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^ationalökonomische Forschungen
auf dem Gebiete der
Großindustriellen Unternehmung.
BAND II.
Steinkohlenindustrie
von
Dr. Oskar StllHch,
Dozent an der Humboldt-Akademie in Berlin.
Utpzig 1906
VERLAG VON JAH & SCHUNKE.
^üo^lS^O *xs
Lü otcUrCC-^^^^v-A—
RoMvgtdM Bttchdisckmi, L«lp4f .
Vorwort
Der verstorbene englische Maler Whistler sagte einmal: ,Ein
Bild ist vollendet, wenn man an ihm in nichts mehr die Muhe
sieht, die es dem Künstler gemacht hat* Ich möchte diesen Aus-
spruch mutatis mutandis auch auf wissenschaftliche Arbeiten der
vorliegenden Art angewendet wissen, die eine Summe mühevoller
und eingehender Vorarbeiten und SpezialStudien verlangen, ehe sie
die Form gewinnen, in der sie sich dem Leser präsentieren.
Die nachstehenden Forschungen erstrecken sich auf eine Un-
tersuchung des geschichtlichen Werdegangs, der natürlichen,
technischen und sozialen Grundlagen, der Produktions-
and Absatzverhaltnisse, des wirtschaftlichen Gebarens
und der geschäftlichen Erfahrungen sowie der finanziellen
Konstruktion und Resultate einer Reihe von Unternehmungen
auf dem Gebiete des Steinkohlenbergbaues. In dem sich daran
anscbliefienden dritten Bande, der im Jahre 1906 erscheinen soll,
werde ich einige Braunkohlenwerke mit ihren Nebenindustrieen
(Teerschwäleret, Paraffin-, Öl- und Kerzenfabrikation) beschreiben.
Die Behandlung ist in erster Linie deskriptiver Natur und er-
hebt sich nur an Punkten besonderer Veranlassung auf die Höhe
theoretischer Betrachtung. Sie schöpft, wie ich schon im Vor-
wort des ersten, die Eisen- und Stahlindustrie behandelnden Bandes
betonte, ihren Stoff vor allem aus dem in den Geschäftsberichten
niedergelegten Material — unter Berücksichtigung der speziellen
Fachliteratur — femer aus dem Reichtum der Erfahrung hervor-
ragender Praktiker und der eignen Unterrichtung über die Ver-
haltnisse an Ort und Stelle. Die Hauptsache ist auch hier die
persönliche Kenntnis der konkreten Verhältnisse. Wer in seinem
Leben noch keine Zeche gesehen hat, der ist selbstverstandlidi
außerstande, mitzusprechen. Aber selbst für den Kenner auf diesem
Gebiet ist es nicht immer ganz leicht, sich innerhalb unzähliger
technischer Details ökonomisch zu orientieren, ich meine, die tech-
nischen Vorgänge wirtschaftlich zu deuten, und ein objektives von
der Meinung der Interessenten unabhängiges kritisches Urteil zu
gewinnen. Nicht die Länge der Zeit ist bei solchen Untersuchungen
das Entscheidende, sondern das Mafi der Vorbildung, die Schärfe
IV Vorwort.
der Beobachtung und die Schnelligkeit der Erfassung. Der
Nationalökonom, der, ausgerüstet mit den Hilfsmitteln seiner
Wissenschaft, einen solchen größeren Betrieb durchwandert, sieht
für seinen Zweck mehr, als der blofi nach der technischen Seite
hin geschulte Praktiker, dem dazu noch häufig die arbeitsteilige
Organisation der betreffenden Unternehmung den Oberblick ge-
brochen hat, und der vielleicht gelegentlich nur einmal als Führer
das Ganze wieder betritt. Freilich ist es wahr, dafl derjenige,
der in einem technischen Betriebe Tag für Tag tätig ist, viele
Einzelheiten besser kennt Aber unberechtigt ist es, die an den
Techniker gestellten Anforderungen auch an den Nationalökono-
men zu stellen und zu veriangen, daß er sich längere Zeit,
vielleicht Monate hindurch, auf einer Zeche, die er beschreiben
will, aufhalte. Die Forderung eines derartigen Mehraufwandes an
Zeit ist aber, ganz abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten
(berufliche Verhinderung, ablehnende Haltung der Leiter einem
derartigen Verlangen gegenüber) nicht durchführbar. Denn auch
der wissenschaftliche Arbeiter, der sich weitere Ziele steckt, ist
gezwungen, nach dem Prinzip des kleinsten Kraftmafies zu
arbeiten. Das Höchste ist natürlich auch hier die Bereicherung
der Fachwissenschaft durch Tatsachen und neue Gesichtspunkte
unter strenger Berücksichtigung der Regeln wissenschaftlichen
Denkens. Daher habe ich überall versucht, nicht blofi die Dinge
zu beschreiben, sondern sie auch zu erklären, den Ursachen nach^
zuspüren. Scire est, ex causis scire.
Unter den im folgenden behandelten Aktiengesellschaften
resp. Gewerkschaften der Kohlenindustrie wird der Leser zwei
Typen erkennen. Die einen haben ihren ursprünglichen Besitz
an Kohlenfeldem durch Zukauf und Fusionen fortwährend erweitert,
ihre Berechtsame ist immer gröfier und größer geworden; die
andern aber bauen heute noch auf einem nahezu ebenso großen
Grubenfelde wie zur Zeit ihrer Gründung. Aus der Vergleichung
beider Typen ergeben sich Probleme, auf die ich im Text naher eingehe.
Scheinbar stehen die Darstellungen der beiden Typen und
überhaupt der einzelnen Werke unabhängig und in sich geschlossen
nebeneinander. Derjenige aber, der tiefer hinsieht, wird erkennen,
daß Fäden aus dem einen Abschnitt in den andern hinüberspielen
daß das eine Werk, wie ein Kritiker des ersten Bandes sich richtig
ausdrückte, durch das andere kontrastiert wird, und sich schließlich
alle Einzelheiten im Sinne einer höheren Einheit zusammenfinden.
Vorwort. V
Die erste Abhandlung enthält die Geschichte der Bergwerks-
gesellschaft Hibernia, einer für den westfälischen Kohlenbezirk
typischen Unternehmung, die ich daher auf dem Hintergrunde
der allgemeinen Entwicklung abzeichne. Daraus erklärt sich im
wesentlichen der gröfiere Umfang dieses ersten Abschnittes, der
bei der Behandlung einer ganzen Reihe von Punkten über die
rein privatwirtschaftliche Seite hinausgeht,* vor allen auch bei der
Schilderung des Zusammenpralls zwischen Großkapital und Staats-
gewalt, anläßlich des Verstaatlichungsversuchs im Jahre 1904.
Daran schließt sich die Darstellung der Gelsenkirchener
Bergwerksaktiengesellschaft, der größten Handelsgesellschaft
auf dem Gebiete des Kohlenbergbaus in Deutschland, deren ganze
Entwicklung beherrscht wird von dem Streben nach der Hegemonie
aber das rheinisch-westfälische Kohlenbassin.
Im Gegensatz hierzu schildere ich in dritter Linie den Kölner
Bergwerksverein, eine der ältesten Aktiengesellschaften auf
diesem Gebiet, der ursprunglich die Ziele des montanen Groß-
kapitalismus zu antizipieren versuchte, um später eine ganz andere
Entwicklungsrichtung einzuschlagen.
Viertens folgt die Geschichte der Bergwerksgesellschaft
Konsolidation. Auch hier suche ich über das rein Chronistische
hinaus auf das Typische der Entwicklung dieses nichtfusionierten
Unternehmens zu kommen, außerdem aber auf eine Reihe interessanter
Abweichungen besonderer Art
Das fünfte Unternehmen ist die Bergwerksgesellschaft Dahl-
bttsch. Hier kam es mir vor allem auf den schon früher gestreiften
Nachweis des Zusammenhanges an, der zwischen den Abbau-
verhaltnissen auf der einen und der Entwicklung der Betriebs-
mittel auf der andern Seite besteht.
Den Schluß bildet die geschichtliche Entwicklung der Aktien-
gesellschaft Königsborn, die die Salz- mit der Kohlenproduktion
vereinigt Ich suche darzulegen, welche inneren Beziehungen
* E$ trifft daher nicht den Kern der Sache, wenn man meine Untersuchungen
als rein privatökonomische designiert und die Bezeichnung der Sammlung als
• Nationalökonomische" Forschungen bemängelt hat. Die Privatökonomie ist
eben ein wenn auch bisher vollständig vernachlässigter Teil der nationalökono-
mischen Wissenschaft Außerdem trete ich nirgends vom privatökonomischen Stand-
punkt, wie ihn etwa der einzelne Geschäftsmann eümimmt, an die Tatsachen heran,
sondern von dem Interessenstandpunkte der Gemeinschaft Aus diesen beiden Gran-
den halte ich die Bezeichnung .Nationalökonomische Forschungen* aufrecht.
VI Vorwort.
zwischen beiden, auf den ersten Blick ganz verschiedenen Betrieben
bestehen. Die Kombination von Sole und Kohle gehört zu den
interessantesten Erscheinungen im rheinisch-westfälischen Industrie-
bezirk.
Schliefilich sei es mir noch gestattet, einer Anzahl Henen
meinen verbindlichsten Dank zu sagen, die mich bei den Be-
sichtigungen der Zechen und dem Suchen nach Literatur durch per-
sönliche Auskunft oder schriftliche Mitteilungen unterstfitzt und
gefördert haben. Ganz besonderen Dank schulde ich folgenden
Herren: Direktor Bardenhauer, Archivar Dr. Bergengrfin, Direktor
Bingel, Obersteiger Blöcher, Bergmeister Engel, Generaldirektor
Effertz, Markscheider Haferkamp, Maschinensteiger Gretz, Bankier
Jarislowsky, Prokurist Kerksiek, Gruben Verwalter Kesten, Geh.
Kommerzienrat Kirdorf-Gelsenkirchen, Geh. Kommerzienrat
Krabler, Generalsekretär Kramer, Archivar Dr. Lahmann, Betrietis-
fuhrer Latsch, Bibliothekar Leuzinger, Betriebsführer Melches, Be-
triebsfuhrer Münnich, Direktor Papentin, Dr. Pinner, Dr. Reuter,
Bibliothekar Dr. Reiche, Kaufmann Tarrant, Maschinensteiger
Tesch, Generaldirektor Tomson, Maschinenwerkmeister Trappmann,
Maschinensteiger Trelle, Maschinensteiger Wiese, Direktor Wimmel-
mann und vielen anderen.
Auch den Kritikern des ersten Bandes meines Unternehmens
bin ich ffir die Objektivität ihrer Besprechungen und manche An-
regung im einzelnen zu Dank verpflichtet Nur einem nicht, dem
Bergrat Gothein, der mein Buch in jeder Beziehung, sogar in
sprachlicher, ungünstig beurteilt und seine Privatansicht dahin
ausgesprochen hat, ,daB man keine Ursache hatte, es zu bedauern,
falls dem ersten ein zweiter Band nicht folgen würde"*. Wir haben
es hier mit einem Kritiker zu tun, dem offenbar jedes Unterscheidungs-
vermögen für Wesentliches und Unwesentliches fehlt Es ist von
jeher das Kennzeichen einer gewissen und nicht der sachlichsten
Kritik gewesen, den Mafistab für den Wert eines Buches nidit
in seiner wissenschaftlichen Methode und seinen die Details re-
gierenden Grundgedanken zu suchen, sondern in oft nebensach-
lichen Einzelheiten. Dafür aber ist die Gotheinsche Kritik ein
glücklicherweise vereinzelt dastehendes Musterbeispiel.
Charlottenburg
Leibnizstr. 84
Frühjahr 1905. Der Verfasser.
Inhalt.
Seite
Vorwort III
1. Bergwerksgesellschaft Hit>emia 1
2. Oelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 144
a. Kölner Bergwerksverein 197
4. Bergwerks-Aktiengesellscbaft KonsoUdation 220
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch 262
& Königsbom, Aktiengesellschaft fflr Bergtiaa, Salinen- und Soltiadbetrieb 296
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Die wirtscbaftlicben und technischen Fundamente einer ganzen
Anzahl von Zechenanlagen verdankt Rheinland-Westfalen, das gröfite
Kohlenproduktionsgebiet auf dem Kontinent, dem englischen
Kapital. Als um die Mitte des 19. Jahrhunderts der Kohlenberg-
bau aus dem Ruhrbezirk, wo er bisher handwerksmäfiig im Tage-
und Stollenbau auf kleinen verzettelten Feldern betrieben wurde, bi das
Gebiet der Emscher vordrang, war Deutschland noch ein kapital-
armes Land. Die neuen Anlagen aber waren wegen des die Stein-
kohlen überlagernden Mergelgebirges Tief baue und infolgedessen
mit höheren Anlagekosten verbunden, als die Tagebaue. Es darf
daher nicht wundernehmen, daß in dem damals reichsten Lande
der Welt der Unternehmungsgeist und der Erwerbstrieb stark ge-
reizt wurde, sich auch auf deutschem Boden zu betätigen, nadidem
bereits in den 1840er Jahren das OroBkapital durch die ersten
Funde von Kohlen im Norden des bisherigen Ausbeutungsgebiets
alarmiert worden war.
Es ist nun aber immerhin eigentumlich, warum sidi fremdes
Kapital damals gerade mit Voriiebe auf den Bergbau warf, wäh-
rend es andere Industriezweige mied, wie z. B. den Maschinenbau,
der doch audi um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland
emporzublfihen begana
Die Beantwortung dieser Frage scheint mir mit der Tatsache
zusammenzuhängen, dafl die Kohlenindustrie anknfipft an ein
Gut, das durch die Rechtsordnung in Preufien und in den meisten
anderen Bergbauländem zu einem freien gestempelt ist Die
Kohle ist ein ausschliefilich von der Natur produziertes,
herrenloses, nur durch okkupatorische Arbeit zu erwer-
bendes Gut, woran nichts durch die Tatsache geändert wird,
dafl die Gesetzgebung bei der Okkupation gewisse Formalitäten
vorschreibt Auf dem Gebiet, mit dem wir es hier zu tun haben,
Stnilcli, Nftlloulölcoiioiiiisdit Ponchiingtn. Bd. 0. 1
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
gehört die in der Erde liegende Kohle ebenso wie das Eisenerz usw^
nicht dem Grundeigentümer. Dieser besitzt nur die Oberfläche,
Die Kohle gehört aber auch nicht dem Staat Sie gehört nie-
mandem. Sie ist res nullius.* Jeder, der Kohle findet, kann sie
nach Erfüllung gewisser Bedingungen*^* als sein äquivalentlos er-
worbenes Eigentum betrachten. Infolge dieses Charakters
der Kohle als freies Gut war dem englischen Kapital die
Möglichkeit gegeben, auch im Auslande in den unent-
geltlichen Besitz grofier Bodenschätze zu gelangen.
Infolgedessen wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts aus
dem technisch und kapitalistisch höher entwickelten England eine
Summe von Kapital, Arbeitskraft und Intelligenz zu uns herüber*
gelockt, um unsere montane Orofiindustrie aus der Wiege zu heben.
Zu den Männern, die damals herüberkamen, gehörte auch William
Thomas Mulvany (1806—1885), der Gründer der Hibemia.
Dieser Ire war bisher englischer Staatsbeamter gewesen. Er hatte
al>er, wie auch heute noch mancher hohe Beamte, seine Stellung
angegeben, um sie mit der Betätigung in der Industrie zu vertauschen.
1855 gründete er die aus 128 Kuxen bestehende Ge-
werkschaft Hibernia und Shamrock. Zu den Gewerken ge*
hörten folgende Männer: Schiffsreeder Josef Malcomson zu May-
field (Irland) mit 40 Kuxen, Fabrikant William Malcomson zu
Portland (Irland) mit 8 Kuxen, Rentner Thomas Mulvany zu Düssel-
dorf mit 16 Kuxen, Mich. C. van der Maenen zu Brüssel mit
16 Kuxen, David Malcomson zu Mayfield mit 8 Kuxen, Rentner
James Perry jun. zu Kingston bei Dublin mit 8 Kuxen, Privatmann
James Perry sen. zu Obelisk Park mit 32 Kuxen.
Wir sehen, es sind lauter fremde Namen. Der ganze Be-
sitz ist in den Händen von vier Familien. Mulvany selbst
ist Repräsentant der Gewerkschaft Ein Verwandter von ihm fiber-
nimmt die Direktion. Nur der Betriebsfühitr, Louis Chr. König,
sdieint Deutscher gewesen zu sein.
* Das Allgemeiiie Landrecht spricht in TeU ü TIt 16 § 6 von «unter«
irdischen Schätzen der Natur, auf welche noch nlenumdem ein beaondcfes
Recht verliehen worden". Ober die Kontroverse, ob nach preufiischem Berg-
recht die Mineralien und Fossilien integrierende Beitandteile des Orundeigentums
oder herrenlose Oflter seien, siehe Klostermanns Kommentar zum Allgemeinen
Berggesetz fflr die preufiischen Staaten, S. Aufl., Berlin 1896, p. 5 ff.; vgl auch
p. 39ff.
** Ehdegung der Mutung, auf Qrund deren die Verleihung erfolgt
1. Bergwerksgesellschaft Hibernia.
Das Fundament dieses gewerkschaftlichen Unternehmens bil-
deten min eine Anzahl Grubenfelder, die an zwei verschiedenen
Stellen entweder gemutet, oder aber aus zweiter Hand billig er-
worben wurden, nämlich in Gelsenkirchen und Herne, die damals
noch unbedeutende tief im Walde versteckte Dörfer mit kleinen in
Fachwerk erbauten Hauschen waren.
Ober den Erwerb dieser Grubenfelder werden in der aniafilich
des 25jahrigen Jubiläums der späteren Aktiengesellschaft von der
Verwaltung herausgegebenen Denkschrift* einige nähere Angaben
gemacht Danach steht fest, dafi bereits am 27. August 1847 ein
Rentner namens Ludwig von Oven aus Düsseldorf von dem Rech-
mingsfflhrer a. D. Franz Hilgenstock in Rellinghausen bei Gelsen-
kiichen die Mutung Ludwigsglfick erwarb. Der gezahlte Preis
betrag 150 Taler, also 450 Mark. Die Grubenfelder waren damals
noch nicht in den Händen grofier Gesellschaften monopolisiert
Heute wurde eine solche Berechtsame mindestens eine halbe Million
Mark kosten, denn die Grubenfelder sind, soweit sie aus zweiter
and dritter Hand erworben werden, im Laufe eines halben Jahr-
hunderts um mehr als das Tausendfache ihres Wertes gestiegen.
Es braucht hier nicht erst gesagt zu werden, wie sehr der finan-
zielle Erfolg mit der billigen Erwerbung resp. der eigenen Mutung
seitens der ursprünglichen Gewerkschaft verknüpft gewesen ist
Diese Berechtsame wurde nun von Mulvany gekauft und mit
einer eigenen Mutung, der er den Namen Neu-Christianenglfick
gab, unter dem 18./20. April 1857 vereinigt Die ganze Berecht-
same war nur klein und ist bis dahin das wenigst umfangreiche
Feld gebliel>en, das die Gesellschaft besitzt — seine Ausdehnung
betragt 2066276 qm. Das konsolidierte Feld wurde zur Erinne-
nu^ an die Heimat des Gründers Hibernia, d. h. Irland genannt
Nun war man aber wie erwähnt noch an einem zweiten Orte
oordOstlicfa von Gelsenkirchen bei Herne fündig geworden. Die
Kohle wurde erbohrt durch einen Bocfaumer Bürger, W. Endemann,
»einem Mann von glflckhaftem Unternehmungsgeist und kraft-
voller, echt westfälischer Ursprünglichkeit, welcher in weitem Um-
kreise mit groBem Erfolge mutete' (Denkschrift p. 9). In den
Jahren 1855/56 erfolgte die Verieihung von fünf Grubenfeldern.
Diese wurden 1857 konsolidiert und das Ganze im Jahre 1859
mit dem Felde »SchOngelegen* — wahrscheinlich eine Anspielung
* Dcnkscfaiift aus Anlafl des 25JIhrigen Bestehens der BergwerksgeseUschaft
fttKnii 1S7^^1S96.
1*
l. Bergwerksgesellschaft Hibernia.
auf die damalige Lage Hernes — vereinigt Der Umfang dieser
Berechtsame belief sich auf 6193611 qm, war also fiber dreimal
grOfier als der von Hibernia. Mulvany gab diesem Kohlenfeld
den Namen Shamrock (Dreiblatt, Wahrzeichen von Irland).
Nachdem diese beiden nach heutigen Mafistaben kleinen
Grubenfelder Hibernia und Shamrock teils durch eigne Mutang,
teils durch Erwerb aus zweiter Hand, mit einem verhältnismäSig
geringen Anlagekapital in den Besitz der Gewerkschaft fil>er-
gegangen waren, wurde mit dem Abteufen der Schachte t)e-
gonnen. Mit blumenbekrSnzten Spaten erfolgte im Herbst 1855,
nachdem der letzte Erntewagen vom Felde verschwunden war, auf
den kahlen Stoppeln der erste Spatenstich zur Anlage des ersten
Hibemiaschachtes. Mit der Abteufung des ersten Schachtes auf
Shamrock wurde erst etwas später, im MSrz 1857, begonnen.
Volkswirtschaftlich bedeuteam für den damaligen Stand des
Kohlenbergbaues ist nun die Tatsache, dafi sowohl die Arbeiter
als auch die Techniker für das Abteufen der beiden Schachte
aus England herübergeholt wurden. Mulvany hatte vor Beginn
der Arbeiten das nordenglische Kohlenrevier bereist, um Berg-
leute und Ingenieure anzuwerben. Die Kohlenindustrie befand
sich damals noch im Stadium der Empirie. Das technische Können
war noch nicht durch Einbürgerung des rationeOen Verfahrens
objektiviert Die persönliche Geschicklichkeit und die Tradition
waren ausschlaggebend. Daher wurden die mit dem Abteufen
grofier Tiefbauschachte vertrauten englischen Arbeiter heran-
gezogen — freilich gegen hohen Lohn. Dieser betrug für die
achtstündige Schicht 10 Mark. Deutsche Arbeiter wurden nur
zu gewöhnlichen Tagelöhnerdiensten verwendet und mit 2 bis
2,50 Mark bezahlt
Die Schachte wurden nun nach dem Muster englischer Tief-
bauanlagen hergestellt Sie wurden mit gufieisemen Segmenten,
sogenannten Tübbings, ausgekleidet, um die reichlichen Wasser-
zuflüsse abzusperren. Andererseits wieder verwandte man ziemlich
primitive Arbeitsmittel, die damals in Deutschland im Oebraudie
waren. »Bei dem Schachtabteufen*, t>emerkt die Festschrift, »ver-
einigten sich uralte Gepflogenheiten mit den neuesten Errungen-
schaften menschlicher Forschung in eigenartiger Weise; denn
wahrend im Schachtabteufen die wichtigste Erfindung der Tüb-
bings in Anwendung kam, wurden die Erd- und Bergmassen
mittelst eines primitiv eingerichteten Pferdegöpels zutage geschafft*
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Das Abteufen der Schachte ging rasch vonstatten. Bereits
nach ca. IVa Jahren erreichte man bei 111 V2 m das Steinkohlen-
gebirge, bei 127V2 m das erste Steinkohlenflöz. Etwas tiefer
lagerte die Kohle wegen des Einfallens der Flöze von Süden nach
Norden auf Shamrock. Dort lag das Steinkohlengebirge 144 m
tief, wahrend das erste Kohlenflöz bei 179 m angefahren wurde.
Die Wasserzuflusse waren hier noch geringer als auf Hibemia.
Der ZufluS betrug 0,03 cbm in der Minute, so dafi zu seiner
Bewältigung Pumpen nicht erforderlich waren. Man blieb nun
aber weder auf Hibemia noch auf Shamrock bei der Abteufung
eines Schachtes stehen, sondem ging gleich von vomherein zum
Zweischachtsystem fiber. Mit dem Niederbringen des zweiten
Schachtes wurde auf Hibemia 1857, auf Shamrock 1862 begonnen.
Die Zechen deutschen Urspmngs waren im Gegensatz zur
Hibemia lange Zeit nur mit einem Schacht versehen, bis endlich
die Erfordemisse der Massenproduktion, die Notwendigkeit einer
größeren Sicherung der Arbeiter und Orfinde, die ich an anderer
Stelle dieser Forschungen behandele, sie zur Anlage weiterer
Sdiachte zwangen.
Die ersten Kohlen konnten auf Hibemia 1858, auf Shamrock
1860 gefördert werden. Die Fördemng betmg taglich 4000 Scheffel,
oder in das jetzt gebrauchliche Mafi umgerechnet, 200 t Heute
betragt die taglidie Leistung (nach dem Geschäftsbericht für das
Betriebsjahr 1904)
auf Hibemia 1082,17 t
auf Shamrock 2861,89 t
wobei freilich die spater zu behandelnde Vergröfiemng des Gmben-
fddes, die Vermehmng der Zahl der Schachte usw. nicht aufier
acht zu lassen ist Die in diesen Zahlen zum Ausdmck kommende
Stdgerung ist die Realisiemng des Prinzips der Massenproduktion
im Kohlenl)ergbau. Es ist das Leitmotiv des Orofikapitalismus.
Alle Einrichtungen und Maßnahmen der alten Gewerkschaft, vor
allen aber der spater sich daraus entwickelnden Aktiengesellschaft,
stehen damit in Zusammenhang.
Anfangs freilich war der spater alles beherrschende kapita-
listische Geist noch nicht genQgend zur Ausbildung gekommen.
Es fehlte vor allem eine geregelte Buchfühmng. Die alten Ge-
werken machten sich darüber keine grofie Sorge. Das rationa-
listische Element, der Aufbau des ganzen Untemehmens auf Ziffern,
lag nodi im Keimstadium. Welche Kapitalien damals angelegt
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
waren und welche Verzinsung sie ergaben, läfit sieb daher nicht
genau nachweisen. Wenn wir mit der Festschrift annehmen,
dafi nach und nach 10 Millionen Mark eingezählt wurden, was
aber sicherlich zu hoch ist, so ergibt sich immer noch eine Durch-
Schnittsdividende von 5,44 ^/o, wobei zu betonen ist, dafi in den
ersten Jahren naturgemäß ein weit geringeres Anlagekapital zu
verzinsen war. Nach später vorgenommenen Rekonstruktionen
schwankte der Reingewinn von 1861—1872 zwischen 305580 Mark
im Jahre 1868 und etwas über 1 Million Mark im Jahre 1872.
Er betrug im Durchschnitt rund 544500 Mark. Daran ist Zeche
Hibemia mit jährlich 269700 und Zeche Shamrock mit 274800 Mark
beteiligt Zwischen beiden Zechen bestand in dieser ersten eng-
lisch-gewerkschaftlichen Periode weder in bezug auf die Produktion
noch in bezug auf die Ausbeute eine grofie Divergenz. Das
Gleichmafi aller Dinge war noch die Grundlage des Unternehmens,
bis auch diese durch die Entwicklung von Differentialrente
auf den einzelnen Zechen auseinandergesprengt wurde.
Soviel über die Anfänge des Unternehmens.
Als nun in Deutschland die Oründerperiode mit ihren rie-
sigen Projekten auch den Kohlenbergbau in die spekulative Be-
wegung hineinrifi, da wurde die alte patriarchalische Gewerkschaft
in eine den Interessen der Börse mehr entsprechende Form, näm-
lich in eine Aktiengesellschaft verwandelt, bei der sich nunmehr
auch das deutsche Kapital in ausgedehntem Mafie beteiligte. Diese
Umwandlung erfolgte durch Vertrag vom 11. März 1873. Das
Grundkapital wurde auf 16,8 Millionen festgesetzt Die alte gewerk-
schaftliche Firma »Hibemia & Shamrock* blieb vorläufig weiter be-
stehen, bis sie 1887 mit Beginn der großen Annexionsperiode durch
die Bezeichnung »Bergwerksgesellschaft Hibemia" ersetzt wurde
Will man in das Gefüge eines solchen grofien Unternehmens
näher eindringen, so mufi man zunächst versuchen, einen Einblick
zu gewinnen in seine natürlichen Grundlagen. Diese werden
bestimmt durch zweierlei: Einmal durch dieGrOfie des Gruben-
feldes und dann durch die Beschaffenheit der darin enthalte-
nen Kohlenflöze.
Das Gmbenfeld der beiden Zechen Hibemia und Shamrock
umfafite, wie wir sahen, nicht mehr als 826 ha. Auf diesem Stande
blieb es bis zum Jahre 1887. Seitdem al>er setzt ein Umschwung
in der Geschäftspolitik des Untemehmens ein, der vielleicht
in intellektuellem Zusammenhang steht mit dem grofien Ver-
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
sdundzungs- und Verstrustungsplan, der um die Mitte der 80er
Jahre von einer tedinischen Kommission des Vereins fflr die
bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund ent-
worfen wurde.* Neue Zechen werden den alten angegliedert
Die Ära der Fusionen beginnt Die schliefiüche Folge dieser
Expansion ist — um das Resultat gleich vorweg zu nehmen — ,
dafi an Stelle der kleinen alten Berechtsame ein Riesenfeld von
10184 resp. 10623 ha. tritt
Wn verfolgen diesen Angliederungsprozefi zunächst im
einzelnen und suchen uns gleichzeitig Ober die Beschaffen-
heit und Lage der Felder, die Motive der Erwerbungen, ihre
Kosten und die Mittel zu ihrer Deckung klar zu werden.
1887 erwirbt die Hibemia die Kuxe der Gewerkschaft Wil-
helmine Viktoria zum Gesamtpreise von 5466964 Mark (An-
kaufspreis der Kuxe, Grundschuld und Hypotheken). Die Mittel
zur Zahlung dieses Kaufpreises werden durch eine 4V9Voige,
hypothekarisch sichergestellte Anleihe von 7,2 Millionen Mark auf-
gebracht Der Kux kostete 2700 Mark. Die Zeche besafi ein
Gnibenfdd von 6522933 qm. Es war demnach ebenso grofi wie
das von Shamrock. Die Veranlassung zu diesem Erwerbe gab
die Erkenntnis, »dafi es wünschenswert sei, für die allmählich in
Abnahme begriffene Oaskohlenproduktion der Zeche Hibemia einen
Ersatz durch Ankauf einer guten Oaskohlenzeche zu schaffen.*^
1889 erfolgt dann die Erwerbung der Grubenfelder Nost-.
hausen und Neuborbeck in einer GesamtgrOfie von 5 889860 qm
sowie des 390000 qm grofien Feldstücks Agathe. Der dem bis-
herigen Eigentümer gezahlte Preis bebug 2033469 Mark. Die
Mittel dazu wurden aufgebracht durdi Emission neuer Aktien im
Nominalbeträge von 5600400 Mark, emittiert zum Kurse von
145^0. Das Konsortium, das die Emission übernahm, nämlich
Sw BleichrOder und die Beriiner Handelsgesellschaft, erhielt 5^/o Pro-
vision. Der Ankauf dieser jungen unverritzten Grul>enfelder wird
in dem Geschäftsbericht von 1889 damit begründet, dafi die alten
Graben der Gesellschaft mit ihrer Förderung immer grOfieren
Teufen zustrebten und infolgedessen die Schwierigkeiten wuchsen.
In der Festschrift heifit es dann noch: .Die hohe Bedeutung
dieser Felder springt namentlich dadurch in die Augen, dafi sie
auf langer Linie mit unserer Zeche Shamrock markscheiden, so
• Vgl Jiüiretbericht des V. f . d b. L i. O. D. Vom Jahre 1886.
— Pesttdutft p. 24.
8 1. Bergwerksgesellschaft Hlbenüa.
dafi deren Betrieb sofort in schwunghafter Weise in Angriff ge-
nommen werden kann." Das Feld Agathe wurde der Zedie
Shamrock angegliedert, wogegen Nosthausen und Neut>orbeck den
Namen Shamrock, Schacht UI/IV erhielten.
Nach einer längeren Pause von zehn Jahren erfolgt dann
1898 die dritte Erwerbung mit dem Kauf der Zeche Schlägel
und Eisen. Es handelt sich dal>ei nicht, wie bei der vorigen
Akquisition, um ein noch unverritztes, sondern um ein bereits
durch Schächte in Angriff genommenes Orubenfeld. Die Verhält-
nisse desselben waren bisher wenig günstig gewesen. Von An-
fang an, d. h. seit 1873, war eine Ausbeute nicht verteilt worden.
Die alten Schächte bauten auf der hängendsten Partie zum Teil
qualitätsarme Flöze. Dazu kamen Absatzschwierigkeiten und
Arbeitermangel in der dfinn bevölkerten Gegend an der Reckling*
hausen-Hertener Chaussee. Trotz dieser bösen Vergangenheit er-
warb die Hibemia das Bergwerk.. Damit geht ein Riesenkomplez
von 26303876 qm Berechtsame, der nach markscheiderisdier Be-
rechnung bis zur Teufe von 1000 m 275 Millionen Tonnen Kohlen
biigt, in das Eigentum der Gesellschaft über. Die kolossale Aus-
dehnung dieses Orubenfeldes läfit sich daran erkennen, dafi es
den gesamten bisherigen Besitz der Gesellschaft um 5 206 000 qm
äberragL Der den Gewerken l>ezahlte Kaufpreis betrug 15300 Mark
pro Kux in bar, oder 6000 Mark neuer Hibemia-Aktien zu llOVo
und 5100 Mark in bar. Zur Bestreitung des Kaufpreises wurde das
Grundkapital um 10000800 Mark erhöht Aufierdem wurde gegen
Verpfändung der Zeche Shamrock III/IV eine 4^/oige Anleihe
von 3,5 Millionen Mark aufgenommen. Sie sollte der Schulden-
tilgung und dem weiteren Ausbau der Zeche Schlägel und Eisen
dienen. Der Kaufpreis der Berechtsame betrug 8 Millionen Mark.
Der Hektar Grul>enfeld kostete also 3041 Mark. In der Bilanz vom
31. Dezember 1898 wird der am 1. Mai d. J. übernommene Be-
stand von Schlägel und Eisen folgendermafien spezialisiert:
Berechtsame 8000000 Mark
Schacht- und Onibenbaue 2468484 .
Qnindstflcke 585140 ,
„_^ ^ /Immobilien 1226200 ,
Betriebsinventar |Mobillen 235920 .
^ ^ . , rimmoWyen 458000 .
Qnibeninventar |Mobillen 755228 .
^, , „ , /Immobilien 41000 .
Ziegeleiinventar ;^^l,jj,^ , , . . 3412.
Zusammen: 13773384 Mark
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Die Motive für diese Erwerbung liegen zunächst in einem
Punkt» der für die beiden vorhergehenden Akquisitionen nicht in Be-
tracht kommen konnte, nämlich in der hohen Beteiligungsziffer
ffir Schlägel und Eisen beim rheinisch-westfälischen Kohlensyndikat
Sie betrug 868763 t Diese grofie Beteiligungsziffer gewährte die
Möglichkeit der Übertragung auf die übrigen Zechen der Oesell-
scbafL In dem Geschäftsbericht von 1898 werden dann noch
zwei andere Gründe angegeben, nämlich die Sorge für die Zu-
kunft und die Garantie dauernder Gewinne. Der betreffende
Passus lautet: »Die grofie Bedeutung des neuen Besitzes für
unsere Gesellschaft liegt vorzugsweise in seiner verjüngenden
und die Kontinuität unseres Unternehmens auf weite Zeiten sicher-
stellenden Kraft Nach den natüriichen Verhältnissen gibt derselbe
bei erheblicher Verminderung des bergmännischen Risikos unseres
Gesamtuntemehmens die Sicherheit dauernder Rentabilität"
Der vierte Zuwachs fällt ins Jahr 1900. Er besteht in dem
Ankauf der Kuxe der beiden Gewerkschaften Vereinigtes
Deutschland und Reichskanzler. Außerdem werden
380 Kuxe der Gewerkschaft Deutscher Kronprinz angekauft gegen
Hingabe von 133000 Mark junger Aktien. Die vollständige
Anbiederung des letztgenannten Feldes aber konnte nicht er-
folgen, weil nur ein Teil der Gewerken mit der gemachten Offerte
zufrieden war. Später kaufte die Hibemia weitere 125 Kuxe, so
daß sie heute mit einem Besitz von mehr als drei Vierteln sämt-
lidier Kuxe die 4378000 qm grofie Berechtsame von Deutscher
Kronprinz kontrolliert Der Kaufpreis für die beiden erstgenannten
Kohlenfelder betrug zusammen 1 727460 Mark. Vereinigtes Deutsch-
land war 8756000, Reichskanzler 8751 738 qm grofi. Die Quadrat-
fladie der Felder war also annähernd diesell>e. Der pro Hektar
bezahlte Preis belief sich auf nur 976 Mark. Die nötigen Geld-
mittel wurden durch Erhöhung des Grundkapitals um 1,6 Millionen
ausbracht Es handelt sich bei den drei genannten Feldern um
nnverritzten Besitz von grofiem Zukunftswert Nach den Mit-
teflungen in der Generalversammlung vom 27. August 1904 ge-
wlhrieistet dieser unverritzte Feldesumfang die Errichtung von
fünf selbständigen Doppelschachtanlagen und bOdet bei einem
nadi markscheiderischer Berechnung anstehenden Kohlenquantum
voo ca. 220 Millionen Tonnen bis zu einer Teufe von 1000 m eine
odditige Reserve für die künftige Rentabilität des Unternehmens.
Zu dieser Erwerbung bemerkt der Geschäftsbericht vom Jahre 1900:
10 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
»Die Sicherung dieses grofien und ohne Zweifel sehr wertvollen
Besitzes hat für unsere Gesellschaft nicht allein die Bedeutung
der Vermehrung ihrer Reserven für die Zukunft; sie verhindert
aufierdem im Interesse unseres Unternehmens die Aufnahme zahl-
reicher neuer Bergwerksbetriebe in solcher Nahe unserer Anlagen,
dafi durch sie die Beschaffung und Unterhaltung hinreichender
* Belegschaften in Zeiten von Arbeitermangel in fühlbarer Weise
erschwert wird*
An diese Erwerbungen schliefit sich dann im Jahre 1903 der
Ankauf der Zeche General Blumenthal mit einer 19701 000 qm
grofien Berechtsame und einer nach markscheiderischen Beredi-
nungen anstehenden Kohlenmenge von 200 Millionen Tonnen.
Sie markscheidet in ihrer ganzen westlichen Ausdehnung mit
Schlägel und Eisen. Für den Erwerb der Kuxe wurden 10 Mil-
lionen Mark neue Aktien ausgegeben. Die 999 Kuxe gingen für
einen Preis von 13361495 Mark in das Eigentum der Hibemia
über. Nur ein Gewerke weigerte sich, seinen Kux gegen Zahlung
von 20000 Mark abzugeben. Ein deshalb angestrengter Prozefi
endete 1904 mit einem Vergleich. Die Umschreibung des Berg-
werkseigentums im Grundbuche erfolgte am 26. April 1904. Vom
1. Mai 1904 ab übernahm die Hibemia den Betrieb. Aus der
Bilanz vom 31. Dezember 1904 ergibt sich, dafi die Berechtsame
einen Wert von 6,2 Millionen Mark repräsentierL Der Hektar
Gmbenfeld kostete also 3147 Mark. Die mit der Gewerkschaft
General Blumenthal von der Hibemia übemommene Beteiligung
beim Kohlensyndikat betrag 1036500 t
Die jüngste, in das Jahr 1904 fallende Erwerbung ist die
Zeche Alstaden, Aktiengesellschaft für Bergbau in Alstaden
bei Mülheim a. Ruhr. Die Berechtsame dieser Zeche betrügt
17264403 qm. Dieses grofie Grabenfeld befindet sich bereits seit
1856 in Ausl>eutung. Es gehörte damals der Kommanditgesell-
schaft Albert de Grayter & Cie. und von 1869 an der erwähnten
Aktiengesellschaft* Es ist heute grOfitenteils abgebaut Wenigstens
gut das von dem TeUe des Orabenfeldes, der durch den ersten
Schacht aufgeschlossen ist Zu diesem kam, wie sdion hier be-
merkt werden mag, 1880 ein zweiter Schacht, der mit allen mo-
dernen technischen Einrichtungen versehen ist Doch enthalten
die Flöze grOfitenteils eine unreine Kohle. Für dieses schlechte
* Siehe Jahrbuch fflr den Oberbergamtsbezlrk Dodmnnd HI. Jahig. 1897 p. 216.
1. Bergwerksgesellschaft Hlbernla. H
Objekt erhielten die Alstader Aktionare von dem um 2,5 Millionen
Mtfk erhöhten Grundkapital 1,5 Millionen Mark. Bei dem Er-
werb dieser Magerkohlenzeche war ebenfalls die Erhöhung der
Beteiligungsziffer beim Syndikat das Leitmotiv. Infolge der An-
gliederung wächst dieselbe um 350000 t
Aus diesen Darlegungen ergibt sich nun die Berechtsame
wie folgt:
Die Qröfie des Gnibenfeldes in qm:
Hibemia 2066276
Shamrodc LH 6583611
Wilhelmine Viktoria 6522933
Shamrodc m/IV 5889860
Schlägel & Eisen 26303876
Vereinigtes Deutschland 8756000
Reichskanzler 8751738
General Blumenthal 19701000
Alstaden . 17264403
101 839697 qm
Deutscher Kronprinz . 4378000
106217697 qm
Diese Zahlen erzählen die Geschichte der Expansionsbestre-
bungen des Unternehmens.
Die grofie, seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre sich voll-
ziehende Konzentration hat zu einer Veigröfierung des Gruben-
feldes um ca. 9797 ha geführt Die ursprüngliche Berechtsame
von 826 ha ist auf 10623 ha gestiegen. So breit ist die heutige
Basis der Kohlenproduktion des Unternehmens. Dabei darf
jedoch nicht fibersehen werden, dafi die Quadratflflche der Gruben-
felder allein einen Mafistab für die Einschätzung der zur Disposition
stehenden Kohlenmengen nicht bildet, denn die unterirdischen
Verhaltnisse sind, wie wir noch sehen werden, aufierordentlich
verschieden.
Ober die Beschaffenheit und Lage der erwähnten Felder
ist folgendes zu sagen. Die Erwerbungen lassen sich in zwei
Kategorien gruppieren: Einmal repräsentieren sie schon lange
in Ausbeutung befindliche Grubenfelder (Wilhelmine Vik-
toria und Alstaden). Andererseits aber stellen sie noch wenig
In Angriff genommene Berechtsame dar, deren Kohlen erst
ersdilossen werden und auf denen die Zukunftshoffnungen der
GeseUsdiaft beruhen (Schlägel und Eisen und General Blumenthal).
Was Hin rAcre anbelangt, so hängt ein Teil der Grul>enfelder
12 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
zusammen. Das ist jedoch nur bei den Nordfeldern der Fall. Im
übrigen schieben sich fremde Orubenfelder dazwischen und stören
die Kontinuität Im ganzen lassen sich fünf fQr sich lie*
gende Komplexe unterscheiden, nSmlich Hibemia, Shamrock,
Wilhelmine Viktoria, Alstaden und die nördlichen Felder (Schlägel
und Eisen, General Blumenthal, Deutscher Kronprinz, Reichs-
kanzler, Vereinigtes Deutschland). Die in dieser Zerstückelung
zutage tretende Tatsache bedeutet eine starke lokale Dezen-
tralisation. Sie ist aber begründet in der historischen Entwicklung.
Vergegenwärtigen wir uns nun im Zusammenhang die
Motive, die zur Bildung dieser Riesenberechtsame führten, so
ergibt sich folgendes.
Die kapitalistische Entwicklung verlangt auch im Kohlen-
bergbau Vergrößerung der Betriebsbasis wie der Mittel zu ihrer
Erschließung, sei es durch Zukauf neuer Felder oder durch Ver-
mehrung der Schächte oder aber beides zusammengenommen.
Beide Maßnahmen sind von Wichtigkeit für die Steigerung der
Produktion.
In zweiter Linie verlangt der abnehmende Kohlenvorrat Ver-
jüngung des Grubenfeldes, denn die Kohlengewinnung beruht
auf Raubbau. Daher sind Neuerwerbungen das einzige Mittel
der Regeneration. Das alte Grubenfeld wird nach und nach durch
das neue ersetzt Als auf der Zeche Hibemia die Gaskohlen ab-
nahmen, trat durch Wilhelmine Viktoria mit ihrem Reichtum an
Gas- und Flammkohlen die Substitution ein.
Drittens spielt als Beweggrund der Ausschluß benach-
barter Konkurrenz namentlich auch in bezug auf die Arbeiter
eine Rolle. Der Zukauf neuer Felder bedeutet eine Verminderung
in der Zahl der Konkurrenten.
Viertens wird das Risiko des Betriebes herabgemindert
Treten auf einem Grubenfelde große Störungen der Kohlenflöze
ein, oder wird durch Wasserzuflüsse die Erschließung des Gruben-
feldes erschwert oder gehindert, so bietet der Riesenbetrieb die
nötigen Ersatzreserven. Damit aber vermindert sich auch, wie
wir später sehen werden, die Gefahr großer Schwankungen in
bezug auf die Rentabilität Die Erträge werden gleichmäßiger.
Weiter kommt seit 1893 die mit der Neuerwerbung bestehen-
der Zechen verbundene Möglichkeit der partiellen oder ganzen
Übertragung der Beteiligungsziffer beim Kohlensyndikat
auf die alten Zechenanlagen in Betracht Da die Selbstkosten mit
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 13
der Höhe der Förderung abnehmen, so ist mit der Steigerung der
Beteiligungsziffer ein Mittel zur Verbilligung der Produktion ge-
geben.
Schliefilicb sind noch die technischen Vorteile zu er-
wähnen. Sie liegen vor allem in der durch die Fusion ermög-
lichten Arrondierung des Grubenfeldes. Damit fallen die zur
Begrenzung der frfiher getrennten Felder notwendigen Mark-
scheidesicherheitspfeiler hinweg. Der Abbau wird rationeller.
Was die Preise der Felder anbelangt, so haben wir gesehen,
dafi sie grofie Differenzen aufweisen: Bei Schlägel und Eisen
und General Blumenthal kostete der aus dritter Hand erworbene
Hektar Kohlenfeld die Kleinigkeit von über 3000 Mark. Der nie-
drigste Kaufpreis wurde gezahlt bei Vereinigtes Deutschland und
Reichskanzler, nämlich 976 Mark.
Die Mittel zu diesen Neuerwerbungen wurden auf zweierlei
Weise aufgebracht: einmal durch Anleihen und zweitens durch Er-
höhungen des Aktienkapitals. Das Wachstum des letzteren
war die notwendige Voraussetzung der Fusionspolitik. Von 1873
bis 1889 bleibt das Aktienkapital stabil. Es betrug 16,8 Millionen
Mark. Die erste Erwerbung von Wilhelmine Viktoria wurde 1887
durch eine Anleihe von 5 Millionen, die im folgenden Jahre auf
7,2 Millionen erhöht wird, gedeckt Das Aktienkapital steigt dann,
um die Neuerwerbungen zu bezahlen und Betriebsmittel zu be-
schaffen
1890 auf 22400400 Mark
ladS 32401200 .
1899 , 37800000 .
1900 39400000 .
1903 51000000 .
1904 53500000 .
1904 60000000* .
Desgleichen steigt die Anleiheschuld. 1887/88 wurden
wie erwähnt 7200000 Mark 4V2%iger Anleihe ausgegeben, ein-
getragen auf Shamrock, Hibemia und Wilhemine Viktoria. Davon
waren ulL 1903 in Umlauf 6423500 Mark.
1898 werden weiter 3,5 Millionen Mark 4^/oiger Anleihe auf
Shamrock III/IV eingetragen, davon aber nur 1,5 Millionen Mark
begeben. Ultimo 1903 waren davon 1494000 Mark in Umlauf.
^ Von dieser letzten grofien KapitalserhOhung wird noch weiter bei dem
Antrag au! Verstaatlichung der Hibemia die Rede sein.
14 1. Bergwerksgeseilschaft Hibemia.
1903 erfolgt die Emission von 4,5 Millionen Mark 4^/oiger
Anleihe unter Verpfändung von Shamrock III/IV. Die Stacke
dieser Anleihe waren 1903 voll in Umlauf.
Dazu kommen dann weiter 3 Millionen 4%iger Orundschuld
von Schlägel und Eisen. 1903 sind davon noch 2812000 Mark
in Zirkulation und 6 Millionen Mark Anleihe der Zeche General
Blumenthal
Hieraus ergibt sich» dafi wir es mit einer fundierten, d. h. auf
Verpfandung des Bergwerksbesitzes der Gesellschaft beruhenden
Schuld zu tun haben. Dieselbe belauft sich gegenwartig (1904)
auf 21229500 Mark oder SbVo des Aktienkapitals.
So werden durch Emissionen von Aktien und Obligationen
Millionen auf Millionen getfirmt, um die GrOfie und Machtstellung
des Unternehmens ständig zu erhöhen auf der Basis eines durch
Akkumulation stetig vergrOfierten kolossalen Felderbesitzes.
Die treibenden Kräfte bei diesen Verschmelzungen aber
waren und sind die mit der Hibemia in Verbindung stehenden
Banken. Es sind zwei grofie Berliner Häuser, nämlich S. Bleich-
röder und die Berliner Handelsgesellschaft, unter deren Assistenz
sich diese grofien finanziellen Transaktionen vollzogen. Diese
Banken verdienen bei solchen Fusionen und den damit in Zu-
sammenhang stehenden KapitalerhOhungen grofie Summen. Sie
haben infolgedessen ein starkes Interesse daran, die Konzen-
trationstendenz nach Möglichkeit zu fördern,
' Außer der GrOfienentwicklung des Grubenfeldes, die wir im
vorhergehenden in ihrem historischen Werdegang, ihren Motiven,
ihren Folgen, ihren Hilfsmitteln und ihren Triebkräften kennen
lernten, ist nun aber weiter die Qualität und Quantität der
im Kohlengebirge lagernden Flöze* von gröfiter Bedeutung;
denn sie sind die Träger der Grundrente des Bergbaues.
Im Gegensatz zum Erzbergbau haben wir es bei der Kohle
im allgemeinen mit regel- und gesetzmäßiger Anordnung der Ab-
lagerung und der Flöze zu tun, die nur in speziellen Fällen
Unterbrechungen erleidet Die grofien Differenzen in der Ren-
tabilität des Erz- und Kohlenbergbaues stehen offenbar damit in
Zusammenhang.
Die Grundrente der Hibemia wie jedes anderen Kohlent>erg-
werks hängt nun wesentlich von folgenden Faktoren ab:
* Unter FlQxen venteht man sedimentlre d. h. geschichtete Ablageningen
von Kohle in grofler LSngenausdehnung.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 15
1. von der Art der Kohle,
2. von der Bauwürdigkeit der Flöze,
3. von ihrer Lage,
4. von ihrer Kontinuität
Die Steinkohlenformation im niederrheinisch -westfälischen
Kohlenbecken weist vier Arten von Kohle auf, die infolge ihrer
chemischen und physikalischen Beschaffenheit zu verschiedenen
Zwecken verwendet werden und deren Gebrauchswert und
Preis, wie spater gezeigt werden soll, im Handel ein durchaus
verschiedener ist Der Hauptunterschied zwischen den einzelnen
Arten wird bedingt durch den Gehalt an flüchtigen Bestandteilen
auf der einen und an Kohlenstoff auf der anderen Seite. Der
etstere nimmt von oben nach unten zu ab und der letztere dem-
entsprechend zu.
In den oberen und jüngeren Horizonten des Steinkohlen-
gebiiges liegt die Gasflammkohle, unter ihr die Gaskohle,
beide mit einem Gehalt von mehr als 35 ^/o Gas und unter 65 ^/o
Kohlenstoff. Diese Kohle brennt mit langer Flamme. Sie ist
hart, von hohem Stfickgehalt (45--50^/o, siehe später) und
hohem Preis. Die Gasflammkohle wird einesteils zu Hausbrand,
dann aber audi in der Industrie bei den Puddelöfen, Schweifiöfen
und Generatoren verwendet, andererseits auch vielfach wegen ihrer
groSen Lagerbeständigkeit exportiert Die Gaskohle dient haupt-
sldilicfa zur Erzeugung des Leuchtgases.
Eine Spielart der Gaskohle, die sich durch sehr hohes Gas-
ausbringen auszeichnet, ist die nicht auf allen Zechen, wohl aber
auf Shamrock sowie auf Schlägel und Eisen vorkommende Cannel-
kohle.
Der dritte Horizont wird gebildet durch die Fettkohlen-
partie Der Gehalt an flüchtigen Bestandteilen beträgt hier
35— ISVo, folglich der an Kohlenstoff 65— SS^/o. Sie zerfällt nicht
im Feuer, sondern sie backt zusammen (Backkohle). Infolgedessen
dient sie hauptsächlich zur Kokserzeugung. Außerdem wird sie zur
Heizung von Schiffsmaschinen, Lokomotiven und Dampfkesseln ge-
bnndit^ Die liegendsteGnippe der Fettkohlen nennt man Efikohlen.
Die unterste FlOzetage enthält die Magerkohle mit weniger
als 15% flficfatiger Bestandteile oder mehr als 85% Kohlenstoff.
• A. V. WaUtluiisen: Geschichte des Stefaikohlenbergweikt Vereliiigte
Silttr nad Neoakt, Essen 1902, p. 85.
16 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Sie verbrennt ohne viel Rauch bei geringer Rufientwiddung mit
kurzer Famme und dient deshalb vorzugsweise als Hausbrand
(Dauerbrandofen). Sie findet jedoch auch bei Ziegeleien und
KalkOfen Verwendung.
Zur Magerkohle gehört auch der Anthrazit, der 94 — ^96%
reinen Kohlenstoff enthält und nur für Hausbrandzwecke in Be-
tracht kommt
Es ist nun das Streben jeder Gesellschaft, möglichst alle
Arten von Kohlen, von den verschiedenen Körnungen zunächst
zu schweigen, auf den Markt zu bringen. Das wird naturlich um
so eher möglich sein, je tiefer das Kohlengebirge bereits durdi
Schachtanlagen erschlossen ist
Zuerst fiberwog auch bei der Hibemia die Produktion an
Glasflamm- und Gaskohle; dann drang man in die Fettkohlen»
partie ein. Die darunter in großer Teufe liegende Magerkohlen-
partie ist noch nicht erreicht Infolge der Erwerbung von Alstaden
aber verfugt das Unternehmen auch über Magerkohlen. Heute
werden gefördert: auf Hibemia nur Fettkohlen; auf Shamrodc
hauptsachlich nur Fett- und wenig Gaskohlen; auf Wilhelmine
Viktoria Gas- und Gasflammkohlen; auf Schlägel und Eisen Gas-,
Gasflamm- und seit 1904 auch Fettkohle; auf General Blumenthal
Gasflamm- und Gaskohle, und auf Alstaden Efi- und Mag^-
kohle. Diese Mannigfaltigkeit ist für das Unternehmen von Vor-
teil. Wird z. B. eine der genannten Kohlenarten besonders von
der Konjunktur begünstigt, dann kann die Marktlage durch for-
derte Fördemng der den relativ höchsten Preis erzielenden Kohle
am besten ausgenutzt werden. Ein solcher Fall trat bei Beginn
der letzten Hausseperiode ein. In dem Geschäftsbericht von 1895
heifit es: »Als in der ersten Hälfte des Jahres unsere Flamm-
kohlenzechen bei fehlendem Absatz stark noüeidend wurden,
konnte die bezuglich des Absatzes günstiger liegende Fettkohlen-
fördemng scharf angespannt und dadurch die nachteilige Ein-
wirkung zum Teil ausgeglichen werden."
In den verschiedenen Horizonten gibt es nun Flöze, die sidi
infolge charakteristischer Eigenschaften und ihrer Umgebung
überall leicht wiedererkennen lassen und die man daher Leit-
flöze nennt Die Nomenklatur lag bisher noch sehr im argen*
Man kannte den Zusammenhang der Flöze nicht \nelfach
gründete er sich auf Konstmktion und Vermutung und dasselbe
Flöz wurde auf verschiedenen Zechen oft verschieden benannt
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 17
Seit 1900 sind jedoch von dem königl. Oberbergamt in Dort-
mund einheitliche Benennungen eingeführt worden. Danach werden
12 LeitflOze unterschieden, denen wir bei unsem Untersuchungen
Öfters begegnen werden und auf die in den Geschäftsberichten
der Zechen, die auf ihnen bauen, oft mit Stolz verwiesen wird.
Es sind folgende: in der Gasflammkohlengruppe Flöz Bismarck;
in der Gaskohlengruppe Flöz Zollverein; in der Fett- und Eß-
kohlengruppe die Flöze Laura, Katharina, Präsident, Sonnenschein
tind in der Magerkohlengruppe die Flöze Plafihofsbank, Finefrau,
Mausegatt, Samsbank, Hauptflöz, Wasserbank.
Diese Leitflöze zeichnen sich in der Regel durch Rein-
heit und Mächtigkeit aus. Daher ist es für die Rentabilität
einer Zeche von grofier Wichtigkeit, auf einem oder mehreren
dieser Leitflöze zu bauen. Sie sind in der Regel die Träger
einer höheren Grundrente als andere Flöze.
Eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der
Hibemia war es daher, als man im nördlichen Felde der Zeche
Shamrock das Leitflöz Sonnenschein und das mächtige Flöz
Dickebank in der Pettkohlenpartie vorfand. 1878 wurde durch
neue Aufschlüsse nach Süden und Osten auf Sonnenschein eine
Flözmächtigkeit von 2 m angetroffen. In der Festschrift wird
darüber folgendes berichtet (siehe S. 23): »Gegen Ende der
70er Jahre hatte die Unterhaltung einer stetig steigenden Förde-
rung eine Reihe von Jahren hindurch die über der zweiten Tief-
bansoble erschlossenen Kohlenvonäte stark erschöpft Das bis
dahin im Bau befindliche Südfeld und das im Nordfeld vor-
handene für Sonnenschein gehaltene Flöz Präsident hätten die
Zukunft der Zeche nicht sichergestellt Der Gedanke Grafs (der
von 1875—1889 Generaldhektor von Shamrock und Hibemia
war), auf der zweiten Tiefbausohle nach Norden auszufahren und
dort ... die liegende Partie unter Flöz 5 aufzuklären, führte zu
dem glänzenden und verheifiungsvollen Ergebnis, dafi die l>eiden
mächtigen Flöze Sonnenschein und Dickebank in vorzüglichster
Qualität und grofier Mächtigkeit bei flachen Fallwinkeln von
30 — 40^ angefahren wurden. Mit diesem Aufschluß wurde
unser Unternehmen tatsächlich in den Sonnenschein
einer lange dauernden Prosperität gestellt!"
Die Flöze in den Grubenfeldem der Hibemia fallen von
Süden nach Norden ein und streichen von Südwesten nach Nord-
osten« Infolgedessen ist auf Hibemia die über dem Kohlen-
Stltlick, NatfoBAlökoDoniKlit Fonehimgtii« Bd. IL 2
18 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
gebirge lastende Mergeldecke auf den im Norden liegen-
den Neuerwerbungen von größerer Mächtigkeit Das gebt
aus folgenden Zahlen hervor. Die Mächtigkeit des Mergels be-
tragt nach den mir vom Markscheider gemachten Angaben:
auf Hibemia 110 m
. Wllhelmine Viktoria 150 ,
• ^^'^''''^{wN '. * * ." .' l .* ■ .' iS [
(im 331 .
. Schlfigel& Eisen {m/lV 391 .
Ivm 412 ,
mi 360 .
General Blumenthal ^ ^^^
Mit zunehmender Tiefe aber wird der Kapitalaufwand, wie
spater gezeigt werden soll, immer größer. Die erstgenannten
Zechen beziehen nunmehr Differentialrente.
Die geringste Mächtigkeit, bis zu welcher ein Flöz nodi ab-
gebaut wird, ist etwa 50 cm. Die meisten Flöze sind jedodi
auf Hibemia, wie äberhaupt auf den meisten rheinisch- westfäli-
schen Zechen, von keinem gröSeren als 1 m Durchmesser, Mäch-
tigkeiten von 2 m gehören schon zu den Ausnahmen. Eine solche
Ausnahme ist das von Schacht V/VI der Zeche Schlägel und
Eisen gebaute Flöz 12, das im Sattelnordflfigel in einer Mächtig-
keit von 2,5 m auftritt, wovon 1,25 m auf eine aufgelagerte Cannel-
kohlenbank entfallen. Ganz vereinzelt wird auch diese Zahl nodi
fibertroffen, z. B. durch das 6V2 m-Flöz der Zeche Massener
Tiefbau ÜI. Derartige abnorme Mächtigkeiten sind jedoch auf
den oberschlesischen Kohlengruben die Regel.
Aufier dem Einfallen und der Mächtigkeit ist vor allem die
Lage der Flöze von Wichtigkeit Die Ablagerung im nieder-
rheinisch-westfaiischen Kohlenbecken zerfallt bekanntlich in vier
von Süden nach Norden verlaufende Hauptmulden, die durch
drei grofie Sattel, d. h. Erhebungen des Kohlengebirges, vonein-
ander getrennt werden. Es sind die Mulden von Witten, Bochum-
Dortmund, Stoppenberg-Essen, Horst-Recklinghausen. Durch neuere
Bohrungen im Norden ist noch eine fünfte Hauptmulde, die Lipper
Hauptmulde, festgestellt worden. Dazwischen liegen die Sattel
von Hattingen-Dortmund-KOnigsbom, Wattenscheid und Gelsen-
kirchen. Es bauen auf dem südlichen FlOzzuge der Hoist-
Recklinghauser Mulde Wilhelmine Viktoria, auf dem Sfldflügel
Schlägel und Eisen, auf dem Südostflfigel General Blumenthal;
l. Bergwerksgesellschaft Hibemia. ig
Hiberaia und Shamrock bauen auf dem Gelsenkirchener Gebirgs-
Sattel» welcher sich in westostlicher Richtung von Gelsenkirchen
nach Herne erstreckt
Der Einfallwinkel der Flöze in den einzelnen Grubenfeldem
der Gesellschaft ist sehr verschieden. Er liegt zwischen 10 und 75^.
Für den Arbeitsprozeß bei der Kohlengewinnung ist das naturlich
nicht gleichgültig. Die schwierigsten Verhältnisse ergeben
sich bei steiler Flözlagerung. Hier ist der Abbau kompli-
zierter. Es sind geschultere Leute nötig. Der Hauer mufi mehr
anfpassen, damit er nicht abstürzt Die Abbauhöhe ist geringer
als bei horizontal verlaufenden oder nur wenig geneigten Flözen.
Es entfällt daher ein unproduktiver Mehraufwand auf Arbeiten im
Gestein. Auch das Verbauen der Pfeiler ist schwieriger. Die
Kohle stfirzt leicht herunter, sie .läuft aus", wie der Bergmann
sagt Es mufi daher mit größter Vorsicht verbaut werden. Beim
Herunterfallen werden viele Kohlen zerschlagen. Der Stfickkohlen-
fall Ist daher bei steilen Flözen gröfier als bei flachen. Die
Feinkohle aber ist, wie wir später sehen werden, weniger wert,
als die Stückkohle. Diesen Nachteilen steht freilich als Vorteil
gegenüber, dafi bei steilen Flözen der Bergeversatz dichter aus-
geführt werden kann und die Berge und Kohlen nicht geworfen
zu werden brauchen, sondern von selbst rollen. Es ergibt sich
also ein besserer Versatz und eine Ersparnis an Arbeitskraft
Sehen wir uns nun die Flözverhältnisse auf den ein-
zelnen Gruben etwas näher an.
Auf Hibernia sind im nördlichen Felde die Flöze steil, im
südlichen flach gelagert In den ersten 20 Jahren baute man auf
der Gaskohlenpartie in sechs Flözen von 7 m Gesamtmächtigkeit
Als man dann tiefer hinunterging und ein flözarmes Mittel
zwisdien der Gas- und Fettkohlenpartie durchbrochen hatte, nahm
die FlOzbildung einen unregelmafiigen Charakter an. Es zeigten
sieb Oberscfaiebungen mit Faltenbildungen, die natfiriich für den
Abbau ungünstig waren. 1879 wurde der erste Bau in den Fett-
kohlenflözen eröfbiet Ober die vollständig anderen Verhältnisse
dieser Partie bemerkt die Festschrift unter anderem folgendes:*
»Unter den mit grofier Regelmäfiigkeit flach, fast söhlig gelagerten
Gaskohlenflözen traten die Fettkohlenflöze der hängenden Partie
gegen Erwarten unter starken Verwerfungen und in sprunghaftem
* a. a. O. p. 52.
20 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Gebirge auf. Die zwischen den Sprüngen eingekeilten Plöz-
partien fanden keine Gelegenheit zur Abgasung in die Oberligen-
den Baue. Sie sind deshalb von einer aufierordentlich starken
Gasentwicklung und stellen, da diese natürlichen Schwierigkeiten
noch durch starke Kohlenstaubführung erhöht werden, an die Be*
triebsleitung im Interesse der Sicherheit der Betriebe die grOfiten
Anforderungen." Mit diesen Verhältnissen im Zusammenhang
stehen dann, wie wir spater sehen werden, die Produktions-
rückgänge auf dieser Grube, die Notwendigkeit stärkerer Kapital-
investierung und die Opfer an Menschen, die sie forderte.
Der nördliche Teil des Grubenfeldes von Shamrock wird
von dem Gelsenkirchener Sattel, der südliche von der Essener
Mulde durchzogen. Auch hier treten Störungen auf. So wird
durch eine von Norden nach Süden streichende Verwerfung im
Ostfelde der östlich liegende Gebirgsteil um 800 m gesenkt, so
daß in diesem Feldesteil die Gaskohlenpartie auf das Niveau der
Fettkohlenpartie sozusagen heruntergerutscht ist
Wirtschaftlich bedeuten solche Störungen stets einen Aus-
fall an Grundrente. Sie vermehren den zur Kohlen-
gewinnung erforderlichen Arbeitsanteil durch Mehr-
arbeiten im Gestein. Da sie nicht vorausberechnet wer-
den können, bringen sie in den Bergbau ein Moment der
Unsicherheit und vergrößern infolgedessen das Risiko.
Ursprünglich baute man auf Shamrock hauptsachlich die Flöze
Präsident und Nr. 5. Mit dem Jahre 1882 ging man dann an
die Aufschließung der beiden schon erwähnten Flöze Sonnen-
schein und Dickebank, auf denen eine Reihe von Jahren ein for-
cierter Abbau stattfand. Die Entnahme betrachtlicher Kohlen-
massen aber führte zu einem schnellen Verhieb der eigiebigsten
Flözpartien (Festschrift p. 40). Der Anteil der beiden erwähnten
Flöze ging dann in den 90er Jahren stark zurück. Damit hängen
übrigens die früher erwähnten Vergrößerungen des Grubenfeldes
vom Jahre 1889 (Nosthausen und Agathe) zusammen.
Am günstigsten liegen heute die unterirdischen Verhaltnisse
auf der relativ noch jungen Anlage Shamrock lU/IV. Das hatte
man ursprünglich nicht vermutet Mit ihrer Inangrifhiahme er-
fahren die alteren Zechen die gewünschte Entlastung.
Wilhelmine Viktoria, die 1855 angelegt, 1862 in Förderung
trat, hat heute ein bereits stark ausgebeutetes Grubenfeld. Im
einzelnen sind die Lagerungsverhaltnisse ebenfalls ziemlich ver-
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 21
schieden. In größeren Teufen erhofft man ein Fehlen der Störungen.
Die Festschrift bemerkt (p. 58): ,Da die Überschiebungen stärkeres
Einfallen als die Flöze haben, so werden voraussichtlich die Gas-
kohlenflöze in der Tiefe von 800 m von diesen nicht mehr be-
troffen und erscheint die Hoffnung berechtigt, dafi diese ;Flöze
in einer Teufe von fiber 800 m ungestörter, ihr Abbau lohnender
sein werde, so daß die Zukunft der Grube in nicht zu femer Zeit
durchaus hoffnungsvoll zu werden verspricht, um so mehr, als die
Gaskohlen der Zeche Wilhelmine Viktoria zu den besten des
Reviers zählen."
Das größte Interesse bieten die Lagerungsverhältnisse der
Grul>enfelder von Schlägel und Eisen und General Blumenthal*
Hier liegt, wie schon erwähnt, das Steinkohlengebirge sehr tief
unter der OberQäche. In diesen Tiefen aber wird sich in Zukunft
auf den weit nach Norden vorgeschobenen Schachtanlagen in immer
größerem Umfang die Kohlenförderung abspielen.
Das Grubenfeld von Schlägel und Eisen hat in der Streich-
richtung eine Ausdehnung von 5 km. Wie schon erwähnt, ist auch
hier das Steinkohlengebirge von jüngeren Schichten fiberlagert,
die der Kreide angehören und schwach unter 1 — 2^ nach Nord-
osten einfallen. Die Baue bewegen sich im Nordflugel der Horst-
Recklinghauser Hauptmulde. Die Lagerungsverhältnisse in dem
bis jetzt aufgeschlossenen Teil lassen sich als regelmäßige be-
zeichnen. Aber auch hier sind zwei große Sprungstörungen
vorhanden, die das Grubenfeld von Südost nach Sfidwest durch-
ziehen und die nach Achepohl Sekundus und Tertius genannt
werden. Das Einfallen der ersteren ist östlich und das der zweiten
westlich. Sekundus ist schon weiter südlich in den Feldern von
Ewald, Recklinghausen, Friedrich der Große, Shamrock I u. II usw.
bekannt In letzterem Felde verursacht die Störung einen Verwurf
der Schichten bis zu 800 m. Je mehr sich die Störung dem
Gnibenfelde der Zeche Schlägel und Eisen nähert, desto mehr
nimmt die Größe des Verwurfs ab, um in den Graf-Moltke-Hugo-
Sattel zwischen den Scbachtanlagen III, IV und V, VI ganz zu
verschwinden. Ein Verwurf der Schichten ist hier nicht mehr
wahrzunehmen. Ober den weiteren Veriauf der Störung nach
Norden sind bisher Aufschlüsse nicht vorhanden.
Die Tertiusstörung ist weiter südlich in den Feldern General
Blumentbai, König Ludwig, Mont Cenis, Lothringen und den sich
hier anschließenden Feldern der Harpener Bergwerkaktiengesell-
22 1- Bergwerksgesellschaft Hibemla.
Schaft bekannt Auch die Mächtigkeit dieses Sprunges ist sehr
bedeutend und mit 700 — 800 m anzunehmen. Definitive Aufschlüsse
über die Gröfie des Verwurfes sind im Felde Schlägel und Eisen
noch nicht gemacht Nach den Aufschlüssen der benachbarten
Zeche General Blumenthal läßt sich auch in dem Sattel noch anf
einen Verwurf von 500 — 600 m schließen« Man wird also von
der Schachtanlage V/VI, welche westlich der Störung die Flöze
der Gaskohlenpartie baut, östlich der Störung die untere Fettkohlen-
partie antreffen. Diese Störung ist nun aber auf die Umgebung
nicht ohne Einfluß geblieben. Sie hat die Festigkeit des Ge-
birges bis auf eine Entfernung von 400 m stark beeinflußt,
so daß sich Strecken nur schwer darin aufrechterhalten
lassen. Das ist für die Ökonomie des Betriebes natürlich nicht
ohne Bedeutung. Außer diesen beiden Störungen sind noch
einige kleinere Verwerfungen bekannt, die jedoch nur geringere
Bedeutung besitzen.
Die zuletzt erworbene Zeche, General Blumenthal, auf der
rechten Seite der Emscher gelegen, baut in ihrem südlichen Teil in
der Horst-Recklinghauser Mulde. Letztere ist begleitet von mehreren
streichenden Störungen, die das Kohlengebirge auf eine Lange
von 200 m zerreißen, so daß eine eigentliche geschlossene Mulde
nicht vorhanden ist Die Störungen bringen einen Verwurf von
80 m saigerer Höhe hervor und bewirken, daß der Südflfigel der
Mulde um so viel höher gelagert ist als der NordflügeL Die
Schichten, die in der Nähe der Mulde ganz flach liegen, richten
sich nach Süden hin bis zu 33 Grad auf, während sie nördlidi
der Schachtanlage III und VI ein Einfallen bis zu 53 Grad erreichen.
Das Feld, welches in der Fallrichtung der Flöze auf 5000 m Länge
im Westen von dem Grubenfelde Schlägel und Eisen begrenzt ist,
wird durch die schon erwähnte, von Achepohl als Tertiusstörung
bezeichnete Sprungverwerfung in zwei Teile geteilt, die ein geo-
gnostisch verschiedenes Niveau aufweisen. Die Störung durchzieht
das Feld von Südost nach Nordwest Sie besitzt ein westliches
Einfallen. Der westliche, also im Hangenden dieser Störung ge-
legene Teil wird ,Westfeld" und der liegende Störungsteil »Ost-
feld" genannt Im Westfelde sind die Flöze Nelly, Fortunata und
August aufgeschlossen, die mit den Flözen Rive, Dach und August
der Zeche Schlägel und Eisen indentisch sind und der Oasflamm-
kohlenpartie angehören. Die Tertiusstörung zerreißt audi hier das
Gebirge auf einer Strecke bis zu 400 m. Sie sehet sidi ans
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 23
mehreren kleinen Sprängen zusammen, die eine saigere Verwerfung
bis zu 600 m bewirken. Im liegenden Feldesteile, dem Ostfelde,
stehen die FlOze der Gaskohlen und Fettkohlenpartie an, die eine
regehnafiige Lagerung aufweisen.
Resfimee: DieErOrterungen über die natürlichen Grund-
lagen des Bergwerks Hibemia bauten sich erstens auf
einer Analyse des Grubenfelderbesitzes und zweitens auf
einer Untersuchung über die Menge und Art der darin
enthaltenen Kohlen auf.
Was den ersten Punkt anbelangt, so ergab sich folgen-
des: Aus dem ursprünglich kleinen wird ein Riesenfeld,
bestehend aus fünf isolierten Komplexen. Teils waren es
bereits aufgeschlossene, teils noch junge, unverritzte
Grubenfelder, die von dem Strudel der Fusionsströmung
erfaßt, in die Hibernia aufgingen. Die Motive der letzteren
lagen in dem Streben nach VergrOfierung, Verjüngung,
Arrondierung, Ausschluß benachbarter Konkurrenz, Her-
abdrfickung des Risikos und Erhöhung der Beteiligungs-
ziffer beim Syndikat Der Erwerb vollzog sich unter
Assistenz des Großkapitals. Das Aktienkapital steigt von
16,8 auf 60 Millionen.
Die in diesen Feldern schlummernden Kohlenschatze
sind nun die Trager der Grundrente des Unternehmens.
Diese hangt ab von einer Reihe von Faktoren. Zunächst von
der Art der Kohle. Gefördert werden: Flamm-, Gas-,
Fett-, Efi- und Magerkohle. Ferner von der Beschaffenheit
der Flöze. Gebaut werden vor allen einige große Leit-
flOze. Die Mächtigkeit schwankt Die südlich belegenen
Graben Hibernia,Shamrock, Wilhelmine Viktoria beziehen
infolge nicht so machtiger Mergelschichten Differential-
rente. Der Abbau erfolgt auf Mulden und Satteln, auf
flach und steil gelagerten Flözen; auf den ersteren mit
den geringsten Schwierigkeiten. Störungen zerreißen
blnf ig das Gebirge und veranlassen einen Ausfall an Grund-
rente, vermehrte Unsicherheit und erhöhtes Risiko. Als
von besondererBedeutung erkannten wir diebeidengrofien
SprungstOrungen SekundusundTertius. Die letztere ver-
schiebt die Lageverhaltnisse auf Shamrock sowie Schlägel
und Eisen um ca. 800 m, auf General Blumenthal um ca.
600 m und beeinträchtigt die Festigkeit des Gebirges auf
24 !• Bergwerksgesellschaft Hibemia.
größere Entfernung, was für die Kapitalinvestition nicht
gleichgültig ist
Nachdem wir im vorhergebenden die eigentliche Basis des
Betriebes, das Gnibenfeld und die Beschaffenheit der darin liegenden
Flöze kennen gelernt haben, gehen wir nun zu einem dritten Punkt
über: ihrer Erschließung, sowie der Betrachtung der dazu nötigen
und damit in Zusammenhang stehenden Betriebsmittel.
Zur Erschliefiung der von der Natur im Erdinnem verborgenen
Kohlen dienen die Schächte, von denen aus Strecken getriel>en
werden mit Querschlagen, die das ganze Kohlengebirge in für den
Abbau bequeme Abschnitte zerlegen.
Zunächst aber mufi das Mergelgebirge durchteuft werden.
Die Höhe der Kosten beim Durchsinken desselben hangt aber
besonders von einem, vorher nicht berechenbaren Faktor ab,
nämlich den Wasserzuflüssen. Das Wasser ist in vielen Fallen
der furchtbarste Feind beim Abteufen eines Schachtes. In wasser<
reichem Gebirge benutzte man daher frühzeitig das Kind-Chau-
dronsche Verfahren, das auf der Anwendung grofier Bohrmaschinen
beruht und dessen ökonomische Bedeutung wir auf Dahlbusch
naher kennen lernen werden. Auf Hibemia wurde mit der Hand
abgeteuft, durch die Anwendung gußeiserner Tübbings sperrte man
die Wasserzuflüsse ab.
Die notwendige Zahl der Schachte steht zu der Gröfie des
Grubenfeldes in einem bestimmten Verhältnis. Es sind gegen-
wartig vorbanden auf
Förderschachte WetterschSchte
Hibemia 2 1
e^ ,.ri/n 2 2
Shamrock < .
WUhehnine Vilctoria {
m/N 2 1
I/IV 2 -
U/m 2 —
{i/n 2
ni/iv 2
wm 2
rl/n 2
General BlumenUial { m/IV 2
(i - .
1* -
Alstaden , „ ^
(1, ; : : ; ; : : : ;
Hieraus ergibt sich, dafi die Gesellschaft im ganzen verfügt
* Am 30. Juni 1904 stillgelegt.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 25
nber 22 POrder- und 5 besondere, nur der Ventilation dienende Wetter-
scfaachte. Auf den neueren Besitzungen aber ist noch eine riesige
Entwicklung durch Aufschliefiung des Grubenfeldes mittelst weiterer
Sdiflcbte möglich. Die Baue der drei Scbachtanlagen von Schlägel
und Eisen erstrecken sich auf einen Feldesteil von 13000000 qm,
so daB noch 13303876 qm für weitere Schachtanlagen zur Verfügung
stehen. Dasselbe gilt von General Blumenthal. Auch hier ist
dnidi die beiden bestehenden Schachtanlagen erst die Hälfte des
Gnibenfeldes in Bau genommen, so dafi noch Feld für weitere
zwei Anlagen, d. h. vier Schächte, vorhanden ist Ober diese
Znkunftsreserven und ihre Erschließung sagte in der General-
versammlung der Hibemia am 27. August 1904 der Generaldirektor
des Unternehmens Bergrat Behrens ungefähr folgendes:* Auf den
jetzt vorhandenen Schachtanlagen der Zeche Schlägel und Eisen
wird knapp die Hälfte des Grubenfeldes in Anspruch genommen, die
bd entsprechender Konjunktur nach den bestehenden Aufschlüssen
eine JahresfOrderung von rund 2 Millionen Tonnen mit Sicherheit
erzielL Bei dieser Gröfie des Grubenfeldes könne man indes
nodi weitere vier selbständige Doppelschachtanlagen errichten,
womit die Gesamtförderung dieser Zeche auf 5 Millionen Tonnen
pro Jahr steigen würde. Ebenso wie bei Schlägel und Eisen sei
auch das Grubenfeld der Zeche General Blumenthal von solcher
Aasdehnung, dafi noch weitere drei selbständige Schachtanlagen
erriditet werden können. Die Förderung dieser Zeche würde sich
damit von gegenwärtig rund 1 Million Tonnen auf mindestens
4 Millionen Tonnen steigern lassen.
Diese Schächte dienen nun, wie aus der obigen Zusammen-
steUnng hervorgeht, keineswegs der Förderung allein, sie über-
nehmen auch die Bewetterung. So dienen z. B. von den drei
Schachten der Hibemia Schacht I und II allein zur Förderung und
zun Einziehen frischer Wetter und Schacht III allein der Ventila-
tion, d h. dem Ausziehen der GrubenlufL Hingegen ist bei den
Doppelschachtanlagen (Schlägel und Eisen, General Blumenthal)
omner ein Schacht der Hauptförderschacht, während der andere zur
Bewetterung und Nebenförderung dient Es findet also unter
den Schächten eine Art Arbeitsteilung zwischen Förde-
rang und Bewetterung statt Eine weitere räumliche Speziali-
sienmg aber besteht nicht
* Fftaklofter Zeitung vom 27. Augtut 1904.
26 1* BergwerksgeseUschaft Hibemia.
Da nun in der Regel die Schächte der Anlagen untereinander
wenigstens auf den zusammenhängenden Grubenfeldem unter«
irdisch verbunden sind, so wird es möglich, einen Ausgleich in
Fällen von Betriebsstörungen eintreten zu lassen, in dem Sinne^
daß der eine Schacht bei irgend einer Störung auf den anderen
die Wasser-, Kohlen-, Menschen- oder Materialförderung fibemimmt
Die Grfinde ffir das Abteufen neuer Schächte sind mitunter sehr
verschieden. Als z. B. Schlägel und Eisen in Betrieb genommen
wurde, litt die Grube unter dem Dbelstande hoher Temperaturen
und langer Fahrwege. Beides wirkte sehr ungänstig auf das
finanzielle Ergebnis. Um hier eine durchgreifende Besserung zu
schaffen, wurden drei neue Schächte abgeteuft; von diesen wurde
Schacht V und VI zu einer selbständigen Doppelschachtanlage im
nördlichen Felde herausgebildet, während Schacht IV eine Er«
gänzung zu Schacht III bilden sollte, um sowohl die Wetter-
verhältnisse zu verbessern als auch eine Erhöhung der Pro-
duktion zu gewährleisten.
Ein 1904 im Westfelde von General Blumenthal in Angriff
genommener Schacht ist bestimmt, die Förder- und Wetterwege
in die Gasflammkohlenpartie abzukürzen, um eine bessere
Bewetterung und damit eine höhere Arbeitsleistung und
verringerte Selbstkosten herbeizuffihren.
Von diesen Schächten aus werden nun Sohlen angelegt Der
Abstand beträgt bei den Neuanlagen meistens 100 m. Auf die
wirtschaftliche mit dem Wachsen des Sohlenabstandes verknüpfte
Bedeutung werde ich bei Besprechung der diesl)ezflglichen Ver-
hältnisse auf Konsolidation näher eingehen. Hier genfigt ein
Beispiel Die Schachtanlage I/II der Steche General Blumenthal
hat sieben Sohlen, die, von der ersten abgesehen, bei einer Teufe
von 408, 456, 558, 608, 712 und 815 m liegen. Der Sohlenabstand
beträgt 48, 102, 50, 104 und 103 m. Die fünfte Sohle bei 608 m
ist die Hauptfördersohle. Sie fafit nahezu das Muldentiefste der
Gaskohlenflöze. Die sechste und siebente Sohle sind zur Unter-
suchung der Fettkohlenflöze angelegt
Mit diesen Tatsachen in engem Zusammenhang steht die
Tiefe der Schächte. Es ist ein den ganzen Kohlenbergbau be-
herrschendes Gesetz, dafi die Teufe der Schächte zunimmt, je
mehr die oberen Horizonte abgebaut werden. Sie beträgt gegen-
wärtig (Hert)st 1904) auf
1. Bergwerksgesdlschaft Hibernia. 27
- ■ ^^-^^— ~— —— .
Shamrock IHTV 265^ m
Alstadea I 286,9 .
Alstaden H 500,0 .
Shamrock VU 569,6 .
Schlägel & Eisen m/IV 599,2 .
Wilhehnine Viktoria I 600,0 .
Schllgel & Eisen V/VI 607,9 .
Hibernia 611,0 .
General Blumenthal in/IV 620,0 .
Schlägel & Eisen I/H 689,2 .
Wflhebnine Viktoria n/IU 699,3 .
General Blnmenthal I/n 815,6 .
General Blumenthal I/II ist heute der tiefste Schacht des
Obert>ergamtsbezirks. Seine unterste Fördersohle liegt, wie bereits
erwähnt, l)ei 608,7 m.
Die Zunahme der Teufe aber ist von Einflufi auf den
ganzen Betrieb. Das fixe Kapital wachst Die Fördermaschinen
werden noch grOfier und stärker, die Seile länger, die Ventilatoren
und Wasserhaltungsmaschinen leistungsfähiger. Der Maschinen-
bau wird infolgedessen vor eine ganze Reihe neuer Aufgaben
gestellt Mit zunehmender Teufe wird aber auch der Gebirgs-
druck gewaltiger, die Temperatur höher, die hygienische Lage
der Arbeiter ungfinstiger. Daraus aber geht hervor, daß die
Selbstkosten der Kohle mit zunehmender Tiefe wachsen
und die Arbeitsbedingungen sich verschlechtern. Der erst-
genannten Konsequenz hat man auf den Gruben der Gesellschaft
durch verschiedene Mittel, die wir noch näher kennen lernen
werden, zu begegnen versucht, der zuletzt genannten leider nicht
mit demselben Eifer.
Die Schadite, deren Entstehung, Zahl und Tiefe wir kennen
lernten, dienen nun in erster Linie der Förderung. Dazu sind
tedmische Einrichtungen nötig. Die ganze Entwicklung der
Fördertechnik aber ist beherrscht von dem Prinzip immer voll-
kommenerer Anpassung an solche Vorrichtungen, die eine Massen -
förderung grofien Stils ermöglichen. Im Dienste dieser Aufgabe
steht der ganze tote und lebendige Apparat, der bei der Förde-
rung Verwendung findet Alles ist darauf zugeschnitten, das
größte Quantum Kohlen in kürzester Zeit aus der Erde
herauszuholen.
Hieben wir uns, um dieses Prinzip zu erkennen, z. B. auf
die Hängetmnk, wo die Wagen von besonderen Anschlägern ab-
genommen werden. Mit Eilzugsgeschwindigkeit saust der Förder-
28
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
korb mit vier beladenen Wagen in die Höhe. Auf der Hängebank
angekommen, wird die Schachttfir von den Abnehmern aufgeschlagen,
der Wagen erfafit, heruntergerissen und weiter gerollt. Schon
sind die leeren Wagen auf das Gestell geschoben. Es ist das
Werk eines Augenblicks. Die Tür fällt zu. Ein Signal ertönt
und der Korb rast wieder in die Tiefe zurück, aus der er gekommen
war, um nach einigen Momenten wieder zu erscheinen. Das alles
in einem Höllenlärm, in einer von 1000 Kohlenstäubchen geschwän-
gerten Atmosphäre, in dem Dienst eines einzigen Gedankens:
Fördern! Es erscheint dem Zuschauer, als ob jede Minute mit
Gold aufgewogen würde.
Um die Steigerung in der Bewältigung grofier Quantitäten zu illu-
strieren, sollen in folgendem drei Schächte einander gegenübergestellt
werden (cf.Festschr.z.VIU.allgem.deutsch.Bergmannstag, Tabelle 14).
Zeche
Gestalt dei FArder-
korbt Im QuefBClmltt
Teafc
in
m
Durchidiiiitts-
fOrderang in
dncr Heupt-
tchicht in t
Kotten der
Schacht'
bedienung
pro t In 4
AnnUdtr
gldctixeittc
Absun-
bahnen
520
500
273
647
816
1592
7.95
9,61
6,39
Hibemia I . .
1
«— » C=3
2
C^ C=3
a a
Wilhelin. Vikt I
a o
3
o o
C=3 C=3
DoDDel-
Shamrock IV .
W
rdenin]
° °
1
Auf Hibemia I hat der Förderkorb 2 Etagen ffir je 2 Wagen.
Es werden also gleichzeitig 4 Wagen ä 550 kg Kohle oder 2^ t
gehoben und auf 2 Hängebänken abgeschlagen.
Auf Wilhelmine Viktoria I weist das Fördergestell 3 Etagen
auf mit je 2 Wagen. Es werden hier 6 Wagen oder 3,3 t Kohle
auf einmal, und zwar auf 3 Hängebänken abgezogen.
Am modernsten ist Shamrock IV eingerichtet. Dieser Schacht
ist mit Doppelförderung versehen, so daß also 2x4 oder
8 Wagen mit 4,4 t Kohle auf einmal gehoben werden, »eine
Leistung, welche die bewundernde Anerkennung aller Fachleute
mit Recht verdient und deren Höhe in anderen Industriebezirken
bisher auch nicht annähernd erreicht wurde."* Die Voraus-
* Siehe: Die Entwidmung des Niederrh.-Westf. Steinkohlenbefgbaus im
19. Jahrhundert, herausgegeben vom Verein fflr die bergbaulichen Interessen im
Oberbergamtsbeziric Dortmund, Berlin 1904, Bd. V p. 296.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
29
Setzung für diese Leistung ist freilich eine größere Dimen-
sionierung der Schachtanlage. Wo diese fehlt, bat man auch
Förderkörbe mit vier Etagen und je zwei Wagen, wie wir solche
an anderer Stelle, z. B. auf Zeche Monopol, kennen lernen werden.
»Mit den wachsenden Kosten der Abteufarbeiten bei unseren
nördlichen Gruben mußte das Streben dahin gehen, die fertig-
gestellten Schachte mit einer Förderung auszurüsten, deren
Leistungsfähigkeit in einem angemessenen Verhältnis zu den auf-
gewendeten Kosten stand" * Damit ist die Tendenz richtig gekenn-
zeichnet, die die Fördermenge von 2,2 1 auf das Doppelte steigen ließ.
Die Förderung wird nun aber noch von einem zweiten
Prinzip behenscbt Dieses besteht darin, die angegebenen Quanti-
täten in dem kleinsten Zeitaufwand zu bewältigen. Der
letztere steht aber im Zusammenhang mit der Teufe, der Masse,
der Anzahl und Anordnung der auf den Förderkörben stehenden
Wagen, der ein- oder zweiseitigen Bedienung und der Zahl der
Abzugsbübnen resp. der Hängebänke.
Es wird genügen, wenn wir uns diese Verhältnisse auf einer
Zeche, nämlich Wilhelmine Viktoria, etwas genauer ansehen.
Etagen
Zahl
der
Wagen
auf
Förte-
korb
dl«kelt bd der
Tenic
In
m
Zeitdauer in
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Sanune
der
Se-
kunden
Zahl
SdncM
Aanbl
Wacen
anf
jeder
Etage
PtodnkteiifOnle-
der
mng
pro
ffltttl.
in m
Sek.
(TS6t«
«inet
TreJ-
ben«
dct An-
uttd Ab-
tddagcnt
Um-
atte
I
IV
n
m
3
4
2
2
2
2
6
8
12
12
8
12
18
18
14
18
500
600
400
500
600
45
50
so
45
50
50-55
70
40
25
70
100
120
90
70
120
2
3
1
2
3
Die Zeitdauer eines Treibens weist in dieser Zusammenstellung
keine großen Unterschiede auf. Dividiert man die dafür ange-
gebenen Zahlen m die Teufen, so ergibt sich eine Förder-
geschwindigkeit bei Schacht II von 8 m, bei den anderen Schächten
von 11 bis 12 m in der Sekunde, während früher die Geschwindig-
keiten bedeutend geringer waren.
Da über das Fördertempo für Wilhelmine Viktoria Zahlen
aus früheren Zeiten nicht zur Verfügung stehen, so vergleichen
wir die früheren mit den gegenwärtigen Verhältnissen auf Hibemia I.
• a. a. O. p. 295.
30 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Dort betrug:
Die Teufe Die Zeitdauer eines Treibens Die Fordergeschwindigkeit p. Sek.
1885:« 305 m 45 Sek. 6,7 m
1904: 610 . 50 . 12^ .
Hieraus sehen wir, dafi sich die Fördergeschwindigkeit
in den letzten 20 Jahren auf Hibemia I ungefähr ver-
doppelt hat Daraus Iflfit sich der Schlufi zieheui daB die
Fördermaschinen leistungsfähiger geworden sind.
Eines der wichtigsten Mittel, um Zeit zu sparen, ist die
Durchschiebeforderung. Die vollen Wagen werden auf der
einen Seite von dem FOrderkorb heruntergezogen und fast in
demselben Augenblick die leeren von der anderen Seite darauf-
geschoben. In dieser Weise geschieht das Wechseln der Wagen
auf Wilhelmine Viktoria III, während auf I beide Manipulationen
nur von einer Seite her erfolgen. Beide FOrderkOrbe haben drei
Etagen mit je zwei Wagen. Aber die Forderung dauert bei ID
nur 70, bei I aber 100 Sekunden. Aus der Tabelle ergibt sich,
dafi diese Differenz durch das An- und Abschlagen bedingt wird
Es erfordert bei der sonst durchaus gleichartigen Förderung auf
Schacht I wegen der einseitigen Bedienung ffir das Anschlagen
einen Zeitaufwand von 50 bis 55 Sekunden, während auf Schacht III
der Korb in 25 Sekunden abgefertigt ist
Es ist natürlich ohne weiteres klar, daß mit dem öfteren
Umsetzen der Zeitaufwand gröfier wird. Bei vier Etagen mufi
dreimal umgesetzt werden und wir sehen daher hier die Dauer
eines Zuges auf 120 Sekunden anwachsen.
Um diese Zeit abzukürzen, wird vielfach die Zahl der Hänge-
bänke vermehrt So bestehen z. B. auf Hibemia I vier Etagen.
Trotzdem braucht nur einmal gekapst** zu werden, weil zwei Hänge-
bänke vorhanden sind. Es kann dann die Bedienung des Korbes
auf der ersten und dritten und darauf auf der zweiten und vierten
Etage oder umgekehrt zu gleicher Zeit erfolgen. Damit aber mufi
die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiter über und unter Tage
in demselben Mafie wachsen. Es entsteht dann ein Konflikt zwischen
Zeit- und Lohnerspamis, der von verschiedenen Werksleitem ver-
* Die Zahlenreihe fOr 1885 entnehme ich den Technischen Mitteiliuigen des
Vereins ffir die bergtNiulichen Interessen hn Oberbergamtsbezirk Dortmund von
Bergassessor a. D. Nonne in Dortmund, 1889, p. 209.
** Caps (Ergreifer) sind Vorrichtungen zum Aufsetzen des FfirdergesteUs an
der SchachUiIngebank.
1. Bergwerksgesellschaft HJbemia. 31
schieden gelöst wird. »Während manche," sagt Köhne*» ,das Haupt-
gewicht auf die Zeitersparnis legen und daher eine der Etagenzahl
des Förderkorbes entsprechende Anzahl Abzugsbühnen wählen,
ziehen es andere vor, um den mit dem vermehrten Anschläger-
personal verknüpften höheren Ausgaben von Löhnen zu entgehen,
mehnnals umzukapsen, selbst wenn, wie es bisweilen der Fall ist,
von früher her mehrere Abzugsbühnen vorhanden sind." Ein
Mittel, um Arbeitslöhne zu sparen, ist beim Vorhandensein von
mehreren Abzugsbühnen die Verwendung jugendlicher Art>eiter,
wie wir sie auch auf den Hängebänken der Hibemia finden.
Zur Messung der Geschwindigkeit sind an den Förder-
maschinenTeufenanzeiger angebracht, die den Fördermaschinisten
andeuten, an welcher Stelle des Schachtes die Körbe sich befinden.
NShert sich der eine Korb der Hängebank, resp. der andere dem
Füllort, so wird durch eine automatisch in Bewegung gesetzte
Klingel angezeigt, daß die Fahrgeschwindigkeit nachlassen mufi.
Die höchste Geschwindigkeit bei der Produktenförderung be-
tragt 19, bei der Personenförderung 6 m. Durch eine automa-
tisdie Vorrichtung, den sog. Baumannschen Sicherheitsapparat, ist
dafür gesorgt, dafi eine grOfiere Beschleunigung nicht eintreten
kann. Das Gewissen und die Verantwortlichkeit des die
Förderung dirigierenden Arbeiters wird also durch einen
Mechanismus entlastet
Durch die Anbringung besonderer Geschwindigkeits-
messer, welche in Kurven die Förderzeiten auf einer Papierrolle
hidizieren, ist es dem Betriebsleiter möglich, den Fördermaschi-
nisten jederzeit zu kontrollieren. Die Kontrolle der Aufmerk-
samkeit und Präzision der Tätigkeit des lebenden Menschen durch
einen toten Mechanismus findet hier eine tiefsinnige Anwendung.
Infolge der Steigerung der Massen und Geschwindigkeiten
aber muflte die Sicherheit des Betriebes abnehmen. Man war
daher darauf bedacht, Fangvorrichtungen anzubringen. Durch
dieselben wird verhindert, dafi im Falle eines SeUbruches das Ge-
stell in die Tiefe stürzt In dem Geschäftsbericht der Gesellschaft
von 1876 wird erwähnt, dafi auf Schacht I der Zeche Hibemia
•nunmehr die bisher mangelnden Fangvorrichtungen an den
Forderkörben angebracht werden konnten, deren Vorbandensein
äne grofie Beruhigung bei der Seilfahrt der Belegschaft gewährt".
* KOfane, Festsdir. z. VIU. aUg. deutsch. Beramannstag p. 83.
32 1- Bergwerksgesellschaft Hibernia.
Als die besten werden heute die Keilfangvorrichtungen angesehen,
die durch allmähliche Aufzehrung der lebendigen Kraft wirken.
Köhler bemerkt jedoch, .dafi bis jetzt noch keine der zahlrdcfaen
Konstruktionen volles Vertrauen verdient' 1*
Zur Bewältigung der Massenförderung dienen, wie schon er-
wähnt, grofie Fördermaschinen. Ober deren Trommeln
laufen zwei Seile, von denen sich das eine auf- und das andere
abwickelt Diese Seile gehen über die Seilscheiben des Förder-
gerfistes, das heute ganz aus Eisen konstruiert ist, und das das
äufierliche Kennzeichen jedes Zechenbetriebes darstellt Die heute
auf Grube Hibemia I und II stehenden Fördermaschinen stammen
noch aus England. Sie wurden dann, weil sie der Massenfördening
nicht mehr genügten, umgebaut Der Zylinderdurcbmesser beträgt
900 mm bei 1569 mm Hub, der Durchmesser der Trommel
5,35 m. Größer noch ist die Leistungsfähigkeit der Hauptförder*
maschine auf Shamrock ü. Sie ist ein Zwilling von 1100 mm
Zylinderdurchmesser, 1900 mm Hub und zwei Seiltrommeln
von 7 m Durchmesser. Die Stärke der Maschine ist 1000 Pferde-
kräfte.
Die Fördermaschinen werden durch Dampf angetrieben. Der
Fortschritt elektrischer Förderung ist auf keiner der Schachtanlagen
der Gesellschaft bisher verwirklicht So viel fiber die Schacht-
förderung.
Anders gestaltet sich die Förderung auf den unter-
irdischen Strecken und Querschlägen. Dieselbe erfolgt auf
den Gruben der Hibemia
a) durch Schlepper,
b) durch Pferde,
c) durch Maschinen.
Die Aufeinanderfolge dieser Arten stellt gleichzeitig eine Ent-
wicklungsreihe dar. Ursprünglich als die Entfernungen der Arbeits-
punkte vom Schacht noch keine grofien waren, wurde jeder Kohlen-
wagen von einem Schlepper bis an den Füllort geschoben. Mit
dem Wachsen der Förderlängen wird ein weiterer Kraftzuwachs
nötig. Es wird die Pferdekraft in den Betrieb eingestellt, die
menschliche ersetzend und verdrängend. Ein Motiv dürfte viel-
leicht auch hier der steigende Arbeitslohn gewesen sein, der ja
in so vielen Fällen zu einer Ersetzung durch billigere Kräfte,
^ Bergbaukunde, Leipzig 1904, p. 188.
1. Befgwerksgesellschalt Hibemia. 33
seien es nun Tiere oder Maschinen, führt Heute ist die Schlepper-
fOrderung im wesentlichen auf die Abbaustrecken beschränkt Wir
werden jedoch Bergwerke kennen lernen (Gelsenkirchner Berg-
werksaktiengesellschaft), wo sie überhaupt so gut wie beseitigt ist
An ihre Stelle ist auf den Zechen der Hibemia in grofiem
Umfang die Pferdeförderung getreten; die Leistung ist hier be-
deutend hoher. Ein Pferd zieht zwölf Wagen in einem Zuge.
Auf manchen Zechen ist die Zahl der Wagen noch höher. Als
Duichschnittsleistung kann man 35 tkm pro Schicht rechnen.
Die Durchscbnittskosten eines Tonnenkilometers betragen etwa
21—22 Pf.* Die Pferde sind hier wie auf anderen Zechen nicht
Eigentum der Gesellschaft, sondern gehören einem Unternehmer.
Die Ursache dafür, dafi die Pferde geliehen werden, liegt einmal darin,
dafi die Zechenverwaltung nicht über Persönlichkeiten verfügt, die
mit dem Pferdehandel genügend vertraut sind, andererseits aber
in der mit dem Halten eines eigenen Pferdebestandes verknüpften
groBen Kapitalanlage.
Die Pferde haben heute auf den einzelnen Gruben der Berg-
werksgesellschaft unteru-dische Stallungen. Sie bleiben zeitlebens
anter Tage. Es sind kraftige Tiere schweren Schlages, die das
unterirdische Klima verschieden lange aushalten, manche nur ein
oder wenige Jahre, andere aber wieder zehn Jahre und länger.
Freilich hat die Einführung unterirdischer Stalle manche Nach-
teile. »Die Pflege der Pferde wurde schwieriger. Haut- und Huf-
krankheiten nahmen zu, die bei den Pferden ohnehin häufigen
Angenfibel vermehrten sich, namentlich aber wurden die Tiefbaue
die Herde der gefthrlichsten Seuchen. Besonders der Rotzkrank-
faeit fiUlt, wenn sie einmal ausgebrochen ist, jahriich ein großer
Prozentsatz der Pferde zum Opfer, und sie wird um so be-
denklicher, als das Rotzgift auch auf Menschen Ot>ertragen
werden kann.**
Aus diesem Grunde ist man auf den meisten Gruben zum
Efsatz der Pferdeförderung durch Seil-, Ketten- oder Loko-
motivfOrderang übergegangen. Es ist dies die maschinelle
Streckenförderung, die einen groBen Portschritt bedeutet, weil
sie ein weiteres Glied in der Emanzipation des Betriebes vom
Qrganisdien darstellt Die ganze Tendenz der Förderung liegt
« KOhne a. a. O. S. 76.
*• Zdtechrtft fOr Berg-, Hatten- und Salinenweten Im Preufilsdien Staat
Bd. 31 p. 9».
StllHck, NtttoflridfcOBomttdn Fonchnagcn, Bd. 0. 3
34 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
darin, den Transport und die Hebung der Kohlenmassen in immer
stärkerem Maße von der beschränkten Kraft des Menschen oder
des Tieres loszulösen und sie einem toten Mechanismus zu Ober*
tragen. Freilich ist dieser Fortschritt auf Grube Hibemia speziell
nicht realisiert Hier geschieht die Förderung heute wie ehedem
durch Schlepper und Pferde. Als Grund wurde mir angegd)en
die Enge der Strecken und vor allem ihre zahh-eichen Windungen.
Diese Beschaffenheit der Strecken würde freilich gegen eine Auf-
stellung von Maschinen sprechen, die ein fiber die Hunte laufendes
Seil ohne Ende in Bewegung setzen, nicht aber gegen die Förde-
rung durch Lokomotiven. Wir werden z. B. auf Zeche Rhein-Elbe
sehen, wie die dort eingeführten Benzinlokomotiven auch die
schärfsten Kurven nehmen. Der fundamentale Fortschritt der Ein-
führung maschineller Streckenförderung fehlt also. Hing^en ist
er auf anderen Gruben der Gesellschaft verwirklicht So hat man
auf Shamrock III/IV Seilförderung in den Strecken, die sich durch
außerordentliche Billigkeit auszeichnet Die Kosten für den Tonnen-
kilometer betragen dort nur 5,5 Pf.
Die bisherigen Ausführungen betrafen die mit der Kohlen-
förderung in Zusammenhang stehenden Arbeitsmittel. Nun wird
aber von einer Zeche in erster Linie nicht Kohle, sondern Wasser
gefördert Die Quantität des letzeren ist im Ruhrbezirk ca. drei-
mal so groß wie die der geförderten Kohle. Auf den Zechen der
Gesellschaft Hibemia freilich ist der Wasserzufluß nur ein ge-
ringer. Er beträgt auf Hibemia nur 0,23 cbm, auf Shamrock
1,7 cbm pro Minute, im Gegensatz z. B. zu der Zeche Erin, die
wir bei der Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft kennen lernen
werden, wo er 11 cbm ausmacht Pro Tag werden also an
Wasser gehoben auf Hibemia 331 cbm, auf Shamrock 2448 cbm.
Die Wasser sammeln sich unterirdisch in einem Sumpfe an
und werden dann durch besondere Wasserhaltungsmaschinen
(Dmck- oder Hubpumpen) zutage gehoben. Diese Maschinen
lagen ursprünglich auch auf den Zechen der Hibemia fiber Tage.
Es waren riesige schwere Balanders, Woolfscbe Verbundmaschinen,
wie sie z. B. auf General Blumenthal bis in die 80er Jahren be-
standen. Die in den 70er Jahren einsetzende ungünstige Ge-
schäftslage veranlaßte dann eine vermehrte Aufstellung der unter-
irdischen Maschinen wegen ihres gegenüber den oberirdischen
bedeutend geringeren Preises.* Der Umschwung zugunsten der
* Köhae a. a. O. S. 97.
1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia. 35
Einftthmng unterirdischer Wasserhaltungsmascbinen trat dann erst
ein mit dem Eisenausbau der Schächte, dem der feuchte Dampf
weniger schaden konnte, als die Holzzimmerung. Heute stehen
auf Hibemia unter der 610 m-Sohle 2 Maschinen, die die Wasser
aus einer Teufe von 616 m direkt zutage heben. Ihre Leistungs-
fähigkeit beträgt 0,75 cbm pro Minute*. Die beiden Compound-
Wasserfaaltungsmaschinen auf Shamrock stehen in 600 m Teufe,
haben einen Zylinderdurchmesser von 550 resp. 800 mm und
1000 mm Hub und je 150 Pferdekräfte*^. Von diesen steht eine in
Reserve. Aufierdem ist noch eine zweite Reservemascbine vorhanden.
Wir lernen hier ein Prinzip kennen, dem wir noch öfter begegnen
werden: die Sicherheit und Ununterbrochenheit des Be-
triebes durch Aufstellung von Reserven zu garantieren.
Damit steigt natfirlich die Notwendigkeit größerer Kapitalinvestierung
nicht unbeträchtlich.***
Wir kommen nun zu einem gerade ffir die Bergwerksgesell-
schaft Hibemia außerordentlich wichtigen Punkt, der Bewette-
rung. Die Hibemia selbst ist wohl die größte Schlagwettergrul>e
des Oberbergamtsbezirks. Keine andere hat ein so ungünstiges
chemisches Temperament wie diese. Das hängt zum Teil damit
zusammen, daß ihre ausgedehnten Baue mit umfangreichen Hohl-
räumen in Verbindung stehen, die von dem früher üblichen
Pfeilerbau herrühren«
• Festschrift S. 55. — «♦ Festschrift S. 62.
*** Anm.: Ich möchte an dieser Stelle noch darauf hinweisen, dafi die großen
Vertmstiingsirfäne des Niederrheinischen Kohlenbergbaus, die in den SO er Jahren,
ehe die Hit>eniia ihre ersten Neuerwerbungen machte, auftauchten, und damals
vom Verein für die bergbaulichen Interessen im Ot)ert)ergamtsbezirk Dortmund
durch Spezialuntersuchungen einer technischen Kommission gefördert wurden,
an die Wasserhaltung anknüpfen. Eine gemeinsame Wasserhaltung für grö-
ßere Qrappen sollte der Ausgangspunkt für eine weitergehende Vereinigung der
Werke sein. Nonne berechnete Ö'^hnische Mitteilungen p. 110), dafi die ge-
samten Wasserzuflflsse Westfalens von 13 Maschinen gehalten werden könnten,
während damals (1886) 265 im Betriebe waren. In der Begrflndung heifit es
(a. a. O. p. 6—7): .Das zwingende Motiv fflr die einheitliche Durchart>eitung
darauf bezflglicher Plane liegt darin, dafi die Wasserhaltung mit gröfierem Fort-
schritt in die Teufe immer schwieriger und kostspieliger wird, dafi viele Zechen
sehr bald vor der Notwendigkeit stehen, gröflere Teufen fassen zu mflssen, und
solches ohne neue grofie Kapitalien mit ihren jetzigen Betriebseinrichtungen und
10 manchen Fallen ohne voUsiändige neue Schachtanlagen nicht t>ewerkstelligen
können.' Bdcanntlich ist dieser grofie Plan, eine einheitliche Wasserhaltung als
Vofstufe zu einer allgemeinen Verschmelzung durchzufahren, praktisch nicht ver-
wiiklicht worden.
3»
36 1* Befgwerksgesellschaft Hibernia.
Es bedarf keiner weiteren Darlegung, dafi die Luft in einein
Tiefbau wesentlich abweicht von der Tagesluft Die Gasexhalationen
der Kohle, der Tiere und Menschen vermindern den Sauerstoff-
gebalt und vermehren die für die Atmung schädlichen Bestand-
teile. Wer einmal in den unterirdischen Gängen eines Kohlen-
bergwerks lauscht, der vernimmt das leise Knistern der aus den
blofigelegten Teilen der Kohle austretenden Gase und wird sdion
dadurch auf eine abweichende Beschaffenheit der Gnibenluft auf-
merksam gemacht Die Gröfie dieses Gasaustritts steht in
Zusammenhang eüimal mit der Gröfie der Mergeldecke und
der Teufe. Je höher die Mergelflberlagerung, desto mehr Gas
exhaliert die Kohle. Deshalb nimmt der Gasreichtum der Zechen
nach Norden zu. Besonders gasreich sind daher die unter
einer Kreidedecke von 300-^500 m Mächtigkeit bauenden Zedien
General Blumenthal und Schlägel und Eisen. Femer ist auch
der Flözhorizont von Einflufi. Die Produktion an Gas ist am
stärksten in der Fettkohlen- und Efikohlenschicht So-
lange Hibernia in der Flamm- und Gaskohle baute, war die Gas-
entwicklung bedeutend geringer.
Ffir die Zukunft liegen also sowohl für die Zechen im all-
gemeinen wie ffir die der Hibernia im besonderen die Dinge
wenig günstig. Je weiter der Abbau nach Norden vorruckt und
je tiefer der Bergmann in die Erde dringt, desto stärker wird die
Gasentwicklung und ceteris paribus die Gefahrenquelle« Die l>eiden
nördlichsten Zechen Schlägel und Eisen und General Blumenthal
werden jedenfalls in Zukunft noch manche Dberraschung bringen.
Schachtanlage I/II der ersteren baut gegenwärtig noch in den
geognostischen Horizonten von Bismarck aufwärts bis zu dem
Flöze Dach. ni/IV baut el)enfalls in den Flözen der Gas- und
Gasflammkohlenpartie; von den letzteren werden die Flöze im
Niveau unter Bismarck ausgebeutet Durch Abteufen einer dritten
Sohle ist man jedoch bereits in die obere Fettkohlen-
partie von Katharina und Mathias eingedmngen. Bei V/VI liegen
die Fettkohlenflöze noch unter dem Niveau der dritten Sohle
(608 m). Die Baue bewegen sich deshalb ebenfalls noch in den
Flözen der Gas- und Gasflammkohlenpartie. Ahnlich liegen die
Abbauverhältnisse auf den beiden Schachtanlagen von General
Blumenthal. Man arbeitet in den beiden obersten Horizonten der
Gasflamm- und Gaskohlenpartie, hat jedoch bereits mit Aus- und
Vorrichtungsarbeiten zur Untersuchung der FettkohlenflOze be-
1. Bergweriugesellschaft Hibemia.
37
gönnen. Daher kann man beute schon mit ziemlicher Sicherheit
sagen, dafi die Zeit nicht mehr allzu fern liegt, in der die
Schreckensnachrichten grofierGrubenunglücke die öffent-
liche Meinung Deutschlands erschüttern werden.
Wir müssen uns nunmehr etwas näher mit der Grubenluft
beschäftigen. Die beiden gefährlichsten Gase sind Grubengas
und Kohlensäure. Ich habe im folgenden nach den im Jahre
1899 auf den einzelnen Zechen der Hibemia vorgenommenen
Wetterproben die wichtigsten Zahlen zusammengestellt* Dieselben
ergaben einen Gehalt an
Ztcht
Am-
itföuciidc
Wtttar
ownct
taidim
7298
Proseat-
gtbalt
aa
In 24 stunden
ttfOmtcn ans
cbffl
Durch-
•cbnmL
Ug-
Uckc
FMc-
rungint
Pro t agtlebar
FMerung aas-
in cbm
CHi
COi
CHt
Cd"
au
Cd
Hibcniis ....
0.49
0.07
51400
3154 850 1
60.47
3.71
Sbamrodc m . .
5300
0.09
0.37
7250
25185
2570
231
9.80
do. nnv. .
5362
0.22
0.20
16950
12355
2547
6.25
435
Wflbdiiiiiie>nktottal
3380
0.27
0.28
13150
11678
950
13.84
12.29
da mnv
2975
0.15
0.14
6400
4262
1250
5.12
3,41
SdüicdABiMal/D
4439
0.24
0,19
15350
9576
1300
11.81
736
da m
1643
0.22
0.08
5100
936
450
1133
2.08
Ococnl Bhmienttial
i/n
5600
0.48
0.21
38700
13708 1600
24,18
837
Ococnl Bhanenthal
■MV
2000
039
0.04
11250
—
1 4001
28.12
—
In dieser Tabelle ist Alstaden ausgelassen, weil es zu den
scUagwetterfreien Zechen gehört Aus den Zahlen ergibt sich,
daS die Grube Hibernia unter allen Zechen der Gesellschaft
am ungünstigsten dasteht Der ausziehende Wetterstrom der^
selben hatte 0,49 Vo Grubengas, mit anderen Worten: In 24 Stunden
stiOmten nicht weniger als 51400 cbm Grubengas aus. In zweiter
Linie folgt dann die Zeche General Blumenthal mit eüiem
Grabengasgehalt von 0,48 Vo, was einer täglichen Menge von
38700 dmi entspricht Auf die Tonne Förderung kommen bei Hibemia
60,47 und auf General Blumenthal 24,18 cbm Grabengas. Ver-
• Die Eoiwickdung des niedcnhciiilach-westflllschen SteüikoUenbcrgbanf
Bd. VI WdterwirtKliaft Tsbelie 70 ff .
•• Nach Abzog von 0fiiV9, die in den frischen Wettern enttiilten sind.
38 1- Bergwerksgesellschaft Hibeniia.
gleicht man diese Zahlen mit dem für 191 Zechen des rheinisch-
westfälischen Reviers gehindenen Durchschnitt von 0^% CH«,
so ergibt sich, daß nur auf Shamrock und Wilhelmine Viktoria
die Ergebnisse sich dieser Mittelgröße nähern, wohingegen wieder
der Kohlensäuregehalt höher ist Auf Hibemia war der Schlag-
wettergehalt früher ein noch bedeutend größerer als gegenwartig.
Er betrug 1,01 ^/o, war also doppelt so hoch als jetzt Wir werden
spater sehen, welche Motive dazu führten, um durch eine Reihe
von Maßnahmen diese Korrektur zu schaffen.
Warum auf Hibemia eine wesentliche Verbesserung der Be-
wetterung erst in die 90er Jahre fallt, wird ebenfalls an anderer
Stelle dargelegt werden. Mit in Betracht kommt sicher auch der
Umstand, daß damit nicht unerhebliche Ausgaben verbunden
sind. Schon Anfang der 70er Jahre berechnete Pfähler,* welche
Kosten die Luftzuffihrung dem Bergbau verursacht Unter Zugrunde-
legung eines Preises von 30000 Talern für 2 Ventilatoren mit 2 Be-
triebsmaschinen ermittelte er den Preis für 10000 cbf Luft auf
1,09 Pf., mit Hinzurechnung der Zinsen des Anlagekapitals der Wetter-
schachte, der Amortisationskosten, der Kosten der Unterhaltung
der Wetterstrecken usw., auf mindestens 5 Pf., d. h. 6 cbm Luft
kosten 1 Pf. Die Verwaltung der Hibemia hat mir leider die
zu einer Berechnung der gegenwartigen Kosten der Luftzu-
führung notwendigen Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt
Daß sie heute aber bedeutend größer sind als früher, wird sich
aus dem Folgenden ergeben. Hier kommt es nur darauf an, zu
zeigen, daß der schnellen Einführung und Herstellung guter
Grubenluft große Kosten im Wege standen. Hingegen ist die
Nutzbarmachung der riesigen ausströmenden Gasmengen für
technische Zwecke, z. B. zur Kesselheizung oder Beleuchtung,
nicht geglückt Um welche Werte es sich hier handelt, geht
aus Folgender Berechnung von Behrens** hervor: »Unter der an-
nähernd richtigen Voraussetzung, daß lOOprozentiges Gruben-
gas lOOprozentigem Leuchtgas gleichsteht, repräsentieren 54 720 cbm
Grubengas pro Tag, oder 2280 cbm pro Stunde, 2850 Pferde-
krafte pro Stunde (0,8 cbm Gas pro Stunde und Pferdekraft) und
genügen, 19000 Privatgasflammen (0,12 cbm pro Stunde) dauernd
zu speisen. Bei einem Gaspreise von 0,10 Mark pro Kubik-
^ Zeitschrift f. Berg-, Hatten- und Salinenw. Bd. XX p. 88.
^ Beitrage zur Schlagwetterfrage, Essen 1896, p. 113.
1. Bergwerksgesellschaft Hibernia. 39
meter ffir motorische und 0,15 Mark ffir Beleuchtungszwecke würde
sich der Wert des Grubengases auf 1997280 Mark bez. auf
2995920 Marie pro Jahr belaufen.
Die Zuführung frischer Wetter auf Hibernia und Shamrock
geschah ursprünglich durch Wetteröfen. Der Wetterstrom wird
hier dadurch verursacht, dafi die erwärmte und infolgedessen
leichtere Luft von der einströmenden kalten verdrängt wird. Die
Anlage dieser Öfen war verhältnismäfiig billig, freilich waren
die Betriebskosten nicht unbedeutend. So verbrauchte der 5 qm
groBe Wetterofen auf Zeche Hibernia 50 Zentner Kohlen in
24 Stunden. Die gesamten Betriebskosten pro Jahr beliefen sich
auf rund 6000 Mark; die Betriebskosten des Wetterofens auf
Shamrock stellten sich auf 9000 Mark.* Immerhin lieferten diese
WetterOfen 1863 ein auf anderen Zechen unbekanntes, also über-
durchschnittliches Luftquantum** von 1297,8, 1868 ein solches von
1019 cbm pro Minute, also Wettermengen, wie solche von den da-
maligen Ventilatoren nicht annähernd erreicht wurden. Noch 1873
trat Nonne durchaus ffir die Wetteröfen ein. .Dieselben verwerten
die Wärme direkt, ohne das Zwischenglied einer maschinellen
Einrichtung, sie gestatten die Benutzung des Schachtes zur För-
derung unter Umständen auch zur Seüfahrung, sie bedingen
keine Reparaturen und Stillstände, wie die Ventilatoren, die Unter-
haltungs- und Betriebskosten sind jedenfalls nicht höher, die An-
lagekosten geringer als bei den Ventilatoren; die Effekte der Wetter-
Ofen werden beim Fortschreiten des Betriebes nach der Teufe zu
grOfier, während die Effekte der Ventilatoren kleiner werden
müssen'.*** Aber je länger die Strecken, je komplizierter der Ausbau
der Gruben und je größer die auftretenden Schlagwettermengen
wurden, desto weniger genügten die Wetteröfen. Deshalb lagen noch
üi den 80er Jahren die Wetterverhaltnisse der meisten Gruben
sehr im aigen. Wettennengen, die wir heute absolut für unzu-
reichend halten, galten damals als Maximum. So heißt es in
dem Geschäftsbericht der Gesellschaft vom Jahre 1883: .Durch
Vergrößerung des Querschnittes in den Wetterstrecken ist die
Ventilation in der Grube Shamrock erheblich verbessert worden.
Es durchströmen jetzt regelmäßig 1900—2000 cbm frischer Luft
« Zeitachr. f. Berg-, Hatten- und SaUnenw. Bd. XXI p. 67.
** An! Rbein-EIbe betrog das Wetterquaninm nur 589,42 cbm.
~ a. a. O. Bd. XXI p. 72.
40 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia.
die Grubenbaue, so dafi mit Recht die Zeche Shamrock heute zu den
am besten ventilierten und somit auch am meisten vor Wetter«
explosionen geschützten Zechen Westfalens gezählt werden dar!"
Auf anderen Gruben aber lagen, wie gesagt, die Düige nodi
schlimmer. Die Resultate, die sich aus den Untersuchungen der
Schlagwetterkommission ffir die rheinisch-westfälischen Steinkohlen-
gruben ergaben, waren durchaus ungünstige. Es betrug das
Wetterquantum pro Kopf der Belegschaft*
Zahl der unter-
In den Jahren
snchten Zechen
Wetterquantum
1862/63
27
2»20 cbm p. Min.
1868/71
49
1,66 , , ,
1881/83
50
1.90 .. .
Es waren nun vor allen zwei Momente, die zu einer Revo-
lution in der Bewetterung im allgemeinen wie auf der Hibemia
im besonderen führten.
1. Die immer größer werdenden Pörderquantitaten,
die gegen alle Eventualitäten sichergestellt werden
mufiten. Die Leistungsfähigkeit des Hauers und überhaupt
des unterirdischen Arbeiters wird in hohem Mafie mitbedingt
durch gute Luft in den Grubenbauen. Es waren also die Hebel
der Reform m erster Linie nicht soziale, sondern geschäftliche
Erwägungen. Die Zechenbesitzer sagten sich: Gute Bewetterung
ist, auch wenn sie viel kostet, notwendig, damit das Prhizip: ein
Maximum an Kohle in einem Minimum an Zeit zu fördern, nicht
leidet
2. Die unerhörten Explosionen schlagender Wetter,
»jene mit Wetterleuchten, Donner und Blitz begleiteten unter-
irdischen Gewitter, welche in erschreckender Menge und in nie
geahnter Ausdehnung ... auf die gesamte Bevölkerung, man kaim
wohl sagen, des ganzen Erdenrundes einen furchtbaren Eindruck
machten und das Vertrauen des Beigmannes in die bisher be-
folgte, etwas ursprüngliche Praxis tief erschütterten.*** Mit dem
größeren Verbrauch und der entsprechend stärkeren Förderung
von Steinkohlen mufite naturgemäß — solange nicht energisdi
eingegriffen wurde — die Zahl der Explosionen schlagender Wetter
und ihrer Opfer steigen. Das hängt damit zusammen, dafi mit
* Festschr. zum Vm. aUgem. deutsch. Bergmannstag p. 109.
