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Lange, Julius Henrik
Studien über Leonardo
da Vinci
ZUR KUNSTGESCHICHTE DES AUSLANDES
HEFT 87.
STUDIEN ÜBER LEONARDO DA VINCI
VON
JULIUS LANGE
AUS DEM DÄNISCHEN ÜBERSETZT
VON
IDA JACOB-ANDERS
MIT 14 ABBILDUNGEN
STRASSE URG
J. H, ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL)
1911
Verlag von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL).
ZUR KUNSTGESCHICHTE DES AUSLANDES.
1. Heft. Studien zur Geschichte der spanischen Plastik. Juan Martinez Mon-
tanes Alonso Cano — Pedro de Mena — Francisco Zarcillo. Von Prof. Dr,
B. Haefidcke. Mit ii Tafeln. 3. —
2. Michelozzo di Bartolommeo. Ein Beitrag zur Geschichte der Architektur und
Plastik im Quattrocento. Von Dr. F?it^ ^olff. 4. —
3. Die Antike in der bildenden Kunst der Renaissance. I. Die Antike in der
Florentiner Malerei des Quattrocento. Von Dr. E77iil Jaeschke. 3. —
4. Des Marcus Vitruvius Pollio Basilika zu Fanum Fortunae. Von Dr. Jakob
Prestel. Mit 7 Tafeln in Lithographie. 6. —
5. Altchristliche Ehedenkmäler. Von Dr.Otto Pelka. Mit 4 Lichtdrucktafeln. 8. —
6. Die Darstellung der Anbetung der hl. drei Könige in der toskanischen Malerei
von Giotto bis Lionardo. Von Neena Hamilton. Mit 7 Lichtdrucktafeln. 8. —
7. Die Kirchentür des heiligen Ambrosius in Mailand. Ein Denkmal früh-
christlicher Skulptur. Von Adolph Goldschmidt. Mit 6 Lichtdrucktafeln. 3. —
8. Die Baugeschichte des jüdischen Heiligtums und der Tempel Salomons.
Von Dr. Jakob Prestel. Mit 7 Tafeln auf zwei Blätter. 4. 5o
9. Giottos Schule in der Romagna. Von Albert Brach. Mit 1 1 Tafeln. 8. —
10. Die Anfänge christlicher Architektur. Gedanken über Wesen und Entstehung
der christlichen Basilika. Von Felix Witting. Mit 26 Abbildungen im Text. 6. —
11. Das Porträt an Grabdenkmalen; seine Entstehung und Entwickelung vom
Altertum bis zur italienischen Renaissance. Von Dr. Reifihold Freiherr von
Lichtenberg-. Mit 44 Lichtdrucktafeln. i5. —
12. Die Darstellungen des fra Giovanni Angelico aus dem Leben Christi und
Mariae. Ein Beitrag zur Ikonographie der Kunst des Meisters. Von Dr. Walter
Rothes. Mit 12 Lichtdrucktafeln. 6. —
i3. Die Koimesiskirche in Nicäa und ihre Mosaiken nebst den verwandten kirch-
lichen Baudenkmälern. Eine Untersuchung zur Geschichte der byzantinischen Kunst
im L Jahrtausend von Oskar Wulff. Mit 6 Tafeln und 43 Abb. im Text. 12. —
14. Schnitzaltäre in schwedischen Kirchen und Museen aus der Werkstatt des
Brüsseler Bildschnitzers Jan Bormann. Von Johnny Roosval. Mit 61 Abb. 6. —
i5. Urbano da Cortona. Ein Beitrag zur Kenntnis der Schule Donatellos und
der Sieneser Plastik im Quattrocento. Nebst einem Anhang : Andrea Guardi.
Von Paul Schubring. Mit 3o Abbildungen. 6. —
16. Nicola und Giovanni Pisano und die Plastik des XIV. Jahrhunderts in
Siena. Von Albert Brach. Mit 18 Lichtdrucktafeln. 8. —
17. Donatello und die Reliefkunst. Eine kunstwissenschaftliche Studie von
S. Fechheimer. Mit 16 Lichtdrucktafeln. 6. —
18. Formalikonographische Detail-Untersuchungen. I. Das Taubensymbol
des hl. Geistes (Bewegungsdarstellung, Stilisierung: Bildtemperament). Von
Walter Stengel. Mit 100 Abbildungen. _ 2. 5o
19. Westfranzösische Kuppelkirchen. Von Felix Witting. Mit 9 Abb. 3. —
20. Der anonyme Meister des Poliphilo. Studie zur ital. Buchillustration u. zur
Antike in der Kunst des Quattrocento. Von Jos. Poppelreuter. Mit 25 Abb. 4. —
21. Roger van Brügge, der Meister von Flemalle. Von C. Hasse. M. 8 Tfln. 4. —
22. Die Fresken des Antoniazzo Romano im Sterbezimmer der hl. Catarina
von Siena zu S. Maria sopra Minerva in Rom. Von Adolf Gottschewski. Mit 11
Lichtdrucktafeln. 4- ~
23. Das Tabernakel mit Andrea's del Verrocchios Thomasgruppe an Or San
Michele zu Florenz. Ein Beitrag zur Florentiner Kunstgeschichte. Von Gurt Sachs.
Mit 4 Lichtdrucktafeln. 3. —
24. Emieitende Voruntersuchung zu einer Rhythmik romanischer Innenräume
in der Normandic. Von Wilhebn Pinder. Mit 3 Doppeltafcln. 4. —
26. Die Blütezeit der sienesischen Malerei und ihre Bedeutung für die Ent-
wickelung der italienischen Kunst. Ein Beitrag zur Geschichte der sienesischen
Malerschule. Von Walter Rothes. Mit 52 Lichtdrucktafeln. 20. —
26. Jacques Dubroeucq von Mons. Ein niederländischer Meister aus der Frühzeil
des italienischen Einflusses. Von Robert Hedicke. Mit 42 Lichtdrucktafeln. 3o. —
27. Fiorenzo di Lorenzo. Eine kunsthistorische Studie. Von Siegfried Weber.
Mit 25 Lichtdrucktafcln. 12. —
28. Kirchenbauten der Auvergne. Von Fe/zx fFi7//w^. Mit 9 Abb. im Text. 3. 5o
ZUR KUNSTGESCHICHTE DES AUSLANDES. HEFT 87.
STUDIEN ÜBER LEONARDO DA VINCI
STUDIEN ÜBER LEONARDO DA VINCI
VON
JULIUS LANGE
AUS DEM DANISCHEN ÜBERSETZT
VON
IDA JACOB-ANDERS
MIT 14 ABBILDUNGEN
STRASSE URG
J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL)
19dl
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STüUIt:iN ÜBER LEONARDO DA VINCI.
(1886).
Die letzten Jahre haben sehr wichtige Ausgaben von Leonardo da Vincis nach-
gelassenen Schriften gebracht, vor allem Jean Paul Richters schönes Werk : The lite-
rary works of L. d. V. (London 1884), zwei dicke Bände, enthaltend den italienischen
Text seiner originalen Handschriften mit englischer üebersetzung und ein paar hundert
schöner Heliogravüren nach Handzeichnungen von ihm. Kurz vorher hatte Heinrich
Ludwig die neueste und beste Ausgabe seiner sogenannten «Abhandlung über die
Malerei» (L. d. V., Das Buch von der Malerei, herausgegeben, übersetzt und erläutert
von H. L., Wien 1882. Quellenschriften zur Kunstgeschichte) nach einer alten Hand-
schrift erscheinen lassen, die jedoch nicht von Leonardo selbst niedergeschrieben
ist. Trotzdem die Abhandlung über die Malerei in dieser Gestalt nicht ganz den-
selben authentischen Wert hat wie die originalen Handschriften, die Richter heraus-
gegeben hat, und zum Teil denselben Stoff behandeln, so darf dennoch — was zu
entwickeln hier zu weitläufig wäre — diese Ausgabe nicht unbeachtet bleiben und
kann die geziemende Rücksicht beanspruchen.
Von Leonardos Schriften, die übrigens eine mannigfaltige Anzahl philosophischer,
ästhetischer, naturwissenschaftlicher und technischer Stoffe behandeln, habe ich mit
besonderem Interesse die eine studiert, die sich mit der künstlerischen Darstellung des
Menschen und der menschlichen Gestalt beschäftigt. Manche ihrer Partieen sind ge-
radezu geeignet, eine Aufklärung über seine eigenen, berühmten Kunstwerke zu geben.
Hier soll von seinem Abe n d m ah Isbild die Rede sein: Andere von Leonardos
Aussprüchen geben sehr merkwürdige, allgemeine Gedanken über die Darstellung
der menschhchen Gestalt, Ratschläge und Regeln dafür, die im Hinblick auf seine
ganze Kunst noch größere Bedeutung erhalten. Daher teile ich im folgenden mit, was
mir für einen größeren Leserkreis Interesse zu haben scheint.
L. 1
— 2
Ch. Ravaisson-Molliens angefangene Haiipiausgabe derjenigen seiner
Manuskripte, die sich im «Institut de France» befinden, habe ich bei der Ausarbeitung
nicht zu meiner Verfügung gehabt. Aber ich glaube nicht, daß diese Ausgabe in der
oben angegebenen Richtung etwas SonderHches enthält.
I.
Welche Richtung Leonardos künstlerisches Streben hatte, ersieht man am aller-
besten aus seinem berühmten Gemälde: Das Abendmahl im Refektorium
des Klosters delle Grazie in Mail'and, vollendet in einem der letzten Jahre
des 15. Jahrhunderts.
Es war ganz allgemein üblich gewesen, lange ehe Leonardo sein Bild malte,
die Speisesäle der Klöster mit Christi letzter Mahlzeit mit den Aposteln und — mit
dem Verräter zu schmücken. Und nicht allein kirchliches Herkommen hatte Leo-
nardo den Stoff überliefert; er war ihm, wie alle solche kirchlichen Stoffe, aus der
früheren Kunst in einer gegebenen Form überliefert worden, an die freilich kein
Künstler gebunden war, die aber einen festen Ausgangspunkt für seine Arbeit an
der Idee abgab. Ob dann seine Behandlung dem Thema eine neue Seite abgewinnen
konnte, das bheb seine Sache.
Gerade in der Darstellung des Abendmahls war die Kunst bis zu Leonardos
Zeit sehr konservativ gewesen. Man malte Christus und alle seine treuen Apostel in
einförmiger Reihe an derselben Seite des langen Tisches sitzend, so daß sie alle von
vorn gesehen werden konnten. Die Figuren sitzen jede für sich in gleich großen ge-
genseitigen Abständen; nur Johannes lehnt sich schlafend gegen Christi Brust, indem
die alte Kunst die Worte des Evangeliums (Joh. 13, 23), daß er <zu Tische an der
Brust Jesu saß>, ganz buchstäblich auslegt. In den Mienen ist Trauer ausgedrückt. Frei-
lich können auch Blick oder Handbewegungen der Figuren ein gewisses dramatisches:
Spiel, ein verschiedenes seeUsches Verhältnis zu dem Gedanken an den Verrat zeigen
doch bleibt dieser Ausdruck der Situation sehr zurückhaltend und stört die ruhige
Haltung der einzelnen Personen nicht. Die Hauptbedeutung hat dieser ernsthafte und
würdige Charakter der einzelnen Situationen ; jeder der Apostel könnte für sich asl
Heiligenbild eingerahmt werden. In den mittelalterlichen Gemälden, denen, die aus
dem Jahrhundert nach Giotto stammen (z. B. dem Werk im Refektorium der Kirche
St. Croce in Florenz) ist der Charakter mehr typisch und allgemein, aber auch mit
außerordentlicher Selbständigkeit und Ernsthaftigkeit ausgedrückt; es ist — wieviel
man auch Giotto als Vorgänger der Kunst verdankt — doch noch im wesentlichen
das Prinzip der romanischen oder byzantinischen Kunst, das sich hier geltend macht,
und im weiteren Sinne eine Nachwirkung der antiken Kunst. Die Renaissance — z. B.
Domenico Ghirlandajos Abendmahlsbilder in Ognisanti (1480, Abb. 1) und in S. Marco
— 3 —
— gibt den Gestalten einen meiir realistischen und individuellen Charakter und bringt
etwas mehr dramatische Abwechslung in sie hinein, legt aber doch die Szene als,
Ganzes in der alten Weise zurecht.
In diesen älteren Bildern — denen aus dem Mittelalter und denen aus der
Renaissance — sitzt der Verräter Judas ganz allein für sich an der
entgegengesetzten Seite des Tisches, so daß man ihn zum Teil vom
Rücken sieht. Das hat einen Sinn, solange der Hauptzweck des Bildes ist, zu er-
bauen und in Stimmung zu versetzen durch den reinen, ungestörten Eindruck von
der Würde der heiligen Männer: sollte man Judas in der guten Gesellschaft dulden?
Sollte er in einer Reihe mit den heiligen und treuen Aposteln sitzen? Leonardo ist
anfangs auf diese Kompositionsweise eingegangen, indem er ohne weiteres da zuge-
grifTen hat, wo seine Vorgänger aufhörten. Davon zeugen einzelne gezeichnete Ent-
würfe, die man von seiner Hand besitzt und die sich viel enger an die ältere Kunst
anschließen, als sein eigenes, ausgeführtes Gemälde. Judas sitzt für sich allein den
anderen gegenüber, und Johannes ist schlafend dargestellt ' .
Aber indem Leonardo sich das Ereignis vergegenwärtigte und darüber nachdachte,
wie es sich allgemach entwickelt hat, und als er sich in der Phantasie in das eigene,
subjektive Leben der Personen hineinversetzte, sie selbst fühlen und handeln, sich ihren
Platz wählen ließ, muß es ihm einmal — vermutlich ziemlich spät — klar geworden
sein, wie ungeheuer naiv die frühere Kunst sich doch eigentlich betragen habe, da
sie Judas einen Platz für sich, allen anderen gegenüber, angewiesen hatte. Denn
wenn Judas — als ein lebender Mensch gedacht — sich schon durch den von
ihm gewählten Platz, als aus dem Kreise der anderen ausgestoßen betrachtete, dann
hat er ja selbst im voraus seinen Verrat angezeigt, so daß jeder sich vor ihm
hüten kann, und dann ist er gewissermaßen kein Verräter mehr. Nein, das hat
keinen Sinn, wenn es nicht nur darauf ankommt, einige erbauhche und würdige
Figuren auf eine Wand zu malen, sondern einen lebhaften Verkehr unter diesen
Menschen zu schildern. Der große Wendepunkt in Leonardos Arbeit an dieser Idee
tritt mit dem Augenblick ein, als er Judas an die andere Seite des Tisches ver-
setzt, ihn als Apostel mitten unter all den anderen weilen läßt, die von dem Verrat
' So namentlich auf der Rotkreidezeichnung in der Akademie zu Venedig,
wiedergegeben bei Richter I, PI. XLV (Abb. 2). Diese Zeichnung, deren Echtheit
über allen Zweifel erhaben ist, ist offenbar die älteste Vorstudie zu dem Bilde, die man
bisher kennt. Darauf folgen, wie es scheint, ein paar äußerst flüchtige Federstriche
auf einem Blatt in Windsor Castel, Richter I, PI. XLV. Auch hier hat Judas seinen
Platz auf der anderen Seite des Tisches. Die flüchtige, aber schöne Federzeichnung
im Louvre, Richter I, 297, enthält freilich etwas, das durchaus nichts mit dem Abend-
mahl zu tun hat und anderes, das nicht unmittelbar mit ihm zusammenhängt, aber
auch einige Figuren, mit denen nichts anderes gemeint sein kann, als Christus, der
das Brotstück reicht und Judas. Die Figuren sind einzeln, ohne Zusammenhang ge-
zeichnet; aber hier scheint Leonardo sich doch Judas mit Christus auf einer Seite
sitzend gedacht zu haben. Diese Skizze zu Judas ist höchst genial ; er legt die Eflen-
bogen auf den Tisch vor sich und hält die Hände an die Wangen wie ein Paar
Scheuklappen, hinter denen man den schuldbewußt starrenden Blick ahnt.
— 4 —
keine Ahnung haben, den er selbst sorgfältig in seinem bösen Gewissen verbirgt.
Dann erst schlägt Christi Wort : «Einer unter euch wird mich verraten, > wie ein
Blitz bei ihnen allen ein, bei den Treuen, wie bei dem Verräter selbst, wie ein großes
Rätsel, das eine unvergleichliche psychologische Fülle an Ausdrücken entwickelt.
Ein einzelner Zug des ausgeführten Gemäldes zeigt, wie lebhaft Leonardo sich
gerade dieses Inkognito Judas' vorgestellt hat. Judas hat seinen Platz bei Tisch zwischen
Petrus und Johannes, die Christu.s zunächst sitzen. Die erste Wirkung, die Christi
Worte auf den jähzornigen Petrus geübt haben, ist die, daß er unwillkürlich nach
dem Messer greift — kein Tischmesser, sondern eine Waffe, dasselbe große Messer,
das er später gegen den Diener des Hohepriesters gebraucht — um den Verräter
niederzustoßen. Aber die Hitze des ersten Augenblickes wird gedämpft, da er nur
nicht weiß, wer es entgelten soll, wer der Verräter ist, daß es zufällig sein Neben-
mann ist. Nun muß er Näheres wissen und setzt sich hinter Judas' Rücken mit Jo-
hannes in Verbindung, indem er ihm die Hand auf die Schulter legt und ihm zuflüstert,
er solle den Meister fragen. Judas stößt ihn zur Seite gegen den Tisch ; er achtet
ihn gar nicht und hat ihn wohl außerdem nie leiden können. Mit seiner rechten
Hand, die Judas berührt, hält er noch das Heft des Messers, wendet aber doch die
gefährliche Messerklinge von ihm ab, wie es jeder tun würde, der in Gesellschaft anderer
sich unwillkürlich davor in Acht nimmt, ihnen Schaden zuzufügen.
