane fonnte mich
um fi) bulden, fie fing an, mid zu un
terfcheiven , fie. liebte mich, ‚fie geſtund
es mir — und ich Elender war boshaft
genug, dieſes Geſtaͤndniſſes der reinften Un⸗
ſchuld zu ihrem Untergange mißbrauchen zu
mollen. Ich beurtheilte fie nad) denen.,
. welchen fie doch fo wenig ähnlich war,.nach
Mädchen, die fich felbft nicht mehr befinen,
fobald fie ihr Herz vergeben haben — Ich
"hatte ‚die Verwegenheit — ach theuerſte
Mutter! welcher Augenblick war dieſes,
als ich die Verwegenheit hatte, den Eugel,
von ferne nur zu verfuchen. Sie lärmte
nicht Nur diejenigen fchreyen , die ſich
eine Ehre daraus machen, verfucht zu wer⸗
- den. Wahre Sietfamfeit handelt mit Wilrs
de, and fucht darin Feinen Ruhm, daß fie
nach ihrer Pflicht handelt. Sie Haben, fagte
Mirane mit einer Faſſung des Gemuͤthes,
bie bewies, daß ihre Sprache nicht erkuͤnſtelt
war — Sie haben ohne Zweifel von der
| eis Schwach:
938 Thereſie und Eleonore.
Schwachheit meines Gefchlechtes manz
he Beweife, die Ihnen überhaupt von
uns eine geringe Meinung beibringen.
Wenisftens machen Sie Tünftig einige
Ausnahme! und meiden Sie eine Per
fon , die Sie nte geliebt haben, weil
Sie diefelbe zu entehren sen Vorſatz
Faflen konnten — Und nun gieng fie, als
Uebermwinderinn meiner und ihrer felbft —
denn fie liebte mich wahrhaft — von mir.,
und warf noch zulegt einen bedaurenden
Bli auf mich zuräd. „
„Beſchaͤmt, verwirrt, mehr als jemals
ihr Leibeigener , floh ich in mein einfames
Zimmer, und überlief mein bisher zwiſchen
der Unordnung, bem Lafter, und der Thor⸗
heit getheiltes Leben, bebte vor mir felbft,
und erfennte die Unwuͤrdigkeit ber legten
That in ihrer ganzen Groͤſſe. Bald dar⸗
auf fchilderte ich mir die Gluͤrkſeligkeit, in
dem Herzen Miranens eines Platzes ge⸗
toürdiget zu ſeyn, biefer Gluͤckſeligkeit,
..baraus ich wohl verdient verfloffen wor⸗
den , und die ih — wieder su erobern
den Entfchluß faßte, Sie ift gütig, wie
fie ſchon iſt, fagte ich gu mir — Sie wird
: mie Dergebung angedeiben laſſen, wenn
f ich
x
Therefie und Eleonore. 539
ich fie zu verdienen weis. Ich fchrieb ihr:
meine Reue war mit den lebhaftften Sar-
ben gefchildert. Ich verkleinerte mein Ver⸗
brechen nicht, ich erfannte es, ich wollte
dafauͤr buͤſſen; fie ſelbſt follte mir bie Buffe
vorſchreiben. Ich ſchloß mit diefen Wor—
ten da Sie mich einmal ihrer Gewogen⸗
. beit verficherten , was kann ich thun,
um fie wieder zu erlangen, um fie nie
wieder zü verlieren? — „
„Tugendhaft ſeyn! dag war bie gange
Antwort, diefeg göttlichen Kindes: und bie,
fe zwey Worte wirkten das Wunder mei-
ner Bekehrung. Ich erfchien wieder vor
ihr, da fie mir hierzu Die Erlaubniß nicht
werfagt hatte: ich entfagte ven Gefährten
‚meiner Unorbnung , fab feine andere alg
gefittete Geſellſchaften, ertrug die Spoͤtte⸗
reyen ber Ausfchwifer,, die meiner Bekeh⸗
rung lachten — und nad) einer Zeit, bic
meiner Mirane, von deren Sitten ich dag
Mufter zu den meinigen nahm, zur Probe
geit zureichend fehlen, ward ich aufs nen«
in ihre Gewogenheit aufgenommen, bie ich
‚nie. wieder durch eigne Entehrung zu ver⸗
‚Seren, Miranen, und Ihnen, theuerſte
Mutter, angelobe.
„ Wenn
540 Therefie und Eleonore,
‚Wenn es heute fo wenig fugenbhafte
Maͤnner giebt , dürfte man nicht bie Ur⸗
ſache darin fuchen, Daß aud) die Miranen
felten find, die ihren Liebhabern, zum Prei⸗
fe ihrer Gewogenheit borfehreiben, tugend»
haft zu ſeyn v
„€.
XXI.
Die ſich bei fhlimmen Gluͤck in allen Bliden
wies,
Und alle Grazien ans ihrem Antlig ſtieß.
ur.
Niot die Maͤnner allein, auch wir bſchwa⸗
chen Werkzeuge haben unſre ernſthafte Lau—
ne, die wir ganz wohl philoſophiſche
Stunden nennen möchten, wenn wir we⸗
niger beſcheiden waͤren. Eine unter ihrem
Schutthaufen begrabene Stadt, die ein⸗
ſtens Nationen Geſetze gab, ein auf dem
Bette der Schmerzen niedergebeugter Held,
ein den Weg aller Menſchen wandelnder
Monarch, ein uͤbertuͤnchtes Grabmal, ein
Kirchhof, ſind Gegenſtaͤnde, welche die
Weiſen unſerer Zeiten veranlaſſen, Tacht⸗
gedanken und Denkſpruͤche zu ſchreiben.
