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Full text of "System der Musik-Wissenschaft und der praktischen Composition : mit inbegriff dessen was gewöhnlich unter dem Ausdrucke General-Bass verstanden wird"

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Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2012  with  funding  from 

University  of  North  Carolina  at  Chapel  Hill 


http://archive.org/details/systemdermusikwiOOIogi 


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DER 


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UND  DER 


pvafettötficn  &owpo$ttton 


MIT  INBEGRIFF  DESSEN 


WAS 


GEWÖHNLICH   UNTER    DEM   AUSDRUCKE 


GENERAL -BASS 


VERSTANDEN  WIRB. 


VON 


JJ*  B»  IbdX&QlBIRo 


BERLIN, 

tm  förinricft  aüolplj  JraäiUjtlm  logier. 


1827. 


GEDRUCKT    BEI    TKOWirZSOI    V7\l>    SOHN    IN    EF.KLIN. 


SEINER  MAJESTÄT 


DEM 


KÖNIGE     VON     PREUSSEN 


FRIEDRICH  WILHELM  III. 


i/Cl 


Allerdurchlauchtigster  Grofsmächtigster  König, 
Aller  gnädigst  er  König  und  Herr! 


D< 


'er  erhabenen  Gesinnung,  in  welcher  Ew.  Königliche  Majestät 
zum  Heil  Ihres  Volkes,  ja  zum  Wohl  aller  gebildeten  Nationen 
die  Wissenschaften  und  Künste  beschirmen,  verdanken  meine  ge- 
ringen Bestrebungen,  die  Methode  des  musikalischen  Unterrichtes 
zu  vereinfachen  und  folgerechter  zu  machen,  den  schönsten  Lohn, 
dessen  sie  theilhaftig  werden  konnten. 

Auf  Ew.  Königlichen  Majestät  Befehl  wurden  die  Grundsätze 
meines  Verfahrens  in  Allerhöchstdero  Residenz  der  unpartheiischen 
Prüfung  Sachkundiger  Männer  unterworfen  und  die  Billigung, 
welche  sie  erfuhren,  sicherte  ihnen  allgemeineren  Eingang. 

Nur  nach  diesem  Erfolge  durfte  ich  es  wagen,  was  ich  bis- 
her im  mündlichen  Vortrage  gelehrt,  auch  in  schriftliche  Ord- 
nung zu  fassen  und  der  Welt  mit  Hoffnung  auf  eine  geneigte 
Beachtung  öffentlich  vorzulegen. 


Wenn  ich  mich  daher  erdreiste,  Ew.  Königlichen  Majestät 
das  Werk,  welches  unter  Allerhöchstdero  Schutze  entstanden  ist, 
in  dankbarer  Verehrung  zu  Füfsen  zu  legen,  so  wollen  Allerhöchst- 
dieselben geruhen,  darin  den  Ausdruck  der  Huldigung  zu  erken- 
nen, welche  die  Kunst,  deren  Dienst  und  deren  Verbreitung  ich 
mein  Leben  gewidmet  habe,  ihrem  erhabenen  Beschützer  dar- 
bringt. Dafs  es  mir  vergönnt  wurde,  diesen  Gefühlen  des  Dankes 
und  der  Huldigung  Worte  zu  geben,  macht  das  Glück  meines 
Lebens  aus. 

In  tiefster  Ehrfurcht 

Ew.  Königlichen  Majestät 


t        i  10,,,   im    •    4aan  unterthäiu'gster  Diener 

London,  am   v2'en  Mai  1827.  6t-     .  , .:.. 

Johann  Bernhard   Logier. 


Einleitung. 


Ein  jedes  Glied  der  Gesellschaft  hat  die  Verpflichtung,  zur  Vervollkomm- 
nung derjenigen  Kunst  oder  Wissenschaft,  der  es  sich  gewidmet,  nach 
seinen  besten  Kräften  beizutragen;  und  wenn  gleich  ihm  dabei  Hinder- 
uisse  und  Widerstand  begegnen,  wie  sie  sich  allen  denen,  die  die  gewohnte 
Bahn  verlassen,  nur  zu  oft  entgegen  stellen,  so  soll  ihn  dies  doch  nicht 
abschrecken  von  einer  steten  Verfolgung  seines  Gegenstandes,  noch  ihn 
zurückhalten,  dem  Antriebe  einer  achtbaren  Neigung  zu  folgen. 

Es  ist  oftmals  beklagt  worden,  dafs  Bücher  zum  Unterricht  wissen- 
schaftlicher Gegenstände,  in  Ausdrücken  abgefafst  zu  werden  pflegen,  die 
für  den  Uneingeweihten  nicht  hinlänglich  verständlich  sind.  Sollte  es  dem 
Verfasser  gegenwärtigen  Werks  geglückt  seyn,  den  interessanten  Gegenstand 
der  Musik -Wissenschaft  in  durchaus  fasslicher  Sprache  vorgetragen  zu  haben, 
so  würde  er  jede  darauf  verwendete  Bemühung  reichlich  vergolten  erachten. 

Eine  Schwierigkeit  mufs  indefs  Jeder  erfahren,  der  sich  über  ähnliche 
Gegenstände  schriftlich  aufsert.  —  Bei  mündlicher  Lehrmethode  ist  der 
Lehrer  in  den  Stand  gesetzt,  seinen  Vortrag  sowohl,  wie  die  erläuternden 
Beispiele,  der  Fassungskraft  und  den  Fähigkeiten  seiner  Schüler  gemafs 
einzurichten;  bei  schriftlicher  Mittheilung  hingegen  ist  er  dieses  Vortheils 
beraubt,  und  mufs  sich  für  alle  seine  Leser  ein  und  desselben  Ausdrucks 
bedienen;  es  kann  daher  bei  möglichst  angewandter  Sorgfalt  dennoch  der 
Fall  eintreten,  dafs  er  von  dem  Einen  grofser  Weitläufigkeit  beschuldigt, 
und  von  dem  Andern  wegen  seiner  Kürze  getadelt  wird. 

Das  System  des  Verfassers  umfafst  drei  verschiedene  Zweige,  —  ,..die 
Kunst,  das  Pianoforte  zu  spielen'  (zu  dem  ersten  Elementar -Unterricht 
hierin,  ward  der  Chiroplast  erfunden)  —  „die  Harmonie  und  Composition", 
und  —  ,,das  Eigentümliche   der  Lehrmethode  im  Unterrichte  selbst." 

Ueber  Erstere  ist  dem  Publikum  bereits  die  Ansicht  des  Autors  vorgelegt 
in  der  „Anleitung  zum  Pianofortespielen"  Buch  1,   2   und  Fortsetzung.  *) 

*)  Note  des  Herausgebers.  —  Der  Grad  der  Zufriedenheit,  mit  welchem  Herrn  Lo- 
giers  Elementar -Werke  aufgenommen,  ist  am  besten  aus  der  einfachen  Thatsache  zu  ersehen, 
dafs  gegen  70000  Exemplare  allein  in  dem  Königreich  Grofsbrittanien  verkauft  worden. 


IV 


Einleitung 


&• 


Es  war  seine  Absicht,  die  noch  bleibenden  zwei  Theile  in  diesem 
Werke  zu  verbinden;  allein  bei  reiferer  Ueberlegung  und  nach  dem  Rathe 
mehrerer  Freunde,  zu  deren  Urtheil  er  ein  unbedingtes  Vertrauen  hatte, 
wurden  beide  Gegenstände  getrennt,  und  der  letzte  unter  dem  Titel :  „Hand- 
buch" zur  Benutzung  für  diejenigen  herausgegeben,  die  mit  der  Methode 
des  Unterrichts  naher  bekannt  zu  werden  beabsichtigen;  sie  werden  finden, 
dafs  die  darin  enthaltenen  Anweisungen  sich  dem  in  den  Akademien  an- 
genommenen mündlichen  Vortrage  so   viel  als  möglich  nähern. 

Gegenwärtiges  Werk  mufs,  diesem  zufolge,  nur  als  auf  Musik  als 
Wissenschaft  sich  beziehend,  angesehn  werden,  und  als  Anweisung,  wie 
diese  Wissenschaft  auf  praktische  Composition  anzuwenden. 

Es  ist  keine  Art  der  Vorkenntnifs  erforderlich,  um  mit  diesem  Werke 
das  Studium  der  Musik -Wissenschaft  begännen  zu  können,  als  die  Bekannt- 
Schaft  mit  den  ersten  einleitenden  Gegenständen,  welche  im  ersten  Buche 
der  „Anleitung"  bereits  erklärt  sind,  sich  auch  in  jedem  gewöhnlichen  Lehr- 
buche finden;  als  da  sind  Liniensystem,  Vorzeichnung,  Eintheilung  u.  s.  w. 

Eben  so  wenig  ist  es  nothwendig,  dafs,  wie  man  gewöhnlich  annimmt, 
der  Schüler  mit  besonderer  Fähigkeit  und  grofsem  Talente  für  Musik  be- 
gabt seyn  müsse.  Alle  Regeln  ■  entspringen  von  Anfang  an  so  natürlich 
wie  folgerecht  eine  aus  der  andern,  dafs  sie  der  Fassungskraft  des  selbst 
geistesschwachen  Kindes  verständlich  werden,  und  auch  dieses  wird  bei 
ihrer  Anwendeung  stets  angenehme  Effekte  durch  richtige  Harmonie  her- 
vor bringen. 

Es  wird  vor  dem  Durchlesen  des  Werks  nicht  ohne  Interesse  seyn, 
die  allgemeine  Uebersicht  des  Plans  zu  erhalten,  den  der  Verfasser  da- 
bei befolgt. 

Zuerst  wird  (Seite  1)  der  Schüler  mit  der  diatonischen  Tonleiter 
bekannt  gemacht;  —  nach  der  bisher  üblichen  Methode  sollte  der  Unter- 
richt mit  den  verschiedenen  Intervallen  und  ihren  Abänderungen  in  grofse, 
übermäfsige,  kleine  und  verminderte,  beginnen,  so  wie  mit  der  Lehre  der 
dur-,  moll-  und  unvollkommenen  Akkorde  —  welches  aber  mehr  dazu 
geeignet  scheint,  den  Gegenstand  zu  verwirren,  als  aufzuklären.  Sodann 
folgt  (5)  die  Belehrung,  wie  die  zu  einer  Tonart  gehörigen  Kreutze  und  Been 
auf  eine  leichte  Weise  zu  finden,  und  dem  Gedächtnisse  fest  einzuprä- 
gen sind.  Nachdem  (12)  der  Dreiklang  gebildet,  wird  (16)  die  bestimmte 
R.egel  gegeben,  nach  welcher  zu  einfacher  Melodie  der  Bass  zu  setzen  ist. 
Durch  Hinzufügung  der  Dreiklänge   (20)?   entsteht   eine  liebliche  natürliche 


E  i  u  1  e  i  t  u 


n 


Harmonie,  welche  in  der  ersten  Zeit  nie  verfehlt,  ein  Interesse  zu  erwek- 
ken,  dafs  durch  die  Bildung  der  Variationen  (27)  noch  gesteigert  wird. 

Die,  durch  die  drei  Grundbässe  hervorgebrachte,  Harmonie  besteht 
allein  aus  Dreiklängen,  und  bereitet  das  Ohr  auf  die  Verschiedenheit  der 
Wirkungen,    welche  unmittelbar  folgen,    angenehm  vor. 

Das  Vermeiden  der  aufeinander  folgenden  Quinten  und  Oktaven  (21) 
führt  ein  neues  Intervall,  die  Hauptseptime,  ein;  hiedurch  entsteht  der  Haupt- 
septimen-Akkord, dessen  Auflösung  unmittelbar  folgt.  (29  bis  33)  Die 
Harmonie  erhält  einen  höhern  Grad  von  Interesse,  da  die  Hauptseptime, 
welche  bisher  allein  auf  der  7ten  Stufe  der  Tonleiter  erschien,  nun  auch 
in  andere  Lagen  eingeführt  wird  (37)-  Melodien  werden  mit  hinzugefüg- 
ter Septime  in  Harmonien  ausgesetzt,  und  dadurch  neue  Wirkungen  her- 
vorgebracht (38)-  Die  einfachen  Regeln,  nach  welchen  einige  Intervallen 
der  Tonleiter,  ohne  irgend  einen  Zusatz  zu  der  Zahl  der  Basse,  verschie- 
dentlich begleitet  werden  können  (41  bis  47)?  smd  berechnet,  einen  wei- 
teren Spielraum  zu  geben.  Ein  neues  ausgedehnteres  Feld  eröffnet  sich 
dem  Schüler,  indem  er  mit  der  Modulation  bekannt  gemacht  wird  (ßO)- 
Bei  der  Einführung  in  diesem  wichtigen  Theile  der  Harmonie  ist  dem 
Schüler  die  ursprüngliche  Quelle,  aus  welcher  die  Grundsätze  der  diatoni- 
schen Tonleiter  entspringen,   gezeigt   (54)- 

Der  Verfasser  hat  es  nicht  für  nothwendig  erachtet,  eine  Abhandlung 
über  die  Akustik  zu  schreiben,  da  dieser  Gegenstand  hinreichend  von  meh- 
reren berühmten  Autoren  bearbeitet  ist.  Sich  selbst  hat  er  indefs  genug- 
sam von  Allem  überzeugt,  was  der  Erklärung  und  Aufstellung  der  Regeln 
zum  Grunde  liegt,   auf  welchen  sein  System  beruht. 

Zunächst  wird  nun  der  Schüler  mit  den  Dissonanzen  bekannt  gemacht, 
(70)  diese  geben  der  Harmonie  einen  höhern  Grad  von  Licht  und  Schat- 
ten, welcher  schon  mit  Einführung  der  Hauptseptime  fühlbar  ward. 

Bis  hieher  waren  alle  Ausarbeitungen  nur  mit  Grundbässen  begleitet, 
gegenwärtig  soll  der  Bass  aus  den  Intervallen  der  Akkorde  entnommen 
werden  (82  bis  H0)5  und  Theil  erbalten  an  der  allgemeinen  Abwechse- 
lung und  Vertauschung  des  Charakters  der  Stimmen;  hiedurch  können  nun 
alle  vier  Stimmen  sich  in  fliefsender  angenehmer  Melodie  bewegen  (125)- 
Doppelter  Contrapunkt  ist  auch,  durch  ein  ganz  einfaches  Verfahren,  im 
Alt  und  Tenor  hervorgebracht;  neue  und  auffallende  Wirkungen  sind  die 
Folge   (132). 

Bis  zu  diesem  Punkte  ist  das  Werk  vorgeschritten  ohne  Abweichung 


vi  Einleitung. 

von  den  uns  durch  die  Natur,  in  der  Schwingung  der  Saite,  vorgeschrie- 
benen Grundgesetzen;  der  Schüler  ist  jetzt  vorbereitet  und  fähig,  der  Ein- 
führung dessen,  was  wir  mehr  der  Kunst  verdanken,  zu  folgen.  Die  be- 
deutendste Abweichung  von  dem  bisher  gefolgten  Pfade  findet  sich  in  der 
Molltonleiter  (136)»'  die  angenehme  Abwechselung,  welche  in  der  Verbin- 
dung der  Moll-  und  Dur -Akkorde  liegt,  verbunden  mit  der  Erscheinung 
eines  neuen  Akkords,  des  Akkords  der  kleinen  None  mit  seinen  vier  Ver- 
setzungen, giebt  der  nun  folgenden  Harmonie  einen  eigenen,  auffallenden 
Charakter  (139  °is  152)-  Der  gröfste  Theil  der  bisher  angewandten  Me- 
lodien, kann  mit  neuen  Harmonien  begleitet  werden,  sobald  die  Vorzeich- 
nung aus  dur  in  moll  umgeändert  wird,  und  viele  schöne  effektvolle  Mo- 
dulationen werden   aus   dem  Akkorde   der  kleinen  None  entspringen. 

Die  nun  folgende  Modulation  vermittelst  der  Intervallen  der  Melo- 
dien eröffnet  ein  noch  weiteres  Feld  neuer  Combination  und  Wirkung 
der  Harmonie;  es  darf  behauptet  werden,  dafs  die  Regeln  hierüber  einen 
unendlichen  Reichthum  musikalischer  Schönheit  nnd  Abwechselung  enthal- 
ten (152  bis  165)-  Seite  Ißß  ist  der  Akkord  der  grofsen  Sechste,  und 
Seite  169  der  zusammengesetzte  grofse  Sechsten -Akkord  eingeführt;  durch 
beide  werden  die  Mittel,  auffallende  Wirkungen  hervorzubringen,  noch  be- 
deutend vermehrt,  wie  aus  den  zunächst  folgenden  Moll -Themas  zu  erse- 
hen ist. 

Nachdem  der  Schüler  nun  belehrt  worden,  wie  die  Melodie  im  Alt 
und  Tenor  verlegt,  zu  bearbeiten  (ISO)?  wird  gezeigt,  wie  die  Melodie 
mit  Harmonien  zu  begleiten,  wenn  sie  im  Bass  gestellt  ist;  dies  wird 
hauptsächlich  von  grofsem  Nutzen  für  diejenigen  seyn,  welche  wünschen, 
sich   eine  Fertigkeit  im  Spielen   der  bezifferten  Bässe   zu  verschaffen. 

Nun  sind  wir  zu  einem  neuen  bedeutenden  Theile  des  Gegenstandes 
gelangt;  den  durchgehenden  und  Hülfs -Noten  (auch  Verschönerungsnoten 
genannt)  und  den  Nebenharmonien  (189)-  Werden  diese  Noten  zu  den 
einfachen  Noten  der  Melodie  hinzugefügt,  so  fängt  damit  ein  höherer  Grad 
der  verfeinernden  Kunst  an;  zur  Uebune  hierin  können  frühere  Bei- 
spiele  wieder  mit  Wirkung  benutzt  werden.  Der  Schüler  wird  nun  (208) 
unterwiesen,  wie  er  seine  bisher  erworbenen  Kenntnisse  anzuwenden  habe, 
um  Variationen  für  das  Pianoforte  zu  schreiben,  welches  als  höchst  beleh- 
rende uud  angenehme  Uebung  anzusehen  ist. 

Die   Akkorde  der  Eilfte  und  Dreizehnte  sind  erklärt,    und  beide  wer- 


Einleitung.  vu 

den  demnach,   in  Aufgaben   für   das   Pianoforte   eingerichtet,    angewendet 

(218  bis  225)- 

Die  Veränderungen  der  Kadenz,  welche  nun  vom  Beispiele  276  an 
folgen,  die  Fortschreitungen  der  Harmonien  Beisp.  326»  so  yyie  die  Ver- 
meidung der  Quinten  und  Oktaven  Beisp.  227»  scheinen  aufser  Verbindung 
mit  den  bisherigen  Lehrsätzen;  —  sie  mögen  deshalb  als  gesonderte  Theile 
der  Abhandlung  betrachtet  werden,  die  nur  hinzugefügt  wurden,  weil  es 
die  Gelegenheit  ergab. 

Modulation,  dieser  interressante,  auf  so  vielfache  Weise  in  diesem  Werke 
abgehandelte  Gegenstand,  wird  nun  in  den  Beispielen  295  bis  304  mit 
der  zweifelhaften,   betrü glichen  und  zurückhaltenden  Modulation  beschlossen. 

So  auffallend  auch  die  Behauptung  erscheinen  mag,  so  wahr  ist  sie 
dennoch,  dafs  alle  Verschiedenheit  der  Harmonie,  welche  bis  jetzt  hervor- 
gebracht wurde,  ihren  Ursprung  allein  in  den  zwei  Grundbässen,  Tonika  und 
Dominant,  hatte.  (Beisp.  64  *)•  Der  Schüler  mufs  jedoch  nun  auch  mit 
Bässen  bekannt  gemacht  werden,  die  nicht  in  der  Schwingung  der  Saite 
beruhen,  und  durch  deren  Einführung  die  Harmonie  der  Tonleiter  einen 
Grad  von  Abänderung  erleidet.  Mit  Hülfe  dieser  Bässe  ist  der  Schüler  in 
den  Stand  gesetzt,  die  Einförmigkeit  des  Eindrucks  zu  vermeiden,  der  be- 
sonders in  der  Durtonart  liegt   (Beisp.  305)- 

Sequenzen  von  Septimen  folgen  nun,  diese  grofse  Quelle,  aus  welcher 
die  älteren  Kirchen- Componisten  ihre  Thema  für  Fuge  und  Imitation  schöpf- 
ten. Diese  Sequenzen  machen  den  Eindruck  des  Kühnen,  Erhabenen,  und 
da  sie  aller  Modulation  grade  entgegen  stehen,  so  ist  ihre  Anwendung  auf 
starke  Effecte  berechnet;  jedoch  wollen  sie  verständig,  mit  sanfterer  Har- 
monie untermischt,    eingeführt  werden. 

Als  Vorbereitung  zur  Bildung  der  Melodie,  wird  der  Schüler  in  den 
Beispielen  332  bis  360  mit  der  verschiedenen  Beschaffenheit  der  Zeitmaafse, 
so   wie  mit  Rhythmus  und  musikalischem  Periodenbau,  bekannt  gemacht. 

Ein  einfaches  Verfahren  beim  Entwurf  der  Grundlage  einer  Melodie 
wird  im  Beisp.  3ßl  angegeben.  Die  Beispiele  bis  378  werden  hinreichend 
sein,  um  die  vielen  Hülfsmittel  der  Kunst  hierbei  darzuthun.  Jetzt  bietet 
sich  in  Wahrheit  dem  Schüler  eine  unerschöpfliche  Quelle  der  reichsten 
Mannichfaltigkeit  dar. 

Bemerkungen  über  die  Werke  älterer  und  neuerer  Componisten,  wo- 


*)    Der  Subdominant  ist  in  der  That  nur  Tonika  einer  eigenen  Tonleiter  (Beisp.  67.) 


vin  Einleitung. 

durch  die  grofse  Schönheit  und  Vortrefflichkeit  dieser  Compositionen,  so- 
wohl in  Hinsicht  ihrer  freien  Erfindung,  als  ihrer  eigenthümlichen  Behand- 
lung des  Gegenstandes,  anschaulich  gemacht  und  erklärt  werden,  machen 
den  Schlufs. 

Indem  der  Autor  dieses  Werk  dem  Publikum  übergiebt,  will  er  sich 
keinesweges  die  Erfindung  neuer  Grundsätze  der  Harmonie  anmafsen  *), 
sein  Bestreben  war  allein  dahin  gerichtet,  eine  einfache  und  gründliche 
Methode,  zum  leichteren  Verstehen  der  bisher  befolgten  Grundsätze,  und 
zur  wirksameren  Anwendung  derselben,   zu  entwickeln. 

Die  Folge,  in  welcher  der  Verfasser  seit  so  vielen  Jahren  die  Musik- 
Wissenschaft  vorgetragen,  ist  hier  getreu  beobachtet,  und  da  ein  einziges 
Beispiel  oft  vortheilhafter  wirkt,  als  viele  Seiten  weitläuftiger  Auseinander- 
setzung, so  hat  er  diese  zur  Erläuterung  seines  Gegenstandes  nicht  gespart. 

Dafs  der  Verfasser  die  Schriften  früherer  Autoren  über  denselben  »Ge- 
genstand nicht  angeführt  hat,  ist  in  Wahrheit  nicht  dem  Mangel  der  Ach- 
tung für  dieselben  zuzuschreiben,  der  Leser  wird  finden,  dafs  es  bei  dem 
Plan  dieses  Werks  nicht  zulässig  war. 

Zum  Schlufs  sei  ihm  die  Bemerkung  erlaubt,  dafs  er  nicht  die  Absicht 
hatte,  als  Schriftsteller  sich  durch  Eleganz  der  Schreibart  geltend  zu  machen, 
die  auch  mit  der  Natur  des  behandelten  Gegenstandes  wenig  vereinbar 
gewesen  wäre;  sein  einziger  Zweck  war,  seine  Gedanken  in  einfacher  und 
verständlicher  Sprache  niederzulegen,  um  denjenigen,  welche  die  Wissen- 
schaft der  Musik  zu  erlernen  wünschen,  nützlich  zu  werden. 

Möge  das  Publikum  sein  Werk  gütig  aufnehmen,  und  seinen  Bestre- 
bungen Gerechtigkeit  widerfahren  lassen. 


*)    Wie  dies  aus  seinen  „theoretisch -praktischen  Studien"  zu  ersehen  ist,  worin  die  Werke 
älterer  und  neuerer  Meister,  den  angeführten  Grundsätzen  gemäfs,  zergliedert  sind. 


I     n     h 


1     t. 


Belsp 
1. 


10. 

12. 
14. 

18. 
19. 
20. 
21. 

26. 
2S. 
29. 

30. 
31. 
31. 
32. 
33. 
35. 

37. 
39. 

42. 
44. 
47. 

49. 
53. 
55. 

58. 

59. 


Einleitung. 

Die  diatonische  Tonleiter. 
Chromatische  Tonleiter. 
Zahl  und  Ordnung  der  Kreuze, 
sodann  der  Been,  wie  sie  in  jeder  Tonart 
erforderlich. 

Leichte  Methode,    sie  im  Gedächtnifs   zu 
behalten. 

Enharmonische   Verwechselung   der  Ton- 
leiter. 

Q  uinten  -  Zirkel. 
Bildung  des  Dreiklangs. 
Bass  des  Dreiklangs. 
Die  drei  Lagen  des  Dreiklangs. 
Melodie  und  Harmonie. 
Grundbässe  der  Tonleiter. 

Vorzeichnung. 

Grundbässe  zu  einer  Melodie. 
Akkorde  zu  den  Grundbässen. 
Harmonie  in  vier  Stimmen  ausgesetzt. 

Quinten-  und  Oktavenfolge  erklärt. 
Vermeidung  der  Oktavenfolge. 
Vermeidung  der  Quintenfolge. 
Hauptseptime. 

Auflösung  des  Akkords  der  Hauptseptime. 
Zergliederung  des  Dreiklangs. 
Variationen  zu  einer  in  Harmonie  gesetz- 
ten Melodie. 
Bassbezifferung. 

Auflösung  des  Septimen  -  Akkords. 
Kreisfolge  von  Dominant -Akkorden. 
Harmonie  in  vier  Stimmen. 
Einführung  der  Hauptseptime  in  der  Har- 
monie. 

Zweite  Piegel  für  Begleitung  der  Tonleiter. 
Dritte       —      —  —         —  — 

Vierte      —      —  —         —         — 

Charakteristik  der  vier  Stimmen  der  Har- 
monie. 
Grofser  und  kleiner  Dreiklang. 


durch    alle    Dur  -    und 


Beisp. 

61.  Fortschreitungen 
Moll -Töne. 

62.  Figurirung  einer  Melodie. 
Ursprung  der  Harmonie. 

63.  Mitklingende  Töne. 

64.  Tonleiter  aus  den  mitklingenden  Tönen. 

66.  Tonleiter  aus  drei  Tönen. 

67.  Fortsetzung  dieser  Tonleiter. 

68.  Prüfung  der  diatonischen  Tonleiter. 

69.  Harmonische  Fortschreitung. 

70.  Modulation. 

71.  Modulation  vermittelst  der  Intervallen  des 
Akkords. 

75.  Modulation  vermittelst  eingeschobener  Do- 
minant -  Akkorde. 

76.  Modulation  durch  ganze  Töne. 

79.  Nutzen  des  enharmonischen  Tonwechsels. 

80.  Modulation    vermittelst    der    erniedrigten 
Terz. 

81.  Modulation  durch  steigende  halbe  Töne. 

82.  Modulation  durch   die  Quinte  des  Domi- 
nants. 

83.  Modulation  nach  der  grofsen  und  kleinen 
Terz  aufwärts. 

85.     Modulation  nach  dem  halben  Ton  abwärts. 
S6.  —       nach  der  grofsen  Quarte  aufwärts. 

88.  Anweisung,   kleine  Variationen   aus    dem 
Stegereife  zu  bilden. 

89.  Consonanz  und  Dissonanz. 

90.  Dissonanzen. 

93.  Vorbereitung    der  Dissonanzen    und  ihre 
Auflösung. 

94.  Die  Quarte  als  Vorhalt  der  Terz. 

95.  Die  None  als  Vorhalt  der  Oktave. 

96.  Die  steigende  Tonleiter  mit  Dissonanzen. 

98.  Die  fallende  —  —  — 

99.  Die  Septime  hinzugefügt. 

101.  Verbundene  Dissonanzen. 

102.  Anwendung  der  verbundenen  Dissonanzen. 

103.  Die  Einführung  der  Dissonanz  durch  die 
Fortschreitung  des  Basses  geregelt. 


Inhalt. 


Beisp. 

106.  Der    aus    den   Intervallen   der  Akkorde 
entnommene  Bass. 

107.  Bezifferung  dieses  Basses. 

108.  Modulation,  vermittelst  der  ersten  Ver- 
setzung des  Dominant-Akkords. 

111.  Modulation,  vermittelst  der  zweiten  Ver- 
setzung des  Dominant-Akkords. 

112.  Modulation,  vermittelst  der  dritten  Ver- 
setzung des  Dominant-Akkords. 

1 14.  Freiheit  bei  figurirter  Ausführung. 

115.  Schlußformel  oder  Kadenz. 

117.     Akkord  der  hinzugefügten  oder  addirten 
Sechste. 
Anleitung,   Aufgaben  zu  entwerfen. 

119.  Uebung  mit  Kadenzen. 

120.  Veränderung   des   Takts   eines  Uebungs- 
stücks. 

121.  Verschiedene   Begleitung  auf  demselben 
Bass. 

122.  Einführung  der  Dissonanzen  in  die  Mo- 
dulation. 

Die   Bezifferung   der  Basse   bei   Disso- 
nanzen. 

124.  Ueber  die  Auswahl  der  Basse. 

125.  Erste  Regel  hierüber. 

126.  Zweite  Regel  hierüber. 

127.  Dritte  und  vierte  Regel. 
12S.     Vertauschung  der  Intervallen. 

130.  Freie  Einführung  der  Septime. 

131.  Steigende  Tonleiter  mit  den  aus  denlnter- 

vallen  entnommenen  Bässen  begleitet. 

132.  Verdoppelung  der  Intervallen  eines  Ak- 
kords. 

134.     Tonleiter  mit  Dissonanzen. 

140.     Beispiele. 

143.     Verschiedenheit  der  Wirkung. 

149.     Ausgedehnte  Harmonie. 
Doppelter  Contrapunkt. 

152.     Theilweise  Ausdehnung  der  Harmonie- 
Verwandte  Molltonart. 

154.     Mollionleiter. 

158.     Akkord  der  kleinen  None. 

160.     Die  None.     Vorbereitung  der  Sechste. 

162.     Versetzungen  des  kleinen  Nonen-Akkords. 

167.     Auflösung  der  kleinen  None  auf  demsel- 
ben Bass. 

170.     Modulation   vermittelst   des  kleinen  No- 
nen-Akkords. 


Beisp. 

171. 

172. 

173. 

175. 

177. 

ISO. 
181. 
183. 
186. 
188. 
190. 
197. 
202. 

205. 

208. 
210. 

212. 
215. 
218. 
219. 
220. 

233. 
237. 

241. 

244. 
245. 

247. 

250- 
254. 

255. 
257. 

258. 
262. 
267. 
270. 
273. 
275. 


Uebungen  in  Variationsformen. 
Die  Sechste  der  Tonleiter  fallend. 
Molltonleitern  mit  Harmonien  begleitet. 
Moll -Thema. 

Modulation  vermittelst  der  Intervallen  ei- 
ner Melodie. 
Erste  Regel  hierüber. 
Zweite  —  — 

Dritte    —  — 

Vierte    —  — 

Fünfte  —  — 

Sechste  —  — 

Akkord  der  grofsen  Sechste. 
Zusammengesetzter  grofser  Sechsten -Ak- 
kord. 

Einführung  dieser  Akkorde  in  dem  Moll- 
Thema. 

Das  Kreuzen  der  Stimmen. 
Die    verschiedene    Schreibart   der   Moll- 
Tonleiter. 
Grofse  None. 

Die  Melodie  im  Alt  gelegt. 
Die  Melodie  im  Tenor  gelegt. 
Die  Melodie  im  Bass  gelegt. 
Uebungen  mit  bezifferter  und  unbeziffcr- 
ter  Bass -Melodie. 
Durchgehende  Noten. 
Accentuirte  und   unaccentuirte   durchge- 
hende Noten. 

Durchgehende  Noten,  als  Noten  der  Me- 
lodie benutzt. 
Hülfsnoten. 

Nachahmungen  (Imitationen). 
Ausgedehnte,   durchgehende   und   Hülfs- 
noten. 

Nebenharmonien. 

Nebenharmonien  mit  durchgehenden  und 
Hülfsnoten. 

Nebenharmonien  mit  Dissonanzen. 
Ein  für  das  Pianoforte  geschriebenes  Bei- 
spiel. 

Variationen  mit  Verschönerungsnoten. 
Steigende  Dissonanzen  oder  Retardationen. 
Der  Akkord  von  der  Ute. 
Vorbereitet  und  unvorbereitet.. 
Der  Akkord  von  der  13te. 
Die  Akkorde   der   Ute  und  13te  ange- 
wendet. 


Inhalt. 


XI 


Eeisp. 

276.  Verschiedene  Kadenzen. 

280.  Die  Anwendung  dieser  verschiedenen  Ka- 
denzen. 

2S1.  Die  unvollkommene  Kadenz. 

282.  Die  falsche  Kadenz. 

286.  Die  unterbrochene  Kadenz. 

287.  Die  unregelmäfsige  Kadenz. 

288.  Die  aufgehaltene  Kadenz. 

289.  Die  grofse  Kadenz. 

290.  Der  zweifelhafte  Akkord. 
29i.  Zweifelhafte  Modulation. 

293.     Zweifelhafte  Modulation   durch   den  zu- 
sammengesetzten grofsen  Sechsten-Akkord. 
295.     Betrügliche  Modulation. 
299.     Zurückhaltende  Modulation. 

302.  Modulation  mit  steigender  chromatischer 
Tonleiter  im  Bass. 

303.  Modulation   mit   fallender  chromatischer 
Tonleiter  im  Bass. 

304.  Vermischte  Modulation. 
305-     Modificirte  Bässe. 

311.     Sequenzen  von  Septimen. 

318.  Wie  zu  entdecken,  ob  eine  Melodie  Se- 
quenzen zuläfst. 

319.  Uebung  an  einer  Bass -Melodie. 

320.  Dieselbe  Melodie  verschieden  behandelt. 
323.     Sequenzen  von  Sechsten,  die  5  —  6  u.  7  —  6. 


Beisp. 

326.  Drei  Fortschreitungen  der  Harmonie. 

327.  Quinten-  und  Oktavenfolgen. 

328.  Versteckte  Quinten-  und  Oktavenfolgen. 

332.  Vorbereitung  zur  Bildung  der  Melodie, 

333.  Accente. 

334.  Die  verschiedenen  Zeitmaafse. 

344.  Rhythmus. 

345.  Die  Bildung  der  Perioden. 
347.  Die  halben  Perioden. 
349.  Der  Einschnitt. 

356.  Unregelmäfsiger  Periodenbau. 

361.  Entwurf  einer  Melodie. 

362.  —        mit  Grundbass. 

363.  —        mit  ausgewähltem  Bass. 

364.  —        einer  Melodie  im  Sopran. 

365.  —        mit  vierstimmiger  Harmonie. 

366.  Verändertes  Zeitmaafs. 

367.  Die  Tonart  in  Moll  verändert. 
369.  Mit  durchgehenden  Noten. 

371.  Mit  neuen  Bässen. 

372.  Der  Grundrifs  anders  ausgefüllt. 

373.  Mehrere  Umrisse. 

377.  Ausdehnung  der  Melodie. 

378.  Daraus  entstehende  Imitationen. 
380.  Strenger  und  freier  Styl. 


Erklärungen. 


Druckfehler. 

Beispiel     62  steht  Takt  3  im  Alt  a,  Takt  4  f,  statt  dessen  soll  Takt  3  im  Alt  g,  und  Takt  4,  a  stehen 
—         99     - 


110 
121 

135 
146 
147 
152 
185 
189 


-  3     -     -    e,  und  im  Tenor  c,  st.  d.  soll  im  Alt  c,  im  Tenor  a  stehen. 
6,  im  Bass  c,   st.  d.  soll  im  Bass  eis  stehen. 

-  6  in  der  Melodie  (Zeile  c)  h,  a,  a,    st.  d.  soll  in  der  Melodie  (Zeile  c) 

d,  c,  c  stehen. 

-  4  im  Disc.  die  2te  halbe  Note  g,  st.  d.  soll  im  Disc.  die  2te  halbe  Note  e  sein, 
im  Auftakt  im  Discant  e,    st.  d.  soll  im  Discant  die  erste  Note  d  sein. 

Takt  3  der  Grundbass  c,    st.  d.  soll  der  Grundbass  a  stehen. 


5  im  Tenor  g,  im  Bass  e,   st.  d.  soll  im  Tenor  h  und  im  Bass 
1   das  4te  Viertel  im  Tenor  e,   st.  d.  soll  im  Tenor  f  sein. 
3  das  2te  Viertel  im  Bass  a,    st.  d.  soll  das  2te  Viertel  h  sein. 
Auch  steht  Seite  133  Zeile  3,  Quinte  und  Quarte,  —  soll  heifsen  Quarte  und  Quinte. 


stehen. 


Verzeichnis   der  von   dem  Verfasser   dieses  Systems   in  Beziehung  auf  dasselbe 
und  seine  Methode  des  Unterrichts  im  Klavierspiel  herausgegebenen  Werke. 


System  der  Musikwissenschaft  und  des  musika- 
lischen Unterrichts.  Buch  I.  Enthält  die  Be- 
schreibung der  Erfindung  des  Chiroplast's, 
dessen  Nutzen  und  Gebrauch  mit  einer  An- 
zahl Lektionen,  -welche  für  die  Fähigkeiten 
der  jüngsten  Schüler  fortschreitend  angewandt 
werden. 

Dasselbe  Werk.  Buch  II.  Enthält  eine  Anzahl 
fortschreitender  Lektionen  verschiedenenStyls, 
auf  die  Lektionen  des  Ersten  Buches  ange- 
wandt, und  so  eingerichtet,  dafs  sie  zugleich 
mit  denen  des  vorigen  Buches  zusammen  ge- 
spielt werden  können. 

Dasselbe  Werk.  Buch  III.  Enthält  eine  Anzahl 
fortschreitender  neuer  Lektionen,  welche  de- 
nen des  Ersten  Buches  gleich,  aber  haupt- 
sächlich in  Molltonarten  geschrieben  sind. 
Es  dient  dazu,  die  Schüler  mit  den  Wirkun- 
gen, welche  durch  die  musikalischen  Zeichen 
und  Kunstausdrücke  hervorgebracht  werden, 
bekannt  zu  machen.  Die  diatonische  Ton- 
leiter jeder  Tonart  in  dur  und  moll,  auf- 
und  abwärts,  nebst  chromatischer  Tonleiter 
einfach  und  in  Oktaven. 

Dasselbe  Werk.  Buch  IV".  Bestehend  aus  Lektio- 
nen, welche  mit  denen  des  dritten  zusammen- 
gespielt, oder  einzeln  betrachtet  werden  kön- 
nen. Es  erläutert  den  verschiedenartigen  Sinn 
der  Variationen,  welche  über  gegebene  Har- 
monien des  dritten  Buches  gemacht  sind. 

Vier  und  dreifsig  kleine  Lektionen  f.  d.  Piano- 
forte,  als  Begleit,  des  I.  und  III.  Buches  des 
Systems  des  musikalischen  Unterrichts,  wel- 
che auch  als  quatre  mains  gespielt  werden 
können. 

Theoretisch  praktische  Studien  für  das  Piano- 
forte,  enthaltend  eine  Anzahl  von  Werken 
berühmter  klassischer  Componisten  alter  und 
neuer  Zeit,  die  mittelst  der  untergelegten 
Grund-  und  umgekehrten  Bässe  zergliedert 
und  mit  der  Fingersetzung  durchaus  bezeich- 
net sind,  als  Fortsetzung  des  Systems  des  mu- 
sikalischen Unterrichts.  14  Bücher. 
Davon  enthalten: 

Buch  I.  II.     Corelli  2  Concerto.     I,   D  dur. 
II,  G  moll. 

—  III.     Händeis    Occasional  -  Ouvertüre. 
D  dur. 

—  IV.  Händeis  Ouvertüre  zu  Esther.  Bdur. 

—  V.  VI.  Haydns  Symphonien  in  D. 

—  *  VII.  Mozart's  Ouvertüre  zur  Zauber- 
flöte.    Es  dur. 


Buch  *VIII.  Desselben  Ouvertüre  zu  Fiearo 
D  dur. 

—  *IX.  Clementi's  Sonate  in  D. 

—  *X.  Scarlatti,  Katzfuge.     G  moll. 

—  XI.  XII.  Beethovens  Trio  für  2  Klaviere 
arrangirt  in  Es. 

—  XIII.  XIV.  Kalkbrenner,  2  Sonaten  in 
C.  mit  besonderer  Begleitung  und  be- 
ziffertem Bass. 

Uebungen  f.  d.  Pianoforte  durch  alle  Tonarten 
und  Modulationen,  als  Vorbereitung  zu  den 
Cramer'schen  und  Kalkbrenner'schen  Studien, 
hauptsächlich  für  diejenigen,  welche  von  Na- 
tur schwache  oder  ungeschickte  Finger  haben, 
und  dennoch  eine  Fertigkeit  im  Pianoforte- 
spiel erlangen  wollen;  dem  Fräulein  Ouse- 
ley  gewidmet. 

Pieces  militaires  a  4  mains  Cah.  I.  dediees  ä. 
Lady  Flora  Hastings.     Op.  20. 

Pieces  militaires,  Cah.  II.  Op.  21.  dediees  a 
Lady  Emily  et  Mary  Paget. 

Trio  No.  i  in  Es  pour  ß  mains  et  2  Pianofor- 
tes.  Op.  16.  Dediee  a  Madam  la  Marqnise 
d'Anglesea. 

Trio  No.  II.  in  A  pour  6  mains  et  2  Piano- 
fortes.  Üuvre  17.  Dediee  ä  Monsieur  le 
Major  P.  Hawker.  Die  Solo's  der  dritten 
Stimme  sind  mit  kleinerer  Notenschrift  in  den 
beiden  ersten  Stimmen  angedeutet,  so  dafs 
beide  Trio's  auch  vierhändig  ausgeführt  wer- 
den können.) 

Grand  Concert  in  Es  pour  le  Pianoforte  avec 
Accompagn.  d'un  grand  Orchester.  Oeuvre  13. 
Dedie  a  Son  Altesse  Pioyale  Monseigneur  le 
Prince  Piegent  d'  Angleterre. 

Dasselbe  in  der  Klavierstimme  allein. 

Leichte  Sonate  in  D,  mit  Thema  und  Varia- 
tionen und  Flötebegleitung.     Oeuvr.e  8. 

Introduction  fugue  et  2  Canons  a  4  mains. 
Oeuvre  18.  Dediees  ä  Son  Altesse  Monseig- 
neur le  Prince  Antoine  Badziwil. 

Introduction  et  grande  Marche  pour  le  Piano- 
forte a  4  mains.  Dediees  ä  Lady  Georgiana 
et  Lady  Agnes  Paget. 

Grande  Sonate  in  C  moll  pour  le  Pianoforte  a 
4  mains.  Dediee  asaMajesteleRoi  de  Prusse. 

Admiral  Benbow.  Eine  englische  Arie  mit  Va- 
riationen fürs  Pianoforte. 

Sonatine  in  B  für  das  Pianoforte. 

Sonate  mit  Begleitung  der  Flöte.  Op.  7.  in  B  dur. 

Vorstehende  Werke,  wie  auch  der  Chiroplast,  sind  in  der  Buchhandlung  von  W.  Logier  in  Berlin 

zu  bekommen. 


I   . 


■ 

- 


Theorie 


der 

musikalischen    Romposition. 


Die  Tonleiter,    oder  das  musikalische  Alphabet. 


JVL 


usik  ist  als  eine  Sprache  anzusehen,  deren  Alphabet  nur  aus  sieben  Tö- 
nen besteht,  durch  deren  verschiedene  Kombinationen  alle  musikalischen  Wir- 
kungen hervorgebracht  werden.  Wenn  man  diese  sieben  Töne  in  folgender 
Ordnung  zusammenstellt,   so  heifsen  sie 

Tonleiter. 
Beispiel  1. 


-ö- 


:Oi 


_^_0_         _____ _, 

c        P        E 

Der  achte  Ton  (die  Octave)  hat  denselben  Namen  wie  der  erste,  und 
ist  als  eine  blofse  Wiederholung  desselben  anzusehen.  Auf  gleiche  Weise  würde, 
wenn  wir  immer  höher  in  der  Tonleiter  hinaufstiegen,  der  neunte  Ton  eine 
Wiederholung  des  zweiten,  der  zehnte  eine  Wiederholung  des  dritten  — 
und  so  könnten  wir  das  musikalische  Alphabet  immer  weiter  wiederholen. 

Dies  wird  vielleicht  klarer  eingesehen,  wenn  wir  bedenken,  dafs  wir  auch 
im  Buchstaben -Alphabet  jeden  Buchstaben,  er  mag  grofs  oder  klein,  A,  A,  a 
oder  a  geschrieben  sein,  als  Zeichen  ein  und  desselben  Lautes  betrachten;  so 
ist  im  nachfolgenden  Beispiel  geschehen,  in  welchem  die  Noten  die  weifsen 
(Unter-)  Tasten  auf  dem  Fortepiano  bezeichnen. 

[i] 


2 


Die    Tonleiter. 
Fortlaufende  Wiederholung  der  ersten  sieben  Töne. 


C^SS» 


Untersuchen  wir  jetzt  das  erste  Beispiel  genauer,  das  den  Namen 

diatonische  Tonleiter 
führt. 

Wenn  wir  die  Tasten  auf  dem  Fortepiano  betrachten,  so  stofsen  wir  zwi- 
schen dem  ersten  Tone,  C,  und  dem  zweiten,  D,  auf  eine  schwarze  (Ober-) 
Taste,  welche  Cis  genannt  wird. 

Wir  wollen  nun  C—D  einen  ganzen  Ton  nennen,  weil  Cis  zwischen 
ihnen  in  der  Mitte  liegt. 

D — E  bildet  ebenfalls  einen  ganzen  Ton;  denn  zwischen  ihnen  steht  Dis. 

E — F  bildet  nur  einen  halben  Ton,  denn  es  findet  sich  zwischen  beiden 
keine  Taste. 

F — G  ist  ein  ganzer  Ton  — 
und  so  die  folgenden,  aufser  H — C,  das  nur  einen  halben  Ton  ausmacht. 

Um  dies  anschaulich  zu  machen,  wollen  wir  noch  einmal  die  Tonleiter 
niederschreiben  und,  wo  wir  einen  ganzen  Ton  finden,  den  dazwischen  liegen- 
den einfügen;  dies  stellt  sich  in  der  untern  Zeile  des  folgenden  Beispiels  dar, 
welche  die  aufsteigende  chromatische  Tonleiter  enthält. 

3 


ü 


S 


:0~ 


iS^O: 


:0=30: 


W=sä=o=9ä=M 


Wollte  man  unsere  Erklärung  haben:  „was  ist  die  diatonische  Tonleiter?" 
so  würden  wir  sie  so  beschreiben:  — 


Diatonische    Tonleiter.  8 

Die  diatonische  Tonleiter  besteht  aus  sieben  Tönen  und  einem 
achten*  welcher  nichts  anders,  als  die  Wiederholung  des  ersten  ist. 
Diese  Töne  folgen  einander  in  Schritten  von  ganzen  und  halben 
Tönen  und  die  letztern  finden  wir  vom  dritten  zum  vierten  *  und 
vom  siebenten  zum  achten  Tone. 
Auf  gleiche  Weise  werden  alle  diatonischen  Tonleitern  gebildet,  von  wel- 
chem Tone  sie  auch  anfangen  mögen. 

Setzen  wir  einmal  den  Fall,  die  Tonleiter  finge  bei  D  an. 

:J2_ 

_.  _.        .   .  . ;■  . 

4. 


-o — © — °: 


Wenn  wir  die  Tasten  auf  dem  Pianoforte  betrachten,  so  sehen  wir,  dafs 
in  der  obigen  Tonleiter,  wie  sie  hier  dargestellt  ist,  die  halben  Töne  nicht 
da  vorkommen,  wo  sie  sollten,  um  mit  der  Regel  und  dem  obigen  Vorbilde 
übereinzustimmen.  Wir  finden  sie  hier  in  dem  Schritte  vom  zweiten  zum 
dritten  und  vom  sechsten  zum  siebenten  Tone,  wie  die  Bogen  zeigen. 

Es  ist  daher  nöthig,  F  und  C  um  einen  halben  Ton  zu  erhöhen,  indem  wir 
jedem  dieser  Töne  ein  Erhöhungszeichen,  ein  Kreuz  (#)  vorsetzen.  Durch  diese 
Berichtigung  erhalten  wir 

Die  diatonische  Tonleiter  von  D. 


■-$ 


:#0=©=E°£ 


-IfO: 


-o — e 

E — F  war  zuvor  (im  vierten  Beispiele)  nur  ein  halber  Ton.  Allein  vom 
zweiten  zum  dritten  Tone  der  Tonleiter  soll  ein  Schritt  von  einem 
ganzen  Tone  sein.  Indem  wir  deshalb  dem  F  ein  Kreuz  vorsetzen  und  es 
um  einen  halben  Ton  erhöhen,  haben  wir  in  E — Fis  einen  ganzen  Ton  ge- 
wonnen, und  dieser  Theil  der  Tonleiter  ist  nun  berichtigt. 

Bei  H — C  begegnen  wir  demselben  Umstände  und  behandeln  ihn  genau  in 
derselben  Manier. 

Nun  begreift  sich,  warum  in  der  Tonleiter  von  D  zwei  Kreuze  gebraucht 
werden. 

Sie  sind  nöthig  um  die  ordentliche  Folge  und  Vorzeichnung  der 
diatonischen  Tonleiter  zu  erhalten. 

[1*] 


4  Tonart. 

Auf  die  hier  beschriebene  Weise  mufs  der  Schüler  in  der  richtigen  Bildung 
der  Tonleitern  fortfahren,  von  G*  As  E  und  H  anfangend,  von  denen  jede 
eine  verschiedene  Anzahl  von  Kreuzen  erfodern  wird. 

Der  erste   Ton  in  jeder  Tonart  keifst  Grundton. 

So  ist  im  letzten  Beispiele  D  der  Grundton,  und  alle  übrigen  Töne  dieser 
Tonart  werden  nach  dem  Anfangstone  D  bestimmt. 

Wenn  wir  bei  der  Lehre  von  der  diatonischen  Tonleiter  auf  das  dritte 
Beispiel  zurückkehren,  so  werden  wir  finden,  dafs  die  untere  Zeile  desselben 
zwölf  Töne  *)  (mit  Ausschlufs  des  letzten,  der  nur  eine  Wiederholung  des  er- 
sten ist)  enthält. 

Ein  jeder  dieser  zwölf  Töne  kann  als  Anfangston  zur  Bildung  einer  andern 
Tonleiter  angewendet  werden. 

Wir  wollen  zum  Beispiel  Fis  nehmen. 

Von  Fis  zu  G  ist  nur  ein  halber  Ton;  da  aber  das  Gesetz  der  diatoni- 
schen Tonleiter  erfodert,  dafs  von  ihrem  ersten  zum  zweiten  Ton  ein  Schritt 
von  einem  ganzen  Tone  geschehe,  so  müssen  wir  G  erhöhen,  indem  wir  ein 
Kreuz  davorsetzen. 

Aus  demselben  Grunde  müssen  wir  auch  vor  Aj  C,  D  und  E  Kreuze  setzen. 

Wir  bemerken  hier,  dafs  E  durch  seine  Erhöhung  um  einen  halben  Ton 
auf  dem  Fortepiano  ein  und  derselbe  Ton  mit  F**)  wird;  .Fmufs  in  dieser  Ton- 
leiter ebenfalls  erhöht  sein,  wodurch  wir  denn  das  gehörige  Intervall  eines  hal- 
ben Tones  vom  siebenten  zum  achten  Ton  in  der  Tonleiter  erhalten. 

Dasselbe  findet  bei  der  Bildung  der  Tonleiter  von  Cis  statt,  wo  man  H 
erhöht  und  damit  denselben  Ton  bekommt,  der  auf  dem  Fortepiano  C  heifst. 

Zur  Uebung  wollen  wir  noch  weiter  gehn  und  Tonleitern  bilden,  die  Dop- 
pelkreuze nöthig  haben;  zum  Beispiel  in  der  Tonleiter  von  Gis  bedürfen  wir 
eines  Doppelkreuzes  vor  F***).  In  der  Tonleiter  von  Dis  brauchen  wir  sowohl 
vor  F  als  C  Doppelkreuze. 


*)   Diese  Tonfolge,   die   in  lauter   Schritten  von  halben   Tönen  besteht,   heifst  chromatische 
Tonleiter. 

**)   Dies  nennt  man  enharmonischen  Tonwechsel.    Man  sehe  das  zweite  Beispiel. 

***)  Um  jede  Irrung  zu  vermeiden,  wenn  man  zwei  Kreuze  schriebe,  bedient  man  sich  dieses 
Zeichens  (x)  als  Doppelkreuz. 


Kreuze.  S 

Methode  _,  c?e/re  Gedächtnisse  die  Zahl  der  Kreuze  einzuprägen  *   welche 

jeder  Tonleiter  gebühren. 

Die  stets  gegenwärtige  Erinnerung  der  Vorzeichnung,  die  eine  jede  Tonart 
erfodert,  wird  allen  weitern  Fortschritten  bedeutend  förderlich  werden. 

Die  folgende  Methode,  diesen  Zweck  nach  Wunsch  zu  erreichen,  wird  hof- 
fentlich um  ihrer  Einfachheit  willen  nicht  weniger  annehmlich  sein;  die  Er- 
fahrung hat  bewiesen,  dafs  sie  jede  Schwierigkeit  beseitigt,  ja  dafs  sie  vielmehr 
ein  Gegenstand  angenehmer  Unterhaltung  selbst  für  Kinder  ist. 

Die  linke  Hand  werde  offen,  mit  der  Flache  gegen  das  Gesicht  gehalten; 
der  Ellbogen  soll  den  Namen  C  bekommen.     Der  Daumen  oder 


erste  Finger  soll  G 
zweite  Finger  -  D 
dritte  Finger  -  A 
vierte  Finger  -  E 
fünfte  Finger    -     H    heifsen. 


Der  fünfte' Finger  der  rechten  Hand  (um  den  Kreislauf  zu  vollenden),  soll 
F  heilsen. 

Indem  wir  den  Daumen  (G)  allein  emporhalten,  werden  wir  erinnert,  dafs 
die  Tonleiter  von  G  nur  ein  Kreuz  erfodert. 

Halten  wir  den  zweiten  Finger  (D)  empor,  ohne  den  Daumen  zurückzu- 
ziehen, so  erinnern  wir  uns,  dafs  in  der  Todeiter  von  D  zwei  Kreuze  sind. 

Wenn  der  dritte  Finger  (A)  mit  emporgehalten  wird,  so  sehen  wir  drei 
Finger  und  die  Tonleitet  von  A  hat  drei  Kreuze. 

Wieviel  Kreuze  sind  in  der  Tonleiter  von  El  Wir  erheben  den  vierten 
Finger;   das  macht  mit  den  drei  vorigen  vier,  und  wir  antworten:   vier. 

Wieviel  Kreuze  sind  in  der  Tonleiter  von  Hl     Fünf. 

Die  Reihenfolge  _,   in.   der  sich  die    Töne ,  welche  Kreuze  erfoder/ij   in 

jeder  Tonleiter  darbieten. 
In   dem  oben  für  die  Reihenfolge  der  Kreuze  beschriebenen  Kreis- 
laufe durch  die  Finger,  beginnen  wir  bei  dem  kleinen  Finger  der  rechten  Hand 
(F),  dann  folgt  der  linke  Ellbogen  (C),  dann  der  Daumen,  der  zweite,  dritte, 
vierte,   fünfte  Finger;  zum  Beispiele: 

Wenn  nur  ein  Kreuz  nöthig  ist,  So  mufs  das  Fis  sein  —  der  kleine  Fin- 
ger der  rechten  Hand. 


6  Hinabsteigende     Tonleiter. 

Zwei  Kreuze  müssen  Fis  und  Cis  sein. 

Die  Tonleiter  von  A  erfodert  drei  Kreuze,  Fis,  Cis  und  Gis. 

Die  Tonleiter  von  Fis  hat  sechs  Kreuze,  Fis,  Cis,  Gis,  Dis,  Ais 3  Eis. 

So  gehen  wir  rund  im  Kreise  herum. 

Setzen  wir  vor  den  Anfangston  einer  Tonleiter  ein  Kreuz,  so  fü- 
gen wir  den  zu  dieser  Tonleiter  gehörigen  Kreuzen  noch  sieben  zu ;  zum  Bei- 
spiel, die  Tonleiter  von  G  hat  ein  Kreuz  —  die  Tonleiter  von  Gis  erfodert 
deren  sieben  mehr,  das  heifst  acht  Kreuze  *). 

Nach  der  vorstehenden  Methode,  uns  der  zu  jeder  Tonleiter  nöthigen  Er- 
höhungen zu  erinnern,  sind  wir  in  den  Stand  gesetzt,  die  diatonischen  Tonlei- 
tern schneller  zu  bilden,  indem  wir  die  Kreuze  zusetzen,  wie  sie  sich  selbst  an 
den  Fingern  darbieten,  ohne  dafs  es  einer  Prüfung  der  Tonentfernungen  bedarf. 

Untersuchung  der  diatonischen  hinabsteigenden   Tonleiter. 

Wir  wollen  jetzt  die  hinabsteigende  Tonleiter  von  C  hinschreiben  und  fort- 
fahren, sie  in  derselben  Weise  zu  untersuchen,  wie  die  aufsteigende  Tonleiter. 


Von  C  zu  H  ist  ein  halber,  von  H  zu  A  ein  ganzer  Ton,  weil  zwischen 
beiden  eine  schwarze  Taste  liegt;  diese  schwarze  Taste  wird,  da  sie  einen  halben 
Ton  unter  H  liegt,  das  erniedrigte  H (Hes  oder  B)  genannt;  dieselbe  Taste  hiefs 
in  der  aufsteigenden  Tonleiter  Ais,  da  sie  sich  einen  halben  Ton  über  A  fand. 

Von  A  zu  G  ist  ein  ganzer  Ton.  Die  schwarze  Taste,  welche  wir  zwi- 
schen beiden  Noten  finden,  heifst  hier  As  und  nicht  Gis*  wie  vorher  in  der 
aufsteigenden  Tonleiter;  und  so  verhält  es  sich  mit  dem  Reste. 


*)  Da  die  diatonische  Tonleiter  nur  sieben  Töne  enthält,  so  müssen  einige  derselben,  wenn 
mehr  als  sieben  Kreuze  angewendet  werden  sollen,  deren  zwei,  oder  (wie  man  es  nennt)  ein 
Doppelkreuz  bekommen.  Die  Doppelkreuze  folgen  in  derselben  Ordnung,  wie  die  einfachen. 
Zum  Beispiel  in  der  Tonleiter  von  D  sind  zwei  Kreuze,  Fis  und  Cis;  in  der  Tonleiter  von  Dis 
sind  neun  Kreuze,   und  die  Töne,    welche  Doppelkreuze  erfodern,   sind  F  und  C. 


Erniedrungszeichen.  7 

Aus  dieser  Untersuchung  sehen  wir  die  hinabsteigende  chromatische  Ton- 
leiter entstehen,  in  welcher  Erniedrigungszeichen  (Bee,  b)  angewendet  werden. 
Mit  Bezug  auf  das  dritte  Beispiel  bemerken  wir,  dafs  bei  derselben  Tonleiter 
im  Hinaufsteigen  Kreuze  angewendet  worden  waren. 

Jeder  Ton  in  der  obigen  hinabsteigenden  chromatischen  Tonleiter  kann  als 
Anfangston  angenommen  werden.     Nehmen  wir  z.  B.  das  erniedrigte  E  (JS>). 


-Q O °- 


-%e- 


Wie  weit  ist  Es  von  i7  entfernt?     Einen  ganzen  Ton. 

Ist  dies  richtig?     Ja. 

Warum?  Weil  von  dem  ersten  zum  zweiten  Tone  der  Tonleiter 
ein  ganzer  Ton  sein  soll. 

Von  E  zu  G?     Ein  ganzer  Ton. 

Ist  dies  recht?     Ja. 

Von  G  zu  A?  Ein  ganzer  Ton.  Das  ist  nicht  recht,  denn  vom  dritten 
zum  vierten  Tone  der  Tonleiter  soll  nur  ein  halber  Ton  sein. 

Wie  sollen  wir  dies  (G  A)  zu  einem  halben  Ton  vermindern?  Dadurch, 
dafs  wir  ein  Erniedrigungszeichen  vor  A  setzen;  von  G  zu  As  ist  nur  ein  hal- 
ber Ton,  und  so  ist  es  richtig  —  man  sehe  das  folgende  Beispiel. 

Von  As  zu  H?     Das  ist  eine  Entfernung  von  drei  halben  Tönen. 

Was  soll  vom  vierten  zum  fünften  Tone  der  Tonleiter  für  ein  Intervall 
statt  finden?  Nur  von  zwei  halben  Tönen,  oder,  mit  andern  Worten,  von 
einem  ganzen  Tone. 

Wie  können  wir  dies  (As*  //,)  auf  einen  ganzen  Ton  zurückbringen?  In- 
dem wir  vor  H  ein  Erniedrigungszeichen  setzen.  Von  As  zu  Hes  ist  nun  ein 
ganzer  Ton,  und  dies  ist  richtig. 

Wie  weit  ist  nun  Hes  von  C?     Einen  ganzen  Ton  und  dies  ist  recht. 

Von  C  zu  D?     Dasselbe. 

Von  D  zu  E?  Ein  ganzer  Ton.  Dies  ist  unrichtig,  denn  von  der  sieben- 
ten zur  achten  Stufe  soll  sich  nur  ein  halber  Ton  finden. 

Wie  ist  dies  zu  berichtigen?  Dadurch,  dafs  wir  vor  E  ein  Erniedrigungs- 
zeichen setzen;  so  bekommen  wir  denselben  Ton,  wie  den  eisten,  und  haben 
die  vollständige 


Erniedrung-szeichen. 
Tonleiter  von  Es. 


s-  ffi — "L      :m     ^—hä=^a — m 


-feO — o 


Wenn  der  entgegengesetzte  Effekt  der  Erhöhungs-  und  Erniedrigungszei- 
chen —  als  die  Grundlage,  auf  der  die  diatonische  Tonleiter  gebaut  ist  — f  klar 
begriffen  worden:  so  kann  es  unmöglich  noch  eine  Schwierigkeit  haben,  auf 
jedem  gegebenen  Anfangston  eine  Tonleiter  zu  errichten,  und  es  wird  eine 
nützliche  Uebung  sein,  Tonleitern  zu  achreiben,  die  Doppel -Erniedrigungen 
(Doppelbee)  erfodern.     Zum  Beispiel 


,      ^~   8 


i 7±==ss±    tiprrjüm: 


f  "  • "  ^Ä^i^cg^^6^^ 


Warum  ist  das  Doppel-Z?  vor  H  gesetzt?  Weil  es  nöthig  war,  //um  zwei 
halbe  Töne  zu  erniedrigen;  denn  von  As  zu  H  sind  drei  halbe  Töne  und 
von  dem  dritten  zum  vierten  Tone  der  Tonleiter  soll  nur  ein  hal- 
ber sein. 

Methode  j   sich   mittels  der  Finger  die  Erniedrigungszeichen  zu  merken, 
die  in  jeder  Tonleiter _,  und  die  Ordnung  y  in  der  sie  'vorkommen. 

Die  Erniedrigungszeichen  folgen  in  umgekehrter  Ordnung,  wie  die  Kreuze. 

Bei  dem  Kreislaufe  durch  die  Finger  begannen  wir  vorher  bei  C  (das  wir 
die  natürliche  Tonleiter  nannten,  weil  es  weder  Erhöhungs-  noch  Erniedrigungs- 
zeichen nöthig  hat),  schritten  zuerst  zum  Daumen,  G,  fort,  wo  ein  Kreuz  nö- 
thig ist,   dann  zum  zweiten  Finger  D,    mit  zwei  Kreuzen  u.  s.  w. 

Bei  den  Tonleitern  mit  Erniedrigungszeichen  befolgen  wir  nun  die  umge- 
kebrte  Ordnung;  wir  beginnen,  wie  zuvor,  mit  C,  gehen  aber  dann  zuerst  zu 
dem  fünften  Finger  der  rechten  Hand  und  sagen:  F  erfodert  ein  Erniedri- 
gungszeichen. Dann  kommen  wir  zum  fünften  Finger  der  linken  Hand  (H), 
welches,  weil  es  nun  folgt,  erniedrigt  werden  mufs.  So  bestimmen  wir  denn 
für  die  Tonleiter  von  Hes  zwei,  für  Es  drei,  für  As  vier,  für  Des  fünf,  für 
Ges  sechs  und  für  Ces  sieben  Erniedrigungszeichen. 

Bei  dem  Kreisläufe  durch  die  Finger  haben  wir  gefunden,  dafs  die  erste 
Note  mit  einem  Kreuze  F  ist,  der  fünfte  Finger  der  rechten  Hand;  die  zweite 
Note  C,    die  dritte  G  u.  s.  w. 

Die 


En  harmonischer    Tonwechsel.  9 

Die  Reihenfolge  der  Erniedrigungszeichen  fangen  wir  mit  dem  fünften  Finger 
der  linken  Hand  (H)  an. 

Soll  nur  ein  Ton  erniedrigt  werden,  so  mufs  es  H  sein;  sollen  zwei  er- 
niedrigt werden,  Hes  und  Es;  drei,  Hes,  Es  und  As;  und  so  fahren  wir  fort, 
den  Weg  umgekehrt  durch  den  Zirkel  nehmend.     Dies  kann  man  so  üben. 

Wieviel  Erniedrigungszeichen  sind  zu  der  Tonleiter  von  Des  erforderlich? 

Mau  hebe  den  fünften  Finger  der  rechten  Hand  auf;    dann 

-  fünften 

\>  der  linken  Hand. 
dritten 

-  zweiten  (Z))  - 

Diese  fünf  Finger  zeigen  an,  dafs  zu  der  Tonleiter  von  Des  fünf  Erniedrigun- 
gen gehören. 

Welche  Töne  werden  erniedrigt?  (Wir  beginnen  bei  dem  fünften  Finger 
der  linken  Hand,  machen  denselben  Kreislauf  und  antworten:)  Hes,  Es,  As, 
Des  und  Ges. 

Doppelbee  werden  in  derselben  Weise,  wie  Doppelkreuze,  gefunden. 

Die  Tonleiter  von  F  erfordert  ein  Erniedrigungszeichen; 

Die  Tonleiter  von  Fes  bedarf  deren  sieben  mehr,   das  heifst  acht. 

Die  Tonleiter  von  Es  erfordert  drei  Bee, 

Die  von  Eses  deren  zehn. 

Die  erste  Note  also,  die  ein  einfaches  Erniedrigungszeichen  hat,  erhält 
auch  das  erste  doppelte;  und  in  dieser  Folge  gehet  es  rings  durch  den  Kreis 
der  Finger  und  Töne. 

Enharmonischer  Tonwechsel. 

Man  wird  schon  bei  der  Erläuterung  der  aufsteigenden  (Seite  1.)  und  ab- 
steigenden (S.  6.)  diatonischen  Tonleiter  bemerkt  haben,  dafs  jeder  Ton  auf 
dem  Pianoforte  zwei  verschiedene  Benennungen  führt;  z.  B.  die  schwarze  Taste 
zwischen  G  und  A  kann  Gis  genannt  werden,  weil  sie  einen  halben  Ton  über 
G  liegt,   und  As,  als  halber  Ton,   unter  A. 

Dies  nennt  man  enharmonischen  Tonwechsel.  So  wird  Fis  durch  enhar- 
monischen  Tonwechsel  zu  Ges,  Ais  zu  Hes,  Des  zu  Cis  und  As  zu  Gis.  Auf 
gleiche  Weise  verwandelt  sich  His  enharmonisch  in  C  und  nach  derselben  Re- 
gel  mufs  Fes  derselbe  Ton,  wie  E,   sein.      Zur  Uebung  können  ganze  Tonlei- 

[2] 


10 


Enharmonische    Tonleiter. 


tern  enharmonisch  verwandelt  werden.     So  wird  die  Tonleiter  von  Dis  durch 
enharmonische  Verwandlung  zu  der  Tonleiter  von  Es. 


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10. 


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Wir  wollen  hier  die  Gelegenheit  wahrnehmen,  zu  zeigen,  auf  welche  Weise 
die  enharmonischen  Tonwechselungen,  wenn  sie  nach  der  chromatischen  Ton- 
leiter zusammengestellt  werden,  eine  enharmonische  Tonleiter  bilden,  ein  Ver- 
fahren, worauf  wir  in  der  Folge  zurückkommen  werden,  wenn  es  auch  für  den 
Augenblick  noch  keinen  praktischen  Nutzen  gewährt. 

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11. 


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p^^^ö^o^te^o^o^gjgi 


©#e*otfC#obo*©E 

Es  wird  dem  Gedächtnisse  nachhelfen  und  zugleich  eine  unterhaltende  Uebung 
gewähren,  wenn  wir  bemerken,  dafs  jede  Tonart  mit  einer  Vorzeichnung  von 
Kreuzen  bei  enharmonischer  Tonwechselung  so  viel  Bee  erfodert,  dafs  ihre  Zahl 
mit  der  der  Kreuze  12  ausmacht,  und  umgekehrt ;  also:  die  Tonleiter  Cis  hat 
sieben  Kreuze ;  enharmonisch  in  Des  verwandelt,  mufs  sie  folglich  fünf  Bee  erhalten. 

Die  Tonleiter  von  As  hat  vier  Bee;  enharmonisch  in  Gis  verwandelt,  mufs 
sie  acht  Kreuze  erhalten  u.  s.  w. 

Um  diese  Sache  noch  aus  einem  andern  Gesichtspunkte  zu  zeigen,  wollen 
wir  einen  Zirkel  in  12  gleiche  Theile  (die  die  12  Tonarten  vorstellen  sollen) 
folgendergestalt  theilen : 

Die  Nummern  von  1  bis  6  zur  rechten  Hand  zeigen  die  Tonarten  mit 
Kreuzen,  und  die  zur  linken  die  Tonarten,  in  welchen  Bee  vorgezeichnet  wer- 
den; beide  Reihen  fangen  bei  der  Tonart  C3  mit  Null  bezeichnet  —  weil  in 
ihr  weder  Kreuze  noch  Bee  vorgezeichnet  sind  —  an. 


Quintenzirkel. 


11 


Bei  diesem  Kreislaufe  der  Tonarten  von  C  aus  zur  Rechten  nehmen  wir 
wahr,  dafs  die  Tonart  von  G  ein  Kreuz,  D  zwei  Kreuze,  A  drei  Kreuze  hat. 

Schreiten  wir  zur  Linken  fort,  so  finden  wir  die  Tonart  F  mit  einem  Be, 
Hes  mit  zwei,  Es  mit  drei  Been  u.  s.  w. 

In  diesem  Zirkel  der  Tonarten  sehen  wir  die  auf  den  entgegengesetzten 
Wegen  fortlaufenden  Ziffern  in  6  zusammen  treffen;  hier  findet  von  selbst  eine 
enharmonische  Verwechselung  zwischen  der  Tonart  statt,  die  6  Kreuze  und  der 
die  6  Bee  hat,  welche  auf  dem  Pianoforte  derselbe  Ton  sind. 


yd 


O 

c" 


12. 


Eb 


«  3 


Wollten  wir  nichts  desto  weniger,  statt  bei  6  einen  enharmonischen  Ton- 
wechsel eintreten  zu  lassen,  unsern  Weg  rund  um  durch  den  Zirkel  (wie  bei 
Figur  13.)  fortsetzen,  so  würden  wir  alle  Tonarten  mit  Doppelkreuzen  und  Dop- 
pelbeen  durchwandern. 

h  & 


13. 


E!»  ö\9d* 


«S:5Hfö 


[2*] 


12 


Bildung    des    Dreiklanges. 


Dieses  Verfahren  macht  uns  auch  die  enharmonische  Verwechselung  jeder 
Tonart  anschaulich.     Zum  Beispiel: 

Die  Tonart  Ah  hat  10  Kreuze;  ihr  entspricht  in  enharmonischer  Verwech- 
selung fies,  welches  2  Bee  hat  u.  s.  w. 

Bildung  des  Dreiklanges. 

Haben  wir  zuvor  den  Inbegriff  der  Töne  in  der  Musik  mit  dem  Alphabet 
verglichen,  so  wollen  wir  jetzt  einen  Akkord  als  ein  Wort  ansehen. 

Eine  Verbindung  von  Buchstaben  bildet  ein  Wort. 

Eine  Verbindung  von  Tönen  bildet  einen  Akkord. 

Wir  wollen  eine  diatonische  Tonleiter  aufzeichnen,  den.  ersten,  dritten  und 
fünften  Ton  ausziehen,  und  einen  über  den  andern  schreiben  —  welches  die 
Art  und  Weise  ist,  mehrere  Töne,  die  zusammenklingend  gehört  werden  sol- 
len,  zu  notiren. 


Der  Dreiklang  j  gezogen  aus  der  Tonleiter. 


*p 


'JZ£ 


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I  £  » 

Welchen  Dreiklang  wir  auch  aufschreiben  lassen  (das  mufs  wohl  gemerkt 
werden),  so  wollen  wir  immer  zuerst  die  Tonleiter  desselben  Tones  mit  den 
erforderlichen  Kreuzen  und  Been  hinschreiben,  alsdann  den  ersten,  dritten  und 
fünften  Ton  ausziehen  und  diese  über  einander  setzen,  wie  zuvor. 

Der  Dreiklang  auf  A,  gezogen  aus  der  Tonleiter  von  A. 

Einer  solchen  Zusammensetzung  kann  jederzeit  der  achte  Ton  (die  Oktave) 
zugefügt  werden,   der  nichts  ist,   als  eine  Wiederholung  des  ersten. 


Dreiklang  'von  Es. 


Bässe    der    Dreiklänge. 


13 


Nach  einer  hinlänglichen  Uebung  in  diesem  Ausziehen  der  Dreiklänge  aus 
den  verschiedenen  Tonleitern,  kann  man  aufhören,  diese  jederzeit  erst  aufzu- 
schreiben, und  statt  dessen  unbedenklich  gleich  den  Akkord  hinsetzen.  Wenn 
zum  Beispiel  der  Akkord  auf  E  verlangt  wird,  so  schreibt  man  den  ersten, 
dritten  und  fünften  Ton  einen  über  den  andern  und  erhält  so  E,  G  und  H. 

Da  aber  die  Tonart  von  E  vier  Erhöhungen  (Eis,  Cisj  Gis  und  Dis)  hat, 
und  G  in  dem  aus  dieser  Tonleiter  genommenen  Akkorde  erhöht  ist,  so  mufs 
der  Akkord  von  E  also  berichtigt  werden.     E,  Gis  und  H*). 

TT    a— >T 


17. 


ifcggs: 


tt 


-fli 


Bässe  der  Dreiklänge. 

Jeder  Akkord,  nehmen  wir  an,  hat  einen  Bafs,  auf  dem  er  gegründet  ist  **). 

Dieser  Bafston,  der  auch  Grundbafs  genannt  wird,  ist  jederzeit  auch  der 
erste  Ton  der  Tonleiter,  aus  der  der  Akkord  genommen;  so  ist  z.  B.  der 
Bafs  (Grundbafs)  des  Akkordes  von  C,  C,  der  Grundbafs  des  D- Akkordes  ist 
D  u.  s.  w.  Von  nun  an  wollen  wir  die  Bafsnoten  der  Akkorde  auf  eine  be- 
sondere untere  Linie  schreiben;   auf  diese  Art. 


16. 


{ 


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m 


35k 


-CS8- 


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an 


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:0: 


-fe©- 


fl 


Wir  betrachten  jederzeit  die  Bafsnote  als  die  erste,  von  der  alle  andern 
ausgehen,  und  die  nächste  tiefe  Note  des  Akkordes,  die  wir  zuvor  mit  1.  be- 
zeichnet haben,  wird  jetzt  zur  Oktave  der  Bafsnote.  Wir  wollen  sie  künftig 
stets  mit  8  bezeichnen,  wie  in  dem  letzten  Akkorde  des  vorigen  Beispiels. 

Es  wird  als  Uebung  empfohlen,  zuerst  in  der  Bafslinie  eine  Anzahl  von 
Noten  aufzuzeichnen  und  darauf  (in  der  nächsten  oder  oberen  Notenzeile)  den 


*)  Es  ist  für  manches  spätere  nützliche  Vorhaben  sehr  zu  empfehlen,  dafs  man  bei  dem  Nen- 
nen der  Töne  eines  Akkordes  jederzeit  einen  bestimmten  Nachdruck  auf  das  Wort  „und"  lege. 
**)  Dies  wird  weiterhin  genauer  erklärt  werden. 


14        Drei    Lagen    des    Dreiklanges,   —   Harmonie. 

jedem  Tone  eigentümlichen  Akkord  in  der  oben  beobachteten  "Weise  und  mit 
Beibehaltung  der  Tonfolge  3  zuzufügen. 


Die  drei  Lagen  des  Dreiklanges. 

So  wie  bisher  der  Dreiklang  geschrieben  -worden,  ist  der  fünfte  Ton  der 
Tonleiter  (die  Quinte)  jederzeit  als  höchster  Ton  erschienen.  Nun  können  aber 
die  drei  Töne  dieses  Akkordes  ihre  Stellen  wechseln,  das  heifst:  der  dritte, 
fünfte  und  achte  Ton  der  Tonleiter  (die  Terz,  Quinte  und  Oktave)  mögen  nach- 
einander an  der  obersten,  untersten  und  mittlem  Stelle  in  Akkorde  erscheinen. 


19.  ) 


0h: 


M 


5-8-, 


."O: 


Ä 


Bi 


Ä 


jO: 


TT 


Merken  wir  uns:  wenn  der  dritte  Ton  (die  Terz)  zu  oberst  steht,  so  nen- 
nen wir  das  die  erste  Lage  des  Akkordes. 

Wenn  der  fünfte  Ton  (die  Quinte)  zu  oberst  steht,  so  ist  dies  die  zweite 

—  und  wenn   die  Oktave   der  höchste  Ton,  so  ist  dies  die  dritte  Lage  des 

Akkordes  *). 

Melodie  und  Harmonie. 

Melodie  ist  eine  Folge  verschiedener  einzelner  Töne. 


:0=tP: 


■5     Q    I   P 


5 


3-  -P    ~ — rs-e-hf 


-tSr 


20. 


P 


Harmonie  ist  eine  Folge  von  verbundenen  Tönen,  —  von  Akkorden. 


21. 


-JD—pr. 


--Cr- 


=t 


:Ct=t 


iCtletc. 


*)  Der  Grund  dieser  Ordnung  wird  sich  weiterhin  bei  dem  69sten  Beispiel  ergeben. 


Grundbässe    der    Tonleiter. 


15 


Solch  eine  Akkordfolge  ist  ähnlich  einem  Satz  in  der  Sprache,  der  eine 
Folge  von  Worten  ist;  und  wie  unter  den  Worten  eines  Satzes  ein  gewisser 
Zusammenhang  sein  mufs,  um  einen  Sinn  zu  geben:  so  ist  eben  so  nothwendig, 
dafs  eine  Akkordfolge  auf  gleiche  Weise  in  sich  zusammenhänge.  Die  Verbin- 
dung erfordert  in  diesem  Falle,  dafs  sich  jederzeit  wenigstens  ein  Ton,  welcher 
es  auch  sei,  in  dem  vorhergehenden  Akkorde  finde,  und  in  den  unmittelbar 
folgenden  Akkord  übergehe,  wie  dies  in  dem  vorstehenden  Beispiele  durch  Bo- 
gen angezeigt  ist. 

Eine  Melodie  nennen  wir  harmonisirt  (in  harmonischen  Zusammenhang  ge- 
bracht), wenn  sie  passend  mit  Akkorden  begleitet  ist.  Bevor  wir  aber  die  pas- 
senden Akkorde  erkennen  können,  ist  vor  allem  nöthig 

Die  Grundbässe  der  Tonleitern  aufzufinden. 

Wir  wollen  die  Tonleiter  als  eine  Melodie  annehmen,  die  harmonisch  be- 
gleitet werden  soll;  behufs  der  Art  und  Weise,  die  Grundbässe  zu  finden,  wol- 
len wir  über  die  Noten  wiederholt  die  Ziffern  8,  5,  3  schreiben,  wie  im  fol- 
genden Exempel 


22. 


:0: 


8 

-©- 


5 

-O- 


3 

.o. 


Da  die  Ziffer  8  über  der  ersten  Note  steht,  so  mufs  der  achte  Ton  (die 
Oktave)  unten  als  Bafs  hingeschrieben  werden. 

Die  5  über  D  zeigt  an,  dafs  die  fünfte  Note  unten  in  den  Bafs  gesetzt 
werde.  Dafs  man  dies  im  Anfange  richtig  ausführe,  fange  man  bei  dem  Tone 
(d)  selbst  an,  zähle  ihn  für  1  und  fahre  so  fort  durch  2,  3,  4,  5  beim  fünften 
Tone  unter  D  ( dieser  ist  dann  G)  aufhörend.  Dieses  G  schreibt  man  dann  un- 
ter D  unten  in  die  Bafszeile.  So  werden  die  übrigen  Töne  behandelt,  wie  in 
diesem  Beispiele  vollständig  ausgeführt  ist. 


IG 


Tonika    —    Ober-    und    Unter  dominant 


23. 


{ 
[ 


:Cn 


SS    .    -Q-.,  ,  .  -Q-   ,    M, 


Bz: 


ICE 


TS~ 


"O" 


:cc 


:0: 


Dies  sind  nun  die  Grundbässe  zur  Tonleiter. 

Es  ist  wohl  zu  bemerken,  dafs  als  Grundbässe  nur  drei  verschiedene  Töne 
vorkommen.  C  ist  viermal,  G  zweimal  und  F  ebenfalls  zweimal  gebraucht 
worden. 

Jeder  dieser  drei  Grundbässe  hat  seinen  besondern  Namen* 

Der  erste  heifst  Tonika,  und  ist  allemal  derselbe  Ton,  welcher  der  Ton- 
art ihren  Namen  giebt;  so  hatten  wir  im  obigen  Beispiele  die  Tonleiter  von  C, 
folglich  mufs  die  Tonika  in  dieser  Tonleiter  C  seyn. 

Der  zweite  Fundamentalbafs  heifst  Dominante,  weil  er  alle  Fortschrei- 
tungen der  Modulation  dominirt  (beherrscht);  die  Dominante  ist  aber  nichts 
anders,  als  der  fünfte  Ton  in  der  aufsteigenden  Tonleiter;  und  man  kann  sich 
seiner  daran  erinnern,  dafs  er  der  zweite  Ton  ist,  der  bei  der  Benennung  des 
Dreiklanges  jederzeit  nach  dem  stark  betonten  Wort  „und"  genannt  werden  soll. 

So  sage  man,  wenn  die  Dominante  der  Tonart  C  gefunden  werden  soll, 
den  Akkord  von  C,  nämlich  C,  E  und  G —  her;  da  ergiebt  sich,  dafs  G  die 
Dominante  ist. 

Der  dritte  Fundamentalbafs  heifst  Unterdominante*).  Er  findet  sich  in 
der  Tonleiter  unmittelbar  unter  der  Dominante,  oder  —  wenn  man  dies 
leichter  fafst:  er  liegt  einen  ganzen  Ton  unter  der  Dominante, 

In  der  Tonart  von  C  (im  vorigen  Beispiele),  ist  F  die  Unterdominante, 
weil  F  der  ganze  Ton  unter  der  Dominante  G  ist. 

Die  Grundbässe  zu  den  andern  Tonleitern  sind  auf  dieselbe  Weise  zu  fin- 
den (und  das  wird.,  oder  ist  eine  guteUebung),  wobei  man  stets  die  im  Beispiel  21. 
gefundenen  Bässe  im  Auge  behalten   mufs.     Wir  wollen  jetzt  die  Stufen   der 

Ton- 


fr)  Unterdominante ;  wie  man   denn  zum   Gegensatze  derselben  die  Dominante  auch  Oberdo- 


minante  nennt. 


Tonleiter     mit     Grundbässen. 


17 


Tonleiter  nach  ihrer  ordentlichen  Pieihenfolge  mit  1  —  2 — 3  —  4 — 5  —  6  —  7  —  8 
bezeichnen  und  nun  sehen,  welche  Töne  von  der  Tonika,  Dominante  und  Un- 
terdominante  begleitet  werden. 


i 


Ton.      Domin.     Ton.    Unt.-Dom.     T.       Unt.-D 


D. 


:Qi 


T. 


Bi: 


:0=J 


:0: 


:Oi 


Hier  sind  die  Bässe  angewendet,  die  wir  im  21sten  Beispiele  aufgefunden 
haben  und  bei  näherer  Betrachtung  finden  wir, 

dafs  der  lste,  3te,  5te  und  8te  Ton  der  Tonleiter  von  der  Tonika 

-  2te  -     7te     -  -  -       -     Dominante 

-  4te  -     6ste    -  -  -       -     Unterdomiuante 
begleitet  sind. 

Die  Grundbässe  für  andere  Tonleitern  sollen  von  nun  an  nur  auf  diese 
Weise  gefunden  werden,  und  wir  geben  den  Gebrauch  der  zuerst  angewendeten 
Ziffern  8,  5,  3,  jetzt  auf. 

Wir  wollen  zum  Beispiel  die  Tonart  A  vornehmen. 

Da  müssen  wir  zuerst  untersuchen,  welches  die  drei  zu  dieser  Tonleiter 
gehörigen  Bafsnoten  sind. 

Die  Tonleiter  ist  die  von  A\   so  mufs  A  auch  die  Tonika  sein. 
Der  Akkord  von  A  heilst  A,   Cis  und  E;   folglich  ist  E  die  Dominante. 
Einen  ganzen  Ton  unter  E,  steht  D;  folglich  ist  D  die  Unterdominante. 
Haben  wir  die  Tonart  A  in  der  obern  Zeile  aufgeschrieben,   so   schreiben 
wir  nun  zur  Aufzeichnung  der  Bässe,  indem  wir  sie  so  bestimmen: 

A,  der  erste  Ton  der  Tonleiter   ist  begleitet  von  der  Tonika A 

H,     -     zweite     -  -  -  -  -  Dominante E 

Cis,  -     dritte      -  -  -  -       -     Tonika A 

i),     -     vierte      -  -  -  -       -     Unterdominante.  .  D 

.     E,     -     fünfte      -       -  -  -  -  Tonika A 

Eis,  -     sechste    -  -  -  -  -       -     Unterdominante  .  .  D 

[3  ] 


18 


Vorzeichnung. 


Gis ,  der  siebente  Ton  der  Tonleiter  ist  begleitet  von  der  Dominante .  .  .  E 

A,       -    achte  -        -  -  -      -     Tonika A 

Dies  sind  die  für  die  Tonart  A  erforderlichen  festzustellenden  Bässe: 


:#C 


-#Q— fc40 


m 


:0: 


25. 


< 


D. 


Unt.-D. 


Unt.-D. 


D. 


T. 


~S- 


ICE 


:Q: 


:Q— : 


In  gleicher  Weise  sind  die  Bässe  der  andern  Tonleitern  aufzuzeichnen. 
Ehe  "wir  zu  andern  Melodien  fortgehen,  wollen  wir,  um  uns  bei  ihnen  die 
Sache  zu  erleichtern,  hier  erklären,  was  man  unter 

T^orzeichnung 

versteht. 

Yorzeichnung  ist  das  Zeichen,  an  welchem  die  Tonart  erkannt  wird.  Sie 
besteht  aus  den  für  die  Tonart  erforderlichen  Kreuzen  oder  Been,  die,  statt  vor 
jede  Note  im  Laufe  des  Tonstückes  (was  für  Komposition  und  Ausführung  man- 
cherlei Unbequemlichkeit  haben  würde),  zu  Anfang  jeder  Zeile  aufgezeichnet 
werden. 

Wenn  wir  nun  künftig  eine  Melodie  in  der  Tonart  G  schreiben  (in  wel- 
cher jedes  F  erhöht  werden  mufs),  so  wollen  wir  —  statt  vor  alle  F,  so  oft 
uns  deren  im  Laufe  der  Melodie  vorkommen,  Kreuze  zu  setzen  —  nur  zu  An- 
fange jeder  Zeile  ein  Kreuz  setzen,  welches  dazu  dienen  soll,  jedes  F,  das  sich 
in  derselben  findet,  zu  erhöhen.  Geht  also  die  Melodie  aus  Hes,  so  werden  wir 
vor  den  Anfang  der  ersten  Zeile  zwei  Bee  setzen  müssen,  nämlich  eines  auf  die 
dritte  Linie,  wo  H  geschrieben  wird,  das  andre  über  die  vierte  Linie,  wo  E 
steht.  Auf  gleiche  Weise  wird  mit  den  übrigen  Tonleitern  verfahren  und  man 
mufs  darauf  sehen,  die  Kreuze  oder  Bee  in  derselben  Folge  aufzuschreiben,  in 
der  sie  an  den  Fingern  erscheinen;   also 


±ü±*=* 


±= 


-Jsi 


:fc 


Grundbässe     zu     andern     Melodien. 


19 


Aufsuchung  der  Grundbässe  zu  andern  Melodien. 

Bisher  haben  wir  nur  die  aufsteigende  Tonleiter  als  das  Thema  betrachtet, 
zu  dem  Bässe  aufzusuchen  wären;  jede  andere  Tonfolge  mufs  genau  auf  die- 
selbe Weise  behandelt  werden. 

Wenn  keine  andern  Töne  vorkommen,  als  die  zu  der  gegebenen  Tonleiter 
oder  Tonart  gehörigen,  so  sagt  man,  die  Melodie  sei  in  dieser  Tonart  geschrie- 
ben. Zum  Beispiel  in  dem  folgenden  Notensatze  kommen  keine  andern  Töne 
vor,  als  die  zur  Tonleiter  von  C  gehören;  folglich  sagen  wir,  dafs  die  Melodie 
aus  der  Tonart  C  geht. 

Wir  erkennen  dies  auch  daran,  dafs  zu  Anfang  der  Zeile  weder  Kreuze 
noch  Bee  vorgezeichnet  sind  —  was  das  natürliche  Kennzeichen  der  Tonart 
von  C  ist  *). 

Sobald  wir  über  die  Tonart  vergewissert  sind,  müssen  wir  uns  die  in  ihr 
vorkommenden  drei  Grundbässe  zurückrufen. 

In  der  Tonart  C 
ist  C  die  Tonika,  welche  zur  Begleitung  des  ersten,   dritten,  fünften  und  ach- 
ten Tones, 

G  ist  die  Dominante,  welche  zur  Begleitung  des  zweiten  und  siebenten, 

F    -  Unterdominante,  welche  zur  Begleitung  des  vierten  und  sechsten 

Tones  der  Tonleiter  angewendet  worden  ist. 

Haben  wir  die  Aufgabe,  eine  gegebene  Melodie  harmonisch  zu  begleiten, 
so  müssen  wir  sie  Ton  für  Ton  durchgehen  und  bei  jedem  bemerken,  der  wie- 
vielste er  in  der  Tonleiter  ist.  Sobald  wir  das  wissen,  haben  wir  auch,  nach 
der  Anweisung  zum  22sten  Beispiel,  den  für  jeden  Ton  erforderlichen  Bafs  auf- 
gefunden. 


=zy=c=t=:=o=i 


Der   erste   Ton,   C,  ist  der  erste  oder  achte  der  Tonleiter  und  erfordert 
die  Tonika  als  Bafs. 


*)  Eine  Bemerkung,  die  hier  zu  machen  wäre,  sei  auf  einen  gelegenern  Ort  verspart. 

[3*] 


20 


Akkorde    zu    den'  Grundbässen. 


Der  folgende  Ton,  Ht  ist  der  siebente  in  der  Tonleiter  und  erfordert  die 
Dominante;   u.  s.  w.  *) 

Hat  man  sich  erst  durch  hinlängliche  Uebung  eine  Fertigkeit  erworben, 
aufzufassen,  welcher  Theil  der  Tonleiter  jeder  Ton  ist:  so  mag  die  Bezifferung 
der  Melodie  unterbleiben t  und  ohne  Weiteres  der  Bafs  unter  jede  Note  ge- 
setzt werden,,  während  wir  die  Töne  selbst  untersuchen  —  nämlich: 


f 


cp& 


t=C 


hrS, 


sss 


ICE 


:PPE 


%-. 


'Pß- 


t 


% 


-O- 


27.< 


e=Eä 


S 


et 


-O^ 


Wir  bemerken:  diese  Melodie  steht  in  der  Tonart  von  F,  mit  einem  Be 
als  Vorzeichnung.  Die  erste  Note  F  ist  die  Oktave  in  der  Tonleiter  und  ver- 
langt die  Tonika  F  zum  Basse. 

Die  zweite  Note  G  ist  die  Sekunde  (zweite  Note  der  Tonleiter)  und  fordert 
die  Dominante  zum  Basse. 