Freilich scheint anderen der Apostel eine bestimmte Ahnung aufzugehen, wen
Christus mit seinen Worten meint, z. B. dem vorletzten rechts, der den Zweifel und
das Staunen seines Nebenmannes damit beantwortet, daß er geheimnisvoll mit seinem
Daumen rückwärts, in der Richtung von Juda.s deutet, oder des vorletzten links
(<Jakobus>), der seinem Nebenmann Andreas seinen Verdacht ins Ohr zu flüstern
scheint. Aber für all die anderen kommen Christi Worte wirklich wie ein Blitz
aus dem heiteren Himmel. Sie haben für jeden einzelnen aus der Gesellschaft den
gleichen Klang, üben aber, je nach dem Charakter und den Voraussetzungen eine
verschiedene Wirkung aus. Sie erregen die reinste Ueberraschung, wie bei jenem
am Tischende links («Bartholomäus»), der sich erhebt, beide Handflächen auf den
Tisch stützt und sich vorbeugt, indem er mit scharf gerunzelten Brauen vorwärts
starrt, wie um zu fragen, ob er richtig gehört habe; bei anderen w^chreeken, wie bei
dem alten Andreas, der die beiden Handflächen mit den gespreizten Fingern vorge-
streckt hat; oder Neugier zu erfahren, wer gemeint ist («Thomas>), oder Zweifel
(«Simon»), oder das sichere Vertrauen, das den Zweifel abweist («Matthäus»). Endlich
die tiefe, stille, schmelzende Trauer in dem liebevollen Herzen des jungen Johannes;
er faltet die beiden Hände auf dem Tisch und neigt den Kopf zur Seite, wie in weib-
licher Nachgiebigkeit gegen den Kummer: daß es soweit kommen mußte! Und in all
den Ausdrücken sind die Gefühle menschlich gemischt, nicht rein und abstrakt aus-
gesondert. Eine merkwürdige Ausdrucksmischung zeigt der Kopf Jakobus des Aelteren,
der Christus zunäch.st, links von ihm, sitzt. Die Miene ist fast qualvoll verzogen und
der Blick scharf fragend auf Christus gerichtet, mit plötzlicher Ueberraschung, voll
Kummer und Bedauern, fast Ekel, wie bei einer widerwärtigen Vorsteflung, der
— 5 —
Raum zu geben die Seele sich weigert, und in zögerndem Zweifel, der das Wort erst
noch einmal bestätigt hören wilP.
All dies entwickelt sich erst aus Judas' Inkognito und, in Verbindung damit,
aus dem Umstände, daß Christus als Verräter nur «einen unter euch», aber
keinen Namen nennt. Die merkwürdigste Folge hiervon ist jedoch die, daß einzelne
der Apostel im ersten Augenblick Christi Worte auf sich selbst zurückfuhren. Nicht
gerade, daß ihr Gewissen sie anklagt; aber sie werden bis ins innerste Herz beun-
ruhigt, ihr ^ Allgemeingewissen» fühlt, was ihr Meister sagt. Es steht im Evangelium
Matthäi (26, 22), daß die Apostel über Christi Worte äußerst betrübt waren und be-
gannen, jeder für sich, zu ihm zu sagen: «Herr, bin ich's?>
Für das Verständnis der tiefen psychologischen Andeutung, die hierin liegt, ist
Leonardo der rechte Mann gewesen ; aber er hat sie weise auf ein paar der Figuren
beschränkt. Der Alte am Tischende rechts («Simon») ^ fühlt sich gleichsam in seinem
Ehrgefühl verletzt und streckt seine Hände aus, wie um zu fragen, ob jemand sagen
könne, daß Hände wie diese mit Verrat beschmutzt sein sollten. So wirken Christi
Worte auf den Alten, der sich der Redlichkeit und Treue eines langen Lebens be-
wußt ist. Aber einer der jüngsten, Philippus^ ein weicher, fast weiblicher Charakter
wie Johannes, erhebt sich vom Tisch, beugt sich gegen Christus vor und berührt
mit den Fingerspitzen seine Brust, als sei der Zweifel eine marternde Waffe, die in
sie eingedrungen. Es ist, als flehe er Christus an, ihn zu reinigen, ihm eine Bestä-
tigung seiner Unschuld zu geben.
Inmitten dieser heftigbewegten Wellen sitzt Christus selbst wie ein ruhiger Fels.
Er legt die linke Hand geöffnet, mit der Innenfläche nach oben, auf den Tisch, in
dem er hiermit ihnen allen das traurige Faktum gleichsam vorlegt. Die rechte Hand
ruht auch auf dem Tisch, aber mit der Innenfläche nach unten und die Finger ein
^ Ich habe diesen Ausdruck nicht nach dem Kopf auf dem Gemälde geschildert,
der gerade hier sehr verdorben und übermalt ist, sondern nach einer Zeichnung
Leonardos in der Sammlung des Louvre (Abb. 3), photographiert und herausgegeben
von Ad. Braun (vgl. Catalogue general des photographies etc. par Ad. Braun, Paris
1S82, S. 305, Nr. 195). Ich habe nicht bemerkt, daß andere diesen Kopf auf «das
Abendmahl > zurückgeführt haben ; aber es erscheint mir infolge seines Ausdruckes
und Charakters ganz zweifellos, daß er eine Vorstudie zu einem der Apostelköpfe ist,
und zwar zum Kopfe Jakobus des Aelteren.
^ Auch bei diesem Kopf habe ich weniger das sehr verdorbene Gemälde vor
Augen gehabt als eine von Leonardos Zeichnungen : ein Greisenkopf, das Profil links,
völlig kahlköpfig und bartlos (in den Uffizien Abb. 1). Ich weiß wohl, daß der ent-
sprechende Kopf auf dem Gemälde einen Bart hat, aber Charakter und Ausdruck des
gezeichneten Kopfes entsprechen durchaus dem Simons auf dem Gemälde.
' Die Art, in der die Tradition die Namen der Apostel unter Leonardos Figuren
verteilt hat, entbehrt wohl jeder wirklichen Berechtigung, natürlich abgesehen von
den bekanntesten Namen: Johannes, Petrus und vielleicht auch Andreas und den
älteren Jakobus. Auf der Rotstiftzeichnung in Venedig hat Leonardo selbst die Figuren
mit Namen versehen, aber die Sache so leicht genommen, daß der Name Filippo
zweimal vorkommt. Im ganzen entsprechen die Namen dort nicht denen, die man für
das Gemälde angenommen hat.
— 6 -
wenig über der Tischplatte erhoben — es ist gleichsam ein Zugeständnis an die
anderen, daß er ihren Schmerz, Zweifel und ihr Staunen vollauf versteht ; aber —
sagt dann wieder die andere offene Hand — so ist es, und es kann nicht widerrufen
werden. Christus ist hier als derjenige aufgefaßt, dessen Bewußtsein das aller
anderen umfaßt. Sowohl das böse Gewissen des Verräters wie das gute, aber be-
unruhigte der Getreuen. Er weiß, was geschehen ist und was geschehen wird, und er
wählt selbst seinen Augenblick. Seine Ruhe und Ueberlegenheit über die Situation
ist vorzüglich gekennzeichnet durch die schlichte Symmetrie in den Linien der Figur,
die sich klar von der Türöffnung im Hintergrund abhebt. Doch die Symmetrie ist
nicht hart und steif: in der leichten Neigung des Kopfes nach der linken Seite, und
in dem wehmütigen, schmerzlichen Antlitz mit den gesenkten Augenlidern äußert
sich die tiefe, menschliche Klage, darüber, daß es so sein muß'. Judas fährt zurück,
als er Christi Worte hört, er sieht mit unverwandtem, gleichsam festgenageltem Blick
auf den, der plötzlich sein wohlbehütetes Geheimnis offenbart, aber die Börse, die
zugleich mit dem gemeinsamen Eigentum auch den Lohn des Verrats birgt, zieht
er unwillkiirhch zu sich heran: soll er den Kreis verlassen, dann soll sie ihm folgen.
Die andere Hand schiebt er unsicher und zitternd Christi Hand entgegen ; er fragt ja
auch: bin ich es? Obwohl in einem anderen Geiste als die anderen. Judas' scharfes
Profil erscheint sehr dunkel gegen die Farbe von der es sich abhebt; das ist zum
Teil eine Folge der Beleuchtung des ganzen Raumes, teils des Umstandes, daß er
wirklich dunkel ist und eine braune Hautfarbe hat. Doch im übrigen mußte Leonardo
notgedrungen, infolge des Gedankenganges, der ihn zu seinem Resultat führte, sich
dessen bewußt sein, daß alle naiven und äußedichen Mittel um die schwarze Seele des
Judas zu kennzeichnen, hier vermieden werden mußten; denn wie konnte er unbekannt
sein, wenn ihm der Stempel des Verräters deutlich aufgedrückt war? Darin liegt
ein ungeheurer Fortschritt in der Richtung wahrer und feiner psychologischer Kunst,
besonders gegenüber den mittelalterlichen Gemälden, auf denen die Gestalt des Judas
von den übrigen abgesondert, sogar in kleinerem Maßstabe gehalten ist als die anderen.
Sowohl auf Leonardos Gemälde wie auf der noch erhaltenen Handzeichnung (Abb. 5),
die eine Vorstudie zu Judas" Kopf ist, zeigt der Kopf einen bei Leonardo häufigen
Typus mit scharfen Zügen, krummer Nase, vorstehendem Kinn usw. Auf der Zeich-
nung ist die böse, gierige Seele nur schwach charakterisiert. Das Gemälde weicht
etwas von der Zeichnung ab: die Stirn ist niedriger, das schwarze Haar dicker,
buschiger, der Ausdruck düsterer ^ Die Entwicklung, die Leonardo in dieser Arbeit
^ Den berühmten in Pastell gezeichneten Christuskopf in der Brera-Galerie
zu Mailand erklärt Richter für dermaßen retuschiert und überzeichnet, daß man nicht
mit Sicherheit sagen könne, ob er ursprünglich von Leonardo sei oder nicht. Richter
hat freilich guten Grund zu einer Warnung vor dem früheren oft blinden Zutrauen
zu dieser Zeichnung ; aber er scheint uns sein Mißtrauen all zu weit zu treiben, wenn
er gar nicht anerkennen will, daß in dieser Zeichnung etwas für Leonardo Tyi)isches
erhalten geblieben ist.
- Vasaris alte Geschichte, daß Leonardo den Pi'ior des Klosters porträtiert haben
sollte, muß als aus Diskussionen entstanden betrachtet werden. Die Zeichnung des
zurücklegt, hat denselben Weg genommen, den die bildenr' Kunst immer in der
Darstellung des Menschen nimmt, wo sie wirklich in der Entwicklung begriffen ist;
Leonardo ist diesen Weg gegangen, nicht weil er seine allgemeine Gültigkeit gekannt
hat, sondern kraft eines intensiveren und tieferen Verhältnisses zu dem Thema, das
er darstellen w^ollte. Er hat weit kräftiger als seine Vorgänger obj ektiviert,
von sich, dem betrachtenden Künstler, selbst, unabhängiger gesehen, daß seine Gestalt
ihr eigenes Leben lebte. Dadurch hat er dargetan, daß er tiefer in die Subjekti-
vität seiner Personen, ihre inneren Eingebungen und sich daraus ergebenden Hand-
lungen eindrang. Er hat jeder der Figuren ihren Charakter, ji h r e Subjektivität
gegeben, und sie dadurch erst recht voneinander befreit; aber er hat ihre Subjek-
tivität gerade dadurch hervorgehoben, daß er ein reicheres gegenseitiges Verhält-
nis schuf, nicht allein das gemeinsame Hauptverhältnis zur Mittelfigur Christi schilderte,
sondern sie auch in allerhand Mebenbeziehungen untereinander brachte. Er hat einen
lebendigen Verkehr geschaffen ; und dieser bringt stets den Ausdruck am reich-
sten und stärksten in Bewegung. Und diese Bewegung wird davon bedingt, daß er
den Augenblick akzentuiert hat, den einzelnen Punkt in der Kontinuität der Zeit,
einen Augenblick, in dem sich alles anders formt als vorher oder nachher. Leonardo
konnte das Momentane, das Zeitweise stark betonen : Im Abendmahlsbilde ist die Kom-
position nicht so rasch in ihrem Fluß, reißt nicht den Charakter dermaßen in die
Leidenschaft hinaus, er behält vielmehr größere Tiefe und einen reicheren Inhalt,
Während diese ganze Entwicklung wie gesagt den ewigen Weg der Kunst bezeich-
net, läßt sich kaum ein einzelnes Werk nachweisen, das auf einmal einen so großen
Fortschritt bezeichnet. Alles ist hier umgeschaffen. Welche Kraft hat nicht zu einem
solchen Durchbruch gehört! Es ist dieses außerordentliche Quantum gebundener Kraft,
welches das Bild als Kunstwerk so sehr wertvoll macht. Bahnbrechende Werke sind
stets die besten.
Noch eine andere Erscheinung zeigt sich hier, eine, die mit der neuen und reichen
Auffassung des menschlichen Verkehrs zusammenhängt, nämlich die Art, wie die
Apostelfiguren durch ihre Linien und Massen sich zu je drei und drei in Gruppen
sammeln. Es ist sicherlich das erstemal seit der reifsten Periode des Altertums, daß
die Plastik oder Malerei eine durchgeführte und wirklich künstlerische Gruppen-
komposition geliefert, zwei oder drei Figuren ' zu ] rhythmischen Einheiten für
das Auge gesammelt hat. liier besteht wirkUch eine AehnUchkeit zwischen dem,
was Leonardo in der neueren Kunst ausrichtete, und dem was Phidias im
Altertum in der Komposition der Giebelfelder des Parthenon leistete. Im Vergleich
zu den älteren Abendmahlsbildern gewährt diese Kompositionsweise gleichzeitig
Abwechslung und Ruhe und schnellen Ueberblick ; sie gewährt auch der rein
äußeren Auffassung einen Eindruck des Verkehrs zwischen den Gestalten. Und
Judaskopfes in der Bibliothek des Schlosses zu Windsor ist in Richters Werk I, PI. L
wiedergegeben. In derselben Sammlung befinden sich Leonardos eigenhändige Studien
zum Kopfe des Matthäus (Richter].
doch ist hier nur von etwas ganz Aeußerhchem die Rede : die körperliche Nähe
unter den Figuren und der rhythmische Zusammenhang in ihren Linien bezeichnet
zuweilen eine vollkommene Entferntheit in seelischer Beziehung, was man besonders
aus der dichten Gruppe ersehen kann, die von Johannes, Petrus und — Judas
gebildet wird. Das innere dramatische Zusammenspiel kreuzt und durchfährt die
plastischen Gruppen auf mancherlei Art : Blicke, Mienen, Handbewegungen bilden
telegraphische Leitungen zwischen den verschiedenen Gliedern der Komposition. Und
doch formt alles in diesem Bilde, so durchdacht es in jeder Einzelheit ist, sich mit
vollkommener Natürlichkeit, was Leonardo nicht immer glückt. Seine vollendet kunst-
volle Gruppierung erhielt von nun an einen großen Einfluß auf die Kompositions-
weise der italienischen Kunst, vor allem auf Fra Bartolommeo in Florenz und, teils
durch diesen, teils unmittelbar auf Raphael.
Wie Leonardo ein solches Resultat wie das Abendmahlsbild erreichte, darüber
geben uns seine Notizen und gezeichneten Studien einigen Aufschluß, freilich im Vergleich
zu dem, was vorhanden gewesen ist, ist uns sehr wenig erhalten geblieben, und nichts,
was mit dem biblischen Vorwurf des Werkes im besonderen Zusammenhang sieht. Es liegt
überhaupt kein Grund zu der Annahme vor, daß er Bibelstudien in weiterem Umfange
gemacht habe, obwohl es einleuchtend ist, daß er, um die Tradition zu durchbrechen,
auch einen scharfen und tiefen Einblick in die Erzählung vom Abendmahl, wie sie in
den Evangelien steht, tun mußte. Dagegen hat er — ganz wie bei der * Schlacht von
Anghiari> — im wirklichen Leben, in seiner Umgebung sich jeden Zug gemerkt, der ihm
dienlich sein konnte, indem er hier wieder sein Thema generalisiert, es in breitere
Gewöhnlichkeit aufgefaßt hat. Es gehörte überhaupt zu seiner Methode, Ausdruck
und Wesen der Leute zu beobachten, wenn sie miteinander sprachen und wenn sie
zuhörten. Eine seiner Aufzeichnungen ' beschäftigt sich mit der Darstellung eines
Menschen, der inmitten mehrerer Personen spricht, und enthält verschiedene feine
mimische Beobachtungen, von denen manche an das Abendmahlsbild erinnern. Ein
gezeichnetes Blatt in der Louvresammlung (Abb. (>), das wir oben angeführt haben ^,
enthält Skizzen plaudernder Personen, namentlich eine vorzügliche Studie zu einem
lebhaften, animierten Tischgespräch; die Figuren sind nackt abgebiUet. Sie sollen
keine Apostel darstellen, und es ist klar, daß nicht von so ernsthaften Dingen wie
vom Abendmahl die Rede ist; aber daß Leonardo trotzdem bei dieser Studie an das
Abendmahl gedacht hat, kann man mit ziemlicher Sicherheit daraus ersehen, daß
auf demselben Blatt Figuren von Christus und Judas am Abendmahlstisch skizziert
sind.