^ Zeitschr. f. B., H. u. S.-W. Bd. 20. p. 51.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 41
wachsender Tiefe der Betrieb mehr und mehr konzentriert wird,
also mehr Arbeiter in größerer Nahe zusammen zu beschäftigen
sind Die erste große Explosion schlagender Wetter, von der die
Zeche Shamrock heimgesucht wurde, fand am 3. April 1871 statt
Dieser Katastrophe fielen 10 Bergleute zum Opfer. Die 80er Jahre,
in denen man aus der ziemlich regelmäßig gelagerten Gaskohlen-
paitie zum Verhieb des tiefer gelegenen Horizonts der Fett-
kohlen fibei^ng, sind dann angefüllt mit einer ganzen Reihe
von tödlichen Unglficksfällen auf Shamrock und Hibemia. Es
fanden auf der ers^enannten Zeche statt am 27. September 1880
ein Orubenbrand mit 11 Toten, am 18. August 1884 eine Schlag-
wetterexplosion mit 8 Toten, am 18. Februar 1885 ein Gruben-
brand mit 7 Toten, am 8. Juni 1887 auf Hibemia eine Schlag-
wetterexplosion mit 52 Toten. Diesem verheerenden Unglück sollte
schon nach vier Jahren ein neues folgen, dessen Totenzahl die
Opfer der letztgenannten Explosion noch fibertraf.
Am 23. Januar 1891 wurde nämlich die Zeche Hibemia wiedemm
von einer Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosion heimgesucht
Nicht weniger als 57 Bergleute verioren ihr Leben und 22 wurden
mehr oder weniger schwer verletzt Der Geschäftsbericht wälzt
die Schuld an diesem Riesenunglück auf die Unvorsichtigkeit
eines Arbeiters* Danach wurde das Unglück dadurch hervor-
gerufen, dafi ein Hauer, der bereits seit 1886 auf der Zeche Hi-
bemia beschäftigt war, in Flöz 15 Ort 4 in der Sohle beim Nach-
reiBen des Liegenden, ohne den dazu bestellten Schiefiaufseher zu
mfen und ohne die dazu vorhandenen Wasserbenetzungseinrich-
fatngen bestimmungsgemäfi zu benutzen, gegen die bestehenden
Vorschriften und die ausdrücklichen Vermahnungen von selten
seiner Kameraden vor dem Unglück einen Ouhr-Dynamitschufi
abgab und dadurch den Kohlenstaub in Verbindung mit geringen
Mengen der vorhandenen Wetter zur Explosion brachte Von hier
ans verbreitete sich dann die Explosion, den Kohlenstaub als Träger
benutzend, über die Baue der Flöze 15 und 16.
Bald darauf, am 5. Januar 1894, erfolgte wiederum auf Hibemia
eine Explosion schlagender Wetter, die aber ebenso wie die meisten
vorangegangenen weder in den Oeschäftsberiditen noch in der
Denkschrift erwähnt wird. Nach dem amttichen Bericht war der
Hergang der Explosion, der sich aus den voigefundenen Verhält-
nisten gena u ericennen liefi, folgender:* »Von den zwei Arbeitern,
• ZcHKhr. f. B. a tt. S.-W. Bd. 43 p. 311.
42 1- Bergwerksgesellschaft Hlbernla.
welche das Oberhauen aus der Grundstrecke des Flözes Nr. 16
hochzubringen hatten, war einer vor Ort des Dberhauens mit der
Kohlengewinnung beschäftigt, während der andere Arbeiter am
Fuße des Dberhauens einen Förderwagen mit Kohlen bdud. Vor
Ort des Oberhauens wurde nun plötzlich ein Bläser frei, der etwa
1 t Kohlen aus dem westlichen Stoße herausdrfickte und nach dem
östlichen Stoß hinüberwarf. Der heftige Gasausbruch veranlafite
die beiden Arbeiter unter Zurücklassung ihrer Lampe die Flacht
zu ergreifen; es gelang ihnen indessen nur bis 18 m westlich des
Oberhauens in die Grundstrecke zu kommen, als eine heftige
Explosion erfolgte. Diese warf fast den ganzen gemauerten
Wetterscheider um, ließ jedoch den Streckenausbau vollständig
unberührt und schlug durch den letzten Bremsberg bis nach Ort
Nr. 2. In dieser Strecke hatte sich, da während der längeren
Außerbetriebsetzung eine Berieselung nicht stattgefunden
hatte, einiger Kohlenstaub abgesetzt Die Entzündung dieses
Kohlenstaubes durch die vorausgegangene Schlagwetterentzfindung
muß eine bedeutende Vergrößerung der Explosionswirkung zur
Folge gehabt haben, da in dem vorderen TeUe der Strecke und
in dem vor und oberhalb der Strecke befindlichen Teile des
Bremsberges nicht nur die Verzimmerung zerstört war, sondern
auch von der zwischen Strecke und Bremsberg gebildeten oberen
Kante des festen Kohlenstoßes ein Stück Kohle von mehreren
Kubikmetern Inhalt losgerissen und mit der Zimmerung in den
Bremsberg geworfen war. In dem oberen Teile des Bremsberges
scheint die Explosionsflamme alsbald zum Eriöscben gekommen
zu sein, auch blieb der Ausbau in Ordnung, doch wurden noch
am oberen Anschlag des Bremsberges in der Teilsohle und an
dem unteren Anschlag des nach der Wetterstrecke führenden, etwa
100 m westlich gelegenen Bremsberges einzelne Türstöcke umge-
worfen. Zur Zeit der Explosion war von den in den Teilstrecken über
der Teilsohle angelegten Arbeitern einer an den unteren Anschlag
des ebengenannten Bremsberges gegangen, um daselbst einen
Förderwagen auszuwechseln. Dieser Arbeiter floh dem Wetter-
zuge entgegen, möglicherweise, um in das in der Nähe befindliche,
zur neunten Sohle führende Oberhauen zu gelangen, woselbst er ge-
rettet gewesen wäre. Er kam indessen über das Oberhauen hin-
aus und wurde durch die Nachschwaden getötet Die vier auf
den Teilstrecken befindlichen Arbeiter wurden durch einen doppelten
Schlag, welcher sämtliche Lampen auslöschte, darauf aufmerksam,
1. BergwericsgeseUschaft Hibemia. 43
dafi eine Explosion stattgefunden hatte. Sie eilten, dicht von den
Nadischwaden gefolgt, im Bremsberg nach der Wetterstrecke. Hier
blieb ein Arbeiter zurfick, die übrigen eilten weiter, bis sie nicht
mehr wußten, wo sie sich t>efanden, da sie noch nicht fiber der
Wetterstrecke ausgefahren waren. Sie legten sich dann ... auf
die Sohle nieder und hielten sich auf den Rat des Altesten von
ihnen mit ihrem Zeug den Mund zu.
Die Rettungsarbeiten konnten in kürzester Zeit beginnen, da
die Nachschwaden durch den kräftigen Wetterzug aus den Haupt-
wetterw^en alsbald vertrieben waren. Zunächst wurden die vier
Arbeiter auf der Wetterstrecke bewußtlos vorgefunden, durch die
angestellten Wiederbelebungsversuche indessen wieder zum Be-
wußtsein gebracht, wahrend sich dies bei dem auf der Teilsohle
aufgefundenen Arbeiter, welcher kein Zeichen einer äußeren Ver-
letzung aufwies, nach längeren Versuchen als aussichtslos erwies.
Die beiden Arbeiter aus dem Oberhauen traf man in sehr ver-
branntem Zustande m der Grundstrecke 18 m westlich des Ober-
hauens hintereinander liegen, nachdem man durch Wiederher-
stellung des Wetterscheiders die in der Grundstrecke stehenden
Nachschwaden und Schlagwetter verdrängt hatte.
Die durch die Explosion hervorgerufenen Zerstörungen haben
bereits Erwähnung gefunden. Ganz besonders bemerkenswert war
einmal die Erscheinung, daß sich in der Grundstrecke westlich
des unteren Bremsberges eine Einwirkung der Explosion über-
haupt nicht erkennen ließ, und andererseits die Tatsache, daß eine
Koksbildung in Form von Kokskrusten nur auf Ort Nr. 2 vor-
gefunden wurde, während in der Grundstrecke und im Brems-
berge nur an einzelnen Stempeln in geringer Menge zusammen-
gesinterter Kohlenstaub bemerkbar war. Letzteres ließ sich bis
anf 120 m rückwärts verfolgen, wohingegen das Überbauen auch
hiervon fast frei geblieben war. Der Befund vor Ort des Ober-
bauens etwa 20 Stunden nach der Explosion war der folgende:
Die Lampe des Arbeiters, eine westfälische Öllampe mit ein-
fachem Drahtkorb, hing an einer Kappe in der Mitte des Dber-
hauens, also in der Verlängerung des Wetterscheiders Vs m von
dem Arbeitsstoß entfernt, westlich derselben blies aus einer Aus-
höhlung hn Kohlenstoß em starker Bläser in der Richtung auf
die Lampe Diese war vollständig in Ordnung und ließ nicht
erkennen, daß der Korb derselben ins Glühen gekommen war.
Der Wetterscheider aus Segeltuch war bis 1 m vor Ort geführt
44 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia.
und von hier auf 2 — 3 m vollständig erhalten, aus dem unteren
Teile des Oberhauens indessen herausgeschleudert Es lafit sich
hieraus schließen, dafi zur Zeit der Explosion der Gasgehalt der Luft
im oberen Teile des Oberhauens bereits über die Explosionsfähig-
keit hinaus gestiegen war. Das Gas wurde durch den Bläser heftig
gegen die Lampe getrieben und infolge Duchschlagens dersell)en
entzündet Die Flamme traf im unteren Teile des Oberhauens
auf explosionsfähige Schlagwetter und brachte diese zur Explosion.
Der Bläser war am dritten Tage nach der Explosion ver-
schwunden, so dafi das Oberhauen von neuem belegt und unter
der ständigen Aufsicht eines Beamten trotz der t>edeutenden
dauernden Gasentwickelung aus der Kohle ohne weitere Schwierig-
keiten zum Durchschlag gebracht wurde. Die beschriet>ene Ex-
plosion hat gezeigt, dafi eine ausreichende Befeuchtung des Kohlen-
staubes eine Schlagwetterexplosion — selbst in sehr schlagwetter-
reichen Gruben — Ortlich begrenzt*
Zu den größten Schlagwetterzechen gehört auch General
BlumenthaL Nach der bergbehördlichen Unfallstatistik fanden
auf dieser Zeche folgende Schlagwetterexplosionen statt: Am
13. September 1883 (6 Tote), am 21. Januar 1884 (19 Tote), am
1. Februar 1893 (20 Tote), am 19. November 1896 (26 Tote)*
Diese grofien Schlagwetter- und Kohlenstaut>explosionen fährten
nun auf Hibemia zu einschneidenden Mafinahmen, gröfiten-
teils veranlafit durch Eingreifen der Bergbehörde. Das UnglQck
von 1891 hatte den Generaldirektor des Werks zu eingehenden
Untersuchungen Veraidassung geget)en, die in einer besonderen
Schrift** niedergelegt sind.
Zunächst wurde auf Hibemia im Juni 1891 mit dem Abteufen
eines Wetterschachtes von 5 m Durchmesser bis zur tiefsten
Sohle begonnen. Damit trat an Stelle des alten, ungenügenden
Wettertramms ein ausschliefilich dem Zweck der Bewetterung ge*
widmeter Schacht
Ferner werden die Wetterwege erweitert und vermehrt
Um den Kohlenstaub unschädlich zu machen, werden Be-
rieselungsanlagen eingerichtet Durch eingehende praktische
Versuche war festgestellt, dafi jeder trockene Kohlenstaub sich bei
* Ein weiterer Unglflcksfall, der aber nicht durch Schbtgwettefezploeloa
venuiacht war, aondem durch Obertreiben der Seflfahrtt fand am 28. September
1898 statt Dabei kamen 17 Bergarbeiter ums Leben.
•• Behrens: Beitrige zur Schlagwetteifrage, Essen 1896.
1. Befgwerksgesellschaft Hibemia. 45
genügend grofier Hitze entzflnden kann. In den Strecken werden
daher Wasserleitungsrohre gelegt, an die vor Ort ein Schlanch
angesetzt werden kann zur Benetzung des Kohlenstaubs. Vor
den Arbeitspunkten wird die Berieselung durch die Hauer selbst
ausgeführt Für die Strecken sind besondere Spritzmeister an-
gestellt Ich habe freilich vielfach die Beobachtung machen können,
dafi von dieser Einrichtung aus Bequemlichkeitsrücksichten nicht
derjenige Gebrauch gemacht wird, den die Verordnung des Ober-
t>ergamts verlangt
Außerdem wird die Förderung eingeschränkt »Die Sorge
für die Sicherstellung des Betriebes/ heifit es in der Festschrift,
»führte zu einer starken Reduktion der Förderung. Nur durch
langsamen Vorwartsbetrieb der Aus- und Vorrichtungsarbeiten war
der Zuführung gefährlicher Schlagwettermengen in die Betriebe
zu begegnen."
Seit 1891 ist femer das Schiefien in der Kohle auf Hibemia
überhaupt verboten. Seitdem wird — wie wir später noch sehen
werden — die Kohle mittels Schräm- und Keilarbeit gewonnen.
Auf Shamrock ist das Schiefien in den Flözen Sonnenschein
Dickebank und Präsident nur nach vorhergegangener Befeuchtung
des in der Nähe befindlichen Kohlenstaubes gestattet Die An-
wendung von Guhrdynamit, Sprenggelatine und Gelatinedynamit
in der Kohle und den damit zusammenhängenden Nebengesteinen
für die ganze Gmbe ist nur bei Anwendung von Sicherheits-
patronen eriaubt und schliefilich die eigentliche Ausfühmng der
Schiefiarbeit nur besonders dazu angestellten Schiefimeistem über-
tragen.*
Leider hat es nach den Geschäftsberichten den Anschein, als
ob das Werk diesen Maßnahmen, die doch im eignen und vor
allem im Interesse der Arbeiter notwendig waren, als einer neuen
Betriebsbelastung nicht sehr sympathisch gegenüberstand. In dem
Geschäftsbericht vom Jahre 1894 heifit es nämlich: »Nicht uner-
wähnt darf bleiben, dafi im Laufe des Jahres für unsere Betriebe
bergpolizefliche Anordnungen getroffen worden sind, welche die
Sicherung der Gruben gegen Explosionsgefahr bezwecken und
dies im wesentlichen durch Ein- und Beschränkung der Schiefi-
arbeit zu erreichen versuchen, Anordnungen, welche auf die Dauer
die ohnebin grofie Belastung der Kohlenindustrie durch
die Sozialgesetzgebung noch verschärfen werden.*
« Denkschrift p. 42.
46 1. Bergwerksgeselischaft Hiberala.
Das wesentlichste Mittel aber zur Erzielung einer guten Be-
wetterung war die Aufstellung leistungsfähiger Ventilatoren, die
durch Flügelräder große Luftmassen aus den Schächten und unter-
irdischen Bauen heraussaugen. Es ist ein Verdienst der modernen
Maschinentechnik, das gewaltig gesteigerte Bedürfnis der Gruben-
betriebe nach frischen Wettern durch Konstruktion guter Bewette-
rungsmaschinen befriedigt zu haben. Dadurch wird es technisch
möglich, mehr Luft und in größerer Geschwindigkeit durch die
bedeutend ^eiterten Strecken zu jagen und den Arbeitern ein
höheres Quantum pro Minute zur Verfugung zu stellen, als das
früher der Fall war. In den 70er und am Anfang der 80er Jahre
waren die Ventilatoren technisch noch unvollkommen. Die aufge-
stellten Wetteröfen aber genügten nicht mehr. 1885 wurden die
WetterOfen auf Shamrock, die immerhin nur bis 2000 cbm Luft
pro Minute zu leisten imstande waren, auf das Andrängen der
Behörde beseitigt Diese veriangte eine Steigerung des Luft-
quantums auf mindestens 2500 cbm.* Das war aber nur möglich
durch Einführung modemer Systeme leistungsfähiger Wetter-
maschinen.
Auf den einzelnen Zechen der Gesellschaft haben alle großen
Systeme von Zentrifugalventilatoren Aufstellung gefunden,
die wir auch auf anderen Zechen antreffen. Der Rateau -Ventila-
tor, der die theoretisch vollkommenste Wettermaschine darstellt,
gelangte im Ruhrbezirk 1894 zuerst auf der Zeche Schlägel & Eisen
zur Einführung.** 1897 wurde auf General Blumenthal ein großer
CapellventUator aufgestellt mit 4 m Flügelraddurchmesser, einer
Tourenzahl von 237, einer Depression**» von 129 mm und
einer Leistungsfähigkeit von 5600 cbm pro Minutef. Der Er-
finder dieses Ventilators ist ein noch heute in England lebender
Prediger, wohl der einzige Fall in der Geschichte, dafi ein
Theologe die Technik förderte. Als drittes System kommt der
Guibalventilator in Betracht, der bereits 1868 die Zeche Wil-
helmine Viktoria mit frischen Wettern versoigteft* Diejenigen
• Zeitschr. f B. H. a. S.-W. Bd. 34 p. 234.
** Die EntWickelung des niederrheinisch-westfSllschen Kohlenbeigbans Bd. VI
Wetterwirtschaft p. 257.
*^ Depression ist die Differenz zwischen der Dichtigkeit der atmosphSrischen
Luft und der durch die CentrifugaUcraft des Ventilators herbeigefahrten Ontbenluft
t a. a. O. p. 276.
tt a. a. O. p. 290.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 47
Wettennaschinen aber, die auf den warmen und tiefen Gruben der
Hibemia die grOfite Bedeutung erlangt haben, sind die Geisl er-
sehen Ventilatoren. Sie sind aufier auf Hibemia im Ruhrbezirk
nur noch auf den Zechen Zollverein und Neumfihl vertreten.
Für die einzelnen Zechen betragt die Luftmenge in der Minute:*
an! Shamrock V 1367 cbm
. Wilheünine Viktoria HUI 3100 .
I . 4676 ,
. Shamrock JMV . . . 5183 ,
, Hibemia 5930 .
. Shamrock I/D . . . . 6177 .
Die größte Leistung in bezug auf Luftersatz hat demnach
Zedie Shamrock. In dem Geschäftsbericht für 1902 wird an-
gegeben, daS die Gmbe von einer Wettermenge von 8194 cbm
pro Mmute durchströmt wurde und dafi sich diese Leistung gegen
Schlufi des Jahres auf mehr als 9000 cbm erhöhte. Davon leistete
der bei der Hauptanlage auf dem Schacht VI befindliche Venti-
lator reichlich 5000 cbm, wahrend dei im Sfidostfelde auf dem
Schacht V stehende Ventilator und der im Sfidwestfelde auf dem
Schacht Vn der Entwetterung der Zeche Shamrock und Sham-
rodc m/IV gleichzeitig dienende Ventilator je etwa 2000 cbm in
der Minute übernahmen. Damit vergleiche man die geringen Luft-
mengen der alten Wetteröfen und der früheren Ventilatoren, um
den Fortschritt ermessen zu können, der auf dem Gebiete der
Bewetterung gemacht worden ist Damit war die Gesellschaft
imstande, ihren Gruben Luftmengen zuzuführen, die weit über
das von der Behörde festgesetzte Minimalquantum hinausgingen.
Bergpolizeilich war durch die Verordnung vom 12. Oktober
1887/4. Juli 1888 eine Mindestwettermenge von 2 cbm Luft pro
Kopf der unterirdischen Belegschaft vorgeschrieben und 10 cbm
für jedes in der Grube verwendete Pferd. Die mit dem 1. Januar
1902 in Kraft getretene Bergpolizeiverordnung vom 12. Dezember
1900 ordnet dann eine Minimalmenge von 3 cbm pro Kopf der
Belegsdiaft an.
Wir kommen nun zu einem weiteren wichtigen Betriebsmittel,
den Wischen,
* «. a« O. p. 285. Die Zahlen fflr SdiUgd und Eisen und General
BhuBcnfhal sieben mir leider nicht zur VerfUgung.
48 1- Bergwerksgesellschaft Hlbemla.
Bis in die 70 er Jahre hinein kamen die Kohlen in demselben
Zustand, wie sie aus der Grube gefördert wurden, zur Verladung.
Eine Veredlung des Fördergutes durch Entfernung der Berge fand
nicht statt, ebensowenig eine Scheidung in versdiiedene Korn-
grOfien. Nur ganz notdürftig wurden durch Menschenhand die
allergrObsten Steine entfernt. Noch heute kann man auf den ein-
zelnen Zechen sehen, wie ein kleiner Teil FOrderkohle direkt
verladen wird, indem sie vorher nur Aber ein Transportleseband
gleitet, dort von jugendlichen Arbeitern von den gröbsten Bergen
l)efreit und dann mit möglichst wenig freiem Fall in den Eisen-
bahnwagen gesenkt wird. Auf den Zechen der Hibemia sind es
m. & zwei Momente gewesen, die zur Anlegung medianisch
betriebener Separationen und Waschen führten:
1. Die Anforderungen der Hüttenwerke an einen mög-
lichst aschenfreien Koks.
2. Die höheren Preise einer nach Korngrößen ge-
trennten Kohle.
Mit anderen Worten: Zur Errichtung von Waschen führte
das Streben nach Veredlung und Spezialisierung der
Kohle. Zur Kokserzeugung kann nämlich nur ganz feine Kohle
verwandt werden, die nicht gröfier als 4 mm sein soll und die
möglichst frei von Steinen ist Um diese Trennung vorzuneh-
men, mufiten nicht erst besondere Apparate ersonnen werden.
Diese waren vielmehr schon da. Sie wurden seit langem in der
Erzaufbereitung verwandt, und es kam nur darauf an, sie mit ge-
ringen Änderungen in die Kohlenaufbereitung herüberzunehmen.
Von den beiden ursprünglichen Zechen der Gesellsdiaft ent-
wickelten sich die Aufbereitungsanlagen zunächst auf Shamrock,
wo bereits, wenn ich nicht irre, seit den 1850er Jahren Koks her-
gestellt wurde. Diese erste Aufl)ereitung war nun freilich dem
damaligen Stande der Technik gemäfi noch sehr primitiv. Ein
kleiner Fortschritt wird dann in den 70er Jahren gemacht Durch
Einrichtung einer Separation und Kohlenwasche gewinnt die Zeche
Shamrock die Möglichkeit, ihr Fördeigut in diejenigen Klassen
und Sorten zu zeriegen, welche teils in direktem Verkauf, teils
zum Zwecke der Darstellung bester Kokssorten die höchsten Preise
erzielten. Es wird dann, wie es in dem Geschäftsbericht von
1874 heifit, fast nur reinste Kohle direkt, alle übrige in auf-
bereitetem Zustande abgesetzt, um so der starken Nachfrage nadi
gesiebter und gewaschener Kohle genügen zu können. Die in
1. Beigwerksgesellschaft Hibernia. 49
den 1870er Jahren erbaute Wäsche war imstande, den ganzen
Abfall an Steinkohle bei einer Tagesförderung von 1000 t zu
verarbeiten und ein Waschgut von einem Durchschnittsgehalt an
Asche von nicht fiber 24% zu liefern. Sie wusch in der Stunde
50 t und lieferte ein Waschgut .von anerkannter Reinheit und
Gfite" (Geschäftsbericht von 1879). Die Leistungsfähigkeit dieser
ersten Wäsche war also gering. Es ist auch anzunehmen, daS die
Kohlenverluste grofie waren. War die Kohle genügend rein,
wie auf Hibernia, wo man in den 70er Jahren noch auf den
GaskohlenflOzen baute, oder auf Wilhelmine Viktoria, wo dies
heute noch der Fall ist, da waren die Wäschen fiberflüssig.
Die Masdiinenbautechnik hatte damals noch nicht jenen Reife-
grad für die Einrichtungen beim WaschprozeS herausgebildet,
den wir heute keimen. Die Anlagen waren unübersichtlich, die
einzelnen Apparate unzweckmäßig angeordnet, ein Chaos von
Haupt- und Nebentransmissionen, Treppen und Treppchen und
infolgedessen die Bedienung und Beaufsichtigung erschwert Noch
im Jahre 1876 werden von Nonne im Glückauf als Nachteile
und Mängel der Wäschen jener Zeit angegeben:
1. Notwendigkeit großen Anlagekapitals bei geringer Leistungs-
fähigkeit nach Menge und Beschaffenheit
2. Großer Verschleiß an Maschinen und Apparaten, woraus
sich die Notwendigkeit häufiger Ausbesserungen und Stillstände,
sowie einer auf wenige Jahre zu bemessenden Amortisation
ergibt
3. Die Notwendigkeit einer großen Anzahl von Bedienungs-
maimschaften.
4. Bedeutende Kohlenverluste in den Abgängen, femer die
Erzeugung einer erheblichen Menge nicht zu verwertender Schlämme.
5. Als Folge aller dieser vier Umstände hohe Wäschekosten
bei einem noch unbefriedigenden Ergebnis.
Diese Mängel dürften auch bei der Wäsche auf Shamrock
vorhanden gewesen sein. Aber die Technik arbeitete unausgesetzt
an ihrer Beseitigung. Bereits 1875 wurde von dem Ingenieur
Lührig eine Feinkomsetzmaschine eingeführt »Die Haupteigen-
tfimlichkeit dieser Einrichtung bestand in der Anwendung eines
Feldspatbettes über den Setzsieben, durch welches die Schiefer,
die spezifisch schwerer sind als der Feldspat, bei der Setzarbeit
sidi allmählich durchdrängen, während die spezifisch leichtere
Stillicli. NAttoflaUkonoinltdi« Portchttagen. Bd. IL 4
50 . !• Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Kohle durch den Kohlenaustrag abgeschwemmt wird.** Diese
Erfindung hielt nun auch auf Shamrock ihren Einzug. 1880 wurden
mit der Inbetriebsetzung eines zweiten Waschesystems auch vier
neue, nach eigenen Erfahrungen verbesserte Feinkomsetzmaschinen
in Gang gebracht, durch welche sich der mit den Waschbeigen
verknüpfte Kohlenverlust um 3% verminderte (Geschäftsbericht
von 1880). Wie hoch er eigentlich gewesen ist, wissen wir nicht.
Von Wichtigkeit sind hier zwei Fragen, die mit der Okono*
mie des Waschprozesses in Verbindung stehen: Wieviel Berge
sind in der gewaschenen Kohle und wieviel Kohle ist noch in
den Waschbergen? Aufschlufi darüber gibt der AscfaegehalL
Dieser ist für die Beurteilung der Arbeit der Waschen ausschlag-
gebend. Auch hierüber ist mir leider von der Verwaltung auf meine
Anfrage Aufschlufi nicht erteilt worden. Es laSt sich jedoch an-
nehmen, daS der Aschegehalt der Kohle etwa 3 — 67o betragt
Hingegen ist der Aschegehalt der Waschberge im allgemeinen
ein auSerordentlich niedriger; er betragt 60 — 70^/o. Das entspricht
einem Gehalt an brennbaren Bestandteilen von 30— 40^/o. Sieht
man von dem Vorkommen von Brandschiefer ab, so zeigen diese
allgemeinen Zahlen, dafi grofie Massen von Kohle durch
den Waschprozefi verloren gehen. Einen Anhalt über den
Abfall von Kohlen und Bergen geben jedoch die Geschäfts-
berichte der Hibemia. Danach betrug im Jahre 1903 auf den
Zechen
die Jahresproduktion der Abfall bei der Wäsche
an Kohlen und Separation in ^/o
Hibemia . . . 298373 30133 10,08
Shamrock . . 853037 78149 9,15
Shamrock UUW 916152 80570 8,70
Der Vertust, der in umgekehrtem Verhältnis zur Größe der
Förderung steht, ist also nicht unbedeutend. Er betragt, wenn
man die ihre Kohlen nur separierende Gaskohlenzeche Wilhelmine
Viktoria mit l,32o/o und Schlägel und Eisen mit 2,47<>/o hinzu-
rechnet, für sämtliche Zechen der Gesellschaft im Durchschnitt
5,96% oder, in einer absoluten Zahl ausgedrückt, 222831 tl Leider
wird in den Geschäftsberichten eine weitere Teilung in Kohlen
und Berge nicht vorgenommen. Nehmen wir aber an, dafi von
den 888852 t Abfällen obiger drei Zechen SSVsVo auf Kohle ent-
* Jungeblodt in der Zeitschrift f. B. H. u. S.-W. Bd. 50 p. 590.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 51
fallen, so beträgt der durch das Waschen und Separieren herbei-
gefährte Kohlenverlust 62950 t
Einen weiteren Faktor in der Ökonomie des Waschbetriebes
bilden die Schlämme« Es kam darauf an, das Waschwasser zu
klären, um es wieder zum Waschen benutzen zu können, und
den Schlamm zu gewinnen. Es wurden daher anfangs außerhalb
der Waschen grofie Klärbassins angelegt, in denen der Schlamm
sich absetzte. War dies geschehen, so wurde er von der Hand
ausgeschlagen. Diese Arbeit erforderte viele Arl>eitskräfte und war
infolgedessen ziemlich kostspielig. Die Schlämme waren größten-
teils unverkäuflich und mufiten deshalb unter den Kesseln verfeuert
werden. Nachdem nun aber auf Shamrock eine Feinkomsetzwäsche
eingeführt war, wurde die Menge der Schlämme so grofi, dafi man
sie nicht mehr im eigenen Betriebe verwerten konnte. Zwar konnte
nach wie vor ein Teil den Kesselkohlen beigemischt werden,
aber um sie zur Beschickung der Koksöfen mitt>enutzen zu können,
dazu waren sie zu feucht Da sich außerdem niemand fand, der
sie der Zeche abkaufte — sie waren nicht marktgängig — , so
bildeten diese unverkäuflichen Posten eine starke Belastung des
Betriebes.
Diejenige Persönlichkeit, die hier Wandel schuf, war der ur-
sprünglich auf Zeche Shamrock angestellte Ingenieur Baum. Er
liefi t>ei seiner ersten Wäsche, die er 1887 auf Shamrock baute,
die aus dem Feinkohlensumpf übertretenden Wasser einer Anzahl
von Spitzkasten zufliefien, aus deren Spitzen der niedergeschlagene
Schlamm abgezogen und durch Becherwerke und Kreiselpumpen
dem Feinkohlensumpf wieder zugeführt wurde.
Die durch diese Einrichtung erzielte Ersparnis an Arbeitslohn,
veldie sonst für das Ausschlagen der Schlammsümpfe bezahlt
wurde, belief sich auf 360 Mark monatlich; außerdem wurden täg-
lich 20 t sonst wertloser Schlammkohle als Kokskohle nutzbar
gemacht*
Als nun 1887 die Wäsche durch einen Brand zerstört wurde,
erhielt Baum, der 1883 in Herne eine Maschinenfabrik eröffnet
hatte, den Auftrag, eine neue zu bauen. Der Aufbau ging rasch
vonstaften, so dafi die neue, technisch vollkommenere Wäsche
bereits nach fünf Monaten in Betrieb genommen werden konnte.
Von Interesse ist hier noch ein Experiment, welches die Be-
* Berggeist Jahrg. 1881.
52 1- Befgwerksgesellscfaaft Hibemia.
bandlung der gewaschenen Feinkohle betraf. In dem genannten
Jahre ffihrte die Gesellschaft ein neues, von dem bisherigen ganz
abweichendes Verfahren zur Entwässerung der Kokskohle auf
Shamrock ein. Die Einrichtung bestand in einer Anzahl von Oe-
faSen, deren Seitenwand durch ein Sieb gebildet wurde. Waren
die Gefafie mit Kohle gefällt, so lieS man an der dem Sieb
gegenüberliegenden Seite Dampf, erhitzte Luft oder Gas ein-
strömen, welche das zwischen den Kohlenteilchen befindliche
Wasser nach der freien Seite hinausdrangen sollten. Diese Ein-
richtung bewahrte sich aber nicht und wurde balcf wieder
verfassen und verworfen *
Das den Baumschen Waschen zugrunde liegende Prinzip ist:
Erst klassieren, dann waschen. Dieses Prinzip ist auf samt-
lichen Hibemiawaschen durchgeführt
Die zweite grofie Waschefabrik, der wir bei anderen in diesem
Bande beschriebenen Zechenanlagen begegnen werden, ist die
1870 von Schüchtermann und Kremer in Dortmund begründete.
Dieselbe geht von dem entgegengesetzten Prinzip aus: Erst
waschen, dann klassieren.
Unsere Aufgabe ist auch hier, die ökonomischen Diffe-
renzen der beiden Methoden klarzulegen. Sie ergeben sich ohne
weiteres aus dem Betriebsvorgang. Werden die Kohlen, wie
das auf den Waschen der Hibemia der Fall ist, vor dem Wasdien
klassiert, so müssen sie nach dem Waschen ül)er ein Entwasse-
rungssieb gehen. Dieses hat eine der betreffenden Nufisorte
entsprechende Lochung. Alles was durch dieses Sieb fallt, geht
zur Feinkohle. Da aber der Verkaufswert mit wachsender Korn-
grOSe steigt, so finden alle die Kohlen, die nach ihrer OröBe
noch zu Nufi 11, in oder IV gehören, keine ihrem Werte ent-
sprechende Verwendung. Darin ist der ökonomische Nachteil des
Systems zu erblicken.
Ahnlich liegen die Dinge bei der Klassierung. Diese erfolgt
durch ein Plansieb oder durch eine Trommel. Das Feinste aus
der Kohle wird vorher abgesiebt und wegen der groBen Verluste
nicht gewaschen. Lange blieb es unentschieden, ob dies zuerst
oder zuletzt geschehen sollte, da in ersterem Falle die Siebe durch
die darübergehenden groben Kohlen leichter offen zu halten sind,
der beim Sieben durch Zerreiben sich bildende Gries aber in die
* Jungeblodt a. a. O. p. 596, ferner p. 621.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 53
letzte Nufisorte gelangt, wahrend man im letzteren Falle, in dem
man diesen Fehler vermeidet, mit Verstopfung der Siebflachen zu
klmpfen hat Jetzt ist die Sache wohl dahin entschieden, dafi
man t)ei Flacfasieben das Ganze zuerst und bei Trommeln, deren
Siebe sich durch Klopfwerke leichter aufhalten lassen, auch statt
gelochter Bleche, die Anwendung von Drahtgeweben gestatten,
zuletzt absiebt*
Heute hat auch die Zeche Hibernia eine Wasche. Die
Ldstungsfahigkeit betragt wie auf Shamrock 120 t pro Stunde.
Auf der neuen Zeche Shamrock III/IV erreicht sie sogar 175 t
Die weitere Steigerung der Leistungsfähigkeit vollzieht sich durch
Anlage von Doppelwaschen. Da eine solche Wasche nicht weniger
als 120000 Mark Anlagekapital kostet und ihre Errichtung auf
allen Zedien, die in der Fettkohlenpartie bauen, im Gegensatz zu
früher als absolute Notwendigkeit anerkannt wird, so ergibt sich eine
nicht unerheblidie weitere Immobilisierung des in dem Unter-
ndimen fixierten Kapitals. Die ganze Aufbereitung vollzieht sich
grOfitenteOs mechanisch. Durch automatische Vorrichtungen
erfolgt der Transport der Kohle auf dem kürzesten Wege und
nur in seltenen Fallen hat die Menschenhand einzugreifen. Auf
den meisten Waschen habe ich nur 4 — 5 Arbeiter gesehen. Auf
den heute veralteten Einrichtungen auf Shamrock freilich ist die
Zahl erheblich höher. Nach dem Geschäftsbericht von 1903
waren Waschearbeiter tatig auf
Schlägel und Eisen 9 oder 0,240/o der Gesamtbelegschaft dieser Zeche
Hibemia .... 10 . 0,880/o . . . .
Sbamrodt .... 27 . 0»97o/o . , , .
Shamrodc m/IV. . 33 . UP/o . . . .
Wie auch beim Waschprozefi die ganze Entwicklung darauf
hinausgeht, Menschen fiberflössig zu machen, laSt sich am
besten erkennen, wenn wir die Zahl der heute in der Wasche
tatigen Personen mit früheren Jahren vergleichen. Der erste
Gesdiaftsl)ericht, der darüber Nachweisungen enthalt, ist der vom
Jahre 1881. In demselben wird die Zahl der Wasche- und Sepa-
rationsarbeiter von Shamrock auf 45 oder 3,5 ^/o der Belegschaft
angeget)en, wahrend sie heute, wie erwähnt, nur 27 oder 0,97^/o
betragt
Wahrend die bisher besprochenen Art>eitsmittel der Förderung
* Denittchr. zum VID. aUgem. deutsch. Beigmannstag p. 149.
54 1- Bergwerksgesellschaft Hibernia.
der Kohlen oder wie die Aufbereitungsanstalten ihrer Reinigung
und Sortierung dienen, haben wir nun noch einige Einrichtungen
kennen zu lernen, die man als Sekundärbetriebe bezeichnen
kann, und die eine Umwandlung des Produkts zur Verwirklichung
eines höheren Gedankens der Brauchbarkeit bezwecken.
Damit verläSt die Gesellschaft die Sphäre der reinen Roh-
stoffgewinnung, um durch Angliederung einer Reibe weiterer
Produktionsmittel den Rohstoff zu veredeln. Dieses Streben wird
hauptsächlich diktiert durch eine höhere VerwertungsmOglich-
keit des aus der Kohle gewonnenen Produkts. Die Daseins-
berechtigung der im folgenden zu besprechenden Nebenanlagen
beruht also in letzter Linie in der Herstellung von Erzeugnissen,
die nach Abzug der Fabrikationskosten besser bezahlt werden,
als die Kohle.
Hierher gehören in erster Linie die Kokereien. Es sind
dies mit feuerfesten Steinen hergestellte Retorten zur Destillation
der Steinkohle. In denselben werden die flüchtigen Bestandteile
(Bitumen) herausgetriel>en und dadurch der Kohlenstoffgehalt
konzentriert Durch die Zunahme der relativen Kohlenstoffmenge
wird der Heizwert bedeutend gesteigert
Unter den Kohlen ist die Fettkohle die beste Kokskohle, weil
sie in der Hitze zusammenbackt Flammkohle und Mageikohle
d. h. Kohle aus den geologisch jüngsten und geologisdi ältesten
Ablagerungen kann man nicht verkoken, es sei denn, dafi sie als Zu-
satzmaterial gebraucht wird. Der Obergang zur Koksproduktion
steht daher in Abhängigkeit von dem Abbauhorizont Auf
Wilhelmine Viktoria, wo heute noch Flamm- und Gaskohlen ge-
fördert werden, besteht keine Kokerei, wohl aber auf Hibernia und
Shamrock, wo man in den Fettkohlenpartien baut Als man 1903
auf Schlägel und Eisen Schacht III/IV die ersten Fettkohlen zu
fördern begann, wurde gleichzeitig eine neue Wäsche und eine
neue Kokerei dem Betriebe übergeben. Diese Wechselbeziehun-
gen zwischen Teufe resp. Art der geförderten Kohle und
oberirdischen Anlagen ist nicht nur durch die Hibernia, sondern
auch für sämtliche anderen Zechen Rheinland-Westfalens charakte-
ristisch.
Die ersten Koksöfen wurden auf Shamrock nach englischem
illuster gebaut Es waren sog. Bienenkorböfen von runder
Form, daher auch Rundöfen genannt Die Anlagekosten waren
gering, pro Rundofen etwa 1500 Mark, die Betriebskosten hoch.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 55
Alle zwei Jahre mufite die Sohle, alle 6—8 Jahre das Gewölbe
vollständig erneuert werden. Der mechanische Betrieb war noch
wenig entwickelt Der Kokskuchen wurde mit der Hand gezogen.
Daher war die erforderliche Arbeiterzahl groS. Im allgemeinen
rechnete man einen Mann auf zehn Öfen. Nach Simmersbach*
waren auf der Zeche Shamrock 1862—1866 152 Rundöfen im Be-
triebe. Die Kohlenfällung betrug 6 t, die Garzeit 72 Stunden,
das Ausbringen 60%, die Tagesleistung 4,6 t Auf eine Tonne
Koks entfielen an Kosten auf
Löhne etwa 1,24 Mark
Materialien 0.68—0.75 .
Sonstige Ausgaben ^__^ 0,15 ,
zusammen 2,07 Mark
Ein solcher Ofen lieferte also bei 6 t Füllung, dreitägiger
Brennzeit, 55^/o Ausbringen und 330 Betriebstagen im Jahre gegen
333 t Koks.
Wir ersehen daraus, dafi im Vergleich mit den heutigen Öfen
die Selbstkosten und das Ausbringen gering waren. Die Kokerei
auf Shamrock produzierte also geringe Mengen teuren Koks.
At>er dieser Koks war qualitativ hochwertig. «Der Koks zeichnet
sich durch seine Stflnglichkeit, Festigkeit und durch schönes Aus-
sehen aus und wird meistens unter dem Namen Patentkoks zu
höherem Preise wie Copp^ekoks verkauft; besonders wird er von
Gießereien und Fabriken, weniger oder gar nicht von Hochofen-
werken l)evorzugL" (Simmersbach a. a. O.) In den beiden letzten
Jahren, in denen Rundofenkoks erzeugt wurde, stellten sich die
der Zeche vom Syndikat gezahlten Preise pro Tonne folgender-
maBen:
1897 1898
Rundofenkoks 14,50 Mark 16,— Mark
Hingegen war der Verrechnungspreis für samtliche anderen
Kokssorten niedriger. Er betrug fär:
1897 1898
Hochofenkoks .
12-12^ Mark 14,— Mark
Oieftereikoks . .
13,50 . 15.- .
Brechkoks Vü .
14.- . 15.50 .
in. .
10.- . 12.- .
IV .
6.- . 6.50 .
* Die Koksfat»rJkation im Oberbergamtsbezirk Dortmund in der Zeitschr.
f. B. fi n. S.-W. Bd. 35 p. 301.
56 !• Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Historisch interessant ist die Tatsache, dafi dieser Patentkoks
in der stillen Geschäftszeit von 1874—1879 eine piice de r^-
sistance gegen die Wirkungen der Krisis bildete. In dem Ge*
Schaftsbericht der Hibemia von 1875 heifit es: i,Die bewahrte
Qualität des Patentkoks von Zeche Shamrock wird mit jedem
Tage mehr anerkannt und bietet einen unschätzbaren Ruckhalt
für den Grubenbetrieb, der dadurch weniger abhängig wird von
den Fluktuationen des Kohlenabsatzes.*
Die alten RundOfen haben sich auf Shamrock I/II aufierordentlich
lange gehalten. Im Jahre 1874 waren 241 Rund- und 24 Coppte-
Ofen, 1880 245 RundOfen, 1897 noch 28 vorhanden, bis auch diese
im folgenden Jahre eingingen. Es waren die letzten in Deutsch-
land. Mit ihrem Versdiwinden auf Shamrock ist ihre Art aus-
gestorben.
Das zweite System, das nunmehr mit den RundOfen in
Konkunenz trat und diese, wenn auch sehr langsam, verdrängte
sind die von Dr. Otto in Dahlhausen a. d. R. mehrfach verbesserten
Copp^eOfen. Die Verkokung vollzieht sich hier nicht in runder,
sondern in schmaler hoher Kammer von kleinem Querschnitt
Die auf den beiden Schachtanlagen von Shamrock in Betrieb
befindlichen Otto -Öfen haben eine mittlere Weite von 60 cm,
eine Hohe bis zum Widerlager von* 170 cm und eine Lange
von 10 m.
Einen weitem Fortschritt in bezug auf Massenproduktion stellen
dann die auf den beiden genannten Zechen erbauten Otto-Hoffmann-
Ofen dar. Sie unterscheiden sich* von den Otto-Öfen im wesent-
lichen durch die Art der Beheizung. Die letzteren besitzen auf
ihrer ganzen Lange in gleichmaSigen Abstanden Bunsenbrenner
(10—12 Stück pro Ofen), die von unten in den Ofen eindringend,
die Kanäle mit Gas beheizen. Es fehlt ihnen die bei den Otto-
Hoffmann-Öfen vorhandene Aufspeicherung der Abhitze in Regene-
ratoren und die Ökonomisch wertvolle Ausnutzung derselben zur
Vorwarmung der Verbrennungsluft
Die Leistungen sind folgende. Es betragt nach Angaben der
Denkschrift (p. 66)
bei den Otto -Ofen den Otto-Hofhnann-Ofen
die KohlenfüUung pro Ofen 7^ t 8 t
die Gahrungszeit .... 42—48 Std. 32—36 Std.
die Produktion im Monat . 95—100 t 120—128 t
* Nach gefälliger Privatmitteilung der Verwaltung.
1. BergwerksgeseUschaft Hibernia. 57
Die Kokerei gewahrt dem Unternehmen zwei groSe Vorteile.
I. Sie stellt ihm bedeutende Mengen von Abhitze zur Ver-
ffigung. 2. Sie liefert in besonderen Nebenanlagen wich-
tige chemische Stoffe.
Die in den Koksöfen wahrend der Garzeit erzeugten Gase
gingen bei den in den 50er und 60er Jahren in Deutschland
fiblichen Schaumburger Öfen ungenützt in die Luft Mit der Ein-
führung geschlossener Öfen aber wurde es möglich, die Abhitze
weiter ffir den Betrieb zu verwenden, und zwar zur Heizung der
Dampfkessel. Damit war eine sehr bedeutende Ersparung
an Kohle verknüpft Dieselbe betrug im Durchschnitt der Jahre
1893—1897 auf den drei Zechen Shamrock I/ü, III/IV und Hibernia
pro Arbeitstag 152,66 t
insgesamt im Jalire . . . 45225» — t
in Geld ausgedrückt im Jahre 290648 Mark.*
Im Jahre 1903 belief sich die durch Verwendung der Abhitze
der Copp^eöfen unter den Dampfkesseln ersparte Kohlenmenge
an! Hibernia .... auf 15451 t oder pro Arbeitstag 52^36 t
. Shamrock 28435 t . . . 51,89 t
. Shamrock WN . . 16055 t . . . 53,87 t
• ScbUgd und Eisen . 13268 t . . . 58,97 t
Von den einzelnen Zechen wird also pro Arbeitstag auf
Schlägel und Eisen am meisten Kohle durch Verwendung von
Abhitze gespart
Berechnet man, wieviel in dem genannten Jahre der zur Ver-
kokung aufgegebenen Kohlen in der Abhitze wiedergewonnen
wurden, so stellt sich diese Zahl auf 16,34%.
Aufier den eben erwähnten Flammöfen, bei denen nur die
Abhitze gewonnen wird, befinden sich auf den Zechen der Hi-
bernia auch sogenannte DestillationsOfen, welche mit Anlagen
zur Gewinnung von Nebenprodukten verbunden sind. Es werden
drei Stoffe gewonnen: Teer, Ammoniak und Benzol Aus
den heifien Gasen scheiden sie sich durch Verdichtung in Konden-
sationsanlagen bei der Abkühlung aus. Bereits auf den alten
Rundofen wurden die sonst ausschliefilich zur Kesselheizung ver-
wendeten Gase in Kahler geleitet Ober die um die Mitte der
80er Jahre gemachten Versuche heißt es im Geschäftsbericht von
* Siehe Denkschrift p. 89.
58 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
1885: »Der mit einer Batterie von zwölf Koksöfen angestellte Ver-
such zur Gewinnung der Nebenprodukte aus auf Shamrock ge-
bräuchlichen und zu diesem Zwecke etwas modifizierten Patent-
rundöfen ist vollkommen gelungen, in dem ein das frfihere um
12— 15®/o übersteigendes Ausbringen an vorzüglichem Koks bei
reichlicher Teer- und Ammoniakgewinnung erzielt wird.* Spater
erfolgt eine Erweiterung. Im Geschäftsbericht von 1895 wird über
die neuen Nebenbetriebe folgendes bemerkt: «Die Anlagen werden
als werbende Kräfte eine wichtige Stelle in dem Haushalt
unserer Gesellschaft einnehmen.*
Freilich sind nicht alle Koksofen-Batterien, welche der Hibemia
gehören, mit Anlagen zur Gewinnung von Sekundärprodukten ver-
sehen. Von den 590 Koksöfen sind gegenwärtig (1905) vor-
handen: 270 Flamm- und 320 Teeröfen.
Diese verteilen sich auf die einzelnen Zechenanlagen folgender-
mafien:
Flammöfen
DestiUat
Hibemia
60
Shamrock I/n . . . . '
120
60
Shamrock HI/IV . . .
60
120
Schlägel und Eisen ni/IV
—
60
General Blumenttiall/n .
30
—
III/IV
—
80
270 320
Der hohe Anteil der Flammöfen an der Gesamtzahl der Koks-
öfen scheint offenbar in Zusammenhang zu stehen mit den hohen
Anlagekosten, die mit der Gewinnung der Nebenprodukte
notwendig werden. Wir sahen, daS ein alter Rundofen bloB
1500 Mark kostete. Ein Flammofen von Otto kostet bereits
3000 Mark. Die Neuanlage von 60 CoUinöfen auf Shamrock IQ/IV
aber erforderte 725000 Mark; ein Ofen stellte sich demnach auf
12083 Mark. Es ergibt sich also auch hier mit fortschreitender
Entwicklung eine Zunahme des stehenden Kapitals, bedingt durch
den Obergang zu rationellen Methoden der Koksdestillation. Aber
es last sich nicht nur hier, sondern auch bei anderen Gesell-
schaften die Beobachtung machen, dafi ein Kausalnexus besteht
zwischen der Höhe der Verschuldung und der Ausdehnung der
Nebenanlagen. Stark verschuldete Gesellschaften, wie wir sie in
Königsbom kennen lernen werden, haben keine Destillations-
anlagen. Die moderne Technik bedient heute die Koksöfen in viel
umfassenderer Weise mechanisch als das früher der Fall war.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 59
Früher wurde die Kohle von den Türmen nach der Kokerei durch
besondere Schlepper und durch Pferde gefahren. Heute besorgt
den Transport eine Kettenförderung.
Freilich hat die menschliche Arbeitskraft hier immer noch
eine Anzahl Funktionen zu übernehmen , die vielleicht später
einmal einem Automaten übertragen werden. Das Beschicken
des Ofens, der 7^ resp. 8 t fafit, geschieht durch Arbeiter.
Ober die Batterie hinweg gehen Schienengleise, auf welchen die
Wagen mit Kohlen herangeschoben werden, dann zieht der Ar-
beiter eine den Ofen luftdicht abschliefiende Glocke empor und
stürzt die Kohle hinein.
Das Einebnen in den Ofen ist auf den meisten Werken
einem Mechanismus übertragen. Eine Planiermaschine nimmt
denKoksarbeitem eine gefährliche und gesundheitsschädliche Arbeit
ab. Ebenso wird der Ofen mechanisch entleert und zwar durch
eine Koksausprefimaschine, während früher der Arbeiter mit
eisernen Krücken den Kuchen aus dem Ofen herausziehen mufite.
Es sind vorhanden auf Shamrock 4, auf Shamrock III/IV 3 und
auf Hibemia 1 von je ca. 20 Pferdekräften. Eine solche Maschine
ruht auf einem Gestell, welches auf Eisenbahnschienen an dem
Ofen entlang gefahren werden kann. Durch einen Stempel wird
der Kokskuchen herausgedrückt Zwei Arbeiter ziehen die Tür
des Ofens in die Höhe und von Glut und Rauchwolken umgeben
wird der viereckige Kolofi herausgeprefiL Ein kalter Wasserstrahl
empfangt ihn. Die Glut wird gelöscht Ein alles verhüllender
Rauch entwickelt sich, aber hindurch schimmern die auseinander-
bröckelnden Stücke, einen scharfen Geruch verbreitend. Ist der
Koks abgekühlt und auseinandergefallen, dann wird er mit der
Hand in Karren geladen und in die unter der Koksbühne stehen-
den Eisenbahnwagen gestürzt, sofern er nicht, wie z. B. auf
Shamrock, vorher sortiert wird.
Aus dieser Beschreibung gebt hervor, dafi zwei schwere
und schädliche Arbeiten durch den Automaten vollzogen
werden: Einmal das Planieren und zweitens das Ausziehen.
Im übrigen wird die menschliche Arbeitskraft noch in ausgiebigem
Mafie verwendet Die Zieher und Veriader haben schwere und
wegen der Hitze und Gasentwicklung gröfitenteils gesundheits-
schädliche Arbeit auszuführen. Ob hier nicht noch wesentliche
technische Verbesserungen, die das mechanische Aufziehen der
Türen, das Löschen und die Veriadung betreffen, am Platze
60 !• Bergwerksgesellschaft Hibemia.
wären, ist eine Frage, die ich den Technikern zum Nachdenken anheim
gebe. An menschlicher Arbeitskraft werden heute für eine Batterie
von 60 Ofen 16 Leute in einer Schicht gebraucht Nämlich
4 Zieher resp. Löscher, 4 Kokslader, 3 Ffiller, 1 Schlepper, 1 Tur-
bediener, 1 Knabbelmaschinist, 1 Türpinseier, 1 Aushilfe. 12 Stun-
den lang sind in der Destillationsanlage tätig: 3 Maschinisten,
3 Leute in der Ammoniakfabrik, 2 Ventil Wärter und Vorlage-
reiniger, 4 Düsenreiniger, 1 Kesselwärter, 1 Laborant mit Gehilfen.
Die Zahl der Kokereiarbeiter betrug im Jahre 1903 auf
Hibemia .... 31 oder 2,720/o der Belegschaft
Shamrock .... 121 . 4,370/o .
Shamrock III/IV . 73 . 2,680/o .
Schlägel wid Eisen 52 . Ifil^/o ,
Eine zweite wichtige Nebenanlage, die mit der Aus-
beutung der Gaskohlenpartie in Zusammenhang steht, ist die Gas-
anstalt auf Shamrock und Wilhelmine Viktoria I. Die erstere
Anlage ist die ältere. Sie wurde während der Krisis der 70er
Jahre erweitert In dem Geschäftsbericht von 1876 wird mitgeteilt,
dafi sie seitdem ein vorzfigliches reines und helles Gas von durch-
schnittlich 14 Lichtstärken liefert und daS von den drei Ofen mit
je sechs Batterien regelmäßig nur eine Batterie mit einer Produktions-
fähigkeit von 1250 cbm in Betrieb steht Die Anstalt versorgte
bisher die Stadt Herne mit Gas. In der Denkschrift werden dar-
über folgende Angaben gemacht: Die Länge des Straßenrohr-
netees betrug 16069 m, die Zahl der Flammen, welche von der
Gasanstalt gespeist werden, 4713, hiervon entfielen auf die Stadt
Herne 3177 und auf den Ort Baukau 344 Flammen, während
der Rest von 1192 Flammen in den eigenen Betriebsanlagen der
Zeche Shamrock und in den Beamtenwohnungen verwendet
wurde. Das Gas wurde zu Leuchtzwecken in der Weise verkauft,
dafi, wer pro Monat über 100 cbm brauchte, 15 Pf. zu zahlen
hatte; wer darunter konsumierte, aber 16 Pf. Gas zu Heizzwedcen
wurde für 10 Pf. pro Kubikmeter abgegeben. Solange dieser
Vertrag dauerte, war die Gasanstalt eine rentierende An-
lage; denn die Selbstkosten stellten sich pro Kubikmeter auf
5—6 Pt Mit dem Jahre 1903 aber lief der Vertrag ab. Die
Stadt baute eine eigene Gasfabrik und ging zur Selbstbedaris-
deckung über. Die Gasproduktion der Zeche aber stürzte, wie
wir später sehen werden, im Jahre 1903 auf die Hälfte herunter.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 61
Das war für die Zeche ein harter Schlag, wenn auch die Gas-
anläge bis auf einen kleinen Rest abgeschrieben ist
Ihre jahrliche Leistungsfähigkeit stellt sich auf 600000 cbm
Gas. Die Produktion betrug 1903 562960 cbm. Diese wurden
gewonnen aus 2049^6 t Kohle. Das Ausbringen beträgt also
274,67 cbm pro Tonne. Außerdem ergeben sich 4Nebenprodukte.
Das wichtigste ist der Koks, etwa 1000 1 jähriich.* Durch Kühlung
des Gases wird Teer und Ammoniak herausdestillierL Die Aus-
beute beträgt bei Teer 5%, bei Ammoniakwasser 10%, die jähr-
liche Menge 100 resp. 200 t Außerdem wird der entstehende
Schwefelwasserstoff durch Raseneisenerz gebunden und das sich
bildende Schwefeleisen, etwa 20 t jährlich, an Cyan-Fabriken ver-
kauft, die hauptsächlich Blutlaugensälz daraus machen. Der Cyan-
gehalt mufi mindestens 8 — 12% betragen. Der Doppelwaggon
kostet 240 Mark.
Wesentlich der Deckung des Selbstbedarfs dient die Gas-
anstalt auf Zeche Wilhelmine Viktoria. Sie ist für eine
Tagesproduktion von 2000 cbm eingerichtet Der Gasometer hat
einen Inhalt von 780 cbm. Die Fabrik ist also bedeutend kleiner
als die vorher erwähnte. Die Produktion an Gas betrug 1903
418313 cbm; zu ihrer Herstellung dienten 1316,40 t Kohle. Das
Ausbringen belief sich also auf 317,77 cbm, war demnach wesent-
lich höher als auf Shamrock. Von der Gasanstalt werden gespeist
im ganzen 1042 Flammen. Der Hauptabnehmer sind die Zechen-
anlagen, nur 142 Flammen werden nach den Angaben der Denk-
schrift an benachbarte Private abgegeben.
Eine dritte, mit der Förderung von tonhaltigem Schiefer und
der Verwertung der entsprechenden Berge in Zusammenhang
stehende Anlage ist die Ziegelei. Dieselbe lag ursprünglich auf
Hibemia und arbeitete für den Markt Es wurden gebrannt Bau-
steine, feuerfeste Steine und Fassonstflcke. Allein mit dem Aus-
bruch der Krisis in den 70er Jahren schlief die Bautätigkeit ein
und der Absatz stockte. Die Folge war ein unabsetzbares Lager.
Die Ziegelei eriitt 1874 einen Verlust von 10885 Mark. In dem
Geschäftsbericht des genannten Jahres wird folgendes ausgeführt:
.Bei dem aufierordentlich reduzierten Bedarf der Industrie und der
ausgedehnteren Produktion feuerfester Steine, Fassonstücke usw.
mufiten die früher vorhandenen teuren Vorräte mit Schaden reali-
* Diese und die folgenden Angaben nach gfltiger PrivatmitteUung.
62 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
siert werden; wir haben deshalb diesen Betriebszweig mit Aus-
nahme weniger unter den jetzigen Verhältnissen noch lohnenden
Artikel auf unsem eigenen Bedarf beschränkt". Die Produktion
an Ziegelsteinen betrug:
pro Jahr pro Arbeitstag
1873: 2660050 Stück 8867 Stück
1874: 1188280 . 3961 .
1875: 1590149 . 5300 .
Vom 1. September 1875 wird dann der Betrieb gänzlich ein-
gestellt Die Ziegelei wird ein Opfer der Krisis. Die Gebaulich-
keiten werden in den Dienst eines anderen Zweckes gestellt
Die alte Ziegelei verwandelt sich in eine Waschkaue. Hier-
über heifit es in dem Geschäftsbericht von 1875: «Abgesehen von
der zweifelhaften künftigen Rentabilität dieses Betriebszweiges
(der Ziegelfabrikation) war für die Einstellung derselben der Um-
stand mafigebend, dafi die Erbauung einer Waschkaue für die Be-
legschaft als dringend notwendig sich herausstellte, und dafi die
Gebäude der Ziegelei sich hierzu sehr zweckmäfiig und ohne
grofie Kosten verwenden lassen. Die auf -diese Weise entstandene
Waschkaue ist mit zwei geräumigen Bassins und großem, durch
Dampfofen erwärmten Ankleideraum für 1000 Mann eingerichtet,
wo jeder Arbeiter einen verschliefibaren Kleiderschrank fiber-
wiesen erhält*
Eine zweite Ziegelei entstand auf Wilhelmine Viktoria. Sie
gehörte ursprünglich einem anderen Besitzer, nämlich der Kom-
manditgesellschaft Tigler & Co. Am 1. Januar 1888 ging sie zum
Preise von 75000 Mark in das Eigentum der Hibemia über. In
der Denkschrift werden über diese Anlage folgende Details an-
gegeben: »Die Ziegelei besteht aus einem Ringofen mit 16 Kammern,
in denen je 13000 Prefisteine zum Brennen eingesetzt werden, und
einem zweiteiligen Betriebsgebäude, in dessen einem Teil eine
80pferdige Betriebsmaschine steht, die den erforderiichen Dampf
von der 95 m entfernten Kesselanlage bei Schacht I erhält"
Freilich ist diese weite Entfernung der Dampferzeugung vom
Dampfverbrauch wirtschaftlich wenig günstig, aber historisch er-
kläriich. In dem grOfieren zweiten Teil sind dann überall Re-
servemaschinen vorhanden, die die Ziegelei gegen Störungen
schützen, nämlich 2 Steinbrecher, 2 KoUergänge und 2 englische
Steinpressen. Die jähriiche Produktionsfähigkeit beträgt 4 Millionen
Steine, wozu täglich 80, im Jahre 24000 Förderwagen Berge er-
1. Bergwerksgesellschaft Hibemla. 63
forderlich sind. Das Produkt findet zum grOfiten Teil aufdeneigenen
Bauten der Gesellschaft Verwendung, der Oberschufi wird verkauft
Pro Arbeitstag werden 12—13000 Stück produziert Die Ziegelei ist
also t>edeutend leistungsfähiger als die eingegangene auf Hibemia.
Hieraus ergibt sich, dafi dieser Nebenbetrieb wurzelt
erstens in dem Streben nach Verwertung der zutage ge-
förderten Berge, soweit diese sich zur Herstellung von
Ziegeln eignen, zweitens in dem Bedürfnis nach billiger
Fabrikation des für die Zechenbauten notwendigen Ma-
terials.
Früher hat auf Hibemia auch einmal eine Schmierfabrik
bestanden. Dieselbe ging aber im Jahre 1875 ein.
Damit haben wir die Nebenanlagen erschöpft
Rekapitulieren wir nun in Kürze die wichtigsten Betriebs-
mittel der Bergwerksgesellschaft Hibemia. Es waren dies: die
Förderanlagen, die Einrichtungen zur Wasserhaltung und
Bewetterung, die Aufbereitungsanstalten, die Kokereien,
die Teer-, Ammoniak- und Benzolfabrik, die Gasanstalt
und die Ziegelei.
Bei der Betrachtung dieser der Produktion direkt oder indirekt
dienenden Betriebe ergaben sich folgende Resultate:
1. Die Entwicklung der Förderanlagen auf den Gruben
der Gesellschaft lauft auf Einrichtungen hinaus, die es
gestatten, in kürzester Zeit ein möglichst grofies Quan-
tum von Kohle zu fördern. Diese beiden wirtschaftlichen
Antriebe, Masse und Zeit, beherrschen die ganze Kohlen-
förderung.
2. An Stelle des Menschen tritt in geringem Umfang
bei der Gewinnung, in großen Dimensionen aber bei der
Bewegung der Kohle ein System toter Körper. Der Be-
trieb wird mechanisiert Hierher gehört die maschinelle
Streckenförderung, die Schachtförderung, die mechanische
Aufbereitung, die Verladung der Kohlen, der Transport
der Berge und anderes mehr.
3. Mit zunehmender Teufe wird der Betrieb schwie-
riger, teurer und gefährlicher. Die durch die unterirdi-
schen Verbaltnisse bedingte Ausdehnung der Betriebs-
mittel (Wasserhaltungsmaschinen und Ventilatoren,
Waschen und Ziegeleien) ist gleichbedeutend mit zu-
nehmender Immobilisierung des Industriekapitals.
64 1. Bergwerksgesdlschaft Hibemia.
4. Um die Betriebsunsicherheit zu vermindern, das
Risiko eintretender Störungen zu beseitigen, findet das
Zweimaschinensystem Eingang (Wasserhaltung, Bewette-
rung). Damit wird die eben gekennzeichnete Tendenz
noch verschärft
5. Um das Fördergut zu veredeln und zu speziali-
sieren, werden Aufbereitungsanstalten gebaut, die auf
die Kohle die Wirkung einer Preiserhöhung ausüben.
Damit war, vor dem Inslebentreten der Syndikate, ein
Mittel geschaffen, um höhere Gewinne zu erzielen.
6. Diese Nebenbetriebe sind dadurch charakterisiert,
dafi sie große Mengen an Kohle gebrauchen und damit
in ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zum
Hauptbetriebe treten.
Nachdem wir im vorhergehenden die naturlichen Grund-
lagen und die Arbeitsmittel behandelt haben, kommen wir jetzt
zu dem dritten grofien Produktionsfaktor, der menschlichen
Arbeitskraft, die im Kohlenbergbau eine ganz besondere
Rolle spielt.
Die Zahl der Arbeiter der Gesellschaft ist im Laufe der Zeit
enorm gewachsen. Sie betrug im Jahre 1858, in dem man auf
Hibemia mit einer regelmäfiigen Kohlenförderung begann, 195,
belief sich 1873 auf 1788 Mann und erreichte im Jahre 1901
13 665 Mann. In den folgenden Jahren betrug die Arbeiter- und
Beamtenarmee im Durchschnitt auf:
Hibemia ....
Shamrock ....
Shamrock m/IV
Wilhelmine Viktoria
Schlfigel wid Eisen
General Blumenthal
Alstaden ....
1903 1904
1138 Mann 1091 Mann
2771 . 2774 .
2721 . 2828 .
2055 . 2039 .
3803 . 4006 .
- 4186 .
- 830 .
im ganzen 12488 Mann 17754 Mann
In dieser Summe sind die Beamten eingerechnet Die Zahl
der Arbeiter allein ist aus der Tabelle (S. 66) ersichtlich. Rechnet
man die Angehörigen hinzu, so belauft sie sich nach den Angaben
des Generaldirektors in der Generalversammlung vom 27. August
1904 auf 50100 Menschen, die durch den Lohn der Hibemia
ernährt werden.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
65
Aus der folgenden Tabelle geht hervor, daß die Arbeiterzahl,
von acht Ruckschlagsjahren abgesehen, ständig gewachsen ist
Setzen wir nun die Arbeiterzahl zu der geförderten Kohlen-
menge in Beziehung, so ergibt sich folgendes. Es betrug:
Jahretprodokllon auf den Kopf
di*AiMto-
zahl
dia FOrdarang in
der Belegictaaft
bn Jabf«
Im gansen
okl.
Beamte
t
anlHn>enda
Oberbetf-
amtabäik*
t
1860
793
170281
215
149
1865
1230
326291
266
200
1870
1386
326724
236
226
1873
1788
327816
183
204
1874
1780
347955
196
186
1875
1899
432052
227
203
1876
1772
419497
237
214
1877
1819
511778
281
240
1878
2308
691399
299
258
1879
2353
764199
325
266
1880
2167
723517
334
283
1881
2407
722375
300
284
1882
2500
7^856
313
288
1883
2732
894459
328
285
1884
2842
1013940
353
281
1885
2769
1034998
374
284
1886
2638
939825
357
286
1887
2393
880198
368
303
1888
3905
1452044
372
315
1889
4081
1468522
355
293
1890
4906
1531922
312
278
1891
5665
1660194
293
270
1892
5583
1602686
288
259
1893
5805
1679783
289
264
1894
6273
6402
6353
1877238
299
266
1895
1900849
296
266
1896
2109024
332
277
1897
6827
2293419
336
275
1896
10023
2996546
298
266
1899
10919
3282924
301
263
1900
II020
3620277
329
263
1901
13165
3573050
271
240
1902
11323
33I436.'>
292
238
1903
11955
3738840
, 313
253
1904
17025
4806599
1 270
* Diese Zahlen entnehme Ich dem XIL Bd. .Wlrtsch, Entw.* TeO 3 p. 42/4.
Stllllch, NallooalOkoiioaliclM Ponchniigta, Bd. U. 5
66 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Von den auf den Zechen der Gesellschaft beschäftigten Ar-
beitern ist ein grofier Teil Slawen. Die meisten Polen haben
heute die Reviere Gelsenkirchen und Herne. Die Zahl der fremd-
und gemischtsprachlichen Arbeiter beträgt auf Hibernia 50,1 ^/o^
auf Wilhelmine Viktoria S2^Vo. Wir haben es also mit Polen-
zechen zu tun.
Auf diesen ist der Belegschaftswechsel ein besonders
starker. Die Fluktuationen stehen ohne Zweifel auch mit der
Ungunst der Arbeitsbedingungen in Zusammenhang. Nach der
Deutschen Bergarbeiterzeitung (Jahrgang 1900 Nr. 37) betrug auf
Wllh.Vikt.I Wilh.ViktII/III Shamr. Shamr. IMV
Die Belegschaft pro 1899 . . 1161 1269 2985 2738
Zugang 779 727 1993 1997
Abgang 676 750 1678 1691
Auf 100 Mann Belegschaft ent-
fäUt Qesamtwechsel ... 125 116 122 134
Die Mobilisierung der Belegschaft» wie sie in diesen Zahlen
zum Ausdruck kommt, hat, wie wir später sehen werden, eine die
Arbeitsleistung herunterdruckende Wirkung.
Untersuchen wir nun weiter die arbeitsteilige Struktur
der Belegschaft, so haben wir verschiedene Kategorien zu unter-
scheiden.
Zunächst die Beamten. Ihre Zahl betrug auf
1881 1904
Hibernia 30«2V20/o 48 = 4,40o/o
ShamiDck . . . . 39:==3o/o 133»4,790/o
Diese Steigerung hängt augenscheinlich mit der Entwicklung
der Kohlenproduktion zusammen, die eine größere Zahl von Be-
amten nötig machte. Am schärfsten kommt dieser Zusammenhang
zum Ausdruck bei den jungen Zechen. Auf Schlägel und Eisen
betrug die Zahl der Personen mit fixiertem Einkommen 1898:88
und stieg bis 1903 auf 162 oder von 3,86% der Belegschaft
auf 4,260/0. 1904 betrug sie 171 oder 4,27o/o.
Auf den alten Zechenanlagen scheint es, als ob in den rela-
tiven Zahlen auch der Einflufi der Geschäftslage zum Ausdruck
kommt Bei steigender Konjunktur nimmt der Prozentanteil der
Beamten an der Gesamtheit der Arbeitskräfte ab und umgekehrt.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
67
Von der Gesamtbelegschaft waren Personen mit fixiertem Ein-
kommen
auf Hibemia auf Wilhdmine Viktoria
1897 4,980/0 4,020/0
1898 4,660/0 3,670/o
1899 4,520/0 3,840/o
1900 4,320/0 3,740/0
1901 4,120/0 3,710/0
1902 4,140/0 4,270/0
1903 4,310/0 4,530/0
1904 4,400/0 4,510/0
Die Gesamtzahl der Beamten auf allen Zechen der Gesellschaft
t>etmg 1903:533| 1904:729 Personen.
Die Grundmasse der Belegschaft und ihr wichtigster Teil
aber sind die Hauer, vor allen die Kohlenhauer — von den
Gesteins- und Reparaturhauem wird spater die Rede sein. Der
Kohlenbauer hat die Aufgabe, die Kohle aus ihrem natürlichen
Zusammenhang mit dem umgebenden Gestein zu lösen, so daß
sie zur Förderung gelangen, d. h. behufs weiterer Verwertung zu-
tage geschafft werden kann.
Die Zahl der Kohlenhauer betrug in den Jahren :
1904J|449
Hieraus geht hervor, daß die Zeche Schlägel und Eisen, die,
wie frfiher erwähnt, aus drei großen Schachtanlagen besteht, auch
die größte Zahl von Kohlenhauem hat Dann folgt General
Blumenthal. Die absolut kleinste Zahl weist, von Alstaden ab-
gesehen, die Grube Hibemia auf, und die drei anderen Zechen
stehen mit etwas fiber 1000 Hauern in der Mitte. Die Zahl der
Hauer auf sämtlichen Hibemia-Zechen aber belief sich 1903 auf
5212, 1904 auf 7228.
5*
68 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Aus den relativen Zahlen aber ergibt sich, dafi auf Wilhel-
mine Viktoria der grOfite Teil der Belegschaft, nSmlicb nahezu
die Hälfte, vor der Kohle steht, wahrend dies bei den übrigen in
der Tabelle verzeichneten Zechen heute nur etwa bei zwei Punftd
sämtlicher Arbeiter der Fall ist Je mehr es aber ceteris paribus
möglich ist, die Zahl der direkt bei der Kohlengewinnung be*
schaftigten Arbeiter zu erhöhen, desto günstiger ist dies für das
Unternehmen. Dafi auf Shamrock noch keine 40 ^/o der Beleg-
schaft vor der Kohle stehen, hängt mit dem früher beschriebenen
chemischen Temperament der Grube zusammen, welches eine Ein-
schränkung der unmittelbar bei der Kohlengewinnung tatigen
Hauer nötig machte. Die Arbeit des Kohlenhauers ist heute grofien-
teils noch Handarbeit Die wichtigsten Werkzeuge sind Schlägel
undEisen,die bekannten Embleme der Bergarbeit, und die Keilhaue.
Die letztere wird hauptsächlich dazu benutzt, um in den Schiefer
oder in das Kohlenflöz einen engen und tiefen Schlitz hinein-
zuhauen. Diese Arbeit, Schrämen genannt, ist schwierig und
mühevoll. In der Ministerial -Zeitschrift (Ztschr. t B^ H. u, &-W.
Bd. 14 p. 256) heifit es: »Bedenkt man — namentlich beim
Steinkohlenbergbau — wie Tausende von Bergleuten jahraus,
jahrein in ungenügender Lage vor hartem Schräm hingestreckt
liegen müssen, so mufi man es als eine Angabe des mensch-
lichen Eriindungsgeistes erkennen, dieselben von dieser geisttöten-
den, wenig leistenden Arbeit zu befreien.* Aber die Schramart>eit
mit der Keilhaue ist nicht nur schwierig, sie ist auch kostspielig.
Diese beiden Motive sind es vornehmlich gewesen, die dazu
führten, die Arbeit des Schrämens einer Maschine zu über-
tragen. In England geschah dies bereits in den 60er Jahren,
auf den deutschen Zechen relativ viel später. Hier war es vor
allem die UnvoUkommenheit der Konstruktion und die t}edeutend
niedrigeren Löhne der Bergarbeiter, die der Einführung im Wege
standen. Auch im Kohlenbergbau erweist sich der niedrige
Lohn als ein Hemmschuh des technischen Fortschritts.
So heifit es in dem eben zitierten Aufsatz aus dem Jahre 1866:
»Stehen nun die Bergmannslöhne in England noch mindestens
50^0 üt>er den unsrigen, so wird man um so weniger es viel-
leicht schon an der Zeit erachten wollen, bei uns mit diesen
Maschinen zu beginnen.*
Diese Gründe sind vielleicht nicht die einzigen, aber sie er-
klären es, warum auch auf Hibemia die Einführung von Sdiräm-
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 69
maschinen erst aufierordentlich spät erfolgte. Dazu kam, dafi
die ersten Versuche, die man in den 90er Jahren machte, nicht
einmal glücklich ausfielen. 1898 stellte man auf Hibemia Korf-
mannsche Schrämmaschinen auf. Die Maschinen kamen bei der
Kohlengewinnung in den besonders harten Flözen 16 und 17 zur
Anwendung, wurden jedoch bereits nach drei Wochen als voll-
kommen unzweckmflsig wieder beseitigt. Zunächst stellte es sich
als nachteilig heraus, dafi zur Bedienung beim Aufstellen und
beim Auswechseln der Schrämbohrer drei Mann erforderlich waren.
Vor allem blieb aber die Leistung hinter derjenigen beim Schrä-
men mit der Hand zurück, indem nach Htägigem Betrieb drei
ausgesucht tüchtige Hauer mit der Schrämmaschine bei einer
Sdiramhöbe von 50 mm und einer Schrammtiefe von 1^0 m
eine durchschnittliche tägliche Leistung von 2V2 Wagen auf den
Kopf erzielten, während dieselben Hauer unter denselben Be-
dingungen mit der Hand eine durchschnittliche Leistung von drei
Wagen erreichten.* Durch diese Mifierfolge aber liefi sich die Ver-
waltung nicht einschüchtern. Es ergab sich, dafi die für die Zwecke
des Scbrämens abgeänderten Gesteinsbohrmaschinen, die schon
lange auf der Zeche im Gebrauch waren, gute Resultate lieferten.
Neben diesen Stofischrämmaschinen bat man 1903 noch ein zweites
System eingeführt, nämlich die Radschrämmaschinen. Auf Sham-
rock I/n waren 1904 im ganzen 50 Schrämmaschinen in Tätigkeit
Anfangs begegneten diese Maschinen freilich bei der Arbeiter-
schaft der Zeche grofien Antipathien. »Wir haben sie ver-
flucht,* erklärte mir ein Arbeiter, der seit Jahren schrämte, ,aber
jetzt haben wir uns daran gewöhnt.* Ein Betriebsführer auf
Shamrock, der sich besonders für die Einführung interessiert
hatte, wurde nach seiner eigenen Angabe von den Bergleuten als
Schinder betrachtet Kein Mensch wollte eine solche Maschine
haben oder mit ihr arbeiten. Dieser Widerstand der Arbeiter
einem technischen Fortschritt gegenüber ist heute auf der Hibemia
nicht mehr vorhanden. Aber er war erkläriich. Der Hauer, der
bisher mit den einfachsten Werkzeugen hantierte, stand plötzlich
einem komplizierten Mechanismus gegenüber. Das Aufstellen der
Maschine war schwierig. Er verstand nicht damit zu arbeiten. Auf
Rhein-Elbe sah ich, wie die Bedienung von zwei Maschinisten aus-
geführt wurde; auf Shamrock aber, wo die Leute sich bereits ein-
• Zeitschr. f. B., H. u. S..W. Bd. 46 p. 107.
70 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia.
gearbeitet hatten, bediente der Kohlenhauer selbst die Maschine.
Er hatte gelernt, die Kenntnisse und Erfahrungen des Hauers mit
denen des Maschinisten zu verbinden. Ein weiterer Grund fär die
Abneigung gegen die Schrämmaschinen mag vielleicht auch darin
gelegen haben, dafi die Bedienung einer solchen Maschine wenig
angenehm ist Der Hauer, der den Schrflmkopf durch Drehung
eines Rades immer tiefer in das Flöz hineindirigiert, erleidet t>ei
den stofiartig wirkenden Schrämmaschinen in jedem Augenblick
einen Schlag auf den Arm. Die Maschinen selbst verursachen
einen Höllenlärm. Der ganze Arbeitsplatz vor der Kohle ist in
eine Staubwolke gehüllt Vielleicht kommt noch die Erwägung
hinzu, dafi die Schrämmaschinen Kohlenhauer überflfissig machen
und zu Lohndrückern werden können. Nun kann aber gar kein
Zweifel darüber bestehen, dafi die Gesellschaft mit der Einführung
von Schrämmaschinen einen gewaltigen technischen Fortschritt
akzeptierte. Es handelt sich dabei um die Mechanisierung des
Kohlenabbaues und die damit verknüpften Vorteile. Dieselben
bestehen in folgendem:
1. Der menschliche Muskel wird entlastet, denn die dnich
das Handschrämen in Anspruch genommenen Kräfte des Hauers
werden auf die Maschine übertragen. Aus dem VoUfübrer der
Arbeit wird ihr Dirigent
2. Die Lebensbedrohung ist beim Schrämmaschinenbetrieb
eine geringere. Der Arbeiter steht hinter der Maschine und ist
dem Kohlenfall, durch den die meisten Unglücksfälle entstehen,
weniger ausgesetzt, als der mit der Keilhaue unmittelbar vor dem
Stofi Arbeitende.
3. Der Durchschlag des Schrams geht schneller vor sich.
Die Leistung auf Shamrock beträgt 15 — 18 qm in acht Stunden.
Infolgedessen werden die Betriebskosten des Abbaues vermindert
4. Durch den Schrämbetrieb wird daher die Produktion ver-
mehrt .Ein und dieselbe GrubenabteUung kann bei maschinellem
Betrieb die Produktion in beträchtlichem Verhältnis vergrößern.
Bei gleichem Förderquantum hat daher ein Grubenbetrieb weniger
Strecken zu erhalten, weniger und kürzere Streckenförderung ein-
zurichten, und das Aufsichtspersonal ist geringer.**
5. Das Verhältnis der Stückgröfien wird durch die Schräm-
maschinen zugunsten eines größeren Stückkohlenfalls verschoben.
• Qerman in der Neuen Zeit 1903 p. 220.
1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia. 71
Man erhalt 25— 30®/o Stückkohle. Bei der Verwendung von
Schrämmaschinen kommen nämlich zwei Momente in Fortfall, die
sonst zu einer vermehrten Entstehung von Kleinkohle Anlafi geben,
einmal der mit der Keilhaue hergestellte breite Schräm und
zweitens der Gebrauch von Sprengmitteln. Durch die Schräm-
maschine wird ein bedeutend engerer Schräm hergestellt, als es
mit der Keilhaue möglich ist; folglich fällt weniger Kleinkohle ab.
Die Schrämmaschine macht das Schiefien überflüssig. Zum Teil
ist es ja, wie wir früher sahen, auf den Schlagwettergruben der
Hit>emia verboten oder aber nur unter gewissen Kautelen erlaubt
Wo es stattfand, war es stets mit einem grofien Kleinkohlenfall
verbunden, denn die Gewalt der explodierenden Gase rifi die
Kohle in viele kleine Stücke auseinander.
WirtscbafÜich ist nun aber der Wert der Stückkohle be-
deutend grO&er als der der Kleinkohle. Das hängt u. a., wie wir
später sehen werden, auch damit zusammen, daß bei der Klein-
und Feinkoble der Verlust an Gas wegen der GrO&e der Ober-
fläche ein sehr bedeutender ist Je größer aber die Stücke sind,
desto weniger Gas entweicht Das ist vor allen bei der Gaskohle
von besonderer Wichtigkeit Deshalb benutzt man die Schräm-
maschinen mit Vorliet>e in Flamm- und Gas-, seltener in Fett-
kohlenflOzen. Hieraus ergibt sich, dafi der große ökonomische
Nutzen der Schrämmaschinen auch darin liegt, dafi sie dem
beim Abbau gewonnenen Produkt einen höheren Ge-
brauchswert verleihen. Trotz dieser Vorteile ist der Schräm-
betrieb auf den Zechen der Hibemia noch wenig ausgedehnt Im
Geschäftsbericht des Jahres 19Q2 heifit es: ,Die Gewinnung der
Kohle mit Hilfe von Schrämmaschinen nahm (auf Shamrock) an
Umfang erheblich zu* und an anderer Stelle: »Mit Hilfe von Schräm-
maschmen wurden 35419 1 Kohle, d. h. 4,7^/o der ganzen Förderung
gewonnen.* Bedeutend höher ist der Anteil geschrämter Kohle
bereits im nächsten Jahr, nämlich 119,082 t = U^'/o der Gesamt-
förderung. So viel über die Kohlenhauer und den Ersatz ihrer
Arbeit durch Schrämmaschinen.
Diesen unmittelbar produktiven stehen nun eine weitere Kate-
gorie von Arbeitern gegenüber, die im Gestein unter Zuhilfe-
nahme von Sprengmitteln gewissermaßen Vorarbeiten für die
Kohlenhauer verrichten, die Gesteinshauer. Ihre Arbeit voll-
zieht sich heute fast überall unter Verwendung von Bohr-
maschinen, denen, wie erwähnt, die in Deutschland konstruierten
72 !• Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Schrämmaschinen zum grOfiten Teil nachgebildet sind. Diese
Bohrmaschinen stofien Löcher in die Gesteinswand. Dieselben
werden mit Sprengmaterial gefällt Die Entzündung erfolgt durch
den elektrischen Strom. Auf Shamrock hat man die Erfahrung
gemacht, dafi bei Glfihzfindung die wenigsten Versager vorkommen.
Benutzt werden kleine elektromagnetische Maschinen von der
Rheinisch -Westfälischen Sprengstoff -Aktiengesellschaft in Köln.
Wir sehen» dafi auch hier an Stelle des mit der Hand ge-
triebenen Bohrers die Maschine trat, und zwar viel früher, als
beim Kohlenabbau. Das Motiv war, Zeit und Menschen zu
sparen. Durch das Ausbohren der Sprenglöcher mittelst Bohr-
maschinen lafit sich ein Querschlag in hartem Gestein etwa drei*
bis viermal schneller herstellen als durch Handarbeit
Welch großen Umfang der Bohrmaschinenbetrieb auf den
Gruben der Hibemia hat, mag nur an einem Beispiel verdeutlicht
werden: Im Jahre 1903 betrug die Gesamtlänge der aufgefahrenen
Querschlage und Richtstrecken auf Shamrock 3818 m; davon
waren mit Maschinenbetrieb aufgefahren 3559 m.
Femer waren 1903 durchschnittlich belegt:
Gesteins- Abbau- Vorrichtungs-
betriebe betriebe betriebe
Hibemia 25 45 85
Wilhelmine Viktoria IIV 18 17 111
. n/m 15 20 94
Schlfigd und Eisen im 10 21 76
. nLlV 21 14 94
. V/VI 12 a 81
Hieraus ergibt sich das Verhältnis in der Zahl der Aus- und
Vorrichtungspunkte auf der einen und der Abbaubetriebe auf der
anderen Seite. Dasselbe betragt bei
Wilhelmine Viktoria 34«/o
Schlägel und Eisen d60/o
Hibemia 82^/0
Auf 100 Abbaubetriebe kommen also bei Hibemia die meisten
Gesteins- und Vorrichtungsbetriebe. Das Verhältnis der produk-
tiven zu den unproduktiven Arbeiten ist daher hier am un-
günstigsten. Denn je mehr Abbaupunkte vorhanden sind, desto
günstiger ist das für die Massengewinnung der Kohle und den
pro Schicht und Mann erzielten Effekt Derselbe stuft sich, wie
wir später sehen werden, anolog den eben angeführten Prozent-
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
73
zahlen ab. Er betrug auf den 3 Zechen im Jahre 1903: 1,04,
1 und 0,92 t
Im Jahre 1904 waren als Gesteinshauer tatig auf
absolut relativ
Hibemia 59 5,41o/o
Shamrock 307 ll,060/o
nnv 229 8,100/0
WUhelmine Viktoria 90 4,41 o/o
SchUgel und Eisen 350 8,740/o
General Blnmenthal 470 ll,230/o
Alstaden . 22 2fiSVo
1527
Danach arbeiten also rund 1500 Menschen direkt im Gestein.
Die dritte Kategorie sind die Reparaturhauer, die die
Strecken im Stande zu halten haben. Hierzu werden meistens
Leute genommen, denen die Arbeit des Koblenhauens zu schwer
ist, oder die wegen ihres Alters die Arbeit vor der Kohle nicht
mehr aushalten können. Ihre Zahl betrug auf
absolut relativ
Hibemia 106 9,720/o
Shamrock 195 7,030/o
UI/IV 267 9,440/0
Wilhelmine Viktoria 143 7,01 0/0
Schlägel und Eisen 351 8,760/o
General Blumenthal 434 10^7^/0
Alstaden . 33 3,98^/0
1529
Daraus ergibt sich, daß die zur Aufrechterhaltung und Kon-
servierung der Strecken nötige Zahl von Arbeitern absolut annähernd
ebenso groß ist wie die Zahl der Gesteinshauer.
Zu den mittelbar oder unmittelbar bei der Kohlengewinnung
unter Tage beschäftigten Hauern kommt dann noch eine Anzahl
Grubenarbeiter mit verschiedenen Funktionen: Pferdetreiber,
Anschläger usw. Ihre Zahl betrug in dem genannten Jahre auf
absolut relativ
Hibemia 188 17,23o/o
Shamrock 474 17,090/o
IIl/IV 462 I6340/0
Wilhelmine Viktoria 361 17,71 0/0
Schlägel und Eisen 582 14,53^/0
General Blumenthal 682 16,290/o
Alstaden . 160 19,28«/o
2909
74 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Innerhalb der Belegschaft finden wir einen Werdegang des
einzelnen Arbeiters, der in der Regel zunächst verschiedene Ar-
beiten fiber und unter Tage durchgemacht haben mu6, ehe er zu
der hochqualifizierten des Hauers tauglich ist Er beginnt, aus
der Schule entlassen, seine Tätigkeit am Leseband; hier hat er
die grofien Berge aus den Kohlen herauszusuchen, eine Arbeit,
die ein gewisses UnterscheidungsvermOgen erfordert, da es nicht
ganz leicht ist, die ebenfalls schwarzen Schiefer auf den ersten
Blick zu erkennen. Dann wird er mit 17 Jahren in die Grube
geschickt und zunächst als Pferdetreiber verwandt Bewährt er
sich, »ist er stark und pfiffig," wie mir ein Steiger auf Wilhelmine
Viktoria sagte, so kommt er auch an die Bremse und den Luft-
haspel. Dann wird er als Lehrhauer vor die Kohle gestellt Als
solcher hat er gleichzeitig die Aufgabe des Schleppers zu erfüllen,
d. h. den Wagen bis zur nächsten Anschlufistelle an die maschi-
nelle Streckenförderung zu schieben. Schließlich wird er VoU-
hauer und übernimmt damit eine schwierige, anstrengende» grofie
Kenntnisse und Erfahrungen erheischende Arbeit Im einzelnen
können freilich Abweichungen von diesem typischen Entwicklungs-
gang eintreten. Das war namentlich in dem letzten Jahrzehnt
der Fall, wo man Polen, die direkt von den Feldern Ostelbiens
kamen, mit Hauerarbeiten beschäftigte. Aber immerhin dürfte
dies die Ausnahme sein.
Nachdem wir im vorhergehenden in die soziale Struktur der
Belegschaft der Hibemia einen Blick getan haben, wollen wir
nun die Elemente des Arbeitsvertrages behandeln. Ich lege
dabei zugrunde die vom Vorstande der Gesellschaft erlassenen
Bestimmungen über die .Arbeitsordnung vom 12. Dezember 1892",
die sich an das vom bergbaulichen Verein erlassene Schema an-
schliefien.
Die beiden wichtigsten Bestandteile des Arbeitsvertrages sind
die Arbeitszeit und der Arbeitslohn.
Die Arbeitszeit ist verschieden bei den Arbeitern über und
bei denen unter Tage. Bei den ersteren dauert sie 12 Stunden
inkl. 2 Ruhepausen von je einer halben Stunde vor- und nadi-
mittags und einer Mittagspause von einer Stunde.
Bei den Arbeitern unter Tage dauert sie 8 Stunden von Be-
endigung der Seilfahrt bis zum Wiederbeginn derselben. Der
Hauer steht also 8 Stunden vor der Kohle; die Zeit des Ein- und
Ausfahrens, die ca. 1 — 2 Stunden, je nach der Entfernung der Arbeits-
1. Bergwerksgesdischaft Hibemia. 75
punkte vom Schacht dauert, ist also nicht eingerechnet Eine
auch in dem letzten großen Streik von 1905 erhobene Forderung
der Belegschaft geht dahin, daß die Ein- und Ausfahrt als inte-
grierender Bestandteil der Arbeitszeit angesehen und bezahlt werde.
In der Arbeitsordnung wird Arbeitszeit und Schicht miteinander
identifiziert Es wird darunter verstanden die Zeit von Beendigung
der Seilfahrt bis zum Wiederbeginn derselben. Man unterscheidet
eine Morgen-, Nachmittags- und Nachtschicht; die erstere dauert
von 5—1, die zweite von 2 — 10 und die letztere von 8Va bis
4V9 Uhr. Die Seilfahrt beginnt eine bestimmte Zeit früher. Die
8 Stunden-Schicht ist also in Wirklichkeit eine 9—10 Stunden-
Schichf
Dazu kommen noch Oberschichten, welche 2, 4, 6, auch
8 Stunden dauern können. Wirtschaftlich betrachtet sind sie ein
Index forcierter Anspannung und gesteigerten Kohlenbedarfs. Auf
den einzelnen Betrieben der Gesellschaft werden die Arbeiter
wenigstens nominell zu Oberschichten nicht gezwungen. »Es
steht jedem frei, zur regelmäßigen Seilfahrt auszufahren,* ist eine
Bemerkung, die in den Geschäftsberichten immer wiederkehrt
Einschließlich der Oberschichten wurden 1904 verfahren auf
Hibemia 328,96 Schichten
Sbanrock 310,99
Shimrodc UUN 307^
Wilhelmine Viktoria 297,27
Schügel und Eisen 292,29
General Biumenthal 319,—
AlsUden 330,44
* Sollte die Aft>eiter6chatznoveUe zum preußischen Berggesetz vom 8. Mirz
1906 Gesetz werden, so wOrde auf den Gruben der Hibemia, auf denen fXbtr
die Hälfte der bel^[ten Betriebspunicte eine höhere Temperatur als 22^ C haben,
efneVerkflrzung der Arbeitszeit auf 8Vs(vom 1. OIctober 1905 ab) resp. 8 Stunden
vom 1. Oktober 1908 ab) eintreten. Die Motive bemerken hierzu: .Es kann aber
keinen Zweifel unterliegen, wenn es auch statistisch kaum nachweisbar ist, dafi
die Körperkrafte eines Steinkoblenbergmanns in warmen Gruben mit einer Luft
von hohem Feuchtigkeitsgehalt sich bei gleicher Arbeitszeit schneller abnutzen,
als in kflhlen Gruben, und dafi der Arbeiter infolgedessen auch der Gefahr einer
Erkrankung und vielleicht auch der Gefahr zu verunglflcken leichter ausgesetzt
ist . . . Es Ist diese Grenze von 22^ gewählt, weil anzunehmen ist, dafi daraber
hinaus bd unseren klimatischen Verhältnissen eine derartig schwere Art>eit,
wie CS die der meisten Steinkohlenbergleute ist, ohne enge Zeitbegrenzung die
Gesundheit der Arbeiter auf die Dauer erheblich gefährden mufi.*
76 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Leider fehlt eine Trennung der gewöhnlichen von den mehr-
verfahrenen Schichten.
Diese Oberschichten sind im aligemeinen zu verurteilen. la
seinem Buche: Die Lage der Bergarbeiter im Ruhrrevier (Stutt-
gart und Berlin 1903 p. 53) bemerkt Lorenz Pieper: »Durch eine
gewöhnliche Arbeitszeit von 8—10 Stunden ist der Bergmann un-
bedingt erschöpft; eine Mehrarbeit, wenn sie längere Zeit hin-
durch erfolgt, ist gleichbedeutend mit gesundheitlichem Ruin des
Knappen, geistiger Abstumpfung, Erlahmung jeglichen Interesses
für Fragen, die über seinen gewöhnlichen Gesichtskreis hinaus-
gehen, kultureller Schädigung des ganzen Berufsstandes usw.*
Die Oberschichten, wie ihr Gegenteil, die Feierschiditen, liegen
aber in dem Mechanismus der kapitalistischen Produktionsweise
begründet und lassen sich daher nicht ohne weiteres abschaffen.
Hierüber sagt Kreutz:* »Ober- und Nebenschichten haben sich auch
in der neueren Zeit ebenso wie Feierschichten nicht vermeiden
assen, da einerseits der Kohlenbedarf ein wechselnder ist und
seine Behiedigung im öffentlichen Interesse liegt, andererseits eine
jedesmalige Anpassung der Arbeiterzahl an die jeweilig notwen-
dige Produktion teils gar nicht immer möglich ist (Erhöhung bei
Mangel an Arbeitern), teils aber den an und für sich schon
starken Belegschaftswechsel und die damit verbundenen Nachteile
noch verschärfen, bzw. Arbeitslosigkeit in bedenklichem Mafie
herbeiführen würde (Ablegung von Arbeitern bei Nachlassen des
Kohlenbedarfs)."
Oberschichten wie Feierschichten stehen, wie damit angedeutet,
im Zusammenhang mit den Konjunkturen der kapitalistischen Pro-
duktionsweise. In den Perioden guten Geschäftsganges jagt eine
Oberschicht die andere. In Zeiten der Depression werden Feier-
schichten eingeschoben, d. h. an ein oder zwei Tagen der Woche
wird überhaupt keine Kohle gefördert Sonntags wird auf den
Zechen der Gesellschaft nicht gearbeitet; nur soweit die Wasser-
haltung und Wetterführung menschliche Bedienung erfordert und
notwendige Reparaturen in Schächten und Strecken sowie an
Maschinen usw. vollzogen werden müssen, besteht eine Ausnahme.
Dasselbe gilt von der Wartung der Koksöfen. Am Sonntag darf
jedoch nicht ausgezogen werden. Die Koksöfen sind, wie früher
gezeigt, größtenteils mit Nebenbetrieben zur Gewinnung von Teer,
* Die Entwicklung der niederrheinisch -westfälischen Steinkohlenbergbaus,
Berlin 1904, Bd. 12 Teil m S. 76.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 77
Ammoniak und Benzol verbunden. Diese Nebenbetriebe bleiben
auch am Feiertag in Tätigkeit Sie rauben den darin tätigen Ar-
beitern die Sonntagsruhe.
Von besonderer Wichtigkeit für die Beurteilung der wirtschaft-
lichen Verhältnisse einer Zeche ist der Arbeitseffekt, d. h. die
von einem Mann und in einer Schicht verhauene und zutage ge-
förderte Kohlenmenge, berechnet entweder unter Zugrundelegung
der Gesamtbelegschaft der Zeche oder, was noch präziser ist, nach
der Zahl der Kohlenhauer. Die diesbezäglichen Zahlen sind ein
Index der Produktivität der menschlichen Arbeit.
Noch in der ersten Periode war die Leistung pro Mann und
Schiebt auf den Gruben der Gesellschaft eine relativ sehr ge-
ringe. Sie betrug auf den Zechen Hibemia und Shamrock 1873
nur wenig über eine halbe Tonne. Während auf Hibemia die
Leistung in den einzelnen Jahren um etwa 1 t hemmschwankt,
sehen wir auf Shamrock grofie Differenzen (siehe Tabelle S. 78).
Im Jahre 1888 entfällt auf den Mann eine seitdem nie wieder
erreichte Maximalleistung von 1,86 t oder auf den Hauer 5,04 t
pro Schicht Seitdem hat die Leistung wieder abgenommen. Am
gröfiten ist sie heute auf Shamrock I/n und III/IV.
Dieser Rückgang der Leistung, den wir in den letzten 15 Jahren
auf Hibemia und Shamrock beobachten können, hängt damit zu-
sammen, dafi der fortschreitende Abbau der Flöze in größeren
Teufen zu immer mehr Nebenarbeiten zwingt, wodurch der Ertrag
pro Kopf ziffemmäfiig hemntergedrückt wird. Femer dürfte die
Einschränkung der vor der Kohle stehenden Belegschaft infolge
des ungünstigen chemischen Temperaments der Gmben dabei mit-
sprechen. Auch der Zufluß polnischer Arbeitskräfte, d. h. ungelemter
und ungeübter Arbeiter, und der damit verbundene starke Beleg-
schaftswechsel hat ohne Zweifel ungünstig auf den Effekt gewirkt
«Tausend und aber Tausende stiegen sofort von den ostelbischen
Feldern in die westfälischen Gmben und vertauschten den Pflug
mit der Kohlenhacke. Es wäre ein Wunder, wenn da die all-
gemeine Leistungsfähigkeit nicht gesunken wäre." Berechnet man
für die 31 Jahre des Bestehens der Aktiengesellschaft von 1873—1903
den Durchschnitt, dann ergibt sich eine Leistung für Hbiemia
mit 0,94 t pro Mann und Schicht und 3^2 t pro Hauerschicht
und für Shamrock eine solche von 1427 t pro Mann und Schicht
• Pieper a. a. O. p. 125.
78
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Shamrock
Hibemia
Wilhelmine
Viktoria
Shamrock
UI/IV
Schlägel
und Eisen
Jahr
Lei-
(tung
Muin
und
Schicht
bi t
Ld-
(tnng
pro
Huier-
schlcht
Lei-
stuag
Mion
und
Schicht
In t
Ul-
itung
pro
Hauer-
Khlcht
Ld-
■tnng
jVunii
und
Schicht
bi t
Lei-
(tung
pro
Hauer-
Khlcht
ttnng
pro
Mann
und
Schicht
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Ld-
•tnng
pro
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Ld-
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Mann
und
Schicht
int
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pro
Hiincr.
schiebt
1878
0^
?
0JB6
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—
—
—
—
—
—
1874
1875
1876
1877
1878
0,64
0,87
1.00
1,24
1,25
2.45
2,74
2,69
3,21
3,32
0,68
0,71
0,74
0,90
0,90
2.16
235
2.14
2,00
2,05
—
—
—
—
—
—
1879
1880
1881
188?
1^
142
1,16
1,23
3,61
3,56
2,97
3,07
0,99
1,10
1,03
1,03
2,32
3,15
2,22
2,09
—
—
—
—
—
—
1883
1884
1885
1886
1887
1,28
1,33
1,49
1,56
1,68
3,30
3,50
3,65
4,38
4,93
1.04
1,13
1,08
1,09
1,07
2,22
2,22
2,11
2,20
2,20
—
—
—
—
—
—
1888
1889
1890
1891
1,86
1,78
1,49
1,40
5,04
4,73
4,28
4,08
1,06
1,00
1,09
0,94
1,94
2,06
230
2,08
130
0,92
036
034
231
1,90
1.75
1,69
—
—
—
—
1892
1893
1894
1,50
1,46
1,36
4,05
3,78
3,08
0,84
0,76
0,87
1,95
131
2.36
0,87
0,90
0.92
1,72
1,80
1.83
1,01
2,43
—
—
1895
1896
1897
1898
1899
1900
14»
132
1,27
1,17
1,16
1,11
2,96
3,16
2,89
2,72
2,62
2,56
032
130
0,90
038
1,03
0,90
238
235
232
2,20
23s
239
037
0,97
030
1,00
132
130
1.92
1,94
1,91
1.90
1.92
1.89
1,07
1,23
1,22
1,20
1,22
2,22
2,29
2,51
2,47
2,33
2.43
0,79
0,82
0,85
1,83
1.90
1,88
1901
1902
1,07
1.14
2,53
2,68
0.88
0,90
2,13
232
131
1.01
1,93
1.89
1,14
1.14
2.31
2,31
0,89
0,94
1.95
2.02
1903
1904
1,19
1,18
2,67
2,66
0,92
0,90
233
237
134
136
1,90
1,94
1.21
M8
2,39
2,40
1,00
1,00
2.08
2,08«
und 3,37 t pro Hauerscbicht Beide Zahlen sind demnach auf
Shamrock höher.
General Blumenthal 0,92 t (2.11) und Alstaden 0,93 t (2.14).
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 79
Untersuchen wir weiter den Einfluß der Konjunktur, so zeigen
sich ebenfalls Unterschiede* Es betrug in den
Hausse- Baisse-
aulHibernia Jahren Jahren
die Leistung pro Mann und Schicht 0,98 0,90
, Kohlenhauer . . 2,29 2,14
auf Shamrock
die Leistung pro Mann und Schicht 1,29 1,25
. , Kohlenhauer . . 3,39 3,25
Hieraus ergibt sich, dafi in den Zeiten schlechter Ge-
schäfte fibereinstimmend auf beiden Zechen auch die Leistung
eine geringere ist
Neben der Arbeitszeit und der Leistung kommt in Betracht
der Lohn. Derselbe macht gerade im Kohlenbergbaue einen
relativ großen Teil der Produktionskosten aus. Bereits im ersten
Geschäftsbericht wird angegeben, dafi auf Shamrock der Lohn
1873 3 Sgr. 1,3 Pf. = 76,7% und 1874 3 Sgr. 0,71 Pf. = 72%
der Selbstkosten betrug.. Auf Hibemia beliefen sich 1874 die
Selbstkosten pro Zentner auf 4 Sgr. 7,56 Pf., wovon allein 3 Sgr.
1 PL oder 66,6% auf Lohn entfielen. Auch hier ist mir leider
Material für die Gegenwart nicht zur Verifigung gestellt worden.
Ich verweise daher auf die bei der Gelsenkirchner Bergwerksge-
sellscbaft gemachten Angaben. Wir wollen zunächst die Art des
Lohnes und dann die Höhe desselben betrachten.
Auf der Hibemia bestehen zwei Lohnsysteme: 1. Der Ge-
dingelohn und 2. der Schichtlohn. Der erstere legt die Ar-
beitsleistung, der letztere die Arbeitszeit zugmnde.
Im Gedinge arbeiten die Hauer (Kohlen-, Gesteins- und Re-
paraturhauer). Die übrigen Arbeiter unter Tage beziehen Schicht-
lohn, ebenso wie die Arbeiter über Tage, mit Ausnahme der
Koksofenarbeiter. Wahrend der Schichtlohn durch den Betriebsführer
allein festgesetzt wird, eriolgt die Pixiemng des Gedinges zwischen
dem Betriebsfflhrer und dem Ortsflltesten. Diese Vereinbarung mu6
spätestens bis zum zehnten Tage nach Übertragung der Arbeit
getroffen sein. Das Gedinge gilt als auf unbestimmte Zeit ab-
« Als gute Qcschiftsjahre sind angesehen die Jahre 1873, 1879—1882,
1888—1891, 1895—1900, 1903. Von einer Berechnang der Durchschnitte bei
den anderen in der Tabelle aufgeführten Zechen ist abgesehen wegen der kurzen
Zeitriune, die dabei in Betracht kommen.
80
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
geschlossen. Treten jedoch wesentliche Änderungen in den Ge*
Steins-, Flöz- und sonstigen Betriebsverhältnissen ein, so können
beide Teile eine sofortige Änderung oder Aufhebung desselben
verlangen.
Dem Lohn der Hauer liegt zugrunde die Anzahl der geför-
derten mit Kohle beladenen Wagen, deren Größe wir bereits an
anderer Stelle kennen lernten. Der Rauminhalt des Wagens, nicht
sein Gewicht, ist also maßgebend. Es ist jedoch nicht zu Aber*
sehen, daS das Gedinge auch noch zu gewissen Nebenarbeiten ver-
pflichtet; z. B. Aushauen der Strecken im Nebengestein in einer
bestimmten Breite und Höhe, Streckenverzimmerung in druck-
haftem Gebirge: Setzen der Stempel, Legen von Querhölzern usw.,
Mitfähren der Wetterleitung und ähnliches.*
Ober die Höhe der Löhne geben die Geschäftsberichte keinen
genauen Anhalt Es fehlt vor allem die Speziaiisation nach
Arbeiterkategorien. Es wird in bezug auf den Lohn nur mit-
geteilt:
1. der Nettolohn pro Mann und Schicht,
2. der durchschnittliche Jahresnettoverdienst eines Arbeiters.
Da die Arbeiterzahl bekannt istj so läßt sich daraus die jähr-
lich gezahlte Lohnsumme berechnen.
In den letzten 30 Jahren, von 1875 — 1904, stellten sich auf
allen Zechen der Gesellschaft die Löhne im Durchschnitt folgen-
dermaßen:
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Die gesamU Nctto-
lohntumm« in
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Dtf dnfchtcbii
Jabraoettov«
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Pt
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3
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Pt
1875
2163398
1139
23
57
1876
—
—
—
3
28
1877
1484299
832
49
2
93
1878
1959643
849
07
2
88
1879
1831717
782
71
2
67
1880
1789227
825
67
2
76
1881
2063384
857
70
2
82
1882
22506S0
899
46
2
96
1883
2532427
926
95
3
07
1884
2648886
932
05
3
08
1885
2615237
944
47
3
05
1886
2345815
889
24
3
04
• Pieper a. a. O. p. 63.
1. Bergwericsgesellschaft Hibemla.
81
Jihr
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lObOSBIDIDC In
Mark
Der durcbtcbn
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Mark
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pro Mann und
ScUcM
Mark | PI.
1887
2146162
896
85
3
_
1888
3714241
951
15
3
06
1889
4542336
1113
29
3
44
1890
5908447
1203
84
4
—
1891
7091504
1251
81
3
93
1892
6394936
1145
43
3
63
1893
6231087
1073
40
3
38
1894
3144541
1075
17
3
47
1895
6807439
1063
33
3
49
1896
7271644
1144
60
3
62
1897
8527239
1249
02
3
89
1898
12789348
1276
08
06
1899
15286399
1399
88
28
1900
16649236
1510
82
56
1901
18167568
1379
99
50
1902
13900341
1227
62
22
1903
16096690
1346
44
28
1904
23683653
1333
99
33
Zu diesen Zahlen ist zu bemerken, dafi zu ihrer Aufwärts-
bew^;ung in der Hochkonjunkturperiode die zahlreichen Ober-
schichten beigetragen haben, die damals verfahren wurden. Eine
Steigerung des Verdienstes ist also hier nicht allein auf eine Er-
höhung des Lohnes zurückzufahren; inwieweit sie in einer Ver-
mehrung der Oberschichten ihren Grund hat, wissen wir nicht
Unter der Einwirkung dieser beiden Ursachen zeigen die
Löhne von 1888—1900, von den aus der Tabelle ersichtlichen
Sdiwankungen abgesehen, eine steigende Tendenz. Im Gegensatz
hierzu ist, wie früher gezeigt, die Leistung im Durchschnitt sämt-
üdier der Gesellschaft gehöriger Zechen in diesem Zeitraum von
1^ auf 1,03 t gesunken. Es würde jedoch verfehlt sein, daraus
den Schluß zu ziehen, dafi der erhöhte Lohn eine verminderte
Leistung zur Folge gehabt hatte, wie das in bergbaulichen Kreisen
häufig geschieht Die nationalökonomische Wissenschaft hat langst
erkannt, dafi gesteigerter Lohn den Arbeitseffekt erhöht, wenn nicht
andere Momente diese Wirkungen inhibieren. Diese Momente at>er
haben wir bereits an anderer Stelle kennen gelernt
Vergleichen wir nun den Veriauf der Löhne mit dem der
Kohlenpreise. Es erhöhte sich gegen das Vorjahr
Stniich, Nationl«uaomisclie Fondmagto, B<L a 6
82 !• Bergwerksgesellschaft Hibernia.
der Erlös fOr Kohlen
der Lohn ,
1897
um 4,820/0 um 6,900/o»
1898
4,090/0
4,270/0*
1899
6,650/0
5,420/0
1900
14,400/0
6,540/0
1901
2,380/0
, - 1,320/0
1902
. - 7,650/0
, - 6,220/0
1903
. — 0,940/0
1,420/0
1904
. - 1,060/0
1,170/0
Aus dieser Zusammenstellung resultiert, daS in den guten
Geschäftsjahren zunächst die Löhne stärker anziehen als der
KohlenerlOs, mit dem Portschritt der günstigen Geschäftsentwick-
lung aber wird das Tempo in der Steigerung der Kohlenpreise
ein schnelleres als in der Lohnerhöhung. Umgekehrt vollzieht
sich die Bewegung mit dem Eintritt der flauen Geschäftszeit
Während im Jahre 1901 der Erlös für die Kohle noch steigt
zeigen die Löhne bereits eine weichende Tendenz. 1902 gebt der
Erlös schärfer zurück als der Lohn. 1903 weist der letztere be-
reits wieder eine Besserung auf, während der Erlös nur wenig ge-
ringer ist als im Vorjahr. Hieraus zeigt sich, daS die Krise auf
dem Arbeitsmarkt eher eintrat als auf dem Warenmarkt Während
die Kohle noch einen Mehreriös ermöglicht, wird der Lohn be-
reits heruntergedrückt
Vergleichen wir schliefilich noch die ausgezahlten Löhne mit
den Dividenden, dann ergibt sich folgendes Bild. Die Dividende
(vgL Seite 121) betrug Prozent des Arbeitslohnes (vgl. Seite 81):
1875: 19,40/0 1886: 39,20/o 1896: 29,80/o
1877: 28,10/0 1887: 34,50/o 1897: 31,20/0
1878: 23,60/0 1888: 34,00/o 1898: 24,20/o
1879: 30,60/0 1889: 31,40/o 1899: 20,20/o
1880: 70,50/0 1890: 54,00/o 1900: 29,40/o
1881: 32,60/0 1891: 38,00/o 1901: 27,40/o
1882: 39,90/0 1892: 19,30/o 1902: 28,40/o
1883: 39,80/0 1893: 14,80/o 1903: 29,90/o
1884: 38,00/0 1894: 39,20/o 1904: 20,90/o
1885: 38,60/0 1895: 24,8o/o
Aus diesen Zahlen geht hervor, dafi die Aktionäre der Ge-
sellschaft eine Dividende beziehen, deren Höhe in einem ganz
unangemessenen Verhältnis zu dem steht, was die Art)eiter er-
* Die in den Geschäftsberichten angegebenen Zahlen 7,45 und 4^ sind
falsch berechnet
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 83
halten. Oder anders ausgedrfickt: Der auf persönlicher Ar-
beit beruhende Lohn der Arbeiter ist zu klein, das arbeits-
lose Dividendeneinkommen des Aktionärs aber zu grofi.* Es
t>etragt im Durchschnitt der 29 in der Tabelle verzeichneten Jahre
32,1 % des Lohnes. Im Jahre 1880 ist das Verhältnis am schreiend-
sten. In diesem Jahre wurden an die Aktionäre 1260000 Mark,
an die Arbeiter 1 789227 Mark gezahlt, d. h. die Dividende belief
sich auf 70,5 ^/o des Arbeitslohns. In diesen Zahlen spiegelt sich
ein Stück sozialer Frage, auf das wir zurückkommen, wenn wir
die Kämpfe der Hibemiaarbeiter um einen grOSeren Anteil am
Arbeitsertrage behandeln werden.
Bei den bisher angeführten Löhnen handelt es sich um Netto-
löhne. Es geht daraus hervor, daS von dem eigentlichen Nominal-
lohn Abzüge gemacht werden. In der Arbeitsordnung finden
sich folgende verzeichnet:
1. Die Pfennige, welche bei Ermittlung des auszuzahlenden
Restlohnes über die Zehner hinausgehen, und der einfacheren Aus-
löhnung wegen nicht ausgezahlt werden.
2. Die Beiträge zur Knappschaftskasse oder sonstigen Kassen
gemäfi gesetzlicher Bestimmungen.
3. Ein den durchschnittlichen Selbstkosten entsprechender
Betrag für die von der Zeche gelieferten Sprengmaterialien, Ge-
leuchte und für veriorene, vorsätzlich oder fahriässig verdorbene
Gezähe, Lampen und Werkzeuge, die von der Zeche geliefert und
untertialten werden, für deren Aufbewahrung und sachgemäße Ver-
wendung aber jeder Arbeiter selbst verantwortlich ist
4. Die Miete für von der Zeche gelieferte Wohnung und
Landnutzung, sowie die Beträge für verabfolgte Feuerung, Be-
köstigung und Lebensmittel in den gesetzlichen Grenzen.
5. Bereits geleistete bare Abschlagszahlungen.
6. Der Betrag eines etwa zu leistenden Ersatzes für einen
der Zeche in schuldbarer Weise verursachten Schaden.
7. Die nach Maßgabe des § 6 ermittelten Beträge wegen
widerreditlicher Auflösung des Arbeitsvertrages.
8. Strafgelder.
Die Beträge unter 1—8 flieSen in die Unterstützungskasse
^ Dabei darf nicht abersehen werden, dafi die Dividende nicht das ganze
Einkommen darsteUt» das der Aktionflr von der Gesellschaft bezieht, sondern
daS dieses tatsHchlich noch größer ist, was ich hier nicht weiter za beweisen habe.
6*
84 !• Bergwerksgesellschaft Hibemla.
der Zeche zur Verwendung für hilfsbedürftige Arbeiter oder deren
Familien. Die auf den Zechen der Gesellschaft bestehenden soge-
nannten Arbeiterunterstätzungkassen haben den Zweck: in Fallen von
besonderer Bedürftigkeit würdigen Arbeitern und Invaliden in Er-
krankungs-, Verletzungs- oder anderen Unglücksfallen, sowie den
Hinterbliebenen derselben Unterstützungen zu gewahren. Die Ver-
waltung wird von Ausschüssen geführt, die aus dem Werksdirektor
als Vorsitzenden, zwei Werksbeamten und drei Vertretern der Ar-
beiter bestehen.*
Was die Strafgelder anbelangt, so bestimmt Art 5 der Arbeits-
ordnung folgendes:
§ 22. Zuwiderhandlungen gegen die bergpolizeilichen Vor-
schriften und die Anordnungen der Zechenverwaltung und deren Be-
amten werden mit Lohnabzügen bis zur Hälfte des für die vorber-
g^angene Lohnperiode ermittelten durchschnittlichen Tagesarbeits-
verdienstes derjenigen Arbeiterklasse, zu welcher der Arbeiter ge-
hört, bestraft, besonders wenn ein Arbeiter:
1. zu spat zur Arbeit erscheint, oder zu früh Schicht macht,
oder die wegen der Marken und des Schichtanschreibens
gegebenen Vorschriften nicht befolgt;
2. ohne vorherige genügende Entschuldigung bei seinem
nächsten Vorgesetzten eine Schicht versäumt;
3. die ihm aufgegebene Arbeit nicht sorgfaltig und regelrecht
ausführt, oder wahrend der Schicht schlaft;
4. betrunken zur Zeche kommt, geistige Getränke mitbringt,
auf der Zeche verbirgt oder trinkt; Betrunkene werden
außerdem nicht zur Arbeit zugelassen, oder wenn dies
unbemerkt geschehen, nachtraglich ohne Anrechnui^ der
Schicht nach Hause geschickt;
5. ohne Eriaubnis Gezahe, Schienen, Grubenholz oder son-
stige Materialien oder Gerate verwechselt, verschleppt
oder anders als bestimmungsgemäß verwendet;
6. die von einem andern gewonnenen Kohlen mit einer un-
richtigen Nummer versieht, vorbehaltlich strafrechtlicher
Verfolgung;
7. an einer andern als der ihm angewiesenen Stelle Kohlen
gewinnt;
^ Festschrift p. 72/73.
1. Bergwerksgesellschaft Hlbernia. 85
8. Markscheiderstufen oder sonstige Markzeichen entfernt
oder verändert;
9. seine Mitarbeiter neckt, schimpft oder tätlich miShandelt;
10. sich ungesittet beträgt oder an einer andern als den da-
für bestimmten Stellen Bedürfnisse befriedigt;
11. die Grubenpferde neckt oder miShandelt;
12. seine Vorgesetzten belügt
§ 23. Finden die vorerwähnten Zuwiderhandlungen wiederholt
oder unter erschwerenden Umständen statt, so kann der betreffende
Art>eiter mit einem Lohnabzuge bis zum vollen Betrage des nach
§ 22 ermittelten Tagesarbeitsverdienstes bestraft oder auch sofort
enttassen werden.
§ 24. Für FOrderwagen, welche nicht vorschriftsmäßig voll oder
unrein geladen sind, wird ein Lohn nicht gezahlt; der nicht zur
Auszahlung kommende Lohnbetrag fliefit in die Unterstützungs-
kasse. Im Wiederholungsfalle und unter erschwerenden Umständen
kann außerdem noch eine Geldstrafe bis zu der im § 23 bezeich-
neten Höhe oder sofortige EnÜassung verfügt werden. Die ge-
nullten Wagen sind den Arbeitern am Ende der Schicht durch
Anschlag bekannt zu geben.
Es ist den beteiligten Arbeitern der Zeche gestattet, auf ihre
Kosten durch ein oder mehrere Mitglieder der Belegschaft das
Nullen der mangelhaft oder unrein geladenen Wagen überwachen
zu lassen, jedoch ohne daS die Förderung dadurch gestört wird.
§ 25. Dem Arbeiter gegenüber wird die Zeche durch den Be-
triebsfübrer vertreten, welcher alle Betriebsanordnungen zu treffen,
die Löhne und Gedinge festzusetzen und Strafen zu verhängen hat;
von letzteren ist, soweit sie nicht' durch Anschlag bekanntgemacht
werden, dem Betroffenen durch seinen nächsten Vorgesetzten in
der folgenden Schicht Kenntnis zu geben.
Die Befugnisse des Betriebsführers kann dauernd oder zeit-
weise ein Stellvertreter für alle oder einzelne Betriebszweige oder
auch für besondere Geschäfte wahrnehmen, sobald dieses durch
Anschlag zur Kenntnis der Belegschaft gebracht ist
Den Arbeitern gegenüber gilt jedes von einem der in Abs. 2
bezeichneten Beamten der Zeche eingeräumte Gedinge als ab-
geschlossen.
§ 26. Beschwerden sind zunächst bei dem Betriebsfübrer anzu-
bringen, und zwar in der Regel von jedem Arbeiter nur für sich
allein. GemeinschafUiche Beschwerden oder Wünsche von meh-
86 1- Bergwerksgesellschaft Hibernia.
reren Arbeitern dürfen höchstens durch drei Beteiligte vorgetragen
werden. Gegen die Entscheidungen des Betriebsführers ist eine Be-
nihing an den Vorstand der unterzeichneten Bergwerksgesellschaft
oder dessen Beauftragten gestattet
Den angreifbarsten Punkt dieses Strafsystems bildet
das Wagennullen. Ist ein auf der Hängebank ankommender
Wagen nicht voll geladen oder unrein, d. h. mit Bergen ver-
mengt, dann wird er von dem Lademeister gestrichen, d. h. mit
einer Null als ungfiltig bezeichnet Der dem Hauer entgangene
Lohn für diesen Wagen fließt zwar, wie bemerkt, in die Unter-
stützungskasse, auf deren Verwaltung und Verteilung aber die Ar-
beiter, wie bemerkt, keinen ausschlaggebenden Einfluß haben.
Ober die Zahl der genullten Wagen auf den Zechen der Ge-
sellschaft ist mir von dieser leider eine Auskunft nicht erteilt
worden.
DaS es sich hier um eine lediglich dem Bergbau eigentüm-
liche, aber nicht berechtigte Einrichtung handelt, ist ohne weiteres
klar. Die Zeitung deutscher Bergleute* urteilt darüber folgender-
maßen: ,Es ist vollständig unberechtigt und widersinnig, den Berg-
mann für die geologische Beschaffenheit, also für die Natur der Grube,
in der er schafft, verantwortlich zu machen. Ist es etwa erhört, wenn
man in gleicherweise bei anderen Berufen verfahren wollte? Werden
etwa dem Schnitter Abzüge gemacht, weil der Hieb seiner Sense
auch Getreidehalme zu Boden streckt, die keine Körner tragen?
Hat man jemals dem Schreiner das vom Lohn at)gehaUen,
was er wegen des Mißwuchses oder wegen fauler Aste von
dem zu t)earbeitenden Holze abscheiden mußte? Das ge-
schieht nie, und mit vollem Rechte. Darum aber mufi es auch
jm Bergbau unterbleiben, gleichviel, ob der Bergmann Steine
oder Kohlen lossprengt und zutage schafft; in beiden steckt
sein Schweifi, seine Arbeit, und diese mufi ihm voll bezahlt
werden."
So viel über die beiden wichtigsten Bestandteile des Arbeits-
vertrages, Arbeitszeit und Arbeitslohn. Ober die andern Elemente
des Vertrages ist noch folgendes zu sagen.
Die Annahme, Kündigung und Entlassung der Abeiter er-
folgt durch den Betriebsführer. Die übliche Kündigungsfrist be-
• 1892 Nr. 17, zitiert bei Pieper a. a. O. p. 94.
1. Bergwericsgesellschaft Hibernia. 87
tilgt 14 Tage. Der Arbeiter kann nach dieser Kündigung am
Ende des Monats die Arbeit verlassen.
