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Full text of "Sudentenflora : Eine Auswahl charakteristischer Gebirgspflanzen, nach natürlichen Familien unter Berücksichtigung des Linnéschen Systems"

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udetenflora. 


Eine Auswahl 


charakteristischer Gebirgspflanzen. 
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Nach natürlichen Familien unter Berücksichtigung 
des Linneschen Systems 


bearbeitet 


von 


W. Winkler, 
Hauptlehrer in Schreiberhau. 


Mit ı03 Abbildungen auf 52 Farbentafeln. 


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Dresden -N., 
Verlag und Druck von C. Heinrich. 


1900. 


er Farbentafeln vudle, 2 
nach photographischen Naturaufnahmen von ]. Ostermaier ea U 
in Photochromie ausgeführt 
von Nenke & Ostermaier, Kunstanstalt, Dresden. 


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An den Verfasser 
der „Sudetentlora“! 


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2m Du noch dran? fast fünfundzwanzig Jahr’ 


sind’s, dals bei Dir zu Gast ich war, 
zum erstenmal im Bergrevier, 
zur Zeit der Frühlingsblütenzier. 
Und eines Tages sprachst Du schlau: 
„Der Himmel ist so klar und blau; 
„heut wollen auf verbotnen Wegen 
„wir ’mal die Lust des Wanderns pflegen!“ 


Das Ränzel wurde umgeschnallt; 
bald nahm uns auf der grüne Wald, 
und wo der Kochel Wellen schäumen, 
sahst Du ein Zeichen an den Bäumen; 


da schlepptest Du mich ohne Gnade 


ins Dickicht vom gebahnten Pfade. — 
Wir schritten über Wurzeln, über Moos . 


und stiegen immer höher wegelos 


im Dunkel schier und zwischen hohen Stämmen, 
bis Knieholzsträucher unsre Füfse hemmen. 

Da ward es licht; vor uns ein Trümmerhauf’, 
mit Nadelbüschen dicht umsponnen, 

doch über Blöcke geht’s im Sturm hinauf; — 
Hurrah! die „kleine Grube“ ist gewonnen! 


Ich stehe atemlos; — ein neues Reich, 
ein Zaubergarten beut sich meinen Blicken; 
die Felsen ragen rings, den Türmen gleich, 
wie weilse Fahnen flattert’s aus den Lücken. 
Und aus dem Boden spriefsen geil empor 
fast männerhohe Stauden seltner Art, — 
der Eisenhut ragt über alle vor, 
und an der Böschung nickt der Teufelsbart; 
hier blüht es blau, dort blüht es golden, 
rings wuchern schirmgleich weilse Dolden, 
und wo am Fels ein Krümchen haften blieb, 
da schimmert rot das sülse Habmichlieb. 


So mitten drin in Rübezahls Revier 
auf einem sonn’gen Steine salsen wir; 
und wie ein Mann, der Schätze wohl verwahrt 
und sie nur würd’gem Jünger offenbart, 
so fingst Du an, die bunte Pracht zu deuten, 
die Pflanzen nanntest Du, die stets erneuten, 


die seit Äonen ungestört hier prangen, 

weil weder Mensch noch Tier sie kann erlangen. 
Du sagtest mir, in welchen fernen Zonen 

jetzt ihre Eltern, ihre Vettern wohnen, 

ob einst sie durch die Luft hieher gekommen, 
ob sie auf Eis und Meer zum Berg geschwommen, 
und zeigtest mir die Wurzeln, Blätter, Blüten, 
die Art, wie ihre Samen sie versprühten. — 

Mir aber war’s, als rührt’? der Genius 

der Berge mir die Stirn mit einem Kuls, 

als nähm’ er mir das ganze Herz gefangen, 


weil sein Geheimnis mir nun aufgegangen. — 


Seit dieser Zeit, wie oft bist Du gestiegen 
hinauf, wo Deine treuen Schätze liegen! 
Und jetzt willst Du sie auch den Andern zeigen, 
dais sie sich still vor unserm Schöpfer neigen. 
Nun wohl! Schlieis ihnen auf die Pforten 
zu unsrer Flora Lieblingsorten, 
lehr’ ihnen, wie Natur die Felsen schmückt 
und ofines Auge, offnen Sinn beglückt! 


Frühlings-Anfang 1900. 
Dr. Baer. 


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Inhalts - Verzeichnis. 


Seite 

Fr Vorwort alsapa une a N ne an 

U. Aus dem Ernemgomn Flanze ne Re ee 2 

BIP Rilauzen as en a 
IV. Eine botanische Wanderung vom Thale bis auf das 

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wrEmwanderunssder Hochgebirgs-Flora.. . .'. ...... 33 

Berinzelbeschkelnae 2.42 

Anhang: 
Erklärung und Register der Fachausdrücke . . . . . „183 
Erklärung der Zeichen und Abkürzungen . . . ....18 


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Il. Vorwort als Einleitung. 


„Geh’ aus, mein Herz, und suche Freud’ 
in dieser lieben Sommerzeit 
an deines Gottes Gaben; 
schau’ an der schönen Gärten Zier 
und siehe, wie sie mir und dir 
sich ausgeschmücket haben.“ 
(P. Gerhard.) 


Freilich sind es keine Prachtgärten mit modernen 
Anlagen und kunstvollen Erzeugnissen, die uns in dem 
vorliegenden Buche erschlossen werden. Aberdoch treten 
uns auf Kuppen und Kämmen des Gebirges, wie auf 
den kräuterreichen Abhängen eine Reihe farbenprächtiger 
Gestalten entgegen, die jedem Garten zur Zierde ge- 
reichen würden. 

Unter den mannigfachen Reizen, mit denen das 
Gebirge ausgestattet ist, nimmt die Pflanzenwelt eine 
hervorragende Stelle ein. Durch die ungewohnte Er- 
scheinung, durch die intensivere Färbung der Blütenteile 
und durch die eigenartige Umgebung lockt sie den 
Blick des Wanderers auf sich und fordert zum Be- 
schauen auf. 

Werdiese Gebiete mit Pflanzenmappe und Botanisier- 
büchse durchwandert, muß sich darauf gefaßt machen, 
von Einheimischen wie Fremden wegen Bezeichnung 
und Bedeutung irgend einer Pflanze oft angesprochen 
zu werden. Entginge der Botaniker auch auf seinen 
Streifzügen den Fragestellern: unter dem gastlichen 
Dach der nächsten Baude, wo er die eingeheimsten 
Schätze sichtet und der schützenden Hülle einverleibt, 
muß er ganz sicher Rede und Antwort stehen; und hat 
er Neigung und Geschick, seinen Mitteilungen ein 
populäres Gewand zu geben, findet er auch stets eine 
ebenso aufmerksame wie dankbare Zuhörerschaft. Beim 
Gebirgsbewohner ist noch vielfach der Glaube an die 
besondere Heilkraft der Gebirgskräuter anzutreffen; auch 


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ist die Erinnerung an das einst im Riesengebirge blühende 
Laborantentum!') in breiteren Volksschichten noch keines- 
wegs erloschen. Im Rübezahls-Mythos, dessen Sagen 
und Märchen für jung und alt einen unversiegbaren, 
nie veraltenden Unterhaltungsstoff bieten, wird der ge- 
waltige Berggeist nicht nur als der Herr der Berge und 
ihrer verborgenen mineralischen Schätze, sondern auch 
als der Hüter und Pfleger der kostbarsten und schönsten 
Kräuter und Blumen dargestellt. 


Es kann deshalb durchaus nicht überraschen, wenn 
der Pflanzenwelt des Gebirges ein allgemeines erhöhtes 
Interesse, das durch die alljährlich wiederkehrenden 
Botaniker immer wieder neue Anregung und Belebung 
empfängt, entgegengebracht wird. Damit ist wohl auch 
die in den letzten Jahrzehnten erwachte Reiselust, die 
jeden Sommer einen mächtigen Fremdenstrom dem Ge- 
birge oder der See zuführt, in Beziehung zu setzen. 
Im Jubeljahre Goethes (1899) sei es gestattet, darauf 
hinzuweisen, daß der Kulturheros auch auf diesem Ge- 
biete als ein hervorragender Pfadfinder vorangegangen 
ist. „Wer von den Tausenden, welche alljährlich, den 
Staub der Stadt von sich schüttelnd, durch Reisen in 


1) Um das Jahr 1700 entstand in Krummhübel eine Zunft von 
Wurzelgräbern, die aus Pflanzen — besonders Gebirgskräutern — 
allerhand Mixturen, Salben und Pulver bereiteten. Zu diesem 
Zwecke wurden nachstehende Pflanzen, die auch heute noch 
vielfach bei Gebirgsbauden angetroffen werden, verwandt: 
Archangelica Engelwurz, Gentiana Enzian, /mperatoria Meisterwurz, 
Levisticum Liebstöckel, Meum Bärwurz, Myrrhis Süssdolde, Valeriana 
Baldrian u.a. Es war den Laboranten gestattet, 46 Medikamente 
anzufertigen und zu vertreiben. Diese wurden im Lande weit 
und breit versandt und fanden überall reißenden Absatz. Mochte 
auch bei Anpreisungen manches mitunterlaufen, was an den 
Geheimmittelschwindel der Gegenwart erinnert, so waren doch 
die Laboranten ehrsame und für ihr Gewerbe wohl vorgebildete 
Leute. Nach einer 5jährigen Lehrzeit hatte der Laborant vor 
dem Kreisphysikus in Hirschberg ein Examen abzulegen, das 
zu einem selbständigen Gewerbebetriebe berechtigte. Über die 
Entstehung dieser Zunft, zu welcher 27 Mitglieder zählten, wird 
berichtet, daß hierzu zwei böhmische Studenten der Medizin, 
die wegen eines Duells von der Prager Universität geflohen 
wären, die Veranlassung gegeben hätten. Der letzte Laborant 
starb 1884. 


4 
der schönen Natur Erfrischung suchen, ist sich bewußt, 
daß auch hier Goethe unsern Wanderungen die Richtung 
gewiesen und die Ziele gesteckt hat? Bekanntlich ist 
die Sehnsucht, die uns so mächtig in Berge und Wald- 
einsamkeit zieht und vor allem die von der Kultur nicht 
berührte romantische Landschaft der Hochgebirge auf- 
suchen läßt, eine ganz moderne Empfindung; den 
Menschen des Altertums, des Mittelalters und der 
Renaissance galten Wälder und Gebirge als Orte des 
Schreckens, die man so schnell wie möglich zu verlassen 
suchte, und die wenigen, welche in jenen Zeiten Reisen 
zum Vergnügen unternahmen, wollten nicht der Natur- 
schönheiten sich erfreuen, sondern in grossen Städten 
Zerstreuungen genießen, oder fremde Sitten und Ge- 
bräuche kennen lernen. Goethe war nicht nur einer der 
ersten Touristen im modernen Sinne, sondern er hat 
durch seine Reiseschilderungen auch am meisten auf 
die Erweckung, Ausbildung und Verbreitung der Reise- 
lust eingewirkt.“‘') Vor allem aber hat er durch seine 
epochemachenden Forschungen den Blick der ganzen 
gebildeten Welt auf die Naturwissenschaft, insbesondere 
auf die Pflanzenwelt, hingelenkt. 


Die erste Erforschung der Gebirgsflora liegt über 
drei Jahrhunderte zurück. Um die Mitte des 16. Jahr- 
hunderts besuchte Matthiolus aus Siena, wohl der erste 
Botaniker, das Riesengebirge, um die bereits im Alter- 
tume bekannten Heilpflanzen wieder aufzufinden. Ihm 
folgte Dr. Caspar Schwenkfeldt, Arzt und Physikus 
— geb. 1563 in Greiffenberg —, der mehrere bedeutende 
Schriften mit Angaben der auf dem Gebirge wachsenden 
Pflanzen verfaßt hat. Am Ende des Jahrhunderts war 
die Gebirgsflora der Hauptsache nach bekannt. Fast 
gleichzeitig wurde auch die Flora der Ost-Sudeten er- 
forscht. Seitdem haben Hunderte und aber Hunderte, 
der Scientia amabilis huldigend, Berg und Thal durch- 
streift, um neuen Schätzen und neuen Standorten nach- 
zuspüren;, und so dürfte wohl gegenwärtig in dem 
ganzen Gebiet kaum ein Fleckchen anzutreffen sein, 


1) Cohn. Die Pflanze. 


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das nicht der Fuss eines Botanikers betrat oder welches 
nicht sein spähender Blick durchforschte. 

Die Farbenpracht, der Formenreichtum, die Selten- 
heit der Erscheinung und manches andere regten schon 
frühzeitig den Gedanken an, die schönsten und hervor- 
ragendsten Kinder der Gebirgsflora im Bilde zu be- 
sitzen. Aus diesem Grunde entstanden schon vor mehr 
als hundert Jahren zum Teil recht hübsche kolorierte 
Handzeichnungen, die dann in botanischen Werken und 
Schriften vervielfältigt wurden.!) Hin und wieder wurden 
einige hervortretende Gebirgspflanzen und deren kritische 
Formen in verschiedenen neueren floristischen Schriften 
bildlich dargestellt. Auch die Kunstmalerei erwählte 
vielfach die schönsten Gebirgsblumen als Vorlage. ”) 
Es waren dies vereinzelte Versuche, die sich mit einer 
mehr oder minder beschränkten Anzahl von Abbildungen 
begnügten. Wohl entstand vor Jahren durch den Alpen- 
verein das klassische Werk „Atlas der Alpenflora“, 
welches in entzückenden Farbentafeln die Alpenpflanzen 
darstellt. Auch der Brocken hat seine reich illustrierte 
„Brockenflora“. Den Sudeten aber mangelte bisher eine 
solche, obwohl manches Kind unserer Berge sehr wohl 
den Alpenbewohnern an die Seite gestellt werden 
kann. Das vorliegende Buch will nun diese Lücke aus- 
füllen. 

Bei den Einzelbeschreibungen, für welche am 
Schlusse eine kurze alphabetisch geordnete Erklärung 
der gebrauchten Fachausdrücke folgt, ist darauf Bedacht 
genommen worden, die botanischen Namen — soweit 
als zuverlässig und angängig — zu erklären und die 
Pflanzen in Beziehung zu setzen zur Mythologie, 
Sage, Dichtkunst und Biologie. 


1) Im Jahre 1793 und 94 erschien von F. W. Schmidt eine 
mit kolorierten Handzeichnungen versehene „Zora bohemica“, 
welche auf der Prager Universitätsbibliothek aufbewahrt wird. 

?) Unter den Künstlern der Neuzeit verdient besonders der 
frühere Malermeister der Josephinenhütte Janausch - Hirschberg 
genannt zu werden. Er hat verschiedene Gebirgspflanzen — 
einzeln wie in Zusammenstellungen — in naturgetreuer kunst- 
vollendeter Ausführung dargestellt. Die farbenprächtigen Bilder 
befinden sich in den Händen verschiedener Kunstliebhaber. 


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Bei der Mythologie ist selbstverständlich die germani- 
sche in den Vordergrund getreten. „Wie tiefen Blick 
eröffnen diese alten Namen nicht selten in unsere älteste 
germanische Vorzeit! Der Germane umfaßte mit voller 
Liebe die Erzeugnisse der Natur, die ihn umgab. Alle 
seine Anschauungen wurzelten in ihr. .. Selbstver- 
ständlich brachte er auch die Pflanze in Verbindung 
mit seinen Gottheiten, besonders nachdem er den Nutzen, 
die Heilkraft der einen, die Schädlichkeit, die tod- 
bringende Wirkung der anderen kennen gelernt hatte. 
Nur die Gottheit selber konnte diese ihm unerklärlichen 
Kräfte den Pflanzen gegeben haben.‘‘!) Mit der mytho- 
logischen Bedeutung stehen die Sagen in engster Be- 
ziehung. Bei der mit dem Volksleben innig verwachsenen 
Pflanzenwelt konnte es nicht überraschen, daf hervor- 
ragende Dichter der alten und neuen Zeit mit Wort 
und Lied einzelne bedeutungsvolle Gestalten wie ganze 
Abschnitte im Pflanzenleben verherrlichten. Diese 
dichterischen Ergüsse, von denen eine Anzahl hier bei- 
gegeben sind, ?) sollen die behandelten Pflanzengestalten 
beleben und als Hauptzweck dahin führen, daß die 
Gebirgsflora mit liebevoller Hingabe und mit innigem 
Interesse betrachtet, daß dem leichtsinnigen Heraus- 
reißen und Vernichten gesteuert, daß dem barbarischen 
Pflanzenraube, wie er sich bisweilen bei Kräutersammlern 
zeigt,?) entgegengewirkt und daß das Pflanzenkleid als 


1) Söhns. Unsere Pflanzen. 

2) Die meisten aus A. Roth. Wildwüchsiger Strauß. 

3) In einigen Gebirgsorten ist folgende Bekanntmachung 
des Amtsvorstandes angebracht: „Seit Jahren schon werden auf 
dem Gebirgskamme hier Pflanzen verschiedener Art, namentlich 
die Primula minima, won Personen entnommen, die aus dem 
Weiterverkauf ein Gewerbe machen. Ganze Ballen, besetzt mit 
dieser eigenartigen Blume unseres Hochgebirges, sind abge- 
schaufelt und fortgeschafft, letztere also in rücksichtloser Weise 
geplündert worden. Indem zur Erhaltung der Gebirgsflora, 
speziell der Primula minima, dieselbe unter den Schutz des Publi- 
kums gestellt wird, wird gleichzeitig ersucht, derartige Zuwider- 
handlungen, die nach $ 30 No. 5 des Feld- und Forstpolizei- 
gesetzes vom 1. April 1880 bis 150 M. Geldstrafe ev. Haft be- 
droht sind, zur Anzeige zu bringen.“ 


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ein auch im Haushalte der Natur bedeutungsvolles 
Schmuckgewand angesehen werde. 


„Du magst, soviel du willst, von Blumen immer pflücken, 
um dich, und was du willst, damit zu schmücken. 

Dazu sind Blumen da, von dir gepflückt zu sein; 

sie selber laden dich dazu mit Nicken ein. 


Nur eines unterlaß ich nicht dir einzuschärfen: 

daß du nichts pflücken darfst, nur um es wegzuwerfen. 

Der schönste Strauß des Frühlings blüht für dich; 

doch wenn du ihn nicht brauchst, so laß ihn blüh’n für sich.“ 
(F. Rückert.) 

Die beigegebenen biologischen Notizen!) sollen 
einen Einblick gewähren in die verschiedenen Wechsel- 
wirkungen, in das ineinandergreifende, beständige 
Schaffen, in das Lieben und Leben, Wirken und Streben 
einer nie stillstehenden Natur. 


„Wer im ungeschlichteten Zwist der Völker nach 
geistiger Ruhe strebt, versenkt gerne den Blick in das 
stille Leben der Pflanzen und in das innere Wirken 
der Naturkraft.“ (A. v. Humboldt.) 


An einigen Stellen mußte aus technischen Gründen 
von der allgemein angenommenen Reihenfolge der 
Pflanzen etwas abgewichen werden. Die deutschen 
Pflanzennamen sind den bekanntesten Florenwerken, 
sowie dem Volksmunde entlehnt. Die vom ‚Allgemeinen 
Deutschen Sprachverein“ aufgestellten abweichenden 
Pflanzennamen ?) befinden sich bei dem Abschnitt 
„Einzelbeschreibung“ in Klammer hinter den bisher 
gebräuchlichen. Nur konnte sich Verfasser nicht ent- 
schließen, neben der lieblichen, festgewurzelten Bezeich- 
nung Habmichlieb den vorgeschlagenen Namen 
Zwerg-Schlüsselblume und neben der volkstüm- 
lichen Bezeichnung Knieholz den Namen Krumm- 
holzkiefer aufzunehmen. 

Es kann dem Buche nur zur Empfehlung gereichen, 
daß die Farbentafeln, welche durchweg nach Original- 
Aufnahmen hergestellt wurden, aus derselben Kunst- 


ı) Nach F. Ludwig. Lehrbuch der Biologie der Pflanzen. — 
Thielmann. Biologie der einheimischen Pflanzen. 
®) Nach Meigen. Die deutschen Pflanzennamen. 


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anstalt wie der „Atlas der Alpenflora“, Nenke & Oster- 
maier-Dresden, hervorgegangen sind. 

Das behandelte Gebiet umfaßt den Sudetenzug vom 
mährischen Gesenke bis zum Isergebirge. Um auch 
einige, den niederen Höhenlagen, dem Vorgebirge, an- 
gehörige Pflanzen aufzunehmen und das Werkchen nicht 
allzu umfangreich zu gestalten, mußte auf eine Anzahl 
von Gebirgspflanzen verzichtet werden.!) Das vorliegende 
Buch kann deshalb nicht den Charakter einer voll- 
ständigen Gebirgsflora beanspruchen. Man könnte es 
vielmehr als ein botanisches Album bezeichnen. Als 
solches dürfte es sich immerhin dem Botaniker und 
Blumenfreunde, dem Lehrenden und Lernenden dienst- 
bar erweisen. Aber auch für den Touristen und Sommer- 
frischler dürfte es eine willkommene Erscheinung sein. 
Denn wie oft tritt nicht, wenn er seine Schritte heim- 
wärts lenkt, an ihn die Frage heran: „Was erwähle ich 
als Erinnerungszeichen an das Gebirge?“ und „Mit 
welcher Gabe erfreue ich bei meiner Rückkehr die An- 
gehörigen?“ Mag es sich hierbei in den meisten Fällen 
auch nur um einen geringen Gegenstand handeln, der 
als ein Zeichen der Aufmerksamkeit oder des treuen 
Gedenkens gelten soll, so giebt es doch auch Fälle 
genug, bei denen sich das Verlangen nach einer Er- 
innerungsgabe von bleibendem Werte äußert. Eine 
solche darzubieten und durch sie das Interesse für die 
Gebirgswelt anzuregen und die Liebe zur erhabenen 
Gottesnaturzu wecken: dasist der Hauptzweck des Buches. 


ı) Vollständige Gebirgsfloren: Ziek. Flora von Schlesien. 
Celakovsky. Prodromus der Flora von Böhmen. Wizrkter. Flora 
des Riesen- und Isergebirges. 


II. Aus dem Leben der Pflanze. 


„Wie alles sich zum Ganzen webt, 

Eins in dem Andern wirkt und lebt! 

Wie Himmelskräfte auf- und niedersteigen 

und sich die goldnen Eimer reichen! 

mit sagenduftenden Schwingen 

harmonisch all’ das All’ durchklingen!“ 
(Goethe.) 


Die Hauptteile der Pflanze bilden Wurzel, Stamm, 
Blätter, Blüten und Früchte. 

Durch die Wurzel, die sehr verschieden gestaltet ist, 
nimmt die Pflanze hauptsächlich ihre Nahrung auf. Der 
Stamm bestehtauseinem unterirdischen und oberirdischen 
Teile. Ersterer hat 3 Formen: Grundachse, Knolle und 
Zwiebel, und ist dazu bestimmt, gewisse Vorratsstoffe für 
die Pflanze aufzuspeichern. Letzterer ist der Träger der 
grünen Blätter. Er ist entweder holzig oder krautartig. 

Die Blätter sind seitliche Glieder unterhalb der 
Spitze des Stammes. Sie erscheinen als Nieder-, Laub-, 
Hoch-, Kelchblätter u. s. w. und haben die Aufgabe, die 
Kohlensäure der Luft aufzunehmen und zu Pflanzenstoff 
zu verarbeiten, insofern dienen sie auch als Organe der 
Ernährung. 

Die Blüte besteht meist aus Kelch und Blumen- 
krone, die nach Größe, Gestalt und Farbe sehr ver- 
schieden sind. Sie sind bestimmt, die inneren Teile 
der Blüte, die Befruchtungsorgane, vor schädigenden 
Witterungseinflüssen zu schützen. Der Kelch ist ge- 
wöhnlich grün gefärbt und bildet die äußere Hülle der 
Krone, welche meist eine bunte Färbung hat. Im 
Innern der Krone befinden sich die Staubgefäße, der 
Fruchtknoten und der Stempel. Die Staubgefäße — auch 


1) Die nachstehende Abhandlung kann durchaus auf Voll- 
ständigkeit keinen Anspruch erheben. Sie will nur allgemeine 
Andeutungen über das Leben der Pflanze geben, soweit sie zum 
Gebrauche des Buches erforderlich sind. Am Schlusse desselben 
folgt eine Erklärung der gebrauchten Fachausdrücke. 


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Staubblätter genannt — bestehen aus Staubfäden (Stiele) 
und Staubbeuteln. Erstere sind entweder frei oder 
verwachsen; in den letzteren entwickelt sich der Blüten- 
staub. Zum Stempel (Fruchtblätter) gehören Frucht- 
knoten, Griffel und Narbe. Blüten mit Staubgefäßen 
und Stempeln werden Zwitterblüten genannt. Solche 
Blüten, die nur Staubgefäße (männliche Blüten), oder 
nur Stempel (weibliche Blüten) enthalten, heißen ein- 
geschlechtig. Befinden sich diese Organe — ge- 
trennt! — auf derselben Pflanze, so wird sie mit ein- 
häusig, auf verschiedenen Pflanzen mit zweihäusig 
bezeichnet. 

Die Aufgabe dieser Blütenteile besteht in der Er- 
zeugung der Frucht. Eine solche aber kann nur dann 
entstehen, wenn der in den Staubbeuteln enthaltene 
Blütenstaub auf die Narbe des Stempels gelangt (Be- 
stäubung) und von hier aus durch den Griffel hinab in 
den Fruchtknoten wächst. Zahlreiche Beobachtungen 
haben nun ergeben, daß sich nur dann ein kräftiger 
Samen entwickelt, wenn der Blütenstaub einer anderen 
Blume auf die Narbe gelangt. Dieser Vorgang wird mit 
Fremdbestäubung (Kreuzung) — im Gegensatz zur 
Selbstbestäubung — bezeichnet. Diese Übertragung 
des Blütenstaubes erfolgt entweder durch den Wind 
oder durch Insekten. Demnach unterscheidet man 
Windblütler und Insektenblütler. 

Windblütler. Der Blütenstaub ist trocken und 
leicht übertragbar. Die Blütenhüllen sind meist klein 
und unscheinbar gefärbt. 

Insektenblütler. Der Blütenstaub ist stets 
klebrig. Die Blütenhüllen sind meist größer und besitzen 
eine lebhafte, leuchtende Färbung, um die bestäubungs- 
vermittelnden Insekten anzulocken. Ein weiteres Lock- 
mittel bildet außer dem Blumenduft die meist am 
Grunde der Blüte angebrachte, gewöhnlich aus helleren 
oder dunkleren Strichen und Punkten bestehende 
Zeichnung — Saftmal genannt —, die so eingerichtet 
ist, dafs sie den Insekten als Wegweiser zu dem im 
Innern der Blüte befindlichen Honigbehälter (Nektarium) 
dient. Denn dieser bildet die Hauptanziehungskraft für 


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die Blumenbesucher. Die innige, für den gesamten 
Haushalt in der Natur wie im Menschenleben hoch- 
bedeutungsvolle, unentbehrliche Beziehung zwischen der 
Blüte und der Haupt-Bestäubungsvermittlerin, der Biene, 
hat Goethe poetisch ausgeschmückt: 


„Ein Blumenglöckchen Da kam ein Bienchen 
vom Boden hervor und naschte fein: — 
war früh gesprosset Die müssen wohl beide 
in lieblichem Flor. für einander sein.“ 


Sowohl bei den windblütigen wie insektenblütigen 
Pflanzen ist die Fremdbestäubung vorherrschend. Bei 
den zweihäusigen Pflanzen ist die Selbstbestäubung von 
vornherein ausgeschlossen. Aber auch bei den ein- 
häusigen und Zwitterblüten kommt sie nur sehr ver- 
einzelt vor, und zwar deshalb, weil bei den meisten 
Pflanzen sich Blütenstaub und Stempel nicht gleichzeitig 
entwickeln. Die aus der Bestäubung hervorgehende 
Frucht wird eingeteilt in Beeren-, Stein- und Trocken- 
früchte. 

Eine eingehendere Betrachtung des Pflanzenlebens 
erfordert, daß wir die Gewächse in ihren mannigfachen 
Erscheinungen und Beziehungen ins Auge fassen, und 
unermüdlich in die verschiedenen Lebensverhältnisse 
einzudringen versuchen. Bei unerklärlichen Vorgängen 
und schwer zu verstehenden Einrichtungen darf das 
Warum nicht eher schweigen, bevor die Pflanze nicht 
selbst den Schleier gelüftet und eine befriedigende 
Antwort gegeben hat. Dann erst wird das nachstehende 
Wort des Forschers zur Wahrheit werden: 

„Jedes einzelne der lieblichen Blumengesichter, die 
wir als uns für immer verschleierte Geheimnisse mit dem 
wehmütigen Gefühle der Entsagung anzustaunen ge- 
wohnt waren, blickt uns jetzt hoffnungserweckend und 
zu mutigem Vorgehen anspornend freundlich entgegen, 
als wollte es uns zurufen: Wage dich nur zu mir heran, 
mache dich in treuer Liebe mit mir und allen meinen 
Lebensverhältnissen so innig als du vermagst vertraut, 
und ich bin gern bereit, den Schleier vor dir fallen zu 
lassen und mich mit allen meinen Geheimnissen dir an- 
zuvertrauen.“ (H. Müller. „Alpenblumen.‘“) 


III. Pflanzen - Systeme. 


„Der Weg der Ordnung, ging er auch durch Krümmen, 
er ist kein Umweg.“ (Schiller) 


Bei der großen Zahl von Gewächsen und der Ver- 
schiedenheit der Formen und Gebilde mochte schon 
vor Zeiten bei Naturforschern wie sonstigen Blumen- 
freunden das Verlangen nach einem kundigen Führer 
und sicheren Wegweiser für das Pflanzen-Labyrinth 
— für die „tausendfältige Mischung unter dem Blumen- 
gewühl“ — rege geworden sein. Um sich in der ver- 
wirrenden Fülle und bunten Mannigfaltigkeit der 
Pflanzenwelt zurecht zu finden, hatte man Pflanzen- 
systeme — künstliche und natürliche — aufgestellt. 
Künstlich nennt man das System, bei welchem die 
Gruppierung nur nach einzelnen Merkmalen, z. B. nach 
der Zahl der Staubfäden, erfolgt; natürlich, wenn 
hierbei die Gesamterscheinung der Pflanze berücksichtigt 
wird. Das bekannteste unter den künstlichen Systemen, 
welches heut noch allgemeine Geltung hat, ist das 
Linnesche System. Der schwedische Botaniker 
K. v. Linne, Professor in Upsala, veröffentlichte 1735 
sein geniales Werk ‚„Systema naturae‘“, in welchem er 
unter alleiniger Berücksichtigung der Bestäubungsorgane 
die Pflanzen in Klassen und Ordnungen einteilte. Oben- 
an stehen die beiden Hauptgruppen: 

A. Phanerogamen = Pflanzen mit deutlich wahr- 
nehmbaren Blüten, und 


B. Kryptogamen = Pflanzen ohne erkennbare 
Blüten. R 
Hierauf folgt — wie nachstehende Übersicht er- 


giebt — die Gruppierung nach der Zahl, Länge und 
Verbindung der Bestäubungsorgane. 

Das älteste natürliche System stellte Jussieu 
1789 auf. Es wurde von Decandolle, Endlicher u. a. 
weiter ausgebaut und ist gegenwärtig das gebräuchlichste. 


ER 


Übersicht des Linneschen Systems. 


A. Phanerogamen. 
I. Pflanzen mit Zwitterblüten. !) 


a) Staubgefäfse frei, nicht verwachsen. 


1. Staubgefäße meist gleich lang. 


Im Buche und auf 
den Farbentafeln aufgenommene Pflanzen. 


1 Staubgefäß in jeder Blüte — I. KL Near 
2 Staubgefäße ,, h — 1. „nn, MEI SB 
3 4 ; — Il. „ 1, 922 70758 
4 h u NV. N RT 
b) sh % 5 = EEE Ey 272 
24—28, 49, 50. 
54. 56—60. 66. 
6 N 5% 3 5 = VI. 1, 7,985072.185-—98, 
7 5 un, 5 — US ER 
8 N ren ’ VEIT. U. 
9 r HD N IR _ 
10 r " » ss = Rx. nn 12:20.21:31.- 36, 
12—18 „ N 2 = EHER LER RN — 
20 und mehr Staubgefäße auf 
dem Kelchrandern.. Ye... = XI 05: 912,323: 
20 und mehr Staubgefäße auf 
gem Rruchtboden n4 u 72 SU = DIE 1, 25.16: 


2. Staubgefäße paarweise ungleich lang. 
4 Staubgefäße, 2 längere und 


Bulirzere ee IRIV I RN. 1537002023 
6 Staubgefäße, 4 längere und 
DALURIELEN I ONE N eV 


b) Staubgefälse unter sich oder mit dem Stempel verwachsen. 
1. Staubfäden verwachsen in 


4» Bündel: 2, HE RENTE vr Den VEIT NN — 
BxbBundel .... „au erkenne. 5 = X VILLE DE 
Baader; mehr Bündel... .u.5.. 0 & VIE 00% Sam 


1) Staubgefäße und Stempel befinden sich in einer und 
derselben Blüte. 


RB), nn 


2.Staubbeutelverwachsen 


Iisemerkohre. . „ . NZ IXDR Kl Nry 37-48. 
3, Staubgefäße mit dem 
Berempelverwachsen ..„ =! X%X .,..,. 81-84, 


II. Pflanzen mit eingeschlechtigen Blüten. 
a) Staubgefäße und Stempel- 
blüten auf derselben Pflanze = XXI Kl, Nr, 68. 76—79. 93, 
b) Staubgefäßblüten auf der 
einen und Stempelblüten auf 


Bckhanderen Pianzemez Fr = INR EN ins 18 69-—71.792 
IN. Pflanzen mit Zwitterblüten und eingeschlechtigen 
Blüten ee 2) = XXI KL Nr, — 


B. Kryptogamen. Pflanzen ohne Blüten und 
Samen, mit Sporen. „ =XXiIV. Kl, Nr. 94—103. 


Übersicht des natürlichen Systems.) 


A. Phanerogamen. 
Blütenpflanzen, samenerzeugend. 


I. Hauptabteilung. Angiospermen. Bedecktsamige. 
Samen von einem Fruchtknoten eingeschlossen. 


I. Klasse. Dieotylen. Ringfaserige phanerogamische 

| Gefäßpflanzen. Zwei gegenständige Keimblätter. 
Gefäßbündel auf dem Querdurchschnitte ring- 
förmig. Laubblätter meist netzig geadert. Blüte 
vorherrschend 5zählig. 

1. Unterabteilung. Blüten vollständig. Blumenkrone getrennt- 
blättrig, unterständig. 


a) Fruchtknoten mehrere, Kelchblätter getrennt. 
Ranuniculaceen Juss. Krautartige Pflanzen’mit geteilten 
Blättern. Kelch meist [5 blättrig, Krone 4—15 blättrig. 


Pula rder Übersicht haben nur die im Buche vertretenen 
Familien Aufnahme gefunden, 


2 


ee a 


Staubgefäße zahlreich. Deldhinium 1. Aconitum 2. Ane- 
mone 3. FPuisatilla 4. Ranunculus 5. Trollius 6. 

b) Fruchtknoten mehrere, Kelchblätter am Grunde mehr oder 

weniger verbunden. 

Crassulaceen DC. Blätter fleischig, ohne Nebenblätter. 
Frucht am Grunde mit einem Schüppchen. Krone bis 
20 blättrig. Staubgefäße soviel als Kronenblätter oder 
doppelt soviel. Ahodiola 7. 

Rosaceen Juss. Blätter krautartig, meist mit Nebenblättern. 
Frucht ohne Schüppchen, Krone 4—5spaltig. Staub- 
gefäße zahlreich. Alchemilla8. Rosa9. Rubus 10. Geum 11. 
Potentilla 12. 

c) Fruchtknoten I. Krone unregelmäfsig. Kelch einblättrig. 

PapilionaceenL. Kelchö5zähnig. Blumenkrone schmetter- 
lingsförmig. Staubgefäße 10, von denen 9 in ein Bündel 
vereinigt sind. ZZedysarum 13. 


d) Fruchtknoten und Krone wie vorige. Kelch mehrblättrig. 

Fumariaceen DC. Kelch 2blättris.. Krone 4blättrig. 
Staubgefäße 6, in 2 Bündel verwachsen. Blätter ohne 
Nebenblätter. Zumaria 14. 

Violaceen DC. Kelch und Krone 5blättrig. Staub- 
gefäße 5, frei. Blätter mit Nebenblättern. Viola 15 und 16. 


e) Fruchtknoten I. Krone regelmäfsig. 
Droseraceen DC. Kelch teilig. Kronenblätter 5. Staub- 
gefäße 5. Sumpfpflanze. Drosera 17. 
Empetraceen Nutt. Kelch- und Kronenblätter 3. Staub- 
gefäße 3. Zmpetrum 18. 
Cruciferen Juss. Kelch- und Kronenblätter 4. Staub- 
gefäße 6. Cardamine 19. 


f) Wie vorige. Staubgefäfse 10. 
Alsinaceen DC. Kelch 5blättrig. Blätter pfriemförmig, 
dichtrasig. Alsize 20. 
Hypopitiaceen Klotzsch. Kelch 5teilig. Blätter rund- 
lich, immergrün. Zirola 21. 


2. Unterabteilung. Blüten vollständig. Blumenkrone getrennt- 
blättrig, oberständig. i 


a) Bäume und Sträucher. 


Grossulariaceen DC. Fruchtknoten 1fächerig. 5 Staub- 
gefäße. Beerenfrucht. Zides 22. 


RT 


Pomarien Lindl. Fruchtknoten 2- bis mehrfächerig. 20 
und mehr Staubgefäße,. Apfelfrucht. Zirus 23. 
b) Krautartige Gewächse. 
aa) Blüten in Dolden. 
Umpbelliferen Juss. Blätter meist geteilt. 5 Kelch- und 
5 Kronenblätter. 2 Griffel. Zrperatoria 24. Pleurospermum 25. 
Meum 26 und 27. Myrrhis 28. 


Die Deckblätter am Grunde der Dolde werden mit 
Hülle, diejenigen am Grunde der Döldchen mit Hüllchen 
bezeichnet. Die Frucht spaltet sich bei der Reife in 
2 Früchtchen (Spaltfrucht), welche an der Spitze eines 
Fruchtträgers hängen. Die Fläche, mit welcher sie sich vor 
der Reife berühren, heißt Fugenseite. 

Jedes Teilfrüchtchen hat 5 erhabene Streifen (Riefen 
oder Rippen), welche Hauptrippen heißen, auf der Mitte 
des Rückens: Kielrippen, die übrigen: Mittel- und Rand- 
rippen; letztere oft geflügelt. Zwischen den Hauptrippen 
4 Vertiefungen: Thälchen, unter deren Oberfläche Kanäl- 
chen (Striemen) mit ätherischem Öl. Das Eiweiß der 
Früchte ist zum Bestimmen der Gattungen notwendig. 
Man erkennt es deutlich, wenn man eine reife Frucht 
quer durchschneidet. Entweder ist das Eiweiß an der 
Fugenseite flach und eben — wie bei den meisten Dolden — 
oder es sind die Seitenränder einwärts gebogen, so daß 
der Querschnitt halbmondförmig erscheint, oder es ist 
sackförmig ausgehöhlt. 

Viele Doldengewächse enthalten Alkaloide und ätheri- 
sche Öle, wodurch sie sich in sehr wirksamer Weise 
gegen Tierfraß schützen. Sie bilden, wie die Korbblütler, 
Blütengenossenschaften, die für das Pflanzenleben von 
großer Bedeutung sind. Eine Blütenvereinigung, welche 
doch viel wirksamer als die einzelne Blume zum Besuch 
einladet, ermöglicht es dem Insekt, in kurzer Zeit möglichst 
viel Blumen zu besuchen. Am Grunde beider Griffel be- 
findet sich das Stempelpolster mit dem Nektarium, welches 
den Honig reichlich absondert und den zahlreichen Be- 
suchern leicht zugänglich macht. Um die Blüte einerseits 
gegen Wetterungunst zu schützen, anderseits aber die 
Bestäubung zu fördern, finden periodisch sich wiederholende 
Krümmungen der Blütenstiele statt. Zum Schutz gegen 

9% 


ee 


Schneckenfraß dienen die starren Haare, womit einige 
Umbelliferen-Arten ausgestattet sind. Die meisten Dolden- 
gewächse haben proterandrische Blüten: Fast sämtliche 
Staubgefäße springen auf und geben vorher an die Be- 
stäubungsvermittler, die Insekten, den Blütenstaub ab, 
ehe die Grifiel und Narben sich vollständig entwickelt 
haben. Daraus ergiebt sich die Fremdbestäubung mit 
zwingender Notwendigkeit. 


bb) Blüten nicht in Dolden, end- oder blattwinkelständig, 

Onagraceen Juss. Kelch mit dem Fruchtknoten ver- 
wachsen, abfällig, mit 2—4teiligem Saume. Kronenblätter 
in der Knospe zusammengedreht. Circaea 29. Epilobium 80. 

Saxifragaceen Vent. Kelch an den Fruchtknoten an- 
gewachsen, bleibend, mit 4 oder 5 freien Zipfeln. Kronen- 
blätter in der Knospe dachziegelig. Sazxifraga 31—89. 
Chrysosplenium 36. 

Die Pflanzen enthalten Gerbsäure, die ihnen als ein 
sehr wirksames Schutzmittel gegen Schneckenfraß dient. 
Ein weiteres Schutzmittel gegen feindliche Angriffe bieten 
die Drüsenhaare, womit einige Arten ausgestattet sind. 
Außerdem besitzen die mit klebrigen Drüsen versehenen 
Pflanzen die Eigenschaft, gewisse stickstoffhaltige Nahrungs- 
mittel 'zu absorbieren. Um die Verbreitung des Samens 
zu begünstigen, ist die abgeplattete Frucht ‚mit einem 
häutigen, dünnen Saum eingefaßt. 

Der Name „Steinbrech“ dürfte wohl davon herrühren, 
daß die Pflanze vorzugsweise Felsen bewohnt. Darauf 
deutet auch der Gattungsname Saxifraga hin. 


3. Unterabteilung. Blüten vollständig. Kronenblätter mehr 
oder weniger mit einander verwachsen. Krone ober- 
ständig. 

a) Blüten in einem Blütenkorbe vereinigt und von einem ge- 

meinschaftlichen Hüllkelch umschlossen. Staubgefäfse in der 

Röhre der Blumenkrone oder zwischen den Zipfeln des Saumes 

eingefügt. Korbblütler. 

Compositen Ad. Der Kelch der Blütchen bildet eine 
Röhre mit Federchen oder Haaren (Haarkrone). Blumen- 
krone verwachsenblättrig. Der Saum 5zähnig oder 
zungenförmig.. Staubfäden }frei; Staubbeutel in eine 


Ba; N 


Röhre verwachsen. Griffel 1, mit 2 Narben. Frucht eine 
trockene Schließfrucht. 


Die Korbblütler bilden drei Unterfamilien: 
aa) Zungenblümier (Cichoriaceen). 


Alle Blüten sind zungenförmig und 2geschlechtig. 
Achyrophorus 37. Crepis 38. Hieracium 39—A1. Mulgedium 42, 
bb) Strahlblümler (Corymbiferen). 
Die inneren Blüten (Scheibenblüten) sind röhrig, die 
Randblüten zungenförmig. Sezecio 43. Doronicum 44. 
Homogyne 45. Adenostyles 46. Gnaphalium 47 und 48. 


cc) BRöhrenblümler (Cynareen). 
Alle Blüten sind röhrig. (Im Buche nicht vertreten.) 


Die Korbblütler nehmen in der Pflanzenwelt eine her- 
vorragende Stellung ein. Sie sind über die ganze Erde 
verbreitet und zählen über 12000 Arten. Ihr Übergewicht 
verdanken sie hauptsächlich den Anpassungen ihrer Blüten 
an die Insektenwelt. Der Kelch vereinigt viele Blüten zu 
Blütengenossenschaften, wodurch den Insekten ein rascher 
und bequemer Besuch vieler Blüten ermöglicht wird. Eine 
weitere Anpassung besteht darin, daß die mit Randstrahlen 
ausgestatteten Blüten als Lockblüten dienen. Der 
Nektar, welcher sich durch die zusammenneigenden Staub- 
beutel vor Regen schützt, wird so reichlich abgesondert, 
daß er in der Blütenröhre aufsteigt und von den zahlreichen 
Besuchern leicht und bequem erreicht werden kann. 


Noch vor der vollständigen Entwickelung der Blüte 
springen die Staubgefäße auf und der Blütenstaub fällt auf 
den niedrigen, noch unentwickelten Griffel. Derselbe ist 
mit Haaren umgeben, welche die Funktion einer Bürste 
übernehmen. Diese wird, sobald das Insekt die Blüte be- 
sucht, in Bewegung gesetzt, wobei sich der Insektenkörper 
mit Blütenstaub bedeckt. Längere Zeit darauf wächst der 
Griffel aus der Röhre heraus und wird empfängnisfähig. 
Dies ergiebt, daß hier nur von einer Fremdbestäubung die 
Rede sein kann. Bei der Verbreitung des Samens mittelst 
des Windes spielt die auf der Frucht befindliche Feder- 
krone, die gleichzeitig einen Fallschirm bildet, eine wichtige 
Rolle. 


N a 


b) Keine Korbblütler. Staubgefäfse auf dem Ende des Frucht- 
knotens vor den Kronenblättern eingefügt. (Bei Linnaea 
Staubgefäße wie bei a.) 
Campanulaceen Juss. Blätter und Blumenkrone ver- 

welkend. Staubgefäße 5. Staubbeutel frei. Campanula 
49 und 50. 
Ericaceen Endl. Blumenkrone bleibend. Staubgefäße 8. 
Blätter lederartig, immergrün. Paccinium 51. 
Rubiaceen DC. Blumenkrone radförmig, verwelkend. 
Staubgefäße 4, gleich lang. Galium 52. 
Caprifoliaceen Juss. Blumenkrone und Blätter ver- 
welkend. Staubgefäße 4 (2lange und 2 kurze). Zirnaea 53. 


4. Unterabteilung. Blüten vollständig. Blumenkrone ver- 
wachsenblättrig, unterständig. 
a) Fruchtknoten 4. 
BoraginaceenDesv. Blumenkrone regelmäßig, radförmig. 
Staubgefäße 5. MWyosotis 54. 

b) Fruchtknoten I. Krone regelmäfsig. 
Primulaceen Vent. Krone radförmig. Fruchtknoten 
einfächerig. Zrientalis 55. Primula 56. Androsace 57. 
Gentianaceen Juss. Krone röhrig. Fruchtknoten 1- bis 

2 fächerig. Sweertia 58. Gentiana 59 und 60. 
c) Fruchtknoten I. Krone unregelmäfsig. 
Scrophulariaceen Juss. Blumenkrone 2lippig oder 
4—5spaltig ohne Sporn. Fruchtknoten meist 2fächerig. 
Veronica 61. Pedicularis 62. Alectorolophus 63. Bartschia 64. 
Lentibulariaceen Rich. Blumenkrone 2lippig, gespornt. 
Fruchtknoten einfächerig, Zinguicula 65. 
5. Unterabteilung. Blüte unvollständig. Kelch und Krone 
fehlen oder sind vollständig mit einander verwachsen. 
a) Blüte nicht in Kätzchen. 
SantalaceenR.Br. Blütenhülle vollständig, Staubgefäße 5. 
Kelch in der Knospenlage klappig, 3—5spaltig. Z7kesium 66. 
Polygonaceen Juss. Blütenhülle unterständig. Staub- 
gefäße 6. Kelch in der Knospenlage dachziegelig, geteilt. 
Rumex 67. 
b) Blüte in Kätzchen. 
Betulaceen Rich. Blüten einhäusig. & Blüte mit 3- bis 
4teiliger Blütenhülle, zu 2—3 in den Achseln schuppen- 
artiger Deckblätter. 2 Blüte in Kätzchen. Betula 68. 


BE 


Salicaceen Rich, Blüten zweihäusig, d und ? Blüten in 
Ähren. Salix 69—71. 


II. Klasse. Monocotylen. Zerstreutfaserige, phanero- 
gamische Gefäßpflanzen. 1 Keimblatt. Gefäß- 
bündel auf dem Querdurchschnitte zerstreut. 
Blätter parallelnervig, oft mit scheidenartigem 
Grunde. Blüten meist 3zählig. 


a) Blütenhülle fehlend oder unvollkommen. 
Gräser und Halbgräser. 
Gramineen Juss. Echte Gräser. Stengel knotig-ge- 
gliedert. Blätter mit verlängerten, meist offenen Scheiden 
und Blatthäutchen, Agrostis 72. Phleum 73. Poa 74 und 75. 


Die Blüten der Gräser stehen in ein- bis mehrblütigen 
Ährchen, welche einfache oder zusammengesetzte Ähren 
oder Rispen bilden. Jedes Ährchen hat am Grunde meist 
2 zeilig gestellte (scheinbar gegenständige) Hüllblätter 
(Klappen). Über diesen stehen 2 Blättchen (Spelzen); das 
untere wird Deckblatt (oft begrannt), das obere Vorblatt 
genannt. Diese schließen die innere Blütenhülle und die 
Befruchtungsorgane ein. Erstere besteht aus 2—3 winzigen 
Schüppchen; Staubgefäße 3, selten 2—6; Griffel und Narben 
2, selten 1. Der Same ist reich an mehligem Eiweiß. 
Sobald die Blüte sich öffnet, wachsen sehr rasch die Staub- 
gefäße über die Spelzen hinaus. Anfangs sind die Staub- 
fäden etwas starr, bald aber erschlaffen sie, und nun hängen 
die Staubbeutel, die sehr bald aufspringen, pendelartig aus 
der Blüte heraus. An dem unteren Teile befindet sich ein 
kahnförmiger Behälter, der den herausfallenden Blütenstaub 
vorläufig aufnimmt und ihn nach und nach an den Wind 
abgiebt, der ihn auf die pinsel- oder federartig sich aus- 
breitenden Narben trägt. 

Das Blühen der Gräser richtet sich hauptsächlich nach 
der Temperatur und Feuchtigkeit der Luft, wobei die 
meist auf der Rückseite der Blätter befindlichen Spalt- 
öffnungen eine sehr wichtige Rolle spielen. 
Cyperaceen Juss. Rietgräser. Stengel nicht knotig- 

gegliedert, oft 3kantig, nur am Grunde beblättert. Blätter 
mit geschlossenen Scheiden, meist ohne Blatthäutchen. 
Carex 76—79: Blüten getrennten Geschlechts, in dach- 


2 NVDUNTAEE 


ziegelförmigen Ähren. & mit 3 Staubbeuteln. Frucht 
und Fruchtknoten von einer flaschenförmigen Hülle um- 
geben. Griffel 2—3spaltig. Grasfrucht 3kantig. fZrio- 
fhorum 80: Blüten 2geschlechtig (zwitterig). Blüten- 
borsten einen langen, weißwolligen Schopf bildend, die 
Frucht einhüllend. 
b) Blütenhülle vollständig, oberständig. 
Orchidaceen Juss. Blüten unregelmäßig, kronenartig, 
6blätterig, aus zwei [3zähligen Kreisen bestehend." Staub- 
gefäße (3; nur das obere mit 1 Staubbeutel) und Griffel 
zu einem Säulchen verwachsen, welches auf der vorderen 
oberen Seite ein drüsig-klebriges Grübchen (Narbe) trägt. 
Gymnadenia 81 und 82. ZListera 83. Corallorrhiza 84. 


c) Blütenhülle vollständig, unterständig. Fruchtknoten 1. 
LiliaceenDC. Blütenhüllefkronenartig. Zilium 85." Allium 86 
und 87. Streptopus 88. 
Juncaceen Bartl;} DBlütenhülle mit spelzenartigen, am 
Rande trockenhäutigen Blättern. Juncus 89. ZLuzulaj 90. 


d) Blütenhülle wie vorige. Fruchtknoten mehrere. 
Colchicaceen DC. Blütenhülle kronenartig. Veratrum 91. 


II. Hauptabteilung. @ymnospermen. Nacktsamige. 
Nadelhölzer. 
Coniferen Juss. Blüte 1- oder 2häusig. Funiperus 92. 
Pinus 98. 


B. Gefäls-Kryptogamen. 
Blütenlose Pflanzen. 


Die Fortpflanzung geschieht durch Sporen, welche sich 
entweder auf der Rückseite des Blattes oder am 
Blattgrunde oder in den Blattachseln oder am Ende 
des Stengels in kleinen, meist rundlichen Häufchen 
oder in Ahren befinden. Aus der Spore entwickelt 
sich ein kleiner nieren- oder herzförmiger, linsen- 
großer Vorkeim (Prothallium), welcher sich mit 
Wurzelhaaren am Boden festheftet. Auf der Unter- 
seite dieses blattartigen Gebildes entstehen männ- 
liche und weibliche Organe (Antheridien und Arche- 
gonien), welche den Staubgefäßen und Stempeln 


BR, 1 


entsprechen. Die Antheridien erzeugen elastische, 
korkzieherartige Schwärmfäden, die zu den Arche- 
gonien gelangen und von ihnen aufgenommen 
werden. Nach stattgefundener Verbindung stirbt 
das Prothallium ab und es entwickelt sich eine neue 
sporentragende Pflanze. Dieser Vorgang entspricht 
dem Generationswechsel bei den Insekten. Das 

Prothallium wird als die erste Generation und die 

aus dem befruchteten Archegon hervorgehende neue 

Pflanze als die zweite Generation angesehen, 

LycopodiaceenDC., Blätter ungestielt. Sporenhäufchen 
in einer Höhlung am Grunde der Innenseite der Blätter 
oder in Blattachseln oder Ähren, ZIsoetes 94. Selaginella 95. 
ZLycoßpodium 96. 

Filices Willd. Blätter gestielt. Sporenhäufchen meist 
auf der Rückseite der Blätter, Alosorus 97. Blechnum 98, 
Asplenium |99 und 100. Asfidium 101. Polystichum 102% 
Botrychium 103. 


IV. Eine botanische Wanderung vom 
Thal bis auf das Hochgebirge. 


„Ihut euch auf, ihr Waldesgründe, 

steig empor, du grüner Dom, 

Quellen, rauschet thalhernieder, 

tönet neu, ihr alten Lieder, 

Sang und Wellenrauschen, münde 

in den brausenden Frühlingsstrom.“ 
(L. Bauer.) 


„Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt 
er in die weite Welt, dem will er seine Wunder weisen 
ın Berg und Wald und Strom und Feld“ — vor allem 
aber — können wir ergänzend hinzufügen — auf der 
Berge lichten Höhen, wo der Blick sich weitet, wo sich 
Wunderwerke offenbaren, wo das Herz jubelt und jauchzt: 

„Da trittst du aus dem Getriebe der Welt 

entgegen dem friedlichen Sternenzelt; 

da rückt es dir näher des Vaters Herz, 

da ziehst du lebendig schon heimatwärts.“ 

(H. Möwes.) 

. Auf, laßt uns auf die Berge steigen! Schon beim 
Überschreiten des Vorgebirgs-Walles treten uns ver- 
änderte Vegetationsbilder entgegen. Manch’ liebge- 
wonnenes Kind der Ebene nimmt von uns Abschied 
und wir betreten die Waldregion, welche sich von 500 
bis 1000 m Seehöhe erhebt. Die Acker- und Getreide- 
felder, welche der Ebene ihr bestimmtes Gepräge geben, 
treten immermehr zurück und größere Wiesenflächen 
nehmen ihre Stelle ein. 

Noch unterhalb der eigentlichen Waldregion treten 
uns eine Anzahl von Gestalten entgegen, die unseren 
Blick sofort fesseln. An buschigen Lehnen und kräuter- 
reichen Bachufernbreitetder akonitblättrige Hahnen- 
fuß seine zahlreichen, weißen Blütensterne aus. Neben 
ihm erblicken wir die Gebirgsrose, die mit ihren 


BR ch 


hochroten Blütenhüllen aus dem Strauchwerk hervorlugt. 
Über sie erhebt sich schützend und schirmend die 
schlesische Weide, die schon längst ihre gelblich- 
weißen Blütenkätzchen abgestreift hat. Bei den zer- 
streuten Wohnungen der Gebirgsdörfer haben sich 
Meisterwurz, Bärwurz, Süßdolde und Gebirgs- 
Ampfer oft in großer Menge niedergelassen. Die 
saftigen Wiesen, deren Ränder nicht selten mit dem 
Felsen-Labkraut eingefaßt sind, schmücken sich mit 
der purpurnen Blütentraube der Höswurz und der 
Goldwurz. Je höher wir steigen, desto mehr vermindern 
sich die Wiesenflächen, die endlich vom Walde voll- 
ständig verdrängt werden. In ausgedehnten Beständen, 
die fast nur aus Fichtenwaldungen bestehen, umschlingt 
er als ein breites grünes Band die Abhänge der Gebirge, 
denen er sich in vieler Beziehung als ein reicher Segens- 
spender erweist. Beim Betreten der waldigen Hallen 
drängt sich uns die Frage auf: 


„Worin beruht der Zauber des Waldes, daß schon 
sein Anblick uns erfrischt und stärkt, wie ein Bad in 
den Wellen des Meeres? Ist es allein das Wohlgefallen 
des Auges an dem anmutigen Spiel der Lichter und 
Schatten, den hundertfältig abgestuften Tönen des Grüns, 
über das die Sonnenstrahlen den goldenen Schleier 
breiten? Ist es allein die frische Waldeskühle, der 
würzige Waldesduft, der den ermattenden Nerven wohl- 
thut? Oder ist es nicht auch der poetische Ideenkreis, 
der von unserer Kindheit her über dem Walde schwebt, 
der auf unsere Empfindungen noch einwirkt, wenn wir 
uns dessen längst nicht mehr bewußt sind ?“t) Wahrlich, 
ein eigener Zauber umfängt uns, wenn wir das waldige 
Reich, besonders den Gebirgswald, betreten. Hier blickt 
durch das dunkle Laubdach ein grauer Felskoloß, der, 
dem Sohne der Wildnis gleich, sein Haupt mit Farren- 
wedeln schmückt; dort hüpft der muntere Gebirgsbach, 
zahllose Kaskaden bildend, von Fels zu Fels und er- 
zählt uns von dem Felsenspalt, der ihn geboren, von den 
segenspendenden Wolken, die ihn genährt, von den 


1) Cohn. Die Pflanze. 


N ne 


blumigen Matten, die seine Wiege umgaben, von Sonnen- 
schein und Luft, die ihn gebadet, und von Gentianas 
blauen Augen, die ihn treu bewachten und begleiteten. 
Auf schwellendem Moospolster wiegen liebliche Kinder 
Floras ihre zarten Blütenköpfchen, und hoch oben in 
den Baumwipfeln läßt der Sängerchor seine alten, aber 
nie veraltenden frohen Weisen hören. Wollte uns der 
Wald auch von den übrigen Gästen erzählen, die sich 
zu kurzer Sommerrast oder auch auf längere Dauer in 
seinem Schatten niederlassen, wollte er uns gar seine 
geheimnisvolle wunderbare Mission verraten, die er im 
sroßen Haushalt der Natur übernommen: es würde sich 
plötzlich der Wald mit unzähligen Wesen bevölkern, die 
unsere höchste Bewunderung hervorrufen würden. ‚Da 
ist ein Leben und ein Weben, ein Schaffen und Ar- 
beiten, ein Knospen und Sprossen, ohne Rast und ohne 
Hast, ohne Anfang und ohne Ende.“ 


„Was mögen sich die Bäume flüstern, 
wenn Flüstern so den Wald durchgeht? 
Sind sie nach Neuigkeiten lüstern? — 
Um eines wohl ihr Wort sich dreht. 


Sie sind zusammen jung gewesen 
und wurden hier zusammen alt. 
Auch ohne Zahl ist das zu lesen, 
es sagt mir’s Kleidung und Gestalt. 


Sie reden von vergang’nen Zeiten, 

von Wettern, Stürmen, schwer und wild, 

von früh’rer Lenze Lieblichkeiten: 

Ach überall dasselbe Bild. (K. Pöls.) 


Auf schwellendem Moospolster erblicken wir das 
einblumige Wintergrün, das Gebirgs-Hexen- 
kraut, den Siebenstern und die beiden Orchideen: 
die Korallenwurz und das herzblättrige Zwei- 
blatt. Die moorige Fläche, auf welcher der rund- 
blättrige Sonnentau seine insektenfressenden Blätter 
zum Fange ausbreitet, schmückt sich mit den purpurnen 
Blüten der Moosbeere. An der murmelnden Quelle 
öffnen das zweiblumige WVeilchen und das 
gegenblättrige Milzkraut ihre gelben Blüten, über 


IT ZONN I 


. welchen sich der safrangelbe Schirm des Sudeten- 
Kreuzkrautes ausbreitet. 

Auf unserer Gebirgswanderung begleiten uns rechts 
und links am Wege der Gebirgs-Brandlattich, das 
norwegische Ruhrkraut und der Rippenfarn, 
während der Gebirgs-Milzfarn mit seinen kräftigen 
Wedeln die Waldblößen und Bachufer bedeckt. 