Eine von Leonardos Aufzeichnungen beschäftigt sich gleichfalls mit einem Tisch-
gespräch. Sie lautet: «Jemand, der im Begriffe war zu trinken, aber das Glas auf
seinem Platze stehen heß und den Kopf nach dem Sprecher umwandte. Ein Anderer
flicht die Finger beider Hände zusammen und wendet sich mit einem strengen
' Richter I, Nr. 594.
■^ Wiedergegeben bei Richter I, p. 297.
— 9 —
Blick an seinen Nebenmann. Wieder ein Anderer öffnet die Hände und zeigt ihre
inneren Flächen, hebt die Schultern zu den Ohren empor und verzieht erstaunt den
Mund (Ca la bocca della maraviglia) '. Ein Anderer sagt einem Nebenmann etwas
ins Ohr; dieser wendet sich zu ihm um und neigt ihm das Ohr zu, indem er ein
Messer in der einen Hand und das mit dem Messer halb durchgeschnittene Brot in der
anderen hält ; der zunächst Sitzende wendet sich mit einem Messer in der Hand um
und wirft mit dieser Hand ein Glas auf dem Tisch um. Der Nächste legt die'Hände
auf den Tisch und betrachtet sie; der Nächste bepustet seinen Bissen; der Nächste
beugt sich vor, um den Redner zu sehen und beschattet die Augen mit der iland;
der Nächste rückt hinter den Vorgebeugten und blickt zwischen ihm und der Wand
zum Redner hin.=^
Man kann aus dieser Aufzeichnung viel lernen, wenn man sie nui recht versteht.
Es ist ja klar, daß sie durchaus nicht direkt vom Abendmahlsbilde handelt : wie
sollte Leonardo darauf kommen, den Namen Christi mit dem Worte der «Redner»
(il proponitore) zu umschreiben ? Auch hat er nicht mit einer Silbe angedeutet, was
im Abendmahl gesprochen wird, nicht einmal von dessen ernsthafter und ergreifender
Stimmung. Das Ganze sind nur Beobachtungen eines gelegentlichen Tischgespräches,
bei dem hauptsächlich einer das Wort führt und eine überraschende Mitteilung macht".
Ein einzelner dieser Züge — jener, der einen Bissen «;bepustet> - hat sogar
einen derart alltäglichen Charakter, daß er schlecht in ein so ernsthaft bewegtes
Thema wie das Abendmahl passen würde. Muß man deshalb gegen eine allzu direkte
Anwendung dieser Notiz auf Leonardos berühmte Komposition protestieren, so muß
man nichtsdestoweniger zugeben, daß die Notiz zweifellos wirklich eine Vorstudie
zum Bilde ist, nämlich indirekt, in ähnlicher Weise wie die oben erwähnte ge-
zeichnete Skizze eines Tischgespräches. Die Figur des Andreas auf dem Abendmahls-
bilde gleicht auch so sehr der Person mit den seitlich geöffneten Händen, den hoch-
gezogenen Schultern und dem verwunderten Mund, daß sie Beschreibung und Bild
verbindet.
* Welche Miene hiermit gemeint ist, darüber erhält man Aufklärung in dem
oben angeführten Stück, das davon handelt, «Jemand darzustellen, der inmitten
mehrerer Personen spricht». Dort liest man folgendes: «Du mußt irgend einen alten
Mann aus Verwunderung über das Gehörte die Mundwinkel ht'rabziehen lassen, so
daß sich viele Falten in den Wangen bilden, und mit den Augenbrauen über der
Nase hochgezogen, so daß viele Falten in der Stirn entstehen >.
^ Die Ausdrucksweise am Anfang des Stückes, die Anwendung der Vergangen-
heitsform («Einer der im Begriff war> usw.) deutet darauf hin, daß Leonardo be-
gonnen hat, eine einzelne wirkliche frische Beobachtung niederzuschreiben. Indem
er dazu übergeht, die Gegenwartsform anzuwenden, hat er wohl eine freiere Vor-
stellung oder Beobachtung benutzt
— 10 —
II.
/ Leonardo erhebt an mehreren Stellen in seinem Trattato della pittura^
■ den bestimmten Anspruch an den Maler, daß er universal sei; es ist nicht
/ genug, daß er nur ein einzelnes Ding gut machen könne, wie eine nackte Figur, oder
einen Kopf, oder ein Gewand, oder Tiere, oder Landschaften, wenn er das Andere
schlecht macht; das paßt nicht zu der Würde der Kunst. Selbst der wenig Begabte
kann lernen, eine einzelne Sache gut zu machen, wenn er sich unablässig gerade
mit dieser abgibt. Aber man bedenke, schärft Leonardo ein, daß die Malerei all die
Dinge umfaßt, welche die Natur erzeugt und welche der Mensch daraus herstellt. Die
mildtätige Natur hat ja dafür gesorgt, daß man überall etwas nachzuahmen findet.
Welchen Reichtum an wechselseitiger Verschiedenheit bietet nicht allein die Art des
Menschen zu existieren dar! Und welch ein Unterschied in der Welt der Tiere,
der Bäume, der Kräuter, der Blumen, und in der Landschaft, zwischen Gebirgen
und Ebenen, Quellen, Flüssen, und wieder zwischen Städten, öffenthchen und pri-
vaten Gebäuden, Werkzeugen zum menschlichen Gebrauch, Gewändern, Schmuck-
sachen, Kunstarbeiten. Der gute Künstler, dessen Seele wie ein Spiegel sein soll,
der das Bild der gesammelten Welt aufnimmt, muß es verstehen, all diesen Dingen
gerecht zu werden. Aber das ist uno tristo maestro, der nicht weiter
gekommen ist als auf einem einzelnen Gebiet etwas Gutes zu leisten.
Solche Aussprüche, die wir hier nach Leonardos eigenen Worten angeführt haben,
und die von seiner Seite gewiß nicht zu den leichthingeworfenen gehörten, stehen
in einem gewissen Gegensatz zu der in der italienischen bildenden Kunst, wenn auch
nicht allein herrschenden, so doch stark vorherrschenden humanistischen
Richtung, ihrer entschiedenen Vorliebe für die Darstellung und Verherrlichung des
Menschen. Spezialisten auf anderen Gebieten der bildenden Kunst, z. B. Land-
schaftsmaler, Blumenmaler, Tiermaler usw. gab es ja damals noch nicht; dagegen
gab es italienische, besonders florentinische Künstler, die mit ausgesprochener Ein-
seitigkeit die menschliche Gestalt zum fast ausschließlichen Gegenstand ihrer Kunst
machten. Zweifellos galt Leonardos Polemik dieser Richtung, die mit Michelangelo
ihren Höhepunkt erreichte. Indem er sich von ihr entfernt, nähert er sich, wie es
scheint, der zeitgenössischen oder eigenthch vorhergehenden niederländischen Kunst.
Wenn einer der Forderung durchaus beigestimmt hätte, die Malerei solle ein Spiegel
der ganzen sichtbaren Umwelt sein, so wäre es wahrscheinhch Jan van Eyck ge-
wesen.
Damit steht in Verbindung, daß Leonardo in seiner Theorie der Malerei vor der
Skulptur und den anderen Künsten in begeisterten Worten den Vorrang gibt, in-
dem er betont, daß die Malerei viel mehr Aufgaben biete, als die Bildhauerei ^ Auch
darin hätten die Niederländer ihn sich zu Nutze machen können, während Michel-
' Richter I, Nr. 4!J9, 500, 503, 504, 505, 506.
2 Richter I, 652—655. Besonders in 655 vergleicht Leonardo die Malerei mit
der Skulptur.
- 11 —
angelo bekanntlich mit der ihm eigenen Nachdrücklichkeit erklärte: die Skulptur sei
piu nobile als die Malerei; er ignorierte dabei alle die Aufgaben derselben, die mit der
menschlichen Gestalt nichts zu schaffen haben ' .
Leonardo war überhaupt in die Mannigfaltigkeit der Welt verliebt und hätte um
keinen Preis auch nur das Geringste davon missen mögen. Gedenkt man seiner
Forschung und Arbeit in ihrem ganzen Umfange, in aller möglichen Naturerkenntnis
und Technik, dann begreift man es umso besser, daß er, der vielseitigste von allen
Menschen, auch auf dem Gebiete der Kunst für die Sache der Universahtät eintreten
mußte. Wohin er sich in der Welt wandte, gab es eine Frage und eine Aufgabe
für ihn. In seinen Schriften spricht er ausführiich über die Darstellung von Staub
und Rauch, von Lichtwirkungen und Horizonten, von Wolken und Pflanzen usw.
Auch in seiner eigenen Wirksamkeit als ausübender Künstler finden sich einzelne
Züge, die seinem Programm durchaus entsprechen. Man lese z. B. Vasaris Lob-
preisung des Kartons von Adam und Eva im Paradiese, den Leonardo in seiner
Jugend Grau in Grau ausführte ; Vasari geht, merkwürdig genug, auf die Figuren in
diesem Werk nicht genauer ein, sondern verliert sich ganz und gar in dem Entzücken
über die Behandlung der Pflanzenwelt, die Wiedergabe der mannigfachen Kräuter,
die Zeichnung und Verkürzung des Laubes am Feigenbaume, die Rundung der Zweige
am Palmbaume. Ebenso preist Vasari an einem anderen Werk, das er auf Leonar-
dos Jugend zurückführt, einem Madonnenbild im Besitz Papst Clemens' VII., ganz
besonders die unvergleichliche Ausführung einer Nebensache, einer Glasvase mit
Blumen und Tautropfen. Derartige Zuge zeigen wirklich eine gewisse Üeberemstim-
mung mit dem nordischen Naturalismus : man muß unwillkürlich an Quinten Massys
oder Holbein denken, und man ahnt schon die kommende Zeit, die aus solchen Auf-
gaben selbständige malerische Vorwürfe ableitet. Von all den künstlerischen Auf-
gaben, die nicht direkt das Menschliche betreffen, war es besonders eine, die für
Leonardo der Gegenstand emsigsten Arbeitens und Studierens bildete, sowohl pla-
stisch, wie malerisch und wissenschaftlich: nämlich die Darstellung des Pferdes,
wie wir es früher bei einigen seiner größten Schöpfungen gesehen haben, seinen
Reitermonumenten und dem Karton von der Schlacht bei Anghiari.
Ein merkwürdiges Schicksal hat es nun so gefügt, daß gerade all jene Arbeiten,
in denen sein Interesse für die Pflanzen- und Tierwelt, überhaupt das Nicht-mensch-
liche klar zutage trat und so glänzendes Zeugnis für sich abgelegt hatte, der Nach-
welt verloren gegangen sind; nur spätere Reproduktionen oder Leonardos eigene
1 Siehe Michelangelos Brief an Benedetto Varchi aus Rom 1549 (Milanesi
Lettere di Michelagniolo, 522; mein Buch : Die bildende K u n s t, S. 93) . . .
Michelangelo meint mit seinen groben Worten : ^Wenn der Mann, der da geschrieben
hat, daß die Malerei der Bildhauerkunst vorzuziehen sei, sich ebensogut auf die
anderen Dinge verstand, die er geschrieben hat, dann könnte meine Köchin besser
darüber geschrieben haben >, gewiß keinen Geringeren als Leonardo da Vinci, gegen
den er von altersher sehr unfreundliche Gesinnungen hegte und dessen Autorität ihm
ein Dorn im Auge war.
- 12 —
gezeichnete Entwürfe (Abb. 7) könnon uns von ihnen eine Vorstellung geben. Wie
Leonardos Produktion jetzt vorliegt, nicht allein in den v^enigen uns erhaltenen
Gemälden, sondern auch in den vielen Handzeichnungen, tritt er, ganz ebenso, wie
z. ß. Raphael als Darsteller des Menschen auf. Für unsere Zeit liegt die Be-
deutung seiner Produktion überwiegend auf diesem Gebiet. Es ist ihm von altersher
hoch angerechnet worden, wie vorzüglich er das Tischtuch auf dem Abendmahlsbilde
gezeichnet hat — aber darüber können doch die Meinungen nicht geteilt sein, daß
sein Name durch seine Darstellung Christi und der Apostel in ganz anderer Weise in
die Kunstgeschichte eingetragen worden ist. Und wenn wir auch alle geziemende Rück-
sicht darauf nehmen, was man von seinen verlorengegangenen Werken weiß, so
zeigt sich seine Hauptaufgabe trotzdem deutlich genug als der Mensch und das Mensch-
liche. Das beweisen auch seine Schriften über die Kunst, von wie vielen anderen
Dingen sie auch handeln. Er war doch zuguterletzt ein Vollblut-Italiener und hatte
mit Michelangelo viel mehr Aufgaben gemein als mit van Eyck. So charakteri-
stisch jene in seinen Notizen enthaltenen Forderungen auf Universalität in der Kunst
für ihn sind, sie auf seine eigene künstlerische Tätigkeit anzuwenden, ist immerhin
etwas gewagt. Hält man sich nur an ihren Wortlaut, so ergibt dieser eine Ansicht,
die von den Tatsachen, seinen Werken, nicht bestätigt wird. Seine Aufzeichnungen
sind wohl eher ein Produkt vorauseilender Gedanken, als ein Programm für eigenes
Schaffen. Leonardos Seele war in Wirklichkeit nicht der ruhige, passive Spiegel der
Umwelt: das ist ein Vergleich, der weit besser für die Niederländer paßt. Er griff
die Aufgaben mehr aktiv, in vielen einzelnen Richtungen, an. Die Malerei war
für ihn «eine subtile Erfindung», die mit philosophischer und subtiler Spekulation
alle charakteristischen Formen betrachtet: Meere und Länder, Pflanzen und Tiere,
Kräuter und Blumen, all das, was von Licht und Schatten umgeben ist, und deshalb
ist sie in Wahrheit Wissenschaft, die legitime Tochter der Natur, und mit Gott ver-
wandt'. Er durchdrang die ruhige Fläche des Phänomens mit der ihm eigenen un-
vergleichlichen Tiefe und Feinheit des Verständnisses, seine selbstgewähllen Aufgaben
mochten nun die verschiedensten Gebiete berühren: die Psychologie und Physignomik
des Menschen, oder sonst einer anderen organischen Gestalt der Natur, das Spiel
des Lichtes im Wasser oder im Glase. Er erreichte infolge ausdauernder Arbeit
ein Resultat, das seine Zeitgenossen stutzen machte, sie auf ein höheres Niveau er-
hob, auch wo es sich nur um Unvollendetes handelte. Inzwischen war er selbst
wieder verschwunden, in eine neue Aufgabe vertieft. Was ihm selbst zu vollenden
nicht vergönnt war, das konnten, so dachte er, die kommenden Geschlechter tun.
' Richter, 652.
— 13 - ■
III.
Wir betrachten also Leonardo, nicht aHein im Anschluß an unsere en^er
gewählte Aufgabe, sondern im Hinblick auf seine eigenen künstlerischen Ziele, als
Darsteller des Menschen. Aber der erste Charakterzug, auf den wir innerhalb des
engeren Gebietes stoßen, ist hier wiederum sehie Forderung der Universalität.
Er Hebt das Verschiedenartige und ist sehr auf dem Posten gegen das Einförmige.
Das war ein Naturzug bei ihm, eine Leidenschaft. Vasari erzählt : wenn Leo-
nardo merkwürdige Köpfe sah, mit wild und frei wachsendem Haar und Bart, dann
fühlte er sich dermaßen davon angezogen, daß er einem solchen Menschen, der ihm
recht gefallen hatte, einen ganzen Tag folgen konnte. Er prägte sich eine solche
merkwürdige Physiognomie derart ins Gedächtnis ein, daß er sie nachher, heimge-
kehrt, zeichnen konnte, als ob er sie noch vor Augen hätte. Von dieser Sorte zeich-
nete er viele Köpfe, Männer und Frauen. Vasari besaß selbst in seiner Sammlung
verschiedene solcher Federzeichnungen und führt außerdem eine Kohlezeichnung an,
einen sehr schönen Greisenkopf \ Amerigo Vespucci darstellend, und ein Bild des
Zigeunerhauptmanns Scaramuccia.
