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=
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O2
Er
2
858
un
no
c
Shen von Tollern ;
oder: .
Der Alte im Bͤͤrenthale.
oo nn
Eine romantiſche ail aus ben Zeiten
Guſtavs Waſa.
— OO
Vom
*
Verfaſſer Waldraf des Wand⸗
lers, der Unbekannten im Tau⸗
nenhaine, u. ſ. w.
888 e
— —
Leipzig. 5
*. Verlag der hl Poltiſchen Bude
Bun ung.
5
Nach dem Tode Margarethens „ Koͤniginn
von Dännemarf, und Norwegen, welche
vermög der kalmariſchen Union, auch Schwe⸗
den beherrſchte, wuͤthete in dieſem letzteren
Reiche bald die Flamme des Krieges fürchter⸗
lich. Nicht mehr laͤnger faͤhig, die harte
Bedruͤckung, vorzuͤglich der in Schweden
liegenden Daͤnnen zu ertragen, ſuchten dieſe
ſich wieder ihren eigenen Beherrſcher zu er—
wählen. — Doch, da wir nicht geſonnen find,
hier die Geſchichte dieſer Reiche zu beſchrei⸗
ben, ſo fuͤhren wir nur ſo viel an, daß
endlich nach vielen Kaͤmpfen der Staathalter in
Finnland, Karl Knutſon allgemein, vermög
1 (3)
— 4 —
feiner ruͤhmli chen Eigenſchaften, zum Koͤni⸗
ge erwaͤhlt wurde, daß er aber wenig Ruhe
genoß, weil Chriſtian der Erſte von Daͤn⸗
nemark, das Recht auf Schweden, daß ihm
durch die kalmariſche Union zukam, mit Ge⸗ i
walt der Waffen, und aller möglichen Ans
ſtrengung geltend zu machen ſuchte.
Dieſe kleine hiſtoriſche Einleitung wer—
den uns die Leſer um ſo eher zu guten hal—
ten, da ſie in der Folge ſehen werden, daß
ſie zu dem Zuſammenhange unſerer Geſchich—
te unumgaͤnglich nothwendig war,
Unbekuͤmmert um alle dieſe Ereigniffe 5
lebte bisher Iwar von Tollern ruhig in Häle -
ſing land, auf einem reitzenden Edelſitze am
ufer der See. Er hatte ſich lange im Ge⸗
raͤuſche der Welt herumgetrieben, ſich der Er⸗
fahrungen viele, vorzüglich aber dieſe ges
ſammelt, daß fein Herz nie Vergnügen an
geraͤuſchvollen Ergoͤtzungen finden werde, ſon—
dern file häusliche Ruhe ihm weit mehr ans
u
gemeßen ſey. Schon hatte Iwar fein dreie
bigſtes Jahr erreicht, und noch hatten die
Empfindungen der Liebe keinen Eingang in
ſein Herz gefunden, aber nun, da er fer—
ne von Getümmel, Kaballen und Unruhe ſich
der ſtillen haͤuslichen Ruhe widmete, nun
fühlte er, daß ihm weit wohler noch an der
Seite einer geliebten Gattin, im Zirkel hol-
der Kinder ſeyn würde. Er ſuchte lange
unter den Toͤchtern des Landes ſich eine Gate
tin „ohne ein Geſchoͤpf zu finden, mit dem
ſein Herz harmoniren konnte, als er end—
lich das, was er in weiterer Ferne verges
bens geſucht hatte, unvermuthet in feiner Naͤ—
he fand. Ein alter Edelmann, der in Iwars
Nähe wohnte, ſtarb, und war vor ſeinem
Tode auf den Einfall gerathen, gerade Iwarn
mit dem er wegen Jagdſtreitigkeiten nie in fon=
derlicher Eintracht gelebt hatte, aber von
feiner erprobten Redlichkeit überzeugt war,
zum einſtweiligen Verweſer ſeiner Beſitzungen,
—
dem Erbtheile einer noch minderjaͤhrigen Tod)»
ter, zu ernennen. Iwar traf ſogleich mit der
dem redlichen Manne eigener Thaͤtigkeit und
Ordnung die noͤthigen Veranſtaltungen und
nahm das hinterlaſſene Maͤdchen Sigbritte zu
ſich in ſeine Wohnung. |
Sigbritte hatte erſt das ſiebzehnte Jahr
erreicht; holde Neige ſchmuͤckten fie in vol-
ler Bluͤthe, ihr edles Herz, ihr gebildeter
Geiſt machten ſie in Vereinigung mit ihrer
Schoͤnheit zum vollkommenſten Gegenſtande
reiner Liebe, |
Bisher hatte Iwar noch nicht geliebt,
nie war er ſo vertraut mit Damen geweſen, |
um jede ihrer kleinen Eigenſchaften, und ihr
Benehmen beurtheilen zu konnen, oft hatte
Schoͤnheit auf ihn Eindruck gemacht, aber
immer fand er dieſe Reitze, entweder mit
Unverſtand, oder abſchreckenden Zügen des
Herzens, oder mit Fehlern, die nur fir
ihm Fehler ſchienen, weil Umſtände ihn hin—
—
derten, in das innere diefer Herzen zu drin⸗
gen, vereinbart. Auch nun geſtand er ſich
bald, daß Sigbritte eines der reitzendſten
Maͤdchen ſey, aber was ihm bisher verſagt
geweſen war, gelang ihm nun. Er war
Augenzeug jeder ihrer Handlungen, die gan⸗
ze Weiblichkeit ihres Herzens in ihren Schwaͤ⸗
chen und Vollkommenheiten lag vor ihm
enthüllt, und er erhielt Gelegenheit genug,
das Maͤdchen immer mehr und mehr zu be⸗
wundern. |
So erfüllten endlich die ihm bisher uns
bekannt gebliebene Gefuͤhle der Liebe ſeine
Bruſt, aber nun ſtieg auch die Bedenklich—
keit empor, ob Sigbritte, ſo ſehr in Jahren
gegen ihn zuruͤck, ihr Herz einem Manne
Öffnen werde, der zwar bieder und tugend—
haft ſey, durch deſſen Adern noch immer
raſches Blut rolle, dem aber die Geſchmei—
digkeit der Jugend und ihre Taͤndelleyen
fehlten. Er beſchloß Sigbritten nicht das
— 8 —
geringſte von ſeinen Gefuͤhlen zu erkennen
zu geben, eher zu erforſchen wie ſie gegen
ihm geſinnet ſey; aber zu wenig bekannt mit
Verſtellung, wußte das Madchen früher,
als er ahndete, was in ſeinem Herzen vorge—
he. Auch fie hatte ganz das Edle ſeines
Herzens kennen gelernt. Iwars Geſtalt ſelbſt
war nicht unangenehm, und ſo erwiederte
ſie ſeine Gefaͤlligkeiten, mit gleicher Zu—
neigung. Noch mehr durch Sigbrittens Guͤte
dahingeriſſen, geſtand er ihr einſt in einem
vertrauten Augenblicke ganz mit der Spra⸗
che der Innigkeit feiner Gefühle, feine Liebe,
und flatt Hofnung auf Gegenliebe, um die
er flehte, erhielt er das Geſtaͤndniß, daß
auch er ihrem Herzen theuer geworden ſey,
daß Liebe und Treue ſeiner harre.
Nun war Jwar ganz glücklich, er be⸗
ſchleunigte ſeine Verbindung mit der Gelieb⸗
ten, und in dieſen Tagen des Eutzuͤckens x
dürfte die Hälfte des Er dballs in Trümmer 8
. ö a . ”
geſunken ſeyn, fo wuͤrde nichts, als die
Furcht fuͤr ſeine Gattin ſeine Ruhe haben
ſtoͤren koͤnnen. Bald ſah er ſich auch ſeinem
zweyten Wunſche näher, Sigbritte gebahr
ihm einen Sohn, den er Swent nannte,
und im folgenden Jahre ein holdes Maͤdchen,
welche den Nahmen Johanne erhielt. Iwars
Gluͤck war vollkommen, nur die jenigen
Stunden, welche er der Jagd widniete, ent—
zog er den Seinigen, und ſelbſt von da kehr-
te er immer wieder fruͤh zur Gattin, und den
geliebten Kindern zuruͤck. Wirklich hing Sig⸗
britte mit einer Treue, mit einer Ergebenheit
an ihm, welche ſein ganzes Gluͤck ausmachte.
So flogen einige Jahre in ungetruͤbter —
Heiterkeit hin, nichts vermochte Iwarn aus
ſeiner Ruhe zu ſtoͤhren, ihm galt alles gleich
viel, was um ihn her vorging. Im drit⸗
ten Jahre war ſein Knabe bereits, als Iwar
einſt im vertrauten Öefpräche bei feiner Gat-
kin ſaß, und man ihm berichtete, daß *
955
— 102
Fremder angekommen ſey, und mit ihm in
Geheim zu ſprechen verlange. Iwar fuͤhrte
den Fremden in ſein Zimmer, der ohne
weiter zu ſprechen ihm ein Schreiben übers.
gab, begierig entfaltete es Iwar, es war
von Knutſon.
„Einſt, fo ſchrieb dieſer, als wir noch
„die froͤhlichen Tage der Ruhe lebten, war
„Iwar mein innigſter Freund. Verhaͤltniße
„und Umfiände haben uns getrennet, aber
„meine Liebe zu dir vermogten fie nicht zu
„mindern. Ob du mir noch mit gleichen
„Gefühlen zugethan biſt, kann ich kaum
„glauben. Ich beſtieg Schwedens hoͤchſte
„Stufe, und mein trunkenes Auge vermiß—
„te unter denen, die mir Gluͤck wuͤnſchten,
„meinen Iwar. Hartes Schickſal traf mich,
„ich verließ Schweden, und lebte von Fein⸗
„den verfolgt, lange in Danzig verborgen,
„nur wenige treue Freunde waren um mich,
waber Zwar war nicht unter ihnen. Aber⸗
„mal bin ich zurückgekehrt, und abermal
„haͤufen Feinde und Gefahren ſich um mich
„ber. Ich bedarf Freunde, deren Redlich⸗
„keit ich mich anvertrauen kann, ich bedarf
„Manner, deren Muth und Biederſinn mir
„zur Stütze in meinen Bedrängnißen wird.
„Iwar fehlt mir, dieſe Wuͤnſche groͤßtentheils
„zu befriedigen, aber dieſes Schreiben wird
„entſcheiden, ob er mir die Laſt will tragen
„helfen, die zu ſchwer auf meinen Schultern
„liegt, wird entſcheiden ob er noch Freund
„ſey, feinem hte Knutſon.““
wars Herz war bei den Borwürs
fen des Freundes erſchüttert, er fühlte
unrecht an ihm gehandelt zu haben,
ſeine Wange gluͤhte bei dem Gedanken, du
willſt hineilen, und deinen begangenen Feh—
ler durch Treue und Thaͤtigkeit gut machen,
aber ſchnell erbleichte dieſe Wange wieder
bei der Erinnerung, du mußt dich zugleich
von Weib und Kindern trennen. Er konnte
* — 12
in dieſem Augenblicke keinen Entſchluß faſ⸗
ſen oder vielmehr, er wollte ſich noch nicht
eingeſtehen, daß dieſer bereits gefaßt ſey,
dem Aufrufe des Freundes zu folgen.
Er hieß den Fremden, der ein Edel⸗
mann von Knutſonshofe war, Platz am
Mahle nehmen. Mit den Falten des Gras
mes auf der Stirne, mit düſterem Ernſt nahm
| Iwar Theil an dem ſonſt ſo frölihen Mah—
le, nicht der beſorgten Gattin Zaͤrtlichkeit,
nicht die Taͤndelleien der geliebten Kinder
vermochten ihn zu erheitern. Wie feine Gat⸗
tin mit den Kleinen zur Ruhe gegangen war,
befragte er den Bothen Knutſons um deſſen
Lage, dieſer ſchilderte ſie ſo bedenklich, und
mit fo vieler Wärme, daß Iwar ihm end-
lich ſeine Hand gab, binnen drei Tagen ſei⸗
nen ruhigen Edelſttz zu verlaſſen, und nach
Stockholm zu reiſen. m
Alm folgenden Morgen 308 der Bothe
fort, mit bebenden Herzen ſuchte ſich nun
Ran 13 775 Wi
Sivar vorzubereiten der Gattin die nahe
Scheidung zu verkündigen, aber er vermoch⸗
te nicht, dieſe traurigen Worte über ſeine
Lippen zu bringen, er reichte Sigbritten
Knutſons Brief, und ſuchte waͤhrend der
Zeit ihres Leſens, Faſſung zu gewinnen.
Sigbritte hatte geleſen, mit niedergeſenk⸗
tem Blick, in dem eine Thraͤne zitterte, gab
ſie das Blatt zuruͤck, beide ſchwiegen eine
kurze Pauſe. Und dein Entſchluß 2 „fragte
Sigbritte endlich ſtammelnd — — Ich muß
dem Willen meines erhabenen Freundes nach—
geben, erwiederte Iwar, nicht minder be⸗
bend, und nun flürgte Sigbritte an ſeine
Bruſt, und ihre Thraͤnen gewannen freien
Lauf. | |
Iwar. (mit geprefter Stimme) Weid
meines Herzens, vernichte nicht ganz den
wenigen Muth, den ich noch beſitze.
Sigbritte. Nein, nein du mußt
deiner Pflicht, du mußt auch der Stimme
der Freundſchaft gehorchen, ich ſehe die
Rothwendigkeit der Treunung ein, aber ich
kann meinen Schmerz nicht unterdruͤcken, ach
Iwar — Iwar, werden wir uns ſo wieder
ſehen? 0
wer. Faße dich Liebe, nur kurz
ſoll die Dauer unſerer Trennung ſey. Ge—
ſtatten es Kautſons Umſtaͤnde nicht, mich
bald von ihm zu trennen, wird laͤngere
Dauer meines Aufenthalts an ſeinem Hofe
erfodert, was ſoll dann mich abhalten, dich
zu mir kommen zu laſſen, ich will dann kar⸗
gen mit der Zeit um auch für meine Liebe
einige Stunden eruͤbrigen zu koͤnnen.
Sigbritte. Und unſere Kinder?
Zwar, Kann die Mutter ſich von dies
fen trennen, oder kann der Vater vergnügt
ſeyn, ohne ihnen?
Sigbritte. Du es bige mich wie⸗
der, ich will mich zu ſaßen ſuchen, um die
harte Stunde der Trennung zu ertragen;
die Hofnung dich bald wieder zu fehen, wird
ſie mir erleichtern. Ja Iwar folge deiner
Pflicht, aber opfere dieſer die Liebe nicht.
Iwar. Gewiß nicht Sigbritte, bald,
bald ſehen wir uns wieder.
So ſuchten fie ſich gegenſeitig zu beru—
higen. Iwar betrieb die Anſtalten feiner
Reiſe; zwar gelaſſen ſcheinend, aber doch
mit blutendem Herzen trug Sigbritte das
ihrige bei, die für fie immer noch zu fruͤhe
Stunde des Abſchiedes zu fördern,
Endlich nahte der Augenblick der Iren=
nung, bange Ahndung ſchien die Herzen der
Liebenden zu erfüllen, daß fie ſo ſich nicht
mehr ſehen würden ; entſchwunden war Iwars
erkuͤnſtelte Standhaftigkeit, er ſank wehkla⸗
gend an Sighrittens Buſen, deren Herz die
Groͤße des Schmerzens kaum faßen konnte.
Er mußte ſich endlich losreiſſen; mit krampf⸗
haften Zuckungen umſchloß er noch einmal
ſeine Kinder, und eilte endlich die Treppe
— 16 —
ö hinab; hier ſchwang er ſich auf ſein Pferd,
und jagte mit verbiffenem Grame fort.
Er erreichte den Hof Knutſons, mit
Freude empfing ihn dieſer alte Freund, und
theilte ehm das Bedenkliche ſeiner Lage mit.
Iwar ward bald in einem Wuſt von Ges
ſchaͤften verwickelt, zwar vergaß er die Gat-
tin nicht, er kargte ſich den noͤthigſten Schlaf
ab, um an ſie ſchreiben zu konnen „aber er
ſelbſt fand die Umſtande fo bedenklich, daß
er es nicht wagte, ſie ſammt den Kindern zu
ſich kommen zu laſſen.
Izt hatte Knutſon ein ziemlich anſehn⸗
liches Heer geſammelt, mit dem er dem
Feinde entgegen zog, Iwar begleitete ihn,
er leitete beinahe das Ganze und ſchon wa=
ren mehrere Gefechte vorgefallen, wo Iwar
zeigte, daß er in Haͤuslichkeit ſeinen Muth
nicht verlernet habe, wo er durch feine An-
ſtalten den Feinden den groͤßten Schaden
zufügte. | 5
Sigbritte erfuhr, daß ihr Gemahl ſich bei
dem Heere befinde, und neue Angſt erfuͤllte
ihre Bruſt. „Wie, rief ſie, waͤhrend mein
Iwar die Beſchwerniſſe des Krieges duldet, je—
den Augenblick ſein Leben in Gefahr ſchwebt,
waͤhrend dem ſoll ich hier in ſtolzer Ruhe und
Sicherheit leben? Wer wird ihn laben, wenn
er ermüdet von den Geſchaͤften des Tages auge
ruhet, wer wird ihn pflegen, wenn er ver—
wundet aus dem Gefechte zuruͤckkehrt? ach
wenn er ſtirbt und dahinſinkt, ſoll ich nicht
noch ſeinen letzten Seufzer empfangen?
—
Nein Sigbritte das hieße gegen deine Pflicht
gehandelt, du darfſt hier nicht bleiben, ſo
lange dein Gemahl mit den Schreckniſſen
des Todes umgeben iſt — Gefahr und
Müheſeligkeiten mußt du mit ihm theilen.
Bald war ihr Entſchluß zur Reife ge⸗
diehen, ohne Iwarn etwas hievon zu benach-
richtigen, veranſtaltete fie in moͤglichſter Ei⸗
le alles zu ihrer Abreiſe, und von ihren
: 2.
— 18 —
Kindern, und wenigen Dienern begleitet fuhr.
ſie aus dem Schloße. Bald erfuhr ſte, in
welchen Gegenden ſich das Heer befinde.
Knutſon hatte ſich unferne des Sees Maler
gelagert ‚ über den zu Diefer Jahrszeit der
frierende Hauch des Winters eine eiſige
Dede gezogen hatte, nicht zu ferne von Knut—
ſons Lager ſtanden die Feinde, ſich ruͤſtend,
ein entſcheidendes Treffen zu liefern. Sig—
britte nahm Trotz dem, daß fie von Rei-
ſenden gewarnet wurde, weil unablaͤßig
feindliche Rotten die Gegend durchſchwaͤrm—
ten, ihren Weg dahin. Schon war ſie
Knutſons Lager nahe, als ſie vloͤtzlich von
einer Schaar Bewafneten den Wagen um—
ringt ſah. Man riß den Schlag auf, um
zu ſehen, wer ſich in Wagen befinde, man
fragte um ihren Nahmen; Sigbritte mit
Angſt kaͤmpfend, und nicht faͤhig Freunde und
Feinde zu unterſcheiden, nannte ihren Nah⸗ 8
men. Wild lächelte der Anführer der Rotte,
— 19 —
er ſchlug den Schlag des Wagens zu, die
Reiter umgaben dieſen, und nun gings raſch
ſeitwaͤrts nach dem feindlichen Lager.
Hier empfteng man +fie- mit Freuden,
man that ſich viel darauf zu Guten, die
Frau eines Mannes in ſeiner Gewalt zu
haben, den man ſo ſehr fuͤrchtete, und hof—
te dadurch ſeinen Muth anſehnlich zu ſchwaͤ—
chen. Sigbritte wurde gut gehalten; aber ſie
ſah ſich gefangen, und Troſtloſigkeit erfuͤllte
ihre Bruſt. 0
Es war gerade am Abende vor dem
Tage, der zu einem entſcheidenden Treffen
beſtimmt war, als Iwar durch einen Uiber—
laͤufer das Schickſal ſeiner Gattin und Kinder,
vermehrt mit traurigen Zuſaͤtzen vernahm;
man kann ſich denken, was er in dieſem
Augenblicke fuͤhlte; gleichſam zu Boden ge—
ſchmettert hatte ihn dieſe Nachricht, verge—
bens rang er lange nach Mitteln, ſeine Ge⸗
liebten zu retten, als er endlich beſchloß
1 2 (2)
fur fie das duſſerſte zu wagen. Er hatte
zum Treffen an kommenden Morgen alle An⸗
ſtalten getroffen, nun begab er ſich in ſein
Zelt, wo er mit der peinlichſten Sehnſucht
den Anbruch der Nacht erwartete. Gehuͤllt
in die Kleidung eines gemeinen Dännen ver—
ließ er Knutſons Lager. Er wußte, daß
er am folgenden Morgen unumgaͤnglich noth⸗
wendig da ſeyn müſſe, bis zu dieſer Zeit
hofte er auch fruͤh genng wieder zuruͤckkom⸗
men zu koͤnnen. Wo nicht retten, ſo muß⸗
te er doch die ſeinigen wenigſtens ſehen.
Er umging das feindliche Lager, und
nahte ſich der Rückſeite deſſelben, gluͤcklich
kam er in deſſen Inneres, und der Zufall
leitete ſeine Schritte ſo, daß er bald von
einigen betrunkenen Soldaten erfuhr, in
welchem Zelte ſich Sigbritte mit ihren Kin—
dern befinde. Noch war es zu lebhaft im
Lager für den Plan, den er bereits unter—
wegs entworfen hatte, aber wie die Mitter«
— DI —
nacht auf der Gegend lag, alles ſtille und
ruhig geworden war, und hie und da noch
ein halb erloſchenes Wachfeuer klimmte, da
nahte er ſich dem Gezelte, welches unbewacht
5 geblieben war. Er trat ein, bei ihren Kin⸗
dern ſaß Sigbritte, die Kleinen ſchlummerten,
fie überließ ſich ihrer Trauer. „Gieb keinen
Laut von dir, ſonſt find, wir verlohren,““
rief Iwar mit gedumpfter Stimme. Sigbritte
fuhr empor „ſie erkannte den Geliebten und
den Ausbruch ihrer Freude unterdruͤckend
ſank ſie an ſeine Bruſt. Iwar ermahnte ſie
zur Folge. Er nahm den ſchlummern—
den Knaben auf ſeine Arme, die Gattin
das Maͤdchen, ſo verlieſſen ſie das Zelt, ſo
kamen fie gluͤcklich aus dem Lager. Iwar
wollte den naͤmlichen Ruͤckweg nehmen, auf
dem er hergekommen war, aber das war
nun nicht möglich. Eine neu angekommene
feindliche Parthei hatte ſich dort gelagert,
er mußts einen großen Unweg nehmen, und
— 22 —
unkuͤndig der Gegend verirrte er ſich im Ge⸗
hoͤlze. |
Lange "gingen fie herum, ohne einen
Ausweg zu finden, ſchon begann der Morgen
hervor zu grauen. Aengſtlich ſchlug Iwars
Herz, er gedachte an ſeine Ruͤckkehr zu
Knutſon, aber er konnte nicht Weib und
Kinder im freien in unbekannter Gegend
dem Zufalle— Preiß geben. Er ſuchte, ſelbſt
aͤngſtlich, der zagenden Gattin Muth einzu—
ſprechen. Itzt hoͤrte er Fußtritte, ein Bau⸗
er nahte ſich, dieſem flehte Iwar um Bei—
ſtand an. Der Bauer konnte nichts fuͤr ihn
thun, als ihm den Weg nach einer kleinen
Meyerey bezeichnen, wo er Aufnahme finden
koͤnne, und ihn verſtchern, daß an eine Ruͤck—
kehr nach Knutſons Lager für itzt nicht zu
denken ſey, weil bereits in der ganzen Ge—
gend das feindliche Heer rege geworden fey,
| Mit ſtürmendem Herzen trat Iwar mit
den Seinigen den Weg dahin an. Hier hin⸗
5
2 — 23 —
derte ihn ein Moraſt, dort zu dichtes Gebit«
ſche „dab ein ſteiler Abhang; er mußte gro⸗
ße umwege nehmen, und ſchon wars am
hellen Tage als er in dem Mayerhofe an—
langte. Willig nahm man Gattin und Kin⸗
der auf, Iwar riß ſich aus Sigbrittens ums
ſchlingenden Armen, die ihn flehte bei ihr zu
bleiben, er eilte fert, um wo moͤglich noch
zu dem Heere gelangen zu koͤnnen. Aber
bald ſah er die Unmöglichkeit, er hätte ſich
nur im tollkuͤhnen Wahnſinne mitten in die
Schaaren von Feinden ſtuͤrzen muͤſſen.
Früh hatte der Feind das Treſſen be—
gonnen, Knutſon rückte ihn voll Muthes mit
dem Fußvolle entgegen, er verließ ſich auf
Iwarn, der die Reiterey anführen ſollte,
und mit dem bereits der ganze Plan ver—
abredet war. Er befand ſich ſchon mit⸗
ten im Gedraͤnge, und noch erſchienen die
Reiter nicht, weil ſie auf Befehl warteten,
Knutſon ſandte zuruck, man war über Iwaͤrs
— 24 —
Abweſentheit in Unordnung, und ehe man ei—
nig war, wer ſeine Stelle uͤbernehmen ſoll—
te, war das Fußvolk ganz von den Feinden
umzingelt. Nun ſtroͤmte zwar die Reiterei
mit verhängten Ziegeln heran, aber man
wählte, unbekannt mit dem eigentlichen Pla—
ne des Treffens falſche Punkte „und bald
erlitt Knutſon eine fürchterliche Niederlage,
alles ſuchte ſich in der Flucht zu retten, was
nicht floh, wurde zu Boden gewürgt, und
Knutſon ſelbſt der nicht einmal ſo viel Volk
übrig hatte, um feinen Ruͤckzug zu decken,
gerieth in die Gewalt ſeiner Feinde, welche
ihn nach Finnland brachten.
Iwar, verborgen in Gebuͤſche konnte
wenig von dem Ausgange des unglücklichen
Treffens erfahren. Als er ſich endlich her⸗
vorwagte, hatten die ſiegreichen Feinde weis
ter vorückend, bereits die Gegend verlaſſen.
Von einigen voruͤberziehenden Wanderern
erfuhr er leider früh genug, den ganzen
1
— 25 —
Hergang der Sache; ja, da jeder der Ge—
flohenen, ſeine eigene Zagheit beſchoͤnigen
wollte, hatte man durchgängig das Mißlin⸗
gen des Treffens dem abweſenden Iwar zur
Laſt gelegt; er erfuhr alſo nun nicht nur
das Ungluͤck ſeines Freundes, ſondern auch
daß fein RNahme mit Schande gebrandmarft
ſey. Zu Boden gebeugt trat er den RNuͤck—
weg nach dem Mayerhof an, um da Troſt
und Faſſung zu finden. Schwer wie ein
felſigtes Gebirg lag die Laſt feiner ſchmerz—
haften Empfindungen auf ihn, ſchon hatte
er die Gegend erreicht, als er ploͤtzlich, wie
vom Donner gelaͤhmt, ſtehen blieb — er
ſah keine Spur von dem Mayerhofe, eine
ſchauerliche Brandſtaͤtte lag vor feinen Bli⸗
cken ausgebreitet — „Allmaͤchtiger Gott, wo
iſt mein Weib, wo ſind meine Kinder, rief
war, und ſtuͤrzte von der Groͤße des
Schmerzes uͤbermannt zu Boden. |
16 —
Das Getuͤmmel des Krieges eroͤfnet,
leider gewöhnlich boͤſen Menſchen eine frei⸗
ere Bahne ihres Umfangs. Ausreiſſer und
boshaftes Geſindel verſammeln ſich leicht, und
üben bei verwahrlosten Herzen, umgeben
von Szenen des Mordes der Graͤuelthaten
viele. Eine ſtarke Bande von Böfewichtern,
lechzend nach Raub, und wenn er gleich
mit ſchrecklichen Mord verbunden feyn ſollte,
kam in die Gegenden des Mayerhofes. Sie
drangen ein, toͤdteten was ſich ihnen ent—
gegen ſtellte, raubten alles, und engage
das Gebaͤude der Flamme. 8
Ohne Beſianung fanden einige Bauern
I warn auf den Boden liegen, man brachte
ihn zu ſich, und ſeine erſte Frage war um
Weib und Kinder, er erfuhr was hier vor—
gefallen ſey, ſein Herz war von Grame
zerriſſen, er fragte ob man denn gar keine
Spur habe, das jemand der ungluͤcklichen
Teuohner des Naperhofes fein Leben er⸗
m 27 —
halten habe, man zuckte die Achſeln uud
endlich erinnerten ſich einer der Bauern, in
einer nahen Felſenſchlucht am Morgen eini⸗
ge ſchauerliche Toͤne gehoͤrt zu haben. Durch
Geld und Bitten brachte es Iwar dahin,
daß die Bauern ihm folgten, er horchte an
der Fel, enfi chlucht, er rief Sigbrittens Habe
men, aber keine Spur von dem Daſeyn
eines lebenden Weſens ließ ſich hören.
Itzt brachte, er es dahin, daß man
einen Strick und eine Fackel brachte, ei—
ner der Bauern von Iwars Verſprechun—
gen geblendet, ließ ſich in den Abgrund
hinab, er gab nicht lange darnach ein Zei—
chen, ihn herauf zu ziehen, er trug einen
todten Koͤrper auf den Armen, Ach es war
die Leiche Sigbrittens. —
Die Bauern wußten ſich nicht zu hel⸗
fen, einen von ihnen eilte fort, mehrere fein
ner Gefaͤhrten aus dem naͤchſten Flecken zu
hohlen, man brachte Iwarn und die Leiche
— 28 —
in das Dorf, wo endlich die Ungluͤckliche
ſich wieder erholte.
Ach welch ein ſchreckliches Erwachen
war dieß, man kann ſich die Groͤße ſeiner
Leiden nur denken. Sigbritte hatte aus
mehreren Wunden ihr Leben verblutet, wahr—
ſcheinlich haben anfangs die Räuber ihrer
ſchonen wollen, allein das koſtbare Geſchmei⸗
de, welches ſie an Buſen trug, hatte auch
ihr den Tod zugezogen, und vermög ihres
Anſehens auf höheren Stand ſchließend, hate
te man aus Furcht verrathen zu werden,
die noch halb kebende in den Abgrund ge⸗
ſtuͤrzt.
Iwar fragte nach ſeinen Kindern, die
Bauern ſtiegen abermal in den Abgrund,
aber man fand von dieſen keine Spur. Der
arme Iwar befand ſich in einer ſchrecklicher La⸗
ge, der Schmerz ſchien zu ſehr auf ihn zu wire
ken, daß er ihm nicht hätte unterliegen ſol⸗
len, er lag entkraͤftet dahin, man zweifelte,
daß er nicht bald feiner ungliklichen Gate
tin nachfolgen werde. Um dieſe Zeit ſpra—
chen einige Reiſende in der Hütte ein wo
Iwar in einem Winkel lag, man ſprach von
verſchiedenen Gegenſtaͤnden, und einer von
ihnen erzählte daß man die Güfter eines gewi—
ßen Iwars, der Schuld an der Niederla—
he Knutſons war „eingezogen habe und al—
lenthalber Kundſchafter umher ſende, um
ihn todt oder lebend zu bekommen; ja al-
les ſey fo erbittert über ihn, daß jeder es
ſich zum Ruhme rechnen wuͤrde, den Ver—
raͤther ſogleich zu ſtrafen.
Zu jeder anderen Zeit wuͤrde Iwar die—
ſe Nachricht mit Schrecken vernohmen haben,
nun kam nur ein kaum bemerkbares Laͤcheln
uͤber ſeinen Mund, denn der Gram um
Gattin und Kinder wog jedes andere Ge⸗
fühl auf. Indeſſen nahte ſich ihm der Tod
nicht, wie er ſo ſehnlich gewunſchen hatte,
die Kraͤfte des Koͤrpers begannen wieder
— 30 —
zurückzukehren, obſchon ſein Geiſt immer
mehr dem Drucke der Leiden zu unterliegen
ſchien, er ſaß oft ſtundenlange im dumpfen
Dahinſtarren verſunken, fuhr erſchrocken
empor, wenn man ihn anſprach, antwor—
tete ganz verkehrte Dinge, oder brach in
Thraͤnen aus, welchen unvermuthet ein noch
lauteres aber bitteres Lachen folgte. De—
nen Leuten, bei welchen er ſich aufhielt, ward
bange um ihn. Einſt verließ er unter dem
Vorwande ſich im Freien zu erholen die
Hütte, er kam lange nicht zurück, ſchon
brach der Abend herein, und noch kam der
Fremde nicht, denn feinen eigentlichen Nah-
men hatte man von ihm nicht erfahren. Wie
der Morgen heranbrach, der Bauer, und
ſeine Soͤhne ſich eben anſchicken wollten,
den Vermißten zu ſuchen, kamen mehrere
Reiter, welche nach Iwarn fragten. Der
Bauer geſtand, nichts von dieſem zu wiſſen,
es müßte nur der Fremde, den er beher—
—
— 31 m
bergte, Iwar ſeyn; man ſuchte nach, fand
deſſen Feldbinde, und erkannte ſie, nun durch⸗
ſuchte man die ganze Gegend, und fand
endlich ſeinen Hut und Mantel, erſteren
nahe am Ufer eines reißenden Stromes,
letzteren weit abwaͤrs im Strome ſelbſt an
einem Geſtraͤuche hangend, kein Zweifel
blieb uͤbrig, daß der Ungluͤckliche bei der
traurigen Zerrüttung feiner Sinne fein Le—
ben in den Fluthen geendiget habe. So
war durch Zufall und Leidenſchaft eine
Familie ſchnell verrichten worden, welche
Vermoͤg ihren edlen Herzen ſo EN zu
ſeyn verdient hätte.
Die in Schweden immer fort wüthenden
Unruhen machten bald alle auf den ungluͤck⸗
lichen Iwar vergeſſen, jeder hatte genug
fuͤr ſich ſelbſt zu forgen, und auf die immer
neu ſich ergebenen Ereigniße zu merken, als
ſich mit den Szenen der Vergangenheit zu
beſchaͤftigten. Unter den biedern Maͤnnern,
— 32 —
die ſich vorzüglich bemuͤhten mit Thaͤtigkeit
zu dem Beſten ihres Vaterlandes zu han—
deln, war einer der vorzuͤglichſten Erik Waſa,
Staathalter in Halland, ein Mann voll
Muth, Thaͤtigkeit und Biederſinn, auf ihm
lag ein großer Theil der wichtigſten Geſchaͤf—
te, deren Vollendung gewoͤhnlich dem Er—
folge entſprach, dem man von einem ſolchen
Manne hoffen konnte, er beſaß allgemeine
Hochachtung und allgemeines Zutrauen.
In wichtigen Geſchaͤften trat er einſt
eine Reiſe an, nur von einem einzigen Be⸗
dienten begleitet. Voll der Plane, die zum &
Beſten des Vaterlandes in feinem Kopfe
reiften, ſuchte er ſeine Reiſe auf das moͤg—
lichſte zu foͤrdern. Vergebens warnte ihn ſein
Begleiter vor einem Wege, der durch ei—
nen ungeheuren Wald fuͤhrte, er ſtellte ihm
vor, daß man allgemein der ſchrecklichen
Geſchichten von darinnen verborgenen Raͤu⸗
ber genug erzaͤhlte, um jeden Reiſenden von .
bear > As
dieſem Wege abzuhalten, lieber ſollte er
einen Umweg nehmen, auf dem er zwar
ohngefehr um einen halben Tag ſpaͤter, aber
doch ſicherer zu ſeinem Ziele gelangen koͤnne.
Erikelachte dieſer Warnung, wie haͤtte er,
der das Wort Furcht nicht kannte, und der
zur Vollbringung feiner Plane nicht mit den
Stunden , fondern mit den Augenblicken
geitzte, ſich nun einen ſolchen Umweg gefal—
len laſſen. „Wenn du mir nicht folgen
willſt, fo bleib zurück,“ ſprach Erik, fporne
te fein Pferd und ſprengte nach dem Hohl—
weg, der ſich am Eingang des Waldes oͤf—
nete, und durch ſelben hindurch führte,
Raſch trieben nun beide Reuter ihre dam—
pfenden Noſſe vorwaͤrts, immer oͤder wur—
de die Waldung, immer dichter das auf
beiden Seiten ſich erhebende Geſtrippe, und
ſchauerlicher die Gegend; plotzlich knallte ein
Schuß, und Eriks Gefaͤhrte ſtürzte vom
Roß, eine zweite Kugel pfif hart neben Eri⸗
3
77 34 u
ken vorbei, und ſchlug in einem Baum,
dieſer zog raſch feine Piſtolen, er blickte for—
ſchend umher, und ſah gegen zehn Kerls
von beiden Seiten aus dem Gebüſche here
vorſtuͤrzen. Erik brannte beide Piſtolen ab,
aber er fehlte, nun grief er zu dem Degen,
doch ſchon hatten ihn die Raͤuber erreicht,
umrungen, und ſein Pferd niedergeſtochen.
Er ſtuͤrzte mit dem Thiere, und ehe er ſich
emporrichten konnte, hatte man ihn entwaf—
net, und gebunden. Was verlangt ihr von
mir! fragte Erik, als er ſah, daß die Raͤu—
ber, nachdem ſie ihn ſeiner Habſeligkeiten
N beraubt hatten, Miene machten, ihn mit fich
hinweg zu fuͤhren. „Du biſt in unſerer Ges
walt,“ ſprach einer der Boͤſewichter, wenig
wuͤrde es uns koſten, dich zu tödten, aber
wir kennen dich, und haben Lohn zu hoffen.
Erik. Von mir? 1
Der Raͤuber. Durch dich, es giebt
Leute hier, denen an deiner Auslieferung
ſehr viel gelegen iſt, und die uns ſelbe reiche
lich bezahlen werden, ſchicke dich alſo an,
nach unſerer Hoͤhle zu folgen, und da ge—
laffen abzuwarten, bis man dich weiter brin⸗
gen werde. 91
Erik. Kennt Ihr mich?
Der Raͤuber antwortete nicht, ſondern
gab ſeinem Troße den Befehl den Marſch
anzutreten. Erik knirrſchte vor Wuth mit
den Zaͤhnen, aber er mußte der Uibermacht
weichen, und folgen. Raſch giengs nun tief
ins Gebuͤſche, immer vormärs, bis man
nach einigen Stunden zu einer Hoͤble ge—
langte, welche in dem tiefeſten, ödeften Theil
des Waldes lag. Die Natur ſchien hier er»
ſtorben zu ſeyn, kein labendes Weſen regte
ſich, der Geſang der Voͤgel, das Sumſen
froher Inſekten war verſtummt, Schauerliche
keit und grauſe Dede durchſtrich die Gegend.
Die Raͤuber leiteten Eriken nach der Hoͤhle,
die ihnen, wie der Schlund eines Abgrundes
3 0
entgegen gähnte, und hießen ihn hier ruhig
ſeines ferneren Schickſgles harren. Mit
Wuth, Beſorgniß und Trauer kaͤmpfend,
warf ſich Erik mit gebundenen Haͤnden auf
den kalten Boden hin. Er hoͤrte aus dem
ſich immer entfernenden Geſpraͤche auſſer der
Hoͤhle, daß die Räuber ſich entfernt hat—
ten, wahrſcheinlich „um fein Hierſeyn feinen
Feinden zu verrathen. Nur zwei Stimmen
hoͤrte er vor der Hoͤhle, und auch dieſe be—
gannen immer leiſer zu werden; bald um-
gab ihn Todenſtille, und er hatte Muße ge⸗
nug, uͤber ſein Schickſal nachzudenken; als
er itzt unferne von ſich im Inneren der Hoͤh—
le eine aͤchzende Stimme hörte. Erik horch—
te hoch auf. Wer iſt hier? fragte er halb
leiſe. „Ein armer Knabe,“ antwortete es
eben ſo leiſe, den ſehr friret, und der den
ganzen Tag noch keine Nahrung genoſſen
hat. MN ;
— 37 —
Erik. Ein Kind von einem dieſer a
ber vermuthlich.