Fuͤr ung find ein aus der Mode gefoms
.. mes
Therefie und Eleonore, 341
menes Kleid, das einft die Augen aller
Männer, und den Reid aller Weiber auf
fi) gejogen, und nun im Kleiderfchranfe
nur noch der Seltenheit wegen’ feinen Ort
findet, eine unter dem Joche ber Liebe
gezähmte, einft tygermäffige Spröde, eine
den Weg aller Seftalten manbelnde Ge:
ſtalt, eine Schminkbüchfe, die Verheerungen
der Zeit auf dem Gefichte, falfche Haar⸗
locken, die Verwuͤſtungen berfelden auf dem
fahlen Scheitel zu erfegen, Verzerrungen,
um den erfterbenden Annehmlichkeiten nach»
suhelfen, Künfteleyen , um bie flüchtige
Schönheit, und die Anbeter, die immer
zugleich mit ihr verſchwinden, zuruͤckzu⸗
halten, eine Sunfzisjährige, bie auf bie
Munterkeit zwanzigjaͤhriger Weiber fchilt,
und eine Eechzigjährige in Nofenfarbe ge⸗
fleidet,, nicht soeniger Gegenflände mora=
lifchee Stunden. Wir fleigen bei ihrem
Anblicke mie vieler Werfammlung in ung |
ſelbſt hinab , und flellen dann über bie
Hinfaͤlligkeit aller menfchlichen Dinge mehr
als youngifche Betrachtungen an. Sch weis
nicht, ob ich meine Leferinnen damit fehr
unterhalten werde , wenn ich ihnen eine
von biefen Betrachtungen vorlege s. aber
ur
542 Thereſie und Eleonore.
ich will es auf ‘guten Glauben wagen:
Wenn Schriftſteller und Schriftftelerinnen
immer dag wegftreichen follen, wovon fie
beinahe eine fittliche Wahrfcheinlichfete vor
fih haben, daß es — wenigſtens nicht ge⸗
fallen werde, wie wenig würden fie dann
fteben laſſen? aber auch‘, wer wuͤrde bie
fünftaufend fechshundert und brey unb
vierzig Buchdruͤcker, und ungefähr eben ſo
viele Buchhändler befchäfftigen, welche ſich
- in Europa alle davon reichlich ernähren,
daß ber Saum ber Lefer nicht niedlich iſt? —
Durch diefe überzeugende Betrachtung
) Bat mich der Herausgeber beftimmt,
. diefes Klaglied über einen zerbrochenen
| Spie-
*) Weit flie die Leſer diefe Betrachtung niche
fo übertengend ſeyn dürfte, fo nehme ich mie
die Freyheit, fie ein wenig auseinander gu '
fegen. Slnfsaufend ſechshundert drey und
vierzig Buchdrücker, umd eben fo viel Buche
Händler fodern zu: ihrem Unterhalte dach we⸗
nigſtens S643 neue Bücher, und gu jedem
Buche tauſend Leſer, wenn fie das Übrige
. gleich von verbefferten Auflagen hereinbrin⸗
gen. Gaoͤbe es nun Beine Leſer, welche mit.
Hüffe Kart Kern, mit Sprey ſiatt Waitens,
mit Glitter Rast Witzes, mis Smwbheiten ſtatt
Sk:
v
Thereſie und Eleonore, "543
Spiegel nicht gu unterdrücken, fo fehr ich
‚felb feine Unvollfommenheit einfehe, und
juerft die Stimme zu ſeiner Berurthellung
erhebe. | |
Klaglied über einen zerbrochenen
Spiegel.
Riance, bie reizenzoſte Nimphe, die je
ben Pratter verfchönern , und fich von
lauernden Faunen, gutwillig im dichtern
Gefträuche befchleichen laſſen, Riante faß
an ihrem Pußtifche, und ordnete :
Ge:
> Gatire, mit Spaſſen for Söerzes ‚mie
Schymwulft Rate Groſſe zufrieden wären ‚ wo
follte man 5643 gute Bücher hernehmen?
Mon ik glüͤcklich, wenn von Jahr gu Jahr
ein oder ein paar gute Werke erfcheinen. Da
aber gleichwohl die angeführte Zahl der Buche
höndler lebt, fo Bann man die Rechnung
machen, daß es gegen 2000 gufe, 54430 gt=
ſchmackloſe Lefer giebt, welches fls Schrift:
ſteller nicht dee Meine Troſt if.
Der Seraüsg.
544 Thereſie und Eleonore.
Gebietriſch orbnet fie; fchnel Geht auf
ot ihr Gebot .