Um in seine Eindrücke der unendlich verschiedenartigen Physiognomien Ordnung
und Klarheit hineinzubringen, hatte Leonardo sich eine Art physiognomischen Svstems
zurecht gelegt, das er anderen Künstlern zum praktischen Gebrauche aiiempfahl. Leo-
nardos Schriften zeugen in mannigfacher Weise davon, daß er, als ein philosophischer
Kopf, den Drang verspürte, sich durch Systematisieren die Uebersicht über das bunte
Gewimmel von Phänomenen zu sichern. Er selbst war ja zugleich der geniale Beobachter
und die reiche Künstlernatur, die da wußte, was in die Rubriken des Systems gefüllt
werden sollte. Aber er hat sich freilich von dem Nutzen, den andere Künstler davon
haben konnten, allzu sanguinische Vorstellungen gemacht, wie er überhaupt in die
Resultate des künstlerischen Unterrichts auf theoretischem Wege zu viel Vertrauen
setzte. Deshalb erscheint das nachfolgende kleine System der menschlichen Nasen
rein als Kuriosum und erhält nur Bedeutung als Zeugnis seines eigenen unvergleich-
lich scharfen Bhckes für alle Unterschiede im Aeußeren des .Menschen.
Er sagt-: «Wenn du es erzielen willst, dir den Charakter eines Gesichts leicht
einzuprägen, so präge dir zunächst in deinen Sinn eine Menge verschiedener Köpfe,
Augen, Nasen, Münder, Kinnladen, Kehlen, Hälse und Schultern ein. Und z. B. von
Nasen gibt es zehn verschiedene Arten : gerade, bucklige, hohle, mehr vorstehende
^ Die bekannte großartige Zeichnung eines Greisenkopfes in der Turiner Samm-
lung (Abb. 8), die, wie allgemein angenommen, Leonardo da Vinci selbst vorstellen
soll, und die Richter zum Titelbilde seines Werkes — als Porträt Leonardos ~- be-
nutzt hat, kann ihn in Wirklichkeit doch unmöglich vorstellen, da Leonardo bei
weitem kein so hohes Alter erreichte, wie die hier abgebildete Person. Das ist ein
Greis zwischen 80 und 90, und Leonardo war bei seinem Tode G7 Jahre alt. Die
Züge gleichen auch den sicheren Porträts Leonardos nicht allzusehr. — Ob diese Zeich-
nung nicht eher das von Vasari erwähnte Bild von Amerigo Vespucci sein sollte*^
2 Richter I, 572. Vgl. Ludwig §§ 288, 289, 290, Nr. 403-405.
— 14 —
— entweder oben oder unten oder in der Mitte — Adlernasen, regelmäßige', flache,
runde und spitze. All dies gilt von Nasen im Profil. Von vorn gesehen, gibt es elf
verschiedene Sorten von Nasen: gerade, dick in der Mitte, dünn in der Mitte, dick
am Ende und dünn oben, dünn am Ende und dick oben, mit offenen Nasenflügeln
oder mit engen, mit hohen Nasenflügeln oder mit niedrigen, mit Nasenflügeln, die
sich in die Luft recken, oder die von der Nasenspitze gedeckt werden. Und so wirst
du auch in den anderen Teilen Verschiedenheiten finden. Solche Dinge mußt du
nach der Natur zeichnen und sie dir in deinen Sinn einprägen. Oder wenn du ein
Gesicht nach dem Gedächtnis zeichnen sollst, dann mußt du ein Büchlein bei dir
tragen, in dem solche Züge notiert sind ; und wenn du einen BHck auf das Gesicht
der Person geworfen hast, die du zeichnen willst, dann sieh nach, welche Nase oder
welcher Mund ihr am meisten ähnhch sehen und mache dir eine kleine Anmerkung
an der passenden Stelle dabei ; um es nachher wieder herauszufinden. Von den mon-
strösen Gesichtern spreche ich hier nicht, weil man sie ohne besondere Mühe im Ge-
dächtnis behält.»
Von seinem großen Interesse gerade für die monströsen Gesichter zeugen seine
ziemlich zahlreich erhaltenen Karikaturzeichnungen- (Abb. 9—10).
Auch wenn Leonardo — was ihm wohl ähnlich sähe — wirklich geäußert hat, daß
die Kunst in der Richtung des Lächerlichen so weit kommen könne, <daß man die
Toten im Grabe damit zum Lachen brächte» — denn seine Ansprüche an die
Seefische Wirkung eines Kunstwerkes übertrafen die der Vergangenheit in jeder
Beziehung — so können seine Karikaturen im großen Ganzen durchaus nicht als
Ausdruck einer komischen Laune betrachtet werden: Sie kitzeln keineswegs die
Lachmuskeln der Beschauer, sondern sind Niederschläge seines unersättlichen Dranges
nach allseitigen Kenntnissen und Versuchen inbezug auf die menschlichen Möglich-
keiten. Er wollte sehen, was alles sich aus der menschlichen Physiognomie heraus-
holen fieße. Er behandelt sie wie einen der elastischen Guttaperchaköpfe, die man
in früheren Zeiten als Spielzeug verwandte, und auf denen man vermittelst eines
Druckes die wunderlichsten Grimassen hervorrufen konnte, nur daß Leonardo dessen
eingedenk ist, daß der menschliche Körper nicht aus einer gleichartigen elastischen
xMasse besteht, und daß selbst seine verwegensten Abweichungen von der Regel
Naturgesetzen unterworfen sind, die im wirklichen Leben beobachtet und^studiert
werden müssen. Er studierte, wie ein französischer Schriftsteller sehr trefl'end von
diesen Karikaturen gesagt hat^ <^wie weit der Mund sich zurückziehen konnte und
wie er sich dadurch formte, welche Kurven Nase und Kinn bildeten, wenn die Zähne
' «Pari>. Der Ausdruck ist dunkel. Richter übersetzt: «regulär».
- Unter den Sammlungen von Reproduktionen leonardesker Karikaturen (von
Wenzel Hollar, Sandrart, Caylus, Gerli und Chamberlain) zeichnen die Wiedergaben
Wenzel Hollars sich nicht aflein durch den gewöhnlichen talentvollen Stich dieses
Künstlers aus, sondern auch durch eine treue und feine Aufl"assung von Leonardos
Geist und Stil.
» Champüeury in der Gazette des beaux arts 1879, II, 190 ff(«anatomie du laid»).
- 15 -
ausgefallen waren ; wie sobald das Gemüt — im geistigen Sinne — seine Gesundheit
und sein Gleichgewicht verloren hat, das Nervensystem allmählich den Zaum des
Willens zernagt, und die Maske des Gesichts dadurch in Unordnung gerät».
Seine Studien des Barocken und des Pathologischen galten nicht allein der
Form und Maske, sondern auch der augenbhcklich potenzierten Lebensäußerung.
Ein paar Generationen nach seiner Zeit erzählte die Tradition in Mailand folgendes ^ :
Als Leonardo einmal ein Gemälde von einigen lachenden Bauern machen wollte —
das er freilich nie ausführte, sondern nur zeichnete — wählte er ein paar Personen
aus, die ihm für sein Thema geeignet erschienen ; und als er sich mit ihnen auf
vertrauten Fuß gestellt hatte, arrangierte er mit Hilfe einiger Freunde ein Fest für
sie. Er setzte sich dann zu ihnen und begann die schnurrigsten und lächerlichsten
Dinge von der Welt zu erzählen, über die sie sich zu Schanden lachen wollten, ohne
selbst recht zu wissen, weshalb. Er beobachtete dann sorgfältig ihre Gebärden und
Manieren während der Erzählung; und als sie gegangen waren, zog er sich in sein
Zimmer zurück, und dort zeichnete er sie so vollkommen, daß die Zeichnungen eben-
sosehr das Lachen des Beschauers erregten, wie seine Erzählungen das der Bauern
erregt hatten! — Diese hinreißend komische Wirkung gestatten wir uns in Rück-
sicht auf seine hinterlassenen Karikaturen mit einem Fragezeichen zu versehen ;
aber die Geschichte von Leonardos psychologischen und physiognomischen Experi-
menten mit Leuten aus dem Volke ist in hohem Grade glaubhaft. Aus derselben
Quelle stammt auch eine Nachricht, daß Leonardo Missetätern zur Richtstätte gefolgt
sein solle, um die Züge der marternden Angst und Verzweiflung in ihren Ge-
sichtern zu beobachtend Möghcherweise hat er dann auch, wie man vermutet,
die Geisteskranken in den Irrenhäusern besucht, wo sie ja damals in Ketten gehalten
und zur Strafe für ihr Unglück gepeitscht wurden. Wie Leonardo die Leidenschaft
in ihrer höchsten f u r i a schilderte und ihre Physiognomik studierte, das sieht man
auf der «Schlacht bei Anghiari». Seine Schriften enthalten andere Winke über
die Physiognomik des Zorns und der Verzweiflung, des Lachens und des Weinens u. dgl.
Eine scharfe und fleißige Beobachtung der Wirkhchkeit war in der floren-
tinischen Kunst nichts Neues : in dieser Richtung hat er jede nur nötige Anregung
von seinem Lehrer Verrocchio erhalten. Doch Leonardo beobachtete und benutzte
seine Beobachtungen nicht in demselben Geiste wie seine Vorgänger, deren Menschen
häufig ein gewisses alltägliches, bürgerliches Gepräge haben. Wohl spähte er auf der
Straße aufmerksam aus; aber er nahm keineswegs mit dem Ersten Besten fürlieb.
Er bevorzugte das Seltene, das Kuriose, die höchsten Potenzen in allen Richtungen,
wenn es auch nur auf den Wuchs des Ilaares und des Bartes ankam, die ihn be-
sonders ergötzt zu haben scheinen. Er gestattete ja auch seinem eigenen prächtigen "
Haarwuchs und Bart die ansehnlichsten Dimensionen anzunehmen. Aber hierin steckte
^ Lomazzo, trattato della pittura, Lib. II, Kap. 1 . — Angeführt an vielen Stellen,
z. B. in Milanesis Ausgabe von Vasari IV, 27, Note.
* Galienberg, Leonardo da Vinci, Leipzig 1834, 48 mit Beziehung auf Lomazzo.
— 16 —
mehr als ein Amüsement und aufgestachelte Neugierde : seine Beobachtungen wurden
von einem forschenden und philosophischen Geiste geleitet, — Er war ein Entdecker,
ein Weltumsegier im geistigen Sinne, den es dazu drängte, auch die entferntesten
Möglichkeiten des menschlichen Wesens, die unendlich variable Umformung des ge-
meinsamen Modells kennen zu lernen.
Und über die Grenze des rein Menschlichen hinweg ließ er den Blick noch
weiter hinausschweifen und erschaute eine unendlich größere Welt von Unterschieden,
die doch alle von einem gemeinsamen Plan und gemeinsamen Gedanken zusammen-
gehalten wurden. Es ist <e i n e leichte Sache» meinte er einmal in einem
seiner merkwürdig sanguinischen Augenblicke', <u n i v e r s a 1 zu werden, weil der
Mensch und alle « Landtiere > dieselben Bestandteile in ihrem Bau haben und die
Abweichungen auf Unterschiede in Längen- und Breitenmaß der einzelnen Teile re-
duziert werden können» ; was die «Wassertiere» und die Insekten anlangt, so fand er
die Sache doch weniger leicht, <weil hier eine fast unbegrenzte Verschiedenheit
herrscht». Aber sein Gedankengang bewegte sich wirklich, wie man auch aus anderen
Aphorismen ersehen kann, in der Richtung der wissenschaftlichen Verzweigung, die
sich 30Ü Jahre später als vergleichende Anatomie entwickelte. Er
macht sich z. B. an einer Stelle anheischig, den Bau der Hand an jedem Tier (also
Hand, Pfote, Klaue, Huf, Flügel usw.j nachzuweisen und behauptet bestimmt — und
äußerst revolutionär -daß der Mensch als ein vierfüßiges Tier
aufzufassen sei^: als kleines Kind kriecht er ja auch wirklich auf vier
Beinen.
Es steckt überhaupt in Leonardos Anschauungsweise des Menschlichen etwas
Naturwissenschaftliches, und deshalb auch etwas Indiiferentes inbezug auf die ethischen
Ideale: wenn das Phänomen selten und merkwürdig ist, zieht es den Künstler an,
gleichgültig ob es etwas Gutes oder Böses, etwas Erhabenes oder Verächtliches be-
deutet. Er nennt selbst solche Szenen wie er sie in der «Schlacht bei Anghiari»
schilderte, i)azzia bestialissima, eine ganz bestialische Raserei ^. Aber,
wird man einwenden, das ist ja derselbe Künstler, der «Das Abendmahl» mit seinen
reinen und erhabenen Charakteren, seiner Schilderung von Treue und Unschuld im
Gegensatz zum Verrat dargestellt hat — das kann man doch nicht ethisch indilTerent
nennen. Und allerdings macht Leonardo in seiner Kunst auch einen Unterschied
zwischen Gut und Böse ; das ist ja nämlich einer der unzähligen Unterschiede, die
das Menschenleben selbst der Betrachtung darbietet. Ebenso wie er einschärft, die
Kunst müsse es verstehen, einen Unterschied zwischen Herrn und Diener, zwischen
Kind und Erwachsenen, zwischen den Bauern und den feinen Adligen, zwischen dem
' Richter I, 505.
- Richter II, 817, 8:^2, H2'A, 824, 825 ( li animah di quattro piedi, infra li
quali e l'omo, che ancora lui nella infantia va con 4 piedi). Kerner 826 mit der aus-
gezeichneten anthropologischen Beobachlunf,^ iiber die Analogie des menschlichen
Ganges mit il universale andare delli animali di 1 piedi.
^ Ludwig, § 17/, Nr. 243.
— 17 —
Starken und dem Schwachen, zwischen der Dirne und dem ehrbaren Weibe, zwischen
dem Wesen des Mannes und dem des Weibes zu machen ' — so verlangt er auch,
daß «die Bewegungen der Menschen so dargestellt werden sollen, wie es entweder
ihre Würdigkeil oder Unwürdigkeit (degnita o vilta) erfordert>, und daß man im-
stande sei, einen braven Mann im Gegensatz zu einem bestialischen Menschen zu
schildern (un uomo da bene un uomo bestialej". Man kann bei solchen Ausdrücken
an das Bild Francesco Sforzas im Gegensalz zu den lachenden Bauern oder anderen
Karikaturen, oder an die treuen Apostel im «Abendmahl» im Gegensatz zu Judas
denken. Lionardo verlangt außerdem nachdiücklich, daß das Werk seiner Aufgabe
und seinem Zweck entspreche; daß du, wenn du eine Figur ausführen sollst, wohl
überdenkst, was es für eine Art Mensch ist, und was du willst, daß er tue'. Er
denkt hierbei sicherUch nicht speziell an die bürgerliche Verpflichtung des Künstlers,
auszuführen, was man bei ihm bestellt hat ; die von außen gestellten Aufträge mußten
seiner ganzen Veranlagung nach eine wertvolle Anregung erhalten, universell zu
werden, sich nach möglichst vielen Richtungen zum Herrn über alle wechselnden
Erscheinungen des Lebens zu machen.
Der Unterschied zwischen dem Bösen und dem Guten, dem Edlen und dem
Unedlen im Charakter der Figur ist also für ihn nur eine aus dem ganzen
menschlichen Leben mit seinem unerschöpflichen Reichtum an Möglichkeiten heraus-
gegriffene Nummer. In seiner Kunstbetrachtung nahm er nicht in der Weise Partei,
für das Edle und Erhabene, daß er den schlechten Charakter aus ihrem Gebiete
verbannt oder zurückgedrängt haben wollte, im Gegenteil : das würde ja die Kunst
einförmig machen. Er stand auch hierdurch im Gegensatz zu dem ursprünglichen
antiken Ideahsmus und all der Kunst, die von ihm abgeleitet oder geistig mit ihm
verwandt ist.
Aber ist denn in Leonardos :3childerung der Menschen gar keine Einheit? Gibt
es denn in dieser unermüdlichen Jagd nach dem Verschiedenartigen, dem Periphe-
rischen und dem Ultraperipherischen nichts Zentrales? Tragen seine Figuren nicht,
wie die anderer Künstler, den Stempel des darstellenden Künstlers selbst und .seiner
eigenartigen Persönhchkeit?
Richtet man diese Fragen an seine Schriften, d. h. an seine Gedanken darüber,
wie die Kunst ausgeübt werden soll, so wird man lauter negative Antworten, Ab-
weisungen, Warnungen finden.
Vor nichts hat er größere Angst, als vor der Einförmigkeit. Wenn ein Maler
ein Bild herstellt, so ist es in Leonardos Augen «die größte Versündigung» (sommo
' Ludwig, § 37G, Nr. 385.
'' Richter I, 598, 593.
5 Richter I, 599.
— 18 —
peccatoj die üuaicliler einander ähnlich zu machen, und es ist ein großer Fehler,
die Stellungen zu wiederholend Und nicht allein in ein und demselben Bilde ist
dergleichen zu vermeiden. Wer sich keine Rechenschaft ablegt von der Verschieden-
heit des Lebens ^git^t all seinen Figuren ein und dieselbe
Form (fa sempre le figure sue in stampe), so daß sie alle Brüder zu
sein scheinen, was sehr zu tadeln ist'^
Die allgemeine Erfahrung, daß die Figuren eines Künstlers
eine gewiss'eAehnlichkeit aufweisen, beschäftigt seine Gedanken
lebhaft. Er leugnet es nicht, daß etwas Naturgemäßes darin liegt; aber er betrachtet
es als eine Art Erbsünde in der Kunst, die durch Studium bekämpft werden müsse.