Der Knabe. Ach nein, ich weiß von
meinen Aeltern wenig, aber ich bin geraubt,
die Raͤuber erziehen mich zu Kahl Bedie⸗
nung.
Er ik. Sind deine Haͤnde auch gebun⸗
den, wie die Meinigen?
Knabe. Nein, das ſind ſie nicht.
Erik. Könnteſt du meine Bande lö⸗
ſen?
Knabe. Sie wuͤrden mich toͤdten,
wenn fie es erfuhren. 5
Erik. Sey unbeſorgt, die Raͤuber ha—
ben ſich entfernt, ich rette dich und mich.
Knabe. O Gott, wenn das möglich
waͤre.
Erik. Verſuche nur die Loͤſung der
Bande.
Der Knabe kroch naͤher, aber zu feſt
waren die Knoten verſchlungen. „> habe
ein kleines Meffer bei mir, ſagte Erik, nimm
es aus meiner Taſche, und durchſchneide die
Stricke: Dieſer Verſuch gelang. Erik fühlte
ſeine Haͤnde frei, und richtete ſich empor.
Erik. (raſch) Geſchwind Knabe, iſt
kein Dolch, kein Degen hier.
Knabe. Dort im Winkel der Hoͤhle
liegen Werkzeuge genug. |
Erik. Wo? wo? Be
Er folgte dem Knaben nach dem Winkel
der Hoͤhle, und fand bald ein großes
Schwert, ſeine Hand zitterte vor Begierde,
er hieß dem Knaben ſich ruhig verhalten,
und nahte ſich dem Ausgange der Hoͤhle.
Zwei der Räuber waren zur Bewachung zus
ruͤckgeblieben, fie hatten ſich unbeſorgt auf
den Raſen hingelegt, raſch ſtuͤrzte Erik über
ſie her, einen ergrief die kalte Hand des
Todes, bevor er noch Gefahr ahnden konne
te, der andere fuhr empor, er kaͤmpfte mit
Eriken, aber auch er fand ſeinen Lohn, und
—
— 39 —
flürzfe blutend zu Boden. St eilte Erik
zur Hoͤhle zurück, er rief den Knaben her—
vor, nahm dieſen auf ſeinen Arm, und in
der andern Hand den Degen, eilte er nach
dem dichten Gebuͤſche. Ohne Raſt und Ru⸗
he eilte er fort, ſo lange es feine Kräfte ge—
ſtatteten; als er ermattet war, ruhte er nur
kurze Zeit, labte ſich aus einer vorbeiflieſ—
ſenden Quelle, und trat dann ſeinen be⸗
ſchwerlichen Weg weiter an, den Knaben im⸗
mer mit ſich ſchleppend, ohne ſich Zeit zu
nehmen, dieſen um nähere Umſtaͤnde zu bee
fragen. |
Zwei Tage befand ſich Erik in der Wale
dung, immer vor Furcht in die Gewalt ſei⸗
ner Feinde zu kommen, aufgeſcheuchet, wie
das Reh von Hunden verfolgt. Endlich er»
reichte er ein Dorf. Hier labte er ſich, mie⸗
thete einen Wagen, und ſuchte nun ſeine
Geſchaͤfte zu betreiben? Itzt halte er mehr
Muße mit vem Knaben zu ſprechen, er Des
— 40 — ö
trachtete ſeine Bildung, und hohes Staunen
bemaͤchtigte ſich des Alten, als er eine Aehn—
lichkeit mit den Zuͤgen ſeines eigenen Soh⸗
nes bemerkte, welche wirklich bewunderungs⸗
würdig war. Er fragte, wie er in die
Hände der Räuber gekommen, aber der
Knabe wußte nichts beſtimmtes anzugeben,
er ſprach nur von einem großen Brande,
daß man ihn und ſeine Schweſtet von der |
Mutter geriſſen, und diefe in einem Abgrund
geworfen habe.
Erik. Weißt du denn gar nichts von
den Nahmen deiner Eltern ?
Knabe. Nein, ich habe auch kein
anderes Wahrzeichen, als dieſes Tuch,
welches ich damals um meine Bruſt gebun⸗
den hatte. |
Erik. Laß mich es ſehen — wie?
hier ſteht der Nahme Swent Tollern einge⸗
wirkt.
Knabe. (nahfinend) Swent?
Swent? wahrhaftig ſo nannte mich meine
Mutter oft — aber die drei Jahre über,
als ich bei den Raͤubern bin, hörte ich dem
Nahmen nie mehr. .
Erik. Drei Jahre? ja ſo lang iſt es
daß Iwar in den Fluthen feinen Tod fand,
armer Knabe, dich hat frühes Ungluͤck be—
fallen, und ſelbſt itzt noch darf dein Nahme
nicht bekannt werden. Doch — Swent
kann ich dich ja heißen, dieſer Nahme iſt
nicht verdaͤchtig; ſo viel mir moͤglich, will
ich das, was du bisher gelitten haſt, dir
zu erſetzen ſuchen; du haſt mich ja gerettet
und Iwar war ja ehmal mein Freund. Den
Sohn kann des Vaters Verbrechen nicht
drücken. — Haſt du keine Spur, wo deine
Schweſter hingekommen ſey?
Knabe. Ach keine — keine — mei⸗
ne Erinnerung iſt zu dunkel. —
—
—ů—
4
Erik. Das Schickſal wird auch fuͤr
dieſe ſorgen. |
Dankbar nahm der Knabe Eriks An⸗
erbiethen an, ihn bei ſich zu behalten CR
begleitete ihn auf feiner. weiteren Reife, und
kehrte mit ihm nach feiner Wohnung zuruͤck.
Die Natur hatte den Knaben trefflich gebil—
det, aber übrigens war er gänzlich verwahr⸗
loſt, fein Betragen hatte vieles von der
Rohheit und dem Ungeſtuͤmme der Räuber
angenommen, Erik ſuchte ihn durch beſſere
Erziehung wieder zu bilden. Er verſchwieg,
wer der Knabe ſey, und man begnuͤgte ſich
mit Eriks Erzaͤhlung, daß er ihn aus Raͤu⸗
berhaͤnden befreit habe.
408 Vorzüglich war den Knaben der Sohn
Eriks Waſa, der jungen Guſtav gewogen.
Beide waren im gleichen Alter, und in ih⸗
rer fruͤhen Jugend ſchon verrieth ſich eine
Harmonie ihrer Geſinnungen, welche eben
ſo auffallend, als die Aehnlichkeit ihrer Ge⸗
ſichtszuͤge war; ein Spiel der Natur, des
ren ſchoͤpferiſche Wirkungen nie ganz werden
erforſcht werden koͤnnen.
Beide Knaben wuchſen unter der Lei—
tung des alten Eriks treflich heran; ihr
ſchoͤner Wuchs, ihrer intereſſante Bildung
machte fie eben fo liebenswürdig, als ihre in—
neren Eigenſchaften. Beide waren mit einem
kuͤhnen unternehmenden Geiſte begabt, ho—
her Muth flammte in ihren Herzen, und
von Scharfſinn wurden alle ihre Handlungen
geleitet, nur in dem Stuͤcke unterſchieden
fie ſich merklich, daß Swent mehreren Hang
zur Schwermuth beſaß, daß ſein Herz leich⸗
er ſich dem Eindrucke ſchwaͤmeriſcher Em⸗
pfindungen oͤfnete, und er, waͤhrend Gu—
ſtav ſich freute, von Schlachten, und gro⸗
ßen Entwürfen zu ſprechen, vergnuͤgter war,
wenn er am Ufer des Baches dem Floͤtento⸗
ne des Vogels horchen, und am Anblicke
herrlicher Naturſzenen ſich laben konnte.
— 44
Waͤhrend dem war Sten Sture zum
Reichsvorſteher von Schweden ernannt wor—
den, ruhmvoll kaͤmpfte er mit Beſchwerniſ—
fen aller Art, und Ehriſtian von Dänemark
ruͤſtete ſich mit einem zahlreichen Heere in
Schweden einzufallen. Der junge Sohn
Eriks, Guſtav Waſa war nun von Swent
begleitet nach Stureshof gezogen, er hatte
dort nicht nur jene Aufnahme gefunden, die
ihm wegen feinen Vater gebührte, ſondern
bald fand Sture in ihm den Mann, deſ—
fen kuͤhner Geiſt ihm viel nutzen koͤnne. Gu⸗
ſtav, gewann bald ſein volles Zutrauen
und die Achtung aller. Swent war ſein
f treuer Begleiter; man bewunderte die innige
Freundſchaft dieſer beiden Juͤnglinge, und
ihre Aehnlichkeit, ſelbſt an Wuchs und Neie
gung, allgemein. g f
Ceben belagerte Sture das Schloß Staͤ⸗
cke, als er die Nachricht erhielt, daß der
Feind mit einer zahlreichen Flotte nicht weit
«
von Sockholm gelandet wäre, und alles mit
Feuer und Schwert verheere. Augenblick—
lich theilte Sture ſein Heer, er ließ das
Fußvolk in den Laufgraͤben vor Staͤcke,
mit den Reitern gieng er dem Feinde entge—
gen, von allen jungen Schweden begleitet,
welche vor Ungeduld brannten, ſich unter
der Anfuͤhrung, und unter den Augen des
Fuͤrſten durch Tapferkeit auszuzeichnen. Gu⸗
ſtav und Swent waren bei dem Heere, ihr
Mund ſprach wenig, aber ihr Herz ſehnte
ſich nach Gelegenheit, ihrer Ruhmbegierde
ein vollwichtiges Opfer zu bringen.
Bei Dufwenas , einer Landfpige
an der See gegen Stockholm, ſtieß man
auf das Heer des Feindes, und Guſtav
grief ſie an der Spitze ſeines Geſchwaders
zu erſt an. Wie verhrerendes Schloſſeuwet—
ter ſtürzten Guſtavs Gefährten in den Feind.
Man focht auf beiden Seiten mit der größe
ten Hartnaͤckigkeit, Blut floß in Strollen.
*
Guſtav drang voll Muth und Feuer in die
Feinde, allenthalben, wo das Gedraͤng am
dichſten war, war Guſtav zu finden, wuͤthend
ſprengte er mit dem Degen in der Fauſt hin
und her, und hieb zu Boden, was ſich ihm
entgegenſetzte. Swent wich nicht von feiner
Seite, und rettete Guſtaven zweymal das
Leben. Aufgemuntert durch das Beiſpiel dieſer
beiden Juͤnglinge folgten die uͤbrigen eben
ſo entſchloſſen. Die Feinde wichen nach dem
Ufer, aber Guſtav ließ ihnen nicht Zeit, ſich
hier wieder zu ſammeln, und trieb ſte gaͤnz⸗
lich in die Schiſſe, mit welchen ſie eilig von
dannen ſegelten. |
| Seit dieſer Zeit an hatte ſich Gustavs
und Swents Anſehen maͤchtig gemehrt. Ihe
re Tapferkeit hatte ihnen die Achtung aller
erworben, keiner war, der nicht die Juͤng⸗
linge geliebt haͤtte. i | |
Nicht lange waͤhrte es, als ſie neue
Gelegenheit zur Auszeichung erhielten.
a Aa
Schon im folgenden Jahre landeten die Feine
de abermal, und belagerten Stockholm.
Aber die Einwohner beſchloſſen ſich auf das
aͤuſſerſte zu vertheidigen. Bürger und Bee
ſatzung machten die wuͤthendſten Ausfaͤlle,
der Feind gewann keinen Fußbreit Land,
ohne Stroͤme von Blut zu opfern, und
oft verlohr er in kurzer Zeit alle Vorthei⸗
le wieder, die er mit Haufen von Leichen
erkauft hatte.
Dieſe Ausfaͤlle rieben einen großen Theil
der Belagerer auf, und noch mehr quaͤlte
fie die Schwierigkeit, Lebensmittel an ſich
zu ziehen.
Waͤhrend dem ſuchte Sture ein Heer
zu ſammeln, das der anſehnlichen Macht
des Feindes gewachſen war. Die ganze
Nation gab das ruͤhrendſte Beiſpiel vou
Vaterlandsliebe und Anhaͤnglichkeit an ſei⸗
nem edeln Fuͤrſten.
Alles draͤngte ſich zum 0 117 fürs
1
Vaterland. Hier zog keine wirkliche Armee
regulirter Truppen ins Feld, ganze Voͤlker
bewafneten ſich tumultuariſch zur Vertheidi—
gung ihrer Vaͤter. Ganze Schwaͤrme von
Bauern ſah man bei Stures Armeen ankom⸗
men, einige von den Gebirgen, einige aus
dem Inneren der Wälder, groͤßtentheils mit
den Häuten wilder Thiere bekleidet. und
mit ſeitſammen Waffen verſehen, aber alle
voll wilden Muthes, der bei ihnen die Stel⸗
le der Tapferkeit, und der ſie, vereint mit
der Begierde, für Fürſt und Vaterland
Blut und Leben zu opfern, in das heftige
ſte Getuͤmmel der Schlacht hineinjagte.
So ruͤckte dieſes fuͤrchterliche Heer her⸗
an, Stockholm zu entſetzen, noch vor ſei⸗
ner Ankunft, zog ſich der Feind zuruck. Als
lein eben bei ſeiner Zurüͤſtung zu dem Ein⸗
ſchiſfen der Truppen, grif Sture den Feind
in dem rechten Zeitpunkte an. Die Furcht
vor dem aurückenden Heere Stures, die
0 berzun
Haft der Soldaten ſich einzuſchiffen, ver⸗
ſetzten das ganze feindliche Heer in die aͤuſ—
ſerſte Unordnung und Verwirrung. Der
größte Theil wurde niedergehauen, und
viele, die, um ſich zu retten, nach den
Schiffen ſchwimmen wollten, fanden ihren
Tod in den Fluthen. Mehrere des jungen
Adels ſtellten ſich mit der ihnen angeborner
Tapferkeit, den heranſtroͤmenden Siegern
entgegen; ſie retteten dadurch den Reſt des
Heeres, welches Zeit zum Einſchiffen ge⸗
wann, geriethen aber ſelbſt in Gefangen»
ſchaft. i
Doch nun ſchienen auch die Elemente
an der gänzlichen Vernichtung des Feindes
zu arbeiten. Der Wind verhinderte das
Abſegeln der Schiffe, und gegen drei Mo—
nate mußten dieſe an der Rhede von Stock—
bolm liegen bleiben. Die Flotte fing an
Mangel an Lebensmittel zu leiden. Zwar
wagten die heängjligten verſchiedene male
4
— 50 —
eine Landung, um Prowiant zu erlangen,
aber der muthige, immer thaͤtige Guſtav,
und der nicht minder wachſame Swent bes
lauerten jede Bewegung, und ſchnell wenn
der Feind Miene machte zu landen, ſtroͤmte
die Reuterei herbei, und vernichtete alle
MR Plane. |
Bu So litt endlich die Flotte Mangel
an Nahrung und Waſſer, und eine bösartige
Krankheit rafte taͤglich eine große Anzahl
der Soldaten hinweg, der Feind war da—
durch, und durch das beſtaͤndige Anhalten
des widrigen Windes bis auf das auſſerſte
getrieben. |
Es war in einer Anker ſternenloſen
Nacht, als Guſtav und Swent wie gewöhn—
lich unfern des Ufers der See herumgingen,
um jede Bewegung zu beobachten. Rings
um herrſchte allgemeine Stille, nur das
Brauſen der Wogen am Geſtade unterbrach
ſie, guch die beiden Freunde waren lauge,
ohne ein Wort mitſammen zu ſprechen, un⸗
hergewandelt, Warum bit du heute ſo
ſtille lieber Swent? fragte Guſtav, um
nur ein Gefpräch anfangen zu Fönnen,
Swent. Ich weiß es ſelbſt nicht.
Auch von dir mein Guſtav konnte ich ein
gleiches ſagen. f
Guſta v. Ich finne auf einen Plan,
um die Feinde nun bald gaͤnzlich aufreiben
zu koͤnnen. 8 N
Swent. Daß doch dein immer reger
Geiſt nicht ruhen kann, immer Entwürfe
auf Entwürfe in deiner Seele aufkeimen,
und du nur dann heiter zu ſeyn ſcheineſt,
wenn du eine große wichtige Unternehmung
vor haſt. . N
Guſta b. Ja beim Himmel, dann
bin ich gleichſam in meinem Elemente. Ich
ſehne mich nach gefahrvollen Thaten, denn
beim Himmel nichts gleicht dem Gefuͤhle
der gluͤcklich uͤberwundenen Gefahr. Denn
4 (2)
ich kenne das gar nicht, was man Geiſtes⸗
| ruhe nennet, und ich glaube ich werde ſter⸗
ben wenn ich einmal zur Unthaͤtigkeit ver⸗
bannt werden ſollte. Emporſtreben nach
großen Thaten, o wie ergreift das ſo allge⸗
waltig alle Sinne, wie fuͤhlt ſich der Menſch
Aüͤber ſich ſelbſt erhaben, wenn der Nachhall
ſeines Ruhmes nicht nur um ihm hertoͤnt,
ſondern auch das Gefuͤhl ihn beſeeliget, wenn
deine Gebeine ſchon laͤngſt zu Staube vers
modert ſind, fo wird dein Andenken noch
leben. Ja beim Himmel, Swent, dieſe
Begierde nach Ruym hat mich ſo ganz er⸗
fühlt, daß ich eher verderben will, wenn
ich nicht eine Höhe erringe, die eines ſo
daurenden Monumentes wuͤrdig iſt, daß
ſpaͤtere Jahrhunderte, noch den Nahmen
Guſtavs Waſa mit Bewunderung ausſpre⸗
chen. | | |
Swent Du ſtrebſt kuͤßn empor —
Suſtav. u N.
Guſta v. So weit gehet meingiel, ent⸗
weder man ſoll nie wiſſen, daß einſt ein
Guftav gelebt habe, oder man ſoll mit
Staunen ihn kennen. Nur keinen Mittel⸗
weg — dieſen mögen kleinliche Seelen, ge—
huͤllt in ihre Verborgenheit wandeln.
S went. Noch einmahl, Du ſtrebſt Fühn
empor, o mein Guſtav, je höher die Spitze,
die man erklimmt, deſto tiefer der Sturz.
Guſtav. Wem vor dem Abgrunde
ſchwindelt, der ſoll nie emporklimmen.
Swent. Wenn du aber ſinkeſt.
Guſtav. Gleichviel, wenn ich nur
mit Ruhm falle. Nicht nach Glanz und
Schimmer trachte ich, lieber Swent, ſondern
nach dem Strahle des Ruhmes, der edeln
Thaten gebuͤhrt. Das Metrum meiner Wuͤn
ſche iſt meines Vaterlandes Wohl, und ich
will eher erliegen, wenn ich es nicht dahin brin⸗
gen kann, es zu ſeiner vorigen Groͤße empor⸗
zuheben. Bei den jetzigen Zeiten wandle ich
| eine ſteile Bahn, aber mich lohnet nicht
nur mein Gefuͤhl, ich habe ja auch eine
Stuͤtze an meinem Freunde, der gewiß nicht
von meiner Seite weichen wird. a
Swent. Gewiß nicht, Guſtav, ich
habe mein Schickſal feſt an das deinige ge—
kettet, du reißeſt mich in kuͤhnen Fortſchrit⸗
ten auf deiner Bahn mit dir fort, und
ich ſinke, wenn du falleſt. O ja mein Freund,
wir wollen nie uns trennen, Gefahren und
Ruhm mitſammen theilen. Deine Hand bebt
in der Meinigen? |
| Guſtav. O wenn du das Feuer fuͤh—
len könnteſt, das in mir wallt; ich ahnde bald
wichtige Unterneh: mungen, und mein Herz
bebt vor Freude.
Swent. Dann find heute unſere
Gefuͤhle nicht übereinſtimmend, auch ich ha⸗
be Ahndung von nahen wichtigen Ereignißenz
aber Guſtav, nicht Freude erfüllt mein Herz
mie iſt ſo weh, fo beklommmen — doch
— 535 —
ich will meine innere Trauer nicht in dich
itbergehen machen. ö
Guſtav. Sey unbekuͤmmert ich
nehme zwar Theil an deiner unangenehmen
Stimmung, aber mein Herz kann nicht trau—
rig ſeyn, ſo lange wir auf dieſen Poſten
ſind, wo ich Ruhm ahnde.
Swent. Wenn aber, o wer kann
die Wege des Schickſals bemeſſen. —
Guſtav. Wenn die dritte der Par—
zen, glaubſt du ſchon ſich anſchickte, meinen
Lebensfaden zu durchſchneiden? nun dann
kann ich nicht widerſtreben, dann habe ich
wenigſtens dieſe kurze Zeit fo gehandelt
wie der Mann, deſſen Geiſt ſich zu einem
hoͤheren Ziele emporſchwingen will handeln
muß — freilich, freilich gleichte ich dann
nur einer Lufterſcheinung, deren Glanz
die Augen blendete, und die dann ſchnell
in Nichts verging, aber ſo muß man nicht
denken; der die Möglichkeit des Sturzes
*
ſich denket, der wird nie eilen, vorwärts
zu ſchreiten, wenn er dieſe Moͤglichkeit nahe
fieht. Genug , ſo lange das Schickſal uns
unſer Daſeyn goͤnnet, ſo ſoll kein Hinderniß
uns trennen, und keine Gefahr uns abſchre—
cken, den bezeichneten Weg zu befolgen.
Swent. Nie, nie wollen wir uns
trennen.
Gu ſta v. Und ſollte das Schickſal
es dennoch ſo fuͤgen, dann ſoll das Schick⸗
„er des abweſenden Freundes des andern
Handlung beſtimmen.
| Roch einmal unarmten ſte ſich innnig, und
ſchwuren ſich ewige Freundſchaft, als ſte das
Rauſchen von Rudern in der See vernah—
men. Raſch fuhren fie auseinander; ihre Dee
gen blitzten aus der Scheide, und Guſtav
hielt das Horn bereit, das um ſeinen
Nacken hieng, bei deſſen Ton ſich al—
les ſammeln mußte. Bei dem Flimmern
weniger Sterne, welche itzt, durch ſich ver⸗
\
NN}
duͤnnende Regenſchleier ſichtbar geworden
waren, ſahen ſie ein einzelnes Boot dem
Ufer nahen. Dieſes ließ Guſtav ruhig
landen. Drei Maͤnner ſtiegen aus, und
wollten vorwaͤrts ſchreiten, Guſtav ſchritt
ihnen entgegen, und fragte um ihr Verlan—
gen. Worte des Friedens klangen aus ih—
rem Munde. Die traurige Lage hatte die
Feinde genoͤthiget dieſen anzuſuchen. Man
geleitete die Abgeſandten nach dem Lager
Stures. | N ö
Dieſer eben ſo tapfer, als geneigt zur
Verſoͤhnung hoͤrte mit Ruͤhrung die Schil—
derung von der traurige Lage der Flotte
an, das Verlangen nach Frieden erfreute
ihn, und ſchon am folgenden Tage wurden
Schiffe mit Erfriſchungen beladen, nach
der Flotte geſendet. Man begann Unter⸗
handlungen, welche Stures Gegentheile nie
Ernſt waren.
Die Ausſtellung von gegenſeitigen Gei⸗
— 58 —
ſeln wurde verlangt, und wen haͤtte der Feind
anders verlangen koͤnnen, als Guſtaven, ihn,
deſſen Tapferkeit allen furchtbar war, ihn, der
vermoͤg ſeines errungenen Anſehens, und ſei⸗
ner ſo unendlichen Vaterlandsliebe willen,
jedem Verlangen der Feinde die größten Hin⸗
derniße in den Weg geſtellt haben würde,
Gufiav vernahm dieß Verlangen, und
er war bereitwillig. Eben war damal Swent
mit einem Truppe a nach einem ferne⸗
ren Poſten gezogen „um wichtige Anſtalten
zu treffen, gewiß wuͤrde er ihn ſonſt beglei⸗
tet haben. Mit fünf andern Juͤnglingen bes
ſtieg Guſtav das Schiff, das ihn nach Knugs⸗
hawn bringen ſollte, wo man die Geiſeln
auswechſeln wollte, aber kaum hatten ſie die f
Hälfte des Weges zuruͤckgelegt, als ein ges
wiſſer Tyke Krabbe es unternahm, ihnen mit
einen, mit hundert Mann beſetzten Schiffe
den Nuͤckweg zu verlegen, und fie als feine
Gefangenen nach der Flotte zu bringen. Mit
Augen voll Wuth blickte Guſtav nach dem
Ufer zuruck, wo Volk und Soldaten zuſam⸗
nen liefen, Krabbes That ahndend, aber doch
noch unentſchloſſen, was ſie eigentlich glau⸗
ben ſollten. Guſtav langte bet der Flotte
an, und in dem nämlichen Augenblicke aän—
derte ſich der Wind, und der Feind, der
ſchon lange nach dieſer Aenderung ſchmach—
tete, ſchifte ſchnell mit vollen Segeln von
dannen. Guſtav war Gefangener.
Wildes Geſchrei ertoͤnte bei dieſem
Anblicke aus dem Munde aller am Geſtade.
Swent ſprengte eben mit einigen Reutern
heran, forſchte, erfuhr die Schreckensnach⸗
richt, und ſah nur mehr die aͤuſſerſten Spi⸗
gen der Wimpel an den feindlichen Schiffen,
welche auch bald feinen Augen entſchwanden,
Nun ſah er ſeine traurige Ahndung erfülle
ſein Herz war vor Jammer zerriſſen, er
wurde ſich im Uibermaaße des Gefühles
in ein Boot geworfen haben, der Flot⸗
4 60 2
te und ſeinem Verderben nachgeſegelt ſeyn,
wenn man ihn nicht mit Gewalt zuruͤckge⸗
halten haͤtte.
Alles ſchrie nach Rache. Sture war
im boͤchſten Uibermaaße erbittert, er bewafs
nete ſogleich alles, was ſich an Schiffen
in dem Haven befand, alle Edelleute in
Stockholm vorzüglich die Anverwandten des
Gefangenen, angeführt von Swent, war⸗
fen ſich in das erſte beſte Fahrzeug das
bei der Hand war. Sture ſelbſt beſtieg ei—
ne Fregatte, und gieng unter Segel von
ſeiner kleinen Flotte begleitet, und entſchloſ⸗
ſen mit dieſen Barken die großen Schiffe
der Feinde anzugreifeu, und entweder zu
ſterben, oder den Gefangenen wider mitzu⸗
bringen. Aber der Wind war ungünſtig,
und die Unmoͤglichkeit die Flotte einzuhohlen,
vereitelte dieſe Unternehmung.
Mit blutendem Herzen kehrte Swent
mit den Übrigen zuruck, ja er winde allein
— ÖL en a
fortgefegelt ſeyn, um, wenn gleich auch
Gefangener, dieſes harte Schickſal mit ſei⸗
nem Freunde zu theilen, haͤtte nicht Sture
allzuſehr ſeiner bedurft, er mußte die Freun—
despflicht der Pflicht zum Vaterlande
opfern.
Mit thaͤtigem Eifer betrieb der Feind
feine Zurüſtungen zum neuen Kriege, und
ſammelte endlich ein gewaltiges Heer, wel—
ches unter Anführung des Otto Krumpe,
einem der groͤßten damaligen Helden in
Norden, nach Weſter-Gothland ruͤckte.
Auch Sture ruͤckte mit verſtaͤrkter Macht den
Feinden entgegen, wo er ſich bei dem Ein—
gange des Waldes von Tiwede lagerte, und
durch ſtarke Verſchanzungen und Verhaue
ſein Lager ſichern ließ Bei dem Anblicke
von Stures Armee ſtellte ſich Krumpe, als
wenn Furcht ihn befiele, und zog ſich dem
Anſcheine nach, mit größter Eile, auf dem
damal gefrornen Welterſee zurück. Sture
*
— 62 —
und Swent von ihren Muth hingeriſſen, ver-
folgten mit den Reutern den Feind, waͤhrend
ſte das Fußvolk und die großen Schaa⸗
ren von Bauern in den Verſchanzungen zu⸗
ruͤckließen. Stures und Swents Beifpiel,
beſeelte ihre Soldaten mit einem ſolchen
Muthe, daß ſie wie Leuen fochten, deren
Ziel Sieg oder Tod ſey. Schon erklaͤrte
2
ſich der Sieg fuͤr die tapferen Schweden,
als Sture toͤdlich verwundet vom Pferde
fiürzte, Beſtuͤrzung ergrief alle, und Krum—
pe, den Augenblick benuͤtzend, ließ ſeinen Hin⸗
terhalt hervorbrechen. Swent feuerte ſeine >
Leute zur Rache an, er ſelbſt warf
ſich dem dichſten Gedraͤnge der Feinde ent—
gegen, aber von paniſchen Schrecken ergrif⸗
fen, und in Gefahr, uͤberfliegelt zu werden,
ſuchte bald jeder ſein Ziel in der Flucht.
Swent kaͤmpfte immer noch, obſchon er
aus mehreren Wunden, blutete, aber der
Schwall der ungeſtuͤmmen Zfiehenden- viet
ihn aus den Getuͤmmel mit ſich fort.
Man hatte den unglücklichen Sture aus
dem Gedraͤnge gebracht, aber er ſtarb un—
terwegs an ſeiner Wunde. Nach einen
Gefechte, das an Szenen des Mordes
beiſpiellos iſt, wurden auch die Verſchan⸗
zungen erobert, und der groͤßte Theil der
Bauern ſtuͤrzte ſich von Verzweiflung hinge—
riſſen mitten unter die feindlichen Bataillo⸗
nen, vergnügt zu ſterben, wenn ſie nur ih-
ren Tod durch den Mord eines Feindes räch⸗
ten. Nur wenige retteten ſich mit Hilfe
der Nacht in die nahen Waͤlder, von wo
aus ſie nach ihren Wohnungen zuruͤckkehr⸗
ten. Dieſe Schlacht entſchied, und Schwe>
den unterlag der Uibermacht. 8
Fortgeriſſen von einer Schaar fliehen ⸗
den Reuter hatte Swent das Getuͤmmel der
Schlacht verlaſſen müſſen. Man floh nach
einem tiefen Gehoͤge, wo die Pferde kaum
durch das dicht verwachſene Strauchwerk
dringen konnte. Hier nahte ſich endlich die
Schwaͤche von Swents Verblutung, da er
doch ſelbſt nicht einmal gewußt hatte, daß
er verwundet worden ſey, ſeine Haͤnde ver—
mochten nicht mehr den Zuͤgel zu erhalten,
Dunkelheit umſchwebte ſeine Augen, und er
ſank vom Pferde. Die Reuter machten Hal⸗
te, einer von ihnen ſtieg ab, er zerriß ſeine
Schaͤrpe, und verband ſo gut als möglich
Swents Wunde, aber um den Ohnmaͤchti⸗
gen mit ſich fort zu bringen, dazu war die
Zeit zu kurz, und zu groß die Furcht vor
dem nachfolgenden Feinde. Man ließ Swen⸗
ten dem Zufalle über, und ſprengte fort.
Die Nacht brach herein, der Feind vers
theilte ſich in andere Gegenden, Todtenſtil⸗
le herrſchte an dem Orte, wo Swent lag.
und ſich allmaͤhlich wieder in etwas zu er⸗
hohlen begann. Er richtete ſich halb empor,
aber er war zu malt, um vollends aufzu-
— 65 —
ſtehen. Sein Haupt an einem Baumſtamm
gelehnt, überließ er ſich ſeinen traurigen
Betrachtungen. Schon wars Mitternacht,
als einige fluͤchtige Bauern dieſe Gegend
vorüberkamen, ſie ſahen Swenten, fuͤhlten
Mitleiden mit feiner Lage, und hoben ihn
auf einen Schlitten, auf dem ſie einige ih⸗
rer verwundeten Brüder mit ſich führten,
| Hier erfuhr Swent den gaͤnzlichen Ausgang
des Treffens, und ſank endlich von Kum—
mer gebeugt, und von Entkraͤftung uͤber⸗
mannt, abermal ohne Bewußtſeyn dahin.
Man konnte ihn unterwegs wenig Pflege
reichen, denn man zog mit der groͤßten
Eilfertigkeit fort, um nicht in die Gewalt
herumſtreichender Feinde zu kommen, End⸗
lich erreichte man ein Waldorf; hier ließen
ſie Swenten zuruͤck, und zogen mach DE
ferneren Wohnungen.
Swents Wunde war nicht gefahrlich
uur der haͤufige Blutverluſt hatte ihm ſeing
5
Kräfte geraubt. Unter forgfältiger Pflege,
fo gut er fie naͤmlich in feiner dermaligen
Lage haben konnte, genaß er allmaͤhlich. Waͤ⸗
re fein Geiſt ruhig geweſen, fo wuͤrde dies
ſes viel zur Beſchleunigung ſeiner Beſſerung
beigetragen haben, aber das Ungluͤck des
Vaterlandes, und des Freundes lag dop—
pelt mit Zentnerlaſt an ſeinem Herzen.
Kaum ſo viel war er wieder hergeſtellt,
daß er in der Gegend umherwandeln konnte,
als Gefahr ihn von feinem bisherigen ruhi⸗
gen Aufenthalt verſcheuchte. Abtheilungen
von Feinden, welche ſich nun nach allen,
Gegenden vertheilten, und verlegt wurden,
kamen auch in die Naͤhe des Dorfes, und
es haͤtte der Erinnerung der Bauern nicht
bedurft, daß ein Mann wie Swent hier in
ſo großer Gefahr ſey, er ſelbſt ſah dieß zu
gut ein, und wußte, daß den Feinden ſehr
viel daran gelegen ſey, ihn, deſſen Tapfer“
keit ſo viel zu ihren Schaden beigetragen
— 67 —
habe, in ihre Gewalt zu bekommen; er
nahm Abſchied von den redlichen Landleu—
ten, und eilte fort, unbewußt, wo er in
der ihm ganz fremden Gegend ſich hinwen—
den ſollte.
Mehrere Tage durchſtrich Swent die
Wildniß, ſank oft von Entkraͤftung, und
unbefriedigtem Beduͤrfniſſe der Nahrung uͤber—
mannt zu Boden, und wurde immer aufs
neue aufgeſcheucht, weil er oft deutliche Merk-
male, erhielt, daß die Feinde ihm auf der
Spur ſeyen, und ihm verfolgen. So
durchſtreifte er wie ein Verbrecher die un—
wirthbareſten Wildniſſen, ohne es einmal
zu wagen, wenn er eine einzelne Huͤtte ge—
wahrte, dort einzuſprechen, weil der Lauf
der Dinge auch die Geſinnungen maͤchtig
geaͤndert hatte.
Endlich nicht mehr faͤhig laͤnger dieſes
qualvolle Umherirren mit alle feinen Schreck⸗
nißen zu ertragen, und entſchloßen eine menſch⸗
5 (2)
*
— 68 —
liche Wohnung aufzuſuchen, es moͤge gleich
was immer fuͤr ein Schickſal fuͤr ihn beſtimmt
ſeyn, ſchritt er entſchloſſen vorwaͤrts, ohne
mehr an eine Verborgenheit zu denken. Aber
ſchon die Lage des Ortes machte ihn ver⸗
borgen genug, denn er war in dem dichte—
ſten Theil der Waldung gekommen, wo er
bald von keiner Seite mehr einen eee
aus dem Strauchwerke fand.
Schon erreichte ihn des Abends Daͤm—
merung, als er an einen Felſen gelangte,
der ſeinen weitern Weg hinderte, auf der
einen Seite wogte ſich ein breiter reißender
Strom vorüber, auf der andern gaͤhnte ihn
ein tiefer Abgrund entgegen, vorwärts ſtand
der Felſen in ſeinem Wege, und nichts
ſchien ihm übrig, als wieder den Ruͤckweg
anzutreten. Dieß war in ſeiner Lage,
bei ſeiner Mattigkeit unmoͤglich, troſt⸗
los ſank er am Fuße des Felſens hin.
5 Er ruhte einige Augenblicke, und beſchloß
— 69 =
endlich, ſo lange noch das zw eifelhafte Licht der
Adenddaͤmmerung es geſtattete, den Felſen
zu erkleltern, um zu fehen, ob er nicht we—
nigſtens am kommenden Morgen eine Woh—
nung erreichen koͤnne. Mit Anſtrengung al—
ler Kraͤfte ſuchte er den ſteilen Felſen zu er⸗
klettern, oft glitſchte ſein Fuß aus, und
er waͤre ſchrecklich zurückgeſtürzt, wenn er
ſich nicht noch an einem aus dem Felſenri⸗
hen hervorragenden Strauchwerke erhalten
härte. Endlich erreichte er die Höhe, und
wie ſehr ſah er ſeine Freude belohnt, als
er zwar ein finſtres duͤſtres Thal vor ſich
-gewahrte, deſſen Umfang er bei der ſchon
zu ſtarken Daͤmmerung des Abends nicht une
terſcheiden konnte, aber in der Mitte „ des
Thales ſah er eine Hütte, aus der qualmen⸗
der Rauch emporſtieg. Feſt entſchloſſen,
hier Hilfe zu ſuchen, blieb nur noch die
Beantwortung der Frage übrig, wie er
über den Felſen hinabkommen koͤune, der
— 70 —
eben fo ſteil in die Tiefe zu laufen ſchien,
als er an der andern Seite ſich emporhob.
Doch Swent hatte ſchon fo viel gewagt,
wie eine Gemſe, kletterte er über, die hie
und da hervorragenden Felſenmaſſen ab—
waͤrts, und errichte endlich den Boden.
Seine Kräfte waren durch dieſe Gefahrvol—
le Unternehmung gaͤnzlich erſchoͤpft worden,
matt ſchleppte er ſich bis zur Huͤtte, deren
Thure er nur angelehnt fand, gefaßt auf
alles, oͤfnete er die Thuͤre, und blieb ſtau—
nend am Eingange ſtehen. Am wärmen⸗
den Feuer ſaß ein Greis, deſſen Haare
das Alter bereits zu bleichen begann, doch |
umſchatteten feine zum Schlummer gefuns
kenen Augen noch dichtbuſchichte ſchwarze Aus
genbraune, und ein dichter Bart, der ihm
bis an die halbe Bruſt hinabragte, verbarg
zugleich einen großen Theil des Geſichtes.
Sein Koͤrper war in Kleidung von Baͤren⸗
fellen gehuͤllt, neben ihm lag ein Jagdſpieß,
und ein großer Degen hieng an einer breiten
ledernen Gurte über feine Schulter. Diefer
unerwartete Anblick war fuͤr Swenten zu
frappant, um nicht betroffen ſtehen zu blei⸗
ben, und zu überlegen, was er thun ſollte.
Aber zu groß waren auch feine Bedraͤngni—
ße, um nicht alles zu wagen, doch wollte
er den Alten in ſeinen Schlummer nicht
ſtoͤhren, ſondern ſchritt leiſe naͤher, und la—
gerte ſich auf den Boden am Feuer. Hier
hatte er nun Muße genug, feine Betrach⸗
tungen anzuſtellen, ſein Blick irrte in dem
Innern der Huͤtte, umher, er fand alles
reinlich, und nur ſo viel in ſelber, als zu
den noͤthigſten Beduͤrfniſſen hinreichend war.
