Skip to main content

Full text of "Steinkohlenindustrie"

See other formats


This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world's books discoverable online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that 's often difficult to discover. 

Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 

We also ask that you: 

+ Make non-commercial use of the file s We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attribution The Google "watermark" you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can't off er guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner 
any where in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 

About Google Book Search 

Google's mission is to organize the world's Information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world's books white helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll text of this book on the web 



at |http : //books . google . com/ 




über dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nutzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google -Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 



Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen. 



^ationalökonomische Forschungen 

auf dem Gebiete der 

Großindustriellen Unternehmung. 

BAND II. 



Steinkohlenindustrie 



von 



Dr. Oskar StllHch, 

Dozent an der Humboldt-Akademie in Berlin. 



Utpzig 1906 
VERLAG VON JAH & SCHUNKE. 



^üo^lS^O *xs 




Lü otcUrCC-^^^^v-A— 



RoMvgtdM Bttchdisckmi, L«lp4f . 



Vorwort 



Der verstorbene englische Maler Whistler sagte einmal: ,Ein 
Bild ist vollendet, wenn man an ihm in nichts mehr die Muhe 
sieht, die es dem Künstler gemacht hat* Ich möchte diesen Aus- 
spruch mutatis mutandis auch auf wissenschaftliche Arbeiten der 
vorliegenden Art angewendet wissen, die eine Summe mühevoller 
und eingehender Vorarbeiten und SpezialStudien verlangen, ehe sie 
die Form gewinnen, in der sie sich dem Leser präsentieren. 

Die nachstehenden Forschungen erstrecken sich auf eine Un- 
tersuchung des geschichtlichen Werdegangs, der natürlichen, 
technischen und sozialen Grundlagen, der Produktions- 
and Absatzverhaltnisse, des wirtschaftlichen Gebarens 
und der geschäftlichen Erfahrungen sowie der finanziellen 
Konstruktion und Resultate einer Reihe von Unternehmungen 
auf dem Gebiete des Steinkohlenbergbaues. In dem sich daran 
anscbliefienden dritten Bande, der im Jahre 1906 erscheinen soll, 
werde ich einige Braunkohlenwerke mit ihren Nebenindustrieen 
(Teerschwäleret, Paraffin-, Öl- und Kerzenfabrikation) beschreiben. 

Die Behandlung ist in erster Linie deskriptiver Natur und er- 
hebt sich nur an Punkten besonderer Veranlassung auf die Höhe 
theoretischer Betrachtung. Sie schöpft, wie ich schon im Vor- 
wort des ersten, die Eisen- und Stahlindustrie behandelnden Bandes 
betonte, ihren Stoff vor allem aus dem in den Geschäftsberichten 
niedergelegten Material — unter Berücksichtigung der speziellen 
Fachliteratur — femer aus dem Reichtum der Erfahrung hervor- 
ragender Praktiker und der eignen Unterrichtung über die Ver- 
haltnisse an Ort und Stelle. Die Hauptsache ist auch hier die 
persönliche Kenntnis der konkreten Verhältnisse. Wer in seinem 
Leben noch keine Zeche gesehen hat, der ist selbstverstandlidi 
außerstande, mitzusprechen. Aber selbst für den Kenner auf diesem 
Gebiet ist es nicht immer ganz leicht, sich innerhalb unzähliger 
technischer Details ökonomisch zu orientieren, ich meine, die tech- 
nischen Vorgänge wirtschaftlich zu deuten, und ein objektives von 
der Meinung der Interessenten unabhängiges kritisches Urteil zu 
gewinnen. Nicht die Länge der Zeit ist bei solchen Untersuchungen 
das Entscheidende, sondern das Mafi der Vorbildung, die Schärfe 



IV Vorwort. 

der Beobachtung und die Schnelligkeit der Erfassung. Der 
Nationalökonom, der, ausgerüstet mit den Hilfsmitteln seiner 
Wissenschaft, einen solchen größeren Betrieb durchwandert, sieht 
für seinen Zweck mehr, als der blofi nach der technischen Seite 
hin geschulte Praktiker, dem dazu noch häufig die arbeitsteilige 
Organisation der betreffenden Unternehmung den Oberblick ge- 
brochen hat, und der vielleicht gelegentlich nur einmal als Führer 
das Ganze wieder betritt. Freilich ist es wahr, dafl derjenige, 
der in einem technischen Betriebe Tag für Tag tätig ist, viele 
Einzelheiten besser kennt Aber unberechtigt ist es, die an den 
Techniker gestellten Anforderungen auch an den Nationalökono- 
men zu stellen und zu veriangen, daß er sich längere Zeit, 
vielleicht Monate hindurch, auf einer Zeche, die er beschreiben 
will, aufhalte. Die Forderung eines derartigen Mehraufwandes an 
Zeit ist aber, ganz abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten 
(berufliche Verhinderung, ablehnende Haltung der Leiter einem 
derartigen Verlangen gegenüber) nicht durchführbar. Denn auch 
der wissenschaftliche Arbeiter, der sich weitere Ziele steckt, ist 
gezwungen, nach dem Prinzip des kleinsten Kraftmafies zu 
arbeiten. Das Höchste ist natürlich auch hier die Bereicherung 
der Fachwissenschaft durch Tatsachen und neue Gesichtspunkte 
unter strenger Berücksichtigung der Regeln wissenschaftlichen 
Denkens. Daher habe ich überall versucht, nicht blofi die Dinge 
zu beschreiben, sondern sie auch zu erklären, den Ursachen nach^ 
zuspüren. Scire est, ex causis scire. 

Unter den im folgenden behandelten Aktiengesellschaften 
resp. Gewerkschaften der Kohlenindustrie wird der Leser zwei 
Typen erkennen. Die einen haben ihren ursprünglichen Besitz 
an Kohlenfeldem durch Zukauf und Fusionen fortwährend erweitert, 
ihre Berechtsame ist immer gröfier und größer geworden; die 
andern aber bauen heute noch auf einem nahezu ebenso großen 
Grubenfelde wie zur Zeit ihrer Gründung. Aus der Vergleichung 
beider Typen ergeben sich Probleme, auf die ich im Text naher eingehe. 

Scheinbar stehen die Darstellungen der beiden Typen und 
überhaupt der einzelnen Werke unabhängig und in sich geschlossen 
nebeneinander. Derjenige aber, der tiefer hinsieht, wird erkennen, 
daß Fäden aus dem einen Abschnitt in den andern hinüberspielen 
daß das eine Werk, wie ein Kritiker des ersten Bandes sich richtig 
ausdrückte, durch das andere kontrastiert wird, und sich schließlich 
alle Einzelheiten im Sinne einer höheren Einheit zusammenfinden. 



Vorwort. V 

Die erste Abhandlung enthält die Geschichte der Bergwerks- 
gesellschaft Hibernia, einer für den westfälischen Kohlenbezirk 
typischen Unternehmung, die ich daher auf dem Hintergrunde 
der allgemeinen Entwicklung abzeichne. Daraus erklärt sich im 
wesentlichen der gröfiere Umfang dieses ersten Abschnittes, der 
bei der Behandlung einer ganzen Reihe von Punkten über die 
rein privatwirtschaftliche Seite hinausgeht,* vor allen auch bei der 
Schilderung des Zusammenpralls zwischen Großkapital und Staats- 
gewalt, anläßlich des Verstaatlichungsversuchs im Jahre 1904. 

Daran schließt sich die Darstellung der Gelsenkirchener 
Bergwerksaktiengesellschaft, der größten Handelsgesellschaft 
auf dem Gebiete des Kohlenbergbaus in Deutschland, deren ganze 
Entwicklung beherrscht wird von dem Streben nach der Hegemonie 
aber das rheinisch-westfälische Kohlenbassin. 

Im Gegensatz hierzu schildere ich in dritter Linie den Kölner 
Bergwerksverein, eine der ältesten Aktiengesellschaften auf 
diesem Gebiet, der ursprunglich die Ziele des montanen Groß- 
kapitalismus zu antizipieren versuchte, um später eine ganz andere 
Entwicklungsrichtung einzuschlagen. 

Viertens folgt die Geschichte der Bergwerksgesellschaft 
Konsolidation. Auch hier suche ich über das rein Chronistische 
hinaus auf das Typische der Entwicklung dieses nichtfusionierten 
Unternehmens zu kommen, außerdem aber auf eine Reihe interessanter 
Abweichungen besonderer Art 

Das fünfte Unternehmen ist die Bergwerksgesellschaft Dahl- 
bttsch. Hier kam es mir vor allem auf den schon früher gestreiften 
Nachweis des Zusammenhanges an, der zwischen den Abbau- 
verhaltnissen auf der einen und der Entwicklung der Betriebs- 
mittel auf der andern Seite besteht. 

Den Schluß bildet die geschichtliche Entwicklung der Aktien- 
gesellschaft Königsborn, die die Salz- mit der Kohlenproduktion 
vereinigt Ich suche darzulegen, welche inneren Beziehungen 

* E$ trifft daher nicht den Kern der Sache, wenn man meine Untersuchungen 
als rein privatökonomische designiert und die Bezeichnung der Sammlung als 
• Nationalökonomische" Forschungen bemängelt hat. Die Privatökonomie ist 
eben ein wenn auch bisher vollständig vernachlässigter Teil der nationalökono- 
mischen Wissenschaft Außerdem trete ich nirgends vom privatökonomischen Stand- 
punkt, wie ihn etwa der einzelne Geschäftsmann eümimmt, an die Tatsachen heran, 
sondern von dem Interessenstandpunkte der Gemeinschaft Aus diesen beiden Gran- 
den halte ich die Bezeichnung .Nationalökonomische Forschungen* aufrecht. 



VI Vorwort. 

zwischen beiden, auf den ersten Blick ganz verschiedenen Betrieben 
bestehen. Die Kombination von Sole und Kohle gehört zu den 
interessantesten Erscheinungen im rheinisch-westfälischen Industrie- 
bezirk. 

Schliefilich sei es mir noch gestattet, einer Anzahl Henen 
meinen verbindlichsten Dank zu sagen, die mich bei den Be- 
sichtigungen der Zechen und dem Suchen nach Literatur durch per- 
sönliche Auskunft oder schriftliche Mitteilungen unterstfitzt und 
gefördert haben. Ganz besonderen Dank schulde ich folgenden 
Herren: Direktor Bardenhauer, Archivar Dr. Bergengrfin, Direktor 
Bingel, Obersteiger Blöcher, Bergmeister Engel, Generaldirektor 
Effertz, Markscheider Haferkamp, Maschinensteiger Gretz, Bankier 
Jarislowsky, Prokurist Kerksiek, Gruben Verwalter Kesten, Geh. 
Kommerzienrat Kirdorf-Gelsenkirchen, Geh. Kommerzienrat 
Krabler, Generalsekretär Kramer, Archivar Dr. Lahmann, Betrietis- 
fuhrer Latsch, Bibliothekar Leuzinger, Betriebsführer Melches, Be- 
triebsfuhrer Münnich, Direktor Papentin, Dr. Pinner, Dr. Reuter, 
Bibliothekar Dr. Reiche, Kaufmann Tarrant, Maschinensteiger 
Tesch, Generaldirektor Tomson, Maschinenwerkmeister Trappmann, 
Maschinensteiger Trelle, Maschinensteiger Wiese, Direktor Wimmel- 
mann und vielen anderen. 

Auch den Kritikern des ersten Bandes meines Unternehmens 
bin ich ffir die Objektivität ihrer Besprechungen und manche An- 
regung im einzelnen zu Dank verpflichtet Nur einem nicht, dem 
Bergrat Gothein, der mein Buch in jeder Beziehung, sogar in 
sprachlicher, ungünstig beurteilt und seine Privatansicht dahin 
ausgesprochen hat, ,daB man keine Ursache hatte, es zu bedauern, 
falls dem ersten ein zweiter Band nicht folgen würde"*. Wir haben 
es hier mit einem Kritiker zu tun, dem offenbar jedes Unterscheidungs- 
vermögen für Wesentliches und Unwesentliches fehlt Es ist von 
jeher das Kennzeichen einer gewissen und nicht der sachlichsten 
Kritik gewesen, den Mafistab für den Wert eines Buches nidit 
in seiner wissenschaftlichen Methode und seinen die Details re- 
gierenden Grundgedanken zu suchen, sondern in oft nebensach- 
lichen Einzelheiten. Dafür aber ist die Gotheinsche Kritik ein 
glücklicherweise vereinzelt dastehendes Musterbeispiel. 

Charlottenburg 
Leibnizstr. 84 

Frühjahr 1905. Der Verfasser. 



Inhalt. 

Seite 

Vorwort III 

1. Bergwerksgesellschaft Hit>emia 1 

2. Oelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 144 

a. Kölner Bergwerksverein 197 

4. Bergwerks-Aktiengesellscbaft KonsoUdation 220 

5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch 262 

& Königsbom, Aktiengesellschaft fflr Bergtiaa, Salinen- und Soltiadbetrieb 296 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Die wirtscbaftlicben und technischen Fundamente einer ganzen 
Anzahl von Zechenanlagen verdankt Rheinland-Westfalen, das gröfite 
Kohlenproduktionsgebiet auf dem Kontinent, dem englischen 
Kapital. Als um die Mitte des 19. Jahrhunderts der Kohlenberg- 
bau aus dem Ruhrbezirk, wo er bisher handwerksmäfiig im Tage- 
und Stollenbau auf kleinen verzettelten Feldern betrieben wurde, bi das 
Gebiet der Emscher vordrang, war Deutschland noch ein kapital- 
armes Land. Die neuen Anlagen aber waren wegen des die Stein- 
kohlen überlagernden Mergelgebirges Tief baue und infolgedessen 
mit höheren Anlagekosten verbunden, als die Tagebaue. Es darf 
daher nicht wundernehmen, daß in dem damals reichsten Lande 
der Welt der Unternehmungsgeist und der Erwerbstrieb stark ge- 
reizt wurde, sich auch auf deutschem Boden zu betätigen, nadidem 
bereits in den 1840er Jahren das OroBkapital durch die ersten 
Funde von Kohlen im Norden des bisherigen Ausbeutungsgebiets 
alarmiert worden war. 

Es ist nun aber immerhin eigentumlich, warum sidi fremdes 
Kapital damals gerade mit Voriiebe auf den Bergbau warf, wäh- 
rend es andere Industriezweige mied, wie z. B. den Maschinenbau, 
der doch audi um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland 
emporzublfihen begana 

Die Beantwortung dieser Frage scheint mir mit der Tatsache 
zusammenzuhängen, dafl die Kohlenindustrie anknfipft an ein 
Gut, das durch die Rechtsordnung in Preufien und in den meisten 
anderen Bergbauländem zu einem freien gestempelt ist Die 
Kohle ist ein ausschliefilich von der Natur produziertes, 
herrenloses, nur durch okkupatorische Arbeit zu erwer- 
bendes Gut, woran nichts durch die Tatsache geändert wird, 
dafl die Gesetzgebung bei der Okkupation gewisse Formalitäten 
vorschreibt Auf dem Gebiet, mit dem wir es hier zu tun haben, 

Stnilcli, Nftlloulölcoiioiiiisdit Ponchiingtn. Bd. 0. 1 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



gehört die in der Erde liegende Kohle ebenso wie das Eisenerz usw^ 
nicht dem Grundeigentümer. Dieser besitzt nur die Oberfläche, 
Die Kohle gehört aber auch nicht dem Staat Sie gehört nie- 
mandem. Sie ist res nullius.* Jeder, der Kohle findet, kann sie 
nach Erfüllung gewisser Bedingungen*^* als sein äquivalentlos er- 
worbenes Eigentum betrachten. Infolge dieses Charakters 
der Kohle als freies Gut war dem englischen Kapital die 
Möglichkeit gegeben, auch im Auslande in den unent- 
geltlichen Besitz grofier Bodenschätze zu gelangen. 

Infolgedessen wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts aus 
dem technisch und kapitalistisch höher entwickelten England eine 
Summe von Kapital, Arbeitskraft und Intelligenz zu uns herüber* 
gelockt, um unsere montane Orofiindustrie aus der Wiege zu heben. 
Zu den Männern, die damals herüberkamen, gehörte auch William 
Thomas Mulvany (1806—1885), der Gründer der Hibemia. 
Dieser Ire war bisher englischer Staatsbeamter gewesen. Er hatte 
al>er, wie auch heute noch mancher hohe Beamte, seine Stellung 
angegeben, um sie mit der Betätigung in der Industrie zu vertauschen. 

1855 gründete er die aus 128 Kuxen bestehende Ge- 
werkschaft Hibernia und Shamrock. Zu den Gewerken ge* 
hörten folgende Männer: Schiffsreeder Josef Malcomson zu May- 
field (Irland) mit 40 Kuxen, Fabrikant William Malcomson zu 
Portland (Irland) mit 8 Kuxen, Rentner Thomas Mulvany zu Düssel- 
dorf mit 16 Kuxen, Mich. C. van der Maenen zu Brüssel mit 
16 Kuxen, David Malcomson zu Mayfield mit 8 Kuxen, Rentner 
James Perry jun. zu Kingston bei Dublin mit 8 Kuxen, Privatmann 
James Perry sen. zu Obelisk Park mit 32 Kuxen. 

Wir sehen, es sind lauter fremde Namen. Der ganze Be- 
sitz ist in den Händen von vier Familien. Mulvany selbst 
ist Repräsentant der Gewerkschaft Ein Verwandter von ihm fiber- 
nimmt die Direktion. Nur der Betriebsfühitr, Louis Chr. König, 
sdieint Deutscher gewesen zu sein. 



* Das Allgemeiiie Landrecht spricht in TeU ü TIt 16 § 6 von «unter« 
irdischen Schätzen der Natur, auf welche noch nlenumdem ein beaondcfes 
Recht verliehen worden". Ober die Kontroverse, ob nach preufiischem Berg- 
recht die Mineralien und Fossilien integrierende Beitandteile des Orundeigentums 
oder herrenlose Oflter seien, siehe Klostermanns Kommentar zum Allgemeinen 
Berggesetz fflr die preufiischen Staaten, S. Aufl., Berlin 1896, p. 5 ff.; vgl auch 
p. 39ff. 

** Ehdegung der Mutung, auf Qrund deren die Verleihung erfolgt 



1. Bergwerksgesellschaft Hibernia. 



Das Fundament dieses gewerkschaftlichen Unternehmens bil- 
deten min eine Anzahl Grubenfelder, die an zwei verschiedenen 
Stellen entweder gemutet, oder aber aus zweiter Hand billig er- 
worben wurden, nämlich in Gelsenkirchen und Herne, die damals 
noch unbedeutende tief im Walde versteckte Dörfer mit kleinen in 
Fachwerk erbauten Hauschen waren. 

Ober den Erwerb dieser Grubenfelder werden in der aniafilich 
des 25jahrigen Jubiläums der späteren Aktiengesellschaft von der 
Verwaltung herausgegebenen Denkschrift* einige nähere Angaben 
gemacht Danach steht fest, dafi bereits am 27. August 1847 ein 
Rentner namens Ludwig von Oven aus Düsseldorf von dem Rech- 
mingsfflhrer a. D. Franz Hilgenstock in Rellinghausen bei Gelsen- 
kiichen die Mutung Ludwigsglfick erwarb. Der gezahlte Preis 
betrag 150 Taler, also 450 Mark. Die Grubenfelder waren damals 
noch nicht in den Händen grofier Gesellschaften monopolisiert 
Heute wurde eine solche Berechtsame mindestens eine halbe Million 
Mark kosten, denn die Grubenfelder sind, soweit sie aus zweiter 
and dritter Hand erworben werden, im Laufe eines halben Jahr- 
hunderts um mehr als das Tausendfache ihres Wertes gestiegen. 
Es braucht hier nicht erst gesagt zu werden, wie sehr der finan- 
zielle Erfolg mit der billigen Erwerbung resp. der eigenen Mutung 
seitens der ursprünglichen Gewerkschaft verknüpft gewesen ist 

Diese Berechtsame wurde nun von Mulvany gekauft und mit 
einer eigenen Mutung, der er den Namen Neu-Christianenglfick 
gab, unter dem 18./20. April 1857 vereinigt Die ganze Berecht- 
same war nur klein und ist bis dahin das wenigst umfangreiche 
Feld gebliel>en, das die Gesellschaft besitzt — seine Ausdehnung 
betragt 2066276 qm. Das konsolidierte Feld wurde zur Erinne- 
nu^ an die Heimat des Gründers Hibernia, d. h. Irland genannt 

Nun war man aber wie erwähnt noch an einem zweiten Orte 
oordOstlicfa von Gelsenkirchen bei Herne fündig geworden. Die 
Kohle wurde erbohrt durch einen Bocfaumer Bürger, W. Endemann, 
»einem Mann von glflckhaftem Unternehmungsgeist und kraft- 
voller, echt westfälischer Ursprünglichkeit, welcher in weitem Um- 
kreise mit groBem Erfolge mutete' (Denkschrift p. 9). In den 
Jahren 1855/56 erfolgte die Verieihung von fünf Grubenfeldern. 
Diese wurden 1857 konsolidiert und das Ganze im Jahre 1859 
mit dem Felde »SchOngelegen* — wahrscheinlich eine Anspielung 

* Dcnkscfaiift aus Anlafl des 25JIhrigen Bestehens der BergwerksgeseUschaft 
fttKnii 1S7^^1S96. 

1* 



l. Bergwerksgesellschaft Hibernia. 



auf die damalige Lage Hernes — vereinigt Der Umfang dieser 
Berechtsame belief sich auf 6193611 qm, war also fiber dreimal 
grOfier als der von Hibernia. Mulvany gab diesem Kohlenfeld 
den Namen Shamrock (Dreiblatt, Wahrzeichen von Irland). 

Nachdem diese beiden nach heutigen Mafistaben kleinen 
Grubenfelder Hibernia und Shamrock teils durch eigne Mutang, 
teils durch Erwerb aus zweiter Hand, mit einem verhältnismäSig 
geringen Anlagekapital in den Besitz der Gewerkschaft fil>er- 
gegangen waren, wurde mit dem Abteufen der Schachte t)e- 
gonnen. Mit blumenbekrSnzten Spaten erfolgte im Herbst 1855, 
nachdem der letzte Erntewagen vom Felde verschwunden war, auf 
den kahlen Stoppeln der erste Spatenstich zur Anlage des ersten 
Hibemiaschachtes. Mit der Abteufung des ersten Schachtes auf 
Shamrock wurde erst etwas später, im MSrz 1857, begonnen. 

Volkswirtschaftlich bedeuteam für den damaligen Stand des 
Kohlenbergbaues ist nun die Tatsache, dafi sowohl die Arbeiter 
als auch die Techniker für das Abteufen der beiden Schachte 
aus England herübergeholt wurden. Mulvany hatte vor Beginn 
der Arbeiten das nordenglische Kohlenrevier bereist, um Berg- 
leute und Ingenieure anzuwerben. Die Kohlenindustrie befand 
sich damals noch im Stadium der Empirie. Das technische Können 
war noch nicht durch Einbürgerung des rationeOen Verfahrens 
objektiviert Die persönliche Geschicklichkeit und die Tradition 
waren ausschlaggebend. Daher wurden die mit dem Abteufen 
grofier Tiefbauschachte vertrauten englischen Arbeiter heran- 
gezogen — freilich gegen hohen Lohn. Dieser betrug für die 
achtstündige Schicht 10 Mark. Deutsche Arbeiter wurden nur 
zu gewöhnlichen Tagelöhnerdiensten verwendet und mit 2 bis 
2,50 Mark bezahlt 

Die Schachte wurden nun nach dem Muster englischer Tief- 
bauanlagen hergestellt Sie wurden mit gufieisemen Segmenten, 
sogenannten Tübbings, ausgekleidet, um die reichlichen Wasser- 
zuflüsse abzusperren. Andererseits wieder verwandte man ziemlich 
primitive Arbeitsmittel, die damals in Deutschland im Oebraudie 
waren. »Bei dem Schachtabteufen*, t>emerkt die Festschrift, »ver- 
einigten sich uralte Gepflogenheiten mit den neuesten Errungen- 
schaften menschlicher Forschung in eigenartiger Weise; denn 
wahrend im Schachtabteufen die wichtigste Erfindung der Tüb- 
bings in Anwendung kam, wurden die Erd- und Bergmassen 
mittelst eines primitiv eingerichteten Pferdegöpels zutage geschafft* 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



Das Abteufen der Schachte ging rasch vonstatten. Bereits 
nach ca. IVa Jahren erreichte man bei 111 V2 m das Steinkohlen- 
gebirge, bei 127V2 m das erste Steinkohlenflöz. Etwas tiefer 
lagerte die Kohle wegen des Einfallens der Flöze von Süden nach 
Norden auf Shamrock. Dort lag das Steinkohlengebirge 144 m 
tief, wahrend das erste Kohlenflöz bei 179 m angefahren wurde. 

Die Wasserzuflusse waren hier noch geringer als auf Hibemia. 
Der ZufluS betrug 0,03 cbm in der Minute, so dafi zu seiner 
Bewältigung Pumpen nicht erforderlich waren. Man blieb nun 
aber weder auf Hibemia noch auf Shamrock bei der Abteufung 
eines Schachtes stehen, sondem ging gleich von vomherein zum 
Zweischachtsystem fiber. Mit dem Niederbringen des zweiten 
Schachtes wurde auf Hibemia 1857, auf Shamrock 1862 begonnen. 

Die Zechen deutschen Urspmngs waren im Gegensatz zur 
Hibemia lange Zeit nur mit einem Schacht versehen, bis endlich 
die Erfordemisse der Massenproduktion, die Notwendigkeit einer 
größeren Sicherung der Arbeiter und Orfinde, die ich an anderer 
Stelle dieser Forschungen behandele, sie zur Anlage weiterer 
Sdiachte zwangen. 

Die ersten Kohlen konnten auf Hibemia 1858, auf Shamrock 
1860 gefördert werden. Die Fördemng betmg taglich 4000 Scheffel, 
oder in das jetzt gebrauchliche Mafi umgerechnet, 200 t Heute 
betragt die taglidie Leistung (nach dem Geschäftsbericht für das 
Betriebsjahr 1904) 

auf Hibemia 1082,17 t 

auf Shamrock 2861,89 t 

wobei freilich die spater zu behandelnde Vergröfiemng des Gmben- 
fddes, die Vermehmng der Zahl der Schachte usw. nicht aufier 
acht zu lassen ist Die in diesen Zahlen zum Ausdmck kommende 
Stdgerung ist die Realisiemng des Prinzips der Massenproduktion 
im Kohlenl)ergbau. Es ist das Leitmotiv des Orofikapitalismus. 
Alle Einrichtungen und Maßnahmen der alten Gewerkschaft, vor 
allen aber der spater sich daraus entwickelnden Aktiengesellschaft, 
stehen damit in Zusammenhang. 

Anfangs freilich war der spater alles beherrschende kapita- 
listische Geist noch nicht genQgend zur Ausbildung gekommen. 
Es fehlte vor allem eine geregelte Buchfühmng. Die alten Ge- 
werken machten sich darüber keine grofie Sorge. Das rationa- 
listische Element, der Aufbau des ganzen Untemehmens auf Ziffern, 
lag nodi im Keimstadium. Welche Kapitalien damals angelegt 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



waren und welche Verzinsung sie ergaben, läfit sieb daher nicht 
genau nachweisen. Wenn wir mit der Festschrift annehmen, 
dafi nach und nach 10 Millionen Mark eingezählt wurden, was 
aber sicherlich zu hoch ist, so ergibt sich immer noch eine Durch- 
Schnittsdividende von 5,44 ^/o, wobei zu betonen ist, dafi in den 
ersten Jahren naturgemäß ein weit geringeres Anlagekapital zu 
verzinsen war. Nach später vorgenommenen Rekonstruktionen 
schwankte der Reingewinn von 1861—1872 zwischen 305580 Mark 
im Jahre 1868 und etwas über 1 Million Mark im Jahre 1872. 
Er betrug im Durchschnitt rund 544500 Mark. Daran ist Zeche 
Hibemia mit jährlich 269700 und Zeche Shamrock mit 274800 Mark 
beteiligt Zwischen beiden Zechen bestand in dieser ersten eng- 
lisch-gewerkschaftlichen Periode weder in bezug auf die Produktion 
noch in bezug auf die Ausbeute eine grofie Divergenz. Das 
Gleichmafi aller Dinge war noch die Grundlage des Unternehmens, 
bis auch diese durch die Entwicklung von Differentialrente 
auf den einzelnen Zechen auseinandergesprengt wurde. 

Soviel über die Anfänge des Unternehmens. 

Als nun in Deutschland die Oründerperiode mit ihren rie- 
sigen Projekten auch den Kohlenbergbau in die spekulative Be- 
wegung hineinrifi, da wurde die alte patriarchalische Gewerkschaft 
in eine den Interessen der Börse mehr entsprechende Form, näm- 
lich in eine Aktiengesellschaft verwandelt, bei der sich nunmehr 
auch das deutsche Kapital in ausgedehntem Mafie beteiligte. Diese 
Umwandlung erfolgte durch Vertrag vom 11. März 1873. Das 
Grundkapital wurde auf 16,8 Millionen festgesetzt Die alte gewerk- 
schaftliche Firma »Hibemia & Shamrock* blieb vorläufig weiter be- 
stehen, bis sie 1887 mit Beginn der großen Annexionsperiode durch 
die Bezeichnung »Bergwerksgesellschaft Hibemia" ersetzt wurde 

Will man in das Gefüge eines solchen grofien Unternehmens 
näher eindringen, so mufi man zunächst versuchen, einen Einblick 
zu gewinnen in seine natürlichen Grundlagen. Diese werden 
bestimmt durch zweierlei: Einmal durch dieGrOfie des Gruben- 
feldes und dann durch die Beschaffenheit der darin enthalte- 
nen Kohlenflöze. 

Das Gmbenfeld der beiden Zechen Hibemia und Shamrock 
umfafite, wie wir sahen, nicht mehr als 826 ha. Auf diesem Stande 
blieb es bis zum Jahre 1887. Seitdem al>er setzt ein Umschwung 
in der Geschäftspolitik des Untemehmens ein, der vielleicht 
in intellektuellem Zusammenhang steht mit dem grofien Ver- 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



sdundzungs- und Verstrustungsplan, der um die Mitte der 80er 
Jahre von einer tedinischen Kommission des Vereins fflr die 
bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund ent- 
worfen wurde.* Neue Zechen werden den alten angegliedert 
Die Ära der Fusionen beginnt Die schliefiüche Folge dieser 
Expansion ist — um das Resultat gleich vorweg zu nehmen — , 
dafi an Stelle der kleinen alten Berechtsame ein Riesenfeld von 
10184 resp. 10623 ha. tritt 

Wn verfolgen diesen Angliederungsprozefi zunächst im 
einzelnen und suchen uns gleichzeitig Ober die Beschaffen- 
heit und Lage der Felder, die Motive der Erwerbungen, ihre 
Kosten und die Mittel zu ihrer Deckung klar zu werden. 

1887 erwirbt die Hibemia die Kuxe der Gewerkschaft Wil- 
helmine Viktoria zum Gesamtpreise von 5466964 Mark (An- 
kaufspreis der Kuxe, Grundschuld und Hypotheken). Die Mittel 
zur Zahlung dieses Kaufpreises werden durch eine 4V9Voige, 
hypothekarisch sichergestellte Anleihe von 7,2 Millionen Mark auf- 
gebracht Der Kux kostete 2700 Mark. Die Zeche besafi ein 
Gnibenfdd von 6522933 qm. Es war demnach ebenso grofi wie 
das von Shamrock. Die Veranlassung zu diesem Erwerbe gab 
die Erkenntnis, »dafi es wünschenswert sei, für die allmählich in 
Abnahme begriffene Oaskohlenproduktion der Zeche Hibemia einen 
Ersatz durch Ankauf einer guten Oaskohlenzeche zu schaffen.*^ 

1889 erfolgt dann die Erwerbung der Grubenfelder Nost-. 
hausen und Neuborbeck in einer GesamtgrOfie von 5 889860 qm 
sowie des 390000 qm grofien Feldstücks Agathe. Der dem bis- 
herigen Eigentümer gezahlte Preis bebug 2033469 Mark. Die 
Mittel dazu wurden aufgebracht durdi Emission neuer Aktien im 
Nominalbeträge von 5600400 Mark, emittiert zum Kurse von 
145^0. Das Konsortium, das die Emission übernahm, nämlich 
Sw BleichrOder und die Beriiner Handelsgesellschaft, erhielt 5^/o Pro- 
vision. Der Ankauf dieser jungen unverritzten Grul>enfelder wird 
in dem Geschäftsbericht von 1889 damit begründet, dafi die alten 
Graben der Gesellschaft mit ihrer Förderung immer grOfieren 
Teufen zustrebten und infolgedessen die Schwierigkeiten wuchsen. 
In der Festschrift heifit es dann noch: .Die hohe Bedeutung 
dieser Felder springt namentlich dadurch in die Augen, dafi sie 
auf langer Linie mit unserer Zeche Shamrock markscheiden, so 

• Vgl Jiüiretbericht des V. f . d b. L i. O. D. Vom Jahre 1886. 
— Pesttdutft p. 24. 



8 1. Bergwerksgesellschaft Hlbenüa. 

dafi deren Betrieb sofort in schwunghafter Weise in Angriff ge- 
nommen werden kann." Das Feld Agathe wurde der Zedie 
Shamrock angegliedert, wogegen Nosthausen und Neut>orbeck den 
Namen Shamrock, Schacht UI/IV erhielten. 

Nach einer längeren Pause von zehn Jahren erfolgt dann 
1898 die dritte Erwerbung mit dem Kauf der Zeche Schlägel 
und Eisen. Es handelt sich dal>ei nicht, wie bei der vorigen 
Akquisition, um ein noch unverritztes, sondern um ein bereits 
durch Schächte in Angriff genommenes Orubenfeld. Die Verhält- 
nisse desselben waren bisher wenig günstig gewesen. Von An- 
fang an, d. h. seit 1873, war eine Ausbeute nicht verteilt worden. 
Die alten Schächte bauten auf der hängendsten Partie zum Teil 
qualitätsarme Flöze. Dazu kamen Absatzschwierigkeiten und 
Arbeitermangel in der dfinn bevölkerten Gegend an der Reckling* 
hausen-Hertener Chaussee. Trotz dieser bösen Vergangenheit er- 
warb die Hibemia das Bergwerk.. Damit geht ein Riesenkomplez 
von 26303876 qm Berechtsame, der nach markscheiderisdier Be- 
rechnung bis zur Teufe von 1000 m 275 Millionen Tonnen Kohlen 
biigt, in das Eigentum der Gesellschaft über. Die kolossale Aus- 
dehnung dieses Orubenfeldes läfit sich daran erkennen, dafi es 
den gesamten bisherigen Besitz der Gesellschaft um 5 206 000 qm 
äberragL Der den Gewerken l>ezahlte Kaufpreis betrug 15300 Mark 
pro Kux in bar, oder 6000 Mark neuer Hibemia-Aktien zu llOVo 
und 5100 Mark in bar. Zur Bestreitung des Kaufpreises wurde das 
Grundkapital um 10000800 Mark erhöht Aufierdem wurde gegen 
Verpfändung der Zeche Shamrock III/IV eine 4^/oige Anleihe 
von 3,5 Millionen Mark aufgenommen. Sie sollte der Schulden- 
tilgung und dem weiteren Ausbau der Zeche Schlägel und Eisen 
dienen. Der Kaufpreis der Berechtsame betrug 8 Millionen Mark. 
Der Hektar Grul>enfeld kostete also 3041 Mark. In der Bilanz vom 
31. Dezember 1898 wird der am 1. Mai d. J. übernommene Be- 
stand von Schlägel und Eisen folgendermafien spezialisiert: 

Berechtsame 8000000 Mark 

Schacht- und Onibenbaue 2468484 . 

Qnindstflcke 585140 , 

„_^ ^ /Immobilien 1226200 , 

Betriebsinventar |Mobillen 235920 . 

^ ^ . , rimmoWyen 458000 . 

Qnibeninventar |Mobillen 755228 . 

^, , „ , /Immobilien 41000 . 

Ziegeleiinventar ;^^l,jj,^ , , . . 3412. 

Zusammen: 13773384 Mark 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



Die Motive für diese Erwerbung liegen zunächst in einem 
Punkt» der für die beiden vorhergehenden Akquisitionen nicht in Be- 
tracht kommen konnte, nämlich in der hohen Beteiligungsziffer 
ffir Schlägel und Eisen beim rheinisch-westfälischen Kohlensyndikat 
Sie betrug 868763 t Diese grofie Beteiligungsziffer gewährte die 
Möglichkeit der Übertragung auf die übrigen Zechen der Oesell- 
scbafL In dem Geschäftsbericht von 1898 werden dann noch 
zwei andere Gründe angegeben, nämlich die Sorge für die Zu- 
kunft und die Garantie dauernder Gewinne. Der betreffende 
Passus lautet: »Die grofie Bedeutung des neuen Besitzes für 
unsere Gesellschaft liegt vorzugsweise in seiner verjüngenden 
und die Kontinuität unseres Unternehmens auf weite Zeiten sicher- 
stellenden Kraft Nach den natüriichen Verhältnissen gibt derselbe 
bei erheblicher Verminderung des bergmännischen Risikos unseres 
Gesamtuntemehmens die Sicherheit dauernder Rentabilität" 

Der vierte Zuwachs fällt ins Jahr 1900. Er besteht in dem 
Ankauf der Kuxe der beiden Gewerkschaften Vereinigtes 
Deutschland und Reichskanzler. Außerdem werden 
380 Kuxe der Gewerkschaft Deutscher Kronprinz angekauft gegen 
Hingabe von 133000 Mark junger Aktien. Die vollständige 
Anbiederung des letztgenannten Feldes aber konnte nicht er- 
folgen, weil nur ein Teil der Gewerken mit der gemachten Offerte 
zufrieden war. Später kaufte die Hibemia weitere 125 Kuxe, so 
daß sie heute mit einem Besitz von mehr als drei Vierteln sämt- 
lidier Kuxe die 4378000 qm grofie Berechtsame von Deutscher 
Kronprinz kontrolliert Der Kaufpreis für die beiden erstgenannten 
Kohlenfelder betrug zusammen 1 727460 Mark. Vereinigtes Deutsch- 
land war 8756000, Reichskanzler 8751 738 qm grofi. Die Quadrat- 
fladie der Felder war also annähernd diesell>e. Der pro Hektar 
bezahlte Preis belief sich auf nur 976 Mark. Die nötigen Geld- 
mittel wurden durch Erhöhung des Grundkapitals um 1,6 Millionen 
ausbracht Es handelt sich bei den drei genannten Feldern um 
nnverritzten Besitz von grofiem Zukunftswert Nach den Mit- 
teflungen in der Generalversammlung vom 27. August 1904 ge- 
wlhrieistet dieser unverritzte Feldesumfang die Errichtung von 
fünf selbständigen Doppelschachtanlagen und bOdet bei einem 
nadi markscheiderischer Berechnung anstehenden Kohlenquantum 
voo ca. 220 Millionen Tonnen bis zu einer Teufe von 1000 m eine 
odditige Reserve für die künftige Rentabilität des Unternehmens. 
Zu dieser Erwerbung bemerkt der Geschäftsbericht vom Jahre 1900: 



10 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

»Die Sicherung dieses grofien und ohne Zweifel sehr wertvollen 
Besitzes hat für unsere Gesellschaft nicht allein die Bedeutung 
der Vermehrung ihrer Reserven für die Zukunft; sie verhindert 
aufierdem im Interesse unseres Unternehmens die Aufnahme zahl- 
reicher neuer Bergwerksbetriebe in solcher Nahe unserer Anlagen, 
dafi durch sie die Beschaffung und Unterhaltung hinreichender 
* Belegschaften in Zeiten von Arbeitermangel in fühlbarer Weise 
erschwert wird* 

An diese Erwerbungen schliefit sich dann im Jahre 1903 der 
Ankauf der Zeche General Blumenthal mit einer 19701 000 qm 
grofien Berechtsame und einer nach markscheiderischen Beredi- 
nungen anstehenden Kohlenmenge von 200 Millionen Tonnen. 
Sie markscheidet in ihrer ganzen westlichen Ausdehnung mit 
Schlägel und Eisen. Für den Erwerb der Kuxe wurden 10 Mil- 
lionen Mark neue Aktien ausgegeben. Die 999 Kuxe gingen für 
einen Preis von 13361495 Mark in das Eigentum der Hibemia 
über. Nur ein Gewerke weigerte sich, seinen Kux gegen Zahlung 
von 20000 Mark abzugeben. Ein deshalb angestrengter Prozefi 
endete 1904 mit einem Vergleich. Die Umschreibung des Berg- 
werkseigentums im Grundbuche erfolgte am 26. April 1904. Vom 
1. Mai 1904 ab übernahm die Hibemia den Betrieb. Aus der 
Bilanz vom 31. Dezember 1904 ergibt sich, dafi die Berechtsame 
einen Wert von 6,2 Millionen Mark repräsentierL Der Hektar 
Gmbenfeld kostete also 3147 Mark. Die mit der Gewerkschaft 
General Blumenthal von der Hibemia übemommene Beteiligung 
beim Kohlensyndikat betrag 1036500 t 

Die jüngste, in das Jahr 1904 fallende Erwerbung ist die 
Zeche Alstaden, Aktiengesellschaft für Bergbau in Alstaden 
bei Mülheim a. Ruhr. Die Berechtsame dieser Zeche betrügt 
17264403 qm. Dieses grofie Grabenfeld befindet sich bereits seit 
1856 in Ausl>eutung. Es gehörte damals der Kommanditgesell- 
schaft Albert de Grayter & Cie. und von 1869 an der erwähnten 
Aktiengesellschaft* Es ist heute grOfitenteils abgebaut Wenigstens 
gut das von dem TeUe des Orabenfeldes, der durch den ersten 
Schacht aufgeschlossen ist Zu diesem kam, wie sdion hier be- 
merkt werden mag, 1880 ein zweiter Schacht, der mit allen mo- 
dernen technischen Einrichtungen versehen ist Doch enthalten 
die Flöze grOfitenteils eine unreine Kohle. Für dieses schlechte 



* Siehe Jahrbuch fflr den Oberbergamtsbezlrk Dodmnnd HI. Jahig. 1897 p. 216. 



1. Bergwerksgesellschaft Hlbernla. H 

Objekt erhielten die Alstader Aktionare von dem um 2,5 Millionen 
Mtfk erhöhten Grundkapital 1,5 Millionen Mark. Bei dem Er- 
werb dieser Magerkohlenzeche war ebenfalls die Erhöhung der 
Beteiligungsziffer beim Syndikat das Leitmotiv. Infolge der An- 
gliederung wächst dieselbe um 350000 t 

Aus diesen Darlegungen ergibt sich nun die Berechtsame 
wie folgt: 

Die Qröfie des Gnibenfeldes in qm: 

Hibemia 2066276 

Shamrodc LH 6583611 

Wilhelmine Viktoria 6522933 

Shamrodc m/IV 5889860 

Schlägel & Eisen 26303876 

Vereinigtes Deutschland 8756000 

Reichskanzler 8751738 

General Blumenthal 19701000 

Alstaden . 17264403 

101 839697 qm 

Deutscher Kronprinz . 4378000 

106217697 qm 

Diese Zahlen erzählen die Geschichte der Expansionsbestre- 
bungen des Unternehmens. 

Die grofie, seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre sich voll- 
ziehende Konzentration hat zu einer Veigröfierung des Gruben- 
feldes um ca. 9797 ha geführt Die ursprüngliche Berechtsame 
von 826 ha ist auf 10623 ha gestiegen. So breit ist die heutige 
Basis der Kohlenproduktion des Unternehmens. Dabei darf 
jedoch nicht fibersehen werden, dafi die Quadratflflche der Gruben- 
felder allein einen Mafistab für die Einschätzung der zur Disposition 
stehenden Kohlenmengen nicht bildet, denn die unterirdischen 
Verhaltnisse sind, wie wir noch sehen werden, aufierordentlich 
verschieden. 

Ober die Beschaffenheit und Lage der erwähnten Felder 
ist folgendes zu sagen. Die Erwerbungen lassen sich in zwei 
Kategorien gruppieren: Einmal repräsentieren sie schon lange 
in Ausbeutung befindliche Grubenfelder (Wilhelmine Vik- 
toria und Alstaden). Andererseits aber stellen sie noch wenig 
In Angriff genommene Berechtsame dar, deren Kohlen erst 
ersdilossen werden und auf denen die Zukunftshoffnungen der 
GeseUsdiaft beruhen (Schlägel und Eisen und General Blumenthal). 

Was Hin rAcre anbelangt, so hängt ein Teil der Grul>enfelder 



12 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

zusammen. Das ist jedoch nur bei den Nordfeldern der Fall. Im 
übrigen schieben sich fremde Orubenfelder dazwischen und stören 
die Kontinuität Im ganzen lassen sich fünf fQr sich lie* 
gende Komplexe unterscheiden, nSmlich Hibemia, Shamrock, 
Wilhelmine Viktoria, Alstaden und die nördlichen Felder (Schlägel 
und Eisen, General Blumenthal, Deutscher Kronprinz, Reichs- 
kanzler, Vereinigtes Deutschland). Die in dieser Zerstückelung 
zutage tretende Tatsache bedeutet eine starke lokale Dezen- 
tralisation. Sie ist aber begründet in der historischen Entwicklung. 

Vergegenwärtigen wir uns nun im Zusammenhang die 
Motive, die zur Bildung dieser Riesenberechtsame führten, so 
ergibt sich folgendes. 

Die kapitalistische Entwicklung verlangt auch im Kohlen- 
bergbau Vergrößerung der Betriebsbasis wie der Mittel zu ihrer 
Erschließung, sei es durch Zukauf neuer Felder oder durch Ver- 
mehrung der Schächte oder aber beides zusammengenommen. 
Beide Maßnahmen sind von Wichtigkeit für die Steigerung der 
Produktion. 

In zweiter Linie verlangt der abnehmende Kohlenvorrat Ver- 
jüngung des Grubenfeldes, denn die Kohlengewinnung beruht 
auf Raubbau. Daher sind Neuerwerbungen das einzige Mittel 
der Regeneration. Das alte Grubenfeld wird nach und nach durch 
das neue ersetzt Als auf der Zeche Hibemia die Gaskohlen ab- 
nahmen, trat durch Wilhelmine Viktoria mit ihrem Reichtum an 
Gas- und Flammkohlen die Substitution ein. 

Drittens spielt als Beweggrund der Ausschluß benach- 
barter Konkurrenz namentlich auch in bezug auf die Arbeiter 
eine Rolle. Der Zukauf neuer Felder bedeutet eine Verminderung 
in der Zahl der Konkurrenten. 

Viertens wird das Risiko des Betriebes herabgemindert 
Treten auf einem Grubenfelde große Störungen der Kohlenflöze 
ein, oder wird durch Wasserzuflüsse die Erschließung des Gruben- 
feldes erschwert oder gehindert, so bietet der Riesenbetrieb die 
nötigen Ersatzreserven. Damit aber vermindert sich auch, wie 
wir später sehen werden, die Gefahr großer Schwankungen in 
bezug auf die Rentabilität Die Erträge werden gleichmäßiger. 

Weiter kommt seit 1893 die mit der Neuerwerbung bestehen- 
der Zechen verbundene Möglichkeit der partiellen oder ganzen 
Übertragung der Beteiligungsziffer beim Kohlensyndikat 
auf die alten Zechenanlagen in Betracht Da die Selbstkosten mit 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 13 

der Höhe der Förderung abnehmen, so ist mit der Steigerung der 
Beteiligungsziffer ein Mittel zur Verbilligung der Produktion ge- 
geben. 

Schliefilicb sind noch die technischen Vorteile zu er- 
wähnen. Sie liegen vor allem in der durch die Fusion ermög- 
lichten Arrondierung des Grubenfeldes. Damit fallen die zur 
Begrenzung der frfiher getrennten Felder notwendigen Mark- 
scheidesicherheitspfeiler hinweg. Der Abbau wird rationeller. 

Was die Preise der Felder anbelangt, so haben wir gesehen, 
dafi sie grofie Differenzen aufweisen: Bei Schlägel und Eisen 
und General Blumenthal kostete der aus dritter Hand erworbene 
Hektar Kohlenfeld die Kleinigkeit von über 3000 Mark. Der nie- 
drigste Kaufpreis wurde gezahlt bei Vereinigtes Deutschland und 
Reichskanzler, nämlich 976 Mark. 

Die Mittel zu diesen Neuerwerbungen wurden auf zweierlei 
Weise aufgebracht: einmal durch Anleihen und zweitens durch Er- 
höhungen des Aktienkapitals. Das Wachstum des letzteren 
war die notwendige Voraussetzung der Fusionspolitik. Von 1873 
bis 1889 bleibt das Aktienkapital stabil. Es betrug 16,8 Millionen 
Mark. Die erste Erwerbung von Wilhelmine Viktoria wurde 1887 
durch eine Anleihe von 5 Millionen, die im folgenden Jahre auf 
7,2 Millionen erhöht wird, gedeckt Das Aktienkapital steigt dann, 
um die Neuerwerbungen zu bezahlen und Betriebsmittel zu be- 
schaffen 

1890 auf 22400400 Mark 

ladS 32401200 . 

1899 , 37800000 . 

1900 39400000 . 

1903 51000000 . 

1904 53500000 . 

1904 60000000* . 

Desgleichen steigt die Anleiheschuld. 1887/88 wurden 
wie erwähnt 7200000 Mark 4V2%iger Anleihe ausgegeben, ein- 
getragen auf Shamrock, Hibemia und Wilhemine Viktoria. Davon 
waren ulL 1903 in Umlauf 6423500 Mark. 

1898 werden weiter 3,5 Millionen Mark 4^/oiger Anleihe auf 
Shamrock III/IV eingetragen, davon aber nur 1,5 Millionen Mark 
begeben. Ultimo 1903 waren davon 1494000 Mark in Umlauf. 

^ Von dieser letzten grofien KapitalserhOhung wird noch weiter bei dem 
Antrag au! Verstaatlichung der Hibemia die Rede sein. 



14 1. Bergwerksgeseilschaft Hibemia. 

1903 erfolgt die Emission von 4,5 Millionen Mark 4^/oiger 
Anleihe unter Verpfändung von Shamrock III/IV. Die Stacke 
dieser Anleihe waren 1903 voll in Umlauf. 

Dazu kommen dann weiter 3 Millionen 4%iger Orundschuld 
von Schlägel und Eisen. 1903 sind davon noch 2812000 Mark 
in Zirkulation und 6 Millionen Mark Anleihe der Zeche General 
Blumenthal 

Hieraus ergibt sich» dafi wir es mit einer fundierten, d. h. auf 
Verpfandung des Bergwerksbesitzes der Gesellschaft beruhenden 
Schuld zu tun haben. Dieselbe belauft sich gegenwartig (1904) 
auf 21229500 Mark oder SbVo des Aktienkapitals. 

So werden durch Emissionen von Aktien und Obligationen 
Millionen auf Millionen getfirmt, um die GrOfie und Machtstellung 
des Unternehmens ständig zu erhöhen auf der Basis eines durch 
Akkumulation stetig vergrOfierten kolossalen Felderbesitzes. 

Die treibenden Kräfte bei diesen Verschmelzungen aber 
waren und sind die mit der Hibemia in Verbindung stehenden 
Banken. Es sind zwei grofie Berliner Häuser, nämlich S. Bleich- 
röder und die Berliner Handelsgesellschaft, unter deren Assistenz 
sich diese grofien finanziellen Transaktionen vollzogen. Diese 
Banken verdienen bei solchen Fusionen und den damit in Zu- 
sammenhang stehenden KapitalerhOhungen grofie Summen. Sie 
haben infolgedessen ein starkes Interesse daran, die Konzen- 
trationstendenz nach Möglichkeit zu fördern, 

' Außer der GrOfienentwicklung des Grubenfeldes, die wir im 
vorhergehenden in ihrem historischen Werdegang, ihren Motiven, 
ihren Folgen, ihren Hilfsmitteln und ihren Triebkräften kennen 
lernten, ist nun aber weiter die Qualität und Quantität der 
im Kohlengebirge lagernden Flöze* von gröfiter Bedeutung; 
denn sie sind die Träger der Grundrente des Bergbaues. 

Im Gegensatz zum Erzbergbau haben wir es bei der Kohle 
im allgemeinen mit regel- und gesetzmäßiger Anordnung der Ab- 
lagerung und der Flöze zu tun, die nur in speziellen Fällen 
Unterbrechungen erleidet Die grofien Differenzen in der Ren- 
tabilität des Erz- und Kohlenbergbaues stehen offenbar damit in 
Zusammenhang. 

Die Grundrente der Hibemia wie jedes anderen Kohlent>erg- 
werks hängt nun wesentlich von folgenden Faktoren ab: 

* Unter FlQxen venteht man sedimentlre d. h. geschichtete Ablageningen 
von Kohle in grofler LSngenausdehnung. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 15 

1. von der Art der Kohle, 

2. von der Bauwürdigkeit der Flöze, 

3. von ihrer Lage, 

4. von ihrer Kontinuität 

Die Steinkohlenformation im niederrheinisch -westfälischen 
Kohlenbecken weist vier Arten von Kohle auf, die infolge ihrer 
chemischen und physikalischen Beschaffenheit zu verschiedenen 
Zwecken verwendet werden und deren Gebrauchswert und 
Preis, wie spater gezeigt werden soll, im Handel ein durchaus 
verschiedener ist Der Hauptunterschied zwischen den einzelnen 
Arten wird bedingt durch den Gehalt an flüchtigen Bestandteilen 
auf der einen und an Kohlenstoff auf der anderen Seite. Der 
etstere nimmt von oben nach unten zu ab und der letztere dem- 
entsprechend zu. 

In den oberen und jüngeren Horizonten des Steinkohlen- 
gebiiges liegt die Gasflammkohle, unter ihr die Gaskohle, 
beide mit einem Gehalt von mehr als 35 ^/o Gas und unter 65 ^/o 
Kohlenstoff. Diese Kohle brennt mit langer Flamme. Sie ist 
hart, von hohem Stfickgehalt (45--50^/o, siehe später) und 
hohem Preis. Die Gasflammkohle wird einesteils zu Hausbrand, 
dann aber audi in der Industrie bei den Puddelöfen, Schweifiöfen 
und Generatoren verwendet, andererseits auch vielfach wegen ihrer 
groSen Lagerbeständigkeit exportiert Die Gaskohle dient haupt- 
sldilicfa zur Erzeugung des Leuchtgases. 

Eine Spielart der Gaskohle, die sich durch sehr hohes Gas- 
ausbringen auszeichnet, ist die nicht auf allen Zechen, wohl aber 
auf Shamrock sowie auf Schlägel und Eisen vorkommende Cannel- 
kohle. 

Der dritte Horizont wird gebildet durch die Fettkohlen- 
partie Der Gehalt an flüchtigen Bestandteilen beträgt hier 
35— ISVo, folglich der an Kohlenstoff 65— SS^/o. Sie zerfällt nicht 
im Feuer, sondern sie backt zusammen (Backkohle). Infolgedessen 
dient sie hauptsächlich zur Kokserzeugung. Außerdem wird sie zur 
Heizung von Schiffsmaschinen, Lokomotiven und Dampfkesseln ge- 
bnndit^ Die liegendsteGnippe der Fettkohlen nennt man Efikohlen. 

Die unterste FlOzetage enthält die Magerkohle mit weniger 
als 15% flficfatiger Bestandteile oder mehr als 85% Kohlenstoff. 



• A. V. WaUtluiisen: Geschichte des Stefaikohlenbergweikt Vereliiigte 
Silttr nad Neoakt, Essen 1902, p. 85. 



16 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Sie verbrennt ohne viel Rauch bei geringer Rufientwiddung mit 
kurzer Famme und dient deshalb vorzugsweise als Hausbrand 
(Dauerbrandofen). Sie findet jedoch auch bei Ziegeleien und 
KalkOfen Verwendung. 

Zur Magerkohle gehört auch der Anthrazit, der 94 — ^96% 
reinen Kohlenstoff enthält und nur für Hausbrandzwecke in Be- 
tracht kommt 

Es ist nun das Streben jeder Gesellschaft, möglichst alle 
Arten von Kohlen, von den verschiedenen Körnungen zunächst 
zu schweigen, auf den Markt zu bringen. Das wird naturlich um 
so eher möglich sein, je tiefer das Kohlengebirge bereits durdi 
Schachtanlagen erschlossen ist 

Zuerst fiberwog auch bei der Hibemia die Produktion an 
Glasflamm- und Gaskohle; dann drang man in die Fettkohlen» 
partie ein. Die darunter in großer Teufe liegende Magerkohlen- 
partie ist noch nicht erreicht Infolge der Erwerbung von Alstaden 
aber verfugt das Unternehmen auch über Magerkohlen. Heute 
werden gefördert: auf Hibemia nur Fettkohlen; auf Shamrodc 
hauptsachlich nur Fett- und wenig Gaskohlen; auf Wilhelmine 
Viktoria Gas- und Gasflammkohlen; auf Schlägel und Eisen Gas-, 
Gasflamm- und seit 1904 auch Fettkohle; auf General Blumenthal 
Gasflamm- und Gaskohle, und auf Alstaden Efi- und Mag^- 
kohle. Diese Mannigfaltigkeit ist für das Unternehmen von Vor- 
teil. Wird z. B. eine der genannten Kohlenarten besonders von 
der Konjunktur begünstigt, dann kann die Marktlage durch for- 
derte Fördemng der den relativ höchsten Preis erzielenden Kohle 
am besten ausgenutzt werden. Ein solcher Fall trat bei Beginn 
der letzten Hausseperiode ein. In dem Geschäftsbericht von 1895 
heifit es: »Als in der ersten Hälfte des Jahres unsere Flamm- 
kohlenzechen bei fehlendem Absatz stark noüeidend wurden, 
konnte die bezuglich des Absatzes günstiger liegende Fettkohlen- 
fördemng scharf angespannt und dadurch die nachteilige Ein- 
wirkung zum Teil ausgeglichen werden." 

In den verschiedenen Horizonten gibt es nun Flöze, die sidi 
infolge charakteristischer Eigenschaften und ihrer Umgebung 
überall leicht wiedererkennen lassen und die man daher Leit- 
flöze nennt Die Nomenklatur lag bisher noch sehr im argen* 
Man kannte den Zusammenhang der Flöze nicht \nelfach 
gründete er sich auf Konstmktion und Vermutung und dasselbe 
Flöz wurde auf verschiedenen Zechen oft verschieden benannt 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 17 



Seit 1900 sind jedoch von dem königl. Oberbergamt in Dort- 
mund einheitliche Benennungen eingeführt worden. Danach werden 
12 LeitflOze unterschieden, denen wir bei unsem Untersuchungen 
Öfters begegnen werden und auf die in den Geschäftsberichten 
der Zechen, die auf ihnen bauen, oft mit Stolz verwiesen wird. 
Es sind folgende: in der Gasflammkohlengruppe Flöz Bismarck; 
in der Gaskohlengruppe Flöz Zollverein; in der Fett- und Eß- 
kohlengruppe die Flöze Laura, Katharina, Präsident, Sonnenschein 
tind in der Magerkohlengruppe die Flöze Plafihofsbank, Finefrau, 
Mausegatt, Samsbank, Hauptflöz, Wasserbank. 

Diese Leitflöze zeichnen sich in der Regel durch Rein- 
heit und Mächtigkeit aus. Daher ist es für die Rentabilität 
einer Zeche von grofier Wichtigkeit, auf einem oder mehreren 
dieser Leitflöze zu bauen. Sie sind in der Regel die Träger 
einer höheren Grundrente als andere Flöze. 

Eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der 
Hibemia war es daher, als man im nördlichen Felde der Zeche 
Shamrock das Leitflöz Sonnenschein und das mächtige Flöz 
Dickebank in der Pettkohlenpartie vorfand. 1878 wurde durch 
neue Aufschlüsse nach Süden und Osten auf Sonnenschein eine 
Flözmächtigkeit von 2 m angetroffen. In der Festschrift wird 
darüber folgendes berichtet (siehe S. 23): »Gegen Ende der 
70er Jahre hatte die Unterhaltung einer stetig steigenden Förde- 
rung eine Reihe von Jahren hindurch die über der zweiten Tief- 
bansoble erschlossenen Kohlenvonäte stark erschöpft Das bis 
dahin im Bau befindliche Südfeld und das im Nordfeld vor- 
handene für Sonnenschein gehaltene Flöz Präsident hätten die 
Zukunft der Zeche nicht sichergestellt Der Gedanke Grafs (der 
von 1875—1889 Generaldhektor von Shamrock und Hibemia 
war), auf der zweiten Tiefbausohle nach Norden auszufahren und 
dort ... die liegende Partie unter Flöz 5 aufzuklären, führte zu 
dem glänzenden und verheifiungsvollen Ergebnis, dafi die l>eiden 
mächtigen Flöze Sonnenschein und Dickebank in vorzüglichster 
Qualität und grofier Mächtigkeit bei flachen Fallwinkeln von 
30 — 40^ angefahren wurden. Mit diesem Aufschluß wurde 
unser Unternehmen tatsächlich in den Sonnenschein 
einer lange dauernden Prosperität gestellt!" 

Die Flöze in den Grubenfeldem der Hibemia fallen von 
Süden nach Norden ein und streichen von Südwesten nach Nord- 
osten« Infolgedessen ist auf Hibemia die über dem Kohlen- 

Stltlick, NatfoBAlökoDoniKlit Fonehimgtii« Bd. IL 2 



18 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



gebirge lastende Mergeldecke auf den im Norden liegen- 
den Neuerwerbungen von größerer Mächtigkeit Das gebt 
aus folgenden Zahlen hervor. Die Mächtigkeit des Mergels be- 
tragt nach den mir vom Markscheider gemachten Angaben: 

auf Hibemia 110 m 

. Wllhelmine Viktoria 150 , 

• ^^'^''''^{wN '. * * ." .' l .* ■ .' iS [ 

(im 331 . 

. Schlfigel& Eisen {m/lV 391 . 

Ivm 412 , 

mi 360 . 



General Blumenthal ^ ^^^ 

Mit zunehmender Tiefe aber wird der Kapitalaufwand, wie 
spater gezeigt werden soll, immer größer. Die erstgenannten 
Zechen beziehen nunmehr Differentialrente. 

Die geringste Mächtigkeit, bis zu welcher ein Flöz nodi ab- 
gebaut wird, ist etwa 50 cm. Die meisten Flöze sind jedodi 
auf Hibemia, wie äberhaupt auf den meisten rheinisch- westfäli- 
schen Zechen, von keinem gröSeren als 1 m Durchmesser, Mäch- 
tigkeiten von 2 m gehören schon zu den Ausnahmen. Eine solche 
Ausnahme ist das von Schacht V/VI der Zeche Schlägel und 
Eisen gebaute Flöz 12, das im Sattelnordflfigel in einer Mächtig- 
keit von 2,5 m auftritt, wovon 1,25 m auf eine aufgelagerte Cannel- 
kohlenbank entfallen. Ganz vereinzelt wird auch diese Zahl nodi 
fibertroffen, z. B. durch das 6V2 m-Flöz der Zeche Massener 
Tiefbau ÜI. Derartige abnorme Mächtigkeiten sind jedoch auf 
den oberschlesischen Kohlengruben die Regel. 

Aufier dem Einfallen und der Mächtigkeit ist vor allem die 
Lage der Flöze von Wichtigkeit Die Ablagerung im nieder- 
rheinisch-westfaiischen Kohlenbecken zerfallt bekanntlich in vier 
von Süden nach Norden verlaufende Hauptmulden, die durch 
drei grofie Sattel, d. h. Erhebungen des Kohlengebirges, vonein- 
ander getrennt werden. Es sind die Mulden von Witten, Bochum- 
Dortmund, Stoppenberg-Essen, Horst-Recklinghausen. Durch neuere 
Bohrungen im Norden ist noch eine fünfte Hauptmulde, die Lipper 
Hauptmulde, festgestellt worden. Dazwischen liegen die Sattel 
von Hattingen-Dortmund-KOnigsbom, Wattenscheid und Gelsen- 
kirchen. Es bauen auf dem südlichen FlOzzuge der Hoist- 
Recklinghauser Mulde Wilhelmine Viktoria, auf dem Sfldflügel 
Schlägel und Eisen, auf dem Südostflfigel General Blumenthal; 



l. Bergwerksgesellschaft Hibemia. ig 



Hiberaia und Shamrock bauen auf dem Gelsenkirchener Gebirgs- 
Sattel» welcher sich in westostlicher Richtung von Gelsenkirchen 
nach Herne erstreckt 

Der Einfallwinkel der Flöze in den einzelnen Grubenfeldem 
der Gesellschaft ist sehr verschieden. Er liegt zwischen 10 und 75^. 
Für den Arbeitsprozeß bei der Kohlengewinnung ist das naturlich 
nicht gleichgültig. Die schwierigsten Verhältnisse ergeben 
sich bei steiler Flözlagerung. Hier ist der Abbau kompli- 
zierter. Es sind geschultere Leute nötig. Der Hauer mufi mehr 
anfpassen, damit er nicht abstürzt Die Abbauhöhe ist geringer 
als bei horizontal verlaufenden oder nur wenig geneigten Flözen. 
Es entfällt daher ein unproduktiver Mehraufwand auf Arbeiten im 
Gestein. Auch das Verbauen der Pfeiler ist schwieriger. Die 
Kohle stfirzt leicht herunter, sie .läuft aus", wie der Bergmann 
sagt Es mufi daher mit größter Vorsicht verbaut werden. Beim 
Herunterfallen werden viele Kohlen zerschlagen. Der Stfickkohlen- 
fall Ist daher bei steilen Flözen gröfier als bei flachen. Die 
Feinkohle aber ist, wie wir später sehen werden, weniger wert, 
als die Stückkohle. Diesen Nachteilen steht freilich als Vorteil 
gegenüber, dafi bei steilen Flözen der Bergeversatz dichter aus- 
geführt werden kann und die Berge und Kohlen nicht geworfen 
zu werden brauchen, sondern von selbst rollen. Es ergibt sich 
also ein besserer Versatz und eine Ersparnis an Arbeitskraft 

Sehen wir uns nun die Flözverhältnisse auf den ein- 
zelnen Gruben etwas näher an. 

Auf Hibernia sind im nördlichen Felde die Flöze steil, im 
südlichen flach gelagert In den ersten 20 Jahren baute man auf 
der Gaskohlenpartie in sechs Flözen von 7 m Gesamtmächtigkeit 
Als man dann tiefer hinunterging und ein flözarmes Mittel 
zwisdien der Gas- und Fettkohlenpartie durchbrochen hatte, nahm 
die FlOzbildung einen unregelmafiigen Charakter an. Es zeigten 
sieb Oberscfaiebungen mit Faltenbildungen, die natfiriich für den 
Abbau ungünstig waren. 1879 wurde der erste Bau in den Fett- 
kohlenflözen eröfbiet Ober die vollständig anderen Verhältnisse 
dieser Partie bemerkt die Festschrift unter anderem folgendes:* 
»Unter den mit grofier Regelmäfiigkeit flach, fast söhlig gelagerten 
Gaskohlenflözen traten die Fettkohlenflöze der hängenden Partie 
gegen Erwarten unter starken Verwerfungen und in sprunghaftem 

* a. a. O. p. 52. 



20 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Gebirge auf. Die zwischen den Sprüngen eingekeilten Plöz- 
partien fanden keine Gelegenheit zur Abgasung in die Oberligen- 
den Baue. Sie sind deshalb von einer aufierordentlich starken 
Gasentwicklung und stellen, da diese natürlichen Schwierigkeiten 
noch durch starke Kohlenstaubführung erhöht werden, an die Be* 
triebsleitung im Interesse der Sicherheit der Betriebe die grOfiten 
Anforderungen." Mit diesen Verhältnissen im Zusammenhang 
stehen dann, wie wir spater sehen werden, die Produktions- 
rückgänge auf dieser Grube, die Notwendigkeit stärkerer Kapital- 
investierung und die Opfer an Menschen, die sie forderte. 

Der nördliche Teil des Grubenfeldes von Shamrock wird 
von dem Gelsenkirchener Sattel, der südliche von der Essener 
Mulde durchzogen. Auch hier treten Störungen auf. So wird 
durch eine von Norden nach Süden streichende Verwerfung im 
Ostfelde der östlich liegende Gebirgsteil um 800 m gesenkt, so 
daß in diesem Feldesteil die Gaskohlenpartie auf das Niveau der 
Fettkohlenpartie sozusagen heruntergerutscht ist 

Wirtschaftlich bedeuten solche Störungen stets einen Aus- 
fall an Grundrente. Sie vermehren den zur Kohlen- 
gewinnung erforderlichen Arbeitsanteil durch Mehr- 
arbeiten im Gestein. Da sie nicht vorausberechnet wer- 
den können, bringen sie in den Bergbau ein Moment der 
Unsicherheit und vergrößern infolgedessen das Risiko. 

Ursprünglich baute man auf Shamrock hauptsachlich die Flöze 
Präsident und Nr. 5. Mit dem Jahre 1882 ging man dann an 
die Aufschließung der beiden schon erwähnten Flöze Sonnen- 
schein und Dickebank, auf denen eine Reihe von Jahren ein for- 
cierter Abbau stattfand. Die Entnahme betrachtlicher Kohlen- 
massen aber führte zu einem schnellen Verhieb der eigiebigsten 
Flözpartien (Festschrift p. 40). Der Anteil der beiden erwähnten 
Flöze ging dann in den 90er Jahren stark zurück. Damit hängen 
übrigens die früher erwähnten Vergrößerungen des Grubenfeldes 
vom Jahre 1889 (Nosthausen und Agathe) zusammen. 

Am günstigsten liegen heute die unterirdischen Verhaltnisse 
auf der relativ noch jungen Anlage Shamrock lU/IV. Das hatte 
man ursprünglich nicht vermutet Mit ihrer Inangrifhiahme er- 
fahren die alteren Zechen die gewünschte Entlastung. 

Wilhelmine Viktoria, die 1855 angelegt, 1862 in Förderung 
trat, hat heute ein bereits stark ausgebeutetes Grubenfeld. Im 
einzelnen sind die Lagerungsverhaltnisse ebenfalls ziemlich ver- 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 21 

schieden. In größeren Teufen erhofft man ein Fehlen der Störungen. 
Die Festschrift bemerkt (p. 58): ,Da die Überschiebungen stärkeres 
Einfallen als die Flöze haben, so werden voraussichtlich die Gas- 
kohlenflöze in der Tiefe von 800 m von diesen nicht mehr be- 
troffen und erscheint die Hoffnung berechtigt, dafi diese ;Flöze 
in einer Teufe von fiber 800 m ungestörter, ihr Abbau lohnender 
sein werde, so daß die Zukunft der Grube in nicht zu femer Zeit 
durchaus hoffnungsvoll zu werden verspricht, um so mehr, als die 
Gaskohlen der Zeche Wilhelmine Viktoria zu den besten des 
Reviers zählen." 

Das größte Interesse bieten die Lagerungsverhältnisse der 
Grul>enfelder von Schlägel und Eisen und General Blumenthal* 
Hier liegt, wie schon erwähnt, das Steinkohlengebirge sehr tief 
unter der OberQäche. In diesen Tiefen aber wird sich in Zukunft 
auf den weit nach Norden vorgeschobenen Schachtanlagen in immer 
größerem Umfang die Kohlenförderung abspielen. 

Das Grubenfeld von Schlägel und Eisen hat in der Streich- 
richtung eine Ausdehnung von 5 km. Wie schon erwähnt, ist auch 
hier das Steinkohlengebirge von jüngeren Schichten fiberlagert, 
die der Kreide angehören und schwach unter 1 — 2^ nach Nord- 
osten einfallen. Die Baue bewegen sich im Nordflugel der Horst- 
Recklinghauser Hauptmulde. Die Lagerungsverhältnisse in dem 
bis jetzt aufgeschlossenen Teil lassen sich als regelmäßige be- 
zeichnen. Aber auch hier sind zwei große Sprungstörungen 
vorhanden, die das Grubenfeld von Südost nach Sfidwest durch- 
ziehen und die nach Achepohl Sekundus und Tertius genannt 
werden. Das Einfallen der ersteren ist östlich und das der zweiten 
westlich. Sekundus ist schon weiter südlich in den Feldern von 
Ewald, Recklinghausen, Friedrich der Große, Shamrock I u. II usw. 
bekannt In letzterem Felde verursacht die Störung einen Verwurf 
der Schichten bis zu 800 m. Je mehr sich die Störung dem 
Gnibenfelde der Zeche Schlägel und Eisen nähert, desto mehr 
nimmt die Größe des Verwurfs ab, um in den Graf-Moltke-Hugo- 
Sattel zwischen den Scbachtanlagen III, IV und V, VI ganz zu 
verschwinden. Ein Verwurf der Schichten ist hier nicht mehr 
wahrzunehmen. Ober den weiteren Veriauf der Störung nach 
Norden sind bisher Aufschlüsse nicht vorhanden. 

Die Tertiusstörung ist weiter südlich in den Feldern General 
Blumentbai, König Ludwig, Mont Cenis, Lothringen und den sich 
hier anschließenden Feldern der Harpener Bergwerkaktiengesell- 



22 1- Bergwerksgesellschaft Hibemla. 

Schaft bekannt Auch die Mächtigkeit dieses Sprunges ist sehr 
bedeutend und mit 700 — 800 m anzunehmen. Definitive Aufschlüsse 
über die Gröfie des Verwurfes sind im Felde Schlägel und Eisen 
noch nicht gemacht Nach den Aufschlüssen der benachbarten 
Zeche General Blumenthal läßt sich auch in dem Sattel noch anf 
einen Verwurf von 500 — 600 m schließen« Man wird also von 
der Schachtanlage V/VI, welche westlich der Störung die Flöze 
der Gaskohlenpartie baut, östlich der Störung die untere Fettkohlen- 
partie antreffen. Diese Störung ist nun aber auf die Umgebung 
nicht ohne Einfluß geblieben. Sie hat die Festigkeit des Ge- 
birges bis auf eine Entfernung von 400 m stark beeinflußt, 
so daß sich Strecken nur schwer darin aufrechterhalten 
lassen. Das ist für die Ökonomie des Betriebes natürlich nicht 
ohne Bedeutung. Außer diesen beiden Störungen sind noch 
einige kleinere Verwerfungen bekannt, die jedoch nur geringere 
Bedeutung besitzen. 

Die zuletzt erworbene Zeche, General Blumenthal, auf der 
rechten Seite der Emscher gelegen, baut in ihrem südlichen Teil in 
der Horst-Recklinghauser Mulde. Letztere ist begleitet von mehreren 
streichenden Störungen, die das Kohlengebirge auf eine Lange 
von 200 m zerreißen, so daß eine eigentliche geschlossene Mulde 
nicht vorhanden ist Die Störungen bringen einen Verwurf von 
80 m saigerer Höhe hervor und bewirken, daß der Südflfigel der 
Mulde um so viel höher gelagert ist als der NordflügeL Die 
Schichten, die in der Nähe der Mulde ganz flach liegen, richten 
sich nach Süden hin bis zu 33 Grad auf, während sie nördlidi 
der Schachtanlage III und VI ein Einfallen bis zu 53 Grad erreichen. 
Das Feld, welches in der Fallrichtung der Flöze auf 5000 m Länge 
im Westen von dem Grubenfelde Schlägel und Eisen begrenzt ist, 
wird durch die schon erwähnte, von Achepohl als Tertiusstörung 
bezeichnete Sprungverwerfung in zwei Teile geteilt, die ein geo- 
gnostisch verschiedenes Niveau aufweisen. Die Störung durchzieht 
das Feld von Südost nach Nordwest Sie besitzt ein westliches 
Einfallen. Der westliche, also im Hangenden dieser Störung ge- 
legene Teil wird ,Westfeld" und der liegende Störungsteil »Ost- 
feld" genannt Im Westfelde sind die Flöze Nelly, Fortunata und 
August aufgeschlossen, die mit den Flözen Rive, Dach und August 
der Zeche Schlägel und Eisen indentisch sind und der Oasflamm- 
kohlenpartie angehören. Die Tertiusstörung zerreißt audi hier das 
Gebirge auf einer Strecke bis zu 400 m. Sie sehet sidi ans 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 23 

mehreren kleinen Sprängen zusammen, die eine saigere Verwerfung 
bis zu 600 m bewirken. Im liegenden Feldesteile, dem Ostfelde, 
stehen die FlOze der Gaskohlen und Fettkohlenpartie an, die eine 
regehnafiige Lagerung aufweisen. 

Resfimee: DieErOrterungen über die natürlichen Grund- 
lagen des Bergwerks Hibemia bauten sich erstens auf 
einer Analyse des Grubenfelderbesitzes und zweitens auf 
einer Untersuchung über die Menge und Art der darin 
enthaltenen Kohlen auf. 

Was den ersten Punkt anbelangt, so ergab sich folgen- 
des: Aus dem ursprünglich kleinen wird ein Riesenfeld, 
bestehend aus fünf isolierten Komplexen. Teils waren es 
bereits aufgeschlossene, teils noch junge, unverritzte 
Grubenfelder, die von dem Strudel der Fusionsströmung 
erfaßt, in die Hibernia aufgingen. Die Motive der letzteren 
lagen in dem Streben nach VergrOfierung, Verjüngung, 
Arrondierung, Ausschluß benachbarter Konkurrenz, Her- 
abdrfickung des Risikos und Erhöhung der Beteiligungs- 
ziffer beim Syndikat Der Erwerb vollzog sich unter 
Assistenz des Großkapitals. Das Aktienkapital steigt von 
16,8 auf 60 Millionen. 

Die in diesen Feldern schlummernden Kohlenschatze 
sind nun die Trager der Grundrente des Unternehmens. 
Diese hangt ab von einer Reihe von Faktoren. Zunächst von 
der Art der Kohle. Gefördert werden: Flamm-, Gas-, 
Fett-, Efi- und Magerkohle. Ferner von der Beschaffenheit 
der Flöze. Gebaut werden vor allen einige große Leit- 
flOze. Die Mächtigkeit schwankt Die südlich belegenen 
Graben Hibernia,Shamrock, Wilhelmine Viktoria beziehen 
infolge nicht so machtiger Mergelschichten Differential- 
rente. Der Abbau erfolgt auf Mulden und Satteln, auf 
flach und steil gelagerten Flözen; auf den ersteren mit 
den geringsten Schwierigkeiten. Störungen zerreißen 
blnf ig das Gebirge und veranlassen einen Ausfall an Grund- 
rente, vermehrte Unsicherheit und erhöhtes Risiko. Als 
von besondererBedeutung erkannten wir diebeidengrofien 
SprungstOrungen SekundusundTertius. Die letztere ver- 
schiebt die Lageverhaltnisse auf Shamrock sowie Schlägel 
und Eisen um ca. 800 m, auf General Blumenthal um ca. 
600 m und beeinträchtigt die Festigkeit des Gebirges auf 



24 !• Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



größere Entfernung, was für die Kapitalinvestition nicht 
gleichgültig ist 

Nachdem wir im vorhergebenden die eigentliche Basis des 
Betriebes, das Gnibenfeld und die Beschaffenheit der darin liegenden 
Flöze kennen gelernt haben, gehen wir nun zu einem dritten Punkt 
über: ihrer Erschließung, sowie der Betrachtung der dazu nötigen 
und damit in Zusammenhang stehenden Betriebsmittel. 

Zur Erschliefiung der von der Natur im Erdinnem verborgenen 
Kohlen dienen die Schächte, von denen aus Strecken getriel>en 
werden mit Querschlagen, die das ganze Kohlengebirge in für den 
Abbau bequeme Abschnitte zerlegen. 

Zunächst aber mufi das Mergelgebirge durchteuft werden. 
Die Höhe der Kosten beim Durchsinken desselben hangt aber 
besonders von einem, vorher nicht berechenbaren Faktor ab, 
nämlich den Wasserzuflüssen. Das Wasser ist in vielen Fallen 
der furchtbarste Feind beim Abteufen eines Schachtes. In wasser< 
reichem Gebirge benutzte man daher frühzeitig das Kind-Chau- 
dronsche Verfahren, das auf der Anwendung grofier Bohrmaschinen 
beruht und dessen ökonomische Bedeutung wir auf Dahlbusch 
naher kennen lernen werden. Auf Hibemia wurde mit der Hand 
abgeteuft, durch die Anwendung gußeiserner Tübbings sperrte man 
die Wasserzuflüsse ab. 

Die notwendige Zahl der Schachte steht zu der Gröfie des 
Grubenfeldes in einem bestimmten Verhältnis. Es sind gegen- 
wartig vorbanden auf 

Förderschachte WetterschSchte 
Hibemia 2 1 

e^ ,.ri/n 2 2 

Shamrock < . 



WUhehnine Vilctoria { 



m/N 2 1 

I/IV 2 - 

U/m 2 — 



{i/n 2 
ni/iv 2 
wm 2 



rl/n 2 

General BlumenUial { m/IV 2 



(i - . 

1* - 



Alstaden , „ ^ 



(1, ; : : ; ; : : : ; 

Hieraus ergibt sich, dafi die Gesellschaft im ganzen verfügt 
* Am 30. Juni 1904 stillgelegt. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 25 



nber 22 POrder- und 5 besondere, nur der Ventilation dienende Wetter- 
scfaachte. Auf den neueren Besitzungen aber ist noch eine riesige 
Entwicklung durch Aufschliefiung des Grubenfeldes mittelst weiterer 
Sdiflcbte möglich. Die Baue der drei Scbachtanlagen von Schlägel 
und Eisen erstrecken sich auf einen Feldesteil von 13000000 qm, 
so daB noch 13303876 qm für weitere Schachtanlagen zur Verfügung 
stehen. Dasselbe gilt von General Blumenthal. Auch hier ist 
dnidi die beiden bestehenden Schachtanlagen erst die Hälfte des 
Gnibenfeldes in Bau genommen, so dafi noch Feld für weitere 
zwei Anlagen, d. h. vier Schächte, vorhanden ist Ober diese 
Znkunftsreserven und ihre Erschließung sagte in der General- 
versammlung der Hibemia am 27. August 1904 der Generaldirektor 
des Unternehmens Bergrat Behrens ungefähr folgendes:* Auf den 
jetzt vorhandenen Schachtanlagen der Zeche Schlägel und Eisen 
wird knapp die Hälfte des Grubenfeldes in Anspruch genommen, die 
bd entsprechender Konjunktur nach den bestehenden Aufschlüssen 
eine JahresfOrderung von rund 2 Millionen Tonnen mit Sicherheit 
erzielL Bei dieser Gröfie des Grubenfeldes könne man indes 
nodi weitere vier selbständige Doppelschachtanlagen errichten, 
womit die Gesamtförderung dieser Zeche auf 5 Millionen Tonnen 
pro Jahr steigen würde. Ebenso wie bei Schlägel und Eisen sei 
auch das Grubenfeld der Zeche General Blumenthal von solcher 
Aasdehnung, dafi noch weitere drei selbständige Schachtanlagen 
erriditet werden können. Die Förderung dieser Zeche würde sich 
damit von gegenwärtig rund 1 Million Tonnen auf mindestens 
4 Millionen Tonnen steigern lassen. 

Diese Schächte dienen nun, wie aus der obigen Zusammen- 
steUnng hervorgeht, keineswegs der Förderung allein, sie über- 
nehmen auch die Bewetterung. So dienen z. B. von den drei 
Schachten der Hibemia Schacht I und II allein zur Förderung und 
zun Einziehen frischer Wetter und Schacht III allein der Ventila- 
tion, d h. dem Ausziehen der GrubenlufL Hingegen ist bei den 
Doppelschachtanlagen (Schlägel und Eisen, General Blumenthal) 
omner ein Schacht der Hauptförderschacht, während der andere zur 
Bewetterung und Nebenförderung dient Es findet also unter 
den Schächten eine Art Arbeitsteilung zwischen Förde- 
rang und Bewetterung statt Eine weitere räumliche Speziali- 
sienmg aber besteht nicht 

* Fftaklofter Zeitung vom 27. Augtut 1904. 



26 1* BergwerksgeseUschaft Hibemia. 



Da nun in der Regel die Schächte der Anlagen untereinander 
wenigstens auf den zusammenhängenden Grubenfeldem unter« 
irdisch verbunden sind, so wird es möglich, einen Ausgleich in 
Fällen von Betriebsstörungen eintreten zu lassen, in dem Sinne^ 
daß der eine Schacht bei irgend einer Störung auf den anderen 
die Wasser-, Kohlen-, Menschen- oder Materialförderung fibemimmt 
Die Grfinde ffir das Abteufen neuer Schächte sind mitunter sehr 
verschieden. Als z. B. Schlägel und Eisen in Betrieb genommen 
wurde, litt die Grube unter dem Dbelstande hoher Temperaturen 
und langer Fahrwege. Beides wirkte sehr ungänstig auf das 
finanzielle Ergebnis. Um hier eine durchgreifende Besserung zu 
schaffen, wurden drei neue Schächte abgeteuft; von diesen wurde 
Schacht V und VI zu einer selbständigen Doppelschachtanlage im 
nördlichen Felde herausgebildet, während Schacht IV eine Er« 
gänzung zu Schacht III bilden sollte, um sowohl die Wetter- 
verhältnisse zu verbessern als auch eine Erhöhung der Pro- 
duktion zu gewährleisten. 

Ein 1904 im Westfelde von General Blumenthal in Angriff 
genommener Schacht ist bestimmt, die Förder- und Wetterwege 
in die Gasflammkohlenpartie abzukürzen, um eine bessere 
Bewetterung und damit eine höhere Arbeitsleistung und 
verringerte Selbstkosten herbeizuffihren. 

Von diesen Schächten aus werden nun Sohlen angelegt Der 
Abstand beträgt bei den Neuanlagen meistens 100 m. Auf die 
wirtschaftliche mit dem Wachsen des Sohlenabstandes verknüpfte 
Bedeutung werde ich bei Besprechung der diesl)ezflglichen Ver- 
hältnisse auf Konsolidation näher eingehen. Hier genfigt ein 
Beispiel Die Schachtanlage I/II der Steche General Blumenthal 
hat sieben Sohlen, die, von der ersten abgesehen, bei einer Teufe 
von 408, 456, 558, 608, 712 und 815 m liegen. Der Sohlenabstand 
beträgt 48, 102, 50, 104 und 103 m. Die fünfte Sohle bei 608 m 
ist die Hauptfördersohle. Sie fafit nahezu das Muldentiefste der 
Gaskohlenflöze. Die sechste und siebente Sohle sind zur Unter- 
suchung der Fettkohlenflöze angelegt 

Mit diesen Tatsachen in engem Zusammenhang steht die 
Tiefe der Schächte. Es ist ein den ganzen Kohlenbergbau be- 
herrschendes Gesetz, dafi die Teufe der Schächte zunimmt, je 
mehr die oberen Horizonte abgebaut werden. Sie beträgt gegen- 
wärtig (Hert)st 1904) auf 



1. Bergwerksgesdlschaft Hibernia. 27 

- ■ ^^-^^— ~— —— . 

Shamrock IHTV 265^ m 

Alstadea I 286,9 . 

Alstaden H 500,0 . 

Shamrock VU 569,6 . 

Schlägel & Eisen m/IV 599,2 . 

Wilhehnine Viktoria I 600,0 . 

Schllgel & Eisen V/VI 607,9 . 

Hibernia 611,0 . 

General Blumenthal in/IV 620,0 . 

Schlägel & Eisen I/H 689,2 . 

Wflhebnine Viktoria n/IU 699,3 . 

General Blnmenthal I/n 815,6 . 

General Blumenthal I/II ist heute der tiefste Schacht des 
Obert>ergamtsbezirks. Seine unterste Fördersohle liegt, wie bereits 
erwähnt, l)ei 608,7 m. 

Die Zunahme der Teufe aber ist von Einflufi auf den 
ganzen Betrieb. Das fixe Kapital wachst Die Fördermaschinen 
werden noch grOfier und stärker, die Seile länger, die Ventilatoren 
und Wasserhaltungsmaschinen leistungsfähiger. Der Maschinen- 
bau wird infolgedessen vor eine ganze Reihe neuer Aufgaben 
gestellt Mit zunehmender Teufe wird aber auch der Gebirgs- 
druck gewaltiger, die Temperatur höher, die hygienische Lage 
der Arbeiter ungfinstiger. Daraus aber geht hervor, daß die 
Selbstkosten der Kohle mit zunehmender Tiefe wachsen 
und die Arbeitsbedingungen sich verschlechtern. Der erst- 
genannten Konsequenz hat man auf den Gruben der Gesellschaft 
durch verschiedene Mittel, die wir noch näher kennen lernen 
werden, zu begegnen versucht, der zuletzt genannten leider nicht 
mit demselben Eifer. 

Die Schadite, deren Entstehung, Zahl und Tiefe wir kennen 
lernten, dienen nun in erster Linie der Förderung. Dazu sind 
tedmische Einrichtungen nötig. Die ganze Entwicklung der 
Fördertechnik aber ist beherrscht von dem Prinzip immer voll- 
kommenerer Anpassung an solche Vorrichtungen, die eine Massen - 
förderung grofien Stils ermöglichen. Im Dienste dieser Aufgabe 
steht der ganze tote und lebendige Apparat, der bei der Förde- 
rung Verwendung findet Alles ist darauf zugeschnitten, das 
größte Quantum Kohlen in kürzester Zeit aus der Erde 
herauszuholen. 

Hieben wir uns, um dieses Prinzip zu erkennen, z. B. auf 
die Hängetmnk, wo die Wagen von besonderen Anschlägern ab- 
genommen werden. Mit Eilzugsgeschwindigkeit saust der Förder- 



28 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



korb mit vier beladenen Wagen in die Höhe. Auf der Hängebank 
angekommen, wird die Schachttfir von den Abnehmern aufgeschlagen, 
der Wagen erfafit, heruntergerissen und weiter gerollt. Schon 
sind die leeren Wagen auf das Gestell geschoben. Es ist das 
Werk eines Augenblicks. Die Tür fällt zu. Ein Signal ertönt 
und der Korb rast wieder in die Tiefe zurück, aus der er gekommen 
war, um nach einigen Momenten wieder zu erscheinen. Das alles 
in einem Höllenlärm, in einer von 1000 Kohlenstäubchen geschwän- 
gerten Atmosphäre, in dem Dienst eines einzigen Gedankens: 
Fördern! Es erscheint dem Zuschauer, als ob jede Minute mit 
Gold aufgewogen würde. 

Um die Steigerung in der Bewältigung grofier Quantitäten zu illu- 
strieren, sollen in folgendem drei Schächte einander gegenübergestellt 
werden (cf.Festschr.z.VIU.allgem.deutsch.Bergmannstag, Tabelle 14). 



Zeche 


Gestalt dei FArder- 
korbt Im QuefBClmltt 


Teafc 
in 
m 


Durchidiiiitts- 
fOrderang in 
dncr Heupt- 
tchicht in t 


Kotten der 
Schacht' 
bedienung 
pro t In 4 


AnnUdtr 
gldctixeittc 

Absun- 
bahnen 










520 

500 
273 


647 

816 
1592 


7.95 

9,61 
6,39 




Hibemia I . . 


1 


«— » C=3 




2 


C^ C=3 














a a 






Wilhelin. Vikt I 


a o 


3 




o o 


C=3 C=3 






DoDDel- 






Shamrock IV . 


W 


rdenin] 


° ° 


1 



Auf Hibemia I hat der Förderkorb 2 Etagen ffir je 2 Wagen. 
Es werden also gleichzeitig 4 Wagen ä 550 kg Kohle oder 2^ t 
gehoben und auf 2 Hängebänken abgeschlagen. 

Auf Wilhelmine Viktoria I weist das Fördergestell 3 Etagen 
auf mit je 2 Wagen. Es werden hier 6 Wagen oder 3,3 t Kohle 
auf einmal, und zwar auf 3 Hängebänken abgezogen. 

Am modernsten ist Shamrock IV eingerichtet. Dieser Schacht 
ist mit Doppelförderung versehen, so daß also 2x4 oder 
8 Wagen mit 4,4 t Kohle auf einmal gehoben werden, »eine 
Leistung, welche die bewundernde Anerkennung aller Fachleute 
mit Recht verdient und deren Höhe in anderen Industriebezirken 
bisher auch nicht annähernd erreicht wurde."* Die Voraus- 



* Siehe: Die Entwidmung des Niederrh.-Westf. Steinkohlenbefgbaus im 
19. Jahrhundert, herausgegeben vom Verein fflr die bergbaulichen Interessen im 
Oberbergamtsbeziric Dortmund, Berlin 1904, Bd. V p. 296. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



29 



Setzung für diese Leistung ist freilich eine größere Dimen- 
sionierung der Schachtanlage. Wo diese fehlt, bat man auch 
Förderkörbe mit vier Etagen und je zwei Wagen, wie wir solche 
an anderer Stelle, z. B. auf Zeche Monopol, kennen lernen werden. 
»Mit den wachsenden Kosten der Abteufarbeiten bei unseren 
nördlichen Gruben mußte das Streben dahin gehen, die fertig- 
gestellten Schachte mit einer Förderung auszurüsten, deren 
Leistungsfähigkeit in einem angemessenen Verhältnis zu den auf- 
gewendeten Kosten stand" * Damit ist die Tendenz richtig gekenn- 
zeichnet, die die Fördermenge von 2,2 1 auf das Doppelte steigen ließ. 

Die Förderung wird nun aber noch von einem zweiten 
Prinzip behenscbt Dieses besteht darin, die angegebenen Quanti- 
täten in dem kleinsten Zeitaufwand zu bewältigen. Der 
letztere steht aber im Zusammenhang mit der Teufe, der Masse, 
der Anzahl und Anordnung der auf den Förderkörben stehenden 
Wagen, der ein- oder zweiseitigen Bedienung und der Zahl der 
Abzugsbübnen resp. der Hängebänke. 

Es wird genügen, wenn wir uns diese Verhältnisse auf einer 
Zeche, nämlich Wilhelmine Viktoria, etwas genauer ansehen. 





Etagen 


Zahl 

der 

Wagen 

auf 

Förte- 
korb 


dl«kelt bd der 


Tenic 
In 
m 


Zeitdauer in 
Sekunden 


Sanune 

der 

Se- 
kunden 


Zahl 


SdncM 


Aanbl 


Wacen 

anf 
jeder 
Etage 


PtodnkteiifOnle- 


der 


mng 
pro 
ffltttl. 


in m 
Sek. 

(TS6t« 


«inet 
TreJ- 
ben« 


dct An- 
uttd Ab- 
tddagcnt 


Um- 
atte 


I 
IV 

n 
m 


3 
4 
2 


2 
2 
2 


6 
8 


12 

12 

8 

12 


18 
18 
14 

18 


500 
600 
400 
500 
600 


45 

50 

so 

45 
50 


50-55 
70 
40 
25 
70 


100 

120 

90 

70 

120 


2 
3 

1 
2 
3 



Die Zeitdauer eines Treibens weist in dieser Zusammenstellung 
keine großen Unterschiede auf. Dividiert man die dafür ange- 
gebenen Zahlen m die Teufen, so ergibt sich eine Förder- 
geschwindigkeit bei Schacht II von 8 m, bei den anderen Schächten 
von 11 bis 12 m in der Sekunde, während früher die Geschwindig- 
keiten bedeutend geringer waren. 

Da über das Fördertempo für Wilhelmine Viktoria Zahlen 
aus früheren Zeiten nicht zur Verfügung stehen, so vergleichen 
wir die früheren mit den gegenwärtigen Verhältnissen auf Hibemia I. 



• a. a. O. p. 295. 



30 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Dort betrug: 

Die Teufe Die Zeitdauer eines Treibens Die Fordergeschwindigkeit p. Sek. 
1885:« 305 m 45 Sek. 6,7 m 

1904: 610 . 50 . 12^ . 

Hieraus sehen wir, dafi sich die Fördergeschwindigkeit 
in den letzten 20 Jahren auf Hibemia I ungefähr ver- 
doppelt hat Daraus Iflfit sich der Schlufi zieheui daB die 
Fördermaschinen leistungsfähiger geworden sind. 

Eines der wichtigsten Mittel, um Zeit zu sparen, ist die 
Durchschiebeforderung. Die vollen Wagen werden auf der 
einen Seite von dem FOrderkorb heruntergezogen und fast in 
demselben Augenblick die leeren von der anderen Seite darauf- 
geschoben. In dieser Weise geschieht das Wechseln der Wagen 
auf Wilhelmine Viktoria III, während auf I beide Manipulationen 
nur von einer Seite her erfolgen. Beide FOrderkOrbe haben drei 
Etagen mit je zwei Wagen. Aber die Forderung dauert bei ID 
nur 70, bei I aber 100 Sekunden. Aus der Tabelle ergibt sich, 
dafi diese Differenz durch das An- und Abschlagen bedingt wird 
Es erfordert bei der sonst durchaus gleichartigen Förderung auf 
Schacht I wegen der einseitigen Bedienung ffir das Anschlagen 
einen Zeitaufwand von 50 bis 55 Sekunden, während auf Schacht III 
der Korb in 25 Sekunden abgefertigt ist 

Es ist natürlich ohne weiteres klar, daß mit dem öfteren 
Umsetzen der Zeitaufwand gröfier wird. Bei vier Etagen mufi 
dreimal umgesetzt werden und wir sehen daher hier die Dauer 
eines Zuges auf 120 Sekunden anwachsen. 

Um diese Zeit abzukürzen, wird vielfach die Zahl der Hänge- 
bänke vermehrt So bestehen z. B. auf Hibemia I vier Etagen. 
Trotzdem braucht nur einmal gekapst** zu werden, weil zwei Hänge- 
bänke vorhanden sind. Es kann dann die Bedienung des Korbes 
auf der ersten und dritten und darauf auf der zweiten und vierten 
Etage oder umgekehrt zu gleicher Zeit erfolgen. Damit aber mufi 
die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiter über und unter Tage 
in demselben Mafie wachsen. Es entsteht dann ein Konflikt zwischen 
Zeit- und Lohnerspamis, der von verschiedenen Werksleitem ver- 



* Die Zahlenreihe fOr 1885 entnehme ich den Technischen Mitteiliuigen des 
Vereins ffir die bergtNiulichen Interessen hn Oberbergamtsbezirk Dortmund von 
Bergassessor a. D. Nonne in Dortmund, 1889, p. 209. 

** Caps (Ergreifer) sind Vorrichtungen zum Aufsetzen des FfirdergesteUs an 
der SchachUiIngebank. 



1. Bergwerksgesellschaft HJbemia. 31 

schieden gelöst wird. »Während manche," sagt Köhne*» ,das Haupt- 
gewicht auf die Zeitersparnis legen und daher eine der Etagenzahl 
des Förderkorbes entsprechende Anzahl Abzugsbühnen wählen, 
ziehen es andere vor, um den mit dem vermehrten Anschläger- 
personal verknüpften höheren Ausgaben von Löhnen zu entgehen, 
mehnnals umzukapsen, selbst wenn, wie es bisweilen der Fall ist, 
von früher her mehrere Abzugsbühnen vorhanden sind." Ein 
Mittel, um Arbeitslöhne zu sparen, ist beim Vorhandensein von 
mehreren Abzugsbühnen die Verwendung jugendlicher Art>eiter, 
wie wir sie auch auf den Hängebänken der Hibemia finden. 

Zur Messung der Geschwindigkeit sind an den Förder- 
maschinenTeufenanzeiger angebracht, die den Fördermaschinisten 
andeuten, an welcher Stelle des Schachtes die Körbe sich befinden. 
NShert sich der eine Korb der Hängebank, resp. der andere dem 
Füllort, so wird durch eine automatisch in Bewegung gesetzte 
Klingel angezeigt, daß die Fahrgeschwindigkeit nachlassen mufi. 
Die höchste Geschwindigkeit bei der Produktenförderung be- 
tragt 19, bei der Personenförderung 6 m. Durch eine automa- 
tisdie Vorrichtung, den sog. Baumannschen Sicherheitsapparat, ist 
dafür gesorgt, dafi eine grOfiere Beschleunigung nicht eintreten 
kann. Das Gewissen und die Verantwortlichkeit des die 
Förderung dirigierenden Arbeiters wird also durch einen 
Mechanismus entlastet 

Durch die Anbringung besonderer Geschwindigkeits- 
messer, welche in Kurven die Förderzeiten auf einer Papierrolle 
hidizieren, ist es dem Betriebsleiter möglich, den Fördermaschi- 
nisten jederzeit zu kontrollieren. Die Kontrolle der Aufmerk- 
samkeit und Präzision der Tätigkeit des lebenden Menschen durch 
einen toten Mechanismus findet hier eine tiefsinnige Anwendung. 

Infolge der Steigerung der Massen und Geschwindigkeiten 
aber muflte die Sicherheit des Betriebes abnehmen. Man war 
daher darauf bedacht, Fangvorrichtungen anzubringen. Durch 
dieselben wird verhindert, dafi im Falle eines SeUbruches das Ge- 
stell in die Tiefe stürzt In dem Geschäftsbericht der Gesellschaft 
von 1876 wird erwähnt, dafi auf Schacht I der Zeche Hibemia 
•nunmehr die bisher mangelnden Fangvorrichtungen an den 
Forderkörben angebracht werden konnten, deren Vorbandensein 
äne grofie Beruhigung bei der Seilfahrt der Belegschaft gewährt". 

* KOfane, Festsdir. z. VIU. aUg. deutsch. Beramannstag p. 83. 



32 1- Bergwerksgesellschaft Hibernia. 

Als die besten werden heute die Keilfangvorrichtungen angesehen, 
die durch allmähliche Aufzehrung der lebendigen Kraft wirken. 
Köhler bemerkt jedoch, .dafi bis jetzt noch keine der zahlrdcfaen 
Konstruktionen volles Vertrauen verdient' 1* 

Zur Bewältigung der Massenförderung dienen, wie schon er- 
wähnt, grofie Fördermaschinen. Ober deren Trommeln 
laufen zwei Seile, von denen sich das eine auf- und das andere 
abwickelt Diese Seile gehen über die Seilscheiben des Förder- 
gerfistes, das heute ganz aus Eisen konstruiert ist, und das das 
äufierliche Kennzeichen jedes Zechenbetriebes darstellt Die heute 
auf Grube Hibemia I und II stehenden Fördermaschinen stammen 
noch aus England. Sie wurden dann, weil sie der Massenfördening 
nicht mehr genügten, umgebaut Der Zylinderdurcbmesser beträgt 
900 mm bei 1569 mm Hub, der Durchmesser der Trommel 
5,35 m. Größer noch ist die Leistungsfähigkeit der Hauptförder* 
maschine auf Shamrock ü. Sie ist ein Zwilling von 1100 mm 
Zylinderdurchmesser, 1900 mm Hub und zwei Seiltrommeln 
von 7 m Durchmesser. Die Stärke der Maschine ist 1000 Pferde- 
kräfte. 

Die Fördermaschinen werden durch Dampf angetrieben. Der 
Fortschritt elektrischer Förderung ist auf keiner der Schachtanlagen 
der Gesellschaft bisher verwirklicht So viel fiber die Schacht- 
förderung. 

Anders gestaltet sich die Förderung auf den unter- 
irdischen Strecken und Querschlägen. Dieselbe erfolgt auf 
den Gruben der Hibemia 

a) durch Schlepper, 

b) durch Pferde, 

c) durch Maschinen. 

Die Aufeinanderfolge dieser Arten stellt gleichzeitig eine Ent- 
wicklungsreihe dar. Ursprünglich als die Entfernungen der Arbeits- 
punkte vom Schacht noch keine grofien waren, wurde jeder Kohlen- 
wagen von einem Schlepper bis an den Füllort geschoben. Mit 
dem Wachsen der Förderlängen wird ein weiterer Kraftzuwachs 
nötig. Es wird die Pferdekraft in den Betrieb eingestellt, die 
menschliche ersetzend und verdrängend. Ein Motiv dürfte viel- 
leicht auch hier der steigende Arbeitslohn gewesen sein, der ja 
in so vielen Fällen zu einer Ersetzung durch billigere Kräfte, 



^ Bergbaukunde, Leipzig 1904, p. 188. 



1. Befgwerksgesellschalt Hibemia. 33 

seien es nun Tiere oder Maschinen, führt Heute ist die Schlepper- 
fOrderung im wesentlichen auf die Abbaustrecken beschränkt Wir 
werden jedoch Bergwerke kennen lernen (Gelsenkirchner Berg- 
werksaktiengesellschaft), wo sie überhaupt so gut wie beseitigt ist 

An ihre Stelle ist auf den Zechen der Hibemia in grofiem 
Umfang die Pferdeförderung getreten; die Leistung ist hier be- 
deutend hoher. Ein Pferd zieht zwölf Wagen in einem Zuge. 
Auf manchen Zechen ist die Zahl der Wagen noch höher. Als 
Duichschnittsleistung kann man 35 tkm pro Schicht rechnen. 
Die Durchscbnittskosten eines Tonnenkilometers betragen etwa 
21—22 Pf.* Die Pferde sind hier wie auf anderen Zechen nicht 
Eigentum der Gesellschaft, sondern gehören einem Unternehmer. 
Die Ursache dafür, dafi die Pferde geliehen werden, liegt einmal darin, 
dafi die Zechenverwaltung nicht über Persönlichkeiten verfügt, die 
mit dem Pferdehandel genügend vertraut sind, andererseits aber 
in der mit dem Halten eines eigenen Pferdebestandes verknüpften 
groBen Kapitalanlage. 

Die Pferde haben heute auf den einzelnen Gruben der Berg- 
werksgesellschaft unteru-dische Stallungen. Sie bleiben zeitlebens 
anter Tage. Es sind kraftige Tiere schweren Schlages, die das 
unterirdische Klima verschieden lange aushalten, manche nur ein 
oder wenige Jahre, andere aber wieder zehn Jahre und länger. 
Freilich hat die Einführung unterirdischer Stalle manche Nach- 
teile. »Die Pflege der Pferde wurde schwieriger. Haut- und Huf- 
krankheiten nahmen zu, die bei den Pferden ohnehin häufigen 
Angenfibel vermehrten sich, namentlich aber wurden die Tiefbaue 
die Herde der gefthrlichsten Seuchen. Besonders der Rotzkrank- 
faeit fiUlt, wenn sie einmal ausgebrochen ist, jahriich ein großer 
Prozentsatz der Pferde zum Opfer, und sie wird um so be- 
denklicher, als das Rotzgift auch auf Menschen Ot>ertragen 
werden kann.** 

Aus diesem Grunde ist man auf den meisten Gruben zum 
Efsatz der Pferdeförderung durch Seil-, Ketten- oder Loko- 
motivfOrderang übergegangen. Es ist dies die maschinelle 
Streckenförderung, die einen groBen Portschritt bedeutet, weil 
sie ein weiteres Glied in der Emanzipation des Betriebes vom 
Qrganisdien darstellt Die ganze Tendenz der Förderung liegt 

« KOhne a. a. O. S. 76. 

*• Zdtechrtft fOr Berg-, Hatten- und Salinenweten Im Preufilsdien Staat 
Bd. 31 p. 9». 

StllHck, NtttoflridfcOBomttdn Fonchnagcn, Bd. 0. 3 



34 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

darin, den Transport und die Hebung der Kohlenmassen in immer 
stärkerem Maße von der beschränkten Kraft des Menschen oder 
des Tieres loszulösen und sie einem toten Mechanismus zu Ober* 
tragen. Freilich ist dieser Fortschritt auf Grube Hibemia speziell 
nicht realisiert Hier geschieht die Förderung heute wie ehedem 
durch Schlepper und Pferde. Als Grund wurde mir angegd)en 
die Enge der Strecken und vor allem ihre zahh-eichen Windungen. 
Diese Beschaffenheit der Strecken würde freilich gegen eine Auf- 
stellung von Maschinen sprechen, die ein fiber die Hunte laufendes 
Seil ohne Ende in Bewegung setzen, nicht aber gegen die Förde- 
rung durch Lokomotiven. Wir werden z. B. auf Zeche Rhein-Elbe 
sehen, wie die dort eingeführten Benzinlokomotiven auch die 
schärfsten Kurven nehmen. Der fundamentale Fortschritt der Ein- 
führung maschineller Streckenförderung fehlt also. Hing^en ist 
er auf anderen Gruben der Gesellschaft verwirklicht So hat man 
auf Shamrock III/IV Seilförderung in den Strecken, die sich durch 
außerordentliche Billigkeit auszeichnet Die Kosten für den Tonnen- 
kilometer betragen dort nur 5,5 Pf. 

Die bisherigen Ausführungen betrafen die mit der Kohlen- 
förderung in Zusammenhang stehenden Arbeitsmittel. Nun wird 
aber von einer Zeche in erster Linie nicht Kohle, sondern Wasser 
gefördert Die Quantität des letzeren ist im Ruhrbezirk ca. drei- 
mal so groß wie die der geförderten Kohle. Auf den Zechen der 
Gesellschaft Hibemia freilich ist der Wasserzufluß nur ein ge- 
ringer. Er beträgt auf Hibemia nur 0,23 cbm, auf Shamrock 
1,7 cbm pro Minute, im Gegensatz z. B. zu der Zeche Erin, die 
wir bei der Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft kennen lernen 
werden, wo er 11 cbm ausmacht Pro Tag werden also an 
Wasser gehoben auf Hibemia 331 cbm, auf Shamrock 2448 cbm. 
Die Wasser sammeln sich unterirdisch in einem Sumpfe an 
und werden dann durch besondere Wasserhaltungsmaschinen 
(Dmck- oder Hubpumpen) zutage gehoben. Diese Maschinen 
lagen ursprünglich auch auf den Zechen der Hibemia fiber Tage. 
Es waren riesige schwere Balanders, Woolfscbe Verbundmaschinen, 
wie sie z. B. auf General Blumenthal bis in die 80er Jahren be- 
standen. Die in den 70er Jahren einsetzende ungünstige Ge- 
schäftslage veranlaßte dann eine vermehrte Aufstellung der unter- 
irdischen Maschinen wegen ihres gegenüber den oberirdischen 
bedeutend geringeren Preises.* Der Umschwung zugunsten der 

* Köhae a. a. O. S. 97. 



1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia. 35 

Einftthmng unterirdischer Wasserhaltungsmascbinen trat dann erst 
ein mit dem Eisenausbau der Schächte, dem der feuchte Dampf 
weniger schaden konnte, als die Holzzimmerung. Heute stehen 
auf Hibemia unter der 610 m-Sohle 2 Maschinen, die die Wasser 
aus einer Teufe von 616 m direkt zutage heben. Ihre Leistungs- 
fähigkeit beträgt 0,75 cbm pro Minute*. Die beiden Compound- 
Wasserfaaltungsmaschinen auf Shamrock stehen in 600 m Teufe, 
haben einen Zylinderdurchmesser von 550 resp. 800 mm und 
1000 mm Hub und je 150 Pferdekräfte*^. Von diesen steht eine in 
Reserve. Aufierdem ist noch eine zweite Reservemascbine vorhanden. 
Wir lernen hier ein Prinzip kennen, dem wir noch öfter begegnen 
werden: die Sicherheit und Ununterbrochenheit des Be- 
triebes durch Aufstellung von Reserven zu garantieren. 
Damit steigt natfirlich die Notwendigkeit größerer Kapitalinvestierung 
nicht unbeträchtlich.*** 

Wir kommen nun zu einem gerade ffir die Bergwerksgesell- 
schaft Hibemia außerordentlich wichtigen Punkt, der Bewette- 
rung. Die Hibemia selbst ist wohl die größte Schlagwettergrul>e 
des Oberbergamtsbezirks. Keine andere hat ein so ungünstiges 
chemisches Temperament wie diese. Das hängt zum Teil damit 
zusammen, daß ihre ausgedehnten Baue mit umfangreichen Hohl- 
räumen in Verbindung stehen, die von dem früher üblichen 
Pfeilerbau herrühren« 

• Festschrift S. 55. — «♦ Festschrift S. 62. 
*** Anm.: Ich möchte an dieser Stelle noch darauf hinweisen, dafi die großen 
Vertmstiingsirfäne des Niederrheinischen Kohlenbergbaus, die in den SO er Jahren, 
ehe die Hit>eniia ihre ersten Neuerwerbungen machte, auftauchten, und damals 
vom Verein für die bergbaulichen Interessen im Ot)ert)ergamtsbezirk Dortmund 
durch Spezialuntersuchungen einer technischen Kommission gefördert wurden, 
an die Wasserhaltung anknüpfen. Eine gemeinsame Wasserhaltung für grö- 
ßere Qrappen sollte der Ausgangspunkt für eine weitergehende Vereinigung der 
Werke sein. Nonne berechnete Ö'^hnische Mitteilungen p. 110), dafi die ge- 
samten Wasserzuflflsse Westfalens von 13 Maschinen gehalten werden könnten, 
während damals (1886) 265 im Betriebe waren. In der Begrflndung heifit es 
(a. a. O. p. 6—7): .Das zwingende Motiv fflr die einheitliche Durchart>eitung 
darauf bezflglicher Plane liegt darin, dafi die Wasserhaltung mit gröfierem Fort- 
schritt in die Teufe immer schwieriger und kostspieliger wird, dafi viele Zechen 
sehr bald vor der Notwendigkeit stehen, gröflere Teufen fassen zu mflssen, und 
solches ohne neue grofie Kapitalien mit ihren jetzigen Betriebseinrichtungen und 
10 manchen Fallen ohne voUsiändige neue Schachtanlagen nicht t>ewerkstelligen 
können.' Bdcanntlich ist dieser grofie Plan, eine einheitliche Wasserhaltung als 
Vofstufe zu einer allgemeinen Verschmelzung durchzufahren, praktisch nicht ver- 
wiiklicht worden. 

3» 



36 1* Befgwerksgesellschaft Hibernia. 

Es bedarf keiner weiteren Darlegung, dafi die Luft in einein 
Tiefbau wesentlich abweicht von der Tagesluft Die Gasexhalationen 
der Kohle, der Tiere und Menschen vermindern den Sauerstoff- 
gebalt und vermehren die für die Atmung schädlichen Bestand- 
teile. Wer einmal in den unterirdischen Gängen eines Kohlen- 
bergwerks lauscht, der vernimmt das leise Knistern der aus den 
blofigelegten Teilen der Kohle austretenden Gase und wird sdion 
dadurch auf eine abweichende Beschaffenheit der Gnibenluft auf- 
merksam gemacht Die Gröfie dieses Gasaustritts steht in 
Zusammenhang eüimal mit der Gröfie der Mergeldecke und 
der Teufe. Je höher die Mergelflberlagerung, desto mehr Gas 
exhaliert die Kohle. Deshalb nimmt der Gasreichtum der Zechen 
nach Norden zu. Besonders gasreich sind daher die unter 
einer Kreidedecke von 300-^500 m Mächtigkeit bauenden Zedien 
General Blumenthal und Schlägel und Eisen. Femer ist auch 
der Flözhorizont von Einflufi. Die Produktion an Gas ist am 
stärksten in der Fettkohlen- und Efikohlenschicht So- 
lange Hibernia in der Flamm- und Gaskohle baute, war die Gas- 
entwicklung bedeutend geringer. 

Ffir die Zukunft liegen also sowohl für die Zechen im all- 
gemeinen wie ffir die der Hibernia im besonderen die Dinge 
wenig günstig. Je weiter der Abbau nach Norden vorruckt und 
je tiefer der Bergmann in die Erde dringt, desto stärker wird die 
Gasentwicklung und ceteris paribus die Gefahrenquelle« Die l>eiden 
nördlichsten Zechen Schlägel und Eisen und General Blumenthal 
werden jedenfalls in Zukunft noch manche Dberraschung bringen. 
Schachtanlage I/II der ersteren baut gegenwärtig noch in den 
geognostischen Horizonten von Bismarck aufwärts bis zu dem 
Flöze Dach. ni/IV baut el)enfalls in den Flözen der Gas- und 
Gasflammkohlenpartie; von den letzteren werden die Flöze im 
Niveau unter Bismarck ausgebeutet Durch Abteufen einer dritten 
Sohle ist man jedoch bereits in die obere Fettkohlen- 
partie von Katharina und Mathias eingedmngen. Bei V/VI liegen 
die Fettkohlenflöze noch unter dem Niveau der dritten Sohle 
(608 m). Die Baue bewegen sich deshalb ebenfalls noch in den 
Flözen der Gas- und Gasflammkohlenpartie. Ahnlich liegen die 
Abbauverhältnisse auf den beiden Schachtanlagen von General 
Blumenthal. Man arbeitet in den beiden obersten Horizonten der 
Gasflamm- und Gaskohlenpartie, hat jedoch bereits mit Aus- und 
Vorrichtungsarbeiten zur Untersuchung der FettkohlenflOze be- 



1. Bergweriugesellschaft Hibemia. 



37 



gönnen. Daher kann man beute schon mit ziemlicher Sicherheit 
sagen, dafi die Zeit nicht mehr allzu fern liegt, in der die 
Schreckensnachrichten grofierGrubenunglücke die öffent- 
liche Meinung Deutschlands erschüttern werden. 

Wir müssen uns nunmehr etwas näher mit der Grubenluft 
beschäftigen. Die beiden gefährlichsten Gase sind Grubengas 
und Kohlensäure. Ich habe im folgenden nach den im Jahre 
1899 auf den einzelnen Zechen der Hibemia vorgenommenen 
Wetterproben die wichtigsten Zahlen zusammengestellt* Dieselben 
ergaben einen Gehalt an 



Ztcht 


Am- 

itföuciidc 

Wtttar 

ownct 

taidim 

7298 


Proseat- 

gtbalt 

aa 


In 24 stunden 

ttfOmtcn ans 

cbffl 


Durch- 
•cbnmL 
Ug- 
Uckc 
FMc- 
rungint 


Pro t agtlebar 
FMerung aas- 
in cbm 




CHi 


COi 


CHt 


Cd" 


au 


Cd 


Hibcniis .... 


0.49 


0.07 


51400 


3154 850 1 


60.47 


3.71 


Sbamrodc m . . 


5300 


0.09 


0.37 


7250 


25185 


2570 


231 


9.80 


do. nnv. . 


5362 


0.22 


0.20 


16950 


12355 


2547 


6.25 


435 


Wflbdiiiiiie>nktottal 


3380 


0.27 


0.28 


13150 


11678 


950 


13.84 


12.29 


da mnv 


2975 


0.15 


0.14 


6400 


4262 


1250 


5.12 


3,41 


SdüicdABiMal/D 


4439 


0.24 


0,19 


15350 


9576 


1300 


11.81 


736 


da m 


1643 


0.22 


0.08 


5100 


936 


450 


1133 


2.08 


Ococnl Bhmienttial 


















i/n 


5600 


0.48 


0.21 


38700 


13708 1600 


24,18 


837 


Ococnl Bhanenthal 
















■MV 


2000 


039 


0.04 


11250 


— 


1 4001 


28.12 


— 



In dieser Tabelle ist Alstaden ausgelassen, weil es zu den 
scUagwetterfreien Zechen gehört Aus den Zahlen ergibt sich, 
daS die Grube Hibernia unter allen Zechen der Gesellschaft 
am ungünstigsten dasteht Der ausziehende Wetterstrom der^ 
selben hatte 0,49 Vo Grubengas, mit anderen Worten: In 24 Stunden 
stiOmten nicht weniger als 51400 cbm Grubengas aus. In zweiter 
Linie folgt dann die Zeche General Blumenthal mit eüiem 
Grabengasgehalt von 0,48 Vo, was einer täglichen Menge von 
38700 dmi entspricht Auf die Tonne Förderung kommen bei Hibemia 
60,47 und auf General Blumenthal 24,18 cbm Grabengas. Ver- 



• Die Eoiwickdung des niedcnhciiilach-westflllschen SteüikoUenbcrgbanf 
Bd. VI WdterwirtKliaft Tsbelie 70 ff . 

•• Nach Abzog von 0fiiV9, die in den frischen Wettern enttiilten sind. 



38 1- Bergwerksgesellschaft Hibeniia. 

gleicht man diese Zahlen mit dem für 191 Zechen des rheinisch- 
westfälischen Reviers gehindenen Durchschnitt von 0^% CH«, 
so ergibt sich, daß nur auf Shamrock und Wilhelmine Viktoria 
die Ergebnisse sich dieser Mittelgröße nähern, wohingegen wieder 
der Kohlensäuregehalt höher ist Auf Hibemia war der Schlag- 
wettergehalt früher ein noch bedeutend größerer als gegenwartig. 
Er betrug 1,01 ^/o, war also doppelt so hoch als jetzt Wir werden 
spater sehen, welche Motive dazu führten, um durch eine Reihe 
von Maßnahmen diese Korrektur zu schaffen. 

Warum auf Hibemia eine wesentliche Verbesserung der Be- 
wetterung erst in die 90er Jahre fallt, wird ebenfalls an anderer 
Stelle dargelegt werden. Mit in Betracht kommt sicher auch der 
Umstand, daß damit nicht unerhebliche Ausgaben verbunden 
sind. Schon Anfang der 70er Jahre berechnete Pfähler,* welche 
Kosten die Luftzuffihrung dem Bergbau verursacht Unter Zugrunde- 
legung eines Preises von 30000 Talern für 2 Ventilatoren mit 2 Be- 
triebsmaschinen ermittelte er den Preis für 10000 cbf Luft auf 
1,09 Pf., mit Hinzurechnung der Zinsen des Anlagekapitals der Wetter- 
schachte, der Amortisationskosten, der Kosten der Unterhaltung 
der Wetterstrecken usw., auf mindestens 5 Pf., d. h. 6 cbm Luft 
kosten 1 Pf. Die Verwaltung der Hibemia hat mir leider die 
zu einer Berechnung der gegenwartigen Kosten der Luftzu- 
führung notwendigen Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt 
Daß sie heute aber bedeutend größer sind als früher, wird sich 
aus dem Folgenden ergeben. Hier kommt es nur darauf an, zu 
zeigen, daß der schnellen Einführung und Herstellung guter 
Grubenluft große Kosten im Wege standen. Hingegen ist die 
Nutzbarmachung der riesigen ausströmenden Gasmengen für 
technische Zwecke, z. B. zur Kesselheizung oder Beleuchtung, 
nicht geglückt Um welche Werte es sich hier handelt, geht 
aus Folgender Berechnung von Behrens** hervor: »Unter der an- 
nähernd richtigen Voraussetzung, daß lOOprozentiges Gruben- 
gas lOOprozentigem Leuchtgas gleichsteht, repräsentieren 54 720 cbm 
Grubengas pro Tag, oder 2280 cbm pro Stunde, 2850 Pferde- 
krafte pro Stunde (0,8 cbm Gas pro Stunde und Pferdekraft) und 
genügen, 19000 Privatgasflammen (0,12 cbm pro Stunde) dauernd 
zu speisen. Bei einem Gaspreise von 0,10 Mark pro Kubik- 



^ Zeitschrift f. Berg-, Hatten- und Salinenw. Bd. XX p. 88. 
^ Beitrage zur Schlagwetterfrage, Essen 1896, p. 113. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibernia. 39 

meter ffir motorische und 0,15 Mark ffir Beleuchtungszwecke würde 
sich der Wert des Grubengases auf 1997280 Mark bez. auf 
2995920 Marie pro Jahr belaufen. 

Die Zuführung frischer Wetter auf Hibernia und Shamrock 
geschah ursprünglich durch Wetteröfen. Der Wetterstrom wird 
hier dadurch verursacht, dafi die erwärmte und infolgedessen 
leichtere Luft von der einströmenden kalten verdrängt wird. Die 
Anlage dieser Öfen war verhältnismäfiig billig, freilich waren 
die Betriebskosten nicht unbedeutend. So verbrauchte der 5 qm 
groBe Wetterofen auf Zeche Hibernia 50 Zentner Kohlen in 
24 Stunden. Die gesamten Betriebskosten pro Jahr beliefen sich 
auf rund 6000 Mark; die Betriebskosten des Wetterofens auf 
Shamrock stellten sich auf 9000 Mark.* Immerhin lieferten diese 
WetterOfen 1863 ein auf anderen Zechen unbekanntes, also über- 
durchschnittliches Luftquantum** von 1297,8, 1868 ein solches von 
1019 cbm pro Minute, also Wettermengen, wie solche von den da- 
maligen Ventilatoren nicht annähernd erreicht wurden. Noch 1873 
trat Nonne durchaus ffir die Wetteröfen ein. .Dieselben verwerten 
die Wärme direkt, ohne das Zwischenglied einer maschinellen 
Einrichtung, sie gestatten die Benutzung des Schachtes zur För- 
derung unter Umständen auch zur Seüfahrung, sie bedingen 
keine Reparaturen und Stillstände, wie die Ventilatoren, die Unter- 
haltungs- und Betriebskosten sind jedenfalls nicht höher, die An- 
lagekosten geringer als bei den Ventilatoren; die Effekte der Wetter- 
Ofen werden beim Fortschreiten des Betriebes nach der Teufe zu 
grOfier, während die Effekte der Ventilatoren kleiner werden 
müssen'.*** Aber je länger die Strecken, je komplizierter der Ausbau 
der Gruben und je größer die auftretenden Schlagwettermengen 
wurden, desto weniger genügten die Wetteröfen. Deshalb lagen noch 
üi den 80er Jahren die Wetterverhaltnisse der meisten Gruben 
sehr im aigen. Wettennengen, die wir heute absolut für unzu- 
reichend halten, galten damals als Maximum. So heißt es in 
dem Geschäftsbericht der Gesellschaft vom Jahre 1883: .Durch 
Vergrößerung des Querschnittes in den Wetterstrecken ist die 
Ventilation in der Grube Shamrock erheblich verbessert worden. 
Es durchströmen jetzt regelmäßig 1900—2000 cbm frischer Luft 



« Zeitachr. f. Berg-, Hatten- und SaUnenw. Bd. XXI p. 67. 
** An! Rbein-EIbe betrog das Wetterquaninm nur 589,42 cbm. 
~ a. a. O. Bd. XXI p. 72. 



40 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

die Grubenbaue, so dafi mit Recht die Zeche Shamrock heute zu den 
am besten ventilierten und somit auch am meisten vor Wetter« 
explosionen geschützten Zechen Westfalens gezählt werden dar!" 
Auf anderen Gruben aber lagen, wie gesagt, die Düige nodi 
schlimmer. Die Resultate, die sich aus den Untersuchungen der 
Schlagwetterkommission ffir die rheinisch-westfälischen Steinkohlen- 
gruben ergaben, waren durchaus ungünstige. Es betrug das 
Wetterquantum pro Kopf der Belegschaft* 





Zahl der unter- 




In den Jahren 


snchten Zechen 


Wetterquantum 


1862/63 


27 


2»20 cbm p. Min. 


1868/71 


49 


1,66 , , , 


1881/83 


50 


1.90 .. . 



Es waren nun vor allen zwei Momente, die zu einer Revo- 
lution in der Bewetterung im allgemeinen wie auf der Hibemia 
im besonderen führten. 

1. Die immer größer werdenden Pörderquantitaten, 
die gegen alle Eventualitäten sichergestellt werden 
mufiten. Die Leistungsfähigkeit des Hauers und überhaupt 
des unterirdischen Arbeiters wird in hohem Mafie mitbedingt 
durch gute Luft in den Grubenbauen. Es waren also die Hebel 
der Reform m erster Linie nicht soziale, sondern geschäftliche 
Erwägungen. Die Zechenbesitzer sagten sich: Gute Bewetterung 
ist, auch wenn sie viel kostet, notwendig, damit das Prhizip: ein 
Maximum an Kohle in einem Minimum an Zeit zu fördern, nicht 
leidet 

2. Die unerhörten Explosionen schlagender Wetter, 
»jene mit Wetterleuchten, Donner und Blitz begleiteten unter- 
irdischen Gewitter, welche in erschreckender Menge und in nie 
geahnter Ausdehnung ... auf die gesamte Bevölkerung, man kaim 
wohl sagen, des ganzen Erdenrundes einen furchtbaren Eindruck 
machten und das Vertrauen des Beigmannes in die bisher be- 
folgte, etwas ursprüngliche Praxis tief erschütterten.*** Mit dem 
größeren Verbrauch und der entsprechend stärkeren Förderung 
von Steinkohlen mufite naturgemäß — solange nicht energisdi 
eingegriffen wurde — die Zahl der Explosionen schlagender Wetter 
und ihrer Opfer steigen. Das hängt damit zusammen, dafi mit 

* Festschr. zum Vm. aUgem. deutsch. Bergmannstag p. 109. 
^ Zeitschr. f. B., H. u. S.-W. Bd. 20. p. 51. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 41 

wachsender Tiefe der Betrieb mehr und mehr konzentriert wird, 
also mehr Arbeiter in größerer Nahe zusammen zu beschäftigen 
sind Die erste große Explosion schlagender Wetter, von der die 
Zeche Shamrock heimgesucht wurde, fand am 3. April 1871 statt 
Dieser Katastrophe fielen 10 Bergleute zum Opfer. Die 80er Jahre, 
in denen man aus der ziemlich regelmäßig gelagerten Gaskohlen- 
paitie zum Verhieb des tiefer gelegenen Horizonts der Fett- 
kohlen fibei^ng, sind dann angefüllt mit einer ganzen Reihe 
von tödlichen Unglficksfällen auf Shamrock und Hibemia. Es 
fanden auf der ers^enannten Zeche statt am 27. September 1880 
ein Orubenbrand mit 11 Toten, am 18. August 1884 eine Schlag- 
wetterexplosion mit 8 Toten, am 18. Februar 1885 ein Gruben- 
brand mit 7 Toten, am 8. Juni 1887 auf Hibemia eine Schlag- 
wetterexplosion mit 52 Toten. Diesem verheerenden Unglück sollte 
schon nach vier Jahren ein neues folgen, dessen Totenzahl die 
Opfer der letztgenannten Explosion noch fibertraf. 

Am 23. Januar 1891 wurde nämlich die Zeche Hibemia wiedemm 
von einer Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosion heimgesucht 
Nicht weniger als 57 Bergleute verioren ihr Leben und 22 wurden 
mehr oder weniger schwer verletzt Der Geschäftsbericht wälzt 
die Schuld an diesem Riesenunglück auf die Unvorsichtigkeit 
eines Arbeiters* Danach wurde das Unglück dadurch hervor- 
gerufen, dafi ein Hauer, der bereits seit 1886 auf der Zeche Hi- 
bemia beschäftigt war, in Flöz 15 Ort 4 in der Sohle beim Nach- 
reiBen des Liegenden, ohne den dazu bestellten Schiefiaufseher zu 
mfen und ohne die dazu vorhandenen Wasserbenetzungseinrich- 
fatngen bestimmungsgemäfi zu benutzen, gegen die bestehenden 
Vorschriften und die ausdrücklichen Vermahnungen von selten 
seiner Kameraden vor dem Unglück einen Ouhr-Dynamitschufi 
abgab und dadurch den Kohlenstaub in Verbindung mit geringen 
Mengen der vorhandenen Wetter zur Explosion brachte Von hier 
ans verbreitete sich dann die Explosion, den Kohlenstaub als Träger 
benutzend, über die Baue der Flöze 15 und 16. 