Es ist ein den italienischen Malern gemeinsamer Fehler, sagt er, daß man die
Miene oder die Gestalt des Künstlers in den vielen Figuren wiedererkennt, die er
malt^. «Ich habe einige gekannt, die in all ihren Figuren sich selbst nach der Natur
porträtiert zu haben scheinen, so daß man in den Figuren die Gebärden und Manieren
ihres Schöpfers sieht. Ist der Meister flink in Rede und Bewegung, dann sind auch
die Figuren rasch und hurtig; ist der Meister fromm, dann verrenken sich auch
seine Gestalten die Hälse und haben andächtige Mienen ; wenn er eine faule Person
ist, dann machen seine Figuren den Eindruck leibhaftiger Faulheit; ist er schlecht
proportioniert, dann sind es die Gestalten gleichfalls; und ist er ein Narr, so offen-
bart sich das zum Ueberfluß in dem Mangel an allem geschlossenen und gesammelten
Wesen in seinen Gemälden, indem die Figuren keine Aufmerksamkeit für das zeigen,
was sie zu tun haben, sondern im Gegenteil die eine hierhin, die andere dorthin
sieht, als ob sie daständen und träumten. Und so ist jede Eigenschaft im Gemälde
die Folge einer entsprechenden Eigenschaft des Meisters selbst> *. Besonders betont
jedoch Leonardo an mehreren Stellen, daß die körperlichen Eigentümlich-
keiten des Malers, d. h. das Unschöne und Unregelmäßige seines Körperbaues, auf
die von ihm dargestellten Figuren übergehen wird. Der Maler, der plumpe Hände
hat, wird ähnliche Hände auch in seinen Werken malen, und dasselbe wird mit
jedem anderen Körperteil der Fall sein, es sei denn, ein langes Studium habe ihn
gelehrt, dies zu vermeiden;^. Bedarf man einer Autorität dafür, daß es sich wirklich
so verhält, dann kann man kaum eine bessere linden als einen Kenner und Meister
wie Leonardo.
Er reflektiert auch über den Grund dieses Phänomens. Er
denkt sich die Sache so, daß die Seele, die der Herr des Körpers ist, auch die Ge-
stalt des Menschen nach einem ^unbewußten) ästhetischen Urteil geformt hat, z. B.
die Nasen lang, kurz oder stumpf gebildet, die Größe und Gestalt bestimmt hat. Dieses
Urteil ist also eine der seehschen Kräfte oder es ist gleichbedeutend mit der Seele
' Ludwig, § 178, Nr. 250.
2 Richter I, 503.
^ Ludwig, § ISO, Nr. 252.
* Ludwig, § lOS, Nr. 73.
^ Richter I, 580.
- 19 —
.selbst und ist vorhanden ehe der Mensch es sich zu eigen gemacht oder zum Be-
wußtsein geführt iiat. So große Macht hat es, daß es dem Menschen, wenn er seiner-
seits GeslaUen bilden will, selbsttätig die Hand führt und ihn so veranlaßt, seine
eigene Figur zu wiederholen. Dann es findet fast immer Gefallen an Werken, die
dem gleichen, was es selbst bei der Bildung des Körpers ausgeführt hat, und so
kommt es zu der Annahme, daß das gerade die wahre Art ist, die Figur der Menschen
darzustellen, und daß der, der es nicht so macht, es nicht richtig macht. Und so
geht es nicht allein in der Kunst, sondern auch im Leben. Wenn die Seele jemand
findet, der ihrem eigenen Körper gleicht, verliebt sie sich gewöhnlich in eine solche
Person : es ist deshalb kein Weib so häßlich, daß es nicht noch einen Liebhaber
fände — wenn es nicht gerade eine Mißgeburt ist. So verliebt man sich und so ver-
heiratet man sich, und die Kinder, die in einer solchen Ehe geboren werden, gleichen
den Eltern'. Soweit Leonardo. Aber wenn wir die zuletzt angeführten Worte seiner
eigenen Betrachtung aufgreifen, dann können wir in ihnen wohl ein Korrektiv dazu
finden. Er berührt nämlich die Erblichkeit der äußeren Gestalt des Menschen. Und
wenn man seinen Eltern oder überhaupt seinen Vorfahren seine plumpen Hände
und alle anderen Züge seines Aeußeren verdankt, so wird es zweifelhaft sein, ob man
sagen kann, daß es die Seele ist, die sich ihren Körper bildet. Aber darin hat Leo-
nardo sicherlich Recht, eines Künstlers Geschmacksurteil über die menschliche Figur
ist nicht auf einen abstrakten Menschenbegriff zurückzuführen, der überhaupt keine
wirkliche Existenz besitzt, sondern von etwas Menschlichem abhängig ist, das indi-
viduell existiert, nämlich von ihm selbst als Menschen. Daß es hierbei nicht allein auf
die angeborene seelische und körperliche Veranlagung des Künstlers ankommt, sondern
noch mehr auf seinen bestimmten gegebenen Platz in einer historischen und kunsthisto-
rischen Entwickelung, dafür scheint Leonardo kein Auge gehabt zu haben. Sein Geist
war überhaupt nicht auf das Historische gerichtet, und er sowie sein ganzes Zeit-
alter, waren viel zu eifrig damit beschäftigt Kunstgeschichte zu machen, um
einen rückblickenden Begriff von einer kunsthistorischen Entwickelung haben zu
können.
Leonardo gibt ferner die Mittel zur Vermeidung der Fehler
an, die des Künstlers Individualität seinen Figuren zufügen könnte. <Der Maler soll
sich seine Mustergestalt nach den Regeln eines natürlichen Körpers bilden, eines Kör-
pers, der im allgemeinen inbezug auf die Proportionen für
lobenswert gilt. Außerdem soll er seinen eigenen Körper ausmessen und
sehen, in welchem Teil er wesentlich oder unwesentlich von der oben erwähnten
lobenswerten Figur abweicht ; und nachdem er sich das gemerkt, soll er bei all
seinem Studium zu vermeiden bestrebt sein, daß die von ihm ausgeführten Figuren
unter denselben Mängeln leiden, die seine eigene Person aufweist'. — An einer
anderen Stelle sagt er: «Der Maler, der seinen Gestalten schöne Gesichter zu geben
^ Ludwig, § 73, Nr. 108; § 74, Nr. 109; § 499, Nr. 422.
« Richter I, 587.
— 20 —
versteht, hat darin offenbar ein großes Anlockungsmittel. Und der Maler, der diese
Fähigkeit nicht von Natur aus besitzt, kann sie durch folgende Art des Studiums
von außen erwerben: Achte darauf, die schönen Teile vieler schönen Gesichter zu
wählen — solcher, die mehr durch allgemeinen Ruf als
durch dein eigenes Urteil für Schönheiten gelten, weil
du dich täuschen kannst, indem du Gesichter wählst, die mit deinem eigenen Aehn-
hchkeit haben; denn es hat oft den Anschein, daß solche Aehnlichkeiten uns gefallen;
und wenn du häßlich wärest, so würdest du auch häßliche Gesichter wählen und
ausführend
Ueberall sonst — in der objektiven Welt — gestattet er jedem, seine eigene
Individualität zu haben; ja, er findet gerade in dem unendlichen Reichtum an Indi-
vidualitäten eine Quelle staunenswerten Genusses. Leonardo sagt an einer Stelle so
schön, wenn alle Menschen, die in gleich hohem Grade sich durch Schönheit ausge-
zeichnet hätten, wieder ins Leben zurückgerufen werden könnten, so würden sie
eine Volkszahl ausmachen, größer als die seines ganzen Zeitalters und doch würden
nicht zwei von ihnen einander durchaus ähnlich sehen, ebensowenig wie zwei Per-
sonen zu einer bestimmten Zeit einander vollkommen gleichen. Doch die Individuali-
tät des Künstlers in subjektiver Bedeutung ist für Leonardo so wenig ein Quell der
Freude, und er ruumt ihr so wenig Rechte ein, daß er verlangt, sie solle sich vor
einer gewissen allgemeinen Ansicht darüber, was schön und regel-
mäßig in Gesicht und Gestalt ist, demütigen. Weit davon entfernt, selbst nach eigener
Anregung die Verkünderin der Schönheit zu sein, solle sie im Gegenteil bei anderen,
bei einer unbestimmten Majorität, sich genau erkundigen. Aber wo gibt es denn
eigentUch das Werturteil über die Schönheit? Wer hat es? Man kommt ja zuguter-
letzt doch zu etwas Individuellem.
Aber Leonardo tut der Individuahtät Unrecht. Ja, er wird zuweilen fast grob
gegen sie. «Wenn du ein bestialisches Aeußere hast», sagt er, «so werden es deine
Figuren auch erhalten.» Aber warum denn nicht einmal zur Abwechslung die Sache
umkehren und sagen : Wenn du selbst schön und edel bist, so werden es deine
Figuren auch sein. Leonardo würde nicht leugnen können, daß dies eine richtige
Konsequenz seiner eigenen Betrachtung ist, und es würde um so näher liegen, ihm
dies zu sagen, als er ja, wie die Zeugnisse seiner Zeitgenossen bekunden, ein so
schöner und vollkommener Mensch gewesen ist Er scheint mit seinen theoretischen Er-
mahnungen ausschließlich an die gedacht zu haben, die von der Natur stiefmütterlich
bedacht worden waren ; und es ist wohl überhaupt etwas Richtiges daran, wenn
man unermiidlich, beständig auf die objektiven P'orderungen hinweist; denn man weiß
ja, daß Subjektivität und Individualität bei dem Künstler schon von selbst ihr Recht
geltend machen werden, und nicht sie ausdrücklich in den Vordergrund gedrängt zu
werden brauchen. Aber so hat Leonardo in seiner Theorie die reiche und positive Seite
der Individualität als das Schönste vernachlässigt, das nur ein Künstler geben kann,
^ Ludwig, § 107, Nr. 251.
— 21 —
der frisch und keck aus seiner eigenen Natur schöpft. Man soll außerdem nicht
wider den Stachel locken ; beruht es wirklich auf einem Naturgesetz, daß ein Künstler
seine Figuren in seinem eigenen Bilde schafft, dann nützt es nicht viel, Rezepte da-
gegen zu geben.
Und deshalb ist es auch so gegangen, daß Leonardo selbst all seinen strengen
Warnungen zum Trotz, in denselben «Fehler» verfallen ist, den er den übrigen
italienischen Malern vorwirft, nämlich, daß seine Gestalten, wie die jedes anderen
Künstlers eine gegenseitige individuelle Aehnlichkeit haben. Freilich erkennt man
nicht allein aus seinen Schriften sondern auch aus seinen hinterlassenen Kunst-
werken sein starkes Streben nach Universalität; aber die individuelle und persön-
liche Einheit, die auf einer Naturanlage und ihrer selbständigen Entwicklung beruht,
fehlt ihm am allerwenigsten. Ein jeder, der seine Kunst kennt, sieht über ihr und
über all ihren Figuren ein höchst eigenartiges Künstlergepräge, das es sehr unwahr-
scheinlich macht, daß er für seine Person bei dem Studium der Schönheit mehr dem
allgemeinen Urteil als seinem eigenen Geschmacke gefolgt sein sollte. Und darüber
sind wir sehr froh und möchten es nicht anders haben. Aber unleugbar ist hierbei
nicht die Rede von der äußerlichen und mechanischen Wiederholung seiner selbst,
die man bei gedankenlosen Praktikern findet : Die Individuahtät offenbart sich bei
einem Künstler wie Leonardo auf eine reichere und tiefere Art, durch einen inten-
siveren Kampf mit den Aufgaben, funkelt aber vielleicht gerade deshalb in um so
klarerem Licht.
IV,
Worin besteht also die Einheit?
Sie liegt zunächst in etwas, das dem Ausdruck angehört. Vor allen anderen
Künstlern Italiens ist Leonardo ein Seelenmaler. Für seine Kunstbetrachtung war
der Ausdruck auch die notwendige Bedingung für künstlerischen Wert und den
höchsten Anspruch auf Lob, «Eine Figur wird nicht lobenswert, wenn sie nicht ihren
Seelenzustand ausdrückt,> «Die Figur ist die lobenswerteste, die in ihrer Bewegung
am besten ihren Gemütszustand ausdrückt» ^ Rein körperliche Vollkommenheit,
Schönheit, Kraft schienen ihm für das künstlerische Interesse des Werkes weit we-
niger zu besagen, als einigen seiner großen Zeitgenossen — Michelangelo, Tizian
— , die deshalb auch einen größeren Einfluß auf die Darstellung der äußeren Gestalt
des Menschen ausübten als er.
Von seinen Beobachtungen über den menschlichen Ausdruck haben wir früher
1 Richter I, 584. 600.
09
verschiedene Züge mitgeteilt, und seine Schriften enthalten in Wirkhchkeit weit mehr,
was hier übergangen werden muli Seine Gemälde und Zeichnungen zeigen eine un-
vergleichliche OriginaUtät und Feinheit in der Darstellung der redenden Miene, des
fragenden Blickes, der Aeußerung, die der Person auf der Zunge schwebt. Ganz
besonders meisterhaft weiß er eine angespannte Wachsamkeit der Seele anzudeuten;
mit seinen Figuren verglichen, sehen alle Gestalten der früheren Kunst — und auch
viele der späteren — aus, als ob sie in einem Schlummer- oder Traumzustand lebten.
Seine kriegerischen Gestalten zeigen ihn als Darsteller der Leidenschaft; aber unter
Leidenschaft ist hier eher alles andere als das Schwanken und Taumeln einer um-
nebelten oder aufgelösten Seele zu verstehen : es ist im Gegenteil ein übermäßig und
leidensvoll zusammengedrängter Zustand der Seele, ihr schimmernder Blitz, ihre
am schärfsten und feinsten geschliffenen Worte.
Deshalb ist in Leonardos Kunst der Sprung von Leidenschaft zu Selbstbestimmung
nicht groß obwohl diese Bezeichnungen sonst etwas ganz Entgegengesetztes an-
deuten. Der Ausdruck des Bewußtseins ist vielleicht der all seinen Figuren besonders
eigene und bei ihnen stets wiederkehrend : das Zentrum des Bewußtseins scheint
in ihnen tiefer zu liegen als bei denen irgend eines anderen Künstlers. Sie sind so
klug, so distinguiert, es ist etwas eigenartig Individuelles in ihnen. Fast immer,
wenn ich vor einem Gemälde oder einer Zeichnung Leonardos gestanden habe,
ist es mir geschehen, daß dieses Wort « Bewußtsein > sich in meinem Gedanken-
gange von selbst als die Signatur von Leonardos Gestalten vorgedrängt hat, und das
ist eine Signatur, die noch nie ein anderer nachmachen konnte. Dies gilt von allen
möglichen Arten von Figuren, Heiligen und Welthchen, Porträts und Idealen, Engeln,
Madonnen und Hofdamen, ja, sogar von Kindern wie von Greisen. Man achte dar-
auf, daß das Abendmahlsbild nach Leonardos neuer Auffassung dieses Stoffes ganz
und gar auf dem Begriff des Selbstbewußtseins, auf dem, was die Personen von
sich selbst wissen, aufgebaut ist. Das tiefe und umfassende Bewußtsein Christi
umfaßt das all der Anderen, und durch seine Worte, die sich an das Bewußt-
sein jedes Einzelnen wenden, wird dieses bewegt, wird es plötzlich zu wachsamem
Leben und Ausdruck erweckt : Das böse Gewissen des Verräters und das gute aber
beunruhigte Gewissen der treuen Apostel. Darauf baut sich auch die andere seiner
reifsten und vollendetsten Kompositionen auf: Der Karton der heiligen Famihe in der
Sammlung der Londoner Kunstakademie (Abb. 1".^). Es ist ein Spiel des Verständ-
nisses, eine Stufenreihe von einem Niedrigeren zu einem Höheren: der einfältige
Kindcrglaube des kleinen Johannes, das Staunen des erwachenden Verständnisses in
der heiligen Anna, das tiefe, eingeweihte Mitwissen bei Maria, das wehmütige Be-
wußtsein von dem Martyrium der Zukunft bei dem Jesuskindlein*.
* Vor längerer Zeit wurde ein Gemälde weit und breit gerühmt, das dei' bekannte
und hoch verdiente Direktor der Berliner Galerie, Dr. Wilh. Bode, xov kurzem
aus dem Magazin des Museums selbst hervorgezogen und in der Sammlung aufgehängt
hatte mit der bestimmten Angabe, daß das Gemälde von Leonardo da Vinci sei.
Eigentlich eine unerhörte Kühnheit, um so mehr, als es an jedem originalen l'okument
— 23 —
Und ist diese immer wiederkehrende Vorliebe für den Ausdruck des Bewußt-
seins nicht gerade etwas, das von dem Zentralen in Leonardo, von den Ansprüchen
seiner eigenen Subjektivität, herrührt? Kr steht ja selbst unter den italienischen
Künstlern als der kluge, durchdringende, tiefblickende Geist da, als Erfasser so man-
cher früh erkannten Wahrheiten, die für seine Zeit noch Geheimnisse waren. Wie
sollte es ihn befriedigen können, dumme Dutzendmenschen zu malen ? Innerhalb jenes
ewigen Strebens nach Universalität, mit dem er die ganze menschliche Peripherie
musterte, thronte das forschende, denkende, verstehende Ich selbst, das den Menschen
in seinem Bilde zu sehen verlangte. Und wie merkwürdig auch Leonardos experimen-
tierende Wirksamkeit sein kann — siehe jene Karikaturen und die übrigen Studien des
Bestiahschen — , so darf es doch nicht übersehen werden, daß sie nur einen geringen
Platz in seiner Produktion einnimmt, oder richtiger: daß sie ein halb unterirdisches und
verborgenes Dasein in mehr oder weniger flüchtigen Zeichnungen führt. Der Teil
seiner Produktion, der im Lichte aufwuchs und seine Zeitgenossen am meisten be-
einflußte, besteht aus Gestalten, wie sie nicht allein sein Verstand, sondern auch sein
Herz zu sehen begehrte.