Diese Bestimmung des Arbeitsvertrages ist aber stets durch-
brochen worden bei den Arbeitseinstellungen, die wiederholt
auf der Zeche stattfanden. Der erste Massenstreik im rheinisch-
westfälischen Kohlenbezirk fällt ins Jahr 1872, der zweite in den
Mai 1889 und der dritte in den Januar 1905. Allen drei Aus-
standen ist gemeinsam» daS sie in eine Zeit steigender Konjunktur
fielen und für die Arbeiter resultatlos verliefen. Ober den ersten
fehlt es mir leider an Material. Nach Pieper (a. a. O. p. 173) waren
die Forderungen: Höhere Löhne, kürzere Arbeitszeit und bessere
Behandlung. Nach sechs Wochen endete der Streik ohne Erfolg.
Die grofien Maiunruhen des Jahres 1889 gingen von Hibernia
aus. Die Arbeiter hatten der Verwaltung die Oelsenkirchener Be-
schlüsse vom 22. April 1889 überreicht, in denen folgende Forde-
rungen aufgestellt waren:
1. Lohnzusatz von 15% für alle Bergarbeiter.
2. Abschaffung der Überproduktion
a) durch Abschaffung der Oberschichten,
b) durch Einführung der achtstündigen Schicht einschlieB-
lich Ein- und Ausfahrt
3. a) Geeichte Wagen mit richtiger Maßangabe des Inhalts,
b) gute und gesunde Wetterführung,
c) verdeckter Gang von der Kaue zum Schacht,
d) Lieferung des Holzes in die Grube.
Ober den Beginn des Streiks macht der Geschäftsbericht von
1889 folgende Mitteilung: .Von dem Ausstand wurde zuerst un-
sere Grube Wilhelmine Viktoria — nachdem bereits am 1. und
2. Mai auf Zeche Friedrich Emestine Arbeitsniederiegung eriolgt
war — am 3. Mai betroffen, indem hier auf dem Schachte I
75 Schlepper die Arbeit niederiegten. Am folgenden Tage folgte
Hit>emia gleichfalls mit teilweiser Arbeitsniederlegung. Nachdem
dann die Belegschaften beider Zechen am Montag den 6. Mai vor-
mittags bis auf 84 Leute, die ihre Abkehr erhalten hatten, wieder
vollständig angefahren waren, brach mit dem 6. nachmittags für unsere
Zeche der allgemeine Streik aus, an dem sich die Gesamtbeleg-
sdiaft beteiligte. Auf Shamrock legte, nachdem am 6. nachmittags
bereits die Hälfte der Belegschaft ausstand, am 7. früh die andere
Hälfte ebenfalls die Arbeit nieder."
Die einzelnen Phasen dieses Streiks, die Krawalle in Gelsen-
88 1* Bergwerksgesellschaft Hlbemia.
kirchen, das ScharfschieSen des Militärs, die Kaiserdeputation, die
Abmachungen im Berliner Protokoll, die Beschlüsse des Bergbau*
Vereins, die amtlichen Untersuchungen (Denkschrift über die Unter-
suchung der Arbeiter- und Betriebsverhaltnisse in den Steinkohlen*
bezirken, Berlin 1890) zu schildern, würde über den Rahmen dieser
Monographie hinausgehen. Mit einer kurzen Unterbrechung dauerte
der Ausstand auf Shamrock und Wilhelmine Viktoria bis zum 27.
und auf Hibemia bis zum 29. Mai. Es war eine gewaltige Kraft-
probe, die trotz der Sympathien der ganzen Bevölkerung in Deutsdi-
land mit wenigen Ausnahmen zuungunsten der Arbeiter ausfiel »Ele-
mentar wie eine Flutwelle hatte sich die Arbeitermasse erhoben, um
ebenso jäh wieder in sich zusammenzustürzen, das feste Rückgrat
der Organisation hatte gefehlt Wenigstens diese Einsicht war
der Erfolg des Streiks."*
Aber die Bewegung unter der Belegschaft der Hibemia sollte
noch nicht gleich zur Ruhe kommen. Das Jahr 1889 war der
Ausgangspunkt einer Reihe von Streiks, die sich kettenartig
über die folgenden Jahre erstrecken. Am 13. Januar 1890 wurde
das von den Bergleuten beschlossene Hemer Programm dem Ver-
ein für die bergbaulichen Interessen vorgelegt Dasselbe enthielt
folgende Fordemngen:**
1. 50% Lohnerhöhung auf der Basis der Lohnsätze vom
Mai 1889.
2. Achtstündige Schicht einschliefilich der Ein- und Ausfahrt
3. Beseitigung der Oberschichten.
4. Abschaffung der Füllkohle.
5. Anderweitige Anordnung der LOhnungstermine.
6. Anerkennung der Delegierten.
7. Gezäheliefemng usw. zum Selbstkostenpreise.
8. Berechtigung, die Kauen und Schachte zum Ankleben von
Plakaten usw. zu benutzen.
Als diese Fordemngen abgelehnt wurden, traten am 26. MBrz
1890 die Bergleute auf Hibemia und darauf auf Wilhelmine Vik-
toria in den Ausstand. Nur auf Zeche Shamrock wurde weiter
gearbeitet Ober den Veriauf des Streiks heiSt es im Geschäfts-
bericht des genannten Jahres: »Unter dem 3. April erliefien wir
* Pitpet a. a. O. p. 183.
•* Die Entwicklung des Niederrheinisch -Westfälischen Steinkohlent>ergt>anes
Bd. Xn Teil m S. 236/37).
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 89
an unsere ausständigen Belegschaften die Aufforderung, unge-
säumt und spätestens bis zum 9. April zur Bergarbeit zurück-
zukehren » anderenfalls wir die Weigerlichen nicht weiter als zu
unserer Belegschaft gehörig ansehen würden. Infolge dieser Auf-
forderung erschienen die Arbeiter bereits in den nächsten Tagen
wieder zahlreicher bei der Arbeit und am 10. April war der Aus-
stand vollständig beendet Diese Störung der friedlichen Arbeit
haben wir an den irreleitenden Führern und Hetzern durch deren
Entlassung gesühnt'
1893 wurden auf den Zechen der Gesellschaft wiederum eine
Anzahl Art)eiter ausständig. Es handelte sich um einen Sympathie-
streik mit den im Saarrevier streikenden Genossen.
Im Juni 1899 zog dann ein neuer Ausstand die Gesellschaft
stark in Mitleidenschaft Es handelte sich um die Arbeitsnieder-
legung auf Zeche Shamrock vom 24. Juni bis 1. Juli. Dieser so-
genannte Hemer Polenstreik war eine von Nicht-Gewerkschaftlern
veranlafite Demonstration. .Die Ausständigen/ heifit es im Ge-
schäftsbericht von 1899, .waren vorwiegend junge Leute, Schlepper,
Pferdeführer, und gehörten zum größten Teil der polnisch sprechen-
den Bevölkerung an. Die Bewegung verlieS von Anfang an die
Form einer ruhigen Verfolgung bestimmter Ziele und führte zu
Gewalttätigkeiten gegen Arbeitswillige und Beamte, sowie zum
Angriff auf das Eigentum der Zeche. Die Ruhe und die Be-
dingungen für das Fortsetzen der Arbeit wurden erst durch das
herbeigerufene MUitär wieder hergestellt'
Der letzte grofie Ausstand fällt ins Jahr 1905. Er nahm
seinen Ausgang von der Zeche BruchstraSe, die der Aktiengesell-
sdiaft Louise Tiefbau* gehört, und verbreitete sich von dort aus
wie ein Präriebrand fast über sämtliche rheinisch -westfälischen
Zechen. Am 12. Januar legten die Arbeiter auf Shamrock I/II und
Alstaden die Arbeit nieder, am 16. folgte Wilhelmine Viktoria ILHI
und am 17. Januar schlössen sich sämtliche übrigen Zechen der
Gesellschaft dem Streik an. Die Forderungen der Belegschaften,
wie sie von den Delegierten der vier Bergarbeitervereine (dem
Deutsdien Bergarbeiterverband — dem sogenannten Alten Verband,
dem Gewerkverein christlicher Arbeiter, dem polnischen Gewerk-
* Die Verwaltung dekretierte plötzUch am 30. November 1904, ohne die
groBjihrife Belegschaft zavor zu hören — also rechtswidrig ^, dafi die Dauer
der SdUahrt vom 1. Dezember an von einer halben auf eine ganze Stunde ver-
lingert werden soUte.
90 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
verein und dem Hirsch-Dunckerscben Gewerkverein) der soge-
nannten Siebenerkommission formuliert waren, betrafen folgende
Reformen:
1. Achtstündige Schichtzeit, einschlieSlich Ein- und Ausfahrt,
und zwar fürs laufende Jahr wie bisher, jedoch nicht über
9 Stunden, von 1906 ab 8Va und von 1907 ab 8 Stunden. Sechs-
stündige Schicht (inklusive Ein- und Ausfahrt) vor nassen Orten
und heifien mit über 28 Grad Celsius.
2. Sonntags- und Oberschichten sind zur Rettung von Men-
schenleben, bei aufierordentlichen Betriebsstörungen und bei
Schachtreparaturen zulässig. Für Schachtreparaturen am Sonntag
ist 50% Zuschlag zu zahlen.
3. Das Wagennullen wird sofort beseitigt, und die Kohlen,
die wirklich sich im Wagen befinden, werden auch bei Berge ent-
haltenden Wagen bezahlt (demnach darf nur der Prozentsatz der
Steine den Arbeitern in Abzug gebracht werden, der sich in dem
betreffenden Wagen befindet). Eventuell Bezahlung der Kohle
nach Gewicht (wie in England).
Alle Wagen müssen geeicht und der Rauminhalt oder Ge-
wichtsinhalt des Wagens jederzeit leicht ersichtlich sein.
4. Die Belegschaft hat in alljährlich wiederkehrender, geheimer
Wahl einen Wagenkontrolleur bzw. Wiegemeister zu wählen
(§ 80c Abs. 2 des Berggesetzes), welcher seinen Lohn mit von
der Zechenverwaltung erhält Diese verteilt denselben auf alle
bei der Förderung beteiligten Grubenleute und bringt ihn den
letzteren beim Lohntag in Abzug.
Der Wagenkontrolleur besitzt alle Rechte der sonstigen Be-
legschaftsmitglieder und ist auch bei allen Versicherungen und
Kassen seiner Zeche ebenso beteiligt, wie alle anderen.
5. Löhne (Schiefimaterial und Geleuchte darf nicht verredinet
werden):
a) Minimallohn für Hauer und Lehrhauer im Ge-
dinge 5, — Mark
b) . , Hauer und Lehrhauer im
Schichtlohn 4^0 ,
c) , , Bremser 3, — .
d) , , Pferdetreiber 3,— ,
e) » , Schlepper 3,80 ,
f) „ . erwachsene Tagarbeiter . . 3,80 •
g) n n Maurer 5,— ,
1. Bergwerksgeselischaft Hibemia. 91
h) Minimallohn ffir jugendliche Tagarbeiter . . 1,50 Mark
i) » I» Koksarbeiter, Planierer . . . 4,50 »
k) » „ Koksarbeiter, Verlader . . . 5, — „
1) „ , Koksarbeiter, Füller .... 3,80 „
m) Lohnzahlung dreimal monatlich; Ende des betreffenden
Monats erste Abschlagszahlung, 10 Tage spater die zweite
und spätestens am 20. des folgenden Monats Lohntag.
6. Errichtung eines Arbeiterausschusses zur Vorbringung und
Regelung
a) aller Beschwerden und Mißstände,
b) aller Lohndifferenzen, einschlieSlich des Gedingelohnes,
c) zur Mitverwaltung der Unterstfitzungskassen, deren Ab-
rechnung alljahriich der Gesamtbelegschaft durch Aus-
hang bekanntzumachen ist Wenn die Zechenverwaltungen
keine Beiträge leisten, haben sie auch in der Unter-
stfitzungskasse kein Verwaltungsrecht, mehr als die
Hälfte der Sitze dürfen die Verwaltungen bzw. Bei-
sitzer nicht hat>en, selbst wenn sie mehr Beiträge zahlen
sollten.
7. Einführung von Grubenkontrolleuren, die alle zwei Jahre
in geheimer Wahl von der Belegschaft aus ihrer Mitte gewählt
und von den Zechenbesitzem oder dem Staate bezahlt werden.
Der zu Wählende soll mindestens ein Jahr der Belegschaft an-
gehören und dreißig Jahre alt sein.
8. Reform des Knappschaftswesens nach dem Programm der
Arbeiterorganisationen.
9. Gute Deputatkohlen zum Selbstkostenpreis an alle ver-
heirateten Arbeiter, ebenso an Invaliden, Witwen und Unverheiratete,
welche Eltern oder Geschwister zu ernähren haben (mindestens
monatlich einen Wagen).
10. Beseitigung der zu vielen und zu harten Strafen.
11. In den Mietskontrakten der Zechenkolonien ist monatliche
Kündigung aufzunehmen.
12. Humane Behandlung; Bestrafung und eventuelle Ent-
lassung aller die Arbeiter miShandelnden und beschimpfenden
Beamten.
13. Keine Mafiregelungen, keine Abzüge und Strafen wegen
der Bewegung, insbesondere dürfen die Bewohner von Zechen-
kolonien infolge des jetzigen Streiks nicht gekündigt und raus-
gesetzt werden.
92 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
14. Anerkennung der Arbeiterorganisationen.
Diese Forderungen wurden dann im Verlaufe des Streiks auf
folgende 5 reduziert:
1. 5^/oige Lohnerhöhung (an Stelle des zuerst geforderten
Minimallohnes).
2. Kommt ein Gedinge nicht zustande, so soll der Durch*
Schnittslohn gleichartiger Arbeiter gezahlt werden und nicht, wie
bisher, der ortsübliche Tagelohn.
3. Nach Aufnahme der Arbeit soll keine Mafiregelung der
Streikenden vorgenommen werden.
4. Gute Deputatkohlen auch ffir bedürftige Invaliden und
Bergmannswitwen.
5. Humane Behandlung. — Auf Grund der beat)sicbtigten
Verhandlungen solle die Arbeit eventuell sofort wieder au^-
nommen werden.
Die vorstehenden Forderungen wurden dem Verein ffir die
bergbaulichen Interessen überreicht, von diesem aber am 14. Januar
rundweg abgelehnt mit der Begründung, »ihre Annahme würde der
Ruin des westfälischen Bergbaus und der für diesen unerläßlichen
Disziplin sein*.* Diese Ablehnung und die prinzipielle Weigerung,
mit der Siebenerkommission zu unterbandeln, war das Signal zum
Generalstreik. An ihm beteiligte sich auch die Belegschaft der Hibernia.
Dieser Ausstand dauerte vom 17. Januar bis zum 11. Februar.
Am Montag den 13. Februar war fast die ganze Belegschaft der
Hibemia wieder angefahren. Er erreichte seinen Höhepunkt im
ganzen Ausstandsgebiet mit rund 195000 Streikenden. Von den
Arbeitern wird eine noch grOfiereZahl, nämlich 220000 angegeben.**
Nach gefälliger Privatmitteilung der Verwaltung betrug die Höchst-
zahl der auf den Gruben der Hibemia in Ausstand getretenen
11907 Mann unter, und 1934 Mann über Tage. Ich gebe die
HOchstzahl deshalb an, weil sich die Zahl der Ausständigen von
Tag zu Tag änderte.
Auch hier würde es den Rahmen dieser Studien weit über-
schreiten, den Streik in seinen Phasen, seiner Behandlung in
Presse und Parlament usw. zu beschreiben. Es sei über die
Folgen nur mit Bezug auf die Hibemia eine Mitteilung des
Generaldirektors erwähnt, die er in der Generalversammlung vom
* Schriften der Gesellschaft fOr soziale Refonn: Aufsatze Ober den Streik
der Bergart)eiter im Ruhrgebiet, Jena 1905, p. 31.
*• Reichs-Arbeitsblatt 1905 Nr. 2 p. 123: Der Ausstand im Ruhrrevier.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 93
30. Marz 1905 machte. Danach hatte der Streik für die Hibemia
einen Förderausfall von 181261 t im Januar und 172730 t im
Februar zur Folge. Der Brutto-Qewinn stellte sich infolgedessen
um 612691 Mark und im Februar um 616000 Mark niedriger als
1904. In diesen Zahlen ist der Erlös der während des Streiks
abgestoßenen Bestände an Kohlen und Koks in Höhe von
293947 Mark inbegriffen.
Es ist bekannt, dafi die ganze Bewegung resultatlos infolge
von Mangel an Geld zugrunde ging, aber im Glauben an das
Versprechen der Regierung, eine Reform der Berggesetzgebung
einzuleiten. Erreicht wurde also direkt nichts. Das rein ge-
werkschaftliche Machtmittel hatte versagt Aber ebenso wie der
1889 er Streik Veranlassung zur Einbringung der, wenn auch un-
zulänglichen, Novelle zum Berggesetz von 1892 war, ebenso
machte auch der Streik von 1905 die Gesetzgebung mobil. Unter
der Mitwirkung der starken sozialen Empfindungen, die dieser
Streik in der öffentlichen Meinung auslöste, brachte die Regierung
einen Gesetzesentwurf ein, dessen Inhalt sich auf 5 Punkte er-
streckte: 1. Die gesetzliche Regelung der Arbeitszeit 2. Die ge-
setzliche Regelung des Über- und Nebenschichtwesens. 3. Die
Al>schaffung des WagennuUens. 4. Die Begrenzung der Höhe
der Strafen. 5. Die obligatorische Einführung ständiger Arbeits-
ansschflsse. Diese Berggesetznovelle konnte nur unter Preisgabe
des Betriebszwanggesetzes im Bergbau durchgesetzt werden. Die
Staatsregierung mußte den Entwurf betreffend die Stillegung
von Zechen zurückziehen, um die Novelle überhaupt durchzu-
bringen. Aus dem Inhalt der letzteren erscheint vor allem wichtig die
Einrichtung eines Bindeglieds zwischen Verwaltung und Arbeitern
in Gestalt eines Arbeiterausschusses, der bisher auf Hibemia fehlte,
bei andern Unternehmungen sich aber durchaus bewährte, falls er
nur genügend grofie Kompetenzen besaß und die soziale Distanz
zwischen Unternehmern und Arbeitern etwas verringerte.
Wir haben nun noch einige Punkte zu streifen, die außerhalb
des Arbeitsvertrages liegen, mit den Arbeitsbedingungen aber aufs
engste zusammenhängen: Unfälle und Krankheiten. Mit der
sozialen Lage der Arbeiter stehen zunächst in einem engen Kausal-
nexus die Unfälle. Sie werden begünstigt einmal durch die
Eigenart der Flözverhältnisse und die überhastete Förderung, dann
aber auch durch eine Reihe von Umständen, die wir eben kennen
gelernt haben: den häufigen Belegschaftswecbsel, die ungenügende
94 1. Bergwericsgesdlschaft Hibemia.
fachliche Ausbildung, namentlich der polnischen Arbeiter, die Ober-
schichten u. a. m.
Zur Erklärung der besonders hohen Unfallziffer im Bergbau
braucht man sich nur das Milieu zu vergegenwärtigen, in dem
der Bergmann arbeitet: .Ober sich ein gebräches Dach, unter sich
eine oft unsichre Sohle, die SeitenstOfie nicht minder t>ediohUdi,
umgeben von oft nicht besonders guter oder gar gefährlicher Luft,
dazu ein trübes Licht, noch gedämpft bei dem Gebrauche einer
Sicherheitslampe oder abgeschwächt durch matte Wetter oder von
zu lebhaftem Wetterstrom dem steten Erlöschen ausgesetzt, ein-
gedenk des alten Bergmannsspruchs:
Ehe der Fufl die Fahrt verläfit,
Halte dich mit den Hflnden fest!
Da WO der Mensch aber alle seine geistigen und körperlichen
Kräfte allein zu seinem persönlichen Schutze aufwenden mufi, moS
die Zahl der Unglücksfälle eine unverhältnismäßig größere sein,
als wenn ,das blaue Himmelszelt sich über uns ausspannt und
uns Zephirlüfte statt giftiger Gase umsäuseln'/* Drei Feinde sind es,
die den Bergmann beständig bedrohen: Schlechte Luft, Wasser
und gebräches Gestein. Die Decke, unter der er arbeitet, sei es
nun Kohle oder Gestein, steht unter einem ungeheuren Druck
und kann nur allzu leicht herunterbrechen. In der Tat werden
die meisten Unfälle auch auf Hibemia durch Stfickkohlenfall ver-
ursacht Auch hier ist es mir leider nicht möglich, dem Leser eine
bestimmte quantitative Vorstellung über den Umfang der Unfälle
auf der Hibemia zu geben, da sowohl die Verwaltung als auch
das Oberbergamt in Dortmund, an das ich mich wandte, sich ab-
lehnend verhielt Auf die Gründe hierfür brauche ich wohl nicht
weiter einzugehen.
Ein besonderer Feind der Bergleute, der in den warmen und
tiefen Gmben der Hibemia namentlich in den letzten Jahren
grassierte, ist die Wurmkrankheit Diese Krankheit war seit
langem bekannt, aber ihren Umfang ahnte man nicht Als nament-
lich durch die Veröffentlichungen der Deutschen Bergarbeiterzeitung
die Aufmerksamkeit auf die Ausdehnung der Seuche gelenkt wurde,
ergriff auch die Verwaltung der Hibemia energische MaBregekL
Sie trat mit dem Institut für Hygiene in Gelsenkirchen in Ver-
bindung. Es ergab sich, dafi ein erheblicher Teil der Beamten
* Pfahler in der Zeitschr. f. B. H. u. S.-W. B<L 20 p. 57.
1. Bergwerksgesdlschaft Hibemia.
95
und Arbeiter von der Wumikrankheit ergriffen war. Wie groS die
Zahl war, wissen wir nicht Jedenfalls war sie auf den einzelnen
Graben verschieden. Nachdem die wurmkranken Arbeiter sich
einer Kur unterzogen hatten, wurde die Belegschaft wieder unter-
sucht, und nun ergaben sich nach den Mitteilungen des Geschäfts-
berichts von 1903 folgende Resultate. Am stärksten war die unter-
tagige Belegschaft auf Shamrock infiziert Es fanden eine Anzahl
mikroskopischer Durchmusterangen statt, bei der von 100 unter-
irdisch beschäftigten Bergleuten als wurmbehaftet behinden wurden:
auf Shamrock
vom 20. Nov. 1902 bis 16. Mai 1903 . . . 34,140/o
. 18. Mai bis 27. Aug. 1903 28,470/o
. 28. Aug. bis 9. Nov. 1903 17,18o/o
. 10. Nov. 1903 bis 5. Jan. 1904 .. . 9JS^/o
an! Shamrock m/N
vom 28. März bis 25. Juli 1903 .... SJSS^/o
, 27. JuU bis 28. Nov. 1903 3,15o/o
. 12. Nov. 1903 bis 30. Jan. 1904 . . l,15o/o
auf Schlägel und Eisen I/U
vom 16. Juli bis 15. Sept 1903 .... 2,61 o/o
. 28. Dtz. 1903 bis 13. Febr. 1904 . . l,490/o
auf Schacht ÜI/IV
vom 15. Mai bis 15. Sept 1903 .... l,67o/o
. 20. Okt bis 30. Nov. 1903 ... . 0,880/o
auf Schacht VA^I
vom 15. Mai bis 20. Juli 1903 10,380/o
. 20. Juii bis 31. Okt 1903 4,400/o
Auf Wilhelmine Viktoria und Hibemia war nur ein relativ
kleiner Prozentsatz wahrend der Durchmusterungsperiode noch
durchseucht Die Kur, der sich die Kranken zu unterziehen hatten,
wurde so eingerichtet, dafi der Betrieb, der ja ohnehin 1903 noch
mit Einschränkungen arbeitete, keine Einbuße eriitt Auch hier
fiberwog durchaus das geschäftliche Interesse. In dem Bericht
von 1902 heifit es: .Die l)ei jedem erkrankten Mann etwa zwei
bis drei Wochen in Anspruch nehmende Kur wird nach einem be-
stimmten, von uns vorgeschlagenen Einteilungsplan so von dem
allgemeinen Knappschaftsverein zu Bochum vorgenommen, dafi
eine möglichst geringe Beeinträchtigung des Betriebes dadurch
entsteht« Zur Bekämpfung der Wurmkrankheit und ffir die Unter-
stfitzung der von der Krankheit befallenen Belegschaftsmitglieder
wurden 1903 160323 Mark ausgegeben.
Von anderen Krankheiten findet sich nur die Influenza er-
96 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
wahnt Der Geschäftsbericht von 1890 bemerkt: .Im Januar drfickte
die aus dem Dezember 1889 mit ins neue Jahr herfibergenommene
Influenza erheblich auf die Leistungsfähigkeit der Leute/ Aus
diesen beiden Geschäftsberichten entstammenden Belegen lafit sich
der Schlufi ziehen, daß man die Krankheiten lediglich in ihrem
Einflufi auf den Arbeiter als Produktionsinstrument d. h. unter
dem Gesichtswinkel geschäftlicher Erwägungen betrachtet
Schliefilich wollen wir die Wohnungsverhaltnisse der Be-
legschaft noch kurz behandeln. Charakteristisch fflr die Hibemia
und wohl eine Tradition aus der alten englischen Periode ist die
geringe Zahl von Arbeiterkolonien. Die Gesellschaft hat im Ver-
gleich mit anderen wenig eigene Arbeiterhauser. Nur auf der
neuerworbenen Zeche Schlägel und Eisen wurden 255 Hauser ge-
baut. Wie sehr es dadurch möglich geworden ist, Arbeiter in
die noch heute rein landlichen Ortschaften zu ziehen, ergibt ein
Vergleich der Einwohnerzahlen derjenigen Orte, unter denen das
Grubenfeld liegt, vor und nach der Erwerbung der Zeche. Es be-
lief sich die Einwohnerzahl in
1897 1905
Hochlar 1242 2221
Disteln und Bakum zusammen . 1476 3576
Scheriebeck 179 2894
Langenbochum 404 2655
Herten 8975 14340
12276 25686
In dieser Zeit hat sich die Bevölkerung grOStenteils durch
Zuwanderung verdoppelt Von der Verwaltung erbaute Arbeiter-
hauser finden wir dann noch auf Wilhelmine Viktoria 90 und auf
General Blumenthal 86. Hingegen hat man auf den beiden alten
Stammzechen Hibemia und Shamrock Arbeiterkolonien nicht oder
nur in ganz geringem Umfange angelegt 1904 gehörten der Ge-
sellschaft 646 Arbeiterhauser. Die Zahl ihrer Bewohner betrug
13549, wahrend die Zahl der Arbeiter mit ihren Angehörigen sich auf
50100 belief. Es wohnte also nur ca. ein Viertel in Zecbenhausem.
Damit in Zusammenhang steht vielleicht auch der in der
Geschichte des Unternehmens wiederholt auftretende Arbeiter-
mangel. Denn es ist für Zechen, die den Arbeitern nicht genug
Wohnungen zur Verfügung stellen, viel schwerer, einen Arbeiter-
stamm zu behalten, als für solche, die für genug Wohnungen
sorgen. So heifit es z. B. in dem Geschäftsbericht von 1882:
.Die Produktion blieb auf Shamrock um volle 30000 t zurück»
1. Bergwerksgesellschaft Hibernia. 97
weil von Juli ab sich ein empfindlicher Arbeitermangel, nament-
lich an geübten Kohlenhauem einstellte, der erst gegen Jahres-
schluß zu schwinden begann. Dies hatte ungenügende Belegung
vorgerichteter Bauabteilungen zur Folge.*
Die meisten dieser, den Hibernia -Zechen gehörigen Häuser
weisen Wohnungen für vier Parteien auf. Die Mehrzahl der
Wohnungen enthält drei bis vier Zimmer. Darin wohnt der Berg-
mann mit seiner Familie, aber nicht allein; er nimmt auch Ein-
lieger auf. Von den auf Schlägel und Eisen in den Zechenhäusem
wohnenden 2734 Personen sind allein 1485 Einlieger.
Der durchschnittliche Rauminhalt einer Wohnung mit drei
Zimmern schwankt zwischen 111 und 155 cbm, mit vier Zimmern
zwischen 124 und 182 cbm, mit fünf Zimmern zwischen 175 und
222 cbm. Die Anlagekosten der der Hibernia gehörigen Kolonien
sind am höchsten auf Shamrock in/IV mit 6242 Mark pro Wohnung»
am niedrigsten auf Shamrock I/II mit 2065 Mark. Die Mietspreise
für fremde Wohnungen sind in Alstaden ebenso hoch wie für
Zecbenwohnungen; auf sämtlichen übrigen Zechen der Gesell-
schaft aber sind fremde Wohnungen teurer, und zwar um 30 bis
150^/o.* Die Mietspreise betragen für eine Zechenwohnung von
2 Zimmern 108 Mark 5 Zimmern 148—192 Marie
3 . 102-138 Maiic 6 . 177 Mark (nur ein Fall)
4 . 132—174 .
Aus den vorhergehenden Betrachtungen über die Arbeiter-
verhaltnisse ergibt sich folgendes:
Die Zechen der Gesellschaft verfügen heute über eine
Arbeiterarmee von über 17000 Menschen. Hibernia und
Shamrock rangieren unter den Polenzechen. Der Beleg-
scbaftswechsel ist ein auSerordentlich starker. Den Kern
der Arbeiterschaft bilden die Hauer. Sie repräsentieren
eine Arbeiteraristokratie. Ihre Tätigkeit ist eine rein
handwerksmäfiige. Neuerdings beginnt sie durch Schräm-
maschinen mechanisiert zu werden. Damit kommt bei
der Gewinnung der Kohle, wenn auch zuletzt, das Prinzip
zum Durchbruch, das bereits von Anfang an die ganze
Forderung beherrscht: Der Ersatz des lebendigen Orga-
nismus durch den toten Mechanismus. Dasselbe finden
* Vgl. aber die WohnungsverhlUtnisse die Tabelle in Bd. XU TeU DI .Die
Eotwicklang des niederrheinisch-westfflUschen Steinkohlenbergbaus* p. 190 ff.
Stilticli, NalkMUlAkoiioaiisclM Fonchaogm, Bd. 0. 7
98 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
wir bei den Gesteinshauern, die schon seit langem Bohr-
maschinen verwenden.
Die soziale Lage dieser Belegschaft ist im allge-
meinen keine gunstige. Die nominell achtstündige Schicht
dauert, wenn man die Ein- und Ausfahrt mitrechnet, zehn
Stunden. Dazu kommen je nach Lage der Konjunktur
Ober- oder Feierschichten. Die Nebenbetriebe raubten
dem Arbeiter die Sonntagsruhe. Seit 1888 begann die
Arbeitsleistung zu sinken, nicht blofi pro Mann und Schicht»
sondern auch pro Hauerschicht. In den Zeiten der Baisse
ist sie geringer als in denen der Hausse.
Der Arbeitslohn, der einen hohen Prozentsatz der
Gewinnungskosten der Kohle ausmacht, betrug 1904 pro
Mann und Schicht nur etwas über 4 Mark. Löhne und
Kohlenpreise verlaufen vielfach nicht gleichartig. Das
Lohneinkommen der Arbeiter steht in einem unange-
messenen Verhältnis zu dem arbeitslosen Einkommen der
Aktionäre. Der Lohn ist zu niedrig, die Dividende zu
hoch. Eine Reihe von Abzügen, namentlich genullte
Wagen, reduzieren weiter den Verdienst Die grofien
Lohnkämpfe, die eine Korrektur versuchten, vermochten
die sozialen Zustände nicht wesentlich zugunsten der
Arbeiter zu verändern. Unfälle und Krankheiten, speziell
die Wurmseuche, fallen, wenn man die soziale Bilanz des
Werks zieht, Schwerin die Wagschale. Auch die Fürsorge
für die Unterkunft der Arbeiter läSt zu wünschen übrig.
Die Wohnungsverhältnisse unterscheiden sich von denen
auf andern Zechen vor allem dadurch, dafi auf Hibernia
und Shamrock das Kolonie-System nicht zur Ausbildung
gelangt ist
Nachdem wir in den vorhergehenden Abschnitten die Elemente
der Kohlengewinnung behandelt haben, wollen wir nun die aus
ihrem Zusammenwirken sich ergebende Produktion* und die
dabei in Betracht kommenden Verhältnisse näher ins Auge fassen.
* Der B^ff Produktion ist — soweit er sich nur auf Kohle bezidit —
nicht zutreffend. Denn beim Kohlenbergbau handelt es sich nicht, wie bei
ehiem Stahlfabrjkat um Herstellung, sondern um Okkupation eines Qebrauchsgats.
Ich brauche diesen, auch in dem grofien Sammelwerk des Vereins fflr die
bergbaulichen Interessen unrichtig verwendeten Ausdruck im folgenden nur
dann, wenn es sich nicht ausschliefilich um Förderung, sondern auch um Weiter-
verarbeitung der Kohle handelt
1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia.
99
Die Produktion des Unternehmens hat zwei verschiedene
Phasen durchlaufen. In der ersten war sie relativ klein und die
Tagesleistung gering. Die zweite, deren technische und wirt-
schaftliche Tendenz in den früheren Ausfuhrungen genügend gekenn-
zeichnet ist, fflhrt für die ganze Kohlengewinnung und Förderung den
Massen- undSchnellbetriebdurch. Die Förderung derbeiden alten
Zechen Hibemia und Shamrock wird durch den Hinzutritt neuer ver-
größert Das Unternehmen erhUt einen hochkapitalistischen Charakter.
Die Entwicklung der Förderung in dieser zweiten Epoche
reflektiert sich in folgenden Zahlen. Die Förderung betrug:
Jährliche
Kohlenförderung,
In
Der
AnteU
Gebiete
der
1
Sluffl.
rock
Shaiii.
lock
HlbemiA
WUhclmlne
Viktoria
Elsen
General
Blumen-
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AI.
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des
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der Ge-
J
Reichs
In Tau-
send t
samt-
forde-
bSbSgt
t
t
t
t
t
t
t
t
In «/o
1873
188000
.^
138914
SS
85534
_
_
__
327816
36392
0.9
1874
178775
—
160180
88634
—
—
—
347965
35919
09
1875
336142
—
195910
103749
—
—
—
432062
37436
IJO
1870
040146
—
170351
147574
—
—
—
410497
38454
1.16
1877
277040
—
334529
E
179313
—
—
—
511778
37529
W
1878
308601
—
297796
g
144199
—
—
—
601309
30600
175
1879
453397
—
31080S
9
156664
—
—
—
764199
42006
1^
180D
406835
—
316682
BU
185780
—
—
—
723517
46974
IM
1881
378431
343954
1
316453
—
—
—
722375
48688
1,48
1882
408631
—
380225
t
250234
—
—
—
782856
62119
1^
1883
446786
— .
447673
280187
—
—
—
804450
55943
1,60
18M
830888
—
493072
B
266600
—
—
—
1013940
57234
177
188S
548380
—
486618
1
305805
—
—
—
1084996
58320
178
1886
406804
—
444231
1
279777
—
~
—
930825
50066
1^
1887
477030
—
408289
306461
—
—
—
880198
60334
1.46
1888
656840
—
425632
300563
~
—
—
1452044
65386
2^
1888
635406
~
430082
400945
—
—
—
1468522
67342
2.18
1800
680000
— .
443783
437219
—
—
—
1531922
70238
2.18
1801
734300
..
385804
560000
—
—
—
1660194
73716
2.25
18B2
780171
—
370848
451667
~
—
—
1602686
71372
2.25
1808
807701
00706
325780
485527
—
—
—
1679783
73852
2.28
1804
783447
314343
311200
468263
^
—
~
1877238
76741
2.45
180S
€80005
473568
205162
443024
—
—
—
1900840
79169
2.40
1806
695140
628840
283007
501047
—
—
—
3100004
86600
2.44
1807
737823
700602
280893
575202
—
—
—
3303419
01065
2ja
1888
797001
onoos
291173
636001
—
—
—
3536913
06380
2.03
1800
883018
847364
323337
604316
565000
— .
— .
3383924
101630
3.28
1000
042500
041136
329328
713306
603825
—
—
3620277
100200
332
1901
834133
877605
297194
674255
800774
—
—
3573060
108530
330
1000
750832
836546
200476
660440
868081
—
—
3314365
107474
3^
1008
883635
026541
298832
613308
1047629
—
—
3738840
116638
330
1001
818500
876090
310563
506704
1066801
1004087
138885
4000500
—
—
100
1. Bergwerksgesellschaft Hibemla.
Tägliche Kohlenförderung.
Im
Shuniock
Shuniock
in/nr
HnxrnU
Wtlbel-
mlne
Scbligel
tittd Elsen
Oenenl
Blumen-
Alitaden
InSomma
Jdirc
Viktoria
thal
t
t
t
t
t
t
t
t
1873
641,45
__
471.85
__
__
__
.^^
1113^
1874
604,—
—
586,35
—
—
—
—
1190^
1875
801,90
—
675.55
—
—
—
—
1477.45
1876
833,25
—
600,85
—
—
—
—
1434,10
1877
957,65
—
800.45
—
—
—
—
1758,10
1878
1318,60
—
1043,07
—
—
—
—
2361,67
1879
1516,38
—
1050.-
—
—
—
—
2566,38
1880
1347,14
—
1099.65
—
—
—
2446,79
1881
1269,85
—
1169.90
—
—
—
—
2439,75
1882
1351,10
—
1284.50
—
—
—
—
2635,60
1883
1494,27
—
1502,26
—
—
—
2996,53
1884
1730.46
—
1660,18
—
—
—
—
3390,64
1885
1878,01
—
1638,44
—
—
—
—
3516,45
1886
1763,68
—
1597,95
—
—
—
3361,63
1887
1642,40
—
1426,45
—
—
—
—
3068,85
1888
2207,89
—
1452,67
1285,40
—
—
—
4945,96
1889
2176.33
—
1509,06
1394,20
—
—
—
5079,59
1890
2184,29
—
1540,91
1561,50
—
—
—
5286,70
1891
2422,38
—
1308,08
1845,70
—
—
—
5576,16
1892
2609,27
1261,39
1645,42
—
—
—
5516,06
1893
2710.40
1100,54
1637,53
—
—
—
5448,47
1894
2561,90
1054,50
1048.10
1818,48
—
—
—
6482,98
1895
2343,86
1616,27
1017.80
1616,88
—
—
—
6594,81
1896
2348.45
2124.46
956.41
1704,40
—
—
—
7133,72
1897
2441,35
2373.92
939,44
1923,75
—
—
—
7678,46
1898
2686,54
2733.46
977,09
2155,94
1550,19
—
—
10103,22
1899
2859,12
2843.17
1085,03
2329,92
1899,29
—
—
11016,53
1900
3152,47
3147.61
1101,43
2385,95
2320,49
—
—
12107,95
1901
2953,88
3068.87
1017,79
2361,66
3209,66
—
—
12611,86
1902
2691,12
3005.56
1044,88
2228,73
3495,68
—
—
12465,97
1903
2864,55
3109,20
1016,44
2151,86
3671,64
—
—
12813,69
1904
2861,89
3055,75
1082,17
2169,22
3936,40
3462,20
798,19
17365,82
Aus diesen Tabellen ergibt sich folgendes:
1. Die Förderung hat die Tendenz zu steigen. In den
32 Jahren von 1873 — 1904 ist sie trotz 15 Krisenjahren nur
sechsmal rückläufig gewesen» nämlich in den Jahren 1876» I88Q1
1881, 1886, 1887, 1892. Daraus geht hervor, daB man die schlechte
Geschäftslage in den andern Jahren der Depression durch Mehr-
fOrderung auszugleichen suchte.
1. Bergwerksgesdischaft Hibemia. 101
2. Absolut steigt die Kohlenförderung in dem genannten Zeit-
raum von 327816 auf 4806599 t * oder um 1497 Vo. Der Anteil
der Hibemia an der gesamten Kohlenförderung aber wächst von
unter 1 auf über 3%.
3. Was die einzelnen Zechen anbelangt, so ergibt sich, dafi
die alteren teilweise ihre Blutezeit bereits hinter sich haben.
Ihren Kulminationspunkt erreichte die Förderung auf Hibemia im
Jahre 1884. Damals wurden täglich 1660,18 t gefördert. Dann
ging es leise bergab. Heute hat die Zeche die geringste För-
derung unter ihren Schwestern.
Später zeigen sich die ersten Zeichen der Abschwächung und
des beginnenden Alters auf Shamrock. 1893 erreicht die Förde-
rung eine Höhe von 2710,40 t täglich. 1894 wird dann Sham-
rock III/IV eröffnet und die relativ hohen Förderziffem, die wir
spater auf Shamrock I/II wiederfinden, rühren daher, dafi ein Teil
der Kohlen dem erstgenannten Qrubenfelde entnommen, aber auf
Shamrock gefördert wird. So war es möglich, dafi die Zeche im
Jahre 1900 sogar eine Tagesleistung von 3152,47 t aufwies, eine
FOrderang, die seitdem auf der benachbarten Schwesteranlage die
Regel geblieben ist
Wilhelmine Viktoria fördert seit 1898 über 2000 t täglich.
Obgleich auch eine alte Zechenanlage, machen sich doch offenbar
bei ihr die Folgen des Alters wenigstens vorläufig weniger be-
merkbar als auf Hibemia.
Die Zukunft der Kohlenfördemng aber liegt auf Schlägel
und Eisen. Die Schachtanlagen dieser Zechen weisen heute be-
reits eine doppelt so hohe Produktion auf als 1898, wo sie von
der Gesellsdiaft in Betrieb genommen wurden. Die tägliche
Förderung ist heute mit 3500 t die gröfite unter sämtlichen
Zechen der Gesellschaft
Nach der Qröfie geordnet stellte sich die Tagesförderang im
Jahre 1904 auf den einzelnen Zechen wie folgt:
* Man soUte es nicht fOr möglich halten» dafi ein MitgUed des Aufsicht»-
rats der Hibernia, Herr von Eynera, nicht einmal die KohlenfOrderang derjenigen
OeseUschaft kennt, in deren Aufsichtsrat er sitzt Bei der Lesung der Hibemia-
Vorlage im Abgeordnetenhause behauptete er nämlich, dafi die Forderung
5—6 Millionen Tonnen betrage. (Sten. Prot p. 7756.) Selbst wenn man die da-
mals noch nicht bekannte Förderung von 1904 in Höhe von 4806599 t heranzieht,
ist die Angat>e unrichtig.
102
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Schlägel und Eisen . .
. 3936,40 t
General Blumenthal
. 3462,20.
Shamrock IH/IV . . .
. 3055.75.
Shamrock
. 286189.
WUbdmine Viktoria . . 2169,22 t
HibemU 1082,17.
Alstaden 796,19 .
Von Bedeutung ist aufier der täglichen Leistung die Frage,
in welchem Verhältnis die Gesamtförderung zu dem nötigen
Kapital steht Zu diesem Zweck addieren wir Aktienkapital und
Anleihen und berechnen, wieviel davon auf 1 t Förderung ent-
fällt Es ergibt sich, dafi das aufgewandte Kapital betrug:
1873: 51.4 Mark
1875: 39,0 ,
1880: 23,2 .
1885: 16,2 Mark
1890: 19,3 .
1895: 15,4 .
1900: 14,0 Mark
1904: 17,1 .
Die Massenproduktion hat also dahin geführt, dafi der Kapital*
anteil, der auf die Tonne Förderung entfällt, heute ein bedeutend
geringerer ist, als vor 30 Jahren. Immerhin ist dieser Anteil im
Vergleich zu anderen Zechen bei der Hibemia als hoch zu be-
zeichnen.
Das zweite wichtige Produkt ist der Koks. Die Koks-
erzeugung hat sich seit 1873 folgendermafien entwickelt Es
wurden gewonnen
aus Tonnen
Tonnen
aus Tonnen
Tonnen
Kohlen
Koks
Kohlen
Koks
1873 . .
97268
54927
1889 .
. 112203
66142
1874 . .
66184
38829
1890 .
. 111034
74676
1875 . .
104934
57099
1891 .
. 117835
87078
1876 , .
94395
51308
1892 .
. 176565
131424
1877 .
93211
49773
1893 .
. 192256
141279
1878 . .
110332
64010
1894 .
. 265377
201781
1879 .
98996
59918
1895 .
. 285019
211683
1880 .
110825
68656
1896 .
. 470078
352852
1881 .
117240
71952
1897
. 488089
378997
1882 .
127692
76781
1898
. 493635
367783
1883 .
118386
72386
1899
. 591953
441522
1884 .
. 128359
77268
1900
. 627844
468367
1885 .
106034
63746
1901
. 495313
369242
1886 .
91910
56103
1902
. 459995
342779
1887 .
. 75918
48066
1903
. 671952
501526
1888 .
105958
65413
1904
. . 682130
611390
Hierzu ist zu bemerken, dafi die Produktionssteigerung im
Anfang der 90er Jahre hervorgerufen wurde einmal durch die
1. Bergwericsgesellschaft Hibemia.
103
1891 erfolgte Eröffnung einer Kokerei auf Hibemia, sowie 1893
durch den Hinzutritt einer Kokerei auf Shamrock III/IV.
Der Anteil der zur Verkokung verwandten Kohle an der
GesamtfOrderung betrug
1873: 290/0
1885: 100/0
1895: 150/0
1880: 150/0
1890: 70/0
1900: 170/0
1903: 180/0
Hieraus ergibt sich» daS von der Gesamtförderung Anfang
der 70er Jahre ein relativ hoher Teil in die Kokerei ging. Dieser
Anteil nimmt dann bis zum Jahre 1890 ab, um in der Folgezeit
wieder zu steigen.
An Nebenprodukten wurden gewonnen in t:
Jtkr
TMipMll
Napbta-
rtckiUnde
SchwcMuiin«
BmioI
1886
245
^
__
1887
296
—
—
—
1888
382
—
—
—
1889
714
—
—
203
—
1890
916
—
—
355
—
1891
783
—
346
—
1892
905
—
—
296
—
1893
742
—
339
—
1894
746
—
357
—
1895
1376
—
569
—
1896
6433
—
—
2472
—
1897
6628
—
2436
127
1898
6681
—
—
2502
448
1899
6446
195
—
2544
366
1900
6385
326
12
2611
693
1901
6153
310
52
2655
650
1902
6297
461
56
2770
827
1903
9393
386
41
3795
701
1904
16508
691
32
6348
685
Hieraus ergibt sich folgendes:
1. Die Gewinnung von Nebenprodukten beginnt erst Mitte
der 80er Jahre.
2. Mit der Zeit tritt eine Spezialisierung ein: die Zahl der
Nebenprodukte wird größer. Ursprunglich wurde blofi Teer ge-
wonnen, dann kamen hinzu schwefelsaures Ammoniak, dann
Benzol, sowie Teerpech und NaphtarfickstSnde.
3. Am bedeutendsten ist die Herstellung von Teer und Am-
moniak.
104
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
4. Die Steigerung der Produktion steht mit der an anderer
Stelle besprochenen Ausdehnung der Kokereien und ihrer Neben-
anlagen in Zusammenhang.
Die Gasproduktion weist folgende Entwicklung auf. Auf
den beiden Qasfabriken Shamrock und Wilhelmine Viktoria wurden
erzeugt:
Jahr
Kohlen-
Daraui wurden
vcrbrauch
in
cbm Ol*
im
Oukokt
Oastecr
AnuDoalak-
waucr
t
giiuen
t
t
t
1873
1035
211824
^^
^^
1874
1020
247032
—
—
—
1875
1133
272866
—
—
—
1876
1296
320437
—
—
—
1877
925
253334
577
28
1878
1019
283355
571
42
—
1879
1172
302563
661
40
—
1880
1276
1341
332365
655
58
89
1881
351790
774
44
95
1882
1414
368910
658
56
132
1883
1425
368505
679
54
140
1884
1558
414335
721
57
135
1885
1559
425980
666
48
130
1886
1747
473050
867
62
109
1887
1790
495545
826
65
148
1888
2293
563619
1248
86
155
1889
2458
652870
1511
97
156
1890
2783
704610
1600
102
135
1891
1981
779163
1652
133
231
1892
2956
803230
1429
137
265
1893
2774
784203
1384
114
359
1894
3036
892700
1888
156
340
1895
3174
921025
1869
149
400
1896
3205
959700
2077
148
365
1897
3476
1056886
2197
159
437
1898
4007
1206527
2724
209
343
1899
5065
1481320
3266
225
604
1900
5865
1645370
3837
262
790
1901
6298
1746027
3841
298
952
1902
6466
1837050
4178
283
794
1903
3385
981273
2210
158
488
1904
3584
1054436
2418
183
460
Schliefilich haben wir noch die Produktion an Ziegel*
steinen auf Wilhelmine Viktoria zu erwähnen. Es betrug, nach-
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
105
dem von 187&— 1887 überhaupt keine Ziegel gebrannt worden
waren, in den folgenden Jahren:
Der Kohlen-
die Produktion an Steinen
verbrauch der
in Stflclc
Ziegelelen In t
im Jahr
pro Arbeitstag
1888 . .
. 1289
2968750
12526
1889 . .
1255
3570500
13628
1890 . .
1275
3776500
12802
1891 . .
1280
3787000
12665
1892 . .
1270
3657000
12313
1893 . .
1330
3664500
12422
1894 . .
1310
3568000
13363
1895 .. .
1093
3740000
13550
1896 .. .
1215
3935500
13386
1897 .. ,
1216
3985000
13328
1898 . .
1286
4165000
14119
1899 . .
2481
8976000
30121
1900 .. .
2500
9016000
30154
1901 .. .
2453
9132500
32177
1902 . .
2416
9288000
36664
1903 .. .
2582
9737000
34364
1904 . .
. 5224
15233125
55383
Die Verdoppelung des Kohlenverbrauchs und der Produktion
an Steinen im Jahre 1899 hat ihren Grund darin, daS die dies-
bezüglichen Zahlen der Fabrik auf der neu erworbenen Zeche
Schlägel und Eisen hinzugerechnet sind. 1904 kommt dann noch
die Ziegelei auf General Blumenthal hinzu.
Aus der Tabelle ergibt sich, dafi der Kohlenverbrauch für die
Ziegelei jahraus jahrein ziemlich stabil ist, wahrend die Produk-
tion an Steinen sich langsam hebt Ein paralleles Verhalten des
Kohlenverbrauchs zur Produktion an Ziegeln lafit sich nur in
wenigen Jahren beobachten, nämlich 1892, 1893, 1898 und 1900.
In den meisten fibrigen Jahren sinkt der Kohlen verbrauch, wie
aus den Zahlen der täglich hergestellten Steine hervorgeht, bei
steigender Fabrikation, und umgekehrt
Aus diesen Dariegungen fiber die Produktion der Beigwerks-
gesellsdiaft Hibemia ergibt sich, wie aufierordentlich mannig-
faltig die Erzeugung ist, in welcher Abhängigkeit die ein-
zelnen Produktionszweige zueinanderstehen, und welchen
Wandlungen sie im Laufe der Zeit unterworfen waren.
Die wichtigste Aufgabe der Gesellschaft besteht nun aber
darin, die gewonnenen Güter abzusetzen, und zwar mit Gewinn.
106 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Wir betrachten daher in den beiden folgenden Abschnitten die
Absatzverhaltnisse und die finanziellen Resultate des Unter-
nehmens.
Die Kohle gehört bekanntlich zu den Massengutem. In
grofie m Volumen verbirgt sich ein kleiner Wert Für solche Güter
aber spielen beim Absatz die Transportkosten die wichtigste Rolle
Die Voraussetzung für die Massenförderung ist daher die zu*
nehmende Erweiterung des Absatzgebietes durch den Bau von
Eisenbahnen und Wasserstraßen, sowie billige Tarife.
Die Bewegung zugunsten der Einführung billiger Kohlen-
frachten, die namentlich auch durch den Gründer der Hit)emia
Mulvany unterstützt wurde, begann bereits in den 50er Jahren.
Sie fährte 1861 zu dem sogenannten 1 Pfennig -Tarif (1 Silber-
pfennig für den Zentner und die Meile, dem heutigen Tarifsatz von
2,2 Pf. pro Tonnenkilometer entsprechend). Dieser Pfennigtarif war
damals ein Kampfmittel gegen die marldbeherrschende englische
Steinkohle; er war der billigste Frachtsatz, zu welchem bis dabin
jemals in der ganzen Welt transportiert worden war. Anfang der
70 er Jahre entstand dann eine Bewegung gegen diesen billigen
Tarif, die ihren Ausgangspunkt vom Preußischen Handels- bzw.
Finanzministerium nahm. Durch Beschlufi des Bundesrats wurde
den damals bestehenden Eisenbahn-Aktiengesellschaften das Recht
eingeräumt, »mit Genehmigung der Landesregierung vom 1. August
1874 an ihre Frachtsätze um 20 ^/o zu erhöhen.«*
Von diesem Rechte machten sofort die Köln -Mindener und
die Bergisch -Märkische Bahn Gebrauch, d. h. diejenigen beiden
Bahnen, die für den Kohlenabsatz der Hibemia hauptsächlich in
Frage kamen. Sie erhöhten ihre Tarife um 20%. In der folgen-
den Depressionsperiode wurden die Zuschläge wieder t>eseitigL
Mit dieser Beseitigung hängt auch die steigende Produktion der
Gesellschaft während der Krisis der 70er Jahre zusammen. Diese
Steigerung war nur möglich durch die Eroberung neuer Absatz-
gebiete mit Hilfe billiger Tarife.
Grofie Ausgaben verursachten damals der Hibemia die so-
genannten Zechenfrachten, d. h. fixe Gebühren für die Zu-
bringung der leeren und Abholung der beladenen Eisenbahn-
wagen von der nächstgelegenen Station zur Zeche resp. von
* Die Entwicklung des niedenheinisch -westfälischen Steinkohlenbergbaos
Bd. X Tefl I p. 139.
1. Bergwerksgesellschaft Hibemla. 107
dieser zur Station. 1873 hatten die drei grofien für den Koblen-
transport in Betracht kommenden Bahnen, die KOln-Mindener,
die Bergisch-Markische und die Rheinische, die Vereinbarung ge-
troffen, auf den Anschlußbahnen einen gleichmäßig erhöhten Tarif
am 1. Juli resp. 1. Januar 1875 in Kraft zu setzen. Die Gesell-
schaft beschwerte sich darüber bei der Staatsregierung, jedoch
ohne Erfolg. In dem Geschäftsbericht von 1877 wird erwähnt,
daß 10769 Mark Zechenfrachten weniger als im Vorjahre gezahlt
wurden. Das war aber nicht die Folge der Reklamation an den
Minister. Die Ermäßigung erfolgte vielmehr deshalb, »weil die
als rentabel befundene Einführung von Extrazugtarifen mit er-
mäßigter Fracht und vor allem die gegenseitige Konkurrenz der
drei Hauptbahnen unseres Industriebezirks notgedrungen dazu ge-
führt hat"* (Geschäftsbericht 1877).
Einen Vergleich der Zechenfrachten 1870 und 1903 ertauben
folgende Zahlen:
Bahn 1870 1903
FOr Shamrock Bergisch-MArkische 3 Mark 90 Pf. (Stttion Rlemke).
50 . , Herne u. Wanne).
. Hlbemla Köln-Mindener . . 50 Pf . 50 . . Oelsenkirchen).
Die Schachtanlagen der Zeche General Blumenthal stehen
heute durch kurze Anschlußgleise mit dem Hauptbahnhof Reck-
linghausen in Verbindung. Die Anschlufifracht für Schacht-
anlage I/n betragt 70 Pf. pro Wagen, für III/IV 50 Pf. Auch die
Scbachtanlagen von Schlägel und Eisen sind an den Recklinghauser
Hauptbahnhof angeschlossen. Etwa 2 km vom Bahnhof Reck-
Unghausen ist ein Obergabebahnhof gebaut, nach welchem die ge-
förderten Kohlenmassen von den einzelnen Schachtanlagen durch
eigne der Gesellschaft gehörige Lokomotiven gebracht werden.
Aus den Obergabegleisen werden die Wagen durch die Staats-
bahn abgeholt Die hierfür zu zahlende Fracht betragt 90 Pf.
Dieser Betrag wird sich auch nicht andern, wenn der Anschluß
an die neue Linie Osterfeld-Hamm nach dem Bahnhof Reckling-
hausen-Ost hergestellt ist
1880 gingen die beiden für den Kohlenabsatz der Hibemia
maßgebenden Bahnen in den Besitz des preußischen Staates über.
Über die nun folgende Periode sagt die Vetwaltung (Denkschrift
p. 14): .Wir stehen nicht an, bezüglich des Werts des Staats-
monopols in bezug auf die Förderung unserer in den 70er und
108 1- Bergwerksgesellschaft Hibernia.
r' ■ . . -■■■ , ■ ■ ■" I . ' I-
80 er Jahren daniederliegenden Koblenindustrie anzuerkennen,
dafi dasselbe der letzteren wichtige und unentbehrliche Dienste
geleistet hat. Wir halten die Einheitlichkeit der Tarife, die Neu-
bearbeitung der verschiedenen Sätze für Stück- und Massengüter,
die Einrichtung der sogenannten Kontraktzüge nach den Nieder-
landen und Belgien, die Verbilligung der Tarifsätze nach der
Schweiz und Italien und schließlich die Einführung des soge-
nannten Rohstofftarifs,* für überaus bemerkenswerte Verbesserungen
im Güterverkehr. Die Frachterieichterungen nach den deutschen
Seehäfen Bremen, Lübeck, Hamburg sind jüngeren Datums (1889).
Der ermäßigte Tarif von Schlesien nach der Ostsee ist am
1. Januar 1898 in Kraft getreten. Es braucht kaum hervor-
gehoben zu werden, dafi es auch für die Zukunft wesentlicher
Tarif ermäfiigungen** bedarf.* Diese grofien TarifermäSigungen,
die im vorhergehenden angedeutet sind, erfolgten ohne eigent-
liche Gegenleistungen der in Betracht kommenden Kohlenzechen.
Sie fielen ihnen als ein Geschenk in den Schoß. Aber sie waren
eine conditio sine qua non. Denn ohne sie hätte die Förderung
nicht jenen Sturmschritt einschlagen können , den wir kennen lernten.
Die Beschleunigung des Produktionstempos wäre nicht möglich
gewesen, wäre der Absatz nicht gröfier geworden. Damit ist der
springende Punkt bezeichnet. Die Kohle ist ein Massengut,
dessen Absatzradius hauptsächlich von der Eisenbahn-
fracht abhängt Daher bedeutet jede Tarifermäfiigung
eine Erweiterung des Absatzgebietes. Durch dieses Mittel
wurden auch durch die Hibernia Gebiete gewonnen, in denen
früher die englische Kohle heimisch war. Die Tarifpolitik stand
im Dienst des Gedankens: die englische Kohle vom deutschen
Markt zu verdrängen und der deutschen den Weg zum Meere zu
eröffnen.
Als ein Beispiel für die Durchführung dieser Idee möchte ich
hier die auf Anregung der Kgl. Eisenbahndirektion in Altona er-
folgte Gründung eines besonderen Kohlenlagers in Hamburg
anführen, an dem sich auch die Hibernia beteiligte. Die genannte
* Die Ausdehnung des Rohstolftarifs auf Brennstoffe erfolgte 1897. Dieser
Tarif beruht auf dem Einheitssatz von 2,2 Pf. pro Tonnenkilometer fflr Strecken
bis 350 km nebst 7 Mark Abfertigungsgebühr. Näheres siehe Die Entwidclung
des niederrheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus, Bd. X Teil I p. 181.
^ .Ein Einheitssatz von 1 ,2 Pf . fOr das Tonnenkilometer und 6 Mark Expeditlomh
gebühr für 10000 kg sollte der Einheitssatz der Zukunft sein . . .!* (a. a. O. p. 182K
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 109
Direktion erklärte sich 1888 bereit, »an dem Bahnhof Stern -
schanze in Hamburg einen geeigneten Platz unter billigen Be-
dingungen zur Verfügung zu stellen und eine Ermäßigung der
Bahnfrachten für die zum Ortsverbrauch in Hamburg und Um-
gebung bestimmten Ruhrkohlen zu befürworten, sofern die Zechen
den erforderlichen Schuppen auf ihre Kosten herstellen lassen
würden" (Bd. XI Teil II p. 85). Zu diesem Zweck traten sieben
Zechen zusammen, darunter Hibemia, Gelsenkirchen, Dahlbukh,
bauten einen grofien aus sieben Magazinen bestehenden Schuppen,
nannten das Ganze »Rheinisch -Westfälisches Kohlen- und Koks-
lager, Hamburg, Bahnhof Stemschanze* und übergaben es 1890
dem Betrieb, der für den genannten Zechenverband einheitlich ge-
regelt war. Dieses Unternehmen, das 1898 die Form einer
Gesellschaft mit beschränkter Haftung annahm und heute noch fünf
Mitglieder hat (aufier den genannten drei Gesellschaften noch den
Schalker Gruben- und Hüttenverein und Zollverein), dient einmal
den Zwecken des Kleinhandels, dann aber vor allem der Be-
kämpfung der englischen Kohle.
So hat also auch die Hibemia, begünstigt durch die Fracht-
politik der Eisenbahnen, die Peripherie ihres Absatzes bedeutend
erweitert Im Jahre 1904 wurden von ihrem Gesamtbestand in
Höhe von 4841819 t 3274575 t auf der Eisenbahn abgesetzt
Außerdem spielt für das Untemehmen der Absatz auf dem
Wasserweg eine Rolle. Von 1892—1899 wurde der Dortmund-
Ems-Kanal gebaut mit seiner Abzweigung von Henrichenburg
nach Heme. Infolge dieser Abzweigung können die Rheinschiffe
bis Herne fahren und dort die Kohle der Gesellschaft in Empfang
nehmen. Ober die Notwendigkeit dieser Wasserstraße heifit es
in der Festschrift (p. 20): »Die Eriahmngen des letzten Jahres
(1897) haben es unzweifelhaft nachgewiesen, dafi der gewaltige
Rohstoffverkehr in seiner progressiven Vermehmng durch die
Eisenbahnen nicht zu bewältigen ist Mit der Herstellung des
Dortmund-Ems-Kanals ist ein Anfang mit den Wasserstraßen ge-
macht Die Industrie veriangt danach mit berechtigtem Drange
die Verbindung dieser sonst schweriich zu Lebensfähigkeit zu ent-
wickelnden Wasserstraßen mit dem Rhein und femer die Ver-
bindung mit Weser und Elbe durch den Mittellandkanal."
Die Notwendigkeit der Entwicklung der Transportmittel und
die VerbUligung der Tarife steht, wie wir sahen, im Zusammen-
hang mit der Tatsache, daß die Kohle in großem Volumen einen
110 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
kleinen Wert birgt Aber dieser Brennstoff weist noch eine zweite
Eigentümlichkeit auf. Er verträgt nämlich im allgemeinen keine
Lagerung. Wenn daher in Perioden mit Absatzstockungen Kohle
aufgestapelt werden muß, so geschieht das auf Kosten der Qua-
iitat Die Kohle entgast Die Fettkohle büfit mit zunehmender
Verwitterung ihre Backfähigkeit ein. Ihre Verkokungsfähigkeit
nimmt mit der Verminderung des Wasserstoffgehalts, besonders
des* freien, und Vermehrung des Sauerstoffgehalts ab.* Diese Ab-
nahme tritt um so rascher ein, je gröfier die der Luft dargebotene
Oberfläche ist, d. h. die Wertverminderung geht bei Feinkohle
rascher vor sich als bei Stfickkohle. Eine solche gelagerte Koks-
kohle wird dann auch meistens weniger Nebenprodukte geben.
Dazu kommt, dafi sich länger lagernde Kohle leicht von selbst
entzündet Die wiederholten Brände der Kohlenlager des Syndi-
kats geben Zeugnis davon. Aus diesem Grunde kann das
Unternehmen Kohlen nicht auf Vorrat fördern.
Ganz anders liegen die Dinge bei den Koks. Sie verwittern
nicht, sie entzünden sich nicht; sie leiden nicht durch Lagerung.
Infolgedessen kann man Koks auf Vorrat produzieren.
Für den Absatz kommen nun verschiedene Sorten in Be-
tracht Sie verdanken ihren Ursprung dem Streben nach
Absatzvermehrung und Besserung der Preise. Wir be-
trachten daher
1. die einzelnen Sorten,
2. ihre Anpassung an die Bedürfnisse des Konsums,
3. die Preise.
Die Sortenspezialisierung verdankt ihre Mannigfaltigkeit zum
Teil den schweren Zeiten, die der Kohlenbergbau in den 70er
und 80 er Jahren durchmachte. Das Kohlensyndikat verfügt heute
über nicht weniger als 1400 verschiedene Qualitäten, Sorten und
Marken.**
Sehen wir uns nun die Sortenbildung und die verschiedenen
Größenklassen der Kohle auf Hibemia näher an. Es Ist das in-
sofern wichtig, als im Gefolge dieser Einteilung ein wirtschaft-
licher Zusammenhang zwischen Größe und Preis auftritt
Da haben wir zunächst Förderkohlen, d. h. Kohlen, die
* Simmersbach, Grundlagen der Koks-Chemie, Berlin 18d5, p. 22.
^ Vodcker, Bericht in den Kontradiktorischen Verhandlungen Aber das
Rheinisch -Westfälische Kohlensyndikat, Berlin, Franz Siemenroth, 1903, S. 30.
1. Bergwerksgesellschalt Hibernia. Hl
in dem Zustande, in welchem sie aus der Grube kommen, abge-
setzt werden. Sie haben als Fettkohlen 25% Stücke, als Gas-
und GasflammfOrderkohlen etwa 40— 457o,* auf Hibernia 45—50%
nach der wohl etwas zu hoch gegriffenen Angabe der Verwaltung.
Sinkt der Stfickgehalt auf etwa 15%, so heifit die Kohle Förder-
gruskohle.
Die grOfite Masse der zum Absatz gelangenden Kohle aber
wird separiert und gewaschen. Dadurch entstehen verschiedene
KomgrOfien. Es gehen aus dieser Klassifikation hervor: Stück-
kohle über 80 mm, Nußkohle 80—10 mm und Feinkohle
weniger als 10 mm.
Die Stückkohlen werden, soweit sie nicht zum Verkauf ge-
langen, den FOrderkohlen zugesetzt, um sie aufzubessern. Da-
durch ergeben sich die melierten Kohlen mit einem Stück-
gehalt von etwa 40% und die »bestmelierten" mit einem solchen
von etwa 50%. Je nach Bedarf lafit sich auf diese Weise der
Stückgehalt andern.
Die Nußkohlen zerfallen in vier Sorten:
Nufi I mit einer normalen Komgröfie zwischen 50 — 80 mm
. n . . . . . 30—50 .
• m , , , . . 15—30 .
. IV . . . . . 10-15 .
Kohle unter 10 mm nennt man Fe in kohle, die, wenn sie
Fettkohle ist, ihre beste Verwertung in der Herstellung von Koks
findet
Aufierdem unterscheidet man Nufigrus. »Unter Nufigrus
(hauptsächlich bei Gasflammkohlen) versteht man die bei einer
Absiebung der Förderkohle auf 30 oder mehr Millimeter durch
eine Sieblochung dieser GrOfie durchfallende Kohle, also den Teil
der FOrderkohle, dessen Komgröfie zwischen und 30 oder mehr
Millimeter liegt und welcher sonst noch in Nufikohle und Fein
kohle gesondert wird.***
Wieder anders gestaltet sich die Einteilung der Koks.
Nach dem Verwendungszweck unterscheidet man drei Sorten.
1. Hochofenkoks; er dient zur Roheisenerzeugung.
2. Giefiereikoks; er wird mit der Gabel oder direkt mit
der Hand ausgelesen und repräsentiert eine bessere Qualität für
* Siehe Die Entwiddung, Bd. X Teil I p. 201 ff.
- a. a. O. p. 206.
112 1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Eisengiefiereien und Metallhfitten; er wird zu Schmelzzwecken
und zur Heizung von Lokomotiven benutzt, z. B. auf der Berliner
Stadtbahn.
3. Brechkoks; er besteht aus kleineren Stücken und wird
zu Hausbrand, Zentralheizungen und Kesselheizungen benutzt
Der Brechkoks zerfallt wieder in vier Komgröfien:
I 55— 90 mm Kleinkoks
n 30—55 .
m 20—30 , Brechkoks
IV 10—20 . Perlkoks
Koks unter 10 mm wird als Koksgries verkauft
Dies ist die auf den Zechen der Hibemia übliche Ein*
teilung. Auf anderen Zechen bestehen vielfach andere Klas*
sierungen. Das Kohlensyndikat könnte sich daher durch eine
einheitliche Durchführung bestimmter Formate ein Verdienst er-
werben.
Zum grofien Teile sind diese Sortierungen hervorgerufen
durch die Ansprüche, die die Industrie an die zur Ver-
wendung kommenden Kohlen oder Koks stellte. So wird
z. B. für Zentralheizungen nach mir zugegangener Privatmitteilung
nur Nufi I gebraucht Zinkhütten verfangen Nufi IV. Zucker-
fabriken schreiben für die Zwecke der Kohlensäureerzeug^ng
groben, dickstückigen Koks vor. So stellt jede Fabrik ihre be-
sonderen Anforderungen. Die Händler sehen auch genau darauf,
dafi sie die verlangte Sorte und Gröfie bekommen.
Bei dem Absatz direkt an den Konsumenten herrscht aber
auf selten des letzteren vielfach Unkenntnis über die Sorten und
Gröfien. Einen solchen Fall konnte ich auf dem Hauptbureau der
Hibemia in Gelsenkirchen beobachten. Ein Herr, der mit einem
Einspänner auf der Zeche erschienen war, verlangte so und so viel
Tonnen Koks. Darauf erwiderte ihm der Bureauvorsteher: Ja, was
für Koks wünschen Sie denn? Wir haben Hochofenkoks, Giefierei-
koks, Brechkoks, Kleinkoks, Perikoks. Darauf war der Käufer
gar nicht vorbereitet Erst nachdem man ihm die Sorten gezeigt
und die Preise derselben genannt, entschied er sich für eine
derselben.
Aus den vorhergehenden Bemerkungen geht hervor, daß die
Sorten bedingt werden durch die Größen. Zwischen diesen aber
und den Preisen besteht ein enger Kausalzusammenhang. Es
1. BergwerksgeseUschaft Hibernia. 113
gibt für den Kohlenverkauf geradezu ein Preisgesetz, das
man folgendermafien formulieren kann: Der Preis der Kohle
steht in einem proportionalen Verhältnis zu ihrer
GröSe.
Diese Tatsache hangt damit zusammen, dafi die Menge der
Kohle mit ihrer Kleinheit zunimmt. Der Prozentsatz an großen
Stucken ist nur gering. Er stellt eine gegebene, oder nur inner-
halb gewisser Grenzen* vermehrbare Gröfie dar, während kleine
Korngrößen sich in beliebigem Maße auf dem Wege der mecha-
nisdien Zertrümmerung auf Brechwerken u. dgl. herstellen lassen.
Daher hat die Kohle mit dem größten Prozentsatz an Stücken den
höchsten Preis. Je kleiner aber die Körnung wird, desto niedriger
ist derselbe.
Um diese Verhältnisse an Beispielen darzulegen, wähle ich
zunächst die Landdebitpreise der Hibernia ab 1. April 1904. Diese
Preise sind nicht Syndikatspreise; sie werden vom Werk selbst
festgesetzt, aber vom Syndikat bestätigt Sie sind, wie gleich
hier bemerkt werden mag, höher als die Verrechnungspreise,
d. h. diejenigen Preise, die der Zeche vom Syndikat bezahlt
werden.
Es betrugen die Landdebitpreise für
Fctt-Fördcrkohle .... 12,— Mark
Nußkohle I 15,—
Nufikohle D 15,-
Nufikohle Ol 13,20
Nufikohle IV 12,00
Giefiereikoks 18,50
Kleinkoks 55—90 mm . . 17^
Kleinkoks aO-55 . . . 16,50
Brechkoks 20— 30 . . . 16,50
Perlkoks 10-20 ... 9,—
Koksgries 1,—
Ganz dasselbe Bild bieten die Verrechnungspreise. Die fol-
gende Tabelle gibt gleichzeitig eine Übersicht über die Preisent-
wicklung seit Beginn der Hochkonjunktur.
* Dafi die Methode der Kohlengewtanung einen Einflufi auf den
Stflckfall hat, habe ich bereits bei Besprechung der Schrimmaschinenarbeit
gescigt
Slllllch, NattonaldkooomiKht Fonchanstn, Bd. U. 8
114
1. Bergwerksgesellschaft Hibernia.
Verrechnungspreise 1896 bis 1904.
Kopien soften
iß9e'97
1897^
189&'99
1399/1900
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Fflrderkohleti 25P/oSlflckg«hilt
8
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10
00
9
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9
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Melierte Kgm.4(Wft
8
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Diese Taßelle zeigt deutlich, wie der Preis mit dem Stück-
gehalt und der Korngröße steigt, außerdem dafi die Gaskohle
teurer ist als die Fettkohle. Der höhere Preis hängt mit der
größeren Härte, dem größeren Stückgehalt und den höheren Ge-
winnungskosten der Gaskohle zusammen.
Seit 1893 liegt der Absatz der von den Zechen der Hibernia
gewonnenen Kohlen in den Händen des Rheinisch-Westfäli-
schen Kohlensyndikats. In dem genannten Jahre traten 95 Ge-
sellschaften zusammen, die 92,7 ®/o der Förderung des Obcr-
bergamtsbezirks repräsentierten. Freilich war das erste Jahr dem
Absatz noch nicht günstig. In dem Geschäftsbericht der Hibernia
von 1893 wird das darauf zurückgeführt, »daß noch vor dem Ver-
tragsabschlüsse und zwischen diesem und dem 1. März, dem
Zeitpunkt, an dem das Syndikat zu arbeiten begann, die Förde-
rung des Jahres 1893 und des ersten Vierteljahres 1894 eine
1. Bergwerksgeseilschalt Hibernia. 115
Reihe von Zechenverwaltungen Teile ihrer Förderung sogar auf
Jahre hinaus zu schlechten und teilweise verlustbringenden Preisen
verschossen.* Erst der am 29. Juli 1893 beginnende und bis
Ende Oktober dauernde Bergarbeiterausstand in den englischen
Midlands brachte, zumal in den peripheren Absatzgebieten vom
September anfangend, einen unerwartet lebhaften Absatz (Ge-
schäftsbericht 1893).
Die wichtigste Wirkung des Syndikats auf die Hibernia war
eine bedeutende Steigerung des Unternehmergewinns,
die an anderer Stelle noch naher dargelegt werden soll. Es
darf daher nicht wundernehmen, wenn die Festschrift in be-
geisterten Worten das Syndikat feiert Sie führt aus:* »Seit seinem
Bestehen hat das Kohlensyndikat hinreichend Gelegenheit gehabt,
seine Bewahrung nachzuweisen. Durch die Beseitigung des
Kampfes von Mann gegen Mann um die Erziehung des taglichen
Absatzes, durch seine Anpassung der Förderung an den Bedarf
und durch eine der allgemeinen Lage der konsumierenden In-
dustrien angepaßte Preisstellung ist das Syndikat zweifellos einer
der wichtigsten Faktoren unseres Wirtschaftslebens geworden. Die
bisherige Geschichte des Syndikats hat erwiesen, daß die Ver-
zinsung des im Rheinisch-Westfälischen Kohlenbergbau angelegten
Kapitals eine regelmäßigere und gesichertere als zuvor geworden,
daß das Bergwerkseigentum in seiner Bewertung gestiegen und
demnach dem Nationalvermögen bedeutender Zuwachs geworden
ist In seiner festgefügten Organisation ist das Kohlensyndikat
das Vorbild für den Zusammenschluß anderer Erwerbsstande ge-
worden; es hat damit nicht allein das System des Kampfes aller
gegen alle beseitigt, sondern durch den Zusammensdiluß der
heimischen Produktion gegen die ausländische die erstere gestärkt
und damit eine hochwichtige nationale Aufgabe erfüllt"
Die Beteiligungsziffer der Gesellschaft beim Syndikat, die
1893 nur 1589585 t betrug, belief sich am I.Januar 1905 auf
5416500 t Kohlen, beim Kokssyndikat auf 749340 t Koks. Das
Kohlenkontingent wird noch überragt von der Gelsenkirchener Berg-
werksgesellschaft, die mit 7698000 1, und dem der Harpener Bergbau-
gesellschaft, die mit 7240000 t Kohle am Syndikat beteiligt ist
Hibernia kommt also in bezug auf die Beteiligung an dritter
Stelle.
• p. 18.
116 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Die ganze Geschichte der Gesellschaft unter der Herrschaft
des Kohlensyndikats ist erfüllt von dem brennenden Verlangen
nach Erhöhung der Beteiligungsziffer Unter dem alten Ver*
trage vom 16./19. Februar 1893 gab es dafür verschiedene Möglich-
keiten. Die wichtigste war die Abteufung neuer Schächte. Jeder
neue Syndikatsschacht bedeutete die Bewilligung einer Mehr-
förderung von 120000 t. Dieser Modus wurde nun mit dem
neuen 1903 zustande gekommenen Syndikatsvertrag verlassen.
Nunmehr genügte die Anlage neuer Schächte nicht mehr, um eine
Erhöhung der Beteiligungsziffer herbeizuführen. Es mufite daher
ein neuer Weg gesucht werden, und dieser fand sich in dem Auf-
kauf mit hohen Beteiligungsziffem versehener Bergwerke; dieselben
wurden ganz oder teilweise stillgelegt und ihr Kontingent auf die
Gesellschaft übertragen. Die Ursache des Kaufs lag also nicht so
sehr in dem Erwerb des Bergwerks als vielmehr in dem Erwerb
der Beteiligungsziffer. Auf sie allein kam es an.
Von diesem Motiv liefi sich auch die Hibemia bei dem be-
reits früher besprochenen Ankauf von Alstaden leiten. Ober
das weitere Vorgehen heifit es in dem Geschäftsbericht von 1904:
»Noch im abgelaufenen Jahre wurde der Schacht I der Zeche
Alstaden stillgelegt und der Betrieb auf Schacht 11 konzentriert;
es ist zunächst in Aussicht genommen, diesem Schacht eine Jahres-
produktion von 230000 t zuzuweisen und den Rest der Beteili-
gungsziffer auf die alten Hiberniazechen zu über-
nehmen.*
Bei dieser Zechenfusion stand der Kauflust der Hil)emia auf
der einen Seite die Verkaufsneigung der Aktiengesellschaft Alstaden
auf der andern Seite gegenüber Denn die Lage dieser letzteren
Zeche war eine ungünstige. Sie teilte das Schicksal ihrer
Schwestern im Süden. Die Produktionskosten waren hoch, die
Arbeisleistung gering, die Möglichkeit des Fortbetriebs infolge-
dessen nur bei hohen Magerkohlenpreisen möglich. Das Syndikat
konnte in dieser Beziehung aber nur bis zu einer bestimmten
Grenze gehen, zumal die Nachfrage nach Magerkohlen heute
nicht mehr die alte ist *
Noch in den 80er und 90er Jahren fanden die besseren, auf-
bereiteten Produkte dieser Magerkohlenzeche infolge der gesteigerten
Nachfrage zu Hausbrandzwecken (Heizung mit Dauerbrennern, so-
genannten Amerikaner Ofen) guten Absatz. Aber in letzter Zeit
traten Bedarfsänderungen ein. »Den Dauerbrenneröfen sind die
1. Bef^gwerksgesellschaft Hibemia. 117
Zentralheizungen gefolgt, ffir die die Magerkohlen nicht mehr den
bevorzugten Brennstoff bilden. Auch der Fortschritt der Ziegeleien
zum Ringofenbetrieb tut dem Verbrauch der Magerkohlen Eintrag,
und die Hoffnung, dafi die Gaskraftmaschinen eine Belebung des
Magerkohlenmarktes herbeiführen werden, ist ungewiß, da diese
Maschinen immer mehr fär den überall erhältlichen Koks und
weniger für die auf bestimmte Gegenden beschränkte Mager-(An-
thrazit-) kohlen eingerichtet werden* (Denkschrift betreffend die
Stillegung verschiedener Steinkohlenzechen p. 11).
Um diese Schwierigkeiten wenigstens teilweise zu umgehen,
werden auf Alstaden, wie schon angedeutet, die Magerkohlen zu
Briketts geprefit 1904 gingen 19051 t in die Brikettfabrik. Der
giOSte Teil allerdings, 92 192,5 t, wurden durch die Eisenbahn ab-
gesetzt, der Gesamtabsatz betrug 139473,5 t, steht also zu dem
Absatz der anderen Zechen der Gesellschaft in gar keinem Ver-
hältnis.
Fassen wir nun noch einmal ganz kurz das Wesentliche
über die Produktions- und Absatzverhältnisse zusammen,
so ergibt sich folgendes: Die Produktion ist stark gestiegen,
der auf die Tonne Förderung entfallende Kapitalanteil
gesunken. Der Absatz dieser Massenproduktion vollzieht
sich hauptsächlich durch die Eisenbahnen, deren Tarif-
politik den Absatzradius der Hibernia erweiterte. Frei-
lich ohne eine annähernde Gegenleistung der letzteren.
In hervorragendem Mafie nimmt sie an der Bekämpfung
der englischen Kohle teil (Sternschanze in Hamburg).
Von vielen andern Waren unterscheidet sich die Kohle
dadurch, dafi sie längere Lagerung nicht verträgt Sie
kann daher nicht auf Vorrat gefördert werden. Wirtschaft-
liche Konjunkturen wirken infolgedessen einschneidender
als bei Vorratsindustrien. Die beiden wichtigsten Mittel
einer Wert- resp. Preiserhöhung waren die Einfuhrung
bestimmter Größenklassen und der Obergang des Absatzes
aufdas Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat, über des-
sen Einflufi auf die grofien fusionierten Zechen bei der
folgenden Gesellschaft noch Näheres gesagt werden soll-
Wir haben nun noch das Ziel der Unternehmung zu be-
trachten: den Gewinn der einzelnen Zweige.
Die Bruttogewinne der Grubenbetriebe sind aus folgender
Tabelle ersichtlich.
118
1. Bergwerksgesellschaft Hibernla.
Bruttogewinne der Grubenbetriebe.
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Shamrock
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1882
1883
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1885
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1880
1891
1882
1893
1894
1805
1896
1897
1898
1899
1900
1901
1903
1903
1904
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444526
160538
324692
384249
469697
653255
419546
487821
661046
612482
800974
712965
662186
1388403
1552825
3206804
2839256
2105944
1206683
1246740
1325353
1179192
1189442
1337657
1701339
2450692
1735958
1663487
1671562
1512132
184357
655469
1184965
1414990
1936214
2215526
3326457
2776785
2314060
2164478
1937572
864300
839851
330680
196952
329785
322262
337725
692161
526784
576460
694604
869495
681140
627188
426570
436980
606186
1763130
978528
288816
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217974
322243
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560225
719667
365443
231327
351424
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206507
1295404
1349822
515842
435518
623230
831638
884604
1139426
1164387
1395696
1803781
1829835
1175577
1470011
1506350
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227137
677916
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2355387
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1284378
491218
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654478
706511
807433
1245416
946330
1064281
1356651
1481978
1483114
1340153
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2029684
2369519
6265338
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1824787
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3030436
3517351
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6099934
9038516
7740664
6788339
7883766
8070815
Danach betrug der Gesamtgewinn aus den Grubenbetrieben
in den 32 Jahren von 1873—1904: 99486834 Mark oder im
Durchschnitt jährlich 3108963 Mark. Überblicken wir die Zahlen-
reihen, dann fallen zunächst die riesigen Schwankungen ins Auge.
Diese liegen zwischen 491 219 Mark im Jahre 1875 und 9038516Mark
im Jahre 1900. In zweiter Linie aber fallen die enormen Gewinne
auf, die seit der Vergröfierung des Unternehmens unter der Herr-
schaft des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats erzielt wurden«
Was die Zechen der Gesellschaft im einzelnen anbelangt, so kann
es keinem Zweifel unterliegen, dafi die Gewinnergebnisse haupt-
sächlich bestimmt werden durch Shamrock III/IV sowie Schlägel und
Eisen, die heute in bezug auf die Rentabilität an der Spitze stehen.
* In dieser Schlufisumme ist der 112895,19 Mark betragende Verlust aus
dem Grubenbetrieb Alstaden abgezogen.
94
78
72
17
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1. Bergwerksgeseilschaft Hibemia.
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120
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Als finanzielle Stützpunkte kommen in Betracht die Neben*
betriebe. Die Bruttogewinne sind in vorstehender Tabelle spezialisiert.
In den 32 Jahren von 1873—1904 warfen die in der Tabelle
aufgeführten Nebenbetriebe (Kokereien, Gasfabriken und Ziege-
leien einschließlich einer Schmier- und Brikettfabrik) im ganzen
18 795601 Mark ab oder jähriich 587364 Mark. Die Schwankungen
liegen hier zwischen 4904 Mark im Jahre 1889, in dem die Kokerei
auf Shamrock einen beträchtlichen Verlust ergab, und 2 112268 Mark
im Jahre 1900. Das Gewinnergebnis weist hier erheblich höhere
Differenzen auf als beim Grubenbetrieb. An dem gesamten Brutto-
gewinn in Höhe von 118282435 Mark sind die Nebenbetriebe
mit 15,8% beteiligt.
Von diesen Bruttogewinnen geht dreierlei ab:
1. Zinsen der Anleihen.*
2. Abschreibungen auf Inventarkonto.*
3. Sonstige Abschreibungen.
Nach Abzug dieser Posten ergibt sich der Reingewinn aus
folgender Tabelle:
1873
: 2613809 Afbrk
49
Pf.
1889:
1642934 Matk
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1874
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•»
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1899:
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1884
1291173
»»
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1900:
5663291
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1885
1277734
ff
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1901:
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1213524
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1887
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24
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1903:
5345408
II
84
1888
1544608
II
54
>l
1904:
5366201
•>
67
Aus diesen Reingewinnen werden dann die verschiedenen Re-
servefonds dotiert. Ein Teil fließt in die Arbeiterunterstfitzungs-
kasse — derselbe wird jedoch seit 1891 wahrscheinlich aus Steuer-
* Es betrugen
die Zinsen der Anleihen
die Abschreibungen
1900
448180 Mark
4604110^ Marli
1901
446180 .
4001015,40 .
1902
441680 .
3496946;!6 .
1903
524930 .
3750038,80 .
1904
796213 .
3750215.60 .
1. Bergwerksgeseilschaft Hibernia.
121
räcksichten dem Gewinn vorweggenommen — hin und wieder, so
1882 und 1883, wurden kleine Betrage an Krankenhäuser und Her-
bergen zur Heimat gegeben, hauptsachlich aber kommt in Be-
tracht die an den Aufsichtsrat gezahlte Tantieme. Was fibrig-
bleibt, gelangt als Dividende zur Ausschüttung an die Aktionäre.
Die Tantieme betrug im Jahre 1903: 255011 Mark. Der Auf-
sichtsrat besteht aus 14 Mitgliedern. Das einzelne Mitglied er-
hielt also eine Durchschnittstantieme von 18215 Mark.
An Dividenden wurden gezahlt:
1873
2184000 Mark 130/o
1889:
1428000 Mark
8V«o/o
1874
1008000 .
6«/o
1890:
3192000 .
190/0
1875
, 420000 .
2»/iO/o
1891:
2688048 .
120/0
1876
252000 .
lVs«/o
1892:
1232022 .
5ViO/o
1877
420000 .
2V«o/o
1893:
896016 .
40/0
1878
462000 .
2»/«o/o
1894:
1232022 .
5ViO/o
1879
560000 .
3V»o/o
1895:
1680030 .
7V«o/o
1880
1260000 .
7Va»/o
1896:
2128038 .
9V«o/o
1881
672000 .
4»/o
1897:
2688048 .
120/0
1882
896000 .
5V»o/o
1898:
3088080 .
120/0
1883
1008000 .
60/0
1899:
3888144 .
120/0
1884
1008000 .
60/0
1900:
4892180 .
150/0
1885:
1008000 .
60/0
1901:
4978000 .
130/0
1886-
924000 .
5V«o/o
1902:
3940000 .
100/0
1887
756000 .
4V«o/o
1903:
4810000 .
110/0
1888:
1260000 .
7VaO/o
1904:
4950000 .
110/0
In diesen Zahlenreihen reflektieren sich deutlich die guten
und schlechten Geschäftsjahre. Von 1873—1903 betrug die Divi-
dende durchschnittlich 7,75%. Das Aktienkapital warf in den
guten Geschäftszeiten 9,93%, in den schlechten 5,42% ab. In
dem ganzen Zeitraum schwankte die Dividende zwischen lVa%
(1876) und 19% (1890). Hingegen beträgt die Spannung zwischen
dem Dividendendurchschnitt der guten und schlechten Geschäfts-
jahre nur 4,55%.
Rechnet man das letzte Geschäftsjahr 1904 noch hinzu, dann
betrug die gesamte Durchschnittsdividende von 1873—1904: 7,85%.
Im Gegensatz zu der später zu besprechenden Gelsenkirchener
Bergwerksaktiengesellschaft ergibt sich jedoch für die Zeit nach
den grofien Fusionen eine höhere Dividende als ffir die Zeit vor
denselben. Die Dividende betrug im Durchschnitt der Jahre 1873
bis 1886: 5,14%, von 1887—1904 aber 9,97%. Diese Tatsache
hängt zusammen mit der guten Qualität der neuerworbnen Ob-
122
1. Bergwerksgesellschaft Hibernia.
1889:
244^0/0
189Ü:
193,750/0
1891:
122.000/0
1892:
101,800/0
1893:
115,900/0
1894:
136.600/0
1895:
169,000/0
1896:
180,600/0
1897:
209,600/0
1898:
197,300/0
1899:
221.600/0
1900:
193.200/0
1901:
164.100/0
1902:
178,200/0
1903:
217.200/0
jekte, ganz abgesehen von der günstigen Konjunktur der zweiten
Periode auf dem Kohlenmarkt.
Als ein Spiegelbild der Erträge darf im großen und ganzea
die Kursentwicklung angesehen werden. Die Ultimo-Kurse
von Hibernia stellten sich an der Berliner Börse in den einzelnen
Jahren wie folgt (Salings Börsenpapiere IL Teil 1904/05):
1873: 107,500/0
1874: 80,750/0
1875: 43.000/0
1876: 34,000/0
1877: 40,000/0*
1878: 46.000/0
1879: 94,000/0
1880: 99.750/0
1881: 91,000/0
1882: 86.500/0
1883: 98.900/0
1884: 96,400/0
1885: 97,500/0
1886: 97.900/0
1887: 88,000/0
1888: 131,500/0
Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daß der Kurs in
der kritischen Periode der 70er Jahre am tiefsten stand. Es
war nicht so sehr das Ende des Jahres 1876, wo er seinen Tief-
punkt erreichte, als vielmehr der Anfang von 1877, wo er auf
20^/o herunterging. Mit dem Jahre 1879 setzt dann eine Kurs-
besserung ein, die auch in den folgenden Jahren anhfllL
Zu einer großen Aufwärtsbewegung der Kurse aber sollte es
erst mit Beginn der Annexionsperiode im Jahre 1888 kommen.
1889 steigt dann infolge der Preistreiberei auf dem Kohlenmarkt
der Kurs sogar auf die bisher unerhörte Höhe von 244,50^/o.
Die zweite große Aufwflrtsbewegung beginnt mit der Hoch-
konjunktur von 1895 ff. In der darauf folgenden Krise von 1901 ff.
gehen die Kurse wieder zurück, um im Jahre 1904 eine perio-
dische Erhebung um lOO^/o zu erleben, die einzig dasteht
in der Geschichte des Unternehmens.
Betrachten wir zunächst diese spekulative Kurserhöhung näher
im Detail. Noch Ende Februar 1904 stellte sich der Preis der Hi-
bemia-Aktien an der Beriiner Fondsbörse auf 190^/o, Ende März auf
* Im Saling ist 48 o/o angegeben, was mit der amtlichen Ktirsnotiz nicht
abereinstimmt.
1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia. 123
195^/a Auf diesem Niveau blieb er im April und Mai, um dann
zuerst langsam in die Höhe zu klimmen. Ultimo Juni betrug er
206^0/0,
Im Monat Juli beginnt dann der Kurs in einem beschleunigten
Tempo zu steigen. Nach der Notiz im amtlichen Kursblatt der
Berliner Fondsbörse stellte er sich
am 5. Juli auf 208,300/o am 28. Juli auf 230,00o/o
. 15. . . 211,500/0 . 29. . . 242.300/0
. 16. . . 216,400/0 . 30. . . 247,100/o
. 27. . . 221,000/0
Dann avanciert der Kurs von einzelnen Rfickschlägen be-
gleitet bis zum 19. August auf 271 ^/o, um bis zum 26. August
wieder auf 259^5% herunterzugehen. Im September pendelt er
dann um einige 270^/o herum. Im Oktober jedoch geht er noch
einmal kolossal in die Höhe, um am 26. mit 290^/o seinen Zenit
zu erreichen — in den folgenden Tagen wurde der Kurs ge-
strichen. Am 31. Oktober und 1. November verharrte er noch auf
dieser schwindelnden Höhe, um dann in den folgenden Tagen
von Stufe zu Stufe herunterzustürzen.
Niemals in der Geschichte des Unternehmens, vielleicht vom
Jahre 1889 abgesehen, haben sich die Kurse so stürmisch ent-
wickelt, wie in dem eben geschilderten Zeitraum.
Anfangs war man sich über die Ursachen der spekulativen
Aufwärtsbewegung an der Börse keineswegs im klaren. Als
Im Juli die Kurssteigerungen ein sehr lebhaftes Tempo einzu-
schlagen begannen als Folge gesteigerter Nachfrage, vermutete
die Spekulation große Kombinationsprojekte in der rheinisch-
westfälischen Montanindustrie. Noch am 25. Juli schrieb der Ber-
liner Börsen-Courier üt>er die Kurssteigerung in Hibemia- Aktien
folgendes: «Die Bewegung in den Aktien dieser Gesellschaft ge-
staltet sich für die hiesige Börse immer mehr zu einer Sensation
ersten Ranges. Nachdem die Aktien in den letzten Wochen durch
die immer von neuem und systematisch durchgeführten Kflufe
einer hiesigen großen Bank bereits um 25 ^/o gestiegen sind,
setzten sie heute bereits etwa 6^/o über dem gestrigen Schlufi-
kurse ein und sind im weiteren Veriauf der Börse noch um
weitere 4V2^/o gesprungen. Der Beweggrund der Käufe bleibt
nach wie vor in Dunkel gehüllt, wot>ei die allgemeine Annahme
dabin geht, daß die Käufer mit der Aufsaugung des Aktien-
124 1- Bergwerksgesellschaft Hibernia.
besitzes weitgehende Fusionsprojekte verfolgen und die Bank,
die an der hiesigen Börse als die Käuferin aufgetreten ist, dabei
als Mandatarin einzelner Großindustrieller handelt Durch die
großen Käufe sind die Verwaltungskreise der Gesellschaft alar-
miert worden. Infolgedessen hat der Aufsichtsrat den Beschluß,
6V9 Millionen Mark neue, zunächst mit 25^/o einzuzahlende Aktien
auszugeben, gefaßt*
Der Schleier, der fiber dem Geheimnis dieser Kurssteigerung
lag, wurde auf einmal am 28. Juli gelfiftet, und zwar durch
die Mitteilung des Wolffschen Telegraphenbureaus, daß der
preußische Staat beabsichtige, die Hibernia zu erwerben.
Am folgenden Tage erschien dann im Königlich Preußischen
Staats- und Deutschen Reichsanzeiger die Verstaatlichungsofferte.
Ihre Veröffentlichung war größtenteils veranlaßt und beschleunigt
durch die starke spekulative Kurssteigerung, die sich in den
Aktien der Hibernia vollzogen hatte. Die Offerte der R^enmg
bot den Aktionären für je 3000 Mark des 53Vfl Millionen Mark
betragenden Aktienkapitals der Gesellschaft Staatsschuldverschrei-
bungen der 3^/0 konsolidierten Staatsanleihe im Nennwerte von
8000 Mark mit Zinsscheinen für die Zeit vom 1. Januar 1905 ab.
Das Angebot der Regierung berechnete sich nach dem damaligen
Kursstande der Konsols zu 240%. Danach stellte sich der an-
gebotene Gesamtpreis für die Zeche auf 128,4 Millionen Mark.
Sehen wir uns nun vorerst den Plan des preußischen Fiskus
etwas näher an. Zur Durchfährung der Transaktion hatte sich
der preußische Handelsminister bereits am 16. Juni mit der
Dresdner Bank in Verbindung gesetzt und derselben das Angebot
gemacht, mit anderen Berliner Großbanken ein Syndikat zu bilden
und nach und nach an der Börse so viele Hibemia-Aktien auf-
zukaufen, als zur Erreichung der Majorität in der Generalver-
sammlung nötig seien. Die Dresdner Bank verpflichtete sich in-
folgedessen, mindestens 26,8 Millionen Mark, d. h. mehr als die
Hälfte, für ihre Rechnung zu erwerben. Es handelt sich also nicht,
wie vielfach fälschlich behauptet worden ist, um ein Kommissions-
geschäft, sondern um ein Propregeschäft
In dem Geschäftsbericht der Gesellschaft von 1904 ist das
Angebot des Ministers an die Dresdner Bank vom 16. Juni ab-
gedruckt Dasselbe lautet: »In Bestätigung unserer gestrigen
mündlichen Abrede verpflichte ich mich im Einverständnis mit
dem Herrn Ministerpräsidenten und dem Herrn Finanzminister,
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 125
den gesetzgebenden Faktoren eine Gesetzesvorlage zur Genehmi-
gung vorzulegen, welche die Kgl. Staatsregierung ermächtigt,
die Aktien der Bergwerksgesellschaft Hibemia im Betrage von
51000000 Mark, geschrieben EinundfQnfzig Millionen Mark,
gegen eine Rente von 8%, geschrieben acht Prozent, in 37oigen
Konsols für den Kgl. Preußischen Fiskus zu erwerben. Ich halte
mich an dieses Angebot bis zum 31. Dezember ds. Js. gebunden,
sofern Sie mir bis dahin den Nachweis erbringen, daß Sie, be-
züglich die Dresdner Bank und das von Ihnen demnächst zu
bildende Konsortium, imstande sind und sich stark dafür machen,
mir bzw. meinem Amtsnachfolger den für die Durchführung des
Erwerbes des gesamten Unternehmens erforderlichen Betrag des
Aktienkapitals zur Verfügung zu stellen. Eine schriftliche Be-
stätigung der Ihrerseits mündlich gemachten Zusage wird er-
beten.*
Aus diesem Briefe geht hervor, daß der Herr Minister auf
Grund einer damals nicht mehr zutreffenden Angabe in Salings
Börsenpapieren von 1903/04 sich in dem Glauben befand, das
Aktienkapital d(r Hibemia betrage 51 Millionen Mark, während
im Mai bereits eine Erhöhung um 2Va Millonen stattgehinden
hatte. Der Minister, dem doch so außerordentlich viele Orien-
tieningsmittel zur Verfügung stehen, kannte also nicht einmal das
Grundkapital der Gesellschaft, die er zu erwerben gedachte. Erst
später ist dann der Fehler berichtigt worden.
Am Tage der Veröffentlichung durch den Reichs- und Staats-
anzeiger trat dann die Regierung auch mit der Verwaltung der
Hibemia in Verbindung. Dieselbe war offenbar indigniert dar-
über, daß man sich erst in zweiter Linie an sie gewandt hatte.
Der Attfsichtsrat beschloß in seiner Sitzung vom 1. August, die
staatliche Offerte abzulehnen und dem Vorstande die Genehmi-
gung, mit der Regiemng über den Entwurf eines die Einzelheiten
regelnden Vertrages zu unterhandeln, nicht zu erteUen.
Die Nachricht von der beabsichtigten Erwerbung der Berg-
werksgesellschaft Hibemia durch den preußischen Fiskus erregte
in allen industriellen Kreisen das größte Aufsehen. An der Ber-
liner Börse trat eine wahre Hausseexplosion in Bergwerkspapieren
ein. Diese Montanhausse hatte ihren letzten Gmnd in der Auf-
fassung der Börse, daß die beabsichtigte Verstaatlichung der Hi-
bemia der Anfang einer allgemeinen Verstaatlichung des ganzen
rheiniscfa -westfälischen Kohlenbergbaus sei. Diese Legende wurde
126 !• Bergwerksgesellschaft Hibemia.
für die Industrie- und die Bankwelt das Alarmsignal, alle Kräfte
aufzubieten, um gegen die Verstaatlichung Front zu machen.
Diesen Feldzug des koalierten Großkapitals gegen
die Staatsmacht haben wir jetzt näher zu betrachten.
Wie schon aus dem vorher Gesagten ersichtlich, bildeten sieb
zwei Parteien. Die eine war der Fiskus und mit ihm liiert die
Dresdner Bank und der mit ihr in Interessengemeinschaft stehende
A. Schaaffhausensche Bankverein; die andere war das assoziierte
Großkapital, vor allem die Berliner Handelsgesellschaft, Bleich-
rOder, die Darmstädter Bank, die Diskonto-KomiiianditgeseUschaft
' und die Deutsche Bank, die die Teilnahme an der Bildung eines
Konsortiums zum Zwecke des Erwerbs der Aktien abgelehnt hatten.
Die Gründe, warum die den Geldmarkt beherrschenden Banken
verstaatlichungsfeindlich waren, liegen m. E. in folgendem: Erstens
würden durch den Erwerb der Hibemia aus dem Börsenverkehr 53V9
resp. 60 Millionen Mark Aktien ausscheiden, weil sie durch den Staat
festgelegt würden. Zweitens entgingen den Banken die Gewinne»
die aus weiteren Fusionen der Gesellschaft mit andern Zechen in
Zukunft fließen könnten. Drittens verlören sie unmittelbar an Ein-
fluß, denn ihre Direktoren sitzen im Aufsichtsrat und wirken mit-
bestimmend für die Art der Geldvermehrung. Die Dresdner Bank
z. B. ist im Aufsichtsrat von ca. 97 Aktiengesellschaften vertreten.
Das waren die Gründe, die die haute banque bestimmten, sidi
gegen den Versuch zu erklären, «einen der schönsten Steine aus
dem Diadem der Börse herauszubrechen*.
Dieser Gegnerschaft schlössen sich weiter an die Interessenten
der Eisenindustrie, die von einer Verstaatlichung keine Verbilligung
der Kohlen erwarteten, vor allen aber das Grubenkapital, d. h.
die im Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat zusammengefaßten
Zechen, an der Spitze die Hibemia selbst
Am 27. August 1904 berief die Verwaltung der letztgenannten
Gesellschaft eine außerordentliche Generalversammlung, um zu
dem Verstaatlichungsprojekt Stellung zu nehmen. An derselben
nahm nahezu das ganze Aktienkapital teil. Von den 53,5 Millionen
waren 50346400 Mark, d. h. über 94 ^/o vertreten. »Eine pro-
zentual so hohe Beteiligung,* schrieb damals ein Beriiner Finanzblatt
(Börsen-Courier 28. August 1904), »ist noch niemals in der General*
Versammlung einer großen Aktiengesellschaft zu verzeichnen ge-
wesen.* Die Versammlung endete mit einem Siege der Anti-
verstaatlichungsgruppe. Die Offerte der Regierung wurde von
1. Bcrgwerksgesdlschaft Hibernia. 127
92 Aktionären mit 29641400 Mark gegen 19 Aktionäre, die
2651200 Mark vertraten, abgelehnt Die von der Dresdner Bank
angemeldeten 18 Millionen Mark Aktien sind dabei nicht berück*
sicbtigL
Bestimmend für die Ablehnung waren folgende Gesichts-
punkte. Zunächst die Gefahr, daß die Verstaaflichung der Hi-
bernia nur der erste Schritt sei zur Verstaatiichung des ganzen
KohIent>ergbaus. Eine solche Mafiregel aber würde die Ent-
wicklung zum sozialistischen Zukunftsstaat beschleunigen.
»Die Verstaaflichung des westfälischen Bergbaus*, sagte der
Generaldirektor Geh. Bergrat Behrens nach der Frankfurter Zeitung
vom 7. August 1904, »wird die reaktionärste Maßnahme bedeuten,
die jemals getroffen worden ist Sie würde gleichzeitig den Staat
zum Kollektivismus in ungeahnt kurzer Zeit führen und in der
Riditung der Pflege des Staatssozialismus eine unübertroffene
Leistung darstellen.*
Aufier diesem volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt, der, wie
wir noch sehen werden, trotz der damit verbundenen begrifflichen
Unklarheit auch in den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses
eine große Rolle spielte, wurde von der Verwaltung noch ein
privatndrtschaftlicher Grund ins Feld geführt Dieser bestand
darin, daß die staatliche Offerte kein genügendes Äquivalent
biete. In Anbetracht der vortrefflichen Lage der Hibernia, so
fährte der Leiter des Unternehmens aus, sei das, was der Staat
den Aktionären geben wolle, viel zu wenig. Das Angebot der
Staatsregierung entspreche einer 8^/oigen Verzinsung der Hibernia- \
Aktien in Konsols und einem Kapitalbetrage, welcher sich unter An-
nahme des gegenwärtigen Kurses für 3^/oige Konsols auf ca. 240^/o
stelle. Nun habe aber in den letzten zehn Jahren die Durchschnitts-
dividende der Hibernia 11,03% betragen, in den letzten sieben
Jahren sogar 12,07%. Die Verzinsung sei also 3 — 4% höher '
als der Staat die Werte einschätze. Aufierdem habe die Ver-
waltung beständig große Abschreibungen und Rückstellungen ge-
macht, in der Absicht, mehr für die zukünftigen als gegenwärtigen
Erträgnisse zu sorgen. Sie habe umfangreiche Erwerbungen von
Zechen, Kohlenfeldem, Kuxen und Kontingenten vorgenommen in
dem Bewußtsein, dafi diese Besitztümer die derzeitigen Ergebnisse
noch erheblich belasten, at>er in der Erwartung, daß sie, nutzbar
gemacht, die Gesellschaft zu steigenden Einnahmen führen werden.
Diesen Chancen, sowie der Entwicklung, die aus der Syndikats-
128 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Verlängerung erwartet werden dürfe, trage die staatliche Offerte nicht
Rechnung (Vossische Zeitung vom 2. August 1904). Aus diesen Aus-
fährungen geht hervor, daß die vom Staat angebotene Rente, da sie
niedriger sei als die Durchschnittsdividende und die zu erwartenden
Mehrertragnisse nicht präeskomptiere, als eine Gegenleistung für den
Verzicht auf die Zukunft nicht angesehen wurde. Dieser nackte jeder
weitem volkswirtschaftlichen Einsicht bare Interessenstandpunkt eines
durch und durch einseitigen Privatkapitalismus gab den Aussdilag
zur Ablehnung. In dieser Generalversammlung wurde gleichzeitig
eine Erhöhung des Grundkapitals von 53,5 auf 60 Millionen Mark
durchgesetzt. Diese Kapitalsvermehrung war von dem Aufsichtsrat
bereits am 26. Juli beschlossen worden, d. h. zu einer Zeit, als
noch niemand innerhalb der Verwaltung eine Ahnung von den
Verstaatlichungsabsichten der Regierung hatte. Die Erhöhung
sollte der Befriedigung eines durch technische Maßnahmen er*
forderten Geldbedarfes dienen, wie gleich noch näher gezeigt
werden soll. Die Verhältnisse brachten es mit sich, daß sie außer-
dem zu einem Mittel wurde, um die Machtstellung der
gegen die Verstaatlichung opponierenden Majorität zu
stärken.
Auf die Veranlassung zur Ausgabe junger Aktien wird bereits
in dem Bericht des Aufsichtsrates vom 26. Juni näher eingegangen.
Danach handelte es sich um den Ankauf großer Sandfelder. Seit
Mitte 1903 war auf Hibemia das Spülversatzverfahren ein-
geführt worden. In dem genannten Jahre wurde für sieben Ab-
baubetriebe der Bergeversatz, der früher durch Arbeiter ausgeführt
wurde, nunmehr mechanisch durch eine 120 mm Röhrentour
mittels Wasser hingespült Es handelt sich hier um einen weiteren
Fortschritt in der Ersetzung der menschlichen Arbeitskraft Im
Geschäftsbericht von 1903 wird ausgeführt, daß sich das Sand-
spülverfahren gut bewährt. »Vor dem alten Verfahren hat es
jedenfalls den Vorteil, daß der Versatz absolut dicht wird, was
früher nicht immer zu erzielen war. Dieserhalb soll das neue
Versatzverfahren noch bei weiteren Abbaubetrieben eingeführt
werden, in denen jetzt noch Bergeversatz mit der Schaufel aus-
geführt wird. Damit tritt für die Hibemia die Notwendigkeit
heran, große Sandfelder zu erwerben und zu diesen eine Ver-
bindungsbahn anzulegen.* Diese Sandfelder umfassen ein Terrain
von 250 ha. Der Preis wird auf 360000—400000 Mark, d. h« auf
1440 — 1600 Mark pro Hektar angegeben, während für die zu
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 129
bauende Bahn etwa 2 Millionen aufgewendet werden müssen.
Dazu kamen dann noch Ausgaben ffir Arbeiterkolonien und für
Modernisierung der Kraftanlagen. Hieraus ergibt sich, daß es im
Wesen des Betriebes liegende Gründe waren, die den ersten
Sporn zur Kapitalserhöhung gaben. Die Verstaatlicbungsofferte
war dann ein weiterer Antrieb zur Durchführung derselben.
Um die jungen Aktien nicht in die Hände der Verstaatlichungs-
anhänger gelangen zu lassen, wurde das Bezugsrecht der alten
Aktionäre ausgeschlossen und der Aufsichtsrat und Vorstand er-
mächtigt, »die Offerten solcher Personen und Institute abzulehnen,
von welchen nach ihrem Ermessen anzunehmen war, daß von
ihnen der Besitz der neuen Aktien benutzt werde, um den Fort-
bestand der Gesellschaft zu gefährden* (Geschäftsbericht 1904).
Durch diese Generalversammlung,* deren Beschlüsse von der
Dresdner Bank im Prozeßwege,** allerdings mit negativem Er-
folge, angefochten wurden, tritt eine vollständige Machtver-
schiebung ein: Die von der Dresdner Bank und ihren Freunden
erwort>enen 27552800 Mark Nominalaktien repräsentieren nicht
mehr die Hälfte des nunmehr 60 Millionen Mark betragenden
Aktienkapitals. Nach dieser Generalversammlung blieb der Regierung
nichts anderes übrig, als den Besitz der Dresdner Bank an Hibemia-
Aktien zu erwerben. Sie hoffte dabei vielleicht, daß sich im
Laufe der Zeit die andere größere Hälfte der Aktionäre noch
mit dem Obergang auf den Staat einverstanden erklären werde.
Zu diesem Zweck brachte sie einen Gesetzentwurf*** ein, be-
treffend die Beteiligung des Staates an der Bergwerksgesellschaft
Hibemia zu Herne, der sowohl vom Abgeordnetenhaus als auch vom
Herrenhaus zum Gegenstande eingehender Diskussion und Kritik
gemacht, aber schließlich angenommen wurde. Damit wird, nach-
dem auch die königliche Bestätigung erfolgt war, der preußische
Staat Großaktionär der Hibemia.
* Auch eine zweite Qeneralvenammlung am 22. Oktober 1904 lehnte die
Vcfstaatlichtuigsofferte und die von der Dresdner Bank beantragte Aufhebung
des Beschlusses auf KapitalserhOhung ab.
** Eine ausfahrliche Darstellung der eingelegten Proteste und der sich
daranschlieflenden Rechtsstreitigkeiten — die uns hier nicht weiter interessieren —
findet sich im Geschäftsbericht von 1904 p. 11—13.
•^ Unrichtig ist die Auffassung des Geschäftsberichts pro 1904, welcher
achreibt: Die Regierung war bestrebt, dem zusammentretenden Landtage eine
Vodi^ betreffend den Erwerb der Mehrheit der Hlbemia-Aktien zu machen.
Stinich, NAtiooatakooomlKtac Fonchoagto, Bd. D. 9
130 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
Sehen wir uns nun die Gesetzesvorlage,* ihre Begründung
und parlamentarische Behandlung etwas näher an.
Der § 1 lautet: Die Staatsregierung wird ermächtigt, von der
Dresdner Bank zu Berlin Aktien der Bergwerksgesellscbaft Hi-
bemia zu Herne im Nominalbetrage von insgesamt 27552800 Mark
zu erwerben und zu diesem Zwecke einen Betrag bis zu
69500000 Mark zu verausgaben. In der Begründung heifit es:
»Nachdem das Rheinisch -Westfälische Kohlensyndikat durch den
Vertrag vom 31. Dezember 1903 auf weitere zwölf Jahre (bis Ende
1915) gesichert und durch den gleichzeitigen Beitritt der so-
genannten Hüttenzechen und der sonstigen bisher noch außen-
stehenden Werke auf eine breitere Grundlage gestellt war, bat
sich im laufenden Jahre nach manchen Richtungen hin eine t>e«
merkenswerte Verschiebung der Kräfteverhältnisse in der
rheinisch -westfälischen Industrie vollzogen. Eine erheblidie An-
zahl von Werken wurden mit größeren verschmolzen, und sodann
ist auch innerhalb der größeren Unternehmungen durch Ober-
gang bedeutenden Aktienbesitzes in wenige Hände eine Bildung
von Interessengemeinschaften zwischen großen Kohlen- und Eisen-
werken, sowie Kohlengrofihandel und Reederei angebahnt worden«
Dieser Entwicklung gegenüber den staatlichen Einflufi durch Aus-
dehnung des staatlichen Bergbaubetriebes zu verstärken, erschien
als eine unabweisbare Notwendigkeit Sollte dieser Einflufi aber
bald wirksam werden, so konnte es nicht zweckmäßig erscheinen,
etwa durch eine verstärkte Inangriffnahme der im Jahre 1902 er-
worbenen Steinkohlenfelder eine raschere Steigerung des fis-
kalischen Bergbaubetriebes über das bisher vorgesehene Mafi
hinaus, herbeizuführen, da ein derartiger rascher Ausbau der fis-
kalischen Werke, soweit derselbe überhaupt möglich ist, ander-
weitige schwerwiegende Nachteile im Gefolge haben würde . • .
Unter diesen Umständen erwies sich als der einzig gangbare Weg,
der staatlichen Verwaltung in Kürze einen angemessenen Einflufi
im Ruhrreviere zu sichern, der Erwerb eines größeren, im vollen
Betriebe befindlichen Bergwerksbesitzes — und hierbei mußte sich
nach Lage der Besitzverhältnisse das Augenmerk vor allem auf
die Bergwerksgesellschaft Hibemia richten, deren ältere Schacht-
anlagen sich in günstigen Abbauverhältnissen bewegen, während
die später erworbenen Berechtsamen, die sich um die Anlagen
* Ihre Einbringung erfolgte am 21. November 1904. Die Plenarverhandliingen
fanden am 29. mid 30. November 1904, am 21. und 23. Januar 1905 statt
I. Bergwerksgesellschaft Hibernia. 13]
von Schlägel und Eisen und General Blumenthal gruppieren, die
zwischen den östlichen und den westlichen staatlichen Bergwerks-
feldem befindlichen Lficken ausfüllen/
Aus dieser Begründung geht zunächst negativ hervor, daß
für die Anteilnahme des Staates an diesem groSen Bergwerk
soziale Motive überhaupt nicht mitgesprochen haben.
Bei der Erwerbung ließ sich der Staat von drei Gesichts-
punkten leiten: In erster Linie von dem Streben nach Sicher-
stellung der Deckung des staatlichen Kohlenbedarfs für
die Zukunft In immer steigendem Mafie legte das Großkapital
die Unverkäuflichkeit von Kohlengruben fest Bereits im Jahre
1902 hatte daher der Fiskus in Westfalen Kohlenfelder erworben,
mn in Zukunft t>ei der Befriedigung des Staatsl>edarfs für Eisen-
bahn und Marine möglichst unabhängig zu sein. Diese Gruben
at>er waren 1904 noch in der Entwicklung t>egriffen und ver-
ursachten infolge des Niederbringens von Schachten große Kosten.
Infolgedessen wurde das Budget stark belastet Es handelt sich
hier um vier große Doppelschachtanlagen: Gladbeck I/II, III/IV,
Waltrop und Bergmannsglück. Aber es ist nirgends t>esonders
hervorgehoben, daß als Motiv der Erwerbung der Hibernia der
Gedanke maßgebend gewesen sei, die Überschüsse aus der letzteren
zur Deckung der Aufschließungskosten des schon erworbenen
staatlichen Betgwerkst>esitzes zu t>enutzen. Die Begründung er-
wähnt mit Rücksicht auf den früheren Besitz nur ein technisches
Moment, nämlich die Arrondierung des eben genannten
Staatsbesitzes. Die nördlichen Grubenfelder der Hit>emia
schieben sich nämlich in den staatlichen Felderbesitz gewisser-
maßen hinein und füllen so eine Lücke aus.
Aber die Begründung der Hibernia -Vortage geht über diesen
früher leitenden Gesichtspunkt hinaus. Durch den Aktienerwerb
soll der Staat auch Einfluß im Kohlensyndikat gewinnen,
d. h. mit seinem Besitz auf eine gerechte Preisbildung hinwirken.
Die Triebfeder war die Befürchtung, daß in Zukunft Ausschrei-
tungen bei der Preisdiktatur des Syndikats vorkommen könnten.
Nun kann nicht bezweifelt werden, daß die Gefahr des Mißbrauchs
oder die Veriockung dazu t>ei allen Monopolen, und dazu gehört
auch das Kohlensyndikat, eine große ist Aus diesem Grunde
gingen die Motive davon aus, daß die Machtstellung des
Syndikats beschränkt werden müsse. »Die Rücksichtnahme
auf das öffentliche Wohl in dieser Organisation zu verstärken,*
132 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia.
sagte der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben in der II. Lesung *
•ist der Ausgangspunkt der ganzen Vorlage gewesen, die wir Ihnen
hier gemacht haben.* Am geschicktesten ist dieser Punkt vertreten
worden von dem freisinnigen Volksparteiler Oeser in der zweiten Le-
sung der Hibemia- Vorlage am 21. Januar 1905. Er führte folgendes
aus:** „Was mich nun ausschlaggebend in meiner Stellung zur Vorlage
bestimmt, ist, daß, wenn der Staat die Hibemia bekommt, er dann
moralisch*** verpflichtet ist, in das Kohlensyndikat einzutreten.
Dann mufi der Regiemngskommissar seine Ffifie unter den
Syndikatstisch strecken, mufi an den Beratungen teilnehmen. Und
wenn er an den Beratungen mit teilnimmt, so haben wir hier im
Hause das Recht, die Regiemng darüber zu interpellieren, ihr
Verhalten zu kritisieren. So kommen wir auf diesem indirekten
Wege selbst mit in das Kohlensyndikat hinein, so hat>en wir das
Recht einer parlamentarischen Kontrolle dieses grofien und
wichtigen Syndikats, und so können wir die Regiemng über die
Einzelheiten befragen, sie tadeln oder aufmuntern. Das ist für
mich der ausschlaggebende Gmnd in meiner Stellung zur Vor*
läge. Die Aufhellung der Verhältnisse, die Klämng der Dinge
ist es, worauf es ankommt*
Nun läfit sich freilich gegen diese Argumentation manches
einwenden. Der Staat war 1902 mit seinen neuen Zechen dem
Syndikat nicht beigetreten. Als im Herbst 1903 das Syndikat
vor seiner Rekonstmktion stand, boten die Unterhändler desselben
dem Minister im Falle des Beitritts ein Vetorecht gegen Preis-
erhöhungen an.t Dieses Vetorecht wurde abgelehnt, seine An*
nähme hätte nichts anderes bedeutet, als eine Abwälzung der
Verantwortlichkeit für Preissteigemngen auf den Staat Im übrigen
hatte das Syndikat in den zehn Jahren seines Bestehens die
Kohlenpreise derartig heraufgesetzt, dafi weitere Preiserhöhungen
in Zukunft zwar nicht ausgeschlossen aber nicht wabrscbein*
lieh waren. Die Einräumung einer so weit gehenden Kompetenz
wäre also praktisch jedenfalls von keiner grofien Bedeutung ge*
wesen.
* Stenogr. Protokoll p. 8723.
^ Stenogr. Protokoll p. 8721.
^* Diese Auffassung ist einseitig. Der Staat ist in diesem Falle auch
Juristisch verpflichtet, denn die Beteiligung am Syndikat beruht auf den
Zechen, nicht aber auf dem Jeweiligen Besitzer, sei dies nun eine AktiengeseU-
schaft oder der Staat
t Bergmeister Engel im Qlfickauf 40. Jahrgang p. 977 ff.
1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia. 133
Es last sich weiter auch die Auffassung stark bezweifeln, ob
der Fiskus überhaupt den Willen habe, mäßigend auf die Kohlen-
preise einzuwirken. Man hat namentlich auf die Preispolitik des
Staats im Saarbezirk hingewiesen» die mitunter noch rigoroser ist,
als die des Kohlensyndikats. Ich möchte, was diesen Punkt an-
belangt, hier ein Schreiben eitleren, das der Landgerichtsrat
Scbmieding, der Vertreter des Wahlkreises Dortmund -Bochum,
seinerzeit an die Verwaltung der Hibemia richtete, indem er sie
zu ihrer Ablehnung der Regierungsofferte beglückwünschte. In
diesem Schreiben heifit es über den als Erwerbsgrund angeführten
preismäSigenden Einfluß, den der Fiskus auf das Syndikat aus-
üben solle oder wolle:* »Ich habe den preußischen Fiskus in mehr
als 20jähriger parlamentarischer Tätigkeit an der Arbeit gesehen
und gehöre zu den Bewunderem der Leistungen der preußischen
Bureaukratie. Aber auf dem Pfade mäßigender Preisbildung habe
ich den Herrn Fiskus noch nicht entdecken können. ,Haifisch
heißt es auf der See und Fiskus auf dem Lande,' sagte in diesem
Sinne der bekannte, zu früh verstorbene Abgeordnete Freiherr
V« Schorlemer etwas drastisch, aber doch nicht ganz mit Unrecht
Deshalb hat sich auch das westfälische Kohlensyndikat in seiner
Bildung der Kohlenpreise viel maßvoller gezeigt, als der preußische
Fiskus im Saarbrficker Revier, wo ja die Idealzustände herrschen,
welche die königliche Regierung jetzt anscheinend auch in West-
falen herbeiführen möchte. In keinem Revier der ganzen
preußischen Monarchie werden die Kohlenpreise höher
gehalten, als an der Saar, wo der Fiskus als Allein-
herrscher regiert, und ich glaube, die kohlenverbrauchende
Industrie an der Saar würde Gott danken, wenn dort der
Hskus auch im Kohlenbergbau eine energische Konkurrenz
bekäme, welche ihn hinderte, unumschränkt sehr hohe Preise zu
diktieren.«
Ein weiterer Grund für die Beteiligung des Staates an der
Hibemia lag darin, die großen Fusionsbestrebungen im
niederrheinisch-westfälischenKohlenbergbau zu hemmen.
Jedoch die Möglichkeit einer derartigen Verlangsamung des großen
Konzentrationsprozesses ist bestritten worden. In der ersten Lesung
der Voriage am 30. November 1904 ergriff der Abgeordnete Hirsch,
Essen, das Wort und führte folgendes aus:** »Durch den Erwerb
* MitgetdU im B.-B.-C vom 9. August 1904.
♦• Stenogr. ProtokoU p. 7771.