Bald darauf, am 5. Januar 1894, erfolgte wiederum auf Hibemia 
eine Explosion schlagender Wetter, die aber ebenso wie die meisten 
vorangegangenen weder in den Oeschäftsberiditen noch in der 
Denkschrift erwähnt wird. Nach dem amttichen Bericht war der 
Hergang der Explosion, der sich aus den voigefundenen Verhält- 
nisten gena u ericennen liefi, folgender:* »Von den zwei Arbeitern, 

• ZcHKhr. f. B. a tt. S.-W. Bd. 43 p. 311. 



42 1- Bergwerksgesellschaft Hlbernla. 

welche das Oberhauen aus der Grundstrecke des Flözes Nr. 16 
hochzubringen hatten, war einer vor Ort des Dberhauens mit der 
Kohlengewinnung beschäftigt, während der andere Arbeiter am 
Fuße des Dberhauens einen Förderwagen mit Kohlen bdud. Vor 
Ort des Oberhauens wurde nun plötzlich ein Bläser frei, der etwa 
1 t Kohlen aus dem westlichen Stoße herausdrfickte und nach dem 
östlichen Stoß hinüberwarf. Der heftige Gasausbruch veranlafite 
die beiden Arbeiter unter Zurücklassung ihrer Lampe die Flacht 
zu ergreifen; es gelang ihnen indessen nur bis 18 m westlich des 
Oberhauens in die Grundstrecke zu kommen, als eine heftige 
Explosion erfolgte. Diese warf fast den ganzen gemauerten 
Wetterscheider um, ließ jedoch den Streckenausbau vollständig 
unberührt und schlug durch den letzten Bremsberg bis nach Ort 
Nr. 2. In dieser Strecke hatte sich, da während der längeren 
Außerbetriebsetzung eine Berieselung nicht stattgefunden 
hatte, einiger Kohlenstaub abgesetzt Die Entzündung dieses 
Kohlenstaubes durch die vorausgegangene Schlagwetterentzfindung 
muß eine bedeutende Vergrößerung der Explosionswirkung zur 
Folge gehabt haben, da in dem vorderen TeUe der Strecke und 
in dem vor und oberhalb der Strecke befindlichen Teile des 
Bremsberges nicht nur die Verzimmerung zerstört war, sondern 
auch von der zwischen Strecke und Bremsberg gebildeten oberen 
Kante des festen Kohlenstoßes ein Stück Kohle von mehreren 
Kubikmetern Inhalt losgerissen und mit der Zimmerung in den 
Bremsberg geworfen war. In dem oberen Teile des Bremsberges 
scheint die Explosionsflamme alsbald zum Eriöscben gekommen 
zu sein, auch blieb der Ausbau in Ordnung, doch wurden noch 
am oberen Anschlag des Bremsberges in der Teilsohle und an 
dem unteren Anschlag des nach der Wetterstrecke führenden, etwa 
100 m westlich gelegenen Bremsberges einzelne Türstöcke umge- 
worfen. Zur Zeit der Explosion war von den in den Teilstrecken über 
der Teilsohle angelegten Arbeitern einer an den unteren Anschlag 
des ebengenannten Bremsberges gegangen, um daselbst einen 
Förderwagen auszuwechseln. Dieser Arbeiter floh dem Wetter- 
zuge entgegen, möglicherweise, um in das in der Nähe befindliche, 
zur neunten Sohle führende Oberhauen zu gelangen, woselbst er ge- 
rettet gewesen wäre. Er kam indessen über das Oberhauen hin- 
aus und wurde durch die Nachschwaden getötet Die vier auf 
den Teilstrecken befindlichen Arbeiter wurden durch einen doppelten 
Schlag, welcher sämtliche Lampen auslöschte, darauf aufmerksam, 



1. BergwericsgeseUschaft Hibemia. 43 

dafi eine Explosion stattgefunden hatte. Sie eilten, dicht von den 
Nadischwaden gefolgt, im Bremsberg nach der Wetterstrecke. Hier 
blieb ein Arbeiter zurfick, die übrigen eilten weiter, bis sie nicht 
mehr wußten, wo sie sich t>efanden, da sie noch nicht fiber der 
Wetterstrecke ausgefahren waren. Sie legten sich dann ... auf 
die Sohle nieder und hielten sich auf den Rat des Altesten von 
ihnen mit ihrem Zeug den Mund zu. 

Die Rettungsarbeiten konnten in kürzester Zeit beginnen, da 
die Nachschwaden durch den kräftigen Wetterzug aus den Haupt- 
wetterw^en alsbald vertrieben waren. Zunächst wurden die vier 
Arbeiter auf der Wetterstrecke bewußtlos vorgefunden, durch die 
angestellten Wiederbelebungsversuche indessen wieder zum Be- 
wußtsein gebracht, wahrend sich dies bei dem auf der Teilsohle 
aufgefundenen Arbeiter, welcher kein Zeichen einer äußeren Ver- 
letzung aufwies, nach längeren Versuchen als aussichtslos erwies. 
Die beiden Arbeiter aus dem Oberhauen traf man in sehr ver- 
branntem Zustande m der Grundstrecke 18 m westlich des Ober- 
hauens hintereinander liegen, nachdem man durch Wiederher- 
stellung des Wetterscheiders die in der Grundstrecke stehenden 
Nachschwaden und Schlagwetter verdrängt hatte. 

Die durch die Explosion hervorgerufenen Zerstörungen haben 
bereits Erwähnung gefunden. Ganz besonders bemerkenswert war 
einmal die Erscheinung, daß sich in der Grundstrecke westlich 
des unteren Bremsberges eine Einwirkung der Explosion über- 
haupt nicht erkennen ließ, und andererseits die Tatsache, daß eine 
Koksbildung in Form von Kokskrusten nur auf Ort Nr. 2 vor- 
gefunden wurde, während in der Grundstrecke und im Brems- 
berge nur an einzelnen Stempeln in geringer Menge zusammen- 
gesinterter Kohlenstaub bemerkbar war. Letzteres ließ sich bis 
anf 120 m rückwärts verfolgen, wohingegen das Überbauen auch 
hiervon fast frei geblieben war. Der Befund vor Ort des Ober- 
bauens etwa 20 Stunden nach der Explosion war der folgende: 

Die Lampe des Arbeiters, eine westfälische Öllampe mit ein- 
fachem Drahtkorb, hing an einer Kappe in der Mitte des Dber- 
hauens, also in der Verlängerung des Wetterscheiders Vs m von 
dem Arbeitsstoß entfernt, westlich derselben blies aus einer Aus- 
höhlung hn Kohlenstoß em starker Bläser in der Richtung auf 
die Lampe Diese war vollständig in Ordnung und ließ nicht 
erkennen, daß der Korb derselben ins Glühen gekommen war. 
Der Wetterscheider aus Segeltuch war bis 1 m vor Ort geführt 



44 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

und von hier auf 2 — 3 m vollständig erhalten, aus dem unteren 
Teile des Oberhauens indessen herausgeschleudert Es lafit sich 
hieraus schließen, dafi zur Zeit der Explosion der Gasgehalt der Luft 
im oberen Teile des Oberhauens bereits über die Explosionsfähig- 
keit hinaus gestiegen war. Das Gas wurde durch den Bläser heftig 
gegen die Lampe getrieben und infolge Duchschlagens dersell)en 
entzündet Die Flamme traf im unteren Teile des Oberhauens 
auf explosionsfähige Schlagwetter und brachte diese zur Explosion. 
Der Bläser war am dritten Tage nach der Explosion ver- 
schwunden, so dafi das Oberhauen von neuem belegt und unter 
der ständigen Aufsicht eines Beamten trotz der t>edeutenden 
dauernden Gasentwickelung aus der Kohle ohne weitere Schwierig- 
keiten zum Durchschlag gebracht wurde. Die beschriet>ene Ex- 
plosion hat gezeigt, dafi eine ausreichende Befeuchtung des Kohlen- 
staubes eine Schlagwetterexplosion — selbst in sehr schlagwetter- 
reichen Gruben — Ortlich begrenzt* 

Zu den größten Schlagwetterzechen gehört auch General 
BlumenthaL Nach der bergbehördlichen Unfallstatistik fanden 
auf dieser Zeche folgende Schlagwetterexplosionen statt: Am 
13. September 1883 (6 Tote), am 21. Januar 1884 (19 Tote), am 
1. Februar 1893 (20 Tote), am 19. November 1896 (26 Tote)* 
Diese grofien Schlagwetter- und Kohlenstaut>explosionen fährten 
nun auf Hibemia zu einschneidenden Mafinahmen, gröfiten- 
teils veranlafit durch Eingreifen der Bergbehörde. Das UnglQck 
von 1891 hatte den Generaldirektor des Werks zu eingehenden 
Untersuchungen Veraidassung geget)en, die in einer besonderen 
Schrift** niedergelegt sind. 

Zunächst wurde auf Hibemia im Juni 1891 mit dem Abteufen 
eines Wetterschachtes von 5 m Durchmesser bis zur tiefsten 
Sohle begonnen. Damit trat an Stelle des alten, ungenügenden 
Wettertramms ein ausschliefilich dem Zweck der Bewetterung ge* 
widmeter Schacht 

Ferner werden die Wetterwege erweitert und vermehrt 

Um den Kohlenstaub unschädlich zu machen, werden Be- 
rieselungsanlagen eingerichtet Durch eingehende praktische 
Versuche war festgestellt, dafi jeder trockene Kohlenstaub sich bei 

* Ein weiterer Unglflcksfall, der aber nicht durch Schbtgwettefezploeloa 
venuiacht war, aondem durch Obertreiben der Seflfahrtt fand am 28. September 
1898 statt Dabei kamen 17 Bergarbeiter ums Leben. 

•• Behrens: Beitrige zur Schlagwetteifrage, Essen 1896. 



1. Befgwerksgesellschaft Hibemia. 45 



genügend grofier Hitze entzflnden kann. In den Strecken werden 
daher Wasserleitungsrohre gelegt, an die vor Ort ein Schlanch 
angesetzt werden kann zur Benetzung des Kohlenstaubs. Vor 
den Arbeitspunkten wird die Berieselung durch die Hauer selbst 
ausgeführt Für die Strecken sind besondere Spritzmeister an- 
gestellt Ich habe freilich vielfach die Beobachtung machen können, 
dafi von dieser Einrichtung aus Bequemlichkeitsrücksichten nicht 
derjenige Gebrauch gemacht wird, den die Verordnung des Ober- 
t>ergamts verlangt 

Außerdem wird die Förderung eingeschränkt »Die Sorge 
für die Sicherstellung des Betriebes/ heifit es in der Festschrift, 
»führte zu einer starken Reduktion der Förderung. Nur durch 
langsamen Vorwartsbetrieb der Aus- und Vorrichtungsarbeiten war 
der Zuführung gefährlicher Schlagwettermengen in die Betriebe 
zu begegnen." 

Seit 1891 ist femer das Schiefien in der Kohle auf Hibemia 
überhaupt verboten. Seitdem wird — wie wir später noch sehen 
werden — die Kohle mittels Schräm- und Keilarbeit gewonnen. 
Auf Shamrock ist das Schiefien in den Flözen Sonnenschein 
Dickebank und Präsident nur nach vorhergegangener Befeuchtung 
des in der Nähe befindlichen Kohlenstaubes gestattet Die An- 
wendung von Guhrdynamit, Sprenggelatine und Gelatinedynamit 
in der Kohle und den damit zusammenhängenden Nebengesteinen 
für die ganze Gmbe ist nur bei Anwendung von Sicherheits- 
patronen eriaubt und schliefilich die eigentliche Ausfühmng der 
Schiefiarbeit nur besonders dazu angestellten Schiefimeistem über- 
tragen.* 

Leider hat es nach den Geschäftsberichten den Anschein, als 
ob das Werk diesen Maßnahmen, die doch im eignen und vor 
allem im Interesse der Arbeiter notwendig waren, als einer neuen 
Betriebsbelastung nicht sehr sympathisch gegenüberstand. In dem 
Geschäftsbericht vom Jahre 1894 heifit es nämlich: »Nicht uner- 
wähnt darf bleiben, dafi im Laufe des Jahres für unsere Betriebe 
bergpolizefliche Anordnungen getroffen worden sind, welche die 
Sicherung der Gruben gegen Explosionsgefahr bezwecken und 
dies im wesentlichen durch Ein- und Beschränkung der Schiefi- 
arbeit zu erreichen versuchen, Anordnungen, welche auf die Dauer 
die ohnebin grofie Belastung der Kohlenindustrie durch 
die Sozialgesetzgebung noch verschärfen werden.* 

« Denkschrift p. 42. 



46 1. Bergwerksgeselischaft Hiberala. 

Das wesentlichste Mittel aber zur Erzielung einer guten Be- 
wetterung war die Aufstellung leistungsfähiger Ventilatoren, die 
durch Flügelräder große Luftmassen aus den Schächten und unter- 
irdischen Bauen heraussaugen. Es ist ein Verdienst der modernen 
Maschinentechnik, das gewaltig gesteigerte Bedürfnis der Gruben- 
betriebe nach frischen Wettern durch Konstruktion guter Bewette- 
rungsmaschinen befriedigt zu haben. Dadurch wird es technisch 
möglich, mehr Luft und in größerer Geschwindigkeit durch die 
bedeutend ^eiterten Strecken zu jagen und den Arbeitern ein 
höheres Quantum pro Minute zur Verfugung zu stellen, als das 
früher der Fall war. In den 70er und am Anfang der 80er Jahre 
waren die Ventilatoren technisch noch unvollkommen. Die aufge- 
stellten Wetteröfen aber genügten nicht mehr. 1885 wurden die 
WetterOfen auf Shamrock, die immerhin nur bis 2000 cbm Luft 
pro Minute zu leisten imstande waren, auf das Andrängen der 
Behörde beseitigt Diese veriangte eine Steigerung des Luft- 
quantums auf mindestens 2500 cbm.* Das war aber nur möglich 
durch Einführung modemer Systeme leistungsfähiger Wetter- 
maschinen. 

Auf den einzelnen Zechen der Gesellschaft haben alle großen 
Systeme von Zentrifugalventilatoren Aufstellung gefunden, 
die wir auch auf anderen Zechen antreffen. Der Rateau -Ventila- 
tor, der die theoretisch vollkommenste Wettermaschine darstellt, 
gelangte im Ruhrbezirk 1894 zuerst auf der Zeche Schlägel & Eisen 
zur Einführung.** 1897 wurde auf General Blumenthal ein großer 
CapellventUator aufgestellt mit 4 m Flügelraddurchmesser, einer 
Tourenzahl von 237, einer Depression**» von 129 mm und 
einer Leistungsfähigkeit von 5600 cbm pro Minutef. Der Er- 
finder dieses Ventilators ist ein noch heute in England lebender 
Prediger, wohl der einzige Fall in der Geschichte, dafi ein 
Theologe die Technik förderte. Als drittes System kommt der 
Guibalventilator in Betracht, der bereits 1868 die Zeche Wil- 
helmine Viktoria mit frischen Wettern versoigteft* Diejenigen 



• Zeitschr. f B. H. a. S.-W. Bd. 34 p. 234. 

** Die EntWickelung des niederrheinisch-westfSllschen Kohlenbeigbans Bd. VI 
Wetterwirtschaft p. 257. 

*^ Depression ist die Differenz zwischen der Dichtigkeit der atmosphSrischen 
Luft und der durch die CentrifugaUcraft des Ventilators herbeigefahrten Ontbenluft 
t a. a. O. p. 276. 
tt a. a. O. p. 290. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 47 

Wettennaschinen aber, die auf den warmen und tiefen Gruben der 
Hibemia die grOfite Bedeutung erlangt haben, sind die Geisl er- 
sehen Ventilatoren. Sie sind aufier auf Hibemia im Ruhrbezirk 
nur noch auf den Zechen Zollverein und Neumfihl vertreten. 
Für die einzelnen Zechen betragt die Luftmenge in der Minute:* 

an! Shamrock V 1367 cbm 

. Wilheünine Viktoria HUI 3100 . 

I . 4676 , 

. Shamrock JMV . . . 5183 , 

, Hibemia 5930 . 

. Shamrock I/D . . . . 6177 . 

Die größte Leistung in bezug auf Luftersatz hat demnach 
Zedie Shamrock. In dem Geschäftsbericht für 1902 wird an- 
gegeben, daS die Gmbe von einer Wettermenge von 8194 cbm 
pro Mmute durchströmt wurde und dafi sich diese Leistung gegen 
Schlufi des Jahres auf mehr als 9000 cbm erhöhte. Davon leistete 
der bei der Hauptanlage auf dem Schacht VI befindliche Venti- 
lator reichlich 5000 cbm, wahrend dei im Sfidostfelde auf dem 
Schacht V stehende Ventilator und der im Sfidwestfelde auf dem 
Schacht Vn der Entwetterung der Zeche Shamrock und Sham- 
rodc m/IV gleichzeitig dienende Ventilator je etwa 2000 cbm in 
der Minute übernahmen. Damit vergleiche man die geringen Luft- 
mengen der alten Wetteröfen und der früheren Ventilatoren, um 
den Fortschritt ermessen zu können, der auf dem Gebiete der 
Bewetterung gemacht worden ist Damit war die Gesellschaft 
imstande, ihren Gruben Luftmengen zuzuführen, die weit über 
das von der Behörde festgesetzte Minimalquantum hinausgingen. 
Bergpolizeilich war durch die Verordnung vom 12. Oktober 
1887/4. Juli 1888 eine Mindestwettermenge von 2 cbm Luft pro 
Kopf der unterirdischen Belegschaft vorgeschrieben und 10 cbm 
für jedes in der Grube verwendete Pferd. Die mit dem 1. Januar 
1902 in Kraft getretene Bergpolizeiverordnung vom 12. Dezember 
1900 ordnet dann eine Minimalmenge von 3 cbm pro Kopf der 
Belegsdiaft an. 

Wir kommen nun zu einem weiteren wichtigen Betriebsmittel, 
den Wischen, 



* «. a« O. p. 285. Die Zahlen fflr SdiUgd und Eisen und General 
BhuBcnfhal sieben mir leider nicht zur VerfUgung. 



48 1- Bergwerksgesellschaft Hlbemla. 

Bis in die 70 er Jahre hinein kamen die Kohlen in demselben 
Zustand, wie sie aus der Grube gefördert wurden, zur Verladung. 
Eine Veredlung des Fördergutes durch Entfernung der Berge fand 
nicht statt, ebensowenig eine Scheidung in versdiiedene Korn- 
grOfien. Nur ganz notdürftig wurden durch Menschenhand die 
allergrObsten Steine entfernt. Noch heute kann man auf den ein- 
zelnen Zechen sehen, wie ein kleiner Teil FOrderkohle direkt 
verladen wird, indem sie vorher nur Aber ein Transportleseband 
gleitet, dort von jugendlichen Arbeitern von den gröbsten Bergen 
l)efreit und dann mit möglichst wenig freiem Fall in den Eisen- 
bahnwagen gesenkt wird. Auf den Zechen der Hibemia sind es 
m. & zwei Momente gewesen, die zur Anlegung medianisch 
betriebener Separationen und Waschen führten: 

1. Die Anforderungen der Hüttenwerke an einen mög- 
lichst aschenfreien Koks. 

2. Die höheren Preise einer nach Korngrößen ge- 
trennten Kohle. 

Mit anderen Worten: Zur Errichtung von Waschen führte 
das Streben nach Veredlung und Spezialisierung der 
Kohle. Zur Kokserzeugung kann nämlich nur ganz feine Kohle 
verwandt werden, die nicht gröfier als 4 mm sein soll und die 
möglichst frei von Steinen ist Um diese Trennung vorzuneh- 
men, mufiten nicht erst besondere Apparate ersonnen werden. 
Diese waren vielmehr schon da. Sie wurden seit langem in der 
Erzaufbereitung verwandt, und es kam nur darauf an, sie mit ge- 
ringen Änderungen in die Kohlenaufbereitung herüberzunehmen. 

Von den beiden ursprünglichen Zechen der Gesellsdiaft ent- 
wickelten sich die Aufbereitungsanlagen zunächst auf Shamrock, 
wo bereits, wenn ich nicht irre, seit den 1850er Jahren Koks her- 
gestellt wurde. Diese erste Aufl)ereitung war nun freilich dem 
damaligen Stande der Technik gemäfi noch sehr primitiv. Ein 
kleiner Fortschritt wird dann in den 70er Jahren gemacht Durch 
Einrichtung einer Separation und Kohlenwasche gewinnt die Zeche 
Shamrock die Möglichkeit, ihr Fördeigut in diejenigen Klassen 
und Sorten zu zeriegen, welche teils in direktem Verkauf, teils 
zum Zwecke der Darstellung bester Kokssorten die höchsten Preise 
erzielten. Es wird dann, wie es in dem Geschäftsbericht von 
1874 heifit, fast nur reinste Kohle direkt, alle übrige in auf- 
bereitetem Zustande abgesetzt, um so der starken Nachfrage nadi 
gesiebter und gewaschener Kohle genügen zu können. Die in 



1. Beigwerksgesellschaft Hibernia. 49 

den 1870er Jahren erbaute Wäsche war imstande, den ganzen 
Abfall an Steinkohle bei einer Tagesförderung von 1000 t zu 
verarbeiten und ein Waschgut von einem Durchschnittsgehalt an 
Asche von nicht fiber 24% zu liefern. Sie wusch in der Stunde 
50 t und lieferte ein Waschgut .von anerkannter Reinheit und 
Gfite" (Geschäftsbericht von 1879). Die Leistungsfähigkeit dieser 
ersten Wäsche war also gering. Es ist auch anzunehmen, daS die 
Kohlenverluste grofie waren. War die Kohle genügend rein, 
wie auf Hibernia, wo man in den 70er Jahren noch auf den 
GaskohlenflOzen baute, oder auf Wilhelmine Viktoria, wo dies 
heute noch der Fall ist, da waren die Wäschen fiberflüssig. 
Die Masdiinenbautechnik hatte damals noch nicht jenen Reife- 
grad für die Einrichtungen beim WaschprozeS herausgebildet, 
den wir heute keimen. Die Anlagen waren unübersichtlich, die 
einzelnen Apparate unzweckmäßig angeordnet, ein Chaos von 
Haupt- und Nebentransmissionen, Treppen und Treppchen und 
infolgedessen die Bedienung und Beaufsichtigung erschwert Noch 
im Jahre 1876 werden von Nonne im Glückauf als Nachteile 
und Mängel der Wäschen jener Zeit angegeben: 

1. Notwendigkeit großen Anlagekapitals bei geringer Leistungs- 
fähigkeit nach Menge und Beschaffenheit 

2. Großer Verschleiß an Maschinen und Apparaten, woraus 
sich die Notwendigkeit häufiger Ausbesserungen und Stillstände, 
sowie einer auf wenige Jahre zu bemessenden Amortisation 
ergibt 

3. Die Notwendigkeit einer großen Anzahl von Bedienungs- 
maimschaften. 

4. Bedeutende Kohlenverluste in den Abgängen, femer die 
Erzeugung einer erheblichen Menge nicht zu verwertender Schlämme. 

5. Als Folge aller dieser vier Umstände hohe Wäschekosten 
bei einem noch unbefriedigenden Ergebnis. 

Diese Mängel dürften auch bei der Wäsche auf Shamrock 
vorhanden gewesen sein. Aber die Technik arbeitete unausgesetzt 
an ihrer Beseitigung. Bereits 1875 wurde von dem Ingenieur 
Lührig eine Feinkomsetzmaschine eingeführt »Die Haupteigen- 
tfimlichkeit dieser Einrichtung bestand in der Anwendung eines 
Feldspatbettes über den Setzsieben, durch welches die Schiefer, 
die spezifisch schwerer sind als der Feldspat, bei der Setzarbeit 
sidi allmählich durchdrängen, während die spezifisch leichtere 

Stillicli. NAttoflaUkonoinltdi« Portchttagen. Bd. IL 4 



50 . !• Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Kohle durch den Kohlenaustrag abgeschwemmt wird.** Diese 
Erfindung hielt nun auch auf Shamrock ihren Einzug. 1880 wurden 
mit der Inbetriebsetzung eines zweiten Waschesystems auch vier 
neue, nach eigenen Erfahrungen verbesserte Feinkomsetzmaschinen 
in Gang gebracht, durch welche sich der mit den Waschbeigen 
verknüpfte Kohlenverlust um 3% verminderte (Geschäftsbericht 
von 1880). Wie hoch er eigentlich gewesen ist, wissen wir nicht. 
Von Wichtigkeit sind hier zwei Fragen, die mit der Okono* 
mie des Waschprozesses in Verbindung stehen: Wieviel Berge 
sind in der gewaschenen Kohle und wieviel Kohle ist noch in 
den Waschbergen? Aufschlufi darüber gibt der AscfaegehalL 
Dieser ist für die Beurteilung der Arbeit der Waschen ausschlag- 
gebend. Auch hierüber ist mir leider von der Verwaltung auf meine 
Anfrage Aufschlufi nicht erteilt worden. Es laSt sich jedoch an- 
nehmen, daS der Aschegehalt der Kohle etwa 3 — 67o betragt 
Hingegen ist der Aschegehalt der Waschberge im allgemeinen 
ein auSerordentlich niedriger; er betragt 60 — 70^/o. Das entspricht 
einem Gehalt an brennbaren Bestandteilen von 30— 40^/o. Sieht 
man von dem Vorkommen von Brandschiefer ab, so zeigen diese 
allgemeinen Zahlen, dafi grofie Massen von Kohle durch 
den Waschprozefi verloren gehen. Einen Anhalt über den 
Abfall von Kohlen und Bergen geben jedoch die Geschäfts- 
berichte der Hibemia. Danach betrug im Jahre 1903 auf den 
Zechen 

die Jahresproduktion der Abfall bei der Wäsche 

an Kohlen und Separation in ^/o 

Hibemia . . . 298373 30133 10,08 

Shamrock . . 853037 78149 9,15 

Shamrock UUW 916152 80570 8,70 

Der Vertust, der in umgekehrtem Verhältnis zur Größe der 
Förderung steht, ist also nicht unbedeutend. Er betragt, wenn 
man die ihre Kohlen nur separierende Gaskohlenzeche Wilhelmine 
Viktoria mit l,32o/o und Schlägel und Eisen mit 2,47<>/o hinzu- 
rechnet, für sämtliche Zechen der Gesellschaft im Durchschnitt 
5,96% oder, in einer absoluten Zahl ausgedrückt, 222831 tl Leider 
wird in den Geschäftsberichten eine weitere Teilung in Kohlen 
und Berge nicht vorgenommen. Nehmen wir aber an, dafi von 
den 888852 t Abfällen obiger drei Zechen SSVsVo auf Kohle ent- 



* Jungeblodt in der Zeitschrift f. B. H. u. S.-W. Bd. 50 p. 590. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 51 

fallen, so beträgt der durch das Waschen und Separieren herbei- 
gefährte Kohlenverlust 62950 t 

Einen weiteren Faktor in der Ökonomie des Waschbetriebes 
bilden die Schlämme« Es kam darauf an, das Waschwasser zu 
klären, um es wieder zum Waschen benutzen zu können, und 
den Schlamm zu gewinnen. Es wurden daher anfangs außerhalb 
der Waschen grofie Klärbassins angelegt, in denen der Schlamm 
sich absetzte. War dies geschehen, so wurde er von der Hand 
ausgeschlagen. Diese Arbeit erforderte viele Arl>eitskräfte und war 
infolgedessen ziemlich kostspielig. Die Schlämme waren größten- 
teils unverkäuflich und mufiten deshalb unter den Kesseln verfeuert 
werden. Nachdem nun aber auf Shamrock eine Feinkomsetzwäsche 
eingeführt war, wurde die Menge der Schlämme so grofi, dafi man 
sie nicht mehr im eigenen Betriebe verwerten konnte. Zwar konnte 
nach wie vor ein Teil den Kesselkohlen beigemischt werden, 
aber um sie zur Beschickung der Koksöfen mitt>enutzen zu können, 
dazu waren sie zu feucht Da sich außerdem niemand fand, der 
sie der Zeche abkaufte — sie waren nicht marktgängig — , so 
bildeten diese unverkäuflichen Posten eine starke Belastung des 
Betriebes. 

Diejenige Persönlichkeit, die hier Wandel schuf, war der ur- 
sprünglich auf Zeche Shamrock angestellte Ingenieur Baum. Er 
liefi t>ei seiner ersten Wäsche, die er 1887 auf Shamrock baute, 
die aus dem Feinkohlensumpf übertretenden Wasser einer Anzahl 
von Spitzkasten zufliefien, aus deren Spitzen der niedergeschlagene 
Schlamm abgezogen und durch Becherwerke und Kreiselpumpen 
dem Feinkohlensumpf wieder zugeführt wurde. 

Die durch diese Einrichtung erzielte Ersparnis an Arbeitslohn, 
veldie sonst für das Ausschlagen der Schlammsümpfe bezahlt 
wurde, belief sich auf 360 Mark monatlich; außerdem wurden täg- 
lich 20 t sonst wertloser Schlammkohle als Kokskohle nutzbar 
gemacht* 

Als nun 1887 die Wäsche durch einen Brand zerstört wurde, 
erhielt Baum, der 1883 in Herne eine Maschinenfabrik eröffnet 
hatte, den Auftrag, eine neue zu bauen. Der Aufbau ging rasch 
vonstaften, so dafi die neue, technisch vollkommenere Wäsche 
bereits nach fünf Monaten in Betrieb genommen werden konnte. 

Von Interesse ist hier noch ein Experiment, welches die Be- 



* Berggeist Jahrg. 1881. 



52 1- Befgwerksgesellscfaaft Hibemia. 

bandlung der gewaschenen Feinkohle betraf. In dem genannten 
Jahre ffihrte die Gesellschaft ein neues, von dem bisherigen ganz 
abweichendes Verfahren zur Entwässerung der Kokskohle auf 
Shamrock ein. Die Einrichtung bestand in einer Anzahl von Oe- 
faSen, deren Seitenwand durch ein Sieb gebildet wurde. Waren 
die Gefafie mit Kohle gefällt, so lieS man an der dem Sieb 
gegenüberliegenden Seite Dampf, erhitzte Luft oder Gas ein- 
strömen, welche das zwischen den Kohlenteilchen befindliche 
Wasser nach der freien Seite hinausdrangen sollten. Diese Ein- 
richtung bewahrte sich aber nicht und wurde balcf wieder 
verfassen und verworfen * 

Das den Baumschen Waschen zugrunde liegende Prinzip ist: 
Erst klassieren, dann waschen. Dieses Prinzip ist auf samt- 
lichen Hibemiawaschen durchgeführt 

Die zweite grofie Waschefabrik, der wir bei anderen in diesem 
Bande beschriebenen Zechenanlagen begegnen werden, ist die 
1870 von Schüchtermann und Kremer in Dortmund begründete. 
Dieselbe geht von dem entgegengesetzten Prinzip aus: Erst 
waschen, dann klassieren. 

Unsere Aufgabe ist auch hier, die ökonomischen Diffe- 
renzen der beiden Methoden klarzulegen. Sie ergeben sich ohne 
weiteres aus dem Betriebsvorgang. Werden die Kohlen, wie 
das auf den Waschen der Hibemia der Fall ist, vor dem Wasdien 
klassiert, so müssen sie nach dem Waschen ül)er ein Entwasse- 
rungssieb gehen. Dieses hat eine der betreffenden Nufisorte 
entsprechende Lochung. Alles was durch dieses Sieb fallt, geht 
zur Feinkohle. Da aber der Verkaufswert mit wachsender Korn- 
grOSe steigt, so finden alle die Kohlen, die nach ihrer OröBe 
noch zu Nufi 11, in oder IV gehören, keine ihrem Werte ent- 
sprechende Verwendung. Darin ist der ökonomische Nachteil des 
Systems zu erblicken. 

Ahnlich liegen die Dinge bei der Klassierung. Diese erfolgt 
durch ein Plansieb oder durch eine Trommel. Das Feinste aus 
der Kohle wird vorher abgesiebt und wegen der groBen Verluste 
nicht gewaschen. Lange blieb es unentschieden, ob dies zuerst 
oder zuletzt geschehen sollte, da in ersterem Falle die Siebe durch 
die darübergehenden groben Kohlen leichter offen zu halten sind, 
der beim Sieben durch Zerreiben sich bildende Gries aber in die 



* Jungeblodt a. a. O. p. 596, ferner p. 621. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 53 

letzte Nufisorte gelangt, wahrend man im letzteren Falle, in dem 
man diesen Fehler vermeidet, mit Verstopfung der Siebflachen zu 
klmpfen hat Jetzt ist die Sache wohl dahin entschieden, dafi 
man t)ei Flacfasieben das Ganze zuerst und bei Trommeln, deren 
Siebe sich durch Klopfwerke leichter aufhalten lassen, auch statt 
gelochter Bleche, die Anwendung von Drahtgeweben gestatten, 
zuletzt absiebt* 

Heute hat auch die Zeche Hibernia eine Wasche. Die 
Ldstungsfahigkeit betragt wie auf Shamrock 120 t pro Stunde. 
Auf der neuen Zeche Shamrock III/IV erreicht sie sogar 175 t 
Die weitere Steigerung der Leistungsfähigkeit vollzieht sich durch 
Anlage von Doppelwaschen. Da eine solche Wasche nicht weniger 
als 120000 Mark Anlagekapital kostet und ihre Errichtung auf 
allen Zedien, die in der Fettkohlenpartie bauen, im Gegensatz zu 
früher als absolute Notwendigkeit anerkannt wird, so ergibt sich eine 
nicht unerheblidie weitere Immobilisierung des in dem Unter- 
ndimen fixierten Kapitals. Die ganze Aufbereitung vollzieht sich 
grOfitenteOs mechanisch. Durch automatische Vorrichtungen 
erfolgt der Transport der Kohle auf dem kürzesten Wege und 
nur in seltenen Fallen hat die Menschenhand einzugreifen. Auf 
den meisten Waschen habe ich nur 4 — 5 Arbeiter gesehen. Auf 
den heute veralteten Einrichtungen auf Shamrock freilich ist die 
Zahl erheblich höher. Nach dem Geschäftsbericht von 1903 
waren Waschearbeiter tatig auf 

Schlägel und Eisen 9 oder 0,240/o der Gesamtbelegschaft dieser Zeche 
Hibemia .... 10 . 0,880/o . . . . 

Sbamrodt .... 27 . 0»97o/o . , , . 

Shamrodc m/IV. . 33 . UP/o . . . . 

Wie auch beim Waschprozefi die ganze Entwicklung darauf 
hinausgeht, Menschen fiberflössig zu machen, laSt sich am 
besten erkennen, wenn wir die Zahl der heute in der Wasche 
tatigen Personen mit früheren Jahren vergleichen. Der erste 
Gesdiaftsl)ericht, der darüber Nachweisungen enthalt, ist der vom 
Jahre 1881. In demselben wird die Zahl der Wasche- und Sepa- 
rationsarbeiter von Shamrock auf 45 oder 3,5 ^/o der Belegschaft 
angeget)en, wahrend sie heute, wie erwähnt, nur 27 oder 0,97^/o 
betragt 

Wahrend die bisher besprochenen Art>eitsmittel der Förderung 



* Denittchr. zum VID. aUgem. deutsch. Beigmannstag p. 149. 



54 1- Bergwerksgesellschaft Hibernia. 

der Kohlen oder wie die Aufbereitungsanstalten ihrer Reinigung 
und Sortierung dienen, haben wir nun noch einige Einrichtungen 
kennen zu lernen, die man als Sekundärbetriebe bezeichnen 
kann, und die eine Umwandlung des Produkts zur Verwirklichung 
eines höheren Gedankens der Brauchbarkeit bezwecken. 
Damit verläSt die Gesellschaft die Sphäre der reinen Roh- 
stoffgewinnung, um durch Angliederung einer Reibe weiterer 
Produktionsmittel den Rohstoff zu veredeln. Dieses Streben wird 
hauptsächlich diktiert durch eine höhere VerwertungsmOglich- 
keit des aus der Kohle gewonnenen Produkts. Die Daseins- 
berechtigung der im folgenden zu besprechenden Nebenanlagen 
beruht also in letzter Linie in der Herstellung von Erzeugnissen, 
die nach Abzug der Fabrikationskosten besser bezahlt werden, 
als die Kohle. 

Hierher gehören in erster Linie die Kokereien. Es sind 
dies mit feuerfesten Steinen hergestellte Retorten zur Destillation 
der Steinkohle. In denselben werden die flüchtigen Bestandteile 
(Bitumen) herausgetriel>en und dadurch der Kohlenstoffgehalt 
konzentriert Durch die Zunahme der relativen Kohlenstoffmenge 
wird der Heizwert bedeutend gesteigert 

Unter den Kohlen ist die Fettkohle die beste Kokskohle, weil 
sie in der Hitze zusammenbackt Flammkohle und Mageikohle 
d. h. Kohle aus den geologisch jüngsten und geologisdi ältesten 
Ablagerungen kann man nicht verkoken, es sei denn, dafi sie als Zu- 
satzmaterial gebraucht wird. Der Obergang zur Koksproduktion 
steht daher in Abhängigkeit von dem Abbauhorizont Auf 
Wilhelmine Viktoria, wo heute noch Flamm- und Gaskohlen ge- 
fördert werden, besteht keine Kokerei, wohl aber auf Hibernia und 
Shamrock, wo man in den Fettkohlenpartien baut Als man 1903 
auf Schlägel und Eisen Schacht III/IV die ersten Fettkohlen zu 
fördern begann, wurde gleichzeitig eine neue Wäsche und eine 
neue Kokerei dem Betriebe übergeben. Diese Wechselbeziehun- 
gen zwischen Teufe resp. Art der geförderten Kohle und 
oberirdischen Anlagen ist nicht nur durch die Hibernia, sondern 
auch für sämtliche anderen Zechen Rheinland-Westfalens charakte- 
ristisch. 

Die ersten Koksöfen wurden auf Shamrock nach englischem 
illuster gebaut Es waren sog. Bienenkorböfen von runder 
Form, daher auch Rundöfen genannt Die Anlagekosten waren 
gering, pro Rundofen etwa 1500 Mark, die Betriebskosten hoch. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 55 

Alle zwei Jahre mufite die Sohle, alle 6—8 Jahre das Gewölbe 
vollständig erneuert werden. Der mechanische Betrieb war noch 
wenig entwickelt Der Kokskuchen wurde mit der Hand gezogen. 
Daher war die erforderliche Arbeiterzahl groS. Im allgemeinen 
rechnete man einen Mann auf zehn Öfen. Nach Simmersbach* 
waren auf der Zeche Shamrock 1862—1866 152 Rundöfen im Be- 
triebe. Die Kohlenfällung betrug 6 t, die Garzeit 72 Stunden, 
das Ausbringen 60%, die Tagesleistung 4,6 t Auf eine Tonne 
Koks entfielen an Kosten auf 

Löhne etwa 1,24 Mark 

Materialien 0.68—0.75 . 

Sonstige Ausgaben ^__^ 0,15 , 

zusammen 2,07 Mark 

Ein solcher Ofen lieferte also bei 6 t Füllung, dreitägiger 
Brennzeit, 55^/o Ausbringen und 330 Betriebstagen im Jahre gegen 
333 t Koks. 

Wir ersehen daraus, dafi im Vergleich mit den heutigen Öfen 
die Selbstkosten und das Ausbringen gering waren. Die Kokerei 
auf Shamrock produzierte also geringe Mengen teuren Koks. 
At>er dieser Koks war qualitativ hochwertig. «Der Koks zeichnet 
sich durch seine Stflnglichkeit, Festigkeit und durch schönes Aus- 
sehen aus und wird meistens unter dem Namen Patentkoks zu 
höherem Preise wie Copp^ekoks verkauft; besonders wird er von 
Gießereien und Fabriken, weniger oder gar nicht von Hochofen- 
werken l)evorzugL" (Simmersbach a. a. O.) In den beiden letzten 
Jahren, in denen Rundofenkoks erzeugt wurde, stellten sich die 
der Zeche vom Syndikat gezahlten Preise pro Tonne folgender- 

maBen: 

1897 1898 

Rundofenkoks 14,50 Mark 16,— Mark 

Hingegen war der Verrechnungspreis für samtliche anderen 
Kokssorten niedriger. Er betrug fär: 





1897 1898 


Hochofenkoks . 


12-12^ Mark 14,— Mark 


Oieftereikoks . . 


13,50 . 15.- . 


Brechkoks Vü . 


14.- . 15.50 . 


in. . 


10.- . 12.- . 


IV . 


6.- . 6.50 . 



* Die Koksfat»rJkation im Oberbergamtsbezirk Dortmund in der Zeitschr. 
f. B. fi n. S.-W. Bd. 35 p. 301. 



56 !• Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Historisch interessant ist die Tatsache, dafi dieser Patentkoks 
in der stillen Geschäftszeit von 1874—1879 eine piice de r^- 
sistance gegen die Wirkungen der Krisis bildete. In dem Ge* 
Schaftsbericht der Hibemia von 1875 heifit es: i,Die bewahrte 
Qualität des Patentkoks von Zeche Shamrock wird mit jedem 
Tage mehr anerkannt und bietet einen unschätzbaren Ruckhalt 
für den Grubenbetrieb, der dadurch weniger abhängig wird von 
den Fluktuationen des Kohlenabsatzes.* 

Die alten RundOfen haben sich auf Shamrock I/II aufierordentlich 
lange gehalten. Im Jahre 1874 waren 241 Rund- und 24 Coppte- 
Ofen, 1880 245 RundOfen, 1897 noch 28 vorhanden, bis auch diese 
im folgenden Jahre eingingen. Es waren die letzten in Deutsch- 
land. Mit ihrem Versdiwinden auf Shamrock ist ihre Art aus- 
gestorben. 

Das zweite System, das nunmehr mit den RundOfen in 
Konkunenz trat und diese, wenn auch sehr langsam, verdrängte 
sind die von Dr. Otto in Dahlhausen a. d. R. mehrfach verbesserten 
Copp^eOfen. Die Verkokung vollzieht sich hier nicht in runder, 
sondern in schmaler hoher Kammer von kleinem Querschnitt 

Die auf den beiden Schachtanlagen von Shamrock in Betrieb 
befindlichen Otto -Öfen haben eine mittlere Weite von 60 cm, 
eine Hohe bis zum Widerlager von* 170 cm und eine Lange 
von 10 m. 

Einen weitem Fortschritt in bezug auf Massenproduktion stellen 
dann die auf den beiden genannten Zechen erbauten Otto-Hoffmann- 
Ofen dar. Sie unterscheiden sich* von den Otto-Öfen im wesent- 
lichen durch die Art der Beheizung. Die letzteren besitzen auf 
ihrer ganzen Lange in gleichmaSigen Abstanden Bunsenbrenner 
(10—12 Stück pro Ofen), die von unten in den Ofen eindringend, 
die Kanäle mit Gas beheizen. Es fehlt ihnen die bei den Otto- 
Hoffmann-Öfen vorhandene Aufspeicherung der Abhitze in Regene- 
ratoren und die Ökonomisch wertvolle Ausnutzung derselben zur 
Vorwarmung der Verbrennungsluft 

Die Leistungen sind folgende. Es betragt nach Angaben der 

Denkschrift (p. 66) 

bei den Otto -Ofen den Otto-Hofhnann-Ofen 

die KohlenfüUung pro Ofen 7^ t 8 t 

die Gahrungszeit .... 42—48 Std. 32—36 Std. 

die Produktion im Monat . 95—100 t 120—128 t 



* Nach gefälliger Privatmitteilung der Verwaltung. 



1. BergwerksgeseUschaft Hibernia. 57 

Die Kokerei gewahrt dem Unternehmen zwei groSe Vorteile. 
I. Sie stellt ihm bedeutende Mengen von Abhitze zur Ver- 
ffigung. 2. Sie liefert in besonderen Nebenanlagen wich- 
tige chemische Stoffe. 

Die in den Koksöfen wahrend der Garzeit erzeugten Gase 
gingen bei den in den 50er und 60er Jahren in Deutschland 
fiblichen Schaumburger Öfen ungenützt in die Luft Mit der Ein- 
führung geschlossener Öfen aber wurde es möglich, die Abhitze 
weiter ffir den Betrieb zu verwenden, und zwar zur Heizung der 
Dampfkessel. Damit war eine sehr bedeutende Ersparung 
an Kohle verknüpft Dieselbe betrug im Durchschnitt der Jahre 
1893—1897 auf den drei Zechen Shamrock I/ü, III/IV und Hibernia 

pro Arbeitstag 152,66 t 

insgesamt im Jalire . . . 45225» — t 

in Geld ausgedrückt im Jahre 290648 Mark.* 

Im Jahre 1903 belief sich die durch Verwendung der Abhitze 
der Copp^eöfen unter den Dampfkesseln ersparte Kohlenmenge 

an! Hibernia .... auf 15451 t oder pro Arbeitstag 52^36 t 

. Shamrock 28435 t . . . 51,89 t 

. Shamrock WN . . 16055 t . . . 53,87 t 

• ScbUgd und Eisen . 13268 t . . . 58,97 t 

Von den einzelnen Zechen wird also pro Arbeitstag auf 
Schlägel und Eisen am meisten Kohle durch Verwendung von 
Abhitze gespart 

Berechnet man, wieviel in dem genannten Jahre der zur Ver- 
kokung aufgegebenen Kohlen in der Abhitze wiedergewonnen 
wurden, so stellt sich diese Zahl auf 16,34%. 

Aufier den eben erwähnten Flammöfen, bei denen nur die 
Abhitze gewonnen wird, befinden sich auf den Zechen der Hi- 
bernia auch sogenannte DestillationsOfen, welche mit Anlagen 
zur Gewinnung von Nebenprodukten verbunden sind. Es werden 
drei Stoffe gewonnen: Teer, Ammoniak und Benzol Aus 
den heifien Gasen scheiden sie sich durch Verdichtung in Konden- 
sationsanlagen bei der Abkühlung aus. Bereits auf den alten 
Rundofen wurden die sonst ausschliefilich zur Kesselheizung ver- 
wendeten Gase in Kahler geleitet Ober die um die Mitte der 
80er Jahre gemachten Versuche heißt es im Geschäftsbericht von 

* Siehe Denkschrift p. 89. 



58 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

1885: »Der mit einer Batterie von zwölf Koksöfen angestellte Ver- 
such zur Gewinnung der Nebenprodukte aus auf Shamrock ge- 
bräuchlichen und zu diesem Zwecke etwas modifizierten Patent- 
rundöfen ist vollkommen gelungen, in dem ein das frfihere um 
12— 15®/o übersteigendes Ausbringen an vorzüglichem Koks bei 
reichlicher Teer- und Ammoniakgewinnung erzielt wird.* Spater 
erfolgt eine Erweiterung. Im Geschäftsbericht von 1895 wird über 
die neuen Nebenbetriebe folgendes bemerkt: «Die Anlagen werden 
als werbende Kräfte eine wichtige Stelle in dem Haushalt 
unserer Gesellschaft einnehmen.* 

Freilich sind nicht alle Koksofen-Batterien, welche der Hibemia 
gehören, mit Anlagen zur Gewinnung von Sekundärprodukten ver- 
sehen. Von den 590 Koksöfen sind gegenwärtig (1905) vor- 
handen: 270 Flamm- und 320 Teeröfen. 

Diese verteilen sich auf die einzelnen Zechenanlagen folgender- 
mafien: 





Flammöfen 


DestiUat 


Hibemia 


60 





Shamrock I/n . . . . ' 


120 


60 


Shamrock HI/IV . . . 


60 


120 


Schlägel und Eisen ni/IV 


— 


60 


General Blumenttiall/n . 


30 


— 


III/IV 


— 


80 



270 320 

Der hohe Anteil der Flammöfen an der Gesamtzahl der Koks- 
öfen scheint offenbar in Zusammenhang zu stehen mit den hohen 
Anlagekosten, die mit der Gewinnung der Nebenprodukte 
notwendig werden. Wir sahen, daS ein alter Rundofen bloB 
1500 Mark kostete. Ein Flammofen von Otto kostet bereits 
3000 Mark. Die Neuanlage von 60 CoUinöfen auf Shamrock IQ/IV 
aber erforderte 725000 Mark; ein Ofen stellte sich demnach auf 
12083 Mark. Es ergibt sich also auch hier mit fortschreitender 
Entwicklung eine Zunahme des stehenden Kapitals, bedingt durch 
den Obergang zu rationellen Methoden der Koksdestillation. Aber 
es last sich nicht nur hier, sondern auch bei anderen Gesell- 
schaften die Beobachtung machen, dafi ein Kausalnexus besteht 
zwischen der Höhe der Verschuldung und der Ausdehnung der 
Nebenanlagen. Stark verschuldete Gesellschaften, wie wir sie in 
Königsbom kennen lernen werden, haben keine Destillations- 
anlagen. Die moderne Technik bedient heute die Koksöfen in viel 
umfassenderer Weise mechanisch als das früher der Fall war. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 59 

Früher wurde die Kohle von den Türmen nach der Kokerei durch 
besondere Schlepper und durch Pferde gefahren. Heute besorgt 
den Transport eine Kettenförderung. 

Freilich hat die menschliche Arbeitskraft hier immer noch 
eine Anzahl Funktionen zu übernehmen , die vielleicht später 
einmal einem Automaten übertragen werden. Das Beschicken 
des Ofens, der 7^ resp. 8 t fafit, geschieht durch Arbeiter. 
Ober die Batterie hinweg gehen Schienengleise, auf welchen die 
Wagen mit Kohlen herangeschoben werden, dann zieht der Ar- 
beiter eine den Ofen luftdicht abschliefiende Glocke empor und 
stürzt die Kohle hinein. 

Das Einebnen in den Ofen ist auf den meisten Werken 
einem Mechanismus übertragen. Eine Planiermaschine nimmt 
denKoksarbeitem eine gefährliche und gesundheitsschädliche Arbeit 
ab. Ebenso wird der Ofen mechanisch entleert und zwar durch 
eine Koksausprefimaschine, während früher der Arbeiter mit 
eisernen Krücken den Kuchen aus dem Ofen herausziehen mufite. 
Es sind vorhanden auf Shamrock 4, auf Shamrock III/IV 3 und 
auf Hibemia 1 von je ca. 20 Pferdekräften. Eine solche Maschine 
ruht auf einem Gestell, welches auf Eisenbahnschienen an dem 
Ofen entlang gefahren werden kann. Durch einen Stempel wird 
der Kokskuchen herausgedrückt Zwei Arbeiter ziehen die Tür 
des Ofens in die Höhe und von Glut und Rauchwolken umgeben 
wird der viereckige Kolofi herausgeprefiL Ein kalter Wasserstrahl 
empfangt ihn. Die Glut wird gelöscht Ein alles verhüllender 
Rauch entwickelt sich, aber hindurch schimmern die auseinander- 
bröckelnden Stücke, einen scharfen Geruch verbreitend. Ist der 
Koks abgekühlt und auseinandergefallen, dann wird er mit der 
Hand in Karren geladen und in die unter der Koksbühne stehen- 
den Eisenbahnwagen gestürzt, sofern er nicht, wie z. B. auf 
Shamrock, vorher sortiert wird. 

Aus dieser Beschreibung gebt hervor, dafi zwei schwere 
und schädliche Arbeiten durch den Automaten vollzogen 
werden: Einmal das Planieren und zweitens das Ausziehen. 
Im übrigen wird die menschliche Arbeitskraft noch in ausgiebigem 
Mafie verwendet Die Zieher und Veriader haben schwere und 
wegen der Hitze und Gasentwicklung gröfitenteils gesundheits- 
schädliche Arbeit auszuführen. Ob hier nicht noch wesentliche 
technische Verbesserungen, die das mechanische Aufziehen der 
Türen, das Löschen und die Veriadung betreffen, am Platze 



60 !• Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

wären, ist eine Frage, die ich den Technikern zum Nachdenken anheim 
gebe. An menschlicher Arbeitskraft werden heute für eine Batterie 
von 60 Ofen 16 Leute in einer Schicht gebraucht Nämlich 
4 Zieher resp. Löscher, 4 Kokslader, 3 Ffiller, 1 Schlepper, 1 Tur- 
bediener, 1 Knabbelmaschinist, 1 Türpinseier, 1 Aushilfe. 12 Stun- 
den lang sind in der Destillationsanlage tätig: 3 Maschinisten, 
3 Leute in der Ammoniakfabrik, 2 Ventil Wärter und Vorlage- 
reiniger, 4 Düsenreiniger, 1 Kesselwärter, 1 Laborant mit Gehilfen. 
Die Zahl der Kokereiarbeiter betrug im Jahre 1903 auf 

Hibemia .... 31 oder 2,720/o der Belegschaft 
Shamrock .... 121 . 4,370/o . 
Shamrock III/IV . 73 . 2,680/o . 
Schlägel wid Eisen 52 . Ifil^/o , 

Eine zweite wichtige Nebenanlage, die mit der Aus- 
beutung der Gaskohlenpartie in Zusammenhang steht, ist die Gas- 
anstalt auf Shamrock und Wilhelmine Viktoria I. Die erstere 
Anlage ist die ältere. Sie wurde während der Krisis der 70er 
Jahre erweitert In dem Geschäftsbericht von 1876 wird mitgeteilt, 
dafi sie seitdem ein vorzfigliches reines und helles Gas von durch- 
schnittlich 14 Lichtstärken liefert und daS von den drei Ofen mit 
je sechs Batterien regelmäßig nur eine Batterie mit einer Produktions- 
fähigkeit von 1250 cbm in Betrieb steht Die Anstalt versorgte 
bisher die Stadt Herne mit Gas. In der Denkschrift werden dar- 
über folgende Angaben gemacht: Die Länge des Straßenrohr- 
netees betrug 16069 m, die Zahl der Flammen, welche von der 
Gasanstalt gespeist werden, 4713, hiervon entfielen auf die Stadt 
Herne 3177 und auf den Ort Baukau 344 Flammen, während 
der Rest von 1192 Flammen in den eigenen Betriebsanlagen der 
Zeche Shamrock und in den Beamtenwohnungen verwendet 
wurde. Das Gas wurde zu Leuchtzwecken in der Weise verkauft, 
dafi, wer pro Monat über 100 cbm brauchte, 15 Pf. zu zahlen 
hatte; wer darunter konsumierte, aber 16 Pf. Gas zu Heizzwedcen 
wurde für 10 Pf. pro Kubikmeter abgegeben. Solange dieser 
Vertrag dauerte, war die Gasanstalt eine rentierende An- 
lage; denn die Selbstkosten stellten sich pro Kubikmeter auf 
5—6 Pt Mit dem Jahre 1903 aber lief der Vertrag ab. Die 
Stadt baute eine eigene Gasfabrik und ging zur Selbstbedaris- 
deckung über. Die Gasproduktion der Zeche aber stürzte, wie 
wir später sehen werden, im Jahre 1903 auf die Hälfte herunter. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 61 

Das war für die Zeche ein harter Schlag, wenn auch die Gas- 
anläge bis auf einen kleinen Rest abgeschrieben ist 

Ihre jahrliche Leistungsfähigkeit stellt sich auf 600000 cbm 
Gas. Die Produktion betrug 1903 562960 cbm. Diese wurden 
gewonnen aus 2049^6 t Kohle. Das Ausbringen beträgt also 
274,67 cbm pro Tonne. Außerdem ergeben sich 4Nebenprodukte. 
Das wichtigste ist der Koks, etwa 1000 1 jähriich.* Durch Kühlung 
des Gases wird Teer und Ammoniak herausdestillierL Die Aus- 
beute beträgt bei Teer 5%, bei Ammoniakwasser 10%, die jähr- 
liche Menge 100 resp. 200 t Außerdem wird der entstehende 
Schwefelwasserstoff durch Raseneisenerz gebunden und das sich 
bildende Schwefeleisen, etwa 20 t jährlich, an Cyan-Fabriken ver- 
kauft, die hauptsächlich Blutlaugensälz daraus machen. Der Cyan- 
gehalt mufi mindestens 8 — 12% betragen. Der Doppelwaggon 
kostet 240 Mark. 

Wesentlich der Deckung des Selbstbedarfs dient die Gas- 
anstalt auf Zeche Wilhelmine Viktoria. Sie ist für eine 
Tagesproduktion von 2000 cbm eingerichtet Der Gasometer hat 
einen Inhalt von 780 cbm. Die Fabrik ist also bedeutend kleiner 
als die vorher erwähnte. Die Produktion an Gas betrug 1903 
418313 cbm; zu ihrer Herstellung dienten 1316,40 t Kohle. Das 
Ausbringen belief sich also auf 317,77 cbm, war demnach wesent- 
lich höher als auf Shamrock. Von der Gasanstalt werden gespeist 
im ganzen 1042 Flammen. Der Hauptabnehmer sind die Zechen- 
anlagen, nur 142 Flammen werden nach den Angaben der Denk- 
schrift an benachbarte Private abgegeben. 

Eine dritte, mit der Förderung von tonhaltigem Schiefer und 
der Verwertung der entsprechenden Berge in Zusammenhang 
stehende Anlage ist die Ziegelei. Dieselbe lag ursprünglich auf 
Hibemia und arbeitete für den Markt Es wurden gebrannt Bau- 
steine, feuerfeste Steine und Fassonstflcke. Allein mit dem Aus- 
bruch der Krisis in den 70er Jahren schlief die Bautätigkeit ein 
und der Absatz stockte. Die Folge war ein unabsetzbares Lager. 
Die Ziegelei eriitt 1874 einen Verlust von 10885 Mark. In dem 
Geschäftsbericht des genannten Jahres wird folgendes ausgeführt: 
.Bei dem aufierordentlich reduzierten Bedarf der Industrie und der 
ausgedehnteren Produktion feuerfester Steine, Fassonstücke usw. 
mufiten die früher vorhandenen teuren Vorräte mit Schaden reali- 



* Diese und die folgenden Angaben nach gfltiger PrivatmitteUung. 



62 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

siert werden; wir haben deshalb diesen Betriebszweig mit Aus- 
nahme weniger unter den jetzigen Verhältnissen noch lohnenden 
Artikel auf unsem eigenen Bedarf beschränkt". Die Produktion 
an Ziegelsteinen betrug: 

pro Jahr pro Arbeitstag 

1873: 2660050 Stück 8867 Stück 

1874: 1188280 . 3961 . 

1875: 1590149 . 5300 . 

Vom 1. September 1875 wird dann der Betrieb gänzlich ein- 
gestellt Die Ziegelei wird ein Opfer der Krisis. Die Gebaulich- 
keiten werden in den Dienst eines anderen Zweckes gestellt 
Die alte Ziegelei verwandelt sich in eine Waschkaue. Hier- 
über heifit es in dem Geschäftsbericht von 1875: «Abgesehen von 
der zweifelhaften künftigen Rentabilität dieses Betriebszweiges 
(der Ziegelfabrikation) war für die Einstellung derselben der Um- 
stand mafigebend, dafi die Erbauung einer Waschkaue für die Be- 
legschaft als dringend notwendig sich herausstellte, und dafi die 
Gebäude der Ziegelei sich hierzu sehr zweckmäfiig und ohne 
grofie Kosten verwenden lassen. Die auf -diese Weise entstandene 
Waschkaue ist mit zwei geräumigen Bassins und großem, durch 
Dampfofen erwärmten Ankleideraum für 1000 Mann eingerichtet, 
wo jeder Arbeiter einen verschliefibaren Kleiderschrank fiber- 
wiesen erhält* 

Eine zweite Ziegelei entstand auf Wilhelmine Viktoria. Sie 
gehörte ursprünglich einem anderen Besitzer, nämlich der Kom- 
manditgesellschaft Tigler & Co. Am 1. Januar 1888 ging sie zum 
Preise von 75000 Mark in das Eigentum der Hibemia über. In 
der Denkschrift werden über diese Anlage folgende Details an- 
gegeben: »Die Ziegelei besteht aus einem Ringofen mit 16 Kammern, 
in denen je 13000 Prefisteine zum Brennen eingesetzt werden, und 
einem zweiteiligen Betriebsgebäude, in dessen einem Teil eine 
80pferdige Betriebsmaschine steht, die den erforderiichen Dampf 
von der 95 m entfernten Kesselanlage bei Schacht I erhält" 
Freilich ist diese weite Entfernung der Dampferzeugung vom 
Dampfverbrauch wirtschaftlich wenig günstig, aber historisch er- 
kläriich. In dem grOfieren zweiten Teil sind dann überall Re- 
servemaschinen vorhanden, die die Ziegelei gegen Störungen 
schützen, nämlich 2 Steinbrecher, 2 KoUergänge und 2 englische 
Steinpressen. Die jähriiche Produktionsfähigkeit beträgt 4 Millionen 
Steine, wozu täglich 80, im Jahre 24000 Förderwagen Berge er- 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemla. 63 

forderlich sind. Das Produkt findet zum grOfiten Teil aufdeneigenen 
Bauten der Gesellschaft Verwendung, der Oberschufi wird verkauft 
Pro Arbeitstag werden 12—13000 Stück produziert Die Ziegelei ist 
also t>edeutend leistungsfähiger als die eingegangene auf Hibemia. 

Hieraus ergibt sich, dafi dieser Nebenbetrieb wurzelt 
erstens in dem Streben nach Verwertung der zutage ge- 
förderten Berge, soweit diese sich zur Herstellung von 
Ziegeln eignen, zweitens in dem Bedürfnis nach billiger 
Fabrikation des für die Zechenbauten notwendigen Ma- 
terials. 

Früher hat auf Hibemia auch einmal eine Schmierfabrik 
bestanden. Dieselbe ging aber im Jahre 1875 ein. 

Damit haben wir die Nebenanlagen erschöpft 

Rekapitulieren wir nun in Kürze die wichtigsten Betriebs- 
mittel der Bergwerksgesellschaft Hibemia. Es waren dies: die 
Förderanlagen, die Einrichtungen zur Wasserhaltung und 
Bewetterung, die Aufbereitungsanstalten, die Kokereien, 
die Teer-, Ammoniak- und Benzolfabrik, die Gasanstalt 
und die Ziegelei. 

Bei der Betrachtung dieser der Produktion direkt oder indirekt 
dienenden Betriebe ergaben sich folgende Resultate: 

1. Die Entwicklung der Förderanlagen auf den Gruben 
der Gesellschaft lauft auf Einrichtungen hinaus, die es 
gestatten, in kürzester Zeit ein möglichst grofies Quan- 
tum von Kohle zu fördern. Diese beiden wirtschaftlichen 
Antriebe, Masse und Zeit, beherrschen die ganze Kohlen- 
förderung. 

2. An Stelle des Menschen tritt in geringem Umfang 
bei der Gewinnung, in großen Dimensionen aber bei der 
Bewegung der Kohle ein System toter Körper. Der Be- 
trieb wird mechanisiert Hierher gehört die maschinelle 
Streckenförderung, die Schachtförderung, die mechanische 
Aufbereitung, die Verladung der Kohlen, der Transport 
der Berge und anderes mehr. 

3. Mit zunehmender Teufe wird der Betrieb schwie- 
riger, teurer und gefährlicher. Die durch die unterirdi- 
schen Verbaltnisse bedingte Ausdehnung der Betriebs- 
mittel (Wasserhaltungsmaschinen und Ventilatoren, 
Waschen und Ziegeleien) ist gleichbedeutend mit zu- 
nehmender Immobilisierung des Industriekapitals. 



64 1. Bergwerksgesdlschaft Hibemia. 

4. Um die Betriebsunsicherheit zu vermindern, das 
Risiko eintretender Störungen zu beseitigen, findet das 
Zweimaschinensystem Eingang (Wasserhaltung, Bewette- 
rung). Damit wird die eben gekennzeichnete Tendenz 
noch verschärft 

5. Um das Fördergut zu veredeln und zu speziali- 
sieren, werden Aufbereitungsanstalten gebaut, die auf 
die Kohle die Wirkung einer Preiserhöhung ausüben. 
Damit war, vor dem Inslebentreten der Syndikate, ein 
Mittel geschaffen, um höhere Gewinne zu erzielen. 

6. Diese Nebenbetriebe sind dadurch charakterisiert, 
dafi sie große Mengen an Kohle gebrauchen und damit 
in ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zum 
Hauptbetriebe treten. 

Nachdem wir im vorhergehenden die naturlichen Grund- 
lagen und die Arbeitsmittel behandelt haben, kommen wir jetzt 
zu dem dritten grofien Produktionsfaktor, der menschlichen 
Arbeitskraft, die im Kohlenbergbau eine ganz besondere 
Rolle spielt. 

Die Zahl der Arbeiter der Gesellschaft ist im Laufe der Zeit 
enorm gewachsen. Sie betrug im Jahre 1858, in dem man auf 
Hibemia mit einer regelmäfiigen Kohlenförderung begann, 195, 
belief sich 1873 auf 1788 Mann und erreichte im Jahre 1901 
13 665 Mann. In den folgenden Jahren betrug die Arbeiter- und 
Beamtenarmee im Durchschnitt auf: 



Hibemia .... 
Shamrock .... 
Shamrock m/IV 
Wilhelmine Viktoria 
Schlfigel wid Eisen 
General Blumenthal 
Alstaden .... 



1903 1904 

1138 Mann 1091 Mann 

2771 . 2774 . 

2721 . 2828 . 

2055 . 2039 . 

3803 . 4006 . 

- 4186 . 

- 830 . 



im ganzen 12488 Mann 17754 Mann 

In dieser Summe sind die Beamten eingerechnet Die Zahl 
der Arbeiter allein ist aus der Tabelle (S. 66) ersichtlich. Rechnet 
man die Angehörigen hinzu, so belauft sie sich nach den Angaben 
des Generaldirektors in der Generalversammlung vom 27. August 
1904 auf 50100 Menschen, die durch den Lohn der Hibemia 
ernährt werden. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



65 



Aus der folgenden Tabelle geht hervor, daß die Arbeiterzahl, 
von acht Ruckschlagsjahren abgesehen, ständig gewachsen ist 

Setzen wir nun die Arbeiterzahl zu der geförderten Kohlen- 
menge in Beziehung, so ergibt sich folgendes. Es betrug: 









Jahretprodokllon auf den Kopf 




di*AiMto- 
zahl 


dia FOrdarang in 


der Belegictaaft 


bn Jabf« 




Im gansen 




okl. 
Beamte 


t 


anlHn>enda 


Oberbetf- 
amtabäik* 

t 


1860 


793 


170281 


215 


149 


1865 


1230 


326291 


266 


200 


1870 


1386 


326724 


236 


226 


1873 


1788 


327816 


183 


204 


1874 


1780 


347955 


196 


186 


1875 


1899 


432052 


227 


203 


1876 


1772 


419497 


237 


214 


1877 


1819 


511778 


281 


240 


1878 


2308 


691399 


299 


258 


1879 


2353 


764199 


325 


266 


1880 


2167 


723517 


334 


283 


1881 


2407 


722375 


300 


284 


1882 


2500 


7^856 


313 


288 


1883 


2732 


894459 


328 


285 


1884 


2842 


1013940 


353 


281 


1885 


2769 


1034998 


374 


284 


1886 


2638 


939825 


357 


286 


1887 


2393 


880198 


368 


303 


1888 


3905 


1452044 


372 


315 


1889 


4081 


1468522 


355 


293 


1890 


4906 


1531922 


312 


278 


1891 


5665 


1660194 


293 


270 


1892 


5583 


1602686 


288 


259 


1893 


5805 


1679783 


289 


264 


1894 


6273 
6402 
6353 


1877238 


299 


266 


1895 


1900849 


296 


266 


1896 


2109024 


332 


277 


1897 


6827 


2293419 


336 


275 


1896 


10023 


2996546 


298 


266 


1899 


10919 


3282924 


301 


263 


1900 


II020 


3620277 


329 


263 


1901 


13165 


3573050 


271 


240 


1902 


11323 


33I436.'> 


292 


238 


1903 


11955 


3738840 


, 313 


253 


1904 


17025 


4806599 


1 270 





* Diese Zahlen entnehme Ich dem XIL Bd. .Wlrtsch, Entw.* TeO 3 p. 42/4. 
Stllllch, NallooalOkoiioaliclM Ponchniigta, Bd. U. 5 



66 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Von den auf den Zechen der Gesellschaft beschäftigten Ar- 
beitern ist ein grofier Teil Slawen. Die meisten Polen haben 
heute die Reviere Gelsenkirchen und Herne. Die Zahl der fremd- 
und gemischtsprachlichen Arbeiter beträgt auf Hibernia 50,1 ^/o^ 
auf Wilhelmine Viktoria S2^Vo. Wir haben es also mit Polen- 
zechen zu tun. 

Auf diesen ist der Belegschaftswechsel ein besonders 
starker. Die Fluktuationen stehen ohne Zweifel auch mit der 
Ungunst der Arbeitsbedingungen in Zusammenhang. Nach der 
Deutschen Bergarbeiterzeitung (Jahrgang 1900 Nr. 37) betrug auf 

Wllh.Vikt.I Wilh.ViktII/III Shamr. Shamr. IMV 

Die Belegschaft pro 1899 . . 1161 1269 2985 2738 

Zugang 779 727 1993 1997 

Abgang 676 750 1678 1691 

Auf 100 Mann Belegschaft ent- 
fäUt Qesamtwechsel ... 125 116 122 134 

Die Mobilisierung der Belegschaft» wie sie in diesen Zahlen 
zum Ausdruck kommt, hat, wie wir später sehen werden, eine die 
Arbeitsleistung herunterdruckende Wirkung. 

Untersuchen wir nun weiter die arbeitsteilige Struktur 
der Belegschaft, so haben wir verschiedene Kategorien zu unter- 
scheiden. 

Zunächst die Beamten. Ihre Zahl betrug auf 

1881 1904 

Hibernia 30«2V20/o 48 = 4,40o/o 

ShamiDck . . . . 39:==3o/o 133»4,790/o 

Diese Steigerung hängt augenscheinlich mit der Entwicklung 
der Kohlenproduktion zusammen, die eine größere Zahl von Be- 
amten nötig machte. Am schärfsten kommt dieser Zusammenhang 
zum Ausdruck bei den jungen Zechen. Auf Schlägel und Eisen 
betrug die Zahl der Personen mit fixiertem Einkommen 1898:88 
und stieg bis 1903 auf 162 oder von 3,86% der Belegschaft 
auf 4,260/0. 1904 betrug sie 171 oder 4,27o/o. 

Auf den alten Zechenanlagen scheint es, als ob in den rela- 
tiven Zahlen auch der Einflufi der Geschäftslage zum Ausdruck 
kommt Bei steigender Konjunktur nimmt der Prozentanteil der 
Beamten an der Gesamtheit der Arbeitskräfte ab und umgekehrt. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



67 



Von der Gesamtbelegschaft waren Personen mit fixiertem Ein- 
kommen 

auf Hibemia auf Wilhdmine Viktoria 

1897 4,980/0 4,020/0 

1898 4,660/0 3,670/o 

1899 4,520/0 3,840/o 

1900 4,320/0 3,740/0 

1901 4,120/0 3,710/0 

1902 4,140/0 4,270/0 

1903 4,310/0 4,530/0 

1904 4,400/0 4,510/0 



Die Gesamtzahl der Beamten auf allen Zechen der Gesellschaft 
t>etmg 1903:533| 1904:729 Personen. 

Die Grundmasse der Belegschaft und ihr wichtigster Teil 
aber sind die Hauer, vor allen die Kohlenhauer — von den 
Gesteins- und Reparaturhauem wird spater die Rede sein. Der 
Kohlenbauer hat die Aufgabe, die Kohle aus ihrem natürlichen 
Zusammenhang mit dem umgebenden Gestein zu lösen, so daß 
sie zur Förderung gelangen, d. h. behufs weiterer Verwertung zu- 
tage geschafft werden kann. 

Die Zahl der Kohlenhauer betrug in den Jahren : 




1904J|449 



Hieraus geht hervor, daß die Zeche Schlägel und Eisen, die, 
wie frfiher erwähnt, aus drei großen Schachtanlagen besteht, auch 
die größte Zahl von Kohlenhauem hat Dann folgt General 
Blumenthal. Die absolut kleinste Zahl weist, von Alstaden ab- 
gesehen, die Grube Hibemia auf, und die drei anderen Zechen 
stehen mit etwas fiber 1000 Hauern in der Mitte. Die Zahl der 
Hauer auf sämtlichen Hibemia-Zechen aber belief sich 1903 auf 
5212, 1904 auf 7228. 

5* 



68 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Aus den relativen Zahlen aber ergibt sich, dafi auf Wilhel- 
mine Viktoria der grOfite Teil der Belegschaft, nSmlicb nahezu 
die Hälfte, vor der Kohle steht, wahrend dies bei den übrigen in 
der Tabelle verzeichneten Zechen heute nur etwa bei zwei Punftd 
sämtlicher Arbeiter der Fall ist Je mehr es aber ceteris paribus 
möglich ist, die Zahl der direkt bei der Kohlengewinnung be* 
schaftigten Arbeiter zu erhöhen, desto günstiger ist dies für das 
Unternehmen. Dafi auf Shamrock noch keine 40 ^/o der Beleg- 
schaft vor der Kohle stehen, hängt mit dem früher beschriebenen 
chemischen Temperament der Grube zusammen, welches eine Ein- 
schränkung der unmittelbar bei der Kohlengewinnung tatigen 
Hauer nötig machte. Die Arbeit des Kohlenhauers ist heute grofien- 
teils noch Handarbeit Die wichtigsten Werkzeuge sind Schlägel 
undEisen,die bekannten Embleme der Bergarbeit, und die Keilhaue. 
Die letztere wird hauptsächlich dazu benutzt, um in den Schiefer 
oder in das Kohlenflöz einen engen und tiefen Schlitz hinein- 
zuhauen. Diese Arbeit, Schrämen genannt, ist schwierig und 
mühevoll. In der Ministerial -Zeitschrift (Ztschr. t B^ H. u, &-W. 
Bd. 14 p. 256) heifit es: »Bedenkt man — namentlich beim 
Steinkohlenbergbau — wie Tausende von Bergleuten jahraus, 
jahrein in ungenügender Lage vor hartem Schräm hingestreckt 
liegen müssen, so mufi man es als eine Angabe des mensch- 
lichen Eriindungsgeistes erkennen, dieselben von dieser geisttöten- 
den, wenig leistenden Arbeit zu befreien.* Aber die Schramart>eit 
mit der Keilhaue ist nicht nur schwierig, sie ist auch kostspielig. 

Diese beiden Motive sind es vornehmlich gewesen, die dazu 
führten, die Arbeit des Schrämens einer Maschine zu über- 
tragen. In England geschah dies bereits in den 60er Jahren, 
auf den deutschen Zechen relativ viel später. Hier war es vor 
allem die UnvoUkommenheit der Konstruktion und die t}edeutend 
niedrigeren Löhne der Bergarbeiter, die der Einführung im Wege 
standen. Auch im Kohlenbergbau erweist sich der niedrige 
Lohn als ein Hemmschuh des technischen Fortschritts. 
So heifit es in dem eben zitierten Aufsatz aus dem Jahre 1866: 
»Stehen nun die Bergmannslöhne in England noch mindestens 
50^0 üt>er den unsrigen, so wird man um so weniger es viel- 
leicht schon an der Zeit erachten wollen, bei uns mit diesen 
Maschinen zu beginnen.* 

Diese Gründe sind vielleicht nicht die einzigen, aber sie er- 
klären es, warum auch auf Hibemia die Einführung von Sdiräm- 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 69 

maschinen erst aufierordentlich spät erfolgte. Dazu kam, dafi 
die ersten Versuche, die man in den 90er Jahren machte, nicht 
einmal glücklich ausfielen. 1898 stellte man auf Hibemia Korf- 
mannsche Schrämmaschinen auf. Die Maschinen kamen bei der 
Kohlengewinnung in den besonders harten Flözen 16 und 17 zur 
Anwendung, wurden jedoch bereits nach drei Wochen als voll- 
kommen unzweckmflsig wieder beseitigt. Zunächst stellte es sich 
als nachteilig heraus, dafi zur Bedienung beim Aufstellen und 
beim Auswechseln der Schrämbohrer drei Mann erforderlich waren. 
Vor allem blieb aber die Leistung hinter derjenigen beim Schrä- 
men mit der Hand zurück, indem nach Htägigem Betrieb drei 
ausgesucht tüchtige Hauer mit der Schrämmaschine bei einer 
Sdiramhöbe von 50 mm und einer Schrammtiefe von 1^0 m 
eine durchschnittliche tägliche Leistung von 2V2 Wagen auf den 
Kopf erzielten, während dieselben Hauer unter denselben Be- 
dingungen mit der Hand eine durchschnittliche Leistung von drei 
Wagen erreichten.* Durch diese Mifierfolge aber liefi sich die Ver- 
waltung nicht einschüchtern. Es ergab sich, dafi die für die Zwecke 
des Scbrämens abgeänderten Gesteinsbohrmaschinen, die schon 
lange auf der Zeche im Gebrauch waren, gute Resultate lieferten. 
Neben diesen Stofischrämmaschinen bat man 1903 noch ein zweites 
System eingeführt, nämlich die Radschrämmaschinen. Auf Sham- 
rock I/n waren 1904 im ganzen 50 Schrämmaschinen in Tätigkeit 
Anfangs begegneten diese Maschinen freilich bei der Arbeiter- 
schaft der Zeche grofien Antipathien. »Wir haben sie ver- 
flucht,* erklärte mir ein Arbeiter, der seit Jahren schrämte, ,aber 
jetzt haben wir uns daran gewöhnt.* Ein Betriebsführer auf 
Shamrock, der sich besonders für die Einführung interessiert 
hatte, wurde nach seiner eigenen Angabe von den Bergleuten als 
Schinder betrachtet Kein Mensch wollte eine solche Maschine 
haben oder mit ihr arbeiten. Dieser Widerstand der Arbeiter 
einem technischen Fortschritt gegenüber ist heute auf der Hibemia 
nicht mehr vorhanden. Aber er war erkläriich. Der Hauer, der 
bisher mit den einfachsten Werkzeugen hantierte, stand plötzlich 
einem komplizierten Mechanismus gegenüber. Das Aufstellen der 
Maschine war schwierig. Er verstand nicht damit zu arbeiten. Auf 
Rhein-Elbe sah ich, wie die Bedienung von zwei Maschinisten aus- 
geführt wurde; auf Shamrock aber, wo die Leute sich bereits ein- 



• Zeitschr. f. B., H. u. S..W. Bd. 46 p. 107. 



70 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

gearbeitet hatten, bediente der Kohlenhauer selbst die Maschine. 
Er hatte gelernt, die Kenntnisse und Erfahrungen des Hauers mit 
denen des Maschinisten zu verbinden. Ein weiterer Grund fär die 
Abneigung gegen die Schrämmaschinen mag vielleicht auch darin 
gelegen haben, dafi die Bedienung einer solchen Maschine wenig 
angenehm ist Der Hauer, der den Schrflmkopf durch Drehung 
eines Rades immer tiefer in das Flöz hineindirigiert, erleidet t>ei 
den stofiartig wirkenden Schrämmaschinen in jedem Augenblick 
einen Schlag auf den Arm. Die Maschinen selbst verursachen 
einen Höllenlärm. Der ganze Arbeitsplatz vor der Kohle ist in 
eine Staubwolke gehüllt Vielleicht kommt noch die Erwägung 
hinzu, dafi die Schrämmaschinen Kohlenhauer überflfissig machen 
und zu Lohndrückern werden können. Nun kann aber gar kein 
Zweifel darüber bestehen, dafi die Gesellschaft mit der Einführung 
von Schrämmaschinen einen gewaltigen technischen Fortschritt 
akzeptierte. Es handelt sich dabei um die Mechanisierung des 
Kohlenabbaues und die damit verknüpften Vorteile. Dieselben 
bestehen in folgendem: 

1. Der menschliche Muskel wird entlastet, denn die dnich 
das Handschrämen in Anspruch genommenen Kräfte des Hauers 
werden auf die Maschine übertragen. Aus dem VoUfübrer der 
Arbeit wird ihr Dirigent 

2. Die Lebensbedrohung ist beim Schrämmaschinenbetrieb 
eine geringere. Der Arbeiter steht hinter der Maschine und ist 
dem Kohlenfall, durch den die meisten Unglücksfälle entstehen, 
weniger ausgesetzt, als der mit der Keilhaue unmittelbar vor dem 
Stofi Arbeitende. 

3. Der Durchschlag des Schrams geht schneller vor sich. 
Die Leistung auf Shamrock beträgt 15 — 18 qm in acht Stunden. 
Infolgedessen werden die Betriebskosten des Abbaues vermindert 

4. Durch den Schrämbetrieb wird daher die Produktion ver- 
mehrt .Ein und dieselbe GrubenabteUung kann bei maschinellem 
Betrieb die Produktion in beträchtlichem Verhältnis vergrößern. 
Bei gleichem Förderquantum hat daher ein Grubenbetrieb weniger 
Strecken zu erhalten, weniger und kürzere Streckenförderung ein- 
zurichten, und das Aufsichtspersonal ist geringer.** 

5. Das Verhältnis der Stückgröfien wird durch die Schräm- 
maschinen zugunsten eines größeren Stückkohlenfalls verschoben. 



• Qerman in der Neuen Zeit 1903 p. 220. 



1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia. 71 



Man erhalt 25— 30®/o Stückkohle. Bei der Verwendung von 
Schrämmaschinen kommen nämlich zwei Momente in Fortfall, die 
sonst zu einer vermehrten Entstehung von Kleinkohle Anlafi geben, 
einmal der mit der Keilhaue hergestellte breite Schräm und 
zweitens der Gebrauch von Sprengmitteln. Durch die Schräm- 
maschine wird ein bedeutend engerer Schräm hergestellt, als es 
mit der Keilhaue möglich ist; folglich fällt weniger Kleinkohle ab. 
Die Schrämmaschine macht das Schiefien überflüssig. Zum Teil 
ist es ja, wie wir früher sahen, auf den Schlagwettergruben der 
Hit>emia verboten oder aber nur unter gewissen Kautelen erlaubt 
Wo es stattfand, war es stets mit einem grofien Kleinkohlenfall 
verbunden, denn die Gewalt der explodierenden Gase rifi die 
Kohle in viele kleine Stücke auseinander. 

WirtscbafÜich ist nun aber der Wert der Stückkohle be- 
deutend grO&er als der der Kleinkohle. Das hängt u. a., wie wir 
später sehen werden, auch damit zusammen, daß bei der Klein- 
und Feinkoble der Verlust an Gas wegen der GrO&e der Ober- 
fläche ein sehr bedeutender ist Je größer aber die Stücke sind, 
desto weniger Gas entweicht Das ist vor allen bei der Gaskohle 
von besonderer Wichtigkeit Deshalb benutzt man die Schräm- 
maschinen mit Vorliet>e in Flamm- und Gas-, seltener in Fett- 
kohlenflOzen. Hieraus ergibt sich, dafi der große ökonomische 
Nutzen der Schrämmaschinen auch darin liegt, dafi sie dem 
beim Abbau gewonnenen Produkt einen höheren Ge- 
brauchswert verleihen. Trotz dieser Vorteile ist der Schräm- 
betrieb auf den Zechen der Hibemia noch wenig ausgedehnt Im 
Geschäftsbericht des Jahres 19Q2 heifit es: ,Die Gewinnung der 
Kohle mit Hilfe von Schrämmaschinen nahm (auf Shamrock) an 
Umfang erheblich zu* und an anderer Stelle: »Mit Hilfe von Schräm- 
maschmen wurden 35419 1 Kohle, d. h. 4,7^/o der ganzen Förderung 
gewonnen.* Bedeutend höher ist der Anteil geschrämter Kohle 
bereits im nächsten Jahr, nämlich 119,082 t = U^'/o der Gesamt- 
förderung. So viel über die Kohlenhauer und den Ersatz ihrer 
Arbeit durch Schrämmaschinen. 

Diesen unmittelbar produktiven stehen nun eine weitere Kate- 
gorie von Arbeitern gegenüber, die im Gestein unter Zuhilfe- 
nahme von Sprengmitteln gewissermaßen Vorarbeiten für die 
Kohlenhauer verrichten, die Gesteinshauer. Ihre Arbeit voll- 
zieht sich heute fast überall unter Verwendung von Bohr- 
maschinen, denen, wie erwähnt, die in Deutschland konstruierten 



72 !• Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



Schrämmaschinen zum grOfiten Teil nachgebildet sind. Diese 
Bohrmaschinen stofien Löcher in die Gesteinswand. Dieselben 
werden mit Sprengmaterial gefällt Die Entzündung erfolgt durch 
den elektrischen Strom. Auf Shamrock hat man die Erfahrung 
gemacht, dafi bei Glfihzfindung die wenigsten Versager vorkommen. 
Benutzt werden kleine elektromagnetische Maschinen von der 
Rheinisch -Westfälischen Sprengstoff -Aktiengesellschaft in Köln. 

Wir sehen» dafi auch hier an Stelle des mit der Hand ge- 
triebenen Bohrers die Maschine trat, und zwar viel früher, als 
beim Kohlenabbau. Das Motiv war, Zeit und Menschen zu 
sparen. Durch das Ausbohren der Sprenglöcher mittelst Bohr- 
maschinen lafit sich ein Querschlag in hartem Gestein etwa drei* 
bis viermal schneller herstellen als durch Handarbeit 

Welch großen Umfang der Bohrmaschinenbetrieb auf den 
Gruben der Hibemia hat, mag nur an einem Beispiel verdeutlicht 
werden: Im Jahre 1903 betrug die Gesamtlänge der aufgefahrenen 
Querschlage und Richtstrecken auf Shamrock 3818 m; davon 
waren mit Maschinenbetrieb aufgefahren 3559 m. 

Femer waren 1903 durchschnittlich belegt: 

Gesteins- Abbau- Vorrichtungs- 

betriebe betriebe betriebe 

Hibemia 25 45 85 

Wilhelmine Viktoria IIV 18 17 111 

. n/m 15 20 94 

Schlfigd und Eisen im 10 21 76 

. nLlV 21 14 94 

. V/VI 12 a 81 

Hieraus ergibt sich das Verhältnis in der Zahl der Aus- und 
Vorrichtungspunkte auf der einen und der Abbaubetriebe auf der 
anderen Seite. Dasselbe betragt bei 

Wilhelmine Viktoria 34«/o 

Schlägel und Eisen d60/o 

Hibemia 82^/0 

Auf 100 Abbaubetriebe kommen also bei Hibemia die meisten 
Gesteins- und Vorrichtungsbetriebe. Das Verhältnis der produk- 
tiven zu den unproduktiven Arbeiten ist daher hier am un- 
günstigsten. Denn je mehr Abbaupunkte vorhanden sind, desto 
günstiger ist das für die Massengewinnung der Kohle und den 
pro Schicht und Mann erzielten Effekt Derselbe stuft sich, wie 
wir später sehen werden, anolog den eben angeführten Prozent- 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



73 



zahlen ab. Er betrug auf den 3 Zechen im Jahre 1903: 1,04, 
1 und 0,92 t 

Im Jahre 1904 waren als Gesteinshauer tatig auf 

absolut relativ 

Hibemia 59 5,41o/o 

Shamrock 307 ll,060/o 

nnv 229 8,100/0 

WUhelmine Viktoria 90 4,41 o/o 

SchUgel und Eisen 350 8,740/o 

General Blnmenthal 470 ll,230/o 

Alstaden . 22 2fiSVo 

1527 

Danach arbeiten also rund 1500 Menschen direkt im Gestein. 
Die dritte Kategorie sind die Reparaturhauer, die die 
Strecken im Stande zu halten haben. Hierzu werden meistens 
Leute genommen, denen die Arbeit des Koblenhauens zu schwer 
ist, oder die wegen ihres Alters die Arbeit vor der Kohle nicht 
mehr aushalten können. Ihre Zahl betrug auf 

absolut relativ 

Hibemia 106 9,720/o 

Shamrock 195 7,030/o 

UI/IV 267 9,440/0 

Wilhelmine Viktoria 143 7,01 0/0 

Schlägel und Eisen 351 8,760/o 

General Blumenthal 434 10^7^/0 

Alstaden . 33 3,98^/0 

1529 
Daraus ergibt sich, daß die zur Aufrechterhaltung und Kon- 
servierung der Strecken nötige Zahl von Arbeitern absolut annähernd 
ebenso groß ist wie die Zahl der Gesteinshauer. 

Zu den mittelbar oder unmittelbar bei der Kohlengewinnung 
unter Tage beschäftigten Hauern kommt dann noch eine Anzahl 
Grubenarbeiter mit verschiedenen Funktionen: Pferdetreiber, 
Anschläger usw. Ihre Zahl betrug in dem genannten Jahre auf 

absolut relativ 

Hibemia 188 17,23o/o 

Shamrock 474 17,090/o 

IIl/IV 462 I6340/0 

Wilhelmine Viktoria 361 17,71 0/0 

Schlägel und Eisen 582 14,53^/0 

General Blumenthal 682 16,290/o 

Alstaden . 160 19,28«/o 

2909 



74 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Innerhalb der Belegschaft finden wir einen Werdegang des 
einzelnen Arbeiters, der in der Regel zunächst verschiedene Ar- 
beiten fiber und unter Tage durchgemacht haben mu6, ehe er zu 
der hochqualifizierten des Hauers tauglich ist Er beginnt, aus 
der Schule entlassen, seine Tätigkeit am Leseband; hier hat er 
die grofien Berge aus den Kohlen herauszusuchen, eine Arbeit, 
die ein gewisses UnterscheidungsvermOgen erfordert, da es nicht 
ganz leicht ist, die ebenfalls schwarzen Schiefer auf den ersten 
Blick zu erkennen. Dann wird er mit 17 Jahren in die Grube 
geschickt und zunächst als Pferdetreiber verwandt Bewährt er 
sich, »ist er stark und pfiffig," wie mir ein Steiger auf Wilhelmine 
Viktoria sagte, so kommt er auch an die Bremse und den Luft- 
haspel. Dann wird er als Lehrhauer vor die Kohle gestellt Als 
solcher hat er gleichzeitig die Aufgabe des Schleppers zu erfüllen, 
d. h. den Wagen bis zur nächsten Anschlufistelle an die maschi- 
nelle Streckenförderung zu schieben. Schließlich wird er VoU- 
hauer und übernimmt damit eine schwierige, anstrengende» grofie 
Kenntnisse und Erfahrungen erheischende Arbeit Im einzelnen 
können freilich Abweichungen von diesem typischen Entwicklungs- 
gang eintreten. Das war namentlich in dem letzten Jahrzehnt 
der Fall, wo man Polen, die direkt von den Feldern Ostelbiens 
kamen, mit Hauerarbeiten beschäftigte. Aber immerhin dürfte 
dies die Ausnahme sein. 

Nachdem wir im vorhergehenden in die soziale Struktur der 
Belegschaft der Hibemia einen Blick getan haben, wollen wir 
nun die Elemente des Arbeitsvertrages behandeln. Ich lege 
dabei zugrunde die vom Vorstande der Gesellschaft erlassenen 
Bestimmungen über die .Arbeitsordnung vom 12. Dezember 1892", 
die sich an das vom bergbaulichen Verein erlassene Schema an- 
schliefien. 

Die beiden wichtigsten Bestandteile des Arbeitsvertrages sind 
die Arbeitszeit und der Arbeitslohn. 

Die Arbeitszeit ist verschieden bei den Arbeitern über und 
bei denen unter Tage. Bei den ersteren dauert sie 12 Stunden 
inkl. 2 Ruhepausen von je einer halben Stunde vor- und nadi- 
mittags und einer Mittagspause von einer Stunde. 

Bei den Arbeitern unter Tage dauert sie 8 Stunden von Be- 
endigung der Seilfahrt bis zum Wiederbeginn derselben. Der 
Hauer steht also 8 Stunden vor der Kohle; die Zeit des Ein- und 
Ausfahrens, die ca. 1 — 2 Stunden, je nach der Entfernung der Arbeits- 



1. Bergwerksgesdischaft Hibemia. 75 

punkte vom Schacht dauert, ist also nicht eingerechnet Eine 
auch in dem letzten großen Streik von 1905 erhobene Forderung 
der Belegschaft geht dahin, daß die Ein- und Ausfahrt als inte- 
grierender Bestandteil der Arbeitszeit angesehen und bezahlt werde. 
In der Arbeitsordnung wird Arbeitszeit und Schicht miteinander 
identifiziert Es wird darunter verstanden die Zeit von Beendigung 
der Seilfahrt bis zum Wiederbeginn derselben. Man unterscheidet 
eine Morgen-, Nachmittags- und Nachtschicht; die erstere dauert 
von 5—1, die zweite von 2 — 10 und die letztere von 8Va bis 
4V9 Uhr. Die Seilfahrt beginnt eine bestimmte Zeit früher. Die 
8 Stunden-Schicht ist also in Wirklichkeit eine 9—10 Stunden- 
Schichf 

Dazu kommen noch Oberschichten, welche 2, 4, 6, auch 
8 Stunden dauern können. Wirtschaftlich betrachtet sind sie ein 
Index forcierter Anspannung und gesteigerten Kohlenbedarfs. Auf 
den einzelnen Betrieben der Gesellschaft werden die Arbeiter 
wenigstens nominell zu Oberschichten nicht gezwungen. »Es 
steht jedem frei, zur regelmäßigen Seilfahrt auszufahren,* ist eine 
Bemerkung, die in den Geschäftsberichten immer wiederkehrt 

Einschließlich der Oberschichten wurden 1904 verfahren auf 



Hibemia 328,96 Schichten 

Sbanrock 310,99 

Shimrodc UUN 307^ 

Wilhelmine Viktoria 297,27 

Schügel und Eisen 292,29 

General Biumenthal 319,— 

AlsUden 330,44 



* Sollte die Aft>eiter6chatznoveUe zum preußischen Berggesetz vom 8. Mirz 
1906 Gesetz werden, so wOrde auf den Gruben der Hibemia, auf denen fXbtr 
die Hälfte der bel^[ten Betriebspunicte eine höhere Temperatur als 22^ C haben, 
efneVerkflrzung der Arbeitszeit auf 8Vs(vom 1. OIctober 1905 ab) resp. 8 Stunden 
vom 1. Oktober 1908 ab) eintreten. Die Motive bemerken hierzu: .Es kann aber 
keinen Zweifel unterliegen, wenn es auch statistisch kaum nachweisbar ist, dafi 
die Körperkrafte eines Steinkoblenbergmanns in warmen Gruben mit einer Luft 
von hohem Feuchtigkeitsgehalt sich bei gleicher Arbeitszeit schneller abnutzen, 
als in kflhlen Gruben, und dafi der Arbeiter infolgedessen auch der Gefahr einer 
Erkrankung und vielleicht auch der Gefahr zu verunglflcken leichter ausgesetzt 
ist . . . Es Ist diese Grenze von 22^ gewählt, weil anzunehmen ist, dafi daraber 
hinaus bd unseren klimatischen Verhältnissen eine derartig schwere Art>eit, 
wie CS die der meisten Steinkohlenbergleute ist, ohne enge Zeitbegrenzung die 
Gesundheit der Arbeiter auf die Dauer erheblich gefährden mufi.* 



76 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Leider fehlt eine Trennung der gewöhnlichen von den mehr- 
verfahrenen Schichten. 

Diese Oberschichten sind im aligemeinen zu verurteilen. la 
seinem Buche: Die Lage der Bergarbeiter im Ruhrrevier (Stutt- 
gart und Berlin 1903 p. 53) bemerkt Lorenz Pieper: »Durch eine 
gewöhnliche Arbeitszeit von 8—10 Stunden ist der Bergmann un- 
bedingt erschöpft; eine Mehrarbeit, wenn sie längere Zeit hin- 
durch erfolgt, ist gleichbedeutend mit gesundheitlichem Ruin des 
Knappen, geistiger Abstumpfung, Erlahmung jeglichen Interesses 
für Fragen, die über seinen gewöhnlichen Gesichtskreis hinaus- 
gehen, kultureller Schädigung des ganzen Berufsstandes usw.* 
Die Oberschichten, wie ihr Gegenteil, die Feierschiditen, liegen 
aber in dem Mechanismus der kapitalistischen Produktionsweise 
begründet und lassen sich daher nicht ohne weiteres abschaffen. 
Hierüber sagt Kreutz:* »Ober- und Nebenschichten haben sich auch 
in der neueren Zeit ebenso wie Feierschichten nicht vermeiden 
assen, da einerseits der Kohlenbedarf ein wechselnder ist und 
seine Behiedigung im öffentlichen Interesse liegt, andererseits eine 
jedesmalige Anpassung der Arbeiterzahl an die jeweilig notwen- 
dige Produktion teils gar nicht immer möglich ist (Erhöhung bei 
Mangel an Arbeitern), teils aber den an und für sich schon 
starken Belegschaftswechsel und die damit verbundenen Nachteile 
noch verschärfen, bzw. Arbeitslosigkeit in bedenklichem Mafie 
herbeiführen würde (Ablegung von Arbeitern bei Nachlassen des 
Kohlenbedarfs)." 

Oberschichten wie Feierschichten stehen, wie damit angedeutet, 
im Zusammenhang mit den Konjunkturen der kapitalistischen Pro- 
duktionsweise. In den Perioden guten Geschäftsganges jagt eine 
Oberschicht die andere. In Zeiten der Depression werden Feier- 
schichten eingeschoben, d. h. an ein oder zwei Tagen der Woche 
wird überhaupt keine Kohle gefördert Sonntags wird auf den 
Zechen der Gesellschaft nicht gearbeitet; nur soweit die Wasser- 
haltung und Wetterführung menschliche Bedienung erfordert und 
notwendige Reparaturen in Schächten und Strecken sowie an 
Maschinen usw. vollzogen werden müssen, besteht eine Ausnahme. 
Dasselbe gilt von der Wartung der Koksöfen. Am Sonntag darf 
jedoch nicht ausgezogen werden. Die Koksöfen sind, wie früher 
gezeigt, größtenteils mit Nebenbetrieben zur Gewinnung von Teer, 

* Die Entwicklung der niederrheinisch -westfälischen Steinkohlenbergbaus, 
Berlin 1904, Bd. 12 Teil m S. 76. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 77 



Ammoniak und Benzol verbunden. Diese Nebenbetriebe bleiben 
auch am Feiertag in Tätigkeit Sie rauben den darin tätigen Ar- 
beitern die Sonntagsruhe. 

Von besonderer Wichtigkeit für die Beurteilung der wirtschaft- 
lichen Verhältnisse einer Zeche ist der Arbeitseffekt, d. h. die 
von einem Mann und in einer Schicht verhauene und zutage ge- 
förderte Kohlenmenge, berechnet entweder unter Zugrundelegung 
der Gesamtbelegschaft der Zeche oder, was noch präziser ist, nach 
der Zahl der Kohlenhauer. Die diesbezäglichen Zahlen sind ein 
Index der Produktivität der menschlichen Arbeit. 

Noch in der ersten Periode war die Leistung pro Mann und 
Schiebt auf den Gruben der Gesellschaft eine relativ sehr ge- 
ringe. Sie betrug auf den Zechen Hibemia und Shamrock 1873 
nur wenig über eine halbe Tonne. Während auf Hibemia die 
Leistung in den einzelnen Jahren um etwa 1 t hemmschwankt, 
sehen wir auf Shamrock grofie Differenzen (siehe Tabelle S. 78). 

Im Jahre 1888 entfällt auf den Mann eine seitdem nie wieder 
erreichte Maximalleistung von 1,86 t oder auf den Hauer 5,04 t 
pro Schicht Seitdem hat die Leistung wieder abgenommen. Am 
gröfiten ist sie heute auf Shamrock I/n und III/IV. 

Dieser Rückgang der Leistung, den wir in den letzten 15 Jahren 
auf Hibemia und Shamrock beobachten können, hängt damit zu- 
sammen, dafi der fortschreitende Abbau der Flöze in größeren 
Teufen zu immer mehr Nebenarbeiten zwingt, wodurch der Ertrag 
pro Kopf ziffemmäfiig hemntergedrückt wird. Femer dürfte die 
Einschränkung der vor der Kohle stehenden Belegschaft infolge 
des ungünstigen chemischen Temperaments der Gmben dabei mit- 
sprechen. Auch der Zufluß polnischer Arbeitskräfte, d. h. ungelemter 
und ungeübter Arbeiter, und der damit verbundene starke Beleg- 
schaftswechsel hat ohne Zweifel ungünstig auf den Effekt gewirkt 
«Tausend und aber Tausende stiegen sofort von den ostelbischen 
Feldern in die westfälischen Gmben und vertauschten den Pflug 
mit der Kohlenhacke. Es wäre ein Wunder, wenn da die all- 
gemeine Leistungsfähigkeit nicht gesunken wäre." Berechnet man 
für die 31 Jahre des Bestehens der Aktiengesellschaft von 1873—1903 
den Durchschnitt, dann ergibt sich eine Leistung für Hbiemia 
mit 0,94 t pro Mann und Schicht und 3^2 t pro Hauerschicht 
und für Shamrock eine solche von 1427 t pro Mann und Schicht 



• Pieper a. a. O. p. 125. 



78 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 





Shamrock 


Hibemia 


Wilhelmine 
Viktoria 


Shamrock 
UI/IV 


Schlägel 
und Eisen 


Jahr 


Lei- 
(tung 

Muin 
und 

Schicht 
bi t 


Ld- 
(tnng 

pro 
Huier- 
schlcht 


Lei- 
stuag 

Mion 

und 
Schicht 

In t 


Ul- 
itung 

pro 
Hauer- 
Khlcht 


Ld- 
■tnng 

jVunii 

und 
Schicht 

bi t 


Lei- 
(tung 

pro 
Hauer- 
Khlcht 


ttnng 

pro 
Mann 

und 
Schicht 

in t 


Ld- 
•tnng 

pro 
Hauer- 
•chicht 


Ld- 

•tttBg 

Mann 

und 
Schicht 

int 


ttaaf 

pro 

Hiincr. 

schiebt 


1878 


0^ 


? 


0JB6 


? 


— 


— 


— 


— 


— 


— 


1874 
1875 
1876 
1877 
1878 


0,64 
0,87 
1.00 
1,24 
1,25 


2.45 
2,74 
2,69 
3,21 
3,32 


0,68 
0,71 
0,74 
0,90 
0,90 


2.16 
235 
2.14 
2,00 
2,05 


— 


— 


— 


— 


— 


— 


1879 
1880 
1881 
188? 


1^ 
142 
1,16 
1,23 


3,61 
3,56 
2,97 
3,07 


0,99 
1,10 
1,03 
1,03 


2,32 
3,15 
2,22 
2,09 


— 


— 


— 


— 


— 


— 


1883 
1884 
1885 
1886 
1887 


1,28 
1,33 
1,49 
1,56 
1,68 


3,30 
3,50 
3,65 
4,38 
4,93 


1.04 
1,13 
1,08 
1,09 
1,07 


2,22 
2,22 
2,11 
2,20 
2,20 


— 


— 


— 


— 


— 


— 


1888 
1889 
1890 
1891 


1,86 
1,78 
1,49 
1,40 


5,04 
4,73 
4,28 
4,08 


1,06 
1,00 
1,09 
0,94 


1,94 
2,06 
230 
2,08 


130 
0,92 
036 
034 


231 
1,90 
1.75 
1,69 


— 


— 


— 


— 


1892 
1893 
1894 


1,50 
1,46 
1,36 


4,05 
3,78 
3,08 


0,84 
0,76 
0,87 


1,95 

131 
2.36 


0,87 
0,90 
0.92 


1,72 
1,80 
1.83 


1,01 


2,43 


— 


— 


1895 
1896 
1897 
1898 
1899 
1900 


14» 
132 
1,27 
1,17 
1,16 
1,11 


2,96 
3,16 
2,89 
2,72 
2,62 
2,56 


032 
130 
0,90 
038 
1,03 
0,90 


238 
235 
232 
2,20 
23s 
239 


037 
0,97 
030 
1,00 
132 
130 


1.92 
1,94 
1,91 
1.90 
1.92 
1.89 


1,07 

1,23 
1,22 
1,20 
1,22 


2,22 
2,29 
2,51 
2,47 
2,33 
2.43 


0,79 
0,82 
0,85 


1,83 
1.90 
1,88 


1901 
1902 


1,07 
1.14 


2,53 
2,68 


0.88 
0,90 


2,13 
232 


131 
1.01 


1,93 
1.89 


1,14 
1.14 


2.31 
2,31 


0,89 
0,94 


1.95 
2.02 


1903 
1904 


1,19 
1,18 


2,67 
2,66 


0,92 
0,90 


233 
237 


134 

136 


1,90 
1,94 


1.21 
M8 


2,39 
2,40 


1,00 
1,00 


2.08 
2,08« 



und 3,37 t pro Hauerscbicht Beide Zahlen sind demnach auf 
Shamrock höher. 



General Blumenthal 0,92 t (2.11) und Alstaden 0,93 t (2.14). 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 79 

Untersuchen wir weiter den Einfluß der Konjunktur, so zeigen 
sich ebenfalls Unterschiede* Es betrug in den 

Hausse- Baisse- 
aulHibernia Jahren Jahren 

die Leistung pro Mann und Schicht 0,98 0,90 

, Kohlenhauer . . 2,29 2,14 

auf Shamrock 

die Leistung pro Mann und Schicht 1,29 1,25 

. , Kohlenhauer . . 3,39 3,25 

Hieraus ergibt sich, dafi in den Zeiten schlechter Ge- 
schäfte fibereinstimmend auf beiden Zechen auch die Leistung 
eine geringere ist 

Neben der Arbeitszeit und der Leistung kommt in Betracht 
der Lohn. Derselbe macht gerade im Kohlenbergbaue einen 
relativ großen Teil der Produktionskosten aus. Bereits im ersten 
Geschäftsbericht wird angegeben, dafi auf Shamrock der Lohn 
1873 3 Sgr. 1,3 Pf. = 76,7% und 1874 3 Sgr. 0,71 Pf. = 72% 
der Selbstkosten betrug.. Auf Hibemia beliefen sich 1874 die 
Selbstkosten pro Zentner auf 4 Sgr. 7,56 Pf., wovon allein 3 Sgr. 
1 PL oder 66,6% auf Lohn entfielen. Auch hier ist mir leider 
Material für die Gegenwart nicht zur Verifigung gestellt worden. 
Ich verweise daher auf die bei der Gelsenkirchner Bergwerksge- 
sellscbaft gemachten Angaben. Wir wollen zunächst die Art des 
Lohnes und dann die Höhe desselben betrachten. 

Auf der Hibemia bestehen zwei Lohnsysteme: 1. Der Ge- 
dingelohn und 2. der Schichtlohn. Der erstere legt die Ar- 
beitsleistung, der letztere die Arbeitszeit zugmnde. 

Im Gedinge arbeiten die Hauer (Kohlen-, Gesteins- und Re- 
paraturhauer). Die übrigen Arbeiter unter Tage beziehen Schicht- 
lohn, ebenso wie die Arbeiter über Tage, mit Ausnahme der 
Koksofenarbeiter. Wahrend der Schichtlohn durch den Betriebsführer 
allein festgesetzt wird, eriolgt die Pixiemng des Gedinges zwischen 
dem Betriebsfflhrer und dem Ortsflltesten. Diese Vereinbarung mu6 
spätestens bis zum zehnten Tage nach Übertragung der Arbeit 
getroffen sein. Das Gedinge gilt als auf unbestimmte Zeit ab- 

« Als gute Qcschiftsjahre sind angesehen die Jahre 1873, 1879—1882, 
1888—1891, 1895—1900, 1903. Von einer Berechnang der Durchschnitte bei 
den anderen in der Tabelle aufgeführten Zechen ist abgesehen wegen der kurzen 
Zeitriune, die dabei in Betracht kommen. 



80 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



geschlossen. Treten jedoch wesentliche Änderungen in den Ge* 
Steins-, Flöz- und sonstigen Betriebsverhältnissen ein, so können 
beide Teile eine sofortige Änderung oder Aufhebung desselben 
verlangen. 

Dem Lohn der Hauer liegt zugrunde die Anzahl der geför- 
derten mit Kohle beladenen Wagen, deren Größe wir bereits an 
anderer Stelle kennen lernten. Der Rauminhalt des Wagens, nicht 
sein Gewicht, ist also maßgebend. Es ist jedoch nicht zu Aber* 
sehen, daS das Gedinge auch noch zu gewissen Nebenarbeiten ver- 
pflichtet; z. B. Aushauen der Strecken im Nebengestein in einer 
bestimmten Breite und Höhe, Streckenverzimmerung in druck- 
haftem Gebirge: Setzen der Stempel, Legen von Querhölzern usw., 
Mitfähren der Wetterleitung und ähnliches.* 

Ober die Höhe der Löhne geben die Geschäftsberichte keinen 
genauen Anhalt Es fehlt vor allem die Speziaiisation nach 
Arbeiterkategorien. Es wird in bezug auf den Lohn nur mit- 
geteilt: 

1. der Nettolohn pro Mann und Schicht, 

2. der durchschnittliche Jahresnettoverdienst eines Arbeiters. 
Da die Arbeiterzahl bekannt istj so läßt sich daraus die jähr- 
lich gezahlte Lohnsumme berechnen. 

In den letzten 30 Jahren, von 1875 — 1904, stellten sich auf 
allen Zechen der Gesellschaft die Löhne im Durchschnitt folgen- 
dermaßen: 



itiu 


Die gesamU Nctto- 

lohntumm« in 

»Urk 


Dtf dnfchtcbii 
Jabraoettov« 

dneaAiMI 

Mvk 


ttUkbe 
lUenit 

Pt 


fto Mua 
ScUd 
Mwk 

3 


>IOhB 
BBd 

Pt 


1875 


2163398 


1139 


23 


57 


1876 


— 


— 


— 


3 


28 


1877 


1484299 


832 


49 


2 


93 


1878 


1959643 


849 


07 


2 


88 


1879 


1831717 


782 


71 


2 


67 


1880 


1789227 


825 


67 


2 


76 


1881 


2063384 


857 


70 


2 


82 


1882 


22506S0 


899 


46 


2 


96 


1883 


2532427 


926 


95 


3 


07 


1884 


2648886 


932 


05 


3 


08 


1885 


2615237 


944 


47 


3 


05 


1886 


2345815 


889 


24 


3 


04 



• Pieper a. a. O. p. 63. 



1. Bergwericsgesellschaft Hibemla. 



81 



Jihr 


Die (cumte Netto- 

lObOSBIDIDC In 

Mark 


Der durcbtcbn 
JtbKtnettovei 

einet Aibd 

Mark 


Ittllcbe 
dlenrt 
ten 

Pf. 


Der Nettolohn 
pro Mann und 

ScUcM 
Mark | PI. 


1887 


2146162 


896 


85 


3 


_ 


1888 


3714241 


951 


15 


3 


06 


1889 


4542336 


1113 


29 


3 


44 


1890 


5908447 


1203 


84 


4 


— 


1891 


7091504 


1251 


81 


3 


93 


1892 


6394936 


1145 


43 


3 


63 


1893 


6231087 


1073 


40 


3 


38 


1894 


3144541 


1075 


17 


3 


47 


1895 


6807439 


1063 


33 


3 


49 


1896 


7271644 


1144 


60 


3 


62 


1897 


8527239 


1249 


02 


3 


89 


1898 


12789348 


1276 


08 




06 


1899 


15286399 


1399 


88 




28 


1900 


16649236 


1510 


82 




56 


1901 


18167568 


1379 


99 




50 


1902 


13900341 


1227 


62 




22 


1903 


16096690 


1346 


44 




28 


1904 


23683653 


1333 


99 




33 



Zu diesen Zahlen ist zu bemerken, dafi zu ihrer Aufwärts- 
bew^;ung in der Hochkonjunkturperiode die zahlreichen Ober- 
schichten beigetragen haben, die damals verfahren wurden. Eine 
Steigerung des Verdienstes ist also hier nicht allein auf eine Er- 
höhung des Lohnes zurückzufahren; inwieweit sie in einer Ver- 
mehrung der Oberschichten ihren Grund hat, wissen wir nicht 

Unter der Einwirkung dieser beiden Ursachen zeigen die 
Löhne von 1888—1900, von den aus der Tabelle ersichtlichen 
Sdiwankungen abgesehen, eine steigende Tendenz. Im Gegensatz 
hierzu ist, wie früher gezeigt, die Leistung im Durchschnitt sämt- 
üdier der Gesellschaft gehöriger Zechen in diesem Zeitraum von 
1^ auf 1,03 t gesunken. Es würde jedoch verfehlt sein, daraus 
den Schluß zu ziehen, dafi der erhöhte Lohn eine verminderte 
Leistung zur Folge gehabt hatte, wie das in bergbaulichen Kreisen 
häufig geschieht Die nationalökonomische Wissenschaft hat langst 
erkannt, dafi gesteigerter Lohn den Arbeitseffekt erhöht, wenn nicht 
andere Momente diese Wirkungen inhibieren. Diese Momente at>er 
haben wir bereits an anderer Stelle kennen gelernt 

Vergleichen wir nun den Veriauf der Löhne mit dem der 
Kohlenpreise. Es erhöhte sich gegen das Vorjahr 

Stniich, Nationl«uaomisclie Fondmagto, B<L a 6 



82 !• Bergwerksgesellschaft Hibernia. 





der Erlös fOr Kohlen 


der Lohn , 


1897 


um 4,820/0 um 6,900/o» 


1898 


4,090/0 


4,270/0* 


1899 


6,650/0 


5,420/0 


1900 


14,400/0 


6,540/0 


1901 


2,380/0 


, - 1,320/0 


1902 


. - 7,650/0 


, - 6,220/0 


1903 


. — 0,940/0 


1,420/0 


1904 


. - 1,060/0 


1,170/0 



Aus dieser Zusammenstellung resultiert, daS in den guten 
Geschäftsjahren zunächst die Löhne stärker anziehen als der 
KohlenerlOs, mit dem Portschritt der günstigen Geschäftsentwick- 
lung aber wird das Tempo in der Steigerung der Kohlenpreise 
ein schnelleres als in der Lohnerhöhung. Umgekehrt vollzieht 
sich die Bewegung mit dem Eintritt der flauen Geschäftszeit 
Während im Jahre 1901 der Erlös für die Kohle noch steigt 
zeigen die Löhne bereits eine weichende Tendenz. 1902 gebt der 
Erlös schärfer zurück als der Lohn. 1903 weist der letztere be- 
reits wieder eine Besserung auf, während der Erlös nur wenig ge- 
ringer ist als im Vorjahr. Hieraus zeigt sich, daS die Krise auf 
dem Arbeitsmarkt eher eintrat als auf dem Warenmarkt Während 
die Kohle noch einen Mehreriös ermöglicht, wird der Lohn be- 
reits heruntergedrückt 

Vergleichen wir schliefilich noch die ausgezahlten Löhne mit 
den Dividenden, dann ergibt sich folgendes Bild. Die Dividende 
(vgL Seite 121) betrug Prozent des Arbeitslohnes (vgl. Seite 81): 

1875: 19,40/0 1886: 39,20/o 1896: 29,80/o 

1877: 28,10/0 1887: 34,50/o 1897: 31,20/0 

1878: 23,60/0 1888: 34,00/o 1898: 24,20/o 

1879: 30,60/0 1889: 31,40/o 1899: 20,20/o 

1880: 70,50/0 1890: 54,00/o 1900: 29,40/o 

1881: 32,60/0 1891: 38,00/o 1901: 27,40/o 

1882: 39,90/0 1892: 19,30/o 1902: 28,40/o 

1883: 39,80/0 1893: 14,80/o 1903: 29,90/o 

1884: 38,00/0 1894: 39,20/o 1904: 20,90/o 

1885: 38,60/0 1895: 24,8o/o 

Aus diesen Zahlen geht hervor, dafi die Aktionäre der Ge- 
sellschaft eine Dividende beziehen, deren Höhe in einem ganz 
unangemessenen Verhältnis zu dem steht, was die Art)eiter er- 

* Die in den Geschäftsberichten angegebenen Zahlen 7,45 und 4^ sind 
falsch berechnet 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 83 

halten. Oder anders ausgedrfickt: Der auf persönlicher Ar- 
beit beruhende Lohn der Arbeiter ist zu klein, das arbeits- 
lose Dividendeneinkommen des Aktionärs aber zu grofi.* Es 
t>etragt im Durchschnitt der 29 in der Tabelle verzeichneten Jahre 
32,1 % des Lohnes. Im Jahre 1880 ist das Verhältnis am schreiend- 
sten. In diesem Jahre wurden an die Aktionäre 1260000 Mark, 
an die Arbeiter 1 789227 Mark gezahlt, d. h. die Dividende belief 
sich auf 70,5 ^/o des Arbeitslohns. In diesen Zahlen spiegelt sich 
ein Stück sozialer Frage, auf das wir zurückkommen, wenn wir 
die Kämpfe der Hibemiaarbeiter um einen grOSeren Anteil am 
Arbeitsertrage behandeln werden. 

Bei den bisher angeführten Löhnen handelt es sich um Netto- 
löhne. Es geht daraus hervor, daS von dem eigentlichen Nominal- 
lohn Abzüge gemacht werden. In der Arbeitsordnung finden 
sich folgende verzeichnet: 

1. Die Pfennige, welche bei Ermittlung des auszuzahlenden 
Restlohnes über die Zehner hinausgehen, und der einfacheren Aus- 
löhnung wegen nicht ausgezahlt werden. 

2. Die Beiträge zur Knappschaftskasse oder sonstigen Kassen 
gemäfi gesetzlicher Bestimmungen. 

3. Ein den durchschnittlichen Selbstkosten entsprechender 
Betrag für die von der Zeche gelieferten Sprengmaterialien, Ge- 
leuchte und für veriorene, vorsätzlich oder fahriässig verdorbene 
Gezähe, Lampen und Werkzeuge, die von der Zeche geliefert und 
untertialten werden, für deren Aufbewahrung und sachgemäße Ver- 
wendung aber jeder Arbeiter selbst verantwortlich ist 

4. Die Miete für von der Zeche gelieferte Wohnung und 
Landnutzung, sowie die Beträge für verabfolgte Feuerung, Be- 
köstigung und Lebensmittel in den gesetzlichen Grenzen. 

5. Bereits geleistete bare Abschlagszahlungen. 

6. Der Betrag eines etwa zu leistenden Ersatzes für einen 
der Zeche in schuldbarer Weise verursachten Schaden. 

7. Die nach Maßgabe des § 6 ermittelten Beträge wegen 
widerreditlicher Auflösung des Arbeitsvertrages. 

8. Strafgelder. 

Die Beträge unter 1—8 flieSen in die Unterstützungskasse 



^ Dabei darf nicht abersehen werden, dafi die Dividende nicht das ganze 
Einkommen darsteUt» das der Aktionflr von der Gesellschaft bezieht, sondern 
daS dieses tatsHchlich noch größer ist, was ich hier nicht weiter za beweisen habe. 

6* 



84 !• Bergwerksgesellschaft Hibemla. 

der Zeche zur Verwendung für hilfsbedürftige Arbeiter oder deren 
Familien. Die auf den Zechen der Gesellschaft bestehenden soge- 
nannten Arbeiterunterstätzungkassen haben den Zweck: in Fallen von 
besonderer Bedürftigkeit würdigen Arbeitern und Invaliden in Er- 
krankungs-, Verletzungs- oder anderen Unglücksfallen, sowie den 
Hinterbliebenen derselben Unterstützungen zu gewahren. Die Ver- 
waltung wird von Ausschüssen geführt, die aus dem Werksdirektor 
als Vorsitzenden, zwei Werksbeamten und drei Vertretern der Ar- 
beiter bestehen.* 

Was die Strafgelder anbelangt, so bestimmt Art 5 der Arbeits- 
ordnung folgendes: 

§ 22. Zuwiderhandlungen gegen die bergpolizeilichen Vor- 
schriften und die Anordnungen der Zechenverwaltung und deren Be- 
amten werden mit Lohnabzügen bis zur Hälfte des für die vorber- 
g^angene Lohnperiode ermittelten durchschnittlichen Tagesarbeits- 
verdienstes derjenigen Arbeiterklasse, zu welcher der Arbeiter ge- 
hört, bestraft, besonders wenn ein Arbeiter: 

1. zu spat zur Arbeit erscheint, oder zu früh Schicht macht, 
oder die wegen der Marken und des Schichtanschreibens 
gegebenen Vorschriften nicht befolgt; 

2. ohne vorherige genügende Entschuldigung bei seinem 
nächsten Vorgesetzten eine Schicht versäumt; 

3. die ihm aufgegebene Arbeit nicht sorgfaltig und regelrecht 
ausführt, oder wahrend der Schicht schlaft; 

4. betrunken zur Zeche kommt, geistige Getränke mitbringt, 
auf der Zeche verbirgt oder trinkt; Betrunkene werden 
außerdem nicht zur Arbeit zugelassen, oder wenn dies 
unbemerkt geschehen, nachtraglich ohne Anrechnui^ der 
Schicht nach Hause geschickt; 

5. ohne Eriaubnis Gezahe, Schienen, Grubenholz oder son- 
stige Materialien oder Gerate verwechselt, verschleppt 
oder anders als bestimmungsgemäß verwendet; 

6. die von einem andern gewonnenen Kohlen mit einer un- 
richtigen Nummer versieht, vorbehaltlich strafrechtlicher 
Verfolgung; 

7. an einer andern als der ihm angewiesenen Stelle Kohlen 
gewinnt; 



^ Festschrift p. 72/73. 



1. Bergwerksgesellschaft Hlbernia. 85 



8. Markscheiderstufen oder sonstige Markzeichen entfernt 
oder verändert; 

9. seine Mitarbeiter neckt, schimpft oder tätlich miShandelt; 

10. sich ungesittet beträgt oder an einer andern als den da- 
für bestimmten Stellen Bedürfnisse befriedigt; 

11. die Grubenpferde neckt oder miShandelt; 

12. seine Vorgesetzten belügt 

§ 23. Finden die vorerwähnten Zuwiderhandlungen wiederholt 
oder unter erschwerenden Umständen statt, so kann der betreffende 
Art>eiter mit einem Lohnabzuge bis zum vollen Betrage des nach 
§ 22 ermittelten Tagesarbeitsverdienstes bestraft oder auch sofort 
enttassen werden. 

§ 24. Für FOrderwagen, welche nicht vorschriftsmäßig voll oder 
unrein geladen sind, wird ein Lohn nicht gezahlt; der nicht zur 
Auszahlung kommende Lohnbetrag fliefit in die Unterstützungs- 
kasse. Im Wiederholungsfalle und unter erschwerenden Umständen 
kann außerdem noch eine Geldstrafe bis zu der im § 23 bezeich- 
neten Höhe oder sofortige EnÜassung verfügt werden. Die ge- 
nullten Wagen sind den Arbeitern am Ende der Schicht durch 
Anschlag bekannt zu geben. 

Es ist den beteiligten Arbeitern der Zeche gestattet, auf ihre 
Kosten durch ein oder mehrere Mitglieder der Belegschaft das 
Nullen der mangelhaft oder unrein geladenen Wagen überwachen 
zu lassen, jedoch ohne daS die Förderung dadurch gestört wird. 

§ 25. Dem Arbeiter gegenüber wird die Zeche durch den Be- 
triebsfübrer vertreten, welcher alle Betriebsanordnungen zu treffen, 
die Löhne und Gedinge festzusetzen und Strafen zu verhängen hat; 
von letzteren ist, soweit sie nicht' durch Anschlag bekanntgemacht 
werden, dem Betroffenen durch seinen nächsten Vorgesetzten in 
der folgenden Schicht Kenntnis zu geben. 

Die Befugnisse des Betriebsführers kann dauernd oder zeit- 
weise ein Stellvertreter für alle oder einzelne Betriebszweige oder 
auch für besondere Geschäfte wahrnehmen, sobald dieses durch 
Anschlag zur Kenntnis der Belegschaft gebracht ist 

Den Arbeitern gegenüber gilt jedes von einem der in Abs. 2 
bezeichneten Beamten der Zeche eingeräumte Gedinge als ab- 
geschlossen. 

§ 26. Beschwerden sind zunächst bei dem Betriebsfübrer anzu- 
bringen, und zwar in der Regel von jedem Arbeiter nur für sich 
allein. GemeinschafUiche Beschwerden oder Wünsche von meh- 



86 1- Bergwerksgesellschaft Hibernia. 

reren Arbeitern dürfen höchstens durch drei Beteiligte vorgetragen 
werden. Gegen die Entscheidungen des Betriebsführers ist eine Be- 
nihing an den Vorstand der unterzeichneten Bergwerksgesellschaft 
oder dessen Beauftragten gestattet 

Den angreifbarsten Punkt dieses Strafsystems bildet 
das Wagennullen. Ist ein auf der Hängebank ankommender 
Wagen nicht voll geladen oder unrein, d. h. mit Bergen ver- 
mengt, dann wird er von dem Lademeister gestrichen, d. h. mit 
einer Null als ungfiltig bezeichnet Der dem Hauer entgangene 
Lohn für diesen Wagen fließt zwar, wie bemerkt, in die Unter- 
stützungskasse, auf deren Verwaltung und Verteilung aber die Ar- 
beiter, wie bemerkt, keinen ausschlaggebenden Einfluß haben. 
Ober die Zahl der genullten Wagen auf den Zechen der Ge- 
sellschaft ist mir von dieser leider eine Auskunft nicht erteilt 
worden. 

DaS es sich hier um eine lediglich dem Bergbau eigentüm- 
liche, aber nicht berechtigte Einrichtung handelt, ist ohne weiteres 
klar. Die Zeitung deutscher Bergleute* urteilt darüber folgender- 
maßen: ,Es ist vollständig unberechtigt und widersinnig, den Berg- 
mann für die geologische Beschaffenheit, also für die Natur der Grube, 
in der er schafft, verantwortlich zu machen. Ist es etwa erhört, wenn 
man in gleicherweise bei anderen Berufen verfahren wollte? Werden 
etwa dem Schnitter Abzüge gemacht, weil der Hieb seiner Sense 
auch Getreidehalme zu Boden streckt, die keine Körner tragen? 
Hat man jemals dem Schreiner das vom Lohn at)gehaUen, 
was er wegen des Mißwuchses oder wegen fauler Aste von 
dem zu t)earbeitenden Holze abscheiden mußte? Das ge- 
schieht nie, und mit vollem Rechte. Darum aber mufi es auch 
jm Bergbau unterbleiben, gleichviel, ob der Bergmann Steine 
oder Kohlen lossprengt und zutage schafft; in beiden steckt 
sein Schweifi, seine Arbeit, und diese mufi ihm voll bezahlt 
werden." 

So viel über die beiden wichtigsten Bestandteile des Arbeits- 
vertrages, Arbeitszeit und Arbeitslohn. Ober die andern Elemente 
des Vertrages ist noch folgendes zu sagen. 

Die Annahme, Kündigung und Entlassung der Abeiter er- 
folgt durch den Betriebsführer. Die übliche Kündigungsfrist be- 



• 1892 Nr. 17, zitiert bei Pieper a. a. O. p. 94. 



1. Bergwericsgesellschaft Hibernia. 87 

tilgt 14 Tage. Der Arbeiter kann nach dieser Kündigung am 
Ende des Monats die Arbeit verlassen. 

Diese Bestimmung des Arbeitsvertrages ist aber stets durch- 
brochen worden bei den Arbeitseinstellungen, die wiederholt 
auf der Zeche stattfanden. Der erste Massenstreik im rheinisch- 
westfälischen Kohlenbezirk fällt ins Jahr 1872, der zweite in den 
Mai 1889 und der dritte in den Januar 1905. Allen drei Aus- 
standen ist gemeinsam» daS sie in eine Zeit steigender Konjunktur 
fielen und für die Arbeiter resultatlos verliefen. Ober den ersten 
fehlt es mir leider an Material. Nach Pieper (a. a. O. p. 173) waren 
die Forderungen: Höhere Löhne, kürzere Arbeitszeit und bessere 
Behandlung. Nach sechs Wochen endete der Streik ohne Erfolg. 

Die grofien Maiunruhen des Jahres 1889 gingen von Hibernia 
aus. Die Arbeiter hatten der Verwaltung die Oelsenkirchener Be- 
schlüsse vom 22. April 1889 überreicht, in denen folgende Forde- 
rungen aufgestellt waren: 

1. Lohnzusatz von 15% für alle Bergarbeiter. 

2. Abschaffung der Überproduktion 

a) durch Abschaffung der Oberschichten, 

b) durch Einführung der achtstündigen Schicht einschlieB- 
lich Ein- und Ausfahrt 

3. a) Geeichte Wagen mit richtiger Maßangabe des Inhalts, 

b) gute und gesunde Wetterführung, 

c) verdeckter Gang von der Kaue zum Schacht, 

d) Lieferung des Holzes in die Grube. 

Ober den Beginn des Streiks macht der Geschäftsbericht von 
1889 folgende Mitteilung: .Von dem Ausstand wurde zuerst un- 
sere Grube Wilhelmine Viktoria — nachdem bereits am 1. und 
2. Mai auf Zeche Friedrich Emestine Arbeitsniederiegung eriolgt 
war — am 3. Mai betroffen, indem hier auf dem Schachte I 
75 Schlepper die Arbeit niederiegten. Am folgenden Tage folgte 
Hit>emia gleichfalls mit teilweiser Arbeitsniederlegung. Nachdem 
dann die Belegschaften beider Zechen am Montag den 6. Mai vor- 
mittags bis auf 84 Leute, die ihre Abkehr erhalten hatten, wieder 
vollständig angefahren waren, brach mit dem 6. nachmittags für unsere 
Zeche der allgemeine Streik aus, an dem sich die Gesamtbeleg- 
sdiaft beteiligte. Auf Shamrock legte, nachdem am 6. nachmittags 
bereits die Hälfte der Belegschaft ausstand, am 7. früh die andere 
Hälfte ebenfalls die Arbeit nieder." 

