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Full text of "Swent von Tollern, oder, Der Alte im Bärenthale : eine romantische Erzählung aus den Zeiten Gustavs Wasa"

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Shen von Tollern ; 


oder: . 
Der Alte im Bͤͤrenthale. 


oo nn 


Eine romantiſche ail aus ben Zeiten 
Guſtavs Waſa. 


— OO 


Vom 


* 


Verfaſſer Waldraf des Wand⸗ 
lers, der Unbekannten im Tau⸗ 
nenhaine, u. ſ. w. 


888 e 


— — 
Leipzig. 5 


*. Verlag der hl Poltiſchen Bude 
Bun ung. 


5 
Nach dem Tode Margarethens „ Koͤniginn 

von Dännemarf, und Norwegen, welche 
vermög der kalmariſchen Union, auch Schwe⸗ 
den beherrſchte, wuͤthete in dieſem letzteren 
Reiche bald die Flamme des Krieges fürchter⸗ 
lich. Nicht mehr laͤnger faͤhig, die harte 
Bedruͤckung, vorzuͤglich der in Schweden 
liegenden Daͤnnen zu ertragen, ſuchten dieſe 
ſich wieder ihren eigenen Beherrſcher zu er— 
wählen. — Doch, da wir nicht geſonnen find, 
hier die Geſchichte dieſer Reiche zu beſchrei⸗ 
ben, ſo fuͤhren wir nur ſo viel an, daß 
endlich nach vielen Kaͤmpfen der Staathalter in 
Finnland, Karl Knutſon allgemein, vermög 


1 (3) 


— 4 — 


feiner ruͤhmli chen Eigenſchaften, zum Koͤni⸗ 
ge erwaͤhlt wurde, daß er aber wenig Ruhe 
genoß, weil Chriſtian der Erſte von Daͤn⸗ 
nemark, das Recht auf Schweden, daß ihm 
durch die kalmariſche Union zukam, mit Ge⸗ i 
walt der Waffen, und aller möglichen Ans 
ſtrengung geltend zu machen ſuchte. 

Dieſe kleine hiſtoriſche Einleitung wer— 
den uns die Leſer um ſo eher zu guten hal— 
ten, da ſie in der Folge ſehen werden, daß 
ſie zu dem Zuſammenhange unſerer Geſchich— 
te unumgaͤnglich nothwendig war, 


Unbekuͤmmert um alle dieſe Ereigniffe 5 
lebte bisher Iwar von Tollern ruhig in Häle - 


ſing land, auf einem reitzenden Edelſitze am 
ufer der See. Er hatte ſich lange im Ge⸗ 
raͤuſche der Welt herumgetrieben, ſich der Er⸗ 
fahrungen viele, vorzüglich aber dieſe ges 
ſammelt, daß fein Herz nie Vergnügen an 
geraͤuſchvollen Ergoͤtzungen finden werde, ſon— 
dern file häusliche Ruhe ihm weit mehr ans 


u 


gemeßen ſey. Schon hatte Iwar fein dreie 
bigſtes Jahr erreicht, und noch hatten die 
Empfindungen der Liebe keinen Eingang in 
ſein Herz gefunden, aber nun, da er fer— 
ne von Getümmel, Kaballen und Unruhe ſich 
der ſtillen haͤuslichen Ruhe widmete, nun 
fühlte er, daß ihm weit wohler noch an der 


Seite einer geliebten Gattin, im Zirkel hol- 


der Kinder ſeyn würde. Er ſuchte lange 
unter den Toͤchtern des Landes ſich eine Gate 
tin „ohne ein Geſchoͤpf zu finden, mit dem 
ſein Herz harmoniren konnte, als er end— 
lich das, was er in weiterer Ferne verges 
bens geſucht hatte, unvermuthet in feiner Naͤ— 
he fand. Ein alter Edelmann, der in Iwars 
Nähe wohnte, ſtarb, und war vor ſeinem 
Tode auf den Einfall gerathen, gerade Iwarn 
mit dem er wegen Jagdſtreitigkeiten nie in fon= 
derlicher Eintracht gelebt hatte, aber von 
feiner erprobten Redlichkeit überzeugt war, 
zum einſtweiligen Verweſer ſeiner Beſitzungen, 


— 


dem Erbtheile einer noch minderjaͤhrigen Tod)» 
ter, zu ernennen. Iwar traf ſogleich mit der 
dem redlichen Manne eigener Thaͤtigkeit und 
Ordnung die noͤthigen Veranſtaltungen und 
nahm das hinterlaſſene Maͤdchen Sigbritte zu 
ſich in ſeine Wohnung. | 
Sigbritte hatte erſt das ſiebzehnte Jahr 
erreicht; holde Neige ſchmuͤckten fie in vol- 
ler Bluͤthe, ihr edles Herz, ihr gebildeter 
Geiſt machten ſie in Vereinigung mit ihrer 
Schoͤnheit zum vollkommenſten Gegenſtande 
reiner Liebe, | 
Bisher hatte Iwar noch nicht geliebt, 

nie war er ſo vertraut mit Damen geweſen, | 
um jede ihrer kleinen Eigenſchaften, und ihr 
Benehmen beurtheilen zu konnen, oft hatte 
Schoͤnheit auf ihn Eindruck gemacht, aber 
immer fand er dieſe Reitze, entweder mit 
Unverſtand, oder abſchreckenden Zügen des 
Herzens, oder mit Fehlern, die nur fir 
ihm Fehler ſchienen, weil Umſtände ihn hin— 


— 


derten, in das innere diefer Herzen zu drin⸗ 
gen, vereinbart. Auch nun geſtand er ſich 
bald, daß Sigbritte eines der reitzendſten 
Maͤdchen ſey, aber was ihm bisher verſagt 
geweſen war, gelang ihm nun. Er war 
Augenzeug jeder ihrer Handlungen, die gan⸗ 
ze Weiblichkeit ihres Herzens in ihren Schwaͤ⸗ 
chen und Vollkommenheiten lag vor ihm 
enthüllt, und er erhielt Gelegenheit genug, 
das Maͤdchen immer mehr und mehr zu be⸗ 
wundern. | 

So erfüllten endlich die ihm bisher uns 
bekannt gebliebene Gefuͤhle der Liebe ſeine 
Bruſt, aber nun ſtieg auch die Bedenklich— 
keit empor, ob Sigbritte, ſo ſehr in Jahren 
gegen ihn zuruͤck, ihr Herz einem Manne 
Öffnen werde, der zwar bieder und tugend— 
haft ſey, durch deſſen Adern noch immer 
raſches Blut rolle, dem aber die Geſchmei— 
digkeit der Jugend und ihre Taͤndelleyen 
fehlten. Er beſchloß Sigbritten nicht das 


— 8 — 


geringſte von ſeinen Gefuͤhlen zu erkennen 
zu geben, eher zu erforſchen wie ſie gegen 
ihm geſinnet ſey; aber zu wenig bekannt mit 
Verſtellung, wußte das Madchen früher, 
als er ahndete, was in ſeinem Herzen vorge— 
he. Auch fie hatte ganz das Edle ſeines 
Herzens kennen gelernt. Iwars Geſtalt ſelbſt 
war nicht unangenehm, und ſo erwiederte 
ſie ſeine Gefaͤlligkeiten, mit gleicher Zu— 
neigung. Noch mehr durch Sigbrittens Guͤte 
dahingeriſſen, geſtand er ihr einſt in einem 
vertrauten Augenblicke ganz mit der Spra⸗ 
che der Innigkeit feiner Gefühle, feine Liebe, 
und flatt Hofnung auf Gegenliebe, um die 
er flehte, erhielt er das Geſtaͤndniß, daß 
auch er ihrem Herzen theuer geworden ſey, 
daß Liebe und Treue ſeiner harre. 

Nun war Jwar ganz glücklich, er be⸗ 
ſchleunigte ſeine Verbindung mit der Gelieb⸗ 
ten, und in dieſen Tagen des Eutzuͤckens x 
dürfte die Hälfte des Er dballs in Trümmer 8 
. ö a . ” 


geſunken ſeyn, fo wuͤrde nichts, als die 
Furcht fuͤr ſeine Gattin ſeine Ruhe haben 
ſtoͤren koͤnnen. Bald ſah er ſich auch ſeinem 
zweyten Wunſche näher, Sigbritte gebahr 
ihm einen Sohn, den er Swent nannte, 
und im folgenden Jahre ein holdes Maͤdchen, 
welche den Nahmen Johanne erhielt. Iwars 
Gluͤck war vollkommen, nur die jenigen 
Stunden, welche er der Jagd widniete, ent— 
zog er den Seinigen, und ſelbſt von da kehr- 
te er immer wieder fruͤh zur Gattin, und den 
geliebten Kindern zuruͤck. Wirklich hing Sig⸗ 
britte mit einer Treue, mit einer Ergebenheit 
an ihm, welche ſein ganzes Gluͤck ausmachte. 

So flogen einige Jahre in ungetruͤbter — 
Heiterkeit hin, nichts vermochte Iwarn aus 
ſeiner Ruhe zu ſtoͤhren, ihm galt alles gleich 
viel, was um ihn her vorging. Im drit⸗ 
ten Jahre war ſein Knabe bereits, als Iwar 
einſt im vertrauten Öefpräche bei feiner Gat- 
kin ſaß, und man ihm berichtete, daß * 


955 


— 102 


Fremder angekommen ſey, und mit ihm in 
Geheim zu ſprechen verlange. Iwar fuͤhrte 
den Fremden in ſein Zimmer, der ohne 
weiter zu ſprechen ihm ein Schreiben übers. 


gab, begierig entfaltete es Iwar, es war 


von Knutſon. 
„Einſt, fo ſchrieb dieſer, als wir noch 


„die froͤhlichen Tage der Ruhe lebten, war 


„Iwar mein innigſter Freund. Verhaͤltniße 
„und Umfiände haben uns getrennet, aber 
„meine Liebe zu dir vermogten fie nicht zu 
„mindern. Ob du mir noch mit gleichen 
„Gefühlen zugethan biſt, kann ich kaum 
„glauben. Ich beſtieg Schwedens hoͤchſte 
„Stufe, und mein trunkenes Auge vermiß— 
„te unter denen, die mir Gluͤck wuͤnſchten, 
„meinen Iwar. Hartes Schickſal traf mich, 
„ich verließ Schweden, und lebte von Fein⸗ 
„den verfolgt, lange in Danzig verborgen, 
„nur wenige treue Freunde waren um mich, 
waber Zwar war nicht unter ihnen. Aber⸗ 


„mal bin ich zurückgekehrt, und abermal 
„haͤufen Feinde und Gefahren ſich um mich 
„ber. Ich bedarf Freunde, deren Redlich⸗ 
„keit ich mich anvertrauen kann, ich bedarf 
„Manner, deren Muth und Biederſinn mir 
„zur Stütze in meinen Bedrängnißen wird. 
„Iwar fehlt mir, dieſe Wuͤnſche groͤßtentheils 
„zu befriedigen, aber dieſes Schreiben wird 
„entſcheiden, ob er mir die Laſt will tragen 
„helfen, die zu ſchwer auf meinen Schultern 
„liegt, wird entſcheiden ob er noch Freund 
„ſey, feinem hte Knutſon.““ 
wars Herz war bei den Borwürs 
fen des Freundes erſchüttert, er fühlte 
unrecht an ihm gehandelt zu haben, 
ſeine Wange gluͤhte bei dem Gedanken, du 
willſt hineilen, und deinen begangenen Feh— 
ler durch Treue und Thaͤtigkeit gut machen, 
aber ſchnell erbleichte dieſe Wange wieder 
bei der Erinnerung, du mußt dich zugleich 
von Weib und Kindern trennen. Er konnte 


* — 12 


in dieſem Augenblicke keinen Entſchluß faſ⸗ 
ſen oder vielmehr, er wollte ſich noch nicht 
eingeſtehen, daß dieſer bereits gefaßt ſey, 
dem Aufrufe des Freundes zu folgen. 

Er hieß den Fremden, der ein Edel⸗ 
mann von Knutſonshofe war, Platz am 
Mahle nehmen. Mit den Falten des Gras 

mes auf der Stirne, mit düſterem Ernſt nahm 
| Iwar Theil an dem ſonſt ſo frölihen Mah— 
le, nicht der beſorgten Gattin Zaͤrtlichkeit, 
nicht die Taͤndelleien der geliebten Kinder 
vermochten ihn zu erheitern. Wie feine Gat⸗ 
tin mit den Kleinen zur Ruhe gegangen war, 
befragte er den Bothen Knutſons um deſſen 
Lage, dieſer ſchilderte ſie ſo bedenklich, und 
mit fo vieler Wärme, daß Iwar ihm end- 
lich ſeine Hand gab, binnen drei Tagen ſei⸗ 
nen ruhigen Edelſttz zu verlaſſen, und nach 
Stockholm zu reiſen. m 

Alm folgenden Morgen 308 der Bothe 
fort, mit bebenden Herzen ſuchte ſich nun 


Ran 13 775 Wi 
Sivar vorzubereiten der Gattin die nahe 
Scheidung zu verkündigen, aber er vermoch⸗ 
te nicht, dieſe traurigen Worte über ſeine 
Lippen zu bringen, er reichte Sigbritten 
Knutſons Brief, und ſuchte waͤhrend der 
Zeit ihres Leſens, Faſſung zu gewinnen. 
Sigbritte hatte geleſen, mit niedergeſenk⸗ 
tem Blick, in dem eine Thraͤne zitterte, gab 
ſie das Blatt zuruͤck, beide ſchwiegen eine 
kurze Pauſe. Und dein Entſchluß 2 „fragte 
Sigbritte endlich ſtammelnd — — Ich muß 
dem Willen meines erhabenen Freundes nach— 
geben, erwiederte Iwar, nicht minder be⸗ 
bend, und nun flürgte Sigbritte an ſeine 
Bruſt, und ihre Thraͤnen gewannen freien 
Lauf. | | 
Iwar. (mit geprefter Stimme) Weid 
meines Herzens, vernichte nicht ganz den 
wenigen Muth, den ich noch beſitze. 
Sigbritte. Nein, nein du mußt 
deiner Pflicht, du mußt auch der Stimme 


der Freundſchaft gehorchen, ich ſehe die 
Rothwendigkeit der Treunung ein, aber ich 
kann meinen Schmerz nicht unterdruͤcken, ach 
Iwar — Iwar, werden wir uns ſo wieder 
ſehen? 0 

wer. Faße dich Liebe, nur kurz 
ſoll die Dauer unſerer Trennung ſey. Ge— 
ſtatten es Kautſons Umſtaͤnde nicht, mich 
bald von ihm zu trennen, wird laͤngere 
Dauer meines Aufenthalts an ſeinem Hofe 
erfodert, was ſoll dann mich abhalten, dich 
zu mir kommen zu laſſen, ich will dann kar⸗ 
gen mit der Zeit um auch für meine Liebe 
einige Stunden eruͤbrigen zu koͤnnen. 

Sigbritte. Und unſere Kinder? 

Zwar, Kann die Mutter ſich von dies 
fen trennen, oder kann der Vater vergnügt 
ſeyn, ohne ihnen? 

Sigbritte. Du es bige mich wie⸗ 
der, ich will mich zu ſaßen ſuchen, um die 
harte Stunde der Trennung zu ertragen; 


die Hofnung dich bald wieder zu fehen, wird 
ſie mir erleichtern. Ja Iwar folge deiner 
Pflicht, aber opfere dieſer die Liebe nicht. 

Iwar. Gewiß nicht Sigbritte, bald, 
bald ſehen wir uns wieder. 

So ſuchten fie ſich gegenſeitig zu beru— 
higen. Iwar betrieb die Anſtalten feiner 
Reiſe; zwar gelaſſen ſcheinend, aber doch 
mit blutendem Herzen trug Sigbritte das 
ihrige bei, die für fie immer noch zu fruͤhe 
Stunde des Abſchiedes zu fördern, 

Endlich nahte der Augenblick der Iren= 
nung, bange Ahndung ſchien die Herzen der 
Liebenden zu erfüllen, daß fie ſo ſich nicht 
mehr ſehen würden ; entſchwunden war Iwars 
erkuͤnſtelte Standhaftigkeit, er ſank wehkla⸗ 
gend an Sighrittens Buſen, deren Herz die 
Groͤße des Schmerzens kaum faßen konnte. 
Er mußte ſich endlich losreiſſen; mit krampf⸗ 
haften Zuckungen umſchloß er noch einmal 
ſeine Kinder, und eilte endlich die Treppe 


— 16 — 


ö hinab; hier ſchwang er ſich auf ſein Pferd, 
und jagte mit verbiffenem Grame fort. 

Er erreichte den Hof Knutſons, mit 
Freude empfing ihn dieſer alte Freund, und 
theilte ehm das Bedenkliche ſeiner Lage mit. 
Iwar ward bald in einem Wuſt von Ges 
ſchaͤften verwickelt, zwar vergaß er die Gat- 
tin nicht, er kargte ſich den noͤthigſten Schlaf 
ab, um an ſie ſchreiben zu konnen „aber er 
ſelbſt fand die Umſtande fo bedenklich, daß 

er es nicht wagte, ſie ſammt den Kindern zu 

ſich kommen zu laſſen. 

Izt hatte Knutſon ein ziemlich anſehn⸗ 
liches Heer geſammelt, mit dem er dem 
Feinde entgegen zog, Iwar begleitete ihn, 
er leitete beinahe das Ganze und ſchon wa= 
ren mehrere Gefechte vorgefallen, wo Iwar 
zeigte, daß er in Haͤuslichkeit ſeinen Muth 
nicht verlernet habe, wo er durch feine An- 
ſtalten den Feinden den groͤßten Schaden 
zufügte. | 5 


Sigbritte erfuhr, daß ihr Gemahl ſich bei 
dem Heere befinde, und neue Angſt erfuͤllte 
ihre Bruſt. „Wie, rief ſie, waͤhrend mein 
Iwar die Beſchwerniſſe des Krieges duldet, je— 
den Augenblick ſein Leben in Gefahr ſchwebt, 
waͤhrend dem ſoll ich hier in ſtolzer Ruhe und 
Sicherheit leben? Wer wird ihn laben, wenn 
er ermüdet von den Geſchaͤften des Tages auge 
ruhet, wer wird ihn pflegen, wenn er ver— 
wundet aus dem Gefechte zuruͤckkehrt? ach 
wenn er ſtirbt und dahinſinkt, ſoll ich nicht 


noch ſeinen letzten Seufzer empfangen? 


— 


Nein Sigbritte das hieße gegen deine Pflicht 
gehandelt, du darfſt hier nicht bleiben, ſo 
lange dein Gemahl mit den Schreckniſſen 
des Todes umgeben iſt — Gefahr und 
Müheſeligkeiten mußt du mit ihm theilen. 
Bald war ihr Entſchluß zur Reife ge⸗ 
diehen, ohne Iwarn etwas hievon zu benach- 
richtigen, veranſtaltete fie in moͤglichſter Ei⸗ 
le alles zu ihrer Abreiſe, und von ihren 
: 2. 


— 18 — 


Kindern, und wenigen Dienern begleitet fuhr. 
ſie aus dem Schloße. Bald erfuhr ſte, in 
welchen Gegenden ſich das Heer befinde. 
Knutſon hatte ſich unferne des Sees Maler 
gelagert ‚ über den zu Diefer Jahrszeit der 
frierende Hauch des Winters eine eiſige 
Dede gezogen hatte, nicht zu ferne von Knut— 
ſons Lager ſtanden die Feinde, ſich ruͤſtend, 
ein entſcheidendes Treffen zu liefern. Sig— 
britte nahm Trotz dem, daß fie von Rei- 
ſenden gewarnet wurde, weil unablaͤßig 
feindliche Rotten die Gegend durchſchwaͤrm— 
ten, ihren Weg dahin. Schon war ſie 
Knutſons Lager nahe, als ſie vloͤtzlich von 
einer Schaar Bewafneten den Wagen um— 
ringt ſah. Man riß den Schlag auf, um 
zu ſehen, wer ſich in Wagen befinde, man 
fragte um ihren Nahmen; Sigbritte mit 
Angſt kaͤmpfend, und nicht faͤhig Freunde und 
Feinde zu unterſcheiden, nannte ihren Nah⸗ 8 
men. Wild lächelte der Anführer der Rotte, 


— 19 — 


er ſchlug den Schlag des Wagens zu, die 
Reiter umgaben dieſen, und nun gings raſch 
ſeitwaͤrts nach dem feindlichen Lager. 

Hier empfteng man +fie- mit Freuden, 
man that ſich viel darauf zu Guten, die 
Frau eines Mannes in ſeiner Gewalt zu 
haben, den man ſo ſehr fuͤrchtete, und hof— 
te dadurch ſeinen Muth anſehnlich zu ſchwaͤ— 
chen. Sigbritte wurde gut gehalten; aber ſie 
ſah ſich gefangen, und Troſtloſigkeit erfuͤllte 
ihre Bruſt. 0 

Es war gerade am Abende vor dem 
Tage, der zu einem entſcheidenden Treffen 
beſtimmt war, als Iwar durch einen Uiber— 
laͤufer das Schickſal ſeiner Gattin und Kinder, 
vermehrt mit traurigen Zuſaͤtzen vernahm; 
man kann ſich denken, was er in dieſem 
Augenblicke fuͤhlte; gleichſam zu Boden ge— 
ſchmettert hatte ihn dieſe Nachricht, verge— 
bens rang er lange nach Mitteln, ſeine Ge⸗ 
liebten zu retten, als er endlich beſchloß 

1 2 (2) 


fur fie das duſſerſte zu wagen. Er hatte 
zum Treffen an kommenden Morgen alle An⸗ 
ſtalten getroffen, nun begab er ſich in ſein 
Zelt, wo er mit der peinlichſten Sehnſucht 
den Anbruch der Nacht erwartete. Gehuͤllt 
in die Kleidung eines gemeinen Dännen ver— 
ließ er Knutſons Lager. Er wußte, daß 
er am folgenden Morgen unumgaͤnglich noth⸗ 
wendig da ſeyn müſſe, bis zu dieſer Zeit 
hofte er auch fruͤh genng wieder zuruͤckkom⸗ 
men zu koͤnnen. Wo nicht retten, ſo muß⸗ 
te er doch die ſeinigen wenigſtens ſehen. 
Er umging das feindliche Lager, und 
nahte ſich der Rückſeite deſſelben, gluͤcklich 
kam er in deſſen Inneres, und der Zufall 
leitete ſeine Schritte ſo, daß er bald von 
einigen betrunkenen Soldaten erfuhr, in 
welchem Zelte ſich Sigbritte mit ihren Kin— 
dern befinde. Noch war es zu lebhaft im 
Lager für den Plan, den er bereits unter— 
wegs entworfen hatte, aber wie die Mitter« 


— DI — 


nacht auf der Gegend lag, alles ſtille und 
ruhig geworden war, und hie und da noch 
ein halb erloſchenes Wachfeuer klimmte, da 
nahte er ſich dem Gezelte, welches unbewacht 
5 geblieben war. Er trat ein, bei ihren Kin⸗ 
dern ſaß Sigbritte, die Kleinen ſchlummerten, 
fie überließ ſich ihrer Trauer. „Gieb keinen 
Laut von dir, ſonſt find, wir verlohren,““ 
rief Iwar mit gedumpfter Stimme. Sigbritte 
fuhr empor „ſie erkannte den Geliebten und 
den Ausbruch ihrer Freude unterdruͤckend 
ſank ſie an ſeine Bruſt. Iwar ermahnte ſie 
zur Folge. Er nahm den ſchlummern— 
den Knaben auf ſeine Arme, die Gattin 
das Maͤdchen, ſo verlieſſen ſie das Zelt, ſo 
kamen fie gluͤcklich aus dem Lager. Iwar 
wollte den naͤmlichen Ruͤckweg nehmen, auf 
dem er hergekommen war, aber das war 
nun nicht möglich. Eine neu angekommene 
feindliche Parthei hatte ſich dort gelagert, 

er mußts einen großen Unweg nehmen, und 


— 22 — 


unkuͤndig der Gegend verirrte er ſich im Ge⸗ 
hoͤlze. | 
Lange "gingen fie herum, ohne einen 
Ausweg zu finden, ſchon begann der Morgen 
hervor zu grauen. Aengſtlich ſchlug Iwars 
Herz, er gedachte an ſeine Ruͤckkehr zu 
Knutſon, aber er konnte nicht Weib und 
Kinder im freien in unbekannter Gegend 
dem Zufalle— Preiß geben. Er ſuchte, ſelbſt 
aͤngſtlich, der zagenden Gattin Muth einzu— 
ſprechen. Itzt hoͤrte er Fußtritte, ein Bau⸗ 
er nahte ſich, dieſem flehte Iwar um Bei— 
ſtand an. Der Bauer konnte nichts fuͤr ihn 
thun, als ihm den Weg nach einer kleinen 
Meyerey bezeichnen, wo er Aufnahme finden 
koͤnne, und ihn verſtchern, daß an eine Ruͤck— 
kehr nach Knutſons Lager für itzt nicht zu 
denken ſey, weil bereits in der ganzen Ge— 
gend das feindliche Heer rege geworden fey, 
| Mit ſtürmendem Herzen trat Iwar mit 
den Seinigen den Weg dahin an. Hier hin⸗ 


5 


2 — 23 — 


derte ihn ein Moraſt, dort zu dichtes Gebit« 
ſche „dab ein ſteiler Abhang; er mußte gro⸗ 
ße umwege nehmen, und ſchon wars am 
hellen Tage als er in dem Mayerhofe an— 
langte. Willig nahm man Gattin und Kin⸗ 
der auf, Iwar riß ſich aus Sigbrittens ums 
ſchlingenden Armen, die ihn flehte bei ihr zu 
bleiben, er eilte fert, um wo moͤglich noch 
zu dem Heere gelangen zu koͤnnen. Aber 
bald ſah er die Unmöglichkeit, er hätte ſich 
nur im tollkuͤhnen Wahnſinne mitten in die 
Schaaren von Feinden ſtuͤrzen muͤſſen. 
Früh hatte der Feind das Treſſen be— 
gonnen, Knutſon rückte ihn voll Muthes mit 
dem Fußvolle entgegen, er verließ ſich auf 
Iwarn, der die Reiterey anführen ſollte, 
und mit dem bereits der ganze Plan ver— 
abredet war. Er befand ſich ſchon mit⸗ 
ten im Gedraͤnge, und noch erſchienen die 
Reiter nicht, weil ſie auf Befehl warteten, 
Knutſon ſandte zuruck, man war über Iwaͤrs 


— 24 — 


Abweſentheit in Unordnung, und ehe man ei— 

nig war, wer ſeine Stelle uͤbernehmen ſoll— 

te, war das Fußvolk ganz von den Feinden 

umzingelt. Nun ſtroͤmte zwar die Reiterei 

mit verhängten Ziegeln heran, aber man 
wählte, unbekannt mit dem eigentlichen Pla— 

ne des Treffens falſche Punkte „und bald 

erlitt Knutſon eine fürchterliche Niederlage, 

alles ſuchte ſich in der Flucht zu retten, was 

nicht floh, wurde zu Boden gewürgt, und 

Knutſon ſelbſt der nicht einmal ſo viel Volk 
übrig hatte, um feinen Ruͤckzug zu decken, 

gerieth in die Gewalt ſeiner Feinde, welche 

ihn nach Finnland brachten. 

Iwar, verborgen in Gebuͤſche konnte 
wenig von dem Ausgange des unglücklichen 
Treffens erfahren. Als er ſich endlich her⸗ 
vorwagte, hatten die ſiegreichen Feinde weis 
ter vorückend, bereits die Gegend verlaſſen. 
Von einigen voruͤberziehenden Wanderern 
erfuhr er leider früh genug, den ganzen 


1 


— 25 — 


Hergang der Sache; ja, da jeder der Ge— 
flohenen, ſeine eigene Zagheit beſchoͤnigen 
wollte, hatte man durchgängig das Mißlin⸗ 
gen des Treffens dem abweſenden Iwar zur 
Laſt gelegt; er erfuhr alſo nun nicht nur 
das Ungluͤck ſeines Freundes, ſondern auch 
daß fein RNahme mit Schande gebrandmarft 
ſey. Zu Boden gebeugt trat er den RNuͤck— 
weg nach dem Mayerhof an, um da Troſt 
und Faſſung zu finden. Schwer wie ein 
felſigtes Gebirg lag die Laſt feiner ſchmerz— 
haften Empfindungen auf ihn, ſchon hatte 
er die Gegend erreicht, als er ploͤtzlich, wie 
vom Donner gelaͤhmt, ſtehen blieb — er 
ſah keine Spur von dem Mayerhofe, eine 
ſchauerliche Brandſtaͤtte lag vor feinen Bli⸗ 
cken ausgebreitet — „Allmaͤchtiger Gott, wo 
iſt mein Weib, wo ſind meine Kinder, rief 
war, und ſtuͤrzte von der Groͤße des 
Schmerzes uͤbermannt zu Boden. | 


16 — 


Das Getuͤmmel des Krieges eroͤfnet, 
leider gewöhnlich boͤſen Menſchen eine frei⸗ 
ere Bahne ihres Umfangs. Ausreiſſer und 
boshaftes Geſindel verſammeln ſich leicht, und 
üben bei verwahrlosten Herzen, umgeben 
von Szenen des Mordes der Graͤuelthaten 
viele. Eine ſtarke Bande von Böfewichtern, 
lechzend nach Raub, und wenn er gleich 
mit ſchrecklichen Mord verbunden feyn ſollte, 
kam in die Gegenden des Mayerhofes. Sie 
drangen ein, toͤdteten was ſich ihnen ent— 
gegen ſtellte, raubten alles, und engage 
das Gebaͤude der Flamme. 8 

Ohne Beſianung fanden einige Bauern 
I warn auf den Boden liegen, man brachte 
ihn zu ſich, und ſeine erſte Frage war um 
Weib und Kinder, er erfuhr was hier vor— 
gefallen ſey, ſein Herz war von Grame 
zerriſſen, er fragte ob man denn gar keine 
Spur habe, das jemand der ungluͤcklichen 
Teuohner des Naperhofes fein Leben er⸗ 


m 27 — 


halten habe, man zuckte die Achſeln uud 
endlich erinnerten ſich einer der Bauern, in 
einer nahen Felſenſchlucht am Morgen eini⸗ 
ge ſchauerliche Toͤne gehoͤrt zu haben. Durch 
Geld und Bitten brachte es Iwar dahin, 
daß die Bauern ihm folgten, er horchte an 
der Fel, enfi chlucht, er rief Sigbrittens Habe 
men, aber keine Spur von dem Daſeyn 
eines lebenden Weſens ließ ſich hören. 

Itzt brachte, er es dahin, daß man 
einen Strick und eine Fackel brachte, ei— 
ner der Bauern von Iwars Verſprechun— 
gen geblendet, ließ ſich in den Abgrund 
hinab, er gab nicht lange darnach ein Zei— 
chen, ihn herauf zu ziehen, er trug einen 
todten Koͤrper auf den Armen, Ach es war 
die Leiche Sigbrittens. — 

Die Bauern wußten ſich nicht zu hel⸗ 
fen, einen von ihnen eilte fort, mehrere fein 
ner Gefaͤhrten aus dem naͤchſten Flecken zu 
hohlen, man brachte Iwarn und die Leiche 


— 28 — 


in das Dorf, wo endlich die Ungluͤckliche 
ſich wieder erholte. 

Ach welch ein ſchreckliches Erwachen 
war dieß, man kann ſich die Groͤße ſeiner 
Leiden nur denken. Sigbritte hatte aus 
mehreren Wunden ihr Leben verblutet, wahr— 
ſcheinlich haben anfangs die Räuber ihrer 
ſchonen wollen, allein das koſtbare Geſchmei⸗ 
de, welches ſie an Buſen trug, hatte auch 
ihr den Tod zugezogen, und vermög ihres 
Anſehens auf höheren Stand ſchließend, hate 
te man aus Furcht verrathen zu werden, 
die noch halb kebende in den Abgrund ge⸗ 
ſtuͤrzt. 

Iwar fragte nach ſeinen Kindern, die 
Bauern ſtiegen abermal in den Abgrund, 
aber man fand von dieſen keine Spur. Der 
arme Iwar befand ſich in einer ſchrecklicher La⸗ 

ge, der Schmerz ſchien zu ſehr auf ihn zu wire 
ken, daß er ihm nicht hätte unterliegen ſol⸗ 
len, er lag entkraͤftet dahin, man zweifelte, 


daß er nicht bald feiner ungliklichen Gate 
tin nachfolgen werde. Um dieſe Zeit ſpra— 
chen einige Reiſende in der Hütte ein wo 
Iwar in einem Winkel lag, man ſprach von 
verſchiedenen Gegenſtaͤnden, und einer von 
ihnen erzählte daß man die Güfter eines gewi— 
ßen Iwars, der Schuld an der Niederla— 
he Knutſons war „eingezogen habe und al— 
lenthalber Kundſchafter umher ſende, um 
ihn todt oder lebend zu bekommen; ja al- 
les ſey fo erbittert über ihn, daß jeder es 
ſich zum Ruhme rechnen wuͤrde, den Ver— 
raͤther ſogleich zu ſtrafen. 

Zu jeder anderen Zeit wuͤrde Iwar die— 
ſe Nachricht mit Schrecken vernohmen haben, 
nun kam nur ein kaum bemerkbares Laͤcheln 
uͤber ſeinen Mund, denn der Gram um 
Gattin und Kinder wog jedes andere Ge⸗ 
fühl auf. Indeſſen nahte ſich ihm der Tod 
nicht, wie er ſo ſehnlich gewunſchen hatte, 
die Kraͤfte des Koͤrpers begannen wieder 


— 30 — 
zurückzukehren, obſchon ſein Geiſt immer 
mehr dem Drucke der Leiden zu unterliegen 
ſchien, er ſaß oft ſtundenlange im dumpfen 
Dahinſtarren verſunken, fuhr erſchrocken 
empor, wenn man ihn anſprach, antwor— 
tete ganz verkehrte Dinge, oder brach in 
Thraͤnen aus, welchen unvermuthet ein noch 
lauteres aber bitteres Lachen folgte. De— 
nen Leuten, bei welchen er ſich aufhielt, ward 
bange um ihn. Einſt verließ er unter dem 
Vorwande ſich im Freien zu erholen die 
Hütte, er kam lange nicht zurück, ſchon 
brach der Abend herein, und noch kam der 
Fremde nicht, denn feinen eigentlichen Nah- 
men hatte man von ihm nicht erfahren. Wie 
der Morgen heranbrach, der Bauer, und 
ſeine Soͤhne ſich eben anſchicken wollten, 
den Vermißten zu ſuchen, kamen mehrere 
Reiter, welche nach Iwarn fragten. Der 
Bauer geſtand, nichts von dieſem zu wiſſen, 
es müßte nur der Fremde, den er beher— 


— 


— 31 m 


bergte, Iwar ſeyn; man ſuchte nach, fand 
deſſen Feldbinde, und erkannte ſie, nun durch⸗ 
ſuchte man die ganze Gegend, und fand 
endlich ſeinen Hut und Mantel, erſteren 
nahe am Ufer eines reißenden Stromes, 
letzteren weit abwaͤrs im Strome ſelbſt an 
einem Geſtraͤuche hangend, kein Zweifel 
blieb uͤbrig, daß der Ungluͤckliche bei der 
traurigen Zerrüttung feiner Sinne fein Le— 
ben in den Fluthen geendiget habe. So 
war durch Zufall und Leidenſchaft eine 
Familie ſchnell verrichten worden, welche 
Vermoͤg ihren edlen Herzen ſo EN zu 
ſeyn verdient hätte. 

Die in Schweden immer fort wüthenden 
Unruhen machten bald alle auf den ungluͤck⸗ 
lichen Iwar vergeſſen, jeder hatte genug 
fuͤr ſich ſelbſt zu forgen, und auf die immer 
neu ſich ergebenen Ereigniße zu merken, als 
ſich mit den Szenen der Vergangenheit zu 
beſchaͤftigten. Unter den biedern Maͤnnern, 


— 32 — 


die ſich vorzüglich bemuͤhten mit Thaͤtigkeit 
zu dem Beſten ihres Vaterlandes zu han— 
deln, war einer der vorzuͤglichſten Erik Waſa, 
Staathalter in Halland, ein Mann voll 
Muth, Thaͤtigkeit und Biederſinn, auf ihm 
lag ein großer Theil der wichtigſten Geſchaͤf— 
te, deren Vollendung gewoͤhnlich dem Er— 
folge entſprach, dem man von einem ſolchen 
Manne hoffen konnte, er beſaß allgemeine 
Hochachtung und allgemeines Zutrauen. 

In wichtigen Geſchaͤften trat er einſt 
eine Reiſe an, nur von einem einzigen Be⸗ 
dienten begleitet. Voll der Plane, die zum & 
Beſten des Vaterlandes in feinem Kopfe 
reiften, ſuchte er ſeine Reiſe auf das moͤg— 
lichſte zu foͤrdern. Vergebens warnte ihn ſein 
Begleiter vor einem Wege, der durch ei— 
nen ungeheuren Wald fuͤhrte, er ſtellte ihm 
vor, daß man allgemein der ſchrecklichen 
Geſchichten von darinnen verborgenen Raͤu⸗ 
ber genug erzaͤhlte, um jeden Reiſenden von . 


bear > As 


dieſem Wege abzuhalten, lieber ſollte er 
einen Umweg nehmen, auf dem er zwar 
ohngefehr um einen halben Tag ſpaͤter, aber 
doch ſicherer zu ſeinem Ziele gelangen koͤnne. 
Erikelachte dieſer Warnung, wie haͤtte er, 
der das Wort Furcht nicht kannte, und der 
zur Vollbringung feiner Plane nicht mit den 
Stunden , fondern mit den Augenblicken 
geitzte, ſich nun einen ſolchen Umweg gefal— 
len laſſen. „Wenn du mir nicht folgen 
willſt, fo bleib zurück,“ ſprach Erik, fporne 
te fein Pferd und ſprengte nach dem Hohl— 
weg, der ſich am Eingang des Waldes oͤf— 
nete, und durch ſelben hindurch führte, 
Raſch trieben nun beide Reuter ihre dam— 
pfenden Noſſe vorwaͤrts, immer oͤder wur— 
de die Waldung, immer dichter das auf 
beiden Seiten ſich erhebende Geſtrippe, und 
ſchauerlicher die Gegend; plotzlich knallte ein 
Schuß, und Eriks Gefaͤhrte ſtürzte vom 
Roß, eine zweite Kugel pfif hart neben Eri⸗ 
3 


77 34 u 

ken vorbei, und ſchlug in einem Baum, 
dieſer zog raſch feine Piſtolen, er blickte for— 
ſchend umher, und ſah gegen zehn Kerls 
von beiden Seiten aus dem Gebüſche here 
vorſtuͤrzen. Erik brannte beide Piſtolen ab, 
aber er fehlte, nun grief er zu dem Degen, 
doch ſchon hatten ihn die Raͤuber erreicht, 
umrungen, und ſein Pferd niedergeſtochen. 
Er ſtuͤrzte mit dem Thiere, und ehe er ſich 
emporrichten konnte, hatte man ihn entwaf— 
net, und gebunden. Was verlangt ihr von 
mir! fragte Erik, als er ſah, daß die Raͤu— 
ber, nachdem ſie ihn ſeiner Habſeligkeiten 
N beraubt hatten, Miene machten, ihn mit fich 
hinweg zu fuͤhren. „Du biſt in unſerer Ges 
walt,“ ſprach einer der Boͤſewichter, wenig 
wuͤrde es uns koſten, dich zu tödten, aber 
wir kennen dich, und haben Lohn zu hoffen. 
Erik. Von mir? 1 
Der Raͤuber. Durch dich, es giebt 
Leute hier, denen an deiner Auslieferung 


ſehr viel gelegen iſt, und die uns ſelbe reiche 
lich bezahlen werden, ſchicke dich alſo an, 
nach unſerer Hoͤhle zu folgen, und da ge— 
laffen abzuwarten, bis man dich weiter brin⸗ 
gen werde. 91 

Erik. Kennt Ihr mich? 

Der Raͤuber antwortete nicht, ſondern 
gab ſeinem Troße den Befehl den Marſch 
anzutreten. Erik knirrſchte vor Wuth mit 
den Zaͤhnen, aber er mußte der Uibermacht 
weichen, und folgen. Raſch giengs nun tief 
ins Gebuͤſche, immer vormärs, bis man 
nach einigen Stunden zu einer Hoͤble ge— 
langte, welche in dem tiefeſten, ödeften Theil 
des Waldes lag. Die Natur ſchien hier er» 
ſtorben zu ſeyn, kein labendes Weſen regte 
ſich, der Geſang der Voͤgel, das Sumſen 
froher Inſekten war verſtummt, Schauerliche 
keit und grauſe Dede durchſtrich die Gegend. 
Die Raͤuber leiteten Eriken nach der Hoͤhle, 
die ihnen, wie der Schlund eines Abgrundes 
3 0 


entgegen gähnte, und hießen ihn hier ruhig 
ſeines ferneren Schickſgles harren. Mit 
Wuth, Beſorgniß und Trauer kaͤmpfend, 
warf ſich Erik mit gebundenen Haͤnden auf 
den kalten Boden hin. Er hoͤrte aus dem 
ſich immer entfernenden Geſpraͤche auſſer der 
Hoͤhle, daß die Räuber ſich entfernt hat— 
ten, wahrſcheinlich „um fein Hierſeyn feinen 
Feinden zu verrathen. Nur zwei Stimmen 
hoͤrte er vor der Hoͤhle, und auch dieſe be— 
gannen immer leiſer zu werden; bald um- 
gab ihn Todenſtille, und er hatte Muße ge⸗ 
nug, uͤber ſein Schickſal nachzudenken; als 
er itzt unferne von ſich im Inneren der Hoͤh— 
le eine aͤchzende Stimme hörte. Erik horch— 
te hoch auf. Wer iſt hier? fragte er halb 
leiſe. „Ein armer Knabe,“ antwortete es 
eben ſo leiſe, den ſehr friret, und der den 
ganzen Tag noch keine Nahrung genoſſen 
hat. MN ; 


— 37 — 

Erik. Ein Kind von einem dieſer a 
ber vermuthlich. 