Die  dritte  Note  F  ist  die  Oktave  und  fordert  zu  ihrem  Basse  die  Tonika. 

E  ist  die  siebente  Stufe  der  Tonleiter  und  verlängt  die  Dominante  etc.  etc. 

Die  Akkorde  zu  den  Grundbässen  zu  schreiben.. 

Haben  wir  die  Grundbässe  zu  einer  Melodie  aufgefunden,  so  bestimmen  sie 
uns  die  Akkorde,  mit  denen  jeder  Ton  begleitet  werden  mufs. 

Der  Akkord  jedes  Bafstones  mufs  unter  die  Note  der  Melodie  geschrieben 
werden,,  welche   selbst   eines  der  Intervalle  im  Akkorde  ist. 

Um  dies  zu  üben,  wollen  wir  noch  einmal  die  Tonleiter  von  C  hinschrei- 
ben, dann  den  Bafs,  wie  zuvor,  darunter  setzen,  und  hierauf  die  Akkorde  hin- 


zufügen :   also 


2.8-. 


Sä s-25 — + r 


3 

8. 

i-A— + 


8 
5     ii 

'-FH 


:F 


m 


-©- 


s 


jO=I. 


=C- 


:©: 


*_;  Eine  Ariwlil  verschiedener  Melodien,,  zur  Uebung  dieser  und  künftiger  Grundbässe,  wird 
im  Anhange  mitgotheilt  zum  Gebrauch  beim  Selbstunterricht  und  um  Lehrern  den  Zeitverlust;,  liir 
jeden.  Schüler  Beispiele-  zu  schreiben',    zw  ersparen.! 


Quinten-    und    Oktavenfolge.  21 

Der  erste  Bafston  ist  C,  folglich  mufs  der  Akkord  C,  E  und  G  keifsen. 
Da  die  Oktave  bereits  in  der  Melodie  steht,  fügen  wir  die  Terz  E  und  die 
Quinte  G  zu  und  so  ist  der  Akkord  vollständig;  jederzeit  finden  wir  die  Me- 
lodie in  der  höchsten  Note,  und  schreiben  die  andern  Noten  so  nahe  wie  mög- 
lich darunter. 

Es  ist  rathsam,  die  Akkordtöne  in  der  Ordnung  unterzuschreiben,  in  wel- 
cher wir  gewöhnt  worden  sind,  sie  auszusprechen.  So  mufs  beim  zweiten  BaU- 
tone  G  der  Akkord  heifsen  G.,  //"und  D;  wir  schreiben  zuerst  G,  dann  H  — 
das  D  liegt  bereits  in  der  Melodie. 

Auf  diese  Weise  übe  man  sich  an  verschiedenen  heraufsteigenden  Tonlei- 
tern und  auch  an  den  zu  diesen  Endzweck  geschriebenen  Melodien  *).  Es 
wird  empfohlen,  die  Erinnerung  an  die  drei  Lagen  des  Grundakkordes  (die  Seile 
14.  erklart  worden  sind)  oft  aufzufrischen,  und  im  Laufe  der  Uebungen  anzu- 
merken,  in  welcher  Lage  jeder  Akkord  geschrieben  wird. 

Quinten-  und  Oktavenfolge: 

Jetzt  wollen  wir  insbesondere  die  Verkettung  der  Akkorde  im  obigen  Bei- 
spiele (28.)  untersuchen,  welche  mit  Bogen  bezeichnet  ist. 

Wir  bemerken,  dafs  das  G  im  ersten  Akkorde  einen  Theil  des  zweiten 
Akkordes  ausmacht  und  ebenfalls  in  den  dritten  Akkord  übergeht.  C  in  die- 
sem dritten  Akkorde  ist  das  Verbindungsglied  desselben  mit  dem  vierten  u.  s.  w. 

Aber  keine  Verbindung  findet  sich  zwischen  dem  sechsten  und  siebenten 
Akkorde;  Hier  ist  nach  unserer  obigen  Erklärung  der  Zusammenhang  des  Satzes 
unterbrochen,  und  wenn  man  ihn  spielt,  so  wird  man  ihm  dies  auch  anempfin- 
den.  Der  Fehler  liegt  darin,  daCs  hier  eine  Quinten-  und  Oktavenfolge  statt 
hat.  Für  jetzt  können  sie  in  den  Uebungen  über  die  Tonleitern  auf  diesem 
Punkte  stehen  bleiben;  die  Stelle,  wo  sie  uns  aufstofsen,  soll  mit  einem  x  be- 
zeichnet werden. 

Wir  wollen  jetzt  diesen  Fehler,  und  die  Art  ihn  zu  vermeiden,  erklären. 

Gehn  wir  zu  dem  letzten  Beispiele  zurück  und  nehmen  an,  dafs  vier  Per- 
sonen diese  harmonische  Fortschreitune  singen. 

Die  erste  Person  bat  alle  höchsten  Noten  der  Akkorde  (die  in  diesem 
Beispiel  aus  der  Tonart  C  herrorgehn)  zu  singen,  Diese  Tonfolge  soll  die  erste 
Stimme  lieifsen. 


*)  Man  sehe  die  Uebungen,    erste  Klasse. 


22 


Die     vier    Stimmen. 


Die  zweite  Stimme  übernimmt  die  Reihe  der  zunächst  unter  den  obersten 
belegenen  Noten. 

Die  dritte  Partie  besteht  aus  der  zunächst  über  dem  Basse  befindlichen 
Tonreihe.  — 

Die  vierte  Partie  endlich  ist  der  Bafs,  oder  die  letzte  Notenreihe,  die  in 
dem  benannten  Beispiel  auf  die  abgesonderte  Bafszeile  *)  geschrieben  ist. 

Nun  soll  einmal  jede  dieser  Partien  wirklich  als  eine  solche  auf  eine  be- 
sondere Linie  geschrieben  werden,  diejenigen  Noten,  die  zugleich  gesungen 
werden,  eine  über  die  andere;  das  heifst:  der  Akkord  jeder  Bafsnote  soll  stets 
genau  über  ihr  zu  stehen  kommen.     Jetzt  stellt  sich  das  28ste  Beispiel  so  dar 

Sopran 


Alt 


29. 


Tenor 


Bass         *     Q : : 


Dies  ist  nichts  anders  als  eine  Ausdehnung  desselben  Beispiels  nach  einem 
grofsern  Maafsstabe. 

Um  die  Uebersicht  der  über  jede  Bafsnote  geschriebenen  Akkorde  zu  er- 
leichtern, haben  wir  quer  durch  die  Linien  Taktstriche  gezogen;  wenn  die  ver- 
schiedenen Stimmen  eines  Tonsatzes  so  auf  besondere  Zeilen  gesetzt  sind,  sagt 
man,    die  Musik  sei  in  Partitur  gesetzt. 

In   welcher   Weise   wir  "nun   auch   die   künftigen  Beispiele  abgefafst  finden, 


*)  Die  erste  oder  oberste  Partie  heifst  bald  Oberstimme,  bald  Sopran,  bald  Diskant, 

zweite  obere                 -  -       Alt  (auch  zweiter  Sopran), 

dritte         -                     -  Tenor, 

vierte  oder  unterste     -  -       Bafs. 


Vermeidung    der    Oktavenfolge. 


23 


stets  wollen  wir  die  Ansicht  festhalten,  dafs  jede  besondere  Notenreihe 
eine  besondere  Partie  (Stimme)  ist,  und  ihre  eigene  besondere 
Fortschreitung  beobachtet.  Und  es  mag  hier  auch  bemerkt  werden,  dafs 
jede  besondere  Stimme,  da  sie  eine  Folge  von  einzelnen  Tönen  ist,  Melodie 
genannt  werden  darf. 

Wenden  wir  uns  zu  dem  obigen  Beispiel  (29.)  zurück,  und  zwar  zur  sechsten 
Note  der  Tonleiter,  so  finden  wir  im  Alt  (in  der  zweiten  Partie)  ein  F,  welches 
mit  8  bezeichnet  worden,  weil  es  die  Oktave  der  Bafsnote  ist;  in  derselben 
Stimme  ist  die  unmittelbar  darauf  folgende  Note  wiederum  die  Oktave 
vom  Bafstone.     Hier  haben  wir  eine  Oktaven  folge. 

Im  Tenor  (der  dritten  Stimme)  finden  wir  ein  C,  welches  die  Quinte  des 
Bafstones  ist;  und  in  derselben  Partie  ist  der  unmittelbar  darauf  fol- 
gende Ton  wiederum  die  Quinte  des  Bafstones.    Dies  ist  eine  Quintenfolge. 

Man  merke  sich :  obwohl  Oktave  und  Quinte  im  Zusammenhang  eines 
Tonsatzes  in  jedem  Akkorde  gebraucht  werden  mögen,  so  darf  doch  keins 
dieser  Intervalle  in  denselben  Stimmen  zweimal  unmittelbar  hinter  ein- 
ander vorkommen. 

Im  obigen  Beispiele  (29.)  entdeckten  wir  die  fehlerhafte  Oktavenfolge  in 
der  zweiten  Stimme,   und  die  fehlerhafte  Quintenfolge  in  der  dritten. 

Es  ist  zu  merken,  dafs  diese  Fehler  jederzeit  vorfallen,  sobald  der  Bafs  mit 
der  Oberstimme  eine  Stufe  hinauf  oder  hinab  fortschreitet. 

Nachdem  wir  erklärt  haben,  worin  der  Fehler  besteht,  wollen  wir  ihn  auch 
sofort  vermeiden  lernen. 


Vermeidung  der  Oktaven  folge. 

Man  behalte  den  Ton,  der  im  ersten  Akkorde  eine  Oktave  war,  im  zwei- 
ten bei,  wo  er  denn  zu  einer  Septime  (dem  siebenten  T'öne)  wird. 


30., 


i 


-8-<=>- 


:0:s: 


m 


:Oi 


iO: 


24 


Vermeidung     der     Quin  tehfo  Ige.: 


Hier  ist  die  Oktavenfolge  vermieden,  weil  dem  F  nicht  gestattet  worden, 
nach  G  fortzuschreiten,  wie  zuvor.  Dafs  dieses  deutlicher  in  die  Augen  falle, 
ist  die  Tenorpartie  in  diesem  Beispiele  ausgelassen.  Warum  wir  die  Septime 
haben  im  zweiten  Akkorde  hören  lassen,  wenn  dieser  jetzt  eintritt,  soll  erklärt 

werden,  sobald  wir 

Die  Vermeidung  der  Quintenfolge 

gezeigt  haben. 

Zu  dem  Zweck  befolge  man  diese  Regel:  wenn  der  Bafs  eine  Stufe  hin- 
aufsteigt,  mufs  jederzeit  die  Quinte  eine  Stufe  hinabsteigen. 

Im  Beispiel  29.  steigt  der  Bafs  bei  dem  Fortschreiten  der  Tonleiter  vom  fünf- 
ten zum  sechsten  Ton  eine  Stufe;  in  dem  Tenor  sehen  wir  aber  die  Quinte 
(C),  die  nach  D  hinaufsteigt.  Lassen  wir  sie  statt  dessen  eine  Stufe  hinab- 
steigen nach  H,  und  der  Fehler  wird  verbessert  sein,  wie  in  dem  folgenden 
Beispiele,  in  dem  wir  übrigens.,  aus  dem  schon  oben  angeführten  Grunde  die 
Altpartie  ausgelassen  haben. 

(_jGl       ■&       !£■        O. 


>,{ 


E>iz=3: 


:0: 


-Oii 


ms===; 


b 


-O- 


0==:, 


.jO. 


m 


c 

:©: 


253- 


Haben  wir  aber  hier  die  Quinte  im  Alt  dn  die  Terz  hinabsteigen  lassen,  so 
sind  wir  nicht  gehalten,  die  ganze  Zeit  durch,  in  der  der  Akkord  auf  G  er- 
klingt, auf  dieser  zu  verweilen.  Ein  H  finden  wir  ohnedem  schon  in  der  Ober- 
stimme und  so  .mögen  wir  wieder-  zur  lelzten  Note  des  Akkordes  (der  Quinte, 
wie  bei  b  *)  hinaufsteigen.. 

So  ist  die  Quituenfolge  —  und  beides.,  die  Oktaven-  und  Qüintenfolge  in 
einem  Beispiele.,  wie  bei  c  **)  vermieden. 

Man   bemerke.,   dafs  wir   in   den   drei  vorstehenden  Fällen  den  letzten  Ak- 
kord .nicht  .ausgefüllt  lieben;',   die  Ursacli  wird  sich  finden,,  wenn  wir  von 
Der  wesentlichen  oder  üawptseptime 


Hau 


dein. 


Un- 


*)  Man  sehe  hierbei  auch  das  40ste  Beispiel. 
**j  Man  sehe  die  Unterrichtsmethode. 


Dominant  -Akkord    —    dessen    Auflösung.  25 

Unsere  Harmonien  haben  bisher  allein  aus  Dreiklängen  bestanden  (das 
heifst  aus  Akkorden,  die  nur  aus  den  Intervallen  Terz,  Quinte  und  Oktave  mit 
ihrem  Grundtone  gebildet  sind),  bis  wir  bei  der  Vermeidung  der  Quinten-  und 
Oktavenfolge  ein  neues  Intervall  eingeführt  haben;  die  Septime  nämlich,  die 
so  genannt  wird,  weil  sie  der  siebente  Ton  vom  Bafstone  aus  ist.  Wir  müs- 
sen aber  dabei  wohl  bemerken,  dafs  diese  Septime,  die  wir  die  wesentliche  oder 
Hauptseptime  nennen,  nicht  der  siebente  Ton  der  Tonleiter  ist,  sondern  sich 
stets  einen  ganzen  Ton  unter  der  Oktave  ihres  Basses  *)  findet. 

Dieses  Intervall  heifst  herrschende  (dominirende)  Septime,  oder  Do- 
minante; wenn  es  in  einem  Akkord  eingeführt  ist,  so  heifst  dieser  kurzweg 
Dominant  -  Akkord  und  mufs  zur  Tonika  fortschreiten. 

Bisweilen  heifst  diese  Septime  auch  die  zugefügte  Septime,  weil  sie  ei- 
nem vollständigen  Dreiklange  zugefügt  wird,  wie  wir  sie  zuvor  hergeleitet  haben. 

So  haben  wir  in  den  Beispielen  30.  und  31.  c  zu  dem  Akkorde  auf  G  die 
Hauptseptime  F  zugefügt,  die  sich  einen  ganzen  Ton  unter  der  Oktave  des 
Basses  findet. 

So  wird  der  Akkord  auf  G  durch  Zufügung  der  Hauptseptime  zu  einem 
Dominant-Akkorde  und  schreitet  zur  Tonika  C,  dem  nächsten  Akkorde  fort. 

Bei  der  Fortschreitung  zur  Tonika  ist  das  Eigne,  dafs  jedes  Intervall  des 
Akkordes  auf  der  Hauptseptime  (des  Dominant -Akkordes)  seinen  eignen  und 
bestimmteu  Gang  hat;    dies  nennt  man  die  Auflösung. 

Eine  befriedigende  Erklärung  dieses  Umstandes  wird  sich  am  schicklichen  Orte 
ergeben;  für  unsern  gegenwärtigen  Zweck  genügt  uns  an  der  einfachen  B.egel  zur 

Auflösung  des  Hauptseptimen- Alikordes. 

Die  Septime  des  Akkordes  mufs  eine  Stufe  hinabsteigen, 

-  Quinte      ----- 

-  Terz  -  -  .         _        -       hinaufsteigen. 

Nach  dem  was  hier  in  Betreff  der  Septime  gesagt  ist,  kann  man  nun  ein- 
sehen, warum  wir  dieselbe  im  Beispiel  30.  eine  Stufe  haben  hinunter,  zum  E 
im  folgenden  Akkorde,  schreiten  lassen. 

Wenden  wir  uns  zum  Beispiel  31.  c  zurück. 

Der  Akkord  auf  G  ist  durch  die  Einführung  der  Septime  zum  Dominant-Ak- 
korde geworden  und  mufs  als  solcher  in  den  Akkord  der  Tonika  C  fortschreiten. 


*)  Die  gründliche  Erklärung  findet  sich  bei  der  Anleitung  zur  Modulation. 

[4] 


26  Zergliederung     der    Dreiklänge. 

Die  Terz  soll  eine  Stufe  hinaufsteigen.  H  zu  oberst  des  Akkordes  ist 
die  Terz  und  mufs  als  solche  eine  Stufe,    nach  C,    hinaufsteigen. 

Die  Septime  soll  eine  Stufe  hinabsteigen.  F  ist  diese  Septime;  sie  mag 
also  eine  Stufe,  nach  E  im  folgenden  Akkorde,  hinabgehen.  Dieser  Akkord  ist  im 
Beispiel  31.  nicht  ausgefüllt  worden;  wir  wollen  also  liier  die  Auflösung  vollenden. 


So  ist  alles  richtig.     H,  die  Terz,  steigt  nach  C  hinauf, 

F,  die  Septime,  fällt  nach  E  hinab, 
und   D,  die  Quinte,  fällt  nach  C  *)  hinab. 

Der  letzte  Theil  dieses  Vortrages  wird  später  kurz  wiederholt  werden.  Dem 
Lernenden  aber  empfehlen  wir,  alles,  was  er  bisher  gelernt  hat,  in  vielfachen  Uebun- 
gen,  in  denen  Quinten-  und  Oktavenfolgen  vorkommen  müssen,  und  zum  Beispiel 
der  Bafs  eine  Stufe  steigt,  sich  anzueignen  und  dem  Gedächtnisse  einzuprägen.  Die 
drei  letzten  Töne  der  verschiedenen  Tonleitern  werden  zu  diesem  Zwecke  dienen. 

Diese  Fehler  nun  müssen  künftig  sorgfaltig  vermieden  Averden,  ayo  sie  sich 
in  der  harmonischen  Begleitung  einer  Melodie,  wie  bei  dem  Beispiel  So.  a  finden» 

Zergliederung  der  Dreilüange. 

Im  Laufe  dieser  Uebungen  wird  es  uns  einige  Unterhaltung  gewähren,  wenn 
wir  hier  die  mannigfaltigen  Gestaltungen  aulweisen,  die  blos  durch  die  Arer- 
schiedene  Art,    ein  und  denselben  Akkord  zu  spielen,    hervorgebracht  werden. 

In  einem  Worte  von  drei  Silben  wird  jede  Silbe  besonders  ausgesprochen  — 
nichts  desto  weniger  bleibt  es  immer  noch  ein  Wort. 

Eben  so  kann  jeder  der  drei  Töne/eines  Dreiklanges  besonders  angegeben 
werden,  ohne  claCs  im  Geringsten  die  Natur  des  Akkordes**)  verändert  würde. 
So  in  diesem  Beispiele 


*•)  Wir  bemerken,  dafs  die  herabsteigende  Septime  und  Quinte  den  Scblufsakkord  unvermeid- 
lich ohne  Quinte  lassen 

**)  Diese  erläuternde  Vergleichung  darf  natürlich  nicht  weiter  durchgeführt  werden  ,  da  die 
Silben  eines  Wortes  nicht,    wie  die  Töne  eines  Akkordes,   Versetzung  zulassen. 


33. 


7!  .     . 

Zergliederung     der     Dreiklänge. 

-es—* — I-,- — l-i-* — t>-# — I \-ä * 1 1- 

-ä *: 


27 


-m — i—  * 1-3—» — ^-» — i - 


?^T-0: 


Ein  aus  drei  verschiedenen  Tönen  bestehender  Akkord  kann  in  sechs  ver- 
schiedenen Tongruppen  dargestellt  werden,  wenn  man  die  Ziffern,  womit  wir 
die  Intervalle  bezeichnen,  in  dieser  Reihe  85385  einander  folgen  läfst.  Um  die 
erste  Gruppe  von  drei  Tönen  zu  bilden,  schreibe  man  zuerst  die  Oktave,  dann 
die  Quinte  und  endlich  die  Terz  des  Akkordes.  Man  verbinde  diese  miteinan- 
der und  gehe  dann  weiter  zur  Bildung  einer  andern  Gruppe  von  drei  Tönen, 
die  mit  der  Quinte  anfangt.;   also 

die  erste  Gruppe  zeigt  8,5,3, 
-    zweite       -  -       5,3,8, 


-     dritte 


3,8. 


a. 


Behufs  der  folgenden  drei  Gruppen  kehre  man  die  obige  Folge  um,  be- 
ginne bei  der  letzten  Ziffer,  5,  und  gehe  von  der  rechten  zur  linken  Hand 
fort,  zu  der  8  und  zuletzt  zur  3.  In  dieser  Weise  verfahren  wir  bei  der  Zer- 
gliederung des  Akkordes  auf  C,  zu  unterst  den  Grundbafs  schreibend,  darüber 
den  Akkord,  der  auf  jenen  gebaut  ist,  und  in  die  oberste  Zeile  die  sechs  Ver- 
änderungen; und  da  dieses  Verfahren  in  jeder  der  drei  Lagen  des  Akkordes 
seine  Anwendung  findet,   so  wollen  wir  es  ganz  hier  ausführen. 

jgt  gff  rN    -X  r""i  Ihl 


In  dieser  Weise  werden  nun,  wenn  eine  Tonleiter,  oder  eine  andere  Me- 
lodie harmonisch  zu  begleiten  ist,  die  Akkorde,  in  ihre  Bestandteile  zergliedert, 
angewendet,  indem  man  irgend  eine  Zergliederungsart  als  Vorbild  nimmt  und 
nach  ihr  den  ganzen  Uebungssatz  durch  verführt,  jede  Gruppe  von  Töne  so  oft, 

[4*] 


I 


28 


Fi.  gurirung. 


als  die  Dauer  des  Akkordes  erlaubt,  wiederholend.  Wir  wollen  hier  Beispiels- 
weise eine  Melodie  in  zergliederter  Harmonie  darstellen  und  dazu  die  tiefste, 
dann  die  mittelste ,  zuletzt  die  höchste  Note  jedes  Akkordes  an  einander  reihen. 


35./ 


t==t 


ÖEtdEÖ 


J-< 


Jetzt  wollen  wir  die  Tonleiter  von  C  nehmen  und  mehrere  Veränderungen 
darüber  schreiben. 


*-*-*-*! 


*)  Dieses  Zeichen  dient  zur  Abkürzung  des  Schreibens  und  bedeutet,  daß  die  vorige  Noten- 
gruppe wiederholt  werden  soll. 


'« 


Bafsbeziferung    für    die    Hauptseptime.  29 

Es  werden  nun  andere  Tonleitern  und  Melodien  zur  Uebung  in  solcher 
Figurirung  genommen;  dies  verspricht  uns  in  Kurzem  grofsen  Vortheil,  da  es 
schon  so  früh  eine  Vorstellung  giebt,    wie  Variationen  geschrieben  werden. 

Da  diese  Anweisung  zu  figuriren  hier  zunächst  nur  zum  Vergnügen,  um 
einige  Abwechselung  in  die  Uebungen  zu  bringen,  eingeführt  ist:  so  dürfen 
wir  durch  ihre  weitere  Fortsetzung  den  Fortgang  des  Hauptvortrages  nicht  lan- 
ger unterbrechen. 

Wir  wollen  uns  daher  zurückwenden  zu  dem  was  über  den  Akkord  auf 
der  Hauptseptime  Seite  25  und  26.  gesagt  worden  ist;  —  nachdem  wir  dies 
nochmals  durchgenommen  haben,   gehen  wir  dann,  wie  folgt,  weiter. 

Fortsetzung  der  Lehre  über  die  Hauptseptime.  —  Bafsbezifferung. 

Es  ist  schon  zuvor  erwähnt  worden,  dafs  diese  Septime  einen  ganzen  Ton 
unter  der  Oktave  gefunden  wird,  und  jedem  Dreiklange  zugefügt  werden  kann. 
Nur  wollen  wir  hier  anmerken,  dafs,  wo  wir  diese  Zufügung  der  Septime  un- 
ternehmen, die  Bafsnote  mit  der  Ziffer  7  *)  bezeichnet  wird. 

Die  unbezifferte  Bafsnote  weiset  uns  nur  auf  den  Dreiklang,  mit  Oktave, 
Ouinte  und  Terz,  der  darüber  geschrieben  werden  sollte;  die  Bezifferung  des 
Basses  mit  7  belehrt  uns,    dafs  die  Septime  noch  zugefügt  werden  mufs. 

Diese  Ziffer  mufs  die  Stelle  der  Note  in  jeder  Beziehung  vertreten;  so  dafs, 
wenn  die  Note  ein  Erniedrigungszeichen  erfordert,  auch  vor  die  Ziffer  ein  sol- 
ches gesetzt  werden  mufs  u.  s.  w. ,  wie  in  den  folgenden  Beispielen  zu  sehen  ist. 

Es  bedarf  kaum  der  Bemerkung,  dafs  die  Septime  dem  Dreiklange  zuge- 
fügt werden  kann,  in  welcher  Lage  dieser  auch  geschrieben  sei,  wie  in  dem 
folgenden  Beispiele: 


Hier   erblicken  wir  (bei  a)   dafs  vor  die  Ziffer  7  ein  Erniedrigungszeichen 


*)  Es  ist  gleichgültig,  ob  diese  Ziffer  über  oder  unter  die  Bafsnote  geschrieben  wird. 


30  Auflösung     des     Septimen    -Akkordes. 

gesetzt  ist;  deswegen  nämlich,  weil  die  Hauptseptime  in  diesem  Akkorde  ein 
solches  erfordert,  damit  sie  einen  ganzen  Ton  unter  der  Oktave  stehe.  Alle  an- 
dern Intervalle  des  Akkordes  sind  mit  Ziffern  bezeichnet,  nur  nicht  über  dem 
Basse  angeschrieben,  weil  keines  von  ihnen  ein  Kreuz  oder  B  erfordert;  dies 
ist  nun  überall  so  zu  nehmen,  dafs  die  Terz,  Quinte  und  Oktave  über  jeder 
Bafsnote  gespielt  werden  sollen. 

Bei  (b)  bemerken  wir  die  Notwendigkeit,  den  Bafs  mit  einem  Erniedri- 
gungszeichen vor  der  5  zu  beziffern,  weil  die  Quinte  im  Akkorde  ein  solches 
fordert.  Diese  Bezeichnung  mufs  deshalb  den  Bafsnoten  zucrefüet  werden,  weil 
sie  durch  dieses  Mittel  so  verständlich  werden,  rlafs  wir,  wenn  der  Akkord  wirk- 
lich weggenommen  wäre,  uns  im  Stande  befänden,  ihn  vollkommen  richtig 
blos  nach  der  Bafsbezifferung  wieder  aufzuschreiben. 

Wenn  sonach  die  Quinte  eines  Akkordes  ein  B  erfordert,  so  setzen  wir 
über  die  Bafsnote  eine  5  mit  einem  B  davor.  Erfordert  die  Terz  ein  Erniedri- 
gungszeichen, so  ist  es  genug,  dafs  wir  das  b  über  den  Bafs  schreiben;  denn 
unter  allen  Musikern  ist  angenommen,  dafs  ein  über  die  Bafsnote  gesetztes  zu- 
fälliges *)  Erhöhungs-  oder  Erniedrigungszeichen  stets  als  auf  die  Terz  des  Ak- 
kordes Bezug  habend  angesehen  werden  soll. 

Sind  bei  Bezifferungen  Kreuze  anzuwenden,  so  machen  wir  blos,  statt  sie 
vor  die  Ziffer  zu  setzen,  einen  Strich  durch  dieselbe  —  dies  sehen  Avir  im  Nach- 
stehenden angewendet. 


38 


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I 


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6- 


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Auflösung  des  Septimen- Akkordes. 

Es  ist  schon  zuvor  bemerkt  worden,  dafs  ein  Dreiklang  durch  Zufügung  de*- 
Septime  zum  Dominant  -  Akkorde  ^\ird  und  dafs  wir,  wenn  wir  ihn  hören, 
ein  unwiderstehliches  Verlangen  fühlen,  zur  Harmonie  der  Tonika  fortzu- 
schreiten. 


*)  Zi;f;'il!ig  heifsen  die  vorkommenden  und  nicht  zur  Tonart  gehörigen  ßee  oder  Kreuze. 


Auflösung     des     Septimeu    -   Akkordes. 


31 


Wir  -werden  uns  an  diesem  Orte  nicht  in  eine  philosophische  Untersuchung 
über  den  Urgrund  dieses  Verlangens  vertiefen;,  genug,  es  ist  eine  Thatsache  und 
um  dieses  Verlangen  nicht  unbefriedigt  zu  lassen,  sehen  wir  es  als  ein  Gesetz 
für  harmonische  Fortschreitung  an,  dafs  der  Hauptseptimen -Akkord  so  aufge- 
löset  werde: 

Die  Terz  des  Akkordes  hat  ein  offenbares  Verlangen 

einen  halben  Ton  zu  steigen  (B.  39a). 
Die  Septime  des  Akkordes  hat  ein  gleiches  Verlangen, 

einen   halben   Ton   zu   fallen    (B.  39£). 
Die  Oktave  ist  keiner  Bewegung  zugeneigt 

und     bleibt    an    ihrer    Stelle    (B.  39c). 


Die  Quinte  ist  ebenfalls  unentschieden  und  mag  entweder  fallen  (Beispiel 
40  d)  oder  steigen  (40  e).  Im  Allgemeinen  wird  es  für  das  Beste  befunden,  sie 
hinabsteigen  zu  lassen. 

Lassen  wir  nun  diesen  Akkord  fortschreiten,  wie  er  es  selbst  zu  verlangen 
scheint,  so  werden  wir  als  folgenden  Akkord  jederzeit  den  Dreiklang  auf  der 
Tonika  finden,   wie  in  dem  folgenden  Beispiele  bei  F. 


(dj 


(e) 


40. 


|*zrr©s: 


, — 5 


\~ 


BiEE^EEE: 


1-7 


\7 


:Q: 


C  ist  die  Dominante  von  F,  dem  Grundtone  des  folgenden  Akkordes,  und 
ü  diesen  löst  sich  der  Dominant- Akkord  auf  C  auf. 


32  Kreisfolge     von     Dominant    -Akkorden. 

Beispiel  von  Auflösungen  des  Dominant- Akkordes  in  seinen  verschiedenen 

Lagen. 


Bei  der  Auflösung  des  Dominant -Akkordes  bestimme  man  zuerst  über  die 
Terz  in  demselben;  der  Ton,  zu  welchem  sie  fortschreitet,  wird  jederzeit  die 
Oktave  der  Tonika  sein,  deren  Akkord  folgen  mufs. 

Die  Tonika  wird  leicht  gefunden,  wenn  man  bedenkt,  dafs  ihre  Tonleiter 
ein  Kreuz  weniger,  oder  ein  B  mehr  hat,  als  die  auf  der  Dominante  errich- 
tete Tonleiter. 

Es  ist  von  gröfster  Wichtigkeit,  dafs  wir  in  dem  Gebrauch  und  der  Auf- 
lösung des  Dominant -Akkordes  vollkommen  geübt  sind.  Beginnen  wir  die  Reihe 
der  Uebungen  bei  C;  fügen  die  Septime  zu  und  gehen  (wie  wir  müssen)  nach 
F.  Fügen  wir  eine  Septime  zu  diesem  Akkorde,  so  bringt  uns  dieser  nach 
Hes;   so  gehen  wir  fort  durch  alle  Tonarten. 


42. 


1 


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Man 


Harmonie    in    vier    Stimmen. 


33 


Man  gebe  wohl  acht,  die  Bafsnoten  richtig  zu  beziffern;  da  aber  keine  Vor- 
zeichnung gesetzt  ist,  so  mufs  jedes  zufällige  Kreuz  oder  B,  dessen  wir  bedür- 
fen, besonders  vor  die  Note,  also  vor  die  Ziffer,  welche  die  Note  vertritt,  ge- 
schrieben werden. 

Als  Uebung  in  der  Vorzeichnung  der  Kreuze  wollen  wir  denselben  Weg, 
wie  im  vorigen  Beispiele,  noch  einmal  machen  und  zwar  bei  His  beginnend. 


Mit  der  Einführung  der  Hauptseptime  nimmt  die  Harmoniefolge  einen  be- 
stimmtem Karakter  an  und  gewinnt  in  der  That  einen  Gegensatz  von  Licht 
und  Schatten,  der  bei  einer  Folge  von  blofsen  Dreiklängen  nicht  erreichbar  ist. 
Die  Wichtigkeit,  diesen  Akkord  vollkommen  zu  verstehen,  kann  nicht  stark 
genug  ausgesprochen  werden;  aber  es  ist  unnöthig,  die  Beispiele  hier  aufzuhäu- 
fen. Dennoch  wird  dringend  empfohlen,  recht  häufig  die  Akkorde  zu  spielen 
—  mit  und  ohne  Septime,  bei  welcher  Beschäftigung  das  Ohr  sich  bald  gewöh- 
nen wird,  die  verschiedenen  Wirkungen  inne  zu  werden  und  zu  vergleichen. 

Harmonie  in  vier  Stimmen. 

Ein  Beispiel  hiervon  ist  schon  zuvor  im  Notensatz  29.  zu  sehen  gewesen, 
welches  wir  dort  in  Partitur  geschrieben  genannt  haben.  Bei  dieser  Ver- 
theilung  auf  abgesonderte  Notenzeilen  ist  die  Fortschreitung  in  jeder 
der  vier  Stimmen  deutlicher  zu  unterscheiden,  als  wenn  die  Harmonien  in  zwei 
Notenzeilen  zusammengedrängt  werden,  wie  wir  sie  bisher  zu  schreiben 
pflegten  und  wie  sie  stets  für  das  Pianoforte  geschrieben  werden. 

[5] 


s 


34 


Harmonie     in     vier     Stimmen. 


Obwohl  wir  uns  bei  unsern  Bemerkungen  zu  dem  oben  erwähnten  Beispiele 
ein  wenig  über  die  Art,  in  vier  Stimmen  zu  schreiben,  ausgelassen  haben:  so 
wollen  wir,  damit  dies  ganz  gefafst  werde,  es  hier  noch  aus  einem  ganz  andern 
Gesichtspunkte  darstellen. 


Hier  sind  die  Harmonien  in  der  obersten  Notenzeile  zusammengedrängt. 
Jetzt  lassen  wir  die  Melodie  allein  dastehen  und  versetzen  die  übrigen  Stim- 
men, jede  auf  eine  besondere  Zeile  in  der  ihnen  eigen  gebührenden  Stellung  — 
das  heilst:  jede  Note  immerfort  ihre  Stelle  gerade  unter  der  Melodie  (unter  der 
Note  der  Melodie,  die  sie  begleiten  soll)  behaltend: 

0-3  -0-3 

Sopran. 


Ah 


45. 


:  enor 


Bass 


T—  S3- 


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;— :=Ob: 


»5- 


=}:t:z±z:;: 


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"Q~ 


-I — imr 


^arrrrz 


:::=©=- 


_  ö- 


Zweite    Art,     Quinten    zu    vermeiden. 


35 


Die  Punkte,  die  jetzt  in  der  obersten  Zei]e  erscheinen,  bezeichnen  die  Stel- 
len, aus  denen  wir  die  Noten,  die  die  andern  Stimmen  ausmachen,  genommen 
haben. 

Der  eigentliche  Name,  unter  dem  jede  dieser  Stimmen  bekannt,  ist  am 
Piande  vorgeschrieben. 

Zur  Uebung  müssen  nun  noch  viele  andere  Tonleitern  genommen  und  in 
Partitur  harmonisirt  werden.  So  sind  bereits  auch  einige  Melodien  angewendet 
worden  *). 

Die  unzuläfsige  Fortschreitung  in  Quinten  und  Oktaven  mufs  natürlich  stets 
vermieden  werden.  Jene  Intervalle  dürfen  (wie  wir  bereits  erklärt  haben)  nie- 
mals zweimal  hinter  einander  in  unmittelbarer  Folge  in  denselben  Stimmen  er- 
scheinen; —  darum  werden  sie  stets  unter  einander  die  Plätze  wechseln;  jede 
Stimme  wird  sich  als  besondere  Melodie  mit  eigenthümlicher  Wirkung  darstel- 
len, und  die  Vereinigung  dieser  verschiedenen  Melodien  ist  es,  welche  die  voll- 
kommene Harmonie  hervorbringt. 

Nachstehendes  ist  eine  Melodie,  in  vier  Stimmen  harmonisirt. 


«Ua_**-&JLi_ 


Jn  diesem  Beispiel  (im  siebenten  Takte)  haben  wir  eine  andere  Weise,  die 
Quintenfortschreitung  zu  vermeiden,  angewendet:  wir  haben  den  Alt  und  Tenor 
die  Plätze  wechseln  lassen.  Wäre  Hes  im  Tenor  nach  C  fortgeschritten,  so 
würden  zwei   Quinten   in  unmittelbarer  Folge  in  denselben  Stimmen  erschienen 


sein;  dies  ist  auf  obige  Weise  vermieden. 


*)  Man  nimmt  liier  auf  die  erste  Klasse  der  Uebungen  im  Harmonisiren  Bezug. 

[5*] 


36        Einführung     der    Septime    in    Harmonie. 

Diese  Methode  werde  in  unsern  künftigen  Uebungeh,  wo  es  gelegen  ist, 
angewendet,  ohne  dafs  wir  uns  hier  in  weitere  Erörterung  darüber  einlassen  *). 

Einführung  der  Hauptseptime  in  vierstimmiger  Harmonie.     Zu  welchen 
Akkorden  die  Septime  in  harmonischer  Fortschreitung  gesetzt  werden 

kann. 

Es  ist  schon  zuvor  bemerkt,  dafs  wir  die  Septime  in  jeden  Akkord  einfüh- 
ren können;  das  heifst  aber,  wenn  wir  als  folgenden  Akkord  den  Dreiklang  auf 
der  Tonika  nehmen  können,  zur  gehörigen  Auflösung  der  Septime  **).  Es  ist 
deshalb  wohl  zu  merken,  dafs  wir  die  Septime  nicht  in  einen  Akkord  einführen 
dürfen,  dessen  Grundton  nicht  die  Dominante  zu  dem  unmittelbar  folgenden 
Akkorde  ist. 

„Wenn  der  Bafs  von  der  Dominante  zur  Tonika  schreitet,  können  wir 
die  Septime  in  dem  Akkord  auf  der  Dominante  einführen." 

Diese  Piegel  wird,  wenn  die  Fortschreitung  des  Basses  bestimmt  ist,  stets 
ein  sicherer  Führer  sein  und  leidet  keine  Abänderung, 

Wenn  wir  die  Septime  einzuführen  wünschen,  haben  wir  nur  zu  untersuchen, 
ob  der  Bafston  die  Dominante  des  unmittelbar  folgenden  Bafsaones  ist;  wo  sich 
das  findet,  mögen  wir  die  Septime  in  den  Akkord  einführen..  So  können  wir 
im  Beispiele  44.  eine  Septime  im  Akkorde  haben,  weil  der  Bafston  G  die  Do- 
minante vom  nachfolgenden  C  ist. 

Nun  wissen  wir  also,  in  welchem  Akkord  es  uns  freisteht,  eine  Septime 
einzuführen.     Jetzt  wollen  wir  untersuchen: 

In  welche  der  drei  Stimmen  über  dem  Basse  mufs  die  Septime  geschrieben 

werden  ? 

—  „Die  Septime  mufs  in  die  Stimme  gelegt  werden,    in  welcher  sich 
die  Auflösung  findet." 
Wenn   nun-  die   Septime  stets  in  die  Terz  des  folgenden  Akkordes  hinab- 
steigt,   so  brauchen  wir  nur  vorwärts  auf  den  nächsten  Akkord  zu  blicken;  in 
der  Partie,  wo   die  Terz  desselben  steht,  wird  auch  die  Septime  geschrieben 
werden,  müssen». 


*)   Dieser  Gegenstand  ist  in  einem  besondern  Artikel  vollständig  abgehandelt. 
**)  Ein  Mehreres  über  diesen  Gegenstand,  kün&ig. 


In     welcher    Stimme    sie    einzuführen. 


37 


So  ist  in  der  nachstehenden  Harmonisirung  der  Tonleiter  von  As  (Takt  3.) 
die  Septime  in  die  Tenorstimme  geschrieben,  weil  die  Terz  des  folgenden  Ak- 
kordes sich  in  derselben  befindet. 

In  dem  letzten  Takt  ist  die  Septime  eingeführt  worden,  um  verbotene  Quin- 
ten- und  Oktavenfolge  nach  unserer  zweiten  Methode  zu  vermeiden;  jedoch  sie 
findet  sich  in  derselben  Stimme,  in  der  die  Terz  des  folgenden  Akkordes  steht. 

"""  Cbf 
Sopran 


Ah 


47. 


Tenor 


Bass 


Wenn  wir  einem  Akkorde  eine  Septime  zufügen,  so  kann  uns  nicht  ver- 
borgen bleiben,  dafs,  wenn  unsere  Harmonie  jetzt  nur  aus  vier  Stimmen  be- 
steht, und  wir  eine  Septime  dazu  nehmen,  irgend  eine  der  vorigen  Noten  weg- 
bleiben mufs.  So  ist  im  obigen  Beispiel  (47.,  Takt  3.)  im  Tenor  die  Quinte 
weggelassen  und  ihre  Stelle  mit  einem  Punkte  bezeichnet  worden. 

Diesemnach  mufs  jedes  Intervall,  was  sich  eben  unmittelbar  vor  der  Terz 
des  Dreiklanges  auf  der  Tonika  findet,  ausgeworfen  werden,  um  der  Septime 
Platz  zu  machen. 

Wieder  auf  den  dritten  Takt  zurückzukommen :  —  wenn  uns  verstattet  wird, 
zwei  Töne  in  einer  Stimme  zu  nehmen,  so  können  wir  beide  anbringen,  und 
die  Zeit,  die  wir  bei  diesem  Takte  verweilen,  unter  ihnen  theilen,  wie  bei  (b), 
obwohl  hier  zu  bemerken,  dafs  eigentlich  keine  Quinte  vorhanden  ist,  sobald 
man  die  Septime  hört. 

Untersuchen  wir  jetzt  die  Bässe  im  obigen  Beispiel  (4X), 

Können  wir  zu  dem  ersten  Basse,  As,  eine  Septime  nehmen?  Nein,  weil 
As  nicht  die  Dominante  des  nächsten  Tones  ist. 

Können  wir  zu  dem  nächsten-  Basse,  Es-,  eine  Septime  nehmen?  Ja.  Denn 
Es  ist  die  Dominante  von  As,  welches  hier  folgt. 


s 


38 


Einführung     der     Hauptseptime. 


In  welcher  Stimme  soll  die  Septime  eingeführt  werden?  Sie  müfste  in  der 
Oberstimme  eintreten,  weil  in  dieser  die  Terz  des  folgenden  Akkordes  ist. 

Das  ist  ganz  richtig;  wenn  wir  aber  die  Septime  hier  einführten,  und  folg- 
lich die  in  dieser  Stimme  liegende  Note  auswürfen :  so  würden  wir  die  uns  zur 
Uebung  gegebene  Melodie  verändern.  Dies  ist  uns  aber  (für  jetzt)  nicht  ver- 
stattet; wir  sind  daher  in  solchem  Falle  gedrungen,  die  Septime  gänzlich  weg- 
zulassen,   obwohl  die  Bafsfortschreitung  sie  wohl  zugelassen  hätte. 

Im  fünften  Takte  stöfst  uns  ein  ähnlicher  Fall  auf;  da  die  Terz  des  fol- 
genden Akkordes  in  der  Hauptmelodie  zu  stehen  kommt,  so  können  wir  die 
Septime  nicht  einführen,   obgleich  die  Bafsfortschreitung  es  zulafst. 

Hier  übe  man  sich  nun  an  den  Scalen  anderer  Tonleitern,  vermeide  nach 
den  zwei  verschiedenen  Methoden  Quinten  und  Oktaven,  und  führe  gelegentlich 
die  Septime  ein,   wie  im  Beispiele  47.  b. 

Mehrere  Melodien  mögen  zu  dieser  Uebung  genommen  werden,  indem  man 
in  der  Art  und  Weise,  die  bereits  gelehrt  ist,  immer  fortfährt.     Also: 

Zuerst  schreibe  man  die  Bässe ;  —  darauf  die  Dreiklänge ;  —  vermeide  Quin- 
ten- und  Oktavenfolgen \  —  endlich  führe  man  die  Septimen  ein,  genau  prü- 
fend, wo  die  Bafsfortschreitung  sie  zulafst,  indem  man  den  Bafs  sorgfältig  be- 
ziffert und  darauf  sieht,  dafs  die  verschiedenen  Intervalle  des  Dominant- Akkor- 
des nach  ihrer  eigenthümlichen  Bestimmung  fortschreiten. 

Beispiel  einer 3  in  vier  besondern  Stimmen  mit  Zufügung  der  Hauptseptime 

zu  harmonisirenden  Melodie. 


Sopran 


Einführung    der     Hauptseptime.  39 

Dem  Schüler  wird  empfohlen,  das  vorstehende  Beispiel  sorgfältig  zu  un- 
tersuchen; zuerst  seine  eigenen  Bemerkungen  über  alles,  was  in  jedem  Takte 
vorkommt,  genau  zu  machen  und  sodann  jene  mit  den  nachfolgenden  Beobach- 
tungen zu  vergleichen. 

Im  ersten  Takte  haben  wir,  obwohl  der  erste  Bafston  die  Dominante  des 
zweiten  ist,  die  Septime  nicht  eingeführt,  weil  die  Terz  des  folgenden  Akkor- 
des im  Soprane  liegt.  Ueberdem  ist  es  nicht  gebräuchlich,  mit  einem  Septimen- 
Akkorde  anzufangen,   obgleich  auch  kein  absolutes  Gesetz  entgegensteht*). 

In  diesem  Takte,  wo  der  BaCs  eine  Stufe  steigt,  ist  verbotene  Quinten- 
und  Oktavenfolge  nach  der  zweiten  Methode  —  das  heilst;  dadurch,  dafs  die 
Stimmen  sich  kreuzen  —  vermieden  worden. 

Im  zweiten  Takt  erscheinen  im  Alte  zwei  Oktaven  in  unmittelbarer  Folge. 
Warum  hat  dies  geschehen  dürfen?  Weil  diese  Stimme  und  der  Bafs  in  ent- 
gegengesetzter Richtung  fortschreiten;  —  in  diesem  Falle  allein  ist  es  zu- 
läfsig  **). 

Im  fünften  Takte  scheinen  zwei  Akkorde  über  einer  Bafsnote  zu  stehen; 
es  ist  aber  derselbe  Akkord,    nur  in  zwei  Lagen. 

Im  siebenten  Takte  ist  die  7  nur  über  die  erste  Bafsnote  gesetzt-  Hier  ist 
anzumerken:  dafs  ein  Strich,  der  von  einer  Ziffer  über  andere  Bafsnoten  gezo- 
gen ist,  bedeutet:  dafs  das  von  jener  Ziffer  dargestellte  Intervall  zu  allen  Ak- 
korden fortdauern  soll,  über  die  der  Strich  sich  ausdehnt. 

Im  dritten  Takte  ist  in  den  Dreiklang  auf  C  eine  Septime  eingeführt  und 
gleichwohl  steigt  die  Terz  des  Akkordes  nicht  hinauf.  Dies  scheint  eine  Ab- 
weichung von  der  Regel  zu  sein;  wenn  die  Septime  eingeführt  ist,  mufs  die 
Terz  eine  Stufe  hinaufsteigen.  Der  Grund  ist  im  gegenwärtigen  lalle,  dafs, 
wenn  man  E  (die  Terz)  nach  F  hinaufsteigen  lassen  wollte,  dies  bei  der  Forl- 
schreitung  zum  folgenden  Akkorde  Gelegenheit  zu  verbotenen  Oktavenfolgen 
mit  dem  Basse  gäbe. 

Diesem  ist  nun,  wie  es  nur  immer  geschehen  kann,  zuvorzukommen,  ent- 
weder dadurch,  dafs  man  den  Bafs  von  F  nach  C  hinaufsteigen  und  entge- 
gengesetzte Bewegung  eintreten  läfst,  oder  dadurch,  dafs  man  dem  E,  der 


*)  Wünschten  wir  aber  die  Septime  in  den  ersten  Akkord  eines  Thema  einzuführen,  so  wird 
es  besser  sein,  denselben  erst  als  blofsen  Üreiklang  hören  und  die  Septime  nur  zu  seinem  letzten 
Theile  zutreten  zu  lassen  ,  wie  im  ersten  Takte  der  Beispiele  57  und  54. 

*'"_)  Weitere  Beobachtungen  hierüber  werden  sich  künftig  Enden. 


40  Entgegengesetzte    Bewegung. 

Terz  des  Akkordes,  gestattet.,  erst  nach  F  hinauf  und  unmittelbar  darnach  in 
demselben  Akkorde  nach  C  wieder  hinabzusteigen  *). 

Haben  wir  bei  der  obigen  Durchgehung  des  Beispiels  48.  der  entgegenge- 
setzten Bewegung  erwähnt,  so  ist  dies  hier  zu  erklären.  Entgegengesetzte  Be- 
wegung findet  zwischen  zwei  Stimmen  statt,  wenn  die  eine  von  ihnen  hinauf-, 
die  andere  hinabsteigt;  es  ist  wohl  zu  beachten,  dafs  bei  entgegengesetzter 
Bewegung  der  Stimmen  unmöglich  eine  unerlaubte  Fortschreitung  entstehen 
kann.  t 

jetzt  halte  der  Schüler  inne  und  überdenke  die  Fortschritte,  die  er  bis  hier- 
her gemacht  und  die  Wirkungen,  welche  er  im  Stande  ist.,  durch  die  Anwen- 
dung der  Materialien  die  wir  ihm  bis  jetzt  zugeführt  haben,  hervorzubringen. 
Dies  ist  ein  Verfahren,  welches  den  besten  Erfolg  hat  und  nicht  zu  früh,  oder 
zu  häufig  geübt  werden  kann. 

In  dem  bisherigen  Abschnitte  sind  wir  in  den  Stand  gesetzt  worden,  einzig 
durch  die  Anwendung  von  drei  Grundbässen  Melodien  zu  harmonisiren.  Es 
wird  erspriefslich  und  angenehm  sein,  den  Weg  zurückzublicken,  auf  welchem 
wir  bis  zu  diesem  Punkte  gelangt  sind. 

Nachdem  wir  Melodie  und  Harmonie  erklärt  hatten  (Seite  12.)  gingen  wir 
daran,  die  Grundbässe  zu  entdecken,  indem  wir  über  die  Tonleiter  die  Ziffern 
8 — 5  —  3  setzten;   hierbei  fanden  wir  denn:   dafs 

Terz,  Quinte  und  Oktave  der  Tonleiter  von  der  Tonika, 
Sekunde  und  Septime  ~  -  Dominante 

Quarte  und  Sexte  <-  -  -  Unterdominante 

begleitet  werden  — 
und  dies  nannten  wir  die  erste  Regel.,  die  Tonleiter  zu  begleiten. 

Mit  dieser  Regel  wurden  wir  in  den  Stand  gesetzt,  die  Grundbässe  zu  ei- 
ner gegebenen  Melodie  zuschreiben  (Beispiel  26,  27.).  Die  Akkorde  wurden 
zugesetzt  (Beispiel  28.)  welche  eine  Harmonie  in  vier  Stimmen  hervorbrachten 
(Beispiel  29.). 

Bei  der  Vermeidung  unzulässiger  Qktavenfolge  wurden  wir  auf  ein  neues 
Intervall,  die  Hauptseptiuie  aufmerksam  (Beispiel  30.),  welche  wir  auf  unterschied- 
liche Art  anwendeten,  um  neue  Wirkungen  hervorzubringen  und  das  Eintönige 
zu  vermeiden,  das  aus  einer  zu  häufigen  Folge  von  Dreiklängen  entsteht. 
— — -  --  * —  Haben 

*)  Man  sehe  Beispiel  52,  Takt  2  und  3. 


Zweite    Regel    für    Begleitung    der     Tonleiter.    41 

Haben  wir  uns  nun  selbst  zu  alle  den  Wirkungen  Yerholfen,  welche  durch 
die  Anwendung  der  drei  Grundbässe  hervorgebracht  werden:  so  wollen  wir  jetzt 
sehen  ob  wir  nicht  mit  einiger  Veränderung  in  der  Anwendung  eine  noch 
gröfsere  Verschiedenheit  der  "Wirkung  hervorbringen  können. 

Eine  Gelegenheit  bietet  sich  von  selbst  dar;  sie  geht  aus  der  Einführung 
der  Hauptseptime  hervor,  mit  der  der  Schüler  schon  bekannt  gemacht  ist. 

Wir  finden,  wenn  wir  es  untersuchen,  dafs  in  jeder  Tonleiter  die  Quarte 
nichts  anders,  als  die  Hauptseptime  auf  der  Dominante  ist:  folglich  können 
wir  ja  die  Quarte  der  Tonleiter  mit  der  Dominante  im  Basse  begleiten,  und  in 
dieser  einen  Note  von  der  ersten  Regel  abweichen.    Dies  nennen  wir 

Die  zweite  Regel  für  die  Begleitung  der  Tonleiter. 

Wenn  die  Quarte  der  Tonleiter  eine  Stufe  hinabsteigt,  so  mag  sie  mit 
der  Dominante  begleitet  werden. 

So  kann  denn  die  Quarte  der  Tonleiter  im  Hinabsteigen  künftig  mit 
zwei  Grundbässen  begleitet  werden,  um  zu  einer  erwünschten  Mannigfaltigkeit 
zu  führen, 

§EgEP_E p-p-" 


-1= 


£: 


:Q~1       O: 


:Cfc=t=Ct 


Diese  Regel  ist  im  folgenden  Beispiele  verdeutlicht. 


[6] 


42 


Zweite    Regel   — 


Wenn  wir  die  Harmonien  bei  (a)  schreiben,  so  sind  wir  gezwungen,  den 
Schlufsakkord  unvollständig  zu  lassen ,  weil  die  Terz  im  Dominantakkorde  hin- 
aufsteigen mufs.  Es  ist  daher  besser,  die  Quinte  im  Dominantakkorde  (wie 
bei  b  *)  auszulassen. 

Im  ersten  Takte  dieses  Beispiels  (b)  fällt  im  Tenor  die  Oktave  zu  demsel- 
ben Basse  in  die  Quinte;  dies  ist  nur  ein  Beispiel,  wo  eine  Stimme  zwei  Töne 
der  Harmonie  nimmt;  als  eine  Sache  des  Geschmacks  mag  hier  beobachtet  wer- 
den, dafs  es  eine  bessere  Wirkung  thut,  wenn  man  dem  Bafs  und  Tenor  nicht 
erlaubt,  auf  einmal  von  C  zu  G  zu  schreiten,  selbst  wenn  Gegenbewegung  ei- 
nen unmittelbaren  Verstofs  gegen  die  Regel  über  Oktavenfolge  vermeiden  läfst. 

Das  Beispiel  (c)  ist  zugesetzt,  um  zu  zeigen,  dafs  die  Quarte  der  Tonlei- 
ter, wenn  sie  hinaufsteigt,  nicht  mit  der  Dominante  begleitet  werden  kann, 
weil  in  solchem  Falle  die  Septime  unrichtiger  Weise  aufwärts  aufge- 
löst werden  würde. 

Man  erinnere  sich,  dafs  diese  zweite  Regel  nur  eingeführt  ist,  um  Mannig- 
faltigkeit zu  erzeugen,  und  dafs  sie  nicht  zu  oft  ausgeübt  werden  darf. 

Wenn  die  herabsteigende  Quarte,  im  Lauf  einer  Melodie  oft  vorkommt, 
so  mag  sie  abwechselnd  bald  mit  der  Dominante  (wie  im  folgenden  Beispiel 
bei  a),   bald  mit  der  Unterdominante,   wie  bei  (£),   begleitet  werden. 


S=©=? 


a 

7 


:2r 


t~ 


CT 


-O- 


±z3=±=q=±= 


j-©- 


:Q: 


=d=d— ?■ 


■©— S— ö 


ffitz:: 


±=& 


-GL 


:d=: 


q=qr 


:C=Ö 


zta==ä 


ä=r- 


:a=©t 


— 3 — 


=t 


— I — o— E 


-©-— 


Wenn  die   Quarte   der   Tonleiter,    nachdem  sie   mehrere   Male   wiederholt 


*)   Eine   andere  Ursache  wird  sich  finden,   wenn  wir  von  dem  besondern  Karakter  jeder  der 
vier  Stimmen  handeln. 


Dritte     Regel     für     Begleitung     der     Tonleiter. 


ist,  zuletzt  hinabsteigt:  so  kann  die  letzte  Note  mit  der  Dominante  begleitet 
werden ,  wenn  gleich  die  eben  vorhergegangene  mit  der  Unterdominante  beglei- 
tet worden  ist  —  wie  bei  (a)  im  folgenden  Beispiele 

a  b 


52. 


In 


cl 


i^c 


-=y- 


«—»+-© 


^ 


—  4-8-7 — 3 


:c: 


-7-8 — 


^-6=^=0 


a--& 


3' 


q 


■Q.® 


« 


Auf  gleiche  Weise  schliefsen  wir  weiter:  ist  in  der  Melodie,  wie  bei  (a), 
eine  ganze  Taktnote  statt  zweier  halben  Taktnoten  geschrieben,  so  können  ihr 
jederzeit  (wie  bei  b)  zwei  Bässe  gegeben  werden,  die  sich  in  die  Geltung  (die 
Dauer  der  Note)  theilen. 

Ein  anderer  Fall,  wo  die  Geltung  der  halben  Taktnote  in  zwei  Viertel  ge- 
theilt  ist,  findet  sich  bei  (c). 

Gebrauchten  wir  aus  Irrthum  die  Dominante  zuerst  und  darnach  die  Unter- 
dominante, so  würden  wir  finden,  dafs  die  Septime  (wie  bei  d)  unaufgelost  bliebe. 

Bei  der  Uebung,  sich  die  Mannigfaltigkeit,  welche  blos  durch  Einfüh- 
rung der  zweiten  Piegel  gewonnen  wird,  ganz  anzueignen ,  mag  der  Schüler  die 
Quarte  der  hinabsteigenden  Tonleiter  abwechselnd  nach  beiden  Regeln  harmo- 
nisiren  und  genau  den  Wechsel  bemerken,  der  in  den  Mittelstimmen  statt  findet. 

Melodien,  in  welchen  die  Quarte  der  Tonleiter  oft  hinabsteigt*)  zur  Uebung 
nach  dieser  Regel  eingerichtet,  müssen  in  hinlänglicher  Mannigfaltigkeit  har- 
monisirt  werden,   ehe  man  weiter  geht. 

Dritte  Regel  für  die  Begleitung  der  Tonleiter. 
„Die   Oktave   der  Tonleiter    kann    mit   der   Unterdominante   begleitet 
werden. " 


*)  Finden  sieb   in  der  zweiten  Klasse  der  Uebungeu. 


[C 


44 


Dritte    Regel    — 


Diese  Regel  bringt  uns,  eben  so.  wohl,  wie  die  vorige,  neue  Abwechselung 
Sie  mufs  aber  sparsam  und  nur  zur  Vermannigfaltigung  des  Effekts  angewen- 
det werden. 

Wenn  die  Oktave  der  Tonleiter  zu  oft  gebraucht  wird,  so  mufs  die  be- 
ständige Wiederholung  derselben  Harmonie  eintönig  werden;  in  solchem  Falle 
nun  wird  die  gelegentliche  Anwendung  dieser  Regel  eine  angenehme  Schatti- 
rung  in  jenes  Einerlei  bringen;   wie  bei  («)  im  folgenden  Beispiele. 


53.  f 


{ 


*mmm 


&=& 


t: 


ß-ß 


y-rt 


jfc 


T 


tr- 


a= 


Nehmen  wir  an,  dafs  die  zwei  ersten  Viertel  als  eine  halbe  Note  geschrie- 
ben wären,  so  könnten  dennoch  (wie  bei  £)  zwei  Bässe  gesetzt  werden.  Dies 
ist  ein  ähnlicher  Fall  wie  der  bei  (c)  im  letzten  Beispiele  (52.). 

Ja,  diese  dritte  Regel  kann  man  gelegentlich  anwenden,  auch  wenn  die 
Oktave,  wie  bei  (c),  nicht  wiederholt  ist;  nur  dann  darf  sie  nicht  ausgeübt 
werden,  wenn  die  Melodie  es  verbietet  —  wie  in  den  zwei  Fällen  bei  (d),  wo 
sonst  offenbare  verbotene  Quintenfolge  eintreten  würde. 

Femer  kann  sie  nicht  zum  harmonischen  Schlufs  einer  Melodie  mit  der 
Unterdominante  dienen. 

Bei  diesen  Regeln  ist  zu  bemerken,  wie  wir  immer  mehr  in  den  Stand  ge- 
setzt worden  sind,  uns  mit  dem  mächtigen  Einflufse  der  Hauptseptime  zu  hel- 
fen und  die  wohlthuende  Mannigfaltigkeit  immer  anschaulicher  zu  machen,  wel- 
che der  Harmonie  durch  tdie  verschiedenartige  Anwendung  der  Grundbässe  ge- 
geben wird. 

Man  harmonisire  einmal  die  Melodie  des  folgenden  Beispiels  nur  nach  der 
ersten  Regel  und  vergleiche  sie  dann  mit  der  Art,   Avie  sie  liier  erscheint 


Vierte    Regel     für    Begleitung     der     Tonleiter.     4 


io 


q=^q: 


,--^- 


©*"- 


=F 


iü 


€*-*--' 


afcTt 


-O- 


$±3=2r* 


3 


B 


3 


d: 


L::^J: 


-5 


» 


•©-# 


3 


54. 


*feä 


;* 


e^tt^ 


iß — 


zqr. 


q=g 


57 
-3  — 


©^ 


-f-^- 


K7 


^ 


:4 


ES; 


Q^ 


7  7 


ä=#i 


iptf 


■+— 


:£ 


Im  ersten  Takt  ist  die  Septime  im  Alt  eingeführt,  weil  die  Auflösung  in 
dieser  Stimme  erfolgt;  und  zwar  tritt  sie  nur  im  letzten  Theile  des  Akkordes 
ein  —  nach  der  Regel,  die  in  der  Note,  Seite  39.  *)  empfohlen  .ist,  mit  einem 
Dreiklang  anzufangen. 

Im  fünften  Takte  ist  sie  zu  Anfange  des  Akkordes  im  Alt  eingeführt. 

Im  dritten  Takte  ist  die  zweite  R,egel  für  die  Begleitung  der  Tonleiter  an- 
gewendet. 

„Wenn  unmittelbar  hinter  einem  Dominantakkorde  ein  anderer  Dominant- 
Akkord  folgt,  so  ist  die  Terz  des  erstem  genö-thigt,  nicht  zu  steigen,  sondern 
zu  fallen 'y  sie  wird  dann  die  Septime  des  folgenden  Akkordes,  wie  Takt  4 
und  5." 

Man  lasse  den  Schüler  jetzt  sich  an  Melodien  üben,  die  zur  Anwendung 
dieser  Regeln  eingerichtet  sind  **). 

Trierte  Regel  für  die  Begleitung  der  Tonleiter. 

„Die  Quinte  der  Tonleiter  kann  mit  der  Dominante  begleitet  werden." 

Bisher  haben  wir  die  Quinte  der  Tonleiter  mit  der  Tonika  begleitet;  diese 

letzte   Regel   ist,    gleich  den   andern,    nur  gebildet,   um  Mannigfaltigkeit  in  die 


*)  Die  Batsnote  ist  hier  zuerst  m'n  5,  dann  mit  7  beziffert.  Die»  ist  so  zu  verstehen ,  dafs  zu 
dem  Basse  zwei  verschiedene  Akkorde  geset/.l  werden  sollen;  der  erste  von  ihnen  ist  der  Drei- 
klang mit  Terz  und  Quinte  —  da  die  Oktave  bereits  vorhanden  ist.  Aehnlkne  Fälle  kommen 
im  dritten-  und   vierten  Takte  vor, 

**)  Dritte  Klasse  der  Hebungen;. 


'4b  Vereinigung     aller     vier     Regeln. 

Harmonie  zu  bringen,  vornehmlich  dann,  wenn  die  Quinte  der  Tonleiter  sich 
in  der  Melodie  oft,  oder  in'  langen  Noten  hören  läfst  —  wie  im  folgenden 
Beispiele. 


zt-jrtA 


»-0y+^ß4^-f'O^Crr^fWWW^ 


•B  »■■pa-# 


öifcjttrfe 


prp- 


©=P=  :0=*^q=ltD: 


:C£* 


3£ 


m-ß- 


~i — |-^ 


e.-s 


Zuerst  übe  man  sich  an  Melodien,  die  eigends  für  die  Anwendung  dieser 
Regel  eingerichtet  sind*),  und  dann  wende  man  mit  Ueberlegung  alle  vier 
Regeln  zusammen  an;    so  z.  B. 


(a)  die  vierte  Regel,  (£)  die  zweite  Regel,  (c)  die  dritte  und  (d)  die  erste. 
Bei  x  und  y  vergleiche  man  dieselbe  Fortschreitung  in  der  Melodie,  verschie- 
den begleitet. 

Die  vier,  oben  für  die  Begleitung  der  Tonleiter  gegebenen  Regeln  mögen 
mit  den  wenigen  an  sie  geknüpften  Bemerkungen  sicher  auf  sich  beruhen.  Sie 
reichen  hin,  in  allen  vorkommenden  Fällen  die  Wahl  zu  lenken.  Soll  eine 
Melodie  harmonisirt  werden,  so  mufs  man  bei  jedem  Intervall  prüfen,  wel- 
chen von  zwei  Bässen  es  zuläfst;  und  darnach,  welcher  von  ihnen  am  wirksam- 


*J  Vierte  Klasse  der  Uebungen. 


Vereinigung     der    vier    Regeln. 


47 


sten  ist.    Das  folgende  ist  ein  kurzes  Beispiel  und  ein  weiterer  Führer  in  die- 
ser eigenen  Sache. 


Die  zweite  Note  in  der  Melodie  ist  Des,  der  vierte  Ton  (die  Quarte)  der 
Tonleiter  und  kann  entweder  mit  der  Unterdominante,  oder  (weil  sie  hinab- 
steigt) mit  der  Dominante  begleitet  werden.  Im  gegenwärtigen  Falle  ziehen  wir 
das  letztere  vor;  denn  Des  liegt  wiederum  im  zweiten  Takte  in  der  Melodie 
und  zwar  hier  steigend;  wir  haben  folglich  keine  Wahl,  es  mufs  in  diesem. 
Falle  von  der  Unterdominante  begleitet  werden.  So  haben  wir,  indem  wir  auf 
fünf  Noten  vorausblickten,   für  angenehme  Abwechselung  gesorgt. 

So  lange  nur  eine  Regel  für  die  Begleitung  bekannt  war,  bedurfte  es  keiner 
weitläuftigen  Ueberlegung;  jetzt  hingegen  sind  wir  angewiesen,  über  die  Fol- 
gen jedes  Schrittes ,  den  wir  thun ,  nachzudenken.  Die  Melodie  mufs  jetzt  ge- 
nau untersucht  werden,  Ueberlegung  und  Umsicht  brauchen  wir  zu  der  Bil- 
dung eines  Planes  für  die  Folge  der  verschiedenen  Bässe  —  und  gute  Beurthei- 
lung  mufs  bei  ihrer  Auswahl  aufgeboten  werden,  damit  sie  die  beste  Wirkung 
hervorbringen. 

Ein  Gedanke  ist  hier  wahrhaft  beruhigend:  der  nämlich,  dafs  wir,  wenn 
wir  auch  in  einer  blofsen  Geschmackssache  irren  sollten,  doch  sicher  sind,  im 
Allgemeinen  korrekt  zu  schreiben;  und  dafs  eine  mäfsige  Sorgfalt  in  der  An- 
wendung der  bisher  gegebenen  Piegeln  Erfolge  zeigen  wird,  die  etwas  weiter 
gehen  möchten,  als  diejenigen  erwarten  werden,  die  die  Harmonie  nach  einer 
andern  Methode  studirt  haben. 


•  I 


48 


Karakteristik     d  e  r     vier     Stimme  n. 
Karakteristik  der  vier  Stimmen  in  der  Harmonie. 


Sopran,  Alt,  Tenor  und  Bafs  bieten  jedes  eine  Melodie  von  besonderm  Ef- 
fekt, der  vornehmlich  aus  dem  Akkorde  auf  der  Hauptseptime  entsteht. 

Die  verschiedenen  Intervalle  dieses  Akkordes  haben  in  ihrer  Fortschreitung 
jedes  eine  sprechende  Eigenthümlichkeit;  und  da  wir  jedes  derselben  im  Allge- 
meinen an  eine  besondere  Stimme  gebunden  linden,  so  giebt  dies  jeder  Stimme 
einen  ihr  eigentümlichen  Karakter.  Auf  diese  Weise  sind  wir  in  Stand  ge- 
setzt, sie  klar  zu  unterscheiden  und  zu  bezeichnen. 

Die  Fortschreitung  des  Sopranes  geht  geradezu  zur  Oktave  der  fol- 
genden Tonika,  sie  mag  darauf  zur  Terz  empor-,  oder  zur  Quinte  hinab- 
steigen. 

Der  Alt  (oder  zweite  Sopran)  bleibt  an  seiner  Stelle  und  wird  zur 
Quinte. 

Der  Tenor  schreitet  geradezu  nach  der  Ter/.,  welche  dann  zur  Sep- 
time hinab-;   oder  zur  Quinte  hinaufsteigt. 

Die  Bafsfortschreitung  geschieht  dergestalt,  dafs  sie  eine  Quarte  hin- 
auf-, oder  eine  Quinte  hinabsteigt  —  oder  mit  andern  Worten:  sie  be- 
wegt sich  unmittelbar  aus  der  Dominante  zu  der  Tonika. 


Sopran 


Tenor. 


Harmoniert  man  eine  Melodie  nach  der  ersten  Regel,  so  sind  alle  diese 
Fortschreitungen  an  ihrer  rechten  Stelle^  jede  der  vier  Partien  behält  durchgän- 
gig ihren  karakteristischen  Schlufs. 

Bei  der  Anwendung  der  andern  Regeln  werden  mannigfache  Effekte  durch 
eine  Uebertragung  dieser  Schlufsart  der  Stimmen  von  einer  auf  die  andere  her- 
vorgebracht. Dies  ist  bei  einer  genauen  Untersuchung  an  dem  Beispiel  50.  b 
Takt  1   und  2  zu  beobachten. 

Diese  Vertausehung  des  Schlufsfalles  wird  wohl  deutlicher  erkennbar,  wenn 
mau  die  Aufmerksamkeit  besonders  auf  die  Stimme  richtet,  io  der  sich  die 
Septime  findet. 

Im 


Grofser    und    kleiner    Dreiklang.  49 

Im  eben  erwähnten  Beispiele  zeigt  sich  der  karakteristische  Schlufsfall  des 
Tenors  (der  durch  die  Fortschreitung  der  Terz  zur  Tonika  ausge- 
sprochen ist)  in  der  Sopranpartie. 

Der  karakteristische  Schlufsfall  des  Soprans  (in  der  Fortschreitung  zur 
Oktave  kennbar)  ist  dem  Alt  zugefallen. 

Den  Schlufsfall  der  Altstimme  (die  an  ihrer  Stelle  bleibt)  hat  der  Tenor. 

Der  Bafs  hat  seinen  eigenthümlichen  Gang  beibehalten. 

Wir  werden  künftig  wohl  Gelegenheit  haben,  diese  karakteristischen  Ver- 
schiedenheit der  vier  Stimmen  mehr  und  umständlicher  zu  beobachten;  dies 
wird  uns  oft  über  unsern  Gegenstand  Licht  geben.  Für  jetzt  wollen  wir  nur 
noch  eine  Bemerkung  machen,  und  zwar  an  demselben  Beispiel  50.  (bei  c): 
die  Ungeschicklichkeit  in  der  Anordnung  der  Stimmen  entspringt,  wie  die  fol- 
gende Auseinandersetzung  zeigt,  aus  der  Verwechselung  der  Schlufsfälle. 
Die  Sopranpartie  hat  den  Schlufsfall  des  Tenors, 
Altpartie  -       -  -  -    Soprans, 

Tenorpartie      -       -  -  -     Soprans. 

Der  Altschlufs  ist  gänzlich  ausgefallen. 

In  der  Anlage  der  Stimmen  bei  (b)  im  selbigen  Beispiele  (50.)  sind  die 
vier  Schlüfse  insgesammt  beibehalten.  Nun  leuchtet  die  Zweckmäfsigkeit  -des 
früher  ertheilten  Rathes  ein:  die  Quinte  auszulassen,  wenn  die  Quarte  der 
Tonleiter  im  Hinabsteigen  von  der  Dominante  begleitet  wird. 

Grofser  und  kleiner  Dreiklang. 

Diese  Ausdrücke  beziehen  sich  nur  auf  die  Terz  des  Akkordes,  welche 
grofs  oder  klein  ist,  je  nachdem  sie  die  gröfsere  oder  kleinere  Anzahl 
von  halben  Tönen  enthält. 

Alle  bisher  geschriebenen  Dreiklänge  waren  grofse,  deren  Terz  fünf  halbe 
Töne  enthält,  wenn  man  nämlich  bei  dem  Grundtone  anfängt  zu  zählen  und 
ihn  eins  nennt  (Beispiel  59  #.). 

Der  kleine  Dreiklang  hat  eine  Terz,  die  nur  vier  halbe  Töne  enthält; 
sie  ist  mithin  kleiner  als  die  grofse  Terz,  und  daher  der  Name  kleine  Terz 
und  kleiner  Dreiklang. 


[  7] 


50 


Bildung     des     kleinen     Dreiklanges. 


a         grofser. 


59. 


t~W~t^' 


kleiner. 


tn 


~ä — HEU" 


II 


a± 


Ä 


-O- 


Alle  Dreiklänge  werden  als  grofse  vorausgesetzt,  wenn  es  nicht  anders  be- 
zeichnet oder  ausdrücklich  bestimmt  ist.  Wird  also  der  Dreiklang  auf  C  ver- 
langt, so  ist  die  Antwort:  O,  E  und  G.  Der  kleine  Dreiklang  auf  C  ist  C, 
Es  und  G.  Benannten  wir  bisher  einen  Dreiklang,  so  ergab  das  jederzeit  einen 
grofsen;  um  daraus  einen  kleinen  zu  bilden,  haben  wir  nichts  nöthig,  als  die 
Terz  einen  halben  Ton  zu  erniedrigen,  indem  wir  ein  b  vor  sie  setzen,  oder 
ein  Kreuz  (wenn  es  vor  ihr  gestanden)  Avegnehmen.     . 

Der  Dreiklang  auf  G  heilst  G,  H  und  D, 
der  kleine 

der 

-  kleine 

der 

-  kleine 

Wo  ein  kleiner  Dreiklang  geschrieben  werden  soll,  mufs  über  der  Bafsnote  sorg- 
fältig das  Versetzungszeichen  vermerkt  werden,  das  zu  seiner  Bildung  erfoder- 
lich  ist. 

grofser.       kleiner.  grofser.        kleiner.         grofser.        kleiner. 


G      - 

G,  Hes  - 

D, 

D 

D,  Eis  - 

^, 

D      - 

D,  F     - 

4 

Es      ■ 

■      Es,  G     - 

Hes, 

Es      - 

Es,  Ges  - 

Hes. 

-o- 


D.S 


Ü: 


I 


:o: 


_O^I- 


-O- 


:q: 


:0: 


kleiner.  grofser.        kleiner. 


Parallel    -    Tonleiter. 


51 


Um  das  Ohr  an  die  Unterscheidung  der  verschiedenen  Wirkung  zu  gewöhnen, 
mufs  derselbe  Dreiklang  oft  abwechselnd  als  grofser  und  kleiner  angegeben  wer- 
den. Als  weitere  Uebung  mag  eine  fortlaufende  Folge  abwechselnd  grofser  und 
kleiner  Dreiklänge  geschrieben  und  gespielt  werden.  Man  beginnt  mit  dem 
grofsen  Dreiklang  auf  C,  steigt  eine  kleine  Terz  herab  zu  dem  kleinen 
Dreiklang  auf  A,  dann  eine  grofse  Terz  zu  dem  grofsen  Dreiklang  auf  F, 
und  so  stets  abwechselnd  weiter. 


Es  ist  zu  bemerken,  dafs  das  vorstehende  Beispiel  sich  mit  Erniedrigungs- 
zeichen rund  durch  den  Zirkel  der  Tonarten  bewegt,  bei  jeder  Gelegenheit  ei- 
nen kleinen  Dreiklang  einschiebend,  der  der  verwandte  kleine  Dreiklang 
des  vorhergegangenen  grofsen  genannt  wird;  dies  soll  weiterhin  erklärt  werden. 

Bei  dem  enharmonischen  Tonwechsel  (bei  a)  geht  der  Lauf  wieder  zurück 
nach  C,  von  wo  er  begonnen  hat. 

Obgleich  wir  späterhin  auf  diesen  Gegenstand  zurückkommen  werden,  so 
mag  doch  an  dieser  Stelle  vorauserwähnt  werden,  dafs  jede  Molltonleiter 
stets  dieselbe  Zahl  von  Kreuzen  oder  Been  hat,  wie  die  ihr  verwandte 
Durtonieiter   ). 

Um  die  Zahl  der  Kreuze  oder  Bee  zu  linden,  die  eine  Molltonleiter  er- 
fodert,  mufs  die  Terz  des  kleinen  Dreiklanges  auf  ihrer  Tonika  aufgesucht  wer- 
den; soviel  Kreuze  oder  Bee  die  Durtonleiter  dieser  Terz  erfodert  (was  wir  an 
den  Fingern  ausfindig  machen  gelernt)  soviel  sind  zu  der  Molltonleiter  nothwen- 
dig.     Zum  Beispiele: 


*)  Daher  man  solche  Tonleitern  Paralleltonleitern  nennt. 


[   <*] 


52  Rückblick. 

Der  kleine  Dreiklang  auf  C  heifst  C,  Es  und  G. 
Die  Terz  dieses  Akkordes  ist  Es. 
Die  Durtonleiter  auf  Es  erfodert  drei  Bee;  folglich 
fodert  auch  die  Molltonleiter  von  C  drei  Bee. 


Hier  ist  einer  von  den  in  der  Einleitung  angekündigten  Ruhepunkten,  wo 
man  eine  Zeitlang  inne  halten  kann;  und  damit  der  Studirende  sich  ohne  An- 
stofs  den  weitern  Fortschritten  widmen  möge,  wird  es  nützlich  sein,  dafs  er 
selbst  sich  vollkommen  überzeuge,  alles  Vorausgegangene  verstanden  zu  haben. 
Für  die  Folge  werden  wir  vom  Bisherigen  unbeschränkten  Gebrauch  machen, 
und  unsere  Betrachtungen  hauptsächlich  auf  die  neuen  Gegenstände  richten, 
die  uns  aufstofsen. 

Nachdem  wir  uns  durch  eine  solche  Wiederholung  den  festen  Besitz  aller 
bisher  vorgekommenen  Gegenstände  gesichert  haben,  können  wir  nun  daran 
gehn,  das  Erlernte  nach  einem  ausgedehntem  Maafsstabe  anzuwenden  und  uns 
einen  weitern  Spielraum  im  angenehmen  Gebiete  der  Harmonie  zu  eröffnen. 
Zuerst  liegt  uns  aber  ob,  mit  einigen  Vorausschickungen  zu  beweisen,  dafs  wir 
bei  der  Annahme  dieses  Verfahrens  nicht  mehr  gethan  haben,  als  den  einfachen 
Vorschriften  der  Natur  folgen. 

Wir  würden  gern  jede  gründlichere  Untersuchung  aufgeschoben  haben,  bis 
der  Schüler  sich  erst  praktisch  mehr  mit  der  Sache  bekannt  gemacht  hätte;  da 
aber  die  folgenden  Beobachtungen  die  zweckmäfsigste  Einleitung  zur  Modulations- 
lehre abgeben  und  zugleich  eine  Entwickelung  der  Grundsätze  enthalten,  nach 
denen  wir  vorgeschritten,  so  mag  sich  nirgends  eine  geeignetere  Stelle  dazu 
finden.  Da  gleichwohl  diese  Bemerkungen  auf  eine  tiefer  eindringende  Unter- 
suchung und  einen  gereiften  Geist  berechnet  sind,  so  rathen  wir  Jüngern 
Studierenden,  einstweilen  darüber  hin  zu  der  Erklärung  von  Modulation  und 
Fortschreitung  (die  bei  Beispiel  69.  folgt)  fortzugehen  und  wenn  sie  eine  Strecke 
weiter  vorgedrungen  sind,  zu  dem  Ueberschlagenen  zurückzukehren,  das  sie 
dann  fähiger  sein  werden,  zu  verstehen. 

Um  der  Kürze  willen  werden  die  Uebungen  in  diesem  ganzen  Werke  durch- 
gängig so  gedrängt  wie  möglich  geschrieben  werden;  dem  Schüler  aber  wird 
empfohlen,  mit  Figurirungen  oft  abzuwechseln  und  die  Beispiele  damit  zu  ver- 
ändern. 


Ursprung     der     Melodie     und     Harmonie. 


53 


Die  folgenden  Beispiele  genügen,  die  grofse  Anzahl  verschiedener  Effekte  zu 
zeigen,  welche  durch  die  Umbildung  einer  in  einfachen  Akkorden  geschriebe- 
nen Uebung,  wie  Beispiel  6L,  gewonnen  werden. 

Einer  besondern  Regel  bedarf  es  hier  bei  dieser  blofsen  Geschmackssache 
nicht;  man  wird  finden,  dafs  es  weniger  die  Aufmerksamkeit  von  der  Fort- 
schreitung der  Harmonie  abzieht,  wenn  der  Ausführende  irgend  eine  Art  der 
Figurirung  auswählt  und  dieselbe  die  ganze  Uebung  hindurch  fortsetzt. 


Einige  Proben  von  Figurirung j  welche  zur  Umgestaltung  des  Beispiels  61. 
und  zu  andern  Harmoniefolgen  angewendet  werden  können. 


—^ 1~^ tl — P** 1-^ 

4- \~4 W^4 *t#" 


-&-ß-ß-ß-ß-*ß-ß-ß-ß--J\-*-*-P--P~£F-ß-ß-1 


-U44 


Jt^-4rä\4 L4-jg-g 


~l- 


Tfc- i: 


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-N 


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*— *- 


rrt-PfiTf 


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3CZIL 


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12 


3-P-l- 


t^±^±t^±^0 


r  f  "r  r-r 


J^3- 


i 


-I — I — -4- 


a 


3t=3t3t 


-4~4- 


t 


-=**- 


Ö 


-4—4- 


4 


ei 


*-*SZ*Z 


5 


-=»*- 


:E 


Ursprung  der  Melodie  und  Harmonie j  Erklärung  der  diatonischen  Ton- 
leiter und  Entdeckung  der  Grundbässe. 
Wenn  eine  Saite  in  Schwingung  gesetzt  ist,   könnten  wir  meinen,   nur  ei- 
nen  Ton    zu  vernehin en.     Hören  wir  aber  aufmerksam,   so  entdecken  wir,   be- 


u 


Mitklingende    Töne. 


sonders  bei  den  tiefen  Tönen  auf  einem  Fortepiano,  dafs  der  Hauptton  ganz 
leise  von  andern  begleitet  ist,  die  wir  „harmonisch  mitklingende"  nennen.     ' 

Bei  hell  tönenden  Körpern,  Glocken  zum  Beispiele,  scheinen  der  Haupt- 
ton und  die  mitklingenden  Töne  alle  zugleich  zu  entstehen  und  auf  einmal  ge- 
hört zu  -werden;  in  Blasinstrumenten  dagegen,  zum  Beispiel  im  Waldhorn,  in 
der  Trompete  u.  s.  w. ,  treten  sie  abgesondert  hervor,  so  dafs  man  sie  genau 
unterscheiden  kann  —  und  zwar  zeigen  sie  sich  genau  in  derselben  Folge  und 
demselben  Verhältnisse,  wie  sie  durch  die  schwingende  Saite  hervorgebracht 
werden. 

So  bringt  ein  angeblasenes  Rohr,  oder  eine  Saite,  deren  tiefster  Ton  C  ist, 


folgende 


hervor. 


mitklingende  Töne 


Diese  hier  niedergeschriebenen  Töne  sind  der  Hauptton  mit  den  mitklin- 
genden und  zwar  in  der  Ordnung,  wie  sie  wirklich  auf  dem  Waldhorn  u.  s.  w. 
hervorgebracht  werden. 

Den  tiefsten  Ton  nennen  wir  den  Grundton  und  Erzeuger  aller  übrigen, 
welche  seine  mitklingenden  Töne  genannt  werden,  und  (wie  wohl  zu  merken 
ist)  regelmäfsige  Theile  oder  Bruchtheile  des  Erzeugers  sind. 

Die  nächste  Note  über  dem  Erzeuger,  welches  die  Oktave  von  C  ist,  ist 
als  die  Hälfte  des  ganzen  Rohres  anzusehen;  in  der  That  wird  ein  halb  so 
langes  Rohr  genau  diesen  letzten  Ton,   die  richtige  Oktave  von  C  angeben. 

Desgleichen  würde  G  durch  ein  Rohr  angegeben  werden,  das  den  dritten 
Theil  so  lang  ist,  als  das  erste;  so  verhält  es  sich  mit  den  übrigen  Tönen,  de- 
ren Verhältnisse  im  vorstehenden  Beispiel  angemerkt  sind. 

Um  dies  weiter  zu  erläutern,  wollen  wir  eine  Saite  über  zwei  Stege  span- 
nen und  so  lange  anziehen,  bis  ihr  tiefster  Ton  dasselbe  C  ist,  welches  zuvor 
von  dem  obigen  Rohrinstrumente  angegeben  worden  ist.      Bringt  man  dann 


Tonleiter     aus     mitklingenden     Tönen. 


oo 


einen  andern  Steg  unter  die  Mitte  der  Saite,   so  wird  jede  ihrer  Hiilften  die 
Oktave  des  Tons  der  ganzen  Saite  hervorbringen. 

Theilt  man  dieselbe  Saite  in  drei  gleiche  Theile,  so  wird  jeder  Theil 
ein  G  hören  lassen  —  und  so  mit  den  übrigen  Verhältnissen. 

Mit  Bezug  auf  die  Stufenfolge  der  mitklingenden  Töne  ist  zu  bemerken, 
dafs  sie  in  stufenweis  abnehmenden  Entfernungen  von  einander  erscheinen,  bis 
sie  in  einer  Folge  von  ganzen  Tönen,  einer  wirklich  diatonischen  Folge,  enden. 

Somit  ist: 

der  erste  über  dem  Erzeuger  erscheinende  Ton  die  Oktave 
der  nächste  darüber  die  Quinte, 

-  -  -  -     Quarte, 

-  -  -     grofse  Terz  u.  s.  w. 

Bis  zum  letzten  E  im  vorigen  Beispiele  sind  alle  Töne  bestimmt-  aber  der 
gleich  folgende  ist  in  Dunkelheit  gehüllt;  wir  lassen  unentschieden,  ob  F  oder 
Fis  folgen  wird  *);  für  jetzt  mufs  unsere  Aufmerksamkeit  auf  einen  andern 
Umstand  dabei  gerichtet  sein,  der  sich  uns  selbst  zum  Wegweiser  hier  darbietet. 

Nehmen  wir  die  letzten  drei  hervorgekommenen  Töne  als  eine  Tonleiter 
oder  Melodie,  die  harmonisirt  werden  soll;  —  was  haben  wir  zu  thun?  —  Wir 
müssen  die  Grundbässe  entdecken.  —  Auf  welche  Weise?  —  Wir  wollen  dazu 
die  drei  ersten  durch  dasselbe  B,ohr  erklingenden  Töne  nehmen  und  unser 
Zweck  ist  erreicht. 


64. 


Q 

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- 

©. 

••©    - 

Nachdem  der  Grundbafs  aufgefunden  ist,    setzen  wir  die  Akkorde  zu 


f 
i 

{ 


—U -i 

9 

- 

ttü 

©    : 

S 

— (=> — 

— o— 

- 

ff-                      4 

p — ü — 

0. 0-T.V" 

f"©~  ] 

- 



. — o_ 

_ 

*)  Dem  Spieler  von  Blasinstrumenten  ist  dies  wohl  bekannt. 


56 


Erweiterung     derselben    auf    sechs     Töne. 


Kehren  wir  jetzt  zu  dem  Beispiel  63.  zurück  und  bemerken  da,  dafs  unter 
den  Schwingungen  oder  Tonfolgen  auf  C,  der  siebente  Ton  ein  Hes  ist. 

Dies  ist  allerdings  nicht  der  siebente  Ton  in  der  Tonleiter  von  C,  wohl 
aber  die  Hauptseptime,  da  es  sich  einen  ganzen  Ton  unter  der  Oktave  findet. 

Wenn  der  Dreiklang  auf  C  mit  dieser  zugefügten  Septime  gehört  wird, 
nimmt  er  sofort  den  Karakter  des  Dominant-Akkordes  an  und  bringt  eine  un- 
widerstehliche Neigung  hervor,  zur  Tonika  fortzuschreiten  *).  Das  Ohr  erkennt 
in  der  Septime  ein  bestimmtes  Verlangen,  hinabzusteigen,  und  in  der  Terz  ein  glei- 
ches Verlangen,  zu  dem  nächsten  Tone  des  folgenden  Akkordes  hinaufzugehen. 

Haben  wir  (wie  im  letzten  Beispiele)  die  aus  den  mitklingenden  Tönen 
auf  C  hervorgegangene  Tonleiter  harmonisirt,  so  wollen  wir  eingedenk  sein, 
dafs  die  Hauptseptime  jetzt  unter  den  harmonisch  mitklingenden  Tönen  auf  der 
letzten  Bafsnote  C  wirklich  hervorgebracht  worden  ist.  Wollten  wir  diese  Sep- 
time alsobald  anbringen  und  in  die  Harmonie  schreiben,  so  würden  wir  unwi- 
derstehlich gezwungen  sein,  zunächst  nach  dem  Dreiklang  auf  F  **)  fortzu- 
schreiten. Sind  wir  daher  nun  veranlafst,  die  Tonleiter  über  die  drei  Töne, 
welche  die  Natur  uns  gegeben,  hinaus  auszudehnen:  so  ist  der  nächste  uns 
angewiesene  Ton  natürlich  F. 

Nachdem  wir  uns  vergewissert  haben,  dafs  unser  nächster  Bafston  F  sein 
mufs,  so  wollen  wir  ihn  als  einen  neuen  Erzeuger  annehmen  und  gerade  so 
verfahren,   wie  bei  dem  ersten  C. 

Wir  müssen  uns  diesen  neuen  Erzeuger  als  ein  Rohr-  oder  Blasinstrument 
von  geringerer  Gröfse  vorstellen;  dies  giebt  uns  unter  den  mitklingenden  Tö- 
nen die  Tonfolge  FjGjA;zvl  diesen  wollen  wir  die  Bässe  schreiben  wie  bei 
dem  vorigen  Falle,  und  so  haben  wir  eine  Tonleiter  von  sechs  Tönen  gebil- 
det und  angemessen  harmonisirt  ***). 

^    x"" "V    8         5 

-8- 


So 


*;  Siehe  Seite  25. 
**)  Beispiel  40.  f, 
***)  Man  bemerke,  dafs  zu  der  ersten  Note  der  Tonleiter  sich  die  tiefere  Oktave,  zu  der  zwei- 


Fortsetzung     dreitoniger     Tonleitern.  57 

So  haben  wir  zwei  Tonleitern  von  je  drei  Tönen  vereinigt,  deren  erste 
durch  das  Rohr  C,  die  zweite  durch  das  Rohr  F  hervorgebracht  ist. 

Diese  zwei  Tonleitern  sind  in  dem  Intervall  eines  halben  Tones  mit  ein- 
ander verbunden  worden,  wie  der  Bogen  im  letzten  Beispiele  andeutet,  so  auch 
in  Beispiel  3,  11  u.  s.  w.  *). 

Wir  haben  nun  6  Töne  und  noch  begehren  wir  die  Tonleiter  weiter  aus- 
zudehnen.   Zu  welchem  Tone  müssen  wir  zunächst  fortschreiten?    Zu  Hes  etwa? 

Um  dies  zu  beantworten,  wenden  wir  dieselbe  Betrachtung  an,  die  uns  bei 
der  Entdeckung  des  zweiten  Erzeugers  geleitet  hat. 

Da  der  Erzeuger  der  letzten  Reihe  von  drei  Tönen  F  ist,  so  wollen  wir 
dem  letzten  Dreiklange  die  Septime  zufügen;  F,  das  nun  zur  Dominante  wird, 
führt  uns  zu  Hes  und  wir  gewinnen  eine  dritte  Reihe  von  drei  Noten,  Hes,  C 
und  -D,  wie  im  folgenden  Beispiele  67,  Fig.  3. 

Eine  andere  Septime  mag  dem  Hes  zugefügt  werden,  und  uns  nach  der 
Tonleiter  von  Es  führen;  und  so  können  wir  immer  weiter  verfahren  und  bis 
ins  Unendliche  **)  Tonleitern  von  drei  Tönen  zu  setzen. 


iSB    frcs 


!0. 


3SS+4,ii SSE— L^+_i=> 


fcO" 
Aus   dieser  Erörterung  geht    klar  hervor,    dafs  eine  Tonleiter    natürlicher 


ten  Note  die  Quinte  als  Bafs  gefunden  hat  u.  s.  w. ;  dies  erläutert,  warum  wir  dieselben  Bässe 
bei  der  ersten  Aufsuchung  der  Grundbässe  Seite  Iß.  so  beziffert  haben. 