Die einzelnen Phasen dieses Streiks, die Krawalle in Gelsen- 



88 1* Bergwerksgesellschaft Hlbemia. 

kirchen, das ScharfschieSen des Militärs, die Kaiserdeputation, die 
Abmachungen im Berliner Protokoll, die Beschlüsse des Bergbau* 
Vereins, die amtlichen Untersuchungen (Denkschrift über die Unter- 
suchung der Arbeiter- und Betriebsverhaltnisse in den Steinkohlen* 
bezirken, Berlin 1890) zu schildern, würde über den Rahmen dieser 
Monographie hinausgehen. Mit einer kurzen Unterbrechung dauerte 
der Ausstand auf Shamrock und Wilhelmine Viktoria bis zum 27. 
und auf Hibemia bis zum 29. Mai. Es war eine gewaltige Kraft- 
probe, die trotz der Sympathien der ganzen Bevölkerung in Deutsdi- 
land mit wenigen Ausnahmen zuungunsten der Arbeiter ausfiel »Ele- 
mentar wie eine Flutwelle hatte sich die Arbeitermasse erhoben, um 
ebenso jäh wieder in sich zusammenzustürzen, das feste Rückgrat 
der Organisation hatte gefehlt Wenigstens diese Einsicht war 
der Erfolg des Streiks."* 

Aber die Bewegung unter der Belegschaft der Hibemia sollte 
noch nicht gleich zur Ruhe kommen. Das Jahr 1889 war der 
Ausgangspunkt einer Reihe von Streiks, die sich kettenartig 
über die folgenden Jahre erstrecken. Am 13. Januar 1890 wurde 
das von den Bergleuten beschlossene Hemer Programm dem Ver- 
ein für die bergbaulichen Interessen vorgelegt Dasselbe enthielt 
folgende Fordemngen:** 

1. 50% Lohnerhöhung auf der Basis der Lohnsätze vom 
Mai 1889. 

2. Achtstündige Schicht einschliefilich der Ein- und Ausfahrt 

3. Beseitigung der Oberschichten. 

4. Abschaffung der Füllkohle. 

5. Anderweitige Anordnung der LOhnungstermine. 

6. Anerkennung der Delegierten. 

7. Gezäheliefemng usw. zum Selbstkostenpreise. 

8. Berechtigung, die Kauen und Schachte zum Ankleben von 
Plakaten usw. zu benutzen. 

Als diese Fordemngen abgelehnt wurden, traten am 26. MBrz 
1890 die Bergleute auf Hibemia und darauf auf Wilhelmine Vik- 
toria in den Ausstand. Nur auf Zeche Shamrock wurde weiter 
gearbeitet Ober den Veriauf des Streiks heiSt es im Geschäfts- 
bericht des genannten Jahres: »Unter dem 3. April erliefien wir 



* Pitpet a. a. O. p. 183. 

•* Die Entwicklung des Niederrheinisch -Westfälischen Steinkohlent>ergt>anes 
Bd. Xn Teil m S. 236/37). 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 89 

an unsere ausständigen Belegschaften die Aufforderung, unge- 
säumt und spätestens bis zum 9. April zur Bergarbeit zurück- 
zukehren » anderenfalls wir die Weigerlichen nicht weiter als zu 
unserer Belegschaft gehörig ansehen würden. Infolge dieser Auf- 
forderung erschienen die Arbeiter bereits in den nächsten Tagen 
wieder zahlreicher bei der Arbeit und am 10. April war der Aus- 
stand vollständig beendet Diese Störung der friedlichen Arbeit 
haben wir an den irreleitenden Führern und Hetzern durch deren 
Entlassung gesühnt' 

1893 wurden auf den Zechen der Gesellschaft wiederum eine 
Anzahl Art)eiter ausständig. Es handelte sich um einen Sympathie- 
streik mit den im Saarrevier streikenden Genossen. 

Im Juni 1899 zog dann ein neuer Ausstand die Gesellschaft 
stark in Mitleidenschaft Es handelte sich um die Arbeitsnieder- 
legung auf Zeche Shamrock vom 24. Juni bis 1. Juli. Dieser so- 
genannte Hemer Polenstreik war eine von Nicht-Gewerkschaftlern 
veranlafite Demonstration. .Die Ausständigen/ heifit es im Ge- 
schäftsbericht von 1899, .waren vorwiegend junge Leute, Schlepper, 
Pferdeführer, und gehörten zum größten Teil der polnisch sprechen- 
den Bevölkerung an. Die Bewegung verlieS von Anfang an die 
Form einer ruhigen Verfolgung bestimmter Ziele und führte zu 
Gewalttätigkeiten gegen Arbeitswillige und Beamte, sowie zum 
Angriff auf das Eigentum der Zeche. Die Ruhe und die Be- 
dingungen für das Fortsetzen der Arbeit wurden erst durch das 
herbeigerufene MUitär wieder hergestellt' 

Der letzte grofie Ausstand fällt ins Jahr 1905. Er nahm 
seinen Ausgang von der Zeche BruchstraSe, die der Aktiengesell- 
sdiaft Louise Tiefbau* gehört, und verbreitete sich von dort aus 
wie ein Präriebrand fast über sämtliche rheinisch -westfälischen 
Zechen. Am 12. Januar legten die Arbeiter auf Shamrock I/II und 
Alstaden die Arbeit nieder, am 16. folgte Wilhelmine Viktoria ILHI 
und am 17. Januar schlössen sich sämtliche übrigen Zechen der 
Gesellschaft dem Streik an. Die Forderungen der Belegschaften, 
wie sie von den Delegierten der vier Bergarbeitervereine (dem 
Deutsdien Bergarbeiterverband — dem sogenannten Alten Verband, 
dem Gewerkverein christlicher Arbeiter, dem polnischen Gewerk- 

* Die Verwaltung dekretierte plötzUch am 30. November 1904, ohne die 
groBjihrife Belegschaft zavor zu hören — also rechtswidrig ^, dafi die Dauer 
der SdUahrt vom 1. Dezember an von einer halben auf eine ganze Stunde ver- 
lingert werden soUte. 



90 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

verein und dem Hirsch-Dunckerscben Gewerkverein) der soge- 
nannten Siebenerkommission formuliert waren, betrafen folgende 
Reformen: 

1. Achtstündige Schichtzeit, einschlieSlich Ein- und Ausfahrt, 
und zwar fürs laufende Jahr wie bisher, jedoch nicht über 
9 Stunden, von 1906 ab 8Va und von 1907 ab 8 Stunden. Sechs- 
stündige Schicht (inklusive Ein- und Ausfahrt) vor nassen Orten 
und heifien mit über 28 Grad Celsius. 

2. Sonntags- und Oberschichten sind zur Rettung von Men- 
schenleben, bei aufierordentlichen Betriebsstörungen und bei 
Schachtreparaturen zulässig. Für Schachtreparaturen am Sonntag 
ist 50% Zuschlag zu zahlen. 

3. Das Wagennullen wird sofort beseitigt, und die Kohlen, 
die wirklich sich im Wagen befinden, werden auch bei Berge ent- 
haltenden Wagen bezahlt (demnach darf nur der Prozentsatz der 
Steine den Arbeitern in Abzug gebracht werden, der sich in dem 
betreffenden Wagen befindet). Eventuell Bezahlung der Kohle 
nach Gewicht (wie in England). 

Alle Wagen müssen geeicht und der Rauminhalt oder Ge- 
wichtsinhalt des Wagens jederzeit leicht ersichtlich sein. 

4. Die Belegschaft hat in alljährlich wiederkehrender, geheimer 
Wahl einen Wagenkontrolleur bzw. Wiegemeister zu wählen 
(§ 80c Abs. 2 des Berggesetzes), welcher seinen Lohn mit von 
der Zechenverwaltung erhält Diese verteilt denselben auf alle 
bei der Förderung beteiligten Grubenleute und bringt ihn den 
letzteren beim Lohntag in Abzug. 

Der Wagenkontrolleur besitzt alle Rechte der sonstigen Be- 
legschaftsmitglieder und ist auch bei allen Versicherungen und 
Kassen seiner Zeche ebenso beteiligt, wie alle anderen. 

5. Löhne (Schiefimaterial und Geleuchte darf nicht verredinet 
werden): 

a) Minimallohn für Hauer und Lehrhauer im Ge- 

dinge 5, — Mark 

b) . , Hauer und Lehrhauer im 

Schichtlohn 4^0 , 

c) , , Bremser 3, — . 

d) , , Pferdetreiber 3,— , 

e) » , Schlepper 3,80 , 

f) „ . erwachsene Tagarbeiter . . 3,80 • 

g) n n Maurer 5,— , 



1. Bergwerksgeselischaft Hibemia. 91 

h) Minimallohn ffir jugendliche Tagarbeiter . . 1,50 Mark 
i) » I» Koksarbeiter, Planierer . . . 4,50 » 

k) » „ Koksarbeiter, Verlader . . . 5, — „ 

1) „ , Koksarbeiter, Füller .... 3,80 „ 

m) Lohnzahlung dreimal monatlich; Ende des betreffenden 
Monats erste Abschlagszahlung, 10 Tage spater die zweite 
und spätestens am 20. des folgenden Monats Lohntag. 

6. Errichtung eines Arbeiterausschusses zur Vorbringung und 
Regelung 

a) aller Beschwerden und Mißstände, 

b) aller Lohndifferenzen, einschlieSlich des Gedingelohnes, 

c) zur Mitverwaltung der Unterstfitzungskassen, deren Ab- 
rechnung alljahriich der Gesamtbelegschaft durch Aus- 
hang bekanntzumachen ist Wenn die Zechenverwaltungen 
keine Beiträge leisten, haben sie auch in der Unter- 
stfitzungskasse kein Verwaltungsrecht, mehr als die 
Hälfte der Sitze dürfen die Verwaltungen bzw. Bei- 
sitzer nicht hat>en, selbst wenn sie mehr Beiträge zahlen 
sollten. 

7. Einführung von Grubenkontrolleuren, die alle zwei Jahre 
in geheimer Wahl von der Belegschaft aus ihrer Mitte gewählt 
und von den Zechenbesitzem oder dem Staate bezahlt werden. 
Der zu Wählende soll mindestens ein Jahr der Belegschaft an- 
gehören und dreißig Jahre alt sein. 

8. Reform des Knappschaftswesens nach dem Programm der 
Arbeiterorganisationen. 

9. Gute Deputatkohlen zum Selbstkostenpreis an alle ver- 
heirateten Arbeiter, ebenso an Invaliden, Witwen und Unverheiratete, 
welche Eltern oder Geschwister zu ernähren haben (mindestens 
monatlich einen Wagen). 

10. Beseitigung der zu vielen und zu harten Strafen. 

11. In den Mietskontrakten der Zechenkolonien ist monatliche 
Kündigung aufzunehmen. 

12. Humane Behandlung; Bestrafung und eventuelle Ent- 
lassung aller die Arbeiter miShandelnden und beschimpfenden 
Beamten. 

13. Keine Mafiregelungen, keine Abzüge und Strafen wegen 
der Bewegung, insbesondere dürfen die Bewohner von Zechen- 
kolonien infolge des jetzigen Streiks nicht gekündigt und raus- 
gesetzt werden. 



92 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

14. Anerkennung der Arbeiterorganisationen. 
Diese Forderungen wurden dann im Verlaufe des Streiks auf 
folgende 5 reduziert: 

1. 5^/oige Lohnerhöhung (an Stelle des zuerst geforderten 
Minimallohnes). 

2. Kommt ein Gedinge nicht zustande, so soll der Durch* 
Schnittslohn gleichartiger Arbeiter gezahlt werden und nicht, wie 
bisher, der ortsübliche Tagelohn. 

3. Nach Aufnahme der Arbeit soll keine Mafiregelung der 
Streikenden vorgenommen werden. 

4. Gute Deputatkohlen auch ffir bedürftige Invaliden und 
Bergmannswitwen. 

5. Humane Behandlung. — Auf Grund der beat)sicbtigten 
Verhandlungen solle die Arbeit eventuell sofort wieder au^- 
nommen werden. 

Die vorstehenden Forderungen wurden dem Verein ffir die 
bergbaulichen Interessen überreicht, von diesem aber am 14. Januar 
rundweg abgelehnt mit der Begründung, »ihre Annahme würde der 
Ruin des westfälischen Bergbaus und der für diesen unerläßlichen 
Disziplin sein*.* Diese Ablehnung und die prinzipielle Weigerung, 
mit der Siebenerkommission zu unterbandeln, war das Signal zum 
Generalstreik. An ihm beteiligte sich auch die Belegschaft der Hibernia. 
Dieser Ausstand dauerte vom 17. Januar bis zum 11. Februar. 
Am Montag den 13. Februar war fast die ganze Belegschaft der 
Hibemia wieder angefahren. Er erreichte seinen Höhepunkt im 
ganzen Ausstandsgebiet mit rund 195000 Streikenden. Von den 
Arbeitern wird eine noch grOfiereZahl, nämlich 220000 angegeben.** 
Nach gefälliger Privatmitteilung der Verwaltung betrug die Höchst- 
zahl der auf den Gruben der Hibemia in Ausstand getretenen 
11907 Mann unter, und 1934 Mann über Tage. Ich gebe die 
HOchstzahl deshalb an, weil sich die Zahl der Ausständigen von 
Tag zu Tag änderte. 

Auch hier würde es den Rahmen dieser Studien weit über- 
schreiten, den Streik in seinen Phasen, seiner Behandlung in 
Presse und Parlament usw. zu beschreiben. Es sei über die 
Folgen nur mit Bezug auf die Hibemia eine Mitteilung des 
Generaldirektors erwähnt, die er in der Generalversammlung vom 

* Schriften der Gesellschaft fOr soziale Refonn: Aufsatze Ober den Streik 
der Bergart)eiter im Ruhrgebiet, Jena 1905, p. 31. 

*• Reichs-Arbeitsblatt 1905 Nr. 2 p. 123: Der Ausstand im Ruhrrevier. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 93 

30. Marz 1905 machte. Danach hatte der Streik für die Hibemia 
einen Förderausfall von 181261 t im Januar und 172730 t im 
Februar zur Folge. Der Brutto-Qewinn stellte sich infolgedessen 
um 612691 Mark und im Februar um 616000 Mark niedriger als 
1904. In diesen Zahlen ist der Erlös der während des Streiks 
abgestoßenen Bestände an Kohlen und Koks in Höhe von 
293947 Mark inbegriffen. 

Es ist bekannt, dafi die ganze Bewegung resultatlos infolge 
von Mangel an Geld zugrunde ging, aber im Glauben an das 
Versprechen der Regierung, eine Reform der Berggesetzgebung 
einzuleiten. Erreicht wurde also direkt nichts. Das rein ge- 
werkschaftliche Machtmittel hatte versagt Aber ebenso wie der 
1889 er Streik Veranlassung zur Einbringung der, wenn auch un- 
zulänglichen, Novelle zum Berggesetz von 1892 war, ebenso 
machte auch der Streik von 1905 die Gesetzgebung mobil. Unter 
der Mitwirkung der starken sozialen Empfindungen, die dieser 
Streik in der öffentlichen Meinung auslöste, brachte die Regierung 
einen Gesetzesentwurf ein, dessen Inhalt sich auf 5 Punkte er- 
streckte: 1. Die gesetzliche Regelung der Arbeitszeit 2. Die ge- 
setzliche Regelung des Über- und Nebenschichtwesens. 3. Die 
Al>schaffung des WagennuUens. 4. Die Begrenzung der Höhe 
der Strafen. 5. Die obligatorische Einführung ständiger Arbeits- 
ansschflsse. Diese Berggesetznovelle konnte nur unter Preisgabe 
des Betriebszwanggesetzes im Bergbau durchgesetzt werden. Die 
Staatsregierung mußte den Entwurf betreffend die Stillegung 
von Zechen zurückziehen, um die Novelle überhaupt durchzu- 
bringen. Aus dem Inhalt der letzteren erscheint vor allem wichtig die 
Einrichtung eines Bindeglieds zwischen Verwaltung und Arbeitern 
in Gestalt eines Arbeiterausschusses, der bisher auf Hibemia fehlte, 
bei andern Unternehmungen sich aber durchaus bewährte, falls er 
nur genügend grofie Kompetenzen besaß und die soziale Distanz 
zwischen Unternehmern und Arbeitern etwas verringerte. 

Wir haben nun noch einige Punkte zu streifen, die außerhalb 
des Arbeitsvertrages liegen, mit den Arbeitsbedingungen aber aufs 
engste zusammenhängen: Unfälle und Krankheiten. Mit der 
sozialen Lage der Arbeiter stehen zunächst in einem engen Kausal- 
nexus die Unfälle. Sie werden begünstigt einmal durch die 
Eigenart der Flözverhältnisse und die überhastete Förderung, dann 
aber auch durch eine Reihe von Umständen, die wir eben kennen 
gelernt haben: den häufigen Belegschaftswecbsel, die ungenügende 



94 1. Bergwericsgesdlschaft Hibemia. 

fachliche Ausbildung, namentlich der polnischen Arbeiter, die Ober- 
schichten u. a. m. 

Zur Erklärung der besonders hohen Unfallziffer im Bergbau 
braucht man sich nur das Milieu zu vergegenwärtigen, in dem 
der Bergmann arbeitet: .Ober sich ein gebräches Dach, unter sich 
eine oft unsichre Sohle, die SeitenstOfie nicht minder t>ediohUdi, 
umgeben von oft nicht besonders guter oder gar gefährlicher Luft, 
dazu ein trübes Licht, noch gedämpft bei dem Gebrauche einer 
Sicherheitslampe oder abgeschwächt durch matte Wetter oder von 
zu lebhaftem Wetterstrom dem steten Erlöschen ausgesetzt, ein- 
gedenk des alten Bergmannsspruchs: 

Ehe der Fufl die Fahrt verläfit, 
Halte dich mit den Hflnden fest! 

Da WO der Mensch aber alle seine geistigen und körperlichen 
Kräfte allein zu seinem persönlichen Schutze aufwenden mufi, moS 
die Zahl der Unglücksfälle eine unverhältnismäßig größere sein, 
als wenn ,das blaue Himmelszelt sich über uns ausspannt und 
uns Zephirlüfte statt giftiger Gase umsäuseln'/* Drei Feinde sind es, 
die den Bergmann beständig bedrohen: Schlechte Luft, Wasser 
und gebräches Gestein. Die Decke, unter der er arbeitet, sei es 
nun Kohle oder Gestein, steht unter einem ungeheuren Druck 
und kann nur allzu leicht herunterbrechen. In der Tat werden 
die meisten Unfälle auch auf Hibemia durch Stfickkohlenfall ver- 
ursacht Auch hier ist es mir leider nicht möglich, dem Leser eine 
bestimmte quantitative Vorstellung über den Umfang der Unfälle 
auf der Hibemia zu geben, da sowohl die Verwaltung als auch 
das Oberbergamt in Dortmund, an das ich mich wandte, sich ab- 
lehnend verhielt Auf die Gründe hierfür brauche ich wohl nicht 
weiter einzugehen. 

Ein besonderer Feind der Bergleute, der in den warmen und 
tiefen Gmben der Hibemia namentlich in den letzten Jahren 
grassierte, ist die Wurmkrankheit Diese Krankheit war seit 
langem bekannt, aber ihren Umfang ahnte man nicht Als nament- 
lich durch die Veröffentlichungen der Deutschen Bergarbeiterzeitung 
die Aufmerksamkeit auf die Ausdehnung der Seuche gelenkt wurde, 
ergriff auch die Verwaltung der Hibemia energische MaBregekL 
Sie trat mit dem Institut für Hygiene in Gelsenkirchen in Ver- 
bindung. Es ergab sich, dafi ein erheblicher Teil der Beamten 



* Pfahler in der Zeitschr. f. B. H. u. S.-W. B<L 20 p. 57. 



1. Bergwerksgesdlschaft Hibemia. 



95 



und Arbeiter von der Wumikrankheit ergriffen war. Wie groS die 
Zahl war, wissen wir nicht Jedenfalls war sie auf den einzelnen 
Graben verschieden. Nachdem die wurmkranken Arbeiter sich 
einer Kur unterzogen hatten, wurde die Belegschaft wieder unter- 
sucht, und nun ergaben sich nach den Mitteilungen des Geschäfts- 
berichts von 1903 folgende Resultate. Am stärksten war die unter- 
tagige Belegschaft auf Shamrock infiziert Es fanden eine Anzahl 
mikroskopischer Durchmusterangen statt, bei der von 100 unter- 
irdisch beschäftigten Bergleuten als wurmbehaftet behinden wurden: 

auf Shamrock 

vom 20. Nov. 1902 bis 16. Mai 1903 . . . 34,140/o 

. 18. Mai bis 27. Aug. 1903 28,470/o 

. 28. Aug. bis 9. Nov. 1903 17,18o/o 

. 10. Nov. 1903 bis 5. Jan. 1904 .. . 9JS^/o 
an! Shamrock m/N 

vom 28. März bis 25. Juli 1903 .... SJSS^/o 

, 27. JuU bis 28. Nov. 1903 3,15o/o 

. 12. Nov. 1903 bis 30. Jan. 1904 . . l,15o/o 
auf Schlägel und Eisen I/U 

vom 16. Juli bis 15. Sept 1903 .... 2,61 o/o 

. 28. Dtz. 1903 bis 13. Febr. 1904 . . l,490/o 
auf Schacht ÜI/IV 

vom 15. Mai bis 15. Sept 1903 .... l,67o/o 

. 20. Okt bis 30. Nov. 1903 ... . 0,880/o 
auf Schacht VA^I 

vom 15. Mai bis 20. Juli 1903 10,380/o 

. 20. Juii bis 31. Okt 1903 4,400/o 

Auf Wilhelmine Viktoria und Hibemia war nur ein relativ 
kleiner Prozentsatz wahrend der Durchmusterungsperiode noch 
durchseucht Die Kur, der sich die Kranken zu unterziehen hatten, 
wurde so eingerichtet, dafi der Betrieb, der ja ohnehin 1903 noch 
mit Einschränkungen arbeitete, keine Einbuße eriitt Auch hier 
fiberwog durchaus das geschäftliche Interesse. In dem Bericht 
von 1902 heifit es: .Die l)ei jedem erkrankten Mann etwa zwei 
bis drei Wochen in Anspruch nehmende Kur wird nach einem be- 
stimmten, von uns vorgeschlagenen Einteilungsplan so von dem 
allgemeinen Knappschaftsverein zu Bochum vorgenommen, dafi 
eine möglichst geringe Beeinträchtigung des Betriebes dadurch 
entsteht« Zur Bekämpfung der Wurmkrankheit und ffir die Unter- 
stfitzung der von der Krankheit befallenen Belegschaftsmitglieder 
wurden 1903 160323 Mark ausgegeben. 

Von anderen Krankheiten findet sich nur die Influenza er- 



96 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

wahnt Der Geschäftsbericht von 1890 bemerkt: .Im Januar drfickte 
die aus dem Dezember 1889 mit ins neue Jahr herfibergenommene 
Influenza erheblich auf die Leistungsfähigkeit der Leute/ Aus 
diesen beiden Geschäftsberichten entstammenden Belegen lafit sich 
der Schlufi ziehen, daß man die Krankheiten lediglich in ihrem 
Einflufi auf den Arbeiter als Produktionsinstrument d. h. unter 
dem Gesichtswinkel geschäftlicher Erwägungen betrachtet 

Schliefilich wollen wir die Wohnungsverhaltnisse der Be- 
legschaft noch kurz behandeln. Charakteristisch fflr die Hibemia 
und wohl eine Tradition aus der alten englischen Periode ist die 
geringe Zahl von Arbeiterkolonien. Die Gesellschaft hat im Ver- 
gleich mit anderen wenig eigene Arbeiterhauser. Nur auf der 
neuerworbenen Zeche Schlägel und Eisen wurden 255 Hauser ge- 
baut. Wie sehr es dadurch möglich geworden ist, Arbeiter in 
die noch heute rein landlichen Ortschaften zu ziehen, ergibt ein 
Vergleich der Einwohnerzahlen derjenigen Orte, unter denen das 
Grubenfeld liegt, vor und nach der Erwerbung der Zeche. Es be- 
lief sich die Einwohnerzahl in 

1897 1905 

Hochlar 1242 2221 

Disteln und Bakum zusammen . 1476 3576 

Scheriebeck 179 2894 

Langenbochum 404 2655 

Herten 8975 14340 

12276 25686 

In dieser Zeit hat sich die Bevölkerung grOStenteils durch 
Zuwanderung verdoppelt Von der Verwaltung erbaute Arbeiter- 
hauser finden wir dann noch auf Wilhelmine Viktoria 90 und auf 
General Blumenthal 86. Hingegen hat man auf den beiden alten 
Stammzechen Hibemia und Shamrock Arbeiterkolonien nicht oder 
nur in ganz geringem Umfange angelegt 1904 gehörten der Ge- 
sellschaft 646 Arbeiterhauser. Die Zahl ihrer Bewohner betrug 
13549, wahrend die Zahl der Arbeiter mit ihren Angehörigen sich auf 
50100 belief. Es wohnte also nur ca. ein Viertel in Zecbenhausem. 

Damit in Zusammenhang steht vielleicht auch der in der 
Geschichte des Unternehmens wiederholt auftretende Arbeiter- 
mangel. Denn es ist für Zechen, die den Arbeitern nicht genug 
Wohnungen zur Verfügung stellen, viel schwerer, einen Arbeiter- 
stamm zu behalten, als für solche, die für genug Wohnungen 
sorgen. So heifit es z. B. in dem Geschäftsbericht von 1882: 
.Die Produktion blieb auf Shamrock um volle 30000 t zurück» 



1. Bergwerksgesellschaft Hibernia. 97 

weil von Juli ab sich ein empfindlicher Arbeitermangel, nament- 
lich an geübten Kohlenhauem einstellte, der erst gegen Jahres- 
schluß zu schwinden begann. Dies hatte ungenügende Belegung 
vorgerichteter Bauabteilungen zur Folge.* 

Die meisten dieser, den Hibernia -Zechen gehörigen Häuser 
weisen Wohnungen für vier Parteien auf. Die Mehrzahl der 
Wohnungen enthält drei bis vier Zimmer. Darin wohnt der Berg- 
mann mit seiner Familie, aber nicht allein; er nimmt auch Ein- 
lieger auf. Von den auf Schlägel und Eisen in den Zechenhäusem 
wohnenden 2734 Personen sind allein 1485 Einlieger. 

Der durchschnittliche Rauminhalt einer Wohnung mit drei 
Zimmern schwankt zwischen 111 und 155 cbm, mit vier Zimmern 
zwischen 124 und 182 cbm, mit fünf Zimmern zwischen 175 und 
222 cbm. Die Anlagekosten der der Hibernia gehörigen Kolonien 
sind am höchsten auf Shamrock in/IV mit 6242 Mark pro Wohnung» 
am niedrigsten auf Shamrock I/II mit 2065 Mark. Die Mietspreise 
für fremde Wohnungen sind in Alstaden ebenso hoch wie für 
Zecbenwohnungen; auf sämtlichen übrigen Zechen der Gesell- 
schaft aber sind fremde Wohnungen teurer, und zwar um 30 bis 
150^/o.* Die Mietspreise betragen für eine Zechenwohnung von 

2 Zimmern 108 Mark 5 Zimmern 148—192 Marie 

3 . 102-138 Maiic 6 . 177 Mark (nur ein Fall) 

4 . 132—174 . 

Aus den vorhergehenden Betrachtungen über die Arbeiter- 
verhaltnisse ergibt sich folgendes: 

Die Zechen der Gesellschaft verfügen heute über eine 
Arbeiterarmee von über 17000 Menschen. Hibernia und 
Shamrock rangieren unter den Polenzechen. Der Beleg- 
scbaftswechsel ist ein auSerordentlich starker. Den Kern 
der Arbeiterschaft bilden die Hauer. Sie repräsentieren 
eine Arbeiteraristokratie. Ihre Tätigkeit ist eine rein 
handwerksmäfiige. Neuerdings beginnt sie durch Schräm- 
maschinen mechanisiert zu werden. Damit kommt bei 
der Gewinnung der Kohle, wenn auch zuletzt, das Prinzip 
zum Durchbruch, das bereits von Anfang an die ganze 
Forderung beherrscht: Der Ersatz des lebendigen Orga- 
nismus durch den toten Mechanismus. Dasselbe finden 



* Vgl. aber die WohnungsverhlUtnisse die Tabelle in Bd. XU TeU DI .Die 
Eotwicklang des niederrheinisch-westfflUschen Steinkohlenbergbaus* p. 190 ff. 
Stilticli, NalkMUlAkoiioaiisclM Fonchaogm, Bd. 0. 7 



98 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



wir bei den Gesteinshauern, die schon seit langem Bohr- 
maschinen verwenden. 

Die soziale Lage dieser Belegschaft ist im allge- 
meinen keine gunstige. Die nominell achtstündige Schicht 
dauert, wenn man die Ein- und Ausfahrt mitrechnet, zehn 
Stunden. Dazu kommen je nach Lage der Konjunktur 
Ober- oder Feierschichten. Die Nebenbetriebe raubten 
dem Arbeiter die Sonntagsruhe. Seit 1888 begann die 
Arbeitsleistung zu sinken, nicht blofi pro Mann und Schicht» 
sondern auch pro Hauerschicht. In den Zeiten der Baisse 
ist sie geringer als in denen der Hausse. 

Der Arbeitslohn, der einen hohen Prozentsatz der 
Gewinnungskosten der Kohle ausmacht, betrug 1904 pro 
Mann und Schicht nur etwas über 4 Mark. Löhne und 
Kohlenpreise verlaufen vielfach nicht gleichartig. Das 
Lohneinkommen der Arbeiter steht in einem unange- 
messenen Verhältnis zu dem arbeitslosen Einkommen der 
Aktionäre. Der Lohn ist zu niedrig, die Dividende zu 
hoch. Eine Reihe von Abzügen, namentlich genullte 
Wagen, reduzieren weiter den Verdienst Die grofien 
Lohnkämpfe, die eine Korrektur versuchten, vermochten 
die sozialen Zustände nicht wesentlich zugunsten der 
Arbeiter zu verändern. Unfälle und Krankheiten, speziell 
die Wurmseuche, fallen, wenn man die soziale Bilanz des 
Werks zieht, Schwerin die Wagschale. Auch die Fürsorge 
für die Unterkunft der Arbeiter läSt zu wünschen übrig. 
Die Wohnungsverhältnisse unterscheiden sich von denen 
auf andern Zechen vor allem dadurch, dafi auf Hibernia 
und Shamrock das Kolonie-System nicht zur Ausbildung 
gelangt ist 

Nachdem wir in den vorhergehenden Abschnitten die Elemente 
der Kohlengewinnung behandelt haben, wollen wir nun die aus 
ihrem Zusammenwirken sich ergebende Produktion* und die 
dabei in Betracht kommenden Verhältnisse näher ins Auge fassen. 

* Der B^ff Produktion ist — soweit er sich nur auf Kohle bezidit — 
nicht zutreffend. Denn beim Kohlenbergbau handelt es sich nicht, wie bei 
ehiem Stahlfabrjkat um Herstellung, sondern um Okkupation eines Qebrauchsgats. 
Ich brauche diesen, auch in dem grofien Sammelwerk des Vereins fflr die 
bergbaulichen Interessen unrichtig verwendeten Ausdruck im folgenden nur 
dann, wenn es sich nicht ausschliefilich um Förderung, sondern auch um Weiter- 
verarbeitung der Kohle handelt 



1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia. 



99 



Die Produktion des Unternehmens hat zwei verschiedene 
Phasen durchlaufen. In der ersten war sie relativ klein und die 
Tagesleistung gering. Die zweite, deren technische und wirt- 
schaftliche Tendenz in den früheren Ausfuhrungen genügend gekenn- 
zeichnet ist, fflhrt für die ganze Kohlengewinnung und Förderung den 
Massen- undSchnellbetriebdurch. Die Förderung derbeiden alten 
Zechen Hibemia und Shamrock wird durch den Hinzutritt neuer ver- 
größert Das Unternehmen erhUt einen hochkapitalistischen Charakter. 

Die Entwicklung der Förderung in dieser zweiten Epoche 
reflektiert sich in folgenden Zahlen. Die Förderung betrug: 









Jährliche 


Kohlenförderung, 


























In 


Der 
AnteU 




















Gebiete 


der 


1 


Sluffl. 
rock 


Shaiii. 
lock 


HlbemiA 


WUhclmlne 
Viktoria 


Elsen 


General 

Blumen- 

ttael 


AI. 

ttaden 


In 
Snmmt 


des 
deut- 
sehen 


Hlber- 
niaan 
der Ge- 


J 


















Reichs 
In Tau- 
send t 


samt- 
forde- 

bSbSgt 




t 


t 


t 


t 


t 


t 


t 


t 




In «/o 


1873 


188000 


.^ 


138914 


SS 


85534 


_ 


_ 


__ 


327816 


36392 


0.9 


1874 


178775 


— 


160180 


88634 


— 


— 


— 


347965 


35919 


09 


1875 


336142 


— 


195910 


103749 


— 


— 


— 


432062 


37436 


IJO 


1870 


040146 


— 


170351 


147574 


— 


— 


— 


410497 


38454 


1.16 


1877 


277040 


— 


334529 


E 


179313 


— 


— 


— 


511778 


37529 


W 


1878 


308601 


— 


297796 


g 


144199 


— 


— 


— 


601309 


30600 


175 


1879 


453397 


— 


31080S 


9 


156664 


— 


— 


— 


764199 


42006 


1^ 


180D 


406835 


— 


316682 


BU 


185780 


— 


— 


— 


723517 


46974 


IM 


1881 


378431 





343954 


1 


316453 


— 


— 


— 


722375 


48688 


1,48 


1882 


408631 


— 


380225 


t 


250234 


— 


— 


— 


782856 


62119 


1^ 


1883 


446786 


— . 


447673 


280187 


— 


— 


— 


804450 


55943 


1,60 


18M 


830888 


— 


493072 


B 


266600 


— 


— 


— 


1013940 


57234 


177 


188S 


548380 


— 


486618 


1 


305805 


— 


— 


— 


1084996 


58320 


178 


1886 


406804 


— 


444231 


1 


279777 


— 


~ 


— 


930825 


50066 


1^ 


1887 


477030 


— 


408289 


306461 


— 


— 


— 


880198 


60334 


1.46 


1888 


656840 


— 


425632 


300563 


~ 


— 


— 


1452044 


65386 


2^ 


1888 


635406 


~ 


430082 


400945 


— 


— 


— 


1468522 


67342 


2.18 


1800 


680000 


— . 


443783 


437219 


— 


— 


— 


1531922 


70238 


2.18 


1801 


734300 


.. 


385804 


560000 


— 


— 


— 


1660194 


73716 


2.25 


18B2 


780171 


— 


370848 


451667 


~ 


— 


— 


1602686 


71372 


2.25 


1808 


807701 


00706 


325780 


485527 


— 


— 


— 


1679783 


73852 


2.28 


1804 


783447 


314343 


311200 


468263 


^ 


— 


~ 


1877238 


76741 


2.45 


180S 


€80005 


473568 


205162 


443024 


— 


— 


— 


1900840 


79169 


2.40 


1806 


695140 


628840 


283007 


501047 


— 


— 


— 


3100004 


86600 


2.44 


1807 


737823 


700602 


280893 


575202 


— 


— 


— 


3303419 


01065 


2ja 


1888 


797001 


onoos 


291173 


636001 


— 


— 


— 


3536913 


06380 


2.03 


1800 


883018 


847364 


323337 


604316 


565000 


— . 


— . 


3383924 


101630 


3.28 


1000 


042500 


041136 


329328 


713306 


603825 


— 


— 


3620277 


100200 


332 


1901 


834133 


877605 


297194 


674255 


800774 


— 


— 


3573060 


108530 


330 


1000 


750832 


836546 


200476 


660440 


868081 


— 


— 


3314365 


107474 


3^ 


1008 


883635 


026541 


298832 


613308 


1047629 


— 


— 


3738840 


116638 


330 


1001 


818500 


876090 


310563 




506704 


1066801 


1004087 


138885 


4000500 


— 


— 



100 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemla. 



Tägliche Kohlenförderung. 


Im 


Shuniock 


Shuniock 

in/nr 


HnxrnU 


Wtlbel- 
mlne 


Scbligel 
tittd Elsen 


Oenenl 
Blumen- 


Alitaden 


InSomma 


Jdirc 








Viktoria 




thal 








t 


t 


t 


t 


t 


t 


t 


t 


1873 


641,45 


__ 


471.85 


__ 


__ 


__ 


.^^ 


1113^ 


1874 


604,— 


— 


586,35 


— 


— 


— 


— 


1190^ 


1875 


801,90 


— 


675.55 


— 


— 


— 


— 


1477.45 


1876 


833,25 


— 


600,85 


— 


— 


— 


— 


1434,10 


1877 


957,65 


— 


800.45 


— 


— 


— 


— 


1758,10 


1878 


1318,60 


— 


1043,07 


— 


— 


— 


— 


2361,67 


1879 


1516,38 


— 


1050.- 


— 


— 


— 


— 


2566,38 


1880 


1347,14 


— 


1099.65 





— 


— 


— 


2446,79 


1881 


1269,85 


— 


1169.90 


— 


— 


— 


— 


2439,75 


1882 


1351,10 


— 


1284.50 


— 


— 


— 


— 


2635,60 


1883 


1494,27 


— 


1502,26 





— 


— 


— 


2996,53 


1884 


1730.46 


— 


1660,18 


— 


— 


— 


— 


3390,64 


1885 


1878,01 


— 


1638,44 


— 


— 


— 


— 


3516,45 


1886 


1763,68 


— 


1597,95 





— 


— 


— 


3361,63 


1887 


1642,40 


— 


1426,45 


— 


— 


— 


— 


3068,85 


1888 


2207,89 


— 


1452,67 


1285,40 


— 


— 


— 


4945,96 


1889 


2176.33 


— 


1509,06 


1394,20 


— 


— 


— 


5079,59 


1890 


2184,29 


— 


1540,91 


1561,50 


— 


— 


— 


5286,70 


1891 


2422,38 


— 


1308,08 


1845,70 


— 


— 


— 


5576,16 


1892 


2609,27 




1261,39 


1645,42 


— 


— 


— 


5516,06 


1893 


2710.40 




1100,54 


1637,53 


— 


— 


— 


5448,47 


1894 


2561,90 


1054,50 


1048.10 


1818,48 


— 


— 


— 


6482,98 


1895 


2343,86 


1616,27 


1017.80 


1616,88 


— 


— 


— 


6594,81 


1896 


2348.45 


2124.46 


956.41 


1704,40 


— 


— 


— 


7133,72 


1897 


2441,35 


2373.92 


939,44 


1923,75 


— 


— 


— 


7678,46 


1898 


2686,54 


2733.46 


977,09 


2155,94 


1550,19 


— 


— 


10103,22 


1899 


2859,12 


2843.17 


1085,03 


2329,92 


1899,29 


— 


— 


11016,53 


1900 


3152,47 


3147.61 


1101,43 


2385,95 


2320,49 


— 


— 


12107,95 


1901 


2953,88 


3068.87 


1017,79 


2361,66 


3209,66 


— 


— 


12611,86 


1902 


2691,12 


3005.56 


1044,88 


2228,73 


3495,68 


— 


— 


12465,97 


1903 


2864,55 


3109,20 


1016,44 


2151,86 


3671,64 


— 


— 


12813,69 


1904 


2861,89 


3055,75 


1082,17 


2169,22 


3936,40 


3462,20 


798,19 


17365,82 



Aus diesen Tabellen ergibt sich folgendes: 

1. Die Förderung hat die Tendenz zu steigen. In den 
32 Jahren von 1873 — 1904 ist sie trotz 15 Krisenjahren nur 
sechsmal rückläufig gewesen» nämlich in den Jahren 1876» I88Q1 
1881, 1886, 1887, 1892. Daraus geht hervor, daB man die schlechte 
Geschäftslage in den andern Jahren der Depression durch Mehr- 
fOrderung auszugleichen suchte. 



1. Bergwerksgesdischaft Hibemia. 101 

2. Absolut steigt die Kohlenförderung in dem genannten Zeit- 
raum von 327816 auf 4806599 t * oder um 1497 Vo. Der Anteil 
der Hibemia an der gesamten Kohlenförderung aber wächst von 
unter 1 auf über 3%. 

3. Was die einzelnen Zechen anbelangt, so ergibt sich, dafi 
die alteren teilweise ihre Blutezeit bereits hinter sich haben. 
Ihren Kulminationspunkt erreichte die Förderung auf Hibemia im 
Jahre 1884. Damals wurden täglich 1660,18 t gefördert. Dann 
ging es leise bergab. Heute hat die Zeche die geringste För- 
derung unter ihren Schwestern. 

Später zeigen sich die ersten Zeichen der Abschwächung und 
des beginnenden Alters auf Shamrock. 1893 erreicht die Förde- 
rung eine Höhe von 2710,40 t täglich. 1894 wird dann Sham- 
rock III/IV eröffnet und die relativ hohen Förderziffem, die wir 
spater auf Shamrock I/II wiederfinden, rühren daher, dafi ein Teil 
der Kohlen dem erstgenannten Qrubenfelde entnommen, aber auf 
Shamrock gefördert wird. So war es möglich, dafi die Zeche im 
Jahre 1900 sogar eine Tagesleistung von 3152,47 t aufwies, eine 
FOrderang, die seitdem auf der benachbarten Schwesteranlage die 
Regel geblieben ist 

Wilhelmine Viktoria fördert seit 1898 über 2000 t täglich. 
Obgleich auch eine alte Zechenanlage, machen sich doch offenbar 
bei ihr die Folgen des Alters wenigstens vorläufig weniger be- 
merkbar als auf Hibemia. 

Die Zukunft der Kohlenfördemng aber liegt auf Schlägel 
und Eisen. Die Schachtanlagen dieser Zechen weisen heute be- 
reits eine doppelt so hohe Produktion auf als 1898, wo sie von 
der Gesellsdiaft in Betrieb genommen wurden. Die tägliche 
Förderung ist heute mit 3500 t die gröfite unter sämtlichen 
Zechen der Gesellschaft 

Nach der Qröfie geordnet stellte sich die Tagesförderang im 
Jahre 1904 auf den einzelnen Zechen wie folgt: 



* Man soUte es nicht fOr möglich halten» dafi ein MitgUed des Aufsicht»- 
rats der Hibernia, Herr von Eynera, nicht einmal die KohlenfOrderang derjenigen 
OeseUschaft kennt, in deren Aufsichtsrat er sitzt Bei der Lesung der Hibemia- 
Vorlage im Abgeordnetenhause behauptete er nämlich, dafi die Forderung 
5—6 Millionen Tonnen betrage. (Sten. Prot p. 7756.) Selbst wenn man die da- 
mals noch nicht bekannte Förderung von 1904 in Höhe von 4806599 t heranzieht, 
ist die Angat>e unrichtig. 



102 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



Schlägel und Eisen . . 


. 3936,40 t 


General Blumenthal 


. 3462,20. 


Shamrock IH/IV . . . 


. 3055.75. 


Shamrock 


. 286189. 



WUbdmine Viktoria . . 2169,22 t 

HibemU 1082,17. 

Alstaden 796,19 . 



Von Bedeutung ist aufier der täglichen Leistung die Frage, 
in welchem Verhältnis die Gesamtförderung zu dem nötigen 
Kapital steht Zu diesem Zweck addieren wir Aktienkapital und 
Anleihen und berechnen, wieviel davon auf 1 t Förderung ent- 
fällt Es ergibt sich, dafi das aufgewandte Kapital betrug: 



1873: 51.4 Mark 
1875: 39,0 , 
1880: 23,2 . 



1885: 16,2 Mark 
1890: 19,3 . 
1895: 15,4 . 



1900: 14,0 Mark 
1904: 17,1 . 



Die Massenproduktion hat also dahin geführt, dafi der Kapital* 
anteil, der auf die Tonne Förderung entfällt, heute ein bedeutend 
geringerer ist, als vor 30 Jahren. Immerhin ist dieser Anteil im 
Vergleich zu anderen Zechen bei der Hibemia als hoch zu be- 
zeichnen. 



Das zweite wichtige Produkt ist der Koks. Die Koks- 
erzeugung hat sich seit 1873 folgendermafien entwickelt Es 
wurden gewonnen 





aus Tonnen 


Tonnen 




aus Tonnen 


Tonnen 




Kohlen 


Koks 




Kohlen 


Koks 


1873 . . 


97268 


54927 


1889 . 


. 112203 


66142 


1874 . . 


66184 


38829 


1890 . 


. 111034 


74676 


1875 . . 


104934 


57099 


1891 . 


. 117835 


87078 


1876 , . 


94395 


51308 


1892 . 


. 176565 


131424 


1877 . 


93211 


49773 


1893 . 


. 192256 


141279 


1878 . . 


110332 


64010 


1894 . 


. 265377 


201781 


1879 . 


98996 


59918 


1895 . 


. 285019 


211683 


1880 . 


110825 


68656 


1896 . 


. 470078 


352852 


1881 . 


117240 


71952 


1897 


. 488089 


378997 


1882 . 


127692 


76781 


1898 


. 493635 


367783 


1883 . 


118386 


72386 


1899 


. 591953 


441522 


1884 . 


. 128359 


77268 


1900 


. 627844 


468367 


1885 . 


106034 


63746 


1901 


. 495313 


369242 


1886 . 


91910 


56103 


1902 


. 459995 


342779 


1887 . 


. 75918 


48066 


1903 


. 671952 


501526 


1888 . 


105958 


65413 


1904 


. . 682130 


611390 



Hierzu ist zu bemerken, dafi die Produktionssteigerung im 
Anfang der 90er Jahre hervorgerufen wurde einmal durch die 



1. Bergwericsgesellschaft Hibemia. 



103 



1891 erfolgte Eröffnung einer Kokerei auf Hibemia, sowie 1893 
durch den Hinzutritt einer Kokerei auf Shamrock III/IV. 

Der Anteil der zur Verkokung verwandten Kohle an der 
GesamtfOrderung betrug 



1873: 290/0 


1885: 100/0 


1895: 150/0 


1880: 150/0 


1890: 70/0 


1900: 170/0 
1903: 180/0 



Hieraus ergibt sich» daS von der Gesamtförderung Anfang 
der 70er Jahre ein relativ hoher Teil in die Kokerei ging. Dieser 
Anteil nimmt dann bis zum Jahre 1890 ab, um in der Folgezeit 
wieder zu steigen. 

An Nebenprodukten wurden gewonnen in t: 



Jtkr 




TMipMll 


Napbta- 
rtckiUnde 


SchwcMuiin« 


BmioI 


1886 


245 


^ 








__ 


1887 


296 





— 


— 


— 


1888 


382 





— 


— 


— 


1889 


714 


— 


— 


203 


— 


1890 


916 


— 


— 


355 


— 


1891 


783 





— 


346 


— 


1892 


905 


— 


— 


296 


— 


1893 


742 





— 


339 


— 


1894 


746 





— 


357 


— 


1895 


1376 





— 


569 


— 


1896 


6433 


— 


— 


2472 


— 


1897 


6628 





— 


2436 


127 


1898 


6681 


— 


— 


2502 


448 


1899 


6446 


195 


— 


2544 


366 


1900 


6385 


326 


12 


2611 


693 


1901 


6153 


310 


52 


2655 


650 


1902 


6297 


461 


56 


2770 


827 


1903 


9393 


386 


41 


3795 


701 


1904 


16508 


691 


32 


6348 


685 



Hieraus ergibt sich folgendes: 

1. Die Gewinnung von Nebenprodukten beginnt erst Mitte 
der 80er Jahre. 

2. Mit der Zeit tritt eine Spezialisierung ein: die Zahl der 
Nebenprodukte wird größer. Ursprunglich wurde blofi Teer ge- 
wonnen, dann kamen hinzu schwefelsaures Ammoniak, dann 
Benzol, sowie Teerpech und NaphtarfickstSnde. 

3. Am bedeutendsten ist die Herstellung von Teer und Am- 
moniak. 



104 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



4. Die Steigerung der Produktion steht mit der an anderer 
Stelle besprochenen Ausdehnung der Kokereien und ihrer Neben- 
anlagen in Zusammenhang. 

Die Gasproduktion weist folgende Entwicklung auf. Auf 
den beiden Qasfabriken Shamrock und Wilhelmine Viktoria wurden 
erzeugt: 



Jahr 


Kohlen- 


Daraui wurden 








vcrbrauch 
in 


cbm Ol* 
im 


Oukokt 


Oastecr 


AnuDoalak- 
waucr 




t 


giiuen 


t 


t 


t 


1873 


1035 


211824 




^^ 


^^ 


1874 


1020 


247032 


— 


— 


— 


1875 


1133 


272866 


— 


— 


— 


1876 


1296 


320437 


— 


— 


— 


1877 


925 


253334 


577 


28 


1878 


1019 


283355 


571 


42 


— 


1879 


1172 


302563 


661 


40 


— 


1880 


1276 
1341 


332365 


655 


58 


89 


1881 


351790 


774 


44 


95 


1882 


1414 


368910 


658 


56 


132 


1883 


1425 


368505 


679 


54 


140 


1884 


1558 


414335 


721 


57 


135 


1885 


1559 


425980 


666 


48 


130 


1886 


1747 


473050 


867 


62 


109 


1887 


1790 


495545 


826 


65 


148 


1888 


2293 


563619 


1248 


86 


155 


1889 


2458 


652870 


1511 


97 


156 


1890 


2783 


704610 


1600 


102 


135 


1891 


1981 


779163 


1652 


133 


231 


1892 


2956 


803230 


1429 


137 


265 


1893 


2774 


784203 


1384 


114 


359 


1894 


3036 


892700 


1888 


156 


340 


1895 


3174 


921025 


1869 


149 


400 


1896 


3205 


959700 


2077 


148 


365 


1897 


3476 


1056886 


2197 


159 


437 


1898 


4007 


1206527 


2724 


209 


343 


1899 


5065 


1481320 


3266 


225 


604 


1900 


5865 


1645370 


3837 


262 


790 


1901 


6298 


1746027 


3841 


298 


952 


1902 


6466 


1837050 


4178 


283 


794 


1903 


3385 


981273 


2210 


158 


488 


1904 


3584 


1054436 


2418 


183 


460 



Schliefilich haben wir noch die Produktion an Ziegel* 
steinen auf Wilhelmine Viktoria zu erwähnen. Es betrug, nach- 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



105 



dem von 187&— 1887 überhaupt keine Ziegel gebrannt worden 
waren, in den folgenden Jahren: 



Der Kohlen- 


die Produktion an Steinen 


verbrauch der 


in Stflclc 


Ziegelelen In t 


im Jahr 


pro Arbeitstag 


1888 . . 


. 1289 


2968750 


12526 


1889 . . 


1255 


3570500 


13628 


1890 . . 


1275 


3776500 


12802 


1891 . . 


1280 


3787000 


12665 


1892 . . 


1270 


3657000 


12313 


1893 . . 


1330 


3664500 


12422 


1894 . . 


1310 


3568000 


13363 


1895 .. . 


1093 


3740000 


13550 


1896 .. . 


1215 


3935500 


13386 


1897 .. , 


1216 


3985000 


13328 


1898 . . 


1286 


4165000 


14119 


1899 . . 


2481 


8976000 


30121 


1900 .. . 


2500 


9016000 


30154 


1901 .. . 


2453 


9132500 


32177 


1902 . . 


2416 


9288000 


36664 


1903 .. . 


2582 


9737000 


34364 


1904 . . 


. 5224 


15233125 


55383 



Die Verdoppelung des Kohlenverbrauchs und der Produktion 
an Steinen im Jahre 1899 hat ihren Grund darin, daS die dies- 
bezüglichen Zahlen der Fabrik auf der neu erworbenen Zeche 
Schlägel und Eisen hinzugerechnet sind. 1904 kommt dann noch 
die Ziegelei auf General Blumenthal hinzu. 

Aus der Tabelle ergibt sich, dafi der Kohlenverbrauch für die 
Ziegelei jahraus jahrein ziemlich stabil ist, wahrend die Produk- 
tion an Steinen sich langsam hebt Ein paralleles Verhalten des 
Kohlenverbrauchs zur Produktion an Ziegeln lafit sich nur in 
wenigen Jahren beobachten, nämlich 1892, 1893, 1898 und 1900. 
In den meisten fibrigen Jahren sinkt der Kohlen verbrauch, wie 
aus den Zahlen der täglich hergestellten Steine hervorgeht, bei 
steigender Fabrikation, und umgekehrt 

Aus diesen Dariegungen fiber die Produktion der Beigwerks- 
gesellsdiaft Hibemia ergibt sich, wie aufierordentlich mannig- 
faltig die Erzeugung ist, in welcher Abhängigkeit die ein- 
zelnen Produktionszweige zueinanderstehen, und welchen 
Wandlungen sie im Laufe der Zeit unterworfen waren. 

Die wichtigste Aufgabe der Gesellschaft besteht nun aber 
darin, die gewonnenen Güter abzusetzen, und zwar mit Gewinn. 



106 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Wir betrachten daher in den beiden folgenden Abschnitten die 
Absatzverhaltnisse und die finanziellen Resultate des Unter- 
nehmens. 

Die Kohle gehört bekanntlich zu den Massengutem. In 
grofie m Volumen verbirgt sich ein kleiner Wert Für solche Güter 
aber spielen beim Absatz die Transportkosten die wichtigste Rolle 
Die Voraussetzung für die Massenförderung ist daher die zu* 
nehmende Erweiterung des Absatzgebietes durch den Bau von 
Eisenbahnen und Wasserstraßen, sowie billige Tarife. 

Die Bewegung zugunsten der Einführung billiger Kohlen- 
frachten, die namentlich auch durch den Gründer der Hit)emia 
Mulvany unterstützt wurde, begann bereits in den 50er Jahren. 
Sie fährte 1861 zu dem sogenannten 1 Pfennig -Tarif (1 Silber- 
pfennig für den Zentner und die Meile, dem heutigen Tarifsatz von 
2,2 Pf. pro Tonnenkilometer entsprechend). Dieser Pfennigtarif war 
damals ein Kampfmittel gegen die marldbeherrschende englische 
Steinkohle; er war der billigste Frachtsatz, zu welchem bis dabin 
jemals in der ganzen Welt transportiert worden war. Anfang der 
70 er Jahre entstand dann eine Bewegung gegen diesen billigen 
Tarif, die ihren Ausgangspunkt vom Preußischen Handels- bzw. 
Finanzministerium nahm. Durch Beschlufi des Bundesrats wurde 
den damals bestehenden Eisenbahn-Aktiengesellschaften das Recht 
eingeräumt, »mit Genehmigung der Landesregierung vom 1. August 
1874 an ihre Frachtsätze um 20 ^/o zu erhöhen.«* 

Von diesem Rechte machten sofort die Köln -Mindener und 
die Bergisch -Märkische Bahn Gebrauch, d. h. diejenigen beiden 
Bahnen, die für den Kohlenabsatz der Hibemia hauptsächlich in 
Frage kamen. Sie erhöhten ihre Tarife um 20%. In der folgen- 
den Depressionsperiode wurden die Zuschläge wieder t>eseitigL 
Mit dieser Beseitigung hängt auch die steigende Produktion der 
Gesellschaft während der Krisis der 70er Jahre zusammen. Diese 
Steigerung war nur möglich durch die Eroberung neuer Absatz- 
gebiete mit Hilfe billiger Tarife. 

Grofie Ausgaben verursachten damals der Hibemia die so- 
genannten Zechenfrachten, d. h. fixe Gebühren für die Zu- 
bringung der leeren und Abholung der beladenen Eisenbahn- 
wagen von der nächstgelegenen Station zur Zeche resp. von 



* Die Entwicklung des niedenheinisch -westfälischen Steinkohlenbergbaos 
Bd. X Tefl I p. 139. 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemla. 107 

dieser zur Station. 1873 hatten die drei grofien für den Koblen- 
transport in Betracht kommenden Bahnen, die KOln-Mindener, 
die Bergisch-Markische und die Rheinische, die Vereinbarung ge- 
troffen, auf den Anschlußbahnen einen gleichmäßig erhöhten Tarif 
am 1. Juli resp. 1. Januar 1875 in Kraft zu setzen. Die Gesell- 
schaft beschwerte sich darüber bei der Staatsregierung, jedoch 
ohne Erfolg. In dem Geschäftsbericht von 1877 wird erwähnt, 
daß 10769 Mark Zechenfrachten weniger als im Vorjahre gezahlt 
wurden. Das war aber nicht die Folge der Reklamation an den 
Minister. Die Ermäßigung erfolgte vielmehr deshalb, »weil die 
als rentabel befundene Einführung von Extrazugtarifen mit er- 
mäßigter Fracht und vor allem die gegenseitige Konkurrenz der 
drei Hauptbahnen unseres Industriebezirks notgedrungen dazu ge- 
führt hat"* (Geschäftsbericht 1877). 

Einen Vergleich der Zechenfrachten 1870 und 1903 ertauben 
folgende Zahlen: 

Bahn 1870 1903 

FOr Shamrock Bergisch-MArkische 3 Mark 90 Pf. (Stttion Rlemke). 

50 . , Herne u. Wanne). 
. Hlbemla Köln-Mindener . . 50 Pf . 50 . . Oelsenkirchen). 

Die Schachtanlagen der Zeche General Blumenthal stehen 
heute durch kurze Anschlußgleise mit dem Hauptbahnhof Reck- 
linghausen in Verbindung. Die Anschlufifracht für Schacht- 
anlage I/n betragt 70 Pf. pro Wagen, für III/IV 50 Pf. Auch die 
Scbachtanlagen von Schlägel und Eisen sind an den Recklinghauser 
Hauptbahnhof angeschlossen. Etwa 2 km vom Bahnhof Reck- 
Unghausen ist ein Obergabebahnhof gebaut, nach welchem die ge- 
förderten Kohlenmassen von den einzelnen Schachtanlagen durch 
eigne der Gesellschaft gehörige Lokomotiven gebracht werden. 
Aus den Obergabegleisen werden die Wagen durch die Staats- 
bahn abgeholt Die hierfür zu zahlende Fracht betragt 90 Pf. 
Dieser Betrag wird sich auch nicht andern, wenn der Anschluß 
an die neue Linie Osterfeld-Hamm nach dem Bahnhof Reckling- 
hausen-Ost hergestellt ist 

1880 gingen die beiden für den Kohlenabsatz der Hibemia 
maßgebenden Bahnen in den Besitz des preußischen Staates über. 
Über die nun folgende Periode sagt die Vetwaltung (Denkschrift 
p. 14): .Wir stehen nicht an, bezüglich des Werts des Staats- 
monopols in bezug auf die Förderung unserer in den 70er und 



108 1- Bergwerksgesellschaft Hibernia. 

r' ■ . . -■■■ , ■ ■ ■" I . ' I- 

80 er Jahren daniederliegenden Koblenindustrie anzuerkennen, 
dafi dasselbe der letzteren wichtige und unentbehrliche Dienste 
geleistet hat. Wir halten die Einheitlichkeit der Tarife, die Neu- 
bearbeitung der verschiedenen Sätze für Stück- und Massengüter, 
die Einrichtung der sogenannten Kontraktzüge nach den Nieder- 
landen und Belgien, die Verbilligung der Tarifsätze nach der 
Schweiz und Italien und schließlich die Einführung des soge- 
nannten Rohstofftarifs,* für überaus bemerkenswerte Verbesserungen 
im Güterverkehr. Die Frachterieichterungen nach den deutschen 
Seehäfen Bremen, Lübeck, Hamburg sind jüngeren Datums (1889). 
Der ermäßigte Tarif von Schlesien nach der Ostsee ist am 
1. Januar 1898 in Kraft getreten. Es braucht kaum hervor- 
gehoben zu werden, dafi es auch für die Zukunft wesentlicher 
Tarif ermäfiigungen** bedarf.* Diese grofien TarifermäSigungen, 
die im vorhergehenden angedeutet sind, erfolgten ohne eigent- 
liche Gegenleistungen der in Betracht kommenden Kohlenzechen. 
Sie fielen ihnen als ein Geschenk in den Schoß. Aber sie waren 
eine conditio sine qua non. Denn ohne sie hätte die Förderung 
nicht jenen Sturmschritt einschlagen können , den wir kennen lernten. 
Die Beschleunigung des Produktionstempos wäre nicht möglich 
gewesen, wäre der Absatz nicht gröfier geworden. Damit ist der 
springende Punkt bezeichnet. Die Kohle ist ein Massengut, 
dessen Absatzradius hauptsächlich von der Eisenbahn- 
fracht abhängt Daher bedeutet jede Tarifermäfiigung 
eine Erweiterung des Absatzgebietes. Durch dieses Mittel 
wurden auch durch die Hibernia Gebiete gewonnen, in denen 
früher die englische Kohle heimisch war. Die Tarifpolitik stand 
im Dienst des Gedankens: die englische Kohle vom deutschen 
Markt zu verdrängen und der deutschen den Weg zum Meere zu 
eröffnen. 

Als ein Beispiel für die Durchführung dieser Idee möchte ich 
hier die auf Anregung der Kgl. Eisenbahndirektion in Altona er- 
folgte Gründung eines besonderen Kohlenlagers in Hamburg 
anführen, an dem sich auch die Hibernia beteiligte. Die genannte 

* Die Ausdehnung des Rohstolftarifs auf Brennstoffe erfolgte 1897. Dieser 
Tarif beruht auf dem Einheitssatz von 2,2 Pf. pro Tonnenkilometer fflr Strecken 
bis 350 km nebst 7 Mark Abfertigungsgebühr. Näheres siehe Die Entwidclung 
des niederrheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus, Bd. X Teil I p. 181. 

^ .Ein Einheitssatz von 1 ,2 Pf . fOr das Tonnenkilometer und 6 Mark Expeditlomh 
gebühr für 10000 kg sollte der Einheitssatz der Zukunft sein . . .!* (a. a. O. p. 182K 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 109 



Direktion erklärte sich 1888 bereit, »an dem Bahnhof Stern - 
schanze in Hamburg einen geeigneten Platz unter billigen Be- 
dingungen zur Verfügung zu stellen und eine Ermäßigung der 
Bahnfrachten für die zum Ortsverbrauch in Hamburg und Um- 
gebung bestimmten Ruhrkohlen zu befürworten, sofern die Zechen 
den erforderlichen Schuppen auf ihre Kosten herstellen lassen 
würden" (Bd. XI Teil II p. 85). Zu diesem Zweck traten sieben 
Zechen zusammen, darunter Hibemia, Gelsenkirchen, Dahlbukh, 
bauten einen grofien aus sieben Magazinen bestehenden Schuppen, 
nannten das Ganze »Rheinisch -Westfälisches Kohlen- und Koks- 
lager, Hamburg, Bahnhof Stemschanze* und übergaben es 1890 
dem Betrieb, der für den genannten Zechenverband einheitlich ge- 
regelt war. Dieses Unternehmen, das 1898 die Form einer 
Gesellschaft mit beschränkter Haftung annahm und heute noch fünf 
Mitglieder hat (aufier den genannten drei Gesellschaften noch den 
Schalker Gruben- und Hüttenverein und Zollverein), dient einmal 
den Zwecken des Kleinhandels, dann aber vor allem der Be- 
kämpfung der englischen Kohle. 

So hat also auch die Hibemia, begünstigt durch die Fracht- 
politik der Eisenbahnen, die Peripherie ihres Absatzes bedeutend 
erweitert Im Jahre 1904 wurden von ihrem Gesamtbestand in 
Höhe von 4841819 t 3274575 t auf der Eisenbahn abgesetzt 

Außerdem spielt für das Untemehmen der Absatz auf dem 
Wasserweg eine Rolle. Von 1892—1899 wurde der Dortmund- 
Ems-Kanal gebaut mit seiner Abzweigung von Henrichenburg 
nach Heme. Infolge dieser Abzweigung können die Rheinschiffe 
bis Herne fahren und dort die Kohle der Gesellschaft in Empfang 
nehmen. Ober die Notwendigkeit dieser Wasserstraße heifit es 
in der Festschrift (p. 20): »Die Eriahmngen des letzten Jahres 
(1897) haben es unzweifelhaft nachgewiesen, dafi der gewaltige 
Rohstoffverkehr in seiner progressiven Vermehmng durch die 
Eisenbahnen nicht zu bewältigen ist Mit der Herstellung des 
Dortmund-Ems-Kanals ist ein Anfang mit den Wasserstraßen ge- 
macht Die Industrie veriangt danach mit berechtigtem Drange 
die Verbindung dieser sonst schweriich zu Lebensfähigkeit zu ent- 
wickelnden Wasserstraßen mit dem Rhein und femer die Ver- 
bindung mit Weser und Elbe durch den Mittellandkanal." 

Die Notwendigkeit der Entwicklung der Transportmittel und 
die VerbUligung der Tarife steht, wie wir sahen, im Zusammen- 
hang mit der Tatsache, daß die Kohle in großem Volumen einen 



110 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

kleinen Wert birgt Aber dieser Brennstoff weist noch eine zweite 
Eigentümlichkeit auf. Er verträgt nämlich im allgemeinen keine 
Lagerung. Wenn daher in Perioden mit Absatzstockungen Kohle 
aufgestapelt werden muß, so geschieht das auf Kosten der Qua- 
iitat Die Kohle entgast Die Fettkohle büfit mit zunehmender 
Verwitterung ihre Backfähigkeit ein. Ihre Verkokungsfähigkeit 
nimmt mit der Verminderung des Wasserstoffgehalts, besonders 
des* freien, und Vermehrung des Sauerstoffgehalts ab.* Diese Ab- 
nahme tritt um so rascher ein, je gröfier die der Luft dargebotene 
Oberfläche ist, d. h. die Wertverminderung geht bei Feinkohle 
rascher vor sich als bei Stfickkohle. Eine solche gelagerte Koks- 
kohle wird dann auch meistens weniger Nebenprodukte geben. 
Dazu kommt, dafi sich länger lagernde Kohle leicht von selbst 
entzündet Die wiederholten Brände der Kohlenlager des Syndi- 
kats geben Zeugnis davon. Aus diesem Grunde kann das 
Unternehmen Kohlen nicht auf Vorrat fördern. 

Ganz anders liegen die Dinge bei den Koks. Sie verwittern 
nicht, sie entzünden sich nicht; sie leiden nicht durch Lagerung. 
Infolgedessen kann man Koks auf Vorrat produzieren. 

Für den Absatz kommen nun verschiedene Sorten in Be- 
tracht Sie verdanken ihren Ursprung dem Streben nach 
Absatzvermehrung und Besserung der Preise. Wir be- 
trachten daher 

1. die einzelnen Sorten, 

2. ihre Anpassung an die Bedürfnisse des Konsums, 

3. die Preise. 

Die Sortenspezialisierung verdankt ihre Mannigfaltigkeit zum 
Teil den schweren Zeiten, die der Kohlenbergbau in den 70er 
und 80 er Jahren durchmachte. Das Kohlensyndikat verfügt heute 
über nicht weniger als 1400 verschiedene Qualitäten, Sorten und 
Marken.** 

Sehen wir uns nun die Sortenbildung und die verschiedenen 
Größenklassen der Kohle auf Hibemia näher an. Es Ist das in- 
sofern wichtig, als im Gefolge dieser Einteilung ein wirtschaft- 
licher Zusammenhang zwischen Größe und Preis auftritt 

Da haben wir zunächst Förderkohlen, d. h. Kohlen, die 



* Simmersbach, Grundlagen der Koks-Chemie, Berlin 18d5, p. 22. 
^ Vodcker, Bericht in den Kontradiktorischen Verhandlungen Aber das 
Rheinisch -Westfälische Kohlensyndikat, Berlin, Franz Siemenroth, 1903, S. 30. 



1. Bergwerksgesellschalt Hibernia. Hl 

in dem Zustande, in welchem sie aus der Grube kommen, abge- 
setzt werden. Sie haben als Fettkohlen 25% Stücke, als Gas- 
und GasflammfOrderkohlen etwa 40— 457o,* auf Hibernia 45—50% 
nach der wohl etwas zu hoch gegriffenen Angabe der Verwaltung. 
Sinkt der Stfickgehalt auf etwa 15%, so heifit die Kohle Förder- 
gruskohle. 

Die grOfite Masse der zum Absatz gelangenden Kohle aber 
wird separiert und gewaschen. Dadurch entstehen verschiedene 
KomgrOfien. Es gehen aus dieser Klassifikation hervor: Stück- 
kohle über 80 mm, Nußkohle 80—10 mm und Feinkohle 
weniger als 10 mm. 

Die Stückkohlen werden, soweit sie nicht zum Verkauf ge- 
langen, den FOrderkohlen zugesetzt, um sie aufzubessern. Da- 
durch ergeben sich die melierten Kohlen mit einem Stück- 
gehalt von etwa 40% und die »bestmelierten" mit einem solchen 
von etwa 50%. Je nach Bedarf lafit sich auf diese Weise der 
Stückgehalt andern. 

Die Nußkohlen zerfallen in vier Sorten: 

Nufi I mit einer normalen Komgröfie zwischen 50 — 80 mm 
. n . . . . . 30—50 . 

• m , , , . . 15—30 . 

. IV . . . . . 10-15 . 

Kohle unter 10 mm nennt man Fe in kohle, die, wenn sie 
Fettkohle ist, ihre beste Verwertung in der Herstellung von Koks 
findet 

Aufierdem unterscheidet man Nufigrus. »Unter Nufigrus 
(hauptsächlich bei Gasflammkohlen) versteht man die bei einer 
Absiebung der Förderkohle auf 30 oder mehr Millimeter durch 
eine Sieblochung dieser GrOfie durchfallende Kohle, also den Teil 
der FOrderkohle, dessen Komgröfie zwischen und 30 oder mehr 
Millimeter liegt und welcher sonst noch in Nufikohle und Fein 
kohle gesondert wird.*** 

Wieder anders gestaltet sich die Einteilung der Koks. 

Nach dem Verwendungszweck unterscheidet man drei Sorten. 

1. Hochofenkoks; er dient zur Roheisenerzeugung. 

2. Giefiereikoks; er wird mit der Gabel oder direkt mit 
der Hand ausgelesen und repräsentiert eine bessere Qualität für 

* Siehe Die Entwiddung, Bd. X Teil I p. 201 ff. 
- a. a. O. p. 206. 



112 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Eisengiefiereien und Metallhfitten; er wird zu Schmelzzwecken 
und zur Heizung von Lokomotiven benutzt, z. B. auf der Berliner 
Stadtbahn. 

3. Brechkoks; er besteht aus kleineren Stücken und wird 
zu Hausbrand, Zentralheizungen und Kesselheizungen benutzt 
Der Brechkoks zerfallt wieder in vier Komgröfien: 

I 55— 90 mm Kleinkoks 

n 30—55 . 

m 20—30 , Brechkoks 

IV 10—20 . Perlkoks 

Koks unter 10 mm wird als Koksgries verkauft 

Dies ist die auf den Zechen der Hibemia übliche Ein* 
teilung. Auf anderen Zechen bestehen vielfach andere Klas* 
sierungen. Das Kohlensyndikat könnte sich daher durch eine 
einheitliche Durchführung bestimmter Formate ein Verdienst er- 
werben. 

Zum grofien Teile sind diese Sortierungen hervorgerufen 
durch die Ansprüche, die die Industrie an die zur Ver- 
wendung kommenden Kohlen oder Koks stellte. So wird 
z. B. für Zentralheizungen nach mir zugegangener Privatmitteilung 
nur Nufi I gebraucht Zinkhütten verfangen Nufi IV. Zucker- 
fabriken schreiben für die Zwecke der Kohlensäureerzeug^ng 
groben, dickstückigen Koks vor. So stellt jede Fabrik ihre be- 
sonderen Anforderungen. Die Händler sehen auch genau darauf, 
dafi sie die verlangte Sorte und Gröfie bekommen. 

Bei dem Absatz direkt an den Konsumenten herrscht aber 
auf selten des letzteren vielfach Unkenntnis über die Sorten und 
Gröfien. Einen solchen Fall konnte ich auf dem Hauptbureau der 
Hibemia in Gelsenkirchen beobachten. Ein Herr, der mit einem 
Einspänner auf der Zeche erschienen war, verlangte so und so viel 
Tonnen Koks. Darauf erwiderte ihm der Bureauvorsteher: Ja, was 
für Koks wünschen Sie denn? Wir haben Hochofenkoks, Giefierei- 
koks, Brechkoks, Kleinkoks, Perikoks. Darauf war der Käufer 
gar nicht vorbereitet Erst nachdem man ihm die Sorten gezeigt 
und die Preise derselben genannt, entschied er sich für eine 
derselben. 

Aus den vorhergehenden Bemerkungen geht hervor, daß die 
Sorten bedingt werden durch die Größen. Zwischen diesen aber 
und den Preisen besteht ein enger Kausalzusammenhang. Es 



1. BergwerksgeseUschaft Hibernia. 113 

gibt für den Kohlenverkauf geradezu ein Preisgesetz, das 
man folgendermafien formulieren kann: Der Preis der Kohle 
steht in einem proportionalen Verhältnis zu ihrer 
GröSe. 

Diese Tatsache hangt damit zusammen, dafi die Menge der 
Kohle mit ihrer Kleinheit zunimmt. Der Prozentsatz an großen 
Stucken ist nur gering. Er stellt eine gegebene, oder nur inner- 
halb gewisser Grenzen* vermehrbare Gröfie dar, während kleine 
Korngrößen sich in beliebigem Maße auf dem Wege der mecha- 
nisdien Zertrümmerung auf Brechwerken u. dgl. herstellen lassen. 
Daher hat die Kohle mit dem größten Prozentsatz an Stücken den 
höchsten Preis. Je kleiner aber die Körnung wird, desto niedriger 
ist derselbe. 

Um diese Verhältnisse an Beispielen darzulegen, wähle ich 
zunächst die Landdebitpreise der Hibernia ab 1. April 1904. Diese 
Preise sind nicht Syndikatspreise; sie werden vom Werk selbst 
festgesetzt, aber vom Syndikat bestätigt Sie sind, wie gleich 
hier bemerkt werden mag, höher als die Verrechnungspreise, 
d. h. diejenigen Preise, die der Zeche vom Syndikat bezahlt 
werden. 

Es betrugen die Landdebitpreise für 

Fctt-Fördcrkohle .... 12,— Mark 

Nußkohle I 15,— 

Nufikohle D 15,- 

Nufikohle Ol 13,20 

Nufikohle IV 12,00 

Giefiereikoks 18,50 

Kleinkoks 55—90 mm . . 17^ 

Kleinkoks aO-55 . . . 16,50 

Brechkoks 20— 30 . . . 16,50 

Perlkoks 10-20 ... 9,— 

Koksgries 1,— 

Ganz dasselbe Bild bieten die Verrechnungspreise. Die fol- 
gende Tabelle gibt gleichzeitig eine Übersicht über die Preisent- 
wicklung seit Beginn der Hochkonjunktur. 



* Dafi die Methode der Kohlengewtanung einen Einflufi auf den 
Stflckfall hat, habe ich bereits bei Besprechung der Schrimmaschinenarbeit 
gescigt 

Slllllch, NattonaldkooomiKht Fonchanstn, Bd. U. 8 



114 



1. Bergwerksgesellschaft Hibernia. 



Verrechnungspreise 1896 bis 1904. 



Kopien soften 


iß9e'97 


1897^ 


189&'99 


1399/1900 


i9oat)ij 


]901r02 


190^09 


1903tM 


jigMQä 




At 


IL 


M^ 


n. 


M. 


Pf. 


M. 


Pf. 


iüL 


Pf. 


ük 


_Pf. 


M. iPt 


W^ 


zk 


|H>lPt 


Hibernli u. Shamiack. 


































i 


Fflrderkohleti 25P/oSlflckg«hilt 


8 


00 


8 


50 


6 


50 


9 


DO 


10 


00 


10 


00 


9 


00 


9 


m 9,00 


Melierte Kgm.4(Wft 


8 


50 


B 


00 


9 


00 


' 9 


50 


10 


50 


10 


50 


10 


50 


10 


00 10 


OD 


ßeitmeL , SPii 


9 


00 


9 


SO 


9 


50 


10 


00 


11 


oo; 


11 


00 


11 


00 


to 


m 1« 


JO 


FGrderichmJedekohlen . . . 


8 


50 


g 


OD 


9 


00 


9 


50 


to 


50 


10 


50 


10 


SO 


9 


so 9 


50 


SUlckkohlci] 1 


10 


m 


u 


00 


U 


25 


11 


75 


13 


00 


13 


00 


13 


00 


12 


m}l3 


50 


II 


10 


25 


10 


50 


10 


50 


n 


00 


13 


25 


13 


00 


12 


00 


12 


50' Tl 


SO 


m 


B 


50 


u 


00 


10 


00 


10 


50 


11 


50 


11 


50 


n 


50 


lu 


00 


12 


00 


Oewaich. NiifikohLen 1 . . 


n 


00 


u 


2S 


U 


35 


11 


75 


ia 


00 


13 


00 


13 


00 


jl2 


T5 


n 


n . . 


10 


60 


u 


2S 


n 


35 


11 


75 


13 


OO 


13 


00 


13 


00 


'l2 


TS 


il2 


n 


111 ^ ^ 


9 


00 


9 


75 


10 


00 


10 


50 


n 


75 


11 


7S 


u 


25 


11 


00 


■H 


m 


- tv . . 


Ö 


00 


B 


75 


9 


00 


9 


50 


10 


TS 


10 


75 


10 


OQ 


10 


00 


]ü m 




6 


00 


a 


75 


9 


00 


? 


50 


10 


7S 


10 


75 


10 


00 


10, 


00 


10 m 


Kokskohlen . . , 


t.i,i« j. 












1/4.11/1, 




















\ 


• 


6 


50 


7 


00 


8 


00 


8 


50 


10 


50 


10 


SO 


9 


50 


9 


80 


' 9150 




Vi- «Vi 






























;i 




7 


00 


7 


00 


8 


00 




















l| 
50.1 9 SO 


Ocsitbte Nufigrut 0—15 mm 


7 


00 


7 


00 


8 


00 


8 


50 


10 


50 


9 


00 


9 


50 


9 




7 


00 


7 


00 


8 


00 


8 


50 


10 


50 


9 


00 


7 


50 


7 


50 1 7 50 


Wilhelmine Viktoria. 
































ii 




OatflammkolileiL 


































Oaskohlen 


10 


00 


10 


00 


10 


50 


11 


00 


12 


00 


12 


50 


11 


50 


13 


oofis 


00 


OatflammfOrderkohlen . . . 


8 


75 


9 


25 


9 


25 


9 


75 


10 


75 


10 


75 


10 


25 


10 


00 10 


00 


Oasflammstficke I . . . . 


11 


25 


11 


25 


11 


50 


12 


00 


13 


25 


13 


25 


13 


25 


13 


00 13 


00 


n . . . . 


10 


75 


10 


75 


10 


75 


11 


25 


12 


50 


12 


50 


12 


50 


13 


80 12 


so 


in ... . 


9 


75 


9 


75 


10 


00 


10 


50 


11 


50 


11 


50 


11 


50 


11 


00 11 


00 


Oasllammnnfignis .... 


6 


50 


7 


00 


7 


00 


7 


50 


8 


75 


8 


50 


8 


00 


8 


00 


8| 


00 



Diese Taßelle zeigt deutlich, wie der Preis mit dem Stück- 
gehalt und der Korngröße steigt, außerdem dafi die Gaskohle 
teurer ist als die Fettkohle. Der höhere Preis hängt mit der 
größeren Härte, dem größeren Stückgehalt und den höheren Ge- 
winnungskosten der Gaskohle zusammen. 



Seit 1893 liegt der Absatz der von den Zechen der Hibernia 
gewonnenen Kohlen in den Händen des Rheinisch-Westfäli- 
schen Kohlensyndikats. In dem genannten Jahre traten 95 Ge- 
sellschaften zusammen, die 92,7 ®/o der Förderung des Obcr- 
bergamtsbezirks repräsentierten. Freilich war das erste Jahr dem 
Absatz noch nicht günstig. In dem Geschäftsbericht der Hibernia 
von 1893 wird das darauf zurückgeführt, »daß noch vor dem Ver- 
tragsabschlüsse und zwischen diesem und dem 1. März, dem 
Zeitpunkt, an dem das Syndikat zu arbeiten begann, die Förde- 
rung des Jahres 1893 und des ersten Vierteljahres 1894 eine 



1. Bergwerksgeseilschalt Hibernia. 115 

Reihe von Zechenverwaltungen Teile ihrer Förderung sogar auf 
Jahre hinaus zu schlechten und teilweise verlustbringenden Preisen 
verschossen.* Erst der am 29. Juli 1893 beginnende und bis 
Ende Oktober dauernde Bergarbeiterausstand in den englischen 
Midlands brachte, zumal in den peripheren Absatzgebieten vom 
September anfangend, einen unerwartet lebhaften Absatz (Ge- 
schäftsbericht 1893). 

Die wichtigste Wirkung des Syndikats auf die Hibernia war 
eine bedeutende Steigerung des Unternehmergewinns, 
die an anderer Stelle noch naher dargelegt werden soll. Es 
darf daher nicht wundernehmen, wenn die Festschrift in be- 
geisterten Worten das Syndikat feiert Sie führt aus:* »Seit seinem 
Bestehen hat das Kohlensyndikat hinreichend Gelegenheit gehabt, 
seine Bewahrung nachzuweisen. Durch die Beseitigung des 
Kampfes von Mann gegen Mann um die Erziehung des taglichen 
Absatzes, durch seine Anpassung der Förderung an den Bedarf 
und durch eine der allgemeinen Lage der konsumierenden In- 
dustrien angepaßte Preisstellung ist das Syndikat zweifellos einer 
der wichtigsten Faktoren unseres Wirtschaftslebens geworden. Die 
bisherige Geschichte des Syndikats hat erwiesen, daß die Ver- 
zinsung des im Rheinisch-Westfälischen Kohlenbergbau angelegten 
Kapitals eine regelmäßigere und gesichertere als zuvor geworden, 
daß das Bergwerkseigentum in seiner Bewertung gestiegen und 
demnach dem Nationalvermögen bedeutender Zuwachs geworden 
ist In seiner festgefügten Organisation ist das Kohlensyndikat 
das Vorbild für den Zusammenschluß anderer Erwerbsstande ge- 
worden; es hat damit nicht allein das System des Kampfes aller 
gegen alle beseitigt, sondern durch den Zusammensdiluß der 
heimischen Produktion gegen die ausländische die erstere gestärkt 
und damit eine hochwichtige nationale Aufgabe erfüllt" 

Die Beteiligungsziffer der Gesellschaft beim Syndikat, die 
1893 nur 1589585 t betrug, belief sich am I.Januar 1905 auf 
5416500 t Kohlen, beim Kokssyndikat auf 749340 t Koks. Das 
Kohlenkontingent wird noch überragt von der Gelsenkirchener Berg- 
werksgesellschaft, die mit 7698000 1, und dem der Harpener Bergbau- 
gesellschaft, die mit 7240000 t Kohle am Syndikat beteiligt ist 
Hibernia kommt also in bezug auf die Beteiligung an dritter 
Stelle. 

• p. 18. 



116 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Die ganze Geschichte der Gesellschaft unter der Herrschaft 
des Kohlensyndikats ist erfüllt von dem brennenden Verlangen 
nach Erhöhung der Beteiligungsziffer Unter dem alten Ver* 
trage vom 16./19. Februar 1893 gab es dafür verschiedene Möglich- 
keiten. Die wichtigste war die Abteufung neuer Schächte. Jeder 
neue Syndikatsschacht bedeutete die Bewilligung einer Mehr- 
förderung von 120000 t. Dieser Modus wurde nun mit dem 
neuen 1903 zustande gekommenen Syndikatsvertrag verlassen. 
Nunmehr genügte die Anlage neuer Schächte nicht mehr, um eine 
Erhöhung der Beteiligungsziffer herbeizuführen. Es mufite daher 
ein neuer Weg gesucht werden, und dieser fand sich in dem Auf- 
kauf mit hohen Beteiligungsziffem versehener Bergwerke; dieselben 
wurden ganz oder teilweise stillgelegt und ihr Kontingent auf die 
Gesellschaft übertragen. Die Ursache des Kaufs lag also nicht so 
sehr in dem Erwerb des Bergwerks als vielmehr in dem Erwerb 
der Beteiligungsziffer. Auf sie allein kam es an. 

Von diesem Motiv liefi sich auch die Hibemia bei dem be- 
reits früher besprochenen Ankauf von Alstaden leiten. Ober 
das weitere Vorgehen heifit es in dem Geschäftsbericht von 1904: 
»Noch im abgelaufenen Jahre wurde der Schacht I der Zeche 
Alstaden stillgelegt und der Betrieb auf Schacht 11 konzentriert; 
es ist zunächst in Aussicht genommen, diesem Schacht eine Jahres- 
produktion von 230000 t zuzuweisen und den Rest der Beteili- 
gungsziffer auf die alten Hiberniazechen zu über- 
nehmen.* 

Bei dieser Zechenfusion stand der Kauflust der Hil)emia auf 
der einen Seite die Verkaufsneigung der Aktiengesellschaft Alstaden 
auf der andern Seite gegenüber Denn die Lage dieser letzteren 
Zeche war eine ungünstige. Sie teilte das Schicksal ihrer 
Schwestern im Süden. Die Produktionskosten waren hoch, die 
Arbeisleistung gering, die Möglichkeit des Fortbetriebs infolge- 
dessen nur bei hohen Magerkohlenpreisen möglich. Das Syndikat 
konnte in dieser Beziehung aber nur bis zu einer bestimmten 
Grenze gehen, zumal die Nachfrage nach Magerkohlen heute 
nicht mehr die alte ist * 

Noch in den 80er und 90er Jahren fanden die besseren, auf- 
bereiteten Produkte dieser Magerkohlenzeche infolge der gesteigerten 
Nachfrage zu Hausbrandzwecken (Heizung mit Dauerbrennern, so- 
genannten Amerikaner Ofen) guten Absatz. Aber in letzter Zeit 
traten Bedarfsänderungen ein. »Den Dauerbrenneröfen sind die 



1. Bef^gwerksgesellschaft Hibemia. 117 

Zentralheizungen gefolgt, ffir die die Magerkohlen nicht mehr den 
bevorzugten Brennstoff bilden. Auch der Fortschritt der Ziegeleien 
zum Ringofenbetrieb tut dem Verbrauch der Magerkohlen Eintrag, 
und die Hoffnung, dafi die Gaskraftmaschinen eine Belebung des 
Magerkohlenmarktes herbeiführen werden, ist ungewiß, da diese 
Maschinen immer mehr fär den überall erhältlichen Koks und 
weniger für die auf bestimmte Gegenden beschränkte Mager-(An- 
thrazit-) kohlen eingerichtet werden* (Denkschrift betreffend die 
Stillegung verschiedener Steinkohlenzechen p. 11). 

Um diese Schwierigkeiten wenigstens teilweise zu umgehen, 
werden auf Alstaden, wie schon angedeutet, die Magerkohlen zu 
Briketts geprefit 1904 gingen 19051 t in die Brikettfabrik. Der 
giOSte Teil allerdings, 92 192,5 t, wurden durch die Eisenbahn ab- 
gesetzt, der Gesamtabsatz betrug 139473,5 t, steht also zu dem 
Absatz der anderen Zechen der Gesellschaft in gar keinem Ver- 
hältnis. 

Fassen wir nun noch einmal ganz kurz das Wesentliche 
über die Produktions- und Absatzverhältnisse zusammen, 
so ergibt sich folgendes: Die Produktion ist stark gestiegen, 
der auf die Tonne Förderung entfallende Kapitalanteil 
gesunken. Der Absatz dieser Massenproduktion vollzieht 
sich hauptsächlich durch die Eisenbahnen, deren Tarif- 
politik den Absatzradius der Hibernia erweiterte. Frei- 
lich ohne eine annähernde Gegenleistung der letzteren. 
In hervorragendem Mafie nimmt sie an der Bekämpfung 
der englischen Kohle teil (Sternschanze in Hamburg). 
Von vielen andern Waren unterscheidet sich die Kohle 
dadurch, dafi sie längere Lagerung nicht verträgt Sie 
kann daher nicht auf Vorrat gefördert werden. Wirtschaft- 
liche Konjunkturen wirken infolgedessen einschneidender 
als bei Vorratsindustrien. Die beiden wichtigsten Mittel 
einer Wert- resp. Preiserhöhung waren die Einfuhrung 
bestimmter Größenklassen und der Obergang des Absatzes 
aufdas Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat, über des- 
sen Einflufi auf die grofien fusionierten Zechen bei der 
folgenden Gesellschaft noch Näheres gesagt werden soll- 

Wir haben nun noch das Ziel der Unternehmung zu be- 
trachten: den Gewinn der einzelnen Zweige. 

Die Bruttogewinne der Grubenbetriebe sind aus folgender 
Tabelle ersichtlich. 



118 



1. Bergwerksgesellschaft Hibernla. 



Bruttogewinne der Grubenbetriebe. 



Jihr 



Shamrock 
Mark |Pf. 



Shamrock 
UI/IV 



Mark 



PI. 



HiberaU 
Mark |Pt 



Wilhelmioe 
Viktoria 

Mark |Pf. 



SchUscl 
und Eueo 

Mark 



Pf. 



General 
BlumenthaJ 

Mark |Pf. 



Mark 



1873 
1874 
1875 
1876 
1877 
1878 
18791 
1880 
1881 
1882 
1883 
1884 
1885 
1886 
1887 
1888 
1889 
1880 
1891 
1882 
1893 
1894 
1805 
1896 
1897 
1898 
1899 
1900 
1901 
1903 
1903 
1904 



804989 
444526 
160538 



324692 

384249 

469697 

653255 

419546 

487821 

661046 

612482 

800974 

712965 

662186 

1388403 

1552825 

3206804 

2839256 

2105944 

1206683 

1246740 

1325353 

1179192 

1189442 

1337657 

1701339 

2450692 

1735958 

1663487 

1671562 

1512132 



184357 
655469 
1184965 
1414990 
1936214 
2215526 
3326457 
2776785 
2314060 
2164478 
1937572 



864300 
839851 
330680 
196952 
329785 
322262 
337725 
692161 
526784 
576460 
694604 
869495 
681140 
627188 
426570 
436980 
606186 
1763130 
978528 
288816 
VerLJJ6414 
72180 
217974 



322243 
344005 
560225 
719667 
365443 



231327 
351424 



204300 

206507 

1295404 

1349822 

515842 

435518 

623230 

831638 

884604 

1139426 

1164387 

1395696 

1803781 

1829835 

1175577 

1470011 

1506350 



VerL 72213 
227137 
677916 
1032640 
1382870 
2355387 
2106632 



I - 



31 



767598 



55 



1669289 
1284378 
491218 
549840 
654478 
706511 
807433 
1245416 
946330 
1064281 
1356651 
1481978 
1483114 
1340153 
10887S6 
2029684 
2369519 
6265338 
6167607 
29106Q8 
1824787 
2126809 
3030436 
3517351 
4066103 
47100S2 
6099934 
9038516 
7740664 
6788339 
7883766 
8070815 



Danach betrug der Gesamtgewinn aus den Grubenbetrieben 
in den 32 Jahren von 1873—1904: 99486834 Mark oder im 
Durchschnitt jährlich 3108963 Mark. Überblicken wir die Zahlen- 
reihen, dann fallen zunächst die riesigen Schwankungen ins Auge. 
Diese liegen zwischen 491 219 Mark im Jahre 1875 und 9038516Mark 
im Jahre 1900. In zweiter Linie aber fallen die enormen Gewinne 
auf, die seit der Vergröfierung des Unternehmens unter der Herr- 
schaft des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats erzielt wurden« 
Was die Zechen der Gesellschaft im einzelnen anbelangt, so kann 
es keinem Zweifel unterliegen, dafi die Gewinnergebnisse haupt- 
sächlich bestimmt werden durch Shamrock III/IV sowie Schlägel und 
Eisen, die heute in bezug auf die Rentabilität an der Spitze stehen. 

* In dieser Schlufisumme ist der 112895,19 Mark betragende Verlust aus 
dem Grubenbetrieb Alstaden abgezogen. 



94 
78 
72 
17 
33 
2S 
34 
79 



10 
OB 
S2 
97 

67 
14 



08 

40 
17 
TS 
36 
07 
08 
53 
94 
51« 



1. Bergwerksgeseilschaft Hibemia. 



119 






= 3s5^i5gS*?Jfe!esfe5S;3Se*S2ia8£5;5«eSS|Sm 









4, 






n 



I 

z 






1 £i 

1^ 









I ( 



F B 



21 






_ £ 
I« 



^ 



tf> 



1 

B 









II 






ü^s; I 



?J5 






Mir 



MM 



I M ( 



M M M M 



I I 



\ I 



I t 



f ( 



I I 



I } 



( I 



I 1 



i I 



I I 



I I 



1 \ I 



t I t 



I I I 



I I 



f \ I 



I I \ 



I I I 



I 1 r 



M M M M I r£SSS$^R£ 



f M jS§S§§g3 



M M M M M M M IS^ 



M 1 M M M M M M 



II 






MM s^:i^!$3tes:!:£33f^ s 



I 



I I 



I t 



I I 



I I 



I ( 



I I 



I I 



t \ 



} t 



I i 



I 1 



I I 



i 






I i 



S588SSS£5SiSS$S 









s;;8sn«s33eiS3'« 






ssa-sgessBeasgass ss!Sse6Kia«aoS568a 












I 



iiiiilliiSSilillSiiSiiiiSSfisSii 



120 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 



Als finanzielle Stützpunkte kommen in Betracht die Neben* 
betriebe. Die Bruttogewinne sind in vorstehender Tabelle spezialisiert. 

In den 32 Jahren von 1873—1904 warfen die in der Tabelle 
aufgeführten Nebenbetriebe (Kokereien, Gasfabriken und Ziege- 
leien einschließlich einer Schmier- und Brikettfabrik) im ganzen 
18 795601 Mark ab oder jähriich 587364 Mark. Die Schwankungen 
liegen hier zwischen 4904 Mark im Jahre 1889, in dem die Kokerei 
auf Shamrock einen beträchtlichen Verlust ergab, und 2 112268 Mark 
im Jahre 1900. Das Gewinnergebnis weist hier erheblich höhere 
Differenzen auf als beim Grubenbetrieb. An dem gesamten Brutto- 
gewinn in Höhe von 118282435 Mark sind die Nebenbetriebe 
mit 15,8% beteiligt. 

Von diesen Bruttogewinnen geht dreierlei ab: 

1. Zinsen der Anleihen.* 

2. Abschreibungen auf Inventarkonto.* 

3. Sonstige Abschreibungen. 

Nach Abzug dieser Posten ergibt sich der Reingewinn aus 
folgender Tabelle: 



1873 


: 2613809 Afbrk 


49 


Pf. 


1889: 


1642934 Matk 


43 


1874 


: 1304289 


»1 


12 


If 


1890: 


4361178 


>• 


57 


1875 


: 548478 


» 


58 


II 


1891: 


3714070 


t» 


64 


1876 


: 335391 


•» 


66 


II 


1892: 


1816103 


>l 


78 


1877 


498329 


>l 


25 


»1 


1893: 


973752 


>l 


21 


1878 


558352 


f» 


21 


II 


1894: 


1377.')50 


f» 


81 


1879 


700033 


>f 


79 


II 


1895: 


1804837 


II 


96 


1880 


1509503 


11 


36 


»f 


1896: 


2290451 


>l 


49 


1881 


835875 


>• 


71 


l> 


1897: 


2874354 


1» 


66 


1882 


1077266 


»» 


59 


>l 


1898: 


2739955 


»» 


28 


1883 


1222299 


*» 


52 


II 


1899: 


4410921 


»• 


72 


1884 


1291173 


»» 


73 


II 


1900: 


5663291 


>• 


21 


1885 


1277734 


ff 


47 


•1 


1901: 


5458459 


»» 


07 


1886 


1213524 


*t 


30 


ff 


1902: 


4365806 


»1 


88 


1887 


960234 


II 


24 


»1 


1903: 


5345408 


II 


84 


1888 


1544608 


II 


54 


>l 


1904: 


5366201 


•> 


67 



Aus diesen Reingewinnen werden dann die verschiedenen Re- 
servefonds dotiert. Ein Teil fließt in die Arbeiterunterstfitzungs- 
kasse — derselbe wird jedoch seit 1891 wahrscheinlich aus Steuer- 



* Es betrugen 








die Zinsen der Anleihen 


die Abschreibungen 


1900 


448180 Mark 


4604110^ Marli 


1901 


446180 . 


4001015,40 . 


1902 


441680 . 


3496946;!6 . 


1903 


524930 . 


3750038,80 . 


1904 


796213 . 


3750215.60 . 



1. Bergwerksgeseilschaft Hibernia. 



121 



räcksichten dem Gewinn vorweggenommen — hin und wieder, so 
1882 und 1883, wurden kleine Betrage an Krankenhäuser und Her- 
bergen zur Heimat gegeben, hauptsachlich aber kommt in Be- 
tracht die an den Aufsichtsrat gezahlte Tantieme. Was fibrig- 
bleibt, gelangt als Dividende zur Ausschüttung an die Aktionäre. 

Die Tantieme betrug im Jahre 1903: 255011 Mark. Der Auf- 
sichtsrat besteht aus 14 Mitgliedern. Das einzelne Mitglied er- 
hielt also eine Durchschnittstantieme von 18215 Mark. 

An Dividenden wurden gezahlt: 



1873 


2184000 Mark 130/o 


1889: 


1428000 Mark 


8V«o/o 


1874 


1008000 . 


6«/o 


1890: 


3192000 . 


190/0 


1875 


, 420000 . 


2»/iO/o 


1891: 


2688048 . 


120/0 


1876 


252000 . 


lVs«/o 


1892: 


1232022 . 


5ViO/o 


1877 


420000 . 


2V«o/o 


1893: 


896016 . 


40/0 


1878 


462000 . 


2»/«o/o 


1894: 


1232022 . 


5ViO/o 


1879 


560000 . 


3V»o/o 


1895: 


1680030 . 


7V«o/o 


1880 


1260000 . 


7Va»/o 


1896: 


2128038 . 


9V«o/o 


1881 


672000 . 


4»/o 


1897: 


2688048 . 


120/0 


1882 


896000 . 


5V»o/o 


1898: 


3088080 . 


120/0 


1883 


1008000 . 


60/0 


1899: 


3888144 . 


120/0 


1884 


1008000 . 


60/0 


1900: 


4892180 . 


150/0 


1885: 


1008000 . 


60/0 


1901: 


4978000 . 


130/0 


1886- 


924000 . 


5V«o/o 


1902: 


3940000 . 


100/0 


1887 


756000 . 


4V«o/o 


1903: 


4810000 . 


110/0 


1888: 


1260000 . 


7VaO/o 


1904: 


4950000 . 


110/0 



In diesen Zahlenreihen reflektieren sich deutlich die guten 
und schlechten Geschäftsjahre. Von 1873—1903 betrug die Divi- 
dende durchschnittlich 7,75%. Das Aktienkapital warf in den 
guten Geschäftszeiten 9,93%, in den schlechten 5,42% ab. In 
dem ganzen Zeitraum schwankte die Dividende zwischen lVa% 
(1876) und 19% (1890). Hingegen beträgt die Spannung zwischen 
dem Dividendendurchschnitt der guten und schlechten Geschäfts- 
jahre nur 4,55%. 

Rechnet man das letzte Geschäftsjahr 1904 noch hinzu, dann 
betrug die gesamte Durchschnittsdividende von 1873—1904: 7,85%. 
Im Gegensatz zu der später zu besprechenden Gelsenkirchener 
Bergwerksaktiengesellschaft ergibt sich jedoch für die Zeit nach 
den grofien Fusionen eine höhere Dividende als ffir die Zeit vor 
denselben. Die Dividende betrug im Durchschnitt der Jahre 1873 
bis 1886: 5,14%, von 1887—1904 aber 9,97%. Diese Tatsache 
hängt zusammen mit der guten Qualität der neuerworbnen Ob- 



122 



1. Bergwerksgesellschaft Hibernia. 



1889: 


244^0/0 


189Ü: 


193,750/0 


1891: 


122.000/0 


1892: 


101,800/0 


1893: 


115,900/0 


1894: 


136.600/0 


1895: 


169,000/0 


1896: 


180,600/0 


1897: 


209,600/0 


1898: 


197,300/0 


1899: 


221.600/0 


1900: 


193.200/0 


1901: 


164.100/0 


1902: 


178,200/0 


1903: 


217.200/0 



jekte, ganz abgesehen von der günstigen Konjunktur der zweiten 
Periode auf dem Kohlenmarkt. 

Als ein Spiegelbild der Erträge darf im großen und ganzea 
die Kursentwicklung angesehen werden. Die Ultimo-Kurse 
von Hibernia stellten sich an der Berliner Börse in den einzelnen 
Jahren wie folgt (Salings Börsenpapiere IL Teil 1904/05): 

1873: 107,500/0 

1874: 80,750/0 

1875: 43.000/0 

1876: 34,000/0 

1877: 40,000/0* 

1878: 46.000/0 

1879: 94,000/0 

1880: 99.750/0 

1881: 91,000/0 

1882: 86.500/0 

1883: 98.900/0 

1884: 96,400/0 

1885: 97,500/0 

1886: 97.900/0 

1887: 88,000/0 

1888: 131,500/0 

Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daß der Kurs in 
der kritischen Periode der 70er Jahre am tiefsten stand. Es 
war nicht so sehr das Ende des Jahres 1876, wo er seinen Tief- 
punkt erreichte, als vielmehr der Anfang von 1877, wo er auf 
20^/o herunterging. Mit dem Jahre 1879 setzt dann eine Kurs- 
besserung ein, die auch in den folgenden Jahren anhfllL 

Zu einer großen Aufwärtsbewegung der Kurse aber sollte es 
erst mit Beginn der Annexionsperiode im Jahre 1888 kommen. 
1889 steigt dann infolge der Preistreiberei auf dem Kohlenmarkt 
der Kurs sogar auf die bisher unerhörte Höhe von 244,50^/o. 

Die zweite große Aufwflrtsbewegung beginnt mit der Hoch- 
konjunktur von 1895 ff. In der darauf folgenden Krise von 1901 ff. 
gehen die Kurse wieder zurück, um im Jahre 1904 eine perio- 
dische Erhebung um lOO^/o zu erleben, die einzig dasteht 
in der Geschichte des Unternehmens. 

Betrachten wir zunächst diese spekulative Kurserhöhung näher 
im Detail. Noch Ende Februar 1904 stellte sich der Preis der Hi- 
bemia-Aktien an der Beriiner Fondsbörse auf 190^/o, Ende März auf 



* Im Saling ist 48 o/o angegeben, was mit der amtlichen Ktirsnotiz nicht 
abereinstimmt. 



1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia. 123 

195^/a Auf diesem Niveau blieb er im April und Mai, um dann 
zuerst langsam in die Höhe zu klimmen. Ultimo Juni betrug er 
206^0/0, 

Im Monat Juli beginnt dann der Kurs in einem beschleunigten 
Tempo zu steigen. Nach der Notiz im amtlichen Kursblatt der 
Berliner Fondsbörse stellte er sich 

am 5. Juli auf 208,300/o am 28. Juli auf 230,00o/o 

. 15. . . 211,500/0 . 29. . . 242.300/0 

. 16. . . 216,400/0 . 30. . . 247,100/o 

. 27. . . 221,000/0 

Dann avanciert der Kurs von einzelnen Rfickschlägen be- 
gleitet bis zum 19. August auf 271 ^/o, um bis zum 26. August 
wieder auf 259^5% herunterzugehen. Im September pendelt er 
dann um einige 270^/o herum. Im Oktober jedoch geht er noch 
einmal kolossal in die Höhe, um am 26. mit 290^/o seinen Zenit 
zu erreichen — in den folgenden Tagen wurde der Kurs ge- 
strichen. Am 31. Oktober und 1. November verharrte er noch auf 
dieser schwindelnden Höhe, um dann in den folgenden Tagen 
von Stufe zu Stufe herunterzustürzen. 

Niemals in der Geschichte des Unternehmens, vielleicht vom 
Jahre 1889 abgesehen, haben sich die Kurse so stürmisch ent- 
wickelt, wie in dem eben geschilderten Zeitraum. 

Anfangs war man sich über die Ursachen der spekulativen 
Aufwärtsbewegung an der Börse keineswegs im klaren. Als 
Im Juli die Kurssteigerungen ein sehr lebhaftes Tempo einzu- 
schlagen begannen als Folge gesteigerter Nachfrage, vermutete 
die Spekulation große Kombinationsprojekte in der rheinisch- 
westfälischen Montanindustrie. Noch am 25. Juli schrieb der Ber- 
liner Börsen-Courier üt>er die Kurssteigerung in Hibemia- Aktien 
folgendes: «Die Bewegung in den Aktien dieser Gesellschaft ge- 
staltet sich für die hiesige Börse immer mehr zu einer Sensation 
ersten Ranges. Nachdem die Aktien in den letzten Wochen durch 
die immer von neuem und systematisch durchgeführten Kflufe 
einer hiesigen großen Bank bereits um 25 ^/o gestiegen sind, 
setzten sie heute bereits etwa 6^/o über dem gestrigen Schlufi- 
kurse ein und sind im weiteren Veriauf der Börse noch um 
weitere 4V2^/o gesprungen. Der Beweggrund der Käufe bleibt 
nach wie vor in Dunkel gehüllt, wot>ei die allgemeine Annahme 
dabin geht, daß die Käufer mit der Aufsaugung des Aktien- 



124 1- Bergwerksgesellschaft Hibernia. 

besitzes weitgehende Fusionsprojekte verfolgen und die Bank, 
die an der hiesigen Börse als die Käuferin aufgetreten ist, dabei 
als Mandatarin einzelner Großindustrieller handelt Durch die 
großen Käufe sind die Verwaltungskreise der Gesellschaft alar- 
miert worden. Infolgedessen hat der Aufsichtsrat den Beschluß, 
6V9 Millionen Mark neue, zunächst mit 25^/o einzuzahlende Aktien 
auszugeben, gefaßt* 

Der Schleier, der fiber dem Geheimnis dieser Kurssteigerung 
lag, wurde auf einmal am 28. Juli gelfiftet, und zwar durch 
die Mitteilung des Wolffschen Telegraphenbureaus, daß der 
preußische Staat beabsichtige, die Hibernia zu erwerben. 
Am folgenden Tage erschien dann im Königlich Preußischen 
Staats- und Deutschen Reichsanzeiger die Verstaatlichungsofferte. 
Ihre Veröffentlichung war größtenteils veranlaßt und beschleunigt 
durch die starke spekulative Kurssteigerung, die sich in den 
Aktien der Hibernia vollzogen hatte. Die Offerte der R^enmg 
bot den Aktionären für je 3000 Mark des 53Vfl Millionen Mark 
betragenden Aktienkapitals der Gesellschaft Staatsschuldverschrei- 
bungen der 3^/0 konsolidierten Staatsanleihe im Nennwerte von 
8000 Mark mit Zinsscheinen für die Zeit vom 1. Januar 1905 ab. 
Das Angebot der Regierung berechnete sich nach dem damaligen 
Kursstande der Konsols zu 240%. Danach stellte sich der an- 
gebotene Gesamtpreis für die Zeche auf 128,4 Millionen Mark. 

Sehen wir uns nun vorerst den Plan des preußischen Fiskus 
etwas näher an. Zur Durchfährung der Transaktion hatte sich 
der preußische Handelsminister bereits am 16. Juni mit der 
Dresdner Bank in Verbindung gesetzt und derselben das Angebot 
gemacht, mit anderen Berliner Großbanken ein Syndikat zu bilden 
und nach und nach an der Börse so viele Hibemia-Aktien auf- 
zukaufen, als zur Erreichung der Majorität in der Generalver- 
sammlung nötig seien. Die Dresdner Bank verpflichtete sich in- 
folgedessen, mindestens 26,8 Millionen Mark, d. h. mehr als die 
Hälfte, für ihre Rechnung zu erwerben. Es handelt sich also nicht, 
wie vielfach fälschlich behauptet worden ist, um ein Kommissions- 
geschäft, sondern um ein Propregeschäft 

In dem Geschäftsbericht der Gesellschaft von 1904 ist das 
Angebot des Ministers an die Dresdner Bank vom 16. Juni ab- 
gedruckt Dasselbe lautet: »In Bestätigung unserer gestrigen 
mündlichen Abrede verpflichte ich mich im Einverständnis mit 
dem Herrn Ministerpräsidenten und dem Herrn Finanzminister, 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 125 

den gesetzgebenden Faktoren eine Gesetzesvorlage zur Genehmi- 
gung vorzulegen, welche die Kgl. Staatsregierung ermächtigt, 
die Aktien der Bergwerksgesellschaft Hibemia im Betrage von 
51000000 Mark, geschrieben EinundfQnfzig Millionen Mark, 
gegen eine Rente von 8%, geschrieben acht Prozent, in 37oigen 
Konsols für den Kgl. Preußischen Fiskus zu erwerben. Ich halte 
mich an dieses Angebot bis zum 31. Dezember ds. Js. gebunden, 
sofern Sie mir bis dahin den Nachweis erbringen, daß Sie, be- 
züglich die Dresdner Bank und das von Ihnen demnächst zu 
bildende Konsortium, imstande sind und sich stark dafür machen, 
mir bzw. meinem Amtsnachfolger den für die Durchführung des 
Erwerbes des gesamten Unternehmens erforderlichen Betrag des 
Aktienkapitals zur Verfügung zu stellen. Eine schriftliche Be- 
stätigung der Ihrerseits mündlich gemachten Zusage wird er- 
beten.* 

Aus diesem Briefe geht hervor, daß der Herr Minister auf 
Grund einer damals nicht mehr zutreffenden Angabe in Salings 
Börsenpapieren von 1903/04 sich in dem Glauben befand, das 
Aktienkapital d(r Hibemia betrage 51 Millionen Mark, während 
im Mai bereits eine Erhöhung um 2Va Millonen stattgehinden 
hatte. Der Minister, dem doch so außerordentlich viele Orien- 
tieningsmittel zur Verfügung stehen, kannte also nicht einmal das 
Grundkapital der Gesellschaft, die er zu erwerben gedachte. Erst 
später ist dann der Fehler berichtigt worden. 

Am Tage der Veröffentlichung durch den Reichs- und Staats- 
anzeiger trat dann die Regierung auch mit der Verwaltung der 
Hibemia in Verbindung. Dieselbe war offenbar indigniert dar- 
über, daß man sich erst in zweiter Linie an sie gewandt hatte. 
Der Attfsichtsrat beschloß in seiner Sitzung vom 1. August, die 
staatliche Offerte abzulehnen und dem Vorstande die Genehmi- 
gung, mit der Regiemng über den Entwurf eines die Einzelheiten 
regelnden Vertrages zu unterhandeln, nicht zu erteUen. 

Die Nachricht von der beabsichtigten Erwerbung der Berg- 
werksgesellschaft Hibemia durch den preußischen Fiskus erregte 
in allen industriellen Kreisen das größte Aufsehen. An der Ber- 
liner Börse trat eine wahre Hausseexplosion in Bergwerkspapieren 
ein. Diese Montanhausse hatte ihren letzten Gmnd in der Auf- 
fassung der Börse, daß die beabsichtigte Verstaatlichung der Hi- 
bemia der Anfang einer allgemeinen Verstaatlichung des ganzen 
rheiniscfa -westfälischen Kohlenbergbaus sei. Diese Legende wurde 



126 !• Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

für die Industrie- und die Bankwelt das Alarmsignal, alle Kräfte 
aufzubieten, um gegen die Verstaatlichung Front zu machen. 

Diesen Feldzug des koalierten Großkapitals gegen 
die Staatsmacht haben wir jetzt näher zu betrachten. 

Wie schon aus dem vorher Gesagten ersichtlich, bildeten sieb 
zwei Parteien. Die eine war der Fiskus und mit ihm liiert die 
Dresdner Bank und der mit ihr in Interessengemeinschaft stehende 
A. Schaaffhausensche Bankverein; die andere war das assoziierte 
Großkapital, vor allem die Berliner Handelsgesellschaft, Bleich- 
rOder, die Darmstädter Bank, die Diskonto-KomiiianditgeseUschaft 
' und die Deutsche Bank, die die Teilnahme an der Bildung eines 
Konsortiums zum Zwecke des Erwerbs der Aktien abgelehnt hatten. 

Die Gründe, warum die den Geldmarkt beherrschenden Banken 
verstaatlichungsfeindlich waren, liegen m. E. in folgendem: Erstens 
würden durch den Erwerb der Hibemia aus dem Börsenverkehr 53V9 
resp. 60 Millionen Mark Aktien ausscheiden, weil sie durch den Staat 
festgelegt würden. Zweitens entgingen den Banken die Gewinne» 
die aus weiteren Fusionen der Gesellschaft mit andern Zechen in 
Zukunft fließen könnten. Drittens verlören sie unmittelbar an Ein- 
fluß, denn ihre Direktoren sitzen im Aufsichtsrat und wirken mit- 
bestimmend für die Art der Geldvermehrung. Die Dresdner Bank 
z. B. ist im Aufsichtsrat von ca. 97 Aktiengesellschaften vertreten. 
Das waren die Gründe, die die haute banque bestimmten, sidi 
gegen den Versuch zu erklären, «einen der schönsten Steine aus 
dem Diadem der Börse herauszubrechen*. 

Dieser Gegnerschaft schlössen sich weiter an die Interessenten 
der Eisenindustrie, die von einer Verstaatlichung keine Verbilligung 
der Kohlen erwarteten, vor allen aber das Grubenkapital, d. h. 
die im Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat zusammengefaßten 
Zechen, an der Spitze die Hibemia selbst 

Am 27. August 1904 berief die Verwaltung der letztgenannten 
Gesellschaft eine außerordentliche Generalversammlung, um zu 
dem Verstaatlichungsprojekt Stellung zu nehmen. An derselben 
nahm nahezu das ganze Aktienkapital teil. Von den 53,5 Millionen 
waren 50346400 Mark, d. h. über 94 ^/o vertreten. »Eine pro- 
zentual so hohe Beteiligung,* schrieb damals ein Beriiner Finanzblatt 
(Börsen-Courier 28. August 1904), »ist noch niemals in der General* 
Versammlung einer großen Aktiengesellschaft zu verzeichnen ge- 
wesen.* Die Versammlung endete mit einem Siege der Anti- 
verstaatlichungsgruppe. Die Offerte der Regierung wurde von 



1. Bcrgwerksgesdlschaft Hibernia. 127 



92 Aktionären mit 29641400 Mark gegen 19 Aktionäre, die 
2651200 Mark vertraten, abgelehnt Die von der Dresdner Bank 
angemeldeten 18 Millionen Mark Aktien sind dabei nicht berück* 
sicbtigL 

Bestimmend für die Ablehnung waren folgende Gesichts- 
punkte. Zunächst die Gefahr, daß die Verstaaflichung der Hi- 
bernia nur der erste Schritt sei zur Verstaatiichung des ganzen 
KohIent>ergbaus. Eine solche Mafiregel aber würde die Ent- 
wicklung zum sozialistischen Zukunftsstaat beschleunigen. 
»Die Verstaaflichung des westfälischen Bergbaus*, sagte der 
Generaldirektor Geh. Bergrat Behrens nach der Frankfurter Zeitung 
vom 7. August 1904, »wird die reaktionärste Maßnahme bedeuten, 
die jemals getroffen worden ist Sie würde gleichzeitig den Staat 
zum Kollektivismus in ungeahnt kurzer Zeit führen und in der 
Riditung der Pflege des Staatssozialismus eine unübertroffene 
Leistung darstellen.* 

Aufier diesem volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt, der, wie 
wir noch sehen werden, trotz der damit verbundenen begrifflichen 
Unklarheit auch in den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses 
eine große Rolle spielte, wurde von der Verwaltung noch ein 
privatndrtschaftlicher Grund ins Feld geführt Dieser bestand 
darin, daß die staatliche Offerte kein genügendes Äquivalent 
biete. In Anbetracht der vortrefflichen Lage der Hibernia, so 
fährte der Leiter des Unternehmens aus, sei das, was der Staat 
den Aktionären geben wolle, viel zu wenig. Das Angebot der 
Staatsregierung entspreche einer 8^/oigen Verzinsung der Hibernia- \ 
Aktien in Konsols und einem Kapitalbetrage, welcher sich unter An- 
nahme des gegenwärtigen Kurses für 3^/oige Konsols auf ca. 240^/o 
stelle. Nun habe aber in den letzten zehn Jahren die Durchschnitts- 
dividende der Hibernia 11,03% betragen, in den letzten sieben 
Jahren sogar 12,07%. Die Verzinsung sei also 3 — 4% höher ' 
als der Staat die Werte einschätze. Aufierdem habe die Ver- 
waltung beständig große Abschreibungen und Rückstellungen ge- 
macht, in der Absicht, mehr für die zukünftigen als gegenwärtigen 
Erträgnisse zu sorgen. Sie habe umfangreiche Erwerbungen von 
Zechen, Kohlenfeldem, Kuxen und Kontingenten vorgenommen in 
dem Bewußtsein, dafi diese Besitztümer die derzeitigen Ergebnisse 
noch erheblich belasten, at>er in der Erwartung, daß sie, nutzbar 
gemacht, die Gesellschaft zu steigenden Einnahmen führen werden. 
Diesen Chancen, sowie der Entwicklung, die aus der Syndikats- 



128 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Verlängerung erwartet werden dürfe, trage die staatliche Offerte nicht 
Rechnung (Vossische Zeitung vom 2. August 1904). Aus diesen Aus- 
fährungen geht hervor, daß die vom Staat angebotene Rente, da sie 
niedriger sei als die Durchschnittsdividende und die zu erwartenden 
Mehrertragnisse nicht präeskomptiere, als eine Gegenleistung für den 
Verzicht auf die Zukunft nicht angesehen wurde. Dieser nackte jeder 
weitem volkswirtschaftlichen Einsicht bare Interessenstandpunkt eines 
durch und durch einseitigen Privatkapitalismus gab den Aussdilag 
zur Ablehnung. In dieser Generalversammlung wurde gleichzeitig 
eine Erhöhung des Grundkapitals von 53,5 auf 60 Millionen Mark 
durchgesetzt. Diese Kapitalsvermehrung war von dem Aufsichtsrat 
bereits am 26. Juli beschlossen worden, d. h. zu einer Zeit, als 
noch niemand innerhalb der Verwaltung eine Ahnung von den 
Verstaatlichungsabsichten der Regierung hatte. Die Erhöhung 
sollte der Befriedigung eines durch technische Maßnahmen er* 
forderten Geldbedarfes dienen, wie gleich noch näher gezeigt 
werden soll. Die Verhältnisse brachten es mit sich, daß sie außer- 
dem zu einem Mittel wurde, um die Machtstellung der 
gegen die Verstaatlichung opponierenden Majorität zu 
stärken. 

Auf die Veranlassung zur Ausgabe junger Aktien wird bereits 
in dem Bericht des Aufsichtsrates vom 26. Juni näher eingegangen. 
Danach handelte es sich um den Ankauf großer Sandfelder. Seit 
Mitte 1903 war auf Hibemia das Spülversatzverfahren ein- 
geführt worden. In dem genannten Jahre wurde für sieben Ab- 
baubetriebe der Bergeversatz, der früher durch Arbeiter ausgeführt 
wurde, nunmehr mechanisch durch eine 120 mm Röhrentour 
mittels Wasser hingespült Es handelt sich hier um einen weiteren 
Fortschritt in der Ersetzung der menschlichen Arbeitskraft Im 
Geschäftsbericht von 1903 wird ausgeführt, daß sich das Sand- 
spülverfahren gut bewährt. »Vor dem alten Verfahren hat es 
jedenfalls den Vorteil, daß der Versatz absolut dicht wird, was 
früher nicht immer zu erzielen war. Dieserhalb soll das neue 
Versatzverfahren noch bei weiteren Abbaubetrieben eingeführt 
werden, in denen jetzt noch Bergeversatz mit der Schaufel aus- 
geführt wird. Damit tritt für die Hibemia die Notwendigkeit 
heran, große Sandfelder zu erwerben und zu diesen eine Ver- 
bindungsbahn anzulegen.* Diese Sandfelder umfassen ein Terrain 
von 250 ha. Der Preis wird auf 360000—400000 Mark, d. h« auf 
1440 — 1600 Mark pro Hektar angegeben, während für die zu 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 129 

bauende Bahn etwa 2 Millionen aufgewendet werden müssen. 
Dazu kamen dann noch Ausgaben ffir Arbeiterkolonien und für 
Modernisierung der Kraftanlagen. Hieraus ergibt sich, daß es im 
Wesen des Betriebes liegende Gründe waren, die den ersten 
Sporn zur Kapitalserhöhung gaben. Die Verstaatlicbungsofferte 
war dann ein weiterer Antrieb zur Durchführung derselben. 

Um die jungen Aktien nicht in die Hände der Verstaatlichungs- 
anhänger gelangen zu lassen, wurde das Bezugsrecht der alten 
Aktionäre ausgeschlossen und der Aufsichtsrat und Vorstand er- 
mächtigt, »die Offerten solcher Personen und Institute abzulehnen, 
von welchen nach ihrem Ermessen anzunehmen war, daß von 
ihnen der Besitz der neuen Aktien benutzt werde, um den Fort- 
bestand der Gesellschaft zu gefährden* (Geschäftsbericht 1904). 
Durch diese Generalversammlung,* deren Beschlüsse von der 
Dresdner Bank im Prozeßwege,** allerdings mit negativem Er- 
folge, angefochten wurden, tritt eine vollständige Machtver- 
schiebung ein: Die von der Dresdner Bank und ihren Freunden 
erwort>enen 27552800 Mark Nominalaktien repräsentieren nicht 
mehr die Hälfte des nunmehr 60 Millionen Mark betragenden 
Aktienkapitals. Nach dieser Generalversammlung blieb der Regierung 
nichts anderes übrig, als den Besitz der Dresdner Bank an Hibemia- 
Aktien zu erwerben. Sie hoffte dabei vielleicht, daß sich im 
Laufe der Zeit die andere größere Hälfte der Aktionäre noch 
mit dem Obergang auf den Staat einverstanden erklären werde. 
Zu diesem Zweck brachte sie einen Gesetzentwurf*** ein, be- 
treffend die Beteiligung des Staates an der Bergwerksgesellschaft 
Hibemia zu Herne, der sowohl vom Abgeordnetenhaus als auch vom 
Herrenhaus zum Gegenstande eingehender Diskussion und Kritik 
gemacht, aber schließlich angenommen wurde. Damit wird, nach- 
dem auch die königliche Bestätigung erfolgt war, der preußische 
Staat Großaktionär der Hibemia. 



* Auch eine zweite Qeneralvenammlung am 22. Oktober 1904 lehnte die 
Vcfstaatlichtuigsofferte und die von der Dresdner Bank beantragte Aufhebung 
des Beschlusses auf KapitalserhOhung ab. 

** Eine ausfahrliche Darstellung der eingelegten Proteste und der sich 
daranschlieflenden Rechtsstreitigkeiten — die uns hier nicht weiter interessieren — 
findet sich im Geschäftsbericht von 1904 p. 11—13. 

•^ Unrichtig ist die Auffassung des Geschäftsberichts pro 1904, welcher 
achreibt: Die Regierung war bestrebt, dem zusammentretenden Landtage eine 
Vodi^ betreffend den Erwerb der Mehrheit der Hlbemia-Aktien zu machen. 

Stinich, NAtiooatakooomlKtac Fonchoagto, Bd. D. 9 



130 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

Sehen wir uns nun die Gesetzesvorlage,* ihre Begründung 
und parlamentarische Behandlung etwas näher an. 

Der § 1 lautet: Die Staatsregierung wird ermächtigt, von der 
Dresdner Bank zu Berlin Aktien der Bergwerksgesellscbaft Hi- 
bemia zu Herne im Nominalbetrage von insgesamt 27552800 Mark 
zu erwerben und zu diesem Zwecke einen Betrag bis zu 
69500000 Mark zu verausgaben. In der Begründung heifit es: 
»Nachdem das Rheinisch -Westfälische Kohlensyndikat durch den 
Vertrag vom 31. Dezember 1903 auf weitere zwölf Jahre (bis Ende 
1915) gesichert und durch den gleichzeitigen Beitritt der so- 
genannten Hüttenzechen und der sonstigen bisher noch außen- 
stehenden Werke auf eine breitere Grundlage gestellt war, bat 
sich im laufenden Jahre nach manchen Richtungen hin eine t>e« 
merkenswerte Verschiebung der Kräfteverhältnisse in der 
rheinisch -westfälischen Industrie vollzogen. Eine erheblidie An- 
zahl von Werken wurden mit größeren verschmolzen, und sodann 
ist auch innerhalb der größeren Unternehmungen durch Ober- 
gang bedeutenden Aktienbesitzes in wenige Hände eine Bildung 
von Interessengemeinschaften zwischen großen Kohlen- und Eisen- 
werken, sowie Kohlengrofihandel und Reederei angebahnt worden« 
Dieser Entwicklung gegenüber den staatlichen Einflufi durch Aus- 
dehnung des staatlichen Bergbaubetriebes zu verstärken, erschien 
als eine unabweisbare Notwendigkeit Sollte dieser Einflufi aber 
bald wirksam werden, so konnte es nicht zweckmäßig erscheinen, 
etwa durch eine verstärkte Inangriffnahme der im Jahre 1902 er- 
worbenen Steinkohlenfelder eine raschere Steigerung des fis- 
kalischen Bergbaubetriebes über das bisher vorgesehene Mafi 
hinaus, herbeizuführen, da ein derartiger rascher Ausbau der fis- 
kalischen Werke, soweit derselbe überhaupt möglich ist, ander- 
weitige schwerwiegende Nachteile im Gefolge haben würde . • . 
Unter diesen Umständen erwies sich als der einzig gangbare Weg, 
der staatlichen Verwaltung in Kürze einen angemessenen Einflufi 
im Ruhrreviere zu sichern, der Erwerb eines größeren, im vollen 
Betriebe befindlichen Bergwerksbesitzes — und hierbei mußte sich 
nach Lage der Besitzverhältnisse das Augenmerk vor allem auf 
die Bergwerksgesellschaft Hibemia richten, deren ältere Schacht- 
anlagen sich in günstigen Abbauverhältnissen bewegen, während 
die später erworbenen Berechtsamen, die sich um die Anlagen 

* Ihre Einbringung erfolgte am 21. November 1904. Die Plenarverhandliingen 
fanden am 29. mid 30. November 1904, am 21. und 23. Januar 1905 statt 



I. Bergwerksgesellschaft Hibernia. 13] 



von Schlägel und Eisen und General Blumenthal gruppieren, die 
zwischen den östlichen und den westlichen staatlichen Bergwerks- 
feldem befindlichen Lficken ausfüllen/ 

Aus dieser Begründung geht zunächst negativ hervor, daß 
für die Anteilnahme des Staates an diesem groSen Bergwerk 
soziale Motive überhaupt nicht mitgesprochen haben. 

Bei der Erwerbung ließ sich der Staat von drei Gesichts- 
punkten leiten: In erster Linie von dem Streben nach Sicher- 
stellung der Deckung des staatlichen Kohlenbedarfs für 
die Zukunft In immer steigendem Mafie legte das Großkapital 
die Unverkäuflichkeit von Kohlengruben fest Bereits im Jahre 
1902 hatte daher der Fiskus in Westfalen Kohlenfelder erworben, 
mn in Zukunft t>ei der Befriedigung des Staatsl>edarfs für Eisen- 
bahn und Marine möglichst unabhängig zu sein. Diese Gruben 
at>er waren 1904 noch in der Entwicklung t>egriffen und ver- 
ursachten infolge des Niederbringens von Schachten große Kosten. 
Infolgedessen wurde das Budget stark belastet Es handelt sich 
hier um vier große Doppelschachtanlagen: Gladbeck I/II, III/IV, 
Waltrop und Bergmannsglück. Aber es ist nirgends t>esonders 
hervorgehoben, daß als Motiv der Erwerbung der Hibernia der 
Gedanke maßgebend gewesen sei, die Überschüsse aus der letzteren 
zur Deckung der Aufschließungskosten des schon erworbenen 
staatlichen Betgwerkst>esitzes zu t>enutzen. Die Begründung er- 
wähnt mit Rücksicht auf den früheren Besitz nur ein technisches 
Moment, nämlich die Arrondierung des eben genannten 
Staatsbesitzes. Die nördlichen Grubenfelder der Hit>emia 
schieben sich nämlich in den staatlichen Felderbesitz gewisser- 
maßen hinein und füllen so eine Lücke aus. 

Aber die Begründung der Hibernia -Vortage geht über diesen 
früher leitenden Gesichtspunkt hinaus. Durch den Aktienerwerb 
soll der Staat auch Einfluß im Kohlensyndikat gewinnen, 
d. h. mit seinem Besitz auf eine gerechte Preisbildung hinwirken. 
Die Triebfeder war die Befürchtung, daß in Zukunft Ausschrei- 
tungen bei der Preisdiktatur des Syndikats vorkommen könnten. 
Nun kann nicht bezweifelt werden, daß die Gefahr des Mißbrauchs 
oder die Veriockung dazu t>ei allen Monopolen, und dazu gehört 
auch das Kohlensyndikat, eine große ist Aus diesem Grunde 
gingen die Motive davon aus, daß die Machtstellung des 
Syndikats beschränkt werden müsse. »Die Rücksichtnahme 
auf das öffentliche Wohl in dieser Organisation zu verstärken,* 



132 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

sagte der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben in der II. Lesung * 
•ist der Ausgangspunkt der ganzen Vorlage gewesen, die wir Ihnen 
hier gemacht haben.* Am geschicktesten ist dieser Punkt vertreten 
worden von dem freisinnigen Volksparteiler Oeser in der zweiten Le- 
sung der Hibemia- Vorlage am 21. Januar 1905. Er führte folgendes 
aus:** „Was mich nun ausschlaggebend in meiner Stellung zur Vorlage 
bestimmt, ist, daß, wenn der Staat die Hibemia bekommt, er dann 
moralisch*** verpflichtet ist, in das Kohlensyndikat einzutreten. 
Dann mufi der Regiemngskommissar seine Ffifie unter den 
Syndikatstisch strecken, mufi an den Beratungen teilnehmen. Und 
wenn er an den Beratungen mit teilnimmt, so haben wir hier im 
Hause das Recht, die Regiemng darüber zu interpellieren, ihr 
Verhalten zu kritisieren. So kommen wir auf diesem indirekten 
Wege selbst mit in das Kohlensyndikat hinein, so hat>en wir das 
Recht einer parlamentarischen Kontrolle dieses grofien und 
wichtigen Syndikats, und so können wir die Regiemng über die 
Einzelheiten befragen, sie tadeln oder aufmuntern. Das ist für 
mich der ausschlaggebende Gmnd in meiner Stellung zur Vor* 
läge. Die Aufhellung der Verhältnisse, die Klämng der Dinge 
ist es, worauf es ankommt* 

Nun läfit sich freilich gegen diese Argumentation manches 
einwenden. Der Staat war 1902 mit seinen neuen Zechen dem 
Syndikat nicht beigetreten. Als im Herbst 1903 das Syndikat 
vor seiner Rekonstmktion stand, boten die Unterhändler desselben 
dem Minister im Falle des Beitritts ein Vetorecht gegen Preis- 
erhöhungen an.t Dieses Vetorecht wurde abgelehnt, seine An* 
nähme hätte nichts anderes bedeutet, als eine Abwälzung der 
Verantwortlichkeit für Preissteigemngen auf den Staat Im übrigen 
hatte das Syndikat in den zehn Jahren seines Bestehens die 
Kohlenpreise derartig heraufgesetzt, dafi weitere Preiserhöhungen 
in Zukunft zwar nicht ausgeschlossen aber nicht wabrscbein* 
lieh waren. Die Einräumung einer so weit gehenden Kompetenz 
wäre also praktisch jedenfalls von keiner grofien Bedeutung ge* 
wesen. 

