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Full text of "Spinozas lehren von der Ewigkeit und Unsterblichkeit..."

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Spinozas 



Lehren voa der Ewigkeit 

UQd Unsterblichkeit 



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Dr. Siegfried Grzymisch. 






Breiilau 11198. 



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HARVARD COLLEGE LIBR\RY 




FROM THE 

ffcoffc Sdiwyymnnjacksoii 

FUND 
FOR THE PURCHASE OF BOOKS ON 

SocialWIelfare & MoralPhilosophy 

CaVEN IN HONOR OF HIS MIENTS,THEIR SIMPUOTY 
SINCERmr AND FEARLESSNESS 



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Spinozas 

Lehren von der Ewigkeit 

und Unsterblichkeit 



von 



Dr. Siegfried Grzymisch. 



s 



BRESLAU 1898. 
Druck von Th. Schatz ky. Neue Graupen-Strasse No. 5. 



(?f:X5^.-i.i 



HARWUID COUEQF UBRAmr 
JACKSON FUND 



Seinen teuren Eltern 



und 



seinem hochverehrten Lehrer 



Herrn 



Prof. Dr. J. Freudenthal 



in Dankbarkeit gewidmet 



vom Verfasser. 



Inhalt. 



Seite 
Vorwort l 

I. Abschnitt. 
Entwicklnng nnd kritische Erlänternng. 

A. Der kurze Traktat. 

3. Der Begriff an sich 3 

b. Der Begriff in seiner Anwendung auf Gott (göttliche 
Substanz und Attribute) 4 

c. Der Begriff in seiner Anwendung auf die Welt (1. un- 
endliche Modi und 2. der Mensch) 5 

B. Der Tractatns de intellectas emendatione, die cogitata metaphysica 
und andere Sehriften. 

a. Der Begriff an sich 9 

b Der Begriff in seiner Anwendung auf Gott (göttliche 

Substanz und Attribute) 12 

c. Der Begriff in seiner Anwendung auf die Welt (1. un- 
endliche Modi und 2 der Mensch) 13 

€. Die Ethik. 

a. Der Begriff an sich 17 

b. Der Begriff in seiner Anwendung auf Gott (göttliche 
Substanz und Attribute) 18 

c. Der Begriff in seiner Anwendung auf die Welt (1. un- 
endliche Modi und 2 der Mensch) . 22 

II. Abschnitt. 
Probleme. 

a. Abhängigkeit der ewigen Modi von der Substanz ... 30 
b Stellung des ewigen Geistes im unendlichen Intellekt . 33 
c. Uebergang von der Dauer zur Ewigkeit des mensch- 
lichen Geistes 38 

III. Abschnitt. 

Quellen. 

a. Der Begriff an sich 41 

b. Der Begriff in seiner Anwendung auf Gott (göttliche 
Substanz und Attribute) 46 

c. Der Begriff in seiner Anwendung auf die Welt (1. un- 
endliche Modi und 2. der Mensch) 48 

Schluss 55 

Anmerkungen 67 



Vorwort. 



Wohl den schwierigsten Teil der Metaphysik Spinozas 
bildet seine Lehre von der Ewigkeit und Unsterblichkeit. Noch 
immer schwanken die Meinungen der bedeutendsten Spinoza- 
forscher über sie, darum wird es von Interesse sein, die Ent- 
wicklung dieser Lehre bei Spinoza zu verfolgen, ihre Bedeu- 
tung ins rechte Licht zu setzen und ihre Quellen aufzusuchen. 
Das soll die Aufgabe dieser Abhandlung sein. 

Die Gedanken Spinozas über Ewigkeit und Unsterblich- 
keit sind nicht von Anfang an fertig und vollendet seinem 
Geiste entsprungen, sie mussten vielmehr eine längere Ent- 
wicklung durchmachen, deren Stufen im kurzen Traktat, ferner 
im Tractatus de intellectus emendatione, in den cogitata meta- 
physica und anderen kleineren Schriften, vor allem aber in der 
Ethik hervortreten. Diese nun darzustellen und genauer zu 
untersuchen, soll zunächst unsere Aufgabe sein. 



I. Abschnitt. 

A. Der kurze Traktat. 

a. Der Begriff an sich. 

In seiner frühesten Schrift, dem kurzen Traktate, giebt 
Spinoza zwar keine Definition der Ewigkeit, man kann jedoch 
aus den Stellen, welche über sie handeln, ersehen, dass ihr 
Begriff hier von dem der ununterbrochenen Dauer nicht wesent- i 
lieh geschieden ist. 

Nirgends wird von einem Unterschied zwischen Ewig- 
keit und Dauer oder Zeit gesprochen, sie erscheint vielmehr 
als eine Zeit^ von unendlicher Grösse, als eine Dauer ohne 
Anfang und Ende. Daher werden hier die Ausdrücke „ewig" 
und „unvergänglich", welch' letzterer als Verneinung der Ver- 
gänglichkeit nur die bestimmte Dauer ausschliesst, eine unend- 
liche aber zulässt, als synonym gebraucht (Sigwart: Kurz. 
Trakt. Th. 11 5 [9]). Dort wird auch unserem Verstände eine 
ewige und beständige „E>auer" zugeschrieben (11. 26 [9]). 
Ebenso wird in dem Satze: „ . . . dass die Beständigkeit 
und Dauer einer Weise in der denkenden Sache allein aus 
ihrer Vereinigung mit Gott entsteht", das Wort „Dauer" in dem 
hier allein passenden Sinne von Ewigkeit genommen, und end- 
lich wird der ewige und unendliche Modus als „Sohn, Ge- 
schöpf oder Wirkung, unmittelbar von Gott geschaffen", oder 
als „Sohn, Werk oder unmittelbares Geschöpf Gottes, von aller 
Ewigkeit von ihm geschaffen" bezeichnet (I 9 [2, 3], Anh. 2 
[10]), eine merkwürdige Ausdrucksweise, welche jedoch nur 
im Zusammenhange mit Dauer und Zeit verständlich wird. 
Zwar ist der Substanz eine Existenz beigelegt, welche zum 
Wesen derselben gehört (I 1), so dass es unmöglich ist, eine 
Substanz zu denken, welche nicht existierte (Anh. 1, Lehrs. 4), 
aber diese Existenz wird daselbst nicht die wahrhaft ewige 
genannt und in Gegensatz zu der Dauer gestellt. Ja an 
einigen Stellen (I 2 [29], 7 [6]) wird die Eigenschaft „ewig" 
direkt als eine „auswendige Benennung" bezeichnet, die nicht 
zum Wesen der Gottheit gehöre. 



— 4 — 

b. Gott. 

Die soeben erwähnte Anschauung von der Existenz 
Gottes tritt uns auch am Anfang des kurzen Traktates ent- 
gegen. Dort wird nämlich die letztere in dem ersten der 
apriorischen Beweise in folgender Weise dargethan. Wir er- 
kennen klar und deutlich, dass die Existenz zum Wesen 
Gottes gehört. Was wir aber klar und deutlich als zum 
Wesen gehörig ansehen, das gehört ihm auch realiter an. Folg- 
lich schliesst Gottes Wesen in Wirklichkeit Existenz ein, d. h. 
Gott existiert (1 [1]). Auch hiemach ist zwar das Dasein Gottes als 
in seiner Natur begründet, jedoch in dieser Hinsicht noch nicht 
' als ein ewiges anerkannt. Im Gegenteil soll durch obigen Be- 
weis, wie die Ueberschrift lehrt und auch aus der Ordnung 
der Kapitel ersichtlich ist, nur die Existenz, nicht aber die 
Ewigkeit der Gottheit dargethan werden. Jedoch gerade , mit 
dieser letzteren Thatsache steht der darauffolgende Beweis in 
Widerspruch. Derselbe lautet: Die Wesenheiten existieren von 
und in alle Ewigkeit, „die Existenz Gottes ist Wesenheit", 
folglich existiert auch Gott ewig (1 [2]). Anstatt nun das 
Dasein Gottes zu erweisen, geht die Demonstration vielmehr 
von ihm aus, denn der Satz „die Existenz Gottes ist Wesen- 
heit" setzt voraus, dass Gott ein reales Ding' ist; und sie be- 
weist die Ewigkeit Gottes, welche ihm nach dem zweiten Vorder- 
satz: „die Wesenheiten sind ewig" zukommen muss. Diese 
Schwierigkeit ist nicht anders zu heben als durch Vereinigung 
beider Beweise. Dann erst erhält man eine folgerichtige Ge- 
dankenreihe, welche in den Gedanken der Ewigkeit Gottes 
ausläuft. Denn nachdem zuerst erschlossen worden war, dass 
dem Wesen Gottes in Wirklichkeit Dasein zukomme, dass 
also die Gottheit als Wesenheit real existiere, knüpft dann 
folgerecht der Beweis an, dass idie Gottheit auch ewig existiere. 
Eine solche Vereinigung aber scheint unser Philosoph offenbar 
nicht im Sinne gehabt zu haben, da er ausdrücklich (I 1 [1] 
Ende) den zweiten Beweis als einen besonderen ansieht, und 
so ist nur anzunehmen, dass hier die Begriffe nicht scharf und 
klar auseinander gehalten sind, und so auch der Ewigkeits- 
begriff keine streng geschiedene, genau bestimmte Bedeutung 
hat. Im Uebrigen lässt gefade der Beweisgang dieser zweiten 
Demonstration eine völlig neue Ewigkeitsbestimmung ahnen, 
welche sich auf der zum Wesen eines Dinges gehörigen Existenz 
aufbaut. 

Die Attribute werden hier als Wesenseigenschaften oder 
Wesensbestandteile der Gottheit aufgefasst, die direkt auf 
einander keinen Einfluss ausüben und dennoch zusammen die 
alleinige, unteilbare, göttliche Substanz ausmachen (I 2 [17], 
II 20 [4]), „deren jede unendlich vollkommen in ihrer Gattung 
ist, zu deren Wesen die Existenz gehört" (Th. I, 2, Anm. 5, 



— 5 — 

Anh. I 4 Cor.), die also „nicht nach ihrer Existenz unter- 
schieden werden, denn sie selbst sind die Subjekte ihrer Wesen" 
(Anh. 2 [10], s. Th. I 7 [10] 1). Ihre Ewigkeit wird ebenso 
wenig wie die der Gottheit direkt bewiesen, jedoch angenommen; 
denn als identisch mit ihr kommt ihnen naturgemäss auch 
ewiges Sein zu. Femer wird hervorgehoben, dass es nur zwei 
uns bekannte Eigenschaften gebe, nämlich Denken und Aus- 
dehnung (I 2 [28]), die also ebenfalls ewig sind. 

c. Die Welt. 

Die Modi dieser beiden Attribute sind es mithin allein, 
welche von den Bestimmungen der unendlich vielen göttlichen 
Attribute uns zugänglich sind und daher einer Betrachtung 
unterzogen werden können. Nur sie bilden den uns bekannten 
Teil der Welt, und indem diese in eine allgemeine und be- 
sondere zerfällt (I 8), werden auch sie 1. in unmittelbar aus 
den „Eigenschaften" abfliessende allgemeine und unendliche 
Modi und 2. in Einzeldinge zu teilen sein, welche aus jenen 
allgemeinen Erscheinungsweisen hervorgehen. 

1. Zur ersteren Klasse gehört in der Ausdehnung die 
Bewegung, im Denken der Verstand, und von beiden be- 
hauptet der kurze Traktat, dass sie „ein Sohn, Werk oder 
unmittelbares Geschöpf von Gott seien, von aller Ewigkeit von 
ihm geschaffen und in alle Ewigkeit unveränderlich bleibend" 
(1 9 [3]). Für die Ewigkeit des Verstandes wfrd sogar ein 
Beweis erbracht. Alles, heisst es, was in der Natur ist, hat 
seine Idee im Denken, so auch Gott. Weil er nun selbst 
ewig ist, muss auch seine Idee, der unendliche Verstand, ewig 
sein (II 22 Anm. 1). Doch was ergiebt sich aus jener De- 
finition? Sie lässt den Einfluss zweier Anschauungen deutlich 
erkennen. Die eine, welche sich in dem ebenfalls in demselben 
Abschnitte gebrauchten Ausdruck „Modus" charakterisiert, ist 
die Spinoza ursprünglich eigentümliche. Als Modi, als Er- 
scheinungsweisen, müssen Bewegung und Verstand notwendig 
in einem Anderen sein und von diesem, das in sich, also 
durchaus selbstständig ist, d. h. von der Gottheit abhängen; 
als unendliche Modi ferner werden sie nur ein gleichfalls Un- 
endliches, und zwar Gott selbst zu ihrer Ursache haben, mit- 
hin unmittelbar aus Gott folgen, und weil sie drittens Er- 
scheinungsweisen eines ewigen Wesens sind, selbst, so lange 
dieses Wesen besteht, also von und in alle Ewigkeit von ihm 
abhängen müssen. Soweit führt die Consequenz des spino- 
zistischen Denkens. Sie betrachtet eine Abhängigkeit nur in- 
sofern als vorhanden, inwiefern der Modus die Ausdrucksform 
desjenigen ist, was durch ihn in die Erscheinung tritt, niemals 
aber insofern dadurch die Existenz des unendlichen Modus 
von der Gottheit gesetzt wird. Ist er doch eine ewige Wesen- 



— 6 — 

heit, kann daher als solche niemals geschaffen werden. Das 
aber scheint die obige Begriffsbestimmung der Ewigkeit nicht 
anzunehmen ; sie findet keinen Widerspruch in dem Ausdrucke 
„von aller Ewigkeit her von ihm geschaffen", und ver- 
gleicht ohne Einschränkung das Verhältnis der ewigen Be- 
wegung und des ewigen Denkens zur Gottheit mit dem eines 
Sohnes Werkes und Geschöpfes zu seinem Vater, Meister und 
Schöpfer, welche jene doch ganz und gar ins Leben rufen. 
Es ist also, wenn man nicht in jenen öfters und in einer 
Definition ausgesprochenen Worten nur unpassende Bilder 
erblicken will, eine dem echt spinozistischen Geiste nicht ent- 
sprechende Vorstellung, welche unseren Philosophen hier im 
Banne hält und den geraden Fortgang seines Denkens hemmt, 
und sie hat ihre krystallisierte Form in der genannten De- 
finition des ewigen Modus erhalten. Dass Spinoza selbst sich 
kurz darauf dieser Schwierigkeit bewusst wurde, erhellt schon 
aus I 2 Anm. 3, wo er sagt: „Doch was wir hier Schaffen 
' nennen, kann eigentlich nicht gesagt werden, dass es je ge- 
schehen wäre." Deutlich aber ist es, dass diese Worte, wie 
die ganze Anmerkung erst später als der Text des Traktates 
geschrieben worden sind, da der Verfasser sonst den in 
letzterer klargelegten Unterschied zwischen Schaffen und Er- 
zeugen auch bei der Begriffsbildung der unendlichen Modi 
angewandt und daselbst nur. von einem Erzeugen gesprochen 
hätte. 

2. Gehen wir nun von der Ewigkeit der unendlichen 
zu derjenigen der endlichen Modi über, unter denen der Mensch, 
und speziell der menschliche Geist eine besonders ausführliche 
Behandlung findet. Seine ewige Existenz wird aus der Ver- 
einigung mit Gott, die durch intuitive Erkenntnis desselben 
bewirkt wird, hergeleitet (11 22, 23). Jedes Ding in der Natur, 
heisst es, hat seine Idee im Denken, und je vollkommener es 
ist, um so inniger wird seine Idee mit Gott oder mit ihm selbst 
vereinigt. Auch unserem Körper entspricht ein solcher Modus 
des Denkens, der menschlische Geist, dessen allererste Aufgabe 
es ist, jenen zu erkennen, wodurch er mit ihm verbunden 
wird. Nun vergeht aber der Körper, es würde also auch der 
Geist mit ihm vernichtet werden, wenn er nicht das Streben 
hätte, über die Erkenntnis desselben hinauszugehen zur Er- 
forschung seiner Ursache, d. h. desjenigen, ohne welches er 
weder sein noch begriffen werden kann, der Gottheit. Da- 
durch aber lösen sich die Bande zwischen ihm und seinem 
Körper, und er wird sofort in Liebe mit Gott vereinigt. Da 
dieser aber in aller Ewigkeit ist und sein wird, so muss auch 
der Geist unsterblich sein. Denn weder kann er durch sich 
selbst zu Grunde gehen, ebensowenig wie er durch sich selbst 
ins Leben getreten ist, noch durch eine äussere Ursache zer- 



— 7 — 

stört werden. Diese nämlich müsste, wenn sie die Vernichtung 
des Geistes bewirken wollte, sich selbst verändern oder vergehen, 
Gott aber, der jetzt unmittelbar als seine Ursache gelten kann, 
ist unvergänglich, kann ihn also niemals der Existenz berauben; 
woraus folgt, dass der Geist ewig ist (11 23). — Einen zw«ten, 
dem vorangegangenen sehr ähnlichen Beweis für die Un- 
veränderlichkeit des „wahren Verstandes" liefert unser Philosoph, 
indem er davon ausgeht, dass jener nicht eine Wirkung äusserer 
Ursachen ist, daher könne er durch sie nicht verändert werden. 
Er hat vielmehr eine innere Ursache, und diese ist Gott. So 
lange die letztere nun vorhanden ist, besteht apch der Geist. 
Sie dauert aber ewig, folglich auch er (11 26 [8] 2). — Alles nun, 
was aus* dieser unvergänglichen Vereinigung folgt, muss gleich 
ihr unvergänglich sein (11 26 [8] 3). Welcher Art ist sie jedoch, 
und welche Wirkungen bringt sie hervor.^ Ihr Wesen lässt 
sich ungefähr ahnen, wenn man die Verbindung des Geistes 
mit dem Körper zum Massstabe nimmt. Schon hier fühlen und 
empfinden wir alles, was in unserem Körper durch Bewegung 
der Lebensgeister vorgeht, um wieviel vortrefflicher und voll- 
kommener werden also die Folgen sein, welche aus der Ver-' 
bindung mit dem allerherrlichsten und besten Objekte, der Gott- 
heit, in uns entstehen, „welche keineswegs körperlich ist" (n22[6]). 
Wenn wir so die Vereinigung mit unserem Körper als unsere 
erste Geburt bezeichnen, so wird das Zusammenfliessen mit 
diesem „unkörperlichen Objekte" eine schönere Wiedergeburt zu 
nennen sein, welche sich von der ersteren insoweit unterscheidet 
„als die Verschiedenheit zwischen körperlich und unkörperlich, 
Geist und Fleisch beträgt" (II 22 [7]). Und das Ausgezeichnete 
einer solchen Verschmelzung offenbart sich eben in ihren 
Wirkungen, in unserem Zustande während des ewigen Lebens. 
Dieser kann, allgemein betrachtet, als ein Zustand der reinsten 
Seligkeit, der vollkommensten Freude angesehen werden (II 
22 [2]). Er kennzeichnet sich näher 1. durch 4ie uns durch- 
dringende Liebe zum göttlichen Wesen, welche (11 22 [2]) aus 
der intuitiven Erkenntnis derselben unmittelbar (^ 22 [3]) und 
notwendig (11 10 — 11) folgt, eine Liebe, welche so erhaben 
und heilig ist, wie ihr Gegenstand selbst (II 5 [4]), und in 
enger Vereinigung mit ihm gefühlt, uns den höchsten Genuss 
gewährt; 2. in der wahren Freiheit, die wir geniessen, indem 
unsere Ideen durch keine äussere Ursache beeinflusst und ver- 
wandelt werden, sondern „in fester Wirklichkeit" und ewiger 
Gleichmässigkeit in Gott verlaufen (11 26 [9]). 

Nehmen wir zu den eben auseinandergesetzten Lehren 
über die Unsterblichkeit der menschlichen Seele Stellung, so 
werden wir das charakteristische derselben in folgenden Punkten 
finden: 1. in einer Ewigkeit, welche als Unsterblichkeit, als 
Dauer ohne Ende gefasst ist; 2. in dem Momente der Ver- 



y 



— 8 — 

einigung, das wiederholt und nachdrücklidi betont wird ; 3. in 
der Lösung jeder Verbindung mit dem Körper und dem Ein- 
gehen in die Gottheit, als ein unkörperliches, rein geistiges Wesen. 
In diesen Gedanken aber ist am deutlichsten die zwingende 
M^cht zu erkennen^ mit welcher die alt überlieferten Ansichten 
das Denken Spinozas beherrschten. 

1. Die Seele ist ihm noch fast im gewöhnlichen Sinne un- 
sterblich. Sie entsteht zugleich mit ihrem Körper, trennt sich aber, 
insofern sie ihren eigenen Zweck erfüllt, von ihm, als dem vergäng- 
lichen, dem Tode anheimgegebenen Teile, um ununterbrochen 
fortdauernd ein glückseliges Leben zu führen. Freilich wird 
dieser Zustand schon in diesem Lebert eintreten, während der 
Körper noch existiert, aber auch das wagt unser Philosoph 
noch nicht ausdrücklich in Worten zu bekennen, und die 
scharfe Entgegensetzung der Vereinigung mit dem Körper und 
derjenigen mit der Gottheit (II 23 [4]) deutet sogar positiv auf 
das Gegenteil hin, [denn wie sollte bei dieser Anschauung die 
Seele zugleich im Körper und in Gott sein?] ein Zeichen, dass 
die Lehre von dem glückseligen Leben unseres Geistes nach 
dem Tode von ihm noch nicht vergessen ist. Wir sagen, 
noch nicht vergessen ist, denn dass sie jede reale Bedeutung 
für ihn verloren hat, leuchtet aus jedem Punkte des Traktats 
hervor, nach welchem im Augenblicke der unmittelbaren Er- 
kenntnis der göttlichen Wesenheit die seligmachende Ver- 
einigung erfolgt. 

2. Dass auch die letztere Lehre, welche unter dem Stich- 
wort der „Vereinigung" steht, fremden Einflüssen entsprungen ist, 
wird in späteren Darlegungen gezeigt werden; vor allem aber 
muss die Abhängigkeit von der Volksreligion auffallen, welche 

3. die Auffassung von der Art der Vereinigung der Seele mit 
Gott hervortreten lässt. Die bereits oben (S. 8) im Wortlaute ange- 
führten Ausdrücke stellen Gott als ein rein unkörperliches, geistiges 
Objekt hin, als ein Wesen, welches dem echt spinozistischen Be- 
griffe scharf entgegengesetzt ist. Dieser Gott soll nicht unendliche 
(I 2 [1]), sondern nur ein einziges spinozistisches Attribut enthalten, 
und aus diesem soll erst alles Uebrige hervorgebracht werden, 
ferner soll jene Eigenschaft gerade die geistige, das Denken 
sein, als ob Spinoza in seinen reiferen Schriften diesem irgend 
einen Vorzug vor jedem anderen Attribute gegeben hätte, und 
es soll drittens damit der Gottheit die Ausdehnung abge- 
sprochen werden, was an anderer Stelle des Traktates auf das 
Allerbestimmteste bekämpft wird (I 2 [18 ff]). Diese Aeusse- 
rungen erscheinen demnach als ein völliger Rückfall in den 
religiösen Glauben und allen Prinzipen widersprechend, die 
Spinoza schon im kurzen Traktat aufgestellt hatte. Ausserdem 
aber wird, wiederum den gewöhnlichen Meinungen gemäss, 
der Körper als der absolut sterbliche Teil bezeichnet, und nicht 



- 9 — 

daran gedacht, ihm als Modus eines dem Denken genau ent- 
sprechenden Attributs gleiche Ewigkeit mit dem Geiste zuzu- 
erteilen (nach I 9 [2] 4). So verraten denn vor allem die Ge- 
danken «her die Unsterblichkeit der Seele, dass unser Philosoph 
sich hier noch nicht von den landläufigen Anschauungen frei 
gemacht hat, ja im Gegenteil stark von ihm beeinflusst wird. 