*)  Hier  zeigt  sich  der  Grund,  warum  der  dritte  und  vierte  Ton  der  Tonleiter  nur  einen 
halben  Ton  von  einander  entfernt  liegen:  weil  die  Terz  des  Dominant-Akkordes  einen  hal- 
ben Ton  in  die  Oktave  steigt. 

**)  Eine  solche  Folge  hat  gleichwohl,  als  eine  unaufhörliche  Reihe  von  Ausweichungen,  für 
das  Ohr  etwas  Ermüdendes  und  mufs  stets  in  gewissen  Schränken  gehalten  werden. 

[8] 


58 


Modulation. 


Weise  aus  mehr  als  drei  Tönen  bestehen  kann,  zu  denen  denn  nur  zwei 
Grundbässe  erfoderlich  sind,  nämlich  Tonika  und  Dominante.  Die  Unterdo- 
minante,  die  wir  früher  gebraucht  haben,  erscheint  uns  jetzt  eigentlich  als  ein 
Erzeuger,   oder  die  Tonika  einer  andern  Tonleiter. 

Der  Schüler  wird  nun  die  Natur  und  den  Ursprung  der  Modulation  klar 
begreifen,  welche  kürzlich  in  den  folgenden  Regeln  zusammengefafst  werden 
sollen. 

„Wenn  wir  eine  Septime  anwenden  und  so  zu  einer  neuen  Ton- 
leiter übergehen,   so  moduliren  wir  nach  dieser  Tonleiter." 

Im  obigen  Notensatze  zum  Beispiel  fand  eine  Modulation  (Ausweichung) 
statt,  indem  wir  von  der  Tonleiter  von  C  nach  der  von  F  gingen;  eine  andere, 
derselben  Regel  zufolge,  indem  wir  aus  der  Tonleiter  von  F  in  die  von  Hes 
gingen  u.  s.  w. 

Wenden  wir  diese  Bemerkung  bei  einer 


Prüfung  der  diatonischen  Tonleiter  (was  man  gewöhnlich  so  nennt) 


an. 


Die  ersten  drei  Töne  (wie  im  Beispiel  68.  unten)  gehören  zu  der  Tonleiter 
von  C.  Hier  erfolgt  eine  Ausweichung  nach  der  Tonleiter  von  F,  zu  welcher 
die  drei  unmittelbar  folgenden  Töne  gehören. 

Wollten  wir  so  immer  weiter  gehn,  wie  im  Beispiel  67.,  so  wurden  wir 
immer  mehr  von  dem  Punkte,  von  dem  wir  ausgegangen  sind,  abkommen, 
und  das  Ohr  würde  durch  die  stete  Folge  solcher  Fortschreitungen  beleidigt 
werden,  da  wir  bereits  einen  Hang  fühlen,  zu  der  ersten  Tonleiter  zurückzu- 
kehren. Wie  wir  nun  aus  einer  in  die  andere  Tonleiter  ausgewichen  sind,  so 
können  wir  nur  durch  dasselbe  Mittel  zurückkehren,  das  heifst,  durch  eine 
Modulation,  welche  uns  zwingt,  den  Dreiklang  auf  G,  der  Dominante  von  C, 
einzufuhren,  dergestalt,  dafs  wir  mit  dem  letztern  Akkorde  (auf  C)  schliefsen. 


Harmonische     Fortschreitung.  59 

So  füllen  wir  die  Tonleiter  von  8  Tönen  aus,  und  es  zeigt  sich  hier,  dafs 
der  siebente  Ton  in  dieser  Tonleiter  nicht  Hes  sein  kann,  wie  im  Beispiel  67. 

Er  mufs  vielmehr  H  sein,  da  der  nothwendig  hier  eingeführte  Dreiklang 
auf  G:  G,  H  und  D  heifst.  Dieses  H  nun  mufs,  als  Terz  im  Dominant -Ak- 
korde, einen  halben  Ton  zu  C  hinaufsteigen;  daher  kommt  es,  dafs  der  halbe 
Ton  in  dieser  Tonleiter  von  der  Septime  zur  Oktave  erscheint,  da  er  naturge- 
mäfs,  wie  im  Beispiel  7.,  vom  sechsten  zum  siebenten  Tone  eintreten  würde. 
Diese  nothgedrungene  Abweichung  von  der  Ordnung,  die  die  Natur  selbst  uns 
geboten  zu  haben  scheint,  ist  es,  welche  uns  in  so  mannichfache  Schwierigkei- 
ten hinsichts  der  Quinten-  und  Oktavenfolgen  zwischen  dem  sechsten  und  sie- 
benten Ton  der  Tonleiter  verwickelt;  wären  wir  der  Fortschreitung  gefolgt,  die 
die  Natur  uns  vorgezeichnet  hat,  so  würden  uns  diese  Schwierigkeiten  nicht 
aufgestofsen  sein. 

Um  noch  besser  zu  erklären,  was  Modulation  ist,  und  um  diesen  Gegen- 
stand in  ein  immer  helleres  Licht  zu  setzen,  wollen  wir  unterscheiden,  was 
wir  unter 

harmonischer  Fortschreitung 
verstehen. 

Wir  bezeichnen  damit  eine  Folge  von  Akkorden,  in  welcher  die  Haupt- 
septime nicht  angewendet,  folglich  keine  Ausweichung  erfolgt  ist. 

Die  folgenden  Fälle  werden  dies  erläutern. 


Bei  (a)  haben  wir  nur  nur  Dreiklänge  gebraucht,  die  der  Tonleiter  von 
C  ejgenthümlich  angehören.  —     Dies  ist  eine  blofse  Fortschreitung. 

Bei  {h)  sind  einige  Akkorde  eingeführt,  die  nicht  zur  Haupttonleiter  (C) 
gehören;  dennoch  ist  es  eine  blofse  Fortschreitung,  da  keine  Ausweichung  durch 
Anwendung  der  Hauptseptime  erfolgt  ist. 

Bei  (c)  bleibt  die  Harmonie  in  der  Haupttonleiter  bis  zu  dem  dritten  Takte, 

[8*] 


I 


60 


Regel     für     Modulation. 


in  welchem  die  Hauptseptime  eingeführt  ist  und  eine  Ausweichung  nach  F  *) 
statt  gefunden  hat. 

Hier  scheint  sich  nun  die  Harmonie  selbst  in  zwei  Zweige  zu  theilen,  Fort- 
schreitung und  Modulation,  deren  eigentümliche  Karaktere  vollkommen  un- 
terschieden sein  wollen,  wenn  wir  weitergehn.  Im  Beispiel  67.  hat  sich  ausge- 
wiesen, dafs  die  Natur  uns  die  Art  und  Weise  vorzeichnet,  auf  welcher  wir 
von  einer  Tonleiter  in  die  andere  übergehen;  dies  giebt  uns 

die  Regel  für  Modulation. 

„Bei   dem  Uebergange  von  einer  Tonleiter  zu   einer  andern  miik  die 
Dominante  der  Tonleiter,   in  welcher  wir  ausweichen,    unmittelbar 
zuvor  angebracht  werden." 
Wir  werden  finden,    dafs  die  Natur  uns  in  den  Intervallen  des  Drei- 
klanges  in  der  Tonika  mit   den  Dominanten  versieht,  um  in  diejenigen  Ton- 
leitern auszuweichen,   die  den  wohlthuendsten  Eindruck  hervorbringen. 


70. 


( 


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— e- 


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•     ti7 


-O: 


l 


izasß 


-O- 


"O" 


7 

=0: 


:=0: 


Zu  a:  Wenn  wir  aus  dem  Dreiklang  auf  der  Tonika  die  Oktave  nehmen 
und  sie  als  Dominante  gebrauchen,  so  führt  das  zur  ersten  von  der 
Natur  uns  angewiesenen  Ausweichung  (welche  im  Beispiel  67.  ge- 
zeigt ist);  eine  ausgedehnte  Uebung  dieser  Ausweichung  findet  sich 
unten  im  Beispiel  71. 

Zu  b:  Wenn  wir  die  Terz  des  Dreiklanges  auf  der  Tonika  als  Dominante 
annehmen,  so  weichen  wir  damit  nach  der  Parallel  -  Molltonleiter 
(die  Note  Seite  51.)  aus.     Man  sehe  das  Beispiel  72. 

Zu  c:  Die  Quinte  auf  der  Tonika  kann  als  deren  eigene  Dominante  keine 


*)  In  der  That  hätten  wir  hier  als  Beispiel  die  ersten  vier  Töne  der  Tonleiter,  die  die  Na- 
tur uns  bietet,  geben  können,  zu  welchen  die  drei  ersten  Akkorde  sich  in  blofser  Fortschreitung 
bewegen,  eine  Ausweichung  aber  vom  dritten  zum  vierten  Tone  eintritt. 


£> 


Ausweichung. 


61 


Ausweichung  aus  der  Tonart  bewirken  und  dient  dazu,   uns   nach 

jeder  Ausweichung  zur  ersten  Tonart  zurückzubringen. 

Fahren  wir  fort,   die  Oktave  jeder  Tonart,  nach  der  wir  gelangt  sind, 

als  Dominante  zu  gebrauchen,  so  moduliren  wir  rings  durch  alle  Tonarten  mit 

Been;   und  lassen  wir  bei  Ges  einen  enharmonischen  Tonwechsel  eintreten,   so 

kehren  wir  durch  die  Tonarten  mit  Kreuzen  wiederum  nach  C  zurück. 


71., 


läCe 


a± 


Ausw.  nach  F. 


nach  Hes. 


-&- 


-1=3^- 


^iMz 


.Dom.    Tonika. 


hl 


4©- 


17 


-t©- 


hs 


±0: 


nach  As.  nach  Des.    *"  nach  Ges.    Enharmonischer  Tonwechsel. 


{ 


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fe- 


^=:5t 


-fe©- 


i_fe^=f^3_ 


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17 
15 


Ifc: 


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|§M§l=lfc! 


15 


17 
15 


15 


7 


: : etc. 


3±zfcO: 


±0: 


iO: 


-fe©- 


-fc©- 


4©- 


~.etc. 


HCT 


IIa- 


Wenden  wir  fortwährend  die  Terz  jeder  Tonart,  zu  der  wir  gelangt 
sind,  als  Dominante  an,  so  führt  uns  dies  durch  denselben  Kreis  der  Tonar- 
ten —  wo  bei  jeder  Gelegenheit  eine  Ausweichung  nach  der  jedesmaligen  Pa- 
rallel -  Molltonart  eingeschoben  wird. 


72.  <[ 


■/-     „ 

— ^ — 

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f.  •©   - 

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:    g    ■ 

"  etc. 

ö 

■    ©    - 

:    O    . 

— ' 



-t©- 

.etc. 

Nehmen  wir  nun  die  Töne  des  Dreiklanges  auf  der  Dominante  G  und  se- 
hen, was  diese  uns  für  Ausweichungen  zubringen. 


62 


Ausweichung. 


Zu  d:  D  (die  Quinte)  bringt  uns  die  Ausweichung  nach  G. 

Zu  e:  H  (die  Terz)  führt  uns  nach  E,  der  Parallel -Molltonleiter  von  G. 

Zu  f:   G  (die  Oktave)  bringt  uns  nach  unserer  ersten  Tonart,  C,  zurück. 

Indem  wir  uns  der  Intervalle  der  Dreiklänge  auf  Tonika  und  Dominante 
bedienen,  finden  wir,  dafs  wir  damit  nach  vier  neuen  Tonarten  ausweichen 
können;  wenn  wir  auf  gleiche  Weise  die  Intervalle  des  Dreiklanges  auf  der 
Unterdominante  dazu  nehmen,  so  erhalten  wir  zwei  Ausweichungen  mehr. 


Zu  g:  F  (die  Oktave)  führt  uns  zu  der  Tonart  Hes. 
Zu  h:  A  (die  Terz)  führt  uns  in  die  Tonart  D  moll. 

Aus  den  obigen  Beispielen  ergiebt  sich,  dafs  die  nächst  gelegenen  Tonar- 
ten zu  jeder  gegebenen: 

die  Parallel -Molltonart, 

die  Tonart  auf  der  Dominante  und  deren  Parallel -Molltonart, 
die  Tonart  auf  der  Unterdominante  und  deren  Parallel  -  Molltonart  *) 
sind. 

Es  ist  keinesweges  nothwendig,  dafs  wir  uns  bei  unsern  Modulationen  auf 
diejenigen  Tonarten  beschränken,  welche  im  nahen  Zusammenhange  mit  der 
Tonart,  von   der  wir  ausgegangen  sind,   stehen.     Gelegentlich  können  wir  mit 


*)   Die   Hauptseptime  und  deren  Parallel -Molltonart  sind  tu  weit  entfernt,   als  dafs  wir  von 
ihnen  liier  Notiz  nehmen  könnten. 


Modulation     durch     ganze     Töne. 


grofser  Wirkung  in  entferntere  Tonarten,  die  wir  fremde  Töne  nennen,  aus- 
weichen; wobei  wir  jedoch  immer  sorgfältig  darauf  halten  müssen,  dafs  zwi- 
schen allen   Akkorden  ein  gehöriger  Zusammenhang  statt  finde  *). 

In  den  vorstehenden  Uebungen  haben  wir  unsere  Ausweichungen  durch  die 
Mittel  bewirkt,  welche  die  Dominante  uns  darbot;  jetzt  wollen  wir  zuerst  die 
Tonart  bestimmen,  nach  der  wir  auszuweichen  wünschen  und  dann  die  dazu 
gehörige  Dominante  zufügen. 

In  die  Bafszeile  wollen  wir  (indem  wir  eine  obere  Zeile  darüber  leer  lassen) 
eine  Bafsnote  schreiben,   z.  B.  C,   von  der  wir  ausgehen. 

Haben  wir  beschlossen  nach  D  auszuweichen,  so  schreiben  wir  ein  D  hin, 
lassen  aber  davor  einen  leeren  Raum  zur  Einsetzung  der  Dominante. 

Da  A  die  Dominante  von  D  ist,  so  mufs  es  in  dieser  Lücke  eingeschoben 
werden. 

Beschliefsen  wir  nun  weiter  nach  E  zu  gehen,  so  wird  die  Bafsnote  E  hin- 
geschrieben, davor  ein  Raum  für  dessen  Dominante  H  gelassen  und  diese  dann 
eingesetzt;  so  geht  es  dann  nach  Gefallen  weiter. 


f 


TU 





f^Fi 

ecc. 

Vj.  \J 

\ 

8 

* 

5 

5. 

a± 

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— ©— 

-  O-:-. 

?• 

z#Sz: 

-#•  — 

=#o_ 

_f  ■ 

ffS 

etc. 

• 



— _ — 



«■< 


Die  gehörigen  Dominanten  werden  solchergestalt  vor  ihre  Toniken  gesetzt 
und  mit  7  beziffert.  Nun  werden  die  Dreiklänge  in  die  obere  Zeile**)  geschrie- 
ben, die  Septimen,  mit  denen  der  Bafs  beziffert  ist,  werden  zugefügt  und  so 
ist  die  Uebung,   wie  nachstehend,   vollendet. 

^Enh. 


76. 


*)  Siehe  Seite  15. 
**)  Die  obern  Noten  der  einander  folgenden  Dreiklänge  müssen  so  nahe  wie  möglich  an  ein- 
ander geschlossen  und  die  Intervalle  der  Dominant- Akkorde  gehörig  aufgelöset  werden. 


64     Modulation,   durch   Verwandlung  der  Dreiklänge  befördert. 


Das  Vorstehende  ist  eine  aufwärts  fortschreitende  Modulation  durch  ganze 
Töne. 

Bei  Fis  tritt  ein  enharmonischer  Tonwechsel  ein  und  statt  nach  Gis  wei- 
ter fortzuschreiten,    gehen  wir  wieder  nach  C  zurück. 

Auf  gleiche  Weise  können  wir  durch  ganze  Töne  abwärts  steigend  modu- 
liren,  wie  hier: 


f 


77. 


°  r    P 

3             % 
HU ~ 

— s— 

17 

— e — 

— t©- 

's   1 

3              b 

-   fees     - 

f-bfee — 

bS 

;— bO — : 

■p  fer 

i  e£c. 

^^ 

— fe© — 

bQ  ■    - 

e£c. 

Zu  jeder  Zeit  können  wir,  wie  im  vorstehenden  Beispiele,  den  grofsen 
Dreiklang  in  einen  kleinen  verwandeln  und  umgekehrt;  dies  wird  uns  öf- 
ters eine  bessere  Verbindung  mit  der  nachfolgenden  Dominante  geben  und  die 
Härte,  welche  sonst  eine  Ausweichung  in  fremde  Töne  haben  kann,  mildern; 
wie  im  nachstehenden  Beispiel. 


*Ļ3i= 


9=^=^m 


i — tf- 


7 


:SO: 


'-#;o 


2f^^z 


Zu  <?:  Die  grofse  Terz  ist  in  eine  kleine  verwandelt,  weil  wir  in  Tonarten 
mit  Been  ausweichen  wollen;  der  so  veränderte  Akkord  hat  nun  ei- 
nen zwiefachen  Zusammenhang  mit  dem  nächsten. 

Zu  b:  Die  kleine  Terz  ist  in  eine  grofse  verwandelt,  weil  wir  aus  einer 
Tonleiter  mit  Been  in  eine  mit  Kreuzen  übergehen. 

Zu  c:  Hier  würde  nur  eine  Verbindung  mit  dem  folgenden  Akkorde  sein, 
wenn  wir  nicht  diese  Verwechselung  vorgenommen  hätten. 

Das 


Gebrauch     enharmonischen     Tonwechsels.         65 
Das  folgende  Beispiel  zeigt,  wie  nutzbar  die  enharmonischen  Tonwechse- 


lungen für  Modulation  sind. 


I.  Hier  fangen  wir  in  der  Tonart  von  Ces  an;  den  Dreiklang  auf  Ces  sind 
wir  genöthigt  enharmonisch  zu  verwandeln,  ehe  wir  gerade  nach  E  ausweichen 
können. 

II.  Hier  sind  wir  in  Cis,  welches  durch  enharmonische  Verwechselung  in 
Des  uns  in  den  Stand  setzt,   auf  einmal  nach  Ges  überzugehen. 

Im  Beispiel  72.  wählten  wir,  um  eine  neue  Dominante  zu  bilden,  die  Terz 
des  Dreiklanges  auf  der  Tonika  und  zwar  die  grofse  Terz.  Da  uns  frei  steht, 
aus  diesem  Dreiklang  einen  kleinen  Dreiklang  zu  machen,  so  wollen  wir  die 
kleine  Terz  als  neue  Dominante  annehmen. 


Untersuchen  wir  jetzt  die  Wirkung  der  Modulation  nach  jeder  Stufe  durch 
grofse  halbe  Töne  *)  aufwärts. 


81.  < 


IM 


fe,©c 


=bü 


ffs- 


# 


— tÖ^Ä: 


etc. 


6      t. 

3         l 


:Q: 


17 
b5 


J20: 


_A I 


7 
8 


±p=& 


:c 


*_h 


etc. 


*)  Man  sehe  die  Erklärung  von  großen  und  kleinen  halben  Tönen. 

[9  J 


66 


Modulation     nach     der     grofsen     Terz. 


Zu  Takt  1.     Der  Dreiklang  ist  in  einen  kleinen  verwandelt,  weil  wir  im 

Begriffe  sind,  nach  Tonleitern  mit  ßeen  zu  gehen. 
Zu  Takt  3.     Der  Dreiklang  auf  Des  ist  zu  einem  kleinen  gemacht  und  en- 
harmonisch  verwandelt,  damit  wir  nicht  gezwungen  sind,  nach 
Eses  zu  gehen. 
Und  so  fahren  wir  fort,    durch  grofse  halbe  Töne  aufwärts  zu  steigen,   bis 
wir  wieder  nach  C  zurückkommen. 

Jetzt  wollen  wir  die  Quinte  auf  der  Dominante  jeder  Tonart,  zu  der 
wir  fortschreiten,  auswählen,  und  zu  der  Tonart  auf  der  Quinte  darunter,  oder 
(was  dasselbe  ist)  auf  der  Quarte  darüber,   übergehen. 


Da  im  obigen  Beispiele  der  Bafs  eine  Stufe  hinaufsteigt,  mufs  der  Schüler 
nicht  die  Regel  zur  Vermeidung  von  Quinten-  und  Oktavenfolgen  vergessen;  in 
solchen  Fällen  mufs  die  Quinte  eine  Stufe  fallen. 

Wir  wollen  jetzt  eine  grofse  Terz  abwärts  moduliren;  bei  diesem  Un- 
ternehmen werden  wir  aber  finden,  dafs  zwischen  der  eingesetzten  Dominante 
und  dem  vorigen  Akkord  keine  Verbindung  ist. 

In  solchem  Falle  müssen  wir  einen  Akkord  anzubringen  suchen,  wo  die 
Kette  der  Harmonie  unterbrochen  ist,  indem  wir  auf  diese  Weise  in  den  Lauf 
der  Modulation  Zusammenhang  bringen. 

N.  B.  Gemeinlich  werden  wir  finden,  dafs  der  Dreiklang  auf  der  kleinen 
Terz  darunter  oder  auf  der  grofsen  Terz  darüber  dieser  Absicht  entspricht;  hier, 
wo  wir  von  C  nach  E  moduliren  wollen ,  können  wir  es  mit  beiden  versuchen. 


A-j 


a 


:=d: 


:d. 


St: 


7 


m 


:::=0: 


S 


Q=::: 
t=::: 


7 


Modul,  nach  kleiner  Terz  hinauf,  einen  kleinen  Ton  abwärts  etc.  67 


Die  mit  ©  bezeichneten  Akkorde  sind  eingeschoben. 

Eben  so  verhält  es  sich  bei  der  Modulation  nach  der  kleinen  Terz  darüber. 


( 


84. 


Bei  der  Ausweichung  nach  dem  halben  Tone  darunter  scheint  zwar  die 
Terz  der  Tonika  eine  Verbindung  mit  der  Septime  auf  der  Dominante  zu  bil- 
den; gleichwohl  ist  die  Beziehung  zwischen  diesen  beiden  Tonarten  so  entfernt, 
dafs  die  Ausweichung  kaum  zugelassen  werden  kann;  die  Wirkung  einer  sol- 
chen Folge  ist  aufserordentlich  hart  und  unangenehm,  wie  in  dem  folgenden 
Beispiele  bei  (a): 


Ein  weit  besserer  Effekt  wird  durch  die  Einschiebung  eines  Akkordes,  wie 
bei  (b)  und  ein  noch  besserer  durch  die  bei  (c),  hervorgebracht. 

Weichen  wir  jetzt  in  die  entfernteste  Tonart  aus,  das  heifst;  in  die  er- 
höhte Quarte,  oder  (was  dasselbe  ist)  in  die  erniedrigte  Qtiinte  darüber. 


86.  <J 


^$rsr- 


J3PS=J 


7 
5 
8 


ESjjBsE 


8 


:C: 


«: 


© 


s_ 

==1- 


=3= 


7 
5- 


-p- 


[9*] 


68 


Uebung    für    alle    diese    Lehren. 


Bei  (<a)  zeigt  sich  keine  Verbindung  zwischen  beiden  Akkorden. 

Bei  (b),  der  Dreiklang  der  grofsen  Terz  darüber  ist  eingeschoben. 

Bei  (c),  hier  ist  es  der  auf  der  kleinen  Terz  darunter. 

Nach  den  vorstehenden  Regeln  zur  Aufsuchung  der  Dominanten  leuchtet 
ein,  dafs  wir  aus  jeder  gegebenen  Tonart  in  sechs  andere  übergehen  können. 

Wir  müssen  hier  noch  ausdrücklich  bemerken,  dafs  wenn  wir  in  irgend 
eine  neue  Tonart  übergegangen  sind,  wir  uns  nun  in  derselben  Lage  sehen,  als 
fingen  wir  bei  dieser  an;  wir  können  daher  auf  dieselbe  Weise,  wie  zuvor,  je- 
des der  Intervalle  auf  der  Tonika,  Ober-  und  Unterdominante  dieser  Tonart 
behufs  weiterer  Modulation  anwenden. 

Uebung  für  alle  vorstehenden  Regeln. 
1  2  3  4  5  6 


©- — I- 


Zu  Takt  1. :  Wir  haben  die  Terz  von  der  Tonika  genommen  und  nach  der 
Parallel  -  Molltonart  modulirt. 

Zu  Takt  3. :  Wir  haben  die  Oktave  gewählt  und  nach  D  moll  modulirt.  Wir 
befinden  uns  nun  in  D  moll,  deren  Unterdominante  wir  (Takt  C.) 
nehmen  und  damit  (Takt  7.)  nach  Cmoll  ausweichen. 

Zu  Takt  8. :  Hier  in  C  moll  nehmen  wir  die  Terz  der  Unterdominante,  wel- 
che nach  Des  führt. 

Zu  Takt  10.:  Wir  sind  in  Des,  nehmen  die  Quinte  auf  dessen  Dominante  und 
gehen  nach  As. 

Zu  Takt  12.:  In  As  nehmen  wir  die  Terz  auf  dessen  Dominante  und  modu- 
liren  nach  C  moll. 


Uebung    für    alle     diese    Lehren.  69 

Das  vorstehende  Beispiel  wird  die  unerschöpfliche  Mannigfaltigkeit  in  Aus- 
weichungen hinlänglich  zeigen,  die  wir  durch  die  Anwendung  der  vorhergehen- 
den einfachen  Regeln  gewinnen;  uud  diese  —  das  wollen  wir  nicht  vergessen, 
haben  ihre  Entstehung  in  den  ursprünglichen  drei  Grundbässen. 

Der  Schüler  wird  nicht  ermangeln,  die  ausgedehnte  Gewalt  der  Modulation, 
die  ihm  nach  obigem  zu  Gebote  steht,  zu  nutzen,  bei  jeder  Gelegenheit 
in'  der  Auswahl  der  verschiedenen  Intervalle  abzuwechseln  und  stets  neue  und 
die  besten  Effekte  hervorzubringen;  da  alle  harte  und  fremde  Modulationen 
durch  die  Anwendung  dieser  Regeln  gänzlich  ausgeschlossen  werden. 

Es  wird  dringend  empfohlen,  die  Modulationen,  die  man  geschrieben  hat, 
stets  zu  spielen  und  sie,  um  mannigfaltiger  Wirkung  willen,  auf  verschiedene  Weise 
zu  bearbeiten,  wozu  wir  im  folgenden  Beispiel  einige  Proben  gegeben  haben. 

Dies  giebt  denn  auch  eine  Elementaranleitung,  aus  dem  Stegreife  zu  spie- 
len (zu  fantasieren)  und  in  verschiedenen  Weisen  die  Begleitung  einzurichten. 

Beispiel  88. 


-\ 


4- 


CfcfS$=Ä 


JZZLES  JZELCS 


— ^5t^T — ^^-nTn 


^^^^        |~T"ff    r?5? 

-I  1 1"    'I  i  i — I"  Mihi »i 


_j=stw;--JWffi 


i##w 


ss^a^a 


-«-«1-41 


6  * 


tefcri^J^:feHJ4=CB 


-iJ-aNi- 


-rt-d-ah 


3= 


ilzl^npgqgig: 


70 


Konsonanz     und     Dissonanz. 


Harmonie  in  zwei  Zweige j  Konsonanz-  und  Dissonanzakkorde j  getheilt. 

Der  Dreiklang  ist  ein  konsonirender  Akkord  und  die  in  ihm  enthaltenen 
Intervalle  (die  Terz,  Quinte  und  Oktave)  heifsen  Konsonanzen. 

"Wenn  ein  konsonirender  Akkord  gehört  wird,  so  ist  der  Eindruck  auf  das 
Ohr  angenehm  und  an  sich  selbst  befriedigend.  Man  kann  diese  Klänge  ein- 
ander allmählig  folgen  lassen,  ohne  dafs  sie  das  Gefühl  der  Erwartung  oder 
Spannung  auf  andere,  die  nachfolgen  sollen,  erregen. 

Nimmt  man  nun  einen  von  den  Tönen,  die  den  Konsonanzakkord  bilden, 
weg  und  setzt  einen  andern  an  dessen  Stelle,  so  wird  der  entgegengesetzte  Ein- 
druck von  einem  Konsonanzakkorde  hervorgebracht. 

Der  Ton,  welcher  diese  veränderte  Wirkung  hervorbringt,  heifst  Disso- 
nanz;    und 

ein  Akkord,  in  welchem  eine  Dissonanz  gehört  wird,  heifst  dissoniren- 
der  Akkord. 

Die  beständige  Folge  von  Konsonanzen  übersättigt  das  Ohr. 

Eine  einsichtsvolle  Untermischung  von  Dissonanzen  bringt  mehr  Interesse 
hervor,  führt  angenehme  Abwechselung  herbei  und  verleiht  in  der  That  den 
Harmonien  Licht  und  Schatten. 

Wenn  man  die  folgende  hinabsteigende  Melodie  mit  ihren  Grundbässen 
(wie  bei  a)  spielt,  so  wird  das  Ohr  vollkommene  Befriedigung  empfinden. 


Jetzt  lasse  man  aber  den  Ton  G  in  der  Melodie  im  folgenden  Takte  fort- 
klingen (wie  im  obigen  Beispiele  Z»),  ohne  den  Bafs  zu  verändern,  und  sogleich 
wird  das  Ohr  eine  gewisse  Beunruhigung  empfinden,  das  Verlangen,  den  Ton 
F  zu  hören. 

Wenn   ein  Intervall  in  einer   Melodie    auf  solche  Weise   im  Hinabstei- 
gen zurückgehalten  ist,  so  nennt  man  das  Vorhalt.     Zum  Beispiel 
G  ist  Vorhalt  von  F 
F    -         -  -     E 


Dissonanz     durch    Vorhalt. 


71 


. .    E  ist  Vorhalt  von  D  —  oder  mit  andern  Worten 
die  None  (der  neunte  Ton)  ist  Vorhalt  von  der  Oktave, 

-  Quarte  ist  Vorhalt  von  der  Terz, 

-  Quinte   -  -  -  Sexte. 

So  sind  alle  Dissonanzen  durch  Vorhalte  zu  fassen. 
Dreiklang  mit  dissonirender  Quarte  als  Vorhalt  der  Terz. 


90. \ 


~0~ 


— 8- 


■+-4- 


ä 


3SE^ 


o 

Kons. 


Diss. 


•&«  + 


30-?isi: 





-C- 


3— 


— -+- 


-Q-O-^ 


Diss. 


Diss. 


=0: 


Dreiklang  mit  dissonirender  None  als  Vorhalt  der  Oktave 

•9  I  8 


91., 


zO=:: 


_^_< — 


— ©-T-- 


*"^  r. L 


«t 


Diss. 


Diss. 


Diss. 


a± 


-O: 


-O- 


-5-3- 


Dreiklang  mit  dissonirender  Sexte  als  Vorhalt  der  Quinte. 


92. 1 


-O- 


Q— +I-- 03-463 


«Q2 


3  ^6  I  5  1  g 


ics 


~JrQ gg: 


3z::6C: 


Diss. 


a± 


-». 


:0: 


:0: 


Diss. 


-O- 


Diss. 


An  den  vorstehenden  Beispielen  ist  ersichtlich,  daCs  diejenigen  Töne,  wel- 
che dissonirende  Akkorde  hervorbringen,  sich  in  hinabsteigender  Folge  nach  der 
Natur  zuerst  als  Konsonanzen,  und  darauf  als  Dissonanzen  darstellen; 
aus   diesem   Umstände   nehmen   wir    die    ganz   naturgemäfse   und   sehr  wichtige 


Regel,  dafs: 


jjalle   Dissonanzen   als   Konsonanzen   eingeführt:  werden    müssen, 
oder    mit    andern    Worten,     dafs    _,jder    Ton,     welcher    zur    Disso- 


72 


Vorbereitung    der    Dissonanzen. 


nanz   wird  ^  zuvor  im  'vorhergehenden  Akkorde  als  Konsonanz  ge- 
hört werden  mufs."    Dies  nennt  man  in  der  Kunstsprache  Vorberei- 
tung der  Dissonanzen,,  oder  schlechtweg  Vorbereitung;  und  dann:  jjti 
welcher  Stimme  die  Dissonanz  eingeführt  werden  soll,  im  Sopran, 
Alt  u.  s.  w.   in  dieser  Stimme  mufs  sie  auch  vorbereitet  sein.'', 
Diese  Regel  von  der  Vorbereitung  der  Dissonanzen  kann    als   überflüssig 
aufgegeben  werden,  wenn  wir  die  Vorhalte  nur  bei  hinabsteigender  Melodie 
einführen;   ist  dies  aber  nicht  der  Fall,  so  mufs  die  Vorbereitung  genau  beob- 
achtet werden. 

N.  B.    Bei  dem  Beispiel  89.  b  ist  zu  bemerken,  dafs  die  Dissonanz  stets 
eine  Stufe  nach  der  folgenden  Konsonanz  hinabsteigt. 

Da  wir  jetzt  beschäftigt  sind,  eine  gehörige  Vorstellung  von  der  Vorbe- 
reitung der  dissonirenden  Vorhalte  zu  geben,  so  wollen  wir,  statt  dazu  die 
hinabgehende  Tonleiter  zu  nehmen,  von  der  hinaufsteigenden  Gebrauch 
machen,  in  welcher  sich  die  Dissonanzen  nicht  von  Natur  vorbereitet  finden. 

Bei  (a)  im  folgenden  Beispiele  sind  alle  Akkorde  konsonirende. 

Bei  (b)  ist  die  dissonirende  Quarte  im  Alt  eingeführt,  weil  die  Auflösung 
(die  Terz)  in  dieser  Stimme  erfolgt.  Sie  ist,  wie  man  hier  sieht,  nicht  vor- 
bereitet. 

Bei  (c)  ist  sie  es  dagegen,  und  zwar  in  derselben  Stimme,  dadurch,  dafs 
wir  die  Quinte  (G)  im  vorangehenden  Akkorde  in  zwei  halbe  Taktnoten  thei- 
len  und  die  letztere  nach  C  (der  Oktave  desselben  Akkordes)  hinaufgehen  las- 
sen;  dies  ist  die  gehörige  Vorbereitung  der  folgenden  Quarte. 


Alle 


Quarte    als     Vorhalt    der    Terz. 


73 


Alle  obigen  Bemerkungen,  über  Vorbereitung  u,  s.  w.,  finden  auf  die  an- 
dern Dissonanzen  ebenfalls  Anwendung. 

Wenn  wir  eine  Melodie  harmonisirt,  oder  anderwärts  her  eine  Harmonien- 
folge erhalten  haben  und  erkennen  wollen,  in  welchen  Akkorden  wir  Disso- 
nanzen einführen  können,  so  müssen  wir  die  Fortschreitung  des  Grundbasses 
untersuchen  und  dabei  folgende  Regel  beobachten. 

„Wenn  der  Grundbafs  eine  Quinte  *)   steigt,   so  können  wir  die 
Quarte    als    Dissonanz,    die    sich    in    die    Terz    auflöset,    ein- 
führen," 
wie  das  folgende  Beispiel  zeigt. 


W^k 


94.  < 


W— ©: 


:C5i 


:Q 


:0: 


:=J: 


iSizC: 


3=a 


4 


:C: 


HO: 


3jpL 


"Cr 


-8- 


-3- 


3=3 


^w-O' 


a?e= 


B 


Q- 


33" 


'% 


"O" 


:Q: 


Man  bemerke,  dafs  in  Takt  2,  3  und  6.  die  Dissonanzen  bereits  in  der- 
selben Stimme  vorbereitet  sind,  in  welcher  ihre  Auflösung  erfolgt,  weil  näm- 
lich die  Melodie  hinabsteigt.  Im  Takt  5.  ist  der  Fall  anders;  die  Melodie 
geht  hinauf  und  wir  sind  verpflichtet,  hinaufzusteigen,  um  zur  Vorbereitung 
der  Dissonanz  zu  gelangen. 

N.  B.  Der  Schüler  mag  einige  von  den  Melodien  nehmen,  die  er  bisher 
harmonisirt  hat,  und  sie  als  Hebungen  zu  der  vorigen,  oder  den  folgenden  Re- 
geln benutzen. 

„Wenn   der   Grundbafs  eine  Quarte   steigt,**)   so   können  wir  die 
None,  die  sich  in  die  Oktave  auflöset,  dissonirend  einführen." 

Wir  wenden  uns  zu  dem  91sten  Beispiel  zurück  und  bemerken,  dafs  der 
Bafs   eine   Quarte   hinaufsteigt.     In  dem   Akkorde,   zu  welchem  er  hinauf- 


*)  Dies  ist  dasselbe,  als  wäre  sie  eine  Quarte  ab  wärts'gef  allen. 
**)  Oder,  was  dasselbe  ist,  eine  Quinte  füllt. 


[   10   ] 


74 


None    als     Vorhalt     der     Oktave. 


schreitet,  ist  die  None  eingeführt,  durch  die  vorhergehende  Quinte  vorbereitet; 
dies  ist  der  Grund  der  obigen  Regel  und  dazu  ist  das  Folgende  ein  Beispiel  in 
Partitur. 

Zu  a:   Die  None  ist  im  Alt  eingeführt,   weil  die  Oktave  sich  daselbst  be- 
findet;  es   ist  zu  bemerken,   dafs  sie  nicht  in  dieser  Stimme  vorbe- 
reitet ist. 
Zu  b:  Die   None  ist  vorbereitet,  indem  die  Terz  des  vorhergehenden  Ak- 
kordes zur  Quinte  hinaufgestiegen  ist. 

O-  b 


95. 


'Cr 


— Q" 


©- 


8—+ 


P=© 


:fc 


E^fiEgf 


9^-sS 


9_8 


3z: 


-GL 


:0: 


Wir   wollen   nun   die   hinaufsteigende   Tonleiter   liarmonisiren   und   sowohl 
die  Quarte  in  die  Terz,   als  die  None  in  die  Oktave  *)  einführen. 

:# ~ 


96.  <J 


~0" 


:=0: 


:Q~ 


■8— f-4— 3; 


S 


-o 


5 


tx 


=e-# 


^^ 


8 


ÜEE 


•^N             5  ^9 
■8— |—  4—3— — (-== 8~|- 


-ö — ^ — ö-— — 

tziitzitzEz 


Ezztz 


Lj_ 


:0: 


ISzE0^ 


4      3  9      8 


::=zO: 


4      3  9      8 


-© — w 


*)   Einige   spätere  Bemerkungen  über  strengen  und  freien  Styl  werden  auf  dieses  Beispiel  zu 
beziehen  sein. 


Harmonisirung  der  hinabsteigenden  diatonischen  Tonleiter.    75 

Zu  Takt  2.  Der  Bals  ist  eine  Quarte  gefallen  (oder,  was  gleich  viel  ist, 
eine  Quinte  gestiegen)  folglich  können  wir  hier  die  Quarte 
haben,  die  sich  in  die  Terz  auflöset.  Da  die  Terz  im  Alt  ist, 
mufs   sich   die   Quarte  auch  daselbst  belinden.     Da  die  Quarte 

aber   nicht    in    dieser   Stimme   vorbereitet   war,    so   steigt    der 

* 

Alt  zu  diesem  Zweck  nach  G,   der  Oktave  im  ersten  Takte. 

Zu  Takt  3.  Die  None  erfodert,  dafs  der  Alt,  behufs  ihrer  Vorbereitung, 
im  zweiten  Takte  wieder  aufwärts  gehe. 

Zu  Takt  4.  Der  Alt  steigt  nach  C  hinauf,  um  die  Quarte  im  folgenden 
Takte  vorzubereiten. 

Es  ist  zu  bemerken,  dafs  in  diesem  vierten  Takte  der  Bafs  eine  Quinte 
gefallen  ist;  wir  hätten  daher  nach  der  obigen  Regel  die  None  vor  der  Oktave 
einführen  können.     Warum  ist  dies  nicht  geschehen? 

Weil  die  Oktave  im  Diskant  liegt;  da  die  None  eben  daselbst  angebracht 
werden  müfste,  so  können  wir  in  diesem  Falle  die  Dissonanz  nicht  zulassen, 
ohne  die  Melodie  wesentlich  zu  verändern. 

Zu  Takt  7.  Die  Quinten-  und  Oktavenfolge  ist  nach  der  zweiten  Methode 
vermieden. 

Auf  diese  Weise  mag  der  Schüler  sich  an  den  Tonleitern  verschiedener  Ton- 
arten üben,  diese  zwei  Dissonanzen  *)  einzuführen,  dann  die  Harmonie  zu 
vollenden  und  die  Verschiedenheit  der  Wirkung  mit  den  Beispielen  45  und  47. 
zu  vergleichen. 

Harmonisirung  der  hinabsteigen  den  diatonischen   Tonleiter. 

Betrachtet  man  die  diatonische  Tonleiter  als  eine  Melodie,  so  bleibt  sie 
im  Hinauf-  und  Hinabsteigen  dieselbe.  Allein  es  linden  sich  mancherlei  Gründe, 
sie  verschieden  zu  harmonisiren. 

Bei  der  Einleitung  zur  Modulation  haben  wir  erklärt,  in  wiefern  die  noth- 
gedrungene  Konstruktion  der  Tonleiter  zwischen  der  sechsten  und  siebenten 
Stufe  Quinten-  und  Oktavenfolgen  zu  Wege  bringt;  wir  haben  auch  bereits 
zwei  Methoden,  sie  in  der  hinaufsteigenden  Tonleiter  zu  vermeiden,  kennen 
gelernt  —  aber  diese  können  bei  der  hinabsteigenden  Tonleiter  nicht  angewen- 
det werden.     Statt   daher  den  Bafs  von  der  Dominante  auf  die  Unterdominante 


*)  Die  Sexte,  die  zur  Quinte  wird,  findet  sich  im  Beispiel  101;  angeführt. 

[   10*  ] 


Hinabsteigende    Tonleiter    mit    Vorhalten. 


fallen  zu  lassen  (wie  im  folgenden  Beispiel  a)  läfst  man  ihn  ein*e  Stufe  hinauf- 
steigen (wie  bei  b)  und  durch  die  Einführung  dieser  entgegengesetzten  Bewe- 
gung zu  den  übrigen  Stimmen  ist  die  Oktaven-  und  Quintenfolge  vermieden  *). 


Das  folgende  ist  ein  Beispiel  der  hinabsteigenden  diatonischen  Tonleiter, 
in  vier  Stimmen,  wobei  die  Quarte,  die  sich  in  die  Terz,  und  die  None,  die 
sich  in  die  Oktave  **)  auflöset,  dissonirend  eingeführt  sind. 


* 


8  y 

-O. 


98.  < 


s  4 

-O- 


-O u 


9 

0- 


X- 


s/ 


4 

t= 


IS  * 


-s— 


:t==E 


-t— o — \— O — I 


-3— 


ß=G~- 


:=0: 


S3= 


-O — 


:=Q: 


-b- 


:0= 


*)  Hier  wird  in  der  Tonleiter  ein  kleiner  Dreiklang  eingeführt,  welcher  bei  der  Abhandlung 
der  hinaufsteigenden  Tonleiter  nicht  zu  erklären  gewesen  wäre.  Dies  rechtfertigt  uns  über  den 
langen  Aufschub  der  Uebungen  über  hinabsteigende  Tonleiter. 

**)  Die  Dissonanzen,  die  hier  im  Sopran  erscheinen,  können  nicht  als  eine  wesentliche  Ver- 
änderung der  Melodie  angesehn  werden,   da  diese  mir  in  ihrem  Fortschreiten  aufgehalten  wird. 


Hinabsteigende    Tonleiter    mit    Vorhalten.       77 

Zu  Takt  2.  Warum  lassen  wir  die  Quarte  im  Sopran  und  im  siebenten  Takt 

im  Alt  erscheinen?     Weil  die  Auflösung  da  erfolgt. 
Warum  können   wir  die  Quarte  in  diesem  Akkorde  einführen?     Weil  der 

Bafs  eine  Quinte  hinaufgestiegen  ist. 
Zu  Takt  3.  Warum  ist  der  Bafs   eine  Stufe   hinaufgestiegen?     Um  Quinten 
und  Oktaven  zu  vermeiden. 
Kein   Intervall    kann    durch   einen  Vorhalt  aufgehalten  und  zu  glei- 
cher Zeit  (in  einer  andern  Stimme)  gehört  werden. 
Wir  wollen  uns  daher  vorsehen,   dafs  wenn  wir  die  None  zum  Beispiel  in 
einer  Stimme   einführen,   die   Oktave   nicht   in   einer   andern  erscheine.     Diese 
Erinnerung  ist  auch  auf  die  andern  Dissonanzen  anzuwenden. 

Sind  wir  nun  im  Begriff,   die   Hauptseptime   in  Verbindung  mit  den  oben 
erklärten  Dissonanzen    anzuwenden,   so   wollen  wir  hier  die  Gelegenheit  wahr- 
nehmen,  einige  bemerkenswerte  Eigenthümlichkeiten  zu  erklären. 
Erstens:   die  Dissonanzen  durch  Vorhalte  sind  stets  vorzubereiten. 
Die  Septime  wird  ohne  Vorbereitung  eingeführt. 

Zweitens:  die  dissonirenden  Vorhalte  werden  über  demselben  Basse  aufgelöst. 
Die  Septime  wird  auf  dem  folgenden  Bafs  erst  aufgelöst. 

So  scheint  also  die  Septime  an  der  Natur  der  Konsonanzen  Theil  zu  ha- 
ben —  insofern  sie  keine  Vorbereitung  erfodert;  und  an  der  Natur  der  Disso- 
nanzen —  insofern  sie  aufgelöst  sein  will. 

Ein  anderer  Unterschied  ist  noch  in.  der  Wirkung  wahrzunehmen. 
Eine  Dissonanz  durch  Vorhalt  hat  die  Neigung,  sich  über  demselben  Basse 
aufzulösen,  die  Septime  hingegen  treibt  uns  vorwärts  zu  einem  andern  Akkorde. 

Die  hinabsteigende  diatonische   Tonleiter 

mit  der  Quarte,   die  sich  in  die  Terz,   der  None,   die  sich  in  die  Oktave  auf- 
löset und  der  Hauptseptime. 


-*4 — m — B 


78 


Hinabsteigende     Tonleiter     mit     Vorhalten. 


Aus  der  Fortschreitung  des  Basses  erhellt,  dafs  wir  im  obigen  Beispiele  die 
Hauptseptime  nur  in  zwei  Akkorden  einführen  können. 

Zu  Takt  3.  Nachdem  fehlerhafter  Fortschreitung  vorgebeugt   ist,   steigt  der 
Bafs   in  die  Unterdominante,   den  ursprünglichen  Bafs  der  Ton- 
leiter, hinab;  dadurch  gewinnen  wir  noch  gröfsere  Abwechselung. 
Zu  Takt  4.  Die  Terz   des  Dominantakkordes  fällt    zu  demselben  Basse  in 
die  Oktave  hinab ,  um  die  None  im  folgenden  Akkorde  zulässig 
zu  machen;  denn  wäre  die  Terz  bis  zu  Ende  des  Taktes  beibe- 
halten worden,  so  hätte  sie  sich  zur  Oktave  des  folgenden  Ak- 
kordes erheben   müssen  und   dann  wären  Oktave  und  None 
zu  gleicher  Zeit  gehört  worden. 
N.  B.     Diese  Methode   mufs   beobachtet  werden,    sobald  der  Bafs  von  der 
Dominante  zur  Tonika   schreitet   und  die  None  im  letzten  Akkord  eingeführt 
wird. 

Das  folgende  Beispiel  ist  eine  harmonisirte  Melodie  in  Partitur,  zu  der  ge- 
legentlich die  bisher  erklärten  Dissonanzen  eingeführt  werden;  sie  bei  al- 
len Gelegenheiten,  die  die  Bafsfortschreitung  darbietet,  einzuführen,  würde  die 
Uebung  erschwert  und  den  Ausdruck  der  Melodie  *)  oft  gestört  haben. 


Zu  Takt  6.  Zwei  Grundbässe  sind  bei  dem  sechsten  Tone  der  Tonleiter  an- 
gewendet, wie  im  Beispiel  99.  Takt  3. 


*)  Es  sei  im  Vorbeigehn  bemerkt,  dafs  unser  Augenmerk  hieT  nicht  darauf  gerichtet  ist, 
Punkte  zu  erörtern,  die  weiterhin  berührt  werden;  unsere  Absicht  ist  einzig  und  allein,  den  Schü- 
ler in  dem,  was  er  bereits  gelernt  hat,  zu  üben. 


Vereinigte    Dissonanzen. 


79 


Bei  dem  Schlufse  dieses  Beispiels  erscheint  die  Altfortschreitung  im  Sopran 
und  es  findet  sich  hier  beiläufig  eine  Verwechselung  des  Karakters  in  den  an- 
dern Stimmen.  Es  ist  nicht  gebräuchlich,  so  zu  schliefsen;  nur  um  verschie- 
dene Effekte  hervor  zu  bringen,  findet  es  statt. 

Vereinigte  Dissonanzen  —  zwei  Dissonanzen  zugleich  über  demselben  Bafs 

eingeführt. 

Wir  haben  gesehen,  dafs  -wir,  wenn  der  Bafs  eine  Quinte  steigt,  die  dis- 
sonirende  Quarte  vor  der  Terz  —  und 

Wenn  der  Bafs  eben  so  fortschreitet,  wir  auch  die  Sexte  vor  der  Quinte 
haben  können. 

Dieser  beiden  Freiheiten  mag  man  sich  entweder  jeder  einzeln,  oder  bei- 
der zugleich  bedienen,  wie  in  dem  folgenden  Beispiel  (bei  a). 


Wenn  der  Bafs  eine  Quarte  steigt,  haben  wir  bis  jetzt  gefunden,  dafs  wir 
die  None  vor  der  Oktave  nehmen  können. 

Wir  können  gleichfalls  die  durch  die  Septime  vorbereitete  Quarte  als 
Vorhalt  der  Terz  haben;  vorausgesetzt,  dafs  die  Harmonie  den  Gebrauch  einer 
Septime  im  vorhergehenden  Akkorde  zuläfst  (wie  im  obigen  Beispiele  bei  b); 
demnach 

Kann  die  Quarte  als  Vorhalt  der  Terz  verbunden  werden  mit  der  None 
als  Vorhalt  der  Oktave  (wie  bei  c). 

Die  folgende  Uebung  hat  die  Melodie  des  Beispiels  100.,  für  das  Pianoforte 
arrangirt;  hierbei  kann  der  Schüler  die  verschiedene  Wirkung  zu  beobachten 
anfangen,  die  so  hervorgebracht  wird.  Die  Harmonie  ist  streng  vierstimmig 
und  dieselbe,  wie  im  Beispiel  100.,  nur  dafs  die  verbundenen  Dissonanzen,  die 
im  Beispiel  101.  erläutert  worden,  zugesetzt  sind. 


80  Einführung  der  Dissonanzen  nachdem  Basse  geregelt. 


102. 


ZW. 

9S3 " 


Ö^ä^ 


^«zrfijigBzf  Sggg&E&g  |gg|=ggEvM 


J— 


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4- 


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J-_ j. 


-h-*~ 


x 


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u 


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9 


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!     I     l     !     I 


%u 


--O- 


:£ 


Im  Takt  2  und  4,  ist  der  verbundene  Vorhalt  der  Quarte  und  Sexte  ange- 
wendet. 

Im  Takt  3  und  8.  ist  die  Quarte  mit  der  None  verbunden. 

Im  Takt  6  und  7.  ist  die  None  durch  die  Terz  vorbereitet  (dies  wird  im 
nächsten  Beispiel  103.  erklärt  werden). 

Die  Melodie  des  vorstehenden  Beispiels  ist  eingerichtet,  mit  einer  Tenor- 
schlufs  klau  sei  zu  enden,  die  einen  besonders  weichen  Ausdruck  hat;  man 
vergleiche  dies  mit  derselben  Melodie  im  Beispiel  100.;  es  dient  dazu,  den  Aus- 
druck der  hier  zugefügten  Dissonanzen  auffallender  zu  machen, 

N.  B.    Hinabsteigende  Tonleitern  können  hier  zu  IJebungen  benutzt  werden. 

Die  Einführung  der  Dissonanzen,  ist  durch  die  Fortschreitung  des  Basses 

geregelt. 

Die   zwei  vornehmsten  Bafsfortschreitungen  sind   bereits   gezeigt,,  und   wir 

haben  jetzt  nur  die  Uebrigen  zu  erklären;    da   alles,   was  Vorbereitung  erfodert 

schon  gelehrt  ist ,  wird  nun  leicht  alles  übrige  verstanden  werden. 

Wenn  der  Bafs  eine'Y  C  ■">.. -iU  .       ..     "}  f    .  . ,  .       .n,, 

1  die  None  durch  die  lerz  vorbereitet  M  wie  im  Beisp.  10.». 

-    Quarte     »       -    Quinte       »  j|    -  (a). 


Sekunde  steigt,  kön- 
nen wir  einführen 
Wenn  der  Bafs  eine 
Terz  steigt, 


Sexte 


Oktave 


Wenn 


Uebung     zur    Einführung     der     Dissonanzen. 

Wenn  der  Bafs  eine  Sexte  hinaufgeht,  können  wir  keine  Dissonanz  haben. 

Wenn  der  Bafs  eine"\  die  Quarte,  durch  die  Terz  vorbereitet  (c), 
Septime  hinaufgeht,  L    -    None  -         -     Oktave         -  (d), 

können  wir  haben  -    Sexte  -  -     Quinte*)       -  (e). 


81 


Um  Gewandtheit  In  der  Einführung  der  Dissonanzen  zu  erlangen,  verfahre 
man  so. 

Man  nehme  eine  Reihe  von  Grundbässen  (zum  Beispiel  die  folgende). 


104. 


eie— : 

h~: 

— a— 



"  o 

(- 

— VS-°-- 

— e— 

-  o     L 
9 

o  . 

—e— 

o  j 

—a— 

o 

•~a~- 

— e— 

.1511 

Man  schreibe  die  Akkorde  in  eine  obere,  zu  dem  Zweck  leer  gelassene  Zeile 
über  den  Bafs,  und  vermeide  alle  unnöthigen  Sprünge  in  der  Melodie. 

Man  beziffere  jede  Bafsnote  mit  allen  Dissonanzen,  welche  ihre  besondere 
Fortschreitung  zuläßt. 

Man  führe  in  die  Harmonien  diejenigen  Dissonanzen  ein,  die  nach  unserm 
Geschmack  rathsam  sind,  oder  durch  die  Umstände  bedingt  werden;  denn  (wie 
wir  schon  .zuvor  bemerkt  haben)  man  soll  sie  nicht  bei  jeder  Gelegenheit  alle 
anwenden.     Endlich 

sorge  man  dafür,  dafs  alle  eingeführten  Dissonanzen  richtig  vorbereitet  und 
aufgelöset  werden, 

Der  Schüler  kann  sich  leicht  selbst  mit  Uebungen  von  beliebiger  Ausdeh- 
nung für  das  hier  beschriebene  Verfahren  versehen,  indem  er  die  Bässe  von 
irgend  einer  bisher  geschriebenen  Modttlationsfolge  nimmt,  oder  sich  selbst  nach 
den  Anweisungen  im  Beispiel  87.  Bässe  schreibt. 


*)  Es  wird  besser  sein,  die  Anwendung  dieser  zwei  letzten  Dissonanzen  bei  dieser  Fortschrei- 
tung des  Basses  auszusetzen,  bis  die  Leiire  von  der  Umkehrung  eingeführt  ist. 

[  11  J 


82 


Umgekehrte    Bässe. 


Wir  wollen  diese  Abhandlung  mit  einem  Beispiel  schliefsen,  in  welchem 
die  Harmonie  im  erstem  Theile  vollständig  ist,  indem  wir  da  die  vollen  Ak- 
korde zuerst  über  die  Bässe  geschrieben  und  dann  die  Dissonanzen  eingeführt 
haben.  Die  letztere  Hälfte  des  Beispiels  ist  dagegen  unausgeführt,  die  Akkorde 
sind  nicht  zuerst  hingeschrieben,  wie  in  der  erstem  Hälfte,  sondern  die  Disso- 
nanzen allein  sind  mit  ihren  Vorbereitungen  und  Auflösungen  eingeführt;  die 
übrigen  Noten  mögen  der  Harmonie  später  zugefügt  werden. 

Die  letztere  Behandlungsweise  häufig  auszuüben,  wird  vorteilhaft  befun- 
den werden,  und  es  zeigt  eine  vollkommnere  Bekanntschaft  mit  der  Sache. 


105. 


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Umgekehrte  Bässe. 

Man  mufs  wahrgenommen  haben,  dafs  die  Grundbässe  sich  im  Allgemeinen 
in  grofsen  Intervallen,  in  Quinten,  Quarten  u.  s.  w. ,  bewegen;  dies  ist  der  ei- 
gentümliche Charakter  der  Bafsmelodie,  welcher  eben  diesen  verschiedenen 
Effekt  hervorbringt  im  Gegensatz  zu  der  Melodie  der  anderen  Stimmen. 

In  dieser  Fortschreitung  des  Basses  scheint  jedoch  von  Natur  etwas  zu  Be- 
stimmtes und  Entscheidendes  zu  liegen,  das  sich  mit  der  glatten  und  ebenmäfsi- 
gen  Fortschreitung  in  den  andern  Stimmen  nicht  genugsam  verschmelzen  läfst. 
Dies  hat  eine  gewisse  Plumpheit  des  Ausdrucks  zur  Folge,  die  wir  gegen  eine 
sanftere  und  gefälligere  Ausdrucksweise  auszutauschen  wünschen. 

Die  Art  dies  zu  bewerkstelligen  ist,  aus  der  Harmonie  einige  andere  Inter- 
valle statt  solcher,  die  der  Grundbafs  hat,  211  entnehmen  und  daraus  eine  Bafs- 
melodie zu  bilden,  die,  obwohl  sie  ihren  ursprünglichen  Karakter  beibehält, 
doch  sich  an  die  Melodie  der  übrigen  Stimmen  so  anschliefst,  dafs  keine  vorherr- 
schend befunden  wird,  sondern  vielmehr  alle  zusammengenommen  eine  ange- 
nehme und  fliefsende  Harmonie  bilden. 

Jedes  in  dem  Akkord  enthaltene  Intervall  kann  genommen  und  in  den  Bafs 
geschrieben   werden;   dies  nennt  mau  denn  Umkehrungen  des  Basses  und  unter 


Drei    Umkehrungen. 


83 


diese,  mufs  angenommen  werden,  bleibt  der  Grundbafs  der  Leiter  und  Beherr- 
scher alles  darüber  Erbauten. 

Dieser  Grundbafs,  noch  auf  eine  besondere  Linie  darunter  geschrieben,  muls 
aber  nicht  als  eine  fünfte  Stimme  angesehen  werden,  da  er,  nachdem  die  Um- 
kehrungen ausgeführt  sind,  gänzlich  wegfällt.  Um  aus  einem  Akkorde  In- 
tervalle für  umgekehrten  Bafs  auszuwählen,  wollen  wir  den  Dominant -Akkord 
nehmen.  Dieser  Akkord  hat  (neben  dem  Grundbasse)  drei  Intervalle;  folg- 
lich können  wir  drei  Umkehrungen  haben. 

Unter  Umkehrung  ist  daher  ein  Akkord  zu  verstehen,  in  dem  die  in  den 
Bafs  geschriebene  Note  nicht  der  wirkliche  Grundbafs,  sondern  eine  andere  zur 
Harmonie  gehörige  Note  ist.  Wenn  wir  nun  als  Bafs  die  erste  Note  des  Ak- 
kordes über  dem  Grundbasse  nehmen,  so  heifst  das  die  erste  Umkehrung. 

Wenn  wir  die  zweite  Note  über  dem  Grundbafse  nehmen,  so  ist  dies  die 
zweite  Umkehrung  und  so  fort. 

Benutzen  wir  auf  diese  Art  jede  besondere  Stimme  für  den  Bafs,  so  müs- 
sen wir  aufser  dem  aus  der  Harmonie  entlehnten  Ton  auch  noch  den  nehmen, 
zu  dem  jener  fortschreitet.  Um  dies  im  folgenden  Beispiel  zu  zeigen,  ist  die 
Stimme,  welche  man  für  den  Bafs  ausgezogen  hat,  mit  kleinen  Noten  ange- 
zeichnet. 


106. 


Welche  von  diesen  Intervallen  wir  auch  in  den  Bafs  geschrieben  haben, 
sie  müssen  genau  auf  dieselbe  Weise  fortschreiten,  wie  an  ihrer  eigenen  Stelle, 
und  wir  müssen  daher  dem  Basse  den  besondern  Karakter  der  Stimme  über- 
tragen, aus  welcher  wir  jene  entlehnt  haben. 

Wenn  nun  die  Akkorde  nicht  aufgeschrieben  sind,  wie  können  wir  er- 
kennen, ob  der  Bafs  ein  Grundbafs,  oder  ein  umgekehrter  ist? 

r  11*] 


84 


Drei     Umkehrungen. 


Den  Grundbafs   der  Hauptseptime  haben  wir  bereits  mit  7  beziffert.     Wir 

wollen  dies  ferner  thun  und  wenn  wir  eine  Umkehrung  sehen,  wollen  wir  von 

der  entlehnten  Bafsnote  aufwärts   nach   den  verschiedenen  Intervallen  des 

Akkordes    zählen    und  die  betreffenden  Ziffern  über  die  Bafsnote  setzen;    das 

heifst  nichts  anders,  als  die  Töne  mit  Ziffern,  anstatt  mit  Noten  auf  eine  Zeile 

schreiben  *). 

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107.  < 


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1.  Umkehruns 


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2.  Umkehrung. 


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3.  Umkehrunf 


Der  Schüler  mufs  jedoch  stets  auf  den  Grundbafs  sehen,  um  den  Akkord 
zu  erklären,  und  den  umgekehrten  Bafs  nur  als  die  letzte  von  vier  Melodien 
betrachten,  wobei  wir  auch  alle  Intervalle  fortwährend  wie  bisher  benennen, 
indem  wir  sie  vom  Grundton  abzählen.     So  im  obigen  Beispiele. 

Zu  («).  Dies  ist  die  erste  Umkehrung  des  Dominant- Akkordes,  in  dem  die 
Septime  mit  einer  5  bezeichnet  ist;  demungeachtet  behalten  wir 
den  Namen  Septime  dafür  bei. 

Bei  dieser  Umkehrung  sagen  wir  nach  derselben  Regel,  dafs 
die  Terz  im  Basse,  die  Quinte  im  Tenor,  die  Septime  im  Alt  und 
die  Oktave  im  Sopran  ist;  das  Gleiche  ist  bei  den  übrigen  Umkeh- 
rungen zu  bemerken. 

Bei  diesem  Verfahren  wird  die  Sache  sehr  vereinfacht,  wenn 
unsere  Aufmerksamkeit  sich  blos  auf  die  Intervalle  des  Dominant- 
Akkordes  richtet. 


*)  Man  könnte  dies  die  musikalische  Geschwindsclireibekunst  nennen,  sie  ist  aber  in  der  Tliat 
von  sehr  geringem  Nutzen.  Es  sind  indessen  noch  mehrere  werth volle,  wenig  bekannte  Musik- 
stücke vorhanden,  deren  Harmonie  allein  durch  die  Kenntnifs  des  bezifferten  Basses  gefunden 
werden  kann,  uftd  da  diese  kenntnifs  so  leicht  zu  erlangen  ist,  wende  ich  sie  in  diesem  Werke  an. 

**)  Die  Terz  wird  bei  der  Bezifferung  dieser  Umkehrung  in  der  Regel  ausgelassen. 


Modulation     mit     dem     Quintsexten  -  Akkorde.    85 


Zu  (b).  Dies  ist  die  zweite  Umkehrung  desselben  Akkordes  (die  Quinte  liegt 
im  Basse)  welche  der  Terzquartsexten  -  Akkord  heißt. 

Zu  (c).  Dies  ist  die  dritte  Umkehrung  (die  Septime  liegt  im  Basse)  welche 
Sekundquartsexten-Akkord  heifst. 

Modulation   mit  der  ersten  Umkehrung  des  Dominant- Akkordes  ,   oder  mit 

dem  Quintsexten- Akkorde  (5). 

Als  eine  Uebung,  zum  Versuche,  ob  dies  recht  verstanden  ist,  wollen  wir 
eine  Folge  von  Modulationen  nehmen,  zum  Beispiel  die  aus  dem  Beispiel  76., 
die  einen  ganzen  Ton  hinaufführt ;  zwischen  dem  Grundbafs  und  den  Akkorden 
wollen  wir  eine  ganze  Zeile  leer  lassen,  auf  die  nachmals  der  umgekehrte  Bafs 
geschrieben  werden  soll. 

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108.  < 


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Haben  wir  die  Uebung  wie  hier  vorbereitet,  so  schreiben  wir  auf  die  leer- 
gelassene Zeile  zuerst  den  Grundbafs  des  ersten  Akkordes.  Dann  nehmen  wir 
vom  nächsten  Akkorde,  der  ein  Dominant- Akkord  ist,  die  Terz  und  setzen  sie 
unten  hin  —  und  so  fahren  wir  fort,  aus  jedem  Dominant-Akkorde  die  ganze 
Uebung  hindurch  die  Terz  auszuwählen  —  in  dieser  Art: 


86      Modulation     mit     dem     Quintsexten-Akkorde. 

Bei  der  Anfertigung  dieser  Uebung  hat  der  Schüler  folgendes  zu  erwägen. 
Takt  1.  Wir  fangen  mit  C,   dem  Grundbasse,   an,  weil  es  üblich  ist,   mit 

ihm  zu  beginnen. 
Takt  2.   Im  Dominant -Akkorde   ist  Cis  die  Terz  und  mufs  hinaufsteigen. 
Man  schreibe   dieses   Cis  in  den  Bafs  und  nehme  es  aus  dem  Ak- 
korde weg  (was  hier  mit  Durchstreichen  der  Note  bezeichnet  ist). 
Dann  beziffere  man  die  Bafsnote   mit  einer  5  und  6  (welches  die 
erste  Umkehr  ung  des  Dominant -Akkordes  ist). 
Takt  3.   Die  letzte  Note,  hier  nämlich  Cis,  steigt  nach  D  hinauf.     In  die- 
sem Falle  kann  D  in  der  Melodie  beibehalten  werden,  weil  E  (die 
Quinte  in  dieser  Stimme)  nach  demselben  hinabgestiegen  ist.     Das- 
selbe findet  im  Takt  5  und  9.  statt. 
Takt  4.  Hier  ist  Dis,  als  Terz  im  Dominant-Akkorde,  gewählt,  und  schrei- 
tet genau  eben  so  fort,  wie  im  vorigen  Fall  (im  Takt  2.). 

Hier  ist   in   der  Bafsbezifferung  ohne  Anwendung  einer  Ziffer 
für  die  Terz  ein  Kreuz  hingezeichnet,    weil  die  Terz  (Fis)  eine 
zufällige  Erhöhung  erhält,  die  niemals  ausgelassen  Averden  darf. 
Takt  5.   C  ist  der  Grundbafs  und  mufs  als  solcher  beziffert  werden;  es  wird 

ein  Kreuz  darüber  gesetzt,  weil  die  Terz  erhöht  ist. 
Tak  6.   In   dieser   ersten   Umkehrung   des  Dominant-Akkordes  erfodert  die 
Sexte  gleichfalls   ein   Erhöhungszeichen  und  daher  ist  die  Ziffer  6 
durchstrichen. 

Das  Uebrige  gleicht  dem  Vorhergehenden  und  erklärt  sich  selbst 
zur  Genüge. 

N.  B.     In   diesem   Beispiel   haben   wir  nur  mit  der  ersten  Um- 
kehrung modulirt. 
Auf  gleiche  Weise  wollen  wir  nun  durch  alle  Dur-  und  Molltonarten  mo- 
duliren,  wie  im  Beispiel  72. 

Der  Schüler  mufs  wie  zuvor  verfahren  und  die  Uebung  auf  drei  Zeilen 
schreiben;  damit  wir  aber  vermeiden,  gröfsern  Raum,  als  nöthig  ist,  in  diesem 
Werke  einzunehmen,  wollen  wir,  so  oft  es  sich  thun  läfst ,  den  Grundbafs 
nur  mit  Punkten  bezeichnen  und  den  umgekehrten  Bafs  deutlich  hinstellen. 
Der  Schüler  indefs  mufs  nicht  allein  die  Grundbässe  schreiben,  sondern  sie 
auch  sorgfältig  beziffern. 


Modulation    mit    dem    Terzquartsexten-Akkorde.  87 


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In  diesem  Beispiel  ist  zu  bemerken,  dafö  wir,  -wie  im  frühern  Falle,  bei 
allen  Gelegenheiten  nur  die  erste  Umkehrung  des  Dominant -Akkordes  erwählt 
haben,  ohne  auf  die  Bildung  einer  guten  Melodie  Rücksicht  zu  nehmen.  Dies 
dient,  den  Schüler  mit  der  ersten  Umkehrung  vollkommen  bekannt  zu  ma- 
chen und  wir  wollen  nun  weiter  gehen,  die  andern  auf  gleiche  Weise  anzu- 
wenden. 


1. 


i 


Modulation  mit  der  zweiten   Umkehrung  des  Dominant- Akkordes  s  oder 
mit  dem   Terz-Quart-Sexten- Akkorde  (4) 

durch  alle  Dur-  und  Molltonarten,  wie  im  letzten  Beispiele. 


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Takt  2.  Das  im  Basse  genommene  H  ist  die  Quinte  des  eigentlichen  Grund- 
basses, folglich  die  zweite  Umkehrung.  Dies  giebt,  so  gut  wie  die 
erste  Umkehrung,  dem  Bafs  eine  Sopranfortschreitung.  Dieses  H 
ist  aus  dem  obern  Akkorde  weggenommen,  aber  die  Note,  zu  wel- 
cher es  fortschreitet,  hat  man  zurückgelassen,  weil  die  Terz  zu  ihr 
hinaufsteigen  mufsj  dasselbe  zeigt  sich  im  Takt  4  und  5. 

Takt  6  und  7.  Die  Note  selbst  und  die,  zu  welcher  sie  fortschreitet,  sind 
beide  weggelassen;  ohnedem  würden  fehlerhafte  Oktaven  mit  dem 
Basse  erfolgt  sein. 


88  Modulation  mit  dem  Sekund-Quart-Sexten-Akkorde. 

Modulation   mit  der  dritten  Umkehrung _,   oder  dem  Sekund -Quart- Sexten- 
Akkorde  j    durch  die  Dur-  und  Molltonleitern. 


112. 


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U.B. 


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G.-B.  - 

Takt  2.  -D  im  Basse,  die  Septime  im  Akkord  von  E,  ist  die  dritte  Umkeh- 
rung  und  giebt  eine  Tenorfortschreitung.     Die  Note  selbst  und  also 
auch  ihre  Auflösung  ist  oben  aus  dem  Akkorde  weggenommen,  um 
Oktavenfolgen  zu  vermeiden. 
Takt  3.  D,  die  Septime,   ist  hier  gehörig  in  C,   der  Terz  des  Dreiklanges 
auf  der  Tonika,  aufgelöset.     Da  dies  nicht  der  Grundbafs,  sondern 
die  erste  Umkehrung  ist,  so  mufs  es  mit  6  *)  beziffert  werden. 
Da  wir  bisher  die  drei  Umkehrungen  abgesondert  gebraucht  haben,  so  wol- 
len wir   jetzt  dieselbe  Modulation  durch  alle  Dur-  und  Molltonleitern  zur  An- 
wendung aller  Umkehrungen  in  demselben  Uebungsstücke  nehmen.     Hierzu  be- 
darf es  keiner  neuen  Regel;  wenn  man  alles,  was  bisher  gelernt  ist,  anwendet, 
ist  es  unmöglich,  fehl  zu  greifen. 

Da  in   andern  Fällen   Mannigfaltigkeit   des   Effekts  unser  Hauptgegenstand 
gewesen  ist,   so  soll  er  es  auch  hier. sein  und  es  wird  nur  erinnert,   beim  Auf- 
schreiben der  Akkorde  Sprünge  zu  vermeiden,  wie  bereits  angemerkt  ist. 
Einiire  Akkorde  zum  Anfanee  mögen  als  Probe  dienen. 


113. ) 


G.-B.  7 


— -  N.  B. 

*)    Diese  erste  Umkehrung   des   Dreiklanges   ist  mit  der  G  über  der  Bafsnote  hinlänglich  be- 
7e!chnet;    der  dieser  Ziffer  entsprechende  Ton  ist  eigentlich  die  Oktave  des  Grundbasses. 


Freiheit     bei     figurirt  er     Ausführung. 


89 


N,  B.  Wenn  wir  zur  Uebung  Veränderungen  schreiben,  so  können  wir, 
um  der  Einförmigkeit  in  der  Figur,  nach  der  wir  aussetzen,  vorzubeugen ,  uns 
gestatten,  ein  wenig  von  der  in  Betreff  der  Quinten-  und  Oktavenfolge  gegebe- 
nen Regel  nachzulassen;  bei  der  Auflösung  des  Dominant- Akkordes  im  Sekund- 
quartsexten-Akkorde ist  dies  blos  nöthig,  wenn  die  dritte  Umkehrung  dieses 
Akkordes  angewendet  wird.  Beläge  für  diese  Nachlassung  von  der  Regel  fin- 
den sich  im  folgenden  Beispiele,  wo 

im  Takt  6.  die  Quinte  nach  der  Quinte  im  Takt  7.  hinaufsteigt, 

-  12  und  13.  die  Quinte  nach  der  Quinte  und  die  Oktave  in  die 

Oktave  hinaufsteigt, 

-  14.   die   Quinte  steigt  und  die  Terz  des  folgenden  Akkordes 
verdoppelt  —  was  jedoch  sparsam  anzuwenden  ist. 

Beispiel  von  Variation  in  der  Ausfuhrung  eines  Uebungsstückes. 


114. 


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[  12] 


90 


Uebung     über     die     vorstehenden     Regeln. 


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7 


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Im  Vorstehenden  ist  dieselbe  Modulation,  wie  im  Beispiele  88.,  welche 
—  wie  wir  uns  erinnern  —  sich  allein  durch  die  Auswahl  des  Do- 
minanten aus  den  Intervallen  der  Dreiklänge  ergab. 

In  dem  gegenwärtigen  Beispiel  ist  zu  bemerken ,  dafs  die  umgekehrten  Bässe 
nach  demselben  leichten  Verfahren  aus  den  Intervallen  der  Akkorde  ausgezogen 
worden  sind.  Nach  diesem  mufs  —  wie  man  wohl  einsieht  —  der  Schüler 
nothwendig  vorzügliche  Wirkungen  in  der  Modulation  hervorbringen  und  zwar 
sogleich  ohne  weitere  Anweisung,  blos  durch  Anwendung  der.  bisher  gegebenen 
einfachen  E.egeln. 

Nehmen  wir  an,  ein  bis  hierher  vorgedrungener  Schüler  wollte  für  sich 
selbst  eine  Modulationsübung  ausarbeiten. 

Zuerst  mufs  er  die  Tonart  bestimmen,  von  der  er  ausgehen  will.  Hierauf 
mufs  er  sich  selbst  fragen: 

Wie  will  ich  zuerst  moduliren? 

Ich  will  die  Terz  des  letzten  Akkordes  nehmen ,  als  Dominante  gebrau- 
chen und  finde,   dafs  sie  mich  leitet  nach  — 

Wie  will  ich  zunächst  moduliren? 

Ich  will  nun  die  Oktave  des  gegenwärtigen  Akkordes  als  Dominante  neh- 
men, welche  mich  nach  —  bringt;  dies  soll  aber  zur  Abwechselung  ein  kleiner 
Dreiklang  *)  sein. 

*)  Als  einen  nützlichen  Wink  erwähnen  wir,  dafs  diegrolse  Terz,  als  Dominante  genom- 
men, zu  einer  Tonleiter  führt,  die  drei  Kreuze  —  die  kleine  Terz  aber  zu  einer  Tonleiter,  die 
vier  Bee  mehr  hat. 


Vollkommner     Schlufs. 


91 


Nun  will  ich  ein  Intervall  aus  dem  Dreiklang  auf  der  Unterdominante  die- 
ser letzten  Tonart  nehmen,  etwa  die  Oktave,  welche  mich  bringt  nach  — 

Indem  ich  die  Terz  aus  der  Unterdominante  wähle,  leitet  mich  diese  nach  — 

Hier  will  ich  die  Quinte  von  der  Dominante  dieser  letzten  Tonart  neh- 
men, die  mich  nach  —  leitet. 

Hier  wünsche  ich  das  Uebungsstück  zu  schlielsen  und  nehme  daher 

die  kleine  Terz  des  Dominanten  des  letzten  Akkordes,  welche  die  erfo- 
derliche  Dominante  ist  —  und  nun 

kann  ich  in  der  Tonart  schliefsen,  in  der  ich  angefangen  habe. 

In  welcher  Tonart  der  Schüler  seine  Uebung  auch  anfange,  wenn  er  dieses 
Verfahren  genau  beobachtet,  wird  er  wieder  zu  derselben  Tonart  zurückkehren, 
welches  die  Probe  über  die  Richtigkeit  der  Uebung  ist.  Diese  darf  gleichwohl 
weiter  ausgedehnt,  oder  zu  jeder  Zeit  in  jeder  Tonart,  durch  Anwendung  der 
Dominante  derselben  zum  Schlufs  gebracht  werden.  Sollte  sich  zwischen  der  hier 
anzuwendenden  Dominante  und  dem  vorangehenden  Akkorde  kein  Zusammenhang 
finden,  so  schiebt  man  nach  Anleitung  des  Beispiels  83.  einen  andern  Akkord  ein. 

Es  ist  unnöthig,  auszurechnen,  wie  weit  ein  solches  Uebungsstück  ausge- 
dehnt werden  kann.  Bei  der  unendlichen  Mannigfaltigkeit  in  der  Ausführung 
werden  sich  unaufhörlich  neue  Effekte  darbieten  und  nicht  zwei  Ausarbeitun- 
gen können  je  einander  ganz  gleich  sein.  Es  ist  durchaus  nicht  nöthig,  die- 
selbe Folge  in  der  Wahl  der  Dominant- Akkorde  zu  beobachten,  immer  ergiebt 
sich  dasselbe  Resultat  von  den  genannten  Zusammenhang  dieser  Akkorde. 

N.  B.  Der  Schüler  mufs  fleifsig  Variationen  zu  seinen  Uebungen  schrei- 
ben, zu  welchem  Zweck  das  obige  Beispiel  114.  als  ein  Vorbild  dient. 

Schlüf se  in  der  Modulation. 

Wenn  der  Hauptseptimen-  oder  Dominant-Akkord  unmittelbar  vor  der 
Tonika  vorhergeht,  so  nennt  man  dies  „einen  vollkommenen  Schlufs,"  wie  bei 
a  im  folgenden  Beispiel. 


[  12*  ] 


92  Schlüfse     in    der    Modulation. 

Man  mufs  bemerkt  haben,  dafs  wir  bei  einer  fortgesetzten  Modulation  von 
Tonart  zu  Tonart  in  den  Zustand  einer  beständigen  Erregung  gesetzt  worden 
sind,  der  sich  einem  peinlichen  Gefühl  näherte,  so  dafs  das  Ohr  ein  Verlangen 
nach  Ruhe  empfand.  Wenn  wir  daher  einige  Zeit  modulirt  haben,  wird  es  uns 
nöthig,  entweder  zu  der  Tonart  zurückzukehren,  von  welcher  wir  ausgegangen 
sindr  und  daselbst  zu  schliefsen;  oder  wenn  wir  weiter  gehn  wollen,  zuerst  ei- 
nen Schlufs  in  der  Tonart  zu  machen,  zu  der  wir  gelangt  sind,  und,  nachdem 
wir  eine  Zeit  lang  weiter  modulirt  haben,  endlich  zum  Endschlufse  zu  kommen. 

Gleichwohl  müssen  wir  nicht  zu  schnell  auf  der  nächsten  Tonika  anhalten 
(wie  bei  b  im  obigen  Beispiel),  weil  —  wie  es  die  wichtige  Bestimmung  eines 
Schlufses  ist,  das  Ohr  in  den  Stand  der  Ruhe  zu  bringen  —  ein  abgerissener 
Schliifs  den  vorgesetzten  Zweck  zerstören  mufs.  Man  könnte  annehmen,  dafs 
der  oben  beschriebene  vollkommene  Schlufs  zur  Erreichung  jenes  Vorhabens 
genügte;  gleichwohl  finden  wir,  dafs  dies  in  der  That  nicht  der  Fall  ist.  So 
viel  ist  gewifs,  dafs  wenn  man  vom  Dominant -Akkorde  geradezu  nach  dem 
Dreiklang  auf  der  Tonika  fortschreitet,  dies  einen  vollkommenen  Schlufs  bil- 
det, an  dem  das  Ohr  hinlänglich  befriedigt  wird,  wenn  nicht  neuerdings  Mo- 
dulationen eintreten  (wie  bei  c  im  obigen  Beispiel),  obwohl  ein  zu  häufiges 
Eintreten  dieser  Art  in  einer  Reihe  von  Modulationen,  den  entscheidenden  und 
abschliefsenden  Effekt,  der  unter  andern  Umständen  nothwendig  hervortreten 
müfste,  mindert,  wenn  es  ihn  auch  nicht  zerstört.  Wenn  wir  daher  zu  der 
Tonika  einer  Tonart  kommen,  nach  der  wir  hin  modulirt  haben,  und  zu 
einem  entscheidenden  und  befriedigenden  Schlüfse  zu  gelangen  wünschen,  so 
mufs  das  Ohr  allmählig  durch  die  Einführung  einiger  Akkorde  in  Ruhe  ge- 
wiegt werden;  diese  Akkorde  müssen  aber  so  eingerichtet  sein,  dafs  sie  nicht 
nur  die  Absicht  erfüllen,  das  Ohr  in  den  Stand  der  Ruhe  zu  bringen,  sondern 
sie  müssen  auch  darauf  berechnet  sein,  einen  festen  Eindruck  von  der  Tonart 
zu  machen,  in  der  man  beabsichtigt,  den  Schlufs  statt  linden  zu  lassen. 

Zu  diesem  Zweck  sind  die  Akkorde  auf  der  Dominante  und  Unterdomi- 
nante am  geeignetsten,  weil  ihre  Intervalle  (mit  Einschlufs  derer  des  Dreiklangs 
auf  der  Tonika)  die  ganze  diatonische  Tonleiter  enthalten;  so  dafs  wir  in  der 
That,  wenn  wir  diese  drei  Akkorde  zum  Schlufs  einer  Modulation  hören,  ei- 
nen Eindruck  von  jedem  Intervall  in  der  Tonart,  in  der  wir  schliefsen,  erhal- 
ten.    Man  vergleiche  d  im  folgenden  Beispiele. 


Freiheit    bei    S  c  h  1  u  f  s  f  o  r  m  e  1  n    (Kadenz).  93 

"7 


Gleichwohl  würde  ein  oftmaliges  Zurückgehen  auf  die  einfachen  Akkorde, 
aus  welchen  die  Schlußformel  (die  man  auch  Kadenz  nennt)  zusammengesetzt  ist, 
eine  ärmliche  und  sehr  monotone  Wirkung  haben.  Diesem  wird  schon  durch 
die  Einführung  der  dissonirenden  Quarte  auf  der  Dominante  als  Vorhalt  sehr 
abgeholfen ,  wie  bei  e. 

Bei  dem  häufigen  vorkommen  der  Kadenzen  haben  die  Komponisten  eine 
möglichst  grofse  Mannigfaltigkeit  hervorzubringen  gesucht  und  grofse  Freihei- 
ten sind  zu  dem  Ende  gestattet  worden.  Die  Quarte,  welche  im  letzten  Bei- 
spiel (bei  <?)  erseheint,  war  gehörig  vorbereitet^  aufserdem  wird  aber  bisweilen 
eine  Sexte-  eingeführt,  welche  —  was  wohl  zu  merken  ist,  nicht  vorbereitet 
werden  kann  und  als  eine  genommene  Freiheit  angesehen  werden-  mufs,  wie 
bei/. 

Ferner  nimmt  man  sich  eine  andere  Freiheit  mit  dem  Dreiklang  auf  der 
Unterdominante  in  dieser  Schlufsformel,  indem  man  ihm  eine  Sexte  zufügt 
und  ihn  dann  den  Dreiklang  mit  zugefügter  Sexte  nennt,,  wie  im  folgenden 
Beispiel  bei  g. 


N.  B.  Die  Quinte  in  diesem  Akkorde  ist  vorbereitet,  als  wäre  sie  eine 
Dissonanz,  und  die  Oktave  mufs  bei  vierstimmigem  Satze  ausgelassen  werden.- 

Dieser  Akkord  wird  bisweilen  im  freien  Styl  wie  bei  H  gesehrieben.-  Dies 
mufs  als  eine  genommene  Freiheit  betrachtet  werden  und  ist,  streng  genommen, 


94 


Freiheit     bei     Kadenzen. 


unrichtig;    die   Oktave  steigt,    statt  dafs   sie  wie  im  Beispiel   115.  b   an  ihrem 
Platze  bleiben  sollte. 

Bisweilen  ist  die  Quinte  des  Dreiklanges  auf  der  Unterdominante  ganz  aus- 
gelassen und  die  zugefügte  Sexte  verdoppelt,  wie  bei  i  im  folgenden  Beispiel; 
bisweilen  ist  die  Oktave  an  die  Stelle  der  Quinte  getreten,  wie  bei  A",  /,  m  *). 


6  6 

6    4   7  ■#■  6    4   7 


N.  B.  Auf  diesen  Theil  unsers  Vortrages  werden  wir  weiterhin  zurück- 
kommen. 

Man  lasse  nun  den  Schüler  eine  Uebung  schreiben,  bei  der  er  sich  in 
Obigem  zu  üben  Gelegenheit  hat;  man  lasse  ihn  Schritt  für  Schritt  vorwärts 
gehen,  genau,  wie  nachgehends  angewiesen  ist,  und  darauf  das,  was  sich  er- 
geben haben  wird,  mit  dem  ausgeführten  Uebungsstücke  im  Beispiel  119.  ver- 
gleichen. 

Man  nehme  drei  Notenzeilen  zusammen;  die  Oberste  für  die  Akkorde,  die 
Mittlere  für  den  umgekehrten  und  die  Unterste  für  den  Grundbafs. 

Man  ziehe  Taktstriche  durch  sie  und  nummerire  jeden  Takt. 

In  den  ersten  Takt  „schreibe  man  den  Dreiklang  auf  C  in  der  dritten  Lage, 
vier  Viertel  in  den  Takt,"  auf  welche  Weise  in  jedem  Takte,  das  ganze 
Uebungstück  hindurch,  fortgefahren  wird. 

Die  erste  Bafsnote  wird  C  sein. 

Man  mache  eine  Kadenz  mit  dem  Quartsext-Akkord  (f)  auf  der  Dominante. 
Der  Dreiklang  auf  der  Unterdominante  nimmt  den  zweiten  Takt  ein ;   die  Do- 


*)  Wir  dürfen  nicht  annehmen,  dafs,  wenn  der  Dreiklang  auf  der  Unierdominante  eintritt, 
wie  im  obigen  Beispiele,  er  die  erste  Umkehrung  des  kleinen  Dreiklanges  auf  D  ist,  obwohl 
es  davon  den  Anschein  hat.  Wenn  wir  uns  die  Mühe  nehmen,  die  Schlufsformel  durch  ihre 
verschiedenen  Lagen  hindurch  zu  verfolgen,  wird  es  einleuchten,  dafs  die  Sexte  über  der  Unter- 
dominante von  dem  Dreiklange  mit  zugefügter  Sexte  abzuleiten  ist. 


Freiheit     bei     Kadenzen, 


95 


minante  den  dritten  Takt,  in  der  ersten  Hälfte  mit  l,  in  der  Zweiten  mit  der 
Septime,  die  sich  im  vierten  Takte  in  C  auflöst. 

„Man  modulire  mit  der  zweiten  Umkehrung  nach  der  Parallelmolltonart," 
dies  nimmt  2  Takte  ein.  Man  modulire  nach  F  bei  der  zweiten  Umkehrung, 
man  modulire  nach  der  verwandten  Molltonart  von  F  mit  der  zweiten  Umkehrung. 
In  dieser  Tonart  mache  man  einen  Schlufs,  der  uns  zu  dem  zwölften  Takte  bringt. 

„Man  modulire  mit  der  dritten  Umkehrung  nach  Hes"  und  mache  in  die- 
ser Tonart  einen  Schlufs. 

„Man  mache  in  Hes  eine  andere  Kadenz  mit  zugefügter  Sexte." 

„Man  modulire  mittels  der  zweiten  Umkehrung  zu  dem  Parallelmolltone 
der  letzten  Tonart." 

„Man  modulire  mittels  der  zweiten  Umkehrung  nach  Es  und  mache  in  die- 
ser Tonart   mit  \  auf  der  Dominante  eine  Kadenz." 

„Man  modulire  mit  der  zweiten  Umkehrung  nach  C  und  so  fort,  nach  Gefallen." 

Das  folgende  Beispiel  wird  der  vorstehenden  Anleitung  entsprechend  be- 
funden werden. 

Von  keinem  Gewicht  ist  es,  wenn  sich  finden  sollte,  dafs  der  Schüler  ei- 
nigen Akkorden,  die  hier  nur  einen  halben  Takt  einnehmen,  die  Geltung  ei- 
nes ganzen  Taktes  gegeben  hätte;  der  Grundsatz  bleibt  derselbe  und  was  die 
Wirkung  betrifft,  so  mag  er  zeitig  beginnen,  seinen  eigenen  Geschmack  zu  üben. 


Kadenz.  3 


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96 


Freiheit    bei    Kadenzen. 


12 


13 


14  Kadenz.  15 


16  Kadenz.  IT 


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16 


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17 


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19 


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1-1-i r^-€rr«-^- 


20  Kadenz.  21 


22 


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23 
-ß-ß-ß-ß- 


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±±±± 


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Um  unsern  Tonsätzen  das  Ansehen  von  Perioden  und  durch  Regelmäfsig- 
keit  Effekt  zu  geben,  seien  die  Schliifse  nach  einer  geraden  Zahl  von  Takten 
(wie  8,  IG,  12  u.  s.  w.)  eingeführet. 

Dieselbe  Modulation  in  einer  verschiedenen  Lage  zu  wiederholen,  ist  oft 
von  guter  Wirkung. 

Zur  Veränderung  mufs  eine  Modulation  bisweilen  in  der  Hälfte  des  Taktes 
(wie  in  Takt  18  und  19.  des  obigen  Beispiels)  ihre  Stelle  finden,  und  allmählig 
zu  Unterscheidung  der  Perioden  führen. 

Auch  durch  Veränderung  der  Taktart  kann  eine  Abwechselung  des  Effekts 
in  die  Uebungsstücke  gebracht  werden. 

Man  nehme  zum  Beispiel  an,  das  letzte  Uebungsstück  im  Viervierteltakt 
solle  in  den  Dreivierteltakt  umgesetzt  werden  (dreiviertel  in  jedem  Takte),  so 
kann  die  Ausführung  keine  Schwierigkeit  haben,  wenn  in  jeden  Takt  nur  ein 
Akkord  kommt ;  sollten  aber  zwei  verschiedene  Akkorde  in  denselben  Takt  kom- 
men (wie  in  Takt  18,  19  und  20  ),  so  lasse  man  der  ersten  Hälfte  des  Taktes 
die  Geltung  von  zwei  Vierteln,  der  zweiten  blos  die  Geltung  von  einem  Vier- 
tel geben,  wie  bei  a  im  folgenden  Beispiel  120. 

Dasselbe  Stück  kann  in  Sechsachteltakt  umgesehrieben  werden,  indem  man 
das  zweite  und  vierte  Viertel  in  Achtel  verwandelt,  wie  bei  b. 

Da 


Taktveränderung    an    einem 


Uebungsstücke. 


Da  der  Neunachteltäkt  wieder  eine  ungerade  Takteintheilung  ist,  so  mufs 
gröfsere  Hälfte  (wie  bei  a)  wieder  auf  den  ersten  Akkord  gelegt  werden; 
daher  gehören  denn  zwei  punktirte  Viertel  zum  ersten,  und  nur  eines  zum 
letzten  Akkorde,  wie  bei  c.    


seine 


120.  a  .  |    I 


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4 

3 

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Das  folgende  Beispiel  soll  mehreren  nützlichen  Zwecken  dienen. 
Es   soll  erläutern,   was   eben  jetzt  gesagt  war  über  Veränderung  der  Takt- 
art die  bei  jeder  Harmoniefolge  eintreten  kann. 

Es  soll  allmählig  einige  Vorstellungen  vom  Rythmus  und  Periodenbau  ge- 
ben und  den  Sinn  offnen  für  die  verschiedenen  Schreibarten  die  bei  Verän- 
derung der  Akkorde  in  der  Begleitung  üblich. 

Es  besteht  in  Proben  verschiedenartiger  Umbildungen  derselben  Harmo- 
niefolge, die  nicht  allesammt  zugleich  gespielt  werden  sollen,  wie  sie  hier  ge- 
schrieben erscheinen,  sondern  in -verschiedenen  Weisen  nach  einander,  was 
folgendermafsen  zu  verstehen  ist. 