Wir sind nunmehr bis zu einer Höhe von 1000 m 
aufgestiegen. Der Hochwald lichtet sich und tritt immer- 
mehr zurück. Ein Blumenkind nach dem anderen nimmt 
von uns Abschied, und mit jähem Übergange rollt sich 
vor dem erstaunten Blicke ein vollständig verändertes 
Vegetationsbild auf. „Ade, du liebes Waldesgrün !“ — 
„Schirm dich Gott, du deutscher Wald!“ Wir betreten 
nun die Hochgebirgsregion, die sich von der oberen 
Waldgrenze bis auf den Riesenkamm in einer Erhebung 
von 1000-1500 m erstreckt. Auf der Grenze zwischen 
Hochwald und Knieholz ringt die Fichte, begleitet von 
Eberesche und schlesischer Weide, um ihre Existenz. 
Sturm und Eis verstümmeln ihre Krone und die Schnee- 
last des langen Winters drückt ihre Äste tief herab. 
Die untersten, umgeben von stets feuchtem Moose, 
fangen an Wurzel zu schlagen, worauf sie sich erheben 
und weiterwachsen, so daß der alte Stamm —- vom 
Gebirgsbewohner mit „Rauze‘“ bezeichnet —!) von einer 
größeren oder geringeren Zahl jüngerer Stämmchen wie 
von einzelnen kleinen Pyramiden umgeben erscheint. 
Ohne jede Fruchtentwickelung vermag eine solche 
Fichtenfamilie ein Alter von 150—200 Jahren zu er- 
reichen ehe sie abstirbt. Je höher wir steigen, desto 
seltener werden die Bäume, bis sie endlich vom Knie- 
holz fast ganz verdrängt werden. Diese strauchartige 
Konifere, die in sehr naher Verwandtschaft zur gemeinen 
Kiefer steht, breitet ihre Aste, am Boden horizontal hin- 
kriechend, nach allen Richtungen aus. Am Ende richten 
sich die elastischen, büschelförmigen Zweige mannshoch 
auf und bilden eine Rosette von mehreren Metern 


1) Gerh. Hauptmann läßt in der „Versunkenen Glocke“ 
den Waldschrat sagen: ‚„... stieg, durch die Rauzen bergunter, 
in den Hochwald hinein.“ 


BE 


Durchmesser. Bei 1500 m hört auch das Knieholz auf. 
Die Hochgebirgsflora läßt sich je nach der Boden- 
erhebung und Bodenbeschaffenheit in 4 Vegetations- 
gebiete teilen: Kamm-, Moor-, Felsen- und Schluchten- 
flora. Freilich kann hier von streng gezogenen Demar- 
kationslinien keine Rede sein. Denn verschiedene 
Pflanzen sind in mehreren oder sämtlichen Gebieten an- 
zutreffen. 


Kammflora.. Dem Kamme giebt das Knieholz, 
dessen Vorkommen die Hochgebirgsflora des Riesen- 
gebirges wesentlich von derjenigen des Glatzer Schnee- 
berges und Gesenkes unterscheidet, sein eigentümliches 
Gepräge. Unmittelbar nach der Schneeschmelze be- 
grüßen uns der Teufelsbart und das Habmichlieb, 
denen sich sehr bald die Berg-Nelkenwurz, die 
starre Segge und die lappländische Weide an- 
schließen. Die Sommerflora eröffnet das goldblumige 
Fünffingerkraut, welches mit seinen goldgelben 
Blütensternen die Wiesen und Wegeränder schmückt. 
Bald darauf öffnen verschiedene Korbblütler: Hachel- 
kopf, Habichtskraut u. a. ihre gelben Blütenköpfe. 
Auf Wiesen und grasreichen Abhängen zeigen sich die 
Glockenblume, das gelbe Veilchen, die weiße 
Höswurz,dasGebirgs-Lieschgras,derGermer.u.a. 
Im Hochsommer breitet — oft neben dem niedrigen 
Ruhrkraut — auf den fahlen, kurzrasigen Flächen der 
Gebirgs-Bärlapp seine fast einen Meter langen Zweige 
mit gelblich-grünen Ähren aus, während unter dem 
Schutze des Knieholzes der schwalbenwurzartige 
Enzian sich anschickt, seine azurblauen, glockenförmigen 
Blüten zu entfalten. 


Moorflora.. Wenn auch das Hauptmannsche Wort 

aus der „Versunkenen Glocke“: 

„Aus Frau Holles Blumenmoor 

löst’ ich heimlich mich hervor“ — 
nur einer beschränkten Zahl von Sumpfbewohnerinnen 
gelten kann, so ist aber das Hochmoor durchaus nicht 
blumenlos. Die Iserwiese bewohnen Zwerg-Birke 
und Zwerg-Wacholder. Den Frühlingsreigen auf dem 


BR. 2Y, Valerie 


Hochmoore des Riesengebirges eröffnet die Zwerg- 
Brombeere mit ihren großen, weißen Blütensternen. 
Dicht daneben breitet die schwarze Krähenbeere 
ihre Zweige mit winzigen Blüten und zierlichen, leder- 
artigen Blättern aus. Etwas später erschließt an des 
Baches Rand das dostenblättrige Weidenröschen 
seine purpurnen Blütenhüllen, während die Gebirgs- 
Bartschie mit ihren dunkelvioletten und die 
ausdauernde Sweertie mit ihren stahlblauen 
Blütentrauben oft ganze Flächen bedeckt. Mitten im 
Moorgrunde erhebt eine hochnordische Pflanze, das 
Sudeten-Läusekraut, seine hellpurpurne, dichtge- 
drängte Blütentraube. Dicht daneben erblicken wir das 
Gebirgs-Wollkraut und die Gletscher-Segge. In 
den Ostsudeten bewohnt das gemeine Fettkraut mit 
seinen blauvioletten Blüten die Hochmoore. Aus dieser 
Darstellung, bei welcher noch verschiedene andere 
Pflanzen aufgenommen zu werden verdienten, geht hervor, 
daß unsere Hochmoore doch wesentlich von der nörd- 
lichen Heide- und Moorlandschaft verschieden sind, von 
welcher der Dichter singt: 

„Braune Heide, braune Heide, 

und der Himmel trüb’ und grau, 

keine andre Augenweide, 

nicht ein Fleckchen grün und blau. 

Nicht ein Blümchen nah’ und ferne, 

nur vergelbtes Gras und Moor, 

nirgends winken Blumensterne 

und kein Vöglein fliegt empor.“ 

(J. N. Vogl.) 
Felsenflora. Eine der schönsten, felsenbewohnenden 

Pflanzen, die wir aber im Teufelsgärtchen und im Gr. 
Kessel des Gesenkes aufsuchen müssen, ist der mit 
purpurner Blütentraube gezierte Gebirgs-Süßklee. 
Kleinere Felsbewohner mit zierlichen weißen Blüten, 
denen wir besonders im Riesengrunde begegnen, sind 
die Frühlings-Alsine und das resedablättrige 
Schaumkraut. Die Höhe und die Böschungen des 
Koppenkegels bewohnen der maßliebchenartige 
Ehrenpreis, diedreispaltigeBinse und dieährige 
Hainsimse. Als große Seltenheiten begrüßen uns in 


a 


der kl. Schneegrube verschiedene Steinbrecharten, 
dienordischeLinnäe, dieRosenwurz, derstumpf- 
blättrige Mannsschild, das Gebirgs-Vergiß- 
meinnicht, die krautartige Weide und die haar- 
halmigeSegge. Inden Felsritzen sproßt dasschlaffe 
Rispengras und das Felsen-Straußgras, sowie 
verschiedene Farnkräuter: Grünstieliger Milzfarn, 
scharfer Schildfarn, krauser Rollfarn u. a. 

Schluchtenfiora. Wenn wir im Frühlinge in die 
Gründe und Schluchten hinabsteigen, so begrüßt uns 
neben dem Teufelsbart die stattliche narzissenblütige 
Anemone — auch Berghähnlein genannt — mit ihrer 
weißen, reichblütigen Dolde. Bei einem späteren Be- 
suche fällt unser Blick sofort auf das üppige Pflanzen- 
dickicht, aus welchem Rittersporn, Eisenhut, 
Felsen-Johannisbeere, einige Doldengewächse 
und Korbblütler hervorragen. Zu den Schluchten- 
bewohnern gehören u.a. auch Allermannsharnisch, 
sibirischer Schnittlauch, Zapfenkraut usw. Eine 
Pflanze, das Sumpf-Brachsenkraut, steigt bis auf 
den Grund des gr. Teiches hinab. 


„Natur, wie bist du gut und mild! 
Der Gruben schauerlich Gebild, 
du weißt es zu versüßen; 
denn aus den Felsen starr und kahl 
läßt du im warmen Frühlingsstrahl 
viel tausend Blumen sprießen. 


Da schimmern sie nun weiß und rot, 
wo keine Hand sie je bedroht, 
kein Frevler kann erlangen. 
Und wenn der Mensch in seiner Gier 
sie tilgt im ganzen Bergrevier, — 
hier werden stets sie prangen.“ 
(Dr. Baer, „Bergblumen“.) 


V. Einwanderung der Hochgebirgs- 
Flora. 


„Es muß sich regen, schaffend handeln, 

erst sich gestalten, dann verwandeln, 

nur scheinbar steht’s Momente still; 

das Ew’ge regt sich fort in allem, 

denn alles muß in nichts zerfallen, 

wenn es im Sein beharren will.“ 
(Goethe.) 


Ob wir das Gebirge zum erstenmale durchwandern 
oder ob wir es zum ständigen Reiseziel erwählen: 
immer wird unser Blick von den Blumengestalten 
gefesselt, die, je nach den verschiedenen Höhenlagen 
wechselnd, uns bis auf die Kuppen und Kämme be- 
gleiten. Das sind Gestalten, die nach Farbe und Ge- 
stalt, Größe und Begleitung wesentlich von der heimischen 
Flora abweichen. Ähnliches würden wir beobachten, 
wenn wir nach dem hohen Norden wanderten. Immer 
eine Pflanze nach der anderen verläßt uns, bis uns end- 
lich in der arktischen Zone eine hochnordische Flora 


umfängt. 
Beim Ersteigen des Gebirges durchwandern wir 
nicht nur einige Jahreszeiten — während in tieferen 


Lagen eine Pflanze bereits verblüht hat, zeigt sie sich 
auf der Kammhöhe vielleicht erst in der Knospenlage —, 
sondern auch verschiedene Zonen. 

„Als wir bei 450 m die Region der Laubwälder 
und Getreidefluren verließen und in den Nadelwald mit 
seinen Bergwiesen eintraten, haben wir die nämliche 
Vegetation und das nämliche Klima angetroffen, als ob 
wir etwa am 58° die Grenze der subarktischen Zone in 
Rußland oder Schweden erreicht hätten; zwei Stunden 
rüstiger Bergwanderung brachten uns sodann bei 
1200 m Höhe an die Baumgrenze, als hätten wir 
den Polarkreis überschritten, und als seien wir in die 


3 


edle 2 al 


kalte Zone eingedrungen. Die Knieholzregion, die schon 
von weitem als ein scharf abgesonderter Gürtel über 
dem Walde sichtbar wird, versetzt uns in der That in 
das arktische Gebiet mit seinem niederen Gesträuch, 
seiner Moos- und Flechtentundra; und darüber hinaus 
erheben sich die Spitzen des Gebirges, den Inseln des 
Polarmeeres vergleichbar, an welche sie in der Physiog- 
nomie und Zusammensetzung der Flora erinnern.‘‘') 


Bei dieser Darlegung kann es wohl kaum über- 
raschen, in den höheren Gebirgslagen auch hoch- 
nordischen Pflanzen zu begegnen. Zu diesen gehört an 
erster Stelle die auf der Elb-, Pantsch- und weiße Wiese 
vorkommende Zwerg-Brombeere (Multebeere), die 
aufdenSumpf-Ebenen Nord-Skandinaviens, Sibiriens usw. 
heimisch ist. Denselben Standort bewohnt ebenfalls ein 
nordischer Gast, das Sudeten-Läusekraut, dessen 
Heimat im äußersten Nordosten liegt. Eine dritte 
nordische Pflanze ist der Schnee-Steinbrech, der 
nur auf dem Basalt der Kl. Schneegrube anzutreffen ist. 
Außer diesen giebt es noch eine ganze Anzahl, die die 
Sudeten mit dem hohen Norden gemeinsam besitzen. 
Aber auch mit dem Südosten, den Karpathen, stehen 
in dieser Hinsicht die Sudeten in enger Beziehung. 
Die größte Anzahl der charakteristischen Gebirgspflanzen 
jedoch weisen auf den Süden, die Alpen, hin. Mögen 
auch Höhenlage, Bodenbeschaffenheit und klimatische 
Verhältnisse diesen Pflanzen die erforderlichen Lebens- 
bedingungen gewähren, so ist doch damit keineswegs 
ihr Vorkommen in unserem Gebiete erklärt. Der Ge- 
danke, daß wir es hier mit eingewanderten Pflanzen zu 
thun haben, drängt sich uns ganz von selbst auf. 


Was aber war die Veranlassung zu einer derartigen 
Pflanzen-Völkerwanderung, von welcher nur noch eine 
beschränkte Anzahl nordischer Vertreter übrig geblieben 
sind? Welche Ursachen gaben den Anstoß zu diesen 
Emigrantenzügen aus dem Norden, Osten und Süden? 
Wie erfolgten diese Wanderungen? Auf diese Fragen, 
die nicht nur für den Botaniker, sondern auch für jeden 


1!) Cohn. Die Pflanze. 


1; m 


Naturfreund von größtem Interesse sind, giebt ein/um 
die Erforschung der heimatlichen Flora hochverdienter 
Mann folgende Antwort:') 


„Zu diesem Zweck müssen wir auf frühere, wenn 
auch nicht zu weit entlegene geologische Perioden 
zurückgehen. Die paläontologischen Funde aus der 
verhältnismäßig jungen Tertiärzeit haben dargethan, 
daß sich seit der beendigten Bildung der unmittelbar 
vorhergegangenen Kreideformation eine Anderung in 
dem bis dahin tropischen oder subtropischen Klima des 
jetzigen Europa vollzog. Es wurde allmählich kühler 
und kühler, doch war selbst gegen Ende der Tertiärzeit 
immer noch eine Flora vorhanden, wie wir sie heute in 
den wärmeren Klimaten vorfinden. Während der dann 
folgenden Diluvialzeit jedoch muß die Abkühlung des 
größten Teils von Europa so weit vorgeschritten ge- 
wesen sein, daß eine förmliche Eisperiode eintrat, in 
welcher sich Gletscher von ungeheurer Ausdehnung bil- 
deten, wie wir sie jetzt etwa noch in den antark- 
tischen Gegenden kennen. Zu dieser Zeit war unser 
Erdteil vielleicht zu zwei Dritteln vom Meere bedeckt, 
aus dessen Fluten nur die schon bei Beginn des Dilu- 
viums völlig ausgebildet gewesenen Gebirgsländer als 
Festland herausragten, ein Meer, das sich bis tief nach 
Schlesien hinein erstreckte und dessen Südküste teil- 
weise von den Sudeten und Karpathen gebildet wurde. 
Wir wissen, daß dieses „Diluvialmeer‘“ von Skandinavien 
bis ins Hirschberger Thal reichte, daß seine Wässer 
auch das europäische Rußland, jedoch nicht das nörd- 
liche Asien bedeckten; dieses nicht, weil es keine An- 
zeichen dafür aufweist, weil dort weder erratische Blöcke 
noch Moränen vorhanden sind. Während im nördlichen 
und mittleren Europa durch die verhältnismäßig schnell 
eingetretene Abkühlung sich Gletscher und hohe, das 
Pflanzenleben vernichtende Kältegrade ausbildeten, 


1) Ich kann mir nicht versagen, den Schlußteil der inter- 
essanten Abhandlung: „Uber die Herkunft der Pflanzenwelt des 
Riesengebirges“ (Nr. 118 des „Wanderer im Riesengebirge‘“) meines 
früh verstorbenen Freundes des Apothekers Fiek in Cunnersdorf 
b. Hirschberg i. Schl. aufzunehmen. 


3*+ 


BB A 


hatte dort sich noch vielfach die Vegetation aus der 
Tertiärzeit erhalten; die Pflanzen konnten wegen des 
minder kühlen Klimas sich weiter entwickeln, den sich 
verändernden Verhältnissen anpassen und sich überall 
dahin ausbreiten, wo die Umstände es gestatteten und 
sie im Kampfe ums Dasein die Oberhand behielten. 
Das gebirgige Nord-Asien muß daher als die Urheimat 
der nordisch-alpinen Flora betrachtet werden, in der sie 
noch heute ihr Zahlen- und Massenzentrum hat. 

Sind, wie wir gesehen haben, die arktischen und 
nordischen Gewächse des Riesengebirges (wie auch der 
Alpen) vorzugsweise Erzeugnisse feuchter Orte, so kann 
gewiß auf die Vermittelung des Wassers zu ihrer weiten 
Verbreitung geschlossen werden, das Meer aber wird 
diese Vermittelung von Küste zu Küste übernommen 
haben. Da nun das Diluvialmeer die Ufer Nordasiens 
und Skandinaviens bespülte, so landete zweifellos die 
von dort ausgehende Pflanzenwelt zumeist an den letz- 
teren, als dem zunächst gelegenen Lande. Aber auch 
in Mittel-Europa mußte das Feld zur Besiedelung mit 
der Zeit frei geworden sein, weil infolge des eingetretenen 
kälteren Klimas die aus der Tertiärzeit zurückgebliebene 
Flora teils ausgestorben, teils nach dem Süden zurück- 
gewichen war; die aus den kühleren Regionen Sibiriens 
einwandernden Pflanzen konnten daher um so leichter 
von dem damaligen Festlande: den Karpathen, Sudeten 
und den übrigen Hochgebirgen, Besitz ergreifen. Sie 
gelangten wohl zum großen Teile auf dem Umwege über 
Skandinavien nach den südlichen Küsten, nämlich soweit 
sie den drei Gebieten gemeinsam sind, aber ein anderer 
Teil der echt arktischen (zirkumpolaren) Arten hat Skan- 
dinavien nie berührt und es fehlen dort manche zugleich 
in den Hochgebirgen Mittel-Europas auftretende ganz, 
oder sind nur auf die äußerste Nordspitze der Halbinsel 
beschränkt. Ebenso hat ein weiterer Teil der aus dem 
nördlichen Asien ausstrahlenden Pflanzenformen, welcher 
nicht zu den eigentlich arktischen zu rechnen ist, seinen 
Weg nach den Karpathen, Sudeten und Alpen direkt 
genommen. Grewichtige Thatsachen sprechen dafür, daß 
es sich hierbei nicht um eine einfache Theorie handelt. 


RR N 


Zahlreicher als in den Sudeten finden sich in den Kar- 
pathen, namentlich in Siebenbürgen, noch heute Pflanzen, 
welche dem ganzen übrigen Europa fehlen; diese sowie 
andere in Skandinavien fehlende und in den mittel- 
europäischen Hochgebirgen verbreitete Spezies kommen 
erst wieder in Sibirien, zum Teil bereits vom Ural an, 
vor, wie die Zirbelkiefer und das dort sogar in zwei 
Rassen auftretende Edelweiß. Wieder andere Typen 
dieser Gruppe zeigen noch gegenwärtig die Spuren ihrer 
Wanderung, wenigstens strichweise, in tieferen Lagen 
und niederen Breiten Osteuropas durch dauernde Wohn- 
sitze, so das Berghähnlein (Anemone narcissiflora), das 
in den Sudeten und der Tatra noch alpin, bereits in 
Ostgalizien, Podolien und Volhynien als Steppenpflanze 
wie in den dem Altai vorgelagerten Ebenen erscheint, 
der hohe Rittersporn (Delphinium elatum), der sibirische 
Pippau (Crepis sibirica) usw. Die Nieswurz (Vera- 
trum Lobelianum), noch in Mittelschlesien auf die Ge- 
birge beschränkt, ist schon in Oberschlesien in der 
Ebene ziemlich verbreitet und reicht dann ununter- 
brochen durch Galizien, Polen, Rußland bis Sibirien. 

Da unter ähnlichen Umständen die europäischen 
Gebirge selbstverständlich einen gegenseitigen Umtausch 
ihrer Vegetabilien zuließen, so wurde Skandinavien auch 
umgekehrt vielfach von südlichen alpinen Gewächsen 
besiedelt, die zum Teil ihren Weg über die Sudeten 
nahmen. Die heutige Pflanzenwelt der letzteren reprä- 
sentiert somit eine Mischflora, die aber der der Alpen 
und namentlich der Karpathen weit näher steht als der 
skandinavischen, weil, wie gesagt, viele südliche Typen 
hier ihren Wanderungsabschluß fanden. Die vorhan- 
denen zahlreichen Relikte deuten uns für diese Wande- 
rungen von Süden nach Norden und umgekehrt die 
Wege an. Die Sudeten und besonders das Riesen- 
gebirge haben jedenfalls als eine Art Brücke gedient, 
über die einerseits die Alpenvegetation bis zum Norden 
vordrang, soweit sie nicht hier zurückblieb, und über 
die anderseits die Pflanzen des Nordens bis zu den 
Alpen gelangten, zum Teil aber schon hier Halt 
machten. 


RN EN 


Wie freilich die Wanderungen stattfanden und 
welcher Transportmittel sich die Pflanzen dabei be- 
dienten, ist für viele Fälle schwierig nachzuweisen. Es 
ist möglich, daß mancher Keim und mancher Same mit 
den Felsblöcken der von den Gletschern herabgeführten 
Moränen nach entlegenen Ländern geschafft wurde, in 
der Hauptsache aber werden wohl Meeresströmungen die 
Vermittelung übernommen haben, namentlich als mit der 
Zeit wieder ein wärmeres Klima für Nord- und Mittel- 
Europa eintrat.“ 


VI. Einzelbeschreibung. 


„Kinder der verjüngten Sonne, 

Blumen der geschmückten Flur, 

euch erzog zu Lust und Wonne, 

ja, euch liebte die Natur. 

Schön das Kleid mit Lust gesticket, 

schön hat Flora euch geschmücket 

mit der Farben Götterpracht.“ 
(Schiller.) 


Delphinium elatum L. (Ranunculaceen Juss. S. 17, 
XII. Kl.) Hoher Rittersporn. Tafel 1. Nr. 1. 


Wurzelstock walzenförmig, aufrecht-ästig. Stengel steif 
aufrecht. Blätter gestielt, handförmig, tief 5spaltig. 
Abschnitte länglich, rautenförmig, gespitzt, meist 
3spaltig. Traube reichblütig, locker, am Grunde be- 
blättert. Kelchblätter 5, unregelmäßig, abfallend, das 
obere gespornt. DBlumenblätter 4, die 2 oberen 
gespornt und in den walzlichen Kelchsporn ein- 
geschlossen, die 2 unteren bärtigen Früchtchen, meist 
3, in den langen Griffel zugespitzt. Blüte violettblau, 
selten weiß und gescheckt. Früchtchen 3—5. Höhe 
1—1!/,;, m. Juli— August }. 

Auf unserer Wanderung ins Gebirge begleitet uns in den 
Thälern des niederen VBorgebirges an Wege- und Aderrändern 
der um die Hälfte Kleinere Feld - Ritterijporn (Delphinium 
Consolida L.), den wir fofort an der jehr Ioderen, wenig be- 
jegten Blütentraube, der einblätterigen blauen Blütenhülle und 
den doppelt dreiteiligen Blättern mit geteilten Abfchnitten und 
(inealen Zipfeln erfennen. Der hohe Ritterfporn dagegen ver- 
ihmäht die niedrigeren Standorte und erwählt, nach Höherem 
jtrebend, die hochgelegenen, zum Teil jchwer zugänglichen Schluchten 
und Thäler des Gebirge. Er gehört zu dem in der Pflanzen- 
welt am weiteften verbreiteten reife von Blüten, bei denen die 
Staubgefäße oft jchon lange vor der Entwidelung der Stempel 
und der Empfängnisfähigkeit der Narben aufipringen (Pro- 
terandrie). Eine erfolgreiche Befruchtung fann deshalb nur durch 


BASRE RR 


Ssnfeften gejchehen, für welche die gleichmäßig gefärbten Kelch- 
und Kronenblätter einen Iodenden Schauapparat abgeben. Während 
die unteren Kronenblätter einen Haarbiichel als Saftmal tragen, 
bilden die oberen einen engen Eingang, durch welchen fich nur 
Yangrüffelige Hummeln Hindurhzwängen fönnen, um zu den am 
Grunde befindlichen Neftarien zu gelangen. 

Unfere Pflanze ift eine recht ritterliche Erfcheinung, welche, 
zumeift abjeit3 von der Heerftraße der Touriften, in waldigen 
Gründen und auf fräuterreichen Abhängen nachitehender Stand= 
orte oft in großer Menge anzutreffen ilt: SKefjelfoppe (bejonders 
um das alte Bergwerf), Elbgrund, Nehhorn (Gipfel an der Fels- 
gruippe und gegen Dörrengrund), Glager Schneeberg (auf der 
Fuchswieje), Wölfelsgrund und Stlefjengrund, Landed, Gejente 
(Gr. Kefiel, Altvater, Hodihar ujw.). Sm Gejenfe (Leiterberg), 
wo die Pflanze mit „Weiße Fuchswurzel” bezeichnet wird, fommen 
auch Exemplare mit blau und weiß gejchedtem Kelche vor. Die 
Pflanze ift auch in den Alpen verbreitet; doch fehlt fie in 
Skandinavien, den arftiichen Snjeln und dem nördlichen Rußland. 

Der Name Delphinium joll dadurd entjtanden jein, daß 
die unaufgeblühte Pflanze einige Ahnlichfeit mit einem Delphin 
hat. Das obere in einen Sporn verwandelte Kelchblatt führte 
zur Bezeichnung „Nitteriporn“. 


Aconitum Napellus L. (Ranunculaceen Juss. S. 17, 
XII. Kl.) Wahrer (echter) Sturmhut, Eisenhut, 
Fuchswurzel. Tafel 2. Nr. 2. 


Wurzelstock kurz, mit knolliger Wurzel. Stengel steif 
aufrecht. Blätter wechselständig, handförmig geteilt, 
mit linealen oder lineal - lanzettlichen Abschnitten. 
Traube ziemlich dicht, meist einfach. Blüte unregel- 
mäßig. 5 gefärbte Kelchblätter, von denen das obere 
helmförmig gewölbt ist. 5 Blumenblätter (bedeutend 
kleiner), die 2 oberen langgestielt, kappenförmig, mit 
schwach gekrümmtem Sporn, unter dem Helm des 
Kelches verborgen, die unteren fadenförmig oder 
fehlend. Früchtchen 3—5, jüngere spreizend, ältere 
wieder aufrecht. Same dreiseitig. Meist blauviolett. 
Höhe bis 1,20 m. Juli— August 4. 


BR N 3 Ay 


„Wir gehn hinab zum Feljenborn, 
wo jchaumgeboren, goldbejchwingt, 
wie aus des Knaben Wunderhorn 
ein Märchen aus der Tiefe dringt.“ 


(G. Pfarriug.) 

Das ift der Standort unjerer Pflanze, in welcher ung — 
bejonders nach ihrem eigentümlichen Blütenbau — eine märchen- 
hafte, jagenumtmobene Blumengeftalt entgegentritt. 

Der Eijenhut Tiebt feuchte, waldige Schluchten und grafige 
Gebirgsabhänge. Er ift im ganzen Gebiet verbreitet: iergebirge 
(Buchberg), Niefengebirge (neue und alte jchlej. Baude, Elbfall 
und Elbgrund, Schneegruben, Keffelgruben, Teiche, Teufeldgärtchen, 
Melzer-, Niefen-, Weißwafjer- und lange Grund, Nehhorn ujw.), 
hohe Menje, Glaber Schneeberg, Gejenfe. Er gehört auch der 
Alpen- und Nordlandsflora an. Sr Verbindung mit dem hohen 
Ritterfporn bildet der Eifenhut, der auch Häufig in Gebirgsgärten 
angepflanzt wird, an fruchtbaren Lehnen und Abhängen des Ge- 
birges hier und da ein üppiges Pflanzendidicht, in welchem die 
beiden Genannten mit „Helm“ und „Sporn” eine dominierende 
Stellung einnehmen. Die unter dem heimförmigen Kelchblatte 
auf dünnen GStielen fich erhebenden Hörnchen oder Täubchen 
(umgewandelte Kronenblätter) enthalten Nektarien (Honigbehälter), 
die wegen des Zucergehalt3 fleißig von Ssnjekten — durch Die 
lebhafte Färbung der Blüte angelodt — bejucht werden. Da- 
durch wird der Blütenftaub von Blume zu Blume getragen 
und die Befruchtung vermittelt. Die Pflanze gehört ebenjo wie 
die vorige zu den proterandrischen Blüten, bei denen die Staub- 
gefäße aller Blüten fchon vorher aufipringen und ihren Inhalt 
abgeben, ehe die Griffel fich entwickeln und die Narben empfängnis- 
fähig werden. Der jchmale Zugang zu den Neftarien begünftigt 
die Beitäubung. 

Zur Gattung Aconitum gehören noch drei, durchweg 
giftige Arten: Störfs Eifenhut (A. Stoerkianum Rchb.). 
Kelchblätter violettblau oder blau und weiß gejcheet mit 
einwärt3 gefrümmten jüngeren Früchtchen. Bereinzelt im Riejen- 
gebirge und Gejenfe, häufig in Gärten. Bunter Eijenhut 
(A. variegatum L.). Blütentraube meift loder, am Grunde 
beblättert; jüngere Früchtehen zufammenneigend. Waldige Abhänge 
— jehr zerftreut — vom Borgebirge bis im die Thäler des 
Hochgebirge. Wolfs-Eifenhut (A. Lycoctonum L.). 


Bun. ne: 


Traube ziemlich dicht, einfach, mit jchwefelgelben Kelchblättern 
und mit fchnedenförmig eingerolltem Sporn. Im Gejenfe (gr. 
und H. Kefjel, Brünnelhaide, Leiterberg u. a.). Die Pflanze ent- 
hält ein ftarfes Gift (Ufonitin und Napellin); deshalb wird fie 
auch von den Tieren des Waldes und vom Weidevieh vorjichtig 
gemieden. Die in allen Teilen vorhandenen Alfaloive dienen 
ihr alfo al3 ein wirffames Schußmittel gegen feindliche Angriffe. 
„Stage mich nicht, warum die jchöne Blume das Gift hat; 
denn zum Fludhe für und wurde die Frage „Warum ?“ 
Sragit du wieder, warum dir deine Frage zum Fluch wird? 
Weil die Antwort darauf jelbjt jich dem Weijen verjagt.“ 
(W. 3. Schleiden.) 
Wegen feiner giftigen Eigenjchaften war der Eijenhut jchon 
im Altertum befannt. Nach der griechiichen Mythologie bejtand 
das 12. Abenteuer des Herafles darin, ven Höllenhund Cerberus 
aus der Unterwelt heraufzuholen. Ws das Ungeheuer auf der 
Dberwelt vom eriten Sonnenftrahl getroffen wurde, empfand es 
einen folchen Abichen, daß es aus dem Rachen einen tötlichen 
Geifer jpie, aus welchem der Eijenhut entitand. Auch in der 
nordiichen Götterlehre erjcheint der Eijenhut, der zu Ehren der 
friegerifchen Götter Tyr und Thor die Bezeichnung Tyrhelm 
oder Thorhelm erhielt. Der Name Wolfs-Eijenhut oder Wolfs- 
fraut fcheint auf den Kampf Hinzudeuten, der zwiichen Tyr umd 
dem fchredlichen Fenriswolf ftattfand.!) 
„Aus dem Helm de3 Eijenhutes, 
mit dem dunfelgrünen Laube, 
tritt ein Ritter feden Mute2. 
Schwert erglänzt und Pidelhaube. 
Auf dem Haupte nidt die Feder 
von dem filbergrauen Neiher. . . .“ 
(Aus: „Der Blumen Rache“ von Yreiligrath.) 
„Ölänzend belaubt 
Stehft du aufrecht und grade, 
Stahlblauen Helm auf dem Haupt, 
al3 gelt e3 ehrlichen Streit. Ach, jchade! 
voll Trug und Lilt 
dein Snn’res ijt.“ (8. Fulda.) 


1) Vielleicht fteht der Name auch damit in Verbindung, dab Der 
Saft der Pflanze, die in den Bergwäldern Nordafiens ziemlich häufig vor- 
fommt, zum Töten von Wölfen benußt wurde. 


I 


Anemone nareissiflora L. (Ranunculaceen Juss. 
S. 17, XIII. Kl.) Berghähnlein. Tafel 3. Nr. 3. 


Grundblätter handförmig, 3—Ödteilig; Abschnitte drei- 
spaltig; Zipfel eingeschnitten, am Rande übereinander- 
gelegt. Blüten zu 2—8 in endständiger Dolde, selten 
einzeln. DerÖöblättrigeKelchblumenkronartig. Kronen- 
blätter fehlen. Fruchtboden halbkugelförmig. Frücht- 
chen zusammengedrückt mit kurzem, kahlen Griffel 
und einem Hautrande. Kelchblätter beiderseits kahl, 
weiß, außen oft rötlich angelaufen. Schaft nebst 
Blatt- und Blütenstielen zottig. Höhe bis !/, m. 
Juni—Juli 4. Giftig. 


Eine der jchönften und impojantejten Erjcheinungen der 
Gebirgsflora, eine echt ariltofratische Geitalt, die wohl nirgends 
unter 1200 m herabjteigt. Deshalb fehlt fie im “jergebirge. 
Sm Bemwußtjein ihrer bevorzugten Stellung verichmäht fie es 
meijt, fih an die gewöhnlichen Touriftenwege heranzudrängen. 
Auch breitet fie in der Frühlingsjonne ihr farbenprächtiges Ge- 
wand jo zeitig aus und läßt eS nur fo kurze Beit erglänzen, 
daß der Hauptichwarm der Gebirgsbejucher faum noch Dürftige 
Spuren von ihr findet. Nur dem Habmichlieb und Teufels- 
bart, die unmittelbar nach der Schneejchmelze erjcheinen, läßt 
fie den Vorantritt; dann aber beeilt jie ich al$ Dritte im Bunde, 
ih noch rechtzeitig am Frühlingsreigen zu beteiligen. Der 
Botaniker jedoch, der nicht gern auf fie verzichten möchte, findet 
am Rande der fich noch bis in den Sommer hinein erjtredenden 
Schneefelder reiche Ausbeute. Neben den reichblütigen Dolden 
zeigen jich auf älteren Stengeln jehr bald zahfreiche Früchte, 
welche durch ihre Flügelausrüftung dem Winde das Gejchäft der 
Meiterverbreitung erleichtern. Sie liebt grafige Lehnen und 
Abhänge an folgenden Stellen: Schneegruben, Elbgrund, Keifel- 
foppe, Krfonojch, Teiche, Brunnberg. Aupagrund, Kiesberg, Teufels- 
gärtchen, Klaufengrund, Rehhorn; im Gejenfe an verjchiedenen 
Stellen verbreitet; ebenjo in den Alpen; fehlt jedoch in Sfandi- 
navien, dem nördlichen Rußland und auf den arftiichen Snieln. 
Zu unferer Gattung gehören folgende, meist einblütige Arten: 
Selbe Dfterblume (A. ranunculoides L.). Blattjtiel viel- 
mal fürzer als das Blatt. Kelchblätter goldgelb, unterjeits tweich- 
haarig. Laubmwälder des VBorgebirges, vereinzelt im Hochgebirge: 


BERRY yet 


Bober- und Zadenufer, Erdmannsdorf, Petersdorf, Buchberg, 
Kiesberg, Teufelsgärtchen, Landeshut, Rehhorn, im gr. Kefjel des 
Sefenfes. Weiße DOfterblume (A. nemorosa L.). ©rund- 
blätter meist fehlend; Hüllblätter dreizählig, auf Halb jo langem 
Blattftiele. Kelchblätter meijt fahl, weiß oder rötlich. Frucht- 
föpfchen übergebogen. Giftig. Laubwälder, Waldränder häufig. 
Wald-DOfterblume (A. silvestris L). &rumdblätter hand- 
fürmig, 5teilig. Hüllblätter 5teilig, ziemlich langgeftielt. Kelch- 
blätter außen wollfizig, weiß oder rötlich. Laubwälder, jehr 
zerftreut. Hohenelbe, Habelichtwerdt (Neu-Waltersdorf), Orafenort. 

„Bas ilt das für ein zarter Schnee 

im stillen Thal, auf janjter Höh’? 

Komm’ näher nur und jchau’ herein ! 

E3 find viel Anemonen fein. 

Die Glöcdchen, votverihämt und weiß, 

fie läuten auf des Herrn Geheip. 

Mit goldnen Klöppeln läuten jie 

Dem Herrn zum reife jpät und I ' 

ig. 


Pulsatilla alpina Delarb. Anemone alpina L. 
(Ranunculaceen Juss. S. 17, XIII. Kl.) Teufels- 
bart. Tafel 4. Nr. 4. 


Grundblätter mit der Blüte sich entwickelnd, doppelt 
gefiedert. Blättchen fiederteilig, mit lanzettlichen, 
1—2zähnigen Zipfeln. Hüllblätter den Grundblättern 
gleichgestaltet, auf kurzem verbreiterten Stiele. Stengel 
lblütig; Blüte aufrecht. Kelchblätter (Blume) meist 6, 
kronenblattartig ausgebreitet, außen nebst dem Blüten- 
stiele zottig. Kronenblätter verkümmert, drüsenartig. 
Fruchtboden halbkugelig;, Fruchtknoten behaart; 
Früchtchen mit langem, zottigen Schweif. Kelchblätter 
weiß, außen am Grunde bläulich. Höhe 10—20 cm. 
Mai— Juni *. 

Der Teufelsbart hat jeinen Namen von den langgejchwängzten, 
zottigen Früchtchen, die nach dem Berblühen anjehnliche, graue 
Köpfe bilden und ihn von der nahe verwandten Gattung Anemone 
trennen. Dieje federartige Ausrüftung dient als Flugapparat, 
mit dejjen Hilfe der Wind den Samen hinwegträgt und meit 


ZINN 


und breit ausjtreut. Die Pflanze erjcheint in Begleitung von 
Habmichlieb unmittelbar nach der Schneejchmelze und überzieht 
mit ihren weißen großen Blütenjternen herdenmweis die fahlen 
öden Flächen, auf denen jonjt weder Halm noch Blatt das Er- 
wachen des Pflanzenlebens anfündigt. 

Sie ift ein hübjches, ftattliches Kind der Hochgebirgs-Flora, 
welche und auf unjerer Frühlingswanderung in Rübezahls Reich 
den eriten Willfommensgruß zuruft. Saft will es uns fcheinen, 
al3 ob diefer Gruß auch der fernen Heimat, den Alpen, gelten 
jollte, von wo die Pflanze hier eingewandert if. Wenn fie ihre 
weißen Blütenjterne öffnet, ift es, als ob fie uns geheimmispolle 
Dinge offenbaren wollte. 


„Blumen, eure lieben Augen 
jollten nicht zum Sehen taugen ? 
Lieblinge des Angejichts, 

ihauet ihr vom Mate nicht3 ? 
Shr entzücet Erd’ und Lüfte 

und entbehrtet Blid und Düfte? 
Und der Vogel fänd’ euch taub, 
der euch preift au jungem Laub? 
Sagt man nicht, dah jelbjt die Seele 
eurer jüßen Unjchuld fehle? 
Blumen, ihr beglücdet nur, 

jelbjt verwaijt von der Natur? 


Doch wer fennt die ftillen Sinne 
eurer Maienluft und Minne? 
Sel’ge Blumen, ihr nur mißt, 
welches Glück euch eigen ift!” 
(%. Naumann.) 


Der Teufelsbart ift jehr gefelliger Natur und tritt gern an den 
Prad des Gebirgsbejuchers, dem er im Frühlinge feine Blüten und 
im Hochjommer feine Früchte darreicht. Der Wanderer fchmückt fich 
jehr gern mit ihnen und trägt fie al3 Siegeszeichen einer glücd- 
fich beendeten Kammtour. Der Teufelsbart Tiebt grafige, felfige 
Flächen und Lehnen der Knieholgregion. Nur Hin und tieder 
jteigt er durch verftreute Samen unter diefe herab, 3. B. am 
Buchberge, am Wege vom Zadelfall nach der neuen fchlej. Baude, 
im Eulengrunde, um Britcenberg. 

Bismweilen, aber nur ganz vereinzelt, erjcheint die Blüte 
Ichwefelgelb (Var. sulfurea L.): Schneefoppe, Koppenplan, Seiffen- 
grube, Wiejenbaude, Brunnberg, Rehhorn. Im Teufelsgärtchen 


EB Ve: 


und an der Kefjelfoppe wurden auch gefüllte Blüten (durch Um= 
wandfung der Staubgefäße in Blumenblätter) beobachtet. Einzelne 
zurücgebliebene Exemplare gelangen im Auguft und September 
zur Blüte. Der Teufelsbart fommt auch auf dem Broken, in 
den Ralfalpen, Vogejen und im Jura vor; fehlt aber in den 
Dft-Sudeten jowie in Skandinavien, dem nördlichen Rußland und 
auf den arftiichen Snjeln. Zur Gattung Pulsatilla gehören noch 
einige, die Kiefernmwälder der Ebene beimohnende Arten, von denen 
die Frühlings-Ruhichelle (P. vernalis Mill.) mit einfach 
gefiederten Grundblättern, glodenförmigem, nicenden Kelche — 
weiß, außen roja oder violett — bis an die Schneefoppe, in das 
Teufelsgärtchen und ins Gejenfe (gr. Kefjel) hinauffteigt. 


Ranunculus aconitifolius L. (Ranunculaceen Juss. 
S. 17, XII. Kl.) Sturmhutblättriger Hahnen- 
fufs. (Gebirgs - Hahnenfuß.) Tafel 5. Nr. 5. 


Wurzelstock kurz, mit einem Faserbüschel. Stengel 
beblättert, oben ästig, 3—vielblütig. Grundblätter und 
untere Stengelblätter langgestielt. Blätter wechsel- 
ständig, handförmig, 3—7teilig; Abschnitte ungeteilt 
oder 2—3spaltig, ungleich eingeschnitten - gesägt. 
Kelch- und Kronenblätter 5. Honiggrube der Kronen- 
blätter mit einer zungenförmigen Schuppe bedeckt. 
Früchtchem verkehrteiförmig, runzelig, mit haken- 
förmigem Schnabel. Kronenblätter reinweiß. Höhe 
1,—1 m. Juni— August +. 

„a3 Enofpet, was feimet, wa$ duftet jo lind? 

Was grünet jo fröhlich? Was fltjtert im Wind? 

Und als ich jo fragte, da raujcht eg im Hain: 

Der Frühling, der Frühling, der Frühling zieht ein!“ 

(9. Seidel.) 
Und mit ihm al’ die lieben Blumengeftalten, zu denen 

auch der Hahnenfuß gehört. Er tritt jedem Gebirgsbejucher, der 
mit offenem Auge vom Thale auf die Kämme fteigt, als eine 
auffällige fremde Erjcheinung entgegen; und in der That, durch 
die Fräftige Geftalt, die fettglänzenden, jattgrünen Blätter, durch 
das meijt vieläftige, reichhlütige Geziveig, durcch die großen blendend- 
weißen Blütenjterne jcheint fie jedem zuzurufen: Schaue mic) an, 


ARE. 


vermweile bei mir! Die Pflanze bildet in Gemeinjchaft mit dem 
Hain-Sreuzfraut, der Gebirgs-Nofe, der jchlefifchen Weide ı. a. 
an Gebirgsbächen, bujchigen Lehnen und in Schluchten ein üppiges 
Planzendicdicht, welches das Vordringen bisweilen erjchwert. Gie 
jteigt vom höheren Vorgebirge bis auf die Kuppen und Kämme: 
Sier- und Riejengebirge, Rehhorn, Glaber Schneeberg, Gejenfe; 
fte ift auch auf dem Broden, in den Alpen, VBogejen und nordischen 
Ländern anzutreffen. Diejer Hahnenfuß gehört einer artenreichen 
Gattung an, deren Glieder — zum Teil giftig — borzugsweiie 
die Ebene bewohnen. Darunter aber giebt es einige Ubiquijten,!) 
die fich allen Höhenlagen angepaßt haben. Der jharfe Hahnen- 
fuß (R.acerL.)undder friechende Hahnenfuß (R.repensL.) 
haben fich häufig um die Gebirgsbauden niedergelafjen und helfen 
den bunten Wiejenteppich weben. Während der wollige Hahnen-> 
fuß (R. lanuginosus L.) mit jeinen handförmig geteilten ab- 
jtehend -» rauhhaarigen Blättern die fchattigen Laubwälder und 
Waldbäche Tiebt (3. B. Sattler b. Hirichberg, die Wafjerfälle, 
Buchberg, Eldgrund, Kefjelgrube, Glaber Schneeberg, Gejenfe u. a.), 
bewohnt der Hain-Hahnenfuß (R. nemorosus DC.) mit 
feinen Ddreiteiligen, anliegend-behaarten Blättern lichte, trodene 
Waldpläge und Abhänge: Schneegruben, Keifelfoppe, Aupagrumd, 
Teufelsgärtchen, Glater Schneeberg, Gejenfe u. a. 


Trollius europaeus L. (Ranunculaceen Juss. S.17, 
XII. Kl.) Kugelranunkel, Trollblume. Tafel 6. 
NEO, 


Wurzelstock büschelfaserig. Stengel aufrecht, meist ein- 
fach, 1 blütig. Blätter wechselständig, handförmig, 
3—Steilig, mit 3spaltigen, eingeschnitten - gesägten 
Zipfeln, sattgrün, unterseits blaß, netzaderig; grund- 
ständige langgestielt und scheidig, obere am Stengel 
fast sitzend. Kelch 5—15blättrig, abfallend, kugelig 
zusammenneigend. Kronenblätter klein, so lang als 
die Staubgefäfße, lineal, mit unbedeckter Honiggrube. 
Früchtchen zahlreich, lederartig sitzend. Kelchblätter 
zitronengelb, Kronenblätter goldgelb. Höhe 30—60 cm. 
Mai— Juni, im Gebirge Juli }. 


1) Pflanzen, die überall vorkommen. 


La 


Eine merkwürdige Pflanze, die von den jehr zerjtreut liegenden 
Standorten der Ebene bi! auf die feuchten grafigen Abhänge der 
Hochgebirgsichluchten hinauffteigt; doch zeigt fie fich Hier meiit in 
einer bejchränften Anzahl. Dies gilt bejonders von folgenden 
Standorten: Buchberg, Keffelfoppe, Aupagrund und Glaber Schnee- 
berg. Sm Gefenfe, wo fie mit Kloß- oder Glagblume be- 
zeichnet wird, it fie ziemlich allgemein verbreitet: Brünnelhaide, 
Altvater, Beterjtein, gr. Kefjfel u. a. DO. Durch ihre Fräftige 
Gejtalt, durch die dunfelgrünen Blätter und vor allem durch die 
großen goldgelben Fugeligen Blütenföpfe hebt fie fich von ihrer 
Umgebung ab und macht fich jchon von weiten bemerflih. Die 
goldgelbe, weithin Leuchtende Färbung ihrer Blütenteile ift ein 
wirfiames Locdmittel für die bejtäubungspermittelnden niekten. 


Rhodiola rosea L. — Sedum Rhodiola DC. 
(Crassulaceen DC. S. 18, XXI. Kl.) Rosenwurz. 
Taler Go. N 7, 


Wurzelstock dick, fleischig, durch unterirdische Knospen 
perennierend. Stengel aufrecht, einfach, dicht be- 
blättert. Blätter graugrün, zugespitzt, vorn gezähnt, 
untere oval, obere länglich-keilföürmig, mit abge- 
rundetem Grunde sitzend. Blüten in endständiger, 
gewölbter, gedrungener Trugdolde. Blüten Zhäusig, 
4zählig; Staubgefäße 8, am Grunde der 4 inneren 
mit Drüsenschuppen. Kronenblätter der 2 Blüten 
klein oder fehlend. Kapseln am Grunde verwachsen. 
Kronenblätter grünlich-gelb, oft rötlich überlaufen; 
Kelchzipfel purpurn. Höhe 10—20 cm. Juni—Juli *. 


Die Vflanze verdankt ihren Namen dem Rofenduft, der von 
dem Nhizom — frilch oder getrocdinet — ausftrömt. Die Wurzel 
bildet einen oft fauftgroßen, verzweigten Stod, auf dem fich eine 
größere oder geringere Anzahl von Blütenftengeln erheben. 
Keben diejen erbliden wir auch blütenloje, ebenfall3 reich be- 
blätterte Triebe, die mit jenen oft eine recht üppige Pflanzen- 
vojette bilden. Wenn wir genauer zufehen, bemerfen wir jehr 
bald, daß die verjchiedenen Stöcke auch verichieden geftaltete 
Blüten — männliche und weibliche — tragen. Solche Pflanzen, 
die — wie auch die Weide — entweder nur Staubblattblüten 


RER Po ya) an 


(männliche 8) oder nur Stempelblüten (weibliche 2) tragen, heißen 
2 häufig (dideifch), die anderen aber — tie die bisher betrach- 
teten —, die männliche und weibliche Blüten in derjelben Blumen- 
Hülle vereinigen, werden einhäufig (mondcijch) bezeichnet. Die 
Rojenmwurz Tiebt Felsipalten und Steingeröll: El. Schneegrube, 
Kefjelfoppe, Fl. Teich, Teufelsgärtchen, Gejenfe: Brünnelhaide, 
gr. Kefjel, AUltvater, Beterjtein; überall nur in bejchränfter An- 
zahl. Sn der Alpen- und Brodenflora ift fie nicht vorhanden; 
dagegen ijt jie in nördlichen Gebieten (Skandinavien, KSland 
u. a.) anzutreffen. Sie fteht in naher Verwandtichaft zur Gattung 
Fetthenne (Sedum L.), zu welcher jedoch nur Pflanzen mit 
HZwitterblüten (Einhäufige) gehören. Faft diejelben Standorte 
bewohnt der Gebirgs-Mauerpfeffer (Sedum alpestre Vill.), mit 
am Grunde niederliegenden Stengeln, hellgelben Blüten und oft 
braumüberlaufenen Fruchtfapjein. Die NRojenwurz, die ihre 
Wurzel durch den ftarfen Geruch gegen Tierfraß jchüßt, gehört 
zu den Fettpflanzen. Dieje haben das Vermögen, in ihren Blatt- 
geweben größere Wafjermengen für die ITrodenperiode aufzu- 
jpeichern. Außerdem enthält die Pflanze Gerbjäure, die fie vor 
dem Schnedenfraße jchüßt. Die Rojenwurz ift vielfach in Ge- 
birgsgärten als Sierpflanze anzutreffen. 


Alchemilla fissa Schumm. A. pyrenaica Duf. 
(Rosaceen Juss. S. 18, IV. Kl.) Gespaltener 
Frauenmantel, Sinau. Tafel 7. Nr. 8. 


Grundachse ziemlich dick. Pflanze spärlich behaart, fast 
kahl. Stengel meist niederliegend. Grundblätter 
langgestielt, rundlich-nierenförmig, bis zur Hälfte in 
7—9 Lappen geteilt. Lappen verkehrt - eiförmig, 
vorn gesägt, am Grunde ganzrandig. Blüten am 
Ende des Stengels und der Äste in rispiger Trugdolde. 
Kelch 4teilig, zur Fruchtzeit röhrig-glockig, mit ab- 
stehenden Zipfeln und Außenkelch. Kronenblätter 
fehlend. Staubgefäße 4, vor den Kelchblättern. 
Früchtchen 1—2. Blüten klein, grünlich, Höhe 
5-15 cm. Juli— August }, 

Unfere Pflanze, die nur dem Riejengebirge und den Alpen 
anzugehören jcheint, Tiebt feuchte Pläbe, Bachufer und quellige 
4 


RU 


Stellen in den Schluchten des Hochgebirges: gr. und Fl. Schnee- 
grube, Agnetendorfer Schneegrube, Kefjelfoppe, El. Teich, Melzer- 
grube. Sie ift eine anjpruchslofe Erjheinung und führt ein 
vecht bejcheidenes Dafein. Sie glänzt nicht durch Blütenpradht, 
prangt nicht mit üppiger Geftalt und prahlt nicht mit auffälligem 
Gewande. Sie erhebt fich nicht über ihre Umgebung und drängt 
fich nicht Kofett an den Pfad des Wanderers. Die lebte Spalte 
am feuchten Geftein, das verborgene Bläschen unterm Blätter- 
dach ihrer ftolzen Nachbarinnen, die jpärliche Erdfrume am 
ftürzenden Gießbach erwählt fie, um mit der ungeftüm dahin 
eilenden Welle till zu plaudern. Der Frauenmantel jcheint zu 
den wenigen Pflanzen zu zählen, bei denen eine Selbitbeftäubung 
ftattfindet. Die Narbe ift früher entwidelt, al3 der Blüten- 
taub. Um eine Befruchtung zu ermöglichen, verlängert fc bei 
der erforderlichen Reife der Stempel bis an die Staubbeutel und 
empfängt von diejen den Blütenjtaub. Zur Gattung Alchemilla 
gehören noch einige andere Arten, von denen der gemeine 
FSrauenmantel (A. vulgaris L.) am weiteiten verbreitet tft. 
Stengel und Blätter abjtehend behaart; legtere nur bis zu !/, oder 
!/, 5—9lappig. Er fteigt von der Ebene bis auf den Gipfel der 
Schneefoppe, it aber auf Triften und Grasplägen de3 Borge- 
birges am häufigjten anzutreffen. Der Name Alchemilla ift 
wahrjcheinlich dadurch entjtanden, daß die Pflanze früher bei den 
Atchimiften in hohem Anjehen ftand. Mit Hilfe derjelben glaubten 
fie Gold machen und den Stein der Weifen — Lapis philo- 
sophorum — auffinden zu fünnen. Die Gejtalt der mantelartig 
gefalteten Blätter führte zu der Bezeichnung FSrauenmantel. 
Die Pflanze war in der heidnifchen Vorzeit der Göttin Frigga 
und jpäter der Maria geweiht; daher auch heute noch im Gejenke 
der Name Marienmäntele Die Bezeichnung Sinau (Sintau 
— Smmertau) rührt davon her, daß in den Blattfalten die auf- 
genommenen Tau- und Negentropfen joiwie die durch die Spalt- 
Öffnungen der Blätter hervorgetretenen Wafjertröpfchen ver Ber- 
dunftung jeldft im Sonnenjchein lange Widerjtand Ieiften. 


Rosa alpina L. (Rosaceen Juss. S. 18, XI. Kl.) 
Gebirgs-Rose. Tafel 8. Nr. 9. 


Strauch mit wagerechten, kurzen Ästen. Schößlinge 
mit geraden, verschieden gestalteten Stacheln: nadel- 


ANBRRNR Sy 1, Sol 


und borstenförmig; ältere Stämmchen und Stengel 
stachellos. Blätter unpaarig gefiedert;, Blättchen 8—11, 
länglich, doppelt gesägt, mit vorwärts gerichteten 
Sägezähnen, kahl, oberseits sattgrün, unterseits grau- 
grün. Nebenblätter lineal-keilförmig, drüsig-gewimpert. 
Blüten einzeln, endständig, langgestielt. Kelch becher- 
förmig, innen behaart; Kelchsaum 5teilig. Kelch- 
zipfel an der Spitze verbreitert, länger als die 5 Kronen- 
blätter. Staubgefäße 20 und mehr. Frucht elliptisch 
oder eiförmig, oben halsartig verengert, von den 
aufrechten Kelchzipfeln eingeschlossen (Hagebutte). 
Fruchtstiel abwärts gebogen. Kelchbecher und Blüten- 
stiele meist mit langen Stieldrüsen. Blumenkrone 
dunkel-rosarot. Fruchtkelch hellrot. Höhe !/;—1!/, m. 
Juni—Juli 9. Die von weißen Härchen bedeckten 
Fruchtknoten reifen in der fleischigen Hagebutte, 
welche Apfelsäure, Zucker und Gummi enthält. 


Kann jich auch unjere Noje nicht mit ihren in Gärten und 
Anlagen gehegten und gepflegten, viel beiwunderten Schmwejtern 
mejjen, jo iit jte Doch eine gar Tiebliche Erjcheinung, die jchon 
im Borgebirge den Wanderer begrüßt und mit ihm bis in die 
Schluchten des Hochgebirges hinaufiteigt. (Siergebirge, Hainfall, 
Schneegruben, Efbgrund, Krfonos, Teiche, Teufelsgärtchen, Neh- 
horn, Heuscheuer, hohe Menje, Glaber Schneeberg, Gejenfe u. a. D.) 
Sie bewohnt auch die Alpen, Bogejen, den Schwarzwald ujtw.; 
doch Fehlt fie in der Nordlandsflora.. Am Bachufer und am 
Waldesrand mwebt fie purpurfarbene Blütenfronen in den dunfel- 
grünen Blättervorhang. Trogdem nimmt fie unter den in Deutjch- 
land wildwachjenden 15 Arten nur eine recht bejcheidene, Harm- 
oje Haltung an. Sie erhebt fich nicht zur Höhe der ihr nahe 
jtehenden Hunds-NRofe (R. canina L.), auch Hagebutte ge- 
nannt, und tritt nicht wie diefe herausfordernd an die Wegeränder. 
Auch Fehlen ihr die derben, fichelförmig gefrümmten Stacheln, 
mit denen die Hagebutte — nach Leilings Fabel — den Voriüber- 
gehenden nicht feithalten, jondern fein Kleid zerreißen will. Die 
in Gärten gezogenen, fait unüberjehbaren Arten find durch Ver- 
edeln entitanden. Durch Ofulieren wird auf die Stämmchen 
der wilden NAoje eine edlere Sorte übertragen. Schon im Alter- 
tume wurde die Roje al3 die Königin der Blumen erflärt ımd 


4* 


ET 


al3 Symbol der Liebe und Freude, !) der Schönheit und Jugend- 
frische, aber auch — wegen der furzen Lebensdauer — als das 
Symbol der VBergänglichkeit bezeichnet. Zur Pharaonenzeit war 
in Ägypten und zu Salomos Zeit in Paläftina die Nofe noch 
unbefannt. Denn die in dem Wort: „Sch bin eine Blume zu 
Saron und eine Noje im Thal“ (Hohelied 2. 1) erwähnte Roje 
war eine Lilie. Dagegen war in Griechenland die Aofe fchon 
in den frühejten Seiten befannt. Bei den Römern entwickelte 
fich die Liebe zur Noje zu einem bejonderen Kultus. Nicht nur 
der opfernde Priefter, jondern auch die Opfertiere waren mit 
Nojen befränzt. Dem heimfehrenden fiegreichen Feldheren wurden 
Rofjen auf den Weg gejtreut. Fejtliche Öelage waren ohne einen. 
verichiwenderiichen Aufwand von NRojen ganz undenkbar. Man 
ichmüdte den Becher, den Speifetiich, die Säulen und Wände 
mit Nojen und fühlte den Feltjaal durch Fontänen, in denen 
Nojenmwafler jprang. Nero bezahlte eine Tonne Goldes für Aofen, 
die er zu einem Feite im Winter aus Alerandrien kommen Tief. 
Auch bei den Germanen jtand die Noje in hohem Anjehen. So 
berichtet jchon das Nibelungenlied von dem von Chriemhild auf 
der Nheinau bei Worms angelegten NRojengarten. Die Ritter, 
die ihn mit ihrem Blute verteidigten, erhielten als Belohnung 
Nojenfränze. In einem der Ichöniten Volfsmärchen, „Dornröschen“, 
ichläft die Blumenfönigin hinter Dornenheden, bis der heiße Kup 
der Frühlingsionne fie zu neuem Leben erwedt. In Frankreich, 
welches heute noch in der Rojenfultur obenan jteht, wurden fchon 
im 6. Sahrhundert Rojenfejte gefeiert, wobei die jchönfte und 
tugendhafteite Jungfrau des Ortes mit einem Rojenkranze gejchmiüct 
wurde. Luther führte in feinem Wappen eine Aofe mit der 
Unterjchrift: 
„Sin Chriftenherz auf Nojen geht, 
mwenn’3 mitten unterm Sveuze fteht.“ 


Sn der fatholiichen Kirche hat die reich verzierte und mit 
Edeliteinen bejegte „goldene Noje“, die am Sonntag Lätare vom 


1) Einmal jedoch wurde die Aoje da3 Symbol des Blutvergießens, 
al3 zu Anfang des 15. Jahrhunderts in England der blutige Bürgerkrieg 
zwijchen der roten und weißen Noje — die PBarteizeichen der fürftlichen 
Häufer York und Lanfafter — entbrannte. Eine traurige Erinnerung 
ruft aud) jene Noje wach, die Napoleon der Königin Quife darreichte, als 
dieje jich in Tiljit (1807) dem ftolzen Eroberer al8 Bittende nahte und 
alles aufbot, ihn für daS gefnechtete Waterland milder zu ftimmen. 


Re da 


Bapit in der Petersficche feierlich geweiht wird, eine hohe Be- 
deutung. Sie gilt al eine der größten vom Bapjte eriwiejenen 
Ehrenbezeugungen. Am Dome zu Hildesheim breitet fich ein 
- Rojenstof aus, den der Kaifer Ludwig der Fromme gepflanzt 
haben joll. 

„Ewiq trägt im Mutterjchoße, 

jüe Königin der Alur, 

dich und mic) die jtille, große, 

allbefebende Natur. 

Nöschen, unfer Schmuck veraltet, 

Sturm entblättert dich und mich; 

doch der ew’ge Keim entfaltet 

bald zu neuer Blüte jich.“ (Hölderlin.) 


Rubus Chamaemorus L. (Rosaceen Juss. S. 18, 
XI.Kl.) Zwerg-Brombeere, Multebeere. Tafel 8. 
Nr. «10: 


Wurzelstock dünn, verzweigt, ohne Schößlinge. Stengel 

-  stachellos, einzeln, aufrecht, am Grunde mit schuppen- 
förmigen Niederblättern. Stengelblätter 2—3, gestielt, 
rundlich-nierenförmig, seicht 5lappig, runzelig-gefaltet, 
kerbig-gezähnt, zerstreut behaart. Nebenblätter stengel- 
umfassend, trockenhäutig. Blüte groß, einzeln, end- 
ständig, 2häusig. Kelch- und Kronenblätter 5, letztere 
verkehrt-eiförmig. Früchtchen (wenig), dem trockenen 
Fruchtboden eingefügt und mit einer saftig fleischigen 
Hülle umgeben. Weiß; Frucht anfangs rot, dann 
orangefarben. Höhe 5—15 cm. Juni— Juli *. 