Der Ausdruck von Bewußtsein ist nicht allein Leonardos Stärke, sondern auch
seine Achillesferse; denn er läßt sich nicht vereinen mit seinem Gegensatz, dem
Naiven, dessen Zauber Leonardo wirklich auch entbehren muß. Man fühlt es be-
sonders, wenn man ihn itn Vergleich mit Baphael, den Venezianern oder Correggio
sieht. Hin und wieder kann Leonardos Reflexion sich gar zu sehr bemerkbar machen :
er kann gesucht werden.
Und doch ist es merkwürdig, daß dieses bewußte Wesen nicht mehr Trocken-
heit und Altklugheit mit sich bringt. Es vermählt sich auf die staunenswerteste Weise
und an allen literarischen Nachrichten über das Gemälde fehlt und die ganze Fest-
stellung dem «Kennerblick» überlassen bleibt; und eine Kühnheit, für die Bode denn
auch viel Uebles hören mußte. Mir erscheint es auch als unberechtigt und irreführend,
das Gemälde, so wie wir es nun sehen, ohne weiteres als ein Werk Leonardos zu
bezeichnen. Meine Auffassung äußerte und begründete ich im Frühjahr 1885 in einem
Brief ah Bode, den er in der Beilage zu den Jahrbüchern des Berliner Museums
(«Der Kunstfreund») abdrucken ließ. Sie geht darauf aus, daß die mittelste Figur des
Bildes, ein dem Grabe entschwebender Christus, in keiner Weise als Leonardos Ar-
beit betrachtet werden kann ; wogegen die beiden anderen Figuren, ein Heiliger und
eine Heilige unten, beide knieend, sicherlich in allem Wesentlichen von ihm sind :
darauf deutet die ganze Behandlung;- und außerdem gerade jener oben erwähnte be-
sondere Ausdruck tiefen Bewußtseins, den die geringeren Geister am allerwenigsten
haben nachahmen können. Er hat seine Arbeit unvollendet oder richtiger nur an-
gefangen, stehen lassen, wie er es ja zu tun pflegte, und einer seiner späteren lombar-
dischen Nachfolger hat dann ein Altargemälde daraus gemacht, indem er, wie ich
glaube, den ursprünglichen Gedanken dadurch veränderte, daß er einen schwebenden
Christus an einem Platz anbrachte, wo sich Leonardo eher einen Christus am Kreuz
dachte. — Es muß übrigens anerkannt werden, daß es für," die Berliner Galerie im
Ganzen ein großer Gewinn gewesen ist, einen Sammler und Leiter wie Bode zu haben,
der so rasch zugreift und sich lieber der Gefahr aussetzt, sogar einen ernsthaften
Fehler zu begehen, als einen großen Wert sich unter den Händen entgleiten oder un-
genutzt liegen zu lassen.
— 24 —
mit dem reichsten, wärmsten, schmelzendsten Gefühl einer raffiniert süßlichen Empfind-
samkeit und außerdem mit einer sichtlichen Vorliebe für die ganz jugendliche und
feine Gestalt. Hierfür habe ich früher Beispiele nachgewiesen in den Entwürfen zu dem
Monument Francesco Sforzas, in denen Leonardo den alten Heerführer und Regenten
in eine junge Idealfigur verwandelt hatte. Betrachtet man Leonardo als Glied in der
Entwicklung der italienischen Kunst, so sieht man ganz deutlich, wie die Bewegung
im Ganzen die Richtung auf das Jugendlich-Ideale niunnt. Er hat die herrlichsten
Gestalten von Greisen und entwickelten Männern geschaffen ; aber inbezug auf Gehalt
und Kraft in der Charakteristik der voll entwickelten Männlichkeit bietet er kaum
mehr als Masaccio, Donatello, Mantegna oder Verrocchio (in der Statue Colleonis).
Auf diesem Gebiet liegt das Neue, das er brachte, weit mehr in dem reichen und
wahren dramatischen Leben. Aber seine Behandlung des weichen und feinen Tones
des Jugendlichen und Weiblichen machte durchweg Epoche für die nachfolgende
lombardische Kunst, bei der sein Einfluß sich noch mehr zur Geltung brachte als bei
der florentinischen. Gorreggio steigerte dann diese Vorliebe für das Jugendliche bis
ins alleräußerste Extrem.
Sehr bezeichnend für Leonardos jugendliche Gestalten ist das Lächeln über
ihrem Antlitz. Das Lächeln ist in einer Hinsicht etwas sehr Altes in der Kunst; aber
wie es sich bei ihm zeigt, ist es trotzdem etwas wesentlich Neues. Es wäre hier
eigentlich angebracht, in aller Eile so eine Art Uebersicht darüber zu geben, wie das Lä-
cheln in der Geschichte der älteren Kunst aufgetreten ist, wie es zeitweise hervor-
bricht und zeitweise wieder verschwindet. Es ist gleichsam, als sähe man über eine
Landschaft hinaus, die abwechselnd vom Licht der Sonne gestreift wird und dann
wieder im Schallen der vorübereilenden Wolken liegt,
Uas stramme und harte selbstbewußte Lächeln um die Lippen der alten Aegypter
und Assyrer bezeichnet ein gewisses Triumphgefühl, das sich am besten für Despoten
eignet, die in dem Glauben an ihre eigene Unüberwindlichkeit leben; denn der des-
potische Monarch war der erste Herr in der Kunst und ihr Ideal, und nach seinem
Bilde wurde auch das Bild der anderen Menschen geschaffen. Noch bei den alten
Griechen finden wir ein verwandtes liefühl: uns allen ist wohl das steife, einförmige
Lächeln aller Figuren aus Aegina in der Erinnerung. Es scheint zu sagen, ob nun
ein Mann falle oder siege, so zieme es sich für ihn «gute Miene> zu machen. Aber
nachdem die Griechen handelnd und denkend gezeigt halten, wie schwach es in
Wirklichkeit bei den Orientalen um das Selbslverlrauen und den Glauben an die
Unveränderlichkeit des Glückes bestellt war, haben sie sicherlich jenes alte ewige
Lächeln als etwas Törichtes betrachtet : jedenfalls nahm das Antlitz jetzt den ruhigen
großartigen Ernst an, der uns besonders in der Kunsl aus dem Zeitalter des Peri-
kles, der Periode des Phidias, imponiert. Ungefähr ein Jahihundert hindurch
lächelt nun die griechische Kunst gar nicht; erst eine ganz neue Künstlcigeneration,
aufgewachsen unter dem Einiluß der intimeren Vertiefung der IMiilosophen und Dichter
in die menschliche Subjektivität, zieht es wieder hervor, fein diskret, echt mensch-
lich, besonders weiblich. So z. ß. bei Praxiteles' knidischer Aphrodite oder seineni
— 25 —
Hermes aus Olympia, dessen Kopf — beiläufig gesagt — inbezug auf den Ausdruck
ein wenig an die Köpfe von Leonardo da Vinci erinnert. So auch bei Malern wie
Apelles usw.
Aber in der Kunst des Altertums wird trotzdem niemals viel gebichelt: wo man
nach den Voraussetzungen unserer Zeit muntere Gesichter erwarten sollte, trifft man
doch meist «erhabene Mienen».
lieber den frühesten Bildern von Christus als dem «guten Hirten» (aus den Ka-
takomben) liegt oft ein mildes und freundliches Lächeln wie eine Art Vorbote einer
fernen Zukunft in der Kunst ; im übrigen weist die ältere christliche Kunst, besonders
nachdem sie sich über die Welt verbreitet und in den hienst des Christentums als
Staatsreligion gestellt hatte, Gesichter von beinahe abschreckendem Ernst auf. Und so
blieb es lange Zeit. Wenn man in Erwartung des baldigen Weltunterganges und des
herannahenden jüngsten Gerichts umhergeht, ist man nicht zum Läclieln aufgelegt. Es
würde der Mühe lohnen in Erfahrung zu bringen, ob in der ganzen europäischen Kunst
seit dem Untergang des Altertums bis gegen das Jahr 12u0 sich überhaupt ein lächelndes
Antlitz finden läßt. Dann aber — also gleichzeitig mit der frühesten Entwickelung des
gotischen Baustils — findet das Lächeln sich wiederum als Ausdruck eines gewissen
allgemeinen Gefühls individueller Freiheit und Glückseligkeit ein. Man findet es bei
den Statuen der mitteleuropäischen, besonders der französischen Kathedralen ; leb-
haft zündend, freundlich und höflich, echt französisch könnte man oft sagen, und
eigenthch mehr weltlich als religiös im Ausdruck. Da die Kunst noch außerstande
ist, die feineren reicheren Uebergänge in der Form zu beherrschen, so wirkt es etwas
steif und maskenhaft. Und seit der Zeit, unter dem reicheren Katholizismus des
späteren Mittelalters, auch unter dem beginnenden ReaUsmus in Burgund und den
Niederlanden sind die lächelnden Gesichter nicht ganz selten. Sie sind freilich im
nördlichen Europa häufiger als in Italien, wo sie zwar (z. B. bei Fiesole Robbia) vor-
kommen, wo aber die Kunst doch, bis zu Leonardos Zeiten hinauf, einen sehr zurück-
haltenden, zuweilen sogar sehr strengen Ausdruck erhält.
Trotz der langen Vorgeschichte des Lächelns, von der Leonardo selbst nur
einen äußerst geringen Begriff hatte, ist man immerhin berechtigt, ihn als dessen
eigentlichen Entdecker zu bezeichnen. Niemand hat es in seiner seelischen Tiefe auf-
gefaßt wie er, niemand in dieser Weise seine Geheimnisse offenbart. Er führt es ein,
wo es nie zu Haus gewesen — im Porträt — natürlich das zu jugendliche und
weibliche. Wie er in seinen historischen Kompositionen kräftiger als seine Vorgänger
das augenblickliche Seelenleben betont, so gibt er sogar dem Porträt den Cha-
rakter des Augenblickhchen, und das gerade durch das Lächeln: denn das erhöhte
seelische Leben, welches das Lächeln dem Antlitz verleiht, ist ja infolge seines Wesens
etwas Vorübergehendes, etwas Bewegliches und Unruhiges ; nichts macht derart,
den Eindruck widerwärtiger Falschheit als ein ständiges Lächeln. Bei Leonardo
zeigt es sich ganz und gar in seinem wahren und flüchtigen Charakter. Es machte
geradezu Epoche in der Geschichte der Kunst, ja man darf vielleicht hin/.ufügen : in
der Geschichte der Sitten, es eröffnete einen verborgenen Schatz menschlicher Freude
- 26 -
und Wärme, um den sich immer mehr scharten, wie wenn ein Goldlager gefunden
wird. Es war vor allen Dingen die lombardische Schule, z. B. Luini und ganz be-
sonders Correggio, die sich den Fund aneignete. Jeder benutzte ihn in seinem
Geiste'. Allmählich, im 17. und 1<S. Jahrhundert, wurde es, besonders in der franzö-
sischen Kunst, in dem unleidlichsten Maße erniedrigt und triviahsiert ; es wurde zu
dem billigsten Modeputz, den zuletzt kein Porträt entbehren konnte. In der Periode
des großen Ludwigs lächeln sogar Könige und Minister, Generäle und Erzbischöfe,
alle, als w^iren sie junge Mädchen, die in einen Ballsaal treten.
Aber in der Kunst Leonardos, wie in der keines anderen, hat das Lächeln eine
wirkhche mysteriöse Kostbarkeit: man fühlt, daß er selbst der Entdecker des Schatzes
ist und mit Ehrfurcht seinen Wert ahnt. Wie verhielt es sich eigentlich mit diesem
klugen Manne, diesem vertieften Denker, der zugleich schön, stattUch, unterhaltend
war wie kein anderer? In dem, was man von seiner Biographie kennt, findet sich
keine Spur von Liebe zu einem Weibe; und in seiner Kunst trittj^er als ein ent-
zückter Liebhaber auf, dem die Weibesseele ihre Knospe erschlossen und zum ersten
Male den süßen Duft aus ihrem Becher gesandt hat. Sie schmilzt und schmilzt, lockt
und lockt; aber dann steht wieder jener tiefe und eigenartige Ausdruck des Selbst-
bewußtseins auf der Wacht vor dem Heiligtum und schützte es dagegen, eitel auf-
gefaßt zu werden, umgibt es mit einem unbeschreiblich vornehmen «Noli me tangere».
Während des Lebens an einem Fürstenhofe ging all dies Leonardo zuerst auf.
Und der Hof, den Lodovico il Moro Ende des 15. Jahrhunderts in Mailand hielt, sieht
— was Tugend und Ehrbarkeit anlangt — in keinem guten Ruf. Doch Leonardos
Bilder von seinen Persönlichkeiten geben ihm trotzdem eine Rechtfertigung : mögen
seine Sitten auch noch so wenig moralisch reguliert gewesen sein, so müssen
seine Menschen doch unendlich viel frischer, inhaltsreicher, ursprünghcher gewesen
sein als z. B. das Gezücht, das Ludwig XV. in Versailles umgab. Das Gesehene
hängt keineswegs von den Augen ab, die sehen; dies würde voraussetzen, daß die Kunst
eine Art Halluzination sei. Selbst die genialste Kunst muß reale Impulse in dem sie
umgebenden Leben haben; und die schlechte und wertlose Kunst gedeiht nur in
schlechter Umgebung. Wenn Leonardos Bilder uns die köstlichsten Juw^elen mensch-
lichen Wesens vorstellen, so kam dies nicht allein daher, daß er ein großer Künstler
war, sondern auch weil Italien eine Fülle ausgezeichneter, glänzender Menschen be-
saß. Sie waren sehr sündhaft, vom sozialen Standpunkt aus betrachtet, und die
sozialen Zustände waren schrecklich ; aber es dauerte eine geraume Zeit, ehe die
Zustände dem Geschlecht das Mark ausgesogen hatten.
Leonardo meinte indessen nicht, daß das Lächeln notwendigerweise zu einem
Frauenporträt gehöre : dann wäre es ja etwas rein Konventionelles gewesen, das
keine Beziehung zur Indivichuilitäl halte, i'^ines seiner Porträts der Schönheiten in
Mailand, das herrliche Brustbild in der Louvre-Galerie, das sogenannte la belle fer-
roniere, lächelt nicht, sondern wendet seinen ernsthafien Blick voll und groß dem
^ Ich verweise auf meine Artikel über Correggio.
— 27 —
Beschauer zu. Aber auf den anderen Gesichtern dieser Art, die er gezeichnet und
gemalt hat, findet sich das I^ächeln, verschieden je nach der Persönlichkeit des ein-
zelnen Weibes, aber als ein gemeinsames Zeugnis von der frohen Munterkeit der
Seele, freilich auch von einer gewissen Leichtigkeit im Umgangston, ein kleines
Gramm Ironie, wie es für einen Hof paßt : mit Leonardos Porträts weiblicher Schön-
heiten verglichen, sehen die der älteren Künstler alle miteinander so merkwürdig
mürrisch und provinziell aus.
Das älteste von Leonardos Mailänder Üamenporträts ist sicherlich das Profilbild
in der Ambrosiana zu Mailand, ganz jugendlich, fast kindlich munter^ lAbb. 11).
Dann ist da die herrliche Rötheizeichnung von der jungen Dame, die die Arme ver-
schränkt und ihren Kopf so prächtig auf dem stolz zurückgebogenen Hals trägt
und unter den gesenkten Augenlidern herabblickt. Sie ist jugendlich stolz und über-
mütig und hat hinter ihrer hohen wolkenlosen Stirn eine ziemlich erhabene Vor-
stellung von der Macht ihrer eigenen Anmut ; aber wie hebenswürdig und wonnevoll
wirkt nicht das Lächeln, das ihre Lippen kräuselt ! Womöglich noch besser ist das
Pastellbild in der Ambrosiana, das Porträt einer jungen Frau, ein wunderschönes
Gesicht, das geradeaus blickt, so daß die Umrisse des Scheitels mit dem reichen
vollen Haar, das aufgelöst über den Nacken fällt, einen ungewöhnlich stolzen und
großartigen Eindruck machen. Sie lächelt halbversteckt und senkt die Augenlider,
als ob sie sich plötzlich von einem Blick getroffen gefühlt hätte, der ihr ein all-
zu unverkennbares Geständnis zu enthalten schien. Dieses Porträt ist auch, meiner
Ansicht nach, dadurch besonders beachtenswert, daß es mehr als alle anderen Leo-
nardos idealen Frauentypus mit seinen weichen Formen, seiner spitz zulaufenden
Nase und dem schmallippigen Mund, diesem Typus, der von Leonardo auf die ganze
lombardische Kunst überführt wurde, sich auf die Persönhchkeit eines einzigen wirk-
hchen Weibes zurückführen läßt.