Ein Heer von Reisen da — Aus ihren
Locken droht,
Kon ihren Wangen droht — Von ih⸗—
rem Buſen droht,
Aus ihren Blicken droht — Aus gang
| ' Rianten droht
Eupido Zäffel, Pfeil, und Niederlagꝰ,
und Sieg —
So ſteht ein Feldherr , und ordnet fei-
nes Heeres Angriff; ordnet ihn unwider⸗
ſtehbar, wie ihn aber ein Weib, das zu
furchtfam iſt, das DVorfpiel der grauen»
vollen Scene mit anzufehen, nicht beſchrei⸗
‚ben kann. | |
. Schon war, nach hundert Verbefferune
gen, nichts mehr an dem ganzen Bau ih⸗
ver prachtvollen Locken zu verbeſſern übrig:
ſchon war Riante mit ſich ſelbſt vollkom⸗
men zufrieden: ſchon langte ſie der
Boͤrſe, bie reizſchaffende Kunſt des ein>
zigen l'Orange zu belohnen, als —
Zappy, der Charloe Schmuck, deſſen
Locken die Seide, und dem Glanze feiner
Haut der Sammer weichen, der unter
u Haun⸗
. Kherefie-und Eleonore. 545
Hunden if, was unter Schönen, Riante,
die reizendfle Schöne! als Sappy Fam,
feiner Gebieterinn den Zins von Morgen⸗
fchmeichelegen abzutragen — und fen es,
daß ihn ein angenehmer Traum von Zur
derbrod und Spazierengehen ungemähnlich
‚munter machte, oder, daß in bem Körper
bes Kläffers irgend die Seele eines Liebs
habers fafelte ; er waͤdelte fo munter,
büpfte fo anmuthig, liebkoſte fo zudring⸗
lich, daß, ehe Riante und Ihr Kamerr
mädchen des Unglüdis fich verfahen, bie
mübfame Lage dreyer Stirnlocken zerſtoͤhrt
war. Weiche Verwirrung! welcher Stoff,
ſich in einem Heldengedichte, das die Zer⸗
ſtoͤhrung, und Sapppe ſchoͤnheltraͤuberiſche
Pfote beſaͤnge, an die Seite der Bomere
mb Poppe aufzuſchwiugen! . Aber ich
Sin nicht meidifch genug, einen ergiebi-
sen Stoff Dichtern zu entreiffen — Der
Schmerz überwältigte Rianten fo ſehr,
dag fie, uneingedenk des Vorzugs, ben fie
Ihrem Scheoßhunde über alle Liebhaber
einräumte, mit der fchönen Hand aushol⸗
te, und ſchon den rächenden Streich gu
führen bereit wer — al® der Hund, unge:
wohnt einer ſolchen Strenge, ich hinter das
IV. Theil. Mm Hei:
546 Thereſie und Eleonore.
Heiligthum bes Putzgottes, den Spiegel,
flüchtete, aber durch ein neues Ungluͤck
ihn, der ihn vor dem Zorne feiner Frau
befchüten follte, über und um flärzte: er
gerbrah —
Zuviel ihr Götter , zuviel des Schmer⸗
zens für Rianten! drey zerſtoͤhrte Locken,
und ein zertrümmerter Spiegel! Wenig⸗
ſtens hättet ihr dieſes Ungluͤck durch ein ges
ringeres Werkzeug, das Kamermäbchen fich
ereignen laffen! Wenigſtens hätte dann bie
troftlofe Riante durch Schmaͤhwoͤrter ohne
Zahl ihren Schmerzen aushauchen, und der
ungefchickten Dirne die Truͤmmer an den
Kopf ſchicken können. Aber welche tra=
gifche Stellung, worein ihr fie verfegt! —
Hier das Lafter,, der zerftäckte Spiegel —
und bier der theure Verbrecher , Sappy ,
der Hund ihres Herzens, ben fie nicht
fitafen kann, ohne in ihr eignes Einge⸗
weid gu miten! —
run denn, Freundinn, ich, ‚ih wii
ihrem billigen Schmerzen die Hand reichen,
und Sappys Neue, und bem von ihrer
Hand gefallenem Glaſe ein ewiges Denk⸗
mal fliften. Ihe Mufen ſteht mir bei! in
der wichtigen Unternehmung bei !
⸗ 29 Welch
—*
al
— —
Thereſie und Eleonore. 347
„Welch ein Verluſt! des Putzaltares |
edler Schmuck, der Schönen fihrer Freund!
zerſtuͤckt liege er nun da! „
„Der Schönen Freund! ber jedes Fleck
chen des Geſichts, des Putzes Mangel je=
den ; warnend wies; der treuer, als des
Malers ſtets licbfofender Pinſel, auf ſei⸗
ner Silberfläche fie wiedergab — jerſtuͤckt
liegt er nun da!,
„Liegt da, Riantens Freund: gu ih⸗
rem Siege trug er maͤchtig bei — und theilt
ihn neidiſch nicht mit ihr „,
„Mit aufgeloͤſtem Guͤrtel trauret über
ihn, ihr Sragien! vor ihm heißt euch am
Morgen ſtets, die Schöne wiederkehren,
wenn euch bei Nacht ein ungeſtuͤmer Traum
aus ihrem Antlig ſcheucht „,
„ Wer Iehre fie nun den ſieggewohn⸗
ten Blick, den fie vor ihm ſich gab? wer
zeigt ihr nun, mo fie mit brennendem Kar-
min, die Roſen ihrer Wange höhen, der
Stirne Lilien mit Talkoͤl bläffen fol ?— „,
„ Ein Seeund? o, biefer wagt es
nicht: fie zent, verräch er unbebachtfam
fich, er glaub', fie koͤnne, als fie if, voll⸗
kommener noch ſeyn — „
Mwma „Die
548 , Thereſie und Efeonore,
„ Die Freundiun? ach! bie trium⸗
phirt, an einer furchtbaren Nebenbuhle⸗
rins auch etwas mangelhaft zu ſehen.
Nicht Freund, nicht Freundinn waren fie,
Nur er, er hatte Muth, hatt? Of⸗
fenherzigkeit, ihr ungebeuchelt zu geſtehn,
gu zeigen, was ihr noch gebrach. Und fie
verdeffert daun nach feinem Kath, warb
Stegerinn im Kreife fie beneibender Ge⸗
fpielinnen, macht Herzen unterthänig, und
fiebt zu ihren Küffen eine Welt! „,
„, Doch, nicht den äuffern Schmuck des
Körpers nur, den edlern ihrer Seel’, auch
ibn, ben unveraänglkhern, die Tugend,
lehrt er fie —
9 Dt) warnn er Goͤtterrei ihr zeigt,
and fie ſich ſelbſt liebkoſend wohlgefaͤllt,
dann ruft er maͤchtiger als Sirachs Sit⸗
tenbuch ihr zu! „,
„Entehre nicht, vortreffliches Geſchoͤpf,
bes Schoͤpfers holde Gabe, derGlieder ſtolze
Pracht! mach dich nicht unterthaͤnig nied⸗
ver Luft! frohn den Begierden nicht!