Der Knabe. Ach nein, ich weiß von 
meinen Aeltern wenig, aber ich bin geraubt, 
die Raͤuber erziehen mich zu Kahl Bedie⸗ 
nung. 

Er ik. Sind deine Haͤnde auch gebun⸗ 
den, wie die Meinigen? 

Knabe. Nein, das ſind ſie nicht. 

Erik. Könnteſt du meine Bande lö⸗ 
ſen? 

Knabe. Sie wuͤrden mich toͤdten, 
wenn fie es erfuhren. 5 

Erik. Sey unbeſorgt, die Raͤuber ha— 
ben ſich entfernt, ich rette dich und mich. 

Knabe. O Gott, wenn das möglich 
waͤre. 

Erik. Verſuche nur die Loͤſung der 
Bande. 

Der Knabe kroch naͤher, aber zu feſt 
waren die Knoten verſchlungen. „> habe 


ein kleines Meffer bei mir, ſagte Erik, nimm 
es aus meiner Taſche, und durchſchneide die 
Stricke: Dieſer Verſuch gelang. Erik fühlte 
ſeine Haͤnde frei, und richtete ſich empor. 

Erik. (raſch) Geſchwind Knabe, iſt 
kein Dolch, kein Degen hier. 

Knabe. Dort im Winkel der Hoͤhle 
liegen Werkzeuge genug. | 
Erik. Wo? wo? Be 
Er folgte dem Knaben nach dem Winkel 
der Hoͤhle, und fand bald ein großes 
Schwert, ſeine Hand zitterte vor Begierde, 
er hieß dem Knaben ſich ruhig verhalten, 
und nahte ſich dem Ausgange der Hoͤhle. 
Zwei der Räuber waren zur Bewachung zus 
ruͤckgeblieben, fie hatten ſich unbeſorgt auf 
den Raſen hingelegt, raſch ſtuͤrzte Erik über 
ſie her, einen ergrief die kalte Hand des 
Todes, bevor er noch Gefahr ahnden konne 
te, der andere fuhr empor, er kaͤmpfte mit 
Eriken, aber auch er fand ſeinen Lohn, und 


— 


— 39 — 


flürzfe blutend zu Boden. St eilte Erik 
zur Hoͤhle zurück, er rief den Knaben her— 
vor, nahm dieſen auf ſeinen Arm, und in 
der andern Hand den Degen, eilte er nach 
dem dichten Gebuͤſche. Ohne Raſt und Ru⸗ 
he eilte er fort, ſo lange es feine Kräfte ge— 
ſtatteten; als er ermattet war, ruhte er nur 
kurze Zeit, labte ſich aus einer vorbeiflieſ— 
ſenden Quelle, und trat dann ſeinen be⸗ 
ſchwerlichen Weg weiter an, den Knaben im⸗ 
mer mit ſich ſchleppend, ohne ſich Zeit zu 
nehmen, dieſen um nähere Umſtaͤnde zu bee 
fragen. | 

Zwei Tage befand ſich Erik in der Wale 
dung, immer vor Furcht in die Gewalt ſei⸗ 
ner Feinde zu kommen, aufgeſcheuchet, wie 
das Reh von Hunden verfolgt. Endlich er» 
reichte er ein Dorf. Hier labte er ſich, mie⸗ 
thete einen Wagen, und ſuchte nun ſeine 
Geſchaͤfte zu betreiben? Itzt halte er mehr 
Muße mit vem Knaben zu ſprechen, er Des 


— 40 — ö 
trachtete ſeine Bildung, und hohes Staunen 
bemaͤchtigte ſich des Alten, als er eine Aehn— 
lichkeit mit den Zuͤgen ſeines eigenen Soh⸗ 
nes bemerkte, welche wirklich bewunderungs⸗ 
würdig war. Er fragte, wie er in die 
Hände der Räuber gekommen, aber der 
Knabe wußte nichts beſtimmtes anzugeben, 
er ſprach nur von einem großen Brande, 
daß man ihn und ſeine Schweſtet von der | 
Mutter geriſſen, und diefe in einem Abgrund 
geworfen habe. 

Erik. Weißt du denn gar nichts von 
den Nahmen deiner Eltern ? 

Knabe. Nein, ich habe auch kein 
anderes Wahrzeichen, als dieſes Tuch, 
welches ich damals um meine Bruſt gebun⸗ 
den hatte. | 

Erik. Laß mich es ſehen — wie? 
hier ſteht der Nahme Swent Tollern einge⸗ 
wirkt. 


Knabe. (nahfinend) Swent? 
Swent? wahrhaftig ſo nannte mich meine 
Mutter oft — aber die drei Jahre über, 
als ich bei den Raͤubern bin, hörte ich dem 
Nahmen nie mehr. . 

Erik. Drei Jahre? ja ſo lang iſt es 
daß Iwar in den Fluthen feinen Tod fand, 
armer Knabe, dich hat frühes Ungluͤck be— 
fallen, und ſelbſt itzt noch darf dein Nahme 
nicht bekannt werden. Doch — Swent 
kann ich dich ja heißen, dieſer Nahme iſt 
nicht verdaͤchtig; ſo viel mir moͤglich, will 
ich das, was du bisher gelitten haſt, dir 
zu erſetzen ſuchen; du haſt mich ja gerettet 
und Iwar war ja ehmal mein Freund. Den 
Sohn kann des Vaters Verbrechen nicht 
drücken. — Haſt du keine Spur, wo deine 
Schweſter hingekommen ſey? 

Knabe. Ach keine — keine — mei⸗ 
ne Erinnerung iſt zu dunkel. — 


— 


—ů— 


4 


Erik. Das Schickſal wird auch fuͤr 
dieſe ſorgen. | 

Dankbar nahm der Knabe Eriks An⸗ 
erbiethen an, ihn bei ſich zu behalten CR 
begleitete ihn auf feiner. weiteren Reife, und 
kehrte mit ihm nach feiner Wohnung zuruͤck. 
Die Natur hatte den Knaben trefflich gebil— 
det, aber übrigens war er gänzlich verwahr⸗ 
loſt, fein Betragen hatte vieles von der 
Rohheit und dem Ungeſtuͤmme der Räuber 
angenommen, Erik ſuchte ihn durch beſſere 
Erziehung wieder zu bilden. Er verſchwieg, 
wer der Knabe ſey, und man begnuͤgte ſich 
mit Eriks Erzaͤhlung, daß er ihn aus Raͤu⸗ 
berhaͤnden befreit habe. 
408 Vorzüglich war den Knaben der Sohn 
Eriks Waſa, der jungen Guſtav gewogen. 
Beide waren im gleichen Alter, und in ih⸗ 
rer fruͤhen Jugend ſchon verrieth ſich eine 
Harmonie ihrer Geſinnungen, welche eben 
ſo auffallend, als die Aehnlichkeit ihrer Ge⸗ 


ſichtszuͤge war; ein Spiel der Natur, des 
ren ſchoͤpferiſche Wirkungen nie ganz werden 
erforſcht werden koͤnnen. 

Beide Knaben wuchſen unter der Lei— 
tung des alten Eriks treflich heran; ihr 
ſchoͤner Wuchs, ihrer intereſſante Bildung 
machte fie eben fo liebenswürdig, als ihre in— 
neren Eigenſchaften. Beide waren mit einem 
kuͤhnen unternehmenden Geiſte begabt, ho— 
her Muth flammte in ihren Herzen, und 
von Scharfſinn wurden alle ihre Handlungen 
geleitet, nur in dem Stuͤcke unterſchieden 
fie ſich merklich, daß Swent mehreren Hang 
zur Schwermuth beſaß, daß ſein Herz leich⸗ 
er ſich dem Eindrucke ſchwaͤmeriſcher Em⸗ 
pfindungen oͤfnete, und er, waͤhrend Gu— 
ſtav ſich freute, von Schlachten, und gro⸗ 
ßen Entwürfen zu ſprechen, vergnuͤgter war, 
wenn er am Ufer des Baches dem Floͤtento⸗ 
ne des Vogels horchen, und am Anblicke 
herrlicher Naturſzenen ſich laben konnte. 


— 44 


Waͤhrend dem war Sten Sture zum 
Reichsvorſteher von Schweden ernannt wor— 
den, ruhmvoll kaͤmpfte er mit Beſchwerniſ— 
fen aller Art, und Ehriſtian von Dänemark 
ruͤſtete ſich mit einem zahlreichen Heere in 
Schweden einzufallen. Der junge Sohn 
Eriks, Guſtav Waſa war nun von Swent 
begleitet nach Stureshof gezogen, er hatte 
dort nicht nur jene Aufnahme gefunden, die 
ihm wegen feinen Vater gebührte, ſondern 
bald fand Sture in ihm den Mann, deſ— 
fen kuͤhner Geiſt ihm viel nutzen koͤnne. Gu⸗ 
ſtav, gewann bald ſein volles Zutrauen 
und die Achtung aller. Swent war ſein 
f treuer Begleiter; man bewunderte die innige 
Freundſchaft dieſer beiden Juͤnglinge, und 
ihre Aehnlichkeit, ſelbſt an Wuchs und Neie 
gung, allgemein. g f 
Ceben belagerte Sture das Schloß Staͤ⸗ 
cke, als er die Nachricht erhielt, daß der 
Feind mit einer zahlreichen Flotte nicht weit 


« 


von Sockholm gelandet wäre, und alles mit 
Feuer und Schwert verheere. Augenblick— 
lich theilte Sture ſein Heer, er ließ das 
Fußvolk in den Laufgraͤben vor Staͤcke, 
mit den Reitern gieng er dem Feinde entge— 
gen, von allen jungen Schweden begleitet, 
welche vor Ungeduld brannten, ſich unter 
der Anfuͤhrung, und unter den Augen des 
Fuͤrſten durch Tapferkeit auszuzeichnen. Gu⸗ 
ſtav und Swent waren bei dem Heere, ihr 
Mund ſprach wenig, aber ihr Herz ſehnte 
ſich nach Gelegenheit, ihrer Ruhmbegierde 
ein vollwichtiges Opfer zu bringen. 

Bei Dufwenas , einer Landfpige 
an der See gegen Stockholm, ſtieß man 
auf das Heer des Feindes, und Guſtav 
grief ſie an der Spitze ſeines Geſchwaders 
zu erſt an. Wie verhrerendes Schloſſeuwet— 
ter ſtürzten Guſtavs Gefährten in den Feind. 
Man focht auf beiden Seiten mit der größe 
ten Hartnaͤckigkeit, Blut floß in Strollen. 


* 


Guſtav drang voll Muth und Feuer in die 
Feinde, allenthalben, wo das Gedraͤng am 
dichſten war, war Guſtav zu finden, wuͤthend 
ſprengte er mit dem Degen in der Fauſt hin 
und her, und hieb zu Boden, was ſich ihm 
entgegenſetzte. Swent wich nicht von feiner 
Seite, und rettete Guſtaven zweymal das 
Leben. Aufgemuntert durch das Beiſpiel dieſer 
beiden Juͤnglinge folgten die uͤbrigen eben 
ſo entſchloſſen. Die Feinde wichen nach dem 
Ufer, aber Guſtav ließ ihnen nicht Zeit, ſich 
hier wieder zu ſammeln, und trieb ſte gaͤnz⸗ 
lich in die Schiſſe, mit welchen ſie eilig von 
dannen ſegelten. | 
| Seit dieſer Zeit an hatte ſich Gustavs 
und Swents Anſehen maͤchtig gemehrt. Ihe 
re Tapferkeit hatte ihnen die Achtung aller 
erworben, keiner war, der nicht die Juͤng⸗ 
linge geliebt haͤtte. i | | 
Nicht lange waͤhrte es, als ſie neue 
Gelegenheit zur Auszeichung erhielten. 


a Aa 


Schon im folgenden Jahre landeten die Feine 
de abermal, und belagerten Stockholm. 
Aber die Einwohner beſchloſſen ſich auf das 
aͤuſſerſte zu vertheidigen. Bürger und Bee 
ſatzung machten die wuͤthendſten Ausfaͤlle, 
der Feind gewann keinen Fußbreit Land, 
ohne Stroͤme von Blut zu opfern, und 
oft verlohr er in kurzer Zeit alle Vorthei⸗ 
le wieder, die er mit Haufen von Leichen 
erkauft hatte. 

Dieſe Ausfaͤlle rieben einen großen Theil 
der Belagerer auf, und noch mehr quaͤlte 
fie die Schwierigkeit, Lebensmittel an ſich 
zu ziehen. 

Waͤhrend dem ſuchte Sture ein Heer 
zu ſammeln, das der anſehnlichen Macht 
des Feindes gewachſen war. Die ganze 
Nation gab das ruͤhrendſte Beiſpiel vou 
Vaterlandsliebe und Anhaͤnglichkeit an ſei⸗ 
nem edeln Fuͤrſten. 

Alles draͤngte ſich zum 0 117 fürs 


1 

Vaterland. Hier zog keine wirkliche Armee 
regulirter Truppen ins Feld, ganze Voͤlker 
bewafneten ſich tumultuariſch zur Vertheidi— 
gung ihrer Vaͤter. Ganze Schwaͤrme von 
Bauern ſah man bei Stures Armeen ankom⸗ 
men, einige von den Gebirgen, einige aus 
dem Inneren der Wälder, groͤßtentheils mit 
den Häuten wilder Thiere bekleidet. und 
mit ſeitſammen Waffen verſehen, aber alle 
voll wilden Muthes, der bei ihnen die Stel⸗ 
le der Tapferkeit, und der ſie, vereint mit 
der Begierde, für Fürſt und Vaterland 
Blut und Leben zu opfern, in das heftige 

ſte Getuͤmmel der Schlacht hineinjagte. 
So ruͤckte dieſes fuͤrchterliche Heer her⸗ 
an, Stockholm zu entſetzen, noch vor ſei⸗ 
ner Ankunft, zog ſich der Feind zuruck. Als 
lein eben bei ſeiner Zurüͤſtung zu dem Ein⸗ 
ſchiſfen der Truppen, grif Sture den Feind 
in dem rechten Zeitpunkte an. Die Furcht 
vor dem aurückenden Heere Stures, die 


0 berzun 


Haft der Soldaten ſich einzuſchiffen, ver⸗ 
ſetzten das ganze feindliche Heer in die aͤuſ— 
ſerſte Unordnung und Verwirrung. Der 
größte Theil wurde niedergehauen, und 
viele, die, um ſich zu retten, nach den 
Schiffen ſchwimmen wollten, fanden ihren 
Tod in den Fluthen. Mehrere des jungen 
Adels ſtellten ſich mit der ihnen angeborner 
Tapferkeit, den heranſtroͤmenden Siegern 
entgegen; ſie retteten dadurch den Reſt des 
Heeres, welches Zeit zum Einſchiffen ge⸗ 
wann, geriethen aber ſelbſt in Gefangen» 
ſchaft. i 

Doch nun ſchienen auch die Elemente 
an der gänzlichen Vernichtung des Feindes 
zu arbeiten. Der Wind verhinderte das 
Abſegeln der Schiffe, und gegen drei Mo— 
nate mußten dieſe an der Rhede von Stock— 
bolm liegen bleiben. Die Flotte fing an 
Mangel an Lebensmittel zu leiden. Zwar 
wagten die heängjligten verſchiedene male 

4 


— 50 — 


eine Landung, um Prowiant zu erlangen, 
aber der muthige, immer thaͤtige Guſtav, 
und der nicht minder wachſame Swent bes 
lauerten jede Bewegung, und ſchnell wenn 
der Feind Miene machte zu landen, ſtroͤmte 
die Reuterei herbei, und vernichtete alle 
MR Plane. | 
Bu So litt endlich die Flotte Mangel 
an Nahrung und Waſſer, und eine bösartige 
Krankheit rafte taͤglich eine große Anzahl 
der Soldaten hinweg, der Feind war da— 
durch, und durch das beſtaͤndige Anhalten 
des widrigen Windes bis auf das auſſerſte 
getrieben. | 

Es war in einer Anker ſternenloſen 
Nacht, als Guſtav und Swent wie gewöhn— 
lich unfern des Ufers der See herumgingen, 
um jede Bewegung zu beobachten. Rings 
um herrſchte allgemeine Stille, nur das 
Brauſen der Wogen am Geſtade unterbrach 
ſie, guch die beiden Freunde waren lauge, 


ohne ein Wort mitſammen zu ſprechen, un⸗ 
hergewandelt, Warum bit du heute ſo 
ſtille lieber Swent? fragte Guſtav, um 
nur ein Gefpräch anfangen zu Fönnen, 
Swent. Ich weiß es ſelbſt nicht. 
Auch von dir mein Guſtav konnte ich ein 
gleiches ſagen. f 
Guſta v. Ich finne auf einen Plan, 
um die Feinde nun bald gaͤnzlich aufreiben 
zu koͤnnen. 8 N 
Swent. Daß doch dein immer reger 
Geiſt nicht ruhen kann, immer Entwürfe 
auf Entwürfe in deiner Seele aufkeimen, 
und du nur dann heiter zu ſeyn ſcheineſt, 
wenn du eine große wichtige Unternehmung 
vor haſt. . N 
Guſta b. Ja beim Himmel, dann 
bin ich gleichſam in meinem Elemente. Ich 
ſehne mich nach gefahrvollen Thaten, denn 
beim Himmel nichts gleicht dem Gefuͤhle 
der gluͤcklich uͤberwundenen Gefahr. Denn 
4 (2) 


ich kenne das gar nicht, was man Geiſtes⸗ 
| ruhe nennet, und ich glaube ich werde ſter⸗ 
ben wenn ich einmal zur Unthaͤtigkeit ver⸗ 
bannt werden ſollte. Emporſtreben nach 
großen Thaten, o wie ergreift das ſo allge⸗ 
waltig alle Sinne, wie fuͤhlt ſich der Menſch 


Aüͤber ſich ſelbſt erhaben, wenn der Nachhall 


ſeines Ruhmes nicht nur um ihm hertoͤnt, 
ſondern auch das Gefuͤhl ihn beſeeliget, wenn 
deine Gebeine ſchon laͤngſt zu Staube vers 
modert ſind, fo wird dein Andenken noch 
leben. Ja beim Himmel, Swent, dieſe 
Begierde nach Ruym hat mich ſo ganz er⸗ 
fühlt, daß ich eher verderben will, wenn 
ich nicht eine Höhe erringe, die eines ſo 
daurenden Monumentes wuͤrdig iſt, daß 
ſpaͤtere Jahrhunderte, noch den Nahmen 
Guſtavs Waſa mit Bewunderung ausſpre⸗ 
chen. | | | 

Swent Du ſtrebſt kuͤßn empor — 
Suſtav. u N. 


Guſta v. So weit gehet meingiel, ent⸗ 
weder man ſoll nie wiſſen, daß einſt ein 
Guftav gelebt habe, oder man ſoll mit 
Staunen ihn kennen. Nur keinen Mittel⸗ 
weg — dieſen mögen kleinliche Seelen, ge— 
huͤllt in ihre Verborgenheit wandeln. 

S went. Noch einmahl, Du ſtrebſt Fühn 
empor, o mein Guſtav, je höher die Spitze, 
die man erklimmt, deſto tiefer der Sturz. 

Guſtav. Wem vor dem Abgrunde 
ſchwindelt, der ſoll nie emporklimmen. 

Swent. Wenn du aber ſinkeſt. 

Guſtav. Gleichviel, wenn ich nur 
mit Ruhm falle. Nicht nach Glanz und 
Schimmer trachte ich, lieber Swent, ſondern 
nach dem Strahle des Ruhmes, der edeln 
Thaten gebuͤhrt. Das Metrum meiner Wuͤn 
ſche iſt meines Vaterlandes Wohl, und ich 
will eher erliegen, wenn ich es nicht dahin brin⸗ 
gen kann, es zu ſeiner vorigen Groͤße empor⸗ 
zuheben. Bei den jetzigen Zeiten wandle ich 


| eine ſteile Bahn, aber mich lohnet nicht 
nur mein Gefuͤhl, ich habe ja auch eine 
Stuͤtze an meinem Freunde, der gewiß nicht 
von meiner Seite weichen wird. a 
Swent. Gewiß nicht, Guſtav, ich 
habe mein Schickſal feſt an das deinige ge— 
kettet, du reißeſt mich in kuͤhnen Fortſchrit⸗ 
ten auf deiner Bahn mit dir fort, und 
ich ſinke, wenn du falleſt. O ja mein Freund, 
wir wollen nie uns trennen, Gefahren und 
Ruhm mitſammen theilen. Deine Hand bebt 
in der Meinigen? | 
| Guſtav. O wenn du das Feuer fuͤh— 
len könnteſt, das in mir wallt; ich ahnde bald 
wichtige Unterneh: mungen, und mein Herz 
bebt vor Freude. 

Swent. Dann find heute unſere 
Gefuͤhle nicht übereinſtimmend, auch ich ha⸗ 
be Ahndung von nahen wichtigen Ereignißenz 
aber Guſtav, nicht Freude erfüllt mein Herz 
mie iſt ſo weh, fo beklommmen — doch 


— 535 — 

ich will meine innere Trauer nicht in dich 
itbergehen machen. ö 
Guſtav. Sey unbekuͤmmert ich 
nehme zwar Theil an deiner unangenehmen 
Stimmung, aber mein Herz kann nicht trau— 
rig ſeyn, ſo lange wir auf dieſen Poſten 
ſind, wo ich Ruhm ahnde. 
Swent. Wenn aber, o wer kann 
die Wege des Schickſals bemeſſen. — 

Guſtav. Wenn die dritte der Par— 
zen, glaubſt du ſchon ſich anſchickte, meinen 
Lebensfaden zu durchſchneiden? nun dann 
kann ich nicht widerſtreben, dann habe ich 
wenigſtens dieſe kurze Zeit fo gehandelt 
wie der Mann, deſſen Geiſt ſich zu einem 
hoͤheren Ziele emporſchwingen will handeln 
muß — freilich, freilich gleichte ich dann 
nur einer Lufterſcheinung, deren Glanz 
die Augen blendete, und die dann ſchnell 
in Nichts verging, aber ſo muß man nicht 
denken; der die Möglichkeit des Sturzes 


* 


ſich denket, der wird nie eilen, vorwärts 
zu ſchreiten, wenn er dieſe Moͤglichkeit nahe 
fieht. Genug , ſo lange das Schickſal uns 
unſer Daſeyn goͤnnet, ſo ſoll kein Hinderniß 
uns trennen, und keine Gefahr uns abſchre— 
cken, den bezeichneten Weg zu befolgen. 

Swent. Nie, nie wollen wir uns 
trennen. 

Gu ſta v. Und ſollte das Schickſal 
es dennoch ſo fuͤgen, dann ſoll das Schick⸗ 
„er des abweſenden Freundes des andern 
Handlung beſtimmen. 
| Roch einmal unarmten ſte ſich innnig, und 
ſchwuren ſich ewige Freundſchaft, als ſte das 
Rauſchen von Rudern in der See vernah— 
men. Raſch fuhren fie auseinander; ihre Dee 
gen blitzten aus der Scheide, und Guſtav 
hielt das Horn bereit, das um ſeinen 
Nacken hieng, bei deſſen Ton ſich al— 
les ſammeln mußte. Bei dem Flimmern 
weniger Sterne, welche itzt, durch ſich ver⸗ 


\ 


NN} 


duͤnnende Regenſchleier ſichtbar geworden 
waren, ſahen ſie ein einzelnes Boot dem 


Ufer nahen. Dieſes ließ Guſtav ruhig 


landen. Drei Maͤnner ſtiegen aus, und 
wollten vorwaͤrts ſchreiten, Guſtav ſchritt 
ihnen entgegen, und fragte um ihr Verlan— 
gen. Worte des Friedens klangen aus ih— 
rem Munde. Die traurige Lage hatte die 
Feinde genoͤthiget dieſen anzuſuchen. Man 
geleitete die Abgeſandten nach dem Lager 
Stures. | N ö 
Dieſer eben ſo tapfer, als geneigt zur 


Verſoͤhnung hoͤrte mit Ruͤhrung die Schil— 


derung von der traurige Lage der Flotte 
an, das Verlangen nach Frieden erfreute 
ihn, und ſchon am folgenden Tage wurden 
Schiffe mit Erfriſchungen beladen, nach 
der Flotte geſendet. Man begann Unter⸗ 
handlungen, welche Stures Gegentheile nie 
Ernſt waren. 

Die Ausſtellung von gegenſeitigen Gei⸗ 


— 58 — 


ſeln wurde verlangt, und wen haͤtte der Feind 
anders verlangen koͤnnen, als Guſtaven, ihn, 
deſſen Tapferkeit allen furchtbar war, ihn, der 
vermoͤg ſeines errungenen Anſehens, und ſei⸗ 
ner ſo unendlichen Vaterlandsliebe willen, 
jedem Verlangen der Feinde die größten Hin⸗ 
derniße in den Weg geſtellt haben würde, 
Gufiav vernahm dieß Verlangen, und 
er war bereitwillig. Eben war damal Swent 
mit einem Truppe a nach einem ferne⸗ 
ren Poſten gezogen „um wichtige Anſtalten 
zu treffen, gewiß wuͤrde er ihn ſonſt beglei⸗ 
tet haben. Mit fünf andern Juͤnglingen bes 
ſtieg Guſtav das Schiff, das ihn nach Knugs⸗ 
hawn bringen ſollte, wo man die Geiſeln 
auswechſeln wollte, aber kaum hatten ſie die f 
Hälfte des Weges zuruͤckgelegt, als ein ges 
wiſſer Tyke Krabbe es unternahm, ihnen mit 
einen, mit hundert Mann beſetzten Schiffe 
den Nuͤckweg zu verlegen, und fie als feine 
Gefangenen nach der Flotte zu bringen. Mit 


Augen voll Wuth blickte Guſtav nach dem 
Ufer zuruck, wo Volk und Soldaten zuſam⸗ 
nen liefen, Krabbes That ahndend, aber doch 
noch unentſchloſſen, was ſie eigentlich glau⸗ 
ben ſollten. Guſtav langte bet der Flotte 
an, und in dem nämlichen Augenblicke aän— 
derte ſich der Wind, und der Feind, der 
ſchon lange nach dieſer Aenderung ſchmach— 
tete, ſchifte ſchnell mit vollen Segeln von 
dannen. Guſtav war Gefangener. 
Wildes Geſchrei ertoͤnte bei dieſem 
Anblicke aus dem Munde aller am Geſtade. 
Swent ſprengte eben mit einigen Reutern 
heran, forſchte, erfuhr die Schreckensnach⸗ 
richt, und ſah nur mehr die aͤuſſerſten Spi⸗ 
gen der Wimpel an den feindlichen Schiffen, 
welche auch bald feinen Augen entſchwanden, 
Nun ſah er ſeine traurige Ahndung erfülle 
ſein Herz war vor Jammer zerriſſen, er 
wurde ſich im Uibermaaße des Gefühles 
in ein Boot geworfen haben, der Flot⸗ 


4 60 2 


te und ſeinem Verderben nachgeſegelt ſeyn, 
wenn man ihn nicht mit Gewalt zuruͤckge⸗ 
halten haͤtte. 

Alles ſchrie nach Rache. Sture war 
im boͤchſten Uibermaaße erbittert, er bewafs 
nete ſogleich alles, was ſich an Schiffen 
in dem Haven befand, alle Edelleute in 
Stockholm vorzüglich die Anverwandten des 
Gefangenen, angeführt von Swent, war⸗ 
fen ſich in das erſte beſte Fahrzeug das 
bei der Hand war. Sture ſelbſt beſtieg ei— 
ne Fregatte, und gieng unter Segel von 
ſeiner kleinen Flotte begleitet, und entſchloſ⸗ 
ſen mit dieſen Barken die großen Schiffe 
der Feinde anzugreifeu, und entweder zu 
ſterben, oder den Gefangenen wider mitzu⸗ 
bringen. Aber der Wind war ungünſtig, 
und die Unmoͤglichkeit die Flotte einzuhohlen, 
vereitelte dieſe Unternehmung. 

Mit blutendem Herzen kehrte Swent 
mit den Übrigen zuruck, ja er winde allein 


— ÖL en a 


fortgefegelt ſeyn, um, wenn gleich auch 
Gefangener, dieſes harte Schickſal mit ſei⸗ 
nem Freunde zu theilen, haͤtte nicht Sture 
allzuſehr ſeiner bedurft, er mußte die Freun— 
despflicht der Pflicht zum Vaterlande 
opfern. 

Mit thaͤtigem Eifer betrieb der Feind 
feine Zurüſtungen zum neuen Kriege, und 
ſammelte endlich ein gewaltiges Heer, wel— 
ches unter Anführung des Otto Krumpe, 
einem der groͤßten damaligen Helden in 
Norden, nach Weſter-Gothland ruͤckte. 
Auch Sture ruͤckte mit verſtaͤrkter Macht den 
Feinden entgegen, wo er ſich bei dem Ein— 
gange des Waldes von Tiwede lagerte, und 
durch ſtarke Verſchanzungen und Verhaue 
ſein Lager ſichern ließ Bei dem Anblicke 
von Stures Armee ſtellte ſich Krumpe, als 
wenn Furcht ihn befiele, und zog ſich dem 
Anſcheine nach, mit größter Eile, auf dem 
damal gefrornen Welterſee zurück. Sture 


* 
— 62 — 


und Swent von ihren Muth hingeriſſen, ver- 
folgten mit den Reutern den Feind, waͤhrend 
ſte das Fußvolk und die großen Schaa⸗ 
ren von Bauern in den Verſchanzungen zu⸗ 
ruͤckließen. Stures und Swents Beifpiel, 
beſeelte ihre Soldaten mit einem ſolchen 
Muthe, daß ſie wie Leuen fochten, deren 


Ziel Sieg oder Tod ſey. Schon erklaͤrte 


2 


ſich der Sieg fuͤr die tapferen Schweden, 
als Sture toͤdlich verwundet vom Pferde 
fiürzte, Beſtuͤrzung ergrief alle, und Krum— 


pe, den Augenblick benuͤtzend, ließ ſeinen Hin⸗ 


terhalt hervorbrechen. Swent feuerte ſeine > 
Leute zur Rache an, er ſelbſt warf 
ſich dem dichſten Gedraͤnge der Feinde ent— 


gegen, aber von paniſchen Schrecken ergrif⸗ 


fen, und in Gefahr, uͤberfliegelt zu werden, 


ſuchte bald jeder ſein Ziel in der Flucht. 
Swent kaͤmpfte immer noch, obſchon er 
aus mehreren Wunden, blutete, aber der 


Schwall der ungeſtuͤmmen Zfiehenden- viet 
ihn aus den Getuͤmmel mit ſich fort. 

Man hatte den unglücklichen Sture aus 
dem Gedraͤnge gebracht, aber er ſtarb un— 
terwegs an ſeiner Wunde. Nach einen 
Gefechte, das an Szenen des Mordes 
beiſpiellos iſt, wurden auch die Verſchan⸗ 
zungen erobert, und der groͤßte Theil der 
Bauern ſtuͤrzte ſich von Verzweiflung hinge— 
riſſen mitten unter die feindlichen Bataillo⸗ 
nen, vergnügt zu ſterben, wenn ſie nur ih- 
ren Tod durch den Mord eines Feindes räch⸗ 
ten. Nur wenige retteten ſich mit Hilfe 
der Nacht in die nahen Waͤlder, von wo 
aus ſie nach ihren Wohnungen zuruͤckkehr⸗ 
ten. Dieſe Schlacht entſchied, und Schwe> 
den unterlag der Uibermacht. 8 

Fortgeriſſen von einer Schaar fliehen ⸗ 
den Reuter hatte Swent das Getuͤmmel der 
Schlacht verlaſſen müſſen. Man floh nach 
einem tiefen Gehoͤge, wo die Pferde kaum 


durch das dicht verwachſene Strauchwerk 
dringen konnte. Hier nahte ſich endlich die 
Schwaͤche von Swents Verblutung, da er 
doch ſelbſt nicht einmal gewußt hatte, daß 
er verwundet worden ſey, ſeine Haͤnde ver— 
mochten nicht mehr den Zuͤgel zu erhalten, 
Dunkelheit umſchwebte ſeine Augen, und er 
ſank vom Pferde. Die Reuter machten Hal⸗ 
te, einer von ihnen ſtieg ab, er zerriß ſeine 
Schaͤrpe, und verband ſo gut als möglich 
Swents Wunde, aber um den Ohnmaͤchti⸗ 
gen mit ſich fort zu bringen, dazu war die 
Zeit zu kurz, und zu groß die Furcht vor 
dem nachfolgenden Feinde. Man ließ Swen⸗ 
ten dem Zufalle über, und ſprengte fort. 
Die Nacht brach herein, der Feind vers 
theilte ſich in andere Gegenden, Todtenſtil⸗ 
le herrſchte an dem Orte, wo Swent lag. 
und ſich allmaͤhlich wieder in etwas zu er⸗ 
hohlen begann. Er richtete ſich halb empor, 
aber er war zu malt, um vollends aufzu- 


— 65 — 


ſtehen. Sein Haupt an einem Baumſtamm 
gelehnt, überließ er ſich ſeinen traurigen 
Betrachtungen. Schon wars Mitternacht, 
als einige fluͤchtige Bauern dieſe Gegend 
vorüberkamen, ſie ſahen Swenten, fuͤhlten 
Mitleiden mit feiner Lage, und hoben ihn 
auf einen Schlitten, auf dem ſie einige ih⸗ 
rer verwundeten Brüder mit ſich führten, 
| Hier erfuhr Swent den gaͤnzlichen Ausgang 
des Treffens, und ſank endlich von Kum— 
mer gebeugt, und von Entkraͤftung uͤber⸗ 
mannt, abermal ohne Bewußtſeyn dahin. 
Man konnte ihn unterwegs wenig Pflege 
reichen, denn man zog mit der groͤßten 
Eilfertigkeit fort, um nicht in die Gewalt 
herumſtreichender Feinde zu kommen, End⸗ 
lich erreichte man ein Waldorf; hier ließen 
ſie Swenten zuruͤck, und zogen mach DE 
ferneren Wohnungen. 

Swents Wunde war nicht gefahrlich 
uur der haͤufige Blutverluſt hatte ihm ſeing 

5 


Kräfte geraubt. Unter forgfältiger Pflege, 
fo gut er fie naͤmlich in feiner dermaligen 
Lage haben konnte, genaß er allmaͤhlich. Waͤ⸗ 
re fein Geiſt ruhig geweſen, fo wuͤrde dies 
ſes viel zur Beſchleunigung ſeiner Beſſerung 
beigetragen haben, aber das Ungluͤck des 
Vaterlandes, und des Freundes lag dop— 
pelt mit Zentnerlaſt an ſeinem Herzen. 
Kaum ſo viel war er wieder hergeſtellt, 
daß er in der Gegend umherwandeln konnte, 
als Gefahr ihn von feinem bisherigen ruhi⸗ 
gen Aufenthalt verſcheuchte. Abtheilungen 
von Feinden, welche ſich nun nach allen, 
Gegenden vertheilten, und verlegt wurden, 
kamen auch in die Naͤhe des Dorfes, und 
es haͤtte der Erinnerung der Bauern nicht 
bedurft, daß ein Mann wie Swent hier in 
ſo großer Gefahr ſey, er ſelbſt ſah dieß zu 
gut ein, und wußte, daß den Feinden ſehr 
viel daran gelegen ſey, ihn, deſſen Tapfer“ 
keit ſo viel zu ihren Schaden beigetragen 


— 67 — 


habe, in ihre Gewalt zu bekommen; er 
nahm Abſchied von den redlichen Landleu— 
ten, und eilte fort, unbewußt, wo er in 
der ihm ganz fremden Gegend ſich hinwen— 
den ſollte. 

Mehrere Tage durchſtrich Swent die 
Wildniß, ſank oft von Entkraͤftung, und 
unbefriedigtem Beduͤrfniſſe der Nahrung uͤber— 
mannt zu Boden, und wurde immer aufs 
neue aufgeſcheucht, weil er oft deutliche Merk- 
male, erhielt, daß die Feinde ihm auf der 
Spur ſeyen, und ihm verfolgen. So 
durchſtreifte er wie ein Verbrecher die un— 
wirthbareſten Wildniſſen, ohne es einmal 
zu wagen, wenn er eine einzelne Huͤtte ge— 
wahrte, dort einzuſprechen, weil der Lauf 
der Dinge auch die Geſinnungen maͤchtig 
geaͤndert hatte. 

Endlich nicht mehr faͤhig laͤnger dieſes 
qualvolle Umherirren mit alle feinen Schreck⸗ 
nißen zu ertragen, und entſchloßen eine menſch⸗ 

5 (2) 


* 


— 68 — 


liche Wohnung aufzuſuchen, es moͤge gleich 
was immer fuͤr ein Schickſal fuͤr ihn beſtimmt 
ſeyn, ſchritt er entſchloſſen vorwaͤrts, ohne 
mehr an eine Verborgenheit zu denken. Aber 
ſchon die Lage des Ortes machte ihn ver⸗ 
borgen genug, denn er war in dem dichte— 
ſten Theil der Waldung gekommen, wo er 
bald von keiner Seite mehr einen eee 
aus dem Strauchwerke fand. 

Schon erreichte ihn des Abends Daͤm— 
merung, als er an einen Felſen gelangte, 
der ſeinen weitern Weg hinderte, auf der 
einen Seite wogte ſich ein breiter reißender 
Strom vorüber, auf der andern gaͤhnte ihn 
ein tiefer Abgrund entgegen, vorwärts ſtand 
der Felſen in ſeinem Wege, und nichts 
ſchien ihm übrig, als wieder den Ruͤckweg 
anzutreten. Dieß war in ſeiner Lage, 
bei ſeiner Mattigkeit unmoͤglich, troſt⸗ 


los ſank er am Fuße des Felſens hin. 


5 Er ruhte einige Augenblicke, und beſchloß 


— 69 = 


endlich, ſo lange noch das zw eifelhafte Licht der 
Adenddaͤmmerung es geſtattete, den Felſen 
zu erkleltern, um zu fehen, ob er nicht we— 
nigſtens am kommenden Morgen eine Woh— 
nung erreichen koͤnne. Mit Anſtrengung al— 
ler Kraͤfte ſuchte er den ſteilen Felſen zu er⸗ 
klettern, oft glitſchte ſein Fuß aus, und 
er waͤre ſchrecklich zurückgeſtürzt, wenn er 
ſich nicht noch an einem aus dem Felſenri⸗ 
hen hervorragenden Strauchwerke erhalten 
härte. Endlich erreichte er die Höhe, und 
wie ſehr ſah er ſeine Freude belohnt, als 
er zwar ein finſtres duͤſtres Thal vor ſich 
-gewahrte, deſſen Umfang er bei der ſchon 
zu ſtarken Daͤmmerung des Abends nicht une 
terſcheiden konnte, aber in der Mitte „ des 
Thales ſah er eine Hütte, aus der qualmen⸗ 
der Rauch emporſtieg. Feſt entſchloſſen, 
hier Hilfe zu ſuchen, blieb nur noch die 
Beantwortung der Frage übrig, wie er 
über den Felſen hinabkommen koͤune, der 


— 70 — 


eben fo ſteil in die Tiefe zu laufen ſchien, 
als er an der andern Seite ſich emporhob. 
Doch Swent hatte ſchon fo viel gewagt, 
wie eine Gemſe, kletterte er über, die hie 
und da hervorragenden Felſenmaſſen ab— 
waͤrts, und errichte endlich den Boden. 
Seine Kräfte waren durch dieſe Gefahrvol— 
le Unternehmung gaͤnzlich erſchoͤpft worden, 
matt ſchleppte er ſich bis zur Huͤtte, deren 
Thure er nur angelehnt fand, gefaßt auf 
alles, oͤfnete er die Thuͤre, und blieb ſtau— 
nend am Eingange ſtehen. Am wärmen⸗ 
den Feuer ſaß ein Greis, deſſen Haare 
das Alter bereits zu bleichen begann, doch | 
umſchatteten feine zum Schlummer gefuns 
kenen Augen noch dichtbuſchichte ſchwarze Aus 
genbraune, und ein dichter Bart, der ihm 
bis an die halbe Bruſt hinabragte, verbarg 
zugleich einen großen Theil des Geſichtes. 
Sein Koͤrper war in Kleidung von Baͤren⸗ 
fellen gehuͤllt, neben ihm lag ein Jagdſpieß, 


und ein großer Degen hieng an einer breiten 
ledernen Gurte über feine Schulter. Diefer 
unerwartete Anblick war fuͤr Swenten zu 
frappant, um nicht betroffen ſtehen zu blei⸗ 
ben, und zu überlegen, was er thun ſollte. 
Aber zu groß waren auch feine Bedraͤngni— 
ße, um nicht alles zu wagen, doch wollte 
er den Alten in ſeinen Schlummer nicht 
ſtoͤhren, ſondern ſchritt leiſe naͤher, und la— 
gerte ſich auf den Boden am Feuer. Hier 
hatte er nun Muße genug, feine Betrach⸗ 
tungen anzuſtellen, ſein Blick irrte in dem 
Innern der Huͤtte, umher, er fand alles 
reinlich, und nur ſo viel in ſelber, als zu 
den noͤthigſten Beduͤrfniſſen hinreichend war. 
Jagdgeraͤthſchaften machten das meiſte aus, 
in einer Ecke ſtand ein Bette, das bloß aus 
Baͤrenfellen beſtand, und Swent war wirk— 
lich einige Augenblicke betrofen, als er itzt 
einen ungeheuren Bären von noch nie geſe— 
hener Größe in einem Winkel der Huͤtte 


— 72 — 


liegen ſah „aber er bemerkte bald die Spure 
ren von Blut an der Bruſt des Ungeheu— 
ers, und konnte leicht ſchließen, daß der 
unbekannte Alte dieſes Thier erlegt haben 
müſſe. Er mußte, wenn anders dieß ohne 
Beihilfe anderer geſchehen war, die Staͤr⸗ 
ke eines Mannes bewundern, der ſchon dem 
Greiſenalter fo nahe war. Idt forſchte. 
Swent in deſſen Zügen, und er konnte nicht 
umhin, zu denken, daß dieſer Mann keine 
boͤſe Seele haben koͤnne, denn wenn gleich 
die Furchen der Stirne duͤßeren Gram ver⸗ 
richten, fo lag doch ein ruhiges Lächeln 
um den Mund verbreitet, und Swent ſchloß 
daß nur der, deſſen Herz gut und rein iſt, 
dieſes ſanfte ruhevolle Laͤcheln, im Fa | 
genießen Fönne, 

Eine geraume Weile blieb FAR: ru⸗ 
hig am waͤrmenden Feuer ſitzen, und i 
begann ſich allmaͤh lich angelockt von der 
heftigen Ermattung und der allgemein here 


— 73 — 

ſchenden Stille, auch auf ſeine Augen ein 
leiſer Schlummer zu ſenken, als er den 
Alten ſich regen ſah, und ſich nun ſchnell 
wieder ermunterte. Dieſer ſchlug itzt die 
Augen auf, er erblickte den fremden Gaſt 
neben ſich, aͤuſſerte aber nicht das geringſte 
Befremden, ſondern ſah ſeinen unerwarteten 
Gefaͤhrten, nur mit ernſten forſchenden Bli⸗ 
cken an. „Verzeih ſprach Swent, daß ich 
es wagte, deine Ruhe zu ſtoͤren, ich wuͤrde 
dieſe Huͤtte nicht To kuͤhn betreten haben, 
wenn nicht aͤuſſerſtes Beduͤrfniß mich hinzu 
gezwungen haͤtte.“ 

Der Alte. Was bedarfft du 2 du 
ſcheinſt mir verſtoͤret und vom Umherirren 
ermattet, ſieh dort iſt ein Lager von Baͤ⸗ 
renfellen, es ruhet ſich wohl darauf, labe dich 
mit Ruhe, und ſuche deine Kraͤfte wieder 
zu ſammeln, oder haſt du auch Nahrung 
nöthig ? was ich beſitze, will ich dir reichen, 


. 