Die gesenkten Augenlider kommen häufiger bei Leonardo mit einer für ihn
höchst charakteristischen Bedeutung vor: so viel unausgesprochene Gedanken und
zurückgehaltene Ansichten können sich unter ihnen verbergen, z. B. bei den Haupt-
personen im «Abendmahl» (Christus) und auf dem Karton in London Maria, Abb. 12).
Besonders sei an drei Köpfe von Leonardos Hand erinnert: alle in vorgebeugter
Stellung und alle im Profil gesehen. Der eine, übrigens zweifellos echte, ist eine äußerst
sorgsame, beinahe peinlich durchgeführte Kreidezeichnung in Florenz, mit einem
etwas gesuchten, etwas sentimentalen Lächeln (Abb. 13); der zweite gleichfalls in
Florenz, ist ein leichter Entwurf in Oel, grau in grau von schhchterem ernsthafterem
Ausdruck. Der letzte endlich in der Galerie zu Parma sehr ausgearbeitet, ebenfalls
grau in grau, in Oel, zeigt am deuthchsten, daß die ganze Reihe Annäherungsversuche
' Es ist mir unmöglich, an dieser Stelle darauf Rücksicht zu nehmen, daß Iwan
LermoUeff (Giovanni Morelli), dessen grenzenlos willkürliches Sehalten und Walten
mit dem künstlerischen Eigentum der großen italienischen Maler ich schon früher
einer Kritik unterzog, auch Leonardo dieses Porträt (und noch andere) absprechen
wollte.
— 28 —
an irgend eine Figur eines kirchlichen Gemäldes bezeichnet. Es ist einer von
Leonardos kostbarsten Ausdrücken, ein Honigtropfen der Seele. Die Augenlider sind
fast vollständig über den Blick gesenkt, der Mund lächelt ganz fein und leicht, froh-
bewegt und doch mit einer gewissen unaussprechlichen Wehmut. Als Leonardo
während eines Aufenthaltes in Florenz in den ersten Jahren des IG. Jahrhunderts
die schöne florentinische Bürgersfrau Mona Lisa malte (Abb. 14), sorgte er, wie Va-
sari erzählt, während der Sitzung unablässig für Musik und Tanz und lustige Ge-
sellschaft, die die Seele der Dame munter erhielten und das Gepräge von Lange-
weile und Verstimmtheit entfernten, das man so häufig auf Porträts sieht. Nirgends
als in diesem Porträt fühlt man in Wirklichkeit, wie Leonardo darauf bedacht war,
die harte, kalte Schale zu entfernen, die den Ausdruck der Seele umgeben kann, um
uns in ihre glühende, reich bewegte Tiefe blicken zu lassen. Es hängt nun an seinem
Ehrenplatz im Louvre in der Nähe von Meisterwerken Raphaels und Tizians, Rem-
brandts und van Eycks ; aber es ist nicht übertrieben, wenn man behauptet, daß all
die anderen Köpfe maskenhaft aussehen neben diesem, der doch im Laufe der Zeit
schwärzer und farbloser geworden ist, als all die anderen. Sein Ausdruck ist wie
flackernde Flammen oder wie strömendes Wasser, reich, unbestimmt, unendlich
mannigfaltig wie die menschliche Seele selbst. Unmöglich zu sagen, was es ausdrückt.
Jedenfalls nichts ethisch Zweifelloses und Zuverlässiges, wie der Ausdruck in nordi-
schen Porträts z. B. von Memling, Dürer, Holbein. Es ist Milde, eine gewisse musi-
kalisch klingende Freude, einschmeichelnde Süßigkeit und wiederum dieses unbe-
schreiblich Vornehme, Distinguierte in Haltung und Bewußtsein : hierin steht jedes
Königinnenporträt hinter dem dieser Bürgersfrau zurück. Man hat zugleich in ihrem
Ausdruck etwas Heimtückisches, etwas «Katzenartiges», eine «Giftmischerin», jeden-
falls etwas Unruhiges, Gefährhches gefunden. Es ist eine unergründliche Tiefe all der
Möglichkeiten in dieser jungen, noch in keiner einzelnen Richtung gefestigten Seele.
Dem entspricht auch das Eigenartige in Leonardos malerischer Technik.
Man muß es bewundern, sagt Vasari, wie Leonardos Genie in seinem Bestreben,
dem Gegenstande Rundung zu geben, nach der Erfindung und Darstellung einer
schwarzen Farbtinte trachtete, die schwärzer war als alles, was man bisher gekannt
hatte, und von der dies Leuchten noch leuchtender abstechen konnte. Endlich gelang
es ihm denn auch, jene vollkommen dunklen Tinten zu finden, in denen gar kein
Licht mehr ist, und die sich besser dazu eignen, die Nacht wiederzugeben als auch
nur den schwächsten Tagesschimmer. Aber all das tat er, um dem Gegenstande Run-
dung und die letzte Vollendung zu geben.
Es hegt in diesem Suchen Leonardos nach dem Schwarz etwas, woran man auf
eine bedauernswerte Weise erinnert wird,':"wenn man das alte, jetzt so schwarze und
farblose Porträt der Mona Lisa sieht. In seinem unablässigen Experimentieren mit
neuen und unerprobten Methoden w^ar Leonardo ein unvorsichtiger Techniker, und
das haben seine Bilder entgelten müssen, die sich darüber schwarz gegrämt haben.
Aber es ist auch sein Suchen nach dem Schwarzen, dem das Porträt seine Vortreff-
lichkeit schuldet. Nicht um der Schwärze selbst willen machte er jene Experimente ;
— 29 —
was er wollte, war, die ganze Tonskala zwischen dem höchsten Licht und
dem tiefsten Schatten zu erweitern, er wollte, um ein Gleichnis aus der Musik
anzuwenden, das Klavier links und rechts um neue Saiten vermehren. Das wollte
er, wie Vasari sagt, der Rundung wegen, oder vielleicht noch genauer: der feineren
und reicheren Uebergänge wegen. Er schob die Außenpunkte zu beiden Seiten
möghchst weit hinaus, um sich mehr Nuancen zu schaffen. Sie sollten ihm dazu dienen
den volleren, feineren Ausdruck für den Reichtum der Seele zu geben. Auf diese
Weise wurde es ihm möglich, alles zu überwinden, was in der Formgebung seiner
Vorgänger und Zeitgenossen steif und maskenhaft war.
Es war ganz überwiegend die Form, die ihn interessierte. Er modellierte in
seinen Gemälden die Form völlig fertig, mit Licht und Schatten («Ghiaroscuro», «grau
in grau>) sogar bis zur äußersten Feinheit, ehe er nie Farbe auftrug. Die Farbe
wurde also gewissermaßen nur eine Kolorierung mit leichten durchsichtigen Lasu-
ren, wodurch sich erstens erklärt, daß sie sich im Laufe der Zeit so schlecht ge-
halten hat, zweitens, daß sie in keiner Weise benutzt worden ist um das eigentlich
Stoffliche des Körpers zu charakterisieren.
Bemerkungen über Leonardo da Vinci.
Leonardos Gemälde hat man jetzt an die vier Jahrhunderte gekannt und geehrt:
nicht allein hat die Kunstgeschichte sie in ihr goldenes Buch eingeschrieben ; sondern
eines von ihnen — das Abendmahlsbild in Mailand -- ist durch Abbildungen und
Besprechungen fast bekannter geworden als irgend ein anderes Kunstwerk der Well.
Man hat auch immer gewußt, daß der Maler nur die eine Seite dieses großen Mannes
war, daß er gleichzeitig Bildhauer, Denker, Schriftsteller, Virtuose in vielen Beziehungen
gewesen ist, und daß seine mannigfachen nachgelassenen Manuskripte eine Fülle von
Studien in allerhand Naturforschung, Aesthetik, Philosophie usw. usw. enthielten. Die
größten und ausgesuchtesten öffentlichen und privaten Bibhotheken waren stolz dar-
auf, irgend ein Manuskript des Mannes zu besitzen, den man den genialsten genannt hat,
der je gelebt hat. Aber leider wußte niemand recht, was in ihnen stand : man wußte
nur so ungefähr, wovon sie handelten und hatte nur ein wenig in den Inhalt hinein-
geguckt. So hellten sie das Sein dieses Mannes für uns nicht auf, sondern umgaben
eher seinen Namen mit einer gewissen mystischen Dunkelheit, einem Ruhm fast ma-
gischer Universalität, die nicht genauer definiert wurde, aber umso größere Anziehungs-
kraft auf die Phantasie ausübte.
Weshalb hat man sich denn nicht schon längst hingesetzt, um sie zu lesen?
Ja, das ist leichter gesagt als getan. Sie sind ringsum verstreut, auch ni privaten
Bibhotheken, die nur schwer zugänglich sind. Leonardos Manuskripte sind außerdem
keine Abhandlungen, die ins Reine geschrieben, druckfertig vorliegen, sondern treie
und flüchtige Aufzeichnungen ohne jede systematische Ordnung, abgefaßt m emem
Italienisch, das jetzt veraltet ist und mit einer Orthographie, die vollständig jeder
Regelmäßigkeit entbehrt — aus einem Zeitalter, das überhaupt keine regelrechte
— 30 —
Orthographie hatte. Ferner wurde die Lektüre dadurch erschwert, daß Leonardo nicht
wie andere honnette Menschen von links nach rechts, sondern wie die Orientalen
von rechts nach Hnks schrieb. Ohne rechthaberisch zu sein, möchte ich mir die Ver-
mutung erlauben, daß er, der inbezug auf Feinheit und Präzision in der künstle-
rischen Arbeit das Aeußerste erstrebte, eine Verteilung der Arbeit zwischen seine
beiden Hände einführen wollte, in der Weise, daß die Rechte die eigentliche künst-
lerische Wirksamkeit übernahm und von der gewohnheitsmäßigen einförmigen Be-
wegung befreit wurde, die mit dem vielen Schreiben verbunden und die allerdings der
Kunst nicht dienlich ist — während die Linke in den Dienst der Literatur trat. Aber
was für einen Grund es auch haben mag, so ist diese Handschrift für den Leser
sehr abschreckend, und verlangt eine ganz spezielle Uebung und Gew'ohnheit. Die
meisten Erfahrungen, sollen gezeigt haben, daß man viel weiter kommt, wenn man
einige Zeit auf systematische Einübung in die Lektüre einer derartigen Schrift ver-
wendet, als w'enn man sie in einem Zuge liest.
Aber die äußeren Schwierigkeiten ließen sich überwinden ; daß man ein ernst-
haftes Studium der Manuskripte solange aufgeschoben hat, läßt sich nur aus inneren
und historischen Gründen erklären.
Leonardos eigene Zeitgenossen hatten sich einiges aus seiner Niederschrift an-
geeignet und verbreitet, besonders den Teil, der von der Malerei handelt, und der
seit dem 10. Jahrhundert unter dem Namen Trattato della Pittura bekannt ge-
worden ist, obwohl sie eigentlich von Leonardos Hand nie eine gesammelte Abhand-
lung sondern nur eine Menge Aufzeichnungen gewesen zu sein scheint.
Doch im übrigen muß anerkannt werden, daß seine eigene Zeit nicht hinreichend
imstande war, seine wissenschaftlichen Aphorismen zu verstehen. Inwiefern sie im
einzelnen einigen Einfluß ausgeübt haben und wie weit dieser ging — darüber läßt
sich jetzt allerdings unmöglich etwas sagen. Jedenfalls kam bald eine Zeit, da sie nicht
mehr das Interesse hatten, das sich an Aktuelles knüpft, indem die Wissenschaft
schon auf anderen Wegen über seine Entwicklungsstufe hinausgekommen war. Auch
machte sich erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts jenes rückblickende historische
Interesse geltend, das erforderlich ist, wenn man sich in ein überwundenes Stadium
der fortschreitenden Entwicklung der Wissenschaft vertiefen soll. Aber in unserem
Jahrhundert haben sich viele von der großen Aufgabe angezogen gefühlt, seine Manu-
skripte zu lesen, herauszugeben und auszulegen. Ich erinnere mich aus meiner Jugend,
wie ein später weltbekannter Literarhistoriker und Kritiker ^ sich versucht fühlte,
dieses Werk auszuführen, für das er auch eine bedeutende Energie und Intelligenz
mitgebracht hätte, und ich habe kürzlich aus dem Ausspruch eines Franzosen er-
sehen, daß es vielen wie ihm erging.
Nun ist es geschehen. 18<S3 erschien: The literary w'orks of Leonardo da Vinci
by J. F. Richter. Der Herausgeber, übrigens ein deutscher Gelehrter, kein Englän-
der, gibt hier einen Abdruck der meisten eigenhändigen Manuskripte des Künstlers.
Als historische Person, inbezug auf seine Bedeutung für die Entwicklung des
geistigen Lebens, kann Leonardo da Vinci selbst, vielleicht vor allen anderen Künstlern
früherer oder späterer Zeiten, der Mensch aller Möglichkeiten genannt werden.
Es war sein Sehnen und das Ziel seiner Arbeit, die Grenzpfähle der Möglichkeiten
weiter vorzurücken, Fähigkeiten und Macht des Menschen nach allen Richtungen hin
zu erweitern Dazu spornte ihn seine Zeit, soeben von der lichtscheuen Verstaubtheit
des Mittelalters emanzipiert, energisch an und flößte ihm den höchsten Mut ein. Und
zugleich w^ar die Zeit noch nicht so weit vorgeschritten, daß die Arbeit auf dem
Gebiet der Kultur — der Bildhauerei, der Architektur, der Musik, allerhand Kultur-
wissenschaften und technischen Künste — sich in Fächer verzweigt hatte, die jedes
für sich die volle Kraft eines Mannes beanspruchen konnten. Heutzutage ist jede
wirkliche Arbeit im Dienst der Kultur eine Facharbeit : besitzt ein Mann Fähigkeiten,
* G. Brandes.
— 31 -
die seinem Fache nicht zugute kommen können, so verheren sie sich in Dilettantis-
mus und Phantasterei. Die Facharbeit selbst ist eine Beschränkung, wie einseitige
Entwicklung der Fähigkeiten, die wohl ihr Behagen bereiten können, wenn die Fä-
higkeiten gerade für das Fach passen, die nian aber immer mehr oder weniger als
Knechtschaft empßnden wird. Das Leben ist in unserer Zeit so eingerichtet, daß es
sich von einem gewissen Punkt im Leben des Menschen aus straft, wenn er nicht
einseitig ist, während es vor diesem Wendepunkt im Leben erforderhch ist, allseitig
zu sein : darauf ist der heutige Unterricht begründet.-
Und es steht fest, daß die Allseitigkeit etwas Jugendliches ist, sowohl im Leben
des einzelnen Menschen wie in dem des ganzen Geschlechts. Leonardo steht in der Ent-
wicklungsgeschichte des Menschengeschlechts gerade auf dem Höhepunkt dieses jugend-
hchen Uebergangsstadiums. Er vereint in sich gleichsam wie in einem glühenden Kern
die ganze Grundkraft der modernen Kultur : wir sehen sie in seiner Arbeit entstehen
infolge einer inneren persönlichen Anregung, einer Ausdehnungskraft nach allen
Richtungen, eines Dranges, die Macht des Menschen über die Umwelt geltend zu machen.
Deshalb ist für ihn in einem ganz einzig dastehenden Grade die Arbeit eine Lust
und die Lust eine Arbeit. Er wird schon von einigen Zeitgenossen und der nächsten
Generation wegen seiner unvergleichlichen Ausdauer, seiner Geduld und seines
Fleißes in der Arbeit bewundert ; aber diese Geduld ist nicht sklavisch oder hand-
werksmäßig; an jedem Punkte schimmert die innige persönhche Liebe zur Sache
durch. Und merkwürdig genug führte ja seine Geduld so selten zu fertigen Resul-
taten ; die meisten seiner Arbeiten blieben unvollendet ; es bestand zweifellos eine
gewisse Unlust bei ihm, ein Resultat festzustellen. Vasari wendet auf ihn treffend
Petrarcas Worte an : Du kennst mein Wesen, meinen brennenden Wissensdurst, der
so groß ist, daß selbst die Arbeit dadurch aufgehalten wird.
Leonardo selbst war ein außerordentlich scharfer und fleißiger Beobachter der
Wirklichkeit; aber er gehörte am allerwenigsten zu denen, die mit dem ersten Besten,
das sie auf der Straße finden, fürlieb nehmen. Einige seiner nächsten Vorgänger
in der florentinischen Kunst, nicht zum wenigsten sein Lehrer Verrocchio, hatten
etwas Alltägliches, Bürgerliches, sogar Spießbürgerliches in ihrer Auffassung der
Menschen ; im Gegensatz zu ihnen trifft Leonardo eine viel interessantere Auswahl
unter den Menschen, die er studiert und schildert. Er bevorzugte das Seltene, da?
Kuriose, die höchsten Potenzen in jeder Richtung. Er war im geistigen Sinne ein
Weltumsegler; es war ihm ein Bedürfnis, die entferntesten Möglichkeiten des mensch-
lichen Wesens zu kennen, um das Wesen selbst zu verstehen.