B. Der TraktatMS de int. emend,, die cog. met 
und andere Schriften. 

a. Der Begriff an sich. 

Verstand man im kurzen Traktat allgemein unter dem 
Begriff der Ewigkeit eine unendliche Dauer, so stand doch 
diese Bestimmung zi| sehr im Widerspruch mit den Grund- 
lagen des spinozistisQhen Systems, als dass sie sich länger 
hätte halten können» Denn unser Philosoph schied von vorn- 
herein die Substanz als das Wesen, „das wir durch sich 
selbst, ohne etwas anderes als es selbst nötig zu haben, klar 
und deutlich begreifen", von dem Modus, welcher, „um gut 
begriffen zu werden, eine Substanz nötig hat" (Tr. brev. I 8). 
Dieser Gegensatz beider aber fordert notwendig auch einen 
prinzipiellen Unterschied in ihrer Existenzform, indem nach 
ihrer obigen Definitiqn der Gottheit unabhängiges, ihren Be- 
stimmungen abhängiges Dasein verliehen werden muss. Legt 
man nun, wie es natürlich ist, Gott Ewigkeit bei, so wird 
diese einerseits identisch mit der unabhängigen Existenz, be- 
deutet also auf sich beruhendes, im eigenen Wesen liegendes 
Dasein; andererseits aber stellt sie sich scharf der Existenz 
der Modi entgegen, l^st also nicht mehr zu, dass beide unter 
dem einen Begriff der Dauer gedacht werden. Letztere tritt 
daher aus der Ewigkpit heraus, und indem sie sich dann nur 
auf die Modi beschränken kann, auch der Ewigkeit gegenüber. 
So verlangt die Definition des kurzen Traktates selbst, indem 
sie mit den echt spinozistischen Lehren unvereinbar ist, ge- 
bieterisch eine Forteqtwickelung, welche logisch nur in der 
angegebenen Richtung erfolgen kann und auch thatsächlich in 
dieser zweiten Periode erfolgt ist. 

Es wurde schon behauptet (S. 4), dass der Substanz eine 
Existenz zukomme, die in ihrem Wesen enthalten sei, sodass man 
sich überhaupt keine Substanz denken könne, welche nicht auch 
wirklich existierte. Aus dieser letzteren Bemerkung aber ergiebt 
sich der allgemeine Satz, dass das Dasein dann in der Natur eines 
Dinges liege, wenn es unmöglich ist, von ihm eine Idee zu 
haben, ohne dass es realiter vorhanden sei, ein Gedanke, 
den der Tract. de int. emend. direkt fortsetzt. Denn eine 
solche Idee, welche ein nicht in Wirklichkeit Existierendes als 
existierend vorstellt, nennt er eine Fiktion. Demnach würde 



— 10 — 

es von einer Wesenheit, die in sich die Existenz enthält, eine 
Fiktion nicht geben. Dasselbe aber behauptet er von den 
ewigen Wahrheiten. „Hieraus ergiebt sich, dass eine Fiktion, 
von der wir hier reden, nicht bei den ewigen Wahrheiten 
stattfindet" (van Vloten I 17, 22). Es ist also die im Wesen 
enthaltene Existenz eine ewige Wahrheit, und demnach ewig 
dasjenige, in dessen Wesen eben die Existenz enthalten ist, 
eine Definition, welche von der des kurzen Traktates völlig 
verschieden ist. Und wenn sie auch erst durch einen Schluss 
erzielt werden muss und in bündiger Weise nicht vorliegt, es 
vielmehr heisst: „Unter ewiger Wahrheit verstehe ich eine 
solche, die, wenn sie affirmativ ist, nie negativ sein kann 
(v. VI. I 17 Anm. 3), so zeigt doch obige Erörterung, dass 
sie sich bereits im Geiste Spinozas gebildet hatte. Zum Be- 
weise diene ferner noch die Bemerkung: „. . . . da ja die 
Existenz der Dinge mit ihrem Wesen in keiner Verbindung 
steht oder keine ewige Wahrheit ist" (v. VI. I 33), wo die 
ewige Wahrheit als ein Verbundensein der Existenz mit dem 
Wesen gilt. Aber nicht nur eine durchaus neue Begriffs- 
bestimmung der Ewigkeit deutet diese Schrift an; sie weist 
sogar schon deutliche Spuren einer scharfen Trennung von 
Dauer und Ewigkeit auf. Unter den Eigenschaften des Ver- 
standes zählt sie nämlich auch folgende: „Er nimmt die Dinge 
nicht sowohl unter der Dauer als vielmehr unter einer Form 
der Ewigkeit . . . wahr, oder vielmehr er nimmt zum Ver- 
ständnis der Dinge . . . nicht die Dauer in Betracht (v. VI. 
I 36 V). Hier sind unzweifelhaft die beiden Existenzformen, 
Dauer und Ewigkeit, gegensätzlich von einander geschieden, 
indem diese in die Machtsphäre des Verstandes gezogen, jene 
von ihr ausgeschlossen wird. 

Die Principia philosophiae cartesianae, in denen übrigens 
auf das Klarste festgestellt wird, dass Ewigkeit eine unbegrenzte 
Dauer ist [S. I P. 11 Dem: ergo Deus non limitatem sed in- 
finitam habet existentiam, quam aeternitatem vocamus], kommen 
hier nicht in Betracht, da Spinoza in ihnen nicht seine 
eigenen, sondern Descartes' Gedanken entwickelt. 

Auch von den cogitata metaphysica hat Freudenthal 
(Spinoza und die Scholastik) unwiderleglich nachgewiesen, dass 
sie zum allergrössten Teile nicht Spinozas Lehren enthalten, 
jedoch zugegeben, dass der Verfasser hier „die Objektivität der 
Darstellungsweise bisweilen aufgegeben und in leisen Winken 
und verständlichen Andeutungen seine eigene Lehre hat her- 
vortreten lassen" (S. 102). Das Letztere scheint uns bei dem 
Ewigkeitsbegriff der Fall zu sein, nur dass seine Definition 
klar und deutlich unseres Philosophen Meinung wiedergiebt. 
„Aus unserer Einteilung des Wesens", heisst es dort, „in 
solches, dessen Wesenheit die Existenz in sich schliesst, und 



— 11 — 

solches, dessen Wesenheit nur die mögliche Existenz in sich 
schliesst, entspringt auch der Unterschied zwischen Ewigkeit 
und Dauer." „Hier sagen wir nur, dass sie (die Ewigkeit) 
ein Attribut ist, unter welchem wir die unendliche Existenz 
Gottes begreifen ; die Dauer aber ist ein Attribut, unter welchem 
wir die Existenz der geschaffenen Dinge begreifen, insofern 
sie in ihrer Wirklichkeit verharren" (cog. met. I 4). In diesen 
Sätzen giebt sich der weitere Fortschritt zu erkennen, dass 
eine feste Begriffsbestimmung der Ewigkeit und Dauer gegeben 
wird, in denen ihr Gegensatz hervortritt. Freilich ist sie nicht 
allgemein gehalten, sondern nennt die Gegenstände, auf welche 
sie sich bezieht, schliesst also formell ihr Objekt ein (vgl. II 
1 r, III). Ewigkeit gehört zu der göttlichen Substanz, Dauer 
zu den Modis, soll hier ausdrücklich betont werden. Ebenso^ 
klar aber ist ausgesprochen, dass Ewigkeit das zum Wesen 
gehörige Dasein sei, und so tritt uns das, was im tract. de 
int. emend. erst erschlossen werden musste, hier in fertiger, 
wenn auch formell unvollendeter Ausgestaltung entgegen. 
Doch noch andere für uns bedeutsame Gedanken enthält 
dieser Abschnitt. Die Pauer eines Modus ist identisch mit seiner 
wirklichen Existenz und nur dem Begriffe nach von ihr ge- 
schieden. Je grösser also die Dauer eines Dinges ist, umso 
grösser ist auch seine Existenz. Je kleiner seine Dauer ist, um 
so kleiner ist seine Existenz. Die Bestimmung der Dauer durch 
Zahlen jedoch gehört allein uns an. Wir nehmen nämlich das 
Dasein irgend eines Wesens, das eine bestimmte Bewegung 
hat, als Grundlage an und vergleichen mit ihr die Existenzen, 
welche anderen, in anderer Weise bewegten Körpern ent- 
sprechen. So entsteht die Zeit. Diese ist also 1. eine Ein- 
richtung unseres Geistes, sofern er die Dinge getrennt von ihrer 
Existenz betrachtet, 2. eine Eigenschaft der Existenz und nicht 
des Wesens, 3. als aus Teilen zusammengesetzt, bald grösser, 
bald kleiner zu denken. In allen diesen Punkten tritt sie der 
Ewigkeit gegenüber. 

Damit aber hat der Begriff der Ewigkeit durch genaue 
Bestimmung seiner selbst und seines Gegenteils, der Dauer und 
der Zeit, seine inhaltlich vollendete Ausgestaltung erhalten, 
und Spinoza kann es in seinem Briefe an Ludwig Meyer 
(v. VI. 12ter) als das Resultats eines Denkens bezeichnen, wenn 
er dort dieselben Gedanken in ähnlicher Form auseinandersetzt. 
Zum Teil spricht er dort sogar unbestimmter, indem er von Modi 
im Allgemeinen und nicht lediglich von solchen redet, die 
actualiter vorhanden sind (v. VI. 11 41), zum Teil aber auch 
genauer, indem er die Zeit als Existenzform der Imagination 
ansieht, welche durch sie die Dinge leichter in den Geist ein- 
führt, (v. VI. n 42, 43.). 



— 12 — 

b. Gott. 

Der Fortschritt des Denkens, den wir in Bezug auf den Ewig- 
keitsbegriff soeben schrittweise verfolgen konnten, muss uns natür- 
lich auch bei seiner Anwendung auf die Gottheit entgegentreten. 

Für diese Frage kann zwar der Tractatus de int. emend., 
der nur eine Methodenlehre des Denkens geben will, keine beson- 
deren Erörterungen enthalten, nichtsdestoweniger aber bemerkt 
man dort die Worte: „So ist die erste ewige Wahrheit, dass 
Gott ist" (v. VI. I 17 Anm. 3), welche das ewige Dasein der 
göttlichen Substanz bereits formell aussprechen. 

In den Princ. phil. cart. findet sich jedoch schon ein 
regelrechter Beweis für die Ewigkeit Gottes (I 19), der- 
selbe kann aber an dieser Stelle nicht angeführt werden, da 
die genannte Schrift im Prinzip die Ansichten unseres Philo- 
sophen nicht wiedergeben will. Von der Klarheit jedoch, mit 
welcher die Ableitung der Ewigkeit von der Wesenheit Gottes 
ihm bereits gegenwärtig ist, zeugt die Bemerkung: „Ja von 
diesem einen, dass zur Natur Gottes die Existenz gehört, oder 
dass der Begriff Gottes die notwendige Existenz in sich schliesst, 
wie der Begriff eines Dreiecks, dass seine drei Winkel zwei 
Rechten gleich seien oder dass seine Existenz nicht 
anders als sein Wesen eine ewige Wahrheit sei, 
hängt fast die ganze Erkenntnis der Attribute Gottes ab." 
(Princ. phil. cart. I 5 Schol.) 

Der Abschnitt, welcher in den cog. met. von der Ewig- 
keit Gottes handelt (11 1), führt in seinem Anfange zwar un- 
spionozistische Gedanken aus, giebt aber in seinem weiteren 
Verlaufe mit solcher^ Bestimmtheit die Meinung unseres Denkers 
wieder, dass sein Inhalt und seine Bedeutung hier dargelegt 
werden müssen. Spinoza knüpft an die bereits früher (I 4) 
gegebene Definition der Ewigkeit an und legt Gott ewige 
Existenz bei, d. h. solche, welche keinerlei Dauer in sich 
schliesst. Denn letztere ist nur eine Eigenschaft der Existenz 
und ihr Subjekt kann gedacht werden, ohne dass es wirklich 
vorhanden ist, während Ewigkeit zur Wesenheit gehört, mit 
der sie unauflöslich verbunden ist. Gottes Dasein nun bildet 
sein Wesen, ist also nur als ewiges anzusehen und von jedem 
zeitlichen auf das Strengste zu scheiden. Darum ist es 
thöricht, wenn man glaubt, dass Gott bis heute länger existiert 
hat als bis zur Zeit Adams, des ersten Menschen, denn indem 
man ihn mit jedem Tage älter macht und ihn eine immer 
grössere Zeitreihe durchlaufen lässt, trennt man nur sein Dasein 
von seiner Natur. Das aber darf bei ihm nimmermehr ge- 
schehen. Gott war daher damals genau so gegenwärtig, wie 
er es heute ist und in alle Zukunft sein wird, und jeder Ver- 
gleich zwischen seiner göttlichen und der zeitlichen Existenz 
ist von vornherein zurückzuweisen. Man hüte sich also vor 



— la- 
den beiden Extremen, entweder neben Gott auch den einzelnen 
geschaffenen Dingen Ewigkeit beizulegen (I) oder Gott neben 
diesen Dingen eine Existenz zuzuschreibeA, welche von seinem 
Wesen unterschieden ist (in), denn beide Irrtümer führen dazu, 
die Ewigkeit als eine Art der Dauer anzusehen. Gott lebt in 
unendlicher Existenz „und diese unendliche Existenz nenne 
ich Ewigkeit, die Gott allein und keinem geschaffenen Wesen 
beigelegt werden muss, keinem, sage ich, obgleich seine Dauer 
keinen Anfang und kein Ende hat" (cog. met. 11 1 Ende). 
Auch hier bestätigt sich, was bereits bei der Besprechung des 
Ewigkeitsbegriffes in dem cog. met. (S. 12) hervortrat, wie un- 
zertrennlich derselbe mit dem Gottesbegriff verwebt ist, wofür 
besonders die Worte bezeichnend sind: „als ob die Ewigkeit 
ohne die Betrachtung der göttlichen Wesenheit erkannt werden 
könnte oder etwas ausser der göttlichen Wesenheit wäre" 
(v. VI. II 479 1). Dass Gott ewig ist, wird aus der Betrach- 
tung der göttlichen Natur, in welcher Existenz eingeschlossen 
ist, erwiesen, jedoch in loser, nicht gedankenstrenger Form. 

Ueber die Ewigkeit der spinozistischen Attribute wissen 
die Schriften dieser Periode nichts Besonderes zu berichten. 

c. Welt. 
1. Dagegen tritt uns in der Bestimmung der unendlichen 
Modi, also der gewirkten Natur, als ein Allgemeines gefasst, 
eine Fortentwickelung des spinozistischen Denkens entgegen. 
Der kurze Traktat hatte noch die Ansicht vertreten, dass Be- 
wegung und Verstand von Ewigkeit her geschaffen seien. Der 
Widerspruch, welcher, wie oben (S. 6 f.) gezeigt wurde, in ihr 
liegt, konnte dem klaren Geiste Spinozas nicht verborgen 
bleiben, und in der That rang er sich los von der altererbten 
Anschauung, die in ihr zum Vorschein kam, und schon die 
cog. met. beweisen ganz entsprechend der Umbildung des 
Ewigkeitsbegriffes, dass es keine Schöpfung von Ewigkeit her 
gebe (n 10, V. VI. n 496). Wir glauben, dass auch diese 
Aeusserungen, obwohl Spinoza mit ihnen nur fremde Mei- 
nungen wiedergeben wollte, auch seinen eigenen Ansichten 
entsprechen, indem sie nicht nur als ein notwendiges Glied in 
der Entwickelungskette erscheinen, sondern auch auf die 
spinozistisch gefasste Ewigkeit Gottes Bezug nehmen (v. VI. 
II 479). Daher wird eine Würdigung derselben, die zudem 
wesentlich zur Beleuchtung des ganzen, auf die Ewigkeit be- 
züglichen Ideenganges Spinozas beiträgt, hier wohl am Platze 
sein. Spinoza untersucht zuerst den Ausdruck, „von Ewig- 
keit". Derselbe sei in Beziehung auf die Welt anders aufzu- 
fassen als in Beziehung auf Gott. Bei diesem bedeute er die 
immer gegenwärtige, das Wesen ausmachende Existenz selbst, 
bei jener aber eine Art der Existenz, die Dauer ohne Anfang, 



— 14 — 

eine Dauer, welche durch keine Multiplication einzelner zeit- 
lichen Momente, und werde sie auch noch so häufig vorge- 
nommen, erreicht werden könne. Diese Sätze, welche ganz 
auf dem Boden der in derselben Schrift gegebenen Begriffs- 
erklärung der Ewigkeit (S. 1 1 f.) stehen, beweisen zweierlei ; 
1. dass Spinoza im allgemeinsten Sinne einen Unterschied 
zwischen der Existenz der Gottheit und derjenigen seiner 
Schöpfung, als Ganzes genommen, kennt, was auch im kurzen 
Traktat der Fall war; denn die Worte „Sohn, Geschöpf" 
u. s. w. setzen das voraus ; 2. dass dieser Unterschied zu einem 
gegensätzlichen, die Theile vollständig von einander aus- 
schliessenden gemacht wird, indem der göttlichen Substanz 
Existenz im Wesen, dem Weltall als solchem Existenz ausser- 
halb des Wesens zuerteilt wird, ein Gedanke, auf den jedoch 
im kurzen Traktat nirgends hingewiesen wird. Ja nicht ein- 
mal die geeignetste Stelle, an welcher hinter einander von der 
wirkenden und gewirkten Natur gehandelt wird (I 8, 9), er- 
wähnt auch nur mit einem Worte dieses Gegensatzes, woraus 
hervorgeht, dass er dort für Spinoza nicht bestanden hat, und 
Schöpfer und Geschaffenes unter eine Existenzform gebracht 
werden müssen. Letztere kann aber nicht die Existenz im 
Wesen bezeichnen, denn die Begriffsbestimmung der ewigen 
Modi (I 9) ergiebt gerade das Gegenteil; also nur die Dauer. 
Diesem Standpunkte gegenüber weisen unsere Sätze einen 
Fortschritt auf, der freilich schon durch den kurzen Traktat 
genügend vorbereitet war, sie verleihen der Gottheit die wahr- 
haft ewige, in ihrer Natur entspringende Ezistenz (vgl. S. 13). 
Aber Spinoza begnügt sich nicht damit, die Anwendbarkeit der 
Dauer dadurch zu beschränken, dass er ihr den Gottesbegriff 
entzieht, er geht noch weiter, indem er auch die Dauer ohne 
Anfang verwirft, ja schlechthin als ein Unding bezeichnet. 
Denn wenn man von unserem jetzigen Zeitpunkte aus immer 
weiter rückwärts schreite, so dürfte man in diesem Falle nie 
zu einem Ende gelangen, könne also niemals eine solch un- 
endliche Dauer erreichen, folglich wird auch umgekehrt bis zu 
unserem Zeitpunkte nie eine solche Dauer verstrichen sein 
können. Ferner gebe es keine Dauer, welche so gross sei, 
dass nicht noch eine grössere als sie gedacht werden könne. 
Die anfangslose Dauer, über die hinaus in der That keine 
grössere zu begreifen sei, sei also dann keine Dauer, mithin 
ein Widerspruch in sich, ein Nichts. Wir begnügen uns, zu 
konstatieren, dass Spinoza in den cog. met. überhaupt solche 
Gedanken entwickelt hat, dass er Gott ein in seinem Wesen 
begründetes, ewiges Dasein zuspricht und seiner unmittelbaren 
Schöpfung eine Dauer ohne Anfang abspricht, ein negatives 
Resultat, aus welchem der positive Satz: Auch die unendlichen 
Modi sind wahrhaft ewig, bereits hervorblickt. 



— 15 — 

2. Was endlich die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele 
anbetrifft, so liefern die bisher benutzten Schriften zwar keinen 
Anhaltspunkt für die Fortbildung derselben, wohl aber finden 
wir einen solchen auf einer anderen Seite. Das erste Glied 
ihrer Weiterentwickelung zeigt sich nämlich in dem dem 
kurzen Traktate angeschlossenen, zweiten Anhang, welcher 
schon aus chronologischen Gründen nach dem kurzen Traktat 
und vor die Ethik zu setzen ist (Sigw. kurz. Trakt. Proleg. 
LXni). Derselbe handelt von der menschlichen Seele. Er 
definirt dieselbe als ein objektives Wesen oder eine Vorstellung, 
welche im Denken von dem Körper, einer wirklichen Proportion 
von Bewegung und Ruhe innerhalb der Ausdehnung, vorhanden 
ist, und beweist Punkt für Punkt dieser Definition. Zuerst 
weist er nach, dass das Wesen der Seele eine Idee und nicht 
ein Gefühl oder Streben wie Liebe, Begierde u. s. w. sei, so- 
dann, dass sie einem wirklich existierenden Gegenstande 
entspreche, ferner, dass eben dieser der Ausdehnung angehöre 
und viertens ein ganz bestimmtes Verhältnis von Bewegung 
und Ruhe darstelle. Liegt schon so in der strengen Ordnung 
der Gedanken, welche alle einem Ziele zustreben und immer 
genauer und bestimmter das Wesen der menschlichen Seele 
auszudrücken suchen, ein Fortschritt, so wird er auch inhalt- 
lich offenbar durch die zum zweiten Punkt gegebenen Er- 
klärungen, welche über den Ursprung der Seele in den Attri- 
buten zu berichten wissen. Bevor sie, heisst es da, ins Dasein 
getreten, war ihr Wesen und das des Körpers „gleichmässig 
in ihren Attributen enthalten", nichts hatte sie von anderen Ideen 
getrennt, sie gehörte einem unendlichen und unterschiedslosen 
Denkmeere an. Aus demselben heraus, oder besser in ihm 
bildete sich ihre bestimmte, umgrenzte Wesenheit und zugleich 
damit die ihres Körpers, und zwar so, dass beide in allen 
ihren Zuständen einander auf das Genaueste entsprechen. 
„Und aus allem diesem", bemerkt unser Verfasser zum Schluss, 
„wie auch, weil unsere Seele mit Gott vereinigt und ein Teil 
der unendlichen Idee ist, die unmittelbar aus Gott entsteht, 
kann sehr deutlich .... die Unsterblichkeit der Seele er- 
sehen werden." Spinoza behält hier den im kurzen Traktat 
gegebenen Ewigkeitsbeweis bei, dem er jedoch — der erste 
Schritt nach vorwärts — einen Teil seines fremdartigen Bei- 
geschmackes nimmt. Denn er spricht nicht mehr von einem Ein- 
gehen des Geistes in die Gottheit, als eines überhaupt un- 
körperlichen, rein geistigen Wesens, sondern nur, inwiefern 
derselbe an dem unendlichen Verstände Theil hat, womit unser 
Denker in seine eigentliche Geistesbahn einlenkt. Ausserdem 
aber verweist er den Leser darauf, aus dem Vorhergegangenen 
die Unsterblichkeit der Seele zu erschliessen, welche darnach 
ebenfalls durch ihre Rückkehr und Auflösung in das Denk- 



— 16 — 

attribut erreicht wird. Denn mit ihrem Entstehen und Bestehen 
neben dem Körper, ihrem wirklichen, räumlich begrenzten 
Dasein ist gewiss auch eine zeitlich begrenzte Dauer verbunden, 
welche durch das Aufhören dieses ihres Verhältnisses gleich- 
falls ein Ende findet und von der ewigen Dauer ihrer Wesen- 
heit in ihrem Attribute abgelöst wird. Diese Erklärung aber 
steht schon ganz auf echt spinozistischem Boden. 