* Stenogr. Protokoll p. 8723. 

^ Stenogr. Protokoll p. 8721. 

^* Diese Auffassung ist einseitig. Der Staat ist in diesem Falle auch 
Juristisch verpflichtet, denn die Beteiligung am Syndikat beruht auf den 
Zechen, nicht aber auf dem Jeweiligen Besitzer, sei dies nun eine AktiengeseU- 
schaft oder der Staat 

t Bergmeister Engel im Qlfickauf 40. Jahrgang p. 977 ff. 



1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia. 133 

Es last sich weiter auch die Auffassung stark bezweifeln, ob 
der Fiskus überhaupt den Willen habe, mäßigend auf die Kohlen- 
preise einzuwirken. Man hat namentlich auf die Preispolitik des 
Staats im Saarbezirk hingewiesen» die mitunter noch rigoroser ist, 
als die des Kohlensyndikats. Ich möchte, was diesen Punkt an- 
belangt, hier ein Schreiben eitleren, das der Landgerichtsrat 
Scbmieding, der Vertreter des Wahlkreises Dortmund -Bochum, 
seinerzeit an die Verwaltung der Hibemia richtete, indem er sie 
zu ihrer Ablehnung der Regierungsofferte beglückwünschte. In 
diesem Schreiben heifit es über den als Erwerbsgrund angeführten 
preismäSigenden Einfluß, den der Fiskus auf das Syndikat aus- 
üben solle oder wolle:* »Ich habe den preußischen Fiskus in mehr 
als 20jähriger parlamentarischer Tätigkeit an der Arbeit gesehen 
und gehöre zu den Bewunderem der Leistungen der preußischen 
Bureaukratie. Aber auf dem Pfade mäßigender Preisbildung habe 
ich den Herrn Fiskus noch nicht entdecken können. ,Haifisch 
heißt es auf der See und Fiskus auf dem Lande,' sagte in diesem 
Sinne der bekannte, zu früh verstorbene Abgeordnete Freiherr 
V« Schorlemer etwas drastisch, aber doch nicht ganz mit Unrecht 
Deshalb hat sich auch das westfälische Kohlensyndikat in seiner 
Bildung der Kohlenpreise viel maßvoller gezeigt, als der preußische 
Fiskus im Saarbrficker Revier, wo ja die Idealzustände herrschen, 
welche die königliche Regierung jetzt anscheinend auch in West- 
falen herbeiführen möchte. In keinem Revier der ganzen 
preußischen Monarchie werden die Kohlenpreise höher 
gehalten, als an der Saar, wo der Fiskus als Allein- 
herrscher regiert, und ich glaube, die kohlenverbrauchende 
Industrie an der Saar würde Gott danken, wenn dort der 
Hskus auch im Kohlenbergbau eine energische Konkurrenz 
bekäme, welche ihn hinderte, unumschränkt sehr hohe Preise zu 
diktieren.« 

Ein weiterer Grund für die Beteiligung des Staates an der 
Hibemia lag darin, die großen Fusionsbestrebungen im 
niederrheinisch-westfälischenKohlenbergbau zu hemmen. 
Jedoch die Möglichkeit einer derartigen Verlangsamung des großen 
Konzentrationsprozesses ist bestritten worden. In der ersten Lesung 
der Voriage am 30. November 1904 ergriff der Abgeordnete Hirsch, 
Essen, das Wort und führte folgendes aus:** »Durch den Erwerb 

* MitgetdU im B.-B.-C vom 9. August 1904. 
♦• Stenogr. ProtokoU p. 7771. 



134 1* Bergwerksgesellschaft Hibernia. 



von 27 Millionen Aktien der Hibernia, ja selbst der ganzen Hi- 
bernia würde der Staat einem weiteren Umsichgreifen der Kon* 
Zentrierung, wie sie sich jetzt zu vollziehen begonnen hat, nicht 
entgegenwirken können. Einen EinfluS auf Fusionen, auf Interessen* 
gemeinschaften, auf Zusammenlegung von Eisenwerken mit Kohlen- 
werken, auf die Vereinigung beider mit Reedereien wird der Staat 
kaum auszuüben in der Lage sein ..." 

Diese Anschauung aber ist angewendet auf den konkreten Fall, 
um den es sich hier handelt, nicht zutreffend. Denn im vor- 
liegenden Falle bedeutet der Erwerb von Aktien durch den Staat 
das Ende der Fusionspolitik eines einzelnen Unternehmens. Die 
Hibernia wird in Zukunft nicht mehr in der Lage sein, 
neue Zechen anzugliedern. Die dazu erforderliche V4-Majofi- 
tat hat sie seit dem Eintritt des Staates unter ihre Aktionäre nicht 
mehr. Dieser hat jetzt die Möglichkeit, jede Hineinziehung dieses 
Unternehmens in Fusionsbestrebungen irgendwelcher Art zu in- 
hibieren. Es ist dies die wichtigste ökonomische Folge des Aktien- 
erwerbs durch den Staat Eine ganz andere Frage ist die, ob die groBen 
Zechenfusionen resp. Kombinationen von Zechen und Hütten, wie wir 
sie bei der Gelsenkirchener Gesellschaft haben, gehindert oder ge- 
fördert werden sollen. Die Motive der Hibemiavoriage gehen davon 
aus, daß es besser wäre, diese Bildungen zu hemmen. Wissenschaftlich 
ist diese Frage noch wenig untersucht Bei ihrer Beantwortung mufi 
man m. E. streng scheiden zwischen Fusionen auf der einen 
und Kombinationen auf der andern Seite. Im ersteren Falle 
handelt es sich um die Angliederung von Betrieben derselben 
Art, also von Zechen an Zechen. Im zweiten aber um Verkettung 
verschiedenartiger Betriebe, also z. B. von Hütten und Zechen. 
Wir werden in diesen Untersuchungen eine Reihe von Werken 
kennen lernen, die sich nicht fusioniert haben. Ein Vergleich 
mit dem von der entgegengesetzten Tendenz beherrschten aber 
ergibt, wie später noch im einzelnen gezeigt werden soll, dafi die 
in ihrem ursprünglichen Besitzstande verbliebenen Zechen besser 
gefahren sind als die Riesenuntemehmungen. Ganz anders liegen 
die Verhältnisse bei den Kombinationen. Hier habe ich im ersten 
Bande meiner »Nationalökonomischen Forschungen* dargel^ wie 
gerade die Kombination von Eisen und Kohle eine Waffe in dem 
Kampfe ist, den die Eisenindustrie um den Absatz ihrer Produkte 
führt, daß die Zusammenfassung der Kräfte verschiedener Produktions- 
stufen zur Erzielung größtmöglicher Wirtschaftlichkeit und giöBt- 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 135 

möglicher Verminderung der Produktionskosten eine notwendige 
Voraussetzung ihrer Bifite ist 

Soviel über die Grunde» die zur Einbringung der Vorlage 
fährten. 

In den parlamentarischen Verhandlungen über dieselbe 
sind zwei Standpunkte zum Ausdruck gekommen; der eine richtete 
sich gegen die Verstaatlidiung des Kohlenbergbaus im allgemeinen, 
resp. der Hibemia im besonderen, der andere trat für dieselbe ein. 

Als Gründe gegen die Verstaatlichung wurden solche sozialer, 
finanzieller, wirtschaftlich*technischer und politischer Natur ins Feld 
geführt, nämlich folgende. 

Die Verstaatlichung der Hibemia bedeutet einen weiteren 
Schritt auf dem Wege zum Staatssozialismus. Dieser Ge- 
Sichtspunkt wurde von mehreren Rednem hervorgehoben. So sagte 
der der freisinnigen Volkspartei angehörige Abgeordnete Cassel 
in der ersten Lesung:* «Wir glauben, daß wir durch die Verstaat- 
lichung ieiner Industrie nach der anderen allmählich zu einem 
sozialistischen Staatswesen gelangen.* In der zweiten Lesung 
führte er folgendes aus:** »Wir können aber nicht zugeben, daß 
man jeden beliebigen Betrieb, nur weU er Nutzen bringt, ver- 
staatlicht, weil das schließlich zur Ausbildung sozialistischer Staats- 
ideen und zur Umwandlung unseres Staates in den sozialistischen 
Staat führen würde, und ein solches Ziel bekämpfen wir ja alle.* 

Von derselben Idee erfüllt waren die Ausfühmngen des 
Handelskammersekretärs in Essen, des national liberalen Abgeordne- 
ten Hirsch. Er sagte in der ersten Lesung:*** »Die Verstaatlichung 
des Kohlenbergbaus würde dem preußischen Staat einen stark 
sozialistischen Zug verieihen; die Zahl der Menschen, die vom 
Staat ihren Unterhalt und alle Verbessemng des Lebens fordem, 
würde ins Ungemessene wachsen. In weiten Kreisen des Volkes 
würde die Verstaatlichung des Bergbaues als ein Siegdes 
staatssozialistischen und demokratischen Prinzips an- 
gesehen werden.* Auch in der Budgetkommission wurde von 
einem Mitgliede dieser Standpunkt vertreten :t »Wenn der Staat 
alle Produkte, deren er in seinem Betriebe bedarf, selbst hervor- 



* Stenogr. Protokoll p. 7693. 
** Stenogr. Protokoll p. 8669. 
•^ Stenogr. ProtokoU p. 7776. 

t Bericht der Budgetkommission Drucksache Nr. 532, Nr. 610 vom 
14. Januar 1905 p. 3. 



136 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

bringen sollte, dann steckten wir mitten im sozialistischen Staat 
drin." 

Die Verstaatlichung würde zweitens die Schuldenlast des 
Staates außerordentlich vermehren. In der Budgetkommission 
bezifferte der Finanzminister diese Erhöhung der Anlageschuld 
auf IV2 — 2 Milliarden Mark. Die preußische Staatsschuld, die 
gegenwärtig 7 Milliarden betragt, würde also bei dem Erwerb 
der Kohlenzechen durch den Staat um ca. 25% steigen. Dazu 
kommt die Schwierigkeit, die für den Erwerb durch den Staat 
darin liegt, daß eine Reihe Bergwerke mit anderen Betrieben 
kombiniert sind. Ein erheblicher Teil der Kohlengruben befindet 
sich im Besitz von Eisenhütten. Große Handelsuntemehmungeiu 
wie z. B. der Norddeutsche Lloyd, haben eigene Zechen, ebenso 
eine Anzahl Fabriken. 

Eines der wichtigsten Momente gegen die Verstaatlichung 
des Kohlenbergbaus aber ist drittens die Auffassung, daß das 
Staatsmonopol die Gefahr eines wirtschaftlichen und 
technischen Rückschritts in sich birgt Zwar steht dem Staat 
dieselbe technische und wirtschaftliche Intelligenz zur Verfügung, 
aber die Maßnahmen seiner Beamten sind gebunden an die Etats- 
Wirtschaft »Jede Forderung*, sagt Gothein,* »auch für eine kleine 
Anlage, für eine technische Verbesserung, für einen Versuch, muB 
etwa zwei Jahre vor Beginn der Ausführung für den Etat an- 
gemeldet werden, denn sie geht durch verschiedene Instanzen 
hindurch.* 

In den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses ist dieser 
Standpunkt hauptsächlich von zwei Seiten vertreten worden. Zu- 
nächst von dem schon erwähnten nationalliberalen Abgeordneten 
Schmieding. Derselbe führte folgendes aus: »Das Hauptbedenken 
gegen das gegenwärtige Vorgehen der Staatsregierung finde ich 
aber in dem wirtschaftlichen Rückschritt und in der Gefahr für 
unsere weitere wirtschaftliche Entwicklung in der Zukunft, die sich 
darin kundgibt, blühende Industrien, welche musterhaft im Privat- 
betriebe verwaltet werden, und zu denen gehört die Hibemia, und 
welche auch auf sozialem Gebiete gleichfalls geradezu Musterhaftes 
leisten, diese aus rein fiskalischen Gesichtspunkten in den schwer- 
fälligen Staatsbetrieb überieiten, ist m. E. kein Fortschritt, sondern 
wirtschaftliche Reaktion, und ich bedaure, daß ein liberaler Minister 



* Die Verstaatlichung des Kohlenbergbaus, Berlin 1905, p. 11. 



1. Bergwerksgesellschaft Hlbemla. 137 

dazu die Hand bietet . ." Ahnlich äufierte sich der Abgeordnete 
Cassel : »Wir befürchten, dafi, wenn unter Ausschlufi jeder Konkurrenz 
und Initiative von Privaten der Staat durch seine Beamten diese 
Industrie allein betreiben läfit, dann sie nicht femer auf den Stand- 
punkt der technischen und wirtschaftlichen Vervollkommnung ge- 
langen wird, auf den sich zu erheben und zu erhalten sie sich 
jetzt immer weiter bemüht"* Auf diese Einwände erwiderte der 
Minister Möller nach dem Bericht der Budgetkommission folgen- 
des: »Auch die Befürchtung, dafi durch die Verstaatlichung ein 
Rückschritt in den Betriebsverhaltnissen und Ergebnissen zu er- 
warten wäre, sei zurückzuweisen. Der Vorwurf einer gewissen 
SdiwerfäUigkeit des staatlichen Bergbaubetriebes sei allerdings in 
bestimmfem MaSe zutreffend, sei aber nicht begründet in den 
Persönlichkeiten, sondern vielmehr durch budgetare Verhältnisse." — 
Ein abschlieSendes Urteil über diese Frage erscheint mir jedoch 
erst dann möglich, wenn vergleichende Studien über die Verhält- 
nisse des öffentlichen Betriebes im Kohlenbergbau im Vergleich 
zum Privatbetriebe näheren Aufschluß geben. 

Von liberaler Seite wurde weiter betont, dafi die Ver- 
staatlichung dem Prinzip von der Nichteinmischung des 
Staates in wirtschaftliche Angelegenheiten, besonders in 
die Freiheit des Erwerbslebens widerspreche. . . .Durch ein 
solches Monopol," erklärte der Abgeordnete Cassel, »gerät die 
gesamte Industrie in eine Abhängigkeit vom Staat, die mit der 
wirtschaftlichen Freiheit der einzelnen Produzenten und auch mit 
ihrer bürgerlichen Selbständigkeit nicht vereinbar ist" Diese Aus- 
führungen basieren auf dem Prinzip des laisser faire, laisser passer, 
dessen Richtigkeit freilich von der Wissenschaft längst bezweifelt wird. 

Als letzter Grund gegen die Verstaatlichung wurde angeführt, 
daB mit einer Erwerbung der Kohlenzechen der Staat mit einem 
grofien Gewicht politischer Verantwortlichkeit belastet 
werde. In dem Bericht über die Verhandlungen der Budget- 
kommission heifit es hierüber: Auch müfite die Steigerung der 
politischen Verantwortlichkeit, wie sie sich namentlich für Streik- 
falle aus einer neuen erheblichen Vermehrung der Zahl der staat- 
lichen Arbeiter, zumal in den Gebieten mit so schwierigen Arbeiter- 
Verhältnissen, wie im rheinisch -westfälischen Kohlengebiet, erget>en 
würde, die schwersten Bedenken erregen. 



* Stenogr. Protokoll p. 7693. 



138 1- Bergwericsgesellschaft Hibemia. 

Das war das theoretische Rüstzeug, mit dem gegen eine 
Erwerbung des Kohlenbergwerks durch den Staat gekämpft wurde. 
Es waren fünf Gründe. 

1. Die Verstaatlichung der Hibernia ist eine sozia- 
listische Mafiregel. 

2. Sie vermehrt die Schuldenlast des preußischen 
Staats. 

3. Sie setzt an Stelle der Privatinitiative einen schwer 
beweglichen bureaukratischen Apparat, dessen Maß- 
nahmen vom Budget abhängen. Infolgedessen werden 
wirtschaftliche und technische Vervollkommnungen ver* 
zögert und gehemmt 

4. Die Verstaatlichung bedeutet eine Einschrinknng 
des privaten Erwerbshebens und der Freiheit privater 
Wirtschaftssubjekte. 

5. Sie belastet den Staat mit grofier Verantwort- 
lichkeit 

Besonders charakteristisch ist die Tatsache, dafi in den parlamen- 
tarischen Verhandlungen die Idee der Verstaatlichung der Hibemia 
vollkommen verquickt wurde mit der Auffassung von einer nahe 
bevorstehenden Verstaatlichung des gesamten Kohlenbergbaus. 
Die Hibemia-Aktion wurde gewissermaSen nur als das Präludium 
zu einer grandiosen, staatssozialistischen Operation betrachtet Es 
machte weder innerhalb noch außerhalb des Parlaments einen Ein- 
druck, dafi die Regierung durch das Wolffsche Tel^aphenbureau 
die Berichte als erfunden bezeichnen liefi, wonach der Staat aufier 
der Hibemia noch ausgedehnte Kohlenfelder zu erwerben t>e- 
absichtige. Trotzdem nicht nur die beteiligten Ressortminister, 
sondem auch das ganze Staatsministerium als solches die Er- 
klämng abgegeben hatten, dafi die Regiemng dem Gedanken der 
Verstaatlichung des rheinisch-westfälischen Bergbaus durchaus ab- 
lehnend gegenüberstehe, brach doch in den Debatten immer wieder 
die Auffassung durch, dafi es sich um den ganzen Kohlenbergbau 
und nicht um ein einzelnes Untemehmen handele. 

In den Plenarsitzungen des Abgeordnetenhauses erhob sich 
nur eine einzige Stimme für die Verstaatlichung sämtlicher 
Kohlenzechen. Es war dies der schon erwähnte, der süddeutschen 
Volkspartei angehörende, bei der freisinnigen Vereinigung hospi- 
tierende Abgeordnete Oeser. Er führte in erster Linie aus, daß 
die Kohle ein Monopol bilde und MonopoUen am besten auf- 



1. Bergwerksgesdlschaft Hibemla. 139 

gehoben seien in der Hand des Staates. »Wenn schon einmal 
ein Monopol geschaffen wird, dann — das sage ich offen — stelle 
ich mich lieber als unter die Oligarchie der Industriegewalt unter 
die Staatsgewalt; denn ich kann mit einem Geheimrat doch noch 
besser und eher fertig werden, als mit einem Großindustriellen, der 
lediglich seinen privatwirtschaftlichen Vorteil verfolgt, und dann ist 
doch auch noch das Abgeordnetenhaus, die Volksvertretung da, 
die im Bedruckungsfalle mitwirken kann, während wir eine Ein- 
wirkung auf die Industriegewalt einstweilen noch nicht besitzen." 
Da die Kohle das tägliche Brot der Industrie ist, der Ver- 
kauf desselben aber in den Händen einer monopolistischen Or- 
ganisation li^ so schädigen die einen Mißbrauch dieser Gewalt 
bedeutenden Ausschreitungen derselben das ganze nationale Er- 
werbsleben, und benachteiligen es unter Umständen zugunsten 
des Auslandes. »Wenn wir die Herrschaft über die Kohle ab- 
treten an rein privatwirtschaftliche Interessen, wenn wir in der Art, 
wie das Kohlensyndikat in der letzten Zeit, vorgehen, so erregt das 
Bedenken, weil dadurch die ganze Produktion geschwächt und unter 
Umstanden dem Auslande gegenüber in Nachteil gebracht wird."* 

In einem Leitartikel der Vossischen Zeitung (29. März 1905) 
werden diese Gründe der Verstaatlichungsfreunde in klarer Weise 
folgendermafien zusammengefaSt: „Ihre Meinung geht dahin, dafi 
allerdings jedes Monopol ein Obel sei; sei aber ein Monopol un- 
vermeidlich geworden, so sei das Staatsmonopol dem Privat- 
monopol gegenüber das geringere Obel. Der Inhaber des Privat- 
monopols sei auSerstande, andere Rücksichten zu nehmen, als 
diejenigen auf seinen Geldgewinn, während der Staat den Rück- 
sichten des wirtschaftlichen Lebens und des gemeinen Nutzens 
zugänglich sei. Und es sei besser, dafi der Gewinn, der mittelst 
des Monopols zu erzielen ist, dem Allgemeinwohl, als dafi er 
einer kleinen Anzahl von reichen Leuten zugute komme. Die 
Gefahr, dafi das Kohlensyndikat sich ein Privatmonopol ertrotze, sei 
aber so nahe gerückt, dafi sie kaum noch abwendbar erscheine" 

Noch eingehender verbreitet sich der nationalOkonomische 
Theoretiker Adolf Wagner über die Gründe, die für Staats- 
betrieb sprechen, obgleich er Anhänger des gemischten Systems 
zu sein scheint In seiner Grundlegung der politischen Ökonomie** 
spricht er sich darüber folgendermafien aus: 

* Stenogr. ProtokoU p. 8713. 
^ 3. Aufl., n. Teil, Leipzig 1894, p. 518 u. 516. 



140 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

„Bei dem geringen spezifischen Wert der Kohle, im Vergleich 
mit den Metallen, der ganz zufälligen geographischen Verbreitung 
der Kohlenlager im Lande und bei der universalen ökonomisch- 
technischen Bedeutung der Kohle in der heutigen Zeit eriangen 
die Besitzer der Kohlenwerke unschwer eine gewisse lokale Supre- 
matie, die es ihnen ermöglicht, den Preis der Kohle nach der 
Regel der Monopolpreise zu stellen. Diese Gefahr ist wohl zu 
erwägen. Sie spricht für die Zweckmäßigkeit, unter Umständen 
für die Notwendigkeit, gerade die Kohlenfelder, wenigstens die 
hauptsächlichen, im Eigentum und Betrieb des Staats zu haben. 
Dieselben können außerdem auch in technischer Hinsicht vom 
Staate gewöhnlich ebensogut als von Privaten, Genossenschaften 
und Gesellschaften bebaut werden, und ihre Produkte unteriiegen, 
von etwaiger einfacher Koksbrennerei abgesehen, vor dem Absatz 
keiner weiteren Verarbeitung. 

Auch der Umstand, dafi der Privatbergbau im Interesse der 
Sicherheit der Bauten und der Verhütung blofien Raubbaus» zum 
Nachteil künftiger Geschlechter, doch immer einer StaatskontroUe 
unteriiegen mufi, welche schon ein unbeschränktes Verfügungsrecht 
des Privateigentümers ausschliefit, spricht insofern mehr für Staats- 
bergbau, als hier von vornherein ein Interessenkonflikt zwischen 
Eigentümer und Verwalter einer- und Beaufsichtiger andererseits 
ausgeschlossen ist Endlich kommt die eigenartige Natur der 
Bergbauprodukte als beschränkt vorhandener, durch die Produktion 
sich also erschöpfender, sehr zufällig, horizontal wie vertikal, im 
Boden verteilter reiner Naturgaben von bestimmter natüriicher Art 
und Güte in Betracht Dafi diese für Private Renten gewähren; 
dafi beim Bergbau nach gegebenem Produktenbedarf je nach natür- 
licher Art und Gewinnungskosten der Produkte die Differential- 
grundrenten stark mitspielen; dafi unter Umständen Verhältnisse 
faktischer Monopole, einigermaßen wie beim Wohnungsboden, 
beim Bergwerksboden und dem Absätze der Produkte hervor- 
treten; dafi allgemeine volkswirtschaftliche Verhältnisse, Kom- 
munikations- und Transportwesen für Preise, Gewinne, Renten 
grofie Bedeutung erlangen, — das sind lauter Umstände, welche 
öffentliches, staatliches Eigentum an Bergwerksboden und Berg- 
werken sozialökonomisch betrachtet passender als Privateigentum 
der Privaten, auch der Erwerbsgesellschaften, erscheinen lassen. 
Die Betriebstechnik und Ökonomik des Bergbaus ist auch vielfach 
derartig, dafi öffentliche Behörden den Aufgaben gewachsen sind. 



1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia. Hl 



Die neuerliche Entwicklung des Bergbaus in der Form der Er- 
werbs-, besonders der Aktiengesellschaft, mit der Folge der Mobili- 
sierung des Bergwerkseigentums und der Einfügung der Berg- 
werksaktie unter die Spielpapiere der Börse, ist ebenfalls eine 
nicht erfreuliche Seite des Privatbergbaus/ 

So viel fiber die für die Verstaatlichung sprechenden Gründe. 

Das Schlußglied in dem Kampf gegen die Verstaatlichung der 
Hlbemia bildet der im Dezember 1904 erfolgte Zusammen- 
schlufi der Majorität der Aktieninhaber unter der Firma 
»Herne, Vereinigung von Hibernia- Aktionären G. m. b. H. in 
Berlin". Der Zweck dieser Gesellschaft, die von dem preußischen 
Minister für Handel und Gewerbe als Trotztrust bezeichnet 
wurde, ist der Erwerb und die gemeinsame Verwaltung von 
Aktien der Bergwerksgesellschaft Hibemia. Der Gesellschaft steht 
daher das Recht zu, Finanzgeschäfte aller Art abzuschließen, sowie 
Schuldverschreibungen auszugeben. Das Stammkapital beträgt 
36 Millionen Mark. Davon entfallen 18 Millionen auf das Kohlen- 
syndikat und die andere Hälfte verteilt sich mit je 3,6 Millionen 
auf folgende Bankhäuser: S. Bleichröder, Berliner Handelsgesell- 
schaft, Bank für Handel und Industrie, Deutsche Bank und Dis- 
konto-Gesellschaft Dieser Corner in Hibemia-Aktien wurde also 
vom Kohlensyndikat und dem koalierten Bankkapital zustande 
gebracht Er beweist, .wie sehr gewisse einflußreiche Kreise ge- 
willt sind, Sorge dafür zu tragen, daß durch Konservierung von 
großen Posten Aktien der leitenden Bergwcrksuntemehmungen 
des Ruhrgebiets für die Zukunft ein Schutz gegen weitergehende 
Verstaatlichungspläne geschaffen werde*.^ 

Die in der Gründung von Herne zum Ausdruck kommende 
Opposition des assoziierten Kapitals gegen die Staatsgewalt ent- 
behrt freilich jedes großen Gesichtspunktes. Mit Recht bemerkte 
Professor Schmoller in der Plenarsitzung des Herrenhauses vom 
15. Februar 1905:* »Die ganze Aktion der Hibemia, der Banken 
und des Kohlensyndikats war nach meiner Empfindung — und 
ich glaube auch unsere ganze Fraktion war dieser Ansicht — 
etwas kurzsichtig und aus momentanen Verstimmungen entsprun- 
gen. Es fehlte der weite Blick, der in die Zukunft sieht; man 
bemericte nicht, daß die ganze öffentliche Meinung Deutschlands 
auf Seiten der Regierung treten wird, wenn sie mit den denkbar 

• VoMlsche Zeitung vom U. August 1904. 
*• Stenogr. ProtokoU p. 668. 



142 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia. 

mildesten Mitteln die Aktion eines Ungeheuern Privatmonopols 
etwas mindern und korrigieren will' 

Fassen wir zum Schluß noch einmal die Phasen der Ver* 
staatlichungsaktion und ihre Begleiterscheinungen zusammen, so 
ergibt sich folgendes. 

Der Plan wurde eingeleitet durch Aufkaufe von 
Aktien an der Börse durch die Dresdner Bank. Die ge- 
heimnisvolle Kurssteigerung, die sich in Hibernia-Aktien 
vollzog und dieses Papier eine Zeitlang zur Favoritin der 
Börse machte, wurde von dieser anfangs falsch inter- 
pretiert, bis die Regierung am 28. Juli mit der Verstaat- 
lichungsofferte hervortrat Dies Angebot beantwortete 
die Spekulation im Glauben an weitere Verstaatlichungs- 
pläne mit einer Hausse in samtlichen Montanpapieren. 
Nun beginnt der Kampf um die Majorität Es bilden sich 
zwei Parteien. Auf der einen Seite steht die Regierung, 
unterstfitzt von der Dresdner Bank und ihren Freunden, 
auf der anderen das mobile Kapital der Berliner haute 
finance und die schwere Industrie. Die Entscheidung 
erfolgt in der aufierordentlichen Generalversammlung 
am 27. August 1904. Die Offerte wird abgelehnt, das 
Kapital der Gesellschaft um 6V2 Millionen Mark erhöht 
Darauf macht die Regierung dem preußischen Parlament 
eine Vorlage zum Zweck der Akquisition der der Dresdner 
Bank gehörigen, aber im Hinblick auf diese Vorlage er* 
worbenen Aktien. Als Grunde waren angesichts des 
großen, sich mit unheimlicher Schnelligkeit vollziehen* 
den Konzentrationsprozesses in der Montanindustrie 
maßgebend: das Streben des Staates nach Selbstbedarfs* 
deckung sowie nach Verstärkung der Macht im Ruhr- 
becken und Einfluß im Kohlensyndikat Trotz mancher 
Mängel in dieser Begrflndung wird die Vorlage Gesetz. 
Damit tritt der Staat als Großaktionär in die Hibernia 
ein. Schon vorher schließt sich die Gegenpartei zu einer 
Gesellschaft mit beschrankter Haftung zusammmen, um 
den nicht in der Hand des Staates befindlichen Aktien- 
besitz zu binden. Seit der Immobilisierung desselben 
findet Kursnotiz und Umsatz an der Börse — abgesehen 
etwa von einem gelegentlichen Angebot — in Hibernia- 
Aktien nicht mehr statt 



1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 143 



Das theoretische Räsonnement, das von der Re- 
gierung auf der einen und der opponierenden Partei auf 
der andern Seite für resp. gegen die Verstaatlichung der 
Hibernia bzw. des ganzen Kohlenbergbaus beigebracht 
wurde, und dessen Einzelargumente ich schon an anderer 
Stelle zusammengefaßt habe, ist ein wertvoller Beitrag 
ffir die Stellung, die man in unserer Zeit zur privat- 
kapitalistischen Wirtschaftsweise einnimmt Die Un- 
möglichkeit des Staates aber, das gewollte Ziel, die Er- 
werbung der Hibernia, zu erreichen, ist ein weiterer Beleg 
ffir die souveräne Machtstellung des mobilen Kapitals in 
der heutigen Volkswirtschaft 



2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 

Die Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft ist das gröBte 
vom anonymen Kapital beherrschte Unternehmen auf dem Gebiete 
des deutschen Kohlenbergbaus. Mit einem Aktienkapital von 
119 Millionen beutet sie heute ein Grubenfeld aus, das einen 
Umfang von 23639,9 ha hat, also SVimal größer ist als die 
Fläche, auf der Berlin steht* Mit diesem Kapital beherscht 
sie außerdem zwei große Gesellschaften der Eisenindustrie, 
deren Aktien gegen einen Teil der ihrigen ausgetauscht sind. 
Die Gesellschaft beschäftigt eine Arbeiterarmee, die sich im 
Jahre 1904 durchschnittlich auf 24069 Mann ohne Beamte bellet 
Sie besitzt gegenwärtig 10 Zechen oder 17 selbständige Schacht- 
anlagen mit 29 Förder- und 17 ausziehenden Wetterschäcbten. 
Sie förderte in dem genannten Jahre nahezu 6 Va Millionen Tonnen 
Kohlen. Ihre Beteiligung beim Rheinisch -Westfälischen Kohlen* 
Syndikat, an der sich in Zukunft schwerlich viel ändern wird, be- 
trug am 1. Januar 1905 7698000 t. Eine solche Förderung resp. 
Beteiligung weist keine andere Kohlengesellschaft in Deutschland 
auf. Wir haben es also mit einer Riesengesellschaft zu tun, 
und es entsteht von selbst die Frage nach den Ursachen und 
Triebkräften, die dieses kolossale Gebilde geschaffen haben. 

Es gibt in Deutschland keine zweite Gesellschaft derselben 
Art, bei der sich das entferntere Ziel der grofikapitalistischen 
Entwicklung, nämlich die Bildung riesiger Montankonzeme, schon 
jetzt so rein in seiner Nacktheit und Gröfie zeigte, wie bei der 
Gelsenkirchner Bergwerks-AktiengesellschafL Es ist daher für den 
Theoretiker eine Aufgabe von eignem Reiz, diese Grofimacht in 
ihrem Werdegang bis zur Gegenwart zu verfolgen. 

Wir können den Zeitraum des Bestehens der Gesellschaft in 
drei Abschnitte periodisieren. Der erste betrifft die Geschichte 
des Unternehmens von seiner Gründung bis zum Beginn 
der Annexionsära (1873 — 1881), der zweite die Fusions- 

• Das Areal der SUdt BerUn beträgt 63 qkm. 



2. Gdsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft 145 



Periode, in der an den ursprünglichen Besitz immer neue Zechen 
angegliedert werden (1882 — 1904), der dritte verbreitet sich aber 
die Anlehnung des Unternehmens an die Eisenindustrie 
(1905). 

Die Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft ist ein Kind 
der Grfinderperiode. Ihr Geburtstag ist der 3. Januar 1873. An 
diesem Tage gingen die in den Händen der französisch-belgischen 
Gesellschaft Charles Detillieux & Cie. befindlichen Steinkohlen- 
zechen Rhein -Elbe und Alma bei Gelsenkirchen mit allem Zu- 
behör an Gebäuden, Maschinen, Eisenbahnen usw. gegen einen 
Kaufpreis von 12720000 Mark in die Hände der neuen Gesell- 
schaft fiber. Die finanzielle Transaktion wurde von einem Kon- 
sortium durchgeführt, an dessen Spitze die Diskonto-Kommandit- 
gesellschaft stand. Das Aktienkapital, das erst sukzessive eingezahlt 
wurde, belief sich auf 13,5 Millionen Mark. Die neue Gesellschaft 
wurde mit einer Anzahl glänzender Namen illustriert Im Ver- 
waltungsrat saSen als Vorsitzender Adolf von Hansemann, femer 
Friedrich Grillo, weiter Ludwig von Born, der Generalkonsul Frei- 
herr A. von Oppenheim u. a. Um diesen kontrollierenden Apparat 
stärker mit den Interessen der Gesellschaft zu verketten, bestimmte 
das Statut, dafi jedes Mitglied des Verwaltungsrats Aktien der 
Gesellschaft im Nominalbetrage von wenigstens 4000 Taler be- 
sitzen und solche während der Amtsdauer im Archiv der Gesell- 
schaft deponieren müsse. ^ Diese Bestimmung liefi man später 
fallen. In die Direktion trat neben einem anderen Mitglied 
Emil Kirdorf, der heute als Generaldirektor der eigentliche 
Spiritus rektor der Expansions- und Machtpolitik des Unter- 
nehmens ist, ohne Zweifel ein kaufmännisches Genie und .ein 
Mann mit grofien weitblickenden, mit politischen und staats- 
männlschen Gesichtspunkten.*** 

Die Grubenfelder der erworbenen Schachtanlagen repräsen- 
tierten 761 ha. Sie überflügelten durch ihre Ausdehnung von 
vornherein die angrenzenden Berechtsamen. Hierzu gehörten 
Hibemia mit 207, Dahlbusch mit 400, Bonifazius mit 276, Holland 
mit 310V9, Zentrum mit SlOVa, Hannover mit 414, Königsgrube 
mit 310 Va ha. Im Jahre 1877 wurden die beiden getrennten 
Konzessionen, nämlich Rhein-Elbe mit 4 und Zeche Alma mit 3V9 
Gnibenfeldem konsolidiert. Nunmehr figurierte das Bergwerk unter 

« § 20 des Statuts. 

** SchmoUcr in der Sitzung des Herrenhauses vom 15. Febr. 1905. 
StllUch, NatfofMlOkonomUctac Fonchungcn, Bd. 0. 10 



146 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 



dem einheitlichen Namen ,Ver. Rhein-Elbe und Alma." Diese Kon* 
solidation war nicht ohne wirtschaftliche Bedeutung. Durch sie 
war die Gesellschaft in die Lage versetzt, die zu der einen oder 
anderen Anlage gehörigen Kohlenpartien von dem ihr am ge- 
eignetst erscheinenden Schacht abbauen und eine unterirdische 
Kommunikation der Grubenbaue beider Anlagen anstrel)en zo 
können, ohne an die Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden 
zu sein. Dieses Grubenfeld gehört wegen seines Reichtums an 
edler Kohle noch heute zu den besten der Gesellschaft. Rhein- 
Elbe und Alma sind noch jetzt die Perlen in ihrer Krone. Die 
Spateren Erwerbungen haben vielleicht mit Ausnahme von Ver. 
Stein und Hardenberg so günstige Ausbeutungsverhaltnisse nirgends 
mehr zu verzeichnen. Bereits im ersten Geschäftsbericht bdBt es 
fiber dieses Grubenfeld: »Die Felder von Rhein-Elbe und Alma 
befinden sich in der Mitte der Gelsenkirchner Mulde, besitzen 
also in erster Reihe samtliche ausgezeichnete Gaskohlenflöze dieses 
gesegneten Reviers, in nächster Folge aber alle im Oberbeigamts- 
bezirk bekannten, auf der Nachbarzeche Bonifazius in vorzfigUcfaer 
Beschaffenheit angefahrenen Fettkohlenflöze. Von den tieferliegen- 
den und mit den jetzigen Hilfsmitteln der Technik nur schwer zu 
erreichenden mageren Kohlenflözen sehen wir hierbei ganzlich ab, 
da der Kohlenreichtum der beiden Zechen gerade in den oberen 
leichter erreichbaren und wertvolleren Flözen als ein unerschöpf- 
licher betrachtet werden kann! Diese Auffassung hat sich be* 
statigL Noch heute baut Rhein-Elbe I/II in der Gasflamm- und 
Gaskohlenpartie, Rhein-Elbe DI in der Fettkohlenpartie und Alma 
in allen drei Horizonten. Ursprünglich bestand auf Rhein-Elbe 
bloS ein einziger Schacht, der seit 1861 im Betriebe war. Die 
Teufe desselben betrug am 1. Januar 1874 222 m. Es wurde dann 
ein zweiter Schacht niedergebracht, der aber erst im Jahre 1876 
die Gaskohlenpartie erreichte und damit in Förderung trat Die An- 
lagen waren damals zu einem Teil aus Holz aufgeführt, z. B. das 
Schachtgerüst und die Ladebühne. An Stelle dieses organischen 
Materials tritt dann Eisen. In dem Geschäftsbericht von 1877 
heifit es: .Nach Beendigung dieser Arbeit wird auch Rhein-Elbe 
in allen Teilen fertig stehen und kann diese Anlage mit voll- 
standig eisernem Schachtgerüst und Ladebühne zu beiden Schichten 
als eine der schönsten und vollkommensten Westfalens hingestellt 
werden." Heute besteht, wie hier gleich vorausgeschickt werden 
mag, Rhein-Elbe und Alma aus drei groBen modernen Schacht- 



2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 



147 



anlagen, die im ganzen vier Förder- und vier Wetterschachte auf- 
weisen. Die Belegschaft der beiden Zechen betrug nach den An- 
gaben der Denkschrift (Zur Feier des 25jahrigen Bestehens der 
Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft zu Rhein -Elbe bei 
Gelsenkirchen) 1873 980 Mann, die arbeitstaglich 900 t förderten. 
Die ersten Jahre des Bestehens der Gesellschaft waren für 
die Kohienindustrie im allgemeinen durchaus kritisch. Für die 
G. B. A. trifft dies Urteil nicht in dem Mafie zu, wie für andere 
Kohlenbergwerke. Sie schöpfte aus reichen Quellen, und der Um- 
schlag der Konjunktur konnte ihr weniger anhaben. Um der 
Situation in der Krisenperiode von 1873 — 1878 Herr zu werden, 
wurden drei Mittel ergriffen: 1. die Arbeiterzahl wurde bis 1876 
vermehrt, dann aber eingeschränkt, 2. die Förderung gesteigert, 
3. der Lohn reduziert. Durch diese drei Maßnahmen wurde es 
möglich, die Selbstkosten erheblich zu erniedrigen und damit ein 
Äquivalent gegen die standig weichenden Verkaufspreise zu ge- 
winnen. Das Nähere ergeben folgende Zahlen. 



jatar 


BdcgKluft 


FSrdviuig In 


Lohn pro 
Mann und 


Sclbttkotten 

pra t ia 

Mtfk 


VcrkaueMriM 






t 


SdddittB 
Muk 


taMvk 


1873 


1580 


362707 


4.41 


6.74 


15.19 


1874 


1630 


496269 


4.17 


6.17 


13,30 


1875 


1975 


576614 


3,67 


5.55 


935 


1876 


2020 


606300 


3.49 


5.42 


8,15 


1877 


1969 


668743 


3.24 


4.52 


6.33 


1878 


1972 


726029 


3.18 


3.97 


5,78 


1879 


1965 


763511 


3,03 


3.74 


5.35 


1880 


1910 


726169 


3.03 


3,81 


5.90 


1881 


1879 


744925 


3.02 


3.69 


6.03 



In dieser Zusammenstellung fallt vor allen Dingen die Ver- 1 
doppelung der Förderung von 1873—1881 auf. Sie hat den Zweck, 
die Selbstkosten zu senken. Dat>ei ist nicht zu vergessen, dafi 
dieses Verfahren in Krisenzeiten den Markt noch starker über- 
schwemmt Man sucht den Teufel durch Beelzebub auszutreiben. 
In der Pestschrift wird dieses Verfahren folgendermaßen motiviert: 
»Die einzelne Zeche konnte durch ihre Produktionseinscbrankung 
keinen EinfluS auf die Preisbildung ausfiben, wahrend die Selbst- 
kosten dadurch erhöht wurden. Es handelte sich also ffir jede 
Zeche darum, bei unverminderter Produktion den Absatz zu finden. 
Demzufolge blieben Überproduktionen und Preisrückgang konstant. 

10* 



148 2. Gelsenkirchner Bergwerks-AktiengeselUchaft. 

Immer von neuem unterbot eine absatzbedfirftige Zeche auch den 
bis dahin niedrigsten Preis, um nicht zu der Einschränkung der 
Förderung gezwungen zu sein und dadurch noch mehr zu ver* 
lieren/ Diese Mehrförderung erforderte einen Mehrabsatz« Dieser 
aber war nur möglich durch Unterbietung der Konkurrenz. Das 
konnte man aber nur mit der Waffe billiger Preise. Um diese 
stellen zu können, mufiten die Selbstkosten möglichst geringe 
sein. Daher sinken die Löhne pro Mann und Schicht von 1873 
bis 1881 von 4,41 auf 3,02 Mark. Femer ermöglichten der Ge- 
sellschaft die günstigen Flözverhältnisse und die erheblich ge* 
stiegene Arbeitsleistung, die Selbstkosten bedeutend unter 
dem Durchschnitt der Konkurrenz zu erhalten. Die Leistung des 
einzelnen Arbeiters betrug in der Schicht: 

auf Rhein-Elbe auf Alma auf Rhein-Elbe auf Alma 



1873: 


1189 t 


767 t 


1877: 


1398 t 


966 t 


1874: 


1244. 


910. 


1878: 


1537. 


1070. 


1875: 


1316. 


895. 


1879: 


1566. 


1103. 


1876: 


1296. 


863. 









Mit den durch diese drei Momente (reduzierte Löhne, günstige 
Flözverhältnisse und hohe Arbeitsleistung) unter Zugrundel^^ng 
der Massenförderung bedingten niedrigen Selbstkosten, die in dem 
genannten Zeitraum von 6,74 auf 3,69 Mark pro Tonne sinken, wird 
es möglich, den von 15,19 auf 6,03 Mark fallenden Verkaufs- 
preisen sich anzupassen, ohne daS die Spannung zwischen beiden 
so gering geworden wäre, daß ein Gewinn nicht mehr fibrig blieb. 
Mit diesem Kampfmittel billiger Preise auf der Basis niedriger 
Selbstkosten wird nun die Konkurrenz aus dem Felde geschlagen 
und der Absatzmarkt erweitert «Als erfreuliches Moment,* heifit 
es in dem Geschäftsbericht von 1874, »vermögen wir anzuführen» 
dafi trotz der ungünstigen Geschäftslage der Absatz auf unsem 
Zechen im ganzen verflossenen Jahre und selbst in den stillsten 
Monaten nicht im geringsten gestockt hat, was vor allem der vorzüg- 
lichen Qualität unserer Kohlen zu danken ist, so dafi wir den Um- 
schlag der Konjunktur weniger hart empfunden haben als die meisten 
anderen Zechen." Die Kohle, die auf dem inländischen Markt 
keine genügenden Preise erzielte, wurde ins Ausland versandt 
Bereits im ersten Geschäftsjahre, in dem die D^route auf dem 
Kohlenmarkte noch nicht voll eingetreten war, wird ein mehr- 
jähriger Vertrag mit der Pariser Gasanstalt abgeschlossen. Im 
folgenden Jahre gelingt es, die Kohle bei den städtischen Gas- 



2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengeselischaft 149 

werken in Berlin einzuführen. 1875 beginnt ein nicht unerheblicher 
Export nach Belgien. 

Am meisten hatten unter der Krisis die geringeren Kohlensorten . 
zu leiden, für die »selbst zu den niedrigsten Preisen kein ge- 
nügender Absatz mehr zu schaffen war.** Zeitweise sah sich 
auch die G. B. A. gezwungen, Kohle aufzustapeln. So hatte im 
Februar 1878 das Werk einen Bestand von über 95000 Zentner 
feiner Kohle Wiederholt wird dann, um der empfindlichen Ab- 
satzstockung zu begegnen, die Förderung durch tageweises Ein- 
stellen erheblich beschränkt, es werden also Feierschichten eingelegt. 

Weiter mußte die Gesellschaft den Händlern Konzessionen . 
machen. Infolge des schlechten Geschäftsganges in der Industrie 
war sie genötigt, den meisten Kontrahenten Beschränkungen ihrer 
Bezüge von 30, ja 50% resp. erhebliche Preisermäfiigungen zu- 
zugestehen. ,In anderen Fällen mufiten wir," heißt es in dem 
Bericht von 1874, »gegen Reugeldzahlung in die Auflösung der 
Kontrakte willigen, um größeren Verlusten und Differenzen vor- 
zubeugen." Im Jahre 1874 betrugen diese Reugelder nicht weniger 
als 76806 Mark. Trotzdem ist das Resultat infolge der vorher 
erwähnten Ursachen ein durchaus günstiges. Es betrugen die 
Dividenden: 



1873 


1940625 Mark 


23»/o«* 


1878 


810000 Maik 


60/0 


1874 


2295000 . 


170/0 


1879 


810000 . 


60/0 


1875 


1350000 . 


100/0 


1880 


945000 . 


70/0 


1876 


1012500 . 


7V«o/o 


1881 


1012500 . 


7V«o/o 


1877 


742500 , 


5V«o/o 









Es wurden also an die Aktionäre ausgezahlt im ganzen 
10918125 Mark, oder durchschnittlich jähriich 1213125 Mark oder 
934^/0 Dividende. In dieser ganzen Periode bleibt das Aktien- 
kapital stabil. Es betrug 13,5 Milionen. Eine Anleihe wurde nicht 
aufgenommen. Hingegen wurde der Reservefonds, der 1873 erst 
224506 Mark ausmachte, durch allmähliche Speisung bis auf 
1242928 Mark im Jahre 1881 gebracht, d. h. von 1,66% auf 
9,21% des Aktienkapitals. Aus den Geschäftsberichten ergibt 
sich, dafi der Reservefonds nicht ein sog. blofier Bilanzreservefonds 
war, d. h. tätiges Geschäftskapital repräsentierte, um das die Aktiven 
höher gehalten wurden als die Passiven, sondern einen in Wert- 



* Oeschlftsbericht 1876. 
^* pro rata der atikzessiven Einzahlitiigeii. 



150 2. Oelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft. 

papieren wirklich vorhandenen Fonds darstellte. In dem Geschäfts- 
bericht von 1878 wird folgendes ausgeführt: »Aus unseren, nach 
Bestreitung aller Neuanlagen der letzten Jahre allmihlidi an- 
gesammelten flfissigen Geldmitteln konnten wir mit Genehmigung 
des Verwaltungsrats im verflossenen Jahre einen Betrag von Nominal 
800000 Mark 4%ige PreuS. Konsols und Deutsche Reichsanleihe 
behufs entsprechender zinsbarer Belegung des Reservefonds an- 
kaufen, was den besten Beweis für die günstige finanzielle Situatioii 
unserer Gesellschaft liefert/ und in dem Bericht des folgenden 
Jahres heifit es: »Diese zinstragende Disponibilitat unseres ganzen 
Reservefonds, sowie der Umstand, dafi unserm Gewinn- und Verlust- 
konto per Saldo 64634 Mark aus dem Zinsenkonto zugeflossen 
sind, geben einen erneuten Beweis für die günstige finanzielle 
Lage der Gesellschaft/ Aufier der Ansammlung von Reserven 
ist noch der Abschreibungen zu gedenken, die in dem genannten 
Zeiträume im ganzen nicht weniger als 2787424 Mark ausmaditen. 

Diese Bemerkungen mögen genügen, um die ersten neun 
Jahre in der Entwicklungsgeschichte der Gesellschaft, die Zeit der 
Stabilität, zu kennzeichnen. 

wahrend in der eben beschriebenen Periode die Ruhe und 
Unveränderiichkeit des Besitzes und des Aktienkapitals das charakte- 
ristische Moment sind, ändert sich dieser Zustand in der Folge- 
zeit. Mit dem Jahre 1882 beginnt das Unternehmen seine Basis 
zu erweitem. Eine Expansion großen Stiles setzt ein. Zu Rhein- 
Elbe und Alma kommen neue Zechen. Dieser auf dem Wege der 
Konzentration erweiterte Besitz aber bildet die Grundlage der 
Führerrolle, die sich die G.B.A. in der Vertretung der Unter- 
nehmerinteressen des rheinisch -westfälischen Kohlenbergbaus 
zuerteilt. Ein machtausstrahlender Riesenbesitz wird 
der Mittelpunkt ihres neuen Programms. Der Umschwung, 
der damit in der Geschichte der Gesellschaft eintritt, wurde in 
erster Linie hervorgerufen durch die Erkenntnis, dafi die schlechte 
Lage der Kohlenindustrie in den 70 er Jahren durch die Über- 
produktion bedingt sei. Um diese zu beseitigen, mufiten 
die Zechen sich zusammenschliefien und in bezug auf Preise 
und Produktion einheitlich vorgehen. Die ersten Versuche, dieses 
Ziel zu erreichen, fallen ins Jahr 1878. Es bildete sich eine 
Preisvereinigung für Gaskohlen, 1881 eine solche für Gasflamm- 
kohlen. 1880 und 1881 wurden weiter Forderkonventionen ins 
Leben gerufen (ebenso 1885 und 1886; 1885 auch die Vereinigung 



2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 151 

der Fettkohlenzechen und Koksanstalten des Oberbergamtsbezirks 
Dortmund). Aber alle diese Konventionen, die geschlossen wurden, 
blieben machtlose Gebilde und zerfielen. Der Grund, warum 
sie keine Änderung auf dem Kohlenmarkt herbeizuführen 
vermochten, lag aber in letzter Linie in der Zersplitte- 
rung des Bergwerksbesitzes. Jede der vielen einzelnen Unter- 
nehmungen verfuhr nach ihren egoistischen Interessen. Eine 
ständige Disharmonie zwischen Angebot und Nachfrage auf dem 
Kohlenmarkt mufite die Folge sein. Die Richtigkeit dieser Auf- 
fassung, daß die große Zahl der selbständigen Bergwerke einen 
Hemmschuh fär die früherwachenden Einigungsbestrebungen 
bildet, klar erkannt, und die Konsequenzen daraus gezogen zu 
haben, ist ein Verdienst der G.B. A. Sie ist die erste gewesen, die 
eine große Fusionspolitik inaugurierte und dadurch zum Vorbild 
wurde für die gleichgearteten, aber, wie wir schon bei Hibemia 
sahen, später einsetzenden Bestrebungen einer ganzen Reihe anderer 
Zechen. Es wurde damals mit großem geschäftlichen Scharfblick 
für die Zechen des Nordens erkannt, was den Zechen des Südens 
heute noch fehlt: die Notwendigkeit der Zusammenlegung zu 
größeren Betriebseinheiten.* Bereits in dem Geschäftsberichte von 
1881 wird anläßlich der Erwerbung der ersten Zeche das Pro- 
gramm mitgeteilt, das die weiteren großen Ankäufe motivieren 
and rechtfertigen sollte. Alle Ausführungen desselben kreisen um 
den Konzentrationsgedanken. Dieses Expose lautet folgender- 
maßen: »Nachgerade wird allseitig anerkannt, daß die mißliche 
Lage, in welcher die deutsche, insbesondere die rheinisch-west- 
fUiscbe Kohlenindustrie seit einer Reihe von Jahren vielfach sich 
befunden hat, wesentlich auf das Mißverhältnis zurückzuführen 
ist, in welchem die Produktion zur Konsumtion sich befindet Dieses 
Verhältnis ist nicht hervorgerufen durch einen Rückgang in der * 
Konsumtion; im Gegenteil, der Kohlenverbrauch ist in einer fort- 
währenden sehr erheblichen Zunahme begriffen, die sich speziell 
für das rheinisch -westfälische Kohlengebiet auf ca. 8 bis 10% 

* So heißt es 2. B. In einem Geschäftsbericht von Louise Tiefbau: ,J)ie 
Gesundung unseres ganzen sadwestfflÜKhen Bergl>aus hangt von einer ver- 
nflnftigen Zusammenlegung des verzettelten Fdderbesitzes unter gleichzeitiger 
Still^ung einer Reihe von Schachtanlagen ab. Zechen von 500 bis 600 t 
Tagesforderung sind im aligemeinen nicht mehr lebensfähig, denn 
es ist ganz undenkbar, fOr eine solch geringe Förderung alle die komplizierten 
Einrichtungen, die eine moderne Zechenanlage in sich vereinigen mufi, zu schaffen 
and in Betrieb zu halten." 



152 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 

beziffert hat, und also in wenigen Jahren eine geradezu fiber- 
raschende Steigerung aufweist In noch höherem Grade als der 
Konsum ist jedoch die Produktion gesteigert worden, und die 
letztere hat nicht vermocht, sich in ein rechtes Verhältnis zu dem 
Bedarf zu setzen. Man hat in den letzten Jahren versucht, diesem 
Übelstande durch Förderkonventionen abzuhelfen. Aber auch diese 
nur mit Mühe zusammengebrachten Vereinbarungen scheiterten 
nach kurzem Bestände wiederum an der groSen Zersplitterung 
des rheinisch-westfälischen Grubenbesitzes und an der Vielköpfig* 
keit seiner Verwaltungen. In dieser überaus groSen Zersplitterung 
ist u. E. hiemach der Hauptgrund dafür zu suchen, daß die 
rheinisch -westfälische Kohlenindustrie trotz der jährlich in so 
hohem Grade steigenden Nachfrage nicht zu einem befriedigenden 
Ergebnis gelangen kann. Die Übelstände dieser Zersplitterung 
treten zunächst in der kaufmännischen Verwaltung der Kohlen- 
zechen zutage. Im rheinisch-westfälischen Gebiete befinden sidb 
weit über 200 Kohlenzechen, alle mit gesonderter kaufmännischer 
Verwaltung. Demzufolge wird bei sinkender Tendenz auf dem 
Kohlenmarkt die eine Zeche fortwährend von der anderen unter- 
boten, und bei dem allgemeinen drängenden Angebot gilt der 
heute geforderte niedrigste Preis morgen bereits als Marktpreis, 
den wiederum zu unterbieten, diejenigen Zechen sich beeilen, 
welche noch einen Teil ihrer Förderung unterzubringen haben. 
Da die meisten Zechen für ihre Tiefbauanlagen an Wasserhaltungs- 
und sonstigen generellen Unkosten mit mehr oder weniger fest- 
stehenden Ziffern zu rechnen haben, so bemüht man sich, durch 
Vermehrung der Förderung diesen gegebenen Betrag auf eine 
größere Leistung zu verteilen und so die Selbstkosten für den 
einzelnen Zentner zu ermäfiigen; jede einzelne Zeche, in der 
Hoffnung, diese vermehrte aber billiger gewordene Förderung noch 
zum Marktpreise verkaufen zu können. Weil aber, wenn auch 
nicht alle, so doch die meisten Zechen ebenso verfahren, geht 
der Marktpreis weiter hinunter. Trotzdem ist jede einzelne Zeche 
für sich allein mehr oder weniger gezwungen, ihrerseits bei diesem 
Verfahren zu bleiben, weil eine Reduktion der Förderung, ohne 
daß die anderen sich anschließen, die Selbstkosten bedeutend er- 
höhen, auf den Marktpreis aber keinen merkbaren Einfluß aus- 
üben würde. Die zersplitterte Verwaltung ist also der Grund, 
weswegen die Konsumtion fortwährend von der wirklichen Pro- 
duktion der Zeit und dem Preise nach überholt wird. Erst dann. 



2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 153 

■ ■ ■ - — . ■ ^ ■■ ■ , ■ 

wenn die Konsumtion an der Grenze der Produktionsfähigkeit 
angelangt ist, können die Marktpreise in die Höhe gehen, tun es 
aber dann zum größten Nachteil sowohl der beteiligten Industrie 
als einer gesunden Entwicklung überhaupt in sprunghafter Weise 
bis zu QbermäSiger Höhe, denn die vielfach zersplitterten Ver- 
waltungen sind durchweg auf der andern Seite ebensowenig im- 
stande, für die Produktionsfähigkeit in spätem Jahren entsprechende 
Vorsorge zu treffen. Bei der lange Zeit herrschenden ungen Agen- 
den Rentabilität sind die meisten Zechen nur bemfiht, die vor- 
handene Produktionskraft durch möglichst groSe Förderung mit 
möglichst geringen Selbstkosten momentan auszunutzen; alle An- 
lagen dagegen, welche momentan mit Kosten verbunden sind, 
aber für die Zukunft einen rationelleren Betrieb und eine ver- 
mehrte Förderung gestatten würden, werden mehr oder weniger 
verschoben resp. unterfassen. Hiemach pflanzen sich auch die 
Dbelstände der bisherigen Zersplittemng auf das mit dem kauf- 
männischen Gebiete zusammenhängende technische Gebiet fort 
und erschweren die Aufstellung und Durchfühmng rationeller 
technischer Betriebspläne. Femer tritt das vom Bergbau untrenn- 
bare Risiko bei den regelmäßig nur mit ein bis zwei Schächten 
arl)eitenden Gmben viel einschneidender an den Tag. Irgend ein 
Unfall an der Maschine bringt häufig die ganze Zeche zum Er- 
liegen, während ein größerer Betrieb die nötigen Reserven bieten 
würde, um die erforderiiche schleunige Abhilfe zu treffen und zu- 
gleich den kaufmännischen Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. 
Diese Ursachen erklären es auch, weswegen man die Kapital- 
anlage im Kohlenbergbau als eine etwas gefährliche ansieht, für 
welche eine besonders hohe Risikoprämie im Erbtige geboten 
erscheint, während andererseits die durchschnittliche Rentabilität, 
wie mehrfach nachgewiesen, nicht einmal dem landesüblichen 
Zinsfuß entsprochen hat 

Die vorerwähnten Übelstände wirken um so nachteiliger, als 
der Kohlenbergbau nur in sehr beschränktem Umfange und immer 
nur mit Nachteilen für die Güte der Kohlen es gestattet, größere 
Vorräte anzusammeln und als hiernach die in andem Betriel)en 
sowohl mit der BUdung als mit dem Absatz von Vorräten ver- 
bundene Preisregulierang beim Kohlengeschäft nur wenig zur 
Geltung kommen kann, auch eine Rückwirkung großer Vorräte 
auf die Produktion mehr oder weniger durch den bereits erwähnten 
Umstand ausgeschlossen wird, daß gegenwärtig eine Einschränkung 



154 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 

der Produktioa durchweg mit Erhöhung der Selbstkosten verbunden 
ist und eine zeitweise gänzliche Einstellung des Betriebes, wie sie 
bei den meisten anderen Industriezweigen möglich ist» für Tief- 
bauanlagen das sofortige Erliegen der ganzen Zeche und somit 
einen groSen Kapitalverlust zur Folge hat Würde indes die Pro- 
duktion der Konsumtion besser angepaßt, könnten die kaufmännischen 
und technischen Dispositionen rationeller und rechtzeitiger getroffen 
werden und fände sich das einmal vorhandene Risiko auf eine 
größere Zahl von Betriebspunkten verteilt, so würde nicht bloB 
ein höherer, sondern auch ein mehr gesicherter Ertrag erzielt. 
Die größere Stabilität der Produktions- und Rentabilttatsverbältnisse 
in dem weniger zersplitterten Grubenbesitz an der Saar liefert 
hierfür eine Illustration. Sobald den Bergwerkspapieren eine gröSeie 
Sicherheit und Stabilität des Ertrages gegeben wird, erscheinen 
dieselben durchaus geeignet, das durch die Verstaatlidiung der 
meisten Eisenbahnen so sehr eingeschränkte Gebiet der soliden 
Dividendenpapiere wieder einigermaßen zu ergänzen. 

Es kann hiemach keinem Zweifel unteriiegen, daß die Bildung^ 
größerer Komplexe für den Kohlenbergbau sowohl für den kauf- 
männischen wie für den technischen Betrieb mit allen Kräften an- 
gestrebt werden muß. Selbstverständlich ist der Gedanke einer 
auch nur teilweisen Unifizierung von vornherein auszuschließen. 
Das hieraus folgende Monopol wäre auch im Interesse der beteiligten 
Konsumenten keineswegs zu wünschen. Würden indes im rheinisch- 
.westfälischen Kohlengebiete auch nur 10 bis 15 größere Ver- 
waltungen neben einer Anzahl kleinerer Zechen bestehen, so sind 
diese größeren Verwaltungen doch vielmehr in der Lage, über die 
Bedürfnisse des Marktes, etwaige Einschränkung der Produktion usw. 
in freier Weise sich zu verständigen, ohne daß gerade an 
den Abschluß bindender Förderkonventionen gedacht zu werden 
braucht — wie eine solche freie Verständigung beispielsweise in 
der englischen Großindustrie regelmäßig stattzufinden pflegt Auch 
würden derartige größere Verwaltungen schon für sich allein im- 
stande sein, von den ihrerseits zu treffenden Dispositionen eine 
entsprechende günstige Wirkung für die eigenen Absatzverhältnisse 
zu erzielen, während bei der jetzigen maßlosen Zersplitterung 
eine Anzahl Zechen von einer solchen durch die Marktlage dringend 
gel>otenen Einschränkung des Betriebes regelmäßig alle Nachteile 
für den eignen Betrieb zu tragen hat, ohne für den Absatz ihres 
Produkts entsprechende Vorteile zu haben, da der Ausfall in der 



2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft. 155 



Produktion regelmäSig durch MehrfOrderung von anderer Stelle 
ausgeglichen und somit eine Erleichterung des Marktes und eine 
Aufbesserung der Preise vereitelt wird." 

Diese theoretischen Ausführungen stellen die Rechtfertigung 
der Expansionspolitik dar, die den Inhalt eines neuen Abschnitts 
in der Entwicklungsgeschichte der G. B. A. bildet Wir haben nun 
im folgenden diesen Aufsaugungsprozefi mit seinen Begleit- 
erscheinungen ausfuhrlicher zu skizzieren. Er beginnt 1882 mit 
dem Ankauf der Zechen Ver. Stein und Hardenberg. Diese 
beiden Zechen liegen etwa 4 km nördlich resp. nordwestlich von 
Dortmund bei den Dörfern Eving und Lindenhorst Ihr Erwerb 
vollzog sich unter Modalitäten, die wir in den Grundzügen auch 
bei den meisten folgenden Akquisitionen wiederfinden werden. 
Ehe der Kauf perfekt wurde, übernahm die G. B. A. erst ein Jahr 
den technischen und kaufmflnnisdien Betrieb auf beiden Zechen, 
um sich ein Urteil über die Zweckmäßigkeit des Ankaufes zu 
bilden. Zu diesem Zwecke wurde durch ein Konsortium, welchem 
aufier den Hauptgewerken der beiden Zechen die Direktion der 
Diskontogesellschaft, der A.Schaaffhausensche Bankverein, Salomon 
Oppenheim, Elzbacher & Co. und Friedrich Grillo angehörten, 
80 konsolidierte Kuxe aufgekauft und nach dem Erwerb derselben 
folgender Vertrag abgeschlossen: .Die Direktion der G. B. A. fiber- 
nimmt den Betrieb des konsolidierten Bergwerks Ver. Stein und 
Hardenberg auf die Dauer eines Jahres für Rechnung der Ge- 
werken und erhält das vertragsmäßige Recht eingeräumt, innerhalb 
dieser Frist den gesamten Besitz des Konsortiums mit 891 Kuxen 
(einschließlich der bereits verkauften 80 Kuxe) zum nämlichen 
Selbstkostenpreise zuzüglich der Zinsen und abzüglich der zu ver- 
teilenden Ausbeute unter Zahlung des Kaufpreises in Gelsenkirchener 
Bergwerksaktien zu erwerben." Ich brauche nicht erst zu betonen, 
welche wichtige Rolle bei dieser Transaktion die Bankiers der Gesell- 
schaft spielten. Ohne ihre Mitwirkung würde es wahrscheinlich 
gar nicht zu erreichen gewesen sein, »daß die Gewerken der Zeche 
ihren Besitz ein ganzes Jahr lang der uneingeschränkten Verwaltung 
des nur eventuellen Käufers übertrugen.* Das ganze Risiko fiel 
hiernach während des Probejahres dem Konsortium allein zu. Wie- 
viel die Banken dafür erhalten haben, wird nicht näher angegeben. 
Daß ihr Gewinn nidit klein gewesen ist, läßt sich aus folgender 
Bemerining des Geschäftsberichts der 0. B. A. von 1881 schließen. 
Dort heißt es: »Daß für ein solches Risiko eine angemessene 



156 2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft. 

Prämie bezahlt werden muS, entspricht dem Charakter jeder 
kaufmännischen Unternehmung, und ohne die billige Berfick- 
sichtigung dieses Umstandes wurde das rationellste Objekt der ge- 
schäftlichen Grundlage entbehren und somit undurchführbar sein.' 
Die Gesellschaft behielt sich das Recht vor, sowohl in bar als auch 
in Aktien zu zahlen. Der Ankaufspreis betrug 7,2 Millionen Mark, 
wozu noch eine Anleihe von 600000 Mark kam. Um diese Mittel 
aufzubringen, wurde daher 1882 das Grundkapital durch Ausgabe von 
6750000 Mark junger Aktien von 13500000 auf 20250000 Mark 
erhöht« 

Durch den Erwerb von Stein und Hardenberg erhielt das alte 
Grubenfeld der G. B. A. einen nicht unbeträchtlichen Zuwachs» denn 
die Berechtsame der neuen Zechen betrug 2458,25 ha. Sie war 
also 3 Vi mal größer als die von Rhein-Elbe und Alma. .Verleiht 
schon diese bedeutende Größe", heißt es im Geschäftsbericht von 1881, 
»der Zeche Ver. Stein und Hardenberg einen hohen Wert, so wird 
derselbe noch wesentlich erhöht durch die fiberaus günstigen Lage- 
rungsverhältnisse und den großen Flözreichtum innerhalb ihrer 
Berechtsame." Die Erwerbungen beginnen also mit dem Ankauf 
eines guten Objekts, was gegenüber den späteren Ankäufen be- 
sonders hervorgehoben werden muß. Aber die beiden Zechen 
waren erst in der Entwicklung begriffen. Sie gehörten vorher 
einer Gewerkschaft Es liegt aber in der Natur des gewerkschaft- 
lichen Betriebes, daß manche Anlagen und Dispositionen nur zur 
Befriedigung des momentanen Bedürfnisses resp. unter Vermeidung 
größerer Geldausgaben getroffen werden. Das ändert sich mit 
dem Übergang in die Hände einer kapitalkräftigen Aktiengesell- 
schaft Nunmehr stehen für die Anlagen die nötigen Fonds zur 
Verfügung, um Verbesserungen und einen rentableren Betriebsplan 
durchzuführen. Die G. B. A. konnte den Betrieb rationeller ge- 
stalten als die alte Gewerkschaft, auch wenn sie daran, wie wir 
später sehen werden, durch die Vereinigungsbestrebungen in der 
Kohlenindustrie anfangs vielfach gehindert wurde. Zunächst wird 
das Prinzip der Massenproduktion eingeführt Die Förderung be- 
trug 1881 nur 400 — 450 t pro Tag; das zu erreichende Ideal 
waren 1000 bis 1250 t »Hierzu war vor allem eine kräftige In- 
angriffnahme sämtlicher Vorrichtungsarbeiten und die Herstellung 
einer geregelten lebhaften Wetterführung erforderiich und ebenso 
die Schaffung einer unterirdischen Verbindung der beiden Schädite 
Fürst Hardenberg und Minister Stein, durch welche dieselben und 



2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 157 

die auf ihnen beschäftigten Arbeiter gegen die Gefahren eventueller 
Wasserdurchbrfiche vollständig gesichert sein sollten."* 

Auch die Arbeiterwohnungsfrage, die bisher ganz vernach- 
lässigt worden war, wird in Angriff genommen. In jedem Herbst 
machte sich auf Fürst Hardenbe^ Arbeitermangel bemerkbar. .Es 
bleibt, da nur auf der Grundlage einer ständigen und seßhaften 
Arl>eiterbevölkerung eine regelmäßige bedeutende Förderung zu 
erzielen ist, zur Deckung des Arbeitsbedfirfnisses noch viel zu tun 
fibrig, was uns bereits veranlaßt hat, im Anschluß an die vor- 
handenen, neun vierfache Arbeiterwohnhäuser zu errichten, deren 
bequeme und geräumige Wohnungen schnell vergriffen waren."* 

Infolge der erwähnten Umstände, die mit dem früher gewerk- 
schaftlichen Betrieb, der später zu behandelnden Fördereinschränkung 
durch Konventionen und vor allem der Arbeiterfrage zusammen- 
hängen war in den ersten Jahren die Entwicklung der beiden Zechen 
eine nur langsame. Mit Bezug auf den letzterwähnten Punkt heißt 
es in dem Geschäftsbericht von 1883: .Auf Fürst Hardenberg ist, 
wenn gleich der Betrieb in dem Vorjahr ein durchw^ regelmäßiger 
war, ein Rückgang infolge der mißlichen Arbeiterverhältnisse ein- 
getreten. Die schwierige Gewinnung bei dem harten Kohlen- 
vorkommen daselbst gestattet nur mit eingeübten Leuten eine 
lohnende Arbeit, während gerade das Vorjahr bei etwas gebesserten 
Lohnverhältnissen einen stärkeren Arbeiterwechsel brachte . . . Unsere 
Bestrebungen aber, uns den durchaus notwendigen seßhaften Arbeiter- 
stamm heranzuziehen, scheitern an dem Widerstreben der betreffenden 
Gemeinden, indem diese dem Bau und der Erweiterung unserer 
Arbeiterkolonien durch unerfüllbare Anforderungen auf Grund des 
Kolonisierungsgesetzes vom August 1876 ein Hindernis entgegen- 
setzen, welches nur auf dem Instanzenweg und erst in langer 
Frist zu beseitigen sein wird. Inmittelst hoffen wir, daß die private 
Bautätigkeit dem Bedfirhiisse einigermaßen entgegenkommen wird.* 

Auch von Unfällen blieben die beiden Zechen nidit ver- 
schont 1882 erfolgte auf Fürst Hardenberg ein Seilbruch, dem 
25 Bergleute zum Opfer fielen. Der Bruch des Seiles wurde auf 
eine plötzliche Unterbrechung in der Fördergeschwindigkeit zurück- 
geführt Dieser Unglücksfall war die Veranlassung zur Einführung 
eines Kontrollmechanismus, den wir bereits bei Hibemia näher 
kennen lernten. »Die Lehre,* schreibt die Verwaltung, .welche 



* Geschäftsbericht 1881. 



158 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 



wir im Interesse einer möglichsten Sicherung des Betriebes aus 
diesem beklagenswerten Unglück glauben ziehen zu müssen» geht 
dahin, daß es sich empfehlen wird» samtliche Fördermaschinen, 
welche auch zur Menschenförderung dienen, mit zuverlässigen Ge- 
schwindigkeitsmessern zu versehen, die in Form graphischer Dar- 
stellung die jederzeitige Geschwindigkeit der Maschine registrieren.* 

Ein zweiter Zechenzukauf findet im Jahre 1887 statt, indem 
die Zeche Erin bei Castrop mit einer Berechtsame von 1006,75 ha 
in das Eigentum der G. B. A. übergeht Wahrend bei der vorigen 
Zeche der Probebetrieb ein ganzes Jahr in Anspruch nahm, sollte 
er hier die Dauer von längstens sechs Monaten nicht überschreiten. 
In dieser Frist erklarte sich die G. B. A. bereit, die Kuxe der 
Gewerkschaft von dem Konsortium, das wiederum unter Führung 
der Diskontogesellschaft stand, nämlich 5559600 Mark mit einer 
Anleihe von 2000000 Mark in Summa also 7559600 Mark zum 
Selbstkostenpreise zu erwerben. Die Bezahlung erfolgte in Aktien der 
Gesellschaft, und zwar zum Parikurse. Das Konsortium übernahm 
die Garantie dafür, daS der Reinertrag der Zeche jahriich mindestens 
5^/o des Nominalbetrages der in Zahlung gegebenen Aktien ausmache 
Hiergegen erhielt es für die Dauer von zehn Jahren die Hälfte des 
6 ^/o übersteigenden Reinertrages der Zeche Erin. Es handelt sidi also 
nicht um eine feste Vergütung, sondern um eine Gewinnbeteiligung. 

Wir haben es hier mit der Akquisition eines Bergwerks 
zu tun, das eine nicht fleckenlose Vergangenheit 
hat Die Zeche mit dem keltischen Namen ist eine aus den 50er 
Jahren stammende Gründung Mulvanys. Ihr Schicksal ist ver- 
knüpft mit der 1866 gegründeten .Preußischen Bergwerks- und 
Hütten-Aktiengesellschaft", der außer Erin noch die Zechen Hansa 
und Zollem gehörten, die spater ebenfalls in den Besitz von 
Gelsenkirchen übergehen sollten. Diese Gesellschaft geriet infolge 
schlechter Geschäfte und Finanzen 1877 in Konkurs. Mit dem 
Mangel an Kapital dieser unglücklichen Gesellschaft hangt die 
ganze ungenügende Verfassung der Zeche Erin, namentlich auch 
ihre mangelhafte Wasserhaltung zusammen. Infolge großer und 
wiederholter Wasserdurchbrüche kam sie im Jahre 1877 mit der 
Gesellschaft, der sie gehörte, zum Eriiegen. Selbst wenn die 
maschinellen Anlagen ausreichend gewesen waren, die Wasser zu 
Sumpfe zu halten, bis neue, stärkere Mauerdamme zum Abschluß 
des Wassers geschlagen waren, so hatte dies doch wahrscheinlidi 
keinen Erfolg gehabt, weil die erforderiiche Dampfkraft, namentlich 



2. Oelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesdlschafi 159 

infolge schlechter Verfassung der Kesselanlagen nicht zu beschaffen 
war. Infolgedessen ersoff die Zeche. 

1883 wurde sie dann von dem im Aufsichtsrate der G. B. A. 
sitzenden GroSindustriellen Friedrich Grillo erworben. Er bildete 
mit noch einigen Teilnehmern eine Gewerkschaft Darauf wurde 
ein groSer Sümphtngsplan entworfen und das ganze Bergwerk 
erst instand gesetzt Die Ersfimpfung machte grofie Schwierig- 
keiten« Die Kosten wurden auf 2V9 bis 3 Millionen berechnet 
Endlich am 18. August 1884 konnte die erste Kohle gefördert 
werden. .Die freudige Nachricht," erzählt der Jahresbericht der 
Gewerkschaft, .verbreitete sich mit Windeseile in dem Städtchen. 
Kaum eine halbe Stunde später waren alle Häuser mit Flaggen 
gescfamfidct und gaben ein beredtes Zeugnis, wie innig die Inter- 
essen der Bevölkerung Castrops mit dem Emporblühen der Zeche 
Erin verknüpft sind." Mit dem Bahnversand der Kohle konnte 
erst Anfang Juli 1886 begonnen werden, solange diente die Förde- 
rung wesentlich dem Selbstverbrauch. Aber bis dahin hatte die 
Gewerkschaft viel zu tun. Die Anlagen waren größtenteils ver- 
altet Da in den beiden vorhandenen Schächten kein Raum für 
die Wetter disponibel war, so war das Niederbringen eines neuen 
Wetterschachtes notwendig. Die Verhältnisse vor der Betriebs- 
einstellung werden in dem Sachverständigenbericht folgendermaBen 
geschildert: .Früher erwärmte ein auf der Wettersohle bei Schacht II 
unter Tage befindlicher Wetterofen der Zeche die in diesem Schacht 
l)efindliche Luftsäule und zwang so die verbrauchten Wetter in 
densell)en aufzusteigen, während die frische in den andern Schacht 
niederfiel ... Ein besonderes Wettertrumm, d. h. eine Abteilung 
des Schachtes, welche luftdicht gegen die andern Abteilungen des 
Schachtes abgeschlossen, nur für den ausziehenden Wetterstrom 
bestimmt ist, war nicht vorhanden. Es strömten vielmehr die aus- 
ziehenden Wetter durch den ganzen Schachtquerschnitt und wurden 
hier, bei dem durch die Kohlenförderung bedingten Auf- und 
Niedergehen der Förderkörbe in ihrem Aufsteigen ganz gewaltig 
gehindert, der Wetterabzug also benachteiligt". Die Kohlen wurden 
zum gröfiten TeU zu Koks gebrannt Deshalb war die Zeche 
baoptsächlich von der Lage des Koksmarktes abhängig. Aber die 
Öfen waren veraltet Die Gewerkschaft übernahm 120 englische 
Bienenkorbofen und erbaute dazu 100 neue Copp^eöfen. Die 
Naditeile der ersteren haben wir bereits auf Hibemia näher kennen 
gelernt Die ganze ältere Anlage konnte nur bei lebhafter Nach- 



160 2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft 

frage nach Koks als rentabel bezeichnet werden. Sie wurde da- 
her umgestaltet und modernisiert Durch den Bau neuer Koksöfen 
wurde es möglich, den größten Teil der Dampfmaschinen mit Koks- 
gasen zu heizen. Damit sank der Selbstverbrauch der Förderung 
auf 1 Vo herunter. Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, 
daß es sich um ein bereits durch großen Kapitalaufwand präpa- 
riertes und noch weiter große finanzielle Mittel erforderndes Ol>- 
jekt handelte. 

Die äußere Veranlassung, in nähere Beziehung zu Erin zu 
treten, gab der G. B. A. die Errichtung eines Wasserwerks für das 
nördliche Westfalen. Bisher war die Gesellschaft in bezug auf die 
Wasserversorgung ihrer Zeche VenStein und Hardenberg auf die Stadt 
Dortmund angewiesen. Dafür zahlte sie an die Stadt eine Jahresabgabe 
von 13300 Mark, 1885 lief nun dieser Vertrag ab. Sie beschloß daher, 
sich bei der Anlage des Wasserwerks zu beteiligen, zumal die Zeche 
Erin die Hauptinteressentin des geplanten Unternehmens war. In der 
von der Verwaltung für die außerordentliche Generalversammlung 
vom 26. Juni 1885 gemachten Vorlage heißt es: »Wir werden als 
Mitbeteiligte des Wasserwerks in nähere Interessengemeinschaft 
mit der Zeche Erin treten, dann auch mit den übrigen an- 
geschlossenen Zechen, insonderheit mit denjenigen, welche durch 
ihre HauptbeteOigten ohnehin in gewissen Beziehungen zu uns 
stehen, und würde ein solches Band um so bedeutungsvoller sein, 
als, wie allgemein erkannt, nur die tatsächliche Durchführung der 
Gemeinsamkeit der Interressen die Notlage unseres Bergbaubezirks 
heben kann, und eine so geschaffene nähere Interessenverbindung 
zu gegebener Zeit die unserer Gesellschaft bei ihren bisherigen Maß- 
nahmen seit Jahren vorschwebende Scfaafhmg einer geschlossenen 
Zechengruppe in dem hier in Frage kommenden nordöstlichen 
Bergbaubezirk wesentlich erleichtem würde. Nachdem die Geweric- 
sdiaft noch eine Anleihe von zwei Millionen unter Verpfändung 
ihres gesamten Eigentums durch Vermittlung der Diskontogesell- 
schaft aufgenommen hatte, ging sie, wie wir sahen, in die Hände 
der G. B. A. über. Auch mit dieser Erwerbung verknüpften sich 
Kapitalserhöhungen. Nachdem bereits im Jahre 1886 das Grund- 
kapital behufs Abstoßung der Schulden von Ver. Stein und Harden- 
berg durch Ausgabe neuer Aktien im Betrage von 2250000 Mark 
von 20250000 auf 22500000 Mark erhöht worden war, wird es 
infolge der Fusion mit Zeche Erin abermals vergrößert, und zwar 
um 5559000 Mark. Es steigt damit auf 28059000 Mark. 



2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft 161 

An die Erwerbung der Zeche Erin schließt sich dann im 
Jahre 1889 die der Aktienmajorität des Westfälischen Gruben- 
vereins, der sich aus den drei Zechen Hansa, Zollern und 
Germania kdhstituierte. 

Seit dem 1. Juli 1888 war bereits der Verkauf der Erzeug- 
nisse des Westfälischen Grubenvereins mit der Verkaufsabteilung 
der G. B. A. vereinigt Wie im vorigen Fall das Wasserwerk, so 
war es hier das Kartell, das die ersten Bande der gegenseitigen 
Beziehungen knfipfte. Die Gelegenheit zum Erwerb trat dann 
in dem Augenblicke ein, als die Firma Friedrich Grillo nach dem 
Hinscheiden ihres Chefs diesen Besitz veräußern wollte. Um 
nicht die bereits hergestellte Verkaufs- und Interessengemeinschaft 
mit diesen angrenzenden Zechen zu vertieren, entschloß sich die 
G. B. A. zum Ankauf derselben. Auch hier spielten die Banken 
den Vermittler. Das unter Führung der Diskontogesellschaft in 
Berlin stehende Konsortium erwarb Nominal 8472000 Mark 
Aktien des Westfälischen Grubenvereins, also nahezu das ganze 
9 Millionen Mark betragende Kapital. Als Gegenleistung für die 
von dem Konsortium getragene und weiterhin noch zu tragende 
bergmännische und geschäftliche Gefahr für die Überlassung eines 
Drittels zum Selbstkostenpreise und für die bewilligte Options- 
frist erhielt das Konsortium eine einmalige Kommissionsgebühr 
von 1% des Nennbetrages der angebotenen Beteiligung. Zum 
Zwecke der Obernahme wird dann das Grundkapital der G. B. A. 
1889 von 28059600 auf 30 Millionen bzw. im November 1889 auf 
36 Millionen Mark erhöht, Am 1. Januar 1892 erfolgte die formale 
Fusion, nachdem die G. B. A. auf Grund ihres Besitzes die Ver- 
waltung bereits tatsächlich führte. Der Westfälische Grubenverein 
stirbt Sein ganzes Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten 
gehen auf die G. B. A. über. Damit werden die Zechen Hansa, ZoUem 
und Vereinigte Germania mit einem 2891,59 ha großen Grubenfeld, 
mit zusammen vier Förderschächten, 3710 Mann Belegschaft und einer 
arbeitstaglichen Förderung von 3170t der Gesellschaft angegliedert* 

Auch bei diesen Zechen handelt es sich zum Teil um Be- 
triebe, die ebenso wie Erin in der Vergangenheit mit großen 
Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Hansa ist eine Anlage der 
in der Krisis der 50 er Jahre zugrunde gegangenen Dortmunder 
Bergbau- und Hfittengesellschaft Diese Gesellschaft bestand nur 



• Feftschrift. 
Stittich, NationalOkonoraltche Foncktmgtii, Bd. IL 11 



162 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 

von 1856—1859. Die Zeche sollte mit einem Eisenwalzwerk ver- 
bunden werden. In dem am 27. September 1859 erstatteten Ge- 
Schäftsbericht heißt es: »Die Verhandlungen mit der königlichen 
Regierung zur Erlangung der Konzession (fär Qas Walzwerk) 
dauerten fast neun Monate und endeten mit der Zusicherung, 
daß die Genehmigung erfolgen würde, sobald die ganze Million 
Taler in guten Zeichnungen nachgewiesen sei. Unsere Reklama- 
tion, daß wir zunächst nur 500000 Taler brauchten, blieb ohne 

Resultat Der Versuch, mit einem Kreditinstitut wegen der 

Million zu unterhandeln, blieb erfolglos. Dagegen machte sich 
bereits der Mangel an Betriebskapital sehr fühlbar geltend, da am 
1. Juli 1857 die Soll-Ausgabesumme bereits pp. 900000 Taler 
eneichte, wogegen nur 730000 Taler auf die Aktien eingegangen 
waren." Aber das Walzwerk wie die Kohlenzeche erforderten be- 
deutend mehr Kosten, als ursprünglich veranschlagt waren. An 
diesem Kapitalmangel ging die Gesellschaft zugrunde. Wir finden 
die Zeche dann später wieder im Verein mit ZoUem in den 
Händen der 1866 genehmigten Preußischen Bei^werks- und Hütten- 
gesellschaft. Die Vorbesitzerin der beiden Zechen Hansa und 
ZoUem ging an den Anstrengungen zugrunde, die Schächte dieser 
Zechen durch die wasserreichen Mergelschichten hindurchzuteufen. 
Der Hauptfehler beider Bergwerke lag darin, daß sie nur 
einen Schacht besaßen. In dem Geschäftsbericht der eben er- 
wähnten Gesellschaft vom 6. Dezember 1873 wird folgendes aus- 
geführt: „Die Betriebsanlagen waren beim Eintritt der Krisis un- 
vollendet Wo z. B. zwei Schächte erforderiich sind (wie bei 
Hansa), während nur einer fertig ist, wird jeder Unfall, der die 
Pumpen oder andere wichtige Teile betrifft, bei nur einem Schacht 
^eichbedeutend sein mit einer Betriebsstörung für die ganze 
Zeche und der daraus resultierende Verlust in kurzer Zeit mehr 
betragen, als erforderiich wäre, um das Ganze fertigzustellen,* 
und an einer anderen Stelle heißt es: »Der zweite Schacht sollte 
bei jeder Kohlenzeche wie in England zu einer conditio sine qua 
non gemacht werden, nicht allein zur Sicherung von Menschen* 
leben durch geeignete Wetterführung und die Möglichkeit des 
Entkommens, sondern auch zur Förderung großer Kohlenmassen 
und speziell als Reserve bei Unfällen am Pumpensystem des 
einen Schachtes, um die Beseitigung eines solchen Übels zu er- 
möglichen ohne die Förderung auf der ganzen Zeche sistieren zu 
müssen. Da es aber auch der Preußischen Bergwerks- und Hütten- 



2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 163 

aktiengesellschaft, wie wir vorhin schon näher darlegten, an Geld 
fehlte, konnten die neuen notwendigen Schächte nicht abgeteuft 
und die grofien Wasserhaltungsmaschinen, die dringend erforder- 
lich waren, nicht angeschafft werden. 1877 geriet sie in Konkurs. 
Die Hauptgläubigerin war die Beriiner Handelsgesellschaft Diese 
erwarb außer der Hütte Vulkan die genannten Zechen und gründete 
im Dezember 1877 die Aktiengesellschaft Westfälischer Gruben- 
verein. Dieser Verein hat dann manches getan, aber erst die 
G. B.A. konnte, nachdem sie die Zechen billig erworben hatte, 
durch Aufwendung erheblicher Mittel die Anlagen auf die Höhe 
der Zeit bringen. 

Dafi infolge der wenig günstigen Zechenbeschaffenheit der 
niedrige Preis ein Lockmittel für den Erwerb war, geht 
aus einer Bemerkung des Berichtes für die außerordentliche General- 
versammlung vom 31. Januar 1889 hervor, wo der Aufsichtsrat 
darauf hinweist, daß regelmäßig diejenigen Erwerbungen die preis- 
würdigsten sind, bei welchen wegen ungenügender Einrichtungen 
bis jetzt die Rente noch nicht zur vollen Höhe gelangt sei, so 
daß eine kapitalkräftige Gesellschaft durch die neuen Aufwendungen 
erst den wirklichen Wert des Objekts zutage bringe. 

Mit den bisherigen Erwerbungen war die Aufnahme einer 
Reihe von Anleihen verbunden. Die Obligationenschuld betrug 
1882—1885 600000 Mark. Das Jahr 1886 ist sogar anleihefrei, weil 
es gelang, die vorerwähnte Schuld von Fürst Hardenberg aus den 
disponiblen Mitteln der Gesellschaft zurückzuzahlen. Zu diesem 
Zwecke wurden die Effektenbestände zum großen Teil verkauft 
Jedoch heißt es in dem Geschäftsbericht von 1885: „Es erscheint 
uns zweckmäßig, die jederzeit liquiden Mittel der Gesellschaft 
wieder auf die frühere Höhe zu bringen bzw. zu verstärken. Die 
hierdurch für die Gesellschaft gewonnene freie Bewegung würde es 
ermöglichen, das dargelegte Ziel einer größeren Konzentration des 
westfälischen Grubent)esitzes in geeigneten Fällen zu fördern bzw. 
eine größere Gemeinsamkeit in den Verkaufsdispositionen herbei- 
zuführen." 1887 wird eine 2 Millionenanleihe aufgenommen, die 
sich 1889 auf 8 Millionen erhöht 1893 erfolgt zur Konvertierung 
aller Anleihen und weiteren finanziellen Stärkung der Gesellschaft 
die Ausgabe einer 4% igen 12 Millionenanleihe, an die sich dann 
1896 eine Erhöhung des Grundkapitals von 36 auf 40 Millionen 
Mark schließt Das Bankenkonsortium zeichnete die Aktien mit 
146<^/o und bot sie den Aktionären zu 150^/o an. Mit Hilfe dieser 

11» 



164 2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft. 

Mittel wurden die vorhandenen Anlagen ausgebaut. Außerdem 
aber begann man bereits 1888 mit dem Ankauf von Kuxen der 
Gewerkschaft Monopol in Camen. 1890 besafi die G. B. A. be- 
reits 506 Kuxe, 1891 wurden weitere 452 und 1897 die letzten 
42 Kuxe erworben. Im folgenden Jahre erfolgte die Auflösung 
der Gewerkschaft Betrieb und Verwaltung der Zeche aber lagen 
bereits seit dem Jahre 1892 in den Händen der G. B. A. 

Die Zeche Monopol ist eine Grfindung aus dem Jahre 1873. 
Auch hier finden wir an der Spitze Persönlichkeiten, die der G.B. A. 
nahe standen, wie Friedrich Grillo, Fr. Funke-Essen, L. von Born. 
Das Grubenfeld war ursprünglich* 3726 ha groß. Es wurde dann 
erweitert und auf den Kolossalumfang von 8703,19 ha gebracht 
Es ist dies die größte Berechtsame im niederrheinisch- 
westfälischen Steinkohlenbezirk. Dieses Riesenfeld hat nur 
zwei Schachtanlagen, nämlich Grillo in Camen, 1873 etabliert, und 
Grimberg in Bergeamen, 1890 angelegt und 1894 in Betrieb ge- 
nommen. Nach dem Jahrbuch erforderte die Zeche bis zum 
31. Dezember 1896 an Zubuße 6475000 Mark, wozu noch eine 
1887 aufgenommene Anleihe von 1 Million kommt Aust>eute 
wurde nicht verteilt Der vorhandne Gewinn wurde vielmehr immer 
aufs neue zur Erweiterung und Verbesserung der Betriebsanlagen 
verwandt Nach den Angaben der Denkschrift betrug die Förde* 
rung der beiden Schachtanlagen 1680 t arbeitstäglich bei einer 
Belegschaft von 1844 Mann. 

Die im vorhergehenden besprochene Fusion mit der Zeche 
Monopol fällt im wesentlichen wie die andern Erwerbungen in 
die Zeit vor Entstehung des Rheinisch -Westfälischen Kohlen- 
syndikats. Mit dem Jahre 1893 aber wird der wesentlichste 
Zweck dieser Zusammenballung von Zechen in einer Hand er- 
reicht Unter der Führung der G. B. A. und ihres leitenden Cheb, 
des Geh. Kommerzienrats Kirdorf, war der Einheitstraum der 
Kohlenindustrie Rheinland -Westfalens Wirklichkeit geworden. Die 
überwältigende Majorität der Zechen hatte sich zum Syndikat zu- 
sammengeschlossen. Man hätte nun glauben müssen, daß dieser 
Zeitpunkt das Ende der Fusionsbestrebungen der G. B. A. he- 
deuten würde. Das aber war, wie wir sehen werden, nicht der 
Fall. Denn mit der Bildung des Syndikats erhält der Kon- 
zentrationsgedanke einen weiteren Stimulus. 

Die durch die Marktlage auf der einen und die hohe Beteili- 

* Jahrbuch f. d. Oberbergamtsbezirk Dortmund. Essen 1899 p. 309. 



2. Oelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 165 

gungsziffem namentlich der grofien Zechen auf der anderen Seite be- 
dingte notwendige Fördereinschränkung konnte von den einzelnen 
Werken nur ausgeglichen resp. fiberkompensiert werden durch eine 
Eriiöbung ihres ihnen zukommenden Anteils am Gesamtabsatz. 
Daher ist der Kampf um die Steigerung der Beteiligungs- 
ziffer das immer wiederkehrende Leitmotiv in der Geschichte des 
Werks seit 1893. Das wichtigste Mittel war neben dem Abteufen 
neuer Schächte der Erwerb neuer Zechen. Es ist bekannt, wie 
diese Mittel, die auch von anderen Zechen angewandt wurden, 
das Syndikat schließlich in eine so schwierige Lage brachten, dafi 
seioe Erneuerung im Jahre 1903 tatsächlich in Frage gestellt war. 

Die G. B. A. hat unter der Herrschaft des alten Vertrages mit 
dem Kohlensyndikat in der Periode von 1893 bis 1903 eine An- 
zahl weiterer Zechen und unverritzter Grubenfelder erworben, 
zunächst die Zeche Westhausen in Bodelschwingh bei Mengede. 
Diese Erwerbung erfolgte 1897 unter gleichzeitiger Erhöhung des 
Grundkapitals von 40 auf 44 Millionen Mark. Freilich fand 
die formale Fusion erst im folgenden Jahre statt, da die In- 
haber von 19 Kuxen dieser Gewerkschaft den Gewerkenbeschluß, 
durch welchen die Zeche Westhausen zu einem festen Preise 
verkauft werden sollte, nicht anerkannten und derselbe von 
einem Gewerken im ProzeSwege angefochten wurde. Der Kux 
der tausendteiligen Gewerkschaft kostete 3750 Mark, die ganze 
Zedie also 3750000 Mark. Das Grubenfeld der Zeche umspannt 
484 ha. Die Verhältnisse desselben wurden bereits beim Erwerb 
nidit sehr gfinstig beurteilt In dem Antrag des Aufsichtsrates und 
der Direktion an die auSerordentliche Generalversammlung vom 
11. November 1897 wird folgendes ausgeführt: »Der Bau der 
Gmbe Westhausen hat sich lange Jahre hindurch nur in der 
Mitte des Feldes bewegt. Man hat infolge vieler Faltungen und 
Störungen eine außerordentlich komplizierte und zerrissene Ab- 
lagerung in der Fettkohlenpartie aufgeschlossen, welche es ver- 
hinderte, daS die Grube eine günstige Entwicklung nehmen 
konnte.* Die Oesamtmächtigkeit der Kohlenflöze wird nur auf 
10 m angegeben. Das Grubenfeld war durch einen Hauptförder- 
und einen Wetterschacht gelöst Zur Zeit des Erwerbes förderte 
die Zeche mit 680 Mann Belegschaft aus diesem einen Schacht 
tägUch 600 t Kohle. 

In der Folgezeit entwickelte sich Westhausen ebenso wie die 
Zedie Monopol nur langsam. Das gab Anlaß zu Klagen der 



166 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 

Aktionäre. In der Generalversammlung vom 22. März 1899 kriti- 
sierte ein Aktionär die geringe Rentabilität der beiden Zechen. 
Wir werden sehen, daB auch die folgenden Bergwerke in bezug 
auf die Qualität mancher Kritik preisgegeben waren. 

Im Jahre 1899 geht dann die Zeche Ver. Bonifazius in 
Kray, die seit 1851 als Gewerkschaft und seit 1872 als Aktien- 
gesellschaft bestand, in den Besitz der G. B. A. über. Bei dieser 
Gelegenheit wird das Aktienkapital von 44 auf 54 Millionen Mark 
erhöht. Für 7V2 Millionen Bonifazius-Aktien wurden 6 Millionen 
Gelsenkirchner Aktien ausgetauscht. Das Grubenfeld dieser Zeche, 
welches mit dem von Zeche Ver. Rhein -Elbe und Alma mark- 
scheidet, umfaßt 499,50 ha und war durch zwei Tiefbauanlagen 
erschlossen. „Unsere Gesellschaft geht," heifit es in dem Beriebt 
für die aufierordentliche Generalversammlung vom 30. August 1899, 
„wenn unserem Antrage stattgegeben wird, auf der altbewährten, 
seit ihrer Begründung befolgten Bahn der Konsolidation des zer- 
splitterten Grubenbesitzes weiter. Nur durch diese ist die Ge- 
sundung unserer Industrie und die erfreuliche Geschäftslage der- 
selben dauernd zu erhalten; nur durch weiteren Zusammensdilufi 
wird der Bestand des Kohlensyndikats und die Erhaltung einer 
gesunden Richtung innerhalb desselben gewährieistet* Das ist 
der Tenor, den wir schon früher kennen lernten. Von der mit 
dem Erwerb verbundenen Erhöhung der Beteiligungsziffer beim 
Syndikat in Höhe von 560000 t wird hier noch nichts gesagt 

Das Charakteristische der Geschichte dieser Zeche besteht 
nun auch hier darin, dafi sie in der letzten Vergangenheit, von 
den beiden Jahren der spekulativen Erregung 1889 und 1890 ab- 
gesehen, nur geringe Erträge abwarf. Die Dividende von Boni- 
fazius betrug: 

1889 50/0 1893 00/0 1896 5VaO/o 

1890 13VaO/o 1894 Qo/o 1897 0«/o 

1891 I3V20/0 1895 40/0 1898 QO/o 

1892 60/0 

Aus diesen Zahlen ergibt sich, daß selbst die Hochkonjunktur 
einen Einfluß auf den Gewinnertrag nicht auszuüben vermochte. 
Dies hängt damit zusammen, daß im Jahre 1897 der Schacht II 
zusammenstürzte; er stand ebenso wie Schacht I nur in Holz- 
Zimmerung. 

Anläßlich der geplanten Erwerbung von Bonifazius durch die 
G. B. A. schrieb damals ein Aktionär im Beriiner Börsenkurier vom 



2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 167 

22. Oktober 1899: .Nur bei fabelhafter Indolenz der Aktionäre 
kann dieses Finanzprojekt realisiert werden. Keine der Montan- 
fusionen hat bis jetzt andere als nachteilige Folgen für die Ent- 
wicklung der grofien Kohlengesellschaften gehabt Bestände nicht 
die Nachwirkung stattgehabter Angliederungen und bestände nicht 
die Furcht vor weiteren Finanzgeschäften, so würden die Aktien 
der leitenden Kohlenwerte nicht heute noch fast genau so notieren, 
wie vor einigen Jahren, trotz der stark gestiegenen Einnahmen 
und der glänzenden Zukunftsaussichten. Sie würden ähnliche 
Steigerungen erfahren haben, wie die Werte der mittleren und 
kleineren Kohlenuntemehmungen.* Diese Auffassung findet in 
dem Geschäftsbericht von 1899 durch die Verwaltung selbst ihre 
Bestätigung. Dort heifit es: »Es läfit sich nicht verkennen, dafi 
die Erträgnisse unserer Gesellschaft sich nicht parallel der gün- 
stigen Entwicklung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse ge- 
steigert haben. Zum geringen Teil liegt das darin, dafi der Ertrag 
der Zeche Bonifazius eine volle Verzinsung des dafür aufgewen- 
deten Kapitals, wie zu erwarten, nicht aufbrachte, und dafi auf 
anderen Zechen innere Verhältnisse mitwirkend waren . . .* 

Mit der Erwerbung von Bonifazius kamen gleichzeitig die im 
Portefeuille dieser Gesellschaft befindlichen Beteiligungen an den 
Gewerkschaften Caspar Alexander und Helmuth in den Besitz von 
Gelsenkirchen. Im folgenden Jahre 1900 wurden die übrigen 
Kuxe der beiden Gewerkschaften vollständig erworben und das 
Bergwerkseigentum auf den Namen der G. B. A. umgeschrieben. 
Die beiden Grubenfelder umfassen eine Berechtsame von 206,63 ha. 

Diese rapide Entwicklung der Gesellschaft ist, wie schon er- 
wähnt, in den Generalversammlungen häufiger Gegenstand der 
Kritik gewesen. Es ist klar, dafi es viel schwieriger ist, ein hohes 
als ein niedriges Aktienkapital zu verzinsen. Als am 25. Februar 
1902 daher eine weitere Erhöhung des Aktienkapitals von 54 auf 
60 Millionen beschlossen wurde, zum Bau neuer Anlagen, wurde 
wieder die Opposition laut Sie betonte vor allem, dafi es not- 
wendig sei, das schnelle Entwicklungstempo zu veriangsamen. 
Allem diese Warnungen hatten keinen Erfolg. Der Fusionsprozeß 
machte weitere Fortschritte. 

Am 1. Februar 1904 ging die Gewerkschaft Ver. Hamburg 
und Franziska in Witten mit ihrem gesamten Soll und Haben 
in den Besitz der G. B. A. über. Zu diesem Zweck wurde das 
Aktienkapital von 60 auf 69 Millionen erhöht. Die jungen Aktien 



168 2. Oelsenklrchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 

wurden zu 180^/o emittiert. Die Übertragung fand statt gegen 
Gewahrung von 3,6 Millionen Nominal Gelsenkirchner Aktien. 
Es handelt sich bei diesen beiden Zechen, deren Grubenfeld iso- 
liert und abseits der bisherigen großen Erwerbungen der 0. B. A. 
liegt, um einen uralten Betrieb, dessen Stollenbau bis ins 1& Jahr- 
hundert zurückreicht Das Abteufen des ersten Tiefbauscfaacfates 
auf Franziska begann 1837, auf Hamburg 1852. Die Konsoli- 
dation beider Zechen erfolgte 1895. Ein Jahr hüher wurde be- 
reits die südlich markscheidende Zeche Walfisch durch Ankauf 
der Kuxe aufgesaugt 1898 erfolgte die Konsolidation der nörd- 
lich mit dem Grubenfelde von Hamburg und Franziska mark- 
scheidenden Zeche Ringeltaube. Es handelt sich also um vier 
Schachtanlagen. Die Berechtsame, die mit dem Ankauf durch 
Gelsenkirchen in die Hände dieser Gesellschaft übergeht, betragt 
nach den Büchern der Gesellschaft 2019 ha.* 

Das grofie Alter dieser Anlage läfit bereits erkennen, dafi eine 
teilweise Erschöpfung der Kohlenvorräte vorhanden sein mufi. 
Der Zweck des Erwerbes lag daher weniger in der Absiebt, die 
Zeche nach Art der früheren Erwerbungen mit Aufbietung großer 
finanzieller Kraftmittel leistungsfähiger zu machen, als vielmehr 
in der Erhöhung der Beteiligungsziffer. Die Beteiligung t>etnig 
im Verschmelzungsjahr 944 000 t »Diese Förderung,* heifit es im 
Geschäftsbericht von 1903, »kann erreicht werden, wenn die samt- 
lichen Flöze ohne Rücksicht auf ihre Bauwürdigkeit und Qualität 
in Bau genommen werden. Es wird sich jedoch empfehlen, für 
die Folge nur diejenigen Betriebspunkte zu belegen, welche eine 
leicht verkäufliche Qualität liefern und einen lohnenden Abbau 
sichern. Der hierdurch entstehende Ausfall könnte auf die ent- 
wicklungsfähigen Schächte der Gelsenkirchner Gesellsdiaft 
übertragen werden. Durch die Angliederung der Zeche Ver» Ham- 
burg und Franziska kommt die Gesellschaft in die Lage, sich an 
der Lieferung der namentlich zu Hausbrandzwecken sehr ge- 
suchten Magerkohlen in gröfierem Umfang zu beteiligen, anderer- 
seits aber beim Nachlassen des Absatzes durch Obertragung der 
Lieferung an die übrigen Schächte andere Qualitäten an deren 
Stelle treten zu lassen. 

In erster Linie aber handelte es sich, wie vorhin schon be- 
merkt, um eine Aufbesserung des Kontingents der G. B. A. bi 

* Nach der Angabe im Jahrbuch f. d. Oberbergamtsbezirk Dortmund p. 358 
nur 1870 ha. 



2. Odsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 169 



der Zedienstillegungskommission* sagte der Generaldirektor Ge- 
heimer Kommerzienrat Kirdorf folgendes: .Hamburg und Franziska 
ist seitens Gelsenkirchen mit der Absicht gekauft, um von der 
großen Beteiligungsziffer, welche dieselbe beim Kohlensyndikat 
hat, Vorteil zu ziehen. Es wurden der Zeche Franziska wegen des 
Minderabsatzes wiederholt Entschädigungen ausgezahlt. Diesen 
Minderabsatz haben wir selbstverständlich auf Gelsenkirchen über- 
nommen. Es ergibt sich daraus für uns der Vorteil, dafi wir die 
Al>gabe für Mehrförderung nur noch in geringerem Umfange zu 
zahlen haben. Durch die Übernahme hat sich das ausgeglichen.* 
1902 und 1903 wurde in der Gemeinde Düren noch ein 
nener Schacht abgeteuft Dieser Schacht wurde nach dem Ober- 
gang der Gewerkschaft in die Hände der G. B. A. nicht mehr in 
Betrieb genommen. Die Maschinen wurden still gesetzt und die 
Kessel kalt gelegt Es handelt sich hier um einen sog. Syndikats- 
scbacht, der den alten Bestimmungen des Syndikats seine Ent- 
stebmig verdankte, und für das Unternehmen einen Zuwachs von 
120000 t Beteiligungsziffer bedeutete. 

Zu diesen Zechenerwerbungen trat in letzter Zeit noch die Be- 
teiligung — also der erste Schritt zur Fusion — an einem unver- 
ritzten Grubenfelde. Die G. B. A. erwirbt mehr als Dreiviertel der 
insgesamt 1000 betragenden Kuxe der Gewerkschaft Prinz Schön- 
aich zu Hamm an der Lippe. Es handelt sich hier um ein 4610 ha 
großes, weit nach Nordosten vorgeschobenes Grubenfeld, das noch 
nicht durch Schächte erschlossen ist Die Bohriöcher trafen das 
Steinkohlengebirge bei der beträchtlichen Tiefe von 500—658 m. 
In der Bilanz vom 31. Dezember 1904 steht die Beteiligung an 
Prinz SchOnaich mit 3122952 Mark zu Buch. Die Gesellschaft 
besitzt sämtliche Kuxe bis auf einen. 

Wir haben im vorhergehenden eine Kette von Fusionen 
kennen gelernt, die sämtlich dem Konzentrationsplan ent- 
sprangen, welcher der Verwaltung der G. B. A. als Leitstern zu 
Macht und Größe vorschwebte. Das Ergebnis der Verwirklichung 
dieses Programms war, dafi das ursprünglich 761 ha grofie Gruben- 
feld auf 23639,9 ha anwächst Das bedeutet eine Vergröfierung 
des unterirdischen Besitzes um etwa das Dreifiigfache 
des ursprünglichen Bestandes. Was die Geschlossenheit 
dieses Riesenbesitzes anbelangt, so ist von Wichtigkeit, dafi nur 
Ver. Bonifazius mit dem Stammbesitz markscheidet, sämtliche 



* Stenogr. der Kommissionsverhandl. p. 9 u. 10. 



170 2. Gelsenkjrchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 

Übrigen Grubenfelder aber mit alleiniger Ausnahme der isoliert 
liegenden Berechtsame von Hamburg und Franziska ein in sich 
zusammenhängendes, lang hingezogenes annäherndes 
Rechteck darstellen. Seine Kontinuität wird nur einmal von 
Harpen durchbrochen, dessen Grubenfeld sich störend zwischen Ver. 
Stein und Hardenberg und Monopol hineinschiebt An fremder 
Berechtsame liegen in diesem Besitz noch Graf Schwerin und 
de Wendel, aber quousque tandem? Der ganze Komplex hat 
eine Kohlenreserve, die in gleicher Gröfie in Westfalen 
unerreicht dasteht, und die nach menschlichem Ermessen eine 
unabsehbare Förderung gewährleistet 

Ein Urteil über den jetzigen Wert und die Gröfie dieser Er- 
werbungen läfit sich aus nachstehenden Angaben gewinnen. In 
der Bilanz vom 31. Dezember 1904 standen die einzelnen Zechen 
mit folgenden Summen zu Buch: 

Ver. Rhein-Elbe und Alma . . . 17002891 Mark 

Ver. Stein und Hardenberg . . . 15289696 . 

Monopol 14359103 . 

Zollem 11772094 . 

Ver. Bonifazius 10483403 . 

Hamburg und Franziska .... 5711496 . 

Germania 5532139 . 

Erin 5127145 . 

Westhausen 4137040 . 

Hansa 3542273 . 

Bei den Erwerbungen spielten eine Reihe Faktoren mit, 
die die G. B. A. bestimmten, gerade diese oder jene Zeche 
zu kaufen. Als solche lernten wir kennen: Persönliche Be- 
ziehungen und Interessen der Aufsichtsratsmitglieder,* 
ferner die durch ungünstige frühere Entwicklung bedingte be- 
sondere Billigkeit der Offerten, die Lage der Zechen, ihre 
Syndikatsbeteiligung u. a. m. 

Diese Erwerbungen erfolgen, wie näher gezeigt, unter As- 
sistenz der Diskontogesellschaft Das Aktienkapital steigt 
1881—1904 von 13,5 Millionen auf 69 Millionen; es verffinffacfat 
sich also. Die Anleihen der Gesellschaft aber wachsen von auf 
12 980500 Mark. Mit dem Aufgebot solch ungeheurer Geld- 
mittel setzte sich diese Entwicklung durch! 

* Auf den Einflufi der Diskontogesellschaft im Aufsichtsrat dOrfte auch 
z. B. die Beteiligung der 0. B. A. an der Schantung-Eisenbahngesellschaft and 
den deutsch-chinesischen Bergbaugesellschaften zurückzufahren sein. 



2. Qelsenkirchner Bergwerks-AktJengesellschaft. 



171 



Nachdem wir im vorhergehenden die Verschmelzungen der 
G. B. A- init einer Anzahl von Zechen und Grubenfeldem im ein- 
zelnen näher kennen gelernt haben, wollen wir nun untersuchen, 
welche Polgen dieser Konzentrationsprozefi für das Unter- 
nehmen gehabt hat In der von der Verwaltung im Jahre 1902 
den Besuchern der Düsseldorfer Industrie- und Gewerbeausstellung 
gewidmeten Schrift werden als Vorteile solcher durch Fusion ver- 
größerter bergbaulicher Unternehmungen genannt: Billigere Selbst- 
kosten, Austausch bewährter Einrichtungen und Erfahrungen, Er- 
probung von Neuheiten an geeigneter Stelle, vor allem aber 
Verteilung des bergbaulichen Risikos auf eine größere Zahl von 
Schächten, deren im ganzen gesicherterer Betrieb trotz Unter- 
brechungen im einzelnen dem Gesamtuntemehmen eine gleich- 
mäßige Rente und damit dessen Werten einen stetigen Charakter 
verbürgt. Wir werden im folgenden an der Hand der geschicht- 
lichen Entwicklung der G. B. A. zu prüfen haben, ob diese Vor- 
teile wirklich bestehen und ob nicht mit den Fusionen für das 
Gesamtuntemehmen auch Nachteile verknüpft gewesen sind. 

Wir untersuchen zunächst die Frage, wie sich unter dem Ein- 
flasse der Fusionen die Selbstkosten der G.B. A. gestaltet haben. 
Ober ihre Höhe sowie den Verkaufserlös und die aus beiden Fak- 
toren resultierende Spannung gibt folgende Zusammenstellung 
Auskunft. 





Durchschnitts- Verkaufs« 


erlös 




Jahr 


Selbstkosten pro t pro t 


Spannung 


1873 


6,74 Mark 15,19 Mark 8,45 Mark 


1874 


6,17 . 


13.30 . 


7.13 . 


1875 


5,55 . 


9.55 . 


4,00 , 




1876 


5.42 . 


8.15 


2,73 




1877 


4,52 . 


6.33 , 


1.81 . 




1878 


3,97 . 


5,78 


1.81 , 




1879 


3,74 


5.35 , 


1.61 




1880 


3.81 . 


5,90 . 


2.09 . 




1881 


3.69 . 


6.03 . 


2.34 . 




1882 


3,97 , 


5,96 , 


1.99 . 




1883 


4.18 . 


5,99 . 


1.81 . 




1884 


4.20 , 


6,00 . 


1.80 . 




1885 


4.10 . 


5.98 . 


1.88 . 




1886 


4.11 , 


6.00 , 


1.89 . 




1887 


3,99 . 


5.79 


1,80 . 




1888 


3.89 . 


5.71 , 


1,82 , 




1889 


4.56 . 


6.43 , 


1.87 . 




1890 


5.77 . 


9.52 


3.75 , 




1891 


6.03 . 


9.59 . 


3.56 . 





172 



2. Oelsenklrchner Beigwerks-AktiengeseUschaft. 





Durchschnitts- 


Verkaufserlös 




Jahr 


selbstkosten pro t 


pro 


t 


Spannntig 


. 1892 


5,79 Mark 


8,22 Mark 


2,43 Marie 


1893 


5.50 


>f 


6,91 


II 


1.41 „ 


1894 


5,53 


» 


7.03 


M 


1.50 „ 


1895 


5.42 


II 


7,30 


II 


1.88 „ 


1896 


5,46 


II 


7,43 


II 


1,97 „ 


1897 


5.79 


II 


8,01 


II 


2,22 „ 


1898 


6,15 


II 


8,51 


II 


2.36 „ 


1899 


6,58 


II 


8.89 


II 


2.31 „ 


1900 


7,13 


II 


10,39 


11 


3.26 „ 


1901 


7,71 


II 


10,85 


II 


3.14 „ 


1902 


7.33 


II 


10,04 


II 


2,71 .. 


1903 


7.22 


II 


9,61 


II 


1,39 „ 


1904 


7,11 


II 


9,33 


II 


2,22 „ 



Diese Zahlenreihen zeigen keine einheitliche Tendenz, sondern 
eine wellenförmige Linie, auf der sich die Selbstkosten bewegen. 
Es lafit sich daraus nicht erkennen, ob die Fusionen eine Er- 
niedrigung der Selbstkosten herbeigeführt haben, denn diese werden 
durch eine ganze Reihe von Faktoren bestimmt Es ist aber nicht 
möglich, aus diesem Ursachenkomplex die Wirkung eines einzigen 
Faktors, der Fusionen zu eliminieren. 

In wie aufierordentlich hohem Mafie vor allem die Arbeits- 
löhne, d. h. ein von den Betriebsvereinigungen ganz unabhängiges 
Moment, die Selbstkosten beeinflussen, ergibt sich aus folgendem. 
An Arbeitslohn wurde auf die Tonne Kohlen verausgabt: 

1901: 4,638 Mark oder 60,1 o/o der Produktionskosten 

1902: 4,357 „ „ 59.50/o „ 

1903: 4,367 „ „ 60,50/o „ 

1904: 4,397 „ ., 61,70/o „ 

Femer ist zu berücksichtigen, dafi die Selbstkosten auf den 
einzelnen Gruben der Gesellschaft sehr verschieden sind. Im Jahre 
1904 betrugen sie pro Tonne auf: 

Minister Stein ..... 6,009 Mark 

Rhein-Elbe I/II 6,244 „ unter dem 

Qrimberg 6,525 „ Durch- 
Alma 6,597 „ schnitt 

Hardenberg 7.004 „ 



Hamburg I/II . . . . . 7,209 Mark 

Franziska VE 7,224 „ 

Germania II 7,282 „ 

Erin 7,356 „ 

Hansa 7,366 „ 



aber dem 
Durch- 
schnitt 



2. Odsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 173 



Westhausen 7,403 Mark 

Bonifazius 7,403 „ 

Rhein-Elbc in 7,557 „ 

OriUo 7,557 .. 

ZoUeni I 7,674 „ 



Aber dem 
Durch- 
schnitt 



Es handelt sich hier um Schwankungen, die eine Differenz 
von 1,665 Mark ergeben. 

Ebenfalls offen bleibt die Frage nach den Wirkungen der 
Fusionen auf die Arbeiterverhältnisse der G. B. A. Wenn 
Tfibben* behauptet, dafi die Betriebsvereinigungen mittelbar eine 
grOfiere Gewähr für die Verminderung der Unglücksfalle infolge 
eines weniger häufigen Wechsels der Grubenbeamten und 
Arbeiter bieten, so ist der Beweis daffir nicht erbracht Der 
Arbeiterwechsel auf Gelsenkirchen ist ebenso wie der auf Hibemia 
ein aufierordentlich starker. Im Geschäftsbericht des Jahres 1900 
wird ausdrücklich auf den zunehmenden Arbeiterwechsel hin- 
gewiesen, der die Förderung ungünstig beeinflufite. 

Ebenso besteht Arbeitermangel in Zeiten flotten Geschäfts- 
ganges wie auf anderen Zechen. Im Geschäftsbericht 1899 werden 
die tmgünstigen Betriebsverhältnisse auf Zollem darauf zurück- 
geführt, daß nach dem Brandunglück vom Mai 1898 viele Leute 
kündigten, während neuer Zuzug fem blieb. Es blieb der Ver- 
waltung nichts anderes übrig, als die fehlenden Reparaturhauer 
durch Hauer zu ersetzen, die der Kohlengewinnung entzogen 
wurden, was sowohl die Förderung als auch die Durchschnitts- 
leistung verringerte. 

Auch eine Verbesserung des Loses der Arbeiter über 
das auf anderen Zechen übliche Mafi hinaus hat m. E. bei der 
Zusammenlegung der Betriebe nicht stattgefunden. Die Arbeiter 
der fusionierten Gesellschaften dürften sich weder besser noch 
schlechter stehen, als die der nichtfusionierten. Dabei spielt die 
Tradition die Hauptrolle. Die Arbeiterverhältnisse auf den zuge- 
kauften Zechen bleiben bestehen und Reformen setzen sich nur 
schwer durch. So ist z. B. auf drei Zechen der G. B. A. das 
Wagennullen abgeschafft, auf den anderen aber besteht es weiter. 
Ober das Nullen sei noch folgendes bemerkt 1904 wurden 0,53% 
der gesamten Wagen genullt Der Lohnausfall für jeden Wagen 

* BetriebsvereinJgungen bdm Steinkohlenbergbau Im Rnhirevier, ihre Ur- 
sachen sowie Ihre soziale und nationale Bedeutung in Brasserts Zeitschrift fOr 
Bergrecht 1S99 p. 172 ff. 



174 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 

betrug 1,07 Mark. Wenn nun nach den gemachten Feststellungea 
in jeder Schicht durchschnittlich fünf Wagen von jedem Hauer ge- 
fördert werden, so entfallen auf jeden Hauer bei 25 Schichten im 
Monat 125 Wagen. Es kommt somit auf jeden Hauer im Monat 
eine Strafe von 72 Pfennig.* 

Auch die Löhne, über die die Geschäftsberichte der G. B. A. 
zum Unterschiede von denen anderer Aktiengesellschaften der 
Kohlenindustrie eingehende Details bringen , zeigen keine groSen 
Abweichungen. Der Nettodurchschnittslohn für die achtständige 
Schicht auf den einzelnen Zechen der Gesellschaft betrug: (s. S. 175.) 

Auch die Arbeiterwohlfahrtspolitik unterscheidet sich im 
Prinzip durchaus nicht von der anderer Gesellschaften. In der 
Düsseldorfer Ausstellungsschrift wird über die Fürsorge der Ver- 
waltung für ihre Arbeiter folgendes mitgeteilt: »Seit dem Jahre 
1896 hat die Gesellschaft eine Fürsorge für die Familien ihrer 
Arbeiter derart eingerichtet, dafi die Familienangehörigen in 
Krankheitsfällen freie arztliche Behandlung erhalten. Im Ge- 
schäftsjahre 1901 wurden zu diesem Zweck 87455 Mark ver- 
ausgabt. Beiträge der Arbeiter zu der genannten Einrichtung er- 
folgen nicht 

Konsumvereine der Arbeiter unter Leitung der Gesellschaft 
oder gleichartige Veranstaltungen der letzteren bestehen nicht, da 
ein Bedürfnis hierzu bei der grofien Zahl solider Privatgeschäfte 
nicht voriiegt Lediglich im Herbst beschafft die Gesellschaft nach 
vorheriger Feststellung des Bedarfs Kartoffeln, die zum Ein- 
kaufspreise an die Arbeiter abgegeben und durch monatliche Ab- 
tragung bezahlt werden. Im Jahre 1901 wurden beschafft und 
abgegeben 436 V2 Doppelwaggon von je 10 t zu einem Einkaufs- 
preise von insgesamt 197743 Mark oder durchschnittlich 2,26 Mark 
auf den Zentner, der sonst im Kleinverkauf hier 3 Mark und 
mehr kostete. 

In sämtlichen Gemeinden, in welchen Betriebsanlagen sich 
befinden, richtet die Gesellschaft, abgesehen von der dauernden 
Unterstützung der Krankenhäuser und anderer weltlicher und kirch- 
licher Wohltätigkeitsanstalten, ihr Augenmerk namentlich auf die 
Einrichtung und Unterhaltung von Kleinkinderbewahranstalten 
und Gemeinde-Krankenschwestern. Da, wo Kolonien der 



• Schriften der Hauptstelle Deutscher Arbeitgeberverbflnde L Der Aus- 
stand der Bergarbeiter im Ruhrrevier Januar /Februar 1905 von H. A. Bucck und 
Dr. Leidig, Berlin 1905 p. 60. 



2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 



175 



E? 


11 


sss.s 

m i^ 'S* CO 


11 


5 2 5iS 

uf *o ro CS 


IS 

-1 -* 


s g s. s 

TP uf ^ CN 


i§. 


SS S.S. 

lO li^ '^ Ol 


1 




s S t St 

yf i/> -^ ei 


—1 -* 


& S^ S S 
^ u:) ^ ^ 


IS 


-tf Iß V Cvf 


li 


»^ lo '^ tr 

O r-- 'T Oi 

in lO ^ ci 


m 


11 


SS SS 

ij^' T rC CM 


11 


^ -r TO ci 


i§ 


lo" in ^ CS 


IS 


ij^" in ^ ci 


B 


li 


*i^ p., *r ^ 

«^- ^^ «l t 
lO lO CO ra 


11 


lO lO c-> eo 


li 


Süsses 

tf> vi (^ ^ 


n 


-^ P-- Oi o> 

n f- "-1 -1 

Irt lO CT? <0 


1 


li 


lO -^r P3 c^ 


li 


lo m P3 oi" 


li 


IC U^ H" CS 


li 


pg — — ,^ 
r^_ p^ l^_ — _ 
uf lÜ c*> «^ 






* • • s 

gl ö-g 



i 


n 


U^ lO 'J* CO 


Ig 


*/> i/> ^ CO 


li 


g lo 35 2 

uS" in TT 00 


Is 


SSiSSS 

lO LTS -fl*" ro 


a 


li 


g^Sö 1. 

lO lO ^ c*5 


li 

-1 — 


ö. H fe ^. 

lO lO ^ CS 


i§ 


-^ tO* ^' fo" 


IJI 


^ pq: S S 
m lO %o m 


1 


IS 

1-1 — * 


S &i S S^ 

WS *r -(** P9 


i§ 


oo^ oo_ ^ CT)_ 
'^ '^" 'S^ CS 


i§ 


S5SS1 

'^ ^ '■r es" 


li 


*0 lO ^ CO 


X 


is; 

-1 '^ 


U^ lO ^ CO 


li 


S33 1 

lO V ■<**" eo 


li 


TP ^ 1J' CS 


11 


m lo -r <o 


^ 


li 


Iß m -^ «o 


Ig 


to ■^'' '^" es" 


II 


lO ^ ■* CS 


li 


lO *n ^ CO 






In 

1 - & 



11 




S.5 1 fc 

^ ^ ^ ci 


11 


li 


^ T ^ CS* 


■a 
1 


li 


lO lO -V CO 


ig 

4-1 *4 


-^ '^" -^ flf 


l§ 


^ r*«, Ol *- 

® - - ^. 

i 1/3 m ^ PO 


II 


lO *0 Tj^ CO 


1: 


Ig 


lO 'T ^ CO 


Ig 


Sf:22 

^ V '*• w 


l§ 


"S8.S. 

-^ ^ -^ CO 


li 


lO ■♦ » P> 


f 

B 


ig 


'^r hO "^ es 


li 


öS SS 

^ -^ CO CM 


Ig 


5SIS 


Is 


SS2S 

-^ m ^ c< 


3 


Ig 

-1 — 


St. IS 

-f lO ^ r* 


li 


55$ SR 

'i?-'' ^ r^" r* 


II 


V -^ fo es'' 


Ig 


^ ^ '^ es" 


JS 

e 


li 


lO t/3 ^ fO 


Ig 


lO tn -Ö" CO 


li 


^ -IT ^ lO 


II 


lO tn -^ «o 









176 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 

Gesellschaft in räumlicher Trennung von den andern Teilen der 
Gemeinde liegen, so in der Kolonie Westhausen zu Westerfilde 
und in der Kolonie Grillo zu Camen, sind besondere Räumlich- 
keiten geschaffen, in denen die Gesellschaft eigene Bewahrschulen 
eingerichtet und mit dem nötigen Lehrpersonal und Material aus- 
gestattet hat Es sind ausschliefilich von der .Gesellschaft bisher 
angestellt drei KleinkinderschuUehrerinnen, desgleichen eine Hand- 
arbeitslehrerin in der Gemeinde Kray. Das als Mittelpunkt der 
ca. 2740 Seelen zählenden Kolonie Niedereving der Zeche »Ver. 
Stein und Hardenberg' zu einer Baukostensumme von 
225000 Mark veranschlagte, jetzt in der Ausführung begriffene 
Wohlfahrtsgebäude sieht eine weitere Bewahrschule sowie eine 
Haushaltungsschule mit 3 — 4 weiblichen Lehrkräften vor. Außer- 
dem soll dieses Gebäude ein^ Arbeiterbficherhalle, eine Turnhalle, 
eine Badeanstalt und eine Waschanstalt umfassen. Die Beamten 
der Gesellschaft, die zum weitaus gröfiten Teil freie Dienstwohnung 
haben, sind berechtigt und verpflichtet, von einer für sie ge- 
schaffenen Lebensversicherung Gebrauch zu machen. Sie zahlen 
zu derselben 45 ^/o der Prämie, während 50^/o von der Gesellschaft 
gedeckt und die letzten 5^/o kraft Vereinbarung mit der Ver- 
sicherungsgesellschaft Nordstern zu Berlin von dieser nachgelassen 
werden. Bei den außerhalb des Ortsverkehrs liegenden Schacht- 
anlagen sind für die Beamten besondere Kasinos eingerichtet, in 
denen gute und billige Speisen und Getränke verabreicht werden, 
so auf Rhein-Elbe, Westhausen und Grimberg. Die Sorge 
für gute, gesunde und billige Arbeiterwohnungen mufite natüriich 
eine Hauptaufgabe der Gesellschaft sein, besonders auf solchen 
ihrer Anlagen, in deren Nähe die private Bautätigkeit noch nicht 
genügend entwickelt war. So hat denn die Gesellschaft auf allen 
ihren Anlagen zusammen 544 eigene Arbeiterhäuser, in welchen 
2549 Familien, also rund 12^/o der Belegschaft, in guten, luftigen 
Räumen untergebracht sind. Diese Häuser haben einschliefilich 
Grund und Boden einen Selbstkostenwert von über 10650000 Marie, 
der sich mit nur etwa Wo verzinst, da die Mietpreise der Woh- 
nungen von durchschnittlich 30,40 Mark für den Wohnraum und 
das Jahr nur höchstens die Hälfte der ortsüblichen Preise aus- 
machen und auf gute, gefällige Instandhaltung der Häuser und 
ihrer Umgebung grofie Kosten verwandt werden. Geschlossene 
Kolonien sind vorhanden auf den Schachtanlagen Rhein-Elbe, Alma, 
Minister Stein und Fürst Hardenberg, Erin, Hansa, Germania, 



2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 177 

Grillo, Grimberg, Westhausen und Bonifazius. Die größte in ge- 
älligem Landhausstil mit abwechselnden Haustypen inmitten von 
Gartenanlagen vor wenigen Jahren erbaute Kolonie ist die der 
Zeche Ver. Stein und Hardenberg Schacht Minister Stein zu 
Niedereving bei Dortmund, welche in 125 freistehenden Hausem 
470 Familienwohnungen zu je 3 — 6 Zimmern enthalt; jeder Familie 
ist aufierdem ein Garten von durchschnittlich 184 qm zugewiesen 
Eine gleiche Anlage von etwas kleinerem Umfange aber gleichem 
gefalligen Stil befindet sich auf der Zeche Westhausen in der Ge- 
meinde Westerfilde; dort und auf noch einigen anderen Zechen 
der Gesellschaft werden» abgesehen von der Vermietung von 
Hausem, die der Gesellschaft gehören, die Arbeiter auch beim 
Bau eigener Hauser durch Gewahmng von Prämien und Darlehn 
zu billigem Zins durch die Gesellschaft unterstfitzt An die Er- 
bauer von 159 derartigen Pramienhausem sind bisher insgesamt 
1316382 Mark auf Prämien und Hypotheken verausgabt* 

Wahrend wir im vorhergehenden mehr oder weniger proble- 
matische Vorteile der Vereinigung großer Zechen anführten, 
kommen wir nun zu den wirklich feststellbaren Vorzügen der 
Zusammenlegung. Hierher gehört vor allem die Verringerung 
des bergmannischen Risikos durch die gleichzeitige Aus- 
beutung möglichst grofier Bergwerkskomplexe. Der einzelne Be- 
trieb ist in diesem Falle der Rückwirkung technischer Schwierig- 
keiten und Gefahren auf das Ergebenis weniger unterworfen. Es 
zeigt sich das in der Geschichte der G. B. A. deutlich dann, wenn 
auf irgend einer Zeche Störungen eintreten. So brach im Jahre 
1898 in der Nacht vom 21. zum 22. Mai auf Zeche Zollem ein 
Gmbenbrand aus, dem 44 Bergleute zum Opfer fielen, und der 
grofien materiellen Schaden vemrsachte. Auf Schacht Rhein-Elbe 
brach in demselben Jahre die Achse der Fördermaschine, und der 
Betrieb mufite vom 2. bis 22. August stillgelegt werden. Auf 
Schacht Grillo der Zeche Monopol trat plötzlich ein starker Wasser- 
zuflufi auf (statt Va cbm bis zu SVa cbm pro Minute). Die vor- 
handenen Wasserhaltungsmaschinen genfigten nicht, und die wasser- 
führenden Abteilungen mußten eingedämmt werden. Das hatte 
eine Vermindemng der Fördemng auf etwa die Hälfte zur Folge 
Alle diese Unfälle aber berührten das Gesamtunternehmen 
nur wenig. Der Ausfall der Fördemng der betroffenen Schachte 
konnte durch Verlegung der dort unt>eschaftigten Art)eiter nach der 
nächst erreichbaren Arbeitsstätte auf dem andern Schachte gröfiten- 

Stllllcli. NttiofuldkoflomlKlM Poncbttoccii. Bd. IL 12 



178 2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 



teils gedeckt werden. Trotzdem der Schaden ein nicht un- 
erheblicher war, kommt er doch nicht in dem Gesamt- 
ergebnis zum Ausdruck. Der Geschäftsbericht von 1898 
schreibt: .Dennoch bleibt der materielle Schaden ein sehr erheb- 
licher, und wenn er in dem Gesamtergebnis unserer Gesellschaft 
ihren Beteiligten nicht fühlbar wird, so beweist dies, wie richtig 
es war, unser Unternehmen auf eine so breite Grundlage zu 
stellen, dafi der Einflufi solcher Gefahren, die dem Beigbau nun 
einmal anhaften, fast ausgeglichen wird.' 