Jagdgeraͤthſchaften machten das meiſte aus,
in einer Ecke ſtand ein Bette, das bloß aus
Baͤrenfellen beſtand, und Swent war wirk—
lich einige Augenblicke betrofen, als er itzt
einen ungeheuren Bären von noch nie geſe—
hener Größe in einem Winkel der Huͤtte
— 72 —
liegen ſah „aber er bemerkte bald die Spure
ren von Blut an der Bruſt des Ungeheu—
ers, und konnte leicht ſchließen, daß der
unbekannte Alte dieſes Thier erlegt haben
müſſe. Er mußte, wenn anders dieß ohne
Beihilfe anderer geſchehen war, die Staͤr⸗
ke eines Mannes bewundern, der ſchon dem
Greiſenalter fo nahe war. Idt forſchte.
Swent in deſſen Zügen, und er konnte nicht
umhin, zu denken, daß dieſer Mann keine
boͤſe Seele haben koͤnne, denn wenn gleich
die Furchen der Stirne duͤßeren Gram ver⸗
richten, fo lag doch ein ruhiges Lächeln
um den Mund verbreitet, und Swent ſchloß
daß nur der, deſſen Herz gut und rein iſt,
dieſes ſanfte ruhevolle Laͤcheln, im Fa |
genießen Fönne,
Eine geraume Weile blieb FAR: ru⸗
hig am waͤrmenden Feuer ſitzen, und i
begann ſich allmaͤh lich angelockt von der
heftigen Ermattung und der allgemein here
— 73 —
ſchenden Stille, auch auf ſeine Augen ein
leiſer Schlummer zu ſenken, als er den
Alten ſich regen ſah, und ſich nun ſchnell
wieder ermunterte. Dieſer ſchlug itzt die
Augen auf, er erblickte den fremden Gaſt
neben ſich, aͤuſſerte aber nicht das geringſte
Befremden, ſondern ſah ſeinen unerwarteten
Gefaͤhrten, nur mit ernſten forſchenden Bli⸗
cken an. „Verzeih ſprach Swent, daß ich
es wagte, deine Ruhe zu ſtoͤren, ich wuͤrde
dieſe Huͤtte nicht To kuͤhn betreten haben,
wenn nicht aͤuſſerſtes Beduͤrfniß mich hinzu
gezwungen haͤtte.“
Der Alte. Was bedarfft du 2 du
ſcheinſt mir verſtoͤret und vom Umherirren
ermattet, ſieh dort iſt ein Lager von Baͤ⸗
renfellen, es ruhet ſich wohl darauf, labe dich
mit Ruhe, und ſuche deine Kraͤfte wieder
zu ſammeln, oder haſt du auch Nahrung
nöthig ? was ich beſitze, will ich dir reichen,
.
— 74 —
es iſt wenig ‚ aber doch genug fie den Ge⸗
nuͤgſamen.
Ohne Schwents weitere Antwort zu
erwarten, tiſchte er etwas Nahrung und
Trank auf, Swent fühlte zu ſehr dieſes Bee
dürfniß, um ſich lange noͤthigen zu laſſen,
er genoß das Vorgeſetzte mit einer Begier—
de, welche deutlich zeigte, wie ſehr er dies
ſer Labung bedurft habe, der Alte hatte ſich
ihm gegenuber gelagert, und fein Auge ruh—
te freundlich, aber doch forſchend auf dem
Jünglinge. Wie Swent ſich erquickt hatte,
fragte er ihn, durch welchen Zufall er hie—
her gekommen ſey, denn, ſagte er, es ſind
Jahre verfloſſen, und keines Menſchen Fuß
betrat dieſe Gegend. Swent erzaͤhlte ſeine
Verirrung, und die Niederlage des ſchwe—
diſchen Heeres, aufmerkſam hoͤrte der Alte
zu, feine innere Unruhe war immer ſichtba⸗
rer, tiefe Seufzer hoben ſich aus ſeinem
Buſen, und eine Thrane rollte endlich über
ſeinen buſchichten Vart. |
„Was beweinft du?“ fragte Swent.
Der Alte. Mein armes Vaterland.
Swent. Wie waͤre es zu retten?
Der Alte. Itzt mit nichts, in der
Folge mit Muth und Eutſchloſſ enheit.
Swent. Dazu wird ein großer Mann
erfordert, deſſen erhabener Geiſt Staͤrke ge—
nug beſitzt, die nun verriſſenen Ringe der
Kette zuſammenzuloͤſen „und daurend zu
vereinbaren.
Der Alte. Du prichſt wahr.
S went. Nur einen weiß ich, deſſen
erhabener Muth dieſes Rieſenwerk vermoͤchte.
Der Alte. und der waͤre?
Swent. Guſtav Waſa, aber ach ge⸗
fangen, weilet er in ferneren Gegenden.
Der Alte. So zertruͤmmert ſeine
Feſſel.
Swent. Wie aber das?
u 76 —
Der Alte. Gleichfalls durch Muth
und Entſchloſſenheit, ſollte denn dieſer Gu⸗
ſtav unter ſo vielen nicht einen Freund ha⸗
ben, der fuͤr ihn eine gewagte Unterneh⸗
mung begoͤnne?
Swent. Du beſchaͤmſt mich, ich bin
Guſtavs innigſter Freund, aber — beim
Himmel, die dermalige Lage der Dinge,
und meine Pflicht gegen Sture machten es
mir bisher unmoglich, dem Geliebten zu
folgen. | 100 £
Der Alte. Dieſe Entſchuldigung iſt
geltend, doch wenn du hergeſtellt biſt,
dann verſaͤume keinen Augenblick, man
wird dich wenig in Daͤnemark kennen, ſchiffe
hinüber, o, es wird dir nicht ſchwer wer⸗
den den Aufenthalt deines Freundes zu fin⸗
den, Mittel ihn zu retten, wird der Zufall
dir bieten, iſt er gerettet, fo wird er ges
wiß nicht lange unthaͤtig bleiben, und wenn
auch alles fehl ſchluͤge. — Glaube mir, iſt es
—
— 77 —
im Rathſchluße des unergründlichen Vers
haͤngniſſes beſchloſſen, daß dein Vaterland
ſein Haupt wieder emporheben ſoll, ſo moͤ⸗
gen tauſend Plane mißlingen, tauſend Ge—
fahren ſich haufen, fie. werden dennoch bes
ſiegt, iſt es nicht dann wohl dem Edeln,
der, wenn er gleich in ſeiner Unternehmung
unterliegt, noch mit feinem letzten Athem⸗
zuge ſagen kann, ich habe ſo gehandelt, wie
Vaterlandsliebe mir gebot.
Swent. Du begeiſterſt mich, o, daß
ich itzt ſchon hineilen koͤnnte.
Der Alte. Auch Langſankeit führt
zum Ziele, oft iſt ſie die Ver nichterin der
ſchoͤnſten Hoffnungen, oft aber auch ihre
Befoͤrderin.
Sent. Ach, daß ich wines Na⸗
thes genießen koͤnnte.
Der Alte. Lieber Jüngling, fo viel
mir möglich, will ich dir leiſten, nun aber
laſſe uns von dem ganzen Gegenſtande ab⸗
— 73 —
brechen, du bedarfſt Ruhe, und ic an
zum Nachdenken.
Swent. Ich fuͤhle keine Sehnſucht
nach Ruhe, dein Geſpraͤch hat jede Begier⸗
de nach Schlaf verſcheucht, laſſe uns noch
eine Weile ſprechen mitſammen, o ich könn⸗
te dir Stundenlange zuhoͤren.
Der Alte. Auch ich ſpreche gerne
mit dir, habe ich doch ſeit Jahren kein
menſchliches Weſen hier geſehen.
Swen t. Ich bedaure dich, wie kannſt
du aber in dieſer traurigen Auſomfeit hies |
dich aufhalten? zu"
Der Alte Einſamkeit iſt meine
Freundin geworden, ich habe mich von dem
Geraͤuſche der Welt losgeriſſen, losreiſſen
muͤſſen, hier ſtoͤhrt keine heimtuͤkiſche Bos⸗
heit meine Ruhe, hier bin ich mein Alles —
und freue mich, fo ganz von jedem Getuͤm⸗
mel eutfernt zu ſeyn.
Swent. Und doch ſcheint dein a
ER
nichts fo wenig zu fühlen, als jenen Men:
ſchenſcheu, den eine ſolche Lebensart ger
woͤhnlich zu erzeugen pfleget.
Der Alte. O nein, dieſes ehemal
fo gefällige Herz wurde gezwungen, ſich in
ſich ſelbſt zu verſchließen, aber es konnte
nie ſich ganz von der Liebe, die es ehemal
ſo innig gegen feine Mitgeſchoͤpfe fühlte, los-
reißen, glaube mir, ich war nicht für dieſe
Einſamkeit gebohren, aber des Ungluͤcks
Fülle, und Schrecklichkeit hat mich genoͤ⸗
thiget, dieſen ſtillen Aufenthalt zu ſuchen,
doch ich bitte dich ‚ laffe uns ſchweigen hie⸗
von, ſchmerzhaft iſt mir die Ruͤckerinnerung
trauriger Vergangenheit, und meine Bege—
benheiten ſind vor der Art, daß der un-
durchdringliche Schatten ewigen Geheimniſſes
auf ſelben ruhen muß. Nun ſo viel finde
ich für nothwendig, dir zu ſagen, daß ich
zwar oft auf der Bahne, die ich ehemal
betrat, ſtrauchelte und auch fiel, aber daß
— 80 —
niemal Bosheit die Quelle meiner Handlun⸗
gen war. b
Noch ſprachen fe lange wien: aber
Swent wagte es nach der letzten Acufferung
des Alten nicht, um feine früheren Ereig⸗
niſſe zu forſchen. Beide begaben ſich endlich
zur Ruhe. Swent blieb noch einige Tage
hier, bis er ſeine Kraͤfte wieder geſammelt
hatte, mit Freundlichkeit und ſichbarer Zu—
neigung bewirthete ihn der Alte, auch Swent
konnte nicht umhin, ſich ſelbſt zu geſtehen,
daß er ſein Herz ſanft an ihn angezogen
fuͤhle. Der Greis, deſſen erſter Anblick ſo
abſchreckend war, deſſen Auge gewohnlich
ernſt und duͤſter ſah, hatte bei näherer Durchs
forſchung etwas erhabenes und gutes in
ſeinen Zuͤgen, das Ehrfurcht und Liebe zu⸗
gleich erregte. Swent fühlte die innnigſte
Theilnahme an ſeinen ſichtbaren Kummer;
oft wenn der Juͤngling auf dem Lager lag,
und der Greis wähnte, daß er ſchlummere,
7
— 81 —
trat er nahe hinzu, ſein Blick ruhte auf
ihm, tiefe Seufzer draͤngten ſich aus ſeinem
Buſen, und er mußte ſich wegwenden, um
herabrinnende Thraͤnen zu troknen „oft ſaß
er neben Swenten, ganz in Trauer verſun⸗
ken, und wehmüthig hob ſein Blick ſich ge⸗
gen Himmel, nur dann aber, wenn der Juͤng⸗
ling von den Bedraͤngniſſen des Vaterlandes
ſprach, da umzog Röthe die Wangen des
Greiſen, da erhielt fein Auge einen ſtrah—
lenden Feuerblick, und er ſprach oft fo,
daß Swent der Aeufferung gewärtig war,
er wolle feine Einſamkeit verlaſſen und ihn
nach Guſtavs Aufenthalt begleiten. Doch
kam es nie zu dieſer Aeuſſerung, ſondern
es ſchien allemal, als ob die Rückeriune⸗
rungen an irgend eine Begebenheit ihn ab⸗
ſchreckten. | j
| Endlich hielt es Swent für Zeit, die,
fen ſtillen Aufenthalt zu verlaͤſſen, und ſich
dem Zufalle Preiß zu gehen, der uun am
6
9 —
meiften a Handlungen zu beſtimmen hats
te. Er nahm geruͤhrt Abſchied von dem
Alten, der in dieſem Augenblicke weniger
als ſonſt ſeiner Empfindungen Herr war,
und mit ſichtbarer Liebe und Wehmulh den
Juͤngling an feine, Bruſt drückte. 75
Sſtent entfernte ſich, gleichfalls in
einer Stimmung, die nahe an Traurigkeit
graͤnzte, er ſchritt den bezeichneten Weg
fort, gelangte bald an einige bewohnte Hüt⸗ ö
ten, hier kaufte er gemeine Kleidung,
verbarg feinen ehemaligen Rok hinter
das Geſtraͤuche, und trat nun, in einem ſchlech⸗
ten Kittel gehuͤllt ſeine weitere Reiſe an.
Gluͤcklich, obſchon nach Beſchwerniſſen
mancher Art langte er an Daͤnnermarks
Kuͤſten an, hieher hatte fein Weg eine be⸗
ſtimmte Richtung, aber, wo er nun ſich hin⸗
wenden ſollte, wo er Nachricht von ſeinem
Freunde Guſtav einziehen ſollte, ohne ſich
ſelbſt in Gefahr zu bringen, dieß war eine;
|
— 83
Frage, deren Beantwortung ihm unmöglich
war. Ohne Leitung, ohue der geringſten
Kenntniß des Ortes irrte er einige Tage
umher, als er an eine ungeheure Waldung
gelangte; eine Spur von Guſtavs Aufent⸗
halt, die er nicht deutlicher erlangt hatte,
als ein ſchwaches Trauenbild die Seele des
Schlummernden voruͤber wandelt, nöthigte
ihn feinen Weg durch dieſe Wildniß zu
nehmen. Sorgenvoll, aber an nichts ſo
wenig denkend, als an den Ort, an den
er nun ſich befinde, wanderte er durch den
tiefen Hohlweg $ wo auf beiden Seiten ſich
ſteile Abhaͤnge mit wilden Geſtrippe bewach⸗
ſen emporhoben, als er itzt ploͤtzlich durch
ein lautes Geraͤuſche in dem Buſchwerke aufs
geſchreckt wurde, und vier große ſtarke Kerls,
deren aͤuſſeres das deutlichſte Gepraͤge von
Raͤuberhandwerk an ſich hatte, hervorſturzten,
nicht eine Minute lang blieb ihre Abſicht
unentſchieden, Swent zog feinen. Säbel,
6 (2)
er ſuchte an einer Felſenwand den Rücken
zu ſichern, und bald ſtürzten die Räuber
noch mehr aufgebracht, uͤber dieſen Trotz,
über ihn her. Swent focht mit Muth und
Staͤrke, aber uͤberlegen war ihm die An⸗
zahl, und die Dauer des Gefechtes entnervte
allmaͤhlich ſeine Arme. Zwar lag ſchon
einer der Räuber, auf den Boden hinge—
ſtreckt, den ſeine im nahenden Tode zuckende
Hand durhwühlte, aber auch Swent blute⸗
te aus mehreren Wunden, und ſchien ſei⸗
nen Gegnern zu unterliegen. Ploͤtzlich ſtuͤrz⸗
te ein fremder Mann aus dem Gebüfhe
hervor, er war in einen ganz ordinaͤren
Kittel gehüllt, um feine Schulter hing ein
Mantel von Baͤrenfellen und eine aͤhnliche
Müge verbarg einen Theil des Geſichtes, da
ein dichter Bart den uͤbrigen befchattete,
Mit einem großen Schwerte in der Fauſt
ſtuͤrzte er wie verherrender Schauer über
die Rauber, ehe ſich dieſe eines ſolchen Ge⸗
\
gners verſahen, deſſen Anblick ſchon Grauen
in ihren Herzen erregen mußte, flürgte ei⸗
ner von ihnen zu Boden, der andere er—
hielt eine Wunde, wo er mit der Hand
das hervorſtroͤmende Blut zurückhaltend
ſchnell nach dem Gebuͤſche floh. In dem
naͤmlichen Augenblicke aber brachte der viers
te der Raͤuber Swenten noch eine Wunde
bei, und ſtuͤrzte dann haſtig fort, ehe ihn
der Fremde erreichen konnte.
Swent hatte ohnehin kaum mehr, ent⸗
kraͤftet vom Blutverluſte, den Degen führen
koͤnnen, itzt ſank er zu Boden, er ſah es
noch wie der Fremde ſich zu ihm herab—
beugte, noch erkannte er in ihm den alten
Freund aus dem Bärenthale, als Dunkel.
heit ſeine Augen umflirrte, und dieſe, ſo,
wie ſein Bewußtſeyn entſchwand ſich ſchloſ⸗
ſen. EN
Er wars, der alte Freund, der in
feiner einſamen Hüfte Swent en fo. liebevoll
aufgenommen hatte. Wars Begierde mitzu⸗
arbeiten, zum Beſten des Vaterlandes,
wars Liebe zu dem Juͤnglinge, die er ſo
deutlich zeigte, oder ein anderer wichtiger
Beweggrund, der ihn antrieb, feine Eins
ſamkeit zu verlaſſen, und ſich abermal in
das Geraͤuſche der Welt zu begeben, dieß
wird die Folgezeit enthuͤllen, genug, er folg⸗
te Swenten, nur um einige Tage ſpaͤter,
erhielt bald eine Spur von dieſem, folgte
ihm unvermuͤdet nach, und erreichte ihn ge-
rade in dem entſcheidenſten Augenblicke.
Ast, als Swent ohne Beſinnung, tod⸗
tenaͤhnlich dahingeſtreckt lag, itzt beugte ſich
der Alte kummervoll über ihn herab, und
beſichtigte ſeine Wunden, keine war tief ge⸗
nug ‚ um gefährlich zu ſeyn, nur die hefti—
ge Anſtrengung des Gefechtes bei Swents
ohnehin noch ſchwachen Körper, und der
viele Blutverlust hatten feine Ohnmacht her—
zugezogen. Bei baldiger guter Pflege war
7
pe
feine Wiederherſtellung zu hoffen. Der Alte
riß ein Tuch in Stucke, er verband damit
die Wunden, um das rieſelnde Blut zu
ſtillen, dann hob er, mit Kraͤften des Jüͤngs⸗
lings begabt, den Ohnmaͤchtigen auf ſeine
Schultern, und ſchritt mit ihm, ſo ſchnell
es ſeine Buͤrde zuließ, den Hohlweg fort. 5
Kaum eine Viertelſtunde durfte er ge⸗
hen, da ebente ſich der Weg, der Wald
wand ſich ſeitwaͤrts hinüber, und eine an⸗
genehme Anhoͤhe zeigte ſich dem Auge, auf
deſſen Gipfel hinter der theatraliſch empor⸗
laufenden Baͤumen ein Edelſitz hervorragte.
Der Beſitzer deſſelben war ein edler Döne,
Holdenſtierna genannt, jeder fand in feinem
Haufe guͤnſtige Aufnahme, und wer Hol»
denſtiernas Nahmen nannte, der vereinte
auch das Wort Biederfinn damit, obſchon
| fein Herz, wenn ihn einmal ein Entſchluß
gut zu ſeyn ſchien; dieſen mit *
Strenge verfolgte. |
— 88 —
Dahin nahm der Alte mit ſeiner Laſt
ſeinen Weg, er erreichte die Spitze des Hü⸗
gels, hier ſenkte er Swenten auf den gras
figten Boden, und ſchritt dem Eingange des
Gebaͤudes zu, er zog am Glokenringe, ein
alter Diener trat hervor, und fragte um
ſein Begehren. |
Der Alte. Sieh dieſen Juͤngling,
Räuber baben ihn überfallen.
* Diener ſah nach dem Jünglinge,
und blickte dann ſo furchtſam nach der ſelt⸗
ſamen Geſtalt des Alten, gleich als ob er
ſagen wollte, ich wuͤrde dich wohl ſelbſt da⸗
für halten, und mich mächtig aͤngſtigen,
wenn du mir im Walde begegneteſt.
Der Alte. (laͤchelnd) Ich habe ihn
gerettet, und die Räuber vertrieben, aber
fernere Hilfe vermag ich ihm nicht zu lei⸗
ſten, ich hoffe, daß er dieſe hier finden
wird. 55
Der Diener. Allerdings.
— 89 —
Der Alte. So geh, und melde es
deinem Herrn. 5
Der Diener. Es bedarf deſſen
nicht, ja er wuͤrde es uns übel nehmen,
wenn wir bei einer ſolchen Gelegenheit mit 5
Hilfe zoͤgern wollten, ich eile einen Gefaͤhr⸗
ten zu holen, der mir hilft, den Berwuns
deten zu Bette zu bringen. Darf man nicht
wiſſen, wer denn dieſer ungluͤckliche junge
Mann ſey? f |
Der Alte. Du verſprachſt Eile,
Freund, dieß laͤßt ſich auch ſpaͤter erfahren.
Der Diener ſchüttelte den Kopf, und
gieng in das innere des Gebaͤudes, wie er
mit einem ſeiner Gefaͤhrten wieder zuruͤck⸗
kam, ſah er bereits den Alten am Fuße
des Berges, wo er ſich bald hinter dem
Gebuͤſche ſeinen neugierigen Augen entzog.
Swent wurde nun nach einem reinli⸗
chen Zimmer gebracht, hier eilte ſogleich der
Haus doktor von Holdenſtierna herbei, er
— 90. —
deſichtigte die Wunden, fand keine derſelben
gefaͤhrlich, und eilte ſogletg zum labenden
Verbande.
Der Herr des: Hauſes erfuhr von dem
Daſeyn eines Verwundeten, er verlangte
ihn zu ſehen, und an der Hand feiner Toch—
ter Roſaura, eilte er hinab nach dem Zim⸗
mer, wo Swent lag, deſſen Ohnmacht ſich
in einen ſtaͤrkenden Schlaf aufgelöft hatte.
Welch ein ſchoͤner Juͤngling! ſprach er
halb laut — Welch ein Juͤngling, liſpelte
Roſaura noch leiſer, und eine unwillkühr—
liche Roͤthe umzog ihre Wangen, waͤh—
rend ihre Augen mit einer Thraͤne des
Mitleids unablaͤßig auf feiner Geſtalt ruhe
en. Holdenſtierna befahl um, des Ver⸗
wundeten auf das ſorgfaͤltigſte zu pflegen,
er verließ das Zimmer, und langſamer,
als ſie „ war, folgte 50 Ro⸗
ſaura. ö |
So wie das beiden deſſen blaue
a > and
Flamme bei verzehrter Nahrung zitternd zu
erloͤſchen ſcheint, und ſich allmahlich wie-
der erholt, und heller emporblickt, wenn
neue Nahrung ihr gegeben wird, ſo erhol⸗
te ſich Swent allmaͤhlich unter der pfle—
genden Hand des Arztes, alle moͤgliche
Sorgfalt wurde ihm gereichet. Anfangs
lag er, als er von ſeinen erſten Schlafe
ſich erhohlte, wie ein Traͤumenden dahin,
nur matt ſchlichen die Bilder der Vergan—
genheit an ſeiner Seele voruͤber, er erin⸗
nerte ſich, daß feine letzte Beſinnung den
Anblick des Alten aus dem Bärenthale in
ſich faßte, aber, wo er ſich nun befaͤnde,
und wie er hiehergekommen ſey, waren
ihm neue Räthfel, die er ſich auch nicht
ſo bald loͤſen konnte, weil der Arzt jedes
Sprechen ſtrenge verboten hatte. Er ſah
nichts als fremde Geſtalten um ſich bers
wandeln, aber eine hatte er unter dieſem
zwar nur einmal erblickt, welche die Sehn⸗
3
ſucht ſie noch ns zu ſehen, am meiſten
erregt hatte, doch blieb dieſe Sehnſucht ſo
lange unbefriedigt ; bis feine Kräfte es ges
ſtatteten, einige Zeit in den Garten ums
herzuwandeln. Hier erblickte er nun jenes
Weſen wieder deren Geſtalt ihm ſo lie⸗
bevoll in jenen Augenblicken erſchienen war,
wo er noch zwiſchen Traum und Befinnung
ſchwankte, er ſah ein, ſich nicht getaͤuſcht
zu haben, ja er fand noch weit mehr Lie⸗
benswuͤrdigkeit an Roſauren, als ihm bei
dem erſten fluͤchtigen Anblicke zu ſehen, moͤg⸗
lich geweſen wäre. Oft ſprach fie mit ihm
und mit einer Zutraulichkeit, welche Swen:
ten innig rührte. Bisher hatte niemand
um Swents Herkommen gefragt „der Be⸗
ftzer des Landhauſes, Holdenſtierna war in
Geſchaͤften abweſend, die Bedienten wagten
es nicht, naͤhere Erkundigung einzuziehen,
und Swent, der von ſeiner Verborgenheit
Vortheil zu ſchoͤpfen glaubte, gab vor, ein
junger Edelmann aus Gothland zu ſeyn,
der auf feiner, um ſich Kenntniſſe zu fans
meln, angeftellten Reife von den Rändern
überfallen worden ſey. |
Wir kehren nun, des ferneren Zufante
menhanges der Geſchichte willen auf einige
Augenblicke zu Swents Freund, Guſtav
Waſa zurück. Dieſer ward nach der Fe—
ſtung Kallo gebracht, wo er unter der Ob⸗
hut eines weitſchichtigen Anverwandten, Erik
Banner ſtand. Dieſer, ein edler großmü⸗
thiger Mann, bemuͤthe ſich, ſo viel in ſeiner
Macht war, Guſtavs Lage ertraͤglich zu ma⸗
chen. Er ſelbſt gewann, durch ſein gutes
Anſehen, ſein edles einnehmendes Betragen,
bald das Herz Banners, und ſeiner ganzen
Familie. Er erhielt nach einem kurzen Auf⸗
enthalte die Freiheit auszugehen, und ſich
mit der Jagd zu beluſtigen. Alles war ge⸗
ſchaͤftig, ihm vergnuͤgte Tage zu machen,
allein, wie konnten alle dieſe freundſchefili⸗
22
— 94 —
chen Bemühungen den Gedanken aus feiner;
Seele ſcheuchen, daß er hier Gefangener
ſey, nichts konnte ihn fuͤr den Verluſt ſchad⸗
los halten, keinen Theil an den Ruhm und
den Begebenheiten des Krieges nehmen zu
koͤnnen; die Begierde ſein Vaterland zu ver⸗
theidigen, und das Gefühl ſeiner NEE
verbitterten ihn jede Freude. 455
Aber ganz zu Boden beugte ihm ſein |
trauriges Gefühl, als er nun die Nachricht
von Stures Tod erfuhr, er zweifelte nicht,
daß auch ſein Swent ſein Leben auf dem |
Schlachtfelde geopfert habe, und verſank in
anhaltender Trauer. Der Wunſch zum
Beſten feines Vaterlandes zu arbeiten, vers
ſcheuchte endlich den Tiefſinn, der ihn um⸗
lagert hatte, und er beſchloß thaͤtig an ſei⸗
ner Befreiung zu arbeiten.
Eines Tages entfernte er ef ch früh 105 dem
Schloſſe zu Kall unter dem Vorwande,
auf die Jagd zu gehen, er hüllte ſich in Bau⸗
— 8 —
erkleidung, und verließ die Gegend. Meh⸗
rere Tage irrte er auf Umwegen umher, kei⸗
nen Augenblick ſicher, erkannt, und wieder
in ſeine Gefangenſchaft zuruͤckgebracht zu wer⸗
den. Bald erhielt er deutliche Spuren,
daß ihm ſeine Verfolger auf der Spur ſey⸗
en, er ſuchte ſich um fo ſorgfaͤlliger zu ver⸗
bergen, und duldete Mangel aller Art.
Es war gerade um die Zeit, wenn die
Nie derſaͤch ſiſchen Kaufleute nach Juͤtland
kommen, um Hornvieh einzukaufen, und
Guſtaven der in der aͤuſſerſten Bedraͤngniß
ſah, blieb kein anderes Mittel uͤbrig, als
ſich in einem lumpichten Kittel gehuͤllt, bei
einem dieſer deutſchen Kaufleute als Och⸗
ſenknecht zu verdingen. Welch ein trauri⸗
ges Loos fuͤr ihn, und doch wußte Guſtav
ſich ſo gut in dieſe ungewohnte Lebensart
zu ſchicken, daß niemand ſeinen wahren
Stand ahndete, und ſein Herr ſeiner Treue
wegen ihn hochſchaͤtzte.
1
2 — 96 —
Oft ſaben ſich Swent uud Raſaura ih⸗
re Blicke ſagten ſich gegenseitig, was ihre
Herzen fühlten, aber ihr Mund hatte bisher
immer noch ihre Empfindungen verſchwiegen.
Swent war bereits auſſer der Pflege des
Arztes, doch durfte er der Schwaͤche we⸗
gen immer nur noch wenige Bewegung ma⸗
chen, an Fortſetzung ſeiner Reiſe war noch
gar nicht zu denken. Seine Wange hatte
wieder fanfte Roͤthe umzogen * ſein Auge
war nicht mehr matt und duͤſter, er ſprach
ausdruckvoll, und beſonders bei Roſauren
von dem, was in ſeinen Innern vorging,
aber auch der flammende Blick, den er ſonſt
hatte, war nun in etwas gemildert, und
liebeſchmachtend, ſo wie überhaupt das
ganze Weſen des ſchoͤnen Juͤnglings, ſehr
viel anziehendes hatte. Nur zu gut fuͤhlte
dieß Roſaura, die Geſtalt des holden jun—
gen Mannes wich nicht von ihrer Seele,
fie dachte wachend und tr aͤumend an ihn,
— 97 —
und war fuͤr jede andere Freude beinahe
unempfindlich.
„Wahrhaftig ſprach einſt ihr Kammer⸗
mädchen, die wie gewöhnlich auch ihre Ver⸗
traute war, wahrhaftig Roſaura, Sie ſind
nicht mehr zu koͤnnen, Ihre ganze ehmali⸗
ge Lebhaftigkeit iſt entſchwunden, Sie ſitzen
nun ſchon wieder mehr, als eine Stunde
| hier, ſtarren immer nach einem Flecke, und
hören gar nicht, was ich mit Ihnen fpreche,
Ro fau ra. Gewiß waͤhlteſt du einen
Gegenſtand, der wenig Reitz für mich hatte.
Das Maͤdchen. Was koͤnnte nun
noch Reitz für Sie haben; ſeit Siwent, —
Ro ſaura. Beim Himmel, Mid
chen du ſprichſt aus meiner Seele.
5 Das Maͤdchen. Iſt das jene No⸗
ſaura, die zeither immer unempfindlich ge⸗
gen Liebe zu ſeyn ſchien; die ſo oft zu mir
ſagte, Maͤdchen ich werde nur einſt den
Bann lieben koͤnnen, deſſen Geiſt mit mei⸗
| 7
nen emporſtrebenden Gefühlen har monirt,
ich fühle es, daß ich nicht für Niedrigkeit
gebohren bin, und nur der Mann kann
meinem Herzen willkommen ſeyn, der gleich
dem Adler der Sonne entgegenſtrebt, defe
fen Ruhm auch mich bemerkenswertßh macht.
Roſaur a. Ja ſo ſagte ich.
Das Maͤdchen. Und nun — frei⸗
lich iſt Swent einer der liebenswuͤrdigſten
Maͤnner, welche ich je geſehen habe, ſeine
Art ſich zu benehmen, ſeine Bildung iſt
intereſſant. | a
Roſaur a. Und fein Geiſt, haſt du
dieſen ſchon erforſcht? |
Das Mädchen. So viel traue ich
mir nicht zu — es iſt wahr, des Juͤng⸗
lings Blick verraͤth kuͤhnen Muth, ſein gan⸗
zes Weſen Erhabenheit der Seele, aber —
RNoſaura. Nun — 4
Das Maͤdchen. Um der Mann zu
ſeyn, den Roſaurens Herz ehmal ſich wuͤnſch⸗
r
te, ſcheint er mir, verzeihen Sie mir dieſe
Bemerkung, zu wenig zu ſeyn, der Sohn
eines unbedeutenden Edelmanns aus Goth⸗
land — der bis itzt noch fo wenig bemer—
kenswerth iſt, daß — N
Noſaura. Blicke her Madchen, und
betrachte dieſe Zuͤge, (ſie zieht ein sa
aus ihren Buſen.) |
Das Mädchen Ha wahrhaftig, er
iſis, es iſt Swent. — | Ä
I ofaura. Dieſer Blick, o wie viel
verſpricht dieſer, ſieh nur den Adel, der
auf ſeiner Stirne thront, dieſe Erhaben⸗
heit, o ſolche Zuͤge koͤnnen nur mit einem
großen Geiſte vereinbart ſeyn.
Das Madchen. Aber, ich kann
es nicht bergen, dieſen ſo viel ſagenden
Blick habe ich an Swenten noch nicht be⸗
merkt. |
Rofaura Hat nicht Krankheit die⸗
ſes Feuer gemildert?
\ a
ut,
1)
— 100
Das Madchen. Und dieſem Auge,
das bis in das innerſte zu dringen ſcheint,
den ſchmachtenden Blick der Liebe gegeben.
Ro ſa ur a. O, und wenn du erſt wuͤß⸗
teſt, wer er iſt, dieſer Liebling meiner
Seele. |
Das Maͤdchen. Wer er iſt?
Roſaur a. Nein, ich will kein Ges
heimniß vor dir haben, iſt doch mein Herz
fo übervoll und ſehnt ſich nach Miltheilung
— ich rechne auf deine Verſchwiegenheit.
Das Mädchen Roſaura kennt
mich. 8
Roſaura. Hoͤrteſt du noch nie von
jenem ſchwediſchen Juͤngling, deſſen kuͤhner
Muth, deſſen allumfaſſender Geiſt ihn
ſchon in früher Jugend ſo bemerkenswerth
machten, daß aller Augen nur auf
ihn ſahen, der gleich dem Adler em—
po rſtrebt zum hohen Ziele, keine Gefahr
I
— 101 —
ſcheuend, ganz durch ſeine eigene ie ſich
emporſchwang.
Das Maͤdchen. Aus ihrer Schil⸗
derung erkenne ich Guſtav Waſa.
Roſaura. O wie leicht iſt er zu re⸗
rathen, denn welcher der Juͤnglinge gleichet
ihn? — was vermag der Mann nicht alles
noch, und ſteh Maͤdchen, dieß iſt ſein Bild.
Das Maͤdchen. Dies?
Rofaura Als fein Ruhm noch
bluͤhte in Schweden, fandte mir es meine
Tante um den Helden, von dem alles er⸗
tönt, auch im Bilde kennen zu lernen. Du
weißt, daß Guſtav gefangen wurde, bei
Erik Banner auf der Feſtung Balla lebte
er bisher, er iſt von da entflohen.
Ä
1
Das Madchen. Entflohen?
Roſaura. Allenthalben eilen ihm
Spaͤher nach.
Da s Maͤdchen. Weh ihm, wenn
fie ihn erreichen. s
— 102 —
Roſaur a. Unter fremder Geſtalt,
unter erborgtem Rahmen irret er umher,
und lebt itzt unter den Nahmen Swent aus
Gothland bei Holdenſtierna.
Das Madchen. Wars möglich!
er, er Guſtav.
Roſaura. Und dieſer Mann liebt
mich, noch fagte mir es zwar fen Mund
nicht, aber ich Iefe deutlich in ſeinen Bli⸗
cken, was er für mich fühlt.
Das Mädchen. Aber ihr Vater,
Noſenra ihr Vater.
Noſaura. Er kennt ihn .
er darf ihn nicht kennen. Guſtav wird ſich
trennen von mir, er wird feine Plane befol-
gen, er wird gluͤcklich ſeyn, und Roſaura wird
dann auch an ſeiner Seite des ſeeligen Stol⸗
zes genieſſen, die Gattin des größten Mane
nes ſeiner Zeit zu ſeyn.
So klaͤuſchte ſich Roſaura, geblendet
von ihren ſchwaͤrmeriſchen Traͤumen von
Kal, 108 —
Groͤße, und ſchwerlich wuͤrde Swent ihr Herz
erhalten haben, haͤtte fie einen andern, als
Guſtaven in ihm geahndet. Um den deim der
Liebe in Roſaurens Herzen zur Reife zu brin⸗
gen, war dieſe Taͤuſchung nothwendig, hat
dieſe Leidenſchaft einmal feſte Wurzel gefaßt,
dann moͤchte vielleicht ihr Irrthum ſich enthuͤl⸗
len, ohne dem einmal Geliebten ſchaͤdlich zu
werden. 1 |
Schon Swents angenehme Geſtalt hat⸗
te Eindruck auf ſie gemacht, beguͤnſtiget
durch ihre ſchwaͤrmeriſchen Ideen, vermochte
ſie nicht lange ihre Gefuͤhle zu verbergen,
und ihre Blicke ſagten deutlich, was in ih⸗
rem Junern vorgehe. Swent hatte bald
keinen Zweifel mehr übrig, daß er wieder
geliebt werde, aber er ahndete nicht, wel⸗
chen guͤnſtigen Zufalle er eigentlich dieſe
Erwiederung ſeiner ſehnlichſten Wuͤnſche zu
danken habe. Noch hatte ihm Muth und
Gelegenheit gefühlt, feinen einigen Empfin⸗
— 104 —
dungen Worte zu geben. Er befand ſich
nun einmal im Garten; ganz mit dem Ge⸗
danken an feine Liebe beſchaͤftiget, irrte er
in den Alleen umher, vom blühenden Grün
beſchattet „als er itzt einer Laube ſich nah⸗
te und Roſauren in nachdenkender Stellung
erblickte. Das Geraͤuſch, welches fein Fuße,
tritt im Sande gemacht hatte, ſchreckte ſie
aus ihrem Gedanken empor, ſie erroͤthete
bei dem Anblicke des Geliebten, ſie wollte
ſich ſchüchtern entfernen, und Swent bat
ſie, bei ihm zu bleiben, ſtumm lagerte er ſich
an ihre Seite, aber bald brach er das Schwei⸗
gen, als ein kuͤhn gewagter Haͤndedruck
von dem Maͤdchen erwiedert wurde, und
dieſes Zeichen von Mitempfindung ihm mehr
Muth gab. Worte der Lippe floßen von .
feinen Lippen, Noſaurens Auge ſprach von
Gegenliebe, und bald floß auch ihr Mund
davon über, beide leiſteten ſich das Geſtaͤnd⸗ |
niß der innigſten Liebe, und ein beſeelie⸗
—
7
gender Kuß der Vorgänger von mehreren
bekraͤftigte das Buͤndniß ihrer Herzen. Eben
wollte Roſaura Swenten mitheilen, daß
ſie ſein Geheimniß entdeckt habe, und wiſſe,
daß er Guſtav Waſa ſey, als ihr Maͤdchen
mit ſchnellen Schritten herbei eilte, und
berichtete, das Roſaurens Vater angekom⸗
men ſey, von einem Offiziere und mehreren
Reutern begleitet. Sie fragten ſchon am Ein⸗
gange nach Ihnen, ſprach das Maͤdchen zu
Roſauren, und folgen mir auf dem Fuße
nach, — ja wahrhaftig, da ſind ſie ſchon,
unterbrach ſie Roſaura, es war nicht mehr
Zeit für Swenten, ſich gaͤnzlich von Noſau⸗
rens Seite entfernen zu koͤnnen, wozu er
auch keine urſache zu haben glaubte, der
Vater nahte ſich freundlich mit dem Offizire
— Sieh meine Tochter ſprach er, der Sohn
meines alten Freundes Güldenſtorp, auf
einem Streifzuge begegnete er mir, und
ſericht hier ein, ich hoffe nicht, daß du
wu 106 —
Urſache haben werdeſt „den Vertrag zu be⸗
reuen, den ich ſchon lange mit ſeinen Va⸗
ter einging, durch Euch beide unſere Fami⸗
llien in eine zuſammenſchmelzen zu ſehen,
lernt Euch kennen und erfuͤllt dann die Wün⸗
ſche Eurer Vaͤter.
Man kann ſich denken, welche Stim⸗
mung dieſe wenige Worte in den Herzen
der beiden Liebenden hervorbringen mußten.