Zuerst  merke  man  sich  bei  jeder  Umbildung  dieser  Uebung,  dafs  die  Be- 
gleitungsart, die  man  einmal  auserlesen  hat,  durchgängig  beibehalten  wer- 
den mufs.  Angenommen,  der  Schüler  hätte  die  ersten  vier  Takte,  wie  bei  a 
und  b,  zu  schreiben  angefangen,  und  auf  jeden  Takt  gemessene  vier  Viertel 
gespielt,  so  mufs  er  diese  Begleitungsart  bis  zu  Ende  der  Uebung  fortsetzen 
und  nicht  etwa,  wenn  er  bis  zu  IL  gekommen  ist,  ändern. 

Er  mag  mit  der  Veränderung  in  Triolen,  wie  bei  II.,  anfangen,  lind  durch 
die  ganze  Uebung  in  derselben  Weise  fortfahren,  oder  er  mag  mit  irgend  ei- 
ner der  verschiedenen  Variationen  oder  Begleitungsarten  anfangen  und  fortfah- 
ren, welche  in  den  beiden  untersten  Notenzeilen  eingeführt  und  mit  I.  bis  XJI, 
bezeichnet  sind. 

Jede  dieser  Begleitungsarten  mag  ausgeführt  werden,  während  ein  Anderer 
eine  der  Melodien  bei  c,  d  oder  e,  oder  eine  ähnliche  spielt,  die  der  Schüler  spä- 

[  13] 


98 


Verschiedene    Begleitungsweisen    und 


ter  über  dieselbe  Harmoniefolge  zu  schreiben  hat.  Es  mufs  nur  in  der  Takt- 
einrichtung der  Begleitung  nach  obiger  Anweisung  darauf  gesehen  werden,  dafs 
sie  der  in  der  Melodie  erwählten  entspricht. 


121.    nModerato. — v     '-m»!  4-#v     ^- 


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Einführung  der  Dissonanzen. 


105 


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Einführung  der  Dissonanzen  in  die  Modulation. 

Hierher  ist  nichts  Neues  zu  bemerken;  wir  haben  nur  die  Fortschreitung 
des  Grundbasses  zu  berathen  und  die  Regeln  von  den  Beispielen  103.,  104.,  105. 
zu  beobachten. 

t 
Das  folgende  Beispiel  (122.  a)  ist  eine  Folge  von  Modulationen  mit  umge- 
kehrten Bässen.     Der  Scbüler  nehme  dieses,  und  wenn  er  alle  Dissonanzen  ein- 
geführt hat,   welche   der  Grundbafs  zuläfst,   so  vergleiche  er  das,   was  sich  dar- 
aus ergiebt,    mit  dem  ausgeführten  Uebungsstücke   unten  bei  b. 


;  H  i 


Einführung     der    Dissonanzen. 
345  6  7  8  9         10 


Prüfung  des  obigen,  Beispiels. 

Takt  2.  Wie  ist  der  Grundbafs  hier  fortgeschritten? 
Er  ist  eine  Terz  gestiegen. 
Welche  Dissonanzen  können  wir  einführen?  nctä\- ' 

Die  Sexte  als  Vorhalt  der  Quinte,  vorbereitet  durch  die  Terz? 
In  welcher  Stimme  wollen  wir  die  Sexte  einführen? 

In  den  umgekehrten  Bafs,  weil  die  Quinte  (ihre  Auflösung) 
dort  steht.   Deshalb  mufs  Ht  die  Quinte  im  umgekehrten  Basse, 
ein  wenig  nach  der  Rechten  gerückt,  und  als  halbe  Taktnote 
geschrieben,  und  C,  die  Sexte,  davor  gestellt  werden. 
N.  B.    Für  jetzt  nimmt  man  keine  Rücksicht  auf  Figurirung. 
Takt  3.  Der  Grundbafs  ist  hier  eine  Quarte  gestiegen;   welche  Dissonan- 
zen können  wir  einführen? 

Die  Quarte,  vorbereitet  durch  die  Septime. 
In  welche  Stimme  mufs  die  Quarte  geschrieben  werden? 

In  den  Sopran,  woselbst  die  Terz  (ihre  Auflösung)  liegt. 
Takt  4.  Hier  ist  keine  Dissonanz  durch  Vorhalt  anzuwenden. 
Takt  5.  Da  im  vorigen  Akkorde  die  Hauptseptime  angebracht  war,  so  be- 


Einführung     der    Dissonanzen.  107 

reitet  diese  Septime  die  Quarte  in  diesem  Takte  vor,  die  im  Alt 
eingeführt  ist,  wo  die  Terz  steht. 

Takt  6.  Der  Grundbafs  ist  eine  Stufe  gestiegen,  und  die  Quarte,  die  sich 
in  die  Terz  auflöset,  ist  im  Sopran  eingeführt. 

Takt  7.  Die  Quarte  als  Vorhalt  der  Terz  ist  im  umgekehrten  Basse  einge- 
führt, vorbereitet  durch  die  vorhergehende  Septime  in  dieser  Stimme. 

Takt  8.  Hier  ist  keine  Dissonanz  angebracht. 

Takt  9.  Der  Grundbafs  steigt  eine  Quarte  und  die  None  ist  im  umgekehr- 
ten Bafs  eingeführt,  weil  die  Oktave  in  demselben  steht. 

Takt  10.  Nur  die  Septime  ist  eingeführt,  welche  die  Quarte  in  die  Terz 

Takt  11.  vorbereitet,  wo  auch  die  None  als  Vorhalt  der  Oktave  gleichzeitig 
angewendet  ist,  da  der  Grundbafs  eine  Quarte  steigt. 

Takt  12.  Der  Grundbafs  steigt  eine  Stufe  und  es  ist  die  Quarte  als  Vorhalt 
der  Terz  im  Sopran  eingeführt,  desgleichen  die  Septime,  welche 
die  Quarte  im  folgenden  Takte  vorbereitet.s 

So  ist  die  Uebung  vollendet  und  das  ganze  Verfahren  erklärt. 

Wir  wollen  jetzt  etwas  mehr  sagen  über  die 

Bezifferung  umgekehrter  Bässe*  wenn  Dissonanzen  eingeführt  sind. 

Man  mufs  jederzeit  eingedenk  sein,  dafs  der  umgekehrte  Bafs  nichts  anders 
ist,  als  eine  aus  den  Harmonien  zum  Grundbasse  ausgezogene  Melodie,  in  de- 
ren Fortgange  die  Grundbässe  selbst  oft  mit  angewendet  sind,  wie  im  obigen 
Beispiel  Takt  1.,  3.,  5.,  11.,  12.,  13. 

Was  bereits  über  die  Bezifferung  der  Grundbässe  gesagt  worden ,  ist  hinrei- 
chend, ich  verweise  auf  die  Beispiele  37.,  60.,  89.  und  die  folgenden. 

Nachden  Uebungen,  die  wir  über  diesen  Abschnitt  gearbeitet,  dürfen  wir 
voraussetzen^  in  der  Bezifferung  der  Umkehrungen  des  Dreiklanges  und  Septi- 
men-Akkordes (Beispiel  107.  u.  s.  w.)  uns  hinlänglich  unterrichtet  zu  haben. 
Wenn  dies  der  Fall  ist,  haben  wir  wenig  mehr  zu  lernen.  Die  Einführung  ei- 
ner Dissonanz,  zum  Beispiel  der  Quarte  als  Vorhalt  der  Terz,  ist  nichts  an- 
ders, als  ein  Anbringen  der  Quarte  vor  der  Terz;  soll  daher  bei  der  Beziffe- 
rung eines  umgekehrten  Basses  die  dissonirende  Quarte  in  den  Akkord  einge- 
führt werden,  so  setze  man  die  Ziffer,  welche  die  Quarte  andeuten  soll,  vor 
die,  welche  die  Terz  bezeichnet;  dies  ist  die  ganze  Arbeit. 

[14*] 


108  Einführung     der     Dissonanzen. 

Um  dies  zu  erklären,  wollen  wir  zum  letzten  Beispiel  zurückkehren.  In 
Takt  6.  der  Oberstimme  (a)  ist  die  Bafsnote  mit  *  beziffert,  weil  die  dritte  Um- 
kehrung  des  Akkordes  auf  der  Hauptseptime  daselbst  ist.  Dies  ist  kein  Vor- 
halt;   die  Bafsnote  ist  die  wirkliche  Septime. 

Welche  Ziffer  stellt  die  Oktave  dar? 

Die  2  bezeichnet  die  eigentliche  Oktave,  und  daher  wird  die  3  die  None 
bezeichnen  ^  wenn  wir  folglich  die  dissonirende  None  in  den  Akkord  eingeführt 
haben  wollen,  müssen  wir  die  Ziffer  3  vor  die  Ziffer  2  setzen  —  in  dieser  Art 
*  und  um  zu  zeigen,  dafs  die  Quarte  und  Sexte  gespielt  werden  soll,  wenn  die 
Terz  angeschlagen  wird,  mögen  Linien  von  ihnen  zurück  bis  über  die  Terz 
gezogen  werden  —  in  dieser  Art  nämlich  — «. 

Blicken  wir  nochmals  auf  denselben  sechsten  Takt  zurück:  —  wie  die  Zif- 
fer 2  die  eigentliche  Oktave,  so  bezeichnet  die  4  die  eigentliche  Terz  des  Ak- 
keudes;  und  so  mufs  die  Ziffer  5  die  eigentliche  Quarte  vorstellen.  Wollen 
wir  daher  in  einem  Akkorde  die  dissonirende  Quarte  als  Vorhalt  der  Terz  ein- 
führen, so  müssen  wir  eine  5  vor  die  4  setzen  (in  dieser  Art  *  *'),  und  aus  dem 
oben  angegebenen  Grunde  von  den  andern  Ziffern  Linien  rückwärts  ziehen,  so: 
T*;  dies  iindet  sich  in  demselben  Takte  ausgeführt,  in  der  unten  stehenden 
Zeile,   Beispiel  b. 

Bei  dem  ersten  Blick  auf  diese  Bezifferung  gewahren  wir  die  Natur  des 
Akkordes.  Die  4  unterrichtet  uns,  dafs  die  dritte  Umkehrung  des  Dominant- 
Akkordes  vorhanden  ist  und  5,  die  wir  vor  4  gesetzt  haben,  weiset  aus,  dafs 
hier  ein  Vorhalt  angewendet  ist.  Bei  einiger  Uebung  erkennen  wir  sogleich, 
welche  Dissonanz  es  ist. 

Diese  Erörterung  mag  auf  alle  andern  Fälle  übertragen  werden.  Man  nehme 
zum  Beispiel  an,  wir  stiefsen  auf  diese  Bezifferung  —it',  die  t$  unterrichtet  uns, 
dafs  wir  die  erste  Umkehrung  des  Dominant-Akkordes  vor  uns  haben  und  dafs 
hier  ein  Vorhalt  ist. 

Welches  Intervall  hat  nun  die  6  hier  vorzustellen? 

Die  ursprüngliche  Oktave;  folglich  ist  die  Dissonanz  die  None,  als  Vorhalt 
der  Oktave;  die  von  der  5  ausgezogene  Linie  zeigt  uns,  dafs  die  Hauptseptime 
zu  Anfange  des  Akkordes  gespielt  werden  mufs.  Ist  es  aber  so  gemeint,  [daTs 
die  Hauptseptime  nicht  gehört  werden  soll,  bis  die  Dissonanz  aufgelöset  war, 
so  mufs  die  von  der  5  aus  gezogene  Linie  ausgelassen  werden;  nämlich  so  £s. 

Es  ist  unnöthig,   die  Beispiele  zu  häufen,    wie  diese  Regel  auf  alle  andern 


Einführung     der     Dissonanzen.  109 

Fülle  anzuwenden  ist.  Wir  wollen  zum  Beispiel  zu  Takt  2.  (b)  des  letzten 
Notenbeispiels  zurückkehren.  Die  4  über  H  zeigt  uns  die  zweite  Umkehrung 
des  Akkordes  auf  E  mit  der  Hauptseptime,  und  die  von  allen  Ziffern  über  die 
vorangegangene  Note  C  gezogene  Linie  unterrichtet  uns,  dafs  derselbe  Akkord 
genau  mit  dem  Ton  C  gespielt  werden  mufs.  Bei  einer  Prüfung  werden  wir 
linden,  dafs  dies  nichts  ist,  als  die  dissonirende  Sexte,  als  Vorhalt  der  Quinte, 
über  dem  umgekehrten  Basse  eingeführt. 

Zu  Takt  7. ;  die  Ziffer  6  über  E  stehend,  bezeichnet  die  erste  Umkehrung  von 
C  und   die   rückwärts    über   F  gezogene  Linie  deutet  an,    dafs  E 
die    eigentliche    Grundnote    des  Akkordes   und   F  nichts   als  ein 
Vorhalt  ist,  und  in  der  That  ist  es  die  Quarte  als  Vorhalt  der  Terz. 
Zu  Takt  9.;   |  sind  über  A  geschrieben,   um   den  Dreiklang  zu  bezeichnen, 
und   die   Linien   bedeuten   uns,   dafs   der  Dreiklang  auf  A  bereits 
zu  H  gespielt  werden  mufs,   welches   anzeigt,   dafs   wir   hier  die 
None   als   Vorhalt   der   Oktave,    über   den   umgekehrten  Bafs    ge- 
sell rieben,  A'or  uns  haben. 
Diese  Bezifferungsweise   wird  man  bei  einiger  Uebung  so  ungemein  einfach 
finden,   dafs   es   Zeitverschwendung  wäre,   mehr   über  diesen  Gegenstand  zu  sa- 
gen.    Sollte  noch  etwas  vorkommen,  was  bemerkt  zu  werden  verdiente,  so  soll 
es  später  an  seinem  Orte  berücksichtigt  werden;   wir  dürfen  aber  nicht  verges- 
sen, dafs  diese  Art,  den  Bafs  zu  beziffern,  nichts  weiter  ist,  als  eine  Art  Bezeich- 
nung  der   Harmonie   durch   abgekürzte   Schreibart,   wobei  man  sich  der  Ziffern 
statt  der  Noten  bedient,  welche  jetzt  gröfstentheils  überflüssig  wird.     Da  wir  nun 
gesehen,   dafs   die   Ziffern  keine  andere  Bestimmung  haben,    als  die  Noten  vor- 
zustellen, die  gespielt  werden  sollen,  so  reichen  die  Winke,  die  wir  bereits  ge- 
geben haben,  sicher  aus,  den  Schüler  in  den  Stand  zu  setzen,  was  er  beabsich- 
tigt so  aufzuschreiben,  dafs  er  klar  verstanden  wird. 
Kehren  wir  jetzt  zurück  zu  der  Lehre  von  der 

Einführung  der  Dissonanzen 

Betrachten  wir  das  Beispiel  122.,  Takt  9.  (£),  so  linden  wir,  dafs  die  None 
im  Bafs  eingeführt  ist,  weil  die  Oktave  in  dieser  Partie  ist.  Hätten  wir  nun 
den  Bafs,  wie  im  Takt  8  und  9.  (bei  a),  liegen  lassen  und  die  None  im  Alt 
eingeführt,  so  würden  Oktavenfolgen  entstanden  sein,  wie  im  folgenden  Bei- 
spiele bei  a, 


Einführung  der  Dissonanzen. 


12C 


G.-B.  ^ 

Gleichwohl  könnte  die  Dissonanz  auf  diese  Weise  in  den  Alt  eingeführt 
werden,  wenn  man  es  begehrte,  sobald  wir  nur  den  Bafs  die  Quinte  aufgeben 
und  die  Terz  nehmen  lassen,  wie  bei  b,  wo  alles  richtig  ist. 

Es  ist  rathsam,  dafs  der  Schüler  einige  der  vorhergehenden  Modulations- 
übungen in  vier  Stimmen  aussetze  und  Dissonanzen  zufüge,  worüber  es  gewifs 
unnöthig  ist,  noch  irgend  fernere  Beispiele  zu  geben. 

TJeber  die  Anwendung  umgekehrter  Bässe  bei  harmonisirten  Melodien. 

Der  Schüler  ist  nun  mit  allen  wesentlichen  Erfordernissen,  die  hierzu 
nothwendig,  versehen;  wir  haben  ihn  jetzt  dahin  zu  leiten,  dafs  er  unvermerkt 
zu  einer  ausgedehntem  und  höhern  Anwendung  gebracht  wird. 

Im  Beispiel  58.  erläuterten  wir  den  eigenthümlichen  Karakter  jeder  der 
vier  Stimmen  in  der  Harmonie,  die  unter  einander  verwechselt  werden  kön- 
nen, und  eine  angenehme  Mannigfaltigkeit  des  Effekts  durch  die  Anwendung 
der  vier  Regeln  zur  Begleitung  der  Scala  hervorbringen. 

Der  Bafs,  welcher  dort  nur  auf  die  Bewegungen  der  Grundfortschreitung  be- 
schränkt war,  kann  jetzt  nach  der  Einführung  der  Umkehrung  an  dieser  Man- 
nigfaltigkeit Theil  nehmen,  und  auch  ihm  ist  erlanbt  Theil  zu  haben  an  der 
Vertauschung  des  Karakters,,  wodurch  eine  angenehme  fliefsende  Melodie  und 
Harmonie  hervorgebracht  wird. 

In  den  folgenden  Beispielen  harmonisirter  Melodien  darf  die  Oberstimme, 
weil  sie  das  zur  Uebung  gegebene  Thema  ist,  nicht  verändert  werden;  daher 
wird  sich  finden,  dafs  der  Bafs  häufig  von  Alt  und  Tenor  entlehnt,  obgleich  er 
im  Allgemeinen  seinen  eigenthümlichen  Karakter  bis  zur  Schlufsformel  beibe- 
hält. Es  ist  dabei  wiederum  nöthig,  dafs  der  Schüler  jedes  ausgearbeitete 
Uebungsstück  höre,  um  über  die  Verschiedenheit  der  Wirkung  urtheilen  zu 
lernen,  was  durch  Worte  nicht  gelehrt  werden  kann. 

Nehmen  wir  jetzt  eine  Melodie  vor,  harmonisiren  sie  nur  mit  Grundbäs- 


Umgekehrte,  Bässe    zu    den    Melodien. 


111 


sen,   schreiben   die  Akkorde  auf  die  Oberlinie  und  lassen  eine   Zeile  für  den 
umgekehrten  Bafs  leer. 

Wir  wollen  zu  den  Dreiklängen  auf  der  Dominante  Septimen  zufügen  und 
dafür  sorgen,  dafs  sie  gehörig  aufgelöst  werden;  nämlich: 


124.  < 


f-p-f 


U.  B. 


e^ 


G.-B. 


:Q: 


^H- 


-O- 


3t: 


l— O: 


lO"- 


.etc. 


'.etc. 


Haben  wir  nun  die  Melodie  so  vorbereitet,  so  ist  es  unsere  Aufgabe,  aus 
der  Harmonie  einige  Intervalle  auszuwählen,  mit  denen  eine  effektvolle  Melo- 
die für  den  umgekehrten  Bafs  gebildet  wird.  Wir  wollen  suchen,  einige  we- 
nige Winke  als  Regeln  zu  geben,  um  die  Wahl  zu  leiten,  dabei  haben  wir  die 
Aufmerksamkeit  blos  auf  die  Dominant  -  Akkorde  zu  richten,  da  wir  fin- 
den werden,  dafs  die  übrigen  sich  von  selbst  übereinstimmend  anschliefsen. 

Ueber  die  Auswahl  umgekehrter  Bässe. 

Erste   Regel. 

„Wenn  die  Quinte  des  Dominant -Akkordes  in  der  Melodie  ist,  so  wird 
empfohlen,  die  Terz  für  den  umgekehrten  Bafs  zu  nehmen." 

Daraus  wird  die  erste  Umkehrung  \  und  giebt  dem  Basse  die  Sopranfort- 
schreitung. 

Mit  dieser  Regel  wollen  wir  zu  der  Auswahl  einer  Bafsmelodie  für  die  leere 
Zeile  im  obigen  Beispiel  124.  schreiten  und  für  jetzt  uns  des  Grundbasses  be- 
dienen, wo  diese  erste  Regel  nicht  angewendet  werden  kann. 

Takt  1.  Erste  Note.  Kein  Dominant -Akkord.  Man  nehme  also  den 
Grundbafs. 

Zweite  Note.  Welches  Intervall  ist  in  der  Melodie?  Die  Quinte;  folg- 
lich ist  die  Terz  in  den  Bafs  zu  nehmen.    Man  ziehe  H}  die  Terz  des  Akkordes, 


llü 


Umgekehrte     Bässe     zu     den     Melodien. 


aus,  und  schreibe  sie  in  die  leere  Bafszeile;  diese  mufs  folglich  nach  C  im  fol- 
genden Akkorde  steigen. 

So  ist  mit  dem  Uebrigen  zu  verfahren,  und  wenn  es  ausgeführt  ist,  wird 
das  Beispiel  sich,  wie  nachfolgend,  darstellen.  Die  für  den  umgekehrten  Bafs 
ausgewählten  und  dazu  aus  dem  Akkorde  weggenommenen  Noten  sind  mit  ei- 
nem Strich  bezeichnet. 


Der  Bafs  hat  nun  seine  Eintönigkeit  verloren.,  indem  er  die  Sopranfort- 
schreitung  angenommen  hat,  wo  er  mit  (J)  bezeichnet  ist;  in  jeder  andern  Hin- 
sicht ist  er  genau  geblieben,  wie  zuvor. 

Man  lasse  den  Schüler  wohl  auf  die  allmählige  Verwebung  der  Stimmen, 
die  nun  beginnt,  acht  haben,  welche  zuletzt  den  Bafs  zu  einer  vollständigen 
Theiluahme  an  allen  verschiedenen  Bewegungen  führt. 

Zweite    Regel. 

„Wenn  die  Terz  des  Dominant -Akkordes  in  der  Melodie  ist,  nehme  man 
die  Septime  für  den  ungekehrten  Bafs."' 

Wird  dieses  Intervall  als  Bafs  genommen,  so  mufs  es  der  Regel  nach  fal- 
len ;    dies    giebt   eine   Tenorfortschreitung    und  wird  als   dritte  Umkehrung   so 

*  beziffert. 

2 

Der  Sopran  und  Bafs,  als  äufserste  Stimmen  in  der  Harmonie,  sind  am 
meisten  hervorstechend  und  es  müssen  dalier  in  ihnen  die  Intervallen  gesetzt 
werden,  von  welchen  die  beste  Wirkung  zu  erwarten  ist,  nämlich  die  Terz 
und   Septime ;    hierauf  ist  diese  Piegel  gegründet. 

Wir  wollen  nun  eine  andere  Melodie  nehmen,  bei  welcher  der  Schüler 
genau  wie  zuvor  verfahren  mufs,  die  erste  Piegel  in  allen  sie  zulassenden  Fäl- 
len anwenden,  und  dann  die  zweite  einführen  kann;  dabei  ist  bei  jeder  Gele- 
genheit die  Wirkung  zu  beobachten. 

126. 


Zweite    und    dritte    Regel. 


113 


aE&==^ 


Ä 


0=t: 


:C 


-@- 


O: 


6 

4         7 

0=:p: 


:Ot 


m 


Bi^E 


3l 


n 


_£>__ 


..Q 

e 


6 

4- 


y 

7 

5 

-3- 


:o: 


Zu  (w),  die  Terz  ist  in  der  Melodie  und  die  Septime  wird  in  den  Bafs 
genommen. 

-  (n),   die  Quinte  ist  in  der  Melodie  und  die  Terz  im  Bafs. 

-  (/?),    die  erste  Umkehrung  des  Dreiklanges  ist,    im  Basse,  mit  6  bezif- 

fert als  Folge  der  Auflösung  der  vorhergegangenen  Septime. 

Takt  4.  Die  Septime  ist  nicht  eher  als  in  der  letzten  Hälfte  des  Taktes 
eingeführt,  da  das  Ohr  einen  gewissen  Grad  von  Puihe  fordert  auf 
dem  vierten  Takte  —  was  späterhin  bei  der  Abhandlung  der 
Perioden  u.  s.  w.,  weiter  erklärt  werden  soll.  Die  Einführung  der 
Septime  flöfst  jederzeit  ein  Verlangen,  fortzuschreiten,  ein,  und 
ist  folglich  für  den  Anfang  dieses  Taktes  unpassend;  aus  demsel- 
ben Grunde  hat  die  Septime  eine  gute  Wirkung,  wenn  die  Be- 
wegung wieder  anfängt. 

Takt  5.  Die  Einführung  der  Septime  über  der  Dominante  so  nahe  bei  der 
■  Schlufsklausel  schwächt  die  volle  Wirkung,  die  diese  Klausel  her- 
vorbringen soll;  dies  ist  indefs  eine  blofse  Geschmackssache,  und 
wir  lassen  es  hier  nur  um  der  Uebung  willen  zu. 

Takt  7.  bei  y.  Die  Terz  ist  in  der  Melodie,  gleichwohl  kann  die  Septime 
nicht  füglieh  im  Basse  gebraucht  werden,  da  dies  die  entschei- 
dende Wirkung  der  Schlufsformel  zerstören  würde;  folglich  ist 
der  Grundbafs  angewendet  und  hierauf  gründet  sich  die  nächste 

B.egel. 

Dritte    Regel. 

„Wenn  die  Terz  in  der  Melodie  ist  und  die  Septime  nicht  als  umgekehr- 
ter Bafs  genommen  werden  kann,   so  behalte  man  den  Grundbafs  bei." 

[15] 


114 


Vierte    Regel. 


N.  B.  Diese  Regel  ist  auf  alle  Dreiklänge  anzuwenden,  wenn  gleich  sie 
nicht  Dominant -Akkorde  sind. 

Die  vorgeschriebenen  drei  Regeln  können  auch  umgekehrt  werden;  das 
heifst:  die  Intervalle  des  Basses  und  der  Melodie  können  ihre  Stellen  wechseln; 
wenn  daher  im  ersten  Beispiele  die  Quinte  in  der  Melodie  ist,  konnte  die 
Terz  als  Bafs  genommen  werden;  wenn  dagegen  die  Terz  in  der  Melodie  ist, 
kann  die  Quinte  als  Bafs  genommen  werden  u.  s.  w. 

Vierte    Regel. 

Die  folgende  Regel  ist  abgesondert  hingestellt  und  obwohl  sie  nicht  so  gut 
ist,  wie  die  vorigen,  so  darf  sie  doch  bisweilen  angewendet  werden,  um  Man- 
nigfaltigkeit hervorzubringen. 

„Wenn  die  Septime  in  der  Melodie  ist,  nehme  man  die  Quinte  zum  um- 
gekehrten Basse,"  und  so  umgekehrt:  „Wenn  die  Quinte  in  der  Melodie  ist, 
kann  die  Septime  zum  umgekehrten  Bafs  genommen  werden." 

Das  folgende  Beispiel  zeigt  die  Anwendung  auf  einen  Blick 


127. 


(täte  Regel.)    (Umgekehrt.)      (2te  Regel.)    (Umgekelirt.)    (3.  R.)  (Umg.)     (4tc  Regel.)     (Umgekehrt.) 


das  Ganze  kann  nun  so  zusammengestellt  werden : 
Intervalle  in  der  Melodie: 


wir  können  als  umgekehrte  Bässe : 


3      — 

5 

—    7 

7  8  5 

A 

3  7 

m 

385 

-     s, 


haben. 


Nach  dieser  Anschauung  begreifen  wir,  dafs,  wenn  die  Terz  in  der  Melodie 
ist,  wir  zum  umgekehrten  Basse  die  Septime  wählen  sollen;  der  nächst  vorzüg- 
liche Bafs  ist  die  Oktave;   der  letzte  aber  die  Quinte  u.  s.  w. 

Im  folgenden  Beispiel  linden  sich  zu  derselben  Melodie  zwei  unterschie- 
dene Baßstimmen,  in  denen  alle  vorerwähnte  Arten,  umgekehrte  Bässe  auszuzie- 
hen, angewendet  sind.     Eine  Vergleichung  der  verschiedenen  Wirkungen,   die 


Vertauschung     der    Intervalle. 


115 


sie  hervorbringen,  wird  dazu  dienen,  den  Geschmack  zu  bilden.  Es  ist  wohl 
unnöthig  anzumerken,  dafs  diese  zwei  umgekehrten  Bässe  zwei  unterschiedene 
Beispiele  sind  und  nicht  beide  zu  gleicher  Zeit  angewendet  werden  können; 
jeder  von  ihnen  dient  als  besondere  Uebung  zu  der  man  dieselbe  Melodie 
nimmt  und  die  beiden  andern  Stimmen  der  Harmonie  hinzusetzt. 


12S.< 


1.  U.  Bass. 


llli 


§Eg±ÖE^E£feÖ^E|§ 


2.  U.  Bass. 


G.-Bass 


Die  Buchstaben  beziehen  sich  auf  Beispiel  127.  und  zeigen  an,  welche  B_e- 
gel  befolgt  ist. 

Uebersehen  wir  die  zweite  Bafspartie,  so  ist  zu  erkennen,  dafs  das  Gis  im 
letzten  Theil  des  zweiten  Taktes,  wenn  es  bis  zu  Ende  desselben  behalten 
worden  wäre,  nach  A  hätte  hinaufsteigen  müssen;  statt  dessen  ist  es  zuvor 
nach  der  Quinte  desselben  Akkordes  gestiegen,  von  wo  es  nach  A  Fällt. 
Zugleich  hat  die  Quinte  in  der  Melodie  *)  sich  in  zwei  Noten  getheilt; 
anstatt  nach  A  im  nächsten  Akkorde  zu  fallen,  nimmt  die  Melodie  zuvor 
die  Terz  auf,  welche  der  Bafs  aufgiebt,  und  steigt  dann  eine  Stufe  (wie  die 
Terz  thun  soll)  nach  A  hinauf. 

Die   gelegentliche  Anwendung  dieser   Vertauschung  der  Intervalle  verleiht 


*)  Man  erinnere  sich,  dafs  diese  Intervalle  stets  vom  Grundbafs  aus  berechnet  sind. 

[  15*] 


116 


Vertauschung     der    Intervalle. 


jeder  Stimme  eine  schönere  Melodie  *)  wie  man  in  den  folgenden  Beispielen 
wahrnehmen  kann. 


J- 


3Z3B 


i=S=: 


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-«-# 


i-S- 


S 


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129 


3 


ÖEÖ^? 


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6 
4 

2 


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6 
5 


6 
4 
3 


6 

4 
2 


f 


T 


r 


-e- 
l 


f 


Zur  Uebung  für  die  obigen  Regeln  können  die  bisher  blos  mit  Grund- 
bässen harmonisirten  Melodien  genommen  werden ;  bei  einer  Vergleichung 
der  verschiedenen  Wirkungen  wird  sich  dann  die  steigende  Veredlung  aus- 
weisen. 

Nehmen  wir  als  Melodie  die  ersten  vier  Töne  der  Tonleiter,  so  finden  wir 
bei  der  zweiten  Note  den  Akkord  auf  der  Dominante,  dessen  Quinte  in  der 
Melodie  steht,  und  zu  der  Terz  der  folgenden  Tonika  aufsteigt. 

Sollte  nun  die  Septime  eingeführt  werden,  wo  die  Terz  ist  und  wir  gleich- 
wohl die  Melodie  nicht  abändern  können,  so  ist  aus  den  frühern  Regeln  ein- 
leuchtend, dafs  in  einem  solchen  Falle,  wie  dieser,  wir  gänzlich  auf  die  Sep- 
time verzichten  müssen,  wofern  wir  nicht  eine  andere  Stelle  finden,  sie  einzu- 
führen. 

Die  durch  die  Hauptseptime  hervorgebrachte  Wirkung  ist  gleichwohl  von 
zu  grofser  Bedeutung,  als  dafs  wir  sie  so  leicht  aufgeben  sollten;  daher  führen 
wir  die  Septime  ohne  Weiteres  im  Tenor  ein  (was  wir  eine  Freiheit  nennen), 
wie  im  folgenden  Beispiel  130.  Takt  2. 

Durch  die  Auflösung  der  Septime  wird  die  Terz  zur  folgenden  Tonika 
nothwendig  verdoppelt;  dieses  Intervall  mag  indefs  unmittelbar  in  die  Quinte 
zu  demselben  Bäte  aufsteigen,  nachdem  die  Septime  aufgelöst  ist,,  wie  bei_ 
Takt  3. 


*)  Es  ist  zu  bemerken,  dafs  solche  Vertauschung  der  Intervalle  während  der  Dauer  eines 
und  desselben  Akkordes  eintritt  und  die  verschiedenen  Intervalle,  wo  sie  sich  auch  finden  mögen, 
wenn  die  Harmonie  fortschreitet,  jedes  nach  seiner  eigentümlichen  Weise  sich  auflöset. 


Einführung    der    freien    Septime.  117 

Freie  Einführung  der  Septime  bei  aufsteigender  Quinte. 
4        5      6        7        8     '  9      10      11       12      13     14      15       16     17     18       19     20 


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5 

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P 

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Im  Takt  2.  Hier  ist  eine  freie  Septime  eingeführt,  welche  in  den  dritten  Takt 
fällt,  wodurch  die  Terz  im  Dreiklang  auf  der  Tonika  verdoppelt 
wird;  gleich  nach  der  Auflösung  der  Septime  steigt  aber  der  Te- 
nor in  demselben  Takte  in  die  Quinte,  dadurch  werden  die  Ok- 
taven vermieden,  welche  sonst  zwischen  Tenor  und  Sopran  er- 
scheinen würden.  Jedes  Zweifelhafte  wird  jedoch  bei  dieser  Reihe 
im  Takt  7.  vermieden,  wo  die  Quinte  wiederum  nach  E  steigt, 
statt,  wie  im  vorigen  Falle,  zu  derselben  Note  abwärts  zu  gehen, 
zu  der  die  Terz  hinschreiten  mufste,  wenn  sie  bis  zu  Ende  des 
Taktes  fortgehalten  wird.  Obwohl  in  diesem  Falle  (Takt  8.)  die 
Terz  ebenfalls  im  Basse  erscheint,  so  ist  es  doch  im  Allgemeinen 
.  sicherer,,  in  aufsteigender  Melodie  die  Quinte  so  fortschreiten  zu 
lassen. 

Takt  4  und  8.  Man  vergleiche  die  beiden  Arten  der  Fortschreitung  im  Tenor. 

Takt  10.  Die  freie  Septime  löset  sich  in  Takt  11.  in  die  Terz  auf,  wie  zu- 
vor, und  steigt  unmittelbar  nach  der  Hauptseptime  hinauf. 

Takt  14,  Die  Terz  ist  für  den  umgekehrten  Bafs  gewählt;  statt  aber 
•    zu  steigen,  fällt  sie  in  die  Hauptseptime  des  folgenden   Akkor- 


118        Steigende   Tonleiter    mit    umgekehrten    Bässen. 

des;    dies  kann  jederzeit  geschehen,   wenn  ein  Dominant-Akkord 
dem  andern  folgt. 

Aufsteigende  Tonleiter  mit  umgekehrten  Bässen  harmonisirt. 

Man  schreibe  die  Tonleiter  mit  den  Grundbässen  auf  einer  fünften  Zeile 
darunter.  Dann  schreibe  man,  wie  bisher,  die  Harmonien  auf  die  Alt-  und 
Tenorzeile,  ohne  die  Quinten-  und  Oktavenfolgen  zu  verbessern. 

Man  fähre  die  Septimen,  so  wie  auch  die  erlaubten,  frei  eintretenden  Sep- 
timen ein;  dann  gehe  man  an  die  Auswahl  der  umgekehrten  Bässe,  wie  sie  an- 
geratben  sind  und  schreibe  dieselben  in  die  zu  dem  Zweck  leer  gelassene  Zeile, 
indem  man  die  für  den  Bafs  entlehnten  Noten,  in  der  Stimme,  wo  sie  sich  be- 
finden, ausstreicht,  und  eine  andere  zur  Harmonie  gehörige  Note  an  ihre 
Stelle  setzt. 

Das  Nachstehende  ist  ein  Beispiel  einer  so  harmonisirten  Tonleiter  (nur 
nicht  in  Partitur  geschrieben)  und  die  für  die  Bässe  auserwählten  Noten  sind 
durchstrichen. 


131. 


t 


£ 


Si::rgr.:q 


Br 


S 


6 
5 


-S' 

-p 

I  6 
4 
2 


SSXS. 


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c 


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5E£ 


6 

5 


6 

4 
3 


r. 

4 
2 


-e-t 


6 

-Ol 


I 


*.■'-*■  *     . 

Die  drei  letzten  Noten  (bei  c)  sind  wiederum  gegeben  um  zu  zeigen,  dafs, 
wenn  wir  die  Septime  zum  umgekehrten  Bafs  nehmen,  indem  die  Terz  in  der 
Melodie  ist,  wir  mit  einer  Umkehrung  schliefsen  müssen,  was  nicht  füglich  zu 
gestatten  ist;  es  ist  besser,  als  eine  allgemeine  B_egel  anzusehen,  dafs  jede  Kom- 
position mit  einem  Dreiklang  auf  dem  Grundbasse  anfangen  und  schliefsen  mufs. 

I 
Verdoppelung  der  Intervalle  eines  Akkordes. 

Da  unsere  Akkorde  oftmals  nur  aus  drei  Noten  bestehen,  so  mufs  eine  von 
diesen  nothwendig  verdoppelt  werden,  wenn  wir  vierstimmig  schreiben;  oder 
mit  andern  Worten:  dasselbe  Intervall  mufs  zu  gleicher  Zeit  in  zwei  Stimmen 
erscheinen. 


Verdoppelung     der     Intervalle. 


119 


132 


[ 


i — G — * — | — * — * — 

ff  Cr" 


^EE?=£fe 


tzn 


:£ 


~t 


f=> 


=£ 
:£ 


:d: 


=P= 


:©: 


±=pzz±: 


Zu  1.  Die  Terz  ist  verdoppelt;  dies  ist  erlaubt,  wenn  eine  von  ihnen  nach- 
mals fällt.  Doch  empfehlen  wir,  die  Terz  nicht  zu  verdoppeln, 
wenn  es  auf  gute  Art  vermieden  werden  kann. 

Uebrigens  ist  die  Verdoppelung  der  kleinen  Terz  in  ihrer  Wir- 
kung nicht  so  auffallend,  wie  die  der  grofsen. 

Zu  2.  Die  Quinte  ist  verdopdelt,  um  eine  melodische  Fortschreitung  und 
Gegenbevvegung  zu  gewinnen. 

Zu  3.   Die  Oktave  ist  verdoppelt. 

Fallende   Tonleiter  mit  umgekehrten  Bässen. 

Man  behandle  sie  in  eben  der  Art,  wie  für  die  aufsteigende  Tonleiter  vor- 
geschrieben ist,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dafs  die  Quinten  und  Oktaven  fol- 
gen, zuvor  verbessert  werden  müssen. 


( 


133.  <J 


:g=^z:::=0=: 


-O— I— S 

3 


|=::iÄiC=^: 


-s- 


Sigzr 


:0=: 


t'l 
5 


:0=::=©: 


Hiernach  können  die  aufsteigenden  und  absteigenden  Tonleitern  mit  um- 
gekehrten Bässen  harmonisirt  und  die  Dissonanzen  eingeführt  werden  und  zwar 
auf  folgende  Weise : 

Zuerst  harmonisire  man  die  Tonleiter  ohne  Dissonanzen  und  wähle  die 
umgekehrten  Bässe  aus. 

Sind  die  Grundbässe  auf  eine  besondere  Zeile  geschrieben,  so  setze  man 
die  Bezifferung  darüber,  welche  die  Dissonanzen  bezeichnet,  die  eingeführt  werden 
können,  und  die  aus  ihrer  Fortschreitung  sich  ergiebt;  man  führe  sie  dann  den  ge- 


120    Tonleitern   mit    Dissonanzen   u.   umgekehrten   Bässen. 

gebenen  Regeln  gemäfs  ein  —  wie  im  folgenden  Beispiele,  welches  um  der 
Kürze  willen  in  zwei  Zeilen  zusammengedrängt  und  mit  ausgelassener  Beziffe- 
rung des  Grundbasses  geschrieben  ist. 


Aufsteigende  Tonleiter  mit  Dissonanzen. 


134  ,     l  a  1      2 


f 


Takt  2.  Die  dissonirende  Quarte  erscheint  in  der  Bafsstimme,  wo  ihre  Auf- 
lösung gefunden  wird. 

Takt  4.  Dieselbe  Dissonanz  steht  aus  demselben  Grunde  im  Tenor,  und  so 
mit  dem  Uebrigen. 

Takt  3.  Die  Septime  ist  im  Tenor  eingeführt,  um  die  Quarte  im  folgenden 
Takte  vorzubereiten.  Dafs  die  Dissonanzen  so  abwechselnd  in  den 
verschiedenen  Stimmen  erscheinen,  bringt  Mannigfaltigkeit  der  Wir- 
kung hervor. 

Hätten  wir  in  diesem  Takte  die  Septime  in  den  Bafs  genom- 
men, so  wären  in  derselben  Stimme  zwei  Dissonanzen  auf  einander 
gefolgt.  Eine  noch  gröfsere  Mannigfaltigkeit  würde  durch  die  Ein- 
führung der  None  als  Vorhalt  der  Oktave  im  Alt  (in  Takt  3.  b) 
hervorgebracht  worden  sein. 

Fallende  Tonleiter  mit  Dissonanzen. 


135 


{ 


©-^y 


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4    3 


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4  3         ZZI§ 


C-gb: 


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-p^& 


9      8 


Es 


Bemerkungen. 


121 


Es  ist  zu  bemerken,  dafs  in  den  Alt  keine  Dissonanz  eingeführt  werden 
kann,  aufser  im  Takt  7.,  wo  die  dissonirende  Quarte  in  dieser  Stimme,  statt 
im  Basse,  eingeführt  werden  mag. 

„Die  Dissonanz  und  die  Note,  welche  von  jener  aufgehalten  wird,  darf 

nicht  zu  gleicher  Zeit  gehört  werden. " 
Obgleich  diese  Regel  schon  genugsam  eingeprägt  und  ohne  Unterlaf's  in 
Ausübung  ist,  so  ist  doch  bei  der  Anwendung  der  Umkehrungen  ein  Irrthum 
in  diesem  Falle  so  leicht  begangen,  dafs  wir  es  nöthig  finden,  sie  aus  Vorsicht 
hier  zu  wiederholen;  besonders  wenn,  wie  bei  (a)  im  folgenden  Beispiel,  die 
Septime  frei  eingeführt  ist;  oder  wenn  die  Septime  in  den  umgekehrten  Bafs 
gestellt  und  die  Oktave  verdoppelt  ist,  wie  bei  (£)  —  in  beiden  Fällen  zeigt 
sich  der  Irrthum. 


— TC + 8©- 

7*fvÄ-1*-;'- 
-+9©- 


136.. 


Im  folgenden  Beispiel  (im  Takt  1.)  ist  die  Quinte  des  Dominant-Akkordes, 
die  in  der  Melodie  fällt,  von  der  steigenden  Quinte  im  umgekehrten  Basse 
begleitet ,    wodurch   Gegenbewegung   und   eine 


wird 


nelodischere   Wirkung   erreicht 


Im  Takt  3  und  6.     Die   Quinte   in   der   Melodie   steigt    und    die    im    Basse 

fällt,  mit  hinzugefügter  freier  Septime. 
Im  Takt  5.  derselbe  Fall,  jedoch  ohne  Septime. 

Kadenz.  Ex.     („) 
4 -*■_},_ 


:stfc= 


[   16  ] 


122 


Bemerkungen. 


Wir  nehmen  hier  Gelegenheit,  einige  Bemerkungen  in  Bezug  auf  die  zweite 
und  vierte  Regel  bei  Anwendung  der  Grundbässe  hinzuzufügen. 

Es  ist  bekannt,  dafs  wenn  der  vierte  Ton  der  Tonleiter  eine  Stufe  fällt 
und  von  der  Dominante  begleitet  ist,  der  Dominant- Akkord  hervorgebracht  wird. 

Wir  fügen  jetzt  noch  hinzu,  dafs  der  vierte  Ton  der  Tonleiter,  wenn  er  auch 
nicht,  wie  früher  vorausgesetzt  wurde,  eine  Stufe  fällt,  dennoch  mit  der  Dominante 
begleitet  werden  kann,  sobald  er  nur  vor  der  Auflösung  zu  irgend  einem  an- 
dern Intervalle  des  Akkordes  fortschreitet  —  wie  im  folgenden  Beispiele: 


( 


138.  (J 


f  p-^ 

o 

ff-  m 

-  O  i 

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t©-S-©H 

•  C?7    .. 

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3 

O. 

-©- 

1 — 1 

6 

7  n 

-e- 

± — gg=! 

6 
5 

-S- 

2 

— ©*— 

'"V 

Q 

*)• 

±L±~: 

— ■») 

o 

f v 

•    O"-  '" 

4 

***■> 

w 

— 

Wird  der  fünfte  Ton  der  Tonleiter  von  der  Dominante  begleitet,  wenn  er 
unmittelbar  nach  der  Terz  der  folgenden  Tonika  fortschreitet,  wie  bei  (a)  im 
folgenden  Beispiele,  und  will  man  bei  dieser  Dominante  die  Septime  anbrin- 
gen, so  müssen  wir  diese  im  Sopran  (wie  bei  £)  einführen;  denn  wollten  wir 
dies  in  irgend  einer  andern  Stimme  thun,  so  würde  das  entweder  verborgene 
Oktaven  zwischen  Sopran  und  Tenor  (wie  bei  d)  oder  Zusammentreffen  des 
Soprans  und  Alts  im  Einklänge  (wie  bei  c)  hervorbringen. 


Jetzt  wollen  wir,  was  wir  über  diesen  Punkt  erhalten  haben,  wiederholen, 
und  die  gewonnenen  Kenntnisse  in  Anwendung  bringen.  Künftig  mufs  nun  Vie- 
les dem  reifenden  Urtheil  und  dem  Ermessen  des  Schülers  überlassen  bleiben. 
Die   bisher  ertheilten  Rathschläge  über  die  Wahl  umgekehrter  Bässe,  werden 


Uebung     zur     Wiederholung.  123 

sich  vollkommen  hinreichend  beweisen.  Man  darf  nicht  erwarten ,  über  alle 
möglicherweise  vorkommenden  Fälle  bestimmte  und  unabänderliche  Regeln  nie- 
dergelegt  zu  finden;  ein  solches  Unternehmen,  wenn  es  ja  ausführbar  wäre, 
würde  nur  die  Einbildungskraft  fesseln  und  die  Kunst  selbst  herabsetzen. 

yf^iederholung. 

Nehmen  wir  nun  eine  Melodie  und  versuchen,  was  wir  blos  mittels  der 
Anwendung  der  bisher  gegebenen  einfachen  Regeln  mit  ihr  ausrichten  können. 

Angenommen,   es  wäre  uns  eine  Arie  zur  Harmonisirung  gegeben. 

Wir  wissen,  dafs  dies  auf  unterschiedliche  Weise  geschehen  kann. 

Erstens  durch  Anwendung  der  vier  Regeln  von  den  Grundbässen.  Ge- 
braucht man  diese  Regeln  nur  mit  dem  mindesten  Unheil,  oder  mit  ganz  ge- 
wöhnlicher Aufmerksamkeit,  so  bringen  sie  allein  schon  eine  ungemeine  Man- 
nigfaltigkeit zu  Wege. 

Jede  Stimme,  mit  Ausnahme  des  Soprans,  bringt  durch  die  verschiedene 
Anwendung  jener  Regeln  immer  eine  verschiedene  Wirkung  hervor.  Selbst 
der  Sopran  bleibt  bei  dieser  Abwechselung  nicht  gänzlich  dem  Einilufs  entzo- 
gen; denn  obwohl  diese  Stimme  selbst  nicht  verändert  wird,  so  erscheint 
uns  doch  vermöge  der  verschiedenen  zur  Anwendung  gebrachten  Regeln  der 
Ton,  der  einmal  etwa  als  Oktave  gehört  worden  ist,  ein  andermal  als  Septime, 
oder  Quinte,  und  bringt  so  in  seiner  Beziehung  zu  den  andern  Stimmen  eine 
verschiedene  Wirkung  hervor. 

Zweitens  durch  Anwendung  der  umgekehrten  Bässe. 

Hier  vertauschen  wiederum  die  verschiedenen  Stimmen  ihren  Karakter; 
denn  durch  Einführung  eines  umgekehrten  Basses  wird  nothwendig  eine  Verän- 
derung in  die  Bafsmelodie  gebracht,  und  dabei  mnfs  eine  entsprechende  Aende- 
rung  gleichfalls  in  der  Stimme  oder  Melodie  eintreten,  aus  welcher  man  den 
umgekehrten  Bafs  ausgezogen  hat. 

Drittens  durch  Anwendung  der  Dissonanzen,  in  denen  ein  weites  Feld 
zur  Erzeugung  einer  grofsen  Abwechselung  von  Licht  und  Schatten  sich  eröff- 
net. An  einer  Stelle  führen  wir  die  dissonirende  Quarte  ein,  vorbereitet  durch 
die  Septime,  Oktave,  oder  Quinte,  an  einer  andern  die  None,  vorbereitet  durch 
die  Terz,  Oktave,  oder  Quinte;  wieder  an  einer  andern  die  Septime  oder  Sexte; 
eben  so  wenden  wir  sie  in  Verbindung  mit  einander  an,  dann  wieder  bringen 
wir  in  den  -verschiedenen  Stimmen  Nachahmungen  durch  sie  hervor. 

[   16*] 


124  Wiederholungen. 

Mit  einem  Wort,  es  ist  erstaunlich,  welche  Mannigfaltigkeit  durch  Mittel 
hervorgebracht  werden  kann,  die  sich  jeden  Augenblick  in  so  einfacher  und 
fafslicher  Form  darbieten,  dafs  nur  ganz  gewöhnliches  Nachdenken  und  Fleifs 
erfodert  wird,  um  die  angenehmsten  und  überraschendsten  Wirkungen  zu  er- 
zeugen. 

In  Betreff  der  Umkehrungen,  so  ist  ihr  wichtiger  Zweck  die  Hervorbrin- 
gung einer  angenehmen  und  fliefsenden  Melodie  der  Bafsstimme,  in  der 
Art,  dafs  sie  sich  inniger  mit  den  andern  Stimmen  vermische  und  so  ein  rei- 
zendes Ganze  hervorbringe. 

Man  vergesse  jedoch  nicht,  dafs  dies  keinesweges  die  Fortschreitung  ist,  wel- 
che die  Natur  uns  vorzeichnet  (man  sehe  die  Einleitung  zur  Modulation  Seite  54.). 
Jede  der  vier  Stimmen  unterscheidet  sich  durch  ihren  besondern  Karakter  (man 
sehe  Seite  48.),  welcher  sorgfältig  im  Auge  behalten  werden  mufs,  wenn  wir  im 
Begriff  sind,  Umkehrungen  in  eine  Melodie  anzubringen. 

Wir  wollen  demnach,  ehe  wir  fortfahren,  die  gegebene  Melodie  zu  har- 
monisiren,  noch  mehr  das  dabei  anzuwendende  Verfahren  zu  erläutern  suchen. 

Erstens  schreibe  man  nach  Anleitung  der  vier  Piegeln  Grundbässe  auf 
eine  fünfte  untere  Linie  *). 

Zweitens,  man  schreibe  die  Dreiklänge  in  Partitur,   füge 

Drittens  die  Septimen  hinzu,  und  löse  sie  auf. 

N.  B.  Quinten  und  Oktaven  zu  vermeiden  ist  unnöthig;  die  zweite  oder 
dritte  Umkehrung  erfüllt  dies  schon  \on  selbst. 

Viertens,  man  wähle  umgekehrte  Bässe  aus. 

Fünftens,  man  führe  Dissonanzen  ein. 

Angenommen,  die  nachfolgende  Melodie  wäre  gegeben  und  auf  die  vorste- 
hende Weise  behandelt  worden ,  so  würde  folgender  ausgeführter  Satz  sich 
bilden,   in  welchem  nur  die  Dissonanzen  ausgelassen  sind.- 


*)   Sie    sind  in   unsern   Beispielen   nur  mit   Punkten   angedeutet,   um   so  viel  als  möglich  die 
Ausdehnung  des  Werkes  zu  vermeiden. 


Wiederholungen. 


123 


4  4  4  4  4 

Wir  wollen  nun  dieselbe  Melodie  nehmen  mit   denselben  Grund-  und  um- 
gekehrten Bässen,   und  die  Dissonanzen  hinzufügen. 

Sopran. 


rs 


{ 


3v— rärPfs^P 

— kz^==: 

N.  B.  Wenn  die  Quarte  als  Vorhalt  im  letzten  Takte  eingeführt  ist,  mufe 
die  Quinte  des  Akkordes  niemals  ausgelassen  werden. 

Hier  folgt  dieselbe  Melodie  mit  denselben  Grundbässen,  aber  mit:  andern' 
umgekehrten  Bässen  und  einigen  ausgewählten  Dissonanzen. 


12ü 


Wiederholungen. 


142 


Vergleichen  wir  die  umgekehrten  Bässe  und  die  Mittelstimmen  der  zwei 
vorstehenden  Beispiele,  so  ilndeu  wir  eine  beständige  Vertauschung  des  Ka- 
f akters ;  so  zum  Beispiel  die  Sopranfortschreitung,  welche  im  Beispiel  141., 
Takt  1.,    im  Basse  sich  findet,   liegt  Beispiel  142.  im  Alt. 

Der  umgekehrte  Bafs  in  demselben  Takte,  Beispiel  142.,  hat  die  Fortschrei- 
tung des  Tenors,  der  Tenor  dagegen  die  des  Alt's.  Dies  mufs  hinreichend  er- 
örtert ,  und  die  Verschiedenheit  der  daraus  entstehenden  Effekte  verglichen 
werden. 

Die  Melodie  der  vorhergehenden  Beispiele  war  zu  demselben  Grundbafs 
in  Harmonie  gesetzt,  alle  Veränderung  des  Ausdrucks  war  allein  durch  die  Um- 
kehrung der  Bässe,  und  durch  Einführung  der  Dissonanzen  hervorgebracht. 

Wir  nehmen  nun  eine  andere  Melodie,  welche  wir  .auf  zwei  verschiedene 
Weisen  in  Harmonie  setzen,  wozu  wir  aber  nur  andere  Umkehrungen  desselben 
Basses  anwenden ,  und  den  Grundbafs  nach  den  vier  Regeln  verändern  wollen. 

Die  folgenden  drei  Beispiele  sind  zu  diesem  Zwecke  hier  eingeführt,  jede 
Melodie  ist  mit  zwei  verschiedenen  Umkehrungen  des  Basses  niedergeschrieben, 
und  soll  mit  einer  jeden  derselben  in  vollständiger  Harmonie  ausgesetzt  wer- 
den; Dissonanzen  mögen  hinzugefügt  werden  nach  Gefallen:  —  nachmals  mag 
der  Schüler  sich  bemühen,  eine  gröfsere  Verschiedenheit  nocli  hervorzubringen 


Verschiedenheit    des    Effekts. 


127 


durch  die  Wahl  anderer  Grundbässe,  und  durch  Umkehrungen  nach  den  fest- 
gestellten Regeln  angewandt. 

So  auch  mag  dieselbe  Melodie  zur  Uebung  in  mehreren  Tonarten  transpo- 
nirt  werden. 

Gewählt  sind  die  Grundbässe  in  diesen  drei  Beispielen 

bei  (b)  nach  der  zweiten  Regel, 

(c)  nach  der  dritten  Regel, 

(d)  nach  der  vierten  Regel, 

Die  erste  Regel  ist  nicht  angeführt,  da  sie  überall  befolgt  wird  wo  keine 
Anmerkung  statt  findet. 


le. 


ss. 


SS. 


':fc#=PÄ 


-9r. 


mrß^zßzB 


*sgz 


m 


:p: 


4 


» 


W-9M. 


Kad.  (k) 


6 
6      1 


mm 


-ö. 


S=z 


*Se 


6 

f      6 


-s-F 


5-©" 


6 

5    4 
3    2 


"Q" 


-ö. 


:tz: 


-©- 


_o. 


I33E§ 


^^ 


©-p 


6      2         6      .5 

3 


=P 


F^Q-S- 


:Cr. 


r. 
3 


=Ö 


6 

4 
3 


Kad.  6 


i©zQÄ 


i=» 


123 


Verschiedener    Effekt. 


CdJ         (d) 


5 

4 
2 


6 

±=C£C£ 


6 

4 

— 3- 


i©iCfcfci= 


Q 

5 


l-:-Q= 


6 
4 
3 


=01 


6 

4 
6    2    6 


6 
5 


DdSS 


U.U. 
Bass. 


3I# 


#-- 


©-#- 


et 


6 


±d 


6 
6     5 


9 

©-P-©-* 


!==£: 


6 
4 

2     6 


t=tzgE 


XX 


t=h 


El 


Im  Beispiel  145.,  im  ersten  Takt  Bafs  No.  L,  haben  wir  die  Quinte  des 
Akkordes  als  umgekehrten  Bafs  genommen,  und  dadurch  den  \  Akkord,  die 
zweite  Versetzung  des  Dreiklangs  erhalten. 

Das  Einförmige  zwischen  Bafs  und  Sopran  wird  hier  durch  den  Reichthum 
der  innern  Stimmen  aufgehoben. 

Die  unendliche  Mannigfaltigkeit,  die  allein  durch  die  Anwendung  der  vor- 
hergehenden Regeln  schon  hervorgebracht  wird,  zu  zeigen,  wollen  wir  hier  die 
zwei  ersten  Takte  des  letzten  Beispiels  nehmen,  und  sie  als  ein  Thema  an- 
sehen: in  sich  selbst  so  unbedeutend  als  möglich,  da  es  nur  zwei  Töne  enthält. 

146. 


Dissonanzen    hinzugefügt. 


129 


löpfeä 


s=5 


Ff 


TV CS         * 


=** 


:tzp 


fcp: 


F1  F 


6 
4 
3 


"-P- 


e— ^^_ 


:p 


F    '  F1  7"      '  F 

i  1  i  1  1 

Der  dritte  und  vierte  Takt  desselben  Beispiels  mögen  eben  so  in  Harmo- 
nie ausgesetzt  werden. 


147. 


Qi«sp-—  :_^ — l — p_ 


ff" 


:p 


F 


q= 


:p 


F 
1 


Dasselbe  Thema  mit  gelegentlich  eingeführten  Dissonanzen 


ran. 


Alt. 


nor. 


^ass. 


K 


^: 


irzz^E- 


3ife=Ü 


*^ 


:q 


:=f 


-#-e-g-g=k 


'«- 


4 


fegEt" 


-4- 


?t:p=:-  : 


:pzp=F: 


3=^zp=*pirqzzg 


l=P 


— 6 
5    4 

—  2 


-o- 

2  3 


*-■©-*-©- 


F'     *    F1 


--f^0— ©-»  "ä-  *~C 

p  -| p^-P-  S— [— N» 


aqzp 


:t± 


1=1= 


tzzt 


#-*- 


P 


tpO 


t^if^rSfi — I — 1— 


:Q: 


6  — 3 


7 


F* 


=tP=P 


4 


&=q: 


?— Ct 


et 


e 
4 

3     6 — 


5=KÜi£ 


t=t: 


Et 


© 


j— 1 — 1 — 


CX 


6 

4 

3    43 


:^t-£=|E=g 


[   17] 


Ausgedehnte     Harmonien. 


N.  B.  In  diesem  Beispiele  dienen  die  angemerkten  Buchstaben  allein  zur 
Bezeichnung  derjenigen  Stelleu,  die  gelegentlich  in  andere  Takte  übertragen  sind. 

Wir  wollen  diesen  Gegenstand  für  jetzt  nicht  weiter  verfolgen,  ich  glaube 
voraussetzen  zu  dürfen,  dafs  genugsam  angedeutet  ist,  zu  welcher  Mannigfaltig- 
keit dies  führen  kann. 

Der  Schüler  darf  nicht  nachlassen  fleifsig  zu  arbeiten,  damit  er  die  feste 
Ueberzeugung  sich  verschaffe,  alles  klar  verstanden  zu  haben,  ehe  er  hier 
weiter  fortschreitet.  Auf  das  Ernstlichste  sei  ihm  empfohlen,  die  Beispiele,  die 
er  früher  geschrieben,  jetzt  vollendeter  auszuführen,  um  die  Wirkungen  zu  hö- 
ren und  zu  vergleichen  von  jeder  neu  hinzugekommenen  Veränderung.  Durch 
diese  Uebung  •  wird  sein  Geschmack  wie  auch  sein  Urtheil  nachgerade  reifer 
werden,  und  sein  Auge  sich  unmerklich  gewöhnen,  Noten  in  Partitur  zu  über- 
sehen. 

Ausgedehnte  oder  offene  Harmonie. 

Bis  jetzt  war  unsere  Harmonie  so  geschrieben,  dafs  zwischen  Sopran,  Alt 
und  Tenor  kein  Raum  gelassen  war  zu  Einführung  noch  einer  Stimme.  Die 
so  beschaffene  Harmonie  (welche  aus  der  ursprünglichen  Lage,  in  der  die  Ak- 
korde geschrieben  werden,  entsteht),  nennen  wir  gedrängte  oder  enge  Harmonie. 

Nun  soll  gezeigt  werden,  wie  aus  der  engen  Harmonie  die  ausgedehnte  ent- 
steht, aus  welcher  neue  und  schöne  Effekte  hervorgehen. 


Ausgedehnte     Harmonie. 


131 


Wenn  wir  die  drei  verschiedenen  Lagen  des  Akkordes  untersuchen,  so  fin- 
den wir,  dafs  in  der  zweiten  Lage  die  Terz  unter  die  Quinte  zu  liegen  kömmt; 
in  der  dritten  Lage  die  Quinte  unter  die  Oktave;  in  der  ersten  Lage  die  Ok- 
tave unter  die  Terz  (wie  bei  a). 


Nehmen  wir  in  der  zweiten  Lage  des  Akkordes  die  Terz  heraus  und  schrei- 
ben sie  eine  Oktave  tiefer  (wie  bei  b),  so  sehen  wir,  dafs  Alt  und  Tenor  ihre 
Stelle  verwechselt  haben. 

Wenn  wir  aus  dem  Akkord  in  der  dritten  Lage  die  Quinte  herausnehmen, 
und  stellen  sie  eine  Oktave  tiefer,  so  findet  wieder  dieselbe  Verwechselung  der- 
selben Stimme  statt. 

Endlich,  aus  dem  Akkord  in  der  ersten  Aage,  die  Oktave  in  gleicher  Art 
versetzt,   giebt  nochmals  dieselbe  Verwechselung  eben  dieser  zwei  Stimmen. 

Das  folgende  Beispiel  (150.  a)  ist  in  enger  Harmonie  geschrieben,  wie  ge- 
wöhnlich, der  Alt  ist  sodann  (bei  b)  eine  Oktave  tiefer  gestellt,  und  auf  die 
Notenzeile  des  Tenors  eingerückt,  dagegen  nimmt  der  Tenor  die  Zeile  des 
Alts  ein. 

Die  Zahlen  2  und  3  bezeichnen  die  Stimmen  welche  vertauscht  sind,  und 
in  denen  die  ausgedehnte  Harmonie  eingeführt  ist. 

Die  Wirkung  dieser  ausgedehnten  Harmonie  wird  am  meisten  fühlbar  wer- 
den, wenn  man  den  Alt  und  Tenor  allein  spielt,  zuerst  wie  bei  (a),  sodann 
wie  bei  (b).  Auch  werden  die  Schüler  mehr  Vergnügen  am  Spielen  finden  bei 
der  ausgedehnt  geschriebenen  Harmonie,  da  diese  oft  zu  weit  zu  greifen  für 
einen  Schüler,  als  Duett  auf  dem  Pianoforte  angenehm  auszuführen  ist. 


[17*] 


Ausgedehnte    Harmonie. 


Da  der  Alt,  mit  dem  Tenor  versetzt,  gewöhnlich  zu  tief  gegen  den  Bafs  zu 
stehen  scheint,  so  ist  es  rathsam  ihn  für  jetzt,  um  diese  tiefe  Linien  zu  ver- 
meiden, im  Bafsschlüsses  zu  schreiben.  Wenn  wir  nachmals  den  Schüler  mit 
Alt-  und  Tenorschlüssel  bekannt  gemacht  haben,  wird  diese  unsere  Zuflucht 
zum  Bafsschlüssel  von  selbst  als  unnütz  wegfallen. 

Die  aufserordentliche  Verschiedenheit  des  Effekts  der  beiden  Arten,  die- 
selbe Harmonie  niederzuschreiben,   liegt  nicht  allein  darin,   dafs  zwei  Stimmen 


Theil  weise    Ausdehnung    der    Harmonie.         133 

in  größerer  Entfernung  zu  einander  gestellt  werden,  als  vielmehr,  dafs  sie  ihre 
Stellung  gegen   einander   vertauscht  haben,   demzufolge  nun  die  Stimmen,   die 
in  enger  Harmonie  sich  als  Terz,   Quinte  und  Quarte  zur  andern  Stimme  ver- 
hielten, in  ausgedehnter  Harmonie  als  Sexte,  Quinte  und  Quarte  gehört  werden. 
Zum  Beweis  diene  folgende  Gegeneinanderstellung. 
Der  Einklang    wird  zur  Oktave^ 
-2  -        -     7, 

-  3  -        -     6,  Bemerk.    Wenn  zwei  Stimmen 

-  4  -     5,  so  verwechselt  werden  können, 

-  5  -        -     4,  nennt  man  dieses  den  doppel- 

-  6  -     3,  ten  Contrapunkt  in  der  Oktave. 
-7                    -        -     2, 

die  Oktave  wird  zum  Einklang. 

Hiernach  wird  es  klar  sein,  dafs  in  enger  Harmonie  keine  Fortschreitung 
auf  einander  folgender  Quarten  erlaubt  sein  kann,  in  den  Stimmen,  die 
in  ausgedehnter  Harmonie  mit  einander  vertauscht  werden  sollen. 

Da  sie  bei  Umwechselung  ibrer  Lage,  zu  aufeinander  folgenden  Quin- 
ten werden. 

Sollten  also  Quartenfolgen  in  enger  Harmonie  vorkommen,  so  mufs  mit 
Bedacht  eine  Veränderung  in  den  Stimmen  vorgenommen  werden,  ehe  die  Ver- 
wechselung geschieht. 

Auch  muts  die  folgende  Regel  beobachtet  werden: 

Die  Bafsstimme  darf  nie  dem  Alt  näher  als  eine  Oktave  treten,  sonst  wird 
der  Alt,  der  in  der  ausgedehnten  Harmonie  die  Stelle  des  Tenors  einnimmt, 
tiefer  zu  stehen  kommen,   als  der  umgekehrte  Bafs. 

In  dem  folgenden  Beispiele  (a)  ist  der  Bafs  näher  denn  eine  Oktave  zu 
dem  Alt  gerückt,  dem  zufolge  wird,  wenn  die  Harmonie  ausgedehnt  geschrie- 
ben, der  Tenor  unter  dem  Bafs  befunden  werden  (wie  bei  £). 


134  T  li  eil  weise     Ausdehnung     der     Harmoni 


1  e. 


151.< 


Wenn  die  Melodie  bei  grofsen  Intervallen  steigt  oder  fällt,  so  wird  eine 
theilweise  Ausdehnung  der  Harmonie  oft  nothwendig,  um  den  fliefsenden  an- 
genehmen Gang  in  den  innern  Stimmen  zu  erhalten,  der  sonst  gestört  sein 
würde.  Eine  gelegentliche  Ausdehnung  der  Harmonie  ist;  also  oft  anzuwen- 
den, um  den  schlechten  Eindruck  zu  vermeiden,  den  viele  in  gleicher  Bewe- 
gung fortschreitende  Stimmen  auf  uns  machen. 

Bei  (a),  im  folgenden  Beispiele,  steigt  der  Sopran  eine  Quinte,  und  da  in 
enger  Harmonie,  Alt  und  Tenor,  mit  ihm  steigen  müssen,  ist  eine  gleiche 
Fortschreitung  in  dreien  Stimmen  die  Folge. 


152. 


Dies  ist  vermieden  durch  die  theilweise  angebrachte  Ausdehnung  der  Har- 
monie (in  b),  wo  der  Alt,  statt  mit  dem  Tenor  gleichzeitig  zu  steigen,  auf  sei- 
ner Stelle  verbleibt  und  der  Tenor  in  einfachen  Stufen  fällt. 

Ist  die  Harmonie  schon  ausgedehnt  geschrieben  wie  bei  C,  und  es  fällt  der 


Die    Molltonart. 


13f 


Sopran  in  grofsen  Intervallen,   so  mufs  dagegen  ein  theilweises  Zusammendran- 
gen der  Harmonie  angewendet  werden  wie  bei  (d). 

Wenn  in  enger  Harmonie  geschrieben,  der  Sopran  bei  grofsen  Intervallen 
fällt,  so  kann  zu  Zeiten  der  Alt  über  dem  Sopran  erscheinen,  wie  in  dem  fol- 
genden Beispiel  153.  bei  («),  welches  anders  auch  wie  bei  (b)  geschrieben  wer- 
den könnte. 


153.< 


t-=t- 


l=J=^ 


■e — e- 


4 
2 


9i 


^=pg=j=pZ3; 


— &- 


"©* 


-T=3= 


■CP 


:t: 


:C: 


Dur-  und  Molltonart. 

Jede  Durtonart  hat  eine  ihr  verwandte  Molltonart,  welche  wir  eine  kleine 
Terz  tiefer  finden  *). 

Die  Terz  des  Akkordes  bestimmt  ob  die  Tonart  Dur  oder  Moll  ist. 

Kein  Moll -Akkord  wird  uns  durch  die  Natur  gegeben,  denn  der  Akkord, 
der  uns  durch  die  Schwingung  der  Saite  gegeben  ist,  der  ist  Dur  —  die  Erklä- 
rung findet  sich  Seite  54.,  die  Bildung  der  Molltonleiter  ist  also  künstlich. 

Bei  der  Bildung  der  Molltonleiter  Avollen  wir  also,  so  viel  als  möglich,  unsere 
Beweggründe  aus  der  Zusammenstellung  mit  der  Durtonleiter  entnehmen  **). 

Wenn  wir  unsere  Tonleiter  aus  drei  Tönen  betrachten,  so  finden  wir,  dafs 
der  dritte  Ton  denselben  Akkord  giebt  wie  der  erste  ursprüngliche  Grundton, 
wie  folgendes  Beispiel  zeigt  (a). 

*)   Siehe   Beispiel   61   und   62.,  woselbst   Uebungen  in  regelmäfsiger  Fortschreitung  der  Dur- 
und  ihrer  verwandten  Molltonarten  sich  finden. 

**)  Hierüber  haben  wir  uns  ausgesprochen,   Einführung  zur  Modulation  Seite  55. 


136 


Die    Molltonleiter. 


154 


\ 


a 

2 


3 

:0: 


:a: 


b 

-2- 


:o: 


:Cü 


:0: 


"O" 


:□: 


Der  Akkord  auf  dem  Grundton  hat  eine  Durterz,  und  es  ist  der  Zwischen- 
raum von  dem  ersten  zum  dritten  Tone  der  Tonleiter,  eine  Durterz. 

Haben  wir  auf  dem  Akkord  der  Tonika  eine  Mollterz,  so  wird  die  Entfer- 
nung von  dem  ersten  zum  dritten  Tone  auch  eine  Mollterz  sein  (wie  bei  b). 

N.  B.     Den  ersten  Akkord  jeder  Scala  nennen  wir  Grund-Akkord. 

Nun  wollen  wir  fortfahren,  die  Molltonleiter  zu  bilden;  wir  verfolgen  den- 
selben Grundsatz  der  uns  geleitet  bei  Zusammensetzung  der  Durtonleiter,  das 
heilst,  wir  nehmen  und  verbinden  zwei  Tonleitern,  jede  aus  drei  Tönen  bestehend. 

Im  folgenden  Beispiele,  bei  I.,  ist  die  Durtonleiter  wie  wir  sie  zuerst  auf- 
gefunden haben  *),  in  welcher  alle  Akkorde  Durterzen  hatten.  Bei  II.  hinge- 
gen finden  sich  alle  Akkorde  mit  der  Mollterz,  welches  eine  gänzliche  Abwei- 
chung von  der  Natur  ist,  wodurch  auch  die  Wirkung  auf  das  Gehör  durchaus 
widerwärtig  wird. 


*}  Siehe  Seite  55. 


Wir 


Die    Molltonleiter. 


137 


Wir  können  indefs  Natur  und  Kunst  verbinden,  so  dafs  wir  den  Eindruck 
der  Molltonart  beibehalten,  und  doch  uns  um  vieles  dem  einmal  angenomme- 
nen Grundsatz  nahern,  indem  wir  die  Molltonleiter  so  treu  als  möglich  der 
Durtonleiter  nachbilden. 

Dies  wird  erreicht,  wenn  wir  den  einen  der  drei  Mollakkorde  (bei  No.  II. 
im  vorhergehenden  Beispiele)  in  Dur  verwandeln,  da  der  erste  und  dritte  Ak- 
kord Moll  bleiben  müssen,  nach  dem  auf  der  letzten  Seite  angegebenen  Grunde, 
so  kann  der  zweite  Akkord  allein  verändert  und  Dur  gemacht  werden;  das  Bei- 
spiel wird  nun  wie  bei  (a)  stehen. 


a 


156./ 


:o: 


:S2: 


«r- 


— 03- 


zO: 


BE 


O: 


"O" 


-©- 


Es  mufs  bemerkt  werden,  dafs  dieser  zweite  Akkord  der  Dominant-Akkord 
der  Tonart  ist,  und  deshalb  ein  Dur-Akkord  sein  mufs. 

Nachdem  wir  die  Harmonie  der  ersten  Tonleiter  (von  drei  Tönen)  ausge- 
setzt haben  (siehe  a),  fahren  wir  fort,  genau  auf  dieselbe  Weise  die  Zweite  zu 
behandeln  (siehe  b). 

Haben  wir  nun  die  beiden  Scalen,  jede  aus  drei  Noten  bestehend,  zusam- 
mengefügt, so  wollen  wir  die  beiden  noch  fehlenden  Töne,  um  die  diatonische 
Molltonleiter  von  A  zu  vollenden,  auf  folgende  Art  hinschreiben. 


157. 


Q 

#== 

■©■ 

jf 

r~i                     5= 

s       — 

y£W — 

^js— 

cp 

—. ' 

MS 

— s — 

iggd 

\iU 

— ss — 

CS 

- — & — 

as 

■  ■ 

M- 

S 

7 
* 

-8- 
k 

l 

7 

£V 

*J. 

o 

C^\                                """* 

"^ 

w> 

O 

w 

o 

w 

• 

.  ■  

o 

'-©-• 


In  dem  vorstehenden  Beispiele  hat  keine  eigentliche  Modulation  von  ^moll 
nach  D  moll  (dem  vierten  Akkorde),  statt  gefunden,  da  der  Akkord  auf  der  vor- 

[13] 


138  Der     Akkord     der     kleinen     None. 

hergehenden  Dominante  bei  k  keine  Durterz  hatte,  folglich  keine  Hauptseptime 
haben  konnte.  Unmittelbar  danach  (bei  x)  tritt  dagegen  eine  wirkliche  Mo- 
dulation ein,  der  Akkord  mit  der  Durterz  erlaubt  die  Hauptseptime  hinzuzu- 
fügen, und  wir  moduliren  somit  hier  nach  D;  nothwendig  müssen  wir  aber  nun 
nach  ^moll  zurück  moduliren,  und  deshalb  vor  Gj  der  siebenten  Stufe  der 
Tonleiter,  ein  Kreuz  stellen,  um  den  Dominant -Akkord  mit  der  Durterz  zu 
erhalten. 

Hiedurch  entsteht  zwischen  der  sechsten  und  siebenten  Stufe  der  Tonleiter 
ein  Zwischenraum  von  drei  halben  Tönen,  wodurch  der,  die  Molltonleiter 
so  auffallend  unterscheidende  Karakter  festgestellt  wird. 

Wenn  wir  die  vorhergehende  Tonleiter  (Beispiel  157.)  betrachten,  so  sehen 
wir,  dafs  die  zweite,  fünfte  und  siebente  Stufe  mit  Dur- Akkorden  begleitet 
sind,  alle  anderen,  finden  wir,  sind  Moll -Akkorde. 

Hinsichtlich  des  fünften  Tones  der  Tonleiter  bemerken  wir  jedoch,  dafs  er 
zwar  mit  einem  Dur-Akkord  begleitet  ist,  aber  mehrere  Ausnahmen  zuläfsr,  die 
später  erklärt  werden  sollen.  Der  zweite  und  dritte  aber  müssen  allezeit  mit 
Durterzen  eingeführt  werden,  denen  die  Hauptseptime  beigefügt  sein  kann. 

Akkord  der  kleinen  None. 

Wir  wollen  nun  sorgfältig  die  Dominant -Akkorde  des  vorhergegangenen 
Beispiels  157.  untersuchen,  wir  sehen  dafs  die  Hauptseptime,  welche  bisher 
stets  einen  halben  Ton  gefallen  war,  hier  einen  ganzen  Ton  fällt;  dies  ent- 
steht, weil  der  darauf  folgende  Akkord  die  kleine  Terz  hat.  Die  übereinstim- 
mende Fortschreitung  der  beiden  Haupt -Intervalle  des  Dominant- Akkordes  (die 
Terz  steigt,  die  Septime  fällt  einen  halben  Ton),  ist  hier  zerstört.  —  Die 
Erwartung,  die  durch  die  Einführung  der  Hauptseptime  erregt  wurde,  bleibt 
unbefriedigt  bei  dieser  Auflösung,  da  das  Ohr  nur  vorbereitet  war  auf  die  Folge 
des  Dur -Akkordes,  nicht  aber  des  Moll -Akkordes.  Hierdurch  werden  wir  ver- 
anlafst  zu  versuchen,  ob  wir  nicht  auf  andere  Weise  das  Ohr  zu  der  Erwartung 
des  Moll -Akkordes  hinleiten  können. 

Unser  Zweck  wird  erreicht  werden,  wenn  wir  aus  dem  Dominant- Akkorde 
die  Oktave  wegstreichen,  und  in  ihrer  Stelle  den  Ton  einrücken,  der  einen 
grofsen  halben  Ton  über  der  Oktave  liegt,  mit  andern  Worten,  die  kleine  None 
vom  Grundbafs  aus,  einführen:  die  Septime  verbleibt  an  ihrer  Stelle  im  Akkord. 


Akkord     der    kleinen    None. 


139 


Die  kleine  None  fällt  einen  halben  Ton  in  die  Quinte  der  folgenden 
Tonika. 

Im  Dominant- Akkorde  tritt  die  kleine  None,  gleich  der  Hauptseptime, 
unvorbereitet  ein;  dieser  Umstand  ist  hinreichend,  sie  von  der  None  zu  unter- 
scheiden, die  als  Vorhalt  der  Oktave  stets  vorbereitet  sein  mufs. 


Bei  (a)  ist  die  Oktave  durchstrichen,  zum  Zeichen  dafs  sie  ausfallen  soll. 

Bei  (b)  ist  die  kleine  None  in  ihre  Stelle  eingerückt. 

Bei  (c)  ist  die  kleine  None  aufgelöst,  indem  sie  einen  halben  Ton  in  die 
Quinte  fällt. 

Bei  (d)  derselbe  Fall  in  andern  Tonarten  und  andern  Lagen  des  Akkordes 
geschrieben. 

Bei  (e)  wird  die  kleine  None  aufgegeben  und  es  übernimmt  die  Oktave 
desselben  Akkordes  ihre  Stelle. 

Dies  kann  erlaubt  werden,  da  die  None  einmal  gehört,  unser  Ohr  auf  den 
nun  folgenden  Moll -Akkord  vorbereitet  hat. 

Hinsichtlich  dieses  nützlichen  und  höchst  wirksamen  Intervalles  sei  noch 
hinzugefügt,  dafs  wenn  wir  vermittelst  seiner  Anwendung  eine  Molltonart  ein- 
geführt haben,  keine  Notwendigkeit  weiter  vorhanden  ist,  auf  jeden  vorkom- 
menden Dominant -Akkord  die  None  wieder  zu  gebrauchen;  hier  ist  eine  ge- 
wisse Behutsamkeit  besonders  zu  empfehlen.  «» 

Eben  so  mufs  man  darauf  achten,  dafs  wenn  die  None  ünfer  der  Quinte 
geschrieben  wird,  wie  (bei  a)  im  folgenden  Beispiele,  auf  einander  folgende 
Quinten  entstehen,  weshalb  man  die  Quinte  steigen  läfst  (wie  bei  £). 


[  13*] 


140 


Die    None  -  Vorbereitung    der    Sexte. 


Viele  neuere  Komponisten  haben  es  zwar  mit  dieser  Regel  eben  nicht 
streng  genommen,  denn  die  Fortschreitung  ist  oft  geschrieben,  wie  wir  sie 
bei  (c*)  sehen,  hingegen  wenn  die  None  unter  die  Oktave  gestellt  wird,  kann 
keine  unrichtige  Folge  vorkommen  (siehe  d). 

Durch  die  Einführung  der  None  entsteht  uns  eine  neue  Vorbereitung  für 
die  dissonirende  Sexte.     Die  Regel  ist, 

Wenn  der  Grundbafs  eine  Quarte  steigt,  kann  die  Sexte  als  Dissonanz  ein- 
geführt werden,  vorbereitet  durch  die  None,  wie  im  folgenden  Beispiele  (bei  a). 


160. 


I 


-#s>; 


5 


37 — + 


-#e- 


-m=^- 


6   I 


5 


t=a: 


p=3: 


/'TV-gS 


J 4- 


IO~ 


) — 0 Ä 


ei 


-ö- 


6    5 


9 

ff 


6    5 

4    3 


9 

8 


:— o: 


9    8 

-©- 


r 


Da  bei  derselben  Fortschreitung  des  Grundbasses  wir  die  Quarte  vorberei- 
tet durch  die  Septime,  so  wie  die  None  vorbereitet  durch  die  Quinte  haben 
können,  so  mögen  diese  Dissonanzen  verbunden  werden  (wie  bei  b  und  c  im 
letzten  Beispiel). 

Zur  Uebung  mögen  wir  nun  durch  alle  Moll-  und  Durtonarten  mit  Grund- 
bässen moduliren,  und  zwar  jederzeit  nach  der  Molltonart  mit  dem  kleinen 
Nonen- Akkord,  in  dem  die  Septime  gleichzeitig  angewendet  wird;  wie  im  Bei- 
spiel 161. 


*)  Siehe  Beispiel  173.  Takt  13  und  14. 


Versetzungen    des    kleinen    Nonen-Akkordes.     141 


f 


Vi — 55 

^3 

W— © — ■ 

F=#§=: 

C5 

es 

r— S 

=5 

-ws — 
— i§ — 

etc. 

9 
* 

■«J 

t7 

V 

■r-<.    - 

D,_0_ 

- — O 

— o — 

.etc. 

— O      i 

'     'O      "* 

o 

Umkehrung  des  Akkordes  der  kleinen  None. 

In  dem  Akkord  der  Hauptseptime  haben  wir  drei  Umkehrungen,  in  dem 
Akkord  der  kleinen  None"  hingegen  vier,  da  wir,  den  Grundbafs  ungerechnet, 
in  ihn  Ader  Intervalle  haben. 

Der  Hauptseptimen -Akkord  wird  verwandelt  in  den  kleinen  Nonen-  Akkord, 
wenn  wir  die  Oktave  herausnehmen  und  die  None  dagegen  einführen.  Schrei- 
ben wir  nun  die  Versetzungen  des  Nonen-Akkordes,  so  brauchen  wir  nur  streng 
eben  so  zu  verfahren  wie  bei  dem  ursprünglichen  Septimen -Akkord.  Wir  mö- 
gen, von  welcher  Versetzung  des  Hauptseptimen -Akkordes  wir  wollen,  die  Ok- 
tave herausstreichen  und  das  Intervall  hinschreiben,  welches  einen  grofsen  hal- 
ben Ton  über  diese  Oktave  liegt,  so  erhalten  wir  eine  Versetzung  des  kleinen 
Nonen-Akkordes. 

Alle  andern  Intervalle  bleiben  genau  dieselben  wie  früher,  und  werden  auch 
behandelt  als  wäre  der  Akkord  gar  nicht  verändert. 


Takt  1.  steht  der  Grund- Akkord,  die  Oktave  ist  durchstrichen,  dies  zeigt 
an,  dafs  sie  fortbleiben  und  die  None  an  ihre  Stelle  geschrieben  werden  soll, 
diese  löst  sich  auf,  indem  sie  einen  kleinen  halben  Ton  fällt,  in  die  Quinte 
des  folgenden  Akkordes  (Takt  2.),  alle  übrige  Intervalle  behalten  ihre  Fort- 
schreitung wie  im  Hauptseptimen -Akkorde. 


142    Versetzungen    des    kleinen    Nonen-  Akkordes. 


Im  Takt  3.  erscheint  der  Akkord  der  kleinen  None  in  seiner  ersten  Ver- 
setzung, wir  haben  die  6  durchstrichen,  da  sie  hier  die  ursprüngliche  Oktave 
des  Grundbasses  ist,  dagegen  den  grofsen  halben  Ton  darüber  eingerückt,  wel- 
cher Ton  die  Septime  des  gegenwärtigen  Basses  (Fis)  ist,  da  aber  diese  Sep- 
time um  einen  halben  Ton  tiefer  liegt  als  die  Hauptseptime,  wird  sie  die  ver- 
minderte Septime  werden.  Demzufolge  wird  diese  erste  Versetzung  des  kleinen 
Nonen -Akkordes,  der  verminderte  Septimen- Akkord  genannt.  Wäre  die  None 
nicht  eingeführt,  würde  es  der  §  Akkord  gewesen  sein. 

>  Wie  die  Hauptintervalle  des  Septimen- Akkordes,  die  Terz  und  Septime  wa- 
ren, so  sind  im  Nonen -Akkorde  die  bedeutendsten  Intervalle  die  Terz  und  die 
None. 

In  der  Bezifferung  einer  jeden  Versetzung  des  Nonen -Akkordes  dürfen  wir 
in  Zukunft  nur  die  Zahlen  stellen,  die  auf  diese  zwei  Intervalle  Bezug  haben. 
Zum  Beispiel,  im  dritten  Takt  des  letzten  Beispiels  steht  die  wirkliche  Terz  im 
Bafs,  so  wird  es  allein  nöthig,  die  Septime  über  diesen  Bafs  zu  schreiben,  da 
sie  die  None  bezeichnet.  Hat  irgend  ein  Intervall  des  Akkords  ein  zufälliges 
Zeichen,  als  #,  fc  oder  fc),  so  versteht  sich  von  selbst,  dafs  dies  angezeigt  wer- 
den mufs. 

Im  Takt  5.  ist  die  zweite  Versetzung  des  Nonen -Akkordes,  und  daher  der 
Bafs  k§  beziffert,  die  6  bezeichnet  uns  die  ursprüngliche  Terz  des  Akkords,  und 
die  5b  die  None. 

Wäre  die  None  nicht  eingeführt,   so  würde  es  der  4  Akkord  gewesen  sein. 

Im  Takt  7.  ist  die  dritte  Versetzung  des  Akkordes  und  mit  j.f  beziffert;  die 
4  bezeichnet  die  ursprüngliche  Terz,  und  die  t3  die  kleine  None. 

Ohne  hinzugefügte  None  hätten  wir  den  4  Akkord  gehabt. 

Im  Takt  9.  ist  die  vierte  Versetzung  des  Akkords,  die  None  liegt  im  Bafs, 
wir  sind  also  blos  genöthiget,  die  ursprüngliche  Terz  zu  bezeichnen,  dies  ge- 
schieht durch  die  Ziffer  3. 

Beispiel  für  die  erste  Versetzung  des  kleinen  Nonen -Akkordes. 

-UJ+^l^HH h-H 1 

ISS. 


163. 


=t=t 


=t 


kgj— gHfrgg— S — 


.   W>         Tb 


FT 


^z=zza~^: 


Ewß 


wr 


:Q: 


ÖFpg=3p= 


ep¥g 


±: 


17 
1:5 


X- 


t    H! 


« 


1- 


7    6 
, — 5 


*m>  m* 


:© — D- 


=0: 


s 


Versetzungen    des    kleinen    Nonen-  Akkordes.     143 

In  folgendem  Beispiele  (die  zweite  Versetzung  des  kleinen  Nonen- Akkordes), 
sehen  wir  den  umgekehrten  Bafs  allezeit  steigen  —  damit  die  sonst  vorkom- 
mende Quintenfolge  vermieden  werde. 


164. 


mE3m-  Sjessz  zl-£fe-f -  -S- 


r 


-eäkm-t-a-^r 


^^ 


3 


st 


-si — s — 

.. — _j SS 


jsaL*»,. 


-S- 


esä 


bs 


t5 


-O- 


1=p: 


:o=t^~r^ 


-^5- 


t=« 


:pi::zO=! 


Beispiel  für  die  dritte  Versetzung  des  kleinen  Nonen -Akkordes, 


165. 


=t 


~i- 


b.6 
Js 


I 


e/r. 


:t: 


Q 


-#»-■ 


"t 


#»- 


Beispiel  für  die  vierte  Versetzung  des  kleinen  Nonen -Akkordes,  oder,  wie 
er  auch  genannt  wird ,  Akkord  der  scharfen  Sekunde. 


166 


=±Z 


■-T- 


■SB-  C3         -OB 


=r±^=ztm 


Bi 


6  7 

4      2r     » 


=t: 


rt: 


i- 


::=S5=0: 


4 

-O- 


7   5 
—  4 


=t=f= 


6_ 


:o: 


Im  Takt  1.  ist  die  None  der  umgekehrte  Bafs,  sie  löst  in  die  Quinte  des 
folgenden  Akkordes,  daher  die  mit  .%  bezifferte  zweite  Versetzung  dieses  Ak- 
kordes folgt  *). 


*)  Der  gewöhnliche  Dreiklang  hat  nur  zwei  Intervalle  aufser  seinem  Grundbafs,  kann  daher 
auch  nur  zwei  Versetzungen  haben,  nämlich  den  Sexten -Akkord  (6)  und  den  Quart -Sexten- 
Akkord  («). 


144   Auflösung  der  kleinen  None  auf  demselben  Basse. 

Der  Schüler  bemerkt  vielleicht  einige  Aehnlichkeit  in  der  Bezifferung  des 
Hauptseptimen -Akkordes,  und  der  des  kleinen  Nonen-Akkordes. 

Die  Zahlen,  die  die  erste  Versetzung  des  Hauptseptimen-Akkordes  bezeichnen 
sind  f,  und  die  der  zweiten  Versetzung  des  kleinen  Nonen-Akkordes  auch  gi ;  die 
Ziffern  sind  zwar  dieselben,  jedoch  diese,  welche  die  Versetzung  des  Nonen-Ak- 
kordes uns  angeben,  sind  kenntlich  dadurch,  dafs  die  zufälligen  Erhöhungs-  und 
Erniedrigungszeichen  an  ihnen  gerade  entgegengesetzter  Natur  sind,  das  heifst, 
die  Sexte  hat  ein  $  und  die  Quinte  ein  b  vorgeschrieben  *). 

Dieses  Zusammentreffen,  zweier  entgegengesetzter  zufälliger  Zeichen,  wel- 
ches dasselbe  bleibt  in  allen  Versetzungen  des  kleinen  Nonen-Akkordes,  kann 
nie  in  einer  Versetzung  des  Hauptseptimen -Akkordes  sich  finden;  und  somit 
auch  keine  Schwierigkeit  eintreten  bei  der  Unterscheidung  beider  Akkorde. 

Die  kleine  None  auf  demselben  Basse  in  die  Oktave  gelöst,  mit  den  ver- 
schiedenen Versetzungen. 


Im  Beispiele  166.  Takt  2.  war  der  Akkord  der  scharfen  Sekunde  (3)  im 
dritten  Takt  gelöst  in  den  %  Akkord. 

Diese  Auflösung  macht  unter  Allen  den.  ungenügendsten  Eindruck,  den 
Eindruck  einer  unaufgelösten  Dissonanz. 

Dies  läfst  sich  auf  verschiedene  Weise  vermeiden;  zuerst,  indem  wir  die 
None  in  die  Oktave  fallen  lassen  wie  (bei  a)  im  letzten  Beispiele,  oder  zwei- 
tens wie  (bei  b  und  c)  im  folgenden  Beispiele,  wo  der  Jj  Akkord,  in  welchem 
die  None  löst,  nicht  als  Versetzung  angenommen  wird,  sondern  als  zusammen- 
gesetzte Dissonanz,   und  dem  gemäfs  aufgelöset  wird, 

168 


*)   Die  Note,  vor  welcher  das  $  gestellt  wird,  ist  die  ursprüngliche  Terz  des  Grund -Ak- 
kordes, und  das  b  steht  vor  der  ursprünglichen  Noae. 


Auflösung    der    kleinen    None. 


145 


{ 


L#0- 


3** 


£ 


ÖO- 


J^SH 


K 


i? 


Ö 


t" 


=ss 


^ 


168. 


Bi=e: 


6 

4 


C5=& 


feEfc 


3St 


6 

St         4      7 


t 


2 


41 
8     3 


W-©" 


:Q: 


■-©■ 


6 
6  4» 
4         2         6 


Q=S 


mc: 


Bei  (<2  und  e)  sind  noch  zwei  andere  Arten  angegeben,  wie  dieser  Fall  zu 
behandeln.  — 

Bas  folgende  Beispiel  ist  eine  Uebung  für  die  vier  Versetzungen  des  klei- 
nen Nonen- Akkordes,  in  vier  Stimmen  geschrieben. 