Als eine weitere Folge der Zusammenballung einer Anzahl 
Zechen zu einer Unternehmung könnten wir femer ihre Erhebung 
auf eine hohe, sonst vielleicht nicht erreichbare Stufe 
technischer Vollkommenheit betrachten. Ich habe bereits 
gezeigt, daß es sich bei der Angliederung vielfach um gewerk- 
schaftlich betriebene Zechen handelte, die schlechte Objekte 
darstellten und deshalb billig erworben werden konnten. Mit den 
grofien Kapitalmassen, die der G. B. A. zur Verfügung stehen, ist 
es möglich gewesen, diese Zechen zu leistungsfähigen Betriet>en 
zu entwickeln. Einen Mafistab der technischen Leistungsfähigkeit 
bildet die Förderziffer. Dieselbe betrug auf: 

im ganzen pro Arbeitstag pro Arbeitstag 
im Jahre 1904 im Jahre 1904 im Erwerbsjahr 
t t t 

Rhein-Elbe I>TI .... 700240 2398 550] 

Rbein-Elbe m .... 358740 1268 — i (1873) 

Ahna 552580 1939 400J 

Minister Stein .... 532140 1816 \ 

Fürst Hardenberg ... 271090 916 / ^^ ^*^ 

Erin 439640 1527 1350 (1887) 

Hansa 325760 1151 -j 

ZoUera I/U 615130 2162 [ 3170 (1892) 

Ver. Germania LTI . . . 680000 2403 J 

Monopol 621990 2126 1680 (1892) 

Westhausen 228330 798 600 (1897) 

Ver. Bonifazius .... 555250 1962 1576 (1899) 

Ver. Hamburg u. Franziska 618140 2219 2219 (i9(H) 

Hieraus ergibt sich, wie stark die Förderung seit dem Zeit- 
punkt der Vereinigung mit Gelsenkirchen gestiegen ist Durch 
die Angliederung an eine grofie, kapitalkräftige Gesell* 
Schaft konnte das Tempo der Produktionssteigerung in 
ganz anderer Weise beschleunigt werden, als das früher 
bei den einzelnen auf sich allein angewiesenen Zechen 
der Fall war. Trotzdem aber ist die Förderung noch starker 



2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 



179 



gewachsen als das Betriebskapital. Der auf die Tonne Kohlen 
entfallende Kapitalanteil hat abgenommen. Er betrug 

1873 ZIH Mark 1885 17^ Mark 1900 12,1 Mark 
1875 23,4 . 1890 16.7 , 1904 12,6 , 
1880 18,9 . 1895 14,8 . 

Vergleichen wir diese Zahlen z. B. mit den für den Kölner 
Bergwerksverein berechneten, so ergibt sich, dafi der zur Be- 
wältigung einer Tonne Förderung nötige Kapitalaufwand 
bei dem fusionierten Unternehmen heute ungefähr doppelt 
so hoch ist wie bei dem nichtfusionierten. 

Bei der G. B. A. ist also ein größerer Kapitalaufwand nötig, wenn 
auch dahingestellt bleiben darf, ob wir es hier mit einer allgemeinen 
oder nur mit einer für den speziellen Fall zutreffenden Tatsache zu tun 
haben. Aber aus dem Sinken der Kapitalanteilziffem an der Tonne 
Förderung geht hervor, dafi es nicht das Kapital allein ist, das 
diese Vermehrung der Förderung zuwege gebracht hat 
Die zweckmäßige Organisation und Technik waren neben der 
erhöhten Arbeitsleistung die Hauptsache. Im Laufe der Zeit sind 
auch hier als die Vorbedingung steigender Förderung zunächst 
eine Anzahl neuer Schächte abgeteuft worden, um gröflere Teile 
des Grubenfeldes zu erschliefien. Gegenwärtig beträgt die Zahl 
der Schlachtanlagen auf 



Rhein-Elbe I/II . . 
Rhein-Elbe III . . 

Alma 

Erin Hl .... 
Westhausen . . . 
Minister Stein I— Ifl 
Fürst Hardenberg . 

Hansa 

ZoUem I . . . . 
Zollern II ... . 
Germania I . . . 
Germania n . . . 
Grimberg .... 

GriUo 

Bonifazius .... 
Hamburg .... 
Hamburg Ringeltaube 
Franziska .... 
Franziska Düren . . 



Förder- Wetter- 
Schächte 
2 1 


1» — 


1 3- 


2 2 


1 1 


2 1 


2 — 


2 - 


1 1 


1 I 


1 I 


I 1 


2 - 


1 1 


3 I 


2] 




1 

1 


3 


2 J 
29 


Tf 



* Doppelschacht. 
- inkl. Rhein-Elbe IV. 



12< 



180 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 

Die G. B. A. verfägt also zurzeit im ganzen über 46 Schädite, 
von denen 29 Förder- und 17 ausziehende Wetterschächte sind. 

Femer versuchte man nach Möglichkeit, das Prinzip des 
mechanischen Kohlenabbaus und der mechanischen Kohlen- 
förderung durchzuführen. Vorbildlich für die anderen Zechen steht 
hier Rhein-Elbe* an der Spitze. Dort verwendet man zwei Arten 
von Schrämmaschinen: die kleinen Korfmannschen und Eisen- 
beißschen** (Preis 750—1200 Mark), die bohren, schrämen und 
kerben, und große Garforthsche (Preis 8000 Mark), die mit einem 
Rade einen Schräm in das Kohlenflöz resp. den Schiefer binein- 
fraisen. Die ersteren schrämen in achtstündiger Schicht bei zwei 
Mann Bedienung 15 — 16 qm, die letzteren mit 3 — 4 Mann Be- 
dienung jedoch 40 — 50 qm. 

Für den Transport der Kohlen auf den Strecken kommen, 
wie der Leser weiß, in Betracht Menschen, Pferde, Maschinen. 
Auf allen Zechen der Gesellschaft ist die Streckenförderung durch 
Menschenkraft so gut wie abgeschafft Während früher die Kohle 
mitunter bis 500 m durch Schlepper gefördert wurde, existiert 
heute eigentliche Schlepperarbeit überhaupt nicht mehr. Der 
Grund, warum man sie beseitigte, ist ihr hoher Preis. Das Tonnen- 
kilometer kostet auf Rhein-Elbe bei Streckenförderung durch 

Menschen 50 Pfg. 

Pferde 20 . 

Maschinen 7—10 , 

Quantitativ ausschlaggebend ist heute immer noch die Pferde- 
förderung. Die Gesamtförderung von Rhein-Elbe betrug — um 
einen Monat herauszugreifen — im Juli 1904 rund 80000 t; davon 
wurden von den Pferden bewältigt 66000, von den Lokomotiven 
14000 t Die Pferde auf sämtlichen Schächten der Gesellschaft, 
mit Ausnahme von Minister Stein, wo eigene Pferde verwandt 
werden, gehören den Unternehmern Bischoff in Gelsenkirchen und 
Wiechers in Dortmund. Ersterer vermietet seinen 4000 Stück be- 
tragenden Bestand an die Grubenverwaltungen: 1. nach dem Akkord- 
system, in diesem Falle zahlt die Zeche 14 — 15 Pfennig pro Tonnen- 
kilometer; oder 2. nach einem festen Monatslohn, derselbe schwankt 
zwischen 80 — 90 Mark pro Pferd; oder 3. gegen Schichtlohn, die 
Zeche zahlt pro Pferd und Schicht 4 Mark, für Feierschichten 2 Mark. 
Dieser letzt ere Modus ist auf Rhein-Elbe eingeführt An Stelle 

^ Über die neue AnUgc Rhein-Elbe DI siehe Glückauf Nr. 36/37 190L 

^ Jetzt werden nur noch Schrämmaschinen nach System Elsenbeifi von der 
Aktiengesellschaft Westfalia Gelsenkirchen verwendet. 



2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 181 

dieser organischen Kräfte sind nun aber heute wenigstens teil- 
weise tote Mechanismen getreten, die die Streckenfördening über- 
nehmen, nämlich auf Rhein-Elbe I/II und Bonifazius. Auf der erst- 
genannten Zeche wurden zwei Benzinlokomotiven angeschafft, 
die sofort 20 Pferde fiberflüssig machten und den Bestand von 
etwa 100 auf 80 reduzierten. Durch Anschaffung weiterer sechs 
Lokomotiven beabsichtigt die Verwaltung so weit zu gehen, dafi nur 
noch 30 Pferde nötig sind. Freilich sind die Anschaffungskosten 
hohe, wahrend der Tierhalter ein Pferd zu durchschnittlich 800 Mark, 
höchstens aber 1000 Mark, vielleicht auch noch etwas höher in 
Anrechnung bringt, wenn es eingeht, kostet eine Benzinlokomotive 
9000 Mark. Es handelt sich dabei um eine solche mit 12 PS., 
eine der größten, die im Bergbau Verwendung findet Aber die 
Leistung ist eine vielfache. Während ein Pferd nur 12 Wagen zieht, 
schleppt eine solche Lokomotive 36. Sie leistet in der Schicht 
von 7Vs Stunde 225 tkm, während ein Pferd in derselben Zeit nur 
35 tkm leistet Das Tonnenkilometer kostet, wie schon erwähnt, 
bei der einen voll ausgenutzten Benzinlokomotive auf Rhein-Elbe 
7 Pfennig, bei der anderen, nicht voll ausgenutzten 10 Pfennig. Der 
Transport vollzieht sich also selbst in dem zweiten ungünstigeren 
Falle um die Hälfte billiger als durch tierische Arbeitskraft 

Während man auf Rhein-Elbe I/II wegen der krummen und 
schiefen Strecken, deren Kurven einen grofien Seilverschleifi zur 
Folge haben, von einer Seilbahn absah, besteht auf den anderen 
Zechen maschinelle Seilförderung, nämlich auf Rhein-Elbe III, 
Alma, Minister Stein, Erin, Zollem I, Zollem II, Germania I, Grillo, 
Grimberg, Bonifazius, Franziska. 1898 wurde auf der fünften 
Sohle der Zeche Germania maschinelle Streckenförderung mit 
Turbinenantrieb eingerichtet Die Mechanisierung des Transports 
wird auch in hervorragendem Mafie durch die Einrichtung saigerer 
(senkrechter, blinder) Schächte gefördert Auf Rhein-Elbe sind 
etwa 40 in Betrieb in Höhe von 5 — 80 m. Zum Betrieb sind nur 
nötig ein Anschläger und ein Abnehmer resp. Bremser. Das- 
selbe gilt für die Bremsberge Auf diese Weise werden Menschen 
gespart, und ein möglichst großer Teil der Belegschaft wird für 
die Kohlengewinnung frei. So beträgt die Belegschaft auf Rhein- 
Elbe I/II ca. 2000 Mann, davon sind allein 950 Kohlenhauer. Das 
Prinzip besteht also in der Steigerung der unmittelbar an 
derproduktivenKohlengewinnungtatigen Mannschaft und 
ihrer Verringerung resp. Ersetzung, soweit dieses nicht der Fall ist 



182 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengeselischaft. 

Die neuerworbenen Zechen boten auch vielfach für die Ar- 
beiter ungünstigere Bedingungen dar, als die Stammzechen Rhein- 
Elbe und Alma. So wird im Geschäftsbericht von 1885 erwähnt, 
dafi auf Zeche Hansa wegen der hohen Temperatur die Dauer 
der Förderschicht von acht auf sechs Stunden herabgesetzt werden 
mufite. Auch Zeche Erin hat sehr warme Strecken. Nach den 
mir bei der Besichtigung gemachten Angaben beträgt die Tem- 
peratur 35 — 38® C, nach den nachträglich bei der Verwaltung ein- 
geholten Angaben 22 — 29®. Das ist klassischer Boden für die 
Ausbreitung der Wurmkrankheit. In der Tat wurden auch bei 
der ersten Untersuchung von 100 Mann 82 wurmkrank befunden. 
1904 war dann dieser Prozentsatz auf 3 — 4®/o heruntergegangen. 

Es würde zu weit führen, im einzelnen zeigen zu woUen, 
welche technischen Verbesserungen auf den einzelnen Zechen der 
Gesellschaft bei der Förderung, Wasserhaltung, Bewetterung usw. 
durchgeführt wurden. Erwähnen möchte ich nur, als Beispiel für 
die Leistungsfähigkeit neuerer Systeme, dafi im Jahre 1900 auf 
der Zeche Ver. Stein und Hardenberg ein stehender Verbund- 
kompressor nach dem Patent Köster für eine stündliche Leistung 
von 6000 cbm angesaugter Luft aufgestellt wurde. Es ist dies 
der erste stehende grofie Kompressor in Westfalen. Auf Erin 
stehen noch heute zwei oberirdische alte, schwere Woolfsche Wasser- 
haltungsmaschinen, von denen jede pro Hub 1 cbm Wasser heben 
kann; jede Maschine macht 5 Hub in der Minute. An Stelle dieser 
schwerfälligen Maschinen sind, seitdem in den 90 er Jahren die 
Elektrizität auch auf den Zechen der G. B. A. ihren Einzug gehalten 
hat, kleine zieriiche Maschinen von gröfiter Leistungsfähigkeit und 
Sicherheit getreten. Die Elektrizität findet hier einen immer größeren 
Wirkungskreis. Auf Minister Stein wurde, um nur einige Beispiele 
anzuführen, eine elektrische Schiebebühne angelegt 1893 wurden 
auf Rhein-Elbe vier dem elektrischen Antrieb dienende Dynamo- 
maschinen in Betrieb genommen. Auch auf Hansa und Minister 
Stein Schacht II wurden elektrische Licht- und Kraftanlagen ge- 
schaffen. Auf der jungen Schachtanlage ZoUem II sind sämtliche 
Maschinen in einer grofien Halle lokal zentralisiert: nämlich zwei 
Dampfmaschinen (Generatoren), Dynamomaschinen (2100 Ampere 
bei 525 Volt Spannung), zwei elektrisch angetriebene Kompressoren, 
Gesteinsbohrmaschinen, eine Anlafimaschine für die FOrdermasdiine 
und eine Fördermaschine mit Koepeförderung, weil sich diese am 
besten für den elektrischen Antrieb eignet Es war die erste 



2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 183 

elektrisch angetriebene Fördermaschine im rheinisch-westfälischen 
Bergbaubezirk. Es durfte in ganz Rheinland-Westfalen keine zweite 
Anlage existieren, die so viel Eleganz in der baulichen Ausführung, 
so viel ästhetisches Exterieur mit Zweckmäfiigkeit der Anlage ver- 
bände, wie ZoUem II. 

Auch die Nebenanlagen sind unter der Herrschaft der 
G. B. A. weiter entwickelt worden. So wurden, wo es anging, an 
Stelle der alten Flamm- moderne Destillationsöfen gebaut Im 
Geschäftsbericht 1900 heifit es z. B.: .Auf Schacht I der Zeche 
ZoUem werden die alten 88 Koksöfen abgebrochen; an ihre Stelle 
treten 100 neue Ofen Ottoschen Systems. Während die alten 
Ofen 9 m lang waren und 48 stündige Garung hatten, beträgt die 
Länge der neuen Ofen 10 m und die Garungszeit 36 Stunden. 
Die Leistungsfähigkeit der Anlage ist dadurch auf das Doppelte 
erhöht worden. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dafi künftig die 
ganze Dampferzeugung durch Koksofengase erfolgen kann, während 
früher ein Drittel der Kessel Kohlenheizung erforderte.' Ebenso 
erfolgte eine Umwandlung auf Monopol. Von den vorhandenen 
120 Ofen wurden die älteren 60 Ofen, welche fast vollständig un- 
brauchbar geworden waren, im Jahre 1902 bis auf die Sohle ab- 
gebrochen und durch neue ersetzt. Diese wurden ebenfalls als 
Schnellbrenner mit 36 stündiger Verkokungszeit ausgeführt, während 
die alten eine solche von 48 Stunden hatten. Dadurch, bemerkt 
der Bericht, ist eine Steigerung der Kokserzeugung um etwa 33Vo 
ermöglicht worden. Immerhin hat ein grofier TeU der Kokereien 
keine Anlagen zur Gewinnung der Nebenprodukte. Nach dem 
Bestände von 1901 waren vorhanden im ganzen 996 Koksöfen. 
Davon waren mit Nebenproduktengewinnung 380 und ohne solche 
616. Seitdem sind aber neue Koksofenanlagen hinzugekommen, 
so daB 1905 vorhanden sind 542 Ofen mit und 610 Ofen ohne 
Nebenproduktengewinnung. Das Verhältnis beider verschiebt sich 
also immer mehr zugunsten der Teeröfen. 

Sind die bisher geschilderten privatwirtschaftlichen Vorteile, die 
die Obemahme einer Anzahl Zechen im Gefolge hatten, nun al)er 
auch von einer Steigerung der Dividende begleitet gewesen? 

An Dividenden zahlte die Gesellschaft:* 

1682 1417500 Mark 7^/0 1885 1 215000 Mark 60/o 

1883 1417500 , 70/o 1886 1237500 . 5V80/o 

1884 1215000 , 60/0 1887 1543278 . 5VtO/o 



* Die Dividenden von 1873-1881 siehe Seite 149. 



184 2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 



1888 


1683576 Mark 


60/0 


1897» 


3600000 Mark 


s'/oJSS.SÄ 


1889 


2100000 




70/0 


1898 


4400000 . 


100/0 


1890 


4320000 




12<'/o 


1899** 


5000000 . 


100/0 ÄSfeSÄ 


1891 


4320000 




120/0 


1900 


7020000 . 


130/0 ^^^ 


1892 


3240000 




90/0 


1901 


6480000 . 


120/0 


1893 


2160000 




60/0 


1902 


6000000 . 


100/0 


1894 


2160000 




60/0 


1903 


6600000 . 


110/0 


1895 


2520000 




70/0 


1904 


6900000 . 


100/0 


1896 


3000000 




71/30/0 









Hieraus ergibt sich, daS in den 23 Jahren dieser zweiten 
Periode an die Aktionäre ein Untemehmergewinn (im privat- 
wirtschaftlichen Sinne) von 79549354 Mark ausgeschüttet wurde, 
d. h. eine Durchschnittsdividende von 8,45 ^/o. Hingegen betrug 
die Dividende in der ersten Periode durchschnittlich 9,94 ^/o.*** Da 
nun aber wirtschaftlich die zweite Periode, deren letzte Hfllfte 
unter der Herrschaft des Kohlensyndikats steht, an sich hatte 
gunstiger wirken müssen als die erste, so ergibt sich, namentlich 
unter Berücksichtigung des früher Gesagten, dafi die geringere 
Durchschnittsdividende in letzter Linie auf den Einflufi 
der Fusionen und der damit in Zusammenhang stehenden 
Kapitalakkumulation zurückgeführt werden mufi. Eine 
weitere Analyse dieser Zahlen werde ich erst bei Gelegenheit der 
Darstellung der Erträgnisse des Kölner Bergwerksvereins gel>en, 
einer Unternehmung, die auf dem entgegengesetzten Prinzip be- 
ruht, und bei der dann eine Vergleichung der Erträgnisse statt* 
finden soll. Dort wird sich zweieriei zeigen: 1. Dafi die Divi- 
denden der Gelsenkirchner Bergwerksgesellschaft im Durchschnitt 
überhaupt niedriger sind und dafi dieses Minus hauptsächlich zu 
setzen ist auf den Einflufi der guten Geschäftsjahre, in denen 
sich der nichtfusionierte Betrieb günstiger entwickelte, 2. dafi die 
Schwankung der Durchschnittsdividende in den guten und schlechten 
Geschäftszeiten bei der G. B. A. tatsächlich eine geringere ist Die 
Fusion führt zu einer größeren Stabilität in der Divi- 
dende, freilich auf Kosten ihrer Höhe. Da der Kurs in 
letzter Linie ein Spiegelbild der Erträgnisse ist, so drückt sich der 
geringere Ertrag der fusionierten und eines grofien Teils der nicht- 

* Das Aktienkapital betrug Ende 1897 44000000 Mark, dividcndcnbcrechtigt 
waren nur 40000000 Mark. 

** Das Aktienkapital betrug Ende 1899 54000000 Mark, dividendenberechtigt 
waren nur 50000000 Mark. 

*** Berechnet man statt der arithmetischen die quantitative Durchschnitts- 
dividende, so ergibt sich für die erste Periode 9,4, für die zweite 9,0^/0. Auch 
nach dieser Berechnungsart steht die letztere ungünstiger da. 



2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 185 

fusionierten Unternehmungen bereits in der Differenz der Kurse 
ihrer Aktien aus. Die nichtfusionierten Aktiengesellschaften sind, 
um in der Sprache der Börse zu reden, schwerere Papiere, wie 
die fusionierten. Von dem in dem früher mitgeteilten Programm 
erwarteten Einflufi der Zusammenlegungen .nicht blofi auf einen 
höheren, sondern auch auf einen gesicherteren Ertrag" hat sich 
also nur der zweite Teil erfüllt. Nicht alle Blütenträume des 
Machtideals sind in Erfüllung gegangen. 

AuBer dem Nachteile einer geringeren Dividende hat die Zu- 
sammenlegung einer Anzahl Zechen zu einer wirtschaftlichen 
Unternehmung bereits vor dem Zustandekommen des Kohlen- 
^ndikats eine Erscheinung zur Folge gehabt, die unter der Herr- 
schaft der Förderkonventionen schon deutlich hervortrat Förder- 
einschränkungen wirken anders auf fusionierte als auf 
nichtfusionierte Betriebe. Es liegt in dem kapitalistischen 
Geist einer Unternehmung, die aus einer Reihe unter verschie- 
denen Bedingungen art)eitender Zechen besteht, Fördereinschran- 
kungen in erster Linie auf diejenigen Betriebspunkte zu 
verlegen, wo die Differenz zwischen Selbstkosten und 
Verkaufspreis am geringsten ist Um das gegebene Förder- 
quantum mit einem möglichst hohen Gewinn abzusetzen, wurde 
auf Gelsenkirchen immer die Förderung dort ausgedehnt, wo diese 
Differenz am gröfiten war. Der Besitz mehrerer Zechen führt 
also unter diesem Umstände zu einer ungleichmäßigen 
Behandlung derselben. «Bei den aufiergewöhnlich günstigen 
Flözverhaltnissen der Stammzechen Ver. Rhein-Elbe und Alma, 
bei den dort bereits vollendeten Einrichtungen, den entsprechend 
ermaBigten Selbstkosten und den relativ hohen Verkaufspreisen 
der dort geförderten edlen Kohlen lag es im Interesse der G. B. A^ 
von dem zulässigen Gesamtförderquantum möglichst viel auf die 
Stammzechen zu überweisen, was natürlich eine entsprechende 
Minderförderung auf der Zeche Ver. Stein und Hardenberg im 
Gefolge hal)en mufite. Hierdurch wurde die Entwicklung dieser 
letzteren Zeche mehrere Jahre zugunsten der Stammzechen künst- 
lidi zurückgehalten, was nicht allein eine entsprechende Verminde- 
rung der Förderung für die neuen Zechen, sondern auch für diese 
verminderte Förderung noch verhältnismäflig höhere Selbstkosten 
zur Folge hatte. Im Interesse des Gesamtuntemehmens wurden 
also neue Z echen vorübergehend benachteiligt'* Ich komme im 

* Geschäftsbericht der aufierordenUichen OenerslverMmiiiliing vom 31. Ja- 



186 2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft. 

folgenden Abschnitt noch näher darauf zuräck. Es ist klar, daS 
wir es bei diesen sich auch beim Kohlensyndikat wiederholenden 
Einschränkungen mit einer Maßnahme zu tun haben , die der 
gleichmäfiigen Entwicklung der einzelnen zu einem Qesamtunter- 
nehmen verbundenen Zechen hindernd im Wege steht, ein Nach- 
teil, der bei den nichtfusionierten Betrieben hinwegfallt 

Fassen wir noch einmal ganz kurz das Ergebnis in bezug 
auf die Wirkungen der Fusionen auf die G. B. A. zusammen. 
Nicht nachweisbar war ein Einflufi auf die Selbstkosten 
und die Arbeiterverhältnisse. Als Vorteile erkannten wir: 
Dezentralisation des Risikos, technische Vollendung der 
Neuerwerbungen und grOfiere Stabilität der Dividende; 
als Nachteile: Verringerung des Unternehmergewinns und 
ungleichmäßige Entwicklung als Folge der Produktions- 
regulierung. 

Innig verknüpft mit dem im Vorhergehenden in seiner Entwicklung 
und seinen Konsequenzen verfolgten Konzentrationsgedanken war es 
das Streben nach Macht, welches den Leitstern in der Entwicklung 
der G. B. A. bildet Es war ihr möglich, auf einer durch Verschmelzung 
erlangten breiten Grundlage eine äußere Machtstellung zu gewinnen 
und vermöge derselben „zielführend für die Einigung auf dem 
Verkaufsgebiete zu wirken".* In den 80er Jahren sehen wir das 
Unternehmen an allen Vereinigungsbestrebungen arbeiten und 
teilnehmen, die damals entstanden. Am 3. März 1883 faSte der 
Vorstand des Vereins für die bergbaulichen Interessen eine Reso- 
lution, durch Bildung einer Konvention und Vereinigung der be- 
stehenden Unternehmungen den Übelständen im Kohlent>ergbau 
abzuhelfen. Dazu bemerkt der Geschäftst>ericht von 1883 folgendes: 
«Wir können diesem Beschlüsse des Vorstandes unseres bergbau- 
lichen Vereins nur zustimmen und sind bereit, der Konvention 
ohne Vorbehalt beizutreten, so sehr wir auch dadurch in unseren 
Maßnahmen auf Zeche Ver. Stein und Hardenberg g^[enüber der 
dort begonnenen Entwicklung gehemmt werden. . • . Wir hoffen 
aber zugleich, dafi alle Beteiligten, die Richtigkeit des Beschlusses 
des bergbaulichen Vereinsvorstandes voll anerkennend, dies Mittel 
nur als Notbehelf betrachten und die Bemühungen durch Schaffung 
der als nötig erkannten größeren Vereinigung wieder aufnehmen 
werden; vor allem möchten wir wünschen und anstreben, dafi 
schon im laufenden Jahr der jedenfalls schneller durchführbare 

♦ Festschrift. 



2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 187 

' ' -^^s^Bsm . ' -■■■■■ 

Versuch zur Bildung gemeinschaftlicher Verkaufsstellen wenigstens 
in einzelnen Gruppen gemacht werde.* Am 1. Juli 1885 wurde 
dann ffir die Dauer eines Jahres unter dem Druck der Not eine 
Föfderkonvention auf ein Jahr geschlossen. Sie umfafite 90^/o 
der Gesamtförderung und bezweckte, durch Fördereinschränkungen 
der Überproduktion Hen zu werden. Auch diese Förderkonvention 
wirkte sehr ungünstig auf die neu erworbenen Zechen Ver. Stein 
und Hardenberg. Die Verwaltung wollte dort durch Verbesse- 
rungen und Neuanlagen die Förderung multiplizieren. Aber der 
Zttsammenschlufi zog der Vermehrung der Produktion eine Barriere. 
»Der Weiterentwicklung unserer Dortmunder Zeche/ heifit es im 
Geschäftsbericht von 1885, »durch Verstärkung der Förderung den 
getroffenen Ein- und Vorrichtungen entsprechend, stellten sich 
zunächst die ungünstigen Marktverhältnisse, demnächst die mit 
Rücksicht hierauf zwischen der Mehrzahl diesseitiger Zechen ge- 
schlossene Vereinigung behufs Regelung bzw. Beschrän- 
kung der Förderung hindernd entgegen. Neben der Förder- 
konvention trat mit dem 1. Juli 1885 zugleich eine Vereinigung 
der Koksanstalten und Fettkohlenzechen zu gemeinschaftlichem 
Verkauf ins Leben, welche der einzelnen Zeche oder Koks- 
anstalt jede Selbständigkeit auf dem von der Vereinigung be- 
rührten Gebiete nahm.*" Bereits im folgenden Jahre löst sich 
dieses Kartell auf. Die Konkurrenz der Outsiders war zu rück- 
sichtslos gewesen. 

Besonders lebhaft interessierte sich die G. B. A. für das Zu- 
standekommen der Vereinigung der Gasflammkohlenzechen 
Dieselbe wurde 1885 auf zwei Jahre geschlossen. Die Folge war 
eine starke Fördereinschränkung, die das Werk aber hauptsächlich 
in die flauen Absatzmonate April bis Juli verlegte. Jedoch das 
Resultat war negativ. »Die Hoffnungen auf den Erfolg der ge- 
schlossenen Fördervereinigung," heifit es in dem Bericht von 1886, 
»haben sich in keiner Weise erfüllt Die den gröfieren auf- 
erlegten Einschränkungen sind infolge der den kleinen 
und namentlich den neuen sog. ,in Entwicklung be- 
griffenen' Zechen gewährten Ausnahmen wirkungslos 
geblieben, da die Verringerung der Gesamtförderung nicht aus- 
rdcfaend war, um den verminderten Kohlenverbrauch der Eisen- 
ond Stahlindustrie und anderer Industrien, welcher sowohl durch 
die drückende Lage auch dieser Industrie als durch die Fort- 
schritte der Technik verursacht wird, das Gleichgewicht zu halten.* 



188 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 

1887 sieht sich das Werk genötigt, den Kartellvertrag zu umgeheit 
Der Geschäftsbericht bemerkt: »Das letzte Vierteljahr 1887 wies 
einen lebhaften Absatz auf und waren auch wir während des- 
selben gezwungen, um uns von den anderen Zechen nicht zurück- 
drängen zu lassen, die Bestimmungen des Berggewerkschafts- 
kassenbeschlusses aufier acht zu lassen. Wir stellten demnach ffir 
desfallsige außerordentliche Abgaben (Konventionalstrafen) an 
dieselbe 32000 Mark in Reserve.* Mit dem 1. Juli 1888 trat 
dann eine von Gelsenkirchen geleitete Verkaufsabteilung in 
Tätigkeit Dieselbe vertrieb neben den Erzeugnissen dieser Ge- 
sellschaft auch diejenigen des Westfälischen Grubenvereins und 
der Bochumer BergwerksaktiengesellschafL Damit wurden, worauf 
ich bereits früher hinwies, die ersten Fäden zur Verbindung mit 
dem Westfälischen Grubenverein geknüpft. Ober den Erfolg der 
Verkaufsstelle sagt der Bericht von 1888 folgendes: .Es ist uns 
hierdurch möglich geworden, zum Vorteile unseres gesamten 
Kohlenmarkts einheitliche Verkaufsmafinahmen für eine Zechen* 
gruppe ins Leben zu rufen, welche über 1 1 selbständige Tiefbau- 
anlagen mit 14 Förderschächten verfügt* Aber auch diese ört- 
liche Verkaufsvereinigung verfehlte ihren Zweck. Sie vermochte 
nicht, den Wettbewerb aufzuheben.] 

1891 bildete sich dann die sog. Zechengemeinschaft zur 
Regelung der Preise zwischen diesen Verkaufsvereinigungen. 
Jedoch bereits der Bericht von 1892 bemerkt resigniert, daS die 
gröfiere Geschlossenheit keinen Einfluß auf den Kohlenmarkt aus- 
geübt habe. Die weichende Konjunktur zerstörte auch die Zecfaen- 
gemeinschaft Nunmehr aber wurde eine einheitliche Verkaufs- 
stelle für die sämtlichen Privatzechen des Oberbergamtsbezirks 
Dortmund errichtet, .da nur hierin das einzige noch verbleibende 
Mittel erblickt werden konnte, dem schrankenlosen und ver- 
nichtenden Wettbewerb ein sicheres Ziel zu setzen." 

Diese Bestrebungen führten dann am 1. März 1893 zur Bil- 
dung des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats. Sein Leiter 
wurde bekanntlich Geheimer Kommerzienrat Kirdorf. Damit waren 
die vielen Anläufe zu einem Ziel gelangt Die G. B. A. aber hatte 
den Ruhm, viel zur Erreichung desselben beigetragen zu 
haben. Ober die Rolle, die sie im Kohlensyndikat spielte, heiflt 
es in dem Verwaltungsbericht vom 12. September 1904: .Die 
Schaffung und Fortführung des Rheinisch-Westfälischen Kohlen- 
syndikats ist, wie man heute zurückblickend aussprechen darf, nur 



2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 189 

dadurch möglich geworden, dafi ihr die Konsolidierung des 
rheinisch-westfälischen Bergbaus durch uns und andere in gleicher 
Weise vorgehende grofie und kräftige Gesellschaften die Wege 
und das Verständnis bereitet hatten. Gerade im Kohlensyndikat 
aber, über dessen ausschlaggebend nfitzliche Wirkung für unser 
gesamtes westdeutsches Wirtschaftsleben in allen Kreisen, die 
hören und sehen wollen, heute kein Zweifel mehr obwaltet, führte 
uns unser Besitz nicht nur an eine der einflußreichsten 
Stellen, sondern ermöglichte uns erst, ja er zwang uns sogar 
dazu, das Gebot des Mafihaltens ebenso im Interesse unseres 
engeren Gewerbes wie zum Besten des gesamten Wirtschafts- 
lebens zur Anerkennung und Durchführung zu bringen.' 

Damit ist deutlich die Rolle gekennzeichnet, die die G. B. A. 
in den Zusammenschlufibestrebungen des rheinisch -westfälischen 
Kohlenbergbaus spielte: Die Rolle des Führers. Wir sahen, 
wie sich auf dem Besitz der Machtzweck aufbaute. Dafi aber 
dieser mit der Etablierung des Kohlensyndikats im Jahre 1893 
und seiner Erneuerung im Jahre 1903 noch nicht seine letzte 
Erfüllung fand, werden wir im letzten Abschnitt sehen. 

Wir haben im vorhergehenden zwei Perioden in der Ent- 
wicklungsgeschichte der G. B. A. kennen gelernt. Die erste reichte 
von der Gründung bis zum Beginn der grofien Fusionen, die 
andere umfafit die Periode der Verschmelzungen mit anderen 
Kohlenzechen. Damit aber ist die Entwicklung noch nicht zum 
Absdilufi gelangt Mit dem Beginn des Jahres 1905 wird 
ein neues Riesenprojekt perfekt: Die Kombination der 
G. B. A. mit zwei großen Werken der Eisen- und Stahl- 
industrie, nämlich dem Schalker Gruben- und Hütten- 
verein und dem Aachener Hüttenaktienverein Rote Erde. 
Diese Kombination und ihre Motive haben wir nunmehr noch 
näher ins Auge zu fassen. 

Die letzten Ursachen dieser Vereinigung liegen in der privi- 
legierten Stellung, die der neue, in den Verhandlungen vom 
15. September resp. 1. Oktober 1903 geschlossene Syndikats- 
vertrag den Hüttenzechen einräumte, d. h. Zechen, die sich nn 
Besitze von Hochöfen, Stahlwerken oder Walzwerken befinden. 
Unter der Herrschaft des alten Vertrages (1893—1903) befand 
sich die groBe Mehrzahl der Kohlenzechen, die mit eben ge- 
nannten Betrieben kombiniert waren, außerhalb des Syndikats. 
Diese Outsiders warfen namentlich bei mattem Geschäftsgang 



190 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 

grofie Mengen Kohle auf den Markt und störten infolgedessen 
die Preis- und Produktionsregulierung des Syndikats. Als daher 
im Jahre 1903 der alte Vertrag ablief, kam alles darauf an, diese 
Konkurrenz zu beseitigen. Um die Hüttenzechen zum Beitritt zu 
bewegen, mufiten die im Verbände befindlichen Zechen ihnen 
Konzessionen machen. Diese bestanden einmal in der Ein* 
räumung hoher Beteiligungsziffem und dann in der Freilassung 
des Selbstverbrauchs. Durch diese Bestimmungen erhielten die 
Hüttenzechen eine grofie Bewegungsfreiheit Sie konnten ihre 
Beteiligungsziffer voll ausnutzen, und was sie mehr förderten, ver* 
brauchten sie im eigenen Betriebe, in der Kokerei, zur Kessel- 
heizung usw. Die reinen Syndikatszechen hingegen, zu denen 
auch die G. B. A. gehört, hatten dieses Ventil, durch das sie ihre 
Mehrproduktion hatten lassen abfliefien können, nicht Sie mufiten 
ihre Förderung einschränken und Feierschichten einlegen. Sie 
waren die alleinigen Träger der sog. Einschränkungen, d. h. des 
Unterschiedes zwischen der tatsächlichen Fördermöglichkeit und 
der Menge, für die nur Absatz vorhanden war. Infolgedessen war 
die Lage der reinen Kohlenzechen im Jahre 1904, das doch für 
die deutsche Industrie im grofien und ganzen als ein gutes Ge- 
schäftsjahr bezeichnet werden mufi, keine besonders günstige. 
Das bestätigt auch der Geschäftsbericht von Gelsenkirchen. Dort 
wird folgendes ausgeführt: .Die alten Syndikatszechen haben 
grofie Opfer bringen müssen, um den Beitritt der aufienstehenden 
zu erreichen. Sie haben das, wenn auch mit grofier Oberwindung, 
getan in der Überzeugung, dafi die Auflösung des Syndikats 
unserer gesamten Industrie unermefilichen Schaden gebracht haben 
würde. Nach den Erfahrungen der letzten Zeit wird aber unbe- 
dingt angestrebt werden müssen, dafi in Zukunft alle Syndikats- 
zechen sich gleichmäfiig weiter entwickeln können, weil bei dem 
jetzigen Zustande, wo die alten Syndikatszechen in Zeiten der 
Absatzeinschränkung in der Entwicklung still stehen, teilweise 
sogar zurückgehen, das Kohlensyndikat zweifellos seiner vor- 
zeitigen Auflösung entgegengeht Unter diesen Umständen, welche 
nicht vorausgesehen werden konnten, wurden unsere Anlagen in 
ihrer natüriichen Entwicklung wesentlich gehemmt Da Arbeiter- 
entlassungen nicht vorgenommen wurden, vielmehr nur mit dem 
natüriichen Abzug gerechnet wurde, so konnte nur durch häufiges 
Feiern eine Oberproduktion vermieden werden." Wenn nicht alles 
täuscht, so wird die Privilegierung der Hüttenzechen für diese 



2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft 191 

auch in Zukunft den Anreiz geben, weitere Syndikatszechen zu 
erwerben. Damit aber mufi sich die Lage der reinen 
Kohlenzechen mehr und mehr verschlechtern. National- 
Ökonomisch betrachtet scheint mir freilich in dieser Entwicklung 
die Anbahnung eines Ausgleichs zu liegen. Die Kohlenindustrie 
wirft bekanntlich eine bedeutend höhere Rente ab als die Eisen- 
industrie. Nach den Berechnungen Waggons beträgt im Durch- 
schnitt der Jahre 1870—1900 die Dividende zwischen 5 und 6^/o, 
bei den Kohlenwerken aber 6 — 87o. Davon aber abgesehen be- 
deutet die Vorzugsstellung der Hüttenzechen ein in dem 
neuen Syndikatsvertrage enthaltenes Auflösungsmoment Die 
Gefahr, dafi im Jahre 1915 das Kohlensyndikat eventuell 
nicht mehr zustande kommt, ist die Triebfeder gewesen, 
die die G. B. A. veranlafite, schon jetzt Fürsorge für die 
Zukunft zu treffen. In der vom 12. September 1904 datierten 
Begründung wird folgendes ausgeführt: .Wir halten es für unsere 
Aufgabe, diese Gefahr heute schon ins Auge zu fassen und 
im Interesse unseres und des westfälischen Bergbaus überhaupt 
Maßregeln zu ihrer Bekämpfung zu treffen. Die Angliederung 
von Eisenwerken wird dazu die wirksamste, wenn nicht sogar die 
einzige sein. Sie wird unserer Gesellschaft bis zu einem gewissen 
geringen Grade sofort schon den Mitgenufi an den Vorteilen der 
Hüttenzechen unter dem laufenden Syndikatsvertrage gestatten, 
vor allem aber wird sie es uns ermöglichen, unser Schwergewicht 
den Hüttenzechen gegenüber für die Neuregelung des Kohlen- 
syndikats, sei es für die Zeit nach 1915, dem Endtermin des 
jetzigen Syndikatsvertrages, sei es schon von einem hrüheren Zeit- 
punkte ab, zur Geltung zu bringen. Sollte sich dann aber die 
HoRnung einer Syndikatsveriängerung doch nicht verwirklichen 
lassen, so werden in dem beginnenden Kampf nicht wieder wie 
vor Zeiten wir als reines Kohlenwerk die Schwächeren sein, son- 
dern in unsem eigenen Eisenwerken und in deren Beziehungen 
zu weiter verarbeitenden Industrien die Sicherung des Absatzes 
für einen grofien Teil unserer Förderung haben. Einen nicht zu 
unterschätzenden Vorteil erblicken wir femer auch darin, dafi wir 
jetzt schon in den Verbänden der Eisenindustrie unsere Be- 
strebungen einerseits zum Mafihalten den Verbrauchern gegen- 
über, andererseits zum Zusammenarbeiten und zur Stärkung 
unserer deutschen Industrie dem Auslande gegenüber zur Geltung 
bringen können. 



192 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschafi 

Nach dem geltenden Kohlensyndikatsvertrage ist eine fOnn- 
liehe Umwandlung unserer Gesellschaft in eine sog. Hfittenzeche 
nicht möglich, sie liegt auch vorläufig nicht in unserer Absidit 
Der von uns angestrebte Zweck wird vielmehr dadurch erreicht, 
dafi wir unter gleichzeitiger Festlegung eines Gemeinschaftsver- 
haltnisses, welches eine Vereinigung der Erträge herbeiführt, eine 
solche Mehrheit des Aktienkapitals der beiden nach- 
genannten Gesellschaften erwerben, welche die völlige 
Verschmelzung in der Folge in unsere Hand legt Sowohl 
der Aachener Hüttenaktienverein wie der Schalker Grut>en- und 
Huttenverein bilden zunächst nach dieser Richtung einen be- 
gehrenswerten Erwerb, weil ein verhältnismäfiig sehr kleines 
Aktienkapital in den Händen weniger Großaktionäre sich 
befindet und diese heute bereit sind, den Abschlufi eines Ge- 
meinschaftsverhältnisses mit uns herbeizuführen, sowie einea 
Aktienbesitz von mindestens Vi des Grundkapitals uns demnädist 
zu überlassen. 

Femer sprechen für die Wahl dieser beiden Werke folgende 
allgemeine Gesichtspunkte: Der Aachener Hüttenaktienverein ist 
im Besitz von Erzfeldern in derjenigen Güte und Menge, die in 
Deutschland die billigsten Selbstkosten zur Darstellung von Roh- 
eisen ermöglichen. Seine Hochofenanlagen in Esch und Deutsch- 
Oth liegen unmittelbar an einem geschlossenen Besitz von Erz- 
feldern, aus denen die Minette direkt vom Gewinnungsorte her zu 
den sieben Hochöfen geschafft wird. Das erblasene Roheisen 
verwertet der Verein auf seinen Stahl- und Walzwerken zn 
Roteerde. Er ist also, wenn ihm durch die Vereinigung mit uns 
der Brennstoff gesichert ist, für menschlich absehbare Zukunft 
hinaus in der Lage, den Stahl zu Selbstkosten herzustellen, die 
vom deutschen Wettbewerb überhaupt nicht oder nicht wesentlich 
unterschritten werden können. 

Für die Vereinbarung mit dem Schalker Gruben- und Hütten- 
verein ist von entscheidender Bedeutung die Lage seines Gelsen- 
kirchner Hauptwerks in unmittelbarer Nähe unserer Schachtanlage 
Alma, deren wertvolles nördliches Abbaufeld von den Hochofen- 
und Giefiereianlagen des Vereins, seinen Beamten- und Arbeiter- 
häusem sowie dem sonstigen Gmndbesitz in Größe von zirka 
300 Morgen überdeckt wird. Noch im Jahre 1901 waren wir ge- 
zwungen, dem Schalker Verein zum Ersatz von Bergschäden den 
Betrag von 720000 Mark zu zahlen. Durch die Vereinigung wird 



2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 193 

es uns ermöglicht, die Schlackenhalden und sonstigen Hfitten- 
abfaile an Ort und Stelle mittelst einer zu schaffenden Schlamm- 
versatzeinrichtung in unsere Abbaue zu schlemmen und so Berg- 
schaden fast vollständig zu verhüten. Von besonderer Wichtigkeit 
für uns ist sodann die Eigenschaft des Schalker Vereins als einer 
Hfittenzeche im Besitz des Bergwerks Pluto, mit dessen Förderung 
der Schalker Verein in der Lage sein würde, einen Teil des Be- 
darfs des Aachener Vereins an Brennstoffen als seinen eigenen 
Bedarf frei von Syndikatsabgaben zu decken, wenn einmal eine 
Verschmelzung der beiden Hüttenwerke vorgenommen werden sollte, 

Von diesen allgemeinen Gesichtspunkten ausgehend, sind wir 
ztt der Annahme berechtigt, dafi die Gemeinschaft mit den beiden 
genannten Werken uns zum Teil schon jetzt greifbare Vorteile, vor 
allem aber für unsere Zukunft die Gewifiheit bringen wird, jedem 
Kampf mit Ruhe entgegen sehen zu können.* 

Damit sind die springenden Punkte angedeutet Der Aachener 
Hfittenverein ist ein grofies gemischtes Eisen- und Stahl- 
werk, das bis zu 600000 t Kohle, d. h. den zehnten Teil der 
Förderung Gelsenkirchens absorbieren kann * Vorläufig kflme das 
allerdings nicht in Betracht, da ja Gelsenkirchen seine ganze Pro- 
duktion bis 1915 an das Syndikat verkauft hat Vielleicht nicht 
ohne Einflufi auf die Annäherung von Gelsenkirchen an Rote Erde 
ist femer die Tatsache, dafi die Leiter beider Werke Brüder sind. 

Für die Annäherung an den benachbarten Schalker Gruben- 
und Hfittenverein war wie erwähnt vor allem die Tatsache aus- 
sdilaggebend, dafi die Schalker Grundstücke einen grofien Teil 
der Gelsenkirchner Kohlenflöze (Zeche Alma) bedeckten und in- 
folge eingetretener Bodensenkungen von Gelsenkirchen grofie 
Bergschadenansprüche befriedigt werden mufiten. 

Der Schalker Gruben- und Hüttenverein weist einen interes- 
santen Entwicklungsgang auf.** 1872 begründet, besafl er ur- 
sprünglich nur Erzgruben und eine Hochofenanlage in Bulmke. 
Dieses spezialisierte Roheisenwerk hatte unter der Krisis der 70er 
Jahre sehr zu leiden. 1876 wurde daher die Aktiengesellschaft 
aufgelöst An ihre Stelle trat eine Gewerkschaft Diese Änderung 
der Gesellschaftsform gab der Verwaltung einen Ausweg, Kapital 
zu erhalten. Dann werden weitere Hochöfen gebaut Heute sind 

* Frankfurter Zdtung vom 16. September 1904. 

** Vgl. far das Folgende: Bericht Aber die Entwicklung des Schalker 
Graben- und Hflttenverelns zusammengestellt Im November 1903. 
SttUlcb, NatloiMlOkoDomlKbe Poncbingcs. Bd. 0. 13 



194 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 

im ganzen sechs vorhanden. 1884 erfolgt die Anlage einer groBen 
Qiefierei. Sie ist heute in bezug auf Ausdehnung und Umfang 
der Fabrikation die größte Eisengießerei in Deutschland 
Den ersten Schritt in der Rohstoffversorgung mit Kohle tat das 
Unternehmen 1884 durch Erwerb von 972 Kuxen der Zechen 
Wolfsbank und Neuwesel. Aber erst die Hochkonjunktur brachte 
weitere Kombinationsplane zur Reife. 1897 erfolgte die Angliede- 
rung der Aktiengesellschaft Vulkan in Duisburg, .um den Wett- 
bewerb mit den am Rhein günstiger gelegenen Werken erfolg- 
reicher führen zu können/ Diese günstige Lage ermöglicht es, 
die in den Rheinschiffen ankommenden Erze direkt durch zwei 
Dampfkräne bis dicht vor die Aufzüge der Hochöfen zu bringen. 
Ebenso kann das produzierte Eisen auf diesem einfachen und 
billigen Wege direkt verschifft werden. 1899 erfolgte dann die 
Angliederung der Bergwerksaktiengesellschaft Pluto zu Essen be- 
hufs Versorgung der Hochöfen mit eigenem BrennmateriaL Aus 
dieser Zusammenstellung geht hervor, welche Ungeheuern Di- 
mensionen der Gelsenkirchner Konzern angenommen. 

Wir haben jetzt noch den Vertrag in seinen wichtigsten 
Punkten zu behandeln. Formell wird die Gemeinschaft dadurch 
charakterisiert, dafi die G.B. A. mit einem von 69 auf 119 Millionen 
erhöhten Grundkapital sämtliche Aktien von Schalke und Rote Eide 
erwirbt, während diese Gesellschaften einen entsprechenden An- 
teil Gelsenkirchner Aktien erhalten. Am meisten Schwierigkeiten 
machte es, für diesen Austausch der Aktien zwischen den drei 
Gesellschaften ein angemessenes Verhältnis zu finden. Die schon 
erwähnte Vorlage berichtet hierüber folgendes: »Unsere Gesell- 
schaft hat heute ein Aktienkapital von 69000000 Mark, 
wahrend das des Aachener Vereins 11 500000 Mark und das des 
Schalker Vereins 10200000 Mark befa-ägt. Nach langen Verhand- 
lungen ist es gelungen, ein Wertverhältnis zu ermitteln, das, im 
Nennwert unserer Aktien ausgedrückt, für das Aktienkapital von 
Aachen einen Befa-ag von 31000000 Mark und für das Kapital 
von Schalke einen Betrag von 25500000 Mark ergibt Es be- 
steht bei beiden h-emden Gesellschaften Geneigtheit, dieses Wert- 
Verhältnis sowohl der zu bildenden Gemeinschaft wie auch dem 
Aktienaustausch zugrunde zu legen derart, dafi a) der Gemein- 
schaftsgewinn im Verhältnisse von 69 Anteilen auf uns, 
von 31 Anteilen auf Aachen und von 25,5 Anteilen auf 
Schalke entfallen soll, b) die uns zu überlassenden Beträge 



2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 195 

• 
von mindestens je dreiviertel des Grundkapitals der beiden anderen 
Gesellschaften einen solchen Gegenwert in neuen Aktien unserer 
Gesellschaft erhalten sollen, als einem Gesamtbetrage von nom. 
31 000000 Mark unserer Aktien fär nom. 11 500000 Mark Aktien 
des Aachener Hüttenaktienvereins, und von nom. 25500000 Mark 
unserer Aktien ffir nom. 10200000 Mark Aktien des Schalker 
Gruben- und Hütten Vereins entsprechen." 

Die finanzielle Transaktion wurde von einem Bankenkon- 
sortium vorgenommen, in dem neben der Diskontogesellschaft, die 
bisher allein den maßgebenden Einflufi ausübte, auch die Deutsche 
Bank und die Dresdner Bank vertreten waren, nachdem bereits 
früher August Thyssen und Hugo Stinnes,* unter deren Mitwirkung 
die letzten Vereinigungen eingeleitet und durchgeführt wurden, 
einen Teil Gelsenkirchner Aktien erworben und in den Aufsichts- 
rat der G. B. A. gewählt worden waren. Die beiden wichtigsten 
Bestimmungen des Vertrages betreffen die im vorhergehenden 
schon angedeutete Gewinnverteilung. Danach werden die Rein- 
gewinne der drei Gesellschaften zusammengeworfen, sie fliefien in 
die Gemeinschaftskasse und werden dann nach einem Schlüssel 
verteilt, und zwar in der Weise, dafi entfallen: 

auf Gelsenkirchen 69 Teile 
. Aachen. . . 31 , 
. Schalke . . 25,5 . 

Die drei Gesellschaften verpflichten sich femer gegenseitig, in 
ihrer im übrigen getrennt bleibenden Geschäftsführung keine wich- 
tigen Maßnahmen zu treffen, ohne die Zustimmung eines Ge- 
meinschaftsausschusses einzuholen: Derselbe ist folgendermaßen 
zusammengesetzt. Er besteht 

a) aus dem Vorstande sämtlicher drei Gesellschaften, die 
jedoch immer nur durch ihren Vorsitzenden oder dessen Vertreter 
ihre Stimme abgeben dürfen; 

b) aus je drei Mitgliedern, welche der Aufsichtsrat jeder der 
drei Gesellschaften aus seiner Mitte abordnet. 

Die Kompetenzen dieses Gemeinschaftsausschusses sind fol- 
gende: 1. Entscheidung im Zweifelsfalle, was als wichtige Maß- 
nahme angesehen werden soll. 2. Aufstellung der Vorbilanz nebst 
Gewinn- und Verlustrechnung. 3. Genehmigung eines neuen Ver- 

* Der MOlheimer Bergwerksverein erwarb 1924800 Mark Geisenkirchner 
Aktien, weil er diese Beteiligung an einem Werk mit schweren Fett- und Mager- 
kohlen fflr zweckmäßig hielt. 

13* 



196 2. Gdsenklrchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 



teilungsmafistabes, im Falle eine der Gesellschaften ihr Aktien- 
kapital erhöht Diese Interessengemeinschaft, die mit dem 1. Januar 
1905 ihren Anfang nahm, kann vor dem 31. Dezember 1935 nicht 
gekündigt werden. 

Wir haben es hier mit einem Gebilde zu tun, das die 
Form einer Beteiligungsgesellschaft aufweist und das man in der 
auch bei uns üblichen Sprechweise vielfach als Trust bezeichnet 
hat Diese Terminologie entspricht jedoch nicht den Anforde- 
rungen wissenschaftlicher Präzision. Allerdings wird auch in den 
Vereinigten Staaten eine blofie Beteiligungsgesellschaft vielfach 
schlechthin Trust genannt Es ist jedoch korrekter, diesen Aus- 
druck auf Beteiligungsgesellschaften mit monopolistischem 
Charakter zu beschränken, d. h. auf solche, die von allen oder 
doch den meisten Unternehmungen des betreffenden Gewerbes die 
Mehrheit der Aktien im Besitz haben.* Damit aber haben wir es 
bei Gelsenkirchen-Schalke-Rote Erde nicht zu tun. Dazu kommt, 
dafi die gewahrte vollständige Selbständigkeit der einzelnen 
Verwaltungen bei der genannten Interessengemeinschaft dem Be- 
griff des Trusts fremd ist Aus diesen beiden Gründen dürfte es 
nicht angängig sein, von der Bildung eines Montantrusts zu 
sprechen, wie es z. B. Jutzi in einer Schrift über die deutsche 
Montanindustrie auf dem Wege zum Trust tut** 

Damit haben wir die Entwicklungsgeschichte der G. R A. bis 
zur Gegenwart verfolgt Sie ist ein geradezu klassisches Beispiel 
für die Aufsaugungs- und Expansionstendenzen, die die deutsche 
Montanindustrie in eine neue Ära hineintreiben. 



Liefmann, Kartelle und Trusts, Stuttgart 1905 p. 40. 
Jena 1905. 



3. Kölner Bergwerksverein. 

Die Grfindung und erste Jugend des Kölner Bergwerks- 
vereins fällt in eine Zeit, welche einen grofien Umschwung in 
dem westfälischen Kohlenbergbau einleitete. Bis in die Mitte des 
19. Jahrhunderts herrschte im Ruhrbassin der Tage- und Stollen- 
bau ^ wie wir ihn bei den im III. Bande zu behandelnden Braun- 
kohlenwerken noch näher kennen lernen werden. Er repräsentierte 
mit seinen kleinen Belegschaften und geringen POrdermengen den 
handwerksmäßig organisierten Kleinbetrieb.* 

Dieses Bild hat sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts be- 
reits geändert Durch Konzentrierung der Baue ist in den 50 er 
Jahren die Zahl der Gruben auf weniger als die Hälfte herab- 
gegangen. Diese lieferten mit der sechsfachen Zahl von Arbeitern 
nahezu 5 Millionen Tonnen.** Die Form der Unternehmung war 
fast ausschließlich die Gewerkschaft Mit der Vervollkommnung 
der Technik wird dieser alte Rahmen gesprengt, und der Bergbau 
rückt um die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Norden ins Strom- 
gebiet der Emscher vor. Hier traten die Flöze nicht mehr wie 
auf der linken Seite der Ruhr zutage aus, sondern es mußten erst 
gewaltige fiber dem Kohlengebirge lagernde Erdschichten durch- 
teuft werden, ehe man die Flöze erreichte. Das machte aber die 
Investierung großer Kapitalien notwendig, um mit Hilfe der Massen- 
produktion einen Gewinn zu erzielen. Mit der Entstehung von 
Tiefbauanlagen erhält daher der westfälische Kohlenbergbau ein 
anderes Gepräge. Er wird großkapitalistisch. 

Damit beginnt eine neue Epoche. Sie steht in ihren An- 
fängen unter dem Zeichen der Bekämpfung der alten Berg- 

* 1803 standen in Essen 115 Steinkohlengruben In Betrieb, aber sie be- 
schäftigten nur 1211 Arbeiter und förderten zusammen etwas Aber eine halbe 
Million Tonnen. Auf die Zeche kamen also noch nicht 11 Arbeiter. Das damals 
bedeutendste Unternehmen zählte 38 Arbeiter und förderte JIhrUch 7500 t Kohle 
mit einem Geldwert von 2899 Talern. Verschiedene Gruben wurden mit 1 oder 
2 Arbeitern betrieben und förderten jährlich nicht über 50 t (folg. Anm.). 
*• Siehe Zeitschr. für Berg-, Hütten- und SaUnenwesen Bd. n p. 209. 



198 3. Kölner Bergwerksverein. 



bauverfassung. Noch die ganze Zeit bis in die 50er Jahre wird 
beherrscht von dem ancien regime der vergangenen Jahrhunderte. 
Dieses Prinzip bestand darin, daß der Staat, angeblich vermöge 
einer höheren Einsicht, überall regelnd und bestimmend in die 
Geschicke des Kohlenbergbaus eingreifen und den ganzen privaten 
Betrieb leiten mfisse. Sollte eine Aktiengesellschaft gegründet 
werden, dann mußte die Regierung erst ihre Einwilligung dazu 
geben. Eine bereits fertiggestellte Tiefbauanlage durfte nicht 
eher in Betrieb genommen werden, als bis die Behörde es er- 
laubte. Mit dieser Eriaubnis aber war sie äußerst zurückhaltend. 
Sie fürchtete eine Vermehrung der Konkurrenz infolge gesteigerter 
Förderung und damit eine Schädigung des Kohlenbergbaus. 

Der ganze Betrieb und die Verwaltung der Grube unter- 
stand den königlichen Bergämtem. Ihren klassischen Ausdruck 
fanden diese Verhältnisse im preußischen LandrechL* Danach 
setzte das Bergamt nicht nur den Betriebsplan fest, sondern es 
prüfte auch die Rechnungen, bestimmte die Höhe der zu verteilen* 
den Ausbeute und der zu zahlenden Zubuße. Auch die Höhe 
der Ausgaben für das Bergwerk wurde vorher von dem Bergamt 
geprüft 

Wichtiger aber als alles das war die Tatsache, daß die Rechte 
der Bergarbeiter durch eine Reihe sozialer Bestimmungen ein- 
gehegt waren. Der Unternehmer hatte kein Recht, Arbeiter an- 
zulegen oder zu entlassen. Die Bergämter wiesen ihm die nötigen 
Steiger und Knappen zu. Die Bergämter fixierten femer die 
Löhne. Sie setzten einen Normallohn fest, der die Grenze dar- 
stellte, unter der kein Arbeiter entlohnt werden durfte. Man 
strebte nach einem »gerechten Lohn", ein Problem, das von der 
modernen Sozialpolitik noch gar nicht genügend in Angriff genommen 
ist Femer regulierten sie auch die Arbeitszeit Das gewöhnliche 
war die achtstündige Schicht Die Bergarbeiterschaft war im Mittel- 
alter und später unter der Fürsorge des alten Polizeistaats besser 
gestellt als heute, wo sie, wie wir bei der Schildemng der großen 
Arbeitemnmhen sahen, Fordemngen erhebt, die damals längst er- 
füllt waren.** 



• A.L.R. Teil n Tit. 16 §§ 274. 300. 315. 316. 

** Wir haben hier nicht zu erörtern, warum in älterer Zeit eine FOlle sozialer 
Ideen im Bergbau ihre erste Verwirklichung fanden (vgl. Menzel, Soziale 
Gedanken im Bergrecht in Brasserts Zeitschr. für Bergrecht Bd. 32 1891 
p. 483 ff. und Zycha. Ein altes soziales Arbeiterrecht Deutschlands, ibid. Bd. 41 



3. Kölner Bergwerksverein. 199 

Von den drei grofien Postulaten, welche die Arbeiterbewegung 
des 19. Jahrhunderts aufgestellt hat: das Recht auf Existenz, das 
Recht auf Arbeit und das Recht auf den vollen Arbeitsvertrag 
(Anton Menger) waren in Preufien wenigstens die ersten beiden 
verwirklicht 

Aber der Einflufi der Bergämter reichte selbst bis in die 
AbsatzsphSre hinein. Sie hatten die Preise der Bergwerks- 
produkte festzusetzen. Solche amtlichen Preistaxen waren ja in 
der Vergangenheit keine Seltenheit Der Staat selbst zog durch 
grofie Steuern einen beträchtlichen finanziellen Nutzen aus dem 
Bergbau, und so hatte er ein Interesse daran, die Konkurrenz aus- 
zuschliefien, die Betriebspläne zu prüfen, die Arbeiter durch Normal- 
löhne leistungsfähig zu erhalten und die Produkte gut abzusetzen. 
Dieser Zusammenhang der staatlichen Bevormundung mit 
der Finanzpolitik ist auch von Klostermann* richtig hervor- 
gehoben worden. Er sagt: »In der Regel wird der Preis der 
Bergwerksprodukte gegen die Erzeugungskosten nicht erheblich 
differieren,** so dafi, wie schon Adam Smith bemerkt, der Bergwerks- 
besitzer nur die landesüblichen Zinsen seines Anlagekapitals ge- 
winnt Soll ein solches Produkt eine Besteuerung von 12^/o 
seines Bruttowertes tragen, so muS der Staat dem Bergwerks- 
besitzer die Möglichkeit geben, diese Steuer als einen Teil der 
Selt>8tkosten zu dem Preise zu schlagen und auf den Konsu- 
menten überzuwälzen. Dies war nur möglich bei einer Monopoli- 
sierung der Produktion zugunsten einer beschränkten 



[1900] p. 445). Nach der erstgenannten Quelle erstreckte sich der Arbeiter- 
schutz bereits im Mittelalter und dann unter der Herrschaft des Direktionsprinzips 
(16. bis zum Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im wesentlichen auf 
folgende Punkte: 1. Ausschlufi der Frauenarbeit Aber und unter Tage. 2. Aus- 
Khlufi der Jugendlichen und Schwachen von der eigentlichen Bergart>eit, .damit 
also die Jugend verschont und durch solche schwere Art>eit, die ihre Kräfte noch 
nicht ertragen und ausstehen mögen, nicht verderbt und zu keinem wohl- 
mOgendcn Alter nicht kommen können.* (Erläuterung der alten Bergwerksord- 
nung der Städte Schemnitz, Neusohl usw. in Wagner, G>rpus Juris metallici 
p. 288.) 3. Regelung der Arbeitszeit (achtstflndiger Normalarbeitstag). 4. Ver- 
bot der Oberschichten. 5. Verbot der Art>eit an Sonn- und Feiertagen. 
6. Verbot des Trucksystems. 7. Herstellung eines gerechten Lohns. 8. Recht 
auf Art)eit (siehe Klostermann, Lehrbuch des preufi. Bergrechts p. 341/2). 

* Das allgemeine Berggesetz fflr die preuB. Staaten, Berlin, 4. Auflage 
1885 p. 48. 

— Das trifft in der heutigen Syndikatsära freilich nicht mehr zu. 



200 3. Kölner Bergwerksverein. 

Anzahl von Unternehmern und bei einer amtlichen Pest- 
setzung der Verkaufspreise, welche die Konkurrenz zwischen 
diesen Unternehmern so gut wie ausschließt Hätte der Staat die 
freie Konkurrenz beim Steinkohlenbergbau zugelassen, so wurde 
diese die Tendenz gehabt haben, den Verkaufspreis unter die 
durch den Steuerbetrag erhöhten Selbstkosten zu drücken. Der 
Bergwerksbesitzer hätte die Steuer zum Teil aus dem eigenen 
Vermögen zulegen müssen, und der Staat würde auf die Dauer 
es nicht möglich gefunden haben, die Steuer auf der Höhe von 
12®/o zu behaupten." 

Die Reform, die in der Folgezeit mit der Gebundenheit und 
der Steuerlast der Kohlenzechen aufräumte, wurde gleichsam aus 
der Taufe gehoben durch die Bedürfnisse der großen kapita- 
listischen Bergwerksuntemehmungen. Diese Großbetriebe braucliten 
Gründungs- und Kapital- und Vertragsfreiheit; sie lechzten nach 
Beseitigung der dem Raubbau an der menschlichen Arbeitskraft 
hinderlichen sozialen Bestimmungen. Zahl und Lohn der Arbeiter 
mußten der wechselnden Konjunktur angepaßt werden können. 
Damit beginnt die Epoche der Proletarisierung der Berg- 
arbeiter. Zu der freien Konkunenz auf dem Arbeitsmarkt brauchte 
man auch die Freiheit im Austausch der anderen Waren. Damit 
aber waren die Preistaxen der Behörden unvereinbar. Dazu kam, 
daß der Intelligenz des Staates eine Masse Unternehmerintelligenz 
ebenbürtig zur Seite trat, ja die erstere vielfach überragte. Das 
Prinzip des laisser faire laisser passer pochte immer lauter an die 
Riegel der alten Gesetzgebung, bis der ganze alte Bau nach und 
nach von dem vorwärtsdrängenden, freiwirtschaftenden Privat- 
kapitalismus beseitigt wurde — ein klassisches Beispiel dafür, 
wie die Änderung in der Ökonomik eine Änderung der Rechts- 
ordnung nach sich zieht 

Zuerst wird das Direktionsprinzip aufgehoben, welches 
der selbständigen Betätigung der Unternehmer keinen Spielraum 
ließ. Dies geschah durch das sog. Miteigentümergesetz vom 
12. Mai 1851. Damit werden die Leiter der Gruben in den Stand 
gesetzt, in allen Angelegenheiten des Betriebes selbständig zu 
disponieren, von einigen polizeilichen Beschränkungen abgesehen. 
Was die An- und Ablegung der Arbeiter anbelangt, so werden 
zwei Kategorien geschaffen: gebundene und freie Arbeiter. Für 
die ersteren, die Knappschaftsgenossen, war nach wie vor das 
Bergamt entscheidend, hingegen stand die Annahme und Ent- 



3. Kölner Bergwerksverein. 201 

lassang der sonstigen Arbeiter dem Bergwerkseigentümer frei. 
.Fand der Grubenbeamte die Leistungsfähigkeit usw. eines Arbeiters 
nicht den Interessen der Grube entsprechend, so konnte er dem 
freizügigen Arbeiter kündigen, den vom Geschworenen angelegten 
Bergmann mufite er behalten und mußte ihm obendrein den 
Normallohn gewähren, wenngleich das Resultat seiner Leistung 
demselben nicht entsprach.** Das Gesetz vom 21. Mai 1860 be- 
seitigt dann die Normallohne und bestimmt, dafi die Abschließung 
der Verträge zwischen Bergwerkseigentümem einerseits, Gruben- 
beamten und Arbeitern andererseits lediglich dem freien Über- 
einkommen unterliege.** 

In dieser Periode werden auch die Steuern ermäßigt Bisher 
war der Zehnte vom BruttoerlOs zu zahlen gewesen; dieser wird 
durch das erstgenannte Gesetz auf den Zwanzigsten reduziert 
An Stelle anderer Nebenausgaben trat die IVoige Aufsichtssteuer. 
Die weiteren Gesetze reduzieren dann die Produktionsabgabe vom 
1. Januar 1865 ab auf 17o des Bruttoertrages. 1867 wird für die 
Aktiengesellschaften zwar eine neue Steuer in Höhe von 2^/o der 
Dividende eingeführt, bis endlich 1895 die Aufhebung sämtlicher 
Ertragssteuem im Bergbau erfolgte. 

Definitiv zur Strecke gebracht war das ancien regime aber 
bereits durch das allgemeine Berggesetz für die preußischen 
Staaten vom 24. Juni 1865. Es ist ein Produkt der die Staats- 
einmischung verpOnenden, die schrankenlose Freiheit 
des Großbetriebes predigenden Wirtschaftspolitik der 
liberalen Epoche. Die in diesem Gesetz kulminierenden Re- 
formen läuten eine neue Ära ein. 

Die Genesis des Kölner Bergwerksvereins fällt noch in die 
alte Periode der gebundenen Verfassung. Aber seine ursprüng- 
lichen freiheitdürstenden Ziele gehörten durchaus in die Zeit 
nach 1865. In seiner ersten Jugend wollte er in stürmischem 
Anlauf ül>er die durch die Gesetzgebung gesteckten Schranken 
hinauseilen, während er in der zweiten Periode seine anfangs 
hochkapitalistischen Ziele stark temperiert, ja sich gegenüber 
den großen Fusionsprojekten und Kapitalakkumulationen anderer 
Zechen bis zum heutigen Tage ablehnend verhält Das ist das 

* Aus den Motiven zum Gesetz vom 21. Mai 1860. Kreutz in Bd. XII 
Teil 3 p. 47: Die Entwiciciang des niederrheinisch -westfälischen Steinkohlen- 
bergbaus. 

*• Siehe Bd. I meiner Nationalök. Forsch. 1904 p. 50. 



202 3. Kölner Bergwerksverein. 



Eigenartige, was uns in der Geschichte dieses Bergwerks vor 
allem interessiert. 

Der Plan zur Gründung des Kölner Bergwerksvereins* knüpft 
zeitlich an die großen Kohlenfunde an, die um die Mitte der 40er 
Jahre nördlich der Bahnlinie Köln-Minden gemacht worden waren. 
Bisher waren die Bergbautechniker der Ansicht gewesen, dafi dort 
unter dem Mergel und namentlich nördlich der Linie der Köln- 
Mindener Bahn keine Kohlen mehr vorhanden seien. Als aber 
das Gegenteil nachgewiesen war, traten unter Führung des Bank- 
hauses Abraham Schaaffhausen, aus dem 1848 der A. Schaaff- 
hausensche Bankverein hervorging, eine Anzahl Kölner Kaufleute 
und Finanziers zusammen, um im Essener Revier Schurfsdieine 
zu erwerben und Mutungen einzulegen. Das 1845 erworbene 
Areal betrug 3 792 000 qm. Dazu kam die Erwerbung der Zeche 
Neuköln, aus der Mutung Donnerskamp und Elise bestehend. 
Dieselbe umfaßte nicht weniger als 2844000 qm. Die Kon- 
stituierung der Gesellschaft erfolgte durch notariellen Akt am 
2. März 1847. Wir sehen hieraus, daß der Impuls zur Ausbeutung 
der reichhaltigen Kohlenminen des Essener Reviers und die sich 
daran schließende Gründung des Kölner Bergwerksvereins der 
Interessensphäre des mobilen Kapitals entsprang. Diese 
Tatsache ist für das Entstehen großer Bergwerksgesellschaften 
durchaus charakteristisch. 

Nun war freilich mit der bloßen Konstituierung der Gesell- 
schaft der Kölner Bergwerksverein in der gesetzlich erforderlichen 
Form noch nicht gegründet Es mußte erst die Genehmigung der 
Regierung eingeholt werden. 

Um dieselbe zu erlangen, wird in der betreffenden Eingabe 
darauf hingewiesen, daß das auslandische Kapital bereits die 
heimische Erde auszubeuten beginne. In dem dem Statut bei- 
gegebenen Promemoria heißt es: .Wenn auch in den letzten 
Jahrzehnten Fortschritte in der Erschließung der unterirdischen 
Quellen des Nationalreichtums gemacht worden sind, so sind die- 



* Far die Darstellung der leitenden Gesichtspunkte der ersten Entwick- 
lung des Kölner Bergwerksvereins habe ich ein mir von Herrn Oeheimrat 
Krabler, der leitenden Persönlichkeit dieses Unternehmens, gütigst zw Ver* 
fflgung gestelltes Manuskript benutzt, das aber leider in seiner Schilderung nur 
bis zum Jahre 1870 reicht Für die späteren Jahre kommen auch hier als 
Quelle hauptsächlich die Geschäftsberichte mit ihrem spärlichen Inhalt In Be- 
tracht, sowie meine eigenen Notizen beim Besuch der Betriebsanlagen. 



3. Kölner Bergwerksverein. 203 

selben doch unerheblich zu nennen, im Vergleich zu denen, die 
andere industrielle Nationen gemacht haben, und man wird mit 
Recht behaupten dürfen, dafi in Preufien noch die größte Masse 
der unterirdischen Schätze als ein totes Kapital daliegt. Forscht 
man nach den Ursachen dieses Zustandes, so drängen sich sofort 
Mangel an Kapital und Mangel an hinreichend gewecktem As- 
soziationsgeiste zu gemeinschaftlicher Betreibung großartiger An- 
lagen, wozu die Kräfte des einzelnen nicht ausreichen, oder wobei 
das Risiko des einzelnen zu groß ist, der Betrachtung auf. Das 
ergiebige Feld des Bergbaus, welches das Inland aus Mangel an 
Unternehmungslust und Kapital nicht ausbeutet, droht in letzter 
Zeit mehr und mehr Gegenstand fremder Spekulation zu werden. 
Es ist notorische Tatsache, daß im Rheinland in letzter Zeit 
mehrere Kohlen- und andere Werke für Rechnung französischer 
und englischer Kapitalisten erworben worden sind und für deren 
Rechnung ausgebeutet werden." Es war die Zeit als die großen 
belgischen und englischen Entrepreneure wie Charles Detellieux 
und Mulvany großkapitalistische Unternehmungen auf deutschem 
Boden ins Leben riefen. 

Das Statut, das damals von der Kölnischen Finanz aus- 
gearbeitet der preußischen Regierung eingereicht wurde, setzte 
sich, und das wollte für die damalige Zeit viel bedeuten, durch- 
aus moderne Ziele. Der Zweck der Gesellschaft war die Grün- 
dung eines auf dem Prinzip der Kombination beruhenden 
modernen Riesenunternehmens, wie es heute die meisten 
großen gemischten Werke der Montanindustrie repräsentieren. Noch 
vor Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sollten in 
einem doch immerhin kapitalarmen und in seinen ganzen An- 
schauungen von handwerkerlichem Geist erfüllten Lande die 
Zide des Hochkapitalismus fin du sitele gleichsam antizipiert 
werden! Man kann sich denken, daß die Regierung diese hoch- 
fliegenden, die bisherigen Schranken ignorierenden Pläne zu modi- 
fizieren versuchte. Bis zur formellen Bestätigung vergingen nicht 
weniger als 2V9 Jahre. 1848 wurde zunächst die ursprüngliche 
Fassung des Artikels 4 des Statuts, welcher im allgemeinen als 
Zweck des Vereins den .Betrieb von Bergwerken und die Ver- 
hüttung von deren Produkten* ins Auge faßte, als zu weit gehend 
beanstandet Der Zweck wurde im Detail spezialisiert Damit 
erklärte sich die Behörde einverstanden. 1849 aber wurden von 
Seiten der Behörde weitere Bedenken geltend gemacht, die darin 



204 3. Kölner Beigwerksverein. 

bestanden, daß mehrere Bestimmungen des Statuts nicht mit den 
Vorschriften des Aktiengesetzes vom 9. November 1843 im Ein- 
klang standen, namentlich nicht die Vorausgewährung von 5<^/o 
Aktienzinsen abgesondert von der Dividende. 

Nachdem auch in dieser Beziehung das Statut geändert war» 
erfolgte nunmehr die Mitteilung der königlichen Kabinetsorder 
vom 22. Oktober 1849. Diese lautet: .Nach den Bestimmungen 
des § 37 des Handelsgesetzbuches für die Rheinprovinz und § 1 
des Gesetzes über die Aktiengesellschaften vom 9. November 1843 
genehmigen Wir die Errichtung einer Aktiengesellschaft unter dem 
Namen JCölner Bergwerksverein', welcher nach dem anliegenden 
notariellen Akt d. d. Köln, den 14. Juli 1849 zu dem Zwecke sich 
gebildet hat: in den Regierungsbezirken Düsseldorf und 
Arnsberg Schurfscheine nachzusuchen, Konzessionen auf 
Steinkohlen-, Eisen-, Blei- und Galmeibergwerke durch 
Ankauf oder durch Pachtung zu erwerben und dieselben 
auszubeuten, Steinkohlen zu Koks zu brennen, Zink» 
Blei und Eisen zu verhütten und diese Metalle zu ver- 
kaufen. Wir bestätigen das in diesem Akte enthaltene Statut 
der Gesellschaft mit dem Vorbehalte, falls das Statut nicht befolgt 
oder verietzt würde, unbeschadet der Rechte dritter Personen zu 
widerrufen, sowie sich auch von selbst versteht, daß die Gesell- 
schaft allen ergangenen oder noch ergehenden, den Bergbau be- 
treffenden gesetzlichen Bestimmungen, ebenso wie dem Gesetz 
über die Aktiengesellschaften vom 9. November 1843 unterworfen 
bleibt . . . Gegeben zu Sanssouci, den 22. Oktober 1849. Gezeichnet 
Friedrich Wilhelm. Gegengezeichnet von der Heydt. 

Hieraus geht hervor, daß an ein großes kombiniertes Unter- 
nehmen, keineswegs nur an ein spezialisiertes Kohlen- 
bergwerk gedacht war. Ja in der außerordentlichen Generalver- 
sammlung vom 28. Juni 1854 wurde der § 4 der Statuten dahin 
zu erweitem versucht, daß der Zweck der Gesellschaft folgender ist: 

1. Bergbau in allen Gruben, welche der Verein erworben hat 
und erwerben oder anpachten wird, auf alle in denselben vor- 
kommenden Erze und nutzbaren Fossilien. 

2. Das Brennen der Steinkohle zu Koks, die Verhüttung resp. 
Verwertung der gewonnenen Erze, die Errichtung von Hochöfen 
zur Fabrikation von Roheisen und die weitere Verarbeitung der 
Metalle im ausgedehnten Umfange für den Handel und den 
Konsum. Der Hüttenbetrieb beschränkt sich nicht auf die aus 



3. Kölner Bergwerksverein. 205 

der Förderung der eigenen, resp. der angepachteten Gruben dar- 
gestellten Metalle, sondern es bleibt dem Verein unbenommen, 
Kohlen, Erze und Metalle zur weiteren Fabrikation sowohl im 
Inlande als im Auslande anzukaufen. 

3. Behufs des Transportes der vorerwähnten Gegenstände 
Schiffahrt auf dem Rhein und dessen NebenstrOmen zu betreiben. 

4. Die bergbaulichen Unternehmungen des Vereins sind auf 
die Bezirke der Bergämter zu Dortmund und Bonn beschränkt 
Dberschreitungen sind nur mit ministerieller Genehmigung ge- 
stattet 

Diese Etablierung eines Riesenuntemehmens mit seiner Ver- 
quickung von Produktions- und Handelsinteressen ist freilich nicht 
zur Ausfühung gekommen. Die an der Spitze dieser Untersuchung 
gestellten Ausführungen geben den Schlüssel dafür. Die großen 
Pläne scheiterten an der bis zum Jahre 1865 herrschenden 
gebundenen Verfassung des Bergbaus, die mehr für die 
Bedurfnisse des alten handwerksmäßigen Betriebes zu- 
geschnitten waren, als auf die eben skizzierte hochkapita- 
listische Konstruktion. 

Während auf der einen Seite die Aufgaben und Ziele des 
Kölner Bergwerksvereins durchaus moderne waren, kam auf der 
anderen Seite die Verwaltungsorganisation nicht über den 
Rahmen der Gebundenheit hinaus. Ober diese ältere Konstruktion 
der Verwaltung bemerkt Krabler folgendes: »Gemäß § 21 des 
Statuts war zur oberen Leitung der Gesellschaft ein aus fünf Mit- 
gliedern bestehender Verwaltungsrat berufen, welcher wiederum 
zur speziellen Führung der Geschäfte einen Spezialdirektor an- 
stellte. Außerdem stand dem Verwaltungsrate die Anstellung aller 
weiteren Beamten, unter anderem also der technischen Leiter auf 
den Gruben selbst, der Agenten für den Kohlenverkauf usw. zu. . . • 
Net>en dieser dualistischen Organisation in den früheren Jahren 
des Bergwerksvereins fiel noch der Umstand erschwerend ins Ge- 
wicht, daß der Sitz der kaufmännischen Direktion in Köln war, 
also weit von dem eigentlichen Betriebspunkte ab. Nur ganz 
kurze Zeit, März 1854 bis Frühjahr 1855 hat die Spezialdirektion 
auf Zeche Anna gewohnt Mit Beginn des Jahres 1855 erwarb 
der Verein ein eigenes Haus in Köln, Pipinstrafie 26, das erst 
zum Verkauf gelangte, als mit der veränderten Organisation der 
Gesellschaft der Sitz und das Domizil derselben nach Altenessen 
verl^ wurde. In dem ersten Jahre des Bestehens des Vereins 



206 3. Kölner Bergwerksverein. 

lag tatsächlich die obere Leitung aller Geschäfte bei dem Ver- 
waltungsrat in Köln, welcher nicht nur sämtliche Anschaffungen 
für die Grube bis in das kleinste Detail hinein regelte und ge- 
nehmigte, sondern bei den ersten Kohlenverkaufen auch jedesmal 
seine Zustimmung zu dem unter Vorbehalt abgeschlossenen Ver- 
trägen gab. Es genügt in dieser Beziehung darauf hinzuweisen, 
dafi im Jahre 1851 der Verwaltungsrat 15 mal, im Jahre 1852 19mal 
zur Sitzung zusammentrat Allmählich und mit Ausdehnung der 
Geschäfte mußten in dieser strikten Leitung und Bindung des 
Spezialdirektors und des Grubendirektors Erleichterungen eintreten, 
sonst hätte namentlich als die Konkurrenz im Kohlengeschaft von 
allen Seiten stärker wurde und zu den erträgnislosen Zeiten am 
Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre führte, eine den Inter- 
essen des Vereins nutzbringende Geschäftsführung überhaupt nicht 
erfolgen können. Aber auch andererseits machte sich der Dualis- 
mus in der eigentlichen Verwaltung häufig geltend, wie dies seinen 
prägnanten Ausdruck in den Protokollen des Verwaltungsrates 
durch die wiederholten Klagen des Spezialdirektors über schlechte 
Qualität der vom Grubendirektor geförderten Kohle, die Feinheit 
derselben, Oberfluß an Steinen sich ergötzlich dokumentiert Neben- 
bei mußte auch dem die größte Zeit in Köln beschäftigten Spezial- 
direktor, der nur zu gelegentlichen Revisionen und Verabredungen 
nach den Zechen kam, die genaue und fortwährende Kenntnis 
seiner Ware allmählich abgehen und, was das übelste war, es 
bildete sich, da er seine Anordnungen über den Versand usw. 
nicht dem technischen Leiter der Grube übermittelte, sondern dem 
auf der Zeche stationierten Rechnungsführer, allmählich auch bei 
den ganzen unteren Beamten eine Zwiespältigkeit heraus, die für 
das Gedeihen des ganzen Werkes keineswegs von Vorteil war 
und erst ein Ende nahm, als energisch den sämtlichen Beamten 
der Geist beigebracht wurde, daß sie alle nur an einem Strange 
zu ziehen hätten.* Aus diesen Dariegungen geht hervor, daß die 
Verwaltung ursprünglich nicht gut funktionierte. Sie war zu 
schwerfällig. Ihr Schwerpunkt ruhte in den großen Kompetenzen 
des Verwaltungsrats, resp. des diesen personifizierenden Spezial- 
direktors, der fem ab vom Betriebe wohnte und über die in jeder 
Weise an seine Anordnungen gebundenen Leiter des Betriebes 
herrschte. 

Diese Organisation ist dann geändert worden, und zwar In 
Wirklichkeit erst mit dem Eintritt Krablers in die Verwaltung im 



3. Kölner Bergwerksverein. 207 



Juni 1868, doch bestand der Form nach die Zwiespältigkeit der 
obersten Leitung noch bis zur Abänderung des Gesellschaftsstatuts, 
das an die Stelle des Verwaltungsrates den Aufsichtsrat und an 
diejenige des Spezial- und des Grubendirektors den Vorstand 
setzte, dessen alleiniges Mitglied die vorgenannte Persönlichkeit 
wurde. 

Noch ehe die Konstituierung des Kölner Bergwerksvereins als 
Aktiengesellschaft erfolgte, war bereits mit der Abteuf ung der 
beiden Schächte Neuköln und Anna begonnen worden. Der erste 
Spatenstich zu dem Schachte Neuköln wurde bereits im Oktober 
1845 getan. In einer Teufe von 99 m erreichte man das Kohlen- 
gebirge. In demselben Jahre wurde auch mit dem Niederbringen 
des Schachtes Anna begonnen. Ursprünglich waren zwei Schächte 
geplant, von denen der eine, der später allein in Betrieb ge- 
nommen wurde, zum Wasserhaltungs- und Wetterschacht bestimmt 
war, der andere, 74 m südlich gelegen, als Pörder- und Fahrschacht 
dienen sollte. Es stellten sich aber beim Abteufen des letzteren 
Schwierigkeiten ein, da man auf schwimmendes Gebirge, sog. 
Fliefi traf. Als man unter diesen schwierigen Umständen eine 
Teufe von 36 m erreicht hatte, wurden die Arbeiten eingestellt 
1855 wird dann ein dritter Schacht, Karl, zuerst Herkules ge- 
nannt, in Angriff genommen und im Jahre 1857 schließt sich 
daran der Beginn der Arbeiten zur Herstellung eines nördlich 
von Neuköln gelegenen Schachtes Christian Levin. In dem 
letzten Jahre der Gründerperiode 1873 geht die Gesellschaft 
scblieSlich an den Bau eines weiteren Schachtes, des Emscher- 
schachtes, der den nördlich von Anna gelegenen PeldesteU auf- 
schließen sollte. 1876 tritt diese Anlage aus der Bau- in die 
Forderperiode ein. Dann folgt eine 20jährige Pause, in der neue 
Schächte nicht abgeteuft werden. Diese Periode erreicht ihr 
Ende 1894. In diesem Jahre wird neben dem alten Förderschacht 
Emscher ein zweiter Förder- und bald nachher ein Wetter- 
schacht niedergebracht Die drei Schächte fähren den Namen 
.Emscberschächte*. 

Es ist nun charakteristisch für das ganze Unternehmen, daß 
in den letzten 30 Jahren weder eine starke Vermehrung 
der Schachte noch des Grubenfeldes eingetreten ist 
Während andere Unternehmungen durch Abteufen immer neuer 
Schachte und Fusionen mit schon bestehenden Zechen einen 
großen Konzentrationsprozefi einleiten, macht der Kölner Berg- 



208 3. Kölner Bergwerksverein. 



Werksverein eine Ausnahme. Infolgedessen hat der ursprüngliche 
Besitz von 1 1 Feldern — heute beträgt die Gerechtsame 10300974 qm, 
das sind 1030 ha oder 10,3 qkm — im Laufe der Zeit, von einer 
gröfieren Abstofiung abgesehen, wesentliche Verschiebungen nicht 
erfahren. Der Trflger dieser Politik ist der noch heute an der Spitze 
des Unternehmens stehende Geh. Bergrat Krabler. Bei der Be- 
sprechung dieses Punktes äußerte er sich folgendermaßen : «Wir 
haben keine Neuerwerbungen aufzuweisen. Es ist m. E* nicht 
richtig, Millionen für Felder auszugeben, die erst in 30 Jahren 
Zinsen tragen. Das können andere tun. Jedes Ding hat ein 
Ende, sobald zwei Augen es nicht mehr zu überschauen ver- 
mögen. Dann hängt der Erfolg lediglich von der glücklichen 
Wahl der Mitarbeiter ab. Unser Unternehmen aber zeigt, dafi 
man bei Konzentrierung der Kräfte und Geldmittel auch ohne 
Expansion etwas erreichen kann.* 

Es ist nun in hohem Grade interessant, zu prüfen, wie 
diese Politik gewirkt hat Wir betrachten daher: 

1. Den finanziellen Aufbau der Gesellschaft 

2. Die Produktionsverhältnisse. 

3. Die Ergebnisse. 

Die Gesellschaft wurde 1851 mit einem Nominalkapital von 
6 Millionen Mark gegründet Dasselbe ist bis zum heutigen Tage 
stabil geblieben. Wir haben hier den vielleicht einzigartigen Fall» 
wo ein Unternehmen nach einem halben Jahrhundert noch das- 
selbe nominelle Aktienkapital hat wie bei seiner Entstehung. Von 
diesem Nominalkapital war ursprünglich nicht der ganze Betrag 
eingezahlt, sondern nur 4,5 Millionen Mark. Mit dem Bau der 
Emscherschächte wird dann 1872 eine weitere Einzahlung von 
900000 Mark erforderlich. Die Aktien wurden zum Kurse von 
150^/o an den Markt gebracht Ursprünglich glaubte zwar die 
Verwaltung, die neuen Tiefbauanlagen ohne Kapitalvermehrung 
bewerkstelligen zu können. Infolge der enormen Preissteigerung 
aller Werte in der Gründerperiode aber ergab sich, dafi die Neu- 
anlagen kaum unter 2,4 Millionen auszuführen waren. Dazu aber 
reichte der Reservefonds in Höhe von 739644 Mark nicht aus. 
Seit 1873 beträgt daher das Betriebskapital 5,4 Millionen, 1900 
wird es dann auf 6 Millionen vervollständigt Die 500 neuen 
Aktien ä 1200 Mark wurden zum Kurse von 250% begeben. Die 
Aktien waren bis zum 31. Dezember 1871 Namensaktien, von da 
an tragen sie den Charakter des Inhaberpapiers. Dadurch wurden 



3. Kölner Bergwerksverein. 209 

sie erst für die grofien Umsätze der Börsenspekulation geeignet 
gemacht 

Sehen wir uns nun die Geldbedürfnisse der Gesellschaft 
etwas naher an. Ursprünglich war kein grofies Kapital nötig. 
Die ersten Erwerbungen waren in jener Morgenperiode des west- 
fälischen Kohlenbergbaus billig. Das Abteufen der Schächte war 
auch nicht sehr kostspielig. Vor allem lagerte kein zu hohes 
Deckgebirge über den Kohlenflözen. Die Mächtigkeit desselben 
betrug bei Anna 147 m, bei Karl 150 m. Da das Kohlengebirge 
bekanntlich nach Norden zu einfallt, so hatten dann die später 
entstehenden Zechen nach Norden hin mit bedeutend größeren 
Teufen zu rechnen. Zum Vergleich möchte ich nur auf die Zeche 
König Ludwig bei Recklinghausen verweisen, wo die Mergel- 
auflagerung bei Schacht I und II 307 und bei Schacht IV und V 
445 m t>eträgL Damit hängt auch die Tatsache zusammen, dafi 
die Schächte des Kölner Bergwerksvereins heute immerhin noch 
in mittleren Teufen bauen. Die fünfte Sohle von Anna liegt 462, 
von Karl 470 m tief, während die dritte Sohle der Emscher- 
Schächte in einer Tiefe von 362 m angelegt ist Je tiefer aber 
der Schacht, desto höher das Anlagekapital. 

Die ganze Einrichtung war ursprünglich sehr primitiv. Vor 
50 Jahren bestand eine Kohlengrube aus Schacht mit Wasser- 
haltung und spärlicher Ventilation durch Wetteröfen. Jedoch 
schon 1858 wurde auf Anna mit dem Eintreten grofier Betriebs- 
störungen ein Pabryscher Ventilator aufgestellt, der freilich bei 
weitem nicht das leistete, was die heutigen Ventilatoren leisten. 
Die mechanische Aufbereitung und die heute ein großes fixes 
Kapital repräsentierenden Anlagen, vor allem die Wäschen, 
fehlten. Die Kohlen wurden nur durch Menschenhand von den 
grOt>sten Bergen befreit und dann durch primitive Veriadevorrich- 
tungen in die Wagen gestürzt Das alles erforderte noch wenig 
Kapital Bis dahin war der ganze Betrieb gewissermaßen nur 
zweigliedrig. Er bestand in Förderung und Verladung 
der Kohlen. 

So blieb es bis in die 70er Jahre. Dann aber führten zwei 
Momente zu einer Änderung: Der Niedergang der Konjunktur seit 
1873 und die zunehmende Förderung von Fettkohlen zur Koks- 
l>ereitttng. Es wurden Separationen und Wäschen notwendig, 
gegen die sich bisher die Kohlenindustriellen ablehnend verhalten 
hatten. Solange die Konjunktur gut war, hatte die Förderkohle 

S tn 1 1 c h , NatknalftkottOfliitche Porschimgtfl, Bd. n. 14 



210 3. Kölner Bergwerksverein. 



ungewaschen schlanken Absatz gefunden. Das änderte sich nun. 
Größere Kapitalien wurden nötig. Die Wäschen kosteten nach 
freundlicher Privatmitteilung der Verwaltung auf 

Anna 309467 Mark 

Karl 471868 . 

Emscherschächten 815502* , 

Weitere Verbesserungen betrafen die Einführung von groSen 
Taschen und Türmen zur Lagerung der gewaschenen Produkte. 
Mit der Anlage von Aufbereitungsanstalten aber ging weiter Hand 
in Hand die Anlage von Koksöfen. Auf den Zechen des Kölner 
Bergwerksvereins wurden zunächst Schaumburger Ofen gebaut, 
die oben offen waren und die Gase ungenutzt in die Luft ver- 
puffen liefien. Ein solcher Ofen alter Konstruktion kostete auf 
Zeche Stückzahl Anlagejahr Preis 
Nenkök 8 1851 . . 165 Mark pro Stflck 

Anna 8 1852 . . 140 . . 

Neuköin 30 1854 .. 275 ... 

Anna 21 1854 . . 377,50 . . . 

Dann aber traten an Stelle der offenen geschlossene Ofen. Die 
Oase wurden abgefangen und zur Kesselheizung benutzt Später 
schließen sich daran Nebenbetriebe, die die in den Koksgasen 
enthaltenen wertvollen Bestandteile herausdestillieren. 

Am L Juli 1880 wurden von dem Kölner Bergwerksverein 
60 Flammöfen auf Anna übernommen, die bis dahin von der 
Firma Albert Hüssener & Cie. betrieben waren. Da gleichzeitig 
ein Wohnhaus und 1,6 ha Grund und Boden, für welche damals 
keine Taxe angefertigt wurde, mit überging, so laßt sich nicht be- 
rechnen, wieviel von dem Gesamtpreis von 264000 Mark auf die 
Öfen entfiel. 

Im folgenden Jahre wurden dann auf Karl 50 Flammöfen er- 
richtet und hieran vier Röhrenkessel zu je 85 qm Heizflache an- 
geschlossen. Die ganze Anlage kostete 290000 Mark, davon ent- 
fallen auf die vier Kessel 28 400 Mark. Der Ofen kostete demnach 
5232 Mark. 

Bedeutend höheren Kapitalaufwand als diese Flammofen- 
anlagen erheischten die Teerkokereien. 

1895 wurden 60 Teeröfen, System CoUin-Ruppert mit einem 
Gesamtkostenaufwande von 61 1 567 Mark auf Anna erbaut Hier 

* Diese Summe aber stellt noch nicht das Endergebnis dar, da der Bau 
des n. Systems sich noch in das Jahr 1905 hineinzog. 



3. Kölner Bergwerksverein. 211 

stellt sich der Ofen l>ereits um das Doppelte höher als auf Karl, 
nfimlich auf 10193 Mark. 

1897 wurden von den obenerwähnten alten Flammöfen 30 Stack 
niedergerissen und an deren Stelle 30 Teeröfen, System Hüssener, 
erbaut 

1903 wurden dann auf Emscher 60 Unterbrenneröfen, System 
Dr. Otto & Co., mit einer Stampfanlage, vollständiger Kondensation 
und Ammoniakfabrik, Gasreinigungsanlage mit einem Gesamt- 
aufwande von 1010734 Mark errichtet Hiervon entfallen nach 
dem Anschlage auf die Öfen nebst Stampfanlage, Kondensation 
und Ammoniakfabrik 606000 Mark oder 10100 pro Ofen. 

Damit ist der fortschreitende Kapitalaufwand zur Genüge 
illustriert Es kostete ein 

Sdiaumbtirger Ofen 140-^377,75 Marie 

Flammofen 5232 Mark 

Teerofen 10100 , 

Aber auch das Transportwesen erleidet eine Umwandelung 
im Sinne höherer Kapitalinvestierung. Es werden besondere 
ZecbenbahnhOfe hergestellt mit Anschlufigleisen, auf denen die 
Wagen direkt bis unter die Verladung rollen. Die alte Schlepp- 
bahn, auf welcher die Kohle mittelst Pferden von Schacht Anna 
zu einer dicht am KOln-Mindener Bahnhof in Altenessen gelegenen 
Stnrzbtthne hingeschafft und dort durch einfaches Umwerfen der 
bdadenen Wagen die Beladung der Eisenbahnwaggons erfolgte, 
wird außer Betrieb gesetzt 

1869 wurden die LadebQhnen mit Kreiselwippem versehen, 
womit eine Schonung der menschlichen Arbeitskraft Hand in 
Hand geht (in dem Manuskript wird nur auf die Schonung der 
Wagen hingewiesen). 

Dazu kommt als letzter großer Fortschritt die Einffihrung der 
elektrischen Energie in den Grubenbetrieb, die jedoch erst in dem 
letzten Jahrzehnt einsetzt und noch gegenwartig in der Ausführung 
begriffen ist 

Es bedarf keiner besonderen Dariegung, daß diese hier nur 
angedeutete Entwicklung, zu denen im Laufe der Jahre noch ver- 
vollkommnete Ventilationseinrichtungen, vergrößerte Waschkauen ffir 
die Bergleute usw. usw. kommen, große Kapitalien erforderte. Da 
nun das Aktienkapital nominell stabil blieb und nur die noch 
fehlenden Einzahlungen in Hohe von 1,5 Millionen in Betracht 
kamen, so müssen wir untersuchen, auf welche Weise die 
nötigen Mittel aufgebracht wurden. ^^^ 



212 3. Kolner Bergweksvereln. 

Das Unternehmen hat zwei Wege eingeschlagen: es hat ein- 
mal durch Abstofiung von Grubenfeldern sich die nament- 
lich in den ersten Baujahren fehlenden Mittel zu beschaffen ver- 
sucht, soweit das vorhandene Betriebskapital dazu nicht ausreichte. 
Im Jahre 1856 wurden die Felder August und Ludolph an die 
Bergbaugesellschaft Neuessen verkauft, und zwar zum Preise von 
180000 Mark. Dieser Preis war freilich nur niedrig, denn die 
beiden Felder stellten sich später als der wertvollste Bestandteil 
der genannten Zeche heraus. Im Beginn der 70er Jahre splitterte 
dann ein weiterer Teil des Grubenfeldes ab. Es handelte sich 
um denjenigen Komplex, auf dem die Schächte Neuköln und 
Christian Levin niedergebracht waren. Beider Schicksal war durch- 
aus ungünstig gewesen. Der erstgenannte Schacht war ersoffen 
und Christian Levin unvollendet geblieben. Als sich nun in der 
Gründerperiode alles regte und die Produktion gesteigert werden 
mufite, reichten die vorhandenen Mittel nicht aus. Infolgedessen 
wurden damals mit Friedrich Grillo die beiden Schächte mit den 
dazugehörigen Feldern abgetrennt, um in das Eigentum der Ge- 
werkschaft König Wilhelm überzugehen. Der Kölner Bergwerks- 
verein erhielt dafür 400 Kuxe und Grillo 600 Kuxe. Diese Kuxe 
wurden in den nächsten Jahren abgestoßen, und zwar zu einem 
Preise von 1 875 000 Mark. Dadurch gewinnt die GesellschaA 
wieder flüssige Mittel. Im Geschäftsbericht von 1871 heißt es 
über diese Transaktion: »Durch Veräußerung der Schächte Neu- 
köln und Christian Levin mit dem zugehörigen Felderbesitz ist Ihr 
Verein demnach in die glückliche Lage gekommen, nach Ab- 
stofiung aller Schulden die Vertiefung der Schächte Anna und 
Karl, sowie auch die Exploitation des aufierordentlich wertvollen 
Reservefeldes (gemeint ist das Feld der Emscherschächte) ohne 
Kapitalvermehrung in Angriff nehmen zu können.' Infolge dieser 
Mafinahme stand das Werk in der auf den Aufschwung am An- 
fang der 70er Jahre folgenden Depressionsperiode schuldenfrei da. 

Wichtiger aber als diese Methode, durch Eigentumsverkflufe 
die flüssigen Mittel zu erhöhen, erscheint mir der zweite Weg, 
der die Finanzpolitik des Kölner Bergwerksvereins charakterisiert 
Er besteht in der Anhäufung grofier Reservefonds und der 
Bestreitung der Ausgaben für neue Produktionsmittel 
und der Verbesserung der alten aus den Betriebsüber- 
schüssen. Diese Finanzpolitik allein gab die Möglichkeit, das 
Aktienkapital dauernd niedrig zu halten. Es lassen sich über die 



3. Kölner Bergwerksverein. 213 



DnrchfQhrung dieses Prinzips in der Praxis zahlreiche Einzel- 
heiten anfuhren. Ich will mich auf zwei beschränken. In dem 
Geschäftsbericht von 1884 heißt es: ,Die erforderlichen Ausgaben 
fär den Betrieb und die gewöhnliche Unterhaltung der Gebäude 
wurde aus den laufenden Erträgen und für Hauptreparaturen an 
Gel>auden, Maschinen und Entschädigungen wegen Boden- 
senkungen ... wie üblich aus den Abschreibe- und Emeuerungs- 
fonds bestritten.'' In der Bilanz vom 31. Dezember 1903 werden 
aufgeführt auf: 

Amortisationskonto 4658862 Mark 

Reservefonds 1470000 , 

Speziaireservefonds 606464 , 

Reservefonds für Unglücksfälle . . 21789 , 

Summe 6757115 Mark 

Die Reserven ragen also Aber das Nominalkapital hinaus. 

Es braucht nicht betont zu werden, dafi diese Finanzpolitik 
nur von wenigen Gesellschaften betrieben wird, daß sie freilich 
auf Kosten der gegenwärtigen Aktionäre geht, aber daß sie der 
Zukunft in hohem Maße Rechnung trägt; darin aber liegt ihre 
nachabmungswerte Bedeutung fär die Gegenwart 

In zweiter Linie wollen wir einen Blick auf die Produktions- 
verhältnisse des Unternehmens werfen. Aus dem früher äl>er 
die Schachtanlagen Gesagten ergibt sich, daß Schacht Anna in 
den 40er, Schacht Karl in den 50er und Emscher I in den 70er 
Jahren gebaut wurde. Nur Emscher n und ni sind neueren 
Datums. 

Man sollte nun meinen, daß das Alter des Schachtes Einfluß 
hat auf die Art der gewonnenen Kohle. Das trifft hier jedoch 
nidit zu: Die höher liegenden Flöze bauen die Emscherschächte, 
deren Feld wiederum durch eine große Verwerfung durchschnitten 
wird, 80 daß im Westfelde Fettkohlen, im Ostfelde zunächst auf 
den ol>eren Sohlen Flammkohlen vorkommen, während Anna und 
Karl nur Fettkohlen aufweisen. 

Die beiden letztgenannten Schächte bauen auf dem Ley- 
bänker Sattel, der noch zwei Spezialmulden in sich begreift, die auf 
Anna mit scharfen Knickungen und steiler Lagerung verbunden 
sind, während sie sich im östlichen Felde von Karl verflachen. 
Von den vorhandenen 20 Flözen sind etwa 18 abbauwürdig. Aber 
diese Flöze sind häufig gestört Verwerfungen unterbrechen die 
Kohlenablagerungen, und vielfach ist das Flöz wie abgeschnitten. 



214 



3. Kolner Bergwerksverein. 



Die Fortsetzung bildet dann Schiefer und Sandstein. »Scfaadit 
Anna/ heifit es in dem Geschäftsbericht von 1892, »baut fort- 
während unter sehr ungünstigen Verhaltnissen, die schon im Be- 
triebsjahre einen Gewinn nicht mehr brachten, sondern einen Zu- 
schuß von 44326 Mark erforderten.' Bei der in dem letzten 
Jahrzehnt durchgeführten verstärkten Förderung bringt auch Amia 
seitdem Ausbeute. 

Wahrend die beiden genannten Schächte heute die Fett- 
kohlenhorizonte ausbeuten, bauen die Emscherschächte auf einer 
ganz flachen Partie der Gaskohlen und Gasflammkohlen. Die 
Flöze lagern hier bedeutend günstiger. Sie sind nur schwadi mit 
14— 15<> geneigt 

Die älteren Schächte litten femer vor allem an dem Mangel 
derjenigen Einrichtungen, die durch den Fortschritt der Bergbau- 
technik geschaffen wurden. Als Beispiel möge der Schacht Anna 
dienen. Derselbe war seinerzeit nach englischem Vorbild mit 
allen technischen Neuerungen ausgestattet So wird z. B. in dem 
Geschäftsbericht von 1854 hingewiesen, dafi seit dem Juni 1853 
die Schachtförderung mittelst eines zweietagigen FOrderkorbes mit 
zwei übereinanderstehenden Achtscheffelwagen nach englischem 
Systeme eingeführt und dafi in den Querschlägen eiserne Schienen 
eingebaut seien. Zur Bedienung der unteren Etage war eine 
Diagonale mit IV2 Fufi Gefälle hergestellt Diese Neuerang 
wurde von der Bergbehörde als zweckmäfiig und nachahmungs- 
wert bezeichnet Sie mufi also noch wenig in Anwendung ge- 
wesen sein. Vorher hatte die Schachtförderung ohne FördergesteU 
stattgefunden, indem die damals sechs Scheffel fassenden Förder- 
wagen einfach an vier Ketten direkt an das Förderseil ange- 
schlossen und auf der Hängebank auf die Falltüren aufgesetzt 
wurden. Heute hat Schacht Anna nach dem Umbau 2 Förder- 
trümmer mit Förderkörben von 4 Etagen zu 2 Wagen. 

Die Produktion selbst nun betrug von 1854 — 1903: 



1854 . . 


84995t 


1863 . 


. 174511t 


1872 . 


. 261222t 


1855 . 


128383. 


1864 . 


. 204205. 


1873 . 


. 297551. 


1856 . 


98535. 


1865 . 


. 226264. 


1874 . 


. 273204. 


1857 . 


, 107329. 


1866 . 


. 223971. 


1875 . 


. 293086. 


1858 . 


. 129337. 


1867 . 


. 251975. 


1876 . 


. 272867. 


1859 . 


. 94703. 


1868 . 


. 275760. 


1877 . 


. 277030. 


1860 . 


. 82335. 


1869 . 


. 269167. 


1878 . 


. 339404. 


1861 . 


. 122693. 


1870 . 


. 255611. 


1879 . 


. 340868. 


1862 . 


. 196547. 


1871 . 


. 286134. 


1880 . 


. 368912. 



3. Kolner Bergwerksverein. 



215 



1881 . . 373360t 


1889 . 


. 439171t 


1897 . . 696222t 


1882 . . 384300, 


1890 . 


. 452606. 


1898 . . 739478. 


1883 . . 435954. 


1891 . 


. 478978, 


1899 . . 827943. 


1884 . . 443313. 


1892 . 


. 457073, 


1900 . . 869044, 


1885 . . 415566. 


1893 . 


. 503845, 


1901 . . 806487, 


1886 . . 373196. 


1894 . 


. 492522, 


1902 . . 740769. 


1887 . . 398192. 


1895 . 


. 553429, 


1903 . . 772740. 


1888 . . 445224. 


1896 . 


. 640642, 




Den Rekord erreicht die 


Förderung 


des Jalires 1900 mit 


869044 t Auf 1 t Förderung 


kamen: 




1873 15 Mark AktienkapMal 


1895 9 Mark Aktienkapital 


1880 14 . 


• 


1900 6 


• • 


1885 13 . 


» 


1903 7 


• • 


1890 11 . 


• 







Es wird also heute mehr als die Hälfte weniger Aktien- 
kapital auf die Tonne Förderung aufgewandt als vor 
30 Jahren. 

Die Selbstkosten der Tonne Kohlen haben sehr geschwankt 
Sie betrugen in den 80er Jahren etwa 4 Mark, um dann nach 
dem großen Streik und in der Hochkonjunkturperiode auf 5 bis 
6 Mark pro Tonne zu steigen. Das Nähere ergibt sich aus fol- 
gender Zusammenstellung: 

Selbstkosten pro 10 t in Mark: 



Jahr 


Anu 


Kart 


EmKhw 


Im Dnrclttchiiltt 


1885 


47.49 


36.90 


36.21 


40.18 


1886 


48,83 


37.62 


35.47 


40.70 


1887 


50.46 


36.39 


33.37 


40.07 


1888 


51.28 


37.16 


32.59 


40.26 


1889 


60.55 


43.95 


37.87 


47.06 


1890 


75.50 


52.23 


45.01 


56.79 


1891 


76.27 


49.82 


49.04 


56,86 


1892 


7833 


51.60 


50.11 


58.25 


1893 


63.31 


52.84 


49.74 


54.87 


1894 


58.06 


55.76 


50.89 


55,06 


1895 


58.99 


55.07 


44,15 


52.41 


1896 


57,92 


52.48 


41,07 


49.44 


1897 


61.69 


53.29 


42.73 


51.36 


1898 


63.64 


57.09 


44.41 


53.85 


1899 


63.69 


59.62 


48.26 


56.57 


1900 


73.08 


67.98 


57.12 


65.40 


1901 


76.55 


70.12 


61.44 


68,57 


1902 


73.44 


65.36 


56.73 


64.40 


1903 


66^1 


67.62 


52.75 


6134 



216 



3. Kolner Bergwerksverein. 



Auf dem ältesten Schachte Anna sind, wie sich hieraus ergibt, 
die Selbstkosten am höchsten. Am geringsten sind sie auf den 
neuen Emscherschachten. Dieses Verhältnis wird hauptsächlidi 
bedingt durch die Arbeitsleistung pro Mann und Schicht 
Dieselbe ist auf Anna am geringsten, auf den Emschersdiäcfaten 
am höchsten, wie aus folgender Tal>elle hervorgeht: 

Arbeitsleistung pro Mann und Schicht in Tonnen auf: 



Jahr 


Amu 


Karl 


Emtcher 




1885 


1,098 


1.420 


1.493 


1,309 


1886 


1,064 


1.422 


1.584 


1.312 


1887 


0.991 


1.417 


1.665 


1,290 


1888 


1,015 


1,463 


1,748 


1.338 


1889 


0,966 


1,321 


1,601 


1.247 


1890 


0,899 


1.257 


1,512 


1,177 


1891 


0,889 


1.324 


1,382 


1.178 


1892 


0,867 


1.295 


1.365 


1,158 


1893 


1.052 


1.224 


1.287 


1.184 


1894 


1.090 


1.171 


1.346 


1.189 


1895 


1,034 


1,160 


1,411 


1,192 


1896 


1,081 


1.210 


1,605 


1.293 


1897 


1,067 


1.244 


1.600 


1,299 


1898 


1,015 


1.173 


1,565 


1.242 


1899 


1,074 


1,158 


1.497 


1,234 


1900 


0,974 


1.110 


1.381 


1,148 


1901 


0,934 


1,069 


1,306 


1,101 


1902 


1,049 


1.166 


1.346 


1.187 


1903 


1,093 


1,117 


1.415 


1.202 



Hieraus ergibt sich, daß in den 80er Jahren der Effekt pro 
Mann und Schicht ca. 1,3 t beträgt, um dann, von einer Welle in 
der Hochkonjunktur (1895 — 1899 : 1,25 t) abgesehen^ auf etwas 
aber 1,15 t zu verharren. Diese Bewegung hängt zusammen mit 
den schwierigen Abbauverhältnissen. Immerhin ist der Durch- 
schnitt durchaus als günstig zu bezeichnen. 

Um an Anlagekapital zu sparen, besteht die doppelte 
Pörderschicht Unter Tage findet eine einschichtige Belegung 
statt, indem ein Teil der Grubenreviere nur vormittags, ein anderer 
nur nachmittags belegt ist In den 70 er Jahren freilich wurde 
diese Methode nicht angewandt Der Geschäftsbericht des Jahres 
1875 bemerkt, daß auf den beiden Schächten Anna und Kart die 
Förderung in einer Schicht konzentriert sei, «was eine nicht un- 
erhebliche Vermehrung des Förderwagenparkes bedingte, aber 



3. Kolner BergwericsvereiiL 217 



erhebliche ökonomische Vorteile haf Es wird nämlich eine 
Menge Arbeiter über Tage gespart und die Ausnutzung derselben 
ist eine vollkommenere. Auch im folgenden Jahre wurden auf 
allen drei Schachten lediglich in einer täglichen Schicht von acht 
Standen gearbeitet. Später ist man dann zur doppelten FOrder- 
schicbt fil>ergegangen. Die Ursache hierfür lag in der Unmög- 
lichkeit, in einer Schicht eine gewisse Förderung zu überschreiten, 
deren Erreichung erforderlich war. Einen Anreiz mag vielleicht — ob- 
gleich mir das von dem Herrn Generaldirektor bestritten wurde — 
auch die damit verbundene Ersparung an Anlagekapital gegeben 
haben. Pieper berechnet dieselbe im allgemeinen für eine 1000 t 
Grube auf V2 Million Mark. Er bemerkt dazu folgendes:* »Aus 
der Verdoppelung sämtlicher Kohlengewinnungs- und Aus- und 
Vorrichtungsbetriebe ergibt sich bei der einfachen Förderschicht 
die Notwendigkeit, das Betriebsmaterial nahezu in demselben 
Mafie zu vermehren. Unter demselben sind sämtliche Betriebs- 
mittel zu verstehen, die in der Grube zur Förderung, Sonder- 
bewetterung, Berieselung usw. gebraucht werden. Am meisten 
fallen die Förderwagen ins Gewicht, welche dem Schichtsystem 
gemäfi für eine 1000 t Grube beschdft, bei doppelter Schicht mit 
ca. 600 und bei einfacher Schicht mit ca. 1000 Stück zu ver- 
anschlagen sind. Hierdurch allein wird, wenn man den Preis des 
Förderwagens zu 100 Mark ansetzt, die einschichtig fördernde 
Grube um ca. 40000 Mark mehr belastet ... Die einfache Förder- 
scbicht wird femer überall da, wo sie größere, durch Dampfkraft 
betriebene Anlagen erfordert, auch dementsprechend stärkere Ma- 
schinenkräfte nötig machen. . . . Dassell>e trifft femer auf die Be- 
triebsmaschinen der Wäsche und Separation zu, in weiterer Hin- 
sidit müssen die Krafterzeugungsmaschinen — Drackluft und 
elektrische Maschinen — infolge des nahezu auf die Hälfte der 
Zeit konzentrierten Verbrauchs der ül>ertragenen Kraft bei der 
einfachen Schicht entsprechend stärker sein." 

Fragen wir uns nun zum Schluß, wie die ganze im vor- 
hergehenden geschilderte Politik des Unternehmens auf sein 
letztes Ziel, das Gewinnergebnis, gewirkt hat, so zeigt sich 
folgendes: 

* Pieper: Vorteile und Nachteile der doppelten Forderschicht auf Stein- 
kohlengraben auf Grund der auf den grOBeren Gruben des Oberbergamttbezirka 
Dortmund gemachten Erfahrungen in Bd. 48 der Zdttchr. f. Berg-, Hütten- n. 
Salinenwesen p. 55 u. 57. 



218 3. Kolner Bergwerksverein. 



Es betrag 


[ die zur 


Verteilung gelangte 


Dividende 


1850 


_0/o 


1868 


20/0 


1886 


40/0 


1851 


—0/0 


' 1869 


-0/0 


1887 


40/0 


1852 


-0/0 


1870 


50/0 


1888 


60/0 


1853 


20/0 


1871 


10V«o/o 


1889 


70/0 


1854 


6V10/0 


1872 


150/0 


1890 


200/0 


1855 


10»/60/0 


1873 


250/0 


1891 


200/0 


1856 


50/0 


1874 


120/0 


1892 


100/0 


1857 


—0/0 


1875 


50/0 


1893 


50/0 


1858 


—0/0 


1876 


—0/0 


1894 


60/0 


1859 


-0/0 


1877 


—0/0 


1895 


90/0 


1860 


-0/0 


1878 


20/0 


1896 


120/0 


1861 


—0/0 


1879 


30/0 


1897 


160/0 


1862 


—0/0 


1880 


40/0 


1898 


200/0 


1863 


-0/0 


1881 


50/0 


1899 


300/0 


1864 


—0/0 


1882 


5i/»o/o 


1900 


33V|0/o 


1865 


—0/0 


1883 


70/0 


1901 


300/0 


1866 


30/0 


1884 


50/0 


1902 


250/0 


1867 


3«/o 


1885 


50/0 


1903 


27 »/«o/o 



Vergleichen wir den zur Verteilung gelangten Gewinn des 
Kölner Bergwerksvereins mit dem eines grofien fusionierten 
Unternehmens, das im Laufe der letzten Jahrzehnte als Produkt 
der Verschmelzung von nicht weniger als neun Zechen entstanden 
ist, der Gelsenkurchner Bergwerks-Aktiengesellschaft, so zeigt sich, 
dafi im Durchschnitt der Jahre 1873—1903 an Dividende ge- 
zahlt wurde 

vom Kolner Bergwerksverein . . . ll,72<'/o 
von der Qelsenkirchner Gesellschaft 8»S40/o* 

Die Aktionare des nicht vergrößerten Unternehmens haben 
also einen relativ höheren Ertrag erhalten als die des auSerordent- 
lieh an Zechen und Betriebskapital gewachsenen. Wir können 
aber noch tiefer in diese Tatsache durch Zeriegung der beiden 
Zahlen eindringen, wenn wir dabei die Konjunktur berficksichtigen. 
Die 31jährige Periode von 1873 — 1903 begreift in sich 
15 Krisenjahre und 16 Jahre des Aufschwungs. Zu den ersteren 
gehören die Jahre 1874—1878, 1883—1887, 1892—1894, 1901 bis 
1902. In diesem Zeitraum betrug die Durchschnittsdividende 

des Kölner Bergwerksvereins SVo 

bei Qelsenkirchen .... 7,90/o 

Beide Unternehmungen schütten also in den schlediten Ge- 
schäftszeiten ungefähr die gleichen Dividenden aus. Das Ober- 

• Anch bd Dahlbusch war die Durchschnittsdividende 1873—1903 mit 
9,40/0 hoher als bei Qelsenkirchen. 



3. Kolner Begwerksverdn. 219 



gewicht des nicht durch Expansion vergrößerten Betriebes kommt 
erst in den guten Geschäftszeiten zur Geltung. Als solche können 
wir ansehen die Jahre 1873, 1879—1882, 1888—1891, 1895 bis 
1900 und 1903. Dazu ist zu bemerken, dafi die Anfangs- oder 
Endjahre vielfach einen nicht gleichartigen Charakter aufweisen, 
dafi z. B. in der ersten Hälfte der Absatz schlecht, in der zweiten 
aber gut war und vice versa. 

In diesen Jahren der guten Konjunktur betrug die Durch- 

scfanittsdividende 

beim Kölner Bergwerksverein 15<^/o 
bei Oelsenkirchen .... 9,6o/o 

Hieraus ergibt sich, dafi der Kölner Bergwerksverein 
im ganzen zu gfinstigeren Ergebnissen kommt, und zwar 
infolge des verstärkten Einflusses guter Geschäftszeiten. 

Es zeigt sich femer, dafi die Spannung in den Dividenden 
in guten und schlechten Zeiten im Durchschnitt beträgt 

beim Kölner Bergwerksverein 8— 15^<Vo 
bei Oelsenkirchen .... 7,9— 9,6^/0 

d h. das nicht durch Fusionen erweiterte Unternehmen unterliegt 
stärkeren Schwankungen im Reinertrage, seine Aktien sind 
daher in höherem Mafie Gegenstand der Börsenspekulation, die 
aus den grofien Differenzen der doch in erster Linie durch den 
Ertrag bestimmten Kurse Gewinne zu ziehen sucht 

Wir kommen danach zu dem Resultat, dafi die nicht auf 
Zusammenlegung und Vergröfierung gerichtete Politik 
des Kölner Bergwerksvereins bisher privatwirtschaft- 
lich zu gfinstigeren Ergebnissen gelangt ist, als die von 
Gelsenkirchen inaugurierte Politik der Verschmelzung. 
Volkswirtschaftlich freilich dflrften bei der letzteren jedoch noch 
aridere Gesichtspunkte in den Vordergrund treten, die ich bei Be- 
handlung der Gelsenkirchner Gesellschaft angedeutet habe. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

Wo sich heute die mit Gelsenkirchen zu einer kommunalen 
Einheit verbundene Stadt Schalke erhebt mit dem düsteren Re- 
lief ihrer qualmenden Fabrikschomsteine und Kamine, wo das 
Dröhnen und Lärmen der Eisen- und Walzwerke, das Pfeifen der 
Lokomotiven nicht nur das hastig pulsierende Leben eines hoch- 
entwickelten Gewerbefleifies offenbaren, sondern auch die indu- 
strielle Weltverwüstung auf einem schönen Stück deutscher Erde, 
da herrschte um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch lautlose 
Stille. Grüne Wälder und Fluren dehnten sich meilenweit aus. 
Nur hier und da verriet eine Ansiedelung Spuren von Menschen. 
Die spärliche Bevölkerung war noch nicht durch Zuzug zur Masse 
vermehrt und durch den Industrialismus proletarisierL Ungekannt 
schliefen hier noch die »schmierigen Residuen prachtvoller Erd- 
epochen* im Innern der Erde; denn in der ersten Hälfte des 
19. Jahrhunderts konzentrierte sich, wie früher bemerkt, der Kohlen- 
bergbau in Westfalen fast ausschließlich auf das Ruhrbecken, um 
am Ende dieser Periode langsam ins Gebiet der Emscher vor- 
zudringen. Aber im höheren Norden, in Horst, Schalke, Reckling- 
hausen blieb es still. Die Einsamkeit dieser Gegenden sollte erst 
gestört werden, als in den 50er Jahren die ersten Bohrresultate 
das mobile Kapital aus seinen Schlupfwinkeln hervorlockten und 
das Signal zur Anlage grofier Tiefbaue in jener Gegend gaben. 

In diese Zeit fällt die Entstehung der Zeche Konsolidation. 
Die ältesten Urkunden aus der Geschichte dieses Unternehmens 
stammen aus dem Jahre 1855. Sie betreffen Verleihungen von 
Grubenfeldem unter dem von Schalke eingenommenen Teil Gelsen- 
kirchens. Die Erwerbungen erfolgten einzeln. Am 12. Dezember 
1862 wurden sieben aneinandergrenzende Felder zu einem 
Ganzen zusammengelegt, d. h. konsolidiert Die Konzession um- 
fafite 7226291 qm Geviertfelder. Die Genehmigung der Regie- 
rung zum Aufschluß dieses Grubenbesifzes erfolgte am 11. August 
1863. Das Steinkohlenbergwerk Konsolidation war gegründet 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 221 



Unter den Gründern befand sich Friedrich Grillo. Ihm ver- 
dankt Schalke seine heutige Blüte. Außer ihm waren noch be- 
teiligt einige Essener Industrielle, nämlich Ernst Honigmann, 
Wilhelm Schürenberg und Gustav Adolph Waldthausen. Die 
Eigentümer der Zeche bildeten eine Gewerkschaft. Die ein- 
geforderte und eingezahlte Zubufie war relativ klein; sie betrug 
nur 960000 Mark. Mit diesen geringen Geldmitteln wurde die 
Entwicklung der später zu beschreibenden Anlagen in Angriff ge- 
nommen. 

Das Bergwerk war in 128 Kuxe geteilt Diese stellten nichts 
anderes als ideelle Miteigentümeranteile dar. Diese Kuxe der 
Konsolidation waren gemäfi der älteren auf dem preußischen 
Landrecbt fußenden Auffassung immobiler Natur. Rein öko- 
nomisch betrachtet ist freilich der Kux weder eine mobile noch 
immobile Sache, sondern ein Recht Aber der Gesetzgeber dachte 
den Kuxen des alten Rechts die Immobiliarqualität an, und dies 
gesdiah offenbar nur, ,um auf die Kuxe die Verkehrsformen der 
Immobilien, die notarielle Form der Veräußerung, die Eintragung 
in das Hypothekenbuch und die hypothekarische Pfandbestellung 
anzuwenden."* Infolgedessen war die Gewerkschaft in der Aus- 
nützung ihres Realkredits sehr beengt Denn das Bergwerk 
konnte nur durch Verpfändung der sämtlichen Kuxe zur Hypothek 
gestellt werden. Jeder einzelne Kux war, wie schon erwähnt, als 
unbewegliche Sache hypothekarisch belastbar. Dieser Zustand 
wurde durch das allgemeine Berggesetz vom Jahre 1865 l>e- 
seitigt Die Kuxe werden mobilisiert, d. h. sie und die über 
sie erteilten Urkunden werden bewegliche Sachen. Sie bestimmen 
den Umfang der Beteiligung des einzelnen an der Gewerkschaft 
Das Bergwerk gehört nicht mehr anteilig den Gewerken, sondern 
ungeteilt der Gewerkschaft Damit schwindet der Formalismus 
der hypothekarischen Eintragung. Der durch den Kux gebildete 
Bergwerksanteil wird also als ein für sich bestehendes bewegliches 
Recht erklärt, welches kein Miteigentumsrecfat am Bergwerk be- 
gründet und im Grundbuch nicht eingetragen wird Damit wird 
das Bergwerkseigentum kreditfähig. 

Diese Umwandlung der ursprünglich immobilen in mobile 
Kuxe, d. h. der Gewerkschaft alten, in eine solche neuen Rechtes 
wurde erst in der Gewerkenversammlung der Konsolidation vom 



• Zeitschrift f. httg-, Hütten- nnd Salinenwesen Bd. DC p. 315 ff. 



222 ^- Bergwerks-AkttengeseUschaft Konsolidation. 

20. Mai 1886 beschlossen. Bis dahin war die Gewerkschaft eine 
128 teilige gewesen; von da ab wird sie eine lOOOteilige. Mit 
dem steigenden Wert des Beigwerks war diese weitergehende 
Teilung notwendig geworden. 