134 1* Bergwerksgesellschaft Hibernia.
von 27 Millionen Aktien der Hibernia, ja selbst der ganzen Hi-
bernia würde der Staat einem weiteren Umsichgreifen der Kon*
Zentrierung, wie sie sich jetzt zu vollziehen begonnen hat, nicht
entgegenwirken können. Einen EinfluS auf Fusionen, auf Interessen*
gemeinschaften, auf Zusammenlegung von Eisenwerken mit Kohlen-
werken, auf die Vereinigung beider mit Reedereien wird der Staat
kaum auszuüben in der Lage sein ..."
Diese Anschauung aber ist angewendet auf den konkreten Fall,
um den es sich hier handelt, nicht zutreffend. Denn im vor-
liegenden Falle bedeutet der Erwerb von Aktien durch den Staat
das Ende der Fusionspolitik eines einzelnen Unternehmens. Die
Hibernia wird in Zukunft nicht mehr in der Lage sein,
neue Zechen anzugliedern. Die dazu erforderliche V4-Majofi-
tat hat sie seit dem Eintritt des Staates unter ihre Aktionäre nicht
mehr. Dieser hat jetzt die Möglichkeit, jede Hineinziehung dieses
Unternehmens in Fusionsbestrebungen irgendwelcher Art zu in-
hibieren. Es ist dies die wichtigste ökonomische Folge des Aktien-
erwerbs durch den Staat Eine ganz andere Frage ist die, ob die groBen
Zechenfusionen resp. Kombinationen von Zechen und Hütten, wie wir
sie bei der Gelsenkirchener Gesellschaft haben, gehindert oder ge-
fördert werden sollen. Die Motive der Hibemiavoriage gehen davon
aus, daß es besser wäre, diese Bildungen zu hemmen. Wissenschaftlich
ist diese Frage noch wenig untersucht Bei ihrer Beantwortung mufi
man m. E. streng scheiden zwischen Fusionen auf der einen
und Kombinationen auf der andern Seite. Im ersteren Falle
handelt es sich um die Angliederung von Betrieben derselben
Art, also von Zechen an Zechen. Im zweiten aber um Verkettung
verschiedenartiger Betriebe, also z. B. von Hütten und Zechen.
Wir werden in diesen Untersuchungen eine Reihe von Werken
kennen lernen, die sich nicht fusioniert haben. Ein Vergleich
mit dem von der entgegengesetzten Tendenz beherrschten aber
ergibt, wie später noch im einzelnen gezeigt werden soll, dafi die
in ihrem ursprünglichen Besitzstande verbliebenen Zechen besser
gefahren sind als die Riesenuntemehmungen. Ganz anders liegen
die Verhältnisse bei den Kombinationen. Hier habe ich im ersten
Bande meiner »Nationalökonomischen Forschungen* dargel^ wie
gerade die Kombination von Eisen und Kohle eine Waffe in dem
Kampfe ist, den die Eisenindustrie um den Absatz ihrer Produkte
führt, daß die Zusammenfassung der Kräfte verschiedener Produktions-
stufen zur Erzielung größtmöglicher Wirtschaftlichkeit und giöBt-
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 135
möglicher Verminderung der Produktionskosten eine notwendige
Voraussetzung ihrer Bifite ist
Soviel über die Grunde» die zur Einbringung der Vorlage
fährten.
In den parlamentarischen Verhandlungen über dieselbe
sind zwei Standpunkte zum Ausdruck gekommen; der eine richtete
sich gegen die Verstaatlidiung des Kohlenbergbaus im allgemeinen,
resp. der Hibemia im besonderen, der andere trat für dieselbe ein.
Als Gründe gegen die Verstaatlichung wurden solche sozialer,
finanzieller, wirtschaftlich*technischer und politischer Natur ins Feld
geführt, nämlich folgende.
Die Verstaatlichung der Hibemia bedeutet einen weiteren
Schritt auf dem Wege zum Staatssozialismus. Dieser Ge-
Sichtspunkt wurde von mehreren Rednem hervorgehoben. So sagte
der der freisinnigen Volkspartei angehörige Abgeordnete Cassel
in der ersten Lesung:* «Wir glauben, daß wir durch die Verstaat-
lichung ieiner Industrie nach der anderen allmählich zu einem
sozialistischen Staatswesen gelangen.* In der zweiten Lesung
führte er folgendes aus:** »Wir können aber nicht zugeben, daß
man jeden beliebigen Betrieb, nur weU er Nutzen bringt, ver-
staatlicht, weil das schließlich zur Ausbildung sozialistischer Staats-
ideen und zur Umwandlung unseres Staates in den sozialistischen
Staat führen würde, und ein solches Ziel bekämpfen wir ja alle.*
Von derselben Idee erfüllt waren die Ausfühmngen des
Handelskammersekretärs in Essen, des national liberalen Abgeordne-
ten Hirsch. Er sagte in der ersten Lesung:*** »Die Verstaatlichung
des Kohlenbergbaus würde dem preußischen Staat einen stark
sozialistischen Zug verieihen; die Zahl der Menschen, die vom
Staat ihren Unterhalt und alle Verbessemng des Lebens fordem,
würde ins Ungemessene wachsen. In weiten Kreisen des Volkes
würde die Verstaatlichung des Bergbaues als ein Siegdes
staatssozialistischen und demokratischen Prinzips an-
gesehen werden.* Auch in der Budgetkommission wurde von
einem Mitgliede dieser Standpunkt vertreten :t »Wenn der Staat
alle Produkte, deren er in seinem Betriebe bedarf, selbst hervor-
* Stenogr. Protokoll p. 7693.
** Stenogr. Protokoll p. 8669.
•^ Stenogr. ProtokoU p. 7776.
t Bericht der Budgetkommission Drucksache Nr. 532, Nr. 610 vom
14. Januar 1905 p. 3.
136 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia.
bringen sollte, dann steckten wir mitten im sozialistischen Staat
drin."
Die Verstaatlichung würde zweitens die Schuldenlast des
Staates außerordentlich vermehren. In der Budgetkommission
bezifferte der Finanzminister diese Erhöhung der Anlageschuld
auf IV2 — 2 Milliarden Mark. Die preußische Staatsschuld, die
gegenwärtig 7 Milliarden betragt, würde also bei dem Erwerb
der Kohlenzechen durch den Staat um ca. 25% steigen. Dazu
kommt die Schwierigkeit, die für den Erwerb durch den Staat
darin liegt, daß eine Reihe Bergwerke mit anderen Betrieben
kombiniert sind. Ein erheblicher Teil der Kohlengruben befindet
sich im Besitz von Eisenhütten. Große Handelsuntemehmungeiu
wie z. B. der Norddeutsche Lloyd, haben eigene Zechen, ebenso
eine Anzahl Fabriken.
Eines der wichtigsten Momente gegen die Verstaatlichung
des Kohlenbergbaus aber ist drittens die Auffassung, daß das
Staatsmonopol die Gefahr eines wirtschaftlichen und
technischen Rückschritts in sich birgt Zwar steht dem Staat
dieselbe technische und wirtschaftliche Intelligenz zur Verfügung,
aber die Maßnahmen seiner Beamten sind gebunden an die Etats-
Wirtschaft »Jede Forderung*, sagt Gothein,* »auch für eine kleine
Anlage, für eine technische Verbesserung, für einen Versuch, muB
etwa zwei Jahre vor Beginn der Ausführung für den Etat an-
gemeldet werden, denn sie geht durch verschiedene Instanzen
hindurch.*
In den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses ist dieser
Standpunkt hauptsächlich von zwei Seiten vertreten worden. Zu-
nächst von dem schon erwähnten nationalliberalen Abgeordneten
Schmieding. Derselbe führte folgendes aus: »Das Hauptbedenken
gegen das gegenwärtige Vorgehen der Staatsregierung finde ich
aber in dem wirtschaftlichen Rückschritt und in der Gefahr für
unsere weitere wirtschaftliche Entwicklung in der Zukunft, die sich
darin kundgibt, blühende Industrien, welche musterhaft im Privat-
betriebe verwaltet werden, und zu denen gehört die Hibemia, und
welche auch auf sozialem Gebiete gleichfalls geradezu Musterhaftes
leisten, diese aus rein fiskalischen Gesichtspunkten in den schwer-
fälligen Staatsbetrieb überieiten, ist m. E. kein Fortschritt, sondern
wirtschaftliche Reaktion, und ich bedaure, daß ein liberaler Minister
* Die Verstaatlichung des Kohlenbergbaus, Berlin 1905, p. 11.
1. Bergwerksgesellschaft Hlbemla. 137
dazu die Hand bietet . ." Ahnlich äufierte sich der Abgeordnete
Cassel : »Wir befürchten, dafi, wenn unter Ausschlufi jeder Konkurrenz
und Initiative von Privaten der Staat durch seine Beamten diese
Industrie allein betreiben läfit, dann sie nicht femer auf den Stand-
punkt der technischen und wirtschaftlichen Vervollkommnung ge-
langen wird, auf den sich zu erheben und zu erhalten sie sich
jetzt immer weiter bemüht"* Auf diese Einwände erwiderte der
Minister Möller nach dem Bericht der Budgetkommission folgen-
des: »Auch die Befürchtung, dafi durch die Verstaatlichung ein
Rückschritt in den Betriebsverhaltnissen und Ergebnissen zu er-
warten wäre, sei zurückzuweisen. Der Vorwurf einer gewissen
SdiwerfäUigkeit des staatlichen Bergbaubetriebes sei allerdings in
bestimmfem MaSe zutreffend, sei aber nicht begründet in den
Persönlichkeiten, sondern vielmehr durch budgetare Verhältnisse." —
Ein abschlieSendes Urteil über diese Frage erscheint mir jedoch
erst dann möglich, wenn vergleichende Studien über die Verhält-
nisse des öffentlichen Betriebes im Kohlenbergbau im Vergleich
zum Privatbetriebe näheren Aufschluß geben.
Von liberaler Seite wurde weiter betont, dafi die Ver-
staatlichung dem Prinzip von der Nichteinmischung des
Staates in wirtschaftliche Angelegenheiten, besonders in
die Freiheit des Erwerbslebens widerspreche. . . .Durch ein
solches Monopol," erklärte der Abgeordnete Cassel, »gerät die
gesamte Industrie in eine Abhängigkeit vom Staat, die mit der
wirtschaftlichen Freiheit der einzelnen Produzenten und auch mit
ihrer bürgerlichen Selbständigkeit nicht vereinbar ist" Diese Aus-
führungen basieren auf dem Prinzip des laisser faire, laisser passer,
dessen Richtigkeit freilich von der Wissenschaft längst bezweifelt wird.
Als letzter Grund gegen die Verstaatlichung wurde angeführt,
daB mit einer Erwerbung der Kohlenzechen der Staat mit einem
grofien Gewicht politischer Verantwortlichkeit belastet
werde. In dem Bericht über die Verhandlungen der Budget-
kommission heifit es hierüber: Auch müfite die Steigerung der
politischen Verantwortlichkeit, wie sie sich namentlich für Streik-
falle aus einer neuen erheblichen Vermehrung der Zahl der staat-
lichen Arbeiter, zumal in den Gebieten mit so schwierigen Arbeiter-
Verhältnissen, wie im rheinisch -westfälischen Kohlengebiet, erget>en
würde, die schwersten Bedenken erregen.
* Stenogr. Protokoll p. 7693.
138 1- Bergwericsgesellschaft Hibemia.
Das war das theoretische Rüstzeug, mit dem gegen eine
Erwerbung des Kohlenbergwerks durch den Staat gekämpft wurde.
Es waren fünf Gründe.
1. Die Verstaatlichung der Hibernia ist eine sozia-
listische Mafiregel.
2. Sie vermehrt die Schuldenlast des preußischen
Staats.
3. Sie setzt an Stelle der Privatinitiative einen schwer
beweglichen bureaukratischen Apparat, dessen Maß-
nahmen vom Budget abhängen. Infolgedessen werden
wirtschaftliche und technische Vervollkommnungen ver*
zögert und gehemmt
4. Die Verstaatlichung bedeutet eine Einschrinknng
des privaten Erwerbshebens und der Freiheit privater
Wirtschaftssubjekte.
5. Sie belastet den Staat mit grofier Verantwort-
lichkeit
Besonders charakteristisch ist die Tatsache, dafi in den parlamen-
tarischen Verhandlungen die Idee der Verstaatlichung der Hibemia
vollkommen verquickt wurde mit der Auffassung von einer nahe
bevorstehenden Verstaatlichung des gesamten Kohlenbergbaus.
Die Hibemia-Aktion wurde gewissermaSen nur als das Präludium
zu einer grandiosen, staatssozialistischen Operation betrachtet Es
machte weder innerhalb noch außerhalb des Parlaments einen Ein-
druck, dafi die Regierung durch das Wolffsche Tel^aphenbureau
die Berichte als erfunden bezeichnen liefi, wonach der Staat aufier
der Hibemia noch ausgedehnte Kohlenfelder zu erwerben t>e-
absichtige. Trotzdem nicht nur die beteiligten Ressortminister,
sondem auch das ganze Staatsministerium als solches die Er-
klämng abgegeben hatten, dafi die Regiemng dem Gedanken der
Verstaatlichung des rheinisch-westfälischen Bergbaus durchaus ab-
lehnend gegenüberstehe, brach doch in den Debatten immer wieder
die Auffassung durch, dafi es sich um den ganzen Kohlenbergbau
und nicht um ein einzelnes Untemehmen handele.
In den Plenarsitzungen des Abgeordnetenhauses erhob sich
nur eine einzige Stimme für die Verstaatlichung sämtlicher
Kohlenzechen. Es war dies der schon erwähnte, der süddeutschen
Volkspartei angehörende, bei der freisinnigen Vereinigung hospi-
tierende Abgeordnete Oeser. Er führte in erster Linie aus, daß
die Kohle ein Monopol bilde und MonopoUen am besten auf-
1. Bergwerksgesdlschaft Hibemla. 139
gehoben seien in der Hand des Staates. »Wenn schon einmal
ein Monopol geschaffen wird, dann — das sage ich offen — stelle
ich mich lieber als unter die Oligarchie der Industriegewalt unter
die Staatsgewalt; denn ich kann mit einem Geheimrat doch noch
besser und eher fertig werden, als mit einem Großindustriellen, der
lediglich seinen privatwirtschaftlichen Vorteil verfolgt, und dann ist
doch auch noch das Abgeordnetenhaus, die Volksvertretung da,
die im Bedruckungsfalle mitwirken kann, während wir eine Ein-
wirkung auf die Industriegewalt einstweilen noch nicht besitzen."
Da die Kohle das tägliche Brot der Industrie ist, der Ver-
kauf desselben aber in den Händen einer monopolistischen Or-
ganisation li^ so schädigen die einen Mißbrauch dieser Gewalt
bedeutenden Ausschreitungen derselben das ganze nationale Er-
werbsleben, und benachteiligen es unter Umständen zugunsten
des Auslandes. »Wenn wir die Herrschaft über die Kohle ab-
treten an rein privatwirtschaftliche Interessen, wenn wir in der Art,
wie das Kohlensyndikat in der letzten Zeit, vorgehen, so erregt das
Bedenken, weil dadurch die ganze Produktion geschwächt und unter
Umstanden dem Auslande gegenüber in Nachteil gebracht wird."*
In einem Leitartikel der Vossischen Zeitung (29. März 1905)
werden diese Gründe der Verstaatlichungsfreunde in klarer Weise
folgendermafien zusammengefaSt: „Ihre Meinung geht dahin, dafi
allerdings jedes Monopol ein Obel sei; sei aber ein Monopol un-
vermeidlich geworden, so sei das Staatsmonopol dem Privat-
monopol gegenüber das geringere Obel. Der Inhaber des Privat-
monopols sei auSerstande, andere Rücksichten zu nehmen, als
diejenigen auf seinen Geldgewinn, während der Staat den Rück-
sichten des wirtschaftlichen Lebens und des gemeinen Nutzens
zugänglich sei. Und es sei besser, dafi der Gewinn, der mittelst
des Monopols zu erzielen ist, dem Allgemeinwohl, als dafi er
einer kleinen Anzahl von reichen Leuten zugute komme. Die
Gefahr, dafi das Kohlensyndikat sich ein Privatmonopol ertrotze, sei
aber so nahe gerückt, dafi sie kaum noch abwendbar erscheine"
Noch eingehender verbreitet sich der nationalOkonomische
Theoretiker Adolf Wagner über die Gründe, die für Staats-
betrieb sprechen, obgleich er Anhänger des gemischten Systems
zu sein scheint In seiner Grundlegung der politischen Ökonomie**
spricht er sich darüber folgendermafien aus:
* Stenogr. ProtokoU p. 8713.
^ 3. Aufl., n. Teil, Leipzig 1894, p. 518 u. 516.
140 1- Bergwerksgesellschaft Hibemia.
„Bei dem geringen spezifischen Wert der Kohle, im Vergleich
mit den Metallen, der ganz zufälligen geographischen Verbreitung
der Kohlenlager im Lande und bei der universalen ökonomisch-
technischen Bedeutung der Kohle in der heutigen Zeit eriangen
die Besitzer der Kohlenwerke unschwer eine gewisse lokale Supre-
matie, die es ihnen ermöglicht, den Preis der Kohle nach der
Regel der Monopolpreise zu stellen. Diese Gefahr ist wohl zu
erwägen. Sie spricht für die Zweckmäßigkeit, unter Umständen
für die Notwendigkeit, gerade die Kohlenfelder, wenigstens die
hauptsächlichen, im Eigentum und Betrieb des Staats zu haben.
Dieselben können außerdem auch in technischer Hinsicht vom
Staate gewöhnlich ebensogut als von Privaten, Genossenschaften
und Gesellschaften bebaut werden, und ihre Produkte unteriiegen,
von etwaiger einfacher Koksbrennerei abgesehen, vor dem Absatz
keiner weiteren Verarbeitung.
Auch der Umstand, dafi der Privatbergbau im Interesse der
Sicherheit der Bauten und der Verhütung blofien Raubbaus» zum
Nachteil künftiger Geschlechter, doch immer einer StaatskontroUe
unteriiegen mufi, welche schon ein unbeschränktes Verfügungsrecht
des Privateigentümers ausschliefit, spricht insofern mehr für Staats-
bergbau, als hier von vornherein ein Interessenkonflikt zwischen
Eigentümer und Verwalter einer- und Beaufsichtiger andererseits
ausgeschlossen ist Endlich kommt die eigenartige Natur der
Bergbauprodukte als beschränkt vorhandener, durch die Produktion
sich also erschöpfender, sehr zufällig, horizontal wie vertikal, im
Boden verteilter reiner Naturgaben von bestimmter natüriicher Art
und Güte in Betracht Dafi diese für Private Renten gewähren;
dafi beim Bergbau nach gegebenem Produktenbedarf je nach natür-
licher Art und Gewinnungskosten der Produkte die Differential-
grundrenten stark mitspielen; dafi unter Umständen Verhältnisse
faktischer Monopole, einigermaßen wie beim Wohnungsboden,
beim Bergwerksboden und dem Absätze der Produkte hervor-
treten; dafi allgemeine volkswirtschaftliche Verhältnisse, Kom-
munikations- und Transportwesen für Preise, Gewinne, Renten
grofie Bedeutung erlangen, — das sind lauter Umstände, welche
öffentliches, staatliches Eigentum an Bergwerksboden und Berg-
werken sozialökonomisch betrachtet passender als Privateigentum
der Privaten, auch der Erwerbsgesellschaften, erscheinen lassen.
Die Betriebstechnik und Ökonomik des Bergbaus ist auch vielfach
derartig, dafi öffentliche Behörden den Aufgaben gewachsen sind.
1. Bergwerksgesellschaft Hlbemia. Hl
Die neuerliche Entwicklung des Bergbaus in der Form der Er-
werbs-, besonders der Aktiengesellschaft, mit der Folge der Mobili-
sierung des Bergwerkseigentums und der Einfügung der Berg-
werksaktie unter die Spielpapiere der Börse, ist ebenfalls eine
nicht erfreuliche Seite des Privatbergbaus/
So viel fiber die für die Verstaatlichung sprechenden Gründe.
Das Schlußglied in dem Kampf gegen die Verstaatlichung der
Hlbemia bildet der im Dezember 1904 erfolgte Zusammen-
schlufi der Majorität der Aktieninhaber unter der Firma
»Herne, Vereinigung von Hibernia- Aktionären G. m. b. H. in
Berlin". Der Zweck dieser Gesellschaft, die von dem preußischen
Minister für Handel und Gewerbe als Trotztrust bezeichnet
wurde, ist der Erwerb und die gemeinsame Verwaltung von
Aktien der Bergwerksgesellschaft Hibemia. Der Gesellschaft steht
daher das Recht zu, Finanzgeschäfte aller Art abzuschließen, sowie
Schuldverschreibungen auszugeben. Das Stammkapital beträgt
36 Millionen Mark. Davon entfallen 18 Millionen auf das Kohlen-
syndikat und die andere Hälfte verteilt sich mit je 3,6 Millionen
auf folgende Bankhäuser: S. Bleichröder, Berliner Handelsgesell-
schaft, Bank für Handel und Industrie, Deutsche Bank und Dis-
konto-Gesellschaft Dieser Corner in Hibemia-Aktien wurde also
vom Kohlensyndikat und dem koalierten Bankkapital zustande
gebracht Er beweist, .wie sehr gewisse einflußreiche Kreise ge-
willt sind, Sorge dafür zu tragen, daß durch Konservierung von
großen Posten Aktien der leitenden Bergwcrksuntemehmungen
des Ruhrgebiets für die Zukunft ein Schutz gegen weitergehende
Verstaatlichungspläne geschaffen werde*.^
Die in der Gründung von Herne zum Ausdruck kommende
Opposition des assoziierten Kapitals gegen die Staatsgewalt ent-
behrt freilich jedes großen Gesichtspunktes. Mit Recht bemerkte
Professor Schmoller in der Plenarsitzung des Herrenhauses vom
15. Februar 1905:* »Die ganze Aktion der Hibemia, der Banken
und des Kohlensyndikats war nach meiner Empfindung — und
ich glaube auch unsere ganze Fraktion war dieser Ansicht —
etwas kurzsichtig und aus momentanen Verstimmungen entsprun-
gen. Es fehlte der weite Blick, der in die Zukunft sieht; man
bemericte nicht, daß die ganze öffentliche Meinung Deutschlands
auf Seiten der Regierung treten wird, wenn sie mit den denkbar
• VoMlsche Zeitung vom U. August 1904.
*• Stenogr. ProtokoU p. 668.
142 1* Bergwerksgesellschaft Hibemia.
mildesten Mitteln die Aktion eines Ungeheuern Privatmonopols
etwas mindern und korrigieren will'
Fassen wir zum Schluß noch einmal die Phasen der Ver*
staatlichungsaktion und ihre Begleiterscheinungen zusammen, so
ergibt sich folgendes.
Der Plan wurde eingeleitet durch Aufkaufe von
Aktien an der Börse durch die Dresdner Bank. Die ge-
heimnisvolle Kurssteigerung, die sich in Hibernia-Aktien
vollzog und dieses Papier eine Zeitlang zur Favoritin der
Börse machte, wurde von dieser anfangs falsch inter-
pretiert, bis die Regierung am 28. Juli mit der Verstaat-
lichungsofferte hervortrat Dies Angebot beantwortete
die Spekulation im Glauben an weitere Verstaatlichungs-
pläne mit einer Hausse in samtlichen Montanpapieren.
Nun beginnt der Kampf um die Majorität Es bilden sich
zwei Parteien. Auf der einen Seite steht die Regierung,
unterstfitzt von der Dresdner Bank und ihren Freunden,
auf der anderen das mobile Kapital der Berliner haute
finance und die schwere Industrie. Die Entscheidung
erfolgt in der aufierordentlichen Generalversammlung
am 27. August 1904. Die Offerte wird abgelehnt, das
Kapital der Gesellschaft um 6V2 Millionen Mark erhöht
Darauf macht die Regierung dem preußischen Parlament
eine Vorlage zum Zweck der Akquisition der der Dresdner
Bank gehörigen, aber im Hinblick auf diese Vorlage er*
worbenen Aktien. Als Grunde waren angesichts des
großen, sich mit unheimlicher Schnelligkeit vollziehen*
den Konzentrationsprozesses in der Montanindustrie
maßgebend: das Streben des Staates nach Selbstbedarfs*
deckung sowie nach Verstärkung der Macht im Ruhr-
becken und Einfluß im Kohlensyndikat Trotz mancher
Mängel in dieser Begrflndung wird die Vorlage Gesetz.
Damit tritt der Staat als Großaktionär in die Hibernia
ein. Schon vorher schließt sich die Gegenpartei zu einer
Gesellschaft mit beschrankter Haftung zusammmen, um
den nicht in der Hand des Staates befindlichen Aktien-
besitz zu binden. Seit der Immobilisierung desselben
findet Kursnotiz und Umsatz an der Börse — abgesehen
etwa von einem gelegentlichen Angebot — in Hibernia-
Aktien nicht mehr statt
1. Bergwerksgesellschaft Hibemia. 143
Das theoretische Räsonnement, das von der Re-
gierung auf der einen und der opponierenden Partei auf
der andern Seite für resp. gegen die Verstaatlichung der
Hibernia bzw. des ganzen Kohlenbergbaus beigebracht
wurde, und dessen Einzelargumente ich schon an anderer
Stelle zusammengefaßt habe, ist ein wertvoller Beitrag
ffir die Stellung, die man in unserer Zeit zur privat-
kapitalistischen Wirtschaftsweise einnimmt Die Un-
möglichkeit des Staates aber, das gewollte Ziel, die Er-
werbung der Hibernia, zu erreichen, ist ein weiterer Beleg
ffir die souveräne Machtstellung des mobilen Kapitals in
der heutigen Volkswirtschaft
2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
Die Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft ist das gröBte
vom anonymen Kapital beherrschte Unternehmen auf dem Gebiete
des deutschen Kohlenbergbaus. Mit einem Aktienkapital von
119 Millionen beutet sie heute ein Grubenfeld aus, das einen
Umfang von 23639,9 ha hat, also SVimal größer ist als die
Fläche, auf der Berlin steht* Mit diesem Kapital beherscht
sie außerdem zwei große Gesellschaften der Eisenindustrie,
deren Aktien gegen einen Teil der ihrigen ausgetauscht sind.
Die Gesellschaft beschäftigt eine Arbeiterarmee, die sich im
Jahre 1904 durchschnittlich auf 24069 Mann ohne Beamte bellet
Sie besitzt gegenwärtig 10 Zechen oder 17 selbständige Schacht-
anlagen mit 29 Förder- und 17 ausziehenden Wetterschäcbten.
Sie förderte in dem genannten Jahre nahezu 6 Va Millionen Tonnen
Kohlen. Ihre Beteiligung beim Rheinisch -Westfälischen Kohlen*
Syndikat, an der sich in Zukunft schwerlich viel ändern wird, be-
trug am 1. Januar 1905 7698000 t. Eine solche Förderung resp.
Beteiligung weist keine andere Kohlengesellschaft in Deutschland
auf. Wir haben es also mit einer Riesengesellschaft zu tun,
und es entsteht von selbst die Frage nach den Ursachen und
Triebkräften, die dieses kolossale Gebilde geschaffen haben.
Es gibt in Deutschland keine zweite Gesellschaft derselben
Art, bei der sich das entferntere Ziel der grofikapitalistischen
Entwicklung, nämlich die Bildung riesiger Montankonzeme, schon
jetzt so rein in seiner Nacktheit und Gröfie zeigte, wie bei der
Gelsenkirchner Bergwerks-AktiengesellschafL Es ist daher für den
Theoretiker eine Aufgabe von eignem Reiz, diese Grofimacht in
ihrem Werdegang bis zur Gegenwart zu verfolgen.
Wir können den Zeitraum des Bestehens der Gesellschaft in
drei Abschnitte periodisieren. Der erste betrifft die Geschichte
des Unternehmens von seiner Gründung bis zum Beginn
der Annexionsära (1873 — 1881), der zweite die Fusions-
• Das Areal der SUdt BerUn beträgt 63 qkm.
2. Gdsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft 145
Periode, in der an den ursprünglichen Besitz immer neue Zechen
angegliedert werden (1882 — 1904), der dritte verbreitet sich aber
die Anlehnung des Unternehmens an die Eisenindustrie
(1905).
Die Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft ist ein Kind
der Grfinderperiode. Ihr Geburtstag ist der 3. Januar 1873. An
diesem Tage gingen die in den Händen der französisch-belgischen
Gesellschaft Charles Detillieux & Cie. befindlichen Steinkohlen-
zechen Rhein -Elbe und Alma bei Gelsenkirchen mit allem Zu-
behör an Gebäuden, Maschinen, Eisenbahnen usw. gegen einen
Kaufpreis von 12720000 Mark in die Hände der neuen Gesell-
schaft fiber. Die finanzielle Transaktion wurde von einem Kon-
sortium durchgeführt, an dessen Spitze die Diskonto-Kommandit-
gesellschaft stand. Das Aktienkapital, das erst sukzessive eingezahlt
wurde, belief sich auf 13,5 Millionen Mark. Die neue Gesellschaft
wurde mit einer Anzahl glänzender Namen illustriert Im Ver-
waltungsrat saSen als Vorsitzender Adolf von Hansemann, femer
Friedrich Grillo, weiter Ludwig von Born, der Generalkonsul Frei-
herr A. von Oppenheim u. a. Um diesen kontrollierenden Apparat
stärker mit den Interessen der Gesellschaft zu verketten, bestimmte
das Statut, dafi jedes Mitglied des Verwaltungsrats Aktien der
Gesellschaft im Nominalbetrage von wenigstens 4000 Taler be-
sitzen und solche während der Amtsdauer im Archiv der Gesell-
schaft deponieren müsse. ^ Diese Bestimmung liefi man später
fallen. In die Direktion trat neben einem anderen Mitglied
Emil Kirdorf, der heute als Generaldirektor der eigentliche
Spiritus rektor der Expansions- und Machtpolitik des Unter-
nehmens ist, ohne Zweifel ein kaufmännisches Genie und .ein
Mann mit grofien weitblickenden, mit politischen und staats-
männlschen Gesichtspunkten.***
Die Grubenfelder der erworbenen Schachtanlagen repräsen-
tierten 761 ha. Sie überflügelten durch ihre Ausdehnung von
vornherein die angrenzenden Berechtsamen. Hierzu gehörten
Hibemia mit 207, Dahlbusch mit 400, Bonifazius mit 276, Holland
mit 310V9, Zentrum mit SlOVa, Hannover mit 414, Königsgrube
mit 310 Va ha. Im Jahre 1877 wurden die beiden getrennten
Konzessionen, nämlich Rhein-Elbe mit 4 und Zeche Alma mit 3V9
Gnibenfeldem konsolidiert. Nunmehr figurierte das Bergwerk unter
« § 20 des Statuts.
** SchmoUcr in der Sitzung des Herrenhauses vom 15. Febr. 1905.
StllUch, NatfofMlOkonomUctac Fonchungcn, Bd. 0. 10
146 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
dem einheitlichen Namen ,Ver. Rhein-Elbe und Alma." Diese Kon*
solidation war nicht ohne wirtschaftliche Bedeutung. Durch sie
war die Gesellschaft in die Lage versetzt, die zu der einen oder
anderen Anlage gehörigen Kohlenpartien von dem ihr am ge-
eignetst erscheinenden Schacht abbauen und eine unterirdische
Kommunikation der Grubenbaue beider Anlagen anstrel)en zo
können, ohne an die Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden
zu sein. Dieses Grubenfeld gehört wegen seines Reichtums an
edler Kohle noch heute zu den besten der Gesellschaft. Rhein-
Elbe und Alma sind noch jetzt die Perlen in ihrer Krone. Die
Spateren Erwerbungen haben vielleicht mit Ausnahme von Ver.
Stein und Hardenberg so günstige Ausbeutungsverhaltnisse nirgends
mehr zu verzeichnen. Bereits im ersten Geschäftsbericht bdBt es
fiber dieses Grubenfeld: »Die Felder von Rhein-Elbe und Alma
befinden sich in der Mitte der Gelsenkirchner Mulde, besitzen
also in erster Reihe samtliche ausgezeichnete Gaskohlenflöze dieses
gesegneten Reviers, in nächster Folge aber alle im Oberbeigamts-
bezirk bekannten, auf der Nachbarzeche Bonifazius in vorzfigUcfaer
Beschaffenheit angefahrenen Fettkohlenflöze. Von den tieferliegen-
den und mit den jetzigen Hilfsmitteln der Technik nur schwer zu
erreichenden mageren Kohlenflözen sehen wir hierbei ganzlich ab,
da der Kohlenreichtum der beiden Zechen gerade in den oberen
leichter erreichbaren und wertvolleren Flözen als ein unerschöpf-
licher betrachtet werden kann! Diese Auffassung hat sich be*
statigL Noch heute baut Rhein-Elbe I/II in der Gasflamm- und
Gaskohlenpartie, Rhein-Elbe DI in der Fettkohlenpartie und Alma
in allen drei Horizonten. Ursprünglich bestand auf Rhein-Elbe
bloS ein einziger Schacht, der seit 1861 im Betriebe war. Die
Teufe desselben betrug am 1. Januar 1874 222 m. Es wurde dann
ein zweiter Schacht niedergebracht, der aber erst im Jahre 1876
die Gaskohlenpartie erreichte und damit in Förderung trat Die An-
lagen waren damals zu einem Teil aus Holz aufgeführt, z. B. das
Schachtgerüst und die Ladebühne. An Stelle dieses organischen
Materials tritt dann Eisen. In dem Geschäftsbericht von 1877
heifit es: .Nach Beendigung dieser Arbeit wird auch Rhein-Elbe
in allen Teilen fertig stehen und kann diese Anlage mit voll-
standig eisernem Schachtgerüst und Ladebühne zu beiden Schichten
als eine der schönsten und vollkommensten Westfalens hingestellt
werden." Heute besteht, wie hier gleich vorausgeschickt werden
mag, Rhein-Elbe und Alma aus drei groBen modernen Schacht-
2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft.
147
anlagen, die im ganzen vier Förder- und vier Wetterschachte auf-
weisen. Die Belegschaft der beiden Zechen betrug nach den An-
gaben der Denkschrift (Zur Feier des 25jahrigen Bestehens der
Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft zu Rhein -Elbe bei
Gelsenkirchen) 1873 980 Mann, die arbeitstaglich 900 t förderten.
Die ersten Jahre des Bestehens der Gesellschaft waren für
die Kohienindustrie im allgemeinen durchaus kritisch. Für die
G. B. A. trifft dies Urteil nicht in dem Mafie zu, wie für andere
Kohlenbergwerke. Sie schöpfte aus reichen Quellen, und der Um-
schlag der Konjunktur konnte ihr weniger anhaben. Um der
Situation in der Krisenperiode von 1873 — 1878 Herr zu werden,
wurden drei Mittel ergriffen: 1. die Arbeiterzahl wurde bis 1876
vermehrt, dann aber eingeschränkt, 2. die Förderung gesteigert,
3. der Lohn reduziert. Durch diese drei Maßnahmen wurde es
möglich, die Selbstkosten erheblich zu erniedrigen und damit ein
Äquivalent gegen die standig weichenden Verkaufspreise zu ge-
winnen. Das Nähere ergeben folgende Zahlen.
jatar
BdcgKluft
FSrdviuig In
Lohn pro
Mann und
Sclbttkotten
pra t ia
Mtfk
VcrkaueMriM
t
SdddittB
Muk
taMvk
1873
1580
362707
4.41
6.74
15.19
1874
1630
496269
4.17
6.17
13,30
1875
1975
576614
3,67
5.55
935
1876
2020
606300
3.49
5.42
8,15
1877
1969
668743
3.24
4.52
6.33
1878
1972
726029
3.18
3.97
5,78
1879
1965
763511
3,03
3.74
5.35
1880
1910
726169
3.03
3,81
5.90
1881
1879
744925
3.02
3.69
6.03
In dieser Zusammenstellung fallt vor allen Dingen die Ver- 1
doppelung der Förderung von 1873—1881 auf. Sie hat den Zweck,
die Selbstkosten zu senken. Dat>ei ist nicht zu vergessen, dafi
dieses Verfahren in Krisenzeiten den Markt noch starker über-
schwemmt Man sucht den Teufel durch Beelzebub auszutreiben.
In der Pestschrift wird dieses Verfahren folgendermaßen motiviert:
»Die einzelne Zeche konnte durch ihre Produktionseinscbrankung
keinen EinfluS auf die Preisbildung ausfiben, wahrend die Selbst-
kosten dadurch erhöht wurden. Es handelte sich also ffir jede
Zeche darum, bei unverminderter Produktion den Absatz zu finden.
Demzufolge blieben Überproduktionen und Preisrückgang konstant.
10*
148 2. Gelsenkirchner Bergwerks-AktiengeselUchaft.
Immer von neuem unterbot eine absatzbedfirftige Zeche auch den
bis dahin niedrigsten Preis, um nicht zu der Einschränkung der
Förderung gezwungen zu sein und dadurch noch mehr zu ver*
lieren/ Diese Mehrförderung erforderte einen Mehrabsatz« Dieser
aber war nur möglich durch Unterbietung der Konkurrenz. Das
konnte man aber nur mit der Waffe billiger Preise. Um diese
stellen zu können, mufiten die Selbstkosten möglichst geringe
sein. Daher sinken die Löhne pro Mann und Schicht von 1873
bis 1881 von 4,41 auf 3,02 Mark. Femer ermöglichten der Ge-
sellschaft die günstigen Flözverhältnisse und die erheblich ge*
stiegene Arbeitsleistung, die Selbstkosten bedeutend unter
dem Durchschnitt der Konkurrenz zu erhalten. Die Leistung des
einzelnen Arbeiters betrug in der Schicht:
auf Rhein-Elbe auf Alma auf Rhein-Elbe auf Alma
1873:
1189 t
767 t
1877:
1398 t
966 t
1874:
1244.
910.
1878:
1537.
1070.
1875:
1316.
895.
1879:
1566.
1103.
1876:
1296.
863.
Mit den durch diese drei Momente (reduzierte Löhne, günstige
Flözverhältnisse und hohe Arbeitsleistung) unter Zugrundel^^ng
der Massenförderung bedingten niedrigen Selbstkosten, die in dem
genannten Zeitraum von 6,74 auf 3,69 Mark pro Tonne sinken, wird
es möglich, den von 15,19 auf 6,03 Mark fallenden Verkaufs-
preisen sich anzupassen, ohne daS die Spannung zwischen beiden
so gering geworden wäre, daß ein Gewinn nicht mehr fibrig blieb.
Mit diesem Kampfmittel billiger Preise auf der Basis niedriger
Selbstkosten wird nun die Konkurrenz aus dem Felde geschlagen
und der Absatzmarkt erweitert «Als erfreuliches Moment,* heifit
es in dem Geschäftsbericht von 1874, »vermögen wir anzuführen»
dafi trotz der ungünstigen Geschäftslage der Absatz auf unsem
Zechen im ganzen verflossenen Jahre und selbst in den stillsten
Monaten nicht im geringsten gestockt hat, was vor allem der vorzüg-
lichen Qualität unserer Kohlen zu danken ist, so dafi wir den Um-
schlag der Konjunktur weniger hart empfunden haben als die meisten
anderen Zechen." Die Kohle, die auf dem inländischen Markt
keine genügenden Preise erzielte, wurde ins Ausland versandt
Bereits im ersten Geschäftsjahre, in dem die D^route auf dem
Kohlenmarkte noch nicht voll eingetreten war, wird ein mehr-
jähriger Vertrag mit der Pariser Gasanstalt abgeschlossen. Im
folgenden Jahre gelingt es, die Kohle bei den städtischen Gas-
2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengeselischaft 149
werken in Berlin einzuführen. 1875 beginnt ein nicht unerheblicher
Export nach Belgien.
Am meisten hatten unter der Krisis die geringeren Kohlensorten .
zu leiden, für die »selbst zu den niedrigsten Preisen kein ge-
nügender Absatz mehr zu schaffen war.** Zeitweise sah sich
auch die G. B. A. gezwungen, Kohle aufzustapeln. So hatte im
Februar 1878 das Werk einen Bestand von über 95000 Zentner
feiner Kohle Wiederholt wird dann, um der empfindlichen Ab-
satzstockung zu begegnen, die Förderung durch tageweises Ein-
stellen erheblich beschränkt, es werden also Feierschichten eingelegt.
Weiter mußte die Gesellschaft den Händlern Konzessionen .
machen. Infolge des schlechten Geschäftsganges in der Industrie
war sie genötigt, den meisten Kontrahenten Beschränkungen ihrer
Bezüge von 30, ja 50% resp. erhebliche Preisermäfiigungen zu-
zugestehen. ,In anderen Fällen mufiten wir," heißt es in dem
Bericht von 1874, »gegen Reugeldzahlung in die Auflösung der
Kontrakte willigen, um größeren Verlusten und Differenzen vor-
zubeugen." Im Jahre 1874 betrugen diese Reugelder nicht weniger
als 76806 Mark. Trotzdem ist das Resultat infolge der vorher
erwähnten Ursachen ein durchaus günstiges. Es betrugen die
Dividenden:
1873
1940625 Mark
23»/o«*
1878
810000 Maik
60/0
1874
2295000 .
170/0
1879
810000 .
60/0
1875
1350000 .
100/0
1880
945000 .
70/0
1876
1012500 .
7V«o/o
1881
1012500 .
7V«o/o
1877
742500 ,
5V«o/o
Es wurden also an die Aktionäre ausgezahlt im ganzen
10918125 Mark, oder durchschnittlich jähriich 1213125 Mark oder
934^/0 Dividende. In dieser ganzen Periode bleibt das Aktien-
kapital stabil. Es betrug 13,5 Milionen. Eine Anleihe wurde nicht
aufgenommen. Hingegen wurde der Reservefonds, der 1873 erst
224506 Mark ausmachte, durch allmähliche Speisung bis auf
1242928 Mark im Jahre 1881 gebracht, d. h. von 1,66% auf
9,21% des Aktienkapitals. Aus den Geschäftsberichten ergibt
sich, dafi der Reservefonds nicht ein sog. blofier Bilanzreservefonds
war, d. h. tätiges Geschäftskapital repräsentierte, um das die Aktiven
höher gehalten wurden als die Passiven, sondern einen in Wert-
* Oeschlftsbericht 1876.
^* pro rata der atikzessiven Einzahlitiigeii.
150 2. Oelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft.
papieren wirklich vorhandenen Fonds darstellte. In dem Geschäfts-
bericht von 1878 wird folgendes ausgeführt: »Aus unseren, nach
Bestreitung aller Neuanlagen der letzten Jahre allmihlidi an-
gesammelten flfissigen Geldmitteln konnten wir mit Genehmigung
des Verwaltungsrats im verflossenen Jahre einen Betrag von Nominal
800000 Mark 4%ige PreuS. Konsols und Deutsche Reichsanleihe
behufs entsprechender zinsbarer Belegung des Reservefonds an-
kaufen, was den besten Beweis für die günstige finanzielle Situatioii
unserer Gesellschaft liefert/ und in dem Bericht des folgenden
Jahres heifit es: »Diese zinstragende Disponibilitat unseres ganzen
Reservefonds, sowie der Umstand, dafi unserm Gewinn- und Verlust-
konto per Saldo 64634 Mark aus dem Zinsenkonto zugeflossen
sind, geben einen erneuten Beweis für die günstige finanzielle
Lage der Gesellschaft/ Aufier der Ansammlung von Reserven
ist noch der Abschreibungen zu gedenken, die in dem genannten
Zeiträume im ganzen nicht weniger als 2787424 Mark ausmaditen.
Diese Bemerkungen mögen genügen, um die ersten neun
Jahre in der Entwicklungsgeschichte der Gesellschaft, die Zeit der
Stabilität, zu kennzeichnen.
wahrend in der eben beschriebenen Periode die Ruhe und
Unveränderiichkeit des Besitzes und des Aktienkapitals das charakte-
ristische Moment sind, ändert sich dieser Zustand in der Folge-
zeit. Mit dem Jahre 1882 beginnt das Unternehmen seine Basis
zu erweitem. Eine Expansion großen Stiles setzt ein. Zu Rhein-
Elbe und Alma kommen neue Zechen. Dieser auf dem Wege der
Konzentration erweiterte Besitz aber bildet die Grundlage der
Führerrolle, die sich die G.B.A. in der Vertretung der Unter-
nehmerinteressen des rheinisch -westfälischen Kohlenbergbaus
zuerteilt. Ein machtausstrahlender Riesenbesitz wird
der Mittelpunkt ihres neuen Programms. Der Umschwung,
der damit in der Geschichte der Gesellschaft eintritt, wurde in
erster Linie hervorgerufen durch die Erkenntnis, dafi die schlechte
Lage der Kohlenindustrie in den 70 er Jahren durch die Über-
produktion bedingt sei. Um diese zu beseitigen, mufiten
die Zechen sich zusammenschliefien und in bezug auf Preise
und Produktion einheitlich vorgehen. Die ersten Versuche, dieses
Ziel zu erreichen, fallen ins Jahr 1878. Es bildete sich eine
Preisvereinigung für Gaskohlen, 1881 eine solche für Gasflamm-
kohlen. 1880 und 1881 wurden weiter Forderkonventionen ins
Leben gerufen (ebenso 1885 und 1886; 1885 auch die Vereinigung
2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 151
der Fettkohlenzechen und Koksanstalten des Oberbergamtsbezirks
Dortmund). Aber alle diese Konventionen, die geschlossen wurden,
blieben machtlose Gebilde und zerfielen. Der Grund, warum
sie keine Änderung auf dem Kohlenmarkt herbeizuführen
vermochten, lag aber in letzter Linie in der Zersplitte-
rung des Bergwerksbesitzes. Jede der vielen einzelnen Unter-
nehmungen verfuhr nach ihren egoistischen Interessen. Eine
ständige Disharmonie zwischen Angebot und Nachfrage auf dem
Kohlenmarkt mufite die Folge sein. Die Richtigkeit dieser Auf-
fassung, daß die große Zahl der selbständigen Bergwerke einen
Hemmschuh fär die früherwachenden Einigungsbestrebungen
bildet, klar erkannt, und die Konsequenzen daraus gezogen zu
haben, ist ein Verdienst der G.B. A. Sie ist die erste gewesen, die
eine große Fusionspolitik inaugurierte und dadurch zum Vorbild
wurde für die gleichgearteten, aber, wie wir schon bei Hibemia
sahen, später einsetzenden Bestrebungen einer ganzen Reihe anderer
Zechen. Es wurde damals mit großem geschäftlichen Scharfblick
für die Zechen des Nordens erkannt, was den Zechen des Südens
heute noch fehlt: die Notwendigkeit der Zusammenlegung zu
größeren Betriebseinheiten.* Bereits in dem Geschäftsberichte von
1881 wird anläßlich der Erwerbung der ersten Zeche das Pro-
gramm mitgeteilt, das die weiteren großen Ankäufe motivieren
and rechtfertigen sollte. Alle Ausführungen desselben kreisen um
den Konzentrationsgedanken. Dieses Expose lautet folgender-
maßen: »Nachgerade wird allseitig anerkannt, daß die mißliche
Lage, in welcher die deutsche, insbesondere die rheinisch-west-
fUiscbe Kohlenindustrie seit einer Reihe von Jahren vielfach sich
befunden hat, wesentlich auf das Mißverhältnis zurückzuführen
ist, in welchem die Produktion zur Konsumtion sich befindet Dieses
Verhältnis ist nicht hervorgerufen durch einen Rückgang in der *
Konsumtion; im Gegenteil, der Kohlenverbrauch ist in einer fort-
währenden sehr erheblichen Zunahme begriffen, die sich speziell
für das rheinisch -westfälische Kohlengebiet auf ca. 8 bis 10%
* So heißt es 2. B. In einem Geschäftsbericht von Louise Tiefbau: ,J)ie
Gesundung unseres ganzen sadwestfflÜKhen Bergl>aus hangt von einer ver-
nflnftigen Zusammenlegung des verzettelten Fdderbesitzes unter gleichzeitiger
Still^ung einer Reihe von Schachtanlagen ab. Zechen von 500 bis 600 t
Tagesforderung sind im aligemeinen nicht mehr lebensfähig, denn
es ist ganz undenkbar, fOr eine solch geringe Förderung alle die komplizierten
Einrichtungen, die eine moderne Zechenanlage in sich vereinigen mufi, zu schaffen
and in Betrieb zu halten."
152 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
beziffert hat, und also in wenigen Jahren eine geradezu fiber-
raschende Steigerung aufweist In noch höherem Grade als der
Konsum ist jedoch die Produktion gesteigert worden, und die
letztere hat nicht vermocht, sich in ein rechtes Verhältnis zu dem
Bedarf zu setzen. Man hat in den letzten Jahren versucht, diesem
Übelstande durch Förderkonventionen abzuhelfen. Aber auch diese
nur mit Mühe zusammengebrachten Vereinbarungen scheiterten
nach kurzem Bestände wiederum an der groSen Zersplitterung
des rheinisch-westfälischen Grubenbesitzes und an der Vielköpfig*
keit seiner Verwaltungen. In dieser überaus groSen Zersplitterung
ist u. E. hiemach der Hauptgrund dafür zu suchen, daß die
rheinisch -westfälische Kohlenindustrie trotz der jährlich in so
hohem Grade steigenden Nachfrage nicht zu einem befriedigenden
Ergebnis gelangen kann. Die Übelstände dieser Zersplitterung
treten zunächst in der kaufmännischen Verwaltung der Kohlen-
zechen zutage. Im rheinisch-westfälischen Gebiete befinden sidb
weit über 200 Kohlenzechen, alle mit gesonderter kaufmännischer
Verwaltung. Demzufolge wird bei sinkender Tendenz auf dem
Kohlenmarkt die eine Zeche fortwährend von der anderen unter-
boten, und bei dem allgemeinen drängenden Angebot gilt der
heute geforderte niedrigste Preis morgen bereits als Marktpreis,
den wiederum zu unterbieten, diejenigen Zechen sich beeilen,
welche noch einen Teil ihrer Förderung unterzubringen haben.
Da die meisten Zechen für ihre Tiefbauanlagen an Wasserhaltungs-
und sonstigen generellen Unkosten mit mehr oder weniger fest-
stehenden Ziffern zu rechnen haben, so bemüht man sich, durch
Vermehrung der Förderung diesen gegebenen Betrag auf eine
größere Leistung zu verteilen und so die Selbstkosten für den
einzelnen Zentner zu ermäfiigen; jede einzelne Zeche, in der
Hoffnung, diese vermehrte aber billiger gewordene Förderung noch
zum Marktpreise verkaufen zu können. Weil aber, wenn auch
nicht alle, so doch die meisten Zechen ebenso verfahren, geht
der Marktpreis weiter hinunter. Trotzdem ist jede einzelne Zeche
für sich allein mehr oder weniger gezwungen, ihrerseits bei diesem
Verfahren zu bleiben, weil eine Reduktion der Förderung, ohne
daß die anderen sich anschließen, die Selbstkosten bedeutend er-
höhen, auf den Marktpreis aber keinen merkbaren Einfluß aus-
üben würde. Die zersplitterte Verwaltung ist also der Grund,
weswegen die Konsumtion fortwährend von der wirklichen Pro-
duktion der Zeit und dem Preise nach überholt wird. Erst dann.
2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 153
■ ■ ■ - — . ■ ^ ■■ ■ , ■
wenn die Konsumtion an der Grenze der Produktionsfähigkeit
angelangt ist, können die Marktpreise in die Höhe gehen, tun es
aber dann zum größten Nachteil sowohl der beteiligten Industrie
als einer gesunden Entwicklung überhaupt in sprunghafter Weise
bis zu QbermäSiger Höhe, denn die vielfach zersplitterten Ver-
waltungen sind durchweg auf der andern Seite ebensowenig im-
stande, für die Produktionsfähigkeit in spätem Jahren entsprechende
Vorsorge zu treffen. Bei der lange Zeit herrschenden ungen Agen-
den Rentabilität sind die meisten Zechen nur bemfiht, die vor-
handene Produktionskraft durch möglichst groSe Förderung mit
möglichst geringen Selbstkosten momentan auszunutzen; alle An-
lagen dagegen, welche momentan mit Kosten verbunden sind,
aber für die Zukunft einen rationelleren Betrieb und eine ver-
mehrte Förderung gestatten würden, werden mehr oder weniger
verschoben resp. unterfassen. Hiemach pflanzen sich auch die
Dbelstände der bisherigen Zersplittemng auf das mit dem kauf-
männischen Gebiete zusammenhängende technische Gebiet fort
und erschweren die Aufstellung und Durchfühmng rationeller
technischer Betriebspläne. Femer tritt das vom Bergbau untrenn-
bare Risiko bei den regelmäßig nur mit ein bis zwei Schächten
arl)eitenden Gmben viel einschneidender an den Tag. Irgend ein
Unfall an der Maschine bringt häufig die ganze Zeche zum Er-
liegen, während ein größerer Betrieb die nötigen Reserven bieten
würde, um die erforderiiche schleunige Abhilfe zu treffen und zu-
gleich den kaufmännischen Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten.
Diese Ursachen erklären es auch, weswegen man die Kapital-
anlage im Kohlenbergbau als eine etwas gefährliche ansieht, für
welche eine besonders hohe Risikoprämie im Erbtige geboten
erscheint, während andererseits die durchschnittliche Rentabilität,
wie mehrfach nachgewiesen, nicht einmal dem landesüblichen
Zinsfuß entsprochen hat
Die vorerwähnten Übelstände wirken um so nachteiliger, als
der Kohlenbergbau nur in sehr beschränktem Umfange und immer
nur mit Nachteilen für die Güte der Kohlen es gestattet, größere
Vorräte anzusammeln und als hiernach die in andem Betriel)en
sowohl mit der BUdung als mit dem Absatz von Vorräten ver-
bundene Preisregulierang beim Kohlengeschäft nur wenig zur
Geltung kommen kann, auch eine Rückwirkung großer Vorräte
auf die Produktion mehr oder weniger durch den bereits erwähnten
Umstand ausgeschlossen wird, daß gegenwärtig eine Einschränkung
154 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
der Produktioa durchweg mit Erhöhung der Selbstkosten verbunden
ist und eine zeitweise gänzliche Einstellung des Betriebes, wie sie
bei den meisten anderen Industriezweigen möglich ist» für Tief-
bauanlagen das sofortige Erliegen der ganzen Zeche und somit
einen groSen Kapitalverlust zur Folge hat Würde indes die Pro-
duktion der Konsumtion besser angepaßt, könnten die kaufmännischen
und technischen Dispositionen rationeller und rechtzeitiger getroffen
werden und fände sich das einmal vorhandene Risiko auf eine
größere Zahl von Betriebspunkten verteilt, so würde nicht bloB
ein höherer, sondern auch ein mehr gesicherter Ertrag erzielt.
Die größere Stabilität der Produktions- und Rentabilttatsverbältnisse
in dem weniger zersplitterten Grubenbesitz an der Saar liefert
hierfür eine Illustration. Sobald den Bergwerkspapieren eine gröSeie
Sicherheit und Stabilität des Ertrages gegeben wird, erscheinen
dieselben durchaus geeignet, das durch die Verstaatlidiung der
meisten Eisenbahnen so sehr eingeschränkte Gebiet der soliden
Dividendenpapiere wieder einigermaßen zu ergänzen.
Es kann hiemach keinem Zweifel unteriiegen, daß die Bildung^
größerer Komplexe für den Kohlenbergbau sowohl für den kauf-
männischen wie für den technischen Betrieb mit allen Kräften an-
gestrebt werden muß. Selbstverständlich ist der Gedanke einer
auch nur teilweisen Unifizierung von vornherein auszuschließen.
Das hieraus folgende Monopol wäre auch im Interesse der beteiligten
Konsumenten keineswegs zu wünschen. Würden indes im rheinisch-
.westfälischen Kohlengebiete auch nur 10 bis 15 größere Ver-
waltungen neben einer Anzahl kleinerer Zechen bestehen, so sind
diese größeren Verwaltungen doch vielmehr in der Lage, über die
Bedürfnisse des Marktes, etwaige Einschränkung der Produktion usw.
in freier Weise sich zu verständigen, ohne daß gerade an
den Abschluß bindender Förderkonventionen gedacht zu werden
braucht — wie eine solche freie Verständigung beispielsweise in
der englischen Großindustrie regelmäßig stattzufinden pflegt Auch
würden derartige größere Verwaltungen schon für sich allein im-
stande sein, von den ihrerseits zu treffenden Dispositionen eine
entsprechende günstige Wirkung für die eigenen Absatzverhältnisse
zu erzielen, während bei der jetzigen maßlosen Zersplitterung
eine Anzahl Zechen von einer solchen durch die Marktlage dringend
gel>otenen Einschränkung des Betriebes regelmäßig alle Nachteile
für den eignen Betrieb zu tragen hat, ohne für den Absatz ihres
Produkts entsprechende Vorteile zu haben, da der Ausfall in der
2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft. 155
Produktion regelmäSig durch MehrfOrderung von anderer Stelle
ausgeglichen und somit eine Erleichterung des Marktes und eine
Aufbesserung der Preise vereitelt wird."
Diese theoretischen Ausführungen stellen die Rechtfertigung
der Expansionspolitik dar, die den Inhalt eines neuen Abschnitts
in der Entwicklungsgeschichte der G. B. A. bildet Wir haben nun
im folgenden diesen Aufsaugungsprozefi mit seinen Begleit-
erscheinungen ausfuhrlicher zu skizzieren. Er beginnt 1882 mit
dem Ankauf der Zechen Ver. Stein und Hardenberg. Diese
beiden Zechen liegen etwa 4 km nördlich resp. nordwestlich von
Dortmund bei den Dörfern Eving und Lindenhorst Ihr Erwerb
vollzog sich unter Modalitäten, die wir in den Grundzügen auch
bei den meisten folgenden Akquisitionen wiederfinden werden.
Ehe der Kauf perfekt wurde, übernahm die G. B. A. erst ein Jahr
den technischen und kaufmflnnisdien Betrieb auf beiden Zechen,
um sich ein Urteil über die Zweckmäßigkeit des Ankaufes zu
bilden. Zu diesem Zwecke wurde durch ein Konsortium, welchem
aufier den Hauptgewerken der beiden Zechen die Direktion der
Diskontogesellschaft, der A.Schaaffhausensche Bankverein, Salomon
Oppenheim, Elzbacher & Co. und Friedrich Grillo angehörten,
80 konsolidierte Kuxe aufgekauft und nach dem Erwerb derselben
folgender Vertrag abgeschlossen: .Die Direktion der G. B. A. fiber-
nimmt den Betrieb des konsolidierten Bergwerks Ver. Stein und
Hardenberg auf die Dauer eines Jahres für Rechnung der Ge-
werken und erhält das vertragsmäßige Recht eingeräumt, innerhalb
dieser Frist den gesamten Besitz des Konsortiums mit 891 Kuxen
(einschließlich der bereits verkauften 80 Kuxe) zum nämlichen
Selbstkostenpreise zuzüglich der Zinsen und abzüglich der zu ver-
teilenden Ausbeute unter Zahlung des Kaufpreises in Gelsenkirchener
Bergwerksaktien zu erwerben." Ich brauche nicht erst zu betonen,
welche wichtige Rolle bei dieser Transaktion die Bankiers der Gesell-
schaft spielten. Ohne ihre Mitwirkung würde es wahrscheinlich
gar nicht zu erreichen gewesen sein, »daß die Gewerken der Zeche
ihren Besitz ein ganzes Jahr lang der uneingeschränkten Verwaltung
des nur eventuellen Käufers übertrugen.* Das ganze Risiko fiel
hiernach während des Probejahres dem Konsortium allein zu. Wie-
viel die Banken dafür erhalten haben, wird nicht näher angegeben.
Daß ihr Gewinn nidit klein gewesen ist, läßt sich aus folgender
Bemerining des Geschäftsberichts der 0. B. A. von 1881 schließen.
Dort heißt es: »Daß für ein solches Risiko eine angemessene
156 2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft.
Prämie bezahlt werden muS, entspricht dem Charakter jeder
kaufmännischen Unternehmung, und ohne die billige Berfick-
sichtigung dieses Umstandes wurde das rationellste Objekt der ge-
schäftlichen Grundlage entbehren und somit undurchführbar sein.'
Die Gesellschaft behielt sich das Recht vor, sowohl in bar als auch
in Aktien zu zahlen. Der Ankaufspreis betrug 7,2 Millionen Mark,
wozu noch eine Anleihe von 600000 Mark kam. Um diese Mittel
aufzubringen, wurde daher 1882 das Grundkapital durch Ausgabe von
6750000 Mark junger Aktien von 13500000 auf 20250000 Mark
erhöht«
Durch den Erwerb von Stein und Hardenberg erhielt das alte
Grubenfeld der G. B. A. einen nicht unbeträchtlichen Zuwachs» denn
die Berechtsame der neuen Zechen betrug 2458,25 ha. Sie war
also 3 Vi mal größer als die von Rhein-Elbe und Alma. .Verleiht
schon diese bedeutende Größe", heißt es im Geschäftsbericht von 1881,
»der Zeche Ver. Stein und Hardenberg einen hohen Wert, so wird
derselbe noch wesentlich erhöht durch die fiberaus günstigen Lage-
rungsverhältnisse und den großen Flözreichtum innerhalb ihrer
Berechtsame." Die Erwerbungen beginnen also mit dem Ankauf
eines guten Objekts, was gegenüber den späteren Ankäufen be-
sonders hervorgehoben werden muß. Aber die beiden Zechen
waren erst in der Entwicklung begriffen. Sie gehörten vorher
einer Gewerkschaft Es liegt aber in der Natur des gewerkschaft-
lichen Betriebes, daß manche Anlagen und Dispositionen nur zur
Befriedigung des momentanen Bedürfnisses resp. unter Vermeidung
größerer Geldausgaben getroffen werden. Das ändert sich mit
dem Übergang in die Hände einer kapitalkräftigen Aktiengesell-
schaft Nunmehr stehen für die Anlagen die nötigen Fonds zur
Verfügung, um Verbesserungen und einen rentableren Betriebsplan
durchzuführen. Die G. B. A. konnte den Betrieb rationeller ge-
stalten als die alte Gewerkschaft, auch wenn sie daran, wie wir
später sehen werden, durch die Vereinigungsbestrebungen in der
Kohlenindustrie anfangs vielfach gehindert wurde. Zunächst wird
das Prinzip der Massenproduktion eingeführt Die Förderung be-
trug 1881 nur 400 — 450 t pro Tag; das zu erreichende Ideal
waren 1000 bis 1250 t »Hierzu war vor allem eine kräftige In-
angriffnahme sämtlicher Vorrichtungsarbeiten und die Herstellung
einer geregelten lebhaften Wetterführung erforderiich und ebenso
die Schaffung einer unterirdischen Verbindung der beiden Schädite
Fürst Hardenberg und Minister Stein, durch welche dieselben und
2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 157
die auf ihnen beschäftigten Arbeiter gegen die Gefahren eventueller
Wasserdurchbrfiche vollständig gesichert sein sollten."*
Auch die Arbeiterwohnungsfrage, die bisher ganz vernach-
lässigt worden war, wird in Angriff genommen. In jedem Herbst
machte sich auf Fürst Hardenbe^ Arbeitermangel bemerkbar. .Es
bleibt, da nur auf der Grundlage einer ständigen und seßhaften
Arl>eiterbevölkerung eine regelmäßige bedeutende Förderung zu
erzielen ist, zur Deckung des Arbeitsbedfirfnisses noch viel zu tun
fibrig, was uns bereits veranlaßt hat, im Anschluß an die vor-
handenen, neun vierfache Arbeiterwohnhäuser zu errichten, deren
bequeme und geräumige Wohnungen schnell vergriffen waren."*
Infolge der erwähnten Umstände, die mit dem früher gewerk-
schaftlichen Betrieb, der später zu behandelnden Fördereinschränkung
durch Konventionen und vor allem der Arbeiterfrage zusammen-
hängen war in den ersten Jahren die Entwicklung der beiden Zechen
eine nur langsame. Mit Bezug auf den letzterwähnten Punkt heißt
es in dem Geschäftsbericht von 1883: .Auf Fürst Hardenberg ist,
wenn gleich der Betrieb in dem Vorjahr ein durchw^ regelmäßiger
war, ein Rückgang infolge der mißlichen Arbeiterverhältnisse ein-
getreten. Die schwierige Gewinnung bei dem harten Kohlen-
vorkommen daselbst gestattet nur mit eingeübten Leuten eine
lohnende Arbeit, während gerade das Vorjahr bei etwas gebesserten
Lohnverhältnissen einen stärkeren Arbeiterwechsel brachte . . . Unsere
Bestrebungen aber, uns den durchaus notwendigen seßhaften Arbeiter-
stamm heranzuziehen, scheitern an dem Widerstreben der betreffenden
Gemeinden, indem diese dem Bau und der Erweiterung unserer
Arbeiterkolonien durch unerfüllbare Anforderungen auf Grund des
Kolonisierungsgesetzes vom August 1876 ein Hindernis entgegen-
setzen, welches nur auf dem Instanzenweg und erst in langer
Frist zu beseitigen sein wird. Inmittelst hoffen wir, daß die private
Bautätigkeit dem Bedfirhiisse einigermaßen entgegenkommen wird.*
Auch von Unfällen blieben die beiden Zechen nidit ver-
schont 1882 erfolgte auf Fürst Hardenberg ein Seilbruch, dem
25 Bergleute zum Opfer fielen. Der Bruch des Seiles wurde auf
eine plötzliche Unterbrechung in der Fördergeschwindigkeit zurück-
geführt Dieser Unglücksfall war die Veranlassung zur Einführung
eines Kontrollmechanismus, den wir bereits bei Hibemia näher
kennen lernten. »Die Lehre,* schreibt die Verwaltung, .welche
* Geschäftsbericht 1881.
158 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
wir im Interesse einer möglichsten Sicherung des Betriebes aus
diesem beklagenswerten Unglück glauben ziehen zu müssen» geht
dahin, daß es sich empfehlen wird» samtliche Fördermaschinen,
welche auch zur Menschenförderung dienen, mit zuverlässigen Ge-
schwindigkeitsmessern zu versehen, die in Form graphischer Dar-
stellung die jederzeitige Geschwindigkeit der Maschine registrieren.*
Ein zweiter Zechenzukauf findet im Jahre 1887 statt, indem
die Zeche Erin bei Castrop mit einer Berechtsame von 1006,75 ha
in das Eigentum der G. B. A. übergeht Wahrend bei der vorigen
Zeche der Probebetrieb ein ganzes Jahr in Anspruch nahm, sollte
er hier die Dauer von längstens sechs Monaten nicht überschreiten.
In dieser Frist erklarte sich die G. B. A. bereit, die Kuxe der
Gewerkschaft von dem Konsortium, das wiederum unter Führung
der Diskontogesellschaft stand, nämlich 5559600 Mark mit einer
Anleihe von 2000000 Mark in Summa also 7559600 Mark zum
Selbstkostenpreise zu erwerben. Die Bezahlung erfolgte in Aktien der
Gesellschaft, und zwar zum Parikurse. Das Konsortium übernahm
die Garantie dafür, daS der Reinertrag der Zeche jahriich mindestens
5^/o des Nominalbetrages der in Zahlung gegebenen Aktien ausmache
Hiergegen erhielt es für die Dauer von zehn Jahren die Hälfte des
6 ^/o übersteigenden Reinertrages der Zeche Erin. Es handelt sidi also
nicht um eine feste Vergütung, sondern um eine Gewinnbeteiligung.
Wir haben es hier mit der Akquisition eines Bergwerks
zu tun, das eine nicht fleckenlose Vergangenheit
hat Die Zeche mit dem keltischen Namen ist eine aus den 50er
Jahren stammende Gründung Mulvanys. Ihr Schicksal ist ver-
knüpft mit der 1866 gegründeten .Preußischen Bergwerks- und
Hütten-Aktiengesellschaft", der außer Erin noch die Zechen Hansa
und Zollem gehörten, die spater ebenfalls in den Besitz von
Gelsenkirchen übergehen sollten. Diese Gesellschaft geriet infolge
schlechter Geschäfte und Finanzen 1877 in Konkurs. Mit dem
Mangel an Kapital dieser unglücklichen Gesellschaft hangt die
ganze ungenügende Verfassung der Zeche Erin, namentlich auch
ihre mangelhafte Wasserhaltung zusammen. Infolge großer und
wiederholter Wasserdurchbrüche kam sie im Jahre 1877 mit der
Gesellschaft, der sie gehörte, zum Eriiegen. Selbst wenn die
maschinellen Anlagen ausreichend gewesen waren, die Wasser zu
Sumpfe zu halten, bis neue, stärkere Mauerdamme zum Abschluß
des Wassers geschlagen waren, so hatte dies doch wahrscheinlidi
keinen Erfolg gehabt, weil die erforderiiche Dampfkraft, namentlich
2. Oelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesdlschafi 159
infolge schlechter Verfassung der Kesselanlagen nicht zu beschaffen
war. Infolgedessen ersoff die Zeche.
1883 wurde sie dann von dem im Aufsichtsrate der G. B. A.
sitzenden GroSindustriellen Friedrich Grillo erworben. Er bildete
mit noch einigen Teilnehmern eine Gewerkschaft Darauf wurde
ein groSer Sümphtngsplan entworfen und das ganze Bergwerk
erst instand gesetzt Die Ersfimpfung machte grofie Schwierig-
keiten« Die Kosten wurden auf 2V9 bis 3 Millionen berechnet
Endlich am 18. August 1884 konnte die erste Kohle gefördert
werden. .Die freudige Nachricht," erzählt der Jahresbericht der
Gewerkschaft, .verbreitete sich mit Windeseile in dem Städtchen.
Kaum eine halbe Stunde später waren alle Häuser mit Flaggen
gescfamfidct und gaben ein beredtes Zeugnis, wie innig die Inter-
essen der Bevölkerung Castrops mit dem Emporblühen der Zeche
Erin verknüpft sind." Mit dem Bahnversand der Kohle konnte
erst Anfang Juli 1886 begonnen werden, solange diente die Förde-
rung wesentlich dem Selbstverbrauch. Aber bis dahin hatte die
Gewerkschaft viel zu tun. Die Anlagen waren größtenteils ver-
altet Da in den beiden vorhandenen Schächten kein Raum für
die Wetter disponibel war, so war das Niederbringen eines neuen
Wetterschachtes notwendig. Die Verhältnisse vor der Betriebs-
einstellung werden in dem Sachverständigenbericht folgendermaBen
geschildert: .Früher erwärmte ein auf der Wettersohle bei Schacht II
unter Tage befindlicher Wetterofen der Zeche die in diesem Schacht
l)efindliche Luftsäule und zwang so die verbrauchten Wetter in
densell)en aufzusteigen, während die frische in den andern Schacht
niederfiel ... Ein besonderes Wettertrumm, d. h. eine Abteilung
des Schachtes, welche luftdicht gegen die andern Abteilungen des
Schachtes abgeschlossen, nur für den ausziehenden Wetterstrom
bestimmt ist, war nicht vorhanden. Es strömten vielmehr die aus-
ziehenden Wetter durch den ganzen Schachtquerschnitt und wurden
hier, bei dem durch die Kohlenförderung bedingten Auf- und
Niedergehen der Förderkörbe in ihrem Aufsteigen ganz gewaltig
gehindert, der Wetterabzug also benachteiligt". Die Kohlen wurden
zum gröfiten TeU zu Koks gebrannt Deshalb war die Zeche
baoptsächlich von der Lage des Koksmarktes abhängig. Aber die
Öfen waren veraltet Die Gewerkschaft übernahm 120 englische
Bienenkorbofen und erbaute dazu 100 neue Copp^eöfen. Die
Naditeile der ersteren haben wir bereits auf Hibemia näher kennen
gelernt Die ganze ältere Anlage konnte nur bei lebhafter Nach-
160 2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft
frage nach Koks als rentabel bezeichnet werden. Sie wurde da-
her umgestaltet und modernisiert Durch den Bau neuer Koksöfen
wurde es möglich, den größten Teil der Dampfmaschinen mit Koks-
gasen zu heizen. Damit sank der Selbstverbrauch der Förderung
auf 1 Vo herunter. Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen,
daß es sich um ein bereits durch großen Kapitalaufwand präpa-
riertes und noch weiter große finanzielle Mittel erforderndes Ol>-
jekt handelte.
Die äußere Veranlassung, in nähere Beziehung zu Erin zu
treten, gab der G. B. A. die Errichtung eines Wasserwerks für das
nördliche Westfalen. Bisher war die Gesellschaft in bezug auf die
Wasserversorgung ihrer Zeche VenStein und Hardenberg auf die Stadt
Dortmund angewiesen. Dafür zahlte sie an die Stadt eine Jahresabgabe
von 13300 Mark, 1885 lief nun dieser Vertrag ab. Sie beschloß daher,
sich bei der Anlage des Wasserwerks zu beteiligen, zumal die Zeche
Erin die Hauptinteressentin des geplanten Unternehmens war. In der
von der Verwaltung für die außerordentliche Generalversammlung
vom 26. Juni 1885 gemachten Vorlage heißt es: »Wir werden als
Mitbeteiligte des Wasserwerks in nähere Interessengemeinschaft
mit der Zeche Erin treten, dann auch mit den übrigen an-
geschlossenen Zechen, insonderheit mit denjenigen, welche durch
ihre HauptbeteOigten ohnehin in gewissen Beziehungen zu uns
stehen, und würde ein solches Band um so bedeutungsvoller sein,
als, wie allgemein erkannt, nur die tatsächliche Durchführung der
Gemeinsamkeit der Interressen die Notlage unseres Bergbaubezirks
heben kann, und eine so geschaffene nähere Interessenverbindung
zu gegebener Zeit die unserer Gesellschaft bei ihren bisherigen Maß-
nahmen seit Jahren vorschwebende Scfaafhmg einer geschlossenen
Zechengruppe in dem hier in Frage kommenden nordöstlichen
Bergbaubezirk wesentlich erleichtem würde. Nachdem die Geweric-
sdiaft noch eine Anleihe von zwei Millionen unter Verpfändung
ihres gesamten Eigentums durch Vermittlung der Diskontogesell-
schaft aufgenommen hatte, ging sie, wie wir sahen, in die Hände
der G. B. A. über. Auch mit dieser Erwerbung verknüpften sich
Kapitalserhöhungen. Nachdem bereits im Jahre 1886 das Grund-
kapital behufs Abstoßung der Schulden von Ver. Stein und Harden-
berg durch Ausgabe neuer Aktien im Betrage von 2250000 Mark
von 20250000 auf 22500000 Mark erhöht worden war, wird es
infolge der Fusion mit Zeche Erin abermals vergrößert, und zwar
um 5559000 Mark. Es steigt damit auf 28059000 Mark.
2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft 161
An die Erwerbung der Zeche Erin schließt sich dann im
Jahre 1889 die der Aktienmajorität des Westfälischen Gruben-
vereins, der sich aus den drei Zechen Hansa, Zollern und
Germania kdhstituierte.
Seit dem 1. Juli 1888 war bereits der Verkauf der Erzeug-
nisse des Westfälischen Grubenvereins mit der Verkaufsabteilung
der G. B. A. vereinigt Wie im vorigen Fall das Wasserwerk, so
war es hier das Kartell, das die ersten Bande der gegenseitigen
Beziehungen knfipfte. Die Gelegenheit zum Erwerb trat dann
in dem Augenblicke ein, als die Firma Friedrich Grillo nach dem
Hinscheiden ihres Chefs diesen Besitz veräußern wollte. Um
nicht die bereits hergestellte Verkaufs- und Interessengemeinschaft
mit diesen angrenzenden Zechen zu vertieren, entschloß sich die
G. B. A. zum Ankauf derselben. Auch hier spielten die Banken
den Vermittler. Das unter Führung der Diskontogesellschaft in
Berlin stehende Konsortium erwarb Nominal 8472000 Mark
Aktien des Westfälischen Grubenvereins, also nahezu das ganze
9 Millionen Mark betragende Kapital. Als Gegenleistung für die
von dem Konsortium getragene und weiterhin noch zu tragende
bergmännische und geschäftliche Gefahr für die Überlassung eines
Drittels zum Selbstkostenpreise und für die bewilligte Options-
frist erhielt das Konsortium eine einmalige Kommissionsgebühr
von 1% des Nennbetrages der angebotenen Beteiligung. Zum
Zwecke der Obernahme wird dann das Grundkapital der G. B. A.
1889 von 28059600 auf 30 Millionen bzw. im November 1889 auf
36 Millionen Mark erhöht, Am 1. Januar 1892 erfolgte die formale
Fusion, nachdem die G. B. A. auf Grund ihres Besitzes die Ver-
waltung bereits tatsächlich führte. Der Westfälische Grubenverein
stirbt Sein ganzes Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten
gehen auf die G. B. A. über. Damit werden die Zechen Hansa, ZoUem
und Vereinigte Germania mit einem 2891,59 ha großen Grubenfeld,
mit zusammen vier Förderschächten, 3710 Mann Belegschaft und einer
arbeitstaglichen Förderung von 3170t der Gesellschaft angegliedert*
Auch bei diesen Zechen handelt es sich zum Teil um Be-
triebe, die ebenso wie Erin in der Vergangenheit mit großen
Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Hansa ist eine Anlage der
in der Krisis der 50 er Jahre zugrunde gegangenen Dortmunder
Bergbau- und Hfittengesellschaft Diese Gesellschaft bestand nur
• Feftschrift.
Stittich, NationalOkonoraltche Foncktmgtii, Bd. IL 11
162 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft.
von 1856—1859. Die Zeche sollte mit einem Eisenwalzwerk ver-
bunden werden. In dem am 27. September 1859 erstatteten Ge-
Schäftsbericht heißt es: »Die Verhandlungen mit der königlichen
Regierung zur Erlangung der Konzession (fär Qas Walzwerk)
dauerten fast neun Monate und endeten mit der Zusicherung,
daß die Genehmigung erfolgen würde, sobald die ganze Million
Taler in guten Zeichnungen nachgewiesen sei. Unsere Reklama-
tion, daß wir zunächst nur 500000 Taler brauchten, blieb ohne
Resultat Der Versuch, mit einem Kreditinstitut wegen der
Million zu unterhandeln, blieb erfolglos. Dagegen machte sich
bereits der Mangel an Betriebskapital sehr fühlbar geltend, da am
1. Juli 1857 die Soll-Ausgabesumme bereits pp. 900000 Taler
eneichte, wogegen nur 730000 Taler auf die Aktien eingegangen
waren." Aber das Walzwerk wie die Kohlenzeche erforderten be-
deutend mehr Kosten, als ursprünglich veranschlagt waren. An
diesem Kapitalmangel ging die Gesellschaft zugrunde. Wir finden
die Zeche dann später wieder im Verein mit ZoUem in den
Händen der 1866 genehmigten Preußischen Bei^werks- und Hütten-
gesellschaft. Die Vorbesitzerin der beiden Zechen Hansa und
ZoUem ging an den Anstrengungen zugrunde, die Schächte dieser
Zechen durch die wasserreichen Mergelschichten hindurchzuteufen.
Der Hauptfehler beider Bergwerke lag darin, daß sie nur
einen Schacht besaßen. In dem Geschäftsbericht der eben er-
wähnten Gesellschaft vom 6. Dezember 1873 wird folgendes aus-
geführt: „Die Betriebsanlagen waren beim Eintritt der Krisis un-
vollendet Wo z. B. zwei Schächte erforderiich sind (wie bei
Hansa), während nur einer fertig ist, wird jeder Unfall, der die
Pumpen oder andere wichtige Teile betrifft, bei nur einem Schacht
^eichbedeutend sein mit einer Betriebsstörung für die ganze
Zeche und der daraus resultierende Verlust in kurzer Zeit mehr
betragen, als erforderiich wäre, um das Ganze fertigzustellen,*
und an einer anderen Stelle heißt es: »Der zweite Schacht sollte
bei jeder Kohlenzeche wie in England zu einer conditio sine qua
non gemacht werden, nicht allein zur Sicherung von Menschen*
leben durch geeignete Wetterführung und die Möglichkeit des
Entkommens, sondern auch zur Förderung großer Kohlenmassen
und speziell als Reserve bei Unfällen am Pumpensystem des
einen Schachtes, um die Beseitigung eines solchen Übels zu er-
möglichen ohne die Förderung auf der ganzen Zeche sistieren zu
müssen. Da es aber auch der Preußischen Bergwerks- und Hütten-
2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 163
aktiengesellschaft, wie wir vorhin schon näher darlegten, an Geld
fehlte, konnten die neuen notwendigen Schächte nicht abgeteuft
und die grofien Wasserhaltungsmaschinen, die dringend erforder-
lich waren, nicht angeschafft werden. 1877 geriet sie in Konkurs.
Die Hauptgläubigerin war die Beriiner Handelsgesellschaft Diese
erwarb außer der Hütte Vulkan die genannten Zechen und gründete
im Dezember 1877 die Aktiengesellschaft Westfälischer Gruben-
verein. Dieser Verein hat dann manches getan, aber erst die
G. B.A. konnte, nachdem sie die Zechen billig erworben hatte,
durch Aufwendung erheblicher Mittel die Anlagen auf die Höhe
der Zeit bringen.
Dafi infolge der wenig günstigen Zechenbeschaffenheit der
niedrige Preis ein Lockmittel für den Erwerb war, geht
aus einer Bemerkung des Berichtes für die außerordentliche General-
versammlung vom 31. Januar 1889 hervor, wo der Aufsichtsrat
darauf hinweist, daß regelmäßig diejenigen Erwerbungen die preis-
würdigsten sind, bei welchen wegen ungenügender Einrichtungen
bis jetzt die Rente noch nicht zur vollen Höhe gelangt sei, so
daß eine kapitalkräftige Gesellschaft durch die neuen Aufwendungen
erst den wirklichen Wert des Objekts zutage bringe.
Mit den bisherigen Erwerbungen war die Aufnahme einer
Reihe von Anleihen verbunden. Die Obligationenschuld betrug
1882—1885 600000 Mark. Das Jahr 1886 ist sogar anleihefrei, weil
es gelang, die vorerwähnte Schuld von Fürst Hardenberg aus den
disponiblen Mitteln der Gesellschaft zurückzuzahlen. Zu diesem
Zwecke wurden die Effektenbestände zum großen Teil verkauft
Jedoch heißt es in dem Geschäftsbericht von 1885: „Es erscheint
uns zweckmäßig, die jederzeit liquiden Mittel der Gesellschaft
wieder auf die frühere Höhe zu bringen bzw. zu verstärken. Die
hierdurch für die Gesellschaft gewonnene freie Bewegung würde es
ermöglichen, das dargelegte Ziel einer größeren Konzentration des
westfälischen Grubent)esitzes in geeigneten Fällen zu fördern bzw.
eine größere Gemeinsamkeit in den Verkaufsdispositionen herbei-
zuführen." 1887 wird eine 2 Millionenanleihe aufgenommen, die
sich 1889 auf 8 Millionen erhöht 1893 erfolgt zur Konvertierung
aller Anleihen und weiteren finanziellen Stärkung der Gesellschaft
die Ausgabe einer 4% igen 12 Millionenanleihe, an die sich dann
1896 eine Erhöhung des Grundkapitals von 36 auf 40 Millionen
Mark schließt Das Bankenkonsortium zeichnete die Aktien mit
146<^/o und bot sie den Aktionären zu 150^/o an. Mit Hilfe dieser
11»
164 2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft.
Mittel wurden die vorhandenen Anlagen ausgebaut. Außerdem
aber begann man bereits 1888 mit dem Ankauf von Kuxen der
Gewerkschaft Monopol in Camen. 1890 besafi die G. B. A. be-
reits 506 Kuxe, 1891 wurden weitere 452 und 1897 die letzten
42 Kuxe erworben. Im folgenden Jahre erfolgte die Auflösung
der Gewerkschaft Betrieb und Verwaltung der Zeche aber lagen
bereits seit dem Jahre 1892 in den Händen der G. B. A.
Die Zeche Monopol ist eine Grfindung aus dem Jahre 1873.
Auch hier finden wir an der Spitze Persönlichkeiten, die der G.B. A.
nahe standen, wie Friedrich Grillo, Fr. Funke-Essen, L. von Born.
Das Grubenfeld war ursprünglich* 3726 ha groß. Es wurde dann
erweitert und auf den Kolossalumfang von 8703,19 ha gebracht
Es ist dies die größte Berechtsame im niederrheinisch-
westfälischen Steinkohlenbezirk. Dieses Riesenfeld hat nur
zwei Schachtanlagen, nämlich Grillo in Camen, 1873 etabliert, und
Grimberg in Bergeamen, 1890 angelegt und 1894 in Betrieb ge-
nommen. Nach dem Jahrbuch erforderte die Zeche bis zum
31. Dezember 1896 an Zubuße 6475000 Mark, wozu noch eine
1887 aufgenommene Anleihe von 1 Million kommt Aust>eute
wurde nicht verteilt Der vorhandne Gewinn wurde vielmehr immer
aufs neue zur Erweiterung und Verbesserung der Betriebsanlagen
verwandt Nach den Angaben der Denkschrift betrug die Förde*
rung der beiden Schachtanlagen 1680 t arbeitstäglich bei einer
Belegschaft von 1844 Mann.
Die im vorhergehenden besprochene Fusion mit der Zeche
Monopol fällt im wesentlichen wie die andern Erwerbungen in
die Zeit vor Entstehung des Rheinisch -Westfälischen Kohlen-
syndikats. Mit dem Jahre 1893 aber wird der wesentlichste
Zweck dieser Zusammenballung von Zechen in einer Hand er-
reicht Unter der Führung der G. B. A. und ihres leitenden Cheb,
des Geh. Kommerzienrats Kirdorf, war der Einheitstraum der
Kohlenindustrie Rheinland -Westfalens Wirklichkeit geworden. Die
überwältigende Majorität der Zechen hatte sich zum Syndikat zu-
sammengeschlossen. Man hätte nun glauben müssen, daß dieser
Zeitpunkt das Ende der Fusionsbestrebungen der G. B. A. he-
deuten würde. Das aber war, wie wir sehen werden, nicht der
Fall. Denn mit der Bildung des Syndikats erhält der Kon-
zentrationsgedanke einen weiteren Stimulus.
Die durch die Marktlage auf der einen und die hohe Beteili-
* Jahrbuch f. d. Oberbergamtsbezirk Dortmund. Essen 1899 p. 309.
2. Oelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 165
gungsziffem namentlich der grofien Zechen auf der anderen Seite be-
dingte notwendige Fördereinschränkung konnte von den einzelnen
Werken nur ausgeglichen resp. fiberkompensiert werden durch eine
Eriiöbung ihres ihnen zukommenden Anteils am Gesamtabsatz.
Daher ist der Kampf um die Steigerung der Beteiligungs-
ziffer das immer wiederkehrende Leitmotiv in der Geschichte des
Werks seit 1893. Das wichtigste Mittel war neben dem Abteufen
neuer Schächte der Erwerb neuer Zechen. Es ist bekannt, wie
diese Mittel, die auch von anderen Zechen angewandt wurden,
das Syndikat schließlich in eine so schwierige Lage brachten, dafi
seioe Erneuerung im Jahre 1903 tatsächlich in Frage gestellt war.
Die G. B. A. hat unter der Herrschaft des alten Vertrages mit
dem Kohlensyndikat in der Periode von 1893 bis 1903 eine An-
zahl weiterer Zechen und unverritzter Grubenfelder erworben,
zunächst die Zeche Westhausen in Bodelschwingh bei Mengede.
Diese Erwerbung erfolgte 1897 unter gleichzeitiger Erhöhung des
Grundkapitals von 40 auf 44 Millionen Mark. Freilich fand
die formale Fusion erst im folgenden Jahre statt, da die In-
haber von 19 Kuxen dieser Gewerkschaft den Gewerkenbeschluß,
durch welchen die Zeche Westhausen zu einem festen Preise
verkauft werden sollte, nicht anerkannten und derselbe von
einem Gewerken im ProzeSwege angefochten wurde. Der Kux
der tausendteiligen Gewerkschaft kostete 3750 Mark, die ganze
Zedie also 3750000 Mark. Das Grubenfeld der Zeche umspannt
484 ha. Die Verhältnisse desselben wurden bereits beim Erwerb
nidit sehr gfinstig beurteilt In dem Antrag des Aufsichtsrates und
der Direktion an die auSerordentliche Generalversammlung vom
11. November 1897 wird folgendes ausgeführt: »Der Bau der
Gmbe Westhausen hat sich lange Jahre hindurch nur in der
Mitte des Feldes bewegt. Man hat infolge vieler Faltungen und
Störungen eine außerordentlich komplizierte und zerrissene Ab-
lagerung in der Fettkohlenpartie aufgeschlossen, welche es ver-
hinderte, daS die Grube eine günstige Entwicklung nehmen
konnte.* Die Oesamtmächtigkeit der Kohlenflöze wird nur auf
10 m angegeben. Das Grubenfeld war durch einen Hauptförder-
und einen Wetterschacht gelöst Zur Zeit des Erwerbes förderte
die Zeche mit 680 Mann Belegschaft aus diesem einen Schacht
tägUch 600 t Kohle.
In der Folgezeit entwickelte sich Westhausen ebenso wie die
Zedie Monopol nur langsam. Das gab Anlaß zu Klagen der
166 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
Aktionäre. In der Generalversammlung vom 22. März 1899 kriti-
sierte ein Aktionär die geringe Rentabilität der beiden Zechen.
Wir werden sehen, daB auch die folgenden Bergwerke in bezug
auf die Qualität mancher Kritik preisgegeben waren.
Im Jahre 1899 geht dann die Zeche Ver. Bonifazius in
Kray, die seit 1851 als Gewerkschaft und seit 1872 als Aktien-
gesellschaft bestand, in den Besitz der G. B. A. über. Bei dieser
Gelegenheit wird das Aktienkapital von 44 auf 54 Millionen Mark
erhöht. Für 7V2 Millionen Bonifazius-Aktien wurden 6 Millionen
Gelsenkirchner Aktien ausgetauscht. Das Grubenfeld dieser Zeche,
welches mit dem von Zeche Ver. Rhein -Elbe und Alma mark-
scheidet, umfaßt 499,50 ha und war durch zwei Tiefbauanlagen
erschlossen. „Unsere Gesellschaft geht," heifit es in dem Beriebt
für die aufierordentliche Generalversammlung vom 30. August 1899,
„wenn unserem Antrage stattgegeben wird, auf der altbewährten,
seit ihrer Begründung befolgten Bahn der Konsolidation des zer-
splitterten Grubenbesitzes weiter. Nur durch diese ist die Ge-
sundung unserer Industrie und die erfreuliche Geschäftslage der-
selben dauernd zu erhalten; nur durch weiteren Zusammensdilufi
wird der Bestand des Kohlensyndikats und die Erhaltung einer
gesunden Richtung innerhalb desselben gewährieistet* Das ist
der Tenor, den wir schon früher kennen lernten. Von der mit
dem Erwerb verbundenen Erhöhung der Beteiligungsziffer beim
Syndikat in Höhe von 560000 t wird hier noch nichts gesagt
Das Charakteristische der Geschichte dieser Zeche besteht
nun auch hier darin, dafi sie in der letzten Vergangenheit, von
den beiden Jahren der spekulativen Erregung 1889 und 1890 ab-
gesehen, nur geringe Erträge abwarf. Die Dividende von Boni-
fazius betrug:
1889 50/0 1893 00/0 1896 5VaO/o
1890 13VaO/o 1894 Qo/o 1897 0«/o
1891 I3V20/0 1895 40/0 1898 QO/o
1892 60/0
Aus diesen Zahlen ergibt sich, daß selbst die Hochkonjunktur
einen Einfluß auf den Gewinnertrag nicht auszuüben vermochte.
Dies hängt damit zusammen, daß im Jahre 1897 der Schacht II
zusammenstürzte; er stand ebenso wie Schacht I nur in Holz-
Zimmerung.
Anläßlich der geplanten Erwerbung von Bonifazius durch die
G. B. A. schrieb damals ein Aktionär im Beriiner Börsenkurier vom
2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 167
22. Oktober 1899: .Nur bei fabelhafter Indolenz der Aktionäre
kann dieses Finanzprojekt realisiert werden. Keine der Montan-
fusionen hat bis jetzt andere als nachteilige Folgen für die Ent-
wicklung der grofien Kohlengesellschaften gehabt Bestände nicht
die Nachwirkung stattgehabter Angliederungen und bestände nicht
die Furcht vor weiteren Finanzgeschäften, so würden die Aktien
der leitenden Kohlenwerte nicht heute noch fast genau so notieren,
wie vor einigen Jahren, trotz der stark gestiegenen Einnahmen
und der glänzenden Zukunftsaussichten. Sie würden ähnliche
Steigerungen erfahren haben, wie die Werte der mittleren und
kleineren Kohlenuntemehmungen.* Diese Auffassung findet in
dem Geschäftsbericht von 1899 durch die Verwaltung selbst ihre
Bestätigung. Dort heifit es: »Es läfit sich nicht verkennen, dafi
die Erträgnisse unserer Gesellschaft sich nicht parallel der gün-
stigen Entwicklung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse ge-
steigert haben. Zum geringen Teil liegt das darin, dafi der Ertrag
der Zeche Bonifazius eine volle Verzinsung des dafür aufgewen-
deten Kapitals, wie zu erwarten, nicht aufbrachte, und dafi auf
anderen Zechen innere Verhältnisse mitwirkend waren . . .*
Mit der Erwerbung von Bonifazius kamen gleichzeitig die im
Portefeuille dieser Gesellschaft befindlichen Beteiligungen an den
Gewerkschaften Caspar Alexander und Helmuth in den Besitz von
Gelsenkirchen. Im folgenden Jahre 1900 wurden die übrigen
Kuxe der beiden Gewerkschaften vollständig erworben und das
Bergwerkseigentum auf den Namen der G. B. A. umgeschrieben.
Die beiden Grubenfelder umfassen eine Berechtsame von 206,63 ha.
Diese rapide Entwicklung der Gesellschaft ist, wie schon er-
wähnt, in den Generalversammlungen häufiger Gegenstand der
Kritik gewesen. Es ist klar, dafi es viel schwieriger ist, ein hohes
als ein niedriges Aktienkapital zu verzinsen. Als am 25. Februar
1902 daher eine weitere Erhöhung des Aktienkapitals von 54 auf
60 Millionen beschlossen wurde, zum Bau neuer Anlagen, wurde
wieder die Opposition laut Sie betonte vor allem, dafi es not-
wendig sei, das schnelle Entwicklungstempo zu veriangsamen.
Allem diese Warnungen hatten keinen Erfolg. Der Fusionsprozeß
machte weitere Fortschritte.
Am 1. Februar 1904 ging die Gewerkschaft Ver. Hamburg
und Franziska in Witten mit ihrem gesamten Soll und Haben
in den Besitz der G. B. A. über. Zu diesem Zweck wurde das
Aktienkapital von 60 auf 69 Millionen erhöht. Die jungen Aktien
168 2. Oelsenklrchner Bergwerks-Aktiengesellschaft.
wurden zu 180^/o emittiert. Die Übertragung fand statt gegen
Gewahrung von 3,6 Millionen Nominal Gelsenkirchner Aktien.
Es handelt sich bei diesen beiden Zechen, deren Grubenfeld iso-
liert und abseits der bisherigen großen Erwerbungen der 0. B. A.
liegt, um einen uralten Betrieb, dessen Stollenbau bis ins 1& Jahr-
hundert zurückreicht Das Abteufen des ersten Tiefbauscfaacfates
auf Franziska begann 1837, auf Hamburg 1852. Die Konsoli-
dation beider Zechen erfolgte 1895. Ein Jahr hüher wurde be-
reits die südlich markscheidende Zeche Walfisch durch Ankauf
der Kuxe aufgesaugt 1898 erfolgte die Konsolidation der nörd-
lich mit dem Grubenfelde von Hamburg und Franziska mark-
scheidenden Zeche Ringeltaube. Es handelt sich also um vier
Schachtanlagen. Die Berechtsame, die mit dem Ankauf durch
Gelsenkirchen in die Hände dieser Gesellschaft übergeht, betragt
nach den Büchern der Gesellschaft 2019 ha.*
Das grofie Alter dieser Anlage läfit bereits erkennen, dafi eine
teilweise Erschöpfung der Kohlenvorräte vorhanden sein mufi.
Der Zweck des Erwerbes lag daher weniger in der Absiebt, die
Zeche nach Art der früheren Erwerbungen mit Aufbietung großer
finanzieller Kraftmittel leistungsfähiger zu machen, als vielmehr
in der Erhöhung der Beteiligungsziffer. Die Beteiligung t>etnig
im Verschmelzungsjahr 944 000 t »Diese Förderung,* heifit es im
Geschäftsbericht von 1903, »kann erreicht werden, wenn die samt-
lichen Flöze ohne Rücksicht auf ihre Bauwürdigkeit und Qualität
in Bau genommen werden. Es wird sich jedoch empfehlen, für
die Folge nur diejenigen Betriebspunkte zu belegen, welche eine
leicht verkäufliche Qualität liefern und einen lohnenden Abbau
sichern. Der hierdurch entstehende Ausfall könnte auf die ent-
wicklungsfähigen Schächte der Gelsenkirchner Gesellsdiaft
übertragen werden. Durch die Angliederung der Zeche Ver» Ham-
burg und Franziska kommt die Gesellschaft in die Lage, sich an
der Lieferung der namentlich zu Hausbrandzwecken sehr ge-
suchten Magerkohlen in gröfierem Umfang zu beteiligen, anderer-
seits aber beim Nachlassen des Absatzes durch Obertragung der
Lieferung an die übrigen Schächte andere Qualitäten an deren
Stelle treten zu lassen.
In erster Linie aber handelte es sich, wie vorhin schon be-
merkt, um eine Aufbesserung des Kontingents der G. B. A. bi
* Nach der Angabe im Jahrbuch f. d. Oberbergamtsbezirk Dortmund p. 358
nur 1870 ha.
2. Odsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 169
der Zedienstillegungskommission* sagte der Generaldirektor Ge-
heimer Kommerzienrat Kirdorf folgendes: .Hamburg und Franziska
ist seitens Gelsenkirchen mit der Absicht gekauft, um von der
großen Beteiligungsziffer, welche dieselbe beim Kohlensyndikat
hat, Vorteil zu ziehen. Es wurden der Zeche Franziska wegen des
Minderabsatzes wiederholt Entschädigungen ausgezahlt. Diesen
Minderabsatz haben wir selbstverständlich auf Gelsenkirchen über-
nommen. Es ergibt sich daraus für uns der Vorteil, dafi wir die
Al>gabe für Mehrförderung nur noch in geringerem Umfange zu
zahlen haben. Durch die Übernahme hat sich das ausgeglichen.*
1902 und 1903 wurde in der Gemeinde Düren noch ein
nener Schacht abgeteuft Dieser Schacht wurde nach dem Ober-
gang der Gewerkschaft in die Hände der G. B. A. nicht mehr in
Betrieb genommen. Die Maschinen wurden still gesetzt und die
Kessel kalt gelegt Es handelt sich hier um einen sog. Syndikats-
scbacht, der den alten Bestimmungen des Syndikats seine Ent-
stebmig verdankte, und für das Unternehmen einen Zuwachs von
120000 t Beteiligungsziffer bedeutete.
Zu diesen Zechenerwerbungen trat in letzter Zeit noch die Be-
teiligung — also der erste Schritt zur Fusion — an einem unver-
ritzten Grubenfelde. Die G. B. A. erwirbt mehr als Dreiviertel der
insgesamt 1000 betragenden Kuxe der Gewerkschaft Prinz Schön-
aich zu Hamm an der Lippe. Es handelt sich hier um ein 4610 ha
großes, weit nach Nordosten vorgeschobenes Grubenfeld, das noch
nicht durch Schächte erschlossen ist Die Bohriöcher trafen das
Steinkohlengebirge bei der beträchtlichen Tiefe von 500—658 m.
In der Bilanz vom 31. Dezember 1904 steht die Beteiligung an
Prinz SchOnaich mit 3122952 Mark zu Buch. Die Gesellschaft
besitzt sämtliche Kuxe bis auf einen.
Wir haben im vorhergehenden eine Kette von Fusionen
kennen gelernt, die sämtlich dem Konzentrationsplan ent-
sprangen, welcher der Verwaltung der G. B. A. als Leitstern zu
Macht und Größe vorschwebte. Das Ergebnis der Verwirklichung
dieses Programms war, dafi das ursprünglich 761 ha grofie Gruben-
feld auf 23639,9 ha anwächst Das bedeutet eine Vergröfierung
des unterirdischen Besitzes um etwa das Dreifiigfache
des ursprünglichen Bestandes. Was die Geschlossenheit
dieses Riesenbesitzes anbelangt, so ist von Wichtigkeit, dafi nur
Ver. Bonifazius mit dem Stammbesitz markscheidet, sämtliche
* Stenogr. der Kommissionsverhandl. p. 9 u. 10.
170 2. Gelsenkjrchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
Übrigen Grubenfelder aber mit alleiniger Ausnahme der isoliert
liegenden Berechtsame von Hamburg und Franziska ein in sich
zusammenhängendes, lang hingezogenes annäherndes
Rechteck darstellen. Seine Kontinuität wird nur einmal von
Harpen durchbrochen, dessen Grubenfeld sich störend zwischen Ver.
Stein und Hardenberg und Monopol hineinschiebt An fremder
Berechtsame liegen in diesem Besitz noch Graf Schwerin und
de Wendel, aber quousque tandem? Der ganze Komplex hat
eine Kohlenreserve, die in gleicher Gröfie in Westfalen
unerreicht dasteht, und die nach menschlichem Ermessen eine
unabsehbare Förderung gewährleistet
Ein Urteil über den jetzigen Wert und die Gröfie dieser Er-
werbungen läfit sich aus nachstehenden Angaben gewinnen. In
der Bilanz vom 31. Dezember 1904 standen die einzelnen Zechen
mit folgenden Summen zu Buch:
Ver. Rhein-Elbe und Alma . . . 17002891 Mark
Ver. Stein und Hardenberg . . . 15289696 .
Monopol 14359103 .
Zollem 11772094 .
Ver. Bonifazius 10483403 .
Hamburg und Franziska .... 5711496 .
Germania 5532139 .
Erin 5127145 .
Westhausen 4137040 .
Hansa 3542273 .
Bei den Erwerbungen spielten eine Reihe Faktoren mit,
die die G. B. A. bestimmten, gerade diese oder jene Zeche
zu kaufen. Als solche lernten wir kennen: Persönliche Be-
ziehungen und Interessen der Aufsichtsratsmitglieder,*
ferner die durch ungünstige frühere Entwicklung bedingte be-
sondere Billigkeit der Offerten, die Lage der Zechen, ihre
Syndikatsbeteiligung u. a. m.
Diese Erwerbungen erfolgen, wie näher gezeigt, unter As-
sistenz der Diskontogesellschaft Das Aktienkapital steigt
1881—1904 von 13,5 Millionen auf 69 Millionen; es verffinffacfat
sich also. Die Anleihen der Gesellschaft aber wachsen von auf
12 980500 Mark. Mit dem Aufgebot solch ungeheurer Geld-
mittel setzte sich diese Entwicklung durch!
* Auf den Einflufi der Diskontogesellschaft im Aufsichtsrat dOrfte auch
z. B. die Beteiligung der 0. B. A. an der Schantung-Eisenbahngesellschaft and
den deutsch-chinesischen Bergbaugesellschaften zurückzufahren sein.
2. Qelsenkirchner Bergwerks-AktJengesellschaft.
171
Nachdem wir im vorhergehenden die Verschmelzungen der
G. B. A- init einer Anzahl von Zechen und Grubenfeldem im ein-
zelnen näher kennen gelernt haben, wollen wir nun untersuchen,
welche Polgen dieser Konzentrationsprozefi für das Unter-
nehmen gehabt hat In der von der Verwaltung im Jahre 1902
den Besuchern der Düsseldorfer Industrie- und Gewerbeausstellung
gewidmeten Schrift werden als Vorteile solcher durch Fusion ver-
größerter bergbaulicher Unternehmungen genannt: Billigere Selbst-
kosten, Austausch bewährter Einrichtungen und Erfahrungen, Er-
probung von Neuheiten an geeigneter Stelle, vor allem aber
Verteilung des bergbaulichen Risikos auf eine größere Zahl von
Schächten, deren im ganzen gesicherterer Betrieb trotz Unter-
brechungen im einzelnen dem Gesamtuntemehmen eine gleich-
mäßige Rente und damit dessen Werten einen stetigen Charakter
verbürgt. Wir werden im folgenden an der Hand der geschicht-
lichen Entwicklung der G. B. A. zu prüfen haben, ob diese Vor-
teile wirklich bestehen und ob nicht mit den Fusionen für das
Gesamtuntemehmen auch Nachteile verknüpft gewesen sind.
Wir untersuchen zunächst die Frage, wie sich unter dem Ein-
flasse der Fusionen die Selbstkosten der G.B. A. gestaltet haben.
Ober ihre Höhe sowie den Verkaufserlös und die aus beiden Fak-
toren resultierende Spannung gibt folgende Zusammenstellung
Auskunft.
Durchschnitts- Verkaufs«
erlös
Jahr
Selbstkosten pro t pro t
Spannung
1873
6,74 Mark 15,19 Mark 8,45 Mark
1874
6,17 .
13.30 .
7.13 .
1875
5,55 .
9.55 .
4,00 ,
1876
5.42 .
8.15
2,73
1877
4,52 .
6.33 ,
1.81 .
1878
3,97 .
5,78
1.81 ,
1879
3,74
5.35 ,
1.61
1880
3.81 .
5,90 .
2.09 .
1881
3.69 .
6.03 .
2.34 .
1882
3,97 ,
5,96 ,
1.99 .
1883
4.18 .
5,99 .
1.81 .
1884
4.20 ,
6,00 .
1.80 .
1885
4.10 .
5.98 .
1.88 .
1886
4.11 ,
6.00 ,
1.89 .
1887
3,99 .
5.79
1,80 .
1888
3.89 .
5.71 ,
1,82 ,
1889
4.56 .
6.43 ,
1.87 .
1890
5.77 .
9.52
3.75 ,
1891
6.03 .
9.59 .
3.56 .
172
2. Oelsenklrchner Beigwerks-AktiengeseUschaft.
Durchschnitts-
Verkaufserlös
Jahr
selbstkosten pro t
pro
t
Spannntig
. 1892
5,79 Mark
8,22 Mark
2,43 Marie
1893
5.50
>f
6,91
II
1.41 „
1894
5,53
»
7.03
M
1.50 „
1895
5.42
II
7,30
II
1.88 „
1896
5,46
II
7,43
II
1,97 „
1897
5.79
II
8,01
II
2,22 „
1898
6,15
II
8,51
II
2.36 „
1899
6,58
II
8.89
II
2.31 „
1900
7,13
II
10,39
11
3.26 „
1901
7,71
II
10,85
II
3.14 „
1902
7.33
II
10,04
II
2,71 ..
1903
7.22
II
9,61
II
1,39 „
1904
7,11
II
9,33
II
2,22 „
Diese Zahlenreihen zeigen keine einheitliche Tendenz, sondern
eine wellenförmige Linie, auf der sich die Selbstkosten bewegen.
Es lafit sich daraus nicht erkennen, ob die Fusionen eine Er-
niedrigung der Selbstkosten herbeigeführt haben, denn diese werden
durch eine ganze Reihe von Faktoren bestimmt Es ist aber nicht
möglich, aus diesem Ursachenkomplex die Wirkung eines einzigen
Faktors, der Fusionen zu eliminieren.
In wie aufierordentlich hohem Mafie vor allem die Arbeits-
löhne, d. h. ein von den Betriebsvereinigungen ganz unabhängiges
Moment, die Selbstkosten beeinflussen, ergibt sich aus folgendem.
An Arbeitslohn wurde auf die Tonne Kohlen verausgabt:
1901: 4,638 Mark oder 60,1 o/o der Produktionskosten
1902: 4,357 „ „ 59.50/o „
1903: 4,367 „ „ 60,50/o „
1904: 4,397 „ ., 61,70/o „
Femer ist zu berücksichtigen, dafi die Selbstkosten auf den
einzelnen Gruben der Gesellschaft sehr verschieden sind. Im Jahre
1904 betrugen sie pro Tonne auf:
Minister Stein ..... 6,009 Mark
Rhein-Elbe I/II 6,244 „ unter dem
Qrimberg 6,525 „ Durch-
Alma 6,597 „ schnitt
Hardenberg 7.004 „
Hamburg I/II . . . . . 7,209 Mark
Franziska VE 7,224 „
Germania II 7,282 „
Erin 7,356 „
Hansa 7,366 „
aber dem
Durch-
schnitt
2. Odsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 173
Westhausen 7,403 Mark
Bonifazius 7,403 „
Rhein-Elbc in 7,557 „
OriUo 7,557 ..
ZoUeni I 7,674 „
Aber dem
Durch-
schnitt
Es handelt sich hier um Schwankungen, die eine Differenz
von 1,665 Mark ergeben.
Ebenfalls offen bleibt die Frage nach den Wirkungen der
Fusionen auf die Arbeiterverhältnisse der G. B. A. Wenn
Tfibben* behauptet, dafi die Betriebsvereinigungen mittelbar eine
grOfiere Gewähr für die Verminderung der Unglücksfalle infolge
eines weniger häufigen Wechsels der Grubenbeamten und
Arbeiter bieten, so ist der Beweis daffir nicht erbracht Der
Arbeiterwechsel auf Gelsenkirchen ist ebenso wie der auf Hibemia
ein aufierordentlich starker. Im Geschäftsbericht des Jahres 1900
wird ausdrücklich auf den zunehmenden Arbeiterwechsel hin-
gewiesen, der die Förderung ungünstig beeinflufite.
Ebenso besteht Arbeitermangel in Zeiten flotten Geschäfts-
ganges wie auf anderen Zechen. Im Geschäftsbericht 1899 werden
die tmgünstigen Betriebsverhältnisse auf Zollem darauf zurück-
geführt, daß nach dem Brandunglück vom Mai 1898 viele Leute
kündigten, während neuer Zuzug fem blieb. Es blieb der Ver-
waltung nichts anderes übrig, als die fehlenden Reparaturhauer
durch Hauer zu ersetzen, die der Kohlengewinnung entzogen
wurden, was sowohl die Förderung als auch die Durchschnitts-
leistung verringerte.
Auch eine Verbesserung des Loses der Arbeiter über
das auf anderen Zechen übliche Mafi hinaus hat m. E. bei der
Zusammenlegung der Betriebe nicht stattgefunden. Die Arbeiter
der fusionierten Gesellschaften dürften sich weder besser noch
schlechter stehen, als die der nichtfusionierten. Dabei spielt die
Tradition die Hauptrolle. Die Arbeiterverhältnisse auf den zuge-
kauften Zechen bleiben bestehen und Reformen setzen sich nur
schwer durch. So ist z. B. auf drei Zechen der G. B. A. das
Wagennullen abgeschafft, auf den anderen aber besteht es weiter.
Ober das Nullen sei noch folgendes bemerkt 1904 wurden 0,53%
der gesamten Wagen genullt Der Lohnausfall für jeden Wagen
* BetriebsvereinJgungen bdm Steinkohlenbergbau Im Rnhirevier, ihre Ur-
sachen sowie Ihre soziale und nationale Bedeutung in Brasserts Zeitschrift fOr
Bergrecht 1S99 p. 172 ff.
174 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft.
betrug 1,07 Mark. Wenn nun nach den gemachten Feststellungea
in jeder Schicht durchschnittlich fünf Wagen von jedem Hauer ge-
fördert werden, so entfallen auf jeden Hauer bei 25 Schichten im
Monat 125 Wagen. Es kommt somit auf jeden Hauer im Monat
eine Strafe von 72 Pfennig.*
Auch die Löhne, über die die Geschäftsberichte der G. B. A.
zum Unterschiede von denen anderer Aktiengesellschaften der
Kohlenindustrie eingehende Details bringen , zeigen keine groSen
Abweichungen. Der Nettodurchschnittslohn für die achtständige
Schicht auf den einzelnen Zechen der Gesellschaft betrug: (s. S. 175.)
Auch die Arbeiterwohlfahrtspolitik unterscheidet sich im
Prinzip durchaus nicht von der anderer Gesellschaften. In der
Düsseldorfer Ausstellungsschrift wird über die Fürsorge der Ver-
waltung für ihre Arbeiter folgendes mitgeteilt: »Seit dem Jahre
1896 hat die Gesellschaft eine Fürsorge für die Familien ihrer
Arbeiter derart eingerichtet, dafi die Familienangehörigen in
Krankheitsfällen freie arztliche Behandlung erhalten. Im Ge-
schäftsjahre 1901 wurden zu diesem Zweck 87455 Mark ver-
ausgabt. Beiträge der Arbeiter zu der genannten Einrichtung er-
folgen nicht
Konsumvereine der Arbeiter unter Leitung der Gesellschaft
oder gleichartige Veranstaltungen der letzteren bestehen nicht, da
ein Bedürfnis hierzu bei der grofien Zahl solider Privatgeschäfte
nicht voriiegt Lediglich im Herbst beschafft die Gesellschaft nach
vorheriger Feststellung des Bedarfs Kartoffeln, die zum Ein-
kaufspreise an die Arbeiter abgegeben und durch monatliche Ab-
tragung bezahlt werden. Im Jahre 1901 wurden beschafft und
abgegeben 436 V2 Doppelwaggon von je 10 t zu einem Einkaufs-
preise von insgesamt 197743 Mark oder durchschnittlich 2,26 Mark
auf den Zentner, der sonst im Kleinverkauf hier 3 Mark und
mehr kostete.
In sämtlichen Gemeinden, in welchen Betriebsanlagen sich
befinden, richtet die Gesellschaft, abgesehen von der dauernden
Unterstützung der Krankenhäuser und anderer weltlicher und kirch-
licher Wohltätigkeitsanstalten, ihr Augenmerk namentlich auf die
Einrichtung und Unterhaltung von Kleinkinderbewahranstalten
und Gemeinde-Krankenschwestern. Da, wo Kolonien der
• Schriften der Hauptstelle Deutscher Arbeitgeberverbflnde L Der Aus-
stand der Bergarbeiter im Ruhrrevier Januar /Februar 1905 von H. A. Bucck und
Dr. Leidig, Berlin 1905 p. 60.
2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft.
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176 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
Gesellschaft in räumlicher Trennung von den andern Teilen der
Gemeinde liegen, so in der Kolonie Westhausen zu Westerfilde
und in der Kolonie Grillo zu Camen, sind besondere Räumlich-
keiten geschaffen, in denen die Gesellschaft eigene Bewahrschulen
eingerichtet und mit dem nötigen Lehrpersonal und Material aus-
gestattet hat Es sind ausschliefilich von der .Gesellschaft bisher
angestellt drei KleinkinderschuUehrerinnen, desgleichen eine Hand-
arbeitslehrerin in der Gemeinde Kray. Das als Mittelpunkt der
ca. 2740 Seelen zählenden Kolonie Niedereving der Zeche »Ver.
Stein und Hardenberg' zu einer Baukostensumme von
225000 Mark veranschlagte, jetzt in der Ausführung begriffene
Wohlfahrtsgebäude sieht eine weitere Bewahrschule sowie eine
Haushaltungsschule mit 3 — 4 weiblichen Lehrkräften vor. Außer-
dem soll dieses Gebäude ein^ Arbeiterbficherhalle, eine Turnhalle,
eine Badeanstalt und eine Waschanstalt umfassen. Die Beamten
der Gesellschaft, die zum weitaus gröfiten Teil freie Dienstwohnung
haben, sind berechtigt und verpflichtet, von einer für sie ge-
schaffenen Lebensversicherung Gebrauch zu machen. Sie zahlen
zu derselben 45 ^/o der Prämie, während 50^/o von der Gesellschaft
gedeckt und die letzten 5^/o kraft Vereinbarung mit der Ver-
sicherungsgesellschaft Nordstern zu Berlin von dieser nachgelassen
werden. Bei den außerhalb des Ortsverkehrs liegenden Schacht-
anlagen sind für die Beamten besondere Kasinos eingerichtet, in
denen gute und billige Speisen und Getränke verabreicht werden,
so auf Rhein-Elbe, Westhausen und Grimberg. Die Sorge
für gute, gesunde und billige Arbeiterwohnungen mufite natüriich
eine Hauptaufgabe der Gesellschaft sein, besonders auf solchen
ihrer Anlagen, in deren Nähe die private Bautätigkeit noch nicht
genügend entwickelt war. So hat denn die Gesellschaft auf allen
ihren Anlagen zusammen 544 eigene Arbeiterhäuser, in welchen
2549 Familien, also rund 12^/o der Belegschaft, in guten, luftigen
Räumen untergebracht sind. Diese Häuser haben einschliefilich
Grund und Boden einen Selbstkostenwert von über 10650000 Marie,
der sich mit nur etwa Wo verzinst, da die Mietpreise der Woh-
nungen von durchschnittlich 30,40 Mark für den Wohnraum und
das Jahr nur höchstens die Hälfte der ortsüblichen Preise aus-
machen und auf gute, gefällige Instandhaltung der Häuser und
ihrer Umgebung grofie Kosten verwandt werden. Geschlossene
Kolonien sind vorhanden auf den Schachtanlagen Rhein-Elbe, Alma,
Minister Stein und Fürst Hardenberg, Erin, Hansa, Germania,
2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 177
Grillo, Grimberg, Westhausen und Bonifazius. Die größte in ge-
älligem Landhausstil mit abwechselnden Haustypen inmitten von
Gartenanlagen vor wenigen Jahren erbaute Kolonie ist die der
Zeche Ver. Stein und Hardenberg Schacht Minister Stein zu
Niedereving bei Dortmund, welche in 125 freistehenden Hausem
470 Familienwohnungen zu je 3 — 6 Zimmern enthalt; jeder Familie
ist aufierdem ein Garten von durchschnittlich 184 qm zugewiesen
Eine gleiche Anlage von etwas kleinerem Umfange aber gleichem
gefalligen Stil befindet sich auf der Zeche Westhausen in der Ge-
meinde Westerfilde; dort und auf noch einigen anderen Zechen
der Gesellschaft werden» abgesehen von der Vermietung von
Hausem, die der Gesellschaft gehören, die Arbeiter auch beim
Bau eigener Hauser durch Gewahmng von Prämien und Darlehn
zu billigem Zins durch die Gesellschaft unterstfitzt An die Er-
bauer von 159 derartigen Pramienhausem sind bisher insgesamt
1316382 Mark auf Prämien und Hypotheken verausgabt*
Wahrend wir im vorhergehenden mehr oder weniger proble-
matische Vorteile der Vereinigung großer Zechen anführten,
kommen wir nun zu den wirklich feststellbaren Vorzügen der
Zusammenlegung. Hierher gehört vor allem die Verringerung
des bergmannischen Risikos durch die gleichzeitige Aus-
beutung möglichst grofier Bergwerkskomplexe. Der einzelne Be-
trieb ist in diesem Falle der Rückwirkung technischer Schwierig-
keiten und Gefahren auf das Ergebenis weniger unterworfen. Es
zeigt sich das in der Geschichte der G. B. A. deutlich dann, wenn
auf irgend einer Zeche Störungen eintreten. So brach im Jahre
1898 in der Nacht vom 21. zum 22. Mai auf Zeche Zollem ein
Gmbenbrand aus, dem 44 Bergleute zum Opfer fielen, und der
grofien materiellen Schaden vemrsachte. Auf Schacht Rhein-Elbe
brach in demselben Jahre die Achse der Fördermaschine, und der
Betrieb mufite vom 2. bis 22. August stillgelegt werden. Auf
Schacht Grillo der Zeche Monopol trat plötzlich ein starker Wasser-
zuflufi auf (statt Va cbm bis zu SVa cbm pro Minute). Die vor-
handenen Wasserhaltungsmaschinen genfigten nicht, und die wasser-
führenden Abteilungen mußten eingedämmt werden. Das hatte
eine Vermindemng der Fördemng auf etwa die Hälfte zur Folge
Alle diese Unfälle aber berührten das Gesamtunternehmen
nur wenig. Der Ausfall der Fördemng der betroffenen Schachte
konnte durch Verlegung der dort unt>eschaftigten Art)eiter nach der
nächst erreichbaren Arbeitsstätte auf dem andern Schachte gröfiten-
Stllllcli. NttiofuldkoflomlKlM Poncbttoccii. Bd. IL 12
178 2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
teils gedeckt werden. Trotzdem der Schaden ein nicht un-
erheblicher war, kommt er doch nicht in dem Gesamt-
ergebnis zum Ausdruck. Der Geschäftsbericht von 1898
schreibt: .Dennoch bleibt der materielle Schaden ein sehr erheb-
licher, und wenn er in dem Gesamtergebnis unserer Gesellschaft
ihren Beteiligten nicht fühlbar wird, so beweist dies, wie richtig
es war, unser Unternehmen auf eine so breite Grundlage zu
stellen, dafi der Einflufi solcher Gefahren, die dem Beigbau nun
einmal anhaften, fast ausgeglichen wird.'
Als eine weitere Folge der Zusammenballung einer Anzahl
Zechen zu einer Unternehmung könnten wir femer ihre Erhebung
auf eine hohe, sonst vielleicht nicht erreichbare Stufe
technischer Vollkommenheit betrachten. Ich habe bereits
gezeigt, daß es sich bei der Angliederung vielfach um gewerk-
schaftlich betriebene Zechen handelte, die schlechte Objekte
darstellten und deshalb billig erworben werden konnten. Mit den
grofien Kapitalmassen, die der G. B. A. zur Verfügung stehen, ist
es möglich gewesen, diese Zechen zu leistungsfähigen Betriet>en
zu entwickeln. Einen Mafistab der technischen Leistungsfähigkeit
bildet die Förderziffer. Dieselbe betrug auf:
im ganzen pro Arbeitstag pro Arbeitstag
im Jahre 1904 im Jahre 1904 im Erwerbsjahr
t t t
Rhein-Elbe I>TI .... 700240 2398 550]
Rbein-Elbe m .... 358740 1268 — i (1873)
Ahna 552580 1939 400J
Minister Stein .... 532140 1816 \
Fürst Hardenberg ... 271090 916 / ^^ ^*^
Erin 439640 1527 1350 (1887)
Hansa 325760 1151 -j
ZoUera I/U 615130 2162 [ 3170 (1892)
Ver. Germania LTI . . . 680000 2403 J
Monopol 621990 2126 1680 (1892)
Westhausen 228330 798 600 (1897)
Ver. Bonifazius .... 555250 1962 1576 (1899)
Ver. Hamburg u. Franziska 618140 2219 2219 (i9(H)
Hieraus ergibt sich, wie stark die Förderung seit dem Zeit-
punkt der Vereinigung mit Gelsenkirchen gestiegen ist Durch
die Angliederung an eine grofie, kapitalkräftige Gesell*
Schaft konnte das Tempo der Produktionssteigerung in
ganz anderer Weise beschleunigt werden, als das früher
bei den einzelnen auf sich allein angewiesenen Zechen
der Fall war. Trotzdem aber ist die Förderung noch starker
2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
179
gewachsen als das Betriebskapital. Der auf die Tonne Kohlen
entfallende Kapitalanteil hat abgenommen. Er betrug
1873 ZIH Mark 1885 17^ Mark 1900 12,1 Mark
1875 23,4 . 1890 16.7 , 1904 12,6 ,
1880 18,9 . 1895 14,8 .
Vergleichen wir diese Zahlen z. B. mit den für den Kölner
Bergwerksverein berechneten, so ergibt sich, dafi der zur Be-
wältigung einer Tonne Förderung nötige Kapitalaufwand
bei dem fusionierten Unternehmen heute ungefähr doppelt
so hoch ist wie bei dem nichtfusionierten.