Bei der Bezeichnung Brombeere!) — im BVolfsmunde 
auch Kraßbeere — ift man allgemein geneigt, an die mit Stacheln 
und Stachelborjten mehr oder minder reich bejegten Sträucher zu 
denfen, deren ebenfalls dornig bewaffnete Triebe (Schößlinge) 
eine leicht empfindlich vertwundende, undurchoringliche oder un- 
überiteigbare Dornenhede bilden. Auch denkt man hierbei an die 
meijt zahlreich mit weißen oder rojafarbenen Blüten und Blüten- 
tifpen gejchmücten, größtenteils Fräftigen, bogig auffteigenden 
Stengel, deren Fruchttrauben ung nach der Blütezeit einen reichen 


1) Diejer Name ijt entjtanden aus Brambeere, d. h. Dornbeere. 


Erntejegen darbieten. Von alledem ift bei unjerem Hochgebirgs- 
pflänzchen feine Rede und doch mweilen ihm Blütenbildung umd 
Fruchtgeftalt den Pla unter den Rubus-Arten an. BZunächit 
hat e8 einen Standort erwählt, durch welchen es fich von jeinen 
zahlreichen Verwandten vollftändig abjondert. ES bewohnt die 
Hochmoore des Sfer- und Riejengebirges: Sierwieje, Kühhitbel, 
Elb-, Bantjche- und weiße Wieje. Wenn nach langem Winter- 
ichlafe die erften Frühlingsfinder der Gebirgsflora, Habmichlieb 
und Teufelsbart, vom nächtlichen Schlummer erwachen, und ihre 
glänzenden Blütenfterne den Wanderer begrüßen, liegen zumeift 
hoch jene Flächen in den Fefjeln des Winters. Gar bald aber, 
oft Schon nach wenig Tagen, wird feiner Herrichaft ein jähes 
Ende bereitet. Die Schnee- und Eisfelder ziehen fich in die 
Schluchten zurüd, und auf dem Torfmoore brütet die Frühlings- 
lonne, die auch hier neues Leben wedt. Unternehmen wir um 
dieje Zeit eine Wanderung auf die Elb- und Bantichewwieje, jo 
werden toir nicht wenig überrafcht, auf den öden, fahlen, von 
Scnieholggejtrüpp umrahmten Flächen eine Anzahl jchneeweißer, 
friiher Blumen anzutreffen. Es jind die Blüten der Himwerg- 
Brombeere. Die erjten finden wir jchon, wenn wir und vom 
Rammmege aus der Elbquelle zuwenden und die zwilchen den 
eriten Knieholzjträuchern fi) ausbreitende Moorflähe — nur 
wenige Schritte Linfs vom Wege — betreten. In größerer Menge 
und Fräftiger entwickelt — bejonders unter dem Schuße des Srie- 
Holzes — zeigt jich unjer Gebirgsfind rechts am Wege zwijchen 
Elbquelle und Elbfall. Doch am zahfreichiten erjcheint e8 auf 
der Bantichetwieje, jpärlicher auf der weißen Wieje und im jer- 
gebirge. Entnehmen wir dem feuchten MoosSpoliter, in welches 
e3 mit jeinen runzeligen, rundlichen, anfangs Ddütenförmigen 
Stengelblättern eingejenft ifl, ein Exemplar, jo bemerfen wir, 
daß die auf furzem, dünnen Stiel fich erhebende große Blüte in 
der That die Bauart der NRubusblüte zeigt. Nur find bei der 
einen Blüte die Staubgefäße vollitändig entwicelt und die Griffel 
verfümmert, während bei einer anderen Blüte der umgekehrte 
Tall beobachtet werden fan. Eine erfolgreiche Befruchtung fan 
hierbei nur dadurch entitehen, daß der Blütenjtaub der einen 
Blume auf die Narben der anderen übertragen wird. Die Ver- 
mittelung übernehmen die Snieften, die durch die auffälligen 
Blüten angeloet werden. Sehr jelten aber begünftigen Die 
Witterungsverhältniffe um diefe Zeit die Enttwidelung und den 


% 


EN 


Unfug von Snjekten; deshalb jucht man fait immer die Frucht 
vergeblih. Auf einer botanischen Erfurfion vor länger als 
30 Zahren teilte mir der alte Hüter des Efbhrunnens mit, daß 
er in jeiner Jugend als Hirt auf der EIb- und Bantjchewiefe 
die Frucht gefunden und genofjen habe. Seitdem habe ich jedes 
Fahr nach diejer seltenen Frucht gefpäht. Doch wollte fie fich 
nimmer zeigen, und jchon zweifelte ich an der Nichtigkeit jener 
Ausfage. Da wurde ich eines Tages — 83 war am 31. Juli 
1889 — auf der Elhtwiefe durch einen Anblie überrajcht, der 
mich damals aufs angenehmfte berührte.!) Auf den graugrünen 
von braunen Moortümpeln umgebenen Moospolftern lagen jchön 
gefärbte, purpurne bis orangefarbene, fait pflaumengroße Beeren, 
die wie von fruchtipendender Hand ausgejtreut zu fein fchienen. 
Bei genauerer Betrachtung zeigte eS fich, daß der jchwache Blüten- 
jtiel die Ächiwere Frucht nicht zu tragen vermochte, deshalb war 
die Beere auf das jammetweiche Moospoliter umgejunfen und 
hatte die beiden Stengelblätter, die als Funftvoll gefaltete Ser- 
vietten jich zur Rechten und Linften für das leere Mahl aus- 
breiteten, mit binabgezogen. Nur ein jo ausgejucht günstiges 
heiteres Frühlingswetter, wie e8 damals im Mai und Juni im 
ganzen Gebirge herrichte, Konnte eine jolche Fruchtentiwidelung 
zuftande bringen hHelfen.?) Unfere Zwerg - Brombeere ift ein 
nordiiches Gewächs, das außer einigen PBläben in Oftpreußen 
bejonder3 die Sumpfflähen Skandinaviens, Nord - Ruflands, 
Sibiriend und Nordamerifas bewohnt. Zur artenreichen Gattung 
Rubus gehören auch die Himbeere (Himpelbeere) (R.Idaeus L.), 


1) Am folgenden Tage follte in Schreiberhau eine Abendunterhaltung 
zum bejten de3 dort zu errichtenden Kaijerdenfmals jtattfinden. Das in- 
zwijchen eingetretene heitere Wetter aber hatte fait alle Mitwirkenden zır 
einer mehrtägigen Kammmwanderung hinaufgelocdt. Mit jehwerem Herzen 
gedachte ich der vielen Liicen des aufgeitellten Programnıd. Da fiel 
mein Blict auf die entziidende Rubus-Frucht, die mich mit einem Schlage 
aus meiner bedrängten Tage rettete. ch jammelte eine größere Bu 
von Sträufchen, die ich am anderen Tage nach voraufgegangenem Bor= 
trage (Kaifer Wilhelms II. erjte Nordlandsfahrt!) unter die danfbare Zus 
hörerjchaft verteilte. 

2) Der damalige Witterungsbericht vom Mat lautet: „Der dies- 
jährige Mai verdient die Bezeichnung Wonnemonat von Anfang big zu 
Ende. Er zeichnete fich nicht nur durch heiteres® Wetter, jondern auch 
dur; eine auffallend hohe Temperatur aus. An der intenjiven Erwärmung 
nahmen auch die höheren Gebirgsregionen teil.“ Das auffallend heitere 
und warme Wetter im Mai hielt auch den folgenden Monat ar. 


NR ne a 


die bis an die Knieholzregion hinauffteigt, und die Felien- 
Brombeere (R. saoatilis L.) mit langen friechenden Laub- 
trieben, die, obwohl im Borgebirge heimijch, jich auf einigen Hoch- 
plägen (Sefjjelfoppe, El. Schneegrube, Kiesberg und Geienfe uf.) 
niedergelafien hat. 


&eum montanum L. (Rosacen Juss.. S. 18, 
XII. Kl.) Berg-Nelkenwurz. Tafel 9. Nr. 11. 


Wurzelstock dick, horizontal. Stengel aufrecht, meist 
1-, selten 2blütig, nebst den Blättern schwach-zottig. 
Grundblätter rosettenförmig, leierförmig; das endstän- 
dige Blättchen auffallend groß, fast herzförmig, schwach- 
gelappt und ungleich-gekerbt. Stengelblätter 3teilig, 
mit gezähnten Abschnitten und großen gespaltenen 
Nebenblättern. Blüte aufrecht, flach ausgebreitet. 
Kelch- und Kronenblätter je 5, letztere groß, rund- 
lich, kurz-benagelt, doppelt so lang als die Kelch- 
blätter. Fruchtköpfchen sitzend. Früchtchen nußartig, 
von dem ungegliederten, behaarten Griffel geschwänzt. 
Goldgelb. Höhe 10—25 cm. Mai— Juli }. 


Unjere Pilanze, welche zu den charafteriftiichen jelteneren 
Kindern der Hochgebirgsflora zählt, ift von hoher Herkunft. Dies 
beweilt auch der Umftand, daß fie fich fait nur in der ummittel- 
baren Nähe unferer Berghäubter: Schneefoppe, Brunmberg, 
Hiegenrüden und Kefjelfoppe angefiedelt hat. hr Heimatland 
ind die Alpen, wo fie feine feltene Erjcheinung ift. Hier be- 
wohnt fie die grafigen und fteinigen Flächen und AMbhänge der 
Knieholzregion, und nur in einzelnen verftreuten Exemplaren 
fteigt fie unter Diejelbe herab. Während fie an den öftlichen 
Standorten, an der Schneefoppe und in deren Umgebung, ziemlich 
häufig auftritt, ericheint fie an der Keffelfoppe nur vereinzelt auf 
beichränftem Gebiet. Shre Blütezeit ift faft voriiber, mern der 
Haupttouriftenzug fich in Bewegung jeßt; auch tritt fie nur ver- 
einzelt an die Sammmege heran. Deshalb bleibt fie tro& ihrer 
gehen goldgelben, meist nicenden Blüte den meiften Gebirgs- 
bejuchern eine unbekannte Schönheit. An heiteren Tagen wendet 
fie ihr Angeficht der Sonne zu. An trüben, vegnerifchen Tagen 
und während der Nacht aber Schütt fie fich duch Krümmung 


ARTE 7 a 


ihrer Blütenftiele gegen Regen, Tau und Wärmeverluft. Um 
nur den geeigneten bejtaubungspermittelnden njekten den Zutritt 
zu gejtatten, ift durch Häufung von Staubbeuteln ein gemifjer 
Berichluß des Nektariums hergeftellt. Sie ericheint fait gleich- 
zeitig mit dem Teufelsbart, mit dem fie dem Fruchtitande nad) 
verwandt zu jein jcheint. Nach dem Berblühen trägt fie tie 
jener einen perücdenartigen Kopf mit gejchwänzten Früchtcheit ; 
nur ruht bei ihr das zierlichere, oft vötlichichimmernde Frucht- 
föpfchen auf einem grünen Kelche. Wegen diejer Ahnlichkeit be- 
zeichnet der naive Baudenbewohner unjere Pflanze als das Weibchen 
vom Teufel3bart. Der federartige Griffel dient wie bein Teufel3- 
bart al3 Flugapparat. Von der Gattung Geum gehören 2 Arten 
vorzugsweife der Ebene an: Die gemeine Nelfenwurz (G. 
urbanum L.) mit aufrechten Fleinen gelben Blüten, und die 
Bah-N. (G. rivale L.) mit‘nicenden großen, hellgelben, außen 
rotbraumen Blüten. Die Glieder diejer Gattung haben die Neigung, 
eine Verbindung untereinander einzugehen; daher verjchiedene 
Kreuzungen. G. rivale fteigt bis in die Schluchten des Hoc- 
gebirges und vermilcht fich dort bisweilen mit G. montanum, 
woraus der Baitard G. rivale X montanum entiteht, der ver- 
einzelt am fl. Teich, Brunnberg, im Niejen- und Melzergrunde 
beobachtet worden ift. Eine andere Abart mit blaßgelben Blüten- 
hillen, die bei Chriftiania und Kopenhagen vorfommt — G. rivale 
var. pallidum —, entdedte der Verf. 1878 an der Stejjelfoppe. 


Potentilla aurea L. (Rosaceen Juss. S.18, XIU.Kl.) 
"Goldblumiges Fingerkraut. (Gold-Fingerkraut.) 
Tate 2. Nr. 12, 


Wurzelstock verzweigt, kriechende, unterirdische Stämm- 
chen bildend. Stengel aufsteigend, armblätterig, nebst 
den Blattstielen behaart. Blätter gefingert; Grundblätter 
langgestielt, 2zeilig; untere Blätter 5zählig, obere 
Stengelblätter 3zählig; Blättchen länglich, auf der 
Unterseite an den Adern silberglänzend, seidenhaarig, 
am Ende mit 3—5 spitzen Zähnen. Kelch flach, mit 
5spaltigem Saume und 5 kleineren Deckblättchen. 
Kronenblätter 5, rundlich, am Grunde orangefarbig, 
fast doppelt so lang als die Kelchblätter. Blütenstand 


NEN EN 


 gabelrispig, mehrblütig. Früchtchen zahlreich, kahl. 
Goldgelb. Höhe 10—25 cm. Juni— August, oft im 
Herbst zum 2. Male blühend +. 

Wenn die Frühlingsfinder der Hochgebirgsflora zu KRüfte 
gehen, erjcheint das goldblumige Fingerfraut, das durch feine 
auffallend großen Blütenfterne den Wanderer jchon unterhalb 
der nieholzregion begrüßt. An einzelnen Stellen — dur) 
Samen verjtreut — fteigt e3 in die Waldregion herab: Schreiber- 
hau (Marienthal), Krummbübel, Brotbaude, Spindelmühl, Aupa- 
grund. Sm allgemeinen liebt e3 die grafigen, jteinigen Lehnen 
und Abhänge, zeigt fi) mit Vorliebe am Touriftenpfade und be- 
gleitet treu den Wanderer bis auf die höchiten Kuppen und 
Kämme Die Heimat unjeres Gebirgsfindes find die Alpen, two 
e3 auf Triften und Matten Häufig anzutreffen it. ES Fommt 
auch auf dem Ölaber Schneeberge und im Gejenfe vor; fehlt aber 
in der nordilichen Flora. Gleich der vorigen jchüßt es fich gegen 
Negen und Kälte durch Krümmung der Blütenftiele. Bei heiterem 
Wetter aber wendet e3 feine ganze Blütendffnung der Sonne zu. 
Dur Häufung der Staubbeutel entjteht in der Blüte ein Ber- 
Ihluß des Nektarzuganges, wodurch) nur den für die Blüte ge- 
eigneten, bejtäubungsvermittelnden Snjeften der Zutritt gejtattet 
wird. Die jüngeren Blätter jind gefaltet, wodurd) fie vor zu 
großer Ausdünftung geihüßt werden. Zur Gattung Potentilla 
gehören eine größere Anzahl von Arten, die aber faft durchweg 
die Ebene und das VBorgebirge bewohnen. Nur das Blutmwurz- 
Singerfraut — auh Tormentillwurzel genannt — (P. 
Tormentilia Schrnk. oder P. silvestris Neck.) begleitet unfer 
Tflänzchen bis auf die Hochgebirgsfämme; es unterjcheldet jich 
bon ihm Durch die Hleineren blafjeren Blüten, die dreizähligen 
Blätter und die viergliederigen Blüten. 


Hedysarum obscurum L. (Papilionaceen L. S.18, 
XVII. Kl.) Gebirgs-Süssklee. Tafel 10. Nr. 13. 


Wurzelstock langgliederig, bis zum Grunde des Stengels 
mit trockenhäutigen Nebenblattschuppen. Stengel 
aufsteigend oder aufrecht, einfach, nebst den Blättern 
zerstreut behaart. Blätter5—9paarig; Blättchen eiförmig- 
länglich, ganzrandig, fein stachelspitzig. Nebenblätter 


BRIOURUL + 3 BE 


trockenbäutig, in eine 2zähnige oder 2spaltige blatt- 
gegenständige Scheide zusammengewachsen. Blüten- 
trauben blattwinkelständig, zu 1—2 am Stengel, länger 
als das Blatt. Deckblätter länger als die Blütenstiele. 
Blüte wagerecht, zuletzt nebst den netzaderigen Hülsen 
herabhängend. Kelch und Hülse behaart. Letztere 
zusammengedrückt, gestielt, mit 1—5 rundlichen 
Gliedern. Blüten purpurn, ins Bläuliche spielend. 
Höhe 15—30 cm. Juli—August *. 

Unjere Pflanze zählt zu der großen Familie der Schmetterlings- 
bfütler, zu welcher eine Anzahl von fjehr wichtigen Nahrungs- 
und Zutterpflanzen, 3. B. Erbe, Linfe, Bohne, Wice ufo., jotwie 
einige Zierpflanzen, 3. B. Lupine, Goldregen u. a., gehören. 
Sede Blüte, die einige Ähnlichkeit mit einem figenden Schmetter- 
finge hat, befteht aus einem unregelmäßig 5zähnigen Kelche und 
einer unregelmäßigen 5blättrigen Blumenfrone Die beiden 
vorderen unteren Blätter heißen Schiffehen oder Siel, die 
beiden feitlichen Flügel und das obere große Blatt wird mit 
Fahne bezeichnet. Die in dem Schiffchen befindlichen 10 Staub- 
gefäße find in 2 Bündel verwachen. Hedysarum ift eine Der 
jeltenften Hochgebirgspflanzen, die nur im Teufelsgärtchen und 
im gr. Refjel des Gejentes vorkommt. An dem erjtgenannten 
Drte bewohnt fie eine fchroffe Felswand, deren Vorjprünge fie 
ichmiücdt. &3 ift ein eigentüimlicher, fchwer zu erflinnmender Stand- 
ort, den ich unfer Gebirgsfind erwählt hat und der e3 vor dem 
Ausrotten Schüßt. Vom Riefengrunde aus führt der Zugang über 
einen fteilen Abhang, der mit Lofen, fcharflantigen Felfentrümmern 
bedeckt it. Dort, wo die Felswände näher aneinander rüden, 
zeigen fich zur Linken hoch oben die eriten Pflänzcehen, deren 
Hlütentrauben über die Etagen herabhängen und die nur ein 
fühner Bergfteiger zu erreichen vermag. Jim Gejenfe kommt die 
Bilanze zahlreicher vor. Sie jcheint aus ihrer Heimat, den Alpen, 
hier eingewandert zu fein. Sm hohen Norden, 3. B. Lappland, 
ift fie ebenfalls heimisch. Sie ift, um fich gegen die Ungunft 
des Wetters zu jchügen, mit der Eigenschaft ausgejtattet, ihre 
Zaubblätter abends oder nach erfolgter Reizung zu erheben und 
gegenfeitig zu nähern. 


AL SL 


Fumaria capreolata L. (Fumariaceen DC. S. 18, 
XVII. Kl.) Rankender Erdrauch. Tafel 10. Nr. 14. 


Stengel niederliegend. Blätter gefiedert; unterseits blau- 
grün; Blattstiele oft rankend; Fiedern 3zählig, mit 
eingeschnittenen Blättchen; Blattzipfel länglich oder 
eiförmig. Kelchblätter 2, eiförmig, leicht abfallend, 
am Grunde gezähnt, halb so lang als die Blumenkrone. 
Kronenblätter 4, die äußeren vorn mit einem Höcker. 
Staubgefäße 6, in 2 Bündel verwachsen. Frucht eine 
lsamige Nuß, fast kugelig, glatt. Kronenblätter gelblich- 
weiß, auf dem Rücken bisweilen purpurn, an der 
Spitze schwarz-purpurn. Höhe 30—80 cm. Juni bis 
Oktober ©). 


Der rankende Erdrauch ift ein aus Südeuropa ftammendes, 
zierliches Unkraut, das wohl faum verdient, zur Gebirgsflora ge- 
zählt zu werden. CS hat fich aber jchon feit Länger als 50 Sahren 
in den Gärten von Warmbrunn niedergelaffen und fich in weiteren 
Kreifen die Bezeichnung „Warmbrunner Blümchen“ erworben. 
Hier hat es in dem beim Haufe gelegenen Garten mit manchem 
Kurgafte Befanntichaft gemacht und dauernde Freundichaft ge- 
Ihlofjen. Bon dort aus hat e3 eine erfolgreiche Wanderung nach 
verjchtedenen Gebirgsdörfern (Hermsdorf u. R., Giersdorf, Agneten- 
dorf, Schreiberhau) unternommen und fich auf diefe Weife wohl 
das Bürgerrecht erworben. Ob der Name „Erdrauch” dem durch 
die Blätter fejtgehaltenen Erdjtaube oder dem beim Opfern diejer 
Pflanze auffteigenden Nauche näher fteht, dürfte wohl fo Leicht 
nicht feitzuftellen fein. Eins aber jcheint der Name anzudeuten: 
ein am Boden wachjendes Pflänzchen. Im Kampf ums Dafein, 
im Wettbewerb um Naum und Licht, hat fich bei einer Anzahl 
von Pflanzen die Eigentümlichkeit gezeigt, neben dem niederliegen- 
den Stämmihen auch aufjtrebende Stengel zu entwideln, für welche 
aber, um möglichjt vajch „durch Nacht zum Licht“ emporzufteigen, 
eine bejondere Feitigung, Umflammerung, nötig ist. Zu diejen 
mit Slettervorrichtung verjehenen Pflanzen gehört auch der Erd- 
rauch. Um von der Blüte alle ungebetenen Gäfte fernzuhalten 
und nur geeigneten Befuchern die Beitäubung zu iüberlaffen, find 
rings um den Honigbehälter abgeschloffene Höhlungen angebracht, 
die nur mit größerer Sraftaufwendung beftäubungstüchtiger Sn- 
jeften geöffnet werden Können. Zur Gattung Fumaria gehören 


er N 


noch einige die Ebene bewohnende Arten, von denen der gebräuch- 
lihe Erdraud (F. officinalis L.) mit purpurner Blumen- 
frone bi3 an den Fuß des Gebirges hinauffteigt. 


Viola biflora L. (Violaceen DC. S. 18, V. Kl.) 
Zweiblumiges Veilchen. (Zwillings - Veilchen.) 
Tafel LINIE 


Wurzelstock kriechend, kurzgliederig, mit schuppen- 
förmigen Niederblättern. Stengel zart, 2—3blättrig 
und 1-—-2blütig. Blätter nierenförmig, gerundet- 
stumpf, gekerbt. Nebenblätter eiförmig, ganzrandig, 
oval. Kelch und Blumenkrone unregelmäßig, 5 blättrig; 
ein Blumenblatt gespornt, mit schwarzen Strichel- 
nerven. Staubgefäße 5, auf unterständiger Scheibe. 
Fruchtknoten 1, 1fächerig, 3klappig; Griffel am Grunde 
gebogen, nach oben verdickt, mit schräger Narbe. 
Kronenblätter klein, zitronengelb. Höhe 5—10 cm. 
Juni— Juli *- 

Unfer Pflänzchen ift zwar nicht das hochgefeierte, vielbejungene, 
duftipendende Blau-Veilchen, welches jchon bei den Völkern des 
Altertums zu den Kieblichjten Mythen Beranlaffung gegeben. Gleich- 
wohl ift e8 eine Liebliche Erjcheinung der Gebirgsflora, und auch 
ihm gilt das Wort: „Dem Heinen Beilchen gleich, das im Ber- 
borgnen blüht“. ES Kann jeher wohl — gleich wie jenes — als 
ein Symbol der Bejcheidenheit und Demut bezeichnet werben. 
Denn e8 Tiebt die ftillen fchattigen Waldpläße und tritt nur jehr 
vereinzelt an den Touriftenmweg. An quelligen, moorigen Stellen 
und feuchten, mit Moos bedecten nafjen Feljen ift e$ am häu- 
figften anzutreffen. Es ift im Sfer- und Riejengebirge feine 
ieltene Erjcheinung (Flinsberg, Tafelfichte, Buchberg, Schnee- 
gruben, Keifelfoppe, Teiche uf.) und ijt auch in den Oft-Sudeten 
(Slayer Schneeberg, Gejenfe) verbreitet. Obwohl e3 Hauptjächlich 
in den höheren Gebirgslagen heimifch ist, verichmäht e8 auch 
niedrigere Standorte nicht: Schreiberhau, Hohenelbe u. a. 3 
bewohnt die Alpen und auch Skandinavien. 

Während die großblütigen VBeilchenarten faft durchtveg Bienen 
und Hummeln al3 Verehrerinnen haben, muß fi unjer Pflänz- 
chen, welches nur für furzrüffelige Injekten eingerichtet ift, nur mit 


BEN Sn 


Fliegen begnügen. Damit jteht auch der Umftand in Verbindung, 
daß den jeitlichen Kronenblättern die bärtige Ausftattung mangelt. 
Der an der Violablüte befindliche Sporn dient Hauptjächlich dazu, 
nur den Smjekten, die fich gerade für die betreffende Bilanze 
eignen, den Yutritt zu den Nektarien zu gejtatten. 

Spivie Blau-PVeilchen im Thale (V. odorata L.) als ein 
willfommener Frühlingsbote begrüßt wird, jo verdient e3 auch 
in den höheren Regionen al3 Kind der Frühlingsilora einen 
Willfommensgeuß. Sobald an ftillverichwiegenen Pläben die 
Heinen gelben Blüten unter den jaftiggrünen Blättern herbor- 
fugen, hält nach langer Winterzeit auch Dort oben der Lenz 
jeinen Einzug. 

„Das Eis zergeht, der Schnee 
dann grünt e3 über ein Weilchen 
und leije jingt der laue Wind: 
‚Wacht auf, wacht auf, ihr Veilchen !‘“ 
(E. G©eipel.) 


Viola lutea Sm. (Violaceen DC. S. 18, V. Kl.) 
Gelbes Veilchen. Tafel 11. Nr. 16, 


Stengel dünn, fadenförmig, niederliegend, kriechend, 
einfach. Blätter gekerbt, untere rundlich bis herz- 
eiförmig; obere elliptisch - lanzettlich. Nebenblätter 
groß, fast sämtlich fiederspaltig, mit linealen, fast 
gleich-großen, ganzrandigen Abschnitten. Kelchblätter 
länglich-lanzettlich, stumpflich oder kurz zugespitzt. 
Blumenkrone unregelmäßig, 5blättrig (1 Blumenblatt 
gespornt). Narbe dick, ausgehöhlt, nach abwärts beider- 
seits mit einem queren Haarbüschel. Staubgefäße und 
Fruchtknoten wie vorige. Gelb, selten bläulich-violett. 
Höhe 10—25 cm % 


Man könnte unjer Beilchen, welches auch den botantichen 
Kamen V. sudetica führt, mit vollem Recht Gebirg3-G©tief- 
mütterchen nennen. Beim erjten Anblid hält man es auch für 
das auf Üdern und Brachen Häufig vorkommende Pflänzchen 
(V. tricolor L.), daS den verrufenen Namen dadurch erhalten 
hat, daß das größte Kronenblatt, welches 2 Site (2 Kelchblätter) 
einnimmt, die Bezeichnung „Stiefmutter“ erhalten hat. Die beiden 
ihr zunächit jtehenden Blätter werden als ihre rechten Töchter 


angefehen, von denen jeder ein bejonderer Sid zugeiiejen it, 
die aber mit einem Häßlichen Barte ausgeftattet find. Die beiden 
Eleinen Blätter find die Stieftöchter, die fich zujammen mit einen 
Sit begnügen müfjen. Zunächit fällt bei V. lutea der eigen- 
tümliche Standort auf. Sie bewohnt faft nur die grafigen Yb- 
hänge de3 Hochgebirges: Elbgrund, Ziegenrücden, langer Grund, 
Richterbauden, Geierquelle, Blaugrund, NRiejengrund, Brunnberg, 
Rehhorn, Slayer Schneeberg, Saalwiejen, Gejenfe. Im Riejen- 
gebirge ijt die Pflanze vorzugsweife auf der böhmischen Geite 
anzutreffen. Sie fcheint zinfhaltigen Boden zu lieben. Neier- 
dings ift fie vereinzelt auch im Melzergrunde, am Gehänge und 
in Foritlangwaffer beobachtet worden. Bisweilen jteigt fie, dur) 
Samen herabgejchweift, ins Thal herab, 3. B. Aupaufer bei 
Beber. Sie fommt in den Vogejen vor, von wo aus fie viel- 
feicht nach den Sudeten wanderte. Doch in der Nordlandsilora 
ift fie nicht vertreten. Außer den genannten Pflanzen gehören 
noch mehrere zur Gattung Viola, die aber meijt die Ebene und 
das Worgebirge bewohnen. Nur da3 Sumpf-VBeilden (V. 
palustris L.) mit blaßlilafarbener Bhumenhülle jteigt vom Thale 
bis auf die Hochmoore. Ein Glied unjerer Gattung, das jchatten- 
fiebende Beilchen (V. porphyrea Uechtr.) mit herzfür- 
migen Blättern und violetter, am Grunde weißlicher Blumen- 
hülle, ift bis jeßt nur an einer einzigen Stelle, an den Naben- 
felfen bei Liebau, beobachtet worden. Außer den bereit3 ge- 
nannten feier hier noch folgende erwähnt: Wald-B. (V. silva- 
tica Fr.). Kahl; Blätter herzeiföürmig. Sporn wie die Blüte 
gefärbt. Waldregion. Hunds-%. (V. canina L.). Behaart 
oder Fahl; Blätter längfich-eiförmig. Sporn weiß oder gelblich. 
Bon der Ebene big in die Waldregion. Wunderbares %. 
(V. mirabilis L.). Behaart. Blätter breitherzförmig. Kiesberg. 
GSeienfe. 


Drosera rotundifolia L. (Droseraceen DC. S.18, 
V. Kl.) Rundblättriger Sonnentau. (Großer 
Sonnentau.) Tafel 12. Nr. 17. 

Blütenschaft aufrecht, mehrmals länger als die Blätter. 


Blätter in grundständiger Rosette, fast kreisrund, 
wagerecht ausgebreitet, langestielt, plötzlich in den 


BE EN 


Blattstiel zusammengezogen, oberseitsmitroten Drüsen- 
haaren reich besetzt. Blüten klein, in endständiger, 
einseitswendiger, anfangs zurückgekrümmter, oft 
2teiliger Scheintraube. Kelch Steilig. Kronenblätter 
und Staubgefäße 5. Kapsel 3—5klappig. Weiß. 
Höhe 5—15 cm. Juni— August }. 

Der Sonnentau liebt jumpfige, torfige Wiejen und Wajler- 
gräben und fteigt vom Thale bis auf die Torfmoore des Hoch- 
gebirges: Sjerwiefe, Siehhübel, Kranichiwiefe, Elbtwieje, weiße 
Wiefe, Grenzbauden ujw. Er gehört zu den injeftenfreifenden 
Planzen. Die Oberfläche der Blätter it mit etwa 200 nadel- 
fürmigen Wimpern (Drüfen) bejest, welche einen Flebrigen Saft 
abjondern. Sobald Kleine Tierchen, Blättchen u. dergl. mit den 
glänzenden Köpfchen in Berührung fommen, werden fie von diejem 
feitgehalten. 3 ergießt fi) aus den Drüjen eine pepjinartige 
Flüffigkeit (Magenjaft), welche die Kraft befigt, diefe organijchen 
Stoffe aufzulöfen. „Unter unjeren Mugen vergrößern ich die 
Tropfen, die aus den roten Köpfchen hervorgepreßt werden, als 
wäre der Pflanze der Mund im VBorgefühl einer Lederen Mahl- 
zeit; die Wimpern beugen jih an ihrem Grunde und menden 
ihre Spigen gleich einem ftarrenden Lanzenwalde wider ihre 
Beute, die in der Todesangit raftlofe, aber vergebliche An- 
trengungen zur Befreiung macht. Schon Hat eine der Nachbar- 
wimpern das zudende Opfer am Naden gepadt; eine zweite drückt 
das rote Köpfchen an feinen Rüden; zwei, drei fommen von den 
Seiten Hinzu; in wenig Minuten ift das Tierchen von einem 
Dugend Wimperföpfchen angefaßt; bald ijt eg von ihren Tropfen 
überflofjen, eriticdt und ertränft. Nun wird der tote Körper von 
den äußeren Wimpern wie von Hand zu Hand fortgeichoben, bis 
er in die Mitte des Blättchens zu liegen fommt; in furzem 
richten fich jämtliche Wimpern jo, daß jie ihre Köpfchen feit an 
den Leib des Opfers anprejjen. Nicht ein jtarres Pflanzenblatt 
glauben wir vor uns zu jehen, jondern einen PBolypen, der mit 
fräftigen Fangarmen jeinen Raub erfaßt und verichling. Jm 
Verlaufe einer halben Stunde Hat fich auch die ganze Blattfläche 
gleich einer gejchlofjenen Hand über die Beute zufammengefaltet 
und entzieht die weiteren Vorgänge den Blicken de3 Beobachter. 
Wenn nach ein paar Tagen die Blätter fi wieder öffnen, find 
von den getöteten Tierchen nur noch verjtümmelte Refte, Flügel, 
Beinjchienen, Schabenringe übrig geblieben; alle Weichteile find 


N a 


verzehrt; die reichliche Flüffigfeit, in der das Opfer ertränft 
torden, it verichtvunden, die Wimperföpfchen find troden. Erit 
nach einigen Stunden, während die Fangarme wieder gewijjermaßen 
in Schlachtordnung fich auslegen, erjcheinen auch die Tautröpfchen 
twieder und num ijt das Blatt gerüftet, eine neue Beute einzufangen, 
zu töten und zu verzehren.“!) Wie groß die Zahl der Geopferten 
it, geht daraus hervor, daß auf einem einzigen Sonnentaublatte 
die Uberreite von 13 gemordeten njekten aufgefunden worden 
find. Wer den hier gejchilderten, Höchit merkwürdigen Vorgang, 
der eine verfehrte Weltordnung darzustellen jcheint, bequem in 
jeinem Zimmer beobachten will, muß das Pflänzchen mit dem 
Torfmoos ausheben und auf einem Teller der Sonne ausfeten. 
Es ijt dann mur notwendig, dasjelbe feucht zu Halten und mit 
kleinen Snjeften zu füttern. Während bei uns nur wenig Drojera- 
Arten vorkommen, hat Auftralien über 50 aufzumeilen. Goethe 
war einer der eriten, der 1785 auf einer Reife im Fichtelgebirge 
die Reizbarfeit der Droferablätter beobachtete. Wegen der ver- 
meintlichen Tauperlen, die in der nordilchen Mythologie Thränen 
der Frigga, die fie ihrem in die Ferne gezogenen Gatten Odin 
nachtweinte, genannt werden, jtand der Sonnentau bei den Alchi- 
milten in hohem Anjehen. Sn den geheimmispollen Tauperlen 
juchten fie das „große Magijterium“, das „große Elirir”, Die 
„rote Tinktur“, den „Stein der Weijen“, jenen Grundftoff, aus 
dem der die Unjterblichkeit verleihende Wundertranf bereitet wurde. 
E3 wurde aus der Pflanze ein Goldwafjer hergeitellt, das be- 
jonders gegen Schwindjucht angewandt wurde. Auch gegen ver- 
Ichiedene andere Krankheiten wurde der Sonnentau al3 Arznei- 
pflanze gebraucht. a, e3 wurde ihm fogar die Kraft zugeiprochen, 
den Giftmischern das Handwerk zu legen. Sn einem alten Be- 
richte heißt e8: „Legit du das Kraut in ein Glas mit Wein, 
da ein Gift vermijcht ift, al3bald zerbricht es das Glas. Sit 
aber das Gefäß jteinern oder aus Mlabafter, jo wird der Wein 
aljo Stark jiedend, al3 wäre ein gewaltig Feuer darunter, daß 
auch der Wein herausipringt.‘?) 


1) Deutijche Rundidhau 1876. 
2) Söhnd. Unjere Bilanzen. 


N er 


Empetrum nigrum L. (Empetraceen Nutt. 5.18, 
XXII.Kl.) Schwarze Krähenbeere. Rauschbeere. 
Tarel 12.2. 18; 


Stämmchen niedergestreckt, ästig, mit braunen, auf- 
steigenden Zweigen. Blätter sehr kurzgestielt, lineal- 
länglich, ganzrandig, am Rande etwas rauh, bisweilen 
umgerolit, glänzend, immergrün, unterseits mit weißer 
Mittellinie. Blüten einzeln, selten zu 2—3, an achsel- 
ständigen Kurzzweigen mit 2 Vorblättchen, Zhäusig. 
Kelch- und Kronenblätter je 3; letztere länglich- 
eiförmig, kürzer als die Staubgefäße. Griffel kurz; 
Narben 6—9. Steinfrucht kugelig, mit 6—9 Steinen. 
3 Blüte rosa, ? purpurn. Beere schwarz. Länge 15 bis 
40 cm. Mai-- Juli 8. 

„Wenn die Frühlingsjonne wieder jcheint, 

und in meinem Thale Blumen blühn, 

it's, al3 müßt ich mit dem hellen Sonnenjtraßle 

ichweifend, über Bujc) und Berge ziehn.“ 

(Karl Hauptmann. „Aus meinem Tagebud).”) 
Wenn Floras Kinder ihre Köpfchen vom mwinterlichen Schlafe 

erheben und ihre Gewänder aus dem grünen SKnojpenjchrein 
hervorholen, um jich für den holden Lenz zu Schmüden, dann er- 
wacht auch unfer Vflänzchen zu neuem Leben. WUber fein Schmud 
ilt jehr beicheiden und anipruchslos fein ganzes Dafein. Troß- 
dem bleibt ihm „der Kampf ums Dafein“ nicht erjpart. Durch 
den wachsartigen Überzug jeiner Blätter muß e3 fich gegen die 
eindringende Näffe Ichügen, und bei großer Trodenheit die auf 
der Unterjeite der Blätter befindlichen Spaltöffnungen durch Ein- 
vollen der Blattränder vor allzurajcher VBerdunftung bewahren. 

Dafür aber wird ihm ein Teil der Sorge um die Ernährung 

abgenommen. Für Diefe jorgt ein Bilz, der mit feinen Fäven 

in die Wurzel unjerer Pflanze Hineinwächlt und fie mit einem 
der michtigjten Nahrungsbeitandteile, dem Eiweißftoff, verjorgt. 

Aber „Undanf ift der Welt Lohn“: nicht nur die Gabe, fondern auch 

der Geber werden volljtändig aufgezehrt. Deshalb fann Die 

Krähenbeere — wie auch) Vaccinium und Corallorrhiza — 

eine pilzfrefjende Pflanze genannt werden. Winzig Klein find die 

wenigen Blüten, die fie in den Blattachjeln trägt. Sierlich find 
fie und auch jchön gefärbt, aber jo wenig in die Augen fallend, 
daß der Wanderer fie völlig unbeachtet Yäßt; ja, faum ein Snjekt 


NEN 


wird durch fie angelodt. Auch wechjelt unjer Gebirgsfind niemals 
jein jchlichtes Gewand, jondern begnügt fich mit dem, womit es 
beim Eintritt ins Leben ausgejtattet wurde. ES fan deshalb 
nicht überrajchen, wenn es im farbenfriichen Blumenftrauß fehlt 
und faum zu den Frühlingsfindern des Gebirges gezählt wird. 
E3 wird jehr oft auch deshalb überjehen, weil e3 nicht felten 
mitten im Heidefraut wächtt, mit dem es einige Ähnlichkeit befitt. 
Do jhon bei einem oberflächlichen Vergleiche unterjcheidet e3 
ih von ihm durch die dunfleren, glänzenden, mit einer hellen 
Mittellinie verjehenen Blätter, und vor allem durch die ziemlich 
große jchtwarze Beere, die troß des faden jäuerlichen Gejchmads 
für den Lappländer ein gefchäßtes Nahrungsmittel bildet. Unjer 
PVflänzchen Hält fich meit vom Touriftenpfade fern und bewohnt 
mit Vorliebe jumpfige, moorige Flächen und feljige Abhänge: 
Kobel- und Sierwieje, Siehhübel, Kranichwiefe, Keijelfoppe, EIb- 
und Bantichewieje, Brunnberg, gr. Teich, Moostwieje bei Gr.-Aupa, 
Riejengrund, Waldenburger Gebirge, Heufchener, hohe Mtenie, 
Slager Schneeberg, Gejenke, Alpen, Broden und im hohen Norden. 


Cardamine resedifolia L. (Cruciferen Juss. S. 18, 
XV.KI.) Resedablättriges Schaumkraut. (Stein- 
Schaumkraut.) Tafel 12. Nr. 19. 


Wurzelstock kurzgliederig, aufrecht-ästig; Hauptwurzel 
spindelförmig. Grundblätter langgestielt, ungeteilt, 
rundlich, die folgenden fiederspaltig, 3—7zählig, mit 
verkehrt - eiförmigen bis keilförmigen, ganzrandigen 
Blattabschnitten. Stengelblätter am Grunde pfeilförmig, 
mit zugespitzten Ohrchen. Blumenkrone regelmäßig. 
Kelch- und Kronenblätter je 4: letztere länglich-keil- 
förmig, 2 mal so lang als der Kelch. Staubgefäße 6, 
4 längere und 2 kürzere. Fruchttraube kurz. Schoten 
und Blütenstiele aufrecht. Klappen nervenlos. Same 
schmalflügelig. Weiß. Höhe 3—10 cm. Juni—-August }. 

Pegen der freuzweis geftellten Kronenblätter und der ver- 

Ichiedenen Länge der Staubfäden zählt unfer Pflänzchen zu der 

artenreichen Familie der Sreuzblütler, die in der Landwirtichaft 

(Raps) und im Haushalte (Gemitfefohl) eine bedeutende Rolle 

ipielen. &3 ift aber unter jämtlichen Familiengliedern eins der 


5* 


BR a 8 


Eleinjten und jeltenjten. E3 bewohnt feljige Lehnen und Fiefige 
Stellen des Hochgebirges: Kefjelfoppe, Schneegruben, Mädel- und 
Mittagftein, X. Teich, Weißwafjergrund, Melzergrund, Riejengrund, 
Aupagrund, Teufelsgärtchen, Koppenbach, Gejenfe (verjchiedene 
Stellen). 3 jcheint von den Alpen, wo es feine jeltene Er- 
iheinung it, hier eingewandert zu fein. Im der Broden- und 
Nordlandsflora ift es nicht vertreten. &$ ijt ein ziemlich unjchein- 
bares Vflänzchen, das von der Natur nicht bejonders reich aus- 
gejtattet ift. Zierlich ift e8 wohl, aber eS vermag weder durch 
Farbenpracht noch üppigen Wuchs den Blid des Wanderer3 auf 
lich zu lenken. Gleichwohl jucht es jich während der Blütezeit 
wenigitens einige Geltung zu verichaffen. 3 liebt vorzugsweije 
jolche Standorte, wo e3 von der Umgebung nicht beeinträchtigt 
wird. Man findet es auf dem fahlen Fels, in deifen Spalten 
3 jeine Wurzeln gräbt, oder auf Fiefigen Uferrändern, wo es 
meist eine ijolierte Stellung einnimmt. Zur Gattung Cardamine 
gehören einige Arten, die, obwohl hauptjächlich die Ebene und 
das Borgebirge bewohnend, bi3 auf das Hochgebirge hinauffteigen. 
Das Wiejen-Schaumfraut (C. pratensis L.), welches als 
eine der eriten Frühlingspflanzen dem bunten Blumenteppich der 
Wiejen den fleiichfarbenen Grundton giebt, Herrjcht mit jeinem 
friichen Roja und den durchweg gefiederten Blättern auch auf den 
fruchtbaren Wiejen der Hochgebirgsbauden vor. Daneben wuchert 
am raufchenden Gießbac) das bittere Schaumfraut, au - 
ichlefiiche Brunnenfrejfe genannt (C. amara L.), mit weißen 
Blüten und vivletten Staubbeuteln, welches jich Hier in zwei 
Formen als üppiges Gebirgsfind zeigt: a) hirsuta Uechtr. Die 
ganze Pflanze von abjtehenden Haaren rauh: Brunnberg (Siüpd- 
jeite), Ölager Schneeberg, Gejenfe; b) glabra Uechtr. Die ganze 
Planze Fahl: Neue fchlefiiche Baude, Wiejenbaude, Brunnberg, 
Nehhorn, Gejenfe. An feuchten, jchattigen Waldplägen wächjt das 
behaarte Shaumfraut (C. hirsuta L.), mit dichter Blatt- 
vojette, fantig-gefurchtem, jteifhaarigen Stengel und Kleinen weißen 
Blüten: Buchberg, neue jchlefiiche Baude, Niejengrund, Nehhorn, 
Wölfelsgrund, Glager Schneeberg, Gejenfe. Wohl Sämtliche Kreuz- 
blütler jchügen ihre Blüten und Früchte gegen die Wetterungunit 
dadurch, daß fie die Hlütenjtiele bei Negenmwetter herabfrümmen. 
Für eine möglichjt günftige Ausbreitung diefer Pflanzen wird 
. dadurch gejorgt, daß die Samen mit einer vorteilhaften Schleuder- 
borrichtung ausgeftattet find. 


an. oh: 


Alsina verna Bartl. (Alsinaceen DC. S. 18, X. Kl.) 
Frühlings-Alsina. (Frühlings-Meirich.) Tafel 12. 
Dr. 20, 


Wurzelstock verzweigt, mit dichtrasigen, aufsteigenden 
Stengeln. Stengel unten kahl, oben drüsenhaarig. 
Blätter lineal-pfriemförmig, 3nervig. Blüten in Trug- 
dolden, endständig, einfach oder wiederholt 2gabelig. 
Kelch und Krone 5blättrig. Kelchblätter eiförmig- 
lanzettlich, 3nervig, krautig, schmalrandhäutig. Kronen- 
blätter oval, länger als der Kelch. Staubgefäße 10, 
äußere am Grunde mit 2 Drüsen. Griffel meist 3. 
Samen nierenförmig, ungeflügelt. Weiß. Höhe 5 bis 
10 cm. Juni—Juli }. 

Unjer Pflänzchen, das wohl aus den Alpen jtammen dürfte, 
zählt zu den Geltenheiten der Gebirgsflora. ES Tiebt felfige 
Abhänge und bewohnt im Niefengebirge nur 2 Pläße: das Teufels- 
gärtchen und den Kiesberg. Doch kommt «3 an beiden Stellen 
nur in einer bejchränften Anzahl vor. Für das Gefenfe fcheint 
e3 zweifelhaft zu fein. In der Nordlandsflora it eS nicht ver- 
treten. 3 ijt ein zierliches PVflänzchen, welches poljiterfürmige 
Najen bildet. Auf diejem erheben fich zahlreiche, etwa fingerlange 
Hlütenjtengel, die 1—3 weiße Blütenjterne tragen. Wer mit 
diejem Gebirgsfinde nähere Befanntichaft machen will, ohne den 
bejchwerlichen und gefährlichen Aufitieg nach dem Teufelsgärtchen 
zu unternehmen, jteige von der Niejenbaude aus ein Stück auf 
dem nach dem Niejengrunde führenden Wege hinab. Bei der 
Hauptbiegung nach linf3 zweigt fich rechts ein jchwach betretener 
Pfad ab, der über die Böichungen des Kiesberges direkt hinab 
nach dem Koppenbach führt. Am Geftrüpp zur Rechten öffnet fich 
der „alte Stollen”, Ddejjen unheimlicher Cingang mit jeltenen 
Gebirgspflanzen gejchmücdt ijt: Sagina Linnaei, Saxifraga 
oppositifolia, Scabiosa lucida, Asplenium viride, Aspi- 
dium Lonchitis u.a. Sn diejer auserlefenen Gejellichaft finden 
wir auch unjer PBflänzchen, welches wir jofort an dem grimen, 
moosähnlichen Blätterpoliter erfennen. 


Koi Re one 


Pirola uniflora L. (Hypopitiaceen Klotsch. S. 18, 
X. Ki.) Einblütiges Wintergrün. (Stern-Winter- 
grün.) Tafel 14. Nr2L 


Stengel einfach, blattlos, mit einer Schuppe, 1blütig. 
Blätter rundlich, gekerbt-gesägt, immergrün, in den 
Blattstiel verschmälert. Kelch 5teilig, mit eiförmigen, 
stumpfen Zipfeln, Kronenblätter 5, ausgebreitet, Staub- 
fäden 10, am Grunde dick, 3kantig. Staubbeutel- 
hälften getrennt, am Grunde mit einem Loch auf- 
springend. Griffel dick, mit großer, Skerbiger Narbe. 
Kapsel mit 5 Fächern und 5 Klappen. Weiß, nickend. 
Höhe 5—10 cm. Juni— August }. 


„Zaufend Tannenmwipfel droh'n 
braujend hin und mider, 
truß’ger Nachtwald tojt und jtürnt 
jeine Urweltälieder.“ 
(Karl Hauptmann.) 

Das ijt der Standort unferes Blumenfinded. Dahin mußt 
du wandern, wenn du umjer Liebliches Pilänzchen von Angeficht 
zu Angeficht jeden willit. Es it ein echtes Waldfind, das am 
Yiebiten feine großen, weißen, wachsartigen Blütenfterne nur im 
Schatten des Waldes Hffnet. 

„sm Schatten jah’ ich ein Blümchen jtehn, 

wie Sterne leuchtend, wie Augen jchön.“ 
Auf jchwellendem Moospoliter, am murmelnden Bad), auf ab- 
fterbenden Nadeln der Koniferen zeigt es fi am häufigiten. 
Nur jelten verläßt e3 das jchattige Reich, um ich auf Furze Beit 
am Waldesjaume zu jonnen. Wäre nicht jchon im Beilchen ein 
Symbol der Bejcheidenheit und Demut gefunden, jo müßte unfer 
Prlänzchen al3 folches bezeichnet werden. Schon der Standort 
deutet auf jeine Anjpruchslofigfeit hin, noch mehr aber feine ftets 
nicende Blüte Will e8 nicht cheinen, als ob es ftillfinnend 
all’ jener Bolfsmärchen gedächte, die der Dichter in das waldige 
Neich verlegt Hat? In den Wald hinaus zieht König Gunthers 
verhängnisvolle Jagd. Am Waldbrunnen wird Siegfried vom 
Speer des tücijchen Hagen durchbohrt. Im Walde lebt die ver- 
Itoßene Genofeva, bi8 der Tag der Errettung anbricht. Der 
Wald ijt der Schauplag der Tieblichen Märchen von Schnee- 
wittchen, Rotkäppchen und Dornröschen. 


„Es ijt hier jchön. ES raucht jo fremd und voll. 
Der Tannen dunkle Arme regen jich 
jo rätjelhaft. Sie wiegen ihre Häupter 
jo feierlih. Das Märchen! ja, dag Märchen 
weht durch den Wald. E3 raunt, e3 flüftert heimlich.“ 
(6. Hauptmann. „Verjunfene Ölode.“) 


Dabei hat das Pflänzchen wahrlich nicht nötig, fein Antlig 
zu verbergen. Die weiße große Blütenhülle ift mit gelben, paar- 
weis genäherten Staubgefäßen zierlich geihmüdt. In der Mitte 
erbliden wir den Fruchtinoten als einen anjehnlichen grünen 
Hügel, auf welchem fich der Griffel al3 eine ziemlich ftarfe, 
5ftrahlige Säule erhebt. Wer das Pflänzchen, das jehr gejelliger 
Natur it, in die Hand nimmt, um e3 näher zu bejchauen, wird 
von dem angenehmen Dufte überrajcht, den jeine Blüte aus- 
ftrömt. Dadurch aber jcehüßt es fih im jehr wirfjamer Weije 
gegen jeine Feinde. Denn die Erfahrung Hat gelehrt, daß 
Schmetterlingsraupen und pflanzenfrefiende Säugetiere feine be- 
londeren Blumenfreunde find. Sie gehen den ftarf duftenden 
Blüten aus dem Wege. 

Das Plänzchen fteigt vom Thale bis an die Kinieholz- 
region: Buchberg, Flinsberg, Schreiberhau, Eulengrund, Riejen- 
grund, Glaber Schneeberg, Gelenke ujw. Es ift auch in der 
Alpen- und Nordlandsflora vertreten. Der Gattung Pirola ge- 
hören noch einige Arten an, die ebenfalls bis in die tiefere Hoch- 
gebirgsregion Hinauffteigen: Grünblütiges MWintergrün 
(P. chlorantha Sw.), mit gelblich-grünen, offenglodigen Blüten 
in alljeitiger Traube. Griffel aufwärts gebogen. (Gefenfe.) Rund - 
blätteriges W. (P. rotundifolia L.). Weiße Blütentraube; 
jonft wie vorige. (Niejengebirge, Gejenfe) Mittleres ®. 
(P. media Sw.), mit weißen oder rötlichen, fugelig zujammen- 
Ichliegenden Blüten in alljeitiger Traube. Griffel jenfrecht, länger 
als der Fruchtfnoten. (Annafapelle, Grenzbauden, Kiesberg, Ge- 
jenfe.) Kleines W. (P. minor L.). Blüten wie vorige. 
Griffel kürzer als der Fruchtfnoten. (Kiesberg, Gejenfe) Ein- 
feitsblütiges W. (P. secunda L.). Blüten grünlich - weiß 
in einjeitSwendiger Traube. (Ziemlich häufig, noch im Riejen- 
grumde.) 


Ribes petraeum Wulf. (Grossulariaceen DC. S. 18, 
V.K1.) Felsen-Johannisbeere. Tafel 13. Nr. 22. 


Strauch stachellos, vielästig. Blattstiele meist so lang 
wie das Blatt, mit langen Fransen. Blätter handförmig, 
meist Slappig, am Rande und unterseits auf den 
Nerven gewimpert, sonst kahl. Lappen länglich, zu- 
gespitzt, doppelt gesägt. Trauben ziemlich gedrängt, 
anfangs fast aufrecht, zuletzt hängend; weichhaarige 
Blütenstiele fast 2mal länger als das eiförmige Deck- 
blättchen. Kelch glockig, 4—5spaltig; Zipfel länglich, 
stumpf, gewimpert. Kronenblätter 5, spatelförmig, 
dem Schlunde des Kelches eingefügt. Staubgefäße 5, 
am Rande der Kelchröhre eingefügt. Fruchtknoten 
einfächerig. Griffel 2—4spaltig. Frucht eine mit dem 
verwelkenden Kelche gekrönte vielsamige Beere. Same 
eckig. Grünlich-gelb, rot punktiert. Beere blutrot. 
Höhe 1,—1'!/; m. Juni—Juli b. 


Wenn wir vom Elbfall aus den an den Südböjchungen des 
hohen Nades angelegten Weg einjchlagen, werden wir nicht wenig 
überraicht, an einem der erjten Gräben, die unjern Weg durch- 
Ichneiden, einen Strauch anzutreffen, der uns jofort an ein be- 
liebte Gartengewächs erinnert, an die Fohannisbeere. ES ift 
die Feljen-Fohannisbeere, die wir in größerer Menge und kräftigeren 
Sträuchern vorfinden, jobald wir im Grunde die erite Efbbrücde 
überjchreiten. Berlafjfen wir hier den Weg und begleiten das 
Slüschen thalabwärts, jo nimmt uns bald ein dichtes Strauch- 
werf auf, in welchem unjere Sohannisbeere prächtig gedeiht. 
Während fie im allgemeinen troß der zahlreichen Blüten nur 
ipärlich Früchte zeitigt, zeigen fich hier nicht jelten reiche Frucht- 
trauben mit hochroten Beeren, die aber einen jehr herben und 
jauren Gejchmad haben. Einzelne Sträucher finden wir auch 
am fleinen Teiche und auf dem Glaber Schneeberge. Jm Gefente 
it te an verjchiedenen Stellen anzutreffen; ebenfo in den Alpen. 
Dagegen fehlt fie in der Nordlandsflora.. Beim Anblid unjeres 
Strauches drängt fih uns die Frage auf: Wie fam das heimische 
Sartengewächs in diefe Wildnis? Vergegenwärtigen wir uns 
aber die Thatjache, daß alle unfere Obft- und Beerenfrüchte einft 
Wildlinge waren, jo dürfte wohl die Frage umgekehrt zu ftellen 
jein. Aber auch in den Sudeten ift die urfprüngliche Heimat 


BB. 0 


unferer Sohannisbeere nicht zu fuchen. Wahrjcheinlich ift fie mit 
vielen anderen Pflanzen aus den Alpen eingewandert. Außer 
den vielfach in Gärten und Heden gezogenen und daraus bis- 
weilen verwilderten Ribes-Arten: Stachel- oder Chriftbeere 
(R. Grossularia L.), Sohannisbeere (R. rubrum L.) und 
Gicht- oder Ahlbeere (R. nigrum L., mit jchwarzen Beeren) 
gehört hierher noch die Gebirgs-Sohannisbeere (R. alpinum 
L.). Blatt- und Blütenftiel drüfig behaart. Blüten 2 häufig. 
Traube aufrecht. Nehhorn, Eulengebirge, Gejenfe. Uber die 
Entjtehung des Namens Sohannisbeere berichtet die frommte 
Sage, dat fich einjt Fohannes der Täufer fait verfchmachtet unter 
dem Blattiverf eines Strauches niederließ. Am andern Morgen 
jei der Strauch mit purpurnen Trauben gejchmiüct gemwejen, die 
den Ermatteten zur Stärkung dienten. Geitdem fei diejem 
Strauche der Name Fohannisbeere verblieben. Der Name 
dürfte wohl damit in Verbindung zu bringen fein, daß in der 
Ebene jchon „um Fohanni“ die erjten Beeren reifen. 


Pirus sudeticus Tsch. (Pomarien Lindl. S. 19, 
XI. Kl.) Sudeten-Zwergmispel. Tafel 13. Nr. 23. 


Meist niedriger Strauch mit glatten, rotbraunen Ästen. 
Blätter kurzgestielt, eiförmig, am Grunde abgerundet 
oder keilförmig, doppelt gesägt, mit spitzen, zusammen- 
neigenden, am Grunde kleineren Sägezähnen, oberseits 
zerstreut drüsig, unterseits weißfilzig. DBlattstiele 
8—10mal kürzer als das Blatt. Doldenrispen viel- 
blütig, meist gedrungen, aufrecht. Blütenstiele grau- 
filzig, meist so lang als die Kelchröhre. Kelch 5spaltig; 
Zipfel 3eckig-lanzettlich. Kronenblätter 5, verkehrt- 
eiförmig, aufrecht. Staubgefäße 20, mit den Kronen- 
blättern dem den Kelchschlund umgebenden Ring 
eingefügt, kürzer als die Kronenblätter. Frucht 2- bis 
5fächerig; Fächer dünnhäutig. Rosenrot. Früchte 
rötlich. Höhe !/;—1'/;, m. Juni ®. 

„Hoch in Bergen, auf weicher Grazflur, 
wo Einjamfeitzatem an Halmen zittert, 
wo des Menjchen Tritt in der Dde verhallt — 
hoch dort wand!’ ich . . .“ (Karl Hauptmann.) 
Die Zmwergmispel — vom Baudenbeivohner auch „milde 
Birne“ oder „toilder Apfel“ genannt — tft ein merfwürdiger, 


IE RE 


ichiwer erreichbarer Strauch, der zu den jeltenen Kindern Der 
Hochgebirgsflora zählt. Wenn den Bejuchern des berühmten 
griechiichen Askılap- Tempels zu Epidaurus nur unter gewiljen 
Bedingungen die Befriedigung ihres Sehnens und Hoffens in 
Aussicht gejtellt wurde — „Nur wer reinen Sinne darf mir 
nahen“ jtand über dem Eingange geichrieben —, jo möchte man 
bei unferer Pflanze die Forderung ftellen: Nur „wer hohen Mut 
fi rühmen kann“, ein fchwindelfreier Bergfteiger ift und etwas 
vom Sonntagsfinde beit, kann fie erlangen. Denn fie ift fait 
nur an den Steil-Abftürzen im Elbgrunde, Aupagrunde, am 
Kiesberge, am Koppenbach und im Teufelsgärtchen anzutreffen. 
Wer von der Forit-Schughütte im Elbgrunde aus den Fräuter- 
reichen Abhang zwiichen Elb- und Bantichefall erflimmt, findet 
fie hoch oben auf den freien Grasplägen („Heuftellen“). Der 
Straud ift fofort an jeinen glänzend-dunfelgrünen, auf der Nüd- 
jeite weißfilzigen Blättern und an der rojafarbenen Dolde zu 
eriennen. Man fann ihn auch von dem am Elbgrundrande hin- 
führenden Wege wahrnehmen. Bliden wir von der angebrachten 
Bruftwehr in die Tiefe, jo können wir ihn jehr wohl zu unferen 
Füßen bemerfen, bejonders wenn der Wind jeine Blätter bewegt. 
Ein bequemerer Standort jedoch bietet fih uns, wenn wir von 
hier aus über den Krfonojch nach Spindelmühl wandern. Dber- 
halb der Schüfjelbauden, etwas abjeit3 inf3 vom Wege zeigen 
ih ung eine größere Anzahl recht Fräftiger Sträucher. Unfer 
Strauch fehlt in der nordiichen Flora, Dagegen ift er in den 
Alpen heimijch, doch jcheint er im Niejengebirge mit einem dichteren 

(ätterfilz ausgeitattet zu jein. Unjer Gebirgsfind führt uns 
in eine bunte, aber hochgeichägte Gejellichaft, in welcher der 
„wundermilde” Wirt, der Upfelbaum, und der Birnbaum obenan 
Itehen. Bur Familie der Kernobjtgewächle gehören auch der 
Werkdorn und die Ebereiche. 