Roſaura ſchrak heftig zuſammen, und ver⸗
mochte nicht dem Vater zu antworten, nnd
auf Swentens Geſichte war ganz die Unru⸗
pe, welche er fühlte, ſichtbar. Dem Va⸗
ter fiel das Betragen der Beiden auf, for⸗
ſchend ruhte ſein Blick auf Roſauren, ſo
wie Guͤldenſtorp mit unverwandten Augen
nach Swent hinblickte, itzt wand er ſich zu
dem alten Holdenſtierna. Theuerſter Vater,
ſprach er, ich wuͤnſche, daß ich mit meiner
Bewerbung um Roſaurens Gegenliebe, eben
ſo gluͤcklich ſeyn moͤchte, als ich bereits bei dem
— a
erſten Eintritte in Ire Wohnung ſo N
lich war, meinen beſchwerlichen Streifzug
zu enden (zu Swenten) Sie mein Herr,
ſind mein Gefangener.
Swent. Was fol das?
Holdenſtierna. Was wollen ſie
thun, Guͤldenſtorp? |
Güldenſtorp. Lieber Vater, Fette
nen Sie dieſen Herrn?
Holdenſtiern a. Er wurde vers
wundet, in mein Haus gebracht, er nennt
ſich Swent, und iſt der Sohn eines Edel⸗
manns aus Gothland.
Guüͤldenſtorp. Sie ſind getaͤuſcht,
Sie wiſſen, daß allenthaben Leute um—
herziehen, den aus der Gefangenſchaft Erik
Banners entflohenen Guſtav Waſa zu ſu⸗
chen, ich bin der gluͤckliche, der am erſten
ihn entdeckte. Suchen Sie ſich nicht laͤnger
mehr zu verbergen, ich ſah fie in der Schlacht
von Stockholm, und habe mir Ihre Züge
— 1083 —
gut gemerkt, meine Pflicht gebe mir, Sie
in Gewahrſam zu nehmen.
Roſaura. Gott im Himmel, er iſt
verrathen!
Holdenſtierna. Wie meine Toch⸗
ter, du weißt — *
Roſaura. Ja, es iſt Guſtav Wa⸗
2 ‚ aber Bater — Vater, könnten Sie das
Recht der Gaſtfreiheit, koͤnnten ſie den Schutz,
den Sie ihm gelobten, fo ſchnell vergeffen —
Holdenſtierna. Schutz gelobte ich
dem Gothen Swent, nicht Guſtaven, ich
ehre das Recht der Gaſtfreiheit, aber mir
ziemt es nicht, die Urſache zu unter ſuchen,
warum Guſtav Gefangener ſey, noch weni⸗
ger mich gegen hoͤhere Befehle aufzulehnen.
Während dem hatte Güldenfiorp feinen
Bedienten bereits nach denen im Vorhofe
ſich befindenden Soldaten geſandt, fie nah⸗
ten ſich, und dieſer Anblick war zu erſchuͤt⸗
lernd für Roſaurens liebendes Herz, daß fie
— 109 —
nicht alle Merkmale des Schreckens haͤtte
äußern ſollen, fie brach in laute Thraͤnen
aus, aber vergebens ſuchte ſie ihren Vater
mit Bitten zu beſtuͤrmen, vergebens ſchwur
ſie, daß dieſe That hinreichend genug ſey,
Guͤldenſtorpen auf immer zu verachten.
Swent hatte bisher mit Staunen die—
ſer Szene beigewohnt, anfangs hatten ihn
die Worte Guͤldenſtorps, daß er fein Ge⸗
fangener ſey, mit der aͤuſſerſten Beſtuͤrzung
erfüllt, die unvermuthete Nachricht, daß Gu⸗
ſtav feiner Haft entflohen ſey, erfüllte ihn
mit Freude, und ſchnell kettete ſich an die⸗
ſen der Gedanke, ſich fuͤr ſeinen Freund
aufzuopfern, er vergaß in dieſem Augen⸗
blicke ganz ſeiner Liebe, und des Staunens,
daß auch Roſaura ihn für Guſtaven gehal⸗
ten habe, er ſah ein, daß ſein Geſtaͤndniß,
er ſey Guſtav, dieſen vor Nachſtellung we⸗
nigſtens auf einige Zeit ſichern, und daun,
wenn ſich die Taͤuſchung enthuͤllen werde,
ihm demnach feine Freiheit werden muͤſſe.
Fuͤr jeden Fall glaubte er ſich dadurch zu
ſichern, wenn er erklaͤre, daß man ihm gar
nicht erlaubte ſich zu rechtfertigen, und den
Irrthum aufzuklaͤren, fondern in der Bes
gierde, Guſtaven zu fangen, ſeine Worte
gar nicht angehoͤrt habe, er machte daher
nur wenige Entſchuldigungen, daß man ſich
in ſeiner Perſon irren, und hier eine Aehn—
lichkeit der Geſichtszuͤge obwalten koͤnne, er
freute ſich, daß man dieß als leere Aus—
ſtuchte verwarf, und folgte endlich ſchwei⸗
gend dem Offizier, welcher auf kurze Zeit
von Holdenſtierna, und der klagenden Ro—
faura Abſchied nahm, Swenten ein Pferd
vorfuͤhren, ihn in die Mitte der Reuter neh⸗
men ließ, und nun ſich augenblicklich und
freudig, die auf Guſtaven ausgeſetzte Be⸗
lohnung zu aͤrndten, entfernte.
Der Weg gieng nach der naͤchſten Fe⸗
ſtung, welche man bei dem ſtaͤrkſten Mitte
erſt am dritten Tage erreichen konnte. Un⸗
unterbrochen ſetzte man die Reiſe fort, aber
am zweiten Abende noͤthigte ein heftiges Re⸗
genwetter ſie, zeitlicher, als ſie im Sinne
hatten, eine Schenke zu ſuchen. — Gehüllt
in einem elenden Kittel, verſah Guſtav ſei—
ne Dienſte bei dem niederſaͤchſiſchen Ochſen⸗
haͤndler. Niemand ahndete, wer unter dies
fer Hülle verborgen ſey. Einſt gegen Abend,
als heftiges Ungewitter weiteres Fortkom⸗
men unmöglich machte, trieben fie ihr Vieh
einer Schenke unferne der Straſſe zu, und
ſobald Guſtav fuͤr deſſen Unterkommen ge⸗
ſorgt hatte, begabt er ſich in die Stube,
wo feine Herren ſich bereits mit warmen
Bier und Honig labten. Düſter und nach⸗
denkend lagerte ſich Guſtav in einem Win⸗
kel, fein Stuͤck ſchwarzes Brod zu verzeh⸗
ren, als die Gaͤſte uͤber den Zuſtand von
Schweden zu ſprechen begannen. Bisher
war es ihm unmöglich geweſen, ohne zu
— 119 —
befuͤrchten, verrathen zu werden, nähere
Nachrichten einzuziehen, er horchte hoch auf,
aber wie ſchrecklich waren ſeine Empfindun⸗
gen, als er nicht nur erfuhr, daß Stock⸗
holm bereits erobert ſey, ſondern auch,
daß der Tod feinen Vater, und viele ſei—
ner Freunde dahingeraft habe. Jedes Wort
der Erzaͤhlenden entvoͤlkerte für ihn das
Vaterland, und war ein Schwertſtreich, der
ihm einer feiner Lieben raubte, bittre Thraͤe
nen quollen uͤber ſeine Wangen, und netz⸗
ten die harte Brodrinde, welche feine zit⸗
ternde Hand kaum mehr halten konnte.
Ploͤtzlich wurde unfanft an der Thuͤre ge⸗
pocht, Soldaten, welche einen Gefangenen
mit ſich führten, forderten Einlaß, und Gu⸗
ſtav zog ſich, um nicht erkannt zu werden,
noch tiefer in feinem Winkel zurück. Die
Thuͤre wurde geöffnet, Guͤldenſtorp mit ſei⸗
nen Leuten, und Swent traten ein. Sie
nahmen Platz an einem Rundtiſche, bald
a
waren Kannen und Glaͤſer gefüllt, welche nun
unter lautem Geſpraͤche herumgingen, waͤh—
rend es auſſen witterte und tobte. Neugierig,
wie Reifende gewöhnlich, forſchten die Kauf-
leute, wer denn der Gefangene ſey, der
duͤſter in die Ecke hingelehnt ſaß, und den
Hut bis uͤber die Augen in das Geſicht
gedruckt hatte. Ich habe nicht noͤthig es
j zu verſchweigen, ſprach Guͤldenſtorp, ich
habe einen gluͤcklichen Fund gemacht, es
iſt der bekannte Guſtav Waſa, der ſeiner
Verhaftung entflohen iſt. Guſtav ſelbſt hob
ſein Haupt ſchnell empor, aber er konnte
eben ſo wenig das Geſicht des Gefangenen
ſehen, noch die Möglichkeit der hier obwal⸗
tenden fuͤr ihm ſo freudigen Taͤuſchung be⸗
greifen. >
Lange ſprachen und zechten die An⸗
weſenden, bis endlich die nahe Mitternacht
alle zur Ruhe gehen hieß. Jedem der Gaͤ⸗
ſte wurde ſein Zimmer angewieſen, Gülden⸗
8
— 114 —
ſtorp der fpdt gekommen war, fand zur Roth
nach eines fir ſich, und aufgeblaſen von
thoͤrichten Stolze, hielt er es fuͤr zu un⸗
ruͤhmlich fuͤr ſich, ſeinen Gefangenen zu ſich
nehmen, er ließ ihn bei zwei Reutern in
der Stube waͤhrend die andern ſich nach
dem Stalle begaben. Auf Guſtaven ſelbſt
hatte man keine Acht, vertieft in Geſpraͤch
hatte man ihn vorher eben ſo wenig bemerkt,
als nun beim Fortgehen, er ſaß tief in
ſeinem Winkel hinter dem Ofen vergraben.
Noch eine Weile fprachen die beiden
Waͤchter des Gefangenen, aber das in Uiber⸗
maaß genoßene Honigbier zauberte bald fe⸗
ſten Schlaf uͤber ihre Augen. Allgemeine
Stille herrſchte nun, Guſtav wagte lange
ſich nicht hervor, aber ein leiſer Seufzer
des Gefangenen zeigte ihm, daß dieſer noch
wach ſey, er ging aus ſeinem Winkel her—
vor, und nahte ſich ihm, die Reuter lagen
in der anderen Ecke des Zimmers auf ih⸗
— 115 —
ven Maͤnteln. Nur einmal, ſprach er lei—
fe, möchte ich die Zuͤge des gefangenen Gu—
ſtavs Waſa ſehen — Swent hob bei die—
ſen Worten ſein Haupt empor, er ruͤckte
den Hut aus der Stirne, beide Freunde
erkannten ſich, und nur muͤhſam hielten ſie
ſich zuruck, durch einen lauten Ausruf ihre
Waͤchter zu wecken. Gott waͤrs moͤglich
Swent, mein Swent, ſtammelte Guſtav.
Swent. Mein Guſtav, du hier?
ſo nahe deinen Feinden? | Mi
Guſtav. Mich ſchuͤtzen Kleidung und
Gewerb — o komme in meine Arme, du,
den ich fo oft als todt ſchon beweinte.
Swent, Ach welch ein trauriges
Wiederſehen! | l
Guſta v. Welche Naͤthſel umgeben
mich, wie kamſt du in dieſe Gegenden, was
ſoll deine Gefangenſchaft, o, erzaͤhle Freund
meiner Seele.
Swent erzaͤhlte, ſtaunend hörte Gu⸗
8 (%% A
[ 116
ſtav zu. Wie, rief er, und du wollteſt
noch länger die Laſt der Gefangenſchaft tra.
gen, die Über mich verhängt iſt?
Swent. Mir iſt fie keine Laſt, ſelbſt
wenn Feſſel dieſe Hände druͤckten, ‚würden
ſie mir leicht duͤnken, weil ich fie für mei⸗
nen Freund trag. |
| Guſtav. Nimmermehr, mag das
Schickſal was immer uͤber mich beſchloſſen
haben, ich will der eiſernen Nothwendigkeit
weichen, und mich dem Offiziere entde⸗
cken. \ |
Swent. Was willſt du, Freund
bedenke.
Guſtav. O du kennſt noch nicht die
Härte der Gefangenſchaft, welch ein trauri⸗
ges Schickſal deiner harren wuͤrde, ahndeſt
du noch nicht, auf dem Verderben meines
Freundes will ich meine Freiheit nicht gruͤn⸗
den. 5 r
Swent. Was kann mir geſchehen,
der Irrthum wird ſich entdecken, und ich
werde mich hinlaͤnglich ausweiſen koͤnnen,
daß man mein Geſtaͤndniß, ich ſey Guſtav
nicht, für kahle Entſchuldigung nahm, aber
ſpaͤt erſt ſoll dieſe Entdeckung geſchehen, du
hingegen wirſt dadurch um ſo ſtcherer ent—
fliehen koͤnnen, benuͤtze die Zeit Guſtav, und
die günfligen Umſtaͤnde, der Freund bedarf
deiner nun nicht, aber — das Vaterland.
Guſta v. O mein armes Vaterland.
Swent. Der Tod rafte deine Freun⸗
de hinweg, niemand iſt da, deſſen Geiſt
ſo kuͤhn, deſſen Liebe ſo entſcheidend waͤre,
unter den Truͤmmern der geſunkenen Groͤße
ihren Strahl noch hervorzuſuchen, du ale
lein vermagſt es, dein Nahme iſt in alle
Herzen eingegraben, nach dir klagt des
Vaterlandes aͤchzende Stimme, geh zu
deiner großen Beſtimmung — dein Freund
wird dir folgen, und ſich freuen, wenigſtens
den Weg zu großen Thaten geſichert zu ha⸗
ben. N EN
Guſtav. — Du begeiſterſt mich,
ach Swent, Swent wenn du an meiner
Seite waͤrſt. |
Swent. Diefe Zeit iſt nicht ferne,
ſobald ich dich in Sicherheit weiß, daun
will ich die Verwirrung aufdecken, und dir
folgen. 5 | 11
Guſtav. Ich zittere für dich.
Swent. Zittre nicht, ich folge dir
bald, aber flieh Guſtav, hier droht Gefahr;
leicht kann man dich am folgenden Morgen
entdecken, und wenn man gleich dich in
mir glaubt, fo kann doch ſchon die Aehnlich⸗
keit unſerer Geſichtszuͤge Verdacht erregen.
Nicht viel mehr als eine Stunde haſt du
noch nach Lübek, dann biſt du in Sicher⸗
heit — N |
Guſta v. Und du wanderſt dem Ges
faͤngniſſe zu. —
— 119, —
Swent. In dem ich ruhig harre, um
dir zu großen Thaten zu folgen. Genug nun,
dieſen Kuß noch, und nun möge Gott dich
begleiten, bald — bald — Vun wir uns
wieder.
Gu ſta v. Swent —
Swent. Hinweg mit dieſer Thraͤne,
hinweg mit dieſer Zögerung — Guſtav,
das Vaterland ruft dich. |
Guſta v. Ich folge dieſem heiligen Ru-
fe — lebe wohl.
Fort eilte Guſtav in Nacht und Sturm,
Swent aber lagerte ſich wieder ruhig in
feinem Winkel, er trat am folgenden More
gen feinen weiteren Weg an, und erreichte
endlich die für ihn beſtimmte Feſtung, wo
man ihn bis auf weitere Entſcheidung nach
einem feſtverwahrten gefaͤngnibaͤhnlichen
Gemache brachte. f
| So eilig als möglich verfolgte Guftav
den Weg nach Lübek, am anbrechenden
—
Morgen erreichte er die Stadt, allein, der
erſte, der ihm begegnete, war Erik Ban⸗
ner, aus deſſen Haft er entflohen war, die⸗
ſer uͤberhaͤufte ihn mit bittern Vorwuͤrfen,
und beſtand darauf, daß er ihm wieder zu—
ruͤck folgen muͤſſe, allein Guſtav wußte ihm
ſo wichtige Gründe entgegen zu ſtellen, daß
Banner von ſeiner Forderung abſtand, und
wieder fortzog. ö |
Guſtav begab ſich zum Büͤrgermeiſter
Nikolaus Broͤms, einem edlen Greiſe, dies
ſem gab er ſich zu erkennen, und flehte ihn
um einigen Beiſtand an. Dem Buͤrgermei⸗
ſter gefielen feine Gruͤnde, er verſprach ihm
Gelegenheit, ihn nach Schweden überführen
zu laſſen. Guſtav pflegte ſich hier kurze
Seit durch Ruhe, bald war ein Kauffartei—
ſchif ſegelfertig, welches Guſtav unter er
borgtem Nahmen beſtieg. Gluͤcklich entgieng
er der feindlichen umherſchwaͤrmenden Flot—
te, gluͤcklich entgieng er den Gefahren eines
wuͤthenden Sturmes a und landete endlich
an dem Vorgebirge Stenſoͤ nahe bei Kal—
mar. Welche Gefühle bemaͤchtigten ſich ſei⸗
ner, als er ſein Vaterland wieder betrat;
es war nun alles ſo ganz anders, als wie
er es verlaſſen hatte, traurige Stimmung
verbreitete ſich uͤber ihn, doch erhellte noch
ein Strahl von Heſſnung, feinem Ziele nde
her zu kommen, die Nacht der Trauer, wels
che ihn umgab —.
Vergebens flehte Roſaura bei ihrem
Vater, fie mit der Verbindung mit Guͤlden—
ſtorp zu verſchonen „der Alte blieb feſt auf
ſeinem Sinne, machte dem Maͤdchen die
bitterſten Vorwürfe uͤber ihre Liebe zu Gu⸗
ſtaven, und betrieb mit Eifer die Anſtalten
zur Verlobung, welche, ſo bald Guͤldenſtorp
zuruͤckkehren wuͤrde, vollzogen werden ſoll⸗
te. Aber bevor dieſe Rückkehr noch erfolg
te, ſpreitete der Todt fein ſchwarzes Par
nier über die hochzeitlichen Kraͤnze, ſchnel⸗
les Dahinſterben von Roſaurens Vater mach⸗
te die Freudengeſaͤnge, in die ohnehin nur
des Maͤdchens geheimes Seufzen ſich meng⸗
te, verſtummen. Tiefe Trauer grub ſich in
. Rofaurens Herz, aber fie gedachte nun auch
an Guſtaven „ und kannte Güldenſtorpen zu
gut, um es nicht fuͤr raͤthlich zu halten,
ſeine Ankunft zu erwarten. Sie beſchloß
nach Guſtavs Aufenthalt zu reiſen, und
dort, wenn ſie gleich die traurige Lage
des Geliebten nicht aͤndern konnte, ihm doch
ſein Schickſal erträglicher zu machen.
Voll von dieſen Ideen war ſchon altes
zur Abreiſe bereitet, als man einen alten
Mann bei ihr meldete, welcher nothwendig
mit ihr zu ſprechen habe, die Bedienten
erkannten ſogleich den Alten in ihm, wels
cher Swenten verwundet nach dem Schloße
gebracht hatte. Er nahte ſich Roſauren.
„Edles Maͤdchen, ſprach er; ich weiß die Ur⸗
ſache Ihrer Abreiſe, fie wollen den gefange⸗
— 123 EN
nencheliebten aufſuchen, — erroͤthen Sie nicht
uͤber die Entdeckungreiner Leidenſchaft, die,
Ihrem Herzen Ehre machet. Ja ich bin
gekommen, Ihnen meinen Nath zu erthei⸗
len, wie ſie die Freiheit Ihres Geliebten
ſchnell erwirken koͤnnen.“ Und dieſer waͤre?
fragte Roſaura und ihre Wange glühte,
und ihr Auge ruhte mit minderer Scheu
auf den ſeltſamen Fremden.
Der Alte. Gehen Sie zum Kente
mendanten der Feſtung, wo Ihr Geliebter
im Gefaͤngniſſe ſchmachtet, zeigen Sie ihm
Guſtavs Bild, das ich hier an ihren Bu—
ſen ruhen ſehe, und haͤndigen Sie ihm die⸗
ſes Schreiben ein. Freilich, Freilich are
mes Maͤdchen, wird ihr Herz viel leiden,
aber ein fo edler Geiſt, wie der ihrige,
weiß eigene Leiden den Fremden zu opfern.
Er legte das Schreiben auf einem
Tiſch, und entfernte ſich, vergebens ſuch⸗
te ihn Roſaurg zurückzuhalten, um noch
1214 —
mehr von dem raͤthſelhaften Alten zu erfah⸗
ren, er war ihren Augen entſchwunden, ehe
fie ſich von ihrer Befthrzung erhohlen konn⸗
te. Das Schreiben war an den Kommen—
danten der Feſtung gerichtet, noch mehr war
Roſaurens Entſchluß zur Reiſe beſtimmt,
ſie ließ bald den Wagen vorfahren, und
eilte nach dem Aufenthalte, ihres Gelieb—
en., f 19 5 N 45
Der Kommendant ließ ſie ſogleich vor
ſich, er ſchätzte die Tochter des verbliche⸗
nen Vaters willen, den er ſehr gut gekannt
hatte. Roſaura ſtehte, Guſtavs Schickſal
ertraͤglicher zu machen, der Kommendant
bedauerte nicht wider ſeine Pflicht handeln
zu konnen, fie erzählte ihm von dem Bes
ſuche eines unbekannten Alten, und gab
| ihm Bilduiß und Schreiben, er entfaltete
es, es war von dem Gouverneuer von Kalmar
er berichtete ſeinem Freunde, daß Guſtav
Waſa dort angelangt ſey, ſich aber, weil er
7 — 125 —
keinen Anhang fand, ſchnell habe fluͤchten
muͤſſen, und ihm nun von allen Seiten nachge-
fielt würde, Der Kommendant ſtaunte, er
wußte Guſtaven in feiner Gewahrſam und
doch ſollte dieſer zu gleicher Zeit in Schwe⸗
den ſich aufhalten — er betrachtete das
Portrait, hieß Roſauren ruhig ſeyn, und
begab ſich zu den gefangenen Swent, un⸗
terwegs brachte man ihm noch ein Schrei-
ben, worinnen die Nachricht auf das ge⸗
wiſſeſte beſtaͤttiget wurde, daß Gustav in
Schweden ſich befinde. Er eilte zu Swen⸗
ten, verglich feine Züge mit dem Bilde, fand
große Aehnlichkeit, aber doch nicht in dem
Maaße, wie die liebende Roſaura gefun-
den hatte. Swent blieb ſeiner Ausſage
getreu, ein Gothlaͤnder zu ſeyn, und be⸗
theuerte, daß man ſeinem Widerſpruche gar
kein Gehoͤr gegoͤnnet habe. |
Der Kommendant ſah wohl ein, daß
Swents Gefangennehmung das meiſte dazu
N N
beigetragen haben mochte, daß Guſtab von
fernerer Nachſtellung dadurch befreit, gluͤck⸗
lich nach Schweden kam, und ſchwerlich
würde Swent ſeines Stillſchweigens wegen
ſo leicht abgekommen ſeyn, wenn er nicht
auf Rofauren Ruͤckſicht genommen haͤtte.
Er kehrte zu dieſer zuruck, entdeckte ihr
den Irrthum, der mit Guſtaven hier vorges
fallen fey, und erlaubte ihr, Swenten ſeine
Befreiung ſelbſt anzukuͤnden. f
Dieſe Entdeckung machte auf Roſau⸗
ren einen ſonderbaren Eindruck, ſie begann
nun ſelbſt in Zweifeln zu ſchwanken, und
ihr Herz fühlte ſich im innerſten gekränkt,
ſich in ſeinen ſchwaͤrmeriſchen Traͤumen von
dem erſten Manne ſeiner Zeit geliebt zu ſeyn,
getaͤuſcht zu ſehen, zwar ſprach laut die
Simme der Liebe, aber ihr Stolz ſtegte,
ſie verlangte Swenten nicht zu ſehen, be⸗
gnügte ſich mit dem Bewußtſeyn, feine
Freiheit erwirkt zu haben, und kehrte nach
ihrem Gute zuruͤck.
So weit hatten Stolz und Unmuth
geſiegt, aber als ihr Herz ruhiger gewor—
den war, da begann wieder lauter die Stim,
me der Liebe zu ſprechen, Swents Geſtalt
ſchwebte unaufhoͤrlich vor ihrer Seele, fie
machte ſich ſelbſt die bitterſten Vorwuͤrfe,
und haͤtte er ſich ihr genaͤhert, ſie wuͤrde
gerne ihren erhabenen Abſichten entſagt,
und ihn mit ihrer vorigen Liebe beglückt
haben. Bald erfuͤllte dieſe wieder in ihrer
ganzen Groͤße ihr Herz, aber vergebens
ſuchte ſie Nachricht von dem Geliebten
einzuziehen; bald aͤnderte ſich ihre Lage.
Güldenſtorp ſuchte ſeine Rechte auf ihre
Hand geltend zu machen, er wagte Nach—
ſtellungen aller Art, und Roſaura konnte
ſich nicht anders retten, als ihre vaͤterli—
che Wohnung zu verlaſſen, und ich nach
Schweden zu einer alten Tante zu begeben,
An
Swent hatte feine Freiheit erhalten,
obſchon erſt mehrere Tage ſpaͤter, als
Roſaura es gewaͤhnt hatte, weil der Kom⸗
mendant erſt vollwichtige Beweiſe von Gu⸗
ſtavs Aufenthalte in Schweden einziehen
wollte. Itzt ward ihm entdeckt, weſſen
Vermittlung er eigentlich feine ſchnelle Be—
freiung zu danken habe, er erfuhr aber auch
zugleich, daß Roſaura, durch die Entde⸗
ckung, daß er Guſtav ſelbſt nicht ſey, aͤuſ⸗
ſerſt beſtuͤrzt, ihn nicht mehr ſehen wollte,
ſondern nach ihrem Gute fortgereiſt ſey.
Junig krankte ihn dieſe Nachricht, denn
heiße Liebe gegen das Mädchen erfüllte
feine Vruſt, er konnte es nicht über dieſe
Liebe gewinnen, ſich nicht dennoch ihrem
Aufenthalte zu nahen, aber ſchon war Ro⸗
ſaura nach Schweden abgereiſet, wie er
dort anlangte.
Was blieb ihm, der nun Freund 106
Geliebte in ſeinem Vaterlande wußte, übrig,
r
+ 120 .
als nach ſelben zuruͤckzukehren. Einfam
irrte er die Straſſe fort, ſcheuend ſich
irgendwo zu zeigen, um nicht abermal vers
moͤg ſeiner Aehnlichkeit mit Guſtaven, in
eine ihm nun ſehr unangenehme Verzoͤge⸗
rung feiner Reiſe zu gerathen. |
Des Weges gänzlich unkundig war er
ſchon mehrere Tage, durch einen großen
Wald gewandert, ohne ein Obdach zu fin—
den, wo er Nahrung erhalten, und aus:
ruhen baͤtte koͤnnen, er ſehnte ſich nach
menſchlicher Wohnung, und war froh. als
er eines Abends, da ein heftiger Wind
ſchwarze Wolken zuſammengetrieben hatte,
und dieſen bereits ſchwere Regentropfen
entfielen , einen alten Mann erblickte, wel⸗
cher in einem lumpichten Kittel gehuͤllt, auf
ſeinem Knoteuſtabe daherſchlich. Swent
ſprach ihn an, ob nirgend hier ein Ork
ſey, wo er ausruhen koͤnne, der Alte, deſ—
fen ſtrupichtes Haar wild in die faltige
7
— 150 —
Stirne hieng, maß den Juͤngling mit
mißtrauiſchen Blicken, und ſagte endlich,
wenn er ihm nach dem Schloſſe ſeines Herrn
folgen wolle, ſo wuͤrde er dort wohl Aufs
nahme finden. N
Swent, Wer iſt dein Herr, und
wie heißt er? 5 f
Der Alte. Wer wird er ſeyn? er
lebt einſam auf feinem Jagd ſchloſſe; das
hier in der Mitte der Waldung liegt, mes
nige Gaͤſte ſprechen hier ein, weil die ſchau⸗
erliche Gegend die Wanderer abſchreckt,
aber der dort einſpricht, und ſich mit des
Herrn Laune vertragen kann, erhaͤlt dort
guͤnſtige Aufnahme. Mein Herr hat ſich
ganzlich von der Welt abgeſondert, und
lebt hier ganz ſeinem Vergnuͤgen.
Swent. Welches iſt dieß in einer
ſo wenig reitzbaren Gegend?
N Der Alte. Eben das, was die Ge⸗
gend anbietet, — die Jagd. Seine ganze Be⸗
— 151 nee
dinung beſteht aus Handveſten ruͤſtigen
Purſchen, welche ſo wie er Tagelang im
Walde herumirren, und in dem Walde auf—
lauern, daher find fie auch ſtets mit Waf⸗
fen verſehen, und ſchleppen täglich mehr
Beute nach dem Schloſſe, als noͤthig iſt. Die⸗
ſer ſtette Kampf mit wilden Thieren macht
auch ihr Betragen rauh, aber gute Her—
zen ſchlagen dennoch unter ihren Kitteln.
Swent. Du vergißt den Nahmen
deines Herrn.
Der Alte. Weiß ich mich doch ſelbſt
nicht gleich zu beſinnen, genug, man nennt
ihn gewohnlich den Waldmann, und dieſen
Nahmen hoͤrt er auch am liebſten.
Swent. So geh, und zeige mir
den Weg. 0
Der Alte wanderte nun vor Swenten
her, bald kamen fie an einen tiefen Hohl⸗
weg, wo gigantiſche Zelfenmaßen ſich auf
beiden Seiten von grauſen Gebuͤſche beklei⸗
9020
det, emporhoben, und nur das Rauſchen
naher Bergſtroͤme die allgemeine Todten⸗
ſtille unterbrach. Immer tiefer ins Geſtrip⸗
pe fuͤhrte der Weg, und endlich erblickte
Swent die Mauern eines halb verfallenen
Gebaͤudes, deſſen ganzes Anſehen mit der
ſchauerlichen Gegend harmonirte. Der Als
te zog nun ein Pfeifchen aus der Taſche,
welches einen hellen ſchneidenden Ton von
ſich gab, und bald darauf hoͤrte man am
Eingange einen großen Riegel raſſeln. Die
Pforte oͤfnete ſich, und ein wilder finſteren
Kerl trat hervor. Iſt der Herr auf der
Jagd, fragte der Alte, Alles aus? Mann
und Roß ſind fort, brumte der Kerl, — ſo
führe du dieſen Fremden nach einem guten
Zimmer, und ſorge fuͤr ſeine Bewirthung,
erwiederte der Alte, und ſchloß ſorgfaͤltig
die Thuͤre hinter ſich zu.
Swent wurde nach einem kleinen Zim⸗
mer gebracht, wo man ihm Wein und Brod
—
* > Me
auftiſchte und bedeutete, daß der Herr den
Schluͤſſel zur Speisekammer und Keller bei
ſich habe, und man vor der Hand, bis zu deſ⸗
ſen Ruͤckkehr ihn mit nichts andern bewir⸗
then koͤnne. | |
8 Swent ſchritt nachdenkend in dem klei⸗
nen Gemache auf und, ab, die ganze Be⸗
ſchaffenheit ſeines Aufenthaltes war von
der Art, daß er. nothwendig Verdacht he⸗
gen mußte, wohl gar in die Hande von
Raͤubern gerathen zu ſeyn, das Anſehen der
beiden Kerls verſprach ihm wenigſtens nicht
viel beſſeres. In dieſen Betrachtungen ſtoͤhr⸗
te ihn eine Stimme in dem Nebenzimmer.
Swent verlegte ſich aufs Horchen, und
erkannte die Stimme der beiden Kerls, wel⸗
che er hier geſehen hatte. Aber ich ſage
dir, ſprach der Juͤngere, es war ein Nats
renſtreich von dir, daß du den Menſchen
in das Haus gebracht haſt.
— 134 —
Der Zweite Warum das, laſſe
dich nur bereden. i |
Der Erſte. Wozu das, glaube nicht,
daß ich mich ſcheue, etwas gegen ihn zu
unternehmen, was koͤnnen wir aber fuͤr
Vortheil haben, fein ganzer Anzug verräth,
daß er nicht viel iu der Taſche führen mag,
wozu alſo das? wenn du uns keinen fettes
ren Vogel ins Garn zu locken weißt, fo
mägf du dich lieber nie 00 m die Lau⸗
er legen. |
Der Zweite. Reiche Si kanns
sk immer geben, man muß mitnehmen
was vorfaͤllt, und nun iſt er einmal da.
| | Der Er ſte. Sieh, ich fuͤrchte, ſo⸗
ö gar von dem Hauptmann einen Verweiß zu er⸗
"halten, und wenn der Kerl wirklich hoͤch⸗
"fiens eine Mark Lübiſch bei ſich hat, und
dieſe wie gewöhnlich unter uns alle getheilt
wird, was bleibt da für jeden übrig? Mir
faͤllt etwas anders bei — wie, wenn wir
— 135 —
ihn nach dem unterirrdiſchen Gange unter
irgend einem Vorwande lenkten.
Der Zweite. Daß er den Aus-
gang aus dem Hauſe entdeckte? |
Der Erſte. Narr, bevor er das
kann, — dann theilen wir zweye, was er
bei ſich hat. e
Der Zweite. Meinethalben, du
magſt ſehen, wie du mit ihm zurecht kommſt,
daß ich wegen meinen wunden Arm hiezu
unfaͤhig bin, weißt du —
Der Erſte. Holla, ich hoͤre unſern
Pfif, er wird dreimal wiederholt, hur—
tig ans Thor, der Hauptmann koͤmmt.
Die beiden Boͤſewichte verlieſſen nun
das Zimmer, und eilten ans Thor. Swent
hatte jedes ihrer Worte gehoͤrt, man kaun
ſich leicht denken „ wie ihm dabei zu Muthe
geweſen ſeyn mag, er entwarf hundert Pla⸗
ne fi zu retten, und verwarf fie wieder,
zu nichts war er entſchloſſen, als ſein Le⸗
en:
ea
ben fo theuer als möglich hindanzugeben.
Izzt hoͤrte er wuͤſtes Getuͤmmel im Hofe, er
nahte ſich dem Fenſter, durch das er in
dieſen ſehen konnte; beim Fackelſchein ſah er,
ohngefehr acht Reuter einziehen, wo er
unter ihnen den Hauptmann nur hieran
unterſcheiden konnte, daß er Befehle er-
theilte; uͤbrigens waren alle gleich in ſchlechte
Kitteln gehuͤllt, und mit Gewehren behaͤngt.
In ihrer Mitte führten fie eine verſchleierte
Dame , die letzteren zwey aber, hatten mit
Kuͤſten bepackte Handpferde bei ſich. Dieß⸗
mal hat es viel gegolten, ſprach der Haupt⸗
man, drehe unſerer beſten Leute haben wir
verlohren, ich und | noch einige von uns
find verwundet, doch die anſehnliche Beu⸗
te Hält uns dafür ſchadlos. Itzt bringet
dieſe Küften nach dem Verwahrungsmaga⸗
zin, damit ich morgen die gehörige Theis |
lung vornehme, dann aber laßt euch Wein
bringen, ſo viel ihr bedaͤrft, und labt euch
mit Ruhe, der wir hoͤchſt noͤthig haben,
das Maͤdchen aber hier führt nach dem blau-
en Zimmer, und verſorgt ſie mit allem
nöthigen,, dieſe rechne ich mit zu meinem
Antheile an der Beute. Iſt während mei—
ner Abreiſe nichts zu Hauſe vorgefallen 2
Nichts, erwiederte der Kerl, welcher ſich
ſelbſt Swenten vorbehalten hatte, und der
Hauptmann begab ſich uͤber eine Wendel⸗
treppe nach feinem Zimmer. Zwei Raͤuber
hoben das Mädchen von dem Pferde, und
führten fie nach dem, ihr angewieſenen Zim⸗
mer, wahrend die uͤbrigen die Kuͤſten forte
ſchaften, und die Pferde nach dem Stalle
brachten. Swent fühlte das innigſte Mit⸗
leid mit dem armen Geſchoͤpfe, welches in
die Hände der Räuber gerathen war, gers
ne würde er ihre Rettung unternohmen ha.
ben, wenn er nur für ſich ſelbſt ſchon ei»
nen Ausweg gewußt haͤtte. Bald lockte
ihn neues Getümmel zum Fenſter, er fob,
* „
4
— 138 —
wie die Räuber ſich im Kreiſe lagerten, ein
großes Feuer anmachten, um Wildpret zu
bratten, und Wein im Wiberfluffe herbeige⸗
bracht wurde. Um fie ungeſtoͤrt beobach⸗
ten zu koͤnnen, und nicht überfallen zu were
den, verrigelte er von innen die Thuͤre,
und nahm nun den blanken Degen in der
Hand feinen Platz am Fenſter. Hier war
er Ohrenzeuge von den ſchrecklichen Geſchich—
den, welche dieſe Boͤſewichter ſich mit la⸗
chendem Munde erzaͤhlten. Er erfuhr, daß
ſie am dieſem Tage zwey reiſende Kaufleu⸗
te beraubt, und daher die ſchweren Kuͤ⸗
ſten erbeutet haben, ſchon auf dem Küd-
zuge ſtieſſen fie noch auf eine Kalleſche, er⸗
ſchoſſen einen bejahrten Mann, der in fel-
ber ſaß, und ſchleppten deſſen Begleiterin,
das Maͤdchen, welche Swent geſehen hatte,
mit ſich fort. N
So wurden noch hunderterlei Morde
ſbenen unter wildem Getuͤmmel erzählt, wo⸗
— 139 —
bei die Becher häufig herumgingen, die bei—
den Kerls die anfangs in dem Schloſſe ge—
weſen waren, mußten die übrigen bedienen,
fie hatten genug zu thun, um den erfor-
derlichen Wein beiſchaffen zu koͤnnen. Bald
wurde das Getuͤmmel wilder, je mehr der
Wein ihre Sinne betaͤubte, aber bald ſank
auch hie und da einer ganz vom Weine
uͤberwaͤltiget ſinnlos zu Boden. Er begann
ſtiller zu werden, nur ſchwach klimmte das
Feuer noch. Die beiden Kerls ſchlichen ab
und zu, und liſpelten mitſamen oft nach
dem Fenſter deutend, wo Swent hinter den
Gardinen fie belauſchte. Er konnte deut:
lich bemerken, wie ſehr fie wuͤnſchten, daß
bald alle im Schlafe liegen moͤchten, um
ihr Meiſterſtuͤck an Swenten zu verüben.