Bei der G. B. A. ist also ein größerer Kapitalaufwand nötig, wenn
auch dahingestellt bleiben darf, ob wir es hier mit einer allgemeinen
oder nur mit einer für den speziellen Fall zutreffenden Tatsache zu tun
haben. Aber aus dem Sinken der Kapitalanteilziffem an der Tonne
Förderung geht hervor, dafi es nicht das Kapital allein ist, das
diese Vermehrung der Förderung zuwege gebracht hat
Die zweckmäßige Organisation und Technik waren neben der
erhöhten Arbeitsleistung die Hauptsache. Im Laufe der Zeit sind
auch hier als die Vorbedingung steigender Förderung zunächst
eine Anzahl neuer Schächte abgeteuft worden, um gröflere Teile
des Grubenfeldes zu erschliefien. Gegenwärtig beträgt die Zahl
der Schlachtanlagen auf
Rhein-Elbe I/II . .
Rhein-Elbe III . .
Alma
Erin Hl ....
Westhausen . . .
Minister Stein I— Ifl
Fürst Hardenberg .
Hansa
ZoUem I . . . .
Zollern II ... .
Germania I . . .
Germania n . . .
Grimberg ....
GriUo
Bonifazius ....
Hamburg ....
Hamburg Ringeltaube
Franziska ....
Franziska Düren . .
Förder- Wetter-
Schächte
2 1
1» —
1 3-
2 2
1 1
2 1
2 —
2 -
1 1
1 I
1 I
I 1
2 -
1 1
3 I
2]
1
1
3
2 J
29
Tf
* Doppelschacht.
- inkl. Rhein-Elbe IV.
12<
180 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
Die G. B. A. verfägt also zurzeit im ganzen über 46 Schädite,
von denen 29 Förder- und 17 ausziehende Wetterschächte sind.
Femer versuchte man nach Möglichkeit, das Prinzip des
mechanischen Kohlenabbaus und der mechanischen Kohlen-
förderung durchzuführen. Vorbildlich für die anderen Zechen steht
hier Rhein-Elbe* an der Spitze. Dort verwendet man zwei Arten
von Schrämmaschinen: die kleinen Korfmannschen und Eisen-
beißschen** (Preis 750—1200 Mark), die bohren, schrämen und
kerben, und große Garforthsche (Preis 8000 Mark), die mit einem
Rade einen Schräm in das Kohlenflöz resp. den Schiefer binein-
fraisen. Die ersteren schrämen in achtstündiger Schicht bei zwei
Mann Bedienung 15 — 16 qm, die letzteren mit 3 — 4 Mann Be-
dienung jedoch 40 — 50 qm.
Für den Transport der Kohlen auf den Strecken kommen,
wie der Leser weiß, in Betracht Menschen, Pferde, Maschinen.
Auf allen Zechen der Gesellschaft ist die Streckenförderung durch
Menschenkraft so gut wie abgeschafft Während früher die Kohle
mitunter bis 500 m durch Schlepper gefördert wurde, existiert
heute eigentliche Schlepperarbeit überhaupt nicht mehr. Der
Grund, warum man sie beseitigte, ist ihr hoher Preis. Das Tonnen-
kilometer kostet auf Rhein-Elbe bei Streckenförderung durch
Menschen 50 Pfg.
Pferde 20 .
Maschinen 7—10 ,
Quantitativ ausschlaggebend ist heute immer noch die Pferde-
förderung. Die Gesamtförderung von Rhein-Elbe betrug — um
einen Monat herauszugreifen — im Juli 1904 rund 80000 t; davon
wurden von den Pferden bewältigt 66000, von den Lokomotiven
14000 t Die Pferde auf sämtlichen Schächten der Gesellschaft,
mit Ausnahme von Minister Stein, wo eigene Pferde verwandt
werden, gehören den Unternehmern Bischoff in Gelsenkirchen und
Wiechers in Dortmund. Ersterer vermietet seinen 4000 Stück be-
tragenden Bestand an die Grubenverwaltungen: 1. nach dem Akkord-
system, in diesem Falle zahlt die Zeche 14 — 15 Pfennig pro Tonnen-
kilometer; oder 2. nach einem festen Monatslohn, derselbe schwankt
zwischen 80 — 90 Mark pro Pferd; oder 3. gegen Schichtlohn, die
Zeche zahlt pro Pferd und Schicht 4 Mark, für Feierschichten 2 Mark.
Dieser letzt ere Modus ist auf Rhein-Elbe eingeführt An Stelle
^ Über die neue AnUgc Rhein-Elbe DI siehe Glückauf Nr. 36/37 190L
^ Jetzt werden nur noch Schrämmaschinen nach System Elsenbeifi von der
Aktiengesellschaft Westfalia Gelsenkirchen verwendet.
2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 181
dieser organischen Kräfte sind nun aber heute wenigstens teil-
weise tote Mechanismen getreten, die die Streckenfördening über-
nehmen, nämlich auf Rhein-Elbe I/II und Bonifazius. Auf der erst-
genannten Zeche wurden zwei Benzinlokomotiven angeschafft,
die sofort 20 Pferde fiberflüssig machten und den Bestand von
etwa 100 auf 80 reduzierten. Durch Anschaffung weiterer sechs
Lokomotiven beabsichtigt die Verwaltung so weit zu gehen, dafi nur
noch 30 Pferde nötig sind. Freilich sind die Anschaffungskosten
hohe, wahrend der Tierhalter ein Pferd zu durchschnittlich 800 Mark,
höchstens aber 1000 Mark, vielleicht auch noch etwas höher in
Anrechnung bringt, wenn es eingeht, kostet eine Benzinlokomotive
9000 Mark. Es handelt sich dabei um eine solche mit 12 PS.,
eine der größten, die im Bergbau Verwendung findet Aber die
Leistung ist eine vielfache. Während ein Pferd nur 12 Wagen zieht,
schleppt eine solche Lokomotive 36. Sie leistet in der Schicht
von 7Vs Stunde 225 tkm, während ein Pferd in derselben Zeit nur
35 tkm leistet Das Tonnenkilometer kostet, wie schon erwähnt,
bei der einen voll ausgenutzten Benzinlokomotive auf Rhein-Elbe
7 Pfennig, bei der anderen, nicht voll ausgenutzten 10 Pfennig. Der
Transport vollzieht sich also selbst in dem zweiten ungünstigeren
Falle um die Hälfte billiger als durch tierische Arbeitskraft
Während man auf Rhein-Elbe I/II wegen der krummen und
schiefen Strecken, deren Kurven einen grofien Seilverschleifi zur
Folge haben, von einer Seilbahn absah, besteht auf den anderen
Zechen maschinelle Seilförderung, nämlich auf Rhein-Elbe III,
Alma, Minister Stein, Erin, Zollem I, Zollem II, Germania I, Grillo,
Grimberg, Bonifazius, Franziska. 1898 wurde auf der fünften
Sohle der Zeche Germania maschinelle Streckenförderung mit
Turbinenantrieb eingerichtet Die Mechanisierung des Transports
wird auch in hervorragendem Mafie durch die Einrichtung saigerer
(senkrechter, blinder) Schächte gefördert Auf Rhein-Elbe sind
etwa 40 in Betrieb in Höhe von 5 — 80 m. Zum Betrieb sind nur
nötig ein Anschläger und ein Abnehmer resp. Bremser. Das-
selbe gilt für die Bremsberge Auf diese Weise werden Menschen
gespart, und ein möglichst großer Teil der Belegschaft wird für
die Kohlengewinnung frei. So beträgt die Belegschaft auf Rhein-
Elbe I/II ca. 2000 Mann, davon sind allein 950 Kohlenhauer. Das
Prinzip besteht also in der Steigerung der unmittelbar an
derproduktivenKohlengewinnungtatigen Mannschaft und
ihrer Verringerung resp. Ersetzung, soweit dieses nicht der Fall ist
182 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengeselischaft.
Die neuerworbenen Zechen boten auch vielfach für die Ar-
beiter ungünstigere Bedingungen dar, als die Stammzechen Rhein-
Elbe und Alma. So wird im Geschäftsbericht von 1885 erwähnt,
dafi auf Zeche Hansa wegen der hohen Temperatur die Dauer
der Förderschicht von acht auf sechs Stunden herabgesetzt werden
mufite. Auch Zeche Erin hat sehr warme Strecken. Nach den
mir bei der Besichtigung gemachten Angaben beträgt die Tem-
peratur 35 — 38® C, nach den nachträglich bei der Verwaltung ein-
geholten Angaben 22 — 29®. Das ist klassischer Boden für die
Ausbreitung der Wurmkrankheit. In der Tat wurden auch bei
der ersten Untersuchung von 100 Mann 82 wurmkrank befunden.
1904 war dann dieser Prozentsatz auf 3 — 4®/o heruntergegangen.
Es würde zu weit führen, im einzelnen zeigen zu woUen,
welche technischen Verbesserungen auf den einzelnen Zechen der
Gesellschaft bei der Förderung, Wasserhaltung, Bewetterung usw.
durchgeführt wurden. Erwähnen möchte ich nur, als Beispiel für
die Leistungsfähigkeit neuerer Systeme, dafi im Jahre 1900 auf
der Zeche Ver. Stein und Hardenberg ein stehender Verbund-
kompressor nach dem Patent Köster für eine stündliche Leistung
von 6000 cbm angesaugter Luft aufgestellt wurde. Es ist dies
der erste stehende grofie Kompressor in Westfalen. Auf Erin
stehen noch heute zwei oberirdische alte, schwere Woolfsche Wasser-
haltungsmaschinen, von denen jede pro Hub 1 cbm Wasser heben
kann; jede Maschine macht 5 Hub in der Minute. An Stelle dieser
schwerfälligen Maschinen sind, seitdem in den 90 er Jahren die
Elektrizität auch auf den Zechen der G. B. A. ihren Einzug gehalten
hat, kleine zieriiche Maschinen von gröfiter Leistungsfähigkeit und
Sicherheit getreten. Die Elektrizität findet hier einen immer größeren
Wirkungskreis. Auf Minister Stein wurde, um nur einige Beispiele
anzuführen, eine elektrische Schiebebühne angelegt 1893 wurden
auf Rhein-Elbe vier dem elektrischen Antrieb dienende Dynamo-
maschinen in Betrieb genommen. Auch auf Hansa und Minister
Stein Schacht II wurden elektrische Licht- und Kraftanlagen ge-
schaffen. Auf der jungen Schachtanlage ZoUem II sind sämtliche
Maschinen in einer grofien Halle lokal zentralisiert: nämlich zwei
Dampfmaschinen (Generatoren), Dynamomaschinen (2100 Ampere
bei 525 Volt Spannung), zwei elektrisch angetriebene Kompressoren,
Gesteinsbohrmaschinen, eine Anlafimaschine für die FOrdermasdiine
und eine Fördermaschine mit Koepeförderung, weil sich diese am
besten für den elektrischen Antrieb eignet Es war die erste
2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 183
elektrisch angetriebene Fördermaschine im rheinisch-westfälischen
Bergbaubezirk. Es durfte in ganz Rheinland-Westfalen keine zweite
Anlage existieren, die so viel Eleganz in der baulichen Ausführung,
so viel ästhetisches Exterieur mit Zweckmäfiigkeit der Anlage ver-
bände, wie ZoUem II.
Auch die Nebenanlagen sind unter der Herrschaft der
G. B. A. weiter entwickelt worden. So wurden, wo es anging, an
Stelle der alten Flamm- moderne Destillationsöfen gebaut Im
Geschäftsbericht 1900 heifit es z. B.: .Auf Schacht I der Zeche
ZoUem werden die alten 88 Koksöfen abgebrochen; an ihre Stelle
treten 100 neue Ofen Ottoschen Systems. Während die alten
Ofen 9 m lang waren und 48 stündige Garung hatten, beträgt die
Länge der neuen Ofen 10 m und die Garungszeit 36 Stunden.
Die Leistungsfähigkeit der Anlage ist dadurch auf das Doppelte
erhöht worden. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dafi künftig die
ganze Dampferzeugung durch Koksofengase erfolgen kann, während
früher ein Drittel der Kessel Kohlenheizung erforderte.' Ebenso
erfolgte eine Umwandlung auf Monopol. Von den vorhandenen
120 Ofen wurden die älteren 60 Ofen, welche fast vollständig un-
brauchbar geworden waren, im Jahre 1902 bis auf die Sohle ab-
gebrochen und durch neue ersetzt. Diese wurden ebenfalls als
Schnellbrenner mit 36 stündiger Verkokungszeit ausgeführt, während
die alten eine solche von 48 Stunden hatten. Dadurch, bemerkt
der Bericht, ist eine Steigerung der Kokserzeugung um etwa 33Vo
ermöglicht worden. Immerhin hat ein grofier TeU der Kokereien
keine Anlagen zur Gewinnung der Nebenprodukte. Nach dem
Bestände von 1901 waren vorhanden im ganzen 996 Koksöfen.
Davon waren mit Nebenproduktengewinnung 380 und ohne solche
616. Seitdem sind aber neue Koksofenanlagen hinzugekommen,
so daB 1905 vorhanden sind 542 Ofen mit und 610 Ofen ohne
Nebenproduktengewinnung. Das Verhältnis beider verschiebt sich
also immer mehr zugunsten der Teeröfen.
Sind die bisher geschilderten privatwirtschaftlichen Vorteile, die
die Obemahme einer Anzahl Zechen im Gefolge hatten, nun al)er
auch von einer Steigerung der Dividende begleitet gewesen?
An Dividenden zahlte die Gesellschaft:*
1682 1417500 Mark 7^/0 1885 1 215000 Mark 60/o
1883 1417500 , 70/o 1886 1237500 . 5V80/o
1884 1215000 , 60/0 1887 1543278 . 5VtO/o
* Die Dividenden von 1873-1881 siehe Seite 149.
184 2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft.
1888
1683576 Mark
60/0
1897»
3600000 Mark
s'/oJSS.SÄ
1889
2100000
70/0
1898
4400000 .
100/0
1890
4320000
12<'/o
1899**
5000000 .
100/0 ÄSfeSÄ
1891
4320000
120/0
1900
7020000 .
130/0 ^^^
1892
3240000
90/0
1901
6480000 .
120/0
1893
2160000
60/0
1902
6000000 .
100/0
1894
2160000
60/0
1903
6600000 .
110/0
1895
2520000
70/0
1904
6900000 .
100/0
1896
3000000
71/30/0
Hieraus ergibt sich, daS in den 23 Jahren dieser zweiten
Periode an die Aktionäre ein Untemehmergewinn (im privat-
wirtschaftlichen Sinne) von 79549354 Mark ausgeschüttet wurde,
d. h. eine Durchschnittsdividende von 8,45 ^/o. Hingegen betrug
die Dividende in der ersten Periode durchschnittlich 9,94 ^/o.*** Da
nun aber wirtschaftlich die zweite Periode, deren letzte Hfllfte
unter der Herrschaft des Kohlensyndikats steht, an sich hatte
gunstiger wirken müssen als die erste, so ergibt sich, namentlich
unter Berücksichtigung des früher Gesagten, dafi die geringere
Durchschnittsdividende in letzter Linie auf den Einflufi
der Fusionen und der damit in Zusammenhang stehenden
Kapitalakkumulation zurückgeführt werden mufi. Eine
weitere Analyse dieser Zahlen werde ich erst bei Gelegenheit der
Darstellung der Erträgnisse des Kölner Bergwerksvereins gel>en,
einer Unternehmung, die auf dem entgegengesetzten Prinzip be-
ruht, und bei der dann eine Vergleichung der Erträgnisse statt*
finden soll. Dort wird sich zweieriei zeigen: 1. Dafi die Divi-
denden der Gelsenkirchner Bergwerksgesellschaft im Durchschnitt
überhaupt niedriger sind und dafi dieses Minus hauptsächlich zu
setzen ist auf den Einflufi der guten Geschäftsjahre, in denen
sich der nichtfusionierte Betrieb günstiger entwickelte, 2. dafi die
Schwankung der Durchschnittsdividende in den guten und schlechten
Geschäftszeiten bei der G. B. A. tatsächlich eine geringere ist Die
Fusion führt zu einer größeren Stabilität in der Divi-
dende, freilich auf Kosten ihrer Höhe. Da der Kurs in
letzter Linie ein Spiegelbild der Erträgnisse ist, so drückt sich der
geringere Ertrag der fusionierten und eines grofien Teils der nicht-
* Das Aktienkapital betrug Ende 1897 44000000 Mark, dividcndcnbcrechtigt
waren nur 40000000 Mark.
** Das Aktienkapital betrug Ende 1899 54000000 Mark, dividendenberechtigt
waren nur 50000000 Mark.
*** Berechnet man statt der arithmetischen die quantitative Durchschnitts-
dividende, so ergibt sich für die erste Periode 9,4, für die zweite 9,0^/0. Auch
nach dieser Berechnungsart steht die letztere ungünstiger da.
2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 185
fusionierten Unternehmungen bereits in der Differenz der Kurse
ihrer Aktien aus. Die nichtfusionierten Aktiengesellschaften sind,
um in der Sprache der Börse zu reden, schwerere Papiere, wie
die fusionierten. Von dem in dem früher mitgeteilten Programm
erwarteten Einflufi der Zusammenlegungen .nicht blofi auf einen
höheren, sondern auch auf einen gesicherteren Ertrag" hat sich
also nur der zweite Teil erfüllt. Nicht alle Blütenträume des
Machtideals sind in Erfüllung gegangen.
AuBer dem Nachteile einer geringeren Dividende hat die Zu-
sammenlegung einer Anzahl Zechen zu einer wirtschaftlichen
Unternehmung bereits vor dem Zustandekommen des Kohlen-
^ndikats eine Erscheinung zur Folge gehabt, die unter der Herr-
schaft der Förderkonventionen schon deutlich hervortrat Förder-
einschränkungen wirken anders auf fusionierte als auf
nichtfusionierte Betriebe. Es liegt in dem kapitalistischen
Geist einer Unternehmung, die aus einer Reihe unter verschie-
denen Bedingungen art)eitender Zechen besteht, Fördereinschran-
kungen in erster Linie auf diejenigen Betriebspunkte zu
verlegen, wo die Differenz zwischen Selbstkosten und
Verkaufspreis am geringsten ist Um das gegebene Förder-
quantum mit einem möglichst hohen Gewinn abzusetzen, wurde
auf Gelsenkirchen immer die Förderung dort ausgedehnt, wo diese
Differenz am gröfiten war. Der Besitz mehrerer Zechen führt
also unter diesem Umstände zu einer ungleichmäßigen
Behandlung derselben. «Bei den aufiergewöhnlich günstigen
Flözverhaltnissen der Stammzechen Ver. Rhein-Elbe und Alma,
bei den dort bereits vollendeten Einrichtungen, den entsprechend
ermaBigten Selbstkosten und den relativ hohen Verkaufspreisen
der dort geförderten edlen Kohlen lag es im Interesse der G. B. A^
von dem zulässigen Gesamtförderquantum möglichst viel auf die
Stammzechen zu überweisen, was natürlich eine entsprechende
Minderförderung auf der Zeche Ver. Stein und Hardenberg im
Gefolge hal)en mufite. Hierdurch wurde die Entwicklung dieser
letzteren Zeche mehrere Jahre zugunsten der Stammzechen künst-
lidi zurückgehalten, was nicht allein eine entsprechende Verminde-
rung der Förderung für die neuen Zechen, sondern auch für diese
verminderte Förderung noch verhältnismäflig höhere Selbstkosten
zur Folge hatte. Im Interesse des Gesamtuntemehmens wurden
also neue Z echen vorübergehend benachteiligt'* Ich komme im
* Geschäftsbericht der aufierordenUichen OenerslverMmiiiliing vom 31. Ja-
186 2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft.
folgenden Abschnitt noch näher darauf zuräck. Es ist klar, daS
wir es bei diesen sich auch beim Kohlensyndikat wiederholenden
Einschränkungen mit einer Maßnahme zu tun haben , die der
gleichmäfiigen Entwicklung der einzelnen zu einem Qesamtunter-
nehmen verbundenen Zechen hindernd im Wege steht, ein Nach-
teil, der bei den nichtfusionierten Betrieben hinwegfallt
Fassen wir noch einmal ganz kurz das Ergebnis in bezug
auf die Wirkungen der Fusionen auf die G. B. A. zusammen.
Nicht nachweisbar war ein Einflufi auf die Selbstkosten
und die Arbeiterverhältnisse. Als Vorteile erkannten wir:
Dezentralisation des Risikos, technische Vollendung der
Neuerwerbungen und grOfiere Stabilität der Dividende;
als Nachteile: Verringerung des Unternehmergewinns und
ungleichmäßige Entwicklung als Folge der Produktions-
regulierung.
Innig verknüpft mit dem im Vorhergehenden in seiner Entwicklung
und seinen Konsequenzen verfolgten Konzentrationsgedanken war es
das Streben nach Macht, welches den Leitstern in der Entwicklung
der G. B. A. bildet Es war ihr möglich, auf einer durch Verschmelzung
erlangten breiten Grundlage eine äußere Machtstellung zu gewinnen
und vermöge derselben „zielführend für die Einigung auf dem
Verkaufsgebiete zu wirken".* In den 80er Jahren sehen wir das
Unternehmen an allen Vereinigungsbestrebungen arbeiten und
teilnehmen, die damals entstanden. Am 3. März 1883 faSte der
Vorstand des Vereins für die bergbaulichen Interessen eine Reso-
lution, durch Bildung einer Konvention und Vereinigung der be-
stehenden Unternehmungen den Übelständen im Kohlent>ergbau
abzuhelfen. Dazu bemerkt der Geschäftst>ericht von 1883 folgendes:
«Wir können diesem Beschlüsse des Vorstandes unseres bergbau-
lichen Vereins nur zustimmen und sind bereit, der Konvention
ohne Vorbehalt beizutreten, so sehr wir auch dadurch in unseren
Maßnahmen auf Zeche Ver. Stein und Hardenberg g^[enüber der
dort begonnenen Entwicklung gehemmt werden. . • . Wir hoffen
aber zugleich, dafi alle Beteiligten, die Richtigkeit des Beschlusses
des bergbaulichen Vereinsvorstandes voll anerkennend, dies Mittel
nur als Notbehelf betrachten und die Bemühungen durch Schaffung
der als nötig erkannten größeren Vereinigung wieder aufnehmen
werden; vor allem möchten wir wünschen und anstreben, dafi
schon im laufenden Jahr der jedenfalls schneller durchführbare
♦ Festschrift.
2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 187
' ' -^^s^Bsm . ' -■■■■■
Versuch zur Bildung gemeinschaftlicher Verkaufsstellen wenigstens
in einzelnen Gruppen gemacht werde.* Am 1. Juli 1885 wurde
dann ffir die Dauer eines Jahres unter dem Druck der Not eine
Föfderkonvention auf ein Jahr geschlossen. Sie umfafite 90^/o
der Gesamtförderung und bezweckte, durch Fördereinschränkungen
der Überproduktion Hen zu werden. Auch diese Förderkonvention
wirkte sehr ungünstig auf die neu erworbenen Zechen Ver. Stein
und Hardenberg. Die Verwaltung wollte dort durch Verbesse-
rungen und Neuanlagen die Förderung multiplizieren. Aber der
Zttsammenschlufi zog der Vermehrung der Produktion eine Barriere.
»Der Weiterentwicklung unserer Dortmunder Zeche/ heifit es im
Geschäftsbericht von 1885, »durch Verstärkung der Förderung den
getroffenen Ein- und Vorrichtungen entsprechend, stellten sich
zunächst die ungünstigen Marktverhältnisse, demnächst die mit
Rücksicht hierauf zwischen der Mehrzahl diesseitiger Zechen ge-
schlossene Vereinigung behufs Regelung bzw. Beschrän-
kung der Förderung hindernd entgegen. Neben der Förder-
konvention trat mit dem 1. Juli 1885 zugleich eine Vereinigung
der Koksanstalten und Fettkohlenzechen zu gemeinschaftlichem
Verkauf ins Leben, welche der einzelnen Zeche oder Koks-
anstalt jede Selbständigkeit auf dem von der Vereinigung be-
rührten Gebiete nahm.*" Bereits im folgenden Jahre löst sich
dieses Kartell auf. Die Konkurrenz der Outsiders war zu rück-
sichtslos gewesen.
Besonders lebhaft interessierte sich die G. B. A. für das Zu-
standekommen der Vereinigung der Gasflammkohlenzechen
Dieselbe wurde 1885 auf zwei Jahre geschlossen. Die Folge war
eine starke Fördereinschränkung, die das Werk aber hauptsächlich
in die flauen Absatzmonate April bis Juli verlegte. Jedoch das
Resultat war negativ. »Die Hoffnungen auf den Erfolg der ge-
schlossenen Fördervereinigung," heifit es in dem Bericht von 1886,
»haben sich in keiner Weise erfüllt Die den gröfieren auf-
erlegten Einschränkungen sind infolge der den kleinen
und namentlich den neuen sog. ,in Entwicklung be-
griffenen' Zechen gewährten Ausnahmen wirkungslos
geblieben, da die Verringerung der Gesamtförderung nicht aus-
rdcfaend war, um den verminderten Kohlenverbrauch der Eisen-
ond Stahlindustrie und anderer Industrien, welcher sowohl durch
die drückende Lage auch dieser Industrie als durch die Fort-
schritte der Technik verursacht wird, das Gleichgewicht zu halten.*
188 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
1887 sieht sich das Werk genötigt, den Kartellvertrag zu umgeheit
Der Geschäftsbericht bemerkt: »Das letzte Vierteljahr 1887 wies
einen lebhaften Absatz auf und waren auch wir während des-
selben gezwungen, um uns von den anderen Zechen nicht zurück-
drängen zu lassen, die Bestimmungen des Berggewerkschafts-
kassenbeschlusses aufier acht zu lassen. Wir stellten demnach ffir
desfallsige außerordentliche Abgaben (Konventionalstrafen) an
dieselbe 32000 Mark in Reserve.* Mit dem 1. Juli 1888 trat
dann eine von Gelsenkirchen geleitete Verkaufsabteilung in
Tätigkeit Dieselbe vertrieb neben den Erzeugnissen dieser Ge-
sellschaft auch diejenigen des Westfälischen Grubenvereins und
der Bochumer BergwerksaktiengesellschafL Damit wurden, worauf
ich bereits früher hinwies, die ersten Fäden zur Verbindung mit
dem Westfälischen Grubenverein geknüpft. Ober den Erfolg der
Verkaufsstelle sagt der Bericht von 1888 folgendes: .Es ist uns
hierdurch möglich geworden, zum Vorteile unseres gesamten
Kohlenmarkts einheitliche Verkaufsmafinahmen für eine Zechen*
gruppe ins Leben zu rufen, welche über 1 1 selbständige Tiefbau-
anlagen mit 14 Förderschächten verfügt* Aber auch diese ört-
liche Verkaufsvereinigung verfehlte ihren Zweck. Sie vermochte
nicht, den Wettbewerb aufzuheben.]
1891 bildete sich dann die sog. Zechengemeinschaft zur
Regelung der Preise zwischen diesen Verkaufsvereinigungen.
Jedoch bereits der Bericht von 1892 bemerkt resigniert, daS die
gröfiere Geschlossenheit keinen Einfluß auf den Kohlenmarkt aus-
geübt habe. Die weichende Konjunktur zerstörte auch die Zecfaen-
gemeinschaft Nunmehr aber wurde eine einheitliche Verkaufs-
stelle für die sämtlichen Privatzechen des Oberbergamtsbezirks
Dortmund errichtet, .da nur hierin das einzige noch verbleibende
Mittel erblickt werden konnte, dem schrankenlosen und ver-
nichtenden Wettbewerb ein sicheres Ziel zu setzen."
Diese Bestrebungen führten dann am 1. März 1893 zur Bil-
dung des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats. Sein Leiter
wurde bekanntlich Geheimer Kommerzienrat Kirdorf. Damit waren
die vielen Anläufe zu einem Ziel gelangt Die G. B. A. aber hatte
den Ruhm, viel zur Erreichung desselben beigetragen zu
haben. Ober die Rolle, die sie im Kohlensyndikat spielte, heiflt
es in dem Verwaltungsbericht vom 12. September 1904: .Die
Schaffung und Fortführung des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-
syndikats ist, wie man heute zurückblickend aussprechen darf, nur
2. Qelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft 189
dadurch möglich geworden, dafi ihr die Konsolidierung des
rheinisch-westfälischen Bergbaus durch uns und andere in gleicher
Weise vorgehende grofie und kräftige Gesellschaften die Wege
und das Verständnis bereitet hatten. Gerade im Kohlensyndikat
aber, über dessen ausschlaggebend nfitzliche Wirkung für unser
gesamtes westdeutsches Wirtschaftsleben in allen Kreisen, die
hören und sehen wollen, heute kein Zweifel mehr obwaltet, führte
uns unser Besitz nicht nur an eine der einflußreichsten
Stellen, sondern ermöglichte uns erst, ja er zwang uns sogar
dazu, das Gebot des Mafihaltens ebenso im Interesse unseres
engeren Gewerbes wie zum Besten des gesamten Wirtschafts-
lebens zur Anerkennung und Durchführung zu bringen.'
Damit ist deutlich die Rolle gekennzeichnet, die die G. B. A.
in den Zusammenschlufibestrebungen des rheinisch -westfälischen
Kohlenbergbaus spielte: Die Rolle des Führers. Wir sahen,
wie sich auf dem Besitz der Machtzweck aufbaute. Dafi aber
dieser mit der Etablierung des Kohlensyndikats im Jahre 1893
und seiner Erneuerung im Jahre 1903 noch nicht seine letzte
Erfüllung fand, werden wir im letzten Abschnitt sehen.
Wir haben im vorhergehenden zwei Perioden in der Ent-
wicklungsgeschichte der G. B. A. kennen gelernt. Die erste reichte
von der Gründung bis zum Beginn der grofien Fusionen, die
andere umfafit die Periode der Verschmelzungen mit anderen
Kohlenzechen. Damit aber ist die Entwicklung noch nicht zum
Absdilufi gelangt Mit dem Beginn des Jahres 1905 wird
ein neues Riesenprojekt perfekt: Die Kombination der
G. B. A. mit zwei großen Werken der Eisen- und Stahl-
industrie, nämlich dem Schalker Gruben- und Hütten-
verein und dem Aachener Hüttenaktienverein Rote Erde.
Diese Kombination und ihre Motive haben wir nunmehr noch
näher ins Auge zu fassen.
Die letzten Ursachen dieser Vereinigung liegen in der privi-
legierten Stellung, die der neue, in den Verhandlungen vom
15. September resp. 1. Oktober 1903 geschlossene Syndikats-
vertrag den Hüttenzechen einräumte, d. h. Zechen, die sich nn
Besitze von Hochöfen, Stahlwerken oder Walzwerken befinden.
Unter der Herrschaft des alten Vertrages (1893—1903) befand
sich die groBe Mehrzahl der Kohlenzechen, die mit eben ge-
nannten Betrieben kombiniert waren, außerhalb des Syndikats.
Diese Outsiders warfen namentlich bei mattem Geschäftsgang
190 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
grofie Mengen Kohle auf den Markt und störten infolgedessen
die Preis- und Produktionsregulierung des Syndikats. Als daher
im Jahre 1903 der alte Vertrag ablief, kam alles darauf an, diese
Konkurrenz zu beseitigen. Um die Hüttenzechen zum Beitritt zu
bewegen, mufiten die im Verbände befindlichen Zechen ihnen
Konzessionen machen. Diese bestanden einmal in der Ein*
räumung hoher Beteiligungsziffem und dann in der Freilassung
des Selbstverbrauchs. Durch diese Bestimmungen erhielten die
Hüttenzechen eine grofie Bewegungsfreiheit Sie konnten ihre
Beteiligungsziffer voll ausnutzen, und was sie mehr förderten, ver*
brauchten sie im eigenen Betriebe, in der Kokerei, zur Kessel-
heizung usw. Die reinen Syndikatszechen hingegen, zu denen
auch die G. B. A. gehört, hatten dieses Ventil, durch das sie ihre
Mehrproduktion hatten lassen abfliefien können, nicht Sie mufiten
ihre Förderung einschränken und Feierschichten einlegen. Sie
waren die alleinigen Träger der sog. Einschränkungen, d. h. des
Unterschiedes zwischen der tatsächlichen Fördermöglichkeit und
der Menge, für die nur Absatz vorhanden war. Infolgedessen war
die Lage der reinen Kohlenzechen im Jahre 1904, das doch für
die deutsche Industrie im grofien und ganzen als ein gutes Ge-
schäftsjahr bezeichnet werden mufi, keine besonders günstige.
Das bestätigt auch der Geschäftsbericht von Gelsenkirchen. Dort
wird folgendes ausgeführt: .Die alten Syndikatszechen haben
grofie Opfer bringen müssen, um den Beitritt der aufienstehenden
zu erreichen. Sie haben das, wenn auch mit grofier Oberwindung,
getan in der Überzeugung, dafi die Auflösung des Syndikats
unserer gesamten Industrie unermefilichen Schaden gebracht haben
würde. Nach den Erfahrungen der letzten Zeit wird aber unbe-
dingt angestrebt werden müssen, dafi in Zukunft alle Syndikats-
zechen sich gleichmäfiig weiter entwickeln können, weil bei dem
jetzigen Zustande, wo die alten Syndikatszechen in Zeiten der
Absatzeinschränkung in der Entwicklung still stehen, teilweise
sogar zurückgehen, das Kohlensyndikat zweifellos seiner vor-
zeitigen Auflösung entgegengeht Unter diesen Umständen, welche
nicht vorausgesehen werden konnten, wurden unsere Anlagen in
ihrer natüriichen Entwicklung wesentlich gehemmt Da Arbeiter-
entlassungen nicht vorgenommen wurden, vielmehr nur mit dem
natüriichen Abzug gerechnet wurde, so konnte nur durch häufiges
Feiern eine Oberproduktion vermieden werden." Wenn nicht alles
täuscht, so wird die Privilegierung der Hüttenzechen für diese
2. Gelsenkirchner Bergwerks- Aktiengesellschaft 191
auch in Zukunft den Anreiz geben, weitere Syndikatszechen zu
erwerben. Damit aber mufi sich die Lage der reinen
Kohlenzechen mehr und mehr verschlechtern. National-
Ökonomisch betrachtet scheint mir freilich in dieser Entwicklung
die Anbahnung eines Ausgleichs zu liegen. Die Kohlenindustrie
wirft bekanntlich eine bedeutend höhere Rente ab als die Eisen-
industrie. Nach den Berechnungen Waggons beträgt im Durch-
schnitt der Jahre 1870—1900 die Dividende zwischen 5 und 6^/o,
bei den Kohlenwerken aber 6 — 87o. Davon aber abgesehen be-
deutet die Vorzugsstellung der Hüttenzechen ein in dem
neuen Syndikatsvertrage enthaltenes Auflösungsmoment Die
Gefahr, dafi im Jahre 1915 das Kohlensyndikat eventuell
nicht mehr zustande kommt, ist die Triebfeder gewesen,
die die G. B. A. veranlafite, schon jetzt Fürsorge für die
Zukunft zu treffen. In der vom 12. September 1904 datierten
Begründung wird folgendes ausgeführt: .Wir halten es für unsere
Aufgabe, diese Gefahr heute schon ins Auge zu fassen und
im Interesse unseres und des westfälischen Bergbaus überhaupt
Maßregeln zu ihrer Bekämpfung zu treffen. Die Angliederung
von Eisenwerken wird dazu die wirksamste, wenn nicht sogar die
einzige sein. Sie wird unserer Gesellschaft bis zu einem gewissen
geringen Grade sofort schon den Mitgenufi an den Vorteilen der
Hüttenzechen unter dem laufenden Syndikatsvertrage gestatten,
vor allem aber wird sie es uns ermöglichen, unser Schwergewicht
den Hüttenzechen gegenüber für die Neuregelung des Kohlen-
syndikats, sei es für die Zeit nach 1915, dem Endtermin des
jetzigen Syndikatsvertrages, sei es schon von einem hrüheren Zeit-
punkte ab, zur Geltung zu bringen. Sollte sich dann aber die
HoRnung einer Syndikatsveriängerung doch nicht verwirklichen
lassen, so werden in dem beginnenden Kampf nicht wieder wie
vor Zeiten wir als reines Kohlenwerk die Schwächeren sein, son-
dern in unsem eigenen Eisenwerken und in deren Beziehungen
zu weiter verarbeitenden Industrien die Sicherung des Absatzes
für einen grofien Teil unserer Förderung haben. Einen nicht zu
unterschätzenden Vorteil erblicken wir femer auch darin, dafi wir
jetzt schon in den Verbänden der Eisenindustrie unsere Be-
strebungen einerseits zum Mafihalten den Verbrauchern gegen-
über, andererseits zum Zusammenarbeiten und zur Stärkung
unserer deutschen Industrie dem Auslande gegenüber zur Geltung
bringen können.
192 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschafi
Nach dem geltenden Kohlensyndikatsvertrage ist eine fOnn-
liehe Umwandlung unserer Gesellschaft in eine sog. Hfittenzeche
nicht möglich, sie liegt auch vorläufig nicht in unserer Absidit
Der von uns angestrebte Zweck wird vielmehr dadurch erreicht,
dafi wir unter gleichzeitiger Festlegung eines Gemeinschaftsver-
haltnisses, welches eine Vereinigung der Erträge herbeiführt, eine
solche Mehrheit des Aktienkapitals der beiden nach-
genannten Gesellschaften erwerben, welche die völlige
Verschmelzung in der Folge in unsere Hand legt Sowohl
der Aachener Hüttenaktienverein wie der Schalker Grut>en- und
Huttenverein bilden zunächst nach dieser Richtung einen be-
gehrenswerten Erwerb, weil ein verhältnismäfiig sehr kleines
Aktienkapital in den Händen weniger Großaktionäre sich
befindet und diese heute bereit sind, den Abschlufi eines Ge-
meinschaftsverhältnisses mit uns herbeizuführen, sowie einea
Aktienbesitz von mindestens Vi des Grundkapitals uns demnädist
zu überlassen.
Femer sprechen für die Wahl dieser beiden Werke folgende
allgemeine Gesichtspunkte: Der Aachener Hüttenaktienverein ist
im Besitz von Erzfeldern in derjenigen Güte und Menge, die in
Deutschland die billigsten Selbstkosten zur Darstellung von Roh-
eisen ermöglichen. Seine Hochofenanlagen in Esch und Deutsch-
Oth liegen unmittelbar an einem geschlossenen Besitz von Erz-
feldern, aus denen die Minette direkt vom Gewinnungsorte her zu
den sieben Hochöfen geschafft wird. Das erblasene Roheisen
verwertet der Verein auf seinen Stahl- und Walzwerken zn
Roteerde. Er ist also, wenn ihm durch die Vereinigung mit uns
der Brennstoff gesichert ist, für menschlich absehbare Zukunft
hinaus in der Lage, den Stahl zu Selbstkosten herzustellen, die
vom deutschen Wettbewerb überhaupt nicht oder nicht wesentlich
unterschritten werden können.
Für die Vereinbarung mit dem Schalker Gruben- und Hütten-
verein ist von entscheidender Bedeutung die Lage seines Gelsen-
kirchner Hauptwerks in unmittelbarer Nähe unserer Schachtanlage
Alma, deren wertvolles nördliches Abbaufeld von den Hochofen-
und Giefiereianlagen des Vereins, seinen Beamten- und Arbeiter-
häusem sowie dem sonstigen Gmndbesitz in Größe von zirka
300 Morgen überdeckt wird. Noch im Jahre 1901 waren wir ge-
zwungen, dem Schalker Verein zum Ersatz von Bergschäden den
Betrag von 720000 Mark zu zahlen. Durch die Vereinigung wird
2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 193
es uns ermöglicht, die Schlackenhalden und sonstigen Hfitten-
abfaile an Ort und Stelle mittelst einer zu schaffenden Schlamm-
versatzeinrichtung in unsere Abbaue zu schlemmen und so Berg-
schaden fast vollständig zu verhüten. Von besonderer Wichtigkeit
für uns ist sodann die Eigenschaft des Schalker Vereins als einer
Hfittenzeche im Besitz des Bergwerks Pluto, mit dessen Förderung
der Schalker Verein in der Lage sein würde, einen Teil des Be-
darfs des Aachener Vereins an Brennstoffen als seinen eigenen
Bedarf frei von Syndikatsabgaben zu decken, wenn einmal eine
Verschmelzung der beiden Hüttenwerke vorgenommen werden sollte,
Von diesen allgemeinen Gesichtspunkten ausgehend, sind wir
ztt der Annahme berechtigt, dafi die Gemeinschaft mit den beiden
genannten Werken uns zum Teil schon jetzt greifbare Vorteile, vor
allem aber für unsere Zukunft die Gewifiheit bringen wird, jedem
Kampf mit Ruhe entgegen sehen zu können.*
Damit sind die springenden Punkte angedeutet Der Aachener
Hfittenverein ist ein grofies gemischtes Eisen- und Stahl-
werk, das bis zu 600000 t Kohle, d. h. den zehnten Teil der
Förderung Gelsenkirchens absorbieren kann * Vorläufig kflme das
allerdings nicht in Betracht, da ja Gelsenkirchen seine ganze Pro-
duktion bis 1915 an das Syndikat verkauft hat Vielleicht nicht
ohne Einflufi auf die Annäherung von Gelsenkirchen an Rote Erde
ist femer die Tatsache, dafi die Leiter beider Werke Brüder sind.
Für die Annäherung an den benachbarten Schalker Gruben-
und Hfittenverein war wie erwähnt vor allem die Tatsache aus-
sdilaggebend, dafi die Schalker Grundstücke einen grofien Teil
der Gelsenkirchner Kohlenflöze (Zeche Alma) bedeckten und in-
folge eingetretener Bodensenkungen von Gelsenkirchen grofie
Bergschadenansprüche befriedigt werden mufiten.
Der Schalker Gruben- und Hüttenverein weist einen interes-
santen Entwicklungsgang auf.** 1872 begründet, besafl er ur-
sprünglich nur Erzgruben und eine Hochofenanlage in Bulmke.
Dieses spezialisierte Roheisenwerk hatte unter der Krisis der 70er
Jahre sehr zu leiden. 1876 wurde daher die Aktiengesellschaft
aufgelöst An ihre Stelle trat eine Gewerkschaft Diese Änderung
der Gesellschaftsform gab der Verwaltung einen Ausweg, Kapital
zu erhalten. Dann werden weitere Hochöfen gebaut Heute sind
* Frankfurter Zdtung vom 16. September 1904.
** Vgl. far das Folgende: Bericht Aber die Entwicklung des Schalker
Graben- und Hflttenverelns zusammengestellt Im November 1903.
SttUlcb, NatloiMlOkoDomlKbe Poncbingcs. Bd. 0. 13
194 2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft.
im ganzen sechs vorhanden. 1884 erfolgt die Anlage einer groBen
Qiefierei. Sie ist heute in bezug auf Ausdehnung und Umfang
der Fabrikation die größte Eisengießerei in Deutschland
Den ersten Schritt in der Rohstoffversorgung mit Kohle tat das
Unternehmen 1884 durch Erwerb von 972 Kuxen der Zechen
Wolfsbank und Neuwesel. Aber erst die Hochkonjunktur brachte
weitere Kombinationsplane zur Reife. 1897 erfolgte die Angliede-
rung der Aktiengesellschaft Vulkan in Duisburg, .um den Wett-
bewerb mit den am Rhein günstiger gelegenen Werken erfolg-
reicher führen zu können/ Diese günstige Lage ermöglicht es,
die in den Rheinschiffen ankommenden Erze direkt durch zwei
Dampfkräne bis dicht vor die Aufzüge der Hochöfen zu bringen.
Ebenso kann das produzierte Eisen auf diesem einfachen und
billigen Wege direkt verschifft werden. 1899 erfolgte dann die
Angliederung der Bergwerksaktiengesellschaft Pluto zu Essen be-
hufs Versorgung der Hochöfen mit eigenem BrennmateriaL Aus
dieser Zusammenstellung geht hervor, welche Ungeheuern Di-
mensionen der Gelsenkirchner Konzern angenommen.
Wir haben jetzt noch den Vertrag in seinen wichtigsten
Punkten zu behandeln. Formell wird die Gemeinschaft dadurch
charakterisiert, dafi die G.B. A. mit einem von 69 auf 119 Millionen
erhöhten Grundkapital sämtliche Aktien von Schalke und Rote Eide
erwirbt, während diese Gesellschaften einen entsprechenden An-
teil Gelsenkirchner Aktien erhalten. Am meisten Schwierigkeiten
machte es, für diesen Austausch der Aktien zwischen den drei
Gesellschaften ein angemessenes Verhältnis zu finden. Die schon
erwähnte Vorlage berichtet hierüber folgendes: »Unsere Gesell-
schaft hat heute ein Aktienkapital von 69000000 Mark,
wahrend das des Aachener Vereins 11 500000 Mark und das des
Schalker Vereins 10200000 Mark befa-ägt. Nach langen Verhand-
lungen ist es gelungen, ein Wertverhältnis zu ermitteln, das, im
Nennwert unserer Aktien ausgedrückt, für das Aktienkapital von
Aachen einen Befa-ag von 31000000 Mark und für das Kapital
von Schalke einen Betrag von 25500000 Mark ergibt Es be-
steht bei beiden h-emden Gesellschaften Geneigtheit, dieses Wert-
Verhältnis sowohl der zu bildenden Gemeinschaft wie auch dem
Aktienaustausch zugrunde zu legen derart, dafi a) der Gemein-
schaftsgewinn im Verhältnisse von 69 Anteilen auf uns,
von 31 Anteilen auf Aachen und von 25,5 Anteilen auf
Schalke entfallen soll, b) die uns zu überlassenden Beträge
2. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft. 195
•
von mindestens je dreiviertel des Grundkapitals der beiden anderen
Gesellschaften einen solchen Gegenwert in neuen Aktien unserer
Gesellschaft erhalten sollen, als einem Gesamtbetrage von nom.
31 000000 Mark unserer Aktien fär nom. 11 500000 Mark Aktien
des Aachener Hüttenaktienvereins, und von nom. 25500000 Mark
unserer Aktien ffir nom. 10200000 Mark Aktien des Schalker
Gruben- und Hütten Vereins entsprechen."
Die finanzielle Transaktion wurde von einem Bankenkon-
sortium vorgenommen, in dem neben der Diskontogesellschaft, die
bisher allein den maßgebenden Einflufi ausübte, auch die Deutsche
Bank und die Dresdner Bank vertreten waren, nachdem bereits
früher August Thyssen und Hugo Stinnes,* unter deren Mitwirkung
die letzten Vereinigungen eingeleitet und durchgeführt wurden,
einen Teil Gelsenkirchner Aktien erworben und in den Aufsichts-
rat der G. B. A. gewählt worden waren. Die beiden wichtigsten
Bestimmungen des Vertrages betreffen die im vorhergehenden
schon angedeutete Gewinnverteilung. Danach werden die Rein-
gewinne der drei Gesellschaften zusammengeworfen, sie fliefien in
die Gemeinschaftskasse und werden dann nach einem Schlüssel
verteilt, und zwar in der Weise, dafi entfallen:
auf Gelsenkirchen 69 Teile
. Aachen. . . 31 ,
. Schalke . . 25,5 .
Die drei Gesellschaften verpflichten sich femer gegenseitig, in
ihrer im übrigen getrennt bleibenden Geschäftsführung keine wich-
tigen Maßnahmen zu treffen, ohne die Zustimmung eines Ge-
meinschaftsausschusses einzuholen: Derselbe ist folgendermaßen
zusammengesetzt. Er besteht
a) aus dem Vorstande sämtlicher drei Gesellschaften, die
jedoch immer nur durch ihren Vorsitzenden oder dessen Vertreter
ihre Stimme abgeben dürfen;
b) aus je drei Mitgliedern, welche der Aufsichtsrat jeder der
drei Gesellschaften aus seiner Mitte abordnet.
Die Kompetenzen dieses Gemeinschaftsausschusses sind fol-
gende: 1. Entscheidung im Zweifelsfalle, was als wichtige Maß-
nahme angesehen werden soll. 2. Aufstellung der Vorbilanz nebst
Gewinn- und Verlustrechnung. 3. Genehmigung eines neuen Ver-
* Der MOlheimer Bergwerksverein erwarb 1924800 Mark Geisenkirchner
Aktien, weil er diese Beteiligung an einem Werk mit schweren Fett- und Mager-
kohlen fflr zweckmäßig hielt.
13*
196 2. Gdsenklrchner Bergwerks-Aktiengesellschaft
teilungsmafistabes, im Falle eine der Gesellschaften ihr Aktien-
kapital erhöht Diese Interessengemeinschaft, die mit dem 1. Januar
1905 ihren Anfang nahm, kann vor dem 31. Dezember 1935 nicht
gekündigt werden.
Wir haben es hier mit einem Gebilde zu tun, das die
Form einer Beteiligungsgesellschaft aufweist und das man in der
auch bei uns üblichen Sprechweise vielfach als Trust bezeichnet
hat Diese Terminologie entspricht jedoch nicht den Anforde-
rungen wissenschaftlicher Präzision. Allerdings wird auch in den
Vereinigten Staaten eine blofie Beteiligungsgesellschaft vielfach
schlechthin Trust genannt Es ist jedoch korrekter, diesen Aus-
druck auf Beteiligungsgesellschaften mit monopolistischem
Charakter zu beschränken, d. h. auf solche, die von allen oder
doch den meisten Unternehmungen des betreffenden Gewerbes die
Mehrheit der Aktien im Besitz haben.* Damit aber haben wir es
bei Gelsenkirchen-Schalke-Rote Erde nicht zu tun. Dazu kommt,
dafi die gewahrte vollständige Selbständigkeit der einzelnen
Verwaltungen bei der genannten Interessengemeinschaft dem Be-
griff des Trusts fremd ist Aus diesen beiden Gründen dürfte es
nicht angängig sein, von der Bildung eines Montantrusts zu
sprechen, wie es z. B. Jutzi in einer Schrift über die deutsche
Montanindustrie auf dem Wege zum Trust tut**
Damit haben wir die Entwicklungsgeschichte der G. R A. bis
zur Gegenwart verfolgt Sie ist ein geradezu klassisches Beispiel
für die Aufsaugungs- und Expansionstendenzen, die die deutsche
Montanindustrie in eine neue Ära hineintreiben.
Liefmann, Kartelle und Trusts, Stuttgart 1905 p. 40.
Jena 1905.
3. Kölner Bergwerksverein.
Die Grfindung und erste Jugend des Kölner Bergwerks-
vereins fällt in eine Zeit, welche einen grofien Umschwung in
dem westfälischen Kohlenbergbau einleitete. Bis in die Mitte des
19. Jahrhunderts herrschte im Ruhrbassin der Tage- und Stollen-
bau ^ wie wir ihn bei den im III. Bande zu behandelnden Braun-
kohlenwerken noch näher kennen lernen werden. Er repräsentierte
mit seinen kleinen Belegschaften und geringen POrdermengen den
handwerksmäßig organisierten Kleinbetrieb.*
Dieses Bild hat sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts be-
reits geändert Durch Konzentrierung der Baue ist in den 50 er
Jahren die Zahl der Gruben auf weniger als die Hälfte herab-
gegangen. Diese lieferten mit der sechsfachen Zahl von Arbeitern
nahezu 5 Millionen Tonnen.** Die Form der Unternehmung war
fast ausschließlich die Gewerkschaft Mit der Vervollkommnung
der Technik wird dieser alte Rahmen gesprengt, und der Bergbau
rückt um die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Norden ins Strom-
gebiet der Emscher vor. Hier traten die Flöze nicht mehr wie
auf der linken Seite der Ruhr zutage aus, sondern es mußten erst
gewaltige fiber dem Kohlengebirge lagernde Erdschichten durch-
teuft werden, ehe man die Flöze erreichte. Das machte aber die
Investierung großer Kapitalien notwendig, um mit Hilfe der Massen-
produktion einen Gewinn zu erzielen. Mit der Entstehung von
Tiefbauanlagen erhält daher der westfälische Kohlenbergbau ein
anderes Gepräge. Er wird großkapitalistisch.
Damit beginnt eine neue Epoche. Sie steht in ihren An-
fängen unter dem Zeichen der Bekämpfung der alten Berg-
* 1803 standen in Essen 115 Steinkohlengruben In Betrieb, aber sie be-
schäftigten nur 1211 Arbeiter und förderten zusammen etwas Aber eine halbe
Million Tonnen. Auf die Zeche kamen also noch nicht 11 Arbeiter. Das damals
bedeutendste Unternehmen zählte 38 Arbeiter und förderte JIhrUch 7500 t Kohle
mit einem Geldwert von 2899 Talern. Verschiedene Gruben wurden mit 1 oder
2 Arbeitern betrieben und förderten jährlich nicht über 50 t (folg. Anm.).
*• Siehe Zeitschr. für Berg-, Hütten- und SaUnenwesen Bd. n p. 209.
198 3. Kölner Bergwerksverein.
bauverfassung. Noch die ganze Zeit bis in die 50er Jahre wird
beherrscht von dem ancien regime der vergangenen Jahrhunderte.
Dieses Prinzip bestand darin, daß der Staat, angeblich vermöge
einer höheren Einsicht, überall regelnd und bestimmend in die
Geschicke des Kohlenbergbaus eingreifen und den ganzen privaten
Betrieb leiten mfisse. Sollte eine Aktiengesellschaft gegründet
werden, dann mußte die Regierung erst ihre Einwilligung dazu
geben. Eine bereits fertiggestellte Tiefbauanlage durfte nicht
eher in Betrieb genommen werden, als bis die Behörde es er-
laubte. Mit dieser Eriaubnis aber war sie äußerst zurückhaltend.
Sie fürchtete eine Vermehrung der Konkurrenz infolge gesteigerter
Förderung und damit eine Schädigung des Kohlenbergbaus.
Der ganze Betrieb und die Verwaltung der Grube unter-
stand den königlichen Bergämtem. Ihren klassischen Ausdruck
fanden diese Verhältnisse im preußischen LandrechL* Danach
setzte das Bergamt nicht nur den Betriebsplan fest, sondern es
prüfte auch die Rechnungen, bestimmte die Höhe der zu verteilen*
den Ausbeute und der zu zahlenden Zubuße. Auch die Höhe
der Ausgaben für das Bergwerk wurde vorher von dem Bergamt
geprüft
Wichtiger aber als alles das war die Tatsache, daß die Rechte
der Bergarbeiter durch eine Reihe sozialer Bestimmungen ein-
gehegt waren. Der Unternehmer hatte kein Recht, Arbeiter an-
zulegen oder zu entlassen. Die Bergämter wiesen ihm die nötigen
Steiger und Knappen zu. Die Bergämter fixierten femer die
Löhne. Sie setzten einen Normallohn fest, der die Grenze dar-
stellte, unter der kein Arbeiter entlohnt werden durfte. Man
strebte nach einem »gerechten Lohn", ein Problem, das von der
modernen Sozialpolitik noch gar nicht genügend in Angriff genommen
ist Femer regulierten sie auch die Arbeitszeit Das gewöhnliche
war die achtstündige Schicht Die Bergarbeiterschaft war im Mittel-
alter und später unter der Fürsorge des alten Polizeistaats besser
gestellt als heute, wo sie, wie wir bei der Schildemng der großen
Arbeitemnmhen sahen, Fordemngen erhebt, die damals längst er-
füllt waren.**
• A.L.R. Teil n Tit. 16 §§ 274. 300. 315. 316.
** Wir haben hier nicht zu erörtern, warum in älterer Zeit eine FOlle sozialer
Ideen im Bergbau ihre erste Verwirklichung fanden (vgl. Menzel, Soziale
Gedanken im Bergrecht in Brasserts Zeitschr. für Bergrecht Bd. 32 1891
p. 483 ff. und Zycha. Ein altes soziales Arbeiterrecht Deutschlands, ibid. Bd. 41
3. Kölner Bergwerksverein. 199
Von den drei grofien Postulaten, welche die Arbeiterbewegung
des 19. Jahrhunderts aufgestellt hat: das Recht auf Existenz, das
Recht auf Arbeit und das Recht auf den vollen Arbeitsvertrag
(Anton Menger) waren in Preufien wenigstens die ersten beiden
verwirklicht
Aber der Einflufi der Bergämter reichte selbst bis in die
AbsatzsphSre hinein. Sie hatten die Preise der Bergwerks-
produkte festzusetzen. Solche amtlichen Preistaxen waren ja in
der Vergangenheit keine Seltenheit Der Staat selbst zog durch
grofie Steuern einen beträchtlichen finanziellen Nutzen aus dem
Bergbau, und so hatte er ein Interesse daran, die Konkurrenz aus-
zuschliefien, die Betriebspläne zu prüfen, die Arbeiter durch Normal-
löhne leistungsfähig zu erhalten und die Produkte gut abzusetzen.
Dieser Zusammenhang der staatlichen Bevormundung mit
der Finanzpolitik ist auch von Klostermann* richtig hervor-
gehoben worden. Er sagt: »In der Regel wird der Preis der
Bergwerksprodukte gegen die Erzeugungskosten nicht erheblich
differieren,** so dafi, wie schon Adam Smith bemerkt, der Bergwerks-
besitzer nur die landesüblichen Zinsen seines Anlagekapitals ge-
winnt Soll ein solches Produkt eine Besteuerung von 12^/o
seines Bruttowertes tragen, so muS der Staat dem Bergwerks-
besitzer die Möglichkeit geben, diese Steuer als einen Teil der
Selt>8tkosten zu dem Preise zu schlagen und auf den Konsu-
menten überzuwälzen. Dies war nur möglich bei einer Monopoli-
sierung der Produktion zugunsten einer beschränkten
[1900] p. 445). Nach der erstgenannten Quelle erstreckte sich der Arbeiter-
schutz bereits im Mittelalter und dann unter der Herrschaft des Direktionsprinzips
(16. bis zum Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im wesentlichen auf
folgende Punkte: 1. Ausschlufi der Frauenarbeit Aber und unter Tage. 2. Aus-
Khlufi der Jugendlichen und Schwachen von der eigentlichen Bergart>eit, .damit
also die Jugend verschont und durch solche schwere Art>eit, die ihre Kräfte noch
nicht ertragen und ausstehen mögen, nicht verderbt und zu keinem wohl-
mOgendcn Alter nicht kommen können.* (Erläuterung der alten Bergwerksord-
nung der Städte Schemnitz, Neusohl usw. in Wagner, G>rpus Juris metallici
p. 288.) 3. Regelung der Arbeitszeit (achtstflndiger Normalarbeitstag). 4. Ver-
bot der Oberschichten. 5. Verbot der Art>eit an Sonn- und Feiertagen.
6. Verbot des Trucksystems. 7. Herstellung eines gerechten Lohns. 8. Recht
auf Art)eit (siehe Klostermann, Lehrbuch des preufi. Bergrechts p. 341/2).
* Das allgemeine Berggesetz fflr die preuB. Staaten, Berlin, 4. Auflage
1885 p. 48.
— Das trifft in der heutigen Syndikatsära freilich nicht mehr zu.
200 3. Kölner Bergwerksverein.
Anzahl von Unternehmern und bei einer amtlichen Pest-
setzung der Verkaufspreise, welche die Konkurrenz zwischen
diesen Unternehmern so gut wie ausschließt Hätte der Staat die
freie Konkurrenz beim Steinkohlenbergbau zugelassen, so wurde
diese die Tendenz gehabt haben, den Verkaufspreis unter die
durch den Steuerbetrag erhöhten Selbstkosten zu drücken. Der
Bergwerksbesitzer hätte die Steuer zum Teil aus dem eigenen
Vermögen zulegen müssen, und der Staat würde auf die Dauer
es nicht möglich gefunden haben, die Steuer auf der Höhe von
12®/o zu behaupten."
Die Reform, die in der Folgezeit mit der Gebundenheit und
der Steuerlast der Kohlenzechen aufräumte, wurde gleichsam aus
der Taufe gehoben durch die Bedürfnisse der großen kapita-
listischen Bergwerksuntemehmungen. Diese Großbetriebe braucliten
Gründungs- und Kapital- und Vertragsfreiheit; sie lechzten nach
Beseitigung der dem Raubbau an der menschlichen Arbeitskraft
hinderlichen sozialen Bestimmungen. Zahl und Lohn der Arbeiter
mußten der wechselnden Konjunktur angepaßt werden können.
Damit beginnt die Epoche der Proletarisierung der Berg-
arbeiter. Zu der freien Konkunenz auf dem Arbeitsmarkt brauchte
man auch die Freiheit im Austausch der anderen Waren. Damit
aber waren die Preistaxen der Behörden unvereinbar. Dazu kam,
daß der Intelligenz des Staates eine Masse Unternehmerintelligenz
ebenbürtig zur Seite trat, ja die erstere vielfach überragte. Das
Prinzip des laisser faire laisser passer pochte immer lauter an die
Riegel der alten Gesetzgebung, bis der ganze alte Bau nach und
nach von dem vorwärtsdrängenden, freiwirtschaftenden Privat-
kapitalismus beseitigt wurde — ein klassisches Beispiel dafür,
wie die Änderung in der Ökonomik eine Änderung der Rechts-
ordnung nach sich zieht
Zuerst wird das Direktionsprinzip aufgehoben, welches
der selbständigen Betätigung der Unternehmer keinen Spielraum
ließ. Dies geschah durch das sog. Miteigentümergesetz vom
12. Mai 1851. Damit werden die Leiter der Gruben in den Stand
gesetzt, in allen Angelegenheiten des Betriebes selbständig zu
disponieren, von einigen polizeilichen Beschränkungen abgesehen.
Was die An- und Ablegung der Arbeiter anbelangt, so werden
zwei Kategorien geschaffen: gebundene und freie Arbeiter. Für
die ersteren, die Knappschaftsgenossen, war nach wie vor das
Bergamt entscheidend, hingegen stand die Annahme und Ent-
3. Kölner Bergwerksverein. 201
lassang der sonstigen Arbeiter dem Bergwerkseigentümer frei.
.Fand der Grubenbeamte die Leistungsfähigkeit usw. eines Arbeiters
nicht den Interessen der Grube entsprechend, so konnte er dem
freizügigen Arbeiter kündigen, den vom Geschworenen angelegten
Bergmann mufite er behalten und mußte ihm obendrein den
Normallohn gewähren, wenngleich das Resultat seiner Leistung
demselben nicht entsprach.** Das Gesetz vom 21. Mai 1860 be-
seitigt dann die Normallohne und bestimmt, dafi die Abschließung
der Verträge zwischen Bergwerkseigentümem einerseits, Gruben-
beamten und Arbeitern andererseits lediglich dem freien Über-
einkommen unterliege.**
In dieser Periode werden auch die Steuern ermäßigt Bisher
war der Zehnte vom BruttoerlOs zu zahlen gewesen; dieser wird
durch das erstgenannte Gesetz auf den Zwanzigsten reduziert
An Stelle anderer Nebenausgaben trat die IVoige Aufsichtssteuer.
Die weiteren Gesetze reduzieren dann die Produktionsabgabe vom
1. Januar 1865 ab auf 17o des Bruttoertrages. 1867 wird für die
Aktiengesellschaften zwar eine neue Steuer in Höhe von 2^/o der
Dividende eingeführt, bis endlich 1895 die Aufhebung sämtlicher
Ertragssteuem im Bergbau erfolgte.
Definitiv zur Strecke gebracht war das ancien regime aber
bereits durch das allgemeine Berggesetz für die preußischen
Staaten vom 24. Juni 1865. Es ist ein Produkt der die Staats-
einmischung verpOnenden, die schrankenlose Freiheit
des Großbetriebes predigenden Wirtschaftspolitik der
liberalen Epoche. Die in diesem Gesetz kulminierenden Re-
formen läuten eine neue Ära ein.
Die Genesis des Kölner Bergwerksvereins fällt noch in die
alte Periode der gebundenen Verfassung. Aber seine ursprüng-
lichen freiheitdürstenden Ziele gehörten durchaus in die Zeit
nach 1865. In seiner ersten Jugend wollte er in stürmischem
Anlauf ül>er die durch die Gesetzgebung gesteckten Schranken
hinauseilen, während er in der zweiten Periode seine anfangs
hochkapitalistischen Ziele stark temperiert, ja sich gegenüber
den großen Fusionsprojekten und Kapitalakkumulationen anderer
Zechen bis zum heutigen Tage ablehnend verhält Das ist das
* Aus den Motiven zum Gesetz vom 21. Mai 1860. Kreutz in Bd. XII
Teil 3 p. 47: Die Entwiciciang des niederrheinisch -westfälischen Steinkohlen-
bergbaus.
*• Siehe Bd. I meiner Nationalök. Forsch. 1904 p. 50.
202 3. Kölner Bergwerksverein.
Eigenartige, was uns in der Geschichte dieses Bergwerks vor
allem interessiert.
Der Plan zur Gründung des Kölner Bergwerksvereins* knüpft
zeitlich an die großen Kohlenfunde an, die um die Mitte der 40er
Jahre nördlich der Bahnlinie Köln-Minden gemacht worden waren.
Bisher waren die Bergbautechniker der Ansicht gewesen, dafi dort
unter dem Mergel und namentlich nördlich der Linie der Köln-
Mindener Bahn keine Kohlen mehr vorhanden seien. Als aber
das Gegenteil nachgewiesen war, traten unter Führung des Bank-
hauses Abraham Schaaffhausen, aus dem 1848 der A. Schaaff-
hausensche Bankverein hervorging, eine Anzahl Kölner Kaufleute
und Finanziers zusammen, um im Essener Revier Schurfsdieine
zu erwerben und Mutungen einzulegen. Das 1845 erworbene
Areal betrug 3 792 000 qm. Dazu kam die Erwerbung der Zeche
Neuköln, aus der Mutung Donnerskamp und Elise bestehend.
Dieselbe umfaßte nicht weniger als 2844000 qm. Die Kon-
stituierung der Gesellschaft erfolgte durch notariellen Akt am
2. März 1847. Wir sehen hieraus, daß der Impuls zur Ausbeutung
der reichhaltigen Kohlenminen des Essener Reviers und die sich
daran schließende Gründung des Kölner Bergwerksvereins der
Interessensphäre des mobilen Kapitals entsprang. Diese
Tatsache ist für das Entstehen großer Bergwerksgesellschaften
durchaus charakteristisch.
Nun war freilich mit der bloßen Konstituierung der Gesell-
schaft der Kölner Bergwerksverein in der gesetzlich erforderlichen
Form noch nicht gegründet Es mußte erst die Genehmigung der
Regierung eingeholt werden.
Um dieselbe zu erlangen, wird in der betreffenden Eingabe
darauf hingewiesen, daß das auslandische Kapital bereits die
heimische Erde auszubeuten beginne. In dem dem Statut bei-
gegebenen Promemoria heißt es: .Wenn auch in den letzten
Jahrzehnten Fortschritte in der Erschließung der unterirdischen
Quellen des Nationalreichtums gemacht worden sind, so sind die-
* Far die Darstellung der leitenden Gesichtspunkte der ersten Entwick-
lung des Kölner Bergwerksvereins habe ich ein mir von Herrn Oeheimrat
Krabler, der leitenden Persönlichkeit dieses Unternehmens, gütigst zw Ver*
fflgung gestelltes Manuskript benutzt, das aber leider in seiner Schilderung nur
bis zum Jahre 1870 reicht Für die späteren Jahre kommen auch hier als
Quelle hauptsächlich die Geschäftsberichte mit ihrem spärlichen Inhalt In Be-
tracht, sowie meine eigenen Notizen beim Besuch der Betriebsanlagen.
3. Kölner Bergwerksverein. 203
selben doch unerheblich zu nennen, im Vergleich zu denen, die
andere industrielle Nationen gemacht haben, und man wird mit
Recht behaupten dürfen, dafi in Preufien noch die größte Masse
der unterirdischen Schätze als ein totes Kapital daliegt. Forscht
man nach den Ursachen dieses Zustandes, so drängen sich sofort
Mangel an Kapital und Mangel an hinreichend gewecktem As-
soziationsgeiste zu gemeinschaftlicher Betreibung großartiger An-
lagen, wozu die Kräfte des einzelnen nicht ausreichen, oder wobei
das Risiko des einzelnen zu groß ist, der Betrachtung auf. Das
ergiebige Feld des Bergbaus, welches das Inland aus Mangel an
Unternehmungslust und Kapital nicht ausbeutet, droht in letzter
Zeit mehr und mehr Gegenstand fremder Spekulation zu werden.
Es ist notorische Tatsache, daß im Rheinland in letzter Zeit
mehrere Kohlen- und andere Werke für Rechnung französischer
und englischer Kapitalisten erworben worden sind und für deren
Rechnung ausgebeutet werden." Es war die Zeit als die großen
belgischen und englischen Entrepreneure wie Charles Detellieux
und Mulvany großkapitalistische Unternehmungen auf deutschem
Boden ins Leben riefen.
Das Statut, das damals von der Kölnischen Finanz aus-
gearbeitet der preußischen Regierung eingereicht wurde, setzte
sich, und das wollte für die damalige Zeit viel bedeuten, durch-
aus moderne Ziele. Der Zweck der Gesellschaft war die Grün-
dung eines auf dem Prinzip der Kombination beruhenden
modernen Riesenunternehmens, wie es heute die meisten
großen gemischten Werke der Montanindustrie repräsentieren. Noch
vor Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sollten in
einem doch immerhin kapitalarmen und in seinen ganzen An-
schauungen von handwerkerlichem Geist erfüllten Lande die
Zide des Hochkapitalismus fin du sitele gleichsam antizipiert
werden! Man kann sich denken, daß die Regierung diese hoch-
fliegenden, die bisherigen Schranken ignorierenden Pläne zu modi-
fizieren versuchte. Bis zur formellen Bestätigung vergingen nicht
weniger als 2V9 Jahre. 1848 wurde zunächst die ursprüngliche
Fassung des Artikels 4 des Statuts, welcher im allgemeinen als
Zweck des Vereins den .Betrieb von Bergwerken und die Ver-
hüttung von deren Produkten* ins Auge faßte, als zu weit gehend
beanstandet Der Zweck wurde im Detail spezialisiert Damit
erklärte sich die Behörde einverstanden. 1849 aber wurden von
Seiten der Behörde weitere Bedenken geltend gemacht, die darin
204 3. Kölner Beigwerksverein.
bestanden, daß mehrere Bestimmungen des Statuts nicht mit den
Vorschriften des Aktiengesetzes vom 9. November 1843 im Ein-
klang standen, namentlich nicht die Vorausgewährung von 5<^/o
Aktienzinsen abgesondert von der Dividende.
Nachdem auch in dieser Beziehung das Statut geändert war»
erfolgte nunmehr die Mitteilung der königlichen Kabinetsorder
vom 22. Oktober 1849. Diese lautet: .Nach den Bestimmungen
des § 37 des Handelsgesetzbuches für die Rheinprovinz und § 1
des Gesetzes über die Aktiengesellschaften vom 9. November 1843
genehmigen Wir die Errichtung einer Aktiengesellschaft unter dem
Namen JCölner Bergwerksverein', welcher nach dem anliegenden
notariellen Akt d. d. Köln, den 14. Juli 1849 zu dem Zwecke sich
gebildet hat: in den Regierungsbezirken Düsseldorf und
Arnsberg Schurfscheine nachzusuchen, Konzessionen auf
Steinkohlen-, Eisen-, Blei- und Galmeibergwerke durch
Ankauf oder durch Pachtung zu erwerben und dieselben
auszubeuten, Steinkohlen zu Koks zu brennen, Zink»
Blei und Eisen zu verhütten und diese Metalle zu ver-
kaufen. Wir bestätigen das in diesem Akte enthaltene Statut
der Gesellschaft mit dem Vorbehalte, falls das Statut nicht befolgt
oder verietzt würde, unbeschadet der Rechte dritter Personen zu
widerrufen, sowie sich auch von selbst versteht, daß die Gesell-
schaft allen ergangenen oder noch ergehenden, den Bergbau be-
treffenden gesetzlichen Bestimmungen, ebenso wie dem Gesetz
über die Aktiengesellschaften vom 9. November 1843 unterworfen
bleibt . . . Gegeben zu Sanssouci, den 22. Oktober 1849. Gezeichnet
Friedrich Wilhelm. Gegengezeichnet von der Heydt.
Hieraus geht hervor, daß an ein großes kombiniertes Unter-
nehmen, keineswegs nur an ein spezialisiertes Kohlen-
bergwerk gedacht war. Ja in der außerordentlichen Generalver-
sammlung vom 28. Juni 1854 wurde der § 4 der Statuten dahin
zu erweitem versucht, daß der Zweck der Gesellschaft folgender ist:
1. Bergbau in allen Gruben, welche der Verein erworben hat
und erwerben oder anpachten wird, auf alle in denselben vor-
kommenden Erze und nutzbaren Fossilien.
2. Das Brennen der Steinkohle zu Koks, die Verhüttung resp.
Verwertung der gewonnenen Erze, die Errichtung von Hochöfen
zur Fabrikation von Roheisen und die weitere Verarbeitung der
Metalle im ausgedehnten Umfange für den Handel und den
Konsum. Der Hüttenbetrieb beschränkt sich nicht auf die aus
3. Kölner Bergwerksverein. 205
der Förderung der eigenen, resp. der angepachteten Gruben dar-
gestellten Metalle, sondern es bleibt dem Verein unbenommen,
Kohlen, Erze und Metalle zur weiteren Fabrikation sowohl im
Inlande als im Auslande anzukaufen.
3. Behufs des Transportes der vorerwähnten Gegenstände
Schiffahrt auf dem Rhein und dessen NebenstrOmen zu betreiben.
4. Die bergbaulichen Unternehmungen des Vereins sind auf
die Bezirke der Bergämter zu Dortmund und Bonn beschränkt
Dberschreitungen sind nur mit ministerieller Genehmigung ge-
stattet
Diese Etablierung eines Riesenuntemehmens mit seiner Ver-
quickung von Produktions- und Handelsinteressen ist freilich nicht
zur Ausfühung gekommen. Die an der Spitze dieser Untersuchung
gestellten Ausführungen geben den Schlüssel dafür. Die großen
Pläne scheiterten an der bis zum Jahre 1865 herrschenden
gebundenen Verfassung des Bergbaus, die mehr für die
Bedurfnisse des alten handwerksmäßigen Betriebes zu-
geschnitten waren, als auf die eben skizzierte hochkapita-
listische Konstruktion.
Während auf der einen Seite die Aufgaben und Ziele des
Kölner Bergwerksvereins durchaus moderne waren, kam auf der
anderen Seite die Verwaltungsorganisation nicht über den
Rahmen der Gebundenheit hinaus. Ober diese ältere Konstruktion
der Verwaltung bemerkt Krabler folgendes: »Gemäß § 21 des
Statuts war zur oberen Leitung der Gesellschaft ein aus fünf Mit-
gliedern bestehender Verwaltungsrat berufen, welcher wiederum
zur speziellen Führung der Geschäfte einen Spezialdirektor an-
stellte. Außerdem stand dem Verwaltungsrate die Anstellung aller
weiteren Beamten, unter anderem also der technischen Leiter auf
den Gruben selbst, der Agenten für den Kohlenverkauf usw. zu. . . •
Net>en dieser dualistischen Organisation in den früheren Jahren
des Bergwerksvereins fiel noch der Umstand erschwerend ins Ge-
wicht, daß der Sitz der kaufmännischen Direktion in Köln war,
also weit von dem eigentlichen Betriebspunkte ab. Nur ganz
kurze Zeit, März 1854 bis Frühjahr 1855 hat die Spezialdirektion
auf Zeche Anna gewohnt Mit Beginn des Jahres 1855 erwarb
der Verein ein eigenes Haus in Köln, Pipinstrafie 26, das erst
zum Verkauf gelangte, als mit der veränderten Organisation der
Gesellschaft der Sitz und das Domizil derselben nach Altenessen
verl^ wurde. In dem ersten Jahre des Bestehens des Vereins
206 3. Kölner Bergwerksverein.
lag tatsächlich die obere Leitung aller Geschäfte bei dem Ver-
waltungsrat in Köln, welcher nicht nur sämtliche Anschaffungen
für die Grube bis in das kleinste Detail hinein regelte und ge-
nehmigte, sondern bei den ersten Kohlenverkaufen auch jedesmal
seine Zustimmung zu dem unter Vorbehalt abgeschlossenen Ver-
trägen gab. Es genügt in dieser Beziehung darauf hinzuweisen,
dafi im Jahre 1851 der Verwaltungsrat 15 mal, im Jahre 1852 19mal
zur Sitzung zusammentrat Allmählich und mit Ausdehnung der
Geschäfte mußten in dieser strikten Leitung und Bindung des
Spezialdirektors und des Grubendirektors Erleichterungen eintreten,
sonst hätte namentlich als die Konkurrenz im Kohlengeschaft von
allen Seiten stärker wurde und zu den erträgnislosen Zeiten am
Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre führte, eine den Inter-
essen des Vereins nutzbringende Geschäftsführung überhaupt nicht
erfolgen können. Aber auch andererseits machte sich der Dualis-
mus in der eigentlichen Verwaltung häufig geltend, wie dies seinen
prägnanten Ausdruck in den Protokollen des Verwaltungsrates
durch die wiederholten Klagen des Spezialdirektors über schlechte
Qualität der vom Grubendirektor geförderten Kohle, die Feinheit
derselben, Oberfluß an Steinen sich ergötzlich dokumentiert Neben-
bei mußte auch dem die größte Zeit in Köln beschäftigten Spezial-
direktor, der nur zu gelegentlichen Revisionen und Verabredungen
nach den Zechen kam, die genaue und fortwährende Kenntnis
seiner Ware allmählich abgehen und, was das übelste war, es
bildete sich, da er seine Anordnungen über den Versand usw.
nicht dem technischen Leiter der Grube übermittelte, sondern dem
auf der Zeche stationierten Rechnungsführer, allmählich auch bei
den ganzen unteren Beamten eine Zwiespältigkeit heraus, die für
das Gedeihen des ganzen Werkes keineswegs von Vorteil war
und erst ein Ende nahm, als energisch den sämtlichen Beamten
der Geist beigebracht wurde, daß sie alle nur an einem Strange
zu ziehen hätten.* Aus diesen Dariegungen geht hervor, daß die
Verwaltung ursprünglich nicht gut funktionierte. Sie war zu
schwerfällig. Ihr Schwerpunkt ruhte in den großen Kompetenzen
des Verwaltungsrats, resp. des diesen personifizierenden Spezial-
direktors, der fem ab vom Betriebe wohnte und über die in jeder
Weise an seine Anordnungen gebundenen Leiter des Betriebes
herrschte.
Diese Organisation ist dann geändert worden, und zwar In
Wirklichkeit erst mit dem Eintritt Krablers in die Verwaltung im
3. Kölner Bergwerksverein. 207
Juni 1868, doch bestand der Form nach die Zwiespältigkeit der
obersten Leitung noch bis zur Abänderung des Gesellschaftsstatuts,
das an die Stelle des Verwaltungsrates den Aufsichtsrat und an
diejenige des Spezial- und des Grubendirektors den Vorstand
setzte, dessen alleiniges Mitglied die vorgenannte Persönlichkeit
wurde.
Noch ehe die Konstituierung des Kölner Bergwerksvereins als
Aktiengesellschaft erfolgte, war bereits mit der Abteuf ung der
beiden Schächte Neuköln und Anna begonnen worden. Der erste
Spatenstich zu dem Schachte Neuköln wurde bereits im Oktober
1845 getan. In einer Teufe von 99 m erreichte man das Kohlen-
gebirge. In demselben Jahre wurde auch mit dem Niederbringen
des Schachtes Anna begonnen. Ursprünglich waren zwei Schächte
geplant, von denen der eine, der später allein in Betrieb ge-
nommen wurde, zum Wasserhaltungs- und Wetterschacht bestimmt
war, der andere, 74 m südlich gelegen, als Pörder- und Fahrschacht
dienen sollte. Es stellten sich aber beim Abteufen des letzteren
Schwierigkeiten ein, da man auf schwimmendes Gebirge, sog.
Fliefi traf. Als man unter diesen schwierigen Umständen eine
Teufe von 36 m erreicht hatte, wurden die Arbeiten eingestellt
1855 wird dann ein dritter Schacht, Karl, zuerst Herkules ge-
nannt, in Angriff genommen und im Jahre 1857 schließt sich
daran der Beginn der Arbeiten zur Herstellung eines nördlich
von Neuköln gelegenen Schachtes Christian Levin. In dem
letzten Jahre der Gründerperiode 1873 geht die Gesellschaft
scblieSlich an den Bau eines weiteren Schachtes, des Emscher-
schachtes, der den nördlich von Anna gelegenen PeldesteU auf-
schließen sollte. 1876 tritt diese Anlage aus der Bau- in die
Forderperiode ein. Dann folgt eine 20jährige Pause, in der neue
Schächte nicht abgeteuft werden. Diese Periode erreicht ihr
Ende 1894. In diesem Jahre wird neben dem alten Förderschacht
Emscher ein zweiter Förder- und bald nachher ein Wetter-
schacht niedergebracht Die drei Schächte fähren den Namen
.Emscberschächte*.
Es ist nun charakteristisch für das ganze Unternehmen, daß
in den letzten 30 Jahren weder eine starke Vermehrung
der Schachte noch des Grubenfeldes eingetreten ist
Während andere Unternehmungen durch Abteufen immer neuer
Schachte und Fusionen mit schon bestehenden Zechen einen
großen Konzentrationsprozefi einleiten, macht der Kölner Berg-
208 3. Kölner Bergwerksverein.
Werksverein eine Ausnahme. Infolgedessen hat der ursprüngliche
Besitz von 1 1 Feldern — heute beträgt die Gerechtsame 10300974 qm,
das sind 1030 ha oder 10,3 qkm — im Laufe der Zeit, von einer
gröfieren Abstofiung abgesehen, wesentliche Verschiebungen nicht
erfahren. Der Trflger dieser Politik ist der noch heute an der Spitze
des Unternehmens stehende Geh. Bergrat Krabler. Bei der Be-
sprechung dieses Punktes äußerte er sich folgendermaßen : «Wir
haben keine Neuerwerbungen aufzuweisen. Es ist m. E* nicht
richtig, Millionen für Felder auszugeben, die erst in 30 Jahren
Zinsen tragen. Das können andere tun. Jedes Ding hat ein
Ende, sobald zwei Augen es nicht mehr zu überschauen ver-
mögen. Dann hängt der Erfolg lediglich von der glücklichen
Wahl der Mitarbeiter ab. Unser Unternehmen aber zeigt, dafi
man bei Konzentrierung der Kräfte und Geldmittel auch ohne
Expansion etwas erreichen kann.*
Es ist nun in hohem Grade interessant, zu prüfen, wie
diese Politik gewirkt hat Wir betrachten daher:
1. Den finanziellen Aufbau der Gesellschaft
2. Die Produktionsverhältnisse.
3. Die Ergebnisse.
Die Gesellschaft wurde 1851 mit einem Nominalkapital von
6 Millionen Mark gegründet Dasselbe ist bis zum heutigen Tage
stabil geblieben. Wir haben hier den vielleicht einzigartigen Fall»
wo ein Unternehmen nach einem halben Jahrhundert noch das-
selbe nominelle Aktienkapital hat wie bei seiner Entstehung. Von
diesem Nominalkapital war ursprünglich nicht der ganze Betrag
eingezahlt, sondern nur 4,5 Millionen Mark. Mit dem Bau der
Emscherschächte wird dann 1872 eine weitere Einzahlung von
900000 Mark erforderlich. Die Aktien wurden zum Kurse von
150^/o an den Markt gebracht Ursprünglich glaubte zwar die
Verwaltung, die neuen Tiefbauanlagen ohne Kapitalvermehrung
bewerkstelligen zu können. Infolge der enormen Preissteigerung
aller Werte in der Gründerperiode aber ergab sich, dafi die Neu-
anlagen kaum unter 2,4 Millionen auszuführen waren. Dazu aber
reichte der Reservefonds in Höhe von 739644 Mark nicht aus.
Seit 1873 beträgt daher das Betriebskapital 5,4 Millionen, 1900
wird es dann auf 6 Millionen vervollständigt Die 500 neuen
Aktien ä 1200 Mark wurden zum Kurse von 250% begeben. Die
Aktien waren bis zum 31. Dezember 1871 Namensaktien, von da
an tragen sie den Charakter des Inhaberpapiers. Dadurch wurden
3. Kölner Bergwerksverein. 209
sie erst für die grofien Umsätze der Börsenspekulation geeignet
gemacht
Sehen wir uns nun die Geldbedürfnisse der Gesellschaft
etwas naher an. Ursprünglich war kein grofies Kapital nötig.
Die ersten Erwerbungen waren in jener Morgenperiode des west-
fälischen Kohlenbergbaus billig. Das Abteufen der Schächte war
auch nicht sehr kostspielig. Vor allem lagerte kein zu hohes
Deckgebirge über den Kohlenflözen. Die Mächtigkeit desselben
betrug bei Anna 147 m, bei Karl 150 m. Da das Kohlengebirge
bekanntlich nach Norden zu einfallt, so hatten dann die später
entstehenden Zechen nach Norden hin mit bedeutend größeren
Teufen zu rechnen. Zum Vergleich möchte ich nur auf die Zeche
König Ludwig bei Recklinghausen verweisen, wo die Mergel-
auflagerung bei Schacht I und II 307 und bei Schacht IV und V
445 m t>eträgL Damit hängt auch die Tatsache zusammen, dafi
die Schächte des Kölner Bergwerksvereins heute immerhin noch
in mittleren Teufen bauen. Die fünfte Sohle von Anna liegt 462,
von Karl 470 m tief, während die dritte Sohle der Emscher-
Schächte in einer Tiefe von 362 m angelegt ist Je tiefer aber
der Schacht, desto höher das Anlagekapital.
Die ganze Einrichtung war ursprünglich sehr primitiv. Vor
50 Jahren bestand eine Kohlengrube aus Schacht mit Wasser-
haltung und spärlicher Ventilation durch Wetteröfen. Jedoch
schon 1858 wurde auf Anna mit dem Eintreten grofier Betriebs-
störungen ein Pabryscher Ventilator aufgestellt, der freilich bei
weitem nicht das leistete, was die heutigen Ventilatoren leisten.
Die mechanische Aufbereitung und die heute ein großes fixes
Kapital repräsentierenden Anlagen, vor allem die Wäschen,
fehlten. Die Kohlen wurden nur durch Menschenhand von den
grOt>sten Bergen befreit und dann durch primitive Veriadevorrich-
tungen in die Wagen gestürzt Das alles erforderte noch wenig
Kapital Bis dahin war der ganze Betrieb gewissermaßen nur
zweigliedrig. Er bestand in Förderung und Verladung
der Kohlen.
So blieb es bis in die 70er Jahre. Dann aber führten zwei
Momente zu einer Änderung: Der Niedergang der Konjunktur seit
1873 und die zunehmende Förderung von Fettkohlen zur Koks-
l>ereitttng. Es wurden Separationen und Wäschen notwendig,
gegen die sich bisher die Kohlenindustriellen ablehnend verhalten
hatten. Solange die Konjunktur gut war, hatte die Förderkohle
S tn 1 1 c h , NatknalftkottOfliitche Porschimgtfl, Bd. n. 14
210 3. Kölner Bergwerksverein.
ungewaschen schlanken Absatz gefunden. Das änderte sich nun.
Größere Kapitalien wurden nötig. Die Wäschen kosteten nach
freundlicher Privatmitteilung der Verwaltung auf
Anna 309467 Mark
Karl 471868 .
Emscherschächten 815502* ,
Weitere Verbesserungen betrafen die Einführung von groSen
Taschen und Türmen zur Lagerung der gewaschenen Produkte.
Mit der Anlage von Aufbereitungsanstalten aber ging weiter Hand
in Hand die Anlage von Koksöfen. Auf den Zechen des Kölner
Bergwerksvereins wurden zunächst Schaumburger Ofen gebaut,
die oben offen waren und die Gase ungenutzt in die Luft ver-
puffen liefien. Ein solcher Ofen alter Konstruktion kostete auf
Zeche Stückzahl Anlagejahr Preis
Nenkök 8 1851 . . 165 Mark pro Stflck
Anna 8 1852 . . 140 . .
Neuköin 30 1854 .. 275 ...
Anna 21 1854 . . 377,50 . . .
Dann aber traten an Stelle der offenen geschlossene Ofen. Die
Oase wurden abgefangen und zur Kesselheizung benutzt Später
schließen sich daran Nebenbetriebe, die die in den Koksgasen
enthaltenen wertvollen Bestandteile herausdestillieren.
Am L Juli 1880 wurden von dem Kölner Bergwerksverein
60 Flammöfen auf Anna übernommen, die bis dahin von der
Firma Albert Hüssener & Cie. betrieben waren. Da gleichzeitig
ein Wohnhaus und 1,6 ha Grund und Boden, für welche damals
keine Taxe angefertigt wurde, mit überging, so laßt sich nicht be-
rechnen, wieviel von dem Gesamtpreis von 264000 Mark auf die
Öfen entfiel.
Im folgenden Jahre wurden dann auf Karl 50 Flammöfen er-
richtet und hieran vier Röhrenkessel zu je 85 qm Heizflache an-
geschlossen. Die ganze Anlage kostete 290000 Mark, davon ent-
fallen auf die vier Kessel 28 400 Mark. Der Ofen kostete demnach
5232 Mark.
Bedeutend höheren Kapitalaufwand als diese Flammofen-
anlagen erheischten die Teerkokereien.
1895 wurden 60 Teeröfen, System CoUin-Ruppert mit einem
Gesamtkostenaufwande von 61 1 567 Mark auf Anna erbaut Hier
* Diese Summe aber stellt noch nicht das Endergebnis dar, da der Bau
des n. Systems sich noch in das Jahr 1905 hineinzog.
3. Kölner Bergwerksverein. 211
stellt sich der Ofen l>ereits um das Doppelte höher als auf Karl,
nfimlich auf 10193 Mark.
1897 wurden von den obenerwähnten alten Flammöfen 30 Stack
niedergerissen und an deren Stelle 30 Teeröfen, System Hüssener,
erbaut
1903 wurden dann auf Emscher 60 Unterbrenneröfen, System
Dr. Otto & Co., mit einer Stampfanlage, vollständiger Kondensation
und Ammoniakfabrik, Gasreinigungsanlage mit einem Gesamt-
aufwande von 1010734 Mark errichtet Hiervon entfallen nach
dem Anschlage auf die Öfen nebst Stampfanlage, Kondensation
und Ammoniakfabrik 606000 Mark oder 10100 pro Ofen.
Damit ist der fortschreitende Kapitalaufwand zur Genüge
illustriert Es kostete ein
Sdiaumbtirger Ofen 140-^377,75 Marie
Flammofen 5232 Mark
Teerofen 10100 ,
Aber auch das Transportwesen erleidet eine Umwandelung
im Sinne höherer Kapitalinvestierung. Es werden besondere
ZecbenbahnhOfe hergestellt mit Anschlufigleisen, auf denen die
Wagen direkt bis unter die Verladung rollen. Die alte Schlepp-
bahn, auf welcher die Kohle mittelst Pferden von Schacht Anna
zu einer dicht am KOln-Mindener Bahnhof in Altenessen gelegenen
Stnrzbtthne hingeschafft und dort durch einfaches Umwerfen der
bdadenen Wagen die Beladung der Eisenbahnwaggons erfolgte,
wird außer Betrieb gesetzt
1869 wurden die LadebQhnen mit Kreiselwippem versehen,
womit eine Schonung der menschlichen Arbeitskraft Hand in
Hand geht (in dem Manuskript wird nur auf die Schonung der
Wagen hingewiesen).
Dazu kommt als letzter großer Fortschritt die Einffihrung der
elektrischen Energie in den Grubenbetrieb, die jedoch erst in dem
letzten Jahrzehnt einsetzt und noch gegenwartig in der Ausführung
begriffen ist
Es bedarf keiner besonderen Dariegung, daß diese hier nur
angedeutete Entwicklung, zu denen im Laufe der Jahre noch ver-
vollkommnete Ventilationseinrichtungen, vergrößerte Waschkauen ffir
die Bergleute usw. usw. kommen, große Kapitalien erforderte. Da
nun das Aktienkapital nominell stabil blieb und nur die noch
fehlenden Einzahlungen in Hohe von 1,5 Millionen in Betracht
kamen, so müssen wir untersuchen, auf welche Weise die
nötigen Mittel aufgebracht wurden. ^^^
212 3. Kolner Bergweksvereln.
Das Unternehmen hat zwei Wege eingeschlagen: es hat ein-
mal durch Abstofiung von Grubenfeldern sich die nament-
lich in den ersten Baujahren fehlenden Mittel zu beschaffen ver-
sucht, soweit das vorhandene Betriebskapital dazu nicht ausreichte.
Im Jahre 1856 wurden die Felder August und Ludolph an die
Bergbaugesellschaft Neuessen verkauft, und zwar zum Preise von
180000 Mark. Dieser Preis war freilich nur niedrig, denn die
beiden Felder stellten sich später als der wertvollste Bestandteil
der genannten Zeche heraus. Im Beginn der 70er Jahre splitterte
dann ein weiterer Teil des Grubenfeldes ab. Es handelte sich
um denjenigen Komplex, auf dem die Schächte Neuköln und
Christian Levin niedergebracht waren. Beider Schicksal war durch-
aus ungünstig gewesen. Der erstgenannte Schacht war ersoffen
und Christian Levin unvollendet geblieben. Als sich nun in der
Gründerperiode alles regte und die Produktion gesteigert werden
mufite, reichten die vorhandenen Mittel nicht aus. Infolgedessen
wurden damals mit Friedrich Grillo die beiden Schächte mit den
dazugehörigen Feldern abgetrennt, um in das Eigentum der Ge-
werkschaft König Wilhelm überzugehen. Der Kölner Bergwerks-
verein erhielt dafür 400 Kuxe und Grillo 600 Kuxe. Diese Kuxe
wurden in den nächsten Jahren abgestoßen, und zwar zu einem
Preise von 1 875 000 Mark. Dadurch gewinnt die GesellschaA
wieder flüssige Mittel. Im Geschäftsbericht von 1871 heißt es
über diese Transaktion: »Durch Veräußerung der Schächte Neu-
köln und Christian Levin mit dem zugehörigen Felderbesitz ist Ihr
Verein demnach in die glückliche Lage gekommen, nach Ab-
stofiung aller Schulden die Vertiefung der Schächte Anna und
Karl, sowie auch die Exploitation des aufierordentlich wertvollen
Reservefeldes (gemeint ist das Feld der Emscherschächte) ohne
Kapitalvermehrung in Angriff nehmen zu können.' Infolge dieser
Mafinahme stand das Werk in der auf den Aufschwung am An-
fang der 70er Jahre folgenden Depressionsperiode schuldenfrei da.
Wichtiger aber als diese Methode, durch Eigentumsverkflufe
die flüssigen Mittel zu erhöhen, erscheint mir der zweite Weg,
der die Finanzpolitik des Kölner Bergwerksvereins charakterisiert
Er besteht in der Anhäufung grofier Reservefonds und der
Bestreitung der Ausgaben für neue Produktionsmittel
und der Verbesserung der alten aus den Betriebsüber-
schüssen. Diese Finanzpolitik allein gab die Möglichkeit, das
Aktienkapital dauernd niedrig zu halten. Es lassen sich über die
3. Kölner Bergwerksverein. 213
DnrchfQhrung dieses Prinzips in der Praxis zahlreiche Einzel-
heiten anfuhren. Ich will mich auf zwei beschränken. In dem
Geschäftsbericht von 1884 heißt es: ,Die erforderlichen Ausgaben
fär den Betrieb und die gewöhnliche Unterhaltung der Gebäude
wurde aus den laufenden Erträgen und für Hauptreparaturen an
Gel>auden, Maschinen und Entschädigungen wegen Boden-
senkungen ... wie üblich aus den Abschreibe- und Emeuerungs-
fonds bestritten.'' In der Bilanz vom 31. Dezember 1903 werden
aufgeführt auf:
Amortisationskonto 4658862 Mark
Reservefonds 1470000 ,
Speziaireservefonds 606464 ,
Reservefonds für Unglücksfälle . . 21789 ,
Summe 6757115 Mark
Die Reserven ragen also Aber das Nominalkapital hinaus.
Es braucht nicht betont zu werden, dafi diese Finanzpolitik
nur von wenigen Gesellschaften betrieben wird, daß sie freilich
auf Kosten der gegenwärtigen Aktionäre geht, aber daß sie der
Zukunft in hohem Maße Rechnung trägt; darin aber liegt ihre
nachabmungswerte Bedeutung fär die Gegenwart
In zweiter Linie wollen wir einen Blick auf die Produktions-
verhältnisse des Unternehmens werfen. Aus dem früher äl>er
die Schachtanlagen Gesagten ergibt sich, daß Schacht Anna in
den 40er, Schacht Karl in den 50er und Emscher I in den 70er
Jahren gebaut wurde. Nur Emscher n und ni sind neueren
Datums.
Man sollte nun meinen, daß das Alter des Schachtes Einfluß
hat auf die Art der gewonnenen Kohle. Das trifft hier jedoch
nidit zu: Die höher liegenden Flöze bauen die Emscherschächte,
deren Feld wiederum durch eine große Verwerfung durchschnitten
wird, 80 daß im Westfelde Fettkohlen, im Ostfelde zunächst auf
den ol>eren Sohlen Flammkohlen vorkommen, während Anna und
Karl nur Fettkohlen aufweisen.
Die beiden letztgenannten Schächte bauen auf dem Ley-
bänker Sattel, der noch zwei Spezialmulden in sich begreift, die auf
Anna mit scharfen Knickungen und steiler Lagerung verbunden
sind, während sie sich im östlichen Felde von Karl verflachen.
Von den vorhandenen 20 Flözen sind etwa 18 abbauwürdig. Aber
diese Flöze sind häufig gestört Verwerfungen unterbrechen die
Kohlenablagerungen, und vielfach ist das Flöz wie abgeschnitten.
214
3. Kolner Bergwerksverein.
Die Fortsetzung bildet dann Schiefer und Sandstein. »Scfaadit
Anna/ heifit es in dem Geschäftsbericht von 1892, »baut fort-
während unter sehr ungünstigen Verhaltnissen, die schon im Be-
triebsjahre einen Gewinn nicht mehr brachten, sondern einen Zu-
schuß von 44326 Mark erforderten.' Bei der in dem letzten
Jahrzehnt durchgeführten verstärkten Förderung bringt auch Amia
seitdem Ausbeute.
Wahrend die beiden genannten Schächte heute die Fett-
kohlenhorizonte ausbeuten, bauen die Emscherschächte auf einer
ganz flachen Partie der Gaskohlen und Gasflammkohlen. Die
Flöze lagern hier bedeutend günstiger. Sie sind nur schwadi mit
14— 15<> geneigt
Die älteren Schächte litten femer vor allem an dem Mangel
derjenigen Einrichtungen, die durch den Fortschritt der Bergbau-
technik geschaffen wurden. Als Beispiel möge der Schacht Anna
dienen. Derselbe war seinerzeit nach englischem Vorbild mit
allen technischen Neuerungen ausgestattet So wird z. B. in dem
Geschäftsbericht von 1854 hingewiesen, dafi seit dem Juni 1853
die Schachtförderung mittelst eines zweietagigen FOrderkorbes mit
zwei übereinanderstehenden Achtscheffelwagen nach englischem
Systeme eingeführt und dafi in den Querschlägen eiserne Schienen
eingebaut seien. Zur Bedienung der unteren Etage war eine
Diagonale mit IV2 Fufi Gefälle hergestellt Diese Neuerang
wurde von der Bergbehörde als zweckmäfiig und nachahmungs-
wert bezeichnet Sie mufi also noch wenig in Anwendung ge-
wesen sein. Vorher hatte die Schachtförderung ohne FördergesteU
stattgefunden, indem die damals sechs Scheffel fassenden Förder-
wagen einfach an vier Ketten direkt an das Förderseil ange-
schlossen und auf der Hängebank auf die Falltüren aufgesetzt
wurden. Heute hat Schacht Anna nach dem Umbau 2 Förder-
trümmer mit Förderkörben von 4 Etagen zu 2 Wagen.
Die Produktion selbst nun betrug von 1854 — 1903:
1854 . .
84995t
1863 .
. 174511t
1872 .
. 261222t
1855 .
128383.
1864 .
. 204205.
1873 .
. 297551.
1856 .
98535.
1865 .
. 226264.
1874 .
. 273204.
1857 .
, 107329.
1866 .
. 223971.
1875 .
. 293086.
1858 .
. 129337.
1867 .
. 251975.
1876 .
. 272867.
1859 .
. 94703.
1868 .
. 275760.
1877 .
. 277030.
1860 .
. 82335.
1869 .
. 269167.
1878 .
. 339404.
1861 .
. 122693.
1870 .
. 255611.
1879 .
. 340868.
1862 .
. 196547.
1871 .
. 286134.
1880 .
. 368912.
3. Kolner Bergwerksverein.
215
1881 . . 373360t
1889 .
. 439171t
1897 . . 696222t
1882 . . 384300,
1890 .
. 452606.
1898 . . 739478.
1883 . . 435954.
1891 .
. 478978,
1899 . . 827943.
1884 . . 443313.
1892 .
. 457073,
1900 . . 869044,
1885 . . 415566.
1893 .
. 503845,
1901 . . 806487,
1886 . . 373196.
1894 .
. 492522,
1902 . . 740769.
1887 . . 398192.
1895 .
. 553429,
1903 . . 772740.
1888 . . 445224.
1896 .
. 640642,
Den Rekord erreicht die
Förderung
des Jalires 1900 mit
869044 t Auf 1 t Förderung
kamen:
1873 15 Mark AktienkapMal
1895 9 Mark Aktienkapital
1880 14 .
•
1900 6
• •
1885 13 .
»
1903 7
• •
1890 11 .
•
Es wird also heute mehr als die Hälfte weniger Aktien-
kapital auf die Tonne Förderung aufgewandt als vor
30 Jahren.
Die Selbstkosten der Tonne Kohlen haben sehr geschwankt
Sie betrugen in den 80er Jahren etwa 4 Mark, um dann nach
dem großen Streik und in der Hochkonjunkturperiode auf 5 bis
6 Mark pro Tonne zu steigen. Das Nähere ergibt sich aus fol-
gender Zusammenstellung:
Selbstkosten pro 10 t in Mark:
Jahr
Anu
Kart
EmKhw
Im Dnrclttchiiltt
1885
47.49
36.90
36.21
40.18
1886
48,83
37.62
35.47
40.70
1887
50.46
36.39
33.37
40.07
1888
51.28
37.16
32.59
40.26
1889
60.55
43.95
37.87
47.06
1890
75.50
52.23
45.01
56.79
1891
76.27
49.82
49.04
56,86
1892
7833
51.60
50.11
58.25
1893
63.31
52.84
49.74
54.87
1894
58.06
55.76
50.89
55,06
1895
58.99
55.07
44,15
52.41
1896
57,92
52.48
41,07
49.44
1897
61.69
53.29
42.73
51.36
1898
63.64
57.09
44.41
53.85
1899
63.69
59.62
48.26
56.57
1900
73.08
67.98
57.12
65.40
1901
76.55
70.12
61.44
68,57
1902
73.44
65.36
56.73
64.40
1903
66^1
67.62
52.75
6134
216
3. Kolner Bergwerksverein.
Auf dem ältesten Schachte Anna sind, wie sich hieraus ergibt,
die Selbstkosten am höchsten. Am geringsten sind sie auf den
neuen Emscherschachten. Dieses Verhältnis wird hauptsächlidi
bedingt durch die Arbeitsleistung pro Mann und Schicht
Dieselbe ist auf Anna am geringsten, auf den Emschersdiäcfaten
am höchsten, wie aus folgender Tal>elle hervorgeht:
Arbeitsleistung pro Mann und Schicht in Tonnen auf:
Jahr
Amu
Karl
Emtcher
1885
1,098
1.420
1.493
1,309
1886
1,064
1.422
1.584
1.312
1887
0.991
1.417
1.665
1,290
1888
1,015
1,463
1,748
1.338
1889
0,966
1,321
1,601
1.247
1890
0,899
1.257
1,512
1,177
1891
0,889
1.324
1,382
1.178
1892
0,867
1.295
1.365
1,158
1893
1.052
1.224
1.287
1.184
1894
1.090
1.171
1.346
1.189
1895
1,034
1,160
1,411
1,192
1896
1,081
1.210
1,605
1.293
1897
1,067
1.244
1.600
1,299
1898
1,015
1.173
1,565
1.242
1899
1,074
1,158
1.497
1,234
1900
0,974
1.110
1.381
1,148
1901
0,934
1,069
1,306
1,101
1902
1,049
1.166
1.346
1.187
1903
1,093
1,117
1.415
1.202
Hieraus ergibt sich, daß in den 80er Jahren der Effekt pro
Mann und Schicht ca. 1,3 t beträgt, um dann, von einer Welle in
der Hochkonjunktur (1895 — 1899 : 1,25 t) abgesehen^ auf etwas
aber 1,15 t zu verharren. Diese Bewegung hängt zusammen mit
den schwierigen Abbauverhältnissen. Immerhin ist der Durch-
schnitt durchaus als günstig zu bezeichnen.
Um an Anlagekapital zu sparen, besteht die doppelte
Pörderschicht Unter Tage findet eine einschichtige Belegung
statt, indem ein Teil der Grubenreviere nur vormittags, ein anderer
nur nachmittags belegt ist In den 70 er Jahren freilich wurde
diese Methode nicht angewandt Der Geschäftsbericht des Jahres
1875 bemerkt, daß auf den beiden Schächten Anna und Kart die
Förderung in einer Schicht konzentriert sei, «was eine nicht un-
erhebliche Vermehrung des Förderwagenparkes bedingte, aber
3. Kolner BergwericsvereiiL 217
erhebliche ökonomische Vorteile haf Es wird nämlich eine
Menge Arbeiter über Tage gespart und die Ausnutzung derselben
ist eine vollkommenere. Auch im folgenden Jahre wurden auf
allen drei Schachten lediglich in einer täglichen Schicht von acht
Standen gearbeitet. Später ist man dann zur doppelten FOrder-
schicbt fil>ergegangen. Die Ursache hierfür lag in der Unmög-
lichkeit, in einer Schicht eine gewisse Förderung zu überschreiten,
deren Erreichung erforderlich war. Einen Anreiz mag vielleicht — ob-
gleich mir das von dem Herrn Generaldirektor bestritten wurde —
auch die damit verbundene Ersparung an Anlagekapital gegeben
haben. Pieper berechnet dieselbe im allgemeinen für eine 1000 t
Grube auf V2 Million Mark. Er bemerkt dazu folgendes:* »Aus
der Verdoppelung sämtlicher Kohlengewinnungs- und Aus- und
Vorrichtungsbetriebe ergibt sich bei der einfachen Förderschicht
die Notwendigkeit, das Betriebsmaterial nahezu in demselben
Mafie zu vermehren. Unter demselben sind sämtliche Betriebs-
mittel zu verstehen, die in der Grube zur Förderung, Sonder-
bewetterung, Berieselung usw. gebraucht werden. Am meisten
fallen die Förderwagen ins Gewicht, welche dem Schichtsystem
gemäfi für eine 1000 t Grube beschdft, bei doppelter Schicht mit
ca. 600 und bei einfacher Schicht mit ca. 1000 Stück zu ver-
anschlagen sind. Hierdurch allein wird, wenn man den Preis des
Förderwagens zu 100 Mark ansetzt, die einschichtig fördernde
Grube um ca. 40000 Mark mehr belastet ... Die einfache Förder-
scbicht wird femer überall da, wo sie größere, durch Dampfkraft
betriebene Anlagen erfordert, auch dementsprechend stärkere Ma-
schinenkräfte nötig machen. . . . Dassell>e trifft femer auf die Be-
triebsmaschinen der Wäsche und Separation zu, in weiterer Hin-
sidit müssen die Krafterzeugungsmaschinen — Drackluft und
elektrische Maschinen — infolge des nahezu auf die Hälfte der
Zeit konzentrierten Verbrauchs der ül>ertragenen Kraft bei der
einfachen Schicht entsprechend stärker sein."
Fragen wir uns nun zum Schluß, wie die ganze im vor-
hergehenden geschilderte Politik des Unternehmens auf sein
letztes Ziel, das Gewinnergebnis, gewirkt hat, so zeigt sich
folgendes:
* Pieper: Vorteile und Nachteile der doppelten Forderschicht auf Stein-
kohlengraben auf Grund der auf den grOBeren Gruben des Oberbergamttbezirka
Dortmund gemachten Erfahrungen in Bd. 48 der Zdttchr. f. Berg-, Hütten- n.
Salinenwesen p. 55 u. 57.
218 3. Kolner Bergwerksverein.
Es betrag
[ die zur
Verteilung gelangte
Dividende
1850
_0/o
1868
20/0
1886
40/0
1851
—0/0
' 1869
-0/0
1887
40/0
1852
-0/0
1870
50/0
1888
60/0
1853
20/0
1871
10V«o/o
1889
70/0
1854
6V10/0
1872
150/0
1890
200/0
1855
10»/60/0
1873
250/0
1891
200/0
1856
50/0
1874
120/0
1892
100/0
1857
—0/0
1875
50/0
1893
50/0
1858
—0/0
1876
—0/0
1894
60/0
1859
-0/0
1877
—0/0
1895
90/0
1860
-0/0
1878
20/0
1896
120/0
1861
—0/0
1879
30/0
1897
160/0
1862
—0/0
1880
40/0
1898
200/0
1863
-0/0
1881
50/0
1899
300/0
1864
—0/0
1882
5i/»o/o
1900
33V|0/o
1865
—0/0
1883
70/0
1901
300/0
1866
30/0
1884
50/0
1902
250/0
1867
3«/o
1885
50/0
1903
27 »/«o/o
Vergleichen wir den zur Verteilung gelangten Gewinn des
Kölner Bergwerksvereins mit dem eines grofien fusionierten
Unternehmens, das im Laufe der letzten Jahrzehnte als Produkt
der Verschmelzung von nicht weniger als neun Zechen entstanden
ist, der Gelsenkurchner Bergwerks-Aktiengesellschaft, so zeigt sich,
dafi im Durchschnitt der Jahre 1873—1903 an Dividende ge-
zahlt wurde
vom Kolner Bergwerksverein . . . ll,72<'/o
von der Qelsenkirchner Gesellschaft 8»S40/o*
Die Aktionare des nicht vergrößerten Unternehmens haben
also einen relativ höheren Ertrag erhalten als die des auSerordent-
lieh an Zechen und Betriebskapital gewachsenen. Wir können
aber noch tiefer in diese Tatsache durch Zeriegung der beiden
Zahlen eindringen, wenn wir dabei die Konjunktur berficksichtigen.
Die 31jährige Periode von 1873 — 1903 begreift in sich
15 Krisenjahre und 16 Jahre des Aufschwungs. Zu den ersteren
gehören die Jahre 1874—1878, 1883—1887, 1892—1894, 1901 bis
1902. In diesem Zeitraum betrug die Durchschnittsdividende
des Kölner Bergwerksvereins SVo
bei Qelsenkirchen .... 7,90/o
Beide Unternehmungen schütten also in den schlediten Ge-
schäftszeiten ungefähr die gleichen Dividenden aus. Das Ober-
• Anch bd Dahlbusch war die Durchschnittsdividende 1873—1903 mit
9,40/0 hoher als bei Qelsenkirchen.
3. Kolner Begwerksverdn. 219
gewicht des nicht durch Expansion vergrößerten Betriebes kommt
erst in den guten Geschäftszeiten zur Geltung. Als solche können
wir ansehen die Jahre 1873, 1879—1882, 1888—1891, 1895 bis
1900 und 1903. Dazu ist zu bemerken, dafi die Anfangs- oder
Endjahre vielfach einen nicht gleichartigen Charakter aufweisen,
dafi z. B. in der ersten Hälfte der Absatz schlecht, in der zweiten
aber gut war und vice versa.
In diesen Jahren der guten Konjunktur betrug die Durch-
scfanittsdividende
beim Kölner Bergwerksverein 15<^/o
bei Oelsenkirchen .... 9,6o/o
Hieraus ergibt sich, dafi der Kölner Bergwerksverein
im ganzen zu gfinstigeren Ergebnissen kommt, und zwar
infolge des verstärkten Einflusses guter Geschäftszeiten.
Es zeigt sich femer, dafi die Spannung in den Dividenden
in guten und schlechten Zeiten im Durchschnitt beträgt
beim Kölner Bergwerksverein 8— 15^<Vo
bei Oelsenkirchen .... 7,9— 9,6^/0
d h. das nicht durch Fusionen erweiterte Unternehmen unterliegt
stärkeren Schwankungen im Reinertrage, seine Aktien sind
daher in höherem Mafie Gegenstand der Börsenspekulation, die
aus den grofien Differenzen der doch in erster Linie durch den
Ertrag bestimmten Kurse Gewinne zu ziehen sucht
Wir kommen danach zu dem Resultat, dafi die nicht auf
Zusammenlegung und Vergröfierung gerichtete Politik
des Kölner Bergwerksvereins bisher privatwirtschaft-
lich zu gfinstigeren Ergebnissen gelangt ist, als die von
Gelsenkirchen inaugurierte Politik der Verschmelzung.
Volkswirtschaftlich freilich dflrften bei der letzteren jedoch noch
aridere Gesichtspunkte in den Vordergrund treten, die ich bei Be-
handlung der Gelsenkirchner Gesellschaft angedeutet habe.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
Wo sich heute die mit Gelsenkirchen zu einer kommunalen
Einheit verbundene Stadt Schalke erhebt mit dem düsteren Re-
lief ihrer qualmenden Fabrikschomsteine und Kamine, wo das
Dröhnen und Lärmen der Eisen- und Walzwerke, das Pfeifen der
Lokomotiven nicht nur das hastig pulsierende Leben eines hoch-
entwickelten Gewerbefleifies offenbaren, sondern auch die indu-
strielle Weltverwüstung auf einem schönen Stück deutscher Erde,
da herrschte um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch lautlose
Stille. Grüne Wälder und Fluren dehnten sich meilenweit aus.
Nur hier und da verriet eine Ansiedelung Spuren von Menschen.
Die spärliche Bevölkerung war noch nicht durch Zuzug zur Masse
vermehrt und durch den Industrialismus proletarisierL Ungekannt
schliefen hier noch die »schmierigen Residuen prachtvoller Erd-
epochen* im Innern der Erde; denn in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts konzentrierte sich, wie früher bemerkt, der Kohlen-
bergbau in Westfalen fast ausschließlich auf das Ruhrbecken, um
am Ende dieser Periode langsam ins Gebiet der Emscher vor-
zudringen. Aber im höheren Norden, in Horst, Schalke, Reckling-
hausen blieb es still. Die Einsamkeit dieser Gegenden sollte erst
gestört werden, als in den 50er Jahren die ersten Bohrresultate
das mobile Kapital aus seinen Schlupfwinkeln hervorlockten und
das Signal zur Anlage grofier Tiefbaue in jener Gegend gaben.
In diese Zeit fällt die Entstehung der Zeche Konsolidation.
Die ältesten Urkunden aus der Geschichte dieses Unternehmens
stammen aus dem Jahre 1855. Sie betreffen Verleihungen von
Grubenfeldem unter dem von Schalke eingenommenen Teil Gelsen-
kirchens. Die Erwerbungen erfolgten einzeln. Am 12. Dezember
1862 wurden sieben aneinandergrenzende Felder zu einem
Ganzen zusammengelegt, d. h. konsolidiert Die Konzession um-
fafite 7226291 qm Geviertfelder. Die Genehmigung der Regie-
rung zum Aufschluß dieses Grubenbesifzes erfolgte am 11. August
1863. Das Steinkohlenbergwerk Konsolidation war gegründet
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 221
Unter den Gründern befand sich Friedrich Grillo. Ihm ver-
dankt Schalke seine heutige Blüte. Außer ihm waren noch be-
teiligt einige Essener Industrielle, nämlich Ernst Honigmann,
Wilhelm Schürenberg und Gustav Adolph Waldthausen. Die
Eigentümer der Zeche bildeten eine Gewerkschaft. Die ein-
geforderte und eingezahlte Zubufie war relativ klein; sie betrug
nur 960000 Mark. Mit diesen geringen Geldmitteln wurde die
Entwicklung der später zu beschreibenden Anlagen in Angriff ge-
nommen.
Das Bergwerk war in 128 Kuxe geteilt Diese stellten nichts
anderes als ideelle Miteigentümeranteile dar. Diese Kuxe der
Konsolidation waren gemäfi der älteren auf dem preußischen
Landrecbt fußenden Auffassung immobiler Natur. Rein öko-
nomisch betrachtet ist freilich der Kux weder eine mobile noch
immobile Sache, sondern ein Recht Aber der Gesetzgeber dachte
den Kuxen des alten Rechts die Immobiliarqualität an, und dies
gesdiah offenbar nur, ,um auf die Kuxe die Verkehrsformen der
Immobilien, die notarielle Form der Veräußerung, die Eintragung
in das Hypothekenbuch und die hypothekarische Pfandbestellung
anzuwenden."* Infolgedessen war die Gewerkschaft in der Aus-
nützung ihres Realkredits sehr beengt Denn das Bergwerk
konnte nur durch Verpfändung der sämtlichen Kuxe zur Hypothek
gestellt werden. Jeder einzelne Kux war, wie schon erwähnt, als
unbewegliche Sache hypothekarisch belastbar. Dieser Zustand
wurde durch das allgemeine Berggesetz vom Jahre 1865 l>e-
seitigt Die Kuxe werden mobilisiert, d. h. sie und die über
sie erteilten Urkunden werden bewegliche Sachen. Sie bestimmen
den Umfang der Beteiligung des einzelnen an der Gewerkschaft
Das Bergwerk gehört nicht mehr anteilig den Gewerken, sondern
ungeteilt der Gewerkschaft Damit schwindet der Formalismus
der hypothekarischen Eintragung. Der durch den Kux gebildete
Bergwerksanteil wird also als ein für sich bestehendes bewegliches
Recht erklärt, welches kein Miteigentumsrecfat am Bergwerk be-
gründet und im Grundbuch nicht eingetragen wird Damit wird
das Bergwerkseigentum kreditfähig.
Diese Umwandlung der ursprünglich immobilen in mobile
Kuxe, d. h. der Gewerkschaft alten, in eine solche neuen Rechtes
wurde erst in der Gewerkenversammlung der Konsolidation vom
• Zeitschrift f. httg-, Hütten- nnd Salinenwesen Bd. DC p. 315 ff.
222 ^- Bergwerks-AkttengeseUschaft Konsolidation.
20. Mai 1886 beschlossen. Bis dahin war die Gewerkschaft eine
128 teilige gewesen; von da ab wird sie eine lOOOteilige. Mit
dem steigenden Wert des Beigwerks war diese weitergehende
Teilung notwendig geworden.
Die Form der Gewerkschaft aber sollte nicht ftir alle Zeftea
beibehalten werden. Am 1. Juli 1889 wird die Gewerkschaft in
eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 16 Millionen
Mark transformiert In ihre Hände geht das ganze Aktiv- und
Passiwermögen der Gewerkschaft Konsolidation über. Die Ak-
tionare erhielten ffir 1000 Kuxe 16000 Aktien ä 1000 Mark. Die
Aktien wurden zum Subskriptionspreis von 165% an den Markt
gebracht Die Gründe für diese Umwandlung liegen in letzter
Linie in den Bedürfnissen der Börse. Am 16. April 1888 war
Grillo gestorben. Damft kamen gröfiere Beträge von Montan-
werten an den Markt, die aber wegen ihrer Höhe oft nur schwer
gehandelt wurden. Kostete doch ein Kux der Gewerkschaft Kon-
solidation 1888 an der Essener Börse 22000 Mark. Dieser hohe
Preis hinderte die Beweglichkeit und infolgedessen den Umsatz.
Die Interessen des mobilen Kapitals aber gingen von jeher darauf
hinaus, die Werte leicht und frei fibertragbar zu machen. Kuxe
sind aber stets schwerer verkäuflich als Aktien« Aus diesem
Grunde erfolgte die Umwandlung der Gewerkschaft in eine Aktien-
gesellschaft
Nach diesen Bemerkungen über die Gründung und Kon-
struktion der Gesellschaft behandeln wir zunächst ihre natür-
lichen Grundlagen, denn auf diesen baut sich ihre wirtschaft-
liche Tatigkett auf. Das Grubenfeld der Zeche »Konsolidation'
markscheidet mit folgenden Nachbarn: Im Norden mft Graf Bis-
marck, im Osten mit Unser Fritz und Pluto, im Süden mft
Alma, Hibemia und Dahlbusch, im Westen mU Zollverein nnd
Wilhelmine Viktoria. Es umfaßte, wie schon erwähnt, ursprüng-
lich 7,2 Millionen qm. Nur einmal in seiner ganzen Gesdiicfate
hat es durch Zukauf eines Trennstückes von der letztgenannten
Zeche eine Erweiterung erfahren. Es war für die ursprüngliche
Besitzerin schlecht zu bebauen und wurde daher abgetrennt
Ober die Motive dieser Erwerbung heifit es im Geschäftsbericht
des Jahres 1881: »Bei den Kohlenmassen, welche die heutige
grofie Produktion unserer Schächte absorbiert, müssen wir aucdi
auf die Zukunft Bedacht nehmen und dürfen uns keine Gelegen-
heit entgehen lassen, wo es möglich, Ersatz zu schaffen. Eine
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 223
solche Gelegenheit bot sich uns kfirzlich dadurch, dafi wir ver-
nahmen, die Zeche Wilhelmine Viktoria sei gesonnen, ein Stuck
ihres südlichen Grubenfeldes in der GrOfie von 662870 qm, d. h.
Vs eines alten Grubenfeldes zu veräufiem. Da die Flözverhält-
nisse in diesem Feldstücke, wie wir durch unsere eigenen Auf-
schlüsse an der Markscheide festgestellt, vorzüglich sind, und
infolge unserer Vorrichtung nach der betreffenden Gegend hin
eine Ausbeutung derselben als eine' besonders vorteilhafte er-
sdidnen lassen, so haben wir geglaubt, keinen Anstand nehmen
ztt dürfen, den Ankauf, welcher, wie uns bekannt, sonst von einer
anderen markscheidenden Zeche beabsichtigt wurde, zustande zu
bringen, um zu verhindern, dafi uns dieselbe zuvorkomme, und
uns das wertvolle Feldstück entginge. Der Abschluß ist daher
erfolgt, und zwar zu der Kauf summe von 320000 Mark." Damit
ste^ der Umfang des Grubenfeldes auf 7889121 qm, woran sich
bis heute nichts geändert hat Dieses Grubenfeld ist nun aber
im Vergleich zur Produktion und zur GrOfie der Grul>enfelder
anderer Zechen relativ klein. Die Zeche förderte 1903 1 488444 1
Kohle. Etwa die gleiche Produktion von IV2 Millionen Tonnen
haben auch Zollverein und die Arenbergsche Aktiengesellschaft
für Bergbau und Hüttenbetrieb. Hingegen beträgt die Berecht-
same bei der erstgenannten Zeche 13793500 qm und bei der
letztgenannten 16294437 qm. Bei den in diesem Bande behan-
delten Gruben stellt sich
Die Produktion die Berecht-
an Kolile auf same auf
Kölner Bergwerksverein 772740 1 10300974 qm
KCnigsbora 863355. 33600193 .
Dahlbusch 1034214. 4000000 .