— 74 — 


es iſt wenig ‚ aber doch genug fie den Ge⸗ 
nuͤgſamen. 

Ohne Schwents weitere Antwort zu 
erwarten, tiſchte er etwas Nahrung und 
Trank auf, Swent fühlte zu ſehr dieſes Bee 
dürfniß, um ſich lange noͤthigen zu laſſen, 
er genoß das Vorgeſetzte mit einer Begier— 
de, welche deutlich zeigte, wie ſehr er dies 
ſer Labung bedurft habe, der Alte hatte ſich 
ihm gegenuber gelagert, und fein Auge ruh— 
te freundlich, aber doch forſchend auf dem 
Jünglinge. Wie Swent ſich erquickt hatte, 
fragte er ihn, durch welchen Zufall er hie— 
her gekommen ſey, denn, ſagte er, es ſind 
Jahre verfloſſen, und keines Menſchen Fuß 
betrat dieſe Gegend. Swent erzaͤhlte ſeine 
Verirrung, und die Niederlage des ſchwe— 
diſchen Heeres, aufmerkſam hoͤrte der Alte 
zu, feine innere Unruhe war immer ſichtba⸗ 
rer, tiefe Seufzer hoben ſich aus ſeinem 


Buſen, und eine Thrane rollte endlich über 
ſeinen buſchichten Vart. | 

„Was beweinft du?“ fragte Swent. 

Der Alte. Mein armes Vaterland. 

Swent. Wie waͤre es zu retten? 

Der Alte. Itzt mit nichts, in der 
Folge mit Muth und Eutſchloſſ enheit. 

Swent. Dazu wird ein großer Mann 
erfordert, deſſen erhabener Geiſt Staͤrke ge— 
nug beſitzt, die nun verriſſenen Ringe der 
Kette zuſammenzuloͤſen „und daurend zu 

vereinbaren. 

Der Alte. Du prichſt wahr. 

S went. Nur einen weiß ich, deſſen 
erhabener Muth dieſes Rieſenwerk vermoͤchte. 

Der Alte. und der waͤre? 

Swent. Guſtav Waſa, aber ach ge⸗ 
fangen, weilet er in ferneren Gegenden. 

Der Alte. So zertruͤmmert ſeine 
Feſſel. 

Swent. Wie aber das? 


u 76 — 


Der Alte. Gleichfalls durch Muth 
und Entſchloſſenheit, ſollte denn dieſer Gu⸗ 
ſtav unter ſo vielen nicht einen Freund ha⸗ 
ben, der fuͤr ihn eine gewagte Unterneh⸗ 
mung begoͤnne? 

Swent. Du beſchaͤmſt mich, ich bin 
Guſtavs innigſter Freund, aber — beim 
Himmel, die dermalige Lage der Dinge, 
und meine Pflicht gegen Sture machten es 
mir bisher unmoglich, dem Geliebten zu 
folgen. | 100 £ 
Der Alte. Dieſe Entſchuldigung iſt 
geltend, doch wenn du hergeſtellt biſt, 
dann verſaͤume keinen Augenblick, man 
wird dich wenig in Daͤnemark kennen, ſchiffe 
hinüber, o, es wird dir nicht ſchwer wer⸗ 
den den Aufenthalt deines Freundes zu fin⸗ 
den, Mittel ihn zu retten, wird der Zufall 
dir bieten, iſt er gerettet, fo wird er ges 
wiß nicht lange unthaͤtig bleiben, und wenn 
auch alles fehl ſchluͤge. — Glaube mir, iſt es 


— 


— 77 — 


im Rathſchluße des unergründlichen Vers 
haͤngniſſes beſchloſſen, daß dein Vaterland 
ſein Haupt wieder emporheben ſoll, ſo moͤ⸗ 
gen tauſend Plane mißlingen, tauſend Ge— 
fahren ſich haufen, fie. werden dennoch bes 
ſiegt, iſt es nicht dann wohl dem Edeln, 
der, wenn er gleich in ſeiner Unternehmung 
unterliegt, noch mit feinem letzten Athem⸗ 
zuge ſagen kann, ich habe ſo gehandelt, wie 
Vaterlandsliebe mir gebot. 
Swent. Du begeiſterſt mich, o, daß 
ich itzt ſchon hineilen koͤnnte. 
Der Alte. Auch Langſankeit führt 
zum Ziele, oft iſt ſie die Ver nichterin der 
ſchoͤnſten Hoffnungen, oft aber auch ihre 
Befoͤrderin. 
Sent. Ach, daß ich wines Na⸗ 
thes genießen koͤnnte. 

Der Alte. Lieber Jüngling, fo viel 
mir möglich, will ich dir leiſten, nun aber 
laſſe uns von dem ganzen Gegenſtande ab⸗ 


— 73 — 


brechen, du bedarfſt Ruhe, und ic an 
zum Nachdenken. 

Swent. Ich fuͤhle keine Sehnſucht 
nach Ruhe, dein Geſpraͤch hat jede Begier⸗ 
de nach Schlaf verſcheucht, laſſe uns noch 
eine Weile ſprechen mitſammen, o ich könn⸗ 
te dir Stundenlange zuhoͤren. 

Der Alte. Auch ich ſpreche gerne 
mit dir, habe ich doch ſeit Jahren kein 
menſchliches Weſen hier geſehen. 

Swen t. Ich bedaure dich, wie kannſt 
du aber in dieſer traurigen Auſomfeit hies | 
dich aufhalten? zu" 

Der Alte Einſamkeit iſt meine 
Freundin geworden, ich habe mich von dem 
Geraͤuſche der Welt losgeriſſen, losreiſſen 
muͤſſen, hier ſtoͤhrt keine heimtuͤkiſche Bos⸗ 
heit meine Ruhe, hier bin ich mein Alles — 
und freue mich, fo ganz von jedem Getuͤm⸗ 
mel eutfernt zu ſeyn. 

Swent. Und doch ſcheint dein a 


ER 


nichts fo wenig zu fühlen, als jenen Men: 
ſchenſcheu, den eine ſolche Lebensart ger 
woͤhnlich zu erzeugen pfleget. 

Der Alte. O nein, dieſes ehemal 
fo gefällige Herz wurde gezwungen, ſich in 
ſich ſelbſt zu verſchließen, aber es konnte 
nie ſich ganz von der Liebe, die es ehemal 
ſo innig gegen feine Mitgeſchoͤpfe fühlte, los- 
reißen, glaube mir, ich war nicht für dieſe 
Einſamkeit gebohren, aber des Ungluͤcks 
Fülle, und Schrecklichkeit hat mich genoͤ⸗ 
thiget, dieſen ſtillen Aufenthalt zu ſuchen, 
doch ich bitte dich ‚ laffe uns ſchweigen hie⸗ 
von, ſchmerzhaft iſt mir die Ruͤckerinnerung 
trauriger Vergangenheit, und meine Bege— 
benheiten ſind vor der Art, daß der un- 
durchdringliche Schatten ewigen Geheimniſſes 
auf ſelben ruhen muß. Nun ſo viel finde 
ich für nothwendig, dir zu ſagen, daß ich 
zwar oft auf der Bahne, die ich ehemal 
betrat, ſtrauchelte und auch fiel, aber daß 


— 80 — 


niemal Bosheit die Quelle meiner Handlun⸗ 
gen war. b 
Noch ſprachen fe lange wien: aber 
Swent wagte es nach der letzten Acufferung 
des Alten nicht, um feine früheren Ereig⸗ 
niſſe zu forſchen. Beide begaben ſich endlich 
zur Ruhe. Swent blieb noch einige Tage 
hier, bis er ſeine Kraͤfte wieder geſammelt 
hatte, mit Freundlichkeit und ſichbarer Zu— 
neigung bewirthete ihn der Alte, auch Swent 
konnte nicht umhin, ſich ſelbſt zu geſtehen, 
daß er ſein Herz ſanft an ihn angezogen 
fuͤhle. Der Greis, deſſen erſter Anblick ſo 
abſchreckend war, deſſen Auge gewohnlich 
ernſt und duͤſter ſah, hatte bei näherer Durchs 
forſchung etwas erhabenes und gutes in 
ſeinen Zuͤgen, das Ehrfurcht und Liebe zu⸗ 
gleich erregte. Swent fühlte die innnigſte 
Theilnahme an ſeinen ſichtbaren Kummer; 
oft wenn der Juͤngling auf dem Lager lag, 
und der Greis wähnte, daß er ſchlummere, 


7 


— 81 — 


trat er nahe hinzu, ſein Blick ruhte auf 
ihm, tiefe Seufzer draͤngten ſich aus ſeinem 
Buſen, und er mußte ſich wegwenden, um 
herabrinnende Thraͤnen zu troknen „oft ſaß 
er neben Swenten, ganz in Trauer verſun⸗ 
ken, und wehmüthig hob ſein Blick ſich ge⸗ 
gen Himmel, nur dann aber, wenn der Juͤng⸗ 
ling von den Bedraͤngniſſen des Vaterlandes 
ſprach, da umzog Röthe die Wangen des 
Greiſen, da erhielt fein Auge einen ſtrah— 
lenden Feuerblick, und er ſprach oft fo, 
daß Swent der Aeufferung gewärtig war, 
er wolle feine Einſamkeit verlaſſen und ihn 
nach Guſtavs Aufenthalt begleiten. Doch 
kam es nie zu dieſer Aeuſſerung, ſondern 
es ſchien allemal, als ob die Rückeriune⸗ 
rungen an irgend eine Begebenheit ihn ab⸗ 
ſchreckten. | j 
| Endlich hielt es Swent für Zeit, die, 
fen ſtillen Aufenthalt zu verlaͤſſen, und ſich 
dem Zufalle Preiß zu gehen, der uun am 
6 


9 — 


meiften a Handlungen zu beſtimmen hats 
te. Er nahm geruͤhrt Abſchied von dem 
Alten, der in dieſem Augenblicke weniger 
als ſonſt ſeiner Empfindungen Herr war, 
und mit ſichtbarer Liebe und Wehmulh den 
Juͤngling an feine, Bruſt drückte. 75 
Sſtent entfernte ſich, gleichfalls in 
einer Stimmung, die nahe an Traurigkeit 
graͤnzte, er ſchritt den bezeichneten Weg 
fort, gelangte bald an einige bewohnte Hüt⸗ ö 
ten, hier kaufte er gemeine Kleidung, 
verbarg feinen ehemaligen Rok hinter 
das Geſtraͤuche, und trat nun, in einem ſchlech⸗ 
ten Kittel gehuͤllt ſeine weitere Reiſe an. 
Gluͤcklich, obſchon nach Beſchwerniſſen 
mancher Art langte er an Daͤnnermarks 
Kuͤſten an, hieher hatte fein Weg eine be⸗ 
ſtimmte Richtung, aber, wo er nun ſich hin⸗ 
wenden ſollte, wo er Nachricht von ſeinem 
Freunde Guſtav einziehen ſollte, ohne ſich 
ſelbſt in Gefahr zu bringen, dieß war eine; 


| 


— 83 


Frage, deren Beantwortung ihm unmöglich 
war. Ohne Leitung, ohue der geringſten 
Kenntniß des Ortes irrte er einige Tage 
umher, als er an eine ungeheure Waldung 
gelangte; eine Spur von Guſtavs Aufent⸗ 
halt, die er nicht deutlicher erlangt hatte, 
als ein ſchwaches Trauenbild die Seele des 
Schlummernden voruͤber wandelt, nöthigte 
ihn feinen Weg durch dieſe Wildniß zu 
nehmen. Sorgenvoll, aber an nichts ſo 
wenig denkend, als an den Ort, an den 
er nun ſich befinde, wanderte er durch den 
tiefen Hohlweg $ wo auf beiden Seiten ſich 
ſteile Abhaͤnge mit wilden Geſtrippe bewach⸗ 
ſen emporhoben, als er itzt ploͤtzlich durch 
ein lautes Geraͤuſche in dem Buſchwerke aufs 
geſchreckt wurde, und vier große ſtarke Kerls, 
deren aͤuſſeres das deutlichſte Gepraͤge von 
Raͤuberhandwerk an ſich hatte, hervorſturzten, 
nicht eine Minute lang blieb ihre Abſicht 
unentſchieden, Swent zog feinen. Säbel, 
6 (2) 


er ſuchte an einer Felſenwand den Rücken 
zu ſichern, und bald ſtürzten die Räuber 
noch mehr aufgebracht, uͤber dieſen Trotz, 
über ihn her. Swent focht mit Muth und 
Staͤrke, aber uͤberlegen war ihm die An⸗ 
zahl, und die Dauer des Gefechtes entnervte 
allmaͤhlich ſeine Arme. Zwar lag ſchon 
einer der Räuber, auf den Boden hinge— 
ſtreckt, den ſeine im nahenden Tode zuckende 
Hand durhwühlte, aber auch Swent blute⸗ 
te aus mehreren Wunden, und ſchien ſei⸗ 
nen Gegnern zu unterliegen. Ploͤtzlich ſtuͤrz⸗ 
te ein fremder Mann aus dem Gebüfhe 
hervor, er war in einen ganz ordinaͤren 
Kittel gehüllt, um feine Schulter hing ein 
Mantel von Baͤrenfellen und eine aͤhnliche 
Müge verbarg einen Theil des Geſichtes, da 
ein dichter Bart den uͤbrigen befchattete, 
Mit einem großen Schwerte in der Fauſt 
ſtuͤrzte er wie verherrender Schauer über 
die Rauber, ehe ſich dieſe eines ſolchen Ge⸗ 


\ 


gners verſahen, deſſen Anblick ſchon Grauen 
in ihren Herzen erregen mußte, flürgte ei⸗ 
ner von ihnen zu Boden, der andere er— 
hielt eine Wunde, wo er mit der Hand 
das hervorſtroͤmende Blut zurückhaltend 
ſchnell nach dem Gebuͤſche floh. In dem 
naͤmlichen Augenblicke aber brachte der viers 
te der Raͤuber Swenten noch eine Wunde 
bei, und ſtuͤrzte dann haſtig fort, ehe ihn 
der Fremde erreichen konnte. 

Swent hatte ohnehin kaum mehr, ent⸗ 
kraͤftet vom Blutverluſte, den Degen führen 
koͤnnen, itzt ſank er zu Boden, er ſah es 
noch wie der Fremde ſich zu ihm herab— 
beugte, noch erkannte er in ihm den alten 


Freund aus dem Bärenthale, als Dunkel. 


heit ſeine Augen umflirrte, und dieſe, ſo, 
wie ſein Bewußtſeyn entſchwand ſich ſchloſ⸗ 
ſen. EN 

Er wars, der alte Freund, der in 
feiner einſamen Hüfte Swent en fo. liebevoll 


aufgenommen hatte. Wars Begierde mitzu⸗ 
arbeiten, zum Beſten des Vaterlandes, 
wars Liebe zu dem Juͤnglinge, die er ſo 
deutlich zeigte, oder ein anderer wichtiger 
Beweggrund, der ihn antrieb, feine Eins 
ſamkeit zu verlaſſen, und ſich abermal in 
das Geraͤuſche der Welt zu begeben, dieß 
wird die Folgezeit enthuͤllen, genug, er folg⸗ 
te Swenten, nur um einige Tage ſpaͤter, 
erhielt bald eine Spur von dieſem, folgte 
ihm unvermuͤdet nach, und erreichte ihn ge- 
rade in dem entſcheidenſten Augenblicke. 

Ast, als Swent ohne Beſinnung, tod⸗ 
tenaͤhnlich dahingeſtreckt lag, itzt beugte ſich 
der Alte kummervoll über ihn herab, und 
beſichtigte ſeine Wunden, keine war tief ge⸗ 
nug ‚ um gefährlich zu ſeyn, nur die hefti— 
ge Anſtrengung des Gefechtes bei Swents 
ohnehin noch ſchwachen Körper, und der 
viele Blutverlust hatten feine Ohnmacht her— 
zugezogen. Bei baldiger guter Pflege war 


7 


pe 


feine Wiederherſtellung zu hoffen. Der Alte 
riß ein Tuch in Stucke, er verband damit 
die Wunden, um das rieſelnde Blut zu 
ſtillen, dann hob er, mit Kraͤften des Jüͤngs⸗ 
lings begabt, den Ohnmaͤchtigen auf ſeine 
Schultern, und ſchritt mit ihm, ſo ſchnell 
es ſeine Buͤrde zuließ, den Hohlweg fort. 5 
Kaum eine Viertelſtunde durfte er ge⸗ 
hen, da ebente ſich der Weg, der Wald 
wand ſich ſeitwaͤrts hinüber, und eine an⸗ 
genehme Anhoͤhe zeigte ſich dem Auge, auf 
deſſen Gipfel hinter der theatraliſch empor⸗ 
laufenden Baͤumen ein Edelſitz hervorragte. 
Der Beſitzer deſſelben war ein edler Döne, 
Holdenſtierna genannt, jeder fand in feinem 
Haufe guͤnſtige Aufnahme, und wer Hol» 
denſtiernas Nahmen nannte, der vereinte 
auch das Wort Biederfinn damit, obſchon 
| fein Herz, wenn ihn einmal ein Entſchluß 
gut zu ſeyn ſchien; dieſen mit * 
Strenge verfolgte. | 


— 88 — 


Dahin nahm der Alte mit ſeiner Laſt 
ſeinen Weg, er erreichte die Spitze des Hü⸗ 
gels, hier ſenkte er Swenten auf den gras 
figten Boden, und ſchritt dem Eingange des 
Gebaͤudes zu, er zog am Glokenringe, ein 
alter Diener trat hervor, und fragte um 
ſein Begehren. | 

Der Alte. Sieh dieſen Juͤngling, 

Räuber baben ihn überfallen. 
* Diener ſah nach dem Jünglinge, 
und blickte dann ſo furchtſam nach der ſelt⸗ 
ſamen Geſtalt des Alten, gleich als ob er 
ſagen wollte, ich wuͤrde dich wohl ſelbſt da⸗ 
für halten, und mich mächtig aͤngſtigen, 
wenn du mir im Walde begegneteſt. 

Der Alte. (laͤchelnd) Ich habe ihn 
gerettet, und die Räuber vertrieben, aber 
fernere Hilfe vermag ich ihm nicht zu lei⸗ 
ſten, ich hoffe, daß er dieſe hier finden 
wird. 55 
Der Diener. Allerdings. 


— 89 — 


Der Alte. So geh, und melde es 
deinem Herrn. 5 

Der Diener. Es bedarf deſſen 
nicht, ja er wuͤrde es uns übel nehmen, 
wenn wir bei einer ſolchen Gelegenheit mit 5 
Hilfe zoͤgern wollten, ich eile einen Gefaͤhr⸗ 
ten zu holen, der mir hilft, den Berwuns 
deten zu Bette zu bringen. Darf man nicht 
wiſſen, wer denn dieſer ungluͤckliche junge 
Mann ſey? f | 

Der Alte. Du verſprachſt Eile, 
Freund, dieß laͤßt ſich auch ſpaͤter erfahren. 

Der Diener ſchüttelte den Kopf, und 
gieng in das innere des Gebaͤudes, wie er 
mit einem ſeiner Gefaͤhrten wieder zuruͤck⸗ 
kam, ſah er bereits den Alten am Fuße 
des Berges, wo er ſich bald hinter dem 
Gebuͤſche ſeinen neugierigen Augen entzog. 

Swent wurde nun nach einem reinli⸗ 
chen Zimmer gebracht, hier eilte ſogleich der 
Haus doktor von Holdenſtierna herbei, er 


— 90. — 


deſichtigte die Wunden, fand keine derſelben 
gefaͤhrlich, und eilte ſogletg zum labenden 
Verbande. 

Der Herr des: Hauſes erfuhr von dem 
Daſeyn eines Verwundeten, er verlangte 
ihn zu ſehen, und an der Hand feiner Toch— 
ter Roſaura, eilte er hinab nach dem Zim⸗ 
mer, wo Swent lag, deſſen Ohnmacht ſich 
in einen ſtaͤrkenden Schlaf aufgelöft hatte. 

Welch ein ſchoͤner Juͤngling! ſprach er 
halb laut — Welch ein Juͤngling, liſpelte 
Roſaura noch leiſer, und eine unwillkühr— 
liche Roͤthe umzog ihre Wangen, waͤh— 
rend ihre Augen mit einer Thraͤne des 
Mitleids unablaͤßig auf feiner Geſtalt ruhe 
en. Holdenſtierna befahl um, des Ver⸗ 
wundeten auf das ſorgfaͤltigſte zu pflegen, 
er verließ das Zimmer, und langſamer, 
als ſie „ war, folgte 50 Ro⸗ 
ſaura. ö | 

So wie das beiden deſſen blaue 


a > and 


Flamme bei verzehrter Nahrung zitternd zu 
erloͤſchen ſcheint, und ſich allmahlich wie- 
der erholt, und heller emporblickt, wenn 
neue Nahrung ihr gegeben wird, ſo erhol⸗ 
te ſich Swent allmaͤhlich unter der pfle— 
genden Hand des Arztes, alle moͤgliche 
Sorgfalt wurde ihm gereichet. Anfangs 
lag er, als er von ſeinen erſten Schlafe 
ſich erhohlte, wie ein Traͤumenden dahin, 
nur matt ſchlichen die Bilder der Vergan— 
genheit an ſeiner Seele voruͤber, er erin⸗ 
nerte ſich, daß feine letzte Beſinnung den 
Anblick des Alten aus dem Bärenthale in 
ſich faßte, aber, wo er ſich nun befaͤnde, 
und wie er hiehergekommen ſey, waren 
ihm neue Räthfel, die er ſich auch nicht 
ſo bald loͤſen konnte, weil der Arzt jedes 
Sprechen ſtrenge verboten hatte. Er ſah 
nichts als fremde Geſtalten um ſich bers 
wandeln, aber eine hatte er unter dieſem 


zwar nur einmal erblickt, welche die Sehn⸗ 


3 


ſucht ſie noch ns zu ſehen, am meiſten 
erregt hatte, doch blieb dieſe Sehnſucht ſo 
lange unbefriedigt ; bis feine Kräfte es ges 
ſtatteten, einige Zeit in den Garten ums 
herzuwandeln. Hier erblickte er nun jenes 
Weſen wieder deren Geſtalt ihm ſo lie⸗ 
bevoll in jenen Augenblicken erſchienen war, 
wo er noch zwiſchen Traum und Befinnung 
ſchwankte, er ſah ein, ſich nicht getaͤuſcht 
zu haben, ja er fand noch weit mehr Lie⸗ 
benswuͤrdigkeit an Roſauren, als ihm bei 
dem erſten fluͤchtigen Anblicke zu ſehen, moͤg⸗ 
lich geweſen wäre. Oft ſprach fie mit ihm 
und mit einer Zutraulichkeit, welche Swen: 
ten innig rührte. Bisher hatte niemand 
um Swents Herkommen gefragt „der Be⸗ 
ftzer des Landhauſes, Holdenſtierna war in 
Geſchaͤften abweſend, die Bedienten wagten 
es nicht, naͤhere Erkundigung einzuziehen, 
und Swent, der von ſeiner Verborgenheit 
Vortheil zu ſchoͤpfen glaubte, gab vor, ein 


junger Edelmann aus Gothland zu ſeyn, 
der auf feiner, um ſich Kenntniſſe zu fans 
meln, angeftellten Reife von den Rändern 
überfallen worden ſey. | 
Wir kehren nun, des ferneren Zufante 
menhanges der Geſchichte willen auf einige 
Augenblicke zu Swents Freund, Guſtav 
Waſa zurück. Dieſer ward nach der Fe— 
ſtung Kallo gebracht, wo er unter der Ob⸗ 
hut eines weitſchichtigen Anverwandten, Erik 
Banner ſtand. Dieſer, ein edler großmü⸗ 
thiger Mann, bemuͤthe ſich, ſo viel in ſeiner 
Macht war, Guſtavs Lage ertraͤglich zu ma⸗ 
chen. Er ſelbſt gewann, durch ſein gutes 
Anſehen, ſein edles einnehmendes Betragen, 
bald das Herz Banners, und ſeiner ganzen 
Familie. Er erhielt nach einem kurzen Auf⸗ 
enthalte die Freiheit auszugehen, und ſich 
mit der Jagd zu beluſtigen. Alles war ge⸗ 
ſchaͤftig, ihm vergnuͤgte Tage zu machen, 
allein, wie konnten alle dieſe freundſchefili⸗ 


22 


— 94 — 


chen Bemühungen den Gedanken aus feiner; 
Seele ſcheuchen, daß er hier Gefangener 
ſey, nichts konnte ihn fuͤr den Verluſt ſchad⸗ 
los halten, keinen Theil an den Ruhm und 
den Begebenheiten des Krieges nehmen zu 
koͤnnen; die Begierde ſein Vaterland zu ver⸗ 
theidigen, und das Gefühl ſeiner NEE 
verbitterten ihn jede Freude. 455 

Aber ganz zu Boden beugte ihm ſein | 
trauriges Gefühl, als er nun die Nachricht 
von Stures Tod erfuhr, er zweifelte nicht, 
daß auch ſein Swent ſein Leben auf dem | 
Schlachtfelde geopfert habe, und verſank in 
anhaltender Trauer. Der Wunſch zum 
Beſten feines Vaterlandes zu arbeiten, vers 
ſcheuchte endlich den Tiefſinn, der ihn um⸗ 
lagert hatte, und er beſchloß thaͤtig an ſei⸗ 
ner Befreiung zu arbeiten. 

Eines Tages entfernte er ef ch früh 105 dem 
Schloſſe zu Kall unter dem Vorwande, 
auf die Jagd zu gehen, er hüllte ſich in Bau⸗ 


— 8 — 


erkleidung, und verließ die Gegend. Meh⸗ 
rere Tage irrte er auf Umwegen umher, kei⸗ 
nen Augenblick ſicher, erkannt, und wieder 
in ſeine Gefangenſchaft zuruͤckgebracht zu wer⸗ 
den. Bald erhielt er deutliche Spuren, 
daß ihm ſeine Verfolger auf der Spur ſey⸗ 
en, er ſuchte ſich um fo ſorgfaͤlliger zu ver⸗ 
bergen, und duldete Mangel aller Art. 

Es war gerade um die Zeit, wenn die 
Nie derſaͤch ſiſchen Kaufleute nach Juͤtland 
kommen, um Hornvieh einzukaufen, und 
Guſtaven der in der aͤuſſerſten Bedraͤngniß 
ſah, blieb kein anderes Mittel uͤbrig, als 
ſich in einem lumpichten Kittel gehuͤllt, bei 
einem dieſer deutſchen Kaufleute als Och⸗ 
ſenknecht zu verdingen. Welch ein trauri⸗ 
ges Loos fuͤr ihn, und doch wußte Guſtav 
ſich ſo gut in dieſe ungewohnte Lebensart 
zu ſchicken, daß niemand ſeinen wahren 
Stand ahndete, und ſein Herr ſeiner Treue 
wegen ihn hochſchaͤtzte. 


1 


2 — 96 — 


Oft ſaben ſich Swent uud Raſaura ih⸗ 
re Blicke ſagten ſich gegenseitig, was ihre 
Herzen fühlten, aber ihr Mund hatte bisher 
immer noch ihre Empfindungen verſchwiegen. 
Swent war bereits auſſer der Pflege des 
Arztes, doch durfte er der Schwaͤche we⸗ 
gen immer nur noch wenige Bewegung ma⸗ 
chen, an Fortſetzung ſeiner Reiſe war noch 
gar nicht zu denken. Seine Wange hatte 
wieder fanfte Roͤthe umzogen * ſein Auge 
war nicht mehr matt und duͤſter, er ſprach 
ausdruckvoll, und beſonders bei Roſauren 
von dem, was in ſeinen Innern vorging, 
aber auch der flammende Blick, den er ſonſt 
hatte, war nun in etwas gemildert, und 
liebeſchmachtend, ſo wie überhaupt das 
ganze Weſen des ſchoͤnen Juͤnglings, ſehr 
viel anziehendes hatte. Nur zu gut fuͤhlte 
dieß Roſaura, die Geſtalt des holden jun— 
gen Mannes wich nicht von ihrer Seele, 
fie dachte wachend und tr aͤumend an ihn, 


— 97 — 
und war fuͤr jede andere Freude beinahe 
unempfindlich. 

„Wahrhaftig ſprach einſt ihr Kammer⸗ 
mädchen, die wie gewöhnlich auch ihre Ver⸗ 
traute war, wahrhaftig Roſaura, Sie ſind 
nicht mehr zu koͤnnen, Ihre ganze ehmali⸗ 
ge Lebhaftigkeit iſt entſchwunden, Sie ſitzen 
nun ſchon wieder mehr, als eine Stunde 
| hier, ſtarren immer nach einem Flecke, und 
hören gar nicht, was ich mit Ihnen fpreche, 

Ro fau ra. Gewiß waͤhlteſt du einen 
Gegenſtand, der wenig Reitz für mich hatte. 

Das Maͤdchen. Was koͤnnte nun 
noch Reitz für Sie haben; ſeit Siwent, — 
Ro ſaura. Beim Himmel, Mid 
chen du ſprichſt aus meiner Seele. 

5 Das Maͤdchen. Iſt das jene No⸗ 
ſaura, die zeither immer unempfindlich ge⸗ 
gen Liebe zu ſeyn ſchien; die ſo oft zu mir 
ſagte, Maͤdchen ich werde nur einſt den 
Bann lieben koͤnnen, deſſen Geiſt mit mei⸗ 

| 7 


nen emporſtrebenden Gefühlen har monirt, 
ich fühle es, daß ich nicht für Niedrigkeit 
gebohren bin, und nur der Mann kann 
meinem Herzen willkommen ſeyn, der gleich 
dem Adler der Sonne entgegenſtrebt, defe 
fen Ruhm auch mich bemerkenswertßh macht. 

Roſaur a. Ja ſo ſagte ich. 

Das Maͤdchen. Und nun — frei⸗ 


lich iſt Swent einer der liebenswuͤrdigſten 


Maͤnner, welche ich je geſehen habe, ſeine 
Art ſich zu benehmen, ſeine Bildung iſt 
intereſſant. | a 

Roſaur a. Und fein Geiſt, haſt du 
dieſen ſchon erforſcht? | 

Das Mädchen. So viel traue ich 


mir nicht zu — es iſt wahr, des Juͤng⸗ 


lings Blick verraͤth kuͤhnen Muth, ſein gan⸗ 
zes Weſen Erhabenheit der Seele, aber — 
RNoſaura. Nun — 4 
Das Maͤdchen. Um der Mann zu 
ſeyn, den Roſaurens Herz ehmal ſich wuͤnſch⸗ 


r 


te, ſcheint er mir, verzeihen Sie mir dieſe 
Bemerkung, zu wenig zu ſeyn, der Sohn 
eines unbedeutenden Edelmanns aus Goth⸗ 
land — der bis itzt noch fo wenig bemer— 
kenswerth iſt, daß — N 
Noſaura. Blicke her Madchen, und 
betrachte dieſe Zuͤge, (ſie zieht ein sa 
aus ihren Buſen.) | 
Das Mädchen Ha wahrhaftig, er 
iſis, es iſt Swent. — | Ä 
I ofaura. Dieſer Blick, o wie viel 
verſpricht dieſer, ſieh nur den Adel, der 
auf ſeiner Stirne thront, dieſe Erhaben⸗ 
heit, o ſolche Zuͤge koͤnnen nur mit einem 

großen Geiſte vereinbart ſeyn. 
Das Madchen. Aber, ich kann 
es nicht bergen, dieſen ſo viel ſagenden 
Blick habe ich an Swenten noch nicht be⸗ 
merkt. | 
Rofaura Hat nicht Krankheit die⸗ 

ſes Feuer gemildert? 

\ a 


ut, 
1) 


— 100 


Das Madchen. Und dieſem Auge, 
das bis in das innerſte zu dringen ſcheint, 
den ſchmachtenden Blick der Liebe gegeben. 

Ro ſa ur a. O, und wenn du erſt wuͤß⸗ 
teſt, wer er iſt, dieſer Liebling meiner 
Seele. | 

Das Maͤdchen. Wer er iſt? 

Roſaur a. Nein, ich will kein Ges 
heimniß vor dir haben, iſt doch mein Herz 
fo übervoll und ſehnt ſich nach Miltheilung 
— ich rechne auf deine Verſchwiegenheit. 
Das Mädchen Roſaura kennt 
mich. 8 

Roſaura. Hoͤrteſt du noch nie von 

jenem ſchwediſchen Juͤngling, deſſen kuͤhner 
Muth, deſſen allumfaſſender Geiſt ihn 
ſchon in früher Jugend ſo bemerkenswerth 
machten, daß aller Augen nur auf 
ihn ſahen, der gleich dem Adler em— 
po rſtrebt zum hohen Ziele, keine Gefahr 


I 


— 101 — 


ſcheuend, ganz durch ſeine eigene ie ſich 
emporſchwang. 
Das Maͤdchen. Aus ihrer Schil⸗ 
derung erkenne ich Guſtav Waſa. 
Roſaura. O wie leicht iſt er zu re⸗ 
rathen, denn welcher der Juͤnglinge gleichet 
ihn? — was vermag der Mann nicht alles 


noch, und ſteh Maͤdchen, dieß iſt ſein Bild. 


Das Maͤdchen. Dies? 
Rofaura Als fein Ruhm noch 


bluͤhte in Schweden, fandte mir es meine 


Tante um den Helden, von dem alles er⸗ 
tönt, auch im Bilde kennen zu lernen. Du 
weißt, daß Guſtav gefangen wurde, bei 
Erik Banner auf der Feſtung Balla lebte 


er bisher, er iſt von da entflohen. 


Ä 


1 


Das Madchen. Entflohen? 

Roſaura. Allenthalben eilen ihm 
Spaͤher nach. 

Da s Maͤdchen. Weh ihm, wenn 
fie ihn erreichen. s 


— 102 — 


Roſaur a. Unter fremder Geſtalt, 
unter erborgtem Rahmen irret er umher, 
und lebt itzt unter den Nahmen Swent aus 
Gothland bei Holdenſtierna. 

Das Madchen. Wars möglich! 
er, er Guſtav. 
Roſaura. Und dieſer Mann liebt 
mich, noch fagte mir es zwar fen Mund 
nicht, aber ich Iefe deutlich in ſeinen Bli⸗ 
cken, was er für mich fühlt. 
Das Mädchen. Aber ihr Vater, 
Noſenra ihr Vater. 

Noſaura. Er kennt ihn . 
er darf ihn nicht kennen. Guſtav wird ſich 
trennen von mir, er wird feine Plane befol- 
gen, er wird gluͤcklich ſeyn, und Roſaura wird 
dann auch an ſeiner Seite des ſeeligen Stol⸗ 
zes genieſſen, die Gattin des größten Mane 
nes ſeiner Zeit zu ſeyn. 

So klaͤuſchte ſich Roſaura, geblendet 
von ihren ſchwaͤrmeriſchen Traͤumen von 


Kal, 108 — 


Groͤße, und ſchwerlich wuͤrde Swent ihr Herz 

erhalten haben, haͤtte fie einen andern, als 

Guſtaven in ihm geahndet. Um den deim der 

Liebe in Roſaurens Herzen zur Reife zu brin⸗ 

gen, war dieſe Taͤuſchung nothwendig, hat 

dieſe Leidenſchaft einmal feſte Wurzel gefaßt, 

dann moͤchte vielleicht ihr Irrthum ſich enthuͤl⸗ 
len, ohne dem einmal Geliebten ſchaͤdlich zu 

werden. 1 | 
Schon Swents angenehme Geſtalt hat⸗ 

te Eindruck auf ſie gemacht, beguͤnſtiget 

durch ihre ſchwaͤrmeriſchen Ideen, vermochte 

ſie nicht lange ihre Gefuͤhle zu verbergen, 

und ihre Blicke ſagten deutlich, was in ih⸗ 

rem Junern vorgehe. Swent hatte bald 

keinen Zweifel mehr übrig, daß er wieder 
geliebt werde, aber er ahndete nicht, wel⸗ 

chen guͤnſtigen Zufalle er eigentlich dieſe 

Erwiederung ſeiner ſehnlichſten Wuͤnſche zu 

danken habe. Noch hatte ihm Muth und 

Gelegenheit gefühlt, feinen einigen Empfin⸗ 


— 104 — 


dungen Worte zu geben. Er befand ſich 
nun einmal im Garten; ganz mit dem Ge⸗ 
danken an feine Liebe beſchaͤftiget, irrte er 
in den Alleen umher, vom blühenden Grün 
beſchattet „als er itzt einer Laube ſich nah⸗ 
te und Roſauren in nachdenkender Stellung 
erblickte. Das Geraͤuſch, welches fein Fuße, 
tritt im Sande gemacht hatte, ſchreckte ſie 
aus ihrem Gedanken empor, ſie erroͤthete 
bei dem Anblicke des Geliebten, ſie wollte 
ſich ſchüchtern entfernen, und Swent bat 
ſie, bei ihm zu bleiben, ſtumm lagerte er ſich 
an ihre Seite, aber bald brach er das Schwei⸗ 
gen, als ein kuͤhn gewagter Haͤndedruck 
von dem Maͤdchen erwiedert wurde, und 
dieſes Zeichen von Mitempfindung ihm mehr 
Muth gab. Worte der Lippe floßen von . 
feinen Lippen, Noſaurens Auge ſprach von 
Gegenliebe, und bald floß auch ihr Mund 
davon über, beide leiſteten ſich das Geſtaͤnd⸗ | 
niß der innigſten Liebe, und ein beſeelie⸗ 


— 
7 


gender Kuß der Vorgänger von mehreren 


bekraͤftigte das Buͤndniß ihrer Herzen. Eben 


wollte Roſaura Swenten mitheilen, daß 
ſie ſein Geheimniß entdeckt habe, und wiſſe, 
daß er Guſtav Waſa ſey, als ihr Maͤdchen 
mit ſchnellen Schritten herbei eilte, und 
berichtete, das Roſaurens Vater angekom⸗ 
men ſey, von einem Offiziere und mehreren 
Reutern begleitet. Sie fragten ſchon am Ein⸗ 
gange nach Ihnen, ſprach das Maͤdchen zu 
Roſauren, und folgen mir auf dem Fuße 
nach, — ja wahrhaftig, da ſind ſie ſchon, 
unterbrach ſie Roſaura, es war nicht mehr 
Zeit für Swenten, ſich gaͤnzlich von Noſau⸗ 
rens Seite entfernen zu koͤnnen, wozu er 


auch keine urſache zu haben glaubte, der 
Vater nahte ſich freundlich mit dem Offizire 


— Sieh meine Tochter ſprach er, der Sohn 
meines alten Freundes Güldenſtorp, auf 
einem Streifzuge begegnete er mir, und 
ſericht hier ein, ich hoffe nicht, daß du 


wu 106 — 


Urſache haben werdeſt „den Vertrag zu be⸗ 
reuen, den ich ſchon lange mit ſeinen Va⸗ 
ter einging, durch Euch beide unſere Fami⸗ 
llien in eine zuſammenſchmelzen zu ſehen, 
lernt Euch kennen und erfuͤllt dann die Wün⸗ 
ſche Eurer Vaͤter. 