„Und, wenn ſich dir der Tugend Un:
tergräßer naht, und glatte Schmeicheley
dich zu verleiten, braucht, tritt bin vor
mich!
22 Be⸗
Therefie und Eleonore. 549
3, Befpiegle bich. in mir, und fleb dann
felbft , wie viel zu ſchoͤn bu biſt, des
Laſters Raub zu fen, und denke ebel⸗
ſtolz, welch? ſchoͤne Seele, du dieſem ſchoͤ⸗
nen Körper ſchuldig biſt —
xVXXV.
Noch weil ea Zeit ik, ainetüen
Meine Freundinnen!
Wie haben unſern Vertrag erfuͤllet,
wie es Zeit, Umſtaͤnde, Kraͤfte, und —
dieß fuͤr mich allein geſprochen — die ge⸗
wiſſe Unbedachtfamfeit , die wir fo gerne
Munterkeit nennen hören, zugaben. Ib⸗
nen koͤmmt es num zu, über ung dag Ur:
theil zu fällen, und entweder zu bebauren,
daß wir nicht fortfahren, Sie möchentlich
gweymal zu unterhalten „ ober nielleiche
auszurufen: fie chun wohl daran! —
Auf welche Seite immer ihr Urtheil aus⸗
fallen mag , fir dießmal haben wir ung
ein Ziel gefteckt , wir find dahin gelangt,
wir werden nicht daruͤber hinausſchreiten.
Miunz Ha⸗
550 Thereſie und Eleonore.
Haben mir. ohne Beifall geſchrieben,
haben. mir , flatt zu unterhalten, manches
liebe Geſchoͤpf an der Geite feines Cela⸗
done fanft in Schlaf gewiegt — Das Ue⸗
bei war fo groß nicht: fie hatten, nadı= _
dem fie die Alletagsgefpräche fchon erſchoͤ⸗
pfet, fich ohnehin nichts mehr zu fagen,
und der Himmel weis, ob bie Tugend nicht
dabei gewonnen hat» Aber es ift immer
nicht daß größte Verdienſt, das Reich der
Zugend dadurch gu bauen, daß man bie
Leute einfchläfert, fonft müßte mancher Po⸗
flilfenreuter dem Himmelreiche weit mehr
Pflanzvoͤlker zugefendet haben , als bie
Sledhier und Bourdaloue —
Tragen wir hingegen, welches wir mehr
wuͤnſchen als hoffen , tragen wir, irgend
einen belohnenden Beifall unfrer Lefer, une
frer Leferinnen mit und hinweg! defto mehr
iſt es Zeit, fich zuruͤckzuziehen, weil wir
noch mit Ehren koͤnnen. Schriftſteller ſol⸗
len, mit unſerem Geſchlechte und den Hel⸗
den nach einerlei Grundſaͤtzen handeln.
Tindarine haͤtte nicht alle ihre Verehrer
uͤberlebt, ſie wuͤrde bedauret, nicht ver⸗
laſſen worden ſeyn, wenn fie ihre Ero⸗
berungen nicht uͤber die Zeit hinaus durch⸗
zu⸗
Sherefie und Eleonore. 55%
zuſetzen gefucht hätte, welche die Natur
ihr mit unverfennbaren Merkmalen zum
Abzuge vorgefchrieben. Pompejander hät: .
te fein Haupt unter den Schatten des gr» .
nenden Lorbers zur Ruhe legen, und ben
Ruhm des Sieges in feine Einfamfeit mit»
tragen koͤnnen. Aber er wollte bie ras
ſchen Läufer des Triumphwagens noch lei⸗
ten, da die Kraft ſeines Arms ſchon nach⸗
ließ; er lebte für feinen Ruhm zu lange,
die Lorber welkten auf feinem Haupte —
Klüger ale Tindarine, vorfichtiger als
Dompejander, foll von uns, als Schrift:
fiellerinnen betrachtet, wenigſtens nicht ges
fagt feyn, was Horaz von ben Sängern
und Dichtern feiner zeit ſagte:
Den Sängern, und den Dichtern iſt
ed eigen,
Erſt fangen fie nur ſehr gebeten
en, |
. Dann Bier? ihr fie umfonft, zu ſchwei⸗
gen!
Diefes fen denn das legtemal, daß ih
mit Ihnen fpreche: meine Gefährtinn wird
in dem folgenden Dlatte ſich gleichfalls
beurlauben — |
Aber
553 Thereſie und Efeönore.
Aber an unfeer Stelle wird jemand
auftreten, von dem ich den Auftrag erhal⸗
te, Ahnen nähere Nachricht zu geben —
Rathen Ste nicht! firengen Ste fich niche
vergebens an! halten Sie nicht Muthmaſ⸗
fungen und Bahrfcheinlichfeiten zuſamm!
ustheilen Ste weder vorhinein aus dem Zu⸗
fammenhauge biefer Ankündigung , noch
auch nachher, aus ber Schreibart, aus der
MWenbung der Gedanken! — Sie werben
ieren; Sie werden durch allerlei Verſtel⸗
lungen gefliffentlich irre geführt erben, um
den Verfafler ded weiblihen O'ras-
ke Lo wie zu erkennen.