Die Form der Gewerkschaft aber sollte nicht ftir alle Zeftea 
beibehalten werden. Am 1. Juli 1889 wird die Gewerkschaft in 
eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 16 Millionen 
Mark transformiert In ihre Hände geht das ganze Aktiv- und 
Passiwermögen der Gewerkschaft Konsolidation über. Die Ak- 
tionare erhielten ffir 1000 Kuxe 16000 Aktien ä 1000 Mark. Die 
Aktien wurden zum Subskriptionspreis von 165% an den Markt 
gebracht Die Gründe für diese Umwandlung liegen in letzter 
Linie in den Bedürfnissen der Börse. Am 16. April 1888 war 
Grillo gestorben. Damft kamen gröfiere Beträge von Montan- 
werten an den Markt, die aber wegen ihrer Höhe oft nur schwer 
gehandelt wurden. Kostete doch ein Kux der Gewerkschaft Kon- 
solidation 1888 an der Essener Börse 22000 Mark. Dieser hohe 
Preis hinderte die Beweglichkeit und infolgedessen den Umsatz. 
Die Interessen des mobilen Kapitals aber gingen von jeher darauf 
hinaus, die Werte leicht und frei fibertragbar zu machen. Kuxe 
sind aber stets schwerer verkäuflich als Aktien« Aus diesem 
Grunde erfolgte die Umwandlung der Gewerkschaft in eine Aktien- 
gesellschaft 

Nach diesen Bemerkungen über die Gründung und Kon- 
struktion der Gesellschaft behandeln wir zunächst ihre natür- 
lichen Grundlagen, denn auf diesen baut sich ihre wirtschaft- 
liche Tatigkett auf. Das Grubenfeld der Zeche »Konsolidation' 
markscheidet mit folgenden Nachbarn: Im Norden mft Graf Bis- 
marck, im Osten mit Unser Fritz und Pluto, im Süden mft 
Alma, Hibemia und Dahlbusch, im Westen mU Zollverein nnd 
Wilhelmine Viktoria. Es umfaßte, wie schon erwähnt, ursprüng- 
lich 7,2 Millionen qm. Nur einmal in seiner ganzen Gesdiicfate 
hat es durch Zukauf eines Trennstückes von der letztgenannten 
Zeche eine Erweiterung erfahren. Es war für die ursprüngliche 
Besitzerin schlecht zu bebauen und wurde daher abgetrennt 
Ober die Motive dieser Erwerbung heifit es im Geschäftsbericht 
des Jahres 1881: »Bei den Kohlenmassen, welche die heutige 
grofie Produktion unserer Schächte absorbiert, müssen wir aucdi 
auf die Zukunft Bedacht nehmen und dürfen uns keine Gelegen- 
heit entgehen lassen, wo es möglich, Ersatz zu schaffen. Eine 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 223 

solche Gelegenheit bot sich uns kfirzlich dadurch, dafi wir ver- 
nahmen, die Zeche Wilhelmine Viktoria sei gesonnen, ein Stuck 
ihres südlichen Grubenfeldes in der GrOfie von 662870 qm, d. h. 
Vs eines alten Grubenfeldes zu veräufiem. Da die Flözverhält- 
nisse in diesem Feldstücke, wie wir durch unsere eigenen Auf- 
schlüsse an der Markscheide festgestellt, vorzüglich sind, und 
infolge unserer Vorrichtung nach der betreffenden Gegend hin 
eine Ausbeutung derselben als eine' besonders vorteilhafte er- 
sdidnen lassen, so haben wir geglaubt, keinen Anstand nehmen 
ztt dürfen, den Ankauf, welcher, wie uns bekannt, sonst von einer 
anderen markscheidenden Zeche beabsichtigt wurde, zustande zu 
bringen, um zu verhindern, dafi uns dieselbe zuvorkomme, und 
uns das wertvolle Feldstück entginge. Der Abschluß ist daher 
erfolgt, und zwar zu der Kauf summe von 320000 Mark." Damit 
ste^ der Umfang des Grubenfeldes auf 7889121 qm, woran sich 
bis heute nichts geändert hat Dieses Grubenfeld ist nun aber 
im Vergleich zur Produktion und zur GrOfie der Grul>enfelder 
anderer Zechen relativ klein. Die Zeche förderte 1903 1 488444 1 
Kohle. Etwa die gleiche Produktion von IV2 Millionen Tonnen 
haben auch Zollverein und die Arenbergsche Aktiengesellschaft 
für Bergbau und Hüttenbetrieb. Hingegen beträgt die Berecht- 
same bei der erstgenannten Zeche 13793500 qm und bei der 
letztgenannten 16294437 qm. Bei den in diesem Bande behan- 
delten Gruben stellt sich 

Die Produktion die Berecht- 

an Kolile auf same auf 

Kölner Bergwerksverein 772740 1 10300974 qm 

KCnigsbora 863355. 33600193 . 

Dahlbusch 1034214. 4000000 . 

Aus diesem Vergleich ergibt sich ohne weiteres, daß das 
Grubenfeld der Konsolidation relativ klein ist und nur auf Dahl- 
bttsdi das Mißverhältnis zwischen Produktion und Berechtsame sich 
noch drastischer gestaltet Ob sich daran au! der Zeche Konsolida- 
tion bei den heute bestehenden Grubenmonopolen etwas andern 
wird, ersdieint zweifelhaft. Immerhin hat die Verwaltung in den 
letzten Jahren aus den Gewinnen einen »Verfügungsfonds zum 
Ankauf von Grubenfeldem" gebildet Er betragt in der Bilanz 
vom 31. Dezember 1904: 2237837 Mark. Hierfiber heißt es üi 
dem Bericht des Aufsichtsrats vom 30. März 1901 : .Wir halten 
es ffir durchaus zweckdienlich, der Frage wegen Vergrößerung 



224 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 



unseres Gnibenbesitzes durch den Ankauf von Grubenfeldern jetzt 
näher zu treten, um die Lebensdauer und auch die Lebenskraft 
unserer Gesellschaft zu stärken, ehe es dazu zu spät ist, da in 
absehbarer Zeit geeignete Grubenfelder nicht mehr zu 
haben sein werden, um so mehr als die führenden Gesell- 
schatten der westfälischen Kohlenindustrie nach dieser Richtung 
hin bereits für ihre Zukunft Sorge getragen haben.* Hierzu ist 
zu bemerken, daß der Zeitpunkt für den Ankauf bereits verpafit 
sein dürfte. Es kann sich nur um bereits verliehene Fdder 
handeln. Diese aber werden, wenn überhaupt, nur zu enormen 
Preisen abgegeben, wie wir bereits bei den Erwerbungen der 
Hibernia gesehen haben. Daß aber auf dem W^e der Mutung 
nichts zu erlangen ist, beruht darauf, daß bereits das ganze Ge- 
lände in weniger als 1000 m Tiefe* gemutet oder al>gebohrt, d. h. 
also bereits in festen Händen ist 

Die Kohlenflöze der Konsolidation gehören der Horster Mulde 
an, welche sich unter den Ortschaften Horst, Buer und Schalke 
hinzieht Innerhalb des Grubenfeldes fand man in den 60er 
Jahren das Steinkohlengebirge über 2000 m mächtig. Es besteht 
aus drei Etagen. In der obersten liegen Gas- und Flammkohlen 
in der zweiten Fett- und in der dritten Magerkohlen. 

Durch das Grubenfeld setzt sich in ca. 3000 m streichender 
Länge der Leybänker Sattel, der die Scheide zwischen der Stoppen- 
berger und der Horster Mulde bildet.** Die querschlägige Feldes- 
erstreckung beträgt etwa 2,3 km. Im Sattelrücken tritt eine Falten- 
Verwerfung auf, durch welche die entsprechenden Sattelflfigd um 
ca. 270 m winkelrecht übereinandergeschoben werden. Auf dem 
Sattelnordflügel falten sich die Gebirgsschichten südlich der 
Schächte, welche im Streichen angeordnet sind, zu einer Spezial- 
mulde und einem Spezialsattel. Das Einfallen der Schichten, das 
für die Kosten der Schachtanlage und den Arbeitsprozeß von Be- 
deutung ist, beträgt auf dem Sattelnordflügel in oberen Teufen 
ca. 45^ und verflacht sich nach der Horster Mulde zu auf ca. 35^. 
Auf dem Sattelsüdflügel fallen die Schichten in höherem Niveau 
um ca. 53^ ein und nach der Stoppenberger Mulde zu, in der 
Dahlbusch baut, ebenfalls sich verflachend mit ca. 45^. Die 



* Heymann, Die gemischten Werke im Qrofieisenge werbe, Stuttgart nnd 
Berlin 1904, p. 119. 

** Siehe für das Folgende: Notizen für die Besucher des VUl. allgemetoen 
deutschen Bergmannstages zu Dortmund 1901. Essen 1901. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 225 

zwischen den beiden Sattelflügeln eingelagerte Spezialmulde zeigt 
in dem regelmäfiigen tieferen Niveau auf beiden Flügeln ein Ein- 
fallen von ca. 60^. Das bestehende günstige Verhältnis der ab- 
baufähigen Kohlenmächtigkeit zur Gebirgsmasse wird bedingt 
durch die innerhalb der Fettkohlenpartie auftretende Spezial- 
faltung. »Vor allem aber*» sagt Achepohl* ,ist es die unver- 
gleichliche Regelmäßigkeit der zahlreichen und mächtigen Flöze, 
die fast gradlinig und ohne Unterbrechung die eine halbe Weg- 
stunde lange Berechtsame von SW nach NO durchstreifen, wo- 
durch die Grube in Verbindung mit dem weiteren Zufalle, dafi 
fast die ganze produktive Kohlenformation im Felde liegt, zu 
einer der wertvollsten in Rheinland- Westfalen wird.** 

Diese von der Natur gegebene günstige Grundlage bildet 
nun das Operationsgebiet, auf dem Kapital und Arbeit die Aus- 
beutung der Erde begannen. 

Die Inangriffnahme der Arbeiten zur Erschließung des 
Grubenfeldes erfolgte im September 1863. Zuerst wurde der 
Schachtpunkt festgestellt und die Verhandlungen wegen Erwerb 
der nötigen Grundstücke eingeleitet** Nach dem Erwerb derselben 
ging man an das Ausroden des Waldes, der in einer Ausdehnung 
von 2V9 — 3 ha den Besitz überdeckte.*** Die Stämme wurden zu 
Grubenholz verarbeitet Dann wurde ein provisorischer Bau er- 
richtet zur Aufnahme der Abteufungsmaschinen. Daran schlössen 
sidi die notwendigen Werkstätten, die Schmiede, Schreinerei usw. 
Femer wurde eine Kaue errichtet zur Aufnahme eines Haspels 
und einer kleinen Pumpe. Im Oktober konnten die Abteufarbeiten 
t)egiimeiL Aber bald stellten sich größere Wasserzuflüsse ein, 
so dafi die kleinen Pumpen und die Haspelförderung, durch 
Menschenkraft betrieben, nicht mehr genügten. Deshalb wurden 
leistungsfähigere Betriebsmittel angeschafft, nämlich ein Dampf- 

* Das niederrheinisch-westfälische Bergwerksindustriegebiet, ü. Aufl., Leip- 
zig 1888, p. 47 und 48. 

** Vgl. Tor aUem Geschäfts- und Betriebsbericht vom 31. Januar 1867 sowie 
»Schalke und seine hauptsächlichsten' Industriezweige*, herausgegeben bei Qe- 
l^enhdt der Düsseldorfer Kunst* und Qeweri)eaussteUung 1880. 

*** Schulz-Briesen: 50 Jahre rückwärts. Erinnerungen eines alten Bergmanns. 
Essen 1904, p. 18: .Man wanderte von dem kleinen Marktflecken Oelsenkirchen 
aus auf einem Sandweg, der durch einen Jungen Tannenwald führte, und ge- 
langte auf eine etwa einen Morgen große abgeholzte Lichtung. Dort erhob sich 
das Schachtgerüst der Konsolidation. Auf Jenem Terrain erhebt sich heute der 
Ort Schalke.- 

Sttllich, NaÜooalSkooooiiscbc Fonchnogtii, Bd. U. 15 



226 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

haspel und eine Wasserhaltungsmaschine. Mitte Januar 1865 war 
die Montage dieser Maschine beendet, und mit dem Abteufen 
konnte for^efahren werden. Diese Arbeit ging gut und rasch 
vonstatten. Bei 146 m erreichte man das Kohlengebirge. Der 
Schacht wurde bis an die Tagesoberfläche wasserdicht aus- 
gemauert Sein lichter Durchmesser betrug 4,79 m. Dann wurde 
weiter abgeteuft und Querscbläge auf der Wettersohle nach Norden 
und Sfiden angesetzt Die Anlage der Tiefbausohle erfolgte bei 
240 m. Der Schacht erhielt den Namen Gertrud. Schon im 
Herbst 1865 konnte mit der Kohlenförderung begonnen werden. 
Eine Verzögerung von zwei Monaten wurde noch dadurch herbei- 
geführt, daß am 28. Oktober 1865 ein Kessel explodierte und die 
Wasser während des zehntägigen Stillstandes der Wasserhaltungs- 
maschine so hoch traten, dafi es große Mähe kostete, sie zu be- 
seitigen. 

1869 wird mit dem Bau des zweiten Schachtes, Wilhelm, 
begonnen. Er rekapituliert gewissermaßen das Schicksal des 
ersten. Es stellten sich bei weiterem Vordringen in die Tiefe 
ebenfalls bedeutende Wasserzuflässe ein, die durch Menschen- 
kraft nicht mehr bewältigt werden konnten. Das Abteufen mußte 
gestundet werden, um die nötigen maschinellen Einrichtungen an- 
zulegen. Eine 9" Saugpumpe wurde eingebaut Aber diese ge- 
nügte nicht, so daß noch eine zweite Pumpe angeschafft werden 
mußte. Da die Wasserzuflüsse bis 80 cbf (ca. 2V9 cbm) In der 
Minute stiegen — deren Bewältigung bei dem damaligen Stande 
der Technik Mühe machte — , wurde die Arbeit außerordentlich er- 
schwert Der Schacht wurde in seinem oberen Teil mit eisernen 
Tübbings versehen. 1871 kam er in Betrieb. Auch er war wie 
der erste für eine größere Förderung von 700 t Kohle arbeitstäg- 
lich vorgerichtet 

Der dritte Schacht, Minna, kam 1874 in Betrieb. Auf diesem 
Schacht besteht seit einer Reihe von Jahren eine von der West- 
fälisdien Berggewerkschaftskasse unterhaltene Versuchsstrecke, zum 
Untersuchen und Probieren von Sprengstoffen, Wetteria mpen usw., 
deren wissenschaftliche und praktische Ergebnisse von großer Be- 
deutung für den ganzen Kohlenbergbau sind. 

Alle drei Schächte wurden später unterirdisch miteinander 
verbunden und bei 540 m eine gemeinsame vierte Hauptsohle 
etabliert Dadurch wird es möglich, daß sich die drei Schächte 
in den Funktionen der Förderung, der Wasserhaltung, 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 227 

der Wetterführung und Fahrung gegenseitig ersetzen 
können. Diese Tatsache ist ffir den ganzen Betrieb von großer 
wirtschaftlicher Tragweite. Denn die Verbindung der drei 
Schadite untereinander bedeutet eine Versicherung gegen die 
Folgen von Betriebsstörungen. 

Diese drei Schachte bleiben bis zum Jahre 1895 die einzigen, 
aber welche die Gesellschaft verfügte. Der Grund, warum man nidit 
früher noch mehr Schächte abteufte, liegt offenbar in den aufier- 
ordentlidi günstigen Flözverhaltnissen, die man im südlichen Felde 
antraf, und deren Einfluß auf die Entwicklung der Gröfie und 
Macht des Unternehmens nicht zweifelhaft ist. Der Kohlen- 
reicbtum auf machtigen, billig auszubeutenden Flözen 
machte zunächst das rasche Niedergehen des Betriebes 
in tiefere Sohlen sowie die damit verbundene Steige- 
rung der Betriebsausgaben entbehrlich. Das ändert sich 
dann um die Mitte der 90er Jahre. Im Juli 1893 wurde mit dem 
Abteufen des vierten Schachtes, Fritz, begonnen. Bei 156 m 
war das Steinkohlengebirge erreicht 1895 stand der Schacht in 
Betrieb. Minna und Fritz werden zu einer Betriebsabteilung 
vereint Auch wird eine unterirdische Kommunikation hergestellt 

1898 wird dann noch ein weiterer Förderschacht VI 
(Schacht V ist ein Wetterschacht) in 41 m Entfernung von Sdiacht I 
in Angriff genommen. Als Gründe werden im Geschaftsberidit 
angegeben: Die Anforderungen einer erhöhten Produktion, das 
dringende Bedürfnis nach Ausdehnung der Bewetterung auf den 
Grubenbauen der Schachte I und II und die Notwendigkeit, die 
Förderung aus größeren Teufen zu t)etreiben. Dieser Schacht 
kommt 1899 in Betrieb. 

Aber die Bewetterung genügte in den folgenden Jahren noch 
nicht, und aus diesem Grunde wurde 1902 ein neuer Wetter- 
schacht niedergebracht Der Geschaftst)ericht des genannten 
Jahres sagt hierüber folgendes: ,Um unserm Betrieb jederzeit 
und auch für die Folge ein ausreichendes Quantum frischer Wetter 
zuführen zu können und hiermit sowohl die Temperatur vor den 
Art>eitspunkten möglichst zu erniedrigen, als auch die schädlichen 
Gase zu verdünnen, haben wir es für erforderlich gehalten, mit 
dem Abteufen eines neuen Schachtes zwecks Verstärkung der 
Wetterführung zu beginnen.* Dieser neue Schacht, in der Nahe 
des Schadites U gelegen, hat einen lichten Durchmesser von 6 m. 
Er kam 1903 in Betrieb. 

15» 



228 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

In den Geschäftsberichten figurieren heute die sechs Schächte 
in folgender Anordnung: lA^, IWII, III/IV — Schacht V liegt für 
sich allein und kommt nur als Wetterschacht in Betracht Auf 
sämtlichen Schachtanlagen besteht Koepeförderung. Diese durch 
ihre Einfachheit bestechende Methode der Förderung hat in der 
jüngsten Zeit grofie Ausbreitung gefunden. Sie besteht im wesent- 
lichen darin, dafi das fiber eine Scheibe laufende Seil beim Be- 
triebe an beiden Enden mit Körben belastet ist Der HauptvorteO 
liegt in der Billigkeit Die Seilkosten sind bei keiner anderen 
Fördermethode, ausgenommen bei der mit Spiralkörben, so niedrig 
wie hier, »trotzdem zur Koepeförderung fast durchweg teuere ver- 
zinkte Seile benutzt werden, und die Kosten des Untersefls im 
Verhältnis zu den Kosten für das Oberseil höhere als bei den 
gewöhnlichen Förderungen mit ober- und unterschlägigem Seil 
sind*.* Das hängt vor allem damit zusammen, dafi das Seil nur 
ungefähr halb so lang zu sein braucht wie Trommelseile. Die 
Seilkosten bei Koepeförderung betragen auf Schacht I der Kon- 
solidation pro Tonnenkilometer 0,73 Pf. Der Sicherheit und Zu- 
verlässigkeit dieser Förderung werden allerdings in praxi Zweifel 
entgegengebracht Das untere, besonders gefährdete Ende des 
Seils wird nicht von Zeit zu Zeit abgehauen und erneuert; es 
kann während seiner Auflagezeit nicht periodisch auf seine Trag- 
fähigkeit geprüft werden. Die Bergbehörde hat daher die Auflage- 
zeit der Koepeseile im Maximum auf zwei Jahre beschränkt 
Weitere Übelstände bestehen darin, dafi beim Reißen des Seils 
beide Körbe in die Tiefe stürzen. Schliefilich entsteht für größere 
Teufen, in denen mit Unterseil gearbeitet wird, etwa bei 700 m bei 
grofien Seillängen und Geschwindigkeiten ein derartiges Hin- und 
Herschlagen des nicht belasteten Unterseils, dafi dadurch die 
Schachtzimmerung gefährdet wird.** Die Einführung der Koepe- 
förderung zeigt deutlich, dafi die ganze Förderung beherrscht wird 
von dem Prinzip nach möglichster Verbilligung. Je tiefer die 
Kohlen aus der Erde herausgeholt werden, desto mehr mufi den 
wachsenden Produktionskosten durch billige Einrichtungen be- 
gegnet werden — freilich darf dies nicht auf Kosten der Betriebs- 
sicherheit gehen! 

Von Interesse ist nun weiter, dafi auf Schacht Gertrud bis zum 

* Die Entwicklung des niederrheinisch -westfälischen Steinkohlenbergtuius 
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 1902 Bd. V p. 289. 
•♦ a. a. O. p. 437. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 229 

Jahre 1884 Bandseile aus Aloefaser verwendet wurden. Aber sie 
waren verhältnismäßig teuer, und ihr hohes Gewicht vermehrte die 
tote Last Die Kosten dieser Seile betrugen pro Tonnenkilometer 
auf Schacht Gertrud 5,64 Pf. Mit der Tendenz der modernen 
Groflbetriebe, das Organische immer mehr durch das An- 
organische zu verdrängen, machten auch auf diesem 
Schacht die Aloeseile den heute ausschliefilich angewen- 
deten Stahldrahtseilen Platz. 

Um den ganzen Mechanismus der Förderung in Bewegung 
zu setzen, sind Dampfmaschinen notwendig. Sie dienen vor 
allem zum Antrieb der Fördermaschinen. Die Fördermaschine auf 
Schacht WI haben 450 bzw. 750 H.P. bei 6 Atmosphären Kessel- 
spannung, die auf den anderen Schachtanlagen 700 H.P. Ebenfalls 
durch Dampf angetrieben werden die Ventilatoren, Schacht I hat 
zwei Systeme von je 7000 cbm Leistungsfähigkeit (Capell). Auf 
Scfaachtanlage III/IV stehen zwei Rateauventilatoren von je 6000 cbm 
Leistung, bei 120 mm Depression. Auf beiden Anlagen ist immer 
ein Ventilator in Reserve. 

Nun braudit man im Bergbau aber auch Kraftübertragungen. 
Dazu eignet sich der Dampf aus naheliegenden Gründen wenig 
oder gar nidit Die Dampf rohrleitungen, die in ausgedehnten 
Orobenbetrieben sehr lang sein müssen, weisen bedeutende Wärme- 
veriuste auf. Ihre Wärme bringt femer eine Temperatursteigerung 
der unterirdischen Strecken und Räume mit sich, die der Gesund- 
heit der Arbeiter nachteilig ist, auch ein schnelleres Verderben 
der Grubenhölzer herbeiführt und den Zug der Grubenwetter 
störend zu beeinflussen vermag.* Man verwendet daher auf 
Konsolidation in ausgedehntem Mafie Preßluft Zur Erzeugung 
dieser dienen auf I 3 Kompressoren. Der neueste aus der Fabrik 
von Schfichtermann & Kremer hervorgegangene erzeugt stündlich 
600 cbm Luft von 6 Atmosphären Spannung. Die zum größten 
Teil in Rohrieitungen durch die Baue geführte Prefiluft dient vor 
allem zum Betriebe kleinerer Maschinen, Lufthaspel, ma- 
schinelle Streckenförderung, Gesteinsbohrer, kleine Ventilatoren zur 
Sonderbewetterung, in letzter Zeit auch Schrämmaschinen. Hieraus 
geht hervor, dafi die Prefiluft eine ausgedehnte Verwendung findet. 
Die Gründe hierfür liegen teils auf technischem, teils auf gesund- 
heitlichem, teils auf ökonomischem Gebiet Luft läfit sich überall- 



* Siemens & Halske» Elektrische Kraftabertragung Im Bergbau, 1896, p. 6. 



230 4- Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

hin leicht zuführen. Die Leitungen erhitzen sich nicht wie da, 
wo man Dampfmaschinen verwendet Infolgedessen konservieren 
sich Maschinen und Leitungen gut Die verbrauchte komprimierte 
Luft dient der Ventilation am Arbeitspunkt Das ist von besoo- 
derer Bedeutung bei entfernt liegenden Grubenorten. Die Abluft 
wirkt bei der Expansion kühlend. Der Arbeiter aber weifi frische 
Wetter vor Ort sehr zu schätzen. Seine Arbeitsleistung durfte 
dadurch erhöht werden. Vor allem aber gestattet der Betrieb mit 
komprimierter Luft auch eine leichte Verschiebung der Ar* 
beitspunkte. Geringe Maschinenkräfte lassen sich auf verschie* 
dene Stellen verteUen, und die Verlegung der Arbeitspunkte ist 
mit gar keinen Schwierigkeiten verbunden. Das aber ist gerade 
für den Bohr- und Schrämbetrieb von besonderer Wichtigkeit* 
Trotzdem kommt die Prefiluft als Kraftübertragung, wie schon er- 
wähnt, nur bei kleinen Maschinen in Betracht Bei großen, z. B. 
Ventilatoren, wird sie zu teuer. Das hat darin seinen Grund, dafi 
der Wirkungsgrad einer Prefiluftanlage ein sehr geringer ist Nach 
Treptow** können in der Grube nur etwa 20% derjenigen Kraft 
nutzbar gemacht werden, die über Tage zur Pressung der Luft 
aufgewandt wird. 

Die jüngste, mit der Preßluft konkurrierende Kraft ist die 
Elektrizität Sie ermöglicht die billigste Kraftübertragung. 
Der Wirkungsgrad ist sehr hoch. Im Durchschnitt wird man ihn 
auch auf 75% veranschlagen können. Bei Übertragung größerer 
Kräfte nach der vorerwähnten Schrift von Siemens & Halske auf 
80% und darüber. Der Einbau der Leitungskabel ist einfadL 
Die Leitungen lassen sich bequem veriegen. Sie sind leicht be- 
weglich und biegsam. Freilich ist die elektrische Kraftübertragung 
nicht überall vorteilhaft zu verwenden, wegen der notwendigen 
vierfachen Umsetzung von Kohle in Dampf, Dampf in mechanische 
Kraft, Kraft in Elektrizität, Elektrizität wieder in mechanisdie 
Kraft Im günstigsten Falle kommen dabei 12 — 15% der in der 
Kohle enthaltenen Energie in Form elektrischer Arbeit zur Ver- 
wendung.*** Für gewöhnlich wird man jedoch nur 10 — 13% rech- 
nen können. Seitdem nun der besonders zum Betriebe zerstreut 
liegender Apparate geeignete Drehstrom, d. h. die Verkettung draer 

* Zeitschr. l Berg-, Hütten- und Salinenwesen Bd. XVU 1869 p. 1 ff. 
^ Treptow. Die Geschichte des Bergbaus im 19. Jahrhundert, Freiberg i. S. 
1901, p. 3. 

*** Dinglers Polytechnisches Journal 1900 p. 708. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 231 

Wechselströme, einfachere Motoren gestattet, ist die Elektrizität in 
ihrer Anwendung bequemer geworden. 

Mit der elektrischen Kraftübertragung verbindet sich zugleich 
die Möglichkeit der unterirdischen elektrischen Beleuchtung, bi 
guterhaltenen Grubenräumen aber wird der Grubenarbeiter sich 
sicherer bewegen können, andererseits freilich nimmt mit dem Vor- 
handensein elektrischer Leitungen die Lebensbedrohung zu.* Die 
Elektrizität findet gegenwärtig auf der Zeche Konsolidation weit- 
gehende Verwendung. Die elektrische Kraft wird zum Betriebe 
des Rateau Ventilators, der unterirdischen Seilbahnmaschine, der 
Pörderhaspel sowie einer Pumpe von 100 m Druckhohe verwandt 
Das sind alles Maschinen mit hohem Kraftbedarf. 

Unter Zuhilfenahme dieser Kräfte und vor allen Dingen der 
später noch eingehender zu behandelnden menschlichen Arbeits- 
kraft wird nun das Grubenfeld nach den Regeln der Bergbau- 
technik aufgeschlossen. Zu diesem Zweck wird es in einzelne 
fibereinanderliegende Abschnitte geteilt, aus denen in planmäßiger 
Reihenfolge die Kohlen aus mehreren Flözen in größerer Menge 
aus derselben Teufe gewonnen werden können. Diese Abschnitte 
nennt man Sohlen. Sie zeriegen das Kohlengebirge in einzelne 
Etagen zum Zwecke der bequemeren Gewinnung. Auf der Zeche 
Konsolidation erfolgte, wie bei den meisten Zechen, die Bildung 
der Sohlen von oben nach unten, d. h. man begann mit den 
oberen Sohlen und vertiefte den Schacht erst, um eine neue, 
tiefere Sohle anzulegen, sobald der Abbau auf jener vorgeschritten 
war. Bestimmend für dieses Vorgehen ist offenbar ein ökono- 
misch-finanzielles Moment. Durch die Bildung der Sohlen 
von oben nach unten erlangt die Zeche infolge der 
Kohlengewinnung auf der ersten Sohle die Geldmittel 
ffir fernere Abteufungsarbeiten und die Anlage neuer 
Sohlen, ohne dafi das Unternehmen mit neuen Schulden 
belastet werden mufi. So heiSt es z. B. in dem Geschäfts- und 
Betriebsbericht der Zeche von 1873/74 in einem historischen Rfick- 
blick: .Im Laufe der folgenden Jahre 1866/67 stieg die Kohlen- 
förderung derart, dafi der Betrieb bereits Oberschfisse lieferte, 
die aber zum Ausbau der Grube verwandt wurden." Der um- 



• Siehe Erhard, Der elektrische Betrieb im Beigbau, HaUe a. S. 1902, p. 81. 
Dieser Punkt ist in der Schrift von Siemens k Halske flbersehen. Es wird nur 
gesagt, dafi die elektrische Beleuchtung .eine bedeutend gröfiere Sicherheit fOr 
Menschenleben* mit sich bringe. 



232 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

gekehrte Weg, der aus dem angegebenen Grunde selten ist, wurde 
z. B. auf der Zeche Gläckauf-Tiefbau eingeschlagen. Hier wurde 
der Schacht bis auf den tiefsten Punkt niedergebracht, und dann 
erfolgte die Anlage der Sohlen von unten nach ot>en * 

Die Schächte der Zeche Konsolidation gehen heute in ver- 
haltnismaSig grofie Teufen nieder. Die 6. Sohle der Schacht- 
anlagen I/VI und II/VII liegt 640 m unter der Hangebank. Die 
7. Sohle der Anlage III/IV weist sogar eine Teufe von 740 m auL 
Damit wachsen natürlich die Kosten der Tiefbauanlage nicht un* 
bedeutend, durch ein anderes Moment aber werden sie wieder 
vermindert Die neueren Sohlen nämlich sind in Abstanden von 
ca. 100 m angesetzt Vergleicht man z. B. bei Schacht I die 
Sohlenabstande untereinander, so zeigt sich, dafi sie im Laufe der 
Zeit bedeutend größer geworden sind. 

Auf Konsolidation betragt der Abstand: 
der I. von der II. Sohle: 64,01 m der IV. von der V. Sohle: 106,48 m 

. n. . .in. . 82,54 . . V. . . IV. . 105,37 . 

.ffl. . . IV. . 100,15 . 

In diesen Zahlen spiegelt sich ein Fortschritt in der Berg* 
bautechnik wider. Die mit der Sohlenfassung verbundenen 
höheren Anlagekosten werden reduziert durch den größeren Ab* 
stand der Sohlen. Das früher übliche System der hastigen 
Besitzergreifung der aufgeschlossenen Kohlenflöze er- 
scheint dadurch temperiert Die Abteufung tieferer 
Schachte verursacht zwar größere Kosten, sie werden 
aber dadurch wieder eingeschränkt, dafi die Sohlen* 
abstände wachsen, d. h. weniger Sohlen auf eine be- 
stimmte Tiefe angelegt werden. 

Von besonderer Wichtigkeit ist weiter die Art des unter- 
irdischen Abbaus der Kohlen. Die Wahl des Systems wird 
in erster Linie bestimmt durch die Lagerungsverhaltnisse. Es 
kommen natürlich noch andere Momente in Betracht** Die Flöze 
können entweder flach, d. h. horizontal gelagert sein oder stefl. 
Alle anderen Lagerungen liegen zwischen diesen Extremen. Bei 
sohliger Lagerung können alle zur Ausführung und Vorrichtung 
dienenden Strecken vom Schachte aus im Flöz selbst aufgefahren 
werden. Solche Verhaltnisse werden wir bei Dahlbusch kennen 
lernen. Auf Konsolidation sind, wie früher angegeben, die meisten 

* Siehe Zeitschr. f. Berg-, Hütten- und Salinenwesen Bd. VII p. 284. 
^ d. Lottner in der Zeitschr. f. Berg-, Hütten- und Sah'nenwesen Bd. VO p. 281. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 233 

Flöze unter einem Winkel von 45^ gelagert Hier erfolgt die 
Hauptausrichtung querschlägig. Es müssen die steilstehenden oder 
nahe beieinander gelagerten Flöze durch lediglich im Gestein be- 
triebene Baue ausgerichtet werden. Die Hauptquerschlage in den 
unteren Sohlen sind 3— SVa m breit und 2 m hoch aufgefahren. 
Die zur Aufschliefiung bestimmten Flözgruppen im Gestein oder 
die in umbauwurdigen Flözen aufgefahrenen Richtstrecken sind 
in Weiten von 2 Vax 2 m zu Felde gebracht und aus denselben 
in Entfernungen von je 300 m die Abteilungsquerschläge an- 
gesetzt Die Vorrichtung geschieht ausschliefilich durch saigere, 
d h. senkrechte Schächte. Sie werden von unten nach oben auf- 
gebracht und reichen von Sohle zu Sohle. Vor 1875 hatte man 
Bremsbei^e, neben denen ein Teil der Kohle stehen blieb. Als 
man dann in die gestörten Flözgruppen vordrang, wurden saigere 
Schadite eingerichtet, die weniger Leute zur Bedienung er- 
forderten als früher die Bremsberge. Die Abbauquerschlage sind 
in Abstanden von 10—15 m übereinander, je nach dem Einfallen 
der Gebirgsschichten, aus den blinden Schachten ins Hangende 
nnd Liegende zur Lösung der vorgesehenen Flözgruppen an- 
gesetzt* Das herrschende Abbausystem der Zeche war bis um 
die Mitte der 80er Jahre der Pfeilerbau ohne Bergeversatz. 
Dieses System aber hatte eine grofie Reihe von Nachteilen im 
Gefolge.** Die Wetterführung war schwieriger. Vielfach brachen 
die Kohlen oder das Hangende herein. Die beim Auffahren der 
Abbaustrecken und Überhauen fallenden Kohlen waren stückarm. 
Durch jahrelange Entgasung litt die Qualität der anstehenden 
Pfeiler. Dazu kamen grofie Abbauveriuste, vor allem die Kohlen- 
pfeiler, die gegen den alten Mann hin stehen bleiben mufiten- 
Besonders groß wurden sie da, wo die Erdoberflache mit Hausem 
belastet war. »Wir vertieren*, heifit es z. B. im Geschäftsbericht 
von 1881, »durch die Schutzmafiregeln, welche wir namentlich im 
Bereiche der Stadt Gelsenkirchen vorzunehmen für zweckmäßig 
erachtet haben, einen schönen Teil unseres südlichen Gruben- 
feldes, welchen wir infolge dieser MaSregeln nicht bauen dürfen.* 
Das bedenklichste, mit dem Pfeilerbau verknüpfte Moment aber 
war die Einwirkung auf die Erdoberflache, wovon wir spater 
handeln werden. 

Deshalb beginnt man allmählich immer mehr zum Strebbau 

• Siehe Notizen p. 5. 
** d. Zeitschr. f. Berg*. Hütten* and SaUnenwesen Bd. 40 p. 290 ff. 



234 4. Bergwerks-Akticngesellschaft Konsolidation« 

mit Bergeversatz fiberzugehen. Die Methode des Abbaus mit 
Bergeversatz besteht darin, dafi aus einem Bremsberg oder Ab- 
hauen nach jeder Seite zunächst nur ein Pfeiler abgebaut and, 
wie er fortschreitet, dieser wie auch die Strecke mit Bergen dicht 
versetzt werden. Nachdem diese Pfeiler bis nahe am Bremsberg 
abgebaut und dicht versetzt sind, wird über diesen mit Bergen 
versetzten Pfeiler nach beiden Seiten ein Stofiort bis zur Ab- 
teilungsgrenze getrieben und darauf der nächst höhere Pfeiler ab- 
gebaut und versetzt usw., bis der ganze Pfeiler bis zur nächst 
höheren Sohle oder Abteilungsstrecke abgebaut ist* Freilich be- 
steht nun ein Nachteil dieses Systems darin, daß die gewonnenen 
Kohlen in ein besonderes Rolloch gestürzt und dann wieder aus- 
geladen oder in einem besonderen Bremsberg nach der Sohlen- 
strecke transportiert werden müssen. Aber weit schwerer fallen 
die Vorteile in die Wagschale. Die Wetterführung ist wesentlidi 
besser. Die Unfälle durch Kohle und Steinfall sind geringer. Die 
Kohlen können rein gewonnen werden; es brauchen keine Schweben 
stehen zu bleiben. Die Abbauveriuste sind also kleiner als beim 
Pfeilerbau. SchlieSlich ist die Tagesoberfläche gesicherter. Dieses 
zweite System gelangt nun auf der Zeche zu immer größerer Be- 
deutung. Schon in dem Geschäftsbericht von 1887 heifit es: »Der 
fortschreitenden Entwicklung der Betriebseinrichtungen entsprechend 
wird der Abbau mit Bergeversatz nunmehr durchgängig eingeführt, 
so daß nicht allein die sämtlichen bei dem Betriebe fallenden 
Berge in der Grube versetzt, sondern auch täglich eine erhebliche 
Anzahl Bergewagen von der Halde hereingefördert werden. Ohne 
Zweifel wird diese Baumethode die weitere Ausdehnung der Boden- 
senkungen für die Zukunft erheblich mindern.* 

Ober den Rückgang des Pfeilerbaus und den Fortschritt des 
Strebbaus mit Bergeversatz geben folgende, mir von der Ver- 
waltung gütigst zur Verfügung gestellte Zahlen Auskunft Es be- 
trug die Förderung auf I/VI und III/IV in runden Zahlen: 





im Pfeilerbau 
t 


im Strebbau 
t 


insgesamt 


1888 


210000 


32000 


242000 


1889 


190000 


71000 


261000 


1890 


166000 


121000 


287000 


1891 


161000 


146000 


307000 


1892 


167000 


135000 


302000 


1893 


170000 


135000 


305000 



* Nonne, Technische Mitteilungen 1886 p. 221. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 235 





im Pfeilerbau 


im Strebbau 


insgesamt 




t 


t 


t 


1894 


118000 


196000 


314000 


1895 


118000 


203000 


321000 


1896 


69000 


271000 


340000 


1897 


61000 


307000 


368000 


1898 


37000 


344000 


381000 


1899 


41000 


380000 


421000 


1900 


47000 


423000 


470000 


1901 


42000 


420000 


462000 



Diese Zahlen reden eine deutliche Sprache. Mit dem alten 
Abbausystem, dem Pfeilerbau, hängen nun die aufierordentlichen 
Schädigungen zusammen, die die Gesellschaft in der Vergangen- 
heit stark belastet haben, und die ihr noch heute grofie finanzielle 
Opfer auferlegen. Wie schon erwähnt, führte der Pfeilerbau 
zu einer Bedrohung der Erdoberfläche. Diese kann erfolgen 

1. bei geringer Mächtigkeit des Deckgebirges durch Tagebräche, 

2. bei größerer Mächtigkeit durch Risse und Spalten und 

3. durch Bodensenkungen. Diese treten selbst bei Grubentiefen 
von 600 m und mehr ein. 

Man kann in den Städten, unter denen Kohlen abgebaut werden, 
häufig Sprünge und Risse in den Häusern sehen, die mit den 
Senkungen in Zusammenhang stehen. 

Die Entschädigung, die die Zechen dafür zu zahlen haben, sind 
ganz enorm. Deshalb gehen die meisten so vor, dafi sie das 
gefährdete Terrain rechtzeitig erwerben. Bereits im Geschäfts- 
bericht der Zeche Konsolidation von 1876 wird die Frage erwogen, 
ob es nicht notwendig wäre, besonders gefährdete Grundstücke 
anzukaufen. In dem Bericht von 1886 heifit es dann: .In bezug 
auf Landkäufe verfolgt die Gesellschaft das Prinzip, dieselben 
rechtzeitig, ehe Schädigungen der Oberfläche eingetreten sind, zu 
erwerben.* Dadurch kamen die Grundstücke relativ billiger zu 
erstehen, als dies sonst der Fall gewesen wäre. Es werden 
Höfe usw. gekauft, um Entschädigungsansprüchen zu entgehen, 
welche bedeutende Summen gekostet haben würden, ohne der 
Gesellschaft einen Besitz einzubringen. Um grOfieren Ansprächen 
gegenüber gerüstet zu sein, wird schliefilich ein besonderes Konto 
»Rücklagen für schwebende Bergschädenansprüche' angelegt 
Dieses Konto ist auch für andere Zechen des Ruhrbezirks charakte- 
ristisch. 

Wir ersehen aus dem gesagten, dafi der Landhunger der 



236 4- Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

Zeche mit der Entschädigungspflicht in engem Zusammen- 
hange steht Sie ist dadurch Rittergutsbesitzerin geworden. Ich 
habe im folgenden aus den Geschäftsberichten die wichtigsten 
Daten in bezug auf Landerwerbung zusammengestellt, die gleich- 
zeitig das immense Steigen der Bodenpreise illustrieren. 

1877 werden erworben 2 ha 72 a 50 qm, »belegen in wert- 
voller Lage im Anschluß an unsere Arbeiterkolonie Krim, zum 
Teil an der Friedrichstrafie in Schalke, zur Hauptsache aber an 
zwei westlich der letzteren neu angelegten Strafien, zum Preise 
von 46106 Mark. Der Hektar kostet also 16956 Mark. In das- 
selbe Jahr fällt der Kauf des Kaiserhofes, eines Grundstuckes in 
Größe von 35 a 79 qm zum Preise von 54000 Mark. 

1863—1872 werden vom Herzog von Aremberg 10 ha 43 a 
90 qm in Erbpacht genommen. Es ist das eine Fläche, auf der 
Schacht I sowie die Verwaltungsgebäude der Gesellschaft und die 
Kokerei liegen. Dafür müssen dem Herzog jähriich 420 Mark 
pro Hektar Pacht gezahlt werden, während das Land sonst mit 
120—160 Mark verpachtet wird. 1881 erwirbt die Zeche 22 ha 
26 a 12 qm Acker, Wiese und Gartenland mit Hofgebäuden and 
zwei darauf befindlichen Arbeiterhäusern im Mittelpunkte des 
Ortes Schalke zum Gesamtpreis von 350572 Mark. Für die Ge- 
bäude wurden 21 000 Mark bezahlt Der Hektar Land kostete 
14804 Mark. In demselben Jahre werden weiter über 10 ha des 
dem Herzog von Aremberg gehörigen Gutes Goor bei Schacht I 
in unmittelbarer Nähe der Emscher Talbahn erworben zum Ge- 
samtpreise von 72000 Mark. Der Hektar kostete also 6300 Mark. 

1884 erfolgt der Kauf der Thyssenschen Besitzung an der 
HochkampstraSe zu Braubauerschaft, bestehend aus Wohnhaus und 
Hintergebäude und 22 a 83 qm Grundfläche für den Preis von 
8400 Mark. 1885 werden an die Aktiengesellschaft für rheinisch- 
westfälische Industrie für ein Grundstück an der Kaiserstrafie in 
Gröfie von 1 ha 12 a 21 qm 59335 Mark bezahlt. »Von diesem 
Grundstück überiassen wir der katholischen Kirchengemeinde 32 a 
33 qm unentgeltlich, um dieselbe zu veranlassen, die projektierte 
Kirche auf diesem durch unsem Grubenbetrieb weniger bedrohten 
Platz zu erbauen, und zu diesem Zweck auf ein anderes ihr von 
anderer Seite gleichfalls geschenktes Grundstück zu verzichten, 
dessen Benutzung das Stehenlassen eines bedeutend größeren 
Sicherheitspfeilers zur Folge gehabt haben würde.** 1898 werden 

* Geschäftsbericht 1885. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 237 

dann »zum Zwecke der weiteren Arrondierung unseres Grundbesitzes 
wie auch zur Vermeidung bzw. Beseitigung von Bergschadenan- 
sprüchen in der Gemeinde Schalke und Braubauerschaft* im 
ganzen 3 ha 47 a 52 qm angekauft zum Preise von 67824 Mark. 
Der Hektar kostete also 19516 Mark. 

Die Preise pro Hektar schwanken, wie aus diesen Zu- 
sammenstellungen erhellt, zwischen 6300 und 19516 Mark. 

Aus diesen Notizen geht hervor, welche Geldaufwendungen 
nötig sind, um die Schädigungen den Eigentämem der Oberfläche 
zu bezahlen. Noch heute werden von der Verwaltung jedes Jahr 
150000 Mark für den obengenannten Fonds zurückgelegt, aus 
welchem die Entschädigungsansprüche in Zukunft beglichen werden. 
Seine Höhe betrug 1904 414184 Mark. 

Es mufi hier noch einer mit den Abbauverhältnissen zusammen- 
hängenden Tatsache gedacht werden, die in der Vergangenheit wie 
heute gro8e Summen erforderte. Das wichtigste Material zur 
Attfrechterhaltung und Stütze der unterirdischen Baue ist 
das Holz. Es wird in großen Massen gebraucht Die deutsche 
Forstwirtschaft wird in hohem Mafie von der riesigen Nachfrage 
nach Holz von selten des Bergbaus beeinflufit Auf Konsolidation 
sind allein monatlich 100000 Mark für Grubenholz erforderlich. 
Es besteht bei der Versorgung der Zeche mit Grubenholz ein be- 
sonders organisierter Handel, der in den Händen von Leuten liegt, 
die den Wald nur zur Abholzung kaufen, während der Grund 
und Boden dem Besitzer verbleibt 

Einmal in früheren Zeiten hatte die Zeche auch versucht, 
ihren Bedarf an Grubenholz durch eigene Produktion zu 
decken. 1870 kaufte sie auf eigene Rechnung Eichenholzungen 
an. Das Motiv für diese Erwerbung bildeten unangenehme Er- 
fahrungen, die früher bei der Holzbeschaffung gemacht wurden. 
.Wir hatten bis dahin,*" heifit es im Geschäftsbericht 1873/74, 
»darunter zu leiden, dafi das Grubenholz in zu schwachen Dimen- 
sionen angeliefert wurde, und man uns häufig ganz im Stiche 
ließ. Die daraus für den Grubenbetrieb entstandenen Nachteile 
waren um so bedeutender, als wir bekanntlich in einzelnen Strecken 
mit druckhaftem Gebirge zu kämpfen haben.* Um diesem Obel- 
stande abzuhelfen, errichtete das Werk eine eigene Holzfaktorei. 
Es deckte den Bedarf der Schächte an Holz, namentlich an Eichen- 
holz aus eigenen Waldungen. Mit der eigenen Verart)eitung des- 
selben zu Grubenholz war die Garantie verbunden, dafi in den 



238 4. Befgwefks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

Gruben nur durchaus gutes und starkes Holz zur Verwendung 
gelangte. Aber diese Selbstbedarfsdeckungswirtschaft ergab bereits 
im ersten Jahre einen Verlust Dazu bemerkt der Geschäftsbericht 
folgendes: »Wir haben von vornherein nicht darauf gerechnet, bei 
diesem Hohgeschäft finanzielle Oberschüsse zu erzielen. Der bei 
demselben in der Rechnung erscheinende ziffemmäfiige Verlust ist 
jedoch nur ein scheinbarer, da wir unsem Hauptzweck, den soliden 
Ausbau unserer Grubenbetriebe, erreicht und uns dadurch vor 
nicht zu berechnenden Nachteilen geschützt haben.' Diese Be- 
gründung ist freilich logisch nicht ganz einwandfrei. Zum TeO 
wurden die Verluste verursacht durch die Unehrlichkeit des Be- 
amten, dem dieser Nebenbetrieb übertragen war. Er verkaufte 
Holz an Dritte und liefi den Gewinn in seine eigene Tasche fließen. 
Aber auch abgesehen von dieser doch zufälligen Erscheinung von 
Unterschleifen war das ganze Prinzip, die Holzversorgung 
in eigene Regie zu nehmen, verfehlt Es ist meines Wissens 
nirgends wiederholt worden. Der Händler, der den Holzbestand 
eines Waldes kauft, kann den Betrieb viel rationeller gestalten, 
als die Zeche dies zu tun in der Lage ist 

Von den Betriebsmitteln, die in der Geschichte des Unter- 
nehmens eine Rolle gespielt haben, sind außer den schon be- 
schriebenen Schachtanlagen hauptsächlich drei von Bedeutung, 
nämlich 1. eine Brikettfabrik, 2. eine Steinfabrik resp. Ziegelei, 
3. eine Kokerei. 

Es wurde angedeutet, daß die Zeche Konsolidation ursprüng- 
lich in den Gaskohlenflözen baute. Der Absatz des gesiebten 
Produkts erfolgte an Gasanstalten. Um die abfallende Feinkohle 
zu verwerten, suchte man zunächst experimentell einen Weg. Die 
Verwaltung legte einen offenen Koksofen an, um zu prüfen, ob 
die Feinkohle zur Herstellung von Koks geeignet sei. Diese 1866 
unternommenen Versuche führten zu dem Resultat, daß man aus 
der vorhandenen Gasfeinkohle zwar einen guten Koks für Gießerei- 
zwecke erzeugen könne, daß aber das Ausbringen zu gering sei 
Aus diesem Grunde wurde der Plan, eine Kokerei zu errichten, 
aufgegeben. Es mußte nun ein anderer Weg gefunden werden, 
um die schwer verkäufliche Feinkohle absatzfähig zu machen. 
Die Gewerkschaft erwarb daher 1868 die einzige* damals im 
Ruhrbezirk bestehende Brikettfabrik der Magerkohlenzeche Wiesche 

* Siehe Festschr. zum VIU. ailgem. deutsch. Bergmannstag in Dortmund: 
Mitteilungen über den niederrheinisch-westfälischen Steinkohlenbergt>au p. 162. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 239 

bei Mfilbeim a, R. — heute zur Mülheiraer Bergwerks-Aktien- 
gesellscbaft gehörig — für den Preis von 18000 Mark. Diese 
Zeche hatte die Brikettierung wegen der ungenügenden Qualität 
ihrer Magerkohle bisher mit wenig Erfolg betrieben. Der Haupt- 
grund für die Erwerbung dieser Brikettfabrik lag darin, dafi die 
Brikettfabrikation dem Unternehmen die Möglichkeit gab, auch im 
Sommer die Feinkohle gut zu verwerten. In den Sommermonaten 
war der Betrieb und der Kohlenkonsum der Gasfabriken nur ein 
schwacher. Die Zeche verkaufte daher, wie wir später noch bei 
der Behandlung der Absatzverhaltnisse sehen werden, den gröfiten 
Teil ihrer Förderung in Gestalt von gesiebten Stack- und Knabbel- 
kohlen an die Marine und für den Export Dabei entfielen grofie 
Quantitäten Feinkohlen. Diese wurden jetzt brikettiert, um im 
Sommer einen regelmäßigen Absatz zu guten Preisen zu 
suchen. 

Aber das neue Produkt führte sich nur schwer ein. Es litt 
unter der Tradition. Die bisherigen Wiescher Briketts waren nur 
Sekundaware gewesen. Zwar führte der Geschäftsbericht von 
1868 den mangelnden Erfolg auf den Vertust des Betriebsführers 
und die Tatsache zurück, daß nicht gleich eine passende Persön- 
lichkeit an seine Stelle trat Das scheint jedoch blofi ein äußer- 
licher Grund gewesen zu sein. Der innere lag jedenfalls auch in 
der Tatsache, daß sich aus den Kohlen der Zeche nach dem da- 
maligen Stande der Technik keine besonders guten Briketts fabri- 
zieren ließen. In dem Bericht vom Jahre 1869 freilich wird die 
Schuld vor allem auf die früheren Verhältnisse geschoben. Dort 
heißt es: »Der Betrieb der Briketfabrik ist bis jetzt leider noch 
schwach, da wir bei der Einführung des neuen Produkts fort- 
während noch auf Schwierigkeiten stoßen, welche aber namentlich 
ihren Ursprung darin haben, daß das Fabrikat unseres Vorgängers 
an vielen Stellen Vorurteile gegen Briketts überhaupt hinteriassen 
hat' Besonders bemühte sich die Verwaltung, die Briketts an 
Eisenbahnen abzusetzen, aber die Lokomotivführer auf den Bahnen 
wollten das Material nicht haben. Das einzige Mittel, Abnehmer 
zu gewinnen, war die Abgabe der Briketts zu sehr billigem Preise. 

Die Brikettfabrik der Zeche hat bis zum Jahre 1870 bestanden, 
dann wurde sie stillgelegt und abgebrochen. Die steigende Kon- 
junktur brachte eine lebhafte Nachfrage auch für die feinen ge- 
siebten Kohlen mit sich. Eine weitere Umwandlung derselben 
in Briketts war daher überflüssig geworden. Aus diesen Aus- 



240 4* Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

führungen ergibt sich, dafi der Gedanke, Briketts zu fabri- 
zieren, verfrüht war und verunglückte; einmal wegen 
der schlechten Ware, die Wiesche früher auf den Markt 
gebracht hatte, und dann wegen der geringen Qualität, 
die Konsolidation fabrizierte. 

Mehr Erfolg hatte das Unternehmen mit der Errichtung einer 
Steinfabrik. 1866 wurden zur Verwertung des auf den Gruben 
geförderten Schiefertons und eines großen Lettelagers, das auf 
dem Terrain des benachbarten Walzwerks von Grillo, Funke & Co. 
entdeckt worden war, eine Fabrik, zur Herstellung feuerfester 
Steine und Ziegel errichtet. Errichtung und Betrieb der Fabrik 
erfolgten auf gemeinschaftliche Rechnung. Auch hier stand das 
Prinzip der Selbstbedarisdeckung im Vordergrunde. Die Zeche 
wollte ihren Bedarf an Ziegeln für Neubauten selt>st produzieren, 
um sich dadurch von dem Ankauf «der hier äußerst kostspieligen 
Ziegelsteine* zu befreien. Durch den Verkauf der übrigen Pro- 
dukte sollte die Rente des Unternehmens vergrößert werden. Einer 
dieser Zwecke oder beide sind ja stets das wichtigste Motiv für die 
Anlage von Nebenbetrieben. Hierzu kam nun noch im speziellen, 
dafi durch die Verarbeitung von Tonschiefer zu Ziegeln die Trans- 
portkosten des ersteren nach den Bergehalden, das mit Schwierig- 
keiten verbundene Ausladen der Berge daselbst und last not leasl 
das teure Terrain gespart wurde. 

1870/71 produzierte die Steinfabrik 

fflr Neubauten auf Schacht II . . . 1270400 Stack 

zu anderen Zwecken 20510 „ 

für den Verkauf 80040 „ 



im ganzen 1370950 Stack 

Dafür wurde ein Reingewinn von 18000 Mark erzielt Seit 
Beginn des Jahres 1870 wird die Steinfabrik von der Gewerk» 
Schaft allein betrieben, d. h. auf eigene Rechnung, »weil der Zweck, 
welcher seinerzeit die Assoziation herbeigeführt, durch den für die 
Anlage des Bahnhofes der Emscher Talbahn stattgehabten Ver- 
kauf der Grundstücke, woraus der Ton für die Fabrikation der 
Ziegelsteine genommen wurde, nunmehr geschwunden war.** Im 
Anfang der 70 er Jahre geht die Ziegelei auf Schacht I stark 
zurück. Der Hauptgrund dafür lag in der geringen Qualität des 
gewonnenen Tons und darin, dafi das Lager auf der Grube zur 

* Bericht vom 27. Oktober 1870. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 241 

Neige ging. Die Produktionskosten der Gewinnung des Tons 
waren hohe, weil auf der Tonbank viel Abraummaterial lagerte. 
»Die Rentabilität konnte unter dem bei der Gewinnung des Tons 
obwaltenden Schwierigkeiten nicht sehr glänzend sein, zudem 
die Steine zu dem billigen Preise von 9 Taler (27 Mark pro 
1000 Stfick) dem Baukonto in Rechnung gestellt wurden.** 

Diese Ziegelei, welche nur primitive Einrichtungen besaß, 
wird dann später abgebrochen. Lange vor diesem Zeitpunkt aber 
wurde 1873 auf Schacht 11 eine zweite Ziegelei errichtet Die 
Einrichtungen dazu wurden in England bestellt Nach englischem 
Patent sollte der Tonschiefer auf einem Kollergang gemahlen und 
die zerkleinerte Masse in beinahe trockenem Zustande durch 
Ziegelmaschinen zu Steinen geprefit werden. Außerdem wird ein 
kreisrunder Ringofen nach Hoffmannschem System erbaut Als 
Betriebsmaschine tritt die früher zur Brikettfabrikation gebrauchte 
tuid dort flberflfissig gewordene Dampfmaschine in Funktion. Die 
Leistungsfähigkeit der Anlage beträgt 15000—20000 Ziegelsteine in 
Normalgröfie pro Doppelschicht. Sie ist so gebaut, dafi sie 
eventuell später ffir die doppelte Produktion eingerichtet wer- 
den kann. 

In dem ersten Jahrzehnt ihres Bestehens scheint die neue 
Ziegelei gute Geschäfte gemacht zu haben. Das ändert sich dann 
in der Mitte der 80 er Jahre. Die Einnahmen sinken. Ffir die 
geringere Ergiebigkeit lassen sich zwei Gründe verantwortlich 
machen. Einmal gingen die Preise zurück, weil die Konkurrenz 
infolge der Anlage ähnlicher Ziegeleien in der Umgegend stärker 
geworden war, dann aber lag die Baulust infolge der schlechten 
Geschäftszeit in den 80 er Jahren danieder. Die Produktion betrug 
damals 3V9— 4 Millionen Stuck jährlich. Ende der 90er Jahre 
stellte sie sich auf 4 Millionen Stück pro Jahr. Heute steht die 
Ziegelei auf Schacht II auf dem Aussterbeetat Es hat dies seinen 
Grund vor allen Dingen in dem Umschwung, der in dem Abbau- 
system auf der Zeche eingetreten ist, und den wir an anderer 
Stelle kennen gelernt haben. Die Berge werden heute zum Ver- 
satz gebraucht So wirkt die Abbaumethode auf die ober- 
irdischen Anlagen zurück. Dazu kommt, dafi der Ringofen 
ausgebrannt ist Ffir die fernere Aufrechterbaltung der bisherigen 
Erzeugung wurde er neu gebaut werden mfissen. So wartet man, 
bis er ein es Tages unter der Last seines Alters zusammenbricht, 

• Bericht von 1872/73. 
Stllllcli, Natloiialökooomtoctac PonclMflc«,Bd. IL 16 



242 4. BergwerkS'Aktlengesellschaft Konsolidation. 

und reserviert die Steine, die inzwischen noch gebrannt werden, 
für die Zukunft 

Die dritte Anlage, die früher als die beiden anderen pro- 
jektiert war, aber später zur Ausführung kam, ist die KokereL 
Ihre Entstehung fällt in den Beginn der sinkenden Konjunktur- 
Periode der 80er Jahre. Die ersten 50 Ofen kamen im Juli 1883 
in Betrieb. Die großen Vorteile dieser Anlage bestanden zunächst 
in einer bedeutend besseren Verwertung der Kokskohlen 
gegenüber den bei dem direkten Verkauf derselben er- 
zielten Preisen und dann in der durch die Benutzung der 
abgehenden Gase herbeigeführten Ersparnis an Kessel- 
kohlen. Vier große Comwallkessel konnten nunmehr mit Gas 
geheizt werden. Dazu kommt, daß infolge der Klassierung eine 
bessere Verwertung der einzelnen Sorten möglich wurde 
Dies wird bestätigt durch folgende Worte der Verwaltung: »Trotz 
dieser ungünstigen Verhältnisse (die die niedergehende Konjunktur 
mit sich brachte), halten wir die Anlage nach wie vor nach jeder 
Richtung hin für durchaus zeitgemäß und zweckmäßig, da sie in 
Verbindung mit der gleichzeitig in Betrieb gesetzten Separation 
und Kohlenwäsche eine bessere Verwertung unserer Fettkohle 
teils als Kokskohle, teils als Nuß-, Knabbel- und Stückkohle er- 
möglicht" * 

In der Folgezeit hindern dann die niedrigen Preise den 
weiteren Ausbau der Nebenanlagen. »Das Projekt der Ausdehnung 
unserer Kokerei mit Einrichtungen zur Gewinnung der Neben- 
produkte haben wir angesichts der vorhandenen Überproduktion 
an Koks und des inzwischen eingetretenen Niedergangs der Preise 
für Teer und Ammoniak vorläufig aufgegeben." ** Mit dem Wieder- 
aufblühen der Eisenindustrie wird dann die Frage einer Ver- 
größerung der vorhandenen Koksofenanlagen aktuell. Dazu kam, 
daß die Förderung von Fettkohlen aus den Schächten I und n 
gegen Ende der 80er Jahre in Zunahme begriffen war und im 
Interesse einer rationellen und billigen Gewinnung weiter ver- 
stärkt werden mußte. Aber erst 1895 kamen die 60 Koksöfen mit 
Nel)engewinnungsanlagen in Betrieb. Anfang Januar begann die 
Herstellung von Teer und schwefelsaurem Ammoniak. Die Zeche 
trat der Deutschen Ammoniakverkaufsvereinigung bei, die damals 
vom 1. Januar 1896 auf die Dauer von fünf Jahren geschlossen 

* Oeschflftsbericht von 1883. 
^ Geschäftsbericht von 1885. 



4. Bergwerics-Aktiengeseilschaft Konsolidation. 243 

and spater verlängert wurde. 1897 schloß sie sich auch der 
Deutsdien Teerverkaufsvereinigung an. In demselben Jahre wer- 
den die Tagesanlagen auf Schacht I durch den weiteren Bau von 
72 Koksöfen mit Ammoniak- und Teergewinnung erweitert, denen 
sich im Jahre 1903 der Bau weiterer 60 Koksöfen mit Gewinnung 
der Nebenprodukte auf der Schachtanlage III/IV anreihte, so daß 
die Gesamtzahl der vorhandenen Teerkoksöfen gegenwärtig 192 
beträgt Jeder Ofen liefert, mit 6,7 t Kohle (trocken) beschickt, 
bei einer Gardauer von 30 Stunden etwa 5,1 t Koks, bei einem 
Ausbringen von 3,1 ^/o Teer und l,10^/o schwefelsaures Ammoniak. 
Weil die Kokerei, wie aus dem Gesagten hervorgeht, zu einem 
Teil aus Plammofenbatterien, zum anderen Teil aus Teerkoksöfen 
besteht, wird es möglich, auch in flauen Zeiten auf dem 
Koksmarkt die Produktion von Nebenerzeugnissen voll 
aufrecht zu erhalten. In dem Geschäftsbericht von 1903 heißt 
es z. B.: »Die für Koks erforderliche Einschränkung haben wir in 
erster Linie auf die Flammofenbatterien ohne Gewinnung der 
Nebenprodukte gelegt, so daß unsere Teerkoksöfen das ganze 
Jahr hindurch uneingeschränkt und auch ungestört betrieben 
werden konnten, wodurch es uns möglich war, auch die Her- 
stellung von schwefelsaurem Ammoniak und Teer erheblich zu 
steigern.* 

Die im vorhergehenden besprochenen Produktionsmittel ge- 
hören der Zeche eigentümlich; außerdem beteiligte sie sie sich 
noch bei einigen Gesellschaften. 

Erstens bei dem Gelsenkirchen- Schalker Gas- und 
Wasserwerk mit 150000 Mark (250 Aktien ä 200 Taler) im 
Jahre 1873/74. Dadurch wurde die Zeche der Notwendigkeit 
überhoben, eine eigene Gasfabrik anlegen zu müssen. Bei der 
Ausdehnung der Werksanlagen, der Bahngleise usw. aber war 
eine entsprechende Erieuchtung auch bei Nacht auf die Dauer 
nicht zu vermeiden. Später wurde die Gasfabrik verkauft Jetzt 
ist nur noch das Wasserwerk für das nördliche westfälische 
Kohlenrevier geblieben. Es beschränkt sich auf die Lieferung 
von Wasser. 1900 weist das Effektenkonto der Gesellschaft Kon- 
solidation eine Erhöhung infolge Obemahme junger Aktien dieses 
Wasserwerks auf. 

Zweitens: Im Anfang der 70er Jahre erging an alle Zechen 
die Aufforderung zur Zeichnung von Aktien einer neu zu bilden- 
den Gesellschaft, der Zentralaktiengesellschaft für Tauerei 

16* 



244 4- Bergwerks-Aktiengesellschaft KonsolidatioiL 

in Köln. Der Zweck der Gesellschaft ist nach § 1 des Statuts 
folgender: ,,Die Einrichtung und der Betrieb der Schleppschiffahrt, 
insbesondere mittelst Kabelschiffahrt auf dem Rhein, auf Neben- 
flüssen desselben und den einmündenden Kanälen unter Zugrunde^ 
legung der schon erworbenen und noch zu erwerbenden Rechte 
und Konzessionen mit dem Vorbehalte einer Ausdehnung auf 
andere Linien; femer die weitere Ausbildung der Kabelschiffahrt 
und ihre Einführung auch auf solchen Schiffahrtlinien, welche 
unter fremder Verwaltung stehen können. Die Konsolidation be- 
teiligte sich an dieser Gesellschaft mit 60000 Mark. Nach der 
Fusion mit der Ruhrorter Dampfschleppschiffahrtsgesellschaft be- 
trägt die Beteiligung nur noch 40000 Mark (100 Aktien HL A 
ä 400 Mark). Die Verwaltung der Zeche erwartet von diesem In- 
stitut einen günstigen Einfluß auf die Kohlenfracbten. Es 
wurde hier auf dem Wege der Beteiligung zu erreichen versucht, 
was z. B. die Harpener Bergbauaktiengesellschaft durch die An- 
gliederung der Schiffahrtsgesellschaft Kannegießer tatsächlich er- 
reicht hat 

Drittens ist schließlich noch die Beteiligung bei einer Dynamit- 
fabrik, der Westfälisch -Anhaltischen Sprengstoff aktiengesellschaft 
zu Coswig, zu erwähnen. Bekanntlich bilden die deutschen 
Dynamitfabriken mit großen ausländischen Werken einen Trust 
Die Veranlassung zur völligen Verschmelzung in eine einzige 
Unternehmung war die Verteilung des mit der großen Explosions- 
gefahr in Zusammenhang stehenden Kapitalrisikos.* Dieser Trust 
trieb nun die Preise, und die Konsolidation hatte darunter zu 
leiden. Um nun ein Gegengewicht zu schaffen, beteiligte sie 
sich bei der obengenannten außerhalb des Trusts stehenden Ge- 
sellschaft 

Der Hauptzweck dieser drei Beteiligungen scheint demnach 
in dem Einfluß auf die Preisbildung zu liegen. 

Wir kommen nunmehr zu dem dritten Produktionsfaktor der 
menschlichen Arbeitskraft Als 1864 mit dem Bau der Zeche 
begonnen wurde, war die Gegend noch wenig bevölkert Schalke 
selbst hatte nicht mehr als 300 Einwohner, welche in wenigen in 
dem Gemeindebezirk verstreut liegenden Höfen wohnten. Es war 
ein Bauemdorf. Die Gegend trug ein durchaus landwirtscfaaft* 
liches Gepräge. Es ist ohne weiteres klar, daß diese l>oden- 



* Liefmann in der Deutschen Wirtschaftszeitung Jahrg. 1905 p. 67. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 245 

standige Bevölkerung mit der Etablierung größerer Zechenanlagen 
und Fabriken nur einen kleinen Prozentsatz von Arbeitern zu 
liefern vermochte. Die ersten Bergarbeiter kamen größtenteils aus 
der Umgegend, hauptsächlich von dem nördlich gelegenen Buer. 
Die Geschäftsberichte aus den 60 er Jahren klagen darQber, daß 
die Arbeiter häufig ausblieben, weil die Wege z. B. bei Regen- 
wetter meistens nicht passierbar waren. Trat die Emscher fiber 
ihre Ufer, dann war den Bergleuten aus Buer der Weg nach der 
Zeche versperrt Daher wirft die Gewerkschaft anfang der 70 er 
Jahre eine bedeutende Summe, 32262 Mark, aus zum Bau eines 
Weges und einer Brücke fiber die kleine und große Emscher, 
um die periodische Unterbrechung des Betriebes infolge 
Ausbleibens der Arbeiter in Zukunft zu verhindern. 

Schon frfihzeitig wird fiber Arbeitermangel geklagt Der 
deutsch-französische Krieg* rief eine Anzahl Arbeiter zu den Fahnen; 
infolgedessen verringerte sich die Förderung. Dann kamen die 
Grfinderjahre, in denen der Arbeitermangel besonders intensiv 
hervortrat »Es liegt auf der Hand," heißt es in dem Geschäfts- 
bericht vom 9. November 1872, »daß die Arbeiterfrage in dem Maße, 
wie die Industrie an Ausdehnung zunimmt, immer brennender 
wird; es ist daher nicht allein eine Pflicht des Kapitals, für das 
Wohl dieses mächtigen Faktors alles Gedeihens zu sorgen,, son- 
dern auch lediglich eine Hauptbedingung der Selbsterhaltung im 
wohlverstandenen eigenen Interesse." 

Schon frühzeitig legt daher die Zeche Arbeiterkolonien an. 
Die erste war die Goorsche Kolonie und die sog. Krimm. Man 
kann sagen, daß die Stadt Schalke geradezu aus solchen Arbeiter- 
kolonien — die der Konsolidation sind nicht die einzigen — 
herausgewachsen ist; daher hat der Ort auch bis heute einen 
proletarischen Charakter. In dem Bericht von 1873/74 heifit es: 
«... Als der Bau der Zeche vor wenigen Jahren begonnen wurde, 
war die Gegend fast vollständig unbebaut und unbewohnt Der 
Gnil)envorstand mußte es daher als seine erste unabweisbare Auf- 
gabe betrachten, eine Kolonie von Arbeiterwohnungen zu gründen, 
welche die Grundlage für das Entstehen eines neuen entwicklungs- 
fähigen Ortes abgeben konnte. Gegenwärtig sind in den Häusern 
der Gesellschaft ca. 4000 Einwohner untergebracht, von welchen 
ca. 1200 als Arbeiter auf unseren Schächten tätig sind." 

Um die Werke in ihrer Bautätigkeit zu unterstutzen, gröndete 
Friedrich Grillo im Jahre 1873 die Gesellschaft für rheinisch-west- 



246 4- Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

fäliscbe Industrie, welche das Ziel verfolgte, Schalke nach einem 
einheitlichen Plane auszubauen. Dieselbe legte Straßen an, baute 
ein Gas- und Wasserwerk, vor allem aber eine Anzahl Wohn- 
häuser. Aber dadurch wurde der ÜberffiUung der Wohnungen 
und hohen Mietpreisen nicht vorgebeugt In dem Bericht vom 
Jahre 1884 klagt die Zechenverwaltung über die herrschende 
Wohnungsnot, „welche in hiesiger Gegend bei der wachsenden 
Bevölkerung zu einer wahren Kalamität geworden ist, und uner- 
hörte Zustände, als Oberfüllung der Häuser, unerschwingliche 
Mieten im Gefolge hat* Das einzige Mittel, um gegen diese 
Mißstände anzukämpfen, war der Bau von immer mehr Arl)eiter- 
häusem. Die Kolonie für die Zechenarbeiter umfafit heute 781 
Arbeiterwohnungen, von denen 649 in geschlossenen Kolonien 
und 132 zerstreut auf dem Lande liegen. Aufierdem besteben 
120 Beamtenwohnungen. Unter der Kontrolle der Zeche stehen 
gegenwärtig an Beamten und Arbeitern inklusive deren Ange- 
hörigen im ganzen 5165 Personen. Nach Hundt* betragen die 
Gesamtkosten der Arbeiterwohnungen einschließlich Grunderwerb 
und Kapitalwert der öffentlichen Lasten rund 2 Millionen Mark. 
Dieses Kapital verzinst sich durch Mieteinnahme nach Abzug der 
Unterhaltungskosten mit 2^/o. 

Dt>er die Löhne der Arbeiter erfahren wir nur an einer 
Stelle der Geschäftsberichte Details. 1881 waren in der Presse 
und von der Tribüne der Landesvertretung Angriffe auf die Zechen 
erhoben worden, die darin gipfelten, dafi sie sich auf Kosten der 
Arbeiter bereicherten. Um diesen Vorwurf zu widerlegen, ver- 
öffentlichte die Verwaltung in dem genannten Jahre eine Lohn- 
statistik. Danach zerfällt der Durchschnittslohn von 907 Mark in 
folgende Posten. Es erhielten: 
L Die Gnibenbeamten 1879 Mark 

2. Die Gesteinshauer und Kohlenhauer inkl. Lehrhauer .... 1018 ^ 

3. Die Reparatur- und Zimmerhauer in den Gruben 770 „ 

4. Die Förderleute in der Grube, Schlepper, Pferdetreiber, Bremser, 

Wettermühlendreher und Hilfsarbeiter 655 „ 

5. Die at>er Tage beschäftigten Arbeiter ausschl. der Jugendlichen 828 „ 

6. Die jugendlichen Arbeiter über Tage im Alter von 14 bis 16 Jahre n 360 „ 
Nach Verhältnis der Köpfezahl und Arbeitstage also durchschnittlich 907 Mark 

oder abzüglich der Beamtengehälter, Jahreslohn eines Arbeiters 884 „ 
Im fibrigen beschränken sich die Berichte auf die Angabe 
von Durchs chnittslöhnen, die aber wissenschaftlich unbrauchbar 

* Mitteilungen a. a. O. p. 295. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 247 

sind, aus Orfinden, die ich bereits im ersten Bande dieser 
Forschungen entwickelt habe. 

Auf eine Tonne Kohlen wurden an Lohn verausgabt: 
1897 3,91 Mark 

1900 4.90 „ 

1901 4,92 „ 

Leider stehen mir weitere Zahlen aus früheren Jahren nicht 
zur Verfügung. 

Die Lohnfrage wurde vor allem durch den großen Massen- 
streik von 1889 in den Vordergrund gerückt In dem Geschäfts- 
bericht dieses Jahres wird ein Vergleich zwischen Löhnen und 
Kohlenpreisen angestellt, der jedoch statistisch nicht einwandsfrei 
ist, und mit dem wir uns daher nicht näher beschäftigen wollen. 
Der genannte Bericht klagt in erster Linie über den durch den 
Streik erlittenen Kohlenausfall. Derselbe belief sich auf rund 
24000 t. Der Betrieb ruhte vom 26. März bis zum 8. April 1889 
gänzlich. Die Aufnahme der Arbeit erfolgte unter denselben Be- 
dingungen wie früher. Die Bergleute, welche von der Arbeit fem 
geblieben waren, erlitten durch diese Unterbrechung ihrer Tätig- 
keit einen Lohnausfall von rund 75000 Mark. »Der uns daraus 
(aus der Unterbrechung) entstandene Vertust," bemerkt der Bericht 
von 1890, «wurde durch den Ausstandsversicherungsverband, 
dem wir angehören, auf Grund der bezüglichen Vertragsbedingungen 
zum Teil ersetzt* Außerdem wird noch erwähnt, dafi seit dem 
Arbeiterausstande bei den Bergleuten die Geneigtheit zu Ober- 
sdiichten bzw. Oberstunden nicht mehr in dem Mafie vorhanden 
sei wie früher. Deshalb war die Zeche gezwungen, die Beleg- 
schaft zu vermehren, um die veranschlagte Förderung zu erreichen. 
Die Bewegung unter den Bergarbeitern aber sollte noch nicht 
sofort zur Ruhe kommen. Die Arbeiter hatten in dem früher mit- 
geteilten Hemer Programm eine Reihe Forderungen aufgestellt, 
die auch der Verwaltung der Zeche Konsolidation überreicht 
wurden. Da sich diese den Forderungen gegenül)er ablehnend 
verhielt, kündigten am 15. März 1890 die Delegierten der Arbeiter 
für sich sowohl wie für die ganze Belegschaft Die Delegierten 
wurden daraufhin von der Verwaltung entlassen und die Kündigung 
der Bel^chaft abgelehnt Daraufhin legte die Gesamtbeleg- 
schaft der Konsolidation am 26. März 1890 die Arbeit nieder. Es 
handelte sich dabei wesentlich um das Solidaritätsprinzip: Die 
entlassenen Vertreter der Arbeiter sollten wieder eingestellt und 



248 4* Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

die Delegierten der Arbeiter als solche anerkannt werden. Das 
wurde jedoch nicht erreicht Das Qrubenkapital war mächtiger 
als die Solidarität der Arbeiter. In dem Geschäftsbericht wird 
dieser Streik nicht einmal erwähnt* 

Am 9. Januar 1893 brach wiederum »ganz plötslich und un- 
erwartet" auf der Zeche ein neuer Arbeiterausstand aus, der etwa 
eine Woche anhielt Der Geschäftsbericht von 1892 schreibt hier- 
über folgendes: „Nachdem tags zuvor und frühmorgens schon die 
Belegschaften mehrerer Zechen in den Streik getreten waren, be- 
gann auch ein Teil unserer Arbeiter am genannten Tage nach- 
mittags mit der Arbeitsniederlegung, ohne vorher auch nur irgend- 
welche Beschwerden erhoben oder Forderungen gestellt zu haben. 
Es handelte sich auf Grund einer im hiesigen Reviere durch Ab- 
haltung von »aufreizenden Arbeiterversammlungen hervorgerufenen 
Aufregung der Bergleute einfach darum, die seit Ende des vorigen 
Jahres ausständigen Kameraden im Saargebiet durch Arbeitsnieder- 
legung zu unterstützen. Dafi in erster Linie die nördlich von 
Gelsenkirchen gelegenen Zechen, wozu auch unsere Schächte ge- 
hören, von der Arbeitseinstellung betroffen wurden, findet seine 
Erklärung darin, daß in der Nachbarschaft Gelsenkirchen der Haupt- 
sitz der sozialdemokratischen Agitatoren war, und daß bei Beginn 
des Ausstandes nicht ausreichender polizeilicher Schutz vorhanden 
war, um den arbeitswilligen Bergleuten die von den Ausständigen 
versperrten Wege zu ihren Arbeitsstätten offenzuhalten. Durch 
diesen unbesonnenen, gänzlich zweck- und erfolglosen Streik haben 
die Ausständigen nichts anderes erreicht, als dafi sie sich selbst und 
uns einen empfindlichen Veriust verursacht haben.* Ich teile diese 
Auslassung nur deshalb mit, weil sie charakteristisch ist für die 
jeder sozialpolitischen Nuance bare Auffassung der Verwaltung. 

Eine kleine Wirkung aber sollten diese Arbeitseinstellungen 
doch haben. Das Gefühl, daß für die Arbeiter etwas geschehen 
muß, wurde angeregt. Mitte August 1896 ruft die Zeche eine 
Pamilienkrankenkasse ins Leben. Die Familienangehörigen 
der verheirateten Arbeiter und solcher, die einen eigenen Haus- 
stand führen, bzw. einzige Ernährer ihrer Familien sind, erhalten 
seitdem im Falle der Krankheit freie ärztliche Behandlung auf 
Kosten der Gesellschaft, ohne daß der Arbeiter einen Beitrag dazu 
zu geben braucht Die Ausgabe für Ärztehonorare belief sich be- 

* Die Entwicklung des niederrheinisch -westfälischen Steinkohlenbeigtiaus, 
Bd. Xn Tefl 3 p. 237. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 249 

reifs im Jahre 1897 auf 11900 Mark. ,,Femer ist," bemerkt der 
Bericht von 1896, .außer der schon seit vielen Jahren in einer uns 
gehörigen Besitzung im westlichen Teile von Schalke bestehenden 
Kleinkinderbewahrschule auch im östlichen Teile von Schalke, und 
zwar bei unserer Hauptarbeiterkolonie Sophienau in einem zu diesem 
Zwedc besonders erbauten Hause eine gleiche Anstalt errichtet worden, 
ffir deren Unterhaltung wir die erforderiichen Beiträge leisten. 

Der letzte große Bergarbeiteraustand vom Jahre 1905 dauerte 
auf Konsolidation vom 17. Januar bis zum 19. Februar. Der Ge- 
schäftsbericht von 1904 verbreitet sich des längeren nur über 
einen Beschwerdepunkt, das Wagennullen. Er sagt darüber 
folgendes: »Was sodann das seitens der Bergleute bzw. der 
Agitatoren so sehr bekämpfte System des Wagennullens anbetrifft, 
80 müssen wir betonen, daß den Zechenverwaltungen irgend ein 
Vorteil aus dem Nullen der Wagen nicht erwächst, weil die Lohn- 
beträge für gestrichene Kohlen nicht in die Grubenkasse, vielmehr 
in die Art>eiterunterstützungskasse fließen, die bei uns von Ar* 
beitem selbst mit verwaltet wird. Andererseits muß aber auf 
Lieferung einer möglichst reinen Kohle der allergrößte Nachdruck 
gelegt werden, weil die Kohlenverbraucher den Anspruch erheben, 
eine reine, möglichst steinfreie Kohle geliefert zu erhalten. Im 
Jahre 1904 entgingen auf unseren sämtlichen Schachtanlagen 
wegen Unreinheit der Kohlen und Mindermaß an Lohn den Ar- 
beitern 27790,65 Mark, die der Unterstfitzungskasse zugeführt 
wurden. An diesem Lohnausfall waren beteiligt 2335 von unseren 
Arbeitern, das macht auf jeden dieser Arbeiter für das Jahr 
1 1,90 Mark oder monatlich rund 1 Mark, wot>ei zu berücksichtigen 
ist, daß diese Arbeiterklasse laut der amtlichen Lohnstatistik durch- 
schnittlich im Jahre 1904 1584 Mark nach Abzug der Spreng- 
materialien, Geleuchte und Gezähe und der Strafen verdiente. 
An sonstigen Strafen mußten verhängt werden und wurden der 
Unterstützungskasse ebenfalls zugeführt im Jahre 1904 5642,05 Mark 
bei einer Gesamtarbeiterzahl von 5261 Mann oder je Mann 
and Jahr 1,07 Mark. Für gestrichene Kohlen und sonstige Strafen 
zusammen wurden also unseren Arbeitern im Jahre 1904 durchschnitt- 
lich 12,97 Mark oder etwas über 1 Mark monatlich eingehalten. 
In der seitens der sog. Siebenerkommission der Bergleute an den 
Herrn Reichskanzler unterm 8. Februar dieses Jahres gerichteten 
Eingabe wird beantragt, daß die Gesamtstrafen für verschiedene Ver- 
gehen in einem Monat höchstens 4 Mark betragen dürfen.'' 



250 4. Bergwerks-Aktiengeselischaft Konsolidation. 

Trotz dieser Ausführungen kann es keinem Zweifel unter- 
liegen, daß das Wagennullen unberechtigt ist, denn der genullte 
Wagen wird ebenfalls verkauft, dem Arbeiter aber sein Anteil am 
Arbeitsertrag vorenthalten. Was die angegebene Durchschnittszahl 
anbelangt, so reicht sie m. E. zur Beurteilung der Sachlage nidit 
aus. Es hätte dargelegt werden müssen, welche Strafe der einzelne 
Arbeiter tatsächlich höchstens zu zahlen hat Die Durchschnitts- 
zahl aber genügt keineswegs. Immerhin aber scheinen die Ver- 
hältnisse auf Konsolidation, was wenigstens die Strafen anbelangt, 
etwas günstiger zu liegen als auf anderen Zechen. 

Im übrigen aber ist auch hier die Lage der Arbeiter keines- 
wegs optimistisch zu beurteilen. Die verschiedensten sozialen 
Mißstände, auf die ich an anderer Stelle hinwies, machen auch 
hier die Arbeiter zechenflüchtig. In dem Geschäftsbericht von 
1900 wird auf den »ungemein starken Wechsel innerhalb der 
Belegschaft" hingewiesen, der ungünstig auf die Entwicklung der 
Kohlenförderung und die Leistung der Arbeiter, somit in weiterer 
Folge auch auf die Höhe der Selbstkosten einwirkte. 

Auch von größeren Unglücksfällen ist die Arbeiterschaft nicht 
verschont geblieben. Bereits 1866 verloren durch schlagende Wetter 
50—60 Bergleute ihr Leben.* Am 24. September 1886 fand in dem 
Fettflammkohlenflöze R, das man mit solchem Jubel begrüßt hatte, 
eine Kohlenstaubexplosion statt, der ein Reviersteiger und 55 Berg- 
leute zum Opfer fielen. Die Ermittelung der Bergbehörde ergab, 
daß der Unfall durch einen Sprengschuß mit Schwarzpulver heit>ei- 
geführt worden war, dessen Flamme den Kohlenstaub entzündete 
und auf eine große Entfernung hin zur Explosion brachte, unter 
plötzlicher Entwicklung von starken Nachschwaden, dem leider die 
größere Zahl der Verunglückten erlag, ehe die Rettungsmann- 
schaften Hilfe bringen konnten. Infolgedessen verbot die Ver- 
waltung die Sprengarbeit mit Schwarzpulver. Am 7. März 1901 
fand auf der fünften Sohle des Schachtes III/IV wiederum eine 
Schlagwetterexplosion statt, der 21 Mann zum Opfer fielen. 

Die Zahl der Arl)eiter hat sich im Laufe der Jahre stark ver- 
mehrt Sie ist ständig mit der Produktion gewachsen. Sie betrug: 
1865 131 Mann 1890 3006 Mann 

1870 795 „ 1900 5557 „ 

1880 1810 „ 

Wir haben nun, nachdem wir die Entwicklung der Produktions- 
faktoren Na tur, Kapital und Arbeit kennen gelernt haben, noch 
* a. a. O. Achepohl p. 49. 



4. Bergwerks-Aktiengesellsdialt Konsolidation. 



251 



die Produktion selbst näher ins Auge zu fassen. Darüber gibt 
folgende Tabelle Auskunft: 

Produktion der Bergwerks-Aktiengesellschaft „Konsolidation'' 



Jtlir 


Koblea 


Koks 


AmmonlAk 


Teer 




t 


t 


t 


t 


1865 


2383 








1866 


33285 


— 





«^ 


1867 


96849 








__ 


1868 


137583 





^ 


,^_ 


1869 


191449 








___ 


1870 


188214 








__ 


1871 


214355 








_ 


1872 


285449 


._ 





.^ 


1873 


365442 





— 


_ 


1874 


342911 











1875 


362176 


-,^ 





«_ 


1876 


483570 


— 


— 





1877 


518409 


— 





^ 


1878 


525122 


— 


-1» 


_ 


1879 


562190 


— 


— 





1880 


528966 


— 


— 





1881 


552115 


— 








1882 


579827 








«^ 


1883 


645072 


16969 





^ 


1884 


697980 


37993 


_ 


... 


1885 


709367 


34936 


— 





1886 


684487 


32883 





.. 


1887 


711470 


35084 








1888 


719616 


59038 


— 





1889 


882786 


98018 





.. 


1890 


949264 


122372 





... 


1891 


1040578 


130520 


— 





1892 


1037912 


129294 


.. 


.. 


1893 


1050722 


128828 





_ 


1894 


1075168 


134096 





_„ 


1895 


1096109 


133980 


— 


._ 


1896 


1174106 


194631 


1000 


2826 


1897 


1263843 


214349 


1364 


3787 


1898 


1367962 


250140 


2473 


6974 


1899 


1433649 


288057 


2631 


7407 


1900 


1539312 


304500 


2582 


7262 


1901 


1451178 


244370 


2155 


6235 


1902 


1368460 


241803 


2431 


7112 


1903 


1488444 


291805 


2745 


8139 


1904 


1430206 


305889 


3590 


10668 



252 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 



Auf eine Tonne Förderung entfällt Aktienkapital: 



1889 


18,1 Mark 


1895 


14,6 Mark 


1900 


10.4 Mark 


1890 


16.9 „ 


1896 


13.6 „ 


1901 


11.0 .. 


1891 


15.4 .. 


1897 


12.7 .. 


1902 


11,7 .. 


1892 


15.5 .. 


1898 


11,7 .. 


1903 


10,8 „ 


1893 


15.2 .. 


1899 


11.2 .. 


1904 


ii;2 ., 


1894 


14,9 ,. 











Hieraus ergibt sich, daß heute für die Tonne Förderung ein 
bedeutend geringerer Kapitalaufwand nötig ist wie früher. 

Von besonderer Wichtigkeit für den Absatz der Kohlen sind 
die Eisenbahnen. Die für die Zeche wichtigste Bahn war ur- 
sprünglich die Köln-Mindener. Die nächste Station lag in 
Gelsenkirchen, ungefähr 20 Minuten von Schalke. Mit ihr war 
die Konsolidation durch eine Anschlußbahn verbunden. Allein 
der Kohlenabsatz auf dieser Bahn wurde häufig, namentlich bei 
flottem Geschäftsgange, durch Wagenmangel gefesselt »Leider 
müssen wir," heißt es in dem Bericht vom 27. Okober 1870, »kon- 
statieren, daß gerade die Köln-Mindener Eisenbahn, von der allein 
wir vorläufig für die Abfuhr unserer Produkte noch abhängen, in 
der letzten Zeit unter allen Bahnen in betreff des Wagenmangels, 
die in diesem Falle als sehr traurig zu bezeichnende erste Stelle 
einnimmt, und wir werden daher die Stunde mit Freuden be- 
grüßen, welche uns von dieser drückenden Abhängigkeit befreien 
wird.* 1871 erfolgte dann die Verbindung der Rheinischen 
Bahn mit Schalke, und zwei Jahre später wird die Emschertal- 
bahn, eine Parallelbahn zur Köln-Mindener, mit einem Bahnhof 
in Schalke eröffnet. Der Vorteil dieser Linie für die Zeche lag 
darin, daß sie nach Osten bei Station Wanne den Anschluß an 
die Paris -Hamburger Eisenbahn ermöglichte und nach Westen 
den Weg nach dem Ruhrorter Rheinhafen, sowie nach Holland 
via Sterkrade wesentlich abkürzte. Schließlich wird auch ein An- 
schluß an die Bergisch-Märkische Bahn hergestellt 

Damit waren tatsächlich ideale Transport- und Verkehrs- 
verhältnisse geschaffen. Die Zeche wurde von den großen 
Bahngesellschaften des Reviers geradezu umworben. Die Kon- 
kurrenz dieser Gesellschaften untereinander ermöglichte die Er- 
langung der billigsten Tarife. Mit diesen günstigen Verhältnissen 
steht nun auch der bedeutende Export im Zusammenhang. Sdion 
in dem Bericht über das Jahr 1868/69 wird darüber folgendes 
ausgeführt: „Unser Absatzrayon erstreckt sich gegenwärtig über 
die mit unseren Bahnverbindungen erreichbaren industriellen Ge- 



4. Bergwerks-Aktiengeseilschaft Konsolidation. 253 

biete Deutschlands, der Schweiz, Hollands, sowie über die be- 
deutendsten Nordseehäfen, von wo aus unsere Produkte schon 
mehrfach nach überseeischen Plätzen exportiert wurden und da- 
selbst gegen die besten Sorten der englischen Kohle mit Erfolg 
konkurrierten." Namentlich während der Knsis der 70er Jahre 
wirft die Zeche den größten Teil ihrer Kohlen auf den inter- 
nationalen Markt In dem Geschäftsbericht von 1874/75 heißt es 
über den Erfolg: »Wir können uns dazu Glück wünschen, daß 
es uns bereits gelungen ist, bedeutende Abschlüsse zum großen 
Teil im Auslande zu verhältnismäßig guten Preisen zustande zu 
bringen, so daß es uns voraussichtlich nicht schwer fallen wird, 
die ganze Förderung unserer Schächte in voller Stärke ohne 
Unterbrechung abzusetzen.* — Und an anderer Stelle: »Die er- 
folgreiche Mitkonkurrenz unserer Kohlen in Hamburg, Belgien 
und Frankreich, die stete Ausdehnung unserer Verbindungen in 
Holland und nach überseeischen Ländern dürfen wir wohl als 
eine erfreuliche Errungenschaft der letzten Jahre bezeichnen.* 

Auch in der Folgezeit machte der Export einen bedeuten- 
den Anteil an der Produktion aus, weil die Kohle der Kon- 
solidation sich wegen ihrer Qualität besonders dazu eignete. Er 

^^S für Kohle 

1881 50,00/0 1889 

1882 50,8<^/o 1890 

1883 49.20/0 1891 

1884 47.50/0 1892 

1885 48.60/0 1893 

1886 52.60/0 1894 

1887 52.80/0 1895» 

1888 51,70/0 

Hieraus geht hervor, in welch hohem Maße die Zeche Kon- 
solidation von den ausländischen Marktverhältnissen abhängt In 
der 1880 erschienenen Ausstellungsschrift** heifit es: »Das Absatz- 
gebiet der Zeche ist ein sehr ausgedehntes. Sie versendet ihre 
Kohlen nach allen Teilen Deutschlands, femer nach Belgien, 
Holland, Frankreich — namentlich ist ihre Qaskohle in den Er- 
leucbtungsanstalten der Hauptstädte dieser Länder sehr geschätzt — 
und endlich, wenn auch in weniger bedeutenden Quantitäten, nach 
Osterreich, Schweiz und überseeischen Ländern« Oberhaupt wer- 



Or Kohle 


für Koks 


36,70/0 


19,80/0 


33.10/0 


19,80/0 


31.80/0 


26,50/0 


36.20/0 


48.10/0 


37,00/0 


52,00/0 


35.20/0 


49,90/0 


33,30/0 


41,20/0 



^ Spater nicht mehr besonders berechnet 
- 1. a. O. p. 15. 



254 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

den 50% der Förderung exportiert* Wir sehen, daß dieser Pro- 
zentsatz dann erheblich zurückging. 

Solange die Zeche in den Gaskohlenflözen baute, stand für 
sie der Absatz an die Gasanstalten durchaus im Vordergrunde. 
Da aber naturgemäß der Konsum dieser Anstalten im Sommer ein 
schwächerer war als im Winter, so mußte sie weitere Abnehmer 
heranziehen. Ende der 60 er Jahre und wahrend des Krieges 
1870/71 werden größere Quantitäten von Gaskohlen an die Marine 
verkauft zur Heizung der Schiffskessel. Diese Lieferungen fallen 
dann später wieder weg. Der Bericht von 1874/75 urteilt hier- 
fiber folgendermaßen: i,Oft gewinnt es den Anschein, als ob die 
Staatsbehörden es für gleichgültig für das allgemeine Interesse 
erachteten, ob eine blühende Industrie existiert oder nicht, so kon- 
sequent werden häufig die inländischen Werke ignoriert Wir 
dürfen es wohl als eine auffallende Tatsache hervorheben, daB 
die deutsche Kriegsmarine, nachdem sie im Jahre 1870 aas 
dem hiesigen Bezirk und speziell von der Zeche Konsolidation 
während des Krieges mit Frankreich ihren Bedarf an Kohle be- 
zogen und damals genügend Gelegenheit gehabt, sich von der 
Qualität und Brauchbarkeit der westfälischen Kohle zu überzeugen, 
nachdem sie in dieser Weise tatsächlich die Notwendigkeit er- 
fahren, sich im Kriegsfalle aus dem hiesigen Kohlenrevier ver- 
sorgen zu müssen, sich während der folgenden fünf Friedensjahre 
nicht erinnert hat, daß eine westfälische Kohlenindustrie existiert, 
und jetzt nach so langer Zeit sich erst dazu herbeiläßt. Versuche 
über die Verwendbarkeit der Kohlen für die Zeit des Friedens an- 
zustellen — wobei denn den Zechen unentgeltliche Lieferung der 
Kohlen und Bezahlung der Fracht für dieselben bis nach Vn- 
heimshaven angesonnen wird. Warum man Bedenken trägt, eine 
Kohle, die bereits im Kriege als gut und verwendbar erprobt, die 
auf den größten transatlantischen Dampfern zur Verwendung 
kommt, für die Friedensübungen der Kriegsschiffe zu benutzen, 
ist schwer einzusehen. Man sollte glauben, auch ganz abgesehen 
von den Interessen der Förderung der vaterländischen Industrie, 
es sei die Verwendung der inländischen Kohle, deren Vorzug nie 
in Frage gestellt werden kann, schon im Interesse der Marine 
selbst geboten." Diese Ausführungen haben heute nur noch ein 
historisches Interesse. Denn jetzt bezieht die Marine regelmäßig 
nicht unbeträchtliche Mengen Kohle von der Zeche. 

Mit einer Art von Kohle sollte das Unternehmen ganz be- 



4. Bcfgwerk8-Alrtiengc8eU$chaft KonsoUdation. 255 

sonders gute Geschäfte machen. 1881 traf man im achten Flöz 
fiber Dickebank-Sonnenschein, d. h. der untersten Gaskohlenpartie, 
einen 15—20 cm mächtigen Unterpacken einer Kohle, die sich 
wie beste Gaskohle verhielt Sie hatte viel Wasserstoff, mithin 
wenig Sauerstoff, war leicht entzündlich und brannte angezündet 
mit lebhafter Flamme. In den Geschäftsberichten wird diese Kohle 
Kandd- oder Kannelkohle genannt Die Ansicht von Muck* 
dafi es sich auf Konsolidation um Pseudokannelkohle in der Fett- 
kohlenpartie handele, ist unrichtig, denn diese Kannelkohle kommt 
ebenso wie die englische in der Gaskohlenpartie vor. Mit dieser 
Kohle wurden nun sofort Versuche angestellt, und es ergab sich, 
dafi sie eine bedeutende Erhöhung der Leuchtkraft des Gases zur 
Folge hatte und eine ansehnliche Menge Teer lieferte. In dem 
Geschäftsbericht von 1881 wird darüber folgendes mitgeteilt: »Die 
bisherigen Resultate bezüglich der Qualität sind ganz erstaunlich. 
Die Kohle liefert erheblich mehr und helleres Gas als unsere 
sonstige vorzügliche Gaskohle und auch vielmehr Teer, so daß 
sie der renommierten Lesmahags Kandelkohle von Schottland t>e- 
zflglich Gasausbeute und Leuchtkraft ebenbürtig ist, jedoch mehr 
und besseren Koks als diese ergibt, und in Westfalen ihresgleichen 
nicht wieder findet (was freilich später durch weitere Funde auf 
anderen Zechen widerlegt worden ist). Obwohl die Lagerstatte 
so gering machtig ist und deshalb keine größere Förderung ge- 
stattet, ist doch mit Rücksicht auf die seltene Qualität eine regel- 
mafiige Förderung begonnen worden, für welche eine ausnahms- 
weise hohe Verwertung in Aussicht steht" Die Förderung be- 
trag im Jahre 1883 19400 t Die geringe Mächtigkeit und das 
drackhafte Hangende erlaubten aber keine wesentliche Steigerung. 
Die Preise waren infolge der großen Nachfrage der Gasfabriken 
nach dieser besonders zur Mischung geeigneten Spezialitat außer- 
ordentlich hoch. Spater sind sie dann, als auch andere Zechen 
in Westfalen Kannelkohle zu fördern begannen, stark gesunken. 
Die Tonne kostete ursprünglich 30 Mark, heute 23 Mark. 

Für den ganzen Absatz hal)en dann in den 90 er Jahren 
die Syndikate eine bedeutende Rolle gespielt 1885 trat die 
2^edie der Förderkonvention bei. Die Einschränkungen derselben 
werden durch vermehrten Export auszugleichen versucht, denn der 
Export war frei. 1890 schliefit sich das Unternehmen der Aktien- 



^ Zdtschr. f. Berig-, Hatten- and Silinenwesen Bd. 36 p. 90. 



256 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

gesellschaftWestfalischesKokssyndikat an. Die Notwendigkeit 
dieser Verkaufsvereinigung sieht die Verwaltung darin, dafi den 
plötzlichen Preisschwankungen sowohl nach oben wie nach unten, 
denen das Koksgeschaft bisher ausgesetzt war, und welche ffir 
Produzenten und Konsumenten große Nachteile im Gefolge hatten, 
ein Ziel gesetzt werde. Die Beteiligungsziffer beträgt gegenwärtig 
jähriich 381 000 t. 

Durch Beschluß der außerordentlichen Generalversammlung 
vom 18. November 1892 trat dann die Zeche auch dem im folgenden 
Jahre eröffneten Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat 
bei. Die anfängliche Beteiligungsziffer betrug 1050722 t Aber 
infolge der ungestümen Entwicklung der Kohlenproduktion in 
der Hausse von 1895 — 1900 werden bald dem Syndikat höhere 
Beteiligungsziffem abgerungen. Der Geschäftsbericht von 1897 
illustriert diese Verhältnisse folgendermaßen: »Trotzdem unsere 
Beteiligungsziffer beim Kohlensyndikat bereits ab 1. April 1897 
um 100000 t pro Jahr erhöht wurde, hat dennoch die Fördemng 
die Beteiligungsziffer pro 1897 nicht nur erreicht, sondern aber- 
mals fiberschritten, ein Beweis dafür, daß letztere immer noch 
nicht in angemessenem Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit unserer 
Grube stand. Mit Rücksicht hierauf ist uns auch auf unseren 
begründeten Antrag ab 1. April 1898 eine weitere Erhöhung unserer 
Beteiligungsziffer um voriäufig 120000 1 pro Jahr bewilligt worden« 
Aber auch damit ist die Höhe einer unseren Verhältnissen ent- 
sprechenden Beteiligungsziffer noch nicht erreicht, vielmehr sind 
wir in der Lage, die Kohlenförderung noch weiter zu erhöhen, 
was namentlich bei der demnächstigen Inbetriebnahme der neben 
Schacht I im Abteufen begriffenen Schachtanlage VI der Fall sein wird. 
Nachdem wir dem Kohlensyndikat gegenüber die Notwendigkeit 
dieser Schachtanlage VI eingehend motiviert, und nachdem seitens 
der Kommission zur Feststellung der Beteiligsziffem an Hand 
der Grubenbilder und sonstiger Unterlagen eine genaue Prüfung 
unserer Grubenverhältnisse vorgenommen, ist von letzterer Kom- 
mission die Berechtigung dieser Doppelschachtanlage, also damit 
auch die technische Möglichkeit der Produktionsvermehrung im 
Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Syndikatsvertrages 
anerkannt worden." 1904 betrug die Beteiligungsziffer für Kohle 
1740000. Der Anschluß der Zeche an die Verkaufsveremigungen 
für Nebenprodukte wurde schon an anderer Stelle vermerkt Aus 
dem Gesagten ergibt sich, daß derAbsatz der Konsoli- 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 



257 



dation an Kohle» Koks, Ammoniak und Teer in den 
Händen groSer Syndikate liegt, die infolge ihres mono- 
polistischen Charakters in der Lage sind, den Konsu- 
menten die Preise zu diktieren, und im Zusammenhang 
damit die Aufgabe erfüllen, die Rente des Unternehmens 
zu steigern. 

Es bleibt zum SchluS noch übrig, die finanziellen Ver- 
hältnisse des Unternehmens kurz zu skizzieren. 

Es wurde bereits früher erwähnt, daS die bei der Bildung 
der Gewerkschaft im Jahre 1864 eingezahlte ZubuSe sich auf 
960000 Mark belief. Der für die folgenden Jahre nötige Bedarf 
wurde aus den Gewinnen gedeckt 

Mit 1868 beginnt dann die Verteilung einer Ausbeute. Diese 
betrug für den 128 teiligen Kux: 



1868 1050 Mark 

1869 1800 „ 

1870 2160 „ 

1871 3450 „ 

1872 5400 „ 

1873 8100 „ 



1874 5400 Mark 

1875 4950 „ 

1876 5040 ,, 

1877 5465 „ 

1878 5400 „ 

1879 5400 „ 



1880 5400 Marie 

1881 5400 „ 

1882 4500 „ 

1883 6150 „ 

1884 6250 „ 

1885 6360 „ 



Für den lOOOteiligen Kux: 

1886 756 Mark 1888 1000 Marie 

1887 820 „ 1889 600 ,, (v.jiiir) 

An Dividende wurde gezahlt: 

1889 110/0 1893 80/o 1897 I80/0 1901 270/o 

1890 210/0 1894 8O/0 1898 220/o 1902 270/o 

1891 200/0 1895 120/o 1899 250/o 1903 280/o 

1892 120/0 1896 I50/0 1900 300/o 1904 260/o 



Die Gewinne fließen in erster Linie aus dem Kohlenverkauf, 
dann aber auch aus dem Koksabsatz. Es betrug der 





OMamtgcwioa akl. 

Vortrag ins dem 

Vorjahr 

Mark 


Oewinn ans dem Verkauf von 


Jitar 


Kobira 
Mart 


Koka 
Mark 


Der loUter« ergibt t» 


1900 


8891071 


6909945 


1443256 


16^ 


1901 


8315099 


6250771 


1489626 


17^ 


1902 


7207504 


5542606 


1110738 


15.4 


1903 


7566733 


5964509 


1006506 


13,3 


1904 


7202597 


5415581 


1145707 


15,9 



Stilllcli, NattMalOkononlicht FocBChnogeo. Bd. 0. 



17 



258 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

Den Nationalökonomen interessiert hier aber noch ein be* 
sonderes Moment, das in der Finanz- und Verwaltungsgescbichte 
grofier Gesellschaften zu den Seltenheiten gehört Es betrifft die 
Gewinnbeteiligung an einer Nachbarzeche, gegen Über- 
nahme der technischen und kaufmannischen Leitung* Die Ursache 
für diese gleich noch näher zu beschreibende Mafinahme lag" be- 
gründet in den schlechten Betriebsergebnissen der Gewerkschaft 
»Unser Fritz". Hierüber heifit es in dem Bericht der letzteren 
vom 18. Dezember 1878: »Die Verhaltnisse des kaufmannischen 
Geschäftsbetriebes waren bei der Obernahme durch die neue Ver- 
waltung kaum tröstlicher als die des Grubenbaus. Mit Ausnahme 
einiger weniger guter Abnehmer, welche wir gern beibehielten, 
besafi die Zeche fast gar keine solide Kundschaft Es fanden 
sich in den Büchern viele zweifelhafte Forderungen, welche zum 
grofien Teil nicht einzutreiben waren und deshalb abgeschriel>en 
werden mufiten. Das Produkt stand wegen Mangels an sorgfaltiger 
Gewinnung und Veriadung an vielen Stellen und gerade in Haupt- 
absatzgebieten in Mifikredit, und es hat namentlich in einer Zeit» 
wo die Konkurrenz allenthalben so grofie Anstrengung macht, 
und jede Zeche die andere in Leistung und sorgfaltiger Bedienung 
zu überbieten sucht, grofie Mühe gekostet, das vorhandene Vor- 
urteil zu bekämpfen." Da der damalige Direktor der Konsolidation 
Boniver als ein aufierordentlich tüchtiger Fachmann bekannt war, 
beschlossen die Gewerken »Unser Fritz* Ende 1877 ihm und den 
technischen und kaufmannischen Oberbeamten der Konsolidation 
die Leitung und Beaufsichtigung der Zeche zu übertragen, damit 
einmal die Verwaltung geordnet werde und aufierdem die Renta- 
bilität sich bessere. In dem Kontrakt wurde festgesetzt, dafi für 
diese Leitung 20% der an die Gewerken der Zeche Fritz zur 
Verteilung kommenden Ausbeute gezahlt werden solle. Für die 
Konsolidation bedeutete die Einheitlichkeit der Verwaltung nicht 
blofi einen Gewinnvorteil, sondern auch einen Ausschlufi der 
Konkurrenz der benachbarten Gewerkschaft in bezug auf 
Arbeiter, Kohlenpreise usw. Nach 3 Vq jahriger Dauer wurde der 
Vertrag am 1. Juli 1881 wieder gelöst. Die Verhaltnisse der Zeche 
waren in Ordnung gebracht. Die Verwaltung wurde wieder selb- 
ständig, nur ein Beamter der Konsolidation blieb als Direktor zurück. 

* Ein analoger FaU dürfte bei den beiden Zechen Lothringen und Schwerin 
bei Castrop vorliegen. Beide stehen unter einer Verwaltung, haben aber ge- 
trennte Abrechnung. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 259 



Damit haben wir die Geschicke des Unternehmens gekenn- 
zeichnet Die wesentlichen Ergebnisse unserer Untersuchungen 
sind folgende: 

Das Unternehmen wurde 1862 durch Zusammenlegung 
von sieben Grubenfeldern als Gewerkschaft gegründet. 
Kurz nach der Umwandlung der immobilen in mobile 
Kuxe nahm sie 1889 die Form der Aktiengesellschaft an, 
aus der Taufe gehoben durch die Interessen des Börsen- 
kapitals. 

Der Kohlenreichtum des Unternehmens ist, wie wir 
erkannten, groS, seine Basis aber, das Grubenfeld, nur 
klein. Seine Erweiterung ist infolge der heute bestehen- 
den Monopolisierung der Bodenschätze in den Händen 
groSer Gesellschaften schwer und teuer. Die Größe des 
Grubenfeldes aber limitiert aufier der Zahl und Mächtig- 
keit der Flöze die Lebensdauer der Gesellschaft 

Wir besprachen dann die Entstehung der Schächte. 
Zu den drei alten gesellten sich erst seit der Mitte der 
90er Jahre drei neue Schächte, bedingt durch die Not- 
wendigkeit des Niedergehens in gröfiere Teufen, die 
Anforderungen einer erhöhten Produktion und einer 
besseren Bewetterung. Die ganze Förderung wird be- 
herrscht von dem Streben nach möglichster Billig- 
keit Daher z. B. die weitgehende Anwendung des Koepe- 
systems. 

Als von besonderer Wichtigkeit lernten wir die Kraft- 
Qbertragungsmittel kennen. Der Dampf eignete sich 
wenig. Pfir kleine Maschinen kam hauptsächlich Preß- 
luft in Betracht, für gröfiere Elektrizität In letzter Instanz 
entschieden wirtschaftliche Grfinde über die Art der 
Kraftübertragung. 

Die unterirdischen Verhältnisse betrafen vor allem 
den Abbau. Die Anlage der Sohlen geschah aus finan- 
ziellen Gründen von oben nach unten. Durch die Er- 
weiterung der Sohlenabstände wurde es möglich, die mit 
zunehmender Teufe notwendigen höheren Anlagekosten 
etwas zu modifizieren. Veranlafit durch die ungeheuren 
Schädigungen der Erdoberfläche trat seit den 80er Jahren 
eine vollständige Änderung in der Abbaumethode ein. 
Damit steht der Landhunger der Zeche in Konnex. Im 

17* 



260 4- Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 

Zusammenhang mit dem unterirdischen Ausbau der 
Strecken streiften wir einen interessanten Versuch, durch 
den Ankauf von Eichenwaldungen und Verarbeitung 
des Holzes in eigener Regie den Bedarf der Zeche zo 
decken. 

Wir lernten dann eine Reihe von Nebenbetrieben 
kennen, die als wichtige Produktionsmittel der Zeche 
aber Tage in Betracht kommen. Zunächst eine Brikett- 
fabrik, die sich aber nicht zu halten vermochte, ferner 
eine Steinfabrik resp. Ziegelei. Als Vorteile dieser An- 
lage erkannten wir die billigere Eindeckung ffir den 
Selbstbedarf, die Verminderung der Transportkosten der 
Berge und des für die Bergeablagerung notwendigen 
Terrains und die Erhöhung der Rente des Unternehmens. 
Der Schwerpunkt aber liegt heute in dem dritten Neben- 
betrieb, der Kokerei. Sie wird wirtschaftlich fundiert 
1. durch die infolge der Umwandlung in Koks ein- 
tretende Veredelung und WerterhOhung der Feinkohle 
und 2. durch die unentgeltliche Erzeugung der zur Kessel- 
heizung dienenden Gase. 

Nach Erörterung der mechanischen Arbeitsmittel 
wandten wir uns den Verhaltnissen der menschlichen 
Arbeitskraft zu. Die Zeche hat wiederholt unter Arbeiter- 
mangel zu leiden gehabt. In ihren Jugendjahren wurden 
dadurch direkt Betriebsstörungen verursacht Als Mittel 
zur Heranziehung von Arbeitern wurden auch hier Ar- 
beiterkolonien geschaffen. Das Wachstum und der Aus- 
bau der Stadt Schalke steht damit im Zusammenhang. 
Die Löhne der Arbeiter, ihre Bewegung, ihre Gefähr- 
dung usw. und einige damit in Konnex stehende sozial- 
politische Einrichtungen der Verwaltung wurden kurz 
erwähnt. Tiefer in das Gefüge der Arbeitermasse dieser 
Zeche einzudringen war leider bei dem gänzlichen Mangel 
an Material unmöglich, geben doch die Geschäftsberichte 
nicht einmal ihre Zahl an. 

Auf dieser breiten Basis einer Vereinigung von Natur, 
Kapital und Arbeit erhebt sich dann die Pyramide der 
Produktion an Kohle, Koks und SekundSrprodukten. Wir 
erkannten, daß heute auf eine Tonne Förderung weniger 
Aktienkapital kommt als früher. 



4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 261 

Der Absatz dieser Produktion wurde vor allem be- 
stimmt durch den groSen Export der Zeche. Er wird ge- 
fördert durch günstige Eisenbahnverbindungen nach allen 
Richtungen. Als Konsumenten kamen früher vor allem 
Gasanstalten in Betracht, dann die Marine und der Ab- 
satz an die Kokerei. Von besonderer Bedeutung wurde 
die Auffindung eines Packens hochwertiger Kannel- 
koble, von der die Tonne allein 23 Mark kostet Heute 
liegt der ganze Absatz in den Händen des Rheinisch- 
Westfälischen Kohlensyndikats, an dem die Zeche mit 
1740000 t Kohle und 381000 t Koks beteiligt ist 

Am SchluS warfen wir noch einen Blick auf die finan- 
ziellen Ergebnisse der Zeche, die, von den Baujahren ab- 
gesehen, als aufierordentlich günstige bezeichnet werden 
müssen, und in neuerer Zeit namentlich durch die Riesen- 
gewinne aus den Kokereien potenziert werden. Beson- 
ders gedachten wir noch einer kurzen Periode, in der die 
Nachbargewerkschaft »Unser Fritz" unter der Leitung 
der Konsolidation stand, gegen das Zugeständnis einer 
Beteiligung am Reingewinn mit 20%. 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 

Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit einem 
Unternehmen, das im Laufe seiner Entwicklung unter zwei ver- 
schiedenen Firmen auftritt Die erste ist die Belgisch-Rheinische 
Gesellschaft der Kohlenbergwerke an der Ruhr. Sie wurde 1851 
gegründet und liquidierte 1873. Die zweite ist die Bergwerks- 
gesellschaft Dahlbusch. Sie übernahm in dem zuletztgenannten 
Jahre gegen einen Kaufpreis von 11,2 Millionen Mark sämtliche 
Aktiva und Passiva ihrer Vorgängerin. 

Für die Erkenntnis der wirtschaftlichen Bedingungen des 
Unternehmens ist dieser Wechsel ohne Belang, denn er ist rein 
formaler Natur und hat daher für die Einteilung resp. Behand- 
lung des Stoffs keine Bedeutung. 

Wir gliedern die folgenden Ausführungen in fünf Teile and 
behandeln: 

1. Die Gründung des Unternehmens. 

2. Die Produktionsfaktoren (Natur, Kapital, Arbeit). 

3. Die Produktion. 

4. Die Absatzverhältnisse. 

5. Die Rente. 

Wir beginnen mit der Entstehung des Unternehmens. Die 
ersten Anregungen zu Neugründungen des anonymen Kapitals 
auf dem Gebiete des Bergbaus fallen zusammen mit den Kohlen- 
funden, die man in den 40 er Jahren des verflossenen Jahrhunderts 
in der Gegend nördlich von Essen machte. Bis dahin waren die 
Bergbautheoretiker und Techniker fast übereinstimmend der An- 
sicht gewesen, dafi das sog. produktive Steinkohlengebirge mit 
dem Leibänker Sattel, der siph über die Höhen am rechten Ruhr- 
ufer von Bochum über Kray nach Essen hinzieht, seinen Abschlufi 
nach Norden erreiche. Als diese Annahme durch zahlreiche Bohr- 
aufschlüsse widerlegt war, begannen sich Gesellschaften zur Aus- 
beutung der neu entdeckten Kohlenlager zu bilden. Deutschland 
verfügte damals noch nicht über jene Riesensummen, mit denen 
heute die Grofibanken industrielle Unternehmungen finanzieren. 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 263 

In dem damals noch kapitalarmen Lande war es daher schwierig, 
die nötigen Geldmittel zusammenzubringen, die zum Abteufen der 
Schachte und zur Errichtung der Tagesanlagen notwendig waren. 
Daher kam es, dafi zunächst der Versuch gemacht wurde, mit 
Hilfe von belgischem und englischem Kapital eine Aktiengesell- 
schaft ins Leben zu rufen. Die älteste im Archiv der hier be- 
sprochenen Gesellschaft befindliche Urkunde vom 29. Dezember 
1846 berichtet fiber eine Vereinbarung zwischen den benachbarten 
Mutem fiber die gegenseitige Abgrenzung ihrer Arbeitsgebiete. 
Eine Anzahl Männer, die Mutungen in der Nähe des Dorfes Rott- 
hausen eingelegt und Mutscheine erworben hatten, traten zu 
einem Konsortium zusammen, und dieses verkaufte seine Besitz- 
rechte 1847 an die Englisch-Belgische Gesellschaft der 
rheinischen Bergwerke zu Düsseldorf (Soci^tä Anglo-Belge), 
die am 2L September 1848 die landesherrliche Genehmigung er- 
hielt Diese Gesellschaft war aber nicht imstande, die Aktien in 
Höhe von insgesamt 2Va Millionen Franks zu placieren. Das 
Hungerjahr 1848 nahm einem grofien Teil der Subskribenten die 
Möglichkeit, die gezeichneten Beträge einzuzahlen, und so war 
die Gesellschaft genötigt, sich aufzulösen. Ihre Liquidation er- 
folgte durch Generalversammlungsbeschlufi am 27. Dezember 1849. 
Diesem ersten mißglückten Versuch sollte bald ein zweiter 
folgen mit demselben negativen Resultat Eine Anzahl Aktionäre, 
die an der ersten Gesellschaft beteiligt waren, gründete nämlich 
noch vor Ablauf des Sterbejahres der alten eine neue Gesell- 
schaft unter der Firma Aktiengesellschaft des belgisch- 
rheinischen Kohlenbergwerks, unter Zugrundelegung eines 
gleichhohen Kapitals. Diese Beschleunigung in der Neugründung 
hing mit dem nahen Verfallstermin der eingelegten Mutungen zu- 
sammen. Damals war noch zur Errichtung einer Aktiengesell- 
schaft die Genehmigung der Staatsregierung erforderiich. Denn 
das Gesetz vom 9. November 1843 bestimmte im § 1: Aktien- 
gesellschaften . . . können nur mit landesherrlicher Genehmigung 
erriditet werden. Der Gesellschaftsvertrag (das Statut) ist zur 
landesherriichen Bestätigung vorzulegen.* Die Regierung aber 
verweigerte, was sich aus der Vorgeschichte wohl genügend er- 
klärt, ihre Zustimmung zu Gründungsurkunde und Statut So 
war auch dieser zweite Versuch mifiglfickt Endlich gelang es 



* Gesetzsammltiiig 1843 p. 341. 



264 ^' Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 

nach Erneuerung der Mutung auf Grund eines neuen Statuts unter 
einer anderen Firma die Gesellschaft zustande zu bringen und 
die Genehmigung der Regierung zu erlangen. Am 11. Dezember 
1851 konstituierte sich die Belgisch-Rheinische Gesellschaft 
der Kohlenbergwerke an der Ruhr (Sod^t^e anonyme Beige 
Rh^nane des charbonnages de la Ruhr) zu Dusseldorf mit einem 
Kapital von 2 Millionen Franks oder 1,6 Millionen Mark.* Am 
10. März 1852 erfolgte die königliche Genehmigung.** Die Ge- 
sellschaft besaS die Steinkohlenmutungen »Eigen", »Eigen n*» 
»König Leopold" und »Königin von England" bei Rotthausen. 
Das Ziel, das sie sich steckte, bestand in der Erwerbung und dem 
Betrieb von Kohlenbergwerken in den Bergamtsbezirken Essen 
und Bochum, sowie in der VeräuSerung und Verkokung von 
Steinkohlen. 

Bei dieser Grfindungsgeschichte ist zweierlei interessant: 
erstens die Summe von Schwierigkeiten, die der Errich- 
tung der Aktiengesellschaft im Wege standen, und die 
mit der staatlichen Bevormundungspolitik zusammen- 
hingen, und zweitens die Tatsache, dafi das neue Unternehmen 
fremdem Kapital seinen Ursprung verdankt Auslflndisdie 
Kapitalisten vereinten sich zur Hebung der Reichtümer der heimi- 
schen Erde. 

Die Entwicklung des Unternehmens korrespondiert nun, und 
damit kommen wir zu dem zweiten Punkte unserer Untersuchung, 
mit der Entwicklung der Produktionsfaktoren. Der wichtigste 
Produktionsfaktor beim Bergbau ist die Natur. Die Lage 
und Beschaffenheit der Kohlenflöze ist die Basis, auf der sich in 
letzter Linie die Geschicke des Unternehmens aufbauen. Was hier 
die Aktiengesellschaft bezieht, ist hauptsachlich Grundrente. Die 
Gröfie dieser Grundrente entscheidet fiber die Dividende oder 
privatwirtschaftlich gesprochen aber den Unteraehmergewinn. 

* Die GrOnder waren folgende: Joseph Chaudron aus Mons, Payen-AIlard, 
Edmund Triest, Fran^ois Desmede, Jean Fran^ois Geens aus Brüssel, Emile De- 
rousseaux aus Roubais, Henry Thies aus Essen, Eis Kamp-Geens aus Antwerpen, 
Emile Fran^ois van der Eist, CamiUe Payen, Alfred Payen aus Brüssel, Wilhelm Eigen 
aus Schuir, Theodor Wagner, Friedrich Buscher, Georg Friedrich Wfllbem aus Essen 
und Wilhelm Kemper aus Schonnebeck. Unter ihnen ist die bedeutendste Per- 
sönlichkeit Joseph Chaudron, der von 1851—1872 dem Verwaltnngsrat der 
Belgisch-Rheinischen Gesellschalt angehörte und seit 1873 als Präsident des 
Aufsichtsrats der Bergwericsgesellschaft Dahlbusch fungiert 
** Siehe Gesetzsammlung 1852 p. 85. 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 265 



Daher behandeln wir zunächst die natürlichen Grundlagen des 
Betriebes. Auf ihnen bauen sich die wirtschaftlichen auf. 

Die Berechtsame der Bergwerksgesellschaft Dahlbusch umfaSt 
nur 400 ha. Sie ist also im Vergleich mit anderen klein. Ringsum 
ist sie von Besitz in festen Händen eingeschlossen. Eine lokale 
Erweiterung ist daher in Zukunft so gut wie unmöglich. 

Das Grubenfeld grenzt im Osten an Rhein -Elbe und Alma, 
im Süden an Bonifazius, im Westen an Zollverein, im Nordwesten 
an Konsolidation und im Nordosten an Hibemia. Die Zeche liegt 
im Nordosten des Landkreises Essen, in der sog. Stoppenberger 
Mulde, in der auch die eben genannte zur Gelsenkirchner Berg- 
werksgesellschaft gehörige Zeche Rhein -Elbe, sowie die zur 
Magdeburger Bergwerksgesellschaft gehörige Königsgrube und 
Zollverein bauen. Von den vier Hauptmulden des Ruhrbassins, 
nflmlich der Wittener, Bochumer, Stoppenberger oder Essener und 
Horst-Recklinghausener Mulde zeichnet sich die Horster und 
Stoppenberger Mulde durch grofie Regelmäfiigkeit des Flözver- 
baltens aus. Beide gehören zu den wichtigsten und reichhaltigsten 
Mulden des niederrheinisch-westfaiischen Steinkohlenbezirks* In 
der von der Verwaltung herausgegebenen Denkschrift** heiSt es: 
«Die Berechtsame von Dahlbusch erstreckt sich fiber das Mulden- 
tiefste der Stoppenberger Mulde. Diese hat eine elliptische Ge- 
stalt und weist bis jetzt die bedeutendste Förderung in Westfalen 
auf. Dabei hat die Regelmäßigkeit des Verhaltens sie unter 
den Kohlenbecken berühmt gemacht Ihre größte Teufe erreicht 
sie im Felde Dahlbusch. Das stärkste Einfallen der Flöze im 
Norden und Säden geht nirgends fiber 14<^ hinaus, im größten 
Teile der Berechtsame ist es geringer, bis 3,5^. . . . Keine irgend- 
wie bedeutendere Störung verwirft die Stoppenberger Mulde im 
Felde von Dahlbusch. Doch liegt im Norden eine Überschiebung, 
die die Flöze der Zechen Hibemia und Konsolidation beeinfluß^ 
auf der 300 m- Sohle mit einem Einfallen von ungefähr 30<> in 
das Feld von Dahlbusch hinein. Diese Überschiebung gestaltet 



* Der Kohlenreichtum beider Mulden wird bereits im Anfang der 70er 
Jahre eingehend beschrieben. Vergl. Sievers: Die FlOzablagerungen der Stoppen- 
berger und Horster Mulde in Zeitschr. f. Berg-, Hatten- und Salinenwesen im 
preuBlachen Staat Bd. 21, p. 206. 

** Zur Feier des SOjihrigen Bestehens des Kohlenbergbaus in der Berg« 
berechtsame Dahlbusch. Herausgegeben aus AnlaB der bidustrie- und Gewerbe- 
ansstellung zu Dflsseidorf 1902. 



266 S* Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 

infolge ihres schwachen Einfallens den Betrieb auf dieser Sohle 
schwieriger und mühevoller, als er in den überlagernden Flözen 
gewesen ist In der ganzen Berechtsame trifft man femer von 
Westen nach Osten eine Reihe von Sprängen mit im allgemeinen 
östlichem Einfallen an. Diese Sprünge haben aber wenig Be- 
deutung und keinen nennenswerten Einflufi auf die hangenden 
Flöze; es ist zu vermuten, dafi sie die liegenden gar nicht be- 
einflussen werden.« 

In den mit diesen Worten gekennzeichneten natürlichen 
Verhaltnissen haben wir den Schlüssel für die günstige Entwick- 
lung des Unternehmens zu suchen. Die Flöze verlaufen wohl 
etwas wellenförmig, aber im ganzen sind sie nahezu horizontal 
gelagert Infolge dieser flachen Lagerung erfordern die 
Vor- und Ausrichtungsarbeiten keine grofien Kosten 
Das Fehlen von Störungen und Verwerfungen, von den 
Sprüngen abgesehen, erhöht ebenfalls die Grundrente. Die Flöz- 
mächtigkeit schwankt zwischen 0,76 bis 1,50 m. Sie entspricht 
also den im Ruhrgebiet üblichen Verhaltnissen. Bei Anfrecht- 
erhaltung der jetzigen Förderung von über 1 Million Tonnen 
jahriich last sich der Vorrat an Kohle in der Berechtsame der Ge- 
sellschaft nodi auf 250 Jahre berechnen. Freilich hat die Berecht- 
same, wie aus der oben zitierten Stelle der Ausstellungsschrift 
hervorgeht, auch Zonen, wo die Gewinnung erschwert wird und 
die Produktionskosten daher den sonst üblichen Durchschnitt 
übersteigen. Bei der Ausrichtung der Flöze des später noch 
näher zu beschreibenden Schachtes V stiefi man auf eine bereits 
auf Hibemia bekannte streichende Gebirgsstörungszone, »welche 
besonders durch eine sie begleitende lebhafte Ausströmung von 
Schlagwettern eine sehr empfindliche Erschwerung der Betriebs- 
Verhältnisse zur Folge hatte." Aber davon abgesehen ist die Be- 
rechtsame im Vergleich mit anderen von der Natur durchaus 
privilegiert 

Der zweite wichtige Faktor, den wir zu behandeln haben, 
wird repräsentiert durch die Betriebsmittel der Gesellschaft 
Hierher gehören vor allem die Schacht- und Förderanlagen. 
Die Zahl der Schächte — von ihrer Tiefe zunächst zu schweigen — 
hat sich im Laufe der Entwicklung sehr vermehrt Wir werden, 
um von vornherein die Ursachen richtig zu erfassen« drei große 
ökonomische Motive kennen lernen, die bestimmend für das 
Abteufen immer neuer Schächte gewesen sind, nämlich in erster 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 267 

Linie das Streben nach Vergröfierung der Produktion; dazu kommt 
zweitens das Bedürfnis, sich gegen das Risiko eventuell eintreten- 
den ungünstigen Flözverhaltens möglichst zu schützen sowie an 
Stelle abgebauter neue Flözpartien zu erschließen, und endlich 
drittens im letzten Jahrzehnt durch den Betrieb neuer Schacht- 
anlagen eine Art Rückversicherung gegen Fördereinschränkungen 
des Kohlensyndikats zu haben. 

Wir wollen nun die Entwicklung der Schachtanlagen näher 
ins Auge fassen. Nachdem die Gesellschaft gegründet war, wurde 
1853 mit dem Abbohren des ersten Schachtes begonnen. Es 
war damals üblich, dem Schacht einen Namen zu geben, und die 
Gründer glaubten, dem König Leopold eine besondere Freude zu 
machen, wenn sie den Schacht nach ihm benannten. Aber der 
preußische Revierbeamte erhob gegen diese Taufe Einspruch. An 
Stelle des Namens König Leopold, den man bereits der Mutung 
gegeben hatte, wurde daher für den Schacht der Name Dahlbusch 
gewählt, der später nach der Umwandlung in eine neue Gesell- 
schaft von dieser angenommen werden sollte. Dieser Schacht 
wurde nun aber nicht so abgeteuft, wie es bisher üblich war, 
sondern er wurde abgebohrt. Bisher war das auch im Essen- 
schen Bezirk gebräuchliche Verfahren das wirkliche Abteufen, ver- 
bunden mit Wasserhaltung, wobei das Gebirge durch Häuerarbeit 
gewonnen, durch Haspel zutage gefördert und die zuströmenden 
Wassermassen durch Maschinen zu Sumpfe gehalten wurden. War 
das Mergelgebirge durchteuft und das Kohlengebirge erreicht, so 
wurde von dort aus der Schacht bis zur Hängebank in wasser- 
dichte Mauerung gesetzt* Die Nachteile dieser Methode spürten 
in erster Linie die Abteufarbeiter. Sie mußten wegen des eng- 
begrenzten Raums auf der Sohle eines finsteren Schachtes im 
Wasser und Schlamm stehen, das aufgehängte Pumpwerk über 
sich. Häufig ist, sagt Simon,** der freie Querschnitt durch die 
Pumpen und deren Zubehör aufs äußerste eingeengt Die Arbeits- 
lage war also möglichst ungünstig. Außerdem waren die Arbeiter 
von der Gefahr bedroht, daß loses Material auf sie herabfiel. 
Diese Methode verminderte daher die Leistung und vergrößerte 
die Kosten des Abteufens; sie wurde aber allgemein angewandt, 

* Siehe für diese, sowie die folgenden Bemericungen Zeitschr. f. Berg-, 
Hatten- und Salinenwesen im preufiischen Staate 1857 Bd. VI p. 163 und 
Bd. 27 p. 35. 