Man kann ſich denken, welche Stim⸗ 
mung dieſe wenige Worte in den Herzen 
der beiden Liebenden hervorbringen mußten. 
Roſaura ſchrak heftig zuſammen, und ver⸗ 
mochte nicht dem Vater zu antworten, nnd 
auf Swentens Geſichte war ganz die Unru⸗ 
pe, welche er fühlte, ſichtbar. Dem Va⸗ 
ter fiel das Betragen der Beiden auf, for⸗ 
ſchend ruhte ſein Blick auf Roſauren, ſo 
wie Guͤldenſtorp mit unverwandten Augen 
nach Swent hinblickte, itzt wand er ſich zu 
dem alten Holdenſtierna. Theuerſter Vater, 
ſprach er, ich wuͤnſche, daß ich mit meiner 
Bewerbung um Roſaurens Gegenliebe, eben 
ſo gluͤcklich ſeyn moͤchte, als ich bereits bei dem 


— a 


erſten Eintritte in Ire Wohnung ſo N 
lich war, meinen beſchwerlichen Streifzug 
zu enden (zu Swenten) Sie mein Herr, 
ſind mein Gefangener. 

Swent. Was fol das? 

Holdenſtierna. Was wollen ſie 
thun, Guͤldenſtorp? | 

Güldenſtorp. Lieber Vater, Fette 
nen Sie dieſen Herrn? 

Holdenſtiern a. Er wurde vers 
wundet, in mein Haus gebracht, er nennt 
ſich Swent, und iſt der Sohn eines Edel⸗ 
manns aus Gothland. 
Guüͤldenſtorp. Sie ſind getaͤuſcht, 
Sie wiſſen, daß allenthaben Leute um— 
herziehen, den aus der Gefangenſchaft Erik 
Banners entflohenen Guſtav Waſa zu ſu⸗ 
chen, ich bin der gluͤckliche, der am erſten 
ihn entdeckte. Suchen Sie ſich nicht laͤnger 
mehr zu verbergen, ich ſah fie in der Schlacht 
von Stockholm, und habe mir Ihre Züge 


— 1083 — 


gut gemerkt, meine Pflicht gebe mir, Sie 
in Gewahrſam zu nehmen. 
Roſaura. Gott im Himmel, er iſt 
verrathen! 
Holdenſtierna. Wie meine Toch⸗ 
ter, du weißt — * 
Roſaura. Ja, es iſt Guſtav Wa⸗ 
2 ‚ aber Bater — Vater, könnten Sie das 
Recht der Gaſtfreiheit, koͤnnten ſie den Schutz, 
den Sie ihm gelobten, fo ſchnell vergeffen — 
Holdenſtierna. Schutz gelobte ich 
dem Gothen Swent, nicht Guſtaven, ich 
ehre das Recht der Gaſtfreiheit, aber mir 
ziemt es nicht, die Urſache zu unter ſuchen, 
warum Guſtav Gefangener ſey, noch weni⸗ 
ger mich gegen hoͤhere Befehle aufzulehnen. 
Während dem hatte Güldenfiorp feinen 
Bedienten bereits nach denen im Vorhofe 
ſich befindenden Soldaten geſandt, fie nah⸗ 
ten ſich, und dieſer Anblick war zu erſchuͤt⸗ 
lernd für Roſaurens liebendes Herz, daß fie 


— 109 — 


nicht alle Merkmale des Schreckens haͤtte 
äußern ſollen, fie brach in laute Thraͤnen 
aus, aber vergebens ſuchte ſie ihren Vater 
mit Bitten zu beſtuͤrmen, vergebens ſchwur 
ſie, daß dieſe That hinreichend genug ſey, 
Guͤldenſtorpen auf immer zu verachten. 
Swent hatte bisher mit Staunen die— 
ſer Szene beigewohnt, anfangs hatten ihn 
die Worte Guͤldenſtorps, daß er fein Ge⸗ 
fangener ſey, mit der aͤuſſerſten Beſtuͤrzung 
erfüllt, die unvermuthete Nachricht, daß Gu⸗ 
ſtav feiner Haft entflohen ſey, erfüllte ihn 
mit Freude, und ſchnell kettete ſich an die⸗ 
ſen der Gedanke, ſich fuͤr ſeinen Freund 
aufzuopfern, er vergaß in dieſem Augen⸗ 
blicke ganz ſeiner Liebe, und des Staunens, 
daß auch Roſaura ihn für Guſtaven gehal⸗ 
ten habe, er ſah ein, daß ſein Geſtaͤndniß, 
er ſey Guſtav, dieſen vor Nachſtellung we⸗ 
nigſtens auf einige Zeit ſichern, und daun, 
wenn ſich die Taͤuſchung enthuͤllen werde, 


ihm demnach feine Freiheit werden muͤſſe. 
Fuͤr jeden Fall glaubte er ſich dadurch zu 
ſichern, wenn er erklaͤre, daß man ihm gar 
nicht erlaubte ſich zu rechtfertigen, und den 
Irrthum aufzuklaͤren, fondern in der Bes 
gierde, Guſtaven zu fangen, ſeine Worte 
gar nicht angehoͤrt habe, er machte daher 
nur wenige Entſchuldigungen, daß man ſich 
in ſeiner Perſon irren, und hier eine Aehn— 
lichkeit der Geſichtszuͤge obwalten koͤnne, er 
freute ſich, daß man dieß als leere Aus— 
ſtuchte verwarf, und folgte endlich ſchwei⸗ 
gend dem Offizier, welcher auf kurze Zeit 
von Holdenſtierna, und der klagenden Ro— 
faura Abſchied nahm, Swenten ein Pferd 
vorfuͤhren, ihn in die Mitte der Reuter neh⸗ 
men ließ, und nun ſich augenblicklich und 
freudig, die auf Guſtaven ausgeſetzte Be⸗ 
lohnung zu aͤrndten, entfernte. 

Der Weg gieng nach der naͤchſten Fe⸗ 
ſtung, welche man bei dem ſtaͤrkſten Mitte 


erſt am dritten Tage erreichen konnte. Un⸗ 
unterbrochen ſetzte man die Reiſe fort, aber 
am zweiten Abende noͤthigte ein heftiges Re⸗ 
genwetter ſie, zeitlicher, als ſie im Sinne 


hatten, eine Schenke zu ſuchen. — Gehüllt 


in einem elenden Kittel, verſah Guſtav ſei— 
ne Dienſte bei dem niederſaͤchſiſchen Ochſen⸗ 
haͤndler. Niemand ahndete, wer unter dies 
fer Hülle verborgen ſey. Einſt gegen Abend, 
als heftiges Ungewitter weiteres Fortkom⸗ 
men unmöglich machte, trieben fie ihr Vieh 
einer Schenke unferne der Straſſe zu, und 
ſobald Guſtav fuͤr deſſen Unterkommen ge⸗ 
ſorgt hatte, begabt er ſich in die Stube, 
wo feine Herren ſich bereits mit warmen 
Bier und Honig labten. Düſter und nach⸗ 
denkend lagerte ſich Guſtav in einem Win⸗ 
kel, fein Stuͤck ſchwarzes Brod zu verzeh⸗ 
ren, als die Gaͤſte uͤber den Zuſtand von 
Schweden zu ſprechen begannen. Bisher 
war es ihm unmöglich geweſen, ohne zu 


— 119 — 


befuͤrchten, verrathen zu werden, nähere 
Nachrichten einzuziehen, er horchte hoch auf, 


aber wie ſchrecklich waren ſeine Empfindun⸗ 
gen, als er nicht nur erfuhr, daß Stock⸗ 
holm bereits erobert ſey, ſondern auch, 
daß der Tod feinen Vater, und viele ſei— 


ner Freunde dahingeraft habe. Jedes Wort 


der Erzaͤhlenden entvoͤlkerte für ihn das 
Vaterland, und war ein Schwertſtreich, der 
ihm einer feiner Lieben raubte, bittre Thraͤe 
nen quollen uͤber ſeine Wangen, und netz⸗ 
ten die harte Brodrinde, welche feine zit⸗ 
ternde Hand kaum mehr halten konnte. 
Ploͤtzlich wurde unfanft an der Thuͤre ge⸗ 
pocht, Soldaten, welche einen Gefangenen 
mit ſich führten, forderten Einlaß, und Gu⸗ 
ſtav zog ſich, um nicht erkannt zu werden, 
noch tiefer in feinem Winkel zurück. Die 
Thuͤre wurde geöffnet, Guͤldenſtorp mit ſei⸗ 
nen Leuten, und Swent traten ein. Sie 
nahmen Platz an einem Rundtiſche, bald 


a 


waren Kannen und Glaͤſer gefüllt, welche nun 
unter lautem Geſpraͤche herumgingen, waͤh— 
rend es auſſen witterte und tobte. Neugierig, 
wie Reifende gewöhnlich, forſchten die Kauf- 
leute, wer denn der Gefangene ſey, der 
duͤſter in die Ecke hingelehnt ſaß, und den 
Hut bis uͤber die Augen in das Geſicht 
gedruckt hatte. Ich habe nicht noͤthig es 
j zu verſchweigen, ſprach Guͤldenſtorp, ich 
habe einen gluͤcklichen Fund gemacht, es 
iſt der bekannte Guſtav Waſa, der ſeiner 
Verhaftung entflohen iſt. Guſtav ſelbſt hob 
ſein Haupt ſchnell empor, aber er konnte 
eben ſo wenig das Geſicht des Gefangenen 
ſehen, noch die Möglichkeit der hier obwal⸗ 
tenden fuͤr ihm ſo freudigen Taͤuſchung be⸗ 
greifen. > 
Lange ſprachen und zechten die An⸗ 
weſenden, bis endlich die nahe Mitternacht 
alle zur Ruhe gehen hieß. Jedem der Gaͤ⸗ 
ſte wurde ſein Zimmer angewieſen, Gülden⸗ 
8 


— 114 — 


ſtorp der fpdt gekommen war, fand zur Roth 
nach eines fir ſich, und aufgeblaſen von 
thoͤrichten Stolze, hielt er es fuͤr zu un⸗ 
ruͤhmlich fuͤr ſich, ſeinen Gefangenen zu ſich 
nehmen, er ließ ihn bei zwei Reutern in 
der Stube waͤhrend die andern ſich nach 
dem Stalle begaben. Auf Guſtaven ſelbſt 
hatte man keine Acht, vertieft in Geſpraͤch 
hatte man ihn vorher eben ſo wenig bemerkt, 
als nun beim Fortgehen, er ſaß tief in 
ſeinem Winkel hinter dem Ofen vergraben. 

Noch eine Weile fprachen die beiden 
Waͤchter des Gefangenen, aber das in Uiber⸗ 
maaß genoßene Honigbier zauberte bald fe⸗ 
ſten Schlaf uͤber ihre Augen. Allgemeine 
Stille herrſchte nun, Guſtav wagte lange 
ſich nicht hervor, aber ein leiſer Seufzer 
des Gefangenen zeigte ihm, daß dieſer noch 
wach ſey, er ging aus ſeinem Winkel her— 
vor, und nahte ſich ihm, die Reuter lagen 
in der anderen Ecke des Zimmers auf ih⸗ 


— 115 — 


ven Maͤnteln. Nur einmal, ſprach er lei— 
fe, möchte ich die Zuͤge des gefangenen Gu— 
ſtavs Waſa ſehen — Swent hob bei die— 
ſen Worten ſein Haupt empor, er ruͤckte 
den Hut aus der Stirne, beide Freunde 
erkannten ſich, und nur muͤhſam hielten ſie 
ſich zuruck, durch einen lauten Ausruf ihre 
Waͤchter zu wecken. Gott waͤrs moͤglich 
Swent, mein Swent, ſtammelte Guſtav. 
Swent. Mein Guſtav, du hier? 
ſo nahe deinen Feinden? | Mi 
Guſtav. Mich ſchuͤtzen Kleidung und 
Gewerb — o komme in meine Arme, du, 
den ich fo oft als todt ſchon beweinte. 
Swent, Ach welch ein trauriges 
Wiederſehen! | l 
Guſta v. Welche Naͤthſel umgeben 
mich, wie kamſt du in dieſe Gegenden, was 
ſoll deine Gefangenſchaft, o, erzaͤhle Freund 
meiner Seele. 
Swent erzaͤhlte, ſtaunend hörte Gu⸗ 
8 (%% A 


[ 116 


ſtav zu. Wie, rief er, und du wollteſt 
noch länger die Laſt der Gefangenſchaft tra. 
gen, die Über mich verhängt iſt? 

Swent. Mir iſt fie keine Laſt, ſelbſt 
wenn Feſſel dieſe Hände druͤckten, ‚würden 
ſie mir leicht duͤnken, weil ich fie für mei⸗ 

nen Freund trag. | 
| Guſtav. Nimmermehr, mag das 
Schickſal was immer uͤber mich beſchloſſen 
haben, ich will der eiſernen Nothwendigkeit 
weichen, und mich dem Offiziere entde⸗ 
cken. \ | 

Swent. Was willſt du, Freund 
bedenke. 

Guſtav. O du kennſt noch nicht die 
Härte der Gefangenſchaft, welch ein trauri⸗ 
ges Schickſal deiner harren wuͤrde, ahndeſt 
du noch nicht, auf dem Verderben meines 
Freundes will ich meine Freiheit nicht gruͤn⸗ 
den. 5 r 
Swent. Was kann mir geſchehen, 


der Irrthum wird ſich entdecken, und ich 
werde mich hinlaͤnglich ausweiſen koͤnnen, 
daß man mein Geſtaͤndniß, ich ſey Guſtav 
nicht, für kahle Entſchuldigung nahm, aber 
ſpaͤt erſt ſoll dieſe Entdeckung geſchehen, du 
hingegen wirſt dadurch um ſo ſtcherer ent— 
fliehen koͤnnen, benuͤtze die Zeit Guſtav, und 
die günfligen Umſtaͤnde, der Freund bedarf 
deiner nun nicht, aber — das Vaterland. 

Guſta v. O mein armes Vaterland. 

Swent. Der Tod rafte deine Freun⸗ 
de hinweg, niemand iſt da, deſſen Geiſt 
ſo kuͤhn, deſſen Liebe ſo entſcheidend waͤre, 
unter den Truͤmmern der geſunkenen Groͤße 
ihren Strahl noch hervorzuſuchen, du ale 
lein vermagſt es, dein Nahme iſt in alle 
Herzen eingegraben, nach dir klagt des 
Vaterlandes aͤchzende Stimme, geh zu 
deiner großen Beſtimmung — dein Freund 
wird dir folgen, und ſich freuen, wenigſtens 


den Weg zu großen Thaten geſichert zu ha⸗ 
ben. N EN 
Guſtav. — Du begeiſterſt mich, 
ach Swent, Swent wenn du an meiner 
Seite waͤrſt. | 
Swent. Diefe Zeit iſt nicht ferne, 


ſobald ich dich in Sicherheit weiß, daun 


will ich die Verwirrung aufdecken, und dir 
folgen. 5 | 11 
Guſtav. Ich zittere für dich. 
Swent. Zittre nicht, ich folge dir 
bald, aber flieh Guſtav, hier droht Gefahr; 
leicht kann man dich am folgenden Morgen 
entdecken, und wenn man gleich dich in 
mir glaubt, fo kann doch ſchon die Aehnlich⸗ 
keit unſerer Geſichtszuͤge Verdacht erregen. 


Nicht viel mehr als eine Stunde haſt du 


noch nach Lübek, dann biſt du in Sicher⸗ 
heit — N | 

Guſta v. Und du wanderſt dem Ges 
faͤngniſſe zu. — 


— 119, — 


Swent. In dem ich ruhig harre, um 
dir zu großen Thaten zu folgen. Genug nun, 
dieſen Kuß noch, und nun möge Gott dich 
begleiten, bald — bald — Vun wir uns 
wieder. 

Gu ſta v. Swent — 

Swent. Hinweg mit dieſer Thraͤne, 
hinweg mit dieſer Zögerung — Guſtav, 
das Vaterland ruft dich. | 

Guſta v. Ich folge dieſem heiligen Ru- 
fe — lebe wohl. 

Fort eilte Guſtav in Nacht und Sturm, 
Swent aber lagerte ſich wieder ruhig in 
feinem Winkel, er trat am folgenden More 
gen feinen weiteren Weg an, und erreichte 
endlich die für ihn beſtimmte Feſtung, wo 

man ihn bis auf weitere Entſcheidung nach 
einem feſtverwahrten gefaͤngnibaͤhnlichen 
Gemache brachte. f 

| So eilig als möglich verfolgte Guftav 

den Weg nach Lübek, am anbrechenden 


— 


Morgen erreichte er die Stadt, allein, der 
erſte, der ihm begegnete, war Erik Ban⸗ 
ner, aus deſſen Haft er entflohen war, die⸗ 
ſer uͤberhaͤufte ihn mit bittern Vorwuͤrfen, 
und beſtand darauf, daß er ihm wieder zu— 
ruͤck folgen muͤſſe, allein Guſtav wußte ihm 
ſo wichtige Gründe entgegen zu ſtellen, daß 
Banner von ſeiner Forderung abſtand, und 
wieder fortzog. ö | 
Guſtav begab ſich zum Büͤrgermeiſter 
Nikolaus Broͤms, einem edlen Greiſe, dies 
ſem gab er ſich zu erkennen, und flehte ihn 
um einigen Beiſtand an. Dem Buͤrgermei⸗ 
ſter gefielen feine Gruͤnde, er verſprach ihm 
Gelegenheit, ihn nach Schweden überführen 
zu laſſen. Guſtav pflegte ſich hier kurze 
Seit durch Ruhe, bald war ein Kauffartei— 
ſchif ſegelfertig, welches Guſtav unter er 
borgtem Nahmen beſtieg. Gluͤcklich entgieng 
er der feindlichen umherſchwaͤrmenden Flot— 
te, gluͤcklich entgieng er den Gefahren eines 


wuͤthenden Sturmes a und landete endlich 
an dem Vorgebirge Stenſoͤ nahe bei Kal— 
mar. Welche Gefühle bemaͤchtigten ſich ſei⸗ 
ner, als er ſein Vaterland wieder betrat; 
es war nun alles ſo ganz anders, als wie 
er es verlaſſen hatte, traurige Stimmung 
verbreitete ſich uͤber ihn, doch erhellte noch 
ein Strahl von Heſſnung, feinem Ziele nde 
her zu kommen, die Nacht der Trauer, wels 
che ihn umgab —. 
Vergebens flehte Roſaura bei ihrem 
Vater, fie mit der Verbindung mit Guͤlden— 
ſtorp zu verſchonen „der Alte blieb feſt auf 
ſeinem Sinne, machte dem Maͤdchen die 
bitterſten Vorwürfe uͤber ihre Liebe zu Gu⸗ 
ſtaven, und betrieb mit Eifer die Anſtalten 
zur Verlobung, welche, ſo bald Guͤldenſtorp 
zuruͤckkehren wuͤrde, vollzogen werden ſoll⸗ 
te. Aber bevor dieſe Rückkehr noch erfolg 
te, ſpreitete der Todt fein ſchwarzes Par 
nier über die hochzeitlichen Kraͤnze, ſchnel⸗ 


les Dahinſterben von Roſaurens Vater mach⸗ 
te die Freudengeſaͤnge, in die ohnehin nur 
des Maͤdchens geheimes Seufzen ſich meng⸗ 
te, verſtummen. Tiefe Trauer grub ſich in 
. Rofaurens Herz, aber fie gedachte nun auch 
an Guſtaven „ und kannte Güldenſtorpen zu 
gut, um es nicht fuͤr raͤthlich zu halten, 
ſeine Ankunft zu erwarten. Sie beſchloß 
nach Guſtavs Aufenthalt zu reiſen, und 
dort, wenn ſie gleich die traurige Lage 
des Geliebten nicht aͤndern konnte, ihm doch 
ſein Schickſal erträglicher zu machen. 

Voll von dieſen Ideen war ſchon altes 
zur Abreiſe bereitet, als man einen alten 
Mann bei ihr meldete, welcher nothwendig 
mit ihr zu ſprechen habe, die Bedienten 
erkannten ſogleich den Alten in ihm, wels 
cher Swenten verwundet nach dem Schloße 
gebracht hatte. Er nahte ſich Roſauren. 
„Edles Maͤdchen, ſprach er; ich weiß die Ur⸗ 
ſache Ihrer Abreiſe, fie wollen den gefange⸗ 


— 123 EN 


nencheliebten aufſuchen, — erroͤthen Sie nicht 
uͤber die Entdeckungreiner Leidenſchaft, die, 
Ihrem Herzen Ehre machet. Ja ich bin 
gekommen, Ihnen meinen Nath zu erthei⸗ 
len, wie ſie die Freiheit Ihres Geliebten 
ſchnell erwirken koͤnnen.“ Und dieſer waͤre? 
fragte Roſaura und ihre Wange glühte, 
und ihr Auge ruhte mit minderer Scheu 
auf den ſeltſamen Fremden. 

Der Alte. Gehen Sie zum Kente 
mendanten der Feſtung, wo Ihr Geliebter 
im Gefaͤngniſſe ſchmachtet, zeigen Sie ihm 
Guſtavs Bild, das ich hier an ihren Bu— 
ſen ruhen ſehe, und haͤndigen Sie ihm die⸗ 
ſes Schreiben ein. Freilich, Freilich are 
mes Maͤdchen, wird ihr Herz viel leiden, 
aber ein fo edler Geiſt, wie der ihrige, 
weiß eigene Leiden den Fremden zu opfern. 
Er legte das Schreiben auf einem 
Tiſch, und entfernte ſich, vergebens ſuch⸗ 
te ihn Roſaurg zurückzuhalten, um noch 


1214 — 


mehr von dem raͤthſelhaften Alten zu erfah⸗ 
ren, er war ihren Augen entſchwunden, ehe 
fie ſich von ihrer Befthrzung erhohlen konn⸗ 
te. Das Schreiben war an den Kommen— 
danten der Feſtung gerichtet, noch mehr war 
Roſaurens Entſchluß zur Reiſe beſtimmt, 
ſie ließ bald den Wagen vorfahren, und 
eilte nach dem Aufenthalte, ihres Gelieb— 
en., f 19 5 N 45 
Der Kommendant ließ ſie ſogleich vor 
ſich, er ſchätzte die Tochter des verbliche⸗ 
nen Vaters willen, den er ſehr gut gekannt 
hatte. Roſaura ſtehte, Guſtavs Schickſal 
ertraͤglicher zu machen, der Kommendant 
bedauerte nicht wider ſeine Pflicht handeln 
zu konnen, fie erzählte ihm von dem Bes 
ſuche eines unbekannten Alten, und gab 
| ihm Bilduiß und Schreiben, er entfaltete 
es, es war von dem Gouverneuer von Kalmar 
er berichtete ſeinem Freunde, daß Guſtav 
Waſa dort angelangt ſey, ſich aber, weil er 


7 — 125 — 


keinen Anhang fand, ſchnell habe fluͤchten 
muͤſſen, und ihm nun von allen Seiten nachge- 
fielt würde, Der Kommendant ſtaunte, er 
wußte Guſtaven in feiner Gewahrſam und 
doch ſollte dieſer zu gleicher Zeit in Schwe⸗ 
den ſich aufhalten — er betrachtete das 
Portrait, hieß Roſauren ruhig ſeyn, und 
begab ſich zu den gefangenen Swent, un⸗ 
terwegs brachte man ihm noch ein Schrei- 
ben, worinnen die Nachricht auf das ge⸗ 
wiſſeſte beſtaͤttiget wurde, daß Gustav in 
Schweden ſich befinde. Er eilte zu Swen⸗ 
ten, verglich feine Züge mit dem Bilde, fand 
große Aehnlichkeit, aber doch nicht in dem 
Maaße, wie die liebende Roſaura gefun- 
den hatte. Swent blieb ſeiner Ausſage 
getreu, ein Gothlaͤnder zu ſeyn, und be⸗ 
theuerte, daß man ſeinem Widerſpruche gar 
kein Gehoͤr gegoͤnnet habe. | 
Der Kommendant ſah wohl ein, daß 
Swents Gefangennehmung das meiſte dazu 


N N 


beigetragen haben mochte, daß Guſtab von 
fernerer Nachſtellung dadurch befreit, gluͤck⸗ 
lich nach Schweden kam, und ſchwerlich 
würde Swent ſeines Stillſchweigens wegen 
ſo leicht abgekommen ſeyn, wenn er nicht 
auf Rofauren Ruͤckſicht genommen haͤtte. 
Er kehrte zu dieſer zuruck, entdeckte ihr 
den Irrthum, der mit Guſtaven hier vorges 
fallen fey, und erlaubte ihr, Swenten ſeine 
Befreiung ſelbſt anzukuͤnden. f 

Dieſe Entdeckung machte auf Roſau⸗ 
ren einen ſonderbaren Eindruck, ſie begann 
nun ſelbſt in Zweifeln zu ſchwanken, und 
ihr Herz fühlte ſich im innerſten gekränkt, 
ſich in ſeinen ſchwaͤrmeriſchen Traͤumen von 
dem erſten Manne ſeiner Zeit geliebt zu ſeyn, 
getaͤuſcht zu ſehen, zwar ſprach laut die 
Simme der Liebe, aber ihr Stolz ſtegte, 
ſie verlangte Swenten nicht zu ſehen, be⸗ 
gnügte ſich mit dem Bewußtſeyn, feine 


Freiheit erwirkt zu haben, und kehrte nach 
ihrem Gute zuruͤck. 

So weit hatten Stolz und Unmuth 
geſiegt, aber als ihr Herz ruhiger gewor— 
den war, da begann wieder lauter die Stim, 
me der Liebe zu ſprechen, Swents Geſtalt 
ſchwebte unaufhoͤrlich vor ihrer Seele, fie 
machte ſich ſelbſt die bitterſten Vorwuͤrfe, 
und haͤtte er ſich ihr genaͤhert, ſie wuͤrde 
gerne ihren erhabenen Abſichten entſagt, 
und ihn mit ihrer vorigen Liebe beglückt 
haben. Bald erfuͤllte dieſe wieder in ihrer 
ganzen Groͤße ihr Herz, aber vergebens 
ſuchte ſie Nachricht von dem Geliebten 
einzuziehen; bald aͤnderte ſich ihre Lage. 
Güldenſtorp ſuchte ſeine Rechte auf ihre 
Hand geltend zu machen, er wagte Nach— 
ſtellungen aller Art, und Roſaura konnte 
ſich nicht anders retten, als ihre vaͤterli— 
che Wohnung zu verlaſſen, und ich nach 
Schweden zu einer alten Tante zu begeben, 


An 


Swent hatte feine Freiheit erhalten, 
obſchon erſt mehrere Tage ſpaͤter, als 
Roſaura es gewaͤhnt hatte, weil der Kom⸗ 
mendant erſt vollwichtige Beweiſe von Gu⸗ 
ſtavs Aufenthalte in Schweden einziehen 
wollte. Itzt ward ihm entdeckt, weſſen 
Vermittlung er eigentlich feine ſchnelle Be— 
freiung zu danken habe, er erfuhr aber auch 
zugleich, daß Roſaura, durch die Entde⸗ 
ckung, daß er Guſtav ſelbſt nicht ſey, aͤuſ⸗ 
ſerſt beſtuͤrzt, ihn nicht mehr ſehen wollte, 
ſondern nach ihrem Gute fortgereiſt ſey. 
Junig krankte ihn dieſe Nachricht, denn 
heiße Liebe gegen das Mädchen erfüllte 
feine Vruſt, er konnte es nicht über dieſe 
Liebe gewinnen, ſich nicht dennoch ihrem 
Aufenthalte zu nahen, aber ſchon war Ro⸗ 
ſaura nach Schweden abgereiſet, wie er 
dort anlangte. 

Was blieb ihm, der nun Freund 106 
Geliebte in ſeinem Vaterlande wußte, übrig, 


r 


+ 120 . 


als nach ſelben zuruͤckzukehren. Einfam 
irrte er die Straſſe fort, ſcheuend ſich 
irgendwo zu zeigen, um nicht abermal vers 
moͤg ſeiner Aehnlichkeit mit Guſtaven, in 
eine ihm nun ſehr unangenehme Verzoͤge⸗ 
rung feiner Reiſe zu gerathen. | 

Des Weges gänzlich unkundig war er 
ſchon mehrere Tage, durch einen großen 
Wald gewandert, ohne ein Obdach zu fin— 
den, wo er Nahrung erhalten, und aus: 
ruhen baͤtte koͤnnen, er ſehnte ſich nach 
menſchlicher Wohnung, und war froh. als 
er eines Abends, da ein heftiger Wind 
ſchwarze Wolken zuſammengetrieben hatte, 
und dieſen bereits ſchwere Regentropfen 
entfielen , einen alten Mann erblickte, wel⸗ 
cher in einem lumpichten Kittel gehuͤllt, auf 
ſeinem Knoteuſtabe daherſchlich. Swent 
ſprach ihn an, ob nirgend hier ein Ork 
ſey, wo er ausruhen koͤnne, der Alte, deſ— 
fen ſtrupichtes Haar wild in die faltige 

7 


— 150 — 


Stirne hieng, maß den Juͤngling mit 
mißtrauiſchen Blicken, und ſagte endlich, 
wenn er ihm nach dem Schloſſe ſeines Herrn 
folgen wolle, ſo wuͤrde er dort wohl Aufs 
nahme finden. N 

Swent, Wer iſt dein Herr, und 
wie heißt er? 5 f 

Der Alte. Wer wird er ſeyn? er 
lebt einſam auf feinem Jagd ſchloſſe; das 
hier in der Mitte der Waldung liegt, mes 
nige Gaͤſte ſprechen hier ein, weil die ſchau⸗ 
erliche Gegend die Wanderer abſchreckt, 
aber der dort einſpricht, und ſich mit des 
Herrn Laune vertragen kann, erhaͤlt dort 
guͤnſtige Aufnahme. Mein Herr hat ſich 
ganzlich von der Welt abgeſondert, und 
lebt hier ganz ſeinem Vergnuͤgen. 

Swent. Welches iſt dieß in einer 
ſo wenig reitzbaren Gegend? 
N Der Alte. Eben das, was die Ge⸗ 

gend anbietet, — die Jagd. Seine ganze Be⸗ 


— 151 nee 

dinung beſteht aus Handveſten ruͤſtigen 
Purſchen, welche ſo wie er Tagelang im 
Walde herumirren, und in dem Walde auf— 
lauern, daher find fie auch ſtets mit Waf⸗ 
fen verſehen, und ſchleppen täglich mehr 
Beute nach dem Schloſſe, als noͤthig iſt. Die⸗ 
ſer ſtette Kampf mit wilden Thieren macht 
auch ihr Betragen rauh, aber gute Her— 
zen ſchlagen dennoch unter ihren Kitteln. 

Swent. Du vergißt den Nahmen 
deines Herrn. 

Der Alte. Weiß ich mich doch ſelbſt 
nicht gleich zu beſinnen, genug, man nennt 
ihn gewohnlich den Waldmann, und dieſen 
Nahmen hoͤrt er auch am liebſten. 

Swent. So geh, und zeige mir 
den Weg. 0 

Der Alte wanderte nun vor Swenten 
her, bald kamen fie an einen tiefen Hohl⸗ 
weg, wo gigantiſche Zelfenmaßen ſich auf 
beiden Seiten von grauſen Gebuͤſche beklei⸗ 

9020 


det, emporhoben, und nur das Rauſchen 
naher Bergſtroͤme die allgemeine Todten⸗ 
ſtille unterbrach. Immer tiefer ins Geſtrip⸗ 
pe fuͤhrte der Weg, und endlich erblickte 
Swent die Mauern eines halb verfallenen 
Gebaͤudes, deſſen ganzes Anſehen mit der 
ſchauerlichen Gegend harmonirte. Der Als 
te zog nun ein Pfeifchen aus der Taſche, 
welches einen hellen ſchneidenden Ton von 
ſich gab, und bald darauf hoͤrte man am 
Eingange einen großen Riegel raſſeln. Die 
Pforte oͤfnete ſich, und ein wilder finſteren 
Kerl trat hervor. Iſt der Herr auf der 
Jagd, fragte der Alte, Alles aus? Mann 
und Roß ſind fort, brumte der Kerl, — ſo 
führe du dieſen Fremden nach einem guten 
Zimmer, und ſorge fuͤr ſeine Bewirthung, 
erwiederte der Alte, und ſchloß ſorgfaͤltig 
die Thuͤre hinter ſich zu. 
Swent wurde nach einem kleinen Zim⸗ 
mer gebracht, wo man ihm Wein und Brod 


— 


* > Me 


auftiſchte und bedeutete, daß der Herr den 
Schluͤſſel zur Speisekammer und Keller bei 
ſich habe, und man vor der Hand, bis zu deſ⸗ 
ſen Ruͤckkehr ihn mit nichts andern bewir⸗ 
then koͤnne. | | 

8 Swent ſchritt nachdenkend in dem klei⸗ 
nen Gemache auf und, ab, die ganze Be⸗ 
ſchaffenheit ſeines Aufenthaltes war von 
der Art, daß er. nothwendig Verdacht he⸗ 
gen mußte, wohl gar in die Hande von 
Raͤubern gerathen zu ſeyn, das Anſehen der 


beiden Kerls verſprach ihm wenigſtens nicht 


viel beſſeres. In dieſen Betrachtungen ſtoͤhr⸗ 
te ihn eine Stimme in dem Nebenzimmer. 
Swent verlegte ſich aufs Horchen, und 
erkannte die Stimme der beiden Kerls, wel⸗ 
che er hier geſehen hatte. Aber ich ſage 
dir, ſprach der Juͤngere, es war ein Nats 


renſtreich von dir, daß du den Menſchen 


in das Haus gebracht haſt. 


— 134 — 

Der Zweite Warum das, laſſe 
dich nur bereden. i | 
Der Erſte. Wozu das, glaube nicht, 
daß ich mich ſcheue, etwas gegen ihn zu 
unternehmen, was koͤnnen wir aber fuͤr 
Vortheil haben, fein ganzer Anzug verräth, 
daß er nicht viel iu der Taſche führen mag, 
wozu alſo das? wenn du uns keinen fettes 
ren Vogel ins Garn zu locken weißt, fo 
mägf du dich lieber nie 00 m die Lau⸗ 
er legen. | 

Der Zweite. Reiche Si kanns 
sk immer geben, man muß mitnehmen 
was vorfaͤllt, und nun iſt er einmal da. 
| | Der Er ſte. Sieh, ich fuͤrchte, ſo⸗ 
ö gar von dem Hauptmann einen Verweiß zu er⸗ 
"halten, und wenn der Kerl wirklich hoͤch⸗ 
"fiens eine Mark Lübiſch bei ſich hat, und 
dieſe wie gewöhnlich unter uns alle getheilt 
wird, was bleibt da für jeden übrig? Mir 
faͤllt etwas anders bei — wie, wenn wir 


— 135 — 


ihn nach dem unterirrdiſchen Gange unter 
irgend einem Vorwande lenkten. 

Der Zweite. Daß er den Aus- 
gang aus dem Hauſe entdeckte? | 

Der Erſte. Narr, bevor er das 
kann, — dann theilen wir zweye, was er 
bei ſich hat. e 

Der Zweite. Meinethalben, du 
magſt ſehen, wie du mit ihm zurecht kommſt, 
daß ich wegen meinen wunden Arm hiezu 
unfaͤhig bin, weißt du — 

Der Erſte. Holla, ich hoͤre unſern 
Pfif, er wird dreimal wiederholt, hur— 
tig ans Thor, der Hauptmann koͤmmt. 

Die beiden Boͤſewichte verlieſſen nun 
das Zimmer, und eilten ans Thor. Swent 
hatte jedes ihrer Worte gehoͤrt, man kaun 
ſich leicht denken „ wie ihm dabei zu Muthe 
geweſen ſeyn mag, er entwarf hundert Pla⸗ 
ne fi zu retten, und verwarf fie wieder, 
zu nichts war er entſchloſſen, als ſein Le⸗ 


en: 


ea 


ben fo theuer als möglich hindanzugeben. 


Izzt hoͤrte er wuͤſtes Getuͤmmel im Hofe, er 


nahte ſich dem Fenſter, durch das er in 
dieſen ſehen konnte; beim Fackelſchein ſah er, 
ohngefehr acht Reuter einziehen, wo er 
unter ihnen den Hauptmann nur hieran 
unterſcheiden konnte, daß er Befehle er- 
theilte; uͤbrigens waren alle gleich in ſchlechte 
Kitteln gehuͤllt, und mit Gewehren behaͤngt. 
In ihrer Mitte führten fie eine verſchleierte 
Dame , die letzteren zwey aber, hatten mit 
Kuͤſten bepackte Handpferde bei ſich. Dieß⸗ 
mal hat es viel gegolten, ſprach der Haupt⸗ 
man, drehe unſerer beſten Leute haben wir 
verlohren, ich und | noch einige von uns 
find verwundet, doch die anſehnliche Beu⸗ 
te Hält uns dafür ſchadlos. Itzt bringet 


dieſe Küften nach dem Verwahrungsmaga⸗ 
zin, damit ich morgen die gehörige Theis | 


lung vornehme, dann aber laßt euch Wein 
bringen, ſo viel ihr bedaͤrft, und labt euch 


mit Ruhe, der wir hoͤchſt noͤthig haben, 
das Maͤdchen aber hier führt nach dem blau- 
en Zimmer, und verſorgt ſie mit allem 
nöthigen,, dieſe rechne ich mit zu meinem 
Antheile an der Beute. Iſt während mei— 
ner Abreiſe nichts zu Hauſe vorgefallen 2 
Nichts, erwiederte der Kerl, welcher ſich 
ſelbſt Swenten vorbehalten hatte, und der 
Hauptmann begab ſich uͤber eine Wendel⸗ 
treppe nach feinem Zimmer. Zwei Raͤuber 
hoben das Mädchen von dem Pferde, und 
führten fie nach dem, ihr angewieſenen Zim⸗ 
mer, wahrend die uͤbrigen die Kuͤſten forte 
ſchaften, und die Pferde nach dem Stalle 
brachten. Swent fühlte das innigſte Mit⸗ 
leid mit dem armen Geſchoͤpfe, welches in 
die Hände der Räuber gerathen war, gers 
ne würde er ihre Rettung unternohmen ha. 
ben, wenn er nur für ſich ſelbſt ſchon ei» 
nen Ausweg gewußt haͤtte. Bald lockte 
ihn neues Getümmel zum Fenſter, er fob, 


* „ 


4 


— 138 — 


wie die Räuber ſich im Kreiſe lagerten, ein 
großes Feuer anmachten, um Wildpret zu 
bratten, und Wein im Wiberfluffe herbeige⸗ 
bracht wurde. Um fie ungeſtoͤrt beobach⸗ 
ten zu koͤnnen, und nicht überfallen zu were 
den, verrigelte er von innen die Thuͤre, 
und nahm nun den blanken Degen in der 
Hand feinen Platz am Fenſter. Hier war 
er Ohrenzeuge von den ſchrecklichen Geſchich— 
den, welche dieſe Boͤſewichter ſich mit la⸗ 
chendem Munde erzaͤhlten. Er erfuhr, daß 
ſie am dieſem Tage zwey reiſende Kaufleu⸗ 
te beraubt, und daher die ſchweren Kuͤ⸗ 
ſten erbeutet haben, ſchon auf dem Küd- 
zuge ſtieſſen fie noch auf eine Kalleſche, er⸗ 
ſchoſſen einen bejahrten Mann, der in fel- 
ber ſaß, und ſchleppten deſſen Begleiterin, 
das Maͤdchen, welche Swent geſehen hatte, 
mit ſich fort. N 

So wurden noch hunderterlei Morde 
ſbenen unter wildem Getuͤmmel erzählt, wo⸗ 


— 139 — 

bei die Becher häufig herumgingen, die bei— 
den Kerls die anfangs in dem Schloſſe ge— 
weſen waren, mußten die übrigen bedienen, 
fie hatten genug zu thun, um den erfor- 
derlichen Wein beiſchaffen zu koͤnnen. Bald 
wurde das Getuͤmmel wilder, je mehr der 
Wein ihre Sinne betaͤubte, aber bald ſank 
auch hie und da einer ganz vom Weine 
uͤberwaͤltiget ſinnlos zu Boden. Er begann 
ſtiller zu werden, nur ſchwach klimmte das 
Feuer noch. Die beiden Kerls ſchlichen ab 
und zu, und liſpelten mitſamen oft nach 
dem Fenſter deutend, wo Swent hinter den 
Gardinen fie belauſchte. Er konnte deut: 
lich bemerken, wie ſehr fie wuͤnſchten, daß 
bald alle im Schlafe liegen moͤchten, um 
ihr Meiſterſtuͤck an Swenten zu verüben. 