Alle Lust und aller Schmerz des Menschen, sagt er, beruhen auf Wissen und
Nichtwissen, Wollen und Niehtwollen, Können und Nichtkönnen. In seinem unersätt-
lichen Streben hatte er sicherlich Enttäuschungen und Fehlgrilfe erlebt, war mit dem
Kopf gegen die Mauer des Unmöglichen gerannt oder hatte Dinge gewollt, die — selbst
wenn er sie erreichte — ihm Verdruß eintrugen. Hatte aber dann den einzig sicheren Weg
gefunden, seine Fähigkeiten wirklich auszudehnen, die Ueberzeugung gewonnen, daß
eine unerschütterliche Notwendigkeit Naturgesetz und Mutter der Erfindungen ist, daß
nur Erfahrung und Versuch wirkhche Kenntnis vermitteln, daß es nicht die Erfahrung
ist, die Fehler begeht, sondern daß dies nur unsere eigenen leeren und törichten
Wünsche tun, die uns dazu hinreißen, uns Dinge von der Erfahrung zu versprechen,
die nicht in deren Macht stehen, und daß der Wille deshalb in seinem Streben nach
Vervollkommnung, nach reicheren Möglichkeiten, den guten und geraden Weg zu
gehen hat^.
^ Vgl. sein bekanntes, von Lomazzo aufbewahrtes Sonnett: Chi non puo quel
che vuol, quel che puo voglia usw. (Wer nicht kann, was er will, der muß sehen
zu wollen, was er kann ; denn es ist Torheit, das Unmögliche zu wollen. Weise ist
der, der seinen Willen fern hält von dem, was er nicht kann. Alle menschliche Freude
— 32 —
Doch die Resignaiii»n, die das Leben ihn lehrte, unterjochte keineswegs seinen
stets jugendHchen Erweiterungsdrang und die Lust, sich in allen MögUchkeilen /u
baden. Man kann das nicht allein aus seiner Arbeit, sondern auch aus seinen Sclicizon
ersehen, aus jenen Narrenstreichen, (pazzie), die den bewunderten und genialen Mann
zu einem so vortrefflichen Unterhaltungs- und Gesellschaftstnenschen machten. Als
ahernder Mann ergötzt er sich während seines Aufenthaltes in Rom damit, lilasen
und Därme so fein zu präparieren, daß man sie wie ein kleines Päckchen in der
Hand halten konnte; vermittelst versteckler Blasebälge im Nebenzimmer beginnen sie
sich dann auszudehnen und werden allmählich dermaßen ausgedehnt und füllen die
Stube, daß die Anwesenden in eine Ecke flüchten mußten ; da die Blasen anfangs
nur so wenig Platz einnahmen, sich aber später so sehr erweiterten, verglich Leo-
nardo sie geistreich mit dem Genie (virtü). Es ist also gerade das Bild menschlicher
Ausdehnungsfähigkeit. Sowohl in der Jugend wie in späteren Jahren jagt er den
Leuten gern Schrecken ein, indem er — in einem Gemälde oder in Wirklichkeit —
seltsame Ungeheuer aus den verschiedensten r)estandteile fabriziert, Schlangen mit
Flü'^eln und Hörnern ausstattet und dgl. Das ist ein Sehöpferdrang, in dem etwas
von dem Triebe enthalten ist, das mit allen Organen und Möglichkeiten ausgerüstete
Wesen hervorzubringen, das Mephistoplieles in Goethes <r; Faust» mit Herr Mikrokos-
mus tituliert. («Des Lcnven Mut, des Hirsches Schnelligkeit, des Italieners feurig Blut,
des Nordens Dauerbarkeit> usw.)
Wieder ist es der Gedanke an die menschlichen Möglichkeiten, der in einem
Sonnett von Leonardo auftaucht. Doch in diesem Sonnett, künstlich gedrechselt wie
ein einziges Wortspiel, fühlt man, daß Leonardo, der es vermutlich in seinen spä-
teren Jahren gedichtet, sehr ernste Erfahrungen inbezug auf die Grenzen des Kön-
nens gemacht hat, daß das Leben ihm Resignation auferlegte, und daß er nun den
ewigen Kampf um die Erweiterung der Möglichkeiten von einem überlegenen Stand-
punkt aus betrachtet.
und Trauer beruht auf Wissen und Nichtwissen, Wollen und Nichtwollen, Können
und Nichtkönnen. Und der einzige, der wirklich kann, ist der, der im Gefühl dessen, was
er muß, nicht den Versuch macht, die Vernunft über ihre Schwelle hinaus zu ziehen.
Auch soll ein Mensch nicht immer das wollen, was er kann. Oft scheint etwas süß,
das sich in Bitternis verkehrt, und kaum habe ich erlangt, wonach ich trachtete, so
mußte ich meinen eigenen Willen beweinen. Und deshalb, lieber Leser dieser Zeilen,
willst du gut gegen dich selbst sein, so richte deinen Willen stets darauf, zu können,
was du mußt.») — Vgl. hiermit die merkwürdigen Aussprüche, die noch in seinen
Manuskripten vorliegen; Richter 1, U)— la (von der einfachen und großen Erfahrung,
der wahren Lehrmeisterin), II 111'.) (Erfahrung, Notwendigkeit, Vernunft), lir)0 (die
Weisheit ist eine Tochter der Erfahrung), 1151 von den noch verborgenen, in die
Erfahrung aufgenommenen Ursachen der Natur), 1153 (Unfehlbarkeit der Erfahrung),
ll<Sü (die größte Täuschung der Menschen liegt in ihren eigenen Ansichten^ usw.
TAFELN
Tafel I.
(Zu S. 2. u. 3
1
I^Hi^^^^^^H|||||P^^|^^^^r,xs==...^2L j&^^^S^^HflSf^HBylB^MHiiHki^^^i
I, Ghirlandajo. Das Abendmahl (Florenz).
2. Studie zum Abendmahl (Venedig).
Tafel IL
i S. 5, 6 u- 8.)
3. Studie zu Jakobus dem älteren (Louvre).
4. Studie zu Simons Kopf (Florenz).
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.«.<«■-—'
«./i ^w
5. Studie zu Judas Kopf (Windsor).
(3, Studie (Louvre).
Tafel III.
(Zu S. 12 u. ff
7. Blumenstudie (Louvre).
]j>iii rViLci ( i. ui in
9. Karikaturen (Mailand;.
10. Karikaturen (Windsorj.
Tafel IV.
LI S. 2/ U. f.)
II. Frauenporträt (jNIailandj.
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12. Die heilige Familie (London).
13. Frauenkopf (Florenz;.
14. Mona Lisa (Louvre)
Verlag von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL),
29. Rembrandt u. seine Umgebung. Von W. R. Valentiner. Mit 7 Tfln. 8. —
30. Roger van der Weyden und Roger van Brügge mit ihren Schulen. Von
C Hasse. Mit i5 Tafeln. 6. —
3i. Die Schlange des Paradieses. Von Hugo Schmerber. Mit 3 Tafeln. 2. 5o
32. Florentinische Maler um die Mitte des XIV. Jahrhunderts. Von Wilhelm
Suida. Mit 35 Lichtdrucktafeln. 8. —
33. Don Lorenzo Monaco. Von Osvald Siren. Mit 54 Lichtdrucktafeln. 20. —
34. Die Entstehung des jonischen Kapitells und seine Bedeutung für die grie-
chische Baukunst. Von Maximilian j^on Groote. 3. —
35. Der Nimbus und verwandte Attribute in der frühchristlichen Kunst. Von
Adolf Krücke. Mit 7 Lichtdrucktafeln. 8. —
36. Zur Rhythmik romanischer Innenräume in der Normandie. Weitere Unter-
suchungen. Von Wilhelm Pinder. Mit 4 Doppeltafeln. 4. —
37. Raflfaels Disputa. Eine kritische Studie über ihren Inhalt. Von Anton
Grofier. Mit 2 Lichtdrucktafeln. 3. 5o
38. Die romanische Portalarchitektur in der Provence. Von Rudolf Bernoulli.
Mit 19 Abbildungen und i Uebersichtskarte. 4. —
39. Die «Madonna piccola Gonzaga». Untersuchungen über ein verschollenes
und angeblich wiedergefundenes Madonnenbild von Raphael. Von Emil Jacohsen.
Mit 3 Lichtdrucktafeln. 2. 5o
40. Zur Charakteristik der klassischen Basilika. Von Hermafin Wur^. Mit 12
Abbildungen im Text und 5 Lichtdrucktafeln. 5. —
41. Die Madonnendarstellung in der altniederländischen Kunst von Jan van
Eyck bis zu den Manieristen. Von Margarete Siebert. 2. 5o
42. Betrachtungen über die italienische Malerei im 17. Jahrhundert. Von Dr.
Hugo Schmerber. Mit 3o Tafeln in Lichtdruck. 20. —
43. Plastische Dekoration des Stützwerkes in Baukunst und Kunstgewerbe des
Altertums. Von Erwin Wu7~^. Mit 83 Abbildungen. 8. —
44. Giacomo Barozzi da Vignola. Von Hans Willich. Mit 38:Abbildungen im
Text und 22 Tafeln. 12. —
45. Der Gemäldezyklus der Galerie der Maria von Medici von Peter Paul Rubens.
Von Karl Grossmann. Mit 9 Lichtdrucktafeln. 8. —
46. Francesco Botticini. Von Etvtst Kühnel. Mit 40 Abb. auf i5 Tafeln. 7» —
47. Die ravennatischen Sarkophage. Von Karl Goldmann. Mit 9 Tafeln. 5. —
48. Die wichtigsten Darstellungsformen des hl. Sebastian in der italienischen
Malerei bis zum Ausgang des Quattrocento. Von Detlev Freiherr von Hadeln.
Mit 7 Lichtdrucktafeln. 4. —
49. Studien zu Michelangelo. Von Frit'{ Burger. Mit 6 Lichtdrucktafeln und
7 Autotypien. 3. —
50. Francesco Laurana. Eine Studie zur italienischen Quattrocentoskulptur.
Von Frit^ Burger. Mit 37 Lichtdrucktafeln und 49 Abbildungen im Text. 20. —
5i. Sienesische Meister des Trecento in der Gemäldegalerie zu Siena. Von
Emil Jacobsen. Mit 55 Abbildungen auf 26 Tafeln. 8. —
52. Die kirchliche Kunst des XIII. Jahrhunderts in Frankreich. Studie über
die Ikonographie des Mittelalters und ihre Quellen. Von Emile Male. Mit 127
Abbildungen im Text und i Lichtdrucktafel. Deutsch von L. Zuckermandel. 20. —
53. Meister- und Schülerarbeit in fra Angelicos Werk. Von Alois Wurm
Mit 3 Lichtdrucktafeln. 4. —
54. Die Entwickelung des Madonnentypus bei Leonardo da Vinci. Von Ale-
xandra Konstant inowa. Mit 10 Lichtdrucktafeln. 6. —
55. Die kirchliche Kunst im italienischen Mittelalter. Ihre Beziehungen zu
Kultur und Glaubenslehre. Von Hans von der Gabelent\. 14. —
66. Leonardostudien von Hans Klaiber. 6. —
57. Zur Kunst der Bassani. Von Lz/<iM;/^Zo//W(3«;/. M. 47 Abb. auf 26 Taf. 10. —
58. Ueber die Porträts der Caterina Sforza und über den Bildhauer Vincenzo
Onofri. Von Adolf Gottschewski. Mit 46 Abbildungen auf 18 Tafeln. 8. —
59. Das Quattrocento in Siena. Studien in der Gemäldegalerie der Akademie. Von
Emil Jacobsen. Mit 120 Abb. auf 56 Tafeln. 20. —
60. Vita e Opere di Salvator Rosa, pittore, poeta, incisore. Con poesie e docu-
menti inediti del Leandro 0'{'{ola. Con 41 illustrazioni in 2 1 tavole. 20. —
61. Anfänge und Entwickelungsgängeder alt-umbrischen Malerschulen, insbeson-
dere ihre Beziehungen zur frühsienesischen Kunst. Ein Beitrag zur Geschichte
der umbrischen Malerei. Von Walter Rothes. Mit 46 Abb. auf 25 Tafeln. 10. —
Verlag von J. H. ED. HEITZ (HEITZ ^ MÜNDEL).
62. Der Kruzifixus" in der bildenden Kunst. Von Dr. Gustav Schönermark.
Mit ioo Abbildungen. (gebd. M. 12. — ) 11. —
63. Leben. Werke und Schriften des Bildhauers E.-M. Falconet (1716 — 1791J.
Yov\ Edmund Hildebrandt. Mit 39 Abbildungen auf 21 Lichtdrucktafeln. i5. —
64. Die Architekturen Raffaels in seinen Fresken, Tafelbildern und Teppichen.
Yon Max EfV7ie?^s. Mit 34 Abbildungen auf 17 Tafeln. ^ 10. —
65. Die Grundrißentwicklung der römischen Thermen. Nebst einem Verzeichnis
der erhaltenen altrömischen Bäder mit Literatui'nachweis. Von Ernst Pfret:{schner.
Mit 67 Abb. auf 11 Doppeltafeln in Lichtdruck. 8. —
66. Eine Gebäudegruppe in Olympia. Von Albert Schwaristein. M. 5 Tfln. 3. 5o
6-. Antikes Trautleisten-Ornament, Von Martin Schede. Mit 81 Abb. auf \i
Lichtdrucktafeln. . . , . . ^- .^*^
68 Die Werke des florentinischen Bildhauers Agostino d'Antonio di Duccio.
Von ' Andy Pointner. Mit 39 Abb. auf 22 Lichtdrucktafeln. 20. —
6q Der Felsendom in Jerusalem und seine Geschichte. Von Richard Hart-
mann. Mit 6 Lichtdrucktafeln. 4. 5o
70. Jesuitismus und Barockskulptur m Rom. Von Walther Weibel. Mit 10
Lichtdrucktafeln. ^ .1 ^' T
71. Das Pelargikon. Untersuchungen zur ältesten Befestigung der Akropolis
von Athen. Von August Köster. Mit 6 Lichtdrucktafeln. 3. 5o
72. Das Quellwunder des Moses in der altchristlichen Kunst. Von Erich
Becker. Mit 7 Tafeln. 8. —
73. Die Porträtdarstellungen der Mediceer des XV. Jahrhunderts. Von Trifon
Trapesnikoff. Mit 60 Abb. auf 35 Tafeln. 8. —
-4. Sodoma und das Cinquecento in Siena. Studien in der Gemäldegalerie
in ^ Siena. Mit einem Anhang über die nichtsienesischen Gemälde. Von Emil
Jacobsen. Mit 112 Abb. auf 54 Tafeln. 20. —
.75. Der Sockel, seine Form und Entwicklung in der griechischen und hellenistisch-
römischen Architektur und Dekoration von den ältesten Zeiten bis zur Verschüttung
Pompejis. Von Max Vetter. Mit 8 Tafeln. 5. —
"-6. Studien über Michelangelo. Von Julius Lange. Aus dem Dänischen über-
setzt'von Ida Jacob-Anders. Mit 7 Tafeln. 4. 5o
77. Der italienische Einfluß in der vlämischen Malerei der Frührenaissance.
Von Charlotte Aschenheim. Mit 5 Lichtdrucktafeln. 3. —
78. Matteo da Siena und seine Zeit. Von G. F. Hartlaub. Mit i5 Licht-
drucktafeln. , • , TT r- ;• rrr- •
70. Vier Beiträge zur Geschichte der Baukunst Frankreichs. Von I^elix Witting.
Mit 4 Lichtdrucktafeln und 4 Zinkkliches. 3. 5o
80. Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Deckenmalerei in Italien vom
XV. bis zum XIX. Jahrhundert. Von Sylva Scheglmann. xMit 6 Lichtdruck-
tafeln. 4' —
81. Die Werke Angelo Bronzinos. Von Hanns Schulde. Mit 21 Lichtdruck-
tiil'eln. , , , ,. • r TT I. ^' ""
82. Eugene Carriere, Schriften und ausgewählte Briefe. Herausgegeben von
J. Ddvolve, autorisierte Uebersetzung von F. Ed. Schneegans. 8. —
83. Die Stickereien nach Entwürfen des Antonio Pollaiuolo in der Opera di
S. Maria dcl Fiore zu Florenz. Von Sascha Schwabacher. Mit 37 Lichtdruck-
tafeln. ^^' —
' 84.' Giocondo Albertolli der Ornamentiker des italienischen Klassizismus.
Von Arthur Kauffmann. Mit 16 Abb. auf 9 Lichtdrucktafeln. 6. 5o
85. Leone Battista Alberti als Kunstphilosoph. Von b^ene Behn. 5. —
86. Antike Bildwerke. Venus von Milo, Ilioneus, Torso vom Belvedere,
Torso von Subiaco. Von C. Hasse. Mit i3 Tafeln.
87. Studien über Leonardo da Vinci. Von Jul. Lange. Mit 14 Abbildungen.
Unter der Presse:
Kritisches Verzeichnis der Handzeichnungen zu den Medicigräbern. Von
.Julius Baum. Mit zahlreichen Abbildungen.
Beiträge zu Nicola Pisano. Von Hans Graber. Mit 5 Lichtdrucktafeln.
Weitere Hefte in Vorbereitung. - Jedes Heft ist einzeln käuflich.
WD Lange, Julius Henrik
623 Studien über Leonardo (
L5L31$ Vinci
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