Imperatoria Ostruthium L. (Umbelliferen Juss. 
S. 19, V.Kl.). Meisterwurz. Tafel 24. Nr. 24. 


Wurzelstock dick, mit walzenförmigen Ausläufern. Stengel 
gerieft, nebst den Blättern kahl. Blätter einfach- bis 
doppelt-3zählig. Blättchen breiteiförmig, zugespitzt, 
grobgesägt, bisweilen das endständige 3lappig, die 


NEN 


seitlichen 2lappig. Stengelblätter kleiner, mit bauchig- 
aufgeblasenen Scheiden. Hülle fehlend oder 1blättrig. 
Hüllchenblättchen fädlich. Kelchsaum meist 5zähnig. 
Fruchtrand so breit wie die Fruchtfächer. Weiß. 
Höhe !;—1 m. Juni— Juli 4 

Hier tritt ung eine Pflanze entgegen, die jo recht eigentlich 
al3 Baudenbewohnerin zu bezeichnen ijt; denn e8 dürfte wohl 
nur wenige Wohnungen im Hochgebirge geben, two fie nicht an- 
zutreffen wäre. Dort bildet fie mit Süßdolde, Liebftödel u. a. 
die Baudenflora, in welcher jie eine hervorragende Rolle fpielt. 
Erreicht fie auch nicht die Höhe und Stärke der ebenfalls bei 
den Bauden bisweilen anzutreffenden Engelwurz, jo ift fie doch 
immerhin eine anjehnliche Dolde, die fich durch ihre Fräftigen, 
fat lederartigen Blätter fofort bemerffih macht. Sie ift vor- 
zugsweile in den Weftjudeten zu Haufe und mächit hier herden- 
weis auf Gebirgsmwiejen und grasreichen, feuchten Abhängen: 
Ssiertvieje, Mittel- Sierfamm, Tafelfichte, Buchberg, alte und neue 
ichlel. Baude, Peterbaude, El. Teich, Niefengrund, St. Peter, 
Nehhorn, Gejenke. Sie kommt auch in der Alpen- und Nord- 
landsflora vor. 

Die Pflanze ift ftark aromatisch und gilt als ein wirfjames 
Mittel gegen allerlei Biehfranfheiten. Sie jtand bei den Labo- 
vanten in hohem Anfehen und wurde in den Gebirgsdörfern viel- 
fach angepflanzt. Sie gehört zu derjenigen Gruppe von Dolden- 
gerächien, bei denen das Eiweiß der Frucht auf der Fugenfeite 
flach oder gewölbt erjcheint. Die Frucht it mit 2 Flügel- 
anhängen ausgejtattet, durch welche die Verbreitung durch den 
Wind wejentlich erleichtert wird. 


Pleurospermum austriacum Hoffm. (Umbelli- 
feren Juss. S. 19, V. Kl.) Rippensame. (Beutel- 
saatı),. ıbatel, 15. Nr.29. 


Wurzelstock schopfig. Stengel tief-gefurcht, röhrig. 
Blätter kahl, 3zählig-doppelt-gefiedert. Blättchen fein- 
gesägt, schieflänglich, fiederspaltig, keilig-herablaufend, 
mit grobgesägten, zugespitzten Zipfeln. Obere Stengel- 
blätter kleiner, mit langen Abschnitten und kraus- 
welligen Scheiden. Blüten doldentraubig gehäuft. 


N 


Kelch 5zähnig. Hülle und Hüllchen vielblättrig. Hüll- 
blätter oft fiederteilig. Hüllchenblätter lanzettlich, 
zurückgeschlagen. Frucht eiförmig. Rippen mit 
stumpfem, gekerbten Riele. Weiß. Höhe !/,—1!/, m. 
Juli— August }. 

Wer zum erjtenmale unjere Planze in ihrer vollen Ent- 
widelung erblidt, ift nicht wenig von der üppigen Erfcheinung 
überrajcht. Auf feiltem, jtarfen Stengel, der mit vielteiligen, 
wellig-fraujen Blättern bejegt ijt, erhebt fich ein anjehnlicher 
Blütenjchirm. Demjelben streben verjchiedene, aus den Blatt- 
achjeln kommende Dolden zu, deren Blüten in der Sinojpenlage 
meist rötlich angehaucht find. Die Pilanze nimmt eine dominie- 
rende Stellung ein und erhebt fich ftolz über ihre Umgebung. 
Fur geiellichaftliches Zujammenleben jcheint fie feine bejondere 
Neigung zu haben, denn fie tritt meift nur vereinzelt auf. 
Dbmohl ihre Früchte mit hohlen Längsriefen reichlich ausgejtattet 
ind, mwodurd ihre Verbreitung jehr begünstigt wird, fcheint fie 
doch nur meilt zerjtreut vorzufommen. Sie bewohnt vorzug3- 
weije felfige, fräuterreiche Abhänge: Keffelfoppe, Schneegruben, 
Elb-, Melzer- und Niefengrund, Teiche, Teufelsgärtchen, Koppen- 
bach, Gelenke. An einzelnen Stellen fteigt fie auch ins Vorge- 
birge herab. Sn der Alpen- und Borlandsflora jcheint fie zu 
fehlen. Sie gehört zu derjenigen Umbelliferen-Gruppe, bei welcher 
das Eiweiß der Frucht auf der Fugenjeite gefrimmt erfcheint; — 
bei unjerer Pflanze jogar halbmondförmig. 


Meum athamanticum Jacq. (Umbelliferen Juss. 
S. 19, V. Kl.) Haarblättrige Bärwurz. Tafel 16. 
Nr. 26: 


Wurzelstock mit dichtem Faserschopf. Stengel kantig- 
gerieft, armblättrig, einfach oder oben wenigästig. 
Grundblätter 2—3fach gefiedert. Abschnitte in viele 
haarförmige Zipfel geteilt. Hülle fehlend oder 1—4- 
blättrig. Hüllchenblätter 5—8, pfriemförmig, unbe- 
randet. Blumenblätter elliptisch, beiderseits zugespitzt. 
Strahlen der Fruchtdolde ungleich verlängert. Frucht 
länglich-eiförmig; Eiweiß auf der Fugenseite oft nur 
schwach rinnig-vertieft. Gelblich-weiß. Höhe 20 bis 
50 cm. Juni—Juli *. 


N 


Unter der großen Zahl von Doldengewächien, bei denen das 
Beitimmen der Pflanzen wenigjtens anfangs einige Schwierigkeit 
bereitet, ijt die Bärwurz am leichtejten herauszufinden. Sie jteht 
‚zwar ihrer ganzen äußeren Erjcheinung nach einer überall wachjen- 
den Pflanze, dem Kümmel (Karbe), jehr nahe, fieht auch ver- 
ichiedenen anderen Doldengewächien ähnlich: doch Eins unterjcheidet 
fie jofort von allen anderen: die haarfeinen Blätter und Blättchen. 
Sie Heißt deshalb nicht mit Unrecht die „haarblättrige”. Schon 
auf mehrere Schritte ift fie an den fein zerteilten Blättern zu 
erkennen, die al3 eine dunfelgrüne Blattrojette den Stengel un- 
geben. Sm übrigen aber nimmt die Pflanze eine jehr bejcheidene 
Stellung ein und wetteifert in feiner Beziehung mit ihrer Um- 
gebung. 3 ergeht ihr wie vielen ihresgleichen: Achtlos geht 
der Wanderer an ihr vorüber und würdigt fie faum eines Blides. 

„sc blühe unbeachtet 

die furze Sommerzeit, 

vor Sonnenglut verichmachtet 
im jtaubbejtreuten Kleid.“ 

Sie liebt Berg- und Waldwiejen im höheren Borgebirge: 
Sierwieje, Kammbhäufer, Flinsberg, Hochitein, Michelsbaude, alte 
ichlef. Baude, Grenzbauden. An einzelnen Stellen fteigt fie bis 
unter die Waldregion hinab, 5. B. Schmiedeberg, Schreiberhau: 
Zadenufer, Marienthal, Weißbachthal. Sn der Alpenflora ift fie 
ebenfall$ vertreten; nur fehlt fie in den Dftjudeten und der 
Kordlandzflora. Sm den Dftjudeten wird fie durch die folgende 
abgelöjlt. Demnach jcheint fie vorzugSsweile ein Kind der Sier- 
gebirgsflora zu jein. 

Der Name „Bärwurz“ dürfte wohl darauf zurüczuführen fein, 
daß der mit braunen, zottigen FSalern reich bejegte Wurzelitod 
einige Ühnlichkeit mit einem Tierfuß hat. Unjere Pflanze zählt, 
iwie die vorige, nebjt den beiden folgenden zu der Gruppe der 
Doldengewächle, bei denen das Eiweiß auf der Furgenfeite der 
Frucht gekrümmt ift. Da dies jedoch nicht dDurchtveg der Fall ift, 
wird fie auch zur Unterfamilie ver Geradfamigen gezählt. Die 
Pflanze bejigt die Eigenschaft, jich während der Blütezeit durch 
periodisch fich wiederholende Krümmungen der Blütenftiele gegen 
Wetterungunst zu jchüßen. 


RM RTON MR 


Meum Mutellina ärtn. (Umbelliferen Juss. S. 19, 
V.KI.) Köpernik. Köpernikel. Tafel 16. Nr. 27. 


Wurzelstock faserschopfig. Stengel unten stielrund, 
gerillt; oben schwachkantig, meist einfach, blattlos 
oder 1-—2blättrig. Grundblätter 2—3fach gefiedert. 
Abschnitte fiederspaltig, mit schmal-lineal-lanzettlichen, 
zugespitzt-stachelspitzigen Zipfeln. Hülle fehlend oder 
1blättrig. Hüllchen mehrblättrig, mit lanzettlichen, 
weißhäutig berandeten Blättern. Blumenblätter und 
Frucht wie vorige. Strahlen der Fruchtdolde ziemlich 
gleich. Weiß, meist rosa-überlaufen. Höhe 10—45 cm. 
Juli—August }. 

Wer die Höhentriften des Gejenfes oder den Glaber Schnee- 
berg bejucht, wird von unjerem Bilänzchen, das in der Oftjudeten- 
Flora eine hervorragende Rolle jpielt, jofort angezogen. Durd) 
die Häufigkeit feiner Erjcheinung, durch die fein geftederten Blätter, 
vor allem aber durch jeine rojafarbene Blütendolde Loct eS den 
Hlie des Wanderers auf fih. Auf dem faft fahlen, vorherrichend 
mit VBaccinium- und Heidefraut bededten Scheitel des Glaber 
Schneeberges bildet es in Gemeinschaft mit den großblumigen 
gelben Beilden (Viola lutea Sm.) und der blauen bärtigen 
Ölodfenblume (Campanula barbata L.) einen merfwürdigen 
Gegenjag zu der Dürftigen Pflanzendede, über welche e3 ich Itolz 
erhebt. „Eine Hübjche Dolde!” -—- jagte ich bei meinem Yebten 
Beiuche zu dem Wirt im Ausfichtsturm „Sa, e8 it unfer 
Köpernifel!” — exrmwiderte er im jelbjtbewußten Tone. Dieje 
Bezeichnung rührt von dem tichechiichen Worte koprnik, abgeleitet 
von kopr, Dill, her, weil die Grundblätter mit den fein zer- 
teilten Dillblättern große Ahnlichkeit haben. Wir ftehen hier 
vor einem merfwirdigen Berteilungsplane in der Natur: Während 
die haarbfätterige Bärwurz die Weftjudeten- Flora beherricht, tritt 
hier al3 Alleinherricherin unjere Pflanze auf, die fich von jener 
hauptiächlich durch die etwas breiteren Blätter, durch die rötliche 
Hlütendolde und durch Die weißhäutig berandeten Hüllblättchen 
unterjcheidet. Sie beivohnt hauptjächlich die Bergwiejen der Dit- 
\udeten, jcheint aber in der Alpen- und Nordlandsflora zu fehlen. 

Unjere Pflanze zählt, wie die vorige, zu der Unterfamilie 
der Gefurdhtjamigen. Auch fie befigt die Eigenschaft, fich 
gegen Wetterungunst durch Krümmung der Blütenjtiele zu jchüben. 


a pe 


Myrrhis odorata Scop. (Umbelliferen Juss. S. 19, 
V. Kl.) Wohlriechende Süfsdolde. (Spanischer 
Kerbel,)  Tafel'17..Nr 28 


Stengel gerieft, hohl, nebst den Blattstielen zerstreut 
behaart. Blätter weich, grau behaart, 3fach gefiedert. 
Blättchen eiförmig oder länglich, fiederspaltig, mit ein- 
geschnittenen Zipfeln. Dolden mehrstrahlig. Hülle 
fehlend; Hüllchenblätter 5—7. Kelchsaum undeutlich. 
Blumenblätter verkehrt - eiförmig, mit eingebogenem 
Endläppchen. Frucht länglich, groß, glänzend, zuletzt 
dunkelbraun, wie lackiert, auf den Kanten rauhhaarig. 
Rippen scharf, hohl. Fruchtstiel 2teilig. Weiß. Höhe 
!,—1 m. Mai— Juli N. 

Wenn fich die erjten Frühlingsboten melden und auch in 
der mittleren Region das Erwachen der Natur fich vorbereitet; 
wenn 


„Der Frühling fan, der Frühling rief 
vom Berg ind Thal hinunter: 
vn Bär euer Schlaf auch noch jo tief, 
ihr Schläfer, werdet munter !““ 


Da regten taufend Keime jich 
und wurden jtarf und jtärfer, 
und dehnten jich und jtreckten fich 
und jprengten ihre Kerfer.“ 
($. Sturm.) 


Da jprengt auch die Sükdolde ihren Kerfer und durchbricht 
mit jtarfem Blätterjchopf die fahle Bodendede. Kaum hat uniere 
Pflanze die eriten Frühlingstage genofjen, jo nimmt fie ihre 
lammetweichen, zarten Blätter aus dem grünen Snofpenjchrein 
und breitet jie jorgfältig aus. Naich entfaltet fie jebt ihre Fräftige 
Geitalt. Aus den zahlreichen Grumdblättern erhebt fich der ftarfe, 
beblätterte Stengel, der eine veichblütige Dolde trägt. Unter 
derjelben ericheinen in den Blattachjeln meijt noch einige Heinere 
Dolden, die fich erjt jpäter vollitändig entfalten. Aus der Blüte 
enttwicelt jich jehr bald die Frucht; deshalb trägt die Pflanze 
wochenlang Blüten und Früchte zu gleicher Zeit. Auffallend 
groß ijt die fcharfrippige, anfangs grüne, jpäter glänzendbraune 
Frucht, die eine Länge von 2—3 cm erreicht. Auf der Fugen- 
jeite zeigt das Eiweiß eine tiefe Furche. 


INNE NG 


Unjere Bilanze ift eine treue Begleiterin des Gebirgsbeiwohners, 
dem fie bis zur einfam gelegenen Gebirgsbaude gefolgt it. Doch 
twird fie auch an Stellen angetroffen, die von jeder menjchlichen 
Wohnung entfernt find: Tafelfichte, NRehhorn, Glaber Schnee- 
berg u.a. Häufig erjcheint fie in Grasgärten der Gebirgsdörfer: 
Schreiberhau, Agnetendorf, Krummbübel, Sferwiefe u. a. Sie 
fommt auch in den Alpen vor; doch fehlt fie der Nordlandsflora. 

Die ganze Pflanze hat einen jtarf aromatischen, anisähnlichen 
Geruch, der wohl auch zu dem Namen VBeranlafinng gab. Des- 
halb wurde fie wahrscheinlich von den Laboranten bejonders ge- 
Ihäßt und unter die ihrem ©ewerbe dienenden Kräuter auf- 
genommen. Aus diefem Grunde wurde fie vielleicht auch hier 
und da angepflanzt. 


Circaea alpina L. (Onagraceen Juss. S. 20, II. Kl.) 
Gebirgs-Hexenkraut. (Kleines Hexenkraut.) 
Tafel 17:1,9.29: 


Wurzelstock kurzgliederig, etwas verdickt, mit Schuppen- 
blättern und fädlichen Läufern. Stengel kahl, zer- 
brechlich, oberwärts fein-drüsig. Blätter herzförmig, 
geschweift-gezähnt, fettglänzend, zart, mit durch- 
schimmernden Nerven. Blattstiel geflügelt, oberwärts 
flach. Blüten in mäßig langer Traube. Kelch und 
Krone 2spaltig. Kronenblätter kürzer als der Kelch- 
saum, mit spitzlichen Lappen. Narbe ausgerandet. 
Frucht einfächerig, ungleichseitig-keulenförmig, mit 
Weichstacheln. Diese kurzgekrümmt, viel kürzer als 
der Querdurchmesser des Fruchtfaches. Weiß. Höhe 
5—15 cm. Juni—Juli }. 

Menn wir unfer Bflänzchen aufjuchen wollen, miüjjen wir 
die grünen Hallen des Waldes betreten. Hier will e$ uns gar 
wunderbare Dinge berichten und von jenen geheimnisvollen Wefen, 
den Elfen, erzählen, die das waldige Reich bewohnen. Mit ihnen 
icheint e8 — der Name deutet e8 an — in enger Verbindung 
gejtanden zu haben. E3 wurde nach der griechischen Zauberin 
Circe benannt, die fich ein entzücendes Paradies gefchaffen hatte. 
Und ein jolches Paradies, eine Märchenwelt, umfängt ung, wenn 


BE ne 


wir die Heimftätte unjeres Pflänzchens aufjuchen und uns im 
Walde niederlafjen. 

„run tief geheim die Wipfel raujchen, 

will fern ic) von der lauten Welt 


in unbehordhten Stunden laujchen, 
was mir der traute Wald erzählt. 


Bald ijt’S ein reizend Liebesmärcdhen 
aus einer alten, alten Heit, 

bon einem langverwunjchnen Pärchen, 
das ein beglüdter Spruch befreit; 


Bald jagt er mir von einer oje, 
die, ach! nach einer kurzen Luft 
verjtect und ungefannt im Miooje 
und ungeliebt verblühen mußt’; 


Bald bringt daS Raufchen jeines® Windes 
mir eine holde Sage zu, 
vom Angedenfen eines Kindes, 
das aljo lieb und jchön wie du.“ 
(3. &. Seidl.) 

Unfer Pflänzchen bewohnt mit Vorliebe die jchattigen, feuchten 
Waldpläge auf modernder Walderde und jteigt dom Vorgebirge 
bis in die obere Waldregion des Hochgebirges: Flinsberg, Bud)- 
berg, Rochel- und Zadelfall, Rorallenfteine, PBeterbaude, Krfonojch, 
Eldgrund, Riefengrund ufw. Sn der Alpen- und Nordland3- 
flora jcheint fie nicht vertreten zu fein. 

Zur Gattung Circaea gehören noch folgende, im Vorgebirge 
borfommende Arten: Mittleres Herenfraut (C. intermedia 
Ehrh.) mit herz-eiförmigen Blättern und birnförmigen Früchten. 
Gemeines Herenfraut (C. lutetiana L.) mit eifürmigen 
Hlättern und verfehrt-eiförmigen Früchten. 

Sp unjcheinbar unfere Pflanze auch bei einer flüchtigen 
Betrachtung ericheint, jo ift fie doch von der Natur mit fürdern- 
den und fchügenden Eigenjchaften und Einrichtungen reid) aus- 
geitattet. Die Kleinen, weißen, meift rötlich überlaufenen Blüten 
find fo eingerichtet, daß nur Kleinere Snjekten, Schwebfliegen, 
den Beitäubungsaft auszuführen vermögen. Sobald fie am 
Blüteneingange einen feiten Halt gefunden, drüden fie, ohne es 
zu woifjen, die beiden vorhandenen Staubgefäße unter der Bauc)- 
jeite des Hinterleibes zufammen und behaften diejen mit Blüten- 
ftaub. Dies gefchteht in der Weife, daß beim Befuche der nächiten 

6 


LT SEOU NT 


Blume der anhaftende Blütenjtaub jofort auf die Narbe gebracht 
wird. Die Kleinen Snjekten bejuchen unfer Bflänzchen jehr fleißig 
und warten ihres Amtes regelmäßig und gewilfenhaft. Es ift 
deshalb wohl verjtändfih, warum die Gircäa-Arten mit nur 2 
Staubgefäßen auskommen. Bei unzureichendem Snjeftenbejuch 
jedoch tritt Selbftbeftäubung ein, die dadurch ermöglicht wird, 
daß die anfänglich gebogenen Staubgefäße bei der Neife eine 
jolche Stellung einnehmen, durch welche der Blütenjtaub bequem 
auf die Narbe gelangen fanı. Um die Pflanze vor dem Angriff 
unberufener, jchädigender Gäfte — vorzugsweile Schneden — 
zu Schügen, ijt nicht nur der obere Teil des Stengels, fondern 
auch der Kelch mit Drüfenhaaren bejeßt. Dieje jcheiden Säure- 
läfte aus, die fich in Form meist brauner Tröpfchen am Haarende 
zeigen. Bon jolchen Tröpfchen ziehen die Schneden rvajch ihre 
Fühler zurüd und verzehren nur folche Bilanzenteile, deren 
Tröpfchen mit Wafjer abgeipült find. Auch PVerfalfung oder 
Berfiejelung der Hellhäute bilden einen wirffamen Schub gegen 
dieje feindlichen Angriffe. ') 


Epilobium alsinefolium Vill. (Onagraceen Juss. 
S. 20, VII. Kl.) Dostenblättriges Weiden- 
röschen. Tafel 18. Nr. 30. 


Wurzelstock mit unterirdischen Ausläufern, an diesen 
dickliche, eiförmige, sitzende Niederblätter. Stengel 
aufsteigend, stielrund, fast kahl, mit einigen weich- 
haarigen Linien. Blätter eiförmig bis eilanzettlich, 
entfernt gezähnt, glänzend, kahl, untere gegenständig, 
obere mit verschmälertem Grunde sitzend oder sehr 
kurz gestieltl. Blumenkrone trichterförmig. Blumen- 
blätter 4, Staubgefäße 8, Griffel fadenförmig, aufrecht. 
Narben 4, keulenförmig verwachsen. Kelchröhre am 
Grunde 4kantig, mit dem Fruchtknoten verwachsen. 
Kelch und Kapsel kahl, mit zerstreuten, abstehenden 
Drüsenhaaren. Hellpurpurn. Höhe 15 — 25 cm. 
Juli— August N. 


!) Nac) Ludwig, Biologie der Pflanzen. 


ARE 


Menn der Dichter fingt: 
„ie munter die Duelle 
au Thale jpringt, 
ie murmelnde Welle 
jte vaufcht und jingt.“ — (9. Beife.) 


jo hat er die Stelle bezeichnet, wo wir unjer Hochgebirgsfind 
finden. An feuchten Felfen und Duellzuflüffen breitet e3 jeine 
zwar furzen, aber Fräftigen, mit 2—4 weichhaarigen Linien 
verjehenen Stengel aus. Hier bildet es oft ftredenmweis eine 
Yebensfrische Einfaffung des Bächleins, von dem e3 feine Aus- 
(äufer bejpülen und Blatt und Blumen befeuchten läht. Nicend 
begrüßt eg die flüchtig dahin eilende Welle, mit der e3 gern noch 
ein Weilchen plaudern möchte; aber ungejtüm reißt jich die Treu- 
(oje aus feiner Umarmung (03, um in fedem Ubermute manch’ 
fühnen Sprung zu wagen. 

„Bo das Licht 

ih im Wafjerjturze bricht, 

und die Flut, vom Schein durchhellt, 

jaufend in die Tiefe fällt. 

Dort entjtieg ich feuchter Nacht. 

Aus dem Gurgelihäumenjchacht 

quoll ic) auf und drang hervor 

durch ein tropfend Feljenthor.“ 

(G. Hauptmann. „Berjunftene Glocte.“) 


An der murmelnden Duelle am raujchenden Bach, auf 
ichwellendem Moofe: dort ift jo recht eigentlich jeine Heimftätte: 
Elb-, Bantiche- und weiße Wieje, Teiche, Elb- und Blaugrund, 
Reifelfoppe, Brunnberg ufw., lager Schneeberg, Gejenfe; auch 
in der Alpen- und Nordlandgflora. An einzelnen Stellen fteigt 
e3 bis unter die Knieholzregion herab. | 

Der Name Epilobium ift durch die Annahme entitanden, 
daß fich unter der Blumenfrone ein Schötchen befände; es ift 
dies der einer Schote ähnliche Fruchtinoten. Deshalb wird die 
Pflanze auch Schotenmweiderig genannt. Die Bezeichnung 
MWeidenröshen rührt von der Geftalt der Blätter her. Ein 
„Röschen“ ift e3 freilich nicht. Doch ift eine im ganzen Gebiet 
verbreitete Art, das Schmalblättrige W. (E. angustifolium 
L.), mit großen, purpurnen Blüten ausgejtattet, die wohl zu 
diefem Namen Veranlaffung gegeben haben mögen. Dieje Pflanze 
iiberzieht im Hochlommer mit ihren purpurvioletten Blüten- 


6* 


ER EN 


trauben die Waldblößen vom Thale bis aufs Hochgebirge. 
Außerdem zählen zu unjerer Gattung noch einige Arten, die 
aber meift der Ebene und dem Vorgebirge angehören. Hier feien 
noch erwähnt: Dreifantiges ®. (E. trigonum Schrnk.). 
Stengel mit 2 — 4 SHaarleiften und quirlitändigen Blättern. 
Schneegruben, Efbiieje, Kejjelfoppe, die Gründe, Teiche, Rehhorn, 
Slager Schneeberg, Gejenfe.e Gauchheilblättriges ®. (E. 
anagallidifolium Lmk.). Blätter Tanggeftielt. Kapfel fahl. 
Schneegruben, El. Teich, Gejenfe. Nidendes W. (E. nutans 
Schmidt). Blätter fitend oder furzgeitielt. Kapjel weichhaarig. 
SHertwieje, Kefjelgrube, Neifträger, Elbwieje, weiße Wieje uf. 

Die Epilobium-Xrten find zum Teil, wie die vorige, durch 
Drüfenhaare gegen feindliche Angriffe gejhüßt. Um bei der 
Hlütenbefruchtung jede Störung auszujchliegen, it vor dem Nef- 
tarium eine hinreichende Berichlußvorrichtung angebracht, die nur 
den der Blüte angepaßten Bejtäubungsvermittlern den Zutritt 
ermöglicht. Nicht nur der Blüte, fondern auch der Frucht kommt 
eine eigenartige Vorrichtung zugute. Der Same ift nämlich mit 
einem Wolichopf ausgeftattet, wodurch die Verbreitung mittels 
des Windes mwejentlich gefördert wird. Dieje mwollichopfigen Samen 
bleiben ziwiichen den allmählich aufipringenden Fruchtklappen, die 
ih von oben nach unten ablöfen, aufgehängt, bis fie vom Winde 
hinmweggeführt werden. Gleichzeitig öffnen fich die darunter be- 
findlichen Klappen, zwijchen denen neuer Same aufgehängt wird, 
der fich ebenfalls vom Winde hinwegtragen läßt. 


„Ein ewig Kommen und ein ewig Gehen 
und nun und nimmer träger Stilleftand.“ 


Saxifraga oppositifolia L. (Saxifragaceen Vent. 
S. 20, X. Kl.) Gegenblättriger Steinbrech. 
(BuntersSteinbrech.): ‚Tafel 17. Ners1. 


Stämmchen kriechend, vielästig. Äste aufrecht, einblütig, 
dicht beblättert, die blühenden nach oben entfernt- 
beblättert. Blätter spatelförmig oder verkehrt-eiförmig, 
steifgewimpert, an den unfruchtbaren Zweigen 4reihig, 
an der verdickten, abstehend zurückgebogenen Spitze 
mit einem punktförmigen Grübchen, unterseits gekielt, 
oberseits ausgehöhlt. Kelch mit dem halben Frucht- 


RE BES 


knoten verwachsen, halb 5spaltig. Zipfel eiförmig, 
steifgewimpert. Kronenblätter 5, verkehrt - eiförmig. 
Staubgefäße 10. Kapsel 2fächerig. Hellpurpurn, zu- 
letzt violett. Länge bis 25 cm. Mai— Juni, später 
oft zum 2. Male }. 


Sn einem der befiebtejten Volfsmärchen wird und von Früh- 
aufiteherinnen und Langjchläferinnen erzählt. Auch im Pflanzen- 
reiche finden wir Vertreterinnen beider Richtungen. Die Sonne 
ift daS belebende Element, das wunderbar tief in das Leben der 
Gemwächie eingreift. Wenn die Strahlen der erjten Morgenjonne 
über den Weltfreis ausftrömen, dann erwachen die Blumen vom 
nächtlichen Schlummer, die eine früh, die andere jpäter. Aber 
auh im Sahresfreislfaufe erwachen die Blumen zu jehr ver- 
jchiedener Zeit. Unjere Pflanze gehört zu den Eritlingen der 
Hochgebirgsflora, die ihren Kindern zuruft: 

„Wacht auf macht auf, {hr Schläfer, 
zu TIhaten aus der Ruh’! 


Euch ruft’S ein Bote Gottes, 
der Frühling ruft’3 euch zul“ (GSörreg.) 


Wenn Die teile Höhe von den belebenden Strahlen der 

FSrühlingsjonne berührt wird, 

„Denn am Gletjcher heit die Sonne leckt, 

wenn die Quelle von den Bergen Ipringt 

alles ringd mit jungem Grün fich dect 

und das Lıurjtgetön der Wälder Elingt;“ 

"Bodenftedt. ) 

dann erwacht auch das Pflänzchen an der feljigen Wand, breitet 
jein graugrünes Blätterpoliter aus und läßt die hellpurpurne 
Farbe feines Blütenfleides in der Sonne jpielen. Vor dem 
eritaunten Blide des Beobachters zeigt fich ein wunderbarer Kon- 
traft: Hier das grüne, reichblättrige Boliter mit feinen zahlreichen 
purpurnen Blütenjternen, dort die öde, fahle Fläche, auf welcher 
ih noch umfangreiche Schneefelder ausbreiten. Dieje hoch inter- 
ejlanten Bilder bleiben dem gewöhnlichen Touriften verborgen. 
Denn nirgends drängt jich unjer Pflänzchen an feinen Pfad, und 
wenn er feinen Wanderjtab ergreift, find nur noch diürftige matt- 
violette Blütenrejte zurücgeblieben. Auch wenn die Pflanze zum 
2. Male ihre Blütenhülle öffnet, ift nur noch ein fchmwacher 
Abglanz ihrer urjprünglichen Farbenpracht vorhanden. Sie be- 


Bi 


wohnt die feuchten, felfigen Abjtürze der Wejtjudeten: Niejen- 
grund (am alten Bergwerk), Teufelsgärtchen, Aupafall, El. Schnee- 
grube, Kejjelfoppe; Alpen- und Nordlandsflora. 


Um die jeltene Hochgebirgspflangze vor jchädlichen Einwirkungen 
zu bewahren, jind verjchiedene Schußvorrichtungen angebracht. 
Die Verfalfung der Blätter jchüst fie einerjeitS vor zu jtarfer 
Erhöhung der Tranjpiration und anderjeitS vor Schnedenfraß.. 
Ein weiteres Schugmittel gegen feindliche Angriffe bildet die in 
der Pflanze vorhandene Gerbfäure. 


Saxifraga bryoides L. (Saxifragaceen Vent. S.20, 
X.Kl.) Knotenmoosartiger Steinbrech. Tafel 18. 
Nr: '32: 


Dichtrasig. Stengel dicht beblättert, zerstreut drüsen- 
haarig oder fast kahl, mit kugeligen, von Blättern 
gestützten Knospen, 1—2blütig. Blätter ungeteilt, 
lanzettlich bis lineal-lanzettlich, dornig-zugespitzt, am 
Grunde fast kammartig gewimpert, an der Spitze 
etwas einwärts gekrümmt. Kelch tief 5spaltig, mit 
dem Fruchtknoten nicht verwachsen. Zipfel länglich- 
eiförmig, stumpf oder kurz bespitzt, aufrecht. Kronen- 
blätter 5, länglich-verkehrt-eiförmig, 2 mal so lang als 
der Kelch. Weiß oder gelblich-weiß, am Grunde gelb 
punktiert. Höhe 2—7 cm. Juli— August 4. 


War die vorige Pflanze auf einige wenige Standorte des 
Hochgebirges bejchränft, jo muß fich dDieje Steinbrechart gar nur 
mit einem begnügen: Bajalt der fl. Schneegrube. Außerdem 
fommt die Pflanze in den Alpen vor, von wo aus fie jedenfalls 
hier eingewandert ift. Sn der Nordlandsflora ift fie nicht ver- 
treten. An der fräuterreichen Lehne, am Bafalt, dem im Gebirge 
jeltenen Gejtein, haben ich die jeltenften Pflanzen ein friedliches 
Stelldichein gegeben. Hier ift unjer Pflänzchen zwijchen Geröll 
Ion auf der Mitte des Bajaltganges anzutreffen. Weiter oben 
an den Steilabjtürzen finden wir e$ hier und da an den fchmalen 
Selsporiprüngen, glücklicherweife überall fchiwer erreichbar. Schade, 
daß das Pflänzchen nur fehr zerftreut und in bejchränfter An- 


RT 


zahl vorhanden ijt. E3 würde mit jeinen graugrünen Blätter- 
polftern — ältere Blätter und die Wimpern find weißlidh —, 
auf denen fich die jchön gezeichneten gefblich-weißen Blütenfterne 
erheben, auf dem dunklen Geftein einen herrlichen Schmud ab- 
geben. Hier träumt es von vergangenen Zeiten, von den Ei3- 
zinnen feiner urjprünglichen Heimat und von den die Alpen be- 
twohnenden zahlreichen WVerwandten.!) Hier führt 'e8 ein recht 
anfpruchslojes Dasein, wobei e$ von der folgenden Schweiterpflange 
in mancher Beziehung übervorteilt zu werden jcheint. Dafür aber 
it e3 mit einem lieblichen Antlig ausgejtattet, welches die Be- 
ftäubungsvermittler zur Einfehr einladet. 


Saxifraga muscoides Wulf. (Saxifragaceen Vent. 
S.20, X. Kl.) Moosartiger Steinbrech. Drüsen- 
Steinbrech.) Tafel 18. Nr. 33. 


Dichtrasig. Unfruchtbare Stämmchen eine Rosette bil- 
dend. Blätter keilförmig, in den Blattstiel verschmälert, 
3—5spaltig; Zipfel stumpf, kahl oder drüsig-gewimpert, 
Stengelblätter bisweilen ungeteilt, lineal. Stengel 
armblättrig, einblütig oder armblütig-doldentraubig, 
nebst den Blütenstielen und Kelchblättern drüsen- 
haarig. Kelch mit dem Fruchtknoten verwachsen; 
Zipfel länglich, stumpf. Kronenblätter länglich, 3nervig, 
etwa so breit und kaum doppelt so lang als die Kelch- 
zipfel. Grünlich-gelb. Höhe 5—10 cm. Juni—Juli *. 

Diefe Planze teilt mit der vorigen und der folgenden das 

Schikjal, im Gebiete nur einen Standort zu befigen und zwar 

ebenfalls am Bajalt der Fl. Schneegrube. Nur erjcheint unfere 

Hochgebirgsbewohnerin in etwas größerer Anzahl wie die vorige; 

auch find ihre mooSartig fich ausbreitenden Blatt- und Blütenpoliter 

von etwas größerem Umfange. Beide Pflanzen haben ein gemein- 
james Vaterland, die Alpen, wo fie fich mit ihren zahlreichen 

Vertvandten über ein ausgedehnteres Gebiet wie hier ausbreiten; 

beide haben vielleicht zu gleicher Zeit in einer „Sturm- und 

Drangperiode” der Erde ihre Urheimat verlaffen und find viel- 


1) Nach dem Atlas bejigt die Alpenflora 24 Saxifraga-Nrten. 


ERIGR L 


Yeicht al3 treue Neijegefährten auf gleichem Wege und zu gleicher 
Zeit hier eingewandert. Beide haben fih, auf nördliche Gebiete 
verzichtend, an diejem bedeutungsvollen Bunfte niedergelafjen und 
bewohnen hoch oben gemeinjam die jteilen Abhänge und Bor- 
iprünge des dunklen Gejteind. m den verbreiterten unteren Teil 
de3 Bajaltganges jcheinen fich beide „Ichiedlich, friedfich“ ohne 
Icharfe Abgrenzung geteilt zu haben, und zwar dergeitalt, das 
unsere Pflanze den Süpteil, jene aber den Nordteil bewohnt. 
Diefe Ausnügung der günftigeren Lage Yäßt auf einen jelbit- 
füchtigen Zug jchliegen, der fih im „Kampf ums Dafein“ ge- 
bildet Hat, und der auch noch in anderer Weife jich Geltung zu 
verschaffen jucht: Um fich gegen feindliche Angriffe energisch zu 
ihüsen, hat jich die Pflanze mit Flebrigen Drüfen bedect, denen 
die vom Boden auffriechenden Tiere jchon von weiten ausweichen. 
Bisweilen geht auch unfjere Pflanze von der „Defenjive” zur 
„Dffenjive“ über. Sie jcheint nämlich etwas vom Gejchäft des 
Freiichärlers oder Wegelagerers zu verjtehen und das ihr zu 
Gebote ftehende Schugmittel als AUngriffsmittel zu be- 
nugen. Man will die Beobachtung gemacht haben, daß die Pflanze 
vermöge ihrer reichvrüfigen Behaarung, durch welche Eleinere 
Tiere fejtgehalten werden, gewijje organijche Stoffe aufzuzehren 
vermag. Am beiten verjtehen dies freilich die injeftenfreffenden 
Bilanzen Drosera und Pinguicula. Troß diefer Bemühungen, 
fih Geltung zu verjchaffen, führt unjere Pflanze, die nur ein 
ichlichte8 Gewand und eine Feine, grünlich-gelbe Blüte erhalten 
hat, ein recht bejcheidenes Dafein; während die vorige mit einem 
hübjchen, gejchmücten Blumenantlit, welches zur Einfehr einladet, 
ausgeftattet ij. Beiden aber gilt das Dichterwort: 


„Der lauen Frühlingslüfte Fächeln 

füßt ihre jungen Blätter nicht; 

jie fteht wie ein verlor'nes Lächeln 

im ftarren Feljenangejicht.“ (% Loetve.) 


Saxifraga nivalis 2. (Saxifragaceen Vent. S. 20, 
X. Kl.) Schnee-Steinbrech. Tafel 19. Nr. 34. 


Wurzelstock walzenförmig. Stengel blattlos, einfach, 
drüsenhaarig. Grundblätter verkehrt-eiförmig, rosetten- 


förmig, in den breiten Blattstiel spatelig verschmälert, 
derb, ungleich stumpf-gezähnt, zerstreut behaart. 
Kelch halb 5spaltig, röhrenförmig; Zipfel 3eckig- 
eiföormig. Blüten 5— 12, in gedrängter Trugdolde. 
Kronenblätter schmal, etwa so lang als der Kelch. 
Weiß. Höhe 5—10 cm. Juli— August N}. 

Hier tritt uns die jeltenfte, merfwirdigite Pflanze der Hoch- 
gebirgsflora entgegen. Der einzige Standort im Gebiet — eben- 
falls am Bafalt der El. Schneegrube — ijt noch befchränfter als bei 
den vorigen beiden Arten. Wer unjer Pflänzchen erreichen till, 
muß jich auf eine fühne, ja waghalfige Kletterei gefaßt machen. 
Bon der Sohle der X. Schneegrube, wo wir den erjten herab- 
gerollten Bajaltbroden begegnen, jteigen wir auf dem anfangs 
breiten und ziemlich bequemen Bafaltgange hinauf. Gar bald 
aber wird er fteiler, jchmäler und unbequemer. Das Iofe, zum 
Teil aus Stumpffantigen oder abgerundeten Köpfen beitehende 
Geröll bietet feinen Halt und der Aufitieg, bei welchem uns Die 
wertvolliten Rinder der Hochgebirgsilora begleiten, wird immer 
beichwerlicher. Zur Linfen breitet fich ein etwas tiefer liegender 
Abhang aus, der mit einem faft mannshohen üppigen Pflanzen- 
dicficht bedeckt ift, durch welches wir uns nur mühjam hindurch 
arbeiten würden. Endlich find wir vor fat jenkrechten, feftungs- 
artig aufgebauten Felswänden angelangt, die nur einen tenige 
Meter breiten Eingang offen Yaffen. Vor uns öffnet fich eine 
äh aufiteigende Feljengafe, die von fast jenfrechten Mauern ein- 
geichlofien it. Auf den Vorfprüngen des Iinfen Ecfpfeiler3 be- 
merfen wir vereinzelte Rofetten von breit-patelförmigen, derben, 
vorn geferbten Blättchen, die fich auf den eriten Blief von den 
daneben befindlichen Habmichliebblättern unterjcheiden; das find 
die erjten Spuren der gejuchten Pflanze. Steigen wir noch 
einige Meter höher, jo öffnet fich zur Linfen eine mit jeltenen 
Pflanzen bejegte Nifche, unter denen die Gebirgs - Gänjekreffe 
(Arabis alpina L.) die erjte Stelle einnimmt. Von bier er- 
blicken wir über und eine Anzahl von Fräftigen Pflänzchen, die 
die Felsfuppe Frönen. Das ift die PVielgefuchte, Bielbegehrte, 
nach der jeder Botanifer die Hand ausftredt. Wohl werden einige 
Samenförnchen, deren Verbreitung durch einen häutigen Saum 
begünftigt wird, durch den Wind weiter getragen und Dur) 
Regen herabgejchweift, jo daß fich alljährlich auf den unteren 
Etagen einzelne Eremplare erreichen Lafjen; die meijten Botaniker 


Ken ya 


jedoch gehen leer aus, und mancher unter ihnen möchte wohl an- 
gefichtS der Unerreichbaren ausrufen: 

„Sehnend breit’ ich meine Arme 

nac dem teuren Schattenbild, 

ach, ich Ffann e$ nicht erreichen, 

und das Herz bleibt ungejtillt.“ 

„Unfer Steinbrech ilt eine ausgeiprochen eireumpolare Pflanze 
der arktiihen und Bolarländer. Sn Europa findet fie fid — 
abgejehen vom NRiejengebirge — im nördlichen England und 
Kord-Wales, im jchottilchen Hochland, im nordweftlichen Srland, 
auf den Fardrinjeln, den Loffodden, in Norwegen, häufig in 
Lappland, im nördlichen Finnland, Nord-Rußland, am Karifchen 
Meerbufen, im Ural und auf Spibbergen."?) 

Herr Marine-Oberftabsarzt Dr. Kuegler jchreibt über Diefe 
nordiihe Pflanze: „Sch perjönlich habe die Pflanze im Sommer 
1894 zahlreich auf Ssland beobachtet, und zwar zum erjtenmale 
in der weltberühmten Lavajchlucht Ulmannagja bei Thingvellir, 
der alten iSländiichen Gejebitätte. Sie wächit hier an den fteilen 
Zavahängen, zumal an feuchten, etwas humöjen VBorjprüngen des 
Feljend. Weiter fand ich fie dann auch auf höheren Stellen des 
Gebirges, zumal am Rande von FXleineren Gebirgsmwäffern, wie 
am Esja, einem Berge, der jedem Reifenden bei feiner Ankunft 
in Reyfiavif fogleich durch feine jchön gejchtwungene Form auf- 
fällt. Die nordiiche Pflanze ift viel Fräftiger und reichhlütiger 
als diejenige des Niejengebirges.” 

Der eigentümliche Standort und die Seltenheit der Er- 
Icheinumng deuten darauf hin, daß umnfjere Pflanzen nicht zu den 
Ureinwohnern des Gebirges gerechnet werden. Unfer Steinbred) 
it ein Fremdling, der vielleicht vor Sahrtaufenden an die Süpd- 
füfte eines Meeres verjchlagen wurde, aus dem unjer Gebirge 
als eine Iujel hervorragte. Er gehört zu den wenigen Hoc- 
gebirgspflanzen, die nicht vom Süden (Ulpen) her hier einge- 
wandert find. Unferer Pflanze ergeht e8 wie dem „Mädchen aus 
der Fremde”. „Sie war nicht in dem Thal geboren, man wußte 
nicht, woher fie fam.” Doch jcheint der Umstand auf den hohen 
Norden als die Urheimat hinzumweifen, daß die Pflanze in nörd- 
lichen Ländern Häufig vorfommt (Spisbergen, Nord- Skandina- 
vien, Nowaja- Semlja, Samojedenlande, Nord - Ural). 


1) Kacd) A. Engler, Monographie der Gattung Saxifraga. 


FIR 


Sn NRüdficht auf die Seltenheit und das jpärliche Bor- 
fommen unferer Pilanze im Gebirge erjcheint jedes ihr zu ©e- 
bote jtehende Schußmittel von größter Bedeutung, und dazu 
gehört neben ihrer erponierten Stellung bejonders die drüfige 
Behaarung, die fie vor jchädigenden Angriffen jchüßt. 


„te jorglos dort die Blume 
am Rand des Abgrunds jchmwebt! 
Dap die nicht vor der Tiefe, 

der jchauerlichen, bebt! 


Mein Kind, die Blume fennet, 

twie dur, den Abgrund nicht; 

ihr Aug’ ift nur gewendet 

empor zum Sonnenlicht.“ (&. Scherer.) 


Saxifraga Aizoon Jacg. (Saxifragaceen Vent. S.20, 
X. Kl.) Traubenblütiger Steinbrech. Haus- 
wurzel. (Trauben-Steinbrech.) Tafel 19. Nr. 35. 


Wurzelstock mit fruchtbaren und unfruchtbaren Aus- 
läufern. Stengel aufrecht, beblättert, unten mit langen, 
oben mit kurzen Drüsenhaaren, traubig-rispig, mit 
1—5blütigen Ästen. Grundblätter rosettenförmig, 
länglich - verkehrt-eiförmig, knorpelig-scharfsägig, mit 
vorwärts gerichteten Zähnen, am Grunde gewimpert, 
am Rande jederseits mit einer Längslinie eingedrückter 
Punkte, die von einem weißen, später abfallenden 
Kalkschüppchen bedeckt sind. Stengelblätter keil- 
förmig. Kelch aufrecht, halb 5spaltig; Zipfel eiförmig, 
stumpf. Kronenblätter verkehrt-eiförmig oder länglich. 
Weiß, am Grunde meist rot punktiert. Höhe 10 bıs 
30 cm. Juni—Juli X. 

Schon längst hat der Frühling in den lachenden Thalgefilden 
jeinen Einzug gehalten; nur hoch da droben Elammmert fich noch 
der Winter mit eifernen Armen an die Felswände des Hoch- 
gebirges.. Uber nur noch eine furze Zeit; dann bricht auch dort 
des Winters Macht, und „geläutert und veredelt tritt der mächtige 
Strom des Lenzblutes, fich taufendfältig teilend, an die Kerfer- 
pforten der Knospen. Sede Knojpe wird ein geiprengtes Grab, 
daraus das junge Leben fich Herpormwindet.” 


Te N 


„Nach langem, bangen Winterichweigen 
willfommen, heller Srühlingsklang ! 

Nun rührt der Saft fich in den Zweigen 
und in der Seele der Gejang. 


&3 wandelt unter Blütenbäumen 

die Hoffnung über’3 Teld; 

ein wunderjames Zufunftsträumen 

fließt wie ein Segen durch die Welt.“ (E. Geibel.) 


Der traubenblütige Steinbreh, der im Gejenfe auch Haus- 
wurzel genannt wird, it in den Dit-Sudeten ein Kind des 
Frühlings. Bald nad) der Schneejchmelze zeigen fich die zier- 
lichen, graugrünen Blattrojetten, aus denen fih ein ziemlich 
kräftiger Stengel erhebt. Einen eigentümlichen Anbli gewährt 
das Blatt, das fich durch jeine weiße Berandung jofort von der 
hellgrünen Blattfläche abhebt. Die am Rande angebrachten 
Grübchen, die von einem weißen Schüppchen bededt find, fondern 
Kalk ab, der dazu bejtimmt ift, das Blatt vor einer zu rajchen 
Tranjpiration zu jchügen. Während die ziemlich große, weiße 
Blüte, bejonders aber die purpurnen Punkte am Grunde, zur 
Lodung der bejtäubungsvermittelnden Anjeften dient, ift der Pflanze 
in der drüfigen Behaarung ein fräftiges Schugmittel gegen allerlei 
Seinde gegeben. 

Unjere Pilanze, die auch der AUlpenflora angehört, bewohnt 
die Felfen der öjtlichen Hochjudeten: Köpernif, Fuhrmannitein, 
Brünnelhaide, Altvater, Peterjtein, Kiesgraben, gr. Keffel. 

Un den beiden legten Standorten fommt eine langblättrige 
dom (robusta Engler) vor, mit lineal-zungenförmigen Blättern 
und 3—8blütiger Riipe. 

Der Beiname „Aizoon“ rührt von den fleijchigen, fast immer 
grünen Blättern her und bedeutet „immerlebend“. 


Chrysosplenium oppositifoliumL. (Saxifragaceen 
Vent. S. 20, X. Kl.) Gegenblättriges Milz- 
kraut. (Schwefel-Milzkraut.) Tafel 20. Nr. 36. 


Wurzelstock dünn, kriechend, ausläufertreibend. Blätter 
kurzgestielt, gegenständig, rundlich, am Grunde ge- 
stutzt oder kurz-keilförmig, geschweift-gekerbt, grund- 
ständige nicht rosettenartig gehäuft. Kelch 4lappig, 


NE 


2 Zipfel kleiner; die Röhre mit dem halben Frucht- 
knoten verwachsen. Kronenblätter fehlend. Staub- 
gefäße 8. Kapsel halbunterständig, 1fächerig, bis zur 
Mitte in 2 Klappen aufspringend, welche an den 
Rändern die Samen tragen. Goldgelb. Höhe 5—10 cm. 
Mai— Juni }. 
Wir betreten, unierm Pflänzchen folgend, wieder „die Hallen 
de3 grünen Doms“. Wieder vernehmen wir die Stimmen des 
Waldes, der uns gar viel zu erzählen vermag. 


„Es zieht ein leifesg Raufchen 
daher im dunkeln Wald, 

die Stille fcheint zu laufchen, 
wenn jeufzend e3 verhallt. 


E3 mwehet in den Zweigen 

jo flüfternd und geheim 

ein wunderbares Neigen 

wie zarter Xiebe Keim.“ (?) 


„Sm Wald, im frifchen, grünen Wald“, wo „die Bächlein 
von den Bergen fpringen“, wo die Duelle ihr uraltes Lied 
murmelt, am fchattigen Waldesfaum: da ift die Heimftätte unferes 
Pflänzchens. Wir fennen bereit3 das wechjelblättrige Milz- 
fraut (Chr. alternifolium L.) auf unjerer Wanderung nad) 
dem Gebirge. ES ift an quelligen, feuchten Pläßen in der Ebene 
und im Vorgebirge überall anzutreffen und an den wechjelftändigen, 
oben wie die Blüte goldgelb gefärbten Blättern Leicht zu erfennen. 
E3 fteigt bi in die höheren Gebirgslagen hinauf, die es mit 
der gegenblättrigen Art, die wir fofort an den gegenftändigen, 
dunkleren Blättern und den Eleineren, mattgelben Blüten erfennen, 
bisweilen gemeinfam bewohnt; meift jedoch tritt eS vor der im 
Gebirge vorkommenden Art zurüd. Unfere Pflanze ift im Der 
YAlpen-, Dit-Sudeten- und Nordlandsflora nicht vertreten; demnad) 
icheint fie nur dem MWeftteile des Gebiet anzugehören: Sattler 
bei Hirjchberg, Schmiedeberg, Kochel- und Zadelfall, Thal des 
fl. Baden, Flinsberg, neue fehl. Baude, Grenzbauden, Weiß- 
waffergrund, Rochlig, Neumelt, Schtwarzberg bei Yohannizbad, 
Dunfelthal, Gr.-Aupa. 

Die Pflanze wird nicht nur von Nüffelfäfern, jondern auch 
von Schneden viel befucht, welche ebenfall3 den Vorgang der 
Hlütenbeitäubung vermitteln. 


Be 2. ra 


Der Name tft aus „chrysos“ —= Gold und „splen“ = Milz 
entitanden. Die Bezeichnung „Milzkraut“ deutet an, daß Die 
Pilanze früher als ein Arzneimittel gegen Milzkranfheiten be- 
nubt wurde. 


Achyrophorus uniflorus Bl. (Compositen Ad. 
S. 20, XIX. Kl.) Einblütiger Hachelkopf. (Alpen- 
Ferkelkraut.) Tafel 20. Nr. 37. 


Wurzelstock dick, holzig. Stengel Iköpfig, mit 1—3 
kleineren Blättern, von der Mitte bis zum Kopf keulen- 
förmig verdickt. Grundblätter länglich-zungenförmig, 
am Grunde verschmälert, vorn buchtig-gezähnt, nebst 
dem Stengel rauhhaarig. Köpfe groß. Hülle breit- 
kreiselförmig; Hüllblätter lanzettlich, innere lang- 
zugespitzt, am Rande und der Rückenfläche langfransig. 
Blütenboden mit Deckblättchen. Haare der Haarkrone 
lreihig, alle Haare gefiedert. Goldgelb. Höhe 15 bis 
40 cm. Juli—August 4 (A. helveticus Less.) 


Hacelfopf ift fein Koje-Name, am allerwenigjten, wenn 
wir ihn mit der FlachShechel in Verbindung bringen. Wenn 
uns aber der auffallend dide Kopf mit Borjtenhaar, grauen Hotten 
und Franjen zum erjtenmale entgegentritt — zumal im unauf- 
geblühten Zustande —, fo erjchließt fich uns jofort das Veritändnis 
für dieje Bezeichnung, die durch den vauhhaarigen, Feulenfürmigen 
Blütenjtiel und die buchtig-gezähnten, ebenfalls vauhhaarigen 
Hlätter feineswegs in eine mildere Beleuchtung gerücdt wird. 
Erjt jpäter, wenn jich der Kopf mit zahlreichen Blüten jchmüdt, 
die Durchiweg zungenfürmig gejtaltet find, tritt die unangenehme 
Deutung zurüd, und der Hachelfopf ericheint als ftattliche 
Pflanze, welche die grafigen Lehnen, Abhänge und Kämme des 
Hochgebirges bewohnt: Elb-, Bantiche- und weiße Wieje, Stejjel- 
foppe, Schneegruben, Teiche, Brunnberg, Melzer-, Riefen- und 
Aupagrund ufw., Nehhorn, Glager Schneeberg, Gejente; Alpen; 
fehlt dagegen in der Nordlandsflora. Bisweilen verläßt die 
Pilanze ihren Hochlig und fteigt, durch Samen verjprengt, bis in 
die Waldregion herab, 3. B. Schreiberhau (oberes Weißbadhthal). 

Hin und wieder zeigen jich Eremplare mit 2 föpfigem Stengel 
(biflora Grab.): Gejenfe; oder mit vielblättrigem Stengel 


BR > 


(crepidifolius Wimm.): Agnetendorfer Schneegrube, El. Teich. 
Während das Haarkleid die Pflanze gegen Wetterungunft Schüßt, 
dient ihr der in allen Teilen enthaltene Elebrige Milchiaft als 
wirffames Schugmittel gegen tieriiche Angriffe. 


Crepis grandiflora Tsch. (Compositen Ad. S. 20, 
XIX. Kl.) Grofsblütige Grundfeste. Pippau. 
(Blüten-Feste.) Tafel 21. Nr. 38.) 


Wurzelstock ausdauernd, ziemlich dick. Stengel bogig- 
send an der Spitze doldentraubig-ästig, mit 
1-3 köpfigen Ästen, nebst den Blättern weichhaarig, 
oberwärts drüsenhaarig. Blätter länglich, untere in 
den Stiel verschmälert, ausgefressen-gezähnt,; obere 
am Grunde pfeilförmig, schwach-gezähnt oder ganz- 
randig. Köpfe groß, zu 3—10, auf oberwärts ver- 
dickten, bogig aufsteigenden Stielen. Hüllblätter 
länglich, schwärzlich-grün, rauh- und dicht drüsen- 
haarig, 2reihig, äußere fast halb so lang. Frucht fast 
stielrund, 20rippig. Haarkrone schmutzigweiß. Gold- 
gelb. Höhe 25—50 cm. Juni— August *. 


Mit der vorigen gemeinfam bewohnt unfjere Bflanze ebenfalls 
die Wiejen und grafigen Lehnen des Hochgebirges: Neifträger, 
Kejjelfoppe, alte jchlef. Baude, Elbwiefe, Schüffelbauden, Ziegen- 
rüden, Spindelmühl, .Riefengrund, Teiche; later Schneeberg, 
Wölfels- und Kefjengrund, Gejenfe; Alpen. Sn der Nordlands- 
flora aber ijt die Pflanze nicht vertreten. An einzelnen Stellen 
verläßt fie das Hochgebirge und jteigt bis in die Gebirgsdörfer 
herab: Schreiberhau (Marienthal), Bricdenberg, Baberhäufer, 
Urnsdorf, Krummbhiübel u. a. 

Sie ilt jofort fenntlich an den gefurchten Stengeln, die im 
Bogen aufiteigen und oft zahlreiche, anjehnliche goldgelbe Blüten- 
föpfe tragen. 

Den Namen hat die Pflanze von krepis = Grund, Sohle, 
erhalten, der auf die am Grunde befindlichen zahlreichen, Fräftigen 
Blätter Hinweift, aus deren NRojetten fich die Stengel erheben. 
Die drüfige Behaarung einerjeit3 und der in den Stengeln und 
Blättern enthaltene Milchjaft anderjeit3 find wirkfame Abwehr- 
mittel gegen jchädigende Angriffe. 


BEE © ;upen 


Zur Gattung Crepis zählen noch mehrere, meijt der Ebene 
angehörige Arten, von denen nur folgende bis aufs Hochgebirge 
fteigen: 

Abbißblättrige Örundfeite (C. succisaefolia Tsch.). 
Behaart. Griffel Ihwärzlich-grün. Haarkroneschneeweiß: Kefjelfoppe. 

Sumpf-©rundfefte (C. paludosa Mnch.). Kahl. Griffel 
wie vorige. Haarfrone fchneeweiß: Auf feuchten Pläben, häufig. 

Sibirijhe Grundfefte (C. sibirica L.). Steifhaarig. 
Blätter mit herzfürmigem Grunde, jtengelumfaffend. Haarfrone 
Ihmusigmweiß: Gejenfe (gr. Kefiel). 


Hieracium alpinum L. (Compositen Ad. S. 20, 
XIX. Kl.) Gebirgs - Habichtskraut. Tafel 24. 
Nr. 39. 


Wurzelstock durch kurze, noch im Herbst eine Rosette 
bildende Sprossen ausdauernd, daher Grundblätter 
meist zur Blütezeit vorhanden. Stengel blattlos oder 
wenigblättrig, einfach, seltener mit 2—3 einköpfigen 
„sten, nebst den Hüllen von grauen, am Grunde 
schwarzen Haaren zottig. Kopfstiele dichtfilzig, mehr 
oder minder drüsenhaarig. Blätter spatelig oder ei- 
förmig, in den Blattstiel verschmälert, fast ganzrandig 
oder buchtig-grobgezähnt, grasgrün, zottig. Stengel- 
blätter länglich-lanzettlich bis lineal, beiderseits ver- 
schmälert. Hüllen meist bauchig. Hüllblätter zahl- 
reich, dachziegelig. Frucht walzenförmig, 10rippig. 
Haarkrone schmutzigweiß, steif, zerbrechlich. Goldgelb. 
Höhe 10—30 cm. Juli— August }. 

Dbmwohl unjere Pflanze feineswegs zur Frühlingsflora gehört, 
macht fie jich doch jchon bemerflich, wenn fich die Kämme und 
Abhänge mit dem erjten Grün bededen und mit „Kindern der 
verjüngten Sonne” jchmücden. Mitten im Blumenflor erheben fich 
Ihwärzlich-grüne, grauhaarige Köpfe, „nidend wie im Traume“. 
Gar bald aber, wenn die Frühlingsfinder von uns Abjchied 
nehmen, erwachen fie aus ihrem Traume und überziehen große, 
weite Flächen mit dem Goldgelb ihrer Blüten. Das find die 
Habichtsfräuter des Gebirges, unter denen unfer Hieracium eine 
dominierende Stellung einnimmt. So harmlos fie auch für den 


N 


eriten Blick erjcheinen mögen, jo find fie doch für den Botaniker 
von ganz bejonderer Bedeutung. rfordern fie doch ein ein- 
gehendes Studium, eine fortgejegte Beobachtung. Denn e3 dürfte 
wohl Faum eine andere Pflanze geben, die durch Anpaffung ge- 
neigt ift, neue Verbindungen einzugehen und veränderte Formen!) 
anzunehmen wie diefe Gattung. „Dieje jchwierige Gattung ift 
eine wahrhaft Darwiniiche, d. H. die als Arten angenommenen 
Formen grenzen größtenteils unmittelbar aneinander, jo daß fie 
im Vergleiche mit vielen wohlgetrennten Arten anderer Gattungen 
mehr den Namen von Rafjfen al3 wahren Arten verdienen.“ ?) 
Auch unjere Hieracium - Art, die in der Oftfudeten-, Alpen-, 
Broden- und Nordlandsflora vertreten ift, erjcheint in mehreren 
Formen. Das Haarkfleid und bejonders die Drüfenhaare dienen 
der Pflanze als Schugmittel. 


Hieracium aurantiacum NL. (Compositen Ad. 
S. 20, XIX. Kl.) Wilder Safflor. (Gold-H.) 
Tafel 23. Nr. 40. 