3:älsS|ti^@ES: 


id 


—i — l — l — h  ■(-— F-P4- 


-#-<-*-Hsf*-<-#-# 

4t 


fcp-54- 


:!±=±fcr:  :=©=:: 


£ 


cm 


ö=ö 


tu» 


:<§=££ 


41  6 


f«*f=i 


t»q 


PP-M-4-4-: 


ffe»-Mt*- 


7-ttü 


■r 


41         6 


^ziPrqDiJ©: 


-f — » 


JUEpEiqi: 


#-#-*-# 


gp^Jfe^BE^ 


-tTS: 


:t=t 


W^Eg 


£: 


»=*#* 


1,6  4 

2      41 


T-r 


:©=E=i 


6 
6        5 


z*-mM. 


■-#OT 


3 


icr-o- 


=t 


fcö" - 
te    7 

4       # 


■©-(©- 


U- 


7 


[19] 


146 


Modulation     durch    alle     Töne. 


um 


Im  Takt  8.,    10.,    12.,   15.-  steigt  im  Alt  die  Septime,  4tes  geschieht  nur, 
die  Verwechselung   mit   der  None  im  Bafs  zu  erhalten,   welches  einen  ei- 
genen schönen  Effekt  hervorbringt. 

Wir  wollen  nun   durch   alle  Dur-  und  Molltonarten  moduliren,   mit  Um- 
kehrungen und  in  ausgedehnter  Harmonie,   wie  folgt. 


170. 


4- 


W        4— 4— 4—4  —  X     I     *     4—4 


BE 


— 4— 4—4-^-4 <i— «— 5— 5' 


zn=t 

-4—4- 


-A- 


4~4,-^~4z 


W=5=S 


-4j*r- 


J-J-J-J— t-^J-J-J-J-^-J-J-J-J 


*^ß—ß—ß- 

t~FFF 


-4 — ß — 4 — 4- 
r_r_r_r. 

6 
5 


3fH 


ij 


J  J  J 


F==pE= 


6 
15 


-ß—ß- 


1 


3 


XJ_J_J_J_tjJ_JJ_JLtJ_J_J_J_^^J_J.^-J.JJ 

#— *— #— 4— i      ,     a     a — a—  —4—4 — - — - tiB— a — g — a~ +— m—  - — - — _ 


ß—ß— 4 

fcp=p. 


14 


-*— P=*— K 


^zjgrfrtt 


t5 


:p: 


-*— ß—ß- 


6- 
4- 

2- 


ifazzpztz 


f 


^^im^äMkkkMmhtä 


:, -r-m—mTB—  b4~ß-ß-ß-    ^ß-ß-ß-4- 


_e£c.: 


a 


UJjggMä  jjjj  JJiJ  J.JJJ   j 

zz=E±±±=  -h'-Fffl—  -t-FFF  ±ßZßiwrß-i:  ztzEEE  =f= 


41 
li 


— 6 
4   3 


ittitit^-tttifcijl^qsr^frzp: 
::ztt=t±: 


17 


7   6 
5 


L>_ 


4—1,3 


ß-ßJ. : e£e. 


Die  Erfindungskraft  des  Schülers  mufs  häufig  in  Thätigkeit  gesetzt  werden, 
durch  Veränderungen  in  den  Fortschreitungen  der  Harmonie,  durch  Abwech- 
selungen in  den  praktischen  Uebungen  auF  dem  Pianoforte,  wie  die  folgende. 


Abwechselung    in    der    Begleitung. 


147 


171. 


BgEO 

f$0 '  ! 


_  I  ,  1 21    ±  ' J 

g- ^      -l im ■ 1- 


' 


J- 


m 


:p' 


ö  4 

5  3 

* * ß ß. 


±: 


:ü: 


r- 


!  -F-^-1- ,  -ß-ß- 


T 


T 


-T-f-*-i-FfF 


BS« 


fctf 


le£c. 


S 


j    J    ^^ 

A ß-^r-^r~»—zrßrß 


m — /'7^ä^~    ' 1—     s^^*\ L-gf    N  ~H ß—^r-j—ß—^ßrß 


Ie£c. 


£  -* 


St 


5=M 


— t-l — J — -I— 

— r— r~ rz 


9£ 


:c=^c=ti: 


6 


r 


j-U- 


2 F t— 


-I 1 


• ß- ß ß- 


'.etc. 


'.etc. 


Die  Variationen  im  Takt  1.,  3.  und  5.,   sind  nur  Veränderungen  desselben 
Akkordes,  steigend  und  fallend,  in  abwechselnder  Lage.  Dieses  Uebungsstück  kann 

[  19*  ] 


148     Die    sechste    Stufe    der    Tonleiter,    fallend. 

regelmäfsig  fortgeführt  werden   durch  alle  Dur-  und  Molltonarten,  oder  auch 
durch  andere  Modulationen,  die  schicklich  gewählt  werden  müssen. 

Ehe  wir  fortfahren,  die  Molltonleiter  und  Mollthema  in  Harmonie  zu  setzen, 
ist  die  Einführung  nothwendig. 

Der  fünften  und  letzten  Regel  für  Anwendung  des  Grundbasses. 

Wenn  die  sechste  der  Tonleiter  eine  Stufe  fällt,  kann  sie  mit  dem 
Dominant  begleitet  werden,  zu  dem  sie  als  None  erscheint. 

N.  B.  Es  mufs  erinnert  werden  an  die  zweite  Regel  für  Anwendung  des 
Grundbasses;  wenn  die  vierte  der  Tonleiter  eine  Stufe  fällt,  kann  sie  mit  dem 
Dominant  begleitet  werden. 

Aus  den  hier  angeführten  zwei  Regeln  entspringt  nun  die  Abänderung  für 
die  Quinte  der  Moll-Scala  (begleitet  mit  der  Durterz),  die  schon  Seite  138.  an- 
gedeutet wurde,  —  nämlich  wenn  die  Sexte  der  Molltonleiter  fällt,  und  mit 
dem  Dominant  begleitet  wird,  nach  obiger  Regel,  so  mufs  die  Quinte  der  Ton- 
leiter, folgend,  so  wie  auch,  wenn  sie  vorhergehet,  stets  ein  Moll-Akkord  sein 
(wie  bei  a  und  b  im  nächsten  Beispiel). 

In  gleicher  Art,  wenn  dte  Quarte  der  Tonleiter  fallend  mit  dem  Dominant 
begleitet  wird,  mufs  die  fünfte  Stufe,  wenn  sie  unmittelbar  davor  steht,  eben- 
falls den  Moll- Akkord  haben  (wie  bei  c*). 


Wenn  verschiedene  Intervallen  desselben  Akkordes  der  Tonika  als  Melodie 
nach  einander  folgen  (wie  oben  bei^),  so  müssen  alle  mit  Moll-Akkorden  be- 
gleitet werden,  und  es  würde  fehlerhaft  sein,  die  Quinte  mit  der  Durterz  zu 
schreiben  (wie  bei  e). 


*)   Es   ist  kaum   nöthig   zu  bemerken,   dafs  wenn  die  fünfte  der  Tonleiter  die  Melodie  eines 
Themas  anlängt  oder  schliefst,  sie  auch  den  Moll -Akkord  haben  mufs. 


Die  fünfte  und  letzte  Regel  über  Anwendung  des  Grundbasses.   149 

Hieraus  folgt,  dafs  wenn  die  Quinte  der  Tonleiter  fallend  mit  einem  Moll- 
Akkord  begleitet  wird,  die  sechste  und  vierte  Stufe,  sowohl  mit  Dominant  als 
Subdominant  geschrieben  werden  können;  dagegen,  ist  die  fünfte  Stufe  als 
Dur -Akkord  angewendet,  so  darf  die  sechste  wie  die  vierte  Stufe  nur  mit  dem 
Unterdominant  geschrieben  werden. 

Um  sich  von  dem  Verhältnifs  der  Molltonleiter  eine  klare  zusammenhän- 
gende Uebersicht  zu  verschaffen,  wird  dem  Schüler  empfohlen,  hier  zurück  zu 
gehen  auf  Seite  135.,  und  das  dort  angemerkte  weiter  zu  verfolgen  bis  Seite 
138.,  —  alsdann  mag  er  fortfahren,  die  steigende  und  fallende  Molltonleiter 
vierstimmig  auszusetzen,  sowohl  in  enger  als  in  ausgedehnter  Harmonie,  mit 
Einführung  der  kleinen  None  etc. 

4ö_ 


173.  { 


:Q 


a: 


:Cc 


^K 


Bi 


?=*?J 


•17 


sag 


4       7 

3       ff 


a 


:Q: 


R 


m 


-#o- 


J©: 


-O- 


-O- 


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3= 


Bt 


-O- 


:o: 


-*-a      ■*■ 


i 


-■O- 


P=38Q: 


4   3 


--ß=^$o- 


JÖ 


£ 


-O- 


-JDZ 


Prüfung  des  vorsiehenden  Beispiels. 

Es  wird  von  grofsem  Nutzen  befunden  v/erden,  jedes  Beispiel,  wenn  es 
vollständig  ausgeführt  ist,  einer  strengen  Prüfung  zu  unterwerfen,  und  bei  je- 
dem einzelnen  Punkt  der  Ausarbeitung  zu  verweilen,  und  sich  Rechenschaft  über 
ihn  zu  geben,  wie  folgt  — 

Ist  dies  ein  Dur-  oder  Mollthema? 
Es   ist  ein  Mollthema,   weil  der  erste,   oder  Grund-Akkord >  ein  Moll-Ak- 
kord ist. 

Woher  kömmt  das  Gis  im  zweiten  Takt? 


150       Prüfung     des     vorhergegangenen    Beispiels. 

Es  ist  die  Durterz  zu  E,  weil  die  zweite  der  Tonleiter  mit  einem  Dur- 
Akkord  begleitet  sein  mufs. 

Wie  kommen  wir  zu  dem  F  im  Alt? 
Es   ist  die  kleine  None,   die  wir  einführen   konnten  da  es  ein  Dominant- 
Akkord  war. 

Ist  nicht  A  im  dritten  Takt  Dominant -Akkord  des  folgenden  Basses, 
weshalb  ist  hier  die  None  und  Septime  nicht  eingeführt? 

Weil  dies  ein  Moll  -  Akkord  ist,  und  uns  bei  Moll -Akkorden  nicht  erlaubt 
ist,  diese  Intervalle  hinzuzufügen. 

Woher  kömmt  das  lies  im  Alt  in  den  fünften  Takt? 
Es    ist  die   kleine  None,   die  fünfte  der  Tonleiter  war  hier  mit  dem  Dur- 
Akkord  begleitet. 

Wie  ist  die  sechste  der  Tonleiter  im  eilften  Takt  begleitet? 
Mit  dem  Dominant. 

Weshalb   ist   die  fünfte  der  Tonleiter,   im  zwölften  Takt,    mit  einem 
Moll -Akkord  geschrieben? 

Weil  die  sechste  Stufe  der  Tonleiter  fallend  mit  dem  Dominant  begleitet  war. 

Wie  ist  die  vierte  Stufe,  Takt  13.,  begleitet? 
Mit  dem  Dominant. 

Konnte  der  Subdominant  angewendet  werden?  etc. 
Was  die  auf  einander  folgenden  Quinten,  in  Alt  und  Tenor,  Takt  13  und 
14.,  betrifft,  so  sehe  man  die  Bemerkung  zu  dem  Beispiel  159.  nach. 

(Die  vorhergehende  fallende  Tonleiter  war  in  ausgedehnter  Harmonie  ge- 
schrieben.) 

Es  ist  unläugbar,  dafs  die  Molltonleiter  viel  mehr  Abwechselung  darbietet 
als  die  Durtonleiter,  da  ihre  Harmonie  abwechselnd  aus  Moll-  und  Dur-Akkor- 
den zusammengesetzt  ist,  und  sie  mit  der  Einführung  der  kleinen  None,  selbst 
ein  Intervall  mehr  zu  unserem  Gebrauch  stellt ,  als  wir  in  der  Durtonleiter 
haben. 

Ein  auffallendes  bemerkenswertes  Zusammentreffen  zeigt  sich  uns  in  der 
Molltonleiter,  wenn  wir  sie  in  Harmonie  ausgesetzt  haben;  nämlich,  die  sie 
begleitende  vollständige  Durtonleiter  im  Tenor;  und  zwar  ist  es  die,  dieser 
Molltonart  verwandte  Durtonleiter. 


Die   Molltonleiter   mit    ihrer    Harmonie    ausgesetzt.     151 
-£©-+-©-+— q— I— -=— t +~       -t H- 


174.  ( 


Moll- 


Dur- 


:Q: 


3r=i 


Tonleiter. 


-O- 


:Q: 


Tonleiter. 


:=0=: 


:0=:: 


-feS- 


b7 


:=SC 


-O- 


=C— 


-O- 


:Q- 


-JOl 


:m- 


7 


:Oi 


-Q- 


:0: 


Wir  wollen  nun  einige  Themas  in  Molltonarten  arbeiten,  das  folgende  Bei- 
spiel 175.  ist  in  ^moll,  die  Grundbässe  so  wie  die  Umkehrungen  sind  diesel- 
ben, als  wären  wir  in  Ad\ir.  Aenderten  wir  die  Vorzeichnung  (in  drei  Kreuze 
um)  könnte  es  auch  in  der  That  in  Adar  gespielt  werden. 


175. 


Wir  sehen,    einige  Dissonanzen  sind  gelegentlich  eingeführt. 

Im  folgenden  Beispiele  sind  die  ersten  vier  Takte  der  Melodie  dieselben, 
wie  in  dem  vorhergehenden,  doch  sind  im  dritten  Takte  verschiedene  Bässe  an- 
gewendet,   die  vierte  Stufe  der  Tonleiter  ist  erst  mit  dem  Unterdominant,   und 

sodann  mit  dem  Dominant  begleitet.     Im  Takt  6.  ist  die  sechste  Stufe  der  Ton- 

n 

leiter  ebenfalls  erst  mit  dem  Sub-Dominant  und  danach  mit  dem  Dominant  be- 
gleitet; hier  wird  es  klar  werden,  warum  die  vorhergehende  fünfte  mit  dem 
Dur-Akkord  begleitet  wird,  und  die  darauf  folgende  mit  dem  Moll  -  Akkord  *). 


*)  Siehe  die  Bemerkungen  Seite  149. 


152    Melodien    in    Molltonarten    in    Harmonie    gesetzt. 
176. 


m=mm 


•TV 


m 


Wm 


M~- 


frrri 

7 

6        4ff   . 


fqr 

6       S 

4       # 


^f 


j^y 


6 

ß     4 


m 

5    4 
3     6 


J-4- 


*fc# 


6     7 

6   4« 


-g-3- 


9    8 


C 


3SE 


Ä 


■#-P-P- 


=1= 


-c 


eres. 


N.  B.  Ueber  den  Gegenstand  der  Molltonart  wird  noch  einmal  verhandelt 
Beispiel  207. 

Regeln  für  die  Anwendung  der  Intervalle  der  Akkorde 4  zu  dem  Zwecke 

der  Modulation. 

Was  früher  über  die  Schwingung  der  Saite  gesagt  worden,  belehrt  uns,  dafs 
in  Wahrheit,  eine  Tonleiter  nur  aus  drei  Tönen  besteht;  begleitet  von  zwei 
Grundbässen,  Tonika  und  Dominant.  Die  Septime  des  Dominant -Akkordes  mit 
inbegriffen,  haben  wir  in  allen  nur  sechs  Töne  in  diesen  Akkorden.  (Siehe 
das  folgende  Beispiel  177.,  a.) 

Wenn  nur  diese  sechs  Töne  in  einer  Melodie  angewendet,  und  keine  an- 
dere Grundbässe  gebraucht  werden,  als  die  vorher  erwähnten  —  Tonika  und 
Dominant  — -  so  bleiben  Melodie  und  Harmonie  in  der  Tonart,  in  welcher  das 
Stück  begonnen,  und  keine  Ausweichung  kann  möglicher  Weise  statt  haben 
(siehe  b). 


t=i=t 


eae 


p-f 


ß—0- 


-O- 


u.^. — _j — — j — i — j — 1_ 


■ß=ß~- 


*—ß 


ä~\ — ä- 


±z 


Nach  dem  vorstehenden  Beispiele  ist  es  einleuchtend,  dafs  kein  Kreuz  oder 
B  hätte  eingeführt  werden  können,  ohne  die  natürliche  Ordnung  der  ursprüng- 
lichen Tonleiter  zu  zerstören.  Folglich  ist,  sobald  wir  irgend  ein  zufälliges 
Kreuz,   B,   oder  Wiederrufungszeichen  vor  einem  Intervall  der  Melodie  gestellt 

sehen, 


Die  Note  der  Modulation  in  der  Melodie-Stimme. 


153 


sehen,  ein,  der  Tonart  fremder  Ton  eingeführt,  und  dieser  zeigt  an,  dafs 
eine  Modulation  nach  einer  andern  Tonart  hier  geschehen. 

Angenommen,  wir  sollen  ein  Thema  in  Harmonie  aussetzen,  welches  in  der 
Tonart  C  gegeben  ist,  und  wir  finden  ein  F  mit  einem  Kreuz?  —  Es  ist  klar 
dafs  dieses  Fis  kein  Theil  der  Tonleiter  von  C  ist,  wir  dürfen  es  daher  mit 
keinem  der  3  Bässe  begleiten,  wir  können  aber,  da  Fis  zur  Tonart  G  ge- 
hörig *),  nach  der  Oktave  G  einen  halben  Ton  steigen  würde,  auf  eine  Aus- 
weichung nach  dieser  Tonart  schliefsen.  Demzufolge,  wenn  ein  zufälliges  #  **) 
vor  einer  Note  befunden  wird,  die  einen  halben  Ton  steigt,  so  mufs  diese  Note 
(für  jetzt,)  als  die  Terz  des  Dominant -Akkords  der  Tonart  angesehen  werden, 
nach  welcher  modulirt  werden  soll. 

Ist  ein  Ton  der  Melodiestimme  auf  diese  Art  zufällig  erhöht,  so  nennen 
wir  ihn  Ton,  oder  Note  der  Modulation. 

Nachdem  eine  Modulation  statt  gefunden  hat,  wird  jeder  nun  folgende  Ton, 
als  zu  der  Tonart  gehörig  betrachtet,  nach  welcher  modulirt  worden  ist,  und 
mufs  dem  gemäfs  begleitet  werden,  bis  in  eine  andere  Tonart  ausgewichen  wird, 
entweder  durch  ein  neu  hinzukommendes  zufälliges  Erhöhungszeichen,  oder 
auch  auf  andere  Art,  wie  wir  dies  nachmals  weiter  ausführen  werden. 

N.  B.  Die  im  folgenden  Beispiele,  unter  dem  Grundbass  gestellte  Bafsnote, 
belehrt  uns  über  den  Erzeuger  der  Tonart  in  welcher  wir  uns  befinden.  Und 
der  Dominant  mit  (p  bezeichnet,  mufs  als  die  Thür  angesehen  werden,  durch 
welche  wir  in  die  neue  Tonart  eingeführt  werden. 


*)    Da  Fis   das   erste  Kreuz   in   der  Vorzeichnung   erhält,    so  kann  es  angesehn  werden,    als 
Leitton  von  G,  der  Tonart  die  nur  dies  Kreuz  vorgezeichnet  hat. 

)    In  den  Tonarten  mit  Been  vorgezeichnet,  besagt  ein  Wiederrufungszeichen  dasselbe. 

[20] 


154 


Die   Note   der  Modnlation   in   der   Melodie-Stimme. 


Es  ist  eine  allgemeine  Regel,  dafs  ein  Musikstück  in  der  Tonart  schlie- 
fsen  mufs,  in  der  es  begonnen.  Es  ist  demnach  nothwendig  dafs  ,  wenn  wir 
modulirt  haben,  wir  zurückkehren  .müssen  zu  dem  Grundton  des  Stücks. 

In  dem  vorstehenden  Beispiele  war  die  Ausweichung  nach  G,  durch  den 
Dominant  D  geschehen;  es  mufs  also  die  Modulation  nach  C zurück,  auch  durch 
den  Dominant  von  C,  den  Accord  von  G  geschehen  (siehe  das  nachfolgende 
Beispiel). 

179.  ,  -^ 


&m 


OieS=^ ; 


£62! 


— I- 

-e- 


£ 


£:t±=E£ 


i©- 


zst==z ::cfc=& 


t: 


ß — t 

tz± 

— 4- 


3~ 


*mmm*msi 


% 


6JL 


w& 


2-ß- 


:t: 


£ 


6 


% 
^ 


t±qz£ 


:S 


iL 


:» 


_e_^_^::_qrq: 


:tzz 


9     8 

4     3 


C3ff: 


_o_ L 


0 


O 


Die  vorstehende  Melodie  bleibt  in  der  Tonart  C  bis  sie  im  3ten  Takte 
nach  G  ausweicht,  und  bleibt  wiederum  in  G  bis  zum  2ten  Viertel  des  6ten 
Taktes,  wo  sie  zurck  nach  C  modulirt. 

Die  zufälligen  Kreuze,  Been,  oder  Wiederrufungszeichen  sind  in  Wahrheit 
die  besten  Merkmale,  aus  denen  wir  die  Modulationen  ersehen  können  (siehe 
das  vorhergehende  Beispiel);  es  findet  aber  auch  oft  eine  Modulation  statt,  ohne 
dafs  eines  dieser  Zeichen  in  der  Melodie  gestellt  ist:  Wir  müssen  also  noth- 
wendig erforschen,  durch  welche  Mittel  sie  in  solchen  Fallen  bewirkt  wird. 

Wir  wissen  dafs  jede  Ausweichung  vermittelst  des  Dominant -Akkords  ge- 
schieht, hieraus  folgt  für  uns,  dafs  jeder  Ton  in  der  Melodie,  der  fortschreitet 
wie  ein  Intervall  des  Dominant-»Akkords  fortschreiten  würde,  für 
den  Zweck  der  Modulation,  von  uns  benutzt  werden  kann.  Die  entschiedenste 
Wirkung  auf  unser  Gehör  machen  jedoch  die,  in  halben  Tönen  steigende 
oder  fallende  Intervallen. 


i 


Erste  u.  zweite  Regel  für  Modulation,  vermittelst  der  etc.     155 

Modulationen^  vermittelst  der  Intervallen  einer  Melodie. 

Erste    Regel. 

Der  Ton  der  Modulation,  der  einen  halben  Ton  steigt,   modulirt  entweder 

„nach  der  Tonart,   die   einen  halben  Ton  unmittelbar  über  ihn  steht 
(gleichviel  ob  dies  eine  Dur-  oder  Molltonart  ist),   oder, 
„nach  der  Paralleltonart  der  vorerwähnten  Durtonart." 

Im  ersten  Falle  liegt  der  Dominant  der  Tonart,  nach  welcher  wir  moduli- 
ren,  eine  grofse  Terz  unter  der  Note  der  Modulation;  und  im  zweiten  Falle 
liegt  er  eine  Quinte  darunter. 


180. 


r      •  #»- 

Im  Isten,  3ten  und  5ten  Takt  des  vorstehenden  Beispiels  benutzen  wir  die 
Note  der  Modulation  zur  Ausweichung  nach  einer  Durtonart ;  dagegen  im 
2ten  und  4ten  Takt,  wenden  wir  dieselbe  Note  der  Modulation  an,  um 
nach  der  verwandten  Molltonart  dieser  Durtonart  zu  moduliren. 


Zweite    Regel. 

Die  Note  der  Modulation  die  einen  halben  Ton  fällt,    modulirt,    entweder 

„nach  der  Tonart,  welche  zu  dem  nun  gefallenen  Ton  die  grofse 

Terz  ist;  oder 

„zu  der  verwandten  Molltonart  dieser  Durtonart." 

Im  ersten  Falle,  (wie  aus  dem  nächsten  Beispiele  bei  a  zu  ersehen)  wird 
die  Note  der  Modulation  zur  Hauptseptime  des  Basses,  der  der  Dominant 
des  folgenden  Accords  sein  mufs. 

Im  zweiten  Falle,  wird  die  Note  der  Modulation  die  None  des  Grund- 
basses, der  gleichfalls  Dominant  des  nachfolgenden  Accords  sein  mufs  (siehe  b). 

[  20*  ] 


156    Dritte  Piegel  für  Modulation,  vermittelst  der  Intervallen  etc. 


Im  2ten  Takt  des  Beispiels  182.,  Tonart  C  dur,  wird  durch  die  Note 
der  Modulation  nach  der  verwandten  Molltonart  ausgewichen,  in  welcher 
die  Melodie  bis  zum  4ten  Takt  verbleibt,  hier  findet  durch  das  Hest  welches 
einen  halben  Ton  fällt,  eine  neue  Modulation  nach  F  statt:  im  5ten  Takt  führt 
uns  H,  (nach  der  ersten  Piegel,  für  die  Modulation  vermittelst  der  Intervallen 
der  Melodie)  zu  der  ursprünglichen  Tonart  des  Stücks  zurück. 
182. 


Dritte    Fe  e  g  e  l. 
„Die  Note  der  Modulation*  welche  einen  ganzen  Ton  fallt,   modu- 
lirt  entweder', 

„unmittelbar  nach  der  Ton-art  die  diesen  ganzen  Ton  anter 
ihr  liegt;   (Beispiel  183.  ä)  oder,- 

„nach  der  verwandten  Molltonart  dieser  Durtonart  (siehe  b). 
„Im  ersten  Falle  liegt  der  Dominant  eine  Quinte  unter  der  Note  der 
•  Modulation;    im   zweiten   wird   die  Note   der  Modulation   die   Septime 
dieses  Dominant -Akkords." 


Dritte  Regel  für  Modulation,,  vermittelst  der  Intervallen  etc.     157 


133. 


{ 


f-*äfE*,r 


-feS- 


-fes- 


"Cr 


tt 


3r-P- 


4- 


£ 


J20_. 


r  T     — 


:Pzzt3p: 


:t: 


t5"  ^ 

Die  folgende  Melodie  bleibt  in  G  moll  bis  zu  Ende  des  2ten  Takts;  Zu 
Anfang  des  3ten  Takts  fällt  die  Noter  der  Modulation  einen  ganzen  Ton,  und 
modulirt  so  zu  der  verwandten  Durtonart  von  G  moll.  Im  siebentert  Takt  mo- 
dulirt  eben  diese  Note  der  Modulation  wieder  nach  G  moll  zurück.. 


F* 


fe-# — *-# 


6 
5 


6    7 


1=9- 


:p± 


£ 


jtjtj:jq=d 


#t£ 


fc± 


3- 


■*-*—*- 


f-ß 


le 


t=? 


Kadenz. 

d-c=d— tj 


■*-*-©- 


47 


■£>- 







=P= 


rW 


6 

,—5      5   « 


P±==±± 


d — h 


-©- 


rtt 


#_, 


=p 


4 


6| 


:£=£:, 


s§ 


.  6 


-H-f-H- 


3=fe 


*Ä 


7  5 
—4 


:Q-=: 


rpT 


■Cr 


I 


Im  folgenden  Beispiele  bei  a,  fallen  die  Intervalle  in  ganzen  Tönen,  und 
moduliren  alle,  ohne  Ausnahme  nach  Durtonarten. 

Dagegen  mod-uliren  dieselben  Noten  bei  Z>,  überall  nach  den  verwandten 
Molltonarten,    der  vorhergehenden  DtfrtonarEenv 


158     Vierte  R.egel  für  Modulation,  vermittelst  der  Intervallen  etc. 


185. 


5C 


—  P  — bp.      — fe- —    ■ — 

r 


7   Ä 

3Wta 


~-p-^p::::; 


b7 
.17  b ha 


t±I 


b7 
b    b5 


Zf^=!Ol 


Vierte    Regel. 

„Die  Note  der  Modulation,  die  einen  ganzen  Ton  steigt,  kann  nur 

moduliren  nach 

„Einer  Tonart,    von  welcher  der  gestiegene  Ton  eine  grofse 

Terz  ist  (Beispiel  186.  o). 

„Der    Dominant    liegt    eine   Quinte    unter    der   Note    der   Modulation 

(siehe  das  Beispiel  168.). 


5       m  -0-    -O- 


.-.-, 


:t 


P- 


3 


tfct: 
fe-» 


:p=::=© 


h8 


t~CP 


±#ä 


r$Oi 


Diese  Regel  mufs  jedoch  mit  einiger  Vorsicht  in  Anwendung  gebracht  wer- 
den, sonst  könnte  sie  uns  leicht  von  der  ursprünglichen  Tonart  zu  weit  ab- 
führen. Die  Gefahr  hier  Mifsgriffe  zu  thun,  dürfen  wir  weniger  fürchten,  wenn 
wir  aus  einer  Molltonart  in  ihre  verwandte  Durtonart   moduliren   (wie  im  vor- 


Vierte  Reeel  für  Modulation  vermittelst  der  Intervallen  etc.     159 


hergehenden  Beispiele  bei  a);  oder  nach  irgend  einer  Tonart  ausweichen,  die 
nur  1  S  mehr,  oder  1  b  -weniger  zählt,  (wie  bei  b).  Eine  Modulation  aber  zu 
machen  nach  Tonarten,  die  2  #  weniger,  oder  2  b  mehr  vorgezeichnet  er- 
halten, ist  durchaus  nicht  rathsam  (siehe  im  Beispiel  bei  c). 

Im  folgenden  Beispiel  187 ,  bleibt  die  Melodie  in  G  dur  bis  zu  Ende  des 
oten  Takts.  Im  6ten  Takt  steigt  die  Note  E  einen  ganzen  Ton,  sie  modulirt 
nach  D  dur,  worin  der  lste  Theil  schliefst. 

Im  9ten  Takte  wird  in  eben  der  Art  nach  G  zrrück  modulirt. 

Im  14ten  Takte  findet  eine  Ausweichung  statt,  nach  C,  worauf  das  Beispiel 
mit  einer  unregelmüfsigen  Kadenz  schliefst. 


Unregelmäl's.  Kadenz. 


160    Fünfte  Regel  für  Modulation,  vermittelst  der  Intervallen  etc. 


188. 


'-Jh$ 


Fünfte   Regel. 

„Wenn  ein  Intervall  wiederholt  geschrieben  ist,  so  können  wir  es  zur 

Modulation  benutzen,   nach 

„der  Tonart  zu  welcher  es  eine  Quinte  ist. 

„Der  Dominant  liegt  bei  dieser  Ausweichung  eine  Oktave  unter  der 

Note  der  Modulation  (siehe  das  folgende  Beispiel)." 

/ 


:^=P=f 


9-0-ß 


■P-P- 


£=±: 


-ß-tt 


m$ 


-ß-ß-f- 


-ß — 0-tß- 

V=mTX=±L 


-ß-ß 


%*- 


:©*- 


7        6 


aii=fcP=?: 


t: 


:t 


SS 


6 — 

4 


6     5 
4     3 


ö 
4 
3 


6 


ti 


±: 


m 


~-P~=ß- 


-tz§t±—t 


*s$ 


t: 


:Pzt: 


:p 


EfefeS 


B7 


7 
8 


^: 


-.■w- 


■i—ß-ß- 


-r- — i- 


--*— *- 


-s- 


«-*s3- 


■+— : i-v- 


Halbe  Kad. 


{ 


-ß-ß-ß 


BA.^. 


-ß-ß 

ff 


6 

-p— *- 


_L 


im 


6 
5 


"W- 


-3— # 


6 

4 


■©-*■ 


ß-ß-ß- 

trcdz 


1 


6 


■PSF 


w 


Unreselm.  Kad. 

— -A-+ — , — 


*-* 


-■^^ 


■ß-ß- 


t 


Ää-= 


9     8 
4     3 


±i 


-e-# 


Jz 


h'7 


a^ 


-e — -*- 


--P- 


-*- 


f-    ,  W  J- 


-i 1 


■©— 


Im    öten  Takte  verbleibt  die  Note  i7  in  ihrer  Stelle,  und  modulirt  nach  E  moll 
Im    9ten       «--     —     —     -*r     4-     Z>      —     __     _.     _     —     _-     —     G  dur. 
Im  13ten       —     —     _     —     —     H     ■*-     —     ^-     —     -*-     —     —     E  moll. 
Alle  diese  Regeln  finden  wir  vereinigt  angewendet  im  folgenden  Beispiele. 

189. 


Sechste  Regel  für  Modulation  verm 

^^  /^-S  *S*> 

b  ab 


ittelst  der  Intervallen  etc.  161 


ab  a  b  a  c  de  e  d 

_fl J | | l-t-J — ! I l_1_J_J_J_J-+_J_J_J_J-+_J I | 1H 

1     fi      '  '       '2  4  7  6  7  4t 

EigzÄf=^=p=p:  ^=E=t=t=:  z_^E=_E_z  :i^=£__E  ::___±=P_5: 


a 


a 


ffi-4-%g—*-«9-+Z*—*—M-«i-+-1—*--2. 

6  6  2  t  6  6 


aE*zfcr_^: 


fc_ 


_____    _ 


:t__t_ 


it_2__sg 


—        (• 

•*■ 

Bei  a  ist  in  der  Melodie  ein  Ton  mehrmals  wiederholt;  wir  können  ihn 
also  zur  Modulation  benutzen,  nach?  — 

Bei  b  steigt  eine  Note  in  der  Melodie  um  einen  ganzen  Ton;  nach  wel- 
cher Tonart  können  wir  nun  moduliren?  — 

Bei  c  steigt  die  Melodie  um  einen  halben  Ton;  wir  können  also  mo- 
duliren nach?  — 

Bei  d  fällt  eine  Note  der  Melodie  um  einen  halben  Ton;  demnach  ste- 
hen uns  die  Ausweichungen  frei,  nach?  — 

Bei  e  fällt  in  der  Melodie  eine  Note  einen  ganzen  Ton;  welche  Modu- 
lationen können  hier  folgen?  — 

Sechste    Regel. 

Die  Note  der  Modulation,  welche  eine  reine  Quarte  steigt,  oder,  was 
dasselbe  ist,   eine  reine  Quinte  fallt,  modulirt  unmittelbar  nach 
„der  Tonart,  zu  welcher  sie  dann  die  Oktave  wird,"  oder 
„nach  der  Tonart,  in  welcher  sie  dann  die  Quinte  wird." 
Im  ersten  Falle  liegt  der  Dominant  eine   Oktave  unter  der  Note  der 
Modulation,   im  Zweiten,   liegt  er  eine  Quinte  darunter.     In  beiden  Fällen 
kann  sowohl  nach  der  Dur,  als  nach  der  Molltonart  ausgewichen  werden. 


f  c 


102  Sechste  Regel  für  Modulation  vermittelst  der  Intervallen  etc. 

Im  folgenden  Beispiele  modulirt  die  Note  der  Modulation  nach  der  Tonart 
in  welcher  sie  dann  die  Oktave  wird. 


Bei  a>  im  Beispiele  191.,  macht  die  Note  der  Modulation  die  Ausweichung 
nach  der  Tonart,  in  welcher  sie  (eine  Quarte  steigend,  oder  eine  Quinte  fal- 
lend) dann  zur  Quinte  wird. 


I        1 

P:  ißt  hß-  _p_ 

■+-§— r-R-H-6— t-r-H 


— p~ 


:g=t5=tt6^t5Zt 


-V- 


** 


hehO- 


-p5 [-— 


*f 


+-F^ — C-+-Ö-G-  h 


In  den  Modulationen  des  vorstehenden  Beispiels  werden  durchgängig  ver- 
deckte Quinten  und  Oktaven  entstehen,  wenn  man  sie  nicht  mit  Umsicht  ver- 
meidet. 

Bei  a  im  Beispiel  191.  Takt  2  und  3.  sehen  wir  diese  verdeckten  Quinten 
zwischen  Sopran  und  Alt. 

Bei  b  stehen  verdeckte  Oktaven  in  eben  diesen  Stimmen. 

In  Fällen  der  Noth  erlaubt  man  wohl  einmal,  dafs  die  Terz  des  Dominant- 
Akkordes  fallen  darf,  wie  im  zweiten  Takt  des  folgenden  Beispiels,  wodurch  diese 
Quinten-  und  Oktavenfehler  vermieden  sind,  die  wir  noch  im  dritttenTakt  sehen*). 


*)  Diese  verdeckten  Quinten  sind  indefs  zu  erlauben,  und  werden  in  den  Werken  der  größ- 
ten classischen  Meister  gefunden. 


Sechste  Regel  für  Modulation  vermittelst  der  Intervallen  etc.    163 


192.  <j 


J- 


:£ 


-pe.- 


d- 


3z 


4        '  2 


:t: 


6 

,3- 


X 


Wenn  die  Melodie  eine  Quinte  fällt,  könnten  wir  vielleicht  die  erste 
Versetzung  des  Akkordes  der  dritten  vorziehen,  weil  alsdann  die  äufseren 
Stimmen  die  Gegenbewegung  erhalten;  wie  im  vierten  und  fünften  Takte  191.  bei  a. 
Wir  müssen  aber  aus  diesem  Grunde  allein,  die  dritte  Versetzung  nicht  verwer- 
fen, denn  wenn  gleich  die  äufseren  Stimmen  hier  in  gerader  Bewegung  fort- 
schreiten, so  ist,  sobald  wir  nur  die  verdeckten  Quinten-  und  Oktavenfolgen 
vermeiden,  der  Effekt  gar  nicht  übel.     (Siehe  das  folgende  Beispiel  bei  a.) 

Wenn  dagegen  die  Melodie  eine  Quarte  steigt,  so  ist  die  erste  Versetzung 
nicht  so  gut,  weil  in  den  äufseren  Stimmen  verdeckte  Oktaven  entstehen  (siehe  «£). 


a 


193.  <J 


SH 


33i4 


-Cj- 


:d-=Öz 


5— & 


fe§-fej~ 


=EÖ41 


r 


-=d-P- 


qsc 


— \-< 


s- fei 


:?=-a 


J 


oe^ 


i 


+61 
I 


:t 


t6 


kp 


■"6 

4 

2 


■t2- 


:tJ8- 

b 


6 

5 


li5 


^zHz=|#^z:g:|-p-p- 


:t: 


a, 


Das   folgende  Beispiel  ist  eine  Uebung  in  den  vorhergehenden  Regeln;    bei 
modulirt   die   Note   der   Modulation  nach  einer  Tonart,    zu  welcher  sie  die 


Quinte,  und  bei  b  nach  einer  Tonart,   zu  welcher  sie  die  Oktave  wird. 


J^t^IJ^J- 


i — r — 2- 


jzfe*: 


-J- 


zjjat=qz 


jg fei 


-fe* 


H^j^fc 


4J-4 


-O-        _J 


f-Mr-»- 


2  6  t  t6 


mc 


6 


X=t 


V.6 
1:5 


-if-*-±9— »-P 


r'TTt  "rf Y-r-T-f~rö 

J  1  • 


J.bJ-J-J^-b«-^^-! 


=t 


5= 


i-rt— r 


'»"3««» 


bß  16      b6 


pcpzE-Zf: 


:p=rife=C 


[21*] 


41 
2 


I  » 


164  Modulation  vermittelst  der  Intervallen  der  Melodie. 

In  der  folgenden  Melodie  finden   wir  jene  Regeln  alle  nochmals  mit  Bei- 
spielen belegt. 

Andante.  ,      ,    *, 


"fr^i  i  it — 1 — 1 — it~i — ^~4i~* — I — I — r 

—ys-£-*  ■* — a — S — ™  •* — * — *•  ~#d — i — *-h& 


Ci- 


to 


-3—  i: 


Im  zweiten  Takte  steigt  die  Note  F  eine  Quarte,  modulirt  hier  aber  nicht, 
da  wir  in  derselben  Tonart  verbleiben. 

Im  vierten  Takte  fällt  dies  F  eine  Quinte,  modulirt  nach  Hes. 

Im  neunten  Takte  steigt  die  Note  G  eine  Quarte,  und  modulirt  nach  Cmoll. 

Im  elften  Takte  steigt  das  G  wiederum  eine  Quarte,  und  modulirt  dadurch 
nach  F  moll. 

Das  F  in  demselben  Takt  steigt  ebenfalls  eine  Quarte,  und  modulirt  so 
zurück  nach  Es,  dies  fällt  sodann  eine  Quinte,  und  modulirt  im  zwölften  Takt 
nach  As. 


Modulation  vermittelst  der  Intervallen  der  Melodie.  165 


Das  folgende  Beispiel  ist  zur  Anwendung  der  ersten  Regel  gegeben;  „die 
Note  der  Modulation,  die  einen  halben  Ton  steigt,  führt  nach  der  p.  Moll- 
tonart u.  s.  w." 


Moderato 


;¥§% 


a 


t- 


6 
5 


B 

4 
3 


f&rb-ßMpz^ 


t~ 


7 
8 


ait 


i: 


id- 


=5* 


^0=5:* 


| 

6       2 

:t=E= 


tjzj 


+J-J- 


*g 


-+-- 4 — ( 
-4 -i 


&& 


fci: 


4( 

6    b 


t±^ 


* 
J-,_i+ 

ig 


-«-^ 


J-J-j. 


rau 


f^ 


z±t=p 


■[~VT 


■ß-  2  +- 
±-E±I 


i-P- 


— *-i 


Ö 

^r 


6 

zra: 


Ä^-: 


6 


ä^::_- 


3-*^- 


Im  fünften  Takte  modulirt  die  Note  Cis  nach  H  moll,  derselbe  Fall  wieder- 
holt sich  Takt  13.;  und  im  fünfzehnten  Takte  modulirt  das  Fes  nach  E  moll.  Bei 
a  haben  wir  uns  die  Freiheit  erlaubt,  die  Terz  des  Dominant -Akkords  in  die 
Quinte  fallen  zu  lassen;  dies  geschah,  um  die  Harmonie  des  nächsten  Akkor- 
des vierstimmig  zu  erhalten.  Bei  b  ist  eine  andere  Freiheit  genommen,  hier 
ist  der  Septime  erlaubt  worden  zu  steigen. 

Mit  den  letzten  Regeln  für  die  Modulation  vermittelst  der  Melodie,  ist  uns 
eine  so  grofse  Freiheit  gegeben,  dafs  wir  höchst  vorsichtig  bei  der  Anwendung 
sein  müssen,   um  nicht  den  Grundton  des  Stücks  aus  dem  Auge  zu  verlieren; 


166 


Der    Akkord     der     grol'sen     Sechste. 


wir  können  sonst  leicht  nach  fremden  Tonarten  uns  verirren,  das  heirst,  nach 
Tonarten,  die  zu  entfernt  liegen,  um  noch  mit  dem  Grundton  in  einem  schö- 
nen Zusammenhang  zu  bleiben. 

Wenn  die  vorhergehenden  Regeln  mit  Aufmerksamkeit  von  dem  Schüler 
durchgearbeitet  sind ,  so  rnufs  er  eine  gründliche  Kenntnifs  erlangt  haben  von 
der  verschiedenen  Art  und  Weise,  wie  man  eine  Melodie  behandeln  kann;  und 
es  wird  vor  seinem  Blick  sich  ein  weites  Feld  für  Modulation  eröffnen,  in  den 
engen  Grenzen  eines  kurzen  Themas  zusammengedrängt. 

Neue  Melodien  entspringen  aus  diesen  Modulationen  wieder  im  Alt,  Tenor 
und  Bat's;  sie  können  zu  neuen  Themas  benutzt,  und  mit  andern  Harmonien 
begleitet  werden. 

Der  Akkord  der  grqfsen  Sechste. 
Wir  wissen,  dafs,  wenn  wir  eine  Modulation  durch  die  zweite  Umkehrung 
des  Dominant-Akkordes  machen,   im  Bat's  die  Quinte  zu  stehen  kömmt  (4  be- 
ziffert).    Erniedrigen  wir  diese  Quinte  im  Bats  um  einen  kleinen  halben  Ton, 
so  erhalten  wir  den  Akkord  der  grol'sen  Sechste. 


Bei  a  ist  in  der  gewöhnlichen  Art  von  D  nach  H  durch  die  zweite  Um- 
kehrung 4  modulirt;  bei  b  ist  dieser  Bals-^im  einen  kleinen  halben  Ton  er- 
niedrigt,  wodurch  der  Zwischenraum  von  der  Bafsnote  zu  der  Note,  welche 
durch  die  6  bezeichnet  ist,  um  einen  halben  Ton  gröfser,  und  demzufolge  diese 
Note  die  grofse  Sechste  geworden  ist:  die  natürliche  Sechste  wäre  a  nicht  ais. 
Wenn  wir  den  Akkord  der  grol'sen  Sechste,  wie  er  bei  b  steht,  zerlegen,  so 
linden  wir,  dal's  er  die  Haupt -Intervallen  von  zwei  verschiedenen  Grundsepti- 
men-Akkorden  in   sich  vereinigt  (siehe  c  und  d).     Der  erste  Akkord  leitet  un- 


Der     Akkord     der     grofsen     Sechste. 


Ib7 


ser  Ohr  nach  H,  der  Zweite  nach  G.  —  Hören  wir  nun  den  Akkord  mit  die- 
sen zusammen  verbundenen  Tönen,  wie  er  bei  b  steht,  so  macht  er  auf  unser 
Ohr  den  Eindruck  von  etwas  Unklarem,  Gemischtem, 

Hiervon  kann  sich  jedermann  überzeugen  durch  das  Anschlagen  des  Akkordes. 

Um  dies  zu  vermeiden,  müssen  wir  ein  Intervall  fortlassen  aus  dem  Ak- 
kord; die  Frage  ist  nur  welches?  —  Die  Note  ais  kann  nicht  entbehrt  wer- 
den, sie  ist  die  Terz  des  Dominant- Akkordes,  der  Leitton,  also  Hauptintervall: 
E  kann  nicht  ausgestrichen  werden,  denn  es  ist  die  Hauptseptime.  Das  einzige 
Intervall,  was  entnommen  werden  kann,  ist  das  Fis,  die  Oktave  des  Grundbas- 
ses.  Nehmen  wir  demnach  diese  Oktave  heraus  und  verdoppeln  die  Septime, 
wie  bei  e,  damit  wir  den  Satz  vierstimmig  erhalten,  so  wird  alles  vollkommen 
richtig  sein. 

Ist  der  Akkord  in  der  Lage,  wie  bei  e  geschrieben,  so  mufs  die  Septime 
im  Sopran  fallen»  und  die  im  Tenor  steigen.  Ist  die  Septime  im  Alt  und  Te- 
nor auf  einer  Note  verdoppelt,  so  mufs  die  Septime  im  Alt  steigen,  die  im 
Tenor  aber  fallen,  wie  im  folgenden  Beispiele  bei  F. 


Ist  dagegen  die  Septime  in  Oktaven  verdoppelt,  wie  bei  g,  so  mufs  die 
Septime  im  Alt  fallen,   und  die  im  Tenor  steigen. 

Dieser  Akkord  ist  oft  geschrieben,  wie  wir  ihn  bei  h  und  i  sehen,  beson- 
ders in  dem  altern  Kirchenstyl ,  und  ist  da  von  grofser  Wirkung,  obgleich  er 
in  falschen  Quinten  fortschreitet.  Am  schönsten  klingt  der  grofse  Sechsten- 
Akkord,  wenn  er  in  der  Molltonart  da  eingeführt  wird,  wo  wir  nach  dem  Do- 
minant zu  moduliren  wünschen.     Man  sehe  das  folgende  Beispiel. 


168 


Der     Akkord     der     grofsen    Sechste. 


199. 


iO=:: 


30: 


-fce 


::=bss: 


-3©- 


:o: 


-*©- 


e^E-: 


-fe©- 


-O- 


6 
¥5 


IQ! 


-© iäST 


^6 


:o; 


-G- 


Wir  können  aber  auch  mit  diesem  Akkord  nach  andern  Tonarten  auswei- 


chen,  wie  folgt. 


200.  <[ 


l 


J-^l- 


-o-© 


II- 


-4mzm- 


-e-©-+— ©— : 


=SO: 


8i=-z=::-J=t 


6 

©- 


-©-©- 


— -f- 


6 


irr 


-O — 


Der  grofse  Sechsten -Akkord  hat  den  außerordentlichen  Nutzen,  dafs  wir 
mit  ihm  unmittelbar  nach  der  Tonart  moduliren  können,  die  einen  grofsen 
halben  Ton  unter  ihm  liegt,  ohne  eines  verbindenden  Zwischen-Akkords  zu 
bedürfen,  obgleich  die  Einführung  eines  so  verwandten  Akkords  ebenfalls  mit 
Effekt  verbunden  sein  kann. 

Zur  Üebung  wollen  wir  durch  die  fallende  chromatische  Tonleiter  modu- 
liren,  indem  wir  bei  grofsen  halben  Tönen  fortschreiten. 


201 


Enh. 


■üÖ-*s!- 


ff9       © 


S_e/c.I 


1 


3t- i — T— 1 1 —  -^1 — 1 — 1 — 


o 


-?? 


3E5: 


:gpi 


6 

fr  •'.■iß     ,e 

.1 + — 


-#»- 


.etc.'. 


Warum   haben  wir  nicht  im    dritten   Takte    sogleich    nach  //<?,$  modulirt, 
statt  nach  ^w? 

Weil  ife  nicht  einen  grofsen  halben  Ton  unter  H  liegt. 

Wes- 


Der    zusammengesetzte    grofse    Sechsten- Akkord.     169 

Weshalb  ist  ein  enharmonischer  Tonwechsel  in  demselben  Takt  vorge- 
nommen ? 

Weil  der  grofse  halbe  Ton  unter  Ais  Doppel  -Gis  wäre,  und  uns  dies  in 
Tonarten  mit  so  vielen  Kreuzen  führen  würde. 

N.  B.  Es  ist  zu  bemerken,  dafs  der  Akkord,  welcher  nach  der  grofsen 
Sechste  folgt,   stets  ein  Dur- Akkord  sein  m\a&. 

Der  Akkord  der  grofsen  Sechste  mit  hinzugefügter  kleinen  None;    diesen 
nennen  wir  den  zusammengesetzten  grofsen  Sechsten-  oder  ^ten- Akkord. 

Es  ist  schon  erklärt,  dafs,  um  vier  Stimmen  in  dem  grofsen  Sechsten -Ak- 
kord zu  erhalten,  die  Hauptseptime  verdoppelt  werden  mufs.  Wenn  wir  aber, 
statt  diese  Septime  zu  verdoppeln,  die  kleine  None  einführen  ( wie  im  nächsten 
Beispiele  bei  b),  so  haben  wir  nicht  allein  die  vierte  Stimme  erhalten,  sondern 
einen  Akkord  gewonnen,  der  bei  Ausübungen  der  Modulation  von  der  grofs- 
ten  Wichtigkeit  ist. 


202. 


Dieser  Akkord,  wie  wir  aus  dem  Grundbafs  ersehen,  ist  die  zweite  Ver- 
setzung des  kleinen  Nonen- Akkords,  in  dem  die  Quinte,  die  im  Bafs  liegt,  um 
einen  kleinen  halben  Ton  erniedrigt  wird. 

Bei  a  sehen  wir  die  grofse  Sechste  wie  bisher. 

Bei  b  ist  die  kleine  None  eingeführt  in  die  Stelle  der  zweiten  Septime. 

Es  mufs  wohl  beachtet  werden,  dafs,  da  der  Bafs  ii\  diesem  Akkorde  ge- 
zwungen ist,  einen  Grad  zu  fallen,  und  die  None,  durch  die  zweite  Umkeh- 
rung des  Akkords  zur  Quinte  geworden,  ebenfalls  einen  Grad  fallen  mufs,  wir 
natürlich  Quintenfolgen  erhalten. 

Wir  haben  zwei  Wege,  auf  denen  wir  diese  unzuläfsige  Fortschreitung  ver- 
meiden können. 

Erstens,   wenn  wir  die   None  in   demselben  Akkord  in  die  Septime  fallen 

[22  ] 


170     Der   zusammengesetzte    grofse    Sechsten-Akkord. 

lassen   (wie  bei  a  im  folgenden  Beispiele),  wodurch  wir  die  Verdoppelung   der 
Septime  herstellen,  wie  im  Beispiel  198. 

Zweitens,  mit  Zurückhaltung  der  folgenden  Quinte,  durch  Vorhalt  der 
Sechste  (wie  bei  b,  c,  d).  Haydn  hat  die  Quinten  auf  diese  Art  vermieden; 
späterhin  werden  wir  hierauf  zurückkommen. 


-O- 


*%©W 


<-M 


J- 


SÜS 


4- 


li5    3 

-to- 


5 


li6    .5 
4    3 


H! 


6 
-fe© 


b6   5 
4    3 


,1)5 
-fe©- 


6  .<; 

4    3 


Eine  Uebung  zur  Anwendung  des  zusammengesetzten  Akkords  der  gro- 
fsen  Sechste. 


204. 


I 


:©: 


DE 


:©: 


■■-#bi 


,-)- 


4 


3=1 


■^3 SS- 

le ?«- 


& 

5 


&6 
4 


-O- 


5 

zfes: 


t#S 


32 


7 

i — O- 


4=t 


-!>»■<■ 


±=t: 


-1©: 


>5 

-fe©- 


e 

,1)5 

-fes- 


te 

4 


6 

4 


e 


Im  zweiten  Takte  des  vorhergehenden  Beispiels,  ist  die  Quinte  Z?.s.,  statt 
im  dritten  Takte  in  die  Quinte  zu  fallen,  als  Sechste  vorgehalten,  diese  Sechste 
ist  aber  hier  erhöht,   was  einen  schönen  Effekt  hervorbringt. 


Melodien     in     Molltonarten. 


171 


Im  siebenten  Takt  erfolgt  die  Auflösung  der  Sechste  Es*  wie  gewöhnlich, 
in  JDj  der  Quinte  des  Grundbasses.  Statt  hier  die  Modulation  zu  beenden, 
wird  die  Hauptseptime  F  (dritte  Umkehrung  des  Akkords)  im  Bafs  gestellt,  und 
so  eine  Ausweichung  nach  C  moll  eingeführt  für  den  achten  Takt.  Dies  Ver- 
fahren macht  einen  angenehmen  Eindruck,  und  wird  eine  verzögerte  Modula- 
tion genannt,  "welcher  wir  späterhin  noch  erwähnen  werden, 

Melodien    in  Molltonarten  s   mit  Hinzufügung  des  zusammengesetzten 
grofsen  Sechsten- Akkords.     Fortsetzung  der  im  Beispiel  176.  angefan- 
genen Aufgaben. 

Da  die  folgende  Melodie  mit  der  fallenden  fünften  Stufe  der  Tonleiter  an- 
fängt, so  mufs  diese  Fünfe  mit  dem  Moll -Akkord  begleitet  werden;  unmittelbar 
darauf  ist  sie  mit  dem  Dur -Akkord  gesetzt,  um  eine  Modulation  nach  G  moll 
zu  machen. 


Siehe  Akkord  v.  <t.  Ute. 

I 


205. 


<•  r  r 

Im  zweiten  Takte  ist  wieder  nach  D  zurück  modulirt;  im  dritten  ist  die 
Melodie  dieselbe,  wie  im  ersten  Takte,  doch  folgt  die  vierte  Stufe  fallend  gleich 
danach,  und  ist  hier  mit  dem  Dominant  begleitet;  deshalb  mufs  die  vorher- 
gehende fünfte  Stufe  den  Moll-Akkord  beibehalten. 

Das  folgende  Beispiel  ist  theilweise  in  ausgedehnter  Harmonie,  theilweise 
in  enger  Harmonie  geschrieben. 


T-4- 


S5- 


««♦(—<- 


Akkord  von  der  lltc. 

H 


H5EI  rSi — 65 — ^^f^~  S-^tgS-T-gg-^- 


-m-i 


~-la:  Q°" 


£= 


-  I 1 — 


c- 


[  22*  1 


172 


Uebungen. 


Das  folgende  Beispiel  ist  in  vier  Stimmen  ausgesetzt. 


207.   { 


i=sfcS=pc  _OqnQzp: 


^zt^:t=tzt=L 


i;  -g-^-S-^-  -O-gj-il' 


Sfeg 


t=E=Ö~#= 


H! 


:* 


-P 


:qzq=d:q: 


6      4 


"t 


=F: 


p3P;i*ISpq3P' 


:t=t: 


=q=qq-=J=r. .-4 


:CiO^: 


:tt— : 


tfctzztzp 


6  04 


*^5E 


PüpIjEJIpip^^ 


t-: 


±: 


ipzzp^-L^rji^p 


:Czrg: 


3 


5  ■ 

4 


kl   7 
=q= qzq: 


Cif 


-F- 


Ofe*: 


Cöä 


=3 


*&9 


33^ 


_q_: 


17 


HS. 

2 


±« 


Kad. 


t>-K — (3_p_O^P 


^-p-p-p-P-  .g-^-eft.  -M-pr 


— hj — 1 — i — 1— i 


fflS^±=C=*ZCf 


"4 


li7 


rjtofcgfiHt  -p-a-O-*  i&ctc 


rt-*-©-« 


7j — UÖPtöJ 
C— tCöf 

4     6bö 


1- ' — l  — "*— — V  


=S3t 


zrj — |~j—  ~h— -I — -l--j-  -h — 1— |r~+Tii 


— Itss: 


fc;7     8     6 
4     3      5 


98    ^4     6     3 


HS 


ä 


=~a=it 


3-r 


6 
5 


Kadenz. 


— i— i — 1 — 1- 


$05 


C=!t©-^ 


F-1 


Die     sich     benutzenden    Mittelstimmen.  273 

Im  zwölften  und  fünfzehnten  Takt  des  vorhergehenden  Beispiels  ist  bemer- 
kenswerth,   dafs  die  Stimmen  im  Alt  und  Tenor  sich  kreuzen. 

Dafs  dies  geschehen  dürfe,  haben  wir  schon  früher  erwähnt,  wir  wollen 
hier  aber  die  Gelegenheit  benulzen,  noch  einige  Bemerkungen  hinzuzufügen, 
die  früherhin  vielleicht  nicht  ganz  verstanden  worden  wären. 

In  enger  Harmonie  ist  die  Bewegung  der  verschiedenen  Stimmen  sehr  be- 
schränkt. —  Nehmen  wir  an,  dafs  ein  gewisses  Maafs  von  Bewegung  nur  ge- 
geben ist,  zur  Vertheilung  unter  das  Ganze;  bemächtigt  sich  nun  eine  der  vier 
Stimmen  eines  verhältnifsmäfsig  zu  grofsen  Theiles,  so  müssen  alle  anderen 
darunter  leiden.  Ist  dagegen  eine  Stimme  eintönig,  so  werden  die  andern  Stim- 
men um  so  melodiereicher  erscheinen. 

Da  der  Sopran  und  der  Bafs,  als  die  äufseren  Stimmen  der  Harmonie,  am 
meisten  bemerkbar  werden,  so  sind  wir  versucht,  oft  unter  diesen  zweien  die 
Bewegung  hauptsächlich  zu  vertheilen,  und  so  den  Antheil  der  andern  Stimmen 
zu  schmälern.  In  solchen  Fällen  fühlen  wir  uns  verleitet,  die  Grenzen  der  in- 
nern  Stimmen  zu  überschreiten,  wenigstens  in  so  weit  als  diese  uns  selbst  die 
Mittel  dazu  bieten;  indem  wir  nämlich  dem  Alt  und  Tenor  erlauben,  ihre  Stel- 
-len  zu  verwechseln,  gewinnen  wir  mehr  Raum  für  beide,  und  diese  Ausdeh- 
nung ihrer  Grenzen  setzt  uns  in  den  Stand,  ihnen  eine  angenehmere  Melodie 
zu  geben. 

Als  allgemeine  Regel  müssen  wir  nur  hierbei  beobachten,  dafs  das  Kreuzen 
der  Stimmen  mit  einiger  Vorsicht  eingeführt  werden  Siufs,  und  dafs  es  nur  in 
den  Mittelstimmen  erlaubt  sein  kann;  wollten  wir  den  Alt  und  Sopran,  oder 
den  Tenor  mit  dem  Bafs  sich  kreuzen  lassen,  so  würde  eine  Veränderung  in 
den  beiden  Hauptmelodien  die  Folge  sein. 

Im  nächsten  Beispiel,  welches  nur  die  zwei  ersten  Takte  des  vorhergehen- 
den enthält,  sehen  wir,  wie  grofse  Verschiedenheit  wir  hervorzubringen  im 
Stande  sind  durch  eben  diese  Ausdehnung,  oder  das  Kreuzen  der  Stimmen. 
Auch  finden  wir  hier  Beispiele  zur  Belehrung,  wie  die  fünfte  der  Tonleiter  zu 
behandeln  ist,  wenn  sie  zur  sechsten  steigt,  und  diese  wiederum  zur  fünften 
fällt. 

Bei  a  ist  die  enge  Harmonie  genommen. 

Bei  b  haben  sich  die  innern  Stimmen  gekreuzt,  dadurch  sind  angenehmere 
Melodien  entstanden,  deren  jede  allein  mit  dem  Basse  gespielt  werden  mufs, 
um  sie  mit  der  bei  at  vergleichen  zu  können. 


274 


U  e  b  u  n  g  e  n. 


Bei  c  ist  die  Harmonie  ausgedehnt,  hieraus  entspringen  viele  neue  Melodien. 

Bei  d  sind  wieder  ganz  verschiedene  Harmonien  aus  der  Begleitung  ent- 
standen, die  wir  gewählt  für  die  Quinte  die  zur  Sechste  steigt,  und  nachmals 
wieder  in  die  Quinte  fällt. 

Bei  fj  fmdet  nur  eine  theilweise  Verwechselung  statt. 

Bei  fj  sind  dagegen  die  zwei  Stimmen  durch  das  ganze  Beispiel  hindurch 
verwechselt. 


208.  < 


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w — ?-3 


Hier  folgt  eine  Aufgabe  zur  Uebung  in  dem  eben  abgehandelten  Gegenstand. 


Die    Verschiedenheit    der    Molltonleiter.  275 


l-t 


W 


— V=3 — >— «i fH — rt 


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209.  < 


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51       B 


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TF 


11=11         r 

£)/e  Molltonleiter. 

Viele  Schriftsteller  nehmen  an,  dafs  die  steigende  Molltonleiter  verschieden 
sei  von  der  fallenden;  sie  erhöhen  im  Steigen  die  sechste  der  Tonleiter  um  ei- 
nen kleinen  halben  Ton,  und  erniedrigen  dagegen  im  Fallen  die  siebente  Stufe 
um  einen  kleinen  halben  Ton:  dies  geschieht,  um  die  Fortschreitung  der  schar- 
fen Sekunde  zwischen  der  siebenten  und  sechsten  Stufe  zu  vermeiden  (wie  im 
Beispiel  zu  sehen). 


210. 


"O" 


-55 — C 


=5— O- 


6,7  7         6 


o=e=== 


176  Die  sechste  Stufe  der  Durtonleiter,  begleitet  mit  d.  Dominant. 

Es  kann  zugestanden  werden,  dafs  diese  Freiheit  genommen  wird  in  schnel- 
len auf-  und  absteigenden  Läufen,  wo  diese  Töne  nur  als  durchgehende  Noten 
erscheinen,  wie  im  folgenden  Beispiele. 


211. 


,       ,   O 


Doch,  wenn  die  Tonleiter  in  Harmonie  ausgesetzt  werden  soll,  wird  ange- 
nommen, dafs  keine  Veränderung  eingeführt  werden  darf,  denn  die  eigenthüm- 
liche  Schönheit,  das  Karakteristische  der  Molltonleiter,  beruht  eben  grofsen- 
theils  auf  dieser  Fortschreitung  mit  der  scharfen  Sekunde,  sowohl  im  Steigen 
als  im  Fallen. 

Die  sechste  der  Tonleiter  in  der  Durtonart,  begleitet  mit  dem  Dominant. 

Bei  Einführung  der  kleinen  None  wurde  uns  frei  gegeben,  in  der  Mollton- 
art die  sechste  Stufe  fallend  mit  dem  Dominant  zu  begleiten.  Dies  war  un- 
sere „fünfte  Regel  für  die  Begleitung  mit  den  Grundbässen"  *). 

Wir  wollen  nun  feststellen,  dafs  diese  Regel  auch  in  Zukunft  auf  die  Dur- 
tonart ihre  Anwendung  findet:  in  welchem  Fall  die  sechste  der  Tonleiter  die 
grofse  None  (vom  Grundbafs  gerechnet)  wird.  Diese  grofse  None  liegt  einen 
ganzen  Ton  über  der  Oktave  (siehe  folgendes  Beispiel  bei  a),  da  hingegen  die 
kleine  None  nur  einen  halben  Ton  darüber  liegt  (siehe  b). 

Wenn  die  sechste  Stufe  der  Durtonleiter  mit  dem  Dominant  begleitet  wird, 
und  so  der  grofse  Nonen -Akkord  entsteht,  mufs  dieser  in  jeder  Beziehung  eben 
so  behandelt  weiden,   wie  der  Akkord  der  kleinen  None. 

Da  nun  dieser  grofse  Nonen -Akkord  überall  angewendet  werden  kann,  wie 

hier  bei   der  fallenden  sechsten  Stufe,   so  wollen  wir  nur  die  Bemerkung  noch 

hinzufügen,  dafs  er  den  besten  Effekt  macht,  wenn  die  None  in  die  Oberstimme 

gestellt  wird  (wie  bei  a),  dafs  die  erste  Versetzung  (bei  c)  oder  die  dritte  (bei  e) 

vorzugsweise   zu   brauchen   sind,    vor  der  zweiten  (bei  d)  die  vierte   Versetzung 

aber  nur  selten  in  Anwendung  kommen  darf. 

212 


*)  Siehe  Seite  148. 


Grofse    None, 


177 


2i2.< 


N.  B.  Bei  dem  Gebrauch  dieses  Akkords  vermeide  man  sorgfältig  die  Terz 
über  die  None  zu  stellen;  einige  Erfahrung  und  Aufmerksamkeit  wird  die  Zweck- 
mäßigkeit dieser  und  der  vorhergehenden  Bemerkungen  hinlänglich  darthun. 

Das  Folgende  ist  ein  Beispiel  zu  der  Anwendung  der  grofsen  None. 

Bei  ßj  und  <£,  ist  die  Sechste  der  Tonieiter  mit  dem  Dominant  begleitet, 
und  der  Akkord  der  grofsen  None  ist  in  der  dritten  Versetzung. 

Bei  b  ist  er  in  der  ersten  Versetzung,  und 

Bei  c  in  der  zweiten. 


Andanlino 


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-¥*- 


[23] 


78 


Die    grofse    None,     Note    der    Modulation. 


=pt=Q: 


i— b- 


£ 


'    V^i 


5S3^ 


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7 


v- 


±=t 


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cendo. 


f 


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y — *— *— 


Calando. 


— I — -j— fe<- 


-P- 


«=^5: 


#=©' 


/"\ 


-1 h 


Dieses  Intervall  der  grol'sen  None  betrachten  wir  von  nun  an  als  einen 
Theil  des  Dominant- Akkords,  und  benutzen  sie  als  Note  der  Modulation 
in  der  Melodie. 

Da  dieses  Intervall  einen  ganzen  Ton  fällt,  können  wir  zu  der  dritten 
Regel  für  Modulation  vermittelst  der  Intervallen  der  Melodie  (Bei- 
spiel 183.)  den  Zusatz  machen  — 

„Die  Note  in  der  Melodie,  welche  einen  ganzen  Ton  fällt,   kann 

nach   der   Tonart   moduliren,    die   eine   Quinte  unter  der  Note  liegt, 

in  welcher  sie  gefallen." 

Im  folgenden  Beispiel,   Takt  3.,  fällt  die  Note  E  einen  ganzen  Ton  (nach 

D),   und  modulirt   somit  nach   G.     Das  letzte  Viertel  des  vierten  Taktes,  A, 

ebenfalls  einen  ganzen  Ton  fallend  (nach  G),   modulirt  zurück  nach  C. 


Die     Melodie     im     Alt. 


179 


[ 


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T 


P — P- 


t — r 


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3?: 


-j= !»— '    |    P — fi-ß- 


l£j£ 


tjjr 


v~  F— 


Methode  ,   wie  die  Harmonie  zu  setzen  zu  einer  Melodie,   wenn  sie  im 
Alt,    Tenor  oder  Bafs  gegeben  ist. 

Bis  jetzt  haben  wir  unsere  Melodien  nur  im  Diskant  geschrieben ,  und  un- 
ter diesem  die  Harmonie  gestellt:  sollten  wir  es  aber  angemessen  linden,  ein 
Thema  zuerst  in  eine  der  anderen  Stimmen  zu  schreiben,  so  können  wir  in 
eben  der  Art  fortfahren ,  es  in  Harmonie  auszusetzen  wie  bisher;  nur  müssen 
wir  beachten,  dafs  eine  jede  der  übrigen  Stimmen  der  Harmonie  auf  der  ihr 
zugehörigen  Stelle  auch  zu  stehen  komme. 

Alle  vorhergehenden  Piegeln  sind  auf  diesen  Fall  eben  sowohl  anzuwenden. 

Nehmen  wir  an,  wir  hätten  es  vorgezogen  das  Thema  im  Alt  zu  schreiben, 
so   stellen  wir   es   auf  die   Zeile,   die  der  Alt  einnimmt,   und  schreiben  danach 
den  Bafs,  mit  den  Umkehrungen  die  wir  gewählt  haben,  auf  der  gehörigen  Bafs- 
zeile.    (Man  sehe  das  folgende  Beispiel  bei  <z). 
215. 


lÜäl 


[23*] 


180 


Die    Melodie    im    Alt. 


Es  fehlen  zu  diesem  nun  noch  zwei  Stimmen,  der  Tenor  und  Sopran,  die  bei 
b  in  enger  Harmonie  zu  der  gegebenen  Melodie  so  nah  als  möglich  gestellt  sind. 

Bei  c  haben  wir  sie  in  ausgedehnter  Harmonie  hingeschrieben.  Vergleichen 
wir  die  beiden  Fälle  im  Beispiel,  so  sehen  wir,  dafs  der  Sopran  und  Tenor 
ihre  Stellen  verwechselt  haben  bei  Cj  es  sind  hier  beide  Stimmen  um  eine 
Oktave  versetzt  *),  während  der  Alt  und  Bafs  ruhig  ihren  Gang  verfolgen  wie 
im  Früheren. 

Wir  dürfen  uns  hier  keine  Bemerkung  erlauben,  hinsichtlich  des  Contra- 
punkts in  der  Oktave;  sondern  die  Aufmerksamkeit  des  Schülers  mufs  allein 
dahin  gelenkt  werden,  die  Verschiedenheit  der  Melodie  zu  verfolgen,  und  die 
grofse  Mannigfaltigkeit  des  Effekts  zu  würdigen,  die  eben  hieraus  entspringt. 

Das  nächste  Beispiel  ist  eine  Melodie,  im  Alt  gegeben,  mit  enger  Harmo- 
nie begleitet. 

Im  dritten  Takte  sehen  wir  den  zusammengesetzten  grofsen  Sechsten -Ak- 
kord angewendet. 

Im  sechsten  Takte  ist  eine  falsche  Kadenz  gemacht,  (diese  wird  späterhin 
erklärt  werden). 

Im  vierzehnten  Takte  kreuzen  sich  Sopran  und  Alt,  dies  geschieht,  um 
eine  schönere  Melodie  und  Gegenbewegung  in  den  Stimmen  zu  erhalten. 

N.  B.  Eine  jede  Note,  die  wir  in  diesen  Beispielen  nicht  zu  einem  Akkord 
gehörig  sehen,  wollen  wir  als  durchgehende  Note  betrachten,  (über  diese  durch- 
gehenden Noten  finden  wir  weiterhin  eine  besondere  Abhandlung). 


-S^fcfc: 


Subject. 


±03 


216. 


p    * 


szr 


_i — p_ p— _j — «_ 


-ß~ß- 


t: 


-P — r—%~f—F-\-R:-tte>-±ß-\-e — 9— e — p— n 
-I 1 — Nr-hfi — -I — -t— 1-1 K-l \— H 


t=t 


s=t 


t=t 


rqn 


■H-l — I- 


— ri— a — — j r—f-d 1 — ' — ' — ' 


0,0-*- 


IÖI*=# 


i 


asae^ 


=t 


■*-  •©- 


M- 


Sjpi 


zt=t 


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98      6 

Ä     5 


=t 


t: 


4      6 5 

-e-»-p— ß 


p: 


6  6 

4      t|      b       5 

t=t=t: 


^3^: 


*)    Wenn  wir  wünschen  die  Stimmen  so  zu  verwechseln,  müssen  wir  sorgfältig  wachen,  dafs 


Die    Melodie    im    Alt. 


ttdzdEt 


IEC3=iI 


■*-■  © *—  e — »-  ■© *—  s 


tt 


-P--e- 


181 


t=±=t= 


=t3=t 


iHr 


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< 


©-*-! 


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0 '--«.»  *  @-# 


<— {-*- 


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-e — #- 


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e — *— ©■ — *■ 


d — £ 


Ö=* 


Ö 


G 


EöF 


3-3- 


-fc-ft-3-* 


:OutO 


©^ 


Q=pco=p: 


3— #-0-p-:-=W 


■g-^-g — <- 


S 


o.  o 


p  tlp 


© — »— e — »--  -, 


-*— &- 


:p 


:p— 


±: 


:p- 


i — h-t 


W 


pszp: 

tzt 


1 


rd 


fe-h 


3 


*#■-?- 


p-ß-p$ß. 


$ 


R*H    C-^-O    .  • 


Hö; 


=F 


■d-  -ar 


&- 


-& 4- 


A 1    f-\    -pd — 4 


"«ST 


O'fp-Pft 


±JT 


3 


^Oza 


7 6 

i}  — 5 


6 
6    5 


7 


0.— Ss-4-e — -« — *- 

ö         6 7 

5         4 jj 


e*-- e- 


^^P^ 


t=t 


SC 


3 


©-#- 


=öfl 


W-w"* 


Hier  folgt  dasselbe  Thema  noch  einmal  im  Ah  geschrieben,  aber  in  aus- 
gedehnter Harmonie;  Sopran  und  Tenor  haben  gewechselt  mit  ihrer  Stellung, 
der  Erste  ist  eine  Oktave  tiefer  geschrieben,  und  der  Letzte  eine  Oktave  höher. 


217. 


SEE 


fc=£=* 


Früher  Tenor. 


ZT 


pcqe 


-e — p- 
-I r-1 


-i P-f- 


-7^ 


F— P--I H 

I — I — I — 


:f=M=F-f 


H 1 — 


H-ß=^: 


1 H 


i=^ 


Subjcct  im  Alt. 


4  *i|0-*j-s-*- 


=t 


-f»;- 


:T 


=F 


:Ci=*#C=*: 


( 1 !- 


i33: 


— I — l — | — i- 


B^fe—^ 


E£z^=;; 


3£fa£ 


-f-e- 


:p=: 


r-rf^^-h^Rif^- 


Ö=t 


t±FF—E 


— b-h-2je- 


Früher  Sopran.  6  06  ö  6  6 

93  _5  ^        6  5  4^     t       6- 


-* 


cfc® 


et 


--^m- 


t=t 


zpp=£: 


CECqc 
bt=t=tz: 


der   Bafs   zu   Anlang  gleich   nicht  näher  zum  Sopran  gestellt  werde  als  eine  Oktave,  (wie  bei  b) 
siehe  Beispiel  132. 


182 


Die     Melodie     im     Tenor. 


■#•  -&--*- 


B±±: 


4= 


-fe-b- 


P-— P-. 


H h 


P— F 


-i — h 


P— p-P-^-t-F— ß— P-ß~ 


i — i — i — i 1 — t- 


I Z ,_+. 

\3--b räF+d1 

— Mi-©-»-0-*- 


-i=7-o- 


6- 

5- 


6- 

5- 


:q3zt==±©»pi: 


CS: 


t:  •  I   I  --t: 


W=?ß=0=P- 


:p=p 


iczzrf 


*-M-^ 


t=5zzp=ı^=p=i e: 


rfe-h — 


«X 


*--p- 


_J= p-p^£- 


-p--^- 


P-R- 


zfciöttpszpczpiip? 


1F-> 


Fn-pTT 


ffe-r- 


-) r— [ 


^-gj-#-  Qj  -tf-g-«  ■ 


o- 


tjtt^ti 


-t|» 


-yfV 


Q^Q= 


^s 


azzrfz 


-fe-fe- 


Ti  £  -p>--f.  .p  -r--«-- 


■V^-A    -e~ 


— i — i — i — f- 


-e-M- 


^ 


6 

6      5 


:3d: 


zzz^^t^t|tH^=t^^=^J=tt 


.-*-* 


5     7 

4     H 


ö  6- 

5  4- 


7 


-i — 


pip=Q==ii::=qz=q=f: 
—J-j^i — f 


Im  folgenden  Beispiele  sehen  "wir  dieselbe  Melodie  im  Tenor  verlegt;  die 
Aufgabe  ist  nur  angefangen,  damit  dem  Schüler  die  Ausführung  überlassen  bleibe. 


218. 


J=g=3=== 


-ß — J-» 


S 


±±# 


Friiherhin  der  Tenor  im  Beispiel  216 


htr 


-*±—*- 


_g 


-*-*■ 


Subject  im  Tenor,  früher  im  Alt. 


L 1 i L 


^fc:^: 


— A~ 


--&- 


:q=q: 


$S — *-\ 


98 


_5_ 

£E 


Ö9 

3_ 


Die     Melodie     im     Bafs. 


183 


Wenn  eine  Melodie  im  Bafs  gegeben  ist,  so  wird  sie  ganz  eben  so  behan- 
delt wie  eine  Diskantmelodie,  mit  der  einzigen  Ausnahme,  dafs  die  fünfte 
Stufe  der  Tonleiter,  wie  die  vierte,  fallend  immer  mit  dem  Dominant  beglei- 
tet werden  mufs. 

Haben  wir  ein  Thema  geschrieben,  wie  das  folgende  bei  a_,  so  stellen  wir 
zunächst  die  Grundbässe  darunter,  wie  bei  b*  beziffern  sodann  die  Noten  der 
Bafsmelodie  mit  den  Zahlen,  die  sie,  als  das  im  Bafs  versetzte  Intervall 
des  Akkords,  bezeichnen,  und  bilden  danach  erst  eine  Gegenmelodie  im  Dis- 
kant;   wie  bei  c 


Um  diese  Gegenmelodie  zu  bilden,  brauchen  wir  nur  die  Regeln  zu  befol- 
gen, die  gegeben  wurden  für  die  Auswahl  der  Bässe  bei  den  Umkelirungen  der 
Akkorde  *).     Zum  Beispiel: 

Im  ersten  Takte  des  vorhergehenden  Themas,  bei  c _,  ist  die  Terz  im  Bafs 
geschrieben,  deshalb  nehmen  wir  die  Quinte  in  der  Melodie. 

Im  zweiten  Takte  steht  die  Terz  abermals  im  Bafs,  wir  nehmen  jetzt  die 
Septime  in  der  Melodie. 

Im  dritten  Takte  haben  wir  die  Septime  im  Bafs,  dagegen  stellen  wir  nun 
die  Terz  in  der  Melodie  *). 

Die  folgende  Aufgabe  enthält  dieselbe  Melodie  des  vorhergehenden  Bei- 
spiels, nur  mit  hinzugefügter  Harmonie.  Der  Grundbafs  ist  beziffert  mit  allen 
Dissonanzen,  welche  bei  seiner  Fortschreitung  erlaubt  waren;  der  Schüler  mag 
nach  Gefallen  einige  davon  auswählen,  und  einführen. 


*)  Man  sehe  nach,  Seite  111. 

*)  Die   Anwendung   der  Gegen-  und  Seitenbewegung  ist  hier  besonders  zu  empfehlen.     Man 
Endet  weiterhin  diesen  Gegenstand  besonders  behandelt. 


184 


Die    Melodie    im    B  afs. 


220. 


Harmonie. 

-g — sa — s — S 


±1 


4 


:  zcSfc  Ja  :=§=G=  3 


-Cr 


Melodie. 


Kl 


2 


S5 


:C: 


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%¥- 


gi 


0= 


6 

3=^ 


JÖ 


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-©-O- 


G.-B. 

BT 


7 —  g  s  gg 

6  5         9        hl         9  8     7—      9  8.  9  R      7— 

43         4        ü3         4343        43     1,7         4  3      4  3 


m 


3=F 


^3=0: 


7t-    9  § 

4  3        4  3 


3 


d>-ö- 


■d-e- 


-W- 


-Q— ©- 


-^_+_a 


Die   hier  folgenden   Bafsmelodien   sollen  zur  Uebung  dienen  in  den  bisher 
gegebenen  Regeln. 

■    I 


221.  p£=§ 


&-oPn 


S: 


6 

4 

6        2      6 


gpfiQ 


3= 


e 


t 


O-SS 


1   6  .1   e.Ari  * 


N»<~|- 


i 


.& 


-*-    r 


Kadenz. 


ö 
4 
3 


1 


6 

2 


6 

4 
2 


6  6 

6  5     4  4 

43     2         6     3 


6 
5 


6 
6     4     7 


f# 


■zp-p 


_j — q=- 


:0=0=^: 


^=C£ 


Ma. 


r     f 


•f: 


222. 


BTIF^F 


fc 


y— < f*l 1- 


Kadenz. 


6 

4 


S— S-jjj- 


:C^=Q 


-rP- 


6 

■5     ä  §        6 

3     2        6     5        ^ 


ee 


.-IT  Uj j-JZ 


:p-    P: 


:t: 


d=: 


6 

4 

2        6 

feg 


-t» 


:tzz:: 


-s-#- 


^2 


e^b: 


ITE 


±i±iÖ^9=^ 


4      3     2 


6    t3 


6- 

4- 
2- 


^=X 


-t*^-*-gs- 


:P-r-gd! 


_+_cm*_z. 


:t 


p: 


±=±j: 


e-*- 


:pip= 


*= 


2^3. 


Die    Melodie    im    Bafs. 


185 


223. 


ÜRSSte 


r.- 


6        6 

*f   2   6   2    6 


Kadenz. 


-H»- 


«b 


EZ^i 


TU 


V» 


3= 


c 

5 


t7 


_j» — p- 


iqEÄql 


8  6^         ~ 
5  4  Kadenz. 

7 


ffl 


F-rf 


QC 


«* 


s 


In  dem  folgenden  Bafsthema  ist  die  Harmonie  ausgedehnt,  ausgenommen 
im  sechsten  Takt,  wo  sie,  um  eine  gute  Melodie  zu  erhalten,  zusammenge- 
drängt wurde. 


224 


II 


±=#: 


-p— ■ 


-f1— + 


:r=rr-: 


«z± 


r-e- 


-■<- 


p~£p-- 
u 


ai=fcz=£ 


J-  ^ 


— fe- 


Ä 


f— *-#?—» 


«=£ 


6  — 


J.    J      F 


±=t 


_i| — 

/ 
b7 


-ä^_ 


—P- 


-#— F- 


fe   6    ' 

3 


-,-=V 


-»--#- 


t=P 


-h— /~1 

31  *  "I 


SEE 


r 


*—  ß— 9— f- 


6  b5 


^2 


4 


— 0 *-, — - ^r-i-i-J — -A — -ä ' 

■/— P— y£ß--9— y-Ft— -*^p— * 


6 
5 


6 

4 


,Tr 


Indem  wir  die  Harmonie  zu  der  vorstehenden  Melodie  aussetzten,  haben 
wir  die  Regeln  für  die  Modulation  vermittelst  der  Intervallen  der 
Melodie,  die  uns  von  Seite  152  an  gegeben  sind,   in  Anwendung  gebracht. 

Im  vierten  Takte  fällt  Cj  die  Note  der  Modulation,  einen  ganzen  Ton, 
und  modulirt  nach  Hes. 

Im  fünften  Takte  steigt  das  letzte  Viertel,  D ,  einen  halben  Ton;  hier  fin- 
det eine  Ausweichung  statt  nach  Es. 

Im  sechsten  Takte  fällt  die  zweite  Note  Es  einen  halben  Ton,  und  modu- 
lirt somit  nach  Hes  zurück. 

Im  folgenden  Beispiele,  bei  a„  sehen  wir  den  letzten  Theil  der  zweiten 
Regel  für  Modulation,  Seite  155,  in  Ausübung  gebracht,  hier  entsteht  daraus 

[24] 


186 


Die     Melodie     im     Bafs. 


der  Akkord  der  scharfen  Sekunde,   welcher  nothwendig  im  %  Akkord  auflösen 
mufs 

D;i  aber  dieser  %  Akkord  gar  viel  von  der  Natur  des  dissonirenden  £  Ak- 
kords hat,  so  wird  der  Eindruck  unbefriedigend.  Diesem  zufolge  mufs  die  Aus- 
übung dieser  Regel  in  der  Bafsmelodie  unterbleiben,  es  sei  denn,  dafs  dem 
%  Akkord  unmittelbar  die  Intervalle  folgen,  die  wir  hier  angewendet  finden  bei 
Cj  woselbst  dieser  <j  Akkord  als  Dissonanz  behandelt,  und  dem  gemäfs  aufge- 
Iöset  ist:  oder,  wie  bei  b  *  wo  die  Note  der  Modulation  (hier  die  None)  in  ih- 
ren eigenen  Grundbafs  füllt.  — 


225./ 


f\  a  b  c 


6 

4 


BFjSEP^m^l 


-h-f- 


4t 
3 


*m. 


:p- 


6 


H 


e 


~ß— ß- 


In  folgendem  Beispiele  linden  wir  zwei  Anwendungen  \on  der  sechsten 
Regel  der  Modulation.     „Wenn  die  Melodie  eine  Quarte  steigt." 

Da  dies  die  eigentliche  Fortschreitung  des  Basses  ist,  welche  seinen  eigen- 
thümliehen  Knrakter  ausspricht,  so  müssen  wir  sie  als  Grundbafs  annehmen 
(siehe  a),  und  nicht  als  Intervall  eines  Akkords  (siehe  b);  auch  macht  dies 
Letztere  einen  harten  unharmonischen  Eindruck. 


226 


Zu  der  folgenden  Bafsmelodie  ist  der  Sopran  hinzugefügt. 


Unbezifferte     Bafsmelodie. 


187 


Fft* — ms — r~r  -— *-- 1— < h— '- 

h-r  -ffc I— I-  -g-h-  fc#-  -*-#-i — 


Die  nachfolgenden  Bafsmelodien  mag  der  Schüler  zur  Uebung  benutzen, 
und  sie  vierstimmig  in  Harmonie  aussetzen.  Unter  der  ersten  Aufgabe  sind  die 
Grundbässe  angegeben,  es  bleibt  dem  Schüler  überlassen,  die  Basse,  aus  den 
Versetzungen  der  Akkorde  entnommen,  selbst  zu  beziffern.  In  der  zweiten  Auf- 
gabe sind  dagegen  diese  Bässe  beziffert,  und  der  Schüler  soll  hier  die  Grund- 
bässe auffinden. 


228. 


B5S 

— fc-t-t— 


EE^prf£±ö 


—    P        i  —     -©= 


^P-\lO-h9- 


-4—p ^_    : 


:q=3=i 


I 


3r 


§£ 


ss 


t7 


H- 


v 
i 


[         I 


±itz 


rft-fc-b^ 

:t=f:: 


TT 


=±fcz± 


-,-t- 


£$*Ö£=Se£S 


::c:jr. 


#- 


:t: 


ziw: 


-p- 


r:zp 


:q: 


P      > 


^=::=q: 


i 


-ß-r-bf~{-J-ß (-• 

r        l     *■ 


pp 

-# 


Falsche  Kad.    5 


^3=34^=raÄ 


-i 1 t_ 


■ß- 


*)  Siehe  Trugmodulation. 


[24*] 


1S8 


Bezifferte    Bafsmelodien. 


229. 


IBzzifc 


ÖS^= 


4# 


65. 


^z::zpzzp: 


J L- 


.7 


T  6 


-ß- 

-r- 


±±±±z 


43 


4    O 

6 

H5-      4) 
4£      2 

6 

4 

6         3 

7         6 

B         5 

7 
6       fcjS 

4        # 

78 
43 

r  *2     i 

— 

L-p-feQ-i 

_k — c_t_t_t_: 

--P — -- 

-■~l~  r~l — 

•  r  *  *  d- 

-p^-^- 

=J= 

=F      t— : 

i 

Falsche  K.ad. 

6- 

«tft 

gjggg 


5 

2     6 


"      Sl 


I L"_g 


ipipzpzp^L- 


7         7 
6    S         fei 

pzq: 


6 

4 


7 


J=±=tz±qft=f±jfr 


5       6 
3     t5 


SPS 


mi — m 


Falsche  Kad. 


b7 


— fe— h- — 


6    fcj    7 


6 

6    4 


.^_p__1:._+qi3_*_:: 


fast 


5&      6 —   7 — 
3-      4 —   « — 


■0-0-0-0 


=£ 


-  -#w-s-=- 


s 

4 


Unvollkommene  Falsche  Rad. 

Es  mufs  noch  erwähnt  -werden,  dafs  wenn  wir  eine  Note  in  der  Bafsmelo- 
die  als  grofse  Sechste  annehmen  wollen,  wir  den  ersten  Theil  der  dritten  B_e- 
gel  (für  Modulation  vermittelst  der  Int.  u.  s.  w.)  in  Anwendung  bringen  müs- 
sen *);  mit  dem  Unterschiede,  dafs  in  diesem  Falle  die  Note  der  Modulation 
nicht  einen  ganzen  Ton,  sondern  nur  einen  halben  Ton,  fällt,  wie  im  13ren, 
17ten  und  26sten  Takt  des  Beispiels  229.  zu  sehen. 

In  der  hier  folgenden  Aufgabe  ist  der  Bafs  nur  theilweise  beziffert. 


230.   »p= 


Od 

.32 


P~ 


L. 


6 

4         5         7 

_?_+.  2    6    3 


I — P—+-0—0- 
— ;"-[ — f-^jy" — f— 


l 


r\2 


3fcf£±3fc 


B 

4 
6    3 


H^WF? 


^S:f^B 


Ep^ 


3v3 


~T-#ß-ß- 


—  •- 


-W 


6    7 

4    Jt 


iKö 


3eE 


4} 


±itztgip=p 


=3- 


zp: 


iö§ 


6 

4 


7    2       V 


-^ — j — i — -  -4 


6 
4   6 


iza: 


^pMST 


>-F-r-|— 


*)  Siehe  Seite  156. 


Durchgehende    Noten. 
Die  nun  folgenden  Beispiele  sind  alle  unbeziffert  *). 


189 


231. 


232. 


aܧ 


-de 


a 


Sffzffi^# 


:p=tzt: 


£: 


ip: 


— \—\-—r^-ß~m 


p 


3fcCZ 


Itö: 


pb 


aife 


li£gi 


■* 


CT 


«^ 


-0-i»i-  Zj-P-P-t- 


£ 


-S^£*- 


3fc=t=ä 


SU 


zet±ä 


-©-©- 


:Q: 


Durchgehende  Noten. 

Eine  Melodie  ist  entweder  einfach,  oder  ausgeschmückt,  verschönert.  Die 
einfache  Melodie  besteht  allein  aus  den  Intervallen  der  Akkorde;  alle  Melodien, 
die  wir  bisher  in  Harmonie  ausgesetzt,  waren  nur  einfache.  Wird  in  der  Me- 
lodie irgend  eine  Note  eingeführt,  die  nicht  zu  den  Akkorden  gehört,  aus  de- 
nen die  Melodie  gebildet  ist,  so  nennt  man  dies  eine  verzierte,  oder  ausgeschmückte 
Melodie;  diese  so  eingeführte  Noten  heifsen  durchgehende  Noten. 

Im  folgenden  Beispiel  bei  a  steigen  und  fallen  die  Intervallen  in  Terzen, 
zwischen  diesen  Intervallen  können  durchgehende  Noten  eingeführt  werden, 
wie  wir  sie  mit  Punkten  angegeben  finden  bei  h.  Bei  c  sehen  wir  diese  durch- 
gehende Noten  wie  sie  gewöhnlich  geschrieben  werden. 

Das  Zeitmaafs  der  Noten  der  ursprünglichen  Melodie  ist  in  zwei  Theile 
getheilt,  die  zweite  Hälfte  wird  von  der. durchgehenden  Note  ausgefüllt.  Da- 
mit wir  die  wesentlichen  Noten  der  einfachen  Melodie  unterscheiden,  wollen 
wir  sie  für  einige  Zeit  noch  bezeichnen,  wie  im  Beispiele  bei  c. 


*)  Mehrere  Beispiele,  zur  ferneren  Ueb'ung,   in  diesem  Theile  des  Gegenstandes,   finden  sieh 
Nr.  75.  und  den  folgenden  Nummern  meines  Buchs  der  Uebungen  (Boofc  of  Exerciscs). 


190 


Durchgehende    Noten. 


Die  durchgehenden  Noten  im  Beispiel  233.  nennt  man  unaccentuirte 
weil  sie  nach  den  wesentlichen  Noten  der  Harmonie  eingeführt  sind.  Werden 
aber  durchgehende  Noten  vor  den  eigentlichen  Noten  der  Harmonie  gestellt, 
so  heifgen  diese  accentuirte.  Im  letzten  Falle  nimmt  die  durchgehende  Note 
die  erste  Hälfte  der  Zeit  ein,  die  der  ursprünglichen  Note  der  Melodie  zu- 
kömmt; wie  im  Beispiel  234.  e.,  wo  das  f  eine  unaccentuirte  durchgehende 
Note  ist,  und  es  c,  und  a*  accentuirte  sind. 

In  folgendem  Beispiele,  bei  a,  haben  wir  eine  einfache  Melodie  genom- 
men, die  nur  in  Terzen  fortschreitet,  da  diese  uns  die  beste  Gelegenheit  bieten, 
durchgehende  Noten  einzuführen. 