‘Et war auch der letzte der Räuber,
der bisher immer noch mit lallender Zun—
ge der Schmaͤche der andern geſpottet hatte,
ſammt den Becher in der Fauſt zu Boden
— 140 —
geſunken, noch lauſchten die beiden Kerls,
ob auch alle ruhig laͤgen, dann ergrief der
jüngere einen Dolch, und eilte nach Swen—
tens Zimmer. Itzt war es Zeit, ſich zu
vertheidigen, Swent oͤfnete das Schloß
der Thüre, und ſtellte ſich hinter dieſe, den
Degen in der Fauſt; er hörte des Räubers
leiſen Tritt, hoͤrte, wie dieſer an der Thuͤ⸗
re horchte, wahrſcheinlich, ob Swent ſchon
ſchlafe, und hielt ſich, um dieſen zu taͤu⸗
ſchen, ganz ruhig, itzt wurde auf die Schnal⸗
le gegrifen, die Thuͤre oͤfnete ſich, der Raͤu⸗
ber trat ein, und eh er noch den ſcheuen
Blick im Zimmer umherwerfen konnte, fuhr
ihm Swent Degen durchs Herz. Kaum
vermoͤgend einen nur halbhoͤrbaren Laut von
ſich zu geben, ſtuͤrzte er zu Boden. Swent
zog ihn vom Eingange weg tiefer ins Zim⸗
mer. Von dieſem Boͤſenwichte war er nun
befreit, aber was weiter zu thun, wie ſoll⸗
te er ſich des andern unten harrenden be⸗
maͤchtigen, ohne durch deſſen Geſchrei ver⸗
rathen zu werden. Er nahte ſich dem Fen⸗
ſter, ſah dieſem in Hofe ſtehen, und mit
verſtellter Stimme rief er hinab „Komme
herauf, es iſt ſchon voruͤber“ Dieſer waͤhn—
te die Stimme ſeines Kammeraden zu hoͤren,
er eilte hinauf, und wie er eintrat, ergrief
ihn Swent „ ſchleuderte ihn mit Gewalt zu
Boden, und ſetzte ihm dem Degen mit der
Drohung an die Bruſt, ihn ſchnell zu durch—
bohren, wenn er nur den geringſten Laut
von ſich gebe. Erſchrocken flehte der Naͤu⸗
ber ſtammelnd um fein Leben und
verſprach alles zu thun, was Swent von
ihm verlangen würde. Dieſer forderte nun
die Schlüſſel zum Thore, und der Raͤu⸗
ber bedeutete ihn, daß dieſe alle Nacht dem
Hauptmann gebracht werden müſſen, ent⸗
deckte ihm aber zugleich, daß durch einen
unterirrdiſchen Gang ein Ausweg ſey, und
bezeichnete den Weg dahin. Swent hieß
— 142 En
ihn aufſtehen, und ihn den Weg nach dem
Zimmer des gefangenen Mädchens zu zei—
gen, um auch dieſe zu befreien. Der Raͤu⸗
ber zeigte ſich willig hiezu, er bedeutete
Swenten ans Fenſter zu tretten, um ihm
beim Licht des nun aufgegangenen Mondes
den Weg zeigen zu koͤnnen, aber Swent
der ſeinen Blick uͤberall hatte, bemerkte
gerade noch zu rechten Zeit, wie der Raͤu⸗
ber einen Dolch aus dem Guͤrtel zog, um
ihn in Swents Ruͤcken zu ſtoßen, raſch wandt
ſich dieſer, er wurde nur am Arme geſtreift,
ſein Degen ſtrafte den Boͤſewicht, er ſtuͤrzte
todt zu ſeinen Gefaͤhrten hin. Nun war
Sent ſich ſelbſt uͤberlaſſen, mit dem Des
gen in der Fauſt ſchritt er aus dem Gema⸗
che, verſchloß dieſes von auſſen, und begab
ſich nun in den Hof, wo die übrigen Räte
ber vom Wrine betaͤubt dahingeſtreckt la⸗
gen. Mit Abſcheu ſchritt Swent neben
ihnen voruͤber, er hatte ſich den Weg ge⸗
merkt, den die Raͤußer mit dem Maͤdchen
genohmen hatten, bald kam er an eine
Thüre wo er durch eine Spalte derſelben
Licht gewahrte, er blickte hinein, und ſah
das Maͤdchen auf ihren Knien liegen und
betten. Raſch oͤfnete er die Thuͤre, das
Maͤdchen ſchrack bei feinem Anblicke heftig
zuſammen. „Befuͤrchten fie nichts, ſprach
Swent, und folgen Sie mir ſchnell, ich
bin gekommen Sie zu retten, zoͤgern Sie
nicht, fo lange die Zeit guͤnſtig iſt.“ Kaum
traute das Maͤdchen ihren Ohren, ihr Auge
forſchte in Swents Zuͤgen, ſie ſah nicht
den Schauerblick der Räuber in feinem Aus
ge, ſie nahte ſich ihm zitrernd. Swent
ergrif ihre Hand, er fuͤhrte die Bebende
die vor Beklemmung keinen Taut von ſich
zu geben vermochte, ſchnell uͤber den Hof
nach dem bezeichneten unterirrdiſchen Gan—
ge. | |
Bald erreichten ſie dieſen, ſie ſtiegen
—
über tiefe Stuffen abwärts, Swent hatte
von dem Hofe einen Feuerbrand mit ſich
genommen, dieſem ſchwang er nun, daß
er ſich entzuͤndete, und ihm zur Fackel diente.
Schwarze von Naͤſſe träufelnde. Mauern
zeigten ſich nun ſeinen Blicken, mit haſtigen
Schritten eilte er mit dem Maͤdchen fort,
ſchon hatte er die Mitte des Ganges erreicht,
als eine hohle aͤchzende Stimme in ſeine
Ohren tönte, und er betrofen, und hor⸗
chend ſtehen blieb.
Schon wollte er weiter ſchreitten, den
er glaubte ſich getaͤuſcht zu haben, weil ihn
nun nur grauſe Todtenſtille umgab, aber
itzt ließ ſich der dumpfe wehmüͤthige Laut
abermahl hören. Hier ſchmachtet ein Ungluͤck⸗
licher, ſprach Swent zu ſeiner Gefaͤhetin,
komm, uud laß uns ſehen, ob wir nicht |
auch ihn helfen koͤnnen. Er ſchritt dem
Tone naher, mit ſeinem Feuerbrand um⸗
herleuchtend, und bemerkte itzt eine eiſerne
— 145 —
mit Riegeln verwahrte Thuͤre am Boden.
Swent beugte ſich herab, er horchte, und
von da heraus kamen die Klagetoͤne. Raſch
ſchob er nun die Riegeln weg, hob mit
Anſtrengung aller Kräfte die Thuͤre auf,
ſah Stufen abwärts führen, und begab ſich
nun mit ſeiner Fackel in die Tiefe. Er
erreichte bald ein kleines finſteres Gewoͤlbe,
deſſen feuchte Ausduͤnſtungen das Licht des
Holzbrandes maͤchtig dampften, fo, daß
Swent nur mühſam die Gegenſtände um
ſich her unterſcheiden konnte.
In einem Winkel erblickte er nun eine
Geſtalt, ob Menſch oder Thier konnte er
noch nicht unterſcheiden. Wer ſchmachtet
hier in dieſem Elende? rief er, und trat
näher, die Geſtalt hob ſich empor, es war
die eines Mannes, wild hieng das dichte
Haar um die Stirne, da ein grauſer
Bart den andern Theil des Geſichtes über
deckte; das, was man noch ſehen konnte,
U
19
war eingefallen und abgezehrt, nur zween
flammende Augen, welche ſtarr auf Swen—
ten gerichtet waren, zeigten ‚ daß kein Leis
chenbild ſich vor dieſem befinde, der übrige
Theil des Korpers war in einem elenden
von der Naͤße des Gewoͤlbes halb verfaul—
ten Kittel gehüllt. Gott, rief Swent aus;
wie iſt es moͤglich, in dieſem elende Auf—
enthalte noch ſein Leben friſten zu koͤnnen.
Der Fremde. Biſt du ein neuer
Geſelle der Raͤuber? warum zoͤgert ihr ſo
lange, mir mein bischen Nahrung zu brins
gen, das mich zu neuen Leiden ſtaͤrken
ſoll? |
"Swent. Ich bin keiner der Räuber,
nicht Nahrung kann ich dir bringen, ich
biete dir Rettung dar.
Der Fremde. Elender Spoͤtter —
zwar hat dein Geſicht nicht den wilden Mord⸗
blick der übrigen an ſich, aber ich kann
nicht begreifen, wie Rettung hier moͤglich
ſey. l
Swent. Und doch, doch — aber
laſſe uns nicht laͤnger zoͤgern, jede Minute
verweilen kann uns Gefahr bringen, komm
folge mir. |
Der Fremde. Wenn ich es ver-
mag, führft du mich auch wo immer hin,
ſo folge ich gerne, wenn nur meine Kraͤfte
es geſtatten. >
Swent. Ich werde dich umterflügen.
Ungluͤcklicher. | |
Der Fremde. Ja wohl ungluͤck⸗
lich, das bin ich, losgeriſſen von meinen
ſchoͤnſten Hofnungen, verurtheilt zu ſchreck—
lichen Leiden, ewig dauernd, da ich nun
erſt in der Blüthe meiner Jahre bin. O Ihr
Barbaren, warum gebt Ihr mir nicht lie⸗
ber den Todt. Weil ich, angefallen von
der Rotte ihrem Anführer toͤdtete, verdamm⸗
ten fie mich zum ewigen Gefaͤngniſſe, and
10 0
— 148 —
o, der Grauſamkeit, drei Tage muß ich
ohne Nahrung, ohne Labung hinbringen,
am vierten, wenn ich ſchon beinahe mit dem
ſchrecklichſten Tode ringe, reichen ſie mir
fo viel Erquickung, daß ich abermal die Leis |
den von drei Nahrungloſen Tagen erdulden
koͤnne.
Swent. Schrecklich —
Der Fremde. Ja wohl ſchrecklich!
Swent. Wer biſt du, armer Mann?
Der Fremde. Ich nenne mich Olof,
bin ein Edelmann, und wollte eben zu
Chriſtiners Heer ziehen, als ich von den
Raͤubern angefallen wurde.
Swent. Suche deine Kraͤfte zu ſam⸗
meln, und dann ziehe deiner Beſtimmung
nach, wenn du mit dem Heere nach Schwe—
den tönt y werden wir ung wohl wieder
ſehen.
5 Der Fremde. Du biſt kein Einge⸗
RT
Swent. Ein Schwede, aber doch
ſo Gott mir hilft, dein Retter.
Der Fremde. Freund oder Feind,
immer dann der Liebling meiner Seele.
Waͤhrend dem hatten ſie langſam das
Ende der Stufen erreicht, das Maͤdchen
wartete aͤngſtlich auf Swents Ruͤckkehr, fie
bebte betrofen bei dem Anblicke der abge—
zehrten Geſtalt zurück, Swent verfiändigte
fie mit kurzen Worten von Olofs Unglück,
er ergrief nun beider Haͤnde, um bald
aus dem Gang und dem ſchrecklichen Auf—
enthalte des Raubes zu kommen. 5
dt fühlten fie bald eine freiere Luft,
ſie waren dem Ausgange nicht mehr ferne,
aber ein plötzliches wildes Getümmel von
auffen , das an ihre Ohren ſchlug und
Fackelſcheine, der ſchnell einem Theil des
Ganzes erhellte, hieß ihn ſtehen bleiben,
das Mädchen zitterte vor Angſt, und ver⸗
mochte ſich kaum aufrecht zu halten; „o gebt
— 150 —
mir Waffen, rief Olof, und ballte ſeine
matte Fauſt, Swent aber zog ſeinen De⸗
gen, und ſtellte ſich vor beide.
Bewafnet mit Feuergewebren, Piken
ab Saͤbeln ſtuͤrzte itzt eine große Anzahl
Leute durch den Ausweg in das innere des
Ganges herein, angeführt von einem alten
Mann in ein Bärenfaͤll gehuͤllt. Swent
trat ihnen entgegen, „keinen Schritt weiter,
rief er, bevor ich nicht Eure Abſicht erfah⸗
re.“ — Es iſt ein Räuber, haut ihn zu
Boden, brüllte die Menge, und ſchon ho⸗
ben ſich mehr als zwanzig Arme gegen ihn
empor, aber der Alte ſtellte ſich itzt vor
ihm — Haltet ein, rief er, er iſts, er
iſts mein Freund, den zu retten wir aus⸗
gezogen find, Swent erkannte den raͤthſel⸗
haften Alten aus dem Baͤrenthale, und ſank
in ſeine Arme. Welch ein Wunder, ſprach
der Alte, rettette dich?
Swent. Gottes Beiſtand, ſieh bier
dieſe beide Ungluͤcklichen, auch dieſe ſucht
ich mit mir zu befreien, nehmt ſie in Eure
Mitte, ich aber folge Euch um die Bewoh—
ner dieſes Raubenſtes zu vertilgen.
Einige der Bewafneten nahmen das
Maͤdchen, und Dlofen in die Mitte, und
fuͤhrten ſie ins Freie, wo letzterer, der
freiern Luſt ungewohnt, und uͤberwaͤltiget
von Schwache betäudt zu Boden ſank. Man
brachte ſie nach einem mehrere Stunden
entlegenen Dorfe in Sicherheit.
Sent war waͤhrend dem mit dem
Alten, und dem uͤbrigen Theile der Bewaf—
neten durch den Gang zuruͤck in das innere
des Gebaͤudes geeilt, das wilde Getuͤmmel
der herannahenden ſchreckte die ſchlafenden
Räuber auf, fie fuhren empor und griffen
zu ihren Waffen, als ſchon die Räder
ſie ereilt hatten. Ein wuͤthendes Gefecht
begann, der Hauptmann hoͤrte das Getuͤm—
mel im Hofe, er grief zu ſeinem Gewehre
d
und eilte ſeinen Gefaͤhrten entgegen, welche
ſich fechtend gegen ihn zuruͤckzogen. Seine
Gegenwart belebte ihren wilden Muth, hef—
tiger war der Streit, denn die Räuber,
wehrten ſich Verzweiflungsvoll, vergebens
verſprach man ihnen Gnade, wenn ſte ſich
ergaͤben, nur mit dem Tode hoͤrte jeder
Einzelne zu fechteu auf. Schon lagen fie
alle blutend dahingeſtreckt, noch ſtand ihr
Anführer, und focht wuͤthend wie ein Loͤwe,
ſchon lange hatte er geſucht an Swenten
zu kommen, der zwei ſeiner Leute zu Bo—
den geſtoſſen hatte, itzt gelang es ihm, und
er brachte dieſen ein Wunde am Arme bei.
Ohne Bedacht zu ſeyn ſich zu vertheidigen,
um von Begierde zu morden erfüllt, fiel
er aufs neue über den Verwundeten her,
und wuͤrde ihn ſicher getoͤdet haben, wenn
ihn nicht fruͤher noch der Alte durchbohrt
hätte, Er ſtuͤrzte dahin, der Letzte der
Voöſewichter. Nun eilten die Sieger, theils
— 153 —
ihre Wunden zu verbinden, theils ſich in
dem Gebaͤude umzuſehen, ob vielleicht noch
irgendwo ein Ungluͤcklicher ſchmachte, die—
ſen fand man nicht, aber die aufgehaͤuften
Schaͤtze der Raͤuber. Man zog die Noſſe
aus dem Stalle, beſchwerte die vorharide⸗
nen Waͤgen, einen beſtimmte man für die
Verwundeten, worunter Swent war, die
uͤbrigen bepakte man mit der vorhandenen
Beute. Wie der Zug aus dem Thore war,
da warfen die jauchzenden Sieger Feuer in
das fo lange ſchon gefürchtete Rau bneſt,
es loderte bald in helle Flammen auf, und:
gewährte ein fuͤrchterliches Schauſpiel.
Der Weg gieng nun nach eben jenem
Dorfe, wo man Dlofen und das Maͤdchen
hingebracht hatte. Der Beſitzer dieſes Die
tes, ein Edelmann war mit feinen Bauern
zur Bezwingung der Räuber ausgezogen,
er ſelbſt befand ſich wie Swent unter den
Verwundeten. Dieſe wurden nun am er⸗
— 134 —
ſten beſorgt, den Arzt herzugerufen, wel⸗
cher ihre Wunden beſichtigte; und pflegte,
und dann ließ der Edelmann einen großen
Theil der Beute unter ſeine wackern Leute
vertheilen. |
Swent lag RER in feinem Bet—
te, als ſich itzt der Alte ihm nahte, er
ſtreckte freudig ſeine Arme nach ihm aus.
O ſey mir willkommen, rief er; du Retter
in Gefahr, du der allemahl zugegen iſt, wenn
Unglück mir droht, und ſchnell fi verliert
wenn ic faͤhig bin, 9195 Dank zu ſtam⸗
meln.
Der Alte. Sey mir gehrkt Juͤng⸗
ling, ich freue mich, ohne Gefahr dich zu
wiſſen, und komme nun von dir Abſchied
zu nehmen.
Swent. Wie? ch willſt du
von mir dich trennen. N a
Der Alte. Ich kehre nach meinem
a
won 255 un
Baterlande zurück, dort bedarf man meis
ner. ti
Swent. Ich bewunderte deine Thaͤ⸗
tigkeit. a
Der Alte. Sie iſt dein Werk. Wie
du in meiner einſamen Wohnung im Baͤ—
renthale mich fandeſt, da hatte ich laͤngſt
dem Gerguſche der Welt entſagt, die Be⸗
ſorgung meines Unterhalts war meine Be-
ſchaͤftigung, und im Kampfe mit Baͤren
ſuchte ich meine Staͤrke zu erhalten. Da
kamſt du, ſprachſt mit fo viel Begeiſterung.
von des Vaterlandes Bedraͤngniſſen, und
der edlen Begierde dieſen abzuhelfen. Ich
gewann dich lieb, du trennteſt dich von mir,
aber du ließeſt einen nagenden Wurm in
meinem Herzen zuruͤck. Uiber meine Un⸗
thaͤtigkeit machte ich mir die bitterſten Vor⸗
wuͤrfe, ich fühlte meine Kräfte, und ich
bereute, ſie nicht zum allgemeinen Beſtien
angewandt zu haben. Ja ich beſchloß end⸗
366
lich, meinen Aufenthalt zu verlaſſen, und
zu nützen, wo meine Kräfte nuͤzlich zu ſeyn
geſtatteten. Ach laſſe wich ſchweigen von
der Vergangenheit, ewiges Dunkel liegt auf
meinen Begebenheiten, aber es ſey genug
geſagt, ich muß Verzicht darauf thun, mich
vor den Augen der Welt bemerkbar zu
machen. Nur im Verborgenen kann und
will ich handeln. Du, dem mein Herz,
ohne daß ich mir die Urſache erklaͤren kann,
ſo ganz zugethan iſt, warſt der Gegenſtand
meiner Wuͤnſche, du ſelbſt, ſprach ich zu
mir, kannſt keine gewagte That zum Be-
ſten des Allgemeinen ausfuͤhren „ du willſt
alſo, wenigſtens jene Maͤnner beſchützen,
welche dieß vermögen. Ich reiſte dir nach,
und kam eben als du in Gefahr warſt,
getödet zu werden, ich rettete dich, und
brachte dich nach der Wohnung von Ro⸗
ſaurens Vater, aber hier konnte ich nicht
perweilen, noch war jemand, der an mei⸗
— 57 —
nem Herzen lag. Guſtav Waſa, dieſen
ſeiner Gefangenſchaft zu entreiſſen, war
mein feſter Entſchluß, aber ſeinem kuͤhnen
Geiſte war dieſes Wagniß fruͤher gelungen.
Ich kam zu ſpaͤt, ich wollte zu dir zuruͤck⸗
kehren, und erfuhr, daß du, den man
fuͤr Guſtaven hielt, gefangen genommen
worden ſeyeſt; Es gelang mir einen ver⸗
trauten Mann zu finden, der Zutritt in
Roſaurens Haus hatte, von ihm erfuhr ich,
daß das Mädchen dich liebe, und gleich⸗
falls für Guſtaven halte, ich erfuhr auch
die Freundſchaft des Kommendanten, in
deſſen Gewahrſam du warſt, gegen Roſau⸗
rens Haus. Schon entwarf ich Plane, die
ſich auf dieſe Entdeckungen gruͤndeten „als
mir die Nachricht ward, daß Guſtav ſich
oͤffentlich in Schweden gezeigt habe; Ich
ſchrieb nun im Nahmen eines Freundes an
den Kommendanten, Roſaura ſelbſt zog mit
dem Briefe hin, und du wurdeſt bekrciet.
— 158 aa
Nun ſuchte ich dich auf, ſchon war ich nahe
deiner Spur, als ein Bauerjunge auf mein
Befragen nach einem Reiſenden mir antwor—
tete, er habe im Gebuͤſche verborgen geſe⸗
hen, wie einer der Rauber, einen Juͤng⸗
ling, ganz ſo wie ich dich ſchilderte . nach
dem Raubneſte gebracht habe. Ich hoͤrte
genug von den dort hauſenden Boͤſewichtern,
um nicht für dein Leben zu zittern, ich eilte
zu dem Edelmanne dieſes Ortes, es gelang
mir ihn zu uͤberreden, daß er ſeine Bauern
bewafne, und mit mir ausziehe, die Räu⸗
ber zu vertilgen, und dich zu retten. Sieh,
auch dieß iſt nun geſchehen, du biſt nun
unter Obhut des Edelmanns, der ein wirk⸗
lich edler Mann iſt, er wird auch deine
Reiſe nach dem Vaterlande beguͤnſtigen. Ich
aber eile früher, fort, während du hier dei—
ne Geneſung abwarteſt, bedarf vielleicht Gu⸗
ſtav meiner, und ich kann ihm viel nuͤtzen.
I.
Wenn du in Schweden angelangt biſt, wer—
de ich dir nicht lange verborgen bleiben.
So enthuͤllte der Alte nun das bisher
Raͤthſelhafte in feinen Handlungen, und
trennte ſich endlich von Swenten.
Dieſer bedauerte, ihm nicht ſogleich
folgen zu koͤnnen, er ſehnte ſich nach ſeinem
Freunde Guſtav, aber ſeine Wunde, wel⸗
che ſich entzündet hatte, hieß ihn hier ru—
hig bleiben. Der befreite Olof, ein junger
Mann, der kaum einige Jahre vor Swen—
ten voraus hatte, hatte durch gute Pflege
ſich allmaͤhlich erholt, er verlangte nun zu
den ſeinigen zuruͤckzukehren, und nahm ge—
rührt mit der Verſicherung ewiger Freund⸗
g ſchaft von ſeinem Retter Abſchied.
So blieb nun niemand bei Swenten
zurück, als das Maͤdchen, welches er aus
den Händen der Räuber befreit hatte. Die-
ſe pflegte feiner Wunde mit Sorgfalt, und
ſuchte ihm feine Unthaͤtigkeit fo viel in ih⸗
ren Kräften ſtand, erträglich zu machen.
Sie nannte ſich Johanna, fie wußte Swen⸗
ten von ihren fruͤheren Begebenheiten nicht
mehr zu fagen, als daß fie in ſpäteren Jah⸗
ren von ihrem Erzieher, einem Kaufmann
gehört habe, er habe fie auf feiner Reife
durch Schweden, als ein beinahe unmuͤndi⸗
ges Kind im Geſtraͤuche ſchlafend liegen ges
funden. Niemand wußte ihm Auskunft zu
geben, woher das Maͤdchen ſey, und da
ihm kurz vorher der Tod ſeine Gattin und
Sohn geraubt hatte, nahm er das Kind zu
ſich, und erzog es in feinem Baterlande,
Er war ein wohlhabender Mann geweſen,
aber der Krieg hatte einige Handelshaͤuſer rui⸗
nirt, welche auch feinen Fall nach ſich zo—
gen. Mit dem Reſte ſeines Vermoͤgens
beſchloß er nach Schweden zu reiſen, wo
er alle Freunde hatte, wurde unterwegs
von deen Raͤubern angefallen, und wie be⸗
reits erwaͤhnt wurde, getoͤdtet. Die arme
%
— 161 —
i
Johanna war nun ohne Freund, ohne Aus⸗
ſicht fuͤr die Zukunft, wie gerne nahm ſie
das Anerbiethen Swents an, ihm nach ſei—
nem Vaterlande zu folgen, wo er hinlaͤng—
lich bei Guſtavs Anverwandten für ihr Une
terkommen ſorgen koͤnne. Sie ſah nun in
ihm nicht nur ihren Retter, ſondern auch
ihren Wohlthaͤter in der Zukunft, und ſuch—
te durch ſeine Pflege ihm nur in etwas ſei—
ner Güte zu vergelten. | |
Es war ein liebenswuͤrdiges Mädchen,
holde Reitze vereiniget mit der Anmuth der
Jugend ſchmuͤckten fie, Swent hatte Gele—
genheit genug auf ihres Herzens Güte, und
ihres Geiſtes edle Bildung kennen zu ler—
nen. Oft wenn fie neben feinem Bette faß,
die Laute ſpielte, und dieſe ſchmelzenden
Toͤne, mit einer noch weit mehr melodiſchen
Stimme begleitete „ ruhte ſein Auge auf
ihr, und er geſtand ſich, ein Geſchoͤpf wie
Johanna vermöge es, das Glück eines bie⸗
14
— 162 —
dern Mannes zu gründen. Sein Herz fühl:
te ſich unwillkuͤhrlich fanft an fie angezogen,
ihm ward wohl, wenn fie in feiner Nähe
war, und baͤnglich, wenn fie hinwegblieb.
Er erſchrack über ſeine Empfindungen. Wie 2
rief er zu ſich ſelbſt, ſo ſchnell kannſt du
Roſauren vergeſſen, ſo wankelmͤthig iſt
dein Herz in der Liebe? Ach Rofaura liebt
mich nicht, weil ich nicht Guſtav bin, hier
aber, hier ſchlaͤgt mir ein warmes fuͤhlendes
Herz entgegen. Und wuͤrdeſt du denn gluͤck—
licher ſeyn bei Johannen? fühlſt du denn
eben jene Liebe, jene gaͤnzliche Hingebung
zu ihr, wie bei Rofauren? Wer erklaͤrt
mir die ſeltſame Stimmung meines Her—
zens! — Ja ich fuͤhle Liebe gegen Johannen,
aber ſie iſt ganz anderer Art, als wie ich
fie gegen Roſauren immer noch empfinde.
Hier harmonirt mein Herz im ſanften Ein—
klange mit dem guten Maͤdchen, dort aber
war ich von Innigkeit einer Empfindung
hingeriſſen, welche Johanne in mir zu er⸗
regen nicht vermag.
So kaͤmpfe er, mit ſich ſelbſt uneins,
und hofte in der Folge eine Entſcheidung
fuͤhlen zu koͤnnen, wozu er ſich jetzt unfaͤ⸗
hig fuͤhlte. |
Er genas endlich, und verlangte nun
nach ſeinem Vaterlande, der Edelmann,
bei dem er bisher geweſen war, traf Anſtal⸗
ten, ihn und Johannen glücklich nach Schwe⸗
den hinuͤber zu bringen. Wie Swent von
ihm Abſchied nahm, drang er ihm eine an—
ſehnliche Summe von denen von den Raͤu—
bern erbeuteten Schaͤtzen auf, Swent be-
ſtieg endlich ein Kaufmanns Schif, das
ihn nach der vaterlaͤndiſche Kuͤſte brachte.
Wir wiſſen, daß Guſtav ſich aus Kaluar
habe fluͤchten muͤſſen, ſeine Feinde waren
ihm auf der Spur, und in einem ſchlechten
Kittel gehuͤllt begab er ſich nach Suͤder⸗
mannland, wo er mehrere Monate bei ei⸗
11 (2)
— 164 —
tem Bauern verborgen lebte. Ningsum
von feindlichen Truppen umringt, wußte
er wohl, daß nicht nur ein hoher Preiß
auf ſeinen Kopf geſetzt ſey, ſondern auch,
daß allen denen der Tod drohe, welche ihn
verborgen hielten, Bald glaubte er ſich in
ſeinem ruhigen Aufenthalten nicht ſicher,
und verließ heimlich die Wohnung ſeines
bisherigen Bewirthers. An allen Mangel
leidend irrte er nun umher, in Waͤldern
und grauſen Gebirgen; ganz entkraͤftet ſank
er eines Abends an den Stamm eines alten
vom Wetter zerſpliterten Baumes nieder.
Traurig ruhte ſein Auge auf dem gebor ſte⸗
nen Stamme. Dieß iſt das Sinnbild mei⸗
nes Zuſtandes ſprach, ach eben ſo wenig,
wie dieſer Baum mehr zur vorigen Bluͤthe
gedeiht, vermag ich es, meine ehemalige
Groͤße wieder zu erreichen. Aber rings
um den Stamm her bluͤthen kleine Zweiglein
empor, und ſchienen einſt zu eben den Baͤu⸗
— 105 —
men zu gedeihen, wie der war, in deſſen
Schatten fire aufkeimten, er fand das Bild
der Hofnung in ihnen, und begann neuen
Muth zu faſſen. Schon wollte er ſich em—
porrichten, als es in den Blättern rauſchte,
und ein einzelner Mann ſich nahte, er war
bewafnet, gehuͤllt in das Fell des zottigen
Bären, Er erblickte Guſtaven, trat naͤher
und bebte betroffen einige Schritte zuruͤck.
Beim Himmel rief er, das iſt Guſtav, oder
ſein Schatten! Und was habe ich zu erwar—
ten; fragte Guſtav, die Hand an den unter
ſeinem Kittel verborgenen Degen gelegt.
Der Alte. Jene Ehrfurcht, welche
dem Erhabenen gebührt. Nun aber Ret⸗
tung aus naher Gefahr. 0
Guſta v. Gefahr? wo?
Der Alte. Hier, man iſt auf Ih⸗
rer Spur, ein Trupp Soldaten zieht eben
heran, um die Waldung zu durchſtreifen,
folgen Sie mir ſchnell. |
— 166 — —
SGuſta v. Wohin?
Der Alte. Nach meiner Wohnung,
dort herrſcht Sicherheit, dort koͤnnen Sie aus⸗
ruhen, und ſollte Ihnen auch da noch Verfol⸗
gung drohen, ſo ſind zwey kraͤftige Arme be⸗
reit Sie zu vertheidigen.
Guſt a v. Habe Dank für deine Wohl⸗
that, lohnen kann ich ſie nun nicht. Ja
ich folge dir, o uber meinen Schritten wal⸗
tet ein maͤchtiges Weſen, das mich wehe
Feinden entziehet.
An der Hand des Alten ſchritt Guſtav
nun fo eilig als moͤglich durchs Gebuͤſche,
welches immer verworener wurde. Sie er⸗
reichten itzt den finſteren Schlund einer
Hoͤhle, dahinein kroch der Alte, und Gu⸗
ſtav ihm nach, wie ſie das Ende derſelben
erreicht hatten, walzten fie einen groſſen
Stein vor dem Eingang. Sie befanden ſich
nun in einem kleinen Thale, von ſteilen
Felſenwaͤnden rings eingeſchloſſen, es war
N
die Wohnung des bekannten Alten aus dene
Bärenthale, Kenn
Hier hielt fih Guſtav einige Tage ru⸗
hig auf, er erholte ſich durch gute Pflege
von den erlittenen Muͤhſeligkeiten feiner Reis
fe, der Alte ſuchte ihn auf alle mogliche
Art feinen Aufenthalt erträglich zu machen.
Doch befolgte Guſtav ſeine Ermahnung nicht,
noch laͤnger die Sicherheit dieſes verborge—
nen Ortes zu benützen. Sein immer reger
Geiſt ſpornte ihn an, trotz der augenſchein⸗
lichſten Gefahr die Einſamkeit zu verlaſſen,
und neue Unternehmungen zum Beſten des
Vaterlandes zu wagen. Er entſchloß ſich
nach Dalekarlien zu gehen, in der Hofnung
ſich leicht in den Waͤldern, womit dieſes
Land bedeckt iſt, zu verbergen, und viel—
leicht die dortigen Einwohner zu feiner Hile
fe zu gewinnen. Wirklich konnte Guſtav
ſeine Abſicht dort am erſten erreichen. Da
die ganze Landfchaft keine Städte hatte,
fondern nur mit Dörfern verfehen war, wel⸗
che meiſtens in der Nachbarſchaft von Waͤl⸗
dern, oder an dem Ufer der See angelegt
waren, ſo beſtand auch der groͤßte Theil
der Einwohner aus Menſchen, welche an
harte Arbeit gewohnt, und, von keinem ent⸗
nervenden Luxus geſchwaͤcht, einen eiſernen
Muth jeden ihrer Feinde darboten. Selbſt
ihre ganze Lebensart war geeignet, ſie zu
gefuͤrchteten Menſchen zu machen, bei ihnen
galt nur das Recht der Staͤrkern; auf ih⸗
ren Berfammlungen , welche alle Feſttage
gehalten wurden, kam es nicht ſelten zum
Handgemenge, und nur jener Antrag wurde
befolgt, den Gewalt durchgeſetzt hatte. Ui⸗
berdieß wohnten fie in unzugaͤnglichen Ges
birgen, und hatten ſeit jeher immer ihre
Rechte gegen jeden zu behaupten gewußt.
Der Alte aus dem Baͤrenthale, dem
Guſtav alle ſeine Plane entdeckt hatte, konn⸗
te nicht anders als dieſe gut heiſſen, nur
— 169 —
mit einen war er nicht verſtanden, daß Guſtav
ſich an einen Edelmann, Pehrſon mit Nah—
men, wenden wollte, den er noch von Stu—
res Zeiten her kannte. Der Alte kannte
dieſen Pehrſon ſehr gut, und traute ihm nicht
viel gutes zu. Allein Guſtav hatte einmal
Zutrauen zu dieſem Manne gefaßt, und
feinem redlichen Herzen that es weh, ohne
Uiberzeugung von jemanden übel denken zu
muͤſſen. Er nahm feinen Weg nach pehr⸗
ſons Landgut, bis dahin von dem Alten
begleitet, der hierauf von ihm Abſchied
nahm. | |
Pehrſon kam den Fremden entgegen, er
erkannte Guſtaven, er empfing ihn mit
Freuden, führte ihn nach feinem beſten Zim—
mer, und ließ ihn gut bewirthen. Guſtav
faßte noch mehr Zutrauen, er entdeckte ihm
die Urſache ſeiner Ankunft, und alle ſeine
plane; vollkommen war Pehrſon einver—
ſtanden, mit all den Feuer, mit dem Gu.
— 170
tar ſprach, erwiederte auch dieſer gleiche Ge⸗
finnungen zu haben, gab ſelbſt noch hie und
da Mittel an die Hand, und trennt ſich end⸗
lich, da ſchon der Abend den Schatten der
Nacht Platz gemacht hatte, mit der Verſi⸗
cherung, morgen noch mehr uber ihre Pas
ne zu ſprechen.
Weit vergnuͤgter, als es ſeit Monaten
geſchehen war, legte ſich der ermattete Gu⸗
ſtav zu Alte. Es war ſtille und naͤchtlich
um ihn her, er konnte lange ſeine Augen
nicht zum erquickenden Schlafe ſchlieſſen,
weil ſeine Plane feine, Phantaſte zu ſehr
beſchaͤftigten. Er hoͤrte den Hufſchlag eines
Roſſes, das aus dem Hofe des Gebaͤudes
ſprengte, er erinnerte ſich, das Pehrſon
ihm verſprochen habe, noch einige Edelleute
zu ſich kommen zu laſſen, und glaubte nun
überzeugt zu ſeyn, daß dieſer wackere Freund
nun ſchon feine Zuſage in Erfüllung zu brin-
gen eile.
— 171 —
Endlich ſenkten ſich feine Augen, ein
leiſer Schlummer machte ſeine Ideen immer
duͤtterer, und zog ihn vom Gebiete der Wirk—
lichkeit in jenes bunter Traͤume, ploͤtzlich
fühlte ſich Guſtav ſanft von einer Hand bes
ruͤhrt, der Schlaf entfloh, er blickte empor,
und ſah eine weibliche Geſtalt vor ſich ſte⸗
hen.
„Ich bedaure ſprach die Dame, daß
ich Sie in dem erquikenden Schlafe ſtoren
muß.
Guſta v. Wer ſind Sie?
Die Dame. Pehrſons Gattin.
Guſtav. Womit kann ich Ihnen
dienen, bedarf ihr Gemahl meiner ?
Die Dame. Nein, vor einer Stun⸗
de iſt er fortgeritten.
Guſtav. Gewiß zu ſeinen Freun⸗
den?
Die Dame. Ja.
Guſtav. Der Wadere,
— 7 —
Die Dame. Kennen Sie ſeine Freun⸗
de. | ur
Guſtav. Ich hoffe fie morgen ken⸗
nen zu lernen. 7
Die Dame. Wuͤnſchen Sie fih das
nicht o Guſtav, daß ich ſo ſprechen, ſo han⸗
deln muß —
Guſt a v. Ich verſtehe Sie nicht.
Die Dame. Im Hauſe des Freun⸗
des droht Ihnen die groͤßte Gefahr.
Guſta v. Gefahr bei Pehrſon?
Die Dame. Seine Freunde ſind die
nahen Daͤnen, zu dieſen iſt er geritten ih⸗
nen Ihr Daſeyn anzuzeigen.
Guſt av. Gott, wär es moͤglich!
Die Dame. Morgen wird man
kommen, Sie hier gefangen zu nehmen.
Guſtav. O mein Gott.
Die Dame. Fliehen Sie.
Guſta v. Iſt es noch Zeit?
ud Mae a
Die Dame. Ja ich habe alles ver⸗
anſtaltet, am hintern Theile des Gartens
wartet ein Pferd Ihrer, ja fliehen Sie Gu⸗
ſtav, noch iſt es nicht zu ſpaͤt.
Guſtav. Und Sie, Sie edle Frau,
unternehmen meine Rettung?
Die Dame. Ich liebe meinen Ges
mahl, aber ich billige ſeinen Verrath nicht.
Guſta v. Wie ſoll ich Ihnen loh⸗
nen? | 05
Die Dame. Mit Verſchwiegenheit,
lieber Guſtav, was die Freundin that, darf
man bei Gott von der Gattin nie erfah—
ren. a
Gnſtav. So lange ich athme, bleibt
Ihre Wohlthat Geheimniß, o Schickſal,
Schickſal, was haft du über mich beſchloſ⸗
ſen? Uiberall, ſelbſt im Haufe des Freun—
des tritt die Gefahr an meine Ferſen, und
doch rettet deine Allgewalt mich immer,
Nein, ich verzage nicht, dieſe itzige Szene
7
giebt mir einen neuen Fingerzeig 9 daß ich
nie ganz der Wuth meiner Feinde unterlies
gen werde.
Innig gerührt, mit dankbaren Thraͤ⸗
nen nahm Guſtav Abſchied von der Edlen,
er beſtieg das für ihn bereitete Pferd, er
ſprengte fort in Nacht und Graus, ohne
zu wiſſen, wohin er ſich wenden ſolle. Am
folgenden Tage kam Pehrſon mit den Däs
men, aber Guſtav war nicht mehr zu fin—
den, und alles was ſeine Feinde thun konn⸗
ten, war ſich in der Gegend zu vertheilen,
und dem Fluͤchtigen nachzuſetzen.
Abermal ſich ſelbſt überlaffen, und
zwiſchen grauſen Gebirgen und Waͤldern
umherirrend, begegnete ihm am zweiten
Tage feiner Wanderung jener raͤhſelhafte
Alte. Beide waren froh, ſich zu ſehen, denn
ſchon hatte letzterer ihn allenthalben geſucht,
um ihm beizuſtehen, wenn Gefahr ihm dro—
hen ſollte. Mitſammen durchſtreiften fie nun
— 75
die Wälder, und erreichten endlich die Wohs
nung eines redlichen e bei dem fie
ſich aufhielten.
Durch kein Mißgeſchick abgelchreck wagte
Guſtav hier neue Verſuche. Er begab ſich nach
Mora einem großen Kirchſpiele „ wo ſtch die
Dalekarlier, die man ſonſt auch nur die
Dalkers nannte, in großer Menge verſam—
melten. Hier trat er in ihre Mitte , und
ſchilderte ihnen mit hinreiſſendem Feuer des
Vaterlands traurige Lage, ein wildes wuͤ—
thendes Geſchrei war die Antwort der Dal⸗
kerls auf Guſtavs Rede, ſte ſtroͤmten zu
ihm hin, ſte erwählten ihn zu ihren Anfuͤh—
ter, um fie von dem feindlichen Joche zu
befreien, und uͤberall toͤnte das wilde
Gebrüll: Zu den Waſſen! zu den Waffen!
Schaarenweiſe ſtroͤmten die Dalkerls
heran, Männer mit dem Muthe und der
Staͤrke des Loͤwens ausgeruͤſtet; bald ſah
Guſtav ein Heer von tauſenden unter ſich,
k
das jedem Tag, jede Stunde fih mehrte.