Wurzelstock kriechend, Ausläufer treibend. Stengel 
oberwärts zerstreut sternhaarig, 1—3blättrig. Blätter 
länglich - verkehrt -eiförmig, grasgrün, beiderseits mit 
weichen, abstehenden, meist am Grunde verdickten, 
schwarzen Borstenhaaren besetzt. Grundblätter zur 
Blütezeit meist vertrocknet. Das oberste Stengelblatt 
über dem Grunde plötzlich verschmälert. Köpfe 
3—10, doldentraubig. Hüllen breit-eiförmig. Hüll- 
blätter ungleich, stumpf, mit Stern- und schwarzen 
Drüsenhaaren. Haarkrone schmutzigweiß, zerbrechlich. 
Griffel braun. Früchte stielrund. Dunkel-orangerot. 
Höhe 25—50 cm. Juli—August }. 


Wenn wir uns den gelben Plumenflor der zahlreichen 
Hieracium-Arten, wie er uns im Hochjommer auf den Gebirgs- 
fümmen und Abhängen überall entgegentritt, vergegenmwärtigen, 
io glauben wir, wenn plöglich im Wiejengrunde unjere Pflanze 


1) &3 jind bereitS über 200 bejondere Hieracienformen für da& 
Gebirge fejtgeitellt. 
2) Gelafovsfy. Prodromus der Flora von Böhmen. 
7 


Re nes 


auftaucht, eine ganz andere Gattung vor uns zu haben. Dies 
ergiebt die abweichende Blütenfarbe, die in der That an den 
angebauten Safflor erinnert. Unfere Pflanze, welcher das bei 
der vorigen über Genus Hieracium im allgemeinen Gejagte 
ebenfall3 gilt, Tiebt grajigen, trodenen Moorboden und Bergwiejen: 
erwiefe, Buchberg, Kejjelfoppe, Hofe- und Scüfjelbauden, 
el. Teich, Richter- und Grenzbauden, Niejen-, PBeter- und Schlingel- 
baude (Heideichloß), Riejen- und Blaugrund; Nehhorn, Glaber 
Schneeberg, Gejenfe; Alpen. An einzelnen Stellen fteigt die 
Pflanze in die Gebirgsdörfer herab: Krummbhübel, Schreiberhau, 
St. Peter, Aupathal. 


Hieracium villosum L. (Compositen Ad. S. 20, 
XIX. Kl.) Zottiges Habichtskraut. Tafel 23. 
Nr. 41. 


Wurzelstock durch unterirdische Knospen ausdauernd; 
daher Grundblätter zur Blütezeit vorhanden. Pflanze 
von langen, grauweißen Haaren zottig. Stengel mit 
1—4 Blättern, meist einfach und 1köpfig, oberwärts 
sternfilzig. Blätter bläulich-grün, ganzrandig oder nur 
seicht gezähnt; grundständige spatelförmig, in den 
geflügelten Blattstiel verschmälert; die oberen eilanzett- 
lich, halbstengelumfassend. Hülle bauchig. Hüllblätter 
zahlreich, mehrreihig, regelmäßig dachziegelig, äußere 
eiförmig-lanzettlich, abstehend. Hellgoldgelb. Höhe 
15—25 cm. Juli—August }. 

Unfer Hieracium, dem auch das unter Nr. 39 Gejagte gilt, 
bewohnt im Gebiete nur die Felfen des gr. Kefiels im Gejenfe. 
Auch die Dftiudeten bieten einen reichen Hieracienflor, aus dem 
unjer Pilänzchen als eine Seltenheit des Gejenfes herausgegriffen 
it. Die Urheimat der Pflanze find wohl die Alpen, wo fie 
häufig anzutreffen ijt und von wo aus fie wohl mit Umgehung 
des Niejengebirges eingewandert if. Sie ift im efjel nicht 
allzuhäufig, aber an dem dichten Haarfleide, das ihr al3 Schub- 
mittel dient, leicht fenntlich. 


ENT EL 


Mulgedium alpinum Cass. (Compositen Ad. S. 20, 
XIX. Kl.) Gebirgs-Milchlattich. (Großer Milch- 
lattich.) Tafel 25. Nr. 42. 


Wurzelstock walzenförmig. Stengel einfach, oberwärts 
nebst dem Blütenstande drüsenhaarig. Blätter ziem- 
lich kahl, schrotsägeförmig, geschweift-gezähnt, in den 
breitgeflügelten Blattstiel verschmälert, unterseits bläu- 
lich-grün, mit 2—4 eckig-lanzettlichen Abschnitten; 
Endabschnitt 3eckig-spießförmig, zugespitzt. Obere 
Blätter lanzettlich, stengelumfassend, sitzend. Blüten 
in traubiger, drüsenhaariger Rispe. Hüllblätter fast 
2reihig. Haare der Haarkrone einfach, schmutzigweiß, 
von einem dichtborstigen Krönchen umgeben. Frucht 
zusammengedrückt, ungeschnäbelt, lineal-länglich. 
Violettblau. Höhe !,—1!/);, m. Juni— August 1. 

Das Thal erglänzt jchon Yängft in Frühlingspracht; auch 
die Waldregion legt ihr Feittagsgewand an, und 


„Die Welt wird fchöner mit jedem Tag, 
man weiß nicht, wa noch werden mag, 
das Blühen will nicht enden. 


E3 blüht das fernite, tiefite Thal; 
nun, arme3 Herz, vergiß der Dual! 
nun muß jic) alles, alleg wenden.“ (Uhland.) 


Überall ertönt der Ruf: „Auf, nach den Höhen laßt uns 
jteigen!" Schon in der Waldregion, auf den feuchten, jchattigen 
Gebirgszugängen, Bergmwiejen und Waldrändern begrüßen ums 
jeltiame Pflanzengeftalten, die jofort die Aufmerffamfeit auf fich 
Ienfen. Bu ihnen gehört an erjter Stelle unfer Gebirgs -Milch- 
lattich, der und an verjchiedenen Punkten des Gebirges oft in 
großer Menge entgegentritt: Sierfamm, Buchberg, neue und alte 
ichlei. Baude, Kefjelfoppe, Schneegruben, Teiche, EIb-, Weißmwafjer-, 
Melzer-, Riejen- und lange Grund ufw.; NRehhorn, Adersbacher 
und Wedelsdorfer Felien, Glaber Schneeberg, Gejenfe; Alpen, 
Broden, Nord-Sfandinavien. Bisweilen verläßt die Pflanze dieje 
hochgelegenen Standorte und jteigt in niedrigere Regionen herab: 
Flinsberg, Schreiberhau, Krummhübel u. a. Durch die Hohe, 
kräftige Geftalt, durch die großen, buchtig-fiederjpaltigen Blätter 
und vor allem durch die blauen, anjehnlichen Blütentrauben, deren 

7% 


— 100 — 


Blumen durchweg zungenförmig gejtaltet find, fefjelt jie den Blid 
de Wandererd. Sie begleitet ihn bis auf die Kuppen und 
KRämme und jteigt mit ihm hinab in die Schluchten, wo fie ein 
ippiges Pflanzendicicht bilden Hilft. 

Wer fich verleiten läßt, die Pflanze zu brechen, wird jehr 
bald verjtehen, warum fie Milchlattich genannt wird: Aus der 
Berwundungsitelle fließt reichlich ein weißer, Eebriger Milchlaft. 
Auch der Name Mulgedium (mulgere — melfen) deutet darauf hin. 

Zum bejonderen Schuße der Pflanze gegen Schneden, Ameijen 
u. a. dient der in ihr enthaltene Milchjaft, der bei jeder Ver- 
wundung in reichem Maße hervorquillt. Doch zeigt jich Dderielbe 
auch ohne äußere Berlegung infolge einer hohen Neizbarfeit ge- 
wiljer Pflanzenteile, aus denen bei der Leijejten Berührung, 3. B. 
mittelS eine Haares winzig Feine Milchtröpfchen heraustreten. 
Unjere Pflanze ift mit bejonderen Milchjafthaaren ausgeitattet. 
Außerdem find die Blütenftiele und KRnofpen mit ftarfen Drüsen 
reich bejeßt, die ebenfalls als wirkfjames Schugmittel dienen. 


Seneeio crispatus DC. Var. sudeticus. (Compo- 
siten Ad. S. 20, XIX. Kl.) Sudeten-Baldgreis. 
(Gebirgs-Kreuzkraut.) Tafel 26. Nr. 43. 


Wurzelstock kurz, dick. Stengel einfach, an der Spitze 
doldentraubig, am Grunde mit einer Blattrosette. 
Blätter ungleich gezähnt, bisweilen wellig, nebst dem 
Stengel spinnwebig-wollig, eiförmig-länglich, am Grunde 
herzförmig, mit geflügeltem Blattstiel, obere länglich, 
mit breitem Grunde sitzend. Hülle und Frucht 
walzenförmig. Hüllblätter 1reihig. Fruchtknoten kahl. 
Frucht so lang als die Haarkrone. Safrangelb; Hüll- 
blätter rotbraun. Höhe 25—75 cm. Mai— Juni; 
Hochgebirge Juli *. 

Wenn nach langer Winterszeit auch in der Waldregion der 
Frühlingsruf erichallt, wenn die Schmelzwäfler raufchen und die 
Bächlein von den Bergen jpringen, wenn auch am Fuße des 
Sebirges 

„les feimt und grünt in holder Fülle, 
und die Knofpe jprengt die finjtre Hülle, 
die jie jtreng umfangen hält. 


— WI — 


Alle Blüten duften dir entgegen, 

und im Tau des Abends träufelt Segen 

auf die fröhlich neuverjüngte Welt.“ 

(Th. Körner.) 

dann erwacht unfere Vflanze vom winterlichen Schlafe und jchmücdt 
die fahle Bergwieje mit orangefarbenen Blüten. Aus der dunfel- 
grünen Blattrofette erhebt fich ein Fräftiger Stengel, auf dem fich 
eine reichblittige Doldentraube wiegt. Wenn wir unjer Frühlings- 
find näher kennen lernen wollen, dirfen wir den Sumpf nicht 
icheuen. Denn fie liebt torfige, moorige Waldpläge, feuchte quellige 
Bergtviefen und fteigt vom Thale bis aufs Hochgebirge: Buch- 
berg, Schreiberhau, alte und neue jchlej. Baude, Reifträger, Schnee- 
gruben, Elbwiefe, Keffelfoppe, Weiße Wieje ujw., Glager Schnee- 
berg, Gejenke. Sn der Alpen- und Nordlandsjlora ift die Pflanze 
nicht vertreten. 

Zur Gattung Senecio gehören mehrere Arten, von denen 
nır dag Hain-Rreuzfraut (S. nemorensis L.), mit hell- 
gelber Doldenriipe, bi3 in die Schluchten des Hochgebirges hinauf- 
jteigt. Unfere Pflanze ift eine Abart des fraufen Kreuzfrautes 
(S. crispatus DC.), welches goldgelbe Blüten hat. Der Name 
Senecio wird von senex — der Greis abgeleitet und deutet 
auf die fich bald nach der Blüte zeigende Haarfrone Hin; daher 
auch die Bezeichnung Baldgreis. 


Doronicum austriacum Jaeqg. (Compositen Ad. 
S, 20, XIX. Kl.) Gemswurz, Schwalbenwurzel. 
Tafel 22. Nr. 44, 


Wurzelstock kurz-walzenförmig, abgebissen, ohne Aus- 
läufer und Grundblätter. Stengel oben ästig, mit ein- 
blütigen Stielen, spärlich behaart, mit zerstreuten 
Drüsen, oder fast kahl. Blätter klein-gezähnt, unter- 
seits weichhaarig; untere seicht herzförmig mit ge- 
flügeltem Blattstiel, mittlere geigenförmig, obere 
lanzettlich, stengelumfassend; mittlere und obere am 
Grunde mit nierenförmigen Ohren. Hülle halbkugelig. 
Randblüten zungenförmig, 2; Scheibenblüten röhrig, 
zwitterig. Hüllblätter in wenig Reihen, gleichförmig. 
Fruchtboden etwas erhaben. Früchte länglich-kreisel- 
förmig, gefurcht. Randblumen ohne Haarkrone; die 


— 12 — 


der Scheibenblumen vielreihig. Goldgelb. Höhe 
1,—1 m. Juli— August }. | 

Wie im Menjchenleben wir Gejtalten begegnen, die unfjern 
Blid jofort auf fich lenken und unjer Sutereffe immer wieder 
erweden, jobald jie uns entgegentreten, jo auch im Pflanzenreich. 
Wenn auch das Dichterwort unanfechtbare Wahrheit behält: 

„Sott jhuf ja aus Erden den Ritter und Knecht. 
Ein hoher Sinn adelt auch niederes Gefchlecht.“ 

jo befindet fich doch derjenige immer in einer günftigeren Lage, 
der jchon durch feine äußere Erjcheinung über feine Umgebung 
herborragt. Dasjelbe gilt auch von unfjerer Pflanze. Wer die 
waldigen Abhänge und Schluchten der Ditfudeten befucht, wird 
jofort jeinen Blif auf die anjehnlichen goldgelben Blütenfterne 
Ienfen, die, ihn freundlich begrüßend, fich auf fchlanfem Stengel 
wiegen. Am raufchenden Bächlein, an der murmelnden Duelle, 
im üppigen Pflanzendidicht: dort ift die Gemswurz anzutreffen. 
Sie gewährt einen hübjchen Anblid, wenn fie ihre goldenen 
Blumenhüllen mit den zungenförmigen Randblüten über den farn- 
bedecten, freudig-grünen Waldflächen erhebt, al3 ob fie zur Hüterin 
und Beichügerin der Fräuterreichen Bergeshalde bejtellt jei. Sie 
bewohnt den lager Schneeberg und ift im Gejenfe jehr ver- 
breitet. An einzelnen Stellen fteigt fie in die Schluchten des 
Borgebirges herab, 3. B. Wölfelsgrund, Kleffengrund, Zugänge 
des Gejenfes. 

Schon der Name deutet darauf hin, daß die Alpen als 
die urjprüngliche Heimat anzufehen find, von wo aus die Pflanze, 
die Wejtjudeten umgehend, hier eingewwandert it. 


Homogyne alpina Cass. (Compositen Ad. S. 20, 
XIX. Kl.) Gebirgs-Brandlattich. Tafel 26. 
Nr. 45. 


Wurzelstock kriechend. Stengel 1köpfig, mit 2—3 
Schuppenblättern, wollig-filzig. Grundblätter langge- 
stielt, herz-nierenförmig, kerbig-gezähnt, unterseits 
blasser, zerstreut behaart, glänzend, fast lederartig. 
Hüllblätter 1reihig. Randblumen röhrig, ?, 1reihig. 
Haarkrone mehrreihig. Früchte länglich-walzenförmig, 


— 13 — 


gefurcht, glatt. Rötlich; Hüllblätter dunkelrot. Höhe 
15—25 cm. Mai— Juli *. 

Unjer Pflänzchen ijt ein rechtes Frühlingsfind, und zwar 
nicht nur für die Waldregion, jondern auch für das Hochgebirge. 
Wenn am Fuße des Gebirges der Lenz jeinen Einzug hält, er- 
hebt es fein blafjes, fahles Köpfchen vom winterlichen Schlafe 
und glättet fein glänzendes Blättergeivand. 


„Run brechen aller Enden 

die Blumen aus grünem Plan, 

wo ic) mic Hin mag wenden, 

da hebt ein Klingen an.“ (R. Reiniet,) 


Anfangs nimmt das Köpfchen eine nidende Stellung ein, 
um jich vor Wetterungunft zu Schügen; nach und nach aber richtet 
e8 fich empor und Yäßt fi) von der Sonne purpurn färben. So 
gejchmüct — wenn auch jchlicht und einfach — begrüßt die Pflanze 
den Wanderer, den fie treu bi3 auf die Kuppen und Kämme be- 
gleitet. Sie liebt torfige Wiejen und feuchte Waldränder und 
ift im ganzen Gebiete — auch in den Ditjudeten und in den 
Alpen — verbreitet; jie fehlt jedoch in der Nordlandsflora. 

Die lederartigen Blätter, die der Pflanze zum Schuße gegen 
Kaffe dienen, bleiben bis in den Herbit friich und grün. Mleit 
trägt der Stengel nur einen Blütenfopf; bisweilen jedoch fonmen 
auch 2— 3 füpfige Stengel vor. (Var. multiflora Grab.): 
Elbwieje, Glager Schneeberg, Gejenfe. 


Adenostyles albkifrons Rchb. (Compositen Ad. 
S. 20, XIX. Kl.). Graublättrige Pestwurz. 
(Große Pestwurz.) Tafel 27. Nr. 46. 


Wurzelstock ziemlich dick. Stengel weichhaarig, arm- 
blättrig. Blätter gestielt, herz - nierenförmig, grob- 
gezähnt, unterseits dünn -spinnwebig - filzig, groß. 
Blattstiele meist mit Ohrchen. Blüten in dichten 
Doldenrispen. Köpfe armblütig. Hülle walzenförmig, 
mit wenigen lreihigen Schuppen. Krone röhrenförmig, 
mit 5zähnigem Saume. Haarkrone mehrreihig. Früchte 
stielrundlich. Rosapurpurn. Höhe !/;—1!/, m. Juli bis 
August 4. 


N a 


Dieje Pflanze gehört neben dem Gebirgs-Milchlattih (©. 99), 
mit dem fie auch meist den Standort teilt, zu den größten und 
Ttattlichften Kompofiten des Gebirges. Fhre meist Zeigen Grund- 
blätter, die auf der NRückjeite mit einem als Schußmittel dienen- 
den weißgrauen Filze ausgejtattet find, erreichen bisweilen eine 
Breite von fast einem halben Meter. Auch die endftändige, fait 
gleichgipflige, hHellpurpurne oder fleilegfarbene Doldentraube ist 
ebenfall3 jehr anjehnlid. Die Pflanze liebt feuchte, quellige, 
moorige Waldpläge und Schluchten, und fteigt jelten unter 800 
Meter herab: Theijenhübel (Sergebirge), alte und neue jchlei. 
Baude, Reifträger, Kefjelfoppe, Schneegruben, Teiche, Elb-, Melzer- 
und Riejengrund ujw., Glaber Schneeberg, Gejenfe; Alpen; in 
der Nordlandsflora fehlend. Der Name Peitwurz deutet an, 
daß die Pflanze früher als Heilmittel gegen die Veit angewandt 
wurde. Die Bezeichnung „albifrons“ meilt wohl auf die 
Haarkrone Hin, die Schon während der Blütezeit zum Borjchein 
fontmt. 


Gnaphalium norwegicum Gunner. (Compositen 
Ad. S.20, XIX.Kl.) Norwegisches Ruhrkraut. 
(Nordisches Ruhrkraut.) Tafel 24. Nr. 47. 


Wurzelstock walzenförmig. Stengel meist mehrere, ent- 
fernt beblättert, aufrecht oder aufsteigend, nebst den 
Blättern weißflockig-filzig. Blätter lanzettlich, 3nervig, 
oberseits dünn-, unterseits dichtfilzig, grundständige 
in den Blattstiel verschmälert, die oberen so lang 
oder länger als die unteren. Blütenköpfchen kegel- 
förmig, einzeln oder mehrere, ineinfach oder zusammen- 
gesetzt traubigem Blütenstande, wechselständig. Hüll- 
blätter trockenhäutig, dachziegelig, die äußersten 3mal 
kürzer als die Hülle, innere abgerundet, an der Spitze 
schwarzbraun. Randblüten fadenförmig, 2, mehrreihig; 
innere Blüten (Scheibenblüten) zwittrig. Haare der 
Haarkrone fadenförmig. Früchte walzenförmig, dünn, 
kurzhaarig. Gelblichweiß. Höhe 15—40 cm. Juli bis 
August 4. 

Obwohl unjere PBilanze an Wald- und Wegerändern feine 
jeltene Ericheinung ift und den Wanderer bis auf die Rämme 


— 10 — 


und Ruppen begleitet, ift fie doch eine wenig befannte Bewohnerin 
des Hochgebirges. Dabei zählt fie feineswegs zu den Hleinjten 
Rindern der Gebirgsflora; auch umgiebt fie fi mit zahlreichen 
Wurzelblättern umd trägt meift eine reiche Blütentraube. Aber 
ihre Blütenföpfchen find jo unjcheinbar und wenig in die Augen 
fallend, daß fich fein Wanderer nach ihnen büdt. Ja, man hält 
diefe brammen Köpfchen faum für Blüten; und doc ijt jedes 
Köpfchen ein zierliches Blumenkörbchen, in welchem eine große 
Anzahl winzig Heiner Blütenröhren zufammengedrängt find. Unfere 
Pflanze Yiebt waldige, trodene Pläbe und grafige Lehnen. Sie 
it in den höheren Gebirgslagen ziemlich Häufig anzutreffen: 
Tafeffichte, Sierfamm, Sferwiefe, Buchberg, Theifenhübel, Reif- 
träger, Reffelfoppe, Elb-, Weißwafjer-, Niejen- und Melzergrund 
ufw.; later Schneeberg; Gejenke. Alpen» und Nordlandzflora. 
Der Name Ruhrfraut rührt wohl davon her, daß das mit unjerer 
Pilanze verwandte Kabenpföthen (G. dioicum L.) früher 
al3 Heilmittel gegen die Nuhrkrankheit gebraucht wurde. Außer 
dem gehören noch zur Gattung Gnaphalium: Wald-Nuhrfraut 
(G. silvaticum L.), mit fchmalen, inervigen Blättern, welche 
nach dem oberen Teile des Stengel3 allmählich Fleiner werden. 
Diefe Art fteigt vom Thale bis in die obere Waldregion, tvo 
fie dann von unjerer Pflanze abgelöft wird. Dagegen bleibt ihr 
treu zur Seite das nachitehend bejchriebene niedrige Ruhrfraut 
(G. supinum L.). ine hohe, berühmte Verwandte gehört noch 
hierher; es ift das Edelweiß (G. leontopodium), welches 
„Hoch auf Feljen, nah’ beim Eis, 
nahe bei dent Licht der Sterne“ 
al3 Zierde der Alpenflora thront. 


Gnaphalium supinum L. (Compositen Ad. 5.20, 
XIX.Kl.) Niedriges Ruhrkraut. (Zwerg-Ruhr- 
kraut,) Tatelh22, Nr, 48. 


Wurzelstock ästig. Stämmchen niederliegend oder auf- 
steigend, dicht beblättert. Stengel einfach, dünn, fast 
fadenförmig, nebst den Blättern wollig-filzig. Blätter 
lineal oder schmal lanzettlich-lineal. Köpfchen eiförmig, 
zu 1—5, in kurzen, beblätterten Ähren oder Trauben. 
Hüllblättef fast 2reihig, die äußeren länger als der 


SU N NED 


halbe Hüllkelch. Früchtchen zusammengedrückt. 
Gelblich-weiß. Höhe 2-10 cm. Juli— August *. 
Unjer Pflänzchen ift wohl eins der Eleinften und beicheidensten 
Kinder der Hochgebirgsflora. ES begnügt fich mit fterilem Boden 
und nimmt mit einem Fiefigen oder furzgrafigen Bläschen fürlieb, 
wo faum ein anderes Pflänzchen gedeiht. Hier jchmiegt es fich 
dem mageren Boden an, und nur fchüchtern wagt e3, feine dünnen, 
faum fingerlangen Stengel emporzurichten. Dürftig ift feine 
Gejtalt, Ichlicht, Fat afchgrau fein Kleid und unanfehnlich feine 
Hlüte. Wenn e8 auch hie und da an den Touriftenpfad heran 
tritt und bemüht ift, nadte, Fable Flächen mit feinen zierlichen, 
moosartigen Blattrofetten zu bededen: es wird faum eines Blides 
gewürdigt. Achtlos geht der Wanderer an ihm vorüber; ja, 
verjegt ihm — wenn auch unbewußt und unbeabfichtigt — wohl 
gar noch einen Fußtritt. Fajt jcheint es, al3 ob es feine gedrücdte 
Lage fühlte; denn es hält meijt jeine Blütenköpfchen in gebücdter 
Stellung. Doch gar jo beveutungslos ijt jeine Stellung in der 
Hochgebirgsflora feineswegs. ES vertritt ja, gemeinfam mit der 
vorigen Pflanze, die hohe Berwandte der Alpenflora, das Edel- 
weiß. E3 ijt troß jeines fehr beicheidenen Habitus das „nordijche 
Edelweiß”, das „Edelweiß des Niejengebirges”. Sein Haarfleid 
fann allerdings mit dem weißfilzigen Gemwande der Alpenbemwohnerin 
nicht fonfurrieren; gleichwohl dient e3 ihm al3 Schugmittel gegen 
jeine Feinde und bildet ein wirffames Präfervativ gegen zu rajche 
Tranjpiration. 3 bewohnt das Riejengebirge (Elbwiefe, Kefjel- 
foppe, Schneegruben, weiße Wieje, Teiche, Ziegenrüden, Brunn- 
berg ujw.), die Alpen und den hohen Norden: Grönland, Labrador, 
Skandinavien, Sibirien. Sämtliche NRuhrfrautarten gehören zu 
den Smmortellen, aus denen die Liebe Erinnerungsfränze mwindet. 
„Die Smmortelle 
legt man in Sränzen Hin auf liebe Gräber; 


denn, jelbjt verblüht, ftrahlt fie in Farben helle.“ 
(U. Glafer.) 

„Die Stunde fonımt vielleicht jchon bald, 
ob jugendfriich du bift, ob alt, 
mo mehr noc) wird vorüber jein 
al3 diejes flücht’ge Jahr allein, — 
wo dir im Tod dein Auge bricht, 
wo einmal noch, eh’ du gehit fort, 
durch deine Seele tönt das Wort: 

Borüber — vorüber!“ 

(®. DBojje.) 


— 107 — 


Campanula Scheuchzeri Vill. (Campanulaceen 
| Juss. S. 22, V. Kl.) Gebirgs - Glockenblume, 
Tafel 27. Nr. 49. 


Wurzelstock kurz, mit unfruchtbaren Blattbüscheln und 
Blütenstengeln. Stengel fast einfach, mit 1—5 ge- 
stielten Blumen. Grundblätter langgestielt, herz- oder 
nierenförmig-rundlich, kerbig-gezähnt. Stengelblätter 
lanzettlich. Krone tief-glockenförmig, 5lappig. Kelch- 
zipfel breit-lineal. Griffel mit fadenförmigen Narben. 
Frucht eine kreiselförmige, nickende, am Grunde auf- 
springende Kapsel. Dunkelblau. Höhe 10—20 cm. 
Juli— August }. 

Wenn die Schlüffelblume, Himmelichlüffel, den Frühlings- 
Himmel erjchließt, indem fie die Erftlinge der Frühlingsflora zu 
neuem Leben wmwecdt, jo fünnen wir wohl von der Glodenblume 
lagen, daß fie mit Glodengeläut den großen allgemeinen Blumen- 
reigen eröffnet und den Höhepunkt des Pflanzenlebens verkündet. 
Denn wenn unjere Pflanze ihre dunfelblauen Glodenhüllen öffnet, 
hat der Hochjommer jeinen Einzug gehalten. 

„Die blaue Glodenblume läutet — 
wa3 mag denn für ein Seittag fein? 
Durdh’3 holde Thal der Sommer jchreitet, 
die Welt ift ganz voll Sonnenjcein !“ 
(Aus dem Thüringer Walde.) 

Die Pflanze Tiebt trodene, grafige Leinen und Abhänge: 
alte jchlej. Baude, Efbwiefe, Kefjelfoppe, Krfonoih, Schneegruben, 
Teiche, Brunnberg, Riejenbaude ufw., Glaber Schneeberg, Gejentfe ; 
Alpen und arft. Außland. Unfere Pflanze ift eine Abart 
der rundblättrigen Glodenblume (C. rotundifolia L.), 
die ebenfalls in die höheren GebirgSlagen fteigt. Unfere Gloden- 
blume hat einen niedrigeren, armblütigen Stengel, geferbte, lanzett- 
liche untere Stengelblätter, größere, tief-glodige Krone und dunflere 
Färbung der Blüte. Außer der folgenden gehören noch nad)- 
jtehende Arten zu unjerer Gattung, die ebenfall3 bis aufs Hoch- 
gebirge hinaufjteigen: Die neffelblättrige Glodenblume 
(C. Trachelium L.). Steifhaarig, mit herzeifürmigen unteren 
Blättern: Keffelfoppe, Gejenfe. Die breitblättrige Öloden- 
blume (C.latifoliaL.). Stengel fahl. Untere Blätter eiförmig, 
weichhaarig: Schneegruben, Melzergrund, later Schneeberg, 
Gejenfe. 


— 108 :— 


Zur Förderung der Beitäubung durch Snjeften jowie zum 
Schuße der Blüten finden verjchiedene Krümmungen der Blüten- 
oder Fruchtitiele jtatt. Um nur den der Blume angepaßten In- 
jeften den Zutritt zu gejtatten, ijt der Zugang zum Neftarium 
mit einem Verjchluß verjehen. Die Staubbeutel find zwar frei; 
doch die am Grunde erweiterten und halbfugelig-zufammenliegenden, 
eifürmig verbreiterten Staubfäden verjchließen den Grund der 
Krone. Die glodenförmigen blauen Blumen, die gleichzeitig als 
Loeblüten dienen, breiten das gelbe fleiichige Nektarium am Grunde 
de3 Griffel3 aus. Noch in der Sinojpenlage jpringen die Staub- 
beutel auf, worauf jie dann noch vor Entwidelung des Griffels 
verichrumpfen. Der Blütenjtaub wird von den den Griffel um- 
gebenden Haaren aufgenommen und jammelt fich auf dem Grunde 
der Blüte, wo er bis zum Bejuche der Snjeften aufbewahrt wird. 
Später erjt erhebt jich der Griffel mit der vollitändig entwidelten 
Narbe. Durch die Borjtenhaare jowohl als auch durch die in 
der Pflanze enthaltenen Säfte jchüst fie fich gegen feindliche 
Angriffe. 


Campanula barbata IL. (Campanulaceen Juss. 
S.22, V.Kl.) Bärtige Glockenblume. Tafel 28. 
Nr..50! 


Wurzelstock dick, schief, mehrköpfig. Rauhhaarig. 
Stengel armblättrig, einfach. Blätter länglich-lanzettlich, 
fast ganzrandig, grundständige groß, in den breiten 
Blattstiel verschmälert; stengelständige kleiner, sitzend. 
Blüten fast sitzend, 2—5, nickend, in einseitswendiger 
Traube. Kelchbuchten mit zurückgeschlagenen, breit- 
eiförmigen, den Fruchtknoten bedeckenden Anhängseln. 
Blumenkrone glockenförmig-walzig, am Rande bärtig. 
Kapseln aufrecht, am Grunde aufspringend. Violett- 
pDlau. Höhe 10—30 cm. Juli— August }. 

Hier tritt und ein Kind der Hochgebirgsflora entgegen, das 
jofort durch feinen ganzen Habitus, bejonders aber durch feine 
heil - violettblauen, bärtig-gewimperten glodenförmigen Blüten in 
die Augen fällt. ES bewohnt im Gebiete nur die grafigen Lehnen 
und Abhänge der Dftjudeten: later Schneeberg, Mittelberg, 
Saaliwiefen 5. Landef umd im Gejenfe. 3 ift auch im der 


Be 


Alpenflora vertreten. Sm Gejenfe jteigt e3 in die Gebirgszugänge 
herab. Bisweilen zeigt es fich in einer etwas Fleineren Form, 
mit aufrechten Blüten, 3. B. Altvater, Brünnelhaide Auch ift 
es mit violettbrauner Blüte beobachtet worden. 

Schon auf dem later Schneeberge giebt die Pflanze in 
Gemeinjchaft mit Meum Mutellina, Viola lutea u. a. der 
dortigen Flora ein ganz eigenartiges Gepräge. Noch auffälliger 
aber wird dasjelbe im Gejenfe, wo fich unjere Glodenblume über 
weite Wiejenflächen ausbreitet. Die niclende Haltung ihrer Blüten- 
glocfen giebt ihr den Anfchein, alS ob fie von vergangenen Beiten 
träumte und der fernen Heimat gedächte, von wo aus fie vor 
undenflichen Seiten mit Umgehung der Weftjudeten hier ein- 
wanderte und two heut noch verjchiedene Familienangehörige weilen, 
jener Urheimat, wo die Eiszinnen in die Wolfen ragen, „mo Die 
Sennerin frohe Sodler fingt und der Säger fühn fein Sagdrohr 
ihmwingt“. Faft jcheint es, als ob fie uns zurufen wollte: 

„Siehjt du im Abend die Wolfen ziehn ? 

jtehjt dur die Spiben der Berge erglühn? 

mit ewwigem Schnee die Gipfel umglängt, 

mit grünenden Wäldern die Thäler umfränzt. 

Ach, in die Ferne 

jehnt fich mein Herz!“ (9. Kette.) 

Das Haarkleid ift für unjere Glodenblume ein fFräftiges 
Schußmittel. Außerdem gilt auch ihr die Blüten-Biologie der 
borigen. 


Vaccinium Oxycoceus L. (Ericaceen Endl. S. 22, 
VII. Kl.) Moosbeere. Tafel 30. Nr. 51. 


Stengel kriechend, fadenförmig. Blätter eiförmig bis 
eiförmig-länglich, am Grunde gestutzt, spitz, am Rande 
umgerollt, immergrün, lederartig, unterseits graugrün. 
Blüten zu 1-4, doldentraubig, am Ende vorjähriger 
Zweigtriebe, meist nickend, auf langen, roten, weich- 
haarigen Stielen. Kelchröhre mit dem Fruchtknoten 
verwachsen; Saum 4spaltig. Blumenkrone radförmig, 
dem Kelchsaum eingefügt, tief-4teilig, mit abstehend- 
zurückgeschlagenen Zipfeln. Staubgefäße 8, am Kelch- 
saum eingefügt. Fruchtknoten unterständig. Frucht 
eine kugelige, vom Kelchsaum gekrönte, 4fächerige 


— 10 — 


Beere. Rosapurpurn. Beere blutrot. Länge 10—40 cm. 
Mai— Juni; im Hochgebirge später 5. 

Bor uns breitet fich die Moorheide aus. „Soweit das Auge 
reicht, dehnt fich Leblos und Yautlos die dültere Fläche. Da fingt 
fein Vogel, grünt fein Baum. Hohl wie um Alpenfirnen brauft 
der Wind, und jelbjt der Himmel entrollt jeltener fein Leuchtendes 
Hlau. Kommt mit ihren Nebeln die Nacht, dann regt fich wohl 
die Brut der Sümpfe; aber fie regt fih wie im Traum: ein 
Unfenruf — ein Eulenjchrei — vom Schilf her der Klagelaut 
eine® Mooruhus — dann wieder öde3 Schweigen. Wohl möchte 
man fragen, ob die Dichter und das Volk Unrecht haben, wenn 
fie hierher ein Reich der Unholde und Dämonen verlegen. Und 
doch, würde man antworten müfjen, ijt es nicht bloß der Nimbus 
des Grauens, der das Moor umgiebt. Denn auch hier fommt 
der Frühling, Leben und Farben zu weden. Oft freilich ftarrt 
im Moor noc das Eis, wenn draußen längjt die Blüten um 
Strauh und Baum jchimmern. Aber unter dem Strahl der 
anjteigenden Sonne fprießt nur um fo eiliger das junge Grün 
und bald zeigt, an den Boden gefchmiegt, manch feines Kraut 
die rofigen Sträuße.” ?) 

Bezieht fich auch diefe Schilderung auf die Moorheide, welche 
im Norden Europas große Streden bededt und von welcher der 
Dichter fingt: 

„Kun jchleihen aus dem Wioore fühle Schauer 
und leije Nebel itber’3 Heideland; 


der Himmel ließ, nachjinnend feiner Trauer, 
die Sonne läfjig fallen aus der Hand.” — (Zenaıt.) 


jo beiteht doch zwilchen ihr und den Hochmooren des Ser- und 
Kiejengebirges, wie der Heufcheuer, der Seefelder und des Ge- 
lenfes viel VBerwandtes. Das ift der Standort unjeres Pflänz- 
chens, welches, vom Thale bis auf das Hochgebirge jteigend, neben 
verjchiedenen anderen Moorpflanzen mit feinen entzüdenden, pur- 
purnen Blüten die fahlen Sumpfmoospolfter jchmücdt. Das 
„Blümlein auf der Heide“ ift eine jo Tiebliche Erjcheinung, daß 
man verjucht wird, das Dichterwort auch auf fie zu beziehen: 

„Soviel der Mai auc) Bliimlein beut 

zu Trojt und Nırgenmeide, 

ich weiß nur eins, daS mich erfreut: 

das Blümlein auf der Heide.“ 

(9. dv. Fallersleben.) 


) 9. Maftus. Naturftudien. 


a 3 Li al 


E3 ijt auch in der Alpen- und Nordlandsflora vertreten. 

Geht auch durch die hochrote Färbung der Kronenblätter 
eine jehr verlodende Einladung an die bejtäubungspermittelnden 
Snieften, jo find doc Befuch und Genuß feineswegs jehr erleichtert. 
Bon den Staubgefäßen aus gehen Reufen und Gitter, die das 
Keftarium vor unberufenen und ungebetenen Gäften fräftig Ichügen. 
Durch die nickende Stellung der Blumen wird der Blütenjtaub 
vor eindringender Näffe bewahrt. Eine weitere Schubvorrichtung 
befigt unfjere Pflanze in der Einrollung der Blätter, wodurch die 
Spaltöffnungen, die bejonders auf der Unterjeite in größerer An- 
zahl vorhanden find, bei großer Trockenheit gegen zu rajche Ver- 
dunftung bewahrt werden. Gegen zu große Näfje jchüt der Wach3- 
überzug der Blätter. Für die Ernährung unferer Pflanze jorgt 
zum Teil ein Pilz, der feine Fäden in ihre Wurzel fenft und fie 
mit Eimeihftoff verjorgt. Doch erntet — wie in der befannten 
Fabel — der Wohlthäter nur Umdanf: er wird jamt der Gabe 
aufgezehrt. 

Zur Gattung Vaccinium gehören noch folgende, ebenfalls 
bis auf das Hochgebirge Hinaufiteigende Pflanzen: Blaubeere 
(V. Myrtillus L.), mit jcharffantigen Aten, gejägten Blättern 
und begrannten Staubbeuteln. Raujchbeere (V. uliginosum 
L.), mit ftielrunden Aften, ganzrandigen Blättern, Staubbeutel 
begrannt. PBreißelbeere (V. Vitis idaea L.), mit lederartigen, 
immergrünen Blättern und unbegrannten Staubbeuteln. 


Galium saxatile L. (Rubiaceen DC. S. 22, IV. Kl.) 
Felsen-Labkraut. (Stein-Labkraut.) Tafel 29. 
Nr. 52. 


Unfruchtbare Stengel niederliegend, ästig; blühende auf- 
strebend, fast 4kantig-geflügelt. Blattquirle meist zu 6. 
Blätter stachelspitzig, am Rande rauh; untere verkehrt- 
eiförmig, in genäherten Quirlen; obere länglich-lanzett- 
lich, vorn verbreitert. Krone 4spaltig, flach aus- 
gebreitet. Früchtchen nußartig, mit feinen Wärzchen. 
Weiß. Länge 15—30 cm. Juni—September }. 

Unfer Pflänzchen gehört zu einer ziemlich artenreichen Gattung, 
deren Angehörige vorzugsweile die Ebene und das Borgebirge 
betwohnen. Nur wenige jteigen mit ihm bis aufs Hochgebirge; 
einige geben ihm das Geleit bis in die Waldregion, io fie dauernd 


— 12 — 


von ihm Abjchied nehmen. Hier aber — auch jchon am Fuße 
des Gebirges — breitet e3 jich herdenweis aus. ES Liebt fteinige, 
furzrafige Pläße und ift im ganzen Sfer- und Niefengebirge an- 
zutreffen. Bisweilen überzieht e3 trodene Wege- und Waldränder 
mit jeinen Ddichtrafigen zierlichen Blattquirlen und feinen weißen 
Hlütenjternchen. ES ift wohl in einigen mitteldeutichen Gebirgen 
anzutreffen; doch jcheint es in der Alpen-, Oftjudeten- und Norod- 
landsflora nicht vertreten zu jein. 

Der Name Labfraut dürfte wohl davon herrühren, daß 
früher der Saft des echten Labfrauts (G. verum L.) zum 
Gerinnen der Milch als „Labmagen“ benußt wurde. Auch dieje 
Pflanze erjcheint in der altgermanischen Sage und war der Göttin 
Freia geweiht. Bei Einführung des Chriftentums wurde fie in 
ven Marienfultus aufgenommen. Damit fteht die auch Heute noch 
in einigen Gegenden gebräuchliche Bezeichnung „Liebfrauen Bett- 
itrod” im Zufammendhange. 

Bon den im Hochgebirge vorfommenden Arten jeien folgende 
erwähnt: Heide-Labfraut (G. silvestre Poll.var. sudeticum). 
Dihtrafig. Blätter meift zu 8. KL. Schneegrube, SKeffelfoppe, 
Kiesberg, Teufelsgärtchen, El. Teich, Gejenfe. Nordiiches Lab- 
fraut (G. boreale L.), mit dichtblütiger NRiipe. SKeffelgrube, 
Teufelsgärtchen, Nehhorn, Gejenfe. 


Linnaea borealis L. (Caprifoliaceen Juss. S. 22, 
XIV. Kl.) Nordische Linnäe. Tafel 28. Nr. 53. 


Niederliegendes Sträuchlein mit fadenförmigen, kriechen- 
den wurzelnden Stengeln. Blätter rundlich, gegen- 
ständig, vorn gekerbt, lederartig, zerstreut behaart. 
Blütenstiele achselständig, 2blütig; unter der Blüte 
2 Paar Vorblättchen, oberes mit der Frucht ver- 
wachsend. Blütenzweige und Kelche drüsig behaart. 
Kelchsaum Steilig, mit lanzettlichen, abfallenden 
Zipfeln. Krone röhrig, nach oben erweitert, mit fast 
gleichförmig-5spaltigem Saume. Staubgefäße 4: 2 län- 
gere und 2kürzere. Fruchtknoten 3fächerig. Beere 
saftlos, I1samig. Hellrosa, innen purpurn gestrichelt, 
angenehm nach Vanille duftend. Höhe 5—8 cm; 
Länge bis ?/, m. Juli— August }. 


— 113 — 


Hier tritt uns ein merfwürdiges Pflänzchen entgegen, das 
jeinen Namen zu Ehren des großen jchmwediichen Naturforichers 
Linne trägt. E3 it zwar in den Alpen und im hohen Norden 
feine jeltene Erjcheinung, hier aber im behandelten Gebiet nimmt 
es nur einen Standort ein und zwar in der El. Schneegrube.!) 

Hier hat es fich — dem Einfiedler gleich, von dem es heißt: 


„Die Sahre wie die Wolfen gehn, 
und lajjen mich hier einfam jtehn, 
die Welt hat mic) vergejjen“ — 


abgeichieden von aller Welt ein ftilles, vom Gejtrüpp des 
Knieholzes umgebenes Plätchen erwählt, wo e3, fern vom Touriften- 
tom, ein jtill vergnügtes Traumleben führt. ES „flieht der 
Brüder wilden NReih’n”, die da drüben auf vulfaniichem Boden, 
auf dem Bafaltgange, ihre Iuftigen Reigen aufführen und fich des 
Dajeins freuen. Faft fjcheint es, als ob es fich grollend von 
ihnen zurücdgezogen und, durch einen Duellzufluß der Kochel von 
ihnen getrennt, jede Verbindung abgebrochen habe. Und doch 
ind e3 die edelften und auserlejeniten Pflanzengeitalten, die auf 
den gegemüberliegenden Höhen thronen. Sa, vielleicht waren es 
gerade Dieje, mit denen unjer Pflänzchen in der Ferne, im Süden 
oder im Norden, auf den Alpen oder in Nord-Sfandinavien, eine 
gemeinjame Heimftätte bewohnte, die jte jchon vor Sahrtaufenden 
mit ihrem jegigen Standorte vertaufchten. 

Wollen wir unfer Vflänzchen näher kennen lernen, jo müffen 
wir uns von der Sohle der Fl. Schneegrube nach dem die beiden 
Schneegruben trennenden Örate wenden. Sobald wir den fchtwach 
betretenen Pfad gefunden haben, begrüßen uns zur Rechten die 
eriten Glöcdchen. Dort wenden wir uns Yinf3 und zwängen uns 
duch das Snieholzgeftrüpp Hindurch. Nach einigen Schritten be- 
treten wir eine nur wenige Quadratmeter umfaljende freie Fläche, 
two fich die Linnäe zum Teil unter Knieholz auf den MooSpolftern 
ausbreitet. 

Bei der ijolierten Lage waren bejondere Beranftaltungen 
nötig, die die Eriftenz des Pflänzchens ficherten. Zunächt dienten 
die Gejtaltung, die bejondere Färbung des Blütengrundes und 
der angenehme Duft als Lockmittel für die bejtäubungsvermittelnden 


1) Die Angaben anderer Standorte im ln Mittel-Sjerfamm, 
fl. Teich, Hiegenrücden — jind wohl nicht ganz verbürgt. 


3 


— EN 


Snieften. Während der drüfige Elebrige Kelch unjer Pflänzchen 
vor dem Auffriechen ungebetener Gäfte jchüst, dienen die Flebrigen 
Drüfenhaare, mit denen die die Frucht umjchließenden Dedblätter 
ausgeitattet find, zur Verbreitung de3 Samens. Da diejelbe durch 
Klebmittel erfolgt, Hat die Natur darauf verzichtet, die jamen- 
verbreitenden Bögel durch Färbung der Frucht anzuloden. Des- 
halb jieht die Beere noch im völligen Reifzuftande friich und 
grün aus. 


Myosotis silvatica Hoffm. Var. alpestris. (Bora- 
ginaceen Desv. S. 22, V. Kl.) Gebirgs-Ver- 
gissmeinnicht. Tafel 29. Nr. 54. 


Wurzelstock kriechend, mit blühenden und unfruchtbaren 
Stengeln. Pflanze rauhhaarig. Blätter länglich bis 
lanzettlich, untere spatelförmig, steif gewimpert. Stengel 
gedrungen, steif behaart. Kelch tief gespalten, nebst 
den Blütenstielen von dichten, anliegenden Haaren 
grauschimmernd; untere Haare bogig aufsteigend. 
Blüten in kurzer, gedrungener Traube. Krone groß, 
stieltellerförmig, mit kurzer Röhre, so lang als der 
Kelch; Saum flach. Fruchtstiele so lang oder länger 
als der Kelch. Nüßchen 3eckig-eiförmig. Dunkelblau. 
Höhe 5—15 cm. Juni—Juli }. 

Nachdem uns jchon in der Waldregion das viel bejungene 
Sumpf-Bergißmeinnicht verlaffen Hat — nur fehr vereinzelt 
zeigt es Sich noch im höheren Lagen —, begrüßt uns Hin umd 
wieder an waldigen PBläben da3 Wald-VBergikßmeinnidt; 
doch bald nimmt auch dies von uns Abichied. Um jo angenehmer 
werden wir am Bajalt der Fl. Schneegrube von dem Gebirgs- 
Bergißmeinnicht überrascht, welches al3 eine Abart der vorigen 
angejehen wird. Es ift nicht nur eine Tiebliche Erjcheinung, 
ondern auch eine würdige Vertreterin der gefeierten Blume. 


„Schimmernd wie de3 Ather Bläue, 
wenn ihn fein Gemwölk umflicht, 

iit e8 ein Symbol der Treue, 

das zum Herzen tröjtend Tpricht. 


„15 — 


Wenn der Trennung Zähren fliegen, 

folgjam dem Gebot der Pflicht, 

joll e8 deinem Pfad entjprießen, 

bittend: „Ach, vergiß mein nicht!“ (8. Mitdhler.) 

Unjer Plänzchen öffnet jeine großen, himmelblauen Augen 
ihon lange vorher, bevor der übrige Blumenflor fich entfaltet. 
E3 Yebt mitten unter den Pflanzen-Seltenheiten, ja, e3 ift jelbjt 
eine Seltenheit, denn es bewohnt im Gebiete nur den Bajaltgang. 
Doch ift dies wohl die urjprüngliche Heimat nicht. Db es von 
Nord oder Sid hier eingewandert ift — e3 fommt in den Alpen 
und auch in der Nordlandsflora vor —, dürfte jchwer zu ent- 
jcheiden jein. 

Bei den Kleinen, honigarmen Myofotisarten, die nicht hin- 
reichend von Sniekten bejucht werden, ijt die Fremdbeitäubung 
ausgejchloffen. Nur bei den größeren Arten, zu denen auch die 
unfvige gehört, findet, durch die auffällige Farbe der Blüten, 
durch das gelbe Saftmal und den angenehmen Duft angelodt, 
ein regerer Anfektenbejuch ftatt, wodurch eine wirffame Kreuzung 
zuftande kommt. Doch ift der Schlund der Blütenröhre durch 
5 Hohlichuppen gejchloffen, wodurch nur geeigneten Bejtäubungs- 
vermittlern der Zugang gejtattet ift. 


Trientalis europaea L. (Primulaceen Vent. S. 22, 
VII. Kl.) Siebenstern. Tafel 29. Nr. 55. 


Wurzelstock dünn, kriechend, bisweilen knotig verdickt. 
Stengel einfach, am Grunde mit kleinen Niederblättern. 
Blätter an der Spitze eine Rosette bildend, sehr un- 
gleich, kurz gestielt, mit deutlichem Adernetz; untere 
verkehrt-eiförmig, stumpflich; obere lanzettlich, spitz- 
lich. Aus den Blattachseln 1—2 langgestielte Blüten. 
Kelch 5—S$teilig, mit linealen Zipfeln. Krone mit 
kurzer Röhre, radförmig, 5—8teilig. Staubgefäße 7, 
dem Grunde der Blumenkrone entspringend. Kapsel 
kugelig, mit zurückgerollten Klappen. Weiß, bisweilen 
rötlich. Höhe 10—20 cm. Juni }. 

Unjer Pflänzchen, welches in der Ebene jchon in den erjten 
Frühlingstagen jein Köpfchen vom winterlichen Schlafe erhebt, 
ift Zeim ausichließliches Hochgebirgsfind. Denn e3 jteigt vom 
Thale bis auf die Kuppen und Kämme. Sm dem höheren Ge- 

8*+ 


ae 


birgslagen ijt eS überall anzutreffen. E3 zeigt fi Häufig an 
den Tourifteniwegen, auch breitet es feine Blütenfterne gern auf 
Bergmwiejen und an jonnigen Waldrändern aus; am Tiebjten aber 
bervohnt e3 torfige, moorige Pläte. Hier trägt e3 meijt roja- 
farbene, fein zugejpigte Kronenblätter, die am Grunde eine gelbe 
Färbung haben. 8 ift dies das Iodende Saftmal für die be- 
ftäubungsvermittelnden Snjeften. Ohne diefe wäre eine Be- 
fruchtung vollftändig ausgejchloffen; denn der Blütenjtaub, welcher 
durch Snjekten von Blume zu Blume getragen werden muß, ent- 
twicfelt fich ipäter al3 die Narbe. Wie der Name bejagt, neigt 
unjere Pflanze zur Siebenteilung. Sie ift im Gebiet die einzige 
Vertreterin der 7. Klaffe des Linneichen Pflanzen- Syitem2. 
Yuh die Bezeichnung „europaea“ ijt vollitändig begründet. 
Denn die Pflanze ift in Nord und Süd verbreitet. E3 ift ein 
zierliches Kind der Frühlingsflora, welches bejonders in den 
höheren Gebirgälagen durch feine zarte, rofafarbene Blüte den 
Blik des Wanderer auf fich Left. 

„Ach, wenn die Blumen fingen fünnten 

mit ihrem Eleinen Rojenmund, 

fie thäten allen Elementen 

de3 Frühlingd Wonnen jingend fund; 

durh Hain und Fluren wird’ erglühen 

ein seuermeer der Melodie; — 

doh Blumen fünnen nichts al3 blühen, 

und jingen muß der Menjch für jte!” 

(8. dv. Holtei.) 


Primula minima L. (Primulaceen Vent. S. 22, 
V. Kl.) Habmichlieb. Tafel 30. Nr. 56. 


Wurzelstock kriechend, verzweigt. Blätter eine Rosette 
bildend, keilförmig, vorn gestutzt und sägezähnig, 
dicklich, fast kahl, in der Jugend einwärts gerollt, 
dann flach, glatt. Schaft 1—2blütig. Kelch röhren- 
förmig, feindrüsig, mit 5 stumpfen Zipfeln, kantenlos. 
Blüte 5zählig. Blumenkrone stieltellerförmig, mit nach 
unten verengerter Röhre; Zipfel '/, 2spaltig. Kapsel 
rundlich. Samen zahlreich. Hellpurpurn, seltener lila 
oder weiß. Höhe 1—3 cm. Mai—Juni, vereinzelt 
auch im Herbst 1. 

Schon der Name „Habmichlieb”, welcher der finnigen Auf- 
fafjung des Gebirgsbewohners entiprungen, nochmehr aber Die 


— 117 — 


verjchiedenen, unjerem Blümchen geltenden dichteriichen Ergüfie 
befunden, daß wir eS hier mit einem hochpoetifchen Finde der 
Gebirgsflora zu thun haben. Wenn Hoffmann dv. Fallersleben fingt: 

„ab uns nach der Koppe jteigen, 

nun der Frühling ift erwacht, 

will dir dort ein Blümchen zeigen, 

was dir froh entgegen ladıt. 

Was mein Herz noch nie gewagt, 

dir das liebe Blümchen jagt. 

Wie’3 aus ödem Felsgejiteine 

swifchen MooS und Gräjern jprießt 

und am warmen Sonnenjcheine 

jeinen roj’gen Kelch erjfchließt.” — 


jo hat er damit die Hauptcharafterzüge des Pflänzchens trefflich 
gezeichnet. &3 erjcheint in Gemeinschaft mit dem Teufelöbarte 
unmittelbar nach der Schneejchmelze und überzieht, oft große 
Nafen bildend, die öden, fahlen Flächen um die Schneegruben, 
die Elb- und Bantjchewieje, an der Kefjelfoppe, an den Teichen, 
auf der Schneefoppe ujtw. mit dem herrlichiten, frifcheften Roja, 
das fich von jeiner noch toten Umgebung prächtig abhebt und 
weithin bemerkbar macht. Seine derben, faft lederartigen Blätter 
faffen vermuten, daß e3 durch einen Wachsüberzug deren Spalt- 
Öffnungen gegen den in diefer Höhenlage reichlich fallenden Regen 
wirffam zu jchügen jucht. Um bei der Blütenbefruchtung durch) 
Smfeften nur geeigneten Bejtäubungsvermittlern den HZutritt zu 
gejtatten, find haarfürmige Schußgebilde angebracht, welche den 
trichterförmigen Zugang zum Blütengrunde verjtopfen. 3 ge- 
währt einen entzücenden Anblik, wenn unmittelbar neben dem 
Schneefelde fich die fteilen Wände in den Schneegruben, am 
Elbgrundrande und jonft mit unfjerm Blümchen jchmüden und 
die überhängenden Felfen dichtbejegte purpurfarbene Blumenpofliter 
tragen. Unjer PBflänzchen ift auch in den Alpen heimijch, von 
wo aus e3 wahrjcheinlich hier eingewandert ift, fehlt aber in den 
öftlichen Swdeten und in der Nordlandsfliora. Zur Gattung 
Primula gehören noch: der gebräuchliche Himmelsichlüfjel 
(P. officinalis Jacq.), dichthaarig, mit aufgeblajenem Kelch und 
beeenförmig vertieftem Saum der goldgelben Blumenfrone. Der 
hohe Himmelsjichlüfjjel (P. elatior Jacq.), loder-haarig, mit 
flachem Saume der blaßgelben Blumenfrone. Kelch nicht aufge- 
blajen. Beide Pflanzen ziemlich reichhlütig. Während die erjtere 
fait nur der Ebene angehört, jteigt leßtere vom Borgebirge bis 


— IB — 


in die Schluchten des Hochgebirge. Wenn Gerhard Hauptmann 
in feiner „Berjunfenen Glode” mit den Worten 

„e. . . wonon fchon eines, wie ihr tifjen mitkt, 

den Himmel aufjchliegt.“ — 
auf die Deutung des Namens Himmelsjchlüfiel Hinweiit, jo 
giebt er der allgemeinen Anfchauung Ausdrud, daß die Pflanze 
als Eritling der Flora den Anbruch einer bejjeren Zeit verfündet 
und den Frühlingshimmel erichliegt. 

„Die Schlüfjelblume 


führt treu den Schlüfjel, der die Pforten öffnet 
zu neuen Frühlings jchönem Heiligtume.“ (U. Slafer.) 


Eine etwas profaischere Deutung jedoch Yeitet den Namen 
davon her, daß die Blüte mit einem altdeutichen Schlofje und 
bejonderd mit dem Schlüfjellochjchilde einige Ahnlichfeit habe. 


„Warum, mein Blümlein, heikt du Schlüfjelblume? 

Kannft du mir deinen eig’nen Namen deuten?“ 

„sch will’3 verjuchen“, jpricht es, „hau mic an! 

Sleicht meine Blüte felbjt nicht einem Schlüfjel? 

und nimmjt du mir die Krone, zeigt mein Selc) 

dir nicht ein Schlühchen famt dem Schlüfjelloch ? 

Die Krone ift dazu der hohle Schlüfjel, 

darauf des Schlojjes Stift gejchoben wird.” (E. Laufch.) 


Die Pflanze, die jchon bei den Völkern des Altertums in 
hohem Anfehen jtand, nahm früher im Bolfsglauben und in der 
Heilkunde eine hervorragende Stelle ein. Auch in der deutjchen 
Bolfsjage erjcheint fie und wird mit jenem Schlüffel in Ber- 
bindung gebracht, der die geheimen Schäge erjchließt. Anklänge 
hiervon finden fich auch in der Abendburgjage.!) Kann auch 
unfer Bflänzchen Habmichlieb auf eine jolh’ ruhmvolle Vergangen- 
heit nicht zurüdbliden, jo fann ihm aber eins nicht abgefprochen 
werden: E3 ijt das anmutigjte und Tieblichjte Kind der Hoch- 
gebirgöflora, welches auch der Niejengebirgsperein — der deutjche 
wie der öfterreichiiche — zu feinem Vereinsabzeichen erwählt hat. 

„Zief unten im Berge, im jeyimmernden Saal, 
bei goldenen Schägen da thront Aübezahl; 
hier oben, wo flatternd die Windesbraut tanzt, 
blüh’n jeltene Blumen, die er hat gepflanzt. 
Doc vor allen lieb’ ich den Herzensdieb, 
unjer Eleine® Blümchen Habmichlieb. 


') Winkler. Schreiberhau, feine Gejchichte, Natur und Beihreibung. 


— 19 — 


E3 jchmiegt fich jo treu an das falte Gejtein 
und Schmücdet die Kuppen mit purpurnem Schein 
und begrüßet den Wandrer, der müde und matt 
dem Ziele des mutigen Strebens 1 naht. 
Du fein Blümelein, ziere den Berein; 
du follit unjer Schmud und Sinnbild jein!” 
(Ih. Donat.) 


Androsace obtusifolia All. (Primulaceen Vent. 


S. 22, V. Kl.) Stumpfblättriger Mannsschild. 
Aatel 32. NI.50 


Wurzelstock kriechend, verzweigt. Grundblätter rosetten- 
förmig, ganzrandig, lanzettlich, gewimpert, sonst fast 
kahl. Hüllblätter lineal-lanzettlich, etwas kürzer als 
die Blütenstiele. Kelch 5spaltig, halb so lang als die 
Krone, mit breit-lanzettlichen Zähnen. Schaft 3- bis 
5blütig, nebst dem Kelche sternhaarig. Krone stiel- 
tellerförmig, 5teilig, mit gelber, oben eingeschnürter 
Röhre und 5 Hohlschuppen am Grunde. Kapsel 
kugelförmig. Rötlich-weiß. Höhe 4—10 cm. Juni *. 

Hier tritt uns eine feltene Hochgebirgspflanze entgegen, die 
im Gebiete nur einen einzigen Standort inne hat, den Bajalt 
der El. Schneegrube. Sie bewohnt außerdem mit verjchiedenen 
anderen reichblütigen Arten derjelben Gattung die Alpen, von 
wo aus fie hier eingewandert ift; in der Nordlandsflora aber ift 
fie nicht vertreten. 

Wer unjer Pflänzchen nicht fennt, geht achtlos an ihm vor- 
über; denn flein ijt jeine Geftalt und unanjehnlich jeine Blüte. 
E3 eröffnet mit Habmichlieb, Teufelsbart und Anemone den 
Frühlingsreigen in der Schneegrube und überzieht herdenmweis das 
dunfelgraue Bajaltgeröll. Seine rötlichen zierlichen Blüten er- 
ichließen fich fait gleichzeitig mit dem Gebirgs -Bergißmeinnicht; 
nur ift feine Blütezeit von fürzerer Dauer. E3 ift zu bejcheiden, 
um in einen Wettbewerb mit dem übrigen Blumenflor einzutreten. 
Schüchtern tritt eS zurüd, wenn die mit Blätter» und Blüten- 
ichmud reicher ausgeftatteten Fräftigen Gejtalten auf dem Plane 
ericheinen. ES wartet nicht, bis 

die duftenden Kräuter auf der Au, 

die Halm’ im frischen Morgentau, 

die Bäum’ im grünen Stleide, 

ein jedes ruft: „sch jeheide!“ (9. d. Salleräleben.) 