Aus diesem Vergleich ergibt sich ohne weiteres, daß das
Grubenfeld der Konsolidation relativ klein ist und nur auf Dahl-
bttsdi das Mißverhältnis zwischen Produktion und Berechtsame sich
noch drastischer gestaltet Ob sich daran au! der Zeche Konsolida-
tion bei den heute bestehenden Grubenmonopolen etwas andern
wird, ersdieint zweifelhaft. Immerhin hat die Verwaltung in den
letzten Jahren aus den Gewinnen einen »Verfügungsfonds zum
Ankauf von Grubenfeldem" gebildet Er betragt in der Bilanz
vom 31. Dezember 1904: 2237837 Mark. Hierfiber heißt es üi
dem Bericht des Aufsichtsrats vom 30. März 1901 : .Wir halten
es ffir durchaus zweckdienlich, der Frage wegen Vergrößerung
224 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
unseres Gnibenbesitzes durch den Ankauf von Grubenfeldern jetzt
näher zu treten, um die Lebensdauer und auch die Lebenskraft
unserer Gesellschaft zu stärken, ehe es dazu zu spät ist, da in
absehbarer Zeit geeignete Grubenfelder nicht mehr zu
haben sein werden, um so mehr als die führenden Gesell-
schatten der westfälischen Kohlenindustrie nach dieser Richtung
hin bereits für ihre Zukunft Sorge getragen haben.* Hierzu ist
zu bemerken, daß der Zeitpunkt für den Ankauf bereits verpafit
sein dürfte. Es kann sich nur um bereits verliehene Fdder
handeln. Diese aber werden, wenn überhaupt, nur zu enormen
Preisen abgegeben, wie wir bereits bei den Erwerbungen der
Hibernia gesehen haben. Daß aber auf dem W^e der Mutung
nichts zu erlangen ist, beruht darauf, daß bereits das ganze Ge-
lände in weniger als 1000 m Tiefe* gemutet oder al>gebohrt, d. h.
also bereits in festen Händen ist
Die Kohlenflöze der Konsolidation gehören der Horster Mulde
an, welche sich unter den Ortschaften Horst, Buer und Schalke
hinzieht Innerhalb des Grubenfeldes fand man in den 60er
Jahren das Steinkohlengebirge über 2000 m mächtig. Es besteht
aus drei Etagen. In der obersten liegen Gas- und Flammkohlen
in der zweiten Fett- und in der dritten Magerkohlen.
Durch das Grubenfeld setzt sich in ca. 3000 m streichender
Länge der Leybänker Sattel, der die Scheide zwischen der Stoppen-
berger und der Horster Mulde bildet.** Die querschlägige Feldes-
erstreckung beträgt etwa 2,3 km. Im Sattelrücken tritt eine Falten-
Verwerfung auf, durch welche die entsprechenden Sattelflfigd um
ca. 270 m winkelrecht übereinandergeschoben werden. Auf dem
Sattelnordflügel falten sich die Gebirgsschichten südlich der
Schächte, welche im Streichen angeordnet sind, zu einer Spezial-
mulde und einem Spezialsattel. Das Einfallen der Schichten, das
für die Kosten der Schachtanlage und den Arbeitsprozeß von Be-
deutung ist, beträgt auf dem Sattelnordflügel in oberen Teufen
ca. 45^ und verflacht sich nach der Horster Mulde zu auf ca. 35^.
Auf dem Sattelsüdflügel fallen die Schichten in höherem Niveau
um ca. 53^ ein und nach der Stoppenberger Mulde zu, in der
Dahlbusch baut, ebenfalls sich verflachend mit ca. 45^. Die
* Heymann, Die gemischten Werke im Qrofieisenge werbe, Stuttgart nnd
Berlin 1904, p. 119.
** Siehe für das Folgende: Notizen für die Besucher des VUl. allgemetoen
deutschen Bergmannstages zu Dortmund 1901. Essen 1901.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 225
zwischen den beiden Sattelflügeln eingelagerte Spezialmulde zeigt
in dem regelmäfiigen tieferen Niveau auf beiden Flügeln ein Ein-
fallen von ca. 60^. Das bestehende günstige Verhältnis der ab-
baufähigen Kohlenmächtigkeit zur Gebirgsmasse wird bedingt
durch die innerhalb der Fettkohlenpartie auftretende Spezial-
faltung. »Vor allem aber*» sagt Achepohl* ,ist es die unver-
gleichliche Regelmäßigkeit der zahlreichen und mächtigen Flöze,
die fast gradlinig und ohne Unterbrechung die eine halbe Weg-
stunde lange Berechtsame von SW nach NO durchstreifen, wo-
durch die Grube in Verbindung mit dem weiteren Zufalle, dafi
fast die ganze produktive Kohlenformation im Felde liegt, zu
einer der wertvollsten in Rheinland- Westfalen wird.**
Diese von der Natur gegebene günstige Grundlage bildet
nun das Operationsgebiet, auf dem Kapital und Arbeit die Aus-
beutung der Erde begannen.
Die Inangriffnahme der Arbeiten zur Erschließung des
Grubenfeldes erfolgte im September 1863. Zuerst wurde der
Schachtpunkt festgestellt und die Verhandlungen wegen Erwerb
der nötigen Grundstücke eingeleitet** Nach dem Erwerb derselben
ging man an das Ausroden des Waldes, der in einer Ausdehnung
von 2V9 — 3 ha den Besitz überdeckte.*** Die Stämme wurden zu
Grubenholz verarbeitet Dann wurde ein provisorischer Bau er-
richtet zur Aufnahme der Abteufungsmaschinen. Daran schlössen
sidi die notwendigen Werkstätten, die Schmiede, Schreinerei usw.
Femer wurde eine Kaue errichtet zur Aufnahme eines Haspels
und einer kleinen Pumpe. Im Oktober konnten die Abteufarbeiten
t)egiimeiL Aber bald stellten sich größere Wasserzuflüsse ein,
so dafi die kleinen Pumpen und die Haspelförderung, durch
Menschenkraft betrieben, nicht mehr genügten. Deshalb wurden
leistungsfähigere Betriebsmittel angeschafft, nämlich ein Dampf-
* Das niederrheinisch-westfälische Bergwerksindustriegebiet, ü. Aufl., Leip-
zig 1888, p. 47 und 48.
** Vgl. Tor aUem Geschäfts- und Betriebsbericht vom 31. Januar 1867 sowie
»Schalke und seine hauptsächlichsten' Industriezweige*, herausgegeben bei Qe-
l^enhdt der Düsseldorfer Kunst* und Qeweri)eaussteUung 1880.
*** Schulz-Briesen: 50 Jahre rückwärts. Erinnerungen eines alten Bergmanns.
Essen 1904, p. 18: .Man wanderte von dem kleinen Marktflecken Oelsenkirchen
aus auf einem Sandweg, der durch einen Jungen Tannenwald führte, und ge-
langte auf eine etwa einen Morgen große abgeholzte Lichtung. Dort erhob sich
das Schachtgerüst der Konsolidation. Auf Jenem Terrain erhebt sich heute der
Ort Schalke.-
Sttllich, NaÜooalSkooooiiscbc Fonchnogtii, Bd. U. 15
226 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
haspel und eine Wasserhaltungsmaschine. Mitte Januar 1865 war
die Montage dieser Maschine beendet, und mit dem Abteufen
konnte for^efahren werden. Diese Arbeit ging gut und rasch
vonstatten. Bei 146 m erreichte man das Kohlengebirge. Der
Schacht wurde bis an die Tagesoberfläche wasserdicht aus-
gemauert Sein lichter Durchmesser betrug 4,79 m. Dann wurde
weiter abgeteuft und Querscbläge auf der Wettersohle nach Norden
und Sfiden angesetzt Die Anlage der Tiefbausohle erfolgte bei
240 m. Der Schacht erhielt den Namen Gertrud. Schon im
Herbst 1865 konnte mit der Kohlenförderung begonnen werden.
Eine Verzögerung von zwei Monaten wurde noch dadurch herbei-
geführt, daß am 28. Oktober 1865 ein Kessel explodierte und die
Wasser während des zehntägigen Stillstandes der Wasserhaltungs-
maschine so hoch traten, dafi es große Mähe kostete, sie zu be-
seitigen.
1869 wird mit dem Bau des zweiten Schachtes, Wilhelm,
begonnen. Er rekapituliert gewissermaßen das Schicksal des
ersten. Es stellten sich bei weiterem Vordringen in die Tiefe
ebenfalls bedeutende Wasserzuflässe ein, die durch Menschen-
kraft nicht mehr bewältigt werden konnten. Das Abteufen mußte
gestundet werden, um die nötigen maschinellen Einrichtungen an-
zulegen. Eine 9" Saugpumpe wurde eingebaut Aber diese ge-
nügte nicht, so daß noch eine zweite Pumpe angeschafft werden
mußte. Da die Wasserzuflüsse bis 80 cbf (ca. 2V9 cbm) In der
Minute stiegen — deren Bewältigung bei dem damaligen Stande
der Technik Mühe machte — , wurde die Arbeit außerordentlich er-
schwert Der Schacht wurde in seinem oberen Teil mit eisernen
Tübbings versehen. 1871 kam er in Betrieb. Auch er war wie
der erste für eine größere Förderung von 700 t Kohle arbeitstäg-
lich vorgerichtet
Der dritte Schacht, Minna, kam 1874 in Betrieb. Auf diesem
Schacht besteht seit einer Reihe von Jahren eine von der West-
fälisdien Berggewerkschaftskasse unterhaltene Versuchsstrecke, zum
Untersuchen und Probieren von Sprengstoffen, Wetteria mpen usw.,
deren wissenschaftliche und praktische Ergebnisse von großer Be-
deutung für den ganzen Kohlenbergbau sind.
Alle drei Schächte wurden später unterirdisch miteinander
verbunden und bei 540 m eine gemeinsame vierte Hauptsohle
etabliert Dadurch wird es möglich, daß sich die drei Schächte
in den Funktionen der Förderung, der Wasserhaltung,
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 227
der Wetterführung und Fahrung gegenseitig ersetzen
können. Diese Tatsache ist ffir den ganzen Betrieb von großer
wirtschaftlicher Tragweite. Denn die Verbindung der drei
Schadite untereinander bedeutet eine Versicherung gegen die
Folgen von Betriebsstörungen.
Diese drei Schachte bleiben bis zum Jahre 1895 die einzigen,
aber welche die Gesellschaft verfügte. Der Grund, warum man nidit
früher noch mehr Schächte abteufte, liegt offenbar in den aufier-
ordentlidi günstigen Flözverhaltnissen, die man im südlichen Felde
antraf, und deren Einfluß auf die Entwicklung der Gröfie und
Macht des Unternehmens nicht zweifelhaft ist. Der Kohlen-
reicbtum auf machtigen, billig auszubeutenden Flözen
machte zunächst das rasche Niedergehen des Betriebes
in tiefere Sohlen sowie die damit verbundene Steige-
rung der Betriebsausgaben entbehrlich. Das ändert sich
dann um die Mitte der 90er Jahre. Im Juli 1893 wurde mit dem
Abteufen des vierten Schachtes, Fritz, begonnen. Bei 156 m
war das Steinkohlengebirge erreicht 1895 stand der Schacht in
Betrieb. Minna und Fritz werden zu einer Betriebsabteilung
vereint Auch wird eine unterirdische Kommunikation hergestellt
1898 wird dann noch ein weiterer Förderschacht VI
(Schacht V ist ein Wetterschacht) in 41 m Entfernung von Sdiacht I
in Angriff genommen. Als Gründe werden im Geschaftsberidit
angegeben: Die Anforderungen einer erhöhten Produktion, das
dringende Bedürfnis nach Ausdehnung der Bewetterung auf den
Grubenbauen der Schachte I und II und die Notwendigkeit, die
Förderung aus größeren Teufen zu t)etreiben. Dieser Schacht
kommt 1899 in Betrieb.
Aber die Bewetterung genügte in den folgenden Jahren noch
nicht, und aus diesem Grunde wurde 1902 ein neuer Wetter-
schacht niedergebracht Der Geschaftst)ericht des genannten
Jahres sagt hierüber folgendes: ,Um unserm Betrieb jederzeit
und auch für die Folge ein ausreichendes Quantum frischer Wetter
zuführen zu können und hiermit sowohl die Temperatur vor den
Art>eitspunkten möglichst zu erniedrigen, als auch die schädlichen
Gase zu verdünnen, haben wir es für erforderlich gehalten, mit
dem Abteufen eines neuen Schachtes zwecks Verstärkung der
Wetterführung zu beginnen.* Dieser neue Schacht, in der Nahe
des Schadites U gelegen, hat einen lichten Durchmesser von 6 m.
Er kam 1903 in Betrieb.
15»
228 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
In den Geschäftsberichten figurieren heute die sechs Schächte
in folgender Anordnung: lA^, IWII, III/IV — Schacht V liegt für
sich allein und kommt nur als Wetterschacht in Betracht Auf
sämtlichen Schachtanlagen besteht Koepeförderung. Diese durch
ihre Einfachheit bestechende Methode der Förderung hat in der
jüngsten Zeit grofie Ausbreitung gefunden. Sie besteht im wesent-
lichen darin, dafi das fiber eine Scheibe laufende Seil beim Be-
triebe an beiden Enden mit Körben belastet ist Der HauptvorteO
liegt in der Billigkeit Die Seilkosten sind bei keiner anderen
Fördermethode, ausgenommen bei der mit Spiralkörben, so niedrig
wie hier, »trotzdem zur Koepeförderung fast durchweg teuere ver-
zinkte Seile benutzt werden, und die Kosten des Untersefls im
Verhältnis zu den Kosten für das Oberseil höhere als bei den
gewöhnlichen Förderungen mit ober- und unterschlägigem Seil
sind*.* Das hängt vor allem damit zusammen, dafi das Seil nur
ungefähr halb so lang zu sein braucht wie Trommelseile. Die
Seilkosten bei Koepeförderung betragen auf Schacht I der Kon-
solidation pro Tonnenkilometer 0,73 Pf. Der Sicherheit und Zu-
verlässigkeit dieser Förderung werden allerdings in praxi Zweifel
entgegengebracht Das untere, besonders gefährdete Ende des
Seils wird nicht von Zeit zu Zeit abgehauen und erneuert; es
kann während seiner Auflagezeit nicht periodisch auf seine Trag-
fähigkeit geprüft werden. Die Bergbehörde hat daher die Auflage-
zeit der Koepeseile im Maximum auf zwei Jahre beschränkt
Weitere Übelstände bestehen darin, dafi beim Reißen des Seils
beide Körbe in die Tiefe stürzen. Schliefilich entsteht für größere
Teufen, in denen mit Unterseil gearbeitet wird, etwa bei 700 m bei
grofien Seillängen und Geschwindigkeiten ein derartiges Hin- und
Herschlagen des nicht belasteten Unterseils, dafi dadurch die
Schachtzimmerung gefährdet wird.** Die Einführung der Koepe-
förderung zeigt deutlich, dafi die ganze Förderung beherrscht wird
von dem Prinzip nach möglichster Verbilligung. Je tiefer die
Kohlen aus der Erde herausgeholt werden, desto mehr mufi den
wachsenden Produktionskosten durch billige Einrichtungen be-
gegnet werden — freilich darf dies nicht auf Kosten der Betriebs-
sicherheit gehen!
Von Interesse ist nun weiter, dafi auf Schacht Gertrud bis zum
* Die Entwicklung des niederrheinisch -westfälischen Steinkohlenbergtuius
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 1902 Bd. V p. 289.
•♦ a. a. O. p. 437.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 229
Jahre 1884 Bandseile aus Aloefaser verwendet wurden. Aber sie
waren verhältnismäßig teuer, und ihr hohes Gewicht vermehrte die
tote Last Die Kosten dieser Seile betrugen pro Tonnenkilometer
auf Schacht Gertrud 5,64 Pf. Mit der Tendenz der modernen
Groflbetriebe, das Organische immer mehr durch das An-
organische zu verdrängen, machten auch auf diesem
Schacht die Aloeseile den heute ausschliefilich angewen-
deten Stahldrahtseilen Platz.
Um den ganzen Mechanismus der Förderung in Bewegung
zu setzen, sind Dampfmaschinen notwendig. Sie dienen vor
allem zum Antrieb der Fördermaschinen. Die Fördermaschine auf
Schacht WI haben 450 bzw. 750 H.P. bei 6 Atmosphären Kessel-
spannung, die auf den anderen Schachtanlagen 700 H.P. Ebenfalls
durch Dampf angetrieben werden die Ventilatoren, Schacht I hat
zwei Systeme von je 7000 cbm Leistungsfähigkeit (Capell). Auf
Scfaachtanlage III/IV stehen zwei Rateauventilatoren von je 6000 cbm
Leistung, bei 120 mm Depression. Auf beiden Anlagen ist immer
ein Ventilator in Reserve.
Nun braudit man im Bergbau aber auch Kraftübertragungen.
Dazu eignet sich der Dampf aus naheliegenden Gründen wenig
oder gar nidit Die Dampf rohrleitungen, die in ausgedehnten
Orobenbetrieben sehr lang sein müssen, weisen bedeutende Wärme-
veriuste auf. Ihre Wärme bringt femer eine Temperatursteigerung
der unterirdischen Strecken und Räume mit sich, die der Gesund-
heit der Arbeiter nachteilig ist, auch ein schnelleres Verderben
der Grubenhölzer herbeiführt und den Zug der Grubenwetter
störend zu beeinflussen vermag.* Man verwendet daher auf
Konsolidation in ausgedehntem Mafie Preßluft Zur Erzeugung
dieser dienen auf I 3 Kompressoren. Der neueste aus der Fabrik
von Schfichtermann & Kremer hervorgegangene erzeugt stündlich
600 cbm Luft von 6 Atmosphären Spannung. Die zum größten
Teil in Rohrieitungen durch die Baue geführte Prefiluft dient vor
allem zum Betriebe kleinerer Maschinen, Lufthaspel, ma-
schinelle Streckenförderung, Gesteinsbohrer, kleine Ventilatoren zur
Sonderbewetterung, in letzter Zeit auch Schrämmaschinen. Hieraus
geht hervor, dafi die Prefiluft eine ausgedehnte Verwendung findet.
Die Gründe hierfür liegen teils auf technischem, teils auf gesund-
heitlichem, teils auf ökonomischem Gebiet Luft läfit sich überall-
* Siemens & Halske» Elektrische Kraftabertragung Im Bergbau, 1896, p. 6.
230 4- Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
hin leicht zuführen. Die Leitungen erhitzen sich nicht wie da,
wo man Dampfmaschinen verwendet Infolgedessen konservieren
sich Maschinen und Leitungen gut Die verbrauchte komprimierte
Luft dient der Ventilation am Arbeitspunkt Das ist von besoo-
derer Bedeutung bei entfernt liegenden Grubenorten. Die Abluft
wirkt bei der Expansion kühlend. Der Arbeiter aber weifi frische
Wetter vor Ort sehr zu schätzen. Seine Arbeitsleistung durfte
dadurch erhöht werden. Vor allem aber gestattet der Betrieb mit
komprimierter Luft auch eine leichte Verschiebung der Ar*
beitspunkte. Geringe Maschinenkräfte lassen sich auf verschie*
dene Stellen verteUen, und die Verlegung der Arbeitspunkte ist
mit gar keinen Schwierigkeiten verbunden. Das aber ist gerade
für den Bohr- und Schrämbetrieb von besonderer Wichtigkeit*
Trotzdem kommt die Prefiluft als Kraftübertragung, wie schon er-
wähnt, nur bei kleinen Maschinen in Betracht Bei großen, z. B.
Ventilatoren, wird sie zu teuer. Das hat darin seinen Grund, dafi
der Wirkungsgrad einer Prefiluftanlage ein sehr geringer ist Nach
Treptow** können in der Grube nur etwa 20% derjenigen Kraft
nutzbar gemacht werden, die über Tage zur Pressung der Luft
aufgewandt wird.
Die jüngste, mit der Preßluft konkurrierende Kraft ist die
Elektrizität Sie ermöglicht die billigste Kraftübertragung.
Der Wirkungsgrad ist sehr hoch. Im Durchschnitt wird man ihn
auch auf 75% veranschlagen können. Bei Übertragung größerer
Kräfte nach der vorerwähnten Schrift von Siemens & Halske auf
80% und darüber. Der Einbau der Leitungskabel ist einfadL
Die Leitungen lassen sich bequem veriegen. Sie sind leicht be-
weglich und biegsam. Freilich ist die elektrische Kraftübertragung
nicht überall vorteilhaft zu verwenden, wegen der notwendigen
vierfachen Umsetzung von Kohle in Dampf, Dampf in mechanische
Kraft, Kraft in Elektrizität, Elektrizität wieder in mechanisdie
Kraft Im günstigsten Falle kommen dabei 12 — 15% der in der
Kohle enthaltenen Energie in Form elektrischer Arbeit zur Ver-
wendung.*** Für gewöhnlich wird man jedoch nur 10 — 13% rech-
nen können. Seitdem nun der besonders zum Betriebe zerstreut
liegender Apparate geeignete Drehstrom, d. h. die Verkettung draer
* Zeitschr. l Berg-, Hütten- und Salinenwesen Bd. XVU 1869 p. 1 ff.
^ Treptow. Die Geschichte des Bergbaus im 19. Jahrhundert, Freiberg i. S.
1901, p. 3.
*** Dinglers Polytechnisches Journal 1900 p. 708.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 231
Wechselströme, einfachere Motoren gestattet, ist die Elektrizität in
ihrer Anwendung bequemer geworden.
Mit der elektrischen Kraftübertragung verbindet sich zugleich
die Möglichkeit der unterirdischen elektrischen Beleuchtung, bi
guterhaltenen Grubenräumen aber wird der Grubenarbeiter sich
sicherer bewegen können, andererseits freilich nimmt mit dem Vor-
handensein elektrischer Leitungen die Lebensbedrohung zu.* Die
Elektrizität findet gegenwärtig auf der Zeche Konsolidation weit-
gehende Verwendung. Die elektrische Kraft wird zum Betriebe
des Rateau Ventilators, der unterirdischen Seilbahnmaschine, der
Pörderhaspel sowie einer Pumpe von 100 m Druckhohe verwandt
Das sind alles Maschinen mit hohem Kraftbedarf.
Unter Zuhilfenahme dieser Kräfte und vor allen Dingen der
später noch eingehender zu behandelnden menschlichen Arbeits-
kraft wird nun das Grubenfeld nach den Regeln der Bergbau-
technik aufgeschlossen. Zu diesem Zweck wird es in einzelne
fibereinanderliegende Abschnitte geteilt, aus denen in planmäßiger
Reihenfolge die Kohlen aus mehreren Flözen in größerer Menge
aus derselben Teufe gewonnen werden können. Diese Abschnitte
nennt man Sohlen. Sie zeriegen das Kohlengebirge in einzelne
Etagen zum Zwecke der bequemeren Gewinnung. Auf der Zeche
Konsolidation erfolgte, wie bei den meisten Zechen, die Bildung
der Sohlen von oben nach unten, d. h. man begann mit den
oberen Sohlen und vertiefte den Schacht erst, um eine neue,
tiefere Sohle anzulegen, sobald der Abbau auf jener vorgeschritten
war. Bestimmend für dieses Vorgehen ist offenbar ein ökono-
misch-finanzielles Moment. Durch die Bildung der Sohlen
von oben nach unten erlangt die Zeche infolge der
Kohlengewinnung auf der ersten Sohle die Geldmittel
ffir fernere Abteufungsarbeiten und die Anlage neuer
Sohlen, ohne dafi das Unternehmen mit neuen Schulden
belastet werden mufi. So heiSt es z. B. in dem Geschäfts- und
Betriebsbericht der Zeche von 1873/74 in einem historischen Rfick-
blick: .Im Laufe der folgenden Jahre 1866/67 stieg die Kohlen-
förderung derart, dafi der Betrieb bereits Oberschfisse lieferte,
die aber zum Ausbau der Grube verwandt wurden." Der um-
• Siehe Erhard, Der elektrische Betrieb im Beigbau, HaUe a. S. 1902, p. 81.
Dieser Punkt ist in der Schrift von Siemens k Halske flbersehen. Es wird nur
gesagt, dafi die elektrische Beleuchtung .eine bedeutend gröfiere Sicherheit fOr
Menschenleben* mit sich bringe.
232 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
gekehrte Weg, der aus dem angegebenen Grunde selten ist, wurde
z. B. auf der Zeche Gläckauf-Tiefbau eingeschlagen. Hier wurde
der Schacht bis auf den tiefsten Punkt niedergebracht, und dann
erfolgte die Anlage der Sohlen von unten nach ot>en *
Die Schächte der Zeche Konsolidation gehen heute in ver-
haltnismaSig grofie Teufen nieder. Die 6. Sohle der Schacht-
anlagen I/VI und II/VII liegt 640 m unter der Hangebank. Die
7. Sohle der Anlage III/IV weist sogar eine Teufe von 740 m auL
Damit wachsen natürlich die Kosten der Tiefbauanlage nicht un*
bedeutend, durch ein anderes Moment aber werden sie wieder
vermindert Die neueren Sohlen nämlich sind in Abstanden von
ca. 100 m angesetzt Vergleicht man z. B. bei Schacht I die
Sohlenabstande untereinander, so zeigt sich, dafi sie im Laufe der
Zeit bedeutend größer geworden sind.
Auf Konsolidation betragt der Abstand:
der I. von der II. Sohle: 64,01 m der IV. von der V. Sohle: 106,48 m
. n. . .in. . 82,54 . . V. . . IV. . 105,37 .
.ffl. . . IV. . 100,15 .
In diesen Zahlen spiegelt sich ein Fortschritt in der Berg*
bautechnik wider. Die mit der Sohlenfassung verbundenen
höheren Anlagekosten werden reduziert durch den größeren Ab*
stand der Sohlen. Das früher übliche System der hastigen
Besitzergreifung der aufgeschlossenen Kohlenflöze er-
scheint dadurch temperiert Die Abteufung tieferer
Schachte verursacht zwar größere Kosten, sie werden
aber dadurch wieder eingeschränkt, dafi die Sohlen*
abstände wachsen, d. h. weniger Sohlen auf eine be-
stimmte Tiefe angelegt werden.
Von besonderer Wichtigkeit ist weiter die Art des unter-
irdischen Abbaus der Kohlen. Die Wahl des Systems wird
in erster Linie bestimmt durch die Lagerungsverhaltnisse. Es
kommen natürlich noch andere Momente in Betracht** Die Flöze
können entweder flach, d. h. horizontal gelagert sein oder stefl.
Alle anderen Lagerungen liegen zwischen diesen Extremen. Bei
sohliger Lagerung können alle zur Ausführung und Vorrichtung
dienenden Strecken vom Schachte aus im Flöz selbst aufgefahren
werden. Solche Verhaltnisse werden wir bei Dahlbusch kennen
lernen. Auf Konsolidation sind, wie früher angegeben, die meisten
* Siehe Zeitschr. f. Berg-, Hütten- und Salinenwesen Bd. VII p. 284.
^ d. Lottner in der Zeitschr. f. Berg-, Hütten- und Sah'nenwesen Bd. VO p. 281.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 233
Flöze unter einem Winkel von 45^ gelagert Hier erfolgt die
Hauptausrichtung querschlägig. Es müssen die steilstehenden oder
nahe beieinander gelagerten Flöze durch lediglich im Gestein be-
triebene Baue ausgerichtet werden. Die Hauptquerschlage in den
unteren Sohlen sind 3— SVa m breit und 2 m hoch aufgefahren.
Die zur Aufschliefiung bestimmten Flözgruppen im Gestein oder
die in umbauwurdigen Flözen aufgefahrenen Richtstrecken sind
in Weiten von 2 Vax 2 m zu Felde gebracht und aus denselben
in Entfernungen von je 300 m die Abteilungsquerschläge an-
gesetzt Die Vorrichtung geschieht ausschliefilich durch saigere,
d h. senkrechte Schächte. Sie werden von unten nach oben auf-
gebracht und reichen von Sohle zu Sohle. Vor 1875 hatte man
Bremsbei^e, neben denen ein Teil der Kohle stehen blieb. Als
man dann in die gestörten Flözgruppen vordrang, wurden saigere
Schadite eingerichtet, die weniger Leute zur Bedienung er-
forderten als früher die Bremsberge. Die Abbauquerschlage sind
in Abstanden von 10—15 m übereinander, je nach dem Einfallen
der Gebirgsschichten, aus den blinden Schachten ins Hangende
nnd Liegende zur Lösung der vorgesehenen Flözgruppen an-
gesetzt* Das herrschende Abbausystem der Zeche war bis um
die Mitte der 80er Jahre der Pfeilerbau ohne Bergeversatz.
Dieses System aber hatte eine grofie Reihe von Nachteilen im
Gefolge.** Die Wetterführung war schwieriger. Vielfach brachen
die Kohlen oder das Hangende herein. Die beim Auffahren der
Abbaustrecken und Überhauen fallenden Kohlen waren stückarm.
Durch jahrelange Entgasung litt die Qualität der anstehenden
Pfeiler. Dazu kamen grofie Abbauveriuste, vor allem die Kohlen-
pfeiler, die gegen den alten Mann hin stehen bleiben mufiten-
Besonders groß wurden sie da, wo die Erdoberflache mit Hausem
belastet war. »Wir vertieren*, heifit es z. B. im Geschäftsbericht
von 1881, »durch die Schutzmafiregeln, welche wir namentlich im
Bereiche der Stadt Gelsenkirchen vorzunehmen für zweckmäßig
erachtet haben, einen schönen Teil unseres südlichen Gruben-
feldes, welchen wir infolge dieser MaSregeln nicht bauen dürfen.*
Das bedenklichste, mit dem Pfeilerbau verknüpfte Moment aber
war die Einwirkung auf die Erdoberflache, wovon wir spater
handeln werden.
Deshalb beginnt man allmählich immer mehr zum Strebbau
• Siehe Notizen p. 5.
** d. Zeitschr. f. Berg*. Hütten* and SaUnenwesen Bd. 40 p. 290 ff.
234 4. Bergwerks-Akticngesellschaft Konsolidation«
mit Bergeversatz fiberzugehen. Die Methode des Abbaus mit
Bergeversatz besteht darin, dafi aus einem Bremsberg oder Ab-
hauen nach jeder Seite zunächst nur ein Pfeiler abgebaut and,
wie er fortschreitet, dieser wie auch die Strecke mit Bergen dicht
versetzt werden. Nachdem diese Pfeiler bis nahe am Bremsberg
abgebaut und dicht versetzt sind, wird über diesen mit Bergen
versetzten Pfeiler nach beiden Seiten ein Stofiort bis zur Ab-
teilungsgrenze getrieben und darauf der nächst höhere Pfeiler ab-
gebaut und versetzt usw., bis der ganze Pfeiler bis zur nächst
höheren Sohle oder Abteilungsstrecke abgebaut ist* Freilich be-
steht nun ein Nachteil dieses Systems darin, daß die gewonnenen
Kohlen in ein besonderes Rolloch gestürzt und dann wieder aus-
geladen oder in einem besonderen Bremsberg nach der Sohlen-
strecke transportiert werden müssen. Aber weit schwerer fallen
die Vorteile in die Wagschale. Die Wetterführung ist wesentlidi
besser. Die Unfälle durch Kohle und Steinfall sind geringer. Die
Kohlen können rein gewonnen werden; es brauchen keine Schweben
stehen zu bleiben. Die Abbauveriuste sind also kleiner als beim
Pfeilerbau. SchlieSlich ist die Tagesoberfläche gesicherter. Dieses
zweite System gelangt nun auf der Zeche zu immer größerer Be-
deutung. Schon in dem Geschäftsbericht von 1887 heifit es: »Der
fortschreitenden Entwicklung der Betriebseinrichtungen entsprechend
wird der Abbau mit Bergeversatz nunmehr durchgängig eingeführt,
so daß nicht allein die sämtlichen bei dem Betriebe fallenden
Berge in der Grube versetzt, sondern auch täglich eine erhebliche
Anzahl Bergewagen von der Halde hereingefördert werden. Ohne
Zweifel wird diese Baumethode die weitere Ausdehnung der Boden-
senkungen für die Zukunft erheblich mindern.*
Ober den Rückgang des Pfeilerbaus und den Fortschritt des
Strebbaus mit Bergeversatz geben folgende, mir von der Ver-
waltung gütigst zur Verfügung gestellte Zahlen Auskunft Es be-
trug die Förderung auf I/VI und III/IV in runden Zahlen:
im Pfeilerbau
t
im Strebbau
t
insgesamt
1888
210000
32000
242000
1889
190000
71000
261000
1890
166000
121000
287000
1891
161000
146000
307000
1892
167000
135000
302000
1893
170000
135000
305000
* Nonne, Technische Mitteilungen 1886 p. 221.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 235
im Pfeilerbau
im Strebbau
insgesamt
t
t
t
1894
118000
196000
314000
1895
118000
203000
321000
1896
69000
271000
340000
1897
61000
307000
368000
1898
37000
344000
381000
1899
41000
380000
421000
1900
47000
423000
470000
1901
42000
420000
462000
Diese Zahlen reden eine deutliche Sprache. Mit dem alten
Abbausystem, dem Pfeilerbau, hängen nun die aufierordentlichen
Schädigungen zusammen, die die Gesellschaft in der Vergangen-
heit stark belastet haben, und die ihr noch heute grofie finanzielle
Opfer auferlegen. Wie schon erwähnt, führte der Pfeilerbau
zu einer Bedrohung der Erdoberfläche. Diese kann erfolgen
1. bei geringer Mächtigkeit des Deckgebirges durch Tagebräche,
2. bei größerer Mächtigkeit durch Risse und Spalten und
3. durch Bodensenkungen. Diese treten selbst bei Grubentiefen
von 600 m und mehr ein.
Man kann in den Städten, unter denen Kohlen abgebaut werden,
häufig Sprünge und Risse in den Häusern sehen, die mit den
Senkungen in Zusammenhang stehen.
Die Entschädigung, die die Zechen dafür zu zahlen haben, sind
ganz enorm. Deshalb gehen die meisten so vor, dafi sie das
gefährdete Terrain rechtzeitig erwerben. Bereits im Geschäfts-
bericht der Zeche Konsolidation von 1876 wird die Frage erwogen,
ob es nicht notwendig wäre, besonders gefährdete Grundstücke
anzukaufen. In dem Bericht von 1886 heifit es dann: .In bezug
auf Landkäufe verfolgt die Gesellschaft das Prinzip, dieselben
rechtzeitig, ehe Schädigungen der Oberfläche eingetreten sind, zu
erwerben.* Dadurch kamen die Grundstücke relativ billiger zu
erstehen, als dies sonst der Fall gewesen wäre. Es werden
Höfe usw. gekauft, um Entschädigungsansprüchen zu entgehen,
welche bedeutende Summen gekostet haben würden, ohne der
Gesellschaft einen Besitz einzubringen. Um grOfieren Ansprächen
gegenüber gerüstet zu sein, wird schliefilich ein besonderes Konto
»Rücklagen für schwebende Bergschädenansprüche' angelegt
Dieses Konto ist auch für andere Zechen des Ruhrbezirks charakte-
ristisch.
Wir ersehen aus dem gesagten, dafi der Landhunger der
236 4- Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
Zeche mit der Entschädigungspflicht in engem Zusammen-
hange steht Sie ist dadurch Rittergutsbesitzerin geworden. Ich
habe im folgenden aus den Geschäftsberichten die wichtigsten
Daten in bezug auf Landerwerbung zusammengestellt, die gleich-
zeitig das immense Steigen der Bodenpreise illustrieren.
1877 werden erworben 2 ha 72 a 50 qm, »belegen in wert-
voller Lage im Anschluß an unsere Arbeiterkolonie Krim, zum
Teil an der Friedrichstrafie in Schalke, zur Hauptsache aber an
zwei westlich der letzteren neu angelegten Strafien, zum Preise
von 46106 Mark. Der Hektar kostet also 16956 Mark. In das-
selbe Jahr fällt der Kauf des Kaiserhofes, eines Grundstuckes in
Größe von 35 a 79 qm zum Preise von 54000 Mark.
1863—1872 werden vom Herzog von Aremberg 10 ha 43 a
90 qm in Erbpacht genommen. Es ist das eine Fläche, auf der
Schacht I sowie die Verwaltungsgebäude der Gesellschaft und die
Kokerei liegen. Dafür müssen dem Herzog jähriich 420 Mark
pro Hektar Pacht gezahlt werden, während das Land sonst mit
120—160 Mark verpachtet wird. 1881 erwirbt die Zeche 22 ha
26 a 12 qm Acker, Wiese und Gartenland mit Hofgebäuden and
zwei darauf befindlichen Arbeiterhäusern im Mittelpunkte des
Ortes Schalke zum Gesamtpreis von 350572 Mark. Für die Ge-
bäude wurden 21 000 Mark bezahlt Der Hektar Land kostete
14804 Mark. In demselben Jahre werden weiter über 10 ha des
dem Herzog von Aremberg gehörigen Gutes Goor bei Schacht I
in unmittelbarer Nähe der Emscher Talbahn erworben zum Ge-
samtpreise von 72000 Mark. Der Hektar kostete also 6300 Mark.
1884 erfolgt der Kauf der Thyssenschen Besitzung an der
HochkampstraSe zu Braubauerschaft, bestehend aus Wohnhaus und
Hintergebäude und 22 a 83 qm Grundfläche für den Preis von
8400 Mark. 1885 werden an die Aktiengesellschaft für rheinisch-
westfälische Industrie für ein Grundstück an der Kaiserstrafie in
Gröfie von 1 ha 12 a 21 qm 59335 Mark bezahlt. »Von diesem
Grundstück überiassen wir der katholischen Kirchengemeinde 32 a
33 qm unentgeltlich, um dieselbe zu veranlassen, die projektierte
Kirche auf diesem durch unsem Grubenbetrieb weniger bedrohten
Platz zu erbauen, und zu diesem Zweck auf ein anderes ihr von
anderer Seite gleichfalls geschenktes Grundstück zu verzichten,
dessen Benutzung das Stehenlassen eines bedeutend größeren
Sicherheitspfeilers zur Folge gehabt haben würde.** 1898 werden
* Geschäftsbericht 1885.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 237
dann »zum Zwecke der weiteren Arrondierung unseres Grundbesitzes
wie auch zur Vermeidung bzw. Beseitigung von Bergschadenan-
sprüchen in der Gemeinde Schalke und Braubauerschaft* im
ganzen 3 ha 47 a 52 qm angekauft zum Preise von 67824 Mark.
Der Hektar kostete also 19516 Mark.
Die Preise pro Hektar schwanken, wie aus diesen Zu-
sammenstellungen erhellt, zwischen 6300 und 19516 Mark.
Aus diesen Notizen geht hervor, welche Geldaufwendungen
nötig sind, um die Schädigungen den Eigentämem der Oberfläche
zu bezahlen. Noch heute werden von der Verwaltung jedes Jahr
150000 Mark für den obengenannten Fonds zurückgelegt, aus
welchem die Entschädigungsansprüche in Zukunft beglichen werden.
Seine Höhe betrug 1904 414184 Mark.
Es mufi hier noch einer mit den Abbauverhältnissen zusammen-
hängenden Tatsache gedacht werden, die in der Vergangenheit wie
heute gro8e Summen erforderte. Das wichtigste Material zur
Attfrechterhaltung und Stütze der unterirdischen Baue ist
das Holz. Es wird in großen Massen gebraucht Die deutsche
Forstwirtschaft wird in hohem Mafie von der riesigen Nachfrage
nach Holz von selten des Bergbaus beeinflufit Auf Konsolidation
sind allein monatlich 100000 Mark für Grubenholz erforderlich.
Es besteht bei der Versorgung der Zeche mit Grubenholz ein be-
sonders organisierter Handel, der in den Händen von Leuten liegt,
die den Wald nur zur Abholzung kaufen, während der Grund
und Boden dem Besitzer verbleibt
Einmal in früheren Zeiten hatte die Zeche auch versucht,
ihren Bedarf an Grubenholz durch eigene Produktion zu
decken. 1870 kaufte sie auf eigene Rechnung Eichenholzungen
an. Das Motiv für diese Erwerbung bildeten unangenehme Er-
fahrungen, die früher bei der Holzbeschaffung gemacht wurden.
.Wir hatten bis dahin,*" heifit es im Geschäftsbericht 1873/74,
»darunter zu leiden, dafi das Grubenholz in zu schwachen Dimen-
sionen angeliefert wurde, und man uns häufig ganz im Stiche
ließ. Die daraus für den Grubenbetrieb entstandenen Nachteile
waren um so bedeutender, als wir bekanntlich in einzelnen Strecken
mit druckhaftem Gebirge zu kämpfen haben.* Um diesem Obel-
stande abzuhelfen, errichtete das Werk eine eigene Holzfaktorei.
Es deckte den Bedarf der Schächte an Holz, namentlich an Eichen-
holz aus eigenen Waldungen. Mit der eigenen Verart)eitung des-
selben zu Grubenholz war die Garantie verbunden, dafi in den
238 4. Befgwefks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
Gruben nur durchaus gutes und starkes Holz zur Verwendung
gelangte. Aber diese Selbstbedarfsdeckungswirtschaft ergab bereits
im ersten Jahre einen Verlust Dazu bemerkt der Geschäftsbericht
folgendes: »Wir haben von vornherein nicht darauf gerechnet, bei
diesem Hohgeschäft finanzielle Oberschüsse zu erzielen. Der bei
demselben in der Rechnung erscheinende ziffemmäfiige Verlust ist
jedoch nur ein scheinbarer, da wir unsem Hauptzweck, den soliden
Ausbau unserer Grubenbetriebe, erreicht und uns dadurch vor
nicht zu berechnenden Nachteilen geschützt haben.' Diese Be-
gründung ist freilich logisch nicht ganz einwandfrei. Zum TeO
wurden die Verluste verursacht durch die Unehrlichkeit des Be-
amten, dem dieser Nebenbetrieb übertragen war. Er verkaufte
Holz an Dritte und liefi den Gewinn in seine eigene Tasche fließen.
Aber auch abgesehen von dieser doch zufälligen Erscheinung von
Unterschleifen war das ganze Prinzip, die Holzversorgung
in eigene Regie zu nehmen, verfehlt Es ist meines Wissens
nirgends wiederholt worden. Der Händler, der den Holzbestand
eines Waldes kauft, kann den Betrieb viel rationeller gestalten,
als die Zeche dies zu tun in der Lage ist
Von den Betriebsmitteln, die in der Geschichte des Unter-
nehmens eine Rolle gespielt haben, sind außer den schon be-
schriebenen Schachtanlagen hauptsächlich drei von Bedeutung,
nämlich 1. eine Brikettfabrik, 2. eine Steinfabrik resp. Ziegelei,
3. eine Kokerei.
Es wurde angedeutet, daß die Zeche Konsolidation ursprüng-
lich in den Gaskohlenflözen baute. Der Absatz des gesiebten
Produkts erfolgte an Gasanstalten. Um die abfallende Feinkohle
zu verwerten, suchte man zunächst experimentell einen Weg. Die
Verwaltung legte einen offenen Koksofen an, um zu prüfen, ob
die Feinkohle zur Herstellung von Koks geeignet sei. Diese 1866
unternommenen Versuche führten zu dem Resultat, daß man aus
der vorhandenen Gasfeinkohle zwar einen guten Koks für Gießerei-
zwecke erzeugen könne, daß aber das Ausbringen zu gering sei
Aus diesem Grunde wurde der Plan, eine Kokerei zu errichten,
aufgegeben. Es mußte nun ein anderer Weg gefunden werden,
um die schwer verkäufliche Feinkohle absatzfähig zu machen.
Die Gewerkschaft erwarb daher 1868 die einzige* damals im
Ruhrbezirk bestehende Brikettfabrik der Magerkohlenzeche Wiesche
* Siehe Festschr. zum VIU. ailgem. deutsch. Bergmannstag in Dortmund:
Mitteilungen über den niederrheinisch-westfälischen Steinkohlenbergt>au p. 162.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 239
bei Mfilbeim a, R. — heute zur Mülheiraer Bergwerks-Aktien-
gesellscbaft gehörig — für den Preis von 18000 Mark. Diese
Zeche hatte die Brikettierung wegen der ungenügenden Qualität
ihrer Magerkohle bisher mit wenig Erfolg betrieben. Der Haupt-
grund für die Erwerbung dieser Brikettfabrik lag darin, dafi die
Brikettfabrikation dem Unternehmen die Möglichkeit gab, auch im
Sommer die Feinkohle gut zu verwerten. In den Sommermonaten
war der Betrieb und der Kohlenkonsum der Gasfabriken nur ein
schwacher. Die Zeche verkaufte daher, wie wir später noch bei
der Behandlung der Absatzverhaltnisse sehen werden, den gröfiten
Teil ihrer Förderung in Gestalt von gesiebten Stack- und Knabbel-
kohlen an die Marine und für den Export Dabei entfielen grofie
Quantitäten Feinkohlen. Diese wurden jetzt brikettiert, um im
Sommer einen regelmäßigen Absatz zu guten Preisen zu
suchen.
Aber das neue Produkt führte sich nur schwer ein. Es litt
unter der Tradition. Die bisherigen Wiescher Briketts waren nur
Sekundaware gewesen. Zwar führte der Geschäftsbericht von
1868 den mangelnden Erfolg auf den Vertust des Betriebsführers
und die Tatsache zurück, daß nicht gleich eine passende Persön-
lichkeit an seine Stelle trat Das scheint jedoch blofi ein äußer-
licher Grund gewesen zu sein. Der innere lag jedenfalls auch in
der Tatsache, daß sich aus den Kohlen der Zeche nach dem da-
maligen Stande der Technik keine besonders guten Briketts fabri-
zieren ließen. In dem Bericht vom Jahre 1869 freilich wird die
Schuld vor allem auf die früheren Verhältnisse geschoben. Dort
heißt es: »Der Betrieb der Briketfabrik ist bis jetzt leider noch
schwach, da wir bei der Einführung des neuen Produkts fort-
während noch auf Schwierigkeiten stoßen, welche aber namentlich
ihren Ursprung darin haben, daß das Fabrikat unseres Vorgängers
an vielen Stellen Vorurteile gegen Briketts überhaupt hinteriassen
hat' Besonders bemühte sich die Verwaltung, die Briketts an
Eisenbahnen abzusetzen, aber die Lokomotivführer auf den Bahnen
wollten das Material nicht haben. Das einzige Mittel, Abnehmer
zu gewinnen, war die Abgabe der Briketts zu sehr billigem Preise.
Die Brikettfabrik der Zeche hat bis zum Jahre 1870 bestanden,
dann wurde sie stillgelegt und abgebrochen. Die steigende Kon-
junktur brachte eine lebhafte Nachfrage auch für die feinen ge-
siebten Kohlen mit sich. Eine weitere Umwandlung derselben
in Briketts war daher überflüssig geworden. Aus diesen Aus-
240 4* Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
führungen ergibt sich, dafi der Gedanke, Briketts zu fabri-
zieren, verfrüht war und verunglückte; einmal wegen
der schlechten Ware, die Wiesche früher auf den Markt
gebracht hatte, und dann wegen der geringen Qualität,
die Konsolidation fabrizierte.
Mehr Erfolg hatte das Unternehmen mit der Errichtung einer
Steinfabrik. 1866 wurden zur Verwertung des auf den Gruben
geförderten Schiefertons und eines großen Lettelagers, das auf
dem Terrain des benachbarten Walzwerks von Grillo, Funke & Co.
entdeckt worden war, eine Fabrik, zur Herstellung feuerfester
Steine und Ziegel errichtet. Errichtung und Betrieb der Fabrik
erfolgten auf gemeinschaftliche Rechnung. Auch hier stand das
Prinzip der Selbstbedarisdeckung im Vordergrunde. Die Zeche
wollte ihren Bedarf an Ziegeln für Neubauten selt>st produzieren,
um sich dadurch von dem Ankauf «der hier äußerst kostspieligen
Ziegelsteine* zu befreien. Durch den Verkauf der übrigen Pro-
dukte sollte die Rente des Unternehmens vergrößert werden. Einer
dieser Zwecke oder beide sind ja stets das wichtigste Motiv für die
Anlage von Nebenbetrieben. Hierzu kam nun noch im speziellen,
dafi durch die Verarbeitung von Tonschiefer zu Ziegeln die Trans-
portkosten des ersteren nach den Bergehalden, das mit Schwierig-
keiten verbundene Ausladen der Berge daselbst und last not leasl
das teure Terrain gespart wurde.
1870/71 produzierte die Steinfabrik
fflr Neubauten auf Schacht II . . . 1270400 Stack
zu anderen Zwecken 20510 „
für den Verkauf 80040 „
im ganzen 1370950 Stack
Dafür wurde ein Reingewinn von 18000 Mark erzielt Seit
Beginn des Jahres 1870 wird die Steinfabrik von der Gewerk»
Schaft allein betrieben, d. h. auf eigene Rechnung, »weil der Zweck,
welcher seinerzeit die Assoziation herbeigeführt, durch den für die
Anlage des Bahnhofes der Emscher Talbahn stattgehabten Ver-
kauf der Grundstücke, woraus der Ton für die Fabrikation der
Ziegelsteine genommen wurde, nunmehr geschwunden war.** Im
Anfang der 70 er Jahre geht die Ziegelei auf Schacht I stark
zurück. Der Hauptgrund dafür lag in der geringen Qualität des
gewonnenen Tons und darin, dafi das Lager auf der Grube zur
* Bericht vom 27. Oktober 1870.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 241
Neige ging. Die Produktionskosten der Gewinnung des Tons
waren hohe, weil auf der Tonbank viel Abraummaterial lagerte.
»Die Rentabilität konnte unter dem bei der Gewinnung des Tons
obwaltenden Schwierigkeiten nicht sehr glänzend sein, zudem
die Steine zu dem billigen Preise von 9 Taler (27 Mark pro
1000 Stfick) dem Baukonto in Rechnung gestellt wurden.**
Diese Ziegelei, welche nur primitive Einrichtungen besaß,
wird dann später abgebrochen. Lange vor diesem Zeitpunkt aber
wurde 1873 auf Schacht 11 eine zweite Ziegelei errichtet Die
Einrichtungen dazu wurden in England bestellt Nach englischem
Patent sollte der Tonschiefer auf einem Kollergang gemahlen und
die zerkleinerte Masse in beinahe trockenem Zustande durch
Ziegelmaschinen zu Steinen geprefit werden. Außerdem wird ein
kreisrunder Ringofen nach Hoffmannschem System erbaut Als
Betriebsmaschine tritt die früher zur Brikettfabrikation gebrauchte
tuid dort flberflfissig gewordene Dampfmaschine in Funktion. Die
Leistungsfähigkeit der Anlage beträgt 15000—20000 Ziegelsteine in
Normalgröfie pro Doppelschicht. Sie ist so gebaut, dafi sie
eventuell später ffir die doppelte Produktion eingerichtet wer-
den kann.
In dem ersten Jahrzehnt ihres Bestehens scheint die neue
Ziegelei gute Geschäfte gemacht zu haben. Das ändert sich dann
in der Mitte der 80 er Jahre. Die Einnahmen sinken. Ffir die
geringere Ergiebigkeit lassen sich zwei Gründe verantwortlich
machen. Einmal gingen die Preise zurück, weil die Konkurrenz
infolge der Anlage ähnlicher Ziegeleien in der Umgegend stärker
geworden war, dann aber lag die Baulust infolge der schlechten
Geschäftszeit in den 80 er Jahren danieder. Die Produktion betrug
damals 3V9— 4 Millionen Stuck jährlich. Ende der 90er Jahre
stellte sie sich auf 4 Millionen Stück pro Jahr. Heute steht die
Ziegelei auf Schacht II auf dem Aussterbeetat Es hat dies seinen
Grund vor allen Dingen in dem Umschwung, der in dem Abbau-
system auf der Zeche eingetreten ist, und den wir an anderer
Stelle kennen gelernt haben. Die Berge werden heute zum Ver-
satz gebraucht So wirkt die Abbaumethode auf die ober-
irdischen Anlagen zurück. Dazu kommt, dafi der Ringofen
ausgebrannt ist Ffir die fernere Aufrechterbaltung der bisherigen
Erzeugung wurde er neu gebaut werden mfissen. So wartet man,
bis er ein es Tages unter der Last seines Alters zusammenbricht,
• Bericht von 1872/73.
Stllllcli, Natloiialökooomtoctac PonclMflc«,Bd. IL 16
242 4. BergwerkS'Aktlengesellschaft Konsolidation.
und reserviert die Steine, die inzwischen noch gebrannt werden,
für die Zukunft
Die dritte Anlage, die früher als die beiden anderen pro-
jektiert war, aber später zur Ausführung kam, ist die KokereL
Ihre Entstehung fällt in den Beginn der sinkenden Konjunktur-
Periode der 80er Jahre. Die ersten 50 Ofen kamen im Juli 1883
in Betrieb. Die großen Vorteile dieser Anlage bestanden zunächst
in einer bedeutend besseren Verwertung der Kokskohlen
gegenüber den bei dem direkten Verkauf derselben er-
zielten Preisen und dann in der durch die Benutzung der
abgehenden Gase herbeigeführten Ersparnis an Kessel-
kohlen. Vier große Comwallkessel konnten nunmehr mit Gas
geheizt werden. Dazu kommt, daß infolge der Klassierung eine
bessere Verwertung der einzelnen Sorten möglich wurde
Dies wird bestätigt durch folgende Worte der Verwaltung: »Trotz
dieser ungünstigen Verhältnisse (die die niedergehende Konjunktur
mit sich brachte), halten wir die Anlage nach wie vor nach jeder
Richtung hin für durchaus zeitgemäß und zweckmäßig, da sie in
Verbindung mit der gleichzeitig in Betrieb gesetzten Separation
und Kohlenwäsche eine bessere Verwertung unserer Fettkohle
teils als Kokskohle, teils als Nuß-, Knabbel- und Stückkohle er-
möglicht" *
In der Folgezeit hindern dann die niedrigen Preise den
weiteren Ausbau der Nebenanlagen. »Das Projekt der Ausdehnung
unserer Kokerei mit Einrichtungen zur Gewinnung der Neben-
produkte haben wir angesichts der vorhandenen Überproduktion
an Koks und des inzwischen eingetretenen Niedergangs der Preise
für Teer und Ammoniak vorläufig aufgegeben." ** Mit dem Wieder-
aufblühen der Eisenindustrie wird dann die Frage einer Ver-
größerung der vorhandenen Koksofenanlagen aktuell. Dazu kam,
daß die Förderung von Fettkohlen aus den Schächten I und n
gegen Ende der 80er Jahre in Zunahme begriffen war und im
Interesse einer rationellen und billigen Gewinnung weiter ver-
stärkt werden mußte. Aber erst 1895 kamen die 60 Koksöfen mit
Nel)engewinnungsanlagen in Betrieb. Anfang Januar begann die
Herstellung von Teer und schwefelsaurem Ammoniak. Die Zeche
trat der Deutschen Ammoniakverkaufsvereinigung bei, die damals
vom 1. Januar 1896 auf die Dauer von fünf Jahren geschlossen
* Oeschflftsbericht von 1883.
^ Geschäftsbericht von 1885.
4. Bergwerics-Aktiengeseilschaft Konsolidation. 243
and spater verlängert wurde. 1897 schloß sie sich auch der
Deutsdien Teerverkaufsvereinigung an. In demselben Jahre wer-
den die Tagesanlagen auf Schacht I durch den weiteren Bau von
72 Koksöfen mit Ammoniak- und Teergewinnung erweitert, denen
sich im Jahre 1903 der Bau weiterer 60 Koksöfen mit Gewinnung
der Nebenprodukte auf der Schachtanlage III/IV anreihte, so daß
die Gesamtzahl der vorhandenen Teerkoksöfen gegenwärtig 192
beträgt Jeder Ofen liefert, mit 6,7 t Kohle (trocken) beschickt,
bei einer Gardauer von 30 Stunden etwa 5,1 t Koks, bei einem
Ausbringen von 3,1 ^/o Teer und l,10^/o schwefelsaures Ammoniak.
Weil die Kokerei, wie aus dem Gesagten hervorgeht, zu einem
Teil aus Plammofenbatterien, zum anderen Teil aus Teerkoksöfen
besteht, wird es möglich, auch in flauen Zeiten auf dem
Koksmarkt die Produktion von Nebenerzeugnissen voll
aufrecht zu erhalten. In dem Geschäftsbericht von 1903 heißt
es z. B.: »Die für Koks erforderliche Einschränkung haben wir in
erster Linie auf die Flammofenbatterien ohne Gewinnung der
Nebenprodukte gelegt, so daß unsere Teerkoksöfen das ganze
Jahr hindurch uneingeschränkt und auch ungestört betrieben
werden konnten, wodurch es uns möglich war, auch die Her-
stellung von schwefelsaurem Ammoniak und Teer erheblich zu
steigern.*
Die im vorhergehenden besprochenen Produktionsmittel ge-
hören der Zeche eigentümlich; außerdem beteiligte sie sie sich
noch bei einigen Gesellschaften.
Erstens bei dem Gelsenkirchen- Schalker Gas- und
Wasserwerk mit 150000 Mark (250 Aktien ä 200 Taler) im
Jahre 1873/74. Dadurch wurde die Zeche der Notwendigkeit
überhoben, eine eigene Gasfabrik anlegen zu müssen. Bei der
Ausdehnung der Werksanlagen, der Bahngleise usw. aber war
eine entsprechende Erieuchtung auch bei Nacht auf die Dauer
nicht zu vermeiden. Später wurde die Gasfabrik verkauft Jetzt
ist nur noch das Wasserwerk für das nördliche westfälische
Kohlenrevier geblieben. Es beschränkt sich auf die Lieferung
von Wasser. 1900 weist das Effektenkonto der Gesellschaft Kon-
solidation eine Erhöhung infolge Obemahme junger Aktien dieses
Wasserwerks auf.
Zweitens: Im Anfang der 70er Jahre erging an alle Zechen
die Aufforderung zur Zeichnung von Aktien einer neu zu bilden-
den Gesellschaft, der Zentralaktiengesellschaft für Tauerei
16*
244 4- Bergwerks-Aktiengesellschaft KonsolidatioiL
in Köln. Der Zweck der Gesellschaft ist nach § 1 des Statuts
folgender: ,,Die Einrichtung und der Betrieb der Schleppschiffahrt,
insbesondere mittelst Kabelschiffahrt auf dem Rhein, auf Neben-
flüssen desselben und den einmündenden Kanälen unter Zugrunde^
legung der schon erworbenen und noch zu erwerbenden Rechte
und Konzessionen mit dem Vorbehalte einer Ausdehnung auf
andere Linien; femer die weitere Ausbildung der Kabelschiffahrt
und ihre Einführung auch auf solchen Schiffahrtlinien, welche
unter fremder Verwaltung stehen können. Die Konsolidation be-
teiligte sich an dieser Gesellschaft mit 60000 Mark. Nach der
Fusion mit der Ruhrorter Dampfschleppschiffahrtsgesellschaft be-
trägt die Beteiligung nur noch 40000 Mark (100 Aktien HL A
ä 400 Mark). Die Verwaltung der Zeche erwartet von diesem In-
stitut einen günstigen Einfluß auf die Kohlenfracbten. Es
wurde hier auf dem Wege der Beteiligung zu erreichen versucht,
was z. B. die Harpener Bergbauaktiengesellschaft durch die An-
gliederung der Schiffahrtsgesellschaft Kannegießer tatsächlich er-
reicht hat
Drittens ist schließlich noch die Beteiligung bei einer Dynamit-
fabrik, der Westfälisch -Anhaltischen Sprengstoff aktiengesellschaft
zu Coswig, zu erwähnen. Bekanntlich bilden die deutschen
Dynamitfabriken mit großen ausländischen Werken einen Trust
Die Veranlassung zur völligen Verschmelzung in eine einzige
Unternehmung war die Verteilung des mit der großen Explosions-
gefahr in Zusammenhang stehenden Kapitalrisikos.* Dieser Trust
trieb nun die Preise, und die Konsolidation hatte darunter zu
leiden. Um nun ein Gegengewicht zu schaffen, beteiligte sie
sich bei der obengenannten außerhalb des Trusts stehenden Ge-
sellschaft
Der Hauptzweck dieser drei Beteiligungen scheint demnach
in dem Einfluß auf die Preisbildung zu liegen.
Wir kommen nunmehr zu dem dritten Produktionsfaktor der
menschlichen Arbeitskraft Als 1864 mit dem Bau der Zeche
begonnen wurde, war die Gegend noch wenig bevölkert Schalke
selbst hatte nicht mehr als 300 Einwohner, welche in wenigen in
dem Gemeindebezirk verstreut liegenden Höfen wohnten. Es war
ein Bauemdorf. Die Gegend trug ein durchaus landwirtscfaaft*
liches Gepräge. Es ist ohne weiteres klar, daß diese l>oden-
* Liefmann in der Deutschen Wirtschaftszeitung Jahrg. 1905 p. 67.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 245
standige Bevölkerung mit der Etablierung größerer Zechenanlagen
und Fabriken nur einen kleinen Prozentsatz von Arbeitern zu
liefern vermochte. Die ersten Bergarbeiter kamen größtenteils aus
der Umgegend, hauptsächlich von dem nördlich gelegenen Buer.
Die Geschäftsberichte aus den 60 er Jahren klagen darQber, daß
die Arbeiter häufig ausblieben, weil die Wege z. B. bei Regen-
wetter meistens nicht passierbar waren. Trat die Emscher fiber
ihre Ufer, dann war den Bergleuten aus Buer der Weg nach der
Zeche versperrt Daher wirft die Gewerkschaft anfang der 70 er
Jahre eine bedeutende Summe, 32262 Mark, aus zum Bau eines
Weges und einer Brücke fiber die kleine und große Emscher,
um die periodische Unterbrechung des Betriebes infolge
Ausbleibens der Arbeiter in Zukunft zu verhindern.
Schon frfihzeitig wird fiber Arbeitermangel geklagt Der
deutsch-französische Krieg* rief eine Anzahl Arbeiter zu den Fahnen;
infolgedessen verringerte sich die Förderung. Dann kamen die
Grfinderjahre, in denen der Arbeitermangel besonders intensiv
hervortrat »Es liegt auf der Hand," heißt es in dem Geschäfts-
bericht vom 9. November 1872, »daß die Arbeiterfrage in dem Maße,
wie die Industrie an Ausdehnung zunimmt, immer brennender
wird; es ist daher nicht allein eine Pflicht des Kapitals, für das
Wohl dieses mächtigen Faktors alles Gedeihens zu sorgen,, son-
dern auch lediglich eine Hauptbedingung der Selbsterhaltung im
wohlverstandenen eigenen Interesse."
Schon frühzeitig legt daher die Zeche Arbeiterkolonien an.
Die erste war die Goorsche Kolonie und die sog. Krimm. Man
kann sagen, daß die Stadt Schalke geradezu aus solchen Arbeiter-
kolonien — die der Konsolidation sind nicht die einzigen —
herausgewachsen ist; daher hat der Ort auch bis heute einen
proletarischen Charakter. In dem Bericht von 1873/74 heifit es:
«... Als der Bau der Zeche vor wenigen Jahren begonnen wurde,
war die Gegend fast vollständig unbebaut und unbewohnt Der
Gnil)envorstand mußte es daher als seine erste unabweisbare Auf-
gabe betrachten, eine Kolonie von Arbeiterwohnungen zu gründen,
welche die Grundlage für das Entstehen eines neuen entwicklungs-
fähigen Ortes abgeben konnte. Gegenwärtig sind in den Häusern
der Gesellschaft ca. 4000 Einwohner untergebracht, von welchen
ca. 1200 als Arbeiter auf unseren Schächten tätig sind."
Um die Werke in ihrer Bautätigkeit zu unterstutzen, gröndete
Friedrich Grillo im Jahre 1873 die Gesellschaft für rheinisch-west-
246 4- Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
fäliscbe Industrie, welche das Ziel verfolgte, Schalke nach einem
einheitlichen Plane auszubauen. Dieselbe legte Straßen an, baute
ein Gas- und Wasserwerk, vor allem aber eine Anzahl Wohn-
häuser. Aber dadurch wurde der ÜberffiUung der Wohnungen
und hohen Mietpreisen nicht vorgebeugt In dem Bericht vom
Jahre 1884 klagt die Zechenverwaltung über die herrschende
Wohnungsnot, „welche in hiesiger Gegend bei der wachsenden
Bevölkerung zu einer wahren Kalamität geworden ist, und uner-
hörte Zustände, als Oberfüllung der Häuser, unerschwingliche
Mieten im Gefolge hat* Das einzige Mittel, um gegen diese
Mißstände anzukämpfen, war der Bau von immer mehr Arl)eiter-
häusem. Die Kolonie für die Zechenarbeiter umfafit heute 781
Arbeiterwohnungen, von denen 649 in geschlossenen Kolonien
und 132 zerstreut auf dem Lande liegen. Aufierdem besteben
120 Beamtenwohnungen. Unter der Kontrolle der Zeche stehen
gegenwärtig an Beamten und Arbeitern inklusive deren Ange-
hörigen im ganzen 5165 Personen. Nach Hundt* betragen die
Gesamtkosten der Arbeiterwohnungen einschließlich Grunderwerb
und Kapitalwert der öffentlichen Lasten rund 2 Millionen Mark.
Dieses Kapital verzinst sich durch Mieteinnahme nach Abzug der
Unterhaltungskosten mit 2^/o.
Dt>er die Löhne der Arbeiter erfahren wir nur an einer
Stelle der Geschäftsberichte Details. 1881 waren in der Presse
und von der Tribüne der Landesvertretung Angriffe auf die Zechen
erhoben worden, die darin gipfelten, dafi sie sich auf Kosten der
Arbeiter bereicherten. Um diesen Vorwurf zu widerlegen, ver-
öffentlichte die Verwaltung in dem genannten Jahre eine Lohn-
statistik. Danach zerfällt der Durchschnittslohn von 907 Mark in
folgende Posten. Es erhielten:
L Die Gnibenbeamten 1879 Mark
2. Die Gesteinshauer und Kohlenhauer inkl. Lehrhauer .... 1018 ^
3. Die Reparatur- und Zimmerhauer in den Gruben 770 „
4. Die Förderleute in der Grube, Schlepper, Pferdetreiber, Bremser,
Wettermühlendreher und Hilfsarbeiter 655 „
5. Die at>er Tage beschäftigten Arbeiter ausschl. der Jugendlichen 828 „
6. Die jugendlichen Arbeiter über Tage im Alter von 14 bis 16 Jahre n 360 „
Nach Verhältnis der Köpfezahl und Arbeitstage also durchschnittlich 907 Mark
oder abzüglich der Beamtengehälter, Jahreslohn eines Arbeiters 884 „
Im fibrigen beschränken sich die Berichte auf die Angabe
von Durchs chnittslöhnen, die aber wissenschaftlich unbrauchbar
* Mitteilungen a. a. O. p. 295.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 247
sind, aus Orfinden, die ich bereits im ersten Bande dieser
Forschungen entwickelt habe.
Auf eine Tonne Kohlen wurden an Lohn verausgabt:
1897 3,91 Mark
1900 4.90 „
1901 4,92 „
Leider stehen mir weitere Zahlen aus früheren Jahren nicht
zur Verfügung.
Die Lohnfrage wurde vor allem durch den großen Massen-
streik von 1889 in den Vordergrund gerückt In dem Geschäfts-
bericht dieses Jahres wird ein Vergleich zwischen Löhnen und
Kohlenpreisen angestellt, der jedoch statistisch nicht einwandsfrei
ist, und mit dem wir uns daher nicht näher beschäftigen wollen.
Der genannte Bericht klagt in erster Linie über den durch den
Streik erlittenen Kohlenausfall. Derselbe belief sich auf rund
24000 t. Der Betrieb ruhte vom 26. März bis zum 8. April 1889
gänzlich. Die Aufnahme der Arbeit erfolgte unter denselben Be-
dingungen wie früher. Die Bergleute, welche von der Arbeit fem
geblieben waren, erlitten durch diese Unterbrechung ihrer Tätig-
keit einen Lohnausfall von rund 75000 Mark. »Der uns daraus
(aus der Unterbrechung) entstandene Vertust," bemerkt der Bericht
von 1890, «wurde durch den Ausstandsversicherungsverband,
dem wir angehören, auf Grund der bezüglichen Vertragsbedingungen
zum Teil ersetzt* Außerdem wird noch erwähnt, dafi seit dem
Arbeiterausstande bei den Bergleuten die Geneigtheit zu Ober-
sdiichten bzw. Oberstunden nicht mehr in dem Mafie vorhanden
sei wie früher. Deshalb war die Zeche gezwungen, die Beleg-
schaft zu vermehren, um die veranschlagte Förderung zu erreichen.
Die Bewegung unter den Bergarbeitern aber sollte noch nicht
sofort zur Ruhe kommen. Die Arbeiter hatten in dem früher mit-
geteilten Hemer Programm eine Reihe Forderungen aufgestellt,
die auch der Verwaltung der Zeche Konsolidation überreicht
wurden. Da sich diese den Forderungen gegenül)er ablehnend
verhielt, kündigten am 15. März 1890 die Delegierten der Arbeiter
für sich sowohl wie für die ganze Belegschaft Die Delegierten
wurden daraufhin von der Verwaltung entlassen und die Kündigung
der Bel^chaft abgelehnt Daraufhin legte die Gesamtbeleg-
schaft der Konsolidation am 26. März 1890 die Arbeit nieder. Es
handelte sich dabei wesentlich um das Solidaritätsprinzip: Die
entlassenen Vertreter der Arbeiter sollten wieder eingestellt und
248 4* Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
die Delegierten der Arbeiter als solche anerkannt werden. Das
wurde jedoch nicht erreicht Das Qrubenkapital war mächtiger
als die Solidarität der Arbeiter. In dem Geschäftsbericht wird
dieser Streik nicht einmal erwähnt*
Am 9. Januar 1893 brach wiederum »ganz plötslich und un-
erwartet" auf der Zeche ein neuer Arbeiterausstand aus, der etwa
eine Woche anhielt Der Geschäftsbericht von 1892 schreibt hier-
über folgendes: „Nachdem tags zuvor und frühmorgens schon die
Belegschaften mehrerer Zechen in den Streik getreten waren, be-
gann auch ein Teil unserer Arbeiter am genannten Tage nach-
mittags mit der Arbeitsniederlegung, ohne vorher auch nur irgend-
welche Beschwerden erhoben oder Forderungen gestellt zu haben.
Es handelte sich auf Grund einer im hiesigen Reviere durch Ab-
haltung von »aufreizenden Arbeiterversammlungen hervorgerufenen
Aufregung der Bergleute einfach darum, die seit Ende des vorigen
Jahres ausständigen Kameraden im Saargebiet durch Arbeitsnieder-
legung zu unterstützen. Dafi in erster Linie die nördlich von
Gelsenkirchen gelegenen Zechen, wozu auch unsere Schächte ge-
hören, von der Arbeitseinstellung betroffen wurden, findet seine
Erklärung darin, daß in der Nachbarschaft Gelsenkirchen der Haupt-
sitz der sozialdemokratischen Agitatoren war, und daß bei Beginn
des Ausstandes nicht ausreichender polizeilicher Schutz vorhanden
war, um den arbeitswilligen Bergleuten die von den Ausständigen
versperrten Wege zu ihren Arbeitsstätten offenzuhalten. Durch
diesen unbesonnenen, gänzlich zweck- und erfolglosen Streik haben
die Ausständigen nichts anderes erreicht, als dafi sie sich selbst und
uns einen empfindlichen Veriust verursacht haben.* Ich teile diese
Auslassung nur deshalb mit, weil sie charakteristisch ist für die
jeder sozialpolitischen Nuance bare Auffassung der Verwaltung.
Eine kleine Wirkung aber sollten diese Arbeitseinstellungen
doch haben. Das Gefühl, daß für die Arbeiter etwas geschehen
muß, wurde angeregt. Mitte August 1896 ruft die Zeche eine
Pamilienkrankenkasse ins Leben. Die Familienangehörigen
der verheirateten Arbeiter und solcher, die einen eigenen Haus-
stand führen, bzw. einzige Ernährer ihrer Familien sind, erhalten
seitdem im Falle der Krankheit freie ärztliche Behandlung auf
Kosten der Gesellschaft, ohne daß der Arbeiter einen Beitrag dazu
zu geben braucht Die Ausgabe für Ärztehonorare belief sich be-
* Die Entwicklung des niederrheinisch -westfälischen Steinkohlenbeigtiaus,
Bd. Xn Tefl 3 p. 237.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 249
reifs im Jahre 1897 auf 11900 Mark. ,,Femer ist," bemerkt der
Bericht von 1896, .außer der schon seit vielen Jahren in einer uns
gehörigen Besitzung im westlichen Teile von Schalke bestehenden
Kleinkinderbewahrschule auch im östlichen Teile von Schalke, und
zwar bei unserer Hauptarbeiterkolonie Sophienau in einem zu diesem
Zwedc besonders erbauten Hause eine gleiche Anstalt errichtet worden,
ffir deren Unterhaltung wir die erforderiichen Beiträge leisten.
Der letzte große Bergarbeiteraustand vom Jahre 1905 dauerte
auf Konsolidation vom 17. Januar bis zum 19. Februar. Der Ge-
schäftsbericht von 1904 verbreitet sich des längeren nur über
einen Beschwerdepunkt, das Wagennullen. Er sagt darüber
folgendes: »Was sodann das seitens der Bergleute bzw. der
Agitatoren so sehr bekämpfte System des Wagennullens anbetrifft,
80 müssen wir betonen, daß den Zechenverwaltungen irgend ein
Vorteil aus dem Nullen der Wagen nicht erwächst, weil die Lohn-
beträge für gestrichene Kohlen nicht in die Grubenkasse, vielmehr
in die Art>eiterunterstützungskasse fließen, die bei uns von Ar*
beitem selbst mit verwaltet wird. Andererseits muß aber auf
Lieferung einer möglichst reinen Kohle der allergrößte Nachdruck
gelegt werden, weil die Kohlenverbraucher den Anspruch erheben,
eine reine, möglichst steinfreie Kohle geliefert zu erhalten. Im
Jahre 1904 entgingen auf unseren sämtlichen Schachtanlagen
wegen Unreinheit der Kohlen und Mindermaß an Lohn den Ar-
beitern 27790,65 Mark, die der Unterstfitzungskasse zugeführt
wurden. An diesem Lohnausfall waren beteiligt 2335 von unseren
Arbeitern, das macht auf jeden dieser Arbeiter für das Jahr
1 1,90 Mark oder monatlich rund 1 Mark, wot>ei zu berücksichtigen
ist, daß diese Arbeiterklasse laut der amtlichen Lohnstatistik durch-
schnittlich im Jahre 1904 1584 Mark nach Abzug der Spreng-
materialien, Geleuchte und Gezähe und der Strafen verdiente.
An sonstigen Strafen mußten verhängt werden und wurden der
Unterstützungskasse ebenfalls zugeführt im Jahre 1904 5642,05 Mark
bei einer Gesamtarbeiterzahl von 5261 Mann oder je Mann
and Jahr 1,07 Mark. Für gestrichene Kohlen und sonstige Strafen
zusammen wurden also unseren Arbeitern im Jahre 1904 durchschnitt-
lich 12,97 Mark oder etwas über 1 Mark monatlich eingehalten.
In der seitens der sog. Siebenerkommission der Bergleute an den
Herrn Reichskanzler unterm 8. Februar dieses Jahres gerichteten
Eingabe wird beantragt, daß die Gesamtstrafen für verschiedene Ver-
gehen in einem Monat höchstens 4 Mark betragen dürfen.''
250 4. Bergwerks-Aktiengeselischaft Konsolidation.
Trotz dieser Ausführungen kann es keinem Zweifel unter-
liegen, daß das Wagennullen unberechtigt ist, denn der genullte
Wagen wird ebenfalls verkauft, dem Arbeiter aber sein Anteil am
Arbeitsertrag vorenthalten. Was die angegebene Durchschnittszahl
anbelangt, so reicht sie m. E. zur Beurteilung der Sachlage nidit
aus. Es hätte dargelegt werden müssen, welche Strafe der einzelne
Arbeiter tatsächlich höchstens zu zahlen hat Die Durchschnitts-
zahl aber genügt keineswegs. Immerhin aber scheinen die Ver-
hältnisse auf Konsolidation, was wenigstens die Strafen anbelangt,
etwas günstiger zu liegen als auf anderen Zechen.
Im übrigen aber ist auch hier die Lage der Arbeiter keines-
wegs optimistisch zu beurteilen. Die verschiedensten sozialen
Mißstände, auf die ich an anderer Stelle hinwies, machen auch
hier die Arbeiter zechenflüchtig. In dem Geschäftsbericht von
1900 wird auf den »ungemein starken Wechsel innerhalb der
Belegschaft" hingewiesen, der ungünstig auf die Entwicklung der
Kohlenförderung und die Leistung der Arbeiter, somit in weiterer
Folge auch auf die Höhe der Selbstkosten einwirkte.
Auch von größeren Unglücksfällen ist die Arbeiterschaft nicht
verschont geblieben. Bereits 1866 verloren durch schlagende Wetter
50—60 Bergleute ihr Leben.* Am 24. September 1886 fand in dem
Fettflammkohlenflöze R, das man mit solchem Jubel begrüßt hatte,
eine Kohlenstaubexplosion statt, der ein Reviersteiger und 55 Berg-
leute zum Opfer fielen. Die Ermittelung der Bergbehörde ergab,
daß der Unfall durch einen Sprengschuß mit Schwarzpulver heit>ei-
geführt worden war, dessen Flamme den Kohlenstaub entzündete
und auf eine große Entfernung hin zur Explosion brachte, unter
plötzlicher Entwicklung von starken Nachschwaden, dem leider die
größere Zahl der Verunglückten erlag, ehe die Rettungsmann-
schaften Hilfe bringen konnten. Infolgedessen verbot die Ver-
waltung die Sprengarbeit mit Schwarzpulver. Am 7. März 1901
fand auf der fünften Sohle des Schachtes III/IV wiederum eine
Schlagwetterexplosion statt, der 21 Mann zum Opfer fielen.
Die Zahl der Arl)eiter hat sich im Laufe der Jahre stark ver-
mehrt Sie ist ständig mit der Produktion gewachsen. Sie betrug:
1865 131 Mann 1890 3006 Mann
1870 795 „ 1900 5557 „
1880 1810 „
Wir haben nun, nachdem wir die Entwicklung der Produktions-
faktoren Na tur, Kapital und Arbeit kennen gelernt haben, noch
* a. a. O. Achepohl p. 49.
4. Bergwerks-Aktiengesellsdialt Konsolidation.
251
die Produktion selbst näher ins Auge zu fassen. Darüber gibt
folgende Tabelle Auskunft:
Produktion der Bergwerks-Aktiengesellschaft „Konsolidation''
Jtlir
Koblea
Koks
AmmonlAk
Teer
t
t
t
t
1865
2383
1866
33285
—
«^
1867
96849
__
1868
137583
^
,^_
1869
191449
___
1870
188214
__
1871
214355
_
1872
285449
._
.^
1873
365442
—
_
1874
342911
1875
362176
-,^
«_
1876
483570
—
—
1877
518409
—
^
1878
525122
—
-1»
_
1879
562190
—
—
1880
528966
—
—
1881
552115
—
1882
579827
«^
1883
645072
16969
^
1884
697980
37993
_
...
1885
709367
34936
—
1886
684487
32883
..
1887
711470
35084
1888
719616
59038
—
1889
882786
98018
..
1890
949264
122372
...
1891
1040578
130520
—
1892
1037912
129294
..
..
1893
1050722
128828
_
1894
1075168
134096
_„
1895
1096109
133980
—
._
1896
1174106
194631
1000
2826
1897
1263843
214349
1364
3787
1898
1367962
250140
2473
6974
1899
1433649
288057
2631
7407
1900
1539312
304500
2582
7262
1901
1451178
244370
2155
6235
1902
1368460
241803
2431
7112
1903
1488444
291805
2745
8139
1904
1430206
305889
3590
10668
252 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
Auf eine Tonne Förderung entfällt Aktienkapital:
1889
18,1 Mark
1895
14,6 Mark
1900
10.4 Mark
1890
16.9 „
1896
13.6 „
1901
11.0 ..
1891
15.4 ..
1897
12.7 ..
1902
11,7 ..
1892
15.5 ..
1898
11,7 ..
1903
10,8 „
1893
15.2 ..
1899
11.2 ..
1904
ii;2 .,
1894
14,9 ,.
Hieraus ergibt sich, daß heute für die Tonne Förderung ein
bedeutend geringerer Kapitalaufwand nötig ist wie früher.
Von besonderer Wichtigkeit für den Absatz der Kohlen sind
die Eisenbahnen. Die für die Zeche wichtigste Bahn war ur-
sprünglich die Köln-Mindener. Die nächste Station lag in
Gelsenkirchen, ungefähr 20 Minuten von Schalke. Mit ihr war
die Konsolidation durch eine Anschlußbahn verbunden. Allein
der Kohlenabsatz auf dieser Bahn wurde häufig, namentlich bei
flottem Geschäftsgange, durch Wagenmangel gefesselt »Leider
müssen wir," heißt es in dem Bericht vom 27. Okober 1870, »kon-
statieren, daß gerade die Köln-Mindener Eisenbahn, von der allein
wir vorläufig für die Abfuhr unserer Produkte noch abhängen, in
der letzten Zeit unter allen Bahnen in betreff des Wagenmangels,
die in diesem Falle als sehr traurig zu bezeichnende erste Stelle
einnimmt, und wir werden daher die Stunde mit Freuden be-
grüßen, welche uns von dieser drückenden Abhängigkeit befreien
wird.* 1871 erfolgte dann die Verbindung der Rheinischen
Bahn mit Schalke, und zwei Jahre später wird die Emschertal-
bahn, eine Parallelbahn zur Köln-Mindener, mit einem Bahnhof
in Schalke eröffnet. Der Vorteil dieser Linie für die Zeche lag
darin, daß sie nach Osten bei Station Wanne den Anschluß an
die Paris -Hamburger Eisenbahn ermöglichte und nach Westen
den Weg nach dem Ruhrorter Rheinhafen, sowie nach Holland
via Sterkrade wesentlich abkürzte. Schließlich wird auch ein An-
schluß an die Bergisch-Märkische Bahn hergestellt
Damit waren tatsächlich ideale Transport- und Verkehrs-
verhältnisse geschaffen. Die Zeche wurde von den großen
Bahngesellschaften des Reviers geradezu umworben. Die Kon-
kurrenz dieser Gesellschaften untereinander ermöglichte die Er-
langung der billigsten Tarife. Mit diesen günstigen Verhältnissen
steht nun auch der bedeutende Export im Zusammenhang. Sdion
in dem Bericht über das Jahr 1868/69 wird darüber folgendes
ausgeführt: „Unser Absatzrayon erstreckt sich gegenwärtig über
die mit unseren Bahnverbindungen erreichbaren industriellen Ge-
4. Bergwerks-Aktiengeseilschaft Konsolidation. 253
biete Deutschlands, der Schweiz, Hollands, sowie über die be-
deutendsten Nordseehäfen, von wo aus unsere Produkte schon
mehrfach nach überseeischen Plätzen exportiert wurden und da-
selbst gegen die besten Sorten der englischen Kohle mit Erfolg
konkurrierten." Namentlich während der Knsis der 70er Jahre
wirft die Zeche den größten Teil ihrer Kohlen auf den inter-
nationalen Markt In dem Geschäftsbericht von 1874/75 heißt es
über den Erfolg: »Wir können uns dazu Glück wünschen, daß
es uns bereits gelungen ist, bedeutende Abschlüsse zum großen
Teil im Auslande zu verhältnismäßig guten Preisen zustande zu
bringen, so daß es uns voraussichtlich nicht schwer fallen wird,
die ganze Förderung unserer Schächte in voller Stärke ohne
Unterbrechung abzusetzen.* — Und an anderer Stelle: »Die er-
folgreiche Mitkonkurrenz unserer Kohlen in Hamburg, Belgien
und Frankreich, die stete Ausdehnung unserer Verbindungen in
Holland und nach überseeischen Ländern dürfen wir wohl als
eine erfreuliche Errungenschaft der letzten Jahre bezeichnen.*
Auch in der Folgezeit machte der Export einen bedeuten-
den Anteil an der Produktion aus, weil die Kohle der Kon-
solidation sich wegen ihrer Qualität besonders dazu eignete. Er
^^S für Kohle
1881 50,00/0 1889
1882 50,8<^/o 1890
1883 49.20/0 1891
1884 47.50/0 1892
1885 48.60/0 1893
1886 52.60/0 1894
1887 52.80/0 1895»
1888 51,70/0
Hieraus geht hervor, in welch hohem Maße die Zeche Kon-
solidation von den ausländischen Marktverhältnissen abhängt In
der 1880 erschienenen Ausstellungsschrift** heifit es: »Das Absatz-
gebiet der Zeche ist ein sehr ausgedehntes. Sie versendet ihre
Kohlen nach allen Teilen Deutschlands, femer nach Belgien,
Holland, Frankreich — namentlich ist ihre Qaskohle in den Er-
leucbtungsanstalten der Hauptstädte dieser Länder sehr geschätzt —
und endlich, wenn auch in weniger bedeutenden Quantitäten, nach
Osterreich, Schweiz und überseeischen Ländern« Oberhaupt wer-
Or Kohle
für Koks
36,70/0
19,80/0
33.10/0
19,80/0
31.80/0
26,50/0
36.20/0
48.10/0
37,00/0
52,00/0
35.20/0
49,90/0
33,30/0
41,20/0
^ Spater nicht mehr besonders berechnet
- 1. a. O. p. 15.
254 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
den 50% der Förderung exportiert* Wir sehen, daß dieser Pro-
zentsatz dann erheblich zurückging.
Solange die Zeche in den Gaskohlenflözen baute, stand für
sie der Absatz an die Gasanstalten durchaus im Vordergrunde.
Da aber naturgemäß der Konsum dieser Anstalten im Sommer ein
schwächerer war als im Winter, so mußte sie weitere Abnehmer
heranziehen. Ende der 60 er Jahre und wahrend des Krieges
1870/71 werden größere Quantitäten von Gaskohlen an die Marine
verkauft zur Heizung der Schiffskessel. Diese Lieferungen fallen
dann später wieder weg. Der Bericht von 1874/75 urteilt hier-
fiber folgendermaßen: i,Oft gewinnt es den Anschein, als ob die
Staatsbehörden es für gleichgültig für das allgemeine Interesse
erachteten, ob eine blühende Industrie existiert oder nicht, so kon-
sequent werden häufig die inländischen Werke ignoriert Wir
dürfen es wohl als eine auffallende Tatsache hervorheben, daB
die deutsche Kriegsmarine, nachdem sie im Jahre 1870 aas
dem hiesigen Bezirk und speziell von der Zeche Konsolidation
während des Krieges mit Frankreich ihren Bedarf an Kohle be-
zogen und damals genügend Gelegenheit gehabt, sich von der
Qualität und Brauchbarkeit der westfälischen Kohle zu überzeugen,
nachdem sie in dieser Weise tatsächlich die Notwendigkeit er-
fahren, sich im Kriegsfalle aus dem hiesigen Kohlenrevier ver-
sorgen zu müssen, sich während der folgenden fünf Friedensjahre
nicht erinnert hat, daß eine westfälische Kohlenindustrie existiert,
und jetzt nach so langer Zeit sich erst dazu herbeiläßt. Versuche
über die Verwendbarkeit der Kohlen für die Zeit des Friedens an-
zustellen — wobei denn den Zechen unentgeltliche Lieferung der
Kohlen und Bezahlung der Fracht für dieselben bis nach Vn-
heimshaven angesonnen wird. Warum man Bedenken trägt, eine
Kohle, die bereits im Kriege als gut und verwendbar erprobt, die
auf den größten transatlantischen Dampfern zur Verwendung
kommt, für die Friedensübungen der Kriegsschiffe zu benutzen,
ist schwer einzusehen. Man sollte glauben, auch ganz abgesehen
von den Interessen der Förderung der vaterländischen Industrie,
es sei die Verwendung der inländischen Kohle, deren Vorzug nie
in Frage gestellt werden kann, schon im Interesse der Marine
selbst geboten." Diese Ausführungen haben heute nur noch ein
historisches Interesse. Denn jetzt bezieht die Marine regelmäßig
nicht unbeträchtliche Mengen Kohle von der Zeche.
Mit einer Art von Kohle sollte das Unternehmen ganz be-
4. Bcfgwerk8-Alrtiengc8eU$chaft KonsoUdation. 255
sonders gute Geschäfte machen. 1881 traf man im achten Flöz
fiber Dickebank-Sonnenschein, d. h. der untersten Gaskohlenpartie,
einen 15—20 cm mächtigen Unterpacken einer Kohle, die sich
wie beste Gaskohle verhielt Sie hatte viel Wasserstoff, mithin
wenig Sauerstoff, war leicht entzündlich und brannte angezündet
mit lebhafter Flamme. In den Geschäftsberichten wird diese Kohle
Kandd- oder Kannelkohle genannt Die Ansicht von Muck*
dafi es sich auf Konsolidation um Pseudokannelkohle in der Fett-
kohlenpartie handele, ist unrichtig, denn diese Kannelkohle kommt
ebenso wie die englische in der Gaskohlenpartie vor. Mit dieser
Kohle wurden nun sofort Versuche angestellt, und es ergab sich,
dafi sie eine bedeutende Erhöhung der Leuchtkraft des Gases zur
Folge hatte und eine ansehnliche Menge Teer lieferte. In dem
Geschäftsbericht von 1881 wird darüber folgendes mitgeteilt: »Die
bisherigen Resultate bezüglich der Qualität sind ganz erstaunlich.
Die Kohle liefert erheblich mehr und helleres Gas als unsere
sonstige vorzügliche Gaskohle und auch vielmehr Teer, so daß
sie der renommierten Lesmahags Kandelkohle von Schottland t>e-
zflglich Gasausbeute und Leuchtkraft ebenbürtig ist, jedoch mehr
und besseren Koks als diese ergibt, und in Westfalen ihresgleichen
nicht wieder findet (was freilich später durch weitere Funde auf
anderen Zechen widerlegt worden ist). Obwohl die Lagerstatte
so gering machtig ist und deshalb keine größere Förderung ge-
stattet, ist doch mit Rücksicht auf die seltene Qualität eine regel-
mafiige Förderung begonnen worden, für welche eine ausnahms-
weise hohe Verwertung in Aussicht steht" Die Förderung be-
trag im Jahre 1883 19400 t Die geringe Mächtigkeit und das
drackhafte Hangende erlaubten aber keine wesentliche Steigerung.
Die Preise waren infolge der großen Nachfrage der Gasfabriken
nach dieser besonders zur Mischung geeigneten Spezialitat außer-
ordentlich hoch. Spater sind sie dann, als auch andere Zechen
in Westfalen Kannelkohle zu fördern begannen, stark gesunken.
Die Tonne kostete ursprünglich 30 Mark, heute 23 Mark.
Für den ganzen Absatz hal)en dann in den 90 er Jahren
die Syndikate eine bedeutende Rolle gespielt 1885 trat die
2^edie der Förderkonvention bei. Die Einschränkungen derselben
werden durch vermehrten Export auszugleichen versucht, denn der
Export war frei. 1890 schliefit sich das Unternehmen der Aktien-
^ Zdtschr. f. Berig-, Hatten- and Silinenwesen Bd. 36 p. 90.
256 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
gesellschaftWestfalischesKokssyndikat an. Die Notwendigkeit
dieser Verkaufsvereinigung sieht die Verwaltung darin, dafi den
plötzlichen Preisschwankungen sowohl nach oben wie nach unten,
denen das Koksgeschaft bisher ausgesetzt war, und welche ffir
Produzenten und Konsumenten große Nachteile im Gefolge hatten,
ein Ziel gesetzt werde. Die Beteiligungsziffer beträgt gegenwärtig
jähriich 381 000 t.
Durch Beschluß der außerordentlichen Generalversammlung
vom 18. November 1892 trat dann die Zeche auch dem im folgenden
Jahre eröffneten Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat
bei. Die anfängliche Beteiligungsziffer betrug 1050722 t Aber
infolge der ungestümen Entwicklung der Kohlenproduktion in
der Hausse von 1895 — 1900 werden bald dem Syndikat höhere
Beteiligungsziffem abgerungen. Der Geschäftsbericht von 1897
illustriert diese Verhältnisse folgendermaßen: »Trotzdem unsere
Beteiligungsziffer beim Kohlensyndikat bereits ab 1. April 1897
um 100000 t pro Jahr erhöht wurde, hat dennoch die Fördemng
die Beteiligungsziffer pro 1897 nicht nur erreicht, sondern aber-
mals fiberschritten, ein Beweis dafür, daß letztere immer noch
nicht in angemessenem Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit unserer
Grube stand. Mit Rücksicht hierauf ist uns auch auf unseren
begründeten Antrag ab 1. April 1898 eine weitere Erhöhung unserer
Beteiligungsziffer um voriäufig 120000 1 pro Jahr bewilligt worden«
Aber auch damit ist die Höhe einer unseren Verhältnissen ent-
sprechenden Beteiligungsziffer noch nicht erreicht, vielmehr sind
wir in der Lage, die Kohlenförderung noch weiter zu erhöhen,
was namentlich bei der demnächstigen Inbetriebnahme der neben
Schacht I im Abteufen begriffenen Schachtanlage VI der Fall sein wird.
Nachdem wir dem Kohlensyndikat gegenüber die Notwendigkeit
dieser Schachtanlage VI eingehend motiviert, und nachdem seitens
der Kommission zur Feststellung der Beteiligsziffem an Hand
der Grubenbilder und sonstiger Unterlagen eine genaue Prüfung
unserer Grubenverhältnisse vorgenommen, ist von letzterer Kom-
mission die Berechtigung dieser Doppelschachtanlage, also damit
auch die technische Möglichkeit der Produktionsvermehrung im
Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Syndikatsvertrages
anerkannt worden." 1904 betrug die Beteiligungsziffer für Kohle
1740000. Der Anschluß der Zeche an die Verkaufsveremigungen
für Nebenprodukte wurde schon an anderer Stelle vermerkt Aus
dem Gesagten ergibt sich, daß derAbsatz der Konsoli-
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
257
dation an Kohle» Koks, Ammoniak und Teer in den
Händen groSer Syndikate liegt, die infolge ihres mono-
polistischen Charakters in der Lage sind, den Konsu-
menten die Preise zu diktieren, und im Zusammenhang
damit die Aufgabe erfüllen, die Rente des Unternehmens
zu steigern.
Es bleibt zum SchluS noch übrig, die finanziellen Ver-
hältnisse des Unternehmens kurz zu skizzieren.
Es wurde bereits früher erwähnt, daS die bei der Bildung
der Gewerkschaft im Jahre 1864 eingezahlte ZubuSe sich auf
960000 Mark belief. Der für die folgenden Jahre nötige Bedarf
wurde aus den Gewinnen gedeckt
Mit 1868 beginnt dann die Verteilung einer Ausbeute. Diese
betrug für den 128 teiligen Kux:
1868 1050 Mark
1869 1800 „
1870 2160 „
1871 3450 „
1872 5400 „
1873 8100 „
1874 5400 Mark
1875 4950 „
1876 5040 ,,
1877 5465 „
1878 5400 „
1879 5400 „
1880 5400 Marie
1881 5400 „
1882 4500 „
1883 6150 „
1884 6250 „
1885 6360 „
Für den lOOOteiligen Kux:
1886 756 Mark 1888 1000 Marie
1887 820 „ 1889 600 ,, (v.jiiir)
An Dividende wurde gezahlt:
1889 110/0 1893 80/o 1897 I80/0 1901 270/o
1890 210/0 1894 8O/0 1898 220/o 1902 270/o
1891 200/0 1895 120/o 1899 250/o 1903 280/o
1892 120/0 1896 I50/0 1900 300/o 1904 260/o
Die Gewinne fließen in erster Linie aus dem Kohlenverkauf,
dann aber auch aus dem Koksabsatz. Es betrug der
OMamtgcwioa akl.
Vortrag ins dem
Vorjahr
Mark
Oewinn ans dem Verkauf von
Jitar
Kobira
Mart
Koka
Mark
Der loUter« ergibt t»
1900
8891071
6909945
1443256
16^
1901
8315099
6250771
1489626
17^
1902
7207504
5542606
1110738
15.4
1903
7566733
5964509
1006506
13,3
1904
7202597
5415581
1145707
15,9
Stilllcli, NattMalOkononlicht FocBChnogeo. Bd. 0.
17
258 4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
Den Nationalökonomen interessiert hier aber noch ein be*
sonderes Moment, das in der Finanz- und Verwaltungsgescbichte
grofier Gesellschaften zu den Seltenheiten gehört Es betrifft die
Gewinnbeteiligung an einer Nachbarzeche, gegen Über-
nahme der technischen und kaufmannischen Leitung* Die Ursache
für diese gleich noch näher zu beschreibende Mafinahme lag" be-
gründet in den schlechten Betriebsergebnissen der Gewerkschaft
»Unser Fritz". Hierüber heifit es in dem Bericht der letzteren
vom 18. Dezember 1878: »Die Verhaltnisse des kaufmannischen
Geschäftsbetriebes waren bei der Obernahme durch die neue Ver-
waltung kaum tröstlicher als die des Grubenbaus. Mit Ausnahme
einiger weniger guter Abnehmer, welche wir gern beibehielten,
besafi die Zeche fast gar keine solide Kundschaft Es fanden
sich in den Büchern viele zweifelhafte Forderungen, welche zum
grofien Teil nicht einzutreiben waren und deshalb abgeschriel>en
werden mufiten. Das Produkt stand wegen Mangels an sorgfaltiger
Gewinnung und Veriadung an vielen Stellen und gerade in Haupt-
absatzgebieten in Mifikredit, und es hat namentlich in einer Zeit»
wo die Konkurrenz allenthalben so grofie Anstrengung macht,
und jede Zeche die andere in Leistung und sorgfaltiger Bedienung
zu überbieten sucht, grofie Mühe gekostet, das vorhandene Vor-
urteil zu bekämpfen." Da der damalige Direktor der Konsolidation
Boniver als ein aufierordentlich tüchtiger Fachmann bekannt war,
beschlossen die Gewerken »Unser Fritz* Ende 1877 ihm und den
technischen und kaufmannischen Oberbeamten der Konsolidation
die Leitung und Beaufsichtigung der Zeche zu übertragen, damit
einmal die Verwaltung geordnet werde und aufierdem die Renta-
bilität sich bessere. In dem Kontrakt wurde festgesetzt, dafi für
diese Leitung 20% der an die Gewerken der Zeche Fritz zur
Verteilung kommenden Ausbeute gezahlt werden solle. Für die
Konsolidation bedeutete die Einheitlichkeit der Verwaltung nicht
blofi einen Gewinnvorteil, sondern auch einen Ausschlufi der
Konkurrenz der benachbarten Gewerkschaft in bezug auf
Arbeiter, Kohlenpreise usw. Nach 3 Vq jahriger Dauer wurde der
Vertrag am 1. Juli 1881 wieder gelöst. Die Verhaltnisse der Zeche
waren in Ordnung gebracht. Die Verwaltung wurde wieder selb-
ständig, nur ein Beamter der Konsolidation blieb als Direktor zurück.
* Ein analoger FaU dürfte bei den beiden Zechen Lothringen und Schwerin
bei Castrop vorliegen. Beide stehen unter einer Verwaltung, haben aber ge-
trennte Abrechnung.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 259
Damit haben wir die Geschicke des Unternehmens gekenn-
zeichnet Die wesentlichen Ergebnisse unserer Untersuchungen
sind folgende:
Das Unternehmen wurde 1862 durch Zusammenlegung
von sieben Grubenfeldern als Gewerkschaft gegründet.
Kurz nach der Umwandlung der immobilen in mobile
Kuxe nahm sie 1889 die Form der Aktiengesellschaft an,
aus der Taufe gehoben durch die Interessen des Börsen-
kapitals.
Der Kohlenreichtum des Unternehmens ist, wie wir
erkannten, groS, seine Basis aber, das Grubenfeld, nur
klein. Seine Erweiterung ist infolge der heute bestehen-
den Monopolisierung der Bodenschätze in den Händen
groSer Gesellschaften schwer und teuer. Die Größe des
Grubenfeldes aber limitiert aufier der Zahl und Mächtig-
keit der Flöze die Lebensdauer der Gesellschaft
Wir besprachen dann die Entstehung der Schächte.
Zu den drei alten gesellten sich erst seit der Mitte der
90er Jahre drei neue Schächte, bedingt durch die Not-
wendigkeit des Niedergehens in gröfiere Teufen, die
Anforderungen einer erhöhten Produktion und einer
besseren Bewetterung. Die ganze Förderung wird be-
herrscht von dem Streben nach möglichster Billig-
keit Daher z. B. die weitgehende Anwendung des Koepe-
systems.
Als von besonderer Wichtigkeit lernten wir die Kraft-
Qbertragungsmittel kennen. Der Dampf eignete sich
wenig. Pfir kleine Maschinen kam hauptsächlich Preß-
luft in Betracht, für gröfiere Elektrizität In letzter Instanz
entschieden wirtschaftliche Grfinde über die Art der
Kraftübertragung.
Die unterirdischen Verhältnisse betrafen vor allem
den Abbau. Die Anlage der Sohlen geschah aus finan-
ziellen Gründen von oben nach unten. Durch die Er-
weiterung der Sohlenabstände wurde es möglich, die mit
zunehmender Teufe notwendigen höheren Anlagekosten
etwas zu modifizieren. Veranlafit durch die ungeheuren
Schädigungen der Erdoberfläche trat seit den 80er Jahren
eine vollständige Änderung in der Abbaumethode ein.
Damit steht der Landhunger der Zeche in Konnex. Im
17*
260 4- Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation.
Zusammenhang mit dem unterirdischen Ausbau der
Strecken streiften wir einen interessanten Versuch, durch
den Ankauf von Eichenwaldungen und Verarbeitung
des Holzes in eigener Regie den Bedarf der Zeche zo
decken.
Wir lernten dann eine Reihe von Nebenbetrieben
kennen, die als wichtige Produktionsmittel der Zeche
aber Tage in Betracht kommen. Zunächst eine Brikett-
fabrik, die sich aber nicht zu halten vermochte, ferner
eine Steinfabrik resp. Ziegelei. Als Vorteile dieser An-
lage erkannten wir die billigere Eindeckung ffir den
Selbstbedarf, die Verminderung der Transportkosten der
Berge und des für die Bergeablagerung notwendigen
Terrains und die Erhöhung der Rente des Unternehmens.
Der Schwerpunkt aber liegt heute in dem dritten Neben-
betrieb, der Kokerei. Sie wird wirtschaftlich fundiert
1. durch die infolge der Umwandlung in Koks ein-
tretende Veredelung und WerterhOhung der Feinkohle
und 2. durch die unentgeltliche Erzeugung der zur Kessel-
heizung dienenden Gase.
Nach Erörterung der mechanischen Arbeitsmittel
wandten wir uns den Verhaltnissen der menschlichen
Arbeitskraft zu. Die Zeche hat wiederholt unter Arbeiter-
mangel zu leiden gehabt. In ihren Jugendjahren wurden
dadurch direkt Betriebsstörungen verursacht Als Mittel
zur Heranziehung von Arbeitern wurden auch hier Ar-
beiterkolonien geschaffen. Das Wachstum und der Aus-
bau der Stadt Schalke steht damit im Zusammenhang.
Die Löhne der Arbeiter, ihre Bewegung, ihre Gefähr-
dung usw. und einige damit in Konnex stehende sozial-
politische Einrichtungen der Verwaltung wurden kurz
erwähnt. Tiefer in das Gefüge der Arbeitermasse dieser
Zeche einzudringen war leider bei dem gänzlichen Mangel
an Material unmöglich, geben doch die Geschäftsberichte
nicht einmal ihre Zahl an.
Auf dieser breiten Basis einer Vereinigung von Natur,
Kapital und Arbeit erhebt sich dann die Pyramide der
Produktion an Kohle, Koks und SekundSrprodukten. Wir
erkannten, daß heute auf eine Tonne Förderung weniger
Aktienkapital kommt als früher.
4. Bergwerks-Aktiengesellschaft Konsolidation. 261
Der Absatz dieser Produktion wurde vor allem be-
stimmt durch den groSen Export der Zeche. Er wird ge-
fördert durch günstige Eisenbahnverbindungen nach allen
Richtungen. Als Konsumenten kamen früher vor allem
Gasanstalten in Betracht, dann die Marine und der Ab-
satz an die Kokerei. Von besonderer Bedeutung wurde
die Auffindung eines Packens hochwertiger Kannel-
koble, von der die Tonne allein 23 Mark kostet Heute
liegt der ganze Absatz in den Händen des Rheinisch-
Westfälischen Kohlensyndikats, an dem die Zeche mit
1740000 t Kohle und 381000 t Koks beteiligt ist
Am SchluS warfen wir noch einen Blick auf die finan-
ziellen Ergebnisse der Zeche, die, von den Baujahren ab-
gesehen, als aufierordentlich günstige bezeichnet werden
müssen, und in neuerer Zeit namentlich durch die Riesen-
gewinne aus den Kokereien potenziert werden. Beson-
ders gedachten wir noch einer kurzen Periode, in der die
Nachbargewerkschaft »Unser Fritz" unter der Leitung
der Konsolidation stand, gegen das Zugeständnis einer
Beteiligung am Reingewinn mit 20%.
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit einem
Unternehmen, das im Laufe seiner Entwicklung unter zwei ver-
schiedenen Firmen auftritt Die erste ist die Belgisch-Rheinische
Gesellschaft der Kohlenbergwerke an der Ruhr. Sie wurde 1851
gegründet und liquidierte 1873. Die zweite ist die Bergwerks-
gesellschaft Dahlbusch. Sie übernahm in dem zuletztgenannten
Jahre gegen einen Kaufpreis von 11,2 Millionen Mark sämtliche
Aktiva und Passiva ihrer Vorgängerin.
Für die Erkenntnis der wirtschaftlichen Bedingungen des
Unternehmens ist dieser Wechsel ohne Belang, denn er ist rein
formaler Natur und hat daher für die Einteilung resp. Behand-
lung des Stoffs keine Bedeutung.
Wir gliedern die folgenden Ausführungen in fünf Teile and
behandeln:
1. Die Gründung des Unternehmens.
2. Die Produktionsfaktoren (Natur, Kapital, Arbeit).
3. Die Produktion.
4. Die Absatzverhältnisse.
5. Die Rente.
Wir beginnen mit der Entstehung des Unternehmens. Die
ersten Anregungen zu Neugründungen des anonymen Kapitals
auf dem Gebiete des Bergbaus fallen zusammen mit den Kohlen-
funden, die man in den 40 er Jahren des verflossenen Jahrhunderts
in der Gegend nördlich von Essen machte. Bis dahin waren die
Bergbautheoretiker und Techniker fast übereinstimmend der An-
sicht gewesen, dafi das sog. produktive Steinkohlengebirge mit
dem Leibänker Sattel, der siph über die Höhen am rechten Ruhr-
ufer von Bochum über Kray nach Essen hinzieht, seinen Abschlufi
nach Norden erreiche. Als diese Annahme durch zahlreiche Bohr-
aufschlüsse widerlegt war, begannen sich Gesellschaften zur Aus-
beutung der neu entdeckten Kohlenlager zu bilden. Deutschland
verfügte damals noch nicht über jene Riesensummen, mit denen
heute die Grofibanken industrielle Unternehmungen finanzieren.
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 263
In dem damals noch kapitalarmen Lande war es daher schwierig,
die nötigen Geldmittel zusammenzubringen, die zum Abteufen der
Schachte und zur Errichtung der Tagesanlagen notwendig waren.
Daher kam es, dafi zunächst der Versuch gemacht wurde, mit
Hilfe von belgischem und englischem Kapital eine Aktiengesell-
schaft ins Leben zu rufen. Die älteste im Archiv der hier be-
sprochenen Gesellschaft befindliche Urkunde vom 29. Dezember
1846 berichtet fiber eine Vereinbarung zwischen den benachbarten
Mutem fiber die gegenseitige Abgrenzung ihrer Arbeitsgebiete.
Eine Anzahl Männer, die Mutungen in der Nähe des Dorfes Rott-
hausen eingelegt und Mutscheine erworben hatten, traten zu
einem Konsortium zusammen, und dieses verkaufte seine Besitz-
rechte 1847 an die Englisch-Belgische Gesellschaft der
rheinischen Bergwerke zu Düsseldorf (Soci^tä Anglo-Belge),
die am 2L September 1848 die landesherrliche Genehmigung er-
hielt Diese Gesellschaft war aber nicht imstande, die Aktien in
Höhe von insgesamt 2Va Millionen Franks zu placieren. Das
Hungerjahr 1848 nahm einem grofien Teil der Subskribenten die
Möglichkeit, die gezeichneten Beträge einzuzahlen, und so war
die Gesellschaft genötigt, sich aufzulösen. Ihre Liquidation er-
folgte durch Generalversammlungsbeschlufi am 27. Dezember 1849.
Diesem ersten mißglückten Versuch sollte bald ein zweiter
folgen mit demselben negativen Resultat Eine Anzahl Aktionäre,
die an der ersten Gesellschaft beteiligt waren, gründete nämlich
noch vor Ablauf des Sterbejahres der alten eine neue Gesell-
schaft unter der Firma Aktiengesellschaft des belgisch-
rheinischen Kohlenbergwerks, unter Zugrundelegung eines
gleichhohen Kapitals. Diese Beschleunigung in der Neugründung
hing mit dem nahen Verfallstermin der eingelegten Mutungen zu-
sammen. Damals war noch zur Errichtung einer Aktiengesell-
schaft die Genehmigung der Staatsregierung erforderiich. Denn
das Gesetz vom 9. November 1843 bestimmte im § 1: Aktien-
gesellschaften . . . können nur mit landesherrlicher Genehmigung
erriditet werden. Der Gesellschaftsvertrag (das Statut) ist zur
landesherriichen Bestätigung vorzulegen.* Die Regierung aber
verweigerte, was sich aus der Vorgeschichte wohl genügend er-
klärt, ihre Zustimmung zu Gründungsurkunde und Statut So
war auch dieser zweite Versuch mifiglfickt Endlich gelang es
* Gesetzsammltiiig 1843 p. 341.
264 ^' Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
nach Erneuerung der Mutung auf Grund eines neuen Statuts unter
einer anderen Firma die Gesellschaft zustande zu bringen und
die Genehmigung der Regierung zu erlangen. Am 11. Dezember
1851 konstituierte sich die Belgisch-Rheinische Gesellschaft
der Kohlenbergwerke an der Ruhr (Sod^t^e anonyme Beige
Rh^nane des charbonnages de la Ruhr) zu Dusseldorf mit einem
Kapital von 2 Millionen Franks oder 1,6 Millionen Mark.* Am
10. März 1852 erfolgte die königliche Genehmigung.** Die Ge-
sellschaft besaS die Steinkohlenmutungen »Eigen", »Eigen n*»
»König Leopold" und »Königin von England" bei Rotthausen.
Das Ziel, das sie sich steckte, bestand in der Erwerbung und dem
Betrieb von Kohlenbergwerken in den Bergamtsbezirken Essen
und Bochum, sowie in der VeräuSerung und Verkokung von
Steinkohlen.
Bei dieser Grfindungsgeschichte ist zweierlei interessant:
erstens die Summe von Schwierigkeiten, die der Errich-
tung der Aktiengesellschaft im Wege standen, und die
mit der staatlichen Bevormundungspolitik zusammen-
hingen, und zweitens die Tatsache, dafi das neue Unternehmen
fremdem Kapital seinen Ursprung verdankt Auslflndisdie
Kapitalisten vereinten sich zur Hebung der Reichtümer der heimi-
schen Erde.
Die Entwicklung des Unternehmens korrespondiert nun, und
damit kommen wir zu dem zweiten Punkte unserer Untersuchung,
mit der Entwicklung der Produktionsfaktoren. Der wichtigste
Produktionsfaktor beim Bergbau ist die Natur. Die Lage
und Beschaffenheit der Kohlenflöze ist die Basis, auf der sich in
letzter Linie die Geschicke des Unternehmens aufbauen. Was hier
die Aktiengesellschaft bezieht, ist hauptsachlich Grundrente. Die
Gröfie dieser Grundrente entscheidet fiber die Dividende oder
privatwirtschaftlich gesprochen aber den Unteraehmergewinn.
* Die GrOnder waren folgende: Joseph Chaudron aus Mons, Payen-AIlard,
Edmund Triest, Fran^ois Desmede, Jean Fran^ois Geens aus Brüssel, Emile De-
rousseaux aus Roubais, Henry Thies aus Essen, Eis Kamp-Geens aus Antwerpen,
Emile Fran^ois van der Eist, CamiUe Payen, Alfred Payen aus Brüssel, Wilhelm Eigen
aus Schuir, Theodor Wagner, Friedrich Buscher, Georg Friedrich Wfllbem aus Essen
und Wilhelm Kemper aus Schonnebeck. Unter ihnen ist die bedeutendste Per-
sönlichkeit Joseph Chaudron, der von 1851—1872 dem Verwaltnngsrat der
Belgisch-Rheinischen Gesellschalt angehörte und seit 1873 als Präsident des
Aufsichtsrats der Bergwericsgesellschaft Dahlbusch fungiert
** Siehe Gesetzsammlung 1852 p. 85.
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 265
Daher behandeln wir zunächst die natürlichen Grundlagen des
Betriebes. Auf ihnen bauen sich die wirtschaftlichen auf.
Die Berechtsame der Bergwerksgesellschaft Dahlbusch umfaSt
nur 400 ha. Sie ist also im Vergleich mit anderen klein. Ringsum
ist sie von Besitz in festen Händen eingeschlossen. Eine lokale
Erweiterung ist daher in Zukunft so gut wie unmöglich.
Das Grubenfeld grenzt im Osten an Rhein -Elbe und Alma,
im Süden an Bonifazius, im Westen an Zollverein, im Nordwesten
an Konsolidation und im Nordosten an Hibemia. Die Zeche liegt
im Nordosten des Landkreises Essen, in der sog. Stoppenberger
Mulde, in der auch die eben genannte zur Gelsenkirchner Berg-
werksgesellschaft gehörige Zeche Rhein -Elbe, sowie die zur
Magdeburger Bergwerksgesellschaft gehörige Königsgrube und
Zollverein bauen. Von den vier Hauptmulden des Ruhrbassins,
nflmlich der Wittener, Bochumer, Stoppenberger oder Essener und
Horst-Recklinghausener Mulde zeichnet sich die Horster und
Stoppenberger Mulde durch grofie Regelmäfiigkeit des Flözver-
baltens aus. Beide gehören zu den wichtigsten und reichhaltigsten
Mulden des niederrheinisch-westfaiischen Steinkohlenbezirks* In
der von der Verwaltung herausgegebenen Denkschrift** heiSt es:
«Die Berechtsame von Dahlbusch erstreckt sich fiber das Mulden-
tiefste der Stoppenberger Mulde. Diese hat eine elliptische Ge-
stalt und weist bis jetzt die bedeutendste Förderung in Westfalen
auf. Dabei hat die Regelmäßigkeit des Verhaltens sie unter
den Kohlenbecken berühmt gemacht Ihre größte Teufe erreicht
sie im Felde Dahlbusch. Das stärkste Einfallen der Flöze im
Norden und Säden geht nirgends fiber 14<^ hinaus, im größten
Teile der Berechtsame ist es geringer, bis 3,5^. . . . Keine irgend-
wie bedeutendere Störung verwirft die Stoppenberger Mulde im
Felde von Dahlbusch. Doch liegt im Norden eine Überschiebung,
die die Flöze der Zechen Hibemia und Konsolidation beeinfluß^
auf der 300 m- Sohle mit einem Einfallen von ungefähr 30<> in
das Feld von Dahlbusch hinein. Diese Überschiebung gestaltet
* Der Kohlenreichtum beider Mulden wird bereits im Anfang der 70er
Jahre eingehend beschrieben. Vergl. Sievers: Die FlOzablagerungen der Stoppen-
berger und Horster Mulde in Zeitschr. f. Berg-, Hatten- und Salinenwesen im
preuBlachen Staat Bd. 21, p. 206.
** Zur Feier des SOjihrigen Bestehens des Kohlenbergbaus in der Berg«
berechtsame Dahlbusch. Herausgegeben aus AnlaB der bidustrie- und Gewerbe-
ansstellung zu Dflsseidorf 1902.
266 S* Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
infolge ihres schwachen Einfallens den Betrieb auf dieser Sohle
schwieriger und mühevoller, als er in den überlagernden Flözen
gewesen ist In der ganzen Berechtsame trifft man femer von
Westen nach Osten eine Reihe von Sprängen mit im allgemeinen
östlichem Einfallen an. Diese Sprünge haben aber wenig Be-
deutung und keinen nennenswerten Einflufi auf die hangenden
Flöze; es ist zu vermuten, dafi sie die liegenden gar nicht be-
einflussen werden.«
In den mit diesen Worten gekennzeichneten natürlichen
Verhaltnissen haben wir den Schlüssel für die günstige Entwick-
lung des Unternehmens zu suchen. Die Flöze verlaufen wohl
etwas wellenförmig, aber im ganzen sind sie nahezu horizontal
gelagert Infolge dieser flachen Lagerung erfordern die
Vor- und Ausrichtungsarbeiten keine grofien Kosten
Das Fehlen von Störungen und Verwerfungen, von den
Sprüngen abgesehen, erhöht ebenfalls die Grundrente. Die Flöz-
mächtigkeit schwankt zwischen 0,76 bis 1,50 m. Sie entspricht
also den im Ruhrgebiet üblichen Verhaltnissen. Bei Anfrecht-
erhaltung der jetzigen Förderung von über 1 Million Tonnen
jahriich last sich der Vorrat an Kohle in der Berechtsame der Ge-
sellschaft nodi auf 250 Jahre berechnen. Freilich hat die Berecht-
same, wie aus der oben zitierten Stelle der Ausstellungsschrift
hervorgeht, auch Zonen, wo die Gewinnung erschwert wird und
die Produktionskosten daher den sonst üblichen Durchschnitt
übersteigen. Bei der Ausrichtung der Flöze des später noch
näher zu beschreibenden Schachtes V stiefi man auf eine bereits
auf Hibemia bekannte streichende Gebirgsstörungszone, »welche
besonders durch eine sie begleitende lebhafte Ausströmung von
Schlagwettern eine sehr empfindliche Erschwerung der Betriebs-
Verhältnisse zur Folge hatte." Aber davon abgesehen ist die Be-
rechtsame im Vergleich mit anderen von der Natur durchaus
privilegiert
Der zweite wichtige Faktor, den wir zu behandeln haben,
wird repräsentiert durch die Betriebsmittel der Gesellschaft
Hierher gehören vor allem die Schacht- und Förderanlagen.
Die Zahl der Schächte — von ihrer Tiefe zunächst zu schweigen —
hat sich im Laufe der Entwicklung sehr vermehrt Wir werden,
um von vornherein die Ursachen richtig zu erfassen« drei große
ökonomische Motive kennen lernen, die bestimmend für das
Abteufen immer neuer Schächte gewesen sind, nämlich in erster
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 267
Linie das Streben nach Vergröfierung der Produktion; dazu kommt
zweitens das Bedürfnis, sich gegen das Risiko eventuell eintreten-
den ungünstigen Flözverhaltens möglichst zu schützen sowie an
Stelle abgebauter neue Flözpartien zu erschließen, und endlich
drittens im letzten Jahrzehnt durch den Betrieb neuer Schacht-
anlagen eine Art Rückversicherung gegen Fördereinschränkungen
des Kohlensyndikats zu haben.
Wir wollen nun die Entwicklung der Schachtanlagen näher
ins Auge fassen. Nachdem die Gesellschaft gegründet war, wurde
1853 mit dem Abbohren des ersten Schachtes begonnen. Es
war damals üblich, dem Schacht einen Namen zu geben, und die
Gründer glaubten, dem König Leopold eine besondere Freude zu
machen, wenn sie den Schacht nach ihm benannten. Aber der
preußische Revierbeamte erhob gegen diese Taufe Einspruch. An
Stelle des Namens König Leopold, den man bereits der Mutung
gegeben hatte, wurde daher für den Schacht der Name Dahlbusch
gewählt, der später nach der Umwandlung in eine neue Gesell-
schaft von dieser angenommen werden sollte. Dieser Schacht
wurde nun aber nicht so abgeteuft, wie es bisher üblich war,
sondern er wurde abgebohrt. Bisher war das auch im Essen-
schen Bezirk gebräuchliche Verfahren das wirkliche Abteufen, ver-
bunden mit Wasserhaltung, wobei das Gebirge durch Häuerarbeit
gewonnen, durch Haspel zutage gefördert und die zuströmenden
Wassermassen durch Maschinen zu Sumpfe gehalten wurden. War
das Mergelgebirge durchteuft und das Kohlengebirge erreicht, so
wurde von dort aus der Schacht bis zur Hängebank in wasser-
dichte Mauerung gesetzt* Die Nachteile dieser Methode spürten
in erster Linie die Abteufarbeiter. Sie mußten wegen des eng-
begrenzten Raums auf der Sohle eines finsteren Schachtes im
Wasser und Schlamm stehen, das aufgehängte Pumpwerk über
sich. Häufig ist, sagt Simon,** der freie Querschnitt durch die
Pumpen und deren Zubehör aufs äußerste eingeengt Die Arbeits-
lage war also möglichst ungünstig. Außerdem waren die Arbeiter
von der Gefahr bedroht, daß loses Material auf sie herabfiel.
Diese Methode verminderte daher die Leistung und vergrößerte
die Kosten des Abteufens; sie wurde aber allgemein angewandt,
* Siehe für diese, sowie die folgenden Bemericungen Zeitschr. f. Berg-,
Hatten- und Salinenwesen im preufiischen Staate 1857 Bd. VI p. 163 und
Bd. 27 p. 35.
^ Jounud of Uie Iren and Steel Institute 1877 Nr. 1.
268 ^' Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
weil bei der grofien gegenseitigen Konkurrenz der damals ent*
stehenden Tiefbauanlagen das Ziel jedes Unternehmens war, den
Schacht in möglichst kurzer Zeit förderfertig zu machen.
Die Rheinisch-Belgische Gesellschaft war die erste in dem
Bezirk, welche von diesem gewöhnlichen Verfahren abwich. Sic
stellte einen grofien Bohrer auf — das Gewicht eines solchen
Bohrers beträgt bei einer Schachtweite von 4,5 m ca. 40000 kg — ,
der durch eine Dampfmaschine bewegt wurde, wahrend eine
zweite Dampfmaschine zum Herausziehen und Anhangen des-
selben diente.
Das ursprüngliche Motiv für die Wahl dieses nach dem In-
genieur Kind benannten Bohrverfahrens lag in der Schwierigkeit
des Wassersfimpfens, um auf der Sohle arbeiten zu können. Da
das Abbohren unter Wasser geschieht, so macht es die Sümpfung
überflüssig. Kein Mann steigt hinunter, bis der Schacht voll-
ständig fertig, sicher tübbiert und absolut trocken ist Wahrend
der Arbeit bleibt also das Wasser im Schach^ Das hat noch
einen weiteren Vorteil. Durch den Gegendruck des Wassers
werden die Schichtstöße in viel höherem Mafie in ihrer Lage er-
halten, als bei dem vorhin beschriebenen System, bei welchem
durch den fortgesetzten Abflufi des Wassers und den Einflufi der
Luft die Stöfie gelockert und häufig flüchtig wurden.