Eben befand er ſich bei den Alten aus dem
Bärenthale, der nun nicht von feiner Seite
wich, um mit ihm den Plan zu ordnen,
dem daͤniſchen Statthalter der Provinz ent⸗
gegen zu gehen, als einige Dalkerls ſich
nahten und berichteten, ſie haͤtten einen
jungen Daͤnen, der von einem Maͤdchen
begleitet durch das Gebirge irrte, gefangen
genommen, er verlange ſelbſt mit Gußaven
zu ſprechen. Wahrhaftig fuͤgte einer der
Dalekarlier hiezu, wenn wir nicht dich in
unſerer Mitte wuͤßten, wir würden geſchwo—
ren haben, daß du ſelbſt es ſeyeſt, ſolche
große Aehnlichkeit mit dir e in des
fremden Zuͤgen.
Guſtavs Neugierde ward erregt, er
befahl dem Fremden zu ihm zu kommen,
man brachte ihn; erfüllt mit Haß gegen je—
den ihrer Feinde hatten die Dalkerls ſeine
Hände mit Stricken feſt zuſammengeſchnuͤret,
>
a» |
und ſtieſſen ihn unſanft vor ſich her — Guftad
trat ihm entgegen, Gott im Himmel mein
Swent, rief er, und ſchloß ihn in. feine
Arme! Die Dalkerls ſahen befremdet dies
ſem Schauſpiele zu. | 15
Gu ſta v. Geſchwind, loͤſet dieſe ent—
ehrenden Bande, und uun an meine Bruſt
Swent — o ſeh mir willkommen auf vater⸗
laͤndiſchen Boden;
Swent. Tauſendmahl willkommen
| theurer geliebteſter Freund.
Guſta v. Es war uicht mein Befehl
dich ſo zu behandeln. N
Swent. Und wenn er es geweſen
waͤre 2 du kannteſt mich ja nicht.
SGuſta v. Dieſe verhaßte Kleidung
hat meine Leute getaͤuſcht.
Swent. Ich mußte ſich der Sicher»
heit willen tragen. Hinweg nun mit dieſer
Feldbinde, und allen, was mit Feinden
Aehnlichkeit hat.
5 12 ;
— 78 —
Guſtav. O wie glücklich bin ich,
wie oft gedacht ich deiner mit Thraͤnen der
Wehmuth, doch hinweg nun mit Erinne⸗
rung trauriger Vergangenheit, die Zukunft
bietet uns hellere Szenen dar.
Swent. Von dir ſoll mich nichts
mehr trennen, nun wollen wir wieder jede
Gefahr, und jede Freude mitſammen thei—
len.
Guſta v. Und auch den Ruhm, des
Vaterlandes Retter zu ſeyn, fieb auch dieſe
wackere Männern, theilen dieſes erhabene
Hochgefühl mit mir, es find meine Brü⸗
der. 70 a
S went. Auch die Meinigen.
Alle Dalkerls. Brüder im Le⸗
ben und Tod.
Guſt av. Noch eins, wer iſt das
Maͤdchen, das mit dir kam?
Swent, Sie heißt Johanna, in
Daͤnemark rettete ich fie aus Raͤuberhaͤnden,
eine arme Waiſe „der ich Schutz gelobte.
Guſtav. Hieher in unſere Mitte,
hier iſt Schutz der Tugend und unſchuld
zu finden.
Die Dalkerls. Hieher, hieher,
wo Redlichkeit und Eintracht wohnen.
Endlich brach Guſtav mit einem Heere
von mehr als fuͤnfzehn tauſend Mann her—
vor, alle von wilden Muthe beſeelt, und
einſtimmig entſchloſſen, zu ſiegen oder
zu ſterben. Nachdem er ſich mit dem
Degen in der Fauſt den Weg uber die Thal—
elbe gebahnt hatte, fuͤhrte er ſeine Truppen
gegen Weſteraͤs, die Hauptſtadt in Weſter—
mannlaud. Hier gerieth er in große Ver—
legenheit, die Stadt war treflich befeſtiget,
von einer Anzahl Krieger vertheidiget, wel—
che beinahe Guſtavs Soldaten übertraf, und
mit allen noͤthigen Kriegsbeduͤrfniſſen verfen
hen. Suſtavs Heer hingegen beſtand größe
12 (2)
theils aus Bauern, die zu einer Belagerung
wenig geſchickt waren, es fehlte ihm an
Kanonen und Pulver, und wie leicht konnte
bei einer anhaltenden Belagerung der Muth
feiner nach Kampf und Beute begierigen
Dalkerls ſchwinden; dieſe nach ihren Woh—
nungen zuruͤckkehren „ und fo alle feine Abe
ſichten vernichten. a |
Doch Guftavs Geiſt konnte nicht lange
in Verlegenheit bleiben, er fand ſchuell ein
Mittel von dem er ſich den beſten Erfolg
verſprach.
Er entfernte ſeine ganze Reuterei und
befahl dieſer ſich durch Hilfe der Waͤlder
der Stadt ſo viel moͤglich zu nähern, und
verborgen zu bleiben. i
Dem beſten Theil des Fußvolkes ließ
er hinter einem Berge mit dem Bedeuten,
ihm nur langſam zu folgen ; er ſelbſt aber
nahte ſich mit wenigen Truppen, gleich als
— 181 —
ob dieſe feine ganze Armee aus machten, der
Stadt.
Wie er dort anlangte, ſuchte er ſich
mit der größten Eile zu verſchanzen, gleich
als ob er zu befuͤrchten haͤtte, daß von den
Vertheidigern der Stadt ſeine wenigen Sol⸗
daten bei einem Uiberfall aufgerieben were
den möchten. Dieß taͤuſchte die Feinde,
fie ließen ihre Reuterei ausruͤcken, und griee
fen Guſtaven an. Das Gefecht ward hie
tig, aber bald wich Guſtav der Uibermacht,
und zog ſich immer fechtend zuruͤck, nur c
die engen Hohlwege zu gewinnen. Getaͤuſcht
durch dieſen Raͤckzug, ſtroͤmten nun Roß und
Mann aus den Thoren der Stadt, um Theil
an der ſchnellen Vernichtung des Feindes
zu nehmem. Aber itzt hielt Guſtat ploͤtz⸗
lich Stand, und fiel mit erneuertem Mus
the, und gleichſam verjuͤngten Kraͤſten den
Feind an. Von allen Seiten brachen die
zahlenreichen Schaaren ſeines verborgenen
— 182 —
Fußvolkes hervor, und das blutigſte Geme⸗
gel begann. Von beiden Seiten wurde
mit gleichen Erbitterung gefochten, aber
der wilde Dalkerl ſchmetterte alles vor ſich
her zu Boden, gleich dem wuͤthenden Loͤ—
wen brach er in die Schaaren der Feinde,
gar keine Gefahr fiheuend ‚ nur zufrieden,
wenn er Leichen haͤufen konnte, die ihm
zu einem Grabhuͤgel dienten. Der Feind
wurde zuruͤckgedraͤngt, und ſuchte ſich in
fo guter Ordnung, als ihm noch moglich
war ; immer den Mauern der Stadt zu
nähern. Als itzt ploͤtzlich Guſtavs Reuterei
aus den Waͤldern hervorbrach, und ihm
-in den Rüden fiel. Nun war die Nieder—
lage allgemein, und da der erbitterte Dat—
kerl, ohne ſich von feinen Offiziere zurüͤck—
halten zu laſſen, ohne Schonung alles
zu Boden ſchlug, fe konnten nur weni⸗
ge ſich nach der Stadt flüchten , dieſe wur⸗
— 185 —
de von Guſtavs Reutern ſo raſch verfolgt,
daß ſie zugleich mit in die Stadt eindran—
gen; die Feinde retteten ſich in das Kaſtell,
die Stadt blieb Guſtaven.
Kaum war der Ort erobert, als die
Reuter ſich nicht mehr, von der Begierde
zu plündern überwältiget , zurückhalten lieſ—
ſen, die Nacht beguͤnſtigte ihr Unternehmen,
und ihre Offiziere konnten nicht einmahl
fo viel Leute bei ſich behalten, um die
noͤt igen Wachen zu beſetzen. Rottenweiſe
ſtürzten fie in die Haͤuſer der Kaufleute,
welche mit Brandwein und ſuͤſſen Weine
handelten, fielen über die Faͤſſer her,
und ſuchten bei dem reichlichen Genuße,
des ſuͤſſen Getraͤnkes ſich von den Beſchwer—
lichkeiten des Kampfes zu erholen. Guſtav
rückte mit feinen Dalkerle heran, kaum ver—
nahmen dieſe, mit welcher ſüſſen Beſchaͤfti⸗
gung ſich ihre Gefaͤhrten abgaben, als ſie ihre
Fahnen verlieſſen, und ſchagrenweiſe nach
— 184 -
%
der Stand ſtroͤmten, um an einem Ge⸗
traͤnke Theil zu nehmen, welches die Haupt⸗
leidenſchaft der nordiſchen Voͤlker ausma⸗
chet. .
Nur zu gut bemerkten die im Kaſtell
verſchloſſenen Feinde dieſe Unordnung, al⸗
les was Waffen tragen konnte, wurde zu⸗
ſammen berufen, und ſtuͤrzte nun über die
fichern Sieger her, um die Verwirrung
zu vermehren, warfen ſie Feuer in mehre—
re Haͤuſer, welche bald in helle Flammen
aufloderten. Wuͤthend dem Tod ihrer Bruͤ⸗
der zu raͤchen, fielen fie über die Dalkerls
her, welche fie groͤßtentheils betrunken in
einem wehrloſen Zuſtande antrafen und tös
deten. | 5 ö
Guſtav war noch mit dem Nachtrab⸗
be ſeines Heeres auſſer der Stadt, er ver—
nahm die traurige Lage ſeiner Leute, und eilte
ihnen nun ſelbſt zu Hilfe, wo er voll Vers ’
zweiflung feine. Soldaten unter feinen Aus
— 185 —
gen morden ſah. Er befahl Swenten und
noch mehreren Offizieren eiligſt die Haupt—
ſtraſſe zu verſchanzen „und mit den weni⸗
gen, die bei ihm geblieben waren, den her—
andringenden Feinde die Spitze zu bieten.
Er ſelbſt von ſeinen Freunden begleitet,
ſuchte ſeine Soldaten zu ſammeln, die
gleichſam verſchwunden waren. Er durch⸗
ſtreifte die ganze Stadt, aber der Dalkerl,
einmal mit der Begierde noch Trunk erfuͤllt,
floh ſeinem Anführer, der ihn zu Kampfe
führen wollte, beinahe nun eben fo wie ſei⸗
nen Feind. In dieſer aͤuſſerſten Verlegen⸗
heit, ſtieg Guſtav ſelbſt von wenigen beglei—
tet, mit Hacken bewafnet in die Keller uud
Speiſegewoͤlbe, er ſchlug alle Faͤſſer ent
zwey, und ließ den Brandwein und die übri⸗
gen ſtarken Getraͤnke herauslaufen. Dieß
allein machte es moͤglich, daß ſeine Solda⸗
ten aus den zauberiſchen Orten ſich entfern—
ten, zu ihrer Fahnen eilten, und endlich
—
mit ihrem vorigen Muthe den Feind Na
dem Kaſtelle zuruͤcktrieben.
Verwirrung und Schrecken herrſchten alla
gemein, hier toͤnte das wilde Geſchrei
der Fechtenden, dort das Winſeln der Ster⸗
benden, und die immer heller empor Io»
dernde Flamme, zu deren Tilgung ſich nies
mand hervorwagte, beleuchtete hell das graͤß⸗
liche Schauſpiel des Mordes. Anfangs,
während Guſtav bemüht geweſen war”, ſei⸗
ne Leute zu ſammeln, hatte Swent auf ſei⸗
nen Poſten mit ſeinen wenigen Soldaten
gleich einer eiſernen Mauer geſtanden, wel—
che das weitere Vordringen der Feinde
unmöglich machte. Itzt als aus allen Straſ⸗
ſen der Stadt, die Dalkerls wieder mit
erneuerten Wuth hervorbrach en, und die
Feinde wichen, war er einer der erſten,
welcher aus den in Eile gemachten Ver⸗
ſchanzungen der Hauptüraffe hervorbrach,
und ſich in die Schaaren der weichenden
Feinde ſtürzte, bald war deren Flucht nach
dem Kaſtelle allgemein, Swent hofte auch
da zugleich mit einzudringen, aber eine klei—
ne Schaar opferte ſich auf, und ſtellte ſich
Swenten und feinen Leuten entgegen, waͤh—
rend die übrigen die Brücken hinter ſich
aufzogen. Swent errieth ihre tapfere Ab—
ſicht, und ſuchte ſchneller durchzudrin⸗
gen, aber es war nicht moͤglich, angefuͤhrt
von einem Jünglinge, der wie ein Loͤve
ſtritt, wiederſetzte ſich das kleine Haͤuſtein,
ſchafte dadurch den übrigen Zeit zum ſiche—
ren Ruͤckzuge, und ſchmolz immer mehr
zuſammen, bis zuletzt nur einer der tapfere
Juͤngling mehr übrig war, und auch dieſer auf
die Leichen ſeiner Freunde hinſank. Nun war
freilich die kleine Schaar der Tapfern bes
ſiegt, aber zu ſpaͤt fuͤr den Sieger, denn
des Kaſtells Brücken waren bereits aufge—
zogen. Swent eilte nun zu Guſtaven zu⸗
rück, der itzt nach Vertreibung der Feinde
— 188 —
Befehl gegeben hatte, dem immer weiter
um ſich greifenden Feuer Einhalt zu thun.
Steben einem in helle Flammen auflo⸗
derdem Gebäude ſtand Swent, und blickte.
duͤſter nach den emporqualmenden Feuer⸗
ſtroͤmen, als er itzt an einem vergitterten
Fenſter eine weibliche Geſtalt bemerkte, wel—
che von Rauch und Flamme umgeben, Hil⸗
fe flehend ihre Arme ausſtreckte, ihre klagen⸗
de Stimme verſchlang das Praſſeln der Flam⸗
men. Raſch warf er den Degen von ſich, er
drang durch den Rauch in das innere des
Hauſes, fand den Weg zu den Mid
chen, und kaum mehr faͤhig, die Hitze zu
ertragen, und bei dem häufigen Dampfe
ſich Luft genug zu eraihmen „trug er fie
glücklich ins Freye. Schon hatte er dieſes 0
erreicht, ſchon freute er ſich des Werkes
der Rettung, als in der Naͤhe einige in der
Stadt zerſtreut geweſene Feinde mit den
erbitterten Dalkerln noch fochten, eine Sur
*
— 189 —
gel pfeifend die Luft durchſch wirrte, und
Swenten zu Boden ſtreckte.
Man eilte zu ſeiner Hilfe herbei, brach—
te ihn und das gerettete Mädchen beide ohn⸗
mächtig dahinliegend, nach einem von dem
Feuer weit genug entfernten Hauſe, wo man
aͤrztliche Hilfe herbeirief.
Guſtav ſelbſt, fo bald es nur die Las
ge der Dinge moͤglich machte, eilte mit
blutendem Herzen zu Swents Lager. Nicht
ängſtlicher kann die zagende Gattin den Aus
ſpruch des Arztes erwarten, der über Leben
und Tod des Geliebten entſcheidet, als Gu—
ſtavs Miene auf die Zuͤge des Arztes ge⸗
richtet war, welcher fo eben Swents Wun—
de unterſuchte. | .
Er fand die Wunde zwar nicht toͤdlich,
doch konnte ſie leicht noch gefaͤhrlich werden,
wenn nicht ſchnelle Hilfe angewandt würde,
Der Arzt ſuchte fo viel möglich den übeln
Folgen vorzubeugen, und war auch wirk⸗
— 100 —
lich glücklich genug, Swenten der ſchon
ausgeſtreckten Hand des Todes zu entreiſ—
ſen. | |
Guſtav konnte nicht länger bei dem Las
ger ſeines Freundes verweilen, er mußte
ſeine Plane weiters verfolgen, und ſobald
er die noͤthigen Anſtalten in der eroberten
Stadt getrofen hatte, ſammelte er ſeine
Truppen, und verfolgte ſeine weiteren Sie—
ge. Zahlreich ſtroͤmten von allen Seiten
neue Schaaren zu ſeiner Hilfe heran, der
Sieg flog ſeinen Schritten vor, und Schre—
cken hatte die Herzen ſeiner Feinde ergrif—
fen, wenn nur der Nahme Guſtav genennt
wurde.
Allmaͤhlich erholte ſich Swent unter
der pflegenden Hand des Arztes, er hatte
feine Kräfte info weit erreicht, daß er das
Bette verlaſſen und langſam auf und ab ge—
hen konnte, aber mit Trauer vernahm er
vom Arzte, daß ſein rechter Arm lahm
191 4
bleiben werde, weil durch die Kugel das
Gelenke oben an der Schulter zu ſtark ver—
letzt worden war. In dieſen Augenblicken,
wo weit umher alles nur von dem Ruhme
Guſtavs und feiner Krieger ertoͤnte, wäre
ihm der Tod auf dem Schlachtfelde lieber
geweſen, als nun ſeinem Freunde nicht mehr
auf der ſtegreichen Bahne folgen zu koͤnnen,
und einen muͤſſigen Zuſeher ſeiner kuͤh—
nen Wagniſſe abzugeben. Doch was half
ſein Kummer, er mußte ſich in ſein har—
tes Schickſal fuͤgen. Am meiſten ſuchte ihn
Johanna, das Maͤdchen, welches er in Däs
nemark aus Räuberhaͤnden befreit hats
te, ſeine Lage ſo viel moͤglich, angenehm
zu machen. Sie wars, welche in den ent—
ſcheidenſten Augenblicken, da er zwiſchen
Leben und Todt ſchwankte, ihre Naͤchte an
ſeinem Bette zugebracht hatte, ſie pflegte
ihn mit einer Sorgfalt, welche nur immer
die zaͤrtlichſte Gattin gegen ihren Gemahl
haben kanu, oft weilte ihr Auge auf ſeis
nen Zügen, wenn er in Schlummer dahin⸗
geſunken war, um jede Bewegung derſel⸗
ben zu beobachten, und heiſſe Thraͤnen quol⸗
len über ihre Wangen, wenn ſie unter der
Hand des Arztes ihn ſchmerzhaft leiden ſah.
Wie dieſer endlich erklaͤrte, daß nun keine
Gefahr mehr zu beſorgen ſey, da röthete
ſich hoch ihre Wange, und in den lachen⸗
den Blick der Freude mengte ſich eine Thraͤ⸗
ne, welche aus warmen Herzen kürgtolk
Nun ſuchte ſie den Traurenden durch Muſik
und Geſpraͤch zu erheitern, und bemüͤthe
ſich ſo innig ihm ſeine traurige Lage, fuͤr
jeden ferneren Waffenruhm unfaͤhig zu ſeyn,
ſo viel als moͤglich, vergeſſen zu machen.
Swent ſah alle dieſe zärtlichen Be⸗
muͤhungen, ſein ganzes Herz war dem
bolden Mädchen zugethan, er wurde
ihr mit der innigſten Gegenliebe gelohnt
haben, haͤtte er nur auch vermocht, das noch
immer lebhafte Andenken an Rofauren zu
vernichten. Aber zu tief hatte ſeine erſte
Liebe ſich in ſeine Bruſt gegraben, es war
nicht moglich den tiefen Eindruck, den Ros
ſaura auf ihn gemacht hatte, durch einen
ſpaͤteren zu vernichten, er war Johannen
mit der innigſten Liebe zugethan, doch war
ſeine Empfindung gegen fie weit von jenen
Gefühlen entfernt, welche ſeine Bruſt fuͤr
Roſauren beherrſchlen. |
In dieſen Tagen der Ruhe, wo er
Geſchaͤften los auf ſeinem Vette lag, gewann
ſeine Fantaſte freieren Spielraum, weit
heller draͤngte ſich nun Rofaurens Geſtalt
vor ſeine Sinne, als es ehemal die Ge—
| ſchaͤfte erlaubt hatten, an ſie zu denken, er
fuͤhlte es, daß nur fie das Gluͤck ſeines
Lebens gruͤnden koͤnne, aber ſein Herz blu⸗
tete auch bei dem Gedanken, wie ſchnell ſie
ſelbſt alle Bande der Liebe zerriſſen habe,
hier ſah er nur Entſagung von Liebe —
13
* — 194 —
und dort winkte ihm die ſeeligſten Wonne
an der Seite eines holden Maͤdchens „und
doch, doch hieng fein Herz nur an Rofaus
ren, und blieb Johaunen blos mit Freund⸗
ſchaft zugethan. e
Einſam ſaß er einſt in e Zimmer,
und gedachte mehr als jemahl an feine ungluͤck⸗
liche Liebe, als die Frau des Hauſes ber⸗
eintrat. Eine Bürgerin von Weſteraͤs, zu
der man den verwundeten Swent gebracht
hatte, und die ſich edelmüthig feiner annahm.
Sie begann ein gleichgiltiges Geſpraͤch, wel»
ches Swenten mehr laͤſtig als angenehm
| W und 15 Mae man von den Sr ä
Stadt von den Dalkerlen 8 ne E
Jzt, bei dieſer Gelegenheit erinnerte ſich
Swent an das Maͤdchen welche er aus
den Flammen gerettet hatte, und mit ihr,
von der Kugel getrofen und ſeines Bewußt⸗
ſeyns beraubt zu Boden geſunken war. Er
fragte, wohin denn die aͤrmſte gekommen
ſey. Die Frau lächelte, ſeyn Sie unbe⸗
foxgt , ſwrach ſie, das gute Madchen ward
kein Opfer jener ſchrecklichen Nacht, ſie
wurde mit Ihnen zugleich nach meinem Hau⸗
ſe gebracht, und lebte hier bis vor wenigen |
Tagen, wo fie ſich entfernte. 1
Swent. Bei Gott! daß freut mic,
daß mir ihre, Rettung gelang. Ä
di Frau. Ewig Jammer und ‚Säg; |
de wäre es um das herrliche Geſchoͤpf gewe⸗
ſen, ſolche Feige und Herzensguüͤte wird
man nicht leicht wieder mitfommen vereiniget»
finden. Ag! Si men |
Swent. Wiſſen fe 90 85 wer das |
Midchen geweſen ſeyn mag?
Die Frau. Nein, ge beantwortete
nie aͤhnliche Fragen, auch kann ich mich
gar nicht erinnern, fie vorher in Weſteraͤs
geſehen zu haben, doch freilich, wer kann
alle Leute kennen. Ich lebe ſehr eingezo⸗
g 1
— 1 96 —
gen, betrette felten die Strafen, unPlbdin V
fie ein gleiches, wie zu vermuthen, gethan
hat, fo kann fie Juhrelang bier fepn, 9 1
e wir uns geſehen haben. e |
Swen. wo 5 fie nün denn
hin. ee e e A ne
Die Fra u. Auch das kann ich Ih⸗
nen nicht beantworten, ſie nahm zärtlich
und dankbar von mir Abſchied, verſchwirh
mir aber den Weg, denn fie nehmen wolle,
und als ich ſie warnte, wie gefährlich es |
nun zu reifen ſey, gab fie ir 1 mit einem
Tone, der mich im Innerſten erſchůtterte,
zur Antwort, ich ſcheue keine Gefahr, denn
ich habe nichts mehr zu verlieren, dabei
ſtand ihr eine Thraͤne in den Augen, und
fie riß ſich wehmüthig 18
Sent. Wahrscheinlich iſt fe ſehr
ungluͤcklich!
Die Fr a u. Seniß, und wer weiß,
ob fe nicht ſelbſt Schuld hieran find,
= 197 —
Spent. Ich?
Die Frau. In ihrer | Bruſt ſcheint
ungluͤckliche Liebe verſchloſſen. 1
Swent. Es wuͤrde meinem Herzen
weh thun, wenn die eiſerne Nothwendig⸗
keit des Krieges mich genoͤthiget hätte, ihr
einen Gatten oder Geliebten zu rauben.
Die Frau. Moͤglich, daß auch dieß
der Fall iſt, moͤglich aber auch, daß
Sie ſelbſt der Gegenſtand — —
Swent. Ihres Scherzes nun feyn
fol „liebe Frau?
Die Frau. Der Himmel bewahre,
was ich ſpreche, meine ich ernſtlich, denn
ſo viel iſt ausgemacht richtig, daß das Maͤd⸗
chen Sie gut kennen muß.
Swent. Mich? 2 woher ſchlieffen Sie
das ?
Die Frau. Ich habe Ihnen ſchon
geſagt, daß das Maͤdchen in jener fuͤrchter—
lichen Nacht mit Ihnen zugleich ohnmaͤch⸗
tig in mein Haus gebracht wurde. Sie
befanden ſich unter der Hand des Arztes,
ich pflegte das Maͤdchen. Sie erholte ſich
bald, und ihre erſte Frage war nun, ob
icch nicht wiſſe, wer der edle Mann geweſen
ſey, der ſie den Flammen entriſſen habe.
Wie ich ihr bedeutete, daß eben dieſer ſchwer
verwundet in meinem Hauſe liege, verlangte
fie nichts fo ſehnlich, als fie zu ſehen. Dieß
konnte ich ihr leicht geſtatten, ich begleite⸗
te ſie nach Ihrem Simmer. Eben lagen
Sie in einem feſten Schlafe, niemand war
gegenwaͤrtig, als der Arzt, der die Wir⸗ 5
kungen ſeiner Arzneien aus ihren Zuͤgen
A befpäßte,, fie trat leiſe, und ſchuͤchtern naͤ⸗
her, ihr Auge ruhte auf ihrem Geſichte,
plotzlich ſtieß fie einen lauten Schrei aus,
und gleitete wie betaͤubt auf den Boden
hin. 1
Swent. Beim Himmel, hoͤchſt ſon⸗
derbar. | |
= 199 —
Die Frau. Wie ſie fih auf ihrem
Zimmer erholt hatte, bat fie mich den gan⸗
zen Vorfall zu verſchweigen, und bedeutete
mir, daß ſie ſich geirrt habe, und von Ih⸗
rer Aehnlichkeit mit einem ihrer Freunde
getaͤuſcht worden ſey. Sie fragte nun ſtündlich
und aͤngſtlich um Ihr Befinden, fie trug ſich
an, Ihre Pflege zu uͤbernehmen, wie ich
aber bedeutete, daß dieß Fraͤulein Johan⸗
na übernommen habe, ſah fie mich mit
unverwandten Blicken an, und forſchte, wer
denn dieſe Johanne ſey. Nun mein Gott,
ich konnte nichts anders ſprechen, als ich
es vor Augen ſah, und erwiederte ihr,
daß dieß wahrſcheinlich Ihte Geliebte ſey.
Swent. Woran fie gewiß ſehr un⸗
recht gethan haben.
Die Frau. Niemand im ganzen
Hauſe weiß es anders, denn — 1
Swent. Kommen Sie auf die! Un⸗
bekannte zurück.
Die Frau. Seit dieſer Zeit war
fie ſtille und traurig, und ich belauſchte fie
oft, wie ſie im Verborgenen weinte. Als
ich Ihr berichtete, denn das wußte ich taͤg⸗
lich, daß Sie ſich merklich beſſern, ſah ich
deutlich ihre Freunde darüber, aber ſie kam
nie mehr nach Ihrem Zimmer, ja ſie wich
niemanden ſo ſorgfaͤltig aus, als Johannen.
Endlich berichtete Sie mir, daß ſie abrei⸗
ſen muͤſſe. Sie verſchloß ſich einen ganzen
halben Tag in ihr Zimmer, kam dann mit
rothgeweinten Augen hervor, und brachte
mir ein verſiegeltes Schreiben. „Wenn
der edle Mann, ſo ſprach ſie zu mir, dem
ich meines Lebens Rettung zu danken habe,
von ſelbſt nach mir fragen ſollte, ſo bitte
ich Sie, übergeben Sie ihm dieſes Schrei—
ben, fraͤgt er nicht, und zieht, ohne ſich
weiter um mich zu kümmern aus Ihrem
Hauſe, dann geloben Sie mir dieſen Brief
ungeleſen zu vernichten.“ Ich gelobte dieß,
*
— 201 —
und übergebe Ihnen nun das Schreiben,
bei deſſen Durchleſung ich Sie, da ich ei—
nen wichtigen Innhalt vermuthe, nicht
laͤnger mehr ſtoͤren will.
Die geſchwaͤtzige Alte entfernte fih nun
freilich mit dem innigſten Wunſche erfuͤllt,
den Innhalt des Schreibens zu wiſſen, auf
dem fie aber aus nothgedrungener Beſchei—
denheit Verzicht thun mußte.
Mit gewiß nicht wenigerer Neugierde
entfaltete Swent das Schreiben, und las
den Namen Roſaura. Das Blatt entfiel
ſeiner zitternden Hand, o Gott! rief er, ich
war ihr ſo nahe, mein Herz ahndete ihre
Gegenwart, denn weit lebhafter ſchwebte
immer ihre Geſtalt vor meiner Seele, aber
ach zu dunkel war dieſe Ahndung. Endlich
hob er den Brief wieder auf, und durchlas
ſeinen Innhalt.
„Ehemal hatten uns die Bande inniger
Liebe vereiniget, freilich ahndete ich den
erhabenen Guſtav in dir, dein eigenes ed-
les Weſen beſtimmte mich zu dieſer Ahn—
dung, und mit voller Seele hieng ich an
den Gedanken, von dem erſten Manne ſei⸗
ner Zeit geliebt worden zu ſeyn. Nennt
es immerhin Stolz, was zu meiner Liebe
mich beſtimmte, fie war darum nicht min⸗
der innig, nicht minder zaͤrtlich. Man riß
dich von meiner Seite, man ſchleppte dich
ins Gefaͤngniß, und mein Herz blutete.
Ich eilte zu deiner Rettung, dieſe gelang
mir, und ich erhielt zugleich Enthuͤllung,
daß du nicht Guſtav feyft.” N 9
„In dieſem Augenblicke der Uiber⸗
raſchung, und Vernichtung meines ſtolzen
Wahnes, konnte ich keine Stimme der Liebe
hören. Ich bin Weib, und nicht ohne Schwaͤ⸗
chen. Eitler Stolz beſiegte mein Herz, ich
mied deinen Anblick, weil ich in dir den
Mann nicht wußte, deſſen Ruf meiner Ei⸗
kelkeit Nahrung gegeben hatte. Aber wie ich ’
einfam war, wie mein Unmuth ſich ändere
te, da fehlte mir uberall der, dem ich
mein ganzes Herz hingegeben hatte. Ge⸗
trennt von dir erhob ſich mächtig die Stim—
me der Liebe, ich entbehrte hart ihre Won⸗
ne, und bittre Reue erfüllte meine Bruſt.
Ja Swent, ich habe aͤuſſerſt unrecht an dir
gehandelt, du warſt zwar nicht der Mann,
der meine hohe Ideen erfüllt hatte, aber
hell ſchwebte nun dein Edelmuth, dein
biederes Weſen vor meiner Seele, ja ich
liebte dich, und würde ich dich unter was
| immer für einer Geſtalt gefunden haben,
meine Zaͤrtlichkeit würde das gut zu ma⸗
chen geſucht haben, was ich vom Stolze
geblendet unrecht that, und fo innig bereu⸗
te. Du wußteſt ja das nicht, wie koͤnnte
ich es dir verargen, daß dein Herz empört
ö
über meine Behandlung feiner Liebe ent⸗
ſagte, und wahrſcheinlich nur mit, Verach⸗
tung an ein Mädchen gedachte, deren Herz
04 „
nur an Glanz, und Groͤße zu haͤngen ſchien.
Du haft ein Mädchen gefunden, deiner Lie⸗
be würdiger 5 obſchon ich zweifle, daß noch
jemand inniger, als Roſaura lieben koͤnne.“
„Moͤchteſt du doch ganz glücklich an ihrer
Seite ſeyn, dieß iſt der innigſte Wunſch
eines Herzens, das jedem Gefuͤhle von Lie⸗
be entfagen muß, um ſich ſelbſt für feine
ehemaliche Handlungen zu ſtrafen. Du
warſt mein Lebensretter, damal mit Todes⸗
angſt erfüllt, kannte ich dich nicht, ich habe
dich geſehen, und der Anblick des Mannes,
nach dem mein ganzes Herz ſich ſehnte, war
zu überraſchend für mich, ich hörte deine
Liebe zu Johannen, und ich zog mich in
mich ſelbſt zurück, nur fo lange blieb ich,
bis ich deine gaͤnzliche Beſſerung vernahm,
wenn du aber dieſes lieſeſt, bin ich vielleicht
ſchon weit entfernt auf Wegen, die dir
ewig verborgen bleiben müſſen. Run hier
einen Dank für meine Rettung, anders
J 203 —
kann, di darf ich dir diefe nicht vergelten,
aber ich will dir auch votbötgen bleiben,
um ja nicht Stoͤhrerin deiner Liebe z fon.
Werde glücklich Swent, vergicß Kofauren,
die dich nicht verdient hat, berzieß, daß
ſie dich liebte, ſie wird ihre Entſacung um
ſo leichter ertragen Tonnen, weil fie dadurch
dein Gluͤck bei Johannen iu gründen weiß,
und nur zu gut uͤberzeugt if, die Wera
tung aller Freuden des Libens verdient ‚u
A
ne Gott, N liebt bc 1 dirt Sent, und
= 7.
„eu ah
ehen meiner Wüüſche chil. Ach,
wie ſehr tauſchteſt du dich zu meiner eigenen
Qual, 0 daß du gewußt haͤtteſt, wie wenig
mir deine Liebe er ſezt werden koͤnne, du waͤ⸗
reſt nicht geflohen, und jene Vereinigung
ware uns zu Theil geworden, nach der une
1 206 —
ſere Herzen fi ſehnen, und die ſelbſt der
Zufall ſo ſebr zu begünſti igen ſchien. Wo
ſoll ich dich nun ſuchen, wo fol, ich Nach⸗
richt einziehen wohin du dich, erfüllt mit
den Leiden boffnungsloſer Liebe, gewendet
haſt 2 Otheuere Roſaura, wie wird. es mir
möglich ſeyn, deinen verborgenen, Aufent⸗
halt zu entdecken? 2 9
Soo ſchwaͤrmte er lange Sei, mit 10
felbſt, las und las noch einmal den Brief,
und naͤhrte dadurch immer mehr feine Liebe
und feine. Leiden. Vergebens ſuchte in
Johanna aufgußeitern, er verſchwieg ihr die
ursache ſeines neuen Kummers, und Wer
lief ſich ganz dieſer Schwermuth.
ige Der Arzt Im der dieſe unguͤnſtige Ver
änderung bemerkte, rieth zur Zerſtreuung,
er geſtattete Swenten auszugeben, damit
auch die Abwechslung der Luft wohlthaͤ⸗
tig auf ſeinen Koͤrpeß wirken koͤnne.
Swent ging nun in der Stadt um⸗
>
207 —
her, äber er fand nirgends Zerſtreuung,
er wünfchte ſich nichts ſo ſehnlich, als bald
Kräfte genug zu haben, um eine Reiſe an-
tretten zu koͤnnen, dann wollte er, der
für Guſtaven nichts mehr thun konnte, al⸗
le Gegenden durchſtreifen, und nicht ruhen,
dis er Rofauren wieder gefunden habe.
— Als er einſt, vertieft in dieſe Gedan⸗
ken, und entſchloſſen nicht laͤnger mehr
dem Willen des Arztes zu gehorchen, und
ſeine Reiſe anzutretten durch die Straſſen
der Stadt gieng, trat ein Mann in einem
gemeinen Nock gehüllt auf ihn zu. Wenn
ich mich nicht irre, ſprach er, iu I "
Swenten vor mir.
Swent. Der bin 10, was aeg
du?
> Der Man n. . e ſandte mich
ſchon oft aus, Ihren Aufenthalt zu erfor⸗
ſchen, und nie gelang es mir, bis nun
ein Zufall mich Ihnen ſelbſt entgegen fuhrte.
Swent. Du keunſt mich alſo 2
Der Man n. Nur zu gut, ſehen fie
hier dieſe Narbe an der Stirne? dieſe Wun⸗
de ſchlugen ſie mir, als ich mit meinen
Gefaͤhrten aus dem Kaſtelle auf N
Leute herausſtürmte. 878
Swent. Ein Beweis, Bien wir fi
ner dem Feinde den Rücken kehren wollten, —
und was will dein Herr von mir ?
Der Mann. Er verlangt 1 ſo
ſehnlich, als Sie zu ſprrchen.
Sw ente Wen iſt ern rt
22446 er Mann. Ein junger Daͤne, er
wurde ſchwer verwundet, und iſt von
ſeinen Wunden noch nicht hergeſtellt worden.
Sent. Zeige mir den Weg zu ihm,
0 wuͤnſche ihn zu ſehen. 2 05
Er folgte nun dem Manne durch eini⸗
ge Gaͤſſen, und langte endlich im Zimmer
des Verwundeten an. Nachläſſig hinge⸗
ſtreckt ſaß dieſer in einem Armſtuhl, es
war ein junger angenehmer Schwarzkopf.
Wie er Swenten eintretten ſah, hub er
ſich, ſo ſchnell ers vermochte, empor, und
eilte in ſeine Arme. Wie? rief Swent,
wärs moglich, dich hier zu finden, du biſt
Olof? |
Olof. Ich bin es, den du in Dis
nemarf aus dem Gefaͤngniſſe der Räuber
befreiteſt.
Swent. So ſey mir W will⸗
kommen.
Olof. Wir fuͤhrten feindlich die Waf⸗
fen gegeneinander. |
Swent. Die Pflicht gebots, unfere
Herzen liebten ſich gewiß auch im Getuͤm⸗
mel des Kampfes.
Olof. Beim Himmel ja, ſelbſt als
das Gefecht am hitzigſten war, und wir
Aug gegen Auge ſtritten, fühlte ich Zunei⸗
gung zu dir in eben dem Augenblicke, da ich
meinen Degen gegen dich aufhob, du kamſt
4
— 210 —
mir vor, und bohrteſt deinen Stahl hier
in die Seite. 8
Swent. Wo war das? wo ſtrittſt
du? 2 |
Olof. Am Eingange des Kaſtells.
Swent. Ha beim Himmel! ich erin⸗
nere mich, du warſt jener Juͤngling, der
mit einer Handvoll Leute gegen die unſri⸗
gen den Eingang ſo lange vertheidigte, bis
die Bruͤcken hinter ihm aufgezogen wa-
ren. In der Wuth des Kampfes konnte
ich dich nicht erkennen, aber ſpaͤter ſchweb⸗
te mir oft deine Geſtalt vor, und ich konn⸗
te mich nicht entſinnen, wo ich dich ſchon
einmal geſehen habe. Beide waren wir in
jener Nacht dem Tode nahe, w wir find ihm
entriſſen worden, und wollen uns des Wie—
derſehens freuen, ich wenigſtens, ſo viel
es meinem traurenden Herzen moglich if.
; O lo f. Du leideſt Freund? welch
ein Kummer erfuͤllt dein Herz.
PR 211 *
S went. Ach vielfacher; Sieh die⸗
fen Arm, er iſt lahm, und ich bin unfähig
die Bahne des Ruhms ferner zu betret⸗
ten. N \
Olof. Ich bedaure dich, du aber
hege gleiches Mitleiden mit mir, auch ich
bin unfähig zu Kriegsdienſten geworden.
Swent. Aber, warum ſoll ich mich
beſchoͤnigen, eben fo ſehr liegt noch ein
anderer Kummer an meiner Seele, er
nennt ſich hoffuungslofe Liebe.
Olof. Wie! welche ſeltſame Gleich—
heit in unſeren Schickſalen, auch ich Swent,
auch ich fuͤhle dieſe traurige Leiden, aber
ich liebe den, der das Maͤdchen meines
Herzens mir entzogen hat.