— 10 — 


Wenn der Tourijtenzug hoch oben am Schneegrubenrande 
Yärmend vorüberzieht und einige Abenteurer in die Tiefe der 
Gruben jendet, hat das Pflänzchen fein bejcheidenes Blütenfleid 
bereit3 abgejtreift, und auch der Botaniker findet faum noch ein 
veripätetes Blümchen an der jteilen Felswand. Die grünen 
Blattrofetten mit den fahlen Fruchtitengeln find wohl noch vor- 
handen, aber jte haben fich Yängjt jchon, um vor Nachitellungen 
gefichert zu fein, im sprofjfenden Grün verftedt oder unter das 
ihüsende Blätterdah der Sommerflora geflüchtet. Bei dem 
zeitigen Erwachen unjeres Pflänzchens und jeiner furzen Lebens- 
dauer fann die Zahl der Bejtäubungsvermittler nur eine jehr be- 
Ichränfte fein. Der Nektar, welcher den bejtäubungsvermittelnden 
Snjeften dargeboten wird, befindet fich im Grunde der Furzen, 
engen Blütenröhre. Die am Schlunde angebrachten 5 Hohlichuppen 
gejtatten nur geeigneten Sniekten Zutritt; doch bildet die gelbe 
Färbung ein lodendes Saftmal. 


Sweertia perennis L. (Gentianaceen Juss. S. 22, 
V.K1.) Ausdauernde Sweertie. (Sumpf-Enzian.) 
Tafel’31. Nr. 52. 


Wurzelstock kriechend, mit zahlreichen Fasern. Pflanze 
kahl. Stengel meist aufsteigend, einfach, stielrund, 
oberwärts nebst den Blütenstielen geflügelt - Akantig, 
armblättrig. Blätter abwechselnd, ganzrandig, nervig; 
untere elliptisch, gestielt, in den Blattstiel verlaufend; 
obere länglich - lanzettlich, sitzend. Blüten in end- 
ständiger Traube. Kelch tief- 5teilig; Zipfel schmal 
lineal - pfriemförmig. Krone radförmig, Steilig, mit 
lanzettlichen Zipfeln und flachem Saum. Am Grunde 
jedes Zipfels 2 gewimperte Honiggruben. Staubgefäße3. 
Kapsel 1fächerig. Stahlblau, dunkler gestrichelt und 
punktiert, am Grunde grünlich. Höhe 10-—-20 cm. 
Juli— August 4. 

Bei feiner anderen Gebirgspflanze wird jo oft nad „Stand 
und Namen“ gefragt wie bei diefer. Dazu aber fann weder die 
üppige Geftalt, noch der Blätter- und Blütenihmud VBeranlafjung 
geben. Denn e3 ift nur eine mäßig große Pflanze mit wenig 
Blättern und Blüten. Aber die Farbe der legteren weicht von 


— 121 — 


allen Blütenfarben jo mejentlih ab, daß die Pflanze jofort die 
Aufmerfjamkeit de3 Wanderers erregt. Sie ift eine Sumpfpflange, 
die fich aber auch gern an Bachrändern und quelligen Stellen 
zeigt: Buchberg (Siergeb.), alte jchlef. Baude, Kefjelfoppe, Schnee- 
gruben, Prinz Heinrich-Baude, Teiche, Elbfall, Krfonoih, Elb-, 
Pantjche- und weiße Wieje, Teufelsgärtchen, Gründe ujm., Ge- 
jenfe, Alpen. Sm der Nordlandsflora it fie nicht vertreten. 
Schon durch die auffallende Färbung der Blumenfrone, noch mehr 
aber durch die am Grunde befindliche Zeichnung werden die be- 
ftäubungsvermittelnden Injeften angelodt. Der füße Genuß aber 
ilt einigermaßen erjchwert; denn der Nektar ruht in 2 franfig- 
getvimmperten Honiggruben, die, einem Käfig ähnlich, von Reufen 
überdedt find. Demnach wird der Bejuch nur leiftungsfähigen 
Snieften gejtattet, die auch ein gemwifjes Hindernis zu überwinden 
vermögen. Um die Windverbreitung der Früchte möglichjt zu 
fürdern, ift der flachgedrücdte Samen mit einem häutigen Rande 
ausgeftattet. 


Gentiana aseclepiadea L. (Gentianaceen Juss. 
S. 22, V. Kl.) Gebirgs -Enzian. (Würger- 
Baizıan,) Tafel 32, :Nr. 59 


Wurzelstock vielköpfig -ästig, mit starker Hauptwurzel 
und endständigem, einfachen, oben reichblättrigen 
Stengel. Blätter aus eiförmigem, breiten Grunde 
lanzettlich, langzugespitzt, 5--7 nervig. Blüten einzeln, 
sehr kurz gestielt, gegenständig, in den Blattachseln, 
ohne Vorblätter. Kelch langwalzig, gestutzt, mit 
schmalen, 3—5 mal kürzeren Zipfeln. Blumenkrone 
langkeulenförmig, 5spaltig, mit zugespitzten Zipfeln. 
Schlund kahl. Staubgefäße 5. Griffel fehlend. Kapsel 
lfächerig. Azurblau, mit punktiertem Schlunde, selten 
weiß. Höhe !/,—1 m. August— September *. 

Wenn fich der Touriftenihwarm anjchidt, unjere Berge zu 
verlaffen und die jugendlichen Scharen, der Schulglocde folgend, 
wieder heimtmärt3 ziehen, wenn in der Ebene „jchtwer herein 
ichwanft der Wagen, fornbeladen“, und auf den Hochgebirgs- 
fammen Floras Kinder ihre Köpfchen zum langen Schlafe neigen: 
dann glättet Gentiana ihr grünes Blätterfleid und jchmückt ihre 


— 12 — 


Blumenfrone mit des Himmels Bläue. Sowie Habmidhlieb 
und Teufelsbart im Frühling den Blumenreigen eröffnen und 
mit ihren Blüten die Wanderer Shmüden, jo jchließt ihn Gentiana 
beim Herannahen des Herbites, indem auch fie dem Bejucher ein 
Erinnerungs-Sträußchen darreiht. Um diejfe Zeit dürfte es auf 
dem Gebirge wohl faum eine Gajtjtätte geben, auf deren Tafel 
nicht ein Gentiana - Strauß prangte. E3 ift aber auch eine 
herrliche Pilanze, die nach Plinius ihren Namen von dem illy- 
riichen Könige Gentius, der fie al3 Heilmittel gegen die Peit 
anwandte, erhalten haben joll. Der Beiname „asclepiadea“ 
weilt auf Asflepios oder U Sfulap Hin, der als Gott der 
Heilkunde (1200 vd. Chr.) verehrt wurde und der die Heil- 
kraft Ddiejer Pflanze entdeckt Haben joll. Shr Heimatland, von 
wo aus die Einwanderung hier wohl erfolgt jein dürfte, find die 
Alpen. Dort gedeihen die verjchiedenen, zahlreichen ©entiana- 
und Primula = Arten!) am beiten. Unfjere Pflanze ftand früher 
bejonder3 wegen des in der Wurzel enthaltenen Bitterjtoffes als 
Heilmittel bei Magenfrankheiten und Berdauungsitörungen — 
auch als Wundmittel — in hohem Anfehen. Sie jcheint für 
da Sonnenlicht eine große Empfindlichkeit zu befiten. An 
ichattigen Plägen find die Blätter genau gegenjtändig gejtellt 
und fehren, um möglichjt viel Licht zu genießen, die ganze Blatt- 
breite der Sonne zu. Auf freien Standorten dagegen jtehen die 
Hlätter meist wechjelitändig, mehr aufrecht. Die ftärfere Ein- 
wirfung des SonnenlichtS giebt jich hier durch intenfivere Färbung 
der Blüten fund. Diefe gehören zu demjenigen reife von 
Pflanzen, deren Befruchtungsorgane fi nicht gleichzeitig ent- 
wideln. So hat hier eine Entleerung der Staubgefäße jchon 
Itattgefunden, ehe die Narben empfängnisfähig waren. Die gloden- 
fürmige Blumenfrone gejtattet nur den Hummeln Zutritt, um 
die Bejtäubung auszuführen. Unfer Enzian jteigt vom Sier- 
gebirge (Sjerfamm, Buchberg, Tafelfichte, Heufuder und jonft.) 
bi8 auf die Kämme des Niejengebirges, wo er fich fat überall 
in großer Menge ausbreitet. In den Dftjudeten und in der 
Nordlandsflora ift er nicht vertreten. Bon den verjchiedenen, zur 
Gattung Gentiana zählenden Arten gehören dem Gebiete an: 
Bunftierter Enzian (G. punctata L.), mit gelber Blumen- 


ı) Im „Atlas der Alpenflora” find 21 Gentiana= und 13 Primula- 
Arten enthalten. 


— 13 — 


frone; Gejenfe. Frühlings -Enzian (G. verna L.). Be- 
ichreibung nachitehend. Feld- Enzian (G. campestris L.), 
mit länglich-lanzettlichen Blättern und hHell-violetter Blüte. Bom 
Borgebirge bi in die Schluchten des Hochgebirges: KL. Schnee- 
grube, Rehhorn, Gejenfe. 

Daß einige Gentiana-Arten, bejonderd die mit auffälliger 
Blütenfülle ausgeitatteten, in Sage und Bolföglauben hervor- 
getreten find, bedarf wohl nur einer Furzen Erwähnung. 


„Senn in Schluchten und auf Höhen 
Sloras Kinder gehn zur Ruh, 

und vom Riejenfamme wehen 

uns die legten Grüße zu: 


Offnen ji) auf Berges Halde, 
an der Quelle hell und Elar, 
an des Giekbadhs Silberwelle, 
blaue Augen treu und wahr. 


Gentianas holdes Niden 
lodte mic) zum trauten Ort, 
und aus ihren treuen Blicen 
la8 ich diejes hehre Wort: 


„Zreu’ um Treue” — dies befunde! — 
find die Deutung meines Blids; 

Treue, Liebe, feit im Bunde 

find da3 Unterpfand de3 Glitd8.” 


Gentiana verna L. (Gentianaceen Juss. S. 22, 
V. Kl.) Frühlings-Enzian. Tafel 31. Nr. 60. 


Wurzelstock dünn, ästig, mit Niederblättchen und an 
der Spitze mit Blattrosetten. Stengel rasenartig, 1 blütig. 
Blätter elliptisch oder länglich-lanzettlich; untere spatel- 
förmig. Kelch röhrenförmig, flügelkantig, mit lanzett- 
lichen Zähnen. Blumenkrone cylindrisch, 5spaltig, 
zwischen den Zipfeln mit kleinen Anhängseln; Schlund 
kahl. Tiefblau. Höhe 5—10 cm. Juni—Juli *. 


Unfer Pflänzchen, das in Süddeutichland und bejonders in 
den Alpen ziemlich häufig anzutreffen ift, gehört den öftlichen 


N. 


Hochjudeten an. Aus jeinen blauen Augen, die an die herrlichen 
Gentianagejtalten der Alpen erinnern, jpricht das Verlangen: 


„oft durch die jtille Seele fchwinget 
ein Ton jo fremd, und jo befannt, 
der Sehnjucht Alphorn ijt’3, das Elinget 
aus meiner Jugend Hirtenland.“ 
(U. Meihner.) 


Es ift eine Tiebliche, aber im behandelten Gebiete feltene Er- 
Iheinung. Unter den in Schlefien vorkommenden Arten ift es 
vie Heinfte und zierlichjtee Sie bewohnt nur einzelne Stellen 
im Gejenfe: Brünnelhaide, Mitteloppaquelle, Beterftein, gr. Keifel, 
hohe Haide. Hier Liebt fie quellige Stellen und grafige Abhänge. 
Doch Fommt fie wohl nirgends in größerer Anzahl vor. Gie 
ericheint beinahe ebenjo jparjam wie der gelbblühende, punftierte 
Enzian (G. punctata L.), der ebenfalls nur im Gejenfe anzu- 
treffen it. So verichieden die Blüten in betreff ihrer Färbung 
ind, joviel Verwandtes und Ülbereinftimmendes fcheinen fie in 
Bau und Geitaltung zu befigen. Doch treten bei genauerer Be- 
obachtung gerade Hier jo mwejentliche Unterfchiede hervor, daß bei 
dem wichtigjten Ereignis im Pflanzenleben, beim Befruchtungs- 
aft, fait jede Art ihren eigenen Weg geht. Während eine Art 
mehr der Freizügigkeit Huldigt und einen gemijchten Bejucherfreis 
von Bejtäubungsvermittlern empfängt, beichränft eine andere dieje 
Bejucher auf eine auserlejene Gejellfchaft. Eine dritte Gruppe 
verichließt, nur ganz bejtimmten Gäften den Zutritt geftattend, 
ven Eingang mit einem Gitter. Cine vierte Gruppe endlich, zu 
der auch unfer Pflänzchen gehört, bedient fich gar eines Vorlege- 
ihlofjes und verjchließt die enge, lange Blütenröhre durch Die 
iheibenförmige Narbe derartig, dag nur langrüffelige Schmetter- 
linge den Neftar erreichen können. Daß bei dem Beftäubungsafte 
die Farbenpracht der Blumen und auch der Saftmale eine hervor- 
vagende Rolle jpielt, bedarf kaum eines Nachweijes. Sedenfalls 
übt die tiefblaue Färbung, die bei den Gentiana-Arten vor- 
herrichend ift, auf die Blumenbejucher eine große Anziehungskraft 
aus. — Unfer Pflänzchen gehört zu den Kindern Floras, die im 
Hochgebirge die Frühlingswonne verfündigen. 

„Mit Himmelblau gejchmücket 

blüht Frühlings-Enzian, 

der Aug’ und Herz entziicet 

auf grünem Wiejenplan.“ (9. Kritit.) 


— 125 — 


Veronica bellidioides L. (Scrophulariaceen R.Br. 
S. 22, II. K1.) Mafsliebehenartiger Ehrenpreis. 
(Kleiner Ehrenpreis.) Tafel 31. Nr. 61. 


Wurzelstock kriechend. Pflanze dicht-rauhhaarig, ober- 
wärts drüsig. Stengel aufsteigend, kräftig. Blätter 
verkehrt-eiförmig, derb gekerbt, untere größer, in den 
Blattstiel verschmälert, rosettenförmig, obere sitzend, 
in 2—4 Paaren. Blüten in kurzer, gedrungener Traube. 
Kelch 4teilig. Krone radförmig mit 4teiligem Saume 
und kurzer Röhre. Kapsel gedunsen, eiförmig, schwach- 
ausgerandet. Himmelblau. Höhe 5—15 cm. Juni bis 
Juli 4. 

„Könnt ich hinjtürmen und bäumen 
wie du, Bergfrühlings Flut! 
Ach, jo mide und winterlich lange 


hab’ ich gerurht. (Karl Hanptmann.) 


E3 war zur jchönen Frühlingszeit, alS wir der „Riefenhöh“, 
unjerer Schneefoppe, einen Bejuch abjtatteten. Nachdem das Yuge 
lange genug in die Nähe und Ferne gejpäht, fiel der Bi auch 
auf unjere nächite Umgebung. Wohl Hatten uns Teufelsbart und 
Habmichlieb jchon begrüßt. Bor uns aber zeigte fich noch feine 
Spur des erwachenden Lebens, und fahl und nact jtarrten die 
zerflürfteten Felsblöde in die Tiefe des Riefengrundes. Aber ivas 
it das? — rufen wir freudig überrajcht aus. Zu unjeren Füßen, 
zwijchen dem toten Gejitein, breitet fich eine friiche, grüne Blatt- 
rojette aus, auf welcher jich ein jtarfer Stengel mit azurfarbener 
Blütentraube erhebt. Das ift unjer Ehrenpreis. Wenn wir Die 
Gegenjäge zwijchen der jtarren Umgebung und der Lieblichkeit der 
Erjcheinung ins Auge fafien, möchten wir auch jagen: 

„Bo da3 Strenge mit dem Harten, 
wo Starfes jih und Milde paarten.“ 

Unjer Bflänzchen bewohnt nur den Koppenfegel und den 
gr. Reifel des Gejenfes, ijt aber an beiden Stellen nur jehr jpär- 
fi anzutreffen. Auf der Schneefoppe wird es durch die zahl- 
reichen Bejucher an Pfingften, um welche Zeit e8 im vollen Flor 
jteht, vielfach als Schmud mit hinmweggenommen. &3 verdient 
deshalb alle Anerkennung, daß der Soppenwirt bemüht ift, 
Exemplare aus Samen zu ziehen, um das Pflänzchen der Koppe 
zu erhalten. Sn den Alpen, von wo e3 hier eingetwandert ift, 


— 7 — 


fommt ce Häufig vor; dagegen fehlt e$ in der Nordlandsflora. 
Bildet die Blumenhülle duch ihre Hinmelblaue Färbung für 
Sekten auch eine jehr wirffame Lodblüte, jo fan aber auch 
nicht geleugnet werden, daß der Honiggenuß einigermaßen erjchwert 
it. Um nur geeigneten Bejuchern den Zutritt zu geftatten, tft 
das Neftarium mit Reufen und Gittern verjehen. Unfer Pflänz- 
chen gehört einer ziemlich artenreichen Gattung an, deren Glieder 
faft durchweg die Ebene bewohnen. Bis auf die Hochgebirgs- 
region jteigt der Gebirg3-Ehrenpreis (V. alpina L.), mit 
eirunden Blättern und violettblauer armblütiger Traube. Um 
die Wiejenbaude, am Fl. Teiche. Die übrigen Standorte fehr 
zweifelhaft. 


Pedicularis sudetieca Willd. (Scrophulariaceen 
R.Br. S. 22, XIV. Kl.) Sudeten-Läusekraut. 
Tatel 33 + Nlr62; 


Wurzelstock mehrköpfig, mit zahlreichen, fiederspaltigen 
Grundblättern. Stengel aufrecht, einfach, über der 
Mitte mit wenigen Blättern. Blüten in dichter Traube, 
nebst den Blattstielen und Kelchen zottig. Kelch 
Sspaltig, bauchig; Abschnitte lanzettlich, klein-gesägt. 
Oberlippe der Krone sichelförmig gebogen, mit 2 drei- 
eckigen Zähnen. Unterlippe mit 2 vorspringenden 
Leisten. Kapsel eiförmig. Hellpurpurn. Höhe $ bis 
20 cm. Juni—Juli }. 

Hier tritt und eine der merfwürdigiten Hochgebirgspflanzen 
entgegen, die aber gerade feinen bejonders anjprechenden Namen 
führt. Es it wohl möglih, daß fie als ein Mittel gegen die 
Läufe der Haustiere gebraucht worden ift, und auf diefe Weife 
den wenig äfthetiichen Namen erhalten hat. Derjelbe aber läßt fich 
jeher wohl auch mit dem Standorte in Beziehung fegen. Denn 
unter „Läuferich” verjteht man eine fumpfige, moorige, jterile 
Fläche und dies ift der Standort unferer Pflanze: Teiche, Melzer- 
grube, Koppenplan, Seiffenlehne, weiße Wiefe, Brunnberg, Riefen- 
grund, Kiesberg, Aupafall, Mittagftein, Schneegruben, EIb- und 
Pantjcherwieje, Keffelfoppe, Krkonofch, Pudelbaude ujto., jcheint aber 
in der Dftjudetenflora nicht vertreten zu fein; ebenjo ift fie in 
den Alpen und Skandinavien nicht vorhanden, wohl aber im 


nordöftlichen Europa: Samojedenlande, Notwaja - Semlja uw. 
Demnach jcheint unjere Pflanze von Nordoiten her eingewandert 
zu jein. Was aber betvog fie, ihre nordische Heimat zu verlaffen ? 
Warum Ließ fie nicht da und dort Spuren ihrer weiten Wanderung 
zurüd? WUuf welche Weife und wann erfolgte ihre Einwanderung ? 
Welchem Gebote folgte die Pflanze? Welches Gefeb mies ihr 
gerade hier, fern von ihrer Heimat, neue Wohnfige an? 


„Sind das nicht tiefe Fragen 
der jehnenden Natur? 

Fuplft du dich nicht getragen 
von heil’ger Ahnung Spur? 


Hier juchen und nicht finden, 

das ijt das Rätjelwort; 

ein emwigesS Verbinden 

die jel’ge Löfung dort.“ (?) 


Die Pilanze führt auch den Namen Moorfönig; umd 
wahrlih, eine fünigfiche Geftalt ift e8, die vor uns aus dem 
Moorgrunde auftaucht. Das Bild ift ein ganz eigenartiges: vor 
uns breitet fich die öde, von Knieholzrojetten eingefaßte Moor- 
fläche aus, die vorherrichend graugrüne Seggen birgt. Aus den 
braunen Wafjertümpeln jteigen grünberafte Köpfe auf, deren 
Scheitel mit der rafigen Simje bededt ift. Plöglich ändert fich 
das Begetationsbild. EI zeigt fich unjere Pflanze, mit ihrem 
freudig-grünen Blätterjchmude und der Hellpurpurnen Blütentraube, 
und verichtwunden ijt das düftere, einförmige Ausjehen. Die 
Moorlandichaft erhält ein Lebensfriiches, freundliches Gepräge. 

Bei unjerer Pflanze, die durch die Hochrote Färbung der 
Hlütenblätter die njeften anlodt, treten jehr fomplizierte Be- 
täubungsvorrichtungen in Wirfjantkeit, die nur den langrüfjeligen 
Bejuchern den Zutritt gejtatten. Die Pflanze gehört zu den 
Schmarogergewächien, die neben eigener Ernährung durch bejondere 
Saugwurzeln anderen Pflanzen gewifje Nährjtoffe entziehen. 

Zur Gattung Pedicularis gehören noch folgende beide 
Arten, von denen aber nur die erjtere bisweilen über die Wald- 
region hinauffteigt: Wald-Läufefraut (P. silvatica L.), mit 
5fantigem Kelch, und Sumpf-Läufefraut (P. palustris L.), 
mit 10—15fantigem Kelch. Bei beiden Pflanzen find die Grund- 
blätter zur Blütezeit meift jchon vertrocnet. 


— 12383 — 


Aleetorelophus alpinus Greke. (Scrophulariaceen 
R. Br. S. 22, XIV. Kl.) Gebirgs - Klapper. 
Tafel 34. Nr. 63. 


Stengel meist einfach. Blätter länglich oder länglich- 
lanzettlich, stumpf gekerbt-gesägt, runzelig, mit etwas 
stengelumfassendem Grunde sitzend. Deckblätter breit- 
lanzettlich am Grunde mit 3 eckig-lanzettlichen zu- 
gespitzten Zähnen. Kelch aufgeblasen, 4zähnig, zu- 
sammengedrückt, Saum verengt-4zähnig, nebst den 
Deckblättern schwarzgestrichelt und -punktiert. Krone 
mit zusammengedrückter, abgestumpfter 2zähniger 
Oberlippe. Diese über der kurzen Röhre stark auf- 
wärts gekrümmt. Unterlippe nach unten abstehend, 
mit gekerbten, violettblau gefärbten Lappen. Staub- 
beutel grannenlos, zottig. Frucht eine rundliche, zu- 
sammengedrückte, 2fächerige Kapsel. Hellgelb, Zähne 
violett. Höhe 10--20 cm. Juli— August ©. 


Beim Anblid unjerer Pflanze glauben wir ein Kind der 
Ebene vor uns zu haben, das der Landmann nicht mit bejonderer 
Freude begrüßt; denn e8 zeigt fich bisweilen unter Getreide als 
läftiges Unkraut. Bei genauerer Betrachtung aber merfen mir, 
daß unjer Hochgebirgsfind — neben anderen abweichenden Merf- 
malen — auf Dedblättern und Kelchen jchtwarze Striche und 
Bunfte befitt. Dieje jomohl, al3 auch die Färbung der Blumen- 
frone, der Zähne und der Unterfippe dienen al3 Lodmittel für 
Ssnieften. Unjere Pflanze, die wohl in der Alpen-, aber nicht in 
ver Nordlandsflora vertreten ift, Liebt grafige Lehnen und beivohnt 
gern die um die Gebirgsbauden gelegenen Wiefen: Elb-, Bantjche- 
und weiße Wieje, Kejjelfoppe, Kıfonoih, Schneegruben, Teiche, 
Gründe ufmw., Glaber Schneeberg und Gejenfe. Sm der Nord- 
landsflora ift jie nicht vertreten. Bon der hefmförmigen, al3 Schub- 
dach dienenden Oberlippe der Blüte führt ein enger Zugang, der mit 
2 blauen Läppchen als Saftmal gejchmüct ift, nach dem Nektar, der 
nur durch den Schmetterlingsrifjel erreichbar ift. Deshalb zählt 
die Pflanze zu den Falterblumen; außerdem aber, bezüglich ihrer 
Ernährung, zu den Schmarogergewächlen, injofern fie neben 
eigenen Ernährungswurzeln noch Saugmwurzeln befigt, durch melche 
fie anderen Pflanzen einen Teil der Nährftoffe entzieht. Der 
Same it häufig geflügelt, wodurch die Verbreitung mittels des 


— 129 — 


Windes begünjtigt wird. Zu unjerer Gattung gehören noch 
mehrere Arten, die aber durchweg der Ebene angehören und faum 
über das Borgebirge hinaufjteigen. Der Name Klapper oder 
Klappertopf rührt davon her, daß der reife Samen im ge- 
trocneten Kelche beim Schütteln Elappert. 


Bartschia alpina L. (Scrophulariaceen R. Br. S. 22, 
XIV. Kl.) Gebirgs-Bartschie. (Violette Klapper.) 
Tafel 34. Nr, 64. 


Wurzelstock kriechend, langfaserig. Stengel oft zahl- 
reich, einfach, unten mit schuppenförmigen Nieder- 
blättern, rauhhaarig und oben nebst den Kelchen 
drüsen-haarig. Blätter eiförmig, gegenständig, halb- 
umfassend, kerbig-gesägt, weichhaarig. Blüten einzeln, 
in den obersten Blattachseln gedrungen-traubig. Kelch 
glockig, 4spaltig. Krone langröhrig, rachenförmig, 
mit ungeteilter Ober- und 3teiliger Unterlippe. Kapsel 
eiförmig. Dunkelviolett. Höhe 10—25 cm. Juli bis 
August }. 

Die Pflanze gehört zu den Bewohnern der Hochmoore; doch 
tiebt fie auch quellige, grafige Abhänge und feuchte Felsipalten: 
Elb-, Bantjche- und weiße Wieje, Kejfelfoppe, Krfonofch, Schnee- 
gruben, Brunnberg, Teiche, Heidejchloß, Gründe ujw.; Gejenfe; 
Alpen und im hohen Norden. 

Durch die dunfelviolette Färbung der ziemlich großen Blüte 
und die bläufiche Färbung der oberen Blätter, durch welche jich 
die Pilanze von ihrer Umgebung abhebt und dadurch ziemlich 
bemerflich macht, jucht fie ihre Freunde, die bejtäubungsvermitteln- 
den Sniekten, zum Bejuche einzuladen. Sie weiß fich aber aud 
durch die drüfenhaarig>zottige Bekleidung ihrer Feinde zu erwehren. 

Bon der heimförmigen Oberlippe der Blüte, die den inneren 
BHlütenteilen ein jichere® Schußdach bietet, führt ein breiter 
Zugang zum Nektar, zu dem Hummeln und Bienen mit Leichtig- 
feit gelangen fönnen. Außer den echten Wurzeln, die direkt dem 
Boden einen Teil der Nahrung entnehmen, befist die Pflanze 
noch Saugmwurzeln, welche anderen Pflanzen gewijje Nährftoffe 
entziehen. Demmach gehört fie auch zu den Schmarogergewächlen. 


9 


—:. 19 — 


Pinguiceula vulgaris L. (Lentibulariaceen Rich. 
S. 22, II. Kl.) Fettkraut. (Blaues Fettkraut.) 
Tafel 33. Nr. 62; 


Wurzelstock vielfaserig. Blätter grundständig, rosetten- 
förmig, eiförmig bis elliptisch, stumpf, ungeteilt, fleischig, 
klebrig-drüsig, fettglänzend, gelblich-grün, am Rande 
umgerollt. Blütenstiele 1—4, stielrund, fleischig, drüsen- 
haarig, mit nickender Blüte. Kelch fast 2lippig-5spaltig. 
Krone mit 2lappiger Ober- und 3lappiger Unterlippe, 
doppelt so lang als der pfriemförmige, ziemlich gerade 
Sporn. Zipfel der Unterlippe länglich-eiförmig, ziem- 
lich gleichgroß. Kronenschlund offen, bärtig. Staub- 
beutel quer aufspringend. Kapsel 2klappig, stumpf. 
Hellviolett. Höhe 8—12 cm. Juni—Juli }. 

Unfere Pflanze ift, wie die vorige, eine Sumpfbewohnerin. 
Duellige Stellen, feuchte Moospolfter, torfige, moorige Wiejen 
bewohnt fie am liebjten. Sie steigt von der Ebene bis aufs 
Hochgebirge. Hier aber iit fie nur im Diftteile der Sudeten an- 
zutreffen: Wölfelsporf, gr. und Fl. Ktejiel des Gejenfes, Beteritein, 
Altvater, Krnoblauchtwiefen. Auch in der Alpenflora ift fie ver- 
treten. Wenn 

„ief im grünen FSrühlingshag 

durch die alten Niüjtern 

wandelt leif’ am jchönften Tag 

wunderjames Flüjtern.” — (E. Geibel.) 


da erwacht unjer Pflänzchen vom winterlichen Schlafe und er- 
öffnet mit der blauglodigen Gentiana verna den Frühlingsreigen. 

Das Fettfraut gehört — wie Drosera — zu den injeften- 
frejienden Pflanzen. Schon die jchon gefärbte Blüte dient für 
die Sniekten al Lodungsmittel. VBerderbenbringender aber werden 
ihnen die gelbgrünen oder rötlichen, in eine Nojette geftellten 
Blätter. Shre Oberfläche ift mit überaus zierlichen, taufrijchen, 
fopfförmigen, gejtielten Drüjen bejeßt, von denen auf den Quadrat- 
zentimeter etwa 25000 fommen. Sie erjcheinen unter dem 
Mikrojfop wie fleine Hutpilge und dienen offenbar als Köder 
und Leim zugleich. Sobald ein Snieft das Blatt berührt, wird 
e3 von dem Flebrigen Schleim, den die Drüjen abjondern, feit- 
gehalten, jo daß ein Entrinnen nicht mehr möglich ift. Sm feiner 
Angit jucht es Schuß unter dem eingebogenen Blattrande. Hier 


— 131 — 


aber betritt eS die allergefährlichhte Stelle. Gleich jenen entjeh- 
lichen Rerfern der Snquifition, in denen jich die Dede herablieh, 
um den Gefangenen langjam und qualvoll zu erdrücen, jo jenft 
ih langjam, aber mit unaufhaltjamer Gewalt der Blattrand 
herab, indem er das Tierchen einjchließt und eine Nolle bildet, 
deren Höhlung fich vaih mit einer großen Menge von einer 
jauren, pepfinhaltigen Flüffigfeit füllt und die Beute verzehrt. 
Genau jo verhält fich das Blatt, wenn e3 ftatt von Fliegen und 
anderen Snieften von Fleijch, Pflanzenjamen, Eiweiß, Knorpel uftv. 
berührt wird. Aus den Drüjen ergießt fich fofort der jaure 
Berdauungsjaft, der die organijchen Körper in 1—3 Tagen auf- 
löft. Nach beendeter Mahlzeit breitet fic) das Blatt wieder aus 
und die Drüfen füllen fich, weitere Beute eriwartend, von neuen 
mit dem verhängnispollen Gafte. 


Thesium alpinum L. (Santalaceen R. Br. S. 22, 
V.KI.) Gebirgs-Verneinkraut. Tafel 34. Nr. 66. 


Wurzelstock kurzgliederig, spindelförmig. Stengel meist 
einfach, schief aufsteigend. Blätter lineal, zugespitzt, 
Ilnervig. Blüten in einseitswendiger Traube. Unter 
jeder Blüte 3 Deckblätter, das mittlere länger als die 
seitlichen. Blütenstiele aufrecht-abstehend, so lang 
oder kürzer als die Frucht mit dem Stielchen. Blumen- 
röhre mit dem Fruchtknoten verwachsen, bis auf !/; 
4spaltig, zur Fruchtzeit an der Spitze eingerollt. 
Frucht eine lsamige Nuß, fast kugelig. Weiß. Höhe 
10—25 cm. Juni— August }. 

Unfere Pflanze hat ein jehr bejcheivenes Ausjehen; fie ift 
mit jo wenig in die Augen fallenden Merkmalen ausgeitattet, 
daß fie fich feiner bejonderen Aufmerfjamfeit zu erfreuen hat. 
Klein find ihre weißen Blüten, jchmal und unanjehnlich ihre 
Blätter. Sie jcheint fich auch ihres jchlichten Gewandes bewußt 
zu fein; denn fait nirgends drängt fie fich an den Touriftenpfad. 
Nur durch ihren einjeitswendigen traubigen Blütenjtand und durch 
die meilt zahlreichen Stengel, die, bogig auffteigend, bisweilen 
hübjche NRojetten oder Trichter bilden, jucht fie fich eine getifje 
Beachtung zu verichaffen. Sie liebt grafige Abhänge und felfige, 
bufchige Hügel: Schneegruben, Eibrwieje, Keffelfoppe, Teiche, 

9* 


— 132 — 


Gründe ufw.; Olager Schneeberg, Mittelberg; Gejenfe; Alpen. 
An einzelnen Stellen jteigt jie bis an den Fuß des Gebirges 
(Rrummbhübel, Arnsdorf, Rochlis, Teufelsberg db. Neumelt ujm.), 
ja jogar bis in die Ebene herab. In der Nordlandsflora ijt jie 
nicht vertreten. Unfere Pflanze führt ein jo bejcheidenes und 
harmlojes Dafein, daß man ihr faum eine jchädigende Wirkung 
zutrauen fünnte, und doch weiß fie jich einen Teil ihrer Nahrung 
auf Koften anderer zu verichaffen. Sie gehört nämlich zu den 
Schmarogergewächien, die neben Wurzeln zur eigenen Ernährung 
auch Saugwurzeln bejigen, die ein unredliches Gejchäft betreiben 
und an den Nährftoffen der Nachbarpflanzen zehren. Dieje Saug- 
wurzeln bilden ziemlich große, fait geitielte Knöpfe, die fih an 
die fremde Nährwurzel jo eng anjchmiegen, daß fich Kleine Fajer- 
wiürzelchen pinjelartig im Holzförper der angefallenen Wurzel aus- 
breiten und diejer gewifje Nährjäfte entziehen. Statt fich dafür 
dankbar zu erweilen, richtet die Pflanze ihre zahlreichen Stengel 
fo auf, da dadurch die Umgebung zurüdgedrängt wird. Ob mit 
der Saugwurzelfafer, die ja für die Pflanze in dem wirren 
Wurzelgeflecht als Pfadfinderin dient, auf jenen Faden hingeiviejen 
werden joll, den die griechiiche Göttin Ariadnne ihrem Werehrer 
Thefeus als Führer im Labyrinth darreichte, ijt mindeitens 
zweifelhaft; aber der Name Thesium wird mit jenem griechiichen 
Helden, der die rettende That der Göttin mit jchnödem Undanfe 
belohnte, in Verbindung gebracht. 

Zur Gattung Thesium gehören noch einige Arten, von 
denen nur das Wiejen-Berneinfraut (Th. pratense Ehrh.), 
mit alljeitSwendiger Blütenrijpe erwähnt werden joll. (Um Landes- 
Hut und Kupferberg.) 


Rumex alpinus L. (Polygonaceen Juss. S. 22, VI. Kl.) 
Gebirgs-Ampfer. (Mönchsrhabarber.) Tafel 35. 
Nr.,07, 


Wurzelstock dick. Stengel aufsteigend, sehr dick. Grund- 
blätter rundlich-herzförmig, abgerundet-stumpf, kurz 
bespitzt, mittlere länglich -eiförmig, obere lanzettlich. 
Blattstiel oberseits rinnenförmig. Blüten in dichten 
Quirlen, zwitterig. Blumenhülle 6blättrig; die 3 
äußeren Blättchen klein, krautig, am Grunde zusammen- 


a a 35 Ann 


hängend; die 3 inneren vergrößert und die Frucht 
einschließend. Staubgefäße 6, am Grunde der Blüten- 
hülle eingefügt, innere Zipfel herz - eiförmig; Staub- 
beutel aufrecht. Narben 3, pinselförmig. Fruchtstiele 
kreiselförmig angeschwollen. Frucht 3seitig. Höhe 
!%a—1 m. Juli— August 4. 

Koch lagern an den Böfchungen des Kammes mächtige 
Schneefelder; nur im Baudengarten will das winterliche Gewand 
nicht mehr recht zufammenhalten. Trogdem veripätete Schnee- 
Ichauer die entitehenden Lüden zu verdecden juchen, bricht da und 
dort, beionders an dem mit Schmelzwaijer gefüllten Bache, das 
nt Erdreich durch. Aber e3 trägt einen eigenartigen Schmud. 

Noch unter der Schneedede haben fih die ftarfen Wurzelftöde mit 
vötlichen Spigen entwidelt. &3 ijt num feine jeltene Erjcheinung, 
daß dieje jungen Triebe al3 purpurne Pyramiden aus dem frifch 
gefallenen Schnee hHervorragen. Später bildet die Pflanze in 
Berbindung mit Peitwurz und Gebirgs-Milchlattich jene üppige 
Vegetation, die wir an verichiedenen Stellen des Hochgebirges, 
bejonders aber unterhalb der neuen jchlej. Baude zu bewundern 
Gelegenheit haben. Unjere Pflanze, die auch Mönchsrhabarber 
genannt wird, liebt quellige Pläße, feuchte Gebirgswiejen und Bady- 
ufer: Sierwiefe, alte jchlef. Baude, Keflelfoppe, Budel-, Spindler- 
und Hampelbaude ujw.; Gejenfe; Alpen; fehlt aber dem Norden. 
Hin und wieder fteigt fie in tiefere Tagen herab, 3. B. Vetersdorf, 
Schreiberhau, St. VBeter. Die Ampfergewächle gehören zu den 
windblütigen Pflanzen, bei denen die Fremdbeitäubung durch die 
Luftbewegung vermittelt wird. Die Blüten, deren Staub troden 
und leicht it, fünnen deshalb den auffälligen Farbenichmud, die 
Honigabjonderung und den Wohlgeruch” entbehren. Von den 
zahlreichen, fait durchweg der Ebene angehörigen Arten unferer 
Gattung jteigen folgende bis auf das Hochgebirge: Kleiner 
Ampfer (R. Acetosella L.), Blätter lanzettfich bis [ineal, mit 
wagerecht-abftehenden oder aufwärts gerichteten Lappen. Aron- 
blättriger Ampfer (R. arifolius All), Blätter dünn, mweic), 
breit= herzförmig=3edig, mit aufwärts gerichteten Lappen. 


Ba 


Betula nana L. (Betulaceen Rich. S. 22, XXI. Kl.) 
Zwerg-Birke. Tafel 36. Nr. 68. 


Niedriger Strauch mit aufrechten Stämmchen. Zweige 
rotbraun, jüngere behaart. Blätter zahlreich, kurz- 
gestielt; rundlich, breiter als lang, stumpf gekerbt, 
kahl, unterseits mit hervortretendem Adernetz, ohne 
Drüsen. Blüten 1lhäusig, Kätzchen aus schuppen- 
förmigen Deckblättern bestehend. d Blüten mit Kelch, 
zu 3 auf einem Deckblatt. Staubgefäße meist 3. 
Blüten ohne Kelch, in gedrungen -walzenförmigen, 
aufrechten, vor den Blättern erscheinenden Kätzchen. 
Fruchtknoten 3. Narben 2, fadenförmig. Frucht eine 
lsamige Nuß, mehrmals breiter als der Flügelrand. 
dKätzchen rötlich-braun. Höhe 30—75 cm. Mai— 
Juni }. 


Die Birke, zu welcher auch unjer Strauch gehört, ift zwar 
im ganzen Gebiete verbreitet; doch bildet jie nur Fleinere Bejtände. 
Sn Laub- und Nadelwald eingejprengt, führt fie einen zähen 
Kampf mit ihrer Umgebung. Sn der heidnijchen Vorzeit war 
fie der Göttin Frigga geweiht. Mit den jungbelaubten Zweigen 
wurden die Eingänge der Wohnungen gejhmüdt. Dieje jchöne 
Sitte Hat jih bis in die Gegenwart erhalten. Zur fröhlichen 
Pfingitzeit werden in Kirchen und Häufern junge Birken aufge- 
ftelt. „Schmücdt das Feit mit grünen Maien!" Sa, jogar das 
Dampfroß erhält feinen Biingitihmud. Hie und da gilt noch 
der heimlich in der Nacht vor dem Haufe der Auserforenen auf- 
gepfianzte Maienbaum al3 eine Auszeichnung, al3 ein Bild der 
Liebe und Treue. 


Unjere Pflanze zählt — wie auch) die Weidenarten — zu 
ven Kätchenträgern, bei denen die Übertragung des Blütenftaubes 
von einer Blüte zur andern durch den Wind erfolgt. Deshalb 
gehört Betula bezüglich der Blütenbeftäubung zu den Windblütlern, 
bei denen die Fremdbeitäubung dadurch gefichert wird, daß fich 
die männlichen und mweiblichen Blüten nicht zu gleicher Zeit ent- 
wideln. Die Früchte find mit einem zweiflügeligen Anhange 
verjehen, wodurch die Verbreitung durch den Wind wmefentlich 
gefördert wird. 


lad 


Wenn der Dichter von der Birke fingt: 

„Hell jhimmerft du dort oben 

in jtarfer Brüder dichtem Chor, 

aus Duft und Hauch geimoben 

jteigt deiner Krone Grün empor.“ — 
jo Itimmt dies freilich bei unferer Zwerg-Birfe nicht zu; dem 
fie it das Kleinste Glied der Käbchenträger, „bräunlich und von 
guter Gejtalt“. Wer an den hohen, jtattlichen Baum denkt, ver- 
mutet in unjerem zierlichen Strauche wahrlich feine Birfe. Wollen 
wir ihn an jeinem Standorte auffuchen, jo müfjen wir die unter- 
halb des Hochjteins nach Böhmen führende „alte Zollitraße“ 
verfolgen. Nach mehrjtündiger Wanderung gelangen wir zu der 
einjam gelegenen Michelsbaude, wo wir den fich rechts ab- 
zweigenden Fußpfad nach der Kolonie Kobelhäujer einschlagen. 
Hier ftehen wir vor einem ausgebreiteten, mit Knieholzgebitich 
bededten Hochmoor, „Sierwieje“ genannt. Am Cingange der- 
jelben zu beiden Seiten eines aufgeiworfenen Torfgrabens zwilchen 
der Fahritraße und dem Sierflufje bemerken wir die Sträucher 
unjerer Ziwerg-Birfe. Sie wächjt auch bei Neumwiefe (Siüdabhang 
de3 Sergebirges) und auf den Seefeldern bei Neinerz. Sm der 
Alpen- und Brodenflora it fie ebenfall$ vertreten; am häufigiten 
aber fommt fie auf den nordilchen Hochmooren vor. Sm den 
höheren Gebirgslagen neigt auch die gewöhnliche Birke zur Strauch- 
bildung. Sp erjcheint eine Abart der weichhaarigen Birfe (B. 
pubescensEhrh. var. carpatica Willd.), mit rundlich-eiförmigen, 
fahlen Blättern, ebenfall® meist al3 Strauch: Sferwiefe, Schnee- 
gruben, Kefjelgrube, Riejen-, Melzer-und Elbgrund, Teiche. Gefenke. 

„Herrlich bijt dur aufgejtiegen 

aus des Berges dunklem Grund. 

Seht des jchlanfen Stammes Wiegen 


und die zarten Blätter fliegen, 
janft gefüßt von Zephyrs Mund! 


Alfo gleicht dein XoS dem LXofe, 
das uns Boefte gewährt; 

wachje, jtrebe fort ind Große, 
mit dem Fuß im Erxrdenjchoße 
und das Haupt im Licht verflärt. 


Doch da fomnt ein Frevler eben, 
bohrt dich an umd zapft den Saft; 
widerwillig mußt du geben, 

was du felbjt gebrauchit zum Leben: 
Deiner Jugend erjte Kraft. 


— 136 — 


Diejem folgt ein zweiter Sünder, 
nüst fein PBrivilegium; 

aus dem Dorf der Meifter Binder 
ichneidet ab gerade Finder, 
Zwinget fie zu Reifen frumm. 


Mit noch größerm Üübermute 
holt der Dritte gar dein Reis; 
aus dem legten jhwanfen Gute 
fmüpft er eine Zauberrute 

für die Sitte, für den Fleiß. 


Sener hat den Geijt genommen 

und zu jhalem Trunf filtriert; 

der dein Treiben Frumm genommen; 

dDiejer dich zu Sugendfrommen 

ererziert und appliziert.“ (Fr. Treitichke.) 


Salix LapponumL. (Salicaceen Rich. S. 23, XXII.Kl.) 
Lappländische Weide. (Schnee-Weide.) Tafel 36. 
Nr. 69, 


Vielästiger Strauch. Blätter länglich bis länglich-lanzett- 
lich, am Grunde meist verschmälert, grau behaart, 
unterseits meist weißfilzig, selten fast kahl, ganzrandig, 
spitz. Nebenblätter oft verkümmert. Ahren meist 
zottig, dick, länglich. & vor den Blättern, & mit den 
Blättern. Deckschuppen vorn schwärzlich. Frucht- 
knoten und Stempel filzig, seltener kahl; Stiel kürzer 
als die Drüse. Narben lineal-keulenförmig, meist un- 
geteilt. Kapseln dick. Samen wollig behaart. Höhe 
1/o—11), m. Juni—Juli u 

Wer nur einiges Sntereife für die Hochgebirgsflora bejibt, 
geht gewiß nicht achtlos an unfjerem Weidenftrauche vorüber. 

Schon im zeitigen Frühjahr, bald nach der Schneejchmelze, jchmücden 

fich die blattlofen Afte mit dicken, eifürmigen, goldgelben Blüten- 

fäschen, welche nur Staubgefäße (2) enthalten. Die weiblichen (2), 

walzenförmigen Kägchen mit weißfilzigen Stempeln exicheinen fait 

gleichzeitig mit den Blättern. Beide Arten von Käschen wachen 
auf verjchiedenen Sträuchern; deshalb gehören die Weidenarten 


— 1897 


zu den 2häufigen Gewächien. Im Nücficht auf die Beitäubung 
zählen fie zu den Windblütlern. Durch die meift herabhängenden, 
(eichtbeweglichen, blütenreichen Kätchen wird dem Winde, der 
bier die Vermittelung allein übernimmt, die Übertragung des 
Blütenftaubes wmwejentlich erleichtert. Die Frucht ift mit einem 
am Grunde entipringenden Haarjchopfe ausgerüftet, der den Samen 
vollitändig einhült und die Verbreitung durch den Wind jehr 
begünftigt. Die Lappländiiche Weide bewohnt die quelligen, 
jumpfigen Lehnen des Hochgebirges: Kejjelgrube, Efb- und Bantjche- 
wieje, Teiche, Schlingelbaude, Dreifteine, Mittagjtein, Melzer-, 
Niejen- und Elbgrund; Gejenfe. Sie gehört zu den wenigen 
Pflanzen, die in den Alpen fehlen; dagegen ift je in der nordilchen 
Flora vertreten. Eine Abart unferer Pflanze (S. Daphneola 
Tsch.) mit breit-lanzettlichen, völlig fahlen Blättern und unbe- 
haartem Fruchtfnoten fommt beim PBantjchefall vor. 


Der Name „Weide“ rührt von der Biegjamfeit der Zweige 
her; deshalb wird auch der zum Binden benußgte Zweig vielfach 
Wiete genannt. Die Weidenrinde enthält Salicin und Gerb- 
itoff, die an den Dedjchuppen der Blütenfäschen befindlichen 
Honigdrüfen geben zeitige Bienennahrung, die filbergrauen Blüten- 
fässchen vertreten in der fatholischen Kirche am Balmjonntage die 
Palmen, und Hol; und Zweige werden zu mannigfachen Wirt- 
Ichaft3gegenständen verarbeitet. 


Bon den zahlreichen, meijt der Ebene angehörigen Weiden- 
arten — in Deutjchland allein fommen 50 Arten vor — fteigt 
außer den beiden folgenden nur noch eine bis auf das Hoch- 
gebirge: die zmweifarbige Weide (S. bicolor Ehrh.) mit 
eiförmigen oder elliptiichen, glänzend grünen, fait lederartigen 
Blättern. Schneegraben am Brunnberge. Sie joll auch am 
Biegenrüden vorkommen. 

Sn der Bolksjage nimmt die Weide feine günstige Stellung 
ein. Schon der Standort, „am düjtern Ort“, bringt die Weide 
in Verruf. „ES jcheinen die alten Weiden jo grau.“ Wächit 
fie nicht häufig am jtillen Weiler, am dunklen Wafjertümpel, vo 
mit Vorliebe der Lebensmüde am Weidenaft oder in der jtill- 
verichtwiegenen Wafferflut vom Erdendajein Abjchied nimmt? Und 
nun erjt das geipenfterhafte Bild des alten, verfrüppelten, pho3- 
phoreszierenden Weidenjtumpfes, auf dejfen Schopf fich die empor- 
iprießenden Ruten wie drohende Haarjtränge erheben! 


— 13 — 


„Die Weide Hat feit alten Tagen 
jo mandem Sturm getrußet, 

it immer wieder ausgefchlagen, 
jo oft man fie geftugßet. 


E3 Hat jich in getrennte Glieder 

ihr hohler Stamm zerflüftet, 

und jede Stämmcden hat fich wieder 

mit eig’ner Borf’ umritftet.“ (Fr. Rücdert.) 


Mußte nicht ein gebleichter, vielfach geipaltener Weidenitamm 
unjeren Vorfahren al das Sinnbild des Totenreicheg und der 
Sib der Unglüd verfündenden Geifter und Hexen gelten? „Sn 
den alten, geheimnisvollen Fchmgerichten fand auch die Weide 
Verwendung. Ein Weidenftrif lag neben dem blanfen Schwert 
bei der Eröffnung des Gerichtes auf dem Tijche por dem Frei- 
grafen, und bei „weed und reype“ (Weide und Strid) fchlo 
derjelbe alle Uneingeweihten von der Teilnahme der Sibung aus. 
Wer fich aber doch neugierig Heranichlih, der mußte gemärtig 
fein, mit einem Weidenftrif am nächjiten Baume aufgefnüpft zu 
werden. Das Tragen einer Weide galt nach germanifjchen Ge- 
leben wie das Hundetragen für eine entehrende Strafe.“ 

(Reling u. Bohnhorft.) 

Berichmähte Liebhaber erhielten im Mittelalter ein Geflecht 
aus Weidenruten; daher die Nedensart: „Einen Korb bekommen.“ 
Bejonderd war die auf Kirchhöfen vielfach angepflanzte Trauer- 
weide (S. babylonica L.) von der Sage umrantft. 


„Laub, Zweig’ und fte läht die Trauermeide 
zur Erde hangen, wie vor großem Leide; 

ein jtolzer Baum war jte in Seju Tagen, 

bi3 man mit ihren Zweig den Herrn gejchlagen. 


ALS fie mißbraucht fich jah zu Gottes Hohne, 

da neigte fie vor Wehmut ihre Krone 

und fann vor Schmerz noch nicht die Zweige heben, 

läßt fie, wie Wind jich wirft, in Lüften jchweben.” 

(X. Kopiid).) 
Die Trauerweide — auch Thränenmweide genannt — 

it ein Baum der Klage, der durch jeine herabhängenden Ziveige 
zu.mannigfachen Deutungen und Erzählungen Veranlafjung ge- 
geben hat. „An den Waffern zu Babel jagen wir und tweineten, 


— 139 — 


wenn wir an Zion gedachten. Unjere Harfen hingen mir an 
die Weiden, die drinnen find.” (Bi. 137, 1. 2.) 


„Zrauerweide, Baum der Schmerzen, 
Baum der tiefbetrübten Herzen, 
du jolljt mir der liebte fein, 
wenn mich Liebe läßt allein. 
Einft, wenn ich hab’ außgelitten, 
ausgerungen und =gejtritten, 
Wiegeit du zum Schlaf mich ein.” 
(Carmen Sylva.) 


Salix silesiaca Willd. (Salicaceen Rich. S. 23, 
XXI. Kl.) Schlesische Weide. Tafel 36. Nr. 70. 


Strauch sparrig, ziemlich kräftig, mit bogig aufsteigenden 
Zweigen. Blätter eiförmig-elliptisch oder verkehrt- 
eilanzettlich, wellig-gesägt, jung wollig-behaart, braun- 
rot, später oberseits dunkelgrün, kahl, unterseits meist 
graugrün, auf den Adern kurzhaarig. Blumen 2häusig. 
Kätzchen locker, walzenförmig, kurzgestielt. Trag- 
blätter ungeteilt, langzottig. Blüten mit fleischiger 
Honigdrüse. ? Blüten mit den Blättern erscheinend. 
Staubfäden kahl, 2—12; Staubbeutel nach dem Ver- 
blühen schwärzlich. Fruchtknoten pfriemförmig, kahl, 
sein Stiel 3—4mal so lang als die Drüse. Griffel 
mäßig kurz; Narbe abstehend, oft 2spaltig. Frucht- 
klappen 2, sichelförmig zurückgerollt. Samen mit 
langer Haarwolle umgeben. Höhe 1-3 m. Mai--Juni; 
in höheren Lagen etwas später }. 


„Der Mai it gefommen, 
die Bäume jchlagen aus!“ 


Dies gilt befonders für unfere Weide, die jchon im zeitigen 
Frühjahr ihre Fahlen grauen Afte reich mit goldgelben Käschen 
ihmiücdt. Die grünen, loderen, ziemlich Yangen Ahren, welche 
meibliche Blüten mit Fahlen Fruchtfnoten und oft 2jpaltigen 
Narben tragen, ericheinen erft mit den zarten Blättern, die in 
der Jugend mit feinem Wollhaar und purpurroten Bipfeln ge- 
ihmücdt ind. 


BE mul 


„Da traten Blätter zart und mweidh 

aus Fleinen braunen Wiegen, 

um johüchtern an den jchlanfen Ziveig 

jih innig anzujchmiegen.“ (3. Sturm.) 

Unfere Pflanze Liebt bufchige Abhänge, Waldränder und 
Bachufer. Sie fteigt vom Thale bis aufs Hochgebirge: Ser- 
gebirge, Petersporf, Schmiedeberg, Schreiberhau, Krummhübel, 
Rohlis, neue und alte fchlef. Baude, Schneegruben, Teiche, 
Gründe ufw.; later Gebirge, Gejente. Sn der Alpen- und 
Kordlandsflora ift fie nicht vertreten. Sie jcheint aus den Kar- 
pathen, wo jie ziemlich verbreitet ift, hier eingewandert zu fein, 
und im Riejen- und Sfergebirge ihre Weftgrenze erreicht zu haben. 

Iroß der Hinter den S und 2 Blumen angebrachten honig- 
abjondernden Drüfe, die von Bienen fleißig bejucht wird, gehört 
die Weide zu den Windblütlern. Nicht von Sniekten, jondern 
bom Winde wird der leichte, trocene Blütenftaub von Strauch 
zu Straudh und von Blüte (2) zu Blüte (2) getragen, wodurch 
die Befruchtung zuftande kommt. Bon einer Selbftbeitäubung 
fann deshalb feine NAede jein, weil die Geichlechter vollitändig 
getrennt find und die d Blüten fich viel früher entwideln als 
die 2. Der von den Smiekten aufgenommene Honig dient ihnen 
als erite Frühlingsipeife. 

Die Weide hat die Neigung, mit anderen Arten der Gattung 
eine Verbindung einzugehen, wodurch viele Baftardformen ent- 
tanden find. m übrigen gilt das bei der vorigen Beichreibung 
Gejagte. 


Salix herbaceaL. (Salicaceen Rich. S. 23, XXI. Kl.) 
Krautartige Weide. Tafel 36. Nr. 71. 


Zwergiges Sträuchlein, mit kriechendem, vielästigen, im 
Moose oder in Felsritzen verborgenen Stämmchen. 
Blätter fast kreisrund, vorn stumpf, kerbig-gesägt, 
kahl, beiderseits fast gleichfarbig, unterseits schwach- 
glänzend, vorragend netzadrig. Kätzchen endständig, 
arınblütig, am knospentragenden, meist 3blättrigen 
Zweige. Deckschuppen länglich, hohl, bleich, ge- 
wimperte Fruchtknoten kahl, sehr kurz gestielt. Griffel 
sehr kurz, mit 2teiligen Narben. Länge 2—10 cm. 
Juni $. 


Sl 


Endlih hat der Frühling auch auf dem Hochgebirge feinen 
Einzug gehalten. „Die Luft ift blau, das Thal ift grün!“ 
Wir wandern auf die Höhen und lafjfen uns von den befannten 
DBlumengeftalten Habmichlieb, Teufelsbart und Anemone begrüßen, 
ehe jie ihr farbenprächtiges Gewand wieder ablegen. Das ijt 
der geeignetite Zeitpunkt, unjer Weidenpflänzchen aufzujuchen. Wir 
haben die Sohle der Fl. Schneegrube erreicht und gerade die 
Stelle betreten, mo jich auf einem nur wenige Quadratmeter 
großen, von einzelnen Snieholzfträuchern umrahmten Blabe unjere 
Pflanze ausbreitet. „Das ift“ — rufen wir unjerm Begleiter 
zu — „per Standort unferer Weide!” Aber ungläubig blickt er 
uns an und entgegnet: „sch jehe weder Baum noch Strauch und 
auf der fahlen Moosdede jprießt nichts als die Preißelbeere, 
deren Blättchen die jchwache Bodenfrume durchbrechen.“ „Hebe“ 
— fordern wir ihn auf — „ein folches Pflänzchen heraus und 
du wirft deine Freude haben!“ Und fiehe da, e3 war nicht das 
Laub der PBreißelbeere, jondern das tutenförmig eingerollte Blätt- 
chen unjerer Weide, in welches das Fleine Käschen eingemwicelt 
war. MWollten wir die gegemüberliegende jchroffe Felswand er- 
Himmen, jo würden wir in den Felsipalten ebenfall3 unfere 
Pflanze antreffen. in ähnlicher Standort befindet fih an 
der Dftböjchung des Brunnberges, unterhalb des Gipfel. Am 
zahlreichiten und Fräftigiten jedoch finden wir fie an der Kefjel- 
foppe. Von der PBantjchetwiefe aus fteigt man am Grubenrande 
etwa bi3 zur Mitte der Koppenhöhe. Bon dort aus führt ein 
falt ganz verwachjener Bergmannspfad hinab in die Tiefe zu 
einem alten Stollen, wo wir uns, dem jchwach betretenen Pfade 
folgend, recht3 wenden. Beim leßten Anjtieg verjuchen wir, die 
jih zur Rechten auftürmenden, die fteile Böichung Frönenden 
Feljen zu erflimmen, wo wir unjere Pflanze in ziemlich Fräftigen 
Eremplaren antreffen. Die oben erwähnte Ähnlichkeit mit dem 
Laube der Preißelbeere jchügt unfere Pilanze am Pferdefopf bei 
der neuen jchlef. Baude vor räuberiichen Angriffen. Hier erweift 
fich Ddiefes Schugmittel geradezu al3 Tarnfappe für die Fel3- 
bewohnerin. Xm Gejenfe (Altvater, Beterjtein und gr. Kefjel), 
jowie in den Alpen und im hohen Norden kommt die Pflanze 
ebenfall3 vor. 


Be ne 


Agrostis rupestris All. (Gramineen Juss. S. 23, 
II. Kl.) Feisen-Straufsgras. Tafel 37. Nr. 72. 


Wurzelstock dichtrasig, ohne Ausläufer. Grundständige 
Blätter borstenförmig. Rispe länglich, nach dem Ver- 
blühen ausgebreitet, mit glatten Ästen. Ährchen- 
achse am Grunde des Deckblattes mit 2 kurzen Haar- 
büscheln. Hüllblätter lanzettlich; das äußere Blumen- 
deckblatt vorn fein gekerbt, mit einer am Rücken 
unter der Mitte entspringenden Granne; diese dop- 
pelt so lang als die Hüllblätter. Trübviolett oder 
grünlich. Höhe 10—25 cm. Juli— August 4 


Das Straußgras gehört zwar zur größten und bedeutungs- 
volliten Pflanzenfamilie, zu den Gräfern; aber e3 trägt, wie 
viele andere Gebirgspflanzen, ein jo jchlichtes Gewand, daß der 
Tourift achtlos an ihm vorübergeht, obwohl e3 fich überall an 
feinen Weg herandrängt. Die Pflanze liebt Feljen, kurzgrafige 
Stellen, Wegeränder. Sie it auf den Kämmen und Ruppen 
überall anzutreffen: E[b- und Bantjchemwieje, Kefjelfoppe, Schnee- 
gruben, Hiegenrüden, Schneefoppe ujw. Sm der Alpenflora ift 
fie ebenfall3 vertreten; doch jcheint fie den Ditjudeten und dem 
hohen Norden zu fehlen. 


Phleum alpinum L. (Gramineen Juss. S. 23, III. Kl.) 
Gebirgs-Lieschgras. Tafel?237. Nr. 73. 


Wurzelstock dicklich, kriechend. Halm steif - aufrecht, 
2—3blättrig. Blätter schmal, am Rande rauh. Blatt- 
häutchen kurz; oberste Blattscheide etwas aufgeblasen. 
Blüten in eiförmiger oder eiförmig -länglicher Ähre. 
Ährchen 2blütig. Hüllblätter kahl, gekielt, so lang 
als die Granne,; am Kiel borstig gewimpert. Violett. 
Höhe 15—40 cm. Juli— August }. 