‘Et war auch der letzte der Räuber, 
der bisher immer noch mit lallender Zun— 
ge der Schmaͤche der andern geſpottet hatte, 
ſammt den Becher in der Fauſt zu Boden 


— 140 — 


geſunken, noch lauſchten die beiden Kerls, 
ob auch alle ruhig laͤgen, dann ergrief der 
jüngere einen Dolch, und eilte nach Swen— 
tens Zimmer. Itzt war es Zeit, ſich zu 
vertheidigen, Swent oͤfnete das Schloß 
der Thüre, und ſtellte ſich hinter dieſe, den 
Degen in der Fauſt; er hörte des Räubers 
leiſen Tritt, hoͤrte, wie dieſer an der Thuͤ⸗ 
re horchte, wahrſcheinlich, ob Swent ſchon 
ſchlafe, und hielt ſich, um dieſen zu taͤu⸗ 
ſchen, ganz ruhig, itzt wurde auf die Schnal⸗ 
le gegrifen, die Thuͤre oͤfnete ſich, der Raͤu⸗ 
ber trat ein, und eh er noch den ſcheuen 
Blick im Zimmer umherwerfen konnte, fuhr 
ihm Swent Degen durchs Herz. Kaum 
vermoͤgend einen nur halbhoͤrbaren Laut von 
ſich zu geben, ſtuͤrzte er zu Boden. Swent 
zog ihn vom Eingange weg tiefer ins Zim⸗ 
mer. Von dieſem Boͤſenwichte war er nun 
befreit, aber was weiter zu thun, wie ſoll⸗ 
te er ſich des andern unten harrenden be⸗ 


maͤchtigen, ohne durch deſſen Geſchrei ver⸗ 
rathen zu werden. Er nahte ſich dem Fen⸗ 
ſter, ſah dieſem in Hofe ſtehen, und mit 
verſtellter Stimme rief er hinab „Komme 
herauf, es iſt ſchon voruͤber“ Dieſer waͤhn— 
te die Stimme ſeines Kammeraden zu hoͤren, 
er eilte hinauf, und wie er eintrat, ergrief 
ihn Swent „ ſchleuderte ihn mit Gewalt zu 
Boden, und ſetzte ihm dem Degen mit der 
Drohung an die Bruſt, ihn ſchnell zu durch— 
bohren, wenn er nur den geringſten Laut 
von ſich gebe. Erſchrocken flehte der Naͤu⸗ 
ber ſtammelnd um fein Leben und 
verſprach alles zu thun, was Swent von 
ihm verlangen würde. Dieſer forderte nun 
die Schlüſſel zum Thore, und der Raͤu⸗ 
ber bedeutete ihn, daß dieſe alle Nacht dem 
Hauptmann gebracht werden müſſen, ent⸗ 
deckte ihm aber zugleich, daß durch einen 
unterirrdiſchen Gang ein Ausweg ſey, und 
bezeichnete den Weg dahin. Swent hieß 


— 142 En 


ihn aufſtehen, und ihn den Weg nach dem 
Zimmer des gefangenen Mädchens zu zei— 
gen, um auch dieſe zu befreien. Der Raͤu⸗ 
ber zeigte ſich willig hiezu, er bedeutete 
Swenten ans Fenſter zu tretten, um ihm 
beim Licht des nun aufgegangenen Mondes 
den Weg zeigen zu koͤnnen, aber Swent 
der ſeinen Blick uͤberall hatte, bemerkte 
gerade noch zu rechten Zeit, wie der Raͤu⸗ 
ber einen Dolch aus dem Guͤrtel zog, um 
ihn in Swents Ruͤcken zu ſtoßen, raſch wandt 
ſich dieſer, er wurde nur am Arme geſtreift, 
ſein Degen ſtrafte den Boͤſewicht, er ſtuͤrzte 
todt zu ſeinen Gefaͤhrten hin. Nun war 
Sent ſich ſelbſt uͤberlaſſen, mit dem Des 
gen in der Fauſt ſchritt er aus dem Gema⸗ 
che, verſchloß dieſes von auſſen, und begab 
ſich nun in den Hof, wo die übrigen Räte 
ber vom Wrine betaͤubt dahingeſtreckt la⸗ 
gen. Mit Abſcheu ſchritt Swent neben 
ihnen voruͤber, er hatte ſich den Weg ge⸗ 


merkt, den die Raͤußer mit dem Maͤdchen 
genohmen hatten, bald kam er an eine 
Thüre wo er durch eine Spalte derſelben 
Licht gewahrte, er blickte hinein, und ſah 
das Maͤdchen auf ihren Knien liegen und 
betten. Raſch oͤfnete er die Thuͤre, das 
Maͤdchen ſchrack bei feinem Anblicke heftig 
zuſammen. „Befuͤrchten fie nichts, ſprach 
Swent, und folgen Sie mir ſchnell, ich 
bin gekommen Sie zu retten, zoͤgern Sie 
nicht, fo lange die Zeit guͤnſtig iſt.“ Kaum 


traute das Maͤdchen ihren Ohren, ihr Auge 


forſchte in Swents Zuͤgen, ſie ſah nicht 
den Schauerblick der Räuber in feinem Aus 
ge, ſie nahte ſich ihm zitrernd. Swent 
ergrif ihre Hand, er fuͤhrte die Bebende 
die vor Beklemmung keinen Taut von ſich 
zu geben vermochte, ſchnell uͤber den Hof 
nach dem bezeichneten unterirrdiſchen Gan— 
ge. | | 

Bald erreichten ſie dieſen, ſie ſtiegen 


— 


über tiefe Stuffen abwärts, Swent hatte 
von dem Hofe einen Feuerbrand mit ſich 
genommen, dieſem ſchwang er nun, daß 
er ſich entzuͤndete, und ihm zur Fackel diente. 
Schwarze von Naͤſſe träufelnde. Mauern 
zeigten ſich nun ſeinen Blicken, mit haſtigen 
Schritten eilte er mit dem Maͤdchen fort, 
ſchon hatte er die Mitte des Ganges erreicht, 
als eine hohle aͤchzende Stimme in ſeine 
Ohren tönte, und er betrofen, und hor⸗ 
chend ſtehen blieb. 

Schon wollte er weiter ſchreitten, den 
er glaubte ſich getaͤuſcht zu haben, weil ihn 
nun nur grauſe Todtenſtille umgab, aber 
itzt ließ ſich der dumpfe wehmüͤthige Laut 
abermahl hören. Hier ſchmachtet ein Ungluͤck⸗ 
licher, ſprach Swent zu ſeiner Gefaͤhetin, 
komm, uud laß uns ſehen, ob wir nicht | 


auch ihn helfen koͤnnen. Er ſchritt dem 


Tone naher, mit ſeinem Feuerbrand um⸗ 


herleuchtend, und bemerkte itzt eine eiſerne 


— 145 — 


mit Riegeln verwahrte Thuͤre am Boden. 
Swent beugte ſich herab, er horchte, und 
von da heraus kamen die Klagetoͤne. Raſch 
ſchob er nun die Riegeln weg, hob mit 
Anſtrengung aller Kräfte die Thuͤre auf, 
ſah Stufen abwärts führen, und begab ſich 
nun mit ſeiner Fackel in die Tiefe. Er 
erreichte bald ein kleines finſteres Gewoͤlbe, 
deſſen feuchte Ausduͤnſtungen das Licht des 
Holzbrandes maͤchtig dampften, fo, daß 
Swent nur mühſam die Gegenſtände um 
ſich her unterſcheiden konnte. 

In einem Winkel erblickte er nun eine 
Geſtalt, ob Menſch oder Thier konnte er 
noch nicht unterſcheiden. Wer ſchmachtet 
hier in dieſem Elende? rief er, und trat 
näher, die Geſtalt hob ſich empor, es war 
die eines Mannes, wild hieng das dichte 
Haar um die Stirne, da ein grauſer 
Bart den andern Theil des Geſichtes über 


deckte; das, was man noch ſehen konnte, 
U 
19 


war eingefallen und abgezehrt, nur zween 
flammende Augen, welche ſtarr auf Swen— 
ten gerichtet waren, zeigten ‚ daß kein Leis 
chenbild ſich vor dieſem befinde, der übrige 
Theil des Korpers war in einem elenden 
von der Naͤße des Gewoͤlbes halb verfaul— 
ten Kittel gehüllt. Gott, rief Swent aus; 
wie iſt es moͤglich, in dieſem elende Auf— 
enthalte noch ſein Leben friſten zu koͤnnen. 
Der Fremde. Biſt du ein neuer 
Geſelle der Raͤuber? warum zoͤgert ihr ſo 
lange, mir mein bischen Nahrung zu brins 
gen, das mich zu neuen Leiden ſtaͤrken 
ſoll? | 
"Swent. Ich bin keiner der Räuber, 
nicht Nahrung kann ich dir bringen, ich 
biete dir Rettung dar. 
Der Fremde. Elender Spoͤtter — 
zwar hat dein Geſicht nicht den wilden Mord⸗ 
blick der übrigen an ſich, aber ich kann 


nicht begreifen, wie Rettung hier moͤglich 
ſey. l 
Swent. Und doch, doch — aber 
laſſe uns nicht laͤnger zoͤgern, jede Minute 
verweilen kann uns Gefahr bringen, komm 
folge mir. | 
Der Fremde. Wenn ich es ver- 
mag, führft du mich auch wo immer hin, 
ſo folge ich gerne, wenn nur meine Kraͤfte 
es geſtatten. > 
Swent. Ich werde dich umterflügen. 
Ungluͤcklicher. | | 
Der Fremde. Ja wohl ungluͤck⸗ 
lich, das bin ich, losgeriſſen von meinen 
ſchoͤnſten Hofnungen, verurtheilt zu ſchreck— 
lichen Leiden, ewig dauernd, da ich nun 
erſt in der Blüthe meiner Jahre bin. O Ihr 
Barbaren, warum gebt Ihr mir nicht lie⸗ 
ber den Todt. Weil ich, angefallen von 
der Rotte ihrem Anführer toͤdtete, verdamm⸗ 
ten fie mich zum ewigen Gefaͤngniſſe, and 
10 0 


— 148 — 


o, der Grauſamkeit, drei Tage muß ich 
ohne Nahrung, ohne Labung hinbringen, 
am vierten, wenn ich ſchon beinahe mit dem 
ſchrecklichſten Tode ringe, reichen ſie mir 
fo viel Erquickung, daß ich abermal die Leis | 
den von drei Nahrungloſen Tagen erdulden 
koͤnne. 

Swent. Schrecklich — 

Der Fremde. Ja wohl ſchrecklich! 

Swent. Wer biſt du, armer Mann? 

Der Fremde. Ich nenne mich Olof, 
bin ein Edelmann, und wollte eben zu 
Chriſtiners Heer ziehen, als ich von den 
Raͤubern angefallen wurde. 

Swent. Suche deine Kraͤfte zu ſam⸗ 
meln, und dann ziehe deiner Beſtimmung 
nach, wenn du mit dem Heere nach Schwe— 
den tönt y werden wir ung wohl wieder 
ſehen. 

5 Der Fremde. Du biſt kein Einge⸗ 


RT 


Swent. Ein Schwede, aber doch 
ſo Gott mir hilft, dein Retter. 
Der Fremde. Freund oder Feind, 
immer dann der Liebling meiner Seele. 
Waͤhrend dem hatten ſie langſam das 
Ende der Stufen erreicht, das Maͤdchen 
wartete aͤngſtlich auf Swents Ruͤckkehr, fie 
bebte betrofen bei dem Anblicke der abge— 
zehrten Geſtalt zurück, Swent verfiändigte 
fie mit kurzen Worten von Olofs Unglück, 
er ergrief nun beider Haͤnde, um bald 
aus dem Gang und dem ſchrecklichen Auf— 
enthalte des Raubes zu kommen. 5 
dt fühlten fie bald eine freiere Luft, 
ſie waren dem Ausgange nicht mehr ferne, 
aber ein plötzliches wildes Getümmel von 
auffen , das an ihre Ohren ſchlug und 
Fackelſcheine, der ſchnell einem Theil des 
Ganzes erhellte, hieß ihn ſtehen bleiben, 
das Mädchen zitterte vor Angſt, und ver⸗ 
mochte ſich kaum aufrecht zu halten; „o gebt 


— 150 — 


mir Waffen, rief Olof, und ballte ſeine 
matte Fauſt, Swent aber zog ſeinen De⸗ 
gen, und ſtellte ſich vor beide. 

Bewafnet mit Feuergewebren, Piken 


ab Saͤbeln ſtuͤrzte itzt eine große Anzahl 


Leute durch den Ausweg in das innere des 
Ganges herein, angeführt von einem alten 
Mann in ein Bärenfaͤll gehuͤllt. Swent 
trat ihnen entgegen, „keinen Schritt weiter, 
rief er, bevor ich nicht Eure Abſicht erfah⸗ 
re.“ — Es iſt ein Räuber, haut ihn zu 
Boden, brüllte die Menge, und ſchon ho⸗ 
ben ſich mehr als zwanzig Arme gegen ihn 
empor, aber der Alte ſtellte ſich itzt vor 
ihm — Haltet ein, rief er, er iſts, er 
iſts mein Freund, den zu retten wir aus⸗ 
gezogen find, Swent erkannte den raͤthſel⸗ 
haften Alten aus dem Baͤrenthale, und ſank 
in ſeine Arme. Welch ein Wunder, ſprach 
der Alte, rettette dich? 

Swent. Gottes Beiſtand, ſieh bier 


dieſe beide Ungluͤcklichen, auch dieſe ſucht 

ich mit mir zu befreien, nehmt ſie in Eure 
Mitte, ich aber folge Euch um die Bewoh— 
ner dieſes Raubenſtes zu vertilgen. 

Einige der Bewafneten nahmen das 
Maͤdchen, und Dlofen in die Mitte, und 
fuͤhrten ſie ins Freie, wo letzterer, der 
freiern Luſt ungewohnt, und uͤberwaͤltiget 
von Schwache betäudt zu Boden ſank. Man 
brachte ſie nach einem mehrere Stunden 
entlegenen Dorfe in Sicherheit. 

Sent war waͤhrend dem mit dem 
Alten, und dem uͤbrigen Theile der Bewaf— 
neten durch den Gang zuruͤck in das innere 
des Gebaͤudes geeilt, das wilde Getuͤmmel 
der herannahenden ſchreckte die ſchlafenden 
Räuber auf, fie fuhren empor und griffen 
zu ihren Waffen, als ſchon die Räder 
ſie ereilt hatten. Ein wuͤthendes Gefecht 
begann, der Hauptmann hoͤrte das Getuͤm— 

mel im Hofe, er grief zu ſeinem Gewehre 


d 


und eilte ſeinen Gefaͤhrten entgegen, welche 
ſich fechtend gegen ihn zuruͤckzogen. Seine 
Gegenwart belebte ihren wilden Muth, hef— 
tiger war der Streit, denn die Räuber, 
wehrten ſich Verzweiflungsvoll, vergebens 
verſprach man ihnen Gnade, wenn ſte ſich 
ergaͤben, nur mit dem Tode hoͤrte jeder 
Einzelne zu fechteu auf. Schon lagen fie 
alle blutend dahingeſtreckt, noch ſtand ihr 
Anführer, und focht wuͤthend wie ein Loͤwe, 
ſchon lange hatte er geſucht an Swenten 
zu kommen, der zwei ſeiner Leute zu Bo— 
den geſtoſſen hatte, itzt gelang es ihm, und 
er brachte dieſen ein Wunde am Arme bei. 
Ohne Bedacht zu ſeyn ſich zu vertheidigen, 
um von Begierde zu morden erfüllt, fiel 
er aufs neue über den Verwundeten her, 
und wuͤrde ihn ſicher getoͤdet haben, wenn 
ihn nicht fruͤher noch der Alte durchbohrt 
hätte, Er ſtuͤrzte dahin, der Letzte der 
Voöſewichter. Nun eilten die Sieger, theils 


— 153 — 


ihre Wunden zu verbinden, theils ſich in 


dem Gebaͤude umzuſehen, ob vielleicht noch 


irgendwo ein Ungluͤcklicher ſchmachte, die— 
ſen fand man nicht, aber die aufgehaͤuften 
Schaͤtze der Raͤuber. Man zog die Noſſe 
aus dem Stalle, beſchwerte die vorharide⸗ 
nen Waͤgen, einen beſtimmte man für die 
Verwundeten, worunter Swent war, die 


uͤbrigen bepakte man mit der vorhandenen 


Beute. Wie der Zug aus dem Thore war, 
da warfen die jauchzenden Sieger Feuer in 


das fo lange ſchon gefürchtete Rau bneſt, 


es loderte bald in helle Flammen auf, und: 
gewährte ein fuͤrchterliches Schauſpiel. 

Der Weg gieng nun nach eben jenem 
Dorfe, wo man Dlofen und das Maͤdchen 
hingebracht hatte. Der Beſitzer dieſes Die 
tes, ein Edelmann war mit feinen Bauern 
zur Bezwingung der Räuber ausgezogen, 
er ſelbſt befand ſich wie Swent unter den 
Verwundeten. Dieſe wurden nun am er⸗ 


— 134 — 

ſten beſorgt, den Arzt herzugerufen, wel⸗ 
cher ihre Wunden beſichtigte; und pflegte, 
und dann ließ der Edelmann einen großen 
Theil der Beute unter ſeine wackern Leute 
vertheilen. | 

Swent lag RER in feinem Bet— 
te, als ſich itzt der Alte ihm nahte, er 
ſtreckte freudig ſeine Arme nach ihm aus. 
O ſey mir willkommen, rief er; du Retter 
in Gefahr, du der allemahl zugegen iſt, wenn 
Unglück mir droht, und ſchnell fi verliert 
wenn ic faͤhig bin, 9195 Dank zu ſtam⸗ 
meln. 

Der Alte. Sey mir gehrkt Juͤng⸗ 
ling, ich freue mich, ohne Gefahr dich zu 
wiſſen, und komme nun von dir Abſchied 
zu nehmen. 

Swent. Wie? ch willſt du 
von mir dich trennen. N a 
Der Alte. Ich kehre nach meinem 


a 


won 255 un 


Baterlande zurück, dort bedarf man meis 
ner. ti 

Swent. Ich bewunderte deine Thaͤ⸗ 
tigkeit. a 

Der Alte. Sie iſt dein Werk. Wie 
du in meiner einſamen Wohnung im Baͤ— 
renthale mich fandeſt, da hatte ich laͤngſt 
dem Gerguſche der Welt entſagt, die Be⸗ 
ſorgung meines Unterhalts war meine Be- 
ſchaͤftigung, und im Kampfe mit Baͤren 
ſuchte ich meine Staͤrke zu erhalten. Da 
kamſt du, ſprachſt mit fo viel Begeiſterung. 
von des Vaterlandes Bedraͤngniſſen, und 
der edlen Begierde dieſen abzuhelfen. Ich 
gewann dich lieb, du trennteſt dich von mir, 
aber du ließeſt einen nagenden Wurm in 
meinem Herzen zuruͤck. Uiber meine Un⸗ 
thaͤtigkeit machte ich mir die bitterſten Vor⸗ 
wuͤrfe, ich fühlte meine Kräfte, und ich 
bereute, ſie nicht zum allgemeinen Beſtien 
angewandt zu haben. Ja ich beſchloß end⸗ 


366 


lich, meinen Aufenthalt zu verlaſſen, und 
zu nützen, wo meine Kräfte nuͤzlich zu ſeyn 
geſtatteten. Ach laſſe wich ſchweigen von 
der Vergangenheit, ewiges Dunkel liegt auf 
meinen Begebenheiten, aber es ſey genug 
geſagt, ich muß Verzicht darauf thun, mich 
vor den Augen der Welt bemerkbar zu 
machen. Nur im Verborgenen kann und 
will ich handeln. Du, dem mein Herz, 
ohne daß ich mir die Urſache erklaͤren kann, 
ſo ganz zugethan iſt, warſt der Gegenſtand 
meiner Wuͤnſche, du ſelbſt, ſprach ich zu 
mir, kannſt keine gewagte That zum Be- 
ſten des Allgemeinen ausfuͤhren „ du willſt 
alſo, wenigſtens jene Maͤnner beſchützen, 
welche dieß vermögen. Ich reiſte dir nach, 
und kam eben als du in Gefahr warſt, 
getödet zu werden, ich rettete dich, und 
brachte dich nach der Wohnung von Ro⸗ 
ſaurens Vater, aber hier konnte ich nicht 
perweilen, noch war jemand, der an mei⸗ 


— 57 — 


nem Herzen lag. Guſtav Waſa, dieſen 
ſeiner Gefangenſchaft zu entreiſſen, war 
mein feſter Entſchluß, aber ſeinem kuͤhnen 
Geiſte war dieſes Wagniß fruͤher gelungen. 
Ich kam zu ſpaͤt, ich wollte zu dir zuruͤck⸗ 
kehren, und erfuhr, daß du, den man 
fuͤr Guſtaven hielt, gefangen genommen 
worden ſeyeſt; Es gelang mir einen ver⸗ 
trauten Mann zu finden, der Zutritt in 
Roſaurens Haus hatte, von ihm erfuhr ich, 
daß das Mädchen dich liebe, und gleich⸗ 
falls für Guſtaven halte, ich erfuhr auch 
die Freundſchaft des Kommendanten, in 
deſſen Gewahrſam du warſt, gegen Roſau⸗ 
rens Haus. Schon entwarf ich Plane, die 
ſich auf dieſe Entdeckungen gruͤndeten „als 
mir die Nachricht ward, daß Guſtav ſich 
oͤffentlich in Schweden gezeigt habe; Ich 
ſchrieb nun im Nahmen eines Freundes an 
den Kommendanten, Roſaura ſelbſt zog mit 
dem Briefe hin, und du wurdeſt bekrciet. 


— 158 aa 


Nun ſuchte ich dich auf, ſchon war ich nahe 
deiner Spur, als ein Bauerjunge auf mein 
Befragen nach einem Reiſenden mir antwor— 
tete, er habe im Gebuͤſche verborgen geſe⸗ 
hen, wie einer der Rauber, einen Juͤng⸗ 
ling, ganz ſo wie ich dich ſchilderte . nach 
dem Raubneſte gebracht habe. Ich hoͤrte 
genug von den dort hauſenden Boͤſewichtern, 
um nicht für dein Leben zu zittern, ich eilte 
zu dem Edelmanne dieſes Ortes, es gelang 
mir ihn zu uͤberreden, daß er ſeine Bauern 
bewafne, und mit mir ausziehe, die Räu⸗ 
ber zu vertilgen, und dich zu retten. Sieh, 
auch dieß iſt nun geſchehen, du biſt nun 
unter Obhut des Edelmanns, der ein wirk⸗ 
lich edler Mann iſt, er wird auch deine 
Reiſe nach dem Vaterlande beguͤnſtigen. Ich 
aber eile früher, fort, während du hier dei— 
ne Geneſung abwarteſt, bedarf vielleicht Gu⸗ 
ſtav meiner, und ich kann ihm viel nuͤtzen. 


I. 


Wenn du in Schweden angelangt biſt, wer— 
de ich dir nicht lange verborgen bleiben. 

So enthuͤllte der Alte nun das bisher 
Raͤthſelhafte in feinen Handlungen, und 
trennte ſich endlich von Swenten. 

Dieſer bedauerte, ihm nicht ſogleich 
folgen zu koͤnnen, er ſehnte ſich nach ſeinem 
Freunde Guſtav, aber ſeine Wunde, wel⸗ 
che ſich entzündet hatte, hieß ihn hier ru— 
hig bleiben. Der befreite Olof, ein junger 
Mann, der kaum einige Jahre vor Swen— 
ten voraus hatte, hatte durch gute Pflege 
ſich allmaͤhlich erholt, er verlangte nun zu 
den ſeinigen zuruͤckzukehren, und nahm ge— 
rührt mit der Verſicherung ewiger Freund⸗ 
g ſchaft von ſeinem Retter Abſchied. 

So blieb nun niemand bei Swenten 
zurück, als das Maͤdchen, welches er aus 
den Händen der Räuber befreit hatte. Die- 
ſe pflegte feiner Wunde mit Sorgfalt, und 
ſuchte ihm feine Unthaͤtigkeit fo viel in ih⸗ 


ren Kräften ſtand, erträglich zu machen. 
Sie nannte ſich Johanna, fie wußte Swen⸗ 
ten von ihren fruͤheren Begebenheiten nicht 
mehr zu fagen, als daß fie in ſpäteren Jah⸗ 
ren von ihrem Erzieher, einem Kaufmann 
gehört habe, er habe fie auf feiner Reife 
durch Schweden, als ein beinahe unmuͤndi⸗ 
ges Kind im Geſtraͤuche ſchlafend liegen ges 
funden. Niemand wußte ihm Auskunft zu 
geben, woher das Maͤdchen ſey, und da 
ihm kurz vorher der Tod ſeine Gattin und 
Sohn geraubt hatte, nahm er das Kind zu 
ſich, und erzog es in feinem Baterlande, 
Er war ein wohlhabender Mann geweſen, 
aber der Krieg hatte einige Handelshaͤuſer rui⸗ 
nirt, welche auch feinen Fall nach ſich zo— 
gen. Mit dem Reſte ſeines Vermoͤgens 
beſchloß er nach Schweden zu reiſen, wo 
er alle Freunde hatte, wurde unterwegs 
von deen Raͤubern angefallen, und wie be⸗ 
reits erwaͤhnt wurde, getoͤdtet. Die arme 


% 


— 161 — 
i 


Johanna war nun ohne Freund, ohne Aus⸗ 
ſicht fuͤr die Zukunft, wie gerne nahm ſie 
das Anerbiethen Swents an, ihm nach ſei— 
nem Vaterlande zu folgen, wo er hinlaͤng— 
lich bei Guſtavs Anverwandten für ihr Une 
terkommen ſorgen koͤnne. Sie ſah nun in 
ihm nicht nur ihren Retter, ſondern auch 
ihren Wohlthaͤter in der Zukunft, und ſuch— 
te durch ſeine Pflege ihm nur in etwas ſei— 
ner Güte zu vergelten. | | 

Es war ein liebenswuͤrdiges Mädchen, 
holde Reitze vereiniget mit der Anmuth der 
Jugend ſchmuͤckten fie, Swent hatte Gele— 
genheit genug auf ihres Herzens Güte, und 
ihres Geiſtes edle Bildung kennen zu ler— 
nen. Oft wenn fie neben feinem Bette faß, 
die Laute ſpielte, und dieſe ſchmelzenden 
Toͤne, mit einer noch weit mehr melodiſchen 
Stimme begleitete „ ruhte ſein Auge auf 
ihr, und er geſtand ſich, ein Geſchoͤpf wie 
Johanna vermöge es, das Glück eines bie⸗ 


14 


— 162 — 


dern Mannes zu gründen. Sein Herz fühl: 
te ſich unwillkuͤhrlich fanft an fie angezogen, 
ihm ward wohl, wenn fie in feiner Nähe 
war, und baͤnglich, wenn fie hinwegblieb. 
Er erſchrack über ſeine Empfindungen. Wie 2 
rief er zu ſich ſelbſt, ſo ſchnell kannſt du 
Roſauren vergeſſen, ſo wankelmͤthig iſt 
dein Herz in der Liebe? Ach Rofaura liebt 
mich nicht, weil ich nicht Guſtav bin, hier 
aber, hier ſchlaͤgt mir ein warmes fuͤhlendes 
Herz entgegen. Und wuͤrdeſt du denn gluͤck— 
licher ſeyn bei Johannen? fühlſt du denn 
eben jene Liebe, jene gaͤnzliche Hingebung 
zu ihr, wie bei Rofauren? Wer erklaͤrt 
mir die ſeltſame Stimmung meines Her— 
zens! — Ja ich fuͤhle Liebe gegen Johannen, 
aber ſie iſt ganz anderer Art, als wie ich 
fie gegen Roſauren immer noch empfinde. 
Hier harmonirt mein Herz im ſanften Ein— 
klange mit dem guten Maͤdchen, dort aber 
war ich von Innigkeit einer Empfindung 


hingeriſſen, welche Johanne in mir zu er⸗ 
regen nicht vermag. 

So kaͤmpfe er, mit ſich ſelbſt uneins, 
und hofte in der Folge eine Entſcheidung 
fuͤhlen zu koͤnnen, wozu er ſich jetzt unfaͤ⸗ 
hig fuͤhlte. | 

Er genas endlich, und verlangte nun 
nach ſeinem Vaterlande, der Edelmann, 
bei dem er bisher geweſen war, traf Anſtal⸗ 
ten, ihn und Johannen glücklich nach Schwe⸗ 
den hinuͤber zu bringen. Wie Swent von 
ihm Abſchied nahm, drang er ihm eine an— 
ſehnliche Summe von denen von den Raͤu— 
bern erbeuteten Schaͤtzen auf, Swent be- 
ſtieg endlich ein Kaufmanns Schif, das 
ihn nach der vaterlaͤndiſche Kuͤſte brachte. 
Wir wiſſen, daß Guſtav ſich aus Kaluar 
habe fluͤchten muͤſſen, ſeine Feinde waren 
ihm auf der Spur, und in einem ſchlechten 
Kittel gehuͤllt begab er ſich nach Suͤder⸗ 
mannland, wo er mehrere Monate bei ei⸗ 

11 (2) 


— 164 — 


tem Bauern verborgen lebte. Ningsum 
von feindlichen Truppen umringt, wußte 
er wohl, daß nicht nur ein hoher Preiß 
auf ſeinen Kopf geſetzt ſey, ſondern auch, 
daß allen denen der Tod drohe, welche ihn 
verborgen hielten, Bald glaubte er ſich in 
ſeinem ruhigen Aufenthalten nicht ſicher, 
und verließ heimlich die Wohnung ſeines 
bisherigen Bewirthers. An allen Mangel 
leidend irrte er nun umher, in Waͤldern 
und grauſen Gebirgen; ganz entkraͤftet ſank 
er eines Abends an den Stamm eines alten 
vom Wetter zerſpliterten Baumes nieder. 
Traurig ruhte ſein Auge auf dem gebor ſte⸗ 
nen Stamme. Dieß iſt das Sinnbild mei⸗ 
nes Zuſtandes ſprach, ach eben ſo wenig, 
wie dieſer Baum mehr zur vorigen Bluͤthe 
gedeiht, vermag ich es, meine ehemalige 
Groͤße wieder zu erreichen. Aber rings 
um den Stamm her bluͤthen kleine Zweiglein 
empor, und ſchienen einſt zu eben den Baͤu⸗ 


— 105 — 


men zu gedeihen, wie der war, in deſſen 
Schatten fire aufkeimten, er fand das Bild 
der Hofnung in ihnen, und begann neuen 
Muth zu faſſen. Schon wollte er ſich em— 
porrichten, als es in den Blättern rauſchte, 
und ein einzelner Mann ſich nahte, er war 
bewafnet, gehuͤllt in das Fell des zottigen 
Bären, Er erblickte Guſtaven, trat naͤher 
und bebte betroffen einige Schritte zuruͤck. 
Beim Himmel rief er, das iſt Guſtav, oder 
ſein Schatten! Und was habe ich zu erwar— 
ten; fragte Guſtav, die Hand an den unter 
ſeinem Kittel verborgenen Degen gelegt. 

Der Alte. Jene Ehrfurcht, welche 
dem Erhabenen gebührt. Nun aber Ret⸗ 
tung aus naher Gefahr. 0 

Guſta v. Gefahr? wo? 

Der Alte. Hier, man iſt auf Ih⸗ 
rer Spur, ein Trupp Soldaten zieht eben 
heran, um die Waldung zu durchſtreifen, 
folgen Sie mir ſchnell. | 


— 166 — — 


SGuſta v. Wohin? 

Der Alte. Nach meiner Wohnung, 
dort herrſcht Sicherheit, dort koͤnnen Sie aus⸗ 
ruhen, und ſollte Ihnen auch da noch Verfol⸗ 
gung drohen, ſo ſind zwey kraͤftige Arme be⸗ 
reit Sie zu vertheidigen. 

Guſt a v. Habe Dank für deine Wohl⸗ 
that, lohnen kann ich ſie nun nicht. Ja 
ich folge dir, o uber meinen Schritten wal⸗ 
tet ein maͤchtiges Weſen, das mich wehe 
Feinden entziehet. 

An der Hand des Alten ſchritt Guſtav 
nun fo eilig als moͤglich durchs Gebuͤſche, 
welches immer verworener wurde. Sie er⸗ 
reichten itzt den finſteren Schlund einer 
Hoͤhle, dahinein kroch der Alte, und Gu⸗ 
ſtav ihm nach, wie ſie das Ende derſelben 
erreicht hatten, walzten fie einen groſſen 
Stein vor dem Eingang. Sie befanden ſich 
nun in einem kleinen Thale, von ſteilen 
Felſenwaͤnden rings eingeſchloſſen, es war 


N 


die Wohnung des bekannten Alten aus dene 
Bärenthale, Kenn 

Hier hielt fih Guſtav einige Tage ru⸗ 
hig auf, er erholte ſich durch gute Pflege 
von den erlittenen Muͤhſeligkeiten feiner Reis 
fe, der Alte ſuchte ihn auf alle mogliche 
Art feinen Aufenthalt erträglich zu machen. 
Doch befolgte Guſtav ſeine Ermahnung nicht, 
noch laͤnger die Sicherheit dieſes verborge— 
nen Ortes zu benützen. Sein immer reger 
Geiſt ſpornte ihn an, trotz der augenſchein⸗ 
lichſten Gefahr die Einſamkeit zu verlaſſen, 
und neue Unternehmungen zum Beſten des 
Vaterlandes zu wagen. Er entſchloß ſich 
nach Dalekarlien zu gehen, in der Hofnung 
ſich leicht in den Waͤldern, womit dieſes 
Land bedeckt iſt, zu verbergen, und viel— 
leicht die dortigen Einwohner zu feiner Hile 
fe zu gewinnen. Wirklich konnte Guſtav 
ſeine Abſicht dort am erſten erreichen. Da 
die ganze Landfchaft keine Städte hatte, 


fondern nur mit Dörfern verfehen war, wel⸗ 
che meiſtens in der Nachbarſchaft von Waͤl⸗ 
dern, oder an dem Ufer der See angelegt 
waren, ſo beſtand auch der groͤßte Theil 
der Einwohner aus Menſchen, welche an 
harte Arbeit gewohnt, und, von keinem ent⸗ 
nervenden Luxus geſchwaͤcht, einen eiſernen 
Muth jeden ihrer Feinde darboten. Selbſt 
ihre ganze Lebensart war geeignet, ſie zu 
gefuͤrchteten Menſchen zu machen, bei ihnen 
galt nur das Recht der Staͤrkern; auf ih⸗ 
ren Berfammlungen , welche alle Feſttage 
gehalten wurden, kam es nicht ſelten zum 
Handgemenge, und nur jener Antrag wurde 
befolgt, den Gewalt durchgeſetzt hatte. Ui⸗ 
berdieß wohnten fie in unzugaͤnglichen Ges 
birgen, und hatten ſeit jeher immer ihre 
Rechte gegen jeden zu behaupten gewußt. 
Der Alte aus dem Baͤrenthale, dem 
Guſtav alle ſeine Plane entdeckt hatte, konn⸗ 
te nicht anders als dieſe gut heiſſen, nur 


— 169 — 


mit einen war er nicht verſtanden, daß Guſtav 
ſich an einen Edelmann, Pehrſon mit Nah— 
men, wenden wollte, den er noch von Stu— 
res Zeiten her kannte. Der Alte kannte 
dieſen Pehrſon ſehr gut, und traute ihm nicht 
viel gutes zu. Allein Guſtav hatte einmal 
Zutrauen zu dieſem Manne gefaßt, und 
feinem redlichen Herzen that es weh, ohne 
Uiberzeugung von jemanden übel denken zu 
muͤſſen. Er nahm feinen Weg nach pehr⸗ 
ſons Landgut, bis dahin von dem Alten 
begleitet, der hierauf von ihm Abſchied 
nahm. | | 
Pehrſon kam den Fremden entgegen, er 
erkannte Guſtaven, er empfing ihn mit 
Freuden, führte ihn nach feinem beſten Zim— 
mer, und ließ ihn gut bewirthen. Guſtav 
faßte noch mehr Zutrauen, er entdeckte ihm 
die Urſache ſeiner Ankunft, und alle ſeine 
plane; vollkommen war Pehrſon einver— 
ſtanden, mit all den Feuer, mit dem Gu. 


— 170 


tar ſprach, erwiederte auch dieſer gleiche Ge⸗ 
finnungen zu haben, gab ſelbſt noch hie und 
da Mittel an die Hand, und trennt ſich end⸗ 
lich, da ſchon der Abend den Schatten der 
Nacht Platz gemacht hatte, mit der Verſi⸗ 
cherung, morgen noch mehr uber ihre Pas 
ne zu ſprechen. 

Weit vergnuͤgter, als es ſeit Monaten 
geſchehen war, legte ſich der ermattete Gu⸗ 
ſtav zu Alte. Es war ſtille und naͤchtlich 
um ihn her, er konnte lange ſeine Augen 
nicht zum erquickenden Schlafe ſchlieſſen, 
weil ſeine Plane feine, Phantaſte zu ſehr 
beſchaͤftigten. Er hoͤrte den Hufſchlag eines 
Roſſes, das aus dem Hofe des Gebaͤudes 
ſprengte, er erinnerte ſich, das Pehrſon 
ihm verſprochen habe, noch einige Edelleute 
zu ſich kommen zu laſſen, und glaubte nun 
überzeugt zu ſeyn, daß dieſer wackere Freund 
nun ſchon feine Zuſage in Erfüllung zu brin- 
gen eile. 


— 171 — 


Endlich ſenkten ſich feine Augen, ein 
leiſer Schlummer machte ſeine Ideen immer 
duͤtterer, und zog ihn vom Gebiete der Wirk— 
lichkeit in jenes bunter Traͤume, ploͤtzlich 
fühlte ſich Guſtav ſanft von einer Hand bes 
ruͤhrt, der Schlaf entfloh, er blickte empor, 
und ſah eine weibliche Geſtalt vor ſich ſte⸗ 
hen. 

„Ich bedaure ſprach die Dame, daß 
ich Sie in dem erquikenden Schlafe ſtoren 
muß. 

Guſta v. Wer ſind Sie? 

Die Dame. Pehrſons Gattin. 

Guſtav. Womit kann ich Ihnen 
dienen, bedarf ihr Gemahl meiner ? 

Die Dame. Nein, vor einer Stun⸗ 
de iſt er fortgeritten. 

Guſtav. Gewiß zu ſeinen Freun⸗ 
den? 

Die Dame. Ja. 

Guſtav. Der Wadere, 


— 7 — 


Die Dame. Kennen Sie ſeine Freun⸗ 
de. | ur 

Guſtav. Ich hoffe fie morgen ken⸗ 
nen zu lernen. 7 

Die Dame. Wuͤnſchen Sie fih das 
nicht o Guſtav, daß ich ſo ſprechen, ſo han⸗ 
deln muß — 

Guſt a v. Ich verſtehe Sie nicht. 

Die Dame. Im Hauſe des Freun⸗ 
des droht Ihnen die groͤßte Gefahr. 

Guſta v. Gefahr bei Pehrſon? 

Die Dame. Seine Freunde ſind die 
nahen Daͤnen, zu dieſen iſt er geritten ih⸗ 
nen Ihr Daſeyn anzuzeigen. 

Guſt av. Gott, wär es moͤglich! 

Die Dame. Morgen wird man 
kommen, Sie hier gefangen zu nehmen. 

Guſtav. O mein Gott. 

Die Dame. Fliehen Sie. 

Guſta v. Iſt es noch Zeit? 


ud Mae a 


Die Dame. Ja ich habe alles ver⸗ 
anſtaltet, am hintern Theile des Gartens 
wartet ein Pferd Ihrer, ja fliehen Sie Gu⸗ 
ſtav, noch iſt es nicht zu ſpaͤt. 

Guſtav. Und Sie, Sie edle Frau, 
unternehmen meine Rettung? 

Die Dame. Ich liebe meinen Ges 
mahl, aber ich billige ſeinen Verrath nicht. 
Guſta v. Wie ſoll ich Ihnen loh⸗ 
nen? | 05 

Die Dame. Mit Verſchwiegenheit, 
lieber Guſtav, was die Freundin that, darf 
man bei Gott von der Gattin nie erfah— 
ren. a 

Gnſtav. So lange ich athme, bleibt 
Ihre Wohlthat Geheimniß, o Schickſal, 
Schickſal, was haft du über mich beſchloſ⸗ 
ſen? Uiberall, ſelbſt im Haufe des Freun— 
des tritt die Gefahr an meine Ferſen, und 
doch rettet deine Allgewalt mich immer, 
Nein, ich verzage nicht, dieſe itzige Szene 


7 


giebt mir einen neuen Fingerzeig 9 daß ich 
nie ganz der Wuth meiner Feinde unterlies 
gen werde. 

Innig gerührt, mit dankbaren Thraͤ⸗ 
nen nahm Guſtav Abſchied von der Edlen, 
er beſtieg das für ihn bereitete Pferd, er 
ſprengte fort in Nacht und Graus, ohne 
zu wiſſen, wohin er ſich wenden ſolle. Am 
folgenden Tage kam Pehrſon mit den Däs 
men, aber Guſtav war nicht mehr zu fin— 
den, und alles was ſeine Feinde thun konn⸗ 
ten, war ſich in der Gegend zu vertheilen, 
und dem Fluͤchtigen nachzuſetzen. 

Abermal ſich ſelbſt überlaffen, und 
zwiſchen grauſen Gebirgen und Waͤldern 
umherirrend, begegnete ihm am zweiten 
Tage feiner Wanderung jener raͤhſelhafte 
Alte. Beide waren froh, ſich zu ſehen, denn 
ſchon hatte letzterer ihn allenthalben geſucht, 
um ihm beizuſtehen, wenn Gefahr ihm dro— 
hen ſollte. Mitſammen durchſtreiften fie nun 


— 75 


die Wälder, und erreichten endlich die Wohs 
nung eines redlichen e bei dem fie 
ſich aufhielten. 

Durch kein Mißgeſchick abgelchreck wagte 
Guſtav hier neue Verſuche. Er begab ſich nach 
Mora einem großen Kirchſpiele „ wo ſtch die 
Dalekarlier, die man ſonſt auch nur die 
Dalkers nannte, in großer Menge verſam— 
melten. Hier trat er in ihre Mitte , und 
ſchilderte ihnen mit hinreiſſendem Feuer des 
Vaterlands traurige Lage, ein wildes wuͤ— 
thendes Geſchrei war die Antwort der Dal⸗ 
kerls auf Guſtavs Rede, ſte ſtroͤmten zu 
ihm hin, ſte erwählten ihn zu ihren Anfuͤh— 
ter, um fie von dem feindlichen Joche zu 
befreien, und uͤberall toͤnte das wilde 
Gebrüll: Zu den Waſſen! zu den Waffen! 