Nachdem, manchmal ungegrünbeten ,
oft, nur zu oft wahrem Vorwurfe, daß
ein Geheimniß unter einem weiblichen Her⸗
zen nicht zu ficher verwahret liege, bat
diefe neue Goͤttinn bes guten Raths ihre
Worfichtigfeit weit genug getrieben, felbft
ihren Vorgaͤngerinnen unbekannt zu bleis
sen, und ich fage nicht , daß fie daran
übel gethan. Wenigſtens iſt bie Sicher⸗
heit groͤſſer: man kann mich nicht ver⸗
rathen, als, man wird mich niche vers
vachen — | |
Ich
Therefie und Eleonore. 353
AIch will eg nicht verbergen, unfer ers
ſter Gedanke war ungefähr ber nämliche ,
ben fo manche unter Ahnen auch haben
wird. Wir hatten denjenigen in Verdacht,
der bie Ausgabe dieſer Blätter bis hieher
beforget , und ung manchmal burch feine
Beiträge ans der Verlegenheit geriffen hat.
Mir zohen ihn damit auf, und er verthei⸗
Bigte ſich ſchwach genug, um uns ben
Verdacht nicht zu benehmen. Aber wir ſa⸗
ben bald ein, daß er unfre Blicke mit Vor⸗
fag auf fich gu ziehen sefucht, um fie von
dem wahren Gegenftande abzuziehen; und
wir find verfichert, man wird den Kunfl
griff eben fo fehr als wir erfennen, fo
bald man die Fleine Ankuͤndigung durchſe⸗
ben wird , die mir aufgetragen worden
einzufchalten —
Das velbuige Orakel.
„Tretet ab Sterbliche, macht einer Botte
heit Platz! die unter euch gu wohnen, fich
euch aufzuflären milrbiget ! Zeus vom
Olymp, den eurer Blindheit jammert, er
ſevdet mid! „
Mus „ Dringt
— 0 nn — — — — — —
554 Thereſie und Eleonore.
„Dringt nicht, mit neugierigen, un⸗
heiligem Blicke, in meinen Aufenthalt! un⸗
ſichtbar dem Auge, red' ich zum Herzen
nur, und floͤſſe Stärfe in die Seele ber
Sugendhaften , und gichtige mit innrer
Dein die Lafer, durch die fich mein Ge⸗
fchlecht entehre — „,
„ Eine Géttinn — ferne von mei⸗
ner Schwelle, männliche Sefchöpfe! zu
eurem Sieben ftumm , erböre ich, nur
Pppyrrens Toͤchter, antworte ihnen nur. „
„Vernehmt, wie ich verehrt — bie
Art, wie ich befragt feyn will! Stumm,
unerbittlich ber , die das Gepräng ver⸗
ſchmaͤht, faͤllt Blindheit uber fie; mein
Stral wird über fie nicht glängen, mein
Licht nicht den Verſtand erhellen —
„Erſt forengt mit reiner Quell' das
Haupt, die Stirn’ , bad Herz! dann ſteht
unverwandt gen Untergang gekehret, ſie⸗
ben Augenblicke lang! dann ruft mit lau⸗
ter Stimme, Lokutia! — und wiederho⸗
let das Gepraͤng zum brittenmal! „
„ Mit jungfräulihem Kiele , mit
dem fonft nie ein Wort gefchrieben ward,
fchreibt dann auf rein Papier bie Frage
bin! — Die e Grage entehr” die Tugend,
ent
Thereſie und Eleonore. 555
| entehr? den Anftand nicht, zu dem ihr end),
zu Dem ihr mir verpflichtet feyd — dann fen-
det fie dem weiblichen Orakel ein! —.,
„Noch ehe zum viertenmal die Sonne
den Erdenball befiralt, eh noch zum vier:
tenmale, der Schatten ihn bedeckt, werdt
ihr von mir belehrt — „,
Der miftifhe Ton, der in diefer An⸗
kuͤndigung gewählt ift, verräch nirgend ei⸗
ne Spur, die unfern Argwohn zu Teiten
fähig wäre.
Es mag feyn, daß diefe abernatuͤrliche
Sprache als ein dichter Schleyer anzuſe⸗
hen ſeyn muß, hinter welchem der Prie⸗
ſter der Goͤttinn Lokutia verborgen zu
ſtehen wuͤnſchet, um in feinen Orakelſpruͤ⸗
. hen bie Stimme deſto freyer erheben zu
dürfen. Furcht, Anfehen der Perfonen,
Partheylichkeit beftechen Sybillen auf ih⸗
rem Dreyfuſſe, wie den Nichter auf dem
Nichterftuhle, und den Ausſpender der Un=
fterblichfeit , den Schriftfteller, an feinem
Pulte. Man bat der Gerechtigfeit ein
Band über die Augen gezogen, damit fie
nicht ſehe: der Orakelſprecher ſtelle fich
hinter einen dichten Vorhang, um nicht
ges-
556 Thereſie und Eleonore.
gefeben zu werben, und unparthepifch blei⸗
ben zu können. |
Aber wozu fehlage ich in fremdes Ges
fchäft die Hände ein? ich trete von dee
Emporbübne ab, menge mich unter den
Haufen, und frage, nach ebrerbiefig be⸗
obachteten Gepraͤnge, die erfie:
Cokutia!
Was iſt die Beſtimmung des Maͤdchens!
L.
Noch eines, und dann lebet wohl!
Drollinger.