Kann auch unfere Pflanze nicht mit jenen farbenfrischen 
Blumengeitalten wetteifern, die den bunten Wiejenteppich tweben, 
jo nimmt fie doch unter den Kindern der Hochgebirgsflora nicht 
die Teste Stelle ein. Schon durch ihre violette Ühre Ienft fie 
den Blid auf fich; vor allem aber trägt fie dazu bei, die Wiefe 
mit dem erjten friichen Grün zu fchmücdken. 


ER 


„Du junges Grün, du friiches Gras, 
wie manches Herz durch dich genas, 
das don des Winterd Schnee erfrantt ! 
D, wie mein Herz nad) dir verlangt! 


Schon trittjt du aus der Erde Nacht, 

tie mir dein Aug’ entgegen lacht! 

Hier in des Waldes ftillem Grund 

drück ich dich, Grün, an Herz und Mund! 


Was treibt mic) von den Menjchen fort? 
Mein Leid, das hebt fein Menjchentwort; 
nur junges Grün and Herz gelegt, 

macht, daß mein Herz nun Süller Ichlägt.“ 


Unjere Pflanze liebt grafige Lehnen und fruchtbare Wiejen 
des Hochgebirges: Niefengebirge (auf Kämmen, Wiefen und Ab- 
hängen über 1000 m), NRehhorn, Glater Schneeberg, Gejenfe; 
Alpen- und Nordlandsflora. An einzelnen Stellen fteigt fie in 
tiefere Lagen herab: Sjerwieje, Buchberg, Schreiberhau ufmw. 

Der Name „Liejchgras“ wird von dem alten deutichen Worte 
liska abgeleitet, welches Halm, Riedgras bedeutet. 


Poa laxa Haenke. (Gramineen Juss. S. 23, II. Kl.) 
Schlaffes Rispengras. Tafel 38. Nr. 74. 


Pflanze graugrün. Wurzelstock lockerrasig, ohne Läufer. 
Stengel schlaff, glatt, am Grunde nicht verdickt. 
Blätter schmallineal, weich, länger als ihre Scheiden. 
Rispe zusammengezogen, locker, überhängend, mit 
glatten, aufrechten Ästen. Ahrchen eiförmig, meist 
3blumig. Hüllblätter lanzettlich, spitz, 3nervig, ziemlich 
gleichgroß, grannenlos. Deckblätter eiförmig-lanzettlich, 
gekielt, unbegrannt. Kiel und Randnerven unterseits 
gewimpert. Rötlich-violett. Höhe 10—20 cm. Juli bis 
August 1. 


Unfere Pflanze gehört zu einer an Arten reichen Gattung, 
von denen außer der folgenden mehrere bis auf die Kuppen und 
KRämme des Gebirges hinaufjteigen. inige (P. alpina L. und 
P. caesia Sm.) find große Seltenheiten, die nur die Oftjudeten 
bewohnen. Dort, two fich Felfen auf Felfen türmen, wo fich das 
Geröltfeld ausbreitet, wo fich die feuchte Felsipalte öffnet: Dort 


Be 


ift der Standort unjeres NRilpengrajes: Beigelftein, Riübezahls- 
fanzel, Schneegruben, Mädel- und Mittagitein, El. Teich, Teufels- 
gärtchen, Schneefoppe. In der Alpen- und Dftjudetenflora jcheint 
die Pflanze zu fehlen; dagegen ift fie in der nordilchen Flora 
(Ssland) vertreten. Bon ihren Berwandten unterjcheidet jte jich 
fofort durch ihre jchlaffen Stengel, die oft in größerer Anzahl 
über die Felsfante herabhängen. 


Poa sudetica Haenke. (Gramineen Juss. S. 23, 
III. Kl.) Sudeten-Rispengras. (Berg-Rispen- 
was.) „Late 38; Nr. 79. 


Wurzelstock meist mit kurzen Läufern, lockerrasig. 
Stengel bogig aufsteigend, flach zusammengedrückt, 
oberwärts schärflich. Blätter flach, ziemlich breit, 
hellgrün, in eine kappenförmige Spitze zusammen- 
gezogen. Scheiden zusammengedrückt, zweischneidig, 
fast ganz geschlossen. Blatthäutchen kurz. Rispe 
gleichförmig, länglich oder pyramidal. Aste zu 5, 
abstehend, scharf. Ahrchen eiförmig-länglich, 3- bis 
5blütis. Hüllblätter spitz, lanzettlich, 1—3nervig. 
Deckblätter ganz kahl. Grün, bisweilen violettüber- 
laufen. Höhe ';—1 m. Juni—Juli 4. 

Wollten wir unjere Pflanze mit der vorigen nur oberfläch- 
fich vergleichen, jo würden wir e8 faum für möglich halten, daß 
fie einer und derjelben Gattung angehören könnten. Shrer äußeren 
Erjheinung nach find fie jehr verjchieden. Während fich die 
vorige als ein jchwaches, zartes, glattes Pflänzchen mit weichen 
ichmalen Blättern und wenigblütiger zufammengezogener Nijpe 
an den Felfen anjchmiegt, in deifen Spalt fie ihre Wurzelfajern 
jentt, erhebt fich unjere Pflanze, ihre Umgebung itberragend, jtolz 
und fühn im feuchten Grunde oder am fräuterreichen Abhange. 
Shren Wurzelftof umgiebt fie mit zahlreichen, anjehnlichen, oben 
fappenförmig zufammengezogenen Blättern, aus deren Mitte ich 
ein ftarfer zweifchneidiger Halm mit ausgebreiteter, reichblütiger 
Riipe aufrichtet. Sie kommt an folgenden Standorten vor: 
Schneegruben, Kefjelfoppe, Krkonofh, Schüfjelbauden, El. Teich, 
Elb- und Riefengrund, Nehhorn, Rabengebirge, Heufcheuer, Glaßer 
Schneeberg, Gejenfe; Alpen. 


N LAHN 


Hier und da, bejonders im VBorgebirge, ericheint die Pflanze 
mit folgender Abänderung: Pflanze jchlaff, Riipe lang, Afte diinn, 
ÜHrchen meift 2 blütig u Fr.): Agnetendorf, Maldenburger 
Gebirge, hohe Menje, Glater Schneeberg, Gejenke. 


Carex rigida Good. (Cyperaceen Juss. S. 23, 
XXI. Kl.) Starre Segge. (Statt Segge = Riet.) 
Tafel 39.,,Nr, 76, 


Pflanze graugrün. Wurzelstock mit beschuppten Läufern. 
Stengel oben glatt, sehr steif. Blätter lineallanzettlich, 
starr, gekielt, zurückgekrümmt, mit hellbraunen 
Scheiden. Ährchen länglich, d einzeln, 9 2—4, sitzend, 
aufrecht. Narben 2. Schlauch fast 3kantig, nervenlos. 
Deckblätter eiförmig, die Schläuche am Grunde ein- 
hüllend. Deckblätter schwarz, Schläuche bräunlich- 
grün. Höhe 10—20 cm. Juni—Juli *.| 

Wohl gehört die jtarre Segge zu der Frühlingsflora des 
Hochgebirges; wohl überzieht fie oft große Flächen mit ihren Blüten- 
ähren; wohl tritt fie häufig an den Weg des Wanderer, aber 
dennoch bleibt fie meijt unbeachtet; denn graugrün und jehr einfach 
it ihr Gewand. Wenn fie fich nicht durch ihre ftraffe Haltung, 
durh die im halbfreisförmigen Bogen auffteigenden Sproffen, 
duch die gelblichen, ziemlich großen Staubbeutel und Die faft 
ichwarzen Ührchen etwas bemerflich machte, wiirde man fie in 
den fahlen, abgejtorbenen Blätterrajen de3 Borjahres faum er- 
fennen. Und doch it ihr im Haushalte der Natur nebit ver- 

Ichiedenen anderen Bilanzen feine geringe Aufgabe gejtellt. Mit 

ihren zähen Wurzeln und Läufern, die nicht jelten ein dichtes 

Geflecht bilden, Eammert fie fih an den Boden an und jchüßt 

ihn gegen die durch Schneejchmelze und Heftige Negengüfje ent- 

jtehenden Schäden. Die Pilanze Tiebt torfige, furzgrafige, feuchte 

Pläbe und ift auf Kuppen und Kämmen häufig anzutreffen: ElIb-, 

Bantjche- und weiße Wieje, Kefjelfoppe, hohes Rad, Teichränder, 

Brunnberg, Schneefoppe ufto.; Slater Schneeberg, Sefente, Broden 

und im hohen Norden. Xu der Alpenflora ift fie nicht vertreten. 

Sie ändert ab: Pflanze höher. 2 hrchen Länglich- walzenförmig; 

das untere geitielt: Efb- und weiße Wieje, later Schneeberg, 

Gejenfe (inferalpina Fr.). 

10 


a 


Carex atrata L. (Cyperaceen Juss. S. 23, XXI. Kl.) 
Schwärzliche ER (Trauer-Riet.) Tafel 39. 
Ne 277. 


Wurzelstock rasig, mit Läufern. Stengel glatt, fast 
3schneidig. Blätter breit, grasgrün, steif-abstehend; 
untere Scheiden nicht netzfaserig, schwarzbraun. 
Ährchen länglich -eiförmig, 4—5, auf dünnen Stielen, 
dichtblütig, die unteren meist überhängend. End- 
ständiges Ahrchen unten d, oben 2. Deckblätter 
eiförmig, stumpflich oder spitz, länger als die Frucht. 
Schlauch kahl, nervenlos, fast 3kantig. Deckblätter 
schwarz, Schlauch grün. Höhe 10—30 cm. Juni bis 
Juli 2. 

Unter den Carex - Arten nimmt diefe Segge eine hervor- 
ragende Stellung ein. Mit ihrer Eräftigen Gejtalt überragt fie 
fait überall ihre Umgebung. Die Pflanze bildet dichte Najen 
von hohen breiten Blättern, aus denen fich der jtarfe Stengel 
erhebt. Sie ift jofort an der Ihtwarzen Färbung der Ährchen 
zu erkennen. Dieje find an der Spibe gehäuft und nehmen bald 
eine Itraff aufrechte, bald eine Idief aufitrebende, meijt aber eine 
itberhängende, niefeende Stellung ein. Auch die Geftalt der Ährchen 
it feine gleichmäßige. Bismweilen find fie nur armblütig und 
nähern jich der Kugelgeftalt. Die Farbe der Frucht ift ebenfalls 
veränderlih. Die Pflanze liebt feuchte, grafige Abhänge: Kefjel- 
foppe, Schneegruben, Teiche, Aupagrund, Melzergrund, Teufels- 
gärtchen, Schneefoppe ujw.; Gejenfe, Alpen- und Nordlandsflora. 
Mitten unter der Grundform fommen Übergänge vor: PBilanze 
bis '/; m hodh. Stengel oben mehr oder weniger rau). Ded- 
blätter und Früchte breiter, jchwarzbraun (aterrima Hoppe): 
Teichränder, Niejengrund ufjmw. 


Carex irrigua Sm. (Cyperaceen Juss. S.23, XXI. Kl.) 
Gletscher-Segge. Tafel 40. Nr. 78. 


Grasgrün. Wurzelstock mit kurzen Läufern, lockerrasig. 
Blätter ziemlich breit, flach, so lang oder länger als 
der Stengel. Dieser am Grunde mit Scheiden. End- 
ährchen d; 2 Ahrchen 2—3, länglich, auf dünnen 


BR 0 a 


Stielen überhängend. Deckblätter eiförmig-lanzettlich, 
zugespitzt, länger als die Frucht. Schlauch kahl, fast 
nervenlos, grasgrün, mit kurzem, gestutztem oder aus- 
gerandetem Schnabel. Deckblätter dunkel - rotbraun. 
Höhe 10—20 cm. Juni— Juli 1. 

Die Gletjcher-Segge ift eine echte Sumpfpflanze. Sie führt 
ung mitten hinem in das eintönige Hochmoor, wo jeden Augenblid 
der Fuß zu verfjinfen droht. Aus den braunen Tiimpeln erheben 
fich oft in großer Menge lange, jchlanfe, graugrine Halme, auf 
denen jich, an langen dünnen Stielen überhängend, roftbraune 
Ührchen wiegen. Schon glauben twir, unfere Segge vor ung zu 
haben. Nur jtört ung die graugrüne Färbung; auch weichen 
die jchmalen, zufammengefalteten Blätter, die bei weitem nicht die 
Höhe des StengelS erreichen, von der Beichreibung, ab. Das iit 
die Shlamm-Segge (C. limosa L.), die viel Ähnlichfeit mit 
unjerer Pflanze Hat. Dicht daneben aber, mehr am Rande der 
Moorfläche, breiten fich lebhaft grün gefärbte Najen aus, Die 
aus weichen, breiten, flachen Blättern beitehen. Sie berühren mit 
ihren Spigen die ebenfalls braun gefärbten ÜÄhrchen, ja ragen 
jogar noch über fie hinaus. LUnfere Segge bewohnt folgende 
PBunfte: Elb-, Bantjche- und weiße Wieje, Abhang zwiichen Schnee- 
gruben und Elbfall, Kefjjelfoppe, Weißtwafjer- und NRiejengrund, 
Brunnberg. Sn den Alpen und Dftjudeten jcheint fie nicht ver- 
treten zu fein, wohl aber in der Nordlandsflora. 


Carex capillaris L. (Cyperaceen Juss. S. 23, 
XXI. Kl.) Haarhalmige Segge. Tafel 40. Nr. 79. 


Grasgrün. Blätter schmallineal, etwas rinnig, nach aus- 
wärts gebogen, in dichten Rasen. Stengel stumpf- 
kantig. d Ährchen 1, wenigblütig; g 2—4, auf langen, 
dünnen, etwas rauhhaarigen Stielen, nickend oder 
überhängend. Deckblätter breit-eiförmig, abgerundet- 
stumpf, weiß-hautrandig, kürzer als die Schläuche. 
Schlauch elliptisch - lanzettlich, in den Schnabel all- 
mählich verschmälert. Deckblätter hellbraun ; Schläuche 
bräunlich-grün. Höhe 5—20 cm. Juni—Juli *. 

Dieje Segge ift nicht nur eins der Fleinften, jondern auch 
der jeltenjten Kinder der Hochgebirgsflora, und e3 gehört jchon 
10* 


Pius 


ein bejonders;; geübtes Späherauge dazu, die Pflanze an den 
grafigen Zehnen und feuchten, felfigen Mbhängen aufzufinden. An 
fteilen, von Feljen umgebenen Abhängen erbliden wir feine Gras- 
biüjchel, deren Dlattipigen fi) nach außen neigen. Bei genauerer 
Betrachtung finden wir mitten im Rafen, von Blättern umjchlofien, 
einige dinme, bräunlich-grüne Ührchen. Das ift unfere Segge. 
Erit jpäter, richtet jih der jchlanfe Stengel, an dejjen Spite die 
zierlichen Ührchen herabhängen, iiber die Blätterbitfchel empor. 
Bisweilen verbirgt jich das Pilänzchen unter dem Blätterdache 
der Umgebung, wodurch das Auffinden noch bejonders erjichwert 
wird. Standorte unjerer Pflanze find: Keffelfoppe (um das alte 
Bergwerk), Krfonojh (Süpdjeite), Fl. Schneegrube, Kiesberg (altes 
Bergmwerd), Teufelsgärtchen (auch im oberen Teile der nordöftlichen 
Schlucht), unterhalb des Schneegrabens, Aupafall, an den Ab- 
hängen zwijchen Aupafall und SKiesberg; Gejenfe, Alpen und im 
hohen Norden. 

Dem Gebiete gehören noch mehrere Carex - Arten und 
-Formen an, teils Hochgebirgspflanzen, teil3 Bemwohnerinnen der 
Ebene und des Borgebirges, auf die aber hier, wo es fich nur 
um einige Vertreterinnen der artenreichen Gattung handelt, nicht 
näher eingegangen werden fonnte. 


Eriophorum alpinum L. (Cyperaceen Juss. S. 23, 
II. Kl.) Gebirgs-Wollgras. Tafel 41. Nr. 80. 


Wurzelstock kriechend, rasenförmig, kurzgliederig. Stengel 
3kantig, auf den Kanten rauh. Scheiden offen, oberste 
geschlossen, mit kurzer Blattfläche. Ährchen eiförmig, 
armblütig, einzeln endständig, aufrecht. Blütenhülle 
aus Borsten bestehend, welche sich bei der Frucht- 
reife über das Ährchen hinaus verlängern und einen 
wolligen Schopf bilden. Staubgefäße 3. Griffel faden- 
förmig. Scheiden braun. Höhe 5—20 cm. Juni *. 


In der Blütezeit hat das Gebirgs-Wollgras große Ühnlich- 
feit mit jener Simjen-Art (Scirpus caespitosus L.), die im 
Moorgrunde meilt hervortretende Wurzelpoliter mit zähen, dichten 
Rajen bildet und das Betreten der Sumpffläche ermöglicht. Beide 
Pflanzen blühen zu gleicher Zeit und haben fajt gleiche Stand- 
orte. Nur tritt das Wollgras nicht fo häufig auf und hat aud) 


EINTAONU 


nicht jo dichte Rafen. Bei einem genaueren Vergleich zeigt es fich, 
daß der Stengel der Simje wohl gejtreift, aber nicht, wie beim 
Wollgras, dreifantig ift. Schon am Ende der Blütezeit aber zeigt 
fich der Feine graue Wollfopf: Aus der Blütenhülle wachjen ziemlich 
zahlreiche Borjten heraus, die nach der Blütezeit einen aus ge- 
ichlängelten Haaren beitehenden, graumeißen, die Frucht vollitändig 
einjchließenden Wollichopf bilden. An diefen zierlichen wolligen 
Köpfchen, die freilich bei weitem nicht die Größe der in der 
Ebene und im VBorgebirge vorkommenden anderen Wollgras-Nrten 
erreichen, ijt unfer Pflänzchen Leicht zu erfennen. Diejer Haar- 
ichopf ift eine fehr wirkfame Ausrüftung zur Verbreitung des 
Samens. Das Wollgras gehört nämlich zu denjenigen Pflanzen, 
bei denen die Ausbreitung durch den Wind erfolgt. 

Das Pflänzchen bewohnt quellige, jumpfige, moorige Stellen 
an folgenden Punkten: Kefjelfoppe, Eib-, Bantiche- und meiße 
Wieje, Elbgrund, Teiche, Melzergrund, Schneegraben am Brunn- 
berg, Ränder des Aupagrundes; Gejenfe, Alpen- und Nordlands- 
flora.. Un einzelnen Stellen fteigt das PBlänzchen auch in 
niedrigere Gebirgslagen herab: Södrich b. Buchwald, Sannowis, 
Heerdberg, Kiejewald b. PVetersdorf, Waldenburger Gebirge. 


&ymnadenia conopea R.Br. (Orchidaceen Juss, 
S.24, XX.Kl.) Fliegenartige Höswurz. (Große 
Händelwurz.) Tafel 42. Nr. 81. 


Knollen handförmig geteilt. Stengel beblättert. Blätter 
lineal-lanzettlich, an der Spitze oft kappenförmig. 
Ähre ziemlich locker, walzenförmig. Blütenhülle un- 
regelmäßig, aus zwei 3zähligen Kreisen bestehend. 
Ein Blatt des inneren Kreises lippenartig, gespornt. 
Deckblätter 3nervig, so lang als die Blüten. Perigon- 
blätter stumpf, die 2 äußeren abstehend. Lippe 
Slappig. Zipfel fast gleichgroß. Sporn fadenförmig, 
1!/,—2 mal länger als der Fruchtknoten. Staubgefäße 
und Griffel zu einem Säulchen verwachsen. Staub- 
beutel am Grunde vom Schnäbelchen umgeben. Stiel- 
drüsen am Fortsatze des Schnäbelchens. Fleisch- 
farben oder hellpurpurn. Höhe 20—50 cm. Juni bis 
Juli #. 


— 10 — 


Wenn im Thale der Lenz jeinen Einzug hält, Wiejen und 
Gärten mit jeinem Blumenflor jhmücdt und Weg und Steg mit 
veichem Blütenfchnee betreut, herricht in den höheren Gebirgs- 
lagen noch ungejchwächt des Winters Macht, und ftarr und tot 
Yiegt die Waldwiefe vor und. Wohl fingt der erite Frühlings- 
länger am Waldesjaum: 


„Wacht auf, wacht auf, ihr Ihäler, 
vom Winterjchlaf jo Falt, 
und ziere dich mit Blumen, 
du Wieje, Feld und Wald.“ 
(®. Görre3.) 


Wohl raujcht es in den Wipfeln: 


„Die linden Lüfte find erwacht, 
fie jäufeln und weben Tag und Nacht, 
lie fchaffen an allen Enden. 
D friiher Duft, o neuer Klang! 
Nun, armes Herze, jei nicht bang’! 
Nun muß fich alles, alles wenden.” 
(2. Uhland.) 


Aber noch immer behauptet der Winter feine Herrichaft. 
Endlich aber 
„Wenn der Frühling auf die Berge jteigt 
und im Sonnenjtrahl der Schnee zerflieht; 
wenn das erite Grün am Baum jich zeigt 
und im Gras das erjte Blümchen jprießt;" — 
(Bodenitedt.) 
da ijt der Sieg errungen. Nun erfolgt ein fieberhaftes Erwachen 
der Natur, ein ftürmiicher Wettbewerb, der Auge, Ohr und Herz 
gefangen nimmt. 
„Kräftig auf blühender Au’ erglänzen die wechjelnden Yarben, 
aber der reizende Streit löfet in Anmut fich auf.“ 
(9. Maftuz.) 
Und fast iiber Nacht bedeckt fich unjere Waldwieje mit einem 
bunten Blumenflor. Hier ift jo vecht eigentlich die Heimftätte 
unjerer Pflanze, die durch das ganze Gebiet vom Vorgebirge bis 
auf die feuchten, grafigen Lehnen und Abhänge des Hochgebirges 
hinauffteigt. Sie ift auch in der AMlpen- und Nordlandsflora 
bertreten. 
Die Orchideen, zu denen auch unjere Pflanze gehört, find 
Snieftenblütler. Der Landungzplag für Bienen, Hummeln uf. 


—. 151 ,— 


ift die Unterlippe, welche mit einem Saftmale gejchmücdt ift. 
Diejes weijt die Bejucher nach dem Eingange in den Sporn, in 
welchem jich das Neftarium befindet. Der Beitäubungs-Apparat 
it ein jehr komplizierter und je nach den verjchiedenen Drchideen- 
Arten auch verjchieden eingerichtet. Bei einigen Arten enthält 
der Sporn feinen freien Honig, jondern ein jaftreiche® Getebe, 
das die Snjeften anjaugen müfjen. Dadurch werden fie genötigt, 
längere Zeit in der Blüte zu verweilen. Bei unjerer Pflanze 
jedoch — auch bei der folgenden — ijt der Genuß erheblich er- 
leichtert, da der Honig frei im Sporn liegt. 

Die Orchideen find über die ganze Erde verbreitet und 
zählen über 3000 Arten. Die in den Tropen vorkommenden, 
zu denen auch die Gewirz-VBanille gehört, übertreffen an Farben- 
pracht, Wohlgeruch, Form und Größe der Blüten weit die ein- 
heimifchen. Die Knollen enthalten Stärfemehl und Salep. 

Unjere Pflanze jowie einige Orchis-Arten haben im Gebirge 
auch den Namen Kudfud oder Kufudsblume, der wohl dar- 
auf zurücdzuführen ift, daß man den bisweilen an den Pflanzen 
bemerflichen Schleim der Schaumeifade fir Kududsipeichel hielt. 
Die Orchideen führen auch den Namen Sinabenfräuter, der 
dadurch entitanden ist, daß bei den zu Ehren der Göttin Ceres 
veranstalteten feierlichen Umzügen wmeißgeffeidete Knaben mit 
Orchisblumen gejchmüdt waren. Daß Pflanzen mit jolch auf- 
fälligem eigentüimlichen Blütenbau in den Sagenfreis aufgenommen 
worden jind, fan wohl faum überrajchen. Much die handfürmig 
geteilte Wurzel, melche außer Stärfemehl auch Salep enthält, 
mußte zu allerei Deutungen Beranlafjung geben. Am meijten 
mußte die Verjchiedenheit der beiden Knollen, der vorjährigen, 
dunfel gefärbten, und der diesjährigen, weißen, auffallen. Während 
jene als die fpeziftich chtwerere im Waffer untertauchte, jchwanm 
dieje auf der Oberfläche. Daher die Bezeichnungen: Marienhand 
— Teufelshand. 


Gymnadenia albida Rich. (Orchidaceen Juss. 
S.24, XX.Kl.) Weilsliche Höswurz. Tafel 42. 
Nr. 82. 


Knollen tief handförmig geteilt, mit langen walzen- 
förmigen Abschnitten. Stengel beblättert. Blätter 
- verkehrt - eiförmig, obere lanzettlich. Ahre ziemlich 


— 12 — 


dicht, dünn, walzenförmig, fast einseitswendig. Blüten- 
hülle wie die vorige. Perigonblätter stumpf, alle 5 
zusammenneigend. Deckblätter länger als der Frucht- 
knoten. Lippe tief-3spaltig; die seitlichen Lappen 
schmäler, spitz, ganzrandig. Sporn walzenförmig-keulig, 
3 mal kürzer als der Fruchtknoten. Staubgefäße, 
Griffel usw. wie die vorige. Gelblich - weiß. Höhe 
15—25 cm. Juni— Juli }. | 
Die beiden zur Gattung Gymnadenia gehörigen Arten 
find ihrer äußeren Ericheinung nach jehr verjchieden. Während 
die vorige mit einer meithin Teuchtenden Kilapurpurnen, ziemlich 
anjehnlichen Blütenähre ausgeftattel ift, an welcher die langen, 
fadenförmigen, gekrümmten Sporne fofort ins Auge fallen, verfügt 
unjere Pflanze nur über eine furze, Dichtgedrängte Ahre mit 
gelblich- weißen Eleinen Blüten. Aus diefem Grunde bleibt das 
Pflänzhen den meiften Gebirgsbejuchern eine unbefannte Er- 
Iheinung, obgleich eS an verjchiedenen Stellen an den Touriften- 
pfad herantritt. 
„Und doch blüh’ ich am Wege 
frei für die ganze Welt, 
die der geringjten Pflege 
mic nimmer mwitrdig hält.“ (Stelter.) 


&3 bewohnt Hauptjächlich die grafigen Flächen und Abhänge 
des Hochgebirges: Elb-, Pantjche- und weiße Wieje, alte fchlei. 
Baude, Schneegruben, Kefjelfoppe, Krfonofch, Brunnberg, H. Teich, 
Mittagjtein, Schneefoppe, NRehhorn, Glager Schneeberg, Gejenfe. 
Nur Hin und wieder verläßt unjere Pflanze ihren Hochfiß und 
fteigt bis unter die Knieholzregion herab, zZ. B. Schreiberhau, 
Krummhübel, Schüffelbauden. In der Alpen- und Nordlands- 
flora ijt die Pflanze ebenfalls vertreten. Die Pflanze gehört wie 
die vorige zu den Sniektenblütlern. Für die Beitäubungsvermittler 
it der Bejuh injofern jehr erleichtert, als der Honig frei im 
Sporn liegt. 

Listera cordata R.Br. (Orchidaceen Juss. S. 24, 
XX. Kl.) Herzblättriges Zweiblatt. (Torf- 
Zweiblatt.) Tafel 41. Nr. 83, 


Wurzelstock dünn, kriechend, mit einzelnen Wurzeln. 
Stengel zart, dünn. Blätter 2, herzförmig, fast gegen- 


— 153 — 


ständig, in der Mitte des Stengels. Traube locker, 
armblütig. Zipfel des Helmes gegeneinandergeneigt. 
Lippe abwärts gebogen, am Grunde rinnig, länger als 
die übrigen Blütenhüllblätter, 3spaltig; seitliche Zipfel 
kurz, linealisch, der mittlere 2spaltig. Hüllblätter 
grün-bräunlich. Höhe 8—20 cm. Juni—Juli 2. 
Unfere Pflanze führt uns in das waldige Reich. Hier be- 
grüßen uns Liebe, alte Freunde, die zu neuem Leben erwacht find. 


„hr jeid e8 aljo, die ich meinte, 
in Mulm und Mooje tief verjtect, 
die mir die Sonne wieder weckt, 
ihr Kleinen, langentbehrten Freunde! 


hr breitet wieder das Gefteder, 
ihr habt den Schneeleib abgethan, 
ich jeh’ in Wald und Wiejenplan 
die alten, lieben Blumen. wieder!“ 
(Thieme) 


An jchattigen Stellen, auf feuchtem Waldboden, auf weichen 
Moospolfter: dort ift unfer Plänzchen am eheiten anzutreffen. 
Wenn uns auch die furze, chwachgefärbte, wenigblütige Traube 
entgehen jollte, fo machen jich aber jofort die herzfürmig-3 eigen 
Blätter, die bisweilen auf dem dunfelgrünen Moospoliter aus- 
gebreitet find und fich von diefem fehr augenfällig abheben, be- 
merfbar. Das Pflänzchen, welches bejonders in der Waldregion 
verbreitet ift, fteigt vom Thale bis an die Kinieholzgrenze: Sier- 
gebirge (Meffersdorf, Schwarzbadh, Flinsberg, Heufuder, Buc)- 
berg ufjw.), Kochel- und Zadelfall, neue und alte jchlej. Baude, 
Reifträger, Krfonofch, Weiftwafjergrund, Haideichloß, Dreifteine ujtm., 
Kupferberg, Heufcheuer, Glager Schneeberg, Gejenfe; Alpenz, 
Broden- und Nordlandsflora. Zur Gattung Listera gehört nocd) 
das in der Ebene und im VBorgebirge verbreitete eiblättrige 
Zweiblatt (L. ovata R.Br.), mit 2 eiförmigen Blättern und 
reichblütiger grüner Traube. 

Unfere Pflanze gehört -— wie jämtliche Orchideen — zu den 
Sniektenblütlern, bei denen die beitäubungsvermittelnden Sniekten 
durch eine honigabiondernde Ninne auf der Unterlippe der Blüte 
zu dem Neftariunr hingeleitet werden. Dem ganzen eigenartigen 
Hlütenbau entiprechend, it auch der Beltäubungs-Apparat höchit 
merfwürdig eingerichtet. Gleich einem Schußdach ift über Die 


ER 5 le 


Narbe eine feine Haut geipannt, unter der fich eine Flebrige 
Flüffigfeit befindet. Berührt num ein Injekt, Schlupfweipe, Eleiner 
Käfer ufw., die Blüte, jo gelangt der Klebftoff an den Tierförper 
und dient zur Befejtigung des Blütenjtaubes. 


Corallorrhiza innata R. Br. (Orchidaceen Juss. 
S.24, XX.Kl.) Korallenwurz. Tafel 41. Nr. 84. 


Die ganze Pflanze gelb-grünlich. Wurzelstock korallen- 
artig, zackig, ohne Fasern. Stengel blattlos, bis zur 
Mitte mit Scheiden. Traube locker, armblütig. Blüten- 
hüllblätterlanzettlich, gSlockenförmig zusammenneigend. 
Lippe 3lappig, am Grunde mit 2 rinnenförmigen Ver- 
tiefungen. Säulchen halbstielrund, etwas vorwärts 
gekrümmt. Gelblich- grün. Hüllblätter bräunlich. 
Lippe rotpunktiert. Höhe 10—20 cm. Juni—Juli }. 

Kach der Lehre Zorvafters giebt eS zwei Welten: ein Weich 
des Lichts, in dem Ormuzd regiert, und ein Keich der Finfternis, 
welches Ahriman beherriht. Bor allem steht die Pflanzenwelt 
unter dem Regiment Ddiejer Herricher. Während die der Sonne 
zugemwendeten Gewächje, die meist mit einem grünen, farbenreichen 

Gewand geihmüdt find, zu dem erjteren zählen, gehören alle 

übrigen, der Sorine abgefehrten Pflanzen, befonders die Schmaroger- 

gewächje, zu dem lebteren. Auch unjere Bilanze wendet ji vom 

Sonnenlichte ab und trägt ein farblojes, blafjes Gewand. Db- 

wohl fie nicht zu den Schmarogern gerechnet wird, fteht fie doc) 

den bleichen Geitalten aus Ahrimans Reich jehr nahe. Sp wie 
die Pilze im großen Haushalte der Natur eine jehr wichtige 

Rolle jpielen, jo greifen jie auch in jehr bedeutjamer Weile in 

das Leben einzelner Bflanzengruppen ein. Wenn wir unjere 

Pflanze aus dem Boden herausheben, jo bemerfen wir, daß ihre 

forallenartige Wurzel von Bilsfäden umgeben ijt. Dieje enthalten 

in großer Menge eine Flüffigkeit (Protoplasma), die begierig von 
umjerer Bilanze aufgeiogen wird. Außerdem geben die Bilzfäden 
ihren Eiweißjtoff an die Pflanze ab, der ihr zur Ernährung 
dient. Wenn Drosera und Pinguicula als injeftenfrefjende 

Pflanzen bezeichnet werden, jo fönnen Corallorrhiza, Empetrum 

und Vaccinium pilzfrefjende Pflanzen genannt werden. 


— 15 — 


Die pilzfreffenden Pflanzen verjtehen e3, „mit vaffinierten 
Einrichtungen Pilze als ihre auserforenen Opfer in ihr Proto- 
plasma einzufangen, darin groß zu züchten und jchließlich zu ver- 
dauen, um jo von der reichen Eiweißproduftion gerade der Pilze, 
die die leßteren ja auch als menschliches Nahrungsmittel wertvoll 
macht, Nuten zu ziehen“. (Franf.) 

Unfere Pflanze liebt feuchte, jchattige Waldpläge und jteigt 
vom Thale bis in die obere Waldregion: iergebirge (Meffers- 
dorf, Flinsberg, Buchberg, Schreiberhau, Agnetendorf, Hain), 
Kochel- und Zadelfall, zwiichen Schüfjelbauden und Spindelmühl, 
unterhalb der neuen und alten jchlej. Baude, Falfenberge, Kitel- 
berg, Schablar, later Schneeberg, Gejenfe; Alpen-, Broden- 
und Nordlandzflora. 


Lilium Martagon L. (Liliaceen DC. S. 24, VI. Kl.) 
Türkenbund-Lilie. Tafel 43. Nr. 85. 


Wurzelstock eine gelbe, schuppige Zwiebel. Stengel 
beblättert, oberwärts kurzhaarig. Blätter in der Mitte 
des Stengels zu 3—8 in Quirlen, kurzgestielt, elliptisch- 
lanzettlich, zugespitzt, am Rande rauh, obere kleiner, 
abwechselnd. Blüten nickend, traubig, zu 3—10. 
Perigonblätter 6, länglich, umgerollt, abfallend, am 
Grunde mit einer Honigfurche. Staubbeutel 6, auf 
dem Rücken befestigt. Griffel fast keulenförmig, mit 
3seitiger Narbe. Samen flach zusammengedrückt, 
zahlreich. Rosa-fleischfarben, purpurn gefleckt. Höhe 
a—1l m. Juni—Juli }. 

Wer zum erftenmale den Türfenbund in voller Blüte 
an den Teichrändern, im Melzergrunde, Niejengrunde, in den 
Schneegruben, an der Reffelfoppe oder an einem ähnlichen Stand- 
orte erblickt, ifl nicht wenig erjtaunt, in der Wildnis eine Pflanze 
anzutreffen, die er bisher nur in Gartenanlagen zu beobachten 
Gelegenheit hatte. ES gewährt aber auch einen eigenartigen An- 
bfif, wenn fich unfere Pflanze mit ihren meijt quirkjtändigen 
linealfförmigen Blättern und mit ihren rojafarbenen oder purpurnen 
eigentünmlich geformten Blütenhüllen über ihre Umgebung erhebt 
und auf dieje gleichlam vornehm=-erhaben herabichaut. Wollten 
yoir die Pflanze volljtändig aus dem Boden herausheben, jo würden 


— 156 — 


wir abermal3 überrafcht werden, und zwar von der ziemlich 
großen goldgelben Zwiebel, die aus zahlreichen dachziegelartig 
übereinander Tiegenden Schuppen beiteht. Blüte und Wurzel 
gaben der Pflanze die Namen „Türfenbund“ und „Goldwurz“. 
In der That haben die zurücgeichlagenen, fast fleischigen Büten- 
blätter einige Ahnlichfeit mit dem Kopfbunde, dem Turban, wie 
ihn die Türfen tragen. Der Name Martagon wird von Mars 
(Gott des Krieges) abgeleitet. Dieje Bezeichnung deutet darauf 
hin, daß man früher der Bilanze allerlei Heilwirfungen zufchrieb. 
Wegen ihres merkwürdigen Habitus, noch mehr aber wegen der 
goldgelben Zwiebel, die doch nur auf Gold hindeuten konnte, ftand 
fie bei den Mchimiften in hohem Anjehen. Sollte nicht endlich 
dieje geheimnisvolle Pflanze, die jedenfalls aus fernen Landen 
ftammte, zur Entdedung des „großen Magijteriums“, der „roten 
Tinktur”, führen, jenes eifrig gefuchten Stoffes, der alle Körper 
in Gold verwandeln und alle Krankheiten heilen fonnte? Der 
Türfenbund zählt zu denjenigen Pflanzen, deren Blüten nur von 
Schmetterlingen bejucht werden. Denn nur Ddieje fünnen mit 
ihrem dünnen langen Snijektenrüfjfel zu dem Honig gelangen, der 
ih in einer engen, auf dem Perigonblatte eingelafjenen, verdedten 
Ninne befindet. Da die Blüte erit gegen Abend am jtärfiten 
duftet, wird fie nicht bloß von Tag-, jondern auch von Nacht- 
faltern bejucht. Unjere Pflanze liebt Laubwälder und jonnige 
Abhänge und jteigt vom Worgebirge bis in die Schluchten des 
Hochgebirges. Sie ift in den Alpen und einigen deutichen Mittel- 
gebirgen heimilch, fehlt aber in der nordiichen Flora. Sm den 
Ditjudeten wird jie von der Feuerlilie (L. bulbiferum L.), 
mit votorangefarbener Blütenhülle, begleitet, welche auf dem 
Slager Schneeberge und an mehreren Stellen des Gejenfes ziem- 
(ich Häufig anzutreffen ift. 


Allium Vietorialis L. (Liliaceen DC. S. 24, VI. Kl.) 
Allermannsharnisch. Tafel 44. Nr. 86. 


Zwiebel verlängert, keulenförmig, dem walzenförmigen, 
oft verzweigten Wurzelstocke aufsitzend, von einer 
netzartig zerfasernden Scheide umhüllt. Stengel ober- 
wärts kantig, bis zur Mitte beblättert. Blätter 2—4, 
kurzgestielt, elliptisch bis länglich-lanzettlich, stumpf, 


— 197 — 


in den Blattstiel verschmälert. Dolde kugelig, mit 
kurzer Scheide. Perigon trichterförmig offen; Hüll- 
blätter lineal-länglich, kürzer als die Staubfäden und 
Griffel. Grünlich-weiß. Höhe 25—50 cm. Juli bis 
August }. 


Unjere Pflanze zählt zu den jelteneren Kindern des Hoch- 
gebirges. Sie tritt fajt nirgends an den Touriitenmweg heran 
und erjcheint meijt einzeln oder nur in wenig Exemplaren. Des- 
halb kommt wohl faum ein Gebirgswanderer in die Lage, nähere 
Befanntichaft mit ihr zu machen, und doch hat fie wahrlich nicht 
nötig, jich vor den Bliden des Beobachters zurüczuziehen. Denn 
fie ijt eine tattliche Erjcheinung, die fich jchon auf den erften 
Hlid von ihrer Umgebung abhebt. Aus den fräftigen, elliptiichen 
Blättern erhebt jich ein jtarfer Stengel, welcher einen anjehnlichen 
Blütenfopf trägt. Sie liebt grafige, feuchte, felfige Abhänge: 
Schneegruben, Kejjelgrube, Krkonoich, Wofjefer-Baude, Neifträger, 
Melzergrund, Aupagrund, Rehhorn, Gejenfe, AUltvater. Sm den 
Alpen Häufig, fehlt aber in der Nordlandsflora. Der Name 
„Allermannsharniich“ jagt uns, daß der Pflanze, die unjeren 
Borfahren auch als Heilfräftig galt, gewaltige Zauberfräfte zu- 
geichrieben wurden. Sie jollte fich befonders im Kriege als ein 
ficheres Schugmittel bewähren. Beim jchlichten, gläubigen Gebirg3- 
bewohner, der fie als glücdbringend gern am Gartenzaun oder 
an der „Steinrüde” (die von Felditeinen aufgeführte Grenzmauer) 
jieht — bejonders wenn fie ohne fein Zuthun ericheint —, fteht 
fie Heut noch in hohem Anjehen. Er bezeichnet fie jegt noch mit 
„Slüdsmännel“ und wacht darüber, daß fie beim Grasmähen 
unverjehrt bleibt. 


„sn einem alten Sräuterbuche heißt e3 von diejer Pflanze: 
„Sie wird Siegwurz oder Ullermannsharnifch genannt, weil ihre 
Wurzel überzogen it von Härlein in Geitalt eines Banzers.“ 
Man verglich aljo die negartige Wurzelhülle mit einem Panzer- 
hemde und benannte aus dem Grunde die Pflanze Allermanns- 
harniich; wie PBaraceljus fchreibt: „Die Siegwurz hat Geflecht 
um fich wie ein Banzer; das ift auch ein magijch Zeichen und 
Bedeutung, daß fie behüt’ für Waffen wie ein Banzer.” Darum 
trugen auch die Kriegsleute in früherer Zeit die Siegwurz als 
Ihüsendes Amulett am Halje, um fich dadurch hieb- und ftichfeft 
zu machen. uch die Landleute jchäbten die Pflanze al3 ein 


— 158 — 


fräftiges Mittel gegen den böjen Zauber der Heren und unholden 
Geijter.“ ') 

Zur Gattung Allium gehören außer dem nachjtehend be- 
jchriebenen jibiriijhen Schnittlauch (A. sibiricum Willd.) 
noch verjchiedene, meift in Gärten gezogene Ztwiebel- und Lauch- 
arten. Man verlegt die Heimat derjelben in das Innere von 
Alien. „Sn Agypten waren Zwiebeln und Knoblauch von alters 
her Bolfsnahrung (4. Mof. 11, 5). Beim Bau der Cheops- 
pyramide wurden für 6 Millionen Mark Zwiebeln, Knoblauch 
und Rettich verbraucht.” ?) Den Griechen war die Zwiebel eben- 
falls im Altertume jchon befannt. Mit ihnen gelangte fie zu den 
ARömern, von denen jie zu den Germanen wanderte. 

Allium hat die Eigenschaft, fih duch Krümmungen der 
Hlüten- und Fruchtitiele gegen Wetterungunft zu fchüßen. 


Allium sibiricum Willd. (Liliaceen DC. S. 24, 
VI. Kl.) Sibirischer Schnittlauch. Tafel 44. 
Nr. 87. 


Zwiebeln dünn, länglich-keulig, meist büschelig gehäuft. 
Blätter hohl, pfriemlich-walzenförmig, halb-stielrund, 
oberwärts etwas flach. Schaft stielrund, am Grunde 
1—2blättrig. Doldenscheiden eiförmig-rundlich. Peri- 
gonblätter lang-zugespitzt, doppelt so lang als die am 
Grunde verbreiterten, zahnlosen Staubfäden, mit um- 
gebogener Spitze. Kapsel stumpf-dreikantig. Dunkel- 
rosa, fast purpurn; selten weiß. Höhe 15-45 cm. 
Juli— August }. 

Dieje Pilanze steht dem in Gärten vielfach angebauten 
Schnittlauh (A. Schoenoprasum L.) jehr nahe. Sie tmwird 
deshalb nur als eine Barietät der Hauptpflanze angejehen, von 
welcher fie fich durch Fräftigeren Wuchs, Halbftielrunde Blätter, 
Ihmal=lanzettliche, dunkler, faft purpurn gefärbte Blütenhüllplätter 
unterjcheidet. Nur ift der Standort ein von dem Gartengewächs 
jehr abweichender. Die Pflanze Tiebt quellige, moorige Stellen 
und feuchte, grafige Lehen des Hochgebirges: Teiche, Brunnberg, 


1) Neling und Bohnhorft. Unjere Pflanzen. 
?) NR. Waeber. Lehrbuch für den Unterricht in der Botanif. 


— 19 — 


Aupafall, Blaugrund, Eldgrund, Keijelfoppe, Altvater, Gejenfe. 
Sn der Alpen- und Nordlandsflora ijt fie ebenfalls vertreten. 

Unfere Bilanze erjcheint nicht wie die vorige nur vereinzelt. 
Sie ift jehr gejelliger Natur und breitet fich an einzelnen Stellen, 
3. B. am gr. Teiche, am Brunnberge und fonft, herdenweis aus. 
Durch die üppigen, ganze NRafen bildenden, grau-grünen Blätter, 
- Durch die feilten Blütenjtengel und die dunfelroten, faft fugeligen 
Hlütenföpfe unterjcheidet fie fich jofort von den umgebenden 
Pflanzen. Die an einzelnen Stellen (Uupagrund, Blaugrund, 
Altvater) fich zeigenden weißen Blütenföpfe erhöhen nur den 
Reiz des bunten Blumenflors. 


Streptopus amplexifolius DC. (Liliaceen DC. 
S. 24, VI. Kl.) Stengelumfassendes Zapfen- 
kraut. (Knotenfuß.) Tafel 45. Nr. 88. 


Wurzelstock knollig verdickt. Stengel 1—2X gabel- 
spaltig, kahl. Blätter eiförmig, mit herzförmigem 
Grunde, stengelumfassend, unterseits seegrün. Blüten 
einzeln, glockenförmig, bis auf den Grund 6teilig. 
Zipfel mit zurückgebogener Spitze. Blütenstiele blatt- 
gegenständig, um den Stengel gedreht und abwärts 
gekniet. Staubgefäße 6, am Grunde der Blütenhülle 
befestigt. Beeren fast kugelig. Grünlich-weiß, am 
Grunde bisweilen purpurn. Beere scharlachrot. Höhe 
20—50 cm. Juni—Juli }. 

Auf einer Wanderung im Frühling nad) dem Hochgebirge 
bemerfen wir an verichiedenen Stellen tutenfürmig zujammen- 
gerollte Blattgebilde, welche fich über das friche Wiejengrün er- 
heben. Nicht Yange darauf breitet die Blanze die Blattoberfläche 
dem Tageslicht entgegen. Der Stengel erhebt fic) und jendet 
gabelipaltig feine Aite nach allen Richtungen hin. Aber nirgends 
tritt ung eine Blüte entgegen. Erft wenn wir einen Zweig auf- 
heben und genauer unterjuchen, bemerfen wir unter den anjehn- 
fichen Blättern eine weißliche, Eleine Lilienblüte an einem ge- 
drehten Stiele. Diejer aber ijt gefnicdt, fat unterm rechten 
Winkel abwärts gefniet. Unter dem Blätterdache ift die zierliche 
Blüte vor Sturm und Regen und Hagelwetter ficher gejchüßt, 
Irogdem finden die Bejtäubungsvermittler, Durch die am Blüten- 


RN hut 


grunde angebrachte purpurne Färbung angelodt, den Weg zum 
Tektarium. Sit nun die Befruchtung erfolgt und hat fich die 
anfangs grüne Beere gebildet, jo fünnen Stürme und Negengüffe 
nicht mehr jchaden. est ftredt fich der Fruchtitiel, die Blatt- 
fläche tritt zurück und die Pflanze erjcheint mit der icharlachroten 
Beere gejchmückt. 

Unfere Pflanze, die wegen des Fnotigen Wurzelitocdes auch 
Snotenfuß genannt wird, liebt feuchte, grafige Abhänge und 
Schluchten. Sie fteigt von der Waldregion bis auf die Kämme 
des Hochgebirges: Alte und neue jchlej. Baude, Kefjelfoppe, EIb- 
grund, Schneegruben, Teiche, Teufelsgärtchen, Grenzbauden ufw., 
Heufcheuer, Hohe Menje, Glater Schneeberg, Gejenfe, Alpen. Sn 
der Nordlandsilora jcheint jte zu fehlen. 


Juncus trifidus L. (Juncaceen Bartl. S. 24, VI. Kl.) 
Dreispaltige Binse. Tafel 45. Nr. 89. 


Wurzelstock dichtrasig, neben den blütetragenden 
Stengeln auch unfruchtbare Blätterbüschel. Blätter 
borstlich, rinnenförmig. Stengel nackt, fadenförmig, 
am Grunde von Scheiden umhüllt, wovon die oberste 
ein kurzes, pfriemlich-rinnenförmiges Blatt trägt. Blüte 
einzeln, mit 2—3 langen, aufrechten, borstlichen Hüll- 
blättern. Blütenhüllblätter 6, die 3 äußeren gekielt, 
zugespitzt, etwa so lang als die länglich-eiförmige 
Kapsel. Staubgefäße 6, am Grunde der Blütenhülle 
eingefügt. Griffel ziemlich lang. Fruchtknoten drei- 
fächerig. Blütenhülle und Kapsel kastanienbraun. 
Höhe 10—20 cm. Juli—August }. 

Unjere Pflanze ijt eine Koppenbemwohnerin, die bejonders auf 
der Süpjeite der Schneefoppe dichte NRafen bildet. Sie ift jofort 
an den zahlreichen, boritenförmigen Blättern zu erfennen, die die 
Hlütenftengel in zähen, jtarren Rafen umgeben; vor allem aber 
an den meilt zu 3 ftehenden, aufgerichteten, ziemlich langen Hüll- 
blättern, die wie gejpalten erjcheinen und den Blütenftand ein- 
ihliegen. Mit ihren ftarfen, ftarren Wurzeln gräbt fich Die 
Pflanze zwiichen Steingeröll in die dünne Exrdfchicht, an welche 
fie jich feftflammert. Auf diefe Weise jchüst fie die Bodenfrume 
vor dem Herabjchweifen. Obwohl das Pflänzchen an diejer Stelle 


— 161 — 


fait die einzige Vertreterin der Hochgebirgsflora ift und obwohl 
der Pla — unfern des Haupt-Touriftenweges — von Soppen- 
bejuchern viel betreten wird, bleibt es doch fait allen eine unbe- 
fannte Erjheinung. Denn ftarr und borjtenförmig find Die 
Blätter, Fein und dunkel die von Hüllblättern eingejchlofjene 
Blüte. Deshalb erjcheint die Klage wohlberechtigt: 

„Mir armen Blume am Wege 

gilt nie ein Freundichaftsgru 3 


wohin ich’3 Köpfchen lege, 
tritt mich des Wandrerd Fup.”“ (R. Stelter.) 


Luzula spieata DC. (JuncaceeniBartl. S. 24, VI. Kl.) 
Ähriger Marbel. Tafel 46. Nr. 90. 


Stengel meist einzeln, straff. Blätter lineal, rinnig. Hüll- 
blätter am Grunde breit-scheidig, lang zugespitzt, am 
Rande haarig gefranst. Blüten in einer gelappten, ge- 
drängten, sitzenden, meist nickenden Scheinähre; diese 
länger als die Hüllblätter. Blütenhüllblätter lanzettlich, 
haarspitzig, länger als die rundlich-eiförmige, stachel- 
spitzige Kapsel, schwarzbraun, weiß-hautrandig. Kapsel 
rotbraun. Höhe 10—25 cm. Juni— Juli }. 

Auch, dieje Pflanze, die zu den Seltenheiten der Hochgebirgs- 
flora zählt, hat, wie die vorige, ein jehr bejcheivenes Gewand; 
doch it fie leicht an der ziemlich langen, meist nidenden Ühre 
zu erfennen. Sie liebt furzgrafige, jteinige Flächen; bewohnt 
jedoch auch Felzipalten und Steingeröll: Schneefoppe, Riejen- und 
Hampelbaude, jchwarze Koppe, Brunnberg, Melzergrube, Kefjel- 
foppe, El. Schneegrube; Alpen- und Nordlandsflora; jcheint aber 
in den Ditjudeten zu fehlen. 

Der Name Luzula (glänzend) fcheint wohl auf die glänzend 
braune Blütenhülle und Kapjel Hinzudeuten, während fich Die 
Bezeichnung Marbel wahricheinlich auf die Geftalt der Kapfel 
bezieht. 

Zu unferer Gattung gehören noch folgende im Gebirge vor- 
fommende Arten: Wald-Marbel (L. silvatica Gaud.). Wurzel- 
jtof did. Blätter breit, lineal-lanzettlich, jehr lang. Spirre 
fänger al3 das Hüllblatt. Melzergrund, Forftfamm, Gehänge ufmw., 
Slager Schneeberg, Gejenfe.e Schmalblättriger Marbel 

11 


— 12 — 


(L. angustifolia var. rubella Hoppe). Wurzeljtod friechend. 
Blätter fchmal-Tineal. Blüten rötlich bis Fupferbraun. Spirre 
fürzer al3 das Hüllblatt. Im Hochgebirge zahlreih. Gebirg3- 
Marbel (L. sudetica Presl.). Wurzelftod Furz - friechend. 
Stengel einzeln. Blüten in dichten Ahren. Samen mit fegel- 
fürmigem Anhängjel. Häufig. 


Veratrum Lobelianum Bernh. (Colchicaceen 
DC. S. 24, VI. Kl) Germer, Wendedocke, 
Oldog. Tafel 46. Nr. 91. 


Wurzelstock kurz, dick, schopfig. Stengel stielrund, 
beblättert, weichhaarig. Blätter breit-elliptisch, ge- 
faltet, obere lanzettlich, nervig, unterseits grauflaumig. 
Blüten in rispigen Ahren. DBlütenhülle 6blättrig; 
Blätter zottig-gewimpert. Staubgefäße 6, mit nieren- 
förmigen Staubbeuteln. Griffel 3, kurz. Kapseln am 
Grunde verwachsen. Gelblich-grün. Höhe 1/;—1!/, m. 
Juni— August 4. 

Gehört auch unjere Pflanze nicht zu den Erjtlingen der er- 
wachenden Flora, jo bleibt jie Doch feineswegs zurüd, wenn jung 
und alt anjtimmen: 

„ch, jeht doch, wie fich alles Freut! 
Es hat die Welt jih jchön erneut: 
Der Lenz ijt angefommen!” 


Schon im Frühjahr durchbricht die Pilanze das Erdreich 
und erhebt ihre fräftigen Blätterbüjchel über das friiche Wiefen- 
grün. Allmählich erwachen auch die übrigen Kinder Flora und 
Ihmüden Berg und Thal, Wieje und Wald. 


„Kun grünen die Saaten im jonnigen Feld, 
num jäumen fi) golden die Hecken, 
jmaragden belaubt jich des Waldes Gezelt, 
mit Mooje die Yeljen jich deden; 
ring3 treibet da® Grün und vertreibet dag Weiß; 
fein Slocdchen von Schnee und fein Neftchen von Eis 
darf im fchattigjten Thal fich veritecen.“ 
(8. ©erof.) 


— . 168 — 


Auch die Gebirgsabhänge beleben jich mit jchön geichmückten 
Blumengeftalten. Nur wenige derjelben aber fünnen — joweit 
die Farbe der Blüte nicht in Betracht gezogen wird — in einen 
Wettbewerb mit unjerer Pflanze eintreten. Aus dem jtrogenden 
Blätterjchopf erhebt jich ein ftarfer beblätterter Stengel, welcher 
jpäter eine vielblütige, ftattliche, bisweilen pyramidale Blütenrijpe 
trägt. Wenn auch die grünlich-gelbe Färbung derjelben nicht 
bejonders ins Auge fällt, jo erregen aber umjomehr die großen, 
Ichön geformten, regelmäßig gefalteten Blätter die Aufmerkfam- 
feit des Wanderers. 

Die Pflanze liebt jumpfige Wiejen- und Waldpläße, moorige, 
quellige Abhänge. Sie jteigt vom Fuße des Gebirges bis auf die 
Kuppen und Kämme Am Ser und Riejengebirge über 700 m 
ziemlich verbreitet. ulengebirge, hohe Menje, Wölfels- und 
Klejjengrund, Glaber Schneeberg, Gejenfe; Alpen- und Nord- 
landsflora. | 

Gegen feindliche Angriffe, bejonders gegen weidenves Vieh, 
it die Pflanze in der wirfjamjten Weife durch verjchiedene in 
allen PBilanzenteilen vorhandene Alkaloide (giftig!) gejchüßt. Die 
Verbreitung der Früchte durch den Wind wird bejonderd durch 
den flachgedrücten Samen begünftigt, welcher mit Flügelanhängen 
ausgeitattet ift. 


Juniperus nana Willd. (Coniferen Juss. S. 24, 
XXI. Kl.) Zwerg-Wacholder. Tafel 47. Nr. 92. 


Meist knorriger Strauch, mit dichten, niederliegenden 
oder aufsteigenden Ästen und gekrümmten Zweig- 
spitzen. Blätter zu 3 in Quirlen, genähert, aufwärts 
gekrümmt, kaum stechend, lineal-lanzettlich, kurz zu- 
gespitzt, etwas dachziegelig, oberseits mit einer Rinne. 
Blüten 2häusig. Blüten in blattwinkelständigen 
Kätzchen. Staubfäden schildförmig ausgebreitet, mit 
3—6 Staubbeutelfächern. 2 Ahren nur Fruchtschuppen, 
mit 2—3 Keimblättern. Frucht eine schwarze, bläulich 
bereifte, kugelig-eiförmige Beere, so lang als die Blätter. 
Höhe 1—3 m. Juni b 

Wenn wir von Flinsberg aus über die Kammbäufer nad 

Gr. Sier wandern und und dort beim Forjthaufe vechtS wenden, 


118 


OL 


io fommen wir mitten hinein in ein dichtes Wacholdergeftrüpp, 
welches fich zu beiden Seiten der er ausbreitet. Cinzelne, 
ichwächere Sträucher ftehen auch am Lämmerwafjer, in der Nähe 
der Sier-Mühle. Weitere Standorte find: KL. Sieriviefe (unter- 
halb des Buchberges), Tichihaneltwieje, Pantjchewieje (unmeit des 
PBantjchefalles ein verfüimmertes Exemplar), Gejenfe. Alpen- und 
Kordlandsflora. „Der Name Wacholder ift altdeutichen Uriprung2. 
Er ift zufammengejegt aus „wach“, welches in der allgemeinjten 
und ältejten Bedeutung lebendig, munter heißt, und aus 
„der“ oder „ter” — Baum, Strauch; das „ol“ dazwilchen ift 
Ableitungsendung. Demnach) bedeutet Wacholder einen immer 
febendigen oder immer grünen Baum. Sn der That mußte diefer 
Strauch durch jein jelbft zur Winterszeit frisches Ausjehen in 
die Augen fallen, zumal da er auf der Heide und in anderen 
öden Gegenden, welche die Natur nur jpärlich mit friihem Grün 
geiehmüct hat, zu der toten Umgebung einen wohlthuenden Gegen- 
ja bildet. Dazu fommt no, daß Holz, Blätter und Früchte 
bon einem angenehmen Dufte durchdrungen find. E83 fan uns 
deshalb nicht wundernehmen, wenn der Wacholderjtrauch jich der 
Liebe unjerer Vorfahren in ganz bejonders hohem Grade erfreute. 
Selbit noch heutigen Tages ftehen die beerenartigen Früchte diejes 
Strauches bei dem Volfe al3 unentbehrliches Hausmittel bei den 
verichiedenften Zufällen in hohem Anjehen. Bei den alten Ger- 
manen gehörte der Wacholder zu den geheiligten Hölzern, die bei 
der Verbrennung der Toten und beim Opfern verwandt wurden; 
mehrfach Hat man auf den Begräbnispläßen der alten Germanen 
Kohlen von Wacholderholz vorgefunden. ALS jpäter das Chriiten- 
tum das Heidentum verdrängte, gebrauchten die Priejter die 
Wacholderbeeren zum Näuchern bei der Mefje; Hierin ijt der 
Grund zu fjuchen, daß die Wacholderbeeren in Weitfalen nocd) 
heute im Munde des Volkes den Namen „Weyedeln”, d. i. Weih- 
beeren führen. Auch in den Marienfultus ift der Wacholder auf- 
genommen; man jeßt in manchen Gegenden der heiligen Maria 
einen immergrünen Kranz von Wacholderzweigen auf, um dadurd) 
ihre Emwigfert anzudeuten.“ ?) 

Tach alten medizinischen Kräuterbüchern giebt e3 faum eine 
einzige Krankheit, bei welcher jich nicht der Wacholder, der vom 
Gebirgsbewohner auch „Sochhandel” genannt wird, vorzüglich 


!) Reling und Bohnhorjt. Unfere Pflanzen. 


— 158 — 


bewähren jolltee Schon im 15. Jahrhundert Heißt e8 in 
Megenbergs „Buch der Natur“: „Juniperus der Frametbaum 
heißt teutjch ein mwechalter und man jpricht, das der framet hefff 
für der gelider miüden und darumb jo ettlich mid werden, jo 
ichlaffen jy unter de3 baumes fchatten."!) Nun, noch heutzutage 
dient er zur Stärfung der ermatteten Glieder, freilich nunmehr 
al3 erquidender Trank, der aus jeinen Beeren bereitet wird und 
den Frankreich und nach ihm andere Nationen nach dem lateinijchen 
Grundworte Genevre benannt haben. ?) | 

Daß eine jo viel vermögende Pflanze im Bolfsglauben mit 
allen nur erdenklichen geheimen Kräften ausgeitattet wurde, ver- 
jteht fich ganz von jelbit. Bald jollte fie Warzen und Hühner- 
augen vertreiben, bald .die Kobolde und böje Geifter bannen uf. 
Sa, jogar zur Ermittelung der Diebe mußte jie dienen und Diele 
zwingen, das gejtohlene Gut wieder zurüdzubringen. Unjer 
Strauchftegt in jehr naher Beziehung zu dem in der Ebene umd 
im Vorgebirge ziemlich Häufig vorfommenden gemeinenWacholder 
J. communis L.), der jofort an den pfriemfürmigen, jtarren, 
meitabjtehenden, jtechenden Blättern zu erkennen ijt. Zu derjelben 
Familie gehören auch die verjchtedenen Arten von CHprejjen, die 
vielfach in Gärten und Anlagen angepflanzt werden. 