Noch weiter führen vielleicht die Anmerkungen zu Be- 
ginn des zweiten Teiles unseres Traktates (S. 57 ff.), die schon 
äusserlich, durch die Reihenfolge der fast Lehrsätzen gleichen- 
den und genau einander ergänzenden Behauptungen sich über 
die ungebundene Form des Anhangs erheben und der vom 
Schema der Mathematik beherrschten Ethik sich nähern. Sie 
leiten, womöglich noch schärfer jeden Schritt markierend, das 
Einzeldasein der Seele von ihrer „Eigenschaft" ab und 
lassen sie selbst alle Vollkommenheiten und Unvoll- 
kommenheiten des Körpers teilen, all seine Schwankungen 
mitempfinden. Mit dem Tode des Körpers, der Zerstörung 
des ihn bildenden Verhältnisses von Ruhe und Bewegung, 
erfolgt auch der Tod der Seele, soweit sie eine Idee 
dieses Verhältnisses ist. „Doch weil die Seele ein Modus ist 
in der denkenden Substanz, so hätte sie auch diese neben der 
Substanz der Ausdehnung erkennen, lieben und durch Ver- 
einigung mit Substanzen, die immer dieselben bleiben, sich 
selbst ewig machen können." Diese Worte sagen ausdrücklich, 
was aus den früheren erst gefolgert werden musste. Sie lassen 
im Menschengeiste neben der vergänglichen Idee des Körpers 
einen Begriff von der Denkeigenschaft sich bilden, und dieser 
ist es, welcher sie mit ihrem Objekte vereinigt und zur Ewig- 
keit hinüberführt. Sodann fehlt auch hier bereits der Hinweis 
auf Gott, der früher bei ähnlichen Gelegenheiten hervortrat, 
und an seiner Statt tritt ebenso wie im Anhange eine genauere 
Bezeichnung, das Denkattribut. Aber noch wird der Parallelis- 
mus der Glieder erst bis zum Tode der Menschenseele geführt 
und einseitig nur ihre Unvergänglichkeit hervorgehoben, ob- 
gleich nach dem zweiten Anhang eine vollständige Gleich- 
stelung des Körpers mit ihr auf der Hand lag. Aber Spinoza 
scheint dem Strom seiner Gedanken absichtlich Halt geboten 
zu haben, und so erfuhr das Attribut der Ausdehnung von ihm 
eine Vernachlässigung, die er formell oft genug bekämpft hat, 
die jedoch aus dem dringenden Verlangen seines Herzens her- 
vorging, eben nur die wahre Glückseligkeit des Menschen- 
geistes zu lehren. Ferner aber wird hier die Erkenntnis des 
Denkattributes als die wahre angesehen und nicht, wie es der 
Parallelismus erfordert hätte, die Erforschung des Wesens der 
körperlichen Dinge verlangt. Eine solche scheint jedoch schon 
der tract. de int. emend. anzunehmen, wenn er unter den 



— 17 — 

Eigenschaften des Verstandes diejenige nennt, dass er die 
Dinge nicht sowohl unter der Dauer als vielmehr unter einer 
Form der Ewigkeit wahrnimmt" (v. VI. I 36). 



C. Die Ethik. 

a. Der Begriff an sich. 

Ihre höchste Entwickelungsform erhielten die Anschau- 
ungen Spinozas über die Ewigkeit in der Ethik. Das tritt 
schon beim Begriffe selbst hervor. Hatte sich seine Definition 
bereits in den cog. met. inhaltlich voll ausgebildet, so gab ihr 
die Ethik auch die formelle Vollendung, indem sie das Objekt 
vollständig aus ihr entfernte und rein abstrakt die Eigenschaften 
der Ewigkeit zusammenfasste. So heisst es: „Unter Ewigkeit 
verstehe ich die Existenz selbst, sofern sie aus der blossen 
Definition eines ewigen Dinges als notwendig folgend begriffen 
wird." (Eth. I Def. 8.) 

Ewigkeit ist demnach eine Art der Existenz und kündet 
das Dasein eines Wesens an, ist aber, um mit dem Tract. de 
int. em. zu reden (s. S. 11), so beschaffen, dass sie keine 
Fiktion zulässt, also ohne das wirkliche Vorhandensein eines 
Dinges gar nicht gedacht werden kann. Das ewige Ding lebt 
in unveränderlicher, stets gegenwärtiger Existenz, sein Dasein 
kann niemals aufgehoben werden, und wäre das möglich, so 
würde, eben weil es eine Fiktion von ihm nicht geben kann, 
auch seine Idee im Geiste verschwinden. Die Existenz gehört 
so zu seinem Wesen. Da nun aber die wahre Definition eines 
jeden Dinges nichts in sich schliesst noch ausdrückt als die 
Natur des definierten Dinges (I 8 Schol.), zur Natur eines 
ewigen Dinges aber, wie gezeigt, die Existenz gehört, so wird 
letztere also auch in der Definition enthalten sein oder als aus 
derselben notwendig folgend begriffen werden. 

Aus dem Gesagten erhellt nun auch der Unterschied 
zwischen dem zeitlichen und dem ewigen Dasein, der ein 
genereller genannt werden muss, da die ewigen Dinge nicht 
anders als existierend, die vergänglichen jedoch auch anders 
als existierend, nämlich als nicht existierend begriffen werden 
können. Die letzteren entstehen in einem bestimmten Zeit- 
punkte, dauern eine gewisse Zeit lang fort, um dann zu Grunde 
zu gehen. Sie kann daher auch der Geist als früher, später 
oder überhaupt nicht existierend auffassen, denn ihr Wesen 
schliesst kein Dasein ein (I Ax. 7). Sie haben keine unend- 
liche (infinita) sondern eine unbestimmte (indefinita) Existenz, 
also eine Dauer (11 Def. 5), und sie leben nur in der Zeit 
fort. Anders aber das ewige Wesen. Dasselbe ist niemals 
entstanden und kann auch niemals vergehen, in ihm giebt es 

2 



— 18 — 

kein Wann, weder ein Vorher noch ein Nachher (I 33 Schol. ü), 
es ist überhaupt unter dem Gesichtspunkte der Zeit nicht zu 
erfassen. Darum heisst es in der Erläuterung zur 8. Definition : 
„Denn eine solche Existenz, wie z. B. eine ewige Wahrheit, 
wird wie das Wesen des Dinges aufgefasst und kann daher 
durch die Dauer oder Zeit nicht erklärt werden, wenn man 
auch Dauer als ohne Anfang und Ende begreift." Denn auch 
dahinter versteckt sich nur eine Fortdauer in der Zeit, welche 
mit dem ewigen Wesen der Dinge nicht vereinbar ist. 

So zeigt sich in diesem Zusätze in der That nur die 
Consequenz der Definition, indem er nichts anderes enthält, 
als das Bestreben noch schärfer die Grenzlinie zu ziehen und 
jede Verbindung zwischen Dauer und Ewigkeit auf das Aller- 
bestimmteste auszuschliessen. Wie sehr aber die Erinnerung 
an die frühere Fassung des Ewigkeitsbegriffes (S. 12) unseren 
Verfasser beherrscht, zeigt die Bemerkung: „Ewigkeit ist das 
Wesen Gottes selbst, sofern dieses notwendige Existenz ein- 
schliesst" (V 30 Dem.), welche als aus obiger Definition abgeleitet 
angeführt wird. Ja es wird sich uns (S. 23 f.) ergeben, dass 
Spinoza die Merkmale seines Ewigkeitsbegriffes nur auf den 
Gottesbegriff und nicht auf den der Modi angewandt hat, und 
die hier in der Ethik vorgenommene Ausscheidung der Sub- 
stanz aus der Definition für ihn in der That nur eine rein 
äusserliche, dem mathematischen Schema entsprechende war. 
Die Richtigkeit der hier gegebenen Definition zu prüfen, wird 
Aufgabe einer späteren Erörterung sein (S. 22). 



b. Gott. 

Auch bezüglich der Ewigkeit Gottes will uns Spinoza in 
der Ethik den formellen und inhaltlichen Abschluss seiner Ge- 
danken geben, indem er ihnen einerseits in den Demonstrationen 
einen strengen, mathematisch bestimmten Ausdruck verleiht, 
andererseits aber die Resultate der beiden Ewigkeitsbeweise, 
welche er in seinen Prinzipien des Cartesius und in den cog. 
met. gewonnen hatte, zusammenfasst, und durch Beziehung 
der Gottesbegriffe auf den Begriff der spinozistischen Substanz 
ein neues Moment hinzufügt. So entstanden die drei Beweise 
für die Ewigkeit Gottes. 

1. Der erste derselben zieht die Gottheit in ihrer Eigen- 
schaft als Substanz (Eth. I Def. 6) in Betracht. Als solche 
kommt ihr unbedingte Selbständigkeit also auch notwendige 
Existenz zu (I P. 7), derzufolge sie in ihrem Dasein nicht von 
einer anderen Wesenheit abhängt, sondern in sich selbst, in 
ihrer eigenen Natur die Bedingungen ihrer Existenz enthält. 
Da aber dasjenige, was zum Wesen eines Dinges gehört, in 



~ 19 — 

seinem Begriffe liegen oder aus seiner Definition folgen muss, 
so folgt auch das Dasein Gottes aus seiner Definition d. h. 
(L Def. 8) er ist ewig (P. 19 Dem.). 

2. Hat so der erste Beweis das ewige Dasein Gottes aus 
dem gefolgert, was ihm als Substanz zukommt, so beruft sich 
der zweite auf die Art und Weise, wie seine notwendige 
Existenz dargethan worden ist. Letzteres ersieht man aus den 
Beweisen des 11. Lehrsatzes. Von ihnen zeigt der erste auf 
indirektem Wege, dass Gott, schon als Substanz betrachtet 
(s. obigen Beweis), notwendig existiere. Der zweite geht von 
der Erwägung aus, dass es eine Ursache geben müsse, welche 
die Existenz der Dinge setzt oder aufhebt, und dass diese 
Ursache nur in oder ausserhalb ihrer Natur liegen könne. 
Demnach seien vier Klassen der Dinge zu unterscheiden, von 
denen Gott nur derjenigen Klasse angehören könne, deren 
Wesenheiten die ihre Existenz setzende Ursache in sich, in 
ihrer eigenen Natur haben. Der dritte Beweis, welcher der 
Gottheit noch keine grössere Notwendigkeit als den Dingen 
der Welt zuschreibt, kann hier übergangen werden. Im Gegen- 
satz zu ihm aber sucht das Scholion des 11. Lehrsatzes in 
dem Begriffe Gottes selbst wiederum den Grund für seine 
Existenz zu finden. Indem dieser Begriff nämlich die höchste 
Vollkommenheit einschliesse, zu dieser aber das Dasein ge- 
höre, müsse letzteres auf das Allerbestimmteste von der Gott- 
heit ausgesagt werden. Aus allen diesen Demonstrationen 
aber ergiebt sich nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch 
die Ewigkeit Gottes. Denn seine Existenz ist nicht als eine 
solche, die aus äusseren Ursachen notwendig hervorgeht (Ax. 3), 
sondern als in der Natur der göttlichen Substanz, im Gottes- 
begriffe selbst enthalten erwiesen worden und ist daher (Def. 8) 
eine ewige zu nennen (P. 19 Schol.). 

3. Als dritten Beweis für die Ewigkeit Gottes endlich 
sieht Spinoza das an, was er hierüber in seinen Prinzipien 
der cartesianischen Philosophie (I P. 19) ausgeführt hat. An- 
genommen, sagt er dort, Gott komme nicht eine ewige, sondern 
eine begrenzte Existenz zu. Diese müsste dann von ihm, da 
er die höchste Intelligenz besitzt, erkannt werden, d. h. er 
müsste sich bis zu einer bestimmten Grenze als existierend, 
über diese hinaus aber als nicht existierend erfassen. Dies ist 
jedoch widersinnig, da nach einem früheren Satze (P. 5) das 
Dasein Gottes aus seiner Natur folgt, er selbst also über- 
haupt nicht als nicht existierend gedacht werden kann. „Daher 
hat Gott nicht begrenzte sondern unendliche Existenz, welche 
wir Ewigkeit nennen" (P. 19 Schol). 

Mit der Ewigkeit Gottes, der einzigen und allumfassenden 
Substanz, ist zugleich die Ewigkeit seiner Attribute gegeben. 
Denn jedes derselben bezeichnet ja nichts anderes als das 



— 20 — 

Wesen der Substanz (Def. 4), muss also wie diese durch sich 
selbst erfasst werden (P. 10), mit ihr identisch sein (Def. 3). 
Sowie nun die Substanz ewig ist, werden auch die Attribute 
ewig sein (P. 19 Dem.). — Unter der unendlichen Zahl der gött- 
lichen Eigenschaften befindet sich auch die Ausdehnung (U P. 2) 
und das Denken (11 P 3). Nur diese beiden können mit ihrem 
Inhalt einer näheren Betrachtung unterzogen werden, da sie 
allein der menschlischen Erkenntnis zugänglich sind (11 Ax. 5), 
und somit kann lediglich ihre und ihrer Modi Ewigkeit von 
uns thatsächlich gewusst und erfahren werden. 

Soweit die Ausführungen Spinozas über das ewige Da- 
sein der Gottheit und der Attribute. Die Ewigkeit der 
letzteren folgt aus derjenigen der ersteren so einfach und 
selbstverständlich, dass es hierzu keiner weiteren Bemerkungen 
bedarf, wohl aber können die Beweisführungen für die Ewig- 
keit Gottes, einen so grossen Foitschritt sie auch aufweisen, 
nicht kritiklos hingenommen werden. Der erste Beweis legt 
Gott Ewigkeit bei, weil zu seinem Wesen als demjenigen einer 
Substanz Existenz gehöre. Es ist das derselbe Schluss, wie 
er bereits in den früheren Ausführungen Spinozas sich immer 
wiederholt, wenn man von dem Begriff der Substanz absieht, 
welche hier gleichsam als Ersatzglied (S. 19) auftritt. Merk- 
würdig aber bleibt, um auf das Einzelne des Beweises einzu- 
gehen, der Satz : „ . . . welche notwendig existiert" (I P. 19 
Dem.), der in dem ganzen Zusammenhange nicht nur voll- 
ständig überflüssig erscheint, sondern sogar zu dem Glauben 
verführt, dass von ihm die Ewigkeit Gottes abgeleitet werde. 
Letzteres aber soll erst in der zweiten Demonstration (I P. 19 
Schol.) geschehen. Diese nun baut sich auf dem Grunde der 
in P. 1 1 geführten Beweise für die notwendige Existenz Gottes 
auf, aus ihnen aber erhellt, dass unser Verfasser den Begriff 
des Notwendigen nicht immer in gleichem Sinne angewandt 
hat. Schon im Tract. de int. emend. erklärt er: „Notwendig 
[nenne ich] das Ding, dessen Natur einen Widerspruch dagegen 
einschliesst, dass sie nicht existiert" (v. VI. I 17), oder in po- 
sitiver Umkehrung: dessen Natur die Ezistenz einschliesst, das 
also notwendig in Bezug auf sein Wesen ist. Damit 
würde es freilich übereinstimmen, wenn es heisst: „Gott ist 
eine Substanz, welche notwendig existiert, d. h. zu deren 
Natur es gehört zu existieren" (Eth. I 19 Dem.). Dem jedoch 
widersprechen entschieden die Worte: „Ein Ding heisst not- 
wendig, entweder in Beziehung auf sein Wesen oder in Be- 
ziehung auf seine Ursache" (Eth. I 33 Schol.), desgleichen 
die Bemerkung: „Auf zweierlei Weise wird ein Ding not- 
wendig . . genannt, entweder rücksichtlich seiner Wesenheit oder 
seiner Ursache (cog. met. 1 3, v. V 1. II S. 468). Denn die erste De- 
finition schliesst das verursachte Ding aus und setzt Notwendigkeit 



— 21 — 

gleich Ewigkeit, während die zweite, die eigentliche Ansicht 
Spinozas, in die Notwendigkeit auch das Folgen der Wirkung 
einschliesst, welches nach unabänderlichen Gesetzen vor sich 
geht. In Anbetracht seines Schwankens bei der Bestimmung 
dieses Begriffes wird es erst erklärlich, warum in der Ethik (111) 
zwar eine notwendige Existenz behauptet, im ersten, vor allem 
aber im zweiten und vierten Beweis mehr als das, nämlich 
die Notwendigkeit als Wesenseigenschaft dargethan wird. Der 
Lehrsatz an sich will vorläufig nur Gott in seinem Dasein 
den Dingen gleichstellen, die genannten Beweise aber erheben 
ihn über dieselben und machen ihn schon hier zu einem 
ewigen Wesen. Sie verdienten mithin viel eher, ihren Platz, 
beim zweiten Ewigkeitsbeweise zu erhalten, der an und für 
sich, ohne sie keinen wirklichen Fortschritt aufweist. Die 
dritte, den Cartesianischen Prinzipien entlehnte Demonstration 
endlich scheint uns vollends garnicht der in der Ethik ge- 
gebenen Begriffsbestimmung der Ewigkeit zu entsprechen. 
Denn der ganze Gang der Beweisführung führt zu dem auch aus- 
gesprochenen Ziele, eine nicht begrenzte d. h. ein unbegrenzte 
Existenz, also eine Dauer ohne Anfang und Ende der göttlichen 
Substanz zuzuschreiben, und daran wird nichts geändert durch die 
Gleichstellung derselben mit der unendlichen Existenz, welche 
hier in ihrem uneigentlichen Sinne (v. VI. 11 Ep. 12 Anfang, 
S. 41) gebraucht ist. Der Hinweis freilich auf den Satz: 
„dass das Dasein Gottes schon in seiner Natur miteinbegriffen 
sei" hätte zur Fortführung des Beweises im spinozistischen 
Sinne veranlassen können, derselbe hätte aber dann als nicht 
cartesianisch in der Ethik vorgeführt werden müssen. Doch 
selbst in diesem Falle wäre er nur eine weitere Variation des 
allen drei Demonstrationen zu Grunde liegenden und wie ein 
roter Faden sich durch Spinozas Schriften ziehenden Ge- 
dankens gewesen: Die Ewigkeit Gottes folgt unmittelbar da- 
raus, dass seinem Wesen Existenz zuzuschreiben ist. Dieser 
jedoch als der ontologische Beweis fällt mit der Widerlegung 
Kants, dass wir aus dem geistigen Sein niemals die 
reale Existenz zu erweisen vermögen, mithin im 
Begriffe eines Dinges nie sein wirkliches Dasein 
eingeschlossen sein könne. Aber gerade die vollständige 
Gleichsetzung der wahren Ideen mit den Dingen, welche 
auf dem Parallelismus der Attribute beruht, bildet die 
Grundvoraussetzung und die innerste Natur der spino- 
zistischen Lehre. Durch diese Erwägungen sind aber 
nicht nur unsere Gottesbeweise, sondern auch die Definition 
der Ewigkeit selbst als unrichtig erkannt. Denn auch diese 
ist, wie wir bereits (S. 18) erfahren haben, aus der oben- 
genannten Vorstellung abzuleiten und nichts anderes als der 
abstrakte, des Subjekts enkleidete Ausdruck derselben. 



— 22 — 

c. Welt. 

1. Auf das Engste mit der Substanz verknüpft sind die un- 
endlichen Bestimmungen derselben, die entweder als eine un- 
mittelbare oder als eine mittelbare Wirkung der absoluten 
Natur Gottes anzusehen sind, je nachdem ein Modus direkt 
aus seinem Attribute folgt oder einem Modus entspringt, 
welcher unmittelbar aus dem Attribute gefolgt ist. Welche 
Existenz ist nun der ersteren Art der Daseinsformen zuzu- 
erteilen? Angenommen, dies wäre die beschränkte Dauer, über 
welche hinaus sie nicht mehr existieren könnten. So z. B. 
müsste die Idee Gottes, welche direkt aus dem Attribute des 
Denkens hervorgeht, nach einer bestimmten Zeit nicht mehr 
vorhanden sein. Da aber das Denken, als Eigenschaft Gottes 
notwendig (P. 1 1) und unveränderlich (P. 20 Cor. II) fortbesteht, 
so müsste es sich nach der Existenz der Gottesidee in einer 
anderen Idee ausdrücken. Dann aber könnte jene nicht aus 
der Natur des Denkens notwendig folgen, was der Voraus- 
setzung widerspricht. Es ist also die Annahme einer be- 
schränkten Dauer unrichtig und auf indirektem Wege bewiesen, 
dass der Modus, welcher aus der blossen Natur irgend eines 
göttlichen Attributes folgt, ewig sei (P. 21). Ebenso muss 
eine Daseinsform, welche aus dem Wesen eines der ebenge- 
nannten Modi hervorgeht, ewig existieren. Denn käme ihr 
bestimmtes zeitliches Dasein zu, so könnte ebenso in der Zeit 
nach ihr ein anderer Modus existieren, jener also nicht aus 
dem Wesen der ewigen Daseinsform entspringen, wie es vor- 
ausgesetzt war (P. 22). 

In obigen Aeusserungen will die Ethik, indem sie die 
negative Bestimmung der cog. met., derzufolge die Welt auch 
eine Dauer ohne Anfang nicht haben könne, in eine positive 
verwandelt, die unendlichen Daseinsformen zu echt spinozisti- 
scher Ewigkeit erheben. Sie hat die althergebrachte Ansicht 
von der Erschaffung des Weltalls als solches oder der un- 
endlichen Erscheinungsformen überwunden, sie redet daher 
nicht mehr von einem „Geschaffen werden (creari)", sondern 
von einem „Folgen (sequi)" derselben (Eth. 121 ff.), und be- 
achtenswert bleibt die Aeusserung: „welche er unmittelbar 
hervorgebracht hat, oder vielmehr, welche aus seiner absoluten 
Natur folgen" (Eth. I 28 Schol), denn sie zeigt, in welchem 
Sinne Spinoza das Wort „immediate produci" gefasst wissen 
will. Soweit müsste ihn allerdings der gerade Gang seiner 
Gedanken treiben, und doch ist er sich, wie man bei genauerem 
Eingehen bemerken kann, nicht treu geblieben. Zwar wird 
die Behauptung aufgestellt, dass die aus der absoluten Substanz 
direkt hervorgehenden Modi ewig, d. h. der früheren Definition 
zufolge zeitlos seien, aber wie wird sie bewiesen? Dadurch, 
dass gezeigt wird, dass ein solcher Modus, wenn er zeitlich 



— 23 — 

begrenzt gedacht würde, aus seiner ewigen Ursache nicht not- 
wendig folgen könnte, wie es vorausgesetzt war. Hieraus 
ergiebt sich jedoch nicht, dass dieser Modus zeitlos, sondern 
dass er zeitlich unbegrenzt, in unendlicher Dauer existiere. 
Das wahrhaft ewige, im Wesen begründete Dasein hätte auch 
nie dadurch erschlossen werden können, dass man es auf eine 
bestimmte Dauer bezog, sondern nur, indem man ihm die 
gesammte Dauer als ein vom Wesen nicht abhängiges Dasein 
gegenüberstellte, aus deren Verneinung sodann die Ewigkeit 
gefolgt wäre. Darin, dass Spinoza das nicht gethan hat, offen- 
bart sich eine Schwäche, übrigens dieselbe, welche er durch 
Heranziehung des cartesianischen Beweises von der Ewigkeit 
Gottes bekundet hat (S. 22). Es ist damit aber zugleich eine Be- 
stätigung unserer Annahme (S. 12, 14) gegeben, dass die 
Ewigkeit, wie sie aus dem Begriff der Gottheit stammte, so 
auch nur in Verbindung mit ihr ihre logische Rechtfertigung 
findet. In Wirklichkeit ist sie nicht auf die unendlichen Modi 
ausgedehnt worden, wenn dies auch Spinoza nicht zum Be- 
wusstsein gekommen ist. 