3, Ende eines Spasiergdaget, ben man
an ber Hand einer Freundinn, an der Hand
eined Freundes getban bat , fieht man
manchmal zuruͤck, und wundert fid) über
die groffe Strecke Wegs, die man, ohne
es gewahr gu. werben, zurückgelegt bat; ei⸗
ven Weg , ben man fid) vorzufchreiben,
aus Gemaͤchlichkeit, oder fon einer Urſa⸗
ce ſchwerlich das Herz wuͤrde gehabt ha⸗
ben — Mir geht es auf meinem ſchrift⸗
fielerifchen Lufgange eben fo. Des mir ger
fagt hätte: fege dich! fchreibe fo viel,
und
8
\
Thereſie und Eleonore. 557
und ſo viel hin! den wuͤrde ich uͤber ſeine
ſonderbare Zumuthung ziemlich fremde an⸗
geſehen haben. Aber mein Freund that mit
mir einen kleinen Gang; wir ſetzten uns,
um ein wenig auszuraſten. Dann gien⸗
gen wir wieder, ruhten dann wieder —
und ruͤckten auf dieſe Weiſe immer weiter,
bis wir, ohne ſelbſt daran zu denken, ein
gewiſſes Ziel erreichten, das er ſich von
Ferne zum Standorte auserwaͤhlt hatte.
Ich bin nicht ſo leichtſinnig, oder wie
das Maädchen es lieber nennen hoͤrt, nicht
ſo munter, um ganz uͤber das Urtheil ſorg⸗
los zu ſeyn, ſo die Welt von unſerm Unter⸗
nehmen, Schriftſtellerinnen zu werden, ge⸗
faͤllet haben mag — Nicht, als ob man
nicht immer noch eine geſittete Frauensper⸗
ſon, eine redliche Freundinn, eine zaͤrtliche
Gattinn ſeyn koͤnnte, wenn man gleich eine
Stuͤmperinn mit ber Feder iſt — nein!
und zur Ehre dieſer Stadt giebt es viele
von den erſten, da vielleicht wir beide die
einzigen find, die Muth genug hatten, dru⸗
den zu laffen. Aber die Trage, bie man
an die mittelmäfligen, an bie fchlechten
Schrifterlinge mit Neche thun kann, die
man immer an fie thun wirb, die Frage:
| Wer
558 Therefie und. Eleonore,
Wer zwang dich zu fchreiben v die fchre=
et mih — Gegen biefe hält feine Ent:
fhuldigung: er ifinoch jung, man muß
ibm etwas su Bute halten — wer zwang
ihn zu ſchreiben? er bat es nicht aus⸗
feilen Eönnen: es fehlte ihm an Friti-
fhen Freunden — wer zwang ihn gu
ſchreiben? Und, um auf ung zu fommen,
wenn man äber ung den Kopf fchütteln,
bier Fehler , dort Unrichtigfeiten zeigen,
und was weis ich, was alles fagen wird,
und ed wird jemand zu unferer Bertheibi-
gung fprechen: „„denfen Sie doch, daß es
Srauensperfonen find, von denen man mag
Vollkommenes nicht eben fodern kann „, —
fo wird die Frage bei der Hand feyn: aber
wer zwang fie gu fchreiben ?
Er mag alfo unfre Vertheidigung über
fi nehmen , der Freund, ber ung dazu
verleitet , der ung fehr oft die Hand ge⸗
führt, und der ung — Aber er verlangt
ſich felbft bei feinen Lefern. zu verantwor⸗
ten, daß er es wagte, ihnen Frauensper⸗
fonen aufsuführen. Ich reiche alfo ihm bie
Feder, und trete willig zuruͤck, zufrieden,
wenn ich durch meine Kleinen Bemerkungen
anal ein flatterhaftes Mädchen ge:
wars
CThereſie und Eleonore. 559
warnet, manchmal einem frechen jungen
eine ihm ungewoͤhnliche Roͤthe an bie Stir⸗
ne gejaget , manchmal eine Frau an ihre
verkennte, oder überfehene Pflicht erinnert,
vielleicht den Sitten meines Sefchlechts we⸗
nigftens einige Freunde gewonnen, wenige
fieng einen Seind verfähnet habe.
Der Herausgeber
an das
ſchöne Geſchlecht.
Nicht mich, nicht Thereſten und Eleo⸗
noren, Sie, reizende Gefaͤhrtinnen un:
ſers Leben! Sie, welche bie Vorſicht be⸗
ftimmer hat , eine Triebfeder des maͤnnli⸗
chen Zleiffes , eine Triebfeder zu ruͤhmli⸗
chen Handlungen zu ſeyn, bie wir unter
ihrem. Angefichte fie auszuuͤben, dadurch
ihren Beifall, manchmal ihre Gewogenheit
ju verdienen, ung freuen; Sie, ber Vor⸗
ficht reizendſtes Merck, beſtimmt, ung den
dörnichten Pfad bes Lebens angenehm ,
felbft unfere Widerwärtigfeiten weniger em»
pfindlich zu machen , wann Sie nad) der
Buͤte ihres Herzens daran Theil nehmen;
Sie
60 Thereſie und Eleonere.
Sie habe ich gu vertheidigen. Wiſſen Sie
„_ nein, Sie wiffen es nicht, daß ed un⸗
ter ung Ehrenfchänder giebt ‚. die ſtirnlos
genug find, Ihnen diefe Empfindung, ich
möchte fagen, diefen Gaum zu verfagen,
der in Schriften Gutes und Uibels zu un-
terfcheiden, zwiſchen einem .... und ....
zu mählen weis? Wiſſen Sie, daß man
Sie bloß zu dem finnlichen Gefühle herab⸗
fegt ? — Wiſſen Ste, daß man fagt — bes
ſonders von meinen liebenswuͤrdigen Lands.
männinnen ſagt, ihre Nerven wären zu
flart — damit id) ben ungefitteten Aus⸗
druck nicht nachfchreibe — ihr Gehirn zu
trocken, ihre Einbildung zu wild, gu uner=
gelmäMg, um jemals auf ben Ruhm einer
guten Feder Anfpruch machen zu dürfen ?