Swent. Ward ſie dir treulos?
Olof, Ach nein, ſte ahndete nie
meine Leidenſchaft. Ich ſah nur zu deutlich,
daß ſie von dem Manne geliebt wurde, der
mein Wohlthaͤter geworden war.
. 14 (
— 212 —
Swent. Da bedaure ich dich.
Olof. Mein Schmerz iſt in meinem
Buſen vergraben, und ich bitte dich laſſe
uns abbrechen hievon.
Swent. Lieber Olof, eben befaͤllt
mich ein Gedanke, der zugleich unſerem
Geſpraͤche eine andere Wendung giebt, — du
bieibſt hier in Weſteraͤs ? |
Olof. Sieh die Verbaͤnde meiner
Wunden, dieſe noͤthigen mich wohl,
Swent. Ich muß fortreiſen.
olof. Alſo kaum geſehen, ſollen
wir uns wieder trennen? |
Swent. Mein hartes Schickſal nö⸗ 6
thiget mich, du aber, der du mein Freund
biſt, koͤnnteſt mir dieſe Freundſchaft werk⸗
thaͤtig beweiſen. Ä |
Olof. Sprich, beſiehl über alles,
was meine Kraͤfte vermoͤgen.
Swent. Mein Freund Guſtav treibt
ſich in den Gefahren des Kriegs herum, ihn
— 213 —
kann ich nicht beläftigen, während meiner
Abweſentheit ſeine Sorge auf einen mir
werthen Gegenſtand zu wenden.
Olof. Und dieſer iſt?
Swent. Eine theure Freundin, die
ohne meinem Schutze ganz ſich ſelbſt, und
dem Zufalle überlaffen iſt. Eben jenes
Maͤdchen, Johannen meine ich, welche ich
mit dir zugleich den Raͤubern entriß.
Olof. Gott! Johanna — und ich,
ich ſoll ſie in Schutz nehmen? |
Swent Und dieß ſprichſt du mit
fo fonderbaren Tone aus?
Olof. Ja bei Gott, ich will ſie
ſchüͤtzen, wie mein koſtbarſtes Eigenthum,
ich ſchwoͤre dirs, ohne erlittener Kraͤnkung
von was immer für einer Art, will ich fie
nach deiner Ruͤckkehr dir entgegen fuͤhren,
und mich dann euerer glücklichen Liebe
freuen — doch wie, du ſagteſt mir ja, du
liebteſt hofuungslos, ſollte Johanna —
S went. Meine Geliebte ſeyn, waͤhnſt
du? 5
Olof. Davon bin ich uͤberzeugt, aber
ich begreife nicht, daß fie nicht Gegenliebe
ſuhlen ſllote. | 1 f |
Swent. Wie ſehr irrſt du dich —
Johanna iſt meine Freundin, mein Herz
aher gehört Roſauren von Holdenſtirna.
Olof. Waͤrs moglich — Swent,
Swent, und du liebteſt Johannen nicht?
Swent. So wie der Bruder die
zaͤrtliche Schweſter, fo wie der Freund die
liebevolle Freundin, ſo liebe ich Johannen,
aber jene ſelige Empfindung die der Gatte
gegen die Gattin hegt, ach dieſer bin ich
nur für Rofauren fähig,
348 lof. Und Johanna — wirſt du von
ihr nicht wieder geliebt?
Swent. Eben ſo, wie mein Herz
ihr zuge han iſt. Doch Dlof dein Betragen
macht mich ſtaunen, deine Wange glüht,
\
— 215 —
dein Auge funkelt, und nur mit ſtockend er
Stimme ſprichſt du mit mir.
Olof. (In ſeine Arme ſinkend)
D Swent, Johauna iſt der Gegenſtand mei⸗
ner Liebe. |
Swent. Waͤrs moglich! wie ſehr
freut mich dieſe Entdeckung.
Olof. Schon in früheren Jahren
ſah ich das Maͤdchen bei ihrem Erzieher, ih⸗
re ſanften Reitze, ihre holde Unſchuld hatte
ſchon damal den heftigſten Eindruck auf
mich gemacht, aber ich mußte meine empor⸗
keimende Gefuͤhle unterdruͤcken, ich ſtand
noch unter der Bothmaͤſſigkeit eines Vaters,
der mich von Kindheit auf nur Strenge
fühlen ließ, und eine Leidenſchaft, die nicht
nach ſeinem Sinne geweſen waͤre, fuͤrch—
terlich geahndet haben wuͤrde. Ich wurde
bald von ihr getrennt, Johanna bemerkte
dieß gewiß nicht, denn nur ſtumme Liebe
herrſchte in meiner Bruſt, nie hatte ich es
1
> 216 —
gewagt, mich dem Engel zu naͤhern, noch
weniger geſtattete mir meine Schuͤchternheit
mit ihr zu ſprechen. Ich war vergnuͤgt und
gluͤcklich, wenn ich fie nur ſehen konnte.
Auch dieß wurde mir nun entriſſen, und
eben ſo wie Johanna mein Verſchwinden
von dem Orte ihres Aufenthaltes gar nicht
bemerkt haben mochte, kam im Gegentheile
ihr Bild nie mehr aus dieſem Herzen. Mein
Vater ſtarb, und ich, der ich waͤhrend dem
Kriegsdienſte genommen hatte 4 wollte nach
ſeiner Beerdigung zu dem Orte meiner
Beſtimmung zurückkehren, als ich in die
Gewalt der Naͤuber gerieth. Früher als ich
vermuthete ward mir Rettung, wie ein Gott
tratſt du zu mir in mein Gewoͤlbe, und kuͤn⸗
deteſt mir ſo unvermuthet das Ende meiner
Leiden an. Mein ganzes Herz war mit
Dank, mit Liebe gegen dich erfüllt. Ich
verließ den fuͤrchterlichen Aufenthalt, du
zeigteſt mir eine Dame, die du gleichfalls
den Raͤubern entriſſen habeſt, und, ich
erkannte Johannen. Ihr Anblick machte
den heftigſten Eindruck auf mich „ und mag
gleich ſtark mit dem Eindrucke der unge
wohnten freien Luft auf meinen geſchwaͤch⸗
ten Koͤrper gewirket haben, daß ich betaͤubt
zu Boden ſank. Wie ich mich wieder er—
mannte, fand ich mich in dem Hauſe eines
Edelmanns, der mich, das Maͤdchen, und
dich aufgenommen hatte. Mein erſter Gang
war zu dir, ich ſah Johannen bei dir be⸗
ſchaͤftiget, dich zu pflegen 8 o Gott! wie
viel liebenswuͤrdiger war fie ſeit dem gewor—
den, als ich fie nicht geſehen hatte, damal
gliech ſie der aufkeimenden Roſenknoſpe,
nun ſtanden ihre Reize in voller Bluͤthe;
Aber ach, ich forſchte in ihrer Augen, und
mir ſchien es klar und deutlich, die heftige
ſte Zuneigung gegen dich zu bemerken. Ich
gab einen ſtillen Beobachter ab, und immer
mehr glaubte ich meine Vermuthungen be⸗
ſtaͤrkt. Eiferſucht begann mein Herz zu er⸗
füllen, aber ich unterdruͤckte dieſe hoͤntſche
niedrige Leidenſchaft. „Wiel rief ich, ſiehſt
du nicht deutlich, daß das Schickſal deine
Liebe nicht begünſtiget? Hat es dir nur eine
mal Gelegenheit gegeben Johannens Zunei⸗
gung zu verdienen? hat ſie nicht Swenten
alles zu danken, und iſt er nicht auch dein
Lebensretter, verbirg deine ungluͤckliche Lel⸗
denſchaft, und mißgoͤnne deinem Wohlthaͤ⸗
ter nicht ein Gluck, das für dich nicht cr»
reichbar ſeyn fol! —
Ich gewann dieß uͤber mein Herz, aber
ich ſah auch deutlich ein, daß nichts fo
nothwendig ſey, als mich von Johannens
Nähe zu entfernen; Ich nahm Abſchied von
Euch, und fuͤhlte nun erſt ganz die Qualen
hoffnungsloſer Liebe. Ich kam zum Heere,
ich ſehnte mich nach Kriegsgetümmel, um
da ehrenvoll zu enden, und meiner Leiden
enthoben zu ſeyn. |
u 210 —
Wie Guſtavs Truppen uns nach dein
Kaſtelle zuruͤcktrieben, da beſchloß ich mein
Leben, das mir ohnehin zur Laſt war, zu
opfern, daher ſtellte ich mich mit wenigen
Euch entgegen, ich ſah die leine Anzahl
meiner Gefaͤhrten ſchmelzen, und erkannte
dich nun, ich wuͤnſchte von deiner Hand
zu ſterben, und ſank endlich mit Wunden
uͤberdeckt zuſammen, mein Bemwupfer n
entſchwand, und Johanna war noch das
letzte Liſpeln, das über meine ſtarrende Lip⸗
pen kam. | |
Mit Trauer blickte ich, als mein Auge
ſich wieder oͤfnete, nach dem Arzte, der
nur zu meinem Leiden mich zurück rief, mit
dem zahlreichen Blute, das ich verlohren
hatte, war meine Liebe nicht entſchwunden.
N Ich genas, ich verlangte dich zu ſehen,
waͤhnte in dir bereits Johannens Gatten,
ja ich wünſchte dieß aus deinem eigenen
Munde zu hören, un vielleicht dadurch aus
friherften meine Leidenſchaft unterdrücken zu
koͤnnen, lange blieb mir dein Aufenthalt
verborgen, als der Zufall dich ſelbſt zu
mir brachte, du ſprachſt von Johannen,
und — o Freund, du geſtehſt mir, ſie nie ge⸗
liebt zu haben, wie ſoll ich dieſe Stunde
nennen — O gewiß, ich wuͤrde fie die gluͤck—
lichſte meines Lebens heiſſen, wenn ich nur
ahnden koͤnnte, daß Johanna nicht unem⸗
pfindlich gegen meine Leidenſchaft bliebe.
So endete Olof ſeine Erzaͤhlung, und
Swent ſchloß ihn abermal gerührt in feine
Arme, er verſprach ihm ſeinen Beiſtand,
er ſelbſt wollte Johannens Herz erforſchen,
und ſuchen ſie ihm geneigt zu machen. Mit
der Verſicherung ewiger Freundſchaft trenn⸗
ten ſich die beiden Juͤnglinge. Sobald Swent
nach feiner Wohnung zurückgekehrt war,
ſorach er mit Johannen, und entdeckte ihr
die Nothwendigkeit ſeiner Reiſe. Traurend
fragte das Madchen, was ihn dann hiezu
— 221 —
beſtimme, er ließ ihr Roſaurens Brief le⸗
ſen, er entdeckte ihr die Geſchichte ſeiner
Liebe. Schweigend hoͤrte Johanna zu, die
Thraͤne, die bei dem Gedanken von Swen⸗
ten ſich trennen zu muͤſſen, in ihre Augen⸗
winkel getretten war, troknete, und eine
ſtille Wehmuth lag uber ihr Geſicht ausge⸗
breitet. Swent for ſchte in ihren Zuͤgen
während feiner Erzaͤhlung, es entging ihm
nicht, daß ihr Herz im Verborgenen einen
harten Kampf kämpfe; wie er aber ſelbſt
hingeriſſen von feiner Liebe ihr feine Leiden
mit fo inniger Wehmuth, und ſo traurigen
Farben ſchilderte, da vermochte fie nicht
mehr an ſich zu halten „da ſank fie an ſei⸗
ne Bruſt, und ein lauter Thraͤnenſtrom
entquoll ihren Augen. Swent druͤckte ſie
mit Theilnahme an ſich. Warum weinſt du
Johanna? fragte er, bange, die Antwort
zu hoͤren, daß ſie ihn liebe, aber dieſes
Geſtaͤndniß, ward ihm zu ſeiner Freude
— 222 —
nicht, Johanna betbeuerte „daß fie nichts
ſo ſehr wünſche, als ihn durch Liebe glück⸗
lic zu ſehen, und | daß fie ſehr trauern
mie, Schuld zu ſeyn, die vom Zufalle ſo
ſehr begünstigte Vereinigung mit Roſauren
zu vernichten. Nein rief Swpent, nicht du
biſt Schuld, das Schickſal wollte es ſo.
Johanna. O ſprich das nicht, Ro⸗
faura konnte nicht anders als Liebe zu dir
von mir ahnden, und ja beim Himmel Swent,
ich liebe dich unausſprechlich, aber giebt
es denn nicht auch eine Art hoͤherer Liebe,
die Vereinigung zweier Seelen, deren Urquell
‚ihnen ſelbſt verborgen iſt, und die nur das
Gepraͤge des geiftigen Erhabenen an ſich
traͤgt. Wie lieben ſich denn oft Freunde,
ohne daß Dienſtleiſtung oder Aufopferung
ihren Gefühlen vorangegangen iſt? und
dennoch ſind ihre Seelen in ſanfter Harmo⸗
nie zuſammengeſchmolzen, und dieſe Liebe
ſollte nicht auch bei verſchiedenen Geſchlech⸗
tern beſtehen können? Ich würde mit ims.
mer gleicher Liebe dir zugethan geweſen ſeyn,
wenn ich auch Roſauren als deine Gattin
gewußt haͤtte, o wie thätte ich fie ncht be⸗
neidet, gerne haͤtte ich ihr den größten Theil
deiner Stunden, und deiner Zaͤrtlichkeit
gegoͤnnt, den ich war ja nur deine Freun⸗
din, und auch ſie wäre meine Schweſter
geweſen. Welch ein ſeliges Bild von gluͤck—
licher Eintracht ſchwebt da vor meiner
Seele, ach, und es muß entſchwinden, wer
weiß Swent, ob wir uns wieder ſehen.
wen. Warum das, was willſt
du unternehmen? ö
Johanna. Noch weiß ichs nicht,
bisher war ich wie die ſchwache Rebe, die
ſich an dem Ulmenbaume emporhaͤlt,
doch du darfſt nicht laͤnger an meiner Seite
weilen — und
Swent. Und Schutz habe ich dir
gelobt, und der ſoll dir bei Gott immer
werden, hoͤre mich an Johanna, ich habe
einen Freund, einen edlen Mann.
Johanna. Wozu dieſes Beiſatzes,
er koͤnnte erſteres nicht ſeyn, wenn er nicht
auch das letztere waͤre. *
Swent. Schon ſprach ich Vent. |
wegen mit ihm, er iſt bereitet, die Pfliche
ten während meiner Abweſenheit, uber ſich
zu nehmen, die mir gegen dich obliegen
du kennſt ihn, es iſt Olof, derjenige Daͤ⸗
ne, den ich mit dir zugleich befreite.
Johanne. Ja ich kenne ihn. \
Swent. Er wird ſich es zum groͤß⸗
ten Gluͤck anrechnen, ige in fein Haus
aufzunehmen. 5
Johanna. Und kann, und darf
ich dieß eingehen? vergab ich nicht ſchon
zu viel meiner Sitte, ſo lange in deiner
Naͤhe zu verweilen, aber dich hielt ich fuͤr
meinen Bruder, ſo glaubte ich mich ge⸗
gen jeden Vorwurf geſichert, es iſt nicht fo
Swent, man iſt es gar nicht mehr gewohnt,
daß zwei Geſchlechter ohne Abſicht und In⸗
tereſſe ſich gewogen ſeyn koͤnnen, und wie
nun, was wurde man von dem Maͤdchen ſa⸗
gen, wenn ſie von dir weg, und ſich aber—
mal in das Haus eines Juͤnglings begaͤbe. —
Swent. Was aber —
Johanna. Die Frau des Hauſes
wo ich nun bin, iſt ihrer Geſchwaͤtzigkeit
weggerechnet eine gute Seele, ſie wird mich
gerne hier dulden, denn ich werde mich
bemühen ihr die Laſt ihrer Wirtſchaft zu
erleichtern.
Swent. Gutes Maͤdchen, und Olof
ru darf dich doch beſuchen 2
| Johanna. Wuͤnſcheſt du es?
Swent. Er iſt ein guter biederer
Junge.
Johanna. Gewiß.
Swent. Er ſprach mit mir viel von
dir, er kennt dich ſchon laͤnger, als ſeit
15
der Zeit Euerer Befreyung, er wüͤnſchte dein
Freund werden zu koͤnnen.
Johanna. Er kann es vielleicht
werden. me)
Swent. Und wie dann, wäre es
nicht moͤglich, daß dieſe Freundſchaft in der
Folge — in Liebe ſich wandelte? du ſchweigſt!
Verzeih mir, ich haͤtte dein Herz mehr fo:
nen ſollen. E
Johanna. DI gewiß, das haͤtteſt du.
Swent. Ich begnuͤge mich, wann du
ihm geſtatteſt, bei dir um mein Befinden
nachzufragen; denn ſo lange ich abweſend
bin, werde ich ich dir immer Nachricht
ſenden. - |
Johanna. Und ich werde nie den
Freund von mir weiſen.
Swent. Ja Johanna, ſo wollen wir
uns auch künftig betrachten, du meine
Schweſter —
14
Johanna. Und du mein vielgeliebter
Bruder! 5
Swent eilte nun Olofen zu benachrich—
ten, wie weit er es mit Johannen gebracht
habe, er rieth ihm das Herz des Maͤdchens
zu ſchonen, ihre Freundſchaft und Zunei—
gung zu erringen, und dann erſt ſtuffenweiſe
Umwandlung ihrer Empfindungen in Liebe
zu hoffen. Olof nahm dankbar und geruͤhrt
Abſchied, auch von Johannen trennte ſich
Swent nun, und verließ Weſteraͤs, um
Roſauren zu ſuchen. Ohne zu wiſſen wel—
chen Weg er nehmen ſollte, ſein Herz zwar
reichlich mit inniger Liebe erfuͤllt, aber um ſo
weniger mit beſeligender Hoffnung ermuntert.
Sein erſter Gang war zu Guſtaven,
der ſich in Upfala befand, dorthin rief ihn
Pflicht und Freundſchaft. Guſtav empfing
ihn mit Freude, ſeinen geliebten Freund
wieder zu ſehen, aber auch mit Wehmuth,
deſſen tapfern Arm entbehren zu muͤſſen, er
15 (2)
ka, 228 —.
trug ihm an, bei ihm zu bleiben, aber
Swent entdeckte ihm die Urſache feiner Rei⸗
e und nahm endlich Serge Abschied
von ihm. f f
Da es ihm gleichviel ſeyn mußte, wel⸗
chen Weg er naͤhme, da nicht die geringſte
Spur die Richtung ſeiner Reiſe beſtimmte,
ſo erinnerte er ſich noch an einen alten Bee
kannten und Wohlthaͤter, den er zugleich
aufſuchen ſollte. Es war der Alte aus dem
Baͤrenthale. Nur unter dieſen Namen war
er ein bischen bekannt. Er hatte ſchon bei Gu⸗
ſtaven um ihn geforſcht, und von dieſem ers
fahren, daß der Alte zwar anfangs bei fet«
nen Truppen geweſen, aber gleich in dem
erſten Treffen eine Wunde erhalten habe,
und um ſich pflegen zu koͤnnen, nach ſeiner
ſtillen Wohnung zuruͤckgekehret fen, ſeit dies
ſem habe Guſtav von ihm nichts erfahren,
und er zweifle, ob er noch am Leben fey.
— 229 —
Dieſe Nachricht hatte Swenten trau⸗
rig gemacht, er beſchloß ihn aufzuſuchen,
und wenn er von dem Tode des Greiſen
überzeugt wäre, wenigſtens dankbare Thraͤ⸗
nen auf deſſen Grabe zu weinen. Melan⸗
choliſch und duͤſter ſetzte Swent feine Wan⸗
derung fort, aber bald nöthigten andere Um⸗
ſtaͤnde ihn, feine Abſicht, den Alten aufzu⸗
ſuchen, aufzugeben. Er glaubte eine Spur
von Roſauren gefunden zu haben, dieſe ver⸗
folgte er lange unablaͤſſig, und gerieth end⸗
lich in die Gewalt von daͤniſchen Truppen,
welche ihn gefangen mit ſich fortfuͤhrten.
Swent hatte das Gluͤck einem menſchen⸗
freundlichen Manne anvertrauet zu werden, der
ihm ſeine traurige Lage ſo viel moͤglich zu
erleichtern ſuchte. Swent faßte Zutrauen
zu ihm, er entdeckte ihm feine Liebe zu Ro⸗
ſauren von Heldenſtirna, und der Daͤne gab
ſich alle erdenkliche Mühe zu erfahren, ob
ſie ſich etwa nach ihrem Vaterlande zuruͤck⸗
Begeben habe. Aber vergebens war alle feis
ne Bemuͤhung, von Roſauren war nicht nur
keine Spur zu finden, ſondern es entdeckte
ſich auch, daß Swent bisher einer ganz fal—
ſchen gefolgt ſey. Wahrſcheinlich mochte
ſchon lange boͤſes Uibel in dem Innern ſei⸗
nes Koͤrpers verborgen geweſen ſeyn, das
nun erſt ausbrach, eine harte Krankheit
warf ihn darnieder, und während er mit
dem Tode kaͤmpfte, erhielt ſein Aufſeher von
einem reiſenden Kaufmanne die Nachricht,
daß er in Schweden ein Maͤdchen aus Daͤn⸗
nemark, die Roſaura Heldenſtirna ſich nann⸗
te, kennen gefernet habe, und daß dieſe in
einem adelichen Damenſtifte von toͤdtlicher
Krankheit dahingeraft worden ſey.
Mit Trauer erfüllte dieſe Nachricht das
Herz des menſchenfreundlichen Mannes, er
wagte es nicht Swenten nun dieſe Nachricht
beizubringen, bevor deſſen Geſundheit gaͤnzlich
U
— 231 —
wieder hergeſtellt ſey, wozu er jedoch wenig
Hofnung gab.
Es gelang, Sweat genas, feine Kraͤf⸗
te kehrten wieder, und mit moͤglichſter Vor⸗
ſicht zwar wurde ihm Roſaurens Tod ver⸗
kündiget, aber dieſe Nachricht war zu er⸗
ſchütternd für ihn, um ihm nicht einen gro⸗
ßen Theil feiner erſt erlangten Kräfte wieder
zu rauben. Er ſchlich matt und traurend
_ winder, verwiſcht war jede Spur der Freu⸗
de von feinem Geſichte, und aus feinem
Herzen, Nur Melancholie hielt ihn feſt um⸗
lagert, und machte ihn taub für jedes ans
dere Gefühl, als das ſeiner Leiden.
Der biedere Daͤne, dei dem er bisher
geweſen war, und der mit dem Jünglinge
innigſtes Mitleiden fühlte, glaubte, daß viel⸗
leicht am beſten feiner gaͤnzlichen Wirderges
neſung zutraͤglich wäre, wenn er wenigſtens
frey nach ſeinem Vaterlande ruͤckkebren koͤn⸗
ne, er verwand ſich für dieſe, und es ge-
— 232 —
lang ihm Swents Befreyung, nachdem er
laͤnger als Jahresfriſt in Diäten gewe⸗
ſen war, zu erwirken.
Freudig kuͤndigte er dieſes Swenten an}
aber keine Spur von Freude wurde in deſ⸗
ſen Mienen ſichtbar, ihm war alles gleich⸗
giltig geworden, was ihn umgab. Er nahm
Abſchied von ſeinem Wohlthaͤter, und trat
den Weg nach dem Vaterlande an. Nun
war ſein feſter Entſchluß, den Alten im
Bärenthale aufzuſuchen, wenn dieſer noch
lebe, bei ihm ſeine Tage hinzubringen, folle
te er aber auch ihn bereits als todt bewei⸗
nen müſſen, ſo wollte er ſeinem Beiſpiele
folgen, ſich ferne von Menſchen, in einem
wilden verborgenen Orte feinen Aufenthalt
waͤhlen, und da in Einſamkeit und Trauer
das Ende ſeiner Leiden erwarten.
Ohne Geſellſchaft und Begleitung zu füs
chen, ohne einen andern Gefaͤhrten, als ſei—
nen nie verſiegenden Kummer, ſetzte er ſei⸗
— 233 —
nen Weg fort, er gedachte weder an Guſta—
ven mehr, noch an Johannen und Olof,
nur die Begierde, bald ganz entfernt von
Menſchen einſam Roſauren beweinen zu koͤn—
nen, beherſchte ſein Herz. So wanderte
er der waldigen Gebirgsgegend zu, wo er
den Alten zu finden hoffte. Da er keinen
Wegweiſer bei ſich hatte, und ſelbſt der Ge—
gend nicht kundig war, ſo verirrte er ſich
bald in den ungeheueren Holzungen, und
ſchon war der zweite Tag verfloſſen, und es
war ihm noch nicht gelungen, einen Aus⸗
weg zu finden. Da er keine menſchliche
Wohnung antraf, und nur von aufgeklaub—
ten Waldfruͤchten, und Quellwaſſer ſich näh—
ren mußte, ſo ſchwanden bald ſeine ohne—
hin nur ſparſamen Kraͤfte, und er ſah ein,
daß er nichts fo ſehr bedarfe, als guͤtige
Aufnahme in irgend einer Hütte, wo ihm
Labung und Ruhe werden konne.
— 234 —
Schon neigte ſich der dritte Tag zu En⸗
de. Swent war ſo ins Gebuͤſche gerathen,
daß er gar keinen Ausweg mehr ſinden konn⸗
te, als er endlich in der Ferne einen em—
porqualmenden Rauch gewahrte, dieſer Anblick
erfuͤllte ihn mit Freude, weil ſeine Beduͤrf—
niſſe aufs hoͤchſte geſtiegen waren. Er are
beitete ſich muͤhſam durchs Geſtrippe, und
bemerkte endlich eine kleine Huͤtte, der er
ſich mit eiligen Schritten nahte. Er pochte
an die Thuͤre, ein alter finſterer Mann trat
ihm entgegen, er war in einem ſchlechten
Kittel gehuͤllt, groß und dicht war ſein Bart,
und ſtruppicht hieng ihm das Haar um die
faltige Stirne. Er fragte um Swents Be⸗
gehren, und als dieſer ihn um etwas La⸗
bung und ein Plätzchen zur Ruhe anſprach,
hieß er ihn mit einem Tone, der ein Mittels
ding von Unwille und Gutmuͤthigkeit war,
eintretten.
—
e
Swent fand die Huͤtte von innen eben
ſo duͤrftig, als ſie ihm ſchon von außen ge—
ſchienen hatte, er nahm Platz in einem Wins
kel, und der Alte, der eben fein Nachtmal
bereitete, ſchien ſich wenig mehr um ihn zu
kuͤmmern. Endlich war die Speiſe fertig,
der Alte ruͤckte zwei halbzerbrochene Stühle
zu einem Brette, das auf einem Baum—
pflock befeſtiget war, und den Tiſch formir—
te, und hieß nun ſeinen Gaſt ſich laben.
Beide ſchienen wenig Verlangen nach einem
Geſprache zu haben, daher wurde auch die
frugale Mahlzeit in moͤglichſter Stille voll⸗
endet, nur ſo viel hatte Swent bemerket,
daß der Alte oft mit forſchenden Blicken
ihn betrachte, und ſchnell ſeine Augen zu
Boden ſenkte „wenn Swents Blick dem ſei⸗
nigen begegnete. Uiberhaupt bemerkte er an
den Alten ein gewiſſes ſcheues und furchtſa⸗
mes Weſen, das ihm eben nicht ſonderlich
gefiel.
Noch eine Weile ſaß Swent bei Tiſche,
während der Alte, der hier Herr, Koch,
Kellner und Dienſtmagd zu ſeyn ſchien, ſein
Eßgeraͤthe ſcheuerte, und in Ordnung brach⸗
te. Igt fragte ihn dieſer, ob er zur Ruhe
verlange, und Swent bejahte es, denn
ſchon ſenkten ſich von Mattigkeit verurſacht,
ſeine Augen zum Schlafe.
Der Alte bereitete nun einige alte Dee
ken uͤber etwas Laubſtreu, und wünſchte
ſeinem Gaſt wohl zu ruhen, waͤhrend er ſich
in den einen Winkel ſetzte, und einige Holz,
fpäne ſchnitt. 5 Sa
Swent nahm Platz auf den Decken,
wo es ihm bei ſeiner Ermattung ſo wohl,
wie auf Eiderdunnen behagte, und bald
gauckelten bunte Traumbilder vor ſeiner
Seele. Lange mochte fein Schlaf nicht ges
waͤhrt haben, Swent fühlte eine ungewoͤhn—
te Beruͤhrung auf ſeiner Bruſt, er wachte
auf, ſah ſeinen alten Bewirther ober ſich
4.
—
ſtehen, wie er in der einen Hand eine bren«
nende Lampe hielt, und mit der andern
Swents Bruſt geöffnet hatte. RNaſch fuhr
dieſer empor, ſchleuderte mit einem Arm
den Alten weit von ſich, daß er in einen
Winkel taumelte, und ſeine Lampe verloſch,
waͤhrend er mit der Hand nach feinem De⸗
gen grif, „Elender!“ rief er; „der du uns
ter dem Scheine der GBaffreyheit Mord
uͤben willſt, du ſollſt deiner Strafe nicht
entgehen.“
Der Mann. Halten Sie ein, Gott
ſey mein Zeuge, ich wollte nicht morden,
mich überzeugen wollte ich von einer Ahn⸗
dung, die mein Herz erfüllte, nein, nein,
uber meine Seele foll kein Mord kommen.
Swent. Zuͤnde Licht an, damit ich
mit dir ſpreche, ich werde ſtrenge Rechen
ſchaft fordern.
Der Mann ſchuͤrrte klimmende Kohlen
zuſammen, entzuͤndete ſeine Lampe wieder,
—
*
— 238 —
und ſank zu Swents Fuͤſſen, der mit blan⸗
kem Degen ober ihm ſtand. 1 39
Der Mann. O verzeihen Sie mir
eine That, die ich unternahm um mir uͤber
etwas Gewißheit zu verſchaffen. Morden
Herr wollte ich Sie nicht, durchſuchen Sie
mich, durchſuchen Sie mein ganzes Haus,
ob Sie nur das geringſte Werks zum
Morde bei mir finden werden.
Swent. So bekenne, was dich zu
einer fo ſeltſamen Handlung verleitete, der
ren Urſache ich mir auf keinen Fall zu ent⸗
raͤthſeln vermag. | Hk ed x |
Der Mann. Ja das will ich auch,
moͤgen Sie dann urtheilen uͤber mich, wie
fie wollen, und lange veruͤbte Verbrechen
ſtrafen, ich bin bereit alles zu dulden,
hoͤren Sie alſo nun meine Geſchichte. Ich bin
von eben nicht unbemittelt geweſenen Eltern
gebohren; Mein Vater beſaß eine anſehn⸗
liche Wirthſchaft, welche er immer im aufs
30 Bu
rechten Stand zu erhalten ſuchte. Ich war
das einzige Kind, und beſaß daher die Lies
be meiner Eltern im hoͤchſten Grade. Zwar
ſuchten Sie mir immer gute Grundſäͤtze
beizubringen, aber gegen meine Fehler waren
ſie dem ohngeachtet zu nachſichtsvoll, um
ſelbe mit gehoͤriger Strenge zu ruͤgen. Die
Natur hatte mir ein aͤuſſerſt lebhaftes Tem—
perament gegeben, ich hatte einen großen
Hang zur Luſtharkeit, der bei gehörigen
Bildung vielleicht viel meinem gluͤcklichen
und zufriedenen Leben beigetragen hätte, fo
aber bald in Luͤderlichkeit ausartete. Meine
Eltern ſtarben wie ich ein Purſche von fiebzehn
Jahren war, und Niemand war da, der
mir bei der Verwaltung meines angetret—
tenen Erbgutes hätte rathen koͤnnen. Ich
glaubte nun nicht die geringſte Urſache zu
haben, mir irgend ein Vergnügen zu ver⸗
ſagen, ich verſchwendete mein Geld mit vol—
len Haͤnden, und daß hiebei das Herz und
der Geiſt wenig gewannen, viel mehr vers
lohren, verſteht ſich von ſelbſt. Habſuͤchti⸗
ge Anverwandten halfen mir von meinen
Vermoͤgen, ſte ſtreckten mir Summen vor,
ich verpfaͤndte ein Grundſtuͤck nach dem
anderen, bezahlte nie Kapitel und Zinſen,
und ſo war es in wenigen Jahren dahinge—
kommen, daß ich von allen beraubt war.
Ich forderte von denen, die ich meine in⸗
nigſten Freunde zu ſeyn geglaubt hatte,
und die ſeither des Guten viel von mir
genoſſen, Hilfe, und ſie ſtießen mich mit
Verachtung von ſich. Ich hatte vorher auch
manchen Wibermuth verübt, und ward nun
dafuͤr zur Wiedervergeltung der Gegenſtand
allgemeiner Verachtung, dieß grub eine Art
wilden Menſchenbaß in meine Seele. Arn
und duͤrftig verließ ich die Wohnung, die
nicht mehr mein Eigenthum war, und wuß⸗
te nicht wo ich mich hinwenden ſollte, der
Menſchen Anblick ſcheuend, denn gewoͤhn⸗
*
x
lich ſchreibt man nicht ſich ſelbſt das ver—
ſchuldete Unglück zu, ſondern waͤlzt auf
andere dieſe Bürde. Ich gerieth in Bekannt⸗
ſchaft mit Soldaten, mein Koͤrperbau war
ſtark, ich trat unter die Fahne. Wild und
rauh geht es im Kriege her, und gluͤck—
lich iſt der Soldat, der bei grauſen Mord—
ſzenen noch ein gefühlvolles Herz behaͤlt,
aber bei mir konnte das der Fall nicht ſeyn,
denn ich hatte nur mit luͤderlichen ruchloſen
Purſchen Bekanntſchaft; ich artete nur vol⸗
lends aus, wollte mich nicht an Zucht und
Ordnung gewoͤhnen, und endlich ganz zum
Wuͤſtlinge herabgeſunken, verließ ich mit
mehreren meines Gelichters die Fahne; wir
verbargen uns in den Waͤldern. Bald ſchlug
ſich des boͤſen Geſindels viel zu uns, und
wir lebten vom Raube.
O laſſen Sie mich nur ſchweigen von
- allen den grauſamen Mordſzenen, welche
nun vorfielen, nur fo viel muß ich doch far
16
— 242 —
gen, dag ich zwar an Raub von aller Art
Theil nahm, aber mich huͤttet e, ſchuldloſes
Blut zu vergieſſen, ſo weit war ich noch
nicht entartet. Wir brachten uns gut fort
unfere Bande ward ſtark, und wohlbewaf⸗
net, wir kannten das Wort Furcht gar
nicht, die ganze Gegend umher war unfi-
cher durch uns geworden. |
Einſt kamen wir an einen anſehnlichen
Meyerhof. Wir beſchloſſen dieſen zu pluͤn⸗
dern, und durch unſere Anzahl kuhn ge—
macht, brachen wir gerader Dingen ein.
Die Bewohner deſſelben begegneten uns herz
haft, ſie toͤdteten einige unſerer Gefaͤhrten
und nun war die Wuth der Übrigen grän:
zenlos. Alles wurde niedergemacht was
uns in den Weg kam. Ach ich muß nun
eine Szene ſchildern, die ewig tief in mein
Herz gegraben bleiben wird. In dem Mey⸗
erhof befand ſich eine fremde Dame mit
zwei kleinen Kindern; Mit dieſem entfloh
— 248 —
ſie dem Gemetzel, aber einige meiner Ge—
faͤhrten eilten ihr nach, und ſchleppten ſie
zurück. Sie ſank zu ihren Fuͤſſen, ſie both
alles dar, was ſie beſaß, nur um ihr Le—
ben, um das Leben der Kleinen flehte fie,
O nie, nie werde ich dieſe Szene vergeſſen,
wie ſie die Kleinen ſo wehmuͤthig gegen uns
emporhob. Ich erkannte die Dame, ſie
war die Gattin meines ehemaligen Befehls—
haber, eines gewiſſen Iwars von Tollern,
ich glaubte ſie dadurch zu retten, daß ich
ihren Nahmen nannte, aber Iwar halte
mehreren meiner Gefaͤhrten ſehr übel begeg⸗
net, und dahingeriſſen von graͤnzenloſer
Wuth war fie ihr Opfer.
Ich konnte den Anblick nicht ertragen,
wie ſie mit ihrem ſterbenden Blicke noch an
den Kleinen hieng, dieſe in den krampfigen
Zuckungen des Todes zu umklammern noch
ſtrebte, — o Gott! in dieſem Augenblicke
war mir nicht anders, als ob ein Dolch—
5 16 (2)
ſtich durch mein Herz zuckte. Ich mußte
mich wegwenden, und fluchte der unmenſch⸗
lichen Grauſamkeit meiner Gefaͤhrten.
Als nun alles was in dem Meyerhof
gelebt hatte gemordet, und dieſer rein ge—
pluͤndert war, warfen fie Feuer in das
Gebäude, welches bald in helle Flammen auf
ſchlug, den Leichnahm von Iwars Gattin haf-
ten ſie nach einem tiefen Abgrund geſchleppt,
in welchen ſie ihn hinabwarfen. Schon
wollten ſie in ihrer Wuth auch die beiden
jammernden Kinder hinabſchleudern, aber
nun warf ich mich ihnen entgegen, und
ſchwur, daß der erſte der Hand an dieſe
ſchuldloſen Geſchoͤpfe legen wurde, es mit
mir aufzunehmen habe, ich ſtellte ihnen vor
daß ſie bereits der Grauſamkeiten genug
veruͤbet hätten, und doch wenigſtens dieſer .
kleinen unſchuldigen Geſchoͤpfe ſchonen ſoll—
ten. Sie ſahen mich lange ſchweigend an,
endlich mochte doch der Anblick der armen
— 245 —
Kinder Eindruck auf fie machen, fie gelob—
ten mir ihrer zu ſchonen, ich nahm den
Knaben zu mir, und einer meiner Gefaͤhrten
das Maͤdchen. So zogen wir fort. und
machten einen Weg von mehreren Tagen,
weil uns bange vor Nachſtellungen wurde.
Erſt am zweiten Tag fragte ich bei meinem
Gefaͤhrten, um das Maͤdchen, und er ge—
ſtand mir, daß ihm das kleine Ding allzu,
beſchwerlich geworden ſey, und er ſelbes
ſchon am vorhergehenden Morgen in einem
Gebuͤſche habe liegen laſſen. Ich wülbete,
und tobte uͤber dieſe neue Grauſamkeit, aber
die übrigen lachten meiner, und ich ſah nur
zu gut ein, daß es bereits zu ſpaͤt ſey,
zur Rettung des armen} Geſchöpfes zuruͤck—
zukehren. Den Knaben hingegen ließ ich
nicht von meiner Seite, er war mein Lich»
ling geworden,, und ſchon keimte der Ge—
danke in mir auf, den Raͤubern bei der
naͤchſten Gelegenheit zu eutgeh en, und den
— 246 —
Knaben mit mir zu nehmen. Wir erreich⸗
ten endlich nach einem Marſch von mehre—
ren Tagen eine große Berghoͤle, die ſchon
einmal unſer Aufenthalt geweſen war, und
beſchloſſen hier, von den erlittenen Beſchwer—
lichkeiten auszuruhen, der Aufenthalt hier
war für uns ſo ſicher und behaglich, daß
wir gegen drei Jahre da verweilten. Ich
war immer nur mit meinem Lieblinge be—
ſchaftigt, der auch in, feiner kindlichen Uns
befangenheit mit Liebe an mir zu hängen
ſchien, da ereignete es ſich nun einſt, daß
ein Theil von uns auf einen Streifzug ab⸗
geſchickt wurde, ich war dabei, und mußte
mich nun von dem Knaben trennen, doch
hofte ich in einigen Tagen wieder zuruͤckzu—
kehren. Wirklich kam ich nach kurzer Zeit
zuruck, fand aber meine Gefährten in der
größten Beſtürzung. Sie hatten einen Rei—
ſenden anſehnlichen Mann überfallen, die—
fen uͤberwaͤltiget, und nach ihrer Höhle ges
— 247 Dr
ſchleppet, nun eilten fie nach dem unfernen
feindlichen Heere um dort den Gefangenen
anzuzeigen, um weil ſie wohl wußten, wie
viel den Feinden an ſeiner Perſon gelegen
war dadurch reichliche Belohnung zu arnd⸗
ten. Der Knabe war in der Höhle zurüͤck—
geblieben, ſamt zween der Kauber. Wie
fie nun zuruͤckkehrten, den Gefangenen zur
Auslieferung obholen wollten, da fanden
ſie dieſen ſamt dem Knaben entflohen, und
die beiden zurück gebliebenen Gefährten ge—
toͤdtet. Da ſie wohl wußten, die Haͤnde
des Gefangenen mit Stricken ſorgfaͤltig ge⸗
bunden zu haben, ſo konnte niemand als
der Knabe ſeine Bande gelöſet, und ſo
deſſen Befreiung ſamt ſeiner eigenen erwirkt
haben. Man machte mir nun die bitter⸗
ſten Vorwürfe, daß ich des Buben Leben
erhalten habe, aber mein Herz freute ſich
über deſſen Rettung, und ich beſchloß nun
—
um ſo mehr bei der naͤchſten Gelegenheit zu
entfliehen.