Doch sieht man davon ab, so lässt sich als zweiter 
Fortschritt in der Ethik wahrnehmen, dass sie Bewegung 
und Denken als bestimmte Daseinsformen aus dem Beweise 
entfernt, den sie allgemein und abstrakt fasst, und drittens, 
dass sie diesen unmittelbaren Wirkungen der Substanz 
eine zweite Reihe aus ihnen hervorgehender, gleichfalls ewiger 
Modi angliedert. Der 64. Brief an Schuller, welcher ebenfalls 
als Beispiele der ersten Art im Attribut des Denkens den 
absolut unendlichen Verstand, in der Ausdehnung Ruhe und 
Bewegung nennt, fügt als Beispiel der zweiten Art die Form 
des ganzen Universums hinzu. Hier verändern sich zwar die 
einzelnen Teile auf unendliche Weise, sie selbst aber bleibt 
ewig dieselbe, 

2. Getrennt von den unendlich-ewigen Modis aber läuft 
eine andere Reihe von Daseinsformen, welche endlich sind und 
eine bestimmte Existenz haben (I 28), und unter ihnen 
wiederum befindet sich eine Gattung, deren Behandlung der 
grösste Teil der Ethik gewidmet ist, es ist der Mensch. Er 
besteht aus gewissen Daseinsformen göttlicher Attribute (II 10 
Cor.) und zwar (II 13 Cor.) einem Körper, jenem Modus, 
welcher die Natur Gottes, nach der Seite seiner Ausdehnung 
betrachtet, auf eine bestimmte Weise wiedergiebt (11 Def. 1), 
und dem Geiste (II Ax. 2), welcher eine Bestimmung des Denkens 
ist und wiederum in verschiedener Weise sich kundgiebt, als 
Idee, als Gefühl, Streben u. s. w. (11 Ax. 3). Von diesen ist 
es die Idee, welche allen anderen Daseinsformen des Denkens 
vorangeht (U Ax. 3) und dessen Wesen ausmacht (nach II 
Def. 2). Denn nur, wenn sie existiert, können auch die 



— 24 — 

übrigen Modi da sein, sobald sie aber aufgehoben ist, hat auch 
der Geist zu sein aufgehört (nach Ax. 3). Das Verhältnis 
zwischen Körper und Geist ist nicht ein derartiges, dass jener 
auf diesen einen Eindruck ausübt und dadurch bewirkt, dass 
ein Bild seiner selbst im Geiste erzeugt wird, sondern es stellt 
sich als ein durchaus paralleler Vorgang dar, indem mit dem 
Erscheinen des Geistes in der Wirklichkeit auch der Körper 
hervortritt und umgekehrt das Auftreten des Körpers notwendig 
das Dasein des ihm entsprechenden Geistes erfordert (nach 
P. 7). Genau genommen aber ist es die Idee, die Vorstellung 
des menschlichen Körpers, welche als erste der mannigfachen 
Erscheinungsarten des Denkens (Ax. 3) zugleich mit dem 
Körper auftreten muss, ja sogar den Körper allein zu ihrem 
Objekte hat (P. 13), d. h. nichts anderes enthält als die Be- 
stimmungen desselben. Denn beide sind Wirkungen eines und 
desselben Wesens, der absoluten Substanz, welche sich durch 
sie in bestimmter Weise in den Attributen der Ausdehnung 
und des Denkens äussert. Der Körper als Modus der Aus- 
dehnung und der Geist als Idee jenes Modus sind ein und 
dasselbe Ding, nur nach verschiedenen Seiten betrachtet (nach 
P. 7 Schol). 

Auf dieser kurz dargestellten Grundlage erhebt sich die 
Lehre Spinozas von der Ewigkeit des menschlichen Geistes. 
Der Beweis für diese wird erbracht, indem die göttliche 
Substanz als Vermittlerin hinzugezogen wird. In Gott ist 
nämlich notwendig auch eine Idee alles dessen, was aus 
seinem Wesen notwendig folgt (II P. 3), nun folgt nicht nur 
die Existenz, sondern auch die Wesenheit der Dinge, mithin 
auch die des menschlichen Körpers aus Gott (I P. 25) und 
zwar mit ewiger Notwendigkeit (I P. 16) [ewig darum, weil 
ihre Ursache die ewige Gottesnatur ist]. Es giebt also in Gott 
notwendig eine Idee, welche die Wesenheit unseres Körpers 
unter dem Gesichtspunkte der Ewigkeit ausdrückt. Eben diese 
Idee aber ist nichts anderes als das Wesen des menschlichen 
Geistes (II P. 13), welcher daher selbst das Wesen seines 
Körpers als ewig aus der Natur Gottes folgend begreift. Nun 
ist ihm aber nur insofern zeitliche Dauer zuzuschreiben, als er 
die wirkliche Existenz seines Körpers vorstellt (II P. 8 Cor.). 
Mithin wird der Teil des Geistes, welcher das Wesen des 
Körpers unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit begreift, nicht 
der Dauer unterworfen, sondern ewig sein (V P. 23). 

Welches aber ist der Weg, auf dem wir uns ewiges 
Dasein erringen? Der obige Beweis hat ihn bereits ange- 
deutet, es ist das klare Denken, welches uns zu diesem Ziele 
verhilft. Das Wesen unseres Geistes besteht, wie schon oben 
(S. 24 f.) gezeigt (s. auch V 9 Dem. u. a.), in der Idee des mensch- 
lichen Körpers, dessen Erregungen ersämmtlich erfasst(IIP. 12). 



— 25 — 

Da nun letzterer von sehr vielen äusseren Körpern affiziert 
wird (II Posth. III nach Lemma 7), hat auch der Geist die 
Ideen derselben. Er begreift sie aber in zweierlei Weise, 
entweder an und für sich, ohne ihre Ursachen, sowie sie ihm 
gerade zufällig entgegentreten, oder indem er sie prüft, ver- 
gleicht, Uebereinstimr^endes und Verschiedenes an ihnen fest- 
stellt, überhaupt die Dinge nach ihrer wahren Natur zu er- 
kennen strebt (nach 11 29 SchoL). Im ersteren Falle ist die 
Einbildungskraft (imaginatio), im letzteren die reine Vernunft 
im Sinne Spinozas (ratio) thätig ; dort entstehen verworrene, 
inadäquate, hier klare und bestimmte, adäquate Ideen (Das.) ; 
dort werden die Dinge bald als vergangene, bald als zukünftige, 
und im Ganzen als zufällige (II P. 44 Cor. 1.), hier aber als 
wahre (11 P. 41), als notwendige (II P. 44) angesehen, oder 
unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit betrachtet (II P. 44 
Cor. 2), und es wird das ewige und unendliche Wesen Gottes 
in ihnen erblickt (11 P. 47). „Es bilden daher (den Inhalt 
und) die Grundlagen der Vernunft diejenigen Begriffe, 
welche jenes ausdrücken, was allen gemeinsam ist, und nicht 
das Wesen eines einzelnen Dinges ausdrücken, deshalb aber 
ohne eine Beziehung auf die Zeit, vielmehr unter einer Form 
der Ewigkeit begriffen werden müssen" (11 44 Cor. II Dem.). 
Ist nun so die Vernunft, welche^ als zweiter Erkenntnisgrad 
bewirkt, „dass wir Gemeinbegriffe und adäquate Ideen der 
Eigenschaften der Dinge haben" (II 40 Schol. 2), so erreichen 
wir dieses Ziel sicherer und unmittelbarer durch die dritte und 
vollkommenste Art des Erkennens, die intuitive Erkenntnis. 
Diese hat die Aufgabe, „von der adäquaten Idee des formalen 
Wesens einiger Attribute Gottes bis zur adäquaten Erkenntnis 
des Wesens der Dinge vorzuschreiten" (Das.). Sie soll nicht 
wie die Vernunft durch Sondern und kritisches Sichten, durch 
Unterscheiden des Wahren vom Falschen ihre Ideen erlangen, 
sondern ohne überhaupt mit dem Falschen in irgend eine Be- 
rührung zu kommen, durch unmittelbare Anschauung die 
höchsten Prinzipien des Seins erkennen, um von ihnen aus, 
Schritt für Schritt vorwärts schreitend und alles mit mathe- 
matischer Bestimmtheit beweisend, zu dem Wesen der Einzel- 
dinge zu gelangen, welche notwendig aus ihnen folgen; sie 
soll also nicht, wie die Vernunft, auf induktivem sondern auf 
deduktivem Wege ihre Begriffe ableiten (II P. 47 Schol.). 
Dieses Verfahren hat auch Spinoza in seiner Ethik an- 
gewandt, indem er zuerst über die höchsten Bedingungen des 
Weltalls, die Substanz und ihre Attribute, spricht, um dann 
der aus ihnen hervorgehenden ewigen Welt der Modi seine 
Aufmerksamkeit zu widmen und schliesslich zu dem vergäng- 
lichen Reiche, dem Menschen und den Objekten seiner Er- 
kenntnis herabzusteigen, deren unveränderliches Wesen fest- 



— 26 — 

stellend. Diese unmittelbare Erkenntnis, vermöge deren wir 
das Göttliche im Einzelnen schauen (V 24), ist noch mehr 
als die Vernunft das Mittel, die Ewigkeit des Geistes zu er- 
ringen, während sinnliche Vorstellung und Erinnerung, welche 
an die Erregungen des wirklich existierenden Körpers ge- 
knüpft sind, nur so lange bestehen, als der Körper dauert 
(V P. 21). Diesen also ist nicht, wie es die meisten Menschen 
glauben, ewiges Dasein zuzuerkennen (V 34 Schol.); sie 
schwinden mit dem wirklich existierenden Körper dahin, 
während die klaren und deutlichen Ideen der zweiten und 
dritten Erkenntnisart fortleben. 

Worin aber, fragt man weiter, besteht des Näheren der 
glückselige Zustand des Menschen im ewigen Leben? 

1. „Die Glückseligkeit muss darin bestehen, dass der 
Geist mit der Vollkommenheit selbst begabt ist" (V 31 Schol.). 
Diese jedoch ist nicht, wie man oft anzunehmen geneigt ist, 
in träger Ruhe und stiller Beschaulichkeit zu suchen, welche 
ihm etwa als Lohn für die vollbrachte geistige Arbeit winken. 
Das wäre gerade eine Unvollkommenheit, es förderte nicht die 
Realität des Geistes (11 Def. 6), weil es seinem Wesen nicht 
entspräche. Denn dieses ist lediglich klares und deutliches 
Erkennen (U 40 Schol. 2), welches notwendig mit Thätigkeit 
und nicht mit Ruhe verbunden ist (IE 1). „Je mehr nun ein 
Ding thätig ist, desto vollkommener ist es" (V 40) und „der 
ewige Teil des Geistes ist die Erkenntnis, vermöge welcher 
allein wir thätig heissen" (V 40 Cor.). Es ist also eine un- 
unterbrochene, denkende Thätigkeit, welche unser Geist 
in seinem ewigen Dasein zu üben hat, und zwar eben jene 
intuitive Erkenntnis, welche ihm (s. o.) vor allem die Ewig- 
neit erringt (V 21). „Je mächtiger daher jemand dieser Er- 
kenntnisgattung ist, . . . desto vollkommener und glückseliger 
ist er" (V 21 Schol.). 

2. und 3. Dieses adäquate Denken nun, die intellektuelle 
Versenkung des Geistes in die Natur der Dinge, die Betrach- 
tung der Wesenheit des Körpers und seines Zusammenhanges 
mit der übrigen Welt bringt zugleich die Erkenntnis Gk)ttes mit 
sich (V 24), der als die Ursache des Wesens der Dinge (I 25) 
mit ihnen zugleich begriffen werden muss (I Ax. 4). Ferner 
aber wurde dieses Denken soeben als eine Thätigkeit erkannt, 
welche die Natur unseres Geistes ausmacht, und insofern ist 
es auch als eine Tugend anzusehen (IV Def. 8). Die klare 
Erkenntnis Gottes, des höchsten Wesens, ist daher die höchste 
Tugend des Menschen (IV 28), führt ihn zur grössten Voll- 
kommenheit, d. h. erzeugt in ihm die höchste Freude (Äff. 
Def. 2). Diese aber, dem adäquaten Begriffe Gottes ent- 
springend, ist 

a) einerseits von dem Bewusstsein begleitet , dass es der 



— 27 — 

Denkende selbst sei, der diese wahre Idee habe (II 43), 
also der Idee seiner selbst, welche beide zusammen (Äff. 
Def . 25) die höchste Befriedigung erzeugen ; 
b) andererseits nichts anderes, als die Liebe zu Gott (Aft. 
Def. 6), und da wir ihn hier in seiner ewigen Wesenheit 
erkennen (intelligere), die intellektuelle Liebe zu Gott 
(V 32 Cor.). Sie ist, weil aus dem ewigen Denken folgend, 
selbst ewig (V 33) und versetzt uns in den Zustand der 
Glückseligkeit (V 36 Schol.). 

4. Doch noch mehr als diese Liebe empfindet der ewige 
Geist. Indem er das Wesen seines Körpers erfasst, denkt er 
ihn unter dem Gesichtspunkte der Ewigkeit (V 29) und dringt 
damit selbst in das Wesen der Gottheit ein, zu welcher die 
Ewigkeit gehört (V 30 Dem.). „Er hat damit notwendig eine 
Erkenntnis Gottes und weiss, dass er in Gott ist, und 
durch Gott begriffen wird" (V 30). Er fühlt sich als ein Glied 
des ewigen Universums, als Teil von Gottes ewigem und 
unendlichen Intellekt (V 40 Schol.), und die intellektuelle Liebe, 
die ihn beseelt, verknüpft ihn so innig mit der Gottheit, dass 
seine Liebe Gottes Liebe, und umgekehrt die Liebe Gottes 
seine Liebe genannt werden kann (V 35), und dass, genauer 
gefasst, seine Glückseligkeit „in der beständigen und ewigen 
Liebe zu Gott und in der Liebe Gottes zu dem Menschen be- 
steht" (V 36 Schol.). 

5. Sie lässt auch keinerlei Unruhe oder Besorgnis 
in den Menschen aufkommen. So wird er, ganz der adäquaten 
Erkenntnis hingegeben, ganz im Anschauen des erhabensten 
Wesens begriffen, den Tod nicht fürchten (V 38), zumal da 
es nur der geringere [und unvollkommenere] Teil seines Geistes 
ist, welcher diesem Schicksale anheimfällt (V 38 Schol.). „Der 
Weise", schliesst Spinoza seine Ethik, „wird kaum in der 
Seele beunruhigt, sondern seiner, Gottes, und der Dinge in 
einer ewigen Notwendigkeit bewusst, hört er niemals auf zu 
sein, sondern geniesst immer die wahre Seelenruhe (V42 
Schol.). 

6. Endlich findet der Geist in der Ewigkeit die wahre 
Freiheit. Denn frei sein heisst nicht der Willkür und seinen 
Lüsten (V 41 Schol.), sondern dem Gebote der Vernunft folgen 
(IV 67 Dem.). Und das gerade thut der ewige Geist. Im 
Gefühle seiner Freiheit denkt er überhaupt nicht über den Tod, 
sondern nur über das Leben nach (IV 67), und dieses Gefühl 
ist identisch mit seiner Glückseligkeit (V 36 Schol.). 

Die Verschiedenheit der soeben entwickelten Anschau- 
ungen von denjenigen, welche wir bisher über die Unsterb- 
lichkeit der Seele kennen gelernt haben, springt in die Augen. 
Zunächst ist jener Gesichtspunkt der Vereinigung, der als 
durchgängiges Merkmal der Unsterblichkeit alle Aeusserungen 



— 28 — 

des kurzen Traktates begleitet, hier nicht mehr zu entdecken. 
Hat sich aber damit die äussere Gestalt der Lehre durchgängig 
verändert, so ist auch ihr Inhalt nicht derselbe geblieben. Zwar 
haben sich die beiden Kernpunkte, die hohe Bedeutung der 
intuitiven Erkenntnis ^Is Mittel und ausschliessliche Thätigkeit 
im ewigen Leben und die daraus entspringende Liebe des 
Geistes zu Gott erhalten, aber auch nur, um manche Ver- 
besserungen zu erfahren. Die erstere wurde in ihrer Allein- 
herrschaft durch die zweite Erkenntnisart, die Vernunft, be- 
schränkt, deren Ideen als adäquate (Eth. 11 40 Schol. 2) und 
wahre (Eth. II 41) angesehen werden, sodass sie die Dinge 
unter dem Gesichtspunkte der Ewigkeit betrachtet (II 44 Cor. 2) 
d. h. selbst ewig ist (V 31 Dem.), während im kurzen Trak- 
tate der Vernunft nur die Macht eingeräumt wird, die durch 
Hörensagen entstandenen, nicht aber die durch direkte Erfahrung 
gewonnenen Wahnvorstellungen zu berichtigen (Th. II 21 [2]), 
daher in keinem Falle unsere Glückseligkeit zu bewirken (Th. 11 
22 [1]).^) Zweitens aber wird für die ewige Gottesliebe der neue 
Begriff der intellektuellen Liebe geprägt (Eth. V 32 Cor.) und 
sowohl ihre Allmacht (V 37) als auch die sie begleitende Ruhe des 
Gemüts (V 27) und Freude in Gott (V 32) ausführlich dargethan, 
was der kurze Traktat für unnöthig hält (Th. II 24 [1]). Und end- 
lich wird hier eine Liebe Gottes zum Menschen ange- 
nommen (V 36 Cor., Das. Schol.), welche jener verwirft 
(Th. n 24 [2]).^) Sind die genannten Veränderungen als eine 
reifere Ausgestaltung, als ein Fortschritt anzusehen, so bietet 
dagegen die Ethik in Bezug auf das Verhältnis des ewigen 
Geistes zum Körper noch keine befriedigende Erklärung. Der 
kurze Traktat hatte da gelehrt, dass der Körper durchaus 
sterblich sei, ohne ihn als ausgedehnten Modus auch nur im 
mindesten dem ihm entsprechenden Denkmodus, dem ewigen 
Geiste, gleich zu setzen. Dies war freilich dort, wo der ab- 
solute Parallelismus der körperlichen und geistigen Zustände 
noch nicht ausgesprochen war, nicht zu erwarten, wohl aber 
hier in der Ethik, welche mit geradezu staunenswerter Conse- 
quenz jeder körperlichen Affektion eine geistige gegenüber 
stellt; freilich nur, solange Körper und Seele des actuellen 
Daseins sich erfreuen. Bevor jedoch die Ewigkeit des Geistes 
bewiesen werden soll, heisst es: „Nun aber ist es Zeit, auf 
das überzugehen, was zur Dauer (!) des Geistes ohne Be- 
ziehung auf den Körper gehört" (V 20 Schol. Schluss), und 
nachdem dies geschehen ist, wird gesagt: „Das ist es, was ich 
über den Geist, sofern er ohne Beziehung auf die körperliche 
Existenz betrachtet wird, zu zeigen mir vorgenommen hatte" 
(V 40 Schol.). Beide Sätze, nach denen nur dem Geiste und 
nicht dem Körper ewiges Dasein zuerteilt wird, machen nur 
dem gemeinen Glauben und dem religiösen Bedürfnisse Spinozas 



— 29 — 

selbst ein Zugeständnis und durchbrechen ihnen zuliebe die 
strenge Folgerichtigkeit des Systems, lassen aber zugleich 
ahnen, wie fest und tief die gewöhnliche Unsterblichkeitslehre 
in unserem Denker gelebt haben muss, wenn sie noch hier, 
in der Ethik, eine lang fortgesetzte Reihe von Gedanken plötz- 
lich aufhalten und am pflichtgemässen Vorwärtsschreiten hindern 
konnte. Doch ganz konnte der in der Natur der spinozistischen 
Lehre liegende Zug nicht unterdrückt werden, und fast un- 
beabsichtigt bricht sich der Parallelismus Bahn in den Lehr- 
sätzen, nach denen der Geist etwas nur in sofern unter dem 
Gesichtspunkt der Ewigkeit betrachtet, als er das Wesen seines 
Körpers unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit betrachtet 
(V 29), in diesem Falle aber Gott erkennt und sich in ihm 
fühlt (V 30), und derjenige, welcher einen besonders befähigten 
Körper hat, auch einen Geist besitzt, dessen grösster Teil ewig 
ist (V 39). Hier erst kommt rein und unverfälscht das spino- 
zistische Prinzip zum Ausdruck, welches sonst bei der Ewig- 
keit des Menschengeistes gegenüber dem Volksglauben zurück- 
gesetzt worden war, das Prinzip nämlich, dass die Ordnung 
und Verknüpfung der Ideen (Geister) dieselbe sei wie die 
Ordnung und Verknüpfung der Dinge (Eth. II 7).*) 



II. Abschnitt. 

Waren im ersten Teile unseres Abschnittes die verschie- 
denen Aeusserungen Spinozas über das Ewige zusammen- 
gestellt und in das Ganze einer Entwickelungsreihe eingefügt 
worden, zeigte sich dort, wie der Begriff der Ewigkeit sich 
allmählich aus dem der Dauer herauswand, um ihm gegen- 
über eine selbständige Stellung einzunehmen und schliesslich 
in der Ethik seine Anwendung auf Substanz und Modus zu 
finden, so konnten die Resultate doch nur an den einzelnen 
Seinsarten in ihrer Besonderheit eingehender nachgewiesen und 
geprüft werden, der Zusammenhang der letzteren dagegen 
wurde nur oberflächlich berührt. Man erfuhr nur, dass 
Substanz, Attribut und die unendliche Daseinsform ewig seien 
und im Gebiete des Endlichen die menschliche Seele Ewigkeit 
und ein seliges in Gott ruhendes und von Liebe und höchster 
Befriedigung erfülltes Leben erlangen könne. Sobald man 
aber des Näheren auf das Verhältnis zwischen unseren Grund- 
begriffen eingeht, die Beziehungen der einzelnen Teile in der 
ewigen Welt genauer festzustellen sucht, ergeben sich manche 
Fragen, die wir nun zu erörtern haben. 