Bei  b  sind  einige  unaccentuirte  Noten  eingeschoben,  welche  hier  eine 
liebliche  Melodie  bilden,  und  einigen  Stellen  einen  eigenthümlichen  Karakter 
geben. 

Bei  d  sehen  wir  den  einfachen  Bafs,  wie  er  aus  den  Umkehrungen  der 
Akkorde  entnommen  ist. 

Bei  c  ist  derselbe  Bafs,   nur  mit  durchgehenden  Noten  verziert. 


a 


235. 


d 


P6?E& 


t±±it 


£ 


%-- 


if 


m 


:0=:  = 


:t±zzzt: 


Bi: 


^i 


©-C: 


p  * 


mmm 


*-*■ 


3S 


30 


te=£ 


:q=d: 


j-*jt±S 


* 


6 


fcfcp±4E 


<s— * 


=E 


6 
-6     5       7 


x 


O: 


6 
6    5 


:z: 


-4-0 


P5 P 


~6j-7- 


:t 


Nehmen  wir  nun  vorstehende  Melodie  mit  den  durchgehenden  Noten,  wie 
bei  b,  und  setzen  sie  vierstimmig  in  Harmonie  aus-  wir  behalten  dieselben 
Grundbässe,  mit  den  geringen,  aus  den  Umkehrungen  der  Akkorde  entstehen- 
den Veränderungen.  Wir  müssen  bemerken,  wie  sich  der  eigenthümliche  Ka- 
rakter einer  Stimme,  in  der  andern  wieder  findet,  und  so  auch  in  der  dritten 
wiederholt  u.  s.  w.     Es  durchdringt  nun  derselbe  Gedanke  das  Ganze. 


Accentuirte    und    unaccentuirte    durchgehende    Noten.       191 


ff 


0  *       * 


# 


*      — » 


lee 


ß-f- 


* 


1®z=#zt 


236.  C 


zzzzzzribbtifr^      '  - 


pm 


X 


* 


t=» 


t- 


^9 


;&o 


zu: 


j- 


« 


&£e 


_!__.. 


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ö 


Sf     — *w  _ 


E«E 


Be^B£ 


2    n 


43 


w!- 


-e-  -e-  * 

i 

Im  ersten  Takte  ist  die  Melodie  im  Sopran  mit  durchgehenden  Noten  ver- 
ziert, welche  der  Alt  im  zweiten  Takte  nachahmt. 

Im  dritten  Takte  hat  der  Tenor  dieselbe  Passage,  vom  Sopran  in  Terzen 
begleitet;  welche«  man  zusammengesetzte  durchgehende  Noten  nennen  kann  *). 

Der  Tenor  im  vierten  Takte  ist  im  fünften  in  der  Gegenbewegung  vom 
Sopran  nachgeahmt. 

Wir  werden  finden,  dafs  die  unaocenluirten  durchgehenden  Noten  weniger 
dissonirend  klingen,  als  die  accentuirten ,  weil  sie  nicht  eher  gehört  werden, 
als  nachdem  des,  die  Melodie  begleitende  Akkord  angeschlagen  ist;  da  hinge- 
gen die  accentuirten  durchgehenden  Noten  mit  dem  Akkord  selbst  angeschla- 
gen werden,  und  dadurch  ganz  den  Eindruck  von  unvorbereiteten  Dissonanzen 
mache«.     Wir  wollen  hier  die  verschiedenen  Effekte  vergleichen.  — * 


237. 


*)   Diese    zusammengesetzte   durchgehende   Noten   können  jedoch  nur  angebracht  werden,   wo 
zwei  Stimmen  in  Terzen-  oder  Sechsten -Gängen  mit  einander  fortschreiten. 


192        Accentuirte    und    unaccentuirte    durchgehende   Noten. 

Bei  a  ist  die  einfache  Melodie  mit  ihrem  Bafs. 

Bei  b  sind  unaccentuirte  durchgehende  Noten  eingeführt. 

Bei  c  accentuirte  durchgehende  Noten. 

In  folgendem  Beispiele  sind,  sowohl  im  Sopran  als  im  Bafs,  durchgehende 

Noten  eingeführt. 


238. 


Bei  ßj  unaccentuirte  durchgehende  Noten  im  Sopran  und  Bafs. 

Bei  £,  unaccentuirte  durchgehende  Noten  im  Sopran;  diese  Passage  wird 
in  der  Gegenbewegung  mit  durchgehenden  accentuirten  Noten  im  Bafs  be- 
antwortet. 

Bei  c,  hat  der  Bafs  unaccentuirte  durchgehende  Noten,  und  wird  durch 
den  Sopran  mit  accentuirten  durchgehenden  Noten  in  der  Gegenbewegung 
beantwortet. 

In  folgendem  Beispiele  sind  andere  Intervallen  für  den  Bafs  aus  den  Ak- 
korden entnommen;  die  Melodie,  die  im  vorhergehenden  Beispiele  bei  c  im 
Basse  lag,  sehen  wir  hier  im  Alt  verlegt. 


Bei   e  haben  Tenor   und  Alt   ihwe  Stellen  verwechselt;   die  durchgehenden 
Noten  sind  abwechselnd  im  Sopran  und  Tenor,  und  Tenor  und  Alt  verlegt. 
Wir  müssen  es  nicht  unbeachtet  lassen,   dals  die  accentuirten  durchgehen- 
den 


Die  durchgehende  Note,  als  Note  der  Modulation  benutzt.     193 

den  Noten  einen  bessern  Effekt  im  Sopran  bewirken  (im  Beispiel  bei  e),  als 
im  Bafs  (im  Beispiel  bei  b);  obwohl  das  Letztere  eben  so  richtig  ist.  Wir  se- 
hen, dafs  alle  Wirkungen,  die  durch  diese  einfache  Melodie  hervorgebracht 
werden,   Folgen  der  hier  eingeführten  durchgehenden  Noten  sind. 

Wenn  die  Melodie  in  dem  Intervall  einer  Sekunde  fortschreitet,  und  diese 
Sekunde  ein  ganzer  Ton  ist,  so  wird  die  durchgehende  Note  dazwischen  ein 
kleiner  halber  Ton  werden;  diese  durchgehende  Note,  wenn  unaccentuirt, 
soll  nicht  angewendet  werden,  sobald  die  Note  der  Melodie,  zu  welcher  sie 
gehört,  die  grofse  Terz  des  Grundbasses  ist.  Das  folgende  Beispiel  ist  die  dia- 
tonische Tonleiter  von  C>  mit  durchgehenden  Noten. 


240.  < 


Um  zu  zeigen,  wie  die  halben  Töne  steigender  durchgehender  Noten  in 
Noten  der  Modulation  umgewandelt  werden,  wollen  wir  die  Sopranstimme  des 
oberen  Beispiels  als  Melodie  annehmen,  und  sie,  nach  den  ersten  E_egeln 
für  Modulation,  in  Harmonie  aussetzen;  sie  wird  alsdann,  wie  folgt,  er- 
scheinen. 


Das   Beispiel  242.   ist  eine  Aufgabe   zur  Einführung   der  in  halben  Tönen 
durchgehenden  Noten. 

[25] 


194 


242 


l 


Aufgaben     zur     Uebung. 


Ä&Ö 


g j*  *  x  x  ^  * 


=Q: 


¥m^^£: 


Bei  «  sehen  wir,  sind  alle  durchgehenden  Noten  unaccentuirt. 

Bei  b  sind  sie  accentuirt. 

Bei  c  sind  sie  als  .Noten  der  Modulation  behandelt. 

Das  folgende  Thema  giebt  uns  Gelegenheit,  durchgehende  Noten  in  ganzen 
und  halben  Tönen  einzuführen,  und  kann  zugleich  als  Beispiel  dienen,  wie  die 
vorhergehenden  Regeln  anzuwenden  sind. 


242 


Andante. 


Söfcfcgzg: 


-P ß n 


-r- 


-ffl — , 


j  j   n  n 


r ß — c 

f— «p- — -L 


4       7 
3 


6 


»^ii- 


-b-b-^5— i -j: 


s- 


5      6      6 

3    3 


— 1 1- 


6 
5 


-#T-f" 


-e- 


Die     Hülfsnoten. 


195 


3Ft-E — w tf — -Jrr-j — Ä- — ^rt^-* — #--* — "ö* = * — * — * — * — — — S~ 


m^m 


±3eM 


=^=i_CL 


*# 


6   t6      5      6 
4   —      3      5 


5      6 
3      5 


6 
5 


Öfc 


6 
4 


7    S 
4    3 


Bizfc 


zkfczf 


Bei  «  ist  die  Melodie  ohne  Verzierung  hingeschrieben. 
Bei  b  ist  dieselbe  Melodie  mit  durchgehenden  Noten. 

N.  B.     Im   vierten   Takt   lassen   wir   den  Tenor   mit   dem  Alt  sich  kreuzen, 
um  verdeckte  Quinten  zwischen  dem  Sopran  und  Alt  zu  vermeiden. 

Hülfsnoten. 
Die  Hülfsnoten  vertreten  die  Stelle  der  durchgehenden  Noten  in  allen  den 
Fällen,  wo  die  Melodie  diese  nicht  zuläfst.     Die  Hülfsnoten  können  über  oder 
unter  die  Note  der  Melodie  gestellt  werden,   und  können  auch  accentuirt  oder 
unaccentuirt  sein. 


Bei  a  steht  die  Hülfsnote  unter  der  Note  der  Melodie. 

(N.  B.    Die   tiefer  liegende  Hülfsnote  mufs  einen  halben   Ton  unter 
der  Note  genommen  werden.) 
Bei  b  steht  die  Hülfsnote  über  der  Note  der  Melodie. 

(N.  B.     Diese  können  sowohl  einen  halben,    als    auch    einen   ganzen 


*)  Akkord  von  der  Ute.     Siehe  Beispiel  264. 


[25*] 


196 


Die     Nachahmungen. 


Ton  über  der  Note  gewählt  werden;  je  nachdem  die  Melodie  uns 
bestimmt.) 

Bei  a  und  b  sind  die  Hülfsnoten  unaccentuirt. 

Bei  c  und  d  sind  sie  accentuirt. 

Bei  e  accentuirte  Noten  über  und  unter  der  Note;  untermischt. 

Bei  f  sind  alle  hier  genannte  Hülfsnoten  angewendet. 

Mit  Einführung  der  durchgehenden  Noten  hatten  wir  nicht  allein  eine  flie- 
l'sendere  und  angenehmere  Melodie  erhalten,  wir  hatten  auch  die  Möglichkeit 
gewonnen,  der  einfachsten  Folge  von  Tönen,  einen  so  ausgezeichneten  Karak- 
ter  zu  geben,  dafs  sie  sogleich  bei  dem  Wiedervorkommen  in  einer  andern  Stimme 
erkannt  werden  mufste. 

Jede  kurze  Folge  von  Noten,  (sie  möge  aus  durchgehenden  Noten  gebil- 
det, oder  aus  Hülfsnoten  entstanden  sein)  nennt  man  eine  Passage.  Wenn  auf 
einer  solchen  Passage  eine  ähnliche  in  einer  der  vier  Stimmen  folgt,  so  heifst  dies 
eine  Nachahmung;  diese  Nachahmungen  können  statt  haben  im  Einklang,  in 
der  Sekunde,  in  der  Terz,  wie  in  jedem  Intervalle  der  Tonleiter. 

Die  Nachahmungen  im  folgenden  Beispiele  (welches  zu  diesem  Zwecke 
ganz  einfach  aus  einem  Akkord  besteht),  sollen  den  Nutzen  der  Hülfsnoten 
anschaulich  machen,  die  wir  anwenden  müssen,  um  einen  ausdrucksvollem  Ka- 
rakter  auch  in  denen  Stellen  zu  legen,  wo  keine  durchgehende  Noten  anzu- 
bringen sind. 


Die     Nachahmungen. 


197 


Bei  a  ist  eine  einfache,  nur  aus  zwei  Intervallen  des  Akkords  bestehende 
Melodie.  Die  Fortschreitung  dieser  Melodie  in  Terzen,  gestattet  uns,  durch- 
gehende Noten  einzuführen;   aus  diesen  ist  die  Passage  bei  b  gebildet. 

Wir  wünschen  diese  Passage  im  Alt  nachzuahmen,  finden  aber  in  dieser 
Stimme  (siehe  c)  nur  eine  Wiederholung  derselben  Note;  durchgehende  Noten 
sind  hier  nicht  anzubringen.  Da  wir  aber  unsere  Zuflucht  zu  den  Hülfsnoten 
nehmen  dürfen ,  so  wird  eine  Nachahmung  in  gleicher  Bewegung  möglich 
(siehe  d). 

Angenommen,  es  wäre  unsere  Absicht,  die  Nachahmung,  statt  im  Alt,  im 
Tenor  einzuführen,  so  sehen  wir  hier  nur  eine  halbe  Note  (siehe  e).  —  Es 
steht  uns  aber  frei,  diese  halbe  Note  in  vier  Achtel  zu  theilen  (siehe/),  so 
können  wir  auch  Hülfsnoten  anwenden,  und  die  Nachahmung  bewirken  (sieheg); 
diese  ist,  der  Abwechselung  wegen,  in  der  Gegenbewegung  geschrieben  (in  Be- 
ziehung auf  die  Passage  bei  b).  Dies  konnte  geschehen,  da  wir  die  Passage 
nur  mit  der  höher  liegenden  Hülfsnote  anzufangen  brauchten, 

N.  B.  Hätten  wir  sie  mit  der  tiefer  liegenden  Hülfsnote  angefangen,  so  er- 
hielten wir  wieder  die  deiche  Beweeunc 

<-'  Do 

Bei  h  ist  die  Nachahmung  im  Basse  in  gleicher  Bewegung  eingeführt. 

Es  ist  schon  im  Beispiele  "236.  gezeigt,  dafs  verbundene  durchgehende  No- 
ten angewendet  werden  können,  wo  zwei  Stimmen  in  Terzen  oder  Sechsten 
fortschreiten.  Verbundene  Hülfsnoten  können  in  derselben  Art  angebracht  wer- 
den;  wir  linden,    dafs   im  vorhergehenden  Beispiele  Tenor  und  Alt  Terzen  ge- 


198 


Die     Nachahmungen. 


gen  einander  bilden,  Hülfsnoten  können  demnach  in  beiden  Stimmen  zu  glei- 
cher Zeit  eingeführt  werden  (man  sehe  bei  i>). 

Derselbe  Fall  findet  statt  im  Tenor  und  Bafs  (bei  k). 

Aus  dem  Vorhergehenden  erklärt  sich,  wie  auch  eine  einzelne  Note,  mit 
Anwendung  der  Hülfsnoten,  zu  einem  Subjekt  werden  kann,  welches  Nachah- 
mungen zuläfst.  Im  folgenden  Beispiele  sehen  wir  dies  in  der  steigenden,  in 
Harmonie  ausgesetzten  Tonleiter;  ein  einziges  Intervall  des  ersten  Akkords  ist 
zu  einer  Passage  umgebildet,  welche  nach  und  nach  von  allen  Stimmen  nach- 
geahmt wird. 


Wenn  die  Intervallen  einer  Melodie  in  weiter  Entfernung  von  einander  lie- 
gen, so  können  gleichfalls  durchgehende  und  Hülfsnoten  angewendet  werden, 
in  welchem  Falle  man  sie  ausgedehnte  Hülfs-  oder  Durchgangsnoten  nennt. 


Ausgedehnte    Durchgangs-    und    Hülfsnoten.      199 
Ausgedehnte  Durchgangs-  und  Hülfsnoten. 

Im  folgenden  Beispiele  bei  I.  ist  eine  einfache,   auf  die  Einführung  dieser 
Verschönerungsnoten  berechnete  Melodie  hingeschrieben. 

Die  Ausführung  bei  II.  und  III.  macht  das  Gesagte  anschaulich. 

247.     JL Ü 


Bei  a  sehen  wir  nur  ausgedehnte  durchgehende  Noten. 

Bei  b  sind  nur  ausgedehnte  Hülfsnoten  von  unten, 

Bei  c  sind  nur  ausgedehnte  Hülfsnoten,  von  oben  genommen. 

Bei  d  gewöhnliche  durchgehende  Noten. 

N.  B.  Diese  Verschönerungsnoten  können,  wie  in  allen  früheren  Fällen, 
so  auch  in  diesem,  sowohl  accentuirte  als  auch  unaccentuirte  sein.  Im  vor- 
stehenden Beispiele  sind  alle  unaccentuirt. 


200      Ausgedehnte    Durchgangs-    und    Hülfsnoten. 


Aus  dem  folgenden  Beispiele  können  wir  ersehen,  wie  bei  einer  ganz  ein- 
fachen Melodie  (so  wie  bei  I.)  alle  nachfolgende  Verzierungen  einzuführen  sind. 


248. 


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2     6     3 


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Bei  a  sind  oberhalb  liegende  ausgedehnte  accentuirte  Hülfsnoten  eingeführt. 

Bei  b  sind  .ausgedehnte  accentuirte  durchgehende  Noten. 

Ausgedehnte  Durchgangs-  und  Hülfsnoten  können  unmittelbar  auf  einander 
folgen,  wie 

Bei  C,  die  zweite  Note  ist  eine  ausgedehnte,  unaccentuirte  Durchgangsnote, 
die  dritte  ist  eine  ausgedehnte  accentuirte  Hülfsnote. 

Bei   dy   dasselbe  wie  bei  c  _,   untermischt  bei   es   mit  gewöhnlichen  accen- 
tuirten  Durchgangsnoten. 

Bei  f  folgen  zwei  ausgedehnte  Hülfsnoten  unmittelbar  auf  einander. 

Bei  g  ist  eine  Passage   aus  Haydn's  „Schöpfung"    angeführt,   in  welcher 
der  Komponist  ausgedehnte  accentuirte  Hülfsnoten  angewendet  hat. 

Im  folgenden  Beispiele  (der  fallenden  Tonleiter)   sind  alle  die  verschiede- 
nen Verzierungsnoten  im  Basse  angewendet. 

249. 


Im     Bafs. 


201 


a 

249. 
b 


-O- 


-T        Jj       6 6 /- 4       6       i3f==:  =  ziiz  — 


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-g-j-#-# — f-f-f-^—  — h  F  — 1 — ! 


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+>*-# — I — 4j — I — w^-4— «- 
•rf*  ' 


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#*-^-SV~- 


-3-  -*-  -a-  .3. 

Die  Bässe  bei  a  und  £  sind  beide  aus  der  Harmonie  desselben  Grundbasses 
entnommen ,  jedoch  anders  ausgeschmückt,  damit  wir  an  ihnen  mit  einem  Blicke 
übersehen  können,  wie  verschiedene  Effekte  durch  eine  zweckmäßige  Anwen- 
dung der  durchgehenden  und  Hülfsnoten  zu  bewirken  sind. 

Bei  a  sind  gewöhnliche  accentuirte  und  unaccentuirte  durchgehende  Noten 
eingeführt. 

Bei  b  ausgedehnte  Durchgangs-  und  Hülfsnoten. 

N.  B.  Um  diese  bei  b  einführen  zu  können,  haben  wir  angenommen,  dafs 
der  bei  c  geschriebene  Bafs  der  Ursprüngliche  war.  Dieser  ist  durch  Anwen- 
dung der  Neben-Harmonien  entstanden,  von  denen  wir  hiernächst  die  ausführ- 
liche Erklärung  folgen  lassen. 

[  26] 


202 


Neben  -  Harmonie. 
Neben  -  Harmonie. 


Man  kann  die  vierstimmige  Harmonie  so  einrichten,  dafs  sie  fünf-,  auch 
sechsstimmig  erscheint  *),  indem  man  einige  der  Intervallen  des  Akkords  gleich- 
zeitig in  mehr  als  einer  Stimme  hören  läfst.  Dies  wird  deutlicher  durch  das 
Beispiel  werden. 


Bei  a  ist  die  Harmonie  vierstimmig. 

Bei  b  wird  der  Eindruck  von  fünfstimmiger  Harmonie  dadurch  hervorge- 
bracht, dafs  der  Sopran  im  ersten  Takt  nach  g*  und  im  zweiten  Takt  nach 
/  steigt. 

Bei  c  erscheint  die  Harmonie  sechsstimmig.  Dem  Schüler  wird  dies  klarer 
werden,  wenn  er  die  Harmonie  bei  d  damit  vergleicht;  denn  obgleich  nicht 
alle  Stimmen,  die  hier  über  einander  gestellt  sind,  zugleich  angeschlagen  wer- 
den bei  Cj  so  werden  sie  doch  fast  den  gleichen  Eindruck  auf  unser  Gehör 
machen. 

Um  die  fehlerhaften  Fortschreitungen,  die  durch  die  Einführung  der  Neben- 
Harmonien  entstehen,  zu  vermeiden,  braucht  man  nur  die  Intervallen  der  Ne- 
ben- Harmonie  in  der  Gegenbewegung  zu  den  ursprünglichen  Intervallen  des 
Akkords  fortschreiten  zu  lassen. 

Das  folgende  Beispiel  enthält  die  steigende  diatonische  Tonleiter  im  Bafs. 

Bei  e  ist  die  einfache  vierstimmige  Harmonie. 

Bei  f  ist  die  Neben -Harmonie  im  Sopran  eingeführt; 

Bei  g  im  Alt. 


*)  Der  mehr  als  vierstimmige  Satz  wird  anderweitig  abgehandelt  werden. 


Neben  -  Harmonie. 


203 


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35 


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"D" 


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-O- 


:o: 


In  Folge  der  Veränderung  der  Melodie,  die  aus  der  Einführung  der  Neben- 
Harmonien  hervorgegangen  ist,  sehen  wir  uns  in  den  Stand  gesetzt,  ausgedehnte 
Hülfsnoten  anbringen  zu  können.    Man  sehe  das  folgende  Beispiel  bei  77  und  i. 

Wenden  wir  die  Neben -Harmonien  nach  oben  an,  statt  nach  unten,  so 
können  ausgedehnte  durchgehende  Noten  eingeführt  werden,   wie  bei  k. 

Die  Neben -Harmonien  erscheinen  bei  h  im  Sopran,   bei  i  im  Alt. 

Im  Beispiele  253.,  bei  1  *  sind  sie  im  Alt  und  Tenor,  und  bei  m*  in  den 
Bafs  gelegt. 


f 

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252.  h 


Ttrp-  f  r  =f Ujr  f 


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fcP=S: 


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dffi: 

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[26*] 


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204 


Neben  -  Harmonie   mit  Durchgangs-  und  Hülfsnoten. 


vi 


Jid"J3-icL  J+O^J- 


Bei  rij  im  folgenden  Beispiele,  liegt  die  steigende  diatonische  Tonleiter  im 
Bafs,  mit  derselben  Neben-Harmonie,  wie  in  den  ersten  vier  Takten  bei  m* 
(im  vorhergehenden  Beispiele)  ausgeschmückt,  zu  welcher  nun  noch  durchge- 
gehende  und  Hülfsnoten  hinzugefügt  sind. 

Bei  o  sehen  wir  die  weitere  Folge  der  Tonleiter  im  Alt  verlegt,  die  Neben- 
Harmonien  sind  in  derselben  Art  fortgesetzt,  (wie  im  Basse  bei  m3  vom  vierten 
Takte  an.)  Auf  die  durchgehenden  und  Hülfsnoten,  die  hier  eingeführt  sind, 
ist  die  Nachahmung  zwischen  dem  Bafs  bei  n*  und  dem  Alt  bei  o,  begründet. 


254./ 
\ 


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d— fa— f*~ -z-w-f—T -=r 


O- — g*i 
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± 


Dissonanzen     und     Neben  -Harmonien. 


205 


111         '       I       I        i 


Smorzando. 


r\ 


Die  Dissonanzen  mit  Neben -Harmonien. 

Bei  Anwendung  der  Neben -Harmonien  haben  wir  gesehen,  dafs  die  Conso- 
nanzen  zu  einer  andern  Note  des  Akkords  fortschreiten  können;  eben  sowohl 
können  die  Dissonanzen  (welche  allezeit  nur  in  der  Stelle  der  Gonsonanz  stehen) 
in  gleicher  Art,  zu  einein  Intervall  der  Harmonie  fortschreiten,  bevor  ihre 
wirkliche  Auflösung  erfolgt. 

So  haben  wir  in  dem  folgenden  Beispiele  bei  a  die  Neben -Harmonie  im 
Tenor  eingeführt,  und  bei  b  im  Sopran,  ohne  Dissonanzen.  Aus  der  Fort- 
schreitung des  Basses  bei  a  ersehen  wir  jedoch,  dafs  wir  die  dissonirende  Quarte, 
und  bei  b  die  dissonirende  None  anwenden  können. 

Bei  c  und  d  sind  diese  Dissonanzen  eingeführt,  und  schreiten  erst  nach 
einer  andern  Note  der  Harmonie  fort,  ehe  ihre  gehörige  Auflösung  erfolgt. 


255. 


4^3 


9    8 


In  dem  vorhergehenden  Beispiele  fällt  die  Dissonanz  vor  ihrer  Auflösung 
nach  einem  andern  Intervall  des  Akkords,  eben  sowohl  ist  ihr  erlaubt,  nach 
einer  ausgedehnten  Hülfsnote  zu  fallen;  wie  wir  dies  im  folgenden  Beispiele  bei 
III.  sehen. 

N.  B.  Einfache  Hülfs-  und  Durchgangsnoten  können  in  den  anderen  Stim- 
men angewendet  werden,    und   gleichzeitig  in   Verbindung  mit  diesen  Neben- 


2Qb 


Dissonanzen     und     Neben  -Harmonien. 


Harmonien    fortschreiten;    es    mögen    Dissonanzen   eingeführt  sein  oder  nicht. 

(Siehe  IV.) 
,  256.         - 


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43 


43 


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43 


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98 


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et 


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6 
5 


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5 +ö- 


X: 


Bei  I.  seilen  wir  Dissonanzen  in  der  Harmonie  eingeführt. 

Bei  IL  schreitet,  vor  ihrer  Auflösung,  die  Dissonanz  nach  einer  Note  der 
Neben -Harmonie  fort. 

Bei  III.  sind  ausgedehnte  Hülfsnoten  angewendet. 

Bei  IV.  einfache  Hülftnoten,  untermischt  und  verbunden  mit  ausgedehnten*). 

Es  darf  vorausgesetzt  werden ,  dafs  das  bisher  Gesagte,  durch  die  Beispiele 
hinlänglich  erläutert  worden  ist,   um  verstanden  zu  werden.     Es   würde  unnütz 


*)   Warum   die   Hülfsnote  Eis  im  siebenten  Takt,    so  wie  Ais  im  neunten  Takte  nicht  eine 
führt  werden  dürfen,  ist  gesagt  Seite  193. 


Dissonanzen     und     Neben  -Harmonien.  207 

sein,  mehrere  Regeln  zur  Anwendung  dieser  Verschönerungsnoten  hier  zu  häu- 
fen; der  beste  Rath,  der  gegeben  werden  kann,  ist  der,  die  Werke  klassischer 
Meister  zur  Hand  zu  nehmen,  und  in  ihnen  aufmerksam  zu  verfolgen,  wie  in 
den  verschiedenen  Fällen,  grofse  Meister  diese  Noten  angewendet  haben. 

Bei  den  hierher  gehörigen  Uebungen  wird  dem  Schüler  dringend  em- 
pfohlen, jede  Aufgabe  zuerst  vierstimmig  zu  schreiben,  ehe  er  eine  einzige 
Dissonanz  oder  durchgehende  und  Hülfsnote  in  der  Harmonie  einfühlt.  Nur 
die  strenge  Befolgung  dieses  Rathes  kann  ihn  vor  mancherlei  Verwirrungen  be- 
wahren. 

Um  den  Schüler  in  den  Stand  zu  setzen,  leichter  in  vorkommenden  Fallen 
die  verschiedenen  Durchgangs-  und  Hülfsnoten  unterscheiden  zu  können,  wol- 
len wir  eine  ganz  einfache  Melodie,  wie  wir  sie  in  den  früheren  Uebungen  an- 
gewendet haben,  nehmen;  diese  wollen  wir  für  das  Pianoforte  einrichten,  und 
sodann  die  erwähnten  Verschönerungsnoten,  mit  all'  den  üblichen  Zeichen  des 
Ausdrucks,  den  Pausen,  und  Punkten  u.  s.  w.  einführen;  damit  wir  Karakter 
und  Effekt  hervorbringen  *). 

Es  ist  wohl  zweckmäfsig,  hier  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dafs,  wenn 
für  das  Pianoforte  geschrieben  wird,  der  Komponist  sich  oft  genöthiget  sieht 
(wenn  er  einen  kräftigen,  erhabenen  Ausdruck  hervorbringen  will),  Intervallen 
der  Harmonie  zu  verdoppeln;  in  welchem  Falle  die  Regel  über  Oktavenfolge 
nicht  immer  beobachtet  werden  kann.  Wir  sehen  oft,  dafs  die  linke  Hand 
mit  verdoppelten  Oktaven  fortschreitet,  dies  wird  nicht  als  Oktavenfolge  ange- 
sehn,  da  diese  Verdoppelung  nur  eine  Verstärkung  des  Basses  ist.  Die  Regel 
aber,  die  sich  auf  die  Quintenfolge  bezieht,  mufs  in  ihrer  ganzen  Strenge  fort- 
bestehen. 

Im  folgenden  Beispiele  stehen  bei  as  auf  der  Oberzeile,  die  einfache  Me- 
lodie, und  bei  d,  auf  der  vierten  Zeile,  der  Grundbafs  dazu.  Zwischen  beiden 
(bei  b  und  c)  steht  die  für  das  Pianoforte  eingerichtete  Aufgabe;  wir  wollen 
nun  die  Melodie  bei  b  untersuchen,  und  sehen,  vermöge  welcher  Zeichen,  dein 
Ausdruck,  der  Verzierung  zugehörig,  diese  Melodie  aus  den  eigentlichen  Noten 
bei  a  entstanden  ist. 

Im  ersten  Takte,  bei  as  ist  die  zweite,   eine  halbe  Note,  diese  ist  bei  b  in 


*)  Dies  giebt  einer  Komposition  oft  das  Ansehen,  von  etwas  höchst  Schwierigem,  Verwickel- 
tem; wo  sie  in  der  That  nur  den  einfachen,  schon  erklärten  Zusammenhang  hat. 


<?ft« 


0£ 


Neben  -  Harmonien. 


einem  Viertel  umgeändert,  die  übrige  Zeit  aber  mit  einer  Pause  u.-  s.  w.  aus- 
gefüllt. Hierdurch  erhält  die  Melodie  einen  höhern  Grad  von  Ausdruck;  eben 
so  wird  ein  ausgezeichneterer  Karakter,  durch  die  schnelle  Fortschreitung  des 
Sechszehntheils,  nach  dem  nächsten  Ton  des  folgenden  Takts,  gegeben.  Der  ver- 
schiedene Effekt  mufs  auffallen,  wenn  die  Melodie  bei  a  damit  verglichen  wird. 

Im  dritten  Takte  ist  auf  der  letzten  Hälfte  eine  ausgedehnte  Hülfsnote  ein- 
geführt. 

Im  vierten  Takte  ist,  während  die  Melodiestimme  (oder  rechte  Hand)  pau- 
sirt,  eine  Passage  in  die  linke  Hand  gelegt.  Dies  soll  die  Theilnahme  wach 
erhalten,  und  einen  sanften  Uebergang  vom  Dominant  zur  Tonika  bilden. 


a 


Piano/orte. 


Grund- 
Bass. 


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^flsindaute,  con  Exp. 


Cres. 


—*-m—*.-*-m-+*S — * 


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11 


Neben-  Harmonien. 
12  13  14  15 


209 


16 


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H 1 j. 


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-b-h— !- 


e-+ — t- 


* 


Die  vorhergehende  einfache  Melodie,  bei  a3  ist  im  folgenden  Beispiele  bei- 
behalten ,  und  aus  den  innern  Stimmen  der  Harmonie  ist  die  Variation  dazu 
gemacht. 

ten.  1  ten.  ten.  1  ten. 


3= 


ü6=3 


^=ä 


Poco  /or.  1  T\J  \    f  \J  ) 


-ß — ß — ß 


ß ß — ß- 


}Tl  Tl   T\   fJW\   T\  T\  T 


i- 
I. 


Z  z£=3=  =J~ '   1        ~ — ~       I    _. =  =a — 

^-rfT^Fi  Ttri  f?ri  f  ?tt Vf Vf  ttfT VCBVm VC Vi V 

— —  i  ■  I  1  l  I      __»         .     ...  i  mJ  i  ■■■  i 


^*: 


[27] 


210 


"Verzierungen  oder  Verschönerungen. 


{ 


10 


h-h — fwi — 353 — i*Pff — rr*"- 


^-fa— t. 


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41 


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11 


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Für  das  Pianoforte  geschrieben. 
15  *  16 


211 


-e- 


Dem  Basse  ein  höheres  Interesse  beizulegen,  (da  die  Melodie  in  diesem  Bei- 
spiele so  aufs  erordentlich  einfach  ist),  sind  Neben-Harmonien  in  ihm  angebracht, 
wie  wir  dies  sehen  in  den  Takten  1.,  2.,  3.,  4.,  5.  u.  s.  w. ,  wo  der  ganze  Ak- 
kord, in  Viertel  eingetheilt,  nach  einander  angeschlagen  gehört  wird.  Im  neun- 
ten Takte  sind  die  Noten  für  die  rechte  Hand  auf  der  Bafszeile  geschrieben, 
zur  Vermeidung  der  tiefen  Linien. 

4  In  der  Melodie  der  folgenden  Variation  sind  durchgehende  Noten  einge- 
führt ,  und  werden  von  der  rechten  Hand  in  Oktaven  gespielt.  Die  innern 
Stimmen,  mit  den  hinzugefügten  Neben-Harmonien,  werden  von  der  linken 
Hand  gespielt. 


259. 


[27*] 


212 


Füf  das  Piaaoforte  geschrieben. 
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Ein  ausgezeichneter  Effekt  wird  in  der  folgenden  Variation  durch  die  ge- 
legentlich eingeführten  ausgedehnten  Durchgangs-  und  Hülfsnoten  bewirkt,  wel- 
che abwechselnd  in  der  rechten  und  linken  Hand  verlegt  sind. 


Für  das  Pianoforte  geschrieben. 
Con  Anima.  —  Staccato. 


213 


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Auf  dasselbe  Thema  enthält  das  folgende  Beifpiel  in  kurzer  Andeutung, 
eine  andere  Art  Variation,  in  welcher  die  Durchgehenden  und  Hülfsnoten  von 
der  rechten  Hand  mit  Oktaven  genommen  werden,  während  die  linke  Hand 
die  Harmonie  in  gebrochenen  Akkorden  angiebt. 


Für   das  Pianoforte  geschrieben. 


Legato.  j 


261. 


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I 


Der  Schüler  mag  vorstehendes  Beifpiel  vollständig  ausführen.  Zur  mehre- 
ren Ausbildung  mufs  er  aber  nicht  allein  neue  Variations- Formen  in  verschie- 
denen Stylen  über  dieses  Thema  versuchen,  sondern  auch  andere  Aufgaben  in 
ähnliche  Art  bearbeiten. 

Nichts  ist  geeigneter  ihn  auf  eine  leichte  Art  die  vollständige  Kenntnifs 
von  dem  Gebrauch,  wie  von  der  Wichtigkeit  der  Verschönerungs-Noten  zu  ge- 
ben, als  diese  eben  hier  empfohlene  Übung  in  Bildung  der  Variationen  über 
einfache  Themas. 

Es  würde  uns  zu  weit  über  die,  diesem  Werke  nothwendig  vorgeschriebene 
Grenze  führen,  wenn  wir  uns  weitläuftiger  in  der  so  dankbaren  als  interessan- 
ten Aufgabe,  für  das  Pianoforte  zu  schreiben,  einlassen  wollten.  Indessen  wer- 
den wir,  so  oft  die  Gelegenheit  sich  darbietet,  die  folgenden  Beispiele  so  ein- 
richten, dafs  sie,  indem  sie  die  vollen  Akkorde  angeben,  zugleich  nützliche  An- 
deutungen enthalten  sollen,  hinsichtlich  der  verschiedenen  Art  das  Erlernte 
auch  auf  Composition  für  das  Pianoforte  anwenden  zu  können  *). 


*)  Der  Autor  dieses  Werks  ist  damit  beschäftiget,  ein  Ideines  Werk  im  Druck  zu  geben,  wel- 
ches er  eigens  als  Leitfaden  für  diejenigen  bestimmt  hat,  die  ihre  theoretischen  Kenntnisse  der 
Musik  der  Composition  für  das  Pianoforte  widmen  wollen.  Es  werden  in  diesem  Werke  Bei- 
spiele von  den  Gompositionen  der.  ersten  Meister,  die  für  dieses  Instrument  geschrieben  haben, 
angeführt,  und  diese  bis  auf  die  Compositionen  unserer  Tage  fortgeführt  werden. 


I 


Steigende  Dissonanzen,   Retardationen.  215 

Steigende  Dissonanzen _,  oder  Retardationen. 
Wenn  in  der  Fortschreitung  des  Hauptseptimen -Akkords,  die  Terz,  statt 
unmittelbar  nach  der  Oktave  zu  steigen,  auf  dem  folgenden  Basse  liegen  bleibt, 
wird  sie  zur  Dissonanz,  welche  nachmals  in  die  Oktave  steigt ;  (man  sehe  im 
Beispiel  bei  a,  die  7).  Diefs  wird  eine  steigende  Dissonanz  genannt,  und,  da 
durch  sie  die  folgende  Consonanz  verzögert  oder  zurückgehalten  wird,  so  müs- 
sen wir  sie  eine  Retardation  oder  zurückhaltende  Dissonanz  nennen. 


' 


d 


8  & 

Bei  b  sind  die  übrigen  Noten  des  Akkords  hinzugefügt;  die  Terz  des  Do- 
minants  lassen  wir  fortbestehen  auf  den  Akkord  der  Tonika,  sie  bildet  hier 
den  grofsen  Septimen- Akkord,  (gewöhnlich  der  Akkord  der  scharfen  Septime 
genannt). 

Wenn  in  einer  steigenden  Melodie  die  Quinte  des  Dominant- Akkords, 
bei  seiner  Fortschreitung  nach  der  Tonika,    in  dieser   noch  beibehalten  wird, 


216 


Retardationen. 


so  erhalten  wir  die  Dissonanz  der  Sekunde  (steigend  nach  der  Terz  -wie  bei 
c) ;  werden  beide  Dissonanzen  von  a  und  c  verbunden  angewendet,  so  entsteht 
der  Akkord  der  g  (wie  bei  d). 

Fällt  die  Melodie,  so  wird  die  Note,  welche  bei  c,  eine  zurückhaltende 
Dissonanz  war  (die  2  in  die  3),  zu  einem  dissonirenden  Vorhalt  werden,  (die 
9  in  die  8)  wie  bei  e.  Um  demnach  gewifs  zu  sein  ob  diese  Dissonanz  die  2, 
oder  die  9  ist,  wird  es  nothwendig  ihre  Fortschreitung  zu  untersuchen.  Steigt 
die  Dissonanz  so  ist  sie  die  2,  fällt  sie,   so  ist  sie  die  9. 

Die  zwei  vorzüglichsten  zurückhaltenden  Dissonanzen  sind  hiermit  be- 
stimmt, es  bleibt  uns  nur  noch  die  Letzte,  das  heifst  die  Quarte  in  die  Quinte, 
anzuführen.  Diese  Dissonanz  ist  nicht  befriedigend  für  das  Ohr  wie  die  zwei 
vorerwähnten,  dies  beruht  wohl  auf  eine  Art  Ungewifsheit  des  Eindrucks  den 
wir  erhalten  (siehe  f),  da  wir  nicht  vor  der  Auflösung  entscheiden  können,  ob 
diese  Quarte  Vorhalt  oder  Zuriihhaltung  ist,  so  wird  es  zweifelhaft  für  unser 
Gefühl,  ob  wir  nicht  die  Dissonanz  gleichzeitig  mit  ihrer  Auflösung  hören, 
(wie  bei  g). 

Damit  diese  Ungewifsheit  gehoben  werde,  dürfen  wir  nur  die  Dissonanz 
einen  halben  Ton  erhöhen,  wie  im  folgenden  Beispiele  (bei  a)  wodurch  sogleich 
ihre  steigende  Auflösung  im  voraus  bestimmt,  und  aller  Zweifel  über  ihre  ei- 
gentliche Beschaffenheit  gelöfet  ist. 


In  derselben  Art  kann  auch  die  Sekunde  einen  halben  Ton  erhöht  werden, 
die  gleiche  Ungewifsheit  wird  auch  hier  dadurch  gehoben;  denn  die  dissoni- 
rende  Sekunde,  wenn  sie  nicht  mit  der  Quarte  verbunden  als  Vorhalt  ange- 
wendet wird  *),  kann  für  die  None  gehalten  werden,  bis  ihre  Auflösung  statt 
findet,  und  es  wird  die  Harmonie  so  lang  ihres  schönsten  Intervalles,  der  Terz, 
beraubt  erscheinen  (wie  bei  b).    Doch  erhöhen  wir  die  2  um  einen  halben  Ton 

(wie  bei  c)  so  ist  augenblicklich  alles  Zweifelhafte  beseitiget. 

Die- 


*)  Hierdurch  entsteht  der  Akkord  der  Ute. 


Retardationen. 


217 


Dieselbe  Regel  welche  für  die  dissonirenden  Vorhalte  gegeben  worden, 
„dafs  die  Dissonanz  nie  gleichzeitig  mit  der  Consonanz,  in  welcher  sie  sich 
auflöset  erscheinen  darf,"  gilt  eben  sowohl  für  die  dissonirenden  Retardationen. 
Das  Cis  im  2ten  Takte  des  folgenden  Beispiels,  hält  das  D  zurück  (da  es  die  4 
in  die  5  ist).  Das  D,  welches  im  Tenor  erscheint  (und  die  5  ist)  kann  dem- 
nach nicht  erlaubt  werden. 


264. 


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Derselbe  Irthum  der  im  2ten  Takte  hier  obwaltet,  erscheint  abermals  im 
folgenden  3ten,  wo  die  Terz  des  Akkords  sich  im  Tenor  vorfindet,  während 
dasselbe  Intervall  im  Sopran  zurückgehalten  ist:  beide  Fehler  sind  bei  b  vermieden. 

Das  Folgende  ist  eine  Übung  in  der  die  diatonische  Tonleiter  in  drei  Stim- 
men ausgesetzt  *),  mit  steigenden  Dissonanzen,  und  durchgehenden  und  Hülfs- 
noten  untermischt  ist. 


*)  Die  Belehrung  wie  die  Harmonien  für  mehr  oder  weniger  als  4  Stimmen  zu  setzen,    wird 
weiterhin  in  einem  besondern  Abschnitt  folgen. 

[28] 


218  Retardationen   mit  durchgehenden  und  Hülfsnoten. 

Das  vorhergehende  Beispiel  folgt  hier  in  4  Stimmen  geschrieben. 
Allcgro. 


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ipS^frcij 


Damit  der  Schüler  besser  unterscheiden  möge,  wo  diese  Dissonanzen  (un- 
termischt mit  durchgehenden  und  Hülfsnoten)  eingeführt  sind,  wird  ihm  em- 
pfohlen, zuerst  die  einfache  Tonleiter  in  zerstreuter  Harmonie  niederzuschrei- 
ben wie  sie  hier  zum  Grunde  liegt,  und  alsdann  die  Dissonanzen  und  andere 
Verzierung* -Noten,  den  gegebenen  Regeln  gemäfs  erst  hinzuzufügen. 

In  dem  vorstehenden  Beispiele  ist  zu  bemerken,  wie  die  diatonische  Ton- 
leiter durch  die  ersten  3  Takte  hindurch  im  Sopran  gestellt  ist,  in  den  dann 
folgenden  3  Takten  übernimmt  der  Alt  die  Fortsetzung,  hieraus  ist  eine  Nach- 
ahmung zwischen  diesen  beiden  Stimmen  entstanden.  Der  Schlufs  der  diatoni- 
schen Tonleiter  liegt  für  die  zwei  letzten  Takte  wieder  im  Sopran. 


Akkord  von  der  Eilfte. 

Wenn  alle  Intervallen  des  Hauptseptimen -Akkords  beibehalten  werden  auf 
den  Bafs  der  darauf  folgenden  Tonika,  so  werden  die  zurück-  und  vorhalten- 
den Dissonanzen  verbunden. 

Bei  a  im  folgenden  Beispiele  sind  zwei  Vorhalte  (die  9  in  die  8  aufgelöst, 
und  die  4  in  die  3);    und  eine  zurückhaltende  Dissonanz  (die  7  in  die  8). 

Bei  b  sind  zwei  zurückhaltende  Dissonanzen  (die  7  in  -die  8,  und  die  2  in 
die  3);  und  ein  Vorhalt  (die  4  in  die  3). 

Bei  c  linden  wir  zwei  vorhaltende  und  zwei  zurückhaltende  Dissonanzen. 


Der  Akkord  von  der  Ute. 


219 


Indem  wir  unter  dem  Dominant-Akkord  bei  a,  als  Bafs  feine  Tonika  stellen 
(wie  bei  b  im  folgenden  Beispiele  268),  werden  die  Intervallen  ihre  Namen  ver- 
ändern; das  heifst,  die  ursprüngliche  3  wird  zur  7,  und  die  ursprüngliche  7  zur 
Ute,  es  ist  von  dem  letzteren  Intervall,  dafs  der  Akkord  seinen  Namen  erhält. 


268. 


N.  B.  Das  Intervall  der  11  ist  stets  durch  die  4  bezeichnet,  da  die  Zahlen 
über  die  9  hinaus  selten,  oder  nimmer  in  der  Harmonie  angegeben  werden. 

Im  folgendem  Beispiele  ist  bemerkenswerth ,  dafs  die  diatonische  Tonleiter 
mit  den  gewöhnlichen  Grundbässen  und  Harmonien  begleitet  ist,  nur  die  To- 
nika *)  (der  Erzeuger)  steht  auf  der  untersten  Zeile,  wodurch  der  Akkord  von 
der  Ute,  bei  a,   entsteht. 


21 


1   8J     1 

-»— i — *r 


269. 


Erzeuger 


Vergleichen  wir  die  Beispiele  267  und  269,  so  finden  wir  dafs  der  Akkord 
von  der  Ute  zwei  ganz  verschiedene  Charaktere  hat;  zuerst  als  Vorbereiteter, 
und  sodann  als  Unvorbereiteter. 


*)  Hier  sehen  wir  dafs  die  Schwingung  der  Saite  den  Akkord  von  der  Ute  angiefat. 

[28*] 


220 


Der  Akkord  von  der  Ute. 


Der  Dominant- Akkord  wissen  wir,  mufs  in  seiner  Tonika  sich  auflösen- 
statt  dessen  sehen  wir  Beispiel  267  den  ganzen  Dominant-Akkord  über  dem 
Bafs  der  Tonika  fortgeführt,  und  die  Intervallen  dadurch  in  ihrer  Fortschrei- 
tung aufgehalten. 

Im  2ten  Falle  ist  der  Dominant-Akkord  sogleich  über  den  Bafs  der  Tonika 
gestellt,  ohne  vorher  angeschlagen  worden  zu  sein;  wir  sehen  hier  nur  die  Fort- 
schreitung des  Hauptseptimen- Akkords ,  der  mit  dem  Bafs  seiner  Tonika,  statt  mit 
dem  eigenen  Grundbafs  begleitet  ist,  welcher  Letztere  ganz  übergangen  worden. 

Um  diese  beiden  Charaktere  gehörig  zu  unterscheiden,  ist  nöthig  sich  zu 
vergewissern  oh  die  Harmonie  des  Dominant -Akkords,  vor  dem  Akkord  der 
Ute  vorhergegangen,  war  dies  der  Fall,  so  ist  er  vorbereitet,  und  mufs  auf 
dem  accentuirten  Takttheile  fallen;  war  diefs  aber  nicht  der  Fall,  so  ist  er  un- 
vorbereitet und  wird  nur  (wie  schon  eben  bemerkt)  als  eine  Fortschreitung 
des  Dominant- Akkords  angesehn,  der  mit  der  Tonika,  statt  mit  dem  eige- 
nen Grundbafs  begleitet  ist. 

Bei  I.  im  folgendem  Beispiele  ist  die  Melodie  mit  der  gewöhnlichen  Har- 
monie begleitet. 

Bei  IL  ist  der  Akkord  von  der  Ute  eingeführt,  unvorbereitet  bei  b,  und 
vorbereitet  bei  c. 


270, 


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i__t_Lp ^=;c_r__^:t_____c_T= ;t 


IL     (b)  >    >(b) 

,    ,      i     i    !.  ,      i 


Der  Akkord  von  der  Ute. 


221 


In  dem  Akkord  der  Ute  kann  die  Hauptseptime  steigen,  wie  im  letzten 
Beispiele  II.  Takt  5  und  6  zu  sehen.  Wenn  der  Akkord  der  Ute  unvorbe- 
reitet eintritt,  mufs  der  Grund-Akkord  von  der  Tonika  vorhergehen,  in  wel- 
cher er  auch  nachmals  sich  auflöset.  In  diesem  Falle,  können  denn  auch  die, 
bei  dieser  Fortschreitung  des  Basses    erlaubten  Dissonanzen   genommen   werden. 

Im  nachfolgendem  Beispiele  bei  «,  sind  die  6  in  die  5,  und  bei  b,  die  4 
in  die  3  eingeführt. 


271 


andante  coti  express.  ,    ,  ^*— — 

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272.  ) 
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O-      ^    Ä-ä-AAÄ. 


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Der  Akkord  von  der  13te. 


Es  erscheint  der  Akkord  von  der  Ute  bei  a,  unvorbereitet  mit  der 
dissonirenden  Sexte  in  die  Quinte;  bei  b,  unvorbereitet  mit  der  Quartein 
die  Terz;    und  bei  c,  vorbereitet. 

Bei  d,  ist  der  Akkord  von  der  Ute  auf  der  falschen  Kadenz  eingeführt, 
welches  verglichen  werden  mufs,  mit  dem  Akkord  wie  er  im  6ten  Takte  steht. 

Der  Akkord  von  der  Dreizehnte. 

Die  Construction  des  Akkords  von  der  13te,  ist  ganz  ähnlich  der,  des  Ak- 
kords von  der  Ute;  denn  indem  der  Dominant -Akkord  mit  hinzugefügter  gro- 
fsen  oder  kleinen  None  über  den  Bafs  der  Tonika  gestellt  wird,  entsteht  der 
Akkord  der  13te. 

Im  folgenden  Beispiele  bei  a,  ist  der  Akkord  der  grofsen  None,  und  bei  b, 
der  Akkord  der  kleinen  None  geschrieben. 


273. 


N.  B.  Es  ist  zu  bemerken,  dafs  indem  der  Nonen- Akkord  über  den  Bafs 
der  Tonika  gestellt  wird,  dafs  Intervalle  der  9  zu  einer  13  wird,  wodurch  der 
Akkord  sein  Namen  erhalten. 


fK— r*~ 


:~ *3 — -I- 


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-i— 
-p- 


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I       -©-^•■*- 
In  dem  vorstehenden  Beispiele  bei  c  sind   2  Vorhalte,    %,    und  2  Retarda- 
tionen  oder  verzögernde  Dissonanzen,  die  7^. 


Der  Akkord  von  der  13te. 


223 


Bei    d   sind  3  Vorhalte  g,    und  eine  Retardation,  die  7. 

Bei  e  wieder  3  Vorhalte  §,   und  zwei  Retardationen,  die  Z. 

Wenn  dem  Akkord  der  13te,  der  Dominant -Akkord  vorhergeht,  so  ist  er 
vorbereitet   (im  vorstehenden  Beispiele  ist  er  durchgängig  vorbereitet). 

Geht  aber  der  Dominant -Akkord  nicht  vorher,  so  ist  er  (wie  dies  schon 
bei  dem  Akkord  der  Ute  gesagt)  nicht  vorbereitet,  und  wird  ganz  eben  so 
behandelt  wie  dieser  letzt  genannte  Akkord. 

Im  folgenden  Beispiele,  welches  die  diatonische  Moll -Tonleiter  mit  beglei- 
tenden Harmonien  enthält,  erscheint  der  Akkord  der  13  unvorbereitet. 


274.  <^ 


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4 

2 


±SS 


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8 
S 
b 


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4 


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4 


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16  5 

4  h 


ai 


:0: 


:0: 


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:0= 


Q- 


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-O- 


Die  Dissonanzen  der  Sechste  und  Quarte  mögen  ebenfalls  hinzugefügt  wer- 
den wie  im  Beispiel  271. 

Das  folgende  Beispiel,  (welches  für  das  Pianoforte  gesetzt  ist)  zeigt  uns  die 
Akkorde  von  der  Ute,  und  der  13te  in  verschiedenen  Lagen, 


sillegro  agitato 


275.   ) 


-&- 


224  Die  Akkorde  von   der   Ute  und   13te   angewendet. 


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fl6   b7 
5 


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15 


'    T 


6      .7 

«      1 


:0: 


Akkord  von  der  Ute  und  13te. 


225 


raJ~'    i  J  j 


<%> 


Bei  <z  im  vorhergehenden  Beispiele  erscheint  der  Akkord  der  13te  vier-, 
auch  mehrmals  fünfstimmig  unvorbereitet. 

Bei  b  fünfstimmig  unvorbereitet,  mit  hinzugefügtem  Vorhalt  der  Quarte. 

Bei  c  ist  er  vorbereitet. 

Bei  d  ist  der  zusammengesetzte  grofse  Sechsten -Akkord,  auf  welchem  un- 
mittelbar (bei  c)  der  Akkord  der  13te,  hier  vorbereitet,    folgt. 

Bei  e  steht  der  Akkord  der  Ute  unvorbereitet. 

Bei  f  der  Akkord  der  Ute  unvorbereitet,  mit  hinzugefügtem  Vorhalt 
der  Quarte. 

Bei  g  ist  gezeigt  wie  der  Akkord  der  13te  aus  dem  Akkord  der  grofsen 
None  entsteht,  auf  dem  folgendem  Viertel  ist  er  in  dem  Akkord  der  Ute  um- 
geändert, wonach  der  Akkord  der  13te  wiedererscheint,  (bei  h)  entspringend 
aus  dem  kleinen  Nonen- Akkord. 

Bei  i  sehen  wir  den  Akkord  der  13te  unvorbereitet,  mit  der  dissoniren- 
den  6te  hinzugefügt. 

N.  B.  Die  dissonirende  6te  wird  hier  einen  viel  schneidendem  Eindruck 
auf  das  Gehör  machen,  als  die  Quarte  bei  b. 

Zum  Beschlufs  müssen  wir  noch  anmerken,  dafs  die  4  und  7  die  vorzüg- 
lichsten Intervallen  in  dem  Akkord  der  Ute;  —  die  4,  6  und  7  aber,  die  vorzüg- 
lichsten Intervallen  in  dem  Akkord  der  13te  sind;  keines  dieser  Intervallen 
darf  in  dem  Akkord  ausgelassen  werden,  doch  die  Übrigen  können  fortbleiben, 
und  benutzt  werden  nach  Gefallen, 


[  29  ] 


226  Verschiedenheit  der  Kadenzen. 

Verschiedenheit  der  Schlafs-   und  andern  Kadenzen. 

Bevor  der  Leser  hier  fortfährt,  wird  ihm  dringend  empfohlen  zu  durchle- 
sen was  zu  Anfang  über  diesen  Gegenstand  gesagt  ist,  Seite  91  bis  96,  Wovon 
dieses  als  Fortsetzung  angesehen  werden  mufs.  , 

Um  die  Eintönigkeit  in  den  Schlufs-  und  andern  Kadenzen  zu  vermeiden  hat 
man  einige  gelegentlich  eingeführt  die  minder  vollkommen  sind  als  die  schon 
beschriebenen;  zum  Beispiel:  der  Akkord  des  Sub-Dominant  wird  zu  Zeiten 
übergangen,  indem  der  §  oder  %  Akkord  auf  dem  Dominant  angenommen 
wird,  wie  im  folgendem  Beispiel  bei  I. 


& 
h        M 

^z~ O — ^~ :  —  t=t=z:  — 


Bei  IL  finden  wir  ist  der  %  Akkord  auf  dem  Dominant  nicht  gebraucht  da- 
gegen der  Sub-Dominant  mit  addirter  Sechste  behalten. 

Bei  III.  ist  die  Sechste  allein  auf  dem  Sub-Dominant  genommen. 


Verschiedenheit  der  Kadenzen.  227 

Zu  Zeiten  wird  die  Kadenz  wie  bei  IV.  geschrieben,  mit  der  ersten  Ver- 
setzung des  kleinen  Nonen-  Akkords  (dem  verminderten  Septimen -Akkord). 

Oder  wie  bei  V.  wo  die  2te  Versetzung  desselben  Akkords  angewendet  ist. 

Auch  wie  bei  VI.  wo  der  zusammengesetzte  grofse  Sechsten -Akkord  ge- 
nommen ist  |,^. 

Wir  werden  finden,  wenn  wir  auf  den  Grundbafs  zurückgehn,  dafs  die  3 
letzten  Kadenzen  sich  auf  einer  verzögerten  Modulation  beziehen  *). 

Es  trifft  sich  oftmals,  dafs  eine  Kadenz  gemacht  wird  in  einer  Tonart,  die 
ganz  verschieden  ist  von  der  Tonart,  in  welcher  wir  uns  zur  Zeit  befinden;  in 
diesem  Falle  nennen  wir  sie  eine 

Unregebnäfsige  Kadenz. 


*)  Späterhin  die  Erklärung. 


[  29  *  ] 


228 


Verschiedenheit  der  Kadenzen. 


D  moll. 


X. 


f 
i 


Kad.  in  J"dur. 

_-_  I 


äet 


Zf^j--ZßZ 


'-Wp—P- 


jti!*~ pz  :iO_tz: 


3  ■ 


f 


■+- 


4= 


3z: 


:t: 


:z=q: 


£: 


1-7 

rrjt 


-o- 


XI. 


< 


-*" — i 


E£ 


-**- 


1=1 


f 


13- 


:=t: 


— J-Jh 


*E*ß 


E§EEff= 


6 

4 


=0: 

ztiz 


-=v^- 


ö 

4 
3 


XII 

-U- 1 


-^-fci— ^~ 


_^W 


-fe©.-'**- 


±: 


6 
6      b4 


t 


b7 


P 


^= 


* 


■fe©= 


D  moll. 


Kad.  in  A  moll. 


Z)moll. 


Kad.  in  Hes. 


m.  vorstehenden  Beispiele 

Bei  VII.  sind  wir  in  der  Tonart  Ddur;  die  Kadenz  ist  aber  in  A  dur,  der 
Tonart  des  Dominants  gemacht. 

Bei  VIII.  sind  wir  in  der  Tonart  -Fmoll,  machen  aber  die  Kadenz  in  As, 
der  verwandten  Durtonart. 

Bei  IX.  sind  wir  in  der  Tonart  As;  doch  unsre  Kadenz  ist  in  der  ver- 
wandten Molltonart  F,    gemacht. 

Bei  X.  sind  wir  in  D  moll,  die  Kadenz  ist  aber  in  der  verwandten  Durtönart  F. 

Bei  XI.  haben  wir  Draoll,   und  machen  eine  Kadenz  in  A  moll. 

Bei  XII.  wieder  Dmoll,    die  Kadenz  aber  in  Hes. 

Es  wird  häufig  auch,  statt  unmittelbar  von  Tonika  nach  Sub -Dominant 
fortzuschreiten,  ein  kleiner  Dreiklang  vorher  eingeführt,  welche  Bafsnote  (wenn 
wir  in  einer  Durtonart  schreiben)  eine  kleine  Terz  unter  dem  Bafs  der  To- 
nika liegt  (siehe  XIII.  a). 


Anwendung  der  verschiedenen  Kadenzen. 


229 


Dahingegen  wenn  wir  in  einer  Molltonart  uns  befinden,  diese  Baisnote 
eine  grofse  Terz  unter  der  Tonika  liegt,  und  der  Akkord  ein  Dur- Akkord 
sein  mufs  (siehe  XIV.  b). 

Wenn  eine  Kadenz  in  einer  Molltonart  gemacht  ist,  kann  die  addirte  6te 
auch  zu  einer  kleinen  Sechste  gemacht  werden  (siehe  XV.  c). 


(cj    XV. 


279 


{ 


äE^EÜg 


bä- 


&—rf&hJ- 


^mm 


Bf 


b6 

5 

h 


-»- 


:p 


±= 


^ * 


(dj    XVI. 


p: 


-fefc 


t6 

-r»v- 


• ^ 


i 


6 

4 


-S 


tP 


7 


Bei  <s?  ist  die  kleine  addirte  6te  verdoppelt,  und  die  Quinte  des  Akkords 
fortgelassen. 

N.  B.  Da  dieser  Akkord  mit  der  kleinen  Sechste,  darauf  berechnet  ist,  das 
Gefühl  des  tiefsten  Schmerzes  auszudrücken,  so  dürfen  wir  ihn  nur  höchst  sel- 
ten anwenden. 

In  dem  folgenden  Beispiele  der  Modulation,  sind  die  meisten  der  hier  au- 
geführten Kadenzen  benutzt,   und  mit  den  früheren  Nummern  bezeichnet. 


I 


280. 


-<3— — i — j-g— ~. Ö-g — 1 — \-4 ~-$-\-d -{— +-J Mt) 


3E§=S 


-ß- 


e> 


=zz:=f: 


6 

4 


-ß- 


7 
-ß- 


:t 


.±z5 


r^i=7=: 


6 
4 

l-2 
— 1= 


III. 


e 

41 

3 

-C- 
:t: 


230 


Anwendung  der  verschiedenen  Kadenzen. 


XIV. 


-U — -w*^ — u»*"-^ — i«*r^-f — i^*h r"*'^-t — ^*'(,ri ^s»**-i — =»** — i***'*^ — - — i 


Kadenz. 


-0" 


J- 
:  ,JD_- zzaz: — i    jz=r: 


6 

4 


6 

I 


±: 


±: 


:Ö: 


XV. 


'-a—/^^'- 


Kadenzen. 


231 


i 


t    ******  *s     l       v    be 


§   Kadenr..,  -, 
4  b7 


Unvollkommene  Kadenz. 
Die  Schlufs- Kadenz  mufs  bei  öfterer  Wiederholung  nothwendig  von  ihrer 
Wirkung  verlieren,  das  Ohr  an  ihrer  regelmäßigen  Folge  gewöhnt,  vorempfin- 
det diesen  Schlufs,  und  daraus  entsteht  eine  Art  Gleichgültigkeit.  Deshalb  kön- 
nen wir,  statt  den  ^  Akkord  in  dem  Grundbafs  des  Septimen -Akkords  aufzulö- 
sen, die  dritte  Versetzung  des  Septimen -Akkords  folgen  lassen,  wodurch  das  Ohr 
in  seiner  Erwartung  getäuscht,  und  ein  neues  höheres  Interresse  erweckt  wird. 


231.. 


— f— ©- 


XVH. 


r — r 


:©: 


6 

4 
2 


*=*=a=i 


-X 


-c3- 


e 


Ete" t 


-fe<- 


:0: 


«— 


— I- 
:Cä: 


6 
5 


fc« 


6 

4 


R 

4 
2 


~0 — *=& 


Falsche  Kadenz. 
Dem  ohngeachtet  wird  bei  oftmaliger  Wiederholung,  das  Ohr  auch  an  diese 
Art  von  Täuschung  sich  gewöhnen,  und  vorbereitet  sein  auf  eine  solche 
Folge,  es  mag  also  eine  neue  Gattung  dieser  Trug-Kadenzen  in  Ausübung 
kommen.  Zum  Beispiel  wir  wollen  das  Ohr  ganz  ruhig  bis  zu  dein  Hauptsep- 
timen-Akkord leiten,  nach  welchem  keine  Täuschung  mehr  zu  fürchten  scheint, 
und  die  Schlufs -Kadenz  nothwendig  folgen  mufs;  doch,  statt  diesen  Grundsep- 
timen-Akkord in  seiner  Tonika  aufzulösen,  kann  ein  anderer  Akkord  plötzlich 
eingeführt  werden,   diefs  wird  die  ermattende  Aufmerksamkeit  der  Zuhörer  so- 


2S2 


Kadenzen. 


gleich  ermuntern;  und  obwohl  keine  Unterbrechung  der  natürlichen  Folge  der 
Haupt -Intervallen  des  Dominant-Akkords  statt  gefunden  hat,  (denn  sie  lösen 
alle  wie  gewöhnlich  in  Consonanzen),  so  ist  dennoch  da  die  Bafsnote  unerwar- 
tet eintritt,  eine  angenehme  Überraschung  erreicht;  wohl  berechnet  auf  den 
früher  angedeuteten  Zweck.     Dies  müssen  wir  eine  falsche  Kadenz  nennen. 


Im  vorhergehenden  Beispiele  bei  a,  steigt  der  Dominant,  statt  nach  seiner 
Tonika  fortzuschreiten,  einen  ganzen  Ton  nach  A,  welches  ein  Moll -Akkord 
werden  mufsj  nothwendig  hier  zu  merken  ist,  dafs  die  falsche  Kadenz  in  der 
der  Bafs  einen  ganzen  Ton  steigt,  nur  in  einer  Dur-Tonart  angewendet  wer- 
den kann.     Bei  b  und  c  sind  Dissonanzen  eingeführt. 

Sollte  diese  letzte  falsche  Kadenz  bei  öfterer  Wiederholung  gleichfalls  ihre 
Wirkung  verlieren,  so  mögen  wir  den  Bafs  des  Dominant,  statt  des  ganzen  To- 
nes, auch  einen  halben  Ton  steigen  lassen,  wie  bei  a.  In  diesem  Falle  mufs 
jedoch  der  Schlufs -Akkord  der  falschen  Kadenz  ein  Dur- Akkord  sein. 

'  „Wenn  wir  in  einer  Dur-Tonart  sind,  mag  die  falsche  Kadenz  durch  das 
Steigen  des  Basses  um  einen  ganzen  oder  halben  Ton  bewirkt  werden;"  — 
dagegen 

„Wenn  wir  in  einer  Molltonart  sind,  kann  der  Bafs  nur  einen  halben 
Ton  steigen"  (b). 


XIX, 


283.  { 


XX.     /■ 


>5 

-fe©- 


-4- 


+ — e>- 


7 

H 


-ö- 


jipg 


7- 

8 


:0=t: 


1 

Die 


Falsche  Kadenzen. 


233 


Die  falsche  Kadenz  kann  eingeführt  werden,  ohne  dafs  Sub- Dominant  noch 
5  Akkord  vorhergegangen  sind  (c). 

Nach  der  Einführung  der  falschen  Kadenz  können  'wir  auf  zweierlei  Art 
verfahren. 

Erstens  können  wir  sogleich  nach  der  falschen  Kadenz  in  der  Tonart 
schliefsen,  in  der  wir  zu  Anfang  es  beabsichtigten. 

Zweitens  können  wir  annehmen,  dafs  wir  wirklich  nach  der  Tonart  modu- 
lirt  haben,  in  der  Avir  durch  die  falsche  Kadenz  gelangt  sind;  in  diesem  Falle 
müssen  wir,  vermittelst  des  grofsen  Sechsten -Akkords  (siehe  a  im  folgenden 
Beispiele)  oder  durch  den  ^  Akkord  (Z>)  oder  auch  mit  dem.  verminderten  Sep- 
timen-Akkord (c)  zuerst  nach  dem  Dominant  zurück  moduliren  welcher  der 
falschen  Kadenz  vorangegangen,  und  sodann  mit  diesem  nach  dem  Grundtone 
zurückkehren. 


=*i 


7   Iä- ^2  ,       4       7 

Ez=Ezt=t=: 


3äi 


H^-&i 


:Ct 


13j 


1,7        4      7 


™=P 


1-& 

tz±zd 


Im  folgendem  Beispiele  der  Modulation,    sind   die   vorerwähnten  Kadenzen 


eingeführt. 


285.  I 


1         — I j—  —  H 

«■■^^■01  ■M^H^ta^M  HDISk  Wlllim  Vi         !■!■■  ^1     /■  II  II  I  ■  UBliW'-fc  BC  flffl  »  VJ^k~2i 


p= 


fe,s- 


£ 


6 
6 


6 

5 


( 


Unvollk.  Kad. 


XXII. 


ssä- 


^T,^  aaLfcp-JL^ 


^grffgW^gw^B^i^rif 


3E£ 


ä 


:©: 


4 


o 

b5 


4 


-@" 


E  30] 


234 


Die  falschen  Kadenzen  eingeführt. 


fe©- 


:t: 


3p: 


i  & 

15 


t: 


:p 


b6 
4 


6 

4 

2 


— I 1       ~i~^rt~~i —  HTl"""}^ '— { — ^?nT  -n— -j — I — f)=:::n~<(:::^: 


S 


ipa 


:b*: 


b6 

b5 


b5 


fe#- 


3 


:d=i 


:!äst: 


zJ— 3= 


ES    tuM  WJ    Mnä 


Fffl 


6 

b4 


b7 

3 


J-^-L^ 


~r--SST  ±3~  + 


3&ms 


y    tf 


— CS — 'Z^2~ 
■1*d-4g04- 


ifca- 


:1: 


j{Cl 


17 
b5 

4 


-fc^ 


-•3" 


-1- 


b6- 

b4- 


-b7 
—  3 


::bO: 


b5 
3 


9  d±s 


3 


S 

6 

b 


— **< o +- 1 fe* * 

(*»-— — hmJ 1 ■ | 0 ~ 


hß- 

fe5~ 


-0- 

:p: 

-6- 
5 

b 


Die  unterbrochene  Kadenz. 


235 


Die  unterbrochene  Kadenz. 

Auch  können  wir  statt  eine  Schlufs-  oder  falsche  Kadenz  einzuführen,  auf 
dem  Dominant  plötzlich  inne  halten,  und  in  die  Stelle  der  Tonika  eine  Pause 
folgen  lassen  (wie  im  folgenden  Beispiele  bei  a);  nach  welcher  wir  fortfahren 
können  wie  bei  b,  oder  wie  im  Beispiele  284.  bereits  gezeigt  ist. 


286. 


i 
— l- 


a 


=0= 


-s-+ 


~j- 


:=#fe5 


sz 


— 4—1—1- 


jö 


KzisÄ^ 


B 


« -*■ 


:d= 


■© 


-4_w 


«**- 


#*»* 


+-4- 


— U-rt 


TT 
-f\%-——- 


4-£- 


--!- 


:*-s5: 


* 


1= 


iH 


!z^z3izii: 


^r 


— ■? 

— i 


4^z 


a 


Unregelmäfsige  falsche  Kadenz. 

In  den  früher  angeführten  falschen  Kadenzen  schreiten  alle  Intervallen  nach 
Consonanzen  fort;  es  kann  aber  eine  falsche  Kadenz  so  construirt  werden,  dafs 
ihre  Intervallen,  (obwohl  ihre  Fortschreitung  dieselbe  bleibt,)  sich  nicht  in 
Consonanzen  auflösen. 

Wir  müssen  uns  erinnern,  dafs  in  den  bisherigen  falschen  Kadenzen,  der  Bafs 
(einen  ganzen  oder  halben  Ton)  unmittelbar  nach  einem  Grundbafs  steigt. 

[30*] 


236 


Kadenzen. 


Im  folgendem  Beispiele  fällt  der  Bafs  einen  grofsen  halben  Ton,  und  zwar 
nicht  in  dem  Grund bass,  sondern  in  der  ersten  Versetzung  des  kleinen 
Nonen  -  Akkords. 


r  t  f 

Bei  a,  im  vorstehenden  Beispiele,  steigen  und  fallen  die  vorzüglichsten  In- 
tervallen des  Dominant -Akkords  zwar  nach  der  Regel,  jedoch  ihre 
Auflösung  erfolgt  nicht  in  Consonanzen,  da  die  Terz  nach  der 
Haupt-Septime,  und  die  Septime  nach  der  kleinen  None  fortge- 
schritten. Dem  zu  Folge  müssen  wir  dies  eine  unregelmäfsige 
falsche  Kadenz  nennen. 

Bei  h,  steigt  die  Quinte,   wodurch  die  None  verdoppelt  wird. 

Bei  c,  ist  der  Terz  erlaubt  worden  zu  fallen,  damit  der  folgende  Akkord 
vollständiger  werde. 

N.  B.     Die  beste  Art  diesen  Akkord  zu  schreiben  ist  die  bei  a. 


Die  'verzögerte  Kadenz. 

Wenn  anstatt  unmittelbar  vom  Dominant  zur  Tonika  fortzuschreiten,  wir 
zuvor  noch  einige  aufhaltende  Modulationen  anbringen,  und  dann  erst  schliefsen, 
so  wird  diefs  eine  verzögerte  Kadenz  genannt. 


2S8. 


-4- 


b7 


1,7      6 Ü6 

15    \,5    —   —         4 


:q=q:=:iz:q= 


T  rpyH-Zj-iv*- 

0—0— 


Die  grofse  Kadenz. 

In  der  vollkommenen  Schlufs  -  Kadenz,  geht  der  Tonika  jederzeit 
der  Dominant  voraus,  in  der  grofsen  Kadenz  dagegen,  geht  der  Tonika 
der  Sub -Dominant  voraus. 


Zweifelhafte  Modulation. 


237 


Diese  Kadenz  wird  bei  feierlichen  geistlichen  Musiken  angewendet  zu  dem 
Worte  Amen!  sie  macht  einen  grofsen,  erhabenen  Eindruck,  und  ist  darauf  be- 
rechnet das  Gemiith  zu  dem  Gefühl  der  Ehrfurcht  und  Anbetung  zu  erheben. 

Zweifelhafte   Modulation. 

Um  einen  deutlichen  und  richtigen  Begriff  von  dem  Grundsatze  zu  geben 
nach  welchem  diese  Modulation  festgestellt  worden,  sind  vielleicht  einige  vor- 
laufige Bemerkungen  nothwendig.  Es  ist  oftmals  schon  erwähnt,  dafs  die  zwei 
vorzüglichsten  Intervallen  des  Dominant-Septimen-Akkords  unmerklich  das  Ohr 
bestimmen,  die  Fortschreitung  nach  der  Tonika  zu  erwarten,  (durch  die  Nei- 
gung der  Septime  zu  fallen,  und  der  Terz  zu  steigen.) 

Die  unwiderstehliche  Neigung  dieser  beiden  Intervallen,  so  fortzuschreiten, 
wird  bei  näherer  Untersuchung  vorzüglich  (wenn  nicht  allein)  darauf  beruhend 
befunden  werden,  daTs  die  Terz  des  Akkords  grofs  ist,  denn  sobald  wir  sie  in 
eine  kleine  umändern,  verschwindet  diese  Neigung,  wie  sich  dies  aus  dem  fol- 
genden Beispiele  klar  ergiebt. 


238 


Akkorde  von  zweifelhafter  Bedeutung. 


Die  Akkorde  bei  I.,  IL,  III.,  haben  kleine  Terzen,  und  obwohl  jeder  dieser 
Akkorde  eine  Hauptseptime  enthält,  so  wird  doch  keine  Erwartung  in  dem 
Gemüth  erregt  clafs  diese  Terz  steigen  mufs.  Das  Ohr  erlaubt  ohne  den  ge- 
ringsten AViderwillen  dieser  Terz  sich  in  eine  Septime  bei  der  Fortschreitung 
zu  verwandeln.  Bei  IV.  dagegen  ist  der  Fall  sehr  verschieden,  denn  die  Terz 
(G)  ist  grofs,  es  erwartet  daher  das  Ohr  dafs  diefe  Terz  steigen,  und  der  Ak- 
kord der  Tonika  {As)  folgen  soll:  So  auch  der  Akkord  der  kleinen  None  bei 
V.  mufs  nothwendig  in  dem  Akkorde  der  Tonika  {A)  sich  auflösen,  da  die 
Terz  grofs  ist:  bei  VI.  in  D  moll;  und  bei  VII.  in  G  moll.  Wir  wollen  uns 
aber  daran  erinnern,  dafs  dieses  so  bedeutende  Intervall,  nur  eine  grofse  Terz 
zu  dem  Grundbass  bildet,  nehmen  wir  diesen  hinweg,  so  findet  sich  keine 
grofse  Terz  mehr  im  ganzen  Akkord,  die  unser  Ohr  leiten  oder  bestimmen 
könnte.  Man  sehe  VIII.,  IX.,  X.  Wir  sind  in  diesem  Fall  in  gänzlicher  Un- 
gewifsheit  gelassen,  wohin  der  Akkord  sich  auflösen  wird;  da  die  bestehenden 
Intervallen  (nachdem  der  Grundbass  hinweg  genommen)  nur  Mollterzen, 
und  keine  derselben  eine  eigentümliche  Kraft  oder  Eigenschaft  besitzet,  das 
Ohr  zu  leiten.  Jedoch  wenn  wir  eines  der  vier  Intervallen  der  Akkorde  bei  VIII., 
IX.,  X.,  einen  halben  Ton  erniedrigen,  so  erhalten  wir  dadurch  die  grofse 
Terz,  welche  sogleich  der  Folge  der  Modulation  die  entscheidende  Bichtung 
giebt  (die  zuvor  zweifelhaft  war).  Das  so  erniedrigte  Intervall  wird  Dominant 
der  Tonart,  nach  welcher  wir  moduliren,  und  da  ein  jedes  der  vier  Intervallen 
einen  halben  Ton  erniedrigt  werden  kann,  so  folgt  natürlich,  dafs  ein  solcher 
zweifelhafter  Akkord  von  uns  als  Dominant  von  vier  verschiedenen  Tonarten 
benutzt  werden  kann.  Die  drei  übrigen  Intervallen  des  Akkords  bleiben  unver- 
ändert, es  sei  denn,  dafs  ein  enharmonischer  Tonwechsel  durch  die  Bestimmung 
des  Dominants  nothwendig  geworden,  eine  Veränderung  herbeiführt. 


291.  { 


Akkorde  von  zweifelhafter  Bedeutung.  239 

Bei  1  ist  der  verminderte  Septimen -Akkord  geschrieben,  dieser  erhält  nur 
seinen  entschiedenen  Charakter  durch  den  darunter  gestellten  Grund- 
bass,   welcher  die  Modulation  nach  D  moll  bestimmt. 

Der  ausgewählte  Bass  Cis  bei  2  ist  bei  3  einen  halben  Ton  ernie- 
drigt, zu  diesem  C  ist  nun  E  (welches  bei  2  die  kleine  Terz  war)  die 
grofse  Terz,  und  da  C  Dominant  von  F  ist,  so  moduliren  wir  bei- 4 
nach  dieser  Tonart. 

N.  B.     Es  verbleiben  die  übrigen  Intervallen  wie  zuvor. 
Wir  ersehen  hieraus,   dafs  durch  die  Erniedrigung  eines  einzigen  Intervalls 
des  verminderten  Septimen  -Accords,  wir  in  den  Stand  gesetzt  werden,  statt  nach 
D  moll,  nach  F  zu  moduliren. 

Bei  5  sehen  wir  den  Akkord  abermals  geschrieben  wie  ursprünglich  bei  1; 
aber  bei  6  ist  das  E  um  einen  halben  Ton  erniedrigt  (Es  bildet  nun 
eine  grofse  Terz  zu  G),  dies  Es  ist  Dominant  von  As,  wir  moduliren 
somit  (bei  7)  nach  der  Tonart  As,  statt  nach  D  moll. 

N.  B.  Die  übrigen  Intervallen  bleiben  dieselben  als  zuvor,  nur  das 
Cis  mufs  enharmonisch  verwechselt  werden  in  Desj  weil  die  Haupt- 
septime von  Es  nicht  Cisj,  sondern  Des  ist. 
Bei  8  steht  der  Akkord  wieder  wie  bei  1 ;  das  G  ist  bei  9  einen  halben  Ton 
erniedrigt,  dieses  Ges  ist  Dominant  zu  Ces,  wir  moduliren  also  (bei  10) 
nach  dieser  Tonart,  satt  nach  D  moll. 

N.  B.  Hier  müssen  zwei  Intervallen  enharmonisch  verwechselt  wer- 
den, E  in  Fesj  und  Cis  in  Des.  Der  Grund  ist  einleuchtend. 
Bei  11  ist  keine  Veränderung  der  Modulation  eingetreten,  denn  indem  wir 
Hes  in  A  verwandeln,  erhalten  wir  denselben  Grundbass  wie  bei  1,  der 
alleinige  Unterschied,  der  entsteht,  ist  der:  dafs,  da  die  kleine  None 
aus  dem  Akkord  entnommen,  wir  nach  einer  Durtonart  ausweichen, 
statt  nach  der  Molltonart. 

N.  B.  Es  kann  jede  Versetzung  des  kleinen  Nonen  -  Akkords  in 
gleicher  Art  benutzt  werden,  wie  der  verminderte  Septimen -Afckord; 
Beispiele  hierüber  sind  im  Folgenden  enthalten. 


240 


292  J 


Anwendung  dieser  zweifelhaften  Akkorde 

-f-ij,    »    rHfF-l +-! 1— 55— i F* 1 1-=-| F 1-     ' 


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I 


Anwendung  dieser  zweifelhaften  Akkorde. 
10  11  12 


241 


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zWrtzä-zjte*  4—_ 


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13 


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•  13 


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13 


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14 


15 


16 


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21- 


4 


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— 3- 


.[     31     ] 


242  Anwendung  dieser  zweifelhaften  Akkorde. 


17 


Ä 


i-l 


18 


19 


iCfc 


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-ä — ä- 


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-8 — & 


Ct 


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* 4 — * 4 — + &0-\ — H-#-t-« — L—i-ß J-ß\  ,  i  i  E-J-ff — H-# 

=^sg^=^^zrj-^ gp: pps ^ 


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7 


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20 


21 


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22 


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4 

3 


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trs- 


-fd- 


-fd- 


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25 


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-f—s-ß-T [-t—b m 0-\ — » 1 — ß-hß\ — ^i  ■  F- — ß — 


7 


Qie: 


T — feT 


_^=!=J: 


\    •  ./ 


T     I-    ] 

~6 3 


Anwendung  dieser  zweifelhaften  Akkorde. 
26  27        _,   28 


243 


< 


^P^— p-bJI^U— LuPC^J       --Sil 


5=*J=_5=J 


e^ 

1 

e 

« 

K   ,..:-         -ci 

< 


-H#F=-y-4 u-i — i — \4d   10  -< n  r  A — y 1" 


Bf. 


Bei  2  im  vorstehenden  Beispiele  ist  durch  die  3te  Versetzung  des  kleinen  No- 
nen-Akkords  eine  Modulation  nach  D  moll  angedeutet,  da  aber  die  Note 
G,  im  Bass  bei  3,  einen  halben  Ton  erniedrigt,  nun  Eis  geworden  ist, 
so  bewirken  wir  dadurch  eine  Modulation  nach  H  moll.   (Siehe  4.) 

Bei  5  ist  die  Modulation  nach  A  moll  durch  die  Iste  Versetzung  des  kleinen 
Nonen- Akkords  eingeleitet;  das  H  ist  aber  bei  6  um  einen  halben 
Ton  erniedrigt,  Hes  führt  uns  nach  Es. 

Bei  8  ist  die  Modulation  nach  .Fmoll  durch  die  2te  Versetzung  des  kleinen 
Nonen -Akkords  angegeben,  da  aber  Hes  bei  9  einen  halben  Ton  er- 
niedrigt, zu  sl  geworden,  löst  sich  die  Modulation  nach  D  moll  auf. 

Bei  11  ist  eine  Modulation  nach  C  moll  angefangen,  das  H  ist  aber  bei  12 
einen  halben  Ton  erniedrigt,  Hes  führt  uns  nach  Es.    (Siehe  13.) 

Obwohl  beim  Spielen  auf  dem  Pianoforte  das  Ohr  nicht  unterschei- 
det, dafs  eine  Veränderung  mit  den  Akkorden  bei  14  und  15  vorgenom- 
men ist,  so  mufs,  wenn  wir  die  Grundbässe  dieser  zwei  Takte  unter- 
suchen, es  sogleich  einleuchten,  dafs,  um  bei  16  nach  G  moll  moduliren 

[   31*  ] 


244  Zweifelhafte  Modulation  durch  den  gb  Akkord. 

zu  können,  die  Verwandlung  des  Akkords  nothwendig  war,  da  der  Do- 
minant von  G,  D  ist,  und  nicht  F,  wir  also  nicht  unmittelbar  von  dem 
Akkord,  wie  er  bei  13  steht,  nach  G  moll  bei  16  ausweichen  konnten; 
wenn  wir  nicht  fehlerhafte  Modulation  (ohne  Dominant)  einführen  wollten. 
Bei  20  ist  der  Anfang  einer  Modulation  nach  H  gemacht,  diese  wird  aber  nicht 
ausgeführt,  dafs  Ais*  bei  21  um  einen  halben  Ton  erniedrigt,  also  A* 
leitet  eine  Modulation  nach  D  ein,  jedoch  auch  diese  Folge  ist  wieder 
aufgegeben;    der  Dominant  Fis  (siehe  20)  wird  wieder  aufgenommen 
und  eine  Modulation  nach  H  scheint  beabsichtiget,    statt  dessen  aber 
sehen  wir  das  Cis  (siehe  21),  erniedrigt   zu   C  werden,    welches   nun 
eine  Modulation  nach  F  bewirkt. 
Das  vorhergehende,  für  das  Pianoforte  geschriebene  Beispiel  enthält  nicht 
allein  vielfache  Nebenharmonien,  Ausgedehnte-,  Durchgehende-  und  Hülfsnoten, 
sondern  ist  auch  darauf  berechnet,    einige  von  den  Kunstgriffen  anschaulich  zu 
machen,   welche  in  der  Composition  eingeführt  sind,   und  durch  deren  Anwen- 
dung die  Modulation  und  Fortschreitung  oft  an  Anmuth  und  Interesse  gewinnt. 
Zum  Beispiel  von  Anfang  bis  zu  Ende  des  12ten  Takts   spielt  die  rechte  Hand 
Variationen,   die  auf  Nebenharmonien  gegründet,   und  mit  ausgedehnten  Hülfs- 
und Durchgehenden -Noten  untermischt  sind,  während  die  linke  Hand  diese  in 
einfachen  Akkorden  begleitet*    Um  eine  gröTsere  Abwechselung  hervorzubringen, 
nimmt  die  rechte  Hand  vom  13ten  bis  25sten  Takt  die  ganz  einfache  Melodie 
ohne  die  geringste  Verschönerungsnote,  während  die  linke  Hand  eine  Variation, 
auf  die  Intervallen  der  Akkorde  gegründet,   spielt.     Takt  26  nimmt  die  rechte 
Hand  wiederum  die  Variation  auf,  und  die  linke  Hand  begleitet  wie  zuvor.    Das 
Beispiel  schliest  mit  einer  Kadenz,  welche  im  Takt  28  anfängt,  und  in  welcher 
die  kleine  Sechste  eingeführt  ist. 

Zweifelhafte  Modulation,   durch   den   zusammengesetzten  grofsen  Scchsten- 

Akkord,   $. 

Dieser  Akkord  ist  ein  zweites  mächtiges  Hülfsmittel,  welches  mit  gröfster 
Wirkung  zu  einer  zweifelhaften  Modulation  benutzt  werden  kann. 

Wenn  wir  den  Bass  des  kleinen  Nonen  -  Akkords,  es  sei  von  welcher  Ver- 
setzung es  wolle,  einen  kleinen  halben  Ton  erniedrigen,  so  erhalten  wir  den 
tf  Akkord,  mit  welchem  wir  moduliren  können,  wie  es  in  den  Beispielen  202 
bis  204  bereits  gelehrt  ist. 


Zweifelhafte  Modulation  durch  den  £t  Akkord.  245 

N.  B.  Wir  müssen  wohl  beachten,  dafs  dieser  Akkord  nicht  verwechselt 
werden  darf  mit  einem  der  vorerwähnten  im  Beispiel  291 ;  die  Note,  welche  dort 
erniedrigt  im  Bass  steht,  wurde  Dominant  der  folgenden  Tonart,  da  hingegen 
sie  in  diesem  Falle  zur  kleinen  Quinte,  und  somit  zweite  Versetzung  des 
Dominant- Akkords  wird. 

Im  folgenden  Beispiele  Takt  2  steht  die  erste  Versetzung  des  kleinen  No- 
nen- Akkords;  erniedrigen  wir  den  Bass,  wie  in  Takt  3,  um  einen  kleinen  hal- 
ben Ton,  so  entsteht  der  ^  Akkord  und  statt  nach  A  moll,  moduliren  wir  Takt 
4,   nach  Fis  dur. 

12  3  4 


293. 


oder 


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7 

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a 

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6    7 

4   « 


S 


-**- 


6- 


ä= 


Das  folgende  Beispiel  wird  diese  Anwendung  des  Akkords  anschaulich  ma- 
chen; unmittelbar  nach  der  unvollständigen  falschen  Kadenz  eingeführt,  ist  er 
besonders  von  grofsem  Effekt. 


246 


Zweifelhafte  Modulation  durch  den  ^  Akkord. 


10 


11 


12 


Takt  2  wird  eine  unregelmäfsige  falsche  Kadenz  auf  die  erste  Versetzung  des 
kleinen  Nonen -Akkords  eingeführt;  der  Bass  Fis  ist  Takt  3  einen 
halben  Ton  erniedrigt ;  F  mit  g  beziffert,  scheint  anzudeuten,  dafs  wir 
nach  E  moduliren  wollen,  statt  dessen  machen  wir  E  zum  Dominant, 
der  uns  nach  A  leiten  soll:  (denn  im  Takt  4  haben  wir  die  regel- 
mäfsige  Kadenz  bereits  in  dieser  Tonart  angefangen;)  jedoch  auch  hier, 
statt  nach  der  Tonika  fortzuschreiten,  fällt  der  Dominant -Akkord 
(Takt  5),  bei  6,  wiederum  einen  grofsen  halben  Ton,  (wie  im  Takt  2,) 
und  die  unregelmäfsige  Kadenz  tritt  wieder  auf  den  verminderten  Sep- 
timen-Akkord ein.  Dasselbe  Verfahren  wird  in  den  nun  folgenden 
4  Takten  beobachtet,  und  sofort,  bis  wir  in  die  Tonart  zurückgelangt, 
von  welcher  wir  ausgegangen  sind. 


Betrügliche  Modulation. 


247 


Betrügliche  Modulation,  in  welcher  die  Hauptseptime  sich  in  die  Oktave 

auflöset. 

Nicht  oft  genug  kann  es  dem  Schüler  wiederholt  werden,  dafs  unser  Ohr 
die  Neigung  des  Hauptseptimen -Akkords,  sich  in  dem  Akkord  seiner  Tonika 
aufzulösen,  mitempfindet;  wenn  demnach  die  Haupt -Intervallen  des  Dominant- 
Akkords  (d.  h.  Septime  und  Terz)  nicht  dem  gemäfs  fortschreiten,  so  wind,  wenn 
gleich  sie  sich  in  Contonanzen  auflösen,  doch  eine  Art  Betrug  fühlbar. 

Die  Septime  des  Grundbasses  (g)  fällt  im  folgenden  Beispiele  bei  1,  wie 
immer,  jedoch  nicht  in  die  Terz  der  Tonika  (c)  sondern  Takt  2,  in  die  Ok- 
tave des  folgenden  Dominant -Akkords. 

Die  Terz,  statt  nach  der  Oktave  zu  steigen,  bleibt  liegen  und  wird 
zur  Quinte, 

Die  Quinte  bleibt  ebenfalls  liegen  und  wird  zur  Septime.  Der  Bass  schrei- 
tet nicht  nach  seiner  Tonika  (c)  fort,  sondern  steigt  einen  kleinen  halben  Ton 

und  bildet  die  grofse  Terz  *).    So  rnoduliren  wir  nun  nach  A  moll,  statt  nach 
C  dur. 


295. 


3 

— m 

£r 

1 

2 

y^F^ 

O — 7*fS — S 



S; 

7 

o 

^ 

6 

y — © 

— *_ 

6 

4 
2 

© 

7 

0 

L © 1 

p 

o 

, 

\ -ß H 

N.  B.  Es  können  alle  Versetzungen  des  Hauptseptimen -Akkords  hier  an- 
gewendet werden;    indefs  machen  die  erste  und  dritte  den  besten  Effekt. 

Der  Eindruck,  den  diese  betrügliche  Modulation  hervorbringt,  wird  besser 
durch  das  folgende  kurze  Beispiel,  eines  Recitatives,  verstanden  werden. 


*)     Dies  kann  jedoch  nur,  als  auf  dem,  aus  dem  Akkorde  entnommenen  Bass  sich  beziehend, 
verstanden  werden,  denn  der  Grundbass  fällt  in  diesem  Fall  stets  eine  kleine  Terz. 


248 


Betrügliche  Modulation. 


296. 


Recitativ. 


Betrügliche  Modulation. 


g^^^g^^f^^^^^fflg 


Tremulando. 


~cr 

.2 


^m. 


s 


Betrügliche  Modulation 


3=35^  «gas 


* 


*&# 


Betrübliche  Modulation. 


*w& 


r^8 


+4 


«f 


£Ö 


-46  0 


•*- 


etc. 


$ 


"CT 


3t 


6 


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6 

4 
2 


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-¥Ö- 


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6 

41 

2 

-©- 


7 
5- 

i 


fetc. 

5 


Betrügliche  Modulation  j  in  -welcher  die  Hauptseptime  sich  in  die  Quinte  auflöset. 