Dieß gelang mir endlich, ich verließ
die Rotte, irrte lange auf Abwegen umher, |
und gelangte endlich in dieſe Gegend, wo
ich mir dieſe Huͤtte aufbauete, und entfernt
von Menſchen einſam lebte. Seit dem ſind
nun mehr als zwanzig Jahre verfloßen, und
immer ſchwebt noch lebhaft das Andenken
jener Szeuen vor meinen Augen, Reue uͤber
meine begangene Verbrechen foltert mich un—
aufhörlich, und dieſe Reue iſt um ſo groͤ—
fer, da ich mich ganz unfaͤhig weiß, auch
nur die geringſte meiner Thaten, durch ir⸗
gend eine Handlung vergüten zu koͤnnen.
Seit Jahren betrat keines Menſchen
Fußtritt meine Wohnung, wie Sie daher
cintrateu. war mir Ihr Anblick uͤberraſchend,
theils willkommen, um nur ein mal wieder
ein menſchliches Geſchoͤpf zu ſehen, theils
aber auch nicht, weil ich immer noch in je
.
dem einen Entdecker ſlkiter Handlungen ber
fürchte. Ich betrachtete Sie genau, und
d Himmel wie war mir, als mein Auge
das erſtemal in Ihren Zuͤgen verweilte.
Wie wir die ſchreckliche That an Jwars Gat—
tin begingen, war der von mir gerettete
Knabe zwar noch ganz unmuͤndig, allein ſei⸗
ne auffallenden Züge hatten ſich meinem Ge—
daͤchtniſſe immer eingeprägt erhalten, er
hatte viele Aehnlichkeit mit feiner ungluͤckli—
chen Mutter. Ich betrachtete nun Sie, und
ich fand dieſe Zuͤge noch deutlicher der
Mutter aͤhnlich. Ich konnte mein Staunen
nicht bergen, vergebens ſprach ich zu mir
ſelbſt, daß Sie unmoglich es ſeyn koͤnnten,
mein Geſicht widerſprach, und je laͤnger ich
mit mir uneins war, deſto groͤßer ward auch
die Begierde, mich hievon zu überzeugen.
Ich erinnerte mich, daß der Knabe auf der
Bruſt ein Maal in Form einer Traube habe,
dieſes beſchloß ich nun zu ſuchen, und da⸗
— 250 —
durch volle Gewißheit zu erlangen. Ich oͤf—
nete leiſe Ihr Wamms, und fand das Maal.
Dieß, fuhr der Alte fort, iſt nun die
Urſache einer Szene, die Ihnen nichts we⸗
niger als die Abſicht, Sie zu morden, bei
Ihrem Erwachen vorſpiegeln mußte, welches
mir aber nicht in den Sinn kam. Ich ha⸗
be Ihnen nun reines Geſtaͤndniß geleiſtet. 5
Sie fehen welchen Verbrecher Sie in mir
haben, und es haͤngt von Ihnen ab, wie
Sie früh begangene Unthaten rächen wollen.
Oias ſey ferne von mir“ ſorach Swent,
„ſteh auf, und leiſte mir nun nähere Ent⸗
huͤllung. Du ſagteſt in deiner Erzaͤhlung, |
daß der Knabe eben dieſes Maal, wie ich
habe, auf ſeiner Bruſt truge. Gut, weißt
du mir keine nähere Auskunft zu geben.
Wie naunte ſich der Knabe ehemals 2 |
Der Mann, Sein Vater war Iwar . |
von Tollern, und er führte den Namen
Swent. 7
Swent. Weiter, weiter, wer war
der Mann, der den Knaben aus der Hoͤhle
mit ſich nahm?
Der Mann. Ein großer Mann ſei⸗
ner Zeit, Erik Waſa. t
Swent. Ha beim Himmel, dann bin
ich eben dieſer ungluͤckliche, der fo früh ſchon
ſeine Eltern verlohr. Ach wie ſonderbar wird
mir nun Enthuͤllung meiner früheren Bege—
benheiten, ja ſelbſt mir ſchwebt wie ein luf—
tiges Traumbild die Erinnerung vor, einſt
unter Räubern gelebt zu haben. O wie graus
ſam handeltet Ihr an meiner Muttter.
Der Mann. Naͤchen Sie den Schat—
ten der Verklaͤrten an mir.
Swent. Das ſey ferne von mir,
das Schickſal wird raͤchen, was Strafe
verdient. ö EAN
Der Mann. Es hat es bereits ge.
than, die meiſten meiner Gefaͤhrten ſtarben
eines fuͤrchterlichen Todes, als endlich die
Raͤcherhand fie ereilte, nur ich ward ver:
ſchont, und durchlebe von Reue und Ge—
wiſſensangſt gepeiniget meine Tage.
Swent. Ach und gar, gar nichts blieb
mir von meinen Eltern übrig, nicht einmal
den Ort weiß ich, wo ihre Gebeine ruhen,
um dort mit heißen Thraͤnen ihren Grabhuͤ⸗
gel benetzen zu koͤnnen.
Der Mann. Und doch weiß ich Ih—
nen auch hierinn Enthuͤllung zu leiſten. Von
Ihrem Vater ſprach man allgemein, daß er
in einem Strome ſein Leben geendet habe,
aber wohin die Leiche Ihrer Mutter gebracht
wurde — | |
Swent. Das weißt du? o ſo ſprich
geſchwinde, geſchwinde, daß ich hineile, und
dort die Verklaͤrte anflehe, mich bald zu
ſich hinüber zu ruffen in die Gefilde der
Ruhe. ö |
Der Mann. Wenn ſie von hier ſich
entfernen, und zwei Tagreiſen weit immer
—
den ſchmalen Pfad fort wandern, der fid)
rechts durchs Gebuͤſche ſchlingt, dann fonts
men fie bald in eine ſchoͤne Gegend von
Waldung und Felſen umgeben, dort werden
Sie auf dem Abhange eines Felſens ein ale
tes gothiſches Gebaͤude ſehen. Es iſt ein ur—
altes adeliches Damenſtift, beſtimmt fuͤr edle
Frauen und Maͤdchen, welche verfolgt von
den Bedraͤngniſſen der Welt, in ſtiller Eins
ſamkeit Zuflucht ſuchen, ihren Aufenthalt
aber auch wieder verlaſſen konnen, wenn
gluͤcklichere Umſtaͤnde für ſelbe einttetten.
An der Ruͤckſeite dieſes Gebaͤudes windet ſich
eine niedrige Mauer laͤngſt dem Felſen, und
entlang den Ufer eines reißenden Bergfiro>
mes abwaͤrts. Dieſe umfaßt die geweihte
Stätte eines Kirchhofes, der zu dem Stifte
gehört. In der Mitte dieſes ſtillen Aufent—
halts ſteht eine alte, mehr als hundertjaͤhri—
ge Eiche, und unter ihrem Schatten erhebt
ſich ein ſimpler Grabſtein von weißem Mar⸗
mor, der birgt die Gebeine Ihrer ungluͤck⸗
lichen Mutter. | 3
Swent. Meiner armen Mutter. Ja,
ja, ich eile hin zu deinem Leichenhuͤgel Vers
klaͤrte, um bei deinen traurigen Uiberreſten
zu weinen, vielleicht umſchwebt mich dein
Geiſt, und hoͤrt mein Flehen, daß du auch
mich bald hinuͤber rufeſt in jene Gefilde,
wo ewige Ruhe wohnet.
Vergebens ſuchte der Alte den Juͤngling
zurüczubalten, er nahm Hut und Montel,
und verließ im Dunkel der Nacht die Huͤtte.
Seit der Nachricht von Roſaurens To—
de war Swenten das Leben zur Zaft gewor—
den, nur Todesgedanken umflirrten ſeine
Seele, und ſein Geiſt wandelte gerne in der
Gemeinſchaft mit Weſen jener Welt. Er
ſchwaͤrmte oft ſtundenlange von den Szenen
eines beſſeren Lebens, wo er ſeine Reſaura
wieder finden, und nichts mehr ihre Ver—
einigung hindern werde.
— 255 —
Nun da er ſo unvertmuthet feiner Mufs
ter trauriges Schickſal erfuhr, nun ſchwebte
auch ihr verklaͤrter Geiſt vor ſeiner Seele,
und fo wie die Erinnerung an ihr ſchreckli—
ches Ende ihn im innerſten erſchuͤtterte, ſo
erfüllten nun auch nur Todesgedanken ſeine
Seele. Sein Geiſt verirrte ſich in der Me⸗
lancholie ſchwermuͤthiger Ideen, welche ihn
mit ihrem ſchwarzen Fittig uimſchatteten. Tod
und Verweſung waren die Urquelle, in die
ſeine Fantaſte ihren geſchaͤftigen Pinſel tauch—
te, um ihm Szenen des Schreckens und der
Trauer vorzumahlen. Ss wandelte er in
der duͤſterſten Stimmung den bezeichneten
Pfad fort. In ſeiner Seele wars Nacht,
wie jene Finſterniß, die ihn nun wirklich
umgab, kein Sternchen leuchtete am Him⸗
mel, und kein Fuͤnkchen von Hofnung zur
Freude erhellte ſein Herz, ein wilder Sturm
zerzauſte die Wipfeln der Bäume, und wim—
merte ſo klaͤglich wie die Mutter am Ster—
— 256 —
bebette des geliebten Kindes, dieß war auch
feines Herzens Stimmung, in welchem, wie
der Sturm, der Schmerz tobte. N
Der Tag brach heran, Regenſchleyer
umhuͤllten die Sonne, und Swent war froh
der bleifarben Lichte des Tages, weil der
lachende Anblick der Heiterfeit mit feiner
Stimmung nicht harmonirte. Wer ihn be⸗
gegnet wäre, würde ihn für einen Wahnſin⸗
nigen gehalten haben, denn oft ſprach er laut
mit ſich ſelbſt, dann blieb er ſtehen, rang
feine Hände gegen Himmel, „o meine Mut⸗
ter, meine verklaͤrte Mutter!“ rief er, und
Thraͤnen quollen Häufig über feine, Wangen,
dann ſchwebte ihn Rofaurens Geſtalt vor,
ſeine Thraͤnen verſiegten, ein ſchmerzhaftes
Laͤcheln verbreitete ſich über feinen Mund.
„Ja,“ ſtammelte er, „ich folge bald zu Euch
hinuͤber,“ und wanderte wieder mit raſche—
ren Schritten vorwärts, — Am zweiten Aben⸗
de, als ſchon die Dämmerung dem tiefern
Schatten der Nacht Platz machte, erblickte
er von Ferne im halbdunkel gehuͤllt die go—
thiſchen Mauern des Stifts. Er verdoppels
te ſeine Schritte, obgleich Mattigkeit alle
ſeine Glieder befallen hatte, denn ununter—
brochen war er fortgeeilt, und hatte in die:
fen zwei Tagen nur wenige in Eile zuſam—
mengerafte Waldfruͤchte genoßen. Allein hier
theilte ſich der Pſad, beide fuͤhrten zu einem
Ziele, nur dieſer ſchneller, jener auf weite-
rem Umwege. Swent unkundig der Gegend,
waͤhlte letzteren. Zwar ſah er immer naͤher
die hohen Thuͤrme des Gebäudes emporra—
gen, ſo viel er nemlich in der Dunkelheit
unterſchieden konnte, aber bald mußte er
um den weiten Vorſprung eines Felſens Bers
umgehen, bald hinderte ein Sumpf, oder
ein ſteiler Abhang ſeinen weitern Weg. End⸗
lich umhuͤllten die Schatten der Nacht auch
den Anblick der Thuͤrme, welche ihn bisher
zur Richtung gedienet hatten, und tiefe Dun⸗
a 17
ul er
| kelheit umgab ihn. Swenk ſchritt unver:
droſſen fort, die Hofnung, bald am gewun⸗
- fchenen Ziele zu ſeyn, lieh ihm immer neue
Kräfte, Endlich zertpeilien ſich die Wolken,
ſilbern ſchwam im lichtern Grau die Mon⸗
denkugel hervor, und erhellte mit ihrem
dammernden Lichte matt und zweifelhaft die
Gegend. Nach ihrem Erſcheinen hatte Swent
ſich ſchon Lange geſehnt, weil ihm ſchon ban⸗
ge ward, die rechte Richtung verlohren zu
haben. Itzt aber wie weit umher alles in
| belleres Licht geſetzt ward, itzt ſah er beinahe
gerade ober ſich, verduͤſtert in eigene Dune
kelheit des Stiftes Mauern emporſteigen,
und ſeitwaͤrts hin den gothiſchen Schatten
der Thuͤrme ſich ausdehnen. Er erblickte die
bezeichnete weiße Mauer des Kirchhofes, ne⸗
ben welcher ſich mit tuͤckiſchen Murmeln der
Bergſtrom voruͤberwaͤlzte. Swent klimmte
nun den Felſen aufwaͤrts, an dem ſich die
Mauer befand, er fand bald eine Stelle,
—
— 239 —
ſie uͤberklettern zu koͤnnen, und betrat nun
die Stätte der Verweſung.
Es war eine ſtille heitere Nacht; Mile
lionen von Sternen flimmerten in den hoͤ—
heren Sphaͤren, und gleichſam gebleicht war
weit umher die Gegend. Melancholie und
ſtilles Schweigen wandelten Hand in Hand
umher, welchen das Grauen der unfernen
Mitternachtsſtunde mit langſamen Schritten
nachfolgte. Alles war ſo ſtille und verwaiſt,
nur hie und da ſummte ein glaͤnzendes In⸗
ſekt auf den zarten Faſern des Graſes, und
zeigte, daß nicht die Verweſung allein ihr
trauriges Pannier hier aufgeſpreitet habe.
Swent war in ſeltſamer Stimmung,
das ſtille, oͤde des Ortes, und die Schau—
erlichkeit von deſſen Beſtimmung hatte die—
ſen Eindruck auf ihn gemacht; er wanderte
unter bemoosten Gräbern umher, auf vers
weſte Knochen trat ſein ſcheuer Fuß, unter
ſeinen Tritten kollerten morſche Schedel. —
i 17 (
— 260 — ‚a
Grauen des Todes erfüllte ihn, und engte
feine Bruſt. Sein Blick ſtarrend nach jee
dem Gegenſtande gerichtet, den das zweifels
hafte Licht des Mondes zu taͤuſchenden Phans
tomen umſchuf, ſuchte die bezeichnete Eiche,
unter deren Schatten ſich der Grabhügel ſei⸗
ner Mutter befinden ſollte. Sein Geiſt
ſchien die Naͤhe des ihrigen zu fuͤhlen, denn
unwillkuͤhrliche Schauer rieſelten über feine
Wangen, und des Granens kalte Hand ſtreif—
te feinen Ruͤcken abwärts. Alle feine Sins
ne waren in einer Uiberſpannung, der noth-
wendig bald eine gaͤnzliche Erſchlaffung fol-
gen mußte. Je naͤher er dem Orte kam,
je mehr er dem Gedanken nachhieng, nun
das Grab ſeiner ſo ſchrecklich gemordeten
Mutter zu erreichen, deſto laͤnger klopfte
| auch fein Herz. Itzt ſah er von ferne im |
Mondenlichte den Stein vom weißen Mar⸗
mor blinken, fein Fuß bebte, feine Knie zit⸗
terten, und unwillkuͤhrlich ſchlugen feine Knie
4
— 261 —
zuſammen; „o ja, ja Mutter, ich fühle dei⸗
ne Gegenwart,“ wollte er rufen, und die
Worte floßen nur im leiſen Geliſpel uͤber
ſeine bebenden Lippen.
Er hatte den Ort erreicht, er wollte
hinſinken an des Steines Stuffen, als er
itzt im Hintergrunde deſſelben ein offenes
Grab erblickte, in dem ſich etwas zu regen
ſchien. Er blieb ſtehen in der heftigſten
Spannung, in der jemal alle ſeine Seelen⸗
kraͤfte geweſen waren. Noch glaubte er ſich
zu kaͤuſchen, aber ſieh, eine Geſtalt ſchwank⸗
te aus dem geoͤfneten Grabe hervor, gehuͤllt
in einem langen weißen Schleier. Hell bes
leuchtete fie der Mond, fo wie Swent in
dem Schatten der Eiche ſtand, an die er
ſich, ſeiner Kräfte kaum mehr mächtig, leh⸗
nen mußte. Itzt wand die Geſtalt ſich ge⸗
gen die Eiche, der Mond beſchien hell ihr
Geſicht. — „Allmaͤchtiger Gott, der Geiſt
meiner Roſaura,“ wollte Swent aufſchreien,
— 262 —
*
aber die Worte verſtummten auf der beben⸗
den Lippe, die uͤbermaͤſſige Anſpannung ſei⸗
ner Kräfte ließ ploͤtzlich nach, und er glei⸗
tete ohne Beſinnung auf den Fuß des Grab⸗
ſteines hin.
Er begann allmaͤhlich ſich wieder zu er⸗
mannen. Schein von Lichtern drang in ſeine
Augen, wie er dieſe oͤfnete, er ſah ſich von meh—
reren Menſchen umgeben, wovon einige be—
müht waren, ihn zu ſich zu bringen. „Wo
bin ich?“ liſpelte Swent, „wandle ich
denn noch unter den Lebenden?“ Das Ge⸗
ſchehene hatte ſeine Sinne irre gemacht, und
er ſtarrte immer noch mit ſcheuem Blick die
Anweſenden an. 5
Re: Eine bejahrte Dame nahte fih dem Juͤng⸗
linge, ſie ergrif mit theilnehmender Miene
ſeine Hand. „Erholen Sie ſich,“ ſprach ſte,
„Sie ſind in guten Haͤnden, verlaſſen Sie
mit uns dieſen traurigen Aufenthalt, ſie be—
dürfen der Pflege, welche Ihnen die Bes
— 263 —
wohnerinnen jenes Gebäudes, deren Vorſte⸗
herin ich bin, willig und gerne reichen wer»
den. „O nein, nein,“ ſtammelte Swent,
„laſſen Sie mich immer hier, hieher gehoͤre
ich, hier wo die Gebeine meiner verklaͤrten
Mutter ruhen, wo ich den Geiſt witze ge⸗
liebten Rofaura ſah.“
Die Dame Was ſagen Sie, hier
ruhen die Gebeine Ihrer Mutter 2 wie Schwe—
ſtern, ruht hier nicht die ungluͤckliche Siege
britte, die Gattin Iwars von Tollern?
Swent. Ja, ja, ich bin der Sohn
der Ungluͤcklichen, bedaurenswerth wie Sie
es war. Ach ihr ward ewige Ruhe zu Theil,
ich, ich kaͤmpfe noch mit den Leiden des Les
bens wie der Schiffer mit den Wellen des
ſtuͤrmenden Ozeans. 7
Die Dame. Armer Juͤngling, auch
Ihr Nachen wird noch in den ſicheren Has
ven ſteuern. Sie ſehen hier nur Bewohner,
welche Leiden in dieſe ſtille Gegend trieben.
— 264 —
Theilnahme an Leiden wird Ihnen hier zu
Theil, kommen fie, folgen Sie mir nach
einem Zimmer, kühl iſt die Nachtluft, und
leicht koͤnnte ſie Ihnen ſchaͤdlich werden.
Swent. Kann mir ein Schritt zur
näheren Vollendung unwillkommen ſeyn?
Die Dame. Nicht ſo armer junger
Mann, dem Schmerze muß der Menſch
nicht unterliegen, ſtandhaft in Leiden ſeyn,
iſt Tugend. AR |
Swenr. Leiten Sie mich, nur goͤn⸗
nen Sie mir dieſe Staͤtte wieder zu be—
ktretten.
Die Dame. Gerne gerne, wir wol⸗
len Sie begleiten, mit Ihnen um die Ver-
lohrne trauern.
Swent. Und dort — o dort ſah ich
fie — fie meine Roſaura herausſteigen aus
dem duͤſteren Grabe ihrer Schattengeftalt —
o warum iſt ſie mir ſo ſchnell verſchwunden?
Die Dame ſah ihre Gefaͤhrtinnen be—
deutend an, reichte Swenten die Hand,
und führte ihn nach dem innern des Ge-
baͤudes.
Wirklich war der Arme ſo erſchoͤpft,
daß er nur matt einher wanken konnte, und
nun ſich ſogleich zur Ruhe begeben mußte.
Nur bei einer ſo gaͤnzlichen Abſpan nung aller
Kräfte war es moglich, daß der Schlaf ſei—
ne Augen ſchlieſſen konnte, er ſchlummerte
lange und anhaltend, und gewann hierdurch
neue Kraͤfte. Wie er aufwachte, zwar am
Körper ſich geſtaͤrkt fühlte, aber nun auch
die Leiden der Seele wieder ruͤckkehrten,
da nahte ſich ihm mit heiterer Miene
die ehrwuͤrdige Matrone. Sie begann
ein freundſch aftliches Geſpraͤch mit ihm,
und forſchte wie er hergekommen ſey.
Swent erzaͤhlte ſeine Begebenheit, theils
aber um der Dame verſtaͤndlich zu werden,
theils aber auch, weil der Mund ſo gerne
von dem ſpricht, von dem das Herz voll
— 266 —
| | 0 |
iſt, begann er von den fruͤheſten Szenen ſei⸗
nes Lebens, und ſchilderte guch ſeine Liebe
zu Rofauren, „Wie, ſprach die Dame, und
Sie hätten Johannen wirklich nicht geliebt,
waͤren nicht ihr Gemahl geworden?“
Swen t. Beim Himmel nein, ich
konnte nur einmal lieben, und das war
Roſaura, ach daß Sie mir vorgehen mußte
in jene Welt, fie die allein das Gluck mei⸗
nes Daſeyns hätte gründen koͤnnen. W
Die Dame Und was überzeugt
Sie richtig von ihren Tode; die Nachricht
des Kaufmanns aus Dännemark? konnen
nicht Nachrichten truͤgen?
Swent. Er war Augenzeuge von
ihrem Hinſcheiden, denn von der Reiſe er⸗
mattet, fand er eben Aufnahme in dem
Stifte, in welchem Roſaura war, als Ihre
lezte Stunde ſchlug.
Die Dame. Wir wollen die Sache
von einer anderen Seite betrachten, und
Möglichkeiten vorausfegen. Nehmen Sie
an daß Roſaura erfüllt mit den Leiden ver⸗
ſchmaͤhter Liebe, durch einen Zufall in die
Naͤhe des Stiftes gekommen ſey, dort ges
hoͤrt habe, daß dies ein Zufluchtsort fuͤr
leidende Arme waͤre, und ſich mit Recht
unter die ungluͤcklichen zaͤhlend, den Ent⸗
ſchluß gefaßt habe, dort Aufnahme zu für
chen. 5 |
Swent. O ſehr möglih und auch
wahrſcheinlich. u)
Die Dame Gut, fie wurde aufs
genommen, und ihr ſchwacher Körper une
terlag den Leiden der Seele, ſie erkrankt,
wird allmahlich ſchwaͤcher, der Arzt verſagt
ihr die Hofnung zum Leben, und die Symp⸗
tomen des nahen Todes ſchreiten einher.
Swent. Ach wie jedes Ihrer Wor⸗
te durch meine Seele ſchneidet.
Die Dame. Traurend ſtehen ihre
Mitſchweſtern um fie her, nach einem An⸗
/
h
blicke ſchauend, der jeder von ihnen noch
zu Theil wird, das dumpfe Gebeth der
Umſtehenden unterbricht allein die herfchen«
de Stille — der reiſende Kaufmanu nimmt
gleichfalls Theil, ihn dauert die zu fruͤh
geknikte Blume, itzt erliſcht das Auge der
Sterbenden, ihr Athem iſt verſiegt — fie
iſt nicht mehr! rufen die Schweſtern, einie
ge ſtuͤrzen ſich zu ihrer Leiche, und bede—
cken fie noch mit Kuͤßen, die anderen eilen
traurig nach ihrem Zimmer, mit ihnen eilt
der Reiſende fort, fraͤgt noch nach Stand
und Nahmen der Verſchiedenen, bedauert
fie als feine Landsmaͤn nin, beſteigt feinen
Reiſewagen, und kehrt nach ſeinem Vater⸗
laude zuruͤck.
Swent. Der Gluͤckliche! dem es ge⸗
goͤnnt war, ihren letzten Blick zu ſehen.
Die Dame. Schon iſt er fort, und
plotzlich koͤmmt eine der jüngeren Schwe—
ſtern aus dem Sterbezimmer mit wilder Haſt,
and ruft um Hilfe, man eilt herbei, fie
fagt , fie habe der Berfhiedenen , die fie
ſehr liebte, noch einen Kuß auf die Lippe
gedruckt, und einen warmen Hauch aus
dem Munde gefuͤhlt, man eilt hiezu, man
findet keine Spur. |
Swent. Ach der Tod giebt nie
ſein Opfer zuruͤck. ö
Die Dame. Der Arzt halt ſtarr
den Blick nach dem Geſichte gerichtet, immer
die ſtarre Hand in der ſeinigen, der Puls
bewegt ſich, ruft er itzt.
Swent. Gott!
Die Dame. Keine der Schweſtern
wagt einen Laut von ſich zu geben, aber
itzt bewegt ſich die Lippe, itzt zeigt ſich war⸗
mer Hauch im vorgehaltenen Spiegel, itzt
zittern die Augenlieder, und Thraͤnen der
Freude werden lauter.
Swent, Mein ee o hoͤren he
auf!
N
Die Dame. Die gefaͤhrlichſte Kriſis
zwiſchen Leben und Tod endet, und ents
ſcheidet fuͤr erſteres, dem ſich die ſchon Be⸗
weinte ſtufenweiſe naͤhert.
Swent. Ich erliege meinen Ge⸗
fuͤhlen. |
Die Dame. und allmählich blüht
ſie zur Geſundheit heran.
Swent. Sie lebt wieder auf? Gott
fie lebt wieder auf? |
Die Dame. Bald darauf erkrankt —
Swent. Wer? |
Die Dame. Ihre Freundin, eben
die, welche die erſte Spur ihres Lebens
fand, und wird leider wirklich des Todes-
opfer. Traurend begleiten fie die Schwe⸗
ſtern zu Grabe, aber mehr als alle leidet
die ehemal von ihr gerettete Freundin. Die
Leiche wird in die Grube geſenkt, noch
laͤßt man die Erdſchollen nicht darüber her—
kollern, weil man zu gleich am folgenden
Tage einen Leichenſtein fegen will. In der
Nacht, wie alles ſchlaͤft, nur die traurende
Freundin einſam weilt, und weint, kann
dieſe dem Verlangen nicht widerſtreben, ſich
dem Grabe zu nähern, und noch einmal auf
dem Sarge der Geliebten zu weinen „und
zu beten. Sie wandelt einſam hinaus zur
Stätte des Todes, ſteigt hinab in das
Grab, wirft ſich auf den Sarg, und macht
ihrem gepretzten Herzen durch häufige Thraͤ—
nen Luft. Itzt befaͤllt fie ein Schauer von der
kühlen Rachtluft erzeugt, fie erhebt ſich
langſam aus dem Grabe, hoͤrt Geraͤuſch
neben ſich, ſieht einen Mann unfern zu⸗
ſammenſinken, flieht erſchrocken, ruft um
Hilfe, und man findet den Sohn Iwars
von Tollern; der Fatt Rofaurens Geiſt fie
ſelbſt lebend erblickt hat.
Swent. O mit welcher Zauberkraft
ſuchen ſie mich mir ſelbſt zu entheben, ich
ſchwanke zwiſchen erſchuͤtternder Wehmuth
— 272 —
und Wonne. Moͤglichkeiten ſetzen ſie vor⸗
aus? warum nun dieſe Moͤglichkeiten, wenn
ſie nicht verwirklicht werden koͤnnen.
Die Dame. Und wenn ſie es nun
ape und wenn nichts mehr als, daß
Rofaura weiß, von Ihnen immer e
zu ſeyn, fehlte, um —
S went. Hier liege ich zu Ihren Füfe
ſen, hier flehe ich um des Himmels Barm—
herzigkeit willen, loͤſen Sie meine erſchät⸗
ternde Beklemmung — bei Gott Sie find
mir ein rettender Engel wenn das Wort
Wirklichkeit uͤber ihre Lippen ſtroͤmt.
Die Dame. Faſſen Sie ſich Swent,
ich ſprach keine Taͤuſchung.
„Sie lebt, Roſaura lebt!“ rief Swent
und mehrere Worte vermochten nicht uͤber
ſeine Lippen zu kommen, zu groß war das
Uibermaß der Freude, itzt ſtuͤrzten Thraͤnen
aus ſeinen Augen, waͤhrend der Mund laͤ⸗
chelte; itzt falteten ſich ſeine Haͤnde gegen
Himmel, nun drückte er die Hand der Dak
me an fein Herz, nun flehte er wieder ihm
nicht länger von der Geliebten entfernt zu
halten. Dieſe ſuchte ihn zu beruhigen, fie
bedeutete ihm, daß fie vorerſt mit Roſau—
ren ſprechen wolle, daß er ohne ihrer aus—
drücklichen Einwilligung ſie nicht ſehen duͤrfe,
aber dieſe ſelbſt hatte jedes Wort an der
Thüre behorcht, fie ſelbſt vermochte ſich nicht
mehr zuruͤckzuhalten, fie floh in das Gemach
und in Sweuts Arme, der zu ihren Fuͤſſen
herabgleitete. s
Stumm nahm die alte Dame Theil
an der beſeliegenden Wonne der Liebenden.
Sie hatten ſich wieder gefunden, ihre
Herzen waren ausgeſöhnt, jedes Hinderniß
befeitiget , nichts ſtoͤhrte mehr die Vereini-
gung der Liebenden. Wie gerne willigte
Roſaura ein, ihren ſtillen Aufenthalt zu vers
laſſen, und ihre Lebenstage an die des Ger
liebten zu ketten. Aber noch hatte Swenk
18
[|
nicht den lezten Tropfen aus dem bittern
Kelche der Leiden geleert, noch ſollte er
zwei ſeinem Herzen nahe Perſonen finden,
und nur an der Seite der einen den Vers
luft der anderen betrauren koͤnnen. 5
Schon hatte er alle Anſtalten getrof⸗
ſen, um mit Noſauren das Stift zu ver⸗
laſſen, und zu ſeinen Freunden zuruͤckzukehren,
als man eines Tages ſtark am Glockenringe
zog, der an der Pforte des Stiftes war.
Ein Bauer ſtand außen, er berichtete, daß
er unferne einen alten Mann gefunden habe,
welcher ſchwer verwundet ſey und kaum
mehr einige Stunden zu leben haben wer-
de. Man traf ſogleich Anſtalten, brachte
den Verwundeten in eines der Gemaͤcher,
der Arzt eilte herbei, bedeutete aber ſogleich
daß hier ſeine Kunſt zu beſchraͤnkt ſey, um
den bereits ausgeſtreckten Arm des Todes
noch zuruͤckbeugen zu koͤnnen. Swent hoͤrte
von dem Verwundeten, mitleidsvoll be⸗
— 175 —
gab er ſich nach deſſen Zimmer, dieſer hat⸗
te ſich eben von ſeiner Betaͤubung erholt,
und lag matt auf dem Bette dahingeſtreckt.
Swent näherte ſich, „Gott wärs moglich,“
rief er, und erkannte ſeinen ehemaligen
Freund, den Alten aus dem Baͤrenthale.
Sey mir willkommen ſprach der Greis, und
ſtreckte ſeine zitternde Hand nach ihm aus,
welche Swent mit theilnehmenden Thränen
benezte. N
Der Greis. Ich bin froh dich zu
ſehen, nach dir ſehnte ich mich noch einmal,
denn mein Herz hat dich lieb gewonnen,
ich freue mich von dir, bevor der Tod
mich erreicht, Abſchied nehmen zu koͤnnen.
Swent. Waͤre denn keine zur
mehr möglich?
Der Greis. Vergebens, der Boͤſe⸗
wicht traf zu gut, hier, hier nahe beim
Herzen liegt die Kugel. |
Smwent. Wer iſt der Thäter ?
| 18 (2)
> 276. —
Der Greis. Ein Reiſewagen wur⸗
de von Räubern angefallen, ich war»
derte eben in der Naͤhe, ich eilte zur Hilfe
berbei, und eine Kugel ſtreckte mich zu Vo—
den, o glaube ja nicht daß ich darüber mich
kranke, nur zu lange ſchon betrat ich die
dornigen Pfade des Lebens, dort — dort
harren Perſonen meiner, die meinem Her⸗
zen nahe geweſen ſind.
Swent. Armer, armer Freund.
Greis. Mit dir wuͤnſchte ich noch
etwas zu ſprechen. Vom erſten Anblicke an,
habe ich dir gut gewollt, aber auch immer
fchien ich dir raͤthſelhaft. Nun da die ent⸗
ſcheidende Stunde meiner Aufloͤſung naht,
will ich nicht ohne Enthüllung eines Geheim⸗
niſſes von hinnen ſcheiden. Vielleicht wirſt
du ſchon meine Geſchichte gehoͤrt haben, und
ich bedarf nicht hinzuzuſetzen, als daß Gott
mein Zeuge ſey, daß ich nie unredlich an
meinem Vaterlande handelte, ſo ſehr gegen
mich der Schein war,
Swent. Deine Geſchichte? wo folk.
ich ſie gehoͤrt haben?
Der Greis. Ich bin der ungluͤck⸗
liche Imar von Tollern, — Gott! mein Bas
ter, ſchrie Swent; und ſturzte zu den Fuſ—
ſen des Greifen bin. Man eilte herbei,
man brachte Swenten zu ſich, wollte ihn
fortführen vom Lager des Sterbenden, aber
dieſer ſelbſt verlangte mit ihm zu ſprechen.
„O mein Vater,“ ſtammelte Swent, und
Thraͤnen erleichterten fein gepreßtes Herz —
der Greis foderte Enthuͤllung, Swent lei-
ſtete ſie, und ſtilles Laͤcheln verbreitete ſich
über die Miene des Setrbenden. „Ich bar
pe,“ ſprach er, „heute ein dreifaches Gluͤck
erreicht. Ich eile der ewigen Ruhe entgegen,
ich habe meinen Sohn gefunden, und den
Ort erfahren, wo meine Siegbritte ruht.
Tritt naͤher Swent, laſſe mich mein Haupt
en deine Bruſt legen, fo will ich enden,
Wenn die Erloͤſung meines Geiſtes von
— 278 —
dieſer Hülle voruͤber iſt, dann laſſe meine Lei⸗
che zu den Gebeinen meiner Gattin legen.
0 Noch eins Swent, du haſt eine Schwe⸗
ſter gehabt, ſie gieng mir mit dir zugleich
verlohren, o mir wurde viel auf einmal ent⸗
riſſen. Vielleicht wandelt auch fie noch tie
ter den Lebenden, ſie if um ein Jahr juͤn⸗
ger als du, ihr Name iſt Johanna.
Swent. Johanna?
Iwar. Nimm aus meinem Busen das
Bild deiner Mutter bisher mein liebſtes Ei—
genthum, ſchon als Kind verrieth Johanne
Aehnlichkeit mit diefen Zügen — fo wie du
das Maal einer Traube auf der Bruſt traͤgſt,
fo hat es Johanna am linken Arme.
Swent. O mein Gott, fie iſt gefun⸗
den, Johanna lebt, meine Schweſter lebt.
Jwar. Gott ſegnet mich mit Troſt in
meiner letzten Stunde. Ich ſehe zwar nur
eines meiner Kinder — doch dort, dort er-
warte ich euch beide. Bringe deiner Schwe⸗
De er >
29 —
fier einen Theil des Segens, den ich über
dich ausſpreche. Bleibt tugendhaft, und
glücklich — ich ſterbe froh, ich eile zur ver—
klaͤrten Gattin. —“
Er ſchwieg, fein Haupt lag an Swents
Bruſt, deſſen Herz ſtumme Trauer durch-
ſchnitt — der Greis ſchien zu ſchlummern,
itzt hob er ſeinen Blick zu ſeinem Sohne
empor, über ſeinen Mund verbreitete ſich
ein ſanftes Lächeln, und mit dieſem Laͤcheln
entſchwand ſein Geiſt.
Sent war troſtlos, er uͤbertrug der
Aufſeherin des Stiftes die Sorge fuͤr die
Beerdigung ſeines Vaters. Man befolgte
deſſen letzten Willen, neben Siegbrittens
Gebeinen ruhte ſeine Leiche, ein Stein drück⸗
te beide.
Als Swent ſich erholt, und männliche
Faſſung uͤber ſeinen Schmerz gewonnen hat—
te, weilte er nicht länger hier, nahm Ab=
ſchied vom Grabe ſeiner Eltern, und von
den Damen des Stiftes, und trat nun ſei⸗
ne Reiſe an.
Unterwegs erfuhr er, daß Guſtav Wa⸗
ſa nicht nur ſein Vaterland gerettet habe,
ſondern auch allgemein zum Koͤnige ausge⸗
— 241—
ruffen worden ſey. Dice Nachricht erhei⸗
terte ſein Herz wieder, er eilte zu ſeinem
königlichen Freunde, der Swenten bereits
als todt betrauerte. Mit Freude und Aus-
zeichnung wurde er von dem edlen Fürſten
einpfangen; und fand hier Olofen, der in
Guſtavs Dienſte getretten; und mit Johan-
nen vermaͤhlt war.
a Als Bruder hatte er von ihr Abſchied
genommen, als Bruder umarmte er ſie
wieder. Guſtav uͤberhaͤufte ihn mit Güte
tern, fein erſtes Geſchäft nach feiner Ver—
mählung mit Roſauren war, daß er auf
Iwars und Siegbrittens Grab einen praͤch⸗
tigen Leichenſtein ſetzen ließ. In ſtiller Ru⸗
he verlebte er feine Tage, alle Jahre reiſe⸗
ren beide Geſchwiſter mit ihren Gatten nach
dem Stifte zu den Grabmahle der Verklaͤr—
ten, und in ſpäteren Jahren, erſt als Iwars
Gebeine lange ſchon zu Staub vermodert
waren, wurde auch ihr Verlangen erfüllt,
unter dem naͤmlichen W ihre Ruhe⸗
ſtätte zu finden.
Ende.
4 Pie a m — PE UA = Da a 3
University of
Connecticut
Libraries
aan
39153028257444