Den Standpunkt, welchen Spinoza im Prinzip in der 
Ewigkeitslehre seiner Ethik einnimmt, hat er selbst in der 
8. Definition des 1. Teiles dargelegt. Darnach ist ihm ewiges 
Sein die Existenz im Wesen der Dirlge, die vollkommene 
Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Daseins. Wie aber 
gestaltet sich die Durchführung dieses Grundsatzes? Sowei- 
sie die göttliche Substanz betrifft, durchaus klar und folget 
richtig. Ist Gott doch das Wesen, welches „in sich ist", also 
den höchsten Grad der Selbständigkeit ausdrückt. Seine 
Existenz kann ja nur eine wahrhaft ewige sein, da es nichts 
Vollkommeneres giebt, welches sie der Gottheit mitgeteilt 
haben könnte. Wie aber steht es mit dem Dasein der Modi? 
Diese sind nichts als „Bestimmungen der Substanz oder das, 
was in einem Anderen ist" (Eth. I Def. 5); von diesem 
Anderen, der Substanz, erst haben sie somit ihre Existenz 
entlehnt. Schon ihre Natur widerstrebt daher, indem sie eine 



— 31 — 

Unselbständigkeit einschliesst, der spinozistischen Ewigkeit. 
Ferner hat unser Philosoph von den unendlichen Modi aus- 
drücklich hervorgehoben, dass sie aus Gott folgen (I 23), und 
von der Gesamtheit der Daseinsformen erklärt, dass sie zu 
der gewirkten Natur gehöre (I 29 Schol.), jede Folge oder 
Wirkung aber setzt eine Ursache voraus, und dieser, nicht 
sich selbst verdankt sie ihr Dasein. Wie durfte aber dann 
überhaupt ein Modus ewig genannt werden, da ja gerade die 
Ewigkeit in dem Gegenteil, nämlich in der zum eigenen Wesen 
gehörigen Existenz besteht? 

Dagegen wird man einwenden: Wohl sei eine Abhängig- 
keit der ewigen und unendlichen Modi von der absoluten 
Substanz nicht zu leugnen, diese sei jedoch nicht darin zu 
erblicken, dass erstere ihr Dasein von der letzteren erhalten 
hätten, sondern nur darin, dass sie in ihrer Thätigkeit von 
der Gottheit beeinflusst, kurz, dass sie nicht „ad existendum" 
sondern „ad operandum" bestimmt würden. Das sei eben 
das Eigentümliche der Erscheinungsform an sich, dass sie das 
durch sie Erscheinende in gewisser Weise zum Ausdruck 
bringe; doch darunter sei nicht ihre völlige Erschaffung zu 
verstehen, vielmehr sei die Substanz ohne jeden Modus ebenso 
undenkbar, wie die Ursache ohne Wirkung, könne also ohne 
ihn nie gewesen sein, ihn mithin nicht hervorgebracht haben. 
Demnach sei das Verhältnis unserer beiden Faktoren als ein 
derartiges anzusehen, dass von Ewigkeit her die unendlichen 
Daseinsformen in der Substanz bestehen und als notwendige 
Ergänzung die letztere stets auszudrücken bestimmt seien. 

Diesem Einwurf wird man seine Berechtigung nicht ver- 
sagen können. Gewiss ist es wahr und schon im vorigen 
Teile gezeigt worden, dass Spinoza in der Ethik nicht mehr 
von vor aller Ewigkeit geschaffenen Erscheinungsweisen redet, 
sondern diese der Entwicklung seines Denkens gemäss bereits 
zu höheren Graden erhoben hat, so dass sie zwar ohne Sub- 
stanz nicht vorhanden sind, so notwendig aber wie jene auch 
selbst zu allen Zeiten oder vielmehr zeitlos — ewig existiren 
müssen. Damit aber tritt nur umso schärfer der Gegensatz 
zwischen der eigentlichen Meinung unseres Philosophen und 
Aeusserungen hervor, in denen er allen Produkten der Substanz 
nicht nur, was berechtigt ist, selbständige Thätigkeit, sondern 
auch selbständige, unabhängige Existenz abspricht. Wie ist 
z. B. die spinozistische Ewigkeit der aus der göttlichen Natur 
folgenden Modi mit dem Satze zu vereinen: „Das Wesen 
der von Gott hervorgebrachten Dinge schliesst nicht die 
Existenz ein" (I 24)? Hiermit wird gerade das bejaht, was 
soeben unter dem Drucke unseres Einwandes hatte verworfen 
werden müssen. Dieser Behauptung zufolge würde auch eine 
unendliche Existenz dieser hervorgebrachten Wesenheiten nicht 



— 32 — 

wahrhaft ewiges Sein, sondern Dauer ohne Anfang und Ende 
genannt werden müssen, indem ihr Dasein in dauernder Ab- 
hängigkeit von einer anderen Ursache bleibt; eine Identificirung 
beider Begriffe aber ist nach Spinoza unmöglich (I Def. 8 
Expl.). Doch sehen wir auch von der zuletzt hervorgehobenen 
Schwierigkeit ab, so bleibt unsere ursprüngliche Frage noch 
immer bestehen. Selbst dann, wenn unsere Daseinsformen 
niemals von der Gottheit geschaffen werden, sondern in 
ewigem Beharren in ihr sind und wirken, so erhalten sie doch 
von ihr all ihren Inhalt, all ihr Wesen, ohne sie sind sie ein 
Wesenloses, ein Nichts. Soll aber ein Ding, welches in sich 
solch eine absolute Abhängigkeit begreift, dessen Dasein ohne 
die Substanz undenkbar wäre, ewig sein, d. h. wiederum in 
sich die Existenz enthalten? Das ist offenbar ein Widerspruch. 
Wie ist also bei der in der Ethik gegebenen Definition der 
Ewigkeit ein ewiges Sein der Modi zu begreifen? 

Eine befriedigende, auf dem Boden des Systems ver- 
harrende Lösung des Problems erscheint unseres Erachtens 
nach nicht möglich, nur verständlicher, begreiflicher kann es 
gemacht werden, wenn man sich die Entwicklung des Ewig- 
keitsbegriffes noch einmal kurz vor Augen führt. Letzterer 
wurde in dem Augenblicke, wo er nicht mehr unendliche 
Dauer, sondern im Wesen enthaltene Existenz bedeutete, 
allein auf die Gottheit bezogen, und die cog. met. stellten ihn 
darum der Existenzform der Modi als einer von äusseren Ur- 
sachen bedingten, zeitlichen und vergänglichen auf das Schärfste 
entgegen. Dieser Gegensatz jedoch wurde in der Ethik that- 
sächlich nicht beseitigt, denn sie hat an der Definition lediglich 
eine äusserliche Verbesserung vorgenommen, indem sie den 
Namen ihres Gegenstandes, der Gottheit, daraus entfernte. 
Durch dieses Verfahren aber erhielt die Begriffsbestimmung, 
welche jetzt allgemein geworden war, formell auch das Recht, 
auf alles, was mit ewig bezeichnet wurde, bezogen zu werden, 
während sie in Wirklichkeit nach wie vor nur auf die Sub- 
stanz anwendbar war. Einen Modus, der im echt spino- 
zistischen Sinne ewig ist, kann es demnach nicht geben, und 
wenn unser Philosoph dennoch von ewigen Daseinsformen 
spricht, so befindet er sich im Widerspruch mit dem Gedanken 
seiner eigenen Definition und lehnt sich dem Ausdrucke nach 
dem allgemeinen Sprachgebrauche an, dem er, wie wir er- 
fuhren, schon so manche Zugeständnisse gemacht hatte. 
Höchstens Dauer ohne Anfang und Ende darf man somit den 
Modis beilegen, und in der That hat unser Denker nur eine solche 
von den unendlichen Bestimmungen der Substanz bewiesen 
(Eth. I 21), während er ihre Ewigkeit behauptet hatte 
(S. 23 f). 



i 



— 33 — 

b. 

Es steht fest, dass die allumfassende absolute Substanz an 
sich, d. h. ohne Modi nicht existiere, vielmehr durch sie erst sich 
offenbare. Ihr am nächsten, weil aus ihrer absoluten Natur 
hervorgehend, stehen die unendlichen Bestimmungen derselben, 
unter denen im Attribute des Denkens der unendliche Intellekt 
zu nennen ist. Dieser also umfasst das Wesen Gottes, inso- 
fern es als denkendes begriffen w^ird, und seinen Inhalt bilden 
die Ideen oder Geister, daher auch unser Geist (II 11 Cor., 
II 43 Schol., V 40 Schol.). Derselbe ist nun als Bestandteil 
dieses unendlichen Denkmodus, welcher selbst ewig ist, eben- 
falls ewig. Wenn aber so seine Ewigkeit feststeht, so erhebt 
sich die Frage, ob er als gesondertes, von anderen genau 
unterschiedenes und als solches sich fühlendes Einzelwesen 
sein ewiges Leben führe oder in ein unterschiedsloses Denk- 
meer versinke, ohne in ihm ein individuelles Sein zu besitzen, kurz 
ob seine Existenz in der Ewigkeit eine persönliche sei oder nicht. 

1. „Es ist, wie gesagt, diese Idee, welche das Wesen des 
Körpers unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit ausdrückt, ein 
gewisser Modus des Denkens, welcher zum Wesen des Geistes 
gehört und welcher notwendig ewig ist" (V 23 Schol.), oder 
einfacher: Der menschliche Geist ist insofern ewig, als er das 
Wesen seines Körpers unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit 
erfasst (V 22 u. 23), lehrt Spinoza und verweist uns damit 
bei der näheren Betrachtung der ewigen Verhältnisse des Geistes 
auf das Wesen des Körpers. Und in der That ist dies ge- 
rechtfertigt angesichts der parallelen Beziehungen, welche 
beide Teile verbinden und bewirken, dass selbst die kleinste 
Veränderung auf der einen Seite von einer entsprechenden auf 
der anderen Seite begleitet ist. Mit ihrer Hilfe wird es denn 
auch, indem man das Wesen des Körpers bestimmt, möglich 
sein, das ewige Wesen des Geistes und damit seine Stellung 
in der ewigen Welt festzustellen. Man könnte diesem Versuche 
leicht entgegenhalten, dass er ayf umständlichem Wege das 
Wesen der Seele zu finden suche, während es doch schon 
durch die Definition gegeben sei: „Zum Wesen eines Dinges .... 
gehört das, durch welches, wenn es gegeben wird, das Ding 
notwendig gesetzt, und durch welches, wenn man es aufhebt, 
das Ding notwendig aufgehoben wird" (IL Def. 2). Doch diese, 
wird mit Recht darauf erwidert werden, giebt nur die Merk- 
male an, die allen dem Begriffe „Wesen" unterstellten Begriffen 
zukommen müssen, lässt aber noch immer die Frage offen, 
was in jedem bestimmten Falle thatsächlich darunter zu ver- 
stehen sei. Und gerade das ist hier, und zwar zuerst in 
Bezug auf den Körper auseinanderzusetzen. 

Die Grundelemente ausgedehnter Dinge sind nach Spinoza 
kleinste Körperchen, welche sich nicht der Substanz, sondern 

3 



i 



— 34 — 

dem Grade ihrer Bewegung nach von einander unterscheiden, 
(II Lemma 1). Sie vereinigen sich zu einem Individuum, in- 
dem sie ^ihre Bewegungen in einer gewissen Weise einander 
mitteilen" (Def. vor Lem. 4), und diese ist es, welche über 
das Dasein des Individuums entscheidet. Daher kann das feste 
gemeinsame Bewegungsverhältnis der Teile in Wahrheit als 
Wesen eines Körpeis angesehen werden. Dieses Gesetz lässt 
sich auch auf unseren Körper beziehen, der ja nichts weiter 
als ein Individuum ist, welches in sich mehrere widerum zu- 
sammengesetzte Körper enthält (Post. I), und ist auch bereits 
früher von unserem Philosophen selbst angewendet worden 
(s, Anm. zur Vorr. d. 2 Th. d. Tr. br. Sig\v. S. 57 ff.). 
Ebendaselbst wird aber auch erklärt, dass jenes Verhält- 
nis, z. B. 1 : 3, keineswegs für ewig bestehe, sondern zerstört 
werden könne, in welchem Falle der Tod eintrete (Anmerk. 14). 
Dasselbe stellt also das Wesen unseres Körpers nur dar, in- 
wiefern er ein besonderes, für sich bestehendes Einzelding ist 
und unter dem Gesichtspunkt der Vergänglichkeit betrachtet 
wird, und insofern wird unser Körper überhaupt von Spinoza 
einer Behandlung gewürdigt. Wir aber werden, von den 
gegebenen Prämissen ausgehend, auch über sein zeitlos-ewiges 
Wesen urteilen können. Dieses wurzelt nämlich, genau wie 
das der Seele im unendlichen Intellekt, seinerseits in der all- 
gemeinen Bewegung und Ruhe, welche als ein dem unend- 
lichen Verstände genau entsprechender Modus (I 32 Cor. 2) 
ebenfalls ewig ist. Wenn nun das Wesen des Körpers als eines 
besonderen Modus dem Untergange geweiht, die allgemeine Bewe- 
gung dagegen als ein unendlicher Modus ewig ist, was liegt da 
näher als die Annahme, dass die Ewigkeit jenes nur im All- 
gemeinen zu finden sei, oder genauer nur insofern bestehe, 
als das Wesen des Körpers teilhabe an der unendlichen Be- 
wegung und Ruhe und mit dem ihnen eigenen Verhältnisse 
zu einander übereinstimme! Das also ist das Wesen des 
Körpers, unter dem Gesichtspunkte der Ewigkeit betrachtet. 
Es würde nun der vollen Consequenz des Gedankens nach 
durchaus seine Besonderheit verlieren und sich ganz und gar 
in die allgemeine Natur auflösen. 

Den Gestaltungen des Körpers jedoch müssen auf Grund 
des Parallelismus auf das Allergenaueste die Bestimmungen 
des Geistes, die Ideen, entsprechen. Wie jene werden auch 
sie nicht sein Wesen ausmachen, sondern einzeln sich ver- 
ändern oder verschwinden können, ohne dass dadurch die 
Natur des Ganzen eine andere werden oder der Zerstörung 
anheimfallen muss (U 24 Dem. Ende). Vielmehr ist es dem 
Körper entsprechend ein ganz bestimmtes Verhältnis der Ideen 
zu einander, eine gewisse Art ihrer Vereinigung, welche das 
Wesen der Seele bildet. Aber auch da nur, sofern sie als ein 



— 35 — 

wirklich existierendes, als ein endliches und vergängliches Ding 
angesehen wird [Man beachte, dass 11 P. 15 — 32 excl. sich 
lediglich auf das zeitliche Dasein unseres Geistes beziehen]. 
Als ewiger Modus dagegen wird sie, auch darin dem Körper 
gleichend, in allgemeinen Intellekt zerfliessen und in ihm voll- 
kommen lebend, sich als etwas Individuelles zu denken auf- 
hören. Indem sie das ewige Wesen ihres Körpers erkennt, 
wird die unendliche Ausdehnung, in welche er ja übergeht, und 
damit das ewige und unendliche Wesen Gottes ihr Objekt; als 
Idee eines Unendlichen aber kann sie unmöglich ein Endliches 
und Besonderes sein, sondern muss selbst zum Unendlichen 
werden, d. h. sich mit dem göttlichen Intellekt identificieren. 

2. Ergiebt sich schon vom Standpunkt des Parallelismus 
der Attribute eine unpersönliche Existenz des Geistes im ewigen 
Leben, so erhält man dasselbe Resultat, wenn man den Inhalt 
desselben einer genaueren Prüfung unterzieht. Dieser zerfällt 
nämlich in zwei Hälften, in die Erzeugnisse der Imagination 
und der eigentlichen Denkkraft. Jene sind die unvollständigen, 
unzusammenhängenden, einzelnen Ideen, welche eng an den 
vergänglichen Körper gefesselt sind und nur solange existieren, 
als er selbst dauert (V 21), also mit seiner Zerstörung eben- 
falls vergehen; diese aber geniessen eines ewigen Daseins, sind 
jedoch nicht besondere, sondern gerade allgemeine Begriffe 
(II 40 Schol. 2), allgemein als Produkte der Vernunft und 
ganz besonders der intuitiven Erkenntnis, durch welche das 
göttliche Wesen angeschaut wird. Bilden aber diese die Be- 
standteile des ewigen Geistes, so wird auch seine Existenz 
eine allgemeine sein, und das Gefühl des Persönlichen vor 
dem Bewusstsein des Grossen und Ganzen zurücktreten, 
welches durch die Gemeinbegriffe ausgedrückt wird. Doch hier 
hat Spinoza der ewigen Seele einen kleinen Ueberrest von 
Persönlichkeit gelassen, indem er ihr bei ihrer Allgemeinheit 
immerhin einen Grad von Besonderheit anhaften lässt, und 
indem er es als die Aufgabe der dritten Erkenntnisart, welche 
sie auszubilden hat, bezeichnet, von der Idee der unendlichen 
Attribute „zur adäquaten Erkenntnis des Wesens der Dinge 
fortzuschreiten", also vom Allgemeinen einen Schritt zum 
Besonderen zu thun. 

3. Nachdem wir soeben von zwei Grundgedanken des 
spinozistischen Systems aus im Allgemeinen zu derselben Be- 
hauptung gelangt waren, werden wir sie drittens durch besümmte 
Bemerkungen unseres Philosophen zu stützen suchen. „Das 
was allen gemeinsam ist", lautet ein Lehrsatz, „und was 
ebenso in einem Teile wie im Ganzen ist, macht nicht das 
Wesen irgend eines einzelnen Dinges aus* (11 37). Die Ge- 
meinbegriffe also, aus denen der ewige Geist besteht, können 
nicht als Wesensbestandteile einem besonderen Modus angehören, 



— So- 
und daher muss unsere ewige Seele ein Allgemeines sein. 
Ebendahin führen auch die Worte: „Daher sind sie [die Ideen] 
inadäquat und verworren nur, sofern sie sich auf den ein- 
zelnen Geist irgend eines Menschen beziehen" (II 36 Dem.). 
Daraus schliesst man consequent, dass adäquate Ideen, und 
diese sind gerade das Ewige in uns, nie Teile eines einzelnen 
Geistes sein können, zumal da^alle besonderen Dinge zufällig 
und zerstörbar sind" (II 31 Cor.). Ferner wird erklärt, dass 
man die Daseinsformen als wirklich begreife „entweder in 
Beziehung auf eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort", 
oder ^als in Gott enthalten" (V 29 Schol.). Hiermit wird also 
ein Gegensatz geschaffen zwischen der Existenz an einem 
bestimmten Orte und derjenigen in Gott, und da der ewigen 
Seele nur letztere zukommt (V v30), erstere aber die notwendige 
Voraussetzung für ein individuelles Dasein bildet, wird dieses 
auch hiernach dem Geiste nicht zugesprochen werden dürfen. 
Dann ist auch V 20 Schol. hier anzuführen. Im Anfange 
desselben sagt nämlich unser Philosoph: „Und damit habe ich 
das alles, was der Geist, blos an sich betrachtet, gegen 
die Affekte vermag, zusammen gefasst" ; zum Schluss aber wird 
bemerkt: „Und damit habe ich alles, was sich auf dieses 
gegenwärtige Leben bezieht, abgehandelt." Aus der Ver- 
gleichung dieser beiden einander so ähnlichen Äusserungen 
ergiebt sich klar, dass unsere Seele nur in dem vergänglichen 
Leben ein besonderes Wesen ist, in der Ewigkeit aber, wird 
man folgern, diese Sonderstellung aufgiebt. Ferner erwähnen 
wir folgende Aeusserung: ^Der Mensch ist die Ursache der 
Existenz, nicht aber des Wesens eines anderen Menschen, 
denn dieses ist eine ewige Wahrheit; und deswegen können 
sie ihrem Wesen nach vollkommen übereinstimmen, im 
Existieren aber müssen sie verschieden sein, und darum wird, 
wenn die Existenz des einen aufhört, noch nicht die des 
anderen aufhören, wenn aber das Wesen des einen zerstrört 
oder falsch werden könnte, so würde auch das Wesen des 
anderen zerstört werden" (I 17 Schol.). Hier wird verschiedenen 
Einzelexistenzen, welche eben als solche vergänglich sind, ein 
ihnen Gemeinsames als ihr ewiges Wesen zu Grunde gelegt 
und somit ein Allgemeines gesetzt, in dem sie unterschiedslos 
zu sammenfliessen, und welches im Bereiche des Denkens der 
unendliche Intellekt ist (n. V. 40 Schol.). Ebendieselbe Vor- 
stellung ist es endlich, welche, auf die menschliche Seele be- 
zogen, den Grundgedanken des II. Anhangs bildet (Sigw. Sp's. 
kurz. Trakt. S. 152 ff. vgl. das. S. 231), und die aus dem- 
jenigen sich ergiebt, was Spinoza im 12., an L. Meyer gerichteten 
Briefe über das Unendliche sagt. Dasselbe kann darnach 
durch keinerlei Mass, Zahl und Zeit ausgedrückt werden, und 
unsere Unklarheiten über diesen Punkt rühren eben daher, dass 



— 37 — 

wir es nicht als das erkennen, „dessen Teile, obgleich wir ein 
Maximum oder Minimum davon haben, wir doch keiner Zahl 
gleichsetzen und durch keine ausdrücken können". Wendet 
man das auf den unendlichen Intellekt an, so folgt, dass auch 
seine Teile, unsere ewigen Seelen, nicht gezählt werden können, 
auch nicht bis ins Unendliche hinaus. Dann aber können sie 
unmöglich eine persönliche Existenz besitzen, da diese einer 
Zählung zugänglich ist. Somit ergiebt sich auch aus der 
Fassung des Begriffs der Unendlichkeit direkt ein unpersönliches 
Dasein des menschlichen Geistes in der Ewigkeit. 