Schaarenweiſe ſtroͤmten die Dalkerls 
heran, Männer mit dem Muthe und der 
Staͤrke des Loͤwens ausgeruͤſtet; bald ſah 
Guſtav ein Heer von tauſenden unter ſich, 


k 


das jedem Tag, jede Stunde fih mehrte. 
Eben befand er ſich bei den Alten aus dem 
Bärenthale, der nun nicht von feiner Seite 
wich, um mit ihm den Plan zu ordnen, 
dem daͤniſchen Statthalter der Provinz ent⸗ 
gegen zu gehen, als einige Dalkerls ſich 
nahten und berichteten, ſie haͤtten einen 
jungen Daͤnen, der von einem Maͤdchen 
begleitet durch das Gebirge irrte, gefangen 
genommen, er verlange ſelbſt mit Gußaven 
zu ſprechen. Wahrhaftig fuͤgte einer der 
Dalekarlier hiezu, wenn wir nicht dich in 
unſerer Mitte wuͤßten, wir würden geſchwo— 
ren haben, daß du ſelbſt es ſeyeſt, ſolche 
große Aehnlichkeit mit dir e in des 
fremden Zuͤgen. 

Guſtavs Neugierde ward erregt, er 
befahl dem Fremden zu ihm zu kommen, 
man brachte ihn; erfüllt mit Haß gegen je— 
den ihrer Feinde hatten die Dalkerls ſeine 
Hände mit Stricken feſt zuſammengeſchnuͤret, 


> 


a» | 
und ſtieſſen ihn unſanft vor ſich her — Guftad 
trat ihm entgegen, Gott im Himmel mein 
Swent, rief er, und ſchloß ihn in. feine 
Arme! Die Dalkerls ſahen befremdet dies 
ſem Schauſpiele zu. | 15 

Gu ſta v. Geſchwind, loͤſet dieſe ent— 
ehrenden Bande, und uun an meine Bruſt 
Swent — o ſeh mir willkommen auf vater⸗ 
laͤndiſchen Boden; 

Swent. Tauſendmahl willkommen 
| theurer geliebteſter Freund. 

Guſta v. Es war uicht mein Befehl 
dich ſo zu behandeln. N 

Swent. Und wenn er es geweſen 
waͤre 2 du kannteſt mich ja nicht. 

SGuſta v. Dieſe verhaßte Kleidung 
hat meine Leute getaͤuſcht. 

Swent. Ich mußte ſich der Sicher» 
heit willen tragen. Hinweg nun mit dieſer 
Feldbinde, und allen, was mit Feinden 
Aehnlichkeit hat. 

5 12 ; 


— 78 — 


Guſtav. O wie glücklich bin ich, 
wie oft gedacht ich deiner mit Thraͤnen der 
Wehmuth, doch hinweg nun mit Erinne⸗ 
rung trauriger Vergangenheit, die Zukunft 
bietet uns hellere Szenen dar. 

Swent. Von dir ſoll mich nichts 
mehr trennen, nun wollen wir wieder jede 
Gefahr, und jede Freude mitſammen thei— 
len. 


Guſta v. Und auch den Ruhm, des 
Vaterlandes Retter zu ſeyn, fieb auch dieſe 
wackere Männern, theilen dieſes erhabene 
Hochgefühl mit mir, es find meine Brü⸗ 
der. 70 a 

S went. Auch die Meinigen. 

Alle Dalkerls. Brüder im Le⸗ 
ben und Tod. 

Guſt av. Noch eins, wer iſt das 
Maͤdchen, das mit dir kam? 

Swent, Sie heißt Johanna, in 


Daͤnemark rettete ich fie aus Raͤuberhaͤnden, 
eine arme Waiſe „der ich Schutz gelobte. 

Guſtav. Hieher in unſere Mitte, 
hier iſt Schutz der Tugend und unſchuld 
zu finden. 

Die Dalkerls. Hieher, hieher, 
wo Redlichkeit und Eintracht wohnen. 

Endlich brach Guſtav mit einem Heere 
von mehr als fuͤnfzehn tauſend Mann her— 
vor, alle von wilden Muthe beſeelt, und 
einſtimmig entſchloſſen, zu ſiegen oder 
zu ſterben. Nachdem er ſich mit dem 
Degen in der Fauſt den Weg uber die Thal— 
elbe gebahnt hatte, fuͤhrte er ſeine Truppen 
gegen Weſteraͤs, die Hauptſtadt in Weſter— 
mannlaud. Hier gerieth er in große Ver— 
legenheit, die Stadt war treflich befeſtiget, 
von einer Anzahl Krieger vertheidiget, wel— 
che beinahe Guſtavs Soldaten übertraf, und 
mit allen noͤthigen Kriegsbeduͤrfniſſen verfen 
hen. Suſtavs Heer hingegen beſtand größe 

12 (2) 


theils aus Bauern, die zu einer Belagerung 
wenig geſchickt waren, es fehlte ihm an 
Kanonen und Pulver, und wie leicht konnte 
bei einer anhaltenden Belagerung der Muth 
feiner nach Kampf und Beute begierigen 
Dalkerls ſchwinden; dieſe nach ihren Woh— 
nungen zuruͤckkehren „ und fo alle feine Abe 
ſichten vernichten. a | 

Doch Guftavs Geiſt konnte nicht lange 
in Verlegenheit bleiben, er fand ſchuell ein 
Mittel von dem er ſich den beſten Erfolg 
verſprach. 

Er entfernte ſeine ganze Reuterei und 
befahl dieſer ſich durch Hilfe der Waͤlder 
der Stadt ſo viel moͤglich zu nähern, und 
verborgen zu bleiben. i 

Dem beſten Theil des Fußvolkes ließ 
er hinter einem Berge mit dem Bedeuten, 
ihm nur langſam zu folgen ; er ſelbſt aber 
nahte ſich mit wenigen Truppen, gleich als 


— 181 — 


ob dieſe feine ganze Armee aus machten, der 


Stadt. 
Wie er dort anlangte, ſuchte er ſich 


mit der größten Eile zu verſchanzen, gleich 
als ob er zu befuͤrchten haͤtte, daß von den 
Vertheidigern der Stadt ſeine wenigen Sol⸗ 
daten bei einem Uiberfall aufgerieben were 
den möchten. Dieß taͤuſchte die Feinde, 
fie ließen ihre Reuterei ausruͤcken, und griee 
fen Guſtaven an. Das Gefecht ward hie 
tig, aber bald wich Guſtav der Uibermacht, 
und zog ſich immer fechtend zuruͤck, nur c 
die engen Hohlwege zu gewinnen. Getaͤuſcht 
durch dieſen Raͤckzug, ſtroͤmten nun Roß und 
Mann aus den Thoren der Stadt, um Theil 
an der ſchnellen Vernichtung des Feindes 
zu nehmem. Aber itzt hielt Guſtat ploͤtz⸗ 
lich Stand, und fiel mit erneuertem Mus 
the, und gleichſam verjuͤngten Kraͤſten den 
Feind an. Von allen Seiten brachen die 
zahlenreichen Schaaren ſeines verborgenen 


— 182 — 


Fußvolkes hervor, und das blutigſte Geme⸗ 
gel begann. Von beiden Seiten wurde 
mit gleichen Erbitterung gefochten, aber 
der wilde Dalkerl ſchmetterte alles vor ſich 
her zu Boden, gleich dem wuͤthenden Loͤ— 
wen brach er in die Schaaren der Feinde, 
gar keine Gefahr fiheuend ‚ nur zufrieden, 
wenn er Leichen haͤufen konnte, die ihm 
zu einem Grabhuͤgel dienten. Der Feind 
wurde zuruͤckgedraͤngt, und ſuchte ſich in 
fo guter Ordnung, als ihm noch moglich 
war ; immer den Mauern der Stadt zu 
nähern. Als itzt ploͤtzlich Guſtavs Reuterei 
aus den Waͤldern hervorbrach, und ihm 
-in den Rüden fiel. Nun war die Nieder— 
lage allgemein, und da der erbitterte Dat— 
kerl, ohne ſich von feinen Offiziere zurüͤck— 
halten zu laſſen, ohne Schonung alles 
zu Boden ſchlug, fe konnten nur weni⸗ 
ge ſich nach der Stadt flüchten , dieſe wur⸗ 


— 185 — 


de von Guſtavs Reutern ſo raſch verfolgt, 
daß ſie zugleich mit in die Stadt eindran— 
gen; die Feinde retteten ſich in das Kaſtell, 
die Stadt blieb Guſtaven. 

Kaum war der Ort erobert, als die 
Reuter ſich nicht mehr, von der Begierde 
zu plündern überwältiget , zurückhalten lieſ— 
ſen, die Nacht beguͤnſtigte ihr Unternehmen, 
und ihre Offiziere konnten nicht einmahl 
fo viel Leute bei ſich behalten, um die 
noͤt igen Wachen zu beſetzen. Rottenweiſe 
ſtürzten fie in die Haͤuſer der Kaufleute, 
welche mit Brandwein und ſuͤſſen Weine 
handelten, fielen über die Faͤſſer her, 
und ſuchten bei dem reichlichen Genuße, 
des ſuͤſſen Getraͤnkes ſich von den Beſchwer— 
lichkeiten des Kampfes zu erholen. Guſtav 
rückte mit feinen Dalkerle heran, kaum ver— 
nahmen dieſe, mit welcher ſüſſen Beſchaͤfti⸗ 
gung ſich ihre Gefaͤhrten abgaben, als ſie ihre 
Fahnen verlieſſen, und ſchagrenweiſe nach 


— 184 - 


% 


der Stand ſtroͤmten, um an einem Ge⸗ 
traͤnke Theil zu nehmen, welches die Haupt⸗ 
leidenſchaft der nordiſchen Voͤlker ausma⸗ 
chet. . 

Nur zu gut bemerkten die im Kaſtell 
verſchloſſenen Feinde dieſe Unordnung, al⸗ 
les was Waffen tragen konnte, wurde zu⸗ 
ſammen berufen, und ſtuͤrzte nun über die 
fichern Sieger her, um die Verwirrung 
zu vermehren, warfen ſie Feuer in mehre— 
re Haͤuſer, welche bald in helle Flammen 
aufloderten. Wuͤthend dem Tod ihrer Bruͤ⸗ 
der zu raͤchen, fielen fie über die Dalkerls 
her, welche fie groͤßtentheils betrunken in 
einem wehrloſen Zuſtande antrafen und tös 
deten. | 5 ö 
Guſtav war noch mit dem Nachtrab⸗ 
be ſeines Heeres auſſer der Stadt, er ver— 
nahm die traurige Lage ſeiner Leute, und eilte 
ihnen nun ſelbſt zu Hilfe, wo er voll Vers ’ 
zweiflung feine. Soldaten unter feinen Aus 


— 185 — 


gen morden ſah. Er befahl Swenten und 
noch mehreren Offizieren eiligſt die Haupt— 
ſtraſſe zu verſchanzen „und mit den weni⸗ 
gen, die bei ihm geblieben waren, den her— 
andringenden Feinde die Spitze zu bieten. 
Er ſelbſt von ſeinen Freunden begleitet, 
ſuchte ſeine Soldaten zu ſammeln, die 
gleichſam verſchwunden waren. Er durch⸗ 
ſtreifte die ganze Stadt, aber der Dalkerl, 
einmal mit der Begierde noch Trunk erfuͤllt, 
floh ſeinem Anführer, der ihn zu Kampfe 
führen wollte, beinahe nun eben fo wie ſei⸗ 
nen Feind. In dieſer aͤuſſerſten Verlegen⸗ 
heit, ſtieg Guſtav ſelbſt von wenigen beglei— 
tet, mit Hacken bewafnet in die Keller uud 
Speiſegewoͤlbe, er ſchlug alle Faͤſſer ent 
zwey, und ließ den Brandwein und die übri⸗ 
gen ſtarken Getraͤnke herauslaufen. Dieß 
allein machte es moͤglich, daß ſeine Solda⸗ 
ten aus den zauberiſchen Orten ſich entfern— 
ten, zu ihrer Fahnen eilten, und endlich 


— 


mit ihrem vorigen Muthe den Feind Na 
dem Kaſtelle zuruͤcktrieben. 

Verwirrung und Schrecken herrſchten alla 
gemein, hier toͤnte das wilde Geſchrei 
der Fechtenden, dort das Winſeln der Ster⸗ 
benden, und die immer heller empor Io» 
dernde Flamme, zu deren Tilgung ſich nies 
mand hervorwagte, beleuchtete hell das graͤß⸗ 
liche Schauſpiel des Mordes. Anfangs, 
während Guſtav bemüht geweſen war”, ſei⸗ 
ne Leute zu ſammeln, hatte Swent auf ſei⸗ 
nen Poſten mit ſeinen wenigen Soldaten 
gleich einer eiſernen Mauer geſtanden, wel— 
che das weitere Vordringen der Feinde 
unmöglich machte. Itzt als aus allen Straſ⸗ 
ſen der Stadt, die Dalkerls wieder mit 
erneuerten Wuth hervorbrach en, und die 
Feinde wichen, war er einer der erſten, 
welcher aus den in Eile gemachten Ver⸗ 
ſchanzungen der Hauptüraffe hervorbrach, 
und ſich in die Schaaren der weichenden 


Feinde ſtürzte, bald war deren Flucht nach 
dem Kaſtelle allgemein, Swent hofte auch 
da zugleich mit einzudringen, aber eine klei— 
ne Schaar opferte ſich auf, und ſtellte ſich 
Swenten und feinen Leuten entgegen, waͤh— 
rend die übrigen die Brücken hinter ſich 
aufzogen. Swent errieth ihre tapfere Ab— 
ſicht, und ſuchte ſchneller durchzudrin⸗ 
gen, aber es war nicht moͤglich, angefuͤhrt 
von einem Jünglinge, der wie ein Loͤve 
ſtritt, wiederſetzte ſich das kleine Haͤuſtein, 
ſchafte dadurch den übrigen Zeit zum ſiche— 
ren Ruͤckzuge, und ſchmolz immer mehr 
zuſammen, bis zuletzt nur einer der tapfere 
Juͤngling mehr übrig war, und auch dieſer auf 
die Leichen ſeiner Freunde hinſank. Nun war 
freilich die kleine Schaar der Tapfern bes 
ſiegt, aber zu ſpaͤt fuͤr den Sieger, denn 
des Kaſtells Brücken waren bereits aufge— 
zogen. Swent eilte nun zu Guſtaven zu⸗ 
rück, der itzt nach Vertreibung der Feinde 


— 188 — 


Befehl gegeben hatte, dem immer weiter 
um ſich greifenden Feuer Einhalt zu thun. 
Steben einem in helle Flammen auflo⸗ 
derdem Gebäude ſtand Swent, und blickte. 
duͤſter nach den emporqualmenden Feuer⸗ 
ſtroͤmen, als er itzt an einem vergitterten 
Fenſter eine weibliche Geſtalt bemerkte, wel— 
che von Rauch und Flamme umgeben, Hil⸗ 
fe flehend ihre Arme ausſtreckte, ihre klagen⸗ 
de Stimme verſchlang das Praſſeln der Flam⸗ 
men. Raſch warf er den Degen von ſich, er 
drang durch den Rauch in das innere des 
Hauſes, fand den Weg zu den Mid 
chen, und kaum mehr faͤhig, die Hitze zu 
ertragen, und bei dem häufigen Dampfe 
ſich Luft genug zu eraihmen „trug er fie 
glücklich ins Freye. Schon hatte er dieſes 0 
erreicht, ſchon freute er ſich des Werkes 
der Rettung, als in der Naͤhe einige in der 
Stadt zerſtreut geweſene Feinde mit den 
erbitterten Dalkerln noch fochten, eine Sur 


* 


— 189 — 


gel pfeifend die Luft durchſch wirrte, und 
Swenten zu Boden ſtreckte. 

Man eilte zu ſeiner Hilfe herbei, brach— 
te ihn und das gerettete Mädchen beide ohn⸗ 
mächtig dahinliegend, nach einem von dem 
Feuer weit genug entfernten Hauſe, wo man 
aͤrztliche Hilfe herbeirief. 

Guſtav ſelbſt, fo bald es nur die Las 
ge der Dinge moͤglich machte, eilte mit 
blutendem Herzen zu Swents Lager. Nicht 
ängſtlicher kann die zagende Gattin den Aus 
ſpruch des Arztes erwarten, der über Leben 
und Tod des Geliebten entſcheidet, als Gu— 
ſtavs Miene auf die Zuͤge des Arztes ge⸗ 
richtet war, welcher fo eben Swents Wun— 
de unterſuchte. | . 

Er fand die Wunde zwar nicht toͤdlich, 
doch konnte ſie leicht noch gefaͤhrlich werden, 
wenn nicht ſchnelle Hilfe angewandt würde, 
Der Arzt ſuchte fo viel möglich den übeln 
Folgen vorzubeugen, und war auch wirk⸗ 


— 100 — 


lich glücklich genug, Swenten der ſchon 
ausgeſtreckten Hand des Todes zu entreiſ— 
ſen. | | 

Guſtav konnte nicht länger bei dem Las 
ger ſeines Freundes verweilen, er mußte 
ſeine Plane weiters verfolgen, und ſobald 
er die noͤthigen Anſtalten in der eroberten 
Stadt getrofen hatte, ſammelte er ſeine 
Truppen, und verfolgte ſeine weiteren Sie— 
ge. Zahlreich ſtroͤmten von allen Seiten 
neue Schaaren zu ſeiner Hilfe heran, der 
Sieg flog ſeinen Schritten vor, und Schre— 
cken hatte die Herzen ſeiner Feinde ergrif— 
fen, wenn nur der Nahme Guſtav genennt 
wurde. 

Allmaͤhlich erholte ſich Swent unter 
der pflegenden Hand des Arztes, er hatte 
feine Kräfte info weit erreicht, daß er das 
Bette verlaſſen und langſam auf und ab ge— 
hen konnte, aber mit Trauer vernahm er 
vom Arzte, daß ſein rechter Arm lahm 


191 4 


bleiben werde, weil durch die Kugel das 
Gelenke oben an der Schulter zu ſtark ver— 
letzt worden war. In dieſen Augenblicken, 
wo weit umher alles nur von dem Ruhme 
Guſtavs und feiner Krieger ertoͤnte, wäre 
ihm der Tod auf dem Schlachtfelde lieber 
geweſen, als nun ſeinem Freunde nicht mehr 
auf der ſtegreichen Bahne folgen zu koͤnnen, 
und einen muͤſſigen Zuſeher ſeiner kuͤh— 
nen Wagniſſe abzugeben. Doch was half 
ſein Kummer, er mußte ſich in ſein har— 
tes Schickſal fuͤgen. Am meiſten ſuchte ihn 
Johanna, das Maͤdchen, welches er in Däs 
nemark aus Räuberhaͤnden befreit hats 
te, ſeine Lage ſo viel moͤglich, angenehm 
zu machen. Sie wars, welche in den ent— 
ſcheidenſten Augenblicken, da er zwiſchen 
Leben und Todt ſchwankte, ihre Naͤchte an 
ſeinem Bette zugebracht hatte, ſie pflegte 
ihn mit einer Sorgfalt, welche nur immer 
die zaͤrtlichſte Gattin gegen ihren Gemahl 


haben kanu, oft weilte ihr Auge auf ſeis 
nen Zügen, wenn er in Schlummer dahin⸗ 
geſunken war, um jede Bewegung derſel⸗ 
ben zu beobachten, und heiſſe Thraͤnen quol⸗ 
len über ihre Wangen, wenn ſie unter der 
Hand des Arztes ihn ſchmerzhaft leiden ſah. 
Wie dieſer endlich erklaͤrte, daß nun keine 
Gefahr mehr zu beſorgen ſey, da röthete 
ſich hoch ihre Wange, und in den lachen⸗ 
den Blick der Freude mengte ſich eine Thraͤ⸗ 
ne, welche aus warmen Herzen kürgtolk 
Nun ſuchte ſie den Traurenden durch Muſik 
und Geſpraͤch zu erheitern, und bemüͤthe 
ſich ſo innig ihm ſeine traurige Lage, fuͤr 
jeden ferneren Waffenruhm unfaͤhig zu ſeyn, 
ſo viel als moͤglich, vergeſſen zu machen. 
Swent ſah alle dieſe zärtlichen Be⸗ 
muͤhungen, ſein ganzes Herz war dem 
bolden Mädchen zugethan, er wurde 
ihr mit der innigſten Gegenliebe gelohnt 
haben, haͤtte er nur auch vermocht, das noch 


immer lebhafte Andenken an Rofauren zu 
vernichten. Aber zu tief hatte ſeine erſte 
Liebe ſich in ſeine Bruſt gegraben, es war 
nicht moglich den tiefen Eindruck, den Ros 
ſaura auf ihn gemacht hatte, durch einen 
ſpaͤteren zu vernichten, er war Johannen 
mit der innigſten Liebe zugethan, doch war 
ſeine Empfindung gegen fie weit von jenen 
Gefühlen entfernt, welche ſeine Bruſt fuͤr 
Roſauren beherrſchlen. | 

In dieſen Tagen der Ruhe, wo er 
Geſchaͤften los auf ſeinem Vette lag, gewann 
ſeine Fantaſte freieren Spielraum, weit 
heller draͤngte ſich nun Rofaurens Geſtalt 
vor ſeine Sinne, als es ehemal die Ge— 
| ſchaͤfte erlaubt hatten, an ſie zu denken, er 
fuͤhlte es, daß nur fie das Gluͤck ſeines 
Lebens gruͤnden koͤnne, aber ſein Herz blu⸗ 
tete auch bei dem Gedanken, wie ſchnell ſie 
ſelbſt alle Bande der Liebe zerriſſen habe, 
hier ſah er nur Entſagung von Liebe — 

13 


* — 194 — 


und dort winkte ihm die ſeeligſten Wonne 
an der Seite eines holden Maͤdchens „und 
doch, doch hieng fein Herz nur an Rofaus 
ren, und blieb Johaunen blos mit Freund⸗ 
ſchaft zugethan. e 
Einſam ſaß er einſt in e Zimmer, 
und gedachte mehr als jemahl an feine ungluͤck⸗ 
liche Liebe, als die Frau des Hauſes ber⸗ 
eintrat. Eine Bürgerin von Weſteraͤs, zu 
der man den verwundeten Swent gebracht 
hatte, und die ſich edelmüthig feiner annahm. 
Sie begann ein gleichgiltiges Geſpraͤch, wel» 
ches Swenten mehr laͤſtig als angenehm 
| W und 15 Mae man von den Sr ä 
Stadt von den Dalkerlen 8 ne E 
Jzt, bei dieſer Gelegenheit erinnerte ſich 
Swent an das Maͤdchen welche er aus 
den Flammen gerettet hatte, und mit ihr, 
von der Kugel getrofen und ſeines Bewußt⸗ 
ſeyns beraubt zu Boden geſunken war. Er 


fragte, wohin denn die aͤrmſte gekommen 
ſey. Die Frau lächelte, ſeyn Sie unbe⸗ 
foxgt , ſwrach ſie, das gute Madchen ward 
kein Opfer jener ſchrecklichen Nacht, ſie 
wurde mit Ihnen zugleich nach meinem Hau⸗ 
ſe gebracht, und lebte hier bis vor wenigen | 
Tagen, wo fie ſich entfernte. 1 
Swent. Bei Gott! daß freut mic, 
daß mir ihre, Rettung gelang. Ä 
di Frau. Ewig Jammer und ‚Säg; | 
de wäre es um das herrliche Geſchoͤpf gewe⸗ 
ſen, ſolche Feige und Herzensguüͤte wird 
man nicht leicht wieder mitfommen vereiniget» 
finden. Ag! Si men | 
Swent. Wiſſen fe 90 85 wer das | 
Midchen geweſen ſeyn mag? 
Die Frau. Nein, ge beantwortete 
nie aͤhnliche Fragen, auch kann ich mich 
gar nicht erinnern, fie vorher in Weſteraͤs 
geſehen zu haben, doch freilich, wer kann 
alle Leute kennen. Ich lebe ſehr eingezo⸗ 
g 1 


— 1 96 — 


gen, betrette felten die Strafen, unPlbdin V 
fie ein gleiches, wie zu vermuthen, gethan 
hat, fo kann fie Juhrelang bier fepn, 9 1 
e wir uns geſehen haben. e | 

Swen. wo 5 fie nün denn 
hin. ee e e A ne 

Die Fra u. Auch das kann ich Ih⸗ 
nen nicht beantworten, ſie nahm zärtlich 
und dankbar von mir Abſchied, verſchwirh 
mir aber den Weg, denn fie nehmen wolle, 
und als ich ſie warnte, wie gefährlich es | 
nun zu reifen ſey, gab fie ir 1 mit einem 
Tone, der mich im Innerſten erſchůtterte, 
zur Antwort, ich ſcheue keine Gefahr, denn 
ich habe nichts mehr zu verlieren, dabei 
ſtand ihr eine Thraͤne in den Augen, und 
fie riß ſich wehmüthig 18 
Sent. Wahrscheinlich iſt fe ſehr 
ungluͤcklich! 

Die Fr a u. Seniß, und wer weiß, 
ob fe nicht ſelbſt Schuld hieran find, 


= 197 — 


Spent. Ich? 


Die Frau. In ihrer | Bruſt ſcheint 
ungluͤckliche Liebe verſchloſſen. 1 

Swent. Es wuͤrde meinem Herzen 
weh thun, wenn die eiſerne Nothwendig⸗ 
keit des Krieges mich genoͤthiget hätte, ihr 
einen Gatten oder Geliebten zu rauben. 

Die Frau. Moͤglich, daß auch dieß 
der Fall iſt, moͤglich aber auch, daß 
Sie ſelbſt der Gegenſtand — — 

Swent. Ihres Scherzes nun feyn 


fol „liebe Frau? 


Die Frau. Der Himmel bewahre, 
was ich ſpreche, meine ich ernſtlich, denn 
ſo viel iſt ausgemacht richtig, daß das Maͤd⸗ 


chen Sie gut kennen muß. 


Swent. Mich? 2 woher ſchlieffen Sie 


das ? 


Die Frau. Ich habe Ihnen ſchon 
geſagt, daß das Maͤdchen in jener fuͤrchter— 
lichen Nacht mit Ihnen zugleich ohnmaͤch⸗ 


tig in mein Haus gebracht wurde. Sie 
befanden ſich unter der Hand des Arztes, 
ich pflegte das Maͤdchen. Sie erholte ſich 
bald, und ihre erſte Frage war nun, ob 


icch nicht wiſſe, wer der edle Mann geweſen 


ſey, der ſie den Flammen entriſſen habe. 
Wie ich ihr bedeutete, daß eben dieſer ſchwer 
verwundet in meinem Hauſe liege, verlangte 
fie nichts fo ſehnlich, als fie zu ſehen. Dieß 
konnte ich ihr leicht geſtatten, ich begleite⸗ 
te ſie nach Ihrem Simmer. Eben lagen 
Sie in einem feſten Schlafe, niemand war 
gegenwaͤrtig, als der Arzt, der die Wir⸗ 5 
kungen ſeiner Arzneien aus ihren Zuͤgen 
A befpäßte,, fie trat leiſe, und ſchuͤchtern naͤ⸗ 
her, ihr Auge ruhte auf ihrem Geſichte, 
plotzlich ſtieß fie einen lauten Schrei aus, 
und gleitete wie betaͤubt auf den Boden 
hin. 1 
Swent. Beim Himmel, hoͤchſt ſon⸗ 
derbar. | | 


= 199 — 

Die Frau. Wie ſie fih auf ihrem 
Zimmer erholt hatte, bat fie mich den gan⸗ 
zen Vorfall zu verſchweigen, und bedeutete 
mir, daß ſie ſich geirrt habe, und von Ih⸗ 
rer Aehnlichkeit mit einem ihrer Freunde 
getaͤuſcht worden ſey. Sie fragte nun ſtündlich 
und aͤngſtlich um Ihr Befinden, fie trug ſich 
an, Ihre Pflege zu uͤbernehmen, wie ich 
aber bedeutete, daß dieß Fraͤulein Johan⸗ 
na übernommen habe, ſah fie mich mit 
unverwandten Blicken an, und forſchte, wer 
denn dieſe Johanne ſey. Nun mein Gott, 
ich konnte nichts anders ſprechen, als ich 
es vor Augen ſah, und erwiederte ihr, 
daß dieß wahrſcheinlich Ihte Geliebte ſey. 

Swent. Woran fie gewiß ſehr un⸗ 
recht gethan haben. 

Die Frau. Niemand im ganzen 
Hauſe weiß es anders, denn — 1 

Swent. Kommen Sie auf die! Un⸗ 
bekannte zurück. 


Die Frau. Seit dieſer Zeit war 
fie ſtille und traurig, und ich belauſchte fie 
oft, wie ſie im Verborgenen weinte. Als 
ich Ihr berichtete, denn das wußte ich taͤg⸗ 
lich, daß Sie ſich merklich beſſern, ſah ich 
deutlich ihre Freunde darüber, aber ſie kam 
nie mehr nach Ihrem Zimmer, ja ſie wich 
niemanden ſo ſorgfaͤltig aus, als Johannen. 
Endlich berichtete Sie mir, daß ſie abrei⸗ 
ſen muͤſſe. Sie verſchloß ſich einen ganzen 
halben Tag in ihr Zimmer, kam dann mit 
rothgeweinten Augen hervor, und brachte 
mir ein verſiegeltes Schreiben. „Wenn 
der edle Mann, ſo ſprach ſie zu mir, dem 
ich meines Lebens Rettung zu danken habe, 
von ſelbſt nach mir fragen ſollte, ſo bitte 
ich Sie, übergeben Sie ihm dieſes Schrei— 
ben, fraͤgt er nicht, und zieht, ohne ſich 
weiter um mich zu kümmern aus Ihrem 
Hauſe, dann geloben Sie mir dieſen Brief 
ungeleſen zu vernichten.“ Ich gelobte dieß, 


* 


— 201 — 


und übergebe Ihnen nun das Schreiben, 
bei deſſen Durchleſung ich Sie, da ich ei— 


nen wichtigen Innhalt vermuthe, nicht 


laͤnger mehr ſtoͤren will. 

Die geſchwaͤtzige Alte entfernte fih nun 
freilich mit dem innigſten Wunſche erfuͤllt, 
den Innhalt des Schreibens zu wiſſen, auf 
dem fie aber aus nothgedrungener Beſchei— 
denheit Verzicht thun mußte. 

Mit gewiß nicht wenigerer Neugierde 
entfaltete Swent das Schreiben, und las 
den Namen Roſaura. Das Blatt entfiel 
ſeiner zitternden Hand, o Gott! rief er, ich 


war ihr ſo nahe, mein Herz ahndete ihre 


Gegenwart, denn weit lebhafter ſchwebte 
immer ihre Geſtalt vor meiner Seele, aber 
ach zu dunkel war dieſe Ahndung. Endlich 
hob er den Brief wieder auf, und durchlas 
ſeinen Innhalt. 

„Ehemal hatten uns die Bande inniger 
Liebe vereiniget, freilich ahndete ich den 


erhabenen Guſtav in dir, dein eigenes ed- 
les Weſen beſtimmte mich zu dieſer Ahn— 
dung, und mit voller Seele hieng ich an 
den Gedanken, von dem erſten Manne ſei⸗ 
ner Zeit geliebt worden zu ſeyn. Nennt 
es immerhin Stolz, was zu meiner Liebe 
mich beſtimmte, fie war darum nicht min⸗ 
der innig, nicht minder zaͤrtlich. Man riß 
dich von meiner Seite, man ſchleppte dich 
ins Gefaͤngniß, und mein Herz blutete. 
Ich eilte zu deiner Rettung, dieſe gelang 
mir, und ich erhielt zugleich Enthuͤllung, 
daß du nicht Guſtav feyft.” N 9 
„In dieſem Augenblicke der Uiber⸗ 
raſchung, und Vernichtung meines ſtolzen 
Wahnes, konnte ich keine Stimme der Liebe 
hören. Ich bin Weib, und nicht ohne Schwaͤ⸗ 
chen. Eitler Stolz beſiegte mein Herz, ich 
mied deinen Anblick, weil ich in dir den 
Mann nicht wußte, deſſen Ruf meiner Ei⸗ 
kelkeit Nahrung gegeben hatte. Aber wie ich ’ 


einfam war, wie mein Unmuth ſich ändere 
te, da fehlte mir uberall der, dem ich 
mein ganzes Herz hingegeben hatte. Ge⸗ 
trennt von dir erhob ſich mächtig die Stim— 
me der Liebe, ich entbehrte hart ihre Won⸗ 
ne, und bittre Reue erfüllte meine Bruſt. 

Ja Swent, ich habe aͤuſſerſt unrecht an dir 
gehandelt, du warſt zwar nicht der Mann, 
der meine hohe Ideen erfüllt hatte, aber 
hell ſchwebte nun dein Edelmuth, dein 
biederes Weſen vor meiner Seele, ja ich 
liebte dich, und würde ich dich unter was 


| immer für einer Geſtalt gefunden haben, 


meine Zaͤrtlichkeit würde das gut zu ma⸗ 
chen geſucht haben, was ich vom Stolze 
geblendet unrecht that, und fo innig bereu⸗ 
te. Du wußteſt ja das nicht, wie koͤnnte 


ich es dir verargen, daß dein Herz empört 


ö 


über meine Behandlung feiner Liebe ent⸗ 
ſagte, und wahrſcheinlich nur mit, Verach⸗ 
tung an ein Mädchen gedachte, deren Herz 


04 „ 


nur an Glanz, und Groͤße zu haͤngen ſchien. 
Du haft ein Mädchen gefunden, deiner Lie⸗ 
be würdiger 5 obſchon ich zweifle, daß noch 
jemand inniger, als Roſaura lieben koͤnne.“ 
„Moͤchteſt du doch ganz glücklich an ihrer 
Seite ſeyn, dieß iſt der innigſte Wunſch 
eines Herzens, das jedem Gefuͤhle von Lie⸗ 
be entfagen muß, um ſich ſelbſt für feine 
ehemaliche Handlungen zu ſtrafen. Du 
warſt mein Lebensretter, damal mit Todes⸗ 
angſt erfüllt, kannte ich dich nicht, ich habe 
dich geſehen, und der Anblick des Mannes, 
nach dem mein ganzes Herz ſich ſehnte, war 
zu überraſchend für mich, ich hörte deine 
Liebe zu Johannen, und ich zog mich in 
mich ſelbſt zurück, nur fo lange blieb ich, 
bis ich deine gaͤnzliche Beſſerung vernahm, 
wenn du aber dieſes lieſeſt, bin ich vielleicht 
ſchon weit entfernt auf Wegen, die dir 
ewig verborgen bleiben müſſen. Run hier 
einen Dank für meine Rettung, anders 


J 203 — 


kann, di darf ich dir diefe nicht vergelten, 
aber ich will dir auch votbötgen bleiben, 
um ja nicht Stoͤhrerin deiner Liebe z fon. 
Werde glücklich Swent, vergicß Kofauren, 
die dich nicht verdient hat, berzieß, daß 
ſie dich liebte, ſie wird ihre Entſacung um 
ſo leichter ertragen Tonnen, weil fie dadurch 
dein Gluͤck bei Johannen iu gründen weiß, 
und nur zu gut uͤberzeugt if, die Wera 
tung aller Freuden des Libens verdient ‚u 
A 

ne Gott, N liebt bc 1 dirt Sent, und 


= 7. 


„eu ah 


ehen meiner Wüüſche chil. Ach, 
wie ſehr tauſchteſt du dich zu meiner eigenen 
Qual, 0 daß du gewußt haͤtteſt, wie wenig 
mir deine Liebe er ſezt werden koͤnne, du waͤ⸗ 
reſt nicht geflohen, und jene Vereinigung 


ware uns zu Theil geworden, nach der une 


1 206 — 


ſere Herzen fi ſehnen, und die ſelbſt der 
Zufall ſo ſebr zu begünſti igen ſchien. Wo 
ſoll ich dich nun ſuchen, wo fol, ich Nach⸗ 
richt einziehen wohin du dich, erfüllt mit 
den Leiden boffnungsloſer Liebe, gewendet 
haſt 2 Otheuere Roſaura, wie wird. es mir 
möglich ſeyn, deinen verborgenen, Aufent⸗ 
halt zu entdecken? 2 9 
Soo ſchwaͤrmte er lange Sei, mit 10 
felbſt, las und las noch einmal den Brief, 
und naͤhrte dadurch immer mehr feine Liebe 
und feine. Leiden. Vergebens ſuchte in 
Johanna aufgußeitern, er verſchwieg ihr die 
ursache ſeines neuen Kummers, und Wer 
lief ſich ganz dieſer Schwermuth. 
ige Der Arzt Im der dieſe unguͤnſtige Ver 
änderung bemerkte, rieth zur Zerſtreuung, 
er geſtattete Swenten auszugeben, damit 
auch die Abwechslung der Luft wohlthaͤ⸗ 
tig auf ſeinen Koͤrpeß wirken koͤnne. 
Swent ging nun in der Stadt um⸗ 


> 


207 — 


her, äber er fand nirgends Zerſtreuung, 
er wünfchte ſich nichts ſo ſehnlich, als bald 
Kräfte genug zu haben, um eine Reiſe an- 
tretten zu koͤnnen, dann wollte er, der 
für Guſtaven nichts mehr thun konnte, al⸗ 
le Gegenden durchſtreifen, und nicht ruhen, 
dis er Rofauren wieder gefunden habe. 
— Als er einſt, vertieft in dieſe Gedan⸗ 
ken, und entſchloſſen nicht laͤnger mehr 
dem Willen des Arztes zu gehorchen, und 
ſeine Reiſe anzutretten durch die Straſſen 
der Stadt gieng, trat ein Mann in einem 
gemeinen Nock gehüllt auf ihn zu. Wenn 
ich mich nicht irre, ſprach er, iu I " 
Swenten vor mir. 

Swent. Der bin 10, was aeg 

du? 

> Der Man n. . e ſandte mich 
ſchon oft aus, Ihren Aufenthalt zu erfor⸗ 
ſchen, und nie gelang es mir, bis nun 
ein Zufall mich Ihnen ſelbſt entgegen fuhrte. 


Swent. Du keunſt mich alſo 2 
Der Man n. Nur zu gut, ſehen fie 
hier dieſe Narbe an der Stirne? dieſe Wun⸗ 
de ſchlugen ſie mir, als ich mit meinen 
Gefaͤhrten aus dem Kaſtelle auf N 
Leute herausſtürmte. 878 
Swent. Ein Beweis, Bien wir fi 
ner dem Feinde den Rücken kehren wollten, — 
und was will dein Herr von mir ? 
Der Mann. Er verlangt 1 ſo 
ſehnlich, als Sie zu ſprrchen. 
Sw ente Wen iſt ern rt 
22446 er Mann. Ein junger Daͤne, er 
wurde ſchwer verwundet, und iſt von 
ſeinen Wunden noch nicht hergeſtellt worden. 
Sent. Zeige mir den Weg zu ihm, 
0 wuͤnſche ihn zu ſehen. 2 05 
Er folgte nun dem Manne durch eini⸗ 
ge Gaͤſſen, und langte endlich im Zimmer 
des Verwundeten an. Nachläſſig hinge⸗ 
ſtreckt ſaß dieſer in einem Armſtuhl, es 


war ein junger angenehmer Schwarzkopf. 
Wie er Swenten eintretten ſah, hub er 
ſich, ſo ſchnell ers vermochte, empor, und 
eilte in ſeine Arme. Wie? rief Swent, 
wärs moglich, dich hier zu finden, du biſt 
Olof? | 
Olof. Ich bin es, den du in Dis 
nemarf aus dem Gefaͤngniſſe der Räuber 
befreiteſt. 
Swent. So ſey mir W will⸗ 
kommen. 
Olof. Wir fuͤhrten feindlich die Waf⸗ 
fen gegeneinander. | 
Swent. Die Pflicht gebots, unfere 
Herzen liebten ſich gewiß auch im Getuͤm⸗ 
mel des Kampfes. 
Olof. Beim Himmel ja, ſelbſt als 
das Gefecht am hitzigſten war, und wir 
Aug gegen Auge ſtritten, fühlte ich Zunei⸗ 
gung zu dir in eben dem Augenblicke, da ich 
meinen Degen gegen dich aufhob, du kamſt 
4 


— 210 — 


mir vor, und bohrteſt deinen Stahl hier 
in die Seite. 8 

Swent. Wo war das? wo ſtrittſt 
du? 2 | 
Olof. Am Eingange des Kaſtells. 
Swent. Ha beim Himmel! ich erin⸗ 
nere mich, du warſt jener Juͤngling, der 
mit einer Handvoll Leute gegen die unſri⸗ 
gen den Eingang ſo lange vertheidigte, bis 
die Bruͤcken hinter ihm aufgezogen wa- 
ren. In der Wuth des Kampfes konnte 
ich dich nicht erkennen, aber ſpaͤter ſchweb⸗ 
te mir oft deine Geſtalt vor, und ich konn⸗ 
te mich nicht entſinnen, wo ich dich ſchon 
einmal geſehen habe. Beide waren wir in 
jener Nacht dem Tode nahe, w wir find ihm 
entriſſen worden, und wollen uns des Wie— 
derſehens freuen, ich wenigſtens, ſo viel 
es meinem traurenden Herzen moglich if. 
; O lo f. Du leideſt Freund? welch 
ein Kummer erfuͤllt dein Herz. 


PR 211 * 


S went. Ach vielfacher; Sieh die⸗ 
fen Arm, er iſt lahm, und ich bin unfähig 
die Bahne des Ruhms ferner zu betret⸗ 
ten. N \ 
Olof. Ich bedaure dich, du aber 
hege gleiches Mitleiden mit mir, auch ich 
bin unfähig zu Kriegsdienſten geworden. 

Swent. Aber, warum ſoll ich mich 
beſchoͤnigen, eben fo ſehr liegt noch ein 
anderer Kummer an meiner Seele, er 
nennt ſich hoffuungslofe Liebe. 