^ Jounud of Uie Iren and Steel Institute 1877 Nr. 1. 



268 ^' Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 

weil bei der grofien gegenseitigen Konkurrenz der damals ent* 
stehenden Tiefbauanlagen das Ziel jedes Unternehmens war, den 
Schacht in möglichst kurzer Zeit förderfertig zu machen. 

Die Rheinisch-Belgische Gesellschaft war die erste in dem 
Bezirk, welche von diesem gewöhnlichen Verfahren abwich. Sic 
stellte einen grofien Bohrer auf — das Gewicht eines solchen 
Bohrers beträgt bei einer Schachtweite von 4,5 m ca. 40000 kg — , 
der durch eine Dampfmaschine bewegt wurde, wahrend eine 
zweite Dampfmaschine zum Herausziehen und Anhangen des- 
selben diente. 

Das ursprüngliche Motiv für die Wahl dieses nach dem In- 
genieur Kind benannten Bohrverfahrens lag in der Schwierigkeit 
des Wassersfimpfens, um auf der Sohle arbeiten zu können. Da 
das Abbohren unter Wasser geschieht, so macht es die Sümpfung 
überflüssig. Kein Mann steigt hinunter, bis der Schacht voll- 
ständig fertig, sicher tübbiert und absolut trocken ist Wahrend 
der Arbeit bleibt also das Wasser im Schach^ Das hat noch 
einen weiteren Vorteil. Durch den Gegendruck des Wassers 
werden die Schichtstöße in viel höherem Mafie in ihrer Lage er- 
halten, als bei dem vorhin beschriebenen System, bei welchem 
durch den fortgesetzten Abflufi des Wassers und den Einflufi der 
Luft die Stöfie gelockert und häufig flüchtig wurden. 

Von besonderer Wichtigkeit aber war der mit dem Bohr- 
verfahren verbundene Vorteil einer nicht unbedeutenden Ersparnis 
an Arbeitskräften. Beim Abbohren waren nämlich nur tätig: 
1 Bohrmeister, 4 Gehilfen, 1 Maschinenwärter und 1 Schürer, im 
ganzen 7 Mann, während man beim gewöhnlichen Abteufverfabren 
70—80 Mann gebrauchte. Außerdem kam als zweiter Punkt hinzu, 
daß man glaubte, billiger zum Ziele zu kommen. Man er- 
sparte die Hauer- und Zieherlöhne und die bei dem 
gewöhnlichen Verfahren oft sehr kostspielige Wasser- 
haltung. Nun zeigte sich aber bald, daß die Arbeit außerordent- 
lich langsam vonstatten ging. Erst nach 4Va Jahren Bohrarbeit 
erreichte man das Steinkohlengebirge. Die Mächtigkeit der ül>er 
dem Kohlengebirge liegenden Kreidemergelschicht war HO m. 
Der Wasserreichtum dieses Deckgebirges machte ein besonderes 
Verfahren notwendig, das das Kind-Chaudronsche genannt wird, 
und das seitdem bei dem Niederbringen von Schächten im wasser- 
reichen Deckgebirge immer angewandt wird und zu großer Be- 
rühmtheit gelangt ist In der Festschrift heißt es hierüber folgender- 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 269 

maSen: »Zu der damaligen Zeit erschien es als eine aufierordentlich 
schwierige technische Aufgabe, den Schacht nach dem Verfahren 
des Altmeisters der Bohrkunde Kind mittelst Bohrens und 
Verdichtens der Schachtwände durch Holzdauben niederzubrin- 
gen. ... Als man mit dieser Arbeit bis 55 m gelangt war, er- 
folgte jedoch am 24. Januar 1856 der verhängnisvolle Unfall, daß 
eine Daube des 52. Fasses unter dem Wasserdruck von 5 Atmo- 
sphären heraussprang und der Schacht versoff. Nur nach aufier- 
ordentlichen Anstrengungen und Geldopfem gelang es, die Öffnung 
zu verspunden und den Schacht sicherzustellen. Es war dies das 
erstemal, daS Herr Chaudron eine Moosbächse* mit einer Holz- 
kuvelage anwandte. Dieser Erfindung folgten dann mehrere 
andere. In der Absicht, die Gufieisenkuvelage mit Moosbüchse 
und QleichgewichtssSule beim Schachtabteufen zu verwenden, 
nahm Herr Chaudron 1855 auf diese Patent Est ist dies das 
Verfahren, welches seinem Namen eine wohlverdiente Berühmtheit 
verschafft hat" 

Wir ersehen hieraus, dafi die wasserdichte Auskleidung des 
Schachtes ursprünglich nicht gelang. Man stand daher auch in 
den Fachkreisen dieser Abteufmethode anfangs ablehnend gegenüber. 
Erst nachdem Chaudron an Stelle des Holzes die gufieiseme Kuve- 
lage einführte, verschaffte sich das Verfahren des Schachtabbohrens 
mehr und mehr Eingang und wurde bald im rheinisch-westfälischen 
Kohlenbezirk bei starken Wasserzuflüssen und festem Gebirge 
ausschlieSlich angewandt^ Nun war aber die Anwendung 
dieses Verfahrens mit großem Zeit- und Kapitalaufwand 
verbunden. Das Niederbringen des Schachtes I dauerte von 
1853 bis 1860. Erst nachdem man sieben Jahre gearbeitet 
hatte, stieß man bei 200 m Teufe auf zwei abbauwürdige Flöze der 
Gasflammkohlenpartie, und damit nahm die Kohlenförderung ihren 
Anfang. Die Schwierigkeiten des Schachtniederbringens liefen aber 
in letzer Linie in Geldschwierigkeiten aus. Die Herstellung dieser 
ersten und wichtigsten Anlage, ohne die eine Kohlenförderung 
überhaupt nicht möglich war, verschlang das ganze Aktienkapital. 
Wir werden bei der Besprediung der finanziellen Verhaltnisse 
das Detail noch naher kennen lernen. 



* So genannt, weil die Abdichtung des Schachtes auf der Sohle gegen 
das Gebirge durch Moos erfolgt und die t)eiden untersten Ringe die Form einer 
Stopfbachse haben. 

** KOhne in der Festschr. z. 8. aUg. deutsch. Bergm. i. Dortm. p. 39/40. 



270 5* Bergwericsgesdlschaft Dahlbtisch. 

Nun blieb man aber nicht bei dem Ein-Schachtsystem stehen 
aus Gründen des Produktionsinteresses. Um auf dem ersten 
Schacht eine nach damaligen Verhaltnissen normale Förderung 
von 400 t pro Tag zu erzielen, wurde von 1865 — 1867 ein kleiner 
Wetterschacht abgeteuft. 

Aber trotzdem genügte, wie wir später sehen werden, die 
Produktion des ersten Schachtes nicht, deshalb wurde ein zweiter 
Forderschacht projektiert, der täglich 800 t Kohlen fordern sollte 
Das Motiv war also die Vermehrung der Produktion. 

Den AnstoS zur Anlage dieses zweiten Schachtes gaben die 
Aufschlüsse der Hibemia, mit der das Grubenfeld von Dahlbusdi 
im Nordosten markscheidet Auch bei diesem zweiten Schacht 
wurde das Kind-Chaudronsche Verfahren angewandt Die Anlage 
wurde 1866 begonnen und 1869 bis zu einer Tiefe von 240 m 
vollendet Die Bauzeit dauerte also nicht ganz vier Jahre, und zwar 
waren es Jahre, wo das Geschäft teilweise stagnierte. Heute ist 
dieser Schacht, wie wir noch sehen werden, bereits auf 650 m 
niedergebracht 

Zu diesem zweiten Schacht aber kamen bald als Schlüssel 
zum Aufschluß neuer Felder noch zwei andere Schächte. Es 
handelte sich um die Inangriffnahme der Ausbeutung des bisher 
noch unverritzten Südfeldes, die von dem in der Mitte der Be- 
rechtsame gelegnen Schacht I aus nicht erfolgen konnte. Damit 
verknüpfte sich das Bestreben, durch Anlage zweier neuer Schächte 
das mit dem Kohlenbergbau verbundene Risiko zu dezentralisieren. 
Der Geschäftsbericht über das Jahr 1875 äufiert sich hierüber in 
folgender Weise: »Durch den Umstand, dafi wir verschiedene 
Forderpunkte besitzen, wird die Unsicherheit, welcher das Kapital 
beim Bergbau stets mehr oder weniger unterliegt, auf das ge- 
ringste Maß reduziert" Der erste Spatenstich wurde 1874 getan. 
Nach vier resp. fünf Jahren konnten die ersten Kohlen gefordert 
werden. Schacht in kam 1878 in Betrieb, nachdem die Forderung 
des vierten Sdiachtes bereits ein Jahr vorher begonnen hatte. Die 
Entstehung dieser Anlage fällt, wie wir hieraus sehen, in eine 
Zeit sinkender Konjunktur, billiger Preise und Arbeitskräfte. 
Schacht IV blieb 22 Jahre lang im Betrieb. 1899 wurde jedoch 
die Forderung auf demselben eingestellt Heute ist er nach 
weiterer Abteufung auf 634 m ausziehender Wetterschacht für IH 
und den später hergestellten Schacht VI. 

In die 80er Jahre fällt dann der vollständige Umbau und die 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 271 

Netteinrichtung der alten Förderanlagen. Der Abbau der Flamm- 
kohlenflOze auf Schacht I beschrankte sich auf Tiefen von 160 bis 
180 m. Nach 26 Jahren waren diese Horizonte erschöpft, und 
man muSte in größere Tiefen hinuntergehen, um die dort liegen- 
den Oaskohlenflöze zu eneichen. Am 1. April 1885 wurde daher 
der Betrieb auf Schacht I vorlaufig sistiert, um am 1. September 1886 
wieder eröffnet zu werden. In dieser Zeit wurde er vollständig um- 
gebaut .zu einer Anlage ersten Ranges", wie es im Geschäftsbericht 
beifit Die Umbaujahre beeinflußten die Selbstkosten der gewon- 
nenen Kohle sehr ungünstig. Es handelte sich bei diesem Umbau 
am eine Vertiefung um 200 m. Heute beträgt die Teufe 402 m. 
Die Aufwendungen dafür betrugen damals rund 761000 Mark, 
eine Summe, die sich reichlich bezahlt machte. Betrugen doch 
in den folgenden fünfzehn Jahren von 1887 bis 1901 inkl. die 
Betriebsfiberschüsse im jähriichen Durchschnitt rund 700000 Mark 
bei einer durchschnittlichen Förderung von ca. 850 Tonnen. 

Aber damit waren die Anlagen noch nicht zu Ende gekommen. 
Liegt es doch im Wesen der kapitalistischen Produktionsweise, immer 
größere Quantitäten zu fördern und zu verkaufen. Dazu aber ist 
die Vermehrung der Schachtanlagen das wichtigste Mittel. Der 
Bau eines neuen Schachtes V wurde aber noch durch eine weitere 
Erwägung bestimmt Schacht ü baute in der Gaskohlenpartie. 
Nun sahen wir bereits, daß diese Partie bei Schacht II abgebaut 
war und eine Vertiefung dieses Schachtes notwendig machte. 
Besonders ungünstig war dabei der Umstand, daß beim Abteufen 
eine 200 m mächtige flözleere Gebirgspartie zu durchsinken war, 
um zu der oberen Fettflözgruppe zu gelangen. Es mußte also 
diese kolossale Länge im unproduktiven Gestein durchteuft 
werden. Das aber hätte zu einer fast zweijährigen Unterbre- 
chung des Betriebes auf Schacht II geführt Daher nahm man 
von einer Vertiefung dieses Schachtes voriäufig Abstand. Sie 
vert>ot sich auch, wie in der Festschrift mitgeteilt wird, aus dem 
Grunde, »weil der nur 2,5 qm im Querschnitt weite Wetterschacht 
in Rücksicht auf Schacht I für die Inbetriebnahme der schlag- 
wetterreichen Fettkohlenflöze völlig unzulänglich war.' Infolge- 
dessen wurde in der Nähe von Schacht II ein neuer Schacht V 
abgeteuft Die finanziellen Rücklagen waren 1890 zu einem Um- 
fange gediehen, der den Beginn der Arbeit möglich machte 1894 
konnte die Kohlenförderung aus einer Tiefe von 530 m in An- 
griff genommen werden. In dem Geschäftsbericht von 1896 aber 



272 5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 

heifit es: »Auf unserm Schacht V waren wir während des ab- 
gelaufenen Geschäftsjahrs noch nicht in der Lage, die Förderung 
zur gewollten Höhe zu entwickeln, da sich der Wetterschacht bei 
der ziemlich starken Entwicklung von Schlagwettern in Flöz 
Gustav trotz seiner vollkommenen Einrichtungen für die Bewette- 
rung der drei Förderschächte Nr. I, II und V, die ihm obliegt, als 
nicht ausreichend erwiesen hat Diese Tatsache war schon seit 
Jahren bekannt, aber ihre Beseitigung erforderte sehr langwierige 
Aus- und Vorrichtungsarbeiten, unter anderm das Abteufen des 
Schachtes II um 200 m. Diese Arbeit, welche ihrerseits Vor- 
bereitungen von langer Hand bedurfte, kam im Berichtsjahre zur 
Ausführung; ihr folgte die Aufstellung eines mächtigen Ven* 
tilators auf diesem Schacht, welcher wiederum den Umbau der 
Tagesanlagen und die vorübergehende Unterbrechung der För* 
derung daselbst bedingte." Damit geht das Unternehmen von 
der Flamm- und Gaskohlen- zur Fettkohlenproduktion üt>er, und 
wir werden später noch sehen, welche grofie Umwälzung in der 
Anlage der Produktionsmittel über Tage dies zur Folge hatte. 
1902 hat der Schacht eine Tiefe von 620 m erreicht »In den 
Flözen der unteren Fettkohlengruppe, die in einer Tiefe von 
750 m erreicht werden, steht dann noch eine reiche Reserve für 
den Betrieb zur Verfügung, deren Nutzbarmachung wir unseren 
Nachkommen überlassen können."* Wir sehen, dafi auch dieser 
Neubau in der Zeit niedergehender Konjunktur zur Ausführung 
gelangt 

1896 als bereits die Hochkonjunktur auf dem Kohlenmarkte 
eingesetzt hatte, wird dann der Schacht II einem vollständigen Um- 
bau unterworfen und neu eingerichtet Die Schachtanlagen waren 
veraltet Sie stammten aus den Jahren 1867 — 1869 und ent- 
sprachen den Anforderungen an eine rationelle Kohlenförderung 
nicht mehr. Der Betrieb wurde daher am 1. März 1897 ein- 
gestellt Aber trotzdem war es möglich, die Förderung aus den 
Gaskohlenflözen dieses Schachtes aufrechtzuerhalten. Da die 
Schächte untereinander kommunizieren, wurden die Kohlen nach 
dem nächstgelegenen Schacht V geleitet und von dort aus zu- 
tage gefördert Wir lernen damit einen weiteren Vorteil kennen, 
der aus dem Vorhandensein mehrerer Schächte resultiert, die 
hier wie anderswo durchschlägig sind: Es kann das Fördergut 



* Geschäftsbericht von 1888. 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 273 

des einen Schachtes im Falle von Schachtreparaturen dem andern 
zugeführt werden. Dadurch verlieren Betriebsstörungen, 
die auf einem Schacht eintreten, ihren produktionsver- 
mindernden Einflufi. Die Denkschrift berichtet hierüber fol- 
gendes: ,Im Jahre 1897 wurde die Förderung aus den noch an- 
stehenden Pfeilern der Gaskohlenflöze des Schachtes 11 auf die 
500 m Sohle des Schachtes V geleitet und der Betrieb auf Schacht 11 
zwecks Umwandlung desselben in einen Wetterschacht mit be- 
schrankter Förderung eingestellt. Der schwierigste Teil der Um- 
gestaltung dieser Anlage bestand wiederum in dem Abteufen bis 
520 m und dem vollständigen Neuausbau des Schachtes auf 300 m 
Höhe. Die Wiederinbetriebsetzung der Anlage für die Kohlenförde- 
rung und die Wetterversorgung des Schachtes V erfolgte nach Mitte 
des Jahres 1898." Heute hat dieser Schacht ebenso wie Schacht VI 
eine Tiefe von 650 m. Er fördert nur noch in der Morgenschicht 
etwa 300 t taglich. Sein Hauptzweck aber ist seine Benutzung 
als ausziehender Wetterschacht 

Der Bau der letzten Schachtanlage wurde 1895 begonnen. 
Die Hochkonjunktur in der Montanindustrie hatte bereits ein- 
gesetzt Die Förderung war in starker Beschleunigung begriffen. 
Der ganze Kohlenmarkt d. h. die Preisbildung stand bereits seit 
1893 unter der Kontrolle des Rheinisch -Westfälischen Kohlen- 
syndikats. Das wichtigste Mittel der Kontingentierung der Pro- 
duktion war die bei jeder einzelnen Zeche auf die gegebene Be- 
teiligungsziffer in Anwendung kommende Einschränkung der 
Förderung. Um nun ein Gegengewicht gegen diese den 
kapitalistischen Expansionstendenzen der Kohlen- 
industrie Zügel anlegenden Einrichtungen zu haben, 
wurde ein neuer Schacht abgeteuft Dahlbusch hat hier 
dasselbe getan, was andere Gesellschaften auch taten. Dazu kam 
weiter, dafi man die tieferliegenden Flöze auch im südlichen 
Felde aufschliefien wollte, weil die Schachte III und IV in 
ihrer Förderung stark zurückgingen. Auf beiden war nach 
ISjahrigem Betriebe der gröfite Teil der vorhandenen Flamm- und 
Gaskohlenflöze abgebaut, und es mufite daher ein neuer Schacht 
zur Inangriffnahme der tieferiiegenden Fettkohlenpartie eingerichtet 
werden. Auch hier hatten ja die beiden Schachte III und IV weiter 
vertieft werden können. Bei IV geschah dies auch nach Er- 
öffnung des Schachtes VI. Aber die Verhältnisse lagen ganz 
ahnlich wie ursprünglich auf Schacht II. Eine weitere Vertiefung 

Stilllch, NationaUMumomlsctac Fonchungcn. B4. IL 18 



274 5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 

würde die Förderung auf diesen Schächten für längere Zeit unter* 
brechen haben. Es wäre nicht möglich gewesen, das ganze 
Quantum Kohle nach Schacht I zu leiten. Die Fettkohlenpartie 
aber konnte erst 200—300 m tiefer erreicht werden, weil zwischen 
der Gas- und Fettkohlengruppe ein kohlenleeres Oebirgsmittel in 
der eben erwähnten Mächtigkeit lag. Daher entschloß man sich 
zur Anlage des Schachtes VI. Das Projekt war schon 1892 fertig, 
aber zur Ausführung kam es erst 1895. Man baute also diesmal 
nicht in der schlechten, sondern während der guten Konjunktur, 
infolgedessen teurer. Der Schacht erhielt einen Durchmesser von 
5 m und doppelte Fördereinrichtung, d. h. zwei Fördertrums. Bei 
450 m Tiefe wurde das Flöz Viktoria erreicht, in einer Mächtig- 
keit von 1,50 m, so dafi bereits 1899 die Kohlenförderung be- 
ginnen konnte. Die Schachtanlagen waren also wesentlich früher 
in Betrieb gekommen, als man erwartet hatte. In dem Geschäfts- 
bericht 1895 waren fünf bis sechs Jahre angenommen. Die Förde- 
rung beträgt heute aus dem einen Trum 300, aus dem andern 
150 t täglich, im ganzen 450 t, ist also sehr gering. 

1900 und 1901 werden dann die beiden Schächte IV und VI 
weiter bis 634 und 654 m Tiefe niedergebracht, und die oberen 
Fettkohlenflöze Katharina und Gustav bei 600 bzw. 622 m Teufe, 
ersteres 1 m, letzteres 1,50 m mächtig, erschlossen.* 

Als nun Schacht VI im Betrieb war, konnte man weitere 
Mafinahmen auf der Doppelschachtanlage III/IV treffen. Die Förde- 
rung auf IV wurde ganz eingestellt und derselbe als ausziehender 
Wetterschacht für III und VI benutzt Er hatte also 22 Jahre lang 
den Zwecken der Förderung gedient Heute hat er noch eine 
kleine Fördermaschine, die nur für Hilfszwecke in Anspruch ge- 
nommen wird. 

Soviel über die Entwicklung im einzelnen. Heute dienen der 
Förderung fünf Schächte, nämlich I, II/V und IIIA^ Die Bewetterung 
übernimmt Schacht IV sowie Schacht II in einem besonderen Trum 
und ein kleiner Wetterschacht bei I. In den Geschäftsberichten 
der Gesellschaft werden drei Schachtanlagen unterschieden. Es 
besteht Schachtanlage I aus Schacht I und einem Wetterschacbt, 
Schachtanlage II aus den Schächten II und V und Schachtanlage HI 
aus den Schächten III, IV und VI. Aus der Darstellung geht 
hervor, dafi sich die Zahl der Schächte stark vermehrt hat 



♦ Denkschrift p. 18. 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 275 



An Stelle des einen Schachtes der 60er Jahre sind heute 
sieben vorhanden. Die meisten von ihnen wurden in 
Zeiten niedergehender Konjunktur abgeteuft. Das war 
mit grofien Ersparnissen an Baukosten, Löhnen usw. ver- 
bunden* Die längste Zeit erforderte das Abbohren des 
ersten Schachtes. Es dauerte sieben lange Jahre. Das 
Abteufen der andern fünf Förderschächte war in vier, 
höchstens fünf Jahren vollendet 

Die Anlage immer neuer Schächte wurzelt, wie wir 
sahen, in drei Momenten: erstens in der Massenerzeu- 
gungstendenz der kapitalistischen Produktionsweise, 
zweitens in dem durch den Abbau der Flöze in den 
oberen Horizonten auftretenden Kohlenmangel und dem 
dadurch notwendig werdenden Aufschlufi weiterer Felder, 
damit in Verbindung steht eine Dezentralisation des 
Kapitalrisikos; drittens in dem Bedürfnis nach Rück- 
versicherung gegen die Einschränkungen des Syndikats. 

Von der einschneidendsten Bedeutung aber war der zweite 
Punkt: wir sahen, dafi nach einer Reihe von Jahren intensiven 
Betriebes die Flamm- und Gaskohlenpartie abgebaut war und die 
Ausrichtung der oberen Fettkohlenflöze ein Gebot der Notwendig- 
keit wurde. Die Inangriffnahme der tieferliegenden Kohlenflöze 
konnte auf zweieriei Weise vor sich gehen, entweder durch Ver- 
tiefung der schon bestehenden Schächte oder durch Abteufen neuer 
Schachte. Es wurden beide Wege beschritten. 

Die Schächte gehen daher in immer größere Teufen nieder. 
Zuerst bewegte sich der Abbau auf Sohlen von 200 m und dar- 
unter, dann stieg er auf 400—500 m nieder, heute hat er schon 
mit Teufen von 600 m und mehr und in Zukunft mit solchen 
bis zu 800 m zu rechnen. Es beträgt zurzeit die Teufe 

von Schacht H 650 m von Schacht V 620 m 

VI 654 . . . m 438 . 

. IV 634 , , . I 402 . 

Daraus geht hervor, dafi heute die vier erstgenannten Schächte 
bereits in Teufen von über 600 m bauen. Das Hernieder- 
gehen in gröfiere Teufen aber hat zur Folge vermehrte 
Aufwendungen an Kapital und Kraftmitteln. Je länger der 
Weg ist, den die Kohle vom Füllort bis zur Hängebank des 
Schachtes zu durchlaufen hat, desto höhere Ansprüche werden an 
die Fördermaschine gestellt Es werden auch gröfiere und 

18» 



276 5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusdi. 

leistungsfähigere Ventilatoren nötig. Die vielfach unreine Fett- 
kohle erfordert die Anlage von Wäschen. Die bessere Ver- 
wertung der Feinfettkohle erheischt die Errichtung von Koks- 
of enbatterien, und diese wieder verlangen Anlagen zur Gewinnung 
von Nebenprodukten. Diese ganze Kette neuer Pro- 
duktionsmittel aber steht im Zusammenhang mit der 
Vertiefung der Schächte und der Gewinnung der Kohle 
aus den FettkohlenflOzen. Es müssen also zunächst um so 
leistungsfähigere Fördermaschinen aufgestellt werden, je mehr 
Kohle aus größeren Teufen herausgeholt wird. Einen Mafistab 
hierfür gibt die tägliche Förderung der einzelnen Schächte resp. 
der Schachtanlagen. Es betrug die mittlere Tagesförderung, wie 
schon früher im einzelnen bemerkt, von 



Schacht I 930 t Schacht HI 950 t 

V 660t/^^* 



n 300 t^ ^^ . . VI 450 



H 1400 t 



Im Jahre 1903 betrug sie auf 

Schachtanlage I 908,7 t 

n 1087^ t 

in 1496,9 t 

im Mittel 3492,7 t 

Was die Fördereinrichtungen anbelangt, so haben nur die 
Schächte V und VI neuere Systeme. Die Schnelligkeit der Förde- 
rung leidet allerdings unter der Anzahl der Etagen. Mufi fünfmal* 
gekapst werden, wie dies z. B. auf Schacht VI der Fall ist» so 
geht damit viel Zeit verloren.** Im einzelnen kann sich der Leser 
selbst am besten ein Bild aus folgenden Zahlenangaben machen. 



vy^i 1 uiudiv\^iu iiai 


Etagen 


Wagen 


auf Schacht I 


4 


4 


II 


2 


2 


. . V 


2 


4 


. ffl 


2 


4 


. VI 


6 


6 



* Die Bemerkung, dafi solche Förderkörbe mit sechs Wagen übereüunder 
nur auf den Schächten II und Hl der Zeche Deutscher Kaiser vorkommen, in 
Bd. V des Sammelwerks über die Entwicklung des niederrheinisch -westfilischen 
Kohlenbergbaus p. 295 ist daher nicht richtig. 

** Hierzu hat Herr Generaldirektor Tomson die Güte, folgendes zu be- 
merken: Dieser Obelstand wird jedoch durch eine besondere Art der Förder- 
einrichtung (Patent Tomson) ausgeglichen, die auch auf Zechen der Harpeoer 
Gesellschaft und in Oberschlesien auf dem Hillebrand-Schachte der Donnert- 
marckhütte in Anwendung ist 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 277 

In zweiter Linie aber werden mit den gröfieren Teufen auch 
die Bewetterungsmaschinen grOfier und teurer. Auf den drei 
Schachtaniagen sind drei Ventilatoren im Betriebe. Davon liefert 
der erste 1530, der zweite 5400 und der dritte 5200 cbm Luft 
pro Minute. Hingegen wird die Leistung eines aus Belgien be- 
zogenen Fabiyschen Ventilators im Jahre 1873 auf 494,4 cbm 
Luft pro Minute angegeben.* Jede der drei Schachtanlagen hat 
außerdem je einen Reserveventilator, dessen Leistungsfähigkeit 
nodi grOBer ist als die angegebene. Durch dieses Prinzip der 
Haltung von Reservemaschinen wird das fixe Kapital ebenfalls 
nicht unbedeutend vergrößert, daffir aber eine höhere Betriebs- 
sicherheit erzielt Wir sehen aus dieser Zusammenstellung, dafi 
der leistungsfähigste Ventilator auf der Schachtanlage II steht Das 
hängt damit zusammen, dafi dort um die Mitte der 90er Jahre 
der Betrieb auf den Abbau der Fettkohlenflöze übergeht, während 
auf den Anlagen I und DI noch hauptsächlich die Gaskohlenflöze 
ausgebeutet wurden. Mit dem Übergang m die Fettkohlenpartie 
aber b^ann der Kampf mit den Schlagwettern. In der Denk- 
schrift heifit es: »Die schnelle Inangrifhiahme der Fettkohlenflöze, 
die Durchörterung der verschiedenen, starke Schlagwetter führen- 
den Störungen hatten bei den Arbeiten eine Gasmenge herbei- 
geführt, die man für die Tonne Förderung auf 68 cbm berechnet 
hatt 80 dafi trotz kräftigster Bewetterung der Oasgehalt des aus- 
ziehenden Hauptstroms noch 0,90% betrug. Indes hat sich dieser 
Zustand jetzt wesentlich gebessert; der Oasgehalt ist auf 0,4 P/o 
gesunken und die Bewetterung so gut eingerichtet, dafi An- 
sammlungen von Schlagwettern an den Ortem nur sehr selten 
anzutreffen sind. In den vier Jahren, seitdem der Betrieb in den 
Fettkohlenflözen aufgenommen wurde, ist noch kein Unfall infolge 
von Schlagwettern zu beklagen gewesen. In der am stärksten 
belegten Schicht beträgt die Bewetterung in den Fettkohlenflözen 
17 cbm pro Kopf." Die in der Denkschrift aufgestellte Be- 
hauptung, dafi Unfälle durch Schlagwetter bisher nicht zu be- 
klagen gewesen seien, entspricht jedoch nicht den Tatsachen. 
Vielmehr ereignete sich in der Nacht vom 13. zum 14. August 
1898 auf der Schachtanlage U/V eine Schlagwetterexplosion, die 
fünf Bergleute betraf, von denen nachträglich zwei an ihren Ver- 
letzungen zugrunde gingen. Der Vorgang war folgender:** Nach 

* Zdtschr. f. Berg-, Hatten- und StUnenwesen Bd. 21 p. 64. 
^ Zdtschr. f. Berg-, Hatten- und Salinenwesen Bd. 47 p. 395—396. 



278 ^' Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 

Fertigstellung der ihnen aufgetragenen Arbeiten hatten sich die 
Schachthauer, fünf an der Zahl, auf dem Füllort der V. Sohle ver- 
sammelt, um nach einer kleinen Ruhepause mit dem am FüUorte 
haltenden Förderkorb zu Tage zu fahren. Ein Schachthauer, der 
im Begriff war, den Förderkorb als erster zu besteigen, strauchelte 
und kam, die mit doppeltem Drahtkorb versehene Sicherheits- 
iampe nebst einigen Gezähestücken in der Hand, zu Falle. In 
demselben Augenblicke erfolgte nach Angabe der Arbeiter die Ex- 
plosion, indem eine starke Flamme aus dem Schachte schlug und 
sämtliche Anwesenden mit grofier Gewalt rückwärts auf das Füll- 
ort schleuderte. Vier der Verletzten fanden in der Dunkelheit den 
Weg zum Schachte V, von wo ihnen nach Offnen der letzten 
Wettertür ein frischer Luftstrom entgegendrang; der fünfte 
flüchtete in den südlichen Querschlag und wurde hier etwa eine 
Viertelstunde später von den Rettungsmannschaften au^efunden. 
Die Lampen der Verletzten wurden mit Ausnahme einer unbe- 
schädigt aufgefunden. Diese letztere, dem zu Falle gekommenen 
Arbeiter gehörig, lag mit zertrümmertem Glaszylinder nahe dem 
FOrderkorb. Die Explosion erfolgte nach 3 V2 stündigem Still- 
stände des Ventilators. Man sieht aus dieser Tatsache, von welch 
eminenter Bedeutung eine ständige Bewetterung der unterirdischen 
Räume ist Ein guter leistungsfähiger Ventilator ist der beste 
Schutz gegen die grofie Gefährdung der Gesundheit und des 
Lebens, der der Arbeiter unter Tage ausgesetzt ist 

Man kann sich vorstellen, welche kolossale Luftströmung eine 
derartige Luftmenge, wie wir sie oben kennen gelernt haben, in 
den Strecken verursachen mufi. Daher kam es, dafi im Winter 
die Arbeiter unter der Kälte des einziehenden Luftstromes sehr 
zu leiden hatten und sich EisbUdungen im Schachte bemerkbar 
machten. Um diesen Obelständen abzuhelfen, wurden 1901 auf 
dem einziehenden Schachte Anwärmer aufgestellt Sie be- 
standen aus einem System von 18 Röhren, die in drei Reihen 
über einen Koksrost verteilt wurden. Die darüberstreichende, 
von aufien kommende Luft wurde hier auf eine Temperatur von 
100 — 200^ erhitzt und mischte sich infolge der durch den Venti- 
lator hervorgerufenen Depression sofort mit dem in dem Schacht 
einziehenden Wetterstrom. Dieses System hat, wie die Denk- 
schrift bemerkt, zu ausgezeichnetem Ergebnis geführt und ist in- 
folgedessen auch bei den andern einziehenden Schächten zur 
Anwendung gekommen. 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 279 

Ferner werden mit der aus grOfieren Tiefen erfolgenden Auf- 
nahme der FettkohlenfOrderung kompliziertere Aufbereitungs- 
anstalten nötig. Solange die Gesellschaft in der Gaskohlenpartie 
baute, hatte sie es mit reinen und sauberen Kohlen zu tun, die 
in sehr einfacher Weise aufbereitet wurden: Man liefi sie auf 
Siebe fallen und sortierte sie in drei Klassen: über 80 mm, 80 bis 
30 mm und unter 30 mm. Zuerst war es die Schachtanlage n, 
wo um das Jahr 1894 der Abbau der FettkohlenflOze einsetzte. 
Es wurde infolgedessen 1895 eine Baumsche Wäsche mit einer 
Leistungsfähigkeit von ständlich 60 t eingerichtet, die aber nur 
wenig in Betrieb gewesen ist Aber bald genügte dies nicht 
mehr. Die Förderung von Fettkohlen nahm immer mehr zu, und 
so wurde 1901 mit dem Bau einer neuen Lührigschen Wäsche 
und Separation auf den Schächten II und V begonnen. In dem 
Bericht von 1895 wird der Bau der Baumschen Wäsche folgender- 
mafien motiviert: »Um in der Lage zu sein, Kohlen für alle in- 
dustriellen Zwecke, besonders für die Kokserzeugung liefern zu 
können, haben wir den Bau einer mechanischen Sieberei und 
Kohlenwäsche in Angriff genommen." Die neue Wäsche wäscht 
in der Stunde bis zu 100 t. 

Schliefilich wurde dann im Jahre 1902 mit dem Vordringen in 
die Fettkohlenflöze auf Schachtanlage III auch für den Schacht VI 
eine Kohlenaufbereitungsanlage nötig. Diese mufite von vornherein 
für die Verarbeitung von 2000 t Fettkohle, die in den nächsten 
Jahren zu erwarten stand, eingerichtet werden. Man baute daher 
eine grofie Doppelanlage, d. h. zwei vollständig getrennte Systeme, 
von denen jedes seine Sieberei und seine Wäsche enthielt, und 
die nur gewisse Teile gemeinsam haben. Jedes System ist im- 
stande, 120 t Förderkohle zu verarbeiten. Die Ausführung der 
Anlagen erfolgte durch die Maschinenbauanstalt Humboldt in Kalk 
bei Köln. Aus diesen Tatsachen ergibt sich, wie die Leistungs- 
fähigkeit der Wäschen wächst, was naturlich mit ihrer 
GröBe zusammenhängt Während die alte Wäsche auf 
Schachtanlage II nur 60 1 Kohlen in der Stunde wusch, ver- 
arbeitet die auf III mit einem Systeme bereits die doppelte 
Menge. Doch sind Leistungen von 150 t heute keine Seltenheit 

Es zeigt sich also deutlich, wie das immobile Kapital 
mit dem Vordringen des Abbaus in die Fettkohlenflöze 
gröBer wird und wie der ganze unterirdische Betrieb die 
Anlagen über Tage beeinflußt 



280 ^- Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 

Die Ausbeutung der Fettkohlenflöze aber führte nicht nur 
zur Einrichtung komplizierter Sortier- und Waschvorrichtungen, 
sondern auch zur Anlage von Koksöfen. Die Fettkohlen be- 
stehen zu einem grofien Teil aus Feinkohlen, und diese lassen 
sich am besten verwerten, indem sie zu Koks verarbeitet werden. 
Daher wurden 1900 und 1901 zweimal 30 Koksöfen Ottoschen 
Systems auf Schachtanlage II gebaut 1903 und 1904 folgte der Baa 
zweier ebensogrofier Batterien auf Schachtanlage III. Die Ofenfullui^ 
beträgt pro Kammer 7,5 t, die Garzeit dauert bei normalem Be- 
trieb nebst Zeit zum Ausdrücken und WiederffiUen der Ofen 
28 Stunden. Infolgedessen können auf jeder der beiden Anlagen 
48 — 50 Ofen täglich gedrückt werden. Das Ausbringen belauft 
sich auf 73 — 74 7o. Jede Ofenkammer produziert je nach Be- 
schaffenheit der Kohlen 1500—1600 t Koks jähriich. Der Koks- 
kuchen wird durch Ausdrückmaschinen aus dem Ofen heraus- 
gestofien. An der Ausdruckmaschine auf Schachtanlage 11 sind keine 
Planiervorrichtungen angebracht, so dafi die Kohlen, nachdem sie 
in die Ofenkammer gestürzt sind, mit der Hand eingeebnet werden 
müssen. Es fehlt also hier die Verwirklichung eines tech- 
nischen Fortschritts, der auch von sozialer Bedeutung 
ist, weil gerade die Planierarbeit zu den schwersten und 
ungesundesten gehört Seitdem übrigens die Vorzüge der 
Planiervorrichtungen allgemein anerkannt sind, wurden diese auf 
der neuen Kokerei der Schachtanlage III an der Ausdrückmaschine 
ebenfalls durchgeführt. 

Mit der Fabrikation von Koks sind dann aber weitere Anlagen 
zur Gewinnung von Nebenprodukten notwendig geworden. 
So zieht eine Einrichtung die andere nach sich. Damit vergröSert 
sich wiederum das immobile Kapital. In dem mit den Koksöfen 
verbundenen Nebenanlagen wird Teer, Ammoniak und Pech ge- 
wonnen. Eine Benzolanlage ist geplant, bis jetzt aber noch nicht 
zur Ausführung gekommen. Es mögen auch hier die Gründe 
mitsprechen, die ich bereits an anderer Stelle eingehend erörtert 
habe. 

Durch diese Errichtung von Koksofenbatterien mit Gewinnung 
von Sekundärprodukten tritt gleichzeitig eine Verbilligung der 
Betriebskraft für die ganze Zeche ein. Die früher mit Kohlen 
geheizten Dampfkessel werden jetzt teilweise mit Koksofengasen 
geheizt A tempo werden aber die Dampfkessel immer mehr 
überflüssig. An ihre Stelle treten Gasmotoren. In der Jubiläums- 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 281 



Schrift ist diese weitere Entwicklung des Betriebes bereits ange- 
deutet Dort beißt es: »Da zur Heizung der Koksöfen nicht alle 
Oase nötig sind, welche nach der Kondensation und Waschung 
übrig bleiben, so werden diese überschfissigen Gase zur Heizung 
der Dampfkessel und zu sonstigen Heiz- und Kochzwecken be- 
nutzt; am vorteilhaftesten verwerten sich dieselben in 
Gaskraftmotoren. Es ist erwiesen, dafi von den überschießenden 
Gasen bei einer Anlage von 60 Koksöfen mit Nebenprodukten- 
gewinnung 750—800 Pferdekräfte in Gasmotoren erzeugt werden 
können." 

Femer hängt mit diesen Tatsachen zusammen die Neuein- 
richtung zweier elektrischer Zentralen. Diese wurde aber erst 
in den letzten Jahren begonnen. Ober die diesbezüglichen all- 
gemeinen Verhältnisse sagt die Verwaltung in der Festschrift 
folgendes: ,Die Gesichtspunkte, welche für die Anlage elektrischer 
Zentralen auf Bergwerken maßgebend sein müssen, sind haupt- 
sächlich folgende: Was mit derartigen Anlagen bezweckt wird, 
ist, eine Energieform zu schaffen, die den Antrieb aller Arbeits- 
maschinen über und unter Tage, auch der entferntesten, mft dem 
größten Nutzeffekt ermöglicht, und diese Energie auf möglichst 
wirtschaftliche Weise in der Zentrale selbst zu erzeugen. Dabei 
muß die Anlage in allen Einzelheiten die größtmöglichste Be- 
triebssicherheft gewährleisten, und zwar auch dann, wenn ein un- 
unterbrochener Tag- und Nachtbetrieb verlangt wird. Aus diesem 
Grund muß sie auch über eine hinreichend große Anzahl elektro- 
gener Elemente verfügen, damit, wenn ein Unfall an einer der 
Maschinen vorkommt, das Ausschalten dieser durch eine Reserve- 
maschine oder durch verstärkten Betrieb der andern Elemente 
ausgeglichen wird. Des weiteren entspricht es der Natur aller 
Bergwerkst)etriebe, die im Laufe der Zett fortdauernd Wandlungen 
unterworfen sind und stets Erweiterungen und Vervollkommnungen 
verlangen« daß auch die elektrische Zentrale jederzeit bequem zu 
erweitem sein muß." 

Man wählte das Drehstromsystem und eine Betriebsspannung 
von 2000 Volt, die am besten für die gleichzeitige Versorgung 
der Lampen und der Arbeitsmaschinen paßt Der Bau der beiden 
elektrischen Zentralen auf Schachtanlage in und ü erfolgte durch 
die Firma Siemens & Halske. Die elektrische Energie in den 
Zentralen, teilweise mittelst Turbomotors erzeugt, entspricht zurzeit 
2000 PS. 



282 5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 

Mit der Einffihrung des elektrischen Betriebes zur Wasser- 
haltung, Bewetterung, Streckenförderung usw. vollzieht sich eine 
vollständige Umwälzung. Aus den obigen Dariegungen ergibt 
sich, dafi an Stelle der vielen verteilten Damphnaschinen eine 
zentrale Kraftquelle tritt Diese primäre Krafterzeugung modelt 
aber auch die Arbeitsmaschine um. An Stelle von schwerfäHigen, 
langsamen Pumpen verlangt die elektrische Wasserhaltung Ro- 
tationspumpen von 1000, 1500 Umdrehungen in der Minute, 
»kleine, zierliche Maschinen, aber von größter Leistung und 
Sicherheit."* Die Einführung der Elektrizität auf Dahlbusch be- 
deutet für diese Zeche eine Revolutionierung des größten Teils 
ihrer Arbeitsmittel. Die Abhängigkeit ihrer Konstruktion und 
Leistungen von der Kraftquelle ist hier eklatant 

Außer den bisher erwähnten Produktionsmitteln besitzt die 
Gesellschaft noch eine Ziegelei. Sie wurde 1897 auf den 
Schachten \W erbaut zur Nutzbarmachung der bei der Kohlen- 
gewinnung fallenden Berge. In dem Geschäftsbericht von 1898 
heißt es: .Das Produkt ist von guter Beschaffenheit und findet 
regelmäßigen Absatz. Die Anlage liefert gute Überschüsse und 
erzeugt 12000—15000 Stück pro Tag. Wir sind außerdem bei einer 
Gesellschaft beteiligt, welche eine gleiche Fabrik auf unserem 
Schachte III und IV errichtet hat« Was diese Beteiligung anbe- 
langt, so lieferte die Zeche die Berge und überließ deren Ver- 
arbeitung unter Vorbehalt der Kontrolle einem Privatunternehmer, 
da das einzige für eine Ziegelei geeignete Grundstück 
nicht käuflich war. Beide Ziegeleien produzieren heute etwa 
10000000 Steine. Der Verkauf wird in beiden Fällen durch die 
Gesellschaft bewirkt Es handelt sich hier um Nebenanlagen, die 
dem Unternehmen den Vorteil bieten, zu große Anhäufung von 
Bergemassen zu verhindern. Ober den Weg, den die Erzeugung 
nimmt, teilt die Denkschrift noch folgendes mit Die reinen 
Schieferberge, die weder Holz noch Kohle enthalten und entweder 
durch Nachreißen des Nebengesteins oder bei Auffahrung von 
Querschlägern usw. gewonnen sind, werden zutage gehoben 
und durch mechanischen Transport nach der Ziegelei geschafft, 
die etwa 150 m vom Schachte II entfernt liegt und gleichfalls 
mechanisch angetrieben wird. Die Berge gelangen in eine 
Quetschmühle und aus dieser langsam auf zwei Kollergänge, die 



* German: a. a. O. p. 222. 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 



283 



sie zu Mehl vermählen. Dieses gelangt dann in einen Mischtrog 
mit Schnecke, wo es mit etwas Wasser versetzt wird. Aus diesem 
wird es vier Dampfpressformen zugeffihrt, die in der Stunde 
700 Steine zu liefern vermögen. Das Mehl wird hier also ein- 
fach durch Druck zu Klinkern geprefit, die dann in einem 
Ringofen mit 20 Kammern gebacken werden. Die Ziegelei be- 
schäftigt 17 Arbeiter, die von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends 
arbeiten." 

Damit haben wir die Produktionsmittel erschöpft Es kam 
vor allem auf den Nachweis des Kausalnexus an, der 
zwischen der Art und Lage (Teufe) der geförderten Kohle 
und der durch diese bedingten Vermehrung der Produk- 
tionsmittel besteht Die Einrichtungen von Dahlbusch 
liefern den Beweis, wie die Immobilisierung des Industrie- 
kapitals ständig zunimmt Dafi dieser Prozefi sich vollzogen 
hat ohne Vergröfierung des Aktienkapitals, ist ein Punkt, den ich 
bei Besprechung der Rente des Unternehmens noch werde näher 
zu berücksichtigen haben. 

Wir kommen nun zu dem dritten Produktionsfaktor, der 
menschlichen Arbeit Das Material aber diese Verhältnisse 
ist außerordentlich spärlich. In den Geschäftsberichten ist kaum 
davon die Rede. Nur im Jahre 1889, als der grofie westfälische 
Koblenarbeiterstreik die Zeche bis in ihre Eingeweide aufwählte, 
vermerkt der Geschäftsbericht, dafi sich infolge der 32tägigen 
Arbeitsunterbrechung auf Dahlbusch ein Ausfall von rund 40000 1 
Kohle ergeben habe. »Den Gewinnausfall, den wir durch diese 
Unterbrechung des geregelten Betriebes und der ruhigen, durchaus 
gesunden Geschäftsentwicklung eriitten haben, schätzen wir an- 
nähernd auf 220000 Mark; gleichzeitig ist unseren Bergleuten 
ein Lohnbetrag von 140000 Mark entgangen, so dafi sich der 
wirtschaftliche Veriust in diesem Kampfe für beide Teile auf 
360000 Mark belaufen mag." 

Ober die Lohnentwicklung auf der Zeche gibt folgende Tabelle 
Auskunft Es betrug: 



sahl 


Zahl der 
atbStitt 


Oesahltc 
Bnittolöline 

In Mark 


MitUerer 
Brutto- 
verdieost 
pro Mann 
und Jalir 


Jähret- 
sahl 


Zahl der 

Berg- 
art>cltcr 


OesahlU 
BretlolOhoe 

in Mark 


Mittlerer 
Bnatto- 
verdieott 
pro Mann 
und Jahr 


1873 
1874 


963 
914 


788126 
1209516 


1377 
L9M0IUU 

1323 


1875 
1876 
1877 


1028 
1198 
1334 


1225137 
1269184 
1341713 


1192 
1059 
1006 



284 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbosch. 



Jalues- 
saU 


Zahl der 
iib^cr 


Oezahlte 
BnittolStiiK 

in Mark 


Mittlerer 
Brutto- 
verdienst 
pro Mann 
und Jabr 


Jahres- 
zahl 


Zahl der 
arbeltcr 


Oezahlte 
Bruttoiehns 

In Mark 


Mittlerer 

verdienst 
pro Mms 
und Jahr 


1878 


1576 


1510572 


959 


1891 


2319 


3238526 


1397 


1879 


1720 


1648401 


959 


1892 


2421 


3198912 


1321 


1880 


1887 


2017000 


1069 


1893 


2489 


3207327 


1289 


1881 


1907 


1984847 


1041 


1894 


2503 


3211617 


1283 


1882 


1971 


2111689 


1071 


1895 


2562 


3358144 


1307 


1883 


2010 


2206218 


1098 


1896 


2659 


3595167 


1356 


1884 


2016 


2163245 


1073 


1897 


2708 


3789183 


1399 


1885 


1869 


2100255 


1124 


1898 


2864 


4034120 


1409 


1886 


1884 


1983054 


1053 


1899 


2958 


4336765 


1466 


1887 


1950 


2057701 


1055 


1900 


3201 


4946469 


1545 


1888 


2020 


2254464 


1116 


1901 


3352 


4951552 


1477 


1889 


2020 


2459025 


1217 


1902 


3292 


4447950 


1330 


1890 


2224 


2971256 


1336 


1903 


3441 


4756252 


1355 



Hieraus ergibt sich, dafi die Zahl der Arbeiter, von den 
beiden Rfickschlagsjahren 1885 und 1902 abgesehen, dauernd ge- 
stiegen ist Was den Verdienst anbelangt, so schmiegen sidi 
dessen Schwankungen im allgemeinen der Konjunktur an. Der 
Lohn steigt mit steigender und sinkt mit fallender Konjunktur. 
Diese Tatsache kommt in der historischen Gestaltung des mittleren 
Bruttoverdienstes pro Mann und Jahr zum Ausdruck. Die Arbdt 
der Kohlenförderung vollzieht sich in zwei Schichten. Die Morgen* 
Schicht dauert von 6 bis 2, die Nachmittagsschicht von 2 bis 
10 Uhr. Nur auf Schacht II wird in einer Schiebt gefördert wegen 
der geringen noch anstehenden Kohlenmengen. Der Nutzeffekt 
wird in der Festschrift auf 0,98 t pro Mann und Schicht an- 
gegeben. Aus dieser Zahl allein lassen sich fa-eilich keinerlei weitere 
Schiasse ziehen. Wie groß das Quantum geförderter Kohle pro 
Arbeiter ist, geht aus folgender Zusammenstellung hervor. 



Jahreszahl 


Kohle 
t 


Zahl der 
Arbeiter 


Aufl 
Arbeiter 
kamen t 


Jahreszahl 


Kohle 

t 


Zahl der 
Arbeltar 


Aal 1 
AiMler 
kancnt 


1864/65 


78199 


290 


269 


1872/73 


145106 


728 


199 


1865/66 


89553 


311 


288 


9 Monate 








1866/67 


92352 


305 


303 


1873. 


161611 


963 


168 


1867/68 


96671 


315 


307 


1874 


238006 


914 


260 


1868/69 


103509 


350 


296 


1875 


255642 


1028 


249 


1869/70 


105052 


363 


289 


1876 


283637 


1198 


237 


1870/71 


108751 


420 


259 


1877 


403065 


1334 


302 


1871/72 


174539 


657 


266 


1878 


536017 


1576 


340 



5. Bergwerksgesellscbaft Dahlbusch. 



285 



JaliKuahl 


Kobte 

t 


Zahl der 
Arbeiter 


Auf 1 
Arbeiter 
kamen t 


Jahreszahl 


Kohle 
t 


ZaUdcr 
Arbeiter 


Aufi 
Arbeiter 
kirnen t 


1879 


623130 


1720 


362 


1892 


805049 


2421 


332 


1880 


772290 


1887 


409 


1893 


829268 


2489 


333 


1881 


763598 


1907 


400 


1894 


814350 


2503 


325 


1882 


762407 


1971 


387 


1895 


817933 


2569 


318 


1883 


790251 


2010 


393 


1896 


865765 


2652 


326 


1884 


769906 


2016 


382 


1897 


833155 


2708 


318 


1885 


685988 


1869 


367 


1898 


883764 


2864 


308 


1886 


646299 


1884 


343 


1899 


888317 


2958 


300 


1887 


730546 


1930 


375 


1900 


957523 


3201 


299 


1888 


855159 


2020 


423 


1901 


977765 


3352 


292 


1889 


815167 


2020 


403 


1902 


953915 


3292 


290 


1890 


877209 


2224 


394 


1903 


1034214 


3441 


301 


1891 


850005 


2319 


366 











Die Abnahme der Leistung von ca. 400 auf ca. 300 t steht 
in Zusammenhang mit der durch die Tagesanlagen bedingten 
Vermehrung der nicht unmittelbar mit der Förderung beschäftigten 
Belegschaft Die anderen Grfinde habe ich bei Hibemia erörtert 

Auf Schacht II sind bereits Schrämmaschinen Garforthschen 
Systems im Gebrauch. Ober ihre wirtschaftliche und soziale Be- 
deutung habe ich anläßlich ihrer Verwendung auf Shamrock das 
Nötige gesagt Jedoch liegen auf Dahlbusch die Verhältnisse 
offenbar anders. Denn nach einer mir von der Verwaltung ge- 
machten Mitteilung sind die Resultate dieser versuchsweise 
eingeführten Schrämmaschinen keine günstigen. Es hat sich 
herausgestellt, dafi die Lagerung der Flöze und ihre Mächtig- 
keit der Anwendung solcher Maschinen hindernd im Wege 
stehen. Die Häuer gewinnen die Kohlen noch heute zu einem 
grofien Teil im Pfeilerbau. Im Jahre 1900 wurden auf Dahlbusch 
58% sämtlicher Kohlen durch dieses System hereingenommen. 
Man wendet vor allem eine Spielart, den Pfeilerrückbau, an. 
Freilich haben die grofien Bodensenkungen und Beschädigungen 
an Häusern in den letzten Jahren zur Einführung des Strebbaus 
mit Betgeversatz am meisten beigetragen. 

Mit der Arbeiterbevölkerung hat auch die Umgebung der 
Zeche eine ganz andere Gestalt angenommen. Die Bergwerks- 
untemehmungen führen alle zur Konzentration der Bevölke- 
rung, deren Dichtigkeit zunimmt An Stelle spärlich besiedelter 
Dörfer treten belebte Städte. Diesen Entwicklungsgang hat auch 
das mit der Zeche eng verbundene Rotthausen durchgemacht 



286 5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 

Es ist mit der Vergrößerung von Dahlbusch gewachsen. Die 
Denkschrift berichtet hierüber folgendes: »Die Entwicklung 
der Gemeinde Rotthausen ist mit derjenigen der Zeche Dahl- 
busch eng verknfipfL Noch als unser langjähriger Generaldirektor 
B. Schulz -Briesen im Dezember 1863 seinen Einzug auf dem 
Werke hielt, hatten die allgemeinen Verhältnisse den Charakter 
der Dürftigkeit und Beschränkung. . . . Die Gemeinde Rotthausen 
hatte damals etwa 700 Einwohner und besaß weder Schule noch 
Kirche, welche sich in der benachbarten Ortschaft Gelsenkirchen 
befanden. Selbst ein Wirtshaus fehlte in der Gemeinde. Zur 
Verbindung mit der Umgegend dienten schmale ausgefahrene Feld- 
wege. Nach der rheinischen Landgemeindeordnung, die übrigens 
noch heute besteht, hatte die Industrie kein Recht der Vertretung 
im Gemeinderate. Das Aufblühen der Gemeinde, das sich mehr 
und mehr an die Entwicklung der Zeche Dahlbusch knüpfte, 
führte endlich auch dahin, daß der Vertreter der Gesellschaft Ein- 
zug in den Gemeinderat, in die Bürgermeistereivertretung und den 
Provinziallandtag hielt . . . Wir haben die allgemeinen Zustände 
im Anfang der 60 er Jahre letztverflossenen Jahrhunderts ge- 
kennzeichnet, um sie in Vergleich zu stellen mit den heute vor- 
liegenden. Die Gemeinde Rotthausen hat sich zu einem fast 
städtischen Gemeinwesen von nahezu 18000 Einwohnern ent- 
wickelt; sie besitzt eine katholische und eine evangelische Kirdie, 
ein Polizeikommissariat mit Melde- und Standesamt, in ihr er- 
heben sich neun stattliche Schulgebäude, in welchen nach der 
Statistik von 1900 3309 Kinder von 47 Lehrkräften unterrichtet 
werden. Das Gemeindebudget, das im Jahre 1862 1800 Mark 
betrug, hat sich im Jahre 1901 auf die bemerkenswerte Höhe von 
390000 Mark emporgeschwungen. Eine große Provinzialstrafie, 
welche die Gemeinde von Süd nach Nord zur Verbindung von 
Steele mit Gelsenkirchen durchzieht, und deren Bau sehr wesent- 
lich der Direktion unserer Gesellschaft zu verdanken ist, wird von 
einer elektrischen Straßenbahn durchfahren. . . . Rotthausen, einst 
eine kleine Bauernschaft, bildet so das Bild eines gesunden, auf- 
strebenden Gemeinwesens, dessen Entwicklung durchaus nicht als 
abgeschlossen betrachtet werden kann." 

Auf der Grundlage dieser Faktoren ist die Zeche Dahlbusch in 
der Lage gewesen, ihre Förderung an Kohlen den Umfang annehmen 
zu lassen, den sie heute hat Deren geschichtliche Entwicklung 
spiegeU sich in folgenden Zahlen wieder. Die Förderung betrug: 



5. Beigwerksgesellschaft Dahlbusch. 



287 







MitUtn FOrdc- 






Mittlere FOrdtt- 


jahrtmbl 


pro Jahr 

t 


rnng pro Tag 
t 


JahfctnU 


pro Jahr 

t 


nug pro Tag 

t 


1860/61 


51160 


173 


1882 


762407 


2561 


1861/62 


57283 


195 


1883 


790251 


2672 


1862/63 


60542 


205 


1884 


769906 


2612 


1863/64 


69466 


235 


1885 


685988 


2324 


1864/65 


78199 


265 


1886 


646299 


2258 


1865/66 


89553 


303 


1887 


730546 


2487 


1866/67 


92352 


313 


1888 


855159 


2880 


1867/68 


96671 


331 


1889 


815167 


2882 


1868/69 


103509 


351 


1890 


877209 


2968 


1869/70 


105052 


356 


1891 


850005 


2860 


1870/71 


108751 


368 


1892 


805049 


2785 


1871/72 


174539 


591 


1893 


829268 


2783 


1872/73 


145106 


660 


1894 


814350 


2823 






(»Monate) 


1895 


817933 


2823 


1873 


161611 


725 


1896 


865765 


2882 


1874 


238006 


820 


1897 


863155 


2886 


1875 


255642 


868 


1898 


883764 


2964 


1876 


283637 


983 


1899 


888317 


2988 


1877 


403065 


1398 


1900 


957523 


3199 


1878 


536017 


2004 


1901 


977765 


3305 


1879 


623130 


2300 


1902 


953914 


3270 


1880 


772290 


2589 


1903 


1034214 


3493 


1881 


763598 


2568 









Aus diesen Zahlen geht hervor, daß sich die Förderung von 
Kohlen ursprünglich im verhaltnismäfiig engen Rahmen bewegte. 
Sie belief sich im Jahre 1860/61 auf 51160 t und steigt dann 
fortwährend an bis zum Jahre 1880, wo sie 772290 t beträgt In 
diesen 20 Jahren steigerte sich die Erzeugung des Unternehmens 
also um das Ffinfzehnfache. Dieser Aufwärtsbewegung legte die 
Krisis von 1874—1879 keine Zfigel an, im Gegenteil: Der Aus- 
fall im Preise wurde durch die Vermehrung der Produktion und 
die dadurch bedingte Erniedrigung der Produktionskosten zu kom- 
pensieren versucht Als Grund für diese Steigerung während der 
Krisis führt der Bericht über das Jahr 1875 den gesteigerten Ver- 
brauch an. Er bemerkt, dafi der Kohlenkonsum trotz des Danieder- 
Uegens fast aller andern Industriezweige in ständiger Zunahme be- 
griffen sei. Diese merkwürdige Erscheinung wird bestätigt durch 
die Statistik. Es betrug der Absate:* 

* Siehe Reu£: Mitteilungen aus der Geschichte des legi. Oberl)erganits 
10 Dortmund und des niederrheinisch-westf äiischen Kohlent>ergt>aus In der Zdtschr. 
f. Berg«, Hatten* und Salinenwesen im preufiischen Staate Bd. 40 p. 387. 



288 



5. Bergwtfksgesellschaft Dahlbusch. 



1873 


15,3 Millionen 1 


t im Werte 


von 169.0 Millionen Mark 


1874 


14,4 






. 158.3 




1875 


15.7 






. 114.4 . 




1876 


16,3 






. 101.6 . 




1877 


16,4 






. 81.7 . 




1878 


17.9 






. 80.6 . 




1879 


19,1 






. 79.1 





Man darf nur nicht fibersehen, dafi es die Preissenkung war, 
wie sie in der zweiten Zahlenreihe zum Ausdruck kommt, die den 
Konsum steigerte. 

Übrigens zeigen dann die 80 er Jahre ganz ähnliche Ver- 
hältnisse, wenn auch nicht so scharf betont In dieser De- 
pressionsperiode aber weicht die Erzeugung von Dahlbusch von 
dem allgemeinen Bilde der Kohlenproduktion nicht unerheblich 
ab: Es erfolgt auf der Zeche ein Rückgang resp. Stillstand in der 
Aufwärtsbewegung der Absatzziffem. Die Kurven verlaufen 
in Zickzackbewegungen * Wir sehen also, dafi die beiden Krisen 
in den 70 er und den 80 er Jahren ganz verschieden gewirkt 
haben: in der einen wird die Förderung weiter gesteigert, in 
der andern tritt das Gegenteil ein. Die Ursache der letzteren 
Erscheinung werden wir bei den Absatzverhältnissen noch näher 
dariegen. Der Tiefpunkt wird im Jahre 1886 erreicht, mit 646299 1 
Die folgende Zeit bis 1894 zeigt auch noch keine einheitllcbe 
Bewegung. Das Jahr 1889 bringt infolge emer durch den be- 
kannten Kohlenarbeiterstreik bedingten Unterbrechung von 32 Tagen 
einen Ausfall von rund 40000 t Mit 1895 beginnt dann eine nur 
1897 und 1902 wenig unterbrochene Aufwärtsbewegung, die die 
Kohlenförderung im Jahre 1903 auf über eine Million Tonnen 
hinaufwirft 

Aus dieser ganzen Entwicklung ersehen wir eine auch 
durch das Syndikat nicht gebändigte Steigerungstendenz 
der Produktion trotz einzelner Rückschläge. Dafi das 
Syndikat die steigende Richtung nicht abschwächte, hängt mit 
der Vermehrung des Kohlenkonsums und der damit steigenden 
Beteiligungsziffer zusammen. 

Die Beteiligungsziffer der Gesellschaft beim Rheinisch -West* 
fälischen Kohlensyndikat betrug: 

1893-1895 850821 t 1901 1090000 t 

1896—1900 970005,, 1902 ff. 1210000,, 



* Die in der Denkschrift S. 30 dargestellten Kurven sind falsch ge- 
zeichnet 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 



289 



Infolge der Einschränkungen wurde die Beteiligungsziffer durch 
die tatsächliche Produktion niemals erreicht, auch in den Zeiten 
der Kohlennot am Ende der 90 er Jahre nicht Dieser durch 
den Bau neuer Schachte veranlaßten Erhöhung der Beteiligungs- 
ziffer verdankt es das Werk auch, dafi die Förderung im Jahre 1902 
fast dieselbe Höhe erreichte wie im Vorjahre, trotzdem die Ein- 
schränkung sich auf 19,57% belief. 

Ein Vergleich mit der Gesamtförderung des rheinisch -west- 
ttlischen Bezirkes ergibt, dafi die Förderung von Dahlbusch sich 
in den ersten Jahrzehnten schneller entwickelt als die Gesamt- 
heit der Zechen des Gebiets, in den letzten beiden Dezennien 
aber langsamer. Es betrug: 



Jahr 


Dt* Octuitfgtdmiiig 


Stdgcnmghi 


Di. FSfdcnrag der 
Zecbe DaUbuscta t 


Stcigcniiis In 


1860 


4275000 





51160 





1870 


11812528 


176 


108751 


112 


1880 


22495204 


90 


772290 


610 


1890 


35469290 


57 


877209 


14 


1900 


59610000 


68 


957523 


9 



Die Gesamtförderung stieg um 124 7o, die der Zeche Dahl- 
busch aber um 1771 ^/o, wenn man die Jahre 1860 und 1900 vergleicht 

Dahlbusch ist bis heute eine der größten Zechen geblieben; 
ihre Förderung betragt über eine Million Tonnen. Als Berg- 
werksgesellschaft ist sie dagegen durch die Fusionen der letzten 
Zeit fiberflQgelt worden. Der Beteiligungsziffer beim Syndikat 
nach ist Dahlbusch heute unter 86 Gesellschaften die fünfzehnte. 
Die Riesen, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, stellen 
sie in den Schatten. Deshalb sind auch die Auffassungen nicht 
richtig, die das Unternehmen von sich selbst hatte. Schon 1876 
heifit es: »Die Zecbe Dahlbusch ist ohne Zweifel berufen, eines 
der bedeutendsten Kohlenwerke des Oberbergamtsbezirks Dort- 
mund zu werden.* In demselben Gedankengang bewegt sich auch 
der Bericht Qber das Jahr 1880: .Die Gunst der BetriebsvertiSlt- 
nisse gestattet uns, die neu sich bietenden Absatzquellen ffir den 
Vertrieb unserer Produkte in umfassender Weise auszunutzen und 
unseren Werken, wie wir wohl mit einer gewissen Befriedigung 
sagen dfirfen, den ersten Platz unter den gleichartigen Unterneh- 
mungen des rheinisch -westfälischen Kohlenbeckens zu sichern.* 
In dem zuletzt genannten Jahre rangierte Dahlbusch an erster, 
heute unter den alten Syndikatszechen an ffinfter, und wenn 

StUHcli, NatfoulftkooMilicht Poncbaagcn, Bd. IL 19 



290 ^' Bergwerksgesellschalt Dahlbusch. 

man die dem Syndikate neu beigetretenen HQttenzechen Deut* 
scher Kaiser und Neumühl mitrechnet, an siebenter Stelle In 
bezug auf die Beteiligung nach dem neuen Syndikatsvertiage 
rangiert Dahlbusch gar erst an ffinfzehnter Stelle * In dem Kon- 
zert der Zechen spielt es demnach heute nicht mehr so vornehm- 
lich mit, wie es dereinst der Fall war, trotzdem, wie wir sehen, 
seine Kohlenförderung ein schnelleres Tempo einschlug, nament- 
lich in den Jugendjahren, als die Gesamtheit der Zechen. Dieses 
Zurückbleiben hängt vor allem mit der beschränkten Ausdehnung 
des Grubenfeldes und der Geschäftspolitik des Unternehmens zu- 
sammen, die die Expansions- und Machtbestrebungen, wie wir 
sie bei Hibemia und Gelsenkirchen kennen lernten, nicht mit- 
machte. 

Wir kommen nun zu dem vierten Punkt unserer Betrachtung, 
den Absatzverhaltnissen. 

Von vornherein kam vor allem der Eisenbahnversand in 
Betracht Bereits im Jahre 1873 sichert sich die Gesellschaft die 
Anschlüsse an die Rheinische und Köln-Mindener Eisenbahn. 

Der Absatz selbst steht im Zusammenhang mit der Alt der 
Kohle. Ursprünglich wurde Flammkohle gewonnen. Dieselt>e 
ging an Gasfabriken und Eisenhüttenbetriebe; sie eignete sidi 
vor allem zur Dampfkesselheizung. Sie entsprach, wie der Ge* 
Schaftsbericht von 1873 bemerkt, der in Belgien unter dem Namen 
.flenne* bekannten Qualität Dann ging man zur Gewinnung 
von Gaskohlen über, bis endlich auch die Fettkohlenschichten 
zum Abbau gelangten. Die beiden wichtigsten Abnehmer in den 
80er Jahren waren die Eisen- und die Zuckerindustrie. Etwa 
60^/0 der gesamten Produktion der Dahlbuscher Kohlen wurden 
an diese beiden Konsumenten verkauft Freilich litten beide In- 
dustriezweige stark unter der Krisis, und ihr Bedarf an Kohle 
ging erheblich zurück. Dahlbusch aber hatte unter dieser Ein- 
schränkung ebenfalls zu leiden. In dem Geschäftsbericht über 
das Jahr 1885 heifit es: .Der Minderbedarf für die Zuckerfabriken 
betrug 1885 30 ^/o, derjenige für die Eisenwerke 10 ^/o gegen das 
Vorjahr, ohne dafi sich unser Kundenkreis verringerte. In diesem 
Jahre ging die Zuckerkampagne frühzeitig zu Ende, so dafi wir 
im Januar 1886 nur noch 390 Wagen ä 100 Ztr. an die Zucker* 
fabriken zu versenden hatten gegen 3480 Wagen im Jahre 1885. 



* Nach dem Stande am 1. Januar 1905. 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 291 

Es war dies ein Ausfall von mehr als 3000 Wagen allein für 
diesen Monat* Diese Tatsachen sind der Schlüssel für die Pro- 
duktionsverhältnisse der 80er Jahre, deren rückläufige Bewegung 
wir bereits kennen lernten. 

Um den Absatz zu erleichtem und zu vergrößern, wird 1887 
eine Siebeinrichtung auf den Schächten I, III und IV geschaffen, 
die in ganz primitiver Weise eine mechanische Sortierung der 
Kohlen in drei Komgröfien ermöglichte. Der Stachel zur Anlage 
dieser mechanischen Separation war einmal die Konkurrenz der 
benachbarten Zechen, dann aber auch die Marktlage. Die Her- 
stellung von Siebprodukten erleichterte und erweiterte 
in der Folge den Absatz nicht unbedeutend. So lange man 
aber in der Gaskohlenpartie baute, wurde eine weitere Aufbereitung 
und Sortierung der Kohlen nicht vorgenommen. 

Von größter Bedeutung für die Erweiterung des Absatzes 
wurden nun die Kartelle. Bereits den ersten Verbandsbildungen, 
die auf die Krisis der 70er Jahre folgten, trat die Zeche bei. In 
dem Geschäftsbericht über das Jahr 1880 wird hierüber folgendes 
berichtet: .In der am 29. Oktober 1879 durch das Organisations- 
komitee nach Dortmund berufenen Versammlung der Interessenten 
wurde der Beschluß gefaßt, die Kohlenförderung pro 1880 um 5^/o 
gegen das Jahr 1879 zu reduzieren, um so das Gleichgewicht 
zwischen Angebot und Nachfrage wiederherzustellen. Wir be- 
fanden uns gegenüber diesem Beschluß in einer um so schwie- 
rigeren Lage, als wir die Zeit der Krisis benutzt hatten, um unsere 
Produktionsmittel in einer Weise zu entwickeln, daß wir nicht 
allein in der Lage, sondern auch wirtschaftlich genötigt waren, 
unsere Förderung um 25 — 30 ^/o zu vermehren. Die Situation 
war um so ernster für uns, als das Bestehen der Konvention von 
dem Beitritt unserer Gesellschaft abhing. " Trotz dieser Bedenken 
erfolgte der Anschluß. Ebenso trat die Zeche den Kartellvereini- 
gangen der 80er Jahre bei. 1892 kam dann die sog. .Gemein- 
schaft* zustande, einer der Voriäufer des 1893 nach mühevollen 
Verhandlungen ins Leben getretenen Kohlensyndikats. Der Be- 
ginn der Verkaufsoperationen des letzteren wurde wesentlich unter- 
stützt durch die Absatzstockung in englischen Kohlen, 
eine Folge des auch die belgischen und französischen Bergwerks- 
bezirke affizierenden Arbeiterausstandes. Es ist an dieser Stelle 
nidit nötig, den Einfluß des Kohlensyndikats näher zu verfolgen. 
Nur einen Punkt möchte ich berühren, nämlich die Exportboni- 

19» 



292 ^- Bergwericsgesellschaft Dahlbusch. 



fikationen. Dieselben werden für einige Jahre in den Geschäfts- 
berichten mitgeteilt Sie betrugen: 

1894 26802 Mark 1896 51300 Mark 

1895 115773 „ 1897 52325 .. 

Die Vergütungen des Syndikats, die an die Zeche Dahlbusch 
für exportierte Kohlen gezahlt wurden, unterlagen also, wie aus 
diesen Zahlen hervorgeht, starken Schwankungen. 

Schließlich sei noch ein Blick auf die Preise geworfen. Hier- 
fiber gibt folgende Zusammenstellung Aufschluß. Es betrug der 
Verkaufspreis pro Tonne Kohlen: 



1863/64 


4,60 Mark 


1877 


6,17 Mark 


1891 


lO.-Maik 


1864/65 


6,29 


>l 


1878 


5,55 


II 


1892 


8.71 


II 


1865/66 


6,94 


II 


1879 


4.85 


II 


1893 


7.42 


II 


1866/67 


7.13 


»I 


1880 


5,31 


II 


1894 


7.72 


n 


iBßves 


6,92 


II 


1881 


5,41 


II 


1895 


8.17 


•1 


1868/69 


6,88 


II 


1882 


5,88 


II 


1896 


8.11 


II 


1869/70 


7,17 


II 


1883 


5,96 


II 


1897 


8,38 


w 


1870/71 


9,42 


II 


1884 


5,96 


II 


1898 


8.49 


II 


1871/72 


11,08 


II 


1885 


5,80 


II 


1899 


9.05 


•» 


1872/73 


12,17 


II 


1886 


5,77 


II 


1900 


10.20 


»I 


1873 


15,86 


•1 


1887 


5,57 


II 


1901 


10,67 


II 


1874 


13,70 


II 


1888 


5.64 


II 


1902 


10.- 


w 


1875 


9,54 


»f 


1889 


6.43 


II 


1903 


9.75 


it 


1876 


8,22 


II 


1890 


9.84 


II 









1863 erreichte unter dem Drucke der mit dem Jahre 1857 
beginnenden Krisis der Verkaufspreis der Dahlbuschkohle seinen 
tiefsten Punkt. Die Tonne wurde im Durchsdinitt mit 4,60 Marie 
bezahlt Von da ab steigt dann die Preiskurve mit nur unbe- 
deutenden Verzögerungen, zuerst langsam, dann kataraktartig in 
die Höhe, um im Jahre 1873 ihren Zenit mit 15,86 Mark zu er- 
klimmen. Dieser Maximalpreis ist in der ganzen weiteren Ent- 
wicklung des Unternehmens nicht wieder erreicht worden. Dem 
steilen Aufstieg folgte bald ein jSher Sturz. Seinen tiefsten Punkt 
erreichte er 1879 mit 4,85 Mark. In dem folgenden Dezennium 
bewegten sich die Verkaufspreise von 1880 — 1889 auf einem mitt- 
leren Niveau von 5,77 Mark. Bemerkenswert ist, dafi in dieser 
Zeit die Preise nur sehr geringen Schwankungen unterlagen. Es 
wird das von der Verwaltung auf die Forderkonvention zuräck- 
gefuhrt, die bis 1886 bestand. Erst mit dem Jahre 1889 setzt 
dann eine Aufwärtsbewegung ein, deren Träger in der Folgezeit 
das Syndikat wurde. Auf dessen Einfluß ist auch die volkswirt- 
schaftlich geradezu tolle Tatsache zurückzufuhren, dafi in den 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 



293 



wirtschaftlich ungünstigen Jahren 1901 und 1902 der Verkaufs- 
preis im Durchschnitt immer noch höher war als in den glän- 
zendsten Zeiten der voraufgegangenen Hochkonjunkturperiode. 

Neben den Preisen für Kohle spielen seit den letzten Jahren 
für das Unternehmen auch die für Koks eine Rolle. Sie beein- 
flussen das wirtschaftliche Ergebnis in nicht unbedeutendem Mafie. 
Die große Eisenhausse 1898 veranlaSte eine geradezu stürmische 
Nachfrage nach Fettkohlen und Koks. Damals aber konnte das 
Werk noch nicht den entsprechenden Vorteil aus diesen Verhält- 
nissen ziehen» da die Hauptförderung noch in Gas- und Flamm- 
kohlen bestand und die Fettkohlenförderung einen verhältnismäßig 
kleinen Teil ausmachte. Nach dem Bau der Koksanlagen aber 
konnte das Werk auch größere Koksmengen auf den Markt bringen. 
Freilich geschah dies erst, als der Stern der wirtschaftlichen 
Hochkonjunktur bereits verblichen war. Es wurden an Koks 



produziert 



abgesetzt 



sum Preise von 
Mark 



1901 
1902 
1903 



39911 
69828 
85600 



39108 
69828 
84405 



17,38 
14^ 
13,87 



Wir sehen hieraus, dafi den sinkenden Preisen eine steigende 
Produktion entspricht Dafi dabei das Werk nicht schlecht ge- 
fahren ist, geht aus einer Bemerkung des Geschäftsberichts von 
1903 hervor, in dem es heifit: .Die Vermehrung der Kohlen- 
förderung und der Koksproduktion mit Nebenproduktengewinnung 
gestattete uns aufierdem die Oberschüsse zu steigern.' Es betrug: 





Produktion \ 


AbMtl 1 


Preis pro 100 kg 




1902 


1903 


1902 


1903 


1903 


1908 




kg 


kg 


kg 


kg 


Mark 


Mark 


Schwefdiaures 














Ammoniak . 


1164000 


1410000 


1134102 


1343533 


21^ 


23^ 


Teer. . . . 


3210392 


3824200 


3301056 


3856930 


2^ 

1.97 


2,47 


Pech. . . . 


68620 


82000 


91620 


79500 


2,09 



Wir haben zum Schlufi noch einen Blick auf die Rente des 
Unternehmens zu werfen, d. h. auf das letzte Ziel jeder privat- 
wirtschaftlichen Unternehmung. Da ist vor allem die Tatsache 
interessant, dafi der Betrieb von 1852—1860/61 nicht rentierte. 
Diese ganze Zeit, ausgefüllt von den Schwierigkeiten, die der Bau 
des ersten Schachtes verursachte, sind Veriustjahre. Das erste 
Jahrzehnt verschlingt das ganze Aktienkapital. Die Ausgabe junger 



294 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 



Aktien, durch die sich die Gesellschaft neue Mittel verschaffen 
wollte, scheiterte an dem Widerspruch des Ministers. Bedeutende 
Bankschulden mußten kontrahiert werden. 1860 stand die Gesell- 
schaft vor dem Bankerott Sie rettete sich damals dadurch, dafi 
es ihr gelang, 2 Millionen Frank 67oiger Vorzugsobligationen aus- 
zugeben, die mit dem Privileg der Anteilnahme am Gewinn aus- 
gestattet waren. Die Emission erfolgte unter Pari zum Kurse 
von 80%. Damit war das Äußerste verhütet Schon in den 
folgenden Jahren bahnte sich die Besserung an. 1861/62 be- 
ginnen kleine Dberschässe die Oberhand zu gewinnen. Sie ge- 
langen aber nicht zur Verteilung. Die ganze Zeit von 1852 bis 
1869 blieb dividendenlos; erst das Jahr 1870/71, das mit einem 
Betriebsgewinn von 457770 Mark abschlofi, gestattete die Ver- 
teilung einer Dividende von 2,4 ^/o, das folgende Jahr sogar einer 
solchen von 10%. 

Die Weiterentwicklung spiegelt sich in folgenden Zahlen wider. 
Es betrugen: 



Jahr 


Die Betriebs- 
flberschflue 


Die 
gezahlte 
Dividende 


iaV» 


Jahr 


Die Bctriebi- 
OberschOase 


Di. 

gexahlte 

Dividend« 


la*h 




Mark 


Mark 






Mark 


Mark 




1873 


1383271 


1120000 


9Vs 


1889 


1650688 


1120000 


9Vi 


1874 


1450686 


1080000 


9 


1890 


4023901 


2640000 


22 


1875 


651730 


480000 


4 


1891 


3630995 


2640000 


22 


1876 


503304 


320000 


2'fs 


1892 


2189921 


1600000 


13Vs 


1877 


523274 


252000 


2Vio 


1893 


1368571 


960000 


8 


1878 


679043 


360000 


3 


1894 


1605726 


1120000 


9Vi 


1879 


714345 


400000 


3V8 


1895 


1769570 


1200000 


10 


1880 


1301688 


640000 


5V8 


1896 


1860988 


1360000 


11 Vi 


1881 


1343786 


800000 


6»/8 


1897 


1888149 


1440000 


12 


1882 


1513104 


960000 


8 


1898 


1784068 


1360000 


llVi 


1883 


1548839 


960000 


8 


1899 


1782813 


1360000 


11»/* 


1884 


1445159 


960000 


8 


1900 


2277491 


1600000 


13V» 


1885 


1107997 


720000 


6 


1901 


2963818 


1600000 


laVk 


1886 


1057098 


720000 


6 


1902 


2935839 


1600000 


13Vi 


1887 


1169099 


720000 


6 


1903 


3248946 


1920000 


16 


1888 


1533308 


960000 


8 











Hieraus ergibt sich, dafi die Betriebsüberschfisse in den 
31 Jahren von 1873—1903 im ganzen 52,9 Millionen Mark be* 
tragen haben, während die Dividende sich im Durchschnitt dieser 
Zeit auf jahrlich 9,4 ^'/o berechnet Von den Dberschfissen aber 
wurden, wie aus den Geschäftsberichten zu ersehen ist, nicht 



5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 295 

weniger als 12,7 Millionen, oder 24% für Neuanlagen resp. Er- 
neuerungsbauten verwandt Daher heißt es auch im Bericht fiber 
das Jahr 1902: .Aufsichtsrat und Vorstand sind der Ansicht, daß 
in guten Jahren reichliche Abschreibungen stattfinden müssen und 
der Dispositionsfonds zu vergrößern ist, damit die finanzielle Lage 
der Zeche ohne Erhöhung des Kapitals stets verbessert werden 
kann. Seit Gründung der Gesellschaft ist die Verwaltung immer 
in diesem Sinne bemüht gewesen/ Diese Worte sind ein Pro- 
gramm. Sie erklären auch, warum das Aktienkapital der Gesell- 
schaft von ihrer Gründung bis zur Gegenwart unverändert auf 
12 Millionen stehen geblieben ist Auf dieses Aktienkapital ent- 
fielen in der Bilanz vom 31. Dezember 1903 nicht weniger als 
2,7 MUlionen Mark Reserven. 

Aber die kluge Finanzpolitik ist es nicht allein, die die hohe 
Rente des Unternehmens erklärt In letzter Linie liegt sie verankert 
in den günstigen natürlichen Verhältnissen der Kohlenflöze, die wir 
an anderer Stelle kennen lernten. Der Gewinn erscheint also hier 
hauptsächlich in der Form der Grundrente. Darauf beruhten auch 
in der Vergangenheit die großen Hoffnungen, die die Verwaltung 
auf die RentabUität der Zeche setzte. Was sie in dem ersten Bericht 
an die Aktionäre von 1873 ausführt, hat sich auch in den großen 
Depressionen auf dem Kohlenmarkt als richtig erwiesen. Dort heißt 
es: »Nach Fertigstellung der Schächte und der übrigen im Projekt 
befindlichen Einrichtungen wird Ihre Zeche ... so fundiert sein, 
daß das in dem Werke engagierte Kapital selbst unter den denkbar 
ungünstigsten Geschäftskonjunkturen eine gute und vor allem 
eine für die Dauer gesicherte Rente abwerfen wird.* Man darf 
nur nicht vergessen, daß dieser Triumph hauptsächlich auf das 
Konto der Grundrente zu setzen ist 



6. Königsborn, Aktiengesellschaft ffir Bergbau, 
Salinen- und Solbadbetrieb. 

Das charakteristische, die Geschichte dieses Unternehmens 
bestimmende Moment ist die Kombination einer Saline mit einer 
Zeche. Diese Verkoppelung zweier ihrer Natur nach verschiedener 
Betriebe zu einer wirtschaftlichen Unternehmung entbehrt aber 
nicht der inneren Notwendigkeit Zwischen Kohlen- und Salz- 
produktion bestehen Wechselbeziehungen ökonomischer Art Vor 
der Vereinigung war die Saline der Störenfried des Kohlenberg- 
baus. Dann ändert sich dieses Verhältnis, die Sole wird zum 
Verbündeten der Kohle und hilft ihr aber die Zeiten der Krisis, 
aber Bau- und Veriustjahre hinweg. In einer dritten Periode aber 
gewinnen die Interessen des Kohlenbergbaus und seine Ergeb- 
nisse immer mehr die Oberhand, sie werden ausschlaggebend, 
und die Saline, die früher der Hauptbetrieb war, sinkt auf die 
Stufe eines subordinierten Nebenbetriebes herunter. 

Wir betrachten zunächst die erste Periode, in der die Salz- 
gewinnung eine Kohlenförderung im Unnaer Bezirk nicht auf- 
kommen liefi. In diese Periode fällt die Gründung der Gewerk- 
schaft Königsbom. 

Die Saline selbst, an die diese Gründung anknüpft, ist urklt 
Ihre Geschichte reicht zurück bis ins Mittelalter. Die Chroniken 
berichten, dafi vor dem 30jährigen Kriege ihre Salzgewinnung 
in hoher Blüte stand.* 1773 wurde sie vom preußischen Fiskus 
erworben.** Von besonderem Interesse ist, dafi die Anlegung 



* Simmersbach: Beiträge zur Geschichte des deutschen Salinenwesens in 
Glasers Annalen fflr Gewerbe- und Bauwesen Bd. 4 1879 p. 334 u. 335. 

** Grevel: Oberblick über die Geschichte der Saline und des Solbades 
Königsbora bis zum Jahre 1873. Unna-Königsbora 1901. — Eingehende Mit- 
teilungen, die aber von Grevel nicht berücksichtigt sind, finden sich auch in 
Karsten: Lehrbuch der Salinenkunde L TeU, Berlin 1846, S. 234—242. — Die 
älteste, mir aber nicht zugängliche Darstellung ist von Rollmann: Historisch- 
technische Beschreibung der Königlichen Saline Königsborn bd Unna in der 
Sammlung nützlicher Aufsätze und Nachrichten, die Baukunst betreffend, 
Jahrgang 1799 S. 90ff., 1800 S. 67 ff. und 1803 S. 113. - Eingehendes Material 
über Königsbora bringt auch August Huyssen: Die Solquellen des westfälischen 



6, Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 297 

gerade dieser Saline die nächste Ursache wurde, warum man in 
der Grafschaft Mark die staatliche Regelung und Überwachung 
des Steinkohlenbergbaus in erhöhtem Maße durchzuführen be- 
gann. Leitender Gesichtspunkt war dabei die Versorgung des 
Salzwerkes mit ausreichenden guten und billigen Kohlen. Ober- 
haupt hat in der Vergangenheit die Salinenindustrie neben der 
Glasindustrie die nächste Veranlassung zur Entwicklung und ratio- 
nelleren Ausgestaltung des Steinkohlenbergbaus gegeben.* Diese 
altere Geschichte soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Nur 
eins mochte ich betonen: Die Salzgewinnung der Saline und 
ihre Bedeutung für den Staat sowie für Westfalen und die nördliche 
Rheinprovinz war vor der Entdeckung der grofien Salzvorkomm- 
nisse in Sachsen und Hannover, vor der Eröffnung des Eisenbahn- 
verkehrs und solange das Salzmonopol die Garantie hoher Ab- 
satzpreise gewahrte, eine große. Diese Bedeutung ging erheblich 
zurück, als mit der Entwicklung des westdeutschen Eisenbahn- 
netzes der Salzbezug erleichtert wurde und nach Aufhebung des 
Salzmdliopols die Privatindustrie dem Staatswerk eine empfindliche 
Konkurrenz zu machen begann. 

Solange der Staat die Saline besaß, war an einen Steinkohlen- 
bergbau nicht zu denken, trotzdem in den Bohrlöchern der Saline 
schon seit langem erhebliche Steinkohlenvorkommen aufgeschlossen 
waren. Grevel berichtet, daß bereits im Jahre 1801 in Königs* 
bom ein Steinkohlenflöz bei 476 Fuß Tiefe (gleich ca. 152 m) 
angebohrt wurde, worauf der Kriegs- und Domanenrat Meyer im 
Namen des Salzwerkes Mutung einlegte.** Seit dem Beginn des 
19. Jahrhunderts wußte man also, daß Schatze von Stein- 
kohlen in der Heide von Unna schlummerten. Aber sie 
blieben res nullius. Der Fiskus ließ den Kohlenbergbau 
nicht aufkommen. Er sperrte zur Sicherung der Sol- 
quellen ein weites Terrain, das Solfeld, gegen Mutung 
auf Steinkohlen ab. Dieses Vorgehen des Staates mochte bei 
der grofien wirtschaftlichen Bedeutung der Salzgewinnung in 

Kreidegebirges, ihr Vorkommen und mutmaflliclier Ursprung, Berlin 1856, 
S. 46 ff. Dort wird gesagt, dafi salzige QueUen in der Gegend von Unna schon 
seit Menschengedenken (13. Jahrhundert) bekannt waren, die zur Bereitung von 
Kochsalz und zur Herstellung künstlicher Solbrunnen benutzt wurden. 

* Achenbach: Geschichte der Qeve-Mflrkischen Berggesetzgebung und Berg- 
verwaltung bis zum Jahre 1815 in Brasserts Zeitschrift fOr Bergrecht Bd 28 
p. 156 ff., 179. 

** a.a.0.p.l4. Ober das weitereSchicksal dieser Mutung schweigen die Berichte. 



298 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und SolbadbetriA. 

Königsbom berechtigt sein. Aber auf die Dauer konnte das Ver- 
bot des Kohlenbergbaus auf dem Solfelde nicht aufrechterhalten 
werden. Mit dem Erlafi des allgemeinen Berggesetzes 
vom 24. Juni 1865 schwindet der Rechtsgrund für die 
Sperrung. Nunmehr werden zahlreiche Mutungen auf Stein- 
kohlen eingelegt; aber trotz vieler Verleihungen entstanden eigent- 
liche Tiefbauanlagen nicht Das hatte offenbar zwei Grunde. Bei 
der Vielheit der Mutungen ergab sich eine große Zerstückelung 
der Grubenfelder. Um leistungsfähige Tiefbauanlagen zu schaffen, 
mußten sie erst durch Realteilung, Grenzregulierung und Kon- 
solidation zu günstig abgegrenzten einheitlichen Steinkohlenfeldern 
zusammengelegt werden. Dazu kam weiter, dafi der Fiskus durch 
das Abteufen von Tiefbauschächten eine Beeinträchtigung der 
Solquellen befürchtete. Daher unterblieben die Anlagen. 

Dieser Zustand ändert sich nun mit dem Verkauf der 
Saline und der Bildung der Gewerkschaft Königsborn im 
Jahre 1872. Die Gründe, warum der Staat die Saline verkaufte, 
agen einmal in den Zeitverhältnissen: Mit der Auffindung ge- 
sättigter Bohrlochsolen und großer Steinsalzlager in den 50 er 
und 60er Jahren des verflossenen Jahrhunderts war eine neue 
Epoche für den Salinenbetrieb angebrochen. Den alten mit 
schwacher Sole arbeitenden Gradiersalinen war eine fürchterliche 
Konkurrenz erstanden, auf die ich später eingehend zurückkomme. 
Infolgedessen entäußerte sich der Fiskus seit 1866 aller gering- 
haltigen Gradiersalinen. Das ist der eine Grund. Er liegt, wie 
aus dem Gesagten hervorgeht, in der geringen Ergiebigkeit der 
Saline Königsbom im Vergleich mit anderen Salinen. Dazu 
kommt dann weiter der Einfluß,- den die mit der Änderung in 
den politischen Machtverhältnissen im Zusammenhang stehende 
Theorie von der Nichteinmischung des Staates in die private 
Produktionssphäre ausübte. Die ganze liberale Weltanschauung 
stand damals dem Staatsbetrieb unsympathisch gegenüber. Es 
sind ähnliche Gründe, wie wir sie im ersten Bande dieser For- 
schungen bei dem 1869 erfolgten Verkaufe der Königshütte kennen 
gelernt haben. Die Salzproduktionen in den beiden letzten Jahren 
des Staatsbetriebes waren immerhin erheblich höher, als die der 
folgenden zehn Jahre, wo sie sich im gesellsdiaftlichen Besitze 
befand und bedeutende Zubußen erforderte. Es wurden erzeugt: 

1871 8531,7 t im Werte von 302058 Mark 

1872 7130,7 t . . . 244098 . 



6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 299 

Dieser Rfickgang wird in dem amtlichen Bericht* einmal auf die 
nahe bevorstehende Veräufiening, dann aber auch auf die starke 
Konkurrenz des lothringischen Salzes zurückgeführt 

1872 war die Stunde gekommen, wo der Fiskus die Saline aus 
den eben erwähnten Gründen zum Verkaufe stellte. Der Mann, der 
sie erwarb und mit dessen unsterblichen Namen die weiteren Schick- 
sale des Werkes verbunden sind, war Friedrich Grillo, dessen grün- 
umsponnenes Denkmal im großen Kurpark von Königsborn noch 
heute daran erinnert, was durch ihn und sein organisatorisch- 
spekulatives Talent geschaffen wurde. Grillo, der uns in diesen 
Stadien schon öfters begegnet ist, war ehemaliger Arbeiter; durch 
ein blühendes Eisenwarengeschaft in Essen war er zu Vermögen 
gelangt Er ist einer der ersten deutschen Organisatoren des 
Kohlenbergbaus gewesen,** der eine Zeitlang eine ganze Reihe 
von Unternehmungen seinen Interessen dienstbar gemacht hat 
Dabei trat das spekulative Moment besonders hervor. .Ohne Be- 
denken und kalten Blutes trennte er sich von den Kindern seines 
Schöpfungstriebes, wenn er darin einen besseren geschäftlichen 
Vorteil sah.**** 

Grillo hatte eine Anzahl Steinkohlenfelder gemutet, zu dem 
Zweck, um ausschließlich Bergbau zu treiben. Als nun aber 
1872 die Saline zum Verkauf gestellt wurde, änderte er seinen 
Plan und trat mit seinem riesigen Felderbesitz an die Spitze eines 
Konsortiums, das sich die Aufgabe stellte, die Saline und die mit 
dem Solfelde zusammenhangenden und an dasselbe weiter östlich 
grenzenden Steinkohlenfelder zu erwerben und zu konsolidieren. 
Dieses Projekt gipfelte also in dem Gedanken, die Salz- 
roit der Kohlengewinnung zu verbinden. Zu diesem Zweck 
zahlte das Konsortium eine Summe von 1,8 Millionen Mark ein 
und erteilte seinem Leiter Vollmacht zum Abschluß der Kauf- 
vertrage und zum Entwurf eines Statuts für die zu bildende Ge- 
werkschaft Grillo kaufte nun am 21. September 1872 die fiska- 
lische Saline Königsborn mit Inventar und allen Pertinenzien, und 
zwar zu dem außerordentlich billigen Preise von 900000 Mark, 
femer eine Badeanstalt, deren Preis 5187 Mark betrug. Dazu 
kamen dann 3,9MUlionen Quadratlachter Steinkohlenfelder, die zum 



* Zeitschrift für Bera-, Hütten* und Salinenwesen im preufiisclien Staate 
Bd. 21 p. 174. 

^ S. Koepper: In Plutos Rdcli, Berlin. 
*** Schulz-Briesen: a. a. O. p. 23. 



300 6. Königsborn, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

Preise von 500205 Mark erworben waren. Außer dieser Berecht- 
same wurden noch fünf Eisensteinfelder, jedes Feld in einer GrOBe 
von 500000 Quadratiachter, gemutet. Die Verleihung dieser inner- 
halb des Konsolidationsfeldes liegenden Eisensteinfelder hat eine 
weitere Bedeutung nicht gehabt, da es sich bloß um einen schmalen 
Streifen von Blackband handelte, der in Begleitung der Mager- 
kohlenflOze auftrat und dessen besonderer Abbau nicht lohnte. 
Hingegen ist wichtig, daß gleich von vornherein, um der Etablie* 
rung der Konkurrenz in der Nachbarschaft vorzubeugen, 
für 95340 Mark 96 Kuxe, also die V4-Majoritat an dem in 128 Kuxe 
eingeteilten Bergwerk Bramey und Bramey I, erworben wurden. 
»Der Besitz von 96 Kuxen,* heißt es im ersten Geschäftsbericht, 
.gibt uns die Garantie, daß ohne unsern Willen in diesen Feldern 
eine konkurrierende Tiefbauanlage nicht etabliert werden kann.* 

Durch Vertrag vom 24. November 1873 wurden diese Bestand- 
teile unter der Firma .Steinkohlen- und Salzsolbergwerk Königs- 
bom* verschmolzen. Das Statut gibt als Aufgabe folgendes an: 
Zweck der Gewerkschaft ist die Ausbeutung des Steinkohlen- und 
Salzbergwerks Königsbom, sowie die Herstellung aller Anlagen 
und der Betrieb von Unternehmungen, welche die Ausnutzung 
dieses Bergwerks und die Verwertung der Produkte desselben 
befördern.* Die Zahl der gewerUichen Anteile wurde auf 1000 
unteilbare Kuxe festgesetzt, mit dem Charakter der beweglichen 
Sachen. Es waren also mobile Kuxe. Dieses Statut ist dann 
1880 erweitert worden, indem zu den Zwecken der Gesellschaft 
noch die Mutung und käufliche Erwerbung anderer Bergwerke 
hinzukamen. Was diesen letzteren Punkt anbelangt, so wurde 
seit 1880 das Feld Mülhausen II und eine Anzahl Bramey-Felder 
und 1904 die Magerkohlenzeche Sprockhövel erworben. 1895 
erfolgte dann mit der Umwandlung der Gewerkschaft in eine 
Aktiengesellschaft eine abermalige Neuredaktion und Darlegung 
des Programms; aber die Zwecke und Ziele der Gesellschaft er- 
fuhren gegenüber den in dem vorigen Statut niedergelegten keine 
wesentliche Änderung. 

Aus dieser Gründungsgeschichte geht hervor, daß die Ge- 
werkschaft Königsbom eine Kombination verschiedener Betriebe 
ist, und zwar einer Saline und eines Solbades mit einem 
Kohlenbergwerk. Man kann aber nach den mir von dem 
jetzigen Generaldirektor Herrn Effertz zugegangenen Mitteflungen 
nicht behaupten, daß die Gründer Einsicht in die tieferen Be- 



6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 301 

Ziehungen gehabt hätten, die zwischen Salz- und Kohlenproduktion, 
wie sich später herausstellte, bestanden. Für Grillo lag die 
wesentliche Veranlassung zum Kauf der Saline in ihrem billigen 
Preise. Sie bot femer einen guten Stutzpunkt ffir die Entwicklung 
des ersten Schachtes. Für den Fall eines Abbruchs bei un- 
lohnendem Betrieb sollte der kolossale Holzreichtum der Gradier- 
werke als Grubenholz Verwendung finden. Nun stellte sich aber 
h^aus, daß die Saline den Weiterbetrieb lohnte, ja dafi aus der 
Verbindung mit dem Zechenbetrieb eine Reihe von Vorteilen sich 
ergab. Die Verhältnisse waren also auch hier wieder einmal schlauer 
als die Menschen. 

Die inneren Beziehungen zweier ihrem Apfieren nach so ver- 
schiedener Betriebe liegen nun offenbar darin, dafi einmal die 
Produktionskosten des Salzes durch den Preis der Kohlen 
wesentlich beeinflußt werden. Von jeher waren zur Erzeugung 
von einer Tonne Salz mindestens über eine Tonne Kohlen nötig. 
Der Verbrauch der Saline an Kohlen betrug, auf das produzierte 
Salzquantum berechnet: 

1882 1290/0 1893 870/o 

1883 1000/0 1894 90o/o 

1884 930/0 1895 990/o 

1885 1240/0 1896 1050/o 

1886 1030/0 1897 850/o 

1887 1110/0 1898 1050/o 

1888 1190/0 1899 IO6O/0 

1889 1050/0 1900 1080/0 

1890 1050/0 1901 llOO/o 

1891 1150/0 1902 1200/0 

1892 930/0 1903 980/0 

Im Jahre 1904 waren zur Herstellung von 13390 1 Salz 16348 1 Kohle 
erforderiich (123 ^/o). Im Durchschnitt dieser 22 Jahre belief sich der 
Kohlenkonsum der Saline auf 105^/o der gewonnenen Salzmenge. 
Die Schwankungen liegen zwischen 85 ^/o und 129%. Sie werden 
bedingt durch das Wetter. Bei gutem (trockenem und windigem) 
Wetter findet schon auf den Gradierwerken eine erhebliche Kon- 
zentration der Sole statt, die bei schlechtem (nassem und wind- 
stillem) Wetter in den Siedepfannen bewirkt werden muß. Der 
Kohlenpreis spielt daher in dem Ensemble der Selbstkosten des 
Salzes die wichtigste Rolle. Nur die Selbstbedarfsdeckung 
aber kann eine sehr billige Kohle zugrunde legen. Die 
Kombination war daher, was die Orflnder nicht wußten, wirt- 
schaftlich gerechtfertigt durch die mit dem früheren Vor- 



302 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Soltradbetrieb. 

wiegen des Salinenbetriebes verbundene Möglichkeit der 
Heruntersetzung der Kosten durch Heranziehung selbst* 
geforderter und daher billiger Kohlen. 

Dazu tauchte bereits in den ersten Jahren des Bestehens der 
Gewerkschaft noch ein weiterer Plan auf. Es sollte auf der Saline 
bei der Siedung des Salzes eine Ausnutzung der Gase noch an- 
zulegender Koksöfen stattfinden. Man glaubte, dafi der Lösung der 
Aufgabe erhebliche theoretische und praktische Schwierigkeiten 
nicht im Wege ständen. Wäre erst einmal das Werk so weit, dafi 
eigene Kohlen gefördert und verkokt werden könnten, dann sollte 
zunächst im kleinen die Durchfährung versucht werden.* Es sollten 
neue Siedevorrichtungen gebaut und die bei der Herstellung von 
Koks freiwerdenden Gase zur Verdampfung der Salzlösung ver- 
ffigbar gemacht werden. Das Projekt ist später verlassen worden. 
Als die ersten Koksöfen 1888 in Betrieb kamen, hatten sich die 
Anschauungen geändert Der wichtigste Hinderungsgrund bestand 
nach gütiger Privatmitteilung des genannten Generaldirektors darin, 
dafi der Hitzeprozefi in den Koksöfen nicht analog dem bei der 
Salzherstellung notwendigen veriäufL Die Prozesse würden sich 
gegenseitig stören, denn die Pfannen mässen stets mit einem 
bestimmten Wärmegrad gehen, und auch die Koksofenhitze mufi 
in bestimmter Weise reguliert werden. 

Von demselben Gesichtspunkt geht auch Bergrat Baltz** aus. 
Er sagt: .Ein Wechsel im Salzkorn ist bei Gasfeuerung, nament- 
lich bei Ganzgasfeuerung meist schwer erreichbar, indem dieselbe 
ffir ihren richtigen Betrieb eine möglichst gleichförmige und lang- 
andauernde Vergasung erfordert, was nicht immer gewünscht 
wird. Namentlich bei Versiedung mindergrädiger unreiner Solen 
(wie sie Königsbom aufweist. D. V.) ist die Trennung des Siede- 
prozesses in zwei Stadien notwendig, nämlich in die Störperiode, 
welche ein Reinigungs- und Konzentrationsprozefi ist, wobei unter 
heftigem Sieden, oft auch unter Beigabe von Blut und Albumin, 
eine Ausscheidung von Unreinigkeiten stattfindet, welche in Form 
von Schaum abgezogen werden; sodann in die Soggeperiode, 
während welcher, je nachdem gröberes oder feineres Salz erzeugt 
werden soll, eine gröfiere oder geringere Intensität der Feuerung 
notwendig ist Da, wo nun beide Prozesse in einer Pfanne aus- 

♦ Geschäftsbericht von 1874. 

** Die Siedesalzerzeugung von ihren Anfängen bis auf ihren gegenwSitigeii 
Stand in der Zeitschrift far Berg-, Hüüen- und Salinenwesen Bd. 44 1896 p. 245. 



6. Königsboni, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 303 

geführt werden, mufi auch die Feuerung vermehrt oder vermindert 
werden können, was mit Rostfeuerung ungleich leichter zu be- 
werkstelligen ist, als mit Gasfeuerung. Der gleiche Fall tritt auch 
dann ein, wenn in ein und derselben Pfanne mit der Gröfie des 
Korns gewechselt werden soll." 

Aber wenn auch die weitergehenden Pläne nicht zur Aus- 
führung kamen, der grofie Vorteil, der Saline selbstgewonnene 
Kohlen zur Verfügung stellen zu können, die sie ja in so grofiem 
Mafie braucht, blieb bestehen. Während die andern Salzwerke 
auf dem Marktpreis der Kohlen angewiesen waren, konnte die 
Saline Königsbom bei der Salzherstellung die Selbstkosten der 
Förderkoble zugrunde legen. 

Nun mag freUich dies in den Produktionskosten liegende 
Moment in bezug auf seine Wirkung in den ersten Jahren des 
Betriebes nicht die Rolle gespielt haben wie später; denn die 
Kohlenförderung kam erst 1880 in Gang. Außerdem sah man 
fälschlicherweise, wie der Geschäftsbericht von 1878 venät, die 
Saline nicht mehr als ertragsfäbig an. Der ganze Schwerpunkt 
des Unternehmens sollte im Kohlenbergbau liegen. Wenigstens 
lief darauf, wie schon erwähnt, das ursprüngliche Projekt Grillos 
hinaus. Aber auch der klügste Unternehmer kann durch die Ver- 
hältnisse ad absurdum geführt werden. Es zeigte sich bald, dafi 
der Kohlenbergbau im Anfang nicht rentierte, wie wir noch näher 
sehen werden, und die Saline in den 80er Jahren imstande war, 
nicht unbedeutende Überschüsse abzuwerfen. 

Wir werden daher im folgenden zweierlei zu betrachten haben: 

1. DieEntwicklungderSalinemitdemdazugehörigenBadebetrieb. 

2. Die Entwicklung des Kohlenbergbaus. 

Erst dann wird es möglich sein, die Interna dieser Ver- 
schmelzung richtig zu beurteilen. 

Jede Quellsaline wird in erster Linie bestimmt durch die Er- 
giebigkeit und den Salzgehalt ihrer Quellen. Zum Aufschluß 
dieser Quellen, die in den Klüften des unteren, das Steinkohlen- 
gebirge Westfalens überdeckenden Kreidemergels entspringen, be- 
sitzt die Aktiengesellschaft Königsbom heute 31,6 Millionen 
Quadratmeter Salzsolberechtsame, gegen 28,4 Millionen Quadrat- 
meter im Jahre 1873, also heute etwas mehr als zu Anfang. Diese 
Berechtsame ist aufgeschlossen durch eine Anzahl Bohriöcher. 

Um ein Urteil über die gegenwärtigen Solquellen der Gesell- 



304 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrid>. 

Schaft zu gewinnen, wollen wir einen Augenblick in die Ver- 
gangenheit zurückblicken. Denn diese predigt eine eindringliche 
Lehre, die auch das Schicksal der Saline KOnigsbom dermaleinst 
besiegeln wird! Im Laufe der 100 Jahre von 1773 — 1873 wurden 
nicht weniger als 59 Bohrlöcher abgestoßen. Es wurden also fort- 
während neue Bohrungen vorgenommen. Freilich ließen die 
meisten bald nach. Sie waren eine Zeitlang ergiebig, dann ver- 
armten sie und wurden unedel. .Im Salzgehalte,' schrieb Huyssen 
bereits 1856,* .sehen wir alle KOnigsbomer Quellen allmShlidi 
abnehmen.' 

Die wichtigste Quelle, die noch ffir den Staatsbetrieb eine 
große Rolle spielte, war der seit 1845 in Ausbeutung befindliche 
RoUmannsbrunnen bei Heeren. Derselbe hatte 1845 einen Salz- 
gehalt von 6,78Vo.** Aber bereits in den 50er Jahren klagen 
die Berichte: .Alle bei dieser Saline (Königsbom) gestoßenen 
Bohriöcher haben die Erfahrung machen müssen, daß der ohnehin 
nur maßige Gehalt der Sole sich allmählich verminderte. Darum 
war es notwendig, stets neue Bohrlöcher zu stoßeiL^*** In den 
folgenden Jahren ging dann auch der Salzgehalt der Rollmanns- 
quelle stark zurück. Er sank auf unter ZVo. Es wurden alle 
möglichen Mittel angewendet, um die Sole zu verbessern. So 
wurde z. B. 1858 und in den folgenden Jahren der Brunnen im 
Winter abgesperrt und die Solförderung mehrere Monate lang voll- 
ständig unterbrochen. Dieser Rückgang des Salzgehaltes der Sole 
fährte dann Anfang der 80er Jahre dazu, den RoUmannsbrunnen 
nur noch während der Saison zu betreiben, bis 1886 der Betrieb 
vollständig eingestellt wurde. Außerdem fand in den 70 er Jahren 
nur noch auf den Bohrlöchern Littera 5 und 26 bei Afferde eine 
Solgewinnung statt Aber die Ausgiebigkeit derselben war un- 
regelmäßig und unbedeutend. Das Gemisch der verschiedenen 
Solquellen hatte nur einen Salzgehalt von 47o. Mit dieser Tat- 
sache stehen die geringen Erträge im Zusammenhang, die der 
Staat und in den 70er Jahren die Gewerkschaft aus dem Salinen- 
betriebe herauswirtschaften konnte. Vom Jahre 1873 — 1881 be- 
trug die Salzgewinnung im Durchschnitt nur 4867 t pro Jahr. Sie 
war also außerordentlich gering. 

Warum ist nun in den 70 Jahren die Gewerkschaft nicht zur 

♦ a. a. O. p. 131. 
•♦ Karsten: a. a. O. Bd. I p. 237. 
*«* Zeitschrift für Berg-, Hütten- und SaUnenwesen Bd. I 1852 p. 197. 



6. Köolgsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 305 

Erschliefiung neuer Bohrlöcher übergegangen? — Die Ursache 
hierfür scheint in drei Momenten gelegen zu haben: 

1. in dem Glauben der Verwaltung an einen nicht mehr 
lohnenden Betrieb der alten Saline, 

2. in den niedrigen Salzpreisen und 

3. in den veralteten technischen Betriebseinrichtungen. 

In dem Geschäftsbericht von 1874 wird über die beiden letzten 
Punkte folgendes ausgeführt: »Die Disposition der Betriebsvor- 
riditungen der Saline Königsbom basiert auf einer in früheren 
Jahren erreichten Produktion von 180000—200000 Zentner. Um 
diese Produktion wieder zu erzielen, müßten nun neue Bohrlöcher 
abgestofien werden, was aber zurzeit, da schon in Deutschland 
eine Überproduktion an Salz stattfindet und die Lothringschen 
Salinen wegen des zurzeit bestehenden Eingangszolls für Salz 
nach Frankreich genötigt sind, einen großen Teil ihres Salzes in 
der Rheinprovinz und in Westfalen zu vertreiben, auch die fran- 
zösischen Salinen bei zollfreier Einfuhr immer größere Konkurrenz 
bereiten, nicht ratsam erscheinen. Denn die Betriebseinrichtungen 
der Saline Königsbom sind alt und entsprechen keineswegs den 
Anforderungen der neuen Technik. Es wird daher geraten sein 
und wir haben schon damit begonnen, den Salinenbetrieb nach 
und nach einzuschränken, die überflüssigen Betriebsvorrichtungen 
aber auf Abbruch zu verwerten. Mit dem Aufgeben der jetzigen 
Saline Königsbom soll aber keineswegs unsere Salzgewinnung 
aufhören, denn angesichts der hohen Transportkosten der konkur- 
rierenden Salinen ist nur eine Herabdrückung unserer Selbst- 
kosten um ca. 3 Silbergroschen per Zentner gegen die jetzigen 
(bei mittleren Kohlenpreisen) erforderlich, um große Quantitäten 
mit Nutzen an den Markt zu bringen." In diesem Zustande der 
Stagnation blieb das Unternehmen bis zum Jahre 1880, in dem 
eine Anderang in der Verwaltung eintrat Grillo stellte sich selbst 
an die Spitze des Grubenvorstandes und berief eine neue Direktion. 
Diese erbrachte bereits im ersten Jahre ihrer Amtsfühmng den Be- 
weis, daß an dem Salz doch noch Geld verdient werden könne, und 
deshalb entschloß sich Grillo, den Salinenbetrieb wieder auszudehnen. 
Der Anfang wurde gemacht mit der Erwerbung neuer 
Quellen. In der außerordentlichen Generalversammlung vom 
24. Oktober 1881 wurde der Ankauf der Solquelle Werries bei 
Hamm beschlossen. Die Quelle war bisher an den Bohrmeister 
Ruth von der Gewerkschaft Schlägel und Eisen verpachtet ge- 

StilHcb. NaUooaMkooomiKbt ForKlmflftn, Bd. U. 20 



306 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetiicb. 

wesen. Die Gewerkschaft Königsborn erwarb nun die Berecht- 
same in Größe von 2189000 qm, brachte neben dem bestehenden 
Bohrloch von 667 m noch ein zweites von 691 m Tiefe und ein 
weiteres nieder. Die Quelle wurde also in großer Tiefe ab- 
gefangen und die Sole mittelst Saug- und Hubpumpen zutage 
gehoben. Von dort wird sie dann in einer 27 km langen gufi- 
eisernen Rohrleitung nach Königsborn übergeführt Die Sole der 
Werriesquelle liefert in der Minute nahezu 1 cbm 8V2prozentigeSole. 
Infolge dieses im Vergleich zur Sole des Rollmannbrunnens hohen 
Salzgehalts war die Möglichkeit gegeben, die SiedehSuser zu er- 
weitem und die Salzproduktion in größere Dimensionen über- 
zuführen. Die Wirkung dieser Maßnahme reflektiert sich am 
besten in der Steigerung der Salzproduktion. Dieselbe belief 
sich, nachdem sie, wie erwähnt, in den neun vorhergehenden 
Jahren durchschnittlich 4867 t betragen hatte 

1882 auf 6607,5 t 1885 auf 11970,0 t 

1883 auf 8898,6 t 1886 auf 13854,2 t 

1884 auf 11447,0 t 1887 auf 15832,2 t 

Eine weitere wesentliche Steigerung ist dann bis zur Gegen- 
wart nicht mehr erfolgt Im Jahre 1903 betrug die Produktion 
15805, 1904 13390 t Salz. 

In letzter Zeit freilich scheint auch die Werriesquelle in ihrer 
Ergiebigkeit nachzulassen. Schuld daran sind neue Schächte, die 
das Wasser der Quelle ableiten. Es handelt sich dabei um den 
im Abteufen begriffenen Maximilianschacht Derselbe leidet unter 
großen Wasserzuflussen. Der letzte Geschäftsbericht von 1904 
klagt: .Auch der Betrieb der Saline ließ zu wünschen übrig, da 
der Ausfluß der Werriesquelle sich verminderte. Wir 
haben indessen Vorkehrungen zur Verstärkung der SolefOrdening 
getroffen und hoffen, damit einen vollen Erfolg zu erzielen.* 
Aber selbst, wenn diese Verhältnisse behoben sind, t>esteht ein 
hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, daß auch diese Quelle das 
Schicksal ihrer Vorgängerinnen in absehbarer Zeit teilen muß. 

Aus den bisherigen Ausführungen geht aber noch eine weitere 
sehr wichtige Tatsache hervor, nämlich die, daß der Salzgehalt 
der Sole der Werriesquelle noch weit von dem Sättigungspunkte 
entfernt ist Um nun die Sole anzureichern, sie zu konzentrieren 
und dabei gleichzeitig zu reinigen, sind Gradierwerke nötig. 
Durch die Domen derselben träufelt die Rohsole regenartig ver- 
teilt hernieder und vertiert nach zwei- bis dreimaligem Durchgang 



6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 307 

dufcfa Verdunstung so viel Wasser, daß sie aus einer Sgrädigen 
eine etwa 20grädige wird. Die Saline Königsbom hat fünf große 
Gradierwerke mit je zwei Wänden von 10 m Höhe und einer 
Wandflfldie von zusammen 31880 qm. Ober diese aus Schwarz- 
dora bestehenden Reisigwände wird nun die Sole verteilt Dazu 
dienten früher Windkünste. Noch jetzt kann man die außer Be- 
trieb gesetzten alten Anlagen, bestehend aus einer Anzahl Wind- 
mühlen, sehen. Heute werden zur Belegung mit Sole neun Dampf- 
maschinen mit neun Drucksätzen verwandt. 

Durch die Notwendigkeit, die Sole vor der Siedung zu gra- 
dieren, wird aber das Unternehmen ökonomisch stark belastet 
Diese Belastung kommt zum Ausdruck: 

1. in der Verstärkung des fixen Kapitals, 

2. in der Abhängigkeit der Produktion von einem variablen 
Faktor: der Witterung, 

3. in nicht unbeträchtlichen Salzverlusten. 

Die früheren Besitzer der Saline haben in ihren Gradier- 
werken ein hohes Anlagekapital investiert, ja man kann sagen, 
daß diese von sämtlichen zum Betriebe gehörigen Einrichtungen 
das größte Kapital repräsentieren. Die Richtigkeit dieser Be- 
hauptung geht auch aus der Aufstellung hervor, die seinerzeit bei 
der Ol>emahme der Saline Königsbom durch die Gewerkschaft 
gemacht wurde. Der Kaufpreis von 900000 Mark wird in dem 
Bericht von 1873 folgendermaßen spezialisiert: 

OndJerwerkkonto. 467475 Mark Maschinenkonto .... 51048 Mark 
Immobilienkoato . 362886 . Inventarkonto 18591 . 

Man ersieht daraus, daß der Hauptwert in den Gradieranlagen 
ruht Diese Tatsache ist ffir die folgende Betrachtung von großer 
Wichtigkeit 

Auf den Königsbomer Gradierwerken wird nun die Sole, die 
mit einem Salzgehalt von etwas fiber SVo aus der Erde kommt, 
auf 16— 22^/o eingereichert Eine völlige Sättigung wird in der 
Praxis nicht angestrebt, weil der Solveriust zu hoch werden würde. 
Die weite Latitüde wird bestimmt durch die Witterung. Der 
Gradiereffekt ist in hohem Maße von ihr abhängig. Die Ge- 
schäftsberichte klagen wiederholt darüber, wie sehr ein feuchter 
Sommer die Gradierung und infolgedessen die Salzgewinnung be- 
einträchtigt Damit aber kommt in den Produktionsprozeß ein 
variables Moment hinein. Mit der Abhängigkeit davon aber hängt 
der Saisoncbarakter der Salzgewinnung zusammen. Die Haupt- 

20» 



308 6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solba(ft>etiiA. 

produktionsperiode ist der Sommer. Die besten Monate sind Mai 
bis August Aber auch in diesen können Witterungseinflusse den 
Effekt stören. Windstille Nächte, Morgen- und Abendnebel , vor 
allem aber Regen beeinflussen die Gradierung sehr ungünstig. 
Sie muß daher zuzeiten beschränkt oder ganz eingestellt werden. 
Auf Königsbom wird auch im Winter gradiert Es ist nicht richtig, 
wenn Fürer* die Behauptung aufstellt, die Königsbomer Sol- 
reservoire, in denen sich die gradierte Sole sammelt, seien zu 
klein, um den im Sommer gewonnenen Winterbedarf der Siedung 
zu decken. Die Reservoire sind groß genug, die weitere An* 
reicherung der Sole muß unter allen Umständen in den sog. Stör* 
pfannen stattfinden. Ist aber das Wetter zu ungünstig gewesen, 
so bietet die Auflösung von Steinsalz oder Pfannenstein die 
Möglichkeit, genügenden Vonat an sog. Siedesole (die aber dann 
auch noch die Störpfannen passieren muß) zu schaffen. Die An- 
reicherung mit Steinsalz verursacht jedoch große Kosten. Daher 
heißt es im Bericht des Jahres 1881, in welchem wieder eine 
schwächere Siedesole verarbeitet werden mußte: »Zur Anreicherung 
der Sole durch Auflösung von Steinsalz wollten wir nicht wieder 
übergehn, da dies Verfahren, wie der Erfolg bewiesen hat, nur 
verlustbringend für uns gewesen ist' 

Außer der Unregelmäßigkeit kommt in Betracht der mit der 
Gradierung verbundene Salzverlust Namentlich bd starkem 
Winde werden Millionen kleiner Salztröpfchen, die über das 
Reisig hinunterrieseln, zerstäubt und fortgetragen. Der Verlust 
ist natürlich um so größer, je konzentrierter die Sole ist Er 
wird daher auf dem letzten Gradierfall, den die Sole passiert» 
am stärksten sein. Auf Königsbom berechnet er sich für ein 
Jahr auf 17,53Vo. Wegen dieser Veriuste wird die Sole nicht 
über 22% hinaus konzentriert Die Vorteile einer stärkeren An- 
reicherung würden, wie schon erwähnt, durch die großen eintreten- 
den Verluste wieder aufgehoben werden. 

Diese Gradierwerke sind eine absolute Notwendigkeit 
für alle Salinen, die mit ungesättigter Lösung arbeiteit 
Wollte man die Beseitigung des überflüssigen Wassers zur Kon- 
zentrierung der Sole nicht der Luft überlassen, sondern sie durch 

* Farer: Salzbergbau und Salinenkunde, Braunschweig 1900 p. 563. — 
Ebenso trifft auch auf Seite 706 die Behauptung nicht zu, Königsbom benutze 
eine 4prozentige Sole. Das war, wie wir sahen, in den 70er Jahren, also vor 
Erwerbung der Werriesquelle, der Fall. Heute betragt der Salzgehalt etwa 8^/a. 



6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 309 

Holz- oder Kohlenheizung bewirken, so würde das ganz enorme 
Kapitalien erfordern. Es verbietet sich daher aus wirtschaftlichen 
Rücksichten von selbst Nun gibt es aber in Deutschland eine 
Anzahl Salinen, die überhaupt keine Gradierung brauchen, 
weil sie mit konzentrierter Lösung begnadete Quellen 
haben. Bei diesen Salinen sprudelt die Sole gleich im hoch- 
prozentigen Zustande aus der Erde, d. h. mit einem Salzgehalt, 
der dem Sättigungspunkte ziemlich nahe liegt. Derselbe beträgt 
bei 15^ R oder 18,75 <> C 26,87 <>/o. Solche edlen Solen, die 
ohne Chadierung sofort zur Versiedung gelangen, haben z. B. 
folgende Salinen:* die hannoverschen Salinen Egestorffhall und 
Georgenhall mit 25% Sole, die Ludwigssaline mit 24—26% 
Sole, die bayrische Staatssaline Reichenhall mit 23% Sole, die 
der Aktiengesellschaft vereinigte thüringische vormals Glencksche 
Salinen gehörigen Werke Luisenhall, Neuhall und Emsthall mit 
25 — 26% u. a. Es sind das meistens Solen, die aus Bohr- 
löchern gewonnen werden, die im Steinsalzgebirge stehen. Oder 
es werden besondere Schächte abgeteuft Ist das Steinsalz- 
gebirge erreicht, so werden die unterirdischen Salzschichten mit 
Wasser so lange ausgelaugt, bis konzentrierte Sole entsteht 
Dieses Verfahren ist direkt der natüriichen Bildung der Solen 
at)gelauscht Es beruht auf Imitation. Auf diese Weise ist es 
möglich, beliebige Mengen an Sole zu erzeugen. Der 
Produktion sind von der Natur keine Grenzen gezogen, wohl 
aber, wie wir noch sehen werden, von der Aufnahmefähigkeit des 
Marktes. Diese in so hohem Mafie von der Natur für die Zwecke 
der Produktion privilegierten Solen werden direkt in die Pfanne 
geleitet Dabei fällt der Störprozeß ganz hinweg** oder ist auf 
ein Minimum abgekürzt Das bedeutet aber weniger Pfannen, 
weniger Brennstoffaufwand und kürzere Produktionszeit Im Ver- 
gleich hierzu sei erwähnt, dafi Königsbom aufier den 31 Siede- 
pfannen noch 5 Störpfannen braucht, in denen die Sole gereinigt 
und bis zum Sättigungspunkte angereichert wird. Die Salinen mit 
gesättigter Sole aber reifien nicht nur nicht den Produktionsprozeß 
in zwei Teile auseinander, sondern sie sparen vor allem die An- 
lage- und Betriebskosten der Gradierung und vermeiden die 

• t. Pflrer a. a. O. p. 545. 

^ Das ist z. B. auch bei der 26prozentige Sole verart>eltenden Saline zu 
Heflbmm der Fall (Zeitschrift für Berg-, Hütten- und SaUnenwesen Bd. 45 1897 
p. 135). 



310 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- nnd Solbadbdrieb. 

ökonomischen Nachteile, die wir bei der Königsbomer Saline 
kennen lernten. 

Diese Tatsache spaltet nun in bezug auf die wirt- 
schaftliche Lage die deutsche Salinenindustrie in zwei 
Gruppen. Die einen haben von Natur eine nahezu gesättigte 
Sole, sie brauchen keine Gradieranlagen, infolgedessen weniger 
stehendes Kapital, d. h. auch weniger Zinsen; sie brauchen femer 
weniger Kohlen für die Verdampfung, und der Produktionsprozeß 
ist vollständig unabhängig von der Witterung und von Gradierungs- 
Verlusten. Verluste bei der Siedung treten natürlich auch hier ein« 
Die Folge ist eine kolossale Erniedrigung der Selbst- 
kosten des Salzes und die Möglichkeit, auf den Markt bedeutend 
billigere Preise stellen zu können, als diejenigen Salinen, die 
wie Königsbom auf leichte Sole angewiesen sind. 

Ich möchte hier nur auf ein einziges Beispiel verweisen, das 
rechnungsmäßig diese Unterschiede vor Augen führt Es betrifft 
die vergleichenden Versuche, die auf der größten Saline des 
Deutschen Reichs, der preußischen Staatssaline zu Schöne- 
beck bei Magdeburg vorgenommen wurden. Diese Saline war 
früher Gradiersaline. Als dann in den 50 er Jahren die großen 
Steinsalzlager bei Staßfurt aufgeschlossen wurden und man durch 
Bohrung auch bei Salze und Schönebeck Steinsalzlager antraf, 
erfolgte eine Revolutionierung des ganzen Betriebes. Man ging 
zur Verarbeitung der aus den Bohrlöchern sprudelnden, weit 
billigeren gesättigten Sole über und steigerte die Produktion ganz 
enorm. Ja, in letzter Zeit wurde sogar ein besonderer Salzschacht 
(Schacht Moltke) abgeteuft, der eine Solgewinnung unmittelbar im 
Steinsalzlager durch Auslaugung desselben mit Wasser ermöglicht 
Die Kosten von 100 kg Rohsalz in der Siedesole betrugen, so 
lange man gradierte und die Sole von ll,05®/o auf 23,51% an- 
reicherte, ohne Verzinsung und Amortisation des Anlagekapitals 
24,2 Pf., später aber nach den erfolgten Neuaufschlüssen bei Ver- 
arbeitung einer gesättigten Lösung von 24,96 % Bohrlochsole nur 
8,1 Pf.* 

Mit Bezug auf den Einfluß, den die privilegierten 
Salinen auf den Salzpreis ausüben, müssen wir zwei Falle 
auseinander halten, die abhängig sind von zwei verschiedenen 
Voraussetzungen. Nehmen wir zunächst an, daß die Produktion 



♦ Fürer p. 212 und 579. 



6. Köolgsboni, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 311 

Sämtlicher Salinen zur Versorgung des Marktes not- 
wendig ist, dann wird der Preis des Salzes bestimmt werden 
von den unter den ungünstigsten Bedingungen arbeitenden 
Betrieben» deren Produktion noch zur Befriedigung des Marktes 
notwendig ist, d. h. von den Salinen mit schwacher Sole und 
Gradieranlagen. Es werden dann die günstiger gestellten Salinen 
mit gesättigter Sole eine nicht unbedeutende Differenzialrente be- 
ziehen. 

Gehen wir nun aber von der zweiten Voraussetzung aus, daB 
die Erzeugung von Salz den Bedarf übersteigt, welchen 
Einflufi wird dann die Tatsache der verschiedenen Selbstkosten 
auf die Preise ausüben? Es kann keinem Zweifel unterliegen, 
daB dann der Preis nicht mehr von dem unter den ungünstigsten, 
sondern von den unter den günstigsten Bedingungen produ- 
zierenden Unternehmungen bestimmt wird, d. h. hier von den 
Salinen mit gesättigter Sole. Da es nun aber der ganzen kapita- 
listischen Produktionsweise eigentümlich ist, mehr zu erzeugen als 
gebraucht wird, und infolgedessen vielmehr Eisen, Kohle, Salz usw. 
angeboten wird als wirklich in einem bestimmten Momente ge- 
kauft werden kann — wenigstens solange das Prinzip der freien 
Konkurrenz herrscht und nicht etwa, wie zeitweise in der letzten Hoch- 
konjunktur, die Nachfrage über das Angebot hinausgaloppiert — , so 
würde diese Tatsache allein zum Untergange der nicht konkurrenz- 
fähigen Betriebe führen müssen, denn sie würden mit den enormen 
Quantitäten und den billigen Preisen der günstiger situierten nicht 
konkurrieren können. In der Tat stehen heute den Salinen mit 
edler Sole, deren Bohrlöcher auf Steinsalzlagem liegen, unbe- 
grenzte Solmengen zur Verfügung, und die niedrigen Selbstkosten 
prädestinieren sie von vornherein zum Sieger im Preiskampf, so- 
lange nicht feste Kartellnormen ihnen Schranken setzen. 

Es ist nun ohne weiteres klar, daß diese Entwicklung zum 
Untergang einer Anzahl von Betrieben führen mußte und die 
Salinen mit Gradierung geradezu auf den Aussterbeetat gesetzt 
wurden. Daß dieser Vemichtungskampf in den letzten Jahrzehnten 
keine größeren Dimensionen angenommen hat, ist, wie wir noch 
sehen werden, einzig und allein auf die Bildung territorialer Kar- 
telle üi der 'Salzindustrie zurückzuführen. Fürer äußert sich über 
diesen Punkt folgendermaßen:* »Eine große Anzahl älterer Sa- 
linen ist eingegangen, da sich die Verarbeitung der zur Verfügung 

• a. a. O. p. 212. 



312 6. Könlgsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetifeb. 

stehenden leichten Sole bei der Billigkeit der Gewinnung ge- 
sättigter Sole an andern Orten nicht mehr lohnte. So sind die 
sächsischen Salinen bei Kosen, bei Teuditz und Kötzschau, ferner 
die pommersche Saline bei Kolberg und viele westfälische und 
hannoversche Salinen auBer Betrieb gesetzt worden, und zahlreiche 
Orte erinnern nur noch durch ihren Namen daran, daB einst Salz 
dort gewonnen wurde.* Manche dieser Salinen lebt heute ledig- 
lich noch in ihrem Badebetrieb weiter. Daher treten auch neue 
Salinen mit leichter Sole gar nicht mehr ins Leben. Ober solche 
Neuanlagen zur Verarbeitung unedler Solen sagt der eben erwähnte 
bedeutende Salinist folgendes:* .Die Bedenken gegen die Errichtung 
von Gradierwerken und die Verwertung leichterer Solquellen liegen 
darin, dafi in unbegrenzter Weise gesättigte Steinsalzsolen billig 
gewonnen werden können, die Produktionsverhältnisse und der 
Salzpreis deshalb zu geringe Stetigkeit erwarten lassen, um soldi 
bedeutende Anlagekapitalien aufzuwenden, die sich erst in einem 
Zeitraum von 100 Jahren aus dem Jahresgewinn amortisieren 
lassen und möglicherweise durch Konkurrenz wertlos werden 
können." Er fugt hinzu: »Wo Salzgewinnung und Salzhandel 
Staatsmonopol sind, würden gegen die Verwendung von Mitteln 
zur Errichtung von Salinen weniger Bedenken bestehen." 

Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, dafi die 
Königsborner Saline von ihren Konkurrenten mit ge- 
sättigter Sole längst an den Rand der Verzweiflung und 
der Unterbilanz getrieben worden wäre, wenn nicht drei 
Momente dies bisher verhindert hätten. Es sind dies folgende: 

1. die Verwendung eigener Kohlen, 

2. die Erzeugung besonderer Salzspezialitäten, 

3. die Beschränkung der freien Konkurrenz durch Kartelle 
Was zunächst die Verwendung eigener Kohlen anbelangt, 

so ist Königsbom, wie schon früher bemerkt, vor andern Salinen 
im Vorteile. Da zur Gewinnung und Trocknung einer Tonne 
Salz etwas fiber eine Tonne Kohlen notwendig ist, so fällt der 
Vorteil eigener Kohlengruben ohne weiteres ins Auge. Freilich 
kam die erste Kohlenzeche erst 1880 in Förderung. Aber seit 
Bestehen der Gewerkschaft waren in der Baisseperiode der 70er 
Jahre die Kohlenpreise so gesunken, daß diese Verspätung dem 
Unternehmen zum Segen ausschlug. Bereits in dem Geschäfts- 



♦ Fürer a. a. O. p. 579. 



6. KOirigsbom, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 313 

beridit vom Jahre 1874, d. h. zu einer Zeit, als noch eine nur 
4prozentige Sole verarbeitet wurde, heifit es: »Bei dem geringen 
Salzgehalte unserer Sole, der umständlichen Gradierung, werden 
die Selbstkosten hoch. Der Hauptfaktor der Selbstkosten resul- 
tierte indes aus dem Kohlenverbrauche, und zu Zeiten billiger 
Koblenpreise lassen sich trotz der veralteten Betriebseinrichtungen 
unserer Saline doch noch günstige Resultate erzielen.' Freilich 
durften dadurch die Nachteile, die mit dem Gradierbetriebe ver- 
bunden sind, vor allen Dingen die hohen Kosten, keineswegs 
kompensiert sein. 

In zweiter Linie ist KOnigsbom als Gradiersaline in der Lage, 
ein besseres Grobsalz zu erzeugen als die konkurrierenden 
Steinsatesalinen. Es hat sich herausgestellt, dafi die direkt ver- 
sottene Sole kein so grobes Salz ergibt, wie die zuvor gradierte. 
Nun halt aber der Konsum in Westfalen ffir verschiedene Zwecke, 
namentlich zum Einpökeln des Fleisches, an großen Salzkristallen 
fest Schon Karsten* weist darauf hin, dafi die Saline KOnigs- 
bom nur grobkörniges Salz bereitet, »indem das feinkörnige in 
Westfalen nicht beliebt ist." Die Saline Königsbom produziert 
daher hauptsächlich Grobsalz. Von den im Jahre 1903 herge- 
stellten 13960844,5 kg Salz entfielen auf: 

Qfobes Kochsalz 9040260 kg 

MltUeres Buttenalz 2836486;S„ 

Peines Tafelsalz 1 106823 „ 

Viehsalz 235675 „ 

Qewerbesalz 617900 „ 

Düngesalz 103100 „ 

Pabriksalz 5S00 „ 

Badesalz 14800 „ 

13960844^ kg 

Aus diesen Zahlen geht zunächst hervor, welche grofie Mannig- 
foltigkeit in der Verwendung des Salzes besteht Ganz zurück 
tritt die Produktion von Salz für landwirtschaftliche und gewerb- 
liche Zwecke.** Da nun aber die eigentlichen Aussichten eines 
vermehrten Salzabsatzes heute auf landwirtschaftlichem und gewerb- 
lichem Geb iete liegen*** — von 1901 zu 1902 hat sich der Ge- 

^ a« a« O. Bd. I p. 242. 

^ Die Eintdlung in Gewerbe- und Pabriksalz ist unlogisch, ebenso die Be- 
zdchnttng von Koch-, Butter- und Tafelsalz. 

*^ Noch in den 70 er Jahren wurde mehr Speisesalz als Salz fflr gewerbliche 
und andere Zwecke produziert In den 80 er Jahren ist ungefähr ein Qldch- 
gewlchtsverhiltnis erreicht. In den 90 er Jähen aber ragt bereits der Salzkonsum 



316 6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

satzverhaitnisse sehr schädige. ,Der Umstand, dafi die fran* 
zösischen Salinen gegen jede deutsche Konkurrenz in Frankreich 
durch einen Eingangszoll für deutsches Salz von nahezu 1 Frank 
pro 100 kg geschützt sind, dagegen ihr Salz lediglich gegen eine 
Abgabe, welche der inneren Salzsteuer gleichkommt, nach Deutsch- 
land einführen, befähigt dieselben, in Frankreich hohe Preise zu 
erzielen, durch Steigerung der Produktion die Selbstkosten herab- 
zudrücken und ihre Überproduktion auf den für sie offenen 
deutschen Markt zu bringen. Die Einfuhr französischer Salze in 
Nord- und Süddeutschland hat sich daher seit 1871 von Jahr zu 
Jahr gesteigert, und wird sich in 1875 wahrscheinlich auf 1 Million 
Zentner belaufen haben,* während für die Salinen in Elsaß-Loth- 
ringen, welche früher vorzugsweise Frankreich versorgten, nun- 
mehr seit 1871 jede Einfuhr nach Frankreich aufgehört hat Die- 
selben vermögen nicht einmal in den Reichslanden die Konkurrenz 
mit den durch die derzeitigen Zollverhältnisse so sehr begünstigten 
französischen Salinen erfolgreich zu bekämpfen und sind ebenso 
wie die württembeigischen Salinen darauf angewiesen, einen mög- 
lichst großen Teil ihrer Produktion in dem natürlichen Absatz- 
gebiete der westfälischen Salinen, das ist der unteren Rheinprovinz 
und im westlichen Westfalen, zu jedem Preise unterzubringen. Die 
westfälischen Salinen haben daher nicht allein die französische» 
sondern auch die Konkurrenz der reichsländischen und wfirttem- 
bergischen Salinen zu überwinden. Infolgedessen war unser Salz 
selbst zu niedrigen Preisen nur schwer abzusetzen.' Den gleichen 
Tenor schlägt der folgende Geschäftsbericht an. Dort heißt es: 
,Die mißliche Lage der westfälischen Salinenindustrie infolge der 
sich noch stetig steigernden Einfuhr französischer Salze hat sich 
1876 noch verschlimmert. ... Bei stetig sinkenden Preisen war 
die Kundschaft wechselnd und der Absatz ungewöhnlich schwierig. 
Von Königsbom konnten nur 71 590,85 Zentner verkauft werden zum 
Durchschnittspreise von 1,57 Mark franko Waggon Bahnhof Unna.* 

Unter dem Drucke dieser Konkurrenz arbeitete der damalige 
Repräsentant der Gewerkschaft, Bergassessor a. D. Tilmann, im 
Anschluß an die Eingabe des deutschen Salinenvereins bezüglich 
der Einhihr französischer Siedesalze nach Deutschland ein Pro- 
memoria aus über die Gefährdung der seit Jahrhunderten blühen- 
den westfälischen Industrie durch die französische Einfuhr. Es 
wurde dem Bundesrate des Deutschen Reichs überreicht mit der 

* Diese Annahme war, wie die Zahlen auf voriger Seite zeigen, unzutreffend. 



6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 315 

kums feineren Salzsorten zuwendet, desto mehr schwindet der 
Vorteil, welcher der Saline aus ihrer zur Grobsalzgewinnung ge- 
eigneteren natürliche Mutterlaugensalze führenden Sole erwächst 
Auch dieser Vorteil bedeutet daher keine endgültige Sicherung. 
Verringerung der Selbstkosten bei der Siedung durch Verbrauch 
eigener Kohlen und Verlegung des Produktionsschwerpunktes auf 
die Grobsalzfabrikation dürfen daher in ihrer Bedeutung für die 
Sicherung der Existenz der Saline Königsbom nicht überschätzt 
werden. Beide Momente würden nicht stark genug gewesen sein, 
wenn nicht die freie Konkurrenz auf dem Salzmarkt in 
den letzten 30 Jahren — wenn auch mit Unterbrechungen — 
durch Konventionen und Syndikate beschränkt gewesen 
wäre* Nur das deutsche Salinensyndikat gewährleistete bisher 
die Erhaltung und Lebensfähigkeit der sonst existenzunfähigen, 
wirtschaftlich schwachen Betriebe. Daraus begreift sich auch das 
enorme Interesse, das gerade die mit schwacher Sole arbeitenden 
westfälischen Salinen, an ihrer Spitze die größte, nämlich Königsbom, 
an den Kartellbildungen in der Salzindustrie stets genommen haben. 

Die Geschichte der Kartellbestrebungen in der deutschen 
Salinenindustrie ist eine sehr wechselreiche; sie zeigt, wie schwierig 
es ist, bei blofier Fixierung der Preise und Verteilung des Ab- 
satzes auf die Dauer die Organisation zu halten. Es ist natürlich 
hier nicht möglich, die Entwicklung im einzelnen zu verfolgen. 
Die historischen Details sind zusammengestellt in einer Abhand- 
lung von A. Wurst über die Kartelle in der deutschen Salinen- 
industrie.* In dieser Arbeit wird gezeigt, daß bereits im Jahre 
1868, also nach der Aufhebung des auf den technischen Fortschritt 
lähmend wirkenden Salzmonopols in Preußen die ersten losen 
Vereinigungen zustande kamen. Sie brachen jedoch nach den in 
der oben zitierten Schrift gegebenen Belegen 1874 wieder zusammen. 

In den 70 er Jahren litt die deutsche Salinenindustrie kolossal 
unter der französischen Konkurrenz. Die Einfuhr an Salz aus 
Frankreich betrug: 

1868 4584 t 1871 2145 t 1874 20237 t 

1869 4248 . 1872 6807 . 1875 23223 . 

1870 3686 . 1873 18934 . 1876 22520 . 

Der gefähriichste Konkurrent waren die französischen Meurthe- 
salinen. In dem Geschäftsbericht der Gewerkschaft Königsbom 
von 1875 wird darüber geklagt, daß dieser Wettbewerb die Ab- 

^ Schriften des Vereins für Sozialpolitik Bd. 60 1894 p. 129 ff. 



318 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbdrid>. 

auf diesem Wege das gesteckte Ziel, höhere Preise und damit 
bessere Erträgnisse für unsere Saline , erreichen.* In dem Ge* 
Schaftsbericht des folgenden Jahres wird dann weiter ausgefährt: 
»Es gelang einen Verband der westfälischen Salinen mit der 
Führung in KOnigsbom zustande zu bringen, der mit andern ent- 
stehenden und bereits bestehenden Verbänden in Kartell trat und 
die weichende Bewegung nicht nur zum Stillstand brachte, sondern 
auch eine angemessene Aufbesserung der Verkaufspreise erzielte. 
Inzwischen ist es gelungen, unserm westfälischen Salinenverbande 
eine festere Form zu geben und denselben zu einem Syndikat 
auszugestalten, mit einem gemeinschaftlichen Verkaufsbureau in 
Königsborn, welches am 1. Juli 1889 seine Tätigkeit beginnt 
Der mit den übrigen Verbandssalinen darüber getätigte Vertrag 
läuft vorläufig auf fünf Jahre. Gelingt es, wie wir hoffen wollen, 
nun auch die Verabredungen mit den übrigen deutschen Salinen* 
gruppen auf feste und dauernde Grundlage zu stellen, so wird 
unserer Salinenindustrie eine angemessene Rente des darin 
festgelegten Kapitals gesichert sein.' Diese Vereinigung ge- 
lang, und es bildete sich die deutsche Salinenkonvention im 
Jahre 1889. Diese Konvention bestand im wesentlichen darin, 
daß sich unter den Privatsalinen feste lokale Verbände bildeten, 
welche unter sich und mit den Staatssalinen in bezug auf Regu- 
lierung des Absatzes und der Preisbildung Hand in Hand gingen. 
Die Abrechnung über die Beteiligung beim Absatz fand in zwei 
großen Gruppen, der norddeutschen und der süddeutschen Salinen- 
vereinigung statt Zu der ersteren gehörte auch der westfälische 
Salinenverein. Der Verkauf des gesamten Salzes der westfälischen 
Salinen ging durch die Bücher der Gewerkschaft Königsbom. 

Freilich sollten sich die Hoffnungen auf lange Dauer dieses 
Syndikats nicht erfüllen. .Wir glauben,' heißt es trotzdem im 
Geschäftsbericht des Jahres 1889, »der ins Leben getretenen Ver- 
ständigung sämtlicher deutschen Salinen eine recht lange Dauer 
beimessen zu dürfen, da sich bei allen Beteiligten die Erkenntnis 
Bahn gebrochen zu haben scheint, daß das gegenwärtige Ein- 
vernehmen den Interessen jedes einzelnen, selbst wenn auch kleine 
Verschiebungen in den Absatzverhältnissen eingetreten sind, wesent- 
lich besser dient, als der frühere ziel- und rücksichtslose Kon- 
kunenzkampf, der in absehbarer Zeit auch die bestsituierte Salben- 
Industrie ruinieren müßte." 

Unter der Herrschaft des deutschen Salinenkartells, die bis 



6. Königsborn, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 319 

zum Jahre 1897 dauerte, zogen die Preise langsam an. Volks- 
wirtschaftlich interessant ist, daß trotz dieser Preiserhöhung die 
Kleinhandelspreise eine Änderung nicht erlitten. Über diese Preis- 
verhaltnisse bemerkt der Bericht von 1890 folgendes: »Auch bei 
der deutschen Salzkonvention hat sich ein verständiges Maßhalten 
in der Vereinbarung über die Preise als das beste Mittel er- 
wiesen, derselben Dauer zu verschaffen und jede Schädigung der 
Konsumenten zu vermeiden, denn nach wie vor kostet das Salz 
im Laden des Detaillisten nur höchstens 10 Pf. pro Pfund, genau 
so wie in den Jahren, wo die Salinenindustrie infolge einer ganz < 

ziel- und planlosen Konkurrenz der einzelnen Salinen unter sich i 

bis dicht vor den Ruin gebracht war. Der Betriebsgewinn der 
Saline bat sich nach vollständiger Durchführung der Konventions- 
preise denn auch auf 234395 Mark gehoben. Dabei müssen wir 
indes noch besonders hervorheben, daß wir die durch die Kon- 
vention herbeigeführte Sanierung der Marktlage auch dazu benutzt 
haben, die Löhne (nämlich der Salinenarbeiter), welche den trau- 
rigen Verhältnissen entsprechend nur mäßige sein konnten, auf- 
zubessern, und zwar in erheblichem Maße. Diese Erhöhung be- 
trägt gegen das Jahr 1888 durchschnittlich 33%.'' 

Wir werden später die näheren Details über den Einfluß des 
Kartells auf die Steigerung des Untemehmergewinns aus der 
Saline noch kennen lernen. Hier sei nur erwähnt, daß sich die 
Erträge aus dem Verkauf von Salz von 1889 — 1896 verdoppelten. 
Trotzdem wurden dieselben jedoch infolge der steigenden Pro- 
duktion der Zeche 1895 von den Gewinnresultaten der letzteren 
überholt Ich möchte bereits hier darauf aufmerksam machen, daß 
unter der Herrschaft des Salinenkartells die Salzkonjunktur 
natürlich eine sehr günstige war, die Kohlenkonjunktur aber, 
die durch andere Ursachen t)estimmt wird, eine ungünstige. Das 
Salinenkartell hat also dem Qesamtuntemehmen nicht unwichtige 
Dienste geleistet 

In dieser Zeit aber verschlechtert sich die finanzielle Situation 
desselben nicht unbedeutend, namentlich 1892 und 1893. Das 
hängt jedenfalls mit dem Rückgang der Erträgnisse aus dem 
Kohlenbergbau zusammen. Bereits in dem erstgenannten Jahre 
wurde eine neue Anleihe von 2 Millionen Mark zur Emission 
gebracht Mit Bezug hierauf urteilt der Geschäftsbericht dieses 
Jahres in sehr optimistischer Weise: »In finanzieller Beziehung 
können wir uns jetzt schon frei bewegen, da uns fortlaufend ein 



320 6. KOnlgsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- nnd SotbadbeUd». 

ziemlich erhebliches Guthaben bei den Bankiers verbleibt, und 
wir für die Guthaben der Salinen des von uns geleiteten west- 
fälischen Salinenvereins, welche sich im Laufe des Jahres zwischen 
400000 — 600000 Mark bewegen, ebenso wie für unseren eigenen 
Salzsteuerkredit ein dreimonatliches offenes Ziel haben.* Immer- 
hin beginnt damals, wie später noch zahlenmäßig nachgewiesen 
werden soll, die Schuldenlast bedeutend zu steigen. Heute hat 
sie eine Höhe erreicht, die zu dem vorhandenen Aktienkapital in 
keinem gesunden Verhältnis mehr steht 

Als Anfang 1896 der bevorstehende Zusammenbruch des 
deutschen Salinenkartells bereits dunkle Schatten vorauswarf und 
allenthalben Störungen auf dem Salzmarkte eintraten, suchte die 
Verwaltung die drohenden Ausfalle durch gesteigerte Einnahmen 
der Zeche wettzumachen. 

Was damals vorausgesehen wurde, sollte bald eintreten. Zu- 
erst bröckelte die norddeutsche Salinenvereinigung los. Als sich 
dann auch das lothringische Syndikat auflöste, war damit das 
Signal für den Zusammenbruch auch der süddeutschen Salinen* 
Vereinigung gegeben, mit welcher das lothringische Syndikat 
bisher über den Absatz verrechnet hatte. Die Folge war eine all- 
gemeine Entfesselung der freien Konkurrenz und eine grofie Preis- 
dekadenz auf dem SalzmarkL ,Von Beginn des Jahres 1897 an 
sind die Preise für Kochsalz exklusive Steuer um mehr als 50^/o 
in den Kampfgebieten geworfen worden.** 

Dieser scharfe Preiskampf aber predigte den vorher ver- 
bündeten Salinen die Lehre, dafi dieser Zustand nur von kurzer 
Dauer sein dürfe, und ermahnte sie, bald wieder in Verhandlungen 
miteinander einzutreten. Diese aber hatten keinen Erfolg, denn 
in den Interessenkampf griff ein dritter Faktor ein, mit dem man 
bisher nicht gerechnet hatte, nämlich die Sodaindustrie. 

Im Jahre 1896 entstand nämlich zwischen dem Syndikat und 
der neuen lothringischen Saline und Sodafabrik in Chateau-Salins 
ein Preiskampf, der bis 1900 wahrte. Der Spiritus rector desselben 
war die zum Syndikat gehörige Solvaygesellschaft, die das 
Aufkommen neuer Konkurrenz in der Sodafabrikation um jeden 
Preis verhindern wollte. Diese Gesellschaft war in Deutschland 
in dem Mafie mächtiger geworden, je mehr der Le Blanc-ProzeB 
dem Ammoniaksodaveriahren weichen mufite. Ober das Eingreifen 



♦ Bericht von 1897, 



6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 321 

dieses Machtfaktors in die Kartellinteressen der Salinenindustrie 
fährt nun der Geschäftsbericht von 1897 folgendes aus: »Die in 
Deutschland wie in fast allen Industrieländern auf dem Gebiete 
der Sodafabrikation fast ausschliefilich herrschende Solvaygesell- 
Schaft, welche in der Hauptsache mit belgischem Kapital arbeitet, 
bietet alles auf, das Entstehen neuer Sodafabriken zu verhindern. 
Nun hat eine vor ein paar Jahren in Chateau-Salins in Lothringen 
errichtete Saline auch eine Sodafabrik erbaut und alle Versuche, 
diese Gesellschaft von der Inbetriebsetzung der Sodafabrik ab- 
zuhalten, sind bisher gescheitert. Die Folge davon ist, dafi die 
Solvaywerke, welche in Saaralben und Bemburg auch große 
Salinen besitzen und deshalb ein entscheidendes Wort auf dem 
Salzmarkt mitsprechen, einer Erhöhung der Salzpreise widerstreben, 
um der Gesellschaft in Chateau-Salins jede Stärkung ihrer Position 
unmöglich zu machen. Auf diese Weise wird die ganze deutsche 
Salinenindustrie auf das unglücklichste durch einen Interessenkampf 
getroffen, der sie gar nichts angeht und dessen Folgen sie noch 
machtlos gegenübersteht Solange seitens der direkt beteiligten 
Faktoren eine Scheidung der Interessen auf dem Soda- und Salz- 
markte nicht erfolgt, ist an eine Besserung der Lage für die 
Salinen nicht zu denken. Die norddeutsche Salinenvereinigung, 
der wir angehören, besteht zwar noch, und ist bestrebt, durch ein 
anderweitiges Abrechnungsverfahren, auf Grund dessen jede Saline 
den gleichen Durchschnittspreis loco ihrer Veriadestation erhalten 
soll, ihr Bestehen zu festigen, auch hat sich eine neue Vereinigung 
süddeutscher rechtsrheinischer Salinen gebildet — solange aber 
zwischen diesen beiden Gruppen und den Lothringern jede Füh- 
lung fehlt und solange der Streit zwischen den Solvaywerken und 
Chateau-Salins nicht aus der Welt geschafft ist, bleibt eine Besserung 
der Salinenerträgnisse ausgeschlossen.' Dieser Kampf des Syn- 
dikats und der Saline und Sodafabrik in Chateau-Salins dauerte, 
wie erwähnt, über vier Jahre, von 1896 bis Ende 1900, und zog 
die ganze deutsche Salinenindustrie sehr stark in Mitleidenschaft 
Erst in dem letztgenannten Jahre gelang es dann auf dem Salz- 
markt wieder zu festen Organisationen und zur Rekonstruktion 
der alten Verbältnisse zu gelangen, nachdem bereits 1898 zwischen 
den Privatsalinen Nord- und Mitteldeutschlands, sowie den west- 
fälischen eine engere Vereinigung geschlossen war, die dafür 
sorgte, dafi die in umstrittenem Gebiet absetzenden Werke den 
Kampf gegen die übrigen Salinen bestehen konnten und die 

S 1 1 1 1 1 c h , Natlooalttkonomlsdic Fortchuogen. Bd. IL 21 



322 6. Könlgsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

Konkurrenz selbst begrenzt blieb. 1901 wurde dann das Syndikat 
auf weitere zehn Jahre verlängert 

Ob die heute bestehenden Verbände innerlich fest konsolidiert 
sind und eine Verfassung haben, die auf Dauer Anspruch erheben 
kann, muß vom theoretischen Standpunkte aus bezweifelt werden. 
Denn Preise und Verkaufsbedingungen lassen sich nicht auf die 
Dauer regulieren, ohne daß auch die auf den Markt gebrachten 
Mengen kontingentiert werden. Das geschieht beim Salz aber 
offenbar nicht. Der Vertrag beruht vielmehr auf folgender Basis. 
Durch die Steuerkontrolle ist der Gesamtabsatz jeder Saline be- 
kannt Die von jeder abgesetzten Mengen werden nun addiert 
und der Prozentanteil am Absatz nach den Erfahrungen eines 
Jahres für jeden Verband festgesetzt Verkauft der Verband in 
einem Jahre mehr als ihm angewiesen ist, wie z. B. der west- 
fälische Salinenverein im Jahre 1902, so muß er im nächsten Jahre 
diesen Überschuß durch Oberweisung an die anderen Verbände 
wieder zum Ausgleich bringen. Eine Begrenzung des Produktions- 
quantums der einzelnen Salinen jedoch findet nicht statt Die 
ganze Kartellgeschichte aber lehrt, daß sich solche Konstruktionen 
unter günstigen Verhältnissen, wie wir es z. B. auch l)ei der 
Ammoniak- und Benzolverkaufsvereinigung sehen, eine Zeitlang 
halten können, aber nicht auf die Dauer. Es beruht das darauf, 
daß Angebot und Nachfrage in letzter Linie die Preise bestimmen, 
und auch die mächtigsten Kartelle sind nicht imstande, sich von 
diesem Gesetz zu emanzipieren. 

Dazu kommt nun als zweiter Grund, daß die beiden Gruppen 
in der Salzproduktion ein verschieden hohes Interesse an der 
Kartellierung besitzen; die einen hängen mit ihrer ganzen Exi- 
stenz von hohen Kartellpreisen ab, die andern aber nicht, wie 
wir bereits früher gesehen haben. Fast will es scheinen, als ob 
unter dem Einflüsse der Oberproduktion an Salz, die zweifellos 
in Deutschland besteht, neue Differenzen sich vorbereiten. In 
dem letzten Geschäftsbericht der Gesellschaft Königsbom, durch 
deren Hände ja der Verkauf des westfälischen Salzes geht, wird 
gesprochen von ,der gegensätzlichen Stellung zu den übrigen 
Verbänden, die wir konsequenterweise einnehmen mußten, weil 
wir die nach unserer Ansicht zwecklos billigen Preise nicht mit- 
machen wollten.* Es waren nämlich einige neue Salinen im 
Entstehen begriffen resp. schon entstanden, vor allen die Saline 
Benthe, die von dem Syndikat durch Unterbietung im Preise 



6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 323 

zum Beitritt gezwungen werden sollte. Das ist inzwischen ge- 
lungen. Aber jede kleine Steigerung der Verkaufspreise gibt 
den Anreiz zur Entstehung neuer Konkurrenz, und immer 
von neuem wiederholt sich der ewige Kampf. Jede neue Saline 
aber, die entsteht, ist ein Nagel zum Sarge des Syndikats. 

Solange aber das Syndikat besteht, dient es vor allem dem 
Schutze der wirtschaftlich Schwachen. Richtig charakterisiert daher 
Ffirer* den Nutzen der Salzkartelle folgendermaSen : »Die hohe 
Bedeutung der Salinenkonventionen liegt aber besonders darin, 
daS, wie in Norddeutschland, einer großen Zahl kleinerer und 
mit ihren Produktionsmitteln minder günstig gestellter Werke, die 
unter dem Obergewicht der neueren Großbetriebe zweifellos zu- 
grande gehen müßten, ihre Lebensfähigkeit erhalten wird. Auf diese 
Weise wird an vielen Orten eine seit langen Zeiten nutzbringende 
Industrie erhalten und der Zentralisierung der Salzgewinnung 
durch großkapitalistische Unternehmungen, der sonst nur durch 
eine Monopolisierung durch den Staat begegnet werden könnte, vor- 
gebeugt* Diese Worte gelten auch für Königsbom. Der Schutz- 
engel dieser Saline ist das Kartell. Ihre Weiterexistenz hängt da- 
von ab, ob es gelingt, die Salzpreise auf ihrer heutigen Höhe zu 
halten, resp. zu steigern, und ob dazu die heutige Kartellorgani- 
sation die innere Kraft hat Ob das freilich im Interesse der 
Volkswirtschaft und der konsumierenden Bevölkerung liegt, ist 
eine ganz andere Frage. 

Betrachten wir nun noch kurz die Preise für Speisesalz. 
Im allgemeinen ist der Preis des Salzes in Deutschland ein außer- 
ordentlich hoher, wenn man berücksichtigt, daß kolossale Mengen 
von Salz disponibel sind, aber nicht gewonnen werden. Der hohe 
Preis setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, einmal aus 
der hohen Verbrauchsabgabe von 6 Mark pro Zentner, die sozial- 
politisch nicht als zweckmäßig anerkannt werden kann, weil sie 
wie eine Kopfsteuer wirkt und die unteren Klassen, die infolge 
ihrer mehr vegetabilischen Nahrung mehr Salz genießen als die 
oberen, stärker belastet Dann aus dem damit verknoteten Syn- 
dikatspreis. Daher übertrifft das Salz die Preise anderer Bergbau- 
produkte, ja sogar — wenn der Vergleich zulässig ist — die 
des Brotgetreides bedeutend. Nach meiner Zusammenstellung 
kostet 1 kg 

• a. a. O. p. 248. 

21* 



324 6- KOnigsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetiieb. 

Kohle . . 1 Pf. Stahl . . 10 Pf. Weizen . 15 Pf. 

Roheisen . 7 . Roggen . 13 . Salz . . 20 , 

In den letzten Jahren ist es namentlich das englische Salz 
gewesen, das der Saline viel zu schaffen machte. An den deutschen 
Küstengebieten war es von jeher schon abgesetzt worden. Nun 
aber drang es auch nach Rheinland und Westfalen ein. Hierüber 
sagt der Geschäftsbericht von 1900 folgendes: «Neuerdings werden 
Anstrengungen gemacht, englisches Siedesalz, welches sonst fast 
nur über die Nord- und Ostseehäfen nach Deutschland einging, 
auch nach Westfalen und Rheinland zu werfen. Doch werden wir 
diese Konkurrenz durch mäßige Konzession im Preise an den 
bedrohten Punkten im Notfall unwirksam machen. Außerordentlich 
wünschenswert wäre es allerdings, wenn die von dem Vereine 
deutscher Salinen und Salzbergwerke seit Jahren betriebene An- 
strengung, den auf landwärts eingehendes ausländisches Salz be* 
stehenden Eingangszoll auch auf seewärts eingehendes Salz an- 
gewendet und angemessen erhöht zu sehen, beim Bundesrat Erfolg 
hätte. Gegen veriustbringende Preise werden die deutschen Salinen 
nur durch ihre Konventionen geschützt Wird diese aber durch 
fremden Import ins Wanken gebracht, so könnten leicht wieder 
Zustände eintreten, wie sie eben überstanden sind, und die öffent- 
lich am besten durch die kläglichen Resultate beleuchtet werden» 
welche die nur auf Salinenbetrieb begründeten Aktiengesellschaften 
in dem letzten Jahre gehabt haben.* Man wünscht also die Be- 
seitigung des Differentialzolls auf Salz. Bekanntlich wird das 
landwärts importierte Salz niedriger verzollt als das zur See ein* 
geführte. Der Schutzzoll soll den die Pläne des Kartells kreuzen- 
den fremden Import unterbinden und eine gleiche und erhöhte 
Verzollung die Kartellorganisation selbst stärken. In ähnlichem 
Sinne spricht sich auch der Geschäftsbericht des folgenden Jahres 
aus: „Die Verhältnisse auf dem Salzmarkt würden als befriedigende 
zu bezeichnen sein, wenn nicht die im vorigen Bericht erwähnte 
englische Konkurrenz sich inzwischen lebhafter fühlbar gemacht 
hätte. Zwar ist die Einbuße, welche wir in unserem speziellen 
Absatzgebiete am Absatzquantum zu verzeichnen haben, noch 
nicht erheblich zu nennen, indes werden wir bei weiterem Vor- 
dringen der englischen Einfuhr doch nicht umhin können, derselben 
durch Preisermäßigung zu begegnen.* Wir sehen aus diesen Mit- 
teilungen, wie die ausländische Konkurrenz auf die Preispolitik 
des Syndikats nicht ohne Einfluß ist 



6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 325 

Im Zusammenhang mit dem Vorhandensein der Saline steht 
weiter das Solbad Königsborn. Es wurde 1818 errichtet und 
war in den 20 er und 30er Jahren des verflossenen Jahrhunderts der 
Sammelplatz der fashionablen Welt Westfalens.* In den 50er 
Jahren hörte es auf zu existieren. Es war nicht mit dem Staats- 
betrieb verbunden gewesen, sondern befand sich im Privatbesitz. 
Erst 1865 kamen acht Badezellen in einem besonderen Badehause 
in Betrieb. Als die Saline von der Gewerkschaft übernommen 
wurde, vervollkommnete sie zunächst die Einrichtungen des Bades. 
Es verband sich damit die Verwirklichung eines besonderen Lieb- 
lingsgedankens Grillos, der dabei Sportszwecke im Auge hatte. 
Es wurden 12 neue Badezellen errichtet und ein kleines Logier- 
haus mit 15 Zimmern und Gartenanlagen. Die sich infolgedessen 
stark steigernde Zahl der abgegebenen Sol- und Dampfbäder ver- 
anlafite die Verwaltung im Geschäftsbericht 1874 zu der Bemerkung: 
«Die Erhaltung und weitere Ausbildung des Solbades liegt daher 
wohl nicht mehr vorzugsweise im humanistischen Interesse, sondern 
ist für uns auch in finanzieller Rücksicht von Bedeutung. ** Seit- 
dem ist das Ganze nach einem großzügigen Plane erweitert und 
ausgebaut worden. In einem schattigen Park erhebt sich ein Kur- 
und Badehaus mit 76 Badezellen, mit Inhalations- und Douche- 
Tflumen. Verabreicht werden einfache Solbäder, reine Thermalbäder 
und auch reine Süßwasserbäder. Zu den Thermalbädern dient das 
Wasser der Werriesquelle. «Die Quelle tritt mit ihrem vollen 
Gehalt an Kohlensäure in die Badewannen ein, so dafi die 
Königsbomer Thermalbäder sich nach dem übereinstimmenden 
Urteil aller Sachverständigen mit den berühmtesten Kochsalztermen 
nicht nur messen können, sondern dieselben bei weitem über- 
treffen.^ Außerdem werden auch Dampfbäder verabreicht Die 
Bäder sind hauptsächlich für rheumatische und nervöse Kranke. 
Die Preise sind, da der Badebetrieb Erwerbsquelle ist, hier wie 
anderswo verhältnismäßig hoch. Es kostet ein Solbad für Kur- 
gäste 1,60 Mark, im Abonnement 1,30 Mark; ein Thermalbad 
2 Mark, im Abonnement 1,50; ein Dampfbad ebenfalls 2 Mark. 
1894 wurde dann weiter von dem Badearzt Dr. Wegele eine Heil- 
anstalt für Magenleidende errichtet Die für das Bad erforderiiche 
Wäsche wird in einer eigenen nach den Prinzipien der modernen 
Technik eingerichteten Wäsche gewaschen. Die Betriebskraft liefert 

• Grevel a. a. O. p. 10. 
•• Geschäftsbericht 1881. 



326 6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

eine Maschine von 11 Pferdekräften. Die Anstalt enthalt die erforder- 
lichen Waschmaschinen, verschiedene Bottiche, einen Spülapparat, 
eine Zentrifuge zum Trocknen und einen Trockenofen, der mit Dampf 
geheizt wird. Besonders gedacht sei noch des Kurgartens, der 
als Muster einer Parkanlage betrachtet werden kann. Er enthalt 
einen alten urwüchsigen Baumbestand und wird abends, wenn 
die Konzerte stattfinden, durch große Bogenlampen erleuchtet 
Soviel über die Betriebseinrichtungen. 

Von besonderer Wichtigkeit ist die Frequenz des Bades, 
weil sie in letzter Linie über die Einnahmen aus dem Badebetrieb 
entscheidet Dieselbe steht im Zusammenhang 1. mit der Witte* 
rung, 2. mit der Konjunktur, 3. mit den Eisenbahntarifen, 4. mit 
dem Aufkommen neuer Badeanstalten in der Umgegend. 

Der Besuch des Bades ist zunächst von einem natfiriichen 
Moment der Witterung abhangig. Der Einflufl dieses Faktors 
ist jedoch nicht zu überschätzen. Viel mehr steht die Frequenz 
im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Konjunktur. Der Ein- 
fluß günstiger Geschäftszeiten ist so stark, daß er selbst durch 
schlechte Witterung nicht paralysiert werden kann. Ein Beispiel 
hierfür ist das Jahr 1881, in dem trotz der denkbar schlechtesten 
Witterung das Bad sehr stark frequentiert wurde. 

Ein Mittel, um immer neue Kurgaste aus der Umgebung 
heranzulocken, bildeten die ursprünglich nur an einem Tage der 
Woche veranstalteten Konzerte. Bereits im Geschäftsbericht von 
1876 wird bemerkt: »Das Kurhaus erfreut sich mit dem Heran- 
wachsen der ausgedehnten Gartenanlagen einer steigenden Fre- 
quenz. Insbesondere werden die regelmäßigen Konzerte an jedem 
Donnerstage aus der Umgegend und den Nachbarstadten sehr rege 
besucht und dienen wesentlich zum Bekanntwerden des Bades.* 

Die Einwirkung der Konjunktur kommt nicht so stark zum 
Ausdruck in der Zahl der standigen Kurgaste als in der Zahl der 
verabreichten Bader aller Art In den schlechten Geschäftszeiten 
wird weniger gebadet. Diese Tatsache steht einmal mit dem ver* 
ringerten Einkommen, dann aber auch mit dem hohen Preis der 
Bader im Zusammenhang. Die Zahl der abgegebenen Bader sank 
in den Jahren 1877 und 1878, femer 1883, 1885, 1887, 1889, dann 
besonders in den Jahren 1892—1894 und im Jahre 1902. Die 
Zahl der Kurgaste verringerte sich 1883, 1885, 1888, 1892, 1893, 
1901—1903, d. h. in Jahren, die sich größtenteils durch schlechten 
Geschäftsgang auszeichneten. 



6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 327 

Nun ist aber der Einflufi der Konjunktur auf die Frequenz 
nicht das allein entscheidende; hinzu kommen für das Bad Königs- 
bom noch zwei weitere Momente wirtschaftlicher Natur. Das eine 
trägt einen singulären Charakter; es besteht in einer Änderung 
der Personentarife auf der Strecke Dortmund-Unna im Jahre 1883. 
Hierüber besagt der Geschäftsbericht dieses Jahres folgendes: «Der 
Passantenverkehr war namentlich von Dortmund her ganz erheb- 
lich schwächer, weil seitens der Eisenbahnverwaltung die früheren 
Fahrvergünstigungen für die Strecke Dortmund-Unna-Königst)om 
aufgehoben wurden und trotz aller Bemühungen nicht wieder zu 
eneichen waren. Einigen Abbruch tut in dieser Beziehung unserem 
Bade auch der Umstand, daß in Dortmund eine städtische Bade- 
anstalt errichtet ist, in welcher auch Bäder mit Zusatz von Sole 
und Mutterlauge gegeben werden/ 

Aufier der Errichtung einer städtischen Badeanstalt in Dort- 
mund hatte aber das Aufkommen einer Anzahl Solbäder in 
der Umgegend nicht unbeträchtliche Schädigungen von Königs- 
bom zur Folge. Zunächst wurden durch ein auf der Zeche Fürst 
Hardenberg angelegtes kleines Solbad viele Dortmunder dem Be- 
suche von Königsbom entzogen. Anfang der 90 er Jahre kommt 
dann die Konkurrenz neuer Solquellen in den Besuchsziffem noch 
zu einem stärkeren Ausdruck. Die neuen Bäder führten zu einer 
Zersplitterung des Badepublikums, das sich früher zum größten 
Teil in Königsbom zusammengefunden hatte. In dem Geschäfts- 
bericht des Jahres 1893 heißt es: ,Auf die Frequenz unseres 
Bades wirkt nicht nur die allgemeine Ungunst der Zeiten, sondern 
auch der Umstand nachteilig ein, daß überall, wo etwas Sole 
fließt, Bäder eingerichtet werden, die, wenn sie auch nicht im ent- 
ferntesten den Komfort bieten wie unser Etablissement, doch 
immer einzelne Gäste anziehen und so den Verkehr zersplittern. 
Wir zählen jetzt in unserem engsten Bezirk, nämlich im nörd- 
lichen bzw. nordwestlichen Westfalen, mehr als ein Dutzend sog. 
Solbäder. Seitdem nun noch die städtischen Badeanstalten, z. B. 
in unserer Nachbarstadt Dortmund, angefangen haben, Solbäder, 
ja selbst kohlensaure Solbäder u. dgl. zu geben, bat auch der 
Passantenverkehr sich vermindert* 

1900 ging das Solbad Fürst Hardenberg wieder ein; die 
Folge war, daß Königsbom 1901 einen Zuwachs zu verzeichnen 
hatte. 1902 setzte dann die schlechte Konjunktur mit ihrer 
frequenzreduzierenden Wirkung ein. Vielleicht hat zu dem Rück- 



328 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau. Salinen- und Solbadbetrieb. 

gang, soweit der Passantenverkehr in Betracht kommt, auch der 
Besuch der Düsseldorfer Gewerbeausstellung beigetragen. Es be- 
trug in den letzten Jahren: jg^ j^j j^ j^ j^^ 

Die Zahl der abgegebenen Bäder . . . 49001 51789 47915 50994 5427$ 

„ „ „ ständigen Kurgäste . . . 2205 1857 1579 1540 1336 

Der Betriebsüberschuß des Bades in Mark 27455 31481 14084 34204 24905 

Soviel Über die Entwicklung der Saline und des dazuge- 
hörigen Solbades. 

Fassen wir noch einmal die Hauptpunkte der bisherigen Dar- 
stellung zusammen, dann ergibt sich folgendes: Die Gewinnung 
von Salz hängt in erster Linie ab von der Größe und 
dem Adel der Solen. Dieselben genügten nicht bei dem 
nur 4% Salz haltenden Rollmannsbrunnen. Erst die Er- 
schliefiung der Werriesquelle gestattete die Verarbeitung 
einer Sole mit einem Salzgehalt von über 8^/o. Er bildet 
heute die Grundlage der Königsborner Salzindustrie. 

Zur Konzentrierung dieser nicht gesättigten Sole 
dienen Gradierwerke. Sie repräsentieren ein hohes An- 
lagekapital Ihr Ergebnis hängt von einem variablen 
Faktor, dem Wetter, ab. Infolgedessen trägt die Salz* 
gewinnung von Königsborn Saisoncharakter. Der Ver- 
lust beim Gradieren ist nicht unbeträchtlich. Mit dem 
nicht gesättigten Charakter der Sole hängt außerdem die 
Notwendigkeit der Einrichtung von Störpfannen zusam- 
men. Infolge dieser Umstände ist das Salz mit hohen 
Produktionskosten belastet 

Seine Konkurrenzfähigkeit mit dem bedeutend billiger 
hergestellten Salz solcher Salinen, die keinen Gradier- 
betrieb haben, sondern die gesättigte Sole gleich ver- 
sieden resp. versoggen können, beruht, wie wir sahen, 
auf drei Momenten: erstens darauf, daß ein anderer Fak- 
tor in das Ensemble der Selbstkosten billig eingestellt 
werden kann, nämlich die Kohle; zweitens auf der in 
Westfalen noch heute vorhandenen Nachfrage nach groben 
Salzkörnungen, die Königsborn besser herstellt als seine 
die Sole direkt versiedenden Konkurrenten; vor allem 
aber drittens auf dem Bestehen und der Herrschaft des 
deutschen Salinenkartells, das dem Konsum Monopol- 
preise diktiert Seine große soziale Funktion beruht 
darin, Betriebe mit hohen Produktionskosten vor dem 



6. Königsborn, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 329 

Untergange zu schützen. Geschichte und Konstruktion 
des Kartells geben nach unseren Feststellungen keine 
Garantie ffir seine ewige Dauer. Wir erkannten außer- 
dem, dafi jede Preiserhöhung neue Werke ins Leben 
lockt Jede neue Saline aber schwächt, ob sie nun bei- 
tritt oder nicht, das Syndikat 

In letzter Linie bildet auch der mit der Saline Königs- 
born in Konnex stehende Badebetrieb einen wirtschaft- 
lichen Stutzpunkt Die ökonomische Situation desselben 
steht im Zusammenhang mit der einmal durch natür- 
liche Verhaltnisse, dann aber vor allem durch die ge- 
samte Geschäftslage des westfälischen Industriebezirks 
bedingte Frequenz des Bades. Von weiterem Einfluß 
lernten wir die Eisenbahntarife und besonders das Auf- 
kommen neuer Solbäder in der Umgebung kennen. 

Seit Beginn der 80er Jahre bis zur Gegenwart haben 
sich beide Betriebe, Saline wie Bad, trotz mancher 
Schwankungen auf einer ihrer Bedeutung entsprechenden 
Höhe gehalten, wenn auch in bezug auf die Einnahmen 
der Badebetrieb weit hinter der Saline zurücktritt 

Ob nicht das Solbad, das heute nur eine Arabeske 
der Saline ist, einmal dieselbe überdauern wird, ist eine 
offene Frage. Die Geschichte lehrt, daß an vielen Orten, 
wo die Salinen wegen Verarmung ihrer Solen oder der 
Konkurrenz besser situierter Werke genötigt waren, ihren 
Betrieb einzustellen, doch die Solquellen als Heilquellen 
weiterlebten. 

Wie die Zukunft sich gestalten wird, wissen wir nicht; 
aber die Aussichten der Saline Königsborn können meines 
Erachtens als günstige nicht bezeichnet werden. Diese 
Behauptung gründet sich auf einen Analogieschluß. Ober 
ihre Existenz und Zukunft entscheiden zwei mächtige 
und unerbittliche Paktoren: ein natürlicher und ein wirt- 
schaftlicher, nämlich Solgehalt und Salzpreis. Der erstere 
hängt von der weiteren beute bereits bedrohten Ergiebig- 
keit der Werriesquelle, der letztere von dem Fortbestehen 
der Konventionen in der deutschen Salinenindustrie ab. 
In dem Augenblick, wo eine dieser beiden Grundlagen 
der Saline schwindet, ist ihr Schicksal besiegelt 



330 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

Der zweite Abschnitt soll die Entwicklung des Kohlen* 
bergbaus schildern. Die Gesellschaft fördert ihre Kohlen heute 
aus drei Schachtanlagen. Das ökonomische Schicksal derselben 
ist kein gleichartiges; es steht in besonderem Zusammenhang mit 
der Lagerung der Kohlen. 

Die Flözverhältnisse sind im Osten des Oberbergamtsbezirks, 
wo die Zeche Königsborn etabliert ist, andere als im Westen. 
Schon um die Mitte der 80er Jahre schrieb einer der hervor- 
ragendsten Kenner des Kohlenbergbaus, Nonne:* .Es ist allge- 
mein bekannt, dafi die im östlichen Teile des Bezirks gelegenen 
Gruben sowohl in bezug auf Wasserzuflüsse, das Vorkommen 
schlagender Wetter, den Gebirgsdruck u. a. m. unter wesentlich 
ungünstigeren Bedingungen arbeiten als die westlichen, dafi die 
letzteren daher früher und mit geringerem Kapitalaufwande zu 
einer genügenden Förderung gelangten.* Aus diesen Worten er- 
klärt sich zunächst die Tatsache, warum im Osten des Oberberg- 
amtsbezirks Dortmund der Bergbau später einsetzt Königsbom 
selbst ist heute die am meisten nach Osten vorgeschobene Zechen- 
anläge. Wir werden nun im folgenden vor allem bei dem ersten 
Schachte sehen, wie sehr durch Wasserzuflüsse, Gebirgsstörungen 
und beschränkten Kohlenvorrat die Entwicklung beeinflußt wurde, 
dafi aber mit der Etablierung neuer Schachtanlagen das ganze 
Unternehmen auf eine breite Basis gestellt wird, auf der es noch 
heute ruht 

Wir betrachten den ganzen Stoff in drei Abschnitten: der 
erste befaSt sich mit den Schachtanlagen, d. h. den widi- 
tigsten Betriebsmitteln; der zweite mit der Gewinnung so- 
wohl an Kohlen als auch an Koks, und der dritte mit den Ab- 
satzverhältnissen. 

Die Abteufarbeiten für den ersten Tiefbauschacht bei 
Königsbom begannen im Juni 1874, als bereits der wirtschaftliche 
Niedergang die Löhne und Materialpreise herabzusetzen begonnen 
hatte. Das Abteufen selbst verursachte grofie Schwierigkeiten« 
Die Gebirgsschichten verbanden grofie Härte mit großem Wasser- 
reichtum. Infolgedessen wählte man das Kind-Chaudronsche Ab- 
bohrveriahren, das wir bereits bei der Beschreibung der Zeche 
Dahlbusch ökonomisch gewürdigt haben. Eine Pariser -Firma 



* Technische Mittellungen des Vereins für die bergbaulichen Interessen im 
Oberbergamtsbezirk Dortmund 1886 p. 26. 



6. KOnJgsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 331 

Lippmann, Magnet & Co. bohrte den Schacht gleich mit einem 
Bohrer auf den gewählten Durchmesser ab. Die Arbeit ging nur 
schrittweise vor sich. Als Beispiel mögen die folgenden Zahlen 
dienen, die das langsame Vorrücken im Abteufen für das Jahr 1877 
illustrieren. Die Leistungen betrugen im 

Januar 2^1 m 

Februar 0,12 „ 

März — 

AprÜ - 

Mai 2.34 „ 

Juni 4,28 „ 

Juli 3.89 „ 

August 3,55 „ 

Septemt>er 4,19 „ 

Olctober 1,48 „ 

November 4,69 „ 

Dezember 4,34 „ 

Sa.: 30,89 m 
Infolgedessen waren die Kosten sehr bedeutende. Sie be- 
trugen für das laufende Meter 4889 Mark, während sie sich bei 
.Dabibusch IIl/IV auf 2835 Mark beliefen. In der Zeitschrift für Berg-, 
Hütten- und Salinenwesen* werden die Kosten sonst auf 1700 Mark 
pro Meter (ausschliefilich Maschinen und Apparaten) angegeben, 
während das Handabteufen mit 430 — 600 Mark berechnet wird. 
Bei 182 m erreichte man das Kohlengebirge. Bis da- 
hin wurde der Schacht mit eiserner Kuvelage von 3,65 m Durch- 
messer verseben. Die Wettersohle wurde bei 280 m, die erste 
und einzige Bausohle bei 360 m angesetzt Da auf der letz- 
teren infolge des verflachten Einfallens sehr lange Querschläge 
aufzufahren waren, so wurde maschineller Bohrbetrieb mit 
Kompressoren eingeführt** Man beschränkte sich anfangs auf 
den stoßweisen Abbau der Pfeiler. Das geht daraus hervor, dafi 
z. B. 1882 an Wetter-, Versuchs- und Abbaustrecken 3239 m auf- 
gefahren, an Oberhauen aber 5048 m hergestellt wurden. Dann 
ändert sich dies Verhältnis. In dem Bericht von 1883 heifit es 
bereits: »Nachdem inzwischen ein rationeller Betrieb eingeführt 
wurde, ist das Verhältnis der Oberhauen zu den Streckenlängen 
ein vollständig umgekehrtes geworden, damit äbev allerdings bis 
auf weiteres auch die Förderung erheblich reduziert' 

• Bd. 31 p. 334. 
^ Oeschlftsbericht 1880. 



332 6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

Zur Wasserhaltung wurde eine Maschine Woolfschen 
Systems ohne rotierende Bewegung gewählt, «wodurch ein ge- 
ringerer Dampfverbrauch garantiert wird.** Sie ist imstande, 4 cbm 
pro Minute aus einer Maximalteufe von 450 m zu heben. 

Die Bewetterung des Schachtes war anfangs ungenügend 
Wegen mangelhafter Wetterführung mußte der ganze südliche 
Feldesteil abgesperrt werden.** Dann wurde vom Oberbergamt auf 
Grund des Berichts der preußischen Schlagwetterkommission die 
Anschaffung eines leistungsfähigen Ventilators verfügt, und von 
selten des Werks ein großer Moritzscher Ventilator angeschafft» 
der die Anlagen unter Tage mit 5 cbm frischen Wettern pro Mann 
und Minute versorgte. 

Zur Förderung diente ursprünglich eine kleine Förder- 
maschine. Dieselbe erwies sich jedoch, als von 1887 an die 
Produktion stieg, nicht mehr als ausreichend. Es wurde daher 
eine alte, bisher von einer nun außer Betrieb gesetzten Qmbe ge- 
brauchte Fördermaschine gekauft. Aber auch diese genügte nicht 
Deshalb wurde 1887 eine neue Fördermaschine angestellt mit 
1000 mm Zylinderdurchmesser und 1900 mm Hub. Die Förder- 
körbe haben vier Etagen. Jede Etage nimmt einen Wagen zu 
je 0,6 t in sich aui Um den mit dem dreimaligen Umsätzen 
verbundenen Zeitveriust zu beseitigen, wurden zwei übereinander 
liegende Hängebänke angelegt Ebenso sind an der Schachtsohle 
zwei übereinanderiiegende Füllörter vorhanden, welche ein gleich- 
zeitiges Aufschieben von je zwei Kohlenwagen gestatten. 

Die Kohlenförderung konnte 1880, nachdem sechs lange 
Baujahre verflossen waren, ihren Anfang nehmen. Bedeutend war 
sie nicht Dies hängt damit zusammen, daß sich der Steinkohlen* 
bergbau des ersten Schachtes zunächst in dem Eß- und Magerkohlen- 
horizont bewegte, bis es später durch Aufschlußarbeiten im Osten 
des Schachtes 1885 gelang, die Fettkohlenpartie zu erschließen. 

Gleich im Beginn der Förderung, die, wie erwähnt, infolge 
eigentümlicher Ablagerung mit dem Aufschluß der Magerkohlen- 
flöze in den nördlichen und südlichen Partien einsetzte, trat die 
Frage auf, wie sich diese Qualitäten am besten verwerten lassen. 
Der Fingerzeig war bereits durch die Brikettfabriken betreibenden 
Magerkohlenzechen des Südens gegeben. Die Gewerkschaft baute 



* Geschäftsbericht 1879. 
•• Geschäftsbericht 1883. 



6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 333 

daher, um die bei der Förderung fallenden Feinkohlen möglichst 
gut zu verwerten und die Qualität der Förderkohlen aufzubessern, 
eine Brikettfabrik mit Sieberei. Die Ausführung wurde der 
Maschinenfabrik Seh ächtermann & Kremer in Dortmund über- 
tragen» »welche das neueste und bis jetzt als das beste bekannte 
Patent Couffinhal für Deutschland erworben hat** Die Kosten 
der Anlage und Sieberei wurden auf 40000 Mark veranschlagt 
Nachdem die Fabrik gebaut und in Betrieb gesetzt war, ergab 
sich, dafi die produzierten Briketts nur schwer abzusetzen waren. 
In dem Geschäftsbericht von 1882 wird ausgeführt: «Unsere Briketts, 
deren Einführung anfänglich manchen Schwierigkeiten begegnete, 
fanden im vergangenen Jahre bei der Eisenbahndirektion in Han- 
nover und bei verschiedenen italienischen Bahnen Annahme, außer- 
dem in geringen Quantitäten auch bei einzelnen industriellen 
Werken. . . . Leider waren die bei der Einführung zu erzielenden 
Preise noch allzu niedrig, und erst in neuerer Zeit scheint man 
Briketts auch zu höheren Preisen akzeptabel zu finden. Der Ab- 
satz an Briketts stellte sich 1882 auf 127,257 Ztr., der dafür er- 
zielte Durchschnittspreis auf 31,11 Mark pro 100 Ztr. (6,22 Mark 
pro Tonne).* Dann heißt es weiter: »Wir haben den Absatz 
unserer Kohlen so reguliert, dafi wir die Presse nur dann in Be- 
trieb zu setzen brauchen, wenn die zu erzielenden Brikettpreise 
einen angemessenen Erlös für die zur Verarbeitung kommenden 
Feinkoblen ermöglichen.* Eine lange Lebensdauer al)er sollte 
dieser Fabrik nicht beschieden sein. 1883 brannte sie mit der 
dazugehörigen Sieberei nieder. Von einem Wiederaufbau wurde 
abgesehen, da man unterdessen in die Fettkohlenpartie über- 
gegangen war. Die Reste wurden, soweit sie nicht dem Feuer 
zum Opfer gefallen, verkauft. Freilich wollte der Absatz der 
nunmehr völlig unsortierten Kohlen anfangs nicht glatt vonstatten 
gehen, da sich die Abnehmer bereits an das abgesiebte Produkt 
gewöhnt hatten. 

Für die ganze weitere Entwicklung des ersten Schachtes sind 
nun die Lagerungsverhältnisse von ausschlaggel)ender Be- 
deutung gewesen. In der Mitte der 80er Jahre gelangte man in 
einer Entfernung von ca. 880 m östlich des von Süden nach 
Norden gehenden Hauptquerschlages in eine grofie Stöningszone. 
Durch diese wurden die zunächst auf der ersten Tiefbausohle er- 



Qeschlftsberlcbt 1880. 



334 6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetiieb. 

schlossenen Flöze, da die von Nordwesten nach Südosten streichende 
Störung von einem gewaltigen Verwurf ins Liegende begleitet 
war, in zwei Gruppen auseinander gerissen, in eine westliche, die, 
wie wir sahen, zuerst abgebaut wurde und aus Eß- und Mager- 
kohlen bestand, und in eine östliche, die Fettkohlen fährte und 
sich aus den zwischen den Nr. 0- Massen und Rötgersbank auf- 
tretenden Flözen zusammensetzte. Diese ungünstige Architektonik 
des Kohlengebirges ist für das Schicksal des ersten Schachtes 
ausschlaggebend gewesen. Zunächst stehen damit in Zusammen- 
hang die Arbeiten im unproduktiven Gestein; sie erforderten 
großen Zeit- und Geldaufwand; femer die geringere Förderung, 
dann aber auch die später zu besprechenden Verluste. Die 
Arbeiter verdienten infolgedessen auf Schacht I weniger als auf 
dem später in Betrieb gekommenen Schacht II. Das geht unter 
anderm auch aus den Angaben des Berichtes von 1897 her- 
vor. Dort wird zu der Tatsache, daß auf Schacht I der Lohn 
niedriger war, bemerkt: „Der Unterschied ist darin begründet, daß 
auf Schacht I bei wesentlich geringerer Förderung verhältnismäßig 
viel mehr Lohn für Querschlags- und andere unproduktive Ge- 
steinsarbeiten gezahlt werden mußte, als auf Schacht IL* Lange 
Jahre hindurch ist der Effekt durch Arbeiten, die nicht direkt der 
Kohlengewinnung dienten, beeinträchtigt worden. Er betrug im 

Jahre : 

1883 0,665 t 1886 0,814 t 

1884 0,638., 1887 0.983 „ 

1885 0,720,, 1888 1.065 „ 

Wir sehen also, wie die Leistung pro Mann und Schicht an- 
fangs sehr gering ist und erst mit dem Übergang zur Fettkohlen- 
gewinnung in der östlichen Gruppe allmählich auf den Normal- 
effekt von einer Tonne steigt 

In den 90er Jahren hat sich dann, von 1892 und 1893 ab- 
gesehen, die Förderung bis zum Schluß des Jahrhunderts auf 
diesem Schacht auf etwas über 200000 t gehalten, um dann aller- 
dings stark bergab zu gehen. Die Ursachen sind wie gesagt in 
den wenig günstigen Lagerungsverhältnissen zu suchen, vor allem 
im Felde der vierten östlichen Bauabteilung. Die Verwaltung hatte 
namentlich auf die Ausbeutung des Flözes D große Hoffnungen 
gesetzt. Dieselben erwiesen sich aber als trügerisch. Das Flöz 
war in den oberen Höhen nahezu unbauwürdig, infolge zahl- 
reicher dasselbe durchsetzender Querverwerfungen und streichen- 



6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 335 

der Störungen. Die Ausrichtung derselben war jedesmal sehr 
kostspielig und aufierdem von bedeutenden Produktionsausfallen 
l)egleitet. 

Ursprünglich war das herrschende Abbausystem der Pfeiler- 
bau. Dann ging man zum Stoßbau mit Bergeversatz über. 
Da man zum Versatz nicht genug Berge gewann, mußten die über 
Tage lagernden Halden abgeräumt werden. Täglich wurden etwa 
100 cbm Berge vermittelst der mechanischen Streckenförderung 
an Ort und Stelle gebracht. Durch Einrichtung von Lufthaspeln 
wurde der Transport der Berge in die Abbaue wesentlich billiger. 
Darüber sagt der Bericht von 1894 folgendes: »Der kostspielige» 
und höchst umständliche Transport der zum Bergeversatz not- 
wendigen Berge über die Wettersohle ist ganz in Wegfall ge- 
kommen. Der Seilbetrieb in der Hauptförderstrecke ermöglicht es, 
die mit Bergen gefüllten Wagen mit Maschinenkraft bis in die 
letzte Bauabteilung zu bringen, von wo aus die Lufthaspel das 
Heben bis zur Wettersohle besorgen. Infolgedessen gestaltet sich 
der Transport der Versatzmassen wesentlich billiger. Der Abbau 
mit vollem Bergeversatz hat eine so bedeutende Ausdehnung er- 
fahren, daß zur Beschaffung des nötigen Materials die Bergehalde 
erheblich in Anspruch genommen werden muß.* Im Jahre 1901 
war das Feld nahezu abgebaut Am 1. Januar 1904 wurde die 
Grube ganz stillgelegt Jetzt arbeiten nur noch etwa 100 Mann, 
die zur Unterhaltung der unterirdischen Anlagen als Zimmer- 
häuer usw. notwendig sind. 

Als Resultat ergibt sich, daß der erste Schacht einmal 
teuer in der Anlage war, dann nur mäßige Kohlenmengen 
förderte, und schließlich, nachdem das Feld verhauen 
war, die Förderung ganz eingestellt wurde. 

Die schon frühzeitig von der Verwaltung erkannten un- 
günstigen Verhältnisse des durch den ersten Schacht aufgeschlosse- 
nen Grubenfeldes führten nun zu einem eingehenden Studium der 
weiter östlich angrenzenden Felder und, nachdem sich dort bessere 
Verhältnisse herausgestellt hatten, zur Anlage eines zweiten 
Schachtes bei dem Dorfe Heeren. Die Gründe hierfür lagen nicht 
allein in dem eben erwähnten Moment, sondern auch darin, daß 
das Einschachtsystem der Bewetterung und der Sicher- 
heit der Arbeiter, sowie den Anforderungen des Betriebes 
nicht mehr genügte. Übrigens war durch eine Polizeiverord- 
nung des Oberbergamts vom 1. Oktober 1881 das Zweischacht- 



336 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

System für den westfälischen Kohlenbergbau obligatorisch ge- 
worden. Da nun die Bergbehörde immer energischer darauf 
drang, so wurde im August 1886 mit dem Bau des zweiten 
Schachtes begonnen. Über die Details teilt der Geschäftsbericht 
des genannten Jahres folgendes mit: „Da nach dem überein- 
stimmenden Urteil sachverständiger Autoritäten die sichersten An- 
zeichen vorliegen, dafi die ganze Flözlagerung im östlichen Felde 
sich nach Osten einsenkt, resp. dafi die Mulde tiefer, breiter und 
flözreicher wird, so läfit sich bei der grofien Ausdehnung unseres 
Grubenfeldes, welches sich bei einer Breite von ca. 2000 m 
ca. 5500 m nach Osten bis in die Nähe der Station Bönen (Eisen- 
bahnstrecke Unna-Hamm) erstreckt, auf einen aufiergewOhnlich 
großen Kohlenreichtum bei besonders günstigen natüriichen Ver- 
hältnissen mit Sicherheit schliefien. Eine solche reiche und ge- 
winnverheifiende Kohlenablagerung gestattet und bedingt eine 
namhaft größere Förderung, als der jetzige Schacht zu leisten ver- 
mag, und weil die Abstände für Förder- und Wetterwege zu groß 
werden, eine große Förderung wegen Sicherheit der Betriebe auch 
entsprechend stärkere Ventilation verlangt, so ergibt sich zum Zwecke 
möglichst rascher und gedeihlicher Ausbeutung die absolute Not- 
wendigkeit der sofortigen Anlage eines zweiten Schachtes 
im östlichen Felde, die ja auch bereits in der vorigen Gewerken- 
versammlung in Aussicht genommen war. Wir haben deshalb 
nach einmütigem Beschluß unseres Grubenvorstandes unverzüglich 
und energisch mit der Ausführung begonnen. Alle Dispositionen 
sind so getroffen, daß wir bis Ende nächsten Jahres den neuen 
Schacht mit dem alten unterirdisch verbunden und damit auch 
der Anforderung der kgl. Bergbehörde, zwei fahrbare Ausgänge 
zu schaffen, in vollkommener Weise genügt haben werden. Es 
gelang uns, ein ca. 2200 m vom alten Schachte entfernt vor dem 
Dorfe Heeren gelegenes und in jeder Beziehung vortrefflich ge- 
eignetes Terrain in einer Größe von ca. 44 Morgen zu erwerben, 
worauf wir sofort mit den Vorbereitungen zum Schachtabteufen, 
sowie mit der Anfertigung von Ziegelsteinen begonnen 
haben. Der Schacht soll in großen Dimensionen für doppelte 
Förderung hergerichtet werden und nach genügender Vorrichtung 
der Bausohlen eine Förderung von 30000 Ztr. pro Tag gestatten, 
wobei der große Vorteil, inzwischen schon vom ersten 
Schachte aus vorrichten zu können, die Inbetriebsetzung 
und Leistung ganz erheblich beschleunigen läßt Den Eisenbahn- 



6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 337 

anscblufi wird der neue Schacht nach Station Bönen erhalten, wo- 
durch für den Versand unserer Produkte sowohl nach dem Osten 
wie nach dem Norden die allergrößten Vorteile geboten sind. 
Dabei ist zugleich eine Verbindung mit dem alten Schacht 
vorgesehen, so dafi je nach Erfordernis ffir beide Schächte die 
Station Unna-Königsbom (rechtsrheinisch) und Bönen (bergisch- 
märkisch) als Versandstation benutzt werden können/ 

Die Kosten des zweiten Schachtes waren wider Erwarten 
bedeutend niedriger als die des ersten. Durch die schwierigen 
Verhaltnisse des Abteufens bei dem letzteren gewitzigt, hatte man 
beim Abteufen des zweiten Schachtes Maschinen und Kessel für 
die Hebung von 400 Kubikfufi, das heißt 12,36 cbm Wasser pro 
Minute fertig montiert und die nötigen Pumpen dazu angeschafft 
Aber die Wasserzuflfisse blieben glücklicherweise aus, und der 
Schacht konnte trocken mit der Hand niedergebracht werden. Die 
angeschafften Maschinen mufiten mit Ausnahme der definitiv an- 
gelegten Kessel mit Einbufie wieder verkauft werden. Infolge des 
trocknen Niederbringens verbilligte sich die gesamte Schacht- 
anlage bedeutend, trotzdem das Kohlengebirge tiefer lag als bei 
Schacht I, d. h. erst bei etwa 260 m erreicht wurde. Das laufende 
Meter des ersten durch Bohrung niedergebrachten Schachtes 
kostete t>ei einem Durchmesser des Schachtes von nur 3,65 m 
4889 Mark laut Geschäftsbericht von 1874; das laufende Meter 
des zweiten Schachtes, mit einem Durchmesser von 5,38 m aber 
nur 849,74 Mark. 

Anfang 1890 kam Schacht n in Betrieb. In bezug auf Wasser- 
haltung, Bewetterung und Förderung sind folgende Einzelheiten 
von Wichtigkeit 

Das Wasser wird durch eine hydraulische Wasserhaltung 
aus der Maschinenfabrik Schwartzkopf mit einer Leistungsfähigkeit 
von 5 cbm pro Minute zutage gefördert Die Wasser der ol)eren 
Bausohle können auch nach Schacht I abfließen. Die ursprung- 
lich aufgestellte Maschine mit einer Leistungsfähigkeit von 3 cbm 
pro Minute genügte nicht, da sich allmählich die Wasserzuflfisse 
steigerten. 

Für die Bewetterung dient ein Capellscher Ventilator mit 
einer Zwillingsdampfmaschine. Er ist imstande, pro Minute 
3000 cbm Luft zu 'liefern. 

Die Förderung geschieht in zwei Fördertrummen. Dem- 
zufolge sind zwei Fördermaschinen vorhanden. Der Förderkorb 

Stinick. NitfooalökooomiMlM Porsclmifctt. Bd. IL 22 



338 6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetriebu 

des ersten Trums hat sechs Etagen. Auf jeder Etage steht ein 
Wagen mit ca. V2 t Fassung. Es mufi also ffinhnal gekapst 
werden. Der Förderkorb des zweiten Trums hat vier Etagen. 
Das Umsetzen ist also nur dreimal nötig. Dies öftere Umsetzen, 
das zeitraubend ist, IflBt sich freilich durch Benutzung einer 
zweiten Hängebank vermindern. Diese zweite Hflngebank ab^ 
wird nicht gebraucht, um Arbeiter zu sparen. Die Förderung 
würde zwar schneller verlaufen, aber auch die doppelte Anzahl 
Arbeiter nötig sein. 

Mit den günstigen Resultaten, die die Ausbeutung des Ost- 
lichen Grubenfeldes ergab, war das Signal zur Erwerbung wei- 
terer Grubenfelder gegeben. Bis in die Mitte der 90er Jahre 
hielt sich der Abbau hart an der Grenze des Feldes Mühlhausen II 
und weiter östlich in den schon zu ^U der Gesellschaft ge- 
hörenden Feldern Bramey und Bramey I. Um sich die freie Ver- 
fügung über diese Komplexe zu sichern, wird 1896 eine Summe 
von 190708 Mark aufgewandt Im folgenden Jahre wird dann 
ein Teil des im Osten mit der Berechtsame der Gesellschaft maric- 
scheidenden Feldes Bramey V für 70000 Mark erworben. Daran 
schliefien sich 1898 weitere Akquisitionen, nämlich Bram3y II — IV 
sowie ein Terrain in der Nähe des Bahnhofs Bönen. Der ge- 
zahlte Preis betrug 794359 Mark. 1899 wurden weitere Trenn- 
stücke der Felder Bramey Vn, IX und XI, die verschiedenen Ge- 
werkschaften gehörten, hinzugekaufL Es findet also eine kolossale 
Vermehrung des Grubenfelderbesitzes der Gesellschaft statt Ihre 
aus den alten Königsbomer Feldern sowie Bramey und Bramey I 
bestehenden Berechtsame betrug 21655206 qm; 1899 aber war 
sie auf 33600193 qm gestiegen; es waren also im ganzen 
11944987 qm neu hinzuerworben worden, und zwar für ungefähr 
1 Million Mark. 

Diese Neuerwerbungen bUdeten die Basis für die Anlage 
eines dritten Schachtes. Im Geschäftsbericht 1898 wird hier- 
über folgendes mitgeteilt: „Das Hauptaugenmerk der Qruben- 
verwaltung war dahin gerichtet, das östliche Feld so rasch als 
möglich weiter aufzuschließen, um einen geeigneten Punkt für 
die dritte Schachtanlage, auf deren baldige Inangriffnahme die 
kgl. Bergbehörde seit längerer Zeit drängte und die nach Er- 
werbung der östlich voriiegenden Brameyfelder absolut notwendig 
geworden war, ausfindig zu machen.' Das Abteufen begann am 
15. Juni 1899. Am 1. Oktober 1901 war der Schacht auf 324 m 



6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Sali nen- und Solbadbetrieb. 339 

niedergebracht, und die Kohlenförderung konnte ihren Anfang 
nehmen. Es zeigte sich, dafi die Mergelablagerung noch mäch- 
tiger war, als auf Schacht I und II, nämlich etwa 310 m. Das 
Kohlengebirge fällt also nach Osten zu ein. Jetzt ist die tiefste 
Sohle 571 m. Der Wetterschacht IV hat eine Tiefe von 451 m. \ 

Schacht m dient ausschliefilich der Förderung, Schacht IV auch 
noch der Bewetterung. 

Der Abbau vollzieht sich in einer grofien Mulde. Das herr- 
schende Abbausystem ist hier der Pfeilerbau. Die Gründe ffir 
die Anwendung dieses Systems liegen einmal darin, dafi nicht 
Berge genug vorhanden sind, und dann darin, dafi der Pfeiler- 
bau billiger und wegen des festen Nebengesteins der Flöze 
anwendbar ist* Die eben erwähnte Mulde hat einen Nord- | 

und einen Südflfigel, dazwischen einen Spezialsattel. Sie ver- 
engt sich nach Westen, erweitert sich aber nach Osten. Der 
NordflOgel ist steil. Er hat ein Einfallen von 70^. Der Südflfigel 
ist flacher gelagert Er fällt mit 30—40^ ein. Zwischen den 
t>eiden Flügeln liegen zahlreiche Störungen. Der Weiterabbau 
von Schacht HI vollzieht sich in diesen beiden Flfigeln. Der süd- 
lichere ist der günstigere. Der Geschäftsbericht von 1897 be- , 
zeichnet allerdings die nördliche Mulde als den ergiebigsten Teil: ! 
»Der im letzten Jahre durchfahrene Teil unseres nördlichen Feldes 
ist jedenfalls der regelmäfiigste und edelste der ganzen Berecht- 
same. In ihm ist der Kohlenreichtum am gröfiten, weil sich die 
nördliche Mulde am tiefsten einsenkt" Der Abbau leidet unter 
starkem Druck des Gebirges. Gewonnen werden Fettkohlen. Auf 
der 6. östlichen Bauabteilung wurden Versuche gemacht, durch 
die Magerkohlenpartie zu fahren. Aber die Magerkohlenflöze 
waren unrein, klein und gestört Derselbe Versuch wurde auch 
auf dem 4. Abteilungsquerschlag gemacht Bei 40 m erreichte 
man das bekannte Leitflöz der Magerkohlenpartie Mausegatt 
Aber es war nicht bauwürdig. Wie sich die Pettkohlenflöze in 
dem nach Osten zu weiterschreitenden Abbau gestalten werden, 
ist bis jetzt ungewifi, denn es fehlen in Ermangelung weiter 
östlich vorgeschobener Zechenanlagen alle Analoga. 
Das Ostfeld liegt noch unverritzt und unbekannt, eine 
terra incognita, im Dunkel der Zukunft und harrt der 
Erschliefiung durch eine neue Schachtanlage. 



* OcflchtfUbcricht 1990. 

22* 



340 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

Neben dieser Kennzeichnung des Grubenfeldes ist für die 
Beurteilung der Schachtanlage III/IV vor allem Wasserhaltung, Be- 
wetterung und Förderung von Wichtigkeit 

Die Wasserzuflüsse sind gering. Die vorhandenen Wasser 
fliefien nach Schacht II, der mit der neuen Schachtanlage kom- 
muniziert, ab. Gegenwärtig ist jedoch eine Wasserhaltung im 
Bau begriffen, die die Wasser von der vierten Sole heben soll. 

Ein Ventilator versorgt die Strecken mit 3500 cbm Luft in 
der Minute. Im ausziehenden Strom sind 0,14 — 0,16^/o Grul)en- 
gas vorhanden. 

Die Schachtanlage hat eine Fördermaschine, System 
Koepe. Das Charakteristische dieser Förderung, die wir auch 
auf der Zeche Konsolidation kennen lernten, besteht darin, dafi 
nur ein Seil verwandt wird, an dessen Enden die FörderkOi1>e 
hängen, die dann durch ein Ausgleichsseil miteinander verbunden 
sind. Dieses Seil ist kürzer als dort, wo zwei Seile die Trommel 
umwinden. Ein weiterer Vorteil ist die Dampferspamis. Femer 
fällt das bergpolizeilich vorgeschriebene, alle Vierteljahre not- 
wendige Abhauen des Seiles oberhalb des Korbes hinweg, und 
außerdem kann man mit Koepeförderung unbeschränkte Teufen 
aufsuchen, während bei Trommelförderung die Tiefe abhängig und 
beschränkt ist durch Umfang und Breite der Trommel. Das Seil 
wird alle zwei Jahre erneuert Freilich stehen diesen Vorteilen 
auch Nachteile gegenüber. Dieselben betreffen vor allen Dingen 
die geringere Sicherheit des Betriebes. Wenn der Maschinist 
plötzlich Kontredampf gibt, rutscht das Seil unter Umständen auf 
der Trommel weiter. Es kann also leichter etwas passieren, als 
wenn das Seil sich auf der Trommel auf- bezw. abwickelt 

Während wir auf Schacht 1 und n bei der Förderung die Ein- 
richtung kennen lernten, dafi auf jeder Etage nur ein Wagen steht, 
hat man auf den Schächten III und IV dieses Prinzip geändert Auf 
jeder der vier Etagen stehen zwei Wagen hintereinander. Da- 
durch läßt sich die Schicht besser ausnützen. Es werden auf 
einmal gefördert 4,6 t, auf Schacht 1 aber nur 2,4, auf Schacht II 
3 und 2 t Die Bedienung ist freilich etwas schwieriger, weil 
zwei Wagen auf einmal von dem Förderkorb weggezogen werden 
müssen. Jeder Wagen enthält auch hier 0,57 t Kohle. 

Nachdem wir im vorhergehenden die drei Schachtanlagen 
kennen gelernt haben, wollen wir nunmehr die Zahlen zusammen- 
stellen, die einen Dberblick über die Leistung der einzelnen 



6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 341 



Schächte sowie Ober die gesamte Förderung ermöglichen. 
Es betragt die Förderung in Tonnen auf 



JalU 


Schicht I 


Schicht n 


Schacht m 


Zusammen 


Auf 1 t Förderung 
entfillt Oetamtka- 
pital (Zubufte resp. 
Aktienk., Hypoth. 
u. Obligat.) Mark 


1880 


6632 


^_ 


^^ 


6632 


468.2 


1881 


13940 


— 


— 


13940 


264,8 


1882 


56455 


— 


— 


56455 


77.5 


1883 


69450 


— 


— 


69450 


66.7 


1884 


49476 


— 


— 


49476 


95.7 


1885 


57425 


— 


— 


57425 


91.2 


1886 


50370 


— 


— 


50370 


109.5 


1887 


91767 


— 


— 


91767 


64.5 


1888 


123392 


— 


— 


123392 


55.9 


1889 


151145 


— 


— 


151145 


52.1 


1890 


189212 


59249 


— 


248461 


35.7 


1891 


205932 


138638 


— 


344570 


26.5 


1892 


179136 


170640 


— 


349777 


29.2 


1893 


174803 


230222 


— 


405025 


25.0 


1894 


200930 


285090 


— 


486020 


20.8 


1895 


205048 


258159 


— 


463207 


21.7 


1896 


206735 


282725 


— 


489460 


20.2 


1897 


222892 


322498 


— 


545390 


18.0 


1898 


208885 


323650 


— 


532535 


18.4 


1899 


210566 


372474 


— 


583040 


20.9 


1900 


212141 


396040 


— 


608181 


22.9 


I90I 


189564 


385056 


23329 


597949 


22.5 


1902 


158973 


371589 


197120 


727682 


19.6 


1903 


125116 


406234 


332005 


863355 


16.4 


1904 


— 


441367 


365452 


806819 


19.9 



Aus diesen Zahlen ergibt sich folgendes: 

1. Die Kohlenförderung von Schacht I ist von 1880—1887 
unt)edeutend. Dann steigt sie in den folgenden drei Jahren, bleibt 
von 1890—1900 mit Ausnahme von 1892 und 1893 annähernd 
stabil auf etwas über 200000 t, um dann in den folgenden Jahren 
zu sinken und zu versiegen. 1904 wird Schacht I zum ausziehen- 
den Wetterschacht eingerichtet. 

2. Die Kohlenförderung des Schachtes n bleibt in den ersten 
drei Betriebsjahren von 1890—1892 hinter der des ersten Schachtes 
zurfick, um sie dann aber wesentlich zu überholen. Seine Förde- 
rung ist heute die gröfite der ganzen Zeche. Die gegenwartige 
Leistungsfähigkeit beträgt tflglich 1600 t und vom 1. Januar 1905 
infolge des Zuwachses der Beteiligungsziffer 1700 t 



342 6. Königsbom, Aktiengesellschaft fflf Bergbau, Salinen- and Solbadbdrieb. 

3. Die Kohlenförderung von Schacht III hat sich in den 
ersten drei Betriebsjahren rapide entwickelt und wird vielleicht 
bald die des zweiten Schachtes erreichen, resp. fiberholen. 

4. Die Gesamtförderung wird hauptsächlich bestimmt durch 
die Zuwachsquoten der neu hinzugekommenen Schächte n und UL 
In den letzten zehn Jahren von 1894 — 1903 hat sich die geförderte 
Kohlenmenge nahezu verdoppelt 

5. Der auf die Tonne Förderung entfallende Anteil des ge- 
samten Betriebskapitals, d. h. der eingezogenen Zubuße resp. des 
Aktienkapitals, der Hypotheken- und Obligationenschulden betrug, 
solange Schacht I allein in Betrieb war, also von 1880 — 1889, im 
Durchschnitt jährlich 134,6 Mark. Dieses Verhältnis wird dann in 
der Folgezeit bedeutend erniedrigt 1903 beträgt das auf die Tonne 
Kohlenförderung aufgewandte Kapital noch 16,4 Mark. Aber selbst 
diese bis jetzt erreichte niedrigste Zahl ist im Vergleich mit andern 
Gesellschaften relativ hoch und ein Zeichen finanzieller Ober- 
bürdung. Königsbom ist ein hochverschuldetes Unternehmen. 
Auf ein Aktienkapital von 11 Millionen kamen 1904 allein über 
5 Millionen Anleihen; die Kreditoren beliefen sich auf 1517708 Mark. 

Die Kohlen werden nun zu einem grofien Teile zu Koks ver- 
arbeitet, so daß für die Rentabilität des Kohlenbergbaus heute 
die Verwertung zu Koks ausschlaggebend ist Das erste Projekt 
zur Anlage von Koksöfen tauchte bereits im Jahre 1880 auf, 
„nachdem sich die Qualität der Kohlen aus den Flözen Stein 
und Königsbank und Hühnerhecke als geeignet zur Verkokung 
erwiesen hatte*. Die Dbereinanderschichtung der Flöze auf Königs- 
bom ist eine andere als auf den andern bereits besprochenen 
Zechen. Wir sahen, daß die Ausbeutung von Schacht I auf der 
Magerkohlenpartie ihren Anfang nahm. Es fehlen der Mulde die 
Flamm- und Gaskohlen. Deshalb konnte gleich im ersten 
Jahre der Kohlenförderung der Plan auftauchen, eine Kokerei 
einzurichten. Dieser Plan kam aber, jedenfalls wegen der Ver- 
luste, die die ersten Jahre mit sich brachten, nicht zur Ausführung. 
Erst 1886 wurde die Anlage gebaut und am 1. Februar 1887 in 
Betrieb gesetzt Ober die Motive heifit es im Geschäftsbericht 
des erstgenannten Jahres: »Um die zur Koksbereitung vorzugs- 
weise geeignete Qualität gehörig ausnützen und die grofien Vor- 
teile einer fast unentgeltlichen Dampferzeugung möglichst bald 
genießen zu können, haben wir die Anlage von 60 Koksöfen auf 
dem alten Schacht begonnen . . . zugleich mit einer den Bedfirf- 



6. Königsborn, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 343 

nissen entsprechenden Kohlenseparation und Wäsche» wodurch 
wir die Preiswärdigkeit unserer Produkte angemessen zu steigern 
hoffen." Mit der Koksanstalt in Verbindung wurde, wie hieraus 
hervorgeht, eine Separation angelegt, die imstande war, taglich 
600 t aufzul)ereiten. Die oberhalb der Ladegleise errichteten Vor- 
ratstrichter und Türme gestatteten die direkte Veriadung der Neben- 
produkte in die Waggons und die Abfuhr der Kokskohlen zu den 
nahe gegenüber errichteten Koksöfen. Als dann das Jahr 1888 
einen flotten Absatz und eine grofie Nachfrage nach Kokskohlen 
brachte, hoben sich die Preise, »so dafi die Kokskohlen sich 
ebensogut und zum Teil noch höher im eigenen Kokereibetrieb 
verarbeiten als die gröberen Siebprodukte." Das war der Sporn 
zum Bau einer neuen Batterie von 30 Öfen auf Schacht L Die 
Nachfrage nach Koks war 1889 so stürmisch, dafi die Produktion 
dieser neuen 30 Öfen, welche erst im Juli des folgenden Jahres 
in Betrieb kamen, bereits im Mai ,zu den höchsten bis jetzt er- 
zielten Preisen bis Ende dieses Jahres" verkauft ist* Bereits 
damals wurde von der Verwaltung der Wert der Koksanlagen 
richtig l)eurteilt In dem zuletztgenannten Geschäftsbericht schreibt 
sie: »Da wir bezüglich des Absatzes an die östlich gelegenen 
Hochofen- und andere Koks konsumierende Werke am günstigsten 
situiert sind, so wird auch bei abgeschwächter Konjunktur der 
Besitz von 90 Koksöfen ein sehr wertvoller für uns bleiben. 

Im nächsten Jahre folgt dann der Rückschlag. Die üt>er- 
stfirzte Produktion wirft die Preise. Durch Verkaufsvereine, die 
aber nur lose konstruiert waren, wird der Preisschleuderei Einhalt 
zu bieten versucht Königsbom trat dem Dortmunder Verkaufs- 
verein bei. Im vierten Quartal 1891 mufi eine Batterie von 
30 Öfen kalt gelegt werden. 

Auf Schacht II wurden zunächst 100 Koksöfen gebaut Die 
Erbauerin war die Firma CoUin in Dortmund. Zu dieser im 
Jahre 1890 in Betrieb gekommenen Anlage gesellt sich dann 
eine grofie Kohlenwasche zur Aufbereitung der Kohlen für die 
Kokerei und zugleich zur Herstellung von Nufikohlen. »Die 
Wasche," heifit es im Geschäftsbericht, »erhalt ein doppeltes 
System, so dafi wir bei etwaigen Betriebsstörungen nicht in Ver- 
legenheit kommen. Die Anlage wird dadurch um ca. 30000 Mark 
teurer, doch sind wir damit allen Eventualitäten und allen An- 



" Qeschftftsbericht 1889. 



344 6. Könlgsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

forderungen des Marktes an Separations- und Wascheprodukten 
gewachsen.* Die Kosten für Separation und Wasche bezifferten 
sich auf 322 192 Mark. Darin sind auch die eisernen Transport* 
brücken von der Hangebank zur Wäsche und vom Kokskohlen- 
turm zu den Koksöfen einbegriffen. Wir sehen in diesen Tatsachen 
nur Beispiele dafür, dafi auch der Zechenbetrieb beherrscht wird 
von dem Prinzip der Aufstellung von Reservemaschinen zum 
Schutze gegen Betriebsstörungen. Damit aber steigt das immo- 
bile Kapital, gleichzeitig aber auch die Sicherheit der Produktion. 
Als dann 1896 die Lage des Koksmarktes sich wieder günstiger 
gestaltete, wurde die Anlage weiterer 80 Copp6e-Otto-öfen auf 
Schacht II beschlossen. Diese Öfen kamen im folgenden Jahre 
in Betrieb. Ein weiterer Grund war auch der bedeutende Pro- 
zentsatz von Feinkohlen, den das Fördergut des zweiten Schachtes 
aufwies. In dem ganzen östlichen Bezirk betragt der Feinkohlen- 
fall 60—65%. Es werden also nur 35— 407o Stücke gewonnen. 
»Leider laßt der Stückgehalt der Kohle zu wünschen übrig,* heifit 
es im Geschäftsbericht von 1891. Die Verwertung dieser gut 
backenden feinen Fettkohle ist das Motiv zur Anlage immer 
neuer Koksöfen mit steigender Förderung gewesen. Die neuerbaute 
Batterie wird an die gleichzeitig neuerrichteten zehn Dampf- 
kessel angeschlossen. Die Kessel werden also mit den Koks- 
ofengasen geheizt und der Stochkessel auf den Aussterbeetat 
gesetzt 

Schliefilich erhalt auch die Schachtanlage III eine Kokerei, be- 
stehend aus 50 Ofen, zu denen dann 1903 noch 30 hinzukommen. 
Damit steigt die Zahl der Koksöfen auf 350. Von diesen entfallen 
nach dem vorhergesagten auf 

Schacht I 90 Ofen 

„ II 180 „ 

„ m 80 „ 

Dazu kommen noch 60 Otto-Öfen im Bau (1904) auf Schacht- 
anlage III/IV. ,Im Hinblick auf die günstigen finanziellen Ergeln 
nisse der Nebengewinnungsanlagen," heifit es im Geschäftsbericht 
von 1904, „sollen Öfen mit Gewinnung von Teer und schwefel- 
saurem Ammoniak gebaut werden.* Die Koksproduktion weist 
daher eine riesige Entwicklung auf. Die dazu verwandte Kohle 
betrug 1888 24%, 1904 aber 38,9% der Kohlenförderung. 

Aus diesen Zahlen geht hervor, dafi für das Gewinnergebnis 
der Zeche die Lage des Koksmarktes den Ausschlag gibt 



6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 345 

Das Verhältnis der Koksproduktion zur Gesamtforderung gehört 
zu den günstigsten im ganzen Oberbergamtsbezirk Dortmund. 

Was die Kosten der Konvertierung von Kohle in Koks anbe- 
langt, so werden sie von Effertz* auf 4Va Mark berechnet in- 
klusive Verschleifi der Koksöfen und Amortisation der Anlage. 
Diese Zahl dürfte sich seitdem wenig verändert haben. 

Ober die Betriebsverhältnisse der Koksöfen ist vom wirtschaft- 
lichen Standpunkte aus noch folgendes zu sagen. Die Koksöfen des 
heute stillgelegten Schachtes I beziehen ihre Feinkohlen von dem 
2 km entfernt liegenden Schacht IL Infolgedessen wird der Weg, 
den die Kohle von der Hängebank bis zum Ofen zurückzulegen 
hat, nicht unbedeutend verlängert Dieser Transport verteuert 
aber die Koksbereitung. Die ausgedehntesten Koksofenanlagen 
besitzt Schacht IL Der Einsatz beträgt 6,2 t, das Ausbringen 75 
bis 78<>/o, die Gardauer 48 Stunden. Die Zahl der Arbeitskräfte 
für die 180 Ofen belauft sich auf 75. Diese Arbeiter haben auch 
das Brechwerk zu bedienen, in welchem nach Bedarf Kleinkoks 
bis auf 80 mm Komgröfie gebrochen werden kann. Zum Füllen 
der Öfen dienen fünf und zum Planieren zwölf Mann. Planier- 
maschinen fehlen. Unter günstigen Verhältnissen können 
zwölf Mann in einer Stunde fünf Öfen planieren, die fünf Mann 
füllen. Die Planierer haben gleichzeitig die Aufgabe, den Koks 
mit zu löschen. Ihr Tagelohn beträgt 3,90 Mark für die zwölfstün- 
dige Schicht; die Füller erhalten etwas weniger, nämlich 3,40 Mark. 

Auf allen drei Anlagen fehlen Einrichtungen zur Ge- 
winnung der Nebenprodukte. Die Gase werden ausschliefilich 
zur Heizung der Kessel verwandt Nach mir zugegangener Privat- 
mitteilung der Verwaltung werden Nebenproduktanlagen zweck- 
mäSigerweise erst dann eingerichtet, wenn mehr Gase vorhanden 
sind, als zur Kesselheizung gebraucht werden. Nun sehen wir 
aber auf andern Werken, die viel weniger Koks im Verhältnis zur 
Oesamtförderung erzeugen, solche Anlagen bestehen. Der Grund 
kann daher nicht oder wenigstens nicht allein auf dem von der 
Verwaltung angegebenen Moment beruhen. Der Verzicht auf 
die Anlage von Teeröfen scheint mir vielmehr in der 
ganzen finanziellen Situation der Gesellschaft begründet 
Es wurde bereits früher angedeutet und soll später noch ein- 
gehender gezeigt werden, dafi die Geldverhältnisse der Gesell- 
schaft keine teueren Anlagen gestatten. Nun kostet aber, wie wir 

* Kohlen verkaufsverdne und die öffentliche Meinung 1890 p. 9. 



346 6. Königsbom, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

beim Kölner Bergwerksverein feststellten, ein Ofen ohne Neben- 
produkte ca. 5000 Mark, ein solcher mit Nebenprodukten aber 
ca. 10000 Mark. Das Kapitalkonto wäre also nocti starker t>elastet 
worden. Daher kam bis jetzt die teurere, wenn auch volkswirt- 
schaftlich rationellere Anlage nicht zur Ausfährung. Jedoch ist 
bei den jetzt noch im Bau befindlichen, wahrscheinlich im Hert>st 
1905 in Betrieb kommenden Koksöfen auf lü/IV die Gewinnung 
von Sekundflrprodukten vorgesehen. 

Wir lernten im vorhergehenden in der Ausgestaltung des 
Kokereibetriebes drei Mangel kennen: 

1. die freilich historisch bedingte ungünstige Lage 
der Koksöfen auf I, 2. das Fehlen von Planiervorrich- 
tungen, deren Einführung schon aus sozialen Gründen 
erforderlich wäre, 3. den Mangel an Anlagen zur Gewin- 
nung von Nebenprodukten. 

Von der größten Bedeutung für die Produktion an Kohlen 
und Koks ist nun aber der Einfluß der Syndikate. Die Be- 
teiligung am Rheinisch -Westfälischen Kohlensyndikat betrug: 

1893 469776 t Ab 1. Oktober 1901 .. . 764770 t 

1894 und 1895 ... . 500000 „ „ 1. April 1902 ... . 884770 „ 

1896—1898 544766,. „ 1. Oktober 1902— 1903 1004770 ^ 

Ab 1. April 1899-1900 644776,, „ 1. Juni 1904 .... 1124770., 

Bereits 1894 stellte die Gewerkschaft den Antrag auf Ge- 
stattung einer Förderung von 544776 t Das Syndikat aber be- 
willigte nur 500000 t Diese Beteiligungsziffer genügte bei den 
notwendigen Einschränkungen, die das Syndikat verfügen mufite» 
der gesteigerten produktiven Kraft der Zeche nicht Sie produ- 
zierte daher mehr als ihr zugebilligt war. Nach den Bestimmungen 
des Syndikatsvertrages muBte für jede mehr produzierte Tonne 
2, später 1 Mark gezahlt werden. Das Werk wurde daher ab- 
gabepflichtig, und zwar 

1895 mit 39246 Mark 1897 mit 12599 Marie 

1896 „ 31402 „ 1898 „ 2349 „ 

In der ersten Zeit sind die Berichte mit Klagen angefüllt 
über ungenügende Beteiligungsziffer. Die kleineren Zechen, zu 
denen man auch Königsbom zahlen kann, waren nicht genügend 
berücksichtigt worden. Die grofien hatten für sich den Löwenteil 
in Anspruch genommen. »Wir sind heute in der Lage,* heifit es 
im Geschäftsbericht 1895, „mit drei vollständig ausgerichteten 
selbständigen Fördereinrichtungen täglich 2500 t zu fördern, wah* 



6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadt)etrieb. 347 

rend uns bis jetzt noch nicht ganz 1700 t zugebilligt sind. Es 
ist nicht angängig, daß kurz vor Errichtung des Syndikats ent- 
standene, noch in der Entwicklung begriffene Schachtanlagen ffir 
alle Zeiten hinter den Anmeldungen neuer Schachtanlagen zurück- 
stehen sollen/ Es blieb daher nichts anderes übrig, als die Ein- 
schränkung zu überschreiten und Strafe zu zahlen. Selbst in 
Fallen, wo es streitig war, ob die Strafe gezahlt werden sollte, 
fügte sich das Werk der Macht des Syndikats. Ein solcher Fall 
wird im Geschäftsbericht 1897 erwflhnt Dort heifit es: .Wir er- 
wähnen beiläufig, dafi wir die durch juristisches Gutachten be- 
stätigte Ansicht vertreten haben, daß eine Zeche für die Zeit, wo 
eine Fördereinschrflnkung nicht beschlossen ist, wo vielmehr die 
Gestellung der ganzen Beteiligungsmenge vom Syndikat gefordert 
wird, auch nicht abgabepflichtig sein kann, denn sie ist anderer- 
seits zur Ausführung der ihr bis zur vollen Höhe ihrer BeteUigung 
zugewiesenen Auftrage dem Syndikat gegenüber verpflichtet und 
darf für die Erfüllung dieser Pflicht nicht mit einer Abgabe l>e- 
legt, d. h. in Strafe genommen werden. Bei Anerkennung unserer 
Auffassung würde sich die Abrechnung für uns wesentlich günstiger 
stellen. Da indes im Beirat des Syndikats die überwiegende Zahl 
der Stimmen für Anerkennung des vom Vorstande des Syndikats 
befolgten Abrechnungsverfahrens war, so sahen wir unter Zu- 
stimmung unseres Aufsichtsrats von einer Geltend- 
machung unserer Ansicht ab, ohne uns indes für die Zu- 
kunft zu binden.* Diese Verhaltnisse andern sich nun 1899. Der 
im Jahre vorher gestellte Antrag des Werks auf Erhöhung der 
BeteUigungsziffer um 100000 t wird genehmigt .Wir werden 
diese Förderung bequem leisten, wenn es gelingt, die Belegschaft 
auf die erforderiiche Höhe zu bringen.'* Es gelang aber nicht In 
den folgenden Jahren bleibt die Förderung betrachtlich hinter der 
Beteiligungsziffer zurück. Die Ursache lag, von der notwendigen 
Einschränkung abgesehen, wie erwähnt in dem Mangel an Arbeitern. 
Die Arbeiterverhaltnisse waren ursprünglich durchaus 
günstige. In dem Bericht von 1874 wird besonders darauf hin- 
gewiesen, dafi die Städte Unna und Königsbom, sowie die Wohl- 
habenheit der dicht bevölkerten Gegend den Zugang von Arbeitern 
begünstige. Der ausgedehnte Grundbesitz der Saline erteichterte 
die Anlage von Arbeiterwohnungen für die Belegschaft des in der 
Nahe gelegenen Schachtes I. .Der uns vom Fiskus überkommene 

• QctchÜtftbericht 1896. 



348 6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

Arbeiterstand zeichnet^ sich aus durch seine Sittlichkeit und 
namentlich bei den Handwerkern durch seine Tüchtigkeit* 1886 
wird dann mit der Errichtung einer großen Arbeiterkolonie am 
alten Schacht begonnen, da die Belegschaft durch den Bau des 
Schachtes II erheblich vermehrt werden mußte. Mit der Etablie- 
rung dieser zweiten Schachtanlage nehmen die Schwierig- 
keiten in der Arbeiterbeschaffung ihren Anfang. Das Dorf 
Heeren, in dessen Nähe Schacht II erstand, hatte nur eine geringe 
und durchweg ländliche Bevölkerung. Es fehlte daher zur Heran- 
ziehung und Ansiedelung der wachsenden Belegschaft der Stütz- 
punkt in dem Orte selbst Bei der vorgeschobenen, von größeren 
Industrieplätzen weit entfernten Lage des Schachtes blieb daher 
nichts anderes übrig, als Grund und Boden zu erwerben und 
Arbeiterkolonien darauf zu errichten. In der großen Hochkon- 
junkturperiode der 90 er Jahre wird dann der Arbeiter- 
mangel besonders fühlbar. Um Abhilfe zu schaffen, werden 
wiederum Arbeiterwohnungen gebaut und von auswärts fremde 
Arbeiter herangezogen und seßhaft gemacht Darüber werden in 
dem Berginspektionsbericht Süd -Dortmund 1898 folgende Mit- 
teilungen gemacht: „Von der Zeche Königsbom ist für Schacht n 
eine größere Zahl von Bergleuten aus Niederschlesien heran- 
gezogen; dieselben wurden in einer Zahl von 155 Mann durch 
Vorzeigung von Lohnbüchern von Zeche Königsbom zur Über- 
siedelung veranlaßt und im September größtenteils mit Familie 
— 88 waren verheiratet — auf Kosten der Zeche mittelst Extra- 
zuges nach Westfalen gebracht Zur Unterbringung dienten 53 
mit Herd versehene Familienwohnungen, wobei zunächst einige 
Unzuträglichkeiten vorkamen, die aber beseitigt sind. Die Kosten 
für die Reise und den Herd werden den Arbeitern in zwölf monat- 
lichen Raten vom Lohne abgehalten; es betragen die Raten ein- 
schließlich der Kosten für den Herd monatlich etwa 10 Mark. 
Nach Verlauf eines Jahres wird denjenigen, die auf der Zeche 
ausgehalten haben, die ganze Summe als Prämie ausgezahlt; bis 
jetzt sind 38 wieder abgekehrt." 

»Ohne eine solche Vermehrung der Wohnungsgelegenheit" 
heißt es im Geschäftsbericht des Jahres 1899, »ist die Frage der 
Verstärkung unserer Belegschaft und damit der Förderung über- 
haupt nicht zu lösen, und wir werden in dieser Beziehung ins- 
besondere für den neuen Schacht III auch in Zukunft noch bedeutende 
Mittel aufzuwenden haben, da es uns an genügenden Stützpunkten, 



6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 349 

d. h. größeren Ortschaften in der Nähe der neuen Anlage fehlt 
Ohne geeignete Wohnungen sind aber, wie viele Zechen zu ihrem 
Schaden erfahren haben, keine Leute heranzuziehen, und ist 
namentlich kein zuverlässiger Stamm einer Belegschaft heran- 
zubilden/ So hatte also die forcierte Steigerung der 
Produktion der Zeche ihren letzten Hemmschuh in der 
Schwierigkeit der Beschaffung von Arbeitskräften. 

Diese Schwierigkeiten, die der Produktion durch den Arbeiter- 
mangel bereitet wurden, aber haben das Streben nach Ver- 
größerung der Beteiligungsziffer doch nicht aufzuhalten 
vermocht Vom 1. Juni 1904 ab erhöhte sich die Beteiligungs- 
ziffer der Zeche um 120000 t pro Jahr. Diese Erhöhung wurde 
bewirkt durch die Erwerbung der Zeche Sprockhövel. Ich 
entnehme dem behufs Einführung von 2 Millionen Mark junger Aktien 
an der Börse erlassenen Prospekt derGesellschaft folgendes : »Die vom 
rheinisch-westfälischen Kohlensyndikat seinen Mitgliedern auferlegten 
Fördereinschränkungen, welche eine rationelle Ausnutzung der vor- 
handenen Fördereinrichtungen der Zeche Königsbom nicht zulassen, 
waren die Veranlassung, dafi die Leitung derGesellschaft darauf aus- 
ging, der Zeche Königsbom eine weitere Zeche behufs Erhöhung der 
gemeinsamen Beteiligungsziffer beim Kohlensyndikat anzugliedern." 

Die Gewerkschaft Sprockhövel ist eine verunglückte Gründung 
der letzten Hochkonjunkturperiode.* 1896 wurde mit dem Abteufen 
eines Schachtes, der der Förderung, Wasserhaltung und Wetter- 
führung dienen sollte, begonnen und bei 230 m unter Tage die 
einzige Bausohle angelegt Das Liegende erwies sich als gut 
aber das Hangende, ein weicher Schieferton, als sehr gebrach. 
Infolgedessen war der Holzausbau sehr kostspielig. Er berechnete 
sich auf 0,81 Mark pro Tonne Förderung. Die Kosten für Wasser- 
hebung und Bergschaden sind ebenfalls aufierordentlich hohe. 
In den letzten fünf Jahren von 1899 — 1903 betrugen die ersteren 
0,74 Mark und die letzteren 0,44 Mark pro Tonne Förderung. 
Der ganze Nordflfigel des Grubenfeldes stellte sich als völlig zer- 
rissen und unbauwürdig heraus. Infolge der kolossalen Störungen 
konnte die Zeche in diesen fünf Förderjahren insgesamt nur 
ca. 270000 t fördern. Die Selbstkosten betrugen 1903 10,09 Mark 
pro Tonne, der Eriös aber nur 9,27 Mark. Eine Ausbeute ist in den 
acht Jahren ihres Bestehens überhaupt nicht gezahlt worden. Der 

* Vgl. aber das Folgende: Denkschrift, betreffend die StiUegong verschie- 
dener Steinkohlenxechen des Ruhrreviers p. 19. 



350 6. Königsborn, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

Betrieb kostete nurZubufie. DieZechewfire bereits langst zum Eriiegen 
gekommen, .wenn die Bergbehörde nicht in aufierordentlichem Ent- 
gegenkommen gestattet hätte, dafi unter der vorhandenen Sohle ein 
Unterwerksbau in größerem Umfang eingerichtet würde.** Aber 
auch dieser konnte den Betrieb wirtschaftlich nicht mehr rechtfertigen. 

Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen, die mit der Ein- 
stellung des Betriebes der Zeche verbunden sind, erstrecken sich 
erstens auf die Arbeiter und zweitens auf die ganze Gemeinde. 

Die Belegschaft betrug am 1. Januar 1904 400 Mann. Die 
seitdem abgekehrten Bergleute — vom 1. April bis 1. Juni 1904 
insgesamt 174 Mann — wurden größtenteils auf benachbarten 
Zechen** angelegt. Ob dies auch bei der übrigen Belegschaft 
der Fall sein wird oder ob sie in der Landwirtschaft Beschäftigung 
zu suchen gedenkt, läfit sich zurzeit nicht feststellen. Da ca. 40 
bis 50 Besitzer von Kotten in Betracht kommen, so würde diese, 
wenn sie auswandern müfiten, ein empfindlicher Schaden in der 
Entwertung ihres Besitztums treffen. Aber auch die Gemeinde 
leidet unter der Stillegung, falls die Arbeiter den Ort verlassen. 
Nach den Mitteilungen des Landrats Harz in Schwelm beträgt 
unter dieser Voraussetzung der Steuerausfall etwa 7000 Mark. 
Die Steuer, welche die Zeche Sprockhövel auf Grund einer Ver- 
einbarung einbringt, beläuft sich auf 2500 Mark, die Steuer der 
Bergleute auf 4500 Mark. Bei Fortfall dieser gesamten Beträge 
würde belastet werden müssen die Einkommensteuer, die bisher 
in Niedersprockhövel 280 ^/o Zuschlag hatte, mit 401 ^/o, die Real* 
Steuer, bisher 204^/0, mit 232%. Für die Gemeinde Obeisprock- 
hövel, in der 60 Bergleute wohnen, und die schon jetzt 397% 
Zuschlag zur Einkommensteuer erhebt, würde der Ausfall von 
1280 Mark Steuern der Bergleute noch fühlbarer sein; es würde 
die Einkommensteuer mit 450% belastet werden müssen und die 
Realsteuer mit 262%. Dies sind gewifi Zahlen, aus denen man 
schliefien kann, dafi jeder Steuerausfall in einer solchen Gemeinde 
eine grofie Härte in sich schliefiL Was Niedersprockhövel betrifft, 
so mufi ich weiter hervorheben, dafi diese Gemeinde gezwungen 
war, mit Rücksicht auf die steigende Belegschaft der Zeche Sprock- 
hövel eine neue vierklassige Schule zu bauen, die noch nicht in 
Benutzung genommen ist, deren Bau aber überflüssig war, falls 

* Stenogramme der Kommissionsverhandlongeo in Dortmmid » betreffend 
Stfllegen von Ruhrzechen p. 28. 

** Alter Haase, Westfälische Kohlenwerke, Deutschland u. a. 



6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 351 

die gesamte Belegschaft der Zeche die Gemeinde verlfifil Der 
Schaden, der den Gewerbetreibenden zuteil würde, wenn die Berg- 
leute sämtlich ihren Wohnsitz findem mflfiten, ist auch nicht un- 
bedeutend. Es ist selbstverständlich, dafi in Nieder- und Ober- 
sprockhOvel, wo 280 Bergleute mit ihren Familienangehörigen 
— insgesamt 1000 Personen — in Betracht kommen, für sämtliche 
Kleingewerbetreibende ein riesiger Ausfall entstehen mufi; denn wenn 
jeder dieser Bergleute rund 800 Mark in Sprockhövel verzehrt 
so bedeutet das den Fortfall eines Einkommens von 180000 bis 
190000 Mark in zwei Gemeinden mit 3600 bzw. 1500 Einwohnern.*» 

Diesen Verlusten steht freilich ein Gewinn gegenüber, welchen 
die Gemeinde Sprockhövel infolge des Verkaufs der Zeche aus 
der Umsatzsteuer erhält Dieselbe beträgt bei Grundstücken im 
Werte von 200000 Mark und darüber 2<>/o. Da der von Königs- 
bom gezahlte Kaufpreis sich auf 1462500 Mark stellte, so würde 
die Gemeinde 29250 Mark erhalten. 

Die mit dem Erwerb von Sprockhövel verbundene Erhöhung 
der Beteiligungsziffer scheint nun aber noch nicht zu genügen, 
und es ist nicht unwahrscheinlich, dafi noch ähnliche Erwerbungen 
in Zukunft folgen werden. Nach dem Geschäftsbericht betrug 
die Beteiligungsziffer (mit Sprockhövel im Jahre 1904) 1124770 t, 
der Absatz (mit Sprockhövel) 875198 t; das Werk blieb mit 
letzterem also um 249572 t = 22,19 <>/o hinter der Beteiligungs- 
ziffer zurück. Da die durchschnittliche tatsächliche Einschränkung 
im Kohlensyndikat 23,085 ^/o betragen hat, so mufite es für Ober- 
förderung bzw. Mehrabsatz die satzungsgemäße Abgabe zahlen, 
und zwar auf 10081,46 t ä 1,50 Mark 15122,19 Mark. Im Jahre 
1903 betrug dagegen die Beteiligungsziffer 1004770 t, die Förde- 
rung bzw. der Absatz 861439, die Einschränkung also 143331 t 
= nur 14,265%, die Abgabe für Mehrabsatz 28730,26 Mark. 

Entsprechend der Zunahme der Koksöfen hat sich auch die 
Beteiligung am Kokssyndikat in den letzten zehn Jahren (1893 
bis 1904) mehr als verdoppelt. Die Beteiligungsziffer betrug: 

1893—1895 . . . 168000 t 10. Nov. 1902 316000 t 

1. Dez. 189S-1900 238000 „ 1. Sept 1903 346000 „ 

1. Juli 1900 . . 250000» 28.M1J 1904 355600» 

15. Okt 1901 . . 300000 „ 

Vergleichen wir diese Beteiligungsziffem mit den produzierten 
Koksmengen unter Außerachtlassung der Einschränkungen, so 

* Stenogramme p. 27. 



352 6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 



ergibt sich, daß schon in zwei Jahren 1899 und 1900 Über- 
schreitungen stattgefunden haben. 

Schließlich haben wir noch einen Blick auf die Absatz- 
Verhältnisse zu werfen. Der Kohlenversand geschieht in der 
Hauptsache per Eisenbahn und zum kleinsten Teile im Landdebit 
Die Schächte sind an die Stationen Unna-Königsbom angeschlossen. 
Die westfälische Eisenbahn vermittelt von Unna aus in Dortmund 
den Anschluß an die rheinische Eisenbahn, die Verbindung mit 
dem Emscherthal und in der Richtung über Welver und Soest 
die kürzeste Verbindung nach Mitteldeutschland, über Welver und 
Hamm den Verkehr nach Norddeutschland. Neben dem Eisen- 
bahnversand nimmt heute die wichtigste Stelle ein der Absatz an 
die eigenen Kokereien, auf dessen steigende Bedeutung bereits 
hingewiesen wurde. Femer braucht die Saline nicht unbeträcht- 
liche Mengen. Dazu kommt der Selbstverbrauch der Zeche.* 
Früher spielten auch die Abgaben von Kohle an eine von dem 
Werk betriebene Ziegelei und an die Deputatisten eine Rolle. 

Die Kanäle, in die der Absatz einmündet, werden am besten 
kenntlich durch folgende Tabelle. Es betrug in Tonnen: 



Jahr 


EtoenbaliD- 
deblt 


Landdebit 


Zur Kokerd 


Zur Saline 


der Zech« 


1882 


36548 


6892 


^ 


8528 


4301 


1883 


48177 


7431 


— 


8901 


4876 


1884 


25660 


8546 


— 


12714 


1859 


1885 


31760 


9498 


— 


14909 


1352 


1886 


50375 


9895 


— 


14370 


1649 


1887 


59470 


12168 


— 


17638 


2491- 


1888 


58850 


8970 


29657 


17977 


3937 


1889 


73860 


9516 


48839 


14958 


2101 


1890 


134440 


11227 


81383 


16655 


4756 


1891 


189360 


16859 


111512 


17022 


9817 


1892 


175765 


14691 


135426 


14101 


5394 


1893 


223635 


16177 


150168 


12762 


6681 


1894 


247210 


15269 


203095 


14164 


6282 


1895 


249850 


15147 


171536 


16245 


10428 


18% 


253465 


14889 


195229 


16247 


9629 


1897 


261982 


16157 


240149 


11815 


15286 


1898 


208095 


17386 


279142 


17148 


9764 



* Eine Erklärung für die grofien und merkwürdigen Schwankungen des 
Selbstverbrauchs habe ich auch von der Verwaltung nicht erhalten können. 
Vielleicht liegen auch hier Verhältnisse vor, die das Ucht der Offenüichkeit 
scheuen. 

** inkl. Deputat von 1887 ab bis 1903. 



6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 353 



Jahr 


Eisenbahn- 
deblt 


LanddeUt 


ZurKokwci 


Zur Saline 


Seibstvefbrauch 
der Zeche 


1899 


223245 


19672 


312973 


17364 


10786 


1900 


238413 


21763 


315374 


16782 


15849 


1901 


281190 


25074 


253802 


17894 


19654 


1902 


368907 


25600 


285988 


19115 


28407 


1903 


407235 


25544 


404730 


15508 


9671 


1904 


411337 


21580 


348310 


16348 


7830 



Fassen wir nun noch kurz die wesentlichsten Gesichtspunkte 
des zweiten Abschnitts zusammen, so ergeben sich folgende 
Resultate. Am schwierigsten entwickelte sich Bau und 
Produktion des ersten Schachtes. Er erforderte sechs 
Jahre zu seiner Herstellung und aufierordentliche Kosten, 
die noch vermehrt wurden durch den Bau einer Bri- 
kettfabrik, die nicht rentierte. Die Lagerungsverhalt- 
nisse der Flöze waren kompliziert Eine grofie Störungs- 
zone im Ostfelde mit bedeutenden Verwerfungen be- 
einflufite den Betrieb ungünstig. Dazu kam ein nicht 
allzugrofier Kohlenvorrat, der sich nach 25 jähriger 
Ausbeutung erschöpfte. In ein neues Stadium tritt die 
Kohlenförderung mit dem Aufschluß des Ostfeldes durch 
die Schachtanlagen II und IIL Damit verbunden sind 
dann am Ende des Jahrhunderts eine Reihe von Neu- 
erwerbungen ausgedehnter Grubenfelder. Als Motive für 
den Bau dieserSchachtanlagen lernten wir kennen: Reiche 
Flözlagerung im Ostfelde, die Tendenz zur Produktions- 
steigerung, die Sicherung der Arbeiter und im Zusammen- 
bangmitdemletztenPunktdasVerbotdesEinschachtsystems 
von Seiten der Bergbehörde. Dann belauschten wir das 
Wachsen der Förderung, das durch die Zuwachsquoten 
der neuen Schächte bestimmt wird, und erkannten in 
Zusammenbang damit, daß beute auf die Tonne Förde- 
rung weniger in dem Gesamtunternehmen engagiertes 
Kapital kommt, als in den 80er Jahren. Trotzdem ist 
auch heute noch das Betriebskapital, mit dem die Tonne 
Kohlen produziert wird, höher als bei den anderen in 
diesem Bande bebandelten Gesellschaften. Das Charakte- 
ristische in der weiteren Entwicklung ist nun gegeben 
durch das Streben, den Schwerpunkt der Erzeugung in 
die Koksproduktion zu verlegen. Königsborn hat im 



SlllUck. NatlouiakoaoaiiKlit Fondumgtn. Bd. a 



23 



354 6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 



Verhältnis zum Aktienkapital und zur Kohlenförderung 
die gröfite Kokserzeugung in Deutschland. Die Er- 
zeugung von Kohlen und Koks steht bis 1903 unter dem 
Einfluß der beiden Syndikate. Das Rheinisch-Westfälische 
Kohlensyndikat befriedigte anfangs den Hunger des 
Werks nach einer größeren Beteiligungsziffer nur un- 
genügend. Das ändert sich in den Schlußjahren der 
Hochkonjunktur. Nun aber paralysiert der Arbeitermangel 
die Weiterentwicklung der Förderung. In letzter Zeit hat 
durch den Aufkauf der stillgelegten Magerkohlenzeche 
Sprockhövel die Absatzmenge der Zeche beim Syndikat 
die Höhe von 1124770 t erreicht, während die Beteiligung 
am Kokssyndikat 355600 t beträgt. Zum Schluß be- 
handelten wir noch den Absatz, der ja heute in den 
Händen des mit dem Kokssyndikat vereinigten Kohlen- 
syndikats liegt, und betonten, daß dem Werk seine östlich 
vorgeschobene Lage besondere Absatzvorteile nach 
dieser Weltrichtung hin garantiert. 

Nachdem wir im vorhergehenden die beiden wichtigsten 
Bestandteile der Kombination in ihren wirtschaftlichen Besonder- 
heiten kennen gelernt haben, bleibt uns jetzt nur noch fibrig, 
zum Schluß einen Blick auf die Rentabilität der verschiedenen 
Anlagen zu werfen und dabei zu untersuchen, in welcher 
Weise sich die einzelnen Betriebe, nämlich Saline und 
Zeche, gegenseitig finanziell beeinflussen. Um dies zu 
können, müssen wir in erster Linie das Betriebskapital und seine 
Erhöhung durch Zubußen der Gewerken, später die Erhöhung des 
Aktienkapitals kennen lernen. Die diesbezüglichen Verhältnisse 
sind in folgender Tabelle zusammengestellt: 





prf 


Hypotheken 


Obligationen 


Summa 
des Betriebs- 


Bctilebsabcrsdiflsac 


J«hr 


der 


des 








Mark 


kapitals 


Saline 


Bades 


der Zedw 




Mark 


Mark 


Mark 


Mark 


Mark 


Mark 


1873 


1800000 


„__. 





1800000 








1874 


1800000 


— 


— 


1800000 








1875 


2100000 








2100000 








1876 
1877 


2280000 
2400000 


— 


— 


2280000 
2400000 


aus den frahereii Berichten 
nicht enichtUch 


1878 


2416979 


— 


— 


2416000 








1879 


2514637 


225000 


— . 


2739637 








1880 


2600000 


225000 


280000 


3105000 









6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 355 





Kapital 
rttp. Zubufic, 
rcf p. Aküen- 

kapital 


Hypotheken 


Obticatloaen 


Summa 

dcsBetrfebf- 

kapItaU 


Betriebsaixnchflise 


Jahr 


der 
Saltaie 


de* 
Bades 


der Zeche 




Mark 


Mark 


Mark 


Mark 


Mark 


Mark 


Mark 


1881 


2800000 


300000 


591000 


3691000 


63299 


17599 


__ 


1882 


3100000 


300000 


977000 


4377000 


90694 


32804 


- 11618 


1883 


3491000 


300000 


960000 


4751000 


103534 


13362 


-33384 


1884 


3491000 


300000 


942000 


4733000 


140362 


14703 


— 64320 


1885 


3788000 


531000 


921000 


5240000 


118235 


19189 


4430 


1886 


3788000 


831000 


900000 


5519000 


139437 


25418 


32659 


1887 


4085000 


937711 


900000 


5922711 


158497 


19313 


1044« 


1888 


5075000 


922715 


900000 


6897715 


119303 


13508 


85855 


1889 


6065000 


913870 


900000 


7878870 


159636 


17002 


277223 


1890 


7055000 


904690 


900000 


8859690 


234395 


16857 


943693 


1891 


7100000 


1133786 


900000 


9133786 


216432 


13570 


729544 


1892 


7100000 


1116792 


2000000 


10216792 


222584 


20027 


326029 


1893 


7100000 


1027775 


2000000 


10127775 


259467 


6983 


236517 


1894 


7100000 


1009306 


2000000 


10109306 


269817 


12479 


204873 


1895 


7100000 


990135 


1960000 


10050135 


269170 


17022 


460695 


1896 


7000000 


970366 


1918000 


9888366 


319170 


20225 


672386 


1897 


7000000 


949805 


1873000 


9822805 


128609 


23812 


1078670 


1898 


7000000 


975422 


1823000 


9798422 


197094 


29821 


1156114 


1899 


7000000 


953184 


4266000 


12219184 


172911 


32808 


1425556 


1900 


7000000 


930734 


4000000 


; 13930734 


178124 


27455 


2418675 


1901 


8400000 


907348 


4134000 


13441348 


235552 


31481 


2268093 


1902 


9000000 


1 182987 


4068000 


14250987 


272075 


14084 


1633606 


1903 


9000000 


1 157612 


4002000 


14159612 


143.558 


34204 


2041321 


1904 


11000000 


1125179 


3936000 


16061 179 


138693 


24905 


1863988 



Was zunächst das Betriebskapital anbelangt, so sehen wir, 
dafi es von 1,8 Millionen bei Gründung der Gewerkschaft auf 
11 Millionen Mark im Jahre 1904 gestiegen ist. Die von den 
Gewerken gezahlte Zubufie belief sich seit Bestehen der Gewerk- 
schaft bis zum Jahre 1890 im ganzen auf 7,1 Millionen Mark. 
Die Ausbeute von 1891—1895 betrug inklusive der Tantieme des 
Grubenvorstandes 926858 Mark. Von 1896—1904 wurden an 
Dividende gezahlt: 6, 8, 8, 10, 12, 8, 7, 9, l^lo. Die Schulden 
betrugen 1903 57 ^/o des Aktienkapitals. Im folgenden Jahre ver- 
ringert sich diese Relativzahl auf 46%, weil das Aktienkapital 
steigt Die Gesellschaft ist jedoch immer noch hoch ver- 
schuldet 

Der wichtigste Punkt aber ist die Rentabilität der ein- 
zelnen Anlagen. Hier ergibt sich nun aus der Tabelle folgen- 
des: Die Zeche arbeitet in den ersten Jahren mit Unterbilanz. 

23» 



356 6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft fflr Beigbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 

Sie floriert nicht. Die Betriebsveriuste müssen bis zum Jahre 
1884 durch die Oberschusse des Salinen- und Badebetriebes ge- 
deckt werden. Dazu kommen noch die aus den vermieteten 
Wohnungen der Arbeiterkolonie gezogenen Einnahmen. In den 
folgenden Jahren werden dann aus der Zeche kleine Gewinne 
herausgewirtscbaftet, die aber bei weitem nicht an die Ober- 
schüsse aus der Salzproduktion heranreichen. Mit andern Worten: 
anfangs ruht der Schwerpunkt des Unternehmens in der 
Salzgewinnung. Sie liefert die Oberschüsse. Sie bildet das 
Fundament der Gesellschaft Das ändert sich nun aber mit 
dem Jahre 1889. Von da an schnellen die Oberschüsse des 
Zechenbetriebes empor. Es hängt das zusammen mit dem Auf- 
schlufi des Ostfeldes. Zwar zeigen dann die für das Kohlen- 
geschaft ungünstigen Jahre 1892 — 1894 einen Rückschlag. Im all- 
gemeinen aber ragen in dieser zweiten Periode die Betriebsüber- 
schüsse der Zeche auch nicht allzuweit über die der Saline 
hinaus. 

Erst mit dem Jahre 1897 beginnt der Zechenbetrieb eine 
Vormachtstellung in der Rentabilitätsrechnung des Ganzen ein- 
zunehmen, die er bis zum heutigen Tage behalten hat und in 
Zukunft auch behalten wird. In diesem Jahre bezeichnet zum 
ersten Male die Verwaltung die Zeche als den »Hauptbetrieb und 
die eigentliche Grundlage des Unternehmens". Diese Ausfüh- 
rungen aber zeigen, daß in dem Verhältnis zwischen Zeche und 
Saline drei Perioden zu unterscheiden sind: In der ersten 
(bis 1888) ist die Zeche der Saline untergeordnet; sie 
liefert weniger Erträge; in der zweiten (1889—1896) ist 
sie ihr beigeordnet, sie liefert ähnliche, vielfach höhere 
Erträge; in der dritten ist sie ihr übergeordnet; ihre 
Erträge übersteigen die Betriebsüberschüsse von Sa- 
line und Bad ganz bedeutend. In diesen Tatsachen aber 
haben wir den eigentlichen Schlüssel für die Kombination dieser 
Betriebe zu einer wirtschaftlichen Unternehmung zu erblicken. 
Er liegt in der Gewinnausgleichung. Die Ausfälle des 
einen Betriebes werden durch die Mehreinnahme des 
andern wettgemacht werden. Dazu kommt dann weiter 
die früher behandelte Tatsache, daß der im Konkurrenz- 
kampf scharf bedrohte Salinenbetrieb mit durch die öko- 
nomischen Vorteile, die ihm der Zechenbetrieb gewährt, 
aufrecht erhalten wird. 



6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft fflr Beigtua. Salinen- und Solbadbetrieb. 357 

Sieht man naher zu, so erkennt man» dafi diese Wechsel- 
beziehung auf der Verschiedenheit guter und schlechter 
Konjunkturen für Kohle und Salz beruht. Aus der geschicht- 
lichen Darstellung ergibt sich» dafi beide» wenn auch nicht von 
prinzipiell» so^doch von graduell sehr verschiedenen Ursachen ab- 
hangen. In der Zeit des Bestehens der deutschen Salinenkon- 
vention von 1889 — 1896 ging es der Salzindustrie gut» der Kohlen- 
industrie aber überwiegend schlecht Umgekehrt lagen die Ver- 
haltnisse von 1897—1900. Ich will zur Illustrierung des Gesagten 
nur noch zwei Bemerkungen aus den Geschäftsberichten heraus- 
greifen. In dem Bericht Aber das Jahr 1899 heifit es: ,»Das 
gfinstige Ergebnis war der Zeche zu danken» wahrend die Saline 
infolge ungünstiger Verhaltnisse auf dem Salzmarkt ein geringeres 
Ergebnis hatte. Der Absatz des Salzes vollzog sich zu weichen- 
den Preisen. Aber er war aufierordentlich lebhaft' In dem Ge- 
schäftsbericht Aber das Jahr 1901 liegen die Verhaltnisse gerade 
umgekehrt Das Jahr war fAr die Kohlenindustrie ungAnstig. Das 
Ergebnis blieb gegen das Vorjahr zurAck. Hingegen ergab die 
Saline einen MehrAberschufi und ebenso das Bad» eine Folge der 
wieder zustande gekommenen Konvention. 

Damit haben wir unsere Aufgabe, die ökonomische Entwick- 
lung und die inneren Beziehungen» die in der Zusammen- 
schweifiung von Salz- und Kohlenproduktion zu einem wirt- 
schaftlichen Unternehmen bestehen» klargelegt — soweit das heute 
mit dem vorhandenen Material möglich ist 



Verlag von JÄH & SCHUNKE In Leipzig, 

Im Jahre 1904 erschien der erste Band der Nationalökono- 
mischeil Forschungen von Dr. Oskar Stillich: 

Eisen- und Stahl- Industrie. 

1. Der HOrder Bergwerks- nnd Hfitten verein. 

2. Die nseder Hfitte und das Peiner Walzwerk. 

3. Die Dortmunder Union. 

4. f^PhOnix", Aktiengesellschaft fflr Bergbau und HOttenbetrieb. 

5. Die vereinigte KOnigs- und Laurahfitte. 

=^=s Geheftet 6 Mark, gebunden 7 Mark, ^^ssbs 

Aus den Kritiken: 

Das Handelsmuseum vom 4. Mai 1906: Der Verfasser bringt 
eineseltene Vereinigung nationalökonomischerund technischer 
Fachkenntnisse zu dem Werke mit Es ist ihm zu wünschen, daß sein 
groS angelegtes Unternehmen in Theorie und Praxis die Beachtung finde, 
die es auch durch die lesbare Darstellung in hohem MaSe verdient 

Deutsche Oeschichtsbiatter Mai 1905 p. 204: Angesichts der 
großen Schwierigkeiten, die sich solcher Arbeit bisher entgegenstellten, 
ist diese Veröffentlichung eine wissenschaftliche Tat von großer 
Bedeutung, die über das, was heute noch als tatsächlicher Zustand 
gelten muß, bereits hinausführt. 

Chemnitzer Tageblatt vom 1. Februar 1905: Da die Geschichte 
die Lehrmeisterin der Menschheit ist, so kann unsere Industrie aus 
diesen Beschreibungen großer und renommierter Firmen von 
Weltruf lernen. 

Kölnische Zeitung vom 14. April 1905: Den vorliegenden Dar- 
stellungen von Unternehmungen der Eisenindustrie darf nachgesagt 
werden, daß sie mit Verständnis auf die technischen und wirt- 
schaftlichen Verhältnisse der einzelnen Unternehmungen ein- 
gehen und der Eigenart eines jeden nach Möglichkeit gerecht zu 
werden suchen. Die Untersuchungen Stillichs beschranken sidi dabei 
nicht etwa auf eine trockne Wiedergabe der technischen und wirtschaft- 
lichen Entwicklung der verschiedenen Werke, sie dringen vielmehr 
in die Innern Zusammenhange ein, schildern deren Wirkungen 
und notwendigen Ergebnisse. 

Hildesheimer Tageblatt vom 24. November 1904: Ausgerüstet 
mit einer scharfen Beobachtungsgabe, hat der Verfasser seine 
Studienobjekte unter die Lupe genommen, ist unbefangen ihren Ver- 
hältnissen auf den Grund gegangen und sieht vieles mit ganz 
anderen Augen an, wie die Leute, die stets In und mit diesen ge- 
waltigen Körpern leben. 

Berliner Tageblatt vom 9. Februar 1905: . . . und doch wird 
der Kapitalist auch nicht annähernd wo anders ein so reiches Material 
über die In dem ersten Bande erläuterten Unternehmungen finden, wie 
In den Werken von Stillich. 



miinip 



i 



O