Deuten diese Aeusserungen auf ein direkt unpersönliches 
Leben des ewigen Geistes hin, so fehlt es auch nicht an 
solchen, welche das Gegenteil zu behaupten scheinen. So 
sagt Spinoza: „Die intellektuelle Liebe des Geistes zu Gott ist 
Gottes Liebe selbst, womit Gott sich selbst liebt, nicht insofern 
er unendlich ist; sondern insofern er durch das Wesen des 
menschlichen Geistes, unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit 
betrachtet, ausgedrückt werden kann, d. h. die intellektuelle 
Liebe des Geistes zu Gott ist ein Teil der intellektuellen Liebe, 
womit Gott sich selbst liebt'* (V 36). Was nun von der 
intellektuellen Liebe gilt, das hat auch auf das Ding Bezug, 
von welchem dieses Gefühl ausgeht, und so ist auch der ewige 
Geist des Menschen nicht als identisch mit dem unendlichen 
Intellekt Gottes, sondern als Teil, als Modifikation desselben 
gedacht. Andererseits aber soll gerade hervorgehoben werden, 
dass er in Gott sei, dass er sich mithin als Element einer 
unteilbaren Substanz zu fühjen habe. Damit jedoch wird 
wieder auf seine Unpersönlichkeit hingespielt. In demselben 
Sinne nennt Spinoza die Idee des Wesens unseres Körpers 
„einen gewissen Modus des Denkens, der zum Wesen des 
Geistes gehört und welcher notwendig ewig ist" (V 23 Schol.), 
und das ist es auch, was später erklärt wird: „Dass unser 
Geist, sofern er erkennt, ein ewiger Modus des Denkens ist, 
welcher von einem anderen Modus des Denkens bestimmt 
wird, und dieser wiederum von einem anderen und so ins 
Unendliche, sodass alle zusammen Gottes ewigen und unend- 
lichen Intellekt ausmachen (V 40 Schol.). Auch hier soll mehr 
als das Besondere, Persönliche gerade der Zusammenhang und 
die innige Verknüpfung unseres Geistes mit den übrigen Be- 
standteilen des unendlichen Intellekts betont werden. Darum 
wird endlich in V 39 behauptet: „Wer einen zu sehr Vielem 
befähigten Körper hat, der hat einen Geist, dessen grösster 
Teil ewig ist"; und im Scholion zu diesem Satze wird be- 
merkt: „Wer einen zu sehr Vielem geeigneten Körper hat, 
der hat einen Geist, welcher, an sich allein betrachtet, sich 
seiner, Gottes und der Dinge sehr bewusst ist." Daraus geht 
aufs Klarste hervor, dass der Zustand des ewigen Geistes nicht 



— 38 — 

nur ein Bewusstsein seiner selbst, sondern auch der göttlichen 
Substanz und der in ihr lebenden Wesen ist, denen gegen- 
über die Bedeutung seines eigenen Ichs auf ein Minimum 
herabsinkt. 

Nach alledem wird man die eigentliche Meinung Spinozas 
über die Stellung der menschlichen Seele in der Ewigkeit dahin 
präzisieren können, dass zwar wiederholt das persönliche 
Moment hervortritt, dass aber sowohl die Grundsätze des 
Systems als auch die bei weitem überwiegende Anzahl der 
Aeusserungen Spinozas es gebieten, als seine eigentliche 
Meinung die unpersönliche Existenz des ewigen Geistes an- 
zunehmen.^) Wo unser Denker das Gegenteil behauptet, da 
setzt er sich schon mit der Grundtendenz seiner Philosophie 
in Widerspruch, welche ihn unmittelbar dazu treibt, aus dem 
Reiche der Ewigkeit alles Bestimmte und Individuelle aus- 
zuschliessen; da folgt er anderen Quellen, deren Einfluss er 
jedoch nicht mit dem Geiste seiner Lehre zu versöhnen 
vermag. 



c. 

Spinoza hatte durch seine Definition der Ewigkeit einen 
unüberbrückbaren Gegensatz zwischen dieser und der Dauer 
geschaffen, denn letztere ist ihm die Existenz des Dinges, so- 
fern sie von einer äusseren Ursache abhängt, erstere, sofern 
sie ein Ding in sich, in seiner eigenen Natur enthält. Daher 
konnte er auch sagen, dass „die Ewigkeit durch Dauer oder 
Zeit nicht ausgedrückt werden könne" (I. Def. 8. E^pL, 
V 29 Dem.). Dieser Grundsatz, auf den menschlichen Geist 
angewendet, bestimmt, dass auch sein vergänglicher Teil mit 
dem unvergänglichen in keiner Verbindung stehen dürfe, so- 
dass also das einem jeden denkenden Modus zugeteilte Mass 
des Sterblichen unwiederbringlich sterblich bleiben muss, und 
ein Uebergang zum ewigen Sein völlig ausgeschlossen ist. 

1. Wie ist es dann aber möglich, dass der Menschen- 
geist eine Ewigkeit erlangt, die nicht bereits von Urbeginn an 
in ihm vorhanden gewesen ist, dass kraft seiner Erkenntnis 
ein immer grösserer Teil von ihm ewig wird (V 38 Dem.)? 
Fliessen ihm die ewigen Ideen von aussen zu, so treten sie 
doch in einem bestimmten Zeitpunkte in ihm ein, vor welchem 
sie nicht in ihm gewesen sind, werden also schon damit unter 
dem Begriff der Zeit und der Dauer betrachtet und hören auf, 
wahrhaft ewig zu sein. Abgesehen davon aber vermag sie 
der Geist überhaupt nicht in einem bestimmten Augenblicke 
zu erfassen, da er als ewiger mit der Zeit nicht in Berührung 
tritt. Kommt ihm aber sein Zuwachs von innen her, indem 
Ideen aus seinem vergänglichen Teile sich in unvergängliche 



— 39 — 

verwandeln, so ist damit die Verbindung zwischen diesem und 
dem ewigen Teile hergestellt, was nach der Begriffsbestimmung 
der Ewigkeit niemals geschehen kann. Wird also letztere an- 
gewendet, so kann eine Vergrösserung des Umfangs der ewigen 
Seele nicht stattfinden. Mit der Zunahme an ewigen ist dann 
auch die Zunahme an adäquaten Ideen, welche ja sämmtlich 
ewig sind, und damit überhaupt die Gewinnung einer um- 
fassenderen Erkenntnis ausgeschlossen, was Spinozas Lehren 
offenbar widerstreitet. 

2. Erfordert schon die obige Betrachtung eine Ver- 
bindung des dauernden und ewigen Elements in unserer 
Seele, so wird dies noch klarer, wenn man näher auf das 
eingeht, welchem unsere Existenzformen anhaften, auf die 
Ideen. Diese sind nun teils inadäquat, teils adäquat und bilden 
darnach entweder die Imagination oder den Intellekt, von denen 
jene sterblich, dieser ewig ist (V 40 Cor.). Demnach geht 
die Existenz der Denkmodi auf die wahre oder falsche Er- 
kenntnis zurück, welche sie enthalten. Beide aber stehen 
gerade nach Spinoza in keinem schroffen, positiven Gegensatz 
zu einander. Denn ausdrücklich wird betont, dass das Falsche 
an den Ideen nichts Positives sei, sondern in einem Mangel, 
einer fehlerhaften Beschaffenheit derselben bestehe (II 33, 35). 
Und in der That werden nach Spinoza nur verworrene d. h. 
weniger klare ■ und durchaus klare, oder unvollständige und 
vollständige Erkenntnisse unterschieden, von denen jene ein- 
fach durch Vertiefung und Vervollkommnung des Denkens in 
die Reihe der letzteren erhoben, also aus der Dauer in die 
Ewigkeit versetzt werden. 

3. Und zwar geschieht das durch den Verstand, die 
Vernunft im Sinne Spinozas (ratio), dessen Vorhandensein 
schon an und für sich einen lebendigen Widerspruch gegen 
die schroffe Trennung beider Existenzformen bildet. Seine 
Aufgabe ist es ja gerade, die Einzelvorstellungen, welche, für 
sich betrachtet, inadäquat sind, zusammenzustellen, und in- 
dem er ihre gemeinsamen und trennenden Merkmale feststellt, 
sie zu klaren Ideen umzugestalten (II 29 SchoL). Gäbe es 
nun keine Vermittlung, so wäre auch die Wirksamkeit des 
Verstandes, der bei unserem Philosophen eine nicht unbedeut- 
same Rolle spielt, vollständig aufgehoben. 

Diese drei Punkte bilden einen schweren Angriff auf den 
Gegensatz der absoluten Scheidung zwischen ewiger und zeit- 
licher Existenz, eine Schwierigkeit, die wir aufzulösen nicht 
imstande sind, die wir aber auf eine allgemeinere und schon 
bekannte zurückzuführen vermögen. Schon oben (S. 38) 
mussten wir wahrnehmen, dass Spinoza nicht immer dem 
menschlichen Geiste dieselbe Stellung im göttlichen Intellekt 
einräumte, indem die Grundrichtung seiner Gedanken ihn 



— 40 — 

zwang, jenen im allgemeinen Denken ganz untergehen zu 
lassen, die Einwirkung einer fremden Quelle es jedoch ver- 
anlasste, dass er zuweilen auch seine persönliche Existenz be- 
tonte. Eine ähnliche Erscheinung tritt uns auch hier ent- 
gegen. 

Die Begriffsbestimmung der Ewigkeit erfordert, dass das 
Ewige dem Dauernden streng entgegengesetzt werde. Indem 
aber unser Philosoph jenes als das ^Itliche, das vollkommene 
und allein reale Sein ansieht, hätte er folgerichtig dieses als 
etwas nicht Reales, nicht wirklich Existierendes und nur unserer 
Einbildungskraft Erscheinendes betrachten, damit aber das 
Dasein einer zeitlichen Welt gänzlich leugnen müssen. So- 
-weit konnte indess Spinoza unmöglich gehen. Er hat es 
daher lieber aufgegeben, die Consequenz aus seiner Definition 
zu ziehen, um einerseits den dauernden Wesenheiten eine, 
wenn auch geringe Realität verleihen, andererseits aber im 
Denken überhaupt einen Uebergang von verworrenen, ver- 
gänglichen zu klaren, ewigen Ideen herstellen zu können. 
Bedenkt man nun, dass das ewige Sein das allgemeine, das 
zeitliche jedoch das besondere ist, so tritt auch hier wie bei 
den übrigen Fragen als die Grundursache aller Schwierigkeiten 
das Bestreben unseres Denkers hervor, die pantheistischen 
Prinzipien seines Systems mit der Wirklichkeit in Einklang zu 
bringen, dem Einzelnen gegenüber dem Unendlichen eine Be- 
deutung einzuräumen, ein Versuch, der ihn zwar mit der 
wirklichen Welt versöhnt, seinen Gedanken aber die Folge- 
richtigkeit raubt. 



II f. Abschnitt. 



Die bisherigen Ausführungen haben die Gedanken Spinozas 
über die Ewigkeit dargestellt und kritisiert, jedoch schon aus 
ihnen konnte man entnehmen, dass äussere Einflüsse seinen 
Lehren vielfach ihre Gestalt und Richtung gegeben haben. 
Und in der That hat unser Philosoph nicht in strenger Ab- 
geschlossenheit und kühner Unabhängigkeit dieselben gewonnen 
und fortgebildet, es haben vielmehr zu verschiedenen Zeiten 
verschiedene philosophische Anschauungen auf ihn eingewirkt. 
Von ihnen werden für unseren Zweck vor allem die Ansichten 
der jüngeren Scholastik, des Descartes sowie der jüdischen und 
arabischen Religionsphilosophen in Betracht kommen, des- 
gleichen die Philosophie des Giordano Bruno. Dagegen kann 
die Kabbala nicht berücksichtigt werden. Denn ihre Gedanken 
weisen zwar manche Berührungspunkte mit den spinozistischen 
Lehren auf, sind jedoch, soweit sie wenigstens unsere Frage 
betreffen, auch Bestandteile der arabischen und eigentlich 
jüdischen Religionsphilosophie, die dann mit viel grösserem 
Rechte als die eigentliche Quelle angesehen werden kann. 
Nach diesen Gesichtspunkten betrachtet, gestaltet sich in der 
Ewigkeitsfrage das Verhältnis Spinozas zu anderen Denkern 
in folgender Weise. 

a. 
Der Begriff an sich. 
Das Eigentümliche des Ewigkeitsbegriffes, wie es in der 
echt spinozistischen Ethik hervortritt, beleuchtet am hellsten 
die Beziehungen Spinozas zur Scholastik seiner Zeit (Ueber 
sie vergl. Freudenthal: Sp. u. d. Schol. S. 104 f.), als deren 
Vertreter unter anderen Suarez, ferner Burgensdijk, Heerebord 
und Scheibler gelten können. Von ihnen haben: 

1. Suarez in seinen Disputationes metaphysicae [D. m.], 

2. Burgensdijk in den Institutiones metaphisicae [J. m.] 
und der Idea Philosophiae naturalis [J. Ph.| 

3. Heerebord in den Meletemata Philosophiae [M. Ph.], 



— 42 — 

4. Scheibler in der Metaphisica [M.], 
vor allem ihre philosophischen Ueberzeugungen niedergelegt. 

Von welchem Einflüsse sie nun hinsichtlich der Ewig- 
keit auf unseren Denker gewesen sind, erkennt man schon 
aus den cogitata metaphysica, jenem Werke, in welchem unser 
Denker im grossen Ganzen nur eine Zusammenstellung der 
scholastischen Ansichten seiner Zeit geben wollte. Indem 
nämlich in ihnen, wie (S. 10 f.) nachgewiesen ist, der Ewig- 
keitsbegriff seinem Inhalte nach zugleich vollkommen spino- 
zistisch ist, wird unser Philosoph notwendig in diesem Punkte 
mit den zeitgenössischen Scholastikern die innigsten Berührungs- 
punkte haben. 

Und in der That kann dieser allgemeine Nachweis dahin 
vervollständigt werden, dass zu jeder Aeusserung Spinozas in 
Betreff des Ewigkeitsbegriffes Analoga in den Schriften des 
angeführten Philosophen zu finden sind. Bevor wir aber diese 
in ihrer Bedeutung für uns kennzeichnen, ist zu bemerken, 
dass dort der Begriff „Dauer" nicht mit dem gleichnamigen 
spinozistischen identisch ist, wie denn auch die Definition : 
„Das Verharren im Sein wird Dauer genannt" (M. I 16 [42]) 
oder „die Dauer ist die Continuität des I)aseins** (J. m. I 21 [13]) 
mit derjenigen der Ethik nicht übereinsfimmt (Eth. II Def. 5, 
45 Schol.). Es ist also die scholastische Dauer bei Spinoza etwa 
dem Verlauf der Existenz gleichzusetzen. Dieses vorausgesetzt, 
werden wir in nachstehenden Punkten den Vergleich führen 
können. 

1. Spinoza hält seine Ewigkeit für die Existenz, die 
zur Definition also zum inneren Wesen eines ewigen Dinges 
gehört (Eth. I Def. 8). Ebendasselbe behaupten auch viele 
seiner scholastischen Zeitgenossen, wenn sie sagen: „Die 
Ewigkeit aber schliesst in ihrem eigenen Begriff ein, dass sie 
eine einfach notwendige und ebenso von einer anderen unab- 
hängige Dauer ist" (D. m. Disp. 50 Sect IVxrii), oder: „es 
ist nämlich die Ewigkeit die l3auer des Seins selbst seinem 
Wesen nach" (das. Sect III x), sie dauert kraft ihrer eigenen 
inneren Dauer" (das. Sect III n) und sie ist eg, „welche mit 
ihrem Wesen indentisch ist" (M. II 3 [359]). Diese Eigen- 
schaft wird auch in vielen der folgenden Citate von ihr aus- 
gesagt. 

2. Darum scheidet unser Philosoph auf das Strengste die 
Ewigkeit von der Zeit oder Dauer, durch die sie nicht aus- 
gedrückt werden kann (Eth I Def. 8 Expl.). Mit derselben 
Entschiedenheit trennt aber auch die zu seiner Zeit herrschende 
Philosophie diese beiden Existenzformen, indem sie erklärt: 
„Wie einerseits das Fliessende die Zeit ausmacht, so macht 
andererseits das Beharrende die Ewigkeit aus, es sind nämlich 
Zeit und Ewigkeit zwei ganz verschiedene Masse. (M. Ph. 



— 43 — 

Disp. ex. Phil. sei. Vol. I 25iv); „denn wenn wir den Haupt- 
unterschied angeben wollen, so liegt er darin, dass die Ewig- 
keit eine Dauer durch sich, innerlich notwendig, von nichts 

abhängig und folglich überhaupt unveränderlich ist Keine 

andere Dauer aber ist so notwendig, unabhängig und un- 
veränderlich, da jede andere Dauer von einer äusseren Ursache 
ihren Ursprung hat und von ihr abhängt, kann sie nämlich 
durch die Macht derselben zu Grunde gehen. Das ist nun der 
erste und wesentlichste Unterschied . . . . " (D. m. Disp. 50 
Sect IIIix). Sodann zerfällt unseren Scholastikern die Dauer 
in eine geschaffene und ungeschaffene. „Die ungeschaffene 
Dauer ist die einfache oder im Wesen enthaltene Ewigkeit, 
geschaffen aber ist jede andere Dauer, welchje nicht wahre 
Ewigkeit ist" (das. Sect lUi). Der Unterschied ferner zwischen 
den ewigen und den ihnen am nächsten stehenden, gleichfalls 
permanenten Wesen besteht darin, dass jene „aus sich heraus 
sind", diese „von einem Andern erhalten werden** (das. 
Sect Vlllm). 

3. Jede Art von Dauer aber ist es, sagt Spinoza, die wir 
der Ewigkeit absprechen müssen, auch die Dauer ohne Anfang 
und Ende (Eth. I Def. 8 Expl.). Aehnlich drückt sich Suarez 
aus. Man hat, meint er, unter „aeternum" das verstanden, 
was „extra terminum* im Sinne von „ohne Grenze", d. h. 
„ohne Anfang und Ende** sei. „Diese Bezeichnungen aber**, 
fügt er hinzu, ,.sind weniger genau, denn jene Dauer allein ist 
wahr und eigentlich „extra terminum", welche durch sich 
selbst unfähig einer Begrenzung ist und durch ihren eigenen 
inneren Grund eine Unendlichkeit im Dauern einschliesst; und 
daher wird jene allein eigentlich und einfach Ewigkeit ge- 
nannt" (das. Sect Ulm). 

4. Nur Dauer ist nach Spinoza fähig gemessen zu werden, 
und das Mass derselben ist die Zeit. Mass und Zeit sind 
demnach lediglich Modi der Imagination, können mithin die 
Ewigkeit, welche durch den Intellekt allein begriffen wird, 
nicht ausdrücken (Ep, 12. v. VI. II 42 f). Letztere, welche 
nur als unendlich erfasst werden kann, vermag daher nicht 
als grösser und kleiner gedacht oder in Teile zerlegt zu 
werden (das. S. 42). Nicht anders will sie aber auch die 
zeitgenössische Scholastik aufgefasst wissen. „Aus dem eigenen 
Begriff der Ewigkeit wird gezeigt werden können, dass die 
Ewigkeit nicht durch den Begriff des Masses ausgedrückt 
werden könne, also eigentlich kein Mass sei." „Sie sei un- 
fähig zu erkennen, wie lange ein Geschöpf gedauert habe, und 
zwar sowohl wegen ihrer Unendlichkeit als auch wegen des 
Mangels an jeder Quantität, ohne welche wir diesen Mass- 
begriff nicht erfassen** (D. m. II Disp. 50 Sect IVm); ,.und 
dieses ist der apriorische Grund, weswegen die Ewigkeit nicht 



— 44 — 

messbar ist, weil sie unendlich ist in Bezug auf die Dauer: 
was aber unendlich ist, das ist als solches nicht messbar." 
(das. Sect. IV v); „die permanenten Dinge, welche nicht dem 
beständigen Flusse ihrer Teile ausgesetzt sind, werden an 
sich nicht durch die Zeit gemessen" (J. Ph. Disp. VII [4]). 

5. Da für Spinoza die Ewigkeit nicht mess- und teilbar 
ist, kann man auch in ihr keine Zeitabschnitte unterscheiden, 
mithin „giebt es im Ewigen kein Wann, weder ein Vorher 
noch ein Nachher" (Eth. I 33 Schol. 11). Ebenderselbe Ge- 
danke tritt uns in der Zeitphilosophie entgegen, und zwar in 
folgenden Sätzen: „Die Dauer der Ewigkeit kann nicht unter 
der Kategorie des Wann stehen" (M II 12 [12]); Jn der ewigen 
Sache, an sich betrachtet, giebt es nichts Vergangenes oder 
Zukünftiges, weder in seinem Sein, noch in seinem Wissen, 
noch in seiner Liebe" (D. m. II Dis. 50 Sect IIIxi und xii). 
Heerebord hat besonders diese Seite hervorgehoben. Ihm ist 
die Ewigkeit „eine gegenwärtige, feste, bleibende Dauer . . . 
zum Unterschiede von der Zeit, in welcher es eine Folge des 
Früheren und Späteren giebt, . . . aber die Ewigkeit ist ganz 
zugleich einfach". Daher definiert er sie als „eine Dauer, 
immer gegenwärtig, ohne Anfang oder Ende, ohne ein Früher 
und Später ..." (M. Ph. Disp. ex Phil. sei. Vol. I 25iv). 

6. Eine Existenz mit solchen Eigenschaften kommt aber 
nur einem Wesen zu, nämlich der Gottheit. Darum ist unserem 
Philosophen „die Ewigkeit das Wesen Gottes selbst" (Eth. 
V 30 Dem.), darum „können wir die Existenz der Substanz 
durch die Ewigkeit ausdrücken" (Ep. 12 v. VI. II 41). Auch 
hierin ist eine Uebereinstimmung mit den Scholastikern seiner 
Zeit nicht zu verkennen. Genau wie bei Spinoza heisst es da: 
„Die Ewigkeit ist das Wesen Gottes selbst" (M. II 3 [102]) 
oder „die Ewigkeit ist das Unendliche realiter, dasselbe wie 
Gott selbst (das. 12 [12]), sie ist sein vollkommenes Mass „wie 
das Wesen Gottes selbst" (M. Ph. Disp. ex Phil. sei. Vol. I 25 m). 

7. Endlich aber nennt Spinoza die Ewigkeit „den unend- 
lichen Genuss des Existierens oder . . . des Seins" (Ep. 12 
V. VI. II 41), eine Aeusserung, welche jener Definition des 
Boetius sehr ähnlich ist, die „bisher von allen Philosophen 
und Theologen angenommen worden ist" (M. Ph. Disp. ex 
Phil. Sei. Vol. I 25 iv). Sie lautet: „Die Ewigkeit ist der un- 
endliche, ganz gleichzeitige und vollkommene Genuss des 
Lebens" (das. u. a.). 

Diese Vergleichungen, die noch nicht den Anspruch 
machen, erschöpfend zu sein, zeigen zur Genüge, in welcher 
Abhängigkeit sich Spinoza in Bezug auf den Ewigkeitsbegriff 
von der christlichen Scholastik seiner Zeit befindet. Doch jene 
Abhängigkeit hat nicht schädlich auf ihn eingewirkt, indem 
sie ihn von dem geraden Gange seiner Gedanken ablenkte. 