Olof. Wie! welche ſeltſame Gleich— 
heit in unſeren Schickſalen, auch ich Swent, 
auch ich fuͤhle dieſe traurige Leiden, aber 
ich liebe den, der das Maͤdchen meines 
Herzens mir entzogen hat. 

Swent. Ward ſie dir treulos? 

Olof, Ach nein, ſte ahndete nie 
meine Leidenſchaft. Ich ſah nur zu deutlich, 
daß ſie von dem Manne geliebt wurde, der 

mein Wohlthaͤter geworden war. 
. 14 ( 


— 212 — 


Swent. Da bedaure ich dich. 
Olof. Mein Schmerz iſt in meinem 
Buſen vergraben, und ich bitte dich laſſe 
uns abbrechen hievon. 
Swent. Lieber Olof, eben befaͤllt 
mich ein Gedanke, der zugleich unſerem 
Geſpraͤche eine andere Wendung giebt, — du 
bieibſt hier in Weſteraͤs ? | 
Olof. Sieh die Verbaͤnde meiner 
Wunden, dieſe noͤthigen mich wohl, 
Swent. Ich muß fortreiſen. 
olof. Alſo kaum geſehen, ſollen 
wir uns wieder trennen? | 
Swent. Mein hartes Schickſal nö⸗ 6 
thiget mich, du aber, der du mein Freund 
biſt, koͤnnteſt mir dieſe Freundſchaft werk⸗ 
thaͤtig beweiſen. Ä | 
Olof. Sprich, beſiehl über alles, 
was meine Kraͤfte vermoͤgen. 
Swent. Mein Freund Guſtav treibt 
ſich in den Gefahren des Kriegs herum, ihn 


— 213 — 


kann ich nicht beläftigen, während meiner 
Abweſentheit ſeine Sorge auf einen mir 
werthen Gegenſtand zu wenden. 

Olof. Und dieſer iſt? 

Swent. Eine theure Freundin, die 
ohne meinem Schutze ganz ſich ſelbſt, und 
dem Zufalle überlaffen iſt. Eben jenes 
Maͤdchen, Johannen meine ich, welche ich 
mit dir zugleich den Raͤubern entriß. 

Olof. Gott! Johanna — und ich, 
ich ſoll ſie in Schutz nehmen? | 

Swent Und dieß ſprichſt du mit 
fo fonderbaren Tone aus? 

Olof. Ja bei Gott, ich will ſie 
ſchüͤtzen, wie mein koſtbarſtes Eigenthum, 
ich ſchwoͤre dirs, ohne erlittener Kraͤnkung 
von was immer für einer Art, will ich fie 
nach deiner Ruͤckkehr dir entgegen fuͤhren, 
und mich dann euerer glücklichen Liebe 
freuen — doch wie, du ſagteſt mir ja, du 
liebteſt hofuungslos, ſollte Johanna — 


S went. Meine Geliebte ſeyn, waͤhnſt 
du? 5 

Olof. Davon bin ich uͤberzeugt, aber 
ich begreife nicht, daß fie nicht Gegenliebe 
ſuhlen ſllote. | 1 f | 

Swent. Wie ſehr irrſt du dich — 
Johanna iſt meine Freundin, mein Herz 
aher gehört Roſauren von Holdenſtirna. 

Olof. Waͤrs moglich — Swent, 
Swent, und du liebteſt Johannen nicht? 

Swent. So wie der Bruder die 
zaͤrtliche Schweſter, fo wie der Freund die 
liebevolle Freundin, ſo liebe ich Johannen, 
aber jene ſelige Empfindung die der Gatte 
gegen die Gattin hegt, ach dieſer bin ich 
nur für Rofauren fähig, 

348 lof. Und Johanna — wirſt du von 

ihr nicht wieder geliebt? 

Swent. Eben ſo, wie mein Herz 
ihr zuge han iſt. Doch Dlof dein Betragen 
macht mich ſtaunen, deine Wange glüht, 


\ 


— 215 — 


dein Auge funkelt, und nur mit ſtockend er 
Stimme ſprichſt du mit mir. 

Olof. (In ſeine Arme ſinkend) 
D Swent, Johauna iſt der Gegenſtand mei⸗ 
ner Liebe. | 

Swent. Waͤrs moglich! wie ſehr 
freut mich dieſe Entdeckung. 

Olof. Schon in früheren Jahren 
ſah ich das Maͤdchen bei ihrem Erzieher, ih⸗ 
re ſanften Reitze, ihre holde Unſchuld hatte 
ſchon damal den heftigſten Eindruck auf 
mich gemacht, aber ich mußte meine empor⸗ 
keimende Gefuͤhle unterdruͤcken, ich ſtand 
noch unter der Bothmaͤſſigkeit eines Vaters, 
der mich von Kindheit auf nur Strenge 
fühlen ließ, und eine Leidenſchaft, die nicht 
nach ſeinem Sinne geweſen waͤre, fuͤrch— 
terlich geahndet haben wuͤrde. Ich wurde 
bald von ihr getrennt, Johanna bemerkte 
dieß gewiß nicht, denn nur ſtumme Liebe 
herrſchte in meiner Bruſt, nie hatte ich es 


1 


> 216 — 


gewagt, mich dem Engel zu naͤhern, noch 
weniger geſtattete mir meine Schuͤchternheit 
mit ihr zu ſprechen. Ich war vergnuͤgt und 
gluͤcklich, wenn ich fie nur ſehen konnte. 
Auch dieß wurde mir nun entriſſen, und 
eben ſo wie Johanna mein Verſchwinden 
von dem Orte ihres Aufenthaltes gar nicht 
bemerkt haben mochte, kam im Gegentheile 
ihr Bild nie mehr aus dieſem Herzen. Mein 
Vater ſtarb, und ich, der ich waͤhrend dem 
Kriegsdienſte genommen hatte 4 wollte nach 
ſeiner Beerdigung zu dem Orte meiner 
Beſtimmung zurückkehren, als ich in die 
Gewalt der Naͤuber gerieth. Früher als ich 
vermuthete ward mir Rettung, wie ein Gott 
tratſt du zu mir in mein Gewoͤlbe, und kuͤn⸗ 
deteſt mir ſo unvermuthet das Ende meiner 
Leiden an. Mein ganzes Herz war mit 
Dank, mit Liebe gegen dich erfüllt. Ich 
verließ den fuͤrchterlichen Aufenthalt, du 
zeigteſt mir eine Dame, die du gleichfalls 


den Raͤubern entriſſen habeſt, und, ich 
erkannte Johannen. Ihr Anblick machte 
den heftigſten Eindruck auf mich „ und mag 
gleich ſtark mit dem Eindrucke der unge 
wohnten freien Luft auf meinen geſchwaͤch⸗ 
ten Koͤrper gewirket haben, daß ich betaͤubt 
zu Boden ſank. Wie ich mich wieder er— 
mannte, fand ich mich in dem Hauſe eines 
Edelmanns, der mich, das Maͤdchen, und 
dich aufgenommen hatte. Mein erſter Gang 
war zu dir, ich ſah Johannen bei dir be⸗ 
ſchaͤftiget, dich zu pflegen 8 o Gott! wie 
viel liebenswuͤrdiger war fie ſeit dem gewor— 
den, als ich fie nicht geſehen hatte, damal 
gliech ſie der aufkeimenden Roſenknoſpe, 
nun ſtanden ihre Reize in voller Bluͤthe; 
Aber ach, ich forſchte in ihrer Augen, und 
mir ſchien es klar und deutlich, die heftige 
ſte Zuneigung gegen dich zu bemerken. Ich 
gab einen ſtillen Beobachter ab, und immer 
mehr glaubte ich meine Vermuthungen be⸗ 


ſtaͤrkt. Eiferſucht begann mein Herz zu er⸗ 
füllen, aber ich unterdruͤckte dieſe hoͤntſche 
niedrige Leidenſchaft. „Wiel rief ich, ſiehſt 
du nicht deutlich, daß das Schickſal deine 
Liebe nicht begünſtiget? Hat es dir nur eine 
mal Gelegenheit gegeben Johannens Zunei⸗ 
gung zu verdienen? hat ſie nicht Swenten 
alles zu danken, und iſt er nicht auch dein 
Lebensretter, verbirg deine ungluͤckliche Lel⸗ 
denſchaft, und mißgoͤnne deinem Wohlthaͤ⸗ 
ter nicht ein Gluck, das für dich nicht cr» 
reichbar ſeyn fol! — 

Ich gewann dieß uͤber mein Herz, aber 
ich ſah auch deutlich ein, daß nichts fo 
nothwendig ſey, als mich von Johannens 
Nähe zu entfernen; Ich nahm Abſchied von 
Euch, und fuͤhlte nun erſt ganz die Qualen 
hoffnungsloſer Liebe. Ich kam zum Heere, 
ich ſehnte mich nach Kriegsgetümmel, um 
da ehrenvoll zu enden, und meiner Leiden 
enthoben zu ſeyn. | 


u 210 — 


Wie Guſtavs Truppen uns nach dein 
Kaſtelle zuruͤcktrieben, da beſchloß ich mein 
Leben, das mir ohnehin zur Laſt war, zu 
opfern, daher ſtellte ich mich mit wenigen 
Euch entgegen, ich ſah die leine Anzahl 
meiner Gefaͤhrten ſchmelzen, und erkannte 
dich nun, ich wuͤnſchte von deiner Hand 
zu ſterben, und ſank endlich mit Wunden 
uͤberdeckt zuſammen, mein Bemwupfer n 
entſchwand, und Johanna war noch das 
letzte Liſpeln, das über meine ſtarrende Lip⸗ 
pen kam. | | 

Mit Trauer blickte ich, als mein Auge 
ſich wieder oͤfnete, nach dem Arzte, der 
nur zu meinem Leiden mich zurück rief, mit 
dem zahlreichen Blute, das ich verlohren 

hatte, war meine Liebe nicht entſchwunden. 
N Ich genas, ich verlangte dich zu ſehen, 
waͤhnte in dir bereits Johannens Gatten, 
ja ich wünſchte dieß aus deinem eigenen 
Munde zu hören, un vielleicht dadurch aus 


friherften meine Leidenſchaft unterdrücken zu 
koͤnnen, lange blieb mir dein Aufenthalt 
verborgen, als der Zufall dich ſelbſt zu 
mir brachte, du ſprachſt von Johannen, 
und — o Freund, du geſtehſt mir, ſie nie ge⸗ 
liebt zu haben, wie ſoll ich dieſe Stunde 
nennen — O gewiß, ich wuͤrde fie die gluͤck— 
lichſte meines Lebens heiſſen, wenn ich nur 
ahnden koͤnnte, daß Johanna nicht unem⸗ 
pfindlich gegen meine Leidenſchaft bliebe. 

So endete Olof ſeine Erzaͤhlung, und 
Swent ſchloß ihn abermal gerührt in feine 
Arme, er verſprach ihm ſeinen Beiſtand, 
er ſelbſt wollte Johannens Herz erforſchen, 
und ſuchen ſie ihm geneigt zu machen. Mit 
der Verſicherung ewiger Freundſchaft trenn⸗ 
ten ſich die beiden Juͤnglinge. Sobald Swent 
nach feiner Wohnung zurückgekehrt war, 
ſorach er mit Johannen, und entdeckte ihr 
die Nothwendigkeit ſeiner Reiſe. Traurend 
fragte das Madchen, was ihn dann hiezu 


— 221 — 


beſtimme, er ließ ihr Roſaurens Brief le⸗ 
ſen, er entdeckte ihr die Geſchichte ſeiner 
Liebe. Schweigend hoͤrte Johanna zu, die 
Thraͤne, die bei dem Gedanken von Swen⸗ 
ten ſich trennen zu muͤſſen, in ihre Augen⸗ 
winkel getretten war, troknete, und eine 
ſtille Wehmuth lag uber ihr Geſicht ausge⸗ 
breitet. Swent for ſchte in ihren Zuͤgen 
während feiner Erzaͤhlung, es entging ihm 
nicht, daß ihr Herz im Verborgenen einen 
harten Kampf kämpfe; wie er aber ſelbſt 
hingeriſſen von feiner Liebe ihr feine Leiden 
mit fo inniger Wehmuth, und ſo traurigen 
Farben ſchilderte, da vermochte fie nicht 
mehr an ſich zu halten „da ſank fie an ſei⸗ 
ne Bruſt, und ein lauter Thraͤnenſtrom 
entquoll ihren Augen. Swent druͤckte ſie 
mit Theilnahme an ſich. Warum weinſt du 
Johanna? fragte er, bange, die Antwort 
zu hoͤren, daß ſie ihn liebe, aber dieſes 
Geſtaͤndniß, ward ihm zu ſeiner Freude 


— 222 — 


nicht, Johanna betbeuerte „daß fie nichts 
ſo ſehr wünſche, als ihn durch Liebe glück⸗ 
lic zu ſehen, und | daß fie ſehr trauern 
mie, Schuld zu ſeyn, die vom Zufalle ſo 
ſehr begünstigte Vereinigung mit Roſauren 
zu vernichten. Nein rief Swpent, nicht du 
biſt Schuld, das Schickſal wollte es ſo. 

Johanna. O ſprich das nicht, Ro⸗ 
faura konnte nicht anders als Liebe zu dir 
von mir ahnden, und ja beim Himmel Swent, 
ich liebe dich unausſprechlich, aber giebt 
es denn nicht auch eine Art hoͤherer Liebe, 
die Vereinigung zweier Seelen, deren Urquell 
‚ihnen ſelbſt verborgen iſt, und die nur das 
Gepraͤge des geiftigen Erhabenen an ſich 
traͤgt. Wie lieben ſich denn oft Freunde, 
ohne daß Dienſtleiſtung oder Aufopferung 
ihren Gefühlen vorangegangen iſt? und 
dennoch ſind ihre Seelen in ſanfter Harmo⸗ 
nie zuſammengeſchmolzen, und dieſe Liebe 
ſollte nicht auch bei verſchiedenen Geſchlech⸗ 


tern beſtehen können? Ich würde mit ims. 
mer gleicher Liebe dir zugethan geweſen ſeyn, 
wenn ich auch Roſauren als deine Gattin 
gewußt haͤtte, o wie thätte ich fie ncht be⸗ 
neidet, gerne haͤtte ich ihr den größten Theil 
deiner Stunden, und deiner Zaͤrtlichkeit 
gegoͤnnt, den ich war ja nur deine Freun⸗ 
din, und auch ſie wäre meine Schweſter 
geweſen. Welch ein ſeliges Bild von gluͤck— 
licher Eintracht ſchwebt da vor meiner 
Seele, ach, und es muß entſchwinden, wer 
weiß Swent, ob wir uns wieder ſehen. 
wen. Warum das, was willſt 
du unternehmen? ö 

Johanna. Noch weiß ichs nicht, 
bisher war ich wie die ſchwache Rebe, die 
ſich an dem Ulmenbaume emporhaͤlt, 
doch du darfſt nicht laͤnger an meiner Seite 
weilen — und 

Swent. Und Schutz habe ich dir 
gelobt, und der ſoll dir bei Gott immer 


werden, hoͤre mich an Johanna, ich habe 
einen Freund, einen edlen Mann. 

Johanna. Wozu dieſes Beiſatzes, 
er koͤnnte erſteres nicht ſeyn, wenn er nicht 
auch das letztere waͤre. * 

Swent. Schon ſprach ich Vent. | 
wegen mit ihm, er iſt bereitet, die Pfliche 
ten während meiner Abweſenheit, uber ſich 
zu nehmen, die mir gegen dich obliegen 
du kennſt ihn, es iſt Olof, derjenige Daͤ⸗ 
ne, den ich mit dir zugleich befreite. 

Johanne. Ja ich kenne ihn. \ 

Swent. Er wird ſich es zum groͤß⸗ 
ten Gluͤck anrechnen, ige in fein Haus 
aufzunehmen. 5 

Johanna. Und kann, und darf 
ich dieß eingehen? vergab ich nicht ſchon 
zu viel meiner Sitte, ſo lange in deiner 
Naͤhe zu verweilen, aber dich hielt ich fuͤr 
meinen Bruder, ſo glaubte ich mich ge⸗ 
gen jeden Vorwurf geſichert, es iſt nicht fo 


Swent, man iſt es gar nicht mehr gewohnt, 
daß zwei Geſchlechter ohne Abſicht und In⸗ 
tereſſe ſich gewogen ſeyn koͤnnen, und wie 
nun, was wurde man von dem Maͤdchen ſa⸗ 
gen, wenn ſie von dir weg, und ſich aber— 
mal in das Haus eines Juͤnglings begaͤbe. — 

Swent. Was aber — 

Johanna. Die Frau des Hauſes 
wo ich nun bin, iſt ihrer Geſchwaͤtzigkeit 
weggerechnet eine gute Seele, ſie wird mich 
gerne hier dulden, denn ich werde mich 
bemühen ihr die Laſt ihrer Wirtſchaft zu 
erleichtern. 

Swent. Gutes Maͤdchen, und Olof 

ru darf dich doch beſuchen 2 

| Johanna. Wuͤnſcheſt du es? 

Swent. Er iſt ein guter biederer 
Junge. 

Johanna. Gewiß. 

Swent. Er ſprach mit mir viel von 
dir, er kennt dich ſchon laͤnger, als ſeit 

15 


der Zeit Euerer Befreyung, er wüͤnſchte dein 
Freund werden zu koͤnnen. 

Johanna. Er kann es vielleicht 
werden. me) 

Swent. Und wie dann, wäre es 
nicht moͤglich, daß dieſe Freundſchaft in der 
Folge — in Liebe ſich wandelte? du ſchweigſt! 
Verzeih mir, ich haͤtte dein Herz mehr fo: 
nen ſollen. E 

Johanna. DI gewiß, das haͤtteſt du. 

Swent. Ich begnuͤge mich, wann du 
ihm geſtatteſt, bei dir um mein Befinden 
nachzufragen; denn ſo lange ich abweſend 
bin, werde ich ich dir immer Nachricht 
ſenden. - | 
Johanna. Und ich werde nie den 
Freund von mir weiſen. 

Swent. Ja Johanna, ſo wollen wir 
uns auch künftig betrachten, du meine 
Schweſter — 


14 


Johanna. Und du mein vielgeliebter 
Bruder! 5 

Swent eilte nun Olofen zu benachrich— 
ten, wie weit er es mit Johannen gebracht 
habe, er rieth ihm das Herz des Maͤdchens 
zu ſchonen, ihre Freundſchaft und Zunei— 
gung zu erringen, und dann erſt ſtuffenweiſe 
Umwandlung ihrer Empfindungen in Liebe 
zu hoffen. Olof nahm dankbar und geruͤhrt 
Abſchied, auch von Johannen trennte ſich 
Swent nun, und verließ Weſteraͤs, um 
Roſauren zu ſuchen. Ohne zu wiſſen wel— 
chen Weg er nehmen ſollte, ſein Herz zwar 
reichlich mit inniger Liebe erfuͤllt, aber um ſo 
weniger mit beſeligender Hoffnung ermuntert. 

Sein erſter Gang war zu Guſtaven, 
der ſich in Upfala befand, dorthin rief ihn 
Pflicht und Freundſchaft. Guſtav empfing 
ihn mit Freude, ſeinen geliebten Freund 
wieder zu ſehen, aber auch mit Wehmuth, 
deſſen tapfern Arm entbehren zu muͤſſen, er 


15 (2) 


ka, 228 —. 


trug ihm an, bei ihm zu bleiben, aber 
Swent entdeckte ihm die Urſache feiner Rei⸗ 
e und nahm endlich Serge Abschied 
von ihm. f f 
Da es ihm gleichviel ſeyn mußte, wel⸗ 
chen Weg er naͤhme, da nicht die geringſte 
Spur die Richtung ſeiner Reiſe beſtimmte, 
ſo erinnerte er ſich noch an einen alten Bee 
kannten und Wohlthaͤter, den er zugleich 
aufſuchen ſollte. Es war der Alte aus dem 
Baͤrenthale. Nur unter dieſen Namen war 
er ein bischen bekannt. Er hatte ſchon bei Gu⸗ 
ſtaven um ihn geforſcht, und von dieſem ers 
fahren, daß der Alte zwar anfangs bei fet« 
nen Truppen geweſen, aber gleich in dem 
erſten Treffen eine Wunde erhalten habe, 
und um ſich pflegen zu koͤnnen, nach ſeiner 
ſtillen Wohnung zuruͤckgekehret fen, ſeit dies 
ſem habe Guſtav von ihm nichts erfahren, 
und er zweifle, ob er noch am Leben fey. 


— 229 — 


Dieſe Nachricht hatte Swenten trau⸗ 
rig gemacht, er beſchloß ihn aufzuſuchen, 
und wenn er von dem Tode des Greiſen 
überzeugt wäre, wenigſtens dankbare Thraͤ⸗ 
nen auf deſſen Grabe zu weinen. Melan⸗ 
choliſch und duͤſter ſetzte Swent feine Wan⸗ 
derung fort, aber bald nöthigten andere Um⸗ 
ſtaͤnde ihn, feine Abſicht, den Alten aufzu⸗ 
ſuchen, aufzugeben. Er glaubte eine Spur 
von Roſauren gefunden zu haben, dieſe ver⸗ 
folgte er lange unablaͤſſig, und gerieth end⸗ 
lich in die Gewalt von daͤniſchen Truppen, 
welche ihn gefangen mit ſich fortfuͤhrten. 
Swent hatte das Gluͤck einem menſchen⸗ 
freundlichen Manne anvertrauet zu werden, der 
ihm ſeine traurige Lage ſo viel moͤglich zu 
erleichtern ſuchte. Swent faßte Zutrauen 
zu ihm, er entdeckte ihm feine Liebe zu Ro⸗ 
ſauren von Heldenſtirna, und der Daͤne gab 
ſich alle erdenkliche Mühe zu erfahren, ob 
ſie ſich etwa nach ihrem Vaterlande zuruͤck⸗ 


Begeben habe. Aber vergebens war alle feis 
ne Bemuͤhung, von Roſauren war nicht nur 
keine Spur zu finden, ſondern es entdeckte 
ſich auch, daß Swent bisher einer ganz fal— 
ſchen gefolgt ſey. Wahrſcheinlich mochte 
ſchon lange boͤſes Uibel in dem Innern ſei⸗ 
nes Koͤrpers verborgen geweſen ſeyn, das 
nun erſt ausbrach, eine harte Krankheit 
warf ihn darnieder, und während er mit 
dem Tode kaͤmpfte, erhielt ſein Aufſeher von 
einem reiſenden Kaufmanne die Nachricht, 
daß er in Schweden ein Maͤdchen aus Daͤn⸗ 
nemark, die Roſaura Heldenſtirna ſich nann⸗ 
te, kennen gefernet habe, und daß dieſe in 
einem adelichen Damenſtifte von toͤdtlicher 
Krankheit dahingeraft worden ſey. 

Mit Trauer erfüllte dieſe Nachricht das 
Herz des menſchenfreundlichen Mannes, er 
wagte es nicht Swenten nun dieſe Nachricht 
beizubringen, bevor deſſen Geſundheit gaͤnzlich 


U 


— 231 — 


wieder hergeſtellt ſey, wozu er jedoch wenig 
Hofnung gab. 

Es gelang, Sweat genas, feine Kraͤf⸗ 
te kehrten wieder, und mit moͤglichſter Vor⸗ 
ſicht zwar wurde ihm Roſaurens Tod ver⸗ 
kündiget, aber dieſe Nachricht war zu er⸗ 
ſchütternd für ihn, um ihm nicht einen gro⸗ 
ßen Theil feiner erſt erlangten Kräfte wieder 
zu rauben. Er ſchlich matt und traurend 
_ winder, verwiſcht war jede Spur der Freu⸗ 
de von feinem Geſichte, und aus feinem 
Herzen, Nur Melancholie hielt ihn feſt um⸗ 
lagert, und machte ihn taub für jedes ans 
dere Gefühl, als das ſeiner Leiden. 

Der biedere Daͤne, dei dem er bisher 
geweſen war, und der mit dem Jünglinge 
innigſtes Mitleiden fühlte, glaubte, daß viel⸗ 
leicht am beſten feiner gaͤnzlichen Wirderges 
neſung zutraͤglich wäre, wenn er wenigſtens 
frey nach ſeinem Vaterlande ruͤckkebren koͤn⸗ 
ne, er verwand ſich für dieſe, und es ge- 


— 232 — 


lang ihm Swents Befreyung, nachdem er 
laͤnger als Jahresfriſt in Diäten gewe⸗ 
ſen war, zu erwirken. 

Freudig kuͤndigte er dieſes Swenten an} 
aber keine Spur von Freude wurde in deſ⸗ 
ſen Mienen ſichtbar, ihm war alles gleich⸗ 
giltig geworden, was ihn umgab. Er nahm 
Abſchied von ſeinem Wohlthaͤter, und trat 
den Weg nach dem Vaterlande an. Nun 
war ſein feſter Entſchluß, den Alten im 
Bärenthale aufzuſuchen, wenn dieſer noch 
lebe, bei ihm ſeine Tage hinzubringen, folle 
te er aber auch ihn bereits als todt bewei⸗ 
nen müſſen, ſo wollte er ſeinem Beiſpiele 
folgen, ſich ferne von Menſchen, in einem 
wilden verborgenen Orte feinen Aufenthalt 
waͤhlen, und da in Einſamkeit und Trauer 
das Ende ſeiner Leiden erwarten. 

Ohne Geſellſchaft und Begleitung zu füs 
chen, ohne einen andern Gefaͤhrten, als ſei— 
nen nie verſiegenden Kummer, ſetzte er ſei⸗ 


— 233 — 


nen Weg fort, er gedachte weder an Guſta— 
ven mehr, noch an Johannen und Olof, 
nur die Begierde, bald ganz entfernt von 
Menſchen einſam Roſauren beweinen zu koͤn— 
nen, beherſchte ſein Herz. So wanderte 
er der waldigen Gebirgsgegend zu, wo er 
den Alten zu finden hoffte. Da er keinen 
Wegweiſer bei ſich hatte, und ſelbſt der Ge— 
gend nicht kundig war, ſo verirrte er ſich 
bald in den ungeheueren Holzungen, und 
ſchon war der zweite Tag verfloſſen, und es 
war ihm noch nicht gelungen, einen Aus⸗ 
weg zu finden. Da er keine menſchliche 
Wohnung antraf, und nur von aufgeklaub— 
ten Waldfruͤchten, und Quellwaſſer ſich näh— 
ren mußte, ſo ſchwanden bald ſeine ohne— 
hin nur ſparſamen Kraͤfte, und er ſah ein, 
daß er nichts fo ſehr bedarfe, als guͤtige 
Aufnahme in irgend einer Hütte, wo ihm 
Labung und Ruhe werden konne. 


— 234 — 


Schon neigte ſich der dritte Tag zu En⸗ 
de. Swent war ſo ins Gebuͤſche gerathen, 
daß er gar keinen Ausweg mehr ſinden konn⸗ 
te, als er endlich in der Ferne einen em— 
porqualmenden Rauch gewahrte, dieſer Anblick 
erfuͤllte ihn mit Freude, weil ſeine Beduͤrf— 
niſſe aufs hoͤchſte geſtiegen waren. Er are 
beitete ſich muͤhſam durchs Geſtrippe, und 
bemerkte endlich eine kleine Huͤtte, der er 
ſich mit eiligen Schritten nahte. Er pochte 
an die Thuͤre, ein alter finſterer Mann trat 
ihm entgegen, er war in einem ſchlechten 
Kittel gehuͤllt, groß und dicht war ſein Bart, 
und ſtruppicht hieng ihm das Haar um die 
faltige Stirne. Er fragte um Swents Be⸗ 


gehren, und als dieſer ihn um etwas La⸗ 


bung und ein Plätzchen zur Ruhe anſprach, 
hieß er ihn mit einem Tone, der ein Mittels 


ding von Unwille und Gutmuͤthigkeit war, 


eintretten. 


— 


e 


Swent fand die Huͤtte von innen eben 
ſo duͤrftig, als ſie ihm ſchon von außen ge— 
ſchienen hatte, er nahm Platz in einem Wins 
kel, und der Alte, der eben fein Nachtmal 
bereitete, ſchien ſich wenig mehr um ihn zu 
kuͤmmern. Endlich war die Speiſe fertig, 
der Alte ruͤckte zwei halbzerbrochene Stühle 
zu einem Brette, das auf einem Baum— 
pflock befeſtiget war, und den Tiſch formir— 
te, und hieß nun ſeinen Gaſt ſich laben. 
Beide ſchienen wenig Verlangen nach einem 
Geſprache zu haben, daher wurde auch die 
frugale Mahlzeit in moͤglichſter Stille voll⸗ 
endet, nur ſo viel hatte Swent bemerket, 
daß der Alte oft mit forſchenden Blicken 
ihn betrachte, und ſchnell ſeine Augen zu 
Boden ſenkte „wenn Swents Blick dem ſei⸗ 
nigen begegnete. Uiberhaupt bemerkte er an 
den Alten ein gewiſſes ſcheues und furchtſa⸗ 
mes Weſen, das ihm eben nicht ſonderlich 
gefiel. 


Noch eine Weile ſaß Swent bei Tiſche, 
während der Alte, der hier Herr, Koch, 
Kellner und Dienſtmagd zu ſeyn ſchien, ſein 
Eßgeraͤthe ſcheuerte, und in Ordnung brach⸗ 
te. Igt fragte ihn dieſer, ob er zur Ruhe 
verlange, und Swent bejahte es, denn 
ſchon ſenkten ſich von Mattigkeit verurſacht, 
ſeine Augen zum Schlafe. 

Der Alte bereitete nun einige alte Dee 
ken uͤber etwas Laubſtreu, und wünſchte 
ſeinem Gaſt wohl zu ruhen, waͤhrend er ſich 
in den einen Winkel ſetzte, und einige Holz, 
fpäne ſchnitt. 5 Sa 

Swent nahm Platz auf den Decken, 
wo es ihm bei ſeiner Ermattung ſo wohl, 
wie auf Eiderdunnen behagte, und bald 
gauckelten bunte Traumbilder vor ſeiner 
Seele. Lange mochte fein Schlaf nicht ges 
waͤhrt haben, Swent fühlte eine ungewoͤhn— 
te Beruͤhrung auf ſeiner Bruſt, er wachte 
auf, ſah ſeinen alten Bewirther ober ſich 


4. 


— 


ſtehen, wie er in der einen Hand eine bren« 
nende Lampe hielt, und mit der andern 
Swents Bruſt geöffnet hatte. RNaſch fuhr 
dieſer empor, ſchleuderte mit einem Arm 
den Alten weit von ſich, daß er in einen 
Winkel taumelte, und ſeine Lampe verloſch, 
waͤhrend er mit der Hand nach feinem De⸗ 
gen grif, „Elender!“ rief er; „der du uns 
ter dem Scheine der GBaffreyheit Mord 
uͤben willſt, du ſollſt deiner Strafe nicht 
entgehen.“ 

Der Mann. Halten Sie ein, Gott 
ſey mein Zeuge, ich wollte nicht morden, 
mich überzeugen wollte ich von einer Ahn⸗ 
dung, die mein Herz erfüllte, nein, nein, 
uber meine Seele foll kein Mord kommen. 

Swent. Zuͤnde Licht an, damit ich 
mit dir ſpreche, ich werde ſtrenge Rechen 
ſchaft fordern. 

Der Mann ſchuͤrrte klimmende Kohlen 
zuſammen, entzuͤndete ſeine Lampe wieder, 


— 


* 


— 238 — 


und ſank zu Swents Fuͤſſen, der mit blan⸗ 
kem Degen ober ihm ſtand. 1 39 

Der Mann. O verzeihen Sie mir 
eine That, die ich unternahm um mir uͤber 
etwas Gewißheit zu verſchaffen. Morden 
Herr wollte ich Sie nicht, durchſuchen Sie 
mich, durchſuchen Sie mein ganzes Haus, 
ob Sie nur das geringſte Werks zum 
Morde bei mir finden werden. 

Swent. So bekenne, was dich zu 
einer fo ſeltſamen Handlung verleitete, der 
ren Urſache ich mir auf keinen Fall zu ent⸗ 
raͤthſeln vermag. | Hk ed x | 

Der Mann. Ja das will ich auch, 
moͤgen Sie dann urtheilen uͤber mich, wie 
fie wollen, und lange veruͤbte Verbrechen 
ſtrafen, ich bin bereit alles zu dulden, 
hoͤren Sie alſo nun meine Geſchichte. Ich bin 
von eben nicht unbemittelt geweſenen Eltern 
gebohren; Mein Vater beſaß eine anſehn⸗ 
liche Wirthſchaft, welche er immer im aufs 


30 Bu 


rechten Stand zu erhalten ſuchte. Ich war 
das einzige Kind, und beſaß daher die Lies 
be meiner Eltern im hoͤchſten Grade. Zwar 
ſuchten Sie mir immer gute Grundſäͤtze 
beizubringen, aber gegen meine Fehler waren 
ſie dem ohngeachtet zu nachſichtsvoll, um 
ſelbe mit gehoͤriger Strenge zu ruͤgen. Die 
Natur hatte mir ein aͤuſſerſt lebhaftes Tem— 
perament gegeben, ich hatte einen großen 
Hang zur Luſtharkeit, der bei gehörigen 
Bildung vielleicht viel meinem gluͤcklichen 
und zufriedenen Leben beigetragen hätte, fo 
aber bald in Luͤderlichkeit ausartete. Meine 
Eltern ſtarben wie ich ein Purſche von fiebzehn 
Jahren war, und Niemand war da, der 
mir bei der Verwaltung meines angetret— 
tenen Erbgutes hätte rathen koͤnnen. Ich 
glaubte nun nicht die geringſte Urſache zu 
haben, mir irgend ein Vergnügen zu ver⸗ 
ſagen, ich verſchwendete mein Geld mit vol— 
len Haͤnden, und daß hiebei das Herz und 


der Geiſt wenig gewannen, viel mehr vers 
lohren, verſteht ſich von ſelbſt. Habſuͤchti⸗ 
ge Anverwandten halfen mir von meinen 
Vermoͤgen, ſte ſtreckten mir Summen vor, 
ich verpfaͤndte ein Grundſtuͤck nach dem 
anderen, bezahlte nie Kapitel und Zinſen, 
und ſo war es in wenigen Jahren dahinge— 
kommen, daß ich von allen beraubt war. 
Ich forderte von denen, die ich meine in⸗ 
nigſten Freunde zu ſeyn geglaubt hatte, 
und die ſeither des Guten viel von mir 
genoſſen, Hilfe, und ſie ſtießen mich mit 
Verachtung von ſich. Ich hatte vorher auch 
manchen Wibermuth verübt, und ward nun 
dafuͤr zur Wiedervergeltung der Gegenſtand 
allgemeiner Verachtung, dieß grub eine Art 
wilden Menſchenbaß in meine Seele. Arn 
und duͤrftig verließ ich die Wohnung, die 
nicht mehr mein Eigenthum war, und wuß⸗ 
te nicht wo ich mich hinwenden ſollte, der 
Menſchen Anblick ſcheuend, denn gewoͤhn⸗ 


* 
x 


lich ſchreibt man nicht ſich ſelbſt das ver— 
ſchuldete Unglück zu, ſondern waͤlzt auf 
andere dieſe Bürde. Ich gerieth in Bekannt⸗ 
ſchaft mit Soldaten, mein Koͤrperbau war 
ſtark, ich trat unter die Fahne. Wild und 
rauh geht es im Kriege her, und gluͤck— 
lich iſt der Soldat, der bei grauſen Mord— 
ſzenen noch ein gefühlvolles Herz behaͤlt, 
aber bei mir konnte das der Fall nicht ſeyn, 
denn ich hatte nur mit luͤderlichen ruchloſen 
Purſchen Bekanntſchaft; ich artete nur vol⸗ 
lends aus, wollte mich nicht an Zucht und 
Ordnung gewoͤhnen, und endlich ganz zum 
Wuͤſtlinge herabgeſunken, verließ ich mit 
mehreren meines Gelichters die Fahne; wir 
verbargen uns in den Waͤldern. Bald ſchlug 
ſich des boͤſen Geſindels viel zu uns, und 
wir lebten vom Raube. 

O laſſen Sie mich nur ſchweigen von 
- allen den grauſamen Mordſzenen, welche 
nun vorfielen, nur fo viel muß ich doch far 

16 


— 242 — 


gen, dag ich zwar an Raub von aller Art 
Theil nahm, aber mich huͤttet e, ſchuldloſes 
Blut zu vergieſſen, ſo weit war ich noch 
nicht entartet. Wir brachten uns gut fort 
unfere Bande ward ſtark, und wohlbewaf⸗ 
net, wir kannten das Wort Furcht gar 
nicht, die ganze Gegend umher war unfi- 
cher durch uns geworden. | 

Einſt kamen wir an einen anſehnlichen 
Meyerhof. Wir beſchloſſen dieſen zu pluͤn⸗ 
dern, und durch unſere Anzahl kuhn ge— 
macht, brachen wir gerader Dingen ein. 
Die Bewohner deſſelben begegneten uns herz 
haft, ſie toͤdteten einige unſerer Gefaͤhrten 
und nun war die Wuth der Übrigen grän: 
zenlos. Alles wurde niedergemacht was 
uns in den Weg kam. Ach ich muß nun 
eine Szene ſchildern, die ewig tief in mein 
Herz gegraben bleiben wird. In dem Mey⸗ 
erhof befand ſich eine fremde Dame mit 
zwei kleinen Kindern; Mit dieſem entfloh 


— 248 — 


ſie dem Gemetzel, aber einige meiner Ge— 
faͤhrten eilten ihr nach, und ſchleppten ſie 
zurück. Sie ſank zu ihren Fuͤſſen, ſie both 
alles dar, was ſie beſaß, nur um ihr Le— 
ben, um das Leben der Kleinen flehte fie, 
O nie, nie werde ich dieſe Szene vergeſſen, 
wie ſie die Kleinen ſo wehmuͤthig gegen uns 
emporhob. Ich erkannte die Dame, ſie 
war die Gattin meines ehemaligen Befehls— 
haber, eines gewiſſen Iwars von Tollern, 
ich glaubte ſie dadurch zu retten, daß ich 
ihren Nahmen nannte, aber Iwar halte 
mehreren meiner Gefaͤhrten ſehr übel begeg⸗ 
net, und dahingeriſſen von graͤnzenloſer 
Wuth war fie ihr Opfer. 

Ich konnte den Anblick nicht ertragen, 
wie ſie mit ihrem ſterbenden Blicke noch an 
den Kleinen hieng, dieſe in den krampfigen 
Zuckungen des Todes zu umklammern noch 
ſtrebte, — o Gott! in dieſem Augenblicke 
war mir nicht anders, als ob ein Dolch— 

5 16 (2) 


ſtich durch mein Herz zuckte. Ich mußte 
mich wegwenden, und fluchte der unmenſch⸗ 
lichen Grauſamkeit meiner Gefaͤhrten. 
Als nun alles was in dem Meyerhof 
gelebt hatte gemordet, und dieſer rein ge— 
pluͤndert war, warfen fie Feuer in das 
Gebäude, welches bald in helle Flammen auf 
ſchlug, den Leichnahm von Iwars Gattin haf- 
ten ſie nach einem tiefen Abgrund geſchleppt, 
in welchen ſie ihn hinabwarfen. Schon 
wollten ſie in ihrer Wuth auch die beiden 
jammernden Kinder hinabſchleudern, aber 
nun warf ich mich ihnen entgegen, und 
ſchwur, daß der erſte der Hand an dieſe 
ſchuldloſen Geſchoͤpfe legen wurde, es mit 
mir aufzunehmen habe, ich ſtellte ihnen vor 
daß ſie bereits der Grauſamkeiten genug 
veruͤbet hätten, und doch wenigſtens dieſer . 
kleinen unſchuldigen Geſchoͤpfe ſchonen ſoll— 
ten. Sie ſahen mich lange ſchweigend an, 
endlich mochte doch der Anblick der armen 


— 245 — 


Kinder Eindruck auf fie machen, fie gelob— 
ten mir ihrer zu ſchonen, ich nahm den 
Knaben zu mir, und einer meiner Gefaͤhrten 
das Maͤdchen. So zogen wir fort. und 
machten einen Weg von mehreren Tagen, 
weil uns bange vor Nachſtellungen wurde. 
Erſt am zweiten Tag fragte ich bei meinem 
Gefaͤhrten, um das Maͤdchen, und er ge— 
ſtand mir, daß ihm das kleine Ding allzu, 
beſchwerlich geworden ſey, und er ſelbes 
ſchon am vorhergehenden Morgen in einem 
Gebuͤſche habe liegen laſſen. Ich wülbete, 
und tobte uͤber dieſe neue Grauſamkeit, aber 
die übrigen lachten meiner, und ich ſah nur 
zu gut ein, daß es bereits zu ſpaͤt ſey, 
zur Rettung des armen} Geſchöpfes zuruͤck— 
zukehren. Den Knaben hingegen ließ ich 
nicht von meiner Seite, er war mein Lich» 
ling geworden,, und ſchon keimte der Ge— 
danke in mir auf, den Raͤubern bei der 
naͤchſten Gelegenheit zu eutgeh en, und den 


— 246 — 


Knaben mit mir zu nehmen. Wir erreich⸗ 
ten endlich nach einem Marſch von mehre— 
ren Tagen eine große Berghoͤle, die ſchon 
einmal unſer Aufenthalt geweſen war, und 
beſchloſſen hier, von den erlittenen Beſchwer— 
lichkeiten auszuruhen, der Aufenthalt hier 
war für uns ſo ſicher und behaglich, daß 
wir gegen drei Jahre da verweilten. Ich 
war immer nur mit meinem Lieblinge be— 
ſchaftigt, der auch in, feiner kindlichen Uns 
befangenheit mit Liebe an mir zu hängen 
ſchien, da ereignete es ſich nun einſt, daß 
ein Theil von uns auf einen Streifzug ab⸗ 
geſchickt wurde, ich war dabei, und mußte 
mich nun von dem Knaben trennen, doch 
hofte ich in einigen Tagen wieder zuruͤckzu— 
kehren. Wirklich kam ich nach kurzer Zeit 
zuruck, fand aber meine Gefährten in der 
größten Beſtürzung. Sie hatten einen Rei— 
ſenden anſehnlichen Mann überfallen, die— 
fen uͤberwaͤltiget, und nach ihrer Höhle ges 


— 247 Dr 


ſchleppet, nun eilten fie nach dem unfernen 
feindlichen Heere um dort den Gefangenen 
anzuzeigen, um weil ſie wohl wußten, wie 
viel den Feinden an ſeiner Perſon gelegen 
war dadurch reichliche Belohnung zu arnd⸗ 
ten. Der Knabe war in der Höhle zurüͤck— 
geblieben, ſamt zween der Kauber. Wie 
fie nun zuruͤckkehrten, den Gefangenen zur 
Auslieferung obholen wollten, da fanden 
ſie dieſen ſamt dem Knaben entflohen, und 
die beiden zurück gebliebenen Gefährten ge— 
toͤdtet. Da ſie wohl wußten, die Haͤnde 
des Gefangenen mit Stricken ſorgfaͤltig ge⸗ 
bunden zu haben, ſo konnte niemand als 
der Knabe ſeine Bande gelöſet, und ſo 
deſſen Befreiung ſamt ſeiner eigenen erwirkt 
haben. Man machte mir nun die bitter⸗ 
ſten Vorwürfe, daß ich des Buben Leben 
erhalten habe, aber mein Herz freute ſich 
über deſſen Rettung, und ich beſchloß nun 


— 


um ſo mehr bei der naͤchſten Gelegenheit zu 
entfliehen. 