In  dem  folgenden  Beispiele  steigt  der  Dominaut  (g)  einen  ganzen  Ton, 
statt  nach  seiner  Tonika  (c)  fortzuschreiten,  und  wird  (wie  im  vorhergehenden 
Beispiele)  Dominant  einer  andern  Tonart;  zu  welcher  letzteren  wir  vorzugsweise 
die  Molltonart  wählen,  da  sie  verwandte  Molltonart  des  Sub -Dominanten  der 
erwarteten  Tonart  C  ist. 


J. 


-<si- 


:Ct 


a 


297.   < 


BIE5 


3t. 


O-i^: 


-J- 


6 
4i 

21 


-Ö" 


B 

41 


:Oi 


:::=£: 


m-      Qr 


-s- 


7 


"ÜS" 

"*T, 1 


6 

4) 
2 

:p: 


7 
-#- 


~n' 


In 


Betrügliche   Modulation. 


249 


In  dieser  betrüglichen  Modulation  fällt  die  Septime  in  die  Quinte  des 
neuen  Dominant-Akkords,  die  Terz  steigt  in  die  Terz,  und  die  Ok- 
tave verbleibt  in  ihrer  Stelle  und  bereitet  die  Septime  des  neuen  Dominant- 
Akkords  vor.  Die  verschiedenen  Versetzungen  dieses  Akkords  sind  angeführt 
bei  b  und  c. 

Im  folgenden  Beispiele  ist  die  Anwendung  zu  finden. 

11  I       *■    hJ^ 


298. 


%lAd 


i 


3 — P — $*'- 


+4o- 


£k±=E 


5=^ 


:#ü: 


'frä 


gzlpt±]|£ 


J^- 


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-j- 


£: 


44-4 


EEzt: 


9-fe- 


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±C 


JiNLLi 


P— Q- 


fe3- 


-Q — 3 — * 


-O- 


efzfc: 


±±f 


-lie- 


t>9 

5 7      7 

S ft 


!r°pi. 


Es  ist  zu  bemerken,  dafs  das  Subject,  welches  in  den  zwei  ersten  Takten 
im  Tenor  liegt,  als  Nachahmung  im  3ten  und  4ten  Takt  im  Bass  erscheint; 
im  5ten  und  6ten  Takt  im  Alt;  im  7ten  und  8ten  wiederum  im  Tenor;  und 
Takt  8  und  9  im  Diskant. 

Zurückhaltende  Modulation. 
Wenn  die  Terz  des  Dominant-Akkords  nicht  nach  der  Oktave  steigt, 
sondern  einen  kleinen  halben  Ton  fallend  in  die  Septime   des  folgenden  Do- 

[     32     ] 


250 


Zurückhaltende    Modulation. 


minant-  Akkords  sich  auflöset,  so  werden  a  und  f  Akkorde  mit  einander  abwech- 
selnd,  eine  Kette  unaufgelöster  Dominant -Akkorde  bilden,  in  welcher  die  er- 
wartete Tonika  übergangen,  und  der  Schlufs  der  Modulation  verzögert  oder  zu- 
rückgehalten ist,  wie  aus  dem  folgenden  Beispiele  zu  ersehen. 


299.  / 


:St 


6 
5 


m=mi 


-&- 


6 

4 


-m.-. 


a 


-fcfcB- 


t=tO: 


-fes- 


6 


6 

4 

2 


-Jjc 


b6 
bö 


b6 

4 
b2 


-fes- 


t- 


ete. 


I 


i^Ä^- 


=**- 


\.       I       s **"**    _ 


jg-fe 


Jzü: 


■yli^ac. 


:ie==  = 


feebs- 


fe©S7*i 


b 

5 


5   - 


6 

4 
2 


*¥*%P—ß— f- 


5 

b4        6 

N2      b5 


gfe 


-  -        6  b5 

-  -        4  b4  b6 

3     -        2     ^N2  b5 


*¥*■ 


±W=ß-W- 


-^ 


?=^= 


5      bJetc 

b2 


Bei  £  sind  Dissonanzen  eingeführt,   durch  welche  die  Nachahmungen, 
welche  aus  dieser  Modulation  ganz  natürlich  entspringen,  mehr  heraus- 


gehoben werden. 


Das  folgende  Beispiel  ist  eine   zurückhaltende  Modulation  mit  hinzugefüg- 
tem kleinen  Nonen-  Akkorde. 


Pm^, 


300. 


"TTN^fH 


Zurückhaltende    Modulation. 


251 


BE 


—  1)7 


±: 


-=]z=z}= 


tS7 


■fee* 


b6 

b4 


fc7 


:£ 


17 
fefi 


6 
5 


16 
4 


$©r±p: 


f1 


--P 


:p 


Bei  a  ist  eine  Modulation  eingeführt,  wie  sie  im  Beisp.  293  (b)  angeführt  ist. 
Bei  b  ist  die  unvollkommene  falsche  Kadenz  genommen,  die  Beispiel  294  ge- 
zeigt worden. 
Das  folgende   Beispiel  enthält  noch   eine  andere  Art  der  zurückhaltenden 
Modulation,  bei  welcher   der  Bass  fallend  in  halben  Tönen  die  ganze  Oktave 
durchlaufen  kann. 

12  3  4  5  6 


301.  < 


7üj  LOJ  7lU  UlL    /  lJj  LLj  '  l-U  Llü  7  lü  Lii  7lu  LlL 


eiert 


6: 


-6- 

4 
2 


fee- 


T 


t7 


JA 

O) 


s 


b£ 


Bz 


— i- 


— i- 
-■-©- 


-©- 


10 


cq: 


11 

~l- 


12 


O- 


:Q: 


-^ßf.ptfif^-^-ß^ßtßpt 


^'SUmlwI'wi'aä 


a: 


es — H 


as 


O: 


Q: 


:D: 


33: 


< 


HE 


-to- 


te) 


6 

4 


7 


-»— 


zä: 


-O. 


•0- 


Bei  3  steht  die  erste  Versetzung  des  kleinen  Nonen- Akkords. 

[32*] 


252 


Die  Hauptseptime  in  die  kleine  None  umgewandelt, 


Bei  4  ist  die  Bassnote  um  einen  kleinen  halben  Ton  erniedrigt  *)  und  dadurch 

der  zusammengesetzte  grofse  Sechsten -Akkord  entstanden. 
Bei  5  ist  die  Auflösung  des  %  Akkords  übergangen,    die  Fortschreitung  aber 


dieselbe  geblieben,  als  ob  diese  Auflösung 


§hj£  erfolgt  wäre. 


Bei  6  der  verminderte  Septimen -Akkord. 

Bei  7  der  zusammengesetzte  grofse  Sechsten -Akkord. 

Bei  8  die  Auflösung  des  §  Akkords  wiederum  übergangen. 

Bei  9  der  verminderte  Septimen -Akkord. 

Bei  10  die  None   des    vorhergehenden  Akkords    in  die  Septime  verwandelt, 
(siehe  Beisp.  303.) 

Im  folgenden  Beispiele  ist  die  Hauptseptime  in  die  kleine  None  umgewan- 
delt,   wobei  der  Bass  in  halben  Tönen  steigt. 

L^  „  II.  ^  III. 


302.  < 


3+&JEß. 


*b»<- 


--11 


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6 

4 


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7 

8 


6 

4 


4: 


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*-0=£#£D± 


£®£ 


*Q 


7 


3«* 


etc. 


9ir 


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-e- 


:zct 


Tpr 


-e- 


-#© 1 


Die  eben  angeführte  Modulation  nähert  sich  scheinbar  um  vieles  der  im 
Beispiel  295  gelehrten,  jedoch  löset  sich  die  Septime  hier  nicht  in  die  Oktave, 
sondern  wird  in  die  None  umgeändert,  welches  sich  bei  II  und  III  wiederholt. 
Mit  dieser  Art  Modulation  können  wir  wieder  steigend  die  ganze  chromatische 
Tonleiter  durchlaufen. 

Im  vorhergehenden  Beispiele  war  die  Hauptseptime  in  die  kleine  None  um- 
gewandelt: im  folgenden  Beispiel  dagegen  ist  die  kleine  None  in  die  Septime 
verändert:  der  Bass  fällt  dabei  in  halben  Tönen. 


m 


±i 


:t: 


\>7 


:Ä 


-0—0- 


:p=H 


')    Siehe  Beispiel  293. 


Bei    zurückhaltender    Modulation. 


253 


Das  Beisp.  304  dient  eine  Andeutung  zu  geben,  wie  die  verschiedenen  Ver- 
setzungen des  kleinen  Nonen-  Akkords  mit  dem  meisten  Effekt  anzuwenden  sind. 


304.  < 


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E§fcg3ög-£^ 


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e-j  !  i  Ff — gi^£BS=^S5p 


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b7        =t  6 


§3 


q=?=q: 


:Q: 


t: 


i 


254  Modificirte  Bässe. 

Die  ersten  fünf  Takte  finden  wir  mit  dem  Akkord  der  kleinen  None  allein 
ausgefüllt.  Der  Bass  fängt  an  mit  dem  Intervall  der  kleinen  None  selbst,  fällt 
danach  in  die  Septime,  Quinte  und  Terz;  die  übrigen  Stimmen  verwechseln  in- 
defs  auch  ihre  Stellen,  der  Alt  schreitet  von  der  Septime  zur  None  fort,  der 
Tenor  von  der  Quinte  zur  Septime  und  der  Sopran  von  der  Terz  zur  Quinte. 
Dasselbe  wiederholt  sich  mehrmals  in  diesem  Beispiele.  Von  Anfang  bis  zu 
Ende  des  5ten  Takts  ist  unser  Ohr  dahin  geleitet,  die  Tonart  Cmoll  zu  erwar- 
ten, da  aber  im  6ten  Takte  die  Terz  H  einen  halben  Ton  erniedrigt  Hes  ge- 
worden, so  moduliren  wir  im  7ten  Takt  nach  Es  *).  Von  hier  bis  zum  12ten 
Takt  ist  der  kleine  Nonen -Akkord  auf/"  beibehalten,  und  hierdurch  zum  Schein 
die  Erwartung  erregt  nach  Hes  moll  ausweichen  zu  wollen,  indefs  durch  die 
Einführung  des  f  Akkord  im  14ten  Takte  wird  die  Modulation  nach  g  entschie- 
den, und  sodann  in  C  moll  geschlossen. 

Modißzirte  Bässe. 

Die  alleinigen  Grundbässe,  welche  wir  bis  jetzt  angewendet  haben,  waren 
Tonika,  Dominant,  und  Sub-Dominant.  Mit  diesen  Bässen,  ihren  Har- 
monien und  Versetzungen,  den  gelegentlich  eingeführten  Modulationen,  Disso- 
nanzen, Durchgangs-  und  Hülfs -Noten,  waren  wir  in  den  Stand  gesetzt,  bei 
hinlänglicher  Abwechselung  bis  hieher  vorzuschreiten.  Nun  wollen  wir  jedoch 
versuchen,  noch  andere  Bässe  aufzufinden,  mit  deren  Anwendung  uns  eine  grö- 
fsere  Mannichfaltigkeit  des  Effekts  zu  Gebote  stehen  wird. 

Es  ist  bereits  festgestellt,  dafs  die  natürliche  Tonleiter  nur  aus  3  Tö- 
nen besteht,  und  dafs  unsere  neuere  diatonische  Tonleiter  aus  zweien  dieser 
Tonleitern  zusammengesetzt  ist,  so  wie  auch,  dafs  wenn  diese  aus  3  Tönen  be- 
stehende Tonleitern  in  steter  Folge  an  einander  gereiht  werden,  wir  bis  ins 
Unendliche  fort  moduliren  können;  es  trat  daher  die  Nothwendigkeit  ein, 
nach  dem  6ten  Tone  abzubrechen  und  zurück  zu  moduliren  nach  dem  ersten 
Tone,  wodurch  die  Quinten-  und  Oktavenfolgen  entstanden.  Wir  wollen  nun 
(statt  nach  dem  6 ten  Tone  zurück  zu  moduliren)  die  Tonleiter  fortsetzen,  ohne 
irgend  Rücksicht  auf  die  halben  Töne  zu  nehmen,  die  immer  zwischen  diesen, 
aus  drei  Tönen  bestehenden  Tonleitern,  eintreten  werden.  Fahren  wir  fort,  die 
Zahlen  8,  5,  3  auf  einander  folgend  immer  wiederholt  über  die  Intervallen  die- 


*)    Siehe  Beispiel  291. 


Modificirte   Bässe. 


255 


ser  Tonleiter  zu  schreiben,  und  setzen  sodann  die  Grundbässe  darunter,  die  da- 
durch bezeichnet  sind,  so  finden  wir,  dafs  die  Intervallen,  die  nach  den  ersten 
2  Tonleitern  folgen,  nicht  mit  Tonika,  Dominant  und  Sub -Dominant 
begleitet  werden,  sondern  andere  Bässe  erhalten,  deren  Akkorde  alle  nur  kleine 
oder  unvollkommene  *)  sind,  (die  ausgenommen,  welche  wieder  aus  den 
Grundbässen  entspringen.) 

Theilen  wir  diese  fortgesetzte  Tonleiter  in  Tonleitern  von  3  Tönen  ein, 
und  stellen  unter  einer  jeden  ihren  Erzeuger  (ihre  Tonika)  so  erhalten  wir  eine 
Fortschreitung  der  Harmonie,  deren  Bässe  sich  immer  in  steigenden  Quarten 
und  fallenden  Quinten  bewegen. 


305. 


Wenn  wir  fortfahren,  die  Tonleiter  zu  begleiten,  wie  wir  mit  dem  3ten 
Takte  angefangen  haben,  so  ist  es  unleugbar,  dafs  wir  den  Pfad  verlassen,  den 
uns  die  Natur  angedeutet  hat;  auch  sehen  wir,  dafs  die  hieraus  entspringenden 
Harmonien,  etwas  Hartes,  Finsteres  erhalten:  benutzen  -wir  indefs  mit  Urtheil 
diese  trüberen  Harmonien,  und  wenden  sie,  untermischt  mit  den  drei  Grundbäs- 
sen, an,  so  können  wir  grofsen  Gewinn  für  Licht  und  Schatten  aus  ihnen  ziehen. 
Dies  vorausgeschickt,  wollen  wir  die  nähere  Untersuchung  der  diatonischen 
Tonleiter  in  dieser  Beziehung  vornehmen,  und  sehen  wie  die  Akkorde  zu  jedem 
Intervalle  aus  dem  letzten  Beispiele  entnommen,  in  unsern  künftigen  Ausarbei- 
tungen anzuwenden  sind. 

Der  erste  Ton  der  Tonleiter,   wissen  wir,  wird  mit  2  Bässen  begleitet, 


*)     Der  unvollkommene  Dreiklang   hat   eine   kleine  Terz  und  Quinte;   der   unvollkommene 
Dreiklang  von  h  ist,  h  d  und  f. 


256 


Modificirte   Basse. 


der  Tonika,  (welche  die  Oktave)  und  den  S üb  -Dominant,  *)  (welcher  die 
Quinte  darunter  liegt.)  Nehmen  wir  nun  die  kleine  Terz  darunter,  wie  im  fol- 
genden Beispiele,  so  ist  dies  ein  neuer  Bass,  denn  er  gehört  nicht  zu  den  drei 
Grundbässen,  ist  auch  nicht  Dominant,  durch  welchen  wir  moduliren  können: 
wir  wollen  ihn  deshalb  zur  Unterscheidung  modificirten  Bass  nennen. 


306 


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■***• 


34 


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B- 


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m 


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f  6 


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83 

-4-*-+ 

6 

5 


d 

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7 


z*-^ 


f 


_, — i — ,-j- — t — i — i^-^ — i — lt — i — i — iS— | — t- 


343 


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4-4  *  T  *  4 — 


6 

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6 


E 


7 

h 


]p=f 


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i± 


-<¥*- 


Die  Anwendung  dieser  Bässe  zu  zeigen,  und  den  Schüler  in  den  Stand  zu 
setzen,  ein  Urtheil  über  ihre  Wirkung  zu  fällen,  steht  die  Begleitung  der  Me- 
lodie bei  b,  c,  d  zur  Vergleichung  mit  der  bei  e,  f  und  g. 

Bei  b    ist  die  erste  der  Tonleiter  nach  der  dritten  Regel  (der  Begleitung  mit 

Grundbässen)  begleitet. 
Bei  c    nach  der  zweiten  Regel  der  Modulation  (v.  d.  I.  der  Melodie).  **) 
Bei  d   sind  beide  Regeln  verbunden. 

Bei  e    modificirter  Bass  und  dritte  Regel  der  Begleitung  der  Tonleiter, 
Bei  f  modificirter  Bass  und  zweite  Regel  (d.  M.  v.  d.  I.  der  Melodie.) 
Bei  g   modificirter  Bass  mit  nachfolgendem  grofsen  Sechsten -Akkorde, 
Bei  h   sehen  wir,  dafs  wenn  die  Tonart  moll  ist,  der  Akkord  des  modificirten 
Basses  zu  der  ersten  Stufe  der  Tonleiter  ein  Dur- Akkord  wird. 
Der  zweite  Ton  der  Tonleiter  hat,  wie  wir  wissen,   nur  einen  Grundbass, 


*)    Dritte  Regel  der  Begleitung  mit  Gruadbäs^en,   Seite  43. 
**)    Seite  155. 


die 


Modifieirte   Bässe. 


257 


die  Quinte  darunter,   demnach  kann  dieser  mit  2  modificirten  Bässen  begleitet 
werden,  der  Oktave  und  der  Terz  darunter  (siehe  a  im  folgenden  Beispiele). 


307. 


Es  mufs  bemerkt  werden,  dafs  der  erste  modifieirte  Bass,  welcher  die  Ok- 
tave darunter  liegt,  eine  bessere  Wirkung  hervorbringt,  als  der  zweite,  und  des- 
halb den  Vorzug  verdient;  der  Grund  liegt  darin,  dafs  der  modifieirte  Bass  der 
kleinen  Terz  die  falsche  Quinte  hat.  Diese  falsche  Quinte  und  die  Oktave 
zugleich  gehört,  machen  auf  unser  Ohr  denselben  Eindruck,  wie  die  zwei  vor- 
züglichsten Intervallen  des  Hauptseptimen -Akkords;  (mit  welchem,  in  seiner 
ersten  Versetzung  dieser  unvollkommene  Dreiklang  die  gröfste  Ähnlichkeit  hat.) 
Wenn  nun  diese  falsche  Quinte  steigt  (wie  bei  d),  dagegen  die  Oktave  fällt 
(wie  bei  c),  so  bleibt  unser  Gehör  unbefriedigt,  wie  bei  steigender  Septime  und 
fallender  Terz.  Vorzüglich  widerwärtig  klingt  er  in  seiner  ursprünglichen  Ge- 
stalt (siehe  c),  minder  empfindlich  ist  der  Eindruck,  wird  er  in  seiner  ersten 
Versetzung  angewendet  (siehe  d~),  da  hier  die  Verdoppelung  der  Oktave  wegfällt. 

Die  dritte  der  Tonleiter  hat  nur  einen  ursprünglichen  Grundbass,  kann 
deshalb  zwei  modifieirte  Bässe  erhalten,  die  Quinte  und  Oktave  darunter;  die 
Quinte  giebt  den  Akkord  der  verwandten  Moll -Tonart  des  Grundtons,  und  macht 
daher  den  besten  Effekt,  (siehe  a  im  folgenden  Beispiel). 


a 


b 

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c 

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?n. 

-©- 


711. 


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f-o: 


r  3=>  i 
L  33  j 


258 


Modificirte    Bässe. 


Die  vierte  der  Tonleiter  kann  zwei  modificirte  Bässe  erhalten,   die  Terz 
und  Quinte  darunter  (b)  die  Erstere  ist  vorzuziehen,  da  die  Letztere  wieder  den 


unvollkommenen  Dreiklang  giebt. 


Die  fünfte  der  Tonleiter  hat  nur  einen  modificirten  Bass,  die  unter  Terz  (c). 
Die  Anwendung  der  hier  erwähnten  modificirten  Bässe  findet  sich  bei  d. 
Die  sechste  der  Tonleiter  hat  zwei  modificirte  Bässe,  Quinte  und  Oktave 
darunter,  beide  sind  gut  (siehe  a  im  folgenden  Beispiele.) 


309. 


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o 

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© 

w 

Die  siebente  der  Tonleiter  hat  2  znodificirte  Bässe,  Quinte  und  Oktave 
darunter,  davon  die  Letztere  wieder  den  unvollkommenen  Dreiklang  bildet. 

Es  ist  wohl  zu  beachten,  dafs  die  Einführung  der  modificirten  Bässe  mit 
greisem  Bedacht  und  vieler  Umsicht  geschehen  mufs,  denn  bei  ihrer  Anwen- 
dung entstehen  leicht  Mifsverständnisse,  die  in  keinen  andern  Fällen  vorkom- 
men können;  diese  sind  jedoch  zu  vermeiden,  wenn  der  Schüler  mit  Aufmerk- 
samkeit die  nachfolgenden  Bemerkungen  beherziget. 

Erstens,  die  modificirten  Bässe  müssen  nur  sparsam  angewendet  werden, 
da  die  Melodie  auf  ursprüngliche  Grundbässe  beruht,  und  diese  durch  die  Natur 
gegeben,  auch  die  Wohlklingendsten  und  Befriedigendsten  sind,  so  müssen  sie 
vorzugsweise  gebraucht  werden.  Wenden  wir  dagegen  zuviel  modificirte  Bässe 
an,  so  wird  die  Schönheit  der  natürlichen  Begleitung  einer  einfachen  Melodie 
verdunkelt,  und  es  entstehen  Härten,  die  wir  vermeiden  sollen. 

Zweitens,  der  verminderte  Dreiklang  werde  nur  sehr  selten  in  seiner 
Grundgestalt  angewendet,  gegen  seine  erste  Versetzung  ist  nichts  einzuwenden. 

Drittens,  diejenigen  modificirten  Bässe,  welche  die  verwandte  Moll- 
tonart der  Tonika,  oder  des  Sub -Dominant  uns  geben,  müssen  wir  vor- 
zugsweise wählen,  hauptsächlich  im  Grund -Akkord  angewendet  sind  sie  von 
grofser  Wirkung. 

Viertens  dürfen  nie  modificirte  Bässe  eingeführt  werden,  bevor  nicht  die 
Melodie,  nach  den  Regeln  der  Grundbässe,  so  wie  der  Modulation,  einfach  in 
Harmonie  ausgesetzt  ist;  erst  danach  mögen  wir  versuchen,  ob  mit  gutem  Er- 
folge einige  modificirte  Bässe  zweckmäfsig  anzubringen  sind. 


Modificirte   Bässe. 


259 


Die  Anwendung  dieser  Bässe  noch  näher  zu  zeigen,  und  zugleich  eine  Idee 
von  dem  Effekt  den  sie  hervorbringen,  zu  geben,  ist  nachfolgende  Melodie  bei  1, 
(die  sich  nur  im  Umfang  einer  Sechste  bewegt)  auf  verschiedene  Weise  in  Har- 
monie ausgesetzt. 

Einfache  Melodie. 


'■P-ß-ß-0 


tt 


-ß-ß-ß- 

EEt 


-ß-p-O-L 


Mit  ursprünglichem  Grundbass,  und  einiger  Modulation  untermischt,  in  Har- 


monie ausgesetzt. 


f 

n.1 


l 


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-%-% 


ff 

2 


^v f    ff'     Pl^-P 


irr" 

6 
6      5 

-#J|fc- 

±= 


flj 


-#- 


-i»— ß- 


% 


-ß-     7 


:^= 


7 
4 


Mit  anderer  Modulation. 


{ 


rrr  Krr,  r 


i    i    i  r    r  \   ■  r "    > 


6 
6 


-i — r 

6 


6 

S 


J 


b7 


6 

4 


-f— f 


m 


[  $3  *  ] 


260  Modificirte  Bässe. 

Modificirte  Bässe  untermischt  mit  Modulation. 


f 


IV. 


&< 


3=Ozzr: 


P 


aU-J.,:^M.,i;j;4--„JÜ 


< 


rrf-rr 


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3= 


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6 

5 


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#4 


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5      fl7 
4        3 


:  ~Q- 


1      M 

V  fei-  fr*   -g-   -^ 

=£=£ 


r 


-i — t 


O: 


6      H.6 
b5        4 


Mit  modificirten  Bussen  allein  in  Harmonie  gesetzt. 

J=J-4       '   n 


I 

l 


4—*-*-* 


d^kfct 


6i 


5Eg 


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£ 


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-p— P 


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£ 


t=P=i; 


6 
4 


( 


:jz=d=rizt=qzz:Jz= 
— — * — 1 — ä 4 

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r_r_r_r4-r_,_r 


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f-r 


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t: 


±    ±      JCt 
9 — p- 


-ß- 

r 


:p=p: 


£ 


:Q: 


5 


Bei  III.  ist  eine  betrügliche  Modulation,  die  Hauptseptime  löst  in  die  Oktave 
sich  auf. 

Bei  V.  ist  der  Terz  des  Dominant -Akkords  (beiß)  erlaubt  worden  zu  fallen, 
diese  Freiheit  wird  oft  von  Gomponisten  genommen,  um  die  vollstim- 
mige Harmonie  zu  erhalten. 


1 


Sequenzen   von   Septimen. 


261 


Sequenzen  'von  Septimen. 

Bis  hieher  haben  wir  nur  Septimen  angewendet,  die  keiner  Vorbereitung 
bedurften,  nun  wollen  wir  die  Septimen  einführen,  die  vorbereitet  werden 
müssen. 

Wenn  wir  auf  das  Beispiel  305  zurücksehen,  so  finden  wir,  dafs  die  Erzeu- 
ger (oder  Tonika),  welche  unter  einer  jeden  Tonleiter  von  3  Tönen  gestellt 
sind,  nur  eine  stete  Progression  steigender  Quarten  oder  fallender  Quinten  bil- 
den; diese  Einförmigkeit  der  Fortschreitung  nennen  wir  Sequenzen.  Wenn 
solche  Bässe  nur  mit  Dreiklängen  begleitet  werden  (wie  im  vorerwähnten  Bei- 
spiele), so  sind  dies  „Sequenzen  von  Dreiklängen";  da  aber  die  Fortschrei- 
tung steigender  Quarten,  und  fallender  Quinten  im  Bass,  eben  die  des  Dominant 
zur  Tonika  ist,  so  können  natürlich  Septimen  überall  eingeführt  werden;  sodann 
heifsen  diese  Folgen:  „Sequenzen  von  Septimen."  *) 

Wenn  diese  Septimen  zu  kleinen  oder  unvollkommenen  Dreiklängen 
gesetzt  werden,  so  isE  die  Wirkung  stark  dissonirend,  darum  müssen  diese  Sep- 
timen vorbereitet  seyn.  Damit  der  Schüler  die  Natur  der  Sequenzen  besser  ver- 
stehen lerne,  wollen  wir  eine  solche  Folge  von  Bässen  steigender  Quarten  und 
fallender  Quinten  herschreiben  (siehe  a  im  folgenden  Beisp.),  und  alsdann  die 
einfache  Melodie  hinzusetzen  (siehe  b). 


{ 


i P — r — I — ß- 


1^=3= 


8- 

Q: 


-P- 


„I        1,1,  .        °, /,   3    T    3         1    A  a,  _   <** 

(fT)  T"  -F  \     0  ß x-0 =** ß-ß-0^0 ,   _ ** p ß-t— 

3         3-.S     ■   '      8  I  3    7    3    7         3    7   I  78 


'•«^[■^fer-tt 


7    8 


tt^E- 


■*--Jl 


p=© 


tjz 


ß-t—t-t—ß^^tTztzj 


^ZztEzEEpt;  -'■ 


EE=z±EE= 


7  7 

* )  In  diesen  Fortschreitungen  der  Sequenzen  ist  die  bewunderungswürdige  Symetri  das  Be- 
merkenswerthe ;  sie  waren  die  grofse  Quelle,  aus  welcher  die  älteren  Componisten  ihre  Thema  für 
die  Fugen  entnahmen,  und  der  Grund,  auf  welchem  großen  Tbeils  ihre  Kirchenmusiken  beruhten. 


2b2 


Sequenzen   von    Septimen. 


Wenn  wir  die  Terz  (bei  a  und  b)  im  vorhergehenden  Beispiele  nicht  stei- 
gen, sondern  in  ihrer  Stelle  verbleiben  lassen,  so  entsteht  eine  Folge,  jedesmal 
durch  die  Terz  vorbereitet  eintretender  Septimen  (siehe  c);  hier  ist 
jedoch  nur  abwechselnd  die  Septime  genommen.  Fügen  wir  indefs  noch  eine 
Stimme  hinzu  (wie  bei  d),  so  erhalten  wir  die  ununterbrochene  Folge  von  Sep- 
timen (siehe  e);  durch  die  einförmige  Fortschreitung  des  Basses  sind  wir  in 
den  Stand  gesetzt,  auch  die  Terz  der  neu  hinzu  gekommenen  Stimme  (siehe  /), 
eben  so  zu  behandeln,  wie  die  bei  c. 

Diese  Sequenzen  von  Septimen  haben  sehr  viel  von  dem  Charakter  unauf- 
gelöster Retardationen,  man  sehe  bei  f*  wo  die  retardirende  7  sich  regelmäfsig 
aufwärts  löst. 

Wird  die  vorhergehende  Aufgabe  vierstimmig  ausgeschrieben,  wie  bei  a_, 
im  folgenden  Beispiele,  so  erhalten  die  Akkorde  abwechselnd  Oktave  oder  Quinte, 
—  d.  h.  die  Oktave  verbleibt  in  ihrer  Stelle  und  wird  durch  die  Fortschreitune 
des  Basses  im  nächsten  Akkord  die  Quinte.  (So  wie  das  in  den  aufeinander 
folgenden  Hauptseptimen  -Akkorden  geschieht.) 


Bei  b  ist  dieselbe  Aufgabe  fünfstimmig,  und  die  Umwandlung  der  Oktave 
in  die  Quinte  erfolgt  abwechselnd  im  Alt  und  Tenor. 

Zu  beachten  ist  noch,  dafs  die  Vorbereitung  der  Septime  durch  alle  Inter- 
vallen des  Dreiklangs  geschehen  kann.  Bei  c  ist  die  Septime  durch  die  Terz, 
bei  d  durch  die  Quinte,  und  bei  e  durch  die  Oktave  vorbereitet. 


Sequenzen    von    Septimen. 


263 


Die  charakteristische  Verschiedenheit  des  Hauptseptimen-Akkords,  von  dem 
Akkord  der  Septime  in  dem  Sequenz,   beruht  darauf,   dafs, 


Der  Akkord  der  Haupt  -  oder  wesentlichen  Sep- 
time uns  durch  die  Natur  gegeben  ist  *). 


Der  Akkord  der  Haupt- Septime  steht  zwischen 
Consonanz  und  Dissonanz,  da  er  keiner  Vorbe- 
reitung bedarf,  wohl  aber  aufgelöst  seyn  will. 


Der  Akkord  der  Septime  im  Sequenz  durch  die 
Kunst  entstanden  ist. 


Der  Akkord  der  Septime  im  Sequenz  ist  durch- 
aus dissonirender  Akkord,  und  mufs  deshalb 
vorbereitet  seyn. 


Durch  Anwendung  des  Akkords  der  Hauptsep-       Alle  Modulation   wird  durch  Anwendung  der 
time  wird  alle  Modulation  bewirkt.  Septime  in  den  Sequenzen  vermieden. 

Der  Septimen  -Akkord  im  Sequenz  hat  gleiche  Versetzungen  mit  dem  Haupt- 
septimen- Akkorde. 


a 


313. 


-J-tJ 


v 


tWt^kUS. 


ß-?-9V 


n 


-4 


tf 


-«-•-o 


» 


ü 


M 


t=& 


6 
S 


& 


:Ct 


3    5    3 

*  3-C-*- 


» 


4 
3 


-O: 


6  I 
r      4        2  6_  „ 

6/-v2  fi  ?  r     4  6 


&- 


EEEE 


—     r        -r-  -      -=■  r        -ß-         —  r        -w-         --g        — 

-*•  f  f  f         -P- 

Bei  ö,  erste  Versetzung;  bei  b*  zweite  Versetzung;  bei  c,  dritte  Versetzung. 

Im  vorstehenden  Beispiele  sind  in  dem  Sequenz  von  Septimen  abwechselnd 
Dreiklänge  eingeführt,  welches  einen  besseren  Eindruck  macht,  als  die  unun- 
terbrochene Folge  der  Septimen. 

Vermischung  der  Hauptseptimen- Akkorde  mit  den  Septimen  der  Sequenzen. 
Wenn  die  Septime  im  Sequenz  einen  halben  Ton  höher  liegt  als  die  Haupt- 
septime, so  wird  der  Akkord  ein  Dur-Akkord  seyn  (siehe  «.). 


314. 


Ist  die  Septime  im  Sequenz  einen  ganzen  Ton  unter  der  Oktave  (wie  die 


*)    Siehe  Beispiel  63. 


264 


Sequenzen  von  Septimen. 


Hauptseptime),  so  wird  sie  entweder  einen  Moll- Akkord  (siehe  b),  oder  einen 
verminderten  Akkord  (siehe  c)  haben. 

Wenn  demnach  im  ersten  Fall,  bei  a*  die  Septime  einen  halben  Ton  er- 
niedrigt wird,  wie  bei  d3  oder  der  Akkord  aus  moll  in  dur  umgeändert,  siehe  e3 
oder  der  unvollkommene  Dreiklang  in  einen  reinen  verwandelt  wird,  wie  bei 
/_,  so  ist  der  Hauptseptimen -Akkord  hergestellt. 

Sobald  wir  im  Laufe  der  Sequenzen  v.  S.  irgend  einen  Akkord  in  einen  Domi- 
nant-Akkord  umwandeln,  so  ist  augenblicklich  die  Modulation  nach  der  nächsten 
Tonika  bewirkt,  auf  welcher  wir  eine  Kadenz,  wenn  auch  nicht  Schlufskadenz, 
machen  können ;  oder  wenn  wir  es  vorziehen,  mögen  wir  auf  dieser  letzten  Tonika 
eine  neue  Folge  von  Sequenzen  anfangen,  und  in  ähnlicher  Art  fortfahren. 

Zu  bemerken  ist,  dafs  kein  ä  noch  \>  in  einem  Sequenz  eingeführt  werden 
darf,  das  nicht  zur  Tonart  gehört,  in  welcher  diese  Fortschreitungen  begonnen; 
denn  eine  Modulation  nach  einer  andern  Tonart  wäre  die  unmittelbare  Folge, 
wie  wir  aus  dem  folgenden  Beispiele  ersehen. 

12  3  4  5 


315. 


P  -r 

Die  Sequenzen  sind  bis  3  fortgesetzt,  bei  4  ist  der  Akkord  in  einen  Dur- 
Akkord  umgeändert,  somit  die  Modulation  nach  ^moll,  bei  5  geschehen,  und 
sodann  mit  einer  Kadenz  geschlossen.  Diese  Fortschreitung  der  Sequenzen  kann 
untermischt  mit  Dominant -Akkorden  von  grofser  Wirkung  seyn,  siehe  wie  folgt. 

1  2  3  4  5  6 


Sequenzen  untermischt  mit  Hauptseptimen-Akkorden.      265 


Im  vorstehenden  Beisp.  ist  dieselbe  Fortschreitung  des  Basses  durchgängig  bei- 
behalten; doch  nach  den  drei  ersten  Ak.  haben  wir  statt  Sequenzen,  Dominant- Ak- 
korde gewählt,  und  durch  sie  eine  verzögerte  Modulation  bei  4,  5  u.  6  eingeführt. 

Das  folgende  Beispiel  zeigt  wie,  untermischt  mit  Dominant-Akkorden,  die  Se- 
quenzen Vortrefflich  zu  benutzen  sind  für  Imitation  und  Abwechselung  des  Effekts. 
12  3  4  5  6  7 

-4 


itCt 


-O- 


:t: 


±: 


-©*■ 


{ 
l 


3  9  10        11  12  13  14 


15  *    16 


17 


-fei^ 


ei 


1-.7        b7 


— — F 


17 
"17  b5 


l 


ii 


-e 
18 


19  20 


17 
15 


,5  3  ^  %  b7 


15   Jj 


tSZ 


V 


-©- 


-■fee- 


"P~ 


21 


ritard. 


3: 


T 


ai 


7 


t>7 


7 

JL 


13- 

7 
-&- 


4-4 


9 

-I- 


F 


"©— G. 


:Ct 


*• 


[34 


266 


Sequenzen  von  Septimen. 


Der  Sopran  beginnt  bei  1  und  2,  mit  einem  kurzen  Subjecte,  welches  auf 
den  zwei  ersten  Akkorden  eines  Sequenzen  beruht;  um  diesem  Subjecte  mehr 
Ausdruck  zu  geben,  sind  noch  2  Noten  der  Nebenharmonie  hinzugesetzt. 

Bei  2  hat  der  Alt  eine  Imitation  begonnen,  welche  bis  6  fortgeführt  ist, 
hier  übernimmt  der  Tenor  das  Subject  mit  einer  leichten  Veränderung,  und 
verfolgt  es  bis  10,  wo  abermals  der  Alt  es  wiederholt,  und  sodann  alle  übrigen 
Stimmen  es  abwechselnd  vortragen. 

Der  Bass  bei  1  und  2  hat  ebenfalls  ein  kurzes  Subject  aus  den  zwei  Grund- 
bässen und  der  ersten  Versetzung  bestehend.  Dies  Subject  ist  beantwortet  bei 
11  durch  den  Tenor,  und  bei  14  wiederum  leicht  hin  durch  den  Bass;  dieser 
nimmt  bei  15  das  Subject  des  Soprans  auf,  welches  er  bis  19  durchführt. 

Bis  7  waren  die  Sequenzen  fortgeführt,  und  demzufolge  wir  in  der  ur- 
sprünglichen Tonart  verblieben. 

Bei  8  fängt  eine  zurückhaltende  Modulation  an  *)>  welche  in  der  Tonart 
Es  endet;  bei  11  ist  die  Modulation  in  ihrer  Fortschreitung  aufgehalten  durch 
die  Einführung  von  Sequenzen,  welche  bis  14  ausgedehnt  sind. 

Bei  15  fängt  ein  Gemisch  zurückkaltender  und  bezüglicher  Modulation  **) 
an,  wodurch  wir  zu  der  Grundtonart  zurück  geführt  werden. 

Um  uns  zu  vergewissern  ob  eine  Bass -Melodie,  die  in  Harmonien  ausge- 
setzt werden  soll,  Sequenzen  zuläfst,  dürfen  wir  nur  untersuchen,  ob  eine  der 
hier  nachfolgenden  Fortschreitungen  in  ihr  enthalten  ist. 

7  7 

-M.  t         _         7  '  7         7  - 


318. 


m 


n-6: 


£=<E=P: 


£ 


6 

5 


:p: 


^=p- 


ä 


x 


o=: 


a 


le 


4 

2 


4 
2 


:P=P 


4 
2 


6 

5 


6 

4 
3 


6 
4 
3 


±: 


fe£ 


6 

4 
3 


ip=t: 


IC 


Bei  a,  ist  die  Fortschreitung  des  Grundbasses  selbst; 
Bei  b,  die  Fortschreitung  der  Terz; 

Bei  c,  die  Fortschreitung  der  Septime;    da  dieses   Intervall  allezeit   vorbe- 
reitet seyn  mufs,  so  ist  es  leicht  von  jedem  anderen  zu  unterscheiden,  indem  zwei 


*)  Seite  248.  **)  Seite  247. 


Sequenzen  von  Septimen. 


26". 


gleichbenannte  Noten  gebunden  erscheinen;  die  Erste  dieser  zwei  Noten  ist  die 
Vorbereitung,  die  Zweite  ist  die  Septime  selbst,  und  die  darauf  folgende  Note 
ist  die  Auflösung. 

Obwohl  die  Fortschreitung  der  Quinte  ähnlich  der  der  Septime  ist  (siehe 
d),  so  ist  doch  der  Eindruck  weniger  gut,  und  deshalb  mufs  diese  seltener  an- 
gewendet werden. 

Gesetzt  die  folgende  Bass  -Melodie  sey  gegeben  um  in  Harmonie  ausge- 
setzt zu  werden:  — 


319. 


3iö 


=Cc 


p—0- 


:Q=P 


X 


&. 


atp 


I 


J*fV—  T«V 


s 


-ß-bß- 


4-^4 


t=TF-w 


-4—4- 


•f-f-f-^ 


P 


3 


p6#- 


m 


tat 


--O- 


Es  ist  augenscheinlich,  bei  der  Fortschreitung  der  Intervallen  des  obigen 
Thema,  dafs  der  gröfste  Theil  desselben  aus  drei  verschiedenen  Gesichtspunk- 
ten angesehen  werden  kann:  — 

Zuerst  kann  es  als  eine  Fortschreitung  von  Sequenzen  behandelt  werden, 
wie  folgend:  — 


Bi±u 


6EE£ 


4 
-ß ß- 


5 


7 

JL-JL 


-fe-tr 


Zweitens  als  eine  Fortschreitung  von  Dominant -Septimen -Akkorden,   und 
dem  gemäfs  können  wir  moduliren:  — 


Bhu 


7 

|    fcz_ 


b7 


"   2        ., 


5 
3 


'S 

3 


7 
1 


-H 


5= 


Drittens  als  ein  Gemisch  von  Beiden:  — 


=5r 


7 

Ü   sz 


3D- 


-p ^         ar- 


H      t7 


£ 


:t=P 


[   34*   ] 


268  Baas-Melodie  mit  Sequenzen. 

In  dem  folgenden  Beispiele  bei  ö,  ist  die  Bass-Melodie  der  Aufgabe  319 
durchaus  mit  Sequenzen  in  Harmonie  gesetzt,  ausgenommen  wo  dies  die  Fort- 
schreitung der  Intervallen  unausführbar  machte.  .     . 


320. 


PS 


d: 


Ä 


f? 


-1- 


-«— * 


3£ 


Äteana 


Andante. 


aizt 


^  j  rJrrJ VjjSUJ 


rrrrrT^Sf 


ta=£3Ei 


I 


±± 


6Ep=E 


^=t=p: 


£ 


-CL 


-*— # 


7     »7 


fc=e* 


3 


Kj 


-4— * 


m 


P8 


j_i2JL_J9J_j^j_xT4-J-J-J-rJ-j- 


:Q: 


es 


-fe-h 


* 


ä 


£ 


r'-'v*."T" 


=p=fe#- 


^: 


r 


tels 


*c 


fe 


4 
2 


6 
4 


{ 


;ȣ? 


tt 


:**z 


t±± 


j »  j    -rT-rr-r-r-r^-rr-f f 


*-#-#- 


±3czirf=E 


4      6      4 
2  2      6 


-JEE 


SEÖ: 


f 


« 


izfaäip 


±i 


i 


*>7  p         4 


#— »— I ? 


J_J_J_rH_ 


Das  Folgende  ist  die  Melodie  und  Harmonie  des  vorhergehenden  Beispiels, 
nur  sind  durchgehende  und  Hülfsnoten,  wie  auch  Neben-Harmonien  eingeführt, 
wodurch  die  Imitationen  (die  ganz  natürlich  aus  der  Fortschreitung  der  Se- 
quenzen entspringen)  bestimmter  hervortreten. 


f 

j 


. 


ES$ 


Bass-Melodie  mit  Sequenzen. 


j"T3 


269 


Semper  legati. 


m 


dt»fc±ü££ 


fff:"r*liflff;f:f 

ji  «  • 


■ 


Ä£E=p£=£ 

4  6  7  6 


{ 


[I 


so 


|±iEfLz=^ö==*3: 


r 


^äp 


ffi5 


7  7  4  6  7  f" 

52  7 

-^f-r^^^F^ 1-*^ er2 — 


^ 


^s 


J-CL 


?p 


ffi 


'.  I 


^ 


7  I 


{ 
l 

( 


pSfH 


-j^M 


:Q: 


I       I 

Z3fcü=ct 


-^fe* 


taFE 


^F 


31 


Pi 


JL 


i 


»fet* 


^S£ 


t  6  56 


7 
3 


4 
-  2 


6 

■ 


r- 

6 


§  2  «  7         ^  J6         ||6  7  f 


7    "T 

e7  t5  4  t 

N.  B.     Die  Quinten  bei  c,  zwischen  Sopran  und  Tenor  sind  bei  entgegen- 
gesetzter Bewegung,  zu  erlauben  *). 


*)  Siehe  Beispiel  327  (./). 


270 


Sequenzen  und  Dominant-Akkörde. 


Die  Bässe,  welche  im  vorhergehenden  Beispiele  als  Sequenzen  behandelt 
waren,  sind  im  folgenden  zum  Theil  als  Dominanten  angewendet,  auch  sind  die 
Regeln  der  „Modulation  vermitteltst  der  Intervallen  einer  Melodie"  ebenfalls 
benutzt;  der  durchaus  verschiedene  Effekt  der  hieraus  entstanden,  ist  so  grofs, 
dafs  man  nicht  leicht  im  ersten  Augenblick  dieselbe  Bass- Melodie,  in  diesem 
und  dem  vorhergehenden  Beispiele,  als  Grundlage  annehmen  würde. 


321.< 


Andante  semper  legati 

u 


fflltoÄi 


hl  \j.  m 

calan-do. 


Mos. 


T?*£ 


4 

v2 


'/     u 


4 

6    2 


4 


■**-■ 


z 


6    t3       4  3 


bZ    ß$*      t 

iL 


b? 


±=j: 


3 


*C 


4=fc 


■Kj^J1 


* 


ÖYa »"* *IIM ■ MMH M » MMMIH.j 

Im  zweiten  Takte  finden  wir  eine  betrügliche  Modulation  *). 

Dem  Schüler  wird  empfohlen  die  verschiedenen  Wirkungen  der  Harmonien 
in  den  Beispielen  wohl  zu  vergleichen. 

Die  Melodie  des  Beispiels  320,  welche  über  die  Bass -Melodie  319  entstan- 
den war,  ist  im  Folgenden  nochmals  mit  andern  Bässen,  nach  den  fünf  Regeln 
„der  Anwendung  der  Grundbässe"  so  wie  auch,  „der  Modulation  vermittelst 
der  Intervallen  der  Melodie",  in  Harmonie  gesetzt. 


*)  Siehe  Beispiel  298. 


' 


Sequenzen  und  Dominant-Akkorde. 


271 


u    m 

Vergleichen  wir  Bass  und  Harmonie  dieses  letzten  Beispiels  mit  denen  der  zwei 
vorhergehenden,  so  mufs  uns  auffallen,  dafs  eine  grofse  Verschiedenheit  unter  ih- 
nen statt  findet;  diejenigen  Schüler  welche  Neigung  haben  Composition  zu  studie- 
ren, können  hier  reichhaltigen  Stoff  aus  wenigen  Aufgaben  entnehmen.  Die  gege- 
benen Beispiele  werden  hinlänglich  gezeigt  haben,  wie  die  Septimen  der  Sequen- 

a)  s.  Freiheit  in  Auflösung  der  Dissonanzen,  Beisp.  382.  (£)  s.  Beisp.  255.  (c)  s.  Beisp.  223/  (d)  s.  Beisp  268. 


272 


Sequenzen  von  Sechsten-Akkorden,  6 — 5,  7 — 6. 


zen  mit  guter  Wirkung  anzuwenden  sind.  Durch  ihre  Einführung  vermeidet  »an 
nicht  allein  zu  viele  Modulation,  und  präget  dem  Gehör  die  Tonart,  in  der  man 
sich  befindet,  schärfer  ein;  sondern  man  giebt  auch  der  Harmonie  mehr  Kraft  und 
Nachdruck :  sie  dienen  überdiefs  wesentlich  dazu,  die  verschiedenen  Einschnitte 
(Sectionen)  aus  denen  die  Perioden  bestehen  *)  mit  einander  zu  verbinden  und 
der  ganzen  Composition  einen  gröTseren  Zusammenhang  zu  geben. 

Sequenzen  von  Sechsten ,    6 — 5  und  7  —  6. 
Aus  der  Fortschreitung  der  Sequenzen  von  Dreiklängen,  bei  a,  entspringen 
die  bei  b  und  c. 


{ 


w^wymm^^tr^ 


£ÖO:=® 


-ö- 


6         6 


6  6 


:8=£ 


:p: 


*)  Siehe  Perioden,  Beispiel  345. 


Bei 


Sequenzen  von  6ten,    6  —  5  und  7 — 6. 


273 


Bei  Anwendung  der  Fortschreitung  welche  in  dem  letzten  Beispiel  gezeigt, 
ist  es  vielleicht  besser  die  Sechste  auf  dem  accentuirten  Takt-Theil  erschei- 
nen zu  lassen  (wie  bei  b)}  weil  die  Quinte  in  dieser  Lage  sonst  gewissermafsen 
den  Eindruck  der  Quinten -Folge  hervorbringt:  diese  Bemerkung  bezieht  sich 
jedoch  nur  auf  die  Schreibart,  die  man  den  strengen  Styl  *)  nennt. 

Indem  wir  in  der  Fortschreitung  bei  c  den  Akkord  des  Dreiklangs  über- 
gehen, erhalten  wir  bei  d  den  Sequenz  von  Sechsten- Akkorde,  wenn  dieser 
mit  einiger  Beurtheilung  angewendet  wird,  so  ist  der  Eindruck  sehr  schön. 
Aus  der  Fortschreitung  der  fallenden  Sechsten  bei  e,  ist  die  bei  f  entstanden ; 
welche  aber  in  Wahrheit  nichts  anderes,  als  die  dissonirende  None  in  die 
Oktave  aufgelöst,  ist;  in  diesem  Falle  jedoch  mufs  das  Intervall  der  None 
(welches  hier  als  Septime  steht)  im  Sopran  gestellt  werden.  Sollten  wir  diese 
Septime  im  Alt  schreiben  wie  bei  g,  so  erhallen  wir  Quinten- Folgen,  da  die 
zwischenstehende  Dissonanz  die  falsche  Fortschreitung  nicht  aufhebt. 

Dieses  ist  gezeigt  bei  gg  wo  die  Dissonanz  fortgelassen  ist;  sollten  wir  in- 
dess  den  Grundbass  zu  dieser  Fortschreitung  so  annehmen  wie  er  bei  h  ge- 
schrieben steht,  so  entspringt  die  6  —  7  aus  einem  Sequenze  von  Septimen,  und 
alsdann  können  diese  2  Intervallen  im  Alt  stehen.  Es  ist  wohl  zu  bemerken  dafs 
ein  Sequenz  von  Sechsten  mehr  berechnet  ist  auf  dreistimmige,  als  auf  vier- 
stimmige Harmonie;  weil  durch  die  Vermeidung  der  Quinten -Folge  bei  /,  der 
Tenor  gezwungen  ist  in  grofsen  Intervallen  fortzuschreiten  (siehe  i,  A),  wodurch 
der  angenehme  iliefsende  Gang  der  Fortschreitung  zerstört  wird,  durch  welchen 
sich  eben  diese  Sechsten -Gänge  auszeichnen. 

Wie  bewundernswürdig  Haydn  diese  hier  bezeichnete  Fortschreitung  der 
Sequenzen  behandelt  hat,  ist  aus  nachfolgendem  zu  ersehen,  welches  ein  Aus- 
zug aus  einem  seiner  Quartette  ist. 

3  7 


fet 


324.  ? 
Haydn. 


^=P 


3 
-0- 


7 
-ß- 


~fag=£=|= 


3 

-0- 


7 
-0- 


t=fr=£4=F 


r±F=P= 


etc. 


-  -  etc. 


etc. 


*)  Siehe  strenger  und  freier  Slyl 


274 


Sequenzen  von   6ten,    6 — 5  und  7  —  6. 


Die  folgende  Aufgabe  welche  für  das  Pianoforte  geschrieben  ist,  enthält  alle 
vorher  angeführte  Sequenzen  in  ihren  verschiedenen  Gestaltungen,  steigend  und 
fallend;  sie  sind  hauptsächlich  dreistimmig  geschrieben,  um  klarer  die  Wirkung 
darzuthun,  die  sie  eben  so  geschrieben  hervor  bringen,  wenn  als  Gegensatz  die 
übrige  Harmonie  so  vollständig  als  irgend  möglich  ausgesetzt  ist. 
jUleqro  moderato 


ab±=s§=ae 


gl— 6--R- 


r 


"O" 


TfcZ 


jj      J,~>  IN  ? 


r  T  + 


:*=3=* 


f    lr 


^=J=J= 


J-J-H 


*)  Siehe  Beispiel  304. 


Sequenzen  von  6 1  e  n ,    6  —  5  und  7  —  6. 


275 


_J- 


4- 


IX 


— * Piffr — Va— F* * 

,  ^_  ^  ^?_u_/        +_^__        ______ 

n  1     7 


276       Die  drei  verschiedenen  Bewegungen  in  der  Harmonie. 
Die  drei  verschiedenen  Bewegungen  in  der  Harmonie. 

Wenn  zwei,    oder  mehrere  Stimmen  mit  einander  steigen,    oder  fallen,    so 
nennt  man  diefs,  in  gleicher  Bewegung  fortschreiten. 


frrr 


Wenn  eine  Stimme  steigt  oder  fällt,  während  eine  andere  in  ihrer  Stelle 
verbleibt,  so  wird  dadurch  die  Seitenbewegung  hervorgebracht  (siehe  b). 

Wenn  eine  Stimme  steigt,  während  eine  Andere  fällt,  so  entsteht  da- 
durch die  Gegenbewegung  (siehe  c). 

Diese  verschiedene  Bewegungen  oder  Fortschreitungen  können  mehr  oder 
weniger  verbunden  sein;  —  zum  Beispiel:  zwei  Stimmen  können  in  glei- 
cher oder  Gegenbewegung  fortschreiten  und  die  dritte  in  ihrer  Stelle 
verbleiben. 

Bei  d,  schreiten  Sopran  und  Alt  in  gleicher  Bewegung  fort,  und  der 
Bass  bleibt  liegen,  wir  haben  also  gleichzeitig,  die  gleiche  und  die 
Seitenbewegung. 


Quinten   und   Oktaven-Folgen. 


277 


Bei  e,  schreiten  Sopran  und  Bass  in  Gegenbewegung  fort,  der  Alt 
aber  verbleibt  in  seiner  Stelle,  dadurch  entsteht  gleichzeitig  die  Ge- 
gen- und  Seitenbewegung. 

Bei  /l  fallen  Sopran  und  Alt  miteinander  während  Bass  und  Tenor 
zusammen  steigen,  hierdurch  entsteht  gleichzeitig,  die  gleiche  und 
Gegenbewegung;    bei  g  ist  die  Seitenbewegung  noch  hinzugefügt. 

Bei  h,  sind  alle  diese  verschiedenen  Bewegungen  angeführt  in  der  Fort- 
schreitung des  Dominant-Septimen-Akkords  zu  seiner  Tonika. 

Quinten-  und  Oktaven -Folgen. 

Es  ist  schon  früher  gelehrt  worden,  wie  diese  verbotene  Fortschreitungen 
auf  mehrfache  Weise  vermieden  werden  können  *);  wir  dürfen  uns  über  die- 
sen Gegenstand  jetzt  noch  etwas  weiter  aussprechen,  und  einige  Beispiele  aus 
den  Werken  der  am  meisten  klassischen  Meister  anführen  um  zu  zeigen  wie 
diese  in  ähnlichen  Fällen  verfahren.  Die  allgemeinste  Regel,  diese  störende 
Fortschreitungen  zu  umgehen,  bleibt  immer  die  Gegen-  oder  Seitenbewegung 
anzuwenden.  ^^^^  ^^^^  ^^^  ^^ 

a  b  c  d 


327. 


i 


'jtp.Q  big    (Ha7dn0 

r— f--  -,— P-f~r-  ■#-a»-rd-J*s 


*= 


p^ 


-iT 


/ 


•-fe-b— 53- 


-** 


:0: 


mm 


: — :  .ßißiß-^-.  ■-«-£-» — = 


0-0-0 


CV~_+ 


■-W-W-ß- 


£3j  TffX*» 


=t 


:Cfe^=t:^ 


Ho.* 


Et 


-b- 


-0-is. 


-=v* 


*zä-*-**- 


Bei  a,  Quinten-  und  Oktaven -Folgen; 

Bei  bf  sind  diese  durch  die  Gegenbewegung  vermieden; 

Bei  c,  Quinten-  und  Oktaven -Folgen; 


-0-0-0— <**-]— 


zzRzpf 


*)  Siehe  Seite  23  und  24. 


•278 


Verdeckte    Quinten   und   Oktaven-Folgen. 


Bei  d,  die  Oktaven  -  Folge  durch  Gegeilbewegung,  und  die  Quinten-Folo-e 
durch  Seitenbewegung  vermieden. 

Quinten  und  Oktaven  dürfen  in  derselben  Stimme  aufeinander  folgen ,  so- 
bald sie  in  Gegenbewegung  fortschreiten. 

Bei  e,  Oktaven  zwischen  Discant  und  Bass; 

Bei  f,  Quinten  zwischen  Tenor  und  Bass; 

Bei  g,  sehen  wir  wie  es  hier  geschrieben  steht,  Quinten  zwischen  Tenor 
und  Bass,  der  Componist  läfst  jedoch  die  2te  Violine  mit  dem  Tenor  sich 
kreuzen,  und  vermeidet  dadurch  diese  Quinten  *). 

Verdeckte  Quinten  und  Oktaven. 

Wenn  zwei  Stimmen  in  gleicher  Bewegung  mit  einander  fortschreiten  und 
sich  diese  Fortschreitung  auf  Oktaven  endiget,  so  sagt  man,  dafs  verdeckte  Ok- 
taven dazwischen  liegen,  wie  bei  a.  Denn  wäre  der  Raum  zwischen  diesen  In- 
tervallen ausgeführt  wie  bei  b,  so  würden  augenscheinlich  Oktaven-Folgen  einr. 
getreten  sein;  da  jedoch  diese  Noten  nicht  eingeführt  sind,  so  erscheinen  diese 
Oktaven  lediglich  in  der  Einbildung:  sie  sind  leicht  durch  Gegenbewegung  zu 
vermeiden,    wie  bei  c. 

b 


Verdeckte  Oktaven. 


Ssübe 


Vermieden  durch 
Gegenbewegung 


Verd.  Oktaven. 


:hO: 


Q±:££=: 


Vermieden  durch 
Gegenbewegung. 

D=3=4 


:Q: 


Dieselbe  Bemerkung  findet  Anwendung  auf  verdeckte  Quinten,    siehe  d. 

Verdeckte  Quinten  und  Oktaven,  die  in  beiden  Stimmen  durch  Fortschrei- 
tung in  Sprüngen  hervorgebracht  werden,  wie  bei  e,  sind  schlimmer  als  die  vor- 
erwähnten, und  sollen  mit  Vorsicht  vermieden  werden. 


*)  Siehe  Seite  35. 


Verdeckte   Quinten  und  Oktaven-Folgen. 


179 


{ 


Verdeckte 
Quinten. 


Oi=p: 


=t= 


:Ö: 


Vermieden  durch. 
Geg  enb  eweguiig. 

& 


T=Q: 


:t= 


-.©- 


*2 


T-- 


-©- 


t- 


Die  kleine  oder  falsche  Quinte  soll  nicht  (streng  genommen)  vor  der  rei- 
nen vorhergehen,  weil  eine  reine  verdeckte  Quinte  dazwischen  liegt  (s.  /"*), 
dagegen  darf  die  reine  Quinte  vor  der  kleinen  gechrieben  werden  (siehe  g). 
Verdeckte  Quinten  und  Oktaven  sind  indefs  wohl  zu  erlauben,  und  finden  sich 
selbst  in  den  Werken  der  klassischen  Meister  überall;  in  den  äufseren  Stim- 
men jedoch  ist  es  rathsam  sie  stets  zu  vermeiden.  Obwohl  auch  in  diesen, 
Haydn,  und  andere  Meister,  sie  ohne  Bedenken  angebracht  haben  (siehe  a  im 
folgenden  Beispiel). 

c 


329. 


Die  Quintenfolge,  welche  durch  die  Fortschreitung  des  §  Akkords  bei  a, 
hervorgebracht  war,  ist  bei  b  durch  Zurückhaltung  vermieden,  Cherubini  hat 
dagegen  diese  Quintenfolge  bei  c  **),  sich  mehr  als  einmal  in  seinen  letzten 
Kirchen  -  Compositionen  erlaubt. 

Quintenfolgen,  welche  aus  durchgehenden  Noten  entstehen,  sind  erlaubt, 
da  die  durchgehenden  Noten  nicht  zu  der  wesentlichen  Harmonie  gehören. 


B±=^=r=ß~ 


=b— p 


±: 


-0- 


-ß- 
±: 


-fc-fr 


^^m 


*)    Diese  Regel  wird  nicht  sehr  beachtet  von  den  neueren  Componisten. 
**)    Siehe  Seite  169. 


280 


Verdeckte  Quinten  und  Oktaven-Folgen. 


Durch  Brechung  der  Akkorde  können  unerlaubte  Fortschreitungen  nicht 
vermieden  werden;  denn,  ob  die  Intervallen  des  Akkords  nacheinander  wie  bei 
a%  oder  verbunden  wie  bei  b  angeschlagen  werden,  der  Eindruck  (hinsichtlich 
der  unrichtigen  Fortschreitungen)  bleibt  derselbe. 


331.  < 


Eben  so  wenig  können  Quinten-  und  Oktavenfolgen  durch  die  Einführung 
von  Pausen  vermieden  werden  (siehe  c). 

Warum,  da  die  Fortschreitung  in  Terzen  erlaubt  ist,  ist  die  Quinten-  und 
Oktavenfortschreitung  unerlaubt?  — 

Die  Natur  scheint  sie  verworfen  zu  haben!  — 

Wir  finden  in  der  Harmonie,  die  in  der  Schwingung  der  Saite  uns  gege- 
ben ist,  wohl  Terzen-,  aber  keine  Quinten-  und  Oktavenfolge  *).  Die  Natur 
hat  in  ihrer  Entwicklung  sehr  bestimmt  die  einfache  ununterbrochene,  eng  mit 
einander  verbundene  Folge  der  Harmonie  uns  vorgeschrieben.  Verdeckte,  (oder 
mit  andern  Worten,  eingebildete)  Quinten  und  Oktaven  finden  sich  wohl  darin, 
aber  keine  Wirklichen.   Eben  so  wenig  sehen  wir  andere  zwei  gleichbenannte 


*)    Siehe  Seite  57. 


In- 


Die  Bildung  der  Melodie.  281 

Intervallen  unmittelbar  nach  einander  erscheinen,    ausgenommen  Terzenfolgen, 
doch  auch  diese  nur  von  verschiedener  Gröfse. 

Die  stete  Abwechselung  der  Intervallen,  welche  uns  in  der  Harmonie  der 
Tonleiter  durch  die  Natur  angegeben,  mufs  für  uns  ein  Vorbild  der  Verschie- 
denheit und  Regelmäfsigkeit  zugleich  werden,  welche  Beide  so  unerläßliche 
Bedingungen  in  der  musikalischen  Composition  sind.  Mit  einem  Wort,  diefs 
ist  die  Quelle  aus  welcher  der  Strom  reiner  Harmonie  zuerst  entsprungen,  die- 
ser mufs  auch  so  rein  in  seinem  Fortgange  erhalten  werden,  als  die  Quelle  der 
er  entflossen,  es  war. 

Die  Notwendigkeit  der  Regel  „dafs  Quinten  und  Oktaven-Folgen  vermie- 
den werden  müssen"  ist  demnach  einleuchtend  durch  sich  selbst,  und  wir  mö- 
gen fest  überzeugt  seyn,  dafs  wenn  die  Folge  dieser  unerlaubten  Fortschreitun- 
gen zugestanden  wird,  diefs  stets  auf  Kosten  der  besseren  Melodie  und  Harmo- 
nie nur  geschiehet. 

Vorbereitungen  zur  Bildung   der  Melodie. 

Die  'verschiedenen  Zeitmaafse  j   der  Rhytmus  u.  s.  w. 

Bis  hieher  hat  der  Schüler,  die  ihm  vorgeschriebenen  Melodien,  in  Harmo- 
nie ausgesetzt;  nun  soll  ihm  gelehrt  werden  die  Melodie  selbst  zu  bilden. 

Der  erste  Schritt  zu  Erreichung  dieses  Zwecks  ist,  ihm  mit  der  Construc- 
tion  des  einzelnen  Taktes  sowohl,  als  mit  der  verschiedenen  Beschaffenheit  der 
Zeitmaafse,  in  welchen  eine  Composition  geschrieben  werden  kann,  bekannt  zu 
machen. 

Um  es  deutlich  zu  machen  was  unter  dem  verschiedenen  Zeitmaafse  ver- 
standen wird,  wollen  wir  annehmen,  „die  Noten  des  folgenden  Beispiels  wür- 
den durchgängig  mit  einem  gleichen  Grad  von  Stärke  angegeben,"  in'  diesem 
Falle  können  sie  uns  keine  besondere  Empfindung,  noch  einen  Ausdruck  mit- 
theilen, als  der  durch  ihr  Steigen  und  Fallen  entsteht;  sie  sind  unbelebt: 
(dieser  bildliche  Ausdruck  sei  mir  erlaubt),  und  wenn  gleich  Harmonie,  Mo- 
dulation, Dissonanzen  u.  s.  w.  dazu  beitragen  können  sie  mehr  und  mehr 
ins  Leben  zu  rufen,  so  werden  sie  immer  einer  Beschaffenheit  von  gewaltigem 
Einflüsse  ermangeln,  des  rhytmischen  Verhältnisses  oder  der  rhytmischen  Form. 

332.   fe-0=g--^=^0=g=g^O=0^--g=g=g 


[     36     ] 


*, 


282 


Die  verschiedenen  Zeitmaafse. 


von 


Um  die  rhytmische  Form  zu  erhalten,   wollen  wir  die  obere  Folge 

Noten  trennen,  indem  wir  je  zwei  und  zwei  zusammenstellen,  wie  im  folgenden 
Beispiele. 

3  4 5 6 7  —==       8 


333. 


■CrOi-O^ 


^--O: 


Si©i 


ZOlO; 


Solche  Zusammenstellungen  nennen  wir  Takte  (sie  sind  bestimmt  getrennt 
durch  die  Linien,  welche  das  System  durchschneiden).  Die  Theilung  giebt  uns  hier 
8  Takte;  wenn  wir  während  der  Ausübung  zählen  —  eins,  zwei,  drei  u.  s.  w. 
bis  acht,  so  werden  wir  unbewufst  auf  der  ersten  Note,  das  heifst,  der  ersten 
halben  Note  eines  jeden  Taktes,  einen  Nachdruck  legen,  nie  auf  der  zweiten 
halben;  dies  nennen  wir  Accent,   es  ist  der  Anfang  des  Rhytmus. 

Von  der  ersten  Eintheilung  der  zwei  Noten  in  einem  Takt,  ist  die  Regel 
hergeleitet,  dafs,  „wenn  ein  Takt  zwei  Noten  von  gleichem  Werthe  enthält 
(mögen  sie  ganze,  halbe,  oder  Viertel-Noten  sein)  so  ist  die  Erste  davon  ac- 
centuirt,   die  Zweite  aber  unaccentuirt." 

Diese  Eintheilung  der  Zeit  müssen  wir  für  jetzt  durch  die  Zahl  2  zu  An- 
fang der  Linie  bezeichnen:  -f-  für  zwei  ganze  Noten  in  einem  Takt;  -§"  ßü" 
zwei  halbe,  und  -§■<  für  zwei  Viertel  *) ;  und  da  jeder  Takt  aus  zwei  Noten  von 
gleichem  Werthe  (oder  deren  Equivalent)  besteht,  so  benennen  wir  dies,  den 
gleichen  oder  gewöhnlichen  Takt  **). 


334. 


*)  Die  obere  Ziffer  bezeichnet  die  Zahl,  die  untere  den  Werth  der  Noten,  die  zu  einem 
jeden  Takte  (hinsichtlich  der  Zeit)  gehören  sollen. 

**)  In  neuern  Compositionen  ist  dieses  Zeitmaals  durchgängig  so  (^  bezeichnet,  es  wäre  in- 
defs  rathsam  die  oben  angeführte  einfache  Bezeichnung  einzuführen,  da  sie  darauf  berechnet  ist, 
den  wesentlichen  Unterschied  zwischen  den  hier  angeführten  Jj-  Takt,  und  den  noch  später  zu 
erwähnenden  J5-  Takt,  anschaulich  zu  machen. 


Der    Rhytmus. 


283 


Wenn  wir  zwei  Takte  von  den  vorstehenden  in  einem  verbunden  schrei- 
ben,  so  erhalten  wir  eine  Takt-Eintheilung  von  vier:  -f-  -f-  \  \. 

ac. 


Da  von  den  letzten  Takten  ein  jeder  aus  der  Verbindung  von  zweien  der 
früheren  entsteht,  so  folgt,  dafs  diese  letzteren  Takte  nothwendig  auch 
zwei  Accente  erhalten  müssen,  dafs  heifst  auf  dem  ersten  und  dritten 
Takttheil;  mit  dem  Unterschied  jedoch,  dafs  der  zweite  Accent  (hier  mit  ei- 
nem kleinen  a  bezeichnet)  nicht  so  stark  ausgedrückt  wird,  als  der  erste. 

Dieses  Zeitmaafs  entspringt  aus  vier  Noten  von  gleichem  Werthe  wir 
benennen  es,    langen  gewöhnlichen  Takt. 

N.  B.  Der  Unterschied  zwischen  dem  Zeitmaafs,  von  -f-tel  und  -f-tel  mufs 
sehr  genau  beachtet  werden. 

Wenn  der  gleiche  Takt  oder  die  Eintheilung  der  Zeit,  deren  wir  zuerst 
erwähnten,  dadurch  verändert  wird,  dafs  wir  den  Werth  des  ersten  Takttheils 
verdoppeln,  (wie  bei  a  im  folgenden  Beispiel)  oder  dadurch,  dafs  wir  den 
zweiten  Takttheil  um  den  halben  Werth  verringern  (wie  bei  b)  so  entsteht 
ein  neues  Zeitmaafs,  aus  3  Noten  von  gleichem  Werthe  in  jedem  Takt 
(hinsichtlich  der  Zeit);  dies  ist  dreitheiliger  oder  ungleicher  Takt,  und  wird, 
wie  folgt,  bezeichnet  -~r  -f-  -f-. 


336. 


ac. 

ac. 

■       p              -B- 

jf      y>.         p         ° 

W—2, 

■*% 


m 


ac 

-O- 


ac. 


:* 


[  36 


284 


Die  verschiedenen   Zeitmaafse. 


Da  die  angegebene  Eintheilung  in  drei,  aus  dem  -f-tel  Takt  entsteht,  wel- 
cher in  dem  Beispiel  334  beschrieben  ist,  so  mufs  folglich  nur  ein  Accent 
seyn,   dieser  fällt,   versteht  sich,  auf  dem  ersten  Takttheil. 

Es  mufs  jedoch  bemerkt  werden,  dafs  es  noch  eine  andere  Art  des  drei- 
theiligen  Taktes  giebt,  die  aus  der  ursprünglichen  Verbindung  von 
drei  Noten  gleichen  Werthes  entspringt,  welche  öfters  alle  drei  mit 
gleichem  Accent  belegt  werden. 


337.  { 


:Q: 


t- 


-C- 


:t: 


-&~ 


z3r 


:\:=t—. 


4= 


:C: 


*= 


:D: 


:^ 


=:j=p: 


:f: 


Die  charakteristische  Unterscheidung  zwischen  diesen  beiden  Arten  des 
dreitheiligen  Zeitmaafses,  ist  wohl  genugsam  bestimmt,  um  dafs  es  nicht  mifs- 
verstanden  werden  kann:  es  ist  z.  B.  einleuchtend,  dafs  das  dreitheilige  Zeit- 
maafs  bei  (c)  im  folgenden  Beispiel  aus  dem  Takt  von  2  entsteht;  während 
dafs  bei  (d)  aus  der  ursprünglichen  Zusammenstellung  von  drei  Noten  von 
gleichem  Werthe  herzuleiten  ist.  Der  Accent  des  ersten  Zeitmaafses  ist 
keinem  Zweifel  unterworfen,  da  hingegen  der  im  letzteren  unentsshicden  ist.  , 


338. 


9   .     (S 

C*tC. 

ac. 

ac. 

ac. 

M      h        Q. 

p 

._ 

!                      

fo-h-i,^ 

9    . 

© 

%® E — f* 

—  F 

© 

B       . 

1 

i)               ~ 

Haydn. 


< 


Jil     J 


^ffl 


■"v. -*- 


zT----—-=l—.:--l 


Ö 


HK 


-^ 


Mozart. 


fe 


EggÖ 


— i — _>n*^°!~t  j"*j  ~fn  i — i — m— 


Der    Rhytmus. 


285 


Wenn  in  einem  2theiligen  Takte,  der  halbe  Werth  einer  dieser  Noten,  zu  ei- 
ner jeden  Note  hinzugefügt  wird,  so  entsteht  eine  neue  Art  Zeitmaafs,  welches 
wir  den  zusammengesetzten  gewöhnlichen  Takt  benennen,  und  -f-  -§-  bezeichnen. 


330. 


ac. 

-R-- 


=p: 


ac 


ac. 


-s-#-P- 


E==p=t= 


£=J= 


-ß- 


4-p-ß-M- 


_f_ — | — | — | — 


•— (fc=~ 


:[=Ö 


Da  diese  Eintheilung  der  Zeit  aus  dem  Stheiligen  Takte  entspringt,  so  folgt 
natürlich,  dafs  wir  nur  einen  Accent  haben  können,  und  wir  müssen  ihn  den 
kurzen  zusammengesetzten  Takt  nennen. 

Wenn  zwei  3thei!ige  Takte  verbunden  werden,  welche  aus  dem  Stheiligen 
Takt  entsprungen  waren,  so  erhalten  wir  langen  zusammengesetzten  gewöhn- 
lichen Takt. 


f] 

ae. 

ac. 

p 

-©- 

M         V. 

o 

*P      3 





340.    «k^ 


# 


Da  dieses  Zeitmaafs  aus  dem  4theiligen  Takte  entspringt,  so  mufs  noth wen- 
dig jeder  Takt  zwei  Accente  haben,  wie  im  Beispiel  335;  dieser  lange  zusam- 
mengesetzte gewöhnliche  Takt,  welcher  aus  dem  4theiligen  entsteht,  wird  oft 
verwechselt  mit  dem  aus  dem  2theiligen  entsprungenen.     Der  Unterschied  wird  je- 


286 


Die  verschiedenen  Zeitmaafse. 


doch  augenblicklich  einleuchten,   so  bald  wir  den  kurzen   zusammengesetzten 
Takt  bei  b,  mit  dem  langen  *)  bei  c  im  folgenden  Beispiele,  vergleichen. 


341. 


— &■ s 9- 1 — P £-i s- i — p- f- H — 

— -^ ß. 1 — i — *-         — f  i         i 


& — rt-=ß^=ß 


& 


9- 


-ß—ß-f-ß-f- 


■l — i — l- 


jß- — 


{ 


=3= 


m 


T- 


Ac. 


:s£: 


t* 


ac. 

-ß- 


Ac 


:t: 


:t: 


Ac. 


Ac 


^=r^=Ök=° 


m 


-ß—ß- 


T- 


ßfß- 


4-t- 


£==t 


Verbinden  wir  2  Takte  von  diesem  kurzen  -f-  Takt  mit  einander,  so  er- 
halten wir  ^,  und  da  dieses  Zeitmaafs  aus  den  4theiligen  entsteht,  so  folgt 
nothw endig  dafs  zwei  Accente  in  jeden  Takt  fallen  müssen. 


' 


ac. 


*)    Siehe  desgleichen  Beispiel  348. 


Der    Rhytmus. 


287 


Fügen  wir  zu  einer  jeden  Note  des   3theiligen  Takts  den  halben  Werth 
der  Note  hinzu,   so  entsteht  der  zusammengesetzte  3theilige  Takt  -f-; 


343. 


3t 


-O- 


£: 


ac. 


£: 


:p 


i 


:t: 


t-O- 


:t 


i 


«: 


-/- 


_pi_p_,_^. 


Ob  der  Accent  auf  der  ersten  Note,  ob  er  auf  dreien  vertheilt  werden 
soll,  hängt  von  der  ursprünglichen  Takteintheilung,  aus  welcher  er  herzuleiten 
ist,  ab. 

Die  Verschiedenheit  des  Effekts,  welche  durch  die  Veränderung  der 
rhythmischen  Form,  selbst  bei  der  einfachsten  Melodie  möglich  wird,  anschau- 
lich zu  machen,  und  um  zu  zeigen,  dafs  ohne  alle  Abweichung  von  der  ur- 
sprünglichen Fortschreitung  der  Noten  der  Melodie,  diese  Mannichfal- 
tigkeit  lediglich  durch  Veränderung  des  Zeitmaafses  bewirkt  wird,  (indem  Ab- 
kürzungen und  Verlängerungen  des  Werths  einiger  Noten,  Punkte  und  Pausen 
u.  s.  w.  angewendet  sind),  folgt  das  Beispiel  344  hier,  vielleicht  dienet  es  den 
Gegenstand  schneller  begreiflich  zu  machen,  als  viele  Seiten  der  Erläuterung. 

Mit  dem  Versuche,  die  verschiedensten  Gefühle  und  Leidenschaften  durch 
dieselbe  Folge  von  Noten  auszudrücken,  indem  nur  die  rhytmische  Form  ver- 
ändert wurde,  bezweckte  ich,  die  Wichtigkeit  und  den  grofsen  Eiiiflufs  des 
Rhytmus  in  der  musikalischen  Gomposition  fühlbar  zu  machen;  da  in  Wahr- 
heit der  Rhytmus  die  Seele  der  Musik  ist,  und  unsere  höchste  Aufmerksamkeit 
fordert. 


288 


Die  verschiedenen  Zeitmaafse. 


344. 

Unbelebt. 


Unempfmdlichkeit, 

Trägheit, 

Verzagtheit. 


Etwas  beseelter. 


Ermunternd. 


Leidenschaftlich 
Stürmische 
Heftigkeit. 


Sorge  und  Schmerz. 


-»— m 


+=r=!=!=j=S=?=M=£===£= 


Moderato. 


feü 


Moderato. 


-p—ß 


S==Mr= 


_o. 


:t: 


m 


ß  F 


-p-ß-ß- 


£E 


■ß—ß-\ — i — -bj- 


JtfBE 


t: 


v^//o.  Moderato. 
-ß-ß-ß 


r§^^& 


F#-P 


-p-#-F-t-- 


#*- 


Wtf^ 


3?±i3£± 


Allo.  con  Spirito. 


ß-ß 


w* 


ff 

Allo.  Agitato. 


-#* 


2#-# 


:F=£: 


-*££L©- 


rP 


SE^fe*=Ö^iÖgg 


-l — i — I— 


■knb 


* 


Aeitato. 

Furcht,   Zittern.    l^g^^tÖl^gg^ 


W 


i#-f^-F 


p^sp^i 


Heftige 
Gemüt'hsbewegung 


Eutschlossenheit, 
Entschiedenheit. 


Demuth, 

Sanftmuth, 

Bitte. 


Es 


Q- 


rinf. 


-P-P- 


:"s^Ffe 


üt: 


rinf. 


rpz£ 


Maestoso. 


ßß-ß'ß 


roacE-pzpz 


±3tfc 


Staccato. 
Moderato.     ^" 


ȧ- 


sf. 


-©- 


zt: 


*/• 


se 


-i  f  >.r  ir .  «- 


^ig 


top — F 


:=K-t=bz::it: 


=P= 


Liebreich, 
einschmeichelnd. 


Gratiös. 


Anmuthig. 


Stolz, 
herrschsüchtig. 


Munterkeit, 
Fröhlichkeit. 


Zufriedenheit. 


K-indlich, 
scherzhaft. 


Der    R  h  y  t  m  u  s. 

Moderato.  ^^p___  ^^mmmt 


289 


***  dol. 

Pomposo. 


nposo. 


rinf.  rinf. 

rretto.  -y 


Scherzando. 


j-jir^J^-/ — j.-zzz=.-zz£T 


1 


**  mez.  Vac.a 


mez.  Voce 


Die  Bildung  der  Perioden*  oder  musikalischen  Phrasen. 
In  den  vorhergehenden  Beispielen  ist  gezeigt,  dafs  die  Takte,  durch  Zusam- 
menstellung einer  Folge  von  Noten  in  gewisse  Abtheilungen,  entstehen.  Verfah- 
ren wir  in  eben  der  Art  mit  einer  Folge  von  Takten,  so  entstehen  daraus 
Perioden,  oder  Phrasen.  Die  Verbindung  mehrerer  dieser  Perioden  macht 
eine  Compositum.     Da  das  natürlichste  Zeitmaafs   aus  der  gleichen  Zahl  von 


Takten  entsteht,  -f-  ~ 
*)    Siehe  Beispiel  334. 


*)  so  sind  die  Perioden  welche  aus  2,  4,  8,  10,  oder  ir- 


[     37     ] 


290 


Die    Perioden. 


gend  einer  gleichen  Zahl  von  Takten  bestehn,  die  einfachsten  und  angenehm- 
sten ;  deshalb  nennen  wir  sie  regelmäfsige  Perioden.  Das  Ende  einer  Pe- 
riode in  der  Musik,  ist  dem  Schlüsse  eines  Redesatzes  zu  vergleichen;  und  soll 
dem  zu  Folge  mit  einer  Kadenz  schliefsen. 

Das  folgende  Beispiel  ist  eine  Periode  von  4  Takten,    die  Schlufs- Kadenz 
mit  inbegriffen. 

Moderato.  ~===~r- *.   i  ,-^ 


345. 


6  tj  6  R      7 

Da  zu  Ende  dieser  Periode  das  Ohr  durch  die  Schlufs -Kadenz  in  den 
Stand  der  vollkommensten  Ruhe  versetzt  ist,  so  nennen  wir  diese  eine  voll- 
kommene Periode. 

Es  ist  nicht  durchaus  nothwendig,  dafs  alle  Perioden,  in  derselben  Ton- 
art enden  in  welcher  sie  begonnen. 


( 


346. 


~b ==l — J — -1— t-J — H r-J — P^— I r 


--T- 


-+-<**- 


r-rr 


eL±- 


:t 


--F: 


±: 


JP 


--0=ß- 


±— t 


^*- 


66  666  66  6798 

4  444  4        #  7       3 

2  3    3  4 

Hier  hat  die  Periode  in  der  Tonart  Hes  angefangen,  und  endet  in  der  ver- 
wandten Moll-Tonart:  es  versteht  sich  aber  von  selbst,  dafs  die  Melodie  so 
nicht  schliefsen  kann,  es  mufs  etwas  folgen,  was  zu  der  ursprünglichen  Tonart 
uns  zurück  führt. 

Wenn  wir  eine  Periode  von  8  Takten  anfangen ,  und  wir  sind  bis 
zum  4ten  Takt  gekommen,  fühlen  wir  uns  unwillkührlich  zu  der  Harmonie 
des  Dominanten  hingeleitet,  und  empfinden  das  Verlangen  auf  diesem  Punkt 
zu  einem  Grad  der  Ruhe  zu  gelangen.  Wenn  dem  zufolge  wir,  sey  es  durch 
Fortschreitung  oder  Modulation  im  4ten  Takt  die  Harmonie  des  Domi- 


Die  Perioden. 


291 


nant  *)  eingeführt  haben,  so  nennen  wir  dies  eine  halbe  Periode;  durch  Mo- 
dulation dahin  zu  gelangen,  ist  indefs  vorzuziehn.  Die  Periode  in  dem  fol- 
genden Beispiele  besteht  aus  8  Takten,  die  Eintheilung  der  halben  Periode  ist 
durch  Modulation  geschlossen  bei  a. 


347 


{ 


$ 


j£4 


-1 


:Q3 


i 


Haydn. 


aEfcS: 


Uä 


(a) 


-fe- 


2 


:t: 


j£Ml 


-O 


s*>- 


■M 


-i — h- 


—       r 


Wäre  im  obigen  Beispiele  die  Harmonie  des  3ten,  und  4ten  Taktes  wie 
bei  b  geschrieben,   so  würde  die  Periode  durch  Fortschreitung  geendet  haben. 

Wenn  die  Melodie  in  langem  gewöhnlichen,  oder  langem  zusam- 
mengesetzten Takt  geschrieben  ist,  so  wird  meistens  die  Periode  nur  aus  4 
Takten  bestehend),  befunden  werden:  in  diesem  Falle  wird  die  halbe  Periode 
auf  den  2ten  Takt  schliefsen. 


348. 


%. 


-^$ 


:& 


£H_0LAJ3Lr* 


Haydn 


:q-£d^£iP  bz==Ää#  ^jfffejg  ^*5* 


*3: 


«^ 


^ 


5*0*=* 


«3fc*3=Ä 


^=^3=*g^ 


p-p 


k  U 


$=wfr 


*)  Obwohl  die  Harmonie  des  Dominant  hier  die  natürlichste  ist,  so  ist  doch  der  Abwechse- 
lung wegen,  eine  Modulation  nach  der  verwandten  Moll -Tonart,  ^>der  ihrem  Dominant,  Sub- 
Dominant  u.  s.  w.,  nicht  zu  verwerfen;  wie  sogleich  gezeigt  werden  wird. 

[    37*    ] 


292 


Die    Perioden. 


Eine  Periode  oder  halbe  Periode,  kann  ebenfalls  noch  in  kleinere 
Theile  getheilt  werden,  welche  man  „Einschnitte"  (Sectionen)  nennt;  auch  diese 
können  durch  Fortschreitung  oder  Modulation  gebildet  seyn.  Wenn  ein  Ein- 
schnitt durch  Modulation,  auf  dem  accentuirten  Takttheile  entsteht,  so 
nennen  wir  ihn  accentuirten  Einschnitt  durch  Modulation,  und  ist 
er  auf  dem  unaccentuirten  Takttheil  gefallen,  so  wird  er  unaccentuirter 
Einschnitt  durch  Modulation  genannt:  der  Eindruck  des  Letzteren  wird 
jedoch  immer,  im  Vergleich  zu  dem  Ersteren,  sanfter  und  gefälliger  erscheinen. 

Diese  Gegenstände  werden  klarer  erscheinen,  und  richtiger  verstanden  werden, 
wenn  man  die  nachfolgende  Melodie  mit  Aufmerksamkeit  prüft;  sie  besteht  er- 
stens aus  16  Takten,  sodann  ist  sie  in  2  Theile  getheilt,  diese  Theile  bilden 
ganze  Perioden;  die  erste  Periode  ist  durch  Modulation  nach  dem  Dominant, 
bei  a,  im  4ten  Takt,  wiederum  in  zwei  halbe  getheilt;  bei  b  sind  accen- 
tuirte  Einschnitte  durch  Modulation,  und  bei  c,  unaccentuirte  gemacht. 
Andante.  - 


Die    Perioden. 


293 


Wenn  dieselbe  Melodie,  geschrieben  und  in  Harmonie  ausgesetzt  wäre,  wie 
im  folgenden  Beispiele,  so  würden  Einschnitte  und  halbe  Perioden  durch 
Fortschreitung,    statt  durch  Modulation  bewirkt  worden  seyn. 

350.  ""  "~ =  ~"  ~      '  ™~~~  ~~ '  "   — "— 


f 


£±=g 


■£ 


O: 


-*-c* 


Halbe  Periode  durch  Fortschreituns. 

fcrx 


* 


ä: 


-g— o- 


-etc 


-© + 


t 


"-&: 


:Ö: 


Oizfc 


:t=: 


±: 


:t: 


3Öt 


Einschnitt  durch.  Fortschreitung. 


ebenfalls. 


Die  Noten  welche  die  Schlufs- Kadenz  bilden,  können  selbst  als  Periode 
behandelt  werden,  wie  im  folgenden  Beispiel;  da  jedoch  der  Effekt  welcher 
durch  solche  kurze  Perioden  hervorgebracht  wird,  nur  eintönig  und  klein- 
lich ist,  (besonders  wenn  sie  ohne  Modulation  unmittelbar  auf  einander  folgen) 
so  müssen  sie  vermieden  werden. 


Eingeführt  mit  Modulation  können  diese  kurzen  Perioden  jedoch  auch  ge- 
fällig und  interessant  erscheinen, 

Periode, 


352-^J 


mm 


as=3 


*3S*: 


Periode. 

ß. 


im 


--£.-*- 


r 


e— ß- 


t—r 


ps 


Periode. 


9ß  ß 

ß-v-m- 


:t 


t-rrh\ 


-t: 


7 
6   * 

-0-ß- 


r 


# 


-=*«- 


*:£=£ 


t=P 


7   7 


-=l Hfß 


Wt 


16 
4 


t=P 


■**- 


294 


Die   Perioden. 


Bei  einer  sorgfältigen  Untersuchung  des  Vorstehenden  wird  man  finden- 
erstens,  dafs  die  Einförmigkeit  die  in  der  2ten  Periode  des  Beispiels  351 
herrschte,  durch  die  Modulation  nach  E  moll  hier  vermieden  ist;  zweitens  dafs 
die  letzten  4  Takte  welche  351  als  zwei  Perioden  erschienen,  hier  durch 
Einführung  der  Modulation  nach  //"moll  im  6ten  Takte,  in  einer  vereinigt  sind. 

Es  ist  zu  bemerken  dafs  die  Modulation,  durch  welche  eine  Vereinigung 
der  verschiedenen  Perioden  in  dem  vorstehenden  Beispiele  bewirkt  wurde,  auf 
den  unaccentuirten  Takttheil  statt  hatte.  Verändern  wir  den  Rhytmus  dieser 
Takte,  so  erhält  das  ganze  Subject  dadurch  einen  neuen  mehr  auffallende- 
ren Charakter.    Z.  B. 


353. 


3if3 


:^-'P 


f. 


6    7 


-a 


7 

8 


-ß-ß- 


6    7 


rinf.  '        [      I  |    I  I    rinf. 

rinf.  m 


±: 


:0: 


6 

5 


,-p-P=: 


"-P 


7   7 


t!7 


:pzt: 


&  — 

4   7 


Es  ist  unläugbar  dafs  der  Rhytmus  nicht  so  natürlich  und  fliefsend  erscheint 
als  im  Beispiel  341,  doch  kann  er  mit  richtiger  Beurtheilung  eingeführt,  vor- 
treffliche Wirkung  hervorbringen. 

N.  B.  Es  ist  nicht  nothwendig  dafs  die  Kadenz,  welche  eine  Periode  schliefst, 
jederzeit  so  vollständig  seyn  mufs,  wie  im  vorhergehenden  Beispiele;  die  blofse 
Fortschreitung  des  Akkords  der  Grundseptime  zu  der  Tonika  wird  oft  genügen 
das  Gehör  zu  befriedigen,  und  es  zu  einem  gewissen  Grad  der  Ruhe  zu  leiten. 

Das  Volkslied,  „God  save  the  King"  enthält  zwei  Perioden,  die  erstere 
aus  6,  die  letztere  aus  8  Takten  bestehend,  diese  sind  durchgängig  in  Ein- 
schnitte von  2  Takten  eingetheilt. 


354. 


~Jh~ß  ß  r 

-ß--p—p- 

T    9  T" 

t  rr 

r-r-f-- 

ß-£-ß-ß  m- 

-i — L=-i — T—  ß- 

-1 y~-\ — 

i^z^itczz 

W — 

! 

- — V— u 

1      r 

r.  ■  *  U-Jf^ 

c 

Die    Perioden. 


295 


Das  folgende  Beispiel  enthält  eine  Periode  von  6  Takten,   in  Einschnitten 
von  3  Takten  eingetheilt. 


355. 


Es  ist  schon  gesagt,  dafs  Perioden  welche  aus  einer  gleichen  Anzahl  von 
Takten  bestehn,  die  natürlichsten  und  angenehmsten  sind;  indessen  haben  meh- 
rere Componisten,  um  einen  ausgezeichneteren  Effekt  hervorzubringen,  kein  Be- 
denken getragen,  sich  von  diesem  angenommenen  Grundsatz  zu  entfernen.  Die 
im  folgenden  Beispiele  enthaltene  Periode  besteht  aus  9  Takten,  4  Takte  bil- 
den die  erste,  und  5  Takte  die  zweite  halbe  Periode. 


356. 


Wenn  wir  diese  ungleiche  Takt-Zahl  zuerst  hören,  macht  sie  einen  son- 
derbaren Eindruck,  der  siebente  Takt,  erscheint  unerwartet,  und  als  wäre  er 
verfälscht.  Spielt  man  jedoch  diese  reizende  Melodie,  nur  einigemal  hinterein- 
ander, so  wird  man  überzeugt,  dafs  in  Wahrheit  eben  dieser  hinzugefügte 
Takt,    die  gröfste  Schönheit  ist. 


296 


Die    Perioden. 


Das  folgende  Beispiel  zeigt  uns,  mit  -welchem  Effekte  Mozart,  Perioden  von 

3  und  5  Takten  eingeführt  hat. 


357. 


-I h-l 1— -m Jt- 


in-.  iiT 


(a) 


-O'- 


» 


~-3—**—ß. 


±z 


Eins. 


Eins. 


Eins. 


Eins. 


ffa-irfif^ß-^ 


f-t~\ l-f-r- 


iFNeH 


t 


■ß — 


:t 


ß-r 


Q) 


-%™t 


£-£-p$ß--ß-ß- 


fK±^ 


5  Takte  bilden  die  erste,  4  Takte  in  Einschnitte  eingetheilt,  die  zweite 
halbe  Periode,    und  die  letzte  besteht  nur  aus  3  Takten. 