Wiſſen Sie, daß id) von grobnervichten
Geſchoͤpfen, für die das feinere Vergnuͤ⸗
gen nicht in die Natur gelegt worden, daß
ich von dieſen, mir ſelbſt, Hundert und hun⸗
dertmal habe muͤſſen vorſagen laſſen: es ſey
ganz wider die Beſtimmung des weiblichen
Geſchlechts, in einem Buche zu blaͤttern,
oder etwas mehr, als den Unterſcheid ei⸗
nen faulen und friſchen Eyes zu kennen,
daß ich ſehr oft and dem beiſſenden Juve⸗
nal,
Tperefie und Eleonore, 561
nal, der: ihrem Geſchlechte fo gram war,
weil er dag Gluͤck nicht harte, fo viele an
genehme Wienerinnen zu fennen, aus bier
fem außgelaffenen Spötter Habe hören müfe
fen:
Das Weib, die zur Befaͤhttinn auser⸗
ſehen,
Sey nicht gelehrt! Es könne nicht:
Gleich einem Logifer, gefünftelt Schluͤſſe
J drehen,
Es halte über Bücher fein Gericht !
Hab’ die Geſchichte nicht ludiert—u. ſ. w.
Wiſſen Ste, wenn id) Sie gegen bet:
lei Laͤſterer mit Eifer vertrat, wenn ich ih⸗
re Gegner mit Beifpielen eintrieb, und fe
viele vortreffliche Schriften anführte,, Die
thren Verfaſſerumen Ehre machen, und den
Schwarm männliher Schriftfteller größten
Theil verdunkeln, daß ich dann die. Ih⸗
nen ſchimpfliche Antwort hören mußte: zum
mindften wuͤrde ich unter dem bieländifchen
Srauenvolfe nicht drey berausheben, bie -
nur erträglich eine Kuͤchenrechnung aufzu⸗
ſetzen, geſchweige denn Briefe, Erzaͤhlungen,
Gedichte, oder etwas ähnliches zu ſchrei⸗
ben in Stand. waͤren. Wiſſen Ste endlich —
IV. Tpeil, - Rn wel⸗
. 562 Therefie und Efeonore.
welches mir am nächften gieng,, daß man
fich anheiſchig machte, diefe Beichuldigung
durch die Erfahrung zu ſtuͤtzen? daß man
. die Deeiftigfeit hatte, mich aufzufodern,
ich möchte Ihnen nur zehn , nur fünf,
nur drey entgegenftellen, um fie zu wider⸗
legen ; daß mir unverfchämte Gemein
freyer, Briefe von Mädchen, von Weibern,
zeigten, über welche ich freylich weiter
nichts als die Achfeln zuͤcken, und allen-
falls, um doch mich nicht ganz uͤberwun⸗
den zu geben, ſagen konnte: einige wenige
koͤnnten nicht auf das Ganze ſchlieſſen laſ⸗
ſen — Aber, verfolgte man mich noch in
dieſer Verſchanzung — Lpfinde iſt eines
von den artigſten Mädchen! — Milan:
dantinen halt jedermann für das geiſt⸗
reichſte Weib in der Stadt! urtheilen
Sie von den übrigene
Ich habe alſo Beiſpiele durch Beiſpiele
entkraͤften, und an Perſonen, deren be⸗
ſtaͤndige Geſellſchaft einen groſſen Theil mei⸗
ner Gluͤckſeligkeit ausmachet, und mir zu⸗
gleich Gelegenheit verſchaffet, in eruͤbrig⸗
ten Augenblicken zu ihrer nuͤtzlichen, und
unterrichtenden Ergoͤtzung etwas beizutra⸗
gen, an ihnen habe ich zeigen wollen, wie
leicht
Thereſie und Eleonore 363
leicht es möglich wäre ‚, eine vortreffliche
Anlage — und eine folche iſt die Anlage
faſt des ganzen Geſchlechts — in Eurzer
zeit auszubilden ; und wie weit man es
bringen Fönnte, wenn Wir weniger unbil⸗
lig, vielleicht weniger. neibifch, von Ahnen
verdunkelt zu werden , von Augend auf
ihre Fähigkeiten bearbeiteten, wenn Muͤt⸗
ter, welche die wahrere Schönheit verten-
nen, nur zur Hälfte die. Reise des Gei⸗
ſtes fo, wie die koͤrperlichen auszubilden,
forgfältig wären. Die Zeit; die Gewohn⸗
beit ſich zu ſehen, eine Krankheit, ein Zufall,
hundert Ereignungen Eönnen ihren Töchtern
diefe vermeinte Koftbarfeit rauben: durch
welche Zauberkuͤnſte werben fie dann gleich»
zültig gewordene Männer zuruͤckhalten ?—
Aber die Schoͤnheiten des Geifted veralten
nicht : über Sie bat bie. Zeit und beinahe
das Schickſal alle Macht verloren. —
Könnte das Beifpiel Therefiens und
Eleonorens ein ober anderes ſchoͤnes Kind
sur Nacheiferung aufmuntern! ! Könnte ihr
Vorgang Fhnen eine Schlichternheit beneh⸗
men , bie fie bei andern Gelegenheiten fo
vorfrefflich kleidet, aber bier ein zur Une
seit gelegtes Hinderniß ihrer Faͤhigkeiten ift!
" Koͤnn⸗
464 Therefie und Eleonore,
Köunte ich mit mir den Folgen Gebanfen
hinwegtragen, baß ich bie Geſchicklichkeit
mir fo naher Perfonen nicht ohne Frucht
auf dag Spiel geſetzet; daß ich — felbft mit
einem Wageſtuͤcke ihres Heinen Ruhms —
einen Weg gebahhet,-auf welchem reigende
Kinder , vie Zierden unſrer Gefellfchaften „
wie gefebtere Frauen bie Kronen ihrer
Familien, Fünfttg zu wandern, füch nicht.