Dieß gelang mir endlich, ich verließ 
die Rotte, irrte lange auf Abwegen umher, | 
und gelangte endlich in dieſe Gegend, wo 
ich mir dieſe Huͤtte aufbauete, und entfernt 
von Menſchen einſam lebte. Seit dem ſind 
nun mehr als zwanzig Jahre verfloßen, und 
immer ſchwebt noch lebhaft das Andenken 
jener Szeuen vor meinen Augen, Reue uͤber 
meine begangene Verbrechen foltert mich un— 
aufhörlich, und dieſe Reue iſt um ſo groͤ— 
fer, da ich mich ganz unfaͤhig weiß, auch 
nur die geringſte meiner Thaten, durch ir⸗ 
gend eine Handlung vergüten zu koͤnnen. 

Seit Jahren betrat keines Menſchen 
Fußtritt meine Wohnung, wie Sie daher 
cintrateu. war mir Ihr Anblick uͤberraſchend, 
theils willkommen, um nur ein mal wieder 
ein menſchliches Geſchoͤpf zu ſehen, theils 
aber auch nicht, weil ich immer noch in je 


. 


dem einen Entdecker ſlkiter Handlungen ber 
fürchte. Ich betrachtete Sie genau, und 
d Himmel wie war mir, als mein Auge 
das erſtemal in Ihren Zuͤgen verweilte. 
Wie wir die ſchreckliche That an Jwars Gat— 
tin begingen, war der von mir gerettete 
Knabe zwar noch ganz unmuͤndig, allein ſei⸗ 
ne auffallenden Züge hatten ſich meinem Ge— 


daͤchtniſſe immer eingeprägt erhalten, er 


hatte viele Aehnlichkeit mit feiner ungluͤckli— 


chen Mutter. Ich betrachtete nun Sie, und 
ich fand dieſe Zuͤge noch deutlicher der 
Mutter aͤhnlich. Ich konnte mein Staunen 
nicht bergen, vergebens ſprach ich zu mir 
ſelbſt, daß Sie unmoglich es ſeyn koͤnnten, 
mein Geſicht widerſprach, und je laͤnger ich 
mit mir uneins war, deſto groͤßer ward auch 
die Begierde, mich hievon zu überzeugen. 
Ich erinnerte mich, daß der Knabe auf der 
Bruſt ein Maal in Form einer Traube habe, 
dieſes beſchloß ich nun zu ſuchen, und da⸗ 


— 250 — 


durch volle Gewißheit zu erlangen. Ich oͤf— 
nete leiſe Ihr Wamms, und fand das Maal. 

Dieß, fuhr der Alte fort, iſt nun die 
Urſache einer Szene, die Ihnen nichts we⸗ 
niger als die Abſicht, Sie zu morden, bei 
Ihrem Erwachen vorſpiegeln mußte, welches 
mir aber nicht in den Sinn kam. Ich ha⸗ 
be Ihnen nun reines Geſtaͤndniß geleiſtet. 5 
Sie fehen welchen Verbrecher Sie in mir 
haben, und es haͤngt von Ihnen ab, wie 
Sie früh begangene Unthaten rächen wollen. 
Oias ſey ferne von mir“ ſorach Swent, 
„ſteh auf, und leiſte mir nun nähere Ent⸗ 
huͤllung. Du ſagteſt in deiner Erzaͤhlung, | 
daß der Knabe eben dieſes Maal, wie ich 
habe, auf ſeiner Bruſt truge. Gut, weißt 
du mir keine nähere Auskunft zu geben. 
Wie naunte ſich der Knabe ehemals 2 | 

Der Mann, Sein Vater war Iwar . | 


von Tollern, und er führte den Namen 


Swent. 7 


Swent. Weiter, weiter, wer war 
der Mann, der den Knaben aus der Hoͤhle 
mit ſich nahm? 

Der Mann. Ein großer Mann ſei⸗ 
ner Zeit, Erik Waſa. t 

Swent. Ha beim Himmel, dann bin 
ich eben dieſer ungluͤckliche, der fo früh ſchon 
ſeine Eltern verlohr. Ach wie ſonderbar wird 
mir nun Enthuͤllung meiner früheren Bege— 
benheiten, ja ſelbſt mir ſchwebt wie ein luf— 
tiges Traumbild die Erinnerung vor, einſt 
unter Räubern gelebt zu haben. O wie graus 
ſam handeltet Ihr an meiner Muttter. 

Der Mann. Naͤchen Sie den Schat— 
ten der Verklaͤrten an mir. 

Swent. Das ſey ferne von mir, 
das Schickſal wird raͤchen, was Strafe 
verdient. ö EAN 

Der Mann. Es hat es bereits ge. 
than, die meiſten meiner Gefaͤhrten ſtarben 
eines fuͤrchterlichen Todes, als endlich die 


Raͤcherhand fie ereilte, nur ich ward ver: 
ſchont, und durchlebe von Reue und Ge— 
wiſſensangſt gepeiniget meine Tage. 

Swent. Ach und gar, gar nichts blieb 
mir von meinen Eltern übrig, nicht einmal 
den Ort weiß ich, wo ihre Gebeine ruhen, 
um dort mit heißen Thraͤnen ihren Grabhuͤ⸗ 
gel benetzen zu koͤnnen. 

Der Mann. Und doch weiß ich Ih— 
nen auch hierinn Enthuͤllung zu leiſten. Von 
Ihrem Vater ſprach man allgemein, daß er 
in einem Strome ſein Leben geendet habe, 
aber wohin die Leiche Ihrer Mutter gebracht 
wurde — | | 
Swent. Das weißt du? o ſo ſprich 
geſchwinde, geſchwinde, daß ich hineile, und 
dort die Verklaͤrte anflehe, mich bald zu 
ſich hinüber zu ruffen in die Gefilde der 
Ruhe. ö | 

Der Mann. Wenn ſie von hier ſich 
entfernen, und zwei Tagreiſen weit immer 


— 


den ſchmalen Pfad fort wandern, der fid) 
rechts durchs Gebuͤſche ſchlingt, dann fonts 
men fie bald in eine ſchoͤne Gegend von 
Waldung und Felſen umgeben, dort werden 
Sie auf dem Abhange eines Felſens ein ale 
tes gothiſches Gebaͤude ſehen. Es iſt ein ur— 
altes adeliches Damenſtift, beſtimmt fuͤr edle 
Frauen und Maͤdchen, welche verfolgt von 
den Bedraͤngniſſen der Welt, in ſtiller Eins 
ſamkeit Zuflucht ſuchen, ihren Aufenthalt 
aber auch wieder verlaſſen konnen, wenn 
gluͤcklichere Umſtaͤnde für ſelbe einttetten. 
An der Ruͤckſeite dieſes Gebaͤudes windet ſich 
eine niedrige Mauer laͤngſt dem Felſen, und 
entlang den Ufer eines reißenden Bergfiro> 
mes abwaͤrts. Dieſe umfaßt die geweihte 
Stätte eines Kirchhofes, der zu dem Stifte 
gehört. In der Mitte dieſes ſtillen Aufent— 
halts ſteht eine alte, mehr als hundertjaͤhri— 
ge Eiche, und unter ihrem Schatten erhebt 
ſich ein ſimpler Grabſtein von weißem Mar⸗ 


mor, der birgt die Gebeine Ihrer ungluͤck⸗ 
lichen Mutter. | 3 

Swent. Meiner armen Mutter. Ja, 
ja, ich eile hin zu deinem Leichenhuͤgel Vers 
klaͤrte, um bei deinen traurigen Uiberreſten 
zu weinen, vielleicht umſchwebt mich dein 
Geiſt, und hoͤrt mein Flehen, daß du auch 
mich bald hinuͤber rufeſt in jene Gefilde, 
wo ewige Ruhe wohnet. 

Vergebens ſuchte der Alte den Juͤngling 
zurüczubalten, er nahm Hut und Montel, 
und verließ im Dunkel der Nacht die Huͤtte. 

Seit der Nachricht von Roſaurens To— 
de war Swenten das Leben zur Zaft gewor— 
den, nur Todesgedanken umflirrten ſeine 
Seele, und ſein Geiſt wandelte gerne in der 
Gemeinſchaft mit Weſen jener Welt. Er 
ſchwaͤrmte oft ſtundenlange von den Szenen 
eines beſſeren Lebens, wo er ſeine Reſaura 
wieder finden, und nichts mehr ihre Ver— 
einigung hindern werde. 


— 255 — 


Nun da er ſo unvertmuthet feiner Mufs 
ter trauriges Schickſal erfuhr, nun ſchwebte 
auch ihr verklaͤrter Geiſt vor ſeiner Seele, 
und fo wie die Erinnerung an ihr ſchreckli— 
ches Ende ihn im innerſten erſchuͤtterte, ſo 
erfüllten nun auch nur Todesgedanken ſeine 
Seele. Sein Geiſt verirrte ſich in der Me⸗ 
lancholie ſchwermuͤthiger Ideen, welche ihn 
mit ihrem ſchwarzen Fittig uimſchatteten. Tod 
und Verweſung waren die Urquelle, in die 
ſeine Fantaſte ihren geſchaͤftigen Pinſel tauch— 
te, um ihm Szenen des Schreckens und der 
Trauer vorzumahlen. Ss wandelte er in 
der duͤſterſten Stimmung den bezeichneten 
Pfad fort. In ſeiner Seele wars Nacht, 
wie jene Finſterniß, die ihn nun wirklich 
umgab, kein Sternchen leuchtete am Him⸗ 
mel, und kein Fuͤnkchen von Hofnung zur 
Freude erhellte ſein Herz, ein wilder Sturm 
zerzauſte die Wipfeln der Bäume, und wim— 

merte ſo klaͤglich wie die Mutter am Ster— 


— 256 — 


bebette des geliebten Kindes, dieß war auch 
feines Herzens Stimmung, in welchem, wie 
der Sturm, der Schmerz tobte. N 

Der Tag brach heran, Regenſchleyer 
umhuͤllten die Sonne, und Swent war froh 
der bleifarben Lichte des Tages, weil der 
lachende Anblick der Heiterfeit mit feiner 
Stimmung nicht harmonirte. Wer ihn be⸗ 
gegnet wäre, würde ihn für einen Wahnſin⸗ 
nigen gehalten haben, denn oft ſprach er laut 
mit ſich ſelbſt, dann blieb er ſtehen, rang 
feine Hände gegen Himmel, „o meine Mut⸗ 
ter, meine verklaͤrte Mutter!“ rief er, und 
Thraͤnen quollen Häufig über feine, Wangen, 
dann ſchwebte ihn Rofaurens Geſtalt vor, 
ſeine Thraͤnen verſiegten, ein ſchmerzhaftes 
Laͤcheln verbreitete ſich über feinen Mund. 
„Ja,“ ſtammelte er, „ich folge bald zu Euch 
hinuͤber,“ und wanderte wieder mit raſche— 
ren Schritten vorwärts, — Am zweiten Aben⸗ 
de, als ſchon die Dämmerung dem tiefern 


Schatten der Nacht Platz machte, erblickte 
er von Ferne im halbdunkel gehuͤllt die go— 
thiſchen Mauern des Stifts. Er verdoppels 
te ſeine Schritte, obgleich Mattigkeit alle 
ſeine Glieder befallen hatte, denn ununter— 
brochen war er fortgeeilt, und hatte in die: 
fen zwei Tagen nur wenige in Eile zuſam— 
mengerafte Waldfruͤchte genoßen. Allein hier 
theilte ſich der Pſad, beide fuͤhrten zu einem 
Ziele, nur dieſer ſchneller, jener auf weite- 
rem Umwege. Swent unkundig der Gegend, 
waͤhlte letzteren. Zwar ſah er immer naͤher 
die hohen Thuͤrme des Gebäudes emporra— 
gen, ſo viel er nemlich in der Dunkelheit 
unterſchieden konnte, aber bald mußte er 
um den weiten Vorſprung eines Felſens Bers 
umgehen, bald hinderte ein Sumpf, oder 
ein ſteiler Abhang ſeinen weitern Weg. End⸗ 
lich umhuͤllten die Schatten der Nacht auch 
den Anblick der Thuͤrme, welche ihn bisher 
zur Richtung gedienet hatten, und tiefe Dun⸗ 
a 17 


ul er 


| kelheit umgab ihn. Swenk ſchritt unver: 
droſſen fort, die Hofnung, bald am gewun⸗ 
- fchenen Ziele zu ſeyn, lieh ihm immer neue 
Kräfte, Endlich zertpeilien ſich die Wolken, 
ſilbern ſchwam im lichtern Grau die Mon⸗ 
denkugel hervor, und erhellte mit ihrem 
dammernden Lichte matt und zweifelhaft die 
Gegend. Nach ihrem Erſcheinen hatte Swent 
ſich ſchon Lange geſehnt, weil ihm ſchon ban⸗ 
ge ward, die rechte Richtung verlohren zu 
haben. Itzt aber wie weit umher alles in 
| belleres Licht geſetzt ward, itzt ſah er beinahe 
gerade ober ſich, verduͤſtert in eigene Dune 
kelheit des Stiftes Mauern emporſteigen, 
und ſeitwaͤrts hin den gothiſchen Schatten 
der Thuͤrme ſich ausdehnen. Er erblickte die 
bezeichnete weiße Mauer des Kirchhofes, ne⸗ 
ben welcher ſich mit tuͤckiſchen Murmeln der 
Bergſtrom voruͤberwaͤlzte. Swent klimmte 
nun den Felſen aufwaͤrts, an dem ſich die 
Mauer befand, er fand bald eine Stelle, 


— 


— 239 — 


ſie uͤberklettern zu koͤnnen, und betrat nun 
die Stätte der Verweſung. 

Es war eine ſtille heitere Nacht; Mile 
lionen von Sternen flimmerten in den hoͤ— 
heren Sphaͤren, und gleichſam gebleicht war 
weit umher die Gegend. Melancholie und 
ſtilles Schweigen wandelten Hand in Hand 
umher, welchen das Grauen der unfernen 
Mitternachtsſtunde mit langſamen Schritten 
nachfolgte. Alles war ſo ſtille und verwaiſt, 
nur hie und da ſummte ein glaͤnzendes In⸗ 
ſekt auf den zarten Faſern des Graſes, und 
zeigte, daß nicht die Verweſung allein ihr 
trauriges Pannier hier aufgeſpreitet habe. 

Swent war in ſeltſamer Stimmung, 
das ſtille, oͤde des Ortes, und die Schau— 
erlichkeit von deſſen Beſtimmung hatte die— 
ſen Eindruck auf ihn gemacht; er wanderte 
unter bemoosten Gräbern umher, auf vers 
weſte Knochen trat ſein ſcheuer Fuß, unter 
ſeinen Tritten kollerten morſche Schedel. — 

i 17 ( 


— 260 — ‚a 
Grauen des Todes erfüllte ihn, und engte 
feine Bruſt. Sein Blick ſtarrend nach jee 
dem Gegenſtande gerichtet, den das zweifels 
hafte Licht des Mondes zu taͤuſchenden Phans 
tomen umſchuf, ſuchte die bezeichnete Eiche, 
unter deren Schatten ſich der Grabhügel ſei⸗ 
ner Mutter befinden ſollte. Sein Geiſt 
ſchien die Naͤhe des ihrigen zu fuͤhlen, denn 
unwillkuͤhrliche Schauer rieſelten über feine 
Wangen, und des Granens kalte Hand ſtreif— 
te feinen Ruͤcken abwärts. Alle feine Sins 
ne waren in einer Uiberſpannung, der noth- 
wendig bald eine gaͤnzliche Erſchlaffung fol- 
gen mußte. Je naͤher er dem Orte kam, 
je mehr er dem Gedanken nachhieng, nun 
das Grab ſeiner ſo ſchrecklich gemordeten 
Mutter zu erreichen, deſto laͤnger klopfte 
| auch fein Herz. Itzt ſah er von ferne im | 
Mondenlichte den Stein vom weißen Mar⸗ 
mor blinken, fein Fuß bebte, feine Knie zit⸗ 
terten, und unwillkuͤhrlich ſchlugen feine Knie 


4 


— 261 — 


zuſammen; „o ja, ja Mutter, ich fühle dei⸗ 
ne Gegenwart,“ wollte er rufen, und die 
Worte floßen nur im leiſen Geliſpel uͤber 
ſeine bebenden Lippen. 

Er hatte den Ort erreicht, er wollte 
hinſinken an des Steines Stuffen, als er 
itzt im Hintergrunde deſſelben ein offenes 
Grab erblickte, in dem ſich etwas zu regen 
ſchien. Er blieb ſtehen in der heftigſten 
Spannung, in der jemal alle ſeine Seelen⸗ 
kraͤfte geweſen waren. Noch glaubte er ſich 
zu kaͤuſchen, aber ſieh, eine Geſtalt ſchwank⸗ 
te aus dem geoͤfneten Grabe hervor, gehuͤllt 
in einem langen weißen Schleier. Hell bes 
leuchtete fie der Mond, fo wie Swent in 
dem Schatten der Eiche ſtand, an die er 
ſich, ſeiner Kräfte kaum mehr mächtig, leh⸗ 
nen mußte. Itzt wand die Geſtalt ſich ge⸗ 
gen die Eiche, der Mond beſchien hell ihr 
Geſicht. — „Allmaͤchtiger Gott, der Geiſt 
meiner Roſaura,“ wollte Swent aufſchreien, 


— 262 — 
* 


aber die Worte verſtummten auf der beben⸗ 
den Lippe, die uͤbermaͤſſige Anſpannung ſei⸗ 
ner Kräfte ließ ploͤtzlich nach, und er glei⸗ 
tete ohne Beſinnung auf den Fuß des Grab⸗ 
ſteines hin. 

Er begann allmaͤhlich ſich wieder zu er⸗ 
mannen. Schein von Lichtern drang in ſeine 
Augen, wie er dieſe oͤfnete, er ſah ſich von meh— 
reren Menſchen umgeben, wovon einige be— 
müht waren, ihn zu ſich zu bringen. „Wo 
bin ich?“ liſpelte Swent, „wandle ich 
denn noch unter den Lebenden?“ Das Ge⸗ 
ſchehene hatte ſeine Sinne irre gemacht, und 
er ſtarrte immer noch mit ſcheuem Blick die 

Anweſenden an. 5 
Re: Eine bejahrte Dame nahte fih dem Juͤng⸗ 
linge, ſie ergrif mit theilnehmender Miene 
ſeine Hand. „Erholen Sie ſich,“ ſprach ſte, 
„Sie ſind in guten Haͤnden, verlaſſen Sie 
mit uns dieſen traurigen Aufenthalt, ſie be— 
dürfen der Pflege, welche Ihnen die Bes 


— 263 — 


wohnerinnen jenes Gebäudes, deren Vorſte⸗ 
herin ich bin, willig und gerne reichen wer» 
den. „O nein, nein,“ ſtammelte Swent, 
„laſſen Sie mich immer hier, hieher gehoͤre 
ich, hier wo die Gebeine meiner verklaͤrten 
Mutter ruhen, wo ich den Geiſt witze ge⸗ 
liebten Rofaura ſah.“ 

Die Dame Was ſagen Sie, hier 
ruhen die Gebeine Ihrer Mutter 2 wie Schwe— 
ſtern, ruht hier nicht die ungluͤckliche Siege 
britte, die Gattin Iwars von Tollern? 

Swent. Ja, ja, ich bin der Sohn 
der Ungluͤcklichen, bedaurenswerth wie Sie 
es war. Ach ihr ward ewige Ruhe zu Theil, 
ich, ich kaͤmpfe noch mit den Leiden des Les 
bens wie der Schiffer mit den Wellen des 
ſtuͤrmenden Ozeans. 7 

Die Dame. Armer Juͤngling, auch 
Ihr Nachen wird noch in den ſicheren Has 
ven ſteuern. Sie ſehen hier nur Bewohner, 
welche Leiden in dieſe ſtille Gegend trieben. 


— 264 — 


Theilnahme an Leiden wird Ihnen hier zu 
Theil, kommen fie, folgen Sie mir nach 
einem Zimmer, kühl iſt die Nachtluft, und 
leicht koͤnnte ſie Ihnen ſchaͤdlich werden. 

Swent. Kann mir ein Schritt zur 
näheren Vollendung unwillkommen ſeyn? 

Die Dame. Nicht ſo armer junger 
Mann, dem Schmerze muß der Menſch 
nicht unterliegen, ſtandhaft in Leiden ſeyn, 
iſt Tugend. AR | 

Swenr. Leiten Sie mich, nur goͤn⸗ 
nen Sie mir dieſe Staͤtte wieder zu be— 
ktretten. 

Die Dame. Gerne gerne, wir wol⸗ 
len Sie begleiten, mit Ihnen um die Ver- 
lohrne trauern. 

Swent. Und dort — o dort ſah ich 
fie — fie meine Roſaura herausſteigen aus 
dem duͤſteren Grabe ihrer Schattengeftalt — 
o warum iſt ſie mir ſo ſchnell verſchwunden? 

Die Dame ſah ihre Gefaͤhrtinnen be— 


deutend an, reichte Swenten die Hand, 
und führte ihn nach dem innern des Ge- 
baͤudes. 

Wirklich war der Arme ſo erſchoͤpft, 
daß er nur matt einher wanken konnte, und 
nun ſich ſogleich zur Ruhe begeben mußte. 
Nur bei einer ſo gaͤnzlichen Abſpan nung aller 
Kräfte war es moglich, daß der Schlaf ſei— 
ne Augen ſchlieſſen konnte, er ſchlummerte 
lange und anhaltend, und gewann hierdurch 
neue Kraͤfte. Wie er aufwachte, zwar am 
Körper ſich geſtaͤrkt fühlte, aber nun auch 
die Leiden der Seele wieder ruͤckkehrten, 
da nahte ſich ihm mit heiterer Miene 
die ehrwuͤrdige Matrone. Sie begann 
ein freundſch aftliches Geſpraͤch mit ihm, 
und forſchte wie er hergekommen ſey. 
Swent erzaͤhlte ſeine Begebenheit, theils 
aber um der Dame verſtaͤndlich zu werden, 
theils aber auch, weil der Mund ſo gerne 
von dem ſpricht, von dem das Herz voll 


— 266 — 
| | 0 | 
iſt, begann er von den fruͤheſten Szenen ſei⸗ 
nes Lebens, und ſchilderte guch ſeine Liebe 
zu Rofauren, „Wie, ſprach die Dame, und 
Sie hätten Johannen wirklich nicht geliebt, 
waͤren nicht ihr Gemahl geworden?“ 

Swen t. Beim Himmel nein, ich 
konnte nur einmal lieben, und das war 
Roſaura, ach daß Sie mir vorgehen mußte 
in jene Welt, fie die allein das Gluck mei⸗ 
nes Daſeyns hätte gründen koͤnnen. W 

Die Dame Und was überzeugt 
Sie richtig von ihren Tode; die Nachricht 
des Kaufmanns aus Dännemark? konnen 
nicht Nachrichten truͤgen? 

Swent. Er war Augenzeuge von 
ihrem Hinſcheiden, denn von der Reiſe er⸗ 
mattet, fand er eben Aufnahme in dem 
Stifte, in welchem Roſaura war, als Ihre 
lezte Stunde ſchlug. 

Die Dame. Wir wollen die Sache 
von einer anderen Seite betrachten, und 


Möglichkeiten vorausfegen. Nehmen Sie 
an daß Roſaura erfüllt mit den Leiden ver⸗ 
ſchmaͤhter Liebe, durch einen Zufall in die 
Naͤhe des Stiftes gekommen ſey, dort ges 
hoͤrt habe, daß dies ein Zufluchtsort fuͤr 
leidende Arme waͤre, und ſich mit Recht 
unter die ungluͤcklichen zaͤhlend, den Ent⸗ 
ſchluß gefaßt habe, dort Aufnahme zu für 
chen. 5 | 

Swent. O ſehr möglih und auch 
wahrſcheinlich. u) 

Die Dame Gut, fie wurde aufs 

genommen, und ihr ſchwacher Körper une 
terlag den Leiden der Seele, ſie erkrankt, 
wird allmahlich ſchwaͤcher, der Arzt verſagt 
ihr die Hofnung zum Leben, und die Symp⸗ 
tomen des nahen Todes ſchreiten einher. 

Swent. Ach wie jedes Ihrer Wor⸗ 
te durch meine Seele ſchneidet. 

Die Dame. Traurend ſtehen ihre 
Mitſchweſtern um fie her, nach einem An⸗ 


/ 


h 


blicke ſchauend, der jeder von ihnen noch 
zu Theil wird, das dumpfe Gebeth der 
Umſtehenden unterbricht allein die herfchen« 
de Stille — der reiſende Kaufmanu nimmt 
gleichfalls Theil, ihn dauert die zu fruͤh 
geknikte Blume, itzt erliſcht das Auge der 
Sterbenden, ihr Athem iſt verſiegt — fie 
iſt nicht mehr! rufen die Schweſtern, einie 
ge ſtuͤrzen ſich zu ihrer Leiche, und bede— 


cken fie noch mit Kuͤßen, die anderen eilen 


traurig nach ihrem Zimmer, mit ihnen eilt 
der Reiſende fort, fraͤgt noch nach Stand 
und Nahmen der Verſchiedenen, bedauert 
fie als feine Landsmaͤn nin, beſteigt feinen 
Reiſewagen, und kehrt nach ſeinem Vater⸗ 
laude zuruͤck. 

Swent. Der Gluͤckliche! dem es ge⸗ 
goͤnnt war, ihren letzten Blick zu ſehen. 


Die Dame. Schon iſt er fort, und 


plotzlich koͤmmt eine der jüngeren Schwe— 
ſtern aus dem Sterbezimmer mit wilder Haſt, 


and ruft um Hilfe, man eilt herbei, fie 
fagt , fie habe der Berfhiedenen , die fie 
ſehr liebte, noch einen Kuß auf die Lippe 
gedruckt, und einen warmen Hauch aus 
dem Munde gefuͤhlt, man eilt hiezu, man 
findet keine Spur. | 

Swent. Ach der Tod giebt nie 
ſein Opfer zuruͤck. ö 

Die Dame. Der Arzt halt ſtarr 
den Blick nach dem Geſichte gerichtet, immer 
die ſtarre Hand in der ſeinigen, der Puls 
bewegt ſich, ruft er itzt. 

Swent. Gott! 

Die Dame. Keine der Schweſtern 
wagt einen Laut von ſich zu geben, aber 
itzt bewegt ſich die Lippe, itzt zeigt ſich war⸗ 
mer Hauch im vorgehaltenen Spiegel, itzt 
zittern die Augenlieder, und Thraͤnen der 
Freude werden lauter. 

Swent, Mein ee o hoͤren he 
auf! 


N 


Die Dame. Die gefaͤhrlichſte Kriſis 
zwiſchen Leben und Tod endet, und ents 
ſcheidet fuͤr erſteres, dem ſich die ſchon Be⸗ 
weinte ſtufenweiſe naͤhert. 

Swent. Ich erliege meinen Ge⸗ 
fuͤhlen. | 
Die Dame. und allmählich blüht 
ſie zur Geſundheit heran. 

Swent. Sie lebt wieder auf? Gott 
fie lebt wieder auf? | 

Die Dame. Bald darauf erkrankt — 

Swent. Wer? | 

Die Dame. Ihre Freundin, eben 
die, welche die erſte Spur ihres Lebens 

fand, und wird leider wirklich des Todes- 
opfer. Traurend begleiten fie die Schwe⸗ 
ſtern zu Grabe, aber mehr als alle leidet 
die ehemal von ihr gerettete Freundin. Die 
Leiche wird in die Grube geſenkt, noch 
laͤßt man die Erdſchollen nicht darüber her— 
kollern, weil man zu gleich am folgenden 


Tage einen Leichenſtein fegen will. In der 
Nacht, wie alles ſchlaͤft, nur die traurende 
Freundin einſam weilt, und weint, kann 
dieſe dem Verlangen nicht widerſtreben, ſich 
dem Grabe zu nähern, und noch einmal auf 
dem Sarge der Geliebten zu weinen „und 
zu beten. Sie wandelt einſam hinaus zur 
Stätte des Todes, ſteigt hinab in das 
Grab, wirft ſich auf den Sarg, und macht 
ihrem gepretzten Herzen durch häufige Thraͤ— 
nen Luft. Itzt befaͤllt fie ein Schauer von der 
kühlen Rachtluft erzeugt, fie erhebt ſich 
langſam aus dem Grabe, hoͤrt Geraͤuſch 
neben ſich, ſieht einen Mann unfern zu⸗ 
ſammenſinken, flieht erſchrocken, ruft um 
Hilfe, und man findet den Sohn Iwars 
von Tollern; der Fatt Rofaurens Geiſt fie 
ſelbſt lebend erblickt hat. 

Swent. O mit welcher Zauberkraft 
ſuchen ſie mich mir ſelbſt zu entheben, ich 
ſchwanke zwiſchen erſchuͤtternder Wehmuth 


— 272 — 


und Wonne. Moͤglichkeiten ſetzen ſie vor⸗ 
aus? warum nun dieſe Moͤglichkeiten, wenn 
ſie nicht verwirklicht werden koͤnnen. 

Die Dame. Und wenn ſie es nun 

ape und wenn nichts mehr als, daß 
Rofaura weiß, von Ihnen immer e 
zu ſeyn, fehlte, um — 
S went. Hier liege ich zu Ihren Füfe 
ſen, hier flehe ich um des Himmels Barm— 
herzigkeit willen, loͤſen Sie meine erſchät⸗ 
ternde Beklemmung — bei Gott Sie find 
mir ein rettender Engel wenn das Wort 
Wirklichkeit uͤber ihre Lippen ſtroͤmt. 

Die Dame. Faſſen Sie ſich Swent, 
ich ſprach keine Taͤuſchung. 

„Sie lebt, Roſaura lebt!“ rief Swent 
und mehrere Worte vermochten nicht uͤber 
ſeine Lippen zu kommen, zu groß war das 
Uibermaß der Freude, itzt ſtuͤrzten Thraͤnen 
aus ſeinen Augen, waͤhrend der Mund laͤ⸗ 
chelte; itzt falteten ſich ſeine Haͤnde gegen 


Himmel, nun drückte er die Hand der Dak 
me an fein Herz, nun flehte er wieder ihm 
nicht länger von der Geliebten entfernt zu 
halten. Dieſe ſuchte ihn zu beruhigen, fie 
bedeutete ihm, daß fie vorerſt mit Roſau— 
ren ſprechen wolle, daß er ohne ihrer aus— 
drücklichen Einwilligung ſie nicht ſehen duͤrfe, 
aber dieſe ſelbſt hatte jedes Wort an der 
Thüre behorcht, fie ſelbſt vermochte ſich nicht 
mehr zuruͤckzuhalten, fie floh in das Gemach 
und in Sweuts Arme, der zu ihren Fuͤſſen 
herabgleitete. s 
Stumm nahm die alte Dame Theil 


an der beſeliegenden Wonne der Liebenden. 


Sie hatten ſich wieder gefunden, ihre 


Herzen waren ausgeſöhnt, jedes Hinderniß 
befeitiget , nichts ſtoͤhrte mehr die Vereini- 
gung der Liebenden. Wie gerne willigte 
Roſaura ein, ihren ſtillen Aufenthalt zu vers 


laſſen, und ihre Lebenstage an die des Ger 
liebten zu ketten. Aber noch hatte Swenk 
18 


[| 


nicht den lezten Tropfen aus dem bittern 
Kelche der Leiden geleert, noch ſollte er 
zwei ſeinem Herzen nahe Perſonen finden, 
und nur an der Seite der einen den Vers 
luft der anderen betrauren koͤnnen. 5 
Schon hatte er alle Anſtalten getrof⸗ 
ſen, um mit Noſauren das Stift zu ver⸗ 
laſſen, und zu ſeinen Freunden zuruͤckzukehren, 
als man eines Tages ſtark am Glockenringe 
zog, der an der Pforte des Stiftes war. 
Ein Bauer ſtand außen, er berichtete, daß 
er unferne einen alten Mann gefunden habe, 
welcher ſchwer verwundet ſey und kaum 
mehr einige Stunden zu leben haben wer- 
de. Man traf ſogleich Anſtalten, brachte 
den Verwundeten in eines der Gemaͤcher, 
der Arzt eilte herbei, bedeutete aber ſogleich 
daß hier ſeine Kunſt zu beſchraͤnkt ſey, um 
den bereits ausgeſtreckten Arm des Todes 
noch zuruͤckbeugen zu koͤnnen. Swent hoͤrte 
von dem Verwundeten, mitleidsvoll be⸗ 


— 175 — 


gab er ſich nach deſſen Zimmer, dieſer hat⸗ 
te ſich eben von ſeiner Betaͤubung erholt, 
und lag matt auf dem Bette dahingeſtreckt. 
Swent näherte ſich, „Gott wärs moglich,“ 
rief er, und erkannte ſeinen ehemaligen 
Freund, den Alten aus dem Baͤrenthale. 
Sey mir willkommen ſprach der Greis, und 
ſtreckte ſeine zitternde Hand nach ihm aus, 
welche Swent mit theilnehmenden Thränen 
benezte. N 
Der Greis. Ich bin froh dich zu 
ſehen, nach dir ſehnte ich mich noch einmal, 
denn mein Herz hat dich lieb gewonnen, 
ich freue mich von dir, bevor der Tod 
mich erreicht, Abſchied nehmen zu koͤnnen. 

Swent. Waͤre denn keine zur 
mehr möglich? 

Der Greis. Vergebens, der Boͤſe⸗ 
wicht traf zu gut, hier, hier nahe beim 
Herzen liegt die Kugel. | 

 Smwent. Wer iſt der Thäter ? 
| 18 (2) 


> 276. — 


Der Greis. Ein Reiſewagen wur⸗ 
de von Räubern angefallen, ich war» 
derte eben in der Naͤhe, ich eilte zur Hilfe 
berbei, und eine Kugel ſtreckte mich zu Vo— 
den, o glaube ja nicht daß ich darüber mich 
kranke, nur zu lange ſchon betrat ich die 
dornigen Pfade des Lebens, dort — dort 
harren Perſonen meiner, die meinem Her⸗ 
zen nahe geweſen ſind. 

Swent. Armer, armer Freund. 

Greis. Mit dir wuͤnſchte ich noch 
etwas zu ſprechen. Vom erſten Anblicke an, 
habe ich dir gut gewollt, aber auch immer 
fchien ich dir raͤthſelhaft. Nun da die ent⸗ 
ſcheidende Stunde meiner Aufloͤſung naht, 
will ich nicht ohne Enthüllung eines Geheim⸗ 
niſſes von hinnen ſcheiden. Vielleicht wirſt 
du ſchon meine Geſchichte gehoͤrt haben, und 
ich bedarf nicht hinzuzuſetzen, als daß Gott 
mein Zeuge ſey, daß ich nie unredlich an 
meinem Vaterlande handelte, ſo ſehr gegen 
mich der Schein war, 


Swent. Deine Geſchichte? wo folk. 
ich ſie gehoͤrt haben? 

Der Greis. Ich bin der ungluͤck⸗ 
liche Imar von Tollern, — Gott! mein Bas 
ter, ſchrie Swent; und ſturzte zu den Fuſ— 
ſen des Greifen bin. Man eilte herbei, 
man brachte Swenten zu ſich, wollte ihn 
fortführen vom Lager des Sterbenden, aber 
dieſer ſelbſt verlangte mit ihm zu ſprechen. 
„O mein Vater,“ ſtammelte Swent, und 
Thraͤnen erleichterten fein gepreßtes Herz — 
der Greis foderte Enthuͤllung, Swent lei- 
ſtete ſie, und ſtilles Laͤcheln verbreitete ſich 
über die Miene des Setrbenden. „Ich bar 
pe,“ ſprach er, „heute ein dreifaches Gluͤck 
erreicht. Ich eile der ewigen Ruhe entgegen, 
ich habe meinen Sohn gefunden, und den 
Ort erfahren, wo meine Siegbritte ruht. 
Tritt naͤher Swent, laſſe mich mein Haupt 
en deine Bruſt legen, fo will ich enden, 
Wenn die Erloͤſung meines Geiſtes von 


— 278 — 


dieſer Hülle voruͤber iſt, dann laſſe meine Lei⸗ 
che zu den Gebeinen meiner Gattin legen. 


0 Noch eins Swent, du haſt eine Schwe⸗ 


ſter gehabt, ſie gieng mir mit dir zugleich 
verlohren, o mir wurde viel auf einmal ent⸗ 
riſſen. Vielleicht wandelt auch fie noch tie 
ter den Lebenden, ſie if um ein Jahr juͤn⸗ 
ger als du, ihr Name iſt Johanna. 

Swent. Johanna? 

Iwar. Nimm aus meinem Busen das 
Bild deiner Mutter bisher mein liebſtes Ei— 
genthum, ſchon als Kind verrieth Johanne 
Aehnlichkeit mit diefen Zügen — fo wie du 
das Maal einer Traube auf der Bruſt traͤgſt, 
fo hat es Johanna am linken Arme. 

Swent. O mein Gott, fie iſt gefun⸗ 
den, Johanna lebt, meine Schweſter lebt. 

Jwar. Gott ſegnet mich mit Troſt in 
meiner letzten Stunde. Ich ſehe zwar nur 


eines meiner Kinder — doch dort, dort er- 


warte ich euch beide. Bringe deiner Schwe⸗ 


De er > 


29 — 


fier einen Theil des Segens, den ich über 
dich ausſpreche. Bleibt tugendhaft, und 
glücklich — ich ſterbe froh, ich eile zur ver— 
klaͤrten Gattin. —“ 

Er ſchwieg, fein Haupt lag an Swents 

Bruſt, deſſen Herz ſtumme Trauer durch- 
ſchnitt — der Greis ſchien zu ſchlummern, 
itzt hob er ſeinen Blick zu ſeinem Sohne 
empor, über ſeinen Mund verbreitete ſich 
ein ſanftes Lächeln, und mit dieſem Laͤcheln 
entſchwand ſein Geiſt. 
Sent war troſtlos, er uͤbertrug der 
Aufſeherin des Stiftes die Sorge fuͤr die 
Beerdigung ſeines Vaters. Man befolgte 
deſſen letzten Willen, neben Siegbrittens 
Gebeinen ruhte ſeine Leiche, ein Stein drück⸗ 
te beide. 

Als Swent ſich erholt, und männliche 
Faſſung uͤber ſeinen Schmerz gewonnen hat— 
te, weilte er nicht länger hier, nahm Ab= 
ſchied vom Grabe ſeiner Eltern, und von 
den Damen des Stiftes, und trat nun ſei⸗ 
ne Reiſe an. 

Unterwegs erfuhr er, daß Guſtav Wa⸗ 
ſa nicht nur ſein Vaterland gerettet habe, 
ſondern auch allgemein zum Koͤnige ausge⸗ 


— 241— 


ruffen worden ſey. Dice Nachricht erhei⸗ 
terte ſein Herz wieder, er eilte zu ſeinem 
königlichen Freunde, der Swenten bereits 
als todt betrauerte. Mit Freude und Aus- 
zeichnung wurde er von dem edlen Fürſten 
einpfangen; und fand hier Olofen, der in 
Guſtavs Dienſte getretten; und mit Johan- 
nen vermaͤhlt war. 

a Als Bruder hatte er von ihr Abſchied 
genommen, als Bruder umarmte er ſie 
wieder. Guſtav uͤberhaͤufte ihn mit Güte 
tern, fein erſtes Geſchäft nach feiner Ver— 
mählung mit Roſauren war, daß er auf 
Iwars und Siegbrittens Grab einen praͤch⸗ 
tigen Leichenſtein ſetzen ließ. In ſtiller Ru⸗ 
he verlebte er feine Tage, alle Jahre reiſe⸗ 
ren beide Geſchwiſter mit ihren Gatten nach 
dem Stifte zu den Grabmahle der Verklaͤr— 
ten, und in ſpäteren Jahren, erſt als Iwars 
Gebeine lange ſchon zu Staub vermodert 
waren, wurde auch ihr Verlangen erfüllt, 
unter dem naͤmlichen W ihre Ruhe⸗ 
ſtätte zu finden. 


Ende. 


4 Pie a m — PE UA = Da a 3 


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