Wenn  die  vorhergehende  Aufgabe  wie  im  folgenden  Beispiel  geschrieben 
worden  wäre,  so,  hätten  alle  Perioden  die  gleiche  Zahl  von  Takten  erhalten, 
das  heifst  —  die  erste  halbe  Periode  würde  4  Takte  statt  5,  so  auch  die  letzte 
4  statt  3  zählen;  aber  alsdann  wäre  auch  der  geistvolle  und  kräftige  Ausdruck 
worauf  die  ungleiche  Eintheilung  der  Takte  berechnet  war  (bei  a  und  b)  auf- 
geopfert (siehe  c  und  d). 

12  3  4 


N.  B.  Perioden  welche  aus  einer  ungleichen  Zahl  von  Takten  bestehn, 
werden  unregelmäfsige  Perioden  genannt. 

Es  ist  nicht  nothwendig,  dafs  eine  Periode  stets  mit  dem  accentuirten  Takt- 
Theil  anfange,  sie  kann  eben  so  wohl  mit  einem  Theil  des  unaccentuirten, 
oder  dem  vollen  unaccentuirten  Takt-Theil  beginnen,  in  welchem  Falle 
nur  der  Werth  der  Note  zu  Ende  der  Periode,  (wird  er  hinzugerechnet  zu 
dem  Werth  der  Note  mit  welcher  angefangen,)  den  Inhalt  des  ganzen  Takts 
herstellen  mufs. 

In 


Die   Perioden. 


297 


In  dem  folgenden  Beispiele  fangen  die  Perioden  bei  er,  und  bt  mit  dem 
unaccentuirten  Takttheil,  so  wie  bei  c,  mit  3  Achtel,  und  bei  d,  mit  der  Hälfte 
desselben  an. 

Allegro,     (ö) 


259. 
Mozart. 


ifcfc^ 


=# 


^Äfe 


^F 


^U3=: 


:p=* 


3==!^ 


±i 


I 


(4) 


ses 


-*-»■  -. 


(c) 


era 


f^t 


PC 


SSC 


fc£± 


Wir  finden  oft  dafs  zwei  unmittelbar  auf  einander  folgende  Perioden,  so 
construiret  sind,  dafs  der  letzte  Takt  der  Ersteren  zugleich  der  Anfang  der 
Zweiten  ist. 


360. 
Mozart, 


< 


-P- 


m 


P- 


++ 


ß—ß—*~ 


5feBfet=t=l= 


£ 


•*-*- 


=5=*=* 


:^-b- 


?=E=R=*g 


teEE 


ÜEgg^E 


333=5== 


< 


Sfe-tT-L 


•or 


^Ö^_jl  i». 


^Stit-tzit: 


SiS&c^S3 


S 


=ep 


-_p_ 


4=E 


*=J 


£ 


— f-yf — +— rft  — 


I 


Obgleich  eine  derartige  Verbindung  der  Perioden  sehr  ausdrucksvoll  seyn 
kann,  so  mufs  sie  doch  als  eine  Freiheit  angesehn  werden,  die  man  sich  nicht 
zu  oft  erlauben  darf. 


*)    Ende  der  ersten  Periode,  und  Anfang  der  Zweiten. 


[     3S     ] 


298 


Die  Bildung  oder  Construction  der   Melodie. 


Wenn  die  erwartete  Schlufsklausel ,  durch  eine  unvollkommene,  oder  fal- 
sche Kadenz,  unterbrochen  wird,  so  nennen  wir  eine  solche  Periode  „eine 
unvollkommene." 

Die  Bildung  der  Melodie. 
Der  Schüler  mufs  nun  erlernen  die  Melodie  selbst  zu  bilden,  (zu  construi- 
ren);  er  kann  dabei  auf  folgende  Weise  verfahren:  —  Zuerst  entscheidet  er 
sich  in  welcher  Tonart,  und  welchem  Zeitmaafse  er  schreiben  will,  (wir  wol- 
len hier  annehmen  er  habe  C  dur,  und  kurzen  -f-tel  Takt  gewählt) ,  sodann 
theilt  er  die  Notenzeile  in  8  Takte  ein;  in  dem  ersten  und  letzten  von  diesen 
schreibt  er  die  Tonika,  und  im  4ten  den  Dominant  *).  Diese  einfache  Ein- 
teilung mag  als  erster  Entwurf  oder  Umrifs  der  ganzen  Periode  angesehn 
werden,  welche  in  der  Mitte  in  zwei  halbe  getheilt  wurde. 


361. 


Ganze  Periode. 


Die  unbeschriebenen  Takte    können   nun   mit   verschiedenen  Grundbässen 
ausgefüllt  werden,    wie  im  folgenden  Beispiele. 

12345678 


362.  <J 


m 


m 


-©—• J- 


iO=. 


-©" 


:0=r 


!E6: 


Halbe  Periode. 


Ganze  Periode. 


Wir  nehmen  an  der  Schüler  habe  den  Dominant  für  den  2ten  Takt  aus- 
gewählt, die  Tonika  für  den  3ten,  und  somit  die  halbe  Periode  durch  Fort- 
schreitung erreicht;  sodann  ist  wiederum  Tonika,  Sub-Dominant,  und  zuletzt 
der  Dominant  genommen. 


*)     Siehe  die  Note  zu  Seite  291. 


Die  Bildung  oder  Construction  der  Melodie. 


299 


Sind  die  Grundbässe  in  dieser  Art  bestimmt,  so  müssen  aus  der  Harmonie 
dieser  Grundbässe  nun,  die  Bässe  für  die  Bass  -  Melodie  entnommen  werden  *). 


363. 


I 
( 


m 


6=o- 


6 

5         4 

4         2         6 


4- 


«•- 


r 


6 
6  5  4 
4   3  2        6 


c££»- 


6 


t: 


£=P 


6 

6         4         7 

O   p 

EEE: 


:0= 


7  — 
4   3 


6    7 
4 


~  Halbe  Periode. 


b7 


5   6 
3   - 


6 

4   7 


Ganze  Periode. 


Aus  dieser  Bass-Melodie  mufs  nun  wiederum  die  Gegen-Melodie  für  So- 
pran, oder  Discant  entstehen  *  *). 


364. 


Ganze  Periode. 


Zu  diesen  mag  nun  der  Schüler  Alt  und  Tenor-Stimme  schreiben,  so  wird 
er  eine  einfache  vierstimmig  in  Harmonie  gesetzte  Melodie  erhalten,  zu  der  er, 
wenn  es  geschehen  soll,  Dissonanzen,  durchgehende  Noten  u.  s.  w.  nach  der 
früher  hierüber  ertheilten  Belehrung,    (von  Seite  70  an),  hinzufügen  kann. 


*)    Dem  Schüler  wird  sehr  empfohlen,    das  über  diesen  Gegenstand  Gesagte  (von  Seite  111. 
an),  nochmals  zu  durchlesen. 

**)    Siehe  Beispiel  219. 

[38*] 


300 


Die  Bildung  oder  Construction  der  Melodie. 


Ganze  Periode. 


Das  hier  niedergeschriebene  Schema  ist  der  Einfachheit  wegen  im  gewöhn- 
lichen -|-tel  Takt  abgefafst,  kann  jedoch  mit  sehr  guter  Wirkung  in  jedem  an- 
dern Zeitmaafse  übertragen  werden,  nach  den  bereits  hierüber  ausgesprochenen 
und  mit  Beispielen  (332  bis  342)  belegten  Grundsätzen. 

Im  folgenden  Beispiele  ist  dieselbe  Melodie,  in  kurzen  zusammengesetzten 
gewöhnlichen  -§*  *)  Takt  umgeändert. 

Keine  Veränderung  der  Harmonie  hat  irgend  statt  gefunden  (ausgenommen 
dafs  sie  ausgedehnt  worden)  wie  sich  dies  aus  der  näheren  Untersuchung  der 
Grund bässe  sowohl,    als  der  Bässe  ergeben  wird. 


Das  folgende  Beispiel  enthält  die  Ursprüngliche  Melodie  (Beispiel  365)  in 
der  Molltonart  übertragen,  und  demgemäfs  in  Harmonie  ausgesetzt.     Dissonan- 

*)     Siehe  Beispiel  339. 

■\)     Accentuirte  durchgehende  Noten,  siehe  Beispiel  238  (c). 


Die  Bildung  oder  Gonstruction  der  Melodie. 


301 


zenj  Durchgehende  und  Hülfsnoten  sind  hinzugefügt,  und  die  Harmonie  ist  aus- 
gedehnt geschrieben.  Bei  a  ist  die  zweite  Versetzung  des  Akkords  statt  des 
Grundbasses  gewählt. 


( 
l 


3SZ £? h — ±—ß-\ 

QfiT       Jlnr1nnhf>     ( n\        !     J 


<jCy»- 


■f  ^.-a-* 


tr»g# 


367.  Andante,  («)     ! 


-e-  _  1  ' 


j     i   i    i 
SC 


^g — fr 


-e-  "-=-  -4-e- 


1  ,  v 


*2z 


-*v 


i 


1 


r^P 


P=P= 


6      5       ^4  6-b7  6    9  8        6   6      7 
4      tj         3  43     5-43  4 


-=»«- 


RiW 


ep? 


6      7         04   6 


9  8 
4  3 


4-9- 


-feiV 


+ — e- 


"3f  Halbe  Periode 


Ganze  Periode. 


Dieselbe  Melodie  ist  hier  nachfolgend,   für  das  Pianoforte  in  Variations- 
Form  geschrieben. 

rinf. 

Z3 


:^-J»i:fcg^fc»frfcg-  ±»t*-t»t»±*  r'Tgrß-  -* — * — £~~*    _^  0—0-0- 


{ 


■J- 


-r~ 


...|_- 


r-^ 


T 


302 


Die  Bildung  oder  Construction   der  Melodie. 


Im  zweiten  Takte  des  folgenden  Beispiels,  ist  eine  leichte  Veränderung*  mit 
dem,  (aus  den  Intervallen  entnommenen)  Basse  vorgenommen,  die  sich  dem 
Discante  mittheilt.  Die  durchgehenden  und  Hülfsnoten  sind  hier  im  Bass  al- 
lein eingeführt.  Es  wird  dem  Schüler  empfohlen  den  einfachen  Bass  bei  «,  mit 
dem  ausgeschmückten  bei  b,  zu  vergleichen;  beide  sind  anzuwenden. 

369.    Andante  Fxp. 

n  .         i*h    . . . 


< 


Sib 


£fe@i 


•M-+-+-H 


■-*--sN 


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i 


Sss^- 


-44- 


4 f ++■ 

*s— *- 1 -£ 


r- 


i     i 


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P— f?~— =** 


45teat 


--© — 


■«= 


■H—  J-S 


-f-£_ 


ifcöiz*^: 


Lb^tsm 


*** 


+>- 


i-y- 


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JL     *£, 


J. 


+-- r* 


r^i — -*- 


rr 


■H-H-l-H-f     r- 


(a) 


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n 


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Halbe  Periode. 


Ganze  Periode. 


Das  folgende  Beispiel  enthält  nochmals  die  frühere  Melodie,   aber  in  lan- 
gem gewöhnlichen  Takt  *)  geschrieben. 


Moderato. 


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P>! 


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*H 


370. 


"CT 


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5 


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etc. 


etc. 


etc. 


Halbe  Periode. 


*)    Siehe  Beispiel  335. 


Composition.  303 

Die  Melodie  367,  ist  im  folgenden  Beispiele  in  allen  Stimmen  zerstreut; 
und  zeigt,  wie  ohne  die  geringste  Veränderung  der  ursprünglichen  Grund- Har- 
monie, Nachahmungen  anzubringen  sind. 

Von  1  bis  4  liegt  die  Melodie  in  der  2ten  Violine  *),  bei  5  und  6  in  der 
Bratsche,  bei  7  wieder  in  der  2ten  Violine,  und  bei  8,  9  und  10  in  der  lsten 
Violine.  Die  zwei  ersten  Takte  der  Melodie  (wie  sie  in  der  2ten  Violine  ste- 
hen) sind  im  3ten  und  4ten  Takt  durch  den  Bass  nachgeahmt. 

Dem  Schüler  wird  sehr  empfohlen  diese  Aufgabe  mit  Sorgfalt  und  Auf- 
merksamkeit zu  studieren,  da  sie  nicht  aHein  belehrend,  sondern  auch  unter- 
haltend für  ihn  seyn  kann. 


-371.  Andante  Exp. 


Ganze  Periode. 


*)  Diefs  Beispiel  ist  für  2  Violinen,  Bratsche  und  Violoncello  hier  ausgesetzt,  um  den  Schü- 
ler zu  zeigen,  dafs  die  Harmonie  ganz  dieselbe  bleibt,  ob  für  diese  Instrumente,  oder  für  Discant, 
Alt,  Tenor  und  Bass  geschrieben  wird. 


304  Composition. 

Es  ist  anzunehmen,  dafs  der  Schüler  schon  jetzt  eine  ziemlich  richtige 
Vorstellung  von  der  Bildung  der  Perioden  erlangt  hat,  und  somit  sich,  von  der 
Verschiedenheit,  welche,  ohne  irgend  eine  Veränderung  des  Basses,  durch  An- 
wendung der  Durchgehenden,  Hülfs-Noten,  Dissonanzen  u.  s.  w.  so  wie  zuletzt 
durch  Umänderung  des  Rhytmus,  (des  Zeitmaafses  worin  ursprünglich  die  Me- 
lodie geschrieben  war)  hervorzubringen  ist,  überzeugt  hat. 

Alle  Verschiedenheit  des  Effekts,  welche  durch  die  letzten  9  Beispiele  ge- 
herrscht hat,  war  auf  demselben  Entwurf  (oder  Umrifs)  362  entstanden; 
kein  anderer  Grund-Bass,  noch  Bass  waren  angewendet,  als  die  im  Bei- 
spiel 364  gefunden  werden  *).  Wenn  der  Schüler  nun  bedenkt,  wie  mannichfaltige 
Veränderungen  der  Melodie  im  Bass  ihm  auf  demselben  Grund-Basse  noch  frei  ste- 
hen, und  dafs  hieraus  wiederum  neue  diesen  entsprechende  Melodien,  im  Sopran 
und  den  Mittelstimmen  hervorgehen  müssen,  so  wird  ej  leicht  übersehen  dafs 
in  dem  vorstehenden  Beispiele  (so  einfach  der  Entwurf  der  Grundlage  war)  das 
Subject  bei  weitem  nicht  erschöpft  wurde,  dafs  viel,  viel  mehr  damit  zu  errei- 
chen ist!  —  Diese  Thatsache  mag  den  Schüler  antreiben,  die  eigene  Schaffungs- 
kraft in  Erfindung  neuer  Bass-Melodien  auf  demselben  Grund-Basse,  zu  üben; 
sollten  zu  Anfang  einige  Schwierigkeiten  sich  ihm  in  Verfolg  seines  Wunsches 
entgegen  stellen,  so  wird  er  bei  geringer  Ausdauer  sich  bald  überzeugen  dafs 
sie  mehr  in  seiner  Einbildung,  als  in  der  Wirklichkeit  bestanden.  Wenn  dem- 
zufolge so  viel  Abwechselung,  mit  so  einfachen  Hülfsmitteln  als  wir  im  Bei- 
spiel 362  angewendet  haben,  zu  erreichen  ist;  wie  viel  mehr  können  wir  er- 
halten, wenn  wir  den  ersten  Umrifs  361  mit  verschiedenen  Fortschreitungen 
verschiedener  Grund -Bässe  ausfüllen. 

Das  folgende  Beispiel  macht  auf  einen  Blick  anschaulich,  wie  mannichfal- 
tig  der  ursprüngliche  Umrifs  (Beispiel  361)  mit  Fortschreitungen  von  Grund - 
Bässen  auszufüllen  ist. 

Bei  IL  erreichen  wir  die  halbe  Periode  durch  Modulation,  und  schreiten 
sodann  durch  eine  Modulation  nach  C  und  von  da  nach  D  moll  fort. 

N.  B.     ^  und  D,   Takt  1  und  2,    sind  modifieirte  Bässe. 

Bei  III.  ist  die  halbe  Periode  auch  durch  Modulation  geschlossen,  vorher 
aber  ist  im  2ten  Takt  noch  eine  Modulation  nach  der  verwandten  Moll- Ton- 
art gemacht. 


*\ 


*)    Der  eine  Fall  wo   die  2te  Versetzung  des  Akkords  statt  des  Grund -Basses  gewählt  war, 
verdient  wohl  kaum  der  Erwähnung. 

Bei 


Composition. 


305 


Bei  IV.  wiederum  die  halbe  Periode  durch  Modulation,  Takt  3  war  die 
falsche  Kadenz  vorhergegangen. 

Bei  V.  ist  die  halbe  Periode  durch  Fortschreitung  erreicht,  wonach  eine 
Modulation  nach  der  verwandten  Moll -Tonart  erfolgt. 

Bei  VI.  schliefst  die  halbe  Periode  durch  Modulation,  welche  schon  im 
2ten  Takte  vorher  begonnen. 

Bei  VII.  bedarf  es  weiter  keiner  Erklärung. 


372. 
VII. 


VI. 


6 
5 

Q 


7 


^56: 


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V. 


IV. 


III. 


IL 


6 
4 
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4 
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4         7 

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7 
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1 \-p |_p. 1 1 p 1 


6 
5 


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6 

6        4         7 

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7         7 


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p: 


6 

4 
2 


6 
4 
3 


:pz=p: 


:t=± 


6 

4         7 

P-p-L: 


I. 


'ig 


Haibe  Periode. 


Ganze  Periode. 


Der  Schüler  mag  nun  eine  der  folgenden  Bass- Melodien  nehmen,  und  da- 
mit verfahren  wie  es  bereits  gezeigt  ist  (von  Beisp.  364  an). 

Beispiel  373,  ist  der  Dominant  der  verwandten  Moll-Tonart  gewählt, 
um  die  halbe  Periode  mit  ihn  zu  schliefsen. 

[     39     ] 


306 


C  o  m  p  o  s  i  t  i  o  n. 


Bei  II.  wird  die  halbe  Periode  durch  Fortschreitung  erreicht,  nachdem 
eine  Modulation  nach  der  verwandten  Moll -Tonart  selbst,  im  2ten  Takte  vor- 
hergegangen  war. 

Bei  III.  endet  die  halbe  Periode  durch  Modulation. 

373.  §  6        Ä    a         «     f    .     6        ■  .    6    1,7       ^    7 


III. 


II. 


I. 


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EEEE:±E&ElEg 


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__       Halbe  Periode. 


Ganze  Periode. 


Hier  folgt  ein  Beispiel  in  dem  die  halbe  Periode  auf  der  verwandten  Moll- 
Tonart  des  Sub -Dominanten  schliefst. 


374. 


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4 
2 


4 
6      2 


P=  =©=©=  = 


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6      2 


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7     — 


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ll 


m 


6 


~T  Halbe  periode. 


I 


Ganze  Periode. 


Im  folgenden  Entwurf  endet  die  halbe  Periode  in  der  verwandten  Moll-Tonart. 


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- 

~  Halbe  Periode. 


Ganze  Periode. 


Alle  Entwürfe  bestanden  bisher  nur  aus  einer  Periode,  einem  Theilej  die 
jetzt  folgenden  Beispiele  werden  nun  2  Theile  enthalten. 

Beim  Entwurf  des  Umrisses  der  ersten  Periode,  war  nichts  bestimmtes  fest- 
gestellt, hinsichtlich  der  Tonart  in  welcher   die  halbe  Periode  zu  beenden  ist; 


*)    Siehe  Beispiel  278  («). 


Composition. 


307 


diese  Bestimmungen  sollen  künftig  dem  Urtheile  und  dem  Geschmacke  des 
Schülers  überlassen  bleiben:  wir  wollen  allein  das  Verfahren  welches  er  dabei 
zu  beobachten  hat,  andeuten. 

-P-  e 

375. 


u 

9) 

CO 

u 

'W 


Erste  ganze  Periode,  oder  l&tcr  Tlieil. 


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6     — 


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3 


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4 

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— 

r r 

Halbe  Periode. 


Zweite  ganze  Periode  oder  2ter  Tlieil. 


*)     Zurückhaltende  Modulation,  Beispiel  302.         **)    Betrügliche  Modulation,  Beispiel  297. 
***)     Betrügliche  Modulation,  Beispiel  295.         f)    Zurückhaltende  Modulation,  Beispiel  299. 

[    39*   ] 


308 


C  o  m  p  o  s  i  t  i  o  n. 


Bei  a,  haben  wir  nach  der  verwandten  Moll- Tonart  modulirt. 

Bei  b,      —      —   nach  dem  Dominant  der  verwandten  Moll-Tonart  modulirt. 

Bei  c,  —  —  nach  dem  Dominant  der  ursprünglichen  Tonart  modulirt; 
welches  Letztere  jedoch  eine  sehr  eintönige  Wirkung  macht,  da  dieselbe  Mo- 
dulation sich  im  8ten  Takte  schon  wiederholt. 

Im  2ten  Theile  ist  die  halbe  Periode  auf  dem  Dominant  der  ur- 
sprünglichen Tonart  geschlossen;  dies  wurde  nothwendig,  weil  so  viele 
Modulationen  nach  der  ersten  halben  Periode  eingeführt  sind,  dafs  das  Ohr 
unmerklich  von  der  ersten  Tonart  ganz  abgeleitet  war:  der  Dominant  im 
12ten  Takte  ist  demnach  darauf  berechnet  unser  Gehör  auf  das  wieder  Ein- 
treten des  Grundtons  vorzubereiten. 

Auch  hatten  wir  bisher  nur  Perioden  von  8  Takten,  da  jedoch  die  fal- 
sche Kadenz  bei  a,  und  die  unregelmäfsige  Kadenz  bei  b,  die  Schlufs- 
klausel  des  8ten  Takts  zurückgehalten  haben,  so  sind  dadurch  diese  Perioden 
auf  10  Takte  verlängert. 


376. 


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-+-H h- 


6       4 

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6 

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Halbe  Periode. 

Ganze  Periode. 


Sehr  natürlich  dringen  sich  die  nachfolgende  Fragen,  bei  dieser  Gelegen- 
heit, von  selbst  uns  auf. 

Angenommen  die  Tonart  ist  bestimmt,  in  welcher  ich  schreiben  will,  in 
welcher  Tonart  soll  ich  meine  erste  Periode  schliefsen,  und  meine  zweite 
anfangen  u.  s.  w. ?  In  Erwiederung  auf  diese  Fragen,  will  ich  die  nachfol- 
genden Winke  als  allgemeine  Rathschlage  hier  noch  hinzufügen. 

Ich  setze  z.  B.  voraus  die  Melodie  ist  auf  16  Takte  bestimmt,  in  2  Theile, 
einen  jeden  zu  8  Takte  eingetheilt;    und, 

Die  Tonart  Cdur,    so  kann   der  erste  Theil  enden: 


Gomposition.  309 

Erstens  in  der  Tonika  C;    2tens  in  dem  Dominant  G;    3tens  in  der  verwandten  Moll-Ton- 
art A;    4tens  in  dem  Dominant  der  verwandten  Moll  -  Tonart  E. 

Ist  die  Tonart   eine  Moll-Tonart;    Cmoll,   so  kann  die  lste  Periode 
enden : 

Erstens  in  der  Tonika  C;    2tens  in  dem  Dominant  G;    3tens  in  Gmoll  (der  Quinte  der  ur- 
sprünglichen Tonart);    4tens  in  der  verwandten  Dur-Tonart  des  Grundtons  in  Es. 

Erster    Fall. 

So  kann  die  halbe  Periode  enden, 
lstens,  durch  Modulation  nach  dem  Dominant  G. 
2tens,  durch  Modulation  nach  dem  Sub-Domi- 

Wenn  die  Tonart  eine  Dur-Tonart  ist,  und  1  nant F. 

der  erste  Theil  schliefst  in  der  Tonika  .    .    C?  \  3tens,  in  der  verwandten  Moll -Tonart  des  Sub- 

Dominant D. 

4tens,  in  der  verwandten  Moll-Tonart  des  Grund- 
Tons    A. 

Ist  in  dieser  Art  über  den   ersten  Tlieil  bestimmt,   so  kann   der  zweite 

Theil  anfangen,    mit 

/  Die  halbe  Periode  mag  dann  enden, 

—       .  ,        .        „„■,,.            ,,       i  lstens,  mit  der  verwandten  Moll -Tonart    .    A. 
dem  Dominant,  oder  einer  Modulation  nach  dem  J                 •    j       r»      •       .  j                   i  **/i  n 
_  . ;    .                '  _  <  2tens,  mit  dem  Dominant  der  verwandten  Moll- 
Dominant    .      .' G.   ]  rp,                                                                                            T,  j 

I  Tonart E  dur. 

V  3tens,  mit  dem  Dominant  des  Grund -Tons     G. 

Oder: 
Es  kann  der  zweite  Theil  mit  dem  Dorai-  (  In  diesem  Falle  mag  die  halbe  Periode  enden 

nant    der    verwandten    Moll -Tonart    anfangen,  <  lstens,  mit  der  verwandten  Moll -Tonart        A. 
mit  £  dur.  (  2tens,  mit  dem  Dominant  des  Grund -Tons     G. 

Oder: 
Wenn  der  zweite  Theil  mit  dem  Dominant  ( 

der  verwandten  Moll-Tonart  des  Sub-Dominan-     k»™  d,e  halbe  Peri°de  «Hießen ,    der 

ten,    mit  A  dur  anfängt,  (  Schuler  maß  dies  selbst  bestimmen. 


Zweiter    Fall. 

Wenn  der  erste  Theil  mit  dem  Dominant  (      kann  man  die  halbe  Periode  schließe* 
P        ,.  <  lstens,  in  dem  Dominant  durch  Fortschreitung; 

(  2tens,  in  der  verwandten  Moll -Tonart. 
Ist  über  den  ersten  Theil  in  dieser  Art  bestimmt,   so  kann  der  zweite 
Theil  anfangen, 

lstens,  mit  dem  Dominant G.  I         Hier  mag  der  Schüler  wiederum  die  Ton- 

2tens,  mit  einer  Modulation  nach  der  verwand-  <  art  selbst  wählen,   mit  der  die  halbe  Periode 
ten  Moll -Tonart A.  (  zu  schliefsen  ist. 


310 


Compoaition. 


Das  Ende  der  halben  Periode,  mag  der 
Schüler  wieder  nach  seinem  eigenen  Urtheil 
bestimmen. 


Dritter    Fall. 

,      mag  die  halbe  Periode 
Wenn  der  erste  Theil   mit  der  verwandten  \  lstens,  mit  dem  Dominant  durch  Fortschreitiang 
Moll  -  Tonart  endet,  \  oder  Modulation  schließen. 

V  2tens,  mit  dem  Sub  -  Dominant. 

Der  zweite  Theil  mag  in  diesem  Falle  anfangen, 

lstens,  mit  der  verwandten  Moll -Tonart    .     A. 

2tens,  mit  einer  Modulation  nach  dem  Sub-Do- 
minant F. 

Stens,  mit  dem  Dominant  der  verwandten  Moll- 
Tonart  E  dur. 

4tens,  mit  einer  Modulation  nach  der  verwand-  j 
ten  Moll -Tonart A. 

Eine  Melodie  welche  ursprünglich  nur  aus  8  Takten  besteht,  kann  bis  zu 
10r  12,  16,  oder,  einer  noch  gröfseren  Zahl  ausgedehnt  werden,  durch  die  Wie- 
derholung einiger  Einschnitte  von  2,  4,  6  oder  jeder  beliebigen  gleichen  Zahl 
von  Takten. 

Die  hier  folgende  Melodie  besteht  aus  8  Takten.  Bei  b  ist  sie  bis  zu  10 
ausgedehnt,  durch  zweimalige  Wiederholung  des  letzten  Viertels  des  4ten  Takts 
und. der  3  unmittelbar  darauf  folgenden  Noten.  —  Bei  Cist  dieselbe  Melodie  aus- 
gedehnt zu  16  Takten,  durch  Wiederholung  der  letzten  6,  die  wir  bei  b  sehen. 


Alle  diese  hinzugefügten  Takte  sind  jedoch  nicht  bestimmt  im  Sopran  al- 
lein eingeführt  zu  werden;  einige  davon  können  eben  so  wohl  abwechselnd  im 
Alt,  Tenor  oder  Bass  gestellt  werden.  Da  diese  Stimmen  demzufolge  nothwen- 
dig  ihre  Stellen  verwechseln  müssen,  so  wird  eine  Folge  von  Nachahmungen 
entstehen. 

Um  die  Nützlickeit  dieser  Ausdehnungen  in  der  Ausübung  zu  zeigen,  wol- 
len wir  die  vorhergehende  Melodie  vierstimmig  in  Harmonie  aussetzen,  dies 
wird  anschaulich  machen,    wie   diese   Wiederholungen   der  Einschnitte,    durch 


Cömposition. 


311 


welche  wir  im  letzten  Beispiele  nur  einen  eintönigen  Eindruck  erhielten,  hier 
als  Nachahmungen  angewendet,  angenehm  und  zweckmäfsig  werden. 


378.  < 


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Andante. 


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312 


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Die  Buchstaben  a,  b,  c  sind  hinzugesetzt,  um  die  Verwechselungen  der 
Stimmen,  (durch  welche  die  Nachahmungen  hervorgebracht  sind)  leichter  be- 
merkbar zu  machen. 

Bei  5  ist  der  Einschnitt  der  Imitation,  ursprünglich  im  Sopran,  und  mit  a 
bezeichnet  geschrieben.  Bei  6  ist  er  eine  Oktave  tiefer  durch  den  Alt  nach- 
geahmt, und  bei  7  durch  den  Bass.  Während  Alt  und  Bass  nacheinander  den 
Sopran  imitiren,  ahmt  dieser  wiederum  bei  6  den  Bass  (£)  und  sodann  den  Alt 
(c)  nach. 

Bei  7  imitirt  ebenfalls  der  Tenor  theilweise  den  Bass  (b);  und  von  10  bis 
16  folgen  mit  noch  mehrerer  Abwechselung  Imitationen  in  allen  Stimmen;  die 
Einschnitte  im  Sopran  und  Bass  bei  5  erscheinen  bei  11  im  Tenor  und  Bass, 
und  sind  bei  12  durch  Sopran  und  Alt  nachgeahmt.  Während  bei  13  die  Ein- 
schnitte a,  b,  noch  einmal  im  Bass  und  Tenor,  (jedoch  umgekehrt  *)  wieder- 
holt werden,  imitirt  zugleich  der  Sopran  wiederum  eine  Oktave  höher  den  Alt 
(c).  Auch  mufs  noch  bemerkt  werden,  dafs  die  Melodie  im  Tenor  vom  7ten 
bis  lOten  Takt,  bei  13  dem  Alt  übertragen  wurde. 

Bis  hieher  sind  die  Nachahmungen  stets  auf  denselben  Takttheil  ein- 
getreten, wie  das  S  üb  je  et  selbst.     Im  folgenden  Beispiele  dagegen  ist  der  Fall 

ver- 


*)    Wodurch  die  beiden  ursprünglichen  Stimmen  Takt  5,   sich  im  „doppelten  Contrapunkt 
in  der  Oktave"   bewegen.    Siehe  Beispiel  150. 


Composition. 


313 


verändert;  die  Subjecte  der  Imitation  (welche  hier  im  Sopran  und  Alt  stehen) 
sollen  auf  dem  Zweiten  Viertel  des  unaccentuirten  Takttheils  anfangen, 
wie  im  vorhergehenden  Beispiele,  allein  sie  sind  hier  nicht  in  demselben  Zeit- 
maafse  vom  Tenor  und  Bass  beantwortet  wie  früher,  sondern  auf  dem  Zweiten 
Viertel  des  accentuirten  Takttheils.  So  ist  ein  gemischter  Rhytmus  entstan- 
den, durch  welchen  ein  neuer  und  auffallenderer  Eindruck  hervorgebracht  wird. 

1 


Die  Figur  welche  bei  1  im  Sopran  und  Alt  geschrieben  war,  ist  hier  im  Tenor 
und  Bass  verlegt,  die  gegenseitige  Verwechselung  aller  Stimmen  ist  dadurch  bewirkt. 


[    40     ] 


314 


Com  position. 


Der  Alt  und  Tenor  bei  II,  haben  hier  wiederum  ihre  Stellung  vertauscht; 
der  Erstere  ist  eine  Oktave  tiefer,  der  Letztere  eine  Oktave  höher  geschrieben: 
Sopran  und  Bass  sind  dagegen  unverändert  geblieben. 


Es  kann  nicht  leicht  einen  Gegenstand  geben,  der  durch  seinen  Reichthum 
mehr  Veranlassung  zu  einer  ausführlicheren  Behandlung  darböte,  als  der  so 
eben  hier  vorgetragene.  Wenn  der  Schüler  indefs  nur  einigen  Fleifs  mit  Aus- 
dauer anwendet,  so  wird  er  gewifs  linden,  dafs  das  Gesagte  hinreichend  ist,  um 
ihn  im  Verfolg  seiner  Studien  zu  leiten ,  und  Vergnügen  und  Nutzen  linden 
zu  lassen. 

Dem  Schüler  wird  angerathen,  die  mit  377  anfangenden  Aufgaben,  mit 
Aufmerkfamkeit  zu  prüfen  und  zu  vergleichen;  er  wird  daraus  erlernen,  mit 
wie  wenigem  Stoffe  *)  bei  einigem  Erlindungsvermögen,  mannichfaltige  und  an- 
genehme Wirkungen  hervor  zu  bringen  sind.  Diese  Wahrheit  wird  sich  ihm 
noch  mehr  bestätigen,  wenn  wir  einige  Werke  unserer  besten  klassischen  Mei- 
ster analysirt  haben,  was  wir  nun  thun  wollen. 


*)    Aus  diesen  wenigen  Noten  waren  alle  vorhergebenden  Imitationen  und  Effekte  entsprungen. 


b-ft \~ 


1 fr 1 


Siehe  Beispiel  377,  Takt  5. 


Composition. 


315 


Als  Vorbereitung  hiezu  müssen  jedoch  einige  Andeutungen  gegeben  -wer- 
den, was  unter  „freiem  und  strengen  Styl"  in  der  Musik  verstanden  wird. 

In  dem  wahrhaft  strengen  Styl,  giebt  es  nur  4  verschiedene  Arten  der 
Noten  (hinsicbtlich  ibrer  Dauer);  dafs  beifst,  wenn  die  längste  eine  ganze 
Takt -Note  ist,  so  kann  die  kürzeste  nur  ein  Viertel  seyn,  welches  Letztere 
nur  als  durchgehende  Note  angewendet  werden  darf. 

Alle  Dissonanzen,  in  welchen  die  Haupt  -  oder  wesentliche  Septime  mit 
inbegriffen  ist,  müssen  auf  dem  unaccentuirten  Takttheil  vorbereitet  seyn,  und 
mit  dem  accentuirten  eintreten.  Keine  Oktaven  oder  Quinten,  wie  sie  im  Bei- 
spiele 323  (k)  aufgezeichnet,  dürfen  auf  dem  accentuirten  Takttheil  vorkom- 
men, noch  auf  diese  Weise  vermieden  werden.  Die  Note  der  Vorbereitung  der 
Dissonanz  darf  nicht  von  geringerer  Dauer  seyn  als  die  Dissonanz  selbst;  und 
um  diesem  Styl  noch  mehr  Ernst  und  Würde  zu  geben,  können  nur  dissonirende 
Vorhalte  *)  angewendet  werden.  Aufeinander  folgende  grofse  Terzen,  sowohl 
in  diatonischer  Fortschreitung,  als  in  Sprüngen  sind,  so  wie  alle  fremde  aufser- 
ordentliche  Modulationen  und  Fortschreitungen  **)  verboten. 

Im  Beispiele  380  folgt  bei  1  unmittelbar  auf  die  Note  C  im  Alt,  die  Note 
Cis  im  Bass;  dies  ist  nicht  erlaubt,  und  wird  „ein  Querstand"  genannt:  Ein 
solcher  Querstand  findet  sicli  bei  2  zwischen  G  im  Tenor  und  Gis  im  Bass; 
bei  3  zwischen  Es  im  Sopran  und  E  im  Bass. 


380. 


Dies  sind  einige  der  Haupt- Grundzüge,  welche  das  Eigenthümliche  des 
strengen  Styls  bezeichnen  können. 

Im  freien  Style  sind  dagegen  Freiheiten  erlaubt  worden,  welche  ganz 
unzulässig  im  strengen  Style  wären.  Z.  B.  die  Einführung  unvorbereiteter  Dis- 
sonanzen,   auf   accentuirten  und   unaccentuirten   Takttheilen;  u.  s.  w. 


*)     Die   Fortschreitungen   der  Sequenzen    sind    dem   zu  Folge   vorzüglich   geeignet   für   den 
strengen  Styl,   siehe  Beispiel  315  bis  322. 

**)     Siehe  Beispiel  85,  86 

[40*] 


316 


Composition. 


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Diese  Dissonanzen  werden  so  eingeführt  oft  wie  bei  (ß),  geschrieben,  und 
wie  bei  b  ausgeführt;  alsdann  nennt  man  sie  Vorschläge  (Appogiaturen). 

Es  ist  schon  gesagt,  dafs  jede  Dissonanz  auf  demselben  Grundbasse  aufge- 
löfst  werden  mufs,  auf  welchem  sie  gehört  wird  *). 

Im  freien  Styl  können  jedoch  Dissonanzen  auch  auf  einen  anderen 
Bass  sich  auflösen,  wenn  nur  die  Intervallen  der  aufzulösenden  Dissonanz,  ei- 
nen Dreiklang,  Hauptseptimen-  oder  Nonen-Akkord,  auf  der  neuen 
Bassnote  bilden.  So  dafs  in  Wahrheit  der  Bass  auf  welchem  die  Dissonanzen 
hätten  aufgelöfst  werden  müssen,  übergangen,  und  ein  neuer  in  seiner  Stelle 
gesetzt  wird.  Das  folgende  Beispiel  wird  dies  noch  deutlicher  machen,  bei  I 
ist  die  Auflösung  der  Dissonanzen  wie  gewöhnlich,  bei  IL  erfolgt  sie  auf  einen 
neuen  Bass.  Dies  kann  als  „erlaubte  Auflösung  der  Dissonanzen"  zu  Zeiten 
mit  grofser  Wirkung  angewendet  werden. 


*)    Seite  77. 


Analysatio 


n. 


317 


ui  n  a  l  y  s  a  t  i  o  n. 

Es  ist  sowohl  unterhaltend  als  belehrend,  die  stufenweise  Entwickelung 
und  Veränderung,  welche  in  den  Werken  der  ausgezeichnetesten  Componisten, 
von  Corelli  bis  auf  die  neuere  Zeit  bemerkbar,  zu  verfolgen;  und  zu  sehen,  wie 
mit  fast  demselben  Stoffe  der  eine  Autor  Werke  hervorgebracht  hat,  die 
sowohl  hinsichtlich  ihres  allgemeinen  Styls  als  auch  ihrer  Wirkung  so  ganz 
von  denen  anderer  Meister  verschieden  sind,  dafs  man  nicht  leicht  ihren  Ur- 
sprung aus  ein  und  denselben  Quellen  herleiten  würde. 

Mit  der  Vortrelflichkeit,  und  dem  Eigenthümlichen  der  Werke  dieser  groisen 
Meister,  mag  der  Schüler  sich  nun  selbst  bekannt  machen;  da  dies  jedoch  nur 
durch  ein  gründliches  Verstehen  derselben,  (durch  die  Analyse  *)  geschehen  kann, 
so  wollen  wir  ihn  hier  noch  eine  Anleitung  geben,  wie  er  dabei  verfahren  mufs. 

Um  Regelmäfsigkeit  und  Methode  in  diesem  Zweig  des  Studiums  zu  erhal- 
ten, mag  das  Ganze  in  folgender  Ordnung  eingetheilt  werden. 

Zuerst  bestimmen  wir  die  Tonart,    ob  Dur  oder  Moll. 

Sodann  das  Zeitmaafs. 

—  die  Grund -Bässe. 

—  die  Modulationen  und  Hauptseptimen -Akkorde. 

—  die  Dissonanzen. 

—  die  Durchgehenden-  und  Hülfs-Noten,  und  die  Neben -Harmonien. 

—  die  Perioden. 

—  die  Einschnitte  und  Imitationen. 

Alle  diese  verschiedenen  Theile  werden  im  Fortgange  der  Erklärung  be- 
rührt werden. 

Die  Composition  welche  zu  dieser  Erklärung  von  mir  ausgewählt  wurde 
ist  das  Erste  Concert  von  Corelli,  und  fangt  in  D  dur  an. 

*)  Der  Schüler  wird  in  diesen  Studien  sich  sehr  unterstützt  finden,  wenn  er  das  Werk 
„Praktische  und  Theoretische  Studien"  durchliefst,  da  es  eine  Auswahl  der  Werke  von  Corelli, 
Handel,  Haydn,  Mozart,  Beethoven,  Clementi  u.  s.  w.  enthält,  die  von  dem  Verfasser  dieses  Werks 
für  das  Pianoforte  eingerichtet   und  zugleich  erkläret  sind. 


318 


Analysation. 


Frage.     Woher  kann  man  wissen  dafs  es  eben  diese  Tonart  ist? 

Antwort.     Weil  D  dur  zwei  Kreuze  vorgezeichnet  hat. 

Frage.  Es  hat  die  verwandte  Moll -Tonart  H,  gleichfalls  2  Kreuze,  kann 
es  nicht  ebensowohl  diese  Letztere  seyn? 

Antwort.  Nein  —  der  erste  Akkord  würde  sonst  Hmoll  gewesen  seyn, 
da  er  der  Akkord  der  Tonika  ist  *);  zwischen  der  7ten  und  8ten  Stufe  der 
Tonleiter  liegt  ein  halber  Ton,  wäre  die  Tonart  H  moll  gewesen,  so  könnte 
die  Note  A,  als  7te  der  Tonleiter  nicht  eingeführt  werden,  es  mufste  Ais  ste- 
hen **),  da  dies  nicht  der  Fall  war,  wissen  wir  bestimmt  dafs  es  D  dur  ist. 

Das  Zeitmaafs  ist  langer  gewöhnlicher  Takt  ***). 

Jetzt  wrollen  wir  fortfahren  und  die  Grund-Bässe  aufsuchen,  damit  der 
Grund,  auf  welchem  der  noch  übrige  obere  Bau  des  Gegenwärtigen  Gebäudes 
beruhen  soll,    nun  auch  völlig  festgestellt  werde. 

12  3  4  5  6 

lste  Violine. 


2te  Violine. 


Bratsche. 


Bass. 


Grund.  Bass, 


Ö:^ptpt^g=3t±: 


6   5 
4   3 


7 

8 


9   8 

13 


U§    8 

P7    - 

v4   3 


-4- 


1- 


6    S 
4    3 


-Q- 


Die  Composition  fängt  mit  dem  Dreiklang  auf  D  an,  demzufolge  ist  der 
Grundbass  welchen  wir  unter  den  Akkord  stellen  D. 

N.  B.  Die  Noten  E  und  G  in  beiden  Violinstimmen,  sind  accentuirte 
durchgehende  Noten  -f). 


*)  Siehe  ßeisp.  173.  **)  Siehe  ßeisp.  157.         ***)  Siehe  Beisp.  335.         f)  Siehe  Beisp.  234. 


Analysation. 


319 


8 


9 


10 


11         12  13 


14 


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rögg^fc 


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3-Ö 


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I3-ffti: — I — ,' — l — rzzL. !__' _z  ~! — .    . — i — I — f-f—zr 


Wenn  wir  bei  (2)  in  den  4  Stimmen  die  Noten  untersuchen,  so  finden  wir 
dafs  sie  insgesamt  den  Akkord  von  A  angehören;  wir  schreiben  also  die  Note 
A  als  Grundbass  darunter. 

C  im  Bass  als  Terz  des  Akkords,  wird  mit  der  6  bezeichnet. 

N.  B.  Die  Note  //,  in  der  ersten  Violine  ist  eine  accentuirte  durchge- 
hende Note. 

Bei  3  entsteht  der  Akkord  Hmoll  aus  einem  modificirten  Bass  *)  auf 
der  dritten  der  Tonleiter,  welcher  hier  als  Grundbass  benutzt  ist  **).  Der  zweite 
Akkord  bei  3,  ist  der  Hauptseptimen -Akkord  von  E;  die  Septime  liegt  in  der 
ersten  Violine,  die  Quinte  in  der  zweiten  Violine,  die  Oktave  in  der  Bratsche 
und  die  Terz  im  Bass;  dies  giebt  den  g  Akkord.  Die  Note  E  ist  somit  wie- 
derum als  Grundbass  unter  der  Harmonie  zu  schreiben,  (wie  wir  es  im  Beispiele 
sehen). 

N.  B.  Die  Note  A  im  Bass  ist  eine  unaccentuirte  durchgehende  Note;  das 
E  im  Basse  sowohl,  als  das  E  und  H  in  der  lsten  Violine  sind  dagegen  aus 
der  Neben- Harmonie  ***)    entsprungene  Noten. 


*)     Siehe  Beispiel  306. 

**)     Siehe  die  Bemerkungen  über  modificirte  Bässe  „die  dritte  der  Tonleiter."     Seite  257. 

***)     Siehe  Beispiel  250. 


320 


Analysation. 
16  17  18 


Wir  wollen  in  derselben  Art  weiter  fortfahren  die  Grundbässe  aufzusuchen; 
D  ist  bei  5  Grundbass;  E  bei  7;  und  Fis  bei  9. 

Der  Bass  E  bei  10  ist  erste  Versetzung  eines  modiiicirten  Basses,  der  den 
unvollkommenen  Dreiklang  (mit  falscher  Quinte)  hat,  mithin  ein  Sechsten-Ak- 
kord  *).  Von  29  bis  35  entsteht  die  Harmonie  aus  einer  Fortschreitung  von 
Sequenzen  **).  Dafs  es  Sequenzen  sind,  schliefsen  wir  aus  der  ununterbroche- 
nen, mit  Imitationen  regelmäfsig  steigenden  Fortschreitung  in  der  lsten  und 
2ten  Violine. 

N.  B.  Die  Noten  G  und  H  im  Bass  bei  23,  sind  unaccentuirte  Hülfs- No- 
ten, und  C  bei  24  ist  eine  accentuirte  Hülfs -Note. 

Die  Harmonie  49  bis  52  entspringt  aus  der  Fortschreitung  eines  Sequenzen 
von  Septimen;  wir  folgern  dies  aus  der  regelmäfsigen  und  gleichförmigen  Folge 
steigender  Quarten  und  fallender  Quinten  des  Grundbasses,  welche  Fortschrei- 
tung sich  sogleich  wie  im  folgenden  Beispiele  ***)  darstellt,  sobald  wir  den  Bass 
von  allen  Hülfs -Noten  entblöfsen. 


*)  Siehe  Beisp.  307,  sowie  auch  Seite  258.      **)  Siehe  Beisp.  323.      ***)  Siehe  Beisp.  311  (e). 


Analysation. 


321 


Allegro 


6-ß-ß-ß-     -ß-ß-ß-      3 


ß-t- 


^EEB-^^=lfe^g£E^[; 


9    8 


4    3 


9    8 

4   3 


=)?£ 


^fc 


7 

3 


+-©- 


-©- 


3J3; 


#=P==t 


-P— £ 


7 


v: 


£E*= 


Wenn  wir  die  Harmonie,  welche  die  Fortschreitung  des  Grundbasses  bei 
(a),  zuläfst,  hinzufügen,  und  alsdann  die  Harmonie  der  lsten  und  2ten  Violine 
im  Original  damit  vergleichen,  so  wird  die  Uebereinstimmung  augenblicklich 
hervortreten;  wir  nehmen  an,  die  Achtel-Pause  in  der  lsten  Violine,  steht 
in  der  Stelle  der  Septime,  und  diese  Septime  schreitet,  vor  ihrer  Auflösung, 
nach  einem  andern  Intervall  des  Akkords  fort  (zufolge  angewandter  Neben - 
Harmonie)  (b);  somit  wäre  jeder  Zweifel  an  die  Echtheit  des  Grundbasses  der 
Sequenzen  von  48  bis  52  beseitigt.     Man  sehe  Beispiel  255. 


j,       J    .  3!     71     31   ,    ?)     31 


1 


ßi 


gm £.__j.. 1 — == 

*s-ß-ä-.ß-±ßr*-jß— 

I — »-HSs^l — s-l-r^4-— 


'i— ß- 


tz 


:p 


i.    7    i     7    • 


[     4t     ] 


322 


Analysation. 


29 


3=?=*== 


^p 


:?=*=: 


Jttjt * 


aczrj 


ö=4s= 


3 


4   3 


7 


9   8 


Si% 


9    8 


=ä= 


Der  Schüler  mag  nun  die  Grundbässe  in  der  bisherigen  Art  weiter  aufsu- 
chen, und  sie  unter  der  Harmonie  schreiben,  wie  dies  im  Beispiele  geschehen  ist. 

Wir  wollen  die  eingeführten  Modulationen  jetzt  näher  untersuchen. 

Das  Concert  fängt  in  D  dur  an,  in  welcher  Tonart  es  bis  3  verbleibt, 
wo  eine  Modulation  nach  dem  Dominanten  eintritt,  die  uns  durch  das  Gis 
im  Bass,  welches  einen  halben  Ton  nach  A  fällt  *),  angedeutet  wird.  E  ist 
eine  Note  der  Neben- Harmonie. 

Bei  5  wird  eine  Modulation  nach  D  durch  das  G  \  (bei  4)  im  Bass  ange- 
zeigt **).  Bei  6  ist  eine  Modulation  nach  G  durch  das  C  \  in  der  lsten  Violine 
bezeichnet.  Bei  8  haben  wir  eine  Modulation  nach  A,  und  bei  10,  nach  der 
verwandten  Moll -Tonart,  beide  letztere  Modulationen  sind  aus  dem  Basse  zu 
folgern. 

Von  12  zu  17  sind  wieder  mehrere  Ausweichungen,  die  jedoch  der  Schü- 
ler leicht  selbst  zu  erkennen  vermag. 


*)     Siehe  Beispiel  180. 
**)     Siehe  Beispiel  181. 


Dissonanzen    *). 

Da  der  Grundbass  von  3  zu  4,  5  zu  6,  7  zu  8  u.  s.  w.  in  Quarten  steigt, 
oder  in  Quinten  fällt,  so  können  wir  die  Dissonanzen  der  None  und  Quarte 
einführen. 

Frage.     Welche  Dissonanz  hat  der  Componist  angewendet.3 

Antwort.     Die  None. 

Frage.     Wie,  und  wo  ist  diese  vorbereitet? 

Antwort.  Sie  ist  bei  3  durch  die  Quinte  in  der  2ten  Violine  vorbereitet, 
woselbst  auch  ihre  Auflösung  in  die  Oktave  erfolgt. 

Sehr  natürlich  stellt  sich  uns  hier  die  Frage  auf,  warum  der  Componist 
nicht  abwechselnd  die  Quarte  und  die  None  eingeführt  hat,  da  die  Fort- 
schreitung des  Grund-Basses  beide  Dissonanzen  zuläfst?  z.  B.  so  wie  folgt. 


{ 


iö 


t3t 


3: 


^ö^e 


3: 


5 

4 


HiE 


6 
ß—ß—0- 


*—*-r—P — I 


ü 


* 


-ß-ß- 


9 
-0—ß- 


*)    Siehe  Beispiel  95,   101. 


[41*] 


324 


Analysation. 
37  38 


-# 


P=F 


3 — y* — ^ — 3 — :ps — -|         | — »— J — g 


Ä 


3z 


5t 


£ 


t= 


-=»*- 


-=¥*- 


*t 


7 


El. 


#: 


H f- 


7 


-=%=*- 


-f- 


9    8 


7 


-d h 


-e- 


Die  Einförmigkeit,  welche  aus  der  steten  Wiederholung  ein  und  derselben 
Dissonanz,  natürlich  entspringen  mufste,  würde  dadurch  vermieden  worden  seyn. 
Oder  auch  durch  Anwendung  beider  Dissonanzen  zugleich,  wie  z.  B. 


9 

4 


3ife=. 


J=£ 


-»— P— , 


3= 


ss 


etc. 


etc. 


Es  würde  mehr  Abwechselung  und  Interesse  daraus  entstanden  seyn.  In 
diesem  Falle  jedoch  hätten  müssen  die  Imitationen  zwischen  der  lsten  und  2ten 
Violine  von  5  zu  17,  unterbleiben. 

N.  B.  Die  Untersuchung  der  Fortschreitung  des  Grundbasses  in  Bezug  auf  die 
Einführung  der  Dissonanzen  mufs  der  Schüler  nun  bis  zu  Ende  allein  fortsetzen. 

Dafs  der  Componist  den  Bafs  bei  32  mit  der  Bezifferung  der  Dissonanz  der 
None  versehen  hat,  ohne  diese  nachmals  einzuführen,  kann  seltsam  erscheinen, 
—  das  Auslassen  dieser  Dissonanz  wird  indefs  später  erklärt  werden,  wenn  wir 
zu   den  Imitationen   kommen:    für  jetzt   müssen  wir  die  Achtel -Pause  in   der 


Analy&ation. 


325 


2ten  Violine  als  an  der  Stelle  der  Dissonanz  stehend,  betrachten;  (wie  wir 
dies  bereits  durch  kleine  Noten  angedeutet  haben,  bei  Gelegenheit  der  Auffin- 
dung der  Grundbässe). 

Derselbe  Fall  trifft  wieder  zu,  bei  33,  49,  50,  51  u.  s.  w.  Bei  33  ist  die 
None  durch  die  Terz  vorbereitet,  bei  34  durch  die  Quinte,  aber  in  die  Terz 
aufgelöset  *).  Bei  11  steigt  der  Grundbass  eine  Quinte  **) ,  die  Dissonanzen 
von  %  sind  demgemäfs   eingeführt. 

Frage.     Wie  und  wo  sind  diese  Dissonanzen  vorbereitet? 

Antwort.  Die  Quarte  ist  in  der  2ten  Violine  durch  die  Oktave,  und  die 
Sechste  in  der  lsten  Violine  durch  die  Terz  vorbereitet. 


Perioden. 

Von  1  zu  4  enthält  eine  halbe  Periode  durch  Modulation  ***).  Von  5  zu 
6,  7  zu  8,  9  zu  10,  sind  Einschnitte  durch  Modulation  f).  Die  Periode  be- 
steht  aus   6   Takten,    und   schliefst  bei   12    in   die   verwandte  Moll -Tonart  des 


Siehe  Beisp.  182  (ö). 


*)  S.  Beisp.  101.        ***)  S.  Beisp.  347,  348.        f)  S.  Beisp.  348  (c). 


32b 


Analysation. 


ÖT 


7 


eil 


S*=3= 


±- 


Grundtons.  Von  13  zu  20  sind  Einschnitte  durch  Modulation,  ähnlich  den 
Vorhergehenden:    Von  13  zu  22  ist  eine  halbe  Periode  durch  Modulation. 

Um  der  halben  Periode  mehr  Würde  und  Schlufs  zu  geben,  fügte  hier  der 
Componist  noch  einen  aufserordentlichen  Takt  hinzu:  mit  welchem  sie  nun  5 
Takte  enthält. 

Von  23  bis  37,  ist  eine  halbe  Periode  durch  Modulation  und  Fortschrei- 
tung in  mehrere  Einschnitte  getheilt.  Von  24  zu  25,  26  zu  27,  sind  Einschnitte 
durch  Modulation,  von  30  zu  31,  32  zu  33  u.  s.  w.,  sind  kurze  Einschnitte 
durch  Fortschreitung,  durch  welche  zuletzt  die  halbe  Periode  bei  37  auch  ge- 
schlossen wird.  Von  39  bis  42  ist  eine  kurze  Periode  welche  in  Fis  moll  en- 
diget. Von  43  zu  48  u.  s.  w.  finden  sich  Einschnitte  durch  Modulation,  von 
da  bis  zu  53  Einschnitte  durch  Fortschreitung. 

Imitation  e  n. 
Das  Subject  in  der  lsten  Violine  bei  5  und  6,  ist  bei  7,  8,  9  und  10,   von 
derselben  Stimme,   einige  Zeit  einen  ganzen  Ton  höher   *),    wiederholt.     Wäre 


*)    Eine  gleiche  Fortschreitung  von   Sequenzen,    steigend   in   ganzen  Tönen,    findet  sich   in 
Händeis  Hallelujah,    im  Chor  zu  den  Worten  „König  der  Könige." 


Analysation. 


327 


Xr. 


-* — 4 — *- 


FiSSSi 


6  7 


BDOKIS^ ^HHHK» 1 W—\ 1 ■■KUH^M 


Bf#: 


-#*- 


statt  dessen  7  und  8  in  der  2ten  Violine,  und  9  und  10  in  der  Bratsche  ge- 
schrieben, so  würde  weniger  Einförmigkeit  herrschen,  und  mehr  Imitation  ent- 
standen seyn. 

Bei  23  beginnt  die  lste  Violine  ein  kurzes  Subject  auf  dem  accentuirten 
Takttheil,  welches  auf  dem  unaccentuirten  Takttheil  von  der  2ten  Violine  nach- 
geahmt oder  beantwortet  wird.  Diese  strenge  Imitationen  gehen  ununterbrochen 
bis  zum  30sten  Takte  fort;  von  wo,  so  weit  es  der  Pihytmus  gestattet,  sie  noch 
immer  fortdauern,  jedoch  sind  die  Fortschreitungen  der  Intervallen  verschieden 
von  denen  der  lsten  Violine.  Hier  war  es  nothwendig,  um  die  Imitationen  in 
rhytmischer  Ordnung  fortsetzen  zu  können,  dafs  die  Dissonanzen  bei  32  und 
33  ausgelassen  wurden  (der  Fall  dessen  wir  erwähnten)  die  Imitation  von  42 
zu  48  ist  der  von  23  zu  34  beschriebenen  ähnlich. 

Es  mag  seltsam  erscheinen  dafs  die  Terz  des  Dominant  bei  41  in  der  lsten 
Violine,  statt  nach  der  Oktave  fortzuschreiten,  eine  None  steigt;  dies  war  aber 
unerläfslich  um  das  Subject  der  Nachahmung  mit  dieser  Stimme  wieder  anfan- 
gen zu  lassen.  Man  wrird  finden  dafs  die  Terz  des  Akkords  der  Tonika  bei 
42  fortgelassen  ist,    solches  Fortlassen   der   Terz,    ist  jedoch  sehr  häufig  in 


328 


Analysation. 
54  55  56 


den  Werken  der  älteren  Meister  zu  entdecken,  hauptsächlich  bei  dem  Schlufs 
der  Moll -Tonarten. 

Die  Stimmen  kreuzen  sich  untereinander  oft  ganz  unverantwortlich:  Bei 
1  und  39  sehen  wir  die  2te  Violine  und  Bratsche  ohne  irgend  einen  scheinba- 
ren Grund  über  die  lste  Violine  geschrieben. 

Weshalb  hat  der  Componist  der  Bratsche  bei  59  erlaubt  über  die  lste 
Violine  zu  erscheinen?  —  Wäre  diese  Stimme  eine  Oktave  tiefer  geschrieben, 
würde  sie  sich  in  ihrer  natürlichen  Stellung  befinden. 

Die  Quinten -Folgen,  zwischen  der  2ten  Violine  und  Bratsche  bei  56,  und 
der  isten  Violine  und  Bratsche  bei  58,  in  der  Auflösung  des  verminderten  Sep- 
timen-Akkords zu  vermeiden  (da  in  beiden  Fällen  die  None  des  Grundbasses 
über  der  Quinte  steht)  hat  der  Componist  die  Stimme  der  "Bratsche  in  die 
Quinte  des  folgenden  Basses,  statt  in  die  Oktave  fallen  lassen.  Wäre  die  dis- 
sonirende  Quarte  nicht  eingeführt,  so  würde  die  Quinte  nach  der  Terz  ge- 
stiegen seyn  *). 


Zu 


*)     Siehe  Beispiel  159. 


Analysation. 


329 


Zu  Anfang  haben  wir  die  Grundbässe  mit  allen  Dissonanzen,  die  bei  ihrer 
Fortschreitung  zulässig  waren,  beziffert;  dem  Schüler  wird  empfohlen  die  fer- 
nere Bezifferung  nun  selbst  darüber  zu  schreiben,  er  wird  daraus  ersehen,  wie 
viel  mehr  zu  der  Harmonie  noch  hinzuzusetzen  gewesen  wäre. 

Musik  ist  als  eine  Sprache  anzusehen,  in  der  jede  Leidenschaft,  jedes  Ge- 
fühl deren  das  menschliche  Gemüth  fähig  ist,  ausgedrückt  werden  kann;  da 
nun  eine  Composition  welche  einigen  Anspruch  auf  Vortrefflichkeit  machen 
will,  die  Macht  besitzen  mufs,  wenigstens  einige  dieser  Gefühle  in  uns  zu  er- 
wecken, so  müssen  wir  auch  in  dieser  Beziehung  noch  den  Eindruck  der  vor- 
stehenden Composition  würdigen. 

Die  Einleitung  ist  in  einem  majestätisch- edlen  Styl  geschrieben,  die  von 
der  lsten  Violine  vorgetragene  Melodie  drückt  Freundlichkeit  und  Leutselig- 
keit aus;  der  feste  gehaltene  Schritt  des  Basses  spricht  Selbstvertrauen  und 
Würde  aus. 

Die  2te  Violine  und  Bratsche  spielen  eine  mehr  untergeordnete  Rolle,  wäh- 
rend erstere  nur  in  demüthiger  Wiederholung  dem  Gefühle  eines  Oberen  zum 
Echo  dient,  macht  Letztere  einige  Anstrengungen  die  Aufmerksamkeit  (durch 
kleine  dissonirende  Einschnitte)   für  sich  zu  gewinnen.     So  geht  die  Einleitung 

[    42    ] 


330 


Analysat 


1  o  n. 


mit  einem  gewissen  Ernst  der  an  Feierlichkeit  gränzt,  bis  23  fort;  hier  ändert 
die  Scene  sich  indefe,  das  Allegro  welches  nun  beginnt  ist  heiter  und  scherz- 
haft; die  2te  Violine  scheint  neckend  die  lste  zu  reizen,  während  der  Bass  al- 
ler Strenge,  aller  Förmlichkeit  entbunden,  für  den  selbst  auferlegten  Zwang 
sich  schadlos  zu  halten  scheint,  und  nun  selbst  guten  Humor  und  Spafs  ver- 
anlafst.  Vergleichen  wir  diefs  mit  seinem  früheren  zurückhaltenden  feierlichen 
Gange  so  erscheint  es  wahrhaft  komisch. 

Die  Passage  im  Bass,  (da  er  fortwährend  steigt)  verleitet  uns  durch  hier 
Wirkung,  zu  glauben,  dafs  er  an  Geschwindigkeit  zunimmt.  Der  Tenor,  der 
während  der  4  Takte  ein  ruhiger  Zuhörer  gewesen,  nimmt  bei  31  wieder  Theil 
an  der  Bewegung.  Die  Fortsetzung  bis  zu  Ende  der  halben  Periode  bei  37,  ist 
nun  darauf  berechnet,  alle  Stimmen  mit  einander  hohe  Freude  und  Entzücken 
ausdrücken  zu  lassen. 

Hier  jedoch  scheinen  alle  Theile  für  einen  Augenblick  zu  einer  Art  von 
Ueberlegung  zu  kommen;  die  Bewegung  des  Adagio,  mit  den  vorhergehenden 
Pausen,  machen  diesen  Eindruck  ganz  gewifs  auf  unser  Gemüth.  Der  Zu- 
stand des  Nachdenkens  ist  indefs  nicht  von  langer  Dauer;  die  frühere  fröhliche 
lustige  Stimmung  beginnt  von  neuem  bei  42  und  dauert  nun  ununterbrochen 
fort  bis  53. 


Hayd'n. 
sldagio  Sostenuto. 


lste   Violine. 


2te  Violine. 


Bratsche. 
Bass. 


Grund -Bass 


mSEi 


*=\ 


J^Jztz^-JtJz 


I — f---  m — m — ±-+ — i"^- 


SMS 


-4 — - 


4 

s 


"  -3— w— t^-H- — v 


ff 

6   6 

5 


ICE 


LzarEzt: 


H=P 


Noch  eine  Composition  wollen  wir  in  derselben  Art  analysiren,    und  zwar 
ein  Adagio  aus  einem  Haydn'schen  Quartette.     Es  ist  ein  reizendes,  höchst  vol- 


lendetes  Musikstück;  und  enthält,  wie  alle  Werke  dieses  grofsen  Meisters,  so 
unendlich  viel  Stoff  zu  Betrachtungen  für  Musikstudirende.  Einfachheit  und  Man- 
nichfaltigkeit  sind  hier  so  glücklich  vermischt,  dafs  es  schwer  zu  entscheiden 
ist,  welches  mehr  Bewunderung  verdient.  Damit  der  Schüler  in  den  Stand  ge- 
setzt werde,  die  Schönheit  und  die  Vortrefflichkeit  dieser  Composition  zu  wür- 
digen, wollen  wir,  ehe  wir  zu  dem  Einzelnen  der  Theile  übergehen,  eine  all- 
gemeine Erklärung  des  Plans  und  eine  Uebersicht  des  Ganzen  geben. 

Wir  finden,   dafs  es  drei  Subjecte  enthält:    das  erste,   in  angenehmer  sang- 

[   42'  ] 


: -«     ;  ■  ^^zlzfrl^^-f-z 


barer  Bewegung,  besteht  aus  einer  Periode  von  8  Takten,  welche  in  zwei  halbe 
bei  4  getheilt  ist.  Dieses  Subject  wird,  mit  geringer  Veränderung,  eine  Oktave 
höher  bei  9  wiederholt,  und  endet  mit  einer  Kadenz  bei  16.  Auf  diesen  letz- 
ten Takt  fängt  eine  Folge  von  Einschnitten  durch  Modulation  an,  in  welchen 
das  2te  Subject  im  Bass  bei  16  eingeführt,  und  nachher  fortgesetzt  wird.  Dies 
Subject  ist  in  2  Takten  enthalten,  und  in  2  Stimmen  verlegt,  davon  der 
lsten  Violine  bei  17  der  zweite  Theil  zugetheilt  ist.     Durch  diese  Vertheilung 


*)     Siehe  Beispiel  173  sowohl  als  210,  212. 


#^«18^ 


3^ — -^5~:~'~o#^~f::?::^Vf"'g~ytp~ 


e± 


Bz 


wird  eine  Art  von  Gespräch  bis  20  unterhalten.     Hier  verwechseln  diese  Stim- 
men ihre  Subjecte,  worauf  die  Unterhaltung  bei  22  endet. 

Die  iste  Violine  fahrt  nun  allein  mit  Passagien  fort,  in  welchen  das  Sub- 
ject  aus  dem  Basse  sowohl,  als  aus  der  lsten  Violine,  so  schwach  angedeutet 
sind,  dafs  wir  sie  kaum  zu  erkennen  vermögen  *). 


*)  Die  Regelmäfsigkeit  der  Zurückhaltung  der  Terz  bei  17,  19  und  21,  in  der  Bratsche, 
während  die  Terz  selbst  in  der  lsten  Violine,  erscheint,  mochte  wohl  einigem  Zweifel  unterwor- 
fen seyn.  Dieses  Uebersehen  (wenn  anders  dieser  Ausdruck  Anwendung  finden  kann,  auf  Werke 
eines  so  grofsen  Meisters)  ist  bei  41  bis  45  verbessert. 


334 


A  n  a  1  y  s  a  t  i  o  n. 


25 

±  £  *.  *. 


pwffl^^^a^ 


3t     *26* 

I-        "T"         "F"  » 


27 


4»    F  ■■^— ^-— 1 


■#•-#-:.-*■:*- 


ÄÄ^ögfeÄÄfefilgil 


23 

b-^^b-r— b — r— I = r-+* 


& 


-o- 


frg- 


3: 


_^i=s_ 


6__ 

3  3 


6 
fe4 
t>3 


-*-*. 


Bei  25  fängt  das  dritte  Subject  an  und  schliefst  nach  mannichfaltigen  Mo- 
dulationen bei  33  auf  dem  Dominanten  der  ursprünglichen  Tonart.  Hier  hat 
der  Componist,  statt  das  erste  Subject  zu  wiederholen,  mit  aufserordentlichem 
Scharfsinne  ein  Subject  eingeführt,  welches  die  strengste  Gleichheit,  (hinsichtlich 
der  rhytmischen  Form)  mit  dem  ersten  zwar  enthalt,  in  Wahrheit  aber  nur 
darauf  berechnet  ist,  dieses  in  unser  Gedächtnifs  zurück  zu  rufen.  Trotz  die- 
ser bewundernswürdigen  Erfindung,  bleibt  alles  Neue  oder  Fremde  ausgeschlos- 
sen,   Einheit  und   Mannichfaltigkeit   sind  erhalten;    denn   so  wie   eine  längere 


Analysation. 


335 


Wiederholung  des  ursprünglichen  Subjects  im  Dominanten  eintönig  geworden 
seyn  würde,  eben  sowohl  mufste  ein  ganz  neues  Subject  auf  die  Einfachheit 
des  Ganzen  störend  einwirken.  Bis  40  ist  dieses  Subject  fortgesetzt,  wo  es  mit 
einer  Kadenz  schliefst. 

Hier  wird   das   2te  Subject   vom  Bass   und  der  lsten  Violine  im  Dominant 
der  ursprünglichen  Tonart  wieder   aufgenommen,    und  endet   bei  44,    woselbst 


336 


Analysation. 
36  37.  38 


eine  Reihe  von  Nachahmungen  in  allen  Stimmen  heginnen,  welche  bis  47  fort- 
gesetzt sind.  Es  mufs  bemerkt  werden,  dafs  die  Passagie  welche  der  Compo- 
nist  für  die  Imitation  ausgewählt,,  kein  neues  Thema  enthalten  sollte;  es  ist 
auch  in  der  That  nur  der  letzte  halbe  Takt  des  zweiten  Subjects  bei  43. 

So  ist  die  Einheit  des  Ganzen  bewahrt,  ohne  irgend  die  Mannichfaltigkeit 
aufzuopfern. 

Da  die  Passagien  welche  in  der  lsten  und  2ten  Violine,  nach  den  Imita- 
tionen bei  47  und  48,    folgen,    auf  dem   Dominant  der   Grund-Tonart   ge- 

schrie- 


Analysation. 


337 


43 


b#-^-!=b1^ — -m— *— I — i    i     i     ! — 


#«£^ 


_^ _J 1 1 — jp. . 1] — J 1 — 1Z_J(3^'_-__j_Z] 


schrieben  sind,  so  ist  die  Erwartung  dieser  Tonart  vorläufig,  vor  ihrem  Wieder- 
eintreten erregt,  welches  bei  49  *)  wirklich  erfolgt,  wo  zum  Schlüsse  der  erste 
Theil  des  zweiten  Subjects  abermals  von  der  lsten  Violine  und  dem  Basis  auf- 
genommen wird,  mit  dem  Unterschiede  jedoch,  dafs  statt  des  Basses  die  1  ste 
Violine  das  Subject  anfängt,  und  dieser  es  im  Dominant  beantwortet.      Bei  55. 


*)     Siehe  Takt  1  bis  8. 


C    « 


.A  n  a  1  y  s  a  t  i  o  n. 


47 


-p-n 


^±s£j^^mm 


,fr+:-e-*-*+$ß-l 


49 


d=4 


|^E^^^^^g|^^^^^^^g 


T 


e 


:rj: 


i 


£3--j 


ffi 


7 

F-i- 

— ^— 

sehen  wir  das  dritte  Subject,  welches  eilf  Takte  ausfüllte,  mit  einigen  Abände- 
rungen in  der  allgemeinen  Zusammenstellung,  abermals  eingeführt:  sodann  folgt 
noch  einmal  zuletzt  das  erste  Subject. 

Eine  Reihe  von  Imitationen,  auf  die  Passagien  der  Isten  Violine  bei 
22  gegründet,  beginnt  nun  zwischen  der  Isten  Violine,  der  Bratsche  und  dem 
Basse,  und  dauert  fort  bis  zum  Schlüsse  des  Ganzen. 

Dies  kann  als  der  Allgemeine  Plan  der  Composition  angesehen  werden: 
nun  wollen  wir  sorfültiger  auf  die  Prüfung  der  einzelnen  Theile  uns  einlassen. 


Analysation. 
54  55 


;«9 


w=*=^hi=3=*-«<- 


3d 


1 1 — ^,*^ 1 &--* — 'km — i — I 


2le  Violine. 


jg^^^j^jaillliliilli^^liill 


■ 


Die  Tonart  ist  C  dur.  —  Eine  falsche  Kadenz  ist  bei  2  zu  3  gemacht,  nach 
welcher  die  Modulation  nach  D  moll  eintritt,  durch  das  C/'s*)  in  der  1  sten 
Violine  angedeutet  **). 

*)     Siehe  Beispiel  180. 

**)  Es  scheint  hier  dafs  die  Hauptseptime  in  der  Bratsche  nach  der  Quinte  gestiegen  ist, 
statt  in  die  Terz  zu  fallen;  im  gegenwärtigen  Falle  darf  man  jedoch  nur  diesen  Akkord  nicht  als 
den   Hauptsepümen   Akkord,    sondern   als   die   erste  Versetzung  des   unvollkommenen  Dreiklangs 

[43*] 


340 


Analysation. 


61 


62 


:5:£dM«iF&:£ä-S: 


Y       Y f 


:» 


3=}: 


■&m 


B± 


'.etc. 


63 


I 


#3n 


64 


65 


m 


m 


SSEi       ^              ,15    CT'°"  = 
/ x^4f9+j*«-jrf— 4 j — i 2- — t— i — 4 


m 


ifiPi 


«=  -  ..-m.    — - 


Bei  3  heginnen  2  Sequenzen  von  6  ten,  aufweichen  eine  Modulation  nach  der 
Grundtonart  folgt.  Bei  5  ist  der  erste  Takt  des  Subjects  wiederholt,  jedoch 
mit  anderer  Harmonie  versehen ;  denn  im  2  teil  Takte  war  A  moll  durch  Fort- 
schreitung, hier  dagegen  durch  Modulation  eingeführt  *). 


ansehen  (siebe  Beispiel  307  (d).)  derselbe  Fall  wird  wiederholt,  in  allen  Werken  dieses  Meisters 
sowohl,  als  auch  anderer  Meister  befunden  werden. 
*)     Siehe  Beispiel  183. 


Analysation. 
66  67 


341 


68 


± 


■■*- 


=ä= 


3=£=?: 


E=a 


— i- 


Bei  7  ist  eine  Modulation  nach  F  gemacht,  und  danach  mit  einer  unre- 
gelmäßigen Kadenz  *)  wieder  in  die  ursprüngliche  Tonart  zurfikgekehrt,  und 
hiemit  diese  Periode  von  8  Takten  geschlossen,  von  welcher  die  halbe  Periode 
durch  Fortschreitung  beendet  war.  Von  9  zu  12  ist  die  erste  halbe  Periode 
wiederholt,  mit  beinahe  derselben  Harmonie,  wie  die  frühere.  Bei  13  ist  ein 
modificirter  Bass  auf  der  4ten  Stufe  der  Tonleiter  in  der  Grundgestalt  angewen- 
det **).  Hier  ist  die  Demonstration  einer  Modulation  nach  D  moll  gemacht, 
welche  Modulation  jedoch  durch  die  falsche  Kadenz  bei  14  verhindert  wird; 
eine  Modulation  nach  F  ist  danach  eingefidirt,  auf  welche  der  zusammenge- 
setzte grofse  Sechsten  Akkord  gt  folgt,  die  Auflösung  von  diesem  ist  zurückgehal- 
ten ***)  und  eine  Schlufskadenz  endigt  die  Periode. 

Auf  dem  löten  Takt,  den  letzten  Takt  dieser  Periode,  fängt  das  2te  Sub- 
ject  im  Basse   an,    es   ist   auf  die  hier   stehende    einfache   Melodie    gegründet,, 

Bass.  Violine. 


Si 


Pt. 


--  welche  durch  Einführung  ausgedehnter  Hülfs- 


Noten  bei  (16)  und  durch  die   einfachen  Durchgehenden-  und  Hülfs- Noten  bei 


*)     Siehe  Beispiel  277.  **)     Siehe  Beispiel  308  (A).  ***)     Siehe  Beispiel  1%  (3). 


O-i". 


A  n  a  1  y  s  a  t  i  o  n. 


(17)  eben  so  characteristiseh  als  interessant  gemacht  ist.  Bei  (16)  findet  eine 
Modulation  nacli  G  statt,  und  von  da  nach  D  moli;  der  Abwechselung  wegen 
schreitet  der  Componist  nach  dem  Dominant  der  letzten  Tonart  durch  Fort- 
schreitung fort;  derselbe  Fall  wiederholt  sich  bei  20  zu  22,  wo  die  erste  Violine 
und  der  Bass  die  Subjecte  verwechseln. 

Bei  24  ist  eine  Modulation  nach  der  ursprünglichen  Tonart  gemacht,  die 
Note  A  in  der  2ten  Hälfte  dieses  Taktes  ist  ein  modihcirter  Bass  zu  der  er- 
sten Stufe  der  Tonleiter,  und  Gis  in  der  2ten  Violine  eine  durchgehende  Note*). 

Bei  25  ist  das  3te  Subject .  auf  dem  Dominant  Septimen -Akkord  während 
der  Modulation  nach  G  angefangen,  das  Gis  bei  27  in  der  lsten  Violine  ist  eine 
steigende  Dissonanz,  die  Zurückhaltung  der  5  durch  die  4**).  Bei  28  •  findet 
eine  Modulation  nach  G  moll  statt,  und  bei  29  nach  Es.  In  demselben  Takt 
ist  eine  Modulation  nach  G  (dem  Dominanten  der  ursprünglichen  Tonart)  mit 
dem  zusammengesetzten  grofsen  Sechsten -Akkord  ffc  eingeleitet,  die  Auflösung 
wird  jedoch  von  30  bis  32  ***)  zurückgehalten,  tmd  erfolgt  erst  bei  33  mir  ei- 
ner Schlufs -Klausel.  Man  könnte  sagen,  dafs  die  Composition  hiermit  kräftig 
beschlossen  ist,  denn  was  nun  folgt,  (nehmen  wir  das  erste  Subject  verändert 
wie  es  von  33  bis  40  erscheint  davon  aus)  wird  im  wesentlichen  nur  Wieder- 
holungen in  veränderter  Form,  und  Nachahmungen  von  dem  enthalten,  was  be- 
reits angeführt  worden,  und  wovon  wir  voraussetzen,  dafs  es  dem  Schüler  genug- 
sam bekannt  ist.  Wir  dürfen  demzufolge  also  wohl  fortfahren,  und  schliefslich  ei- 
nige allgemeine  Bemerkungen  über  ein  jedes  dieser  3  hauptsächlichen  Subjecte 
machen,  indem  wir  uns  bestreben  die  Gefühle  zu  enträthseln,  welche  sie  ein- 
zuflöfsen  berechnet  waren. 

Die  Melodie,  Harmonie  und  Modulation  des  ersten  Subjects  von  1  zu  8 
ist  liebkosend  und  sanft,  und  drückt  den  ruhigen  glücklichen  Zustand  einer 
nur  Einigkeit  athmenden  Familie  aus,  welche  auf  dem  Strome  des  Lebens  ohne 
Sorge  ohne  Angst  dahin  gleitet.  Dieses  freundliche  zärtliche  Gefühl  wird  vor- 
züglich bemerkbar  in  den  ersten  8  Takten.  Vergleichen  wir  den  Eindruck 
dieser  Takte  mit  dem,  der  unmittelbar  darauf  folgenden,  welche  eine  Oktave 
höher  geschrieben  sind,  so  finden  wir  das  letztere  einen  leichten  Anstrich  von 
gereizter  Empfindlichkeit  verrathen,  diese  Beizbarkeit  wird  von  13  an  noch 
mehr  ausgedrückt  durch  das  schnelle  Folgen  der  Modulationen,  welche  mit  dem 


Siehe  Beispiel  240.  **)     Siehe  Beispiel  263.  ***)     Siehe  Beispiel  204- 


Analysation.  343 

zusammengesetzten  grofsen  Sechsten- Akkord  §7  enden.  Dieser  Zustand  scheint 
mit  dem  Eintreten  des  zweiten  Subjects  von  16  bis  24  noch  gesteigert;  hier 
glauben  wir  Widerspruch,  Streiten  zwischen  2  Personen  zu  hören,  wahrend  die 
Begleitung  in  der  2ten  Violine  und  Bratsche  Angst  und  Furcht  ausdrückt.  Bei 
22  scheint  die  lste  Violine  triumphirend  allein  fortzufahren,  sie  hat,  so  mufs 
man  glauben  ihren  Widersacher,  den  Bass,  überwunden,  welcher  sich  nun  der 
Begleitung  der  2ten  Violine  und  Bratsche  anschliefst. 

Bei  25  fangt  das  dritte  Subject  an;  schon  allein  durch  seine  rhytmische 
Form,  wird  ein  Zustand  der  Besorgnifs,  Angst  und  Furcht,  der  Bekümmernifs, 
Herzklopfen  und  schwer  Athmen  uns  angedeutet. 

Bei  28,  wo  die  Modulation  nach  Ms  anfangt,  ist  das  Gemüth  in  dem  Zu- 
stand der  äufsersten  Seelenangst,  die  an  Verzweiflung  grenzt,  versetzt:  Bei  30 
scheint  es  sich  über  diese  schrecklichst  Gefühle  zu  erheben  und  nach  und  nach 
den  früheren  ruhigen  Zustand  wieder  zu  erringen;  dies  wird  durch  die  besänf- 
tigenden Harmonien  welche  bei  33  folgen,    ausgedrückt. 

Die  hier  angeführten  Versuche,  Compositionen  zu  analysiren,  werden  hinrei- 
chend zeigen,  wie  der  Schüler  in  ähnlichen  Fällen  zu  verfahren  hat.  Zum 
Schlüsse  erlaubt  sich  der  Autor  dieses  Werks  noch  die  folgenden  Bernei}- 
kungen. 

Es  geschieht  oftmals,  dafs  der  Anfänger  den  entschiedenen  Willen  hat,  ein 
wissenschaftliches  Werk  mit  Aufmerksamkeit  und  Ausdauer  zu  studieren,  jedoch 
im  Verfolg  seines  Vorschreitens  beschleunigt  er  seine  Schritte,  und  übersieht 
daher  jene  scheinbar  unbedeutenden  Punkte,  die  als  verbindendes  Glied  so  uner- 
läßlich zum  Verständnifs  des  Ganzen  gehören.  Mag  nun  diese  schädliche  Eile 
in  der  zu  grofsen  Begierde  des  Lernens,  oder  in  dem  Selbstvertrauen  des  Schü- 
'lers  auf  eigene  schnelle  Fassungskraft,  oder  auch  in  natürlicher  Ungeduld  ihren 
Grund  haben,  jeden  Fall's  kann  der  Schüler  nicht  vorsichtig  genug  dagegen  an- 
kämpfen. Hat  er  wirklich  Lust,  sich  die  vollständige  Kenntnifs  dieses  Werks 
zu  verschaffen,  so  wird  er  ohne  Zweifel,  sich  in  Anwendung  der  Regeln,  die 
ihm  in  ruhiger  Folge  gegeben  wurden,  geübt  haben;  hat  er  dies  gethan,  so 
mufs  er   bemerkt  haben. 

Erstens,  dafs  sie  von  Anfang  bis  zu  Ende  eng  verbunden,  eine  stete  Schlufs- 
folge  von  Ursach  und  Wirkung  bilden,  so  dafs  sie  nicht  flüchtig  aus  dem  Zu- 
sammenhange getrennt,  gefafst  werden  können. 


z 


314  Analysation. 

ZweiteÄ.  dafs  Schritt  vor  Schritt  verfolgt,  sich  seiner  eigenen  Beobach- 
tung stets  neue  und  interressante  Gegenstände  darbieten,  die  seine  Ansichten 
erweitern  und  ihn  aufmuntern  werden,  weiter  fortzufahren. 

Drittens,  wird  er  selbst  Entdeckungen  machen,  ohne  mit  dem  Vorsatz  um- 
zugehen,  sie  zu  suchen. 

Hat  der  Schüler  in  dieser  Art  seine  Studien  mit  zurückgehaltener  Eile 
vollbracht,  so  wird  ihm  dringend  empfohlen,  einige  Versuche  zu  machen,  selbst 
zu  componiren.  Alle  Erkenntnifs  ist  zunehmend,  nur  Stufenweise  ist  Vollkom- 
menheit zu  erreichen.  Um  mit  Tüchtigkeit  zu  componiren,  ist  Uebung  noth- 
wendie. 

Wenn  gefragt  wird,    ob,     um  Compönist  zu  seyn,    man  Talent  und  Genie 
haben  mufs,    so    antworte  ich,  ja,  um  ein  grofser  Compönist  zu  werden,  sind 
diese  Gaben  allerdings  erforderlich,    doch  sind   sie  es   gleichfalls  um  grofser 
Poet,  Maler  oder  Baumeister  u.  s.  w.  zu  werden;  soll  aber  darum  sich  niemand 
mit  Dichtkunst,   Malerei  und  Musik  beschäftigen,   als  die  so  hochbegabten?    es 
wird  niemand  behaupten  wollen,    dafs    die   unendlich  vielen  Componisten,    die 
seit   der  frühesten  Zeit  gelebt  haben,    und   noch  leben,  alle  im  Besitze   dieser 
grofseji  Gaben  waren,  oder  sind!  sollen  wir  keine  Häuser  bauen,  weil  uns  nicht 
das  Genie,  die  Mittel,  gegeben  waren  Palläste  zu  construiren !  ist  es  denn  durch- 
aus nothwendig  die  Fantasie  eines  Gluck,    Haendel,  Mozart  oder  Beethoven  zu 
haben   um   eine  gute   Composition  zu  liefern?     Soll  niemand  schreiben  als  der 
eine  grofse  Symphonie,  Oper  oder  ein  Oratorium  componiren  kann?  wird  nicht 
Vergnügen  und  Nutzen   selbst,    aus  der   Composition   kleiner  Lieder,    Sonaten, 
Rondos,  Variationen  u.  s.  w.  für  uns  entstehen?    Machen  wir  doch  den  Ver- 
such.     Bisher  war  nur  immer  der  grofse  Stein  des  Anstofses;    wie  soll  ich  es 
anfangen?     Womit  soll  ich  beginnen?    dies  sind,   wir  können  es  nicht  läugnen 
sehr  natürliche  und  vernünftige  Fragen;  hat   der  Schüler  jedoch  mit  Aufmerk- 
samkeit  die   Lehre  über  Construction    der  Perioden   und  Melodien  in 
diesem  Werke  verfolgt,  so  besteht  die  Nothwendigkeit  dieser  Fragen  nicht  län- 
ger;  denn  was  kann  einfacher  seyn,   als  das  angewiesene  Verfahren?    oder  wel- 
cher Weg   sicherer   als   der    ihm  von  Beispiel  361  an  vorgeschriebene?     Bedarf 
es  denn  mehr,    als   dafs   der  Schüler  mit  einer  Linie   den   äufsern  Umrifs   der 
vorhabenden  Composition  nur  bestimme,  diesen  mit  Grundbässe  ausfülle,  aus 
diesen  wiederum  die  Bässe  entnehme,   nun   eine  Gegen melo die  im  Sopran 
bilde,    (die  ja   nach   den  Regeln   grofsentheils  von  selbst  entsteht).     Mittelstim- 
men, 


Analysation.  345 

men,  Dissonanzen,  Durchgehende  und  Hülfs- Noten  hinzufüge?  Alles  dieses  ist 
ohne  Schwierigkeit  zu  vollbringen,  da  es  durch  Regeln  bestimmt  wird,  und 
nichts  dem  Zufalle  überlassen  bleibt.  Bei  diesem  Verfahren  ist  weder  beson- 
deres musikalisches  Gefühl  noch  Genie,  keine  Fantasie,  kein  feines  kritisches 
musikalisches  Ohr  erforderlich  *). 

Mäfsiges  Talent,  mit  ein  wenig  Geduld  und  Nachdenken  gepaart,  reichen 
hin,  um  Compositionen  hervorzubringen  welche  den  Schüler  ermuntern,  und 
zu  höheren  Leistungen  anreizen  können  **).  Unbewufst  werden  unter  seiner 
Hand  neue  Stoffe  während  der  Arbeit  sich  entwickeln;  Subjecte,  welche  als 
unbedeutend  im  Anfang  von  ihm  nicht  geschätzt  werden,  können  nach  und 
nach  durch  kleine  Kunstgriffe  (welche,  versteht  sich  nur  nach  den  Regeln  ange- 
wendet werden  dürfen)  höchst  interessant  und  lieblich  werden. 

Zur  Erläuterung  des  hier  Gesagten,  und  um  den  Schüler  zu  ermuntern,  in 
der  Composition  sich  nun  zu  versuchen,  müssen  wir  ihn  die  stufenweise  Ent- 
wickelung ,  die  nach  und  nach  erfolgende  Veränderungen  der  einfachsten  Me- 
lodie und  Harmonie,  welche  aus  dem  ersten  Umrisse  entstanden,  recht  an- 
schaulich zu  machen  suchen,  und  alsdann  ihm  zeigen,  durch  welch  ein  leichtes 
Verfahren  mit  den  Grundmaterialien  wir  anderweitig  wiederum  im  Stande 
sind,  diese  in  neue  Stoffe  (in  ihrer  Verschiedenheit  und  Wirkung  unbe- 
rechenbar), umzuwandeln. 

Setzen  wir  für  einen  Augenblick  voraus,  die  Melodie  sey  gebildet,  die  Har- 
monie dazu  gesetzt,  alles  nach  den  Regeln  von  Beispiel  361  an,  so  werden  die 
innern  Stimmen,  mit  geringer  Veränderung,  neue  Melodien  geben,  welche  wie- 
derum in  Harmonie  auf  ganz  verschiedene  Weise  zu  setzen  sind,  indem  nur 
zu  Zeiten  der  ursprüngliche  Grundbass  oder  Bass  verändert  wird. 

Zweitens,  setzen  wir  neue  Harmonie  zu  der  Grund-Melodie,  mit  hinzufü- 
gung einiger  modificirten  Bässe,  so  geben  hier  wiederum  die  innern  Stimmen 
ganz  neue  Melodien.     Eben  dies  ist  der  Fall 

Drittens,  wenn  wir  die  ursprüngliche  Melodie  nach  den  Regeln  des  Bei- 
spiels 180  in  Harmonie  aussetzen,    oder 


*)     Ein  deutschar  Autor  sagt:  „Eine  Theorie  der  Kunst  ist  Schönheit  ohne  Gefühl  und  Fan- 
tasie" wie  wahr! 

**)     Die  stufenweise  Ervreitorang  de«  Umrisse«  der  Melodie,     Beispiel  361    bis    371    m^g    a)s 
Beweiis  dienen. 

[     44     ] 

■ 


346  Analysatiön. 

Viertens,  zu  der  so  in  Harmonie  gesetzten  Melodie  einige  modificirte 
Bässe  hinzufügen. 

Wir  müssen  uns  erinnern,  dafs  mit  jeder  Veränderung  der  Harmonie  eine 
übereinstimmende  Veränderung  der  Dissonanzen  und  durchgehenden  Noten  u.  s.  w. 
ebenfalls  eintritt. 

Bis  jetzt  haben  wir  allein  beachtet,  was  durch  die  Veränderung  der  Harmo- 
nien erreicht  werden  kann;  was  sollen  wir  aber  sagen,  wenn 

Fünftens,  wir  gleichfalls  das  Zeitmaafs  und  den  Rhjtmus  des  ursprünglichen 
Subjects,  oder  derer  die  daraus  entsprungen  waren,  verändern?  in  Wahrheit 
die  Mannichfaltigkeit  ist  so  grofs,  dafs  die  erste  Quelle,  aus  welcher  alle  diese 
Harmonien  entsprungen  waren,  nicht  immer  aufzufinden  bleibt. 

Sechsten s,  durch  Verwechselung  der  innern  Stimmen. 

Siebentens  zuletzt,  durch  Ausdehnung  der  Perioden,  so  wie  durch  Nachah- 
mungen in  den  verschiedenen  Stimmen. 

Nun,  da  alle  Mannichfaltigkeit  des  Effekts,  welche  aus  einem  einfa- 
chen Grundrisse,  wie  wir  ihn  beschrieben  haben,  entspringen  mufs,  nicht  ab- 
zuleugnen ist,  wo  ist  die  Schwierigkeit  welche  den  Schüler  abhalten  soll,  sich 
in  der  Composilion  zu  versuchen?  Das  hier  vorgeschriebene  einfache  Verfahren 
ist  zugleich  so  unterhaltend,  dafs  es  nur  eines  Willens  bedarf  und  die  Sache 
ist  vollbracht!  Der  Autor  wiederholt  noch  einmal,  dafs  wenn  der  Schüler  nur 
den  Versuch  wagt,  nur  die  Regeln  welche  in  diesem  Werke  enthalten  sind,  mit 
Geduld  und  Ausdauer  befolgt,  er  nicht  allein  keinen  Grund  zur  Unzufrieden- 
heit in  seinen  Gompositionen  finden  wird,  sondern  eine  Quelle  des  Vergnügens, 
von  dem  er  ohne  eigenen  Versuch  keine  Vorstellung  haben  kann. 


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