Juniperus gehört zu den Windblütlern, deren Blütenjtaub 
duch die Luftbewegung von einer Blüte zur andern getragen wird. 


Pinus Pumilio Haenke. (Coniferen Juss. S. 24, 
XXI Kl.) Knieholz. Zwerg-Kiefer. Tafel 47. 
Nr. 93. 


Stamm niederliegend, mit bogig-aufsteigenden Ästen. 
Nadeln zu 2, derb, am Grunde von braunen, trocken- 
häutigen Schuppenblättern umgeben. Blüten 1häusig. 
d Blüten zahlreich in kurzgestielten, dicht um den 
Zweig stehenden Kätzchen. Staubbeutel gelb, Zfächerig. 
2 Blüten einzeln, stets mit Deckblättern, aus denen 


1) Diejer Glaube mweijt auf den Propheten Elias hin, von dem eg 
heißt: „Er ging Hin in die Witte eine Tagereiie und fam en und 
jegte jich unter eine Wacholder .... und legte jich und fchlief unter der 
Wacholder.” 

2) Söhns. Unjere Pflanzen. 


— 166 — 


später die holzigen, an der Spitze verdickten, mit 
rautenförmigem Schilde versehenen Fruchtschuppen 
entstehen. Zapfen dunkelbraun, kugelig - eiförmig, 
symmetrisch. Höhe 1—2 m. Mai— Juni D. 

Auf einer Wanderung vom Thale auf die Hochgebirgs- 
fämme begleitet uns auf allen Zugängen hoher Wald. Se höher 
wir jteigen, dejto jeltener werden die Bäume, bis fie endlich vom 
Knieholz fait ganz verdrängt werden. Diejes bildet meijt große 
Begetationsmaffen. Anfangs mwächjt der junge Stamm aufrecht, 
zerteilt fich aber bald in zahlreiche, fich, niederlegende und mit 
ihren Endteilen fich bogig aufrichtende Afte, welche mit Moojen 
und Flechten — bejonder® mit dem jogenannten „isländiichen 
Mooje” — bekleidet find. Das jtarre, vielfach verichlungene 
Geäft einer Knieholzrojette gewährt einen interefjanten Anblid. 


„Mag jich der Schnee zu Riejenlajten türmen, 
ihr jeid zu zäh! — euch bricht er nicht! 

Stet3 jiegreich durch die Nacht zum Licht 

geht ihr hervor aus allen Winterftürmen !“ 


„gu den auffallenditen und interejjantejten Erjcheinungen, 
welche die Pflanzenwelt des Niejengebirges bietet, gehört ohne 
Zweifel das Kniehog. Ein wahrhaft edles, echt alpines Gewächs, 
bietet eS Landichaftlich das ausdrudfvollite Bild des Kampfes 
zwiichen PBflanzenleben und feindlichen Naturfräften, des Ringens 
der organischen Natur mit den Elementen. Haben auch die 
winterlichen Schneelaften den Wuchs hHerabgedrüdt, jo jtreden 
doch Fühn und trogig fich Aite und Zweige empor; und peitjcht 
fie der mwütende Sturm des Hochgebirges, jo weichen elajtilch 
fie aus, um immer von neuem und fraftvoll dem Lichte entgegen 
zu jtreben; und wie der Anprall des Orfans, jo juchen bobe 
und dauernde Kältegrade und Eis und Schnee vergebens jo zähes 
Leben zu unterdrüden. Und am verwitternden Felsabhang: wie 
it der Strauch unjchägbar als Befejtigungsmittel beweglicher 
Trümmer, die weithin friechenden Wurzeln find dem Lojejten 
Geröll gewachien, und jelbjt in feinem Geäjt und der dichten 
Mafje unzähliger Wipfel fängt er die rollenden Steine; falt be= 
graben in Grus, grünt er freudig fort. Auch durch die Majjen- 
haftigfeit jeines Borfommens in den oberen Regionen des Ge- 
birges, wo er — über dem Fichtenwalde — als breiter, zu- 
jammenhängender Gürtel dasfelbe umfchlingt, und feine öden 


— 167 — 


Hochflächen nebjt den Abhängen ernit- freundlich belebt, durch 
jeine Bedeutung für die Sammlung und Regelung der atmo- 
iphärischen Niederichläge, durch das für ein Nadelholz ungewöhn- 
liche, fajt jtammlofe, ftrauchartige Auftreten, mit nach allen Seiten 
ausgebreiteten, meift getvundenen, derben Üften und Bmeigen, 
durch feine mannigfachen Beziehungen zu ähnlichen Nadelholz- 
arten, wie durch jeine eigenartige Verbreitung, wird er fich immer 
die Beachtung aller Naturfreunde, wie jedes aufmerfiamen Be- 
obachters erwerben.“  (Fief.) 

Das Kniehol; wird al3 eine ftrauchartige Form der Berg- 
Kiefer (P. montana Mill.) angejehen, die auf Torfmooren als 
Baum vorkommt: Lomnig b. Hirichherg, Heufchener, Neinerz, 
Sejenfe. ES fteht aber auch der gemeinen Fiefer (P. sil- 
vestris L.) jehr nahe, unterjcheidet fich jedoch von ihr, außer 
der Strauchform, durch ftarrere, grasgrüne Nadeln und faft un- 
gejtielte, rundliche Zapfen. An einzelnen Stellen zwängt es fich 
wie ein Keil in den Hochwaldbeitand und nimmt mit ihm den 
Kampf auf. So fteigt eS 3. B. unterhalb der fl. Schneegrube, 
den Moränewall überjchreitend, tief in die Waldregion herab. 
Den tiefiten Standort jedoch erreicht es in Jafobsthal und auf 
der Serwiefe. E3 ift in den Alpen, Karpathen und in einigen 
deutjchen Mittelgebirgen anzutreffen; fehlt aber dem Glaber Schnee- 
berge, dem Gejenfe und der Nordlandsflora. Fm Jahre 1881 
wurden weite Flächen — bejonder3 zwiichen den Duarziteinen 
und der Elbwiefe — von einer Blattwejpe arg vermilitet, wovon 
heut noch die abgejtorbenen Sträucher zeugen. Seitdem ift das 
Knieholz an verichiedenen Stellen — auf jchlefiicher wie böhmijcher 
Seite — angepflanzt worden. Seit einer Neihe von Jahren 
iind die Gebirgsabhänge zwiichen der neuen jchlefiichen Baude 
und den Schneegruben auch mit der Birbelfiefer, Arve, 
(P. Cembra L.), die bejonders in den Alpen heimifch ift, mit 
gutem Erfolge bepflanzt worden. Sn Oartenanlagen wird viel- 
fach die Weymuths Kiefer (P. Strobus L.) gezogen. Die 
heut noch — wie früher — vielfach feilgebotenen Knieholzwaren 
find nicht aus Knieholz gearbeitet. Das Knieholz gehört — wie 
Kiefer, Fichte, Tanne — zu den Nadelhölzern (Koniferen), welche 
das immertreue Grün unjerer Wälder bilden. Außerdem gehören 
zu Diejer Familie noch: Lärche, Eibe, Zirbel- und Weymuths 
Kiefer, Wacholder, Ceder und Ehprefie. Die Koniferen find Wind- 
bfütler, bei denen der Wind die Beftäubung vermittelt. Da fich 


— 18 — 


die d und > Blüten auf einer und derjelben Bflanze nicht gleich- 
zeitig entwideln, kann die Zuführung von Blütenjtaub nur von 
einer anderen Pflanze erfolgen. Dieie Fremdbeftäubung wird 
auch durch die räumliche Trennung gejichert. So findet man bei 
den meijten Nadelhölzern nur unten und an den herabhängenden 
Zweigen 3 Blüten, während die 2 Blüten in größerer Menge 
weiter oben angetroffen werden. Sowie der Wind den Be- 
ftäubungsaft ausführte, jo jorgt er auch für die Verbreitung der 
mit Slugorganen ausgejtatteten Früchte. 

Die Nadelhölzer jtanden jchon bei den alten Kulturvölfern 
in hohem Anjehen. Bei den tithmiichen Spielen wurde die Stirn 
des Siegerd mit einem Sranze von Fichtenzweigen gejchmückt 
und diejfer einfache Kranz galt in Griechenland als die höchite 
Auszeichnung. 

„Ob id) an Blüten gleich darbe, 
mein Reichtum ijt Beftändigfeit, 
ob Sonne jcheint, ob’ jtürmt und jchneit, 
nie ändere’ ich meine Farbe.” 
(A. Grün.) 


Iso&tes lacustris L. (Lycopodiaceen DC. S. 25, 
XXIV. Kl) Sumpf-Brachsenkraut. Tafel 48. 
Nr. 94, 


Pfianze unter Wasser. Wurzelstock niedergedrückt, 
knollenförmig, mit vielen Fasern. Stengel fehlend. 
Blätter binsenartig, lineal-pfriemförmig, halbstielrund, 
aufrecht, dunkelgrün, innen querfächerig. Sporen- 
behälter (Sporangium) an der inneren Fläche des er- 
weiterten Blattgrundes, häutig, einfächerig. Makro- 
sporen höckerig, Mikrosporen glatt. Höhe 5—15 cm. 
Juli— August }. 

Das Brachjenkraut, dejien Name auf die in Seen vorfommende 
Karpfenart der Brachfen Hindeutet, ift eine der merfwirrdigiten 
Pflanzen. Merkfwürdig ift der Standort, merfwiirdig aber auch 
ver Bau. Die Pflanze wurde 1866 von Profeffor Milde amı 
Ausfluffe des gr. Teiches entdedt. E3 ift dies im Gebiete der 
einzige Standort; außerdem ift fie vielfach in nordischen Gemwäffern 
anzutreffen. Vom Donat- Denkmal unterhalb des Mittagjteines 
führt ein bequemer Zugang zum Teichrande. Yon hier aus fan 


— 19 — 


man durch Knieholz Hinducch zur Abflußftelle gelangen. Auch 
vom Kamme aus Yäßt fich diejelbe auf jchtwach betretenem Pfade 
über Zölfel3 Hibel hinab erreichen. Bei ruhigem Wafjeripiegel 
erblickt man füdöftlich von der bezeichneten Stelle nahe am Ufer 
auf dem Fiefigen Grunde dunfelgrüne Nafen. Stoßen wir einen 
derjelben Io3, fo jteigt er behende zur Oberfläche auf. Bei ge- 
nauerer Betrachtung bemerfen wir, daß fich die Blätter am Grunde 
verbreiten und eine Höhlung bilden, in welcher, an Fäden befeitigt, 
zweierlei Sporen eingebettet find. Die größeren, fugelfürmigen, 
die Mafrofporen, find mit leiftenartig verlängerten gebogenen 
Hödern befegt; die Eleineren dagegen, die Mifrojporen, find glatt. 
Dem Standorte unferes Pflänzchens gilt das Gerh.-Hauptmanniche 
Mort in der „Berfunfenen Glode”: 


„Bwißchen eljen, tief und far 
fiegt der See, der mich gebar, 
wie aus jchwarzem Edelitein; 
goldne Sterne funfeln drein.” 


Selaginella spinulosa A. Br. (Lycopodiaceen DC, 
S. 25, XXIV.Kl.) Wimperzähnige Selaginelle. 
(Dorniger Moosfarn.) Tafel 48. Nr. 95. 


Moosähnliches Pflänzchen. Stengel niederliegend, krie- 
chend, fädlich, ästig, mit endständigen Fruchtähren. 
Blätter schraubenförmig gestellt, allseitig abstehend, 
eilanzettlich, zugespitzt, von entfernten Zähnen fein- 
dornig-gewimpert, hellgrün. Fruchtähre endständig. 
Deckblätter blaß, fast doppelt so lang als die Stengel- 
blätter. Sporenbehälter von zweierlei Art: Makrosporen 
meist 4klappig, Mikrosporen 2klappig, sehr klein. 
Länge bis 10 cm. Juli— August *. 

Unser Pflänzchen ift im Gebiete wohl das Eleinjte Glied der 
Gefäß-Kryptogamen, einer bedeutungspollen Pilanzengeneration, 
die einst die Erde beherrichte. ES ift jo winzig und jo geftaltet, 
daß wir glauben, ein Moos vor uns zu haben. Aber die gelben 
Sporenbehälter in den Blattachieln der blafjen Decblätter be- 
{ehren und, daß e3 zu den Bärlappgewächien gehört. 3 liebt 
grafige, fteinige Abhänge des Hochgebirges: Keffelfoppe (in beiden 
Gruben, am häufigjten aber in der Nähe des alten Bergwerfes), 


— 10 — 


Krkonofeh (Südfeite), Hampelbaude, Brunnberg bis zum Schnee- 
graben, gr. Teich, Kiesberg (altes Bergwerk), Aupaprund (bejonders 
am Aupafall), Teufelsgärtchen, Gejenfe; Alpen- und Nordlands- 
flora. Unfer Pflänzchen hat, wie die vorige Art, zweierlei Sporen, 
die in einem Sporenbehälter vereinigt find: Mafrojporen, 
mit 3 an der Spibe zujammenlaufenden Rippen, und Mifrofporen, 
mehlartig, feinjtachelig.. Bei diejer Pflanze, wie bei allen Bär- 
lappgewächen, öffnen fich die Sporenbehälter, deren Inhalt der 
Wind herausfchüttelt und von Blüte zu Blüte trägt, nur bei 
teodener Witterung. Bei Negen und trübem Wetter bleiben die 
Klappen geichloffen. ® 


Lycopodium alpinum L. (Lycopodiaceen DC. S. 25, 
XXIV.Kl.) Gebirgs-Bärlapp. Tafel 48. Nr. 96. 


Stämmchen kriechend, mit aufsteigenden, gabelig-ge- 
teilten, Akantigen Ästen; unfruchtbare Äste rundlich. 
Blätter lineal-länglich, ganzrandig, halbstielrund ge- 
wölbt, angedrückt, vierreihig. Ahren einzeln, sitzend. 
Deckblätter eiförmig, mit lanzettlicher, abstehender 
Spitze. Ahren gelblich-grün. Länge des Stengels 
bis 1 m. Höhe der Aste 2—-10 cm. August—Sep- 
tember N}. 


Der Gebirgs-Bärlapp bewohnt in großer Menge und Aus- 
breitung die Kuppen und Kämme des Hochgebirges. Er zwängt 
ih, mit dem magerjten Boden fürliebnehmend, durch das zähe 
Wurzelgeflecht jeiner Umgebung hindurch, Hlettert über die fich 
in den Weg jtellenden Hindernifje hinweg und fendet jeine oft 
über einen Meter langen Triebe nach allen Richtungen hin. Mit 
jeinen zwar furzen, aber ftarfen Wurzeln Elammert ex fich feit 
an die furzgrafige, felfige Bodenjchicht an und bildet oft ein ver- 
ihlungenes, dichtmaschiges Wurzelneg, welches fir das abfließende 
Gemwäfjer eine wirffame „Ihaliperre” abgiebt. Dadurch ftellt 
jich unfere Bilanze neben Nardus strictus, Scirpus caespitosa 
u. a. in den Dienft de3 großen Natur- Haushalts. Ohne die 
fonjervative TIhätigfeit diefer Pflanze wiirde der unaufhaltjam 
jortichreitende Zerjegungs- und Berftörungsprozeß viel rafcher er- 
folgen; ja ohne diejen „staat3erhaltenden” Charakter würde jchon 
längit das Gebirge der legten Humuzsfchicht entfleidet worden fein 


— 11 — 


und nur noch ein fahles Fels-Skelett bilden, dent jeder Pflanzen- 
ihmucd mangelte. Entzieht fich auch diefe jegensreiche Wirffam- 
feit dem „jaujfenden Webjtuhl der Zeit“, jo mwebt und erhält fie 
doch dem Gebirge das „Lebendige Kleid“. Und dies follte doch 
Grund genug fein, der Pflanze eine größere Beachtung zu jchenfen. 
Aber achtlos fchreitet der Wanderer an ihr vorüber und würdigt 
jtie faum eines Blides, obwohl fie fajt überall an den Touriften- 
tweg herantritt. Aber eS ergeht ihr wie vielen anderen Hoch- 
gebirgs- Kindern, die nur über ein jchlichtes Gewand und über 
eine unjcheinbare Blüte verfügen. Dabei führt der Stammbaum, 
der ungezählte Jahrtaufende zurücreicht, eine Ahnenreihe auf, 
die faum ein anderes Aoelsgejchlecht nachzumeijen vermöchte. 
Sshre Vorfahren, die Sigillarien und Stigmarien, die neben den 
Schadtelhalm- und Farnarten einen hervorragenden Anteil an 
der Entjtehung der „Ichwarzen Diamanten“, der Steinfohlen, 
haben, waren majeftätiiche, bis 30 Meter hohe Stämme, aus 
denen fich ein jchauerlich-erhabener Urwald aufbaut. Die vor- 
weltlichen Bärlapp-Arten bildeten in der Steinfohlenperiode zwar 
eine kleine — e8 find nur 40 folfile Arten befannt —, aber 
mächtige Gruppe, die fait das ganze Pflanzenreich beherrichte. 
Venn man die hwächlichen, am Boden Friechenden Nachkommen 
diejes gewaltigen Gejchlecht3 mit jenen NRiejengeftalten vergleicht, 
jo wird man verjucht, an der Richtigkeit der Abjtammung zu 
zweifeln. Doch geben uns die in Steinfohlenflözen aufrecht 
itehenden verjteinerten Mumien unumftößlihe Bürgichaft. hr 
Stammbaum it echt und ihre bedeutjame Stellung durch unan- 
fechtbare Siegelabdrüde dofumentiert. Die Stämme waren näm- 
(ih mit Blättern dicht bejeßt, die abfielen und fiegelartige Ein- 
drüce Hinterließen. 

Unjere Pflanze, die auch in der AUlpen-, Broden-, Dftjudeten- 
und Nordlandsflora enthalten ift, hat ihren Namen von den 
ariechiichen Wörtern Iykos (Wolf) und podion (Füfchen) er- 
halten, weil die behaarten jungen Zweige mit einem Tierfuße 
HHnlichkeit Haben. 

Zu den Bärlapp- Arten gehören: Tannen-Bärlapp (L. 
Selago L.). Sporenbehälter einzeln in den AUchjeln der mittleren 
Stengelblätter, ohne Ihren. Von der Ebene bis auf die Kämme 
des Hochgebirge. Sprojjender Bärlapp. Schlangen- 
moo3 (L. annotinum L.). Sporenbehälter in jigenden 
hren. Stengel weithin friechend, vieläftig. Wurde im Kochel- 


— 12 — 


und Badelfalle zur Befränzung der Bejucher benußt. Sumpf- 
Bärlapp (L. inundatum L.). Stengel kurz, mit 1—2 liten. 
Sporen wie vor. er- und SKobelwiefe. Keulenfürmiger 
Bärlapp (L. clavatum L.). Blätter gleichgeftaltet. Ahren 
gejtielt. Bis aufs Hochgebirge. Fladher Bärlapp (L. com- 
planatum L.). Blätter der fruchttragenden und unfruchtbaren 
Alte verjchieden. Ahren geftielt. Bis an die Knieholzregion. 
Auch diefer Pflanze hat fich der Volf3-Aberglauben bemächtigt. 
Die Friechenden, jchlangenartig gewundenen Stengel — daher 
auch die Bezeichnung Schlangenmoos —, noch) mehr aber die 
von den beiden zulebt genannten Arten ausgeftreuten Sporen- 
Mengen gaben zu allerlei Deutung Beranlafjung. Das gelbe 
Sporen- Pulver, welches in der Apothefe bei der Pillenbereitung 
und in der Feuerwerferei Verwendung findet, wurde für fchtoefel- 
haltig angejehen und erhielt die Bezeichnung Herenmehl. 


Allosorus erispus Bernh. (Polypodiaceen R. Br. 
S. 25, XXIV. Kl.) Krauser Rollfarn. Tafel 49. 
Nr. 97. 


Wurzelstock schief, mit langen Wurzelfasern. Blätter 
verschieden gestaltet, in dichten Büscheln, langgestielt, 
doppelt-gefiedert. Unfruchtbare Wedel eiförmig; Fieder- 
chen am Grunde keilförmig, fiederspaltig, vorn gezähnt; 
fruchttragende eiförmig-länglich, weithöher; Fiederchen 
ungeteilt oder fiederteilig, am Rande gekerbt und 
eingerollt. Fruchthäufchen auf der Rückseite der 
Blätter, rundlich, ohne Schleier, von dem umgerollten 
Blattrande bedeckt. Höhe 15—30 cm. Juli—August . 


Der erjte Anblik unjerer Pflanze erinnert uns an ein be- 
liebte3 Kiüchengewächs, Peterfilie, bejonders an deifen Fraufe, 
fiederjpaltige Blätter. Bei weiterer Entwidelung der Pflanze 
aber zeigt fich die Verjchiedenheit der Blätter. Die fruchttragen- 
den Wedel mit ihren zuricgerollten Blättern überragen die un- 
fruchtbaren und stehen aufrecht. Dadurch wird die Verbreitung 
der Sporen in fehr wirkfamer Weife gefördert. Der Wind, der 
das Gejchäft des Ausftreuens allein zu bejorgen hat, fann num 
von allen Seiten die Fruchttwedel beftreichen und die Sporen nad) 
jeder Richtung Hin ausftreuen. | 


— 173 — 


Unjere Pflanze ift eine Felsbewohnerin, die mit Vorliebe 
den Geröllboden bewohnt. Hin und wieder zeigt fie fich auch in 
Felsipalten: Kejjelfoppe (bejonders auf der Nordieite des die beiden 
Kefjelgruben trennenden rates), Fl. Schneegrube (füdficher Ab- 
Iturz), gr. Schneegrube (Häufig an den Abjtürzen des hohen Rades), 
HZiegenrüden, Aupagrund, Teufelsgärtchen, Brunnberg (fdlich 
vom Schneegraben), El. Koppe; Alpen- und Nordlandsflora. Nur 
an einer Stelle fteigt die Pflanze in niedrigere Negionen herab: 
Chaufjee von Wurzelsdorf nach NRochlit. In den Dftjudeten 
icheint die Pflanze nicht vertreten zu fein. 

Unjere Pflanze gehört, wie auch die folgenden, zur großen 
artenreichen Gruppe der Farnfräuter (Filices). Syhren bejonderen 
Merkmalen nah ijt fie ein Glied der Tüpfelfarne Sm der 
Snojpenlage find die Blätter, Wedel, der zu diefer Yamilie ge- 
hörigen Pflanzen jpiralfürmig eingerollt. Die Sporenbehälter 
bilden rundliche oder längliche Fruchthäufchen auf den Adern der 
Blattunterfeite. Sie find geftielt und mit einem jenfrechten, am 
Stiel unterbrochenen Ringe verjehen. jSiehe Schlußbemerfung 
Geite 179. 


Blechnum Spicant With. (Polypodiaceen R. Br. 
S.25, XXIV.Ki.) Rippenfarn. Tafel 50. Nr. 98. 


Wurzelstock schief, oberwärts mit braunhäutigen Spreu- 
schuppen. Fruchtbare und unfruchtbare Blätter ver- 
schieden gestaltet, rasenförmig. Die unfruchtbaren, 
äußeren, lederartig, kürzer, teilweis niederliegend, 
überwinternd, kurzgestielt, lineal-lanzettlich, kamm- 
förmig-fiederteilig, mit lineal-länglichen, aufwärts ge- 
krümmten, ganzrandigen Zipfeln, bis gegen den Grund 
belaubt. Die fruchtbaren, inneren, länger, steif auf- 
recht, langgestielt, mit entfernten, schmal - linealen, 
unterseits vollständig von den Fruchthäufchen be- 
deckten Zipfeln. Fruchthäufchen lineal, der Mittel- 
rippe parallel. Schleier am Blattrande entspringend, 
nach innen offen. Höhe 20—50 cm. Juli— August 1. 


Bon unjerer Pflanze ließe fich auch jagen: 


„überall bin ich zu Haufe, 
überalf bin ich befannt.“ 


Denn fie ift im Gebiete eine der befanntejten Erjcheinungen 
der Kryptogamenflora. ES dürfte wohl faum einen Gebirgs- 
befucher geben, der nicht eine nähere Befanntjchaft mit ihr ge- 
macht hätte. Sie ift eine treue Keifegefährtin des Touriften auf 
jeinen Wanderungen im Gebirge, und begleitet ihn vom Thale 
durch die Waldregion big auf die Kuppen und Kämme des Hoch- 
gebirges: Sm ganzen Sudetenzuge verbreitet; Alpen-, Broden- 
und Nordlandsflora (Farder); nur im hohen Norden jcheint fie 
zu fehlen. 

Die Pilanze ift jofort an den regelrecht gejtellten, Leder- 
artigen, nach oben und unten jchmäler werdenden Blättern und 
den fammartig geformten, jchtwach gebogenen, zum Teil zufammen- 
fließenden Abjchnitten zu erkennen. Zur Beit der Fruchtreife 
breiten fich meift die unfruchtbaren fürzeren Wedel auf dem Boden 
aus und bilden einen Präjentierteller, auf welchen fich die be- 
deutend längeren fruchttragenden Wedel mit ihren eingerollten 
Blattabichnitten ftraff erheben. Nun ann der Wind dieje Stengel 
von allen Seiten fajfen, die Sporen aus den Behältern heraus- 
ihütteln und auf feinen Flügeln meit hinwegtragen. 

Die Pflanze gehört zu der Abteilung der Tüpfelfarne, und 
zwar zu denen, die mit einem Sporenjchleier verjehen find. Siehe 
Schlußbemerfung Seite 179. 


Asplenium viride Huds. (Polypodiaceen R. Br. 
S. 25, XXIV. Kl.) Grünstieliger Streifenfarn. 
(Grüner Milzfarn.) Tafel 48. Nr. 99. 


Stiel grün, krautig, nur am Grunde rotbraun, mit nerven- 
losen, starr gitterförmigen Spreuschuppen, oberseits 
gefurcht. Fiedern kurzgestielt, flach, rundlich-rauten- 
förmig, wechselständig, stumpf, gekerbt, mit der 
Spindel zugleich verwelkend. Fruchthäufchen von 
der einen Seite eines Nerven entspringend, länglich, 
vom Rande entfernt. Schleier flach, mit einer Seite 
dem Nerven angeheftet. Höhe 5—12 cm. Juli bis 
August 4. | 

Auf einer Wanderung nach dem Hochgebirge finden wir viel- 
fach jchon im Vorgebirge an Feljen, Mauern und bufchigen Ab- 
hängen einen zierlichen Streifenfarn mit hornartig - elaftilchen, 


— 15 — 


beiderjeits jchmal = häutig - geflügelten, ziemlich jtarren Stengeln, 
twelche Durchtveg rot- bis glänzend jchwarzbraun gefärbt find. 3 
ijt dies der braunftielige Streifenfarn (A.TrichomanesL.). 
Se höher wir fteigen, dejto feltener wird er, bis uns auf den 
Höhenpunkten des Gebirges ein ganz ähnlicher Farıı, aber mit 
grünen Blattjtielen und weicheren Blättern, entgegentritt. Das 
it unjer Streifenfarn, ein echter Felsbewohner: Kefjelfoppe (am 
alten Bergwerd), Krkonofch, El. Schneegrube (Bajalt), Kiesberg 
(altes Bergwerk), Teufelsgärtchen, Heufcheuer, Glater Schneeberg, 
Gejenfe; Alpen- und Nordlandsflora.. Hin und wieder jteigt die 
Pilanze auch in niedrigere Höhenlagen herab: Finfterftein b. 
Bord.-Kraujebauden, Eijenfoppe im langen Grunde, Sattlerichlucht 
b. Zangenau (Böhmen), Schreiberhau, St. Peter, Neuhofer Fort, 
Sungbuch (Aupaufer), Bleiberge b. Supferberg. 

Bon den zur Gattung Asplenium gehörigen Arten fteigt 
außer der nachitehenden noch folgende bi3 aufs Hochgebirge: 
Nördlicher Streifenfarn (A. Septentrionale Sw.). Blätter 
in 2—4 lineal-feilföürmige Abjchnitte geteilt. Bom Vorgebirge 
bi8 later Schneeberg und Gejenfe. Siehe Schlußbemerfung 
Seite 179. 


Asplenium alpestre Mett. (Polypodiaceen R. Br. 
S. 25, XXIV. Kl.) Gebirgs-Milzfarn. Tafel 51. 
Nr. 100. 


Laub 2—3fach gefiedert. Blattstiel am Grunde mit 
biegsamen, breiten, eiförmig -lanzettlichen Spreu- 
schuppen. Blätter eiförmig bis lanzettlich; Fiedern 
lanzettlich, Fiederchen länglich, mit eiförmig-länglichen, 
gesägten Zipfeln. Fruchthäufchen von der einen 
Seite eines Nerven entspringend, meist rundlich, am 
Grunde des Einschnitts, in den Winkeln der Zipfel, 
sitzend. Sporenschleier gewölbt, nur anfangs sichtbar, 
sehr klein, später unter dem Fruchthäufchen ver- 
borgen oder verkümmert. Höhe !—1!/, m. Juli bis 
August 4. 

Bom Thale bis in die Waldregion begleitet ung der weib- 
fihe Milzfarn (A. femina Bernh.), deffen Sruchthäufchen 
mit deutlichem, gemwimperten Schleier ausgejtattet find. Hier 


— 1716 — 


aber tritt derfelbe zurüd und überläßt fajt die Alleinherrichaft 
unjerem Milzfarn, der fic) auf allen Waldblößen, in jchattigen 
Schluchten, an den Duellzuflüffen und auf Kuppen und Kämmen 
in großer Menge ausbreitet: Ssjer-, Riejen-, Waldenburger und 
Heufchenergebirge, Hohe Menje, Glager Schneeberg, Gejenfe; 
Alpen-, Broden- und Nordlandzflora. 

Bald nach der Schneeichmelze im Hochgebirge erwacht Die 
Pflanze aus dem Winterjchlafe und erhebt ihre braunen, Höchit 
merkwürdig gejtalteten Köpfchen. E3 find dies jchnedenartig zu- 
fammengerollte Blattgebilde. Nach und nach Löfen fich Diele 
Bogengänge auf, das Blatt mit feinem zarten, dunklen Laube 
jtrebt zur Höhe und bildet fräftige, hohe Wedelitöde. Die zahl- 
reichen Sporenhäufchen, welche anfangs gelblich-weiß, jpäter bräun- 
lich gefärbt find, bededen fajt die ganze Unterjeite der Fiedern. 
Auf diefe Weije werden fie in der jorgjamjten Weije vor Wetter- 
ungunft gejhüßgt. Bei der Fruchtreife bilden die aufrecht jtehenden 
Wedel einen Trichter, der auf allen Seiten dem die Sporen aus- 
ftreuenden Winde Angriffspunfte bietet. 

Unter dem gedämpften Lichte der Nadelhölzer entwicelt jich 
eine Farnvegetation, die jeder Gebirgsiwanderer mit Bewunderung 
betrachtet. Freilich reicht diejfe Vegetation nicht im entfernteiten 
an jene großartige Pflanzenwelt heran, als die jchon in der 
Urzeit untergegangenen Riefenahnen unjered Farnfrautes in Ber- 
bindung mit Schadhtelhalm und Bärlapp in der Gteinfohlen- 
periode einen großen Teil unjerer Erde bededte. 


Der Milzfarn, deifen Name wohl andeutet, daß er früher 
al3 ein Heilmittel gegen Milzfranfheiten benußt wurde, führt 
und mitten hinein in das waldige Reid. Siehe Schlußbemerkung 
Geite 179. 


„D> Wald, o Wald, grünmogig Meer! 
Bon fern jchon tönt dein Naufchen her, 
wenn jeder Wipfel, windbemwegt, 

viel Taufend Blätterwellen Klägt. 

Wie jtärkt und frifchet Herz und Mut 
ein Bad in fühler Waldezflut ! 


D Wab, o Wald, du Wunderjtadt, 
wie feine jonjt die Erde hat! 

Drin jubiliert im Iuft'gen Zelt 

die frei’ste Bürgerjchaar der Welt. 
D glüdlich, wem Gott ein Gemad) 
beihieden unterm Waldesdach! 


— 17 — 


D Wald, o Wald, ehrwinrd’ger Dom! 
Drin mwallt der reinjte Opferjtrom; 
hier niet die frommifte Beterjchaar 
im Yeierkleid am MooSaltar, 
und drüber raufcht e8 Hoch und hehr: 
„Allein Gott in der Höh jet Ehr!“ 
(KR. Beuthner.) 


Aspidium Lonchitis Sw. (Polypodiaceen R. Br. 
S. 25, XXIV.Kl.) Scharfer Schildfarn. Tafel 51. 
Nr. 101. 


Wurzelstock schief, mit zahlreichen Blättern. Blattstiel 
im unteren Teil mit zahlreichen, großen braunen 
Spreuschuppen. Wedel lanzettlich, einfach gefiedert, 
lederartig, starr, unterseits und auf der Spindel spreu- 
haarig. Fiedern länglich-lanzettlich, ganzrandig, sichel- 
förmig aufwärts gekrümmt, doppelt-dornig-gesägt, 
am Grunde mit einem nach oben gerichteten Ohr- 
zipfel. Schleierchen schildförmig, nur an einem Punkte 
angeheftet. Fruchthäufchen rundlich, auf einem säulen- 
förmigen Fruchtboden. Höhe 10—40 cm. Juli bis 
August 4. 

Hier tritt ung eine der größten Seltenheiten der Krypto- 
gamenflora des Hochgebirges entgegen. WS fichere Standorte 
im Riejengebirge gelten nur der Kiesberg im NRiejengrunde (um 
das alte Bergwerk) und die Kefjelfoppe (Nordjeite des die beiden 
Gruben trennenden rates, unterhalb des alten Bergierfes). 
Außerdem bewohnt die Pflanze das Gefenfe (gr. Keffel), die 
Alpen und die hochnordiihen Gebirge. Un den lederartigen, 
meijt rojettenfürmig ausgebreiteten, oberwärts glänzenden Wedeln, 
und bejonders an den fichelfürmig gefrümmten, am Grunde ftarf 
geöhrten Fiedern it die Pflanze jofort zu erfennen. 

Zu unjerer Gattung gehört auch der gelappte Schildfarn 
(A. lobatum Sw.). Blätter unten meijt doppelt, oberwärts 
einfach geftedert. Fiedern langzugejpist, meift mit einem nad) 
vorn gerichteten 3edigen Öhrchen: Buchberg (Siergebirge), Farıı- 
und Teufelöberg b. Wurzelsdorf, Kiesberg, Gejenfe. Siehe Schluß- 
bemerfung Seite 179. 


— 178 — 


Polystichum montanum Rith. (Polypodiaceen R. Br. 
S. 25, XXIV. Kl.) Berg-Punktfarn. (Bergfarn.) 
Tafel 52. Nr?'102. 


Wurzelstock kurz, schief, dick. Wedei 1—3fach ge- 
fiedert, nach oben und unten stark verschmälert, läng- 
lich-lanzettlich, unterseits mit goldgelben Drüsen. 
Blattstiel nebst dem unteren Teil der Spindel schwach 
mit braunen Schuppen besetzt. Fiedern fiederteilig, 
die unteren klein, 3eckig,; die oberen verlängert- 
lanzettlich; Zipfel länglich, stumpf, ganzrandig. Schleier 
drüsig, früh abfallend. Fruchthäufchen randständig, 
ziemlich gesondert. Höhe 40—80 cm. Juli— August }. 

„Komm mit, verlaß dad Marktgejchrei, 

verlag den Dualm, der jich dir ballt 

ums Herz, und atme wieder frei, 

fomm mit mir in den grünen Wald!“ 

Wir geh’n auf taubeperltem Pfad 

duch jchlanfes Gras, durch duft’ges Moos, 

durch frischer Lüfte jtärkend Bad 

dem grünen Dieicht in den SchoP. 

Geh'n in der Hallen weite Pracht, 

wo endlos Säul’ an Säule jteht 

und durch) der Schatten hehre Nacht 

des Unfichtbaren Schauer weht.“ (©. Rfarrius.) 

Das ift der Drt, wo wir unjeren anjehnlichen, Fräftigen, 

faft einen Meter Hohen Farnjtod juchen müfjen. Denn er liebt 
feuchte, Ichattige Waldpläge und fteigt von der Ebene durch das 

Borgebirge bis an die Knieholzregion: Sferkamm, Theifenhübel, 

Badelfall, Keffelgrube, Krkonoich, St. Peter, Elb-, Riejen-, Blau- 

und Melzergrund, Brunnberg, Hl. Teich, gr. Teich, Kiesberg, 

Grenzbauden, Eulengebirge, Glager Schneeberg, Gejenfe; Broden. 

Sn der Alpen: und Nordlandsflora fcheint unjer Farıı zu fehlen. 

Der Punktfarn, dejjen Name von den deutlich hervortreten- 
den Sporenhäufchen herrührt, hat große Ahnlichkeit mit dem 

Wurmfarn (P.FilixmasRth.). Blattabjchnitte gefägt. Schleier 

ziemlich groß, dauernd. Bom Thale bis in die Schluchten des 

Hochgebirges, häufig. Ebenjo fteigt auch der dDornige Bunft- 

farn (P. spinulosum DC.), mit 3edigen Wedeln, jcharf- 

gejägten Blattzipfeln und deutlichem Schleier, biS auf die Hoch- 

gebirgsfämme. Siehe Schlußbemerfung ©. 179. 


— 179 — 


Botrychium Lunaria Sw. (Ophioglossaceen R. Br. 
S. 25, XXIV. Kl.) Mondraute. Tafel 49. Nr. 103. 


Pflanze kahl. Wurzelstock kurz, mit wagerechten, starken 
Wurzelfasern. In der Mitte des Stieles das unfruchtbare 
Laub und an der Spitze eine Rispe einseitswendiger 
Fruchtähren. Unfruchtbares Blatt sitzend, länglich, 
einfach gefiedert. Fiedern halbmondförmig, obere keil- 
förmig, meist ganzrandig. Sporenbehälter auf der 
Unterseite der schmalen Abschnitte, 2reihig. Höhe 
10—30 cm. Juli—August +. 

Unjere Pflanze ift ein merfwürdiges Kind der Kryptogamen- 
flora. Sie zählt zu den wenigen Öliedern der Laubfarne, deren 
Sporenhäufchen in einer Ahre oder Nijpe vereinigt find. Gie 
(tebt grafige Abhänge und Hügel und fteigt von der Ebene durch 
da3 Borgebirge bis an die Knieholzregion: Buchberg (Siergeb.), 
Schreiberhau, Keffelfoppe, Elbgrund, FH. Schneegrube, El. Teich, 
Teufelsgärtchen ufmw., Gejenfe; AUlpen- und Nordlandsflora. 

Bei der eigentümlichen Geftaltung unferer Pflanze fanıı e3 
durechaus nicht überraschen, daß diejelbe al3 Arzneimittel früher 
vielfach gebraucht wırde. Nach alten Kräuterbüchern wurde ihr 
eine bejondere Heilkraft beigelegt. Auch im Bolfsglauben fpielte 
fie eine hervorragende Rolle. Davon zeugt au der Name 
Walpurgisfraut, den fie wohl heute noch in verjchiedenen 
Gegenden hat. Nicht nur durch ihre äußere Erjcheinung zeigt 
fie fich Höchjt merkwirdig, jondern auch durch die Art und Weije 
der Verbreitung der Sporen. Beim Auzftreuen der Sporen- 
förnchen geht die Mondgaute jehr jparfam zu Werfe. Die Offnung 
der Behälter bildet einen Duerjpalt, der fi) nur bei heiterer, 
trocfener Witterung jo weit erweitert, daß der Wind die Sporen 
herauszufchüitteln vermag. Bei trüber, feuchter Witterung jedoch 
ichliegen fich die Klappen. Zu unferer Gattung gehört auch Die 
vautenblättrige Mondraute (B. Matricariae Spr.). Be- 
haart. Unfruchtbare Blätter 2—3fach fiederteilig: Buchberg, 
Brunnberg (Kunaboden), Kupferberg, Gejenfe. Der Name Botry- 
chium bedeutet Traubenstengel, womit auf den rijpigen Blüten- 
stand Hingewiefen wird. Die Bezeichnung Mondraute deutet 
auf die halbmondförmige Gejtalt der Wedelabjchnitte Hin. 


Schlußbemerfung Die Laubfarne (Filices) nehmen 
unter den Pflanzen des behandelten Gebietes eine hervorragende 


12* 


— 180 


Stelle ein. Die Blätter jtehen zerjtreut oder an der Spiße des 
MWurzelftodes rojettenförmig. Sie find einfach oder gefiedert, bei 
der Entwidelung meift jchnedenförmig eingerolit. Die Frucht 
behälter bilden auf dem Rüden oder am Rande der Blätter 
Sporenhäufchen, welche entweder nadt, oder mit einem Schleier 
oder mit dem zuricgerollten Blattrande bededt find. 

Betrahten wir das zierliche, fein zerteilte Farnpflänzchen, 
welches fich der Felsrige entwindet, und vergleichen e3 mit den 
prächtigen Wedeln, denen wir oft an den Gebirgszugängen und 
ihren Wafjerläufen begegnen, jo fünnen wir dem fich uns dar- 
bietenden üppigen Begetationsbilde unjere Bewunderung nicht ver- 
lagen. Was find aber die Fräftigiten Farnitöde am Waldesjaum 
im Verhältnis zu jenen 15 m hohen baumartigen Laubfarnen 
der Tropen! Und doch find auch diefe nur Zwerge, wenn wir 
fie im Geifte neben die Riejengeitalten der jchon vor Sahr- 
taujenden untergegangenen Steinfohlenflora ftellen. „Schlanfe 
FSarnjtämme von braumer Färbung, bis auf die Wurzel herab 
von den dien Schtwielen abgejtorbener Blattjtiele oder von tafel- 
artiger Stuccatur bededt, von üppigen grünen Moojen bervohnt, 
itrebten viele Fußhoch zum Lichte, das finjtere Wolfen twejentlich 
dämpften, aber dadurch gleichzeitig beitrugen, den das Dunkle 
fiebenden Farren das günftigite Klima zu geben. Hohe, jchopfartig 
gejtellte Wedel, in zierliche gefiederte Blättchen vielfach geteilt, 
bildeten wie prachtvolle Straußfedern den von jedem Winde leicht 
bewegten Wipfel. So jproßten fie palmenähnlich aus dem jung- 
fräulichen Boden hervor. hr leichtes, Iuftiges Blätterdach, voll 
Unmut und Grazie, war aus 3—5 m langen und mehr als 
1'!/; m breiten Wedeln gebildet. So jenfte es fih in fanften 
Schwingungen bald traumhaft zur Erde nieder, bald lag es wie 
die Speichen eines Nades wagerecht am Gipfel ausgebreitet, aber 
immer ätheriich leicht. Von unten aus betrachtet, mußte diejes 
wunderbar zarte Blätterdach, deifen Obergrund die finjteren 
Wolfen waren, einen jeltjamen Kontraft mit diefen drohenden 
Wolfen bilden, die nicht zu Diefer unendlichen Sanftheit der 
Wedel paßten. Doch nicht alle Farren bejaßen palmenartige Schafte. 
Sehr viele wucherten mit ihren Wedeln auf dem Boden, ungeheure 
üppige Büjche bildend.” (RK. Müller. Buch der Pflanzenwelt.) 

Die Fortpflanzungsorgane der meiften Farnfräuter, deren 
Sporen vom Winde weiter getragen werden, ftehen auf der Unter- 


\eite der Wedel, wodurch fie gegen Wetterungunft ficher gefchüßt 


— 1831 — 


ind. Sie find mit einem bejonderen Ausjchleuderungs-Apparate 
ausgerüftet. Ein Ning von diewandigen Zellen umschließt die 
Sporenhäufchen. Bei der Sporenreife zerreißt derjelbe, Eriimmt 
lich zurück und jchleudert mit Gewalt die Sporen meit hinmeg, 
die dann von jtarfer Luftitrömung weiter geführt werden. Die 
Farnfräuter enthalten geringe Mengen von Gerbjäure, welche den 
ri als Schußmittel gegen Tierfraß (Weidevieh, Schneden ır. a.) 
ienen. 

„Baumeijterin Natur jcheint für ich felbjt zumeiit 

zu bau’n und baut zulegt doch alles für den Geijt.“ 

(Fr. Nücdert.) 


Überblifen wir am Schlufje noch einmal die durchiwanderte 
Pflanzenwelt, jo drängt ich uns immer wieder die uralte Wahr- 
heit auf: 

„Ein großes Bilderbuch ijt die Natur;) 
von Gottes eigner Hand gejchrieben, 

zeigt jedes Blatt der ew’gen Güte Spur 
und lehrt un$ glauben, hoffen, lieben.“ 


Erklärung und Register der Fachausdrücke. 


— 0 


Seite 
EN BRIIEREN eleın (SR 
Archsßoniet‘. .-. 24 


Beerenfrüchte. Fruchtfleischig, saftig. nicht en 
Biologie. Lehre vom Leben; Biologie der Pflanzen: Lehre 
von den Lebensbeziehungen der Pflanzen. 
Bluvtern 29) 12 
Deckblätter (Stützbl.). Blätter a am Grunde des Blötenstieles, 
Dolde. Blütenstand mit gestielten Blüten aus gemeinsamer 
Achse, welche gleiche Höhe bilden. Blütenstand mit ver- 
zweigten Blütenstielen = Trugdolde. 

Drüsen. Gebilde der Oberhaut, die eine eigentümliche 
Flüssigkeit absondern. 


Binwescehtechtier. Hal. 2a rare ae 
Binhausim.2.. 13 
Fiedern. Blatteinschnitte, die et Bis zum Mittelnerv Schen. 
Flügel '#. BRAUN Beau 1) APRES N a GE 
Erenestaukune DENE Re 1 a RN... 
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Kaborsutient., EEE WAY 6 
Makrosporen, Mikresporen N A Ne ME 
NAHE. N, N 
Nektarıum RS Be 
Nebenblatt. Blätter am Grunde des Blattstieles. 
Proöterandarie 1.00 kann u AS 


ProötBalliunt.: Aus ee HN La 


ee 


Saftmal.. j 

Schaft. Blattloser Blütenstengel. 
Schiffchen 

Schließfrucht. Öffnet sich eh Frucheschale ken! 
Selbstbestäubung 


Spaltfrucht. Frucht aus mehreren sans o 
Stücken bestehend. Dolden. 
Sporen. Sporenbehälter (Sporangium) . 
Steinfrucht. Fruchtschale aus zwei Schichten bestehend, 
äußere fleischig, innere steinartig. 
Stempel. 
Trockenfrüchte, Fruchtschale durchweg ars 
Wechselständig. Blätter in verschiedener Höhe und auf 
verschiedener Seite des Stengels. 
Windblütler. 
Zweihäusig 
Zwitterblüten . 


Seite 
13: 


58 


13 


24 


13 


13 
13 
13 


= Ba 


Erklärung der Zeichen und Abkürzungen. 


© — einjährige Pflanze. Hoffm. == Hoffmann. 
® —= zweijährige Pflanze. | Huds,. = Hudson. 
=) — ausdauerndePflanze. | Jacq. — Jacquin. 
b — Baum, Strauch. Juss. —  ussieu. 
d = männlich. L. — Linne. 
? —= weiblich. Lind. ‘= Lindley. 
Kl. — Klasse des Linne- | Mett. — Mettenius. 
schen Systems. Nutt. — Nuttall. 
R.'Br; = Rob. Brown. 
Ad. —= Adanson. Rchb. = Reichenbach. 
A. Br. = Alexander Braun. Rich. —= Richard. 
Bart. = Bartling. Rth. = Roth. 
Bernh. —= Bernhardi. Schumm. = Schummel. 
Bl. —.Bluff. Scop. —= Scopoli. 
Cass. = Cassini. Sm. — Smile. 
Bier = De Candolle. Sw. — Swartz. 
Delarb. = Delarbre. Tsch. = "Tausch, 
Duf. = Dufour. Vent. — Ventenat. 
Endl. = Endlicher. Vill. —= Villars. 
Gärtn. = Gärtner. Willd. —= Willdenow. 
Grck. = Garcke. With. = Withering. 
Good. —= Goodenough., Wulf. —= Wulfen. 


Achyrophorus . 
Aconitum 
Adenostyles 
Agrostis . 
Alchemilla 
Alectorolophus 


Allermannsharnisch . 


Allium . 
Allosorus 
Alsina . 
Alsinaceen 
Ampfer 
Androsace 
Anemone 
Angiospermen . 
Aspidium 
Asplenium 


Bärlapp 
Bärwurz . 
Baldgreis . 
Bartschia 
Berghähnlein 
Betula . 
Betulaceen . 
Binse 

Birke 
Blechnum 


— 137 — 


40 

103 

142 

49 

128 

2.44, ,.100 
156—158 
172 

69 


134 


Boraginaceen 
Botrychium . 
Brachsenkraut . 
Brandlattich 
Brombeere . 


Campanula . 
Campanulaceen 
Caprifoliaceen . 
Cardamine 
Carex.. 
Chrysosplenium 
Cichoriaceen 
Circaea 
Colchicaceen 
Compositen . 
Coniferen 
Corallorrhiza 
Corymbiferen . 
Crassulaceen 
Crepis . 
Cruciferen 
Cynareen 
Cyperaceen . 


Delphinium . 
Dicotylen 


173 | Doronicum . 


Seite 
22 
179 
168 
102 
52 


106—108 
22 

22 

LE. r; 
145—147 
92 

21 

80 

24 

20 

24 

154 

21 

18 

95 

18 

21 

23 


1) 
O 


17 
101 


Drosera 
Droseraceen 


Ehrenpreis . 
Eisenhut . 
Empetraceen 
Empetrum 
Enzian 
Epilobium 
Erdrauch 
Ericaceen 
Eriophorum 


Fettkraut 
Filices . 
Fingerkraut 
Frauenmantel . 
Fuchswurzel 
Fumaria . 
Fumariaceen 


Galium 
Gemswurz 
Gentiana . 
Gentianaceen 
Germer 

Geum . 1 
Glockenblume . 
Gnaphalium. 
Gramineen . 
Grossulariaceen 
Grundfeste . 
Gymnadania 


Habichtskraut . 
Habmichlieb 
Hachelkopf . 
Hahnenfuß . 
Hedysarum . 


— 13 — 


Seite 
63 
18 


125 

40 

18 
2.1000 
121—123 
82 

59 

22 

148 


130 
25 
97 
49 
40 
59 
18 


111 
ie! 
121—123 

22 

162 
ar 3 hype 5°) 
106—108 
104—106 

23 
18 
u 18000898 
149—151 


96 
116 
94 
46 
58 


Seite 
Hexenkraut 80 
Hieracium 2 .. 96—98 
Himmelschlüssel . 1417, 
Höswurz . 149—151 
Homogyne 102 
Hypopitiaceen .. 18 
Imperatoria . 74 
Isoetes 168 
Johannisbeere . 72 
Juncaceen 24 
Juncus 160 
Juniperus 163 
Kiefer . 165 
Klapper 128 
Knieholz . 165 
Knotenfuß RE N 3.2) 
Köpernik. Köpernikel . 7 
Korallenwurz 154 
Krähenbeere 66 
Kreuzkraut . 100 
Kryptogamen . 15 
Kugelranunkel . 47 
Labkraut 111 
Läusekraut . 126 
Lentibulariaceen . 22 
Lieschgras 142 
Liliaceen . 24 
Lilium . 155 
Linnäa 112 
Listera 152 
Luzula 161 
Lycopodiaceen 25 
Lycopodium 170 
Mannsschild 119 
Marbel 161 


Meirich 
Meisterwurz 
Meum . 
Milchlattich . 
Milzfarn 
Milzkraut 


Mönchsrhabarber 


Mondraute 
Monocotylen 
Moosbeere 
Mulgedium 
Multebeere . 
Myosotis . 
Myrrhis 


Nelkenwurz 


Oldog . 
ÖOnagraceen 
Orchidaceen 


Papilionaceen . 
Pedicularis . 
Pestwurz . 
Phanerogamen 
Phleum 
Pinguicula 
Pinus 

Pippau 

Pirola . 

Pirus 4 
Pleurospermum 
Po3.zV EIER 
Polygonaceen . 
Polystichum 
Pomarien 
Potentilla 
Primula 
Primulaceen 
Pulsatilla . 
Punktfarn 


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Seite 
69 

t 74 
76—78 
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109 

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162 
20 
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165 

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70 

73 

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143—144 
22 

178 

19 


Ranunculaceen 
Ranunculus . 
Rauschbeere 
Rhodiola . 
Ribes 
Rippenfarn . 
Rippensame . 
Rispengras 
Rittersporn . 
Rollfarn 
Rosaceen. 
Rose 
Rosenwurz 
Rubiaceen 
Rubus . 
Ruhrkraut 
Rumex 


Saffllor . 
Salicaceen 
Salix 
Santalaceen . 
Saxifraga. 
Saxifragaceen . 
Schaumkraut 
Schildfarn 
Schnittlauch 


Schwalbenwurzel . 
Scrophulariaceen. 


Sedum. 
Segge . 
Selaginella 
Senecio 
Siebenstern . 
Sinau 
Sonnentau 
Steinbrech 
Straußgras 
Streifenfarn . 


Seite 

L2 

46 

66 

48 

72 

173 

Se, 75 
143—144 
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— 190. — 


Seite 
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159 
152 


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1. 


Delphinium elatum L. 


ober Ritterjporn. 


d 


2. Aconitum Napellus L. 
Wahrer Sturmhut, Eifenhut, Fuhsmurzel. 


Taf. 3. 


3. -Anemone narcissiflora L. 
Berghähnlein. 


4. Pulsatilla alpina Delarb. 
(Anem. alp. L.) 


Zeufelsbart. 


Taf.5, 


5. Ranunculus aconitifolius L. 


Sturmbutblättriger Hahnenfup. 


7. Rhodiola rosea L, 6. Trollius europaeus L. 


Rojenimwurz. Kugelranunfel, Trollblume, HN 


Taf.7. 


12, Yotentilla aurea 1. Ö. ıchemnula I2ssa Schumm, 


Soldblunniges Fingerfraut, Belpaltener zsrauenmantel, Stnau 


10. Rubus Chamaemorus L. 9, Rosa alpina L. 
Bmerg-Brombeere, Multebeere. Gebirgs=- Roje. 


Taf. 


11. Geum montanum L. 


Berg -Nellenmurz 


Taf.10. 


13. Hedysarum obscurum L. 14. Fumaria capreolata L. 
Gebirg3- Süßklee. Kanfender Erdraud). 


ff 


15. Viola biflora L. 16. Viola lutea Sm. 
Bmeiblütiges Beildhen. Gelbe3 Beilden. 


3 Taf.ı2, 
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17 Drosera rotundifolia L. 


Rumdblättriger Sonnentau, 


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f 


20. Alsina verna Bartl. 19. Cardamine resedifolia L. 18, 


Empetrum nigrum L. 
Brühlings = Alfine, Rejedablättriges Schaumfraut. Schwarze Krähenbeere, Raufchbeere) 


v 


% 


22, Ribes petraeum Wulf. 23. Pirus sudeticus Tsch. 
Veljen- Zohannisbeere, Sudeten= Zwergmifpel. 


Bi A 
I ee 
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Taf.14. 


21. Pirola uniflora L. 24. Imperatoriä Ostruthium L. 
Einblütiges Wintergrün. Meifterwurz. | 


Taf. 15, 


25. Pleurospermum austriacum Hoffm. 


Nippenjame. 


26. Meum athamanticum Jacg. 
Haarblättrige Bärtwurz. 


Meum Mutellina Gärt. 
Küpernif, Köpernifel. 


Taf. 16. 


N 
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% 


23. Myrrhis odorata Scop. 
Wohlriehende Sühdolde. 


29, Circaea alpina L. 
Gebirg3=Herenkraut. 


3, 


Saxifraga oppositifolia L. 
GBegenblättriger Steinbred). 


N De 
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30, Epilobium alsinefolium Vill. 32.Saxifraga bryoides L. 33.Saxifraga muscoides Wu 
Doitenblättrigeg Weidenröshen. Knotenmoodartiger Steinbred). Moosartiger Steinbred). 


Taf. 19. 


34, Saxifraga nivalis L. 35. Saxifraga Aizoon Jacg. 
Scnee-Steinbred. Zraubenblütiger Steindred, Hausmurzel. 


37. Achyrophorus umiflorus Bl 36. Chrysosplenium oppositifolium L. 
Einblütiger Hacheltopr. Begenblättrige® Milzkraut. 


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E h: Taf. 21. ı 


38. Crepis grandiflora Tsch. 


Sroßblütige Grundfeite, Pippau. \ 


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44. Doronicum austriacum Jacg. 48. Gnaphalium supinum L. 
Gemdwurz, Schwalbenmwurzel. Nievriges Ruhrfraut. r 


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40. Hieracium aurantiacum L 


Pomeranzenblumiges Habichisfraut. 


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39. Hieracium alpinum L. 
Bebirgs = Habichtöfraut. 


47, 


Gnaphalium norwegicum Gunner. 


Norwegiiches Kudrkraut. 


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Taf.25.. 


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42. Mulgedium alpınum 
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Gebirge -Milchlattid). \ 


43. Senecio crispatus DC, 
(Var. sudeticus.) 


Sudeten=Baldgreis. 


45. 


Homogyne alpina Cass. 
Gebirgs=-Brandlattich. 


Taf. 27. 


46. Adenostyles albifrons Rchb. 49 Campanula Scheuchzeri Vill. 


Graublättrige Peitwurz. Bebirgs- Öloedenblime. 


u 


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50. Campanula barbata L. 
Bärtige Glocdenblume. 


53. 


Taf. 28. 


Linnaea borealis L. 


Nordiiche Rinnäe. 


55. Trientalis europaea L. 52. Galium saxatile L. 54. Myosotis silvatica Hoffm, 


(Var. alpestris.) 


Giebenitern. Telien = Labfraut. Gehirns - Nerniimetrnicht 


Taf. 30. 


en 
- 
RN 


Vaccinium Oxycoccus L. 56 Primula minima L. 


Monsbeere. Habmichlieb. 


A 
EN “7 
altl| In ” 


58. Sweertia perennis 1. 61. Veronica vellidioides L. 60. Gentiana verna L. 
Ausdauernde Smweertie. Mapliebchenartiger Ehrenpreis. Frühlings Enziar. 


‚ 
„ 
. 


re ar en m a 


57. 


Androsace obtusifolia All. 
Stumpfblättriger Mannzjchild. 


% 


Taf. 32, 


59. Gentiana asclepiadea L. 
Gebirgd- Enzian. 


44 


Taf. 33, 


65. Pinguicula vulgaris L. 62, Pedicularis sudetica Willd. 
Yettkraut. Sudeten -Läujefraut. 


. Bartschia alpina L. 63. Alectorolophus alpinus Greke. 66. Thesium alpinum L. 
Gebirg3- Bartichie. Bebirg3- Klapper. Gebirgs = Verneinkraut. 


N 
A 


Ta 
u 


Sebirg 


8, Betula nana L. 69, Salix Lapponum L. 70, Salix silesiaca Willd. 71. Salix herbacea, 


Zwerg - Birke. Lappländijche Weide. Schlejtiiche Weide. Krantartige Weide. 


72. Agrostis rupestris All. 73. Phleum alpinum L. 
Seljen- Straußgra?. Gebirgd = Liejchgras. 


Beten 


Taf. 39. 


» 


76. Carex rigida Good. 77. Carex atrata L. 


GStarre Segge. Schwärzliche Segge. 


Taf.4o, 


78. Carex irrigua Sm. 79. Carex capillaris L. 


Öletiher-Segge. Haarhalmige Segge. 


Taf.saı. 


0.0) 


ER, ara Pr SARA RE: SE er 5 he u 
I; 1.1Stera’cordata KR; DY, 


. Eriophorum alpinum L. 84. Corallorrhiza innata R. Br. 
. Gebirgs-Wollkraut. Rorallenwurz. Herzblättriges Bmeiblatt. 


81. Gymnadenia cofopea R. Br. 82. Gymnadenia albida Rich. 


Sliegenartige Hösmurz. Weihlide Hösmurz. 


Taf. 43. 


85, Lilium Martagon L. 
Türfenbund - Lilie. 


87. Allium sibiricum Willd. , 86. Allium Victorialis L. 
Sibirtiher Schnittlauch. Allermanndharniid. 


x % Taf.45. 


88, Streptopus amplexifolius DC. 89. Juncus trifidus L. 
Stengelumfafjendes Bapfenfraut. Dreifpaltige Bine. 


a en y 
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90. Luzula spicata DC. 91. Veratrum Lobelianum Bernh. 


Ahriger Marbel. Germer, Werdedode, Didog. 


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Vılld 


uniperus 


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J 


92. 


Dinar - Tarlı any‘ 
Zwerg = Wadjolden 


Taf. 48. 


95.Selaginella spinulosa A. Br. 96.Lycopodium alpinum 1.99, Asplenium viride Hud: 
Bimperzähnige Selaginelle. Sebirgö=Bärlapp. Srünitieltger Streifenfarn. 


Taf. 49, 


97. Allosorus crispus Bernh, 103. Botrychium Lunaria Sw. 
Kraufer Rolfarn. Mondraute. 


Rippenfarn. 


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Taf. 51. 


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109. Asplenium SIDESTITIE Mett.. 101. ASDIdIUN Lon I11S DW 


Gebiras- Milsfarn Scharfer Schildfarn. 


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Berg - Bunktfarn. 


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