ſcheuen werben! Könnte ich bald bie Wer:
fhönerung der Schreibart , wie die Ver⸗
befferung bes mündlichen Ausdrucks unter
den ordentlichen Lebrübungen des heran⸗
wachfenden Frauenvolfs erbliden! Könnte
ich fo glückliche Folgen diefer Blätter er⸗
warten! ich wuͤrde meine barüder geführz
te Aufficht nicht unter die gertngften Dien⸗
fe fetten , die ich dem Privatleben, und
der wechfelfeitigen Gluͤckſeligkeit beider Ges
ſchlechter geleiftee hätte.
* * on
> PP Bregorius der Siebente gegen die
Biſchoͤfe von Frankreich, von England,
von Deutſchland, von der halben Welt,
gegen die empoͤrte ganze Kleriſey, nicht
ohne Gefahr ſeines Anſehens, und beinahe
ſeines Lebens durchſetzte, was ſeine Vor⸗
gaͤnger zwar oft verſucht, aber hinauszu⸗
fuͤhren, vielleicht nicht den guͤnſtigen Au⸗
genblick, oder nicht Politik, nicht Wend⸗
famkeit, nicht Hartnaͤckigkeit, nicht Nerve
genug hatten, da dachte er, wie der Ver⸗
faſſer der folgenden wenigen Blaͤtter; daß
dem Vaterlande, den Geſetzen, dem Fuͤr⸗
ſten, den Mitbuͤrgern, den Zeitgenoſſen,
und der Nachkommenſchaft nichts naͤher
verſtricken, nichts mehr anhaͤnglich, mehr
eigen machen koͤnne, als eine Familie,
in der der Menſch lebt, wieder auflebt,
durch die er gleichfam ſein Daſeyn über |
die zu kurzen Geängen- feines Weſens zu
I er⸗
erweitern, und noch mit den fpäteren Ges’
ſchlechtern gu leben hoffen kann. Der überz
mwütbige Hildebrand , der Krouen unter
feine Süffe treten, und auf den Truͤmern
ber eingeſtuͤrzten weltlichen Gewalt bem
geiſtlichen Defpotigmus zu erheben ‚. dem
Entwurf gemacht hatte, gehst dem Klerus
hie MhLlofigdeie, überzeige, dakı biejenigen,
welche nun nicht. mehr Garten, noch Vaͤ⸗
war. ſeyn münden, auch bald aufhören Bür⸗
ger, bald nichts mehr ald Prieſter ſeyn
wuͤrden. Von dem entgegengefehten Bunt»
ts. gieng ich aus, um Vaterlandsliebo, Un«
terwirfigkeit gegen Geſetze, Anhänglichfeis
gegen allgemeine Ordnung, Verehrung ge⸗
gen ben Regenten, Achtung und Wohl:
wollen und Freundſchaft gegen bie Mitge⸗
noſſen derſelben Rechte, und ˖jede buͤrgera
liche Tugend, jede ehle, auf bie Zukunft
hinüberreichende Handlung an einem Bane .
be zu reihen, welches aus ben einzelne:
Säben der Iamilienverbältniffe gemebt
iſt
XX
iſt — Die Folge ſollten dann meine Leſer
ſelbſt Rehen —
Es gaß deren, bie dieſe Folgen aus einem
inſeltenmaͤſſigen Vorgefuͤhle, rote einer un⸗
ſerer heiterſten Köpfe ſich ausdruͤckt, über⸗
holten, ſo ſehr ich meinen Zweck zu ver⸗
bergen, und meiner Reife bloß das An—
ſehen eined Spaztergange zu geben fuch:
ft. Meine erfien Bkätter hatten eher die
Geſtalt eines Feichten Romans, als einer
Schrift, worin man auf ernflere Gegens
fände fioffen würde. Aber mir den Meg
zu verfreten, faßte man gerabe das als
Vorwand am, wodurch ich mich zu fichern
gehofft hatte. Man fehien meine Abficht
niche gu errathen, man blieb nur bei dem
Eingange iehen : man ſtellte vor, von wel⸗
cher ſchaͤdlichen Wirkung ein nicht wenig
geleſenes Blattefeyn koͤnnte, das Liebe
predigte, das die ungeſtuͤmſte aller Leiden⸗
ſchaften zum Triebwerke aͤller Buͤrgertugen⸗
ben zu erheben, und ein Siſtem von Patrio⸗ |
%a tis⸗
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tismus darauf zu gründen wagte Durch
eine ſehr gewoͤhnliche Tafchenkunft ver
tauſchte man bie Begriffe, und fchob an
ben Plag ber ordentlichen Liebe ihre Geg⸗
nerinn die Ausfchweifung unter. Dann
fchlug man Lärm über die bevorftchende
Gefahr eines ‚allgemeinen Verderbniſſes,
ſetzte Familien über die Zächtigfeit der
y
2 Cr .NUX AND |
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Töchter , über die Sitten der Söhne in
Angft, und beunruhigte ſelbſt die oͤffentli⸗
che Aufficht, die, vieleicht weniger es für
Nothwendigkeit hielt, als der Ungeſtuͤme
nachgab, da ſie nicht weiter fortzufahren
befahl, und nur ſchwer zu bewegen war,
zu erlauben, in dem letzten Blatte die
Urſache, warum uͤber dieſen Gegenſtand
ſo haſtig abgebrochen ward, errathen in
laſſen.
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