— 45 — 

sondern vielmehr glücklich in die richtige Entwicklung seines 
Geistes eingegriffen, dieselbe gestützt und gefördert. Nur in 
einem Punkte ist er hier über seine scholastischen Zeitgenossen 
hinausgegangen, indem er die inhaltlich bereits getrennten 
Existenzfcrmen auch dem Ausdrucke nach schied und die 
Dauer lediglich dem endlichen, vergänglichen Teile der Wesen- 
heiten zuerteilte. Ob er aber gerade hinsichtlich dieser grund- 
sätzlichen Unterscheidung von Ewigkeit und Dauer im Rechte 
war, kann wohl bezweifelt werden, denn was auch immer 
beide trennen mag, den Begriff der Existenz haben sie gemein- 
sam, und für diesen ist das Wort „Dauer" seinem eigentlichen 
Sinne nach ein durchaus passender Ausdruck, den man ohne 
Zwang der Ewigkeit als Prädicat beilegen kann. Dass übrigens 
Spinoza selbst seinen prinzipiell strengen Standpunkt nicht 
immer eingehalten hat, beweist z. B. der Umstand, dass er 
von einer „Dauer" des Geistes ohne Beziehung auf den Körper 
spricht (Eth. V 20 Schol. Ende), ein Ausdruck, welcher im 
spinozistischen Sinne nicht richtig ist, und durch das Wort 
„Existenz" ersetzt werden muss; dass er ferner erklärt „die 
Dauer" unseres Körpers hänge von seinem Wesen nicht ab 
(Eth. II 30 Dem.), als ob überhaupt nach ihm die Dauer 
eines endlichen Dinges von seinem Wesen abhängen könne. 
Uebrigens enthält die Grundstelle für die letztere Entlehnung 
(Eth. II Ax. 1) das richtige Wort „Existenz" (s. das.). Doch 
sieht man von alledem ab, so wird man doch behaupten 
müssen, dass Spinoza schon früh der Dauer in ihrer Gesammt- 
heit eine untergeordnete Stellung der Ewigkeit gegenüber an- 
wies, denn schon die cog. met. thun das in nicht misszuver- 
stehender, scharf ausgeprägter Weise (I 4, II 1.). Und gerade 
darin liegt uns ein charakteristisches Beispiel vor für die Art, 
in welcher unser Philosoph seine cog. met. abzufassen beliebte. 
Hätte er sich streng und treu an seinen Zweck gehalten, ein 
Abbild der scholastischen Zeitphilosophie zu geben, so hätte 
er, wie diese es that, die Ewigkeit zwar den anderen Existenz- 
formen gegenüberstellen, aber gleichwohl in den Begriff der 
Dauer als einen Teil derselben aufnehmen müssen. Jedoch 
durchdrungen von der ihm durch die Scholastik eingepflanzten 
Idee der vollkommenen Scheidung des ungeschaffenen Wesens 
und seiner Geschöpfe, glaubte er die Trennung auch formell 
durchführen zu müssen und that so Eigenes zu dem Em- 
pfangenen hinzu, auch da, wo er eigentlich nur die Meinung 
der Scholastik wiedergeben wollte. In analoger Weise werden 
vielleicht auch einige andere Fälle in dieser Schrift aufzu- 
fassen sein. 



— 46 — 

b. 
Gott. 
Hat soeben unsere Erörterung bewiesen, wie sehr Spi- 
noza von der herrschenden Scholastik bestimmt wurde, so 
wird sich jetzt zeigen, dass er bei der Ewigkeit Gottes zu- 
meist Descartes gefolgt ist. In drei Beweisen wird in der 
Ethik die Ewigkeit Gottes dargethan, von denen die beiden 
ersten gemeinsam auf den Satz zurückgehen, dass das Wesen 
der göttlichen Substanz Existenz einschliessen müsse. Der 
letztere Gedanke aber ist es, der bereits am Anfang des 
kurzen Traktates (I 1) die Existenz Gottes beweist, und der, 
wie schon Sigwart (Sp.'s neuentd. Tract. S. 8) und Trendelen- 
burg (Hist. Beitr. III 310) bemerken, auf Descartes hinweist. 
Jener Philosoph hat ihn an mehreren Orten ausgesprochen 
(Princ. phil. § 14, Resp. ad prim. obj. S. 60). Besonders be- 
achtenswert aber ist der Beweis, den er am Schluss der „Re- 
sponsio ad secundas objectiones" (S. 89) für das Dasein Gottes 
giebt, denn dieser weist eine auffallende, fast bis auf den 
Wortlaut sich erstreckende Uebereinstimmung mit dem ent- 
sprechenden Beweise des kurzen Traktates auf, sodass hier 
unstreitig der Punkt liegt, in welchem Spinoza, jedenfalls be- 
wogen durch die mathematische Beweisführung daselbst, an 
seinen Meister anknüpft. Aus dem Umstände nämlich, dass 
man klar und deutlich erkenne, dass in der Natur Gottes auch 
die Existenz enthalten sei, schliessen beide, dass er auch 
wirklich existieren müsse. Damit hat aber Spinoza ebenso- 
wenig wie Descartes die Ewigkeit Gottes bewiesen (vgl. S. 4), je- 
doch den Keim gelegt, aus dem sich dann mit Hilfe des aus 
der Scholastik genommenen Ewigkeitsbegriffes die beiden Be- 
weise der Ethik entwickelten. Diese konnte somit unser 
Denker noch als sein Eigentum betrachten, obgleich sie in 
Descartes begründet waren, den dritten Beweis jedoch sprach 
er, indem er ihn in seinen Princ. phil. cart. (I 19) aufstellte, 
ausdrücklich seinem Lehrer zu. Doch diese Thatsache darf 
dem Quellenforscher nicht genügen, er hat jetzt noch zu 
fragen: Wie entwickelte Spinoza aus den Lehren seines 
Meisters diesen Ewigkeitsbeweis? Wer die Schriften des Letz- 
teren zu diesem Zwecke durchsucht, wird darin nirgends einen 
solchen finden, und in der That war es nur eine kleine Be- 
merkung, welche unserem Philosophen das Material lieferte. 
In seinen Principia philosophiae (I 22) bemerkt Descartes: 
„Indem wir auf die uns eingeborene Idee desselben [d. h. 
Gottes] hinblicken, sehen wir, dass jener ewig . . . sei." Also 
aus der Idee Gottes als des vollkommensten W^esens, wie er 
in den vorangegangenen Ausführungen genannt worden war, 
folgt, dass er ewig sei, und wir, indem wir ihn als ein durch- 
aus vollkommenes Wesen ansehen, müssen ihm notwendig 



— 47 — 

die Ewigkeit, die unendliche, unbegrenzte Existenz ais eine 
Vollkommenheit beilegen. Thun wir das aber nicht, d. h. legen 
wir ihm nicht unbegrenzte, sondern begrenzte Existenz bei, 
dann hört er auf, das vollkommenste Wesen zu sein. Das 
ist der Gedankengang, wie er aus den obigen Worten sich er- 
giebt, und Spinoza ist ihm in seinem Beweise ganz gefolgt. 
Nur am Schlüsse schlägt er einen anderen Weg ein, indem er 
fortfährt: „Wenn wir ihm [d. h. Gott] eine begrenzte Existenz zu- 
erteilen, so müssen die Grenzen seiner Existenz notwendig, 
wenn auch nicht von uns [vielleicht zielt gerade diese Be- 
merkung auf die obige Auslegung der cartesianischen Worte 
hin], so doch wenigstens von Gott selbst erkannt werden, 
weil er die höchste Intelligenz ist; dann aber wird Gott über 
jene Grenzen hinaus sich d. h. das höchst vollkommene 
Wesen als nicht existierend erkennen, was widersinnig ist. 
Darum u. s. w." Diese Fortsetzung hat unstreitig den Vorzug, 
schärfer den Widersinn des Gegenteils hervorzuheben, liegt 
aber schon nicht mehr im einfachen geraden Sinn der car- 
tesianischen Erklärung, sondern ist ein origineller Zusatz, zu- 
gleich aber wiederum (vgl. S. 45) ein interessantes, charakte- 
ristisches Zeichen für die Art, in welcher Spinoza in den 
Princ. phil. cart. die Lehre seines Meisters verarbeitete und 
wiedergab. 

Was endlich den im kurzen Traktak an zweiter Stelle ' 
(I 2) ausgeführten Beweis für die Ewigkeit Gottes anbetrifft, 
so lässt sich für ihn bei Descartes kein Analogon finden, da 
dieser bei seinen Gottesbeweisen stets die Idee Gottes zu 
Grunde legt. Jedoch der Ausgangspunkt desselben, dass die 
Wesenheiten ewig seien, ist durchaus auch die Ansicht des 
französischen Philosophen, welcher sagt: „So glaube ich nicht, 
dass die Wesenheiten der Dinge und jene mathemaüschen 
Wahrheiten, welche von ihnen selbst erkannt werden können, 
von Gott unabhängig seien, sondern ich glaube nichtsdestoweniger 
dass sie selbst, weil Gott es so gewollt, weil er es so an- 
geordnet hat, unveränderlich und ewig seien" (Resp. quint. 
S. 72). Daher steht nichts der Annahme entgegen, dass Spi- 
noza, diese Meinung sich aneignend, daraus selbst seinen Be- 
weis gebildet hat. Er hat ihn aber bald wieder fallen lassen, 
denn wir finden ihn in seinen anderen Schriften nicht mehr 
wieder. 

Aus der Ewigkeit der göttlichen Substanz folgt die Ewig- 
keit ihrer Attribute, wie sie unser Denker auffasst, so selbst- 
verständlich und notwendig, dass für sie eine andere, ausser- 
halb des Systems liegende Quelle nicht aufzusuchen ist, zu- 
mal da der Begriff des Attributs von Spinoza in einer von 
der bisherigen Philosophie durchaus abweichenden Weise be- 



— 48 — 

stimmt worden ist. Aus letzterem Grunde ist es auch be- 
greiflich, dass unser Philosoph schon im kurzen Traktat den 
Kampf aufnimmt gegen die von den christlichen Dogmatikem 
und jüdischen Religionsphilosophen festgehaltene Ansicht, welche 
Begriffe wie „ewig" zu den Attributen Gottes rechnet (Tr. 
br. I 7). Um so eigentümlicher aber wirkt dann die That- 
sache, dass er selbst die Ewigkeit als das Wesen Gottes be- 
trachtet (Eth. V 30 Dem.), ihr also eine Definition giebt, 
welche derjenigen des Attributes ganz gleicht. 



c. 
1. Die Welt. 

Die Daseinsformen insgesammt bilden die gewirkte 
Natur, oder sie sind, um mit dem kurzen Traktat zu sprechen, 
die Geschöpfe Gottes. Von den unendlichen Modi aber, welche 
die höchsten Bestimmungen der Substanz bilden, so z. B. von 
der Bewegung in der Ausdehnung und vom Verstand inn 
Denken behauptet derselbe Traktat, dass sie seit aller Ewig- 
keit von der Gottheit geschaffen seien. Somit also nimmt 
Spinoza in seiner ersten Schrift eine Schöpfung von Ewigkeit 
her an, und es wird sich fragen, welchen Anschauungen er 
diese seine Meinung entlehnt hat. 

Sowohl Descartes als auch die zeitgenössische Scholastik 
können in diesem Punkte auf ihn nicht eingewirkt haben, 
da beide Teile mit Entschiedenheit eine Schöpfung in der Zeit 
annehmen. Viel eher aber wird die jüdische Religionsphilo- 
sophie hier in Betracht kommen, welche nicht so einhellig 
eine absolut zeitliche Erschaffung der Welt behauptet und 
selbst da, wo sie dies thut, durch ausführliche Darlegung und 
Untersuchung der entgegengesetzten Ansicht unserem Denker 
wichtige Anknüpfungspunkte bieten konnte. Schon der Haupt- 
vertreter derselben, Maimonides (Über sein Verhältnis zu Sp. 
vgl. Joel: Zur Genesis der Lehre Sp. s.) hat in breiter Aus- 
führlichkeit die Schöpfungsfrage behandelt (More Nebokhim 
II 13 — 25), Ewigkeit und Zeitlichkeit der Welt genau gegen 
einander abgewogen, um lange Zeit beide für gleich möglich 
und denkbar anzusehen und zum Schluss erst der letzteren 
nur ein wenig mehr Beweiskraft zuzuerteilen als der ersteren 
(More II 16). 

Von den Anschauungen der Philosophen entwickelt er 
auch diejenigen des Aristoteles, welcher die Ewigkeit des Uni- 
versums verficht (M. 11 13), und unter den vorgeführten Be- 
wei:^en des griechischen Denkers befindet sich jener von der 
Ewigkeit der Bewegung (M. 11 14), welche auch der kurze 
Traktat ausdrücklich betont (vgl. Trend.: Hist. Beitr. UI 395). 
Desgleichen ist auch von Intelligenzen die Rede, die von Gott 



— 49 — 

abhängen, und die letzte derselben, „der wirkende Verstand* 
genannt, hat mit dem unendlichen Verstand Spinozas grosse 
Aehnlichkeit. [Beide sind denkende Wesenheiten, beide unend- 
lich, beide umfassen die Vorstellungen alles Seins, beide hängen 
direkt von Gott ab, wobei freilich Spinoza die zu seiner Zeit 
unbrauchbar gewordene Sphärentheorie des Maimonides, 
derzufolge dem göttlichen Intellekte erst die zehnte Stufe nach 
der Gottheit zukam, fallen liess, beide endlich bilden aus sich 
die endlichen aber ewigen Geister.] Demnach konnte unser 
Philosoph von d^r Ewigkeit jenes leicht zu derjenigen seines 
göttlichen Intellekts geführt werden. Abweichend von Mai- 
monides erklärt ein anderer jüdischer Religionsphilosoph, 
Gersonides, die Materie für ewig (Milchamoth Adonaj Th. 6), 
und endlich ein dritter, Chasdai Kreskas, lehrt sogar, wie man 
mit Joel (Sp. s. theol. pol. Trakt. VII) annehmen muss, die 
ewige, mit Notwendigkeit erfolgte Schöpfung des Alls (Or 
Adonaj III I5). Die Erinnerung an diese Lehren und an die 
damit zusammenhängenden Erörterungen hat jedenfalls be- 
stimmend auf unseren Denker eingewirkt, sodass er im Gegen- 
satz zu Descartes und der zu seiner Zeit herrschenden 
Philosophie ein Entstandensein des Universums seit Ewigkeit 
her behaupten konnte. Wenn ferner Spinoza in der Ethik 
das notwendige Folgen der unendlichen Modi, also der ge- 
schaffenen Natur, aus Gott annimmt und daraus die Ewigkeit 
derselben erweist, so wird man vielleicht an die Worte des 
Kreskas (a. a. O.) denken können, dass nämlich eine Schöpfung 
aus Notwendigkeit nur zu verstehen sei, wenn sie als eine 
ewige begriffen werde, oder auch Maim. damit vergleichen, 
welcher die ewige Notwendigkeit der Welt und ihrer Gesetze 
darum glaubt verwerfen zu müssen, weil dadurch die Grund- 
lagen der Religion und die Wunder aufgehoben würden 
(M. n 25), ein Grund, welchen unser kritischer Philosoph, wie 
der theol. pol. Traktat lehrt, keineswegs gelten lässt; mass- 
gebenden Einfluss jedoch auf jenen Gedanken wird man 
diesen Quellen nicht zugestehen können, da derselbe dem 
innersten Wesen des spinozistischen Systems entspricht, 
und auch ohne sie zustande gekommen wäre. 
2. Der Mensch. 
Wenden wir uns nun von der Ewigkeit der unendlichen 
zu derjenigen der endlichen Modi und zwar des Menschen, 
und suchen wir auch hier die Vorbilder für die Anschauungen 
unseres Philosophen aufzufinden.*) 

*) Die folgenden Darlegungen geben mehr in grossen Zügen die An- 
sicht des Verfassers bezüglich der hier hergehörigen Quellen wieder. Eine 
ausführlichere, bis in die kleinsten Einzelheiten sich erstreckende Behand- 
lung und Begründung derselben erscheint nicht zweckmässig bei einer Ab- 
handlung, in welcher der Abschnitt von der Ewigkeit der menschlichen 
Seele nur einen kleineren Bruchteü bildet 

4 



— 50 — 

1. Früher bereits (S. 33 fif.) ist ausführlich dargethan 
worden, dass die eigentliche, der Grundrichtung des spino- 
zistischen Denkens entsprechende Ansicht nur in der rein 
unpersönlichen Existenz des Menschengeistes im ewigen Leben 
erblickt werden muss. Damach also verliert unsere Seele* als 
ewige jeden Schein der Besonderheit, sie löst sich auf und 
verschwindet in dem unendlichen Denkmodus, dem göttlichen 
Intellekt, eine Ewigkeit des menschlichen (Geistes an sich giebt 
es nicht Andrerseits aber konnte nicht geleugnet werden, 
dass viele Aeusserungen Spinozas auch das persönliche Moment 
hervortreten lassen, sodass sich uns hier das Ringen zweier 
Anschauungen darstellt, von denen nur die erstere der eigen- 
tümlichen Denkweise unseres Meisters angehört. Die letztere 
wird daher wohl von einer äusseren Quelle abzuleiten sein, 
und diese ist in der Theologie, Schulphilosophie und dem all- 
gemeinen Glauben seiner Zeit zu suchen, welche einmütig die 
individuelle Fortdauer unserer Seele behaupteten. Einer solchen 
Macht, welcher vor ihm schon Descartes, nach ihm auch der 
geniale Leibniz so manches Opfer gebracht hatten, vermochte 
unser Denker nicht ganz zu widerstehen, und sowie er unter 
ihrem Einflüsse im kurzen Traktat von einem unkörperlichen 
Gotte redete (S. Sa) und noch in der Ethik dem Körper nicht 
in gleicher Weise wie dem Geiste Ewigkeit verlieh (S. 28 f.), 
wie er endlich, beinflusst durch die mittelalterliche Scholastik, 
den Begriff der idea Dei in widerspruchsvoller Weise bestimmte 
(Freudenthal: Sp. u. die Schol. S. 134), so hat er auch hier 
nur unter dem Drucke der ihn umgebenden herrschenden An- 
sicht, vielleicht auch den Bedürfnissen seines Herzens Folge 
leistend, zuweilen die Persönlichkeit des ewigen Geistes betont. 

2. Was nun Wesen, Ziel und wahre Thätigkeit des 
menschlichen Intellekts anbetrifft, so folgt Spinoza hierin viel- 
lipicht vor allem dem jüdischen Religionsphilosophen Maimonides, 
der sich wiederum in diesem Punkte in Uebereinstimmung mit 
der arabischen Philosophie befindet (Joel: Zur Gen. S. 66). 
Denn wie unser Philosoph lehrt auch Maim.: „Die Natur des 
Geistes und seine Wesenheit ist Erkenntniss" (More 11), und 
überall in seinen Schriften betont er, dass nicht die Einbildungs- 
kraft, sondern das Denken den Wert des Menschen ausmache; 
sie ist das Ziel seines Lebens (M. III 8), und wegen der Ver- 
nunfterkenntnis heisst es von ihm: „Im Bilde Gottes schuf er 
ihn" (Miloth. Higgajon C. 9, M. II). Insbesondere aber hat er 
die Gotteserkenntnis zu pflegen, denn „die vierte Art, die 
wahre menschliche Vollkommenheit, tritt dann ein, wenn der 
Mensch sich die geistigen Tugenden, d. h. die Einsicht in die 
metaphysischen Wahrheiten erwirbt und hierdurch zu richtigen 
Erkenntnissen in den göttlichen Dingen gelangt. Das ist sein 
höchster Zweck, das macht den Menschen wahrhaft vollkommen, 



— 51 — 

das gehört ihm allein an, darum erlangt er die Unsterblichkeit, 
und dadurch wird der Mensch erst zum Menschen" (M. III 54 
vgl, m 51 u. 8). 

3. Doch auch in seiner Anschauung von der Vereinigung 
unserer Seele, wie sie besonders im Tr. br. II 22 (6,7) u. 23 
ausgesprochen ist, zeigt Spinoza grosse Aehnlichkeit mit Mai- 
monides. Das Dasein unseres Geistes in diesem Leben, lehrt 
Letzterer, besteht in der Vereinigung mit dem Körper, aber gerade 
sie ist es, welche uns den Lastern, Leidenschaften und über- 
haupt der Vergänglichkeit unterwirft (M. III 8). Dem allen 
entflieht unsere Seele, wenn sie sich durch die Kraft des 
Denkens zu ihrem Schöpfer erhebt. „Darum wird, wenn sich 
der Stoff, welcher aus den Elementen gebildet ist, trennt und 
die Seele [d. h. ihr sinnlicher Teil] zu Grunde geht, weil sie 
nur mit dem Körper existiert und bei allen ihren Thätigkeiten 
des Körpers bedarf, die Form [d. h. die denkende Seele] nicht 
vernichtet, weil sie bei ihren Thätigkeiten der [sinnlichen] Seele 
nicht bedarf, sondern sie erkennt den Schöpfer des All und 
besteht in alle Ewigkeiten" (Jessode Hatthora C. 4,9). „Denn 
es giebt Menschen, deren ganzes Streben es ist, das ewig 
Beständige zu erforschen und zu erwählen, welche nur die 
höhere Weisheit und die wahre Einsicht in alle Dinge zu 
erlangen suchen und die Vereinigung mit dem göttlichen 
Geiste, der über sie ausströmt und von dem diese Form 
[d. h. ihr denkender Geist] herrührt" (M. III 8). Dieser Ge- 
danke der Vereinigung mit Gott, der gerade im kurzen Traktat 
eine Rolle spielt, wird im More öfter und in verschiedenen 
Ausdrücken wiederholt. So heisst es: „Solche [d. h. die Ver- 
nunftwahrheiten begreifende] Menschen stehen mit Gott in 
ewiger Gemeinschaft" (das.) oder: ,.Die Vernunft, welche von 
Gott auf uns ausströmt, bildet das Band zwischen uns und 
ihm" (M III 51). Er wird ferner durch ein Gleichnis darge- 
than, demzufolge unser Verhältnis zu der Gottheit als das 
eines Königs zu seinen Unterthanen hingestellt wird, von denen 
die einen in grösserer, die anderen in geringerer Entfernung 
von ihm sich aufhalten (das. Anfang). „Wer aber mit all' 
seinem Denken nach Vervollkommnung in göttlichen Erkennt- 
nissen strebt, sich der Gottheit ganz weiht, sein Denken von 
anderen Zielen abwendet und alle seine Geisteskräfte dazu 
verwendet, das Seiende zu prüfen, um von ihm einen Schluss 
auf Gott zu ziehen und möglichst zu erkennen, wie er da- 
rüber waltet, der gehört zu denen, welche in den Palast des 
Königs gelangt sind (das.); _„die aber von den göttlichen 
Dingen entweder die Wahrheit selbst erforschen oder sich ihr 
wenigstens nähern, sind diejenigen, welche sich beim Könige 
im Palaste befinden" (das.). Jene Verbindung nun hat der 
jüdische Denker des Näheren jedenfalls als das Eingehen des 

4* 



— 52 — 

Geistes in Gottes „wirkenden Verstand" aufgefasst. Denn dieser 
ist es, durch dessen „Ausströmen" unser Geist seine ewigen 
Wahrheiten erlangt, der, indem er sich über uns ergiesst, 
unseren Verstand zu einem unvergänglichen gestaltet (M. II 
12 Ende, 36, 37). In ähnlicher Weise stellt sich auch unser 
Philosoph den Zusammenhang der endlichen Geister mit der 
denkenden Substanz (Sigwart: Kurz. Trakt. S. 59 Anm. 15) 
d. h. der unendlichen Idee (das. S. 158 [17]) oder dem un- 
endlichen Intellekt (Eth. H 43 Schol., V 40 Schol.) der Gott- 
heit vor, welche, wie schon (S.49) erwähnt, mit dem wirkenden 
Verstand auffallende lieber einstimmung zeigen. 

Die Lehre von der Vereinigung der menschlichen Seele 
mit dem wirkenden Verstände wird übrigens auch von 
fast allen arabischen Philosophen, so von Al-Farabi oder Ihn 
Sina u. a. ausgesprochen (Ricardou: de immort. an. ap. Sp. 
34 f), vor allem aber ist es Averroes, jener pantheistische 
Erklärer des Aristoteles, der ihr Ausdruck gegeben hat [Bd. 
X Vened. 1560 De animae beatitudine (S. 353 ff.) u. de connex. 
int. abstr. c. hom. (S. 358 ff.)]. Nach ihm ist der Menschen- 
geist nichts anderes als eine Modification des göttlichen Ver- 
standes selbst, welche als Anlage ein Einzeldasein führt. Seine 
Aufgabe ist es, durch Speculation sich desselben zu entledigen 
und restlos in den „wirkenden Verstand" aufzugehen. Die An- 
sicht dieses Philosophen kann zwar nicht durch Maimonides 
selbst zu unserem Philosophen gedrungen sein, da er Averroes 
nicht benutzt hat (Renan: Averroes et TAverroisme S. 178), 
wohl aber durch dessen Commentatoren oder durch den jü- 
dischen Religionsphilosophen Gersonides, dessen Argumenta 
de aeternitate z. B. sich nach dem Berichte Schullers in dem 
von Spinoza selbst angefertigten Bücherverzeichnisse befunden 
haben (L. Stein : Leibn. und Spin. S. 287). Gersonides handelt 
im ersten Teile seines Werkes Milchamoth. Adonaj eigens und 
ausführlich über die Unsterblichkeit der Seele und setzt da- 
selbst auch die Meinung des Averroes auseinander (Joel : 
Levi b. Gerson S. 26). Eine ausserordentliche Verwandtschaft 
der letzteren mit derjenigen Spinozas ist nicht zu verkennen. 
Der Ansicht des Maim. gegenüber enthält sie noch ein 
weiteres gemeinsames Merkmal, nämlich die Unpersönlichkeit 
des ewigen Geistes (Munk: Guide desegares S. 434 f., Renan 
a. a. O. S. 179) und kann daher ebenfalls für unseren 
Denker mitbestimmend gewesen sein. Doch ausser, dem 
genannten Wege giebt es noch andere, auf welchen die 
averroistische Lehre zu unserem Philosophen gedrungen 
sein könnte. Bei den grossen Peripatetikern des Mittelalters, 
bei Albertus Magnus und ganz besonders bei Thomas, 
von Aquino, fand sie nämlich eingehende Würdi- 
gung. Beide setzten sich mit ihr in ihren Schriften 



— 53 — 

wiederholt auseinander und schrieben sogar gegen sie be- 
sondere Abhandlungen, mit dem gemeinsamen Titel: De uni- 
tate intellectus contra Averro'istas, in denen sie mit dialekti- 
scher Gewandtheit die individuelle Unsterblichkeit der Seele 
verfochten (Renan: a. a. O. S. 232 f., 239 f.). Ferner aber war 
um das Jahr 1500 in der Schule zu Padua unser Problem zu 
einer brennenden Frage geworden, welche das philosophische 
Leben Oberitaliens beherrschte, und die Gelehrten in die beiden 
Heerlager der Alexandristen und Averroisten teilte (Renan: 
a. a. O. S. 355 f.). Von beiden Punkten ging eine Bewegung 
aus, deren Spuren — und das ist ganz besonders bei den Er- 
öiterungen des Thomas von Aquino wahrscheinlich — wohl 
bis zu Spinoza gelangt sein und auf ihn eingewirkt haben 
können. 

4. Aus dem Eingehen unseres Geistes in den göttlichen 
Intellekt folgen für ihn gewisse vollkommene Wirkungen, 
deren Bestimmung von Seiten unseres Denkers ebenfalls auf 
äussere Einflüsse zurückweist. Sie finden sich zunächst in 
ähnlicher Weise schon bei Maim. So die bereits genannte 
ewige Dauer des Geistes selbst, indem „seine Erkenntnis 
alsdann ewig und unveränderlich bleibt" (M. III 51), sodann 
die Freude und Befriedigung, denn „sobald das Feuer der 
Leidenschaften sich abkühlt, wird der Geist stark, sein Licht 
heller, und seine Erkenntnis rein, sodass er sich freut über 
das, was er erkannt hat" (das.), ferner die intellektuelle 
Liebe, welche in den Worten klar ausgesprochen ist: „Schon 
oft haben wir nachgewiesen, dass die Liebe sich nach der 
Erkenntnis richtet", oder „die Vernunft, welche Gott auf uns 
ausströmt, bildet das Band zwischen uns und ihm. Befestigt 
wird dieses Band nur dadurch, dass du dich seiner zur Liebe 
Gottes bedienst", und endlich die reine Denkthätigkeit, 
indem unser ewiger Geist ein Teil des „wirkenden Ver- 
standes" ist. 

Der wichtigste dieser seelischen Zustände ist für Spinoza 
die ewige intellektuelle Liebe, deren nähere Bestimmungen 
aber noch mit den Lehren anderer Denker grosse Verwandt- 
schaft aufweisen. So wird man an Heerebord denken, der in 
seinem Collegium ethicum z. B. sagt: „Indem wir Gott und 
Gottes Eigenschaften erforschen, vereinigen wir uns mit Gott; 
indem wir den Erkannten lieben, werden wir aufs Innigste 
mit ihm vereint" (S. 40), oder: „Eine Liebe zu Gott kann es 
nicht geben, wenn nicht schon seine Erforschung voran- 
gegangen ist" (S. 41), (Sigwart: Sp.'s kurz. Tr. S. 222 f.). 
Vorzüglich aber wird Giordano Bruno hier genannt werden 
müssen, dessen Uebereinstimmung mit den entsprechenden 
Sätzen des kurzen Traktats im Einzelnen von Sigwart (Sp. 
neuentdeckter Tr. S. 128 ff.) nachgewiesen wurde. Wenn 



— 54 — 

schliesslich Spinoza als die dem ewigen Geiste eigentümliche 
Art des Denkens gerade das intuitive , bezeichnet, so findet 
man auch hierfür sowie für die besondere Definierung des- 
selben Parallelstellen bei Bruno (Sigwart: das. S. 124). 

5. Endlich aber ist noch eine Eigenschaft zu beachten, 
welche Spinoza unserem Geiste zuerteilt, dass er nämlich 
nicht erst nach dem Tode, in einem zukünftigen oder gar 
jenseitigen Leben Ewigkeit und Seligkeit erlangt, sondern 
schon in den Augenblicken, in welchen er denkend das Wesen 
der Dinge erfasst, und dass er das letztere nicht unter dem 
Gesichtspunkte der Zeit als ein vergangenes oder zukünftiges, 
sondern als ein immer und ewig gegenwärtiges Erkenntnis- 
objekt betrachtet. Dieser Gedanke ist freilich an sich nicht neu, er 
ist bereits bei Epicur angedeutet (D. L. X. 135, Usener: Epi- 
curea S. 66) und wird auch sonst in der Renaissance, z. B. 
von Giordano Bruno (Opp. it. 11 341, 425), mehr oder weniger 
klar ausgesprochen, nichtsdestoweniger aber lehrt eine tiefere 
Einsicht in die Philosophie Spinozas, dass er hier nicht einer 
äusseren Anregung entsprang, sondern innerhalb des Systems, 
aus der Entwicklung des spinozistischen Denkens hervorging. 
Er folgt nämlich notwendig aus der Gestaltung des Begriffs 
der Ewigkeit, wie wir sie im ersten Abschnitte kennen gelernt 
haben. Darum ist es natürlich, dass er im kurzen Traktate 
noch nicht hervortritt, denn dort ist Ewigkeit noch nicht zeit- 
lose, stets gegenwärtige Existenz, und dass erst spätere 
Schriften, besonders aber die Ethik dem Menschengeist diese 
Fähigkeit beilegen, welche ganz seiner Ewigkeit entspricht. 



Schluss. 



Aber wenn auch unser Denker in dem leztgenannten 
Punkte seinen eigenen Weg ging, so steht doch fest, dass er 
fast im ganzen Gebiete des Ewigkeitsbegriffes die Arbeiten 
früherer Philosophen mehr oder weniger benutzt und in 
manchen Punkten sogar der allgemeinen Volksanschauung Zu- 
geständnisse gemacht hat. Das raubt zwar seinen Ewigkeits- 
lehren die Originalität, würde ihm jedoch nicht zum Vorwurf 
gereichen, wenn er die empfangenen Elemente mit den Grund- 
sätzen seines Systems und der Vernunft in Einklang gebracht 
hätte. 

Jedoch die mannigfachen Widei-sprüche, welche sich uns 
in einzelnen, nebensächlichen, wie in wichtigen, grundlegenden 
Ansichten offenbarten, lassen die vielgerühmte Folgerichtigkeit 
des spinozistischen Systems in einem bedenklichen Lichte er- 
scheinen. Der alles tragende Begriff der Ewigkeit, wie er in 
der Ethik hervortritt, entbehrt zwar nicht eines höheren, edleren 
Wertes als die gewöhnliche Fassung desselben, ist jedoch 
schon an sich als völlig unhaltbar erkannt worden. Mit ihm aber 
fielen alle Ewigkeitsbeweise Gottes, von denen einer sogar 
nicht spinozistisch geführt war, die anderen auf denselben 
falschen Grundgedanken zurückgingen. Die behauptete ewige 
Existenz der unendlichen Modi hat unser Philosoph von vorn- 
herein gar nicht darzuthun versucht, und sie ist auch mit 
unserer Definition nicht zu erschliessen; ebenso stellten sich 
der Ewigkeit des Menschengeistes unüberwindliche Schwierig- 
keiten entgegen. Damit jedoch sind die Grundlagen der 
gesammten Ewigkeitslehre erschüttert, und das scheinbar un- 
zerstörbare Gebäude von Lehrsätzen hat sich an vielen Stellen 
und schon in seinem Fundamente als schadhaft erwiesen. 

Aber ist auch eine logisch tadellose Begründung der 
Sätze über das Ewige nicht gelungen, so kann doch ihr 



— 56 — 

ethischer Wert, der sich besonders auf Spinozas Anschauungen 
von dem Menschengeiste gründet, nicht übersehen werden. 
Zwar wird es uns auch da kaum befriedigen zu hören, dass 
unser eigenes Ich im ewigen Leben ganz zu sein aufhören, 
die unpersönliche Existenz der Lohn unserer Geistesarbeit sein 
soll, dass ferner lediglich die Erkenntnis die Quelle unserer 
Seligkeit bildet, die edle That jedoch ohne Bedeutung ist; 
indessen hat der Gedanke immer etwas Anziehendes, Erheben- 
des an sich, in der Gottheit zu leben und vereint mit ihr 
solch' vollkommener und beglückender Gefühle teilhaftig zu 
werden, wie sie am Schlüsse der Ethik geschildert sind. 



Anmerkungen. 



S. 16. 1) Dass hier von zwei Substanzen die Rede ist, lässt noch nicht den 
Schluss zu; dass damit die Existenz zweier realiter verschiedener Substanzen 
eingeräumt wird, denn der Ausdruck „Substanz" wird noch im kurzen 
Traktate bisweilen statt „Attribut* gebraucht, obgleich ebendaselbst schon 
bewiesen worden ist, dass es nur eine einzige Substanz nämlich Gott oder 
die Natur gebe (Th. I 2 [12]). 

S. 28» 2) Es ist nicht zu leugnen, dass die zweite Erkenntnisart in der Ethik 
eine schwankende Stellung einnimmt, denn während ihr im II. Buche (P. 41 ff.) 
ein der unmittelbaren Erkenntnis ebenbürtiger Platz eingeräumt wird, kommt 
sie im V. Buche fast gar nicht vor. Diese Thatsache erscheint zwar 
als eine Inkonsequenz, ist aber dadurch zu erklären, dass im II. Buche, wo 
es gilt, die wahren Ideen von den falschen zu scheiden, der Verstand in 
Betracht gezogen wird, da ja seine Aufgabe gerade darin liegt (Eth. II 40 
Schol 2, III,-29 Schol.), im V. Buche jedoch, wo der Kampf bereits vorüber 
ist, die inadäquate Idee als schädlich verworfen wird, und die adäquate 
allein das Feld behauptet, wird auch der Verstand zurückgesetzt und das 
intuitive Denken herrscht allein. Nur zweimal tritt er auf den Plan (V 7, 38), 
aber dann auch mit ihr die Affekte, die er abzuwehren bestimmt ist Der 
Verstand ist seiner Natur nach die Erkenntnis, welche gleichsam zwischen 
den wahren und falschen Ideen stehend, ersteren zum Siege und zur Ewig- 
keit verhilft, das Wesen der dritten Erkenntnisart aber besteht darin, ledig- 
lich unter adäquaten Ideen zu wohnen (Eth. II 40 Schol. 2 IV). Nichtsdesto- 
weniger ist es unzweifelhaft, dass auch seinen Produkten gleich denen der 
obersten Erkenntnis die Ewigkeit zukommt, sind sie doch ebenso wahr und 
adäquat wie jene. Ja eine gelegentliche Bemerkung spricht das ausdrück- 
lich aus: „Je mehr Dinge der Geist nach der zweiten und dritten Erkennt- 
nisart erkennt, ein um so grösserer Teil von ihm bleibt übrig" (V 38 Dem,). 
Nur der Umstand, dass das V. Buch in seinem zweiten Teüe von dem 
Leben des Geistes in der Ewigkeit spricht, dieses aber lediglich von klaren 
Ideen erfüllt ist und nicht durch verworrene gestört wird, also des Ein- 
greifens des Verstandes gar nicht bedarf, hat bewirkt, dass sein Begriff dort 
keine Aufnahme fand, aber, wie aus dem angeführten Satze hervorgeht, als 
ewig vorausgesetzt wurde. 

S. 28. ^ Hierbei muss der Widerspruch auffallen, in welchem Eth. V 36 Cor. 
und Schol. mit Eth. V 17 Cor. stehen, denn während dort mit aller Bestimmt- 
heit eine Liebe Gottes zum Menschen angenommen wird, ist hier zu lesen: 
„Gott liebt genau genommen niemanden (vgl. auch Eth. V 19). Dieser Wider- 
spruch tritt um so schärfer hervor, als einerseits die letztere Anschauung 
mit derjenigen des kurzen Traktates (11 24 [2] [3]) übereinstimmt, anderer- 
seits auch die erstere durch verschiedene^Aeusserungen gesichert ist. Es 
kann daher nur eine Meinungsänderung unsereres Philosophen stattgefunden 
haben. Und diese ist auch auf natürliche Weise zu erklären. Schon seiner 
ursprünglichen, in Eth. V 17 Cor. vertretenen Ansicht zufolge spricht Spinoza 



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nicht ganz gewiss, sondern nur „genau genommen (proprie loquendo)" das 
Gefühl der Liebe der Gottheit ab, und meint in Eth. V 19, dass der Mensch 
es nicht „verlangen (conari)" könne, dass Gott ihn widerliebe. Er gebraucht 
also Ausdrücke, welche sein Schwanken in diesem Punkte verraten. Und 
in der That hat er, nur genötigt durch den Gedanken, dass der Gottheit 
kein Gefühl, weder ein freudiges, noch ein schmerzliches beigelegt werden 
dürfe (V 17), diese Behauptung aufgestellt, während ihn andere Erwägungen 
von jenem Schlüsse entfernten. Letztere mussten ganz naturgemäss an den 
Stellen in den Vordergrund treten, in denen er das glückselige Leben unseres 
ewigen Geistes behandelt. Denn hier, wo ihn sein warmes Gefühl fortreisst, 
und das Streben deutlich erkennbar ist, unseren Zustand in der ewigen Welt 
in möglichst glänzenden Farben zu schÜdern, konnte er leicht auch eine 
Liebe Gottes zum Menschen lehren und die entgegengesetzte Ansicht ausser 
Acht lassen, der seine augenblicklichen Empfindungen widersprachen und 
die er auch früher nur in zweifelhafter, wenig entschiedener Weise be- 
hauptet hatte. Es ist ihm sogar möglich, hier (V 35 f.) dasselbe durch 
mathematischen Beweis zu erhärten, was er früher (V 17) auf demselben 
Wege zurückgewiesen hatte. 

S. 29 *) Durch die Art der Entwicklung, die nach obiger Darstellung der 
Ewigkeitsbegriff genommen hat, wird in schlagender Weise die Ansicht 
widerlegt, nach welcher Spinoza seine Ewigkeit aus der Erfahrung aufgelesen 
und zwar einfach durch Beziehung auf die endlichen Dinge und Weglassen 
der Zeitbestimmung gewonnen habe (Baumann, die Lehren von Raum, Zeit 
und Mathematik Bd. I S. 180); denn aus dem Gesagten geht klar hervor, 
dass die Bestimmung der Ewigkeit auf dem gerade entgegengesetzten Wege 
erfolgte. Spinoza hatte nicht Einzeldinge sondern das göttliche Wesen vor 
seinem Geiste, als er ihren Begriff schuf. Es stand ihm fest, dass die 
Existenz Gottes, welche zu seinem Wesen gehört, allein die wahrhaft ewige 
sei, und so bildete er aus ihr seinen Begriff der Ewigkeit. Dieser bezog 
sich daher anfangs nur auf die Gottheit und stellte sie sogar in den cog. 
met. in scharfen Gegensatz zu den Modis, auf die er erst später ausgedehnt 
wurde. Er kam gleichsam von oben, der Zeitbegriff aber von unten, und 
diese gegenüberliegende Stellung beider erzeugte den gegenseitigen Aus- 
schluss Ausserdem würde ja unser Philosoph seine vielgerühmte intuitive 
Erkenntnis völlig verleugnen, wollte er seine ersten und höchsten Begriffe 
auf empirischem Wege ableiten. 

S. 38. *) Der Standpunkt einer durchaus persönlichen Existenz unseres 
Geistes in der Ewigkeit ist von Th. Camener in seinem Werke „Die Lehre 
Spinozas" S. 121 ff vertreten und durch folgende Argumente gestützt 
worden: 1 Durch das Moment der idea mentis, des persönlichen Bewusst- 
seins, welches der Geist von sich habe, nicht nur sofern er sterblich, sondern 
auch sofern er ewig sei; 2. durch den Umstand, dass er die Idee des 
Wesens seines Körpers, eines Individuums, sei, daher müsse er selbst ein 
Individuum sein; 3. durch Stellen aus der Ethik, in denen ein Selbst- 
bewusstsein des Geistesg elehrt werde (V 30, 31 Schol , 39 Schol.); 4 (S. 291) 
dadurch, dass der ewige Geist, indem er von intellektueller Liebe zur Gott- 
heit erfüllt ist, die Idee derselben vor Augen hat und sich selbst als ihre 
notwendige Wirkung auffasst. 

Nehmen wir nun zu diesen Beweisen kurz Stellung, so werden wir 
es an dem ersten für richtig und erwiesen finden, dass unser ewiger Geist 
ein Selbstbewusstsein besitze. Damit ist aber noch immer nicht ein per- 
sönliches gesetzt, d. h. gesagt, dass er sich als individuelles Wesen denke. 
Auch die Gottheit wird, indem sie eine Idee ihres Wesens und alles dessen 
hat, was aus demselben notwendig folgt (II 3), zugleich ein Bewusstsein 
ihres eigenen Denkens besitzen, deshalb ist ihr aber noch keine Persönlich- 
keit beizulegen. Eine solche, in Beziehung auf den ewigen Geist, wird 
auch von den angeführten Beweisstellen (II 43 Dem , V 23 Dem.) nicht gefordert. 



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Dagegen erinnere man sich, dass die Idee des Geistes mit dem Oeiste ver- 
einigt sei (II 21), dass sie beide ebendasselbe Ding seien (II 21 Schol.). 
Demnach wird die Beschaffenheit unseres Selbstbewusstseins sich genau 
nach unserem Denkinhalte richten. Die Imagation also, das Vermögen der 
einzelnen, besonderen Ideen, wird ein durchaus persönliches, das reine 
Denken aber, unser ewiger Teil, welcher allgemeine Begriffe enthält, nur 
ein Bewusstsein seiner selbst als allgemeines Wesen haben, welches eben 
unpersönlich ist 

Thut so dieser Teil gerade das Gegenteil dessen dar, was eigentlich 
hätte bewiesen werden sollen, so ist auch der zweite Beweis hinfällig. Dieser, 
vom Parallelismus der Attribute und der in ihnen befindlichen Modi aus- 
gehend, giebt dem ewigen Geiste ein individuelles Dasein, weil sein Körper 
ein Individuum ist. Unsere ewige Seele entspricht aber nicht dem Körper, 
sondern dem Wesen des Körpers, und dass dieses ein Individuum sei, ist 
damit noch nicht gesagt, vielmehr nach unseren Erörterungen (S. 34) 
zu verneinen. 

Die aber als dritter Beweisgrund genannten Bemerkungen Spinozas 
besagen nicht, dass die denkende Seele im ewigen Leben nur ein Bewusst- 
sein ihrer selbst habe, sondern stellen sie gerade als zugleich in Gott be- 
findlich dar, wollen also direkt darauf hindeuten, dass sie nicht unter dem 
Gesichtspunkte des Vergänglichen und somit wie die Ideen der Imagination 
als Einzelmodus aufzufassen sei, sondern teilnehme an Gottes unendlichem 
Wesen und in seiner Allgemeinheit sich verliere. Das ist die Grundtendenz 
jener Aeusserungen, das persönliche Moment aber, welches in ihnen liegt, 
ist nur durch eine Inkonsequenz Spinozas selbst hineingekommen. 

Derselbe Gedanke geht noch viel dentlicher hervor aus dem, was 
der vierte Beweis enthält. Denn auch hier durchdringt uns nicht die in- 
tellektuelle Liebe, insofern die Idee unserer selbst, sondern insofern die Idee 
Gottes und seines unendlichen Wesens in uns lebt, und da die Natur des 
Geistes in der Idee besteht (II 11), diese aber hier eine allgemeine ist, so 
ist dem Schlüsse gar nicht auszuweichen, dass auch unsere Seele als ewige 
den Charakter der Allgemeinheit erhalte. Nur eine schwache Abweichung 
von dieser Anschauung bedeutet es. wenn Spinoza hinzufügt, dass der 
Mensch auch sich selbst als Wirkung der Idee Gottes empfindet Diese aber 
liegt bereits im Wesen des intuitiven Denkens (S. So^). So scheinen die 
Darlegungen Camerers nicht nur seine Ansicht nicht zu beweisen, sondern 
vielmehr die entgegengesetzte zu bestätigen. 

Die persönliche Existenz unseres Geistes in der Ewigkeit wird 
übrigens auch von Zeller verworfen, welcher sagt: „Er [Spinoza] entzieht 
mit dem Wunder, mit der Persönlichkeit Gottes, und mit der persönlichen 
Fortdauer nach dem Tode der herrschenden Denkweise ihren ganzen 
Boden" (Gesch. d Deutsch Philos. S. 63); und ferner von J. E. Erdmann 
mit der Bemerkung abgelehnt: „Wer in den letzten Worten eine persön- 
liche Fortdauer findet, möge nicht vergessen, dass ihm Selbstheit 

nur Figmente der Imagation sind, die er doch gewiss nicht verewigen will, 
endlich, dass er Religion und Seligkeit nur in der selbstvergessenen Hin- 
gabe bestehen lässt, durch die der Mensch ein Werkzeug Gottes wird, das, 
unbrauchbar geworden, weggeworfen und durch ein anderes ersetzt wird. 
In einem solchen dauern die Ideen fort, die meinen Geist constituiert hatten" 
(Gesch. der neueren Philos. Bd. II 3. Aufl. S. 74). 



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