Von besonderer Wichtigkeit aber war der mit dem Bohr-
verfahren verbundene Vorteil einer nicht unbedeutenden Ersparnis
an Arbeitskräften. Beim Abbohren waren nämlich nur tätig:
1 Bohrmeister, 4 Gehilfen, 1 Maschinenwärter und 1 Schürer, im
ganzen 7 Mann, während man beim gewöhnlichen Abteufverfabren
70—80 Mann gebrauchte. Außerdem kam als zweiter Punkt hinzu,
daß man glaubte, billiger zum Ziele zu kommen. Man er-
sparte die Hauer- und Zieherlöhne und die bei dem
gewöhnlichen Verfahren oft sehr kostspielige Wasser-
haltung. Nun zeigte sich aber bald, daß die Arbeit außerordent-
lich langsam vonstatten ging. Erst nach 4Va Jahren Bohrarbeit
erreichte man das Steinkohlengebirge. Die Mächtigkeit der ül>er
dem Kohlengebirge liegenden Kreidemergelschicht war HO m.
Der Wasserreichtum dieses Deckgebirges machte ein besonderes
Verfahren notwendig, das das Kind-Chaudronsche genannt wird,
und das seitdem bei dem Niederbringen von Schächten im wasser-
reichen Deckgebirge immer angewandt wird und zu großer Be-
rühmtheit gelangt ist In der Festschrift heißt es hierüber folgender-
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 269
maSen: »Zu der damaligen Zeit erschien es als eine aufierordentlich
schwierige technische Aufgabe, den Schacht nach dem Verfahren
des Altmeisters der Bohrkunde Kind mittelst Bohrens und
Verdichtens der Schachtwände durch Holzdauben niederzubrin-
gen. ... Als man mit dieser Arbeit bis 55 m gelangt war, er-
folgte jedoch am 24. Januar 1856 der verhängnisvolle Unfall, daß
eine Daube des 52. Fasses unter dem Wasserdruck von 5 Atmo-
sphären heraussprang und der Schacht versoff. Nur nach aufier-
ordentlichen Anstrengungen und Geldopfem gelang es, die Öffnung
zu verspunden und den Schacht sicherzustellen. Es war dies das
erstemal, daS Herr Chaudron eine Moosbächse* mit einer Holz-
kuvelage anwandte. Dieser Erfindung folgten dann mehrere
andere. In der Absicht, die Gufieisenkuvelage mit Moosbüchse
und QleichgewichtssSule beim Schachtabteufen zu verwenden,
nahm Herr Chaudron 1855 auf diese Patent Est ist dies das
Verfahren, welches seinem Namen eine wohlverdiente Berühmtheit
verschafft hat"
Wir ersehen hieraus, dafi die wasserdichte Auskleidung des
Schachtes ursprünglich nicht gelang. Man stand daher auch in
den Fachkreisen dieser Abteufmethode anfangs ablehnend gegenüber.
Erst nachdem Chaudron an Stelle des Holzes die gufieiseme Kuve-
lage einführte, verschaffte sich das Verfahren des Schachtabbohrens
mehr und mehr Eingang und wurde bald im rheinisch-westfälischen
Kohlenbezirk bei starken Wasserzuflüssen und festem Gebirge
ausschlieSlich angewandt^ Nun war aber die Anwendung
dieses Verfahrens mit großem Zeit- und Kapitalaufwand
verbunden. Das Niederbringen des Schachtes I dauerte von
1853 bis 1860. Erst nachdem man sieben Jahre gearbeitet
hatte, stieß man bei 200 m Teufe auf zwei abbauwürdige Flöze der
Gasflammkohlenpartie, und damit nahm die Kohlenförderung ihren
Anfang. Die Schwierigkeiten des Schachtniederbringens liefen aber
in letzer Linie in Geldschwierigkeiten aus. Die Herstellung dieser
ersten und wichtigsten Anlage, ohne die eine Kohlenförderung
überhaupt nicht möglich war, verschlang das ganze Aktienkapital.
Wir werden bei der Besprediung der finanziellen Verhaltnisse
das Detail noch naher kennen lernen.
* So genannt, weil die Abdichtung des Schachtes auf der Sohle gegen
das Gebirge durch Moos erfolgt und die t)eiden untersten Ringe die Form einer
Stopfbachse haben.
** KOhne in der Festschr. z. 8. aUg. deutsch. Bergm. i. Dortm. p. 39/40.
270 5* Bergwericsgesdlschaft Dahlbtisch.
Nun blieb man aber nicht bei dem Ein-Schachtsystem stehen
aus Gründen des Produktionsinteresses. Um auf dem ersten
Schacht eine nach damaligen Verhaltnissen normale Förderung
von 400 t pro Tag zu erzielen, wurde von 1865 — 1867 ein kleiner
Wetterschacht abgeteuft.
Aber trotzdem genügte, wie wir später sehen werden, die
Produktion des ersten Schachtes nicht, deshalb wurde ein zweiter
Forderschacht projektiert, der täglich 800 t Kohlen fordern sollte
Das Motiv war also die Vermehrung der Produktion.
Den AnstoS zur Anlage dieses zweiten Schachtes gaben die
Aufschlüsse der Hibemia, mit der das Grubenfeld von Dahlbusdi
im Nordosten markscheidet Auch bei diesem zweiten Schacht
wurde das Kind-Chaudronsche Verfahren angewandt Die Anlage
wurde 1866 begonnen und 1869 bis zu einer Tiefe von 240 m
vollendet Die Bauzeit dauerte also nicht ganz vier Jahre, und zwar
waren es Jahre, wo das Geschäft teilweise stagnierte. Heute ist
dieser Schacht, wie wir noch sehen werden, bereits auf 650 m
niedergebracht
Zu diesem zweiten Schacht aber kamen bald als Schlüssel
zum Aufschluß neuer Felder noch zwei andere Schächte. Es
handelte sich um die Inangriffnahme der Ausbeutung des bisher
noch unverritzten Südfeldes, die von dem in der Mitte der Be-
rechtsame gelegnen Schacht I aus nicht erfolgen konnte. Damit
verknüpfte sich das Bestreben, durch Anlage zweier neuer Schächte
das mit dem Kohlenbergbau verbundene Risiko zu dezentralisieren.
Der Geschäftsbericht über das Jahr 1875 äufiert sich hierüber in
folgender Weise: »Durch den Umstand, dafi wir verschiedene
Forderpunkte besitzen, wird die Unsicherheit, welcher das Kapital
beim Bergbau stets mehr oder weniger unterliegt, auf das ge-
ringste Maß reduziert" Der erste Spatenstich wurde 1874 getan.
Nach vier resp. fünf Jahren konnten die ersten Kohlen gefordert
werden. Schacht in kam 1878 in Betrieb, nachdem die Forderung
des vierten Sdiachtes bereits ein Jahr vorher begonnen hatte. Die
Entstehung dieser Anlage fällt, wie wir hieraus sehen, in eine
Zeit sinkender Konjunktur, billiger Preise und Arbeitskräfte.
Schacht IV blieb 22 Jahre lang im Betrieb. 1899 wurde jedoch
die Forderung auf demselben eingestellt Heute ist er nach
weiterer Abteufung auf 634 m ausziehender Wetterschacht für IH
und den später hergestellten Schacht VI.
In die 80er Jahre fällt dann der vollständige Umbau und die
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 271
Netteinrichtung der alten Förderanlagen. Der Abbau der Flamm-
kohlenflOze auf Schacht I beschrankte sich auf Tiefen von 160 bis
180 m. Nach 26 Jahren waren diese Horizonte erschöpft, und
man muSte in größere Tiefen hinuntergehen, um die dort liegen-
den Oaskohlenflöze zu eneichen. Am 1. April 1885 wurde daher
der Betrieb auf Schacht I vorlaufig sistiert, um am 1. September 1886
wieder eröffnet zu werden. In dieser Zeit wurde er vollständig um-
gebaut .zu einer Anlage ersten Ranges", wie es im Geschäftsbericht
beifit Die Umbaujahre beeinflußten die Selbstkosten der gewon-
nenen Kohle sehr ungünstig. Es handelte sich bei diesem Umbau
am eine Vertiefung um 200 m. Heute beträgt die Teufe 402 m.
Die Aufwendungen dafür betrugen damals rund 761000 Mark,
eine Summe, die sich reichlich bezahlt machte. Betrugen doch
in den folgenden fünfzehn Jahren von 1887 bis 1901 inkl. die
Betriebsfiberschüsse im jähriichen Durchschnitt rund 700000 Mark
bei einer durchschnittlichen Förderung von ca. 850 Tonnen.
Aber damit waren die Anlagen noch nicht zu Ende gekommen.
Liegt es doch im Wesen der kapitalistischen Produktionsweise, immer
größere Quantitäten zu fördern und zu verkaufen. Dazu aber ist
die Vermehrung der Schachtanlagen das wichtigste Mittel. Der
Bau eines neuen Schachtes V wurde aber noch durch eine weitere
Erwägung bestimmt Schacht ü baute in der Gaskohlenpartie.
Nun sahen wir bereits, daß diese Partie bei Schacht II abgebaut
war und eine Vertiefung dieses Schachtes notwendig machte.
Besonders ungünstig war dabei der Umstand, daß beim Abteufen
eine 200 m mächtige flözleere Gebirgspartie zu durchsinken war,
um zu der oberen Fettflözgruppe zu gelangen. Es mußte also
diese kolossale Länge im unproduktiven Gestein durchteuft
werden. Das aber hätte zu einer fast zweijährigen Unterbre-
chung des Betriebes auf Schacht II geführt Daher nahm man
von einer Vertiefung dieses Schachtes voriäufig Abstand. Sie
vert>ot sich auch, wie in der Festschrift mitgeteilt wird, aus dem
Grunde, »weil der nur 2,5 qm im Querschnitt weite Wetterschacht
in Rücksicht auf Schacht I für die Inbetriebnahme der schlag-
wetterreichen Fettkohlenflöze völlig unzulänglich war.' Infolge-
dessen wurde in der Nähe von Schacht II ein neuer Schacht V
abgeteuft Die finanziellen Rücklagen waren 1890 zu einem Um-
fange gediehen, der den Beginn der Arbeit möglich machte 1894
konnte die Kohlenförderung aus einer Tiefe von 530 m in An-
griff genommen werden. In dem Geschäftsbericht von 1896 aber
272 5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
heifit es: »Auf unserm Schacht V waren wir während des ab-
gelaufenen Geschäftsjahrs noch nicht in der Lage, die Förderung
zur gewollten Höhe zu entwickeln, da sich der Wetterschacht bei
der ziemlich starken Entwicklung von Schlagwettern in Flöz
Gustav trotz seiner vollkommenen Einrichtungen für die Bewette-
rung der drei Förderschächte Nr. I, II und V, die ihm obliegt, als
nicht ausreichend erwiesen hat Diese Tatsache war schon seit
Jahren bekannt, aber ihre Beseitigung erforderte sehr langwierige
Aus- und Vorrichtungsarbeiten, unter anderm das Abteufen des
Schachtes II um 200 m. Diese Arbeit, welche ihrerseits Vor-
bereitungen von langer Hand bedurfte, kam im Berichtsjahre zur
Ausführung; ihr folgte die Aufstellung eines mächtigen Ven*
tilators auf diesem Schacht, welcher wiederum den Umbau der
Tagesanlagen und die vorübergehende Unterbrechung der För*
derung daselbst bedingte." Damit geht das Unternehmen von
der Flamm- und Gaskohlen- zur Fettkohlenproduktion üt>er, und
wir werden später noch sehen, welche grofie Umwälzung in der
Anlage der Produktionsmittel über Tage dies zur Folge hatte.
1902 hat der Schacht eine Tiefe von 620 m erreicht »In den
Flözen der unteren Fettkohlengruppe, die in einer Tiefe von
750 m erreicht werden, steht dann noch eine reiche Reserve für
den Betrieb zur Verfügung, deren Nutzbarmachung wir unseren
Nachkommen überlassen können."* Wir sehen, dafi auch dieser
Neubau in der Zeit niedergehender Konjunktur zur Ausführung
gelangt
1896 als bereits die Hochkonjunktur auf dem Kohlenmarkte
eingesetzt hatte, wird dann der Schacht II einem vollständigen Um-
bau unterworfen und neu eingerichtet Die Schachtanlagen waren
veraltet Sie stammten aus den Jahren 1867 — 1869 und ent-
sprachen den Anforderungen an eine rationelle Kohlenförderung
nicht mehr. Der Betrieb wurde daher am 1. März 1897 ein-
gestellt Aber trotzdem war es möglich, die Förderung aus den
Gaskohlenflözen dieses Schachtes aufrechtzuerhalten. Da die
Schächte untereinander kommunizieren, wurden die Kohlen nach
dem nächstgelegenen Schacht V geleitet und von dort aus zu-
tage gefördert Wir lernen damit einen weiteren Vorteil kennen,
der aus dem Vorhandensein mehrerer Schächte resultiert, die
hier wie anderswo durchschlägig sind: Es kann das Fördergut
* Geschäftsbericht von 1888.
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 273
des einen Schachtes im Falle von Schachtreparaturen dem andern
zugeführt werden. Dadurch verlieren Betriebsstörungen,
die auf einem Schacht eintreten, ihren produktionsver-
mindernden Einflufi. Die Denkschrift berichtet hierüber fol-
gendes: ,Im Jahre 1897 wurde die Förderung aus den noch an-
stehenden Pfeilern der Gaskohlenflöze des Schachtes 11 auf die
500 m Sohle des Schachtes V geleitet und der Betrieb auf Schacht 11
zwecks Umwandlung desselben in einen Wetterschacht mit be-
schrankter Förderung eingestellt. Der schwierigste Teil der Um-
gestaltung dieser Anlage bestand wiederum in dem Abteufen bis
520 m und dem vollständigen Neuausbau des Schachtes auf 300 m
Höhe. Die Wiederinbetriebsetzung der Anlage für die Kohlenförde-
rung und die Wetterversorgung des Schachtes V erfolgte nach Mitte
des Jahres 1898." Heute hat dieser Schacht ebenso wie Schacht VI
eine Tiefe von 650 m. Er fördert nur noch in der Morgenschicht
etwa 300 t taglich. Sein Hauptzweck aber ist seine Benutzung
als ausziehender Wetterschacht
Der Bau der letzten Schachtanlage wurde 1895 begonnen.
Die Hochkonjunktur in der Montanindustrie hatte bereits ein-
gesetzt Die Förderung war in starker Beschleunigung begriffen.
Der ganze Kohlenmarkt d. h. die Preisbildung stand bereits seit
1893 unter der Kontrolle des Rheinisch -Westfälischen Kohlen-
syndikats. Das wichtigste Mittel der Kontingentierung der Pro-
duktion war die bei jeder einzelnen Zeche auf die gegebene Be-
teiligungsziffer in Anwendung kommende Einschränkung der
Förderung. Um nun ein Gegengewicht gegen diese den
kapitalistischen Expansionstendenzen der Kohlen-
industrie Zügel anlegenden Einrichtungen zu haben,
wurde ein neuer Schacht abgeteuft Dahlbusch hat hier
dasselbe getan, was andere Gesellschaften auch taten. Dazu kam
weiter, dafi man die tieferliegenden Flöze auch im südlichen
Felde aufschliefien wollte, weil die Schachte III und IV in
ihrer Förderung stark zurückgingen. Auf beiden war nach
ISjahrigem Betriebe der gröfite Teil der vorhandenen Flamm- und
Gaskohlenflöze abgebaut, und es mufite daher ein neuer Schacht
zur Inangriffnahme der tieferiiegenden Fettkohlenpartie eingerichtet
werden. Auch hier hatten ja die beiden Schachte III und IV weiter
vertieft werden können. Bei IV geschah dies auch nach Er-
öffnung des Schachtes VI. Aber die Verhältnisse lagen ganz
ahnlich wie ursprünglich auf Schacht II. Eine weitere Vertiefung
Stilllch, NationaUMumomlsctac Fonchungcn. B4. IL 18
274 5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
würde die Förderung auf diesen Schächten für längere Zeit unter*
brechen haben. Es wäre nicht möglich gewesen, das ganze
Quantum Kohle nach Schacht I zu leiten. Die Fettkohlenpartie
aber konnte erst 200—300 m tiefer erreicht werden, weil zwischen
der Gas- und Fettkohlengruppe ein kohlenleeres Oebirgsmittel in
der eben erwähnten Mächtigkeit lag. Daher entschloß man sich
zur Anlage des Schachtes VI. Das Projekt war schon 1892 fertig,
aber zur Ausführung kam es erst 1895. Man baute also diesmal
nicht in der schlechten, sondern während der guten Konjunktur,
infolgedessen teurer. Der Schacht erhielt einen Durchmesser von
5 m und doppelte Fördereinrichtung, d. h. zwei Fördertrums. Bei
450 m Tiefe wurde das Flöz Viktoria erreicht, in einer Mächtig-
keit von 1,50 m, so dafi bereits 1899 die Kohlenförderung be-
ginnen konnte. Die Schachtanlagen waren also wesentlich früher
in Betrieb gekommen, als man erwartet hatte. In dem Geschäfts-
bericht 1895 waren fünf bis sechs Jahre angenommen. Die Förde-
rung beträgt heute aus dem einen Trum 300, aus dem andern
150 t täglich, im ganzen 450 t, ist also sehr gering.
1900 und 1901 werden dann die beiden Schächte IV und VI
weiter bis 634 und 654 m Tiefe niedergebracht, und die oberen
Fettkohlenflöze Katharina und Gustav bei 600 bzw. 622 m Teufe,
ersteres 1 m, letzteres 1,50 m mächtig, erschlossen.*
Als nun Schacht VI im Betrieb war, konnte man weitere
Mafinahmen auf der Doppelschachtanlage III/IV treffen. Die Förde-
rung auf IV wurde ganz eingestellt und derselbe als ausziehender
Wetterschacht für III und VI benutzt Er hatte also 22 Jahre lang
den Zwecken der Förderung gedient Heute hat er noch eine
kleine Fördermaschine, die nur für Hilfszwecke in Anspruch ge-
nommen wird.
Soviel über die Entwicklung im einzelnen. Heute dienen der
Förderung fünf Schächte, nämlich I, II/V und IIIA^ Die Bewetterung
übernimmt Schacht IV sowie Schacht II in einem besonderen Trum
und ein kleiner Wetterschacht bei I. In den Geschäftsberichten
der Gesellschaft werden drei Schachtanlagen unterschieden. Es
besteht Schachtanlage I aus Schacht I und einem Wetterschacbt,
Schachtanlage II aus den Schächten II und V und Schachtanlage HI
aus den Schächten III, IV und VI. Aus der Darstellung geht
hervor, dafi sich die Zahl der Schächte stark vermehrt hat
♦ Denkschrift p. 18.
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 275
An Stelle des einen Schachtes der 60er Jahre sind heute
sieben vorhanden. Die meisten von ihnen wurden in
Zeiten niedergehender Konjunktur abgeteuft. Das war
mit grofien Ersparnissen an Baukosten, Löhnen usw. ver-
bunden* Die längste Zeit erforderte das Abbohren des
ersten Schachtes. Es dauerte sieben lange Jahre. Das
Abteufen der andern fünf Förderschächte war in vier,
höchstens fünf Jahren vollendet
Die Anlage immer neuer Schächte wurzelt, wie wir
sahen, in drei Momenten: erstens in der Massenerzeu-
gungstendenz der kapitalistischen Produktionsweise,
zweitens in dem durch den Abbau der Flöze in den
oberen Horizonten auftretenden Kohlenmangel und dem
dadurch notwendig werdenden Aufschlufi weiterer Felder,
damit in Verbindung steht eine Dezentralisation des
Kapitalrisikos; drittens in dem Bedürfnis nach Rück-
versicherung gegen die Einschränkungen des Syndikats.
Von der einschneidendsten Bedeutung aber war der zweite
Punkt: wir sahen, dafi nach einer Reihe von Jahren intensiven
Betriebes die Flamm- und Gaskohlenpartie abgebaut war und die
Ausrichtung der oberen Fettkohlenflöze ein Gebot der Notwendig-
keit wurde. Die Inangriffnahme der tieferliegenden Kohlenflöze
konnte auf zweieriei Weise vor sich gehen, entweder durch Ver-
tiefung der schon bestehenden Schächte oder durch Abteufen neuer
Schachte. Es wurden beide Wege beschritten.
Die Schächte gehen daher in immer größere Teufen nieder.
Zuerst bewegte sich der Abbau auf Sohlen von 200 m und dar-
unter, dann stieg er auf 400—500 m nieder, heute hat er schon
mit Teufen von 600 m und mehr und in Zukunft mit solchen
bis zu 800 m zu rechnen. Es beträgt zurzeit die Teufe
von Schacht H 650 m von Schacht V 620 m
VI 654 . . . m 438 .
. IV 634 , , . I 402 .
Daraus geht hervor, dafi heute die vier erstgenannten Schächte
bereits in Teufen von über 600 m bauen. Das Hernieder-
gehen in gröfiere Teufen aber hat zur Folge vermehrte
Aufwendungen an Kapital und Kraftmitteln. Je länger der
Weg ist, den die Kohle vom Füllort bis zur Hängebank des
Schachtes zu durchlaufen hat, desto höhere Ansprüche werden an
die Fördermaschine gestellt Es werden auch gröfiere und
18»
276 5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusdi.
leistungsfähigere Ventilatoren nötig. Die vielfach unreine Fett-
kohle erfordert die Anlage von Wäschen. Die bessere Ver-
wertung der Feinfettkohle erheischt die Errichtung von Koks-
of enbatterien, und diese wieder verlangen Anlagen zur Gewinnung
von Nebenprodukten. Diese ganze Kette neuer Pro-
duktionsmittel aber steht im Zusammenhang mit der
Vertiefung der Schächte und der Gewinnung der Kohle
aus den FettkohlenflOzen. Es müssen also zunächst um so
leistungsfähigere Fördermaschinen aufgestellt werden, je mehr
Kohle aus größeren Teufen herausgeholt wird. Einen Mafistab
hierfür gibt die tägliche Förderung der einzelnen Schächte resp.
der Schachtanlagen. Es betrug die mittlere Tagesförderung, wie
schon früher im einzelnen bemerkt, von
Schacht I 930 t Schacht HI 950 t
V 660t/^^*
n 300 t^ ^^ . . VI 450
H 1400 t
Im Jahre 1903 betrug sie auf
Schachtanlage I 908,7 t
n 1087^ t
in 1496,9 t
im Mittel 3492,7 t
Was die Fördereinrichtungen anbelangt, so haben nur die
Schächte V und VI neuere Systeme. Die Schnelligkeit der Förde-
rung leidet allerdings unter der Anzahl der Etagen. Mufi fünfmal*
gekapst werden, wie dies z. B. auf Schacht VI der Fall ist» so
geht damit viel Zeit verloren.** Im einzelnen kann sich der Leser
selbst am besten ein Bild aus folgenden Zahlenangaben machen.
vy^i 1 uiudiv\^iu iiai
Etagen
Wagen
auf Schacht I
4
4
II
2
2
. . V
2
4
. ffl
2
4
. VI
6
6
* Die Bemerkung, dafi solche Förderkörbe mit sechs Wagen übereüunder
nur auf den Schächten II und Hl der Zeche Deutscher Kaiser vorkommen, in
Bd. V des Sammelwerks über die Entwicklung des niederrheinisch -westfilischen
Kohlenbergbaus p. 295 ist daher nicht richtig.
** Hierzu hat Herr Generaldirektor Tomson die Güte, folgendes zu be-
merken: Dieser Obelstand wird jedoch durch eine besondere Art der Förder-
einrichtung (Patent Tomson) ausgeglichen, die auch auf Zechen der Harpeoer
Gesellschaft und in Oberschlesien auf dem Hillebrand-Schachte der Donnert-
marckhütte in Anwendung ist
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 277
In zweiter Linie aber werden mit den gröfieren Teufen auch
die Bewetterungsmaschinen grOfier und teurer. Auf den drei
Schachtaniagen sind drei Ventilatoren im Betriebe. Davon liefert
der erste 1530, der zweite 5400 und der dritte 5200 cbm Luft
pro Minute. Hingegen wird die Leistung eines aus Belgien be-
zogenen Fabiyschen Ventilators im Jahre 1873 auf 494,4 cbm
Luft pro Minute angegeben.* Jede der drei Schachtanlagen hat
außerdem je einen Reserveventilator, dessen Leistungsfähigkeit
nodi grOBer ist als die angegebene. Durch dieses Prinzip der
Haltung von Reservemaschinen wird das fixe Kapital ebenfalls
nicht unbedeutend vergrößert, daffir aber eine höhere Betriebs-
sicherheit erzielt Wir sehen aus dieser Zusammenstellung, dafi
der leistungsfähigste Ventilator auf der Schachtanlage II steht Das
hängt damit zusammen, dafi dort um die Mitte der 90er Jahre
der Betrieb auf den Abbau der Fettkohlenflöze übergeht, während
auf den Anlagen I und DI noch hauptsächlich die Gaskohlenflöze
ausgebeutet wurden. Mit dem Übergang m die Fettkohlenpartie
aber b^ann der Kampf mit den Schlagwettern. In der Denk-
schrift heifit es: »Die schnelle Inangrifhiahme der Fettkohlenflöze,
die Durchörterung der verschiedenen, starke Schlagwetter führen-
den Störungen hatten bei den Arbeiten eine Gasmenge herbei-
geführt, die man für die Tonne Förderung auf 68 cbm berechnet
hatt 80 dafi trotz kräftigster Bewetterung der Oasgehalt des aus-
ziehenden Hauptstroms noch 0,90% betrug. Indes hat sich dieser
Zustand jetzt wesentlich gebessert; der Oasgehalt ist auf 0,4 P/o
gesunken und die Bewetterung so gut eingerichtet, dafi An-
sammlungen von Schlagwettern an den Ortem nur sehr selten
anzutreffen sind. In den vier Jahren, seitdem der Betrieb in den
Fettkohlenflözen aufgenommen wurde, ist noch kein Unfall infolge
von Schlagwettern zu beklagen gewesen. In der am stärksten
belegten Schicht beträgt die Bewetterung in den Fettkohlenflözen
17 cbm pro Kopf." Die in der Denkschrift aufgestellte Be-
hauptung, dafi Unfälle durch Schlagwetter bisher nicht zu be-
klagen gewesen seien, entspricht jedoch nicht den Tatsachen.
Vielmehr ereignete sich in der Nacht vom 13. zum 14. August
1898 auf der Schachtanlage U/V eine Schlagwetterexplosion, die
fünf Bergleute betraf, von denen nachträglich zwei an ihren Ver-
letzungen zugrunde gingen. Der Vorgang war folgender:** Nach
* Zdtschr. f. Berg-, Hatten- und StUnenwesen Bd. 21 p. 64.
^ Zdtschr. f. Berg-, Hatten- und Salinenwesen Bd. 47 p. 395—396.
278 ^' Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
Fertigstellung der ihnen aufgetragenen Arbeiten hatten sich die
Schachthauer, fünf an der Zahl, auf dem Füllort der V. Sohle ver-
sammelt, um nach einer kleinen Ruhepause mit dem am FüUorte
haltenden Förderkorb zu Tage zu fahren. Ein Schachthauer, der
im Begriff war, den Förderkorb als erster zu besteigen, strauchelte
und kam, die mit doppeltem Drahtkorb versehene Sicherheits-
iampe nebst einigen Gezähestücken in der Hand, zu Falle. In
demselben Augenblicke erfolgte nach Angabe der Arbeiter die Ex-
plosion, indem eine starke Flamme aus dem Schachte schlug und
sämtliche Anwesenden mit grofier Gewalt rückwärts auf das Füll-
ort schleuderte. Vier der Verletzten fanden in der Dunkelheit den
Weg zum Schachte V, von wo ihnen nach Offnen der letzten
Wettertür ein frischer Luftstrom entgegendrang; der fünfte
flüchtete in den südlichen Querschlag und wurde hier etwa eine
Viertelstunde später von den Rettungsmannschaften au^efunden.
Die Lampen der Verletzten wurden mit Ausnahme einer unbe-
schädigt aufgefunden. Diese letztere, dem zu Falle gekommenen
Arbeiter gehörig, lag mit zertrümmertem Glaszylinder nahe dem
FOrderkorb. Die Explosion erfolgte nach 3 V2 stündigem Still-
stände des Ventilators. Man sieht aus dieser Tatsache, von welch
eminenter Bedeutung eine ständige Bewetterung der unterirdischen
Räume ist Ein guter leistungsfähiger Ventilator ist der beste
Schutz gegen die grofie Gefährdung der Gesundheit und des
Lebens, der der Arbeiter unter Tage ausgesetzt ist
Man kann sich vorstellen, welche kolossale Luftströmung eine
derartige Luftmenge, wie wir sie oben kennen gelernt haben, in
den Strecken verursachen mufi. Daher kam es, dafi im Winter
die Arbeiter unter der Kälte des einziehenden Luftstromes sehr
zu leiden hatten und sich EisbUdungen im Schachte bemerkbar
machten. Um diesen Obelständen abzuhelfen, wurden 1901 auf
dem einziehenden Schachte Anwärmer aufgestellt Sie be-
standen aus einem System von 18 Röhren, die in drei Reihen
über einen Koksrost verteilt wurden. Die darüberstreichende,
von aufien kommende Luft wurde hier auf eine Temperatur von
100 — 200^ erhitzt und mischte sich infolge der durch den Venti-
lator hervorgerufenen Depression sofort mit dem in dem Schacht
einziehenden Wetterstrom. Dieses System hat, wie die Denk-
schrift bemerkt, zu ausgezeichnetem Ergebnis geführt und ist in-
folgedessen auch bei den andern einziehenden Schächten zur
Anwendung gekommen.
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 279
Ferner werden mit der aus grOfieren Tiefen erfolgenden Auf-
nahme der FettkohlenfOrderung kompliziertere Aufbereitungs-
anstalten nötig. Solange die Gesellschaft in der Gaskohlenpartie
baute, hatte sie es mit reinen und sauberen Kohlen zu tun, die
in sehr einfacher Weise aufbereitet wurden: Man liefi sie auf
Siebe fallen und sortierte sie in drei Klassen: über 80 mm, 80 bis
30 mm und unter 30 mm. Zuerst war es die Schachtanlage n,
wo um das Jahr 1894 der Abbau der FettkohlenflOze einsetzte.
Es wurde infolgedessen 1895 eine Baumsche Wäsche mit einer
Leistungsfähigkeit von ständlich 60 t eingerichtet, die aber nur
wenig in Betrieb gewesen ist Aber bald genügte dies nicht
mehr. Die Förderung von Fettkohlen nahm immer mehr zu, und
so wurde 1901 mit dem Bau einer neuen Lührigschen Wäsche
und Separation auf den Schächten II und V begonnen. In dem
Bericht von 1895 wird der Bau der Baumschen Wäsche folgender-
mafien motiviert: »Um in der Lage zu sein, Kohlen für alle in-
dustriellen Zwecke, besonders für die Kokserzeugung liefern zu
können, haben wir den Bau einer mechanischen Sieberei und
Kohlenwäsche in Angriff genommen." Die neue Wäsche wäscht
in der Stunde bis zu 100 t.
Schliefilich wurde dann im Jahre 1902 mit dem Vordringen in
die Fettkohlenflöze auf Schachtanlage III auch für den Schacht VI
eine Kohlenaufbereitungsanlage nötig. Diese mufite von vornherein
für die Verarbeitung von 2000 t Fettkohle, die in den nächsten
Jahren zu erwarten stand, eingerichtet werden. Man baute daher
eine grofie Doppelanlage, d. h. zwei vollständig getrennte Systeme,
von denen jedes seine Sieberei und seine Wäsche enthielt, und
die nur gewisse Teile gemeinsam haben. Jedes System ist im-
stande, 120 t Förderkohle zu verarbeiten. Die Ausführung der
Anlagen erfolgte durch die Maschinenbauanstalt Humboldt in Kalk
bei Köln. Aus diesen Tatsachen ergibt sich, wie die Leistungs-
fähigkeit der Wäschen wächst, was naturlich mit ihrer
GröBe zusammenhängt Während die alte Wäsche auf
Schachtanlage II nur 60 1 Kohlen in der Stunde wusch, ver-
arbeitet die auf III mit einem Systeme bereits die doppelte
Menge. Doch sind Leistungen von 150 t heute keine Seltenheit
Es zeigt sich also deutlich, wie das immobile Kapital
mit dem Vordringen des Abbaus in die Fettkohlenflöze
gröBer wird und wie der ganze unterirdische Betrieb die
Anlagen über Tage beeinflußt
280 ^- Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
Die Ausbeutung der Fettkohlenflöze aber führte nicht nur
zur Einrichtung komplizierter Sortier- und Waschvorrichtungen,
sondern auch zur Anlage von Koksöfen. Die Fettkohlen be-
stehen zu einem grofien Teil aus Feinkohlen, und diese lassen
sich am besten verwerten, indem sie zu Koks verarbeitet werden.
Daher wurden 1900 und 1901 zweimal 30 Koksöfen Ottoschen
Systems auf Schachtanlage II gebaut 1903 und 1904 folgte der Baa
zweier ebensogrofier Batterien auf Schachtanlage III. Die Ofenfullui^
beträgt pro Kammer 7,5 t, die Garzeit dauert bei normalem Be-
trieb nebst Zeit zum Ausdrücken und WiederffiUen der Ofen
28 Stunden. Infolgedessen können auf jeder der beiden Anlagen
48 — 50 Ofen täglich gedrückt werden. Das Ausbringen belauft
sich auf 73 — 74 7o. Jede Ofenkammer produziert je nach Be-
schaffenheit der Kohlen 1500—1600 t Koks jähriich. Der Koks-
kuchen wird durch Ausdrückmaschinen aus dem Ofen heraus-
gestofien. An der Ausdruckmaschine auf Schachtanlage 11 sind keine
Planiervorrichtungen angebracht, so dafi die Kohlen, nachdem sie
in die Ofenkammer gestürzt sind, mit der Hand eingeebnet werden
müssen. Es fehlt also hier die Verwirklichung eines tech-
nischen Fortschritts, der auch von sozialer Bedeutung
ist, weil gerade die Planierarbeit zu den schwersten und
ungesundesten gehört Seitdem übrigens die Vorzüge der
Planiervorrichtungen allgemein anerkannt sind, wurden diese auf
der neuen Kokerei der Schachtanlage III an der Ausdrückmaschine
ebenfalls durchgeführt.
Mit der Fabrikation von Koks sind dann aber weitere Anlagen
zur Gewinnung von Nebenprodukten notwendig geworden.
So zieht eine Einrichtung die andere nach sich. Damit vergröSert
sich wiederum das immobile Kapital. In dem mit den Koksöfen
verbundenen Nebenanlagen wird Teer, Ammoniak und Pech ge-
wonnen. Eine Benzolanlage ist geplant, bis jetzt aber noch nicht
zur Ausführung gekommen. Es mögen auch hier die Gründe
mitsprechen, die ich bereits an anderer Stelle eingehend erörtert
habe.
Durch diese Errichtung von Koksofenbatterien mit Gewinnung
von Sekundärprodukten tritt gleichzeitig eine Verbilligung der
Betriebskraft für die ganze Zeche ein. Die früher mit Kohlen
geheizten Dampfkessel werden jetzt teilweise mit Koksofengasen
geheizt A tempo werden aber die Dampfkessel immer mehr
überflüssig. An ihre Stelle treten Gasmotoren. In der Jubiläums-
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 281
Schrift ist diese weitere Entwicklung des Betriebes bereits ange-
deutet Dort beißt es: »Da zur Heizung der Koksöfen nicht alle
Oase nötig sind, welche nach der Kondensation und Waschung
übrig bleiben, so werden diese überschfissigen Gase zur Heizung
der Dampfkessel und zu sonstigen Heiz- und Kochzwecken be-
nutzt; am vorteilhaftesten verwerten sich dieselben in
Gaskraftmotoren. Es ist erwiesen, dafi von den überschießenden
Gasen bei einer Anlage von 60 Koksöfen mit Nebenprodukten-
gewinnung 750—800 Pferdekräfte in Gasmotoren erzeugt werden
können."
Femer hängt mit diesen Tatsachen zusammen die Neuein-
richtung zweier elektrischer Zentralen. Diese wurde aber erst
in den letzten Jahren begonnen. Ober die diesbezüglichen all-
gemeinen Verhältnisse sagt die Verwaltung in der Festschrift
folgendes: ,Die Gesichtspunkte, welche für die Anlage elektrischer
Zentralen auf Bergwerken maßgebend sein müssen, sind haupt-
sächlich folgende: Was mit derartigen Anlagen bezweckt wird,
ist, eine Energieform zu schaffen, die den Antrieb aller Arbeits-
maschinen über und unter Tage, auch der entferntesten, mft dem
größten Nutzeffekt ermöglicht, und diese Energie auf möglichst
wirtschaftliche Weise in der Zentrale selbst zu erzeugen. Dabei
muß die Anlage in allen Einzelheiten die größtmöglichste Be-
triebssicherheft gewährleisten, und zwar auch dann, wenn ein un-
unterbrochener Tag- und Nachtbetrieb verlangt wird. Aus diesem
Grund muß sie auch über eine hinreichend große Anzahl elektro-
gener Elemente verfügen, damit, wenn ein Unfall an einer der
Maschinen vorkommt, das Ausschalten dieser durch eine Reserve-
maschine oder durch verstärkten Betrieb der andern Elemente
ausgeglichen wird. Des weiteren entspricht es der Natur aller
Bergwerkst)etriebe, die im Laufe der Zett fortdauernd Wandlungen
unterworfen sind und stets Erweiterungen und Vervollkommnungen
verlangen« daß auch die elektrische Zentrale jederzeit bequem zu
erweitem sein muß."
Man wählte das Drehstromsystem und eine Betriebsspannung
von 2000 Volt, die am besten für die gleichzeitige Versorgung
der Lampen und der Arbeitsmaschinen paßt Der Bau der beiden
elektrischen Zentralen auf Schachtanlage in und ü erfolgte durch
die Firma Siemens & Halske. Die elektrische Energie in den
Zentralen, teilweise mittelst Turbomotors erzeugt, entspricht zurzeit
2000 PS.
282 5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
Mit der Einffihrung des elektrischen Betriebes zur Wasser-
haltung, Bewetterung, Streckenförderung usw. vollzieht sich eine
vollständige Umwälzung. Aus den obigen Dariegungen ergibt
sich, dafi an Stelle der vielen verteilten Damphnaschinen eine
zentrale Kraftquelle tritt Diese primäre Krafterzeugung modelt
aber auch die Arbeitsmaschine um. An Stelle von schwerfäHigen,
langsamen Pumpen verlangt die elektrische Wasserhaltung Ro-
tationspumpen von 1000, 1500 Umdrehungen in der Minute,
»kleine, zierliche Maschinen, aber von größter Leistung und
Sicherheit."* Die Einführung der Elektrizität auf Dahlbusch be-
deutet für diese Zeche eine Revolutionierung des größten Teils
ihrer Arbeitsmittel. Die Abhängigkeit ihrer Konstruktion und
Leistungen von der Kraftquelle ist hier eklatant
Außer den bisher erwähnten Produktionsmitteln besitzt die
Gesellschaft noch eine Ziegelei. Sie wurde 1897 auf den
Schachten \W erbaut zur Nutzbarmachung der bei der Kohlen-
gewinnung fallenden Berge. In dem Geschäftsbericht von 1898
heißt es: .Das Produkt ist von guter Beschaffenheit und findet
regelmäßigen Absatz. Die Anlage liefert gute Überschüsse und
erzeugt 12000—15000 Stück pro Tag. Wir sind außerdem bei einer
Gesellschaft beteiligt, welche eine gleiche Fabrik auf unserem
Schachte III und IV errichtet hat« Was diese Beteiligung anbe-
langt, so lieferte die Zeche die Berge und überließ deren Ver-
arbeitung unter Vorbehalt der Kontrolle einem Privatunternehmer,
da das einzige für eine Ziegelei geeignete Grundstück
nicht käuflich war. Beide Ziegeleien produzieren heute etwa
10000000 Steine. Der Verkauf wird in beiden Fällen durch die
Gesellschaft bewirkt Es handelt sich hier um Nebenanlagen, die
dem Unternehmen den Vorteil bieten, zu große Anhäufung von
Bergemassen zu verhindern. Ober den Weg, den die Erzeugung
nimmt, teilt die Denkschrift noch folgendes mit Die reinen
Schieferberge, die weder Holz noch Kohle enthalten und entweder
durch Nachreißen des Nebengesteins oder bei Auffahrung von
Querschlägern usw. gewonnen sind, werden zutage gehoben
und durch mechanischen Transport nach der Ziegelei geschafft,
die etwa 150 m vom Schachte II entfernt liegt und gleichfalls
mechanisch angetrieben wird. Die Berge gelangen in eine
Quetschmühle und aus dieser langsam auf zwei Kollergänge, die
* German: a. a. O. p. 222.
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
283
sie zu Mehl vermählen. Dieses gelangt dann in einen Mischtrog
mit Schnecke, wo es mit etwas Wasser versetzt wird. Aus diesem
wird es vier Dampfpressformen zugeffihrt, die in der Stunde
700 Steine zu liefern vermögen. Das Mehl wird hier also ein-
fach durch Druck zu Klinkern geprefit, die dann in einem
Ringofen mit 20 Kammern gebacken werden. Die Ziegelei be-
schäftigt 17 Arbeiter, die von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends
arbeiten."
Damit haben wir die Produktionsmittel erschöpft Es kam
vor allem auf den Nachweis des Kausalnexus an, der
zwischen der Art und Lage (Teufe) der geförderten Kohle
und der durch diese bedingten Vermehrung der Produk-
tionsmittel besteht Die Einrichtungen von Dahlbusch
liefern den Beweis, wie die Immobilisierung des Industrie-
kapitals ständig zunimmt Dafi dieser Prozefi sich vollzogen
hat ohne Vergröfierung des Aktienkapitals, ist ein Punkt, den ich
bei Besprechung der Rente des Unternehmens noch werde näher
zu berücksichtigen haben.
Wir kommen nun zu dem dritten Produktionsfaktor, der
menschlichen Arbeit Das Material aber diese Verhältnisse
ist außerordentlich spärlich. In den Geschäftsberichten ist kaum
davon die Rede. Nur im Jahre 1889, als der grofie westfälische
Koblenarbeiterstreik die Zeche bis in ihre Eingeweide aufwählte,
vermerkt der Geschäftsbericht, dafi sich infolge der 32tägigen
Arbeitsunterbrechung auf Dahlbusch ein Ausfall von rund 40000 1
Kohle ergeben habe. »Den Gewinnausfall, den wir durch diese
Unterbrechung des geregelten Betriebes und der ruhigen, durchaus
gesunden Geschäftsentwicklung eriitten haben, schätzen wir an-
nähernd auf 220000 Mark; gleichzeitig ist unseren Bergleuten
ein Lohnbetrag von 140000 Mark entgangen, so dafi sich der
wirtschaftliche Veriust in diesem Kampfe für beide Teile auf
360000 Mark belaufen mag."
Ober die Lohnentwicklung auf der Zeche gibt folgende Tabelle
Auskunft Es betrug:
sahl
Zahl der
atbStitt
Oesahltc
Bnittolöline
In Mark
MitUerer
Brutto-
verdieost
pro Mann
und Jalir
Jähret-
sahl
Zahl der
Berg-
art>cltcr
OesahlU
BretlolOhoe
in Mark
Mittlerer
Bnatto-
verdieott
pro Mann
und Jahr
1873
1874
963
914
788126
1209516
1377
L9M0IUU
1323
1875
1876
1877
1028
1198
1334
1225137
1269184
1341713
1192
1059
1006
284
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbosch.
Jalues-
saU
Zahl der
iib^cr
Oezahlte
BnittolStiiK
in Mark
Mittlerer
Brutto-
verdienst
pro Mann
und Jabr
Jahres-
zahl
Zahl der
arbeltcr
Oezahlte
Bruttoiehns
In Mark
Mittlerer
verdienst
pro Mms
und Jahr
1878
1576
1510572
959
1891
2319
3238526
1397
1879
1720
1648401
959
1892
2421
3198912
1321
1880
1887
2017000
1069
1893
2489
3207327
1289
1881
1907
1984847
1041
1894
2503
3211617
1283
1882
1971
2111689
1071
1895
2562
3358144
1307
1883
2010
2206218
1098
1896
2659
3595167
1356
1884
2016
2163245
1073
1897
2708
3789183
1399
1885
1869
2100255
1124
1898
2864
4034120
1409
1886
1884
1983054
1053
1899
2958
4336765
1466
1887
1950
2057701
1055
1900
3201
4946469
1545
1888
2020
2254464
1116
1901
3352
4951552
1477
1889
2020
2459025
1217
1902
3292
4447950
1330
1890
2224
2971256
1336
1903
3441
4756252
1355
Hieraus ergibt sich, dafi die Zahl der Arbeiter, von den
beiden Rfickschlagsjahren 1885 und 1902 abgesehen, dauernd ge-
stiegen ist Was den Verdienst anbelangt, so schmiegen sidi
dessen Schwankungen im allgemeinen der Konjunktur an. Der
Lohn steigt mit steigender und sinkt mit fallender Konjunktur.
Diese Tatsache kommt in der historischen Gestaltung des mittleren
Bruttoverdienstes pro Mann und Jahr zum Ausdruck. Die Arbdt
der Kohlenförderung vollzieht sich in zwei Schichten. Die Morgen*
Schicht dauert von 6 bis 2, die Nachmittagsschicht von 2 bis
10 Uhr. Nur auf Schacht II wird in einer Schiebt gefördert wegen
der geringen noch anstehenden Kohlenmengen. Der Nutzeffekt
wird in der Festschrift auf 0,98 t pro Mann und Schicht an-
gegeben. Aus dieser Zahl allein lassen sich fa-eilich keinerlei weitere
Schiasse ziehen. Wie groß das Quantum geförderter Kohle pro
Arbeiter ist, geht aus folgender Zusammenstellung hervor.
Jahreszahl
Kohle
t
Zahl der
Arbeiter
Aufl
Arbeiter
kamen t
Jahreszahl
Kohle
t
Zahl der
Arbeltar
Aal 1
AiMler
kancnt
1864/65
78199
290
269
1872/73
145106
728
199
1865/66
89553
311
288
9 Monate
1866/67
92352
305
303
1873.
161611
963
168
1867/68
96671
315
307
1874
238006
914
260
1868/69
103509
350
296
1875
255642
1028
249
1869/70
105052
363
289
1876
283637
1198
237
1870/71
108751
420
259
1877
403065
1334
302
1871/72
174539
657
266
1878
536017
1576
340
5. Bergwerksgesellscbaft Dahlbusch.
285
JaliKuahl
Kobte
t
Zahl der
Arbeiter
Auf 1
Arbeiter
kamen t
Jahreszahl
Kohle
t
ZaUdcr
Arbeiter
Aufi
Arbeiter
kirnen t
1879
623130
1720
362
1892
805049
2421
332
1880
772290
1887
409
1893
829268
2489
333
1881
763598
1907
400
1894
814350
2503
325
1882
762407
1971
387
1895
817933
2569
318
1883
790251
2010
393
1896
865765
2652
326
1884
769906
2016
382
1897
833155
2708
318
1885
685988
1869
367
1898
883764
2864
308
1886
646299
1884
343
1899
888317
2958
300
1887
730546
1930
375
1900
957523
3201
299
1888
855159
2020
423
1901
977765
3352
292
1889
815167
2020
403
1902
953915
3292
290
1890
877209
2224
394
1903
1034214
3441
301
1891
850005
2319
366
Die Abnahme der Leistung von ca. 400 auf ca. 300 t steht
in Zusammenhang mit der durch die Tagesanlagen bedingten
Vermehrung der nicht unmittelbar mit der Förderung beschäftigten
Belegschaft Die anderen Grfinde habe ich bei Hibemia erörtert
Auf Schacht II sind bereits Schrämmaschinen Garforthschen
Systems im Gebrauch. Ober ihre wirtschaftliche und soziale Be-
deutung habe ich anläßlich ihrer Verwendung auf Shamrock das
Nötige gesagt Jedoch liegen auf Dahlbusch die Verhältnisse
offenbar anders. Denn nach einer mir von der Verwaltung ge-
machten Mitteilung sind die Resultate dieser versuchsweise
eingeführten Schrämmaschinen keine günstigen. Es hat sich
herausgestellt, dafi die Lagerung der Flöze und ihre Mächtig-
keit der Anwendung solcher Maschinen hindernd im Wege
stehen. Die Häuer gewinnen die Kohlen noch heute zu einem
grofien Teil im Pfeilerbau. Im Jahre 1900 wurden auf Dahlbusch
58% sämtlicher Kohlen durch dieses System hereingenommen.
Man wendet vor allem eine Spielart, den Pfeilerrückbau, an.
Freilich haben die grofien Bodensenkungen und Beschädigungen
an Häusern in den letzten Jahren zur Einführung des Strebbaus
mit Betgeversatz am meisten beigetragen.
Mit der Arbeiterbevölkerung hat auch die Umgebung der
Zeche eine ganz andere Gestalt angenommen. Die Bergwerks-
untemehmungen führen alle zur Konzentration der Bevölke-
rung, deren Dichtigkeit zunimmt An Stelle spärlich besiedelter
Dörfer treten belebte Städte. Diesen Entwicklungsgang hat auch
das mit der Zeche eng verbundene Rotthausen durchgemacht
286 5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
Es ist mit der Vergrößerung von Dahlbusch gewachsen. Die
Denkschrift berichtet hierüber folgendes: »Die Entwicklung
der Gemeinde Rotthausen ist mit derjenigen der Zeche Dahl-
busch eng verknfipfL Noch als unser langjähriger Generaldirektor
B. Schulz -Briesen im Dezember 1863 seinen Einzug auf dem
Werke hielt, hatten die allgemeinen Verhältnisse den Charakter
der Dürftigkeit und Beschränkung. . . . Die Gemeinde Rotthausen
hatte damals etwa 700 Einwohner und besaß weder Schule noch
Kirche, welche sich in der benachbarten Ortschaft Gelsenkirchen
befanden. Selbst ein Wirtshaus fehlte in der Gemeinde. Zur
Verbindung mit der Umgegend dienten schmale ausgefahrene Feld-
wege. Nach der rheinischen Landgemeindeordnung, die übrigens
noch heute besteht, hatte die Industrie kein Recht der Vertretung
im Gemeinderate. Das Aufblühen der Gemeinde, das sich mehr
und mehr an die Entwicklung der Zeche Dahlbusch knüpfte,
führte endlich auch dahin, daß der Vertreter der Gesellschaft Ein-
zug in den Gemeinderat, in die Bürgermeistereivertretung und den
Provinziallandtag hielt . . . Wir haben die allgemeinen Zustände
im Anfang der 60 er Jahre letztverflossenen Jahrhunderts ge-
kennzeichnet, um sie in Vergleich zu stellen mit den heute vor-
liegenden. Die Gemeinde Rotthausen hat sich zu einem fast
städtischen Gemeinwesen von nahezu 18000 Einwohnern ent-
wickelt; sie besitzt eine katholische und eine evangelische Kirdie,
ein Polizeikommissariat mit Melde- und Standesamt, in ihr er-
heben sich neun stattliche Schulgebäude, in welchen nach der
Statistik von 1900 3309 Kinder von 47 Lehrkräften unterrichtet
werden. Das Gemeindebudget, das im Jahre 1862 1800 Mark
betrug, hat sich im Jahre 1901 auf die bemerkenswerte Höhe von
390000 Mark emporgeschwungen. Eine große Provinzialstrafie,
welche die Gemeinde von Süd nach Nord zur Verbindung von
Steele mit Gelsenkirchen durchzieht, und deren Bau sehr wesent-
lich der Direktion unserer Gesellschaft zu verdanken ist, wird von
einer elektrischen Straßenbahn durchfahren. . . . Rotthausen, einst
eine kleine Bauernschaft, bildet so das Bild eines gesunden, auf-
strebenden Gemeinwesens, dessen Entwicklung durchaus nicht als
abgeschlossen betrachtet werden kann."
Auf der Grundlage dieser Faktoren ist die Zeche Dahlbusch in
der Lage gewesen, ihre Förderung an Kohlen den Umfang annehmen
zu lassen, den sie heute hat Deren geschichtliche Entwicklung
spiegeU sich in folgenden Zahlen wieder. Die Förderung betrug:
5. Beigwerksgesellschaft Dahlbusch.
287
MitUtn FOrdc-
Mittlere FOrdtt-
jahrtmbl
pro Jahr
t
rnng pro Tag
t
JahfctnU
pro Jahr
t
nug pro Tag
t
1860/61
51160
173
1882
762407
2561
1861/62
57283
195
1883
790251
2672
1862/63
60542
205
1884
769906
2612
1863/64
69466
235
1885
685988
2324
1864/65
78199
265
1886
646299
2258
1865/66
89553
303
1887
730546
2487
1866/67
92352
313
1888
855159
2880
1867/68
96671
331
1889
815167
2882
1868/69
103509
351
1890
877209
2968
1869/70
105052
356
1891
850005
2860
1870/71
108751
368
1892
805049
2785
1871/72
174539
591
1893
829268
2783
1872/73
145106
660
1894
814350
2823
(»Monate)
1895
817933
2823
1873
161611
725
1896
865765
2882
1874
238006
820
1897
863155
2886
1875
255642
868
1898
883764
2964
1876
283637
983
1899
888317
2988
1877
403065
1398
1900
957523
3199
1878
536017
2004
1901
977765
3305
1879
623130
2300
1902
953914
3270
1880
772290
2589
1903
1034214
3493
1881
763598
2568
Aus diesen Zahlen geht hervor, daß sich die Förderung von
Kohlen ursprünglich im verhaltnismäfiig engen Rahmen bewegte.
Sie belief sich im Jahre 1860/61 auf 51160 t und steigt dann
fortwährend an bis zum Jahre 1880, wo sie 772290 t beträgt In
diesen 20 Jahren steigerte sich die Erzeugung des Unternehmens
also um das Ffinfzehnfache. Dieser Aufwärtsbewegung legte die
Krisis von 1874—1879 keine Zfigel an, im Gegenteil: Der Aus-
fall im Preise wurde durch die Vermehrung der Produktion und
die dadurch bedingte Erniedrigung der Produktionskosten zu kom-
pensieren versucht Als Grund für diese Steigerung während der
Krisis führt der Bericht über das Jahr 1875 den gesteigerten Ver-
brauch an. Er bemerkt, dafi der Kohlenkonsum trotz des Danieder-
Uegens fast aller andern Industriezweige in ständiger Zunahme be-
griffen sei. Diese merkwürdige Erscheinung wird bestätigt durch
die Statistik. Es betrug der Absate:*
* Siehe Reu£: Mitteilungen aus der Geschichte des legi. Oberl)erganits
10 Dortmund und des niederrheinisch-westf äiischen Kohlent>ergt>aus In der Zdtschr.
f. Berg«, Hatten* und Salinenwesen im preufiischen Staate Bd. 40 p. 387.
288
5. Bergwtfksgesellschaft Dahlbusch.
1873
15,3 Millionen 1
t im Werte
von 169.0 Millionen Mark
1874
14,4
. 158.3
1875
15.7
. 114.4 .
1876
16,3
. 101.6 .
1877
16,4
. 81.7 .
1878
17.9
. 80.6 .
1879
19,1
. 79.1
Man darf nur nicht fibersehen, dafi es die Preissenkung war,
wie sie in der zweiten Zahlenreihe zum Ausdruck kommt, die den
Konsum steigerte.
Übrigens zeigen dann die 80 er Jahre ganz ähnliche Ver-
hältnisse, wenn auch nicht so scharf betont In dieser De-
pressionsperiode aber weicht die Erzeugung von Dahlbusch von
dem allgemeinen Bilde der Kohlenproduktion nicht unerheblich
ab: Es erfolgt auf der Zeche ein Rückgang resp. Stillstand in der
Aufwärtsbewegung der Absatzziffem. Die Kurven verlaufen
in Zickzackbewegungen * Wir sehen also, dafi die beiden Krisen
in den 70 er und den 80 er Jahren ganz verschieden gewirkt
haben: in der einen wird die Förderung weiter gesteigert, in
der andern tritt das Gegenteil ein. Die Ursache der letzteren
Erscheinung werden wir bei den Absatzverhältnissen noch näher
dariegen. Der Tiefpunkt wird im Jahre 1886 erreicht, mit 646299 1
Die folgende Zeit bis 1894 zeigt auch noch keine einheitllcbe
Bewegung. Das Jahr 1889 bringt infolge emer durch den be-
kannten Kohlenarbeiterstreik bedingten Unterbrechung von 32 Tagen
einen Ausfall von rund 40000 t Mit 1895 beginnt dann eine nur
1897 und 1902 wenig unterbrochene Aufwärtsbewegung, die die
Kohlenförderung im Jahre 1903 auf über eine Million Tonnen
hinaufwirft
Aus dieser ganzen Entwicklung ersehen wir eine auch
durch das Syndikat nicht gebändigte Steigerungstendenz
der Produktion trotz einzelner Rückschläge. Dafi das
Syndikat die steigende Richtung nicht abschwächte, hängt mit
der Vermehrung des Kohlenkonsums und der damit steigenden
Beteiligungsziffer zusammen.
Die Beteiligungsziffer der Gesellschaft beim Rheinisch -West*
fälischen Kohlensyndikat betrug:
1893-1895 850821 t 1901 1090000 t
1896—1900 970005,, 1902 ff. 1210000,,
* Die in der Denkschrift S. 30 dargestellten Kurven sind falsch ge-
zeichnet
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
289
Infolge der Einschränkungen wurde die Beteiligungsziffer durch
die tatsächliche Produktion niemals erreicht, auch in den Zeiten
der Kohlennot am Ende der 90 er Jahre nicht Dieser durch
den Bau neuer Schachte veranlaßten Erhöhung der Beteiligungs-
ziffer verdankt es das Werk auch, dafi die Förderung im Jahre 1902
fast dieselbe Höhe erreichte wie im Vorjahre, trotzdem die Ein-
schränkung sich auf 19,57% belief.
Ein Vergleich mit der Gesamtförderung des rheinisch -west-
ttlischen Bezirkes ergibt, dafi die Förderung von Dahlbusch sich
in den ersten Jahrzehnten schneller entwickelt als die Gesamt-
heit der Zechen des Gebiets, in den letzten beiden Dezennien
aber langsamer. Es betrug:
Jahr
Dt* Octuitfgtdmiiig
Stdgcnmghi
Di. FSfdcnrag der
Zecbe DaUbuscta t
Stcigcniiis In
1860
4275000
51160
1870
11812528
176
108751
112
1880
22495204
90
772290
610
1890
35469290
57
877209
14
1900
59610000
68
957523
9
Die Gesamtförderung stieg um 124 7o, die der Zeche Dahl-
busch aber um 1771 ^/o, wenn man die Jahre 1860 und 1900 vergleicht
Dahlbusch ist bis heute eine der größten Zechen geblieben;
ihre Förderung betragt über eine Million Tonnen. Als Berg-
werksgesellschaft ist sie dagegen durch die Fusionen der letzten
Zeit fiberflQgelt worden. Der Beteiligungsziffer beim Syndikat
nach ist Dahlbusch heute unter 86 Gesellschaften die fünfzehnte.
Die Riesen, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, stellen
sie in den Schatten. Deshalb sind auch die Auffassungen nicht
richtig, die das Unternehmen von sich selbst hatte. Schon 1876
heifit es: »Die Zecbe Dahlbusch ist ohne Zweifel berufen, eines
der bedeutendsten Kohlenwerke des Oberbergamtsbezirks Dort-
mund zu werden.* In demselben Gedankengang bewegt sich auch
der Bericht Qber das Jahr 1880: .Die Gunst der BetriebsvertiSlt-
nisse gestattet uns, die neu sich bietenden Absatzquellen ffir den
Vertrieb unserer Produkte in umfassender Weise auszunutzen und
unseren Werken, wie wir wohl mit einer gewissen Befriedigung
sagen dfirfen, den ersten Platz unter den gleichartigen Unterneh-
mungen des rheinisch -westfälischen Kohlenbeckens zu sichern.*
In dem zuletzt genannten Jahre rangierte Dahlbusch an erster,
heute unter den alten Syndikatszechen an ffinfter, und wenn
StUHcli, NatfoulftkooMilicht Poncbaagcn, Bd. IL 19
290 ^' Bergwerksgesellschalt Dahlbusch.
man die dem Syndikate neu beigetretenen HQttenzechen Deut*
scher Kaiser und Neumühl mitrechnet, an siebenter Stelle In
bezug auf die Beteiligung nach dem neuen Syndikatsvertiage
rangiert Dahlbusch gar erst an ffinfzehnter Stelle * In dem Kon-
zert der Zechen spielt es demnach heute nicht mehr so vornehm-
lich mit, wie es dereinst der Fall war, trotzdem, wie wir sehen,
seine Kohlenförderung ein schnelleres Tempo einschlug, nament-
lich in den Jugendjahren, als die Gesamtheit der Zechen. Dieses
Zurückbleiben hängt vor allem mit der beschränkten Ausdehnung
des Grubenfeldes und der Geschäftspolitik des Unternehmens zu-
sammen, die die Expansions- und Machtbestrebungen, wie wir
sie bei Hibemia und Gelsenkirchen kennen lernten, nicht mit-
machte.
Wir kommen nun zu dem vierten Punkt unserer Betrachtung,
den Absatzverhaltnissen.
Von vornherein kam vor allem der Eisenbahnversand in
Betracht Bereits im Jahre 1873 sichert sich die Gesellschaft die
Anschlüsse an die Rheinische und Köln-Mindener Eisenbahn.
Der Absatz selbst steht im Zusammenhang mit der Alt der
Kohle. Ursprünglich wurde Flammkohle gewonnen. Dieselt>e
ging an Gasfabriken und Eisenhüttenbetriebe; sie eignete sidi
vor allem zur Dampfkesselheizung. Sie entsprach, wie der Ge*
Schaftsbericht von 1873 bemerkt, der in Belgien unter dem Namen
.flenne* bekannten Qualität Dann ging man zur Gewinnung
von Gaskohlen über, bis endlich auch die Fettkohlenschichten
zum Abbau gelangten. Die beiden wichtigsten Abnehmer in den
80er Jahren waren die Eisen- und die Zuckerindustrie. Etwa
60^/0 der gesamten Produktion der Dahlbuscher Kohlen wurden
an diese beiden Konsumenten verkauft Freilich litten beide In-
dustriezweige stark unter der Krisis, und ihr Bedarf an Kohle
ging erheblich zurück. Dahlbusch aber hatte unter dieser Ein-
schränkung ebenfalls zu leiden. In dem Geschäftsbericht über
das Jahr 1885 heifit es: .Der Minderbedarf für die Zuckerfabriken
betrug 1885 30 ^/o, derjenige für die Eisenwerke 10 ^/o gegen das
Vorjahr, ohne dafi sich unser Kundenkreis verringerte. In diesem
Jahre ging die Zuckerkampagne frühzeitig zu Ende, so dafi wir
im Januar 1886 nur noch 390 Wagen ä 100 Ztr. an die Zucker*
fabriken zu versenden hatten gegen 3480 Wagen im Jahre 1885.
* Nach dem Stande am 1. Januar 1905.
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 291
Es war dies ein Ausfall von mehr als 3000 Wagen allein für
diesen Monat* Diese Tatsachen sind der Schlüssel für die Pro-
duktionsverhältnisse der 80er Jahre, deren rückläufige Bewegung
wir bereits kennen lernten.
Um den Absatz zu erleichtem und zu vergrößern, wird 1887
eine Siebeinrichtung auf den Schächten I, III und IV geschaffen,
die in ganz primitiver Weise eine mechanische Sortierung der
Kohlen in drei Komgröfien ermöglichte. Der Stachel zur Anlage
dieser mechanischen Separation war einmal die Konkurrenz der
benachbarten Zechen, dann aber auch die Marktlage. Die Her-
stellung von Siebprodukten erleichterte und erweiterte
in der Folge den Absatz nicht unbedeutend. So lange man
aber in der Gaskohlenpartie baute, wurde eine weitere Aufbereitung
und Sortierung der Kohlen nicht vorgenommen.
Von größter Bedeutung für die Erweiterung des Absatzes
wurden nun die Kartelle. Bereits den ersten Verbandsbildungen,
die auf die Krisis der 70er Jahre folgten, trat die Zeche bei. In
dem Geschäftsbericht über das Jahr 1880 wird hierüber folgendes
berichtet: .In der am 29. Oktober 1879 durch das Organisations-
komitee nach Dortmund berufenen Versammlung der Interessenten
wurde der Beschluß gefaßt, die Kohlenförderung pro 1880 um 5^/o
gegen das Jahr 1879 zu reduzieren, um so das Gleichgewicht
zwischen Angebot und Nachfrage wiederherzustellen. Wir be-
fanden uns gegenüber diesem Beschluß in einer um so schwie-
rigeren Lage, als wir die Zeit der Krisis benutzt hatten, um unsere
Produktionsmittel in einer Weise zu entwickeln, daß wir nicht
allein in der Lage, sondern auch wirtschaftlich genötigt waren,
unsere Förderung um 25 — 30 ^/o zu vermehren. Die Situation
war um so ernster für uns, als das Bestehen der Konvention von
dem Beitritt unserer Gesellschaft abhing. " Trotz dieser Bedenken
erfolgte der Anschluß. Ebenso trat die Zeche den Kartellvereini-
gangen der 80er Jahre bei. 1892 kam dann die sog. .Gemein-
schaft* zustande, einer der Voriäufer des 1893 nach mühevollen
Verhandlungen ins Leben getretenen Kohlensyndikats. Der Be-
ginn der Verkaufsoperationen des letzteren wurde wesentlich unter-
stützt durch die Absatzstockung in englischen Kohlen,
eine Folge des auch die belgischen und französischen Bergwerks-
bezirke affizierenden Arbeiterausstandes. Es ist an dieser Stelle
nidit nötig, den Einfluß des Kohlensyndikats näher zu verfolgen.
Nur einen Punkt möchte ich berühren, nämlich die Exportboni-
19»
292 ^- Bergwericsgesellschaft Dahlbusch.
fikationen. Dieselben werden für einige Jahre in den Geschäfts-
berichten mitgeteilt Sie betrugen:
1894 26802 Mark 1896 51300 Mark
1895 115773 „ 1897 52325 ..
Die Vergütungen des Syndikats, die an die Zeche Dahlbusch
für exportierte Kohlen gezahlt wurden, unterlagen also, wie aus
diesen Zahlen hervorgeht, starken Schwankungen.
Schließlich sei noch ein Blick auf die Preise geworfen. Hier-
fiber gibt folgende Zusammenstellung Aufschluß. Es betrug der
Verkaufspreis pro Tonne Kohlen:
1863/64
4,60 Mark
1877
6,17 Mark
1891
lO.-Maik
1864/65
6,29
>l
1878
5,55
II
1892
8.71
II
1865/66
6,94
II
1879
4.85
II
1893
7.42
II
1866/67
7.13
»I
1880
5,31
II
1894
7.72
n
iBßves
6,92
II
1881
5,41
II
1895
8.17
•1
1868/69
6,88
II
1882
5,88
II
1896
8.11
II
1869/70
7,17
II
1883
5,96
II
1897
8,38
w
1870/71
9,42
II
1884
5,96
II
1898
8.49
II
1871/72
11,08
II
1885
5,80
II
1899
9.05
•»
1872/73
12,17
II
1886
5,77
II
1900
10.20
»I
1873
15,86
•1
1887
5,57
II
1901
10,67
II
1874
13,70
II
1888
5.64
II
1902
10.-
w
1875
9,54
»f
1889
6.43
II
1903
9.75
it
1876
8,22
II
1890
9.84
II
1863 erreichte unter dem Drucke der mit dem Jahre 1857
beginnenden Krisis der Verkaufspreis der Dahlbuschkohle seinen
tiefsten Punkt. Die Tonne wurde im Durchsdinitt mit 4,60 Marie
bezahlt Von da ab steigt dann die Preiskurve mit nur unbe-
deutenden Verzögerungen, zuerst langsam, dann kataraktartig in
die Höhe, um im Jahre 1873 ihren Zenit mit 15,86 Mark zu er-
klimmen. Dieser Maximalpreis ist in der ganzen weiteren Ent-
wicklung des Unternehmens nicht wieder erreicht worden. Dem
steilen Aufstieg folgte bald ein jSher Sturz. Seinen tiefsten Punkt
erreichte er 1879 mit 4,85 Mark. In dem folgenden Dezennium
bewegten sich die Verkaufspreise von 1880 — 1889 auf einem mitt-
leren Niveau von 5,77 Mark. Bemerkenswert ist, dafi in dieser
Zeit die Preise nur sehr geringen Schwankungen unterlagen. Es
wird das von der Verwaltung auf die Forderkonvention zuräck-
gefuhrt, die bis 1886 bestand. Erst mit dem Jahre 1889 setzt
dann eine Aufwärtsbewegung ein, deren Träger in der Folgezeit
das Syndikat wurde. Auf dessen Einfluß ist auch die volkswirt-
schaftlich geradezu tolle Tatsache zurückzufuhren, dafi in den
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
293
wirtschaftlich ungünstigen Jahren 1901 und 1902 der Verkaufs-
preis im Durchschnitt immer noch höher war als in den glän-
zendsten Zeiten der voraufgegangenen Hochkonjunkturperiode.
Neben den Preisen für Kohle spielen seit den letzten Jahren
für das Unternehmen auch die für Koks eine Rolle. Sie beein-
flussen das wirtschaftliche Ergebnis in nicht unbedeutendem Mafie.
Die große Eisenhausse 1898 veranlaSte eine geradezu stürmische
Nachfrage nach Fettkohlen und Koks. Damals aber konnte das
Werk noch nicht den entsprechenden Vorteil aus diesen Verhält-
nissen ziehen» da die Hauptförderung noch in Gas- und Flamm-
kohlen bestand und die Fettkohlenförderung einen verhältnismäßig
kleinen Teil ausmachte. Nach dem Bau der Koksanlagen aber
konnte das Werk auch größere Koksmengen auf den Markt bringen.
Freilich geschah dies erst, als der Stern der wirtschaftlichen
Hochkonjunktur bereits verblichen war. Es wurden an Koks
produziert
abgesetzt
sum Preise von
Mark
1901
1902
1903
39911
69828
85600
39108
69828
84405
17,38
14^
13,87
Wir sehen hieraus, dafi den sinkenden Preisen eine steigende
Produktion entspricht Dafi dabei das Werk nicht schlecht ge-
fahren ist, geht aus einer Bemerkung des Geschäftsberichts von
1903 hervor, in dem es heifit: .Die Vermehrung der Kohlen-
förderung und der Koksproduktion mit Nebenproduktengewinnung
gestattete uns aufierdem die Oberschüsse zu steigern.' Es betrug:
Produktion \
AbMtl 1
Preis pro 100 kg
1902
1903
1902
1903
1903
1908
kg
kg
kg
kg
Mark
Mark
Schwefdiaures
Ammoniak .
1164000
1410000
1134102
1343533
21^
23^
Teer. . . .
3210392
3824200
3301056
3856930
2^
1.97
2,47
Pech. . . .
68620
82000
91620
79500
2,09
Wir haben zum Schlufi noch einen Blick auf die Rente des
Unternehmens zu werfen, d. h. auf das letzte Ziel jeder privat-
wirtschaftlichen Unternehmung. Da ist vor allem die Tatsache
interessant, dafi der Betrieb von 1852—1860/61 nicht rentierte.
Diese ganze Zeit, ausgefüllt von den Schwierigkeiten, die der Bau
des ersten Schachtes verursachte, sind Veriustjahre. Das erste
Jahrzehnt verschlingt das ganze Aktienkapital. Die Ausgabe junger
294
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
Aktien, durch die sich die Gesellschaft neue Mittel verschaffen
wollte, scheiterte an dem Widerspruch des Ministers. Bedeutende
Bankschulden mußten kontrahiert werden. 1860 stand die Gesell-
schaft vor dem Bankerott Sie rettete sich damals dadurch, dafi
es ihr gelang, 2 Millionen Frank 67oiger Vorzugsobligationen aus-
zugeben, die mit dem Privileg der Anteilnahme am Gewinn aus-
gestattet waren. Die Emission erfolgte unter Pari zum Kurse
von 80%. Damit war das Äußerste verhütet Schon in den
folgenden Jahren bahnte sich die Besserung an. 1861/62 be-
ginnen kleine Dberschässe die Oberhand zu gewinnen. Sie ge-
langen aber nicht zur Verteilung. Die ganze Zeit von 1852 bis
1869 blieb dividendenlos; erst das Jahr 1870/71, das mit einem
Betriebsgewinn von 457770 Mark abschlofi, gestattete die Ver-
teilung einer Dividende von 2,4 ^/o, das folgende Jahr sogar einer
solchen von 10%.
Die Weiterentwicklung spiegelt sich in folgenden Zahlen wider.
Es betrugen:
Jahr
Die Betriebs-
flberschflue
Die
gezahlte
Dividende
iaV»
Jahr
Die Bctriebi-
OberschOase
Di.
gexahlte
Dividend«
la*h
Mark
Mark
Mark
Mark
1873
1383271
1120000
9Vs
1889
1650688
1120000
9Vi
1874
1450686
1080000
9
1890
4023901
2640000
22
1875
651730
480000
4
1891
3630995
2640000
22
1876
503304
320000
2'fs
1892
2189921
1600000
13Vs
1877
523274
252000
2Vio
1893
1368571
960000
8
1878
679043
360000
3
1894
1605726
1120000
9Vi
1879
714345
400000
3V8
1895
1769570
1200000
10
1880
1301688
640000
5V8
1896
1860988
1360000
11 Vi
1881
1343786
800000
6»/8
1897
1888149
1440000
12
1882
1513104
960000
8
1898
1784068
1360000
llVi
1883
1548839
960000
8
1899
1782813
1360000
11»/*
1884
1445159
960000
8
1900
2277491
1600000
13V»
1885
1107997
720000
6
1901
2963818
1600000
laVk
1886
1057098
720000
6
1902
2935839
1600000
13Vi
1887
1169099
720000
6
1903
3248946
1920000
16
1888
1533308
960000
8
Hieraus ergibt sich, dafi die Betriebsüberschfisse in den
31 Jahren von 1873—1903 im ganzen 52,9 Millionen Mark be*
tragen haben, während die Dividende sich im Durchschnitt dieser
Zeit auf jahrlich 9,4 ^'/o berechnet Von den Dberschfissen aber
wurden, wie aus den Geschäftsberichten zu ersehen ist, nicht
5. Bergwerksgesellschaft Dahlbusch. 295
weniger als 12,7 Millionen, oder 24% für Neuanlagen resp. Er-
neuerungsbauten verwandt Daher heißt es auch im Bericht fiber
das Jahr 1902: .Aufsichtsrat und Vorstand sind der Ansicht, daß
in guten Jahren reichliche Abschreibungen stattfinden müssen und
der Dispositionsfonds zu vergrößern ist, damit die finanzielle Lage
der Zeche ohne Erhöhung des Kapitals stets verbessert werden
kann. Seit Gründung der Gesellschaft ist die Verwaltung immer
in diesem Sinne bemüht gewesen/ Diese Worte sind ein Pro-
gramm. Sie erklären auch, warum das Aktienkapital der Gesell-
schaft von ihrer Gründung bis zur Gegenwart unverändert auf
12 Millionen stehen geblieben ist Auf dieses Aktienkapital ent-
fielen in der Bilanz vom 31. Dezember 1903 nicht weniger als
2,7 MUlionen Mark Reserven.
Aber die kluge Finanzpolitik ist es nicht allein, die die hohe
Rente des Unternehmens erklärt In letzter Linie liegt sie verankert
in den günstigen natürlichen Verhältnissen der Kohlenflöze, die wir
an anderer Stelle kennen lernten. Der Gewinn erscheint also hier
hauptsächlich in der Form der Grundrente. Darauf beruhten auch
in der Vergangenheit die großen Hoffnungen, die die Verwaltung
auf die RentabUität der Zeche setzte. Was sie in dem ersten Bericht
an die Aktionäre von 1873 ausführt, hat sich auch in den großen
Depressionen auf dem Kohlenmarkt als richtig erwiesen. Dort heißt
es: »Nach Fertigstellung der Schächte und der übrigen im Projekt
befindlichen Einrichtungen wird Ihre Zeche ... so fundiert sein,
daß das in dem Werke engagierte Kapital selbst unter den denkbar
ungünstigsten Geschäftskonjunkturen eine gute und vor allem
eine für die Dauer gesicherte Rente abwerfen wird.* Man darf
nur nicht vergessen, daß dieser Triumph hauptsächlich auf das
Konto der Grundrente zu setzen ist
6. Königsborn, Aktiengesellschaft ffir Bergbau,
Salinen- und Solbadbetrieb.
Das charakteristische, die Geschichte dieses Unternehmens
bestimmende Moment ist die Kombination einer Saline mit einer
Zeche. Diese Verkoppelung zweier ihrer Natur nach verschiedener
Betriebe zu einer wirtschaftlichen Unternehmung entbehrt aber
nicht der inneren Notwendigkeit Zwischen Kohlen- und Salz-
produktion bestehen Wechselbeziehungen ökonomischer Art Vor
der Vereinigung war die Saline der Störenfried des Kohlenberg-
baus. Dann ändert sich dieses Verhältnis, die Sole wird zum
Verbündeten der Kohle und hilft ihr aber die Zeiten der Krisis,
aber Bau- und Veriustjahre hinweg. In einer dritten Periode aber
gewinnen die Interessen des Kohlenbergbaus und seine Ergeb-
nisse immer mehr die Oberhand, sie werden ausschlaggebend,
und die Saline, die früher der Hauptbetrieb war, sinkt auf die
Stufe eines subordinierten Nebenbetriebes herunter.
Wir betrachten zunächst die erste Periode, in der die Salz-
gewinnung eine Kohlenförderung im Unnaer Bezirk nicht auf-
kommen liefi. In diese Periode fällt die Gründung der Gewerk-
schaft Königsbom.
Die Saline selbst, an die diese Gründung anknüpft, ist urklt
Ihre Geschichte reicht zurück bis ins Mittelalter. Die Chroniken
berichten, dafi vor dem 30jährigen Kriege ihre Salzgewinnung
in hoher Blüte stand.* 1773 wurde sie vom preußischen Fiskus
erworben.** Von besonderem Interesse ist, dafi die Anlegung
* Simmersbach: Beiträge zur Geschichte des deutschen Salinenwesens in
Glasers Annalen fflr Gewerbe- und Bauwesen Bd. 4 1879 p. 334 u. 335.
** Grevel: Oberblick über die Geschichte der Saline und des Solbades
Königsbora bis zum Jahre 1873. Unna-Königsbora 1901. — Eingehende Mit-
teilungen, die aber von Grevel nicht berücksichtigt sind, finden sich auch in
Karsten: Lehrbuch der Salinenkunde L TeU, Berlin 1846, S. 234—242. — Die
älteste, mir aber nicht zugängliche Darstellung ist von Rollmann: Historisch-
technische Beschreibung der Königlichen Saline Königsborn bd Unna in der
Sammlung nützlicher Aufsätze und Nachrichten, die Baukunst betreffend,
Jahrgang 1799 S. 90ff., 1800 S. 67 ff. und 1803 S. 113. - Eingehendes Material
über Königsbora bringt auch August Huyssen: Die Solquellen des westfälischen
6, Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 297
gerade dieser Saline die nächste Ursache wurde, warum man in
der Grafschaft Mark die staatliche Regelung und Überwachung
des Steinkohlenbergbaus in erhöhtem Maße durchzuführen be-
gann. Leitender Gesichtspunkt war dabei die Versorgung des
Salzwerkes mit ausreichenden guten und billigen Kohlen. Ober-
haupt hat in der Vergangenheit die Salinenindustrie neben der
Glasindustrie die nächste Veranlassung zur Entwicklung und ratio-
nelleren Ausgestaltung des Steinkohlenbergbaus gegeben.* Diese
altere Geschichte soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Nur
eins mochte ich betonen: Die Salzgewinnung der Saline und
ihre Bedeutung für den Staat sowie für Westfalen und die nördliche
Rheinprovinz war vor der Entdeckung der grofien Salzvorkomm-
nisse in Sachsen und Hannover, vor der Eröffnung des Eisenbahn-
verkehrs und solange das Salzmonopol die Garantie hoher Ab-
satzpreise gewahrte, eine große. Diese Bedeutung ging erheblich
zurück, als mit der Entwicklung des westdeutschen Eisenbahn-
netzes der Salzbezug erleichtert wurde und nach Aufhebung des
Salzmdliopols die Privatindustrie dem Staatswerk eine empfindliche
Konkurrenz zu machen begann.
Solange der Staat die Saline besaß, war an einen Steinkohlen-
bergbau nicht zu denken, trotzdem in den Bohrlöchern der Saline
schon seit langem erhebliche Steinkohlenvorkommen aufgeschlossen
waren. Grevel berichtet, daß bereits im Jahre 1801 in Königs*
bom ein Steinkohlenflöz bei 476 Fuß Tiefe (gleich ca. 152 m)
angebohrt wurde, worauf der Kriegs- und Domanenrat Meyer im
Namen des Salzwerkes Mutung einlegte.** Seit dem Beginn des
19. Jahrhunderts wußte man also, daß Schatze von Stein-
kohlen in der Heide von Unna schlummerten. Aber sie
blieben res nullius. Der Fiskus ließ den Kohlenbergbau
nicht aufkommen. Er sperrte zur Sicherung der Sol-
quellen ein weites Terrain, das Solfeld, gegen Mutung
auf Steinkohlen ab. Dieses Vorgehen des Staates mochte bei
der grofien wirtschaftlichen Bedeutung der Salzgewinnung in
Kreidegebirges, ihr Vorkommen und mutmaflliclier Ursprung, Berlin 1856,
S. 46 ff. Dort wird gesagt, dafi salzige QueUen in der Gegend von Unna schon
seit Menschengedenken (13. Jahrhundert) bekannt waren, die zur Bereitung von
Kochsalz und zur Herstellung künstlicher Solbrunnen benutzt wurden.
* Achenbach: Geschichte der Qeve-Mflrkischen Berggesetzgebung und Berg-
verwaltung bis zum Jahre 1815 in Brasserts Zeitschrift fOr Bergrecht Bd 28
p. 156 ff., 179.
** a.a.0.p.l4. Ober das weitereSchicksal dieser Mutung schweigen die Berichte.
298 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und SolbadbetriA.
Königsbom berechtigt sein. Aber auf die Dauer konnte das Ver-
bot des Kohlenbergbaus auf dem Solfelde nicht aufrechterhalten
werden. Mit dem Erlafi des allgemeinen Berggesetzes
vom 24. Juni 1865 schwindet der Rechtsgrund für die
Sperrung. Nunmehr werden zahlreiche Mutungen auf Stein-
kohlen eingelegt; aber trotz vieler Verleihungen entstanden eigent-
liche Tiefbauanlagen nicht Das hatte offenbar zwei Grunde. Bei
der Vielheit der Mutungen ergab sich eine große Zerstückelung
der Grubenfelder. Um leistungsfähige Tiefbauanlagen zu schaffen,
mußten sie erst durch Realteilung, Grenzregulierung und Kon-
solidation zu günstig abgegrenzten einheitlichen Steinkohlenfeldern
zusammengelegt werden. Dazu kam weiter, dafi der Fiskus durch
das Abteufen von Tiefbauschächten eine Beeinträchtigung der
Solquellen befürchtete. Daher unterblieben die Anlagen.
Dieser Zustand ändert sich nun mit dem Verkauf der
Saline und der Bildung der Gewerkschaft Königsborn im
Jahre 1872. Die Gründe, warum der Staat die Saline verkaufte,
agen einmal in den Zeitverhältnissen: Mit der Auffindung ge-
sättigter Bohrlochsolen und großer Steinsalzlager in den 50 er
und 60er Jahren des verflossenen Jahrhunderts war eine neue
Epoche für den Salinenbetrieb angebrochen. Den alten mit
schwacher Sole arbeitenden Gradiersalinen war eine fürchterliche
Konkurrenz erstanden, auf die ich später eingehend zurückkomme.
Infolgedessen entäußerte sich der Fiskus seit 1866 aller gering-
haltigen Gradiersalinen. Das ist der eine Grund. Er liegt, wie
aus dem Gesagten hervorgeht, in der geringen Ergiebigkeit der
Saline Königsbom im Vergleich mit anderen Salinen. Dazu
kommt dann weiter der Einfluß,- den die mit der Änderung in
den politischen Machtverhältnissen im Zusammenhang stehende
Theorie von der Nichteinmischung des Staates in die private
Produktionssphäre ausübte. Die ganze liberale Weltanschauung
stand damals dem Staatsbetrieb unsympathisch gegenüber. Es
sind ähnliche Gründe, wie wir sie im ersten Bande dieser For-
schungen bei dem 1869 erfolgten Verkaufe der Königshütte kennen
gelernt haben. Die Salzproduktionen in den beiden letzten Jahren
des Staatsbetriebes waren immerhin erheblich höher, als die der
folgenden zehn Jahre, wo sie sich im gesellsdiaftlichen Besitze
befand und bedeutende Zubußen erforderte. Es wurden erzeugt:
1871 8531,7 t im Werte von 302058 Mark
1872 7130,7 t . . . 244098 .
6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 299
Dieser Rfickgang wird in dem amtlichen Bericht* einmal auf die
nahe bevorstehende Veräufiening, dann aber auch auf die starke
Konkurrenz des lothringischen Salzes zurückgeführt
1872 war die Stunde gekommen, wo der Fiskus die Saline aus
den eben erwähnten Gründen zum Verkaufe stellte. Der Mann, der
sie erwarb und mit dessen unsterblichen Namen die weiteren Schick-
sale des Werkes verbunden sind, war Friedrich Grillo, dessen grün-
umsponnenes Denkmal im großen Kurpark von Königsborn noch
heute daran erinnert, was durch ihn und sein organisatorisch-
spekulatives Talent geschaffen wurde. Grillo, der uns in diesen
Stadien schon öfters begegnet ist, war ehemaliger Arbeiter; durch
ein blühendes Eisenwarengeschaft in Essen war er zu Vermögen
gelangt Er ist einer der ersten deutschen Organisatoren des
Kohlenbergbaus gewesen,** der eine Zeitlang eine ganze Reihe
von Unternehmungen seinen Interessen dienstbar gemacht hat
Dabei trat das spekulative Moment besonders hervor. .Ohne Be-
denken und kalten Blutes trennte er sich von den Kindern seines
Schöpfungstriebes, wenn er darin einen besseren geschäftlichen
Vorteil sah.****
Grillo hatte eine Anzahl Steinkohlenfelder gemutet, zu dem
Zweck, um ausschließlich Bergbau zu treiben. Als nun aber
1872 die Saline zum Verkauf gestellt wurde, änderte er seinen
Plan und trat mit seinem riesigen Felderbesitz an die Spitze eines
Konsortiums, das sich die Aufgabe stellte, die Saline und die mit
dem Solfelde zusammenhangenden und an dasselbe weiter östlich
grenzenden Steinkohlenfelder zu erwerben und zu konsolidieren.
Dieses Projekt gipfelte also in dem Gedanken, die Salz-
roit der Kohlengewinnung zu verbinden. Zu diesem Zweck
zahlte das Konsortium eine Summe von 1,8 Millionen Mark ein
und erteilte seinem Leiter Vollmacht zum Abschluß der Kauf-
vertrage und zum Entwurf eines Statuts für die zu bildende Ge-
werkschaft Grillo kaufte nun am 21. September 1872 die fiska-
lische Saline Königsborn mit Inventar und allen Pertinenzien, und
zwar zu dem außerordentlich billigen Preise von 900000 Mark,
femer eine Badeanstalt, deren Preis 5187 Mark betrug. Dazu
kamen dann 3,9MUlionen Quadratlachter Steinkohlenfelder, die zum
* Zeitschrift für Bera-, Hütten* und Salinenwesen im preufiisclien Staate
Bd. 21 p. 174.
^ S. Koepper: In Plutos Rdcli, Berlin.
*** Schulz-Briesen: a. a. O. p. 23.
300 6. Königsborn, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
Preise von 500205 Mark erworben waren. Außer dieser Berecht-
same wurden noch fünf Eisensteinfelder, jedes Feld in einer GrOBe
von 500000 Quadratiachter, gemutet. Die Verleihung dieser inner-
halb des Konsolidationsfeldes liegenden Eisensteinfelder hat eine
weitere Bedeutung nicht gehabt, da es sich bloß um einen schmalen
Streifen von Blackband handelte, der in Begleitung der Mager-
kohlenflOze auftrat und dessen besonderer Abbau nicht lohnte.
Hingegen ist wichtig, daß gleich von vornherein, um der Etablie*
rung der Konkurrenz in der Nachbarschaft vorzubeugen,
für 95340 Mark 96 Kuxe, also die V4-Majoritat an dem in 128 Kuxe
eingeteilten Bergwerk Bramey und Bramey I, erworben wurden.
»Der Besitz von 96 Kuxen,* heißt es im ersten Geschäftsbericht,
.gibt uns die Garantie, daß ohne unsern Willen in diesen Feldern
eine konkurrierende Tiefbauanlage nicht etabliert werden kann.*
Durch Vertrag vom 24. November 1873 wurden diese Bestand-
teile unter der Firma .Steinkohlen- und Salzsolbergwerk Königs-
bom* verschmolzen. Das Statut gibt als Aufgabe folgendes an:
Zweck der Gewerkschaft ist die Ausbeutung des Steinkohlen- und
Salzbergwerks Königsbom, sowie die Herstellung aller Anlagen
und der Betrieb von Unternehmungen, welche die Ausnutzung
dieses Bergwerks und die Verwertung der Produkte desselben
befördern.* Die Zahl der gewerUichen Anteile wurde auf 1000
unteilbare Kuxe festgesetzt, mit dem Charakter der beweglichen
Sachen. Es waren also mobile Kuxe. Dieses Statut ist dann
1880 erweitert worden, indem zu den Zwecken der Gesellschaft
noch die Mutung und käufliche Erwerbung anderer Bergwerke
hinzukamen. Was diesen letzteren Punkt anbelangt, so wurde
seit 1880 das Feld Mülhausen II und eine Anzahl Bramey-Felder
und 1904 die Magerkohlenzeche Sprockhövel erworben. 1895
erfolgte dann mit der Umwandlung der Gewerkschaft in eine
Aktiengesellschaft eine abermalige Neuredaktion und Darlegung
des Programms; aber die Zwecke und Ziele der Gesellschaft er-
fuhren gegenüber den in dem vorigen Statut niedergelegten keine
wesentliche Änderung.
Aus dieser Gründungsgeschichte geht hervor, daß die Ge-
werkschaft Königsbom eine Kombination verschiedener Betriebe
ist, und zwar einer Saline und eines Solbades mit einem
Kohlenbergwerk. Man kann aber nach den mir von dem
jetzigen Generaldirektor Herrn Effertz zugegangenen Mitteflungen
nicht behaupten, daß die Gründer Einsicht in die tieferen Be-
6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 301
Ziehungen gehabt hätten, die zwischen Salz- und Kohlenproduktion,
wie sich später herausstellte, bestanden. Für Grillo lag die
wesentliche Veranlassung zum Kauf der Saline in ihrem billigen
Preise. Sie bot femer einen guten Stutzpunkt ffir die Entwicklung
des ersten Schachtes. Für den Fall eines Abbruchs bei un-
lohnendem Betrieb sollte der kolossale Holzreichtum der Gradier-
werke als Grubenholz Verwendung finden. Nun stellte sich aber
h^aus, daß die Saline den Weiterbetrieb lohnte, ja dafi aus der
Verbindung mit dem Zechenbetrieb eine Reihe von Vorteilen sich
ergab. Die Verhältnisse waren also auch hier wieder einmal schlauer
als die Menschen.
Die inneren Beziehungen zweier ihrem Apfieren nach so ver-
schiedener Betriebe liegen nun offenbar darin, dafi einmal die
Produktionskosten des Salzes durch den Preis der Kohlen
wesentlich beeinflußt werden. Von jeher waren zur Erzeugung
von einer Tonne Salz mindestens über eine Tonne Kohlen nötig.
Der Verbrauch der Saline an Kohlen betrug, auf das produzierte
Salzquantum berechnet:
1882 1290/0 1893 870/o
1883 1000/0 1894 90o/o
1884 930/0 1895 990/o
1885 1240/0 1896 1050/o
1886 1030/0 1897 850/o
1887 1110/0 1898 1050/o
1888 1190/0 1899 IO6O/0
1889 1050/0 1900 1080/0
1890 1050/0 1901 llOO/o
1891 1150/0 1902 1200/0
1892 930/0 1903 980/0
Im Jahre 1904 waren zur Herstellung von 13390 1 Salz 16348 1 Kohle
erforderiich (123 ^/o). Im Durchschnitt dieser 22 Jahre belief sich der
Kohlenkonsum der Saline auf 105^/o der gewonnenen Salzmenge.
Die Schwankungen liegen zwischen 85 ^/o und 129%. Sie werden
bedingt durch das Wetter. Bei gutem (trockenem und windigem)
Wetter findet schon auf den Gradierwerken eine erhebliche Kon-
zentration der Sole statt, die bei schlechtem (nassem und wind-
stillem) Wetter in den Siedepfannen bewirkt werden muß. Der
Kohlenpreis spielt daher in dem Ensemble der Selbstkosten des
Salzes die wichtigste Rolle. Nur die Selbstbedarfsdeckung
aber kann eine sehr billige Kohle zugrunde legen. Die
Kombination war daher, was die Orflnder nicht wußten, wirt-
schaftlich gerechtfertigt durch die mit dem früheren Vor-
302 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Soltradbetrieb.
wiegen des Salinenbetriebes verbundene Möglichkeit der
Heruntersetzung der Kosten durch Heranziehung selbst*
geforderter und daher billiger Kohlen.
Dazu tauchte bereits in den ersten Jahren des Bestehens der
Gewerkschaft noch ein weiterer Plan auf. Es sollte auf der Saline
bei der Siedung des Salzes eine Ausnutzung der Gase noch an-
zulegender Koksöfen stattfinden. Man glaubte, dafi der Lösung der
Aufgabe erhebliche theoretische und praktische Schwierigkeiten
nicht im Wege ständen. Wäre erst einmal das Werk so weit, dafi
eigene Kohlen gefördert und verkokt werden könnten, dann sollte
zunächst im kleinen die Durchfährung versucht werden.* Es sollten
neue Siedevorrichtungen gebaut und die bei der Herstellung von
Koks freiwerdenden Gase zur Verdampfung der Salzlösung ver-
ffigbar gemacht werden. Das Projekt ist später verlassen worden.
Als die ersten Koksöfen 1888 in Betrieb kamen, hatten sich die
Anschauungen geändert Der wichtigste Hinderungsgrund bestand
nach gütiger Privatmitteilung des genannten Generaldirektors darin,
dafi der Hitzeprozefi in den Koksöfen nicht analog dem bei der
Salzherstellung notwendigen veriäufL Die Prozesse würden sich
gegenseitig stören, denn die Pfannen mässen stets mit einem
bestimmten Wärmegrad gehen, und auch die Koksofenhitze mufi
in bestimmter Weise reguliert werden.
Von demselben Gesichtspunkt geht auch Bergrat Baltz** aus.
Er sagt: .Ein Wechsel im Salzkorn ist bei Gasfeuerung, nament-
lich bei Ganzgasfeuerung meist schwer erreichbar, indem dieselbe
ffir ihren richtigen Betrieb eine möglichst gleichförmige und lang-
andauernde Vergasung erfordert, was nicht immer gewünscht
wird. Namentlich bei Versiedung mindergrädiger unreiner Solen
(wie sie Königsbom aufweist. D. V.) ist die Trennung des Siede-
prozesses in zwei Stadien notwendig, nämlich in die Störperiode,
welche ein Reinigungs- und Konzentrationsprozefi ist, wobei unter
heftigem Sieden, oft auch unter Beigabe von Blut und Albumin,
eine Ausscheidung von Unreinigkeiten stattfindet, welche in Form
von Schaum abgezogen werden; sodann in die Soggeperiode,
während welcher, je nachdem gröberes oder feineres Salz erzeugt
werden soll, eine gröfiere oder geringere Intensität der Feuerung
notwendig ist Da, wo nun beide Prozesse in einer Pfanne aus-
♦ Geschäftsbericht von 1874.
** Die Siedesalzerzeugung von ihren Anfängen bis auf ihren gegenwSitigeii
Stand in der Zeitschrift far Berg-, Hüüen- und Salinenwesen Bd. 44 1896 p. 245.
6. Königsboni, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 303
geführt werden, mufi auch die Feuerung vermehrt oder vermindert
werden können, was mit Rostfeuerung ungleich leichter zu be-
werkstelligen ist, als mit Gasfeuerung. Der gleiche Fall tritt auch
dann ein, wenn in ein und derselben Pfanne mit der Gröfie des
Korns gewechselt werden soll."
Aber wenn auch die weitergehenden Pläne nicht zur Aus-
führung kamen, der grofie Vorteil, der Saline selbstgewonnene
Kohlen zur Verfügung stellen zu können, die sie ja in so grofiem
Mafie braucht, blieb bestehen. Während die andern Salzwerke
auf dem Marktpreis der Kohlen angewiesen waren, konnte die
Saline Königsbom bei der Salzherstellung die Selbstkosten der
Förderkoble zugrunde legen.
Nun mag freUich dies in den Produktionskosten liegende
Moment in bezug auf seine Wirkung in den ersten Jahren des
Betriebes nicht die Rolle gespielt haben wie später; denn die
Kohlenförderung kam erst 1880 in Gang. Außerdem sah man
fälschlicherweise, wie der Geschäftsbericht von 1878 venät, die
Saline nicht mehr als ertragsfäbig an. Der ganze Schwerpunkt
des Unternehmens sollte im Kohlenbergbau liegen. Wenigstens
lief darauf, wie schon erwähnt, das ursprüngliche Projekt Grillos
hinaus. Aber auch der klügste Unternehmer kann durch die Ver-
hältnisse ad absurdum geführt werden. Es zeigte sich bald, dafi
der Kohlenbergbau im Anfang nicht rentierte, wie wir noch näher
sehen werden, und die Saline in den 80er Jahren imstande war,
nicht unbedeutende Überschüsse abzuwerfen.
Wir werden daher im folgenden zweierlei zu betrachten haben:
1. DieEntwicklungderSalinemitdemdazugehörigenBadebetrieb.
2. Die Entwicklung des Kohlenbergbaus.
Erst dann wird es möglich sein, die Interna dieser Ver-
schmelzung richtig zu beurteilen.
Jede Quellsaline wird in erster Linie bestimmt durch die Er-
giebigkeit und den Salzgehalt ihrer Quellen. Zum Aufschluß
dieser Quellen, die in den Klüften des unteren, das Steinkohlen-
gebirge Westfalens überdeckenden Kreidemergels entspringen, be-
sitzt die Aktiengesellschaft Königsbom heute 31,6 Millionen
Quadratmeter Salzsolberechtsame, gegen 28,4 Millionen Quadrat-
meter im Jahre 1873, also heute etwas mehr als zu Anfang. Diese
Berechtsame ist aufgeschlossen durch eine Anzahl Bohriöcher.
Um ein Urteil über die gegenwärtigen Solquellen der Gesell-
304 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrid>.
Schaft zu gewinnen, wollen wir einen Augenblick in die Ver-
gangenheit zurückblicken. Denn diese predigt eine eindringliche
Lehre, die auch das Schicksal der Saline KOnigsbom dermaleinst
besiegeln wird! Im Laufe der 100 Jahre von 1773 — 1873 wurden
nicht weniger als 59 Bohrlöcher abgestoßen. Es wurden also fort-
während neue Bohrungen vorgenommen. Freilich ließen die
meisten bald nach. Sie waren eine Zeitlang ergiebig, dann ver-
armten sie und wurden unedel. .Im Salzgehalte,' schrieb Huyssen
bereits 1856,* .sehen wir alle KOnigsbomer Quellen allmShlidi
abnehmen.'
Die wichtigste Quelle, die noch ffir den Staatsbetrieb eine
große Rolle spielte, war der seit 1845 in Ausbeutung befindliche
RoUmannsbrunnen bei Heeren. Derselbe hatte 1845 einen Salz-
gehalt von 6,78Vo.** Aber bereits in den 50er Jahren klagen
die Berichte: .Alle bei dieser Saline (Königsbom) gestoßenen
Bohriöcher haben die Erfahrung machen müssen, daß der ohnehin
nur maßige Gehalt der Sole sich allmählich verminderte. Darum
war es notwendig, stets neue Bohrlöcher zu stoßeiL^*** In den
folgenden Jahren ging dann auch der Salzgehalt der Rollmanns-
quelle stark zurück. Er sank auf unter ZVo. Es wurden alle
möglichen Mittel angewendet, um die Sole zu verbessern. So
wurde z. B. 1858 und in den folgenden Jahren der Brunnen im
Winter abgesperrt und die Solförderung mehrere Monate lang voll-
ständig unterbrochen. Dieser Rückgang des Salzgehaltes der Sole
fährte dann Anfang der 80er Jahre dazu, den RoUmannsbrunnen
nur noch während der Saison zu betreiben, bis 1886 der Betrieb
vollständig eingestellt wurde. Außerdem fand in den 70 er Jahren
nur noch auf den Bohrlöchern Littera 5 und 26 bei Afferde eine
Solgewinnung statt Aber die Ausgiebigkeit derselben war un-
regelmäßig und unbedeutend. Das Gemisch der verschiedenen
Solquellen hatte nur einen Salzgehalt von 47o. Mit dieser Tat-
sache stehen die geringen Erträge im Zusammenhang, die der
Staat und in den 70er Jahren die Gewerkschaft aus dem Salinen-
betriebe herauswirtschaften konnte. Vom Jahre 1873 — 1881 be-
trug die Salzgewinnung im Durchschnitt nur 4867 t pro Jahr. Sie
war also außerordentlich gering.
Warum ist nun in den 70 Jahren die Gewerkschaft nicht zur
♦ a. a. O. p. 131.
•♦ Karsten: a. a. O. Bd. I p. 237.
*«* Zeitschrift für Berg-, Hütten- und SaUnenwesen Bd. I 1852 p. 197.
6. Köolgsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 305
Erschliefiung neuer Bohrlöcher übergegangen? — Die Ursache
hierfür scheint in drei Momenten gelegen zu haben:
1. in dem Glauben der Verwaltung an einen nicht mehr
lohnenden Betrieb der alten Saline,
2. in den niedrigen Salzpreisen und
3. in den veralteten technischen Betriebseinrichtungen.
In dem Geschäftsbericht von 1874 wird über die beiden letzten
Punkte folgendes ausgeführt: »Die Disposition der Betriebsvor-
riditungen der Saline Königsbom basiert auf einer in früheren
Jahren erreichten Produktion von 180000—200000 Zentner. Um
diese Produktion wieder zu erzielen, müßten nun neue Bohrlöcher
abgestofien werden, was aber zurzeit, da schon in Deutschland
eine Überproduktion an Salz stattfindet und die Lothringschen
Salinen wegen des zurzeit bestehenden Eingangszolls für Salz
nach Frankreich genötigt sind, einen großen Teil ihres Salzes in
der Rheinprovinz und in Westfalen zu vertreiben, auch die fran-
zösischen Salinen bei zollfreier Einfuhr immer größere Konkurrenz
bereiten, nicht ratsam erscheinen. Denn die Betriebseinrichtungen
der Saline Königsbom sind alt und entsprechen keineswegs den
Anforderungen der neuen Technik. Es wird daher geraten sein
und wir haben schon damit begonnen, den Salinenbetrieb nach
und nach einzuschränken, die überflüssigen Betriebsvorrichtungen
aber auf Abbruch zu verwerten. Mit dem Aufgeben der jetzigen
Saline Königsbom soll aber keineswegs unsere Salzgewinnung
aufhören, denn angesichts der hohen Transportkosten der konkur-
rierenden Salinen ist nur eine Herabdrückung unserer Selbst-
kosten um ca. 3 Silbergroschen per Zentner gegen die jetzigen
(bei mittleren Kohlenpreisen) erforderlich, um große Quantitäten
mit Nutzen an den Markt zu bringen." In diesem Zustande der
Stagnation blieb das Unternehmen bis zum Jahre 1880, in dem
eine Anderang in der Verwaltung eintrat Grillo stellte sich selbst
an die Spitze des Grubenvorstandes und berief eine neue Direktion.
Diese erbrachte bereits im ersten Jahre ihrer Amtsfühmng den Be-
weis, daß an dem Salz doch noch Geld verdient werden könne, und
deshalb entschloß sich Grillo, den Salinenbetrieb wieder auszudehnen.
Der Anfang wurde gemacht mit der Erwerbung neuer
Quellen. In der außerordentlichen Generalversammlung vom
24. Oktober 1881 wurde der Ankauf der Solquelle Werries bei
Hamm beschlossen. Die Quelle war bisher an den Bohrmeister
Ruth von der Gewerkschaft Schlägel und Eisen verpachtet ge-
StilHcb. NaUooaMkooomiKbt ForKlmflftn, Bd. U. 20
306 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetiicb.
wesen. Die Gewerkschaft Königsborn erwarb nun die Berecht-
same in Größe von 2189000 qm, brachte neben dem bestehenden
Bohrloch von 667 m noch ein zweites von 691 m Tiefe und ein
weiteres nieder. Die Quelle wurde also in großer Tiefe ab-
gefangen und die Sole mittelst Saug- und Hubpumpen zutage
gehoben. Von dort wird sie dann in einer 27 km langen gufi-
eisernen Rohrleitung nach Königsborn übergeführt Die Sole der
Werriesquelle liefert in der Minute nahezu 1 cbm 8V2prozentigeSole.
Infolge dieses im Vergleich zur Sole des Rollmannbrunnens hohen
Salzgehalts war die Möglichkeit gegeben, die SiedehSuser zu er-
weitem und die Salzproduktion in größere Dimensionen über-
zuführen. Die Wirkung dieser Maßnahme reflektiert sich am
besten in der Steigerung der Salzproduktion. Dieselbe belief
sich, nachdem sie, wie erwähnt, in den neun vorhergehenden
Jahren durchschnittlich 4867 t betragen hatte
1882 auf 6607,5 t 1885 auf 11970,0 t
1883 auf 8898,6 t 1886 auf 13854,2 t
1884 auf 11447,0 t 1887 auf 15832,2 t
Eine weitere wesentliche Steigerung ist dann bis zur Gegen-
wart nicht mehr erfolgt Im Jahre 1903 betrug die Produktion
15805, 1904 13390 t Salz.
In letzter Zeit freilich scheint auch die Werriesquelle in ihrer
Ergiebigkeit nachzulassen. Schuld daran sind neue Schächte, die
das Wasser der Quelle ableiten. Es handelt sich dabei um den
im Abteufen begriffenen Maximilianschacht Derselbe leidet unter
großen Wasserzuflussen. Der letzte Geschäftsbericht von 1904
klagt: .Auch der Betrieb der Saline ließ zu wünschen übrig, da
der Ausfluß der Werriesquelle sich verminderte. Wir
haben indessen Vorkehrungen zur Verstärkung der SolefOrdening
getroffen und hoffen, damit einen vollen Erfolg zu erzielen.*
Aber selbst, wenn diese Verhältnisse behoben sind, t>esteht ein
hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, daß auch diese Quelle das
Schicksal ihrer Vorgängerinnen in absehbarer Zeit teilen muß.
Aus den bisherigen Ausführungen geht aber noch eine weitere
sehr wichtige Tatsache hervor, nämlich die, daß der Salzgehalt
der Sole der Werriesquelle noch weit von dem Sättigungspunkte
entfernt ist Um nun die Sole anzureichern, sie zu konzentrieren
und dabei gleichzeitig zu reinigen, sind Gradierwerke nötig.
Durch die Domen derselben träufelt die Rohsole regenartig ver-
teilt hernieder und vertiert nach zwei- bis dreimaligem Durchgang
6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 307
dufcfa Verdunstung so viel Wasser, daß sie aus einer Sgrädigen
eine etwa 20grädige wird. Die Saline Königsbom hat fünf große
Gradierwerke mit je zwei Wänden von 10 m Höhe und einer
Wandflfldie von zusammen 31880 qm. Ober diese aus Schwarz-
dora bestehenden Reisigwände wird nun die Sole verteilt Dazu
dienten früher Windkünste. Noch jetzt kann man die außer Be-
trieb gesetzten alten Anlagen, bestehend aus einer Anzahl Wind-
mühlen, sehen. Heute werden zur Belegung mit Sole neun Dampf-
maschinen mit neun Drucksätzen verwandt.
Durch die Notwendigkeit, die Sole vor der Siedung zu gra-
dieren, wird aber das Unternehmen ökonomisch stark belastet
Diese Belastung kommt zum Ausdruck:
1. in der Verstärkung des fixen Kapitals,
2. in der Abhängigkeit der Produktion von einem variablen
Faktor: der Witterung,
3. in nicht unbeträchtlichen Salzverlusten.
Die früheren Besitzer der Saline haben in ihren Gradier-
werken ein hohes Anlagekapital investiert, ja man kann sagen,
daß diese von sämtlichen zum Betriebe gehörigen Einrichtungen
das größte Kapital repräsentieren. Die Richtigkeit dieser Be-
hauptung geht auch aus der Aufstellung hervor, die seinerzeit bei
der Ol>emahme der Saline Königsbom durch die Gewerkschaft
gemacht wurde. Der Kaufpreis von 900000 Mark wird in dem
Bericht von 1873 folgendermaßen spezialisiert:
OndJerwerkkonto. 467475 Mark Maschinenkonto .... 51048 Mark
Immobilienkoato . 362886 . Inventarkonto 18591 .
Man ersieht daraus, daß der Hauptwert in den Gradieranlagen
ruht Diese Tatsache ist ffir die folgende Betrachtung von großer
Wichtigkeit
Auf den Königsbomer Gradierwerken wird nun die Sole, die
mit einem Salzgehalt von etwas fiber SVo aus der Erde kommt,
auf 16— 22^/o eingereichert Eine völlige Sättigung wird in der
Praxis nicht angestrebt, weil der Solveriust zu hoch werden würde.
Die weite Latitüde wird bestimmt durch die Witterung. Der
Gradiereffekt ist in hohem Maße von ihr abhängig. Die Ge-
schäftsberichte klagen wiederholt darüber, wie sehr ein feuchter
Sommer die Gradierung und infolgedessen die Salzgewinnung be-
einträchtigt Damit aber kommt in den Produktionsprozeß ein
variables Moment hinein. Mit der Abhängigkeit davon aber hängt
der Saisoncbarakter der Salzgewinnung zusammen. Die Haupt-
20»
308 6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solba(ft>etiiA.
produktionsperiode ist der Sommer. Die besten Monate sind Mai
bis August Aber auch in diesen können Witterungseinflusse den
Effekt stören. Windstille Nächte, Morgen- und Abendnebel , vor
allem aber Regen beeinflussen die Gradierung sehr ungünstig.
Sie muß daher zuzeiten beschränkt oder ganz eingestellt werden.
Auf Königsbom wird auch im Winter gradiert Es ist nicht richtig,
wenn Fürer* die Behauptung aufstellt, die Königsbomer Sol-
reservoire, in denen sich die gradierte Sole sammelt, seien zu
klein, um den im Sommer gewonnenen Winterbedarf der Siedung
zu decken. Die Reservoire sind groß genug, die weitere An*
reicherung der Sole muß unter allen Umständen in den sog. Stör*
pfannen stattfinden. Ist aber das Wetter zu ungünstig gewesen,
so bietet die Auflösung von Steinsalz oder Pfannenstein die
Möglichkeit, genügenden Vonat an sog. Siedesole (die aber dann
auch noch die Störpfannen passieren muß) zu schaffen. Die An-
reicherung mit Steinsalz verursacht jedoch große Kosten. Daher
heißt es im Bericht des Jahres 1881, in welchem wieder eine
schwächere Siedesole verarbeitet werden mußte: »Zur Anreicherung
der Sole durch Auflösung von Steinsalz wollten wir nicht wieder
übergehn, da dies Verfahren, wie der Erfolg bewiesen hat, nur
verlustbringend für uns gewesen ist'
Außer der Unregelmäßigkeit kommt in Betracht der mit der
Gradierung verbundene Salzverlust Namentlich bd starkem
Winde werden Millionen kleiner Salztröpfchen, die über das
Reisig hinunterrieseln, zerstäubt und fortgetragen. Der Verlust
ist natürlich um so größer, je konzentrierter die Sole ist Er
wird daher auf dem letzten Gradierfall, den die Sole passiert»
am stärksten sein. Auf Königsbom berechnet er sich für ein
Jahr auf 17,53Vo. Wegen dieser Veriuste wird die Sole nicht
über 22% hinaus konzentriert Die Vorteile einer stärkeren An-
reicherung würden, wie schon erwähnt, durch die großen eintreten-
den Verluste wieder aufgehoben werden.
Diese Gradierwerke sind eine absolute Notwendigkeit
für alle Salinen, die mit ungesättigter Lösung arbeiteit
Wollte man die Beseitigung des überflüssigen Wassers zur Kon-
zentrierung der Sole nicht der Luft überlassen, sondern sie durch
* Farer: Salzbergbau und Salinenkunde, Braunschweig 1900 p. 563. —
Ebenso trifft auch auf Seite 706 die Behauptung nicht zu, Königsbom benutze
eine 4prozentige Sole. Das war, wie wir sahen, in den 70er Jahren, also vor
Erwerbung der Werriesquelle, der Fall. Heute betragt der Salzgehalt etwa 8^/a.
6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 309
Holz- oder Kohlenheizung bewirken, so würde das ganz enorme
Kapitalien erfordern. Es verbietet sich daher aus wirtschaftlichen
Rücksichten von selbst Nun gibt es aber in Deutschland eine
Anzahl Salinen, die überhaupt keine Gradierung brauchen,
weil sie mit konzentrierter Lösung begnadete Quellen
haben. Bei diesen Salinen sprudelt die Sole gleich im hoch-
prozentigen Zustande aus der Erde, d. h. mit einem Salzgehalt,
der dem Sättigungspunkte ziemlich nahe liegt. Derselbe beträgt
bei 15^ R oder 18,75 <> C 26,87 <>/o. Solche edlen Solen, die
ohne Chadierung sofort zur Versiedung gelangen, haben z. B.
folgende Salinen:* die hannoverschen Salinen Egestorffhall und
Georgenhall mit 25% Sole, die Ludwigssaline mit 24—26%
Sole, die bayrische Staatssaline Reichenhall mit 23% Sole, die
der Aktiengesellschaft vereinigte thüringische vormals Glencksche
Salinen gehörigen Werke Luisenhall, Neuhall und Emsthall mit
25 — 26% u. a. Es sind das meistens Solen, die aus Bohr-
löchern gewonnen werden, die im Steinsalzgebirge stehen. Oder
es werden besondere Schächte abgeteuft Ist das Steinsalz-
gebirge erreicht, so werden die unterirdischen Salzschichten mit
Wasser so lange ausgelaugt, bis konzentrierte Sole entsteht
Dieses Verfahren ist direkt der natüriichen Bildung der Solen
at)gelauscht Es beruht auf Imitation. Auf diese Weise ist es
möglich, beliebige Mengen an Sole zu erzeugen. Der
Produktion sind von der Natur keine Grenzen gezogen, wohl
aber, wie wir noch sehen werden, von der Aufnahmefähigkeit des
Marktes. Diese in so hohem Mafie von der Natur für die Zwecke
der Produktion privilegierten Solen werden direkt in die Pfanne
geleitet Dabei fällt der Störprozeß ganz hinweg** oder ist auf
ein Minimum abgekürzt Das bedeutet aber weniger Pfannen,
weniger Brennstoffaufwand und kürzere Produktionszeit Im Ver-
gleich hierzu sei erwähnt, dafi Königsbom aufier den 31 Siede-
pfannen noch 5 Störpfannen braucht, in denen die Sole gereinigt
und bis zum Sättigungspunkte angereichert wird. Die Salinen mit
gesättigter Sole aber reifien nicht nur nicht den Produktionsprozeß
in zwei Teile auseinander, sondern sie sparen vor allem die An-
lage- und Betriebskosten der Gradierung und vermeiden die
• t. Pflrer a. a. O. p. 545.
^ Das ist z. B. auch bei der 26prozentige Sole verart>eltenden Saline zu
Heflbmm der Fall (Zeitschrift für Berg-, Hütten- und SaUnenwesen Bd. 45 1897
p. 135).
310 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- nnd Solbadbdrieb.
ökonomischen Nachteile, die wir bei der Königsbomer Saline
kennen lernten.
Diese Tatsache spaltet nun in bezug auf die wirt-
schaftliche Lage die deutsche Salinenindustrie in zwei
Gruppen. Die einen haben von Natur eine nahezu gesättigte
Sole, sie brauchen keine Gradieranlagen, infolgedessen weniger
stehendes Kapital, d. h. auch weniger Zinsen; sie brauchen femer
weniger Kohlen für die Verdampfung, und der Produktionsprozeß
ist vollständig unabhängig von der Witterung und von Gradierungs-
Verlusten. Verluste bei der Siedung treten natürlich auch hier ein«
Die Folge ist eine kolossale Erniedrigung der Selbst-
kosten des Salzes und die Möglichkeit, auf den Markt bedeutend
billigere Preise stellen zu können, als diejenigen Salinen, die
wie Königsbom auf leichte Sole angewiesen sind.
Ich möchte hier nur auf ein einziges Beispiel verweisen, das
rechnungsmäßig diese Unterschiede vor Augen führt Es betrifft
die vergleichenden Versuche, die auf der größten Saline des
Deutschen Reichs, der preußischen Staatssaline zu Schöne-
beck bei Magdeburg vorgenommen wurden. Diese Saline war
früher Gradiersaline. Als dann in den 50 er Jahren die großen
Steinsalzlager bei Staßfurt aufgeschlossen wurden und man durch
Bohrung auch bei Salze und Schönebeck Steinsalzlager antraf,
erfolgte eine Revolutionierung des ganzen Betriebes. Man ging
zur Verarbeitung der aus den Bohrlöchern sprudelnden, weit
billigeren gesättigten Sole über und steigerte die Produktion ganz
enorm. Ja, in letzter Zeit wurde sogar ein besonderer Salzschacht
(Schacht Moltke) abgeteuft, der eine Solgewinnung unmittelbar im
Steinsalzlager durch Auslaugung desselben mit Wasser ermöglicht
Die Kosten von 100 kg Rohsalz in der Siedesole betrugen, so
lange man gradierte und die Sole von ll,05®/o auf 23,51% an-
reicherte, ohne Verzinsung und Amortisation des Anlagekapitals
24,2 Pf., später aber nach den erfolgten Neuaufschlüssen bei Ver-
arbeitung einer gesättigten Lösung von 24,96 % Bohrlochsole nur
8,1 Pf.*
Mit Bezug auf den Einfluß, den die privilegierten
Salinen auf den Salzpreis ausüben, müssen wir zwei Falle
auseinander halten, die abhängig sind von zwei verschiedenen
Voraussetzungen. Nehmen wir zunächst an, daß die Produktion
♦ Fürer p. 212 und 579.
6. Köolgsboni, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 311
Sämtlicher Salinen zur Versorgung des Marktes not-
wendig ist, dann wird der Preis des Salzes bestimmt werden
von den unter den ungünstigsten Bedingungen arbeitenden
Betrieben» deren Produktion noch zur Befriedigung des Marktes
notwendig ist, d. h. von den Salinen mit schwacher Sole und
Gradieranlagen. Es werden dann die günstiger gestellten Salinen
mit gesättigter Sole eine nicht unbedeutende Differenzialrente be-
ziehen.
Gehen wir nun aber von der zweiten Voraussetzung aus, daB
die Erzeugung von Salz den Bedarf übersteigt, welchen
Einflufi wird dann die Tatsache der verschiedenen Selbstkosten
auf die Preise ausüben? Es kann keinem Zweifel unterliegen,
daB dann der Preis nicht mehr von dem unter den ungünstigsten,
sondern von den unter den günstigsten Bedingungen produ-
zierenden Unternehmungen bestimmt wird, d. h. hier von den
Salinen mit gesättigter Sole. Da es nun aber der ganzen kapita-
listischen Produktionsweise eigentümlich ist, mehr zu erzeugen als
gebraucht wird, und infolgedessen vielmehr Eisen, Kohle, Salz usw.
angeboten wird als wirklich in einem bestimmten Momente ge-
kauft werden kann — wenigstens solange das Prinzip der freien
Konkurrenz herrscht und nicht etwa, wie zeitweise in der letzten Hoch-
konjunktur, die Nachfrage über das Angebot hinausgaloppiert — , so
würde diese Tatsache allein zum Untergange der nicht konkurrenz-
fähigen Betriebe führen müssen, denn sie würden mit den enormen
Quantitäten und den billigen Preisen der günstiger situierten nicht
konkurrieren können. In der Tat stehen heute den Salinen mit
edler Sole, deren Bohrlöcher auf Steinsalzlagem liegen, unbe-
grenzte Solmengen zur Verfügung, und die niedrigen Selbstkosten
prädestinieren sie von vornherein zum Sieger im Preiskampf, so-
lange nicht feste Kartellnormen ihnen Schranken setzen.
Es ist nun ohne weiteres klar, daß diese Entwicklung zum
Untergang einer Anzahl von Betrieben führen mußte und die
Salinen mit Gradierung geradezu auf den Aussterbeetat gesetzt
wurden. Daß dieser Vemichtungskampf in den letzten Jahrzehnten
keine größeren Dimensionen angenommen hat, ist, wie wir noch
sehen werden, einzig und allein auf die Bildung territorialer Kar-
telle üi der 'Salzindustrie zurückzuführen. Fürer äußert sich über
diesen Punkt folgendermaßen:* »Eine große Anzahl älterer Sa-
linen ist eingegangen, da sich die Verarbeitung der zur Verfügung
• a. a. O. p. 212.
312 6. Könlgsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetifeb.
stehenden leichten Sole bei der Billigkeit der Gewinnung ge-
sättigter Sole an andern Orten nicht mehr lohnte. So sind die
sächsischen Salinen bei Kosen, bei Teuditz und Kötzschau, ferner
die pommersche Saline bei Kolberg und viele westfälische und
hannoversche Salinen auBer Betrieb gesetzt worden, und zahlreiche
Orte erinnern nur noch durch ihren Namen daran, daB einst Salz
dort gewonnen wurde.* Manche dieser Salinen lebt heute ledig-
lich noch in ihrem Badebetrieb weiter. Daher treten auch neue
Salinen mit leichter Sole gar nicht mehr ins Leben. Ober solche
Neuanlagen zur Verarbeitung unedler Solen sagt der eben erwähnte
bedeutende Salinist folgendes:* .Die Bedenken gegen die Errichtung
von Gradierwerken und die Verwertung leichterer Solquellen liegen
darin, dafi in unbegrenzter Weise gesättigte Steinsalzsolen billig
gewonnen werden können, die Produktionsverhältnisse und der
Salzpreis deshalb zu geringe Stetigkeit erwarten lassen, um soldi
bedeutende Anlagekapitalien aufzuwenden, die sich erst in einem
Zeitraum von 100 Jahren aus dem Jahresgewinn amortisieren
lassen und möglicherweise durch Konkurrenz wertlos werden
können." Er fugt hinzu: »Wo Salzgewinnung und Salzhandel
Staatsmonopol sind, würden gegen die Verwendung von Mitteln
zur Errichtung von Salinen weniger Bedenken bestehen."
Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, dafi die
Königsborner Saline von ihren Konkurrenten mit ge-
sättigter Sole längst an den Rand der Verzweiflung und
der Unterbilanz getrieben worden wäre, wenn nicht drei
Momente dies bisher verhindert hätten. Es sind dies folgende:
1. die Verwendung eigener Kohlen,
2. die Erzeugung besonderer Salzspezialitäten,
3. die Beschränkung der freien Konkurrenz durch Kartelle
Was zunächst die Verwendung eigener Kohlen anbelangt,
so ist Königsbom, wie schon früher bemerkt, vor andern Salinen
im Vorteile. Da zur Gewinnung und Trocknung einer Tonne
Salz etwas fiber eine Tonne Kohlen notwendig ist, so fällt der
Vorteil eigener Kohlengruben ohne weiteres ins Auge. Freilich
kam die erste Kohlenzeche erst 1880 in Förderung. Aber seit
Bestehen der Gewerkschaft waren in der Baisseperiode der 70er
Jahre die Kohlenpreise so gesunken, daß diese Verspätung dem
Unternehmen zum Segen ausschlug. Bereits in dem Geschäfts-
♦ Fürer a. a. O. p. 579.
6. KOirigsbom, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 313
beridit vom Jahre 1874, d. h. zu einer Zeit, als noch eine nur
4prozentige Sole verarbeitet wurde, heifit es: »Bei dem geringen
Salzgehalte unserer Sole, der umständlichen Gradierung, werden
die Selbstkosten hoch. Der Hauptfaktor der Selbstkosten resul-
tierte indes aus dem Kohlenverbrauche, und zu Zeiten billiger
Koblenpreise lassen sich trotz der veralteten Betriebseinrichtungen
unserer Saline doch noch günstige Resultate erzielen.' Freilich
durften dadurch die Nachteile, die mit dem Gradierbetriebe ver-
bunden sind, vor allen Dingen die hohen Kosten, keineswegs
kompensiert sein.
In zweiter Linie ist KOnigsbom als Gradiersaline in der Lage,
ein besseres Grobsalz zu erzeugen als die konkurrierenden
Steinsatesalinen. Es hat sich herausgestellt, dafi die direkt ver-
sottene Sole kein so grobes Salz ergibt, wie die zuvor gradierte.
Nun halt aber der Konsum in Westfalen ffir verschiedene Zwecke,
namentlich zum Einpökeln des Fleisches, an großen Salzkristallen
fest Schon Karsten* weist darauf hin, dafi die Saline KOnigs-
bom nur grobkörniges Salz bereitet, »indem das feinkörnige in
Westfalen nicht beliebt ist." Die Saline Königsbom produziert
daher hauptsächlich Grobsalz. Von den im Jahre 1903 herge-
stellten 13960844,5 kg Salz entfielen auf:
Qfobes Kochsalz 9040260 kg
MltUeres Buttenalz 2836486;S„
Peines Tafelsalz 1 106823 „
Viehsalz 235675 „
Qewerbesalz 617900 „
Düngesalz 103100 „
Pabriksalz 5S00 „
Badesalz 14800 „
13960844^ kg
Aus diesen Zahlen geht zunächst hervor, welche grofie Mannig-
foltigkeit in der Verwendung des Salzes besteht Ganz zurück
tritt die Produktion von Salz für landwirtschaftliche und gewerb-
liche Zwecke.** Da nun aber die eigentlichen Aussichten eines
vermehrten Salzabsatzes heute auf landwirtschaftlichem und gewerb-
lichem Geb iete liegen*** — von 1901 zu 1902 hat sich der Ge-
^ a« a« O. Bd. I p. 242.
^ Die Eintdlung in Gewerbe- und Pabriksalz ist unlogisch, ebenso die Be-
zdchnttng von Koch-, Butter- und Tafelsalz.
*^ Noch in den 70 er Jahren wurde mehr Speisesalz als Salz fflr gewerbliche
und andere Zwecke produziert In den 80 er Jahren ist ungefähr ein Qldch-
gewlchtsverhiltnis erreicht. In den 90 er Jähen aber ragt bereits der Salzkonsum
316 6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
satzverhaitnisse sehr schädige. ,Der Umstand, dafi die fran*
zösischen Salinen gegen jede deutsche Konkurrenz in Frankreich
durch einen Eingangszoll für deutsches Salz von nahezu 1 Frank
pro 100 kg geschützt sind, dagegen ihr Salz lediglich gegen eine
Abgabe, welche der inneren Salzsteuer gleichkommt, nach Deutsch-
land einführen, befähigt dieselben, in Frankreich hohe Preise zu
erzielen, durch Steigerung der Produktion die Selbstkosten herab-
zudrücken und ihre Überproduktion auf den für sie offenen
deutschen Markt zu bringen. Die Einfuhr französischer Salze in
Nord- und Süddeutschland hat sich daher seit 1871 von Jahr zu
Jahr gesteigert, und wird sich in 1875 wahrscheinlich auf 1 Million
Zentner belaufen haben,* während für die Salinen in Elsaß-Loth-
ringen, welche früher vorzugsweise Frankreich versorgten, nun-
mehr seit 1871 jede Einfuhr nach Frankreich aufgehört hat Die-
selben vermögen nicht einmal in den Reichslanden die Konkurrenz
mit den durch die derzeitigen Zollverhältnisse so sehr begünstigten
französischen Salinen erfolgreich zu bekämpfen und sind ebenso
wie die württembeigischen Salinen darauf angewiesen, einen mög-
lichst großen Teil ihrer Produktion in dem natürlichen Absatz-
gebiete der westfälischen Salinen, das ist der unteren Rheinprovinz
und im westlichen Westfalen, zu jedem Preise unterzubringen. Die
westfälischen Salinen haben daher nicht allein die französische»
sondern auch die Konkurrenz der reichsländischen und wfirttem-
bergischen Salinen zu überwinden. Infolgedessen war unser Salz
selbst zu niedrigen Preisen nur schwer abzusetzen.' Den gleichen
Tenor schlägt der folgende Geschäftsbericht an. Dort heißt es:
,Die mißliche Lage der westfälischen Salinenindustrie infolge der
sich noch stetig steigernden Einfuhr französischer Salze hat sich
1876 noch verschlimmert. ... Bei stetig sinkenden Preisen war
die Kundschaft wechselnd und der Absatz ungewöhnlich schwierig.
Von Königsbom konnten nur 71 590,85 Zentner verkauft werden zum
Durchschnittspreise von 1,57 Mark franko Waggon Bahnhof Unna.*
Unter dem Drucke dieser Konkurrenz arbeitete der damalige
Repräsentant der Gewerkschaft, Bergassessor a. D. Tilmann, im
Anschluß an die Eingabe des deutschen Salinenvereins bezüglich
der Einhihr französischer Siedesalze nach Deutschland ein Pro-
memoria aus über die Gefährdung der seit Jahrhunderten blühen-
den westfälischen Industrie durch die französische Einfuhr. Es
wurde dem Bundesrate des Deutschen Reichs überreicht mit der
* Diese Annahme war, wie die Zahlen auf voriger Seite zeigen, unzutreffend.
6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 315
kums feineren Salzsorten zuwendet, desto mehr schwindet der
Vorteil, welcher der Saline aus ihrer zur Grobsalzgewinnung ge-
eigneteren natürliche Mutterlaugensalze führenden Sole erwächst
Auch dieser Vorteil bedeutet daher keine endgültige Sicherung.
Verringerung der Selbstkosten bei der Siedung durch Verbrauch
eigener Kohlen und Verlegung des Produktionsschwerpunktes auf
die Grobsalzfabrikation dürfen daher in ihrer Bedeutung für die
Sicherung der Existenz der Saline Königsbom nicht überschätzt
werden. Beide Momente würden nicht stark genug gewesen sein,
wenn nicht die freie Konkurrenz auf dem Salzmarkt in
den letzten 30 Jahren — wenn auch mit Unterbrechungen —
durch Konventionen und Syndikate beschränkt gewesen
wäre* Nur das deutsche Salinensyndikat gewährleistete bisher
die Erhaltung und Lebensfähigkeit der sonst existenzunfähigen,
wirtschaftlich schwachen Betriebe. Daraus begreift sich auch das
enorme Interesse, das gerade die mit schwacher Sole arbeitenden
westfälischen Salinen, an ihrer Spitze die größte, nämlich Königsbom,
an den Kartellbildungen in der Salzindustrie stets genommen haben.
Die Geschichte der Kartellbestrebungen in der deutschen
Salinenindustrie ist eine sehr wechselreiche; sie zeigt, wie schwierig
es ist, bei blofier Fixierung der Preise und Verteilung des Ab-
satzes auf die Dauer die Organisation zu halten. Es ist natürlich
hier nicht möglich, die Entwicklung im einzelnen zu verfolgen.
Die historischen Details sind zusammengestellt in einer Abhand-
lung von A. Wurst über die Kartelle in der deutschen Salinen-
industrie.* In dieser Arbeit wird gezeigt, daß bereits im Jahre
1868, also nach der Aufhebung des auf den technischen Fortschritt
lähmend wirkenden Salzmonopols in Preußen die ersten losen
Vereinigungen zustande kamen. Sie brachen jedoch nach den in
der oben zitierten Schrift gegebenen Belegen 1874 wieder zusammen.
In den 70 er Jahren litt die deutsche Salinenindustrie kolossal
unter der französischen Konkurrenz. Die Einfuhr an Salz aus
Frankreich betrug:
1868 4584 t 1871 2145 t 1874 20237 t
1869 4248 . 1872 6807 . 1875 23223 .
1870 3686 . 1873 18934 . 1876 22520 .
Der gefähriichste Konkurrent waren die französischen Meurthe-
salinen. In dem Geschäftsbericht der Gewerkschaft Königsbom
von 1875 wird darüber geklagt, daß dieser Wettbewerb die Ab-
^ Schriften des Vereins für Sozialpolitik Bd. 60 1894 p. 129 ff.
318 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbdrid>.
auf diesem Wege das gesteckte Ziel, höhere Preise und damit
bessere Erträgnisse für unsere Saline , erreichen.* In dem Ge*
Schaftsbericht des folgenden Jahres wird dann weiter ausgefährt:
»Es gelang einen Verband der westfälischen Salinen mit der
Führung in KOnigsbom zustande zu bringen, der mit andern ent-
stehenden und bereits bestehenden Verbänden in Kartell trat und
die weichende Bewegung nicht nur zum Stillstand brachte, sondern
auch eine angemessene Aufbesserung der Verkaufspreise erzielte.
Inzwischen ist es gelungen, unserm westfälischen Salinenverbande
eine festere Form zu geben und denselben zu einem Syndikat
auszugestalten, mit einem gemeinschaftlichen Verkaufsbureau in
Königsborn, welches am 1. Juli 1889 seine Tätigkeit beginnt
Der mit den übrigen Verbandssalinen darüber getätigte Vertrag
läuft vorläufig auf fünf Jahre. Gelingt es, wie wir hoffen wollen,
nun auch die Verabredungen mit den übrigen deutschen Salinen*
gruppen auf feste und dauernde Grundlage zu stellen, so wird
unserer Salinenindustrie eine angemessene Rente des darin
festgelegten Kapitals gesichert sein.' Diese Vereinigung ge-
lang, und es bildete sich die deutsche Salinenkonvention im
Jahre 1889. Diese Konvention bestand im wesentlichen darin,
daß sich unter den Privatsalinen feste lokale Verbände bildeten,
welche unter sich und mit den Staatssalinen in bezug auf Regu-
lierung des Absatzes und der Preisbildung Hand in Hand gingen.
Die Abrechnung über die Beteiligung beim Absatz fand in zwei
großen Gruppen, der norddeutschen und der süddeutschen Salinen-
vereinigung statt Zu der ersteren gehörte auch der westfälische
Salinenverein. Der Verkauf des gesamten Salzes der westfälischen
Salinen ging durch die Bücher der Gewerkschaft Königsbom.
Freilich sollten sich die Hoffnungen auf lange Dauer dieses
Syndikats nicht erfüllen. .Wir glauben,' heißt es trotzdem im
Geschäftsbericht des Jahres 1889, »der ins Leben getretenen Ver-
ständigung sämtlicher deutschen Salinen eine recht lange Dauer
beimessen zu dürfen, da sich bei allen Beteiligten die Erkenntnis
Bahn gebrochen zu haben scheint, daß das gegenwärtige Ein-
vernehmen den Interessen jedes einzelnen, selbst wenn auch kleine
Verschiebungen in den Absatzverhältnissen eingetreten sind, wesent-
lich besser dient, als der frühere ziel- und rücksichtslose Kon-
kunenzkampf, der in absehbarer Zeit auch die bestsituierte Salben-
Industrie ruinieren müßte."
Unter der Herrschaft des deutschen Salinenkartells, die bis
6. Königsborn, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 319
zum Jahre 1897 dauerte, zogen die Preise langsam an. Volks-
wirtschaftlich interessant ist, daß trotz dieser Preiserhöhung die
Kleinhandelspreise eine Änderung nicht erlitten. Über diese Preis-
verhaltnisse bemerkt der Bericht von 1890 folgendes: »Auch bei
der deutschen Salzkonvention hat sich ein verständiges Maßhalten
in der Vereinbarung über die Preise als das beste Mittel er-
wiesen, derselben Dauer zu verschaffen und jede Schädigung der
Konsumenten zu vermeiden, denn nach wie vor kostet das Salz
im Laden des Detaillisten nur höchstens 10 Pf. pro Pfund, genau
so wie in den Jahren, wo die Salinenindustrie infolge einer ganz <
ziel- und planlosen Konkurrenz der einzelnen Salinen unter sich i
bis dicht vor den Ruin gebracht war. Der Betriebsgewinn der
Saline bat sich nach vollständiger Durchführung der Konventions-
preise denn auch auf 234395 Mark gehoben. Dabei müssen wir
indes noch besonders hervorheben, daß wir die durch die Kon-
vention herbeigeführte Sanierung der Marktlage auch dazu benutzt
haben, die Löhne (nämlich der Salinenarbeiter), welche den trau-
rigen Verhältnissen entsprechend nur mäßige sein konnten, auf-
zubessern, und zwar in erheblichem Maße. Diese Erhöhung be-
trägt gegen das Jahr 1888 durchschnittlich 33%.''
Wir werden später die näheren Details über den Einfluß des
Kartells auf die Steigerung des Untemehmergewinns aus der
Saline noch kennen lernen. Hier sei nur erwähnt, daß sich die
Erträge aus dem Verkauf von Salz von 1889 — 1896 verdoppelten.
Trotzdem wurden dieselben jedoch infolge der steigenden Pro-
duktion der Zeche 1895 von den Gewinnresultaten der letzteren
überholt Ich möchte bereits hier darauf aufmerksam machen, daß
unter der Herrschaft des Salinenkartells die Salzkonjunktur
natürlich eine sehr günstige war, die Kohlenkonjunktur aber,
die durch andere Ursachen t)estimmt wird, eine ungünstige. Das
Salinenkartell hat also dem Qesamtuntemehmen nicht unwichtige
Dienste geleistet
In dieser Zeit aber verschlechtert sich die finanzielle Situation
desselben nicht unbedeutend, namentlich 1892 und 1893. Das
hängt jedenfalls mit dem Rückgang der Erträgnisse aus dem
Kohlenbergbau zusammen. Bereits in dem erstgenannten Jahre
wurde eine neue Anleihe von 2 Millionen Mark zur Emission
gebracht Mit Bezug hierauf urteilt der Geschäftsbericht dieses
Jahres in sehr optimistischer Weise: »In finanzieller Beziehung
können wir uns jetzt schon frei bewegen, da uns fortlaufend ein
320 6. KOnlgsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- nnd SotbadbeUd».
ziemlich erhebliches Guthaben bei den Bankiers verbleibt, und
wir für die Guthaben der Salinen des von uns geleiteten west-
fälischen Salinenvereins, welche sich im Laufe des Jahres zwischen
400000 — 600000 Mark bewegen, ebenso wie für unseren eigenen
Salzsteuerkredit ein dreimonatliches offenes Ziel haben.* Immer-
hin beginnt damals, wie später noch zahlenmäßig nachgewiesen
werden soll, die Schuldenlast bedeutend zu steigen. Heute hat
sie eine Höhe erreicht, die zu dem vorhandenen Aktienkapital in
keinem gesunden Verhältnis mehr steht
Als Anfang 1896 der bevorstehende Zusammenbruch des
deutschen Salinenkartells bereits dunkle Schatten vorauswarf und
allenthalben Störungen auf dem Salzmarkte eintraten, suchte die
Verwaltung die drohenden Ausfalle durch gesteigerte Einnahmen
der Zeche wettzumachen.
Was damals vorausgesehen wurde, sollte bald eintreten. Zu-
erst bröckelte die norddeutsche Salinenvereinigung los. Als sich
dann auch das lothringische Syndikat auflöste, war damit das
Signal für den Zusammenbruch auch der süddeutschen Salinen*
Vereinigung gegeben, mit welcher das lothringische Syndikat
bisher über den Absatz verrechnet hatte. Die Folge war eine all-
gemeine Entfesselung der freien Konkurrenz und eine grofie Preis-
dekadenz auf dem SalzmarkL ,Von Beginn des Jahres 1897 an
sind die Preise für Kochsalz exklusive Steuer um mehr als 50^/o
in den Kampfgebieten geworfen worden.**
Dieser scharfe Preiskampf aber predigte den vorher ver-
bündeten Salinen die Lehre, dafi dieser Zustand nur von kurzer
Dauer sein dürfe, und ermahnte sie, bald wieder in Verhandlungen
miteinander einzutreten. Diese aber hatten keinen Erfolg, denn
in den Interessenkampf griff ein dritter Faktor ein, mit dem man
bisher nicht gerechnet hatte, nämlich die Sodaindustrie.
Im Jahre 1896 entstand nämlich zwischen dem Syndikat und
der neuen lothringischen Saline und Sodafabrik in Chateau-Salins
ein Preiskampf, der bis 1900 wahrte. Der Spiritus rector desselben
war die zum Syndikat gehörige Solvaygesellschaft, die das
Aufkommen neuer Konkurrenz in der Sodafabrikation um jeden
Preis verhindern wollte. Diese Gesellschaft war in Deutschland
in dem Mafie mächtiger geworden, je mehr der Le Blanc-ProzeB
dem Ammoniaksodaveriahren weichen mufite. Ober das Eingreifen
♦ Bericht von 1897,
6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 321
dieses Machtfaktors in die Kartellinteressen der Salinenindustrie
fährt nun der Geschäftsbericht von 1897 folgendes aus: »Die in
Deutschland wie in fast allen Industrieländern auf dem Gebiete
der Sodafabrikation fast ausschliefilich herrschende Solvaygesell-
Schaft, welche in der Hauptsache mit belgischem Kapital arbeitet,
bietet alles auf, das Entstehen neuer Sodafabriken zu verhindern.
Nun hat eine vor ein paar Jahren in Chateau-Salins in Lothringen
errichtete Saline auch eine Sodafabrik erbaut und alle Versuche,
diese Gesellschaft von der Inbetriebsetzung der Sodafabrik ab-
zuhalten, sind bisher gescheitert. Die Folge davon ist, dafi die
Solvaywerke, welche in Saaralben und Bemburg auch große
Salinen besitzen und deshalb ein entscheidendes Wort auf dem
Salzmarkt mitsprechen, einer Erhöhung der Salzpreise widerstreben,
um der Gesellschaft in Chateau-Salins jede Stärkung ihrer Position
unmöglich zu machen. Auf diese Weise wird die ganze deutsche
Salinenindustrie auf das unglücklichste durch einen Interessenkampf
getroffen, der sie gar nichts angeht und dessen Folgen sie noch
machtlos gegenübersteht Solange seitens der direkt beteiligten
Faktoren eine Scheidung der Interessen auf dem Soda- und Salz-
markte nicht erfolgt, ist an eine Besserung der Lage für die
Salinen nicht zu denken. Die norddeutsche Salinenvereinigung,
der wir angehören, besteht zwar noch, und ist bestrebt, durch ein
anderweitiges Abrechnungsverfahren, auf Grund dessen jede Saline
den gleichen Durchschnittspreis loco ihrer Veriadestation erhalten
soll, ihr Bestehen zu festigen, auch hat sich eine neue Vereinigung
süddeutscher rechtsrheinischer Salinen gebildet — solange aber
zwischen diesen beiden Gruppen und den Lothringern jede Füh-
lung fehlt und solange der Streit zwischen den Solvaywerken und
Chateau-Salins nicht aus der Welt geschafft ist, bleibt eine Besserung
der Salinenerträgnisse ausgeschlossen.' Dieser Kampf des Syn-
dikats und der Saline und Sodafabrik in Chateau-Salins dauerte,
wie erwähnt, über vier Jahre, von 1896 bis Ende 1900, und zog
die ganze deutsche Salinenindustrie sehr stark in Mitleidenschaft
Erst in dem letztgenannten Jahre gelang es dann auf dem Salz-
markt wieder zu festen Organisationen und zur Rekonstruktion
der alten Verbältnisse zu gelangen, nachdem bereits 1898 zwischen
den Privatsalinen Nord- und Mitteldeutschlands, sowie den west-
fälischen eine engere Vereinigung geschlossen war, die dafür
sorgte, dafi die in umstrittenem Gebiet absetzenden Werke den
Kampf gegen die übrigen Salinen bestehen konnten und die
S 1 1 1 1 1 c h , Natlooalttkonomlsdic Fortchuogen. Bd. IL 21
322 6. Könlgsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
Konkurrenz selbst begrenzt blieb. 1901 wurde dann das Syndikat
auf weitere zehn Jahre verlängert
Ob die heute bestehenden Verbände innerlich fest konsolidiert
sind und eine Verfassung haben, die auf Dauer Anspruch erheben
kann, muß vom theoretischen Standpunkte aus bezweifelt werden.
Denn Preise und Verkaufsbedingungen lassen sich nicht auf die
Dauer regulieren, ohne daß auch die auf den Markt gebrachten
Mengen kontingentiert werden. Das geschieht beim Salz aber
offenbar nicht. Der Vertrag beruht vielmehr auf folgender Basis.
Durch die Steuerkontrolle ist der Gesamtabsatz jeder Saline be-
kannt Die von jeder abgesetzten Mengen werden nun addiert
und der Prozentanteil am Absatz nach den Erfahrungen eines
Jahres für jeden Verband festgesetzt Verkauft der Verband in
einem Jahre mehr als ihm angewiesen ist, wie z. B. der west-
fälische Salinenverein im Jahre 1902, so muß er im nächsten Jahre
diesen Überschuß durch Oberweisung an die anderen Verbände
wieder zum Ausgleich bringen. Eine Begrenzung des Produktions-
quantums der einzelnen Salinen jedoch findet nicht statt Die
ganze Kartellgeschichte aber lehrt, daß sich solche Konstruktionen
unter günstigen Verhältnissen, wie wir es z. B. auch l)ei der
Ammoniak- und Benzolverkaufsvereinigung sehen, eine Zeitlang
halten können, aber nicht auf die Dauer. Es beruht das darauf,
daß Angebot und Nachfrage in letzter Linie die Preise bestimmen,
und auch die mächtigsten Kartelle sind nicht imstande, sich von
diesem Gesetz zu emanzipieren.
Dazu kommt nun als zweiter Grund, daß die beiden Gruppen
in der Salzproduktion ein verschieden hohes Interesse an der
Kartellierung besitzen; die einen hängen mit ihrer ganzen Exi-
stenz von hohen Kartellpreisen ab, die andern aber nicht, wie
wir bereits früher gesehen haben. Fast will es scheinen, als ob
unter dem Einflüsse der Oberproduktion an Salz, die zweifellos
in Deutschland besteht, neue Differenzen sich vorbereiten. In
dem letzten Geschäftsbericht der Gesellschaft Königsbom, durch
deren Hände ja der Verkauf des westfälischen Salzes geht, wird
gesprochen von ,der gegensätzlichen Stellung zu den übrigen
Verbänden, die wir konsequenterweise einnehmen mußten, weil
wir die nach unserer Ansicht zwecklos billigen Preise nicht mit-
machen wollten.* Es waren nämlich einige neue Salinen im
Entstehen begriffen resp. schon entstanden, vor allen die Saline
Benthe, die von dem Syndikat durch Unterbietung im Preise
6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 323
zum Beitritt gezwungen werden sollte. Das ist inzwischen ge-
lungen. Aber jede kleine Steigerung der Verkaufspreise gibt
den Anreiz zur Entstehung neuer Konkurrenz, und immer
von neuem wiederholt sich der ewige Kampf. Jede neue Saline
aber, die entsteht, ist ein Nagel zum Sarge des Syndikats.
Solange aber das Syndikat besteht, dient es vor allem dem
Schutze der wirtschaftlich Schwachen. Richtig charakterisiert daher
Ffirer* den Nutzen der Salzkartelle folgendermaSen : »Die hohe
Bedeutung der Salinenkonventionen liegt aber besonders darin,
daS, wie in Norddeutschland, einer großen Zahl kleinerer und
mit ihren Produktionsmitteln minder günstig gestellter Werke, die
unter dem Obergewicht der neueren Großbetriebe zweifellos zu-
grande gehen müßten, ihre Lebensfähigkeit erhalten wird. Auf diese
Weise wird an vielen Orten eine seit langen Zeiten nutzbringende
Industrie erhalten und der Zentralisierung der Salzgewinnung
durch großkapitalistische Unternehmungen, der sonst nur durch
eine Monopolisierung durch den Staat begegnet werden könnte, vor-
gebeugt* Diese Worte gelten auch für Königsbom. Der Schutz-
engel dieser Saline ist das Kartell. Ihre Weiterexistenz hängt da-
von ab, ob es gelingt, die Salzpreise auf ihrer heutigen Höhe zu
halten, resp. zu steigern, und ob dazu die heutige Kartellorgani-
sation die innere Kraft hat Ob das freilich im Interesse der
Volkswirtschaft und der konsumierenden Bevölkerung liegt, ist
eine ganz andere Frage.
Betrachten wir nun noch kurz die Preise für Speisesalz.
Im allgemeinen ist der Preis des Salzes in Deutschland ein außer-
ordentlich hoher, wenn man berücksichtigt, daß kolossale Mengen
von Salz disponibel sind, aber nicht gewonnen werden. Der hohe
Preis setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, einmal aus
der hohen Verbrauchsabgabe von 6 Mark pro Zentner, die sozial-
politisch nicht als zweckmäßig anerkannt werden kann, weil sie
wie eine Kopfsteuer wirkt und die unteren Klassen, die infolge
ihrer mehr vegetabilischen Nahrung mehr Salz genießen als die
oberen, stärker belastet Dann aus dem damit verknoteten Syn-
dikatspreis. Daher übertrifft das Salz die Preise anderer Bergbau-
produkte, ja sogar — wenn der Vergleich zulässig ist — die
des Brotgetreides bedeutend. Nach meiner Zusammenstellung
kostet 1 kg
• a. a. O. p. 248.
21*
324 6- KOnigsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetiieb.
Kohle . . 1 Pf. Stahl . . 10 Pf. Weizen . 15 Pf.
Roheisen . 7 . Roggen . 13 . Salz . . 20 ,
In den letzten Jahren ist es namentlich das englische Salz
gewesen, das der Saline viel zu schaffen machte. An den deutschen
Küstengebieten war es von jeher schon abgesetzt worden. Nun
aber drang es auch nach Rheinland und Westfalen ein. Hierüber
sagt der Geschäftsbericht von 1900 folgendes: «Neuerdings werden
Anstrengungen gemacht, englisches Siedesalz, welches sonst fast
nur über die Nord- und Ostseehäfen nach Deutschland einging,
auch nach Westfalen und Rheinland zu werfen. Doch werden wir
diese Konkurrenz durch mäßige Konzession im Preise an den
bedrohten Punkten im Notfall unwirksam machen. Außerordentlich
wünschenswert wäre es allerdings, wenn die von dem Vereine
deutscher Salinen und Salzbergwerke seit Jahren betriebene An-
strengung, den auf landwärts eingehendes ausländisches Salz be*
stehenden Eingangszoll auch auf seewärts eingehendes Salz an-
gewendet und angemessen erhöht zu sehen, beim Bundesrat Erfolg
hätte. Gegen veriustbringende Preise werden die deutschen Salinen
nur durch ihre Konventionen geschützt Wird diese aber durch
fremden Import ins Wanken gebracht, so könnten leicht wieder
Zustände eintreten, wie sie eben überstanden sind, und die öffent-
lich am besten durch die kläglichen Resultate beleuchtet werden»
welche die nur auf Salinenbetrieb begründeten Aktiengesellschaften
in dem letzten Jahre gehabt haben.* Man wünscht also die Be-
seitigung des Differentialzolls auf Salz. Bekanntlich wird das
landwärts importierte Salz niedriger verzollt als das zur See ein*
geführte. Der Schutzzoll soll den die Pläne des Kartells kreuzen-
den fremden Import unterbinden und eine gleiche und erhöhte
Verzollung die Kartellorganisation selbst stärken. In ähnlichem
Sinne spricht sich auch der Geschäftsbericht des folgenden Jahres
aus: „Die Verhältnisse auf dem Salzmarkt würden als befriedigende
zu bezeichnen sein, wenn nicht die im vorigen Bericht erwähnte
englische Konkurrenz sich inzwischen lebhafter fühlbar gemacht
hätte. Zwar ist die Einbuße, welche wir in unserem speziellen
Absatzgebiete am Absatzquantum zu verzeichnen haben, noch
nicht erheblich zu nennen, indes werden wir bei weiterem Vor-
dringen der englischen Einfuhr doch nicht umhin können, derselben
durch Preisermäßigung zu begegnen.* Wir sehen aus diesen Mit-
teilungen, wie die ausländische Konkurrenz auf die Preispolitik
des Syndikats nicht ohne Einfluß ist
6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 325
Im Zusammenhang mit dem Vorhandensein der Saline steht
weiter das Solbad Königsborn. Es wurde 1818 errichtet und
war in den 20 er und 30er Jahren des verflossenen Jahrhunderts der
Sammelplatz der fashionablen Welt Westfalens.* In den 50er
Jahren hörte es auf zu existieren. Es war nicht mit dem Staats-
betrieb verbunden gewesen, sondern befand sich im Privatbesitz.
Erst 1865 kamen acht Badezellen in einem besonderen Badehause
in Betrieb. Als die Saline von der Gewerkschaft übernommen
wurde, vervollkommnete sie zunächst die Einrichtungen des Bades.
Es verband sich damit die Verwirklichung eines besonderen Lieb-
lingsgedankens Grillos, der dabei Sportszwecke im Auge hatte.
Es wurden 12 neue Badezellen errichtet und ein kleines Logier-
haus mit 15 Zimmern und Gartenanlagen. Die sich infolgedessen
stark steigernde Zahl der abgegebenen Sol- und Dampfbäder ver-
anlafite die Verwaltung im Geschäftsbericht 1874 zu der Bemerkung:
«Die Erhaltung und weitere Ausbildung des Solbades liegt daher
wohl nicht mehr vorzugsweise im humanistischen Interesse, sondern
ist für uns auch in finanzieller Rücksicht von Bedeutung. ** Seit-
dem ist das Ganze nach einem großzügigen Plane erweitert und
ausgebaut worden. In einem schattigen Park erhebt sich ein Kur-
und Badehaus mit 76 Badezellen, mit Inhalations- und Douche-
Tflumen. Verabreicht werden einfache Solbäder, reine Thermalbäder
und auch reine Süßwasserbäder. Zu den Thermalbädern dient das
Wasser der Werriesquelle. «Die Quelle tritt mit ihrem vollen
Gehalt an Kohlensäure in die Badewannen ein, so dafi die
Königsbomer Thermalbäder sich nach dem übereinstimmenden
Urteil aller Sachverständigen mit den berühmtesten Kochsalztermen
nicht nur messen können, sondern dieselben bei weitem über-
treffen.^ Außerdem werden auch Dampfbäder verabreicht Die
Bäder sind hauptsächlich für rheumatische und nervöse Kranke.
Die Preise sind, da der Badebetrieb Erwerbsquelle ist, hier wie
anderswo verhältnismäßig hoch. Es kostet ein Solbad für Kur-
gäste 1,60 Mark, im Abonnement 1,30 Mark; ein Thermalbad
2 Mark, im Abonnement 1,50; ein Dampfbad ebenfalls 2 Mark.
1894 wurde dann weiter von dem Badearzt Dr. Wegele eine Heil-
anstalt für Magenleidende errichtet Die für das Bad erforderiiche
Wäsche wird in einer eigenen nach den Prinzipien der modernen
Technik eingerichteten Wäsche gewaschen. Die Betriebskraft liefert
• Grevel a. a. O. p. 10.
•• Geschäftsbericht 1881.
326 6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
eine Maschine von 11 Pferdekräften. Die Anstalt enthalt die erforder-
lichen Waschmaschinen, verschiedene Bottiche, einen Spülapparat,
eine Zentrifuge zum Trocknen und einen Trockenofen, der mit Dampf
geheizt wird. Besonders gedacht sei noch des Kurgartens, der
als Muster einer Parkanlage betrachtet werden kann. Er enthalt
einen alten urwüchsigen Baumbestand und wird abends, wenn
die Konzerte stattfinden, durch große Bogenlampen erleuchtet
Soviel über die Betriebseinrichtungen.
Von besonderer Wichtigkeit ist die Frequenz des Bades,
weil sie in letzter Linie über die Einnahmen aus dem Badebetrieb
entscheidet Dieselbe steht im Zusammenhang 1. mit der Witte*
rung, 2. mit der Konjunktur, 3. mit den Eisenbahntarifen, 4. mit
dem Aufkommen neuer Badeanstalten in der Umgegend.
Der Besuch des Bades ist zunächst von einem natfiriichen
Moment der Witterung abhangig. Der Einflufl dieses Faktors
ist jedoch nicht zu überschätzen. Viel mehr steht die Frequenz
im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Konjunktur. Der Ein-
fluß günstiger Geschäftszeiten ist so stark, daß er selbst durch
schlechte Witterung nicht paralysiert werden kann. Ein Beispiel
hierfür ist das Jahr 1881, in dem trotz der denkbar schlechtesten
Witterung das Bad sehr stark frequentiert wurde.
Ein Mittel, um immer neue Kurgaste aus der Umgebung
heranzulocken, bildeten die ursprünglich nur an einem Tage der
Woche veranstalteten Konzerte. Bereits im Geschäftsbericht von
1876 wird bemerkt: »Das Kurhaus erfreut sich mit dem Heran-
wachsen der ausgedehnten Gartenanlagen einer steigenden Fre-
quenz. Insbesondere werden die regelmäßigen Konzerte an jedem
Donnerstage aus der Umgegend und den Nachbarstadten sehr rege
besucht und dienen wesentlich zum Bekanntwerden des Bades.*
Die Einwirkung der Konjunktur kommt nicht so stark zum
Ausdruck in der Zahl der standigen Kurgaste als in der Zahl der
verabreichten Bader aller Art In den schlechten Geschäftszeiten
wird weniger gebadet. Diese Tatsache steht einmal mit dem ver*
ringerten Einkommen, dann aber auch mit dem hohen Preis der
Bader im Zusammenhang. Die Zahl der abgegebenen Bader sank
in den Jahren 1877 und 1878, femer 1883, 1885, 1887, 1889, dann
besonders in den Jahren 1892—1894 und im Jahre 1902. Die
Zahl der Kurgaste verringerte sich 1883, 1885, 1888, 1892, 1893,
1901—1903, d. h. in Jahren, die sich größtenteils durch schlechten
Geschäftsgang auszeichneten.
6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 327
Nun ist aber der Einflufi der Konjunktur auf die Frequenz
nicht das allein entscheidende; hinzu kommen für das Bad Königs-
bom noch zwei weitere Momente wirtschaftlicher Natur. Das eine
trägt einen singulären Charakter; es besteht in einer Änderung
der Personentarife auf der Strecke Dortmund-Unna im Jahre 1883.
Hierüber besagt der Geschäftsbericht dieses Jahres folgendes: «Der
Passantenverkehr war namentlich von Dortmund her ganz erheb-
lich schwächer, weil seitens der Eisenbahnverwaltung die früheren
Fahrvergünstigungen für die Strecke Dortmund-Unna-Königst)om
aufgehoben wurden und trotz aller Bemühungen nicht wieder zu
eneichen waren. Einigen Abbruch tut in dieser Beziehung unserem
Bade auch der Umstand, daß in Dortmund eine städtische Bade-
anstalt errichtet ist, in welcher auch Bäder mit Zusatz von Sole
und Mutterlauge gegeben werden/
Aufier der Errichtung einer städtischen Badeanstalt in Dort-
mund hatte aber das Aufkommen einer Anzahl Solbäder in
der Umgegend nicht unbeträchtliche Schädigungen von Königs-
bom zur Folge. Zunächst wurden durch ein auf der Zeche Fürst
Hardenberg angelegtes kleines Solbad viele Dortmunder dem Be-
suche von Königsbom entzogen. Anfang der 90 er Jahre kommt
dann die Konkurrenz neuer Solquellen in den Besuchsziffem noch
zu einem stärkeren Ausdruck. Die neuen Bäder führten zu einer
Zersplitterung des Badepublikums, das sich früher zum größten
Teil in Königsbom zusammengefunden hatte. In dem Geschäfts-
bericht des Jahres 1893 heißt es: ,Auf die Frequenz unseres
Bades wirkt nicht nur die allgemeine Ungunst der Zeiten, sondern
auch der Umstand nachteilig ein, daß überall, wo etwas Sole
fließt, Bäder eingerichtet werden, die, wenn sie auch nicht im ent-
ferntesten den Komfort bieten wie unser Etablissement, doch
immer einzelne Gäste anziehen und so den Verkehr zersplittern.
Wir zählen jetzt in unserem engsten Bezirk, nämlich im nörd-
lichen bzw. nordwestlichen Westfalen, mehr als ein Dutzend sog.
Solbäder. Seitdem nun noch die städtischen Badeanstalten, z. B.
in unserer Nachbarstadt Dortmund, angefangen haben, Solbäder,
ja selbst kohlensaure Solbäder u. dgl. zu geben, bat auch der
Passantenverkehr sich vermindert*
1900 ging das Solbad Fürst Hardenberg wieder ein; die
Folge war, daß Königsbom 1901 einen Zuwachs zu verzeichnen
hatte. 1902 setzte dann die schlechte Konjunktur mit ihrer
frequenzreduzierenden Wirkung ein. Vielleicht hat zu dem Rück-
328 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau. Salinen- und Solbadbetrieb.
gang, soweit der Passantenverkehr in Betracht kommt, auch der
Besuch der Düsseldorfer Gewerbeausstellung beigetragen. Es be-
trug in den letzten Jahren: jg^ j^j j^ j^ j^^
Die Zahl der abgegebenen Bäder . . . 49001 51789 47915 50994 5427$
„ „ „ ständigen Kurgäste . . . 2205 1857 1579 1540 1336
Der Betriebsüberschuß des Bades in Mark 27455 31481 14084 34204 24905
Soviel Über die Entwicklung der Saline und des dazuge-
hörigen Solbades.
Fassen wir noch einmal die Hauptpunkte der bisherigen Dar-
stellung zusammen, dann ergibt sich folgendes: Die Gewinnung
von Salz hängt in erster Linie ab von der Größe und
dem Adel der Solen. Dieselben genügten nicht bei dem
nur 4% Salz haltenden Rollmannsbrunnen. Erst die Er-
schliefiung der Werriesquelle gestattete die Verarbeitung
einer Sole mit einem Salzgehalt von über 8^/o. Er bildet
heute die Grundlage der Königsborner Salzindustrie.
Zur Konzentrierung dieser nicht gesättigten Sole
dienen Gradierwerke. Sie repräsentieren ein hohes An-
lagekapital Ihr Ergebnis hängt von einem variablen
Faktor, dem Wetter, ab. Infolgedessen trägt die Salz*
gewinnung von Königsborn Saisoncharakter. Der Ver-
lust beim Gradieren ist nicht unbeträchtlich. Mit dem
nicht gesättigten Charakter der Sole hängt außerdem die
Notwendigkeit der Einrichtung von Störpfannen zusam-
men. Infolge dieser Umstände ist das Salz mit hohen
Produktionskosten belastet
Seine Konkurrenzfähigkeit mit dem bedeutend billiger
hergestellten Salz solcher Salinen, die keinen Gradier-
betrieb haben, sondern die gesättigte Sole gleich ver-
sieden resp. versoggen können, beruht, wie wir sahen,
auf drei Momenten: erstens darauf, daß ein anderer Fak-
tor in das Ensemble der Selbstkosten billig eingestellt
werden kann, nämlich die Kohle; zweitens auf der in
Westfalen noch heute vorhandenen Nachfrage nach groben
Salzkörnungen, die Königsborn besser herstellt als seine
die Sole direkt versiedenden Konkurrenten; vor allem
aber drittens auf dem Bestehen und der Herrschaft des
deutschen Salinenkartells, das dem Konsum Monopol-
preise diktiert Seine große soziale Funktion beruht
darin, Betriebe mit hohen Produktionskosten vor dem
6. Königsborn, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 329
Untergange zu schützen. Geschichte und Konstruktion
des Kartells geben nach unseren Feststellungen keine
Garantie ffir seine ewige Dauer. Wir erkannten außer-
dem, dafi jede Preiserhöhung neue Werke ins Leben
lockt Jede neue Saline aber schwächt, ob sie nun bei-
tritt oder nicht, das Syndikat
In letzter Linie bildet auch der mit der Saline Königs-
born in Konnex stehende Badebetrieb einen wirtschaft-
lichen Stutzpunkt Die ökonomische Situation desselben
steht im Zusammenhang mit der einmal durch natür-
liche Verhaltnisse, dann aber vor allem durch die ge-
samte Geschäftslage des westfälischen Industriebezirks
bedingte Frequenz des Bades. Von weiterem Einfluß
lernten wir die Eisenbahntarife und besonders das Auf-
kommen neuer Solbäder in der Umgebung kennen.
Seit Beginn der 80er Jahre bis zur Gegenwart haben
sich beide Betriebe, Saline wie Bad, trotz mancher
Schwankungen auf einer ihrer Bedeutung entsprechenden
Höhe gehalten, wenn auch in bezug auf die Einnahmen
der Badebetrieb weit hinter der Saline zurücktritt
Ob nicht das Solbad, das heute nur eine Arabeske
der Saline ist, einmal dieselbe überdauern wird, ist eine
offene Frage. Die Geschichte lehrt, daß an vielen Orten,
wo die Salinen wegen Verarmung ihrer Solen oder der
Konkurrenz besser situierter Werke genötigt waren, ihren
Betrieb einzustellen, doch die Solquellen als Heilquellen
weiterlebten.
Wie die Zukunft sich gestalten wird, wissen wir nicht;
aber die Aussichten der Saline Königsborn können meines
Erachtens als günstige nicht bezeichnet werden. Diese
Behauptung gründet sich auf einen Analogieschluß. Ober
ihre Existenz und Zukunft entscheiden zwei mächtige
und unerbittliche Paktoren: ein natürlicher und ein wirt-
schaftlicher, nämlich Solgehalt und Salzpreis. Der erstere
hängt von der weiteren beute bereits bedrohten Ergiebig-
keit der Werriesquelle, der letztere von dem Fortbestehen
der Konventionen in der deutschen Salinenindustrie ab.
In dem Augenblick, wo eine dieser beiden Grundlagen
der Saline schwindet, ist ihr Schicksal besiegelt
330 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
Der zweite Abschnitt soll die Entwicklung des Kohlen*
bergbaus schildern. Die Gesellschaft fördert ihre Kohlen heute
aus drei Schachtanlagen. Das ökonomische Schicksal derselben
ist kein gleichartiges; es steht in besonderem Zusammenhang mit
der Lagerung der Kohlen.
Die Flözverhältnisse sind im Osten des Oberbergamtsbezirks,
wo die Zeche Königsborn etabliert ist, andere als im Westen.
Schon um die Mitte der 80er Jahre schrieb einer der hervor-
ragendsten Kenner des Kohlenbergbaus, Nonne:* .Es ist allge-
mein bekannt, dafi die im östlichen Teile des Bezirks gelegenen
Gruben sowohl in bezug auf Wasserzuflüsse, das Vorkommen
schlagender Wetter, den Gebirgsdruck u. a. m. unter wesentlich
ungünstigeren Bedingungen arbeiten als die westlichen, dafi die
letzteren daher früher und mit geringerem Kapitalaufwande zu
einer genügenden Förderung gelangten.* Aus diesen Worten er-
klärt sich zunächst die Tatsache, warum im Osten des Oberberg-
amtsbezirks Dortmund der Bergbau später einsetzt Königsbom
selbst ist heute die am meisten nach Osten vorgeschobene Zechen-
anläge. Wir werden nun im folgenden vor allem bei dem ersten
Schachte sehen, wie sehr durch Wasserzuflüsse, Gebirgsstörungen
und beschränkten Kohlenvorrat die Entwicklung beeinflußt wurde,
dafi aber mit der Etablierung neuer Schachtanlagen das ganze
Unternehmen auf eine breite Basis gestellt wird, auf der es noch
heute ruht
Wir betrachten den ganzen Stoff in drei Abschnitten: der
erste befaSt sich mit den Schachtanlagen, d. h. den widi-
tigsten Betriebsmitteln; der zweite mit der Gewinnung so-
wohl an Kohlen als auch an Koks, und der dritte mit den Ab-
satzverhältnissen.
Die Abteufarbeiten für den ersten Tiefbauschacht bei
Königsbom begannen im Juni 1874, als bereits der wirtschaftliche
Niedergang die Löhne und Materialpreise herabzusetzen begonnen
hatte. Das Abteufen selbst verursachte grofie Schwierigkeiten«
Die Gebirgsschichten verbanden grofie Härte mit großem Wasser-
reichtum. Infolgedessen wählte man das Kind-Chaudronsche Ab-
bohrveriahren, das wir bereits bei der Beschreibung der Zeche
Dahlbusch ökonomisch gewürdigt haben. Eine Pariser -Firma
* Technische Mittellungen des Vereins für die bergbaulichen Interessen im
Oberbergamtsbezirk Dortmund 1886 p. 26.
6. KOnJgsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 331
Lippmann, Magnet & Co. bohrte den Schacht gleich mit einem
Bohrer auf den gewählten Durchmesser ab. Die Arbeit ging nur
schrittweise vor sich. Als Beispiel mögen die folgenden Zahlen
dienen, die das langsame Vorrücken im Abteufen für das Jahr 1877
illustrieren. Die Leistungen betrugen im
Januar 2^1 m
Februar 0,12 „
März —
AprÜ -
Mai 2.34 „
Juni 4,28 „
Juli 3.89 „
August 3,55 „
Septemt>er 4,19 „
Olctober 1,48 „
November 4,69 „
Dezember 4,34 „
Sa.: 30,89 m
Infolgedessen waren die Kosten sehr bedeutende. Sie be-
trugen für das laufende Meter 4889 Mark, während sie sich bei
.Dabibusch IIl/IV auf 2835 Mark beliefen. In der Zeitschrift für Berg-,
Hütten- und Salinenwesen* werden die Kosten sonst auf 1700 Mark
pro Meter (ausschliefilich Maschinen und Apparaten) angegeben,
während das Handabteufen mit 430 — 600 Mark berechnet wird.
Bei 182 m erreichte man das Kohlengebirge. Bis da-
hin wurde der Schacht mit eiserner Kuvelage von 3,65 m Durch-
messer verseben. Die Wettersohle wurde bei 280 m, die erste
und einzige Bausohle bei 360 m angesetzt Da auf der letz-
teren infolge des verflachten Einfallens sehr lange Querschläge
aufzufahren waren, so wurde maschineller Bohrbetrieb mit
Kompressoren eingeführt** Man beschränkte sich anfangs auf
den stoßweisen Abbau der Pfeiler. Das geht daraus hervor, dafi
z. B. 1882 an Wetter-, Versuchs- und Abbaustrecken 3239 m auf-
gefahren, an Oberhauen aber 5048 m hergestellt wurden. Dann
ändert sich dies Verhältnis. In dem Bericht von 1883 heifit es
bereits: »Nachdem inzwischen ein rationeller Betrieb eingeführt
wurde, ist das Verhältnis der Oberhauen zu den Streckenlängen
ein vollständig umgekehrtes geworden, damit äbev allerdings bis
auf weiteres auch die Förderung erheblich reduziert'
• Bd. 31 p. 334.
^ Oeschlftsbericht 1880.
332 6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
Zur Wasserhaltung wurde eine Maschine Woolfschen
Systems ohne rotierende Bewegung gewählt, «wodurch ein ge-
ringerer Dampfverbrauch garantiert wird.** Sie ist imstande, 4 cbm
pro Minute aus einer Maximalteufe von 450 m zu heben.
Die Bewetterung des Schachtes war anfangs ungenügend
Wegen mangelhafter Wetterführung mußte der ganze südliche
Feldesteil abgesperrt werden.** Dann wurde vom Oberbergamt auf
Grund des Berichts der preußischen Schlagwetterkommission die
Anschaffung eines leistungsfähigen Ventilators verfügt, und von
selten des Werks ein großer Moritzscher Ventilator angeschafft»
der die Anlagen unter Tage mit 5 cbm frischen Wettern pro Mann
und Minute versorgte.
Zur Förderung diente ursprünglich eine kleine Förder-
maschine. Dieselbe erwies sich jedoch, als von 1887 an die
Produktion stieg, nicht mehr als ausreichend. Es wurde daher
eine alte, bisher von einer nun außer Betrieb gesetzten Qmbe ge-
brauchte Fördermaschine gekauft. Aber auch diese genügte nicht
Deshalb wurde 1887 eine neue Fördermaschine angestellt mit
1000 mm Zylinderdurchmesser und 1900 mm Hub. Die Förder-
körbe haben vier Etagen. Jede Etage nimmt einen Wagen zu
je 0,6 t in sich aui Um den mit dem dreimaligen Umsätzen
verbundenen Zeitveriust zu beseitigen, wurden zwei übereinander
liegende Hängebänke angelegt Ebenso sind an der Schachtsohle
zwei übereinanderiiegende Füllörter vorhanden, welche ein gleich-
zeitiges Aufschieben von je zwei Kohlenwagen gestatten.
Die Kohlenförderung konnte 1880, nachdem sechs lange
Baujahre verflossen waren, ihren Anfang nehmen. Bedeutend war
sie nicht Dies hängt damit zusammen, daß sich der Steinkohlen*
bergbau des ersten Schachtes zunächst in dem Eß- und Magerkohlen-
horizont bewegte, bis es später durch Aufschlußarbeiten im Osten
des Schachtes 1885 gelang, die Fettkohlenpartie zu erschließen.
Gleich im Beginn der Förderung, die, wie erwähnt, infolge
eigentümlicher Ablagerung mit dem Aufschluß der Magerkohlen-
flöze in den nördlichen und südlichen Partien einsetzte, trat die
Frage auf, wie sich diese Qualitäten am besten verwerten lassen.
Der Fingerzeig war bereits durch die Brikettfabriken betreibenden
Magerkohlenzechen des Südens gegeben. Die Gewerkschaft baute
* Geschäftsbericht 1879.
•• Geschäftsbericht 1883.
6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 333
daher, um die bei der Förderung fallenden Feinkohlen möglichst
gut zu verwerten und die Qualität der Förderkohlen aufzubessern,
eine Brikettfabrik mit Sieberei. Die Ausführung wurde der
Maschinenfabrik Seh ächtermann & Kremer in Dortmund über-
tragen» »welche das neueste und bis jetzt als das beste bekannte
Patent Couffinhal für Deutschland erworben hat** Die Kosten
der Anlage und Sieberei wurden auf 40000 Mark veranschlagt
Nachdem die Fabrik gebaut und in Betrieb gesetzt war, ergab
sich, dafi die produzierten Briketts nur schwer abzusetzen waren.
In dem Geschäftsbericht von 1882 wird ausgeführt: «Unsere Briketts,
deren Einführung anfänglich manchen Schwierigkeiten begegnete,
fanden im vergangenen Jahre bei der Eisenbahndirektion in Han-
nover und bei verschiedenen italienischen Bahnen Annahme, außer-
dem in geringen Quantitäten auch bei einzelnen industriellen
Werken. . . . Leider waren die bei der Einführung zu erzielenden
Preise noch allzu niedrig, und erst in neuerer Zeit scheint man
Briketts auch zu höheren Preisen akzeptabel zu finden. Der Ab-
satz an Briketts stellte sich 1882 auf 127,257 Ztr., der dafür er-
zielte Durchschnittspreis auf 31,11 Mark pro 100 Ztr. (6,22 Mark
pro Tonne).* Dann heißt es weiter: »Wir haben den Absatz
unserer Kohlen so reguliert, dafi wir die Presse nur dann in Be-
trieb zu setzen brauchen, wenn die zu erzielenden Brikettpreise
einen angemessenen Erlös für die zur Verarbeitung kommenden
Feinkoblen ermöglichen.* Eine lange Lebensdauer al)er sollte
dieser Fabrik nicht beschieden sein. 1883 brannte sie mit der
dazugehörigen Sieberei nieder. Von einem Wiederaufbau wurde
abgesehen, da man unterdessen in die Fettkohlenpartie über-
gegangen war. Die Reste wurden, soweit sie nicht dem Feuer
zum Opfer gefallen, verkauft. Freilich wollte der Absatz der
nunmehr völlig unsortierten Kohlen anfangs nicht glatt vonstatten
gehen, da sich die Abnehmer bereits an das abgesiebte Produkt
gewöhnt hatten.
Für die ganze weitere Entwicklung des ersten Schachtes sind
nun die Lagerungsverhältnisse von ausschlaggel)ender Be-
deutung gewesen. In der Mitte der 80er Jahre gelangte man in
einer Entfernung von ca. 880 m östlich des von Süden nach
Norden gehenden Hauptquerschlages in eine grofie Stöningszone.
Durch diese wurden die zunächst auf der ersten Tiefbausohle er-
Qeschlftsberlcbt 1880.
334 6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetiieb.
schlossenen Flöze, da die von Nordwesten nach Südosten streichende
Störung von einem gewaltigen Verwurf ins Liegende begleitet
war, in zwei Gruppen auseinander gerissen, in eine westliche, die,
wie wir sahen, zuerst abgebaut wurde und aus Eß- und Mager-
kohlen bestand, und in eine östliche, die Fettkohlen fährte und
sich aus den zwischen den Nr. 0- Massen und Rötgersbank auf-
tretenden Flözen zusammensetzte. Diese ungünstige Architektonik
des Kohlengebirges ist für das Schicksal des ersten Schachtes
ausschlaggebend gewesen. Zunächst stehen damit in Zusammen-
hang die Arbeiten im unproduktiven Gestein; sie erforderten
großen Zeit- und Geldaufwand; femer die geringere Förderung,
dann aber auch die später zu besprechenden Verluste. Die
Arbeiter verdienten infolgedessen auf Schacht I weniger als auf
dem später in Betrieb gekommenen Schacht II. Das geht unter
anderm auch aus den Angaben des Berichtes von 1897 her-
vor. Dort wird zu der Tatsache, daß auf Schacht I der Lohn
niedriger war, bemerkt: „Der Unterschied ist darin begründet, daß
auf Schacht I bei wesentlich geringerer Förderung verhältnismäßig
viel mehr Lohn für Querschlags- und andere unproduktive Ge-
steinsarbeiten gezahlt werden mußte, als auf Schacht IL* Lange
Jahre hindurch ist der Effekt durch Arbeiten, die nicht direkt der
Kohlengewinnung dienten, beeinträchtigt worden. Er betrug im
Jahre :
1883 0,665 t 1886 0,814 t
1884 0,638., 1887 0.983 „
1885 0,720,, 1888 1.065 „
Wir sehen also, wie die Leistung pro Mann und Schicht an-
fangs sehr gering ist und erst mit dem Übergang zur Fettkohlen-
gewinnung in der östlichen Gruppe allmählich auf den Normal-
effekt von einer Tonne steigt
In den 90er Jahren hat sich dann, von 1892 und 1893 ab-
gesehen, die Förderung bis zum Schluß des Jahrhunderts auf
diesem Schacht auf etwas über 200000 t gehalten, um dann aller-
dings stark bergab zu gehen. Die Ursachen sind wie gesagt in
den wenig günstigen Lagerungsverhältnissen zu suchen, vor allem
im Felde der vierten östlichen Bauabteilung. Die Verwaltung hatte
namentlich auf die Ausbeutung des Flözes D große Hoffnungen
gesetzt. Dieselben erwiesen sich aber als trügerisch. Das Flöz
war in den oberen Höhen nahezu unbauwürdig, infolge zahl-
reicher dasselbe durchsetzender Querverwerfungen und streichen-
6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 335
der Störungen. Die Ausrichtung derselben war jedesmal sehr
kostspielig und aufierdem von bedeutenden Produktionsausfallen
l)egleitet.
Ursprünglich war das herrschende Abbausystem der Pfeiler-
bau. Dann ging man zum Stoßbau mit Bergeversatz über.
Da man zum Versatz nicht genug Berge gewann, mußten die über
Tage lagernden Halden abgeräumt werden. Täglich wurden etwa
100 cbm Berge vermittelst der mechanischen Streckenförderung
an Ort und Stelle gebracht. Durch Einrichtung von Lufthaspeln
wurde der Transport der Berge in die Abbaue wesentlich billiger.
Darüber sagt der Bericht von 1894 folgendes: »Der kostspielige»
und höchst umständliche Transport der zum Bergeversatz not-
wendigen Berge über die Wettersohle ist ganz in Wegfall ge-
kommen. Der Seilbetrieb in der Hauptförderstrecke ermöglicht es,
die mit Bergen gefüllten Wagen mit Maschinenkraft bis in die
letzte Bauabteilung zu bringen, von wo aus die Lufthaspel das
Heben bis zur Wettersohle besorgen. Infolgedessen gestaltet sich
der Transport der Versatzmassen wesentlich billiger. Der Abbau
mit vollem Bergeversatz hat eine so bedeutende Ausdehnung er-
fahren, daß zur Beschaffung des nötigen Materials die Bergehalde
erheblich in Anspruch genommen werden muß.* Im Jahre 1901
war das Feld nahezu abgebaut Am 1. Januar 1904 wurde die
Grube ganz stillgelegt Jetzt arbeiten nur noch etwa 100 Mann,
die zur Unterhaltung der unterirdischen Anlagen als Zimmer-
häuer usw. notwendig sind.
Als Resultat ergibt sich, daß der erste Schacht einmal
teuer in der Anlage war, dann nur mäßige Kohlenmengen
förderte, und schließlich, nachdem das Feld verhauen
war, die Förderung ganz eingestellt wurde.
Die schon frühzeitig von der Verwaltung erkannten un-
günstigen Verhältnisse des durch den ersten Schacht aufgeschlosse-
nen Grubenfeldes führten nun zu einem eingehenden Studium der
weiter östlich angrenzenden Felder und, nachdem sich dort bessere
Verhältnisse herausgestellt hatten, zur Anlage eines zweiten
Schachtes bei dem Dorfe Heeren. Die Gründe hierfür lagen nicht
allein in dem eben erwähnten Moment, sondern auch darin, daß
das Einschachtsystem der Bewetterung und der Sicher-
heit der Arbeiter, sowie den Anforderungen des Betriebes
nicht mehr genügte. Übrigens war durch eine Polizeiverord-
nung des Oberbergamts vom 1. Oktober 1881 das Zweischacht-
336 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
System für den westfälischen Kohlenbergbau obligatorisch ge-
worden. Da nun die Bergbehörde immer energischer darauf
drang, so wurde im August 1886 mit dem Bau des zweiten
Schachtes begonnen. Über die Details teilt der Geschäftsbericht
des genannten Jahres folgendes mit: „Da nach dem überein-
stimmenden Urteil sachverständiger Autoritäten die sichersten An-
zeichen vorliegen, dafi die ganze Flözlagerung im östlichen Felde
sich nach Osten einsenkt, resp. dafi die Mulde tiefer, breiter und
flözreicher wird, so läfit sich bei der grofien Ausdehnung unseres
Grubenfeldes, welches sich bei einer Breite von ca. 2000 m
ca. 5500 m nach Osten bis in die Nähe der Station Bönen (Eisen-
bahnstrecke Unna-Hamm) erstreckt, auf einen aufiergewOhnlich
großen Kohlenreichtum bei besonders günstigen natüriichen Ver-
hältnissen mit Sicherheit schliefien. Eine solche reiche und ge-
winnverheifiende Kohlenablagerung gestattet und bedingt eine
namhaft größere Förderung, als der jetzige Schacht zu leisten ver-
mag, und weil die Abstände für Förder- und Wetterwege zu groß
werden, eine große Förderung wegen Sicherheit der Betriebe auch
entsprechend stärkere Ventilation verlangt, so ergibt sich zum Zwecke
möglichst rascher und gedeihlicher Ausbeutung die absolute Not-
wendigkeit der sofortigen Anlage eines zweiten Schachtes
im östlichen Felde, die ja auch bereits in der vorigen Gewerken-
versammlung in Aussicht genommen war. Wir haben deshalb
nach einmütigem Beschluß unseres Grubenvorstandes unverzüglich
und energisch mit der Ausführung begonnen. Alle Dispositionen
sind so getroffen, daß wir bis Ende nächsten Jahres den neuen
Schacht mit dem alten unterirdisch verbunden und damit auch
der Anforderung der kgl. Bergbehörde, zwei fahrbare Ausgänge
zu schaffen, in vollkommener Weise genügt haben werden. Es
gelang uns, ein ca. 2200 m vom alten Schachte entfernt vor dem
Dorfe Heeren gelegenes und in jeder Beziehung vortrefflich ge-
eignetes Terrain in einer Größe von ca. 44 Morgen zu erwerben,
worauf wir sofort mit den Vorbereitungen zum Schachtabteufen,
sowie mit der Anfertigung von Ziegelsteinen begonnen
haben. Der Schacht soll in großen Dimensionen für doppelte
Förderung hergerichtet werden und nach genügender Vorrichtung
der Bausohlen eine Förderung von 30000 Ztr. pro Tag gestatten,
wobei der große Vorteil, inzwischen schon vom ersten
Schachte aus vorrichten zu können, die Inbetriebsetzung
und Leistung ganz erheblich beschleunigen läßt Den Eisenbahn-
6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 337
anscblufi wird der neue Schacht nach Station Bönen erhalten, wo-
durch für den Versand unserer Produkte sowohl nach dem Osten
wie nach dem Norden die allergrößten Vorteile geboten sind.
Dabei ist zugleich eine Verbindung mit dem alten Schacht
vorgesehen, so dafi je nach Erfordernis ffir beide Schächte die
Station Unna-Königsbom (rechtsrheinisch) und Bönen (bergisch-
märkisch) als Versandstation benutzt werden können/
Die Kosten des zweiten Schachtes waren wider Erwarten
bedeutend niedriger als die des ersten. Durch die schwierigen
Verhaltnisse des Abteufens bei dem letzteren gewitzigt, hatte man
beim Abteufen des zweiten Schachtes Maschinen und Kessel für
die Hebung von 400 Kubikfufi, das heißt 12,36 cbm Wasser pro
Minute fertig montiert und die nötigen Pumpen dazu angeschafft
Aber die Wasserzuflfisse blieben glücklicherweise aus, und der
Schacht konnte trocken mit der Hand niedergebracht werden. Die
angeschafften Maschinen mufiten mit Ausnahme der definitiv an-
gelegten Kessel mit Einbufie wieder verkauft werden. Infolge des
trocknen Niederbringens verbilligte sich die gesamte Schacht-
anlage bedeutend, trotzdem das Kohlengebirge tiefer lag als bei
Schacht I, d. h. erst bei etwa 260 m erreicht wurde. Das laufende
Meter des ersten durch Bohrung niedergebrachten Schachtes
kostete t>ei einem Durchmesser des Schachtes von nur 3,65 m
4889 Mark laut Geschäftsbericht von 1874; das laufende Meter
des zweiten Schachtes, mit einem Durchmesser von 5,38 m aber
nur 849,74 Mark.
Anfang 1890 kam Schacht n in Betrieb. In bezug auf Wasser-
haltung, Bewetterung und Förderung sind folgende Einzelheiten
von Wichtigkeit
Das Wasser wird durch eine hydraulische Wasserhaltung
aus der Maschinenfabrik Schwartzkopf mit einer Leistungsfähigkeit
von 5 cbm pro Minute zutage gefördert Die Wasser der ol)eren
Bausohle können auch nach Schacht I abfließen. Die ursprung-
lich aufgestellte Maschine mit einer Leistungsfähigkeit von 3 cbm
pro Minute genügte nicht, da sich allmählich die Wasserzuflfisse
steigerten.
Für die Bewetterung dient ein Capellscher Ventilator mit
einer Zwillingsdampfmaschine. Er ist imstande, pro Minute
3000 cbm Luft zu 'liefern.
Die Förderung geschieht in zwei Fördertrummen. Dem-
zufolge sind zwei Fördermaschinen vorhanden. Der Förderkorb
Stinick. NitfooalökooomiMlM Porsclmifctt. Bd. IL 22
338 6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetriebu
des ersten Trums hat sechs Etagen. Auf jeder Etage steht ein
Wagen mit ca. V2 t Fassung. Es mufi also ffinhnal gekapst
werden. Der Förderkorb des zweiten Trums hat vier Etagen.
Das Umsetzen ist also nur dreimal nötig. Dies öftere Umsetzen,
das zeitraubend ist, IflBt sich freilich durch Benutzung einer
zweiten Hängebank vermindern. Diese zweite Hflngebank ab^
wird nicht gebraucht, um Arbeiter zu sparen. Die Förderung
würde zwar schneller verlaufen, aber auch die doppelte Anzahl
Arbeiter nötig sein.
Mit den günstigen Resultaten, die die Ausbeutung des Ost-
lichen Grubenfeldes ergab, war das Signal zur Erwerbung wei-
terer Grubenfelder gegeben. Bis in die Mitte der 90er Jahre
hielt sich der Abbau hart an der Grenze des Feldes Mühlhausen II
und weiter östlich in den schon zu ^U der Gesellschaft ge-
hörenden Feldern Bramey und Bramey I. Um sich die freie Ver-
fügung über diese Komplexe zu sichern, wird 1896 eine Summe
von 190708 Mark aufgewandt Im folgenden Jahre wird dann
ein Teil des im Osten mit der Berechtsame der Gesellschaft maric-
scheidenden Feldes Bramey V für 70000 Mark erworben. Daran
schliefien sich 1898 weitere Akquisitionen, nämlich Bram3y II — IV
sowie ein Terrain in der Nähe des Bahnhofs Bönen. Der ge-
zahlte Preis betrug 794359 Mark. 1899 wurden weitere Trenn-
stücke der Felder Bramey Vn, IX und XI, die verschiedenen Ge-
werkschaften gehörten, hinzugekaufL Es findet also eine kolossale
Vermehrung des Grubenfelderbesitzes der Gesellschaft statt Ihre
aus den alten Königsbomer Feldern sowie Bramey und Bramey I
bestehenden Berechtsame betrug 21655206 qm; 1899 aber war
sie auf 33600193 qm gestiegen; es waren also im ganzen
11944987 qm neu hinzuerworben worden, und zwar für ungefähr
1 Million Mark.
Diese Neuerwerbungen bUdeten die Basis für die Anlage
eines dritten Schachtes. Im Geschäftsbericht 1898 wird hier-
über folgendes mitgeteilt: „Das Hauptaugenmerk der Qruben-
verwaltung war dahin gerichtet, das östliche Feld so rasch als
möglich weiter aufzuschließen, um einen geeigneten Punkt für
die dritte Schachtanlage, auf deren baldige Inangriffnahme die
kgl. Bergbehörde seit längerer Zeit drängte und die nach Er-
werbung der östlich voriiegenden Brameyfelder absolut notwendig
geworden war, ausfindig zu machen.' Das Abteufen begann am
15. Juni 1899. Am 1. Oktober 1901 war der Schacht auf 324 m
6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Sali nen- und Solbadbetrieb. 339
niedergebracht, und die Kohlenförderung konnte ihren Anfang
nehmen. Es zeigte sich, dafi die Mergelablagerung noch mäch-
tiger war, als auf Schacht I und II, nämlich etwa 310 m. Das
Kohlengebirge fällt also nach Osten zu ein. Jetzt ist die tiefste
Sohle 571 m. Der Wetterschacht IV hat eine Tiefe von 451 m. \
Schacht m dient ausschliefilich der Förderung, Schacht IV auch
noch der Bewetterung.
Der Abbau vollzieht sich in einer grofien Mulde. Das herr-
schende Abbausystem ist hier der Pfeilerbau. Die Gründe ffir
die Anwendung dieses Systems liegen einmal darin, dafi nicht
Berge genug vorhanden sind, und dann darin, dafi der Pfeiler-
bau billiger und wegen des festen Nebengesteins der Flöze
anwendbar ist* Die eben erwähnte Mulde hat einen Nord- |
und einen Südflfigel, dazwischen einen Spezialsattel. Sie ver-
engt sich nach Westen, erweitert sich aber nach Osten. Der
NordflOgel ist steil. Er hat ein Einfallen von 70^. Der Südflfigel
ist flacher gelagert Er fällt mit 30—40^ ein. Zwischen den
t>eiden Flügeln liegen zahlreiche Störungen. Der Weiterabbau
von Schacht HI vollzieht sich in diesen beiden Flfigeln. Der süd-
lichere ist der günstigere. Der Geschäftsbericht von 1897 be- ,
zeichnet allerdings die nördliche Mulde als den ergiebigsten Teil: !
»Der im letzten Jahre durchfahrene Teil unseres nördlichen Feldes
ist jedenfalls der regelmäfiigste und edelste der ganzen Berecht-
same. In ihm ist der Kohlenreichtum am gröfiten, weil sich die
nördliche Mulde am tiefsten einsenkt" Der Abbau leidet unter
starkem Druck des Gebirges. Gewonnen werden Fettkohlen. Auf
der 6. östlichen Bauabteilung wurden Versuche gemacht, durch
die Magerkohlenpartie zu fahren. Aber die Magerkohlenflöze
waren unrein, klein und gestört Derselbe Versuch wurde auch
auf dem 4. Abteilungsquerschlag gemacht Bei 40 m erreichte
man das bekannte Leitflöz der Magerkohlenpartie Mausegatt
Aber es war nicht bauwürdig. Wie sich die Pettkohlenflöze in
dem nach Osten zu weiterschreitenden Abbau gestalten werden,
ist bis jetzt ungewifi, denn es fehlen in Ermangelung weiter
östlich vorgeschobener Zechenanlagen alle Analoga.
Das Ostfeld liegt noch unverritzt und unbekannt, eine
terra incognita, im Dunkel der Zukunft und harrt der
Erschliefiung durch eine neue Schachtanlage.
* OcflchtfUbcricht 1990.
22*
340 6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
Neben dieser Kennzeichnung des Grubenfeldes ist für die
Beurteilung der Schachtanlage III/IV vor allem Wasserhaltung, Be-
wetterung und Förderung von Wichtigkeit
Die Wasserzuflüsse sind gering. Die vorhandenen Wasser
fliefien nach Schacht II, der mit der neuen Schachtanlage kom-
muniziert, ab. Gegenwärtig ist jedoch eine Wasserhaltung im
Bau begriffen, die die Wasser von der vierten Sole heben soll.
Ein Ventilator versorgt die Strecken mit 3500 cbm Luft in
der Minute. Im ausziehenden Strom sind 0,14 — 0,16^/o Grul)en-
gas vorhanden.
Die Schachtanlage hat eine Fördermaschine, System
Koepe. Das Charakteristische dieser Förderung, die wir auch
auf der Zeche Konsolidation kennen lernten, besteht darin, dafi
nur ein Seil verwandt wird, an dessen Enden die FörderkOi1>e
hängen, die dann durch ein Ausgleichsseil miteinander verbunden
sind. Dieses Seil ist kürzer als dort, wo zwei Seile die Trommel
umwinden. Ein weiterer Vorteil ist die Dampferspamis. Femer
fällt das bergpolizeilich vorgeschriebene, alle Vierteljahre not-
wendige Abhauen des Seiles oberhalb des Korbes hinweg, und
außerdem kann man mit Koepeförderung unbeschränkte Teufen
aufsuchen, während bei Trommelförderung die Tiefe abhängig und
beschränkt ist durch Umfang und Breite der Trommel. Das Seil
wird alle zwei Jahre erneuert Freilich stehen diesen Vorteilen
auch Nachteile gegenüber. Dieselben betreffen vor allen Dingen
die geringere Sicherheit des Betriebes. Wenn der Maschinist
plötzlich Kontredampf gibt, rutscht das Seil unter Umständen auf
der Trommel weiter. Es kann also leichter etwas passieren, als
wenn das Seil sich auf der Trommel auf- bezw. abwickelt
Während wir auf Schacht 1 und n bei der Förderung die Ein-
richtung kennen lernten, dafi auf jeder Etage nur ein Wagen steht,
hat man auf den Schächten III und IV dieses Prinzip geändert Auf
jeder der vier Etagen stehen zwei Wagen hintereinander. Da-
durch läßt sich die Schicht besser ausnützen. Es werden auf
einmal gefördert 4,6 t, auf Schacht 1 aber nur 2,4, auf Schacht II
3 und 2 t Die Bedienung ist freilich etwas schwieriger, weil
zwei Wagen auf einmal von dem Förderkorb weggezogen werden
müssen. Jeder Wagen enthält auch hier 0,57 t Kohle.
Nachdem wir im vorhergehenden die drei Schachtanlagen
kennen gelernt haben, wollen wir nunmehr die Zahlen zusammen-
stellen, die einen Dberblick über die Leistung der einzelnen
6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 341
Schächte sowie Ober die gesamte Förderung ermöglichen.
Es betragt die Förderung in Tonnen auf
JalU
Schicht I
Schicht n
Schacht m
Zusammen
Auf 1 t Förderung
entfillt Oetamtka-
pital (Zubufte resp.
Aktienk., Hypoth.
u. Obligat.) Mark
1880
6632
^_
^^
6632
468.2
1881
13940
—
—
13940
264,8
1882
56455
—
—
56455
77.5
1883
69450
—
—
69450
66.7
1884
49476
—
—
49476
95.7
1885
57425
—
—
57425
91.2
1886
50370
—
—
50370
109.5
1887
91767
—
—
91767
64.5
1888
123392
—
—
123392
55.9
1889
151145
—
—
151145
52.1
1890
189212
59249
—
248461
35.7
1891
205932
138638
—
344570
26.5
1892
179136
170640
—
349777
29.2
1893
174803
230222
—
405025
25.0
1894
200930
285090
—
486020
20.8
1895
205048
258159
—
463207
21.7
1896
206735
282725
—
489460
20.2
1897
222892
322498
—
545390
18.0
1898
208885
323650
—
532535
18.4
1899
210566
372474
—
583040
20.9
1900
212141
396040
—
608181
22.9
I90I
189564
385056
23329
597949
22.5
1902
158973
371589
197120
727682
19.6
1903
125116
406234
332005
863355
16.4
1904
—
441367
365452
806819
19.9
Aus diesen Zahlen ergibt sich folgendes:
1. Die Kohlenförderung von Schacht I ist von 1880—1887
unt)edeutend. Dann steigt sie in den folgenden drei Jahren, bleibt
von 1890—1900 mit Ausnahme von 1892 und 1893 annähernd
stabil auf etwas über 200000 t, um dann in den folgenden Jahren
zu sinken und zu versiegen. 1904 wird Schacht I zum ausziehen-
den Wetterschacht eingerichtet.
2. Die Kohlenförderung des Schachtes n bleibt in den ersten
drei Betriebsjahren von 1890—1892 hinter der des ersten Schachtes
zurfick, um sie dann aber wesentlich zu überholen. Seine Förde-
rung ist heute die gröfite der ganzen Zeche. Die gegenwartige
Leistungsfähigkeit beträgt tflglich 1600 t und vom 1. Januar 1905
infolge des Zuwachses der Beteiligungsziffer 1700 t
342 6. Königsbom, Aktiengesellschaft fflf Bergbau, Salinen- and Solbadbdrieb.
3. Die Kohlenförderung von Schacht III hat sich in den
ersten drei Betriebsjahren rapide entwickelt und wird vielleicht
bald die des zweiten Schachtes erreichen, resp. fiberholen.
4. Die Gesamtförderung wird hauptsächlich bestimmt durch
die Zuwachsquoten der neu hinzugekommenen Schächte n und UL
In den letzten zehn Jahren von 1894 — 1903 hat sich die geförderte
Kohlenmenge nahezu verdoppelt
5. Der auf die Tonne Förderung entfallende Anteil des ge-
samten Betriebskapitals, d. h. der eingezogenen Zubuße resp. des
Aktienkapitals, der Hypotheken- und Obligationenschulden betrug,
solange Schacht I allein in Betrieb war, also von 1880 — 1889, im
Durchschnitt jährlich 134,6 Mark. Dieses Verhältnis wird dann in
der Folgezeit bedeutend erniedrigt 1903 beträgt das auf die Tonne
Kohlenförderung aufgewandte Kapital noch 16,4 Mark. Aber selbst
diese bis jetzt erreichte niedrigste Zahl ist im Vergleich mit andern
Gesellschaften relativ hoch und ein Zeichen finanzieller Ober-
bürdung. Königsbom ist ein hochverschuldetes Unternehmen.
Auf ein Aktienkapital von 11 Millionen kamen 1904 allein über
5 Millionen Anleihen; die Kreditoren beliefen sich auf 1517708 Mark.
Die Kohlen werden nun zu einem grofien Teile zu Koks ver-
arbeitet, so daß für die Rentabilität des Kohlenbergbaus heute
die Verwertung zu Koks ausschlaggebend ist Das erste Projekt
zur Anlage von Koksöfen tauchte bereits im Jahre 1880 auf,
„nachdem sich die Qualität der Kohlen aus den Flözen Stein
und Königsbank und Hühnerhecke als geeignet zur Verkokung
erwiesen hatte*. Die Dbereinanderschichtung der Flöze auf Königs-
bom ist eine andere als auf den andern bereits besprochenen
Zechen. Wir sahen, daß die Ausbeutung von Schacht I auf der
Magerkohlenpartie ihren Anfang nahm. Es fehlen der Mulde die
Flamm- und Gaskohlen. Deshalb konnte gleich im ersten
Jahre der Kohlenförderung der Plan auftauchen, eine Kokerei
einzurichten. Dieser Plan kam aber, jedenfalls wegen der Ver-
luste, die die ersten Jahre mit sich brachten, nicht zur Ausführung.
Erst 1886 wurde die Anlage gebaut und am 1. Februar 1887 in
Betrieb gesetzt Ober die Motive heifit es im Geschäftsbericht
des erstgenannten Jahres: »Um die zur Koksbereitung vorzugs-
weise geeignete Qualität gehörig ausnützen und die grofien Vor-
teile einer fast unentgeltlichen Dampferzeugung möglichst bald
genießen zu können, haben wir die Anlage von 60 Koksöfen auf
dem alten Schacht begonnen . . . zugleich mit einer den Bedfirf-
6. Königsborn, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 343
nissen entsprechenden Kohlenseparation und Wäsche» wodurch
wir die Preiswärdigkeit unserer Produkte angemessen zu steigern
hoffen." Mit der Koksanstalt in Verbindung wurde, wie hieraus
hervorgeht, eine Separation angelegt, die imstande war, taglich
600 t aufzul)ereiten. Die oberhalb der Ladegleise errichteten Vor-
ratstrichter und Türme gestatteten die direkte Veriadung der Neben-
produkte in die Waggons und die Abfuhr der Kokskohlen zu den
nahe gegenüber errichteten Koksöfen. Als dann das Jahr 1888
einen flotten Absatz und eine grofie Nachfrage nach Kokskohlen
brachte, hoben sich die Preise, »so dafi die Kokskohlen sich
ebensogut und zum Teil noch höher im eigenen Kokereibetrieb
verarbeiten als die gröberen Siebprodukte." Das war der Sporn
zum Bau einer neuen Batterie von 30 Öfen auf Schacht L Die
Nachfrage nach Koks war 1889 so stürmisch, dafi die Produktion
dieser neuen 30 Öfen, welche erst im Juli des folgenden Jahres
in Betrieb kamen, bereits im Mai ,zu den höchsten bis jetzt er-
zielten Preisen bis Ende dieses Jahres" verkauft ist* Bereits
damals wurde von der Verwaltung der Wert der Koksanlagen
richtig l)eurteilt In dem zuletztgenannten Geschäftsbericht schreibt
sie: »Da wir bezüglich des Absatzes an die östlich gelegenen
Hochofen- und andere Koks konsumierende Werke am günstigsten
situiert sind, so wird auch bei abgeschwächter Konjunktur der
Besitz von 90 Koksöfen ein sehr wertvoller für uns bleiben.
Im nächsten Jahre folgt dann der Rückschlag. Die üt>er-
stfirzte Produktion wirft die Preise. Durch Verkaufsvereine, die
aber nur lose konstruiert waren, wird der Preisschleuderei Einhalt
zu bieten versucht Königsbom trat dem Dortmunder Verkaufs-
verein bei. Im vierten Quartal 1891 mufi eine Batterie von
30 Öfen kalt gelegt werden.
Auf Schacht II wurden zunächst 100 Koksöfen gebaut Die
Erbauerin war die Firma CoUin in Dortmund. Zu dieser im
Jahre 1890 in Betrieb gekommenen Anlage gesellt sich dann
eine grofie Kohlenwasche zur Aufbereitung der Kohlen für die
Kokerei und zugleich zur Herstellung von Nufikohlen. »Die
Wasche," heifit es im Geschäftsbericht, »erhalt ein doppeltes
System, so dafi wir bei etwaigen Betriebsstörungen nicht in Ver-
legenheit kommen. Die Anlage wird dadurch um ca. 30000 Mark
teurer, doch sind wir damit allen Eventualitäten und allen An-
" Qeschftftsbericht 1889.
344 6. Könlgsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
forderungen des Marktes an Separations- und Wascheprodukten
gewachsen.* Die Kosten für Separation und Wasche bezifferten
sich auf 322 192 Mark. Darin sind auch die eisernen Transport*
brücken von der Hangebank zur Wäsche und vom Kokskohlen-
turm zu den Koksöfen einbegriffen. Wir sehen in diesen Tatsachen
nur Beispiele dafür, dafi auch der Zechenbetrieb beherrscht wird
von dem Prinzip der Aufstellung von Reservemaschinen zum
Schutze gegen Betriebsstörungen. Damit aber steigt das immo-
bile Kapital, gleichzeitig aber auch die Sicherheit der Produktion.
Als dann 1896 die Lage des Koksmarktes sich wieder günstiger
gestaltete, wurde die Anlage weiterer 80 Copp6e-Otto-öfen auf
Schacht II beschlossen. Diese Öfen kamen im folgenden Jahre
in Betrieb. Ein weiterer Grund war auch der bedeutende Pro-
zentsatz von Feinkohlen, den das Fördergut des zweiten Schachtes
aufwies. In dem ganzen östlichen Bezirk betragt der Feinkohlen-
fall 60—65%. Es werden also nur 35— 407o Stücke gewonnen.
»Leider laßt der Stückgehalt der Kohle zu wünschen übrig,* heifit
es im Geschäftsbericht von 1891. Die Verwertung dieser gut
backenden feinen Fettkohle ist das Motiv zur Anlage immer
neuer Koksöfen mit steigender Förderung gewesen. Die neuerbaute
Batterie wird an die gleichzeitig neuerrichteten zehn Dampf-
kessel angeschlossen. Die Kessel werden also mit den Koks-
ofengasen geheizt und der Stochkessel auf den Aussterbeetat
gesetzt
Schliefilich erhalt auch die Schachtanlage III eine Kokerei, be-
stehend aus 50 Ofen, zu denen dann 1903 noch 30 hinzukommen.
Damit steigt die Zahl der Koksöfen auf 350. Von diesen entfallen
nach dem vorhergesagten auf
Schacht I 90 Ofen
„ II 180 „
„ m 80 „
Dazu kommen noch 60 Otto-Öfen im Bau (1904) auf Schacht-
anlage III/IV. ,Im Hinblick auf die günstigen finanziellen Ergeln
nisse der Nebengewinnungsanlagen," heifit es im Geschäftsbericht
von 1904, „sollen Öfen mit Gewinnung von Teer und schwefel-
saurem Ammoniak gebaut werden.* Die Koksproduktion weist
daher eine riesige Entwicklung auf. Die dazu verwandte Kohle
betrug 1888 24%, 1904 aber 38,9% der Kohlenförderung.
Aus diesen Zahlen geht hervor, dafi für das Gewinnergebnis
der Zeche die Lage des Koksmarktes den Ausschlag gibt
6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 345
Das Verhältnis der Koksproduktion zur Gesamtforderung gehört
zu den günstigsten im ganzen Oberbergamtsbezirk Dortmund.
Was die Kosten der Konvertierung von Kohle in Koks anbe-
langt, so werden sie von Effertz* auf 4Va Mark berechnet in-
klusive Verschleifi der Koksöfen und Amortisation der Anlage.
Diese Zahl dürfte sich seitdem wenig verändert haben.
Ober die Betriebsverhältnisse der Koksöfen ist vom wirtschaft-
lichen Standpunkte aus noch folgendes zu sagen. Die Koksöfen des
heute stillgelegten Schachtes I beziehen ihre Feinkohlen von dem
2 km entfernt liegenden Schacht IL Infolgedessen wird der Weg,
den die Kohle von der Hängebank bis zum Ofen zurückzulegen
hat, nicht unbedeutend verlängert Dieser Transport verteuert
aber die Koksbereitung. Die ausgedehntesten Koksofenanlagen
besitzt Schacht IL Der Einsatz beträgt 6,2 t, das Ausbringen 75
bis 78<>/o, die Gardauer 48 Stunden. Die Zahl der Arbeitskräfte
für die 180 Ofen belauft sich auf 75. Diese Arbeiter haben auch
das Brechwerk zu bedienen, in welchem nach Bedarf Kleinkoks
bis auf 80 mm Komgröfie gebrochen werden kann. Zum Füllen
der Öfen dienen fünf und zum Planieren zwölf Mann. Planier-
maschinen fehlen. Unter günstigen Verhältnissen können
zwölf Mann in einer Stunde fünf Öfen planieren, die fünf Mann
füllen. Die Planierer haben gleichzeitig die Aufgabe, den Koks
mit zu löschen. Ihr Tagelohn beträgt 3,90 Mark für die zwölfstün-
dige Schicht; die Füller erhalten etwas weniger, nämlich 3,40 Mark.
Auf allen drei Anlagen fehlen Einrichtungen zur Ge-
winnung der Nebenprodukte. Die Gase werden ausschliefilich
zur Heizung der Kessel verwandt Nach mir zugegangener Privat-
mitteilung der Verwaltung werden Nebenproduktanlagen zweck-
mäSigerweise erst dann eingerichtet, wenn mehr Gase vorhanden
sind, als zur Kesselheizung gebraucht werden. Nun sehen wir
aber auf andern Werken, die viel weniger Koks im Verhältnis zur
Oesamtförderung erzeugen, solche Anlagen bestehen. Der Grund
kann daher nicht oder wenigstens nicht allein auf dem von der
Verwaltung angegebenen Moment beruhen. Der Verzicht auf
die Anlage von Teeröfen scheint mir vielmehr in der
ganzen finanziellen Situation der Gesellschaft begründet
Es wurde bereits früher angedeutet und soll später noch ein-
gehender gezeigt werden, dafi die Geldverhältnisse der Gesell-
schaft keine teueren Anlagen gestatten. Nun kostet aber, wie wir
* Kohlen verkaufsverdne und die öffentliche Meinung 1890 p. 9.
346 6. Königsbom, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
beim Kölner Bergwerksverein feststellten, ein Ofen ohne Neben-
produkte ca. 5000 Mark, ein solcher mit Nebenprodukten aber
ca. 10000 Mark. Das Kapitalkonto wäre also nocti starker t>elastet
worden. Daher kam bis jetzt die teurere, wenn auch volkswirt-
schaftlich rationellere Anlage nicht zur Ausfährung. Jedoch ist
bei den jetzt noch im Bau befindlichen, wahrscheinlich im Hert>st
1905 in Betrieb kommenden Koksöfen auf lü/IV die Gewinnung
von Sekundflrprodukten vorgesehen.
Wir lernten im vorhergehenden in der Ausgestaltung des
Kokereibetriebes drei Mangel kennen:
1. die freilich historisch bedingte ungünstige Lage
der Koksöfen auf I, 2. das Fehlen von Planiervorrich-
tungen, deren Einführung schon aus sozialen Gründen
erforderlich wäre, 3. den Mangel an Anlagen zur Gewin-
nung von Nebenprodukten.
Von der größten Bedeutung für die Produktion an Kohlen
und Koks ist nun aber der Einfluß der Syndikate. Die Be-
teiligung am Rheinisch -Westfälischen Kohlensyndikat betrug:
1893 469776 t Ab 1. Oktober 1901 .. . 764770 t
1894 und 1895 ... . 500000 „ „ 1. April 1902 ... . 884770 „
1896—1898 544766,. „ 1. Oktober 1902— 1903 1004770 ^
Ab 1. April 1899-1900 644776,, „ 1. Juni 1904 .... 1124770.,
Bereits 1894 stellte die Gewerkschaft den Antrag auf Ge-
stattung einer Förderung von 544776 t Das Syndikat aber be-
willigte nur 500000 t Diese Beteiligungsziffer genügte bei den
notwendigen Einschränkungen, die das Syndikat verfügen mufite»
der gesteigerten produktiven Kraft der Zeche nicht Sie produ-
zierte daher mehr als ihr zugebilligt war. Nach den Bestimmungen
des Syndikatsvertrages muBte für jede mehr produzierte Tonne
2, später 1 Mark gezahlt werden. Das Werk wurde daher ab-
gabepflichtig, und zwar
1895 mit 39246 Mark 1897 mit 12599 Marie
1896 „ 31402 „ 1898 „ 2349 „
In der ersten Zeit sind die Berichte mit Klagen angefüllt
über ungenügende Beteiligungsziffer. Die kleineren Zechen, zu
denen man auch Königsbom zahlen kann, waren nicht genügend
berücksichtigt worden. Die grofien hatten für sich den Löwenteil
in Anspruch genommen. »Wir sind heute in der Lage,* heifit es
im Geschäftsbericht 1895, „mit drei vollständig ausgerichteten
selbständigen Fördereinrichtungen täglich 2500 t zu fördern, wah*
6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadt)etrieb. 347
rend uns bis jetzt noch nicht ganz 1700 t zugebilligt sind. Es
ist nicht angängig, daß kurz vor Errichtung des Syndikats ent-
standene, noch in der Entwicklung begriffene Schachtanlagen ffir
alle Zeiten hinter den Anmeldungen neuer Schachtanlagen zurück-
stehen sollen/ Es blieb daher nichts anderes übrig, als die Ein-
schränkung zu überschreiten und Strafe zu zahlen. Selbst in
Fallen, wo es streitig war, ob die Strafe gezahlt werden sollte,
fügte sich das Werk der Macht des Syndikats. Ein solcher Fall
wird im Geschäftsbericht 1897 erwflhnt Dort heifit es: .Wir er-
wähnen beiläufig, dafi wir die durch juristisches Gutachten be-
stätigte Ansicht vertreten haben, daß eine Zeche für die Zeit, wo
eine Fördereinschrflnkung nicht beschlossen ist, wo vielmehr die
Gestellung der ganzen Beteiligungsmenge vom Syndikat gefordert
wird, auch nicht abgabepflichtig sein kann, denn sie ist anderer-
seits zur Ausführung der ihr bis zur vollen Höhe ihrer BeteUigung
zugewiesenen Auftrage dem Syndikat gegenüber verpflichtet und
darf für die Erfüllung dieser Pflicht nicht mit einer Abgabe l>e-
legt, d. h. in Strafe genommen werden. Bei Anerkennung unserer
Auffassung würde sich die Abrechnung für uns wesentlich günstiger
stellen. Da indes im Beirat des Syndikats die überwiegende Zahl
der Stimmen für Anerkennung des vom Vorstande des Syndikats
befolgten Abrechnungsverfahrens war, so sahen wir unter Zu-
stimmung unseres Aufsichtsrats von einer Geltend-
machung unserer Ansicht ab, ohne uns indes für die Zu-
kunft zu binden.* Diese Verhaltnisse andern sich nun 1899. Der
im Jahre vorher gestellte Antrag des Werks auf Erhöhung der
BeteUigungsziffer um 100000 t wird genehmigt .Wir werden
diese Förderung bequem leisten, wenn es gelingt, die Belegschaft
auf die erforderiiche Höhe zu bringen.'* Es gelang aber nicht In
den folgenden Jahren bleibt die Förderung betrachtlich hinter der
Beteiligungsziffer zurück. Die Ursache lag, von der notwendigen
Einschränkung abgesehen, wie erwähnt in dem Mangel an Arbeitern.
Die Arbeiterverhaltnisse waren ursprünglich durchaus
günstige. In dem Bericht von 1874 wird besonders darauf hin-
gewiesen, dafi die Städte Unna und Königsbom, sowie die Wohl-
habenheit der dicht bevölkerten Gegend den Zugang von Arbeitern
begünstige. Der ausgedehnte Grundbesitz der Saline erteichterte
die Anlage von Arbeiterwohnungen für die Belegschaft des in der
Nahe gelegenen Schachtes I. .Der uns vom Fiskus überkommene
• QctchÜtftbericht 1896.
348 6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
Arbeiterstand zeichnet^ sich aus durch seine Sittlichkeit und
namentlich bei den Handwerkern durch seine Tüchtigkeit* 1886
wird dann mit der Errichtung einer großen Arbeiterkolonie am
alten Schacht begonnen, da die Belegschaft durch den Bau des
Schachtes II erheblich vermehrt werden mußte. Mit der Etablie-
rung dieser zweiten Schachtanlage nehmen die Schwierig-
keiten in der Arbeiterbeschaffung ihren Anfang. Das Dorf
Heeren, in dessen Nähe Schacht II erstand, hatte nur eine geringe
und durchweg ländliche Bevölkerung. Es fehlte daher zur Heran-
ziehung und Ansiedelung der wachsenden Belegschaft der Stütz-
punkt in dem Orte selbst Bei der vorgeschobenen, von größeren
Industrieplätzen weit entfernten Lage des Schachtes blieb daher
nichts anderes übrig, als Grund und Boden zu erwerben und
Arbeiterkolonien darauf zu errichten. In der großen Hochkon-
junkturperiode der 90 er Jahre wird dann der Arbeiter-
mangel besonders fühlbar. Um Abhilfe zu schaffen, werden
wiederum Arbeiterwohnungen gebaut und von auswärts fremde
Arbeiter herangezogen und seßhaft gemacht Darüber werden in
dem Berginspektionsbericht Süd -Dortmund 1898 folgende Mit-
teilungen gemacht: „Von der Zeche Königsbom ist für Schacht n
eine größere Zahl von Bergleuten aus Niederschlesien heran-
gezogen; dieselben wurden in einer Zahl von 155 Mann durch
Vorzeigung von Lohnbüchern von Zeche Königsbom zur Über-
siedelung veranlaßt und im September größtenteils mit Familie
— 88 waren verheiratet — auf Kosten der Zeche mittelst Extra-
zuges nach Westfalen gebracht Zur Unterbringung dienten 53
mit Herd versehene Familienwohnungen, wobei zunächst einige
Unzuträglichkeiten vorkamen, die aber beseitigt sind. Die Kosten
für die Reise und den Herd werden den Arbeitern in zwölf monat-
lichen Raten vom Lohne abgehalten; es betragen die Raten ein-
schließlich der Kosten für den Herd monatlich etwa 10 Mark.
Nach Verlauf eines Jahres wird denjenigen, die auf der Zeche
ausgehalten haben, die ganze Summe als Prämie ausgezahlt; bis
jetzt sind 38 wieder abgekehrt."
»Ohne eine solche Vermehrung der Wohnungsgelegenheit"
heißt es im Geschäftsbericht des Jahres 1899, »ist die Frage der
Verstärkung unserer Belegschaft und damit der Förderung über-
haupt nicht zu lösen, und wir werden in dieser Beziehung ins-
besondere für den neuen Schacht III auch in Zukunft noch bedeutende
Mittel aufzuwenden haben, da es uns an genügenden Stützpunkten,
6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 349
d. h. größeren Ortschaften in der Nähe der neuen Anlage fehlt
Ohne geeignete Wohnungen sind aber, wie viele Zechen zu ihrem
Schaden erfahren haben, keine Leute heranzuziehen, und ist
namentlich kein zuverlässiger Stamm einer Belegschaft heran-
zubilden/ So hatte also die forcierte Steigerung der
Produktion der Zeche ihren letzten Hemmschuh in der
Schwierigkeit der Beschaffung von Arbeitskräften.
Diese Schwierigkeiten, die der Produktion durch den Arbeiter-
mangel bereitet wurden, aber haben das Streben nach Ver-
größerung der Beteiligungsziffer doch nicht aufzuhalten
vermocht Vom 1. Juni 1904 ab erhöhte sich die Beteiligungs-
ziffer der Zeche um 120000 t pro Jahr. Diese Erhöhung wurde
bewirkt durch die Erwerbung der Zeche Sprockhövel. Ich
entnehme dem behufs Einführung von 2 Millionen Mark junger Aktien
an der Börse erlassenen Prospekt derGesellschaft folgendes : »Die vom
rheinisch-westfälischen Kohlensyndikat seinen Mitgliedern auferlegten
Fördereinschränkungen, welche eine rationelle Ausnutzung der vor-
handenen Fördereinrichtungen der Zeche Königsbom nicht zulassen,
waren die Veranlassung, dafi die Leitung derGesellschaft darauf aus-
ging, der Zeche Königsbom eine weitere Zeche behufs Erhöhung der
gemeinsamen Beteiligungsziffer beim Kohlensyndikat anzugliedern."
Die Gewerkschaft Sprockhövel ist eine verunglückte Gründung
der letzten Hochkonjunkturperiode.* 1896 wurde mit dem Abteufen
eines Schachtes, der der Förderung, Wasserhaltung und Wetter-
führung dienen sollte, begonnen und bei 230 m unter Tage die
einzige Bausohle angelegt Das Liegende erwies sich als gut
aber das Hangende, ein weicher Schieferton, als sehr gebrach.
Infolgedessen war der Holzausbau sehr kostspielig. Er berechnete
sich auf 0,81 Mark pro Tonne Förderung. Die Kosten für Wasser-
hebung und Bergschaden sind ebenfalls aufierordentlich hohe.
In den letzten fünf Jahren von 1899 — 1903 betrugen die ersteren
0,74 Mark und die letzteren 0,44 Mark pro Tonne Förderung.
Der ganze Nordflfigel des Grubenfeldes stellte sich als völlig zer-
rissen und unbauwürdig heraus. Infolge der kolossalen Störungen
konnte die Zeche in diesen fünf Förderjahren insgesamt nur
ca. 270000 t fördern. Die Selbstkosten betrugen 1903 10,09 Mark
pro Tonne, der Eriös aber nur 9,27 Mark. Eine Ausbeute ist in den
acht Jahren ihres Bestehens überhaupt nicht gezahlt worden. Der
* Vgl. aber das Folgende: Denkschrift, betreffend die StiUegong verschie-
dener Steinkohlenxechen des Ruhrreviers p. 19.
350 6. Königsborn, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
Betrieb kostete nurZubufie. DieZechewfire bereits langst zum Eriiegen
gekommen, .wenn die Bergbehörde nicht in aufierordentlichem Ent-
gegenkommen gestattet hätte, dafi unter der vorhandenen Sohle ein
Unterwerksbau in größerem Umfang eingerichtet würde.** Aber
auch dieser konnte den Betrieb wirtschaftlich nicht mehr rechtfertigen.
Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen, die mit der Ein-
stellung des Betriebes der Zeche verbunden sind, erstrecken sich
erstens auf die Arbeiter und zweitens auf die ganze Gemeinde.
Die Belegschaft betrug am 1. Januar 1904 400 Mann. Die
seitdem abgekehrten Bergleute — vom 1. April bis 1. Juni 1904
insgesamt 174 Mann — wurden größtenteils auf benachbarten
Zechen** angelegt. Ob dies auch bei der übrigen Belegschaft
der Fall sein wird oder ob sie in der Landwirtschaft Beschäftigung
zu suchen gedenkt, läfit sich zurzeit nicht feststellen. Da ca. 40
bis 50 Besitzer von Kotten in Betracht kommen, so würde diese,
wenn sie auswandern müfiten, ein empfindlicher Schaden in der
Entwertung ihres Besitztums treffen. Aber auch die Gemeinde
leidet unter der Stillegung, falls die Arbeiter den Ort verlassen.
Nach den Mitteilungen des Landrats Harz in Schwelm beträgt
unter dieser Voraussetzung der Steuerausfall etwa 7000 Mark.
Die Steuer, welche die Zeche Sprockhövel auf Grund einer Ver-
einbarung einbringt, beläuft sich auf 2500 Mark, die Steuer der
Bergleute auf 4500 Mark. Bei Fortfall dieser gesamten Beträge
würde belastet werden müssen die Einkommensteuer, die bisher
in Niedersprockhövel 280 ^/o Zuschlag hatte, mit 401 ^/o, die Real*
Steuer, bisher 204^/0, mit 232%. Für die Gemeinde Obeisprock-
hövel, in der 60 Bergleute wohnen, und die schon jetzt 397%
Zuschlag zur Einkommensteuer erhebt, würde der Ausfall von
1280 Mark Steuern der Bergleute noch fühlbarer sein; es würde
die Einkommensteuer mit 450% belastet werden müssen und die
Realsteuer mit 262%. Dies sind gewifi Zahlen, aus denen man
schliefien kann, dafi jeder Steuerausfall in einer solchen Gemeinde
eine grofie Härte in sich schliefiL Was Niedersprockhövel betrifft,
so mufi ich weiter hervorheben, dafi diese Gemeinde gezwungen
war, mit Rücksicht auf die steigende Belegschaft der Zeche Sprock-
hövel eine neue vierklassige Schule zu bauen, die noch nicht in
Benutzung genommen ist, deren Bau aber überflüssig war, falls
* Stenogramme der Kommissionsverhandlongeo in Dortmmid » betreffend
Stfllegen von Ruhrzechen p. 28.
** Alter Haase, Westfälische Kohlenwerke, Deutschland u. a.
6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft fflr Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 351
die gesamte Belegschaft der Zeche die Gemeinde verlfifil Der
Schaden, der den Gewerbetreibenden zuteil würde, wenn die Berg-
leute sämtlich ihren Wohnsitz findem mflfiten, ist auch nicht un-
bedeutend. Es ist selbstverständlich, dafi in Nieder- und Ober-
sprockhOvel, wo 280 Bergleute mit ihren Familienangehörigen
— insgesamt 1000 Personen — in Betracht kommen, für sämtliche
Kleingewerbetreibende ein riesiger Ausfall entstehen mufi; denn wenn
jeder dieser Bergleute rund 800 Mark in Sprockhövel verzehrt
so bedeutet das den Fortfall eines Einkommens von 180000 bis
190000 Mark in zwei Gemeinden mit 3600 bzw. 1500 Einwohnern.*»
Diesen Verlusten steht freilich ein Gewinn gegenüber, welchen
die Gemeinde Sprockhövel infolge des Verkaufs der Zeche aus
der Umsatzsteuer erhält Dieselbe beträgt bei Grundstücken im
Werte von 200000 Mark und darüber 2<>/o. Da der von Königs-
bom gezahlte Kaufpreis sich auf 1462500 Mark stellte, so würde
die Gemeinde 29250 Mark erhalten.
Die mit dem Erwerb von Sprockhövel verbundene Erhöhung
der Beteiligungsziffer scheint nun aber noch nicht zu genügen,
und es ist nicht unwahrscheinlich, dafi noch ähnliche Erwerbungen
in Zukunft folgen werden. Nach dem Geschäftsbericht betrug
die Beteiligungsziffer (mit Sprockhövel im Jahre 1904) 1124770 t,
der Absatz (mit Sprockhövel) 875198 t; das Werk blieb mit
letzterem also um 249572 t = 22,19 <>/o hinter der Beteiligungs-
ziffer zurück. Da die durchschnittliche tatsächliche Einschränkung
im Kohlensyndikat 23,085 ^/o betragen hat, so mufite es für Ober-
förderung bzw. Mehrabsatz die satzungsgemäße Abgabe zahlen,
und zwar auf 10081,46 t ä 1,50 Mark 15122,19 Mark. Im Jahre
1903 betrug dagegen die Beteiligungsziffer 1004770 t, die Förde-
rung bzw. der Absatz 861439, die Einschränkung also 143331 t
= nur 14,265%, die Abgabe für Mehrabsatz 28730,26 Mark.
Entsprechend der Zunahme der Koksöfen hat sich auch die
Beteiligung am Kokssyndikat in den letzten zehn Jahren (1893
bis 1904) mehr als verdoppelt. Die Beteiligungsziffer betrug:
1893—1895 . . . 168000 t 10. Nov. 1902 316000 t
1. Dez. 189S-1900 238000 „ 1. Sept 1903 346000 „
1. Juli 1900 . . 250000» 28.M1J 1904 355600»
15. Okt 1901 . . 300000 „
Vergleichen wir diese Beteiligungsziffem mit den produzierten
Koksmengen unter Außerachtlassung der Einschränkungen, so
* Stenogramme p. 27.
352 6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
ergibt sich, daß schon in zwei Jahren 1899 und 1900 Über-
schreitungen stattgefunden haben.
Schließlich haben wir noch einen Blick auf die Absatz-
Verhältnisse zu werfen. Der Kohlenversand geschieht in der
Hauptsache per Eisenbahn und zum kleinsten Teile im Landdebit
Die Schächte sind an die Stationen Unna-Königsbom angeschlossen.
Die westfälische Eisenbahn vermittelt von Unna aus in Dortmund
den Anschluß an die rheinische Eisenbahn, die Verbindung mit
dem Emscherthal und in der Richtung über Welver und Soest
die kürzeste Verbindung nach Mitteldeutschland, über Welver und
Hamm den Verkehr nach Norddeutschland. Neben dem Eisen-
bahnversand nimmt heute die wichtigste Stelle ein der Absatz an
die eigenen Kokereien, auf dessen steigende Bedeutung bereits
hingewiesen wurde. Femer braucht die Saline nicht unbeträcht-
liche Mengen. Dazu kommt der Selbstverbrauch der Zeche.*
Früher spielten auch die Abgaben von Kohle an eine von dem
Werk betriebene Ziegelei und an die Deputatisten eine Rolle.
Die Kanäle, in die der Absatz einmündet, werden am besten
kenntlich durch folgende Tabelle. Es betrug in Tonnen:
Jahr
EtoenbaliD-
deblt
Landdebit
Zur Kokerd
Zur Saline
der Zech«
1882
36548
6892
^
8528
4301
1883
48177
7431
—
8901
4876
1884
25660
8546
—
12714
1859
1885
31760
9498
—
14909
1352
1886
50375
9895
—
14370
1649
1887
59470
12168
—
17638
2491-
1888
58850
8970
29657
17977
3937
1889
73860
9516
48839
14958
2101
1890
134440
11227
81383
16655
4756
1891
189360
16859
111512
17022
9817
1892
175765
14691
135426
14101
5394
1893
223635
16177
150168
12762
6681
1894
247210
15269
203095
14164
6282
1895
249850
15147
171536
16245
10428
18%
253465
14889
195229
16247
9629
1897
261982
16157
240149
11815
15286
1898
208095
17386
279142
17148
9764
* Eine Erklärung für die grofien und merkwürdigen Schwankungen des
Selbstverbrauchs habe ich auch von der Verwaltung nicht erhalten können.
Vielleicht liegen auch hier Verhältnisse vor, die das Ucht der Offenüichkeit
scheuen.
** inkl. Deputat von 1887 ab bis 1903.
6. Königsborn, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 353
Jahr
Eisenbahn-
deblt
LanddeUt
ZurKokwci
Zur Saline
Seibstvefbrauch
der Zeche
1899
223245
19672
312973
17364
10786
1900
238413
21763
315374
16782
15849
1901
281190
25074
253802
17894
19654
1902
368907
25600
285988
19115
28407
1903
407235
25544
404730
15508
9671
1904
411337
21580
348310
16348
7830
Fassen wir nun noch kurz die wesentlichsten Gesichtspunkte
des zweiten Abschnitts zusammen, so ergeben sich folgende
Resultate. Am schwierigsten entwickelte sich Bau und
Produktion des ersten Schachtes. Er erforderte sechs
Jahre zu seiner Herstellung und aufierordentliche Kosten,
die noch vermehrt wurden durch den Bau einer Bri-
kettfabrik, die nicht rentierte. Die Lagerungsverhalt-
nisse der Flöze waren kompliziert Eine grofie Störungs-
zone im Ostfelde mit bedeutenden Verwerfungen be-
einflufite den Betrieb ungünstig. Dazu kam ein nicht
allzugrofier Kohlenvorrat, der sich nach 25 jähriger
Ausbeutung erschöpfte. In ein neues Stadium tritt die
Kohlenförderung mit dem Aufschluß des Ostfeldes durch
die Schachtanlagen II und IIL Damit verbunden sind
dann am Ende des Jahrhunderts eine Reihe von Neu-
erwerbungen ausgedehnter Grubenfelder. Als Motive für
den Bau dieserSchachtanlagen lernten wir kennen: Reiche
Flözlagerung im Ostfelde, die Tendenz zur Produktions-
steigerung, die Sicherung der Arbeiter und im Zusammen-
bangmitdemletztenPunktdasVerbotdesEinschachtsystems
von Seiten der Bergbehörde. Dann belauschten wir das
Wachsen der Förderung, das durch die Zuwachsquoten
der neuen Schächte bestimmt wird, und erkannten in
Zusammenbang damit, daß beute auf die Tonne Förde-
rung weniger in dem Gesamtunternehmen engagiertes
Kapital kommt, als in den 80er Jahren. Trotzdem ist
auch heute noch das Betriebskapital, mit dem die Tonne
Kohlen produziert wird, höher als bei den anderen in
diesem Bande bebandelten Gesellschaften. Das Charakte-
ristische in der weiteren Entwicklung ist nun gegeben
durch das Streben, den Schwerpunkt der Erzeugung in
die Koksproduktion zu verlegen. Königsborn hat im
SlllUck. NatlouiakoaoaiiKlit Fondumgtn. Bd. a
23
354 6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
Verhältnis zum Aktienkapital und zur Kohlenförderung
die gröfite Kokserzeugung in Deutschland. Die Er-
zeugung von Kohlen und Koks steht bis 1903 unter dem
Einfluß der beiden Syndikate. Das Rheinisch-Westfälische
Kohlensyndikat befriedigte anfangs den Hunger des
Werks nach einer größeren Beteiligungsziffer nur un-
genügend. Das ändert sich in den Schlußjahren der
Hochkonjunktur. Nun aber paralysiert der Arbeitermangel
die Weiterentwicklung der Förderung. In letzter Zeit hat
durch den Aufkauf der stillgelegten Magerkohlenzeche
Sprockhövel die Absatzmenge der Zeche beim Syndikat
die Höhe von 1124770 t erreicht, während die Beteiligung
am Kokssyndikat 355600 t beträgt. Zum Schluß be-
handelten wir noch den Absatz, der ja heute in den
Händen des mit dem Kokssyndikat vereinigten Kohlen-
syndikats liegt, und betonten, daß dem Werk seine östlich
vorgeschobene Lage besondere Absatzvorteile nach
dieser Weltrichtung hin garantiert.
Nachdem wir im vorhergehenden die beiden wichtigsten
Bestandteile der Kombination in ihren wirtschaftlichen Besonder-
heiten kennen gelernt haben, bleibt uns jetzt nur noch fibrig,
zum Schluß einen Blick auf die Rentabilität der verschiedenen
Anlagen zu werfen und dabei zu untersuchen, in welcher
Weise sich die einzelnen Betriebe, nämlich Saline und
Zeche, gegenseitig finanziell beeinflussen. Um dies zu
können, müssen wir in erster Linie das Betriebskapital und seine
Erhöhung durch Zubußen der Gewerken, später die Erhöhung des
Aktienkapitals kennen lernen. Die diesbezüglichen Verhältnisse
sind in folgender Tabelle zusammengestellt:
prf
Hypotheken
Obligationen
Summa
des Betriebs-
Bctilebsabcrsdiflsac
J«hr
der
des
Mark
kapitals
Saline
Bades
der Zedw
Mark
Mark
Mark
Mark
Mark
Mark
1873
1800000
„__.
1800000
1874
1800000
—
—
1800000
1875
2100000
2100000
1876
1877
2280000
2400000
—
—
2280000
2400000
aus den frahereii Berichten
nicht enichtUch
1878
2416979
—
—
2416000
1879
2514637
225000
— .
2739637
1880
2600000
225000
280000
3105000
6. Königsbom, Aktiengesellschaft für Bergbau, Salinen- und Solbadbetrieb. 355
Kapital
rttp. Zubufic,
rcf p. Aküen-
kapital
Hypotheken
Obticatloaen
Summa
dcsBetrfebf-
kapItaU
Betriebsaixnchflise
Jahr
der
Saltaie
de*
Bades
der Zeche
Mark
Mark
Mark
Mark
Mark
Mark
Mark
1881
2800000
300000
591000
3691000
63299
17599
__
1882
3100000
300000
977000
4377000
90694
32804
- 11618
1883
3491000
300000
960000
4751000
103534
13362
-33384
1884
3491000
300000
942000
4733000
140362
14703
— 64320
1885
3788000
531000
921000
5240000
118235
19189
4430
1886
3788000
831000
900000
5519000
139437
25418
32659
1887
4085000
937711
900000
5922711
158497
19313
1044«
1888
5075000
922715
900000
6897715
119303
13508
85855
1889
6065000
913870
900000
7878870
159636
17002
277223
1890
7055000
904690
900000
8859690
234395
16857
943693
1891
7100000
1133786
900000
9133786
216432
13570
729544
1892
7100000
1116792
2000000
10216792
222584
20027
326029
1893
7100000
1027775
2000000
10127775
259467
6983
236517
1894
7100000
1009306
2000000
10109306
269817
12479
204873
1895
7100000
990135
1960000
10050135
269170
17022
460695
1896
7000000
970366
1918000
9888366
319170
20225
672386
1897
7000000
949805
1873000
9822805
128609
23812
1078670
1898
7000000
975422
1823000
9798422
197094
29821
1156114
1899
7000000
953184
4266000
12219184
172911
32808
1425556
1900
7000000
930734
4000000
; 13930734
178124
27455
2418675
1901
8400000
907348
4134000
13441348
235552
31481
2268093
1902
9000000
1 182987
4068000
14250987
272075
14084
1633606
1903
9000000
1 157612
4002000
14159612
143.558
34204
2041321
1904
11000000
1125179
3936000
16061 179
138693
24905
1863988
Was zunächst das Betriebskapital anbelangt, so sehen wir,
dafi es von 1,8 Millionen bei Gründung der Gewerkschaft auf
11 Millionen Mark im Jahre 1904 gestiegen ist. Die von den
Gewerken gezahlte Zubufie belief sich seit Bestehen der Gewerk-
schaft bis zum Jahre 1890 im ganzen auf 7,1 Millionen Mark.
Die Ausbeute von 1891—1895 betrug inklusive der Tantieme des
Grubenvorstandes 926858 Mark. Von 1896—1904 wurden an
Dividende gezahlt: 6, 8, 8, 10, 12, 8, 7, 9, l^lo. Die Schulden
betrugen 1903 57 ^/o des Aktienkapitals. Im folgenden Jahre ver-
ringert sich diese Relativzahl auf 46%, weil das Aktienkapital
steigt Die Gesellschaft ist jedoch immer noch hoch ver-
schuldet
Der wichtigste Punkt aber ist die Rentabilität der ein-
zelnen Anlagen. Hier ergibt sich nun aus der Tabelle folgen-
des: Die Zeche arbeitet in den ersten Jahren mit Unterbilanz.
23»
356 6. KOnigsbom, Aktiengesellschaft fflr Beigbau, Salinen- und Solbadbetrieb.
Sie floriert nicht. Die Betriebsveriuste müssen bis zum Jahre
1884 durch die Oberschusse des Salinen- und Badebetriebes ge-
deckt werden. Dazu kommen noch die aus den vermieteten
Wohnungen der Arbeiterkolonie gezogenen Einnahmen. In den
folgenden Jahren werden dann aus der Zeche kleine Gewinne
herausgewirtscbaftet, die aber bei weitem nicht an die Ober-
schüsse aus der Salzproduktion heranreichen. Mit andern Worten:
anfangs ruht der Schwerpunkt des Unternehmens in der
Salzgewinnung. Sie liefert die Oberschüsse. Sie bildet das
Fundament der Gesellschaft Das ändert sich nun aber mit
dem Jahre 1889. Von da an schnellen die Oberschüsse des
Zechenbetriebes empor. Es hängt das zusammen mit dem Auf-
schlufi des Ostfeldes. Zwar zeigen dann die für das Kohlen-
geschaft ungünstigen Jahre 1892 — 1894 einen Rückschlag. Im all-
gemeinen aber ragen in dieser zweiten Periode die Betriebsüber-
schüsse der Zeche auch nicht allzuweit über die der Saline
hinaus.
Erst mit dem Jahre 1897 beginnt der Zechenbetrieb eine
Vormachtstellung in der Rentabilitätsrechnung des Ganzen ein-
zunehmen, die er bis zum heutigen Tage behalten hat und in
Zukunft auch behalten wird. In diesem Jahre bezeichnet zum
ersten Male die Verwaltung die Zeche als den »Hauptbetrieb und
die eigentliche Grundlage des Unternehmens". Diese Ausfüh-
rungen aber zeigen, daß in dem Verhältnis zwischen Zeche und
Saline drei Perioden zu unterscheiden sind: In der ersten
(bis 1888) ist die Zeche der Saline untergeordnet; sie
liefert weniger Erträge; in der zweiten (1889—1896) ist
sie ihr beigeordnet, sie liefert ähnliche, vielfach höhere
Erträge; in der dritten ist sie ihr übergeordnet; ihre
Erträge übersteigen die Betriebsüberschüsse von Sa-
line und Bad ganz bedeutend. In diesen Tatsachen aber
haben wir den eigentlichen Schlüssel für die Kombination dieser
Betriebe zu einer wirtschaftlichen Unternehmung zu erblicken.
Er liegt in der Gewinnausgleichung. Die Ausfälle des
einen Betriebes werden durch die Mehreinnahme des
andern wettgemacht werden. Dazu kommt dann weiter
die früher behandelte Tatsache, daß der im Konkurrenz-
kampf scharf bedrohte Salinenbetrieb mit durch die öko-
nomischen Vorteile, die ihm der Zechenbetrieb gewährt,
aufrecht erhalten wird.
6. KOnigsborn, Aktiengesellschaft fflr Beigtua. Salinen- und Solbadbetrieb. 357
Sieht man naher zu, so erkennt man» dafi diese Wechsel-
beziehung auf der Verschiedenheit guter und schlechter
Konjunkturen für Kohle und Salz beruht. Aus der geschicht-
lichen Darstellung ergibt sich» dafi beide» wenn auch nicht von
prinzipiell» so^doch von graduell sehr verschiedenen Ursachen ab-
hangen. In der Zeit des Bestehens der deutschen Salinenkon-
vention von 1889 — 1896 ging es der Salzindustrie gut» der Kohlen-
industrie aber überwiegend schlecht Umgekehrt lagen die Ver-
haltnisse von 1897—1900. Ich will zur Illustrierung des Gesagten
nur noch zwei Bemerkungen aus den Geschäftsberichten heraus-
greifen. In dem Bericht Aber das Jahr 1899 heifit es: ,»Das
gfinstige Ergebnis war der Zeche zu danken» wahrend die Saline
infolge ungünstiger Verhaltnisse auf dem Salzmarkt ein geringeres
Ergebnis hatte. Der Absatz des Salzes vollzog sich zu weichen-
den Preisen. Aber er war aufierordentlich lebhaft' In dem Ge-
schäftsbericht Aber das Jahr 1901 liegen die Verhaltnisse gerade
umgekehrt Das Jahr war fAr die Kohlenindustrie ungAnstig. Das
Ergebnis blieb gegen das Vorjahr zurAck. Hingegen ergab die
Saline einen MehrAberschufi und ebenso das Bad» eine Folge der
wieder zustande gekommenen Konvention.
Damit haben wir unsere Aufgabe, die ökonomische Entwick-
lung und die inneren Beziehungen» die in der Zusammen-
schweifiung von Salz- und Kohlenproduktion zu einem wirt-
schaftlichen Unternehmen bestehen» klargelegt — soweit das heute
mit dem vorhandenen Material möglich ist
Verlag von JÄH & SCHUNKE In Leipzig,
Im Jahre 1904 erschien der erste Band der Nationalökono-
mischeil Forschungen von Dr. Oskar Stillich:
Eisen- und Stahl- Industrie.
1. Der HOrder Bergwerks- nnd Hfitten verein.
2. Die nseder Hfitte und das Peiner Walzwerk.
3. Die Dortmunder Union.
4. f^PhOnix", Aktiengesellschaft fflr Bergbau und HOttenbetrieb.
5. Die vereinigte KOnigs- und Laurahfitte.
=^=s Geheftet 6 Mark, gebunden 7 Mark, ^^ssbs
Aus den Kritiken:
Das Handelsmuseum vom 4. Mai 1906: Der Verfasser bringt
eineseltene Vereinigung nationalökonomischerund technischer
Fachkenntnisse zu dem Werke mit Es ist ihm zu wünschen, daß sein
groS angelegtes Unternehmen in Theorie und Praxis die Beachtung finde,
die es auch durch die lesbare Darstellung in hohem MaSe verdient
Deutsche Oeschichtsbiatter Mai 1905 p. 204: Angesichts der
großen Schwierigkeiten, die sich solcher Arbeit bisher entgegenstellten,
ist diese Veröffentlichung eine wissenschaftliche Tat von großer
Bedeutung, die über das, was heute noch als tatsächlicher Zustand
gelten muß, bereits hinausführt.
Chemnitzer Tageblatt vom 1. Februar 1905: Da die Geschichte
die Lehrmeisterin der Menschheit ist, so kann unsere Industrie aus
diesen Beschreibungen großer und renommierter Firmen von
Weltruf lernen.
Kölnische Zeitung vom 14. April 1905: Den vorliegenden Dar-
stellungen von Unternehmungen der Eisenindustrie darf nachgesagt
werden, daß sie mit Verständnis auf die technischen und wirt-
schaftlichen Verhältnisse der einzelnen Unternehmungen ein-
gehen und der Eigenart eines jeden nach Möglichkeit gerecht zu
werden suchen. Die Untersuchungen Stillichs beschranken sidi dabei
nicht etwa auf eine trockne Wiedergabe der technischen und wirtschaft-
lichen Entwicklung der verschiedenen Werke, sie dringen vielmehr
in die Innern Zusammenhange ein, schildern deren Wirkungen
und notwendigen Ergebnisse.
Hildesheimer Tageblatt vom 24. November 1904: Ausgerüstet
mit einer scharfen Beobachtungsgabe, hat der Verfasser seine
Studienobjekte unter die Lupe genommen, ist unbefangen ihren Ver-
hältnissen auf den Grund gegangen und sieht vieles mit ganz
anderen Augen an, wie die Leute, die stets In und mit diesen ge-
waltigen Körpern leben.
Berliner Tageblatt vom 9. Februar 1905: . . . und doch wird
der Kapitalist auch nicht annähernd wo anders ein so reiches Material
über die In dem ersten Bande erläuterten Unternehmungen finden, wie
In den Werken